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Full text of "Altpreussische Monatsschrift"

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Monatsschrift 

neue  Folge.       ?—  /  -,s  >  r, 

Der  w 

Hauen  Preussiscasn  PiOTiniial-Bl&ttw 

vierte  F«lge. 
Herausgegeben 

Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert 


Zweiundzwanzigster  Band. 

Der  Provinaial-Blatter  LXXXVIII.  Band. 


Mit  Beiträgen 

0.  vu  Bann,   C.  Beckherrn,    R.  Bergan,  A.  Bezzenberger,  8.  Bujack,  L.  H.  Flacher, 

H.  Frtoeabier,  K.  Höhlbaum,  A.  Harn,  L.  iacony,  D.  Kuttner,  K.  Lohmeyer,  M.  Perlbaoh, 

R.  Pflteag,   R.  Reicke,   A.  Rogge,    A.  Stern,   0.  UngewKter,   C.  Witt,   F.  Zimmer 

und  Ungenannten. 


Hit  iwei  antograpbiachen  Karten 
und  Croqnis. 


Königsberg  in  Fr. 

Vertag  von  Perd.  Beyer's  Buchhandlnng. 

1886. 


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(  C  t  :z  r '-         ^  /*-f  c^    „ 


Alle  Rechte  bleiben  vorbehalten. 

Herausgeber  und  Mitarbeiter. 


T 


Inhalts-Verzeichniss. 


I.  Abhandlungen. 

Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau.  Von  Dr.  Rieh.  Petong. 

(Mit  zwei  autogr.  Karten.)    1—44. 
Die  Gobotiner.    Von  Adolf  Kogge.    45—49. 
De  ratione  componendi  cantus.    Antore  Thoma  Hornero  Egrano.    Von  Otto  Un- 

gewitter.    Nebst  biographischen  Notizen  über  Thomas  Homer  von  Rudolf 

Reicke.    50—58. 
Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants:  Die  Atomistik.  Von  Dr.  Otto  Kuttner 

in  Neuhaldensleben.    59—75. 
Kants  Gedanken  von  den  BewohneYn  der  Gestirne.    Vortrag,  gehalten  zum  Besten 

de»  Vereins  für  die  Erziehung  taubstummer  Kinder  von  Carl  Witt.    76—90. 
Kfinigsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten.    Vortrag,  gehalten  am 

16.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshauses  zu  Königsberg  in  Pr.  von  Prof. 

Dr.  Friedrich  Zimmer.    91—121. 
Der  preus8ische  Staatsxath  und  seine  erste  That  im  Jahre  1817.    Von  E  .  .  .  d* 

122-157. 
Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  Ober  Ostpreussen.  Vortrag,  gehalten  in  der  Alter- 

thum8ge8ell8chaft  zu  Insterburg  am  20.  Febr.  1885  von  Otto  van  Baren, 

Landgerichts-Präsident    185—217. 
Zar  volkstümlichen  Naturkunde.  Beiträge  aus  Ost-  und  Westpreuasen  von  EL  Friseh- 

bier.    218—334. 
Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenshaus  BaJga  und  seine  Umgebung.    Von  Carl 

Beckherrn.    335—345. 
Ans  Kaufs  Briefwechsel.  Vortrag,  gehalten  an  Kant's  Geburtstag  den  22.  April  1885 

in  der  Kant-Gesellschaft;  zu  Königsberg  von  Rudolf  Beicke.    Nebet  einem 

Anhang,  enthaltend  Briefe  von  Jac.  Sigism.  Beck  an  Kant  und  von  Kant  an 

Beck.    377—449. 
Michael  Burckhardt,  der  Nehrungspfarrer  und  seine  Gemeinde.    Ein  Sittenbild  aus 

der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  von  Adolf  Bogge.    450—462. 
Der  Schlossberg  bei  Jesziörken.    Von  C.  Beckherrn  (mit  Croquis).    468—466. 
*  Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden.    Von  Carl  Beck- 
herrn.   505—605. 
Nachtrage  zu  Robertins  Gedichten  von  Dr.  L.  H.  Fischer  in  Berlin*    606—617. 
Kants  Copernicanismus  auf  die  Begriffe  Notwendigkeit  und  Freiheit  angewandt 

Von  Dr.  Otto  Kuttner  in  Coblenz.    618—636. 
Tannenberg.    Von  A.  Hörn,  Rechtsanwalt.   637—648. 


V 


IT  Inbalts-Vereeichniss. 

II.  Kritiken  und  Referate. 

Dr.  Edm.  Veckenstedt,  Die  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der  Zamaiten  (Litauer). 
158—160. 

Max  Hobrecht,  Von  der  Ostgrenze.    Von  £.  W.    161—162. 

Dr.  Edm.  Veckenstedt,  Die  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der  Zamaiten  (Litauer). 
Von  A.  Bezzenberger.    346—352. 

Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Westpreussen.  Heft  IL  Der  Landkreis 
Danzig.    Von  G.    352—353. 

Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz  Westpreussen.  Von  R.  Bergau. 
467-468. 

Liv-,  Est-  und  Curländisches  Urkundenbuch.  Begründet  von  F.  0.  v.  Bunge,  fort- 
gesetzt von  Hermann  Hildebrand.    Bd.  8.    Von  M.  Perlbach.    649—651. 

Paul  Schlentber,  Frau  Gottsched  und  die  bürgerl.  Komödie.   Von  P.   651—653. 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1883.  162—173.  1884.  353—364. 
468-491.    1885.  654—665. 

III.  Mittheilungen  und  Anhang. 

Was  ist  ein  Gutsbesitzer  ohne  Polizeigewalt?  Von  Prof.  Dr.  Alfr.  Stern.  174—177. 

Beitrag  zur  Kenntniss  des  Beligionszustandes  in  Preussisch  Litauen  unter  dem 
ChurfÜrsten  Friedrich  Wilhelm.  Mitgetheilt  von  Budolf  Reicke.  177—178. 

Verzeichniss  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ostpreussens  ent- 
haltenen Abhandlungen  zur  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen.  Von 
Karl  Lohmeyer.    365—372. 

Der  Teufel  im  Flachs.  Nach  einer  Volkssage  poetisch  dargestellt  von  Leopold 
Jacoby  in  Cambridge,  Massachusetts.  372—373. 

Zur  Bechtsgeschichte.  Notiz  aus  dem  Kölner  Stadtarchiv  mitgetheilt  von  Dr.  Kon- 
stantin Hohlbaum.    492. 

Üniversit&ts-Chronik  1884/85.    178—179.    492—493.    666-667. 

Lyeeum  Hosianum  in  Braunsberg  1885.    179.    494. 

Altpreussische  Bibliographie  1884.    179—184.    373-376.    494—503.    667—682. 

Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1884.  Zusammengestellt  von  Budolf  Beicke. 
682-688. 

Preisausschreiben  des  Evangelischen  Vereins  für  geistliche  und  Kirchenmusik  der  Pro- 
vinzen Ost-  und  Westpreussen.    503—504. 

Eingesandt    184. 

Berichtigung.    376. 

Bitte.    504. 
L  Autoren-Begister.    689—690. 

IL  Sach-Begister.    690—692. 

Literarische  Anzeigen  (auf  den  Umschlagen). 


1 


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Altpreussische     ^ 


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Monatsschrift 

neue  Folge. 

Der 

Heues  Preussischen  FroTissial-Blätter 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


von 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Der  Monatsschrift  XXII.  Band.  Der  Provinzialblätter  LXXXVIII.  Band. 


Erstes  and  zweites  Heft 

Januar  —  März. 


[Mit  zwei  autographischen  Karten.] 


inPr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung. 

1886. 


Inhalt. 


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I.  Abhandlungen:  8eiu 

Die   Gründung   und  Elteste  Einrichtung   der  Stadt  Dirschau.    Von 

Dr.  Rieh.  Petoug.    (Mit  zwei  autogr.  Karten.) 1 — 44 

Die  Gobotiner.    Von  Adolf  Rogge 45—49 

De  ratione  componendi  cantus.  Autore  Thoma  Hornero  Egrano. 
Von  Otto  Ungewitter.  Nebst  biographischen  Notizen  über 
Thomas  Horner  von  Rudolf  Reicke 50—58 

Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants:    Die  Atomistik.    Von 

Dr.  Otto  Kuttner  in  Neuhai densleben       59—75 

Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne.  Vortrag,  gehalten 
zum  Besten  des  Vereins  für  die  Erziehung  taubstummer  Kinder 
von  Carl  Witt 76—90 

Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten.  Vortrag, 
gebalten  am  16.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshauses  zu 
Königsberg  in  Pr.  von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer      ,    .    .      91 — 12t 

Der  preussische   Staatsrath   und   seine   erste   That  im  Jahre  1817. 

Von  E  ...  d 122—157 

II.  Kritiken  and  Referate: 

Dr.  Edm.  Veckenstedt,  Die   Mythen,   Sagen  und  Legenden  der 

Zamaiten  (Litauer) 158—160 

Max  Hobrecht,  Von  der  Ostgrenze.    Von  E.  W 161—162 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1883 162 — 173 

III.  Mittlieilungen  and  Anhang: 

Was  ist  ein  Gutsbesitzer  ohne  Polizeigewalt?  Von  Prof.  Dr.  Alf r.  Stern  174 — 177 
Beitrag  zur  Kenntniss  des  Religionszustandes  in  Preussisch  Litauen 

unter  dem  Churfürsten  Friedrich  Wilhelm 177—178 

Universitäts-Chronik  1884/85 178—179 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1885 179 

Altpreussische  Bibliographie  1884 179 — 184 

Eingesandt 184 

Literarische  Anzeigen  (auf  dem  Umschlag). 


Literarische  Anzeigen« 

Zw  Carl  Kttntir'*  Untnerfttntö-?3ml)ljanMuns  in  ^tiitlbtxß 

ift  fofWn  eifdücnnr. 

Keßer  ben  peufföjen  (Drben  unb  feine  Berufung 

tta<#  IJfreußen. 

fton  Dr.   3Uflif  fUdf. 

(Sammlung  u<m  Wortragen.  Don  «frommel  mit  Pfaff  XII,  10.) 

?x<i$:  0,60  m. 


Gründung  nnd  älteste  Einrichtung  der  Stadt 

Dirschan, 

Von 

Dr.  Rieh.  Petong. 

(Mit  zwei  autogr.  Karten.) 

Die  Leuchte  des  Christentums  war  von  dem  polnisch-poinmerellischen 
Grenzbruch  bis  zur  Mündung  der  Weichsel  hindurchgedrungen,  soweit 
polnische  Eroberer  ihr  Scepter  geltend  zu  machen  vermocht  hatten. 
Wohl  gab  es  noch  manchen  Unterschied  zwischen  Wenden  und  Polen, 
in  Sprache  und  Sitte,  in  socialer  und  politischer  Organisation;  aber  die 
naturwüchsige  wendische  Art  wurde  von  der  höher  entwickelten  polni- 
schen Kultur  in  etwa  zwei  Jahrhunderten  fast  völlig  verdrängt.  Es  ist 
der  natürliche  Weg  solcher  Einflüsse,  mit  einer  politischen  Umgestaltung 
zu  beginnen,  um  zuletzt  mit  der  Verdrängung  von  Sprache  und  Sitte 
zu  ^chliessen.  Dass  dieser  Prozess  in  unserem  Lande  zwischen  Weichsel 
und  Leba  sich  jedoch  nur  teilweise  vollzog,  verdanken  wir  neben  der 
wetterwendischen  Politik  eingeborner  Machthaber,  zwei  Factoren,  dem 
deutschen  Ordenswesen  und  dem  deutschen  Bürgertum. 

Seitdem  Papst  EugeniusIII.  im  Jahre  1148  dem  polnischen  Bischof 
zu  Wlotzlaweck  in  Cujavien  die  kirchlichen  Einkünfte  von  Ostpommern 
mit  der  Burg  Edanzc  (Danzig)  und  allem  Zehnten  von  Getreide  und 
von  den  handeltreibenden  Schiffen,  von  der  Münze  und  der  Gerichtsbar- 
keit verliehen,  bis  in  die  Zeiten  der  Ordensherrschaft  hinein  begegnen 
wir  beständig  einem  Ankämpfen  gegen  die  polnische  Suprematie,  einer 
kirchlichen  und  politischen  Parteiströmung,  getragen  von  deutschen 
Rittern,  Mönchen  und  Bürgern. 

In  jener  Zeit  der  deutschen  Kolonisation  im  slawischen  Nordosten, 
zwischen  Elbe  und  Weichsel  —  ja  bis  zum  finnischen  Meerbusen  hinauf  — 
als  Staufer  und  Weifen,  Kaiser  und  Päpste  sich  mit  einander  maßen, 

Altpr.  Mouattiohrift  Bd.  XXII.  Hft.  1  n.  2,  1 


2  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau, 

war  nicht  das  Bewusstsein  der  Reichseinheit  und  der  nationale  Gedanke, 
wohl  aber  der  Trieb  nach  festumgrenzter  Selbstständigkeit  herrschend. 
Hierin  fühlten  sich  die  deutschen  Elemente,  so  verschieden  ihre  Inter- 
essen auch  waren,  mit  den  eingeborenen  Machthabern  Eins  und  lohnten 
mit  treuer  Anhänglichkeit  die  hochherzige  Protection  und  Beförderung, 
welche  sie  fanden.  Neben  dieser  Gegenströmung  trat  der  slawische 
Grundzug  der  Entwickelung  aber  doch  mächtig  hervor. 

Schon  im  Jahre  1139,  etwa  gleichzeitig  mit  der  oben  erwähnten 
kirchlichen  Vereinigung,  beginnt  mit  der  Teilung  des  polnischen  Reiches 
politische  Schwäche.  Gegen  Ende  des  Jahrhunderts  liegen  die  polnischen 
Teilfürsten  schon  mit  einander  im  Kampfe.  Waren  aber  inzwischen 
während  der  zweiten  Hälfte  des  zwölften  Jahrhunderts  die  einheimischen 
Statthalter  in  Pommerellen  zu  ansehnlicher  Macht  gelangt,  so  scheint 
doch  auch  hier  eine  feste  monarchische  Einrichtung  niemals  zum  Durch- 
bruch gekommen  zu  sein  und  im  zielbewussten  heroischen  Kampf  um 
Erhaltung  der  mühsam  errungenen  Selbständigkeit  verzehrt  sich  das 
eigeborene  Herrschergeschlecht.  Verderblicher  Bruderzwist  entbrannte, 
als  auf  dem  rechten  Ufer  der  Weichsel  eine  neue  Macht  sich  geltend 
machte  —  der  deutsche  Orden. 

Selbst  im  Vordringen  gegen  die  heidnischen  Preussen  begriffen, 
denen  man  das  Land  zwischen  Nogat  und  Weichsel  entzog,  hatte  die 
Pommerellische  Macht  sich  den  Brückenkopf  Zantir  auf  dem  rechten 
Ufer  der  Weichsel  geschaffen  und  da,  wo  weiter  unterhalb  eine  gute 
Uebergangsstelle  sich  fand,  gründeten  die  pommerellischen  Herzöge  auf 
wenig  ergiebigem  Boden  und  in  gering  bevölkerter  Gegend  die  neue 
Kirche  zu  Dyrsowe  (Dischau),  gerade  zu  der  Zeit,  als  die  erste  Ordens- 
gesandtschaft in  Cujavien  erschien;  als  aus  der  Ferne  ganz  neue  Unter- 
nehmungen gegen  die  heidnischen  Preussen  im  Anzüge  waren. 

Swantopolk,  der  grosse  Nationalheld,  hatte  schon  vorher  ausserhalb 
Danzigs  dem  heiligen  Nikolaus,  dem  Patrone  der  Schiffer  und  Fischer, 
eine  Kapelle  errichtet.  Es  ist  die  Zeit,  in  der  die  Klöster  Zuckau  und 
Oliva  reiche  Schenkungen  erhielten,  in  welcher  auch  der  Kirche  und 
dem  Kloster  zu  St.  Albrecht,  sowie  den  Johannitern  und  andern  Geist- 
lichen reiche  Dotationen  zuteil  wurden. 


Von  Dr.  Rieb.  Petong.  3 

Swantopolk  suchte  sich  der  Gunst  des  Gneseuer  Erzbischofs  zu 
versichern,  nachdem  Papst  Gregor  IX.  ihn  vorher  schon  seines  Schutzes 
gegen  die  Fürsten  von  Polen  versichert. 

Es  war  ein  ebenso  politischer  als  kirchlicher  Gedanke,  sich  durch 
ein  neues  frommes  Werk  angesichts  der  gefahrlichen  Heiden  bei  den 
von  Kaiser  und  Papst  begünstigten  Glaubenskämpfern  in  Achtung  zu 
setzen.  Ausser  den  Klosterkirchen  .von  Oliva  und  Zuckau  gab  es  da- 
mals sehr  wenige  Kirchen  im  Lande.  Priester  begegnen  uns  an  den 
TTürstensitzen  zu  Danzig  und  Schwetz;  auf  der  wichtigen  südlichen 
Grenzburg  Wyszegrod  besteht  eine  Kirche,  deren  Patron  Swantopolk  ist, 
und  in  Liebschau  hat  der  Johanniterorden  zwei  Priester;  ausserdem 
kommen  noch  der  Johannitersitz  Schöneck  und  St.  Albrecht  bei  Danzig 
in  Betracht;  andere  Kirchen  werden  urkundlich  nicht  genannt. 

Bei  so  spärlicher  Anzahl  von  Gotteshäusern  kann  man  die  Gründung 
der  Dirschauer  Kirche  in  unmittelbarer  Nähe  von  Liebschau  nur  einem 
ausserordentlichen  Anlass  zuschreiben. 

Der  unmündige  Sambor,  der  spätere  Gründer  des  Schlosses,  hatte 
von  vornherein  wenig  Teil  an  dem  Werk;  der  ihn  bevormundende 
Bruder  Swantopolk  erkannte  mit  kühnem  Scharfblick  die  Bedeutung  des 
Ortes.  Der  gemischte  Charakter  des  Baues  spricht  noch  heute  für  die 
verschiedenartige  Beteiligung  der  Erbauer.  Der  Turmkoloss,  auf  un- 
behauenen Granitblöcken  errichtet,  ist  etwa  13  Meter  breit,  ca.  10  Meter 
tief.  Da  seine  Wände  unten  eine  Stärke  von  etwa  3  Meter  aufweisen, 
ist  der  im  Lichten  bleibende  Raum  nur  gering,  zur  Vollendung  scheint 
er  niemals  gediehen  zu  sein,  so  dass  bei  der  vor  kurzem  erfolgten  Auf- 
bringung neuer  Glocken  der  Wunsch  nach  einem  vollständigen  Ausbau 
des  Turmes  zu  Tage  trat.  Gegenwärtig  ist  er  nur  100  Puss  hoch, 
darüber  befindet  sich  eine  hölzerne  Fortsetzung  von  ca.  25  Fuss  Höhe, 
aber  der  gewaltige  Ziegelkoloss  ist  meilenweit,  besonders  von  dem  tiefer- 
liegenden Werdergebiete,  sichtbar.  Das  ältere  Dach  der  Kirche  reichte 
noch  über  den  jetzigen  oberen  Rand  des  Turmes  hinaus.  Bei  einem 
Ausbau  nach  Art  der  Danziger  Marienkirche  müsste  derselbe  mindestens 
die   doppelte  Höhe   erhalten.    Während   seiner   ehemaligen   Erbauung 

machte  sich  bereits,  wie  es  scheint,  eine  Geschmacksänderung  geltend. 

1* 


4  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirscbaa. 

Statt  des  niedrigen  Rundbogens  an  den  Lichtöffnungen  der  Vorderseite 
wählte  man  an  der  Südseite  die  Spitzbogenform.  Da  die  Seitenschiffe 
der  Kirche  aus  späterer  Zeit  stammen,  so  erscheinen  die  beiden  ur- 
sprünglichen Chöre,  das  grössere  etwa  25  Meter,  das  kleinere  etwa 
20  Meter  lang,  sowie  die  geringe  Breite  wie  ein  Abfall  von  dem 
Gedanken,  welchem  der  Turm  seine  Entstehung  verdankt;  aber  nach 
dem  Maß  jener  Zeiten  war  die  neue  Kirche  zur  heiligen  Kreuzerhöhung 
ein  gewaltiger  Bau,  und  nicht  nur  auf  ein  momentan  vorhandenes  Be- 
dürfnis berechnet.  Es  gab  schon  einzelne  Dörfer  im  Danziger  Werder, 
und  dass  auch  das  grosse  Werder  zwischen  Weichsel  und  Nogat  da- 
mals nicht  ganz  ohne  Ansiedler  war,  schliessen  wir  nicht  sowohl  aus  den 
prähistorischen  Funden;  welche  Dr.  Marschall  in  16  verschiedenen  Orten 
mit  preussischen  und  altslawischen  Namen  nachgewiesen  hat,  sondern 
aus  den  seit  dem  Jahre  1251  über  besondere  Besitztitel  vorhandenen 
Urkunden.  Fischfang  und  Jagd,  zum  Teil  auch  die  Holznutzung  reizten, 
wenn  nicht  zur  Ansiedlung  so  doch  zu  zeitweisem  Aufenthalt.  Längs 
der  damals  zahlreicheren  Wasserarme  und  über  dieselben  führten  ge- 
wisse Passagen.  Wo  eine  neue  Insel  sich  bildete,  baute  man  Wehre 
und  Blockhäuser,  um  den  angrenzenden  Strich  beherrschen  und  unbe- 
schränkt ausbeuten  zu  können.  Es  gab  auch  unzweifelhaft  einen  Ueber- 
gangsweg,  welcher  von  der  Weichsel  bei  Lichtenau  vorbei  nach  der 
Nogat  führte;  doch  lief  derselbe  wie  die  betreffende  Urkunde  von  1254 
lehrt,  wenigstens  teilweise  einen  Weichselarm  entlang.  Es  galt  dies 
Grenzgebiet  zu  kolonisiren  und  fester  in  den  ostpommerschen  Macht- 
bereich einzufügen,  als  man  auch  den  leicht  zu  verteidigenden  Hügel, 
auf  welchem  die  Dirschauer  Pfarrkirche  zu  stehen  kam,  zur  historischen 
Bedeutung  erhob. 

Die  Ordensritter  waren  inzwischen  langsam  aber  unaufhaltsam  das 
rechte  Weichselufer  hinab  vorgedrungen.  Burgen  und  Städte  gaben 
dem  Lande  ein  neues  den  slavischen  Nachbarn  völlig  unbekanntes  Aus- 
sehn. Auf  der  Weichsel  wurde  es  von  fremden  Schiffen  lebendig,  ein 
neuer  Pilger-  und  Handelsverkehr  begann  und  'die  einheimischen  Herzoge 
waren  bemüht,  die  Yortheile  dieser  Veränderungen  sich  nicht  entgehen 
zu  lassen.  Seit  Erbauung  der  Burg  Elbing  im  Jahre  1237  erlangte  auch 


Von  Dr.  Rieb.  Petong.  g 

der  Weg  von  Dirschau  ostwärts  durchs  Werder  grössere  Bedeutung. 
Die  deutschen  Einwanderer  strömten  herbei,  um  das  was  das  Schwert 
der  Bitter  bezwungen,  noch  einmal  mit  dem  Pflug  zu  erobern. 

Swantopolk  und  Sambor  erkennen  die  wachsende  Bedeutung  auch 
des  untern  linksseitigen  Ufers  der  Weichsel. 

Nach  den  Resultaten  der  bisherigen  Forschung  war  die  slavische, 
osfpommersche  Bevölkerung  eine  ursprunglich  sehr  dünne,  wenn  auch 
in  grösserer  Menge  Ortsnamen  schon  früh  urkundlich  vorkommen. 
Fischfang  und  Jagd  neben  spärlichem  Ackerbau  konnte  man  in  dem 
seen-  und  flussreichen  Lande  im  Innern  und  überall  wo  Waldungen  den 
Holzbedarf  darboten,  besser  betreiben,  als  an  dem  holzarmen  Hochufer 
der  Weichsel  von  der  Mündung  der  Ferse  abwärts  bis  Dyrsowe  (Dirschau). 
So  erklärt  es  sich,  dass  die  Uferstriebe  des  gewaltigen  schiffetragenden 
Stromes  erst  im  Laufe  der  Verwickelungen  mit  den  feindlichen  Nachbaren 
allmälig  eine  grössere  Bedeutung  erhalten. 

Dem  Lande  Wanecke  oder  Mewe,  unmittelbar  nördlich  von  der  Ein- 
mündung der  Ferse,  da  wo  eine  breitere  Tieflandsausbuchtung  Teilungen 
des  Stromlaufs  und  Inselbildungen  hervorrief,  welche  nach  der  Ein- 
dämmung der  heutigen  Niederungen  von  Liebenau,  Rosenkranz  und 
Falkenau  gegenwärtig  bis  auf  wenige  Reste  entschwunden  sind,  muss 
jedoch  eine  Ausnahmestellung  zuerkannt  werden.  Zahlreiche  heidnische 
Gräber  verschiedener  Art  weisen  auf  eine  jederzeit  ansehnliche  Bevöl- 
kerung hin;  hierher  jedenfalls  richteten  vornehmlich  die  jenseits  woh- 
nenden Pruzzen  ihre  räuberischen  Einfalle,  wenn  anders  nicht  die  kriegs- 
lustigeren Ostpommern  gerade  von  hier  aus  ihre  Nachbaren  am  meisten 
heimsuchten  und  zur  Vergeltung  herausforderten.  In  Feindesland  hatten 
sie  der  heutigen  „Insel  Küche"  gegenüber  in  der  Nähe  des  Dorfes 
„Rudnerweide"  die  Burg  Zantir  gegründet  und  lange  genug  mag  diese 
Burg  für  die  Pruzzen  eine  Quelle  des  Schreckens  gewesen  sein,  als 
Swantopolk  dem  Beispiele  anderer  freigiebigerer  Förderer  des  Bekehrungs- 
werks folgend,  dieselbe  an  Christian,  den  neuen  preussischen  Bischof  abtrat. 

Zantir  war  nicht  Mos  das  Ausfallthor  gegen  die  heidnischen  Preussen, 
das  nunmehr  im  Besitz  eines  Glaubensapostels  friedlichen  Zwecken  ge- 
weiht schien,  sondern  es  war  auch  der  Stützpunkt  für  die  Verteidigung 


g  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Diracbau. 

der  ganzen  zwischen  Nogat  und  Weichsel  gelegenen  Insel,  welche  von 
der  Burg  ihren  Namen  erhielt.  Um  den  Besitz  dieser  Burg  dreht  sich 
Jahrzehnte  hindurch  die  Politik  aller  beteiligten  Machthaber,  und  kommt 
es  dabei  klar  zur  Erscheinung,  wie  die  kirchlichen  und  Bekehrtings- 
interessen  nur  ein  Motiv  innerhalb  der  Verwickelungen  und  Kämpfe  um 
Macht  und  Herrschaft  bilden. 

So  lange  Swantopolk  die  Schwäche  Polens  benutzend  als  Landes- 
fürst  sich  zu  festigen  suchte  und  klüglich  vermied,  die  Wut  der 
Heiden  zu  reizen,  während  der  Orden  zugleich  im  Culmerlande  sich 
eine  landesherrliche  Stellung  begründete,  war  der  Verzicht  auf  Zantir 
zur  Beförderung  des  Bekehrungswerkes  ein  guter  Gedanke,  um  nach 
keiner  Seite  hin  Anstoss  zu  wecken.  —  Als  aber  Bischof  Christian  und 
der  Orden  selbst  mit  einander  zerfielen  und  Sarabor  schon  lange  mit 
seinem  Bruder  Swantopolk  uneins,  auf  ebenso  rücksichtslose  wie  unkluge 
Pläne  verfiel,  trachtete  Swantopolk  um  jeden  Preis  nach  der  Wieder- 
erlangung des  wichtigen  Punktes.  In  dem  Zwist  der  Brüder,  der  wie 
man  glaubt  wegen  Führung  der  Vormundschaft  oder  wegen  Erbteilung 
entstanden,  zeigte  sich  Sambor  in  der  That  leidenschaftlich  und  in 
hohem  Grade  erregbar.  Mochte  er  bei  seinen  Beziehungen  zu  den 
Preussen  auch  nicht  direkt  an  eine  Schädigung  der  Kirche  und  des 
christlichen  Glaubens  denken  —  ehe  der  Orden  Pomesanien,  das  Land 
zwischen  Ossa  und  Ilfing  anbaute,  hatten  Christian  und  andere  Apostel 
die  christliche  Lehre  daselbst  verbreitet  —  sein  Plan  oder  Vorgeben, 
die  Tochter  eines  preussischen  Edlen,  Namens  Preroch,  heirathen  zu 
wollen,  die  Schuld,  die  man  ihm  beimaß,  einem  heidnischen  Heerhaufen 
zu  einem  Plünderungszuge  den  Durchzug  gestattet  oder  nicht  verwehrt 
zu  haben,  machte  seine  Stellung  sehr  schwierig. 

Er  entschloss  sich,  um  nicht  völlig  isolirt  dazustehen,  die  Ver- 
mittelung  des  Landmeisters  Hermann  Balke  anzurufen,  der  sie  gerne 
gewährte.  Erhob  sich  der  Orden  doch  dabei  selbst  zu  einer  höheren 
Stellung,  indem  er  die  Gelegenheit  benutzte,  Grenzverlegungen,  Zoll- 
bedrückungen und  Belästigungen  anderer  Art  Swantopolk  vorzuhalten 
und  den  Pommernherzogen  gegenüber  fortan  die  Kolle  eines  begehrlichen 
Schiedsrichters  und  Protektors  erhielt.    Der  Orden  besetzte  nicht  nur 


Von  Dr.  Rieb.  Petong.  7 

Zantir,  die  Bnrg  des  noch  von  den  Heiden  gefangen  gehaltenen  Bischofs, 
sondern  erbaute  sogar,  von  Sambor  aufgefordert,  auf  dem  linken  Weichsel- 
ufer, da  wo  das  Hochufer,  das  Zantir  gegenüber  vom  Strome  zurück- 
tretend, sich  bald  wieder  eng  ans  Strombett  anschliesst,  die  geeignetste 
Stelle  darbot,  mit  seinem  Schützling  gemeinsam  die  Burg  Gerdin. 
Swantopolk,  der  bisher  beständig  bestrebt  gewesen  war,  sein  Einver- 
nehmen mit  den  Rittern  ungestört  zu  erhalten  und  in  richtigem  Takt  jeden 
Zündstoff  zu  Streit  vermied,  erkannte  mit  Recht,  in  dem  neuen  Unter- 
nehmen den  Anfang  des  Niederganges  der  pommerellischen  Herrschaft.  — 
Von  dem  Rechte  des  obersten  Herzogs  in  Pommern  Gebrauch  machend, 
erstürmte  Swantopolk  Gerdin.  Er  wie  der  Orden  vermieden  damals 
noch  ängstlich  aus  diesem  Ereignis  einen  Kriegsfall  zu  machen.  Nicht 
durch  eigene  Macht,  sondern  durch  Gottes  gerechtes  Urteil,  sagt  Swanto- 
polk selbst,  hätte  er  den  Sieg  gewonnen.  Er  nahm  Sambor  wohl  ge- 
fangen, liess  die  gefangenen  Ritter  aber  frei  abziehen,  gab  auch  den 
Bruder  bald  frei  und  versprach  ferner  im  Juni  1238  bei  Strafe  des 
Bannes  sich  aller  Belästigungen  des  Ordens,  seiner  Unterthanen  und  der 
zuziehenden  Fremden  zu  enthalten. 

Von  nun  an  sehen  wir  bis  zum  Jahre  1248  die  Politik  der  beiden 
Brüder  in  immer  schrofferen  Gegensatz  treten.  Während  Swantopolk 
von  den  Rittern  zunächst  nichts  fürchtend  sich  in  die  polnischen  Händel 
mischte,  um  dort  neue  Macht  zu  gewinnen,  tritt  Sambor  als  unmittel- 
barer Nachbar  des  unaufhaltsam  vordringenden  Ordens  in  immer 
grössere  Abhängigkeit  und  scheint  seiner  slavischen  Abstammung  ganz 
zu  vergessen.  Wenn  nun  die  grosspolnischen  Fürsten  den  älteren  ihnen 
verschwägerten  Bruder  unterstützten,  so  stellte  sich  der  deutsche  Orden 
ganz  auf  Seiten  Sambors,  des  Schwächeren.  Sambor,  seit  1232  mit 
Mathilde,  der  Tochter  Borwins  II.  von  Mecklenbug  verheirathet,  umgab 
sich  mit  deutschen  Rittern  und  Mönchen  und  setzte  im  Bunde  mit 
seinem  Bruder  Ratibor  von  Beigard  den  Kampf  gegen  Swantopolk  fort. 

Ein  bestimmtes  Staatsrecht  gab  es  in  jener  Zeit  nicht,  klare  und 
unzweideutige  Verträge  und  Vereinbarungen  zwischen  den  Brüdern 
mochten  ebensowenig  geschlossen  sein.  Swantopolk  sah  sich  nach  dem, 
was  Mestwin,  der  Vater,  auf  dem  Sterbebette  zu  ihm  gesprochen,  und 


I 


g  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Direchau, 

weil  er  der  älteste  war,  als  den  Oberherrn  über  seine  Brüder  an  und 
beanspruchte  namentlich  auch  Verfügungsrecht  über  die  festen  Plätze 
im  Lande.  Aber  gleichviel  ob  er  als  oberster  Kriegsherr,  oder  blos 
nach  einfachem  Kriegsrecht  gegenüber  dem  feindseligen  Bruder  verfuhr; 
die  Burg  Schlanz  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichsel,  zwischen  Zanür 
im  Süden  und  Gerdin  im  Norden  gelegen,  wurde  von  ihm  erbaut  oder 
befestigt.  Diese  Burg  erscheint  damals  zum  ersten  Mal  in  der  Geschichte. 
Sie  lag  im  Gebiete  Sambors  und  dieser  fasste  gemeinsam  mit  Ratibor 
den  Plan,  sie  Swantopolk  zu  entreissen.  Swantopolk  lag  bereits  im  Krieg 
mit  dem  Orden  und  zwar  während  des  ersten  grossen  Abfalls  der  Neu- 
bekehrten, zu  dessen  Unterwerfung  nicht  weniger  als  11  Jahre  erforderlich 
waren.  Später  wurde  Schlanz,  ob  noch  als  Burg  oder  bloss  als  unbe- 
festigter Ort,  die  erste  Besitzung  des  Ordens  auf  dem  linken  Weichselufer, 
als  Geschenk  von  einem  Kitter  Mestwins  IL,  der  seines  Vaters  Swantopolk 
Nachfolger  wurde,  —  jedenfalls  ein  Anzeichen  für  die  Bedeutung,  welche 
man  diesem  Punkte  am  linken  Ufer  der  Weichsel  beimass.  —  Ehe 
damals  aber  Sambor  sein  Unternehmen  gegen  Schlanz  ausführen  konnte, 
fiel  er  in  Swantopolks  Hände  und  wurde  dort  gefangen  gesetzt.  Auch 
Zantirs  hatte  Swantopolk  sich  von  neuem  bemächtigt  und  die  Burg 
daselbst  wieder  aufgebaut.  Vornehmlich  aber  suchte  der  Herzog  die 
Wasserstrasse  auf  der  Weichsel  dem  Orden  zu  sperren ;  doch  in  seinem 
nationalen  oder  landesherrlichen  Eifer  erwuchs  ihm  bald  ein  so  grosses 
Heer  von  Anklägern  und  Gegnern,  dass  er  in  den  Augen  der  Welt  zuletzt 
nur  als  „Sohn  des  Verraths  und  der  Bosheit,  als  Kind  des  Teufels" 
erschien,  weil  er  den  Rittern  den  Kampf  gegen  die  Heiden  erschwerte. 
Mit  dem  Banne  bedroht  und  von  dem  Ordensheer,  den  Polen  und 
fremden  Kriegsschaaren,  welche  dem  Orden  in  seiner  Bedrängniss  zu 
Hilfe  eilten,  im  eigenen  Lande  heimgesucht,  so  dass  „nicht  ein  Winkel 
in  Pommern"  blieb,  der  nicht  von  Raub  und  Brand  heimgesucht  wäre, 
wie  es  bei  einem  Chronisten  heisst,  lagerte  er  sich  zuletzt  vor  Zantir, 
von  dort  aus  das  von  den  Rittern  neuerbaute  Christburg  bedrohend.  — 
Aber  statt  Christburg  zu  gewinnen,  verlor  er  Zantir;  was  von  seinem 
Heeere  dem  Tode  in  der  Schlacht  oder  der  Gefangenschaft  entrann, 
kam  auf  der  Flucht  in  denFluthen  der  Weichsel  um;  er  selbst  entging 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  9 

mit  genauer  Not  demselben  Schicksal.  Von  nun  an  sinkt  der  Stern 
pommerellischer  Grösse,  obwohl  in  dem  darauf  geschlossenen  Frieden 
der  Orden  den  Herzog  im  Besitz  des  grossen  Werders  anerkannte;  denn 
dieser  musste  nicht  nur  auf  alle  anderen  Besitzungen  östlich  der  Weichsel 
verzichten,  sondern  durfte  fernerhin  pommerschen  Zoll  auch  nur  an  der 
alten  Zollbrücke  bei  Danzig  und  nicht  mehr  über  das  herkömmliche 
Maaß  erheben.  Seinem  Bruder  Sambor  hatte  er,  von  Mitleid  bewogen, 
schon  vor  dem  im  Jahre  1248  mit  dem  Orden  geschlossenen  Frieden, 
die  Freiheit  wiedergegeben.  Miteinander  versöhnt,  wetteifern  beide  — 
nach  dem  Jahre  1248  in  der  Hebung  des  Landes.  Swantopolk  giebt 
an  Sambor  alle  Burgen,  welche  er  als  die  seinigen  beansprucht,  heraus 
und  erklärt  alle  Bestimmungen  eines  aus  den  Herren  Nicolaus  und 
Johann  von  Mecklenburg  (Werle),  leiblichen  Brüdern  von  Sambors 
Gattin  Mathilde  und  dem  Landmeister  von  Preussen  gebildeten  Schieds- 
gerichts anerkennen  zu  wollen.  Ein  gewisses  Misstrauen  blieb  jedoch 
noch  zurück;  und  seinem  gefährlichsten  Rivalen,  dem  deutschen  Orden 
gegenüber,  der  ihm  Mestwin  seinen  Sohn  und  Thronfolger  schmerzlich 
lange  Jahre  als  Geissei  zurückbehalten  hatte  und  auch  in  den  polnischen 
Angelegenheiten  sowie  im  Verhalten  seinem  Bruder  gegenüber  von  ihm 
den  Gehorsam  eines  Vasallen  verlangte,  grollte  er  weiter. 

Ein  Unglück,  das  die  Bitter  im  Kampf  gegen  die  Ermländer  und 
Natanger  1249  betraf,  reizte  den  thatkräftigen  Herzog  noch  einmal  mit 
den  Heiden  vereint  in  Pomesanien  einzufallen.  Aber  er  kämpfte  für 
eine  verlorene  Sache.  Auf  Betreiben  des  Pabstes  kamen  zahlreiche 
Kreuzfahrer,  so  ein  Markgraf  von  Brandenburg,  der  Bischof  von  Merse- 
burg und  ein  Fürst  von  Anhalt  herbei  und  mit  dem  Jahre  1253  war 
der  „erste  Abfall"  der  Preussen  völlig  niedergeworfen  und  der  scheel- 
blickende Pommernherzog  für  immer  paeifizirt.  Swantopolk  erkannte 
nun  endlich  doch  selbst,  wie  seine  Bemühungen,  die  Festsetzung  der 
Deutschen  in  seiner  nächsten  Nachbarschaft  zu  verhindern,  durchaus 
vergebliche  waren.  Die  ostpommersche  Macht  musste  sich  wohl  oder 
übel  für  überflügelt  ansehen  und  in  den  Hintergrund  stellen.  Es  wäre 
nicht  unmöglich,  dass  Sambor  Anlass  gehabt,  schon  vor  diesen  Ver- 
wickelungen mit  dem  Bau  seiner  Burg  zu  Dirschau  den  Anfang  zu  machen; 


20  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirachau. 

aber  wahrscheinlich  ist  es  doch  nicht.  Ebenso  wie  Swantopolk  ritter- 
lich kühn,  konsequent,  energisch  und  weitblickend,  so  erscheint  Sambor 
in  allen  seinen  Unternehmungen  vorsichtig  ängstlich  und  zaghaft,  wenn 
es  ihm  auch  deshalb  nicht  an  kluger  Berechnung  fehlte.  Er  erkannte 
eben  bei  seinen  beständigen  Beziehungen  und  intimeren  Verbindungen  mit 
dem  Orden  lange  vor  Swantopolk  die  Nutzlosigkeit  eines  Widerstandes 
oder  gar  offener  Feindseligkeit  gegen  den  auf  den  Pittigen  der  Christenheit 
und  der  weltherrschenden  deutschen  Nation  zu  einer  glänzenden  Macht- 
fülle emporsteigenden  Orden  und  wusste  sein  bescheidenes  Stückchen 
von  Souveränität  darnach  zu  brauchen. 

Wir  haben  keinerlei  Nachricht  darüber,  dass  Sambor  etwa  auf 
Ermunterung  des  Ordens  oder  mit  dessen  Hilfe  während  seines  Zwistes 
mit  dem  älteren  Bruder  mit  dem  Burgbau  zu  Dirschau  begonuen  oder 
später  nach  geschlossenem  Frieden  auf  Swantopolks  liath  in  dessen 
Oesiuuungen  und  Pläne  einlenkend,  ein  Bollwerk  gegen  den  Orden  auf- 
zurichten gedacht  hat.  Was  auch  die  bisherigen  Geschichtsschreiber, 
sei  es  aus  Lokalpatriotismus  oder  in  mühseligem  Eifer  der  Forschung 
für  das  undenkliche  Alter  des  Ortes  geltend  zu  machen  versucht  haben, 
diente  eben,  Irrtum  aus  Irrtum  erzeugend,  allein  der  Ansicht  zur  Stutze, 
dass  Dirschau  seit  dem  Jahre  1243  bereits  als  Sanibors  Residenz  an- 
zusehen ist. 

Es  ist  für  die  Bestimmung  des  Zeitpunktes  wie  für  das  ganze 
Auftreten  Sambors  charakteristisch  genug,  dass  er  am  7.  December  1251 
dem  Orden  zu  Kulm  bekundet,  wie  er  demselben  seine  Ansprüche  auf 
das  grosse  Werder  —  Insel  Zantir  genannt  —  abtritt.  War  nach  dem 
Wortlaut  der  Friedensurkunde  von  1248  dem  Orden  nicht  der  mindeste 
Anspruch  auf  die  Insel  Zantir  eingeräumt  worden;  denn  nur  oberhalb 
Zantirs  sollte  die  Tiefe  der  Weichsel  für  alle  Inseln  und  Landstücke 
die  Grenze  zwischen  dem  ostpommerschen  Staate  und  der  Herrschaft 
des  Ordens  bilden  —  so  giebt  sich  Sambor  nunmehr  den  Anschein,  als 
ob  das  Werder  ihm  eigentlich  niemals  gehört  habe.  Von  jedem  An- 
spruch, den  er  auf  die  Insel  haben  sollte,  oder  den  man  ihm  zuge- 
schrieben habe,  erklärte  er,  trete  er  zu  Gunsten  des  Ordens  zurück. 
Er  begnügt  sich  gerne  mit  einem  Stück  Landes  4000  Schritte  lang  und 


Vou  Dr.  Rieh.  Petong.  \\ 

40CO  Schritte  breit,  welches  er  als  eine  frühere  Verleihung  des  Ordens 
zum  Schutze  seiner  mit  ihm  gemeinsam  erbauten  Burg  Gerdin  ansieht 
und  will  sogar  dieses  Stück  abtreten  und  auf  die  gemeinsame  Nutzung 
der  Weichsel  verzichten,  wenn  ihm  der  Orden  150  Mark  Silber  auszahlt. 
Spaterhin  will  er  mit  seinem  (dem  linken)  Ufer  der  Weichsel  bis  zur 
Tiefe  des  Stromes  zufrieden  sein.  Man  begreift  diese  freiwillige  Ent- 
sagung, diese  ängstliche  Bescheidenheit  nur,  wenn  man  sich  den  Plan 
vergegenwärtigt,  mit  welchem  Sambor  damals  sich  trug.  Nördlich  von 
Zantir  und  Gerdin  gab  es  auf  dem  linken  Ufer  der  Weichsel  keinen 
Punkt,  der  bei  dem  Zusammenstoss  mit  dem  Orden  eine  wirksamere  ' 
Stütze  für  die  poraraerellische  Macht  abgeben  konnte,  als  Ufer  und  Berg 
bei  der  Kirche  von  Dyrsowe  (Dirschau). 

Im  Frühliug  des  nächsten  Jahres  am  30.  April  1252  ist  Sambor 
mit  dem  Sau  der  Burg  gerade  beschäftigt,  als  er  den  Bürgern  von 
Kulm  für  den  ihm  während  seines  Streites  mit  Swantopolk  geleisteten 
Beistand  Zollfreiheit  in  seinem  Lande  gewährt.  So  leitet  er  das  be- 
deutsame Werk  mit  Wohltaten,  Schenkungen  und  Versicherungen  der 
Dankbarkeit  und  grössten  Ergebenheit  gegen  den  Orden  und  seine  Unter- 
tanen ein,  immer  von  Freude  und  Ehre  erfüllt,  denen  Gutes  erweisen 
zu  dürfen,  welche  sein  neues  Werk  möglichenfalls  mit  Argwohn  be- 
trachten oder  ihm  Hindernisse  in  den  Weg  legen  konnten. 

Vor  seinem  Bruder  Swantopolk  flüchtig  hatte  Sambor  als  Schützling 
des  Bischofs  Michael  von  Cujavien  und  des  deutschen  Ordens  gewisser- 
maßen im  Exil  gelebt.  Nach  den  von  ihm  ausgestellten  Urkunden  war 
er  bis  zum  Sommer  des  Jahres  1250  sicher  noch  nicht  in  sein  Land 
zurückgekehrt.  Für  300  Mark  Silber  polnischen  Gewichts,  welche  ihm 
in  seiner  dürftigen  Lage  der  Bischof  geliehen,  trat  er  demselben  um 
diese  Zeit  sieben  Dörfer  ab  und  der  Landmeister  Ludwig  von  Preussen 
bescheinigt  und  genehmigt  diese  Schenkung,  als  ob  die  blosse  Beur- 
kundung Sanibors  anfechtbar  sein  könnte. 

Bischof  Michael  verzichtete  damals  auf  die  vermutlich  sehr  unregel- 
mäßig eingehenden  Zehnten  aus  Sambors  Gebiet;  aber  durch  den  Besitz 
der  sieben  Dörfer  scheint  sein  Nachfolger  Wolimir  ebenso  wenig  befriedigt 
worden  zu  sein.  Denu  Swantopolk  versprach  demselben  schon  im  Februar 


}2  Di*  Gründung  und  älteste  Einriebtang  der  Sudt  Dtrschau. 

1253,  ihn  in  allen  seinen  geistlichen  Rechten  zu  schätzen  und  machte 
sich  anheischig  ihm  die  Zehnten  wieder  zu  zahlen  und  jenen  Vertrag 
vom  Jahre  1250  zn  annulliren,  sobald  er  Sambors  Land  unter  seine 
eigene  Herrschaft  bekäme.  Nach  alledem  ist  es  wahrscheinlich,  dass 
Sambor  erst  gegen  Ende  des  Jahres  1251,  nachdem  er  die  Insel  Zantir 
dem  Orden  geschenkt,  in  sein  Land  zurückgekehrt  ist  und  mit  dem  Bau 
der  Burg  Dirschau  seine  lang  vermissic  Selbständigkeit  neu  zu  begründen 
suchte.  1250  nennt  Sambor  sich  noch  den  Herrn  von  Liebschau,  wo 
er  seither  residirt  hatte,  dagegen  1253  dient  ihm  bereits  Zesborius  als 
besonderer  Burgverwalter  zu  Dirschau,  und  Domaslaus,  einer  seiner 
älteren  Barone,  verwaltet  gleichzeitig  die  alten  Liebschauer  Güter. 

Fasst  man  die  Stelle  ins  Auge,  welche  Sambor  zum  neuen  Wohnsitz 
für  sich  und  seine  Gemahlin,  die  wie  sein  einziger  Sohn  Soboslaus  mit 
ihm  die  Not  des  Exils  gekostet,  auserkor,  den  ungastlichen  Winkel  der 
sumpfigen  „Podlitz"  genannten  Ebene,  welche  sich  zwischen  dem  Dir- 
schauer  Hngelgebiet  und  der  Weichsel  hinstreckt,  so  wird  es  klar,  dass 
nicht  ein  Lustschloss  sondern  ein  durch  die  Not  der  Zeit  gebotener 
Bau  hier  zur  Ausfuhrung  gelangte. 

Im  Gegensatz  zu  der  deutschen  Art  Burgen  auf  Bergen  zu  bauen, 
war  es  bei  den  Slaven  in  der  ältesten  Zeit  Sitte,  ihre  festen  Wohnsitze 
an  unzugänglichen  Orten,  mitten  in  Seeen,  oder  an  ähnlichen  niedrigen 
morastigen,  wasserreichen  Stellen  anzulegen;  und  anders  lag  auch  die 
Liebschauer  Residenz  nicht.  Zwischen  Wasserarmen  der  heutigen  oberen 
Mottlau  (damals  Spancowa  genannt)  kennzeichnet  sich  noch  heute  eine 
geringe  Bodenerhebung  von  massiger  Grösse,  im  Volksraunde  „dolni 
zameku  die  niedrige  Burg,  genannt,  ein  wenig  südöstlich  vom  heutigen 
Dorfe  Liebscbau.  Urnenfunde  und  andere  Culturreste  altertümlichster 
Art,  wie  die  Erinnerung  der  Einwohner  meldet,  geben  der  Stelle  ihre 
Bedeutung  schon  seit  vorchristlicher  Zeit.  Nicht  anders  war  die  natür- 
liche Lage  der  Residenzen  zu  Danzig  und  Schwetz  und  anderer  bedeu- 
tender Burgen  des  Landes.  Unmittelbar  an  den  Hügel  sich  lehnend, 
auf  welchem  die  Kirche  zur  Kreuzeserhöhung  etwa  500  Schritt  west- 
wärts damals  wahrscheinlich  nahezu  fertig  dastand,  Hess  Sambor 
unbehauene  Granitsteine,  wie   sie  der  umliegende  Boden  nur  spärlich 


Von  Dr.  Eich.  Peton*.  13 

liefert,  zum  Fundament  für  seine  Burg  einsenkeu.  Darauf  wurden  dann 
die  Mauern  aus  grossen  Ziegeln,  wie  sie  bei  den  ältesten  Ordensbauten 
zu  finden  sind,  errichtet.  Die  plumpe,  ungleich  massige  Form  der  Ziegel, 
die  verschiedene  Mischung  des  Materials  und  die  dicken  Schichten  des 
Mörtels  kennzeichnen  noch  heute  die  primitive  Kunstfertigkeit  nicht 
weniger  wie  die  grosse  Eile,  welcher  dieser  Burgbau  entsprang.  Bisher 
waren  Wohnungen  und  Burgen,  ebenso  auch  im  Gebiete  des  deutschen 
Ordens  in  der  Begel  nur  leicht  aus  Holz  und  Lehm  aufgeführt  worden. 
Die  natürliche  Befestigung  durch  Wälle,  vornehmlich  aber  durch  Sümpfe 
und  Gräben,  bildete  den  Hauptschutz  gegen  feindliche  Angriffe.  So  wurde 
auch  hier  recht  bald  von  der  Weichsel  aus  Wasser  zu  beiden  Seiten 
der  Burg  geleitet,  da  wo  die  natürliche  Abdachung  des  Bodens  und, 
wie  es  scheint,  alte  Regenschluchten  zur  Anlage  von  Graben  einluden. 

Haben  wir  darüber  gerade  für  die  Zeit  der  Gründung  aach  keine 
specielle  Nachricht,  so  wissen  wir  doch  aus  einer  späteren  Urkunde 
über  die  Gründung  des  Dominikanerklosters,  das  auf  dem  Ostrande  des 
Hügels,  und  unmittelbar  westlich  vom  Schlosse  zu  stehen  kam,  dass 
auf  der  Nordseite  sogar  zwei  durch  einen  Damm  getrennte  Gräben  zur 
Befestigung  dienten.  Begann  nun  der  Damm  wahrscheinlich  vom  Ostende 
des  Hügels,  so  ging  der  zweite  Graben  jedenfalls  dicht  an  der  Burg- 
mauer vorbei,  wie  dies  noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  der  Fall  war 
und  führte  zur  Weichsel,  deren  Bett  damals  etwas  weiter  entfernt  lag. 
Aus  den  heutigen  Trümmern  ist  die  Grösse  der  schon  im  Jahre  1309 
zerstörten  Burg  nicht  mehr  genau  zu  erkennen.  Die  Umfassungsmauern 
an  der  Ost-  und  Nordseite  bildeten  mit  der  Stadtmauer  ein  Ganzes. 

In  einer  Erbpachtsverleihung  vom  25.  April  1782  wird  der  sogen. 
Schlossplatz  als  180  Fuss  lang  und  60  bis  78  Fuss  breit  vermessen. 
Erscheint  an  der  Ostseite  auch  der  älteste  Theil  der  Mauer  in  etwa 
doppelter  Ausdehnung,  so  ist  zu  bedenken,  dass  gerade  hier  eine  Ver- 
längerung über  die  bewohnten  Bäume  hinaus  zum  Schutze  des  neben 
liegenden  Platzes  gegen  Ueberschwemmungen  der  Weichsel  am  frühesten 
nothwendig  war.  Die  Mauern  sind  nur  vier  Ziegel  d.  h.  etwas  mehr 
als  4  Fuss  (1,25  Meter)  stark,  an  der  Ostseite  weiter  nach  Süden  hinauf, 
nimmt  die  Stärke  ein  wenig  ab.    Nach  der  Erinnerung  der  ältesten 


24  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

■ 

Bewohner  der  Stadt  wurden  zu  Anfang  des  Jahrhunderts  viel  Fundament- 
steine und  Ziegel  aus  dem  Boden  gegraben,  aus  deren  Lage  zu  schliessen 
ist,  dass  die  Burg  einen  kleinen  inneren  Hof  hatte.  Rechnet  man  einen 
Theil  von  der  Längenausdehnung  als  Vorhof,  so  war  der  ganze  Bau 
von  nicht  erheblicher  Grösse,  etwa  wie  die  mittleren  Schlösser  des 
Ordens.  Die  Front  war  nach  Süden  gerichtet.  Der  ganze  Grund  bis 
zur  Südecke  der  späteren  Stadtmauer,  wo  der  Boden  wieder  ein  wenig 
ansteigt  (falls  er  nicht  künstlich  erhöht  worden  ist),  wurde  später  der 
Schlossgrund  genannt.  Ueber  die  Mitte  desselben  führte  ein  Weg  direkt 
zur  Weichsel;  dort  lag  auch  später  die  sogenannte  Wasserpforte,  welche 
bei  Grundstücksbezeichnungen  häufig  erwähnt  wird.  Landwirthschaft 
und  Viehzucht  wurden  jedenfalls  vom  Schlossplatze  und  Schlossgrunde 
aus  betrieben.  Wahrscheinlich  war  das  heutige  Zeisgendorf  (Thiscow)1) 
herzoglicher  Besitz,  während  Eniebau  und  Baidan  die  von  ersterem 
unmittelbar  südlich  liegenden  Güter  schon  1275  nicht  mehr  Sambor 
gehören  und  er  dieselben  durch  Tausch  oder  Kauf  für  die  Cisterciense- 
rinnen  in  Eulm,  denen  er  die  heilige  Kreuzkirche  zu  Dirschau  verlieh, 
erwerben  will.  Deutsche  zugewanderte  Bitter  halfen,  wie  es  scheint, 
Sambor  bei  der  Errichtung  der  Burg.  Schon  1253  am  10.  Januar,  als 
Sambor  dem  deutschen  Orden  die  der  Burg  Zantir  gegenüberliegende 
Insel  Bern  zwischen  der  alten  und  neuen  Weichsel  verleiht,  werden  aus 
seiner  Umgebung  Friedrich  von  Wildenberc,  Cornelius,  Ditmar  und  Daniel 
von  Jueterbock*),  als  Zeugen  erwähnt;  1256  benennt  er  wahrscheinlich 
denselben  Ditmar  als  seinen  Diener  und  eine  grössere  Anzahl  deutscher 
Männer,  die  er  teilweise  mit  Grundbesitz  ausstattet,  befinden  sich  seit- 
dem in  seiner  steten  Begleitung  und  in  wichtigen  Aemtern. 


')  „Thiscow".  Der  Name  dürfte  wenn  nicht  ans  dem  Altgermanischen, 
siska  (Zeisig),  vielleicht  von  dem  altslavischen  Namen  „Sysik"  abzuleiten  sei.  Ein 
Albert  Sysic  wird  z.  B.  1296  als  Verwandter  des  Unterkämmerers  Andreas  von 
Dirschau  erwähnt.    Polnisch  heisst  der  Ort  „Czyzykowo"  von  czyzyk  (Zeisig). 

*)  Vor  Cornelius  und  Ditmar  wird  noch  ein  „Albertus"  genannt,  1255  ohne 
Ort  Albertus  als  Unterkämmerer,  1276  Albertus  als  Unterkämmerer  noch  in 
Mestwins  Dienst,  der  seit  1272  die  deutschen  Bitter  vertreibt.  Schon  aus  diesem 
Grunde,  besonders  aber  weil  der  Name  Albert  auch  bei  den  eingeborenen  Wenden 
sehr  verbreitet  war,  nehme  ich  Anstand,  den  1255  erwähnten  Albert  als  einen  Deut- 
schen Anzusprechen. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  £5 

Es  werden  bis  zum  Jahre  1256  ferner  urkundlich  genannt:  Johann 
von  Lugendorf  als  Kanzler,  Conrad  von  Lugendorf,  eines  Herbord  Sohn, 
der  Vogt  Peregrinus  (Fremder),  die  Ritter  Heinrich  von  Braunschweig, 
Johann  von  Wittenborch,  dessen  Sohn  Herbord  von  Sommerfeld,  Michael, 
Arnold  von  Calve  und  Hermann  genannt  der  Teufel,  die  Knappen 
Hartwich  von  Ratzeburg,  Philipp,  Richard  und  Andreas,  endlich  Heinrich 
Scildere  und  Johann  von  Beyzenburg  (Boitzenburg),  welchen  beiden 
letzteren  Sambor  die  nahe  bei  Dirscbau  gelegenen  Güter  Liebenhof  und 
Mestin  schenkt.  Von  diesen  19  Personen,  neben  denen  einige  andere 
Namen  mit  slavischem  Klang  in  Sambors  Umgebung  vorkommen,  gehören 
allem  Anschein  nach  die  beiden  (Johann  und  Conrad)  von  Lugendorf, 
des  Letzteren  Vater  Herbord,  ferner  Herbord  von  Sommerfeld,  Johanns 
von  Wittenborg  Sohn,  der  Vogt  Peregrinus,  endlich  Philipp  und  Ditmar 
vorweg  „unsere  Diener"  genannt  zu  dem  unmittelbaren  Hof-  und  Haus- 
personal und  mögen  dieselben  neben  dem  Priester  und  Hofkapellan 
Abraham  auch  in  den  Räumen  der  neuen  Burg  oder  in  einem  kleinern 
Nebengebäude  ein  bescheidenes  Unterkommen  gefunden  haben,  für  die 
andern  freilich  bleibt  nur  die  Annahme  einer  Ansiedelung  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Burg  oder  auf  benachbarten  Gutern  des  Herzogs.  Sei 
es,  dass  manche  Verleihungsurkunden  verloren  gegangen  sind,  oder  dass 
man  für  nur  zeitweise  Belehnungen  bestimmter  Formalitäten  entbehren 
zu  können  glaubte;  bei  den  häufigen  Besitzveränderungen  sind  auch 
deutsche  Bitter  betheiligt.  Johann  von  Wittenborg,  der  schon  1256 
als  Schulz  von  Dirscbau  auftritt,  hat  auf  seine  Guter  Gardschau  und 
Mahlin  Sambor  zu  Liebe  bereits  1258  verzichtet;  Michael,  der  in  näherer 
Beziehung  zu  dem  nur  1253  und  1275  erwähnten  Friedrich  von  Wilden- 
berg gestanden  zu  haben  scheint,  wird  1283  als  Vorbesitzer  der  Güter 
Brodden  und  Gogolevo  bei  Mewe  genannt,  über  welche  Mestwin  II.  als 
Nachfolger  Sambors  anderweitig  verfügt.  Anderseits  hiesse  es  zu  weit 
gehen,  wenn  man  eine  umfangreiche  Colonisation  des  Landes  durch 
zugewanderte  Bitter  jener  Zeit  zuschreiben  wollte.  Dazu  war  das 
Herzogthum  Sambors  zu  unbedeutend  und  er  selbst  durch  seinen 
frommen  Eifer  der  Kirche  und  ihren  Instituten  su  dienen,  in  seinen 
Mitteln  zu  sehr  beschränkt. 


lg  Die  Gründung  und  Klteite  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau« 

Unzweifelhaft  aber  trug  das  Eindringen  einflussreicher  fremder 
Männer  in  ein  von  Hanse  aus  slavisches  Land  wesentlich  dazu  bei,  nicht 
nur  die  einheimischen  Barone  und  bisherigen  Beamten  aus  der  Umgebung 
des  Herzogs  nach  und  nach  zu  verdrängen,  sondern  auch  Neuerungen 
verschiedener  Art  zu  begründen.  Während  im  Jahre  1255  nach  Er- 
bauung der  Burg  neben  fünf  deutschen  Männern  ohne  jede  amtliche 
Stellung,  aus  dem  eingeborenen  Adel  Zesborius  als  Castellan  von  Dirschau, 
Domaslaus  von  Liebschau,  der  in  früheren  Jahren  daselbst  als  Unter- 
schenk, jetzt  wahrscheinlich  als  Verwalter  der  dortigen  Güter  fungirte, 
und  Netanc  als  Tribun  (Heerführer  und  Richter)  besonders  genannt  und 
den  deutschen  Männern  vorangestellt  werden,  sind  im  Jahre  1258  die 
eingeborenen  Beamten  in  den  Urkunden  nicht  mehr  zu  finden ;  der  getreue 
Domaslaus  hat  sich  dazu  bequemt,  ein  einfacher  Kitter  zu  werden,  als 
welcher  er  in  der  Beihe  der  Zeugen  hinter  den  bevorzugten  deutschen 
Bittern  die  letzte  Stelle  einnimmt. 

Johann  von  Lugendorf,  im  Jahre  1255  nur  „Schreiber"  genannt, 
hat  inzwischen  die  einflussreiche  Stelle  eines  Kanzlers  erhalten,  ein 
anderer  Fremdling  „Peregrinus"  wird  mit  der  Verwaltung  der  Gerichts- 
barkeit betraut  wie  es  die  Stellung  der  Vögte  bei  deutschen  Landesherren 
war3).  Die  Frage  liegt  nahe,  ob  nicht  damals  bereits  in  der  Nähe  der 
Burg  eine  dorf-  oder  stadtähnliche  Ansiedelung  bestand,  sei  es  (wozu  eine 
gefälschte  mit  der  Jahreszahl  1198  versehene  Urkunde  verlockt),  dass  sie 
als  uralten  Ursprungs,  oder  als  gleichzeitig  mit  und  seit  der  Erbauung 
der  Kirche  entstanden  anzusehen  ist.  Die  heutige  Forschung  ist  über  die 
naive  Methode  hinaus,  aus  einer  kleinen  Anzahl  Gräberfunde  des  heid- 
nischen Zeitalters  auf  eine  Oontinuität  der  Bevölkerung  oder  gar  auf 
das  Vorhandensein  einer  nicht  unbedeutenden  Stadt  mit  lebhaftem 
Handelsverkehr  zu  schliessen;  es  sprechen  überdies  viele  andere  Um- 
stände dagegen,  dass  Dirschau  schon  vor  der  Ankunft  des  deutschen 


a)  Ob  der  Unterkämmerer  Albert  von  1276  mit  dem  von  1255  identisch,  ob  der 
1273  in  Mestwins  Dienst  stehende  Castellan  Michael  und  der  Michael  in  Sambors 
Urkunden  ein  und  dieselbe  Person  ist,  and  ob  beide  als  Deutsche  anzusehen  sind, 
wage  ich  nicht  m  entscheiden. 


Von  Dr.  Eich.  Petong.  17 

Ordens  bestand4);  ebeuso  liegt  keine  zwingende  Notwendigkeit  vor,  die 
Entstehung  des  Orts  schon  in  das  Jahr  1226,  als  die  Herzöge  mit  dem 
Bau  der  Kirche  begannen,  zu  setzen  —  es  giebt  noch  heute  in  wenig 
bevölkerten  Orten  Kirchen,  denen  es  an  jeder  dorfartigen  Umgebung 
fehlt,  obwohl  die  Bevölkerung  der  Umgegend  sich  dort  zum  Gottesdienste 
versammelt  —  die  Entstehung  von  Kirchdörfern  setzt  wie  bei  andern 
ohne  Kirche  der  Regel  nach  einen  tragbaren  Boden  voraus,  der  in 
Dirsowe  zunächst  fehlte, -und  eine  stadtähnliche  Ansiedelung  hat  einen 
dem  öffentlichen  Verkehr  dienenden  Marktplatz  und  Marktgerechtigkeit 
zur  Voraussetzung,  welche  dem  Orte  Dirschau  bisher  von  niemand  ver- 
liehen war.  Wir  wissen  noch  nicht  einmal  sicher,  ob  der  Kirchenbau 
bereite  vollendet  war,  als  Sambor  die  Fundamente  zu  seinem  Schlosse 
zu  legen  begann.  Angenommen  aber,  wie  es  wahrscheinlich  ist,  dass 
damals  ihren  Hauptteilen  nach  die  Kirche  zur  heiligen  Kreuzeserhöhung 
fertig  dastand,  und  die  benachbarten  Bewohner  sich  zum  Gottesdienste 
einfanden,  einen  Pfarrer  für  Dirschau  (in  Dirsowe)  finden  wir  urkundlich 
erst  im  Jahre  1258  erwähnt;  bis  dahin  mochte  des  Herzogs  Capellan 
Abraham  die  neue  Kirche  versehen  und  dieser  Erinnerung  entspricht 
es  auch,  dass  in  einer  auf  Betreiben  Pelplins  etwa  1287  fälschlich  an- 
gefertigten Urkunde,  de  dato  Dirschau  29.  Juni  1256  nur  Abraham  als 
Zeuge  erwähnt  wird,  während  von  1258  an  neben  ihm  und  vor  ihm  in  allen 
Dirschauer  Urkunden  Johannes  der  erste  Dirschauer  Pfarrer  (plebanus 
Dirsoviensis)  genannt  wird.  Die  Frohnarbeiter,  welche  beim  Bau  der 
Kirche  und  des  Schlosses- zu  thun  hatten,  werden  dort  nicht  als  An- 
siedler verblieben  sein :  wir  finden  auch  nirgends  das  geringste  Anzeichen 
dafür,  dass  eine  eingeborene  Bevölkerung  dort  Platz  nahm.  Aber  die 
deutschen  Einwanderer,  welche  den  Herzog  an  seine  Residenz  zu  fesseln 
bemüht  waren,  mussten  sich  eigene  Wohnstätten  errichten;  denn  unmög- 
lich konnten  sie  alle  in  der  neuen  kleinen  Burg  auf  der  Podlitz  Aufname 
finden.  Sambor*  hielt  dort  mit  seiner  Familie  (Boleslaw  sein  einziger 
Sohn  war  bereits  im  Jahre  1254  verstorben  und.  in  Stralsund  begraben; 


i 


*)  leb  habe  dieselben  in  einem  andern  Aufsatz:  „Zur  Vorgeschichte  Dirschaus",  der 
in  der  Zeitschrift  des  Westpreussischen  Geschichtsvereins  veröffentlicht  werden  soll, 
auseinandergesetzt. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXII.  Hft,  1  n.  2.  2 


Jg  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirachau. 

aber  er  hatte  ausserdem  vier  zumeist  erwachsene  Töchter)  und  seinen 
Beamten  gewiss  nur  bescheidenen  Hof.  Einen  hinlänglichen  Beweis  für 
das  Vorhandensein  eines  Orts  mit  communalen  Einrichtungen  auf  der  I 
Dirschauer  Flur  seit  dem  Jahre  1256  können  wir  jedoch  darin  erblicken, 
dass  ein  Schultheiss,  der  vorerwähnte  Ritter  Johann,  von  Wittenborg 
genannt,  urkundlich  dort  fungirte;  es  mag  damals  bereits  auch  ein  vom 
Herzoge  genehmigter  Marktverkehr  stattgefunden  haben.  Die  Namen 
der  Heimatsorte  der  bisher  aufgeführten  Männer  Ratzeburg,  Wittenburg, 
Boitzenburg,  Braunschweig,  Calbe,  Jüterbog  und  Sommerfeld  dienen  zum 
Beweise,  wie  aus  ganz  Norddeutschland  von  Holstein  bis  zur  Lausitz 
Einwanderer  zuströmten,  die,  wie  es  scheint,  durch  das  Beispiel  ihrer 
Landesherren,  welche,  um  an  dem  verdienstvollen  Werk  der  Htiden- 
bekehrung  teilzunehmen,  Kriegsfahrten  nach  Preussenland  unternahmen, 
ermuntert,  sich  an  den  Ufern  der  Weichsel  eine  neue  Heimat  zu  gründen 
beflissen  waren.  Unter  solchen  heerfahrenden  Fürsten  werden  aber  in 
der  Zeit  von  1240  bis  1249  genannt  Otto  von  Braunschweig,  ein  Mark- 
graf von  Brandenburg,  ein  Bischof  von  Merseburg  und  ein  Anhalter. 
Die  Lausitz  gehörte  damals  zu  Böhmen,  dessen  König  Ottokar  IT.  wenige 
Jahre  nach  dem  Anfang  von  Sambors  Burggründung  zu  Dirschau  dem 
Orden  bei  der  Gründung  von  Königsberg  half. 

Sambors  Geschicke  schienen  seit  der  Gründung  der  Burg  einen 
bedeutenden,  fast  glänzenden  Aufschwung  zu  nehmen.  Er  schenkt  1258 
den  Cisterciensermönchen  von  Doberan  im  Heimatlande  seiner  frommen 
Gattin  Mathilde  die  im  Lande  Garzen,  südwestlich  von  Schöneck,  ge- 
legenen Güter  Pogutken,  Kobilla  und  Koschnim  zur  Anlegung  eines 
Klosters  Neu-Doberan,  das  dann  dem  Gründer  zu  Ehren,  der  dort  sogar 
schleunigst  eine  neue  hölzerne  Kirche  bauen  liess,  welche  er  in  der 
Folge  durch  eine  steinerne  zu  ersetzen  versprach,  „Samburia"  genannt 
und  später  nach  Pelplin  verlegt  wurde.  Es  war  diese  Klostergründung 
ein  Akt  souveräner  Macht,  und  stand  ihm  als  untergeordneten  Teilfürsten 
ohne  die  Genehmigung  seines  Bruders,  Swantopolk  IL,  des  obersten 
Landesherren,  streng  genommen,  nicht  zu.  Swantopolk  bestätigte  in- 
dessen im  Jahre  1260  nachträglich  dies  Werk  seines  Bruders.  Für 
seine  älteste  Tochter  Margarethe  hatte  sich  schon  im  Jahre  1253  ein 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  19 

Gatte  königlichen  Standes,  Christoph  von  Dänemark,  gefunden,  den  er 
im  Frühling  des  Jahres  1256  besuchte  und  dabei  die  für  sein  eigenes 
fürstliches  Ansehen  vorteilhafte  Gelegenheit  fand,  einen  Streit  zwischen 
dem  Könige  Christoph,  seinem  hohen  Schwiegersohn,  und  dem  Erzbischof 
von  Lund  wegen  Ueberschreitung  der  geistlichen  Gewalt  zu  schlichten. 
Aber  andere  ihm  selbst  näher  liegende  Ideen  und  Pläne  mochten 
damals  Sanibor  beschäftigen.    Es  gab  nach  dem  Vorbild  des  deutschen 
Ordens  und  anderer  deutscher  Landesherren,    sogar  schon  nach  dem 
seiner  Stamraesvettern,  der  Herzoge  von  Slavien  oder  Westpommern, 
kein  geeigneteres  Mittel  zur  Stärkung  der  fürstlichen  Macht,  als  die 
Gründung  von  städtischen  Gemeinwesen,  über  deren  Mitglieder  man  als 
Gouner  und  Beschützer  von  vornherein  mancherlei  Rechte  erhielt,  vor 
allem   aber    eine   günstige   Gelegenheit   durch    Gerichtsbarkeit,   Zölle, 
Münze  und  Gerechtsame    anderer  Art   sich   Einnahmequellen  zu  ver- 
schaffen.    Denn  Geldeinnahmen  hatte  Sambor  bis  dahin  lange  genug 
vermisst   und   war  in   eine  bedauernswerte  Abhängigkeit  von  Bürgern 
und  Clerus  geraten.     Es  ist  oben  gezeigt,  wie  sich  im  Laufe  einiger 
Jahre  in  der  Nähe  von  Kirche  und  Burg  eine  kleine  Ansiedelung  von 
deutschen  Einwanderern  gebildet.    Neben  den  früheren  Namen,  welche 
der  Mehrzahl   nach  in  den  Urkunden   mehr   als    einmal   vorkommen, 
weiden  bis  zum  Jahre  1260  noch  die  Ritter:  Alexidus,  Heinrich  von 
Hagen,  und  Heinrich  von  Stormarn,  neben  ihnen  als  Bürger  Alardus 
von  Lübeck,  Johann  von  Braunschweig,  Johann  der  Schwarze  und  Johann 
der  Schreiber*)  aufgeführt;  von  vier  bis  fünf  anderen  Männern,  welche 
bei  Urkundenausstellungen  in  Dirschau   oder  anderwärts  als  Begleiter 
Sambois  erwähnt  werden,  kann  man,  wenn  auch  mit  einigem  Bedenken, 
gleichfalls  annehmen,  dass  sie  zu  den  ersten  Bewohnern  Dirschaus  ge- 
hörten.  Ein  grosser  Teil  derselben  stammte  aus  Orten,  in  denen  nach- 
weislich damals  das  lübische  Recht  in  Gebrauch  war.    Mit  demselben 
Recht   waren   in  Westpommern    die   Städte   Greifenhagen  (1254)  und 
Colberg  (1255)  und  im  benachbarten  Ordenslande  1246  Elbing  gegründet. 
Auch   die   Städte  in  Mecklenburg,   dem   Heimathlande   von   Sanibors 

•)  Die  Namen  der  beiden  letzteren  stehen  freilich  in  einer  für  unecht  gehal- 
tenen Urkunde. 

2* 


20  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

Gemahlin,  hatten  lübisches  Recht.  Es  lag  ihm  daher  am  nächsten, 
dasselbe  Recht  für  seine  Stadtgründung  zu  wählen.6)  Vornehmlich 
musste  ihn  jedoch  das  Beispiel  von  Elbing  anregen. 

Es  führten  mehrere  Hauptstrassen  zum  Lande  der  neubekehrten 
Preussen  und  zugleich  nach  der  Stadt  Elbing.  Neben  den  alten  Land- 
wegen, namentlich  dem  durch  Schlesien  und  das  heutige  Posen  zur 
Weichsel,  mochte  damals  der  Seeweg  von  Lübeck  aus  in  Aufnahme 
gekommen  sein.  Nach  der  Erbauung  der  Burgen  von  Elbing  (1237) 
und  Balga  (1240)  wurde  durch  das  Balgaer  Tief  hindurch  noch  eine 
neue  Wasserstrasse  eröffnet.  Otto  das  Kind,  der  Herzog  von  Braun- 
schweig hatte  schon  1240  mit  seinem  Pilgerheere  zur  See  den  durch 
die  lübische  Colonie  in  Elbing  eröffneten  Seeweg  benutzt.  So  hatte 
sich  unter  beständigem  Zuzug  von  deutschen  Männern  zum  Ordenslande 
gerade  in  Elbing  ein  blühendes  städtisches  Gemeinwesen  schnell  ent- 
wickelt, in  geringer  Entfernung  von  Dirschau,  überdies  geordneter  als 
die  deutsche  Ansiedelung  zu  Dan  zig,  welche  noch  kein  formell  ver- 
liehenes Stadtrecht  besass.  Schon  im  Jahre  1255  verlieh  Sambor  den 
Elbingern  für  die  besonderen  Dienste,  welche  sie  ihm  zum  öftern  ge- 
leistet, Zollfreiheit  in  seinem  ganzen  Gebiet.  Gelang  es,  die  neue  An- 
siedelung zu  Dirsowe  (Dirschau)  in  eine  enge  Verbindung  mit  der  Stadt 
Elbing  zu  bringen,  so  musste  erstere  nicht  nur  günstiger  Einwirkungen 


•)  Dass  für  die  Wahl  des  lübischen  Rechts  die  Herkunft  der  Ansiedler  allein 
oder  hauptsächlich  entscheidend  gewesen  sein  sollte,  lässt  sich  kaum  annehmen.  Nur 
von  etwa  zwölf  Männern  erfahren  wir  ihren  früheren  Wohnsitz;  es  sind  zum  grössten 
Teil  lütter,  von  denen  doch  wol  nicht  alle  in  die  Bürgerschaft  Dirschaas  eingetreten 
sein  werden.  Der  Katsherr  Alardus  von  Lübeck  ist  strenggenommen  der  einzige,  der 
als  Kenner  des  lübischen  Rechts  anzusehen  ist  Der  Ort  Wittenburg  war  damals 
nur  eine  zur  Grafschaft  Schwerin  gehörige  Domaine  und  hat  erst  1323  das  lübische 
Recht  verliehen  erhalten;  Boitzenburg  ist  1267,  also  sieben  Jahre  später  als  Dirschau, 
mit  lübischem  Rechte  bewidmet;  bei  Ratzebarg  ist  eine  solche  Verleihung  freilich 
schon  vor  dem  Jahre  1260  wahrscheinlich.  Dagegen  galt  in  Jüterbog  und  Calbe 
magdeburgisches  Recht,  in  Sommerfeld  „jus  teutonicum"  und  Braunschweig,  von  wo 
der  Ritter  Johann  in  die  Dirschauer  Bürgerschaft  trat,  hatte  sein  von  Otto  I.  ver- 
liehenes „braunschweig8cbes  Recht".  Das  Recht  Hagens  war  wenn  auch  sächsisch, 
doch  nicht  mit  dem  Lübecks  identisch;  die  andern  Ortsangaben  bieten  der  Forschung 
keinen  greifbaren  Anhalt.  —  Zu  bedenken  bleibt  immer,  dass  die  Zahl  der  erstell 
Ansiedler  sehr  gering  war. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  21 

von  dorther  teilhaftig  werden,  sondern  ohne  Zweifel  gewann  auch  der 
Doch  wenig  benutzte  mangelhafte  Weg  durch  das  Werder  eine  neue 
Bedeutung.  Dirschau  wurde  fortan  eine  der  Etappenstationen  für  den 
Strom  preussischer  Kreuzfahrer  wie  der  zuwandernden  Kolonisten.  Jeden- 
falls benutzte  Sambor  bei  seiner  Reise  nach  Dänemark  die  Gelegenheit, 
sich  für  seinen  Zweck  zu  informiren.  Fehlen  uns  auch  genaue  Angaben 
aber  die  Städte,  welche  er  auf  seiner  Reise  passirte,  so  konnte  er  schon 
in  Mecklenburg  und  am  dänischen  Hofe  genügende  Unterweisung  er- 
halten,  da  Lübeck  mehr  als  20  Jahre  in  den  Händen  der  Dänen  ge- 
wesen und  in  dieser  Zeit  in  derselben  Weise  wie  vordem  von  den 
deutschen  Herrschern  verwaltet  worden  war.  Zudem  hatte  sein  Schwieger- 
sohn König  Christoph  seit  dem  Jahre  1252  die  Lübecker  in  seinen 
Schutz  genommen.  Unmittelbar  nach  seiner  Rückkehr  aus  Dänemark 
scheint  er  den  Bitter  Johann  von  Wittenburg  zum  Schultheissen  der 
deutschen  Ansiedelung  in  Dirscbau  ernannt  zu  haben.  In  der  Gründungs- 
urkunde für  das  Kloster  Samburia  am  10.  Juli  1258  werden  dann 
Alardus  von  Lübeck  und  Heinrich  Schildere  als  die  beiden  Ratsherren 
(consules)  von  Dirschau  bezeichnet.  Johann  von  Wittenburg  wird  indes 
in  dieser  und  in  einer  andern  Urkunde  des  Jahres  1258  wieder  nur  als 
Ritter  bnzeichnet,  führt  dann  aber  am  11.  November  desselben  Jahres 
von  neuem  den  Titel  „Schultheiss  von  Dirschau"  ohne  die  Apposition 
„miles"  =  Ritter,  und  wird  vor  den  anderen  ausdrücklich  als  Rittern 
bezeichneten  Personen  genannt.  Aehnlich  wird  Heinrich  von  Braun- 
schweig sowohl  in  die  Reihe  der  Ritter  gestellt,  als  von  ihnen  getrennt. 
Nicht  wie  es  gewöhnlich  bei  der  Gründung  deutscher  Städte  in 
slawischen  Ländern  der  Fall  war,  wo  man  einem  Unternehmer  eine 
Strecke  Landes  übergab,  mit  der  Verpflichtung  für  Ansiedler  zu  sorgen, 
und  ihm  zum  Lohne  öffentliche  Gerechtsame,  gewisse  Nutzungen,  einen 
grösseren  städtischen  Besitz  zuweilen  sogar  mit  besondern  Befreiungen 
verlieh,  wurde  Dirschau  gegründet;  sondern  der  Herzog  selbst  ist  dem 
Wortlaut  der  Urkunde7)  nach  der  planmässige  Gründer  der  Stadt,  mit 
Zustimmung  seiner  Gattin  und  Kinder  und  nach  dem  Rate  seiner  Va- 


7)  Vgl.  die  Urkunde  nebst  Uebersetzung  in  der  Beilage. 


22  D'e  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

sallen,  als  welche  er  jedenfalls  in  erster  Linie  seine  deutschen  Ritter 
betrachtet.  Johann  von  Wittenburg  geniesst  als  Schultheiss  in  der  Stadt 
selbst  nicht  das  mindeste  persönliche  Vorrecht;  er  hat  die  Güter  Gard- 
schau und  Mahlin  erhalten,  1258  für  deren  Abtretung  vermutlich  eine 
anderweitige  Entschädigung.  In  der  Gründungsurkunde  von  1260  wird  er 
garnicht  einmal  als  Schultheiss  bezeichnet;  doch  wird  er  in  einer  Ur- 
kunde vom  Jahre  1273,  in  welcher  seinem  Schwiegersohne  das  Dorf 
Grebin  im  Danziger  Werder  verliehen  wird,  noch  einmal  als  Schultheiss 
von  Dirschau  erwähnt.  Wie  später  zur  Ordenszeit  in  den  mit  lübischem 
Recht  bewidmeten  Städten  die  Mandate  der  Mitglieder  des  Rats  lebens- 
längliche waren,  so  scheint  auch  schon  'damals  dasselbe  in  Dirschau 
gegolten  zu  haben. 

Herzog  Sambor  verleiht  seiner  Stadt  in  allen  Stücken  das  lübische 
Recht;  es  ist  damit  sowohl  das  öffentliche  Recht  gemeint  wie  das 
Privatrecht.  Man  würde  aber  sehr  fehlgehen,  die  Verfassung  von 
Dirschau  mit  der  Lübecks  in  jener  Zeit  zu  identificiren,  auch  abgesehen 
davon,  dass  letzteres  eine  Reichsstadt,  Dirschau  nur  Landstadt  war. 
Das  öffentliche  Recht  Lübecks  beruhte  auf  Privilegien  und  Freiheits- 
briefen von  Herzogen  und  Kaisern  seit  dem  Jahre  1163  und  der  Er- 
hebung zur  Reichsfreiheit  im  Jahre  1226;  das  Privatrecht  auf  einer 
Fixierung  längst  vorhandener  und  im  Leben  geübter  Rechtsgewohnheiten, 
welche  die  aus  dem  Westen  stammenden  sächsischen  Einwanderer  mit- 
brachten, namentlich  nach  den  Aufzeichnungen  des  Soester  Rechts.") 
Eine  scharfe  Scheidung  beider  Gebiete  lässt  sich  freilich  nicht  durch- 
führen, da  im  Sinne  jener  Zeit  auch  grosse  Gebiete  des  Process-  und 
Strafrechts  zum  Privatrecht  zu  zählen  zind.  Als  unterscheidender  Kern- 
punkt ist  aber  schon  die  seit  dem  Privileg  Kaiser  Friedrichs  I.  vom 
Jahre  1188  den  Lübeckern  zuerkannte  Befugnis  anzusehen,  das  inner- 
halb ihrer  Stadt  geltende  Recht,  soviel  sie  können,  zu  bessern,  eine 
Befugniss,  die  sich  in  der  selbständigen  Feststellung  von  Willküren  und 
Statuten  innerhalb  der  öffentlichen  Rechtsordnung  und  teilweise  auch 
in  Bestimmungen  über  Gegenstände  des  Privatrechts  kundgiebt.    Das 

*)  cf.  Frensdorff:  Die  Stadt-  und  Gerichtsverfassung  Lübecks  im  12ten  und 
13ten  Jahrhundert.    Lübeck  1661. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  23 

Kecht  der  „Köre",  das  von  Lübeck  wie  von  andern  Städten  auch  ohne 
Erlaubniss  geübt  wurde,  unterlag  insofern  Streitigkeiten  und  Zweifeln, 
als  mit  demselben  die  dem  Beamten  des  Kaisers  zustehenden  Gerecht- 
same nicht  geschmälert  werden  durften.    Aus  diesem  Grunde  wird  jenes 
Recht  in  städtischen  Privilegien  häufig  besonders  verliehen  und  in  seinem 
Umfange  bestimmt.    Sambor  verleiht  den  Dirschauern  ein  solches  po- 
sitives Eecht  nicht,  er  verbietet  nur,  dass  jder  Rat  selbständig  ohne  ihn, 
den  Herzog,  neue  Einrichtungen  treffe,  durch  welche  ihm  als  Landes- 
herrn ein  Nachteil  oder  seinem  Lande  ein  Mangel  oder  eine  Beschwerde 
erwachsen  könnte ;  und  er  stellt  gleich  am  Eingang  der  Urkunde  hinter 
den  Worten  „das  lübische  Kecht"   für  sich  und  seine  rechtmässigen 
Erbfolger  den  Vorbehalt  der  Herrschaft  in  solcher  Weise  hin,  wie  andere 
Landesherren  in  ihren  Städten  herrschen.   Mag  man  nach  den  eigenen 
Informationen  des  Herzogs  oder  nach  dem  Kate  des  Alardus  von  Lübeck 
und  anderer  dort  heimischer  Männer  auch  manche  Anordnung  nach  dem 
Vorbilde  Lübecks  getroffen  haben,  die  Urkundenbücber  enthalten  keine 
Zeugnisse  eines  Verkehrs  der  Stadt  Dirschau  mit  Lübeck  im  13.  Jahr- 
hundert.   Soweit  die  Ausübung  der  Gerichtsbarkeit  in  Frage  steht,  wird 
der  Bat  auf  eine  Uebereinstimmung  mit  der  Bechtsprechung  des  Elbinger 
Rates  verwiesen  und  die  speciellen  Einrichtungen  Elbings  werden  auch 
in  anderer  Hinsicht  als  Muster  gedient  haben.    Der  wesentliche  Zweck 
der  Verleihungsurkunde  ist  aber  die  Feststellung  des  besondern  Verhält- 
nisses der  Gerechtsame  des  Landesherrn  zu  denen  der  Stadt. 

Der  Herzog  behält  sich  zunächst  das  volle  Anrecht  auf  alle  Me- 
talle, welche  innerhalb  des  Weichbildes  der  Stadt  gefunden  werden 
sollten,  vor  (ein  für  die  dortige  Gegend  freilich  wertloses  Regal).  Von 
dem  Zins  der  Fähren  und  Mühlen,  welche  auf  der  Weichsel  bereits 
vorhanden  sind,  oder  später  innerhalb  des  städtischen  Bereiches  gebaut 
werden  sollten,  gebühren  ihm,  sobald  die  Freijahre  der  Stadt  abgelaufen 
sind,9)  zwei  Dritte],  das  dritte  der  Stadt.  Da  in  der  Urkunde  über  die 
Dauer  der  Befreiung  gar  nichts  bemerkt  ist,  so  war  dieselbe  jedenfalls 


9)  Preuss:  Dirschau' 8  historische  Denkwürdigkeiten  1860  —  p.  10  übersetzt  hier 
die  Worte  „com  civitatis  Überlas  exspiraverit"  sehr  unklar  mit  „unbeschadet  der 
übrigen  Freiheit". 


24  ^,e  Gründung  and  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

schon  mehrere  Jahre  vorher  festgesetzt,  allgemein  bekanut  und  das  Ende 
bevorstehend.  Denn  die  Befreiung  von  Lasten  und  Abgaben,  welche 
man  gewöhnlich  verlieh,  damit  neugegründete  Städte  sich  zu  einigem 
Wohlstand  erhoben,  währte  auch  anderwärts  nur  wenige  Jahre  l0).  Hier- 
nach könnte  die  Freiheit  der  Stadt  auch  schon  mit  dem  Schlüsse  des 
Verleihungsjahres  abgelaufen  sein.  Zur  Anlegung  von  Fähren  war  der 
Strom,  der  sich  an  zwei  Stellen  verengt,  und  noch  in  unserm  Jahr- 
hundert Inselbildungen  aufwies,  dort  besonders  geeignet.  In  Betreff 
der  Höhe  der  Einnahmen  werden  wir  über  die  blosse  Vermutung,  dass 
dieselben  verhältnissmässig  bedeutend  waren,  schwerlich  hinauskommen. 
In  Betreff  des  Mühlenzinses  wird  uns  eine  Beurteilung  dadurch  er- 
leichtert, dass  nach  damaliger  Ordnung  nicht  nur  alle  Bewohner  der 
Stadt,  sondern  auch  die  der  herzoglichen  Güter,  sofern  dort  nicht  andere 
Mühlen  lagen,  ihr  Getreide  in  Dirschau  mahlen  lassen  mussten  und  ein 
Dreissigstel  etwa  an  die  Müller  als  Abgabe  zu  leisten  war.  ")  In  Lübeck 
gab  es  noch  im  Jahre  1229  urkundlich  nur  eine  Mühle  und  liess  sich 
die  städtische  Gesetzgebung  früh  angelegen  sein,  die  Bürger  zur  Be- 
nutzung der  städtischen  Mühlen  zu  zwingen.  War  der  Getreidebau 
damals  auch  viel  spärlicher  als  heutzutage,  so  gab  es  doch  in  der 
Umgegend  von  Dirschau,  zu  welcher  auch  ein  Teil  des  Danziger  und 
des  grossen  Werders  zu  rechnen  ist,  keine  concurrirenden  Mühlen. ") 
Darnach  wird  der  Dirschauer  Mühlenzins  höher  zu  taxiren  sein,  als  an 
andern  Orten  ").  —  Da  die  Anlage  des  Dirschauer  Mühlengrabens,  eines 
Ableitungscanais  der  alten  Spancowa  (der  heutigen  Mottlau)  der  Ordens- 


10)  Prenzlau  erhielt  diese  libertas  für 'drei  Jahre,  Stargar  d  in  Pommern  (1243)  für 
zwei  Jahre,  Gollnow  (1268)  für  fünf  Jahre,  Colberg  (1255)  ebenfalls  für  fünf  Jahre. 

")  Nach  dem  lateinischen  Codex  des  lübischen  Rechts  (wie  ihn  Berlin  besitzt), 
etwa  vom  Jahre  1250  betragt  die  dem  Müller  zustehende  „matta"  !/so;  ebenso  im 
deutschen  Elbinger  Codex,  der  etwa  ums  Jahr  1260  zu  setzen  ist:  „achtebalb  matten 
enen  schepel  und  van  ver  (4)  schepelen  shal  man  geren  ene  matten". 

1S)  Die  Mühle  Spangau  war  seit  1258  geistliches  Gut  und  eine  Mühlengerechtig- 
keit in  dem  Bache  zwischen  Mühlbanz  und  Liebenhof  wird  erst  1286  ton  Mestwin 
dem  Bischof  Wislaus  von  Cujavien  verliehen. 

13)  1261  darf  am  Striessbach  nördlich  ?on  Danzig  eine  dritte  Mühle  oberhalb 
der  des  Klosters  Olira  angelegt  werden;  der  Jahreszins  beträgt  zwei  Mark  Silber. 
Urk.  189  bei  Perlbach. 


Von  Dr.  Rieb.  Petong.  25 

zeit  zugeschrieben  wird,  und  von  einer  neuen  kleinen  Mühle  am  Drebock, 
welcher  oberhalb  der  Stadt  in  die  Weichsel  mundet,  erst  in  den  Jahren 
1280  und  1292  die  Rede  ist,  dieses  Flüsschen  übrigens  nicht  durch 
Stadtgebiet  fliegst,  sondern  nur  innerhalb  der  städtischen  Fischerei- 
gerechtigkeit in  die  Weichsel  einmündet,  so  können  die  damaligen  städti- 
schen Mühlen  entweder  nur  auf  künstlich  angelegten  Dämmen  oder  auf 
Inseln  gelegen  haben,  welche  zugleich  den  Fährbetrieb  begünstigten  und 
wie  noch  in  unserm  Jahrhundert  die  Weichsel  in  ein  breites,  gewöhnlich 
sehr  flaches  Bette,  und  ein  schmales,  stark  fliessendes  Fahrwasser  teilten. 

Die  Bedeutsamkeit  beider  Einnahmequellen  ist  aus  der  Bestimmung 
des  Herzogs  zu  folgern,  dass  weder  der  Bat  ohne  ihn,  noch  er  ohne 
Mitwirkung  des  Bates  über  das  Fährwesen  wie  über  die  Mühlen  An- 
ordnungen irgend  welcher  Art  treffen  dürfe. 

Als  ihm  vorbehaltene  Gerechtsame  bezeichnet  Sambor  ferner  das 
Münz-  und  das  Zollrecht.  Ob  er  dass  Münzrecht  thatsächlich  ausgeübt 
hat,  wissen  wir  nicht,  da  Münzen  mit  seinem  Namen  nicht  nachweis- 
bar sind;  doch  ist  es  zu  vermuten,  da  1305,  also  schon  vor  der  Er- 
oberung der  Stadt  durch  den  Orden  der  Bürger  Gerhard  zu  Dirschau 
urkundlich  als  Münzer  bezeichnet  wird.  Das  Recht,  welches  der  Herzog 
den  Schultheissen  und  den  Ratsherren  einräumt,  die  Münze  nach  Gewicht 
und  Gehalt  so  oft  sie  wollen,  zu  prüfen,  stand  der  Stadt  Lübeck  schon 
seit  dem  Privilegium  Herzog  Heinrichs  des  Löwen  zu.  Hatte  der 
Münzer  ein  herzoglicher  Beamter  dort  den  festgesetzten  Münzfuss  nicht 
eingehalten,  oder  sonst  gegen  die  aufgestellten  Münzbestimmungen  ge- 
fehlt, so  verfiel  er  in  eine  Busse,  die  zur  Hälfte  der  Stadt,  zur  andern 
Hälfte  an  den  Richter  zu  zahlen  war.  In  dem  kaiserlichen  Privileg 
von  1226  wurde  aber  das  Münzregal  an  die  Stadt  übertragen  und  ihr 
gestattet  unter  dem  Zeichen  des  jeweiligen  Kaisers  selbst  Münzen  zu 
schlagen,  wofür  sie  sechszig  Mark  Silber  an  die  kaiserliche  Kammer 
zu  entrichten  hatte.  —  In  dieser  Hinsicht  stand  das  Recht  der  Land- 
stadt Dirschau  dem  der  Reichsstadt  Lübeck  natürlich  nicht  gleich.  Ob 
der  Dirschauer  Münzfuss  mit  dem  Lübecks  übereinstimmte,  wonach 
38  Schilling  10  Pfennig  eine  Mark  wiegen  und  \b%  Loth  Silber  ent- 
halten sollten,  bleibt  eine  offene  Frage. 


26  Di©  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

Von  seinem  Zoll  recht  macht  der  Herzog  einen  den  heimischen  und 
auswärtigen  Privilegien  der  Lübecker  entsprechenden  Gebrauch,  indem 
er  die  Burger  der  Stadt  sowie  alle  innerhalb  ihres  Weichbilds  sich  auf- 
haltenden Fremden  für  alle  Zeiten  von  jedem  Zoll  an  seine  Herrschaft 
befreit.  Die  der  Stadt  Elbing  schon  im  Jahre  1255  verliehene  Zoll- 
freiheit musste  zwischen  dieser  Stadt  und  Dirschau,  das  fortan  Ver- 
kehrsmittelpunkt für  das  ganze  Herrschaftgebiet  Sambors  wurde,  mit  der 
Zeit  einen  lebhaften  Handelsverkehr  hervorrufen;  denn  alle  zur  See  in 
Elbing  eingehenden  Waaren  fanden  nunmehr  auch  in  Dirschau  unbe- 
hindert Eingang  und  Absatz.  Dieselbe  Zollfreiheit  in  Sambors  Land 
genossen  wie  früher  bemerkt  seit  1252  die  Bürger  von  Culm.  Ueber 
das  Vorhandensein  sonstiger  Normen  über  Zollwesen  und  Handelsverkehr, 
wie  sie  in  Lübeck  seit  einem  Jahrhundert  bestanden,  wissen  wir  nichts; 
selbst  die  Befreiung  der  Lübecker  von  der  abscheulichen  Gewohnheit 
des  Strandrechts,  wie  ihnen  eine  solche  z.  B.  in  Mecklenburg  schon 
im  Jahre  1220  zuteil  geworden  war,  geschah  für  das  Danziger  Gebiet 
erst  1263  und  1268;  Zollfreiheit  wurde  ihnen  für  ganz  Ostpommern 
erst  1272  durch  die  Markgrafen  von  Brandenburg  verliehen.  Die  An- 
wendung des  lübischen  Zoll-  und  Seerechts  ist  darnach  für  die  Zeit 
der  Gründung  nicht  zu  vermuten,  vielmehr  wird  in  diesen  Stücken 
landesüblicher  Brauch  maßgebend  gewesen  sein.  Das  Beservatrecht 
des  Herzogs  konnte  sich  in  selbsterkorenen  Grenzen  bewegen,  ebenso 
wie  in  Lübeck  zur  herzoglichen  Zeit  die  Bürgerschaft  auf  die  Verwaltung 
des  Zollrechts  keinen  Einfluss  erlangte. 

Sambor  verpflichtet  die  Bürger,  nach  Ablauf  der  Freijahre  von 
jeder  Hofstelle  an  ihn  sechs  Dirschauer  Pfennig  zu  zahlen,  eine  Abgabe, 
wie  sie  als  Anerkennung  der  Unterthänigkeit  auch  anderwärts  dem 
Landesherren  zufiel.  In  Ermangelung  von  Dirschauer  Münzen  werden  wol 
andere  nach  dem  in  Lübeck  oder  in  den  Städten  des  deutschen  Orden- 
landes üblichen  Fusse  geprägte  Pfennige  als  vollgültig  anerkannt  sein. 
Man  pflegte  auf  einen  Schilling  zwölf  Pfennige  zu  rechnen. 

Ueber  die  älteste  Gerichtsverfassung  der  Stadt  kann  sich  aus 
einer  Betrachtung  der  gleichzeitigen  Gerichtsverfassung  Lübecks  nicht 
viel  ergeben.    Denn  gerade  was  die  Ausübung  des  Jurisdictionsrechts 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  27 

betrifft,  so  waren  die  Dinge  dort  wie  in  andern  emporstrebenden  Städten 
am  meisten  in  Fluss,  während  das  materielle  ßecht  seine  Lebenskraft 
an  allen  Orten  bewährte.  —  Ursprünglich  lag  in  Lübeck  die  Gerichts- 
barkeit in  den  Händen  des  Vogtes  (häufig  judex  genannt),  eines  her- 
zoglichen Beamten,  der  das  echte  Ding  hielt.  Dreimal  im  Jahre  rief 
er  hierzu  alle  freien  Männer  zusammen.  Mit  dem  Königsbanne  belehrt 
war  er  allein  zur  Ausübung  der  höheren  Gerichtsbarkeit  befugt.  Auf 
den  Dingen  fanden  unter  Aufsicht  des  Vogtes  auch  Handlungen  der 
freiwilligen  Gerichtsbarkeit  statt;  der  Vogt  entfaltete  daneben  zugleich 
eine  polizeiliche  Thätigkeit,  Maßregeln  zum  Nutzen  der  Stadt  wurden 
dort  von  der  Gemeinde  beschlossen.  Bei  der  Vertretuug  der  Stadt 
aach  aussen  hin  ging  der  Vogt  übrigens  dem  Bat  und  der  Gemeinde 
voran.  -  Aber  dieser  Umfang  seiner  Befugnisse  bestand  nicht  lange. 
Man  strebte  darnach  den  Vogt  auf  die  Gerichtsbarkeit  zu  beschränken, 
schmälerte  die  Competenz  des  echten  Dinges  und  gewann  dann  sogar 
eine  Controle  über  das  Gericht  des  Vogts,  indem  die  Hälfte  der  Ein- 
künfte vom  Gericht  der  Stadt  zufielen.  Schon  zu  Anfang  des  13*  Jahr- 
hunderts sitzen  zwei  Batmannen  neben  dem  Vogt  zu  Gericht  und  bereits 
im  Jahre  1247  ist  gegen  eine  dem  Beiche  zu  leistende  Abgabe  die 
Gerichtsbarkeit  des  Vogtes  an  die  Stadt  Lübeck  gekommen. 

Dieses  Ergebnis  einer  hundertjährigen  Entwickelung  fiel  dem  neuen 
Dirscbauer  Gemeinwesen  nicht  in  den  Schoss.  Ein  herzoglicher  Vogt 
wird  urkundlich  schon  1256  erwähnt  und  jedenfalls  schwebte  Herzog 
Sambor  der  wesentliche  Unterschied  zwischen  den  Gerechtsamen  Lübecks 
und  denen  kleiner  Landstädte  bei  der  Ausstellung  der  Urkunde  vor,  da 
er  unmittelbar  nach  den  Worten  („jus  Lubecense  per  omnia  concedentes") 
mit  denen  er  Dirschau  das  lübische  Becht  verleiht,  nachdrücklichst  betont, 
dass  er  sich,  seinen  Nachfolgern  und  rechtmässigen  Erben  die  Herrschaft 
in  der  Weise  vorbehalte,  wie  Fürsten  in  ihren  Städten  herrschen. 

Die  höhere  Gerichtsbarkeit,  insbesondere  auch  das  Strassengericht 
war  Sache  des  herzoglichen  Vogts.  Aber  es  gab  in  allen  Städten  sehr  früh 
ein  Gebiet,  welches  naturgemäss  der  Competenz  des  Bates  zufiel,  die  Auf- 
rechthaltung der  Ordnung  in  der  Stadt,  die  Wahrung  der  städtischen  Will- 
küren und  aller  solchen  Satzungen,  welche  der  Bat  selbst  gegeben  hatte. 


2g  Die  Giiindung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirachau. 

Ob  aber  das  Amt  der  Vogtei,  ebenso  wie  in  Deutschland,  hier  im 
slavischen  Osten  dauernden  Fuss  fasste,  darf  man  nicht  ohne  Grund 
bezweifeln.  Der  Vogt  war  im  Grunde  nur  ein  Stellvertreter  des  Landes- 
herrn zur  Wahrnehmung  sämmtlicher  Interessen  desselben.  In  Dirschau 
residirte  aber  Sambor  als  Landesherr  selbst;  überdies  war  die  neue 
Ansiedelung  zu  klein,  als  dass  ein  besonderer  herzoglicher  Beamter  für 
die  Stadt  beständig  erforderlich  schien.  Der  Herzog  konnte  seine 
Gerechtsame,  auch  was  die  Rechtsprechung  betraf,  durch  andere  Beamte 
wahrnehmen.  Iu  der  That  kommt  ein  Vogt  in  Dirschau  zu  Sambors 
Zeit  urkundlich  nicht  weiter  vor;  aber  der  ostpommerschen  Verfassung 
gemäß  erhält  sich  das  Amt  des  Castellans  (Burggraf  und  Landrichter) 
oder  eines  besonderen  Richters  (judex)  bis  zum  Ende  der  einheimischen 
Herrschaft,  während  gerade  in  Lübeck,  obwol  die  Stadt  das  Vogteiamt 
an  sich  gebracht  hat  und  den  Vogt  selbst  einsetzt,  das  hohe  Ansebn 
dieses  Amtes  sich  noch  ferner  erhält.  ") 

Für  die  factischen  Jurisdictionsbedürfnisse  im  Stadtgebiet  Dirschau 
dürfte  im  allgemeinen  die  Gerichtsgewalt  des  Schultheissen  und  der 
Räte  genügt  haben.  —  Man  könnte  sogar  geneigt  sein,  den  ersten  auf 
die  Gerichtsbarkeit  bezüglichen  Passus  der  Gründungsurkunde:  „Si  quis 
etiam  in  hiis  libertatibus  (d.  h.  in  den  städtischen  Grenzen)  eicesserit 
ita  sicut  in  civitate  delinqueret,  judicetur,  de  cujus  judicio  reeipimus 
terciam  portionemu  dahin  zu  verstehen,  dass  die  Gleichheit  in  der  Be- 
handlung der  in  und  ausserhalb  der  Stadt  begangenen  Gesetzesver- 
letzungen sich  nicht  nur  auf  die  Anwendung  des  Strafmaßes  und  die  Com- 
petenz  des  städtischen  Gerichts  bezog,  sondern  auch  die  Verschiedenheit 
der  Vergehen  dabei  keinen  Unterschied  machte;  aber  in  Ermangelung 
bestimmter  Competenzabgrenzungen  ist  denn  doch  hieran  weniger,  zu 
denken,  als  vielmehr  an  die  Festsetzung  eines  landesherrlichen  Gefälles 
und  eine  räumliche  Vergünstigung,  welche  der  Herzog  dabei  der  Stadt 


")  Die  Lübecker  übertragen  die  Vogtei  eiuera  angesehenen  Mitbürger  gegen 
Zahlung  einer  bestimmten  Geldsumme;  1262  dem  Menelans  für  70  Mark  Pfennige, 
1263  dem  Johannes  von  Carssowe  für  60  Mark  Pfennige;  in  demselben  Jahre  richtet 
Herzog  Swantopolk  an  die  Lübecker  ein  Schreiben,  in  welchem  er  zuvörderst  einen 
Gross  an  „den  Vogt,  den  Bat  und  die  Gemeinde  zu  Lübeck"  sendet 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  29 

zuwenden  will.  —  In  den  Städten  im  inneren  Deutschland  waren  die 
Gerechtsame  der  Bürgerschaft  durch  den  Kreis  ihrer  Mauern  räumlich 
beschränkt,  im  Gegensatz  hierzu  werden  die  deutschen  Städte  im  Slaven- 
lande  sofort  mit  Nutzungsrechten  an  einem  benachbarten  Territorum 
ausgestattet;  sie  erhielten  ein  erweitertes  Weichbild  und  so  bestimmt 
auch  für  die  Gerichtsbarkeit  Sambor,  dass  innerhalb  des  gesammten 
Stadtgebiets  dasselbe  Recht  und  dasselbe  Verfahren  maßgebend  sei.  Es 
kam  dies  besonders  den  Fremden  zu  statten  und  war  geeignet,  das 
Ansehn  der  Stadt  nach  aussen  zu  fördern.  —  Handelte  es  sich  um 
Vergehen,  welche  vor  das  landesherrliche  Forum  gehörten,  so  sollte 
eben  der  städtische  Boden  und  das  Stadtgebiet  keinen  Unterschied 
machen15),  und  dasselbe  galt  für  die  Rechtsprechung  des  Schultheissen 
und  der  Räte.  Vom  städtischen  Gericht  behält  sich  aber  der  Herzog 
in  jedem  Falle  ein  Drittel  der  erkannten  Geldstrafen,  (Brüche,  Bussen) 
vor.  Es  entsprach  dies  genau  den  Verhältnissen  Lübeks,  wo  bei  den 
vom  Rat  erkannten  Bussen  dei  Richter  auch  nur  ein  Drittel,  die  Stadt 
zwei  Drittel  erhielt.  Von  den  Brüchen  wegen  Uebertretung  der  städti- 
schen Küren  überlieferten  die  Consuln  dort  auch  zwei  Drittel  der 
Stadt.  Es  gab  Fälle,  bei  denen  auch  der  Kläger  zu  berücksichtigen 
war,  z.  B.  bei  Diebstahlsstrafen.  Erhielt  derselbe  dann,  wie  es  nach 
lübischem  Recht  Brauch  war,  ein  Drittel,  so  behielt  die  Stadt  nur 
noch  ein  Drittel,  während  der  Richter,  an  dessen  Stelle  Sambor  sich 
denkt,  wie  immer  seinen  vollen  Anteil  behielt.  Dass  es  Sambor  weniger 
auf  Regelung  der  Gerichtscompetenz,  als  auf  eine  Sicherung  seiner 
Gefälle  ankam,  beweist  auch  die  zweite  die  Gerichtsbarkeit  betreffende 
Stelle  der  Urkunde,  in  welcher  er  den  Rat  verpflichtet,  ihm  freiwillig 
den  dritten  Teil  der  bei  den  Deutschen  „vorsatungeu  genannten  Geld- 
strafe abzuliefern.  Unter  „vorsate",  oder  „vorsatunge14  wird  in  den 
mittelalterlichen  Rechtsaufzeichnungen  zunächst  diejenige  Erscheinungs- 
form des  verbrecherischen  Willens  verstanden,  bei  welcher  auf  das 
Vorhandensein  eines  besondern  verbrecherischen  Vorsatzes  zu  schliessen 


1S)  Elbing  war  bei  seiner  Gründung  nur  innerhalb  des  Bereichs  seiner  Be- 
festigungswerke  mit  lübischom  Recht  bewidmet;  die  Erweiterung  für  den  ganzen 
Bereich  der  Stadtfreiheit  erhielt  es  erst  1288. 


30  Die  Gründang  and  älteste  Einrichtung  dar  Stadt  Dirschaa. 

war.    Diejenigen  Momente   einer   strafbaren  Handlung,   in   denen   die 
„vorsate"  sich  kundgiebt,  sollen  von  dein   übrigen  Vorgange  abgelöst 
und  für  sich  behandelt  werden,  so  dass  in  Lübeck  bei  solchen  Sachen 
der  Vogt  und  die  beisitzenden   Ratmannen   nur   soviel,    als    zu    ihrer 
Competenz  gehört  aburteilen,  der  „vorsate"  aber  sich  nicht  unterwinden 
durften,    sondern    diese    ganz   auf  das    Haus   vor   den    sitzenden  Rat 
sandten.     Die   charakteristische  Zuzatzstrafe   der   „vorsate"   war   eine 
öffentliche  in  dem  Sinne,  dass  sie  ganz  und  voll  den  obrigkeitlichen 
Gewalten  ohne  Concurrenz  des  Vogtes  zufiel  und  bestand  in  zehn  Mark 
Silber  und  einem  Fuder  Wein.    Die  Bezeichnung  des  bösen  Willens 
ging  aber  sehr  bald  auf  die  Strafe   selbst  über  und  wurde  die  alte 
Bestimmung  des  lübischen  Rechts,  dass  der  Vogt  von  allen  durch  den 
Rat  erkannten  Bussen  ein  Drittteil  zu   empfangen  habe,   gerade  mit 
Bezug  auf  diese  Strafe  speciell  hervorgehoben,  jedoch  mit  dem  Zusatz, 
dass  der  Weiu  der  Stadt  ganz  ausschliesslich  zukomme.    Welche  Arten 
von  Verbrechen  zu  den  mit  „vorsate"  bedrohten  gehören,  ist  in  den 
verschiedenen  Recensionen  des  lübischen  Rechts  nicht  ausgeführt,  doch 
deuten  mannigfache  Exemplificationen  darauf  hin,  dass  besonders  vor- 
sätzliche Körperverletzungen  und  Beschimpfungen  von  Bürgern  gemeint 
sind.     Eine  specielle  Hervorhebung  dieses   landesherrlichen  Gerichts- 
gefälles kann  aber  nicht  nur  durch  die  unzweifelhafte  Gerichtscompetenz 
des  Rats  in  den  Fällen  der  „vorsate",  sondern  auch  durch  die  damals 
schon  vorkommende  Praxis  eines  Strafnachlasses,  der  Sambor  nicht  zu- 
stimmen will,  motivirt  erscheinen.  —  Eine  den  Zeitverhältnissen  ange- 
passte  Modification  einer  alten   statutarischen  Bestimmung   lübischen 
Rechts,  tritt  in  der  Fassung  des  Verbots,  städtische  Grundstücke  an 
Gotteshäuser  oder  geistliche  Stiftungen  zu  übertragen,  zum  Vorschein. 
Während  in  Lübeck  und  andern  rechtsverwandten  Städten  jenes  Verbot, 
ungeachtet  päbstlicher  Mahnungen  und  Drohnungen,  im  Laufe  der  Zeit 
geschärft  wird  und  Uebertretungen  damals  mit  zehn  Mark  Silber  gebüsst 
wurden,  abgesehen  von  der  Nichtigkeit  des   ganzen  Actes,   bestimmt 
Sambor  nur,  dass  zur  Veräusserung  innerhalb  der  Stadtbefestigung  be- 
legener städtischer  Grundstücke,  seine  Erlaubniss  und  die  Zustimmung 
der  ganzen  Bürgerschaft  erforderlich  sei. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  31 

Diese  mildere  Praxis  ist  auch  in  Elbing  ")  und  in  andern  Städten 
des  Ordenslandes  üblich  gewesen.  Es  handelte  sich  darum,  der  Stadt 
den  ganzen  Bereich  der  ihr  äusserlich  zugehörigen  Grundstücke,  die 
auf  diesen  ruhende  Verpflichtung  zu  bürgerlichen  Abgaben  und  Diensten, 
die  auf  den  ganzen  städtischen  Bezirk  sich  erstreckende  Gerichtsbar- 
keit ungeschmälert  und  ununterbrochen  durch  Exemtionen,  wie  sie  die 
Geistlichkeit  in  Anspruch  nahm,  zu  wahren  und  zu  erhalten. 

Diese  knappen  Grundzüge  des  öffentlichen  Rechts,  für  dessen  Er- 
weiterung* der  Wille  des  Landesherrn  die  alleinige  Quelle  blieb,  konn- 
ten für  ein  kleines  Gemeinwesen  genügen;  in  Betreff  der  Civilgerichts- 
barkeit,  an  welche  bei  der  allgemeinen  Hinweisung  besonders  gedacht 
werden  muss,  gestattet  Sambor  seiner  Bürgerschaft  sich  Rats  in  Elbing 
zu  holen,  sobald  ihnen  ein  Rechtsausspruch  unbekannt  oder  unklar  sein 
sollte.  Der  Bat  zu  Elbing  nahm  damit  für  Dirschau  die  Stellung  eines 
Oberhofs  ein,  wie  Lübeck  für  viele  Städte  in  Deutschland. 

Was  Sambor  der  Stadt  an  Besitz  verleiht,  ist  wenig  bedeutend. 
Es  sind  zuvörderst  Weichselwiesen,  deren  Länge  von  dem  obern,  dem  süd- 
lichen Ende  der  Stadt  gerechnet,  82  Seile,  d.  h.  etwa  3280  meter  be- 
trägt; die  Angabe  der  Breite  (27  Faden  =  etwa  1080  meter)  bezieht 
sich  jedenfalls  nur  auf  das  Nordende,  wo  die  Spancowa  ")  (beute  Mottlau) 
in  älterer  Zeit  das  städtische  Wiesenterrain  umsäumte.  Heute  trennt 
dieselbe  jenen  älteren  Wiesenbesitz  (die  sogenannten  Eitriche)  von  dem 
spätem,  den  Winrich  von  Eniprode  der  Stadt  im  Jahre  1372  verlieh 
(„Dirschauer  Wiesen"  genannt) ").  Die  Nachmessung  der  Breite  im 
heutigen  Stadtgebiet  wird  dadurch  sehr  problematisch,  dass  die  Weichsel 
seit  jener  Zeit  ihren  Lauf  nicht  unbeträchtlich  nach  Westen  verlegt  hat "). 


")  cf.  Handfeste  des  Hochmeisters  Heinrich  von  Hohenlohe  für  Elbing  a.  1246 
Cod.  dipl.  Warmiensis  No.  13.  Cod.  dipl.  Prass.  II.  No.  6  Privilegium  des  Bischöfe 
Heinrich  für  Braunsberg  a.  1284. 

")  Prenss  und  auch  Perlbach  übersetzen  Spancowa  falschlich  mit  Spangan 
(damals  nnr  Mühle),  das  als  ein  einzelner  abseits  nach  Westen  zu  liegender  Punkt 
hier  garnicht  geeignet  ist,  als  Grenzbezeichnung  zu  dienen. 

")  Siehe  Karte  2,  das  Stadtgebiet  Dirschau. 

")  Die  Verschiebung  des  Weichselbettes  seit  dem  Brückeubau  wird  auf  circa 
80  Meter  taxirt. 


32  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirscfcau. 

Indessen  kann  uns  der  Inhalt  der  Handfeste  Winricbs  vom  Jahre  1364, 
in  welcher  der  Stadt  ihr  altes  Gebiet  der  Hauptsache  nach  neu  be- 
stätigt sein  wird,  zur  Aushilfe  dienen.  Es  wird  darin  eine  besonders 
geschüttete  Grenze  erwähnt,  welche  an  und  von  der  Spangau  (Mottlau) 
auslaufend,  den  Wiesenbesitz  der  Sladt  von  dem  benachbarten  Lande, 
zu  welchem  auch  das  Ordensgut  Liebenhof  (incl.  des  heutigen  Bitter- 
guts Stangenberg)  gehörte,  abschnitt.  Das  Stangenberger  Land  (noch 
heute  ca.  8  kulmische  Hufen  ausmachend  und  vom  Weichseldamm  bis 
zur  Bokittker  Grenze  an  das  Dirschauer  Gebiet  anstossend)  jvird  aber 
schon  damals  ganz  ähnlich  das  Dirschauer  Territorium  begrenzt  haben, 
da  in  der  Verleihungsurkunde  von  Liebenhof  im  Jahre  1256  auch 
„acht  Hufen  vor  Dirschau" so)  als  Zubehör  zu  dem  Hauptareal  bezeichnet 
sind.  Zwischen  dem  alten  Schönecker  Wege,  der  Weichsel  und  der 
Stangenberger  Grenze  ist  der  Boden  in  seinem  westlichen  Teil  hügelig 
und  dort  nicht  als  ursprünglicher  Wiesengrund  anzusehen.  Den  hierzu 
gehörigen  Samaitenberg  (jetzt  planirtes  Bahnhofsterrain)  schenkte  Herzog 
Wladislaw  von  Polen  und  Pommern  im  Jahre  1299,  der  westlich  davon 
liegende  grössere  Mühlenberg  ferner  wurde  von  der  Stadt  durch  einen 
Kaufvertrag  erworben;  in  demselben  Gebiet  fand  man,  wie  es  scheint, 

• 

später  auch  Baum  zur  Ausstattung  von  Klöstern  (Nonnenmorgen,  Kloster- 
wiesen). Sambor  sondert  von  dem  hierher  gehörigen  Wiesenterrain  auch 
ausdrücklich  ein  bis  zum  „Jesniczsee"  reichendes  Stück  ab,  das  er  als 
Gemeinland  allen  in  der  Nähe  wohnenden  Leuten,  allen  Fremden  (d.  h. 
Pilgern  und  Gästen)  wie  den  Wirten  zur  freien  Benutzung  einräumt. 
Unter  dem  Jesniczsee  ist  unzweifelhaft  kein  anderes  Gewässer  zu  ver- 
stehen, als  der  spätere  Müblenteich  (durch  den  Bau  der  Ostbahn  ist  er 
beseitigt),  neben  welchem  Jahrhunderte  hindurch  ein  städtischer  Gemein- 
platz lag.21) 


*°)  Die  Stelle  ist  lückenhaft;  wahrscheinlich  lautete  sie  vollständig:  „ante  castrum 
in  Dersow",  vielleicht  wurde  zur  Ordenszeit  ein  Teil  dieses  Landes  der  Stadt  Dirschau 
zugeschrieben;  es  liegt  grösstenteils  auf  einer  Deckthoninsel  und  wurde  mit  dem 
gleichwertigen  Acker  oberhalb  Dirschaus  früher  in  Cultur  genommen,  als  das  minder- 
wertige Dirschauer  Land. 

21)  Die  Stadtbleiche  ist  in  Folge  des  Bahnhofebaues  von  dort  weiter  abwärts  verlegt. 
Die  Anlage  des  Mühlengrabens  musate  ehemals  den  See  natürlich  zum  Teil  entwässern. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  3g 

Von  minderer  Güte  war  ein  zweites  grösseres  oberhalb  der  Stadt 
gelegenes  Stück  Land,  welches  Sarobor  den  Burgern  als  Viehweide  ver- 
lieh. Die  Länge  desselben  betrug  von  der  Grenze  der  Stadtgärten  nach 
Westen  gemessen  90  Seile  (3390  meter);  die  Breite  wird  mittels  der 
Grenzsteine  des  Czarliner  Weges  von  Süden  nach  Norden  gleichfalls 
auf  90  Seile  bestimmt,  die  Seilenzahl  der  zweiten  Länge  wird  durch 
andere  zu  diesem  Behuf  gesetzte  Grenzsteine  bezeichnet.  Da  Schliewen 
und  Rokittken  damals,  wenigstens  noch  nicht  in  bestimmten  Grenzen 
vorhanden  waren,  so  war  eine  solche  Abmessung  notwendig;  das  Hufen- 
:aaß  findet  bei  Weideland  keine  Anwendung. 

Das  bezeichnete  Gebiet  ist  der  heutige  Hauptplan  der  Dirschauer 
Hufenländereien  von  der  Gewannengrenze  nach  Südwesten  zu  gelegen, 
bis  an  die  vorgenannten  Ortschaften. 

Endlich  verleiht  Sambor  seinen  Bürgern  noch  die  Fischereigerechtig- 
keit in  der  Weichsel  von  der  Kniebauer M)  Grenze  abwärts  bis  dorthin, 
wo  die  Wiesen  der  Stadt  aufhören. 

Werfen  wir  zum  Schluss  einen  Blick  auf  die  äussere  Einrichtung 
der  Stadt.  Die  Altstadt  Dirschau  liegt  auf  einem  schmalen  nach 
Westen  zu  gerichteten  Plateau,  dessen  östlicher  Abhang  zur  Weichsel 
gleichfalls  in  die  Umfassung  der  Stadt-  resp.  der  verlängerten  Burg- 
mauer gezogen  wurde  und  in  seinem  niedrigsten  Teile  den  Schloitagrund 
hergab.  Ihrem  Hauptteile  nach  bestand  die  erste  Befestigung  der  Stadt 
nur  aus  einem  Wall  mit  doppeltem  Graben,  wenigstens  an  der  Nord- 
seite, wie  aus  der  Gründungsurkunde  des  Dominikanerklosters  von  1289 


ss)  Die  Uebersetzung  der  Stelle:  „a  finibus  Gordin  et  Pnebabowe"  in  dem  Sinne, 
dass  eine  zwischen  Gerdin  und  Kniebau  befindliche  Grenze  gemeint  sei  (welche  über- 
haupt doch  nnr  eine  Wassergrenze  sein  konnte)  hat  wenig  för  sich;  richtiger  dürfte 
man  „Gordin  et  Pnebabowe"  als  ein  Gebiet  betrachten,  zumal  zn  Gerdin  nach  andern 
Urkunden  eine  Anzahl  Dependenzien  gehören,  von  denen  Knieban  als  die  nördlichste, 
Dirschau  zunächst  liegende  hier  erwähnt  wird.  Gerdin  hatte  (nach  Urkunde  427  bei 
Perlbach  vom  Jahre  1287)  sechsig  Hufen,  Kniebau  ehemals  deren  zehn  (jetzt  nur 
noch  acht).  Kniebau  gehörte  zu  denjenigen  Besitzungen,  über  welche  der  Herzog 
sich  Verfügungsrecht  vorbehalten  hatte:  denn  er  will  es  nebst  Baldau  1275  für  die 
Cistercienserinnen  erwerben  (cf.  Urk.  272  bei  P.)'  im  Jahre  1260  war  es  samt  dem 
Fischereirecht  wahrscheinlich  bereits  in  den  Händen  eines  seiner  Getreuen,  oder 
sollte  demnächst  verliehen  werden. 

A)*r.  MoMUsehrift  Bd.  XXJA  Hit  1  u.  2.  3 


34  D>*  Gründung  and  Älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirsehao. 

hervorgeht.  Müssen  wir  nach  Analogie  der  Ordensstädte  ferner  an- 
nehmen, dass  die  ersten  Wohnhäuser  nicht  massiv,  sondern  ans  leichtem 
Fachwerk  gebaut  waren,  so  ist  die  Erhaltung  der  ursprünglichen  Hof- 
stellen trotz  wiederholter  Zerstörung  der  Stadt  leicht  zu  erweisen.  Die 
weiteste  Ausdehnung  des  Stadtplans  von  Osten  nach  Westen  beträgt 
nur  390  meter,  die  kleinste  305  meter,  die  Breite  zwischen  Norden  und 
Süden  beträgt  140  bis  250  meter.  An  der  Nordseite  der  alten  Stadt- 
befestigung steht  etwas  nach  Westen  zu  über  die  Mitte  hinaus  die  alte 
von  einem  kleinen  Kirchhof  umgebene  Kirche  zur  heiligen  Kreuzes- 
erhöhung. Ziemlich  genau  in  der  Richtung  der  Begrenzungslinien  gegen 
Osten  und  Westen  befinden  sich  heute  zwei  je  sechs  Wohnhäuser  ent- 
haltende Hofstellenreihen,  die  Ost-  und  die  Westseite  des  Marktes 
bildend.  Nirgends  anders  als  hier  sind  meines  Erachtpns  die  ältesten 
Wohnstätten  su  suchen;  hier  entfaltete  sich  der  erste  städtische  Ver- 
kehr, dem  in  unentwickelter  Form  eine  blosse  Benutzung  des  oben  be- 
zeichneten Gemeinlandes  durch  die  benachbarten  Landleute  voraus- 
gegangen zu  sein  scheint.  Der  heutige  Marktplatz  war  aber  nach  der 
Grundungsurkunde  des  Dominikanerklosters  von  1289  bereits  vorhanden 
und  lief  eine  Strasse  von  dort  direct  nach  der  Weichsel,  die  heutige 
Langestrasse  (zur  Ordenszeit  „Herrenstrasse11  benannt).  Der  bis  zur 
Südseite  der  Stadtbefestigung  noch  übrigbleibende  Baum  gestattete  nur 
noch  eine  zweite  gleichfalls  zur  Weichsel  führende  Hofstellenreihe  mit 
derjenigen  der  „Herrenstrasseu  parallel  zu  vermessen  (heute  Berliner- 
strasse, und  ehemals  „Breitestrasse41  genannt). ")  Beider  Strassen  Ver- 
längerung nach  dem  Westthor  der  Stadt  (nach  Danzig  führend)  brachte 
den  ersten  Bebauungsplan  zu  vollständiger  Ausführung.  Der  Baum 
zwischen  Marktplatz  und  Kirche  blieb  unbesetzt,  wie  dies  aus  der 
späteren  Handfeste  vom  Jahre  1364  hervorgeht 

Eine  Bestätigung  dieses  Bebauungsplanes  ergiebt  sich  aus  der  Ver- 
gleichung  der  verschiedenen  Hofstellenmaße.  Die  der  Kirche  gegenüber 
liegende  Südseite  des  Marktes  wird  nämlich  ebenso  wie  die  Ost-  und 


*')  Beide  Strassen  sind  erst  nach  Beseitigung  der  vor  den  Wohnhäusern  befind- 
lichen Lauben  breiter  geworden;  die  Herrenstrasse  war  ehemals  fünf  Meter,  die 
Breitestrasse  7  Meter  breit. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  35 

Westseite  von  einer  sechs  Wohnhäuser  enthaltenden  Hofstellenreihe 
gebildet,  deren  Breite  wie  bei  den  andern  46  meter84)  beträgt.  Hatte 
darnach  jedes  der  ältesten  Wohnhäuser  durchschnittlich  7%  meter  Front, 
welches  Maß  sich  noch  bis  heute  bei  den  meisten  erhalten  hat,  so  be- 
trug nach  vorhandenen  Grenzlinien  zu  urteilen  die  Tiefe  am  Markt 
mindestens  35  bis  36  meter.  Die  Tiefe  der  andern  Hofstellen  war  je 
nach  der  Lage  verschieden  und  durch  die  Krümmung  der  Befestigungs- 
linie bedingt;  doch  giebt  es  noch  heute  eine  Anzahl  Hof  stellen,  deren 
Tiefe  bis  gegen  die  Stadtbefestigung  hin  (längs  welcher  natürlich  etwas 
Baum  für  Vertheidigungszwecke  freibleiben  musste)  reichte  und  sogar 
60  Vs  meter  (als  Maximum)  beträgt.  War  hiernach  für  die  Anlage  von 
Hintergassen  kein  genügender  Baum  vorhanden,  so  scheint  auch  der 
sonstige  noch  verfügbare  Baum  zunächst  nicht  zu  Hofstellen  benutzt 
worden  zu  sein.  Denn  unterhalb  der  je  acht  Hofstellen  enthaltenden 
Ostflügel  der  beiden  Strassen  fällt  der  Boden  noch  heute  so  steil  ab, 
dass  jener  minder  geschätzte  Stadtteil  als  „Unterstadt41 ")  im  Gegensatz 
zu  dem  Hauptstadtteil  (der  Oberstadt)  angesehen  wird  und  lange  un- 
bewohnt blieb;  oberhalb  der  je  zehn  Hofstellen  enthaltenden  Westflügel 
der  beiden  Strassen  blieb  nur  noch  Baum  für  zwei  Hofstellen,  durch 
deren  Besetzung  der  Verkehr  am  Hauptthor  sehr  beengt  worden  wäre. 
Auch  der  hinter  der  Ost-  wie  der  Westseite  des  Marktes  verfügbare 
Raum  war  nicht  zur  Vermessung  in  Hofstellen  geeignet;  derselbe  ist 
32  resp.  34  meter  tief  und  scheint  später  in  völlig  regelloser  Weise 
ausgeteilt  worden  zu  sein,  denn  nicht  ein.  einziges  Grundstück  erinnert 
an  eine  ehemalige  Uebereinstimmung  mit  den  ältesten  Hofstellen.  Nach 
der  Westseite  nimmt  jener  Baum  übrigens  so  sehr  an  Breite  ab,  dass 
seine  Tiefe  nicht  zu  verwerten  war,  und  blieben  beide  Plätze  ursprung- 
lich schon  deshalb  frei,  weil  jene  zunächst  hauptsächlich  Viehwirtschaft 


*4)  Die  Maße  sind  nach  einer  von  dem  vereid.  Feldmesser  Peter  neuerdings 
gefertigten  Karte  von  Dirscban  angegeben,  welche  der  gegenwärtige  Besitzer  mir 
irenndKcbst  Ar  diese  Arbeit  zur  Verfügung  gestellt  bat. 

*•}  Dort  lftgdn  in  früherer  Zeit  die  Abdeckerei  resp.  Scharfrichterei,  ein  Brand- 
bans, Backhäuser,  Töpferöfen,  der  Stadthofplatz,  und  der  tfüste  Seblossgrund;  einen 
ähnlichen  Charakter  hat  dieser  Stfatitteil  noch  beute. 

3* 


36  Die  Gründung  und  Kiteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschaa, 

treibenden  Burger  am  Markte  von  ihren  Stallungen  aus  dort  ihr  Vieh 
zur  Weide  hinauslassen  mussten.  Sondert  man  übrigens  diejenigen  von 
den  heutigen  307  Grundstücken  der  Altstadt  aus,  welche  nachweislich 
erst  aus  der  Ordenszeit  stammen,  oder  einer  späteren  Austeilung  wüster 
Plätze  ihre  Entstehung  verdanken,  wie  besonders  da,  wo  ehemals  die 
Stadtmauer  und  der  Stadtgraben  lief,26)  sowie  diejenigen,  welche  als 
Hinterhäuser  zu  den  alten  Hofstellen  gehören,  so  wird  der  alte  Stadt- 
plan ziemlich  deutlich  erkennbar.  Von  der  Aufklärung  gerinfügiger 
Abweichungen  absehend,  können  wir  die  oben  bezeichneten  Hofstellen, 
nämlich  achtzehn  am  Ringe  des  Marktes,  sechszehn  nach  Osten  und 
zwanzig  nach  Westen  zu  als  den  ursprünglichen  Baugrund  der  Stadt  in 
Anspruch  nehmen  und  hätten  nur  eine  Hofstelle  an  der  Nordostecke  des 
Marktes  (im  heutigen  Stadtplan  IV  27  mit  den  fünf  kleinen  nördlich 
dahinter  liegenden  Grundstücken),  welche  nach  dem  Kirchhof  zu  und 
in  die  Nähe  des  Hochaltars  auslief  und  einen  Teil  derjenigen  Grund- 
fläche bildet,  welche  Mestwin  IL  im  Jahre  1289  dem  neugegründeten 
Dominicanerkloster  zuwies,  in  Abrechnung  zu  bringen,  so  dass  die  An- 
zahl der  ältesten  Hofstellen  und  Vollbürger  sich  auf  dreiundfünfzig 
beschränkte27).  Für  das  Pfarrhaus  blieb  in  der  Nähe  der  Kirche  ge- 
nügender Baum.  Die  in  den  Gründungsurkunden  erwähnten  Stadt- 
gärten, welche  in  Ermangelung  andern  fruchttragenden  Landes,  als 
notwendiger  Zubehör  zu  jeder  einzelnen  Hofstelle  anzusehen  sind,  lassen 
S)ch,  wenn  auch  nicht  mit  untrüglicher  Gewissheit  im  einzelnen,  so  doch 
nach  ihrer  ehemaligen  den  Stadtgraben  rings  umschliessenden  Gesammt- 
fläche  im  Vergleich  mit  der  Grösse  einzelner  noch  vorhandener  Garten- 
grundstücke, gleichfalls  herausfinden  resp.  berechnen. 

Sollten  wir  indessen  hierin  auch  vorgreifen,  so  bestätigt  uns  die 
seit  Alters  völlig  übereinstimmende  Anzahl  der  Ackerhufen,  dass  in  echtem 
ursprünglichen  Sinne  des  Worts  zu  jedem  Hofe  auch  eine  Hufe  gehörte. 


26)  Die  Generalhypotekenacten  von  Dirschaa  enthalten  eine  Nachweisung  der  zur 
Stadt  gehörigen  Erbpachtsgrandstücke  vom  Jahre  1833,  in  Summa  83,  welche  zum 
grossen  Teil  hier  in  Betracht  kommen;  in  den  Jahren  1780  bis  1784  Würden  nach 
Ausweis  der  Acten  allein  34  wüste  Plätze  vergeben. 

*7)  Vergleiche  den  diesem  Aufsätze  beigefügten  Stadtplan. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  37 

Es  ist  zur  Genüge  bekannt,  dass  besonders  im  Mittelalter  eine  Hufe 
nicht  ein  überall  gleiches  Stück  Land,  sondern  nur  das  zu  einer  Hof- 
stelle gehörige  Maaß  Ackers  bezeichnet,  hinreichend  um  einen  Land- 
mann mit  seiner  Familie  zu  nähren.  Fand  damals  auch  die  Anwendung 
des  kulmischen  Hufenmaßes  mehr  und  mehr  Eingang,  so  geschahen 
Landverleihungen  doch  auch  in  ungemessenen  Grenzen,  in  grösseren 
und  kleineren  Hufen. s>) 

Das  im  Gründungsprivileg  nur  oberflächlich  dem  Umfang  nach  be- 
stimmte Weideland  Dirschaus  wurde  erst  im  Laufe  der  Zeit  in  56  Acker- 
hufen —  drei  gebührten  dem  Pfarrer  —  verwandelt,  deren  einzelne 
Anteile  in  verschiedenen  Abschnitten  des  Gesammtareais  lagen.  Jede 
Dirschauer  Hufe  enthielt  nachweislich  seit  dem  16.  Jahrhundert,  wie  aus 
den  bezüglichen  Nachrichten  aber  zn  folgern  ist  seit  ältester  Zeit29), 
21  Morgen  47  Buten  kulmisches  Maas  in  6  Theilen,  von  denen  5  inner- 
halb des  alten  Weideplans  lagen,  der  sechste  je  sechs  Morgen  enthaltend 
an  der  Stangenberger  Grenze.  Das  ganze  Ackerland  bildete  indes  einen 
zusammenhängenden  Plan.  Diese  allmälige  Verteilung  des  Stadtackers 
in  56  gleiche  Anteile  (Hufen  genannt)  ist  nur  bei  der  Annahme  einer 
seit  Alters  vorhandenen  gleichen  Anzahl  vollberechtigter  Hofstellen  er- 
klärlich, gleichviel  ob  man  zu  den  Zeiten  Sambors  nur  die  nächst- 
liegenden ersten  56  Parcellen  („Schmalstückeu  genannt,  jedes  3  Morgen 
220OButen  gross)  oder  auch  schon  die  andern  („Hubenstücke,  Drei- 


")  cf.  Zorn  Beispiel  ürk.  587  (Perlbach)  vom  Jahre  1299,  in  welcher  das 
Dorf  Mühlbanz  bei  Dirschau  zn  deutschem  Recht  in  kleinen  Hufen  (ad  parvos  mansos) 
ausgesetzt  wird. 

**)  Extract  der  Generalberichtigimg  Verhandlung  der  Lande  Freussen  vom 
Jahre  1664,  in  welchem  ein  Privilegium  Stephan  Bathorys  vom  Jahre  1580  ange- 
fahrt wird,  das  die  drei  und  fünfzig  Hufen  auf  den  Bergen  und  in  der  Niederung 
als  laut  besonderer  Rechte  und  Einteilung  von  den  Bürgern  benutzt  hervorhebt 
und  Acta  generalis  des  Egl.  Land-  und  Stadtgerichts  Dirschau  betr.  die  Privilegien 
der  Hubner- Brüder- Corporation  in  denen  es  heisst:  Ueber  diese  sechs  und  fünfzig 
Hufen  hat  unser  vormaliger  Magistrat  bei  der  am  4.  October  1577  erfolgten  Ein- 
äscherung unserer  Stadt  und  nach  sich  gezogenen  Verlust  unserer  ehemaligen 
Bolle  eine  am  1.  August  1579  entworfene  etc.  Willkür  erteilt.  Mit  der  Vermessung 
des  Privilegs  von  1580  stimmt  auch  die  Handfeste  Winrichs  von  Eniprode  a.  1364 
annähernd  übertin,  nur  dass  hier  nicht  die  Grösse  des  alten  Ackerlandes,  sondern 
das  Gesammtareal  eingehender  bezeichnet  wird. 


3g  Die  Gründung  nud  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschaa. 

rutenstücke,  Querstücke,  Schmalstücke  ")"  geheissen)  verteilt  hat.  Denn 
jede  spätere  Verteilung  musste  an  die  erste  sich  anschliessen.  Auch 
nicht  der  geringste  Wahrscheinlichkeitsgrund  ist  dafür  geltend  zu  machen, 
dass  jene  alte  Ackerverteilung  erst  in  der  polnischen  Zeit  statt  gehabt 
hätte,  da  dann  jedenfalls  irgend  eine  chronologische  Erinnerung  daran 
erbarten  und  die  Behauptung,  dass  die  Bürgerschaft  von  Dirschau 
„seit  undenklichen  Zeiten  56  Hufen  Säeland"31)  besitze,  nicht 
möglich  gewesen  wäre. 

Der  ersten  geringfügigen32)  Ansiedelung,  deren  Seelenzahl  auf 
höchstens  dreihundert  zu  schätzen  ist,  konnte  der  unbedeutende  Markt- 
platz33) und  eine  nur  aus  drei  Personen  gebildete  Stadtobrigkeit  ge- 
nügen 34).  Wie  schon  aus  der  oben  bemerkten  wechselnden  Bezeichnung 
derselben  Personen  als  Bitter  und  als  Bürger  hervorgeht,  bestand  eine 
scharfe  Scheidung  der  Ansiedler  nach  Herkommen  und  Beruf  nicht, 
wir  werden  daher  unter  den  früher  aufgeführten  Personen  aus  Sambors 
Umgebung  pum  grossen  Teil  die  ersten  Bürger  zu  suchen  haben;  sehen 
wir  doch,  dass  auch  in  Westpommern  waffentüchtige  Männer  (Bitter 
und  Knappen)  sich  in  den  Städten  ansiedeln  und  mit  geringer  Besitz- 
ausstattung vorlieb  nehmen  **).  Die  Einwohner  fanden  ihren  Unterhalt 
vom  Fähr-  und  Mühlenbetrieb,  von  der  Fischerei,  Gastwirtschaft  und 
Viehzucht,  daneben  entwickelten  sich  Handelsverkehr  und  Handwerks- 
betrieb, wie  in  andern  deutschen  Städten  jenes  Jahrhunderts.  Schil- 
derei, Gewandmachen  und  Schmiedekunst  treten  am  frühesten  hervor, 
wahrscheinlich  weil  die  dort  einkehrenden  Kreuzfahrer  und  Kolonisten 
den  Einwohnern  Gelegenheit  zu  Arbeit  und  Verdienst  gaben. 


8D)  Diese  „Schmalstücke"  sind  viel  kleiner  als  die  erstgenannten  Schmalstücke. 

31)  Acta  generalia  etc.  im  Eingang  einer  Eingabe  an  den  König  yom  12.  Octo- 
ber  1781,  welche  auf  da«  Privileg  von  1577  resp.  1580  zurückgreift. 

9S)  In  Westpommern  worden  um  jene  Zeit  Greifenhagen  mit  200  Hafen,  Colberg, 
Greifenberg  nnd  Cöslin  mit  je  100  Hafen  und  Gollnow  mit  120  Hufen  Acker  bewidmet 

33)  Dasselbe  ist  in  unserem  Jahrhundert  durch  Beseitigung  der  vor  den  Häusern 
befindlichen  Lauben  etwas  erweitert 

")  Wenigstens  erscheint  mir  die  Elbinger  Ratsverfassung,  nach  welcher  24  Bat- 
männer den  gemeinen  Bat  bildeten,  als  für  Dirschaa  nicht  anwendbar. 

3*)  So  werden  bei  der  Gründung  von  Greifenberg  1262  an  zehn  Bitter  und 
Knappen  zusammen  nur  30  Hufen  verliehen* 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  39 

Das  fremde  Geld,  welches  der  Verkehr  in  die  Stadt  brachte,  konnte 
dann  ein  vom  Herzog  bestellter  Münzer  zum  Umprägen  erhalten.  Ein 
Schreiber  übernahm  die  Anfertigung  schriftlicher  Verträge  und  Obliga- 
tionen. Für  den  Schulunterricht  sorgte,  soweit  es  üblich  war,  der  Pfarrer 
oder  der  Küster  ").  Im  Jahre  1262  erbaten  sich  die  Bürger  von  Dirschau 
eine  Handschrift  des  lübischen  Rechts,  welche  nach  einem  im  Jahre  1240 
gefertigten  und  zur  Versendung  nach  auswärts  bestimmten  lateinischen 
Codex  wahrscheinlich  über  Elbing  ihnen  zugestellt  worden  ist37). 

Die  alten  Traditionen  aus  den  Zeiten  des  herzoglichen  Gründers 
haben  sich  trotz  mancher  friedlichen  und  gewaltsamen  Veränderung, 
trotz  mehrfacher  Zerstörung  durch  Eroberung  und  Brand,  trotz  des 
Wechsels  der  Dynastien  und  Zeiten,  ja  sogar  ungeachtet  der  Vernich- 
tung der  alten  Privilegien  und  Pergamente  bis  auf  den  heutigen  Tag 
in  manchen  Formen  erhalten;  sie  wurden  insbesondere  im  Jahre  1860 
lebendig  als  man  in  grossartiger  Weise  das  600jährige  Jubelfest  der 
Gründung  der  Stadt  beging.  Eine  damals  errichtete  wohlthätige  Stif- 
tung, welche  den  Namen  des  Gründers  trägt,  bewahrt  mit  ihren  von 
Jahr  zu  Jahr  langsam  aber  stetig  zunehmenden  Fonds  für  fernere  Zeiten 
den  Namen  des  Gründers  der  Stadt,  dem  es  in  der  Folge  nicht  einmal 
vergdnnt  war,  auf  eigenem  Boden  zu  sterben,  Sambors  des  Hersogs  der 
Pommern  zu  Liebschau  und  Dirschau. 


,8)  So  wird  ein  Geistlicher  Arnoldus  1264  zu  Stettin  als  rector  parvulorum  be- 
zeichnet; die  Danziger  Urkunde  von  1227,  in  welcher  Gerwin  als  „magister  puerornm" 
erscheint»  ist  gefälscht  und  erst  etwa  1280  gefertigt  (Urk.  34  bei  Perlbach),  in  den 
Ordensstädten  geschieht  seit  1300  des  Schulwesens  Erwähnung. 

,7)  cf.  Frensdorff:  das  lübische  Recht  nach  seinen  ältesten  Formen  (Leipzig  1872) 
p.  68,  69,  Toeppen:  Elbinger  Antiquitäten  (Danzig  1871)  und  die  Urkunde  No.  196 
bei  Perlbach.    Die  jetzt  verschollene  Urschrift  befand  Bich  noch  1724  in  Dirschau. 


Beilage. 


40  nie  Gründung  and  Kitette  Einriehtang  der  SUdt  Diraebaa. 

Beilage. 

Die  Gründungs-Urkunde  von  Dirschau. 

Dr.  M.  Perlbach's  Pommerelliaches  Urkuodenbuch  No.  185. 

In  nomine  patris  et  filii  et  Spiritus  sancti  amen.  Sicut  preterita, 
que  olim  fuerunt,  scire  non  possumus,  sie  nee  eorum  quidem,  que  fu- 
tura  sunt,  erit  recordatio  in  novissimo,  quia  labente  tempore  transeunt, 
et  temporis  actiones,  que  tarnen  perhennari  poterunt,  si  reeipiant  a  voce 
testium  aut  scripti  memoria  firmamentum.  Nos  igitur  Samburius  dei 
gratia  dux  Fomeranie  volentes  ea,  que  per  nos  fiunt,  inviolabiliter  im- 
perpetuum  conservari,  de  consensu  et  bona  voluntate  uxoris  nostre  nee 
non  puerorum  nostrorum  baronumque  consilio  civitatem  in  Dersowe 
locavimus  eidem  ius  Lubecense  per  omnia  concedentes  in  ea  nobis  et 
nostris  successoribus  iustis  heredibus  retinendo  dominium,  quemadmodum 
nostri  consimiles  suis  in  civitatibus  dominantur.  Dedimus  itaque  pre- 
dicte  civitati  cum  omni  utilitate  prata  libera,  longitudo  quorum  ab 
australi  superiori  parte  civitatis  protenditur  penes  Wizlam  inferius 
mensurando,  donec  octoginta  duorum  funium  numerus  impleatur,  a  Wizla 
deinde  versus  Spancowam  directius  procedendo  viginti  septem  funiculis 
extenditur  latitudo,  excipientes  hoc,  quod  a  metis  supradictis  usque  ad 
lacum  modicum,  qui  Jesnicz  dicitur,  omnium  hominum  vicinorum  pere- 
grinorum  et  hospitum  usibus  spacium  sit  commune.  Preterea  contuli- 
mus  antedicte  civitati  ad  pascua  pecorum  eadem  libertate  cum  omni- 
moda  utilitate,  sicut  de  pratis  prediximus,  nonaginta  fines  funes(!)  in 
longitudine,  que  longitudo  de  ortorum  confinio  civitatis  sumit  originem 
ad  oeeidentem  incedendo,  donec  ipsius  longitudinis  iam  dicti  funiculi 
suppleantur.  Porro  de  metis,  quas  in  via  de  Tszadelin1)  signavimus, 
versus  aquilonem  reliquos  nonaginta  funes  retinet  latitudo  et  inde,  se- 
eundum  quod  metas  posuimus,  ad  civitatem  iterando  seeunde  longitudinis 
funiculi  distinguntur.     Damus  insuper  Wizlam  ad  utilitatem  piscandi 


*)  Czarlin  b.  w.  von  Dirschau. 


Von  Dr.  Rieh.  Petong.  41 

liberam  a  finibus  Gordin  et  Pnebabowe')  in  descensam  usque  ad  locum, 
ubi  prata  civitatis  inferius  terminantur.  Si  autem  infra  libertates  istas 
aliquod  genus  metalli  inventum  fuerit,  in  hoc  volumus  absque  contra- 
dictione  dominari.  Si  quis  eciam  in  faiis  libertatibus  excesserit,  ita 
sient  in  civitate  delinqueret,  iudicetur,  de  cuius  iudicio  reeipimus  ter- 
ciam  portionem.  De  censu  nauli  et  molendinorum,  que  in  Wizla  sunt 
vel  construentur  amplius  infra  prenomioatos  terminos,  cum  civitatis 
libertas  exspiraverit,  duas  partes  aeeipimus,  civitas  terciam.  Sed  nobis 
monetam  totaliter  cum  tbeloneo  reservamns.  Si  vero  falsitas  aliqua 
discernitur  in  moneta  vel  vicium,  eam  sculteto  committimus  et  con- 
sulibus  examinare.  De  molendinis  antedictis  et  naulo  sine  nobis  non 
debent  consules  nee  nos  absque  ipsorum  consilio  volumus  aliquid  ordinäre. 
Preterea  cives  eiusdem  loci  cum  omnibus  in  eadem  libertate  commo- 
rantibns  ab  omni  theloneo  nunc  et  imperpetuum  mittimus  penitus  in 
nostro  dominio  liberos  et  solutos.  Admittimns  itaque  propter  forum 
comodum  pro  ignorata  vel  obscura  sentencia  querant  consilium  Elbigense. 
Hinc  consules  prefati  spoponderunt  nobis  voluntarii  terciam  parte m  de 
culpa  dare,  que  vorsatunge  apud  Theutunicos  appellatur.  Item  nolumus, 
quod  per  se  sine  nobis  institutiones  novas  faciant,  per  quas  nobis  pre- 
iudicium  vel  terre  nostre  penuria  oriatur  et  gravamen.  In  recognitionem 
vero  dominii  quevis  area  civitatis  nobis  annuatim  sex  denarios  solvet 
Dersovienses  exspirata  libertate.  Nullus  itaque  civium  alicui  religioso 
enriam  vel  domum  suam  infra  munitionem  sitam  vendere  sive  dare 
potent  absque  nostra  licentia  et  totius  eiusdem  civitatis  voluntate.  Ut 
autem  hec  robur  obtineant  perpetuum,  presentem  paginam  nostri  sigilli 
et  uxoris  nostre  munimine  feeimus  roborari.  Acta  sunt  hec  in  Castro 
nostro  Dersowe  anno  gratie  M°.  CC°.  LX°.  Huius  rei  testes  sunt  hü 
sacerdotes :  dominus  Heinricus  de  Mynda  ordinis  Cysterciensis,  dominus 
Johannes  plebanus  Dersouiensis,  dominus  Abraham  cappellanus  curie; 
milite8:  Johannes  de  Witten[borch],  Heinricus  de  Bruns[wich];  burgenses: 
Heinricus  Scilder,  Johannes  de  Brunswich. 


K)  Kniebau  zwischen  Dirschau  und  Gerdin. 


43  Di«  Gründung  and  Klteat«  Einrichtung  der  Stadt  Dlnehan. 


Uebersetzung. 

Im  Namen  des  Vaters  und  des  Sohnes  und  des  heiligen  Geistes 
Amen.  Gleichwie  wir  vergangene  Dinge,  die  vor  Zeiten  gewesen  sind,  nicht 
wissen  können,  so  wird  man  zuletzt  sogar  dessen,  was  in  der  Zukunft 
bestehen  bleibt,  sich  nicht  mehr  erinnern,  weil  mit  dem  Laufe  der  Zeit 
auch  die   in   der  Zeit  geschehenen  Handlungen  vergehen.     Dieselben 
können  jedoch  für  die  Dauer  erhalten  werden,  wenn  sie  durch  das  Wort 
der  Zeugen  oder  durch  schriftliche  Ueberlieferung  Befestigung  erlangen. 
Wir  Sambor,  von  Gottes  Gnaden  Herzog  von  Pommern  haben  darum 
mit  dem  Wunsche,  dass  was  durch  uns  geschieht,  für  alle  Zeiten  un- 
verletzlich bleibe,  mit  Zustimmung  und  Einwilligung  unserer  Gemahlin, 
sowie  nach  dem  Bäte  unserer  Kinder  und  Barone  in  „Dersowe"  eine 
Stadt  gegründet  und  verleihen  derselben  in  allen  Stücken  das  lübische 
Recht,  wobei  wir  jedoch  uns  und  unsern  rechtmässigen  nachfolgenden 
Erben  die  Herrschaft  in  der  Weise  vorbehalten,  wie  Unsersgleichen  in 
ihren  Städten  herrschen.    Wir  haben  vorbenannter  Stadt  freie  Wiesen 
mit  aller  Nutzung  übergeben,  deren  Länge  sich  vom  südlichen,  dem  obern 
Teile  der  Stadt  an  der  Weichsel  nach  unten  gemessen  so  weit  erstreckt, 
bis  die  Zahl  von  zwei  und  achtzig  Seilen  erreicht  ist;  wenn  man  dann 
aber  von  der  Weichsel  nach  der  Spancowa  hin  gerade  aus  geht,  so 
beträgt  die  Breit«  sieben  und  zwanzig  Seile;  hier  nehmen  wir  jedoch 
das  Stück  aus,  welches  von  den  genannten  Grenzen  bis  zu  dem  kleinen 
„Jesnicz"  genannten  See  reichend  allen  benachbarten  und  fremden  Leuten 
sowie  den  Einwohnern  als  Gemeinplatz  dienen  soll.    Ausserdem  haben 
wir  der  vorbenannten  Stadt  zur  Viehweide  mit  derselben  Freiheit  und 
mit  jederartigem  Nutzungsrecht,   sowie  wir  es  schon  in  Betreff  der 
Wiesen  erklärt  haben,   neunzig  Seile  in  die  Länge  verliehen,  welche 
Länge  von  der  Grenze  der  Stadtgärten  ihren  Anfang  nimmt  und  nach 
Abend  zu  geht,  bia  die  erwähnte  Seilezahl  voll  ist.    Von  den  Grenz- 
zeichen, welche  wir  am  Tszadeliner  Wege  gesetzt  haben,  nach  Norden 
zu,  fasst  die  Breite  die  noch  übrigen  neunzig  Seile  und  von  dort  den 


Von  Div  Rieb.  Petoop.  43 

gesetzten  Grenzzeichen  zur  Stadt  hin  folgend,  werden  die  Seile  der 
zweiten  Länge  (zunächst)  abgemessen. 

Ueberdies  geben  wir  die  Weichsel  zur  freien  Fischereinatzung  von 
den  Grenzen  yon  „Gordin  und  Pnebabowe"  abwärts  bis  dahin,  wo  die 
Wiesen  der  Stadt  unten  ihr  Ende  haben. 

Wenn  aber  innerhalb  dieses  Stadtgebietes  Metall  irgend  welcher 
Art  gefunden  werden  sollte,  so  wollen  wir  darin  ohne  Widerspruch 
unser  Herrschaftsrecht  ausüben. 

Wenn  jemand  sich  innerhalb  der  Stadtfreiheit  vergeht,  so  soll  er 
gerichtet  werden,  wie  bei  einem  Vergehen  in  der  Stadt  selbst,  von 
deren  Gericht  wir  ein  Drittel  des  Ertrages  erhalten. 

Von  dem  Zins  der  Fähren  und  Mühlen,  welche  auf  der  Weichsel 
sind  oder  künftig  innerhalb  der  vorbezeichneten  Grenzen  errichtet  werden, 
erhalten  wir,  sobald  die  Freijahre  der  Stadt  abgelaufen  sind,  zwei  Drittel, 
die  Stadt  ein  Drittel.  Das  Münz-  und  Zollrecht  behalten  wir  uns  da- 
gegen vollständig  vor.  Sollte  jedoch  bei  dem  Gelde  eine  Fälschung 
oder  Fehlerhaftigkeit  bemerkt  werden,  so  überlassen  wir  die  Prüfung 
dem  Schultheissen  und  den  Ratmannen. 

In  Bezug  auf  die  erwähnten  Mühlen  und  das  Fährgeld  sollen  weder 
die  Batmannen  ohne  uns,  noch  wollen  wir  ohne  ihren  Beirat  etwas  an- 
ordnen. Ueberdies  sprechen  wir  die  Bürger  dieser  Stadt  sowie  alle, 
die  in  ihrem  Gebiete  verweilen,  von  jedem  Zoll  in  unserem  Herrschafts- 
gebiete für  jetzt  und  für  alle  Zeiten  völlig  frei  und  ledig. 

Wir  gestatten  ferner,  dass  sie  in  Fällen,  wo  Bechtsaussprüche 
ihnen  entweder  nicht  bekannt  oder  unverständlich  sein  sollten,  als 
passenden  Gerichtshof  den  Bat  zu  Elbing  fragen. 

Hierauf  haben  die  genannten  Batmannen  sich  verpflichtet,  uns  frei- 
willig ein  Drittel  von  der  Busse  zu  geben,  welche  bei  den  Deutschen 
„Vorsatunge"  genannt  wird. 

Ferner  wollen  wir  nicht,  dass  sie  für  sich  ohne  uns  neue  Einrich- 
tungen treffen,  durch  welche  uns  eine  Bechtsschädigung  oder  unserm 
Lande  Mangel  und  Beschwerde  erwachsen  könnte. 

Zur  Anerkennung  unserer  Herrschaft  soll  nach  Ablauf  der  Freijahre 
jede  Hofstelle  der  Stadt  uns  jährlich  sechs  Dirschauer  Pfennige  zahlen. 


44  D,e  öröndung  und  Klteet*  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau. 

Keiner  von  den  Bürgern  darf  daher  irgend  einem  Geistlichen 
seinen  Hof  oder  sein  innerhalb  der  Stadtbefestigung  gelegenes  Haus 
verkaufen  oder  schenken,  es  sei  denn  mit  unserer  Erlaubniss  und  der 
Zustimmung  der  gesammten  Bürgerschaft. 

Damit  aber  Vorstehendes  ewige  Kraft  bebalte,  so  haben  wir  gegen- 
wärtige Urkunde  durch  Anhängung  unseres  Siegels  und  des  unserer 
Gemahlin  bekräftigen  lassen.  So  geschehen  auf  unserer  Burg  Dersowe 
im  Jahre  der  Gnade  1260. 

Dieser  Sache  Zeugen  sind  diese:  die  Priester  Herr  Heinrich  von 
Minden  Cisterzienserordens,  Herr  Johannes  der  Pfarrer  von  Dersowe, 
Herr  Abraham  unser  Hof  kapeüan,  die  Bitter  Johannes  von  Witten(burg), 
Heinrich  von  Braunsch(weig)  und  die  Bürger:  Heinrich  Scilder  und 
Johannes  von  Braunschweig. 


Die  Gobotiner. 

Von 

Adolf  Rogge. 

„In  terra  Warmiensi  fuerunt  quidam  viri  prepotentes,  dicti 
„Gobotini"  valde  infesti  fratribus,  qui  congregata  muüttudtne 
„pugnatorum  unum  castrum  dictum  Partegal  in  campo  eic  nomi- 
„nato,  et  aliud  propugnaculum  in  monte  Serandonis  edificav$runt9 
„munientes  ea  diversü  armigeru.  Hie  cotidie  fratres  de  Balga 
„impugnaverunt,  sie  quod  extra  castrum  non  audebat  aliquis  de 
„teter o  comparere". 

Dusb.  III,  23.     Scryt.  rer.  Pr.  I,  p.  63. 

Diese  Stelle  aus  Dusburgs  Chronik  enthält  Alles,  was  man  über 
die  Gobotiner  weiss.  Jeroschin  bietet  in  seiner  gereimten  Uebersetznng 
derselben !)  nichts  Nenes  nnd  die  ältere  Chronik  von  Oliva  erzählt  die 
Thatsache  ebenso  einfach,  nur  dass  eine  ihrer  Handschriften  den  Namen 
„Gobotini",  wie  uns  dankt  absichtlich,  in  „Bogetiniu  verwandelt  hat, 
von  dem  zwei  andere  die  Lesart  „Bogatiniu  aufweisen. 

Perlbach1),  Weber3)  und  Lohmeyer4)  geben  hier  der  Olivaer  Chronik 
den  Vorzug  vor  der  Dusburgschen  und  doch  ist  gerade  dann,  wenn 
Webers  Ansicht,  der  die  Bogatini  für  die  Pogezanen  hält,  sich  als 
stichhaltig  erweisen  sollte,  der  Irrthum  des  Verfassers  oder  Abschreibers 
derselben  mit  Händen  zu  greifen.  Die  Pogezanen,  welche  wohl  immer 
nur  als  Anhang  der  Warmier  betrachtet  wurden,  mochten  den  Mönchen 


')  Script  rer.  Pr.  I,  p.  362;  cf.  p.  680  und  V,  p.  598. 
')  Preuss.  Begasten,  Sep.-Abdr.  aus  d.  Altpr.  Mtsschr,  8*  53. 
*)  Preussen  vor  600  Jahren  S.  10  a.  12. 
4)  Gesch.  v.  Ost-  u.  Weetpreuseen  S.  74. 


4g  Die  Gobotiner. 

von  Oliva  schon  durch  ihre  Raubzüge  unvergesslich  geworden  sein,  waren 
ihnen  aber  jedenfalls  dem  Namen  nach  bekannt.  Von  den  Gobotinern 
wusste  man  aber  im  Kloster  zu  Oliva  gar  nichts  und  so  lag  es  nur 
zu  nahe,  dieselben  mit  den  Bogatinern  zu  verwechseln. 

Voigt  hat,  durch  die  Lesarten  „Glottini,  Goltinyn  und  Golotinyn", 
sowie  durch  die  Bezeichnung  „Glottiner"  bei  Waiszel  und  Henneberger 
verleitet,  an  Bewohner  des  Gebietes  Glottau  bei  Guttstadt  gedacht9). 
Dieser  Ansicht  schlössen  sich  Toeppen8)  und  die  Monumenta  Warmiensia7) 
an,  doch  wurde  dieselbe  von  Ersterem  aufgegeben,  nachdem  er  bei  der 
Ausgabe  Dusburgs  „Gobotiniu  als  die  allein  richtige  Lesart  festgestellt'). 
Eine  andere  Erklärung  ist  unsers  Wissens  nicht  aufgestellt.' 

Abgesehen  von  allen  Lesarten  widerspricht  die  Ansicht  Voigts 
ebenso  wie  die  vorhin  berührte  der  ganzen  damaligen  geschichtlichen 
Sachlage.  Der  Missionskampf  befand  sich  im  Ermlande  vorläufig  noch 
auf  dem  Standpunkt  des  kleinen  Raubkrieges.  Auf  Haffschiffen  landet 
einige  Mannschaft,  welche  Dusburg  im  Vergleich  zu  einem  frühern 
Haufen  ein  grosses  Heer  nennt,  zu  einem  Bachezuge  gegen  das  Ermland. 
Es  gelingt  derselben,  mit  Hilfe  des  feinlichen  verräterischen  Befehls- 
habers Codrun,  die  kleine  Preussenburg  Balga  zu  überrumpeln,  sich  in 
derselben  zu  behaupten  und  von  dort  aus  die  umliegenden  Dörfer  zu 
brandschatzen.  Pyopso,  ein  jedenfalls  in  der  Nähe  wohnender  preussischer 
Edelmann  (capitaneus),  der  mit  seinem  ganzen  Anhange9)  zur  Wieder- 
eroberung der  Burg  herbeieilt,  fällt  durch  einen  Bogenschuss  und  sein 
Haufe  zerstreut  sich  sofort.' 

Jetzt  tritt  in  auffälliger  Weise  der  Mangel  aller  Einigkeit  unter 
den  preussischen  Edeln  hervor,  den  der  Orden  sicher  auch  vorher  schon 
kannte,  und  in  seiner  Weise  benutzte.  Mehrere  edle  und  mächtige 
Männer  erkennen  plötzlich,  „dass  der  Herr  für  die  Brüder  streite44  und 
begeben  sich  mit  den  Ihrigen  nach  Balga.   Das  beisst  zu  deutsch :  Ein 


»)  Gesch.  I,  S.  488  n.  659,  H,  S.  388  Anm.  1. 
•)  Geogr.  S.  18. 

7)  Mon.Warm.  I,  D.  p.290  Anm.  2  cor  Verschreib,  f.  Glottau  v.  12.M&rz  1318. 
•)  Script  rer.  Pr.  I,  p.  63  Anm.  1. 

•)  So  glauben  wir  sachlich  richtig  das  Dnsburgsche  „congregata  omni  potencia 
exerdtos  sui"  (HI,  20)  ausdrucken  zu  müssen. 


Von  Adolf  Bogge.  47 

Theil  des  umliegenden  Adels  macht  mit  dem  Orden  gemeinschaftliche 
Sache.  Jetzt  wird  eine  befestigte  Mahle  am  Kopf  der  Sumpf  brücke 
vor  Balga  erbaut,  die  aber  mit  Leichtigkeit  von  der  starken  umliegenden 
Bevölkerung10)  zerstört  wird. 

Der  Sieg  stärkt  den  Muth.  Empört  über  den  Abfall  seiner  Standes* 
genossen,  gestachelt  durch  die  unmittelbare  Nähe  der  Gefahr,  tritt  jetzt 
ein  in  jener  Gegend  weit  verbreitetes  Adelsgeschlecht  in  den  Vorder- 
grund und  übernimmt  naturgemäss  die  Leitung  des  Kampfes  „Qnidam 
viri  prepotentes,  dicti  Gobotini".  So  kann  man  nicht  von  der  Mannschaft 
eines  ganzen  Gaus  sprechen,  der  ausserdem  unter  den  übrigen  Gauen 
nicht  einmal  eine  hervorragende  Bedeutung  hatte.  Dusburg  will  offen- 
bar nur  die  Führer  im  Kampfe  bezeichnen.  Wenn  er  dann  weiter  von 
einer  „eongregata  multitudo  pugnatorum"  redet,  so  hat  er  sicher  auch 
kein  grosses  Heer  im  Auge,  welches  aus  der  Nähe  von  Gutstadt  odet 
Liebstadt  herbeigeeilt  war,  uro  eine  kunstreiche  Belagerung  Baigas  zu 
unternehmen.  Wenn  Weber,  ")  der  sonst  bemüht  ist,  die  übertriebenen 
Zahlenangaben  mittelalterlicher  Heere  auf  ihr  bescheidenes  Matt  zu- 
rückzuführen, seine  Ansicht  durch  die  Behauptung  stützt:  „Waraier, 
Natanger  und  Barter  kämpfen  stets  zusammen",  so  dürfte  da  eben, 
wie  der  vorliegende  Fall  zeigt,  nur  das  Wörteben  „stets"  zu  streichen 
sein.  Im  Hinblick  auf  die  örtlichen  Verhältnisse  ist  es  durchaus  nicht 
nöthig  den  Haufen  der  Gobotiner  zu  einer  gewaltigen  Armee  aufzu- 
bauschen, welche  den  Umwohnern  Baigas  gefährlicher  gewesen  wäre, 
als  der  Feind.  Etwa  die  Mannschaft  eines  der  heute  dort  befindlichen 
Kirchspiele  war  vollkommen  genügend  den,  in  die  kleine  Burg  einge- 
sperrten, Feind  in  die  grosseste  Bedrängniss  zu  versetzen.  Das  höchste 
Interesse  an  der  Vertreibung  desselben  mussten  nun  selbstverständlich 
die  zunächst  gelegenen  Ortschaften  haben  und  wenn  man  in  ihnen  die 
Gobotiner  suchen  will,  so  liegt  auch  hier,  wie  immer,  das  Gute  sehr  nahe. 

Die  einzige  Ortschaft  in  der  Nähe  von  Balga,  welche  noch  heute 
durch  ihren  Namen  an  die  Gobotiner  erinnert,  ist  das  Gut  Gabditten. 
Eine  Primordial-Verschreibung  über  dasselbe  ist  uns  nicht  bekannt, 

TT  .11 

")  „cum  vaKdo  exercita"  III,  21. 
")&  12. 


48  Die  Gobotiner. 

vielleicht  auch  nie  ertheilt,  weil  die  Ordensherrschaft  hier  den  Familien- 
besitz nicht  unterbrach.    Dagegen  wird  die  Ortschaft  öfter  urkundlich 
erwähnt.    Hiebei  fällt  vor  Allem  die  schwankende  Schreibart  des  Namens 
in  die  Augen,  welche  denselben  oft  bis  zur  Unkenntlichkeit  verändert. 
Die  Ortschaft  wird  im  schwarzen  Hausbuch  des  Amtes  Balga  1430 
Gangitten  ")  genannt,  und  war  damals  noch  von  Stammpreussen  bevölkert, 
heisst  1495  Guptiten  "),  1548  Coyditten  ")f  1617,  wo  Wollbrand  v.  Portu- 
gal 10  Hufen  des  Guts  verkauft,  Gabtithen  ").    Im  Volke  sind  diese 
Namen  jedenfalls   neben  einander  hergegangen  und  wurden  fixirt,  je 
nachdem  dieselben  ausgesprochen,  oder  vom  Ohr  des  Schreibers  auf- 
genommen wurden.    Es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  in  den  vorhin 
aufgeführten  Lesarten  sämmtliche  Sprech-  und  Schreibformen  des  Namens 
aufbewahrt  sind.    Die  Grundform  lautet  wohl  Gabit,  Gobit,  Gubit,  wie 
es  noch  heute  ein  Gubitten  im  Kirchspiel  Eckersdorf  giebt,  oder  Gobotit  *). 
Dass  ein,  mit  der  Landessprache  nicht  vertrauter  mittelalterlicher  Chronist 
die  Einwohner  einer  so,  oder  ähnlich  benannten  Ortschaft  „Gobotini" 
nennnt,  scheint  uns  keiner  weitern  Erklärung  zu  bedürfen.  Was  die  Lesart 
„Goltini"  und  die  verwandten  Bezeichnungen  anlangt,  so  kann  dieselbe 
möglicher  Weise  von  dem  mit  der  Oertlichkeit  bekannten  Abschreiber 
ursprünglich  mit  Bewusetsein  in  den  Text  als  vermeintliche  Verbesserung 
eingeschoben  sein,  beweirt  dann  aber,  dass  auch  dieser  keineswegs  an 
die  Gegend  von  Gutstadt  oder  Liebstadt  dachte,  sondern  die  nächste 
Umgebung  von  Balga  im  Auge  hatte.    Er  dachte  vielleicht  an  Gelitten, 
das  ebenso  wie  Draudienen  (Drawedin)  in  Pr.  Bahnau  aufgegangen  ist 
und  jemanden,  der  Gabdit  vielleicht  Gangitten  nennen  hörte,  leicht  zu 
der  verhängnissvoll  gewordenen  Gorrectur  reizen  konnte. 

Wenn  nun  sprachlich  uns  nichts  zu  hindern  scheint  die  Gobotiner 
nach  Gabditten  zu  verweisen,  so  wird  diese  Ansicht  entschieden  durch 
die  Adelsgeschichte  jener  Gegend  bestätigt.    Auf  Gabditten  ist  jeden- 


")  Altpr.  Mtsschr.  VI,  S.  484  No.  51;  bei  Weber  S.  491  GaDgiten. 
")  Altpr.  Mtsschr.  VI,  8.  600  No.  132. 
")  Ebd.  Vll,  &  108  No.  132. 
»)  Ebd.  VII,  S.  128  No.  314. 

")  Wir  erinnern  hiebei  an  Gawaiten,  Gawehnen,  Gubehnen,  Golbit  je.    Ans 
Globotin,  später  (1467)  Glabentin  ist  Glaudinen  geworden. 


Von  Adolf  Bogge.  49 

falls  der  Ursitz  eines  Geschlechts  zu  suchen,  dessen  Sprossen  noch  im 
vorigen  Jahrhundert  einen  grossen  Theil  der  Gegend  um  Balga  in  Besitz 
hatten  und  sich  mit  Stolz  ihrer  Abkunft  von  den  Ureinwohnern  des 
Landes  rühmten. 

Das  Geschlecht  derer  v,  Portugal  oder  Partegal  hatte  nach  Meckel- 
burgs  Adelsmatrikel l7)  seine  Stammsitze  in  Bregden,  Freudenthal,  Gab- 
ditten,  Grundt,  Keimkallen,  Keimkeim,  Kirschitten,  Laxdoy.en,  Mükiehnen, 
Pammern,  Paplauken,  Partegal,  Perschein,  Regitten  (Romansgut?),  Reu- 
schenhof. Schrangenberg  (Ritterthal)  hat  demselben  in  alten  Zeiten  wohl 
auch  gehört,  denn  noch  1516  werden  dem  Ritterkrüger  Greger  Bierwolf 
4  Morgen  auf  dem  Rittergut  oder  Schrangenberg  und  2  Morgen  an  der 

■ 

alten  Viehwiese  und  „Portugals  Wiesen"  verschrieben  l8). 

Wenn  somit  die  Gobotiher  Schanzen  in  Partegal  und  Schrangen- 
berg aufwarfen,  denn  für  mehr  haben  wir  ihr  „Castrum"  und  „propug- 
naculun"  wohl  nicht  zu  halten,  so  schützten  sie  damit  zunächst  nur 
ihre  eigenen  Güter  und  die  „congregata  multitudo  pugnatorum"  bestand 
lediglich  aus  ihrer  Sippe  und  ihren  Sassen. 


")  N.  Pr.  Prov.-Bl.  VIII.  (1855  b)  S.  377. 
1B)  Altpr.  Mtsschr.  VI,  S.  507  No.  173. 


lltpr.  MoMtMehrlit  Bd.  XXIL  H/t.  1  n.  2. 


De  ratione  componendi  eantns. 

_  • 

Autor e  Thoma  Hornero  Egrano. 

Von 

Otto  Uligewitter. 

Nebst  biographischen  Notizen  über  Thomas  Horner 

von 

Rudolf  Reicke. 

In  einem  im  Jahre  1548  gebundenen  Sammelbande  von  seltenen 
grösstenteils  Königsberger  Druckschriften  findet  sich  obige  Abhandlung, 
publiciört  im  Mai  1546.  Sie  umfasst  nur  25  Blätter  in  Klein-Octav, 
ist  bei  Joh.  Weinreich  gedruckt  und  enthält  sicher  den  ersten  in 
Königsberg  ausgeführten  Notendruck1).  In  der  kurzen  Vorrede 
gesteht  der  Verfasser,  dass  zwar  das  Componieren  von  Gesängen 
grosse  Schwierigkeiten  habe,  dennoch  wolle  er  es  an  Eifer  nicht  fehlen 
lassen,  den  Kunstbeflissenen  einige  Regeln  über  Rhythmus,  Modus  und 
vorzugsweise  den  Contrapunkt  und  seine  Einteilung  zu  geben.  Es  folgt 
dann  sofort  in  Cap.  1  die  Definition  und  Einteilung  des  Contrapunktes 
„Est  igitur  Contrapunctus  (so  schreibt  der  Verfasser  nach  Pranco  von 
Köln)  ars  flectendi  cantabiles  sonos  proportionabili  dimensione  ac  tem- 
poris  mensura".  „Simplex"  ist  er,  wenn  er  gleich  lange  Töne,  „com- 
positus"  wenn  er  von  Tönen  verschiedenen  Wertes  begleitet  wird,  was  an 
Notenbeispielen  ohne  Text  (wie  überhaupt  durchgehends)  gezeigt  wird. 

In  Cap.  2  „de  concordantiis"  d.  h.  von  den  Intervallen,  die  von 
der  Terz  bis  zur  vigesima  ausgedehnt  werden,  finden  sich  ausführliehe 


!)  Cosack,  Paulus  Speratus  Leben  und  Lieder  (Braunschweig  1861)  hat  das 
Buch  nicht  gekannt;  sonst  hätte  er  nicht  S.  236  bemerken  können:  „die  erste  Noten- 
druckerei scheint  die  Officin  von  Georg  Osterberg  (seit  c.  1580)  gewesen  zu  sein/' 


De  ratione  componeadi  cantas.  Aatore  Thoma  Hornero  Egrano.  5J 

Beispiele  für  die  harmonische  Folge  der  Intervalle,  wobei  überall,  wie 
damals  üblich,  der  Tenor  als  führende  Stimme  hervortritt,  und  zwar  in 
vier-  bis  neunstimmigen  kurzen,  jedoch  nicht  in  Noten,  sondern  Buch- 
staben gedruckten  Tonreihen. 

Cap.  3  handelt  „de  discordantiis"  und  ihrer  Zulässigkeit,  Cap.  4 
„de  cantilenae  partibus  ac  clausulis  formalibus".  Die  Alten,  sagt  Horner, 
waren  mit  drei  Stimmen  zufrieden,  die  heutigen  Musiker  verlangen 
fünf  Stimmen  und  mehr  (Discant,  Tenor,  Altus,  Vagans,  Bassus).  Dann 
werden  diese  Stimmen  kurz  charakterisiert  und  Regeln  über  den  Ton- 
schluss  gegeben.  „Clausula  est  .  .  .  certa  et  optata  conjunctio  vel 
cantilenae  particula,  in  cujus  fine  quies  vel  perfectio  reperitur". 

Cap.  5  spricht  Horner  darüber  „quibus  consonantiis  cantus  inchoetur, 
et  cur  pausis  debite  distinguatur"  und  führt  sieben  Gründe  für  die 
Notwendigkeit  der  Pausen  an.  Cap.  6  handelt  über  die  Tonarten 
(Definition  derselben  nach  Guido  v.  Arezzo,  „tonus  est  regula,  in  fine 
cantum  dijudicans"),  ihre  Einteilung  in  „autenti  et  plagales"  und  die 
sich  daraus  ergebenden  Tonreihen.  Natürlich  fehlt  dann  auch  nicht 
jene  dem  ganzen  Mittelalter  eigentümliche  und  bis  ins  vorige  Jahr- 
hundert hinein  immer  wieder  nachgebetete  Charakteristik  über  die 
„tonorum  affectus".  Hier  sind  ihre  Eigenschaften  in  fünf  Distichen  zu 
lesen.  Cap.  7  endlich  definiert  Horner  den  Begriff  „Rhythmus"  nach 
Beda  vener.  und  tischt  uns,  um  seine  Bedeutung  und  Wirkung  zu  be- 
schreiben, jene  althergebrachten  Fabeln  aus  dem  Altertume  wieder  auf, 
wie  z.  B.  Pythagoras  einen  trunkenen  Jüngling  durch  den  Ernst  und  die 
Würde  des  Spondeus  in  phrygischer  Weise  zur  Besinnung  gebracht  habe. 
In  der  „Peroratio"  fährt  der  Verfasser  fort:  „habes  hie,  candide 
Lector,  rationem  componendi  cantus  Musici.  Quaeso  igitur,  ut  benigno 
favore  legas  et  me  a  zoilis  acriter  defendas.  Olim  enim  (volente  Deo) 
scitu  digniora  tibi  communicabimus". 

Das  Ganze  schliesst  mit  einer  „Ex  academia  Regij  montis  Mense 
Maio  Anno  M.  D.  XL  VI"  datierten  Widmung  an  den  Rat  der  Stadt 
Elbing,  worin  noch  einmal  ausführlich  über  die  Macht  der  Musik,  den 
schönsten  Schmuck  der  Religion,   gehandelt  wird  (Horner  hat  durch 

Andere  erfahren,  dass  gerade  von  den  Elbingern  „plerosque  excellenti 

4* 


52  £>e  ratione  componendi  cantas.  Autore  Thoma  Hornero  Egrano. 

quadam  eruditione  conspicuos  esse")  und,  wie  damals  üblich,  mit  einem 
Panegyrikus  auf  die  Musik: 

„Ad  masices  stadiosos  Thomae  Horneri  Egrani  Carmen". 

Prüfen  wir  nun  das  Buch  auf  seinen  literarischen  Wert  und  seine 
Stellung  zur  theoretischen  Ausübung  der  Musik  in  damaliger  Zeit. 
Dass  sich  Thomas  Homer  lediglich  auf  Autoritäten  stützt,  wie  Guido 
von  Arezzo  (1020),  der  die  Notenschrift,  und  Pranco  von  Köln  (13.  Jahrb.), 
der  die  Mensur  erfand,  ist  natürlich;  denn  ihr  Einfluss  war  ein  weit- 
greifender. Wundern  könnte  uns  höchstens,  dass  Horner  die  grossen 
Niederländer  Dufay  und  Ockeghem  nicht  erwähnt.  Indess  haben  diese 
für  die  theoretische  Ausbildung  der  Musik  weniger,  als  für  die*  praktische 
gearbeitet.  Von  Orlando  di  Lasso  (1520—94)  konnte  Horner  vielleicht 
ebenso  wenig  wissen,  als  von  den  wackeren  deutschen  Contrapunktislen 
der  letzten  Decennien  des  15.  Jahrhunderts  Herrn.  Finck  und  Adam  von 
Fulda.  Joh.  Walter  und  Senfl  waren  ihm  vielleicht  aus  den  lebhaften 
Beziehungen,  in  denen  Königsberg  zu  Wittenberg  stand,  bekannt;  wenig- 
stens sind  die  Notentypen  dieselben,  wie  in  den  Werken  dieser  Männer. 

Ohne  das  Buch  zu  überschätzen,  darf  man  wohl  sagen,  es  ist,  wenn 
auch  nur  kurz  und  in  gewissem  Sinne  elementar,  doch  ein  bemerkens- 
wertes Zeichen  dafür,  dass  an  der  neugegründeten  Academia  Albertina 
auch  die  Tonkunst  wissenschaftliche  Pflege  fand.  Ich  kann  mir  aber 
doch  nicht  verhehlen,  dass  gegenüber  dem  grossartigen  und  schweren 
Büstzeug  mittelalterlicher  Musikwissenschaft  dieses  Libell  nur  ein  Ver- 
such zu  sein  scheint,  die  einfachsten  Dinge  in  ein  gelehrtes  Gewand 
zu  kleiden  und  bezweifle,  dass  damit  für  die  Praxis  etwas  erreicht 
worden  ist.  Eine  musikalische  Berühmtheit  auch  über  ihre  Grenzen 
hinaus  erhielt  unsere  Provinz  erst  später  durch  Eccard  und  Stobäus. 
Diese  schrieben  nicht  gelehrte  Compendien  über  Contrapunkt,  sondern 
ihre  herrlichen  Choräle  und  Motetten. 


Ueber  den  Verfasser  haben  wir  nur  sehr  dürftige  Nachrichten. 
Seit  wann,  wie  lange  und  zu  welchem  Zwecke  er  sich  in  Königsberg 
aufhielt,  ist  nicht  bekannt;  ob  er  Beziehungen  zu  Elbing  gehabt  habe, 


Yon  Otto  Ungt witter.  53 

und  welcher  Art  diese  waren,  geht  auch  aus  seiner  Dedication  an  den 
dortigen  Rath  nicht  hervor.    Amoldt,  „fortgesetzte  Zusätze  zu  seiner 
Historie  der  Königsberger  Universität"  (Kgsbg.  1769)  S.  101  weiss  nur 
„dass  Thomas  Horner,  von  Eger  bürtig,  allhier  1546  im  Mai  eine  musi- 
calische Schrift  de  ratione  componendi  in  8.  herausgab,  welche  er  dem 
Rath   der   Stadt  Elbing   zugeschrieben."     Adelung  „Forts,  und  Er- 
gänzungen zu  Jöchers  allg.  Gelehrt.- Lexic."  Bd.  IL  (Leipz.  1787)  kennt 
diese  Schrift  gar  nicht,  weiss  aber,  dass  Thom.  Horner  sich  eine  Zeitlang 
in  Liefland  aufhielt  und  eine  historia  Livoniae  in  compendium  ex  annalibus 
contracta  schrieb,  die  zusammen  mit  Job.  Meletii  Schreiben  de  veterum 
Livonum  et  Borussorum  sacrificiis  et  idolatria  in  Königsberg  1551  er- 
schien, eine  kleine  unbedeutende  Schrift.    Auch  Gadebusch,  auf  den 
Adelung  verweist,   kann  sowol  in  seiner  anonymen  „Abhandlung  von 
Livländisch.  Geschichtschreibern"  (Riga  1772)  S.  16  wie  in  seiner  „Liv- 
ländisch.  Bibliothek   nach   aiphabet.  Ordnung"   IL  Theil  (Riga  1777) 
S.  97—98  nur  über  diese  von   ihm  nie  gesehene  historische  Schrift 
berichten  und  zwar  auf  Grund  von  Mittheilungen  Pisanski's,  der  selber 
in  seiner  preussisch.  Litterärgesch.  (Kbg.  1791)  S.  328  nichts  als  die 
Titel  der  beiden  genannten  Bücher  anzugeben  weiss.    Was  das  v.  Recke 
und  Napiersky'sche  „Allgem.  Schriftst.-  und  Gelehrt.-Lexik.  der  Provinzen 
Livland,  Esthland  und  Kurland"  Bd.  IL  (Mitau  1829)  S.  346  —  die 
Nachträge   und  Fortsetzung   bearbeitet   von    Th.  Beise  (2  Bde.   Ebd. 
1859—61)  sind  mir  leider  nicht  zugänglich  gewesen  —  und  die  Scriptores 
rerum  Livonicarum  Bd.  IL  (Riga  u.  Lpz.  1848)  S.  XV  über  Horner  bei- 
bringen, bezieht  sich  lediglich  auf  seine  livländische  Chronik.     Allen 
ist  er  „ein  sonst  weiter  nicht  nach  seinem  Leben  bekannter."    Auch 
nur  mit  ein  paar  Zeilen  erwähnt  wird  er  als  Contrapunktist,  „der  zu 
Königsberg  wirkte,"  von   dem  Musikhistoriker  G.  W.  Fink  in  Ersch 
und  Gruber's  allg.  Encykl.,  und  mehr  erfahren  wir  auch  aus  Mendels 
musikalisch.  Conversations-  Lexikon  nicht. 

Nun  wissen  wir  aber  aus  der  seiner  livländischen  Chronik  an  den 
Ordensmeister  Johann  von  Recke  vorgedruckten  Dedication,  dass  Thomas 
Horner  im  Febr.  1551  sich  in  desselben  Diensten  zu  Pernau  in  Livland 
(„Parnouioe  in  Liuonia  mense,  Februario.  Anno.  1551")  aufhielt. 


54  De  ratione  componendi  cantus.  Autore  Thoma  Hornero  Egrano. 

Seine  livländische  Angehörigkeit  beweist  auch  das  der  Chronik 
beigefügte  Epigramm  an  den  Voigt  von  Sonneburg,  Heinrich  Wulff 
(Henricum  Vulff,  in  Liuonia  Marianorum  ordinis  praefectum  Soneburgen- 
sem),  so  wie  eine  im  Juni  desselben  Jahres  gedruckte  Elegie  an  den 
kurländischen  Bischof  Johann  v.  Möuchhausen.  [Ad  reverendissiinum 
Principem  ac  Dominum,  Dominum  Joannein  Episcopum  Curonensem,  & 
Administratoren!  Ozelienfem  in  Liuonia,  Elegia  Thomao  Horneri  Egrani. 
1551.  In  Academia  Kegiimoutis  excudebat  Joannes  Lvfft  Menfe  Junio, 
(4  B1L  4°.)]. 

Wenn  nun  irgendwo  Aufschluss  wenigstens  über  Homers  Leben 
in  Livland  zu  erhoffen  war,  so  war  derselbe  nur  in  den  deutschen  Ostsee- 
provinzen zu  suchen,  deren  Litteratur  von  den  westlichen  Nachbaren 
leider  noch  immer  viel  zu  wenig  beachtet  wird.  Und  richtig:  die  erste 
ausführlichere  Nachricht  über  Thomas  Horner  giebt  Julius  Döring, 
der  in  der  582.  Sitzung  der  kurländischen  Gesellschaft  für  Lit.  u.  Kunst 
vom  5.  Nov.  1869  „Einiges  zur  Biographie  des  Thoraas  Horner11 
mittheilt.  Wir  können  es  uns  nicht  versagen,  das  Bezügliche  aus  dem 
hier  wenig  bekannten  „Sitzungsberichte  der  kurländischen  Gesellschaft 
für  Lit.  u.  Kunst  aus  dem  Jahre  1869"  (Mitau)  SL  29—30  wiederzugeben: 
„Schon  Eichter  erzählt  in  seiner  Geschichte  der  deutschen  Ostseeprovinzen 
(Riga  1857  I.  2.  324)  wie  der  Ordensmeister  Wilhelm  v.  Fürstenberg  am 
25.  Oktober  1557  eine  Gesandtschaft,  bestehend  aus  dem  Licentiaten 
Thomas  Horner,  aus  Klaus  Franke  und  Melchior  Grothus,  an  den 
Czaar  nach  Moskau  gesandt,  die  erst  im  Januar  1558  zurückkam,  und 
über  deren  Verhandlungen  Horner  auf  dem  Landtage  zu  Wolmar  im 
März  1558  eine  Relation,  wahrscheinlich  von  ihm  selbst  verfasst,  verlesen. 
Im  Herbst  1558  befand  sich  Th.  Horner  als  Gesandter  des  Ordens- 
raeisters  beim  Herzog  von  Preussen  und  im  Januar  1559  als  solcher  zu 
Petrikau  beim  Könige  von  Polen.  Im  Juni  1559  wird  er  vom  Ordens- 
meister Wilhelm  v.  Fürstenberg  nebst  Schweder  v.  Melchsiett  und  Johann 
Wagner  als  Gesandter  an  den  Rath  zu  Reval  geschickt,  theils  zum 
Abschluss  einer  Geldanleihe,  theils  andrer  Geschäfte  wegen.  In  den 
darüber  ausgefertigten  Urkunden  (s.  Fr.  Bienemann,  Briefe  und  Urkunden 
zur  Gesch.  Livlands  III,  S.  VIII,  XI,  XII,  77,  79,  211)  wird  er  meist 


Von  Otto  Ungewitter.  55 

Th.  Horner,   aber  auch  Hörner  (S.  77)  genannt,   bald  der  Rechte 
Licentiat,  bald  Rath  titulirt.    Am  24.  Aug.  1559  war  er  noch  zu  Beval, 
denn  von  diesem  Tage  ist  die  Quittung,  die  er  in  Vollmacht  des  Ordens- 
meisters, nebst  Dietrich  Schencking,  für  eine  von  Eeval  empfangene 
Summe  Geldes  ausstellt.  (Bienemann  a.  a.  0.  S.  XII).    Ebenso  erscheint 
er   als   herzogl.    kurländischer  Gesandter   bei   dem  Herzoge  Albrecht 
Friedrich  v.  Preussen  im  Febr.  1573 ....  Laut  der  noch  ungedruckten 
Materialien-Sammlung  zur  kurl.  Güterchronik  von  F.  v.  Klopmann  (im 
Mitauschen  Museum)  wird  Thomas  Horner  im  Jahre  1560  vom  Herr- 
meister Gotthard  Kettler   mit   dem    Gute  Leegen  (Kurland)  belehnt; 
damit  ist  doch  wol  der  Obige  gemeint.    Auch  unter  dem  Doblenschen 
Recess  vom  7.  Okt.  1579  findet  sich  „Thomas  Hörner,    der  Hechte 
Licentiat"   als  Zeuge  unterschrieben.     (Vgl.  Bunges  Archiv  IL  S.  226.) 
Dass  nun  der  Licent.  Thom.  Horner,  der  nachherige  Bath  des  Herzogs 
Gotthard,  mit  dem  aus  Eger  gebürtigen  Chronisten  gl.  Namens,  ein  und 
dieselbe  Person  sei,  geht  am  deutlichsten  aus  dem  Adelsbriefe  hervor, 
der  für  erstem  (Thomas  Hornerus  Juris  utriusque  Licentiatus  et  Illustris 
Domini  Curlandiae  Ducis  Consiliarius)  ausgefertigt  wurde  und  der  sich 
im  Original  im  Besitz  seines  direkten  Nachkommens,  des  Herrn  Baron 
Ottokar  v.  Hörner  auf  Ihlen  (Kurland)  befindet.    In  dieser  zu  Grodno 
den  10.  Juli  1568  ausgestellten  und  vom  König  Sigismund  August  unter- 
zeichneten Urkunde  heisst  es  unt.  and.:  „denn  es  ist  uns  glaubwürdig 
„berichtet  worden,  dass  der  vorgenannte  Thomas  Horner  einen  grossen 
„Theil  seines  Lebens  in  wissenschaftlichen  Studien  ehrenvoll  und  löblich 
„verbracht  und  von  seiner  Tüchtigkeit  und  ausgezeichneten  natürlichen 
„Begabung  sehr  deutliche  Proben  abgelegt  hat,  besonders  auf  den  Gesandt- 
schaften, die  er  nicht  nur  in  der  gegenwärtigen  Zeit,  sondern  auch  schon 
„damals,  als  der  Bitterorden  und  der  Herrmeister  Livland  regirten,  denen 
„er  als  Sekretär  und  Bath  treu  und  eifrig  drei  und  zwanzig  Jahre  *)  hin- 
„durch  gedient  hat,  zu  uns  und  zu  einigen  andern  Fürsten  unternommen 


*)  Darnach  würde  also  Thomas  Horner  bereits  im  Jahre  1546,  als  er  sein 
musikalisches  Lehrbach  in  Königsberg-  drucken  Hess  and  die  Dedication  an  den 
Elbinger  Rath  aus  der  hiesigen  Academie  unterzeichnete,  in  livländischen  Diensten 
gewesen  sein  und  es  muss  auffallend  erscheinen,  dass  er  dieses  Verhältnisses  mit 
keinem  Worte  gedenkt. 


5g  De  rati on e  componendi  cantus.  Autore  Thorua  Hornero  Egrano. 

„hat,  und  seine  Treue,  seinen  Eifer  und  seine  Gewandtheit  fleissig  be- 
wiesen hat  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  unsern  livländischen  An- 
gelegenheiten unverdrossen  beweise,  so  dass  nichts  an  ihm  auszusetzen 
„oder  des  Tadels  würdig  zu  sein  scheint.  Daher  haben  wir,  damit  seine 
„so  zahlreichen  'ausgezeichneten  Geistesgaben  und  sei»  nicht  gewöhn- 
licher grosser  Eifer  gegen  uns  und  unsern  Staat  durch  die  Ungunst 
„des  Geschickes  nicht  länger  im  Dunkeln  bleiben,  sondern  durch  uns 
„nach  Verdienst  geehrt  und  auf  alle  Nachkommen  lobwürdig  übertragen 
„werden,  diesen  selben  Thomas  Horner  und  seine  rechtmässigen  Nach- 
kommen beiderlei  Geschlechts  nach  dem  vollen  Eechte  unsers  Reiches 
„aus  eigenem  Willen  und  nach  sorgfältiger  Erwägung,  gemäss  unsers 
„königlichen  Rechtes  in  den  Ritterstand  aufnehmen  zu  lassen  und  mit 
„dem  ächten  und  wahren  Adel  zu  begnadigen  beschlossen"  u.  s.  w. 

In  einer  in  demselben  Besitz  befindlichen  Abschrift  einer  andern 
Urkunde  vom  Jahre  1561,  die  am  23.  Sept.  zu  Riga  vom  Ordensmeister 
Gotthart  („Goddert"  in  der  Unterschrift)  ausgestellt  ist,  verlehnt  Letzterer 
„dem  achtbaren  und  hochgelahrten  unserm  Rath  und  üben  Getreuen 
„Thomassen  Hörnern,  der  Rechten  Licentiarius,  und  seiner  zukünftigen 
„Hausfrauen  Katharinen  Dubin,  und  allen  ihren  Beyden  rechten  Erben, 
„Männlichs  und  Weibliches  Geschlechts,  von  wegen  Vier  Tausend  Mark 
„Rigisch,  die  ehr,  Thomas  Horner  vns  Inn  disen  Beschwerlichen  Zeiten, 
„zu  der  Lande  Beste  gelehnet,  auch  Umb  vielfältiger  seiner  langen 
„Dienste,  die  ehr  Uns,  Unserm  Orden  und  Vorfahren,  getreulich  ge- 
leistet, gegunt  und  gegeben  haben.  Wie  Wir  denn  Ihn  Tomassen 
„Hörnern,  und  seiner  gedachten  zukünftigen  Hausfrauen,  und  allen  ihren 
„Beeden  Erben  Mänlichs  und  Weiblichs  Geschlechts  Inn  Kraflft  dises 
„Brieffes  gunnen  und  geben  das  dorffigen  Muyzesem,  im  Gebieth  Frauen- 
„burg  belegen,  das  zwölf  Gesinde  sind"  (:c.  ic.  es  folgen  die  Grenzen 
und  andere  Formeln)    „dasselbig  alles   er,   sambt  seiner  obgedachten 

„ — eignes  Gefallens  frey  und  friedsamlichen  nutzen  Besitzen 

„und  gebrauchen  mügen,    zu  ewigen  Zeiten,   ohne   mennigliches  Ein- 
drang   und  aller  und  jeder  Freiheit,  Privilegien,  so  im  Lande 

„gebräuchlich,  und  derer  sich  der  Adele,  künfftiglichen  zu  gebrauchen, 
„mit  theilhafftig  zu  seyn,"  u.  s.  w. 


Von  Otto  Ungewitter.  57 

In  der  Matricttla  militaris  nobilium  Curlandiae  1605,  2.  August 
(s.  Klopmanns  Güterchronik  Bd.  I.)  stellt  Thomas  Hörner  für  seine 
im  Frauenburgschen  gelegenen  Güter,  die  aber  nicht  namentlich  auf- 
geführt sind,  zwei  Eeiter.  Ob  das  wol  noch  Obiger  sein  könnte?  In 
der  Stammtafel  kommt,  ausser  dem  ersten  Thomas,  kein  zweiter  dieses 
Namens  vor." 

Zu  diesen  Notizen  über  Th.  Homer  bringt  G.  Berkholz  in  den 
„Mittheilungen  aus  dem  Gebiete  der  Gesch.  Liv.-,  Est-  und  Kurlands" 
Bd.  XII  (Riga  1880)  S.  211  einen  neuen  Beitrag  aus  Renner's  livläud. 
Chronik,  wonach  Thomas  Horner  als  einer  der  Commissäre  im  Auftrage 
des  Ordensmeisters  November  1559  das  Schloss  Dünaburg  den  Polen 
zu  übergeben  hat. 

Das  Interesse  für  Thomas  Horner  bekundet  sich  wiederholt  in  den 
Sitzungen  der  kurländischen  Gesellschaft.  So  legt  am  6.  Febr.  1880 
Baron  Rudolf  v.  Hörner  ein  Schreiben  seines  Ahnherrn  Thomas  Horner 
an  seinen  Schwager  Salomon  Henning  d.  d.  Goldingen  28.  April  1574 
vor.  —  Die  neuesten  Nachrichten  endlich  verdanken  wir  wieder  dem  Ge- 
schäftsführer der  mehrgenannten  kurländischen  Gesellschaft  Jul.  Döring, 
(Sitzungs-Berichte  ...  aus  d.  J.  1881.  Mitau  1882.  S.  63—64).  Es  sind 
folgende  einem  alten  Stamm-  und  Merkbuch  eines  gewissen  Joh.  Georg 
Michaelis  (der  1710  in  Stockholm  war)  entnommene  Aufzeichnungen: 
„Thomas  Hörner  —  primus  acquirens  Nobilitatis,  hat  anno  1555  den 
„21.  Novembris  in  Franckfurt  an  der  Oder  unterm  Magnifico  Casparo 
„Wiederstadt  J.  U.  D.  den  Gradum  Liecentiati  Juris  angenommen,  nach- 
„dehm  er  4.  Jahr  zuvor  in  Wittenberg  *)  studirt,  und  noch  den  glaubens 
„KU.  D.  Luhterij  und  Ph.  Melanthon,  g.  h.  worüber  nOi'h  der  lateinische 
„promotion  Brieff  im  Original  vorhanden. 

„Nachdem  er  einnige  Jahr  bey  den  letzten  Heer  Meister  und  Ersten 
„Hertzoge  in  Curl.  gottbardt  Kettler  geheimbter  Raht  gewehssen,  und 
„sich  wohl  Meridietirt  gemacht  hat  ihm  Sigismundus  Augustus  König 
„in  Pohl:  Anno  1568  zu  Grodno  d.  10.  July  Soleniter  die  privilegia 


*)  Diese  Nachricht  ist  falsch.     Das  von  Foers  bemann  herausgegebene  Album 
Academiae  Vitebergensis  (Lips.  1841)  weiss  von  keinem  Thomas  Horner  oder  Hörner. 


5g  De  ratione  componendi  cantn*.  Autore  Thoma  Hornero  Egrano. 

„Nobilitatis  couferiret  die  auff  pergamehn  geschrieben,  noch  behalten 
„werden.  Anno  1570  ist  Thomas  Hörner  Hoehfürstl.  Saht  zur  Ueber- 
„setzung  der  Cuhrschen  Statuten  verordnet  der  auch  selbsten,  nebst 
„andern,  den  drüber  geraachten  recess  unterschrieben,  zu  Mitau  d.  22.  Juny 
„Anno  1570.  man  findet  auch  sein  unterschrieben  nahm  in  Kezess 
„zu  Mitau  gemacht  Anno  1572,  drn  10.  Martzij  item  zu  Doblehn, 
„d.  7.  October.  ano.  1579." 

Diese  Aufzeichnungen  sind  alles,  was  ich  an  den  angeführten  Orten 
über  Thomas  Homer  habe  auffinden  können;  vielleicht  geben  sie  hier 
und  dort  Veranlassung  zu  weiteren  Nachforschungen  und  gelegentlichen 
Mittheilungen. 


Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants: 

Die  Atomistik. 

Vou 

l>r.  Otto  Kuttner 

in  Neuhaldenslebeu. 

Die  gedankenlose  Aeusserung  Buechners:  dass  die  Atome  der  Alten 
zwar  eine  blosse  Hypothese  seien,  dahingegen  die  der  modernen  Natur- 
wissenschaft klar  erwiesen  seien,  ist  bekannt,  wie  viele  der  übrigen 
leichtsinnigen  bonmots  dieses  seiner  Zeit  viel  gelesenen  und  wie  er 
verdient  hat,  jetzt  völlig  vergessenen  Autors.  Auch  hat  es  inzwischen 
nicht  an  solchen  gefehlt,  die  diesem  heissspornigen  Dilettanten  eben- 
sowohl auf  dem  Gebiete  der  Naturforschung,  wie  auf  dem  der  Philo- 
sophie, der,  wie  es  Dilettanten  eigen  zu  sein  pflegt,  die  sich  für  eine 
Idee  begeistert  haben,  mit  dem  ganzen  Fanatismus  des  Proselyten- 
Machers  auftrat,  die  Wege  gewiesen  haben.  Und  es  ist  als  ein  Glück 
zugleich  und  als  ein  Beweis  für  den  besonnenen  Zug,  der  die  wissen- 
schaftliche Forschung  heut  zu  Tage  durchzieht,  anzusehen:  dass  diese 
mahnenden  Stimmen  zur  Besonnenheit  aus  dem  Lager  der  Naturforscher 
selbst  sich  haben  hören  lassen. 

Du  Bois  Reymond's  bedeutender  Vortrag  über  die  Grenzen  des 
Naturerkeimens,  ist,  denken  wir,  den  Gebildeten,  die  für  derlei  Fragen 
überhaupt  einiges  Interesse  haben,  bekannt.  Wir  rechnen  es  diesem 
Manne  nicht  sowohl  als  bedeutendes  wissenschaftliches  Verdienst  an, 
sondern  als  sittliches,  das  in  der  Selbstbescheidung  wurzelt,  wenn  er 
sein  ignoramus  et  ignorabimus  hier  und  dort  geltend  macht,  hinter  dem 
wir  versteckten  Hochmuth,  wie  Manche,  zu  finden  nicht  vermögen. 


ßO  Die  Bedentang  der  regulativen  Ideen  Kants. 

Indessen  hört  man  auf  der  einen  Seite  noch  immer  die  Atome  als 
wissenschaftlichen  Fund  requiriren.  Beweis  dafür:  die  ganze  moderne 
Naturforschung  bedient  sich  ihrer  und  hat  auf  diesem  Grunde  die  weit- 
greifendsten  Entdeckungen  gemacht  —  ein  Factum,  das  als  solches 
nicht  kann  bezweifelt  werden!  Auf  der  andern  Seite  kommt  es  leicht, 
dass  die  oberflächliche  Kenntnissnah me  von  den  Problemen,  die  in  der 
Annahme  der  Atome  gelegen  sind,  von  den  Widersprüchen,  die  sich 
darin  bergen,  zu  dem  Schluss  verführen:  Also  ist  diese  Annahme  irrig 
und  die  Naturwissenschaft  ebenso  wie  die  Philosophie  muss  sich  dieser 
Theorie  als  eines  blossen  Geredes  enthalten? 

Dass  beide  Theile  sehr  weit  vom  Ziele  vorbei  geschossen  haben 
könnten,  diese  Einsicht  pflegt  sich  nicht  eben  dem  flüchtigsten  Nach- 
denken aufzudrängen.  Sie  ist  aber  für  alle  die  gegeben,  welche  sich 
mit  congenialem  Sinne  in  den  Geist  der  Kritik  der  reinen  Vernunft  vertieft 
haben  und  den  Gedanken  der  regulativen  Ideen  Kants  nicht  mit 
dem  billigen  Einspruch  des  allwissenden  Metaphysikers :  Enweder  —  Oder, 
entweder  an  sich  gültig  oder  gar  nicht  gültig,  abzuweisen  vermögen. 
Aus  dieser  Quelle  hat  auch  Du  Bois  Reymond,  gleichviel,  ob  mittelbar 
oder  unmittelbar,  geschöpft.  Und  sein  Vortrag  verhält  sich  zu  den 
Kant'schcn  Erörterungen,  wie  die  kurz  ausgesprochenen  Besultate  zur 
eingehenden  Beweisführung. 


Wir  haben  in  einem  kurzen  Aufsatz  über  die  Bedeutung  von  Kants 
Kritik  der  rein,en  Vernunft  für  die  Gegenwart  (cf.  Jahrbb.  für  die  prot. 
Theol.  1882.  Bd.  4)  die  Gegenstände  der  materiellen  Welt  nur  auf  ihre 
sinnlichen  Qualitäten  hin  angesehen  und  die  Atome  nur  insoweit  in  den 
Bereich  unserer  Erörterung  gezogen,  als  sie  sich  als  die  letzten,  wenn 
auch  nur  durch  Schlussverfahren  sich  darbietenden,  Elemente  für  die 
objectivste  Wahrnehmung  der  Körper  durch  den  Tastsinn,  die  der  Wäg- 
barkeit herausstellten,  während  die  unwägbaren  Aether- Atome,  sofern 
sie  in  der  physikalischen  Forschung  zuzulassen  sind,  nur  nach  Analogie 
jener  ersteren  dürfen  vorgestellt  werden,  d.  i.  als  nicht  an  sich  un- 
wägbar und  damit  etwa  ausgenommen  von  dem  letzten  gemeinsamen 
Merkmale  aller  materiellen  Erscheinungen,  sondern  als  nur  für  uns 


Von  Dr.  Otto  Rattner.  ßj[ 

unwägbar,  insofern  sie  bis  jetzt  für  die  Grobheit  unseres  Tastsinnes  und 
die  der  hergestellten  Waagen  jenseits  der  Wahrnehmbarkeit  gelegen  sind. 
Hier  liegt  bereits  ein  Missverständniss  sehr  nahe,  wie  wir  es  von 
einem  unserer  Leser,  einem  namhaften  Gelehrten,  zur  Erfahrung  gebracht 
haben:  als  wäre  es  uns  in  den  Sinn  gekommen,  die  Atome  als  sinnlich 
aufzeigbare  Elemente  der  physischen  Welt  zu  behaupten,  dahingegen 
wir  doch  das  Schlussverfahren,  wodurch  sie  erst  zu  Stande  kommen, 
sehr  wohl  erwähnt,  wenn  auch  nicht  besprochen  haben. 

Die  Erörterung  desselben  soll  jetzt  folgen,  um  herauszustellen: 
dass  die  Atom-Theorie  es  nie  über  die  Gültigkeit  eines  regulativen 
Erkennt nissprincips  bringen  kann,  dem  übrigens  dadurch  unbeschadet 
als  einem  solchen  sein  voller  wissenschaftlicher  Werth  verbleibt,  und 
dass  sogar  durch  die  Annahme  von  Atomen  ein  Widerspruch  unseres 
Denkens  zum  Ausdruck  kommt,  dem  aber  aus  dem  Wege  zu  gehen 
durch  Leugnung  der  Zulässigkeit  dieser  Annahme  ein  völlig  nutzloses 
Manöver  ist. 

Die  zweite  Antinomie  in  Kants  Kritik  kommt  in  folgender  Thesis 
und  Antithesis  zum  Ausdruck  (Kirchmann  S.  366,  67): 

Thesis :  „Eine  jede  zusammengesetzte  Substanz  in  der  Welt  be- 
steht aus  einfachen  Theilen  und  es  existirt  überall  nichts 
„als  das  Einfache  oder  das,  was  aus  diesem  zusammen- 
gesetzt ist". 
Antithesis:  „Kein  zusammengesetztes  Ding  in  der  Welt  besteht 
„aus  einfachen  Theilen  und  es  existirt  überall  nichts  Ein- 
faches in  derselben". 
Kant's  Ueberzeugung  geht  dahin:  dass  die  menschliche  Vernunft 
vollgiltige  Beweise  für  Thesis  und  Antithesis  erbringen  kann,  wie  das  ja 
auch  bei  den  übrigen  Antinomien  der  Fall  sein  soll,  allerdings  allerwärts 
nur  auf  indirectem  Wege,   durch   den  Erweis  der  Unmöglichkeit  des 
Gegentheils.    Unsere  Zeit  ist  vorsichtiger  geworden  im  Operiren  mit 
indirecten  Beweisen:   wir  pflegen  ihnen  nirgends  eine  gleichwertige 
Beweiskraft  mit  den  directen  einzuräumen,  noch  ihre  Evidenz  für  apo- 
diktisch zu  halten,  auch  in  dergleichen  Fällen  nicht,  wo  wir  Dilemmas 
so  fataler  Art  nicht  zu  befürchten  haben.    Wir  besinnen  uns  zurück 


62  ^ie  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

auf  den  Unterschied  contradiktorischer  und  conträrer  Gegensätze  sowie 
darauf,  dass  innerhalb  der  letzteren  zwei  sich  ebensowenig  auszuschliessen 
brauchen,  als  die  erwiesene  Unmöglichkeit  und  Unwirklichkeit  des  einen 
etwa  die  Wirklichkeit  und  Notwendigkeit  des  andern  zur  Folge  haben 
müsste.  Wir  würden  also  in  den  indirecten  Beweisen  dieser  Antinomien, 
die  sich  gegenseitig  aufheben,  nur  eine  Kritik  finden  können,  deren 
Werth  darin  besteht,  in  jeder  von  beiden  Voistellungsarten  incongruente 
sich  selbst  widersprechende  Elemente  herausgesetzt  zu  haben. 

Aber  darauf  will  ja  gerade  Kant  hinaus,  und,  wenn  er  seinen  Be- 
weisen volle  Evidenz  zudiktirt,  so  geschieht  es  in  der  gutgemeinten 
Absicht,  sie  über  die  gewöhnlichen  Proben  dialektischen  Scharfsinnes 
im  Advokatengebrauche  hinauszuheben  und  den  Widerspruch,  der  sich 
durch  sie  ergiebt,  als  weit  erhaben  über  den  Spiegelfechtereien  eitler 
Sophismen,  wurzelnd  vielmehr  in  der  Natur  des  menschlichen  Geistes 
selbst,  aufzuzeigen.  Ja,  Kant  ist  es  gewesen,  der  uns  durch  die  Re- 
sultate seiner  Antinomien  jene  eben  zur  Geltung  gebrachte  kritische 
Scheidung  auferlegt  und  ermöglicht  hat. 

Nichts  desto  weniger  haben  wir  an  dem  Wortlaute  der  Thesis  und 
Antitbesls  selbst  eine  die  Sache  betreffende  Ausstellung  zu  machen,  der 
die  eine  als  petitio  principii  erscheinen  lässt,  der  anderen  aber  ihren 
rein  antithetischen  Charakter  trübt. 

Eine  jede  zusammengesetzte  Substanz,  sagt  Kant,  besteht  aus 
einfachen  Theilen.  Und  sein  Beweis  wurzelt  allein  in  dem  Gedanken: 
„Im  ersteren  Falle  aber  (unter  der  Voraussetzung  des  Gegentheils  der 
„These)  würde  das  Zusammengesetzte  wiederum  nicht  aus  Substanzen 
„bestehen  (weil  hierbei  die  Zusammensetzung  nur  eine  zufällige  Relation 
„der  Substanzen  ist,  ohne  welche  diese  als  für  sich  beharrliche  Wesen 
„bestehen  müssen)"  (Kirchmann  S.  368). 

Man  sieht,  der  Begriff  der  Substanz,  der  in  die  Thesis  eingetragen 
ist,  wird  im  Beweise  dazu  benutzt,  den  Begriff  des  Beharrlichen  und 
schlechthin  Einfachen  auszuklauben.  Und  der  Gegner,  der  einen  andern 
Begriff  von  der  Substanz  hat,  oder  sie  überhaupt  nicht  will  verwandt 
wissen,  damit  abgefertigt:  „Da  nun  dieser  Fall  der  Voraussetzung  wider- 
spricht, so  bleibt  nur  der  zweite  übrig:  dass  nämlich  das  substanzielle 
„Zusammengesetzte  in  der  Welt  aus  einfachen  Theilen  bestehe"  (a.  a.  0.). 


Von  Dr.  Otto  Knttner.  ß3 

War  der  Begriff  der  Substanz  aber  einmal  eingeführt,  so  musste 
er  selbstverständlich  auch  in  die  Antithesis  aufgenommen  werden;  und 
sie  durfte  nicht  begonnen  werden:  „Kein  zusammengesetztes  Ding  ja", 
sondern  musste  begonnen  werden:  „Keine  zusammengesetzte  Substanz  je." 
Würde  sich  nun  aber  ergeben  haben :  dass  alsdann  der  Beweis  für  die 
Antithesis  nicht  zu  erbringen  war,  zumal  wenn  wir  hier  im  Begriffe  der 
Substanz  dieselben  Vorstellungen  von  Beharrlichkeit  und  Einfachheit  als 
latitirend  mitgedacht  hätten,  die  Kant  in  der  Thesis  voraussetzt,  so 
würde  die  Gonsequenz  gewesen  sein,  dass  auch  in  die  Thesis  vielmehr 
der  voraussetzungslosere  Ausdruck  der  Antithesis:  „Ein  jedes  zusammen- 
gesetztes Ding  jc.u  hätte  substituirt  werden  müssen. 

Wir  machen  gerade  deshalb  auf  diese  Mängel  aufmerksam,  damit 
man  nicht  meine:  das  Ungenügende  der  einzelnen  Beweisführung  in  den 
Antinomien,  das  gerade  hier  allerdings  dem  unbefangenen  Leser  sich 
auf  Schritt  und  Tritt  aufdrängt,  mache  den  grossen  Gedanken  der  Anti- 
nomien überhaupt  illusorisch. 

Wir  werden  an  unserm  Beispiel  Gelegenheit  nehmen  zu  zeigen, 
wie  wenig  das  der  Fall  ist.  Sodann  treten  wir  hiermit  allerdings  auch 
denen  ganz  energisch  entgegen,  die  jeden  Buchstaben  Kants  einbalsa- 
miren  möchten,  und  demzufolge  in  jeder  Wendung  der  Antinomien 
planvolle  Ueberlegung,  philosophische  Weisheit  und  genialen  Tiefsinn 
wittern,  wo  gewöhnliche  Sterbliche  nicht  blos  Schwerfälligkeit  in  der 
Darstellung  und  im  Ausdruck,  sondern  auch  ein  auffallendes  Ungeschick 
für  zusammenhängendes  und  doch  das  Eine  vom  Andern  scharf  son- 
derndes Argumentiren  zu  erkennen  glauben.  Demgegenüber  dringt  man 
auch  nicht  mit  dem  Einwände  durch,  den  der  in  der  modernen  Kant- 
forschung so  verdienstvolle  Cohen  zurHagd  hat:  es  wäre  selbstverständ- 
lich, dass  die  Beweise  der  Thesis  und  Antithesis  für  den  bereits  kritisch 
gebildeten  Leser  die  Hauptkraft  ihrer  Evidenz  einbüssen  müssten,  die 
sie  nach  Kant  für  den  sogenannten  gesunden  Menschenverstand  haben 
sollen.  Aber  haben  sie  wirklich  aller  Orten  jene  Evidenz  für  den 
letzteren,  fragen  wir,  oder  muss  sich  nicht  jeder  Leser,  gleichviel  ob 
kritisch  oder  nicht  kritisch,  meist  erst  sehr  mühsam  hineinarbeiten  in 
die  Kant'schen  Beweisgänge  der  Antinomien,  um  sie  auch  nur  psycho- 
logisch nachempfinden  zu  können? 


ß4  Dte  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

So  viel  zur  Ernüchterung  gegenüber  gewissen  rechthaberischen  Ver- 
götterungen der  Worte  des  Meisters,  die  sich  gerade  für  den  Kantianer 
am  wenigsten  schicken  wollen.    Und  jetzt  zur  Sache! 

Es  wird  dem  Leser  bei  unserem  Recurs  auf  die  zweite  Kantische 
Antinomie  der  Zusammenhang  dieser  mit  der  Atomistik,  als  auf  die  wir 
hinauswollen,  durchaus  einleuchtend  gewesen  sein.  Wir  haben  jetzt  vor, 
den  wahren  Sinn  der  Antinomie  innerhalb  der  Atomistik  zugleich  mit 
ihrem  erkenntnisstheoretischen  Ursprung  klar  zu  legen. 

Wenn  der  Chemiker  animalische,  vegetabilische  und  anorganische 
Körper  höherer  Ordnung  in  einfache  Elemente  auflöst,  die  quaternären 
und  ternären  Verbindungen  in  binäre  und  diese  selbst  wiederum  in 
ihre  primären  Urstoffe  zu  zerlegen  vermag,  so  glaubt  er  durch  solche 
Analyse  allerdings  einfache  nicht  weiter  zerlegbare  Stoffe  erhalten  zu 
haben.  Wir  kennen  deren  jetzt  einige  sechzig  und  sind  berechtigt  diese 
solange  als  die  einfachen  nicht  weiter  zerlegbaren  Elemente,  aus  denen 
sich  die  ganze  Körperwelt  zusammen  setzt,  anzusehen,  bis  neue  Versuche 
neue  Resultate  aufzuweisen  haben,  welche  darthun:  dass  auch  von  den 
bis  jetzt  mit  Recht  so  genannten  Urstoffen  einzelne  nochmaliger  Analyse 
zugänglich  sind  und  diese  somit  als  zusammengesetzte  Stoffe  ihren 
Cpmponenten  Platz  zu  machen  haben.  Und  die  immer  neuen  Ent- 
deckungen auf  diesem  Gebiete  sind  allerdings  dazu  angethan,  uns  vor- 
erst aus  diesem  heilsamen  Zustand  einer  vorsichtigen  Reserve  nicht 
heraus  zu  lassen. 

Indess  der  Möglichkeit  steht  natürlich  nichts  im  Wege,  dass  die 
bis  jetzt  entdeckten  letzten  oder  ersten  Elemente  allesammt  in  Wahr- 
heit auf  diesen  Rang  Anspruch  zu  machen  hätten.  Wir  hätten  damit 
einfache  nicht  weiter  zerlegbare  Urstoffe,  die  sich  doch  sinnlich  wahr- 
nehmbar darstellen  lassen:  und  es  scheint  kein  Zweifel,  dass  sehr 
vielen  von  den  gefundenen  immer  dieser  Platz  verbleiben  wird.  Obwohl 
wir  aber  hierin  Urstoffe  hätten,  so  haben  wir  doch  bei  Weitem  keine 
Atome:  jene  Einfachheit  und  Unzerlegbarkeit,  die  der  Chemiker  von 
seinen  Elementen  prädicirt,  bezieht  sich  nur  auf  die  Qualität,  dahin- 
gegen ihre  quantitative  Theilbarkeit  in  immer  kleinere  Masseneinheiten 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  65 

gar  nicht  in  Frage  kommt  und  in  der  That  ausser  Frage  ist.    Eine 
solche  kleinste  Masseneinheit  nun,  die  numerisch  nicht  mehr  theilbar 
ist,  würde  den  Begriff  des  Atoms  ausmachen.    Aber  was  ist  numerisch 
nicht  mehr  theilbar?    Der  Chemiker  kann  es  sich  hier  wieder  bequem 
machen:  er  operirt  mit  Molekuelen,  das  sind  Massencomplexe,  die  nur 
für  ihn   letzte  Einheiten   bilden,   insofern  er  sie  ansieht   auf  gewisse 
physische  Eigenschaften,  seien  es  nun  die  allgemeinsten  der  Cohaesion 
und  Repulsion,  oder  besondere  morphologische  oder  chemische  Quali- 
täten, wie  Krystallisation  und  Lichtbrechung,  ohne  doch  darum  eine 
Atomenvielheit  in  jeder  seiner  relativen  Einheiten  in  Abrede  zu  stellen, 
wie  sie  ja  vielmehr  schon  zum  Ausdruck  kommt  in  der  Wahl  eines 
anderen  Wortes:  Molekuel.     Ja  der  Chemiker  selbst  pflegt  sich  bei 
Rechnungen,  aus  methodischen  Gründen  der  Vereinfachung,  mit  diesen 
Molekular-Einheiten,   deren   es  ja  je   nach   der  Art   der   chemischen 
Zusammensetzung  unzählig  verschiedene  giebt,  nicht  zu  begnügen.  Die 
Masseneinheit  des  Wasserstoffes,  des  leichtesten  terrestrischen  Elements 
pflegt  man  sich  als  kubische  Lagerung  von  acht  Atom-Einheiten  vor- 
stellig zu  machen,  je  zwei  in  jeder  Seite,  die  des  Sauerstoffes,  dessen 
specifisches  Gewicht   doppelt   so   gross   ist,   als  der  Wasserstoff,    als 
Kubus  mit  vier  Atomen  in  der  Seite  und  so  fort.    Denn  obzwar  die 
Zahlen  also  vervielfältigt  werden,  so  ergiebt  sich  doch  eine  Vereinfachung 
des  Maßes.    Immerhin  kann  der  Naturforscher  diese  doch  nur  hypothe- 
tische und  fingirte  Atom-Einheit  seinen  Experimenten  nicht  zu  Grunde 
legen,   weil  auch  die  einfachsten  Molekular-Kräfte,   wie  die  der  An- 
ziehung und  Abstossung  nur  erst  in  verhältnissmäßig  complicirten  Zu- 
sammensetzungen vorhanden  sind.  Andere  chemische  Molekular-Einheiten 
ergeben    sich    allerdings    nur    durch   Zusammensetzung    verschiedener 
ürstoffe,   wie   Weinsäure   aus   Sauerstoff-,   Wasserstoff-   und  Kohlen- 
stoff-Atomen. 

Wir  fragten:  was  ist  numerisch  nicht  mehr  theilbar,  wir  fanden 
dass  der  Chemiker  es  sich  leicht  machen  kann,  dergl.  Skrupeln  aus 
dem  Wege  zu  gehen  durch  die  praktisch  ebenso  verwerthbare  wie 
theoretisch  unverfängliche  Handhabe  der  Molekuele,  wir  kamen  darauf  zu 
sprechen:  dass  er  selbst  bei  der  Rechnung  seine  Molekular-Einheiten 

Aitpr.  MoDfttMchrift  Bd.  XXIL  litt.  U2,  5 


ßß  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

aus  verschiedenen  Atom-Einheiten  bestehend  sich  denkt!  Aber  haben 
wir  denn  bei  ihnen  nun  etwa  die  Grenze  der  Theilbarkeit  gefunden? 
Für  die  reale  Analyse  ist  diese  längst  vor  jener  blossen  Fiktion 
gegeben,  in  der  Regel  werden  auch  die  Molekular-Einheiten  nur  er- 
schlossene nicht  unmittelbar  wahrzunehmende  Grössen  sein,  die  gegeben 
sind  in  einem  grösseren  Complex  von  Zusammensetzungen,  wenngleich 
darum  sich  Niemand  einfallen  lassen  wird,  das  Molekuel  ein  blosses 
Gedankending  zu  nennen.  Aber  gesetzt  auch  jene  fiugirtcn  Atom-Ein- 
heiten hätten  annähernd  die  vortreffliche  induktive  Basis  aufzuweisen 
wie  die  Molekuele,  gesetzt  der  chemische  Analyst  käme  mit  seiner  Betorte 
und  sonstigen  Apparaten  bis  auf  diese,  weiter  aber  nicht,  oder  er  möchte 
einen  indirekten  Nachweis  für  die  Nothwendigkeit  seiner  Annahme 
führen,  gesetzt  der  Forscher  vermöchte  ein  Mikroskop  aufzutreiben, 
mit  dem  er  bis  auf  diese  von  uns  trotz  des  Widersinnes  vorläufig  so- 
genannten Atom-Einheiten,  deren  Eigenschaft  als  Atomon  an  sich  sich 
eben  nie  wird  ausweisen  lassen,  dringt:  welche  Berechtigung  hätten  wir 
denn  damit  erlangt,  zu  schliessen:  diese  Einheiten  die  wir  allerdings 
als  solche  hinsichtlich  der  Molekuele  eruirt  haben  würden,  sind  über- 
haupt letzte  Einheiten,  sind  Atoma  in  der  Welt  des  Seienden,  welche 
Berechtigung  hätten  wir  über  den  Schluss  hinauszugehen:  jene  Ein- 
heiten verhalten  sich  zu  den  Molekuelen;  wie  diese  zu  grösseren  Eörper- 
complexen?  wobei  die  Frage  vollständig  offen  zu  lassen  ist,  ob  sie  nicht 
ebenso  wie  die  Molekuele  ihnen  gegenüber  sich  im  Verhältniss  zu  noch 
primäreren  Elementen  als  zusammengesetzte  Erscheinungen  herausstellen. 
Das  ist  der  regressus  ins  Unendliche,  von  dem  Eant  spricht  und 
von  dem  wir  jetzt  schon  erkennen,  dass  er  nicht  sowohl  auf  die  Seite 
der  Objekte  fallt,  als  auf  die  unseres  Erkenntnissvermögens.  Dies 
kommt  zum  Ausdruck  in  der  Antithesis  der  zweiten  Antinomie: 

„Kein  zusammengesetztes  Ding  in  der  Welt  besteht  aus  einfachen 
„Theilen  und  es  eiistirt  überall  nichts  Einfaches  in  derselben, 
es  kommt  in  jener  paradoxen  Form  zum  Ausdruck,  die  Kant  in  den 
Antinomien  absichtlich  gewählt  hat,  um  solche  überhaupt  zu  Stande 
zu  bringen,  eine  Eigenschaft  unserer  psychischen  Organisation,  die  uns 
allerwärts  die  Theilung,  wo  nicht  in  Wirklichkeit,  so  doch  in  der  Vor- 


Von  Dr.  Otto  Kuttner,  ßf 

stellang,  fortzusetzen  gebietet,  auf  die  Objekte  der  Theilung  übertragend 
und  90  den  Schein  erregend,  als  ob  ein  zusammengesetztes  Ding  ohne 
ein  Etwas,  daraus  es  zusammengesetzt  ist  und  das  wir  Theil  nennen, 
bestehen  könne. 

In  rein  kritischer  Fassung  spricht  Eant  (Kirchmann  S.  183  ff.)  diesen 
Gedanken  in  den  beiden  ersten  von  ihm  mathematisch  genannten  Grund- 
sätzen des  reinen  Verstandes  aus:  den  Axiomen  der  Anschauung  und  Anti- 
cipationen  der  Wahrnehmung,  deren  Beziehung  zu  den  beiden  ersten  Anti- 
nomien auf  der  Hand  liegt  wie  die  der  dynamischen  Grundsätze  zu  den 
beiden  letzten  und  die,  wie  wir  hier  beiläufig  bemerken  möchten  von  den 
Kantforschern  wohl  bemerkt,  aber  bisher  nicht  gehörig  verwerthet  ist. 

Bei  dieser  Gelegenheit  können  wir  nicht  unterlassen,  darauf  auf- 
merksam zu  machen,  welch  eigenthümliches  Quid  pro  quo  dem  sonst 
seinem  Gegenstande  so  congenialen  Geschichtsschreiber  Euno  Fischer 
in  der  Darstellung  dieser  beiden  ersten  mathematischen  Grundsätze 
passirt  ist.  Diese  beiden  Grundsätze  tragen  bei  Eant  folgendes  harm- 
lose Gewand: 

„Alle  Anschauungen  sind  extensive  Grössen"  und  „In  allen  Er- 
scheinungen hat  das  Reale,  was  ein  Gegenstand  der  Empfindung  ist, 
„intensive  Grösse  d.  i.  einen  Grad". 

Sie  polemisiren  allerdings  gegen  die  dogmatische  Fassung  der 
Atome  und  des  leeren  Baumes,  oder  wie  wir  uns  lieber  mit  Eant  selbst 
in  der  Anmerkung  zu  der  oben  angeführten  zweiten  Antinomie  verbessern 
wollen:  gegen  die  Monadologie  eines  Leibnitz. 

Euno  Fischer  aber,  der  hier  offenbar  den  Unterschied  einer  bloss 
erkenntnisstheoretischen  Eritik  von  einer  dogmatischen  Polemik  über- 
sehen hat,  muthet  Eant  eine  Widerlegung  des  Atomismus  schlechtweg 
zu.  Er  hat  sich  hier  doch,  wie  es  scheint,  mit  seinem  Gegenstande  zu 
sehr  identificirt. 

Eant  hingegen  trägt  in  den  „Anticipationen  der  Wahrnehmung14  die 
erkenntnisstheoretischen  Prämissen  seiner  dynamischen  Naturanschauung, 
die  sich  übrigens,  wie  wir  seiner  Zeit  in  unserer  Doctor-Dissertation*) 

*)  „Historisch-genetische  Darstellung  von  Kants  verschiedenen  Ansichten  über 
das  Wesen  der  Materie"  (Halle  1881). 

5* 


68  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

nachgewiesen  haben,  sehr  wohl  vereinigen  lässt  und  vereinbart  findet 
mit  einer  als  regulatives  Princip  gefassten  Atomtheorie,  mit  jener  ihm 
eigenen  Reserve  vor,  dass  er  ihr,  gegenüber  der  dogmatischen  Annahme 
diskreter  Atome  und  leeren  Baumes,  nur  das  Verdienst  vindicirt  „den 
Verstand  wenigstens  in  Freiheit  zu  versetzen,  sich  diese  Verschiedenheit" 
(nämlich  die  der  Schwere  bei  gleicher  Ausdehnung)  „auch  auf  andere 
Art"  (als  durch  verschiedene  Dichtigkeit  der  Körper)  „zu  denken,  wenn 
die  Naturerklärung  hierzu  irgend  eine  „Hypothese  nothwendig  machen 
sollte"  (Kirchmann  S.  195). 

Welches  diese  andere  Hypothese  ist?  Die  der  continuirlichen 
Baumerfüllung,  über  die  wir  nachher  noch  in  ihrem  Verhältniss  zur 
Atomistik  ein  Wort  zu  sprechen  haben  werden.   Hier  ist  ein  Beispiel: 

„So  kann  eine  Ausspannung,  die  einen  Baum  erfüllt,  z.  B.  Wärme, 
„und  auf  gleiche  Weise  jede  andere  Bealität,  ohne  im  Mindesten  den 
„kleinsten  Theil  dieses  Baumes  leer  zu  lassen,  in  ihren  Graden  ins 
„Unendliche  abnehmen  und  nichts  desto  weniger  den  Baum  mit  diesen 
„kleineren  Graden  eben  so  wohl  erfüllen,  als  eine  andere  Erscheinung 
„mit  grösseren"  (S.  195,  196  a.  a.  0.). 

Aber  alsbald  fügt  der  vorsichtige  Kant  hinzu:  „Meine  Absicht  ist 
„hier  keineswegs  zu  behaupten,  dass  dieses  wirklich  mit  der  Verschieden- 
heit der  Materien  ihrer  specifischen  Schwere  nach  so  be wandt  sei, 
„sondern  nur  aus  einem  Grundsatze  des  reinen  Verstandes  darzuthun: 
„dass  die  Natur  unserer  Wahrnehmungen  eine  solche  Erklärungsart 
„möglich  mache"  (a.  a.  0.) 

Aber  welches  ist  denn  nun  in  aller  Welt  die  berechtigte  und 
welches  die  unberechtigte  Atomtheorie,  welches  sind  die  anünomischen 
Elemente  in  ihr,  die  uns  einerseits  nöthigen,  ein  äropov,  ein  unheil- 
bares Letzte  zu  denken  und  uns  andererseits  doch  wieder  den  Wider- 
spruch dieses  Gedankens  mit  einer  anderen  Grundanschauung,  von  der 
wir  nicht  lassen  können,  aufdrängen,  was  ist  der  Bechtstitel  dieser 
Grundanschauung  und  was  der  jenes  zwingenden  Gedankens? 

Wir  kommen  in  der  anschauenden  Wirklichkeit,  so  sehen  wir, 
trotz  chemischen  Betorten  und  Schmelztiegeln  von  Piatina,  nicht  eben 
weiter,  als   bis   zu  bestimmten  Molekular-Compleien,   die   rechnende 


I 


Von  Dr.  Otto  Kottner.  gg 

Phantasie  —  sit  venia  verbi  —  kann  weiter  nnd  muss  weiter.  Und 
dennoch  ist  es  gerade  die  anschauende  Form  der  Vergegenwärtigung 
sinnlicher  Erscheinungen,  die  uns  hindert  halt  zu  machen  innerhalb  der 
Theilung,  die  uns  jenen  regressus  ad  infinitum,  wo  wir  ihn  nicht  in  der 
Wirklichkeit  ausführen  können,  doch  in  der  Vorstellung  vorzunehmen, 
gebietet:  es  ist  der  Kaum,  der  uns  mit  instinktivem  Zwange  die  Ge- 
wissheit aufnöthigt,  dass  so  wie  er,  auch  alles  Baum-Erfüllende,  eine 
Grenze  der  Theiibarkeit  nicht  in  sich  trägt,  sondern  mit  ihm  zusammen 
eine  continuirliche  Grösse  ist. 

Allerdings  dürfen  wir  das  Eine  hierbei  nicht  übersehen!  An  sich 
hat  das  Kaum-Continuum,  wie  das  Continuum  rauraerfüllender  Körper, 
mit  dem  Gedanken  einer  begrenzten  oder  unbegrenzten  Theiibarkeit  zu- 
nächst gar  nichts  zu  thun:  —  an  sich:  das  will  natürlich  sagen,  in 
unserer  unreflektirten  Vorstellung  —  Beides  sind  vollständig  disparate 
Begriffe,  oder  vielmehr  sie  sind  eben  so  disparat,  dass  sie  sich  als 
Anschauung  dem  Begriff  gegenüberstellen  lassen:  das  simultane  und 
continuirliche  Baumbild  den  innerhalb  seiner  gezogenen  Grenzen. 
Wer  denkt  auch  bei  der  sinnlichen  Anschauung  eines  Zimmers  und  der 
in  ihm  vertheilten  Gegenstände  an  einen  Widerspruch?  Auch  die  Vor- 
stellung eines  selbst  begrenzten  Baumes,  der  um  nichts  weniger  den 
Eindruck  eines  fortlaufenden  Continuums  macht,  enthält  nichts  Störendes 
und  sich  Widersprechendes,  sobald  wir  über  die  Simultaneität  dieses 
Raumbildes  durch  Eeflexion  nicht  hinausgehen.  Erst  wenn  wir  dies 
thun  und  zwar  an  der  Hand  der  zeitlichen  Succession,  erst  wenn  wir 
an  der  Hand  eines  abstrakteren  Grössebegriffs,  der  seinerseits  von  da 
stammt,  Vergleiche  anstellen  darüber:  dass  dieser  Zimmerraum  doch 
selbst  nur  ein  Theil  ist  eines  grösseren  Baumes  und  dass  er  sich  dem- 
entsprechend auch  muss  theilen  lassen,  ja  sogar  getheilt  erscheint  durch 
die  in  ihm  vertheilten  Gegenstände,  die  wir  nun  mit  dem  ganz  andern 
Auge,  eines  Baumes  im  Baume,  einer  Grenze  der  räumlichen  Theiibarkeit 
ansehen,  erst  mit  Zuhilfenahme  dieses  Mediums  zeitlicher  Succession, 
die  uns  zur  begrifflichen  Auffassung  des  Bäumlich-Simultanen  verhelfen 
soll,  stossen  wir  auf  einen  Widerspruch.  Indem  wir  nämlich  die  ein- 
zelnen, fixirten  zeitlichen  Momente,  in  denen  wir  das  räumlich  Aus- 


70  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

gedehnte  nach  einander  aufnehmen,  mit  dem  räumlichen  Contiuuum  selbst 
vermischen,  wird  aus  der  Linie,  die  unterschiedslos  vor  uns  ausgebreitet 
liegt,  eine  Reihe  von  Punkten,  entstehend  durch  ein  successives  Nach- 
einander. So  pflegt  man  in  mathematischen  Lehrbüchern  und  im 
philosophischen  Vortrage  noch  immer  die  Linien  entstehen  zu  lassen 
durch  Bewegung  des  Punktes,  die  Fläche  durch  Bewegung  der  Linie 
und  sogar  den  Körper  durch  Bewegung  der  Fläche,  obwohl  mau  bei 
diesem  Dritten  billigerweise  hätte  stutzig  werden  sollen.  Den  drei 
dimensionalen  Baum  mag  diese  Darstellungsweise  pädagogisch  klar 
machen :  auf  wissenschaftlichen  Werth  scheint  sie  uns  keinen  Anspruch 
zu  haben.  Es  ist  vielmehr  mit  Fechner  energisch  Protest  dagegen  zu 
erheben,  dass  die  Punkte  als  Elemente  der  Composition  angesehen 
werden  des  simultan  vor  uns  ausgebreiteten,  ununterbrochenen  Baum- 
bildes, mit  demselben  Fechner,  der  doch  die  Atome  als  diskrete  Grössen 
und  den  leeren  Baum  im  Interesse  der  physikalischen  Forschung  äusserst 
scharfsinnig  zu  verth eidigen  weiss:  wir  werden  sehen  wie?  und  mit 
welchem  Bechte?  Und  Kant  gerade  ist  es,  der  immer  wiederholt  darauf 
aufmerksam  macht,  dass  die  Punkte  weit  gefehlt  Elemente  des  Baumes 
zu  sein,  als  termini  a  quo  und  ad  quem,  nur  fixirte  Hilfsmittel  sind 
zur  successiven  Beconstruktion  des  Baumbildes.  Von  der  transscenden- 
talen  Frage  nach  Baum  und  Zeit  ist  hier  nicht  die  Bede:  nehmen  wir 
mal  hinsichtlich  der  letzteren  den  neuerdings  gemachten  Unterschied  *) 
zwischen  einer  transscendenten  und  empirischen  Zeit  in  Anspruch,  ohne 
ihm  übrigens  unbedingt  beizutreten,  so  ist  es  die  empirische  Zeitreihe 
als  Vehikel  unseres  Vorstellungsverlaufes,  als  fixirte  Zeitgrösse,  von 
der  wir  handelten,  ohne  über  die  Zeit  selbst  als  Continuum  aburtheilen  zu 
wollen.  Vielmehr  soll  sich  herausstellen,  dass  jenes  Fixiren  der  Grenzen 
von  einem  tiefer  gelegenen  Focus  des  psychischen  Lebens  ausgeht. 

Bleiben  wir  nun  beim  Fixiren  der  Grenzen,  zerlegen  wir  die  gerade 
Linie  in  eine  numerisch  bestimmte  Beihe  einzelner  Punkte,  so  ergiebt 
sich  zunächst  noch  kein  Widerspruch.  Aber  alsbald  tritt  unser  Baum- 
bild  corrigirond   dazwischen   und   fragt  uns:   Bildet  ihr  euch  ein  in 


*)  Von  Laas,  Kants  Analogien  der  Erfahrung. 


•  Von  Dr.  Otto  Kuttner.  TJ\ 

punktuelle  Elemente  aufgelöst  zu  haben,  was  ihr  nur  durch  Punkte 
willkürlich  getrennt  habt,  und  was  ihr,  so  klein  auch  die  Abstände  von 
Punkt  zu  Punkt  sein  mögen,  ad  libitum  weiter  trennen  könnt,  wo  nicht 
auf  dem  Papier  so  doch  in  der  Vorstellung.  Meinet  ihr  aber  durch 
Bewegung  des  Punktes  die  Entstehung  der  Linie  nachweisen  zu  können, 
so  lasset  euch  sagen,  dass  mein  eigenes  räumliches  Bild,  das  ihr  nur 
reconstruiren  könnt,  das  Prius  eurer  Operation  war,  und  dieser  hat  zu 
Grunde  liegen  müssen,  um  sie  überhaupt  möglich  zu  machen.  In  der 
That  meinen  wir:  das  disparate  Bild  einer  discreten  Punktreihe  und 
einer  Linie  zerstört  die  Fiktion,  welche  den  Punkt  als  Element  des  räum- 
lichen Continuum  fasst. 

Der  Widerspruch  einer  begrenzten  und  unbegrenzten  Theilbarkeit 
tritt  also  hervor  durch  die  Vermischung  oder  Einmischung  fixirter 
Zeitraomente  in  die  simultane  Eäumlichkeit.  Jene  aber  drängt 
sich  nicht  blos  mit  dem  psychischen  Zwange  einer  Organisationsthatsache 
uns  auf,  sondern  sie  wird  in  dieser  ihrer  Form  uns  für  alle  Zeiten  das 
einzige  Fundamentalmittel  der  Forschung  sein :  wir  fixiren  zeitlich  auch 
das  Räumliche  durch  das  Medium  unserer  Vorstellungen.  Daher  man 
hier  von  einer  Antinomie  der  Geistesorganisation  im  vollen  Sinne  des 
Wortes  zu  reden  das  Recht  hat  und  das  Vergehen  nicht  gar  zu  unent- 
schuldbar erscheint,  wenn  der  naive  Realist  jenen  regressus  ad  infantum, 
den  der  kritische  Forscher  auf  die  phänomenale  Welt  des  psycho- 
physischen  Seins  zurückführt,  den  Dingen  selbst  in  die  Schuhe  schiebt. 

Aber  was  ist  es  denn  nun  mit  jenen  fixirten  Zeitmomenten  für  ein 
geheimnissvolles  Räthsel,  damit  wir  den  geduldigen  Leser  so  lange 
hingehalten  haben  und  darin  doch  das  andere  Element  der  Antinomie 
gelegen  sein  soll?  Welcher  „tiefer  gelegene  Fokus  des  psychischen 
Lebens"  ist  denn  ihr  Ausgangspunkt,  wenn  nicht  die  Zeit  selbst? 

Der  Verstand  braucht  einen  Ruhepunkt,  im  Regressus  des  Ganzen 
zum  Theil,  in  der  analytischen  Arbeit  des  Zerlegens,  und  so  entsteht 
«las  Atom,  er  braucht  einen  Ruhepunkt  im  Progressus  der  Theile  zum 
Ganzen,  in  der  synthetischen  Arbeit  des  Componirens,  und  so  entsteht 
der  Weltbegriff,  das  Universum,  das  sind  die  Grundgedanken  von  Kants 
regulativen  Ideen,  wie  sie  sich  schon  in  der  Schrift  vom  Jahre  1770 


72  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kante.  , 

„de  formis  et  principiis  mundi  sensibilis  et  intelligibilis"  ausgesprochen 
finden.  Indessen  wir  können  es  Keinem  verdenken,  wenn  er  sich  mit 
dem  hereingeschneiten  deus  ex  machina  eines  „ltuhepunktes"  als  Er- 
klärung des  geheimnissvollen  Widerspruches  von  Vernunft  zu  Vernunft 
nicht  begnügen  will.  Kant  selbst  bedient  sich  auch  nur  dieses  Hilfs- 
ausdrucks, nachdem  er  gewiss  sein  darf,  dass  wir  aus  dem  Voran- 
gehenden seiner  Kritik  den  tiefern  Grund  zur  Hand  haben  werden: 

Die  Projektion  der  rein  formalen  Einheit  unseres  Denkvermögens 
nach  Aussen  vermag  erst  Ordnung  in  den  chaotischen  Stoff  des  Mannig- 
faltigen zu  bringen,  schafft  den  Begriff  eines  Objektes  und  den  eines 
Gegenstandes  überhaupt  erst,  ohne  welche  nur  ein  wirres  Gewühl  von 
Empfindungen  in  uns  sich  zutragen  würde.  Die  Zeit  aber  bildet  das 
zwischen  Beiden  vermittelnde  Schema:  das  ist  gemeine  kantische  Lehre. 

Es  ist  aber  klar,  dass  der  Begriff  des  Einfachen,  Letzten,  daraus 
der  Körper  sich  zusammensetzt,  des  beharrlichen  Substrates,  das  da 
bleibt  im  Wechsel  der  Zeit-Erscheinungen,  und  als  solches  Substanz  von 
uns  genannt  wird,  eben  dort  seine  Quelle  hat,  wo  der  Begriff  der  Ein- 
heit und  des  Objekts  überhaupt.  Desshalb  sind  Substanz  und  Atom 
in  streng  erkenntnisstheoretischem  Sinne  identische  Begriffe  und 
wir  mussten  die  Einschmuggelung  des  Substanzbegriffes  in  die  Thesis 
der  zweiten  Antinomie,  um  daraus  den  Atombegriff  deduciren  zu  können, 
als  petitio  principii  zurückweisen. 

Wir  sagen:  die  Begriffe  des  Atoms  und  der  Substanz,  als  unheil- 
barer Einheiten,  stammen  aus  jener  formalen  Einheit  des  Denkvermögens, 
das  als  logisches  Ich  aller  psychischen  Thätigkeit  zu  Grunde  liegt. 
Die  Frage  aber,  wo  denn  jene  erste  Einheit  selbst  herstamme,  ist  wider 
die  Abrede  des  kritischen  Phaenomenalismus,  der  sich  ja  nicht  einbildet 
über  Alles  Aufschluss  geben  zu  können.  Damit  ist  natürlich  in  keiner 
Weise  die  psychologische  Frage  nach  der  Entstehung  des  Ich  abge- 
schnitten, welche  vielmehr  durch  die  Aufweisung  der  Paralogismen  den 
freiesten  Spielraum  erhält.  Kant  selbst  fasst  übrigens  in  der  zweiten 
Antinomie  den  Atombegriff  als  zunächst  auf  ein  Letztes,  Untheilbares  im 
Seelischen  gehend,  als  einen  Schluss  also  von  der  Einheit  des  Subjekts 
auf  die  Einheit  desselben  als  Objekt.    Denn  jene  erste  Einheit  bringt  ja 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  73 

überhaupt  erst  den  Begriff  der  Substanz  zu  Wege.  Es  ist  also  eine 
Verbindung  hergestellt  zwischen  den  Antinomien  und  Paralogismen,  in 
welchen  derselbe  Schluss  Gegenstand  der  Kritik  ist.  Eine  zweite  Frage 
aber,  ob  denn  nicht  jenem  Begriff  der  Substanz  und  des  Untheilbaren 
ein  wirklich  Reales  im  transcendentalen  Sinne  entspreche,  ist  weder  zu 
bejahen,  noch  zu  verneinen,  weil  auf  kritischem  Standpunkte  vollständig 
inhaltslos.-  Die  Vergegenwärtigung  des  Substanziellen  der  räumlich 
fixirten  Erscheinung  wird  allerdings  der  unmittelbaren  Vorstellung  die 
plausibelste,  ja  sogar  die  einzig  mögliche  sein,  weil  es  in  der  That  eine 
Vergegenwärtigung  nur  im  Räume  giebt  und  wir  unwillkürlich  die 
entscheidende  Operation  des  Denkens  und  Projicirens  im  Voraus  unter- 
nommen haben,  bevor  wir  uns  darüber  Rechenschaft  geben  können. 
Wenn  nun  Kant,  nachdem  er  auf  die  angegebene  Weise  den  Substanz- 
begriff im  Räumlichen  abgeleitet  hat,  mit  Zuhilfenahme  der  fixirten 
Zeitmomente  aus  der  Ich-Funktion,  in  der  zweiten  Auflage  zur  „Wider- 
legung des  Idealismus"  (Kirch mann  a.  a.  0.  S.  235  ff.)  wieder  umge- 
kehrt die  Vorstellung  des  Ich  als  eines  Beharrlichen  nur  möglich  glaubt, 
mit  Zuhilfenahme  der  Analogie  des  räumlichen  Substrates,  so  müssen 
wir  auf  diesem  Punkte  für  den  Kant  der  ersten  Auflage  gegen  den 
der  zweiten  weniger  um  principieller  Abweichungen  willen  als  um 
des  methodischen  Cirkels  in  der  Beweisführung  Partei  ergreifen.  Es 
unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  letztere  Vorstellung  die  populäre  verständ- 
lichere ist:  wenn  wir  aber  den  Muth  haben,  den  kritischen  Phänome- 
nalismus anzunehmen,  dann  sollen  wir  uns  auch  vor  der  Consequenz  nicht 
scheuen,  dass  die  Empfindung  des,  wie  es  scheint,  ruhigen  Raumbildes 
mit  den  in  ihn  durch  die  Körperwelt  gesteckten  Grenzen,  auf  alle  Fälle 
eben  Empfindung,  psychische  Thätigkeit,  bleibt,  die  vom  Zeitverlauf  un- 
abhängig zu  denken,  auch  für  die  ausschweifendste  Phantasie  ein  un- 
ausführbares Kunststück  sein  wird. 

Das  Recht  der  Atome  liegt  in  der  Nöthigung  sie  zu  denken  und 
mehr  noch,  wie  Fechner  sich  ausdrückt,  „in  der  mathematischen  Not- 
wendigkeit, sie  zu  gebrauchen". 

Fechner  behauptet  für  die  Physik  die  Notwendigkeit  diskreter 
Atome  und  leeren  Raumes,  die  Notwendigkeit  im  methodischen  Sinne, 
was  dies  besagen  will,  mag  folgendes  kurze  Beispiel  erläutern: 


74  Die  Bedeutung  der  regulativen  Ideen  Kants. 

Die  Fallgeschwindigkeit  pflegt  man  zu  berechnen,  indem  man  die 
einzelne  Sekunde  als  diskrete  Grösse  betrachtet.  So  kommt  auf  die 
erste  Sekunde  eine  bestimmte  Durchschnittsgeschwindigkeit  =  g,  auf 
die  zweite  eine  bestimmte  =  2  g  u.  s.  w.  Es  ist  nun  evident,  dass 
hier  in  Wahrheit  vom  Ende  der  ersten  Sekunde  bis  zum  Anfang  der 
zweiten  kein  plötzlicher  Sprung  von  g  auf  2  g  stattfindet,  sondern  der 
üebergang  findet  continuirlich-allmählich  statt.  Aber  es  ist  andrerseits 
klar:  dass  an  der  Richtigkeit  des  Resultates  durch  diese  Fixirung  von 
Sekunden  als  bestimmter  Zeiteinheiten  nichts  geändert  wird,  und  dass, 
ohne  sie  zu  Hilfe  zu  nehmen,  eine  Berechnung  überhaupt  unmöglich 
wäre.  Dieselbe  Bewandniss  hat  es  mit  dem  Nutzen  diskreter  Atome 
für  die  Physik,  und  was  ihr  Verhältniss  zu  den  dynamischen,  den  Raum 
continuirlich  erfüllenden,  Kraft- Centren  Kants  betrifft,  so  möge  sich 
Kuno  Fischer  von  Fechner  auseinandersetzen  lassen,  dass  der  Philosophie 
die  Annahme  unbenommen  bleibe,  von  Atom  zu  Atom  den  leeren  Raum 
durch  einen  feineren  nicht  mehr  wägbaren  Aether-Stoff  ausgefüllt  zu 
denken.  In  der  That  nimmt  Kant  diesen  an  in  seinem  medium  in 
se  elasticum;  und  er  ist  bei  Lichte  besehen  nicht  bloss  eine  Förderung 
der  Philosophie,  sondern  auch  der  Physik.  Oder  wie  stellt  man  sich 
die  Aether- Vibrationen,  durch  welche  Licht  und  Farbe  sich  vermittelt, 
vor?  ja  selbst  die  Repulsions-Kraft  ist  man  im  Grossen  und  Ganzen 
geneigt  auf  Kosten  dieser  Aether-Atome  zu  setzen. 

Wir  sagten  vom  Begriffe  des  Atoms,  er  sei  identisch  mit  dem  der 
Substanz.  Und  das  gilt  nicht  bloss  erkenntnisstheoretisch,  sondern  auch 
physikalisch.  Das  physikalische  Axiom :  Bei  allen  Veränderungen  bleibt 
die  Quantität  der  Materie  unvermindert  und  unvermehrt,  ist  ein  Satz 
der  im  Begriffe  der  Substanz  gelegen  ist,  und,  der  in  Anwendung  kommt 
für  deu  Begriff  der  Atome,  und  zwar  in  qualitativer  Bedeutung.  Die 
untheilbaren  Urstoffe  sind  als  solche  unvergänglich,  vergänglich  ist  nur 
die  Form  ihrer  Verbindung.  Wir  hatten  zwar  oben  eine  definitive 
Beschränkung  des  Atom-Begriffes  auf  diese  Bedeutung  abgewiesen,  es 
kam  uns  auf  eine  scharfe  erkenntnisstheoretische  Fixirung  an.  Aber  es 
ist  ja  evident:  dass  die  Anwendung  und  regulative  Verwerthung  dieses 
Begriffes,  die  übrigens  ohne  Reflexion  vor  sich  geht,  für  Physik  und 


'  Von  Dr.  Otto  Kuttner.  75 

Chemie  nicht  besteht  in  der  lediglichen  Einschränkung  auf  das  mathe- 
matisch-unendlich Kleine,  sondern  im  Gebrauch  nach  Bedürfniss.  So 
ist  das  Ur-Element  qualitativ  ein  Atomon,  so  ist  es  das  Molekuel  des 
Chemikers  im  Hinblick  auf  gewisse  physikalische  Eigenschaften,  so  ist 
es  das  Atom  des  Physikers  im  mathematischen  Verstand,  und  auch 
dieses  lässt  noch  Eaum  für  Aether- Atome,  die  als  Imponderabilia  zwischen 
den  Ponderabilien  schwingen. 

Diese  regulative  und  nicht  mehr  als  regulative  Bedeutung  der  Atome, 
auf  die  zuerst  Kant,  allerdings  mehr  negativ  abweisend,  als  positiv 
zustimmend,  aufmerksam  gemacht  hat,  haben  wir  durch  erkenntniss- 
theoretische Ableitung  uns  klar  machen  wollen,  das  Augenmerk  richtend 
auf  die  also  entstehende  Antinomie  zwischen  Continuum  und  diskreter 
Grösse. 

Schliessen  wir  mit  einem  Worte  Du  Bois  Keymond's  über  diesen 
Gegenstand: 

„Da  ergiebt  sich  denn  bekanntlich,  dass  zwar  innerhalb  bestimmter 
„Grenzen  die  atomistische  Vorstellung  für  den  Zweck  unserer  physi- 
kalisch mathematischen  Ueberlegungen  brauchbar,  ja  unentbehrlich  ist, 
„dass  sie  aber,  wenn  die  Grenzen  der  an  sie  zu  stellenden  Forderungen 
„überschritten  werden,  als  Corpuscular-Philosophie  in  unlösliche  Wider- 
sprüche führt". 

Wie  der  Begriff  des  Universum  durch  Verfestigung  nach  der  andern 
Seite  hin  zu  Stande  kommt,  nach  demselben  Grundsatze:  ein  Ruhepunkt 
in  der  Synthese  des  Manigfaltigen,  ist  nicht  schwer  zu  sehen.  Viel- 
leicht haben  wir  ein  ander  Mal  Gelegenheit,  hierauf  zurückzukommen, 
um  von  hier  aus  zugleich  die  eigenthümlichen  Grund-Beziehungen  im 
Denken  zwischen  Naturwissenschaft  und  Theologie  heraussetzen  zu  können. 

Geschrieben  im  Sommer  1882. 


Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

Vortrag, 

gehalten  zum  Besten  des  Vereins  für  die  Erziehung  taubstummer  Kinder 

von 

Carl  Witt. 

Gewiss  war  es  eine  der  grössten  Zumutungen,  die  jemals  an  die 
menschliche  Fähigkeit  zu  glauben  gestellt  wurden,  als  Kopernikus  vor 
nunmehr  viertehalb  hundert  Jahren  mit  der  Behauptung  auftrat,  dass 
die  Sonne,  die  so  offenbar  sich  bewegte,  stillstehe,  und  die  Erde,  die 
nicht  die  mindeste  Unruhe  verriet,  sich  bewege.  Und  es  war  nicht  blos 
dieser  schreiende  Widerspruch  mit  dem  Augenschein,  was  den  Sprung 
in  die  neue  Anschauung  erschwerte,  gleichzeitig  erfuhr  der  menschliche 
Stolz  durch  die  nächsten  Folgerungen,  die  aus  ihr  herflossen,  die 
empfindlichste  Demütigung.  Denn  nach  der  alten  Ansicht  diente  die 
ganze  Pracht  des  Himmels  nur  dem  Zwecke,  unsere  Erde  bei  Tage  und 
bei  Nacht  zu  erleuchten,  nur  darum  machte  als  ihr  glänzendes  Gefolge 
das  unendlich  reiche  Heer  von  Fixsternen  und  Planeten  seinen  täglichen 
Rundgang  um  diese  Krone,  diese  Perle  der  Schöpfung.  Jetzt  sollte 
die  Erde  von  ihrem  Königsthrone  herabsteigen  und  in  gleicher  Keihe 
mit  den  übrigen  Planeten  der  Sonne  die  Schleppe  nachtragen.  Es  ist 
daher  nicht  zu  verwundern,  wenn  es  langer  Zeit  bedurfte,  bis  die 
Mehrzahl  der  Gebildeten,  ja  der  Gelehrten,  sich  der  Auffassung  des 
Kopernikus  anschloss.  Sobald  nun  die  Astronomie  im  Besitz  der  nötigen 
Beobachtungsmittel  und  Rechenmethoden  war,  konnte  man  von  dem 
neuen  Standpunkte  aus  die  Rolle  genau  bestimmen,  welche  die  Erde 
für  die  andern  Planeten  spielt.    Auf  der  Venus  und  dem  Mars  sieht 


Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne.     Von  Carl  Witt.        77 

die  Erde  nur  wenig  grösser  aus,  als  diese  uns  erscheinen.  Die  Be- 
wohner des  Jupiter  müssten  ausgezeichnete  Teleskope,  viel  leistungs- 
fähigere als  wir  besitzen,  um  sie  auch  nur  als  deu  unscheinbarsten 
unter  den  Sternen  des  Himmels  wahrzunehmen,  und  die  noch  entfern- 
teren Planeten  haben  von  ihrer  Existenz  ebenso  wenig  eine  Ahnung, 
wie  wir  von  den  Millionen  von  Planetenwelten,  die  höchst  wahrscheinlich 
die  Schwestern  unserer  Sonne,  die  Fixsterne  umkreisen.  Wenn  somit 
die  Erde  iu  dieser  und  anderen  Beziehungen  die  Natur  der  Planeten 
teilte,  so  lag  der  Gedanke  nahe,  dass  diese  in  allem  Wesentlichen  mit 
der  Erde  übereinstimmten  und  demnach  auch  diejenige  Besonderheit 
besässen,  die  uns,  ihren  Bewohnern,  die  interessanteste  an  ihr  ist:  die 
Ausstattung  mit  sinnlich-vernünftigen  Wesen.  Diese  Vorstellung  musste 
der  Phantasie  sehr  reizend  erscheinen,  da  sie  ihr  ein  unermessliches 
Feld  für  Vermutungen,  Hoffnungen  und  Träume  darbot,  gegen  die  ihr 
oft  so  unbequemer  Hofmeister,  der  nüchterne  Verstand,  im  Grunde 
keinen  gehörig  formulierten  Widerspruch  erheben  konnte.  Ideen  solcher 
Art  hatten  wärmere  Köpfe  gewiss  schon  früher  beschäftigt,  aber  die 
Form,  in  welcher  sie  die  Teilnahme  der  Menge  gewannen,  fanden 
sie  erst  in  der  1686  erschienenen  kleinen  Schrift  von  Fontenelle: 
„Entretiens  sur  la  Pluralite  des  mondesu  (Unterhaltungen 
über  mehrerlei  Welten).  Fontenelle  war  ein  sehr  rühriger  Schrift- 
steller, der  seine  leichte  und  elegante  Feder  den  verschiedensten  Ge- 
bieten widmete;  alles  übrige  ist  indessen  längst  in  Schatten  getreten, 
während  diese  „Entretiens"  sich  fast  zwei  Jahrhunderte  im  Gedächtnis 
der  Lesewelt  behauptet  haben,  noch  immer  aufgelegt  werden  und  als 
angenehm  anregende  und  zugleich  wissenschaftlich  aufklärende  Lektüre 
noch  immer  Empfehlung  verdienen.  Sie  sind  in  den  Rahmen  einiger 
Abendgespräche  gefasst,  welche  Fontenelle  mit  einer  jungen  anmutigen 
Marquise  führt,  auf  deren  Landsitz  er  sich  als  Gast  befindet  An  einem 
herrlichen  Mondscheinabend  lustwandeln  sie  im  Parke  der  Marquise  und 
der  Anblick  des  Sternenhimmels  veranlasst  die  letztere  zu  einigen  Fragen 
an  ihren  gelehrten  Freund.  Sie  ist  eine  Dame  von  vielem  natürlichen 
Verstand,  von  Geist  und  Witz,  mit  allen  Bomanen  ihrer  Zeit  ohne 
Zweifel  vertraut,  aber  höchst  unwissend  in  allem,  was  die  Verhältnisse 


78  Kant«  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

der  Erde  zu  Sonne,  Mond  und  Sternen  betrifft.  Dies  nötigt  Fontenelle, 
zum  Vorteil  gewiss  sehr  zahlreicher  Zeitgenossen,  die  sich  in  dieser 
Beziehung  in  ganz  der  nämlichen  Lage  wie  die  Marquise  befanden,  auf 
die  einfachsten  Grundthaisachen  zurückzugehn,  und  fuhrt  zu  einer  Reihe 
von  Erklärungen,  in  welchen  Fontenelle  das  oft  so  glänzende  Talent 
der  Franzosen  für  populäre  Darstellung  im  vollsten  Maße  bewährt.  Die 
Marquise  würde  vielleicht  bald  müde  sein,  sich  auf  diese  unromantischen 
Dinge  einzulassen,  aber  Fontenelle  zieht  sie  an  dem  Faden  der  Idee, 
dass  sehr  wahrscheinlich,  ja  sicher,  noch  andere  Weltkörper  ausser  der 
Erde  von  geistigen,  menschenähnlichen  Wesen  bewohnt  seien,  hinter 
sich  her  und  unterhält  so  ihre  Aufmerksamkeit  für  das,  was  zum  Ver- 
ständnis unseres  Planetensystems  dient. 

Der  erste  Versuch,  fremde  Weltkörper  zu  beseelen,  gilt  dem  Monde. 
Nichts  scheint  sicherer  als  dass,  wenn  überhaupt  ausseihalb  der  Erde 
denkende,  fühlende  Wesen  anzunehmen,  der  Mond  sie  haben  müsse. 
Denn  er  weist  uns  eine  vollständige  Landkarte,  von  Seiten  der  Sonne 
erfährt  er  dieselbe  Gunst  wie  die  Erde  und  an  dieser  letzteren  hat  er 
eine  Leuchte  der  Nacht,  wie  er  selbst  sie  uns  noch  lange  nicht  gewährt, 
indem  die  viel  grössere  Erde  in  der  Phase  ihres  Vollichts  soviel  wie 
dreizehn  bis  vierzehn  Monde  leistet.   Und  wie  interessant  müsste  es  sein, 
unter  den  höchst  eigentümlichen  Verhältnissen  unseres  nächsten  Nach- 
bars zu  leben.    Die  Sterne  des  Firmaments  leuchten  von  einem  fast 
schwarzen  Himmel  in  viel  lebhafterem  Glänze,  und  ohne  das  Dazwischen- 
treten einer  Morgen-  oder  Abenddämmerung  geht  aus  dem  Dunkel  der 
Nacht  urplötzlich  der  volle  Tag  hervor  und  umgekehrt  jene  aus  diesem. 
Das  sogenannte  schlechte  Wetter  giebt  es  dort  nicht:  kein  Vergnügen 
kann   verregnen,  keine   nervöse  Natur   durch  ein  Gewitter  erschreckt 
werden,  kein  zudringlicher  Wind  setzt  die  Gesundheit  in  Gefahr.    Stö- 
render Lärm  ist  nie  zu  besorgen;  selbst  wenn  einer  der  hohen  Mond- 
berge plötzlich  in  Trümmern  ins  Thal  stürzte,   würde   das   gewaltige 
Ereignis  nicht  das  leiseste  Summen  einer  irdischen  Mücke  übertönen. 
Aber  alle  diese  Annehmlichkeiten  fliessen  aus  einem  Mangel  des  Mondes 
her,  der  uns  den  Wunsch,  dorthin  auszuwandern,  ganz  und  gar  verleiden 
muss.    Denn  aus  der  Beobachtung,  dass  die  Strahlen  der  Sterne  selbst 


Von  Carl  Witt.  79 

in  der  grösstcn  Nähe  des  Mondes  nicht  die  geringste  Ablenkung  er« 
fahren,  ergiebt  sich  mit  unzweifelhafter  Gewissheit  die  Abwesenheit 
desjenigen  Lebensmittels,  von  dem  man  nach  dem  bekannten  Sprich- 
wort nicht,  ohne  das  man  aber  ebenso  wenig  leben  kann,  der  Luft. 
Wenn  aber  der  Druck  der  Luft  fehlt,  so  kann  kein  Wasser  bestehn, 
ohne  das  Wasser  wieder  ist  keine  Pflanzendecke,  ohne  diese  kein  Tier- 
leben möglich.  Kurz,  wir  Menschen  und  alle  Wesen,  deren  Lebens- 
bedingungen den  unsrigen  irgend  ähnlich  wären,  würden  dort  keine  fünf 
Minuten  leben  können.  In  Fontenelle's  Zeit  war  diese  Eigentümlichkeit 
des  Mondes  noch  nicht  so  wie  mit  unsern  heutigen  viel  schärfer  blickenden 
Fernröhren  zu  erweisen,  aber  schon  damals  wusste  man  vom  Monde 
genug,  um  die  Bewohnbarkeit  desselben  als  äusserst  unwahrscheinlich 
anzusehn.  Fontenelle  kann  sich  auch  nur  nach  einigem  Widerstreben 
zu  der  entgegengesetzten  Meinung  entschliessen,  aber  —  es  scheint  ein 
Tribut  der  Galanterie  an  die  Marquise  zu  sein,  die  den  lebhaften 
Wunsch  ausspricht,  diesen  nächsten  und  deutlichsten  Genossen  der  Erde, 
zu  welchem  so  viele  Seufzer  glücklich  und  unglücklich  Liebender  auf- 
steigen, sich  bewohnt  denken  zu  dürfen  —  er  gicbt  ihr  nach  und  be- 
schwichtigt seine  Zweifel  mit  der  Annahme,  dass  die  Bewohner  des 
Mondes  sehr  anders  organisirt  seien  als  die  Menschen. 

Günstiger  steht  es  um  Merkur,  Venus  und  die  anderen  Planeten. 
In  Fontenelle's  Zeit  hatte  man  keinen  Grund,  das  Vorhandensein  einer 
dieselben  umgebenden  Luft-  und  Dampfhülle  zu  bezweifeln,  heute  ist 
es  von  einem  Teil  derselben  sogar  erwiesen,  dass  sie  eine  solche  be- 
sitzen. Es  steht  daher  nichts  im  Wege  sich  diese  Weltkörper  als 
Stätten  organischen  und  seelischen  Lebens  vorzustellen.  Ob  nun  ihre 
Bewohner  uns  Menschen  gleichartig  sind?  Im  Wesentlichen,  meint 
Fontenelle,  ja;  sie  haben  Empfindungen,  Gefühle,  Bedürfnisse,  Neigungen, 
Gedanken,  nur  wird  der  grosse  Unterschied  des  Klimas  zwischen  den 
der  Sonne  näheren  und  ferneren  Planeten  gewisse  Differenzen  in  dem 
Temperament  und  den  geistigen  Zuständen  ihrer  Bewohner  nach  sich 
ziehen.  Venus  und  Merkur  befinden  sich  in  geringerem  Abstände  von 
der  Sonne  als  die  Erde,  haben  also  wie  einen  höheren  Grad  von  Hellig- 
keit, so  ein  grösseres  Maß  von  Wärme ;  Jupiter  erhält  nur  1/25*  Saturn 


8Q  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

(der  äusserste  der  damals  bekannten  Planeten)  gar  nur  1/90  des  Lichts 
und  der  Wärme,  welche  die  Sonne  uns  Erdbewohnern  spendet.  Diese 
Unterschiede  liefern  der  Phantasie  der  beiden  Freunde  das  nötige  Ma- 
terial  für  ihre  Vorstellungen  von  der  mannigfaltigen  Natur  der  Planeten- 
bewohner. Die  Marquise  meint,  die  Bürger  der  Venu3  müssten  den 
Mauren  in  Granada  gleichen,  ein  kleines  von  der  Sonne  verbranntes, 
schwarzes  Volk  sein,  voll  Geist  und  Feuer,  immer  verliebt,  geborene 
Dichter,  Musikfreunde  und  Wesen,  die  alle  Tage  neue  Feste,  Tänze 
und  Spiele  erfinden.  Fontenelle  hält  die  Farben  dieses  Bildes  noch  für 
zu  matt.  Die  Mauren  Spaniens  würden,  mit  den  Venusbewohnern  ver- 
glichen, nüchtern  und  träge,  wie  Lappen  und  Grönländer  erscheinen; 
gar  die  Leute  auf  dem  Merkur,  welche  der  Sonne  fast  dreimal  näher 
wohnen  als  wir  und  also  bei  einer  Hitze  wie  im  heissesten  Afrika  vor 
Frost  zittern  würden,  müssten  vor  Lebhaftigkeit  närrisch  sein,  daher 
kein  Gedächtnis  haben  und  der  Ueberlegung  unfähig  unter  der  unbe- 
dingten Herrschaft  des  ersten  besten  Einfalls  stehn:  kurz,  der  Merkur 
sei  wahrscheinlich  das  Tollhaus  unserer  Planetenwelt.  Im  vollsten 
Gegensatz  dazu  steht  das  Leben  auf  dem  Saturn.  Kämen  die  Bewohner 
desselben  in  die  Nachbarländer  unseres  Nordpols,  dicke  Schweisstropfen 
würde  ihnen  die  dortige  Kälte  auspressen, ;  denn  bei  ihnen  zu  Hause 
sei  das  Wasser  stets  wie  polierter  Marmor  und  selbst  der  Weingeist 
beständig  gefroren.  Vor  jeder  Uebereilung  sind  sie  sicher,  da  sie  sich 
des  unerschütterlichsten  Phlegmas  erfreuen.  Was  lachen  heisst,  wissen 
sie  nicht,  brauchen  einen  ganzen  Tag,  um  auf  die  einfachste  Frage  die 
Antwort  zu  finden,  und  der  schweigsame  Cato  würde  unter  ihnen  für 
den  unerträglichsten  Schwätzer  gelten. 

Dass  die  Gespräche  Fontenelle's  unterhaltend  sind,  wird  man  nach 
den  gegebenen  Andeutungen  kaum  bezweifeln;  auch  der  wissenschaftlich 
belehrende  Teil  verdient  um  seiner  ungewöhnlichen  Durchsichtigkeit 
willen  Beifall.  Aber  wir  haben  die  Empfindung,  dass  wir  nach  einer 
leichten  Unterhaltung  mit  geistvollem  Spiel  in  die  Sphäre  gediegenen 
wissenschaftlichen  Ernstes  übertreten,  wenn  wir  uns  nach  der  Lektüre 
Fontenelle's  der  Schrift  Kant's  zuwenden,  in  welcher  er  seine  Ge- 
danken über  den  nämlichen  Gegenstand  ausspricht. 


Von  Carl  Witt.  81 

Nachdem  Eant  neun  Jahre  als  Hauslehrer  auf  dem  Laude  zugebracht, 
kehrte  er  —  31  Jahre  alt  —  1755  nach  Königsberg  zurück  und  wurde 
hier  Privatdocent  an  der  Universität,  eine  Stellung,  in  welcher  er  andert- 
halb Jahrzehnte  verbleiben  sollte,  denn  erst  1770,  als  er  bereits  über 
die  Hälfte  der  Vierziger  hinaus  war,  erhielt  er  eine  Professur.    Gleich 
nach  seiner  Rückkehr  vom  Lande  erschien  seine  erste  bedeutsame  Schrift, 
die  „Allgemeine  Naturgeschichte  und  Theorie  des  Himmels."     Er  stellt 
darin  eine  Hypothese  auf,  welche  damals  sehr  kühn  erscheinen  musste, 
heute  aber  fast  das  Ansehn  einer  beobachteten  Thatsache  hat.    Nach 
dieser  bestand  die  Materie  unseres  Planetensystems  ursprünglich  in  Form 
einer  den  ganzen  Baum  desselben  einnehmenden  und  noch  weit  darüber 
hinausreichenden  ungeheuren  Dunstkugel,  aus  welcher  sich  allmählich 
infolge  der  allgemeinen  Anziehung  einerseits  der  Centralkörper,  die  Sonne, 
anderseits  die  mächtigen  Klumpen  der  Planeten  zusammenzogen.  Gewiss 
ein  Gedanke,  neu  und  genial  genug,  um  die  allgemeinste  Beachtung  zu 
finden,  aber  er  blieb  lange  Zeit  das  Geheimnis  äusserst  weniger.  Bücher 
haben  eben  ihre  Schicksale  wie  die  Menschen,  und  über  diesem  Buche 
hat  leider  kein  Glücksstern  gewaltet.    Im  Jahre  nach  seinem  Erscheinen 
brach  der  siebenjährige  Krieg  aus  und  während  desselben  war  man  von 
den  irdischen  Dingen  so  vollauf  in  Anspruch  genommen,  dass  die  himm- 
lischen wenig  Interesse  erregten.    1765  schrieb  ein  hochangesehener  Ge- 
lehrter an  Kant,  dessen  Schriften  er  die  lebhafteste  Teilnahme  zuwandte: 
„Ich  kann  Ihnen  zuversichtlich  sagen,  dass  mir  Ihre  Gedanken  über  den 
Weltbau  noch  dermalen  nicht  vorgekommen."  Und  ein  halbes  Jahrhundert 
später  trug  der  grosse  französische  Geometer  Laplace  in  seiner  „M^canique 
ce'leste"  dieselbe  Hypothese  (mit  einer  einzigen  Abänderung)  vor,  ohne  zu 
ahnen,  dass  er  auf  diesem  Felde  schon  einen  so  berühmten  Vorgänger  hatte. 
Nachdem  die  „Naturgeschichte  des  Himmels"  sich  in  ihrem  weit- 
aus grössten  Teil  mit  der  Erörterung  der  mathematisch-physikalischen 
Thatsachen  beschäftigt  hat,   bringt  sie  zum  Schlüsse  einen  „Anhang. 
Von  den  Bewohnern  der  Gestirne.     Versuch  einer  auf  die  Analogieen 
der  Natur  gegründeten  Vergleichung  zwischen  den  Bewohnern  der  ver- 
schiedenen Planeten."    Schon  in  der  Vorrede  zum  ganzen  Werke  be- 
zeichnet Kant  den  Charakter  dieses  Abschnitts  mit  den  Worten:  „Man 

Altpr.  Mooatsschrift  Bd.  XXII.  Uft.  1  u.  2.  Q 


82  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

wird  allemal  etwas  mehr  wie  blos  willkürliches,  obgleich  jederzeit  etwas 
weniger  als  ungezweifeltes  darin  finden".  Seine  Schlüsse  sind  von 
wesentlich  anderer  Art  als  die  Fontenelles,  aber  die  Grundlage,  auf 
welcher  sie  beruhen,  bei  beiden  ein  und  dieselbe,  wie  es  auch  nicht 
anders  sein  konnte.  Auch  Kant  geht  von  dem  Wesen  des  Menschen 
aus,  des  einzigen  vernünftigen  Wesens,  das  wir  kennen,  und  ändert 
dieses  uur  nach  den  abweichenden  Bedingungen  ab,  die  es  auf  anderen 
Planeten  vorfindet.  Und  hier  sieht  er  sich  fast  lediglich  anf  dasselbe 
Moment  gewiesen,  das  schon  die  Quelle  für  die  Mutmassungen  Fontenelle's 
war,  die  verschiedenen  Abstände  der  Planeten  von  der  Sonne.  Es  ist 
ja  auch  ein  recht  ausgiebiges,  da  die  Sonne  als  die  eigentliche  Pflegerin 
des  Lebens  auf  die  Planeten  den  mächtigsten  Einfluss  übt  und  im  Cha- 
rakter orientalischer  Naivetat  mit  einer  Henne  verglichen  werden  könnte, 
die  ihre  Küchlein,  die  Planeten,  wärmt  und  nährt.  Sie  spendet  zugleich 
mit  ihrem  „rosigen  Lichtu  nicht  blos  unmittelbar  lebenweckende  Wärme, 
Stephenson  hatte  ja  vollkommen  recht  zu  sagen,  seine  Eisenbahnzüge 
würden  von  der  Sonne  getrieben,  denn  auch  die  künstliche  Wärme,  die 
wir  uns  durch  Feuer  bereiten,  ist  nur  aufgespeicherte  Sonnenwärme,  da 
unser  gesamtes  Brennmaterial,  Holz,  Kohlen,  Oele,  aus  solchen  Stoffen 
besteht,  die  sich  in  Pflanzen  unter  dem  Einfluss  der  warmen  Sonne 
unlängst  oder  wie  die  Steinkohlen  vor  unendlich  langer  Zeit  gebildet 
haben.  Die  Sonne  ist  es  ferner,  die  durch  die  Verdampfung  der  Wasser- 
flächen das  Material  zu  den  Wolken  liefert,  welche,  nachdem  sie  längere 
oder  kürzere  Strecken  als  „Segler  der  Lüfte"  zurückgelegt,  in  der  Form 
des  Segens  zum  Erdboden  zurückkehren  und  so  die  unumgängliche  Be- 
dingung alles  Pflanzenwuchses  und  damit  zugleich  alles  Tierlebens  erfüllen. 
In  betreff  der  Planetenbewohner  meint  Kant  zunächst,  „es  sei  eben 
nicht  notwendig  anzunehmen,  dass  alle  Planeten  bewohnt  seien,  ob  es 
gleich  eine  Ungereimtheit  wäre,  es  in  Ansehung  aller  oder  auch  nur 
der  meisten  zu  leugnen."  Wenn  es  der  göttlichen  Weisheit  nicht  wider- 
spreche, dass  auf  der  Erde  weitgedehnte  unbewohnte  Sandwüsten  sich 
finden,  warum  sollte  es  nicht  auch  unbewohnte  Planeten  geben,  da  doch 
ein  Planet  im  Vergleich  mit  dem  Ganzen  der  Schöpfung  nur  ein  Atom 
und  viel  weniger  sei  als  eine  der  grossen  Wüsten  gegenüber  dem  Erd- 


Von  Carl  Witt.  g3 

boden.  Was  sich  in  dem  Menschen  dagegen  sträube,  sei  seine  Ein- 
bildung, dass  eine  Schöpfung  ohne  ihn  oder  seinesgleichen  ganz  verfehlt 
sein  würde,  ein  Dünkel,  der  unlängst  von  einem  witzigen  Kopfe  im 
Haag  recht  glücklich  verspottet  worden  sei.  „Diejenigen  Creaturen, 
welche  die  Wälder  auf  dem  Kopfe  eines  Bettlers  bewohnen,  hatten 
schon  lange  ihren  Aufenthalt  für  eine  unermessliche  Kugel  und  sich 
selber  als  das  Meisterstück  der  Schöpfung  angesehen,  als  einer  unter 
ihnen,  den  der  Himmel  mit  einer  feineren  Seele  versehn,  ein  kleiner 
Fontenelle  seines  Geschlechts,  unvermutet  den  Kopf  eines  Edelmanns 
gewahr  ward.  Alsbald  rief  er  alle  witzigen  Köpfe  seines  Quartiers  zu- 
sammen und  sagte  ihnen  mit  Entzückung :  Wir  sind  nicht  die  einzigen 
belebten  Wesen  der  ganzen  Natur;  seht  hier  ein  neues  Land,  hie 
wohnen  mehr  Läuse!"  Kant's  Wohlgefallen  an  diesem  Spott  ist 
keineswegs  das  eines  Menschenfeinds,  vielmehr  weil  er  von  der  Be- 
stimmung der  Menschheit  so  überaus  hoch  dachte  und  ein  so  warmer 
Freund  der  Menschen  war,  schmerzte  es  ihn,  dass  er  die  moralische 
Verfassung,  welche  ihm  bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Menschen  ent- 
gegentrat, als  eine  höchst  unwürdige  erkennen  musste,  und  er  hat  des- 
halb wiederholt  Gelegenheit  genommen,  sie  in  den  stärksten  Ausdrücken 
zu  geissein.  In  der  Naturgeschichte  des  Himmels  heisst  es:  „Wenn 
man  das  Leben  der  meisten  Menschen  ansieht,  so  scheint  diese  Creatur 
geschaffen  zu  sein,  um  wie  eine  Pflanze  Saft  in  sich  zu  ziehen  und  zu 
wachsen,  sein  Geschlecht  fortzusetzen,  endlich  alt  zu  werden  und  zu 
sterben.  Er  erreicht  unter  allen  Geschöpfen  am  wenigsten  den  Zweck 
seines  Daseins,  weil  er  seine  vorzüglichen  Fähigkeiten  zu  solchen  Ab- 
sichten verbraucht,  die  die  anderen  Creaturen  mit  weit  minderen  Fähig- 
keiten und  doch  weit  sicherer  und  anständiger  erreichen.  Er  würde 
auch  das  verachtungswürdigste  Geschöpf  unter  allen,  zum  wenigsten  in 
den  Augen  der  wahren  Weisheit  sein,  wenn  die  Hoffnung  des  Künftigen 
ihn  nicht  erhübe  und  den  in  ihm  verschlossenen  Kräften  nicht  die 
Periode  einer  völligen  Auswicklung  bevorstünde."  Wenn  übrigens  ein 
Teil  der  Planeten  keine  denkenden  Bewohner  habe,  so  könne  der  Grund 
auch  darin  liegen,  dass  sie  noch  nicht  in  das  Stadium  ihrer  Entwickelung 

getreten,  in  welchem  sie  dazu  im  stände  sind.    Die  Erde  habe  offen- 

6* 


g4  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

bar  eine  lange  Reihe  vom  Umwälzungen  durchmachen  müssen,  ehe  ihre 
Oberfläche  beruhigt  genug  war,  um  Geschöpfen  unserer  Art  einen  hin- 
reichend sicheren  Aufenthalt  zu  bieten.  Kant  schlägt  diese  vorberei- 
tenden Perioden  auf  Jahrhunderte  und  Jahrtausende  an,  nach  heutiger 
Auffassung  würde  man  wohl  Hunderttausende,  Millionen  von  Jahren 
dafür  erforderlich  erachten.  Dass  übrigens  die  meisten  Planeten  bewohnt 
sind  und  diejenigen,  welche  es  noch  nicht  sind,  einer  gleichen  Aus- 
stattung entgegen  gehn,  schliesst  er  nicht  nur  aus  ihrer  äusserlichen 
Analogie  mit  der  Erde,  sondern  ebenso  sehr  aus  dem  allgemeinen  Ge- 
danken, dass  die  Werke  der  Natur  ihren  wahren  Zweck  nicht  erreicht 
haben,  so  lange  es  an  vernünftigen  Wesen  fehlt,  die  sich  an  ihnen 
erfreuen  und  aus  ihrer  Betrachtung  Antrieb  und  Mittel  für  ihre  geistige 
Vervollkommnung  ziehen. 

Kant  stellt  sich  nun  die  Frage:  welche  Abänderungen  in  der  körper- 
lichen Organisation  denkender  Wesen  sind  erforderlich,  wenn  diese  in 
wesentlich  verschiedenen  Abständen  von  der  Sonne  lebensfähig  sein 
sollen?  Dass  wir  Menschen  weder  auf  dem  siebenfach  wärmeren  Merkur, 
noch  auf  dem  neunzigfach  kälteren  Saturn  leben  könnten,  ist  unbestreit- 
bar, denn  der  Mensch  hat  wie  die  Pflanze  sein  Maximum  und  Minimum 
von  Wärme,  über  die  hinaus  er  entweder  vor  Hitze  oder  vor  Kälte 
umkommt.  Giebt  es  also  den  Menschen  ähnlich  organisierte  Wesen 
auf  den  Planeten,  die  der  Sonne  erheblich  näher  sind,  so  müssen  sie 
die  Fähigkeit  besitzen,  ein  viel  höheres  Maß  von  Wärme  ohne  Gefahrdung 
ihres  Lebens  zu  ertragen;  ist  Saturn  mit  menschenähnlichen  Wesen 
bevölkert,  so  bedürfen  diese  eines  Leibes,  der  mit  dem  neunzigsten  Teil 
irdischer  Wärme  bestehen  kann.  Kant  meint  nun,  dass  die  Bewohner 
der  näheren  Planeten  mit  einem  Körper  aus  gröberem,  derberem 
Stoff  versehen  sind,  dessen  Starrheit  erst  durch  eine  hohe  Temperatur 
überwunden  wird,  während  der  Leib  der  sinnlich-geistigen  Wesen  auf 
den  entfernteren  Planeten  sich  aus  so  feinem  Stoffe  bildet,  dass  sie 
schon  durch  ein  sehr  geringes  Maß  von  Wärme  in  die  zum  Leben  er- 
forderlichen Bewegungen  des  Blutumlaufs  und  der  Nerventhätigkeit 
versetzt  werden.  „Damit  ich",  sagt  er,  „alles  in  allem  zusammenfasse: 
Der  Stoff,  woraus  die  Einwohner  verschiedener  Planeten,  ja  sogar  die 


Von  Carl  Witt,  85 

Tiere  und  Pflanzen  gebildet  sind,  muss  überhaupt  um  desto  leichterer 
und  feinerer  Art  und  die  Elasticitat  der  Fasern  samt  der  vorteilhaften 
Anlage  ihres  Baues  um  desto  vollkommener  sein  nach  dem  Maße,  als 
sie  weiter  von  der  Sonne  abstehn." 

Der  Unterschied  in  dem  Gewebe  der  leiblichen  Hülle  kann  aber 
für  den  Geist  nicht  ohne  bedeutsame  Folgen  sein,  wie  die  an  Körper 
und  Geist  gleichzeitig  eintretenden  Veränderungen  beweisen,  welche  der 
Mensch  in  der  Folge  seiner  Lebensalter  durchmacht.    „Nach  dem  Maße, 
als  der  Körper  des  Menschen  sich  ausbildet,  bekommen  die  Fähigkeiten 
seiner  denkenden  Natur  auch  die  gehörigen  Grade  der  Vollkommenheit 
und  erlangen  allererst  ein  gesetztes  und  männliches  Vermögen,  wenn 
die  Fasern  seiner  Werkzeuge  die  Festigkeit  und  Dauerhaftigkeit  über- 
kommen haben,  welche  die  Vollendung  ihrer  Ausbildung  ist.*     Ander- 
seits „Wenn  das  hohe  Alter  durch  den  geschwächten  Umlauf  der  Säfte 
nur  dicke  Säfte  kocht,    so  erstarren  die  Kräfte  des  Geistes  in  einer 
gleichen  Ermattung u.    Ferner  „ist  aus  den  Gründen  der  Phychologie 
ausgemacht,  dass  vermöge  der  jetzigen  Verfassung,  darin  die  Schöpfung 
Seele  und  Leib  von  einander  abhängig  gemacht  hat,  die  erstere  nicht 
allein  alle  Begriffe  des  Universi  durch  des  letzteren  Gemeinschaft  und 
Einfluss  überkommen  muss,"  — wir  würden  ja  von  der  Welt  gar  keine 
Kenntnis  haben,  wenn  wir  nicht  mit  unseren  fünf  Sinnen  an  ihr  um- 
hertasteten —  „sondern  dass  auch  die  Ausübung  seiner  Denkungskraft 
selber  auf  dessen  Verfassung  ankommt   und   von  dessen  Beihilfe  die 
nötige  Fähigkeit  dazu  entlehnet.*     Dieselbe  Seele,  die  wir  vom  ersten 
Bewusstsein  als  unser  Ich  kennen,  wenn  sie  in  einen  anders  gearteten 
Leib  gebettet  wäre,  würde  mit  einer  anderen  Fähigkeit  und  Leichtigkeit 
zu  denken  ausgerüstet  sein.    Und  zwar  —  nach  Kant's  Meinung  — 
je  gröber  der  Stoff  des  Leibes,  an  den  wir  gebunden,  desto  weniger 
deutlich  die  Wahrnehmungen,  weil  sie  durch  ein  trübes  Medium  ihren 
Weg  nehmen,    desto  mehr  Widerstand  findet  die  geistige  Thätigkeit, 
desto  mühsamer  wird  diese,  desto  geringer  unsere  Neigung,  uns  damit 
zu  befassen.    Wo  dagegen  der  Körperstoff  von  feinerem  Gewebe,  das 
Gehirn  von  lebhafterer  Empfindlichkeit  ist,  da  wird  das  wertvollere  Roh- 
material der  Sinne  von  der  Seele  leichter  in  die  höheren  Formen  des 


gg  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne, 

Geistes  verarbeitet.  Da  nun,  je  näher  ein  Planet  der  Sonne,  der  Körper 
denkender  Wesen  um  so  mehr  durch  eine  handfeste,  aber  darum  auch 
rohere  Zusammensetzung  gegen  die  Gewalt  der  Sonnenwärme  geschützt 
werden  musste,  so  schliesst  Kant,  die  Bewohner  des  Merkur  möchten 
wohl  unter  allen  die  geistig  schwerfälligsten,  dumpfesten  sein,  während 
die  des  Jupiter  nicht  nur  diese,  sondern  auch  uns  Erdwesen  an  „Hurtig- 
keit der  Gedanken,  Klarheit  der  Vorstellungen,  Lebhaftigkeit  des  Witzes, 
Umfang  und  Genauigkeit  des  Gedächtnisses"  bei  weitem  übertreffen 
müs8ten.  „Welch  ein  verwunderungswürdiger  Anblick!"  ruft  er  aus, 
„auf  der  einen  Seite  sehn  wir  denkende  Geschöpfe,  bei  denen  ein  Grön- 
länder oder  Hottentotte  ein  Newton  sein  würde,  auf  der  andern  andere, 
die  diesen  nur  als  einen"  —  ungewöhnlich  begabten  —  „Affen  ansehn", 
wie  es  bei  Pope  heisst: 

„Jüngst  sahn  die  hohem  Wesen,  dass  ein  Mann, 
Ein  irdischer  das  Weltgesetz  ersann, 
Da  dünkt  sie  Newton  ganz  so  wunderbar, 
Wie  etwa  uns  ein  kluger  Affe  war". 

Eine  Bestätigung  ijär  die  geistigen  Vorzüge  der  Jupitersbewohner 
findet  Kant  in  der  Einrichtung,  dass  dort  der  Wechsel  von  Tag  und 
Nacht  in  zehn  Stunden  vollendet  ist.  „Was  würde  der  Bewohner  der 
Erde,  wenn  er  auf  den  Jupiter  versetzt  würde,  bei  dieser  Einteilung 
wohl  anfangen?  fünf  Stunden  würden  zu  derjenigen  Ruhe  nicht  zureichen, 
die  diese  grobe  Maschine  zu  ihrer  Erholung  durch  den  Schlaf  braucht. 
Was  würde  ferner  die  Vorbereitung  zu  den  Verrichtungen  des  Wachens, 
das  Kleiden,  die  Zeit,  die  zum  Essen  angewandt  wird,  nicht  für  einen 
Anteil  an  der  folgenden  Zeit  abfordern  und  wie  würde  eine  Creatur, 
deren  Handlungen  mit  solcher  Langsamkeit  geschehn,  nicht  zerstreut 
und  zu  etwas  Tüchtigem  unvermögend  gemacht  werden,  deren  fünf 
Stunden  Geschäfte  plötzlich  durch  die  Dazwischenkunft  einer  ebenso 
langen  Finsternis  unterbrochen  würden  ?  Dagegen  wenn  Jupiter  von  voll- 
kommeneren Creaturen  bewohnt  ist,  die  mit  einer  feineren  Bildung  mehr 
elastische  Kräfte  und  eine  grössere  Behendigkeit  in  der  Ausbildung  ver- 
binden, so  kann  man  glauben,  dass  diese  fünf  Stuuden  ihnen  eben  dasselbe 
und  mehr  sind,  als  was  die  zwölf  Stunden  des  Tages  für  die  niedrige 
Klasse  der  Menschen  betragen41. 


Ton  Carl  Witt.  87 

Zu  jenen  Vorzügen  der  Jupitersbewohner  meint  Kant  auch  den 
eines  längeren  Lebens  gesellen  zu  dürfen.  „Es  ist  zu  glauben,  dass, 
obgleich  die  Vergänglichkeit  auch  an  den  vollkommensten  Naturen  nagt, 
dennoch  der  Unterschied  in  der  Feinigkeit  des  Stoffes,  in  der  Elasticität 
der  Gefässe  und  der  Leichtigkeit  und  Wirksamkeit  der  Säfte,  woraus 
jene  vollkommeneren  Wesen  gebildet  sind,  die  Hinfälligkeit,  welche  eine 
Folge  aus  der  Trägheit  einer  groben  Materie  ist,  weit  länger  aufhalten 
und  diesen  Creaturen  eine  Dauer,  deren  Länge  ihrer  Vollkommenheit 
proportionirt  ist,  verschaffen  werde,  sowie  die  Hinfälligkeit  des  Lebens 
der  Menschen  ein  richtiges  Verhältnis  zu  ihrer  Nichtswürdigkeit  hat". 

Wenn  nun  die  denkenden  Naturen  auf  den  Planeten  sich  nach  ihrer 
leiblichen  und  geistigen  Verfassung  so  wesentlich  unterscheiden,  so  muss 
auch  ihr  Verhalten  zu  dem  moralischen  Gesetz,  ihr  sittliches  Thun  und 
Handeln  unter  dem  Einfluss  ihres  Ortes  im  Weltraum  stehn.  Denn 
unsere  sittlichen  Entscheidungen  zwischen  dem  Angenehmen  und  Guten 
sind  das  Besultat  eines  inneren  Kampfes:  auf  der  einen  Seite  stehn  die 
sinnlichen  Beizungen  und  die  Leidenschaften,  auf  der  anderen  das  Wissen 

m 

von  den  unbedingten  Ansprüchen,  welche  die  sittlichen  Forderungen  auf 
unsern  Gehorsam  haben,  das  Gewissen.  Je  heftiger  die  ersteren  auf 
uns  eindringen,  desto  schwerer  fällt  es  ihren  Andrang  siegreich  abzu- 
wehren; in  je  grösserer  Klarheit  das  Becht  der  anderen  vor  unserem 
Bewusstsein  steht,  desto  mehr  dürfen  wir  hoffen,  in  der  Stunde  der 
Versuchung  ihre  Gegner  niederzuwerfen,  wie  denn  im  Alterthum  gesagt 
worden,  dass,  wenn  wir  die  Tugend  in  solcher  Leibhaftigkeit  wie  ein 
sinnliches  Gebilde  im  Glänze  ihrer  erhabenen  Schönheit  sehn  könnten, 
wir  nicht  unterlassen  würden,  ihr  allein  die  Ehre  zu  geben.  Nun  lehrt 
uns  die  Erfahrung  schon  innerhalb  verhältnismässig  so  geringer  Klima- 
differenzen, wie  sie  die  Erde  bietet,  dass  nicht  blos  die  feurigen  Weine, 
sondern  auch  die  menschlichen  Leidenschaften  um  so  üppiger  gedeihn, 
je  heisser  die  Sonne  ihre  Strahlen  auf  den  Boden  herabschiesst,  und 
Shakespeare  macht  uns  die  wilde  Eifersucht  seines  Othello  nicht  zum 
wenigsten  dadurch  wahrscheinlich,  dass  er  als  ihren  Träger  einen  Afrikaner 
vorführt.  Wieviel  mal  grösser  muss  daher  die  Macht  der  Leidenschaften, 
welche  die  Sonne  brüten  hilft,  auf  dem  Merkur  als  dem  Jupiter  sein, 


gg  Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne. 

zumal  da  der  Damm  geistiger  Einsicht  und  Besonnenheit,  der  ihr  Bette 
einzuengen  bestimmt  ist,  auf  jenem  so  schwach,  auf  diesem  so  kräftig  ist! 
Kant  wirft  die  Frage  auf,  „ob  die  Sünde  auch  auf  den  andern 
Kugeln  des  Weltbaus  ihre  Herrschaft  ausübe  oder  die  Tugend  allein 
ihr  Regiment  daselbst  aufgeschlagen  habe*,  wie  einer  von  Kant's 
Lieblingsdichtern,  Haller,  sagt: 

„Die  Sterne  sind  vielleicht  der  Sitz  verklärter  Geister, 
Wie  hier  das  Laster  herrscht,  ist  dort  die  Tagend  Meister". 

Da  wir  die  Uebertretung  des  moralischen  Gesetzes  als  Sünde  bezeichnen, 
sofern  jene  als  Verletzung  des  göttlichen  Gebotes  betrachtet  und  dem- 
gemäss  an  die  Strafe  gedacht  wird,  welche  Gott  darauf  gesetzt,  so 
können  wir  uns  über  diese  Frage  an  dem  Verfahren  des  menschlichen 
Strafrichters  ins  Klare  setzen.  Dieser  hat,  mit  welcher  Macht  des 
Strafgesetzes  er  auch  ausgerüstet  sein  mag,  über  zwei  Arten  der  Menschen 
keine  Gewalt:  einmal  über  diejenigen,  welche  sich  unverbrüchlich  inner- 
halb der  Schranken  des  Gesetzes  halten,  dann  aber  auch  über  solche, 
welche  sich  nicht  im  Besitz  derjenigen  Geisteskräfte  befinden,  die  es 
möglich  machen,  die  Grenze  zwischen  Erlaubtem  und  Verbotenem  zu 
erkennen  und  das  letztere  zu  meiden.  Jene  sind  vorwurfsfrei,  diese 
unzurechnungsfähig.  Nach  dieser  Analogie  entscheidet  sich  Kant  dahin, 
dass  das  Gebiet  der  Sünde  sich  wie  über  die  Erde  so  auch  vielleicht 
über  den  Mars  erstrecke,  die  Bewohner  der  unteren,  sonnennäheren 
Planeten  aber  als  unzurechnungsfähig,  die  der  oberen  als  vorwurfsfrei 
ohne  Sünde  seien.  Mit  Entzücken  malt  er  sich  daher  die  moralische 
Verfassung  der  Jupitersbewohner  aus:  „Welche  schöne  Folgen  wird  die 
Erleuchtung  der  Einsichten,  wie  sie  den  glückseligen  Wesen  der  obersten 
Himmelssphären  gegönnt  ist,  auf  ihre  sittliche  Beschaffenheit  haben! 
Die  Einsichten  des  Verstandes,  wenn  sie  die  gehörigen  Grade  der  Voll- 
ständigkeit und  Deutlichkeit  besitzen,  habeu  weit  lebhaftere  Reizungen 
als  die  sinnlichen  Lockungen  an  sich  und  sind  vermögend  diese  zu  be- 
herrschen und  unter  den  Fuss  zu  treten.  Wie  herrlich  wird  sich  die 
Gottheit,  die  sich  in  allen  Geschöpfen  malt,  in  diesen  denkenden  Naturen 
malen,  welche  als  ein  von  den  Stürmen  der  Leidenschaften  unbewegtes 
Meer  ihr  Bild  aufnehmen  und  wiederstrahlen!" 


Vou  Carl  Witt.  89 

Aber  diese  Seligkeit  sollte  ohne  ihr  Verdienst  den  Jupitersbewohnern 
zugefallen  sein,  während  wir  Menschen  und  die  Bürger  des  Mars,  weil 
wir  die  ungunstigste  Stelle  in  der  Planetenwelt  einnehmen,  unter  dem 
Joche  der  Sünde  seufzen?  Dieser  Gedanke  musste  Kant  mit  der 
Gerechtigkeit  Gottes  unvereinbar  erscheinen.  Daher  eröffnet  er  uns 
eine  Aussicht,  welche  niemals  zu  allgemeiner  Annahme  gelangt,  aber 
seit  uralten  Zeiten  immer  wieder  aufgetaucht  und  vielen  denkenden 
Menschen  als  die  einfachste  und  schönste  Lösung  eines  grossen  Problems 
erschienen  ist:  die  Wanderung  der  Seelen  über  eine  Stufenfolge  von 
Sternen.  , Sollte  wohl  die  unsterbliche  Seele"  sagt  er,  „in  der  ganzen 
Unendlichkeit  ihrer  künftigen  Dauer,  die  das  Grab  selber  nicht  unter- 
bricht, sondern  nur  verändert,  an  diesen  Punkt  des  Weltraums,  an 
unsere  Erde  jederzeit  geheftet  bleiben?  Sollte  sie  niemals  von  den 
übrigen  Wundern  der  Schöpfung  eines  näheren  Anschauens  teilhaftig 
werden?  Vielleicht  ist  es  ihr  zugedacht,  dass  sie  dereinst  jene  ent- 
fernten Kugeln  des  Weltgebäudes  und  die  Trefflichkeit  ihrer  Anstalten, 
die  schon  von  weitem  ihre  Neugierde  reizen,  von  nahem  sollte  kennen 
lernen.  Wer  weiss,  laufen  nicht  jene  Trabanten  um  den  Jupiter,  um 
uns  dereinst  zu  leuchten".  Aber  auch  die  herrlichsten  Formen  eines 
sinnlich-geistigen  Daseins  haben  nur  den  Wert  einer  weiteren  und  höheren 
Vorbereitung,  endlich  muss  jede  leibliche  Hülle  abfallen.  „Nachdem  die 
Eitelkeit  ihren  Anteil  an  der  menschlichen  Natur  wird  abgefordert  haben, 
so  wird  der  unsterbliche  Geist  mit  einem  schnellen  Schwünge  sich  über 
alles,  was  endlich  ist,  emporschwingen,  und  in  einem  neuen  Verhältnis 
gegen  die  ganze  Natur,  welches  aus  einer  näheren  Verbindung  mit  dem 
höchsten  Wesen  entspringt,  sein  Dasein  fortsetzen.  Forthin  wird  diese 
erhöhete  Natur,  welche  die  Quelle  der  Glückseligkeit  in  sich  selber  hat, 
sich  nicht  mehr  unter  den  äusseren  Gegenständen  zerstreuen,  um  eine 
Beruhigung  bei  ihnen  zu  finden". 

Dies  der  wesentliche  Inhalt  von  Kant's  Gedanken  über  die  Bewohner 
der  Gestirne,  wie  er  sie  in  der  Naturgeschichte  des  Himmels  vorträgt. 
In  einer  viel  späteren  Schrift,  der  Anthropologie,  kommt  er  gleichfalls 
auf  die  vernünftigen  Wesen  anderer  Planeten  zu  sprechen,  doch  sagt  er 
von  ihnen  nur:  Menschen  können  sie  nicht  sein,  aber  wie  sie  beschaffen, 


ÖO         Kants  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne.    Von  Carl  Witt. 

wissen  wir  nicht.  Von  dem  früheren  positiven  Standpunkte  hat  er  sich 
also  ganz  auf  den  negativen  zurückgezogen.  Die  ältere  Behandlung 
des  Gegenstandes  trägt  eben  den  Charakter  einer  genialen  Jugendlich- 
keit. Sein  Genie  offenbart  sich  in  den  sehr  hypothetischen,  aber  doch 
fast  natürlich  und  zuverlässig  auseinander  herfliessenden  Folgerungen, 
die  er  aus  wenigen  Vordersätzen  zieht;  seine  Jugendlichkeit  aber  in 
dem  Mute  und  Selbstvertrauen,  womit  er  die  Abgründe  zwischen  unseren 
irdischen  Erfahrungen  und  dem  geistig-moralischen  Leben  auf  nie  be- 
suchten, Millionen  von  Meilen  entfernten  Planeten  zu  überbrücken  unter- 
nimmt. Wie  es  in  der  wunderbar  hohen  Begabung  Kant's  überhaupt 
lag,  seinem  Denken  den  weitesten  Horizont  zu  geben  und  das  Senkblei 
am  liebsten  in  die  grössten  Tiefen  hinab  zu  lassen,  so  hatte  auch  der 
in  die  Unendlichkeit  sich  verlierende  Sternenhimmel  schon  von  Anfang 
seiner  Denkerlaufbahn  ihm  gleich  sehr  Gemüt  und  Phantasie  mächtig 
erregt.  Darum  konnte  er  in  dem  Buche,  wo  er  seine  Ansichten  über 
die  erste  Bildung  der  Himmelskörper,  ihre  Anordnung  und  Bewegungen 
ausgesprochen,  es  sich  nicht  versagen,  auch  die  geistige  Welt  auf  ihnen 
wenigstens  der  Phantasie  näher  zu  führen.  Der  Boden,  aus  dem  seine 
gewagten  Vermutungen  Nahrung  zogen,  ist,  glaube  ich,  am  deutlichsten 
bezeichnet  in  einigen  Zeilen  am  Ende  der  Naturgeschichte,  welche  — 
wie  es  nicht  zu  selten  in  seinen  Schriften  vorkommt  —  gleich  einer 
blühenden  Insel  sich  von  dem  Meere  des  für  gewöhnlich  streng  wissen- 
schaftlich und  nüchtern  gehaltenen  Stils  abheben: 

„Der  Anblick  eines  bestirnten  Himmels  bei  einer  heitern  Nacht 
„giebt  eine  Art  des  Vergnügens,  welches  nur  edle  Seelen  empfinden. 
„Bei  der  allgemeinen  Stille  der  Natur  und  der  Ruhe  der  Sinne 
„redet  das  verborgene  Erkenntnisvermögen  eine  unnennbare  Sprache 
„und  giebt  un ausgewickelte  Begriffe,  die  sich  wohl  empfinden,  aber 
„nicht  beschreiben  lassen". 


K&iiigsberger 
Hirclienliederdichter  und  Kireheiikoniponisteii. 

Vortrag,1) 
gehalten  am  16.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshanses  zu  Königsberg  in  Pr. 

von 

Prof.  Dr.  Friedrich  Zinimer. 

Hochgeehrte  Versammlung! 

Es  ist  ein  in  vielfacher  Beziehung  klassischer  Boden,  auf  dem  wir 
in  der  Haupt-  und  Residenzstadt  Königsberg  uns  befinden.  Ueberall 
ist  Königsberg  bekannt  als  die  Krönungsstadt  für  Preussens  Könige, 
als  Heimstatte  vieler  hochangesehener  Gelehrten,  als  Geburtsort  der 
ueueren  Philosophie.  Weniger  oft  denkt  man  daran,  dass  auch  Poesie 
und  Musik,  insonderheit  die  kirchliche  Dichtung  und  Tonkunst,  in  unserer 
Stadt  lange  Zeit  in  ganz  hervorragender  Weise  Pflege  und  Förderung 


!)  Im  Auscbluss  an  den  hier  abgedruckten  Vortrag  folgten  Sologesänge  von 
Compositionen  von  Kugelmann,  Albert,  Weichmann,  Sebastiani,  Sobolewski  und  Götz; 
Tags  vorher  fand  in  der  Domkirche  eine  Kirchenmusik  statt,  bei  welcher  nur  Com- 
positionen von  Königsberger  Tonsetzern  aus  der  Blütezeit  der  „Preussischen  Tonschule" 
vorgeführt  wurden.  Bei  dem  geschichtlichen  Interesse  beider  Programme  und  bei 
dem  Zusammenhange  dieser  Aufführungen  mit  dem  obigen  Vortrage  erschien  es  er- 
wünscht, die  Programme  in  der  Anlage  beizufügen. 

Die  Quellen  für  die  Geschichte  der  Kirchenmusik  in  Königsberg  bietet  in 
aasgezeichneter  Vollständigkeit  die  der  Königl.  und  Universitätsbibliothek  einverleibte 
Bibliothek  des  im  Jahre  1858  verstorbenen  Gymnasialdirektors  Gotthold.  Vgl.  den 
Katalog  derselben:  „Jos.  Müller,  dio  musikalischen  Schätze  der  Kgl.  und  Universitäts- 
bibliothek zu  Königsberg  in  Pr.  Bonn  1870."  An  Literatur  sind  vor  allem  zu 
nennen:  Carl  von  Winterfeld,  der  evangelische  Kirchengesang  und  sein  Verhältniss 
zur  Kunst  des  Tonsatzes.  3  Bände.  Leipzig  1843—47  und  G.  Döring,  zur  Geschichte 
der  Musik  in  Preussen.  Elbiog  1852.  Die  für  die  Geschichte  der  kirchlichen  Dich- 
tung in  Betracht  kommende  stellt  grösstenteils  zusammen:  Jacoby,  Dach  und  die 
prenssische  Dichterschule,  in  Herzogs  Eealencyklopädie.  2/Aufl.  Bd.  in.  S.  432—439. 


92  Königsberger  Rirchenüederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

gefunden  haben,  ja  dass  vielleicht  nirgends  wieder  so,  wie  hier  einmal, 
Dichter  und  Komponisten  mit  und  für  einander  gearbeitet  und  dadurch 
nachhaltig  und  tief  auf  Literatur  und  Musikpflege,  besonders  aber  auf 
den  evangelischen  Eirchengesang  im  ganzen  Vaterlande  eingewirkt  haben. 

Wenn  ich  Sie  einlade,  diesem  besonderen  Zweige  Königsberger 
Kulturarbeit  jetzt  für  eine  Weile  Ihr  Interesse  zuzuwenden,  so  bitte  ich 
von  vornherein,  von  dieser  flüchtigen  Stunde  nicht  mehr  erwarten  zu 
wollen,  als  sie  bei  der  Fülle  des  zu  verarbeitenden  Stoffes  bieten  kann, 
also  lediglich  eine  kurze  Darstellung  des  Wichtigsten  aus  Leben  und 
Wirken  der  Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten 
unter  Beifügung  charakteristischer  Proben  ihres  Schaffens.  Eine  wissen- 
schaftlich durchgeführte  Verknüpfung  der  hier  zu  nennenden  Thatsachen 
und  Strömungen  mit  dem  damit  teils  in  ursächlichem  Zusammenhange, 
teils  in  Wechselwirkung  stehenden  so  mannigfaltigen  Getriebe  der  gleich- 
zeitigen weit-,  kirchen-  und  lokalgeschichtlichen  Ereignisse  und  des 
kulturellen  Lebens  kann  kaum  in  einzelnen  Hauptzügen  versucht  werden. 

Aus  der  Zeit  vor  derBeformation  haben  wir  nur  ganz  spärliche 
Nachrichten  über  die  Pflege  der  kirchlichen  Tonkunst*)  in  Königsberg. 
Wir  wissen  nur,  dass  die  Domkirche  bereits  um  die  Mitte  des  14.  Jahr- 
hunderts im  Besitze  einer  Orgel  war,  und  dass  bei  der  Gründung  des 
Kneiphöfschen  Gymnasiums  1381  die  Bürgerschaft  verpflichtet  wurde, 
„den  Kindern  einen  wissenden,  redlichen  Schulmeister  zu  setzen,  der 
ihnen  allerlei  freie  Künste  nach  Gewohnheit  der  Schule  in  der  Altstadt 
zu  Elbing  lehre  und  seinen  Chor  mit  Gesang  halte11.  Dies  war  die  Nach- 
wirkung der  Anordnung,  die  schon  ein  halbes  Jahrhundert  vorher  der 
selbst  als  Dichter  und  Musiker  thätige  Hochmeister  des  deutschen  Ordens, 
Luther  von  Braunschweig  (1331—1335)  getroffen  hatte,  dass  die  Schul- 
jugend am  Kirchengesange  sich  betheiligen  solle.  Was  aber  und  wie 
damals  hier  gesungen  worden  ist,  davon  ist  keine  Kunde  mehr  zu 
uns  gelangt. 


s)  Von  kirchlicher  oder  volkstümlich- geistlicher  Dichtung  vor  der  Reformation 
finde  ich  keine  Spuren,  auch  nicht  bei  Toppen,  „Volkstümliche  Dichtungen,  zunächst 
aus  Handschriften  des  15.,  16.  u,  17.  Jahrhunderts  gesammelt"  Altpr.  Monatsschrift 
Bd.  IX.  1872.  S.  289  ff. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  93 

Ein  ganz  neuer  und  hochbedeutender  Aufschwung  für  die  Pflege 
geistlicher  Dichtung  und  Musik  begann  für  Königsberg  mit  der  Ein- 
führung der  Reformation.  Der  erste  evangelische  Landesfürst,  Herzog 
Albrecht,  hatte  eine  grosse  Vorliebe  für  den  evangelischen  Kirchen- 
gesang und  ist  vielleicht  selbst  der  Dichter  eines  Glaubensliedes,  das 
er  eigenhändig  in  ein  auf  der  hiesigen  Königl.  Bibliothek  befindliches 
Katechismus-  und  Gesangbuch  eingeschrieben  hat8).  Die  ersten  beiden 
preussischen  Gesangbücher,  1527  erschienen,  sind  wohl  nicht  ohne  sein 
Zuthun  herausgegeben4).  (Beiläufig:  Eine  Notendruckerei  gab  es  da- 
mals so  wenig  in  Königsberg  wie  gegenwärtig  —  ganz  entgegen  dem 
17.  Jahrhundert,  wo  hier  mehrere  vielbeschäftigte  derartige  Officinen 
bestanden  — .  Da  man  aber  damals  ein  Gesangbuch  sich  nicht  ohne  Noten 
denken  konnte  —  ungefähr  umgekehrt  wie  heute  —  so  sind  in  jenen 
beiden  Gesangbüchern  die  Notenlinien  gedruckt  und  die  Notenköpfe  selbst 
handschriftlich  eingefügt.) 

Wenigstens  von  einer  1558  veröffentlichten  Kirchenordnung  für  die 
evangelische  Kirche  ist  es  bekannt,  dass  er  selbst  sie  mit  seinen 
Theologen  ausgearbeitet  hat.  Darin  wird,  ganz  der  Praxis  Luthers  ent- 
sprechend, der  lateinische  Chorgesang  noch  ferner  gestattet  „vm  vbung 
willen  der  Jugentu;  jedoch  werden  für  die  deutsche  Messe  nicht  nur 
eingehende  Vorschriften  gegeben  unter  Nennung  bestimmter  für  die  ein- 
zelnen Gottesdienste  geeigneter  „deutscher  Psalmen  vnd  Gesenge", 
sondern  es  wird  auch  der  deutsche  Gemeindegesang  allgemein  herzustellen 
gesucht.  Denn  es  heisst  —  mit  einer  Vorschrift,  die  bei  der  heutigen 
Melodienarmut  unserer  Gemeinden  Nachahmung  verdiente  — :  „Wenn 
aber  das  Volck  solche  gemelte  Teutsche  geseng  nicht  zuvor  kundte, 
sollens  die  Pfarrherrn  sampt  jren  Schulmeistern  anrichten  zu  lernen  vnd 
sonderlich  derhalben  fleis  bei  der  Jugent  fürwendenu. 


*)  Der  Titel  des  ersten  Werkes  des  Sammelbandes  heisst  „Enchiridion,  der  kleine 
Katechismus  für  die  gemeinen  Pfarher  ic." 

4)  „Etlich  geseng  |  dadurch  Qot  ynn  der  ge  |  benedeiten  muter  Christi  |  und 
Opferung  der  wey  |  sen  heyden,  Auch  |ym  Syraeone,  al|len  heyigen  vnn  |  Engeln  ge| 
lobt  wirt  |  Alles  auß  grundt  |  götlicher  schlifft  :c"  —  „Etliche  newe  |  verdeutschte 
mnd  ge| machte  ynn  göttlicher  |  schrifft  gegründte  Christliche  Hymnus  vn  ge| 
seng,  wie  die  am  ennd  derselben  yn  eynem  |  sonderlichen  Rejgister  gefunden  |  werden. 


Q4  Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

Aber  der  Herzog  sorgte  nicht  nur  für  die  Erlernung  der  neuen 
Weisen,  sondern  regte  auch  die  Dichtung  und  Komposition  neuer  Kirchen- 
lieder an.  Ausdrücklich  wird  uns  das  von  dem  schönen  Lobliede  be- 
richtet: „Nun  lob'  mein7  Seel1  den  Herren".  Martin  Chemnitz,  der  nach 
der  zeitweiligen  Auflösung  der  Wittenberger  Universität  sechs  Jahre  lang 
als  Bibliothekar  des  Herzogs  hier  in  Königsberg  lebte,  erzählt  uus  darüber: 
„Es  hat  der  weiland  durchlauchtige  hochgeborene  Fürst  und  Herr, 
Albrecht,  Herzog  in  Preussen,  diesen  (103.)  Psalm  für  anderen  allezeit 
lieb  und  werth  gehalten,  auch  denselben  durch  den  gottesgelahrten, 
ansehnlichen,  wohlberühmten  Mann,  Johannein  Poliandrum,  lassen  ge- 
sangsweise in  gute  schöne  deutsche  Verse  bringen,  unter  einem  freudigen 
Tenor,  welcher,  eben  wie  die  Worte  lauten,  auch  durch  den  Gesang 
das  Herz  erwecken  und  aufmuntern  mag.  Wie  derselbe  denn  fast  in 
allen  unseren  Kirchen  also  gesungen  wird".  Dies  in  Königsberg  auf 
seine  unmittelbare  Veranlassung  gedichtete  und  komponierte  Lied  war 
dem  Herzog  besonders  theuer.  Chemnitz  berichtet  weiter:  „Ich  denke 
oft  mit  Lust  und  Freuden  daran,  wie  ich  selbst  gesehen  und  gehört, 
da  der  fromme  alte  Herr  auf  seinem  Siechbettlein  lag,  dass  jederzeit 
dieser  Psalm  nach  aller  Musik  das  letzte  Stück  sein  musste,  da  S.  Fürstl. 
Gnaden  selbst  die  Worte  mit  grosser  Andacht  und  sonderlicher  Bewe- 
gung des  Herzens  mitsang  und  dann  aus  den  Worten  schöne  gottselige 
Gedanken  nahm".  Und  es  hat  ihm  mancher  nachgesungen,  dem  „alten 
seligen  Herzog",  bis  heute  ist's  ein  Lieblingslied  in  vielen  Gemeinden 
des  ganzen  Vaterlandes  geblieben,  wenn  auch  wegen  der  einfacheren 
Strophenform  allmählich  das  bekanntere  „Nun  danket  alle  Gott"  an 
seine  Stelle  getreten  ist.  Aber  wie  jetzt  dieses,  so  wurde  früher  jenes 
Königsberger  „Nun  lob'  mein'  Seel'  den  Herren"  in  grossen  geschicht- 
lichen Momenten  als  Ausdruck  der  Dankesfreude  gegen  Gott  angestimmt. 
So  wurde  der  Friedensschluss  des  dreissigjährigen  Krieges  verkündet 
unter  den  Klängen  dieses  Liedes: 

Nun  loV  mein1  Seel1  den  Herren, 
Was  in  mir  ist,  den  Namen  sein! 
Sein  Wohlthat  thut  er  mehren, 
Vergiss  es  nicht,  o  Herze  mein! 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  95 

Hat  dir  dein1  Sund1  vergeben 
Und  heilt  dein1  Schwachheit  £roß; 
Errett't  dein  armes  Leben, 
Nimmt  dich  in  seinen  Schooß, 
Mit  rechtem  Trost  beschüttet, 
Verjüngt  dem  Adler  gleich. 
Der  Kön'g  schafft  Recht,  behütet 
Die  Leidenden  im  Reich. 

Gedichtet  —  wie  wir  hörten  auf  des  Herzogs  Veranlassung  — -  ist 
das  Lied  von  Johann  Gra(u)raann,  genannt  Poliander,  der  von 
1529  bis  1541  Pfarrer  an  der  altstädtischen  Kirohe  hier  war.  Ein  ge- 
borner  Baier,  1487  zu  Neustadt  geboren,  in  Leipzig,  wo  er  studiert  hatte, 
zum  Doctor  der  Theologie  promoviert  und  Rektor  der  Thomasschule 
geworden,  soll  er  bei  der  bekannten  Disputation  zwischen  Luther  und 
Eck  des  letzteren  Amanuensis  gewesen,  aber  durch  des  Gegners  Lehre 
alsbald  gewonnen  worden  sein.  Jedenfalls  wandte  er  sich  —  seines 
evangelischen  Bekenntnisses  halber  seines  Amtes  entsetzt  —  nach  Witten- 
berg und  wurde  von  Luther  an  Herzog  Albrecht  empfohlen,  der  ihn 
nach  Königsberg  zog.  Hier  hat  er  anderthalb  Decennien  in  Segen  ge- 
wirkt, in  bewegter  Zeit  ein  friedlicher,  doch  fester  Mann.  Von  anderen 
seiner  Dichtungen  ist  wenig  auf  uns  gekommen6). 

Sein  Vorgänger  im  Pfarramt  der  Altstadt  wie  in  der  kirchlichen 
Dichtung  war  der  freimütige  und  glaubenskühne  Paul  von  Spretten 
oder  Speratus,  den  Markgraf  Albrecht  schon  1524  auf  Luthers 
Empfehlung  nach  Königsberg  berufen  hatte.  Speratus,  am  13.  Dezbr.  1484 
geboren  —  seine  Säkularfeier  hat  Königsberg  vor  zwei  Monaten  ver- 
gessen —  entstammte  einem  schwäbischen  Adelsgeschlecht  und  hatte 
sich  in  Frankreich  und  Italien  gebildet.  Durch  Luthers  Lehre  gewonnen, 
predigte  er  im  Januar  1522  in  der  Stephanskirche  zu  Wien  freimütig 
den  evangelischen  Glauben,  wurde  in  Folge  dessen  mehrfach  gefangen 
gesetzt  und  selbst  zum  Feuertode  verurteilt.  Doch  entging  er  dem- 
selben und  kam  nach  Wittenberg  zu  Luther  und  durch  diesen  hierher 
nach  Königsberg  als  Hofprediger  des  Fürsten.   Von  1530  bis  zu  seinem 

6)  Wackernagel,  das  deutsche  Kirchenlied,  III,  823  teilt  nur  noch  ein  zweites 
Lied  von  ihm  mit. 


Qg  Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

1551  erfolgten  Tode  lebte  er  als  Bischof  von  Pomesanien  in  Marien- 
werder,  wo  er  auch  begraben  ist. 

Von  Speratns  enthält  das  erste  evangelische  Gesangbuch,  1524  in 
Wittenberg  mit  nur  acht  Liedern  erschienen,  drei  Lieder.  Aber  nur 
eines  von  diesen  ist  im  kirchlichen  Gebrauch  bis  heute  geblieben  und  zwar 
das  Lied,  das  allezeit  als  das  eigentliche  evangelische  Bekenntnislied 
gegolten  und  als  solches  auch  seine  geschichtliche  Bedeutung  und  Wirk- 
samkeit gehabt  hat.  Als  man  in  der  Pfalz  zögerte  die  Reformation 
einzuführen,  und  die  Priester  in  der  Hauptkirche  von  Heidelberg  nach 
wie  vor  den  Gottesdienst  katholisch  und  lateinisch  abhielten,  stimmte 
eines  Sonntags  die  Menge  das  Lied  von  Sperätus  an  und  erzwang  damit 
die  Einfuhrung  der  neuen  Lehre  und  des. neuen  Cultus.  Das  Lied  beginnt: 

Es  ist  das  Heil  uns  kommen  her 

Von  GnacT  and  lauter  Güten; 

Die  Werke  helfen  nimmermehr, 

Sie  mögen  nicht  behüten. 

Der  Glaub1  sieht  Jesum  Christum  an, 

Der  hat  g'nug  für  ans  all'  gethan, 

Er  ist  der  Mittler  worden. 

Ohne  dichterischen  Schwung,  aber  mit  Klarheit,  Einfachheit  und 
Kraft  wird  hier  die  evangelische  Lehre  ausgesprochen,  und  es  lässt  sich 
wohl  begreifen,  wie  das  Lied  in  der  Reformationszeit  so  tief  hat  ein- 
wirken können. 

Zwei  Königsberger  Dichter  waren  es  also,  die  der  Reformations- 
kirche hervorragende  Kleinodien  der  kirchlichen  Liederdichtung  geschenkt 
haben,  die  noch  heute  nicht  vergessen  sind. 

So  finden  wir  schon  zur  Reformationszeit  mehr  als  verheissungs- 
volle  Anfänge  der  Kirchenliederdichtung  in  Königsberg.  Auch  die  An- 
fänge der  preussischen  Tonschule  fallen  bereits  in  jene  Zeit.  Der  Erst- 
ling ist  Johann  Kugelmann,  Kapellmeister  des  Herzogs  Albrecht, 
dem  unsere  Kirche  wahrscheinlich  die  schöne  Choralmelodie  „Allein 
Gott  in  der  Höh1  sei'  Ehr"  verdankt  und  der  den  „freudigen  Tenor", 
welcher  nach  M.  Chemnitz'  vorher  genanntem  Ausspruch  „eben  wie  die 
Worte  lauten,  auch  durch  den  Gesang  das  Herz  erwecken  und  ermuntern 
mag",  gefunden  hat  zu  dem  Gramann'schen  Liede  „Nun  lob1  mein1  Seel' 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  97 

den  Herren".  Herzog  Albrecht  gab  eine  Sammlung  werthvoller  Kompo- 
sitionen dieses  seines  Kapellmeisters  1540  in  Augsburg  in  Druck.  Die- 
selbe ist,  soweit  bis  jetzt  bekannt,  das  älteste  preussische  Choralbucb, 
und  enthält  dreissig  Tonsätze  von  Kugelmann,  davon  die  Mehrzahl 
(26  Gesänge)  in  dreistimmiger  Bearbeitung,  'die  mit  dem  besonderen 
Namen  „Cantus  Prussiae"  bezeichnet  werden. 

Kugelmann  ragt  nicht  an  seinen  grossen  Nachfolger  Eccard  heran ; 
er  beginnt  und  versucht  erst,  was  jener,  vollendet.  Immerhin  sind  seine 
Tonsätze  auch  für  uns  noch  beachtenswert,  sanglich  in  den  Einzel- 
stimmen, im  ganzen  wohllautend  in  der  Harmonie  und  durchdacht  in 
der  ganzen  Behandlungsweise.  Der  nachher  als  Probe  mitzuteilende 
Choralsatz  über  das  Lutherlied  „Ein'  feste  Burgu  ist  ein  bezeichnendes 
Beispiel.  Die  Melodie  liegt  hier  in  der  Unterstimme.  Offenbar  war 
die  gewaltige  Kraft  der  Worte  wie  der  Weise  das  Motiv  für  den  Ton- 
setzer, die  Melodie  nicht  Frauenstimmen,  sondern  dem  markigen  Basse 
zu  übergeben. 

Kugelmann's  nächste  beiden  Nachfolger9)  kommen  ihm  nicht  gleich, 
noch  weniger  aber  dem  ihnen  folgenden  grossen  Eccard,  dem  Begründer 
und  Haupt  der  preussischen  Tonschule. 

Wohl  einzig  stehen  in  der  Geschichte  des  evangelischen  Kirchen- 
gesanges zwei  deutsche  Städte  da:  Mühlhausen  in  Thüringen  und  unser 
Königsberg,  beide  durch  mehrere  Generationen  die  Heimstätte  der  be- 
deutendsten Kirchenkomponisten :  Mühlhausen  geziert  durch  die  Namen 
Joachim  a  Bnrgk,  Eccard,  Johann  Georg  und  Johann  Rudolph  Ahle, 
sowie  Sebastian  Bach ;  Königsberg  bis  nach  Italien  und  Holland  hinein 
bekannt  als  Wohnort  von  Eccard,  Stobaeus,  Albert,  dem  hellen  Drei- 
gestirn erster  Grösse,  und  ihren  vielen  minder  bedeutenden  Zeitgenossen 
und  Nachfolgern.  Zwischen  diesen  beiden  Vororten  der  deutsch  - 
evangelischen  Kirchenmusik  im  16.  und  17.  Jahrhundert  nun  ist  Eccard 
das  verbindende  Glied. 


6)  Es  waren  Magister  ürban  Störmer,  zugleich  Professor  der  Eloquenz  an 
der  Universität,  vordem  Schalmeister  zu  Thora,  und  nach  ihm  Theodor  Riccio 
ans  Breeda,  von  dem  noch  fünf-  and  mehrstimmige  Motetten  mit  lateinischem  Text 
«halten  sind,  der  aber  so  sehr  Italiener  geblieben  ist,  dass  er,  so  viel  wir  wissen, 
niemals  ein  deutsches  Wort  in  Musik  gesetzt  hat. 

Altpr.  MeMtMchrifl  Bd.  XXIL  Hft.  1  u.  2.  7 


gg  Königtb erger  Kirchenllederdichter  und  Kirchenkomponisten, 

Diesem  hochbedeutenden  Komponisten  von  {Gottes  Gnaden  ist  es 
nicht  anders  gegangen  wie  Johann  Sebastian  Bach:  ei-  war  durch  lange 
Jahre  völlig  vergessen,  und  noch  heute  wird  er  vermutlich  manchem 
Gebildeten  unserer  Stadt  ganz  unbekannt  sein.  Hat  doch  selbst  der 
kenntnisreiche  Geschichtschreiber  der  Musik  in  Altpreussen,  der  frühere 
Elbinger  Musikdirektor  Döring  noch  vor  vierzig  Jahren  nur  durch  ein 
gluckliches  Ungefähr  Eccard's  Festlieder  in  die  Hand  bekommen,  und 
ist  erst  durch  die  hohe  Verehrung,  mit  der  in  der  Vorrede  dieses  Werkes 
in  der  Bearbeitung  seines  Schülers  Stobaeus  von  ihm  als  einem 
„Fundamentaldiseipul  des  weltberühmten  Orlando  Lasso"  die  Eede  ist, 
auf  seine  Bedeutung  aufmerksam  geworden.  Das  Verdienst  Eccard's 
Namen  und  Werke  wieder  an  das  Licht  gezogen  und  gewürdigt  zu  haben, 
gebührt  aber  dem  gediegenen  Geschichtschreiber  des  evangelischen 
Kirchengesanges,  Carl  v.  Winterfeld,  auf  dessen  Ausführungen  ich  hier- 
mit dankbar  hinweisen  möchte. 

Johannes  Eccard,  1553  in  Mühlhausen  in  Thüringen  geboren, 
war  als  Jüngling  wohl  in  seiner  Vaterstadt  ein  Schüler  des  bekannten 
Meisters  Joachim  a  Burgk,  neben  dem  er  später  eine  Zeit  lang  in  seiner 
Vaterstadt  gewirkt  hat,  befreundet  zugleich  mit  dem  Dichter  Ludwig 
Helmbold.  Die  für  seine  musikalische  Bildung  entscheidende  Unter- 
weisung aber  erhielt  er  in  München  als  Schüler  und  Gehülfe  des  Orlandus 
Lassus,  mit  dem  er  wahrscheinlich  eine  Beise  nach  Paris  an  den  Königshof 
machte.  Auch  in  Venedig  scheint  er  gewesen  und  mit  den  Häuptern 
der  grossen  italienischen  Tonschule  jener  Zeit,  Gabrieli,  Merulo  und 
Zarlino  in  persönliche  Beziehung  gekommen  zu  sein.  Vor  seiner  Berufung 
nach  Königsberg  war  er  in  Regensburg  Musiker  im  Dienste  des  grossen 
Handelsherrn  Jacob  Fugger.  Wann  'er  nach  Königsberg  gekommen  ist, 
wissen  wir  nicht,  jedenfalls  nicht  erst  1583  wie  man  gewöhnlich  annimmt, 
denn  schon  von  1581  an  haben  wir  von  ihm  in  Königsberg  gedruckte 
Gelegenheitskompositionen.  Bis  1603  heisst  er  „fürstlicher  Durchlaucht 
in  Preussen  Musikus  und  Vice-Kapellmeister".  Wirklicher  Kapellmeister 
wurde  er  wohl  1604,  blieb  aber  als  solcher  nur  drei  Jahre  in  Königsberg, 
da  ihn  der  Kurfürst  1607  zur  Reorganisation  seiner  Musikkapelle  unter 
ehrenvollen  Bedingungen  nach  Berlin  berief.  Dort  ist  er  1611  gestorben. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrieh  Zimmer.  99 

Seine  Hauptwerke  hat  Eecard  in  Königsberg  herausgegeben  und 
grösstenteils  auch  hier  geschrieben.  Es  sind:  „Newe  Lieder  mit  fünff 
vnd  vier  Stimmen  gantz  lieblich  zu  singen  vnd  auff  allerley  Instrumenten 
zu  gebrauchen",  erschienen  1589.  „Geistliche  Lieder  Auff  gewöhnliche 
Preussische  Eirchen-Melodeyen  durchauß  gerichtet  vnd  mit  fünff  Stimmen 
componiret",  im  Auftrage  des  Markgrafen  Georg  Friedrich  seit  1586  be- 
gonnen und  1597  in  zwei  Teilen  herausgegeben;  endlich  die  beiden 
Teile  der  „Preussischen  Pestlieder  mit  5,  6,  7  oder  8  Stimmen",  ein 
Jabr  später  veröffentlicht  ebenfalls  in  zwei  Teilen7). 

Es  kann  nicht  meine  Aufgabe  sein,  den  Entwickelungsgang  dieses 
grossesten   der   preussischen  Tonmeister   darzulegen.     Auch  wäre  das 
völlig  unmöglich  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Forschung,  wo  wohl 
ein  reiches,  aber  noch  nicht  durchgearbeitetes  Material  vorliegt,  und  alle 
Nachfolger  noch  ausschliesslich  auf  den  Schultern  v.  Winterfells  stehen, 
der  Eecard  erst  wieder  entdeckt  hat.   Ebenso  wenig  kommt  es  für  unseren 
Zweck  in  Betracht  hervorzuheben,  was  Eecard  für  die  ausserkirchliche 
Musikpflege  gethan  hat,  wenngleich  es  zur  vollen  —  und  ich  darf  hin- 
zusetzen: zur  ehrenden  —  Charakteristik  des  Meisters  mit  gehört,  ihn 
zu  beobachten,  wie  er  sich  im  weltlichen  Liede  bewegt  und  wie  er  zur 
gelegenen  Zeit  auch  das  Lob  des  Weines  zu  singen  weiss.   Hier  handelt 
es  sich  nur  darum,  was  hat  er  für  die  kirchliche  Musik  geleistet.  Und 
die  Antwort  darauf  ist  kurz  die:  er  hat  einen  neuen,  gleich  kunstvollen 
wie  durchsichtigen  und  kirchlich  brauchbaren  Stil  des  Choralsatzes  ge- 
schaffen. In  der  Gegenwart  pflegt  man  als  die  vollendeteste,  nie  wieder 
erreichte  und  überhaupt  unerreichbare  Satzweise  des  Chorals  diejenige 
von  Johann  Sebastian  Bach  anzusehen,  und  ich  bin  weit  entfernt  die 
eminente  Bedeutung  der  Bach'schen  Choralbearbeitungen  irgendwie  in 
Frage  stellen  zu  wollen,  bekenne  es  vielmehr  dankbar,  dass  ich  mein 
bischen  musikalischer  Bildung  ganz  wesentlich  dem  Studium  gerade  der 
Bach'schen  Choräle  verdanke,  begreife  es  auch  vollkommen,  dass  Musiker 
wie  Robert  Franz  sich  täglich  wohl  eine  Stunde  lang  mit  denselben 


*)  in  Neuauagahen  in  Partitur  sind  von  G.  W.  Tesohner  im  Verlage  von 
Breitkopf  &  Härte!  in  Leipzig  die  geistlichen  Lieder  von  Eceard  und  die  Festlieder 
ton  Eecard  und  Stobaeus  in  je  zwei  Binden  erschienen. 

7* 


100  Königaberger  Kirchenliederdichter  and  Kircheakomponisten. 

beschäftigen.  Trotzdem  bin  ich  zweifelhaft  geworden,  ob  die  Satzweise 
Eccard's  und  seines  Schulers  Stobäus  nicht  doch  der  Bach'schen  über- 
legen ist,  sowohl  an  kirchlichem  Charakter,  wie  selbst  an  künstlerischem 
Werte.     Darüber  ein  kurzes,  begründendes  Wort. 

Vordem  lag  bei  mehrstimmigen  Tonsätzen  die  Melodie  in  der  Regel 
im  Tenor,  teils  weil  bei  der  Fülle  von  Tenorstimraen,  die  man  in  jener 
Zeit  noch  hatte,  und  bei  der  Zusammensetzung  der  Chöre  aus  Knaben- 
(nicht  Frauen-)  und  Männerstimmen  der  Tenor  wirklich  die  „führende14 
Stimme  bildete,  teils  weil  es  dem  Motettenstile,  in  welchem  noch  in 
der  Reformationszeit  Choräle  und  Lieder  gesetzt  wurden,  am  günstigsten 
war,  die  Melodie  in  eine  der  Mittelstimmen  zu  legen,  wo  sie  von  den 
andern  mannichfaltig  umspielt  werden  konnte.  Als  aber  das  evangelische 
Gemeindeprincip  auch  im  Kultus  der  neuen  Kirche  zum  Durchbruche 
kam  und  die  Gemeindeglieder  die  Choräle  nicht  bloss  hören,  sondern 
mitsingen  wollten6),  da  war  die  nächste,  natürliche  Folge,  dass  man  für  die 
Bearbeitung  der  Choralmelodieen  nicht  mehr  den  Motettenstil,  sondern 
den  Choralstil  anwandte,  d.  h.  die  MeLodieen  liedförmig  setzte,  also 
ohne  Wiederholung  einzelner  Textstücke  und  ohne  willkürliche  Pausen, 
wie  sie  im  Motettenstil  gebräuchlich  und  berechtigt  sind.  Erst  später, 
aber  mit  gleicher  innerer  Notwendigkeit,  kam  man  auch  dazu,  die  Melodie 
in  die  Oberstimme  zu  verlegen,  wo  sie  an  sich  am  deutlichsten  her- 
vortritt, und  speciell  den  mitsingenden  weiblichen  Gemeindegliedern  mehr 
Halt  gewähren  konnte. 

Diesen  letzteren  Schritt  hatte  mit  ausführlicher  und  für  die  weitere 
Entwickelung  des  Choralsatzes  wichtig  gewordener  Begründung  zuerst 
der  Nürnberger  Lucas  Osiander  1586  gethan.  Ohne  Zweifel  war  Eccard 
mit  diesem  ersten  Versuche  reinen  Choralsatzes  bald  bekannt  geworden, 
und  wenn  wir  ihn  schon  in  demselben  Jahre  mit  den  Vorarbeiten  zu 
seinen  Festliedern  beschäftigt  finden,  so  dürfen  wir  annehmen,  dass  er 
dieser  Arbeit  sich  unterzog  unter  bewusster  Stellungnahme  gegenüber 
der  Osiander'schen  Satzweise. 


•)  Auch  Eccard's  Festlieder  sind  nicht  bloss  vom  Chore,  sondern  auch  von  der 
Gemeinde  mitgesungen.  Das  beweist  Anlage  und  Vorrede  der  1653  von  J.  Reinhard 
besorgten  Ausgabe  derselben  in  Melodie  und  beziffertem  Bass. 


Von  Prof.  Dr. «Friedrich  Zimmer.  JQl 

Oslander  hatte  die  Choräle  nach  derselben  Art  —  nur  besser  — 
gesetzt,  wie  man  sie  auch  heute  zu  setzen  pflegt,  nämlich  so,  dass  die 
Stimmen  sämtlich  gleichzeitig  und  gleichmässig  mit  der  Melodie  fort- 
schreiten und  für  diese  die  harmonische  Grundlage  ausmachen.  Er  ist 
somit  der  Schöpfer  unseres  homophon-harmonischen  Choralsatzes.  Aber 
was  unsern  gegenwärtigen  Tonsetzern  vielfach  ganz  verborgen  zu  bleiben 
scheint,  empfand  er  doch  schon  recht  gut,  denn  er  klagt,  dass  man  bei 
dieser  Satzweise  „zwischen  dem  Choral  im  Discant,  davon  man  kein1 
Noten  ändern  darf,  und  zwischen  dem  Bass,  dem  man  nicht  gern,  mit 
Abwechslung  der  Concordanzen,  sein'  gravitatem  und  Lieblichkeit  nehmen 
will,  gleich  als  zwischen  zweien  Gräben,  in  der  Straßen  bleiben  rauss". 

Diesem  Mangel  haben  nun  Eccard  und  nachher  Bach,  jeder  auf 
eigentümliche  Weise,  abzuhelfen  gesucht.  Bach  kommt  aus  der  Homo- 
phonie zur  Polyphonie,  indem  er  unter  völliger  Beibehaltung  des  Schemas 
der  Osiander'schen  Satzweise  den  begleitenden  Stimmen  durch  individua- 
lisierte Führung  den  Charakter  selbständiger  Stimmqn  giebt.  In  dieser 
Stimmenführung  entwickelt  er  eine  erstaunliche  Kraft,  die  immer  Be- 
wunderung und  Nachahmung  hervorrufen  wird.  Aber  gerade  diese  Art 
der  Behandlung  hat  auch  ihre  unläugbaren  Mängel.  Selbständigkeit 
erlangt  eine  Stimme  einer  andern  gegenüber  nur  durch  selbständigen 
Rhythmus.  Bei  Beibehaltung  des  homophonen  Schemas  nun,  nach 
welchem  jede  Nebenstimme  dieselbe  Silbe  singt,  wie  die  Führerin  der 
Melodie,  kann  die  nötige  Selbständigkeit  des  Rhythmus  der  Neben- 
stimmen nicht  anders  erreicht  werden,  als  durch  zeitweilige  Teilung 
der  Notenwerte.  Während  die  Melodie  gleichmässig  in  Vierteln  fort- 
schreitet, wechseln  die  Nebenstimmen  mit  Vierteln,  Achteln,  Sechszehnteln. 
Die  kaum  vermeidliche  Folge  davon  aber  ist  es,  dass  solche  rhythmische 
Bewewegung  auch  in  die  Oberstimme  sich  Eingang  erzwingt,  namentlich 
in  Form  von  Durch gangsnoten  und  dadurch  die  Gestalt  der  Melodie, 
die  in  der  Gemeinde  lebt,  dieser  zum  Anstoss  verändert.  Zu  diesem 
Mangel  kirchlicher  Korrektheit  tritt  bei  der  Bach'schen  Behandlungs- 
weise  ein  zweites  Moment,  in  welchem  auch  ihrem  musikalischen  Werte 
nach  dieser  Choralsatz  hinter  dem  Eccard'schen  zurücksteht.  Bei  Bach 
8chliessen  die  einzelnen  Zeilen  gleichzeitig  mit  der  Melodie  auch  in  den 


102  Königaberger  Kirchenliederdichter  und  Kircbcnkomponisten. 

Unterstimmen  mittelst  einer  Fermate  ab.  So  ist  zwar  die  Gliederung 
der  ganzen  Strophe  völlig  klar  und  durchsichtig,  sie  ist  aber  eben  nur 
zu  klar.  Die  einzelnen  Zeilen  stehen  neben  einander  wie  Säulen  ohne 
verbindendes  und  krönendes  Dach. 

Ganz  anders  der  Eccard'sche  Choralsatz.  Eccard  hält  streng  an 
der  Melodieform,  wie  sie  in  der  Kirche  gebräuchlich  ist,  fest,  ohne  den 
Nebenstimmen  einen  Einfluss  auf  Gestaltung  derselben  zu  gestatten. 
Bei  den  Einschnitten  der  Melodie  leiten  die  Nebenstimmen  vermittelnd 
über,  sodass  das  ganze  Tonstück  ein  zusammenhängendes  Ganze  bildet, 
in  dem  doch  die  einzelnen  Melodiezeilen  deutlich  gegliedert  sind.  End- 
lich die  Nebenstimmen  sind  ganz  selbständig  geführt  mit  freiem  Ein- 
tritt und  Schluss,  und  können  bei  ihrer  völligen  Beweglichkeit  zu  Nach- 
ahmungen charakteristischer  Motive  der  Melodie  verwandt  werden, 
während  doch  die  Fünfstimmigkeit,  die  Eccard  grösstentheils  anwendet, 
bei  aller  Freiheit  der  Einzelstimmen  die  nötige  Fülle  der  Harmonie 
gewährt  und  beim  gleichzeitigen  Zusammenklingen  aller  fünf  Stimmen 
eine  harmonische  Sättigung  ermöglicht,  wie  sie  kein  vierstimmiger  Satz, 
auch  nicht  der  von  Bach,  erreichen  kann.  Freilich  ist  gerade  diese 
Fünfstimmigkeit  der  Eccard'schen  Choräle  für  die  Verbreitung  derselben 
in  der  Gegenwart  ein  gewichtiges  praktisches  Hindernis,  da  es  bei  dem 
allgemeinen  Mangel  an  Tenören  jetzt  fast  unmöglich  ist,  die  meist  einen 
doppelten  Tenor  fordernden  Tonsätze  mit  der  erforderlichen  Fülle,  Rein- 
heit und  Fräcision  zu  Gehör  zu  bringen. 

Mit  dieser  kurzen  Charakteristik  seines  Choralsatzes  ist  die  hervor- 
ragendste Art  der  Thätigkeit  Eccard's  gekennzeichnet.  Von  der  Viel- 
seitigkeit der  modernen  Komposition  war  jene  Zeit  ohnehin  weit  entfernt 
Messen,  Kantaten,  Oratorien,  Opern,  Symphonien,  Ouvertüren  u.  s.  w. 
kann  man  wohl  heute  von  jedem  über  das  Gewöhnliche  hinausragenden 
Musiker  erwarten;  aber  jener  Zeit  mit  ihrem  fast  völligen  Mangel  der 
Instrumentalmusik  waren  die  meisten  dieser  Formen  noch  ganz  fremd. 
Aber  auch  in  dem,  was  seiner  Zeit  möglich  war,  hat  sich  Eccard  meistens 
auf  die  Pflege  des  geistlichen  Liedes  in  der  von  ihm  geschaffenen  Satz- 
weise beschränkt.  Denn  —  um  mit  v.  Winterfeld  zu  reden  —  „die 
Hauptaufgabe  von  Eccard's  künstlerischem  Bilden  war  die  Liedform. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrieb  Zimmer.  103 

Als  Setzer  hat  er  die  kirchliche,  dem  Gemeindegesange  angehörende 
Melodie  des  geistlichen  Liedes,  wie  er  sie  vorfand,  als  ein  Gegebenes, 
nach  ihrem  inneren  Beichtume,  ihrer  harmonischen  Bedeutsamkeit,  zur 
Anschauung  gebracht,  ohne  deshalb  auf  die  Kunst  der  Stimmenverwebung 
verzichten  zu  dürfen,  die  er,  wenn  ihr  auch  die  Natur  seiner  Aufgabe 
nur  beschränkten  Baum  zu  gewähren  schien,  dennoch  mit  Meisterschaft 
dabei  entfaltete.  Als  Sänger  hat  er  den  Schatz  der  Kirche  an  Sing- 
weisen jener  Art  zwar  um  einige  bereichert"  —  in  unserm  kirchlichen 
Gebrauch  hat  sich  davon  nur  die  Adventsmelodie  „Gar  lustig  jubilieren" 
erhalten  —  „aber  mit  viel  grösserem  Erfolge  noch  deren  für  den  Kunst- 
gesang erfunden.  Es  geschah  in  demjenigen,  was  er  Festlied  nannte, 
einer  das  Lied  und  das  Motett  lebendig  vermittelnden  Form.  Gereift 
war,  nach  allmählicher  Entwickelung  in  Vorgängern,  bereits  in  seinem 
Lehrer  jene  künstlerische  Thätigkeit,  aus  der  die  letzte  dieser  Formen, 
eine  mannichfach  zusammengesetzte,  hervorgeht,  und  auf  ihn  als  Erb- 
teil übertragen;  gereift  nicht  minder  in  ihm  selbst,  nach  Anderer  Vor- 
gange, jene  Fertigkeit,  welche  die  erste  dieser  Formen  durch  einfache 
Züge  zu  deuten  unternimmt;  ihm  aber  war  dabei  gegeben,  sie  nicht 
allein  zu  deuten,  sondern  auch  zu  schaffen,  und  in  dieser  Gabe, 
wie  sie  jenen  Fertigkeiten  sich  gesellte,  ging  auf  dem  naturgemässen 
Wege  künstlerischen  Fortbildens  ihm  seine  neue  Form  hervor,  in  der 
Mannichfaltiges  und  Einfaches,  Fülle  und  Klarheit  verschmolz,  die  er 
nicht  allein  wahrhaft  erfand,  sondern  auch  vollendet  ausgestaltete.  So 
steht  er  denn  hier  auf  der  Höhe  der  Kunst,  und  nicht  seiner  Zeit 
allein.  Denn  er  hat  zwar  fortübende  Nachfolger  gehabt  in  der 
von  ihm  gegründeten  preussischen  Tonschule,  aber  keinen  weiter- 
bildenden Schüler;  in  seinem  Sinne  konnte  er  von  keinem  Spätem 
übertroffeil  werden,  weil  in  diesem  keiner  etwas  ferner  auszugestalten 
fand.  Denn  was  Anderen  unter  gleichem  Namen  später  gelang,  liegt 
auf  einem  ganz  verschiedenen  Gebiete  und  ist  seinen  Leistungen  durchaus 
unvergleichbar.  Deshalb  ist  er  von  höchster  Bedeutung  für  die  Ge- 
schichte der  Ausbildung  des  geistliehen  Liedes  in  der  evangelischen 
Kirche  als  Aufgabe  für  höhere  Tonkunst1'. 


104  Königsberger  Kirchenliederdichter  and  Kirchenkomponisten. 

Was  Eccard  in  anderen  Formen  der  geistlichen  und  was  er  in  der 
weltlichen  Musik  geleistet  hat,  übergehen  wir  hier  und  scbliessen  seine 
Charakteristik  mit  einem  kurzen  Wort  dessen,  der  ihn  der  Vergessen- 
heit entrissen  hat:  „Stets  die  Aufgaben  seiner  Kunst  vor  Augen,  niemals 
sich  selber;  seine  reichen  Gaben  nie  überschätzend;  als  ihren  Quell  stets 
den  erkennend,  von  dem  allein  alle  gute  und  vollkommene  Gabe  kommt, 
ihm  die  Ehre  gebend  in  der  herzlichen  und  rechtlichen  Freude  an  dem 
Wohlgelungenen,  dessen  ihm  viel  gewährt  wurde;  so  hat  unser  Meister 
in  der  That  sein  Leben  lang  gestrebt,  und  wir  dürfen  sagen,  dass  er 
wahrhaft  gelebt  habe!"  — 

Neben  Eccard  verschwinden  seine  Königsberger  Zeit-  und  Berufs- 
genossen. Immerhin  verdienen  sie  genannt  zu  werden.  Es  waren  Paulus 
Em  melius  aus  Mittenwalde  in  der  Mark,  Kantor  der  Altstadt,  und  sein 
Nachfolger  Jonas  Zornicht  aus  Hohenstein,  Heinrich  Theodoricus 
aus  Hainau  in  Sachsen,  Kantor  im  Löbenicht,  Johannes  Vogler, 
Kantor  im  Kneiphof,  und  später  Pfarrer  des  Haberbergs;  Georg  Furrter, 
ein  Bayer,  Valentin  Husmann,  ein  Sachse,  und  Berthold  Schulze, 
Mitglieder  der  Kapelle,  deren  Meister  bis  zu  seiner  Berufung  nach 
Berlin  Eccard  war.  Seine  Nachfolger  in  diesem  Amte  waren  Johannes 
Crocker  (1609  bis  c.  1620),  ein  Schlesier,  und  nach  dessen  Entlassung 
Jacob  Schmidt  (c.  1620  bis  1627)  aus  Elbing,  beide  wohl  die  Stellung, 
aber  nicht  die  Stelle  Eccard's  ersetzend. 

Aber  ein  neuer  Eccard  erstand  in  demjenigen,  der  nach  diesen 
beiden  des  Meisters  Amt  und  Arbeit  fortsetzte,  Johannes  Stobäus. 
Die  Meinung  der  Zeitgenossen  war  es,  die  sein  Freund  Dr.  Lothus  so 
aussprach:  „Eccardus  cecidit,  per  te,  Stobaee,  resurgit."  Und  die  Nach- 
welt kann  diesem  Urteil  nur  beipflichten. 

Stobaeus,  1580  zu  Graudenz  geboren,  wohl  schon  frühe  nach  Königs- 
berg gekommen,  war  hier  Jahre  lang  der  Schüler  und  nachherige  Gehülfe 
Eccard's.  In  ein  öffentliches  Amt  trat  er  1603,  indem  er,  wohl  auf 
seines  Meisters  Empfehlung,  Kautor  an  der  Domkirche  wurde.  1627  zum 
Kapellmeister  ernannt,  füllte  er  diese  Stelle  ganz  im  Sinne  seines  Meisters 
aus,  zwar  selber  ein  Meister  geworden,  aber  doch  ganz  sein  Schüler 
geblieben.    Er  starb  am  11.  Sept.  1646. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  J()5 

Es  ist  mir  schwer,  Stobaeus  zu  charakterisieren.  Seine  1624  er- 
schienenen „Cantiones  sacrae  barmonieae",  nach  Döring  sein  Hauptwerk 
und  eine  seltene  Meisterschaft  bekundend,  sind  mir  nicht  bekannt  geworden. 
Nach  seinen  übrigen  Kompositionen  aber  zu  urteilen,  tritt  bei  ihm  der 
eigentumliche  Fall  ein,  dass  er  so  ganz  sich  in  die  Weise  seines  Lehrers 
und  Vorbildes  versenkt  hat,  dass  es  kaum  möglich  ist,  den  einen  vom 
andern  zu  unterscheiden.  Bezeichnend  für  die  ganze  Richtung  und  Art 
seiner  Arbeit  ist  es,  dass  seine  beiden  Hauptwerke  die  Wiederauflegung 
und  Ergänzung  der  Geistlichen  Lieder  und  der  Festlieder  Eccards  sind. 
Zu  den  58  bzw.  27  Tonsätzen  seines  Lehrers  fugte  er  44  bezw.  34  eigene 
Kompositionen  hinzu,  seine  eigene  Arbeit  nach  Umfang  wie  Inhalt  und 
Zweck  nur  als  eine  in  Eccard's  Sinne  unternommene  Erweiterung  der 
Originalausgaben  betrachtend.  Und  so  steht  er  ganz  auf  den  Schultern 
seines  Lehrmeisters,  mit  gleicher  Virtuosität,  Kraft  und  Hingebung  und 
mit  gleich  kirchlichem  Sinne  in  den  Formen  weiter  schaffend,  die  Eccard 
ausgebildet  hatte.  So  ist  sein  Werk  wie  seine  Person  ein  Bild  rührender 
Treue  gegen  seinen  Meister. 

Die  gebührende  Anerkennung  hat  ihm  nicht  gefehlt.  Der  grosse 
Kurfürst  gewährte  die  Mittel  zur  Herausgabe  seiner  und  der  Eccard*- 
sehen  Festlieder,  und  das  Königsberger  geistliche  Ministerium  nahm  sich 
in  einer  Vorrede  zu  den  Geistlichen  Liedern  dieser  Arbeit  auf  das  wärmste 
an  und  rühmte  ihn  in  derselben  als  einen  Fundamentaldiscipul  des 
weiland  Ebrenvesten,  Achtbaren  und  kunstreichen  Johannis  Eccardi, 
gleichwie  dieser  ein  Fundamentaldiscipel  des  hochberühmten  und  welt- 
kundigen Orlandi  gewesen.  Aber  die  materielle  Lage  des  Meisters  war 
in  der  trüben  Zeit  des  dreissigjährigen  Krieges  eine  recht  klägliche. 
Nicht  nur  seine  starke  Familie,  sondern  seine  ganze  Kapelle  mit  Aus- 
nahme der  besonders  besoldeten  Instrumentisten  sollte  er  erhalten  mit 
seinem  Einkommen  von  1000  Mark,  26  Tonnen  Tafelbier,  4  Hof  kleidungen 
für  4  Kapellknaben,  und  6  Achtel  Brennholz.  Und  dies  Gehalt  wurde 
ihm  noch  dazu  nicht  regelmässig  ausgezahlt,  so  dass  er  aus  den  Schulden 
nicht  heraus  kam. 

Diese  äusserliche  Bedrängnis  seiner  Lage  brachte  es  mit  sich, 
dass  er  eine  grosse  Fruchtbarkeit  in  Gelegenheitskompositionen  ent- 


106  Küoigsbergcr  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

wickelte,  da  diese  ihra  doch  einiges  Honorar  eintrugen.  Wie  Simon  Dach  der 
Gelegenheitsdichter  der  damaligen  Königsberger  Welt  war,  so  Stobaeus 
der  Gelegenheitskomponist.  Und  wir  dürfen  uns  dessen  bei  beiden  freuen. 
Ist  auch  bei  der  Eile  der  Produktion  und  bei  der  oft  nur  äusserlichen 
Erfassung  ihres  Gegenstandes  viel  Handwerksmäßiges  mit  untergelaufen, 
so  befinden  sich  unter  diesen  Moment-  und  Stimmungsbildern  doch  auch 
wirkliche  Juwelen.  Die  Zahl  der  uns  erhaltenen  derartigen  Kompositionen 
ist  sehr  gross.  Die  jetzt  der  hiesigen  Kgl.  Bibliothek  einverleibte  wert- 
volle Gotthold'scbe  Sammlung  von  Musikalien  (die  allerdings  gerade 
an  Werken  aus  jener  Zeit  ungemein  reichhaltig  ist,  da  sie  eine  von  einem 
Zeitgenossen  des  Stobaeus,  dem  Kantor  Crone  in  Wehlau  angelegte 
Musikalienbibliothek  in  sich  aufgenommen  hat)  enthält  von  Stobaeus 
allein  280  solcher  Hochzeitslieder  —  Epithalamien,  wie  sie  gern  genannt 
werden  — ,  Begräbnisgesänge  und  musikalischer  Beglückwünschungen 
zu  akademischen  Promotionen.  Ein  gut  Stück  Königsberger  Familien- 
geschichte Hesse  sich  aus  jenen  Festkompositionen  schildern,  und  oft 
geben  diese  die  einzigen  bestimmten  Daten  für  das  Leben  sonst  be- 
kannter Persönlichkeiten.  Auch  Eccard  hatte  bereits  in  ähnlicher,  doch 
weniger  ausgedehnter  Weise  solche  Gelegenheitskompositionen  gearbeitet, 
u.  a.  seinen  lieben  Schüler  Stobaeus  selbst  zu  seiner  Hochzeit  mit  einer 
sechsstimmigen  lateinischen  Motette  beglückwünscht.  Von  Eccard's 
derartigen  Arbeiten  ist  durch  die  Vorsorge  des  Stobaeus  mehreres  noch 
lange  in  Gebrauch  erhalten  worden,  indem  letzterer  durch  seine  dichte- 
rischen Freunde  die  ursprünglich  weltlichen  Texte  durch  neue  geistliche 
ersetzen  liess,  die  die  Aufnahme  der  schönen  Kompositionen  in  die 
Neuauflage  der  geistlichen  Lieder  und  der  Festlieder  gestatteten.  Von 
seinen  eigenen  Gelegenheitskompositionen  hat  Stobaeus,  wie  es  scheint, 
nur  zwei  so  verarbeitet;  einen  Hochzeitsgesang  hat  er  dem  Liede  seines 
Freundes  G.  Weissei  untergelegt:  ,<Such,  wer  da  will,  ein  ander  Ziel," 
und  zu  einem  andern  Hochzeitsliede  bat  er  selbst  die  geistliche  Parodie 
geschrieben,  die  in  unsre  Gesangbücher  übergegangen  ist  und  die  hier 
auszugsweise  mitgeteilt  werden  möge,  weil  sie  charakteristisch  ist  für 
den  Mann  und  für  seine  Zeit. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  £07 

Es  ist  gewiss  eiu'  grosse  Gnad' 
Wenn's  einem  Gott  gewähret, 
Dass  er  ein  sanft  Sterbstündlein  hat 
Und  wie  im  Schlaf  hinfähret, 
Dass  er  sich  an  dem  letzten  End' 
Vernünftig  zu  dem  Heiland  wend't; 
Dies  Gott  allein  dem  giebet, 
Der  ihn  stets  hat  geliebet. 

Wer  wollte  denn  so  trostlos  sein, 
Ob  ihm  eiu  Frennd  abstürbe, 
Dass  er  denselben  so  bewein', 
Als  wenn  er  ganz  verdürbe? 
Wer  wollte  nicht  zu  jeder  Stund* 
Rufen  zu  Gott  mit  Herz  und  Mund: 
Mir  auch,  o  lieber  Herre, 
Ein  sel'ges  End  bescheere. 

Denn  dieses  ist  und  bleibt  ja  wahr: 
Die  Seelen  der  Gerechten 
Die  sind  befreit  aller  Gefahr, 
Die  kaun  kein  Angst  anfechten; 
Sie  werden  von  den  Engelein 
Getragen  in  Abram's  Schoss  hinein, 
Sie  kommen  allzugleiche 
In's  ew'ge  Himmelreiche. 

Ja,  wenn  ich  diese  Freud1  betracht 
Mit  Seufzen  ich  begehre, 
Dass  Gott  der  Herr  mit  seiner  Macht 
Auch  einst  zu  mir  cinkehie 
Und  mache,  dass  zu  rechter  Zeit 
Von  aller  Müh  ich  werd1  befreit; 
Ich  will  mit  Lust  und  Freuden 
Von  dieser  Lust  abscheiden. 

Ach  lehr"  du  uns,  Herr  Jesu  Christ, 
Dass  wir  ja  wohl  bedenken, 
Dass  unser  Leben  endlich  ist, 
Und  uns  zur  Klugheit  lenken 


108  Köoigsberger  Kirehenliederdiehter  und  Kircheokomponfoten. 

Und  schicken  uns  zum  sel'gen  End\ 
Befehl'n  die  Seel'  in  deine  H&nd' 
Dass  wir  eingehn  lusammen 
Ins  ew'ge  Leben.    Amen. 

Warum  ergreifen  einen  die  Kompositionen  dieser  alten  Meister, 
wenn  erst  die  Fremdartigkeit  ein  wenig  überwunden  ist,  mit  so  zauberischer 
Gewalt?  Weil  wir  es  fühlen,  die  Töne  sind  der  musikalische  Ausdruck 
einer  herzenstiefen,  wahrhaftigen  Empfindung.  Die  Tonsetzer  sind  ge- 
legentlich selbst  Dichter,  und  stehen  jedenfalls  in  innigem  Verein  mit 
dichtenden  Freunden,  und  erst  die  gemeinsame  Arbeit  giebt  in  dem  in 
Töne  gesetzten  Wort  die  gemeinsame  Empfindung  ganz  wieder. 

Auch  Eccard  hat  vielleicht  selber  den  Text  für  einzelne  Tonsätze 
geschrieben.  Die  Dichter,  die  ihm  zumeist  zur  Seite  standen,  sind 
Sebastian  Artomedes,  Georg  Reimann  und  Peter  Hagen.  Der 
erstgenannte,  aus  Franken  gebürtig,  von  Herzog  Albrecht  nach  Königs- 
berg gezogen  und  hier  bis  zu  seinem  Tode  1602  Pfarrer  am  Dom,  ist 
namentlich  durch  ein  kirchliches  Neujahrslied  bekannt,  in  welchem  er 
—  bezeichnender  Weise  —  zuerst  dies  erbittet: 

0  reicher  Thron  der  Gnaden, 
Dies  liebe  neue  Jahr 
Vor  Unheil  und  vor  Schaden  « 

Kirchen  und  Schul  bewahr, 
Des  Satans  Tücken  wehr, 
Dass  er  uns  nicht  bethöre 
Mit  Gift  der  falschen  Lehre, 
Dein  Reich  bei  uns  vermehr. 

Peter  Hagen  (Petrus  Hagius,  1569 — 1620),  aus  Henneberg  bei 
Heiligenbeil  gebürtig,  Rektor  des  Kneiphöfischen  Gymnasiums,  an 
welchem  Stobaeus  damals  Kantor  war,  hat  für  die  „Festlieder14  eine 
Anzahl  von  in  der  alten  objektiv  schildernden  Art  gehaltenen  Dichtungen 
verfasst,  die  sammt  ihren  Melodieen  jetzt  vergessen  sind.  Nicht  anders 
ergeht  es  den  Liedern  Georg  Reimann' s.  Wäre  es  nicht  zu  dem 
herrlichen  achtstimmigen  Chor  Eccard's  gedichtet,  den  der  Berliner  Dom- 
chor wieder  zum  Leben  erweckt  hat,  so  wüsste  Niemand  mehr  \on 
seinem  Jubelliede  von  der  Geburt  Christi: 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer*  £0$ 

0  Freude  Aber  Freud'. 
Wir  Jiab'n  erlebt  die  Zeit, 
Da  ans  za  Trost  and  Frommen 
Der  ewig  Gott  ist  kommen 
Ins  Fleisch,  ohn'  alle  Sünden 
Mit  ans  sich  za  verbinden. 
Jungfrau  Maria  auserkoren, 
Die  hat  ihn  za  der  Welt  gebor'n. 

0  süsser  Jesu  Christ, 
Der  da  Mensch  worden  bist, 
Der  Schlang  den  Kopf  zertreten, 
Beim  Vater  ans  verbeten, 
Sein  Huld  and  Gnsd'  erworben, 
Sonst  waren  wir  verdorben: 
Gieb  Gnad\  dass  wir  auch  loben  dich 
Dafür  zeitlich  und  ewiglich. 

Bekannter  als  dieses  um  Eccard  gesammelte  Dichtertriumvirat  des 
16.  Jahrhunderts,  von  dem  in  das  neue  Gesangbuch  kein  Glied  Aufnahme 
finden  soll,  sind  zwei  jüngere  Männer  geworden,  die  zwischen  jenen 
älteren  Königsberger  Dichtern  und  der  späteren  preußischen  Dichter- 
schule zeitlich  und  sachlich  in  der  Mitte  stehen:  Valentin  Thilo  der 
Aeltere  und  Georg  Weissei.  Der  erstgenannte,  1579  zu  Zinten  ge- 
boren und  1620  als  Diakonus  der  Altstadt  hier  gestorben,  hat  allerdings 
das  Mißgeschick  (oder  vielleicht  richtiger  Ungeschick)  gehabt,  einen 
Sohn  mit  seinem  eigenen  Vornamen  zu  taufen,  der  gleichfalls  ein  frucht- 
barer Liederdichter  geworden  ist  und  nun  in  vielen  seiner  Dichtungen 
nicht  mehr  vom  Vater  unterschieden  werden  kann.  Eine  anziehende 
Erscheinung  ist  Georg  Weissei/)  1590  in  Domnau  geboren  und  1635 
als  erster  Pfarrer  der  1623  gegründeten  Altrossgärter  Parochie  verstorben. 
Ein  grundgelehrter  Theolog  —  er  hatte  nach  dem  in  Königsberg  ver- 
brachten Triennium  hoch  in  Wittenberg,  Leipzig,  Jena,  Strassburg,  Basel 
und  Marburg  studiert  und  war,  den  Dreissigern  nahe,  nach  dreijähriger 
Schulmeisterthätigkeit  noch  einmal  nach  Königsberg  zurückgekehrt  „um 
sieb  in  seinen  Studiis  noch  besser  festzusetzen"  —  ein  grundgelehrter 

')  Vgl.  Lic.  Dr.  E.  A.  F.  Kahle,  Georg  Weiasel.  Ein  Zeit-  und  Sanggenosse  Simon 
Dach's.    Vortrag,  abgedruckt  in  der  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  IV.  1867.  S.  430—463, 


110  Königsberger  Kirchenliederdichter  and  Kirchenkomponisten. 

Theolog  ist  er  in  den  zelotischen  Kämpfen  der  damaligen  streitsüchtigen 
Schultheologie  doch  eine  Friedensgestalt.  Seine  Lieder  bekunden  Glaubens- 
kraft und  Tiefe,  daneben  unleugbare  dichterische  Begabung  und  verhält- 
nissmässige  Formgewandtheit.  Unter  uns  leben  noch  fort  das  glaubens- 
gewisse: „Kurz  ist  die  Zeit,  kurz  sind  die  Jahr'",  das  zuversichtliche: 

Such,  wer  da  will  : 

Ein  ander  Ziel 
Die  Seligkeit  zu  finden; 
Mein  Herz  allein 
Bedacht  soll  sein 
Auf  Christum  sich  zu  gründen. 
Sein  Wort  ist  wahr, 
Sein'  Werk1  sind  klar, 
Sein  heiFger  Mund 
Hat  Kraft  und  Grund, 
AU1  Feind1  zu  überwinden. 

Endlich  die  Krone  der  Adventslieder  ist  ihm  zu  schmieden  gegeben 
worden : 

Macht  hoch  die  Thor,  die  Thor  macht  weit, 
Es  kommt  der  Herr  der  Herrlichkeit, 
Ein  König  aller  Königreich, 
Ein  Heiland  aller  Welt  zugleich, 
Der  Heil  und  Leben  mit  sich  bringt; 
Derhalben  jauchzt,  mit  Freuden  singt: 

Gelobet  sei  mein  Gott, 

Mein  Schöpfer  reich  von  Rat 

Er  ist  gerecht,  ein  Helfer  wert, 
Sanftmütigkeit  ist  sein  Gefährt, 
Sein1"  Königskron  ist  Heiligkeit, 
Sein  Scepter  ist  Barmherzigkeit; 
AU  unare  Not  zu  End'  er  bringt, 
Derhalben  jauchzt,  mit  Freuden  singt: 

Gelobet  sei  mein  Gott, 

Mein  Heiland,  gross  von  That. 

0  wohl  dem  Land,  o  wohl  der  Stadt, 
So  diesen  König  bei  sich  hat! 
Wohl  allen  Herzen  insgemein, 
Da  dieser  König  ziehet  ein! 


^r 


Von  Prof,  Dr.  Friedrich  Zimmer.  211 

Er  ist  die  rechte  Freudensonn', 

Bringt  mit  sich  lauter  Freud1  und  Wonn'. 

Gelobet  sei  mein  Gott, 

Mein  Tröster,  früh  mid  spat! 

Bei  Weisse],  der  mit  dem  um  zehn  Jahre  älteren  Stobaeus  in  Freund- 
schaft verbunden  und  wie  dieser  ein  Schüler  Eccard's  war,  macht  sich  die 
musikalische  Schulung  deutlich  bemerkbar.  Welchen  geradezu  melodi- 
schen Schwung  hat  doch  das  eben  mitgeteilte  Lied !  Und  bewundernswert 
ist  namentlich  der  Feinsinn,  mit  dem  es  Weissei  verstanden  hat,  Eccard- 
schen  Gelegenheitskompositionen  neue  Texte  unterzulegen,  die  sich  allen 
Wendungen  des  Tonsatzes  aufs  genaueste  und  glücklichste  anschmiegen. 

Der  äusseren  Arbeitsgemeinschaft  zwischen  Dichter  und  Komponisten 
entspricht  hier  deutlich  eine  Gemeinsamkeit  der  künstlerischen  Empfin- 
dung, und  dieses  gemeinschaftliche  Schaffen  hat  beide  Teile  befruchtet, 
hier  wie  bei  den  Späteren.  Und  ich  meine,  den  beiden  mit  Weissei 
ungefähr  gleichzeitigen  Kirchenliederdichtern,  die  aber  aus  unbekannten 
Gründen  mit  den  Tonsetzern  in  keine  nähere  Berührung  gekommen  sind, 
merkt  man  das  ab,  nicht  zu  ihrem  Vorteil.  Es  waren  Georg  Werner, 
geb.  1589  zu  Pr.  Holland,  gestorben  1653  als  Diakonus  im  Löbenicht, 
von  dem  in  das  neue  Gesangbuch  zwei  Lieder  aufgenommen  werden 
sollen,  und  Bernhard  Derschau,  geb.  1591  in  Königsberg  und  hier 
1639  als  Pfarrer  der  Altstadt  gestorben,  der  mit  einem  Kommunions- 
liede  im  neuen  Gesangbuch  vertreten  sein  wird. 

In  die  dreissiger  Jahre  des  siebzehnten  Jahrhunderts,  in  die  Zeit 
also,  wo  ganz  Deutschland  durch  die  Furien  des  grossen  Religionskrieges 
auf  das  entsetzlichste  verheert  wurde,  Königsberg  jedoch,  trotz  wieder- 
holter vorübergehender  Bedrängnisse  im  ganzen,  wie  oin  Friedenshafen  bei 
stürmischer  See,  leidlich  Buhe  und  Sicherheit  gewährte,  darum  auch  der 
Zufluchtsort  Vieler  war  und  namentlich  eine  nie  wieder  erreichte  Blüte- 
zeit der  Universität  erlebte,  —  in  diese  Zeit  fällt  die  Stiftung  und 
fruchtbringende  Wirksamkeit  der  preussischen  Dichterschule,  der 
die  Kirchenliederdichtung  wertvolle  Beiträge  verdankt. I0) 


10)  Vgl.  H.  Jacoby,  Das  geistige  Leben  Königsbergs  in  der  Zeit  des  dreissig-  i 

jährigen  Krieges.    „Die  Grewboten."  1877.  8.  121—139. 


L 


It2  ltöD»g»berger  Kirchenliederdiehter  and  Kirchenkomponistea. 

Zwar  keineswegs  ihr  Haupt,  aber  doch  ihr  dichterisch  am  meisten 
begabtes  und  thätigstes  Mitglied  ist  der  durch  die  um  seinen  Namen 
gewobene  Äennchen-von-Tharau-Mythe  allbekannte  Simon  Dach.  1605 
in  Memel  geboren,  seit  1633  Eollaborator  an  der  Domschule,  seit  1639 
Professor  der  Poesie  an  der  Albertus-Universität  bis  zu  seinem  1659  er- 
folgten Tode,  sein  ganzes  Leben  über  in  den  dürftigsten  Verhältnissen  — 
auch  als  Professor  hatte  er  neben  einigem  Holz-  und  Korn-Deputat  nur 
100  Thaler  Gehalt .  —  durch  die  Not  zur  Versfabrikation  getrieben, 
durch  die  Freundschaft  seiner  dichterischen  und  musikalischen  Genossen 
zur  wahrhaften  Dichtung  erweckt  —  das  ist  in  kurzen  Strichen  der 
Mann,  der  in  weiten  Kreisen  allein  als  Königsberger  Dichter  bekannt 
ist.  Er  war,  wie  ihn  sein  Biograph  Oesterley  ")  treffend  charakterisiert, 
„ein  frommgläubiger  Christ,  ein  hingebender,  für  jede  Wohlthat  dank- 
barer Freund,  der  beste  Gatte  und  Vater,  der  treueste  Unterthan  seines 
Kurfürsten,  aber  ohne  jede  andere  Energie,  als  die,  in  kindlichem  Ver- 
trauen seine  Gönner  und  Freunde  um  Hilfe  anzusprechen,  wo  er  sich 
selbst  nicht  helfen  konnte.  Dabei  lebte  er  bis  auf  den  Verkehr  in 
seiner  Familie  und  seinem  Freundeskreise  ein  fast  ausschliesslich  inner- 
liches Leben,  er  war  eine  so  durchaus  subjektiv  angelegte  Natur,  dass 
er  den  Ereignissen  der  Aussenwelt  völlig  fern  blieb,  wenn  sie  ihn  nicht 
persönlich  berührten.  Den  grossen  kirchlichen  Streitfragen  seiner  Zeit 
schenkte  er  keine  Teilnahme  und  verkehrte  mit  der  einen  Partei  so 
friedlich,  wie  mit  der  andern ;  die  tiefgehenden  politischen  Händel  blieben 
ihm  so  fremd,  dass  ihn  nicht  einmal  die  Zerwürfnisse  zwischen  dem 
Kurfürsten  und  der  Stadt  Königsberg  berührten,  die  ihn  doch  nahe  genug 
angingen;  die  sein  ganzes  Jahrhundert  aufwühlenden  Kriegsereignisse 
entlockten  ihm  nur  den  Ausdruck  der  Freude  darüber,  dass  die  Heimath 
von  der  Kriegsnot  verschont  geblieben  war  .  .  .  Nur  die  pestartigen 
Krankheiten,  die  in  Königsberg  und  ganz  Preussen  so  entsetzliche  Ver- 
heerungen anrichteten,  machten  einen  tieferen  Eindruck  auf  ihn,  aber 
hauptsächlich,  weil  er  selbst  von  ihnen  ergriffen  wurde  und  vor  ihnen 


")  „Simon  Dach,  seine  Freunde  und  Johann  Roling.M    Berlin  and  Stattgart 
Spemann.    (30.  Bd.  der  „Deutsehen  Nationalliteratur".) 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  U3 

fluchten  musste,  weil  sie  seine  liebsten  Freunde  hinwegrafften  und  weil 
ihm  das  unaufhörliche  dumpfe  Tönen  der  Totenglocken  ins  Herz  drang." 
Diese    Subjectivität   charakterisiert   mit   dem  Menschen    zugleich    den 
Dichter,  der  so  naturnothwendig  Lyriker  wurde,  aber  auch  Lyriker  blieb. 
„Die  ihm  angeborene  und  seit  früher  Jugend  geübte  Leichtigkeit  in  der 
Behandlung  der  Form  lässt  ihn  aussei  lieh  fast  immer  liebenswürdig, 
glatt  und  formenschön  erscheinen,  wie  er  innerlich  stets  edel  und  rein, 
innig  und  zart  war,  aber  nur  selten  zu  dem  höheren  Fluge  der  Ode 
oder  des  Dithyrambus  sich  aufschwingen  konnte;  und  die  Bestimmung 
seiner  Lieder  für  den  Vortrag  durch  Gesang  gab  denselben  Abrundung, 
Fülle  und  Wohlklang,  während  die  unablässige  Beschäftigung  mit  den 
Gedanken  des  Todes  über  seine  Dichtungen  einen  Hauch  weicher  Trauer 
verbreitete,  der  selbst  in  seineu  weltlichen  Gedichten  als  ein  Ton  sanfter 
Resignation  wiederzuerkennen  ist  und  nur  in  ganz  vereinzelten  Fällen 
von  einer  wirklichen  warmen  und  herzlichen  Fröhlichkeit  verdrängt  wird." 
Von  Dach 's  geistlichen  Liedern  sind  gegenwärtig  noch  eine  ziem- 
liche Anzahl  im  kirchlichen  Gebrauch.  Die  bekanntesten  dürften  sein: 
„Ich  bin  bei  Gott  in  Gnaden",  die  liedförmige  Wiedergabe  des  paulinischen 
Siegeshymnus  Rom.  8,  31  ff.,  dann  das  sehnsüchtige  „0  wie  selig  seid 
ihr  doch  ihr  Frommen,  die  ihr  durch  den  Tod  zu  Gott  gekommen;  ihr 
seid  entgangen  aller  Not,  die  uns  noch  hält  gefangen".    Endlich  ein 
Lied,  das  in  jeder  Weise  für  Dach  und  seine  Genossen  bezeichnend  ist, 
ist  das  Sterbelied,  das  er  seinem  innig  geliebten  Freunde  und  Gönner, 
Robert  Robertin,  einem  feingebildeten  und  selbst  dichterisch  thätigen 
Manne,  der  in  Dach  den  Born  der  Dichtung  erschlossen  hatte  und  des 
Dichterkreises  Vater   und  Haupt  war,   auf  Begehren  desselben  schon 
mehrere  Jahre  vor  seinem  Hinscheiden  gedichtet  hat,  und  das  dann  mit 
einer  ergreifenden  Komposition  Albert's  wirklich  bei  Robertin's  1648  er- 
folgtem Tode  gesungen  wurde.    Es  lautet  (verkürzt): 

Ich  bin  ja,  Herr,  in  deiner  Macht, 
Da  hast  mich  an  das  Licht  gebracht, 
Da  unterhaltet  mir  auch  das  Leben, 
Da  kennest  meiner  Monden  Zahl, 
Weißst,  wann  ich  diesem  Jammerthal 
Aach  wieder  gute  Nacht  muss  geben. 

AJtpr.  MonfttMehrift  Bd.  XXIL  Hft.  I  u.  2.  „  8 


114  Königsberger  Kirchenliederdichter  and  Kirchenkomponisten. 

Wo,  wie  and  wann  ich  sterben  soll, 
Das  weiset  da,  Vater,  mehr  als  wohl. 

Mich  dünkt,  da  lieg1  ich  schon  vor  mir 
In  grosser  Hitz\  ohn'  Kraft,  ohn'  Zier, 
Mit  höchster  Herzensangst  befallen; 
Gehör  und  Bede  nehmen  ab, 
Die  Augen  werden  wie  ein  Grab, 
Doch  kränkt  die  Sünde  mich  vor  allen; 
Des  Satans  Anklag*  hat  nicht  Rah, 
Setzt  mir  auch  mit  Versuchung  zu. 

Ich  höre  der  Posaunen  Ton 
Und  seh  auch  den  Gerichtstag  schon, 
Der  mir  auch  wird  ein  Urteil  fällen. 
Hier  weiset  mein  Gewisseusbach, 
Dort  aber  des  Gesetzes  Fluch 
Mich  Sündenkind  hinab  zur  Höllen. 
Wer  hilft  mir  sonst  in  dieser  Not, 
Wo  du  nicht,  Gott,  da  Todes  Tod? 

Herr  Jesu,  ich  dein  teures  Gut 
Bezeag  es  selbst  mit  meinem  Blat, 
Dass  ich  der  Sünde  nicht  gehöre. 
Was  schont  der  Satan  meiner  nicht 
Und  schreckt  mich  durch  das  Zorngericht? 
Komm,  rette  deines  Leidens  Ehre! 
Was  giebest  da  mich  fremder  Hand 
Und  hast  so  viel  an  mich  gewandt? 

Nein,  nein,  ich  weiss  gewiss,  mein  Heil, 
Da  lassest  mich,  dein  wahres  Teil, 
In  deinem  Schosse  selig  sitzen. 
Hier  lach*  ich  aller  Angst  and  Not, 
Es  mag  Gesetz,  Höir  oder  Tod  / 

Auf  mich  her  donnern  oder  blitzen. 
Dieweil  ich  lebte,  war  ich  dein, 
Jetzt  kann  ich  keines  Fremden  sein.  — 

Der  dichterische  Freundeskreis,  in  und  mit  dem  Dach  lebte  und 
dichtete,  bestand  wahrscheinlich  aus  zwölf  Gliedern,  denen  Heinrich 
Albert  in  seinem  Garten  auf  den  Hufen  auf  zwölf  Kürbisse  einen  Denk- 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  U5 

vers  schrieb.  Der  schon  genannte  Eobertin  hatte  die  Anregung  zu 
Bildung  des  Dichterbundes  gegeben;  er  blieb  auch  der  Leiter  desselben. 
Das  für  die  Geschichte  der  Kirchenliederdichtung  bedeutendste  Mitglied 
war  nächst  Dach  Valentin  Thilo,  der  Sohn  des  gleichnamigen  schon 
genannten  Dichters,  1607  in  Königsberg  geboren  und  1662  als  Pro- 
fessor der  Beredtsamkeit  gestorben.  Am  bekanntesten  sind  von  ihm 
die  Lieder:  „Gross  ist  Herr  deine  Güte"  und  „Mit  Ernst,  ihr  Menschen- 
kinder, das  Herz  in  euch  bestellt".  Die  übrigen  Mitglieder  des  Bundes 
sind  mit  Ausnahme  von  Heinrich  Albert,  den  wir  unter  den  Tonsetzern 
noch  besonders  zu  erwähnen  haben,  meistens  vergessen:  Georg  Mylius, 
ein  Königsberger,  der  1640  als  Pfarrer  des  benachbarten  Brandenburg 
27  Jahre  alt  starb;  Christoph  Caldenbach,  Prorector  der  altstädti- 
schen Schule,  nachher  Professor  der  Poesie,  Geschichte  und  Beredsamkeit 
in  Tübingen,  zugleich  als  Komponist  thätig;  Andreas  Adersbacb, 
J.  P.  Titz  oder  Titius  u.  a. 

Als  Dichter  dem  Bunde  angehörig,  aber  gerade  als  Komponist  für 
denselben  in  besonderer  Weise  fruchtbar,  war  Heingrich  Albert,  der 
in  der  Kirche   durch   seine   gedichteten,   wie  seine  gesungenen  Lieder 
gleich  bekannt  geworden  und  geblieben  ist.   Eines  derselben  gehört  zu 
den  „Achtzig  Kirchenliedern    der   preussischen  Regulative44   und   wird 
wohl  in  jeder  evangelischen  Schule  Preussens  gelernt:  „Gott  des  Himmels 
und  der  Erden".  Die  Melodie  des*  Liedes,  ebenfalls  von  Albert  stammend, 
ist  bekanntlich  so  beliebt  und  so  vielen  andern  Kirchenliedern  unter- 
gelegt, dass  nur  wenige  Sonntage  vergehen  dürften,  an  denen  nicht  in 
der  einen   oder  anderen  Gemeinde  ein  Lied  in  diesem  Ton  gesungen 
würde.   Besonders  als  Erfinder  von  kirchlichen  und  weltlichen  Melodieen 
ist  Albert  bedeutend,  weniger  als  Setzer.    „Die  Gabe,  welche  Stobäus, 
zumal  aber  Eccard,  in  hohem  Maße  besass,  in  fremde  Melodieen  sich 
hinein  zu  empfinden  und  von  innen  "heraus  sie  durch  Harmonie  zu  be- 
leben,  war  ihm  nicht  verliehen.  ...  Er  versäumt  meistenteils,  was 
Eccard   und   Stobäus   so   erfolgreich  gethan,   die  melodischen  Grund- 
gedanken für  seine  begleitenden  Stimmen  aus  der  Hauptmelodie  zu  ent- 
lehnen, deren  Gang  dadurch  vorzudeuten,  ihn  nachzuahmen  und  so  an 
geeigneter  Stelle  auch  den  Zusammenklängen  grösseren  Nachdruck  zu 

geben44  (v.  Winterfeld). 

8* 


2X6  Rünigsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

Die  Bedeutung  Albert's  für  die  Musikgeschichte  Königsbergs  liegt 
darin,  dass  er  ein  ganz  neues  Element  musikalischer  Darstellung  hierher 
verpflanzte,  nämlich  die  Kunst  der  italienischen  Schule  des  Venediger 
Meisters  Johann  Gabrieli.  1604  in  Lobenstein  im  Voigtlande  geboren 
als  Neffe  des  berühmten  Heinrich  Schutz,  des  Vorläufers  der  um  gerade 
hundert  Jahre  später  in  die  Welt  getretenen  Grossmeister  Händel  und 
Bach,  war  Albert  seines  Oheims  Schüler  gewesen  und  durch  diesen  so 
tief  in  die  italienische  Kompositionsweise  eingetaucht,  dass  er  trotz 
seiner  Bewunderung  der  Eccard-Stobäus'scheu  Satzart  und  trotz  des 
wohl  unverkennbaren  Strebens,  von  ihnen  zu  lernen,  den  Grundtypus 
der  italienischen  Schule  nie  verloren  hat.  Wirklich  bot  diese  Schule 
in  dem  doppelten  Streben,  einmal  nach  redegemäßera  Ausdruck,  anderer- 
seits nach  Zierlichkeit  und  Kehlfertigkeit  wertvolle  Elemente  zu  einer 
Weiterbildung  der  Musik.  Und  dieselben  sind  in  unserer  Provinz  nicht 
auf  unfruchtbaren  Boden  gefallen.  Zweierlei  kam  ihrer  günstigen  Ent- 
faltung hier  zu  statten.  Die  schwere  Kunst  eines  Eccard  —  das  ist 
das  eine  —  erforderte  durchgeistete  und  geniale  Musiker  zu  ihrer  Pflege 
schon,  um  so  mehr  zu  ihrer  Fortbildung.  Aber  die  Grösse  Eccard's 
und  seines  „Fundamentaldiscipels"  Stobaeus  hat  von  ihren  Nachfolgern 
keiner  wieder  erreicht.  Es  sind  achtenswerte  Musiker,  ein  Caspar  Case 
des  Stobaeus  Nachfolger  im  Kapellmeister- Amt,  Georg  Colb,  der  früh 
verstorbene,  und  die  wackeren  Kantoren- der  Altstadt:  Jonas  Zorn  ich  t, 
Johann  Tragner,  Georg  Hucke,  Conrad  Matthaei,  von  kleineren 
Geistern  abgesehen;  und  namentlich  Johann  Weichmann,  ein  Pommer, 
der  während  der  Jahre  1647 — 52  dieses  Kantorat  verwaltete,  wird  in 
allen  Ehren  zu  nennen  und,  wie  ich  wünschte,  zu  halten,  resp.  in  die 
ihm  gebührende  Ehre  wieder  einzusetzen  sein,  denn  seine  grösseren 
Kompositionen,  die  in  der  hiesigen  Königl.  Bibliothek,  zum  Teil  noch 
im  Manuscript,  sich  befinden,  reihen  ihn  gleich  hinter  die  Häupter 
der  Preussischen  Tonschule.  Aber  erreicht  hat  er  sie  doch  nicht,  und 
dann  zeigt  gerade  er  in  seinen  kleineren  Kompositionen  den  entschie- 
denen Einfluss  der  durch  Albert  nach  Königsberg  gebrachten  italienischen 
Schule.  Der  grösste  Schüler  der  beiden  Meister  Eccard  und  Stobaeus 
ist  also  zugleich  in  die  Albert'sche  Schule  gegangen.   Zu  solchem  Ein- 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  117 

flusse  wirkte  noch  weiter  mit  —  und  das  ist  das  zweite  Moment,  das 
ich  zu  nennen  habe  —  die  Gunst  äusserer  Verhältnisse.  Albert  ge- 
hörte der  preussischen  Dichterschule  an;  seine  Kompositionen  boten  so- 
mit immer  die  neueste  Lyrik.  Ferner  schrieb  er  seine  Lieder  nicht  für 
die  'Kirche,  sondern  für  häusliche  Kreise  und  zwar  in  einer  für  diese 
recht  praktischen  Weise.  Denn  er  ist  der  erste,  so  viel  mir  bekannt, 
der  hier  in  Preussen  statt  in  Einzelstimmen  seine  Kompositionen  in 
Partitur  herausgab,  und  gleichfalls  der  erste,  der  eine  leichte  Instrumental- 
begleitung durch  Beifügung  des  Generalbasses  ermöglichte  und  durch 
praktische  Erläuterung  in  den  Vorreden  dem  musikalischen  Publikum 
empfahl.  Endlich  war  es  ihm  beschieden,  in  Deutschlands  schwerster, 
aber  Königsbergs  vielleicht  glücklichster  Zeit  hier  wenigstens  ein  Viertel- 
jahrhundert, von  1626  bis  zu  seinem  1655  —  nach  anderen  Angaben 
1651,  1656  oder  gar  erst  1668  —  erfolgten  Tode,  in  Friede,  Freund- 
schaft und  Anerkennung  zu  schaffen.  Das  Werk,  das  ihn  vor  allem 
bekannt  gemacht  hat,  erschien  in  acht  Teilen  1638—48  unter  dem  Titel: 
„Arien  oder  Melodeyen  etlicher  theils  Geistlicher,  theils  Weltlicher,  zur 
Andacht,  guten  Sitten,  keuscher  Liebe  und  Ehrenlust  dienender  Lieder; 
in  ein  Positiv,  Clavicyinbal,  Theorbe  oder  anderes  vollstimmiges  Instru- 
ment zu  singen  gesetzet  2c.u  Es  ist  nicht  bloss  musikgeschichtlich  von 
grossem  Wert,  sondern  zugleich  als  Spiegel  damaligen  Königsberger 
Familienlebens  von  hohem  Interesse.  Wir  sehen  daraus,  dass  schon 
damals  hier  nicht  weniger  wie  heute  musiciert,  jedenfalls  aber  mehr 
gesungen  wurde  wie  im  modernen  Königsberg,  und  dass  die  Hausmusik, 
der  es  an  allerlei  schelmischen  Liedern  nicht  gefehlt  hat,  doch  auch 
der  Weihe  der  Lieder  der  Anbetung  nicht  entbehrte.  Und  darin  ist  jene 
Zeit  der  unsrigen  voraus  gewesen.  Hätten  wir  noch  solche  geistliche 
Hausmusik,  wir  wären  selbst  musikalisch  weiter! 

Albert  hat  sowohl  als  Komponist  wie  als  Dichter  die  Stellung  eines 
lebendigen  Ueberleiters ;  als  Komponist  sachlich,  da  er  mit  seinem  Streben 
sich  an  die  Art  des  Eccard  und  Stobaeus  anzuschliessen  die  neue  ita- 
lienische Weise  verbindet  und  dieser  damit  zur  Herrschaft  verhilft;  als 
Dichter  wenigstens  zeitlich,  denn  da  er  die  Glieder  des  Dichterbundes 
grösstenteils  überlebte,  ist  er  das  Bindeglied  zwischen  ihm  und  seinen 


118  Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

beiden    Nachkömmlingen;   Jobann  Köling  und  Michael  Eongehl. 
Ueber  diese  beiden  nur  ein  kurzes  Wort. 

Köling,  ein  Holsteiner,  geboren  1634,  Dach's  Nachfolger  in  der 
Professur  der  Poesie  wie  in  der  Prosa  dieser  Professur  mit  ihrem  schmalen 
Gehalt  und  ihrer  Nötigung  zu  einer  unerquicklichen  Gelegenheitsreimerei, 
steht  in  seinen  geistlichen  Dichtungen  „in  der  Auffassungs-  und  Dar- 
stellungsweise, in  der  Wärme  der  Empfindung  und  der  Kraft  der  Ge- 
staltung, selbst  in  der  Schönheit  der  Form  und  des  Ausdrucks  der 
Gegenwart  so  nahe  wie  kaum  ein  andrer  Dichter  seiner  Zeit"  (Oesterley). 
Und  doch  ist  er  in  der  Gegenwart  ziemlich  vergessen,  wie  so  mancher, 
der  zu  seiner  Zeit  hoch  in  Ehren  gestanden.  Ihre  Stätte  kennet  sie 
nicht  mehr.  Auch  Michael  Kongehl,  geb.  1646  in  Kreuzburg,  ge- 
storben 1710  als  Bürgermeister  der  Altstadt,  seinerzeit  als  dramatischer 
Dichter  thätig  und  bekannt,  wie  kaum  einer  seiner  Königsberger  Vor- 
gänger und  Nachfolger,  ist  höchstens  noch  durch  sein  Kirchenlied  be- 
kannt: „Nur  frisch  hinein;  Es  wird  so  tief  nicht  sein". 

Wie  in  diesen  Männern  und  etwa  noch  in  Friedrich  von  Derschau 
(1644—1713),  dem  Dichter  des  Liedes  „Süsser  Trost  der  matten  Herzen", 
die  preussische  Dichterschule  nennenswerte  Ausläufer  gehabt  hat,  so  ist 
auch  noch  ein  Musiker  zu  erwähnen,  der,  mit  jenen  gleichzeitig  und 
z.  T.  zu  gemeinsamer  Arbeit  verbunden,  zwar  nicht  mehr  als  Glied  der 
preussischen  Touschule,  aber  doch  als  namhafter  Königsberger  Kom- 
ponist in  italienischer  Manier  und  somit  als  Nachfolger  Alberts  be- 
zeichnet werden  kann.  Es  ist  Johann  Sebastiani,  1622  zu  Weimar 
geboren,  seit  1650  in  Königsberg,  von  1661  an  als  Kapellmeister.  Seine 
eigentliche  Bedeutung  liegt  allerdings  nicht  auf  dem  Gebiete  der  Kirchen- 
musik, sondern  auf  dem  der  Tanzkomposition,  Was  Strauss,  Lanner 
und  Gungl  für  unsre  Zeit  sind,  war  er  für  die  seinige,  wenigstens  hier 
in  Königsberg,  wo  er  sich  schnell  und  gemütlich  eingelebt  hatte.  Immer- 
hin ist  er  auch  als  Kirchenkomponist  zu  nennen.  Die  Probe  aus  seinen 
1672  und  1675  erschienenen  „Parnaßblumen",  die  nachher  vorgeführt 
werden  wird,  wird  Ihren  Beifall  gewiss  finden.  Ueber  Sebastiani's 
giösstes,  uns  erhaltenes  Werk  weiss  ich  leider  nicht  aus  eigener  An- 
schauung zu  berichten.    Es  ist  eine  Matthäus-Passion  für  Soli,   Chor 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  JJ9 

und  Orchester,  die  im  17.  Jahrhundert  hier  und  auswärts  wiederholt 
aufgeführt  worden  ist.  Interessant  ist  die  Komposition  jedenfalls;  über 
ihren  Wert  aber  lauten  die  Urteile  der  wenigen,  die  sie  zu  unsrer  Zeit 
eingesehen  haben,  sehr  verschieden. 

Mit  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts  schliesst  die  Zeit  der  Grösse 
und  des  Glanzes  Königsbergs  in  der  Dichtung  und  Musik  wenigstens  auf 
kirchlichem  Gebiete  u).  Die  Zeit  ist  vorüber,  in  der  und  von  der  der 
Stifter  der  preussischen  Dichterschule  Bobert  Bobertia  rühmen  konnte: 

„Wir  müssen  zwar  entfernt  von  andern  Orten  leben, 
In  denen  Wärme  herrscht,  uns  deckt  der  kalte  Nord; 
Doch  hast  du  uns  gewollt  ein1  andre  Sonne  geben, 
Der-  Seelen  schönstes  Licht,  das  klare  Gnadenwort; 
Cnd  neben  diesem  Wort  hast  du  uns  mit  verliehen, 
Dass  guter  Künste  Brauch  hier  reichlich  ist  bekannt, 
Und  jedermann  gesteh1,  dass  in  dem  kalten  Preussen 
Mehr  geistlich  Singen  sei,  denn  sonsten  überall".  — 

Hochverehrte  Versammlung!  Ich  habe  nur  in  kurzen  Strichen  und 
mit  schlichtem  Wort  von  jener  grossen  Königsberger  Vergangenheit  er- 
zählt ;  aber  ich  meine,  die  hehren  Klänge,  die  wir  gestern  in  der  Dom- 
kirche vernommen  haben,  machen  jedes  Wort  des  Preisens  der  damaligen 
Kirchenmusik  unsrer  Stadt  entbehrlich.  So  weit  die  Musik  überhaupt 
andere  Gedanken  aufkommen  liess  als  die  hingebender  Versenkung 
und  heiliger  Anbetung,  ist  mir's  gewesen  als  sprächen  mit  ehernem 
Tone  Biesenmenschen  zu  uns,  einem  Zwerggeschlecht,  und  straften  uns 
und  sprächen:  Warum  vermögt  ihr  nicht  mehr  in  Tagen  des  Wohl- 
standes, was  wir  in  Zeiten  der  Armut  gethan?  Warum  habt  ihr  nicht 
mehr  Chöre  in  Euren  Kirchen,  die  die  bekümmerten  Herzen,  für  die 
das  Trostes  wort  nicht  ausreicht,  mit  himmlischen  Klängen  erquicken 
und  aufrichten  und  die  harten  Herzen  weich  machen  und  die  erstarreten 
schmelzen  ?  Warum  vereint  ihr  euch  nicht  mehr  in  euren  Häusern  zum 
singenden  Preise  der  unaussprechlichen  Gnade  Eures  Schöpfers  und 
Heilandes?  Und  warum  lasst  ihr  eure  Verstorbenen  ins  letzte  Bettlein 


1Z)  Uebcr  die  musikalische  Schulung  jener  Zeit  Tgl.  0.  Ungewitter,  „Das  Enchiri- 
dion  musicum  von  Laurentius  Ribovius,  Königsberg  1634"  in  der  Altpr.  Monats- 
schrift Bd.  V.  1868.  S.  331—338. 


120  Königsberger  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

legen  mit  hohlem,  verzweiflungsvollem  Pomp,  aber  ohne  den  herztrösten- 
den Klang  des  Chorals  und  des  Bibelspruchs?  Hochverehrte  Ver- 
sammlung!  Wissen  Sie  darauf  die  Antwort?  — 

lieber  die  kirchliche  Dichtung  und  die  Kirchenmusik  des  vorigen 
und  des  gegenwärtigen  Jahrhunderts  darf  ich  mit  wenigen  Worten 
hinweggehen.  Dem  Gemeindegesange  hat  nur  noch  das  vergangene 
Jahrhundert  einigen  Stoff  zugeführt  Einer  der  bedeutendsten  deutscheu 
Humoristen,  dem  aber  auch  der  Ernst  des  Lebens  und  Sterbens  vor 
Augen  gestanden,  hat  uns  das  Lied  hinterlassen:  „Noch  leb1  ich;  ob 
ich  morgen  lebe,  ob  diesen' Abend,  weiss  ich  nicht".  Es  war  Theodor 
Gottlieb  v.  Hippel,  geboren  1741  in  Gerdauen  und  1796  hier  in 
Königsberg  gestorben  als  Bürgermeister,  Polizeidirektor,  Kriegsrat  und 
Stadtpräsident.  Die  Tonweisen  der  früheren  Zeiten  hat  ein  Kantor  der 
Domkirche,  Joh.  Heinr.  Kirchhoff  (1692—1753)  in  der  ersten  Hälfte 
des  vorigen  Jahrhunderts  treulich  gesammelt  und  um  einige  vermehrt. 
Namentlich  die  Melodie  zum  Liede  „Gross  ist  Herr  deine  Güte11  stammt 
von  ihm  ").  Sonst  weiss  ich  aus  der  Kirchenmusik  des  vorigen  Säculums 
nur  noch  die  damals  hier  eingewanderte  Familie  Zander  zu  nennen 
aus  der  mehrere  Glieder  teils  schaffend,  teils  ausübend  gewirkt  haben. 

Unser  Jahrhundert  hat  mit  dem  Eingehen  ständiger,  besoldeter 
Kirchenchöre  auch  die  Kirchenmusik  verloren.  Motetten,  Psalme  und 
dergleichen,  die  Männer  wie  Saemann,  Paetzold,  Sobolewski, 
Jensen,  Hahn,  Nicolai  und  Hermann  Goetz  komponiert  haben, 
sind  entweder  nur  Gelegenheitskompositionen,  oder  geistliche  Konzert-, 
keine  Kirchen-  d.  h.  gottesdienstliche  Musik.  Das  gilt  namentlich  von 
der  in  seiner  Weise  grossartigen  Komposition  des  137.  Psalms  von  dem 
seiner  Kunst  zu  früh  entrissenen  H.  Goetz  und  von  den  kleinen  Oratorien 
von  Eduard  Sobolewski.  Letztere  sind  überraschend  schnell  in 
Vergessenheit  geraten  —  die  nachher  mitzuteilende  Probe  mag  es  Ihnen 
sagen,  ob  mit  Recht. 

Und  somit  ständen  wir  bei  der  Kirchenmusik  der  Gegenwart.  Ueber 
das,  was  jetzt  hier  darin  geschieht,  schweige  ich,  denn  es  vollzieht  sich 

13)  Vgl.  0.  Ungewitter,  „Die  Königsberger  geistlichen  Melodienbücher  des 
J8.  Jahrhundert»"  in  der  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  VII.  1870.  S.  1—12. 


Von  Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer.  121 

unter  Ihrer  aller  Augeu.  Nur  das  eine  lassen  Sie  mich  sagen,  denn 
in  herzlichster  Freude  und  Dankbarkeit  bin  ich  gedrangen,  es  auszu- 
sprechen: unser  junger  „Evangelischer  Verein  für  geistliche  und  Kirchen- 
musik der  Provinzen  Ost-  und  Westpreussen"  hat  bei  den  Dirigenten 
und  den  ausübenden  Sängern  und  Sängerinnen,  die  er  um  ihre  Hülfe 
gebeten,  eine  Bereitwilligkeit  und  eine  Opferfreudigkeit  gefunden,  für 
die  wir  nicht  Worte  des  Dankes  und  Lobes  genug  haben.  Die  Freudig- 
keit ist  da  zum  Dienst  im  Heiligtum!  Es  weiss  eben  ein  jeder,  der 
in  der  Kirche  dirigiert  und  singt  im  Wechsel  mit  der  mitsingenden 
und  mitbetenden  Gemeinde,  er  thut  es  Gott  zu  Ehren  und  sich  und 
der  Gemeinde  zu  Erbauung.  Und  das  ist  doch  ein  ander  Ding,  als  im 
Konzertsaal  oder  auf  der  Bühne  nach  dem  Beifall  eines  unberechen- 
baren Publikums  und  der  Gunst  eines  —  wenn  auch  vielleicht  nicht 
ebenso  unberechenbaren  —  Zeitungsrecensenten  haschen  zu  müssen. 

Gerade  in  der  Gegenwart  ist  die  Kirchenmusik  ein  Labsal  sowohl 
für  den  Sängerchor,  wie  für  die  predigtmüde  und  nach  anbetender  Feier 
sich  sehnende  Gemeinde.  Ergreifen  wir  jetzt  die  Zeit  nicht,  kehrt  sie 
vielleicht  nie  wieder.  Und  ich  sage  es,  nicht  als  Musiker,  sondern  als 
Theologe,  die  Kirche  wird  es  aufs  bitterste  bereuen  müssen,  wenn  nicht 
mit  dem  falschen  Begriff  des  Gemeindegottesdienstes,  als  sei  er,  mit 
der  Predigt  als  Mittelpunkt,  eine  religiöse  Lehrunterweisung,  anstatt  ein 
Akt  der  gemeinsamen  Gottesverehruug,  bei  dem  dann  freilich  das  Ele- 
ment der  Chormitwirkung  kaum  zu  entbehren  ist  —  wenn  nicht  damit 
bald  und  gründlich  aufgeräumt  wird  in  Praxis  und  Theorie*  Es  ist  die 
letzte  Stunde!  Aber  hoffen  wir,  dass  die  frische  Thätigkeit  unseres 
Vereins  für  Kirchenmusik  und  seiner  aufopferungsfähigen  und  opfer- 
willigen Helfer  und  Helferinnen  nicht  das  Spätrot  bedeutet,  mit  dem 
Königsbergs  grosse  kirchenmusikalische  Vergangenheit  in  ewige  Nacht 
versinkt,  sondern  das  Morgenrot  einer  neuen  Blütezeit  kirchlicher  Dichtung 
und  Tonkunst,  zur  Ehre  Gottes  und  zur  Erbauung  seiner  Gemeinde!14) 


u)  Die  oben  in  Note  1  angekündigten  Programme  werden,  um  hier  Wieder- 
holungen der  Texte  zu  vermeiden,  einem  Separat-Abdruck  als  Anlage  beigegeben. 

Die  Red. 


Der  preussisehe  Staatsrath  und  seine  erste  That 

im  Jahre  1817. 

Von 

E  • .  •  d. 

Nachdem  „auf.  Befehl  des  Königs11,  wie  die  amtliche  Formel  lautet, 
der  Staatsrath  wieder  zusammengetreten  ist,  mag  es  wohl  zeitgemäss 
erscheinen,  einen  fluchtigen  Rückblick  auf  die  Gründung  und  Entwicke- 
lung  einer  Institution  zu  werfen,  welcher  von  den  in  konstitutionellen 
Fragen  erfahrenen  Engländern  bei  Gelegenheit  ihrer  Reaktivirung  sofort 
eine  hohe  Bedeutung  für  die  Ausbildung  des  Yerfassungsrechts  sowohl 
im  preussischen  Staate  als  auch  im  deutschen  Reiche  zugeschrieben 
worden  ist.  Die  Begründung  und  Entwickelung  dieses  Gedankens  und 
seine  Prüfung  gehört  selbstredend  nicht  in  eine  Zeitschrift,  welche  der 
Geschichte  gewidmet  ist.  Für  denkende  Leser  wird  es  aber  nicht  blos 
von  Interesse  sein,  sich  daran  zu  erinnern,  in  welchem  Zusammenhange 
die  Institution  mit  der  Restauration  des  preussischen  Staates  gestanden 
hat.  Diese  Erinnerung  wird  vielmehr  auch  einen  Fingerzeig  für  die 
Beantwortung  der  Frage  geben,  ob  die  Reaktivirung  eines  Faktors  des 
Staatslebens,  der  ein  volles  Menschenalter  hindurch  nahezu  in  Vergessen- 
heit gerathen  war,  die  Bedeutung  für  die  weitere  Fortbildung  desselben 
erlangen  kann,  soll  und  wird,  welche  von  manchen  Seiten  ihr  zuge- 
schrieben wird. 

Auch  mit  dem  provinziellen  Leben,  dem  diese  Blätter  vorzugsweise 
gewidmet  sind,  steht  die  ganze  Institution  in  einem  weit  näheren  Zu- 
sammenhange, als  man  auf  den  ersten  Blick  annehmen  sollte.  Einmal 
ist  der  Gedanke,  neben  der  in  der  grossen  Reformperiode  1808  geläuterten 


Der  preußische  Staafcsrath  und  seine  erste  That  i.  J.  1817,  123 

und  auf  feste  Grundlagen  gestellten  Institution  des  Staatsministeriums 
noch  eine  völlig  unabhängige  höchste   berathende   Körperschaft   dem 
Könige  zu  schaffen,  um  ihn  vor  illegitimen  Einwirkungen  und  vor  den 
Irrthümern  seiner  Minister  gleichmässig  zu  bewahren,  gerade  hier  ent- 
standen und  ausgearbeitet  worden.    Dieser  Gedanke  ist  ein  Hauptstück 
der  Reform,  welche  Stein  in  Preussen  mit  seinen  Gehülfen  zu  Stande 
brachte,  und  er  gehört  daher  in  eminentem  Sinne  den  grossartigen  Thaten 
an,  durch  welche  der  zertrümmerte  alte  Staat  in  dem  engen  Kreise  der 
fast  allein  geretteten  Provinz  wiederhergestellt  wurde.    Dann  aber  ist 
darauf  zu  verweisen,  dass  derselbe  Gedanke,  lange  von  unberechtigter 
Reaktion  zurückgedrängt,  dann  endlich  nach  Beendigung  der  Freiheits- 
kriege   sich   siegreich  Bahn   brechend,   zuerst  zu  einer  Befreiungsthat 
führte,  die  wie  kaum  eine  andere  gerade  dem  Wesen  und  den  vitalen 
Interessen  dieser  Provinz  entspricht,  und  die  gerade  heute  wieder  voll- 
ständig in  Frage  gestellt  wird.     Die  Steuerreform  und  die  Beseitigung 
des  alten  Protektionssystems  war  die  erste  That,  welche  den  im  Jahre 
1817  eingesetzten  Staatsrath  in  die  Geschichte  des  Landes  eingeführt 
hat,  und  diese  That  ist  die  reife  Frucht  der  gereinigten  Wirthscbafts- 
lehre  gewesen,  welche  hier  in  Königsberg  den  hervorragenden  Staats- 
männern in  ihrer  Jugend  vorgetragen,  und  dann  über  das  ganze  Land 
verbreitet  wurde.    Es  ist  nicht  zufällig  geschehen,  dass  derjenige  aka- 
demische Lehrer,  der  vorzugsweise  Adam  Smiths  volkswirtschaftliche 
Grundsätze  vertreten,  und  in  die  Praxis  des  preussischen  Staates  ein- 
geführt hat,  an  der  Königsberger  Universität  gelehrt  hat.    Diese  Pro- 
vinz ist  von  der  Natur  auf  den  Freihandel  angewiesen,  und  sie  kann 
nur  gedeihen,  und  ihre  Bestimmung,  ein  aggressiver  Kulturträger  für 
die  dahinter  liegende  slavische  Wüstenei  zu  sein,  nur  dann   erfüllen, 
wenn  das  Prinzip  des  Freihandels   und    damit   zusammenhängend  das 
allgemeine  Prinzip  der  Freiheit  zur  Herrschaft  gelangt.    Die  Geschichte 
des  Staatsraths  im  Ganzen,  und   speziell  die  Geschichte  seiner  ersten 
That  kann  daher  sehr  wohl  auf  diesem  Boden  ein  provinzielles  Interesse 
in  Anspruch  nehmen. 

Die  Einrichtung  eines  Geheimen  Baths,  Staatsraths,  ist  im  branden- 
burgisch-preussischen  Staate  schon  sehr  alt.    Nachdem  die  Kurfürsten 


124  ^er  Preussiscbe  Staatsrath  und  seine  erste  Thal  i.  J.  1817, 

sich  zuerst  bei  den  einfachen  Verhältnissen  damit  begnügt  hatten,  bei 
Gelegenheit  mit  Vertrauenspersonen  aus  der  Bitterschaft  oder  mit  ge- 
lehrten Bathspersonen  aus  den  Städten  zu  Bathe  zu  gehen,  trat  im 
Jahre  1542  der  Fall  ein,  dass  der  Kurfürst  Joachim  II.,  als  er  das 
Kommando  der  Beichsarmee  in  Ungarn  übernahm,  für  die  Dauer  seiner 
Abwesenheit  einen  Statthalter  einsetzte,  und  diesem  ein  Geheimraths- 
Eollegium  zur  Leitung  der  Landesverwaltung  an  die  Seite  setzte.  Diese 
Einrichtung  gefiel,  und  Joachim  Friedrich  machte  dieselbe  durch  die 
Geheimraths-Ordnuug  vom  25.  Dezember  1604  permanent.  Der  neu  ein- 
gesetzte  Geheime  Bath  wurde  am  5.  Januar  1605  eröffnet  und  die  Mit- 
glieder desselben  wurden  vereidigt.  Dieser  Geheime  Bath  war  aber 
zugleich  die  höchste  Behörde  in  der  Landesverwaltung.  Wenn  man  die 
damals  noch  immer  überaus  einfachen  Verhältnisse  der  Landesverwaltung 
mit  den  verwickelten  und  umfassenden  der  Neuzeit  vergleichen  will,  so 
muss  man  sagen,  dass  dieser  alte  brandenburgische,  dann  brandenburgisch- 
preussische  Geheime  Bath  die  Funktionen  des  Staatsministeriums  mit 
denen  eines  Staatsraths  vereinigte.  Der  grosse  Kurfürst  hat  während 
seiner  Begierungszeit  von  dem  Beirath  seines  Geheimen  Baths  den  um- 
fassendsten Gebrauch  gemacht,  und  die  Umwandlung,  welche  die  nun- 
mehr auf  die  Unterhaltung  eines  stehenden  Heeres  und  die  Beseitigung 
der  ständischen  Verwaltung  gerichtete  Landesverwaltung  dadurch  erlitt, 
dass  nach  und  nach  immer  weitere  Zweige  einer  wirklichen  und  um- 
fassenden Landesverwaltung  in  ihren  Bereich  gezogen  wurden,  erhöhte 
noch  die  Bedeutung  dieser  höchsten  Behörde,  innerhalb  welcher  es  denn 
auch  zu  einer  Theilung  der  Arbeit,  zu  einer  Eintheilung  in  gesonderte 
Departements  kommen  musste. 

Der  König  Friedrich  Wilhelm  I.,  der  genialste  und  scharfsinnigste 
Organisator,  den  der  pieussische  Staat  jemals  gesehen  hat,  ist  also 
nicht  der  Schöpfer  der  von  ihm  eingesetzten,  nunmehr  „Geheimer 
Staatsrat!)44,  auch  wohl  Staatsministerium  genannten  Behörde  gewesen. 
Er  hat  nur  dieser  höchsten  Landesbehörde  eine  svstematisch  aus- 
gedachte  Organisation  gegeben,  und  zwar  auch  nicht  gleich  auf  den 
ersten  Wurf,  sondern  erst  nach  einem  nicht  befriedigenden  Versuch, 
der   dann    zur  Organisation  des  „General -Ober -Finanz -Kriegs-  und 


Von  E  ...  d.  125 

Domänen-Direktoriums",  gewöhnlich  Generaldirektoriura  genannt,  führte. 
Diese  Organisation  erfolgte  im  Jahre  1722.  Die  Chefs  der  einzelnen 
Departements,  in  welche  das  Generaldirektorium  zerlegt  wurde,  bildeten 
wieder,  d.  h.  auch  nur  insoweit  sie  in  demselben  ausdrücklich  durch 
die  Beilegung  des  Titels  „Geheimer  Staatsminister"  berufen  wurden, 
den  Geheimen  Staatsrath,  der  also  theils  die  höchste  berathende  Behörde 
des  Königs  und  theils  die  oberste  Spitze  der  Landesverwaltung  bildete, 
und  in  welchem  nach  der  ursprünglichen  Bestimmung  der  König  selbst 
den  Vorsitz  führen  wollte. 

Dieser  alte  Geheime  Staatsrath  entsprach  also  zum  grössten  Theil 
dem  heutigen  Staatsministerium,  besonders  da  der  persönliche  Vorsitz 
des  Königs  bald  in  Wegfall  kommen  musstc,  und  nur  in  Ausnahme- 
fallen stattfinden  konnte.  Aber  dieser  König  fühlte  schon  das  Bedürfniss, 
sich  gegen  einseitige  Anschauungen  und  Darstellungen  seiner  Minister 
zu  schützen.  Er  ging  daher  auch  über  die  von  früher  her  festgehaltene 
Kollegialberathung  noch  einen  mächtigen  Schritt  hinaus,  indem  er  den 
Ministern  nicht  bloss  für  das  von  jedem  bearbeitete  Fach,  sondern  auch 
jedem  von  ihnen  auch  für  jede  im  Kollegium  entschiedene  Sache  die 
volle  Verantwortlichkeit  auferlegte.  Der  Minister,  welcher  mit  einem 
Beschlüsse  des  Kollegiums  nicht  einverstanden  sein  konnte,  und  für 
denselben  die  Verantwortlichkeit  nicht  .übernehmen  wollte,  war  dem- 
zufolge genöthigt,  dem  Könige  seine  Gegengrunde  vorzutragen,  und 
diese  mussten,  wenn  der  König  nicht  ausnahmsweise  persönlich  prä- 
sidirt  und  entschieden  hatte,  in  den  Bericht  aufgenommen  werden,  mit 
welchem  die  Entscheidung  des  Königs  eingeholt  wurde.  Ein  sehr  treffendes 
Beispiel  von  dieser  Art  zu  verhandeln  bietet  der  Bericht  der  Staats- 
minister an  den  König  dar,  welchen  dieselben  unter  dem  8.  Januar  1806 
über  die  von  Stein  vorgeschlagene  Creirung  von  Papiergeld  erstattet 
haben.    (Pertz,  Steins  Leben.  I.  p.  551  ff.) 

Daneben  hatte  aber  der  König  noch  ein  Kabinetsministerium  ein- 
gerichtet, in  welchem  die  auswärtigen  Angelegenheiten,  die  Angelegen- 
heiten des  königlichen  Hauses,  Gnadensachen  etc.  berathen  wurden  — 
eine  Einrichtung,  welche  übrigens  vom  grossen  Kurfürsten  bereits  ge- 
schaffen war.    Der  Geheime  Staatsrath  war  damit  auf  die  inneren  An- 


126  ^er  Prosaische  8taatsratfa  and  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

gelegenheiten  beschränkt,  welche  in  den  einzelnen  Departements  des 
Generaldirektoriums  speziell  bearbeitet  wurden,  während  die  Departements- 
chefs den  Geheimen  Staatsrath  bildeten.  Friedrich  der  Grosse  hat  for- 
mell an  dieser  Einrichtung  wenig  geändert,  aber  da  er  nach  Beendigung 
der  Kriege,  welche  die  erste  Hälfte  seiner  Regierung  ausfüllten,  ganz 
selbständig  regierte,  so  fiel  der  Schwerpunkt  des  Regiments  von  selbst 
in  sein  Kabinet,  in  welchem  er  nur  mit  untergeordneten  Subaltern- 
beamten schaltete.  Diese  Eabinetssekretärc  konnten  wohl  in  einzelnen 
untergeordneten  Dingen  einigen  Einfluss  ausüben,  in  den  Staatsgeschäften 
aber  hatten  sie  keine  Stimme.  Da  Friedrich  der  Grosse  dem  Geheimen 
Staatsrath  ebenfalls  durch  sein  persönliches  Eingreifen  nur  eine  viel 
eingeschränktere  Wirksamkeit  beliess,  als  er  eigentlich  haben  sollte,  so 
trat  auch  diese  Behörde  in  den  Hintergrund,  und  dies  wurde  noch  da- 
durch verstärkt,  dass  der  König  immer  neue  Departements  schuf,  die 
neben  das  Generaldirektorium  gestellt  wurden,  ohne  dass  die  Minister, 
welche  deren  Chefs  wurden,  wenn  sie  nicht  besonders  auch  zu  Staats- 
ministern ernannt  wurden,  Zutritt  zum  Geheimen  Staatsrath  erhielten. 
Diese  losen  Anfügungen  an  das  bestehende  Institut  haben  dann  bei  dem 
Mangel  an  organischer  Einfügung  der  Verwaltung  jene  Schwerfälligkeit 
zu  Wege  gebracht,  welche  Gneist  berechtigte,  zu  sagen,  dass  Stein  den 
schwerfälligen  kollegialischen  Körper  dieser  Staatsverwaltung  als  den 
eigentlichen  Grund  der  Lähmung  und  geistigen  Stagnation  betrachtet 
habe.    (Gesetz  und  Budget  p.  39.) 

Aber  Stein  war  auch  berechtigt,  in  der  berühmten  Denkschrift  vom 
April  1806,  welche  dem  König  Friedrich  Wilhelm  III.  durch  Vermittelung 
der  Königin  Louise  vorgelegt  wurde,  zu  sagen :  „Friedrich  Wilhelm  I. 
herrschte  selbständig,  berathschlagte,  beschloss  und  führte  aus  durch 
und  mit  seinen  versammelten  Ministern.  Er  bildete  die  noch  vorhandenen 
Verwaltungsbehörden  und  regierte  mit  Weisheit,  Kraft  und  Erfolg. 
Friedrich  der  Grosse  regierte  selbständig,  verhandelte  und  berathschlagte 
mit  seinen  Ministern  schriftlich  und  durch  Unterredung,  führte  durch 
sie  aus,  seine  Kabinetsräthe  schrieben  seinen  Willen  und  waren  ohne 
Einfluss."  (Pertz  I.  S.  332.)  „Friedrich  Wilhelm  IL,"  so  fährt  Stein 
fort,  „regierte  unter  dem  Einflüsse  eines  Favoriten  und  seiner  Umge- 


Von  E  .  .  .  d.  127 

bangen,  sie  traten  zwischen  den  Thron  und  seine  ordentlichen  Rath- 
geber."  Aus  diesem  verderblichen  Zustande  entwickelte  sich  nun  eine 
Kabinetsregierung,  welche  den  Geheimen  Staatsrath  fast  ganz  verdrängte 
and  das  Generaldirektorium  zuerst  in  Kämpfe  und  Zänkereien  mit  einer 
illegalen  Macht  verwickelte,  zuletzt  lahm  legte.  Gegen  dieses  Uebel 
war  es  keine  Hälfe,  und  konnte  an  der  Sache  dadurch  nichts  geändert 
werden,  dass  Friedrich  Wilhelm  III.  die  Macht  des  Eabinets  in  reinere 
Hände  legte.  Der  Grossvater  des  Fürsten  Bismarck,  der  erste  Kabinets- 
rath  dieses  Königs,  Menken,  ist  unstreitig  einer  der  reinsten  Staats- 
männer, die  der  preussische  Staat  als  seine  Zierden  zu  betrachten  hat. 
Aber  die  Kabinetsregierung  blieb,  was  sie  gewesen  war,  eine  Zwischen- 
regierung, die  eigentlich  keinen  legalen  Boden  hatte.  „Gegenwärtig," 
sagte  Stein  dem  Könige,  „verhandelt,  berathschlagt  und  beschliesst  der 
Regent  mit  seinem  Kabinet,  dem  mit  diesem  affiliirten  Grafen  v.  Haug- 
witz,  und  seine  Minister  machen  Anträge  und  fuhren  die  in  dieser 
Versammlung  gefassten   Beschlüsse  aus.    Es  hat  sich  also  unter  der 

jetzigen  Regierung  eine  neue  Staatsbehörde  gebildet Diese  neue 

Staatsbehörde  hat  kein  gesetzliches  und  öffentlich  anerkanntes  Dasein/1 
Gegen  diese  nach  seiner  Ansicht  ungesetzliche  und  gefährliche  In- 
stitution hat  Stein  im  Jahre  18C6  unaufhörlich  geeifert.    Die  Geschichte 
des  Falles   des   preussischen   Staates   hat  ihn  gerechtfertigt,  und  die 
preussische  Politik  vor  und  während  der  Katastrophe  liefert  die  Beweise 
dafür.    Der  Einwand,  dass  das  Kabinet  in  seiner  damaligen  Stellung 
nicht  gesetzlich  oder  verfassungsmässig  anerkannt  sei,  mochte  freilich 
in  der  Zeit  des  absoluten  Regiments  nicht  übermässig  schwer  ins  Gewicht 
fallen.    Aber  die  verderbliche  Einwirkung  auf  den  Gang  der  Staatsge- 
schäfte sprang  gerade  bei  einem  absoluten  Regiment  um  so  greller  in 
die  Augen.    „Dieses  Kabinet/4  schreibt  Stein  weiter  dem  Könige,  „hat 
alle  Gewalt,  die  endliche  Entscheidung  aller  Angelegenheiten,  die  Be- 
setzung aller  Stellen,  aber  keine  Verantwortlichkeit,  da  die  Person  des 
Königs  ihre  Handlungen  sanktionirt.     Denen   obersten  Staatsbeamten 
bleibt  die  Verantwortlichkeit  der  Anträge,  der  Ausführung,  die  Unter- 
werfung unter  die  öffentliche  Meinung.   Alle  Einheit  unter  den  Ministern 
selbst  ist  aufgelöst,   da  sie  unnütz  ist,  da  die  Resultate  aller  ihrer 


128  ^er  PreQ8S'8c^e  Staatarath  und  seine  ernte  Tbat  i.  J.  1817. 

gemeinschaftlichen  Ueberlegungen,  ihrer  gemeinschaftlichen  Beschlüsse 
von  der  Zustimmung  des  Eabinets  abhängen."  Der  Kampf  gegen  diese 
illegale  Macht  und  für  die  Wiederherstellung  des  Zusammenhanges 
zwischen  den  Ministern  mit  dem  Könige,  die  Beseitigung  ihrer  „Ab- 
hängigkeit von  Subalternen,  die  das  Gefühl  ihrer  Selbständigkeit  zu 
einem  übermüthigen  Betragen  verleitet,"  war  vergeblich.  Erst  die  voll- 
ständige Vollendung  des  Ruins  vermochte  den  König  nach  dem  Ab- 
schlüsse des  Friedens  von  Tilsit  den  Ideen  des  Ministers  zugänglich 
zu  machen. 

Als  Stein,  nachdem  er  am  Schlüsse  des  Jahres  1806  in  Ungnade 
entlassen  worden  war,  im  Herbst  1807  wieder  zurückberufen,  sich  der 
Aufgabe  unterzog,  den  zertrümmerten  preussischen  Staat  wieder  auf- 
zurichten, fasste  er  vor  allen  Dingen,  wie  seine  Denkschriften  ergeben, 
zwei  Gesichtspunkte  ins  Auge.  Er  war  an  der  Aufgabe  gescheitert, 
welche  er  schon  vor  der  grossen  Katastrophe  verfolgt  hatte,  das  Kabinet 
des  Königs  zu  beseitigen,  in  so  fern  dasselbe  sich  im  Laufe  der  Zeit 

* 

zu  einer  unverantwortlichen  und  doch  mit  einer  unzulässigen  Machtfülle 
ausgestatteten  Zwischeninstanz  zwischen  dem  Könige  und  seinen  Ministern 
ausgebildet  hatte.  Der  König  sollte  nach  Steins,  auf  der  bestehenden 
Begierungsverfassung  beruhenden,  Ansicht  wieder  in  die  verloren  ge- 
gangene unmittelbare  Verbindung  mit  dem  Ministerium  gebracht  werden. 
Ausserdem  aber  war  der  berühmte  Staatsmann,  dessen  hervorragendes 
Organisationsgenie  von  keiner  Seite  bestritten  worden  ist,  darauf  bedacht, 
die  Verantwortlichkeit  der  Minister  in  wirksamer  Weise  sicherzustellen, 
und  den  König  gegen  einseitige  Beeinflussung  von  Seiten  derselben  zu 
schützen.  Er  hat  bei  dieser  Gelegenheit  die  an  Staatsmännern  leider 
zu  selten  wahrnehmbare  Tugend  der  Selbstbeschränkung  in  vollstem 
Maße  geübt  und  Zeugniss  dafür  abgelegt,  dass  er  aufrichtig  und  be- 
scheiden genug  war,  um  sich  selbst  nicht  für  unfehlbar  zu  halten.  Damit 
hat  er  Anderen  ein  leuchtendes  Beispiel  gegeben.  Dass  dasselbe  nicht 
beherzigt  und  von  Anderen  viel  zu  wenig  befolgt  wird,  ist  das  beklagens- 
werte Leiden,  an  welchem  die  heutige  Zeit  bedenklich  krankt. 

Stein  löste  die  Aufgabe,  welche  er  im  Herbst  180?  übernommen 
hatte,  nicht  auf  einmal  in  plötzlichem  Wechsel.     Die  Bücksicht  auf 


Von  E  .  .  .  d.  129 

den  gebeugten  König  machte  einen  Uebergang  nöthig.  Von  der  Her- 
stellung des  unmittelbaren  Zusammenhanges  zwischen  dem  Könige  und 
den  Ministern,  „der  Bildung  eines  Staatsraths  oder  einer  unmittelbar 
unter  dem  Könige  arbeitenden,  mit  anerkannter  nnd  nicht  erschlichener 
Verantwortlichkeit  versehenen  obersten  Behörde,  die  der  endliche  Ver- 
einigungspunkt  der  verschiedenen  Zweige  der  Staatsverwaltung  ist/1  wie 
er  sich  in  der  Nassauer  Denkschrift  ausdruckt,  brauchte  in  der  ersten 
Zeit  nicht  die  Bede  zu  sein,  denn  dieser  Zusammenhang  war  von  selbst 
damit  gegeben,  dass  Stein  zur  Zeit  der  einzige  Minister  war.  Der 
Kabinetsrath  Beyme  wurde,  sobald  die  völlige  Trennung  der  Justiz 
von  der  Administration  ausgesprochen  war,  als  Grosskanzler  nach  Berlin 
entfernt,  während  Hof  und  Ministerium  sich  in  Memel  und  dann  in 
Königsberg  befanden,  und  kehrte  erst  nach  Steins  abermaligem  er* 
zwungenen  Abgange  zurück.  Zuerst  wurde  also  die  Staatsverwaltung 
selbst  neu  eingetheilt.  An  die  Stelle  des  bisherigen  gemischten  Systems, 
nach  welchem  die  Minister  theils  Fach-,  theils  Territorialminister  ge- 
wesen waren,  trat  ausschliesslich  das  Fach-  oder  Bealsystem.  Diese 
Reform,  durch  welche  zugleich  der  Staat  auch  formell  als  ein  einheit- 
liches Ganzes  constituirt  wurde,  hat  Stein  deA  dauernden  Buhm  und 
eine  Stelle  unter  den  wirksamen  Beformatoren  gesichert.  An  derselben 
wird  auch  niemals  etwas  geändert  werden. 

Aber  schon  in  der  ersten  Zeit  in  Memel,  am  15.  Okt.  1807  (Pertz  IL 
p.  31)  wird  die  Frage  erörtert,  ob  es  „rathsam  sei,  die  oberste  Leitung 
der  Staatsangelegenheiten  einem  ersten  Minister  oder  einem  Staatsrath 
anzuvertrauen?11  Schon  damals  entschied  sich  Stein  dem  Könige  gegen- 
über dahin;  „einem  Manne  übertrage  man  die  Umformung  der  Regierung; 
ist  diese  bewirkt,  so  übertrage  man  die  Verwaltung  der  öffentlichen 
Angelegenheiten  einem  Staatsrath,  der  unter  dem  überwiegenden  Einfluss 
eines  Präsidenten  steht.u  Man  sieht,  dass  Stein  auch  hier  noch  den 
überkommenen  Begriff  eines  Staatsraths  als  der  höchsten  verwaltenden 
Behörde,  also  eines  Ministerkollegiums,  festhält.  Erst  bei  der  weiteren 
Ausarbeitung  seines  Beformplanes  ging  er  noch  einen  Schritt  weiter 
dahin,  dass  er  den  Ministern,  den  höchsten  Spitzen  der  Verwaltung, 
noch  ein  berathendes,  leitendes,  controlirendes  Kollegium  an  die  Seite 

Altpr-  Monatsschrift  Bd.  XX  IL  Hft.  Id.  2.  9 


130  ^er  Prcu88i8che  Staatsrath  uud  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

stellte.  In  dieser  Weise  hat  Stein  den  von  Napoleon  I.  ausgesprochenen 
Gedanken,  wohl  ohne  ihn  zu  kennen,  praktisch  zu  gestalten  gesucht. 
Der  erste  Kaiser  der  Franzosen  bezeichnete  seinen  Staatsrath  als:  sa 
pens£e  en  deliberation,  das  Ministerium  dagegen  als:  sa  pensee  en 
extfcution.  Zu  dieser  Beform  bahnte  er  —  es  ist  das  ein  überaus  merk- 
würdiges, hochehrenvolles  Beispiel  von  Selbstbeschränkung  —  dadurch 
den  Weg,  dass  er  im  Juli  1808,  nachdem  er  seine  Beformthätigkeit 
wieder  aufgenommen  hatte,  sich  selbst  das  „General-Departement14  oder 
die  „General-Conferenz"  zu  seiner  eigenen  Controle  an  die  Seite  setzte. 
Die  am  25.  August  1808  vom  Könige  vollzogene  „"Vorschrift  für  den 
Geschäftsgang  bei  den  gemeinschaftlichen  Arbeiten  der  obersten  Staats- 
verwaltungsbehörden" bestimmt  in  §  4.  ausdrücklich,  dass  in  den  Con- 
ferenzen  frei  abgestimmt  und  der  endliche  Beschluss  durch  Stimmen- 
mehrheit festgestellt  werden  soll.  Nur  bei  Stimmengleichheit  war  dem 
Minister  Stein  die  ausschlaggebende  Stimme  vorbehalten. 

Auf  dem  so  gelegten  Grunde  konnte  Stein  nun  die  definitive  Beform 
ausarbeiten,  welche  in  der  Verordnung  vom  24.  Nov.  1808  ihre  Vollendung 
erhielt.  Bei  dieser  definitiven  Feststellung  erhielt  der  Staatsrath  eine 
eigenthümliche  Zusammensetzung  und  Stellung,  sowohl  dem  Könige, 
als  auch  den  Ministern  gegenüber,  und  mehrere  dieser  eigenartigen 
Züge  sind  dann  auch  in  den  späteren  Staatsrath  übergegangen,  der  im 
Jahre  1817  wirklich  in  Funktion  trat.  „Der  Staatsrath  war  in  dieser 
Verfassung/1  sagt  Ernst  Meier  ganz  richtig  (die  Beform  der  Verwal- 
tungsorganisation unter  Stein  und  Hardenberg,  1881,  S.  181),  „der  dem 
Oberhaupte  des  Staats  unmittelbar  untergeordnete  oberste  Punkt,  von 
dem  die  gesammte  Staatsthätigkeit  im  Interesse  der  grösstmöglichen 
Einheit,  Kraft  und  Begsamkeit  künftig  ausgehen  sollte.14  Aber  er  war 
ausserdem  auch  als  die  höchste  Instanz  zur  Leitung,  Controle  und 
Correctur  der  Thätigkeit  der  Minister  gedacht,  welche  selbst  als  solche 
Mitglieder  des  Staatsraths,  und  diesem  zunächst  verantwortlich  waren. 
So  war  der  König,  der  in  der  Begel  den  Vorsitz  im  Staatsrath  selbst 
führen  sollte,  zugleich  in  unmittelbare  Berührung  mit  den  Ministern 
gebracht,  welche  im  Staatsrath  ihre  Vorschläge  zu  vertheidigen  hatten, 
und  doch  durch  die  Berathung  mit  den  anderen  Mitgliedern  des  Staats- 


Von  E  .  .  .  d.  131 

raths  yor  einseitiger  Beeinflussung  geschützt.   Da  einerseits  der  „Staats - 
und  Cabinetssecretär"  mit  im  Staatsrate  sass  und  dessen  Beschlüsse 
auszufertigen  hatte,  so  war  zugleich  dessen  geheimer  Einfluss  paralysirt, 
und  andrerseits  enthielt  die  Institution  keine  Beschränkung  der  absoluten 
königlichen  Gewalt,  da  der  König  im  Staatsrath  entschied,  oder  seine  Ent- 
scheidung eingeholt  werden  musste,  wenn  er  nicht  selbst  präsidirt  hatte. 
Die  Einteilung  dieses  Staatsrats  in  Plenum  und  Abtheilungen 
kann  hier  übergangen  werden.    Seine  Zusammensetzung  aus  den  Prinzen 
des  kgl.  Hauses,  den  Ministern  und  den  Geheimen  Staatsräten,  welche 
theils  als  Dirigenten  der  den  Ministern  untergeordneten  Departements 
vermöge  ihres  Amtes  wie  die  Minister  selbst  Mitglieder  des  Staats- 
rats waren,  theils  aus  Personen,  die  der  König  aus  besonderem  Ver- 
trauen berief,  theils  aus  Ministern  bestanden,  welche  mit  Genehmigung 
des  Königs  ihre  Posten  niedergelegt  hatten,  ist  nur  zum  Theil  später 
beibehalten  worden.    Dagegen  ist  die  Aufmerksamkeit  darauf  zu  richten, 
dass  das  Plenum  des  Staatsraths    „die   Anordnung   sämmtlicher  Ver- 
waltungsgrundsätze,   die   oberste  Leitung   der  Verwaltung,   soweit  sie 
von  einem  Punkt  ausgehen  muss,  und  die  oberste  Controle  des  Ganzen 
der  Verwaltung14  überwiesen  erhielt.   Demgemäss  sollten  dort  verhandelt 
werden  „alle  Gegenstände  der  Gesetzgebung,  sobald  die  Sanction  eines 
neuen,  oder  die  Abschaffung  und  Modifikation  eines  bisher  bestandenen 
Gesetzes  für  nöthig  gehalten  wirdu;  ferner  alle  neuen  allgemeinen  Ein- 
richtungen oder  die  Aufhebung  alter  Anordnungen;  ferner  alle  Ange- 
legenheiten, bei  denen  mehrere  Departements  betheiligt,  oder  welche 
unter  ihnen  streitig  geblieben  waren;  ferner  alle  Angelegenheiten,  für 
welche  die  Minister  der  Genehmigung  des  Königs  bedurften;  endlich 
die  Recbenschaftsablegung  der  Minister  über  ihre  Verwaltung,  die  Prüfung 
der  Hauptrechnungen,  die  monatlichen  Gassenextracte  und  die  Rechen- 

i 

scbaftsablegung  über  die  Gesammtlage  der  Staats-  und  Volkswirtschaft. 
Diese   umfassende   und   tiefeinschneidende  Einrichtung  ist  nie  in 
das  Leben  getreten.    Der  König  hat  zwar  die  Verordnung  vom  24.  No- 
vember 1808  vollzogen  (Pertz  II.  p.  689/739),  aber  da  Stein  unmittelbar 

darauf  seine  Stellung  aufgeben  musste,  so  erhielten  seine  Nachfolger, 

* 

insbesondere  der  von  seinem  Schwager  Nagler  stark  beeinflusste  Minister 

9* 


132  ^er  preussische  Staatsrath  und  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

Altenstein,  Gelegenheit,  bei  dem  Könige  die  Streichung  des  ganzen 
Capitels  vom  Staatsrath  ans  der  noch  nicht  publieirten  Verordnung  durch- 
zusetzen. Die  wirklich  publicirte  Verordnung  vom  16.  Dezember  1808, 
betreffend  die  veränderte  Verfassung  der  obersten  Staatsbehörden,  ent- 
hält bezuglich  des  Staatsraths  nur  eine  vage  Hinweisung  auf  die  Zukunft. 
Immerhin  kann  es  hier  dahingestellt  bleiben,  ob  die  Streichung 
des  Staatsraths  ein  Act  bewusster  Reaction  gegen  Steins  Beformen 
gewesen  ist,  oder  ob  kein  Systemwechsel  stattfand,  sondern  an  Steins 
Nachfolgern  sich  nur  von  vornherein  der  Mangel  an  Energie  geltend 
gemacht  hat,  der  schon  nach  1 ty2  Jahren  zu  einem  vollständigen  Fiasco 
geführt  hat.  Ernst  Meier  vertheidigt  die  letztere  Meinung.  Man  kann 
ohne  Weiteres  als  sicher  annehmen,  dass  der  Minister  des  Inneren,  Graf 
Alexander  zu  Dohna-Schlobitten,  ehrlich  daran  geglaubt  hat,  dass  die 
Institution  sich  erst  dann  werde  handhaben  lassen,  wenn  der  Staat  von 
den  französischen  Truppen  werde  geräumt  sein,  und  die  Regierung  wieder 
nach  Berlin  zurückgekehrt  wäre.  Dies  war  der  Vorwand,  unter  welchem 
die  Reaktionspartei  dem  Könige  die  Suspension  des  Staatsraths  plausibel 
gemacht  hat.  Deshalb  kann  der  Bericht,  den  Altenstein  und  Dobna 
gemeinschaftlich  schon  am  4.  Dezember  1808  dieserhalb  dem  Könige 
vorlegten,  weder  für  noch  gegen  diese  Ansicht  etwas  beweisen.  Stein 
selbst  schrieb,  wie  Schön  und  Merkel,  die  Suspension  des  Staatsraths 
in  einem  an  Schön  gerichteten  Briefe  vom  26.  Dezember  1808  unum- 
wunden „der  Eitelkeit  Altensteins,  von  der  ich  Alles  erwarte",  zu.  Er 
deutete  aber  auch  gleichzeitig  sofort  auf  den  durch  Nagler  vermittelten 
Einfluss  der  Reaktion  auf  Altenstein  hin.  Graf  Dohna  hat,  freilich  ver- 
geblich, mehr  als  einen  Anlauf  genommen,  die  Staatsrathsidee  wieder 
in  Fluss  zu  bringen,  ist  also  von  diesem  Einfluss  völlig  unberührt  geblieben. 
Nur  das  eine  verhängnissvolle  Resultat  ist  gewiss,  dass  Steins  Ver- 
waltungsreform, nachdem  man  ihr  die  niemals  wiederhergestellte  Spitze 
im  Staatsrath  abgebrochen  hatte,  zu  jenem  „Ministerialismusu,  zu  jener 
Ministerallgewalt  den  Weg  gebahnt  hat,  welche  in  neuster  Zeit  in  Freussen 
die  Machtstellung  des  Fürsten  Bismarck  und  die  Einführung  einer  dem 
französischen  Präfectensystem  ähnlichen  oder  vielmehr  gleichartigen 
Verwaltungsorganisation  möglich  gemacht  hat. 


Von  E  ...  d.  133 

Als  das  Ministerium  Altenstein-Dohna  im  Frühjahr  1810  voll- 
ständig abgewirtschaftet  hatte  und  mit  seinen  Hülfsmitteln  am  Ende 
angekommen  war,  trat  Hardenberg  unter  dem  Titel  Staatskanzler  Steins 
Erbschaft  an.  Es  galt  die  Reform  weiterzuführen,  und  es  war  daher 
wohl  angebracht,  dass  Hardenberg  sich  eine  ähnliche  dilatorische  Stellung 
ausbedang,  wie  Stein  sie  gehabt  hatte,  und  dass  der  König  ihm  dieselbe 
zugestand.  Gewissermaßen  entsprach  diese  Stellung  des  Staatskanzlers 
der  Stellung,  welche  Stein  dem  Staatsrath  hatte  geben  wollen,  nur  dass 
die  Befugnisse  und  Funktionen  des  Staatsrats,  in  der  Hand  eines 
Mannes  vereinigt,  das  gerade  Gegenstück  eines  Staatsraths  sein  müssen. 
Indessen  wurde  bei  der  Ernennung  Hardenbergs  und  der  durch  die 
Verordnung  vom  27.  October  1810  über  die  veränderte  Verfassung  der 
obersten  Staatsbehörden  erfolgten  Präcisirung  derselben  die  Einsetzung 
eines  Staatsraths  ausdrücklich  vorbehalten. 

Bekanntlich  hat  der  Staatskanzler  v.  Hardenberg  einen  Versuch 
gemacht,  mit  einer  Versammlung  von  Notabein,  welche  von  der  Re- 
gierung berufen  waren,  im  Jahre  1311  eine  Verständigung  über  die 
Fortsetzung  der  Stein'schen  Beformen  herbeizuführen.  Das  Wort  „all- 
gemeine Nationalrepräsentation41  war  von  Stein  oder  wenigstens  mit  seiner 
Namensunterschrift  als  ein  Postulat  der  Reform  noch  in  dem  sogenannten 
Testament  ausgesprochen  worden.  Hardenberg  hielt  anfänglich  an  dem- 
selben fest,  und  obgleich  er  mit  dem  ersten  Versuche  an  der  starren 
aristokratisch-reactionären  Opposition  der  von  ihm  selbst  geschaffenen 
Notabein  vollständig  gescheitert  war,  wiederholte  er  den  Versuch  im 
folgenden  Jahre  schon  mit  von  „der  Nation  erwählten"  interimistischen 
»Nationalrepräsentanten".  Was  man  auch  gegen  das  Wahlverfahren  ein- 
wenden mochte,  welches  sehr  summarisch  nur  grundbesitzende  Edelleute 
und  die  Stadtmagistrate  als  Wähler  verwenden  konnte,  weil  man  damals 
keine  anderen  haben  konnte,  es  waren  doch  immerhin  gewählte  Repräsen- 
tanten, welche  die  Stimme  des  Landes  auszudrücken  vermochten.  Denn 
„der  Sinn  für  politisches  Leben  begann  überall  im  Volke  zu  erwachen", 
sagt  Treitschke  bei  dieser  Gelegenheit  mit  Recht,  wenn  ihm  auch  nicht 
bekannt  geworden  war,  dass  diese  Versammlung  von  Nationalrepräsentan- 
ten, welche  mit  Unterbrechungen,  namentlich  während  des  Krieges  1813, 


134  ^er  Prea8S'8Cbe  Staatsrath  und  seine  erste  That  i.  J.  1817t 

drei  Jahre  lang  getagt,  gar  nicht  so  unbedeutende  Beschäftigung  gehabt 
hat,  als  er  annimmt.  Die  Protokolle  dieser  Versammlung  sind  endlich 
von  Alfred  Stern  im  Geheimen  Staatsarchive  aufgefunden  worden,  und 
der  vorläufige  Bericht,  den  dieser  Gelegte  über  den  Inhalt  derselben 
im  ersten  Hefte  des  Jahrgangs  1882  der  „Nachrichten  der  Egl.  Ge- 
sellschaft der  Wissenschaften  zu  Göttingen"  erstattet  hat,  zeigt,  dass 
sich  in  derselben  recht  kräftige  constitutionelle  Regungen  kundge- 
geben haben. 

An  dieser  Stelle  ist  die  Debatte  von  Interesse,  welche  der  Land- 
schafts-Syndikus Eisner  am  7.  April  1815  dadurch  veranlasste,  dass 
er  den  Antrag  stellte,  die  Versammlung  möge. den  König  bitten,  „die 
Ausarbeitung  und  Ausführung  der  allergnädigst  versprochenen  Landes- 
verfassung durch  die  neuen  Ereignisse  nicht  unterbrechen  zu  lassen, 
vielmehr  die  Einführung  einer  definitiven  Landesrepräsentation  nach 
Möglichkeit  zu  beschleunigen".  Dieser  Mann  motivirte  seinen  Antrag 
mit  den  verschiedenen  „seit  mehreren  Jahren  gegebenen  Verheissungen," 
und  meinte  zugleich,  die  jetzt  tagende  Versammlung  dürfe  deshalb 
nicht  aufgelöst,  sondern  nur  „durch  eine  fester  konstituirte  Versamm- 
lung" abgelöst  werden;  sie  müsse  „bis  dahin  als  Gegengewicht  dienen 
gegen  die  Opposition,  welche  aus  unlauteren  Absichten  wider  jede  ver- 
fassungsmässige Repräsentation  erregt  und  erhalten  werde".  Ein  Theil 
der  Versammlung  war  bedenklich,  ob  der  Zeitpunkt,  einen  solchen  Antrag 
zu  stellen,  richtig  gewählt  sei.  Man  rüstete  sich  eben,  dem  von  Elba 
herübergekommenen  Napoleon  zu  begegnen.  Da  ist  es  denn  doch  für 
die  Zeitstimmung  recht  bezeichnend,  dass  gerade  Edelleute,  wie  ein 
Bredow,  ein  Brandt  :c.  dem  Antragsteller  zustimmten.  Den  Einwand, 
dass  der  König  den  Antrag  ungnädig  aufnehmen  werde,  widerlegte  Eisner 
sehr  peremtorisch  mit  dem  Hinweise  darauf,  dass  der  König  dazu  gar 
nicht  mehr  in  der  Lage  sei:  „es  ist  hier  nicht  vom  Geben  einer  Kon- 
stitution die  Rede ;  dieses  hat  des  Königs  Majestät  schon  versprochen. 
Es  ist  bloss  von  Beschleunigung  ihrer  Ausarbeitung  die  Rede,  und  dies 
ist  lediglich  Sache  des  Fürsten  Staatskanzlers".  So  wurde  denn,  und 
zwar  mit  zweiunddreissig  Stimmen  gegen  nur  drei,  in  dieser  grössten- 
theils  aristokratischen  Versammlung  beschlossen,  nicht  an  den  Köuig, 


Von  E  .  .  .  d.  J35 

sondern  nur  an  den  Staatskanzler  die  Aufforderung  zu  richten,  dass  er 
die  ihm  bereits  aufgetragene  Arbeit  beschleunigen  wolle.  Zugleich  be- 
schloss  man,  auch  an  die  Wiederherstellung  von  Provinzialständen 
zu  erinnern. 

Die  Antwort  war  die  bekannte  und  berühmte  Verordnung  vom 
22.  Mai  1815  über  die  zu  bildende  Repräsentation  des  Volkes,  welche 
bis  zum  Jahre  1848  den  Ausgangspunkt  für  alle  konstitutionellen  Be- 
strebungen gebildet  hat.  Die  interimistische  National-ßepräsentation, 
welche  diesen  kräftigen  Anstoss  gegeben  hatte,  wurde  nach  Hause  ge- 
schickt.   Aber  am  24.  Juni  1815  wurde  derselben  amtlich  verkündet, 

i 

dass  sie  vor  ihrer  Auflösung  „mit  den  Grundlinien  der  neuen  Konsti- 
tution bekannt  werden  würde".  Diese  Zusage  ist  nun  freilich  nicht  ge- 
halten worden,  konnte  wohl  auch  kaum  gehalten  werden. 

Diese  ganze  Episode  musste  deshalb  an  dieser  Stelle  erwähnt  werden, 
weil  sie  beweist,  wie  tief  man  damals  ganz  allgemein  von  der  Not- 
wendigkeit überzeugt  war,  in  Freussen  eine  konstitutionelle  Verfassung 
einzuführen.  Diese  Stimmung  und  Ueberzeugung  hat  bis  zum  Jahre  1819 
unverändert,  trotz  aller  Gegenbestrebungen,  unerschütterlich  fest  ge- 
standen. Bekannt  ist,  mit  welchem  Eifer  Stein  noch  1818  und  1819 
die  Angelegenheit  verfolgte.  Im  Sommer  1819  schrieb  ihm  Wilhelm 
von  Humboldt,  dass  Hardenberg  eine  Verfassung  ausgearbeitet  und  dem 
Könige  vorgelegt  habe  (Pertz  V,  p.  381),  am  15.  Juli  1819  meldete 
er,  dass  nach  Mittheilungen  aus  Berlin  der  König  die  Verfassung,  die 
ihm  zwei  Monate  lang  vorgelegen,  unterzeichnet  habe.  Dass  diese  Nach- 
richt keineswegs  unbegründet  gewesen  ist,  ergiebt  sich  wohl  deutlich 
genug  aus  der  von  Sailer  in  dem  jetzt  vorliegenden  Buche  „der  preus- 
sische  Staatsrath  und  seine  Reactivirung,  Berlin  1884"  veröffentlichten 
Kabinetsordre  vom  30.  März  1817  (Anlage  X),  in  welcher  aus  der  Mitte 
des  eben  zusammen  getretenen  Staatsraths  eine  Kommission  niederge- 
setzt wurde,  welche  die  „Organisation  der  Provinzialstände,  der  La  n d es- 
repräsentanten  uud  der  Ausarbeitung  einer  Vcrf&ssungsurkunde" 
beschäftigen  sollte.  Welche  Umstände  den  plötzlichen  Umschlag  her- 
beiführten, ist  bekannt.  Damit  ist  denn  nun  die  lange  Jahre  kolportirte 
Deutung  der  Verordnung  vom  22.  Mai  1815,   dass  nämlich  dieselbe 


136  Der  Pr«us»ische  Staatsrath  und  seine  erste  Tbat  i.  J.  1817. 

nicht  das  Versprechen  einer  konstitutionellen  Verfassung  enthalte,  viel- 
mehr durch  die  Einführung  der  Provinzialstände  erledigt  sei,  gründlich 
widerlegt  und  als  unwahr  erwiesen.  Es  ist  unbegreiflich»  wie  der  König 
Friedrich  Wilhelm  IV.  im  Jahre  1840  überhaupt  darüber  hat  zweifel- 
haft sein  können.  Aber  alle  diese  Vorgänge  beweisen  doch  klar,  dass 
man  damals,  als  Hardenberg  im  Jahre  1817  die  Einsetzung  eines  Staats- 
rats durchgesetzt  hatte,  diese  Institution  nicht  für  unvereinbar  mit 
einer  konstitutionellen  Verfassung  und  mit  der  Verantwortlichkeit  der 
Minister  betrachtet  hat.  Diese  Frage  tauchte  erst  nach  1850  auf,  als 
man  die  Konstitution,  aber  noch  nicht  die  Ministerverantwortlichkeit  hatte. 
Die  Verordnung  yom  20.  März  1817  rief  einen  Staatsrath  ins  Leben, 
der  mit  der  Verwaltung  gar  nichts  zu  thun  haben,  sondern  nur  die 
höchste  berathende  Behörde  der  Krone  bilden  sollte.  Nur  die  Grund- 
sätze, nach  denen  verwaltet  werden  sollte,  gehörten  vor  sein  Forum. 
Demzufolge  gingen  dem  Staatsrath  alle  Gesetze,  Verfassungs-  und 
Verwaltungsnormen,  Pläne  über  Verwaltungsgegenstände  zu,  durch  welche 
die  Verwaltungsgrundsätze  abgeändert  werden,  Berathungen  über  all- 
gemeine Verwaltungsmaßregeln,  zu  welchen  die  Minister  nicht  autorisirt 
sind,  sondern  der  Genehmigung  des  Königs  bedürfen.  Sämmtliche  Vor- 
schläge zu  neuen  oder  zur  Aufhebung,  Abänderung  und  authentischen 
Deklaration  von  bestehenden  Gesetzen  und  Einrichtungen  sollten  durch 
den  Staatsrath  an  den  König  zur  Sanktion  gelangen.  Daneben  gehörten 
dahin  auch  noch  alle  Gegenstände,  welche  nach  bestehenden  Gesetzen 
oder  durch  speziellen  Befehl  des  Königs  an  den  Staatsrath  gewiesen 
werden,  insbesondere  alle  Differenzen  zwischen  Ministerien.  Zuletzt 
wurde  aber,  und  das  ist  für  die  oben  bezeichnete  Streitfrage  ent- 
scheidend, die  Verhandlung  mit  den  noch  nicht  existirenden  Ständen 
dem  Staatsrath  vorbehalten.  Die  Zusammensetzung  dieses  Staatsrates 
blieb  ungefähr  dieselbe  wie  in  Steins  Projekt,  nur  wurde  den  Ministerial- 
direktoren nicht  als  solchen  ein  Sitz  im  Staatsrath,  auch  nicht  das 
Recht  eingeräumt  und  die  Pflicht  auferlegt,  an  den  Staatsrath  zu  appel- 
liren,  wenn  sie  mit  einer  Verfügung  des  Ministers  nicht  einverstanden 
waren.  Geborene  Mitglieder  des  Staatsratbs  waren  aber  ausser  den 
Prinzen  des  Hauses  die  Feldmarschälle,  die  Staatsminister  im  Dienst, 


Von  E  ...  d.  137 

der  Staatssekretär,  der  Chef  des  Obertribunals,  der  erste  Präsident  der 
Oberrechenkamraer,  der  Geheime  Kabinetsrath,  der  Offizier,  welcher 
beim  Könige  den  Vortrag  in  Militärsachen  hat,  endlich  noch,  wenn  sie 
in  Berlin  anwesend,  d.  h.  dahin  berufen  waren,  die  kornmandirenden 
Generale  und  die  Oberpräsidenten. 

Die  Geschichte  der  Thätigkeit  einer  so  erlauchten  Versammlung, 
welche  am  31.  März  1817  zum  ersten  Male  zusammentrat,  ist  noch 
nicht  geschrieben  worden.  Ein  an  sich  sehr  bedeutendes  Stuck,  aber 
doch  eben  nur  ein  dem  Umfange  nach  verhältnissmässig  kleines  Stück 
ihrer  Berathungen,  die  Verhandlungen  über  die  Steuerreform,  auf  welcher 
der  Aufschwung  des  Wohlstandes  in  Preussen  nnd  der  Industrie  beruht, 
ist  von  Dieterici,  dem  Sohn,  ausfuhrlich  dargestellt  worden.  Nach  einem 
so  glänzenden  Anfang  seiner  Thätigkeit,  die  sich  übrigens  auch  auf  die 
ganze  in  demselben  Jahre  durchgeführte  Verwaltungsorganisation  bezog, 
und  nach  dem  entscheidenden  Einflüsse,  den  diese  Institution  auf  die 
Gesetzgebung  und  die  Haltung  der  Minister  ausübte,  hätte  man  von 
derselben  einen  anderen  Gang  der  Entwickelung  erwarten  sollen,  als  sie 
wirklich  eingeschlagen  hat.  Ueber  die  Gründe,  welche  dahin  führten, 
dass  die  immer  höher  aufstrebende  Ministergewalt  den  Staatsrath  immer 
mehr  in  den  Hintergrund  zu  drängen  vermochte,  spricht  sich  der  Minister 
v.  Schön  in  seinen  Memoiren  (Aus  den  Papieren  Bd.  3,  Berlin  1876 
p.  48)  folgendermaßen  aus: 

„Im  März  1817  wurde  ich  wieder  nach  Berlin  berufen.  Zur  Er- 
öffnung des  Staatsraths  waren  alle  Oberpräsidenten  versammelt.  Gegen 
die  eben  vergangene  Zeit  war  es  ein  bedeutender  Fortschritt,  dass  der 
in  Königsberg  errichtete  und  nach  dem  Abgange  Steins  suspendirte 
Staatsrath  wieder  ins  Leben  trat.  Wie  der  Staatskanzler  zwar  reich  an 
Ideen  war,  aber  wie  keine  Idee  bis  zur  Klarheit  bei  ihm  sich  hatte 
durchbilden  können,  so  wurde  durch  die  ersten  Ernennungen  zur  Mit- 
gliedschaft des  Staatsraths  zugleich  der  Keim  zu  seiner  Unbedeutenheit 
gelegt.  Ein  Staatsrath  soll  den  Souverän  gegen  die  Einseitigkeit  der 
Beamten  sichern,  und  die  Ueberzeugung  geben,  dass  das,  was  das  Ke- 
gierungspersonal,  welches  entfernt  vom  Volke  steht,  als  heilsam  vor- 
sehlägt, bei  dem  Standpunkte  des  Volkes  diesem  auch  wirklich  heilsam 


138  Der  p'enseiscbe  Staatsrat  und  seine  erste  Tbat  i.  J.  1817. 

sei,  so  dass,  wenn  die  zu  nehmende  Maßregel  den  Repräsentanten  des 
Volkes  zur  letzten  Prüfung  vorgelegt  wird,  diese  Maßregel  weder  an 
Einseitigkeit  noch  am  Mangel  der  Kenntniss  des  Landes  in  seinem 
augenblicklichen  Zustande  leide.  Hienach  gehören  Beamte  jeder  Art 
allerdings  in  den  Staatsrate  insofern  sie  selbständig  nicht  von  einem 
anderen  Beamten  abhängen,  aber  wesentlich  gehören  dahin  unabhängige 
Männer,  welche  in  keinem  offiziellen  Yerhältniss  stehen,  um  durch  ihre 
Unabhängigkeit,  ihren  Charakter,  durch  ihre  Entfernung  von  jedem 
Beamtenverl  ä'tniss  die  unbefangene  Intelligenz  und  durch  ihr  Leben 
mit  dem  Volke  den  augenblicklichen  moralischen  und  Kulturzustand 
des  Volkes  zu  repräsentiren.  Dies  wurde  aber  vom  Staatskanzler  nicht 
beachtet,  der  Staatsrat!}  wurde  ausser  den  Administrationschefs  und  den 
ersten  Militärs  mit  Ausnahme  von  einer  Person  grösstentheils  aus 
Berliner  Bureaubeamten  und  einzelnen  Mitgliedern  der  Gerichtshöfe 
gebildet.  Der  Graf  Dobna,  der  Baron  Stein  und  mehrere  andere  Per- 
sonen aus  allen  Ständen  waren  zu  Mitgliedern  des  Staatsraths  durchaus 
geeignet,  aber  die  Bureaukratie  überwältigte  hier  alles,  und  der  Staats- 
kanzler musste  es  noch  selbst  erleben,  dass  er  mit  seiner  Stiftung  nicht 
zufrieden  sein  konnte.  Bei  der  ersten  Stiftung  war  noch  das  volle 
Leben  aus  der  Eriegszeit  in  den  Gemüthern  der  Mitglieder,  und  die 
Verhandlungen  gingen  verhältnissmässig  anfangs  sehr  gut,  aber  mit 
jedem  Friedensjahr  trat  der  Sinn  für  das  öffentliche  Leben  mehr  zurück 
und  gewann  die  Bureaubeamten-Richtung  mehr  Terrain.  Jetzt  (1844) 
musste  eine  ganz  neue  Organisation  des  Staatsraths  stattfinden,  es  müssten 
Männer  mit  Ideen  da  die  Oberhand  bekommen,  und  alle,  deren  Gesichts- 
kreis nicht  weiter  als  der  Bureaudienst  reicht,  daraus  entfernt  werden, 
wenn  der  Staatsrath  seine  Aufgabe  soll  lösen  können41. 

Dieser  Darstellung  können  hier  noch  aus  besonderen  Quellen  einige 
Details  hinzugefügt  werden,  die  auch  für  ernsthafte  Leser  nicht  jedes 
Interesses  entbehren  werden.  Der  König  Friedrich  Wilhelm  III.  hat, 
wie  der  Oberpräsident  von  Ostpreussen,  Landhofmeister  v.  Auerswald 
in  seinen  Tagebuchnotizen  vermerkt  hat,  den  Staatsrath  am  30.  März 
1817  persönlich  „mit  wenigen  Worten"  eingeführt.  „Der  ganze  Höf, 
die  Generalität"  war  bei  dieser  Feierlichkeit  zugegen,  sonst  ausser  den 


Von  E  ...  d.  139 

Mitgliedern  des  Staatsrates  „bloss  Militär/4  Die  Entfaltung  dieses  mili- 
tärischen Prunks  bei  solchen  Gelegenheiten,  welche,  als  derselbe  bei 
der  Grundsteinlegung  des  Reichstagsgebäudes  wiederholt  sich  zeigte, 
mehrfach  in  einer  nicht  berechtigten  Manier  bekrittelt  worden  ist,  ent- 
spricht einer  alten  Hohenzollernschen  Tradition,  und  sollte  daher  nicht 
bekrittelt  werden.  Sie  wurde  auch  von  Engländern,  welche  seit  Jahr- 
hunderten mit  parlamentarischen  Institutionen  verwachsen  und  vertraut 
sind,  in  Berlin  nicht  bekrittelt  worden  sein.  Wenn  diese  Nation  bei 
sich  einen  gleichartigen  Prunk  nicht  leiden  würde,  so  liegt  dies  daran, 
dass  dies  bei  ihnen  eine  Neuerung  sein  und  ihrem  Sinne  für  die  Kon- 
servirung  alter  Sitten  widersprechen  würde.  Ausserdem  hat  die  Armee 
in  England  eine  ganz  andere  Stellung  als  bei  uns.  Hier  ist  sie  eine 
mit  dem  ganzen  Yolksbewusstsein  fest  verwachsene  Institution,  welche 
das  ganze  Volk  repräsentirt.  Sie  ist  populär  wie  keine  andere,  und 
somit  rechtfertigt  sich  die  Beibehaltung  der  alten  Sitte,  welche  den 
König  und  jetzt  auch  den  Kaiser  in  Galla  von  seinen  Generalen  um- 
geben, als  die  höchste  Spitze  der  Monarchie  gedacht,  darstellt. 

Dem  Könige  folgte  der  Staatskanzler  Fürst  Hardenberg,  der  „eine 
herzliche  Ansprache  hielt,"  und  die  Organisationsverordnung  publizirte. 
Diese  Bede  ist,  obgleich  sie  zur  Sache  Nichts  enthielt,  als  ein  auf 
„archivalischen"  Studien  beruhendes  Novum  von  Sailer  veröffentlicht 
worden.  Der  Welt  und  auch  dem  Geschichtschreiber  hätte  voraus- 
sichtlich die  von  Auerswald  notirte  Bezeichnung:  „herzliche  Ansprache" 
vollauf  genügt.  Der  Staatskanzler  legte  dem  neu  eröffneten  Staatsrath 
sodann  als  ersten  Gegenstand  seiner  Berathung  „den  neuen  Bülowschen 
Finanz-  und  Steuerplan"  vor.  Wilhelm  v.  Humboldt  war  zum  Vor- 
sitzenden des  sofort  gebildeten  „Finanz-Comite's*  (in  den  Verhandlungen 
wird  dasselbe  als  „Steuerkommission"  bezeichnet)  ernannt  worden,  und 
damit  war  die  erste  einleitende  Sitzung  beendet. 

Dieser  „neue  Bülow'sche  Finanz-  und  Steuerplan"  und  der  Bericht 
der  Steuerkommission  des  Staatsraths,  dann  ein  Separatvotum  Wilhelm 
v.  Humboldts  und  eine  Replik  des  Finanzministers  Grafen  v.  Bülow 
liegen  gedruckt  vor.  Wer  sich  ein  begründetes  Urtheil  über  die  in 
Aussicht  stehende  Wirksamkeit  und  die  Leistungen  des  jetzt  reaktivirten 


140  E>er  preussische  Staatsratb  und  seine  erste  Tfaat  i.  J.  1817. 

Staatsraths  bilden  will,  dem  kann  das  Studium  dieser  Verhandlungen 
nicht  dringend  genug  empfohlen  werden,  welche  der  verstorbene  Re- 
gierungsrath  Dieterici  jun.  in  seinem  1875  erschienenen  Bucho:  „zur 
Geschickte  der  Steuerreform  in  Preussen  von  1810  bis  1820"  auf  Grund 
eingehender  Archivstudien  veröffentlicht  hat.  Diese  Verhandlungen  bieten 
ein  Muster  dar  für  die  Art  und  Weise,  wie  der  Staatsrath  die  Vorlagen 
der  Regierung  zu  behandeln  hat. 

Nachdem  Dieterici,  der  Vater,  in  seinem  noch  lange  nicht  veralteten 
Buche:  „der  Volkswohlstand  im  preussischen  Staate  etc.  vor  Eintritt  des 
Zollvereins"  den  Nachweis  dafür  erbracht  hat,  dass  es  nach  dem  Ab- 
schlüsse des  Friedens  1815  keine  dringendere  Aufgabe  für  die  Gesetz- 
gebung geben  konnte,  als  die  Neuordnung  des  Abgaben-  und  Finanz- 
wesens, bedarf  der  Versuch,  deu  der  Finanzminister  Graf  Bülow  gemacht 
hatte,  keiner  weiteren  Rechtfertigung  bezüglich  seiner  Notwendigkeit. 
Vor  allen  Dingen  war  eine  völlige  Umgestaltung  dr.s  Abgabenwesens 
dadurch  nöthig  geworden,  dass  die  Gesetzgebung  inzwischen  den  bis 
dahin  festgehaltenen  Unterschied  zwischen  den  Städten  und  dem  platteu 
Lande  aufgehoben  hatte.  Das  bisherige  Steuersystem  war  aber  auf  diese 
noch  aus  dem  Mittelalter  überkommene  Unterscheidung  begründet  worden. 
Die  durch  Mauern  und  Thore  räumlich  abgeschlossenen  Städte  hatten 
ihre  Einnahmen  schon  in  sehr  alter  Zeit  durch  indirekte  Abgaben 
(Bierziese  etc.)  erhoben,  und  aus  denselben  ihre  Leistungen  an  den  Landes- 
herrn bestritten.  Die  wachsende  fürstliche  Macht  legte  ihnen  dann 
dieselben  auf.  Als  später  die  Bedürfnisse  des  stehenden  Heeres  gesichert 
werden  mussten,  wurde  auf  dem  platten  Lande  den  Bauern  die  Eon- 
tribution aufgelegt,  welche  später  Grundsteuer  genannt  wurde.  Die  Städte 
wurden  dagegen  mit  der  Accise  belegt,  welche  zuletzt  alle  erdenklichen 
Gegenstände  und  Bedürfnisse  des  Lebens  erfasste.  Dazu  boten  die 
Zwangs-  und  Bannrechte  der  Städte  die  bereite  Handhabe.  Und  wie 
in  Rüssland  im  19.  Jahrhundert  der  Finanxminister  Graf  Kankrin  in  den 
Grenzzöllen  ein  sehr  bequemes  und  kräftig  ausgenutztes  Mittel  fand, 
um  dem  steuerfreien  Adel  auf  einem  Umwege  recht  ansehuliche  Steuern 
abzunehmen,  ohne  dass  dieser  sich  beklagen  durfte,  so  hat  die  preussisclie 
Steuerverwaliung  die  städtische  Accise  zu  demselben  Zwecke  benutzt, 


Von  E  ...  d.  141 

nnd  bis  in  die  subtilsten  Feinheiten  ausgebildet.  Grundbedingung  war 
dabei  freilieb,  dass  alle  Gewerbe  nur  in  den  Städten  getrieben  wurden 
und  das  platte  Land  nur  auf  die  nöthigsten  landwirtschaftlichen  Ge- 
werbe: Maurer,  Zimmerleute,  Schmiede,  Stellmacher  beschränkt  wurde, 
sodass  der  Landmann,  wenn  er  in  der  Stadt  etwas  einkaufte,  die  auf 
den  Rohmaterialien  ruhende,  bei  der  Einfuhrung  in  die  Stadt  erlegte 
Accise  mitbezahlen  musste.  Dies  System  war  mit  solcher  Strenge  durch- 
geführt worden,  dass  Friedrich  der  Grosse  nach  der  Besitznahme  von 
Westpreussen  dort  alle  auf  dem  Lande  wohnenden  Handwerker  ohne 
Weiteres  in  die  sofort  mit  der  Accise  beglückten  Städte  treiben  Hess, 
und  dass  man  in  Süd-  und  Neuostpreussen  nach  der  zweiten  und  dritten 
Theilung  Polens  ebenso  verfuhr. 

Das  System  hatte  freilich  schon  vorher  manches  Loch  erhalten. 
In  Schlesien  fand  man  erbberechtigte  Handwerkerstellen  und  eine  aus- 
gebildete und  damals  werthvolle  Weberei  auf  dem  Lande  vor,  die  sich 
nicht  in  die  Städte  einpferchen  liess.  Als  dann  noch  die  Baumwollen- 
weberei  aufkam,  musste  man  dieselbe  sogar  vom  Zunftzwange  entbinden, 
den  die  zarte  Industriepflanze  gar  nicht  ertragen  hätte.  Nun  wurde  aber 
1810  der  Unterschied  zwischen  Stadt  und  Land  gesetzlich  beseitigt, 
das  Gewerbe  freigegeben.  Der  Steuerverfassung  war  damit  das  Fun- 
dament entzogen,  und  es  war  sogar  später  geradezu  unmöglich  ge- 
worden, dasselbe  wiederherzustellen,  nachdem  man  die  Rheinlande  dazu 
genommen  hatte  mit  einer  ganz  ansehnlichen  Fabrikindustrie,  die  in 
den  alten  Bahmen  einzupassen  unmöglich  war.  Man  hatte  in  der  ersten 
Noth  versucht  die  Accise  als  eine  Konsumtionsabgabe  auf  Brod,  Fleisch, 
Getränke  auch  auf  das  platte  Land  auszudehnen,  um  ein  Gleichgewicht 
mit  den  Städten  einigermaßen  herzustellen.  Aber  die  Mahlsteuer  und 
die  Fleischsteuer  hatte  nicht  bloss  den  Bruch  zwischen  Hardenberg  und 
Niebuhr,  dem  auch  Schön  beitrat,  im  Jahre  1810  zur  Folge  gehabt. 
Niebuh r  hatte  Aufruhr  und  Mord  und  Todschlag  prophezeiht;  Schön 
hatte  vorhergesagt,  dass  dies  System  kein  Jahr  lang  werde  aufrecht 
erhalten  werden  können.  Schon  im  Jahre  1811  musste  der  König  die 
rigorose  Handhabung  der  Mahlsteuer  gegen  das  hungernde  Landvolk 
untersagen,  und  in  mehr  als  einem  Kreise  baten  die  Stände  (d.  h.  da- 


142  ^er  Pf  russische  Staatsrath  und  sein«  erste  That  i.  J.  1817. 

in  als  also  die  grundbesitzenden  Edelleute  auf  dem  Lande)  sie  lieber  mit 
einer  direkten  Fersonalabgabe  zu  belegen,  als  das  hungernde  Volk  so 
furchtbar  zu  peinigen. 

Daduich  war  die  ganze  Steuer  Verfassung  ein  Chaos  geworden, 
welches  noch  dadurch  gesteigert  wurde,  dass  man  eine  Provinz  von  der 
anderen  durch  Binnenzolllinien  halte  trennen  müssen,  damit  nicht  ein 
und  derselbe  Gegenstand  in  verschiedenen  Provinzen  verschiedener  Be- 
steuerung unterliege.  In  den  Provinzen  jenseits  der  Weser  bestand  sogar 
ein  ganz  anderes  Steuersystem,  weil  man  dort  der  verwirrten  Grenzen 
wegen  die  Acciseverfassung  gar  nicht  handhaben  konnte,  und  deshalb 
von  diesen  Landestheilen  Aversa  erhob,  die  zum  Theil  von  den  Ständen 
verwaltet  wurden.  So  war  es  dahin  gekommen,  dass  der  Finanzminister 
selbst  eingestehen  musste,  es  gebe  57  verschiedene  Zoll-  und  Accise- 
tarifs  und  2775  besteuerte  Gegenstände,  und  dass  „auch  der  geübteste 
Officiant  in  dieser  Parthie  keine  richtige  Uebersicht  von  dem,  was  im 
Lande  und  dessen  verschiedenen  Theilen  von  jedem  Artikel  gegeben 
wird,  liefern  kann44. 

Der  Reformplan  des  Grafen  v.  Bülow  war  in  dem  Immediatbericht 
vom  14.  Januar  1817  enthalten,  welchem  zwei  Gesetzentwürfe  beigefügt 
waren :  „Gesetz  über  die  Steuerverfassung  des  Königreichs44  und  „Gesetz 
über  den  Zoll  und  die  Konsumtionssteuern14.  Der  erste  Gesetzentwarf 
behielt  jede  Abänderung  der  Grundsteuerverfassung  der  Berathung  mit 
den  Ständen  vor,  dehnte  dieselbe  aber  gleichzeitig  auf  die  Städte  aus, 
denen  eine  Grundsteuer  und  eine  Gebäudesteuer  auferlegt  werden  sollte. 
Alle  Personal-  und  indirekten  Steuern,  welche  bisher  erhoben  waren, 
wurden  aufgehoben  bis  auf  die  Gewerbesteuer,  die  Stempel-,  Spielkarten- 
und  Kalendereinnahmen,  und  das  Salzmonopol.  Der  zweite  Gesetz- 
entwurf setzte  an  die  Stelle  der  bisherigen  Binnen-  und  Zwischenzölle 
und  der  verschiedenartigen  Grenzzölle  einen  einheitlichen  „Einfuhrzoll 
und  eine  Konsumtionssteuer"  von  auswärtigen  Waaren  gewisser  Art, 
welche  neben  dem  Zoll  erhoben  wurde.  Bei  der  Durchfuhr  solcher 
Waaren  in  andere  Länder  sollte  nur  der  Zoll  entrichtet  werden.  Alle 
Accisen  wurden  aufgehoben  und  ihre  Stelle  durch  Konsumtionsabgaben 
ersetzt.    Zu  dem  Ende  sollte   eine  Mahlsteuer,   eine  Backsteuer,  eine 


Von  IS  ...  4.  143 

Biersteuer,  eine  Branntweinsteuer,  eine  Weinsteuer,  eine  Fleischsteuer, 
eine  Tabacksteuer  erhoben  werden.  Auch  die  neuerdings  angepriesenen 
Berufsgenossenschaften  hatten  in  dem  Projekt  schon  einen  Platz  ge- 
funden. Man  nahm  „Steuerkorporationen"  von  Mullern,  Bierbrauern, 
Branntweinbrennern  in  Aussicht,  welche  die  ihnen  auferlegten  Steuerfixa 
unter  sich  aufbringen  sollten.  Das  heutige  „Pauschalirungssystem"  in 
Oesterreich. 

In  dem  allegirten  Immediatbericht  hat  Graf  Bülow  einige  bemerkens- 
werthe  Aeusserungen  gethan,  welche  von  den  Vertheidigern  des  heutigen, 
dem  Bülow'schen  sonst  recht  ähnlichen  Steuer-  und  Wirtschaftssystems 
nicht  anerkannt  werden  durften.  Seine  Begründung  des  Verbrauchs- 
abgabensystems ist  nur  recht  schwach  ausgefallen.  Er  hatte  überhaupt 
zunächst  den  Verkehr  mit  dem  Auslande  im  Auge,  und  hatte  sich  hier 
der  Feder  Maaßen's  bedient.  „Die  ergiebigste  Quelle  des  Wohlstandes 
liegt  im  Handel.  Die  Erhaltung  und  Beförderung  des  Handels  und  der 
Fabrikation  verdienen  die  gross te  Aufmerksamkeit".  Er  erklärte  es  für 
nothwendig,  „eine  gemässigte  Handelsfreiheit"  zu  gewähren.  „Freier 
Handelsverkehr  mit  dem  Auslande,  Einlassung  fremder,  ebenso  die  Aus- 
fuhr eigener  Erzeugnisse  des  Bodens  und  des  Gewerbefleisses  müsse 
gestattet,  und  jene  sowohl  durch  die  diesseitigen  Länder  zu  verfahren 
(transit),  als  darin  zu  verbrauchen  erlaubt  sein".  Er  verwarf  alle  Ein- 
fuhr- und  Durchfuhrverbote,  das  ganze  bis  dahin  gehandhabte  merkan- 
tilistische  Prohibitivsystem  völlig.  „Dabei  sind  jedoch  Maßregeln  ge- 
nommen, um  dem  inländischen  Gewerbefleiss  Schutz  und  den  inländischen 
Fabrikaten  hinreichenden  Vorzug  zu  gewähren". 

Graf  Bülow  wusste  recht  gut,  und  sein  die  Feder  führender  Ge- 
hülfe,  Maaßen  wusste  es  vielleicht  noch  besser,  dass  der  Reformplan 
an  diesem  Punkte  auf  den  heftigsten  und  zähesten  Widerstand  stossen 
werde.  Die  Handelsfreiheit,  selbst  in  der  Beschränkung,  welche  man 
für  unerlässlich  hielt,  und  der  gerade  Maaßen  wenigstens  zur  Zeit 
diese  Beschränkung  aufzulegen  für  geboten  hielt,  damit  sie  sich  später 
in  den  Freihandel  umwandeln,  oder  zu  demselben  ausbilden  könne, 
war  das  genaue  Gegentheil  von  der  bisherigen  Handels-  und  Gewerbe- 
politik.   Der  Immediatbericht  des  Finanzministers  widmete  also  einen 


144  ^er  prosaische  Staatsrath  and  seine  erste  Tbat  i.  J.  1817. 

ganzen  Abschnitt  der  Rechtfertigung  der  vorgeschlagenen  tief  eingrei- 
fenden Neuerung.  „Ein  Prohibitivsystem11  —  also  das  vom  preussischen 
Staat  seit  den  Tagen  des  grossen  Kurfürsten  konsequent  festgehaltene 
und  bis  in  die  feinsten  Einzelheiten  ausgebildete  Handels-  und  Fabrikeu- 
system  —  „wie  es  in  einigen  Proviuzen  zum  Theil  besteht,  wie  es  Eng- 
land, Frankreich,  neuerlichst  auch  Bussland  befolgt,  kann  der  Lage  und 
dem  Verhältniss  des  preussischen  Staats  unmöglich  entsprechen.  Die 
lange  Küste,  die  Lage  der  Rheinischen  und  Westfälischen  Provinzen 
zwischen  Frankreich,  den  Niederlanden  und"  —  sie!  —  „Deutschland 
eignen  dieses  Land  zu  einem  ausgedehnten  Transitverkehr  und  Zwischen- 
handel. Je  grösser  die  Freiheit,  desto  mehr  wird  man  sich  dieses 
Handels  bemächtigen  können,  möglichst  grosse  Einfuhr  erweitert  den 
Handel,  erleichterte  Ausfuhr  belebt  die  inländische  Produktion11.  Es 
kann  heute  keine  ärgere  Ketzerei  geben,  und  man  mag  daran  einiger- 
maßen bemessen,  wie  gross  der  Rückschritt  bereits  geworden  ist,  den 
die  heutige  Wirthschafts-,  Handels-  und  Steuerpolitik  gemacht  hat  —  ] 
um  mehr  als  zwei  Menschenalter!  ! 

Es  wird  dann  darauf  hingewiesen,  dass  man  schon  immer  die  Provinz 
Preussen  von  dem  Prohibitiv-  und  Fabrikensystem  habe  ausnehmen 
müssen,  dass  man  jetzt  mehrere  fabriken reiche  Landestheile  dazu  er- 
worben habe,  denen  man  Absatz  in  das  Ausland  eröffnen  müsse,  dass 
Einfuhrverbote  aber  das  Gegen  theil  von  dem,  was  man  zu  erstreben 
habe,  bewirken,  und  Retorsionen  des  Auslandes  hervorrufen  werden. 
Aber  „der  Monopoliengeist  beherrscht  aller  Orten  die  Produzenten  und 
Fabrikanten  auf  gleiche  Weise.  Sie  fordern  Zurückweisung  der  fremden 
und  wollen  den  alleinigen  Betrieb  ihrer  Erzeugnisse  sowohl  im  Inlande 
als  zugleich  den  ungehinderten  Absatz  im  Auslande,  da  sie  des  Aus- 
landes dabei  nicht  entbehren  können.  Sie  übersehen  es  dabei,  dass 
Beides  zugleich  nicht  zu  erreichen  stehtu.  Das  Beispiel  der  Provinzen 
Niederrhein  und  Westfalen  wird  zu  Gunsten  dieser  Lehre  herangezogen. 
Sie  „haben  ihre  Kräfte  dadurch  kennen  gelernt.  Während  sie  ohne  alle 
Staatsvortheile  und  Bannmittel  fremde  Konkurrenz  ausznhalten  hatten, 
hat  sich  ihre  Fabrikation  erhoben,  und  der  Kunstfleiss  ist  dahin  ge- 
diehen, dass  sie  nicht  allein  den  Absatz  im  Inlande  sich  zu  sichern 
keine  Sorge  haben,  sondern  auch  die  Konkurrenz  mit  England  bestehen14. 


< 


?on  E  .  .  .  d.  145 

Diese  Aeusserung  stand  nun  freilich  in  schroffem  Widerspruch  zu 
dem  gerade  damals  lebhaften  Geschrei,  welches  die  Fabrikanten  in  allen 
Landestheilen  gegen  die  durch  die  Beseitigung  des  Napoleonischen 
Kontinentalsystems  plötzlich  herangelockte  Konkurrenz  der  englischen 
Fabrikanten,  wie  heute  wieder,  erhoben  hatten.  Im  ersten  Augenblicke 
begegnete  dieselbe  natürlich  auch  einer  auf  das  allerniedrigste  Maaß 
herabgedrückten  Kauf-  und  Konsumtionskraft  des  durch  die  Kriege  auf 
den  Tod  erschöpften  Volkes.  Das  Beispiel  eines  Fabrikanten  im  Merse- 
burger Begierungsbezirk,  Buben  Goldschmidt,  hatte  aber  die  Aufmerk- 
samkeit des  Finanzministers  erregt,  denn  dieser  war  „der  einzige  inlän- 
dische Fabrikant,  der  im  Verhältniss  zu  seinem  nicht  sehr  starken  Lager 
gute  Geschäfte  in  baumwollenen  Waaren  gemacht  zu  haben  scheint'1, 
so  hatte  die  Begierung  zu  Merseburg  im  August  1816  berichtet.  Sein 
Erfolg  beruhte  aber  auf  der  Kunst  der  Ausstattung  seiner  Waaren. 

Die  Noth  der  Lage  war  übrigens  noch  dadurch  verschärft  worden, 
dass  nicht  bloss  England,  Frankreich,  Holland,  Bussland  sich  durch 
Prohibitivsysteme  abschlössen,  sondern  auch  England  den  landwirt- 
schaftlichen Erzeugnissen  namentlich  der  Ostprovinzen,  welche  auf  den 
Export  nach  England  seit  Jahrhunderten  angewiesen  gewesen  waren, 
den  englischen  Markt  durch  die  Parlamentsakte,  Kornbill,  vom  20.  März 
1815,  wenn  nicht  verschloss,  doch  den  Eintritt  wesentlich  erschwerte 
und  unsicher  machte.  Unter  solchen  Umständen  war  der  Staatsrath 
Kunth,  der  Erzieher  der  Gebrüder  v.  Humboldt  und  langjährige  Ver- 
traute und  quasi  Geschäftsführer  Steins,  der  seit  dem  Jahre  1807  das 
sogenannte  Fabrikendepartement  geleitet  hatte,  mit  einer  genauen  an 
Ort  und  Stelle  anzustellenden  EnquSte  über  die  Lage  und  die  Bedürf- 
nisse der  industriellen  Thätigkeit  betraut  worden.  Seine  Enkel  haben 
diesem  verdienten  Beamten,  dessen  Wirksamkeit  in  diesem  entscheidenden 
Augenblick  von  der  höchsten  Wichtigkeit  gewesen  ist,  ein  ehrendes 
Denkmal  in  dem  Buche  „das  Leben  des  Staatsraths  Kunth  von  Friedrich 
und  Paul  Goldschmidt  (zugleich  die  Enkel  jenes  Fabrikanten  Goldschmidt) 
Berlin  1881"  gesetzt,  aus  welchem  das  Nähere  entnommen  werden  kann. 
Kunth  resumirte  sich  in  seinen  Reiseberichten  dahin,  dass  die  Klagen 
der  Fabrikanten  zwar  nicht  unbegründet,  aber  in  hohem  Maße  über- 

Aftp.  MoMtaMhrlft  Bd.  XXIL  Hft.lo.2,  10 


146  ^er  Prosaische  Staatarath  and  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

trieben  seien.  Sie  mfissten  sich  grössere  Bildung  aneignen,  mehr  Werth 
legen  auf  Berufskenntnisse  und  technische  Erfahrungen,  mehr  durch  eigene 
Anschauung  lernen  auf  den  grossen  Industrieplätzen  Englands  und  Frank- 
reichs, und  dürften  sich  nicht,  wie  bisher  —  es  war  das  freilich  eine 
nothwendige  Folge  des  alten  Prohibitivsystems  und  jenes  Fabrikensystems, 
welches  auf  fortwährender  Einmischung  der  Regierung  in  die  Fabriken- 
manipulationen beruhte  —  auf  den  Schutz  verlassen,  den  eine  Regierung 
durch  Ausschluss  jeder  Konkurrenz  gewähren  kann".  Diese  Winke  sind 
später  von  dem  unvergesslichen  Beuth  befolgt  worden,  und  sie  sind 
das  Fundament  für  eine  Blüthe  der  deutschen  Industrie  geworden,  die 
man  damals,  als  man  in  den  allerbescheidensten  Anfingen  stand,  gar 
nicht  zu  ahnen  vermochte. 

Es  gereicht  dem  Finanzminister  Grafen  v.  Bülow  zu  unvergäng- 
licher Ehre,  dass  er  an  dieser  Stelle,  wenn  er  nicht  auch  seiner  eigenen 
wissenschaftlichen  Ueberzeugung  folgte,  seinem  spiritus  rector  auf  diesem 
Felde,  Maaßen,  freie  Hand  liess,  und  seiner  Anregung  folgte.  Er  ist 
vielleicht  selbst  erstaunt  gewesen,  dass  er  hier  einen  Erfolg  errang,  den 
er  kaum  erwartet  haben  mochte,  und  welcher  die  Grundlage  zu  einem 
ebenso  grossartigen  politischen  Aufschwünge  des  preussischen  Staates 
abgegeben  hat.  Der  Zolltarif,  den  Graf  Bülow  von  diesem  freihändleri- 
schen Standpunkte  ausarbeiten  liess,  und  vorlegte,  wurde  vom  Staats- 
rath  mit  ganz  unerheblichen  Aenderungen  nahezu  einstimmig  gut  ge- 
heissen,  und  hat  dann  später  Deutschland  in  den  Zollverein  gezwungen. 
Alle  übrigen  Vorschläge  Bülows,  bei  denen  Maaßen  nicht  die  Hand  im 
Spiele  gehabt  hat,  gegen  die  er  sogar  schliesslich  auftrat,  wurden  ver- 
worfen, weil  die  Staatsmänner,  welche  im  Staatsrate  darüber  zu  Gericht 
sassen,  nicht  bloss  den  Verkehr  mit  dem  Auslande,  sondern  auch  alle 
Fragen  der  inneren  Besteuerung  nach  dem  Prinzip  der  Freiheit  beur- 
theilen  wollten,  und  sich  vor  allen  Dingen  nicht  dazu  hergaben,  die 
Lebensnothdurft  des  gemeinen  Mannes  mit  schweren  Steuern  zu  belegen, 
wie  man  jetzt  wieder  für  Weisheit  ausgiebt.  Graf  Bülow  behauptete 
später,  um  sein  der  französischen  Verwaltung  entlehntes  Steuersystem 
zu  vertheidigen :  „eine  Auflage  auf  Brod,  Fleisch  und  Kleider  wirkt  wie 
eine  unmittelbare  Auflage  auf  das  Arbeitslohn,  wird  daher  sieht  von 


V.M 


Von  E  . . .  a.  147 

dem  Arbeiter  selbst,  der  sie  verbraucht,  sondern  von  dem,  der  den  Ar- 
beiter braucht,  vorgeschossen,  und  dieser  findet  wieder  seine  Entschädi- 
gung in  dem  Preise  der  Waaren".  Den  ersten  Satz  erkannte  man  im 
Staatsrath  als  richtig  an,  die  Wahrheit  des  letzteren  stellte  man  in 
Abrede,  und  derselbe  ist  heute,  wo  er  als  etwas  angeblich  Neues  wieder- 
holt wird,  um  nichts  wahrer  geworden,  als  er  damals  war. 

Die  leider  überaus  kurzen  Angaben,  welche  die  hinterlassenen 
Tagebuchnotizen  des  Landhofmeisters  v.  Auerswald  darbieten,  enthalten 
nur  Merkzeichen  für  die  eigene  Erinnerung.  Thatsächlich  ergeben  die- 
selben über  den  Hergang  Folgendes:  Schon  am  1.  April  1817  waren 
sämmtliche  Oberpräsidenten  bei  dem  Finanzminister  Grafen  v.  Bülow 
im  Verein  mit  den  Geh.  Käthen  Maaßen  und  Ferber  zu  einer  Konferenz 
„über  das  neue  Abgabensystem"  vereinigt.  Vielleicht  hat  Graf  Bülow 
bei  dieser  Gelegenheit  den  Versuch  gemacht,  die  Majorität  der  Steuer- 
kommission im  Voraus  zu  beeinflussen.  Es  hat  dabei  „heftige  Debatten" 
gegeben,  über  welche  Punkte  wird  nicht  gesagt.  Da  nur  einer  der 
Oberpräsidenten,  v.  Heydebreck,  später  als  Gegner  des  Freihandels  auf- 
trat, so  mag  man  annehmen,  dass  diese  Herren  von  vornherein  ihrem 
Vorgesetzten  bezüglich  der  inneren  Besteuerung  den  Gehorsam  und  mit 
demselben  ihre  Zustimmung  aufkündigten.  Die  Oberpräsidenten  haben 
sich  später  gemeinsam  über  des  Ministers  „grobes  Benehmen"  beschwert. 

Am  5.  April  fand  die  erste  Sitzung  der  Steuerkommission  statt, 
welche  wahrscheinlich  die  Behandlung  des  umfassenden  Stoffes  betraf. 
Wie  Auerswald  bei  dieser  Gelegenheit  anmerkt,  soll  die  Verhandlung 
„von  Humboldt  in  einer  Art  eingeleitet  worden  sein,  die  klar  darthue, 
dass  er  erst  durch  Hören  das  ihm  übertragene  Geschäft  lernen  will". 
In  der  zweiten  Konferenz  am  10.  April,  nachdem  also  die  verschiedenen 
Referenten  sich  eingerichtet  hatten,  entwickelte  und  rechtfertigte  Graf 
v.  Bülow  „in  V/i stündigem  Vortrage  seinen  neuen  Steuerplan".  Man 
sefzte  eine  Subkommission  ein,  welche  den  Auftrag  erhielt,  die  von 
Bülow  vorgelegten  Belagspapiere  zu  prüfen.  Diese  Kommission  bestand 
aus  den  Oberpräsidenten  v.  Schön  und  Merkel  und  aus. den  Geh.  Käthen 
Hoffmans,  v.  Ladenberg  und  Maaßen.  Dann  aber  ging  man  zur  Be- 
ratung 4er  einzelnen  Theile  des  Steuerplans  über,  und  es  ist  offenbar 

10* 


148  ^er  P^ussische  Staatsrate  und  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

in  der  dritten  Konferenz  zuerst  zur  Erörterung  des  Zoll-  und  Handels- 
systems gekommen.  Dieser  Theil  des  Reformplans  ist  auch  in  dem 
Beriebt  der  Steuerkommisson  vorangestellt. 

Hier  handelte  es  sich  zunächst  um  die  Frage,  ob  Prohibitivsystem 
oder  Handelsfreiheit,  und  diese  Frage  ist  in  dem  Bericht  der  Steuer- 
kommission ebenso  ausführlich  behandelt,  wie  in  Graf  Bülows  Immediat- 
bericht.  Da  das  preussische  Handelssystem  bis  dahin  auf  Prohibitiv- 
und  Fabrikenzwang  beruht  hatte,  so  war  hier  der  Punkt  gegeben,  wo 
eine  Beform  einzusetzen  hatte,  wenn  überhaupt  eine  durchgreifende 
Reform  für  nothwendig  erachtet  wurde.  Es  musste  für  die  wirtschaft- 
liche Entwickelung  des  preussischen  Staates,  der  so  eben  erst  die  Auf- 
gabe übernommen  hatte,  ganz  verschieden  geartete  und  situirte  Wirt- 
schaftsgebiete zu  einer  Einheit  zusammenzusch weissen,  von  entscheidender 
weittragender  Bedeutung  sein,  ob  man  die  neu  erworbenen  Landestheile 
in  das  alte  Prohibitions-  und  Fabrikensystem  hineinzwängen,  oder  dieses 
System  für  die  mittleren  alten  Provinzen  —  die  Provinz  Preussen  hat 
niemals  unter  dem  Prohibitiv-  und  Fabrikensystem  gestanden  —  voll- 
ständig über  Bord  werfen  müsse.  Ein  Drittes  gab  es  nicht.  Hier  hat 
nun  die  Idee  der  Freiheit,  wenn  auch  nicht  in  ihrer  Reinheit,  aber  im 
Prinzip,  wie  sie  von  Adam  Smith  verkündet  war,  einen  unerwartet 
grossen  Sieg  erfochten,  und  man  darf  wohl  sagen,  dass  es  dieser  Sieg 
eines  grossartigen  Prinzips  gewesen  ist,  welcher  dem  preussischen  Staate 
den  Weg  bahnte,  um  die  beherrschende  Stellung,  welche  ihm  in  Deutsch- 
land gebührt,  zunächst  auf  wirtschaftlichem  Gebiete  zu  erringen. 
Sieben  Sitzungen  hat  die  Steuerkommission  gebraucht,  um  die  Frage 
nach  allen  Richtungen  hin  zu  erörtern.  Erst  in  der  neunten  Sitzung 
wurde  „das  Prohibitivsystem  abgestimmt".  Das  Prohibitivsystem  wurde 
mit  zwanzig  Stimmen  gegen  zwei  verworfen.  Da  die  Kommission  nur 
aus  zweiundzwanzig  Mitgliedern  bestand,  so  muss  die  im  „Leben  des 
Staatsrates  Kunthu  p.  118  enthaltene  Angabe,  dass  drei  Mitglieder*  für 
das  Prohibitivsystem  gestimmt  haben,  nothwendig  der  im  Bericht  der 
Kommission  enthaltenen  Angabe  gegenüber  auf  einem  Irrthum  beruhen, 
obgleich  sie  von  Kunth  selbst  herrührt.  Welcher  von  den  dort  genannten 
Herren:  v.  Heydebreck,  v.  Ladenberg  und  v.  Beguelin  schliesslich  zur 


Von  B  .  .  .  d.  149 

Freihandelspartei  übergegangen  ist,  dürfte  nicht  von  Belang  sein,  doch 
darf  man  wohl  vermuthen,  dass  Ladenberg  und  Beguelin  die  zäheren 
Naturen  gewesen  sind. 

Die  Vorgänge  hinter  den  Kulissen,  welche  der  Abstimmung  voran- 
gingen,  sind  übrigens  interessant  genug,  und  sie  sind  durch  Kunth  selbst 
in  ein  recht  helles  Licht  gestellt  worden.    Kunth  ist  persönlich  bei  den 
Berathungen  der  Steuerkommission  nicht  betheiligt  gewesen,  da  er  nicht 
Mitglied  des  Staatsraths  war.    Aber  der  König  selbst  sowohl  als  auch 
der  Staatskanzler  waren  von  so  zahlreichen  Bittschriften  aus  allen  Welt- 
gegenden bestürmt  worden,  vorzüglich  aber  hatten  sich  die  während  der 
Kontinentalsperre  reich  gewordenen  Fabrikanten   von  Seiden-,  Baum- 
wollen- und  Wollenwaaren  damals  ebenso  stürmisch  für  das  Prohibitiv- 
system ausgesprochen,  wie  ihre  Nachfolger  heute  an  dem  Schutzzollsystem 
hängen.   „Denn",  so  sagt  GrafBülow:  „der  Monopoliengeist  beherrscht 
aller  Orten  die  Produzenten  und  Fabrikanten  auf  gleiche  Weise".   Der 
König  selbst  soll  den  monopolistischen  Bestrebungen  sehr  geneigt  ge- 
wesen sein.   Hier  aber  kam  der  guten  Sache  das  eigentümliche  Miss- 
trauen zu  statten,  welches  dieser  König,  der  immer  nur  darauf  bedacht 
gewesen  ist,  den  für  die  Wohlfahrt  seiner  Unterthanen  richtigen  Weg 
zn  finden,  nicht  bloss  in  seine  eigene  Einsicht,  sondern  auch  in  die 
seiner  nächsten  Bathgeber  zu  hegen  gewohnt  war.   Er  hatte  daher  die 
Einsetzung  einer  Spezialkommission  angeordnet,  welche  unter  dem  Vorsitz 
Heydebrecks  diese  Petitionen  einer  Prüfung  unterwerfen  sollte.    Nach 
Kunths  Angabe  sassen  in  dieser  Kommission  v.  Heydebreck,  v.  Laden- 
berg, v.  Beguelin  und  noch  zwei  nicht  genannte  Personen,  welche  von 
Jenen  dem  Könige  vorgeschlagen  waren.    Noch  in  letzter  Stunde  hatte 
der  Staatskanzler  es  durchgesetzt,  dass  auch  Kunth  und  Maaßen  als 
Vertreter  der  entgegengesetzten  Richtung  in  die  Kommission  gesetzt 
wurden.    Diese  Kommission,  in  welcher  Kunth  und  Maaßen  die  grössten 
Widerwärtigkeiten  zu  erfahren  hatten,  entschied  sich  mit  fünf  gegen 
zwei  Stimmen  für  das  Prohibitivsystem.    Ihrem  Bericht  aber  fügten 
Kunth  und  Maaßen  ein  von  ersterem  verfaßtes  Separatvotum  bei. 

„Es  ist  nicht  erwiesen,  aber  es  ist  anzunehmen,  dass  ohne  das 
Separatvotum  Kunths  ....  die  Kommission  des  Staatsraths  in  ihrer 


150  ^er  Preaß8'8C^e  6taatsrath  und  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

Mehrheit,  zumal  der  König  selbst  den  monopolistischen  Wünschen  eines 
Theils  der  Fabrikanten  ausserordentlich  geneigt  war,  sich  den  An- 
schauungen der  Spezialkommission  angeschlossen  hätte",  sagen  die  Bio- 
graphen Kunths.  Aber  wenn  in  Folge  dessen  der  bezugliche  Theil  des 
Bülow'schen  Beformplanes  in  der  Steuerkommission  und  dann  im  Staats- 
rat selbst  und  schliesslich  in  der  Anschauung  des  absolut  gebietenden 
Königs  gefallen  wäre,  so  würden  wir  heute  unzweifelhaft  in  der  Lage 
sein,  zu  beklagen,  dass  eine  niemals  wiederkehrende  Gelegenheit,  den 
preussischen  Staat  und  ganz  Deutschland  auf  die  jetzt  erreichte  Stufe 
der  wirtschaftlichen  Machtentfaltung  und  Kultur  zu  beben,  versäumt 
wurde.  Hier  ist  nicht  die  einzige  aber  eine  unerlässliche  Entscheidung 
getroffen  worden,  deren  Wirkung  noch  bis  in  die  heutige  Zeit  hineinreicht. 
Die  Gefahr,  dass  das  Princip  der  Handelsfreiheit,  wie  man  es  da- 
mals verstand,  d.  h.  nicht  als  Freihandel,  sondern  nur  als  Gegensatz 
gegen  die  Prohibition  oder  so  hohen  Zölle,  dass  der  Handel  und  der 
Import  ausländischer  Waare  unmöglich  wurde,  in  der  Steuerkommission 
verworfen  worden  wäre,  konnte  kaum  sehr  gross  sein.  Diese  Kommission 
war  zum  überwiegenden  Theil  aus  Männern  zusammengesetzt,  welche 
von  dem  Geist  der  neuen  Zeit  zum  Theil  völlig  erfüllt,  zum  Theil 
wenigstens  von  demselben  stark  berührt  waren.  Wilhelm  v.  Humboldt 
war  über  diese  Frage  wohl  über  jeden  Zweifel  hinaus.  Die  Ober- 
präsidenten v.  Auerswald,  v.  Schön,  v.  Vincke  kann  man  ohne  Weiteres 
für  Apostel  des  Adam  Smith'schen  Systems  ansehen.  Friese  würde 
niemals  seine  Stimme  für  das  Prohibitivsystem  abgegeben  haben;  ist  er 
doch  geradezu  der  Verfasser  des  §  34  der  Regierungsinstruktion  vom 
26.  Dezember  1808  gewesen,  in  welchem  die  Regierungen  zur  Hand- 
habung des  Freihandels  und  der  Gewerbefreiheit  verpflichtet  wurden. 
Die  Oberpräsidenten  Merkel,  Zerboni,  Graf  Solms,  die  Geheimen  Räthe 
Ferber,  Hoffmann  und  Maaßen  standen  auf  demselben  Standpunkte,  und 
selbst  Fürst  Radziwill  wäre  schwer  für  engherzige  Prinzipien  zu  ge- 
winnen gewesen.  Ausgesprochene  Gegner  des  Prinzips  waren  wohl  nur 
v.  Heydebreck,  v.  Ladenberg,  v.  Beguelin.  So  blieben  nur  etwa  v.  Ingers- 
leben,  v.  Bülow,  v.  Dewitz,  Rother,  Sack  und  Scharnweber  als  zweifel- 
haft und  gegnerischen  Ausführungen  unter  Umständen  zugänglich  einer 


Von  E  ...  d.  151 

entschiedenen  Majorität  gegenüber,  denn  Herr  v.  Behdiger  konvertirte 
sieh  erst  nach  1819.  Dagegen  mochte  es  zweifelhaft  sein,  ob  das  Plenum 
des  Staatsrates,  in  welchem  doch  viele  Personen  sassen,  welchen  über 
diese  Frage  kein  selbständiges  entschiedenes  Urteil  zugetraut  werden 
darf,  sich  der  Majorität  oder  einer  starken  Minorität  der  Steuerkommission 
angeschlossen  hätte.  Da  letztere  nicht  vorhanden  war,  so  ist  die  Ent- 
scheidung allerdings  in  der  Steuerkommission  so  gefallen,  dass  das 
Plenum  folgen  musste. 

Dagegen  ist  gar  nicht  zu  verkennen,  dass  Eunths  Votum,  dem 
Maaßen  pure  beigetreten  war,  wesentlich,  sogar  entscheidend  dazu  bei- 
getragen hat,  dass  die  Majorität  für  das  Freiheitsprincip  so  imposant 
ausfiel.  Die  Enkel  Eunths  haben  diese  Staatsschrift  aus  dem  Geheimen 
Staatsarchive  hevorgezogen  und  als  Anlage  II.  p.  271  der  Biographie 
ihres  Grossvaters  abgedruckt.  Die  Lektüre,  ja  das  Studium  derselben 
kann  Jedem,  der  sich  über  die  Frage  ein  Urteil  bilden  will,  noch  heute 
nicht  dringend  genug  empfohlen  werden.  Eunth  geht  in  seiner  Argu- 
mentation von  dem  Satze  aus :  „rein  staatswirthschaftlich  und  im  Geiste 
unserer  ganzen  neueren  Gesetzgebung  seit  1807,  besonders  seit  1810 
betrachtet,  würde  der  Manufakturhandel  für  ganz  frei,  durch  keine  Art 
von  Abgaben  gelenkt,  zu  erklären  sein,  damit  Jeder  nur  das  unternähme, 
was  ihm  den  grüssten  Gewinn  verspricht,  nicht  mehr  auf  den  besondern 
Schutz  der  Regierung  sich  verlassend,  Jeder  seine  Eenntnisse  und 
äusseren  Mittel  zu  gewerblichen  Unternehmungen  prüfte,  verfehlte  Spe- 
kulationen seltener  würden14.  Von  der  schädlichen  Einwirkung  der 
staatssocialistischen  Fürsorge  für  den  Schutz  der  nationalen  Arbeit  giebt 
er  ein  drastisches  Beispiel:  „Die  Seidenfabriken  in  Berlin,  Potsdam, 
Frankfurt  und  Köpenick  (um  nur  ein  Beispiel  anzuführen,  weil  es  am 
genauesten  bekannt  ist)  kosten  dem  Staat  (den  Begierungskassen  und 
der  Nation)  in  einem  Zeitraum  von  achtzig  Jahren  gegen  zehn  Millionen 
Thaler".  Er  meint,  dass  sei  pure  Verschwendung  im  Verhältnisse  zu 
den  erlangten  Resultaten  gewesen  von  Geldern,  die  anderweit  viel  nutz- 
bringender hätten  angelegt  werden  können  und  sollen.  „Wie,  wenn'  wir 
jährlich  50000  Stück  Hornvieh  mehr  erzeugten,  und  mit  der  Viehpest 
verschont  blieben!"    Das  Buch  des  ersten  preussischen  Statistikers 


152  ^er  preussische  Staatsrate  and  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

Leopold  Krug  „vom  Nationalreichthum  des  preussiscben  Staats11  und  die 
Studienreisen  Theodor  v.  Schöns  enthalten  übrigens  noch  zahlreiche 
andere  Beispiele  der  sonderbaren  Wirkungen  jenes  Schutzes  der  nationalen 
Arbeit,  welche  der  Staat  damals  gewährte,  und  man  darf  sagen,  dass 
Kuntb  vollkommen  Recht  hatte,  wenn  er  behauptete:  „in  den  Zwangs- 
pro vinzen,  während  der  Zeit  der  strengsten  Sperre,  unter  den  reichlichsten 
ausserordentlichen  Unterstützungen  der  Regierung,  wie  keine  andere  sie 
jemals  gegeben  hat,  sind  die  Fabriken  in  grosser  Anzahl  zu  Grunde 
gegangen,  oder  haben  die  innere  Kraft  nicht  erlangt,  um  jenen"  (den 
Fabriken  in  den  Provinzen  der  Freiheit)  „sich  gleich  zu  stellen;  in  den 
wenigen  Jahren  der  Freiheit"  (1814  bis  1817),  „der  drückenden  äusseren 
Verhältnisse  ungeachtet,  sind  mehrere  neue  entstanden,  oder  haben  sich 
intensiv  und  extensiv  gehoben".  Es  würde  übrigens,  beiläufig  bemerkt, 
da  die  nähere  Ausführung  nicht  hierher  gehört,  ohne  allzu  grosse 
Schwierigkeit  sich  erweisen  lassen,  dass,  was  man  heute  als  „die  sociale 
Krankheit"  zu  bezeichen  liebt,  im  Grunde  nur  durch  die  Nachgiebigkeit 
hervorgerufen  worden  ist,  mit  welcher  man  damals,  wie  Friedrich  List 
später  aus  Maaßens  Munde  erfahren  hat,  wider  die  bessere  Ueberzeugung 
dem  Fabrikantengeschrei  die  Konzession  machte,  nicht  zum  reinen  Frei- 
handel entschlossen  überzugehen. 

Hier  ist  überhaupt  nicht  der  Ort,  das  Thema  weiter  zu  verfolgen. 
Der  Staatsrath,  dem  Beschlüsse  seiner  Kommission  folgend,  genehmigte 
den  Bülow'schen  Zolltarif,  der  darauf  berechnet  war,  die  Einfuhr  fremder 
Waaren  freizugeben,  aber  zugleich  „dem  inländischen  Gewerbefleiss 
Schutz  und  den  inländischen  Fabrikaten  hinreichenden  Vorzug  zu  ge- 
währen", jedoch  so,  dass  die  fremde  Konkurrenz  nicht  ausgeschlossen 
wurde.  Dabei  hatten  Auerswald  und  Schön  gleich  den  Antrag  gestellt, 
die  Verbrauchsabgabe  mit  dem  Zolle  zu  vereinigen,  was  aber  erst  drei 
Jahre  später  wirklich  erfolgte.  Man  sah  voraus,  dass  diese  Aenderung 
der  Handelspolitik  auch  tiefgreifende  Aenderungen  in  der  Beschäftigung 
der  Fabrikarbeiter  nach  sich  ziehen  werde,  und  dass,  obwohl  die  Nach- 
frage nach  Arbeitskräften  von  dem  Angebot  derselben  zur  Zeit  gar 
nicht  befriedigt  werden  könne,  doch  namentlich  ältere  Arbeiter  in  die 
Lage  kommen  könnten,  erwerblos  zu  werden.     Die  Steuerkommission 


Von  £  ...  d.  153 

trag  daher  darauf  an  —  und  das  muss  bei  der  beute  herrschenden 
Begriffsverwirrung  ausserordentlich  merkwürdig  erscheinen  —  „dass  der 
Staat  für  die  etwa  ausser  Brod  kommenden  Arbeiter  sorge,  ihnen  w 
Beschäftigung  und  Unterhalt  Gelegenheit  verschaffe,  und  sie  nöthigen- 
falls  unterstütze'4,  sowie  dass  dafür  „ein  zureichender  Fonds  ausgesetzt 
werde11.  Recht  auf  Arbeit !  Freilich  nur  im  landrechtlichen  Sinne,  zu- 
gleich aber  auch  ein  Beispiel,  welches  in  grossem  Maßstabe  wird  nach- 
geahmt werden  müssen,  wenn  einmal  der  jetzt  Mode  gewordene  „Schutz 
der  nationalen  Arbeit1'  wird  abgewirtschaftet  haben.  Das  Experiment 
wird  sich  dann  als  ein  sehr  kostspieliges  erweisen,  und  Gott  verhüte, 
dass  man  erst  wieder  in  einer  Zeit  gleichartiger  Noth  gezwungen  werde, 
die  Probe  darauf  zu  machen. 

Ganz  anders  stellte  sieh  die  Steuerkommission  und  dann  der  Staats- 
rate selbst  zu  dem  andern  Theile  des  Bülow'schen  Beformplanes  be- 
züglich der  inneren  Besteuerung.  Nachdem  am  24.  April  in  der  neunten 
Sitzung  der  Kommission  das  Prohibitivsystem  mit  zwanzig  Stimmen 
gegen  zwei  verworfen  war,  ging  man  zur  Berathung  des  Tarifs  über, 
die  nur  zu  einigen  unerheblichen  Aenderungen  führte,  und  in  der  drei- 
zehnten Sitzung  am  1.  Mai  beendet  wurde.  Dann  folgte  die  Berathung 
über  die  Mahlstener,  Fleiscbsteuer,  Branntweinsteuer,  Salzmonopol  *c., 
die  erst  in  der  neunundzwanzigsten  Sitzung  am  3.  Juni  beendet  wurde. 
Es  folgte  dann  noch  eine  Sitzung  zur  Feststellung  des  Berichts,  und 
eine  am  20.  Juni  zur  Vollziehung  desselben.  Da  keine  Sache  im  Plenum 
des  Staatsraths  zur  Berathung  gestellt  werden  durfte,  welche  demselben 
nicht  vom  Könige  zugewiesen  wurde,  so  ging  dieser  vom  Staatssekretär 
Friese  abgefasste  Bericht  zunächst  nicht  an  den  Staatsrath,  sondern  als 
„Immediatbericht"  vom  20.  Juni  1817  an  den  König  selbst.  Erst  die 
Kabinetsordre  vom  23.  Juni  verwies  den  Theil  des  Berichts,  der  den 
Verkehr  mit  dem  Auslande  betraf,  in  Gesetzesform  an  das  Plenum  des 
Staatgraths.  Der  andere  Theil  wurde  einstweilen  noch  zurückgestellt. 
Die  Berathung  im  Plenum  des  Staatsraths  fand  am  2.,  3.  und  5.  Juli 
statt  in  langdauernden,  zum  Theil  sogar  „stürmischen'1  Sitzungen. 
Auerswaldö  Tagebuchnotizen  geben  darüber  folgende  Nachricht,  die  nicht 
ohne  Interesse  ist :  „2.  Juli :  Staatsrathsversammlung.  Regellose  Kon- 


154  Der  prosaische  Staatsrat  und  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

ferenz!  Humboldt  gegen  Bülow  sehr  brav;  letzterer  erbärmlich.  An- 
cillons  Mantelträgerei.  Grobheit  des  alten  Grollmann  (des  Chefs  des 
Obertribunals).  3.  Juli:  Staatsrathsversammlung  von  11  bis  3  V*  Uhr. 
Das  Prohibitivsystem  wird  mit  58  Stimmen  gegen  3  abgestimmt  Schlechte 
Leitung  des  Vortrages.  5.  Juli:  Konferenz  des  Staatsrates  über  das 
Steuergesetz  unter  stürmischen  Diskussionen  3  Stunden,  wobei  sich 
Mininister  Bülow  erbärmlich  nahm.  Der  Kronprinz  zeigte  Kraft.  Minister 
Schuck  mann  erlaubte  sich  höhnische  Bemerkungen  über  Preussen.  Ich 
trat  allein  dagegen  auf,  und  widerlegte  ihn  mit  Erfolg  dadurch,  dass 
ich  ihn  ad  absurdum  führte.  Sack,  Heydebreck,  Beguelin,  Kamptz 
zeigten  sich  mit  erbärmlicher  Mantelträgerei.  Die  Konferenz  dauerte 
von  11  bis  5'A  Uhr  N.  M."  Bei  dieser  Gelegenheit  zeigte  sich  schon 
die  Spaltung  zwischen  Liberalen  und  Reaktionären,  sowie  ein  Gegensatz 
zwischen  Altpreussen  und  Märkern.  Der  letztere  war  nicht  neu,  sondern 
rührte  aus  der  älteren  Beformzeit  und  dem  Jahre  1813  her.  Beide  Strö- 
mungen vertieften  sich  später  sehr  erheblich,  uud  dauern  heute  noch  fort. 
Am  folgenden  Tage  reisten  die  Oberpräsidenten  von  Berlin  ab,  um 
nie  wieder  gleichzeitig  in  Berlin  zu  tagen.  Der  König  hatte  in  der 
schon  bezeichneten  Kabinetsordre  angeordnet,  dass  der  zweite  Theil  des 
Berichts  der  Steuerkommission  über  die  innere  Besteuerung,  weil  dieselbe 
zwar  Bülows  Plan  verworfen,  aber  keine  anderen  Vorschläge  gemacht 
hatte  —  „ich  vermisse  dieselben  ungern/1  hatte  der  König  gesagt  — 
dem  Finanzminister  wieder  zugestellt  werden  solle  mit  der  Aufforderung, 
„sich  mit  einem  neuen  Gesetzentwurf  zu  beschäftigen,  und  dabei  auf 
die  Bemerkungen  der  Kommission  Bücksicht  zu  nehmen44.  Vorher  aber 
sollten'  die  Oberpräsidenten  „sich  gleich  nach  ihrer  Rückkehr  in  die 
Provinzen  mit  einsichtsvollen  Eingesessenen  derselben  über  die  neu 
einzuführenden  Steuern  berathen,  ihnen  zu  dem  Ende  die  liberalen  Grund- 
sätze,  von  denen  bei  der  Sache  ausgegangen  wird,  und  die  Verhand- 
lungen der  Kommission  bekannt  machen44.  Der  König  überliess  es  den 
Oberpräsidenten  ausdrücklich,  „wie  diese  Berathungcn  anzustellen  sind, 
sowie  die  Auswahl  der  Personen.  Es  ist  gleichviel,  aus  welchen  Ständen 
sie  genommen  werden,  wenn  sie  nur  Einsicht,  Rechtlichkeit  und  Kenntniss 
der  Provinz  besitzen44. 


Von  E  .  .  .  d.  155 

üeber  die  Verhandlungen  der  Oberpräsidenten  mit  ihren  Notabein 
sind  wir  nicht  näher  unterrichtet,  so  wünschenswert  dies  wäre,  um 
die  damalige  Stimme  des  Landes  über  Besteuerung  der  notwendigsten 
Lebensbedürfnisse  des,  wie  man  damals  sagte,  gemeinen  Mannes  näher 
kennen  zu  lernen.  Die  ostpreussischen  Notabein  haben  vom  22.  August 
bis  zum  1.  September  1817  getagt,  und  ihre  Meinung  in  zehn  Sitzungen 
zum  officiellen  Ausdruck  gebracht.  Dass  sie  für  eine  Klassensteuer 
gestimmt  haben,  mag  man  ohne  Weiteres  annehmen,  denn  die  Stände 
des  Heilsberger  (alten)  Kreises  hatten  schon  im  Jahre  1810  flehentlich 
um  eine  solche  an  Stelle  der  das  hungernde  Volk  zur  Verzweiflung 
treibenden  Mahlsteuer  gebeten.  Die  westpreussischen  Notabein  waren 
nach  einem  Briefe  Schöns  an  den  Grafen  Alexander  zu  Dohna  (ans  den 
Papieren  2c.  Bd.  6.  p.  399)  am  28.  August  fertig.    „Wir  haben11,  schreibt 

Schön,  „verworfen  die  Mahlsteuer,  die  Fleischsteuer, Dagegen 

ist  eine  Personensteuer  von  16  gute  Groschen  (2  Mark)  bis  5  Thaler 
( 15  Mark)  mit  Ausschluss  aller  Personen  unter  14  Jahren  vorgeschlagen, 
die  Backstetter,  die  Hausplatzsteuer,  die  Tabaksteuer  sind  als  Lumpe- 
reien, die  keines  Worts  werth  wären,  bezeichnet  ....  Auch  die  Bier- 
und  Branntweinsteuer  soll  in  Gewerbesteuer  verändert  werden11.  Auf 
dieser  Grundlage  konnte  dann  J.  G.  Hoffmann  sein  Klassensteuerge- 
setz  ausarbeiten,  und  endlich  zur  Annahme  bringen.  Dies  der  tat- 
sächliche Hergang  bei  der  Einfährung  der  direkten  Personalbesteuerung 
im  Gegensatze  zu  der  indirekten  Besteuerung  der  notwendigsten 
Lebensbedurfnisse . 

Wilhelm  v.  Humboldt  hatte  dem  Immediatbericht  der  Steuerkom- 
mission ein  Separatvotum  beigefügt,  und  mit  dem  esteren  dem  Könige 
vorgelegt.  In  demselben  rechtfertigte  er  vorzüglich  und  ausführlich, 
dass  und  aus  welchen  Granden  die  Steuerkommission  unter  seinem  Vor- 
sitz nur  zu  einem  negativen  Votum  über  die  innere  Besteuerung  gelangt  sei. 
in  dieser  Staatsschrift,  welche  den  sonstigen  Staatsschriften  Humboldts 
ebenbürtig  zur  Seite  steht,  betont  er,  dass  „der  jetzige  Zustand  der 
Ungleichheiten,  Missverhältnisse  und  Reibungen"  allerdings  gründlicher 
Abhülfe  bedürftigt  sei,  „eine  Beform  mit  Hecht  nothwendig  heisse". 
Aber  eine  Beform  dürfe  sich  nicht  auf  „theüweise  Veränderung  und 


^■1 


156  ^er  preosfliache  Staatsratn  und  seine  erste  That  i.  J.  1817. 

zweifelhafte  Verbesserung"  beschränken,  sondern  sie  müsse  eine  „wohl- 
thätige  Umschaffung  des  fehlerhaften  Znstandesu  herbeiführen,  und  des- 
halb auf  „einem  und  einem  allgemeinen  Plan"  beruhen.  Der  Reform- 
plan  des  Finanzministers  aber  leide  —  „alle  übrigen  von  der  Kommission 
einzeln  gemachten  Vorwürfe  abgerechnet"  —  an  zwei  Fehlern.  Der 
eine  sei,  „das 8  er  nicht  alle  Steuern  umfasst",  der  andere,  „dass  er 
gar  keine  Rücksicht  auf  die  so  ausnehmend  verschiedene  und  selbst  in 
ihrer  auch  bei  diesem  Gesetz  stehend  bleibenden  Belastung  so  ungleichen 
Provinzen  des  Staats  nimmt".  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  giebt 
Humboldt  zwar  zu,  dass  eine  „genaue  Quotisation  der  Provinzen"  niemals 
erreichbar  sei,  er  verlangt  aber,  dass  in  der  Ungleichheit  der  Belastung 
„ein  Begriff  des  Minimi  und  Maximi  ihres  verhältnissmässigen  Beitrages 
zum  Grunde  liegen"  müsse,  den  er  wohl  für  erreichbar  hält,  „da  nicht 
alle  Steuern  indirekte  zu  sein  brauchen".  Damit  kam  Humboldt  auf 
die  Frage  zu  sprechen,  dass  eine  Regulirung  der  Grundsteuer  durchaus 
nothwendig  sei,  wenn  man  ein  neues  Steuersystem  einführen  wolle,  und  er 
brachte  zugleich  auch  die  Einführung  direkter  Personalsteuer  zur  Sprache. 
Die  erste  Frage  hat  sodann  weniger  den  Staatsrath  selbst,  als 
vielmehr  die  nunmehr  in  den  Vordergrund  tretenden  Steuerreformatoren 
Maaßen,  J.  G.  Hoffmann  und  selbst  Ladenberg  lange  beschäftigt.  Sie 
ist  bekanntlich  erst  45  Jahre  später  gelöst  worden.  Die  zweite  Frage 
ist  dagegen,  da  eine  Steuerausgleichung  durch  indirekte  Steuern  absolut 
nicht  gefunden  werden  konnte,  und  da  sich,  was  ausserordentlich  wichtig 
ist,  die  Mehrzahl  der  Oberpräsidenten  nach  erfolgter  Berathung  mit 
ihren  Notabein  dahin  äusserte,  dass  man  eine  Mahl-  und  Fleischsteuer 
absolut  verwerfe  und  für  verderblich  erachte,  dass  man  zum  Ersatz  der- 
selben auf  der  Einführung  einer  Elassensteuer  bestehe  (Hoffmann  an 
Bother  bei  Dieterici  p.  187)  zu  Gunsten  direkter  Personalsteuern  in  den 
nächsten  zwei  Jahren  entschieden  worden.  Es  ist  also  gar  nicht  wahr, 
was  heute  so  oft  behauptet  wird,  dass  die  Einführung  der  Elassensteuer 
und  die  Zurückstellung  der  indirekten  Besteuerung  einem  doktrinären 
Irrthum  irgend  welcher  manchesterlichen  Theorie  zu  verdanken  sei,  den 
man  jetzt  zu  korrigiren  habe.  Das  Land  selbst  hat  durch  den  Mund 
seiner  Notabein  diese  Verbesserung  des  Steuersystems  gefordert,  und 


Von  E  .  .  .  d.  157 

das  Volk  in  diesem  Lande  hatte  an  seinem  Leibe  den  furchtbaren  Druck 
des  indirekten  Steuersystems  und  insbesondere  der  Besteuerung  der 
notwendigsten  Lebensmittel  in  den  vorhergegangenen  Nothjahren  zur 
Genüge  erfahren,  um  aus  Erfahrung  zu  sprechen,  die  man  heute  wieder 
in  doktrinärem  Uebermuth  einer  veralteten  Theorie  in  den  Wind  schlägt. 

Humboldt  hatte  aber  endlich  auch  einen  Gedanken  angeregt,  der 
noch  weiter  beweist,  wie  nahe  man  einer  Konstitutionellen  Verfassung 
zu  sein  glaubte.  „Ich  bin  sehr  weit  entfernt  zu  behaupten,  dass  ein 
neues  Steuergesetz  nicht  ohne  Berathung  mit  den  Ständen  gegeben 
werden  könne,  eine  solche  Behauptung  liesse  sich,  da  jetzt  nicht  ein- 
mal Provinzialstände  vorhanden  sind,  allgemein  nicht  aus  den  bestehenden 
Verhältnissen  herleiten,  so  wünschenswert  ich  es  auch  halte,  vorzüg- 
lich über  die  Modalitäten  der  Anwendung  auch  die  einzelnen  Provinzial- 
stände zu  Bathe  zu  ziehen.  Allein  ich  muss  meiner  Ueberzeugttng  nach 
weiter  gehen,  und  es  doch  wenigstens  unangemessen  finden,  ein  allgemeines 
Steuergesetz,  ohne  durch  andere  Gründe  als  die  Verbesserung  der 
Steuerverfassung  dazu  genötbigt  zu  sein,  in  demselben  Augenblick  zu 
geben,  wo  eine  ständische  Vertretung  eingeführt  werden  soll,  die  Art 
und  Weise  derselben  aber  noch  nicht  feststeht.  Beide  Maßregeln  in 
richtigen  Zusammenhang  zu  bringen,  scheint  mir  eine  unerlässlicbe 
Forderung".  Man  darf  wohl  vermuthen,  dass  diese  Bemerkung  den 
König  veranlasst  hat,  die  Vernehmung  von  Notabein  über  die  Steuer- 
reform durch  die  Oberpräsidenten  anzuordnen. 

Auf  diese  Seite  der  Staatsratbsverhandlungen  kann  hier  nicht  näher 
eingegangen  werden.  Begnügen  wir  uns  hier  mit  dem  Resultat,  dass 
die  erste  That  des  Staatsrats  in  der  mit  Kraft  und  Erfolg  durch- 
gesetzten Grundlegung  für  ein  Zoll-  und  Handelssystem  bestanden  hat, 
welches  Preussen  an  die  Spitze  Deutschlands  geführt  hat.  Eine  glor- 
reiche That,  an  welcher  der  Minister  denselben  Antbeil  hat,  wie  die 
ihm  sonst  opponirende  und  schliesslich  ihn  aus  seiner  Stellung  ver- 
treibende Koalition  geistreicher  und  energischer  Oberpräsidenten. 


Kritiken  und  Referate. 


Die  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der  Zamaiten  (Litauer).  Gesammelt 
und  herausgegeben  von  Dr.  Edm.  Veckenstedt.  Zwei  Bände.  Heidel- 
berg.  Carl  Wintert  Uiuverritätebuchhandlung.    1883.    8°. 

„Das  vorliegende  Werk  ist  die  Frucht  meiner  Beschäftigung  mit  der  Volks- 
Überlieferung  der  Zamaiten.  Als  ich  vor  nicht  ganz  vier  Jahren  Deutschland  verlies, 
um  meine  jetzige  Stellung  am  hiesigen  Gymnasium  anzutreten,  beseelte  mich  die 
Hoffnung,  dass  ich  neben  ansprechender  amtlicher  Th&tigkeit  Zeit  und  Gelegenheit 
finden  würde,  meine  sprachlichen  Studien  erweitern  und  vertiefen,  sowie  auch,  wenn 
das  Geschick  mir  hold,  der  Forschung  neues  mythologisches  Material  zufuhren  zu 
können.  Dass  diese  Hoffnung  keine  trügerische  gewesen,  erweist  das  Werk,  welches 
ich  hiermit  der  Öffentlichkeit  übergebe:  mehr  als  hundert  Gestalten  der  zamaitischen 
Mythologie  und  Sagenwelt,  welche  bisher  der  Forschung  ganz  unbekannt  waren,  oder 
von  denen  man  wenig  mehr  als  den  Namen  wusste,  sind  darin  der  Wissenschaft 
erschlossen". 

Mit  diesen  Worten  beginnt  Herr  Veckenstedt,  früher  Oberlehrer  am  Gymnasium 
zu  Iibau,  jetzt  Chefredacteur  der  Wochenschrift  „Von  Nah  und  Fern"  die  Einleitung 
des  vorliegenden  Werkes  und  stellt  dasselbe  als  eine  mythologische  Quelle  ersten 
Ranges  hin.  Wäre  es  dies  in  der  That,  so  müsste  man  es  mit  der  Zuversicht  be- 
nutzen können,  dass  sein  Inhalt  im  Allgemeinen  durch  mündliche  Tradition  aus  der 
Zeit  des  litauischen  Heidenthumes  überliefert  und  von  den  litterarischen  Überliefe- 
rungen und  Darstellungen  der  litauischen  Mythologie  unabhängig  sei.  Diese  Voraus- 
setzung trifft  indessen,  wie  sofort  gezeigt  werden  soll,  nicht  zu. 

Lasiczki  nennt  in  seiner  bekannten  Schrift  „de  diis  Samagitarum"  (herausgegeben 
von  Mannhardt  im  Magazin  der  lett.-liter.  Gesellschaft  XIV,  1,  S.  88)  u.  a.  die  dea 
vespertina  Bezlea  und  die  dea  tenebrarum  Breksta  („Bezlea  dea  vespertins, 
Breksta  tenebrarum").  Kein  Kenner  des  Litauischen  wird  zweifeln,  dass  Breksta 
nichts  anderes  als  die  Verbalform  brekszta  „es  tagt"  ist,  und  dass  in  Bezlea  das 
Substantiv  ileja  „das  Halbdunkel  in  der  Morgen-  oder  Abenddämmerung"  oder  das 
Verbum  llejfiti  „dämmern,  beginnen  dunkel  zu  werden"  (vgl.  Kurschat,  Lit.-dt«ch. 


I 


Dr.  Edm.  Veckenstedt,  die  Mythen,  Sagen  u.  Legenden  der  Zaraaiten.     J59 

Wörterbuch  S.  526)  steckt.  Das  Be  von  Bezlea  kann  hieran  nichts  andern,  da 
einerseits  es  das  Verbalpr&fix  be  sein  kann,  andererseits  die  betr.  Stelle  als  ganzes 
genommen  unsinnig  ist  (vgl.  das  Über  Breksta  gesagte).  Diese  beiden  Göttinnen 
sind  also  lediglich  für  Geschöpfe  des '  Laaiczki  oder  eines  seiner  Gewährsmänner  zu 
halten;  der  Umstand,  dass  wir  sie  in  dem  vorliegenden  Werke  finden  —  die  erste' 
als  Brekszta,  I.  87,  die  zweite,  als  Beslea,  I.  87,  196—198  — ,  zwingt  demnach 
zu  der  Annahme,  dass  dasselbe  zun  Theil  auf  der  erwähnten  Schrift  beruht.  — 
Wenn  von  der  Beslea  erzahlt  wird,  sie  habe  diesen  Namen  deshalb  erbalten,  weil 
ihr  mit  dem  obersten  der  Teufel  erzeugter  Sohn  nach  seinem  Tode  das  Aussehen 
eines  Balkens  (baslis)  angenommen  habe  (I.  198),  so  versteht  Referent  durchaus 
nicht,  wie  Beslea  aus  baslis  hätte  gebildet  werden  können.  Er  zweifelt  dagegen 
keinen  Augenblick,  dass  irgend  jemand,  der  zwischen  s  und  z  nicht  zu  unterscheiden 
verstand  —  also  ein  Deutscher  —  Bezlea,  wovon  man  ihm  nach  Lasiczki  oder 
Hanusch  oder  sonst  wem  erzählt  hatte,  in  Beslea  verderbte,  und  dass  derselbe  oder 
ein  anderer  diese  mit  der  geschmacklosen  Geschichte  ausstaffirte,  die  oben  andeutungs- 
weise mitgeteilt  ist. 

Im  ersten  Bande  S.  174  ff.  hat  Herr  Veckenstedt  einige  Geschichten  zusammen- 
gestellt, welche  von  einem  Weide-  und  Herdengott  Gonyklis  handeln.    Mit  ihm, 
der  „sich  gern  in  der  Gestalt  eines  Widders  zeigt",  ist,  wie  man  sofort  erkennt,  der 
II.  158  auftretende  Widder  Goniglis,  welcher  den  Wilkutis  d.  i.  den  Wolf  besiegt, 
identisch.    Daas  diese  Namen  mit  lit.  ganyklä  „Weide",  ganyti  „weiden"  zu  ver- 
binden sind,  ist  ebenfalls  ohne  weiteres  klar;  trotzdem  aber  fordern  beide  zum  Nach- 
denken auf.  Woher  kommt  ihr  o?  Im  £emaitischen  —  und  Sedden,  woher  eine  der 
betr.  Geschichten  stammt,  liegt  doch  im  Kreise  Telsch  —  wird  doch  a  vor  einem 
Nasal  mit  darauf  folgendem  Vocal  nicht  zu  o!    Wie  ist  das  -glis  von  Goniglis 
aufzufassen?    In  der  litauischen  Sprache  ist  doch  dafür  nur  -klis  zu  hOren!    Soll 
man  sein  g  ebenso  beurtheflen,  wie  das  von  Niksztagelis  (II.  35),  welches  einfach 
fehlerhaft  für  k  steht?    Warum  lesen  wir  Goniglis  und  nicht  Gonyglis?  —  — 
Alk  diese  Fragen  und  Bedenken  lOst  ein  Blick  in  die  von  Herrn  Veckenstedt  selbst 
erwähnte  (II.  256)  Kronika  polska,  litewska,  zmödzka  u.  s.  w.  Stryjkowski's,  wo  man 
in  einer  Aufzählung  litauischer  und  zemaitischer  Gottheiten  (in  der  Warschauer  Aas- 
gabe von  1846  Bd.  I,  S.  146  f.,  in  der  Warschauer  Ausgabe  von  1766  S.  146)  folgendes 
findet:  „Goniglis  Dziewos,  pasterski  bog  lesny,  ktore  Grekowie  i  Rzynrianie  Sati- 
ros  Faunosque  zwali".  In  diesem  Goniglis  Dziewos  hat  man  längst  gan^klos 
devas  „Gott  der  Weide"  erkannt  (Mannhardt  a.  a.  0.  S.  106,  Anm.),  und  es  fca&n 
durchaus  nicht  befremden,  goniglis  für  gan^klos  (oder  vielleicht  richtiger  gany- 
kUs)  in  einem  Verzeichnisse  zu  finden,  in  welchem  die  Wortungeheuer  Swiecz- 
punseynis  und  Chaurirari  (für  kariavyriju]?)  begegnen.    Wenn  aber  in  einem 
modernen  Werk  der  Genitiv  goniglis  so  oder  in  der  ein  bischen  corrigirten  Fotjn 
gonyklis  als  Name  eines  überirdischen  Wesens  erscheint,  so  ist  das  —  trotz  Narbutts 


1§0  Mitthailungen  und  Anhang. 

gonge le  —  ein  schlagender  Beweis  dafür,  dass  jenes  Werk,   wenn  auch  indirect, 
theilweise  von  Stryjkowski's  Eronika  abhängt. 

Wir  finden  in  dem  vorliegenden  Werk  also  Geschichten,  welche  litterarischen, 
und  zwar  unlauteren  litterarischen  Quellen  entsprungen  sind.  Wie  viele  der  Art  ei 
enthält,  lässt  sich  um  so  weniger  bestimmt  sagen,  als  Herr  Yeckenstedt  —  unbe- 
kümmert um  das  Misstrauen,  welches  man  mit  Recht  gegen  Berichte  hegt,  deren 
Ursprung  und  Überlieferung  nicht  klar  vor  Augen  liegen  —  über  die  Herkunft  der 
einzelnen  Stücke  seiner  Sammlung  so  gut  wie  nichts  sagt.  Bedenkt  man  aber,  das* 
einen  erheblichen  Theü  dieses  Werkes  Schüler  des  Libauschen  Gymnasiums  und  junge 
Studenten  zusammengetragen  haben  (I.  26  ff.),  d.  h.  Personen,  welchen  man  die  zur 
psychologischen  Beurtheilung  der  betr.  Erzähler  nöthige  Keife  im  allgemeinen  nicht 
wird  zutrauen  dürfen;  dass  „jeder  dieser  jugendlichen  Mitarbeiter  vor  seiner  Ferien- 
reise Besprechungen  mit  Herrn  Veckenstedt  über  Mythologica  gehabt,  dass  dieser  ihm 
Fragezettel  als  Anhaltepunkte  für  seine  Nachforschungen  mitgegeben"  (II.  246  f.); 
dass  das  Werk  eine  Masse  von  Namen  (und  zwar  zum  TheU  recht  seltsamen)  enthält, 
die  man  bisher  nur  aus  gedruckten  Quellen  kannte,  und  von  welchen  weder  Schleicher, 
noch  Bezzenberger,  noch  Geitler,  noch  irgend  ein  anderer  irgend  etwas  von  Litauern 
oder  bemalten  gehört,  und  dass  Herr  Veckenstedt  dieselben  in  ganz  unverhaUtnis- 
mäsaig  kurzer  Zeit  aufgetrieben  hat;  dass  endlich  das  Hauptstück  der  Sammlung, 
„die  Stammsage  der  Zamaiten"  (I.  31—94),  von  allen  —  so  viel  Referent  weiss  — 
Beurtheüern  dieses  Buches  verworfen  und  für  eine  Compilation  unlitauischer  Züge 
erklärt  ist  —  so  wird  man  sich  die  Zahl  jener  Geschichten  recht  erheblich  vorstellen 
müssen.  Muss  man  dies  aber,  so  kann  man  diesen  „Mythen,  Sagen  und  Legenden 
der  Zamaiten"  unmöglich  einen  erheblichen  wissenschaftlichen  Werth  zuschreiben,  so 
darf  man  sie  durchaus  nicht  als  eine  zuverlässige  mythologische  Quelle  betrachten 
und  benutzen.  Sie  enthalten  auch  brauchbares,  aber  nur  ganz  wenige  dürften  in  der 
Lage  sein,  dasselbe  auszuscheiden.  Die  äusserste  Vorsicht  bei  dem  Gebrauch  dieses 
Werkes  sei  deshalb  dringend  empfohlen. 

Schliesslich  darf  nicht  verschwiegen  werden,  dass  einzelne  Theile  des  besprochenen 
Werkes  durch  Personen  hindurchgegangen  sind,  welche  nur  sehr  massige  Kenntnisse 
des  Litauischen  besitzen  können  (vgl.  z.  B.  „den  Piktybe",  „des  Piktybe"  I.  135  f.  und 
das  schauderhafte,  von  Bezzenberger  in  atzindojis  conigirte  adfendelis  II.  261), 
und  dass  Herr  Veckenstedt  selbst  von  dieser  Sprache  nur  sehr  wenig  versteht.  Der 
„Gott  Warpn"  welchen  er  jüngst  „in  die  Wissenschaft  eingeführt"  hat  (Pumphut, 
ein  Kulturdämon  der  Deutschen,  Wenden,  Litauer  und  Zamaiten,  Leipzig  1885,  S.  14) 
lässt  dies  deutlich  erkennen:  „er  hatte  dem  Gott  Warpu  geopfert"  ist  natürlich  die 
schülerhafte  Übersetzung  eines  litauischen  devni  värpu  ap8rav6je.s  „hatte  Gott 
Ähren  geopfert"  oder  eines  v&rpu  devui  apöravöjes  „hatte  dem  Gott  der  Ähren 
geopfert". 


Max  Hobrecht,  Von  der  Ostgrenze.  Ißl 

Von  der  Ostgrenze.  Drei  Novellen  von  Max  Hob  recht.  Berlin  bei  W.  Hertz 
(Be8sersche  Buchhandlung)  1885. 

Auch  in  Deutschland  gilt  es  mehr  und  mehr  als  selbstverständlich,  dass  sich 
die  erzählende  Dichtung,  wenn  sie  für  national  gelten  soll,  auf  ein  mehr  oder  minder 
bestimmtes  und  dem  Leser  erkennbares  Stück  deutscher  Erde  zu  stellen  und  von  da 
her  die  Lokalfarbe  zu  entnehmen  hat.   Dabei  wird  natürlich  stets  derjenige  Erzähler 
etwas  voraus  haben,  der  ein  möglichst  allgemein  bekanntes,  jedem  leicht  zugäng- 
liches Lokal  wählt,  das  der  Leser  aus  eigener  Anschaung  kennt  oder  in  Bildwerken 
oft  vor  Angen  gehabt  hat;  er  bringt  dann  sein  Interesse  für  Land  und  Leute  schon 
der  Erzählung  entgegen  und  glaubt  sich  in  derselben  schnell  zu  Hause.   Weit  zögernder 
folgt  er  dem'  Autor  nach  Punkten  des  grossen  Vaterlandes,  die  von  der  gewöhnlichen 
Reiseroute  weit  entfernt  liegen  und  daher  schon  die  Vermuthung  gegen  sich  haben, 
fesselnde  Reize  zu  besitzen.    Und  wenn  auch  —  „wer  gelangt  jemals  dahin?"    So 
mag  es  kaum  einen  Strich  deutschen  Landes  geben,  der  zur  belletristischen  Ausbeute 
unlohnender  scheint,  als  unsere  „Ostgrenze".   Und  doch  ist  hier  im  Landschaftlichen, 
Ethnographischen,  Politischen,  Gesellschaftlichen  in  Vergangenheit  so  viel  Charakte- 
ristisches anzutreffen,  dass  jeder  Versuch,  dieses  Gebiet  wenigstens  der  immer  nach 
Neuem  begierigen  Lesewelt  aufzuschliessen,  mit  besonderem  Dank  begrüsst  werden 
sollte.  Freilich  wird  verlangt  werden  müssen,  dass  der  eigentlich  novellistische  Theil 
der  Erzählung  um  so  fesselnder  gestaltet  wird,  je  zufälliger  die  Beziehungen  zu  dem 
gewähltem  Lokal  sind,  und  dass  andererseits  das  Charakteristische  in  der  Schilderung 
der  Gegend  und  der  handelnden  Personen  um  so  lebhafter  hervortritt,  je  weniger 
Eigenartiges  die  Erzählung  selbst  hat.    In  dieser  Hinsicht  lassen  die  vorliegenden 
drei  Novellen  zu  wünschen  übrig.  Erfindung  ist  nicht  gerade  die  starke  Seite  dieses 
Autors,  und  wenn  er  schildert  hat  man  oft  das  Gefühl,  als  ob  es  ihm  darauf  ankomme, 
in  allererster  Linie  seine  Landsleute  an  der  Ostgrenze  selbst  zu  bedenken,  ihnen  ge- 
druckt aufzutischen,  was  sie  als  National-  oder  lieber  Provinzialgericht  anderswo 
nicht  finden,  aber  auch  nicht  suchen.  Wir  dürfen  uns  diese  liebenswürdige  Aufmerk- 
samkeit schon  gefallen  lassen,  müssen  aber  befürchten,  dass  man  auswärts  kein  Auge, 
oder  nicht  das  richtige  Auge  für  diese  Art  der  lokalen  lüeinmalerei  haben  wird.  Der 
Verfasser  gefallt  sich  in  derselben  manchmal  so,  dass  er  ganz  das  Maß  für  das  ver- 
liert, was  als  allgemein  anziehend  gelten  kann.    So  wird  manche  Partie,  auf  die  er 
vermuthlich  selbst  ein  besonderes  Gewicht  legt,  als  weitschweifig  empfunden  werden. 
An  anderen  Stellen,  wo  er  sich  gleichsam  von  der  Bücksicht  auf  die  intimsten  Kenner 
von  allerhand  Provinzialismen  emancipirt  und  der  Handlung  einen  rascheren  Fluss 
gestattet,  zeigt  er  dann  wieder,  dass  er  trefflich  zu  erzählen  versteht,  nicht  gerade 
spannend  aber  gut  und  angenehm  unterhaltend.  Am  meisten  eigentlichen  Novellenstoff 
enthält  die  letzte  der  drei  Erzählungen  „Vis  major";  sie  ist  auch  die  ansprechendste. 
Obgleich  die  Handlung  auch  an  einem  andern  Orte  vor  sich  gehen  könnte,  als  in 
uaaerm  Samland,  so  hat  der  Held,  Gutsbesitzer  Gerhard  zu  Schallauen,  sein  Nachbar 

Altpr.  UonatMcfcrift  Bd.  XXII.  Hft.  1  «.  8.  11 


162  Kritiken  und  Referate. 

Schütz  und  dessen  Frau  etwas  recht  anheimelnd  Ostpreussisches,  das  auch  wohl 
auswärts  verstanden  und  gewürdigt  werden  kann.  „Feiertage"  ist  in  der  ersten  Halft« 
etwas  zu  lang  gerathen.    Der  preussische  Bischof,  aas  dessen  Leben  hier  „Bilder" 
geboten  werden,  ist  der  bekannte  Georg  Ton  Polenz,  der  dem  Herzog  Albrecht  eine 
wesentliche  Stütze  bei  Durchführung  der  Reformation  in  Preussen  war  und  zu  Gunsten 
des  neuen  weltlichen  Staates  auf  seine  bischöfliche  Landeshoheit  verzichtete.  Dies  and 
wie  er  seine  Frau  Katharina  gewinnt  und  mit  ihr  trotz  mancherlei  Anfeindungen  in 
die  ihm  vom  Herzog  verliehene  Burg  Balga  einzieht,  ist  recht  behaglich  und  mit 
guter  Kenntniss  der  damaligen  Kulturverhaltnisse  vorgetragen.    Der  Titel  lässt  den 
Inhalt  nicht  ahnen  und  bezieht  sich  eigentlich  auch  nur  auf  die  Ueberschriften  der 
Kapitel  (Weihnachten  —  Ostern  —  Pfingsten,)  die  wieder  nur  die  dem  Geistlichen 
besonders  bedeutsamen  Zeiten  bezeichnen,  in  denen  er  nun  auch  weltlich  etwas  Wich- 
tigeres erlebt.    Er  darf  am  Schlags  gewiss  mit  Recht  rühmen:  „als  wir  die  Lehre 
umstiessen,  dass  Ehelosigkeit  ein  Gott  wohlgefälliges  Opfer  sei,  haben  wir  eine  gute 
Arbeit  gethan.    Dess  will  ich  mich  getrosten".   —   „Marienburg"   muthet   wie  die 
novellistische  Bearbeitung  einer  älteren  Aufzeichnung  wirklicher  Erlebnisse  aus  dem 
Anfang  dieses  Jahrhunderts  an,  als  der  merkwürdige  Ordensbau  noch  als  eine  halbe 
Ruine  dalag  und  Wenigen  erst  das  Verständniss  für  seine  historische  und  architektoni- 
sche Bedeutung  aufzugehen  anfing.  Der  Erzähler  spricht  in  der  ersten  Person,  kann 
also  der  Autor  selbst  nicht  sein ;  vielleicht  aber  hat  er  aus  Familienpapieren  geschöpft 
und  dem  Aufzeichner  das  Wort  lassen  wollen,  so  viel  er  auch  von  dem  Seinigen  da- 
zu that.    Auffallend  erscheint  es  immer,  dass  eine  orientirende  Einleitung  fehlt,  wie 
sonst  bei  Ich-Novellen,  deren  Fabel  erfunden  ist.    Das  Leben  in  der  kleinen  west- 
preussischen  Garnisonstadt  in  der  Zeit  vor  dem  Befreiungskriege  ist  recht  anschaulieb 
gemacht.    Die  Beziehungen   der  kleinbürgerlichen  Gesellschaft  zu  dem  erhabenen 
Bauwerk  benehmen  ihr  etwas  von  dem  beengenden  Charakter;  man  sieht  brave, 
tüchtige  Menschen  aufwachsen  und  zuletzt  thätig  in  die  Zeitereignisse  eingreifen.  Nur 
wäre  auch  hier  ein  strafferes  Zusammenziehen  der  für  die  Handlung  wesentlichen 
Momente  wünschenswerth  gewesen.  E.  W. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  ia  Königsberg  1883. 

Zu  der  Sitzung  vom  16.  Februar  ist  noch  des  Berichts  von  Dr.  Bujack  und 
Major  von  Graba  über  eine  Urnenbeisetzung  in  einem  Meinen  Hügel  (zu  Skurpien, 
Er.  Neidenburg)  im  12.  Oder  13.  Jahrb.  zu  erwähnen  (vgl.  d.  betr.  Sitzgsber.  S.  69—70). 

Sitzung  vom  16.  März.    Vortrag  von  Rittmeister  v.  Montowt  auf  Kirpehnen: 

Die  Schlacht  des  griechischen  Alterthums 
und  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  zur  Zeit  der  Lineartaktik. 

Verfasser  motivirt  den  Versuch  eines  derartigen  Vergleiches  bei  Schlachten  so 

verschiedener  Zeiträume!  wo  bei  der  Ungleichheit  des  Heer-  und  Waffenwesera,  der 


Alterthumsgesellschaft  Prnssia  1883.  Ig3 

# 

Taktik,  hier  des  Nahkampfes  8—16  Glieder  tiefer  Phalangen,  dort  der  Feuertaktik 
dünner  Linien 'scheinbar  die  Anknüpfungspunkte  fehlen,  damit,  dass  mit  vollem  Recht 
eigentlich  ebenso  von  einer  Lineartaktik  des  griechischen  Alterthums  wie  von  einer 
Lineartaktik  des  18." Jahrhunderts  gesprochen  werden  könne,  indem  in  den  Schlachten 
beider  Zeiträume  verhältnissmassig  lange,  zusammenhängende,  geschlossene  Fronten 
auftreten,  die  eine  grosse  Offensiv-  und  Defensivkraft,  aber  äusserst  schwache  Flanken 
besitzen.  Je  ausgedehnter  und  unangreifbarer  nun  eine  Front  wird,  desto  grösser 
resp.  augenscheinlicher  wird  auch  die  Schwäche  der  Flanke  und  es  ist  aus  diesem 
Grunde  erklärlich,  dass  sich  für  den  Vertheidiger  stets  sehr  viel  um  Schutz  der  Flanke, 
für  den  Angreifer  um  Gewinnung  der  feindlichen  Flanke  handeln  wird. 

Während  die  schachbrettförmige  Schlachtordnung  des  römischen  Alterthums 
mehr  auf  einen  Durchbruch  des  feindlichen  Centrums  eingerichtet  ist,  scheint  die 
Lineartaktik  mehr  die  Tendenz  zur  Flögelschlacht  zu  haben.  Dieses  Prinzip  der 
Flügelschlacht  und  seine  Entwickelung  zur  schiefen  Schlachtordnung  findet  sich  in 
den  Schlachten  beider  Zeiträume. 

Wenn  Thukydides  schon  ein  gegenseitiges  Ueberflügeln  der  kleinen  griechischen 
Heere,  welche  hauptsächlich  nur  aus  schwer  bewaffneten  mit  Schutz-  und  Nahwaffen 
versehenem  meistens  acht  Glieder  tief  aufgestelltem  Fussvolk  bestanden,   dadurch 
motivirte,  dass  bei  dem  Angriff  der  beiden  Heere  —  denn  beide  ergriffen  stets  die 
Offensive  —  jeder  mit  seiner  unbeschildeten  —  rechten  —  Seite  unter  dem  Schilde 
seines  rechten  Nebenmannes  Schutz  gesucht  habe,  was  zu  einer  Vorwärtsbewegung 
der  Linie  mit  halbrechts  geführt,  so  wurde  dieses  mehr  unwillkürlich  angenommene 
Prinzip  der  schiefen  Schlachtordnung  zunächst  durch  Epaminondas  künstlich  vervoll- 
kommnet, welcher  den  linken  Flügel  seiner  Schlachtordnung  als  Offensivflügel  durch 
Zotheilung  einer  tiefen  Angriffskolonne,  die  Elite  des  Heeres  enthaltend,  sowie  von 
Kavallerie  und  leichter  Infanterie  quantitativ  und  qualitativ  verstärkte,  während  der 
rechte  Flügel  und  das  Centrum  bei  dem  Angriff  zurückgehalten  werden.  Eine  weitere 
Ausbildung  erfuhr  dieses  Prinzip  durch  Alezander  den  Grossen,  welcher  wieder  den 
rechten  Flügel  als  Offensivflügel,   namentlich   durch  Zutheilung  einer  vorzüglichen 
Kavallerie  einrichtete.    Das  Verhalten  der  Offensiv-  und  Defensivflügel  wird  in  den 
Schlachten  bei  Mantjnea  und  Gaugamela  näher  gezeigt. 

Auf  die  neuere  Lineartaktik  mit  ihren  Feuerwaffen  übergehend,  weist  Verfasser 
an  einer  Menge  von  Beispielen  aus  den  Schlachten  Gustav  Adolphs,  Montccuculis, 
Turennee,  Prinz  Eugen  und  Anderer  nach,  dass  auch  hier  in  den  meisten  Fällen  nicht 
wie  man  vermuthen  sollte,  Parallelschlachten,  sondern  Flügelschlachten,  bei  denen 
der  Kampf  auf  einem  oder  beiden  Flügeln  die  Entscheidung  gab,  stattfanden.  Die 
schiefe  Schlachtordnung  indess,  zu  welcher  in  der  Literatur  schon  Feuquieres  und 
Pysegur  gerathen,  wurde  praktisch  im  18.  Jahrhundert  erst  durch  Friedrich  den  Gr. 
wieder  angewandt.  Sein  Princip  bestand  darin,  auf  Kanonenschussweite  vom  Feinde 
*>  an&umarsohiren,  dass  seine  Schlachtiinie  mit  ihrem  Angri&flügel  die  feindliche 

11* 


164  Kritiken  und  Referate. 

überragte  und  beide  sich  in  ihrer  Verlängerung  schnitten;  dann  brauchte  man  nur 
gerade  aus  vorzugehen,  wobei  namentlich  die  Kavallerie  auf  dem  Flügel  wtithende 
Angriffe  auf  den  feindlichen  Flügel  in  Front  und  Flanke  machte.  Im  Wesentlichen 
war  im  18.  Jahrhundert  die  Schachtordnung  folgende:  Im  Centrum  die  mit  Bajonet- 
flinte  bewaffnete  Infanterie  in  zwei  Treffen,  auf  den  Flügeln  die  Kavallerie  in  zwei 
oder  drei  Treffen,  die  leichte  Artillerie  bei  den  Bataillonen  eingetheilt,  die  schwere 
auf  den  Flanken  des  Centrums ;  hinter  dieser  Schlachtlinie  eine  Reserve  von  Infanterie 
und  Kavallerie.  Als  gemeinsame  Momente  bei  den  drei  schiefen  Schlachtordnungen 
der  drei  grossen  Feldherren  ergaben  sich:  das  Priucip  des  Theilsieges,  die  Nicht- 
berücksichtigung der  feindlichen  numerischen  Ueberlegenheit,  Ausnutzung  der  grösseren 
Beweglichkeit  eines  kleineren  Heeres,  Angriff  auf  den  feindlichen  Flügel  in  Front  und 
Flanke  zugleich,  Aufgeben  der  eigenen  Rückzugslinie,  Verstärkung  des  Angriffsflügels, 
besondere  Schutzmaßregeln  des  zurückgehaltenen  Defensivflügels,  Anwendbarkeit  der 
schiefen  Schlachtordnung  nur  für  den  Angreifer. 

Die   offensive  Thätigkeit  der  Flügel  verlassend,   wendet  die  Betrachtung  sich 
jetzt  auf  die  verschiedenen   Mittel   des  Flankenschutzes   bei   beiden  Lineartaktiken. 
Im  Alterthum  sind  als  solche  das  bereits  erwähnte  Vorrücken  der  Schlachtlinie  mit 
halbrechts,   das  Verdoppeln   der   Frontausdehnung   unter  Verminderung   der  Tiefe, 
ferner  die  Aufstellung   von  leichtem  Fussvolk   und   von  Kavallerie  auf  den  Flügeln 
anzusehen.    Letztere  spielte  indess  bei  den  Griechen,  trotz  der  Auswahl  eines  ganz 
ebenen  Terrains  zur  Schlacht  und  trotz  der  Unvollkommenheit  der  Feuerwaffen  eine 
unbedeutende  Rolle,  was  wohl  auf  die  mangelhafte  Pferdezucht,  das  System  der  Miliz- 
heere, den  Mangel  des  Sattels  und  Huf  beschlages  zurückzuführen  ist.   Erst  Alexander 
der  Grosse  brachte  durch  Einfuhrung  eines  stehendes  Heeres  seine  Kavallerie  in  die 
Höhe.   Reserven  und  zweites  Treffen  findet  man  bei  den  Griechen  nicht,  ebensowenig 
Flügelanlehnungen.    In  der  neuen  Lineartaktik  bildete  zunächst  die  Kavallerie  auf 
den  Flügeln  den  Flankenschutz,  welche  bei  Friedrich  dem  Grossen  durch  Aufgeben 
des  Feuergefechtes  und  Anwendung  des  wüthenden  Cheks  zu  grüsstem  Ruhme  ge- 
langte, ferner  das  zweite  Treffen  und  die  Reserve,  sowie  Flügelanlehnungen  an  Sümpfe, 
Wälder,  Dörfer,  die  dann  noch  jenseits  der  Kavallerie  durch  Infanterie  besetzt  wurden. 
Hakenstellungen,  Rechts-  und  Linkaziehen  der  Schlachtlinie  wie  bei  Collin  und  Prag 
seitens  der  Oesterreicher,  Aufstellung  von   Bataillonen   hinter  die  Flügelbataillone, 
welche  den  Raum  zwischen  den  beiden  Treffen   absperrten   (von  Montecuculi  und 
Friedrich  dem  Grossen  angewendet)  ic. 

Verfasser  geht  nun  auf  die  Schlachtordnung  in  beiden  Lineartaktiken  näher 
ein,  in  welcher  die  Streitkräfte  in  Raum  und  Zeit  nicht  nacheinander  —  wie  bei  uns  — 
sondern  nebeneinander  in  Thätigkeit  traten;  betrachtet  die  Thätigkeit  der  Feld- 
herren und  ihrer  Unterführer,  die  Bedeutung  der  taktischen  Einheiten  im  Vergleich 
zu  der  der  Evolutionseinheiten,  das  Verhältniss  von  Linie  und  Kolonne,  Rotte  und 
Glied  und  viele  andere  Gegenstände  des  Eierzier-Reglements,  wobei  namentlich  auf 


Alterthumfgesellschaft  Pruseia  1883.  165 

diu  vielfache  Umgestaltung  der  Evolutionseinheiten  in  sich  bei  den  Griechen  hinge- 
wiesen wurde,  welche  durch  Verdoppelungen  der  Länge,  der  Tiefe,  resp.  der  Länge 
und  Tiefe,  Verdoppelungen  der  Rotten-  resp.  Gliederzahl,  Contremärsche  jc.  entstehen. 
Im  Alterthum  machte  der  Nahkampf  eine  tiefe  Stellung  erforderlich,  welche  meistens 
8  bis  16  Mann,  mitunter  auch  32  Mann  betrug.  In  der  Neuzeit  führte  indess  die 
Einfuhrung  und  Vervollkommnung  der  Feuerwaffen  eine  Verkleinerung  und  Ver- 
flachung der  tiefen  Haufen  des  Mittelalters  herbei  und  nur  der  zeitraubende  Lade- 
modus machte  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  unter  Anwendung  des  Gliederfeuers  noch 
10  Glieder  hintereinander,  bei  Gustav  Adolph  aber  nur  noch  6  Glieder  hintereinander 
erforderlich.  Da  Gustav  Adolph  die  hinteren  3  Glieder  in  die  vorderen  eindubliren 
Hess,  so  ist  es  wunderbar,  dass  sich  nicht  gleich  unter  Anwendung  des  Pelotonfeuers, 
bei  welchem  sechs  nebeneinander  stehende  Musketierabtheilungen  durch  Feuern  nach 
einem  bestimmten  Turnus  ein  kontin uirliches  Feuer  unterhalten  konnten,  aus  der 
sechsgliedrigen  unmittelbar  die  dreigliedrige  Aufstellung  des  18.  Jahrhunderts  ent- 
wickelte, sondern  erst  ihren  Weg  durch  die  fünf-  und  viergliedrige  nahm. 

Einer  der  Hauptgegensätze  der  beiden  Lineartaktiken  ist  der  Nahkampf  des 
Alterthums,  das  Feuergefecht  der  Neuzeit.  Das  griechische  Fussvolk  bestand  aus  den 
geschlossen  kämpfenden  Schwerbewaffneten,  welche  mit  kurzem  Schwert,  8—10  Fuss 
langem  Spiess,  dem  mannshohen  Schilde  und  Schutzwaffen  versehen  waren,  und  aus 
den  mit  Bogen,  Wurfspeer  oder  Schleuder  in  zerstreuter  Ordnung  kämpfenden  Leicht- 
bewaffneten. Letztere  gelangten  mit  ihren  unvollkommenen  Fernwaffen  zu  keiner 
Bedeutung.  Eine  Einheitsinfanterie  gab  es  wohl  wegen  Mangels  einer  Einheitswaffe, 
wie  z.B.  der Bajonetflinte,  nicht;  ein  Versuch  dazu  waren  die  Iphikratischen  Peltasten. 

Bei  Einfuhrung  des  Feuergewehrs  gab  es  nun  auch  beim  Fnssvolk  einen  Dua- 
lismus, nämlich  die  in  grossen  Haufen  kämpfenden  Pikeniere  und  die  in  zerstreuter 
Ordnung  kämpfenden  Feuergewehrschützen.  Diese  Schützenschwärme  waren  bei  der 
ünvollkommenheit  der  damaligen  Feuergewehre  sehr  gefährdet,  es  wurden  in  Folge 
dessen  Schützenflügel  oder  Musketiervierecke,  welche  Gliederfeuer  gaben,  an  die  grossen 
Haufen  gehängt,  das  zweite  Glied  der  letzteren  auch  aus  Schützen  gebildet  oder 
schliesslich  der  ganze  Haufen  ringsum  mit  Musketieren  umkleidet,  welche  unter  den 
Spiessen  Schutz  gegen  Kavallerie  fanden.  So  entstand  das  geschlossene  Feuergefecht. 
Bei  der  weiteren  Vervollkommnung  der  Feuerwaffen  verschwanden  die  Pikeniere 
immer  mehr  und  schliesslich  gänzlich  mit  der  Einführung  der  Bajonetflinte  im 
18.  Jahrhundert,  und  die  Kampfweise  der  Infanterie  ist  das  geschlossene  Feuergefecht. 
Ein  weiterer  Vergleich  der  beiden  Lineartaktiken  hinsichtlich  Offensive  und  Defensive 
ergiebt,  dass  im  griechischen  Alterthume  stets  beide  Theile  die  Offensive  in  der  Schlacht 
ergriffen;  eine  Vertheidigung  stehenden  Fusses  hätte  die  Einbruchskraft  einer  sich 
bewegenden  tiefen  Kolonne  eingebüsst  ohne  bei  der  Ünvollkommenheit  der  Fernwaffen 
im  Stande  zu  sein,  die  Annäherung  des  Feindes  wesentlich  zu  erschweren.   Das  Feuer- 


166  Kritiken  und  Referate. 

gewehr  findet  nun  in  der  Defensive  besser  seine  Rechnung  und  in  der  neuen  Linear- 
taktik giebt  es  Defensivstellungen  in  jeder  Schlacht. 

Hinsichtlich  der  Trainbenutzung  findet  sich  eine  grosse  Aehnlichkeit  bei  den 
Schlachten  der  beiden  Zeiträume,  da  des  geschlossenen  Zusammenhanges  der  Schlacht- 
ordnung wegen  ein  möglichst  gangbares  freies  Terrain  erwünscht  war,  allerdings  war 
bei  dem  Feuergefecht  für  den  Vertheidiger  ein  Frontalhinderniss,  Anlehnung  der 
Flügel,  erhöhte  Stellung  ein  .grosser  Vortheil.  Dorf-  und  Waldgefechte  aber  wurden 
ausser  auf  den  Flügelanlehnungen  gemieden. 

« 

*  -  Die  taktische  Verfolgung  nach,  der  Schlacht  fehlte  fast  stets ;  dies  ging  soweit, 
dass  sich  die  Heere  häufig  mit  dein  Bücken  an  einen  Fluss  aufstellten.  Grosse  Feld- 
herren  machten  hiervon  eine  Ausnahme,  ebenso  auch  hinsichtlich  der  strategischen 
Benutzung  des  Sieges.  [Ostpr.  Ztg.  v.  2.  Mai  1883.  No.  100  (Beil.)] 

Der  Vortrag  ist  vollständig  abgedruckt  in  den  erwähnten  Sitzungsberichten 
S.  71—97,  woselbst  auch  eine  Tafel  mit  14  Figuren  beigegeben  ist.  Ebendaselbst 
wird  noch*S.  98  ein  Teppich  der  Frau  v.  Mirbach  auf  Sorquttten  beschrieben  und 
S.  99—101  ein  Kunstschrank  in  Pr.  Holland,  im  Besitz  der  Frau  Lutze. 

Sitzung  vom  20.  April.  Hauptlehrer  Matthias  trägt  aus  Sehesteds  grossem 
Werk  „Fortidsminder  og  Oldsager"  aus  der  Umgegend  von  Broholm  (auf  Fünen)  den 
Abschnitt  über  die  Topf-Industrie  in  Jütland  vor.  Die  Bereitung  des  Lehms,  die 
freihändige  Fonnung  des  Materials  zum  Gefäss  ohne  jede  Hilfe  einer  Drehscheibe, 
das  Trocknen  und  Brennen  resp.  Farbegeben  der  Gefässe  in  kleinen  Feldtöpfereien 
zu  je  200  Stock  bieten  aus  der  heutigen,  aber  bald  verschwindenden  Topf-Industrie 
Jütlands  so  viel  Anknüpfungspunkte  für  die  Erklärung  der  Bearbeitung  der  prähi- 
storischen Thongefässe,  dass  ein.  grosser  Abschnitt  des  genannten  Werkes  davon  handelt 
Der  Vortragende  versprach  vermöge  seiner  persönlichen  Verbindung  in  Dänemark 
ein  solches  Gefäss  aus  Jütland  für  das  Prussia-Museum  als  Vergleichungsobjekt  zu 
gewinnen. ')  Im  Anschluss  an  einen  Vortrag  über  einige  mittelalterliche  Kalkmalereien, 
welchen  Professor  Kornerup  in  der  nordischen  Gesellschaft  zu  Kopenhagen  am 
14.  v.  M.  hielt,  spricht  Professor  Hey  deck  über  den '  Reichthum  mittelalterlicher 
Kalkmalereien  im  Ordenslande  Preussen,  von  welchen  der  grösste  Theil  unter  der 
Decke  eines  mehrfachen  Kaikabputzes  versteckt  ist.  Was  Professor  Heydeck  in  der 
Marienburg  nahe  der  .goldenen  Pforte,  in  Juditten  und  Arnau  in  kleinerem  Umfange 
selbst  freigelegt  hat,  zeigt  nur  eine  bildliche  Darstellung  in  Contouren,  gleichsam  eine 
Bilderschrift  der  biblischen  Geschichte  und  eine  Colorirung  der  Wandflächen,  Gewölbe- 
rippen, Consolen  und  des  Maaßwerks.  Ferner  besprach  Professor  Hey  deck  nach 
seinen  eigenen  Erfahrungen  die  Technik  der  Kalkmalerei  und  stellte  Proben  dafür 
an.  Zum  Schluss  der  Sitzung  legte  Dr.  Bujack  die  für  das  Museum  eingegangenen 
Geschenke  und  gemachten  Erwerbungen  vor,  zur  prähistorischen  Abtheilung  Gräber- 


*)  Die  Ucbersetzung  ist  in  extenso  mitgetheilt  Sitzungsberichte  S.  102—110. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  1883.  J67 

fände  nachchristlicher  Zeit  geschenkt  von  Rittmeister  von  Montowt  auf  Kirpehnen 
and  eben  solche  geschenkt  von  Lieutenant  Ri  eben sah ra  auf  Löbertshof;  zur  ethno- 
graphischen Abtheilung,  als  Vergleichungsobjekt  vom  Zimmermeister  Matthias  ein 
japanischer  Angelhaken  aus  Perlmutter  geschenkt,  und  gekauft  ein  südamerikanisches 
Straussenei  mit  Zeichnungen  eines  Gaucho;  zur  Abtheilung  von  Gegenständen  des 
18.  Jahrhunderts  geschenkt  einen  Fliesentisch,  ein  Holzkästchen  mit  Marqueterie- 
Arbeit,  gekauft  ein  kleines  Schreibebureau,  Imitation  japanesischer  Arbeit,  geschenkt 
ein  Paar  Messer  und  Gabel  in  Lederetui  vom  Jahre  1730,  gekauft  ein  Stein  mit 
Drechsler-Emblemen  und  einem  Verse  aus  dem  Giebel  über  der  Thüre  eines  Hauses 
der  Hundrieserstrassc,  ein  Zinnhumpen  der  Elbinger  Hufschmiede  vom  Jahre  1747; 
zur  Abtheilung  von  Waffen  einen  Hirschfänger  mit  Klinge  vom  Jahre  1720,  ein  Sponton 
aus  der  Zeit  König  Friedrichs  L,  eine  Partisane  mittelalterlicher  Form  (geschmiedet), 
und  für  die  Bibliothek  eine  Bibel  Strassburger  Drucks  in  Holzdcckel  mit  Lederbezug, 
messingnem  Beschlag  und  messingnen  Krampen. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  29.  Apr.  1883.  No.  98  (Beil.)] 
Sitzung  vom  18.  Mai.  Der  Vorsitzende,  Dr.  Bujack,  legte  vor  Fintritt  in  die 
Tagesordnung  vor:  1)  die  Festschrift  zur  Erinnerung  an  das  25jährige  Geschäfts- 
Jubiläum  von  Stantien  und  Becker:  Gewinnung  und  Verarbeitung  des  Bernsteins  von 
Dr.  B.  Klebs;  2)  von  demselben:  Der  Bernsteinschmuck  der  Steinzeit,  No.  5  der 
Beiträge  zur  Naturkunde  Preussens,  herausgegeben  von  der  physikalisch-ökonomischen 
Gesellschaft  zu  Königsberg.  Für  letztere  Schrift  sind  auch  die  Sammlungen  der  Prussia 
verwerthet.  —  Den  Haupttheil  der  Sitzung  nimmt  der  Vortrag  der  Abhandlung  des 
Majors  Beckherrn  ein,  des  Verfassers  der  dankenswerthen  Chronik  der  Stadt  Rasten- 
burg: Ein  Rastenburgischer  Verfassungskonflikt  aus  dem  17.  Jahrhundert,  ein  zwar 
interessantes,  aber  keineswegs  erfreuliches  Bild  eines  im  Verfall  befindlichen  Gemeinde- 
wesens, in  welchem  die  Mängel  und  Nachlässigkeiten  in  der  Verwaltung  einen  lang- 
wierigen und  unerquicklichen  Streit  zwischen  Bürgerschaft  und  Bürgermeister  und  Rath 
der  Stadt  herbeiführen  [s.  Sitzgsber.  S.  111—145].  —  Der  Vorsitzende  spricht  sodann 
über  Gräberfunde  in  Scheufelsdorf  und  Friederikenhain,  Kr.  Orteisburg,  und  über  ein 
Gräberfeld  zu  Burdungen,  Kr.  Neidenburg,  das  er  selbst  im  vergangenen  Sommer 
und  Herbst  aufdeckte.  Die  vorgelegten  interessanten  Fundstücke,  unter  denen  nament- 
lich eine  mit  Thierköpfen  ornamentirte,  vergoldete  broncene  Fibula,  ein  Geschenk  des 
Gutsbesitzers  Preijawa  auf  Friederikenhain,  besonders  werthvoll  erscheint,  stammen 
aus  der  Zeit  der  Völkerwanderung,  resp.  dem  5.  und  dem  folgenden  Jahrhunderten 
n.  Chr.  Der  Vorsitzende  spricht  seinen  besonderen  Dank  an  Frau  Schilke  in  Bur- 
dungen für  die  ihm  gewordene  Unterstützung  aus.  [s.  a.  a.  0.  S.  146—154.]  —  Von 
sonstigen  Gegenständen  werden  noch  vorgelegt:  ein  Beil  in  Form  einer  Amazonen- 
axt und  ein  russischer  Feldaltar  in  Bronce.  —  Nach  Schluss  der  Versammelung 
konstituirte  sich  dieselbe  zur  Generalversammelung,  in  welcher  der  Kassenfuhrer, 
Herr  Kaufmann  Ballo,  Rechnung  über  das  letztverflossene  Jahr  legt.  Aus  derselbeu 


16$  Kritiken  und  Referate. 

ergiebt  sich  die  erfreuliche  Wahrnehmung,  das  die  Prussia  mit  verhältnissmassig 
geringen  Mitteln,  den  Beiträgen  von  336  Mitgliedern,  den  Unterstützungen  der  König- 
lichen Regierung  und  der  Landesverwaltung  je,  in  Summa  circa  4300  Mark,  in  hohem 
Grade  Anerkennenswerthes  geleistet  hat,    [Ostpr.  Ztg.  v.  25.  Mai  1883.  No.  118] 

In  der  Sitzung  vom  22.  Juni  wurden  die  verschiedenen  Mitglieder  und  Gäste 
überrascht  durch  den  mit  Funden,  Geschenken  und  Erwerbungen  reich  ausgestatteten 
Tisch  der  Gesellschaft,  der  ihr  vollstes  Interesse  zunächst  in  Anspruch  nahm.  Der 
Vorsitzende  zeigte  vor  und  besprach  erläuternd :  Götzen  von  Bernstein  in  Copien  aus 
Wachs ;  Feuerstein,  Messer,  Speerspitze  und  Abfälle  von  solchen  Geräthen  ans  Gräber- 
feldern zu  Burdungen  und  Malschöwen,  Kr.  Neidenburg,  und  Waplitz,  Kr.  Orteisburg, 
dieselben  wurden  zerstreut  neben  Rrandgruben  gefunden,  Geschenke  von  Frau  Schillke 
in  Burdungen;  ein  durchlochtes  Hirschhorngeräth,  gefunden  zu  Walterkehmen,  Kr. 
Gumbinnen,  geschenkt  von  Pfarrer  Zippel;  aus  Gräberfeldern  des  älteren  Eisenalters: 
Bemsteinperlen,  wovon  7  Stück  noch  die  unterbrochene  Bearbeitung  zeigten,  aus 
Transau,  Kr.  Fischhausen,  eiserne  Trensen  und  Bronzeschmuckgegenstände,  geschenkt 
von  Rittmeister  v.  Montowt  auf  Kirpehnen;  ein  Stück  Steinhammer,  ein  eiserner 
Schildbuckel  und  Urnenstücke  aus  Fürstenau,  Kr.  Rastenburg,  geschenkt  von  Guts- 
besitzer Nebelung.  Als  Vergleichungsobjekte  für  die  Töpferei  des  älteren  und  jüngeren 
Eisenalters  interessirten  drei  jütische  Töpfe,  in  Dänemark  „schwarze  Töpfe"  genannt, 
gegenwärtig  durch  die  Feuerung  mit  Kohlen  ausser  Gebrauch  gekommen.  Sie  waren 
in  einer  der  früheren  Sitzungen  als  freihändig  gearbeitet  beschrieben.  Zur  ethno- 
graphischen vergleichenden  Abtheilung  lagen  vor:  zwei  lackirte  Trinkgefässe,  ein 
Kästchen  mit  buntem  Stroh  ausgelegt,  ein  sogen.  Mörderfächer  aus  Japan ;  aus  China 
zwei  Thonüguren  (Gräber  und  Mandarin);  aus  Siam  eine  Lampe  aus  Seifenstein  und 
Hausgötze  in  Gestalt  eines  Elephanten  aus  Ebenholz;  aus  Schweden  ein  Kästchen 
von  Borke  von  stud.  agr.  He  11  bar  dt.  Von  einheimischen  Gegenständen  neuerer  Zeit 
erregten  folgende  Erwerbungen  Interesse:  ein  silbernes  Gewerksfähnlein  mit  Weber- 
schiffchen und  der  Inschrift:  Bengemin  voegd.  Beysetzer  Erenst  Christian  Peter 
Altgesell  Stallupeiin  (Stallupönen)  d.  8.  Juni  1768;  ein  livländischer  Frauenschmuck 
aus  vergoldetem  Silber,  bestehend  in  grossen  Brustnadeln  in  Ringform,  Fingerringen 
und  grossen  Ohrgehängen:  die  Glaseinsätze  aus  den  Zierköpfen  waren  ausgebrochen. 
Als  Parallele  für  die  livländischen  Schmucksachen  wurden  ringförmige  bleierne  Brust- 
nadeln mit  Pinne  neuerer  Zeit  aus  Gisevius  Vermächtniss  vorgelegt;  ferner  ein  bron- 
zener Kirchenleuchter  in  Renaissancestyl  von  den  Vorfahren  der  Geberin  bei  Früh- 
gottesdiensten  gebraucht,  geschenkt  von  Frau  Hell  bar  dt  auf  Roschenen.  Von  ganz 
besonderem  Interesse  war  ein  in  Wachs  poussirtes  Portrait  Napoleons  L,  ein  Geschenk 
des  Polizeirath  Schmidt.  Der  genannte  französische  Kaiser  hatte  zu  seinem  Feld- 
zuge 1812  mehrere  solcher  Portraits  aus  Paris  mitgenommen.  Das  jetzt  dem  Prussia- 
Museum  übergebene  war  von  einem  der  Leibärzte  Napoleons,  Doctor  Hesper,  an 
Klempnermeister  Kalk  geschenkt,  bei  welchem  der  Arzt  logirte.  —  Der  Bibliothek 


Alterthum&geseüschaft  Prusaia  1883.  Iß9 

verehrten  Lehrer  Haber  einzelne  ältere  Hefte  der  Monnmenta  historiae  Warmiensis 
und  Lehrer  Zinger:  Blicke  in  die  Vergangenheit  von  Pr.  Holland  von  Erdmann.—- 
Zar  Tagesordnung  übergehend,  haben  wir  zunächst  den  Vortrag  des  Prof.  Hey  deck 
über  die  Pfahlbauten  in  der  Nähe  von  Voigtshof  bei  Seeburg  (Er.  Rössel)  im  Kook- 
See  und  im  Probchen-See  zu  erwähnen  (s.  Sitzungsber.  S.  155—160).  Die  Ausstellung 
wurde  durch  die  Pfahlbaufunde  von  bearbeiteten  Hirschgeweihäxten,  TopfBberresten 
und  and.  Stücken  vergrößert.  Ein  Theil  dieser  Vorlage  war  die  Ausbeute  der  von 
Prof.  Hey  deck  und  Bildhauer  Eckart  im  Oktober  1882  auf  freundliche  Einladung 
des  Oberamtmann  Kr  am  er  gehaltenen  Untersuchung.  Der  Vortragende  legte  zugleich 
Proben  von  den  bei  seinen  Nachgrabungen  vorgefundenen  Holzresten  vor,  an  denen 
besonders  die  auffälligen  concaven  Schnittflächen  interessirten.  Auch  erklärte  er  sich 
bereit  von  dem  Pfahlbau  im  Kook-See  ein  Modell  anfertigen  zu  wollen,  wie  eines 
aus  dem  Arys-See  bei  Werder,  Kr.  Lötzen,  zur  Veranschaulichung  der  Fundstätte 
der  an  eben  genanntem  Orte  gemachten  reichen  Funde  60  dankenswerth  hergestellt 
ist  Der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  knüpfte  hieran  Mittheilungen  über  einen  Pfahlbau 
bei  dem  Dorfe  Queetz,  Kr.  Heilsberg,  für  welchen  ihm  interessantes  Material  durch 
den  Besitzer  der  entwässerten  Seestätte,  Gutsbesitzer  Julius  Bludau  in  Queetz,  zu- 
gegangen war.  Auf  die  merkwürdige  Stelle  hat  zuerst  Major  v.  Kaminski  auf- 
merksam gemacht.  Den  zweiten  Vortrag  hielt  Hauptlehrer  Matthias:  Zur  Geschichte 
der  Nahrungsmittel  im  Norden,  woran  sich  noch  lebhafte  Erörterungen  und  Mit- 
theQungen  des  Vorsitzenden  und  des  Redners  über  Mahlzeiten  und  Speisevorräthe  in 
den  Ordenskriegen  Preussens  und  über  englische  Biere  anschlössen. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  8.  Juli  1883.  No.  156  (Beil.)] 
Sitzung  van  28.  September.  Eine  reiche  Vorlage  von  Accesionen  für  die  einzelnen 
Abtheilungen  des  Prussia-Museums  bildeten  einen  Theil  der  Tagesordnung.  Zur  Samm- 
lung von  Stein-  und  Knochengeräthen  kamen  hinzu:  ein  undurchlochtes  Hammerbeil 
aus  Diorit,  gef.  in   Schmelz-Memel,    geschenkt  von  Herrn  Fabrikbesitzer  Albert 
Tau  dien,  ein  durchloch  tes  Beil  aus  Diorit,  gef.  bei  Kl.  StÜrlack,  Kr.  Lötzen,  ge- 
schenkt von  Herrn  Sarowy,  ein  Fischstecher  aus  Geweih  mit  Widerhaken,   gef.  in 
einem  Torfmoor  bei  Garben,  geschenkt  von  Herrn  Pfarrer  Kröhnke  in  Scirgu* 
pohnen.  Die  Abtheilung  der  Bronzen  vorchristlicher  Zeit  erhielt  eine  seltene  Bereicherung 
durch  eine  Krone  mit  22  Zacken  aus  vollem  Guss,  zu  öffnen  und  zu  schliessen  durch 
Hilfe  eines  Chamiers  und  eines  Zapfens:  sie  kann  auch  als  kolossaler  Halsring  gedient 
haben,  gefunden  in  einer  kleinen  Steinkiste  bei  Lochstädt,  Kr.  Fischhausen,  geschenkt 
von  Herrn  Bentier  von  Montowt  in  Elbing.    Zur  Serie  von  Funden  aus  Gräber- 
feldern der  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr.  schenkten  Herr  Polizeirath  Jagielski  ver- 
schiedene Beigaben  aus  Bronze,  Bernstein  und  Silber,  bestehend  in  bronzenen  und 
silbernen  Fibulen,  Hängestücken,  Perlen,  einer  eisernen  Speerspitze,  thönernen  Bei- 
gefassen, begleitet  von  einer  römischen  Bronzemünze  des  Kaisers  Hadrian,  gefunden 
in  Kegehnen,  Kr.  Fischhausen,  und  als  Einzelfund  eine  grosse  Bernsteinperle  aus 


.170  Kritiken  and  Beferate. 

Bauschen,  Rittergutsbesitzer  v.  Bujak  auf  Ramberg,  Kr.  Darkehmen,  eine  daselbst 
gefundene  damascirte  eiserne  Speerspitze.  Auch  wurden  die  im  vorigen  Jahre  von  Herrn 
Kaulmann  Ballo,  Dr.  Erdmann,  Dr.  Kirschfeld  und  Professor  Dr.  Schneider 
bei  Rantau,  Kr.  Fischhausen  gemachten  Gräberfunde  des  älteren  Eisenalters  vorgelegt 
Hieran  schlössen  sich  die  Funde  aus  der  Zeit  des  Ueberganges  von  der  heidnischen 
Zeit  zur  Herrschaft  des  deutschen  Ordens,  welche  in  diesem  Sommer  in  der  Stadt 
Rastenburg  bei  Bauten  gemacht  wurden  und  von  einer  ausfuhrlichen  Beschreibung 
des  Major  Beckherrn  begleitet  waren,  die  einen  besonderen  Theil  der  Tagesordnung 
bildeten,  [s.  „Ein  aus  Holz  konstruirtes  altes  Bauwerk  in  Rastenburg.  Von  Major 
Beckherrn".  A.  a.  0.  S.  161—166  m.  Beilage  Tafel  II.]  Der  Zeit  der  deutschen 
Ordensherrschaft  gehörte  an  ein  Fund  von  eisernen  Geräthen  aus  Lanskerofen,  Kr. 
Alienstein,  geschenkt  von  Herrn  Baldus.  Angekauft  als  Stück  der  Renaissance-Periode 
war  eine  grosse  eiserne  Streitaxt  in  Form  eines  Amazonenbeils.  Zu  den  Gegenständen 
dieses  Zeitalters  ist  auch  eine  Schenkung  des  Baron  von  Schenk  zu  Tautenburg  zu 
rechnen:  es  waren  Funde  auf  der  alten  Schanze  der  Doben'schen  Insel,  Kr.  Anger- 
burg, der  Lauf  einer  grossen  Wallbüchse,  drei  eiserne  grosse  Trensen.  Angekauft 
zu  der  Sammlung  von  Waffen  der  letzten  Jahrhunderte  war  ein  Radschlossgewehr 
des  18.  Jahrhunderts  und  ein  perkussionirtes  Jagdgewehr  aus  dem  Anfang  dieses 
Jahrhunderts.  Gymnasiast  Badczies  schenkte  ein  Terzerol  aus  derselben  Zeit  Es 
wurde  die  Serie  von  genannten  Gegenständen  vermehrt  durch  eine  messingene  gravirte 
Dose  für  Rauchtabak  aus  dem  18.  Jahrhundert,  geschenkt  von  Herrn  Walther 
Thuleweit  und  durch  einen  hohen  Spazierstock  mit  vergoldetem  Messingknopf,  ein 
hundertjähriges  Erbstück  in  der  Familie  Käswurm,  sowie  durch  einen  sogen.  „Ziegen- 
hainer"  v.  J.  1820  mit  einer  grossen  Zahl  von  eingeschnittenen  Namen  der  um  das 
genannte  Jahr  auf  der  Albertina  zu  Königsberg  studirenden  Genossen  des  damaligen 
Besitzers,  geschenkt  yon  Herrn  Rentier  Karl  Käs  wurm  in  Darkehmen. 

Zur  Bibliothek  schenkten  Pfarrer  Rogge  einen  Danziger  Geburtsbrief  v.  J.  1734 
und  Dr.  Bujack  mehrere  gebundene  Jahrgänge  der  „Weser-Zeitung"  vom  Jahre 
1866  bis  zum  Anfange  des  vorigen  Jahrzehnts,  Kaufmann  J.  Neumann  eine  ver- 
kleinerte Ausgabe  des  Homan'schen  Atlasses. 

Ausser  den  durch  Herrn  Dr.  Bujack  vorgelegten  Accessionen,  dem  von  Herrn 
Major  Beckherrn  verfassten  Bericht  über  die  Aufdeckung  eines  alten  Holzbauwerks 
zu  Rastenburg,  dessen  schon  vorher  Erwähnung  gethan  war,  stand  auf  der  Tages- 
ordnung ein  Vortrag  des  Kaufmann  Herrn  F.  Neuro  an  n  über  die  Beziehungen 
Friedrich  des  Grossen  zur  Provinz  Preussen,  welche  sämmtlich  unverkürzt  in  den 
Sitzungsberichten  für  die  Mitglieder  abgedruckt  werden,    (s.  a.  a.  0.  S.  167—173.) 

[Ostpr.  Ztg.  v.  18.  Oct.  1883.  No.  243.] 

Sitzitg  vom  19.  Oktober.  In  der  Sitzung  der  Gesellschaft  am  19.  Oktober 
berichtete  zunächst  Herr  Direktor  Friederici  über  einen  russischen  Feldaltar,  der 
in  der  vorigen  Sitzung  als  neue  Erwerbung  vorgelegt  war.  Im  Uebrigen  konnte  die 


Alterthumsgesellsehaft  Prueaia  1883.  171 

Sitzung  nicht  ganz  nach  der  Tagesordnung  gehalten  werden.  Der  Vortrag  c/es  Vor- 
sitzenden, über  „Dr.  Martin  Luther's  Beziehungen  zu  ÄltpreUBßen"  nahm  als  Haupt- 
thema den  grössten  Theil  der  angesetzten  Zeit  in  Anspruch.  Der  Vortragende  legte 
die  gleich  betitelte  Schrift  Adolf  Rogge's  (Verlag  bei  Glaser  in  Darkehmen)  seinem 
Vortrage  zu  Grunde.  Diese  für  4ie  Provinz  hoch  interessante  und  darum  besonders 
empfehlenswerthe  Festgabe  zum  10.  November  basirt  auf  gründlicher  Quellenkunde 
und  fuhrt  uns  den  grossen  Reformator  so  recht  nahe.  „Es  muss  unser  lieber  Herrgott 
dies  Preussenland  sehr  lieb  gehabt  haben,  dass  er  nicht  allein  den  ersten  papistischen 
Bischof  zum  Evangelio  bekehrt,  sondern  auch  des  theuern  Mannes  Gottes  Luthers 
Kinder  darinnen  zu  ruhen  verordnet  hat",  sagt  der  alte  Hennenberger  in  seiner  „Er- 
klärung der  preusskchen  Landtafel".  —  Unter  den  Kindern  Luthers  ist  besonders 
Johannes  uns  Königsbergern  von  besonderem  Interesse.  Er  hat  am  Hofe  der  säch- 
sischen Herzoge,  wie  an  dem  des  Kurfürsten  von -Brandenburg  gelebt  und  Beihilfe 
im  Staatsrat!)  geleistet.  Er  lebte  auch  am  Hofe  Herzogs  Albrecht  von  Preussen  und 
ist  1549  als  Bürger  unserer  Universität  immatrikulirt  und  eingeschrieben,  hat  auch 
fleiseig  die  öffentlichen  Vorlesungen  gehört.  1575  sich  gastweise  hier  aufhaltend, 
starb  Johannes  Luther  am  29.  Oktober  und  wurde  vor  dem  Altar  der  Altatädtischen 
Kirche  beigesetzt.  —  Der  Vortrag  fuhrt  Luther  als  Berather  des  Herzogs  in  Kirchen- 
und  Staatssachen,  und  als  dessen  Freund  vor,  bespricht  seine  Mitarbeiter  und  Schüler 
in  der  Provinz,  würdigt  seine  Gegner  und  hebt  schliesslich  Luthers  Freundschaft  und 
Verwandtschaft  in  Altpreussen  hervor.  Genaueres  aus  demselben  herausheben,  würde 
das  Büchlein  Rogge's  abschreiben  heissen;  wir  schliessen  unsern  Bericht  mit  dem 
interessanten  Bilde,  das  der  ermländische  Bischof  Däntisous,  ein  Gegner  Luthers,  der 
ihn  1523  in  Wittenberg  besuchte,  von  ihm  in  einem  Briefe  entwirft:  Luthers  Gesicht 
iöt  wie'  seine  Bücher;  die  Augen  scharf  und  unheimlich  funkelnd,  wie  man  es  bis- 
weilen bei  Besessenen  sieht.  Die  Rede  ist  heftig,  voll  von  Spott  und  Stichelreden; 
er  trägt  ein  Gewand,  dass  man  ihn  von  einem  Hofmann  nicht  unterscheiden  könnte. 
Sobald  er  indess  das  Haus,  in  dem  er  wohnt  —  dass  frühere  Kloster  —  verläset, 
soll  er,  wie  man  sagt,  sein  Ordenshabit  anlegen.  Wie  wir  nun  mit  ihm  zusammen 
sassen,  blieb  es  nicht  beim  Sprechen.  Wir  tranken  auch  in  heiterer  Laune  Wein 
und  Bier  mit  einander,  wie  es  dort  Sitte  ist,  und  scheint  er  in  Allem,  wie  man  zu 
Deutsch  sagt,  „ein  guter  Geselle1'  zu  sein.  —  Aber  noch  einen  Gedenktag,  wenn 
auch  nur  von  provinzieller  Bedeutung,  hatte  der  Vorsitzende  Dr.  Bujack  hervorzu- 
heben, den  Todestag  des  am  21.  Oktober  1833  in  Braunsberg  verstorbenen  Kommer- 
zienrath  Johann  Oestreich,  welcher  am  6.  September  1750  daselbst  geboren,  dort  und 
von  dort  aus  seine  segensreiche  Thätigkeit  für  die  Provinz  entfaltete  und  stets  Treue 
und  Opferfreudigkeit  in  guten  und  in  lösen  Tagen  für  sein  hohes  Herrscherhans 
bewies.  Nur  die  allgemeine  Charakteristik  dieses  um  unsere  Provinz  hochverdienten 
Mannes  konnte  nach  dem  amtlichen  Bericht  des  Landraths  des  Kreises  Braunsberg 
vom  25.  Oktober  1833  [abgedr.  Sitzgsber.  S.  174—177]  gegeben  werden,  noch  nicht 


X72  Kritiken  und  Beformte. 

eine  Darstellung  der  grossen  Opfer,  welche  derselbe  im  Jahre  1807  dem  Vaterlande 
brachte.  Die  Verlesung  des  hierauf  bezüglichen  Aufsatzes  von  einem  Augenzeugen: 
„Braunsberg  i.  J.  1807"  musste  bis  zur  nächsten  Sitzung  verschoben  werden. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  4.  Nov.  1883.  No.  258  (Beil.)] 
Sitzung  und  Seneratversammlung  am  16.  November.  Erster  Gegenstand  der 
Tagesordnung  ist  eine  Mittheilung  über  den  altpreussischcn  Schlossberg  bei  Neu-Jucha 
von  Major  a.D.  Beckherrn.  Nachgrabungen  konnten  vorläufig  nicht  unternommen 
werden;  bei  oberflächlichem  Absuchen  wurden  aber  verschiedene  Fragmente  von 
thönernen  Gefässen  gefunden,  welche  allem  Anscheine  nach  nicht  auf  der  Drehscheibe 
gefertigt  worden  sind.  Auch  an  diesen  Berg  knüpfen  sich  Sagen  von  einem  ver- 
sunkenen Schlosse  und  einer  verwünschten  Prinzessin.  Neben  der  von  Herrn  Beck- 
herrn gezeichneten  Skizze  wurde  der  Vortrag  noch  durch  eine  Zeichnung  erläutert, 
welche  Herr  Rektor  Krawielicki  in  Neu-Jucha  eingesandt  hatte.  —  Hierauf  ver- 
las der  Vorsitzende  eine  von  einem  Herrn  C.  E.  Höpfner  im  Jahre  1853  nieder- 
geschriebene grössere  Abhandlung  über  die  Ereignisse,  welche  im  Jahre  1807  die  Stadt 
Braunsberg  heimgesucht:  Gefecht,  mehrtägige  Plünderung  und  in  deren  Folge  Ver- 
armung auf  lange  Jahre.  Die  interessanten  und  für  die  Provinzialgeschichte  werth- 
vollen  Erinnerungen,  welche  in  den  Schriften  der  Prussia  veröffentlicht  werden  sollen, 
veranlassten  Herrn  Director  Friederici  hieran  seine  Erlebnisse  als  Knabe  in  Königs- 
berg und  auf  einem  Gute  im  Samland  aus  der  Franzosenzeit  zu  knüpfen.  —  Nach 
Erledigung  der  für  die  Sitzung  festgesetzten  Tagesordnung  konstituirte  sich  die  Ver- 
sammlung zur  Generalversammlung.  Der  Vorsitzende  erstattete  zunächst  den  Jahres- 
bericht, aus  dem  wir  Folgendes  hervorheben:  Als  ein  gutes  Omen  für  das  Gedeihen 
der  Alterthumsgesellschaft  wird  der  Umstand  gedeutet,  dass  der  Vorsitzende  einem 
in  Elbing  auf  der  Schichau'schen  Werft  erbauten  Dampfer  den  Namen  „Prussia"  bei- 
legen durfte.  Dem  Museum  der  Gesellschaft  steht  ein  Umzug  nach  andern  Lokalitäten 
im  Schlosse  bevor,  indem  die  bisherigen  Räume  derselben  dem  Königl.  Consistorium 
Überwiesen  werden  sollen.  Das  Museum  hat  sich  eines  sehr  regen  Besuches  zu  er- 
freuen gehabt,  6500  Personen  haben  im  Laufe  des  Jahres  bis  zum  11.  November  die 
Schätze  der  Gesellschaft  in  Augenschein  genommen,  darunter  die  Herren  Landtags- 
abgeordneten, die  Mitglieder  des  volkswirtschaftlichen  Congresses,  der  General-Assistent 
des  Berliner  Museums  Herr  Dr.  Voss,  der  Herrr  Oberpräsident  Dr.  v.  Schlieckmann 
und  Herr  Regierungspräsident  Studt.  Dem  Wunsche  des  besuchenden  Publikums 
nach  einem  Catalog  ist  durch  die  Arbeit  des  Vorsitzenden  genügt  worden  und  sind 
bereits  450  Exemplare  des  Catalogs  verkauft  worden,  der  zunächst  die  Räume  be- 
rücksichtigt, welche  das  Zeitalter  der  Ordensherrschaft,  der  Renaissance  und  des 
18.  und  19.  Jahrhunderts  zur  Anschauung  bringen.  Die  Mitgliederzahl  des  Vereins 
beträgt  340.  Dem  von  Königsberg  geschiedenen  Förderer  der  Interessen  der  Gesell- 
schaft, Herrn  Oberpräsidialrath  Singelmann,  werden  Worte  dankbarer  Anerkennung 
gewidmet;  ebenso  Herrn  Scher  bring  in  München,  der  früher  mit  grossem  Eifer  und 


Alterthumsgesellscliaft  Prussia  1883.  \  73 

glücklichem  Erfolge  Bodenuntersuchungen  in  der  Provinz  auf  Grabstätten  ausgeführt 
hat.  In  gleicher  Weise  thätig  waren  im  Laufe  des  Vereinsjahres:  Herr  Professor 
Hey  deck,  Rittergutsbesitzer  Lorek,  Hauptlehrer  Matthias  und  Oberlehrer  Dr. 
Bujack.  —  Nach  Schluss  des  Berichts  erfolgt  die  Ergänzungswahl  des  Vorstandes, 
der  aus  folgenden  Mitgliedern  besteht:  Oberlehrer  Dr.  Bujack  (Vorsitzender),  Kauf- 
mann Ballo  (Kassirer),  Rektor  Frischbier  (Schriftführer),  Prof.  Hey  deck,  Major 
v.  San  den,  Rittergutsbesitzer  Lorek  und  P  artikulier  Prothmann.  Eine  auf  Ver- 
anlassung mehrerer  Mitglieder  von  Herrn  Rechtsanwalt  Als  eher  entworfene  und 
hierauf  verlesene  Petition  an  den  Herrn  Kultusminister  um  Erwerbung  der  gross- 
artigen und  einzigen  Sammlung  der  Alterthümer  des  Herrn  Blell-Tüngen  für  das 
Marienburger  Schloss  fand  einstimmige  Annahme  und  ist  die  Petition  bereits  abge- 
sandt. Von  dem  Vorschlag,  eine  Deputation  an  den  Herrn  Oberpräsidenten  behufs 
Unterstützung  dieser  Petition  zu  senden,  wurde  Abstand  genommen,  weil  Herr  Ober- 
präsident bereits  dem  Vorsitzenden  sein  warmes  Interesse  für  diese  Angelegenheit 
ausgesprochen  hatte. 

An  neuen  Geschenken  und  Erwerbungen  lagen  aus,  indem  die  Vorlage  der 
grösseren  Accessionen  für  das  Münzkabinet  noch  aufgeschoben  werden  musste:  Zur 
prähistorischen  Abtheilung  als  Geschenke  ohne  Angabe  des  Fundortes:  ein  durch, 
lochtes  Steinbeil;  ein  mit  Strichen  ornamentirter  Urnendeckel,  wie  er  auf  westpreussi- 
schen  Gesichtsurnen  vorkommt;  ein  vor  mehreren  Jahrzehnten  zwischen  Bonczik  und 
Babienten,  Kr.  Orteisburg,  gemachter  Gräberfund,  bestehend  in  einem  bronzenen, 
mit  rothem  Glasfluss  omamentirten  Halsring,  einer  bronzenen  Pincette,  in  Bernstein- 
tmd  Glasperlen ;  ferner  altpreussische  Gräberfunde  ohne  Angabe  des  Fundortes,  welche 
enthielten:  2  rechteckige  bronzene  Gürtelbleche,  1  gebuckelten  bronzenen  Fingerring, 
bronzene  Armbrustfibulen,  bronzene  Schnallen,  1  grosse  und  26  kleine  Bernsteinperlen, 
einen  knöchernen  mit  Würfelaugen  ornamentirten  Kamm,  88  Glasperlen  aus  der  Zeit 
des  jüngeren  Eisenalters;  ferner  als  Geschenk  des  Realschülers  Stenzler  5  römische 
Denare,  gefunden  bei  Bartenstein,  Kr.  Friedland;  Topfscherben  von  dem  Schlossberg 
zu  Neu-Jucha,  Kr.  Lyck,  eingesandt  von  Major  Beckherrn  in  Rastenburg;  gekauft 
wurden  2  grosse  Bernsteinperlen,  gefunden  bei  Lochstädt  und  bei  Gr.  Medenau,  Kr. 
Fischhausen.—  Zur  ethnographischen  Abtheilung  schenkte  Dr.  Bujack  eine  Haifiach- 
harpune  mit  beweglichen  Widerhaken.  —  Zur  Abtheilung  der  Gegenstände  des 
18.  u.  19.  Jahrhunderts  schenkte  Frau  Weich  eine  messingne  Dose  mit  demBildniss 
des  Herzogs  Ferdinand  von  Braunschweig  zum  Aufbewahren  des  Tabacks  für  Ideine 
Kalkpfeifen;  Fräulein  Fuchs  einen  Fächer  vom  Jahre  1804;  Kaufmann  Eduard 
Zacharias  als  ein  in  hohen  Ehren  gehaltenes  Erbstück  seines  Vaters  David  Zacharias 
einen  Waffenrock  (Litewka)  des  ostpreussischen  National-Kavallerie-Regiments  samnit 
Pallasch  und  Militairschein  v.  J.  1815,  welches  kostbare  Geschenk  in  einem  besondern 
Glasschi ank  seine  Aufstellung  gefunden  hat;  ferner  wurde  aus  dem  Ermland  einge- 
sandt eine  ermländische  Prunkhaube,  und  lagen  noch  die  Geschenke  des  Fräulein 
Ulrich  vor:  ein  Federmesser  mit  fester  Klinge  und  einem  Elfenbeingriff,  der  mit 
Thierstücken  verziert  ist,  und  ein  Trinkglas  mit  dem  Portrait  Luthers  und  der 
Jahreszahl  1824.  Schliesslich  wurde  eine  goldene  Denkmünze  auf  die  hundertjährige 
Feier  der  Augsburgischen  Konfession  vorgelegt  (vgl.  Tentzel,  Saxonia  numismatica, 
Taf.  45  u.  46).  [Ostpr.  Ztg.  v.  20.  Dec.  1883.  No.  297  (Beil.)] 


Mittheilmigeii  und  Anhang« 
Was  ist  ein  Gutsbesitzer  ohne  Polizeigewalt? 

Von  Professor  Dr.  Alfred  Stern. 

Man  mutete  ein  grosses  Buch  schreiben,  wenn  man  dem  heute  lebenden  Ge- 
schlecht alle  die  Kämpfe  vor  Augen  führen  wollte,  die  um  diese  Frage  einige  Menschen- 
alter hindurch  im  preussischen  Staate  geführt  worden  sind.  Es  könnte  lehrreich  genug 
werden  und  den  Blick  für  die  Einsicht  in  die  grossen  Gegensätze  schärfen,  die  noch 
zur  Stunde  in  unserem  politischen  Leben  eine  hervorragende  Bedeutung  haben.  In- 
zwischen wird  man  aber  auch  nicht  verschmähen,  von  einigen  urkundlichen  Zeugnissen 
Kenntniss  zu  nehmen,  die  in  einem  solchen  Buche  ihre  Stelle  finden  dürften.  Denn 
sie  liefern  einen  beinerkenswerthen  Beitrag  zur  Geschichte  der  Schicksale,  die  jene 
Frage  in  einer  an  fruchtbaren  Ideen,  an  Hoffnungen  und  Entsagungen,  an  kühnen 
Fortachritten  und  ängstlichen  Zögerungen  reichen  Epoche  erlitten  hat. 

Es  war  im  Sommer  des  Jahres  1809.  Der  Minister  Stein  war  gefallen,  nicht 
weil  die  preussischen  Gegner  seiner  Beformen,  sondern  weil  die  französischen  Macht- 
haber seinen  Sturz  gefordert  hatten,  aber  doch  zu  nicht  geringer  Genugthuung  jener. 
Denn  er  war  es,  welcher  nach  den  Worten  eines  ihrer  Heisssporne,  F.  A.  L.  von  der 
Marwitz,  „die  Revolution  ins  Land  gebracht  hatte".  „Er  fing",  sagt  derselbe  ver- 
blendete Gewährsmann,  „die  Revolutionirung  des  Vaterlandes  an,  den  Krieg  der  Be- 
sitzlosen gegen  das  Eigenthum,  der  Industrie  gegen  den  Ackerbau,  des  Beweglichen 
gegen  das  Stabile,  des  krassen  Materialismus  gegen  die  von  Gott  eingeführte  Ordnung, 
des  (eingebildeten)  Nutzens  gegen  das  Recht,  des  Augenblicks  gegen  die  Vergangen- 
heit und  Zukunft,  des  Individuums  gegen  die  Familie,  der  Spekulanten  und  Komtoire 
gegen  die  Felder  und  Gewerbe,  der  Bureaus  gegen  die  aus  der  Geschichte  des  Landes 
hervorgegangenen  Verhältnisse,  des  Wissens  und  eingebildeten  Talents  gegen  Tugend 
und  ehrenwerthen  Charakter".  Einen  Thefl  jener  „Revolutionirung  des  Vaterlandes", 
das  wuaste  man,  sollte  neben  der  Aufhebung  der  Patrimonialgerichtsbarkeit  die  Auf- 
hebung der  gutsherrlichen  Polizei  bilden,  welche  mit  den  Plänen  einer  Neuordnung 
der  Verhältnisse  des  platten  Landes  innig  zusammenhing. 


Was  ist  ein  Gotsbesitser  ohne  Poliseigewalt?  175 

StenVs  Nachfolger  hatten  nicht  die  Kraft  sein  Werk  fortzusetzen.  Das  Dohna- 
Altenstein'sche  Ministerium  brachte  es  nur  zu  „einstweiligen  Maßregeln",  zu  denen 
namentlich  die  Anstellung  inaktiver  Offiziere  gehörte,  welche  die  Geholfen  der  Land- 
räthe  bei  der  Polizeiverwaltung  in  den  einzelnen  Kreisen  sein  sollten.  Diese  „einst-  . 
weiligen  Maßregeln"  waren  an  sich  allerdings  anfechtbar  genug.  Indem  sich  aber 
hie  und  da  der  Widerstand  der  Prirflegirten  dagegen  erhob,  kamen  mitunter  die 
Gefühle,  welche  in  diesen  Kreisen  herrschten,  zu  sehr  drastischem  Ausdruck. 

So  hiess  es  in  einer  an  Dohna  gerichteten  Eingabe  einer  Anzahl  von  Adligen 
des  Mohrunger  Kreises:  „E.  Exellenz  sind  berufen  die  Stütze  eines  Vaterlandes  zu 
sein,  dessen  Söhne  wir  sind.  Von  Ihnen  erwarten  wir  die  Aufrechthaltung  unserer 
alten  Verfassung.  Lassen  Sie  uns  nicht  das  Opfer  eines  Systems  werden, 
welches  keinen  anderen  Zweck  hat,  als  die  Gutsherren  ihren  Bauern 
gleich  zu  machen  und  jede  Ordnung  aufzulösen,  die  bisher  in  unserem 
Staate  bestand".  Sie  berufen  sich  auf  ihren  Patriotismus,  fügen  aber  hinzu:  „Nur 
dann  erwacht  jener  Enthusiasmus,  der  die  Wiedergeburt  eines  am  Abgrunde  stehen- 
den Staates  möglich  macht,  wenn  Schonung  der  theuersten  Rechte,  Aufrechthaltung 
der  alten  Verfassung  der  Zweck  und  die  Belohnung  dieser  Opfer  Bind.  Durch  die 
schnell  auf  einander  folgenden  Verordnungen,  Maßregeln  und  Ankündigung  noch 
anderer  bevorstehender  Maßregeln,  die  einzig  auf  das  Nivellirungssystem  einer  allge- 
meinen Gleichheit  und  Aufhebung  des  Unterschieds  der  Stände  berechnet  sind,  sind 
wir  zu  Boden  gebeugt  und  nichts  gleicht  unserem  schreckensvollen  Erstaunen,  da 
wir  nun  auch  erfahren  müssen,  dass  man  uns  die  Polizeigewalt  in  unseren  eigenen 
Gütern  einschränken,  ja  vielleicht  bald  ganz  entreissen  will.  Was  ist  ein  Guts- 
besitzer ohne  Polizeigewalt?"  .... 

Sie  erklären  nichts  gegen  den  Charakter  der  ernannten  „Assistenten  des  Land- 
rathes"  einwenden  zu  wollen,  sondern  sie  bekämpfen  das  angenommene  System.  „Muss 
sich  der  Adel  nicht  für  tief  erniedrigt  halten,  wenn  zu  ebe,n  der  Zeit,  wo  der  Staat 
den  Bürgern  in  den  Städten  Wahlrechte  bewilligt,  die  sie  weder  hatten  noch  be- 
gehrten, wenn  zu  eben  dieser  Zeit  das  Wahlrecht  der  Stände,  welches  ihnen  verfassungs- 
mäßig zustehet,  beschränkt  wird?"  Und  sie  betonen  nochmals:  „Jeder  Gutsbesitzer 
ist  die  seinen  Gütern  vorgesetzte  Polizeibehörde". 

Der  Minister  suchte  die  aufgeregten  Gemüther  zu  beruhigen  und  versicherte 
vorläufig,  dass  es  durchaus  nicht  die  Absicht  sei,  „den  Gutsbesitzern  absolut  und 
ganzlich  die  Polizeigewalt  auf  ihren  Gütern  zu  entziehen".  Dies  ermuthigte  die 
Petenten  nnd  ihre  Genossen  desselben  Kreises  zu  weiteren  Schritten.  Am  11.  Sep- 
tember wandten  sie  sich  mit  einer  neuen  Eingabe  an  Dohna.  Man  darf  den  guten 
Kern  ihrer  Gesinnung  nicht  verkennen.  „Wer  könnte",  sagen  sie,  „noch  den  geringsten 
Beruf  in  sich  fühlen,  auf  Gütern  zu  leben,  in  welchen  ihm  keine  andere  Bestimmung 
mehr  verbleibt  als  die,  seine  Bevenüen  zu  verzehren"  und  beweisen  damit,  dass  hier 
nur  das  self-government  sehr  brauchbare  Materialien  vorhanden  gewesen  wären.  Aber 


276  Mitteilungen  und  Anhang. 

mit  diesem  Gedanken  verbinden  sie  hartnäckig  den  Anspruch,  dass  „der  Gutsbesitzer 
die  vom  Staate  verordnete  Obrigkeit  in  seinen  Gütern  ist",  dass  „auf  dem  Lande 
Niemand  als  der  Gutsbesitzer  diejenige  Obrigkeit  sein  kann,  welche  die  Natur  selbst 
dazu  angewiesen  zu  haben  scheint,  die  Polizeigewalt  auszuüben". 

Hierbei  Messen  sie  es  jedoch  nicht  bewenden.  Unter  dem  gleichen  Datum  richteten 
sie  eine  Bittschrift  an  den  König.  In  dieser  sprachen  sie  allerdings  ihre  lebhaft« 
Freude  darüber  aus,  dass  eine  Verbindung  der  öffentlichen  Gewalt  mit  der  Nation 
angestrebt  werde  und  dass  landständische  Repräsentanten  in  die  Provinzialregienmg 
aufgenommen  worden  seien,  wie  denn  in  dem  ostpreussischen  Regierungsdepartement 
dieser  Theil  der  Verordnung  vom  26.  Dezember  1808  ausgeführt  wurde.  Allein  sie 
nahmen  dies  zum  Anlass,  ihre  bitteren  Klagen  über  den  von  ihnen  befürchteten  Eingriff 
in  ihre  Privilegien  an  höchster  Stelle  mit  beweglichen  Worten  anzubringen.  „Unserem 
lieben  und  gnädigen  König  können  wir  es  nicht  bergen,  dass  dieselben  Tendenzen, 
welche  vor  einigen  Jahren  in  Frankreich  alle  Formen  zerbrach  und  die 
unlängst  in  Ew.  Königlichen  Majestät  Landen  unter  Anderm  die  Ausübung  der 
Patrimonialgerichtsbarkeit  herabzusetzen  und  wohl  gar  ganz  aufzuheben  wünschte, 
jetzt  wiederum  die  für  die  Existenz  eines  Gutsbesitzers  noch  unentbehrlichere  Polizey 
zu  beschränken  bemüht  ist.  Zu  Ew.  Königlichen  Majestät  nehmen  wir  abermals  und 
zutrauensvoll  unsere  Zuflucht.  Lassen  Sie  uns  die  Wohlthat  Ihrer  Königlichen  Absicht 
dadurch  ganz  empfinden,  dass  der  jetzt  in  Prüfung  stehende  Plan  einer  neuen  Polizey- 
Einrichtung  unseren  Repräsentanten  und  durch  diese  denen  vorschiedenen  Provinzen 
und  Kreisen  Ihres  Königreichs  mitgetheilt  werde.  Vergönnen  Sie,  allergnädigster 
König,  gleich  Ihrem  hochseligen  Herrn  Vater  bei  Gelegenheit  des  Entwurfs  zum  neuen 
Gesetzbuche,  dass  die  Stimme  der  Erfahrung,  insbesondere  dazu  erwählter  ständischer 
Committlen  bei  der  jetzt  in  Absicht  stehenden  Umbildung  der  Polizey  gehört  werde. 
Auf  diese  Weise  wird  der  landesväterliche  Wille,  die  öffentliche  Administration  mit 
der  Nation  in  nähere  Verbindung  zu  setzen  würklich  erreicht  und  wir  der  Gefahr 
entzogen  werden,  ein  Opfer  philosophischer  Theorieen  zu  sein,  die  auf  Teutschem 
Boden  noch  nirgend  bewehrt  [bewährt]  gefunden  worden,  in  auswärtigen  Ländern 
aber  viel  Unheil  angestiftet".  Friedrich  Wilhelm  III.  war  jedoch  nicht  gewillt,  diese 
Sprache  ungerügt  zu  lassen.  Seine  Antwort  vom  21.  September  1809  besagte:  „Seine 
Königliche  Majestät  von  Preussen  habe  der  Nation  eine  regere  Theilnahme  an  Gesetz- 
gebung und  Administration  eröffnet,  könne  aber  die  adligen  Gutsbesitzer  überhaupt 
nur  als  einen  Theil  derselben  und  keineswegs  als  die  ganze  Nation  oder  deren  Re- 
präsentanten anerkennen.  Am  wenigsten  sind  zu  solchen  Repräsentanten  der  Nation 
Gutsbesitzer  des  Mohrungen'schen  Kreises  geeignet,  die  sich  erlauben  in  Seiner 
-Majestät*  wohlthätigen  Maßregeln  und  Absichten  ein  revolutionäres 
Zerbrechen  aller  Formen  zu  finden  und  voreilig  ohne  gehörige  Bekanntschaft 
mit  der  Lage  der  Dinge,  sowie  ohne  gründliches  Nachdenken  über  die  Grenzen  jener 
Natjonaltheilnahme  sich  gerne  in  blosse  Verwaltungsmaßregeln  mischen  möchten". 


Beitrag  zur  Kenntmss  des  Religionszustandes  in  Preuss,  Litauen.         177 

Die  königlichen  Worte  sprachen  deutlich  genug  für  den  Willen  auf  dem  Wege 
der  Reformen  nicht  inne  zu  halten.  Allein  die  rettende  That  blich  aus.  Eine  Reor- 
ganisation des  platten  Landes,  die  dasselbe  geleistet  hätte,  was  für  ein  anderes  Gebiet 
die  Städteordnung  leistete,  kam  nicht  zu  Stande,  und  hinter  dem  starken  Bollwerk 
der  gutsherrlichen  Polizeigewalt  konnte  sich  ein  grosses  Stück  des  ancien  regime  von 
Preussen  siegreich  behaupten. 

[Die  Nation.    Wochenschrift  für  Politik,  Volkswirtschaft  und  Litteratur. 
Hrsg.  v.  Dr.  Th.  Barth.  2.  Jahrg.  No.  6.  S.  70—71.] 


Beitrag  zur  Heontniss  des  ReligiMszustandes  in  Preuss.  Litauen 
unter  den  Churfursten  Friedrieh  Wilhelm« 

Unsern  Lesern  dürfte  die  folgende  Mittheilung  wol  ebenso  neu,  wie  interessant 
sein;  wir  entnehmen  sie  einer  vor  hundert  Jahren  erschienenen  Zeitschrift,  die  den 
Titel  fahrt:  „Historisches  Portefeuille.  Zur  Kenntniss  der  gegenwärtigen  und  ver- 
gangenen Zeit."  (Vierten  Jahrganges  1.  Bd.  1785.  Wien,  Breslau,  Leipzig,  Berlin, 
Hamburg.    5tes  Stück.   Monat  May.   S.  580-582.) 

„Friedrich  Wilhelm  der  grosse,  Churfurst  von  Brandenburg,  sorgte  nicht  allein 
für  die  Sicherheit  seiner  Unterthanen,  sondern  er  bemühte  sich  auch,  sie  gesitteter 
und  menschlicher  zu  machen.  In  Preussen,  besonders  in  Litthauen,  lebten  die  Bauern 
wie  die  Wilden.  Religion  und  Einderzucht  waren  ihnen  sogar  zum  Theil  dem  Namen 
nach  unbekannt.  Um  diese  Leute  umzuschaffen,  glaubte  der  glorreiche  Churfurst 
das  beste  Mittel  zu  erwählen,  wenn  er  auf  den  Dörfern  Prediger  ansetzte,  und  zu- 
gleich verordnete:  dass  diese  die  Bauern  anhalten  sollten,  nicht  allein  die  Predigten 
fleissig  zu  besuchen,  sondern  auch  ihre  Kinder  fleissig  in  die  Schule  zu  schicken. 
Wie  sehr  aber  die  wohlthätige  Absicht  des  Churfursten  von  diesen  Leuten  verkannt 
wurde,  und  aus  welchem  Gesichtspunkte  sie  solche  betrachteten,  lässt  sich  nicht 
besser  zeigen,  als  wenn  wir  eine  Supplike  der  Bauern  aus  clem  Amte  Ragnit  her- 
setzen, worin  sie  unterthänigst  bitten,  sie  doch  mit  so  vielem  Kirchengehen  und  Beten 
nicht  zu  beschweren,  sondern  es  bei  dem  alten  verbleiben  zu  lassen,  oder  doch  einen 
gewissen  Unterschied  darinnen  zu  machen.    Das  Supplikat  lautet  folgcndergcstalt: 

„Obwohl  unsre  Vorfahren  von  undenklichen  Jahren  her  das  Land  solchergestalt 
„besessen  und  inne  gehabt,  dass  wenn  wir  unsern  Dienst  gethan,  und  den  Beamten 
„und  Pastoren  unsre  Pflicht  gegeben,  wir  mit  nichts  weiter  beschweret  worden,  so 
unterstehen  sich  doch  unsere  Pastoren  anjetzo  eine  höchst  schädliche  und  ganz  un- 
erträgliche Neuerung  einzuführen,  indem  sie  uns  zwingen  wollen,  dass  wir  nicht 
„allein  alle  Sonntage  zweymal  in  die  Kirche  sollten  gehen,  sondern  auch  noch  über- 
„das  Gebethe  halten-:  durch  welche  unerhörte  Neuerung  wfr  nicht  allein  zum  höchsten 
»beschweret,  sondern  auch  an  unserer  Haushaltung  und'  dem  Ackerbau  merklich  ver- 

Altpn  MonatMthrift  Bd.  XXII.  Hft.  1  u.  2.  12 


ii 


» 


I 


278  Mittheilungen  ond  Anhang. 

„hindert  werden.  Derohalben  bitten  wir  Ew.  Churfurstl.  Durclilaucliten,  Sie  wollen 
„aus  Landesfurstlicher  und  löblicher  Vorsorge  diese  höchst  schädliche  Sache  entweder 
„gar  abschaffen,  oder  dahin  gründlich  vermitteln  (sintemal  unter  uns  ein  groN*r 
„Unterschied  ist,  und  mancher  Paur  0,  mancher  5,  mancher  4,  3  und  mancher  kaum 
„eine  Hube  Landes  hat,  und  dahero  unbillig  seyn  würde,  dass  der  eine  so  viel  Be- 
schwerde tragen  sollte,  gleich  wie  der  andere),  dass  doch  das  Kirchengehen  und 
„Bethen  lernen  möge  nach  den  Hüben  angelegt,  und  der  arme  nicht  so  sehr,  als  wie 
„der  Reiche,  möge  beschweret  werden.  Und  demnach  diese  unsere  Bitte  der  Billig- 
keit gemäss  ist,  so  hotten  wir  gnädigst  erhöret  zu  werden." 

Was  Supplikanten   für  eine  Antwort   erhalten   haben,    davon  ist  kein  näherer 
Bericht  vorhanden." 


IniversitiUs-Chreuik  1884. 

26.  Sept.   Phil.  Inaug.-Diss.  v.  Franci8CU8  Krenkel  Stolpensis  (a.Schmaatz  b.  Stolp): 

Epilegomenorvm  ad  poetas  Latinos  posteriores  particvla  prima  De  Avrelii  Prü- 
den tii  Clementis  re  metrica.   Bvdolstadii  impr.  F.  Mitzlaff.  (2  Bl.  u.  67  S.  8.) 

20.  Dec.  Phil.  I.-D.  v.  Adalbertus  Roquette  Kegimontanus:  De  Xenophontis  vita. 
Begim.  Bor.  Ex  offic.  Leupoldiana.  (2  Bl.  u.  115  S.  8.)  Prostat  apud  Graefe 
et  Unzer,  Begimonti. 

20.  Dec.  Med.  I.-D.  v.  August  Schmidt  (a.  Knipstein,  Kr.  Heilsberg),  pract.  Arzt  in 
Landsberg  in  Ostpr.:  Ueber  das  Verhalten  einiger  Chinolinderivate  im  Thier- 
körper  mit  Bücksicht  auf  die  Bildung  von  Kvnurcnsäure.  Kgsbg.  in  Fr. 
B.  Leupold'a  Buchdr.   (29  S.  8.) 

1885. 

10.  Jan.  Med.  I.-D.  v.  Ernst  Herbst  (aus  Maulen,  Er.  Kgsbg.  i.  Pr.),  pract.  Arzt: 
Ueber  den  Einflass  des  iuducirten  und  con stauten  Stromes  auf  die  Thätigkeit 
des  menschlichen  Herzens.  Mit  1  Curventafel.  Leipzig,  Druck  v.  J.  B.  Hirsch- 
feld.  1884.   (24  S.  8.  u.  1  Taf.  qu.-Fol.) 

Zu  d.  am  18.  Jan.  1885  .  .  .  stattfind.  Feier  d.  Krönungstages  laden  ...  ein  Prored 
u.  Senat  d.  Albertus-Univ.  Kgsbg.  i.  Pr.  Hartungsche  Buchdr.  1885.  (2 Bl.  4) 
[Preisaufgaben  für  die  Studirenden  im  Jahre  1885.] 

24.  Jan.  Med.  I.-D.  v.  Hans  Stern  (a.  Kgsbg.  i.  Pr.),  pract.  Arzt:  Ueber  die  normale 
Bildungsstätte  des  Gallenfarbstoffes.  Leipzig,  Druck  von  J.  B.  Hirschfeld. 
2  Bl.  u.  23  S.  8.) 
7.  Febr.  Phil.  I.-D.  v.  David  Hilbert  (a.  Kgsbg.):  Ueb.  die  invarianten  Eigenschaften 
spezieller  binärer  Formen,  insbesondere  der  Kugelfunctionen.  Kgsbg.  in  Pr- 
Buchdr.  v.  B.  Leupold.    (2  Bl.  u.  32  S.  4.) 

12.  Febr.   Phil.  I.-D.  v.  Wilhelm  Tesdorpf  aus   Gamsau  i.  Ostpr.:   Der  Bömerzug 

Ludwigs  des  Baiern  1327—1330.  Kgsbg.  i.  Pr.  In  Commission  bei  Wilh.  Koch 
&  Beimer.    (2  Bl.  u.  8*5  S.  8.) 

13.  Febr.   Phil.  I.-D.  v.  Arthur  Seeck  a.  Kgsbg.:  Beitrag  zur  Kenntnis  der  graniti- 

schen Diluvialgeschiebe  in  den  Provinzen  Ost-  u.  Westpreussen.   Berlin,  Druck 
v.  J.  F.  Starcke.  (51  S.  8.) 
19.  Febr.  Phil.  I.-D.  v.  Gustav  Zacher  (aus  Kgsbg.):    Die  Hiatoria  Orientalis  des 
Jacob  von  Vitry.   Ein  quellenkritischer  Beitrag  zur  Geschichte  der  Kreuzzüge. 
Kgsbg.  i.  Pr.   Buchdr.  v.  B.  Leupold.   (2  Bl.  u.  47  S.  8.) 

27.  Febr.   Med.  I.-D.  v.  Richard  Blumberg  (a.  Braunsberg):  prakt  Arzt:   Ueber  den 

Einfluss  der  Schwere  auf  Kreislauf  und  Athmung.  Kgsbg.  i.  Pr.  B.  Leupold's 
Buchdr.  (32  S.  8.) 
3.  März.   Phil.  I.-D.  v.  Albert  Koehler  a.  Szillen:  Studien  üb.  Ester  der  Bernstcio- 
aäure  u.  Oxalsäure.  Kgsbg.  i.  Pr.  Ostpr.  Ztgs.-  u.  Verl.-Dr.  (2  Bl.  u.  51  S.  8.) 


Altpreussische  Bibliographie  1884.  X79 

7.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Hermann  Kienast  (a.  Danzig):  Ueber  die  Entwicklung  der 
Oelbehälter  in  den  Blättern  von  Hypericum  und  Ruta.  Elbing.  A.  Biedere 
Buchdr.    (51  S.  8.) 

„Acad.  Alb.  Regini.  1885.  I."  Index  lection.  ...  per  aestatem  a.  MDCCCLXXXV 
a  d.  XVI.  m.  Aprilis  habendarum.  Begim.  ex  offic.  Hartungiana.  (31  p.  4.)  Insunt 
H.  lordani  Symbol ae  ad  historiam  religionum  Italicarum  alterae  (p.  3 — 16). 

Verzeichniss  d.  ...  im  Sommer- Halbj.  v.  16.  Apr.  1885  au  zu  haltenden  Vorlesungen 
o.  d.  Öffentl.  akadem.  Anstalten.    Kgsbg.  Hartungsche  Buchdr.  (9  S.  4.) 

10.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Abraham  Tawrogi  (a.  Neust adt-Schirwindt  in  ßussld.):  Der 
talmudische  Tractat  Derech  Erez  sutta  nach  Handschriften  und  seiteneu  Aus- 
gaben, mit  Parallelstellen  und  Varianten  kritisch  bearbeitet,  übersetzt  und 
erläutert.    Kgsbg.  i.  Pr.  Gedr.  bei  E.  Erlatis.    (2  Bl.,  VII  u.  55  S.  8.) 

19.  März.  Phil.  I.-D.  v.  Maximilian!»  Neumann  Bor.  Hollandensis:  De  imperativi  apud 
epicos  Graecos,  tragicos,  Aristophanem  formis  atque  frequentia.  Regim.  Pr. 
Typ.  Kiewningianis.    (2  Bl.  u.  58  S.  8.) 

Za  d.  am  22.  März  .  .  .  Feier  d.  Geburtstags  Sr.  Maj.  d.  Kaisers  u.  Königs  laden 
...  ein  Prorect.  u.  Senat  d.  Alb.-Univ.  Kgsbg.  i.  Pr.  Hartungsche  Buchdr. 
1885.    (2  Bl.  4.)    [Preisvertheilg.  am  18.  Jan.  1885.) 


Lyceitm  Uosiannni  in  Braunsberg  1885. 

Iudex  lection.  .  .  .  per  aestat.  a  die  XV.  Apr.  a.  MDCCCLXXXV  instituen darum. 
[Rcct.:  Dr.  Willi.  Killing,  P.  P.  0.]  Brunsbergae,  typis  Heyneanis  (R.  Siltmann). 
(14  S.  4.)  [Praecedit  Prof.  Dr.  Julii  Marquardt  de  christologia  S.  Cyrilii 
Hier  osolymi  tan  i  commentatio.  S.  3 — 12.]  * 


Altpreussische  Bibliographie  1884. 

Abromeit,  J.,  Ueber  die  Anatomie  des  Eichenholzes.  [Jahrbb.  f.  Wissenschaft!.  Botanik. 

XV.  Bd.    S.  209-281.] 
Acten  der  Ständetage  Ost-  u.  Westpr.    Hrsg.  v.  Dr.  M.  Toeppeo.    Bd.  IV.  Lfg.  I. 

Leipzig.   Duncker  &  Humblot.  (400  S.)  Lfg.  II.  (Schiusa)  sammt  d.  Registern, 

Tit.  u.  Inhaltsverzeichn.  (S.  401—682.)  [Publication  d.  Vereins  f.  d.  Gesch.  r. 

Ost-  u.  We6tpr.]    15. — 
Hbref  I3u(6  für  bic  $ro&in3iaköauptftabt  Danzig  unb  beren  SBorftäbre.   9tebft  einem 

Änbar.fle  .  .  .  2)anjiß,  2lrt  (VIII,  201;  114  u.  102  S.  fli*.  8.)  a,eb.  n.  n.  7.50. 
Slbrcg  83ud)   bcr  feaupt?  it.  SHcfibenäftabt  Äöniflöberü  .  .  .  reb.  n.  Garl  SRürmbetßer. 

ttasba.  öartimfl.  (322,  128  u.  64  S.  flv.  8.)   baar  10.— 
Sbregbutb,  Corner,  f.  b.  3abr  1884.    9ia*  amtl.  Guell.  bearb.  u.  br$tt-  &.  3)tofli|"tr.» 

»ureau^ffift.  «.  $erölic#.    £bem  (Wallis).  (IV,  124  6.  8.)  2.— 
**bre§bud)  für  bie  Stabt  Silfit.  .  .  flu*  amtlichen  Quälen  jufammettAeftelU.    ^tffit. 

Mepfftnber  u.  6obn.  (146  6.  8°.) 
Albert,  Heinrich,  Musik-Beilagen  zu  den  Gedichten  des  Künigsberger  Dichterkreises. 

Hrsg.  v.  Kob.  Eitner.    (III,  20  S.  8.)    [Neudrucke  deutscher  Litteraturwerke 

d.  XVI.  u.  XVII.  Jahrh.  No.  48.   Halle.   Niemeyer.]  —60. 
SUmanad),  tföniaaberder,  f.  1884.    Rubrer  burdj  MönioSbero,  u.  feine  Untflcbftn.,   (5ifen* 

babn-Setbinbflti.  p.  Oft  u.  v2tteUpr.,  Otottjen  f.  35abe*  u.  iHunbreifen  je.  ic.  Äönia,S« 

bera.  S»artunß.  (83  6.  16.)  —50. 
"nbenfen,  bem,  an  ben  s#rebiflev  ber  freien  etxmaelifaWatbolifcbcn  ©emeinbe  ju  ftöniߣ* 

bera.  in  $r.  Dr.  ftul.  JKupp.  t  IL  3"U  ^84  fleroibmet.    Möntasbeia..  Oöraun 

u.  Söeber.)  (16  3.  8.)  baar  n.  —40. 
Anger,  Dir.  Dr.  (Graudenz),  Bericht  über  eine  Ausgrabung  bei  Rondsen.  [Verhandlgn. 

d.  Berlin.    Ges.  f.  Anthropol.  S.  251.] 
Arnoltft,  Direkt.  Dr.  Kichard,    Antrittsrede.    Gymn.-Progr.    Prenzlau   (S.  3—9.  4.) 


JgQ  Mittheilungeo  und  Anhang. 

Babucke,  H.,  Carmen  sollemne.    (2  S.)    Gescb.  d.  latein.  Schule,  der  höher.  Bürgerech. 

u.  d.  Gymn.  u.  d.  Realgymnas.  zu  Laudsber&r  a.  W.  1462—1864.   (LH.  S.) 

[Festschrift  z.  25j.  Jubelfeier  d.  Gymn.  u.  Realgymn.  z.  Landsberg  a.  W.  8.) 
Baecker,  Elimar,  de  canuro  nominibus  graecis.  Diss.  iuaug.  Kbg.  (Härtung.)   (78  S. 

gr.  8.)   2.- 
Baenftz,  Dr.  C,  Lehrb.  d.  Zoologie  in  popul.  Darstellg.   ...  5.  verm.  u.  ?erb.  Aufl. 

Berl.  Stubenrauch    <VH,  326  S.  gr.  8.)  geb.  2.M).    6.  Aufl.  (VIII,  350  S.)  2.75. 

Physik  f.  Volksschulen  .  .  .  11.  vui.  u.  vb.  Aufl.  Ebd.  (70  S.  gr.8.)  geb.  —  90. 

Lehrb.  d.  Botanik  ...  4.  vm.  u.  vb.  Aufl.  Ebd.  (VIII,  366  S.  gr.8.)  geb.  2.75. 

Lehrb.  d.  Chemie  u.  Mineralogie  ...  2.  Th!.  Ebd.  (VIII,  135  S.  gr.  8.)  2.- 

Leitfaden  f.  d.  Unterricht  in  der  Botanik  ...  4.  verb.  u.  veinr.  Aufl.    Ebd. 

(IV,  195  S.  gr.  8.)    geb.  2.75. 
Leitfaden  f.  d.  Unterricht  in  der  Zoologie  ...  3.  verm.  u.  verh.  Aufl.    Ebd. 

(IV,  228  S.  gr.  8.)    geb.  1.75. 
—  —  u.  Oberl.  flotfa,  fiebrb.  b.  ©eoflr.  ...  1.  %bl   Untere  unb  mittlere  6tufe  .... 

SBieUfelb.    3fcH?aaen  &  Älafina.    (VIII,  288  6.  ar.  8.)  2.50. 
bafielbe  1.  Sty.  1-  flurfu*.  Untere  6tufe.   ...  2.  um>eränb.  Nbbr.  <*bb.  (III,  76  S. 

ar.  8-)  1. 
f)ail,  $rof.  Oberl.  Dr.,  mei&ob.  Seitfab.  f.  b.  Unterricht  in  b.  «Ratutßef*.  .  .  .  Söotanif. 

1.  £ft.  ...  3.  uerb.  Slufl.   £pj.  $weS.   (VIII,  144  6.  8.)  cart.  1.20. 
...  SJüneraloaie,  nebft  e.  Icidbtfafel.  Ueberblict  üb.  b.  (Sntftefcfl.  u.  dntroidla.  b. 

ISrbrinbe  nach  b.  neueft.  2lnfd)auunöen.    W\t  .  .  .  &oljjd)n.  u.  3  <Steinbr.;£af. 

in.  tfrrjftaünefcen.  <§bb.  (VI,  106  6.  flv.  8.)  cart.  1.10. 
...  3*oloflie.    I.  fcft.  [.«urf.  1— III.]   Unt.  üflittuirtuna.  t>.  i'efer.  Dr.  gride.  .  .  . 

ebb.  (VI,  194  6.  flr.  8.)   cart.  n.  n.  1.60. 

Ergänzg.  u.  Berichtigg.  z.  Brefeld's  Behdlg.  der  Gährgsfrage.  [Botan.  Ztg.  No.  21-] 

Bamberger,  ßabb.  Dr.  J.,  hebr.  Spruch-  u.  Wortschatz,  nebst  Erklärg.  der  im  Cultus 

gebräuchl.  hebr.  Ausdrücke.  Ein  Hülfsbch.  f.  d.  israel.  Religionsunterr.  Kgsbg, 

Härtung.    (VI,  41  S.  gr.  8.)   cart.  —60. 
Bau-  u.  Kunstdenkmäler,  die,  d.  Prov.  Westpr.  Hrsg.  im  Auftrage  d.  Westpr.  Provinz.- 

Landtages.    Hft.  I.    Die  Kreise  Cartbaus,   Bereut  u.  Neustadt.   Mit  58  in  d. 

Text  gedr.  Holzschu.  u.  9  Kunstbeil,   (in  Lichtdr.)  Daszig.  (Bertling)  (VI,  73S. 

gr.  4.)   baar  6.— 
Baumgarten,  Prof.  Dr.  P.,  üb.  pathogene  pflanzl.  Mikroorganismen.  II.  Die  pathogen«! 

Scbizomyceten.  (57  S.  gr.  8.)  [Sonderabdrücke  d.  dtech.  Medicinal-Ztg.  27.  Hft 

Berlin.    Grosser.]    —80. 
Patbolog.-anatoin.  Mittheilungen.  I— VII.   [Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anat. 

97.  Bd.   S.  1—50.]    Einige  Bemerkgn.  zur  Histiol.  des  Trachoms.    [Graeic's 

Archiv  f.  Ophthalmot.  XXX.  Jahrg.  Abth.  I.   S.  277-289]    Beitrage  z.  Dar- 

stellgsmethode  der  Tuberkelbacilien.  [Ztschr.  f.  wissensch.  Mikroskopie.  Bd.  1. 

S.  51—60.]  üb.  Untsuchgsmethoden  z.  Unterscheid^  von  Lepra-  u.  Tuberkel- 
bacilien.   [Ebd.  S.  367 — 371.]   üb.  e.  gute  Färbgsmethode  z.  Untsuchg.  von 

Keratheilgsfiguren.   [Ebd.  S.  415—417.] 
S3enber,  $rof.  Dr.  3of.,  gum  2.  fjuli  1884.    (aMd)id)t(.  ßrinneront.  au*  ©raunetcr^ 

SBerßaiiQfiibett.    2lu8  SlnlaB  be$  600j.  3ubiläumö  ber  <Stabt.    53rauii$b.  $ut)e. 

(53  6.  ßr.  8.)   baar  1.30. 
*  £ene<!e,  $rof.  Dr.  93.,  bie  2Banberß.  ber  2lalbrut  u.  bie  ßinria^tß.  n.  SCalbtutleitern. 

[tfßäbß.  2anb*  u.  forftro.  3ta«  15-1 
Benioken,  Gymn.-L.  Dr.  H.  K.,   dio  Litterat  ar  z.  6.  Liede  vom  Zorne  des  Achilleus 

im  6.  u.  7.  Buche  der  Homerischen  Dias.   Teil  IL   Progr.-Abhdlg.  Bastenburg 

(22  S.  4.) 
Bergau,  R.,  der  Bildschnitzer  Veit  Stoss  u.  seine  Werke.  (20)  Photogr.  v.  Job.  Hahn 

m.  erklär.  Beschreibung  u.  Biographie  d.  Künstlers.  [Neue  Ausg.]  Nürnberg. 

J.  L.  Schrag's  Verl.    (15  S.  Pol.)   In  Mappe  baar  30.— 
Bericht  üb.  d.  Handel  und  die  Schifffahrt  von  Kgsbg.  i.  J.  1883.  Kgsbg.  Härtung. 

(VI,  194  S.  gr.  8.) 
9ett$t  ber  n.  b.  Oftpr.  $ron.'£anbtage  entfaubt.    Gommiffion  üb.  2(rmem  u.  $lrbei& 

bäuf.  fomie  3lrbeiter:(£o(omeu  in  5)än«marf,  6ä?leem.s£ol|tv  pannon.,  SBeftfal., 

Aar.  ea*!en.    flßSbß.  ©räfc  &  Unjer.  (66  6.  ßt.  8.)  baar  -80. 


Aitpreutisische  Bibliographie  1884.  Igl 

Script  b.  $rwM(Sommi)fion  f.  b.  SertvaUß.  fr.  *Jtrot>.*2>tofren  üb.  b.  SBroenbß.  ber  ibr 

j.  Skrfüflunö.  oeftellt.  gonbtf.   Sanjitf.   (4  £.  fol.)  mit  3ln(j.  .  .  .  öeridbt  üb.  b. 

Ütoaltfl.  b.  iiüturbift.,  ardrtof.  u.  ettjnol.  Sammln.  be3  Stfeftpr.  $tot?.'ÜWufeum^ 

f.  b.  3.  t883.  (11  ö.  fd.) 
Bericht  ab.  d.  6.  Veisammlung  d.  westpr.  botan.-zoolog.  Vereins  z.  Dt.  Eylau,  am 

15.  Mai  1883.     [Aus  „Schrift  d.  natuif.  Ges.  z.  Danzig".]    (127  S.  gr.  8.) 
Bericht  üb.  d.  Vhdlgn.  d.  21.  Kongresses  dtbdi.  Volkswirthe  in  Königsb.  i.  Pr.  am 

20.,  21.  o.  22.  Spt.  1888.    Im  Auftrage  d.  stand.  Deputation  hrsg.  v.  M.  Broemel. 

Berlin  1883.    Simion.    (IV,  210  8.  gr.  8.)   4.— 
©eriifjte  bc*  gifdjeret  Vereine  b.  s4hemn$en  Oft*  u.  Söeflpv.    reb.  u.  $rof.  Dr.  £eitedfe 

1883/84.  4°. 
Sertlittfl,  $.,   iftriribiafomiä  in  $anjivi),    ber  (*ntnmrf  e.  euauad.  ©efanabudjö  für 

Oft*  11.  3ik|tpreufeeu.    3\in$irt  £cbrotb. 
Bezzenberger.  Beiträge  zur  künde  der  indogerman.  sprachen  hrsg.  v.  Dr.  Adalb.  Bezzen- 
•    borger.   9.  Bd.  Oöttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht.    (.  .  .  S.  gr.  8.)  n.  10. — 
Litauische  u.  lettische  Drucke  d.  16.  u.  17.  Jahrb.,  hrsg.  v.  Adl.  Bezzenberger. 

4.  Hft.  Götting.  Vandenhoeck  &  Ruprecht.  10.—  Inh.:  Szyrwld'8  Punkty. 
Kazari  [Punktay  Sakimu]  vom  J.  1629.  Mit  e.  grammat.  Einleitung  hrsg.  v. 
Kich.  Garbe.    (XLV1II,  15«  8.  gr.  8.)  lö.— 

Lett.  meklet.  [Beiträge  z.  künde  d.  Indogeiman.  spr.  IX.  Bd.  S.  134]  Lettische 

ablaufe.  [S.  248—250.]  Tivio-mvvw.  [S.  252.]  V.  Jagic,  Altruss.  Fragmente 
in  Kgebg.  Mitgetb.  v.  Prof.  A.  Bezzenberger.  [Archiv  f.  slav.  Philol.  VII.  Bd. 

5.  640—43.]  Eine  lettische  Dorfgeschichte  [Magaz.  f.  d.  Litt,  des  In-  u.  Ausl. 
53.  Jahrg.  No.  11.  12.]  Kurische  Studien;  ein  Sprachwissenschaft!.  Reisebrief. 
[Ebd.  32.]  die  pamphylisch.  Inschriften.  [Samml.  d.  griech.  Dialekt-Inschriften. 
Hft.  IV.  Göttingen.  8.  363—370.]  y>od>$eitebüterfprucb.  [ÜJtttteiiunflcn  b.  £itau. 
litterar.  ©efelljd).  oft  8.  6. 121— 124.]  Kec.  [Dtsch.  Littztg.  No.  19. 32.  Götting. 
gel.  Anz.  No.  10.] 

Bietterstedt,  August,  pract.  Arzt  aus  Westpr.  (Briesen)  Ueber  situs  viscerum  in  versus 

und  Mittheilung  eines  Falles.    I.-I).  Greifswald.  (32  8.  8.) 
Sienett'Seitiinft,  ^reii&ijcbe, . . .  bre«.  x>.  3.  <$.  Aonife  . . .  %  §.  VIII.,  alte  g.  XXI.  3a&rfl. 

#a*ba.  Oftpr.  3t,^..  11.  Sliiebr.   (2  IM,  188  6.  8.) 
Btskup8ki,  Gymn.-Lehr.  Dr.  Leou  (Konitz),  Beiträge  zur  slavischen  Diabetologie.   I. 

Dio  Sprache  der  Brodnitzer  Kaschuben  im  Kreise  Kalthaus  [West-Pr.]  1.  Hft. 

Die  Lautlehre.  Abth.  A.    Leipz.  Breitkopf  u.  Härtel.  1883.  (VI,  61  S.  8.)  1.50. 

btspr.  v.   V.  Jagte  in:   Archiv  f.  slar.   Phihl.     VIII.   Bd.   S.  140—148. 

Blochmann,  R.  (Kgsbg.),  üb.  e.  einfach.  Verfahr,  z.  annähernden  Bestimmg.  d.  Kohlen- 
Säure  in  der  Luft  bewohnter  Ränme  u.  in  anderen  Gasgemischen.    [Ztschr.  f. 

analyt.  Chemie.   23.  Jahrg.  S.  333—345.].. 
Bock,  Ober].,  üb.  verschied.  Konstruktionen  zur  Übertragg.  v.  Figuren  von  e.  gegeb. 

Oberfläche  «auf  eine  andere.   I.  Wisscnschaftl.  Abhdlg.  f.  d.  Ost-Progr.    Lyck. 

(21  8.  4.)  m.  I  Taf.) 
Böhmer,  Kgl.  Feldmesser  J„   Neue  Karte  v.  Thorn.    1 :  2500.    Farbendruck.    Thorn. 

Lithogr.  Anstalt  v.  Otto  Feyerabend.   1.25. 
»ornftetn,  $rof  Dr.  Nid?.,  bie  ioeale  sBc tferpreanofe.  S3erL  eprinaer.  (48  8.  8.)  —60. 
Bötteher,  Dir.  Dr.  Carl,  Vorschläge  z.  Methodik  d.  geogr.  Unterrichts  m.  Beispielen 

aus  d.  Schulpraxis.    Kgsbg.  (24  S.  gr.  4.)    (Leipz.  Teubner.)    — 80. 
»e!M,  3(.,  QmaZ  üb.  b.  fcuHfltn  Stanb  bev  ÜJMbdjen.ömnnaftit  in  Oft*  u.  2Öeftpr. 

[Ütfiona&fcbr.  f.  b.  Surnroefen.   3.  Qabi'fl.  oft.  7.] 
8ort$erf,  91  Ib.,  btfebe  @lenientar:©rammatit  u.  Ortboorapbie  f.  SBorfduilen  bök  8e&r* 

anftaltcn.    1.  Stufe.   Maftenbura.  5<croa[-?ft.    (VII,  62  6.  p,r.  8.)  -80. 
Sranbenburger,  (*.  6.,  bas  aai^e  ÜlMffen  ber.  £iqueur:gabrifation  auf  faltem  2Beae  ob. 

ber  foflen.  falten  $efli(Iation  .  .  .  £born.  ?ambrcf.    (95  6.  8.)    2.— 
©roudjitf*.  M.  ü.,  bie  neu.  preufj.  ^emjaltfl^efcfce,  jfaeft.  «•  erläut.  W.  Sluft.,  tooflftb. 

umflearb.  u.  biv  auf  b.  Qkflenroart  fortflef.  r>.  9tea.'$r&f.  ®tubt  u.  ©eb-  9Hca.sSR. 

©raun  beb  veno  ...  6.  u.  7.  (Sefammtaufl.  b.  OrrtanifationSaefefcc  b.  hm.  2$n>altfl. 

©b.  I.  IL  1.  u.  2.  »bbr.   «erün.   (XII,  614;  VIII,  467  6.  «r.  8.)  a  8.— 
Brosow,  Aug.»  Qucraodo  sit  Apollonius  sophista  ex  etymologico  magno  eiplendus 

atque  emendatus.    Diss.  inaug.   Kgsbg.  (Beyer.)   (51  S.  8.)   1.20. 


182  Mittheil fingen  und  Anhang. 

KrtmitecF,  $rof.  Dr.  jur.  m\\).  t>.,  »eitrfiae  jur  ©ef*.  u.  $eamatlt  ber  <ßfanbbrief-- 

fafteme  na*  preu&.  SHedjt.    fSBcitrA^e  3.  ßrläuterfl.  b.  btf*.  sJiccbt^    3.  ftelrte. 

8.  3a(w.  6.  48-82.  318—356.  481—547.    9.  ftibra.  6.  23—52.] 
Brunnemann,  Dir.  Dr.  Karl,  Maximilian  Robespiorre.    Ein  Lebensbild  nach  z.  Theil 

noch  unbenutzt  Quellen.    2.  (Tit.-)Aufl.    Loipz.  (1880.)  18«5  (84).   Friedrich. 

(VI,  219  8.  gr.  8.)    4.50. 
Corneille's  Polyeucte  Martyr,  für  d.  oberen  Klassen  höh.  Lehranstalten  hrsg. 

Wolfenbüttel.   Zwissler.   (V,  76  S.  gr.  8)  n.  n.  —90. 
Sttttner,  G.  ®.,  3>a«  fcwterlanb  nou  3BaIfifd:bai  imb  Slriflra  $rquena.  (Sine  Ueberficbt 

ber  Kulturarbeit  beutfd).  OTifftonarc  u.  b.  feitber.  (Sutaridlfl.  b.  btfd).  öanbel«  in 

Sübtwftafrita.  (124  6.  8.)    [Sammlfl.  i\  ^Borträ^.  bräfl.  n.  Trommel  u.  ^föff. 

12.  53b.  7-9.  oft.    Seioelbera,  SBintcr.  <S.  207—330.]    2.— 
$ie  ficrero  ti.  ibre  tobten.  [2)aS  Jluslanb.  20]    üb.  Sanbroerfe  u.  tecbtiifd^c 

Sertfofeiten  ber  ©inflebornen  in  $amaralanb  (Süoafrifa).  (ßbb.  27.  Englisch  in: 

Populär  Science  Monthly.  Novbr.]    t>ic  (Sntnndlflefäbiflfett  ^übiueftafnfa«  nad) 

bem  3.»ucrn  au.  [(*bb.  34.]    SleqtlicbeS  au«  3)amaralanb.  [@bb.  35.] 
Büttner,  £>cinr.,  Sktbania.  3«  *wft  u.  Grbauuna  an  ßrantenbetten  u.  ©räbern.  3*f>" 

$rebiflten.  fla$bfl.  edmbert  &  6eibel  in  Gomm.  (VIII,  166  S.  flr.  8.)  2 — 
»ujaef,  Dr.  phil.  ©pmn.-Oberl.,  ba«  ^Sruffta^ufeum  im  StorbftöaeK  be«  Jt^I.  €Aloffc3 

iu  flfl*bfl.  in  $r.    Sie  au^oefteüt.  Altertümer  ber  prabiftor.  Reit  tfor  (Ebrifti  (Sc- 
hürt. $e«  1.  Seite  be*  Äatalofl«  1.  Hälfte  .  .  .  Äbß.  Oftpr.  RtflS.*  u.  »IflS.^r. 

(20  6.  ßr.  8.)  .  .  .  3>ie  auäfleftellten  Altertümer  b.  bütor.  3eit  mit  ©nfdrfufe  *. 

«uramaUfunbe.  2.  Seil  be«  Äataloa«.  2.  ttufl.  m.  3ufA|k  ebb.  (30  6.)  ä  —20. 
Bardach,  Dr.  Konr.,  die  Einigung  der  Neuhochdeutsch.  Schriftsprache.    Einleitung. 

Das  sechszehnte  Jahrh.   Habilitationsschrift.   Halle.    (31  S.  gr.  8.) 

Rec.  [Anzeiger  f.  dtsch.  Alterth.  u.  dtsche  Litt.   X.   S.  13—31.  127—128.] 

Snro»,  3ulie  [Jrau  Ufannenfd)mib!],  $enffprücbe  f.  b.  mciblicbe  Sehen  ...  23.  StufL 

brSa,  p.  (Ilife  $clfo.    ©remerbaven.  Qanaerotü.  (IX,  256  6.  8.)    6.— 
grauen  Siebe  u.  geben,  ©n  »rautflefdjenf.  2.  Slufl.  3)at>o3.  SHidtfer.  (2386.  8.) 

ßeb.  5.50. 
BusoK,  Prof.  Dr.  Georg  in  Kiel,   Sparta  und  der  ionische  Aufstand.   [Neue  Jahrbb. 

f.  Piniol,  u.  Pädag.  129.  Bd.  S.  154 — 158.]  zu  den  griechischen  Königslisteu. 

[Rhein.  Mus.  f.  Philol.  N.  F.  39.  Bd.  S.  478—480.]  zur  Scblaoht  bei  Himera. 

[Ebd.  40.  Bd.  1S?S5  (84).  S.  156-160.] 
Samt,  @en.<Superint.  Dr.,  Äirdjlicbe  3"ftänbe  in  2Rafuren.    Gin  Ser.bfcfcreiben  .  .  . 

tfaeb.  Oftpr.  3trt«.*  u.  SBlaSbr.    (24  6.  flr.  8.) 
^Beriefet  ber  ßommiffion  g.  öerfteüfl.  e.  einbeitl.  ©efanabudj«  f.  b.  $ro&.  Oft*  u. 

SVeftpr.    [Seil.  $.  ©nanfl.  ©emeinbebl.  9tr.  46.1    Pfleget  den  heiligen  Gesang! 

Ansprache.    [Halleluja.  Organ  f.  d.  geistl.  Musik  .  .  .  hrsg.  v.  Becker  u.  Fr. 

Zimmer.  5.  Jahrg.  No.  11.] 
Chodowiecki.  Auswahl  aus  d.  Künstlers  schönsten  Eupfersticheu.  J.36  Stiche  auf  30 

Carton- Blättern.    Nach  den  z.  Theil  sehr  seltenen  Originalen  in  Lichtdruck 

ausgef.  v.  A.  Frisch  in  Berlin.    (2.  Aufl.)   Berlin.  Mitscher  &  Röstoll.   (1  Bl. 

Text  gr.  4.)    In  Leinw.-Mappo  20. — 
Clebsoh,  Alfr.,  Lecons  sur  la  geometrie  .  .  .  traduites  par  Adolphe  Benoist.   T.  III. 

Integrales  abeliennes  et  connexes.  Paris  1883.  Gauthier- Villars.  (X,  485  S.  8.) 

16  fr. 
Cnettcitd,  $.,  ba«  ©appen  ber  6tabt  2Raabebura,.    aNaflbebfl.  (Söennbade  &  Sinrfe.) 

(19  6.  flr.  4.  m.  cbromoHtb.  Sit.  u.  4  Stein taf.)    baar  5.— 
-—  —  Städtewappen.  [Siebmacber's  gross,  u.  allg.  Wappenbuch.  Lfg.  235  od.  Bd.  I,  4. 

Hft.  18.  S.  309-28  m.  Taf.  300—317.] 
Dallas.  3ritf&rift  b.  Äunft.©ercerbe-$Berem$  ui  Waabcburfl.    SHeb.:  £.  telericu*. 

5.  3abrfl.  12  -)lrn.  O-Bofl.  flr.  4.)  äHaabebfl.  ^aber  in  (Somm.  Viertel j.  1.— 
In  Sachen  d.  Berlin.  Stadtwapp.  [D.  dtsche  Herold.  XV.  No.  1.1  Snhragistische 

Miscelle.  (Ebd.  2.]  die  Städtewappen.  [5.  9.]  An  die  Adresse  d.  Kgl.  Herolds- 
amtes. [10.]    Kunstgewerbl.-Heraldisches.  [10]     Anfrage.  [12.]     Rec.  [3.  10.) 
Cohn,  Leop.  (aas  Zempelburgj,  De  Heraclide  Milesio  Grammatico.  Commentatio  philol. 

ad  veniam  docendi  in  Univ.  Viadrina.  Berol.  (37  S.  8.) 


Altpranssiache  Bibliographie   1883.  183 

[Copernicus,]  du  Boi8-Reymond,  Emil,  Friedrich  II.  in  englischen  Urtheüen.    Darwin 

u.  Kopernicus.   Die  Humboldt- Denkmal  er  vor  d.  Berlin  Univers.    Drei  Reden. 

Leipz.   Veit  &  Comp.   il20  S.  gr.  8.)    2.— 
Shidleo,  P.   Le  Systeme  de  Copernic  juge'  d'apres  scs  propres  theories  expose'es 
dans T Astronomie  populaire  de  M.Camille  Flammarion;  par  Pierre 8 indico. 
Paris.   Lemerre.   (In-8°,  48  p.  et  3  pl.  de  fig.) 
Cramer,  H.,  ©efcbidjte  bce  pormal.  SBtetbumä  ^omefanicn.    (Sin  ^Beitrag  $.  Sanbefc  u. 

ttircberu®efd)id)te  beä  jtöniarcidtf  9$reu&en.  $on  H.  Krämer,  n>eü.  Ober*$lubiteur 

u.  ©e&.  3ujtia  9fatl>.    SBeröffentlidwnß  b.  biftor.  herein*  f.  b.  <Hefl.«$ej.  Morien« 

Werber.  «Warienro.  Selbftperf.  b.  herein«.  (V,  293  6.  «r.  8.)    3.— 
Curtze,  Gymn.-Oberl.  Maxim,  in  Thorn,  die  in  betreff  der  exakten  Wissenschaften  im 

Altertum  währd.  d.  Zeit  v.  Okt.  1879  bis  Schluss  1882  erschienenen  Werke, 

Schriften  u.  Abhandlgn.  [Jahresber.  üb.  d.  Fortschr.  d.  cJass.  Alterthnmswiss. 

XII.  Jahrg.  Bd.  XL.  S.  1—50.]    Kec.  [Dtscbe  Littztg.  1.] 
Czy  möwisz  po  polsku?  [Spricbjt  bu  polnifcb?]  ob.  polni(d).  3)olmetf<bcr  ...  13.  2lup. 

Sborn.  &  fiambed.    (199  6.  8.)  1.20. 
tabn,  Relir,  SBaufteine.  ©efammclte  Heine  64riften.  6.  SRei&e.  ©ermanifebe  Stubien. 

Serlin.  3an!e.  (VII,  327  6.  8.)  7.-    5.  töei&e:  1.  u.  2.  6cbi*t.   1.  Söölterrecbtf. 

u.  ftaaterecbtl.  6tubien  (VII,  396  6.)  7.—    2.  $ripcitrecbü\  6tubien  (226  6.)  4.— 
Obbin'3  Sroft.  ©n  norbifdjer  ftoman  a.  b.  11:  3abrfr.  fieipj.,  SBreitfopf  &  fcärtel. 

5.  Aufl.  (520  8.  8.)  8.— 
Uraefdjicbte  b.  flerman.  u.  roman.  SBölfer  (3.  93t».  6.  97—384  or.  8.)  [Slüaem. 

©efd).  in  föngeibarfteUungen  .  .  .  !?r*a.  P.  sißi(b.  Duden.  $lbtl>.  80.  89.  »erlin. 

©rote.]  ä  6.— 
Reine  iHomtme  a.  b.  3te(ferh)anbmma.    1.  *Banb  SdicitaS  ...  8.  Slufl.   2eipj. 

93reittopf  &  tfÄrtel.  (274  e.)  5.—  2.  $anb  Siffula. . . .  2.-6.  Stuft.  (568  S.)  8.— 
Busala.    Historische  roman   uit  den  tijd  der  volksverhuizing.    Uit  het  Hoog- 

duitsch  door  A.  J<  van  Dragt.    2  dln.    Arnhem.    J.  Rinkes  Jr.    (4  en  238; 

4  en  242  bl.  8.)  fl.  4,90. 
ein  Äampf  um  fflom:  fiiftor.  Vornan.  4  93be.   10.  2lufl.  Gbb.  (VIII,  416;  400; 

488  u.  489  6.  8.)  24.— 
$ie  Äreutfafcrer.   (SrjäW.  a.  b.  13.  3afcr&.  2  93be.  2.-4.  Slufl.    «Berlin.  3anfe. 

(344  u.  223  6.  8.)  12.— 
Wein  geben.   $on  fiubto.  €teub.  lieber  Subtoia.  6teub.  SBon  gelix  JDapn.   9Rtt 

e.  $ortr.  Sbm.  6teub$.  (57  6.  ßr.  8.)  1.—  [3)eulfd)e  93ü*eret  *Rr.  31.  «Breälau, 

Scfcottlänber.] 
u.  Sfrerefe  SDafrt  faeb.  Sreiin  p.  $rofte--&üteboft]  SBalbafl.  ©ermaniföe  ©öfter« 

unb  $elbenfagen  .  .  .  W\t  mefrr  atö  50  83i(bertaf.  .  .  .  P.  3°b£.  ©efrrt«.  (3n 

6-82fan.  fiffl.  1—9.  äreujna*,  Eoiötlänber.  (665  6.  <jr.8.)  a  1.—  2.-5.  Slufl. 

oeb.  10.— 
2lüflemeine3  WetdtfCSommerSbud)  für  beuttäe  Stubenten,  ©earfinbet  P.  2Rüller 

p.  ber  SBerra.  SReu  brefl-  p.  ffelir  fiabn  u.  Garl  fteineefe  7. »ufl.  si)Mt  e.  Sitefbüb 

p.  Slnt.  p.  SBerner.  2eip*.  1885  (84.)  «retttopf  &  fcflrtef.  (VIII,  578  6.  12.)  3.- 
Nordischer  Gottesbegriff  und  Götterglaube.   [Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Anal. 

No.  2.]  The  Mothers  Welkome  to  Her  returning  Sailor-Boy  (5  englische  Strophen) 

[ebd.  14.]  üb.  Gntfteb«.  u.  ^ufKwefd}.  b.  Btdbte  in  S)tfcblb.  [ Hefter mannö  tüuftr. 

btj^e  ÜJlonatöbefte.  9ftai.]  mm  SBerbeaana  b.  beutfeben  Äönifltbum«.  (öin  afabem. 

Seftportrafl.)  [ÜRüncbener  Maem.  8tfl.  SBeil.  jii  9k.  34,  35.]  Kec.   |Lit.  Cen- 

tralbl.  4.   Literaturbl.  f.  gerroan.  n.  roman.  Philo].  1.   Magaz.  f.  d.  Litt.  d. 

In-  n.  Ausl.  5.   3Rüncbener  $lUaem.  3ta.  33ei(.  31   9lx.  349.] 
fcamtett,  Äotecbctif,  2.  Slufl.  S)ans-  fcoenifl.  (VIII,  199  6.  8.) 
Damut,  Dr.  R.,  Der  erste  nordische  Krieg  bis  zur  Schlacht  bei  Warschau.  Ans  Danziger 

Quellen.  [Ztschrift.  d.  Westpr.  Geschichtsvereins.  Hft.  XII.  Danz.  (110S.gr.  8.] 
Dehio,  Prof.  G.,  u.  Archit.  G.  v.  Bezold,  die  kirchl.  Baukunst  d.  Abendlandes  hist. 

u.  system.  dargestellt.    (In  4  Lfgn.)    1.  Lfg.  —  Hierzu  ein  Bilder-Atlas  v. 

77  lith.  Taf.  (in  Fol.  u.  Mappe)   Stuttgart,  Cotta.  (VIII,  200  S.  gr.  8.)  25.— 

2>ie  Grboltuna  ber  2)entmäler.  [>J)tün*.  2lUß.  3tfl.   93eil.  %u  91r.  352.] 

Lettin,  6em.sfiebr.  »v  gefen  2urn.^eiflen  f.  6*u(en  ...    2.  Slufl.  m.  15  fitj.  Saf. 

lilfit  6d?ubert  Sc  6eibel.  (24  6.  gr.  8.)  —50. 


184  Wittbeilungeo  and  Anhang. 

Deniok«,  Harry,  (Marien  Werder)  Bedenken  geg.  d.  aehullektüre  von  Schülers  gedieht 
,dic  Wage  der  Ceres"  [N.  Jahrbb.  f.  PIuloL  n.  Pidag.  130.  Bd.  8.  387— 393.J 
Einige  Bemerkungen  z.  Methode  des  geograph.  Unterrichte  [Ztscbift  f.  d. 
Gvmnasial-Wesen.  XXXVIII.  Jahrg.  S.  269-275.]  Rec.  [Ebd.  S.  149—151.) 
Cenfmdlet,  cte  bifleriiiben,  o.  Jtreiie*  SnUerburfl.  ftufterb.,  UUilbelmi  (10  S.  or.  8.1 
Dewlta)  H.i  Qb.  d.  Fortbewegung  der  Tblere  nn  senkrechten  glatten  Flacher  vermittele 
eines  Secrotes.  [Zoolog.  Anzeiger  So.  172.  Ptiüger'a  Archiv  f.  d.  genannt« 
Fhysiol.  d.  Menschen  u.  d.  'l'hiere.  Äi.  Bd.  9/10,  Hft.]  Die  Angelhaare  der 
Chrjaopenlarven.  [Biolog.  Centralbl.  4.  Bd.  Nr.  23.]  Ein  mann),  tiescbleehts- 
charakter  bei  Catoeala.    [Ebd.]  £ 


EM  33  ge»aii  ***  t- 

Von  einem  Freunde  der  Altureuss.  Monatsschrift  gehen  uns  folgende  Zeilen  zu : 
„Eine  „Mitteilung"  wie  die  von  A.  Boldt-Elbing  im  21.  Bande  der  Altpreus  Bis  dien 
Monatsschrift  8.  U7H  ff.  Ober  „das  Begräbnis!  des  Grafen  Franziskas  Bernhard 
von  Thura  in  der  St,  Nikolaikirche  zu  Elbing  am  11.  Mai  1629"  ist  geeignet  den 
scheinbaren  Verfasser,  Herrn  A.  Boldt-Elbing,  in  den  Verdacht  zu  bringen,  als  ob 
er  Quellen  studire  und  hie  and  da  angesehenen  wissenschaftlichen  Zeitschriften  eine 
kleine  Frucht  dieser  Quellenstudien  mitteile,  andererseits  aber  der  angesehenen  Zeit- 
schrift Verlegenheiten  zu  bereiten.  Denn  wenn  eine  solche  „Mitteilung"  wie  dio 
erwähnte  mit  dem  Anspruch  einer  Original -Mitteilung  in  die  Welt  binuusgesandt 
wird,  ohne  daas  Fache,  Beschreibung  der  Stadt  Elbing  n.  a.  w.,  ans  der 
sie  abgeschrieben  ist,  genannt  ist,  so  kann  es  wohl  vorkommen,  dass  der 
Bedaction  ein  Vorwurf  daraus  gemacht  wird,  sie  habe  eiu  für  die  Geschichte  Elbing« 
so  geläufiges  Hilfsmittel,  wie  Fuchs  es  ist,  nicht  gekannt.*)  Da  nun  aber  wohl 
kaum  im  Ernst  verlangt  werden  kann,  der  Herausgeber  der  Altpreuss.  Honateschril! 
müsse  alle  Werke,  aus  denen  etwas  Tür  ihn  abgeschrieben  werden  kann,  kennen,  so 
scheint  es  anch  Pflicht  derjenigen,  die  die  Zeitschrift  lesen  und  schätzen,  für  die 
Würde  derselben  mitzusorgen  und  darauf  zu  sehen,  ilats  kein  Unberufener  in  der- 
selben eich  mit  fremden  Federn  schmücke.  Das«  dies  aber  Herr  Boldt  gethan, 
dass  er  eich  eines  Plagiats  an  Fuchs  schuldig  gemacht  hat,  das  wird  jeder  erkennen, 
der  den  Text  bei  Fuchs  II,  210-213  mit  dem  in  Bd.  21  S.  678-680  der  Altpreuss. 
Monatsschrift  vergleicht  Die  ganze  eigene  Thätigkeit  des  Herrn  Boldt  besteht 
darin,  dass  er  Sätze  umstellt,  zusammengesetzte  in  mehrere  einfache  zerlegt  und 
einmal  Apoc.  in  Apost.  verschlimmbessert," 

*)  Eben  weil  Fachs'  Beschreibung  Elbings  ein  so  bekanntes  Buch  ist,  so  konnte 
seitens  der  Redaction  anständiger  Weise  nicht  angenommen  werden,  dass  der  Elbinger 
Einsender  eine  so  leicht  zugängliche  Quelle  ausschreiben  würde,  ohne  sie  zu  nci 

Die  Red. 


L- 


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pe  Irrten  unti  irafrn  oon  Sdjrotrin. 

ßlatter  au«  her  pmijjtfdjett  ©efdjtdjte 

von 

@$ßar  $e()weßef. 

Gr.  8°.    Broch.  7  Mk.  —  Eleg.  Originalband  Preis  8  Mk.  50  Pf. 
Prachtaasgabe  auf  Velinpapier  Preis  9  Mk. 

Inhalt:  I.  Die  letzten  Wendenkämpfe  und  die  ersten  Schwerin.  IL  Im  Refecto- 
rinm  und  im  Rathsstuhle.  III.  „Wy  dienen  to  Felde".  Die  Fehden  der  Schwerin. 
IV.  Der  Held  von  Angermünde.  V.  Der  Grossmeister  Ulrich  von  Schwerin. 
VI.  Jakobus  der  Kurländer.  VII.  Der  Oberpräsident  Otto  Freiherr  von  Schwerin 
und  sein  Bruder  Bogislaw.  VIII.  Graf  Otto  von  Schwerin.  IV.  Der  Feldraarschall 
Graf  Card  Christoph  von  Schwerin.  X.  Der  Keitgerten- Schwerin,  der  Held  von 
Hohen-Friedberg.  XL  „Zopf  und  Schwert".  XII.  Graf  Maximilian  von  Scbwerin-Putzar. 
XIII.  Gefallen  für  das  Vaterland.  XIV.  Auf  Schwerin'schen  Schlössern. 

Die  vorzüglichen  Quellen,  welche  dem  Verfasser  zu  Gebote  standen,  gaben  ihm 
die  Anregung  für  diese  Schilderung  des  mit  allen  Phasen  der  preussischen  Geschichte 
so  eng  verknüpften  Geschlechtes  und  hat  derselbe  hierin  ein  acht  vaterländisches, 
historisch  und  culturhistorisch  bedeutendes  Werk  geschaffen. 

Berlin  W. 

Abenheim'sche  Verlagsbuchhandlung 

(G.  Joel). 


Soeben  erschien  im  Commissicras- Verlage  vcn  Theodor  Bertling  in  Danzig: 

Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler 

der 

Provinz  TVestprcussen. 

Herausgegeben  im  Auftrage  des  Provinzial-Landtages. 

Z.  Heft: 

Der  Ijandkreis  Danzig. 

Hit  76  in  den  Text  gedruckten  Holzschnitten,  8  Kunstbeilagen  und  1  Uebersichtskarte. 

gr.  4°.  VIII,  76  S.  (S.  75—150). 
Preis  6  Mark. 
Dieses    Heft  bietet  neben   anderen   bemerkenswerthen  Alterthüraern  aus  dem 
D&nziger  Landkreise,  insbesondere  alles  Hervorragende  aus  dem  berühmten  Kloster 
Oliva  in  Wort  und  Bild. 

Im  Verlage  von  M.  Glaser  in  Darkehmcn  ist  erschienen: 

Dr.  IKltfrf in  Jlutljers  gikpljMtgett  51t  ^ffpieußen. 

Von 

3toi>lf  M0JJ8*,  Pfarrer  in  JDarkeljmen* 

(11  Bog.  8°.)    Preis:  1,50  Mk. 


Im  Yerlage  von  Theodor  Bertling  in  Danzig  erschien: 

Altpreussisches  Epos  in  sechs  Gesängen 

von 

Heinrich  IMItsriimanii, 

Verfasser  des  Poln.  Pamass  (4.  Aufl.  Leipzig  1875).  Album  ausländ.  Dichtung  (1868). 
Geschichte  der  polnischen  Literatur  (Leipzig  1882)  u.  8.  w. 

Hit  zwei  Illustrationen  nach  Origiiialzeichnungen  von  U.  Laasner. 

Eleg.  broch.  Preis  1,20  Mk. 
In  Callicoband  mit  Deckelpressung  1,80  Mk. 


Im  Verlage  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung  in  Königsberg  in  Pr. 

erschienen  als  Separat-Abdrücke  der  „Altpr.  Monatsschrift": 

Kftnigsberger 

Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten. 

Vortrag, 
gehalten  am  IG.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshauscs  zu  Königsberg  in  Pr. 

von 

Prof.  Dr.  Friedrich  Ziinnier. 

Preis   broch.  80  Pf 


Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung 

der 

Stadt  Dirschanu 

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Dr.  Rieh.  Pctong, 

Erstem  ordentlichen  Lehrer  am  Realprogymnasium  zu  Dirschau  a.  D. 

Mit  zwei  autogr.  Karten.   Preis  I  Mark. 


Im  Yerlage  von  Carl  Reissner  in  Leipzig  ist  erschienen: 

Nachlieferungen  zu  meinem  Leben  nach  bestem  Wissen  und  Gewissen,   stets 
mit  kräftigem  Wollen,  oft  mit  schwachem  Können.   Von  Johann  George 


Seheffner.    10  Bogen  8°.    Preis  3  Mark. 


Schiller  als  Historiker  und  Philosoph.    Von  Friedrieh  Leberweg.    Mit 

einer  biographischen  Skizze  Ueberweg's  von  Fr.  A.  Lange.   Herausgegeben  von 
Dr.  Moritz  Brasch.    20  Bogen  8°.  mit  Portr.    Preis  8  Mark. 


Aas   der  Nordostmark.      Vier  Preussische  Historien   von  Ernst   Wiehert 

26  Bogen  8°.    Preis  6  Mark.    Elegant  gebunden  7  Mark. 


''••"*'■  «•  •'■'  t. 


Altpreussische 

Monatsschrift 

neue  Folge. 

Der 

Ht  uea  Prtusslselien  PrQYinzIal-BIättQr 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


von 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Der  Monatsschrift  XXII.  Band.  Der  Provinzialblätter  LXXXVIH.  Band. 


Drittes  und  viertos  Heft, 

April  —  Juni. 


'  Königsberg  in  Pr. 
Verlag  von  Ferd.  Beyer' s  Buchhandlung. 

1885. 


Inhalt. 


I.  Abhandlangen:  ***** 

Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen.  Vortrag,  gehalten 
in  der  Alterthumsgesellschaft  zu  Insterburg  am  20.  Febr.  1885 

Ton  Otto  Tan  Baren,  Landgerichts-Präsident 185 — 217 

Zar  volkstümlichen  Naturkunde.  Beiträge  ans  Ost-  und  Westpreussen 

von  H.  Frischbier 218—334 

Einige  Bemerkungen  über  das  Ordensbaus  Balga  und  seine  Umgebung. 

Von  Carl  Beckherrn 335—345 

II.  Kritiken  und  Referate: 

Dr.  Edm.  Veckenstedt,  Die  Mythen,   Sagen  und  Legenden  der 

Zamaiten  (Litauer).    Von  A.  Bezzen berger 346 — 352 

Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Proviz  Westpreussen.    Heft  IL 

Der  Landkreis  Dauzig.    Von  6 352—353 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1884      ......  353 — 364 

III.  Mittheilungen  and  Anhang: 

Verzeichniss  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ost- 
preussens  enthaltenen  Abhandlungen   zur  Geschichte   von  Ost- 

und  Westpreussen.    Von  Karl  Loh meyer 365 — 372 

Der  Teufel  im  Flachs.  Nach  einer  Volkssage  poetisch  dargestellt  von 

Leopold  Jacoby  in  Cambridge,  Massachusets 372 — 373 

Altpreussische  Bibliographie  1884 374—376 

Berichtigung 376 

Literarische  Anzeigen  (auf  dem  Umschlag). 


fV. 


M1885 


Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

Vortrag, 

gehalten  in  der  Alterthumsgesellschaft  zu  Insterburg  am  20.  Februar  1885 

von 

Otto  van  Baren, 

Landgeriehta-Präsident. 

In  manchen  vaterländischen  Geschichtswerken  findet  man  am  Schiasse 
der  Darstellung  des  siebenjährigen  Krieges  eine  kurze  Bemerkung  des 
Inhalts:  dass  Friedrich  der  Grosse  der  Provinz  Ostpreussen  ihre  Haltung 
im  siebenjährigen  Kriege  nie  verziehen,  sie  mit  Beweisen  seiner  Ungnade 
überhäuft  und  sie  nie  wieder  betreten  habe. 

Wenn  man  sich  dann  über  den  Zorn  Friedrichs  des  Grossen 
über  Ostpreussen  näher  unterrichten,  die  Ursachen  des  Zornes,  die 
Art,  wie  er  sich  äusserte,  kennen  lernen  und  die  Gerechtigkeit  desselben 
prüfen  will,  so  findet  man  gerade  in  den  verbreitetsten  Geschichtswerken 
kein  Material;  Friedrichs  des  Grossen  eigene  Darstellung  des  sieben- 
jährigen Krieges, ')  seine  Denkwürdigkeiten,3)  Abhandlungen  u.  s.  w.  geben 
keinen  Aufschluss  über  diesen  Zorn  und  nur  nach  mühsamem  Forschen 
in  dem  Briefwechsel  des  Königs  und  in  der  umfangreichen  Literatur 
über  Friedrich  den  Grossen  findet  man  hier  und  da  Einzelheiten  zur 
Beleuchtung  obiger  Frage. 

Die  Thatsache  ist  wahr.  Friedrich  der  Grosse,  der  Stolz 
Preussens,  der  Begründer  seiner  Macht,  der  König,  der  den  Staat  allein 
und  ohne  Bathgeber  regierte,  der  in  allen  Dingen  nur  seinem  eigenen 
genialen  Urtheil  folgte;  der  König,  dessen  Gerechtigkeitsliebe  sprüch- 
wörtlich geworden  ist  —  er  hat  im  siebenjährigen  Kriege  einen  Groll 

1)  Friedrichs  II.  Unterlassene  Werke.  Deutsche  Ausgabe.  Berlin  1788.  Bd.  3.  4. 
*)  Ebd.  Bd.  5. 

Aitpr«  MoMtaacbrlfl  Bd,  XXIL  Hft,  Sei.  13 


18G  ^er  ^orn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

gegen  Ostpreussen  gefasst,  der  ihn  bis  zu  seinem  Lebensende  nicht  ver- 
lassen hat;  er  hat  diesem  Groll  in  vielen  merkwürdigen  Briefen,  Ver- 
fügungen und  Cabinetsordres  einen  für  Ostpreussen  wenig  schmeichel- 
haften Ausdruck  gegeben.  Obwohl  der  König  in  den  Friedensjahren 
seiner  späteren  Regierung  alljährlich  seine  Provinzen  bereiste  und  häufig 
bei  den  „Revuereisen"  bis  an  die  Grenze  Ostpreussens  gelangte,*)  hat 
sein  Fuss  die  Provinz  Ostpreussen  nicht  mehr  betreten.  Er  warf  der 
Provinz  vor,  dass  sie  durch  Leistung  des  Huldigungseides 
an  die  russische  Kaiserin  die  Treue  gegen  ihn  und  sein  Haus 
verletzt  habe;  dass  die  preussischen  Regimenter  sich  schlecht 
geschlagen  hätten  und  dass  die  Ostpreussische  Jugend  sich 
dem  Kriegsdienst  entzogen  habe.  — 

Friedrich  der  Grosse  hatte  schon  als  Kronprinz  eine  Abneigung 
gegen  Ostpreussen  gefasst  und  es  ist  nicht  unmöglich,  dass  sie  ihm 
von  seinem  Vater  eingeflösst  worden  ist,  welchem,  trotz  der  grossen 
Wohlthaten,  die  er  der  durch  die  Pest  verödeten  Provinz  erwies,  deren 
Bewohner  nicht  sympatisch  waren.  Bei  seiner  ersten  Reise  nach  dem 
Königreich  Preussen  (1726)  musste  der  vierzehnjährige  Kronprinz  in 
Darkehmen  es  mit  anhören,  wie  der  König,  sein  Vater,  auf  offenem 
Markte  die  versammelten  Bürger  „Schelme  und  Rebellen"  nannte.4) 

Als  es  sich  1738  um  Abschaffung  der  Prügelstrafe  handelte,  wollte 
König  Friedrich  Wilhelm  I.  die  Ostpreussen  ausnehmen,6)  „weil  das  Volk 
daselbst  sehr  gottlos,  faul  und  ungehorsam  ist".  Obschon  Friedrich 
der  Grosse  schon  sehr  früh  eine  bewundernswerthe  Selbständigkeit  des 
Urtheils  zeigte,  ist  es  immerhin  wahrscheinlich,  dass  das  Urtheil  und 
Beispiel  des  Vaters  einen  bleibenden  Eindruck  auf  ihn  machte. 

Friedrich  der  Grosse  kannte  das  Königreich  Preussen 
genau.  Er  ist  mehrere  Male  als  Kronprinz,  dreimal  als  König  dort 
gewesen,8)  und  hat  sich  wiederholt  Wochen  lang  in  Ostpreussen  auf- 
gehalten.   Als  er  1726  das  erste  Mal  seinen  Vater  nach  Preussen  be- 


*)  J.  D.  E.  Preuss,  Friedrich  der  Grosse.    Berlin  1832.    Bd.  II.  S.  162. 
4)  Kogge,  Geschichte  des  Kreises  und  der  Diözese  Darkehmen  8.  102. 
6)  Preuss  a.  a.  0.  I,  304.  III,  97. 
°)  Preuss  a.  a.  0.  I,  380  Anm. 
v.  d.  Oelsnitz,  Geschichte  des  Ersten  Inffcnterie-RegimenU  S.  424.  426.  503. 


Von  Otto  van  Baren.  J87 

gleitete,  bewarb  sich  der  Magistrat  von  Königsberg  eifrig  um  die  Gunst 
des  künftigen  Königs,  indem  er  dem  von  seinem  Vater  im  Geldpunkte 
äusserst  knapp  gehaltenen  Prinzen  einen  kostbar  gestickten  Beutel  mit 
1000  Dukaten  schenkte.7)  Im  Herbst  1735  beauftragte  der  König  den 
damals  dreiundzwanzigjahrigen  Kronprinzen  an  seiner  Stelle  die  üblichen 
Musterungen  und  Inspektionen  im  Königreich  Preussen  abzuhalten.8) 
Friedrich  unterzog  sich  diesem  Auftrage  mit  solcher  Gewandtheit,  Scharf- 
sinn und  Vollständigkeit,  dass  der  schwer  zu  befriedigende  König  über 
seinen  —  leider  nicht  bekannt  gewordenen  —  Bericht  äusserst  zufrieden 
gestellt  war.  Er  lernte  damals  die  Heeres-  und  Garnison-Einrichtungen, 
das  Schulwesen,  die  Steuern-Erhebung,  die  Domänen-Verwaltung,  die 
Verhältnisse  der  Kaufmannschaft  und  Zünfte,9)  der  Salzburger  und  an- 
derer Eingewanderten,  überhaupt  Land  und  Leute  gründlich  kennen. 
Im  Juli  1736  scheint  Friedrich  der  Grosse  sich  wiederum  vier  Wochen 
in  Preussen  aufgehalten  zu  haben, ,0)  und  zum  letzten  male  als  Kron- 
priuz  begleitete  er  im  Juli  1739  seinen  Vater  auf  dessen  „Musterreise 
nach  Littauen  und  Preussen".  Bei  dieser  Gelegenheit  schenkte  ihm  der 
König  am  19.  Juli  1739  die  „Stuterei*  Trakehnen, ")  die  er  dann 
am  9.  August  1739  sich  übergeben  Hess,  mehrere  Tage  besichtigte  und 
der  Aufsicht  des  durch  seine  Pferdezucht  ihm  bekannt  gewordenen 
Kriegs-  und  Domainen-liaths  Domhardt  anvertraute.11)  Auf 
dieser  Reise  schrieb  Friedrich  jenen  berühmt  gewordenen  klassischen 
Brief  an  Voltaire  aus  Insterburg  vom  27.  Juli  1739.  '*)  Derselbe 
lautet  wörtlich  in  der  Uebersetzung  aus  dem  Französischen: 


7)  Preuss  a.  a.  0.  I,  119. 

*)  Carlyle,  Geschichte  Friedrich  II.  von  Preussen.  Deutsch  von  J.  Neuberg. 
1859.   Bd.  IL  S.  557. 

9)  Neue  Preussische  Provinzial-Blätter  Bd.  I.  1846.  S.  151. 

10)  Preuss  I,  88.  Lucanus,  Uhralter  und  heutiger  Zustand  Preussens  1738. 
Manuscript  in  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Königsberg  S.  658  f.  unter  „Insterburg". 

")  Uebergabe-Protokoll  des  Ober-Stallmeisters  von  Schwerin  in  Trakehnen  vom 
9.  August  1739  in  dem  Archiv  des  Gestüts  Trakehnen.  (MitgetheUt  durch  die  Güte 
des  Landstallmeisters  von  Dassel.) 

1S)  Domhardt's  Leben  von  Jester  in  den  „Beiträgen  zur  Kunde  Preussens". 
1818.  Bd.  I.  S.  4. 

")  Hinterlassene  Werke  Friedrichs  IL  Bd.  VIIL  S.  240.  Suppl.-Bd.  II.  S.  202. 
N.  Pr.  Prov.-Bl.  VI,  404. 

13* 


188  Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

„Mein  theurer  Freund!  Da  wären  wir  denn  nach  einer  ßeise  von 
„drei  Wochen  endlich  in  einem  Lande  angekommen,  das  ich  als  das 
„non  plus  ultra  der  civilisirten  Welt  ansehe.  Diese  Provinz  ist  in 
„Europa  wenig  bekannt,  sie  verdiente  es  aber  mehr  zu  sein,  da  sie 
„sich  als  eine  Schöpfung  des  Königs,  meines  Vaters,  ansehen  lässt. 

„Preussisch  Littauen  ist  ein  Herzogthum,  das  dreissig  deutsche 
„Meilen  lang  und  zwanzig  breit  ist,  doch  auf  der  Seite  von  Samogitien 
„etwas  schmäler  zuläuft.  Diese  Provinz  ward  zu  Anfange  dieses 
„Jahrhunderts  von  der  Pest  verwüstet,  und  es  kamen  mehr  als 
„300000  Einwohner  vor  Krankheit  und  Elend  um.  Der  Hof  wusste 
„wenig  von  dem  Unglück  des  Volkes,  und  leistete  einer  reichen, 
„fruchtbaren  Provinz,  die  sehr  bevölkert  und  an  allen  Arten  von  Pro- 
dukten ergiebig  war,  nicht  die  miudeste  Hülfe.  Die  Einwohner  wurden 
„von  Krankheiten  weggerafft,  die  Felder  blieben  ungebauet  und  wurden 
„zu  Haiden.  Auch  die  Thiere  waren  von  dem  allgemeinen  Uebel 
„nicht  ausgenommen.  Mit  einem  Wort:  die  blühendste  von  unseren 
„Provinzen  ward  in  die  schrecklichste  Einöde  verwandelt. 

„Während  der  Zeit  starb  Friedrich  I.  und  ward  mit  seiner  falschen 
„Grösse  begraben,  die  er  nur  in  leeren  Pomp  und  in  den  Prunk 
„nichtiger  Ccremonien  setzte.  Mein  Vater,  der  ihm  in  der  Regierung 
„folgte,  ward  von  dem  allgemeinen  Elende  gerührt.  Er  ging  selbst 
„hierher,  und  sah  mit  eigenen  Augen  in  diesem  weiten  verheerten 
„Lande  alle  die  schrecklichen  Spuren,  die  eine  ansteckende  Seuche, 
„Hungersnoth  und  der  schmutzige  Geiz  der  Minister  hinter  sich  zu- 
rückgelassen. Zwölf  oder  fünfzehn  entvölkerte  Städte,  vier-  oder 
„fünfhundert  unbewohnte  und  ungebauete  Dörfer  waren  das  traurige 
„Schauspiel,  das  sich  seinen  Augen  darbot.  Anstatt  sich  von  so 
„niedrigen  Gegenständen  zurückschrecken  zu  lassen,  fühlte  er  sich 
„vielmehr  von  dem  lebhaftesten  Mitleiden  durchdrungen  und  beschloss, 
„dieser  Gegend,  die  selbst  die  Gestalt  eines  bewohnten  Landes  ver- 
loren hatte,  Menschen,  Ueberfluss  und  Handel  wieder  zu  geben. 

„Seit  der  Zeit  hat  der  König  keine  Ausgabe  gespart,  um  seine  heil- 
samen Absichten  glücklich  durchzusetzen.  Zuerst  gab  er  sehr  weise 
„Verordnungen,  baute  dann  alles  wieder  auf,  was  durch  die  Pest  ver- 


TV 


11' 


Von  Otto  van  Baren.  J89 

»fallen  war,  und  liess  aus  allen  Gegenden  von  Europa  Tausende  von 
»Familien  kommen.    Die  Aecker  wurden  urbar,  das  Land  bevölkerte 
„sich  wieder,  der  Handel  blühete  von  neuem;  und  gegenwärtig  herrscht 
„in  dieser  fruchtbaren  Provinz  mehr  Ueberfluss,  als  jemals. 

„Nun  leben  über  eine  halbe  Million  Einwohuer  in  Littauen;  es  hat 
»mehr  Städte  und  mehr  Heerden,  als  ehemals,  und  ist  reicher  und 
»fruchtbarer,  als  .irgend  eine  Gegend  von  Deutschland.  Und  alles  was 
„ich  Ihnen  gesagt  habe,  hat  man  nur  dem  Könige  zu  verdanken,  der 
»nicht  blos  anordnete,  sondern  auch  selbst  über  die  Vollziehung 
»wachte;  Plane  entwarf  und  sie  allein  ausführte;  keine  Mühe,  keine 
»Beschwerden  scheute,  ungeheure  Summen  aufwandte,  und  es  nie  an 
»Versprechen  und  Belohnungen  fehlen  liess,  um  das  Glück  und  das 
»Leben  einer  halben  Million  denkender  Wesen  zu  sichern,  die  nun 
»ihm  allein  ihren  Wohlstand  und  ihre  gute  Lage  verdanken. 

„Ich  hoffe,  diese  umständliche  Beschreibung  werde  Ihnen  nicht 
„unangenehm  sein.  Ihre  Menschenliebe  muss  sich  über  Ihre  Littaui- 
„schen  Brüder  erstrecken,  so  wie  über  Ihre  Französischen,  Englischen 
„und  Deutschen  u.  s.  w.  .und  zwar  um  so  mehr,  da  ich  durch  Dörfer 
„gekommen  bin,  worin  man,  zu  meinem  grossen  Erstaunen,  nichts 
„als  Französisch  sprechen  hört. 

„In  dem  grossraüthigen  und  arbeitsamen  Betragen,  das  der  König 
„beobachtet  hat,  um  diese  Wü8te  bewohnt,  fruchtbar  und  glücklich 
„zu  machen,  habe  ich  so  etwas  Heroisches  gefunden,  dass  ich  glaubte, 
„Sie  würden  ebendas  fühlen,  wenn  Sie  die  Umstände  von  dem  Wieder- 
aufbau dieser  Provinz  erführen"  :c. 
Professor   Preuss,    der   Haupt-Geschichtsschreiber  Friedrichs   des 
Grossen,  hat  nicht  zuviel  gesagt,  wenn  er  meint,  dass  diese  hohen  staats- 
inänuischen  Gedanken  das  Herz  erwärmen.    Aber  wunderbar  sind  die 
Gegensätze  in  des  philosophischen  Fürsten  Natur.   Wenige  Tage  später, 
am  8.  August  1739,  schreibt  er  an  seinen  Freund  Jordan  !4)  die  gehässig- 
sten Worte  und  Urtheile  über  Ostpreussen,  die  er  je  ausgesprochen  hat. 
Man  höre  nur: 


»*)  Hinterlassene  Werke  VII,  194;  vgl.  VIII,  249. 


290  ^er  ^orn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreuesen, 

„Müssiggang  und  Laugeweile  sind,  wenn  ich  nicht  irre,  die  Sohutz- 
„götter  von  Königsberg;  denn  die  Leute,  die  man  hier  sieht  und  die 
„Luft,  die  man  hier  einathmet,  scheinen  einem  nichts  anders  einzu- 
„flössen  ic.  Und  jetzt  eile  ich  eben  nach  den  Stutereien  hin  :c. 
„Wären  Sie  hier,  so  liesse  ich  Ihnen  die  Wahl  zwischen  dem  artig- 
sten littauischen  Mädchen  und  der  schönsten  Stute  von  meiner  Zucht. 
„Ihre  Ehrbarkeit  ärgere  sich  hieran  nicht;  denn  hier  zu  Lande  ist 
„ein  Mädchen  nur  dadurch  von  einer  Stute  unterschieden,  dass  es 
„auf  zwei  und  diese  auf  vier  Füssen  geht  je". 

Noch  feindlicher  schreibt  er  am  10.  August  1739  „auf  der  Stuterei 
in  Preussen44  an  denselben  Freund:15) 

„Dies  Land,  das  so  fruchtbar  an  Pferden,  so  gut  angebaut  und  be- 
völkert ist,  bringt  nicht  ein  einziges  denkendes  Wesen  hervor.  Ich 
„versichere  Sie,  bliebe  ich  lange  hier,  so  verlöre  ich  noch  die  wenige 
„gesunde  Vernunft,  die  ich  etwa  haben  mag  je.  Ebenso  gern  wäre 
„ich  todt,  als  ich  hier  bliebe.  Ein  gewisses,  ich  weiss  nicht  was,  hat 
„meine  Dichterader  erstarrt.  Ich  kann  nicht  sagen,  ob  sich  diess 
„Land  nicht  mit  dem  Denken  verträgt,,  oder  ob  es  der  Gott  der 
„Dichtkunst  nie  mit  einem  günstigen  Auge  angesehen  hat;  aber  dass 
„hier  die  Materie  stark  über  den  Geist  herrscht,  dass  fühle  ich  wohl". 

Auch  das  Klima  von  Preussen  behagte  ihm  nicht.  Aus  dem  Lager 
von  Petersdorf  bei  Wehlau  schrieb  er  an  Jordan  am  23.  Juli  1739: l8) 

„Wir  reisen  nun  bald  drei  Wochen.  Es  ist  so  heiss,  als  wenn  wir 
„auf  einem  Sonnenstrahl  sässen;  und  einen  Staub  giebt  es,  als  machte 
„uns  eine  Wolke  jedem  der  vorüber  geht,  unsichtbar.  Ueberdies 
„reisen  wir  wie  die  Engel:  ohne  zu  schlafen  und  beinahe  auch  ohne 
„zu  essen.  Denken  Sie  also  nur  selbst,  ob  ich  gegenwärtig  nioht  ein 
„artiges  Figürchen  sein  muss.  Geht  das  so  fort,  so  wird  man  noch 
„ganz  abgestumpft  und  hirnlos  werden44. 

Am  3.  August  1739  schreibt  er  aus  Königsberg  an  Jordan.:  ") 
„Da  wäre  ich  denn  in  der  Hauptstadt  eines  Landes,    wo  man   im 
„Sommer  gebraten  wird  und  wo  im  Winter  die  Welt  vor  Kälte  springen 


»)  Hinterlasse™  Werke  VII,  196.    ,6)  Ebd.  VII,  191.     ,7)  Ebd.  VII,  192. 


■ 


Von  Otto  van  Baren.  191 

„möchte.  Es  kann  besser  Bären  aufziehen,  als  zu  einem  Schauplatz 
„der  Wissenschaft  dienen"  u.  s.  w. 
Zur  Erklärung  dieses  Gedankenganges  und  gewissermassen  zur  Ent- 
schuldigung des  Prinzen,  muss  man  sich  in  seine  damalige  Lage  hinein 
denken.  Er  kam  aus  Kheinsberg.  Verwöhnt  durch  seinen  dortigen 
Verkehr  mit  den  geistreichsten  Köpfen,  Dichtern,  Philosophen,  Künstlern, 
durch  sie  unausgesetzt  zu  eigener  dichterischer  Thätigkeit  angeregt, 
langweilte  er  sich  auf  dieser  Reise;  der  tägliche  Umgang  mit  seinem 
trockenen,  pedantischen  Vater  und  dessen  militairischer  Begleitung  ver- 
darb seine  Stimmung  und  seine  Briefe  sind  der  Ausdruck  dieser  seiner 
üblen  Laune.  Und  mit  diesem  Gemisch  von  hoher  königlicher  Einsicht 
und  philosophischer  Geringschätzung  erschien  Friedrich  ein  Jahr  später, 
am  16.  Juli  1740,  wieder  in  Königsberg,  um  als  König  die  Huldigung 
der  preussischen  Stände  persönlich  in  Empfang  zu  nehmen.18) 
Wieder  sind  es  dort  die  preussischen  Stände,  welche  ihm  die  Stimmung 
verderben,  indem  sie  abweichend  von  denen  der  anderen  Provinzen,  eine 
Erweiterung  ihrer  ständischen  Rechte  und  eine  Zusicherung  (Assecuration) 
des  Königs  darüber  verlangten. Iö)  Man  kann  sich  denken,  wie  dies 
Begehren  der  „Getreuen  Stände"  einen  jungen  König  ärgern  und  er- 
bittern musste,  der  von  der  ersten  Stunde  seines  Regierungsantritts  an 
beschlossen  hatte,  den  Staat  ohne  Stände,  selbstständig  und  allein  zu 
regieren,  der  keinen  Vertrauten  hatte,  sich  von  niemanden  lenken  liess, 
nicht  einmal  den  Ministern  Einblicke  in  seine  Pläne  gewährte. 20) 

Friedrich  der  Grosse  hat  seine  Grundsätze  über  die  Regierungs- 
formen und  die  Pflichten  eines  Regenten  in  einer  dem  Minister 
von  Hertzberg  1781  zugesandten  Abhandlung  u.  A.  dahin  dargelegt:2') 
„Der  Regent  stellt  den  Staat  vor  je.    Der  Fürst  ist  für  den  Staat, 
„den  er  beherrscht,  was  das  Haupt  für  den  Körper  ist;  er  muss  für 
„das  Ganze  sehen,  denken  und  handeln,  um  diesem  alle  Vortheile 


l8)  Carlyle  a.  a.  0.  III,  45  ff.    Preuss  a.  a.  0.  I,  148  ff. 
I0)  Droysen,  Friedrich  der  Grosse.    Leipzig  1674.    Bd.  I.  S.  48  ff. 
20)  Bericht  des  Dänischen  Gesandten  Prätorius  nach  Kopenhagen:  Droysen  1,53. 
Carlyle  III,  54.   Büsching,  Charakter  Friedrichs  des  Grossen  S.  215.    Halle  1788. 
*»)  Hinteriassene  Werke  VI,  51.  53. 


192  ^er  ^orn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostprenssen. 

„zu  verschaffen,  deren  es  empfänglich  ist  :c.     Wenn  der  Fürst  aus 
„Hang  zum  Nichtsthun  die  Regierung  des  Staats  gedungenen  Händen, 
„ich  will  sagen,  seinen  Ministern  überlässt,  so  zieht  der  Eine   zur 
„Rechten,  der  andre  zur  Linken,  niemand  arbeitet  nach  einem  be- 
stimmten Plan"  u.  s.  w. 
Als  iu  Königsberg  der  Sprecher  der  Stände,  Landschaftsrath  von 
der  Groben,  in  einer  kühnen  Huldigungsrede  die  Untersuchung  der  Be- 
schwerden des  Landes  durch  den  Landtag  forderte,  ertheilte  der  König 
amtlich  zwar  denselben  Bescheid,  wie  1714  sein  Vater,    „dass  keinem 
Rechte  der  Stände  präjudiciret  werden  solle;"    aus  allem  Pomp  und 
Glanz  der  Huldigung  behielt  er  aber  den  inneren  Stachel  zurück,  dass 
die  Preussischen  Stände  versucht  hatten,  in  seine  Königlichen  Rechte 
einzugreifen.    Einen  Landtag  hat  er  nie  wieder  einberufen. 

Mit  diesem  Stachel  im  Herzen,  mit  einer  persönlichen  Abneigung 
gegen  Land  und  Leute  im  Königreich  Preussen  ging  Friedrich  der  Grosse 
in  den  siebenjährigen  Krieg  und  übertrug  dem  Feldmarschall 
von  Lehwald  den  Schutz  des  Königreichs  gegen  die  Russen. 

Die  allgemeinen  geschichtlichen  Thatsachen  müssen  als  bekannt 
vorausgesetzt  werden;  zum  leichteren  Verständniss  des  Folgenden  sei 
jedoch  kurz  daran  erinnert,  dass  im  zweiten  Jahre  des  siebenjährigen 
Krieges  (1757)  ein  russisches  Heer  unter  dem  Feldmarschall  Graf 
Apraxin  in  Ostpreussen  eingefallen  war  und  das  schwache  preussische 
Heer  unter  dem  Feldmarschall  von  Lehwald  am  30.  August  1757 
bei  Gross  Jägersdorf,  unweit  Norkitten,  geschlagen  hatte;  dass 
dann  aber  die  Russen  auffallender  Weise  sich  aus  dem  Königreich 
Preussen  zurückgezogen,  als  hätten  sie  die  Schlacht  verloren.  ")  Friedrich 
der  Grosse,  von  allen  Seiten  von  Feinden  bedroht,  und  ausser  Stande 
einem  abermaligen  Vorrücken  der  Russen  mit  Erfolg  zu  widerstehen, 
beschloss  damals  Ostpreussen,  als  die  entfernteste  seiner  Provinzen, 
die  von  Pommern  und  der  Mark  durch  das  damals  noch  unter  polnischer 
Oberhoheit  stehende  Westpreussen  getrennt  war,  aufzugeben;13)  rief 
die  Armee  Lehwald's  zurück  und  schickte  sie  nach  Pommern  gegen  die 


")  Hinterlassen  Werke  HI,  198.    ")  Ebd.  S.  IM.  196. 


Von  Otto  van  Baren.  193 

Schweden.  Gleich  nach  ihrem  Abzüge  ruckten  die  Küssen  unter  Feld- 
luarschall  von  Fennor  wieder  vor,  besetzten  in  wenig  Tagen  das 
ganze  damalige  Königreich  Preussen  und  durch  das  Patent  vom 
11.  Januar  1758  ergriff  die  russische  Kaiserin  Elisabeth  Besitz 
von  demselben.  Alle  Einwohner  des  Landes,  alle  Behörden  und  Beamten 
mussten  nun  der  Czarin  den  Huldigungseid  leisten;24)  die  Prediger 
mussten  die  Huldigung  durch  Gottesdienste  feiern  und  die  russische 
Czarin  in  das  Kirchengebet  einschliessen ; 25)  die  Münzen  wurden  unter 
russischem  Stempel  geprägt;26)  selbst  die  preussischen  Adler  auf  den 
öffentlichen  Gebäuden  und  den  Thürmen  mussten  dem  russischen  Doppel- 
adler Platz  machen. 27)  Die  Landesbehörden  wurden  zwar  beibehalten, 
traten  aber,  nachdem  dio  preussischen  Minister,  angeblich  auf  Befehl 
des  Königs,  Königsberg  und  das  Königreich  Preussen  verlassen  hatten, ") 
unter  den  Befehl  des  russischen  Gouverneurs,  Feldmarschall  v.  Fermor. *•) 
Den  Kriegs-  und  Domainenkammern  in  Königsberg  und  Gumbinnen 
wurden  die  russischen  Generale  v.  Nummern  und  v.  Hartrois  vorgesetzt; 
an  die  Spitze  der  Kegierung  in  Königsberg  trat  der  Feldmarschall 
von  Fermor,  dem  später  die  Generale  Nicolaus  Freiherr  von  Korff  und 
von  Suwarow  folgten.  —  Diese  ganze  Wandlung  ging  friedlich  vor 
sich;  nirgends  fanden  die  Eussen  Widerstand.  Die  Bevölkerung,  ohne 
Hülfe,  sich  selbst  überlassen,  ohne  Hoffnung,  fügte  sich  der  Gewalt 
und  leistete  den  Huldigungseid  an  die  russische  Kaiserin  Elisabeth  und 
nach  deren  Tode  (1762)  demnächst  auch  ihren  Nachfolgern  Peter  III. 
und  Catharina  IL  In  jedem  Winter  kehrte  die  russische  Armee  von 
ihren  Feldzügen  gegen  Friedrich  den  Grossen  im  Innern  Deutschlands 
zu  den  Winterquartieren  nach  Ostpreussen  zurück.  — 

Als   nach   dem  Hubertsburger  Frieden  am-  15.  Februar  1763 
die  russische  Herrschaft  im  Königreich  Preussen  ganz  aufhörte,  stellte 

2t)  Verzeich niss   der   Huldigungseide  in:   X.  v.  Hasenkamp,  Ostpreussen  unter 
dem  Doppelaar.    N.  Pr.  Prov.-Bl.  3.  Folge.  Bd.  XI.  S.  321. 
")  v.  Hasenkamp  a.  a.  0.  IX,  376. 
M)  Preuss  II,  417.   N.  Pr.  Prov.-Bl.  3.  Folge.  II,  66. 
17)  N.  Pr.  Prov.-Bl.  3.  Folge.  I,  202.  Beiträge  zur  Kunde  Preussens  I,  556. 
J»)  v.  Hasenkamp  a.  a.  0.  VII,  47.  163.  IX,  188. 
*»)  N.  Pr.  Prov.-Bl.  VII,  44. 


294  ^er  ^orn  Friedrich»  des  Grossen  über  Ostpreusgen. 

es  sich  heraus,  dass  dieselbe,  abgesehen  von  den  Verwüstungen  des 
Landes  beim  Ein-  und  Auszuge  der  Russen  im  Jahre  1757,  im  Ganzen 
eine  milde  Herrschaft  gewesen  war. 30)  Sowohl  Fermor,  wie  dessen  Nach- 
folger, die  Generale  von  Korff  und  von  Suwarow  waren  dem  Lande 
freundlich  gesinnt;  sie  stundeton  und  erliessen  einen  Theil  der  Kriegs- 
contribution  und  verrechneten  diese  auf  Einquartierung,  Naturallieferungen 
und  Gestellung  von  Kriegsfuhren;  sie  erhoben  einzelne  Abgaben  gar- 
nicht,  z.  B.  die  Ritterpferdegelder,  die  Aceise,  bezahlten  ihre  Bedurfnisse 
baar  und  brachten  Geld  und  Luxus  ins  Land,  so  dass  die  Gewerbe 
und  die  Lairlwirthsehaft  in  Aufschwung  kamen  und  sogar  die  von  der 
Rekruten- Aushebung  verschonte  Bevölkerung  zunahm. 3!)  — 

So  faud  denn  der  König,  als  er  1763  sein  Königreich  Preussen 
wieder  übernahm,  dasselbe  in  besserem  Zustande  wieder,  als  die  treu 
gebliebenen  Provinzen  Mark,  Pommern  und  Schlesien.  Die  Schäden 
der  Verwüstung  und  Plünderung  bei  dem  ersten  Einmarsch  der  Bussen 
waren  längst  überwunden,  das  Land  war  geschont  und  ausgeruht,  die 
Bewohner  hatten  nicht  zu  klagen. ")  Während  der  russischen  Herr- 
schaft hatten  einzelne  treu  gebliebene  Beamte,  vor  Allen  der  Kammer- 
Präsident  Domhardt,  in  Gumbinnen,  der  Kriegsrath  Bruno  und 
der  Hofrath  Nicolovius  in  Königsberg  ihr  Verbleiben  in  ihren  Aemtern 
benutzt,  um  die  Interessen  ihres  Königs  wahrzunehmen,  ihm  heimlich 
Gelder  zuzuführen,  ja  sogar  Getreide  durch  Vermittelung  des  Handels- 
hauses Roerdansz  in  Memel  zur  See  nach  Colberg  zu  schicken.33) 
Nach  dem  Tode  der  Kaiserin  Elisabeth  begab  sich  Domhardt  sogleich 
zum  Könige  nach  Schlesien  und  händigte  ihm  300000 Ducaten  aus,31) 
die  er  aus  der  Verwaltung  seines  Distrikts  heimlich  erspart  hatte. 

In  seiner  grössten  Bedrängnis?  und  Noth  hatte  der  König  aus 
anderen  Provinzen  ganz  erhebliche  Unterstützungen  zur  Ergänzung  seiner 


*°)  Tagebuch  des  Prof.  Bock  in  den  N.  Pr.  Prov.-Bl.  3.  Folge.  Bd.  II.  S.  60. 

31 )  Gottschalck,  Preussische  Geschichte  Bd.  IL  S.  179.  185.  18<5. 

M)  Preuss  II,  155.  Bock's  Tagebach  II,  60.  Hagen,  Preussens  Schicksale  wäh- 
rend der  drei  Schlesischen  Kriege  in  Bd.  I.  der  Beitrage  zur  Kunde  Preussen s. 
1818.  S.  553.  558. 

")  Preuss  II,  172.  185. 

»4)  Ebd.  IV,  479. 


Von  Otto  van  Baren.  195 

decimirten  Armee  erhalten;35)  aus  dem  Königreich  Preussen  blieben 
die  wohlthuenden  Beweise  von  Treue  und  Anhänglichkeit  nur  vereinzelt. 
Dagegen  überstürzten  ihn  fort  und  fort  Nachlichten  von  dem  wunder- 
baren, zweideutigen,  oft  geradezu  abtrünnigen  Benehmen  der  Bevölkerung 
in  Preussen  und  gerade  vorzugsweise  des  gebildeteren  Theiles  derselben 
und  der  höheren  Stände. 30)  Die  Zeitungen,  ,  Berichte  der  Behörden, 
und  als  diese  unmöglich  wurden,37)  die  Briefe  Dorahardt's,  welche  in 
der  Regel  durch  den  treuen  Postmeister  Wagner  in  Pillau  zur  See 
an  den  König  befördert  wurden,  erhielten  ihn  in  Kenntniss  von  den 
Vorgängen  in  Preussen.  So  konnten  denn  dem  Könige  die  vielfachen 
Beispiele  von  eilfertigem  Servilismus  nicht  entgehen,  die  damals  die 
Treue  der  Ostpreussen  befleckten. 

Noch  ehe  die  russische  Ordre  (vom  30.  Januar  1758)  die  Abnahme 
der  preussischen  Adler  nnd  Wappen  verfügte,  erschien  die  Königs- 
berger Zeitung,  welche  bis  dahin  den  Titel  „Königlich  privilegirte 
Preussische  Staats-,  Kriegs-  und  Friedenszeitungen"  und  den  preussischen 
Adler  geführt  hatte,  als  einfache  „Königsberger  Staats-,  Kriegs-  und 
Friedeuszeitungen"  mit  einer  Fama  an  Stelle  des  Adlers  und  schon  am 
6.  Februar  trug  sie  den  russischen  Doppeladler  an  der  Spitze. 3i)  Man 
versetze  sich  nur  in  die  Gefühle  des  Königs,  als  ihm  mit  den  regel- 
mässigen Zeitungsberichten 3Ö)  der  Anblick  dieser  russificirten  Zeitung 
nicht  erspart  werden  konnte.  Die  russische  Verwaltung  des  König- 
reichs Preussen  sorgte  selbst  dafür,  dass  die  angeblichen  Sympathieen 
des  Landes  für  die  russische  Herrschaft  zur  Kenntniss  des  Königs  ge- 


3*)  Die  meisten  Provinzen  stellten  Rekruten  und  Landmilizen,  die  Stadt  Kyritz 
18  junge  Leute  in  Montur  und  Bekleidung,  die  Herzogtümer  Halberstadt  und 
Magdeburg  4000  Pferde.  Prcuss,  Vortrag  in  der  militairischen  Gesellschaft  zu  Berlin 
am  24.  Januar  1855  S.  12. 

36)  Bock's  Tagebuch  a.  a.  0.  S.  63. 

37)  v.  Hasenkamp  a.  a.  0.  X,  491.  XI.  173.  Das  erste  Mal  übernahm  (1758) 
eiu  verarmter  früherer  Schiirsrheder  Stricker  die  gefährliche  Briefsendung  und  brachte 
sie  glücklich  in  die  Hände  des  Königs,  auch  einen  Brief  des  Königs  an  D.  zurück. 
Jester,  Leben  Domhardt's  S.  10  a.  a.  0. 

38)  v.  Hasenkamp  a.  a.  0.  IX,  378.  VI,  75. 
")  Preuss  III,  574  No.  (5. 


196  ^er  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  aber  Ostpreasaen. 

langten;  denn  die  Presse  der  Provinz,  insbesondere  die  servile  Königs- 
berger Zeitung,  wurde  ganz  systematisch  von  den  Russen  beeinflusst. 40) 
Kein  Fall  der  Verweigerung  des  Huldigungseides  kam  vor, 
als  derselbe  in  allen  Städten  und  Aemtern  der  Provinz  von  den 
Behörden,  dem  Landadel,  den  Stadtgemeinden,  von  jedem  Beamten, 
Geistlichen,  Lehrer  unter  der  schärfsten  Coutrole  erfordert  wurde.  Selbst 
Domhardt  leistete  den  Eid,  aber  als  Gutsbesitzer  von  Worienen,  Schön- 
wiese und  Wischwill  und  entging  damit  der  Eidesleistung  als  Beamter. 41) 
Nur  zwei  Beamte  legten  ihre  Stellen  nieder,  um  sich  der  Eidesleistung 
zu  entziehen:  der  78jährige  erblindete,  ganz  dienstunfähige  Minister 
von  Lesgewang  und  der  Präsident  der  Kriegs-  und  Domainenkammer 
in  Königsberg,  von  der  Marwitz.  Der  Letztere  war  sehr  kränklich 
und  gab  dies  auch  als  Grund  der  Amtsniederlegung  an;  dennoch  rechnete 
Friedrich  der  Grosse  ihm  später  seinen  Schritt  zum  Ruhm  an  und  ver- 
fugte nach  dem  Abzug  der  Busseu,  am  26.  August  1762 :,s) 

„Inzwischen,   soviel  den  Cammer-Präsidenten  v.  Marwitz  angeht, 
„so  muss  derselbe  sein  Gehalt  nach  als  vor  behalten,  da  Ich  den- 
selben um  so  mehr  deshalb  conserviret  wissen  will,  als  er  gleich 
„anfänglich  als  die  Russen  die  dortige  Provintz  envahiret,   wie  eiu 
„redlicher  Mann  gethan  und  in  seinen  Umständen  lieber  auf  Alles 
„resigniren,  als  sich  einer  frembden  puissance  mit  Eydespflichten  ver- 
bindlich machen  wollen". 
Nur  wenige  Getreue  hatten  sich  der  Eidesleistung  durch  die  Flucht 
entzogen,  um  entweder  auswärts  ihren  Aufenthalt  zu  nehmen,  oJer  in 
die  Armee  ihres  Königs  einzutreten.     Zu  den  letzteren  sollen  einige 
zwanzig  bis  dreissig  junge  preussische  Edelleute  gehört  haben,  deren 
Namen  aber  nicht  erhalten  sind; 4I)  viel  genannt  sind  aber  von  TEstocq, 
Neumann,    Scheffner,   Wilde,   welche   unter   Lebensgefahren   die 
russische  Armee   durchbrachen,  um  in  der  preussischen  Armee  einzu- 
treten.   Andere  Beweise  von  Treue  sind  leider  nicht  bekannt  geworden. 


40)  Bock's  Tagebuch  a.  a.  0.  I,  202.  213.  215.  II,  60.  v.  Hasenkamp  X,  492  f. 

4 1)  v.  Hasenkamp  XI,  342. 
4J)  Ebd.  S.  301. 

43)  Prouss  II,  lf>3  f.  IV,  479. 


Von  Otto  vao  Haren.  J97 

Wie  die  Huldigungseide,  so  wurde  von  den  russischen  Befehlshabern 
auch  die  Feier  der  Geburtstage  der  russischen  Kaiserin  und  der 
Mitglieder    der   russischen    Herrscherfamilie,    sowie    der    russischen 
Staatsfeste  gefordert.   Die  Stadt  Königsberg  musste  erleuchtet  werden, 
die  Universität   musste  feierliche  Akte,   die  Kirchen  Festgottesdienste 
abhalten,    der   Gouverneur   und   die   russischen  Generale  gaben  Bälle 
und  Festlichkeiten.     Alles   dies   geschah    auf  Befehl.     Allein   in   der 
Ausführung  der  russischen  Befehle  zeigte  sich  vielfach  ein  serviles  Zur- 
schautragen  von  Loyalität  gegen  das  russische  Herrscherhaus,  welches  die 
treu  gebliebenen  Preussenherzen,  wieviel  mehr  das  Herz  des  Königs,  aufs 
Tiefste  verletzen  musste.    Die  Illumination  zeigte  oft  verschwenderische 
Pracht;  Transparente,  Allegorieen  und  Inschriften  priesen  heuchlerisch 
die  un gekannten  Prinzen  und  Prinzessinnen  in  Petersburg.    Geistliche 
ergingen  sich  in  ihren  Festpredigten  in  überschwänglichen  Lobpreisungen 
der  russischen  Kaiserin.   Der  Festredner  der  Universität,  Professor  der 
Poesie  J.  G.  Bock,  der  Verfasser  des  bekannten  Tagebuchs  aus  der 
Russenzeit, 44)  begnügte  sich  nicht  mit  der  öffentlichen  Lobrede ;  er  ver- 
fertigte noch  besondere,  von  Schmeichelei  und  Kriecherei  überfliessende 
Lobgedichte,  die  er  dem  Gouverneur  überreichte  und  gut  bezahlt  er- 
hielt.45)    Er  entblödete  sich  nicht,  in  sein  Tagebuch  zu  schreiben: 
„Nachdem  alle  abgetreten  waren,  hatte  ich  das  besondere  Glück, 
„in  Ihro  Exellenz  Cabinet  gelassen  zu  werden,  da  ich  Ihnen  meine 
„Poesie  auf  die  Grossfürstin  vorlas,  welche  Ihro  Excellenz  gnädigst 
„zu  approbiren  beliebten,  auch  mir  die  Erlaubniss  ertheilten,  Ihnen 
„auf  den  Dienstag  ein  Exemplar  an  die  Grossfürstin  einzuhändigen, 
„auch  mich  Dero  Gnade  zu  versichern." 4Ö) 
Andere  Professoren  der  Universität 47)  und  Geistliche  in  der  Provinz 
folgten  diesem  Beispiele,  nicht  zu  ihrem  Schaden.  Auch  der  Erzpriester 
Hahn  in  Insterburg  wird  durch  seine  eigenen  hinterlassenen  Auf- 


44)  N.  Pr.  Prov.-Bl.  3.  Folge  Bd.  I.  S.  153  ff.,  201  ff.  H  59  ff.,  140  ff. 

46)  Bock  erhielt  Immunität  von  der  Kriegssteuer  und  500  Babel  baar.  (Bock's 
Tagebach  a.  a.  0.  I,  205  and  v.  Hasenkamp  XI,  337.) 

48)  Bock's  Tagebach  I,  205. 

47)  Professor  Watson  und  Hahn.  Ersterer  wurde  als  Rector  nach  Mitau  berufen, 
Bock's  Tagebach  I,  206.  H,  66,  63. 


298  ^er  ^orn  Friedrich»  des  Grossen  über  Oatpreussen. 

Zeichnungen48)  mit  dorn  Vorwurf  allzu  grosser  Dienstfertigkeit  gegen 
die  Bussen  belastet.  Kaum  näherte  sich  die  russische  Armee  der  Stadt 
Insterburg,  noch  vor  der  Schlacht  von  Gr.  Jägersdorf,  als  bereits  der 
Erzpriester  mit  seinem  Ministerium  und  dem  Magistrat  dem  russischen 
Feldherrn  feierlich  vor  die  Stadt  entgegenzog,  ihn  und  die  ganze  Gene- 
ralität zum  Mittagsmahl  in  seine  „Widdern*  einlud  und  auf  Befehl  an 
demselben  Tage  (11.  August  1757)  die  Hiildignngspredigt,  am  Tage 
darauf  aber  eine  Dankpredigt  wegen  des  m unschädlichen  Uebergangs 
der  Stadt*  hielt.  Als  dann  die  russische  Armee  nach  ihrem  Siege  bei 
Gross  Jägersdorf  wieder  durch  Insterburg  „retournirte",  hat  der  Erz- 
priester, wie  er  sich  selbst  in  der  Chronik  ausdrückt,  am  15.  September 
den  Herrn  General-Feldmarschall  bei  Althoff  wegen  seiner  retour  compli- 
mentirt  und  am  16.  complimentirte  er  wiederum  zum  Namenstage  der 
Kaiserin,  worauf  ihm  der  Feldmarschall  umgehend  durch  den  General 
von  Weimarn  50  goldene  Rubel  schickte.  Der  Erzpriester  verschweigt 
aber  in  der  Chronik,  was  er  in  seinem  Notizkalender49)  verzeichnete, 
dass  er  im  Hauptlager  vor  der  ganzen  Generalität  eine  Rede  gehalten 
hat,  deren  Inhalt  zwar  nicht  erhalten  ist,  die  aber  doch  wohl  für  die 
Russen  so  schmeichelhaft  gewesen  sein  muss,  dass  sie  ihm  den  sofortigen 
goldenen  Dank  einbrachte.  —  Den  Geistlichen  wurde  überall  aufgegeben, 
„ihre  Predigten  so  einzurichten,  dass  dadurch  die  Leute  zur  Huldigung 
Ihrer  Kaiserlichen  Majestät,  und  zum  Schwur,  der  ihnen  demnächst 
sollte  abgenommen  werden,  vorbereitet  würden."  50)  Nicht  überall  wurde 
diesem  Verlangen  so  bereitwillig  entsprochen,  wie  in  Insterburg.  Manche 
Geistliche  und  Festredner  zerbrachen  sich  den  Kopf,  was  sie  bei  solchen 
Gelegenheiten  sagen  sollten;  aber  es  kam  doch  nur  ein  Aufsehen  er- 
regender Fall  vor,  dass  ein  Geistlicher,  der  auf  Befehl  nach  dem  Siege 
der  Russen  über  Friedrich  den  Grossen  bei  Kunersdorf,  eine  Sieges- 
und Dankpredigt  halten  solle,  in  der  Schlosskirche  zu  Königsberg,  in 
Gegenwart  der  russischen   Generalität,   eine  Siegespredigt   so  eigener 


4S)  Aktenstück  „Insterburger  Kirchen-Nachrichten"  No.  1.  Fach  XIII.  lit.  A.  im 
Archiv  der  lutherischen  Kirche  Bl.  20.  21. 
")  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XX.  S.  649. 
B0)  N.  Pr.  Prov.-BL  3.  Folge.  Bd.  XI.  S.  492. 


Von  Otto  van  Baren.  199 

Art  über  die  Pflichten  der  TJeberwinder  und  der  Ueberwundenen  hielt, 
dass  er  dafür  Arrest  bekam.61)  Dieser  wackere  Mann,  der  Oberhof- 
prediger Dr.  Arnoldt  wurde  nur  durch  das  Wohlwollen  des  Generals 
von  Fermor  vor  dem  Transport  nach  Sibirien  errettet. 52)  Der  ihm  auf- 
erlegte Widerruf  wurde  durch  den  Buf  „ Feuer8  unterbrochen,  welcher 
der  „ Feier*  ein  Ende  machte. 

Die  von  dem  russischen  Gouverneur  und  den  Generälen  in  Königs- 
berg und  in  der  Provinz  veranstalteten  Feste,  Bälle  und  Maskenbälle 
wurden  von  den  höheren  Ständen  eifrig  besucht;  das  schöne  Geschlecht 
insbesondere  Hess  sich  die  Huldigungen  der  russischen  Offiziere  gern 
gefallen ")  und  die  Zofen  und  Kuchenmädchen  ahmten  es  mit  Unter- 
officieren  und  gemeinen  Soldaten  nach.  Unter  der  während  des  sieben- 
jährigen Krieges  steigenden  Anzahl  der  geschlossenen  Ehen  •*)  befanden 
sich  zahlreiche  Ehen  preussischer  Mädchen  mit  russischen  Soldaten. 
Auf  den  Festen,  die  auch  vom  preussischen  Adel  für  die  Russen  er- 
wiedert  wurden,  herrschte  ein  ausserordentlicher  Luxus;  russische  Sitten 
z.  B.  das  russische  Punschtrinken  wurde  nachgeahmt.  Von  einem  Druck, 
der  auf  der  Gesellschaft  lastete,  war  nicht  viel  zu  bemerken. 

Der  Handelsstand  wusste  aus  der  russischen  Occupation  seinen 
Vortheil  wahrzunehmen,  selbst  zum  Nachtheil  des  Königs.  Thatsächlich 
haben  preussische  Kaufleute  Lieferungen  für  die  russische  Armee  über- 
nommen, die  gegen  ihren  König  im  Felde  stand,  und  ihn  durch  die 
Schlacht  von  Kunersdorf  bis  an  den  Rand  der  Verzweiflung  gebracht 
hatte.  Das  Handelshaus  des  Oommerzienraths  Saturgus  in  Königsberg 
ist  vor  allen  unter  denen  zu  nennen,  die  durch  diese  Lieferungen  reich 
wurden. M)  Auch  in  Insterburg  haben  mehrere  Kaufleute 8e)  (1761)  Hafer- 
lieferungen übernommen  und  dafür  den  in  Königsberg  befindlichen 
rassischen  Hafer  angenommen,  den  sie  verkauften.  Dass  auch  die  kleineren 


61)  N.  Pr.  Prov.  Bl.  3.  Folg«  Bd.  VI.  S.  294.    Bock  a.  a.  0.  II,  73. 
B2)  v.  Hasenkamp  XI,  345. 

")  J.  G.  Scheffher's  Leben.  Kgsbg.  1821.  S.  67.  Preass  II,  158.  v.  Hasenkamp 
XI,  161—163. 

'*)  Hagen  in  den  Beiträgen  zur  Kunde  Preussens  Bd.  I*  S.  559  ff. 

")  v.  Hasenkamp  X,  508  Anm.  XI,  38  f.  Bock's  Tagebuch  H,  67. 

*•)  Blanck,  Thierbach  und  Urbani.    Hahn's  Insterb.  Kirchennachrichten  S,  25« 


200  ^er  Z°rD  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

■ 

Kaufleute,  Krämer,  Händler  und  Handwerker  erhebliche  Vortheile  aus 
dem  Handverkauf  an  die  russischen  Soldaten  zogen,  indem  sie  sich  deren 
Unkenntniss  der  Sprache,  der  Münzen,  der  Preise  und  des  Werths  der 
Sachen  und  ihre  Liebhaberei  für  Branntwein,  Sauerkraut  und  Heringe 
zu  Nutzen  machten,57)  wird  man  freilich  nicht  als  einen  Mangel  an 
patriotischer  Gesinnung  auslegen  können. 

Alles  vorgetragene  ist  thatsächlich  erwiesen;  von  Allem  erhielt  der 
König  glaubhafte  Nachrichten.  Wohl  mag  die  grosse  Masse  der  Be- 
völkerung und  der  Beamten  im  Herzen  ihrem  Königshause  die  Liebe 
und  Anhänglichkeit  bewahrt  haben;  thatsächlich  aber  hatten  sie  hinter 
einander  drei  russischen  Regenten  den  Huldigungseid  geleistet,  ohne 
von  dem  dem  Könige  von  Preussen  geleisteten  entbunden  zu  sein; 
thatsächlich  hatten  sie  den  Bussen  ein  Entgegenkommen  erwiesen,  das 
mit  der  Treue  schwer  vereinbar  war.  Schlimme  Eindrücke  haften  tiefer, 
namentlich  in  einem  verbitterten  Gemüth,  als  gute  Nachrichten.  Wer 
kann  es  dem  vom  Unglück  verfolgten  Könige  zum  Vorwurf  machen, 
wenn  er  an  die,  in  den  Herzen  der  Ostpreussen  heimlich  zurückgebliebene 
Liebe  und  Treue  für  ihn  und  sein  Haus  nicht  glauben  wollte,  wenn  die 
in  der  Zeit  der  Russenherrschaft  von  Ostpreussen  erhaltenen  Eindrücke 
in  ihm  haften  blieben  für  das  ganze  Leben. 

Auch  der  zweite  Vorwurf  Friedrichs  des  Grossen  gegen  Ost- 
preussen: dass  die  Preussischen  Regimenter  sich  schlecht  ge- 
schlagen hätten,  ist  thatsächlich  begründet.  Derselbe  hängt  nicht 
zusammen  mit  der  Schlacht  von  Gr.  Jägersdorf,  denn  wegen  dieser 
Schlacht  hat  ihn  der  König  nie  erhoben.  Wohl  aber  ging  damals  in 
Königsberg  und  in  der  Provinz  das  Gerücht,51)  dass  die  Schlacht  bei 
Gr.  Jägersdorf  verloren  gegangen  sei,  „weil  einige  Regimenter  nicht 
ihr  devoir  gethan,  sondern  die  Flucht  genommen,  darunter  Schorlemmer, 
Plettenberg,  Platen  und  das  Sudauische  ••)  die  vornehmsten  sind".  Der 
Erzpriester  Hahn  in  Insterburg  verzeichnete  in  sein  Tagebuch: 


")  v.  Hasenkamp  XI,  38  f. 

*•)  Bock's  Tagebuch  I,  167.    Hahn's  Kirchennachrichten  a.  a.  0.  Bl.  20  v. 
69)  soll  wohl  heissen:  „v.  Sydow'sche  Garnison-Regiment".    Die  drei  anderen 
Regimenter  waren  Cavallerie-Regimenter. 


Von  Otto  van  Baren.  201 

„Den  30ten  lieferten  die  Preussen  den  B.  früh  eine  Schlacht,  die 
„Preussen  mussten  sich  zuletzt  aus  schuld  einiger  Offiziere  reteriren 
„und  ihre  canonen  im  stiche  lassen". 
Friedrich  der  Grosse  dagegen   schreibt  in  seiner  Geschichte  des 
siebenjährigen  Krieges:60) 

„Hätte  Feldmarschall  Lehwald  auch  alle  Fähigkeiten  des  Prinzen 
„Eugen    besessen;    wie    konnte    er   in    der  Folge   des  Krieges   mit 
„24000  Preussen  100000  Bussen  widerstehen?  Der  König  hatte  gegen 
„so  viele  Feinde  zu  kämpfen  und  seine  Truppen  waren  so  ausser- 
ordentlich geschmolzen,  dass  es  ihm  unmöglich  war,  seiner  Armee 
„in  Preussen  Hülfe  zuzusenden". 
Hier  klingt  eher  eine  Entschuldigung  des  Königs  durch,  dass  er 
die  schwache  Lehwald'sche  Armee  einer  so  grossen  Uebermacht  aus- 
gesetzt habe.   Heutzutage  ist  es  erwiesen/1)  dass  die  Schlacht  in  Folge 
eines  verhängnissvollen  Irrthums  bei  der  vorhergegangenen  Becognosci- 
rung,  in  Folge  von  Fehlern  und  Unschlüssigkeit  in  der  Heeresführung 
und  des  schlechten  Benehmens  der  Garnison-Begimenter  verloren  ge- 
gangen ist,  und  trotz  der  grossen  Ueberlegenheit  der  Bussen  hätte  ge- 
wonnen werden  können,  wenn  rechtzeitig  und  mit  grösserem  Nachdruck 
angegriffen    worden   wäre.    Allein   Friedrich   der  Grosse   scheint   dies 
nicht  erfahren  zu  haben.    Er  sagt,  „es  sei  unmöglich,  die  Gründe  an- 
zugeben,  welche   den  Feldmarschall  v.  Lehwald  bewogen  hätten,  auf 
morgen  zu  verschieben,  was  auf  den  Fleck  sich  ausführen  Hess*.   Der 
König  hat  den  greisen  Feldmarschall  bis  zu  dessen  Tod  (1768)  in  hohen 
Ehren  gehalten,  und  nach  dem  Abzug  der  Bussen  wieder  zum  comman- 
direnden  General  in  Königsberg  ernannt. 

Der  Vorwurf  Friedrichs  des  Grossen  gegen  die  preussischen  Be- 
gimenter  bezog  sich  auf  die  Schlacht  bei  Zorndorf  (am  25.  Aug.  1758), 
in  welcher  die  Preussischen  National-Begimenter  v.  Tettenborn,  v.  Stein- 
metz und  Graf  Dohna  in  der  That  zweimal  Kehrt  machten  und  weder 
durch  Vorstellungen,  noch  durch  Strafen  zu  bewegen  waren,  vorzugchen. 


60)  Hinterlassene  Werke  III.  194. 

6»)  v.  d.  Oelsnitz  a.  a.  0.  S.  439.    v.  Hasenkamp  VII,  171.  177  ff.  278  f. 

AJtpr.  Ifonatstthrlft  Bd.  XXII.  Hil.  3  n.  4»  14 


202  ^er  ^orn  Pri*dricha  des  Grossen  über  Ostpreusseo. 

Selbst  ein  neuerer  militairischer  Schrift^eller  ")  muss  bekennen,  dass 
diese  Regimenter  ,  in  einer  bis  dahin  in  1er  Armee  unerhörten  Weise 
nach  Wilkersdorf  geflohen u  seien.  Der  Kmig  hat  am  Tage  nach  der 
Schlacht  von  Zorndorf  den  die  Preussischi  3  National-Regimenter  be- 
fehligenden Generalmajor")  „von  der  Arme^ weggejagt"  und  den  Re- 
gimentern die  Civil  Versorgung  der  Invaliden  entzogen.  Auch  hat  er 
diesen  Regimentern,  obgleich  sie  sich  später  wieder  gut  geschlagen  und 
die  Schande  ausgewetzt  haben,  nicht  mehr  getraut  und  sie  nie  wieder 
ins  erste  Treffen  gestellt.04)  Den  Offizieren  dieser  Regimenter  hat  der 
König  allerdings  bis  an  sein  Lebensende  nicht  verziehen  und  ihnen  jede 
Gnadenbezeigung  abgeschlagen.  Es  sind  hierüber  folgende  Bescheide 
des  Königs  bekannt:65) 

Als  der  Generalmajor  v.  Syburg,  Chef  des  Ostpreussischen  Infanterie- 
Regiments  Graf  Dohna  No.  16  im  Jahre  1768  den  König  bat,  „den 
invaliden  Offiziers  und  Gemeinen  wieder  Versorgungen  zuzugestehen/ 
verfügte  der  König  eigenhändig: 

„Das  ist  Nichts,  bei  Zorndorf  hat  das  Regiment  gelaufen,  das  ich 

„Sie  erst  den  andern  Tag  zurück  gekriegt  habe  und  bei  Kunersdorf 

„seindt  Sie  nicht  8  Minuten  ins  Feuer  geblieben". 
Der  Major  v.  Wobersnow  von  dem  in  Königsberg  in  Garnison  ste- 
henden Tettenborn'schen  Infanterie-Regiment  No.  10  bat  1770  den  König 
um  eine  Retablissements-  Unterstützung.    Darauf  verfügte   der  König 
eigenhändig : 

„er  hat  die  Stat  — denburg  verbrennen  lasfen  und  das  Regiment 

„hat  den  gantzen  Krig  geberenheitert.   Solche  Leute  Krigen  nichts." 
Der  Gapitain  v.  Brincken  des  Steinwehr'schen  Ostpreuss.  Infanterie- 
Regiments  No.  14  bat  1772  den  König  in  Ansehung  seiner  langjährigen 
irreprochablen  Dienste,  ihn   zum   übercompletten  Major  zu  avanciren. 
Der  König  antwortete:") 


")  v.  d.  Oelsnite  S.  454.  447.   Gotfcschalck  in  Pr.  Ptot.-BL  Bd.  XXIII.  S.  529. 
")  von  Rantter. 

")  Cabinets-Ordre  v.  28.  Mai  1759  an  den  General  v.  Manteuffel  in:  v.  d.  Oelsnitz 
a.  a.  0.  S.  454. 

")  Preuss  II,  161.  v.  Hasenkamp  VI,  218.  XI,  304.  Pr.  Prov.-Bl.  XXIII,  539. 
")  Prous»,  Urkundenbach  II,  231. 


Von  Otto  van  Baren,  203 

„Das  Regiment  ist  beständig  vohr  den  Feindt  gelaufen,  nnd  mus 

„er   nothwendig   allerwegens   mitgelaufen   Seindt,   ich   avansire   die 

„Officiers  die  den  Feindt  geschlagen  haben,  aber  nicht  diejenigen,  die 

„nirgends  sich  gehalten  haben. u 

Friedrich  der  Grosse  kannte  seine  Armee  so  genau,  wie  jetzt  höchstens 

noch  ein  Hauptmann  seine  Compagnie  kennt;  jeden  Offizier  kannte  er 

persönlich.    Ueber  die  Tapferkeit  der  Regimenter  und  der  Einzelnen 

ist  er  der  allein  competente  Richter;67)  sein  Urtheil  ist  entscheidend. 

Freilich  verlangte  er  von  seinen  Offiziere»  und  Soldaten  sehr  viel  und 

konnte   nicht  leicht   zufrieden  gestellt  werden;   auch  war  er  äusserst 

sparsam  im  Lobe.   Wenn  aber  seine  Unzufriedenheit  mit  einer  einzelnen 

Truppe  oder  mit  einem  einzelnen  Offizier,  noch  im  Frieden  Jahre  lang  in 

seinem  Gedächtniss  haften  blieb,  so  muss  sein  bestimmt  ausgesprochener 

Tadel  unbedingt  die  Wahrheit  treffen. 

Den  Vorwurf:  dass  die  Ostpreussische  Jugend  sich  dem 
Kriegsdienst  entzogen  habe,  hat  Friedrich  der  Grosse  hauptsächlich 
dem  Adel  gemacht;  am  unumwundensten  findet  er  sich  ausgesprochen 
in  der  kurzlich  veröffentlichten  ••)  Correspondenz  mit  den  Ostpreussischen 
Ständen  wegen  Errichtung  eines  landschaftl.  Kreditsystems. 

Es  ist  bekannt,  dass  Friedrich  der  Grosse  den  Adel  in  hohem 
Grade  begünstigte,09)  Offizierstellen  in  der  Regel  nur  an  Adelige  ver- 
lieh und  Rittergüter  nicht  leicht  in  bürgerliche  Hände  übergehen  liess. 
Zur  Erhaltung  der  Rittergüter  in  altem  adeligen  Besitz  verwendete  er 
grosse  Summen  und  zur  dauernden  Unterstützung  und  Wiederherstellung 
des  Grundbesitzes  in  Schlesien,  Pommern  und  der  Eurmark  gründete  er 
auf  Antrag  der  Stände  dieser  Provinzen  landschaftliche  Kreditsysteme. 
Auch  die  Ostpreussische  Ritterschaft  erstrebte  im  Jahre  1780  die  Er- 
richtung einer  Landschaft.  Rundweg  aber  schlug  der  König  dies  Ge- 
such ab.  Anfangs  erklärte  er,  dass  dazu  keine  Fonds  vorhanden  seien; 
als  aber  die  Stände  dringender  wurden,  gab  er  ihnen  in  einem  Cabinets- 
Bescheide  vom  6.  Juli  1781  zu  erkennen: 


")  Büsching,  Charakter  Friedrichs  des  Grossen.  Halle  1788.  S.  190  (identisch 
mit  Theil  V.  der  Beiträge  zu  der  LebenBgeschichte  denkwürdiger  Personen). 

'  ")  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XIII.  S.  643  ff.     ")  Büaching  a.  a.  0.  S.  197  ff. 

U* 


204  Der  ^orn  Friedrichfl  deß  Grossen  über  Ostprenssen. 

„dass  die  Ostpreussische  Adeliche  Stände  sich  nur  hübsch  zurück- 
erinnern möchten,  wie  sie  sich  im  Kriege  von  1756  betragen  haben 
„und  ihre  Söhne  dienen  auch  nicht,  sie  haben  keine  Vaterlandsliebe, 
„mithin  können  sie  nicht  verlangen,  dass  Sr.  Königl.  Majestät  welche 
„vor  sie  haben  sollen:  die  Pommern  und  auch  die  andern  dagegen 
„haben  in  allem  mit  ausgehalten  und  ihre  Liebe  für  das  Vaterland 
„bewiesen:  Weshalben  denn  auch  Höchstdieselben  für  deren  Erhal- 
tung und  Wohlstand  am  Ersten  wieder  gesorget  haben." 
Die  Ostpreussischen  Stände  verwahrten  sich  nun  gegen  diesen  herben 
Königlichen  Vorwurf,  »den  Grössten,  der  treuen  Ständen  gemacht  werden 
kann,"  reichten  Vasallen-Tabellen  ein  und  bezogen  sich  auf  die  Listen 
der  Regimenter.    Der  König  beharrte  aber  auf  seiner  Meinung  und  als 
die  Stände  1783  eine  Deputation  an  den  König  in  das  Lager  von  Graudenz 
schickten,  liess  er  die  Deputirten  gar  nicht  vor  und  ertheilte  ihnen  auf 
die   schriftliche  Bittschrift   einen   ablehnenden  Cabinets-Bescheid  vom 
7.  Juni  1783,  unter  welchen  er  eigenhändig  folgende  Worte  schrieb: 
„Die  Herren  haben  sich  in  Sibenjährigen  Krig  nicht  So  aufgeführt, 
„das  man  an  Sie  dencken  Sol,  Sie  Seint  auf  dem  Landt  Schlechte 
„Wirte  und  Wintbeutels  und  durch  der  arm^e  fallen  Sie  durch  wie 
„durch  ein  Sip." 
Gegen  diese  harten  Worte  vertheidigte  sich  nun  der  Preussische 
Adel  mit  grosser  Empfindlichkeit,  verwahrte  sich  gegen  den  Vorwurf 
der  Untreue,  der  schlechten  Aufführung  im  Kriege,  der  schlechten  Wirt- 
schaft, und  erklärte,  dass  die  unverschuldete  Ungnade  auf  ein  Land, 
von  welchem  der  König  seine  Königliche  Würde  führe,  sie  bis  in  das 
Innerste  schmerze.   Der  Adel  bat  nochmals  um  Gewährung  der  erbetenen 
Credit-Einrichtung.    In  dem  hierauf  ertheilten  Cabinets-Bescheide  aus 
Potsdam  vom  17.  Juli  1783  milderte  der  König  zwar  seine  Beschuldi- 
gungen, versagte  aber  nach  wie  vor  die  Bitte  der  Bitterschaft  und  hat 
sie  auch  bis  zu  seinem  Tode  nicht  gewährt.    Der  erwähnte  Bescheid 
lautet  wörtlich: 70) 


w)  a.  a.  0.  8.  660. 


Von  Otto  van  Baren.  205 

„Hochwohlgeborene  und  Veste,  besonders  liebe 
und  liebe  getreue! 
„Ich  kenne  unter  meinem  Preuss.  Adel  viele,  welche  Verdienste 
„haben  und  Ich  sehr  wohl  zu  schätzen  weiss.  Aber  im  siebenjährigen 
„Krieg  sind  Mir  auch  einige  bekandt  worden,  welche  nicht  gut  ge- 
„than  und  die  Bravour  nicht  bewiesen  haben,  welche  Ihr  in  Eurer 
„Vorstellung  vom  13.  Junii,  so  Mir  jedoch  nur  erst  heute  zugekommen, 
„dem  gantzen  Corps  beyleget.  Wo  ist  auch  eine  Gesellschaft?  welche 
„von  allen  ausartenden  Gliedern  gantz  frey  sein  solte.  Dencken  lasset 
„sich  dergleichen  wohl;  aber  wo  findet  Sie  sich.  Meine  Vorwürfe 
„treffen  dahero  keinesweges  die  gantze  Pr.  Kitterschafft;  sondern 
„eintzig  und  allein  diejenigen  unter  solcher,  deren  eigenes  Bewusstsein 
„solche  rechtfertiget.  Die  guten  hingegen,  haben  und  behalten  auf 
„Meine  Landes  väterliche  Huld  und  Gnade,  eben  die  Ansprüche,  welche 
„der  Adel  aus  Meinen  anderen  Provintzien  Sich  zu  erfreuen  hat;  ob 
„ich  gleich  sonst  ihnen  zu  dem  erbethenen  Credit  System  nicht  be- 
„hülflich  seyn  kan.  Hierbey  wird  Sich  Mein  Preuss.  Adel  gantz  be- 
ruhigt finden;  und  Ich  werde  das  Verdienst  desselben,  wo  Ich  es 
„finde,  nicht  verkennen,  als  Euer  gnädiger  König 

Frie(drich). 
An  den  Adel  im  Königreich  Preussen.u 

Welche  einzelne  Fälle  der  Feigheit  im  Kriege  und  der  Entziehung 
vom  Kriegsdienst  der  König  im  Sinn  gehabt  hat,  ist  nicht  bekannt 
geworden;  sie  müssen  aber  sehr  auffallend  gewesen  sein,  wenn  sie  ihm 
23  Jahre  lang  nicht  aus  dem  Gedächtniss  schwanden  und  dauernd  die 
Lust  verleideten,  die  Provinz  wiederzusehen. 

Es  giebt  nun  einige,  sonst  verdienstvolle  ostpreussische  Geschichts- 
forscher,7I)  welche  die  geschilderten  Schroffheiten  und  Härten  des 
grossen  Königs  als  eine  grundsätzliche  Ungerechtigkeit  desselben  gegen 
ihr  Heimathsland  darstellen  und  so  dem  Charakter  Friedrichs  des  Grossen 
einen  Makel  anhängen.    Dieselben  folgen  hierin  meistens  blindlings  und 


7l)  Gottschalck,  Geschichte  Preussens  S.  186  Anm.  v.  Hasenkamp,  Ostpreussen 
unter  dem  Doppelaar  a.  a.  0.  VI,  49  f.  XI,  299  f. 


206  Der  Zorn  Friedrich*  des  Grossen  über  Ostpreussen, 

fast  wörtlich  dem  Vorgänge  des  auffallend  russenfreundlichen  Regierungs- 
Raths  Hagen,  welcher  im  Jahre  1818  im  I.  Bande  der  „Beiträge  zur 
Kunde  Preussens*  einen  Aufsatz  über  „Preussens  Schicksale  während 
der  drey  Schlesischen  Kriege"  veröffentlichte72)  und  in  demselben  u.  A. 
sagte  (S.  565):  v.  .  .  .  Von  den  meisten  Preussen  glaubte  er  aber, 
dass  es  ihren  Wünschen  weit  entsprechender  gewesen  wäre,  russische 
Unterthanen  zu  bleiben  2C  Daher  erhielt  auch  keiner  jener  Patrioten, 
die  Gut  und  Leben  für  König  und  Vaterland  aufs  Spiel  gesetzt  hatten, 
eine  den  Verdiensten  angemessene  Belohnung,  sondern  viele  derselben 
mussten  noch  Verluste  erleiden.  Der  Kriegsrath  Bruno  hatte  durch 
zu  angestrengte  Arbeit  zwar  das  Wohl  des  Landes  befördert,  aber  seine 
Gesundheit  untergraben  und  starb  in  Armuth;  alles  was  seine  Wittwe 
bekam,  waren  300  Thaler  in  schlechtem  Gelde,  die  bey  der  Vertheilung 
der  russischen  Kriegsvergütungen  übrig  blieben.  Der  Kaufmann  Roer- 
dansz  in  Memel,  der  alle  Geld-  und  Getreidesendungen  besorgt  hatte, 
erhielt  nicht  seine  Vorschüsse  vollständig  erstattet.  Dem  Hofrath 
Nicolovius,  dem  Preussen  unstreitig  am  meisten  zu  verdanken  hat, 
wurde  ungeachtet  der  Präsident  Domhardt  bei  dem  Könige  unmittelbar 
für  ihn  den  Geheimratbstitel  nachsuchte,  .  .  .  dennoch  dieser  nicht  ge- 
geben und  die  ganze  Anerkennung  seiner  unendlichen  Verdienste  bestand 
in  der  ärmlichen  Gehaltszulage  von  200  Reichsthaler.  Selbst  Domhardt, 
dieser  Wohlthäter  des  Landes,  .  .  .  musste  die  grössten  Kränkungen 
ertragen  und  starb  zuletzt  aus  Gram.11 

Andere  Schriftsteller73)  halten  Friedrichs  des  Grossen  Abneigung 
gegen  Ostpreussen  für  etwas  ganz  Unerklärliches,  weil  doch  „viele  ge- 
borene Preussen  dem  grossen  Kriegesfürsten  als  Generale  gedient,  andere 
in  Civildiensten  treffliche  Dienste  geleistet,  preussische  Regimenter  in 
anderen  Schlachten  grossen  Kriegsruhm  geerndtet,  und  wie  ihre  Führer 
vom  König  hochgeehrt  worden  seien.44  Ein  besonders  boshafter  Angriff 
gegen  den  grossen  König  erschien  in  dem  Königsberger  Wochenblatt 
vom  15.  December  1830 ")  und  warf  ihm  vor,  dass  er  aus  Hass  gegen 


71)  a.  a.  0.  S:  525  ff. 

*3)  v.  Mülverstedt  in  den  N.  Pr.  Prov.-Bl.  Bd.  XI.  S.  376  £ 

T4)  aus  Dr.  Justi  „Die  Vorzeit"  Jahrg.  1825. 


Von  Otto  ran  Baren.  207 

Preussen  die  Königsberger  Bibliothek  geplündert,  den  preussischen  Handel 
zum  Vortheile  Berlins  beeinträchtigt,  Ostpreussen  wie  eine  eroberte 
Kolonie  behandelt  und  gegen  andere  Provinzen  zurückgesetzt  habe. 

Die  letztgedachte  Schmähschrift  hat  bereits  von  dem  Geheimen 
Arcbivrath  Paber  ihre  sachkundige  Widerlegung  gefunden, 75)  auf  welche 
hier  nicht  zurückgegangen  werden  soll.  Die  Schriftsteller,  welche  sich 
den  Groll  Friedrichs  des  Grossen  nicht  erklären  können,  sind  einfach 
auf  gründlichere  Forschungen  zu  verweisen.  Dass  aber  ein  so  sorg- 
faltiger und  gründlicher  Forscher,  wie  X.  v.  Hasenkamp  in  seinem  Werke 
.Ostpreussen  unter  dem  Doppelaar •  zu  keinem  anderen  Resultat  ge- 
kommen ist,  als  der  Regierungsrath  Hagen,  und  ebenfalls  die  Unge- 
rechtigkeit und  Undankbarkeit  Friedrichs  des  Grossen  brandmarkt,  ist 
befremdend.  Es  ist  gegen  diese  Anschauungen  noch  Folgendes  geltend 
zu  machen. 

In  Friedrich  dem  Grossen  ist  der  Begent  und  der  Mensch  zu 
unterscheiden.  Als  Mensch  war  Friedrich  menschlichen  Schwächen, 
Leidenschaften,  Stimmungen  und  Fehlern  unterworfen  und  es  würde 
thöricht  sein,  dieselben  abzuleugnen.  Es  ist  wahr,  dass  in  seiner 
Natur  Herz  und  Gemüth  nie  sehr  zur  Geltung  kamen  und  dass  nach 
seiner  grausamen  Jugend  und  seinem  liebeleeren,  arbeitsvollen,  schwer- 
geprüften und  aufreibenden  Mannesleben  sein  Herz  im  Alter  fast  ver- 
steinert, sein  Glauben  an  die  Menschen  erschüttert,  seine  Stimmung 
verbittert  und  sein  Willen  verhärtet  worden  war.  Aber  unabhängig 
von  dieser  Menschennatur  steht  Friedrich  in  der  Geschichte  in  seiner 
unerreichten  Grösse  als  Regent.  Als  König  konnte  er  wohl  strafen  — 
denn  auch  die  strafende  Gerechtigkeit  gehört  zum  königlichen  Amt  — 
und  als  Strafe  ist  die  Behandlung  der  preussischen  Regimenter  und  des 
preussischen  Adels  anzusehen;  aber  Hass  und  Rache,  Zorn  und  Ab- 
neigung kannte  er  nicht  als  König,  nicht  einmal  Liebe  und  Vertrauen. 
Das  Wohl  des  Landes,  der  Nutzen  und  Vortheil  seines  Volkes  war  die 
einzige  Richtschnur  seiner  Regentenlaufbahn  und  es  kann  ihm  nicht 
nachgewiesen  werden,  dass  er  von  dem  Ideal  eines  Regenten,  welches  er 


n)  Prov.-Bl.  Bd.  VI,  S.  299. 


208  ^er  Z°rn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

in  seinen  Denkwürdigkeiten  und  Abhandlungen  so  klar  und  schön  dar- 
gestellt hat,  wissentlich  je  abgewichen  ist.  So  hat  der  König  denn  auch 
in  den  Denkwürdigkeiten  nach  dem  Hubertsburger  Frieden  erklärt:") 
„er  habe  nicht  gewollt,  dass  die  Provinz  Preussen  den  üb- 
rigen nachstehen  solle*4.  Dass  er  diesem  Grundsatz  gemäss  ge- 
handelt, und  trotz  seines  Zornes  gegen  Ostpreussen,  die  Provinz  gerecht 
und  königlich  behandelt  hat,  soll  zum  Schluss  noch  gezeigt  werden. 

Als  der  Hubertsburger  Frieden  den  siebenjährigen  Krieg  und  im 
Wesentlichen  auch  die  kriegerische  Laufbahn  Friedrichs  des  Grossen 
abschloss,  ging  Preussen  ohne  Schulden,77)  mit  einem  Länderzuwachs 
von  1380  Quadratmeilen,  mit  einem  Gewinn  von  3'A  Million  Seelen  ~%) 
aus  dem  Kriege  gegen  ganz  Europa  siegreich  hervor.  In  den  Kassen 
des  Königreichs  lagen  25  Millionen  Thaler  für  den  Feldzug  des  nächsten 
Jahres  bereit,  die  nun  für  den  König  verfügbar  wurden  und  die  er  be- 
nutzte, um  die  Kriegsschäden  des  Landes  zu  heilen.  Es  ist  unwahr, 7i) 
wenn  die  erwähnte  Schmähschrift  behauptet,  dass  Friedrich  Ostpreussen 
hierbei  gegen  die  anderen  Provinzen  zurückgesetzt  habe.  Eine  Ver- 
gleichung  der  für  die  einzelnen  Provinzen  aufgewendeten  Summen  kaun 
keinen  richtigen  Massstab  liefern,  weil  die  Kriegsschäden  verschieden 
waren.  Ostpreussen  hatte  einen  geringeren  Schaden  gehabt,  als  die 
anderen  Provinzen,  welche  alljährlich  der  Schauplatz  von  Heereszügen, 
feindlichen  Einfällen  und  Schlachten  gewesen  waren.  Den  Schaden, 
welchen  Ostpreussen  nachweislich  gehabt,  ersetzte  der  König  gleich  nach 
dem  Kriege,  indem  er  der  Provinz  schon  im  Mai  1763  das  Darlebn 
erstattete,  welches  er  von  ihr  vor  Beginn  der  russischen  Occupation  im 
Jahre  1757  in  Höhe  von  577942  Thalern  aufgenommen  hatte.80) 

Zur  Feststellung  und  Tilgung  der  übrigen  Kriegsschäden  durch 
Lieferungen,  Fuhrengestellungen,  Brand  u.  s.  w.  wurde  eine  besondere 
Commission  ernannt,  welche  nach  mühevoller  Ermittelung  der  Schäden 


'•)  Hinterlassen«  Werke  V,  105.  VI,  65. 

")  Ebd.  V,  99. 

")  Weber,  Allgem.  Weltgeschichte  Bd.  XIII.  S.  483. 

'•)  Faber  in  den  Pr.  Prov.-Bl.  Bd.  VI.  S.  304. 

•°)  Hagen  a.  a.  0.  S.  5G3. 


Von  Otto  van  Baren.  209 

und  der  Beschädigten  den  Grundsatz  aufstellte/1)  »dass  alle  von  den 
Küssen  unvergütet  gebliebenen  Kriegslasten  als  Unglücksfälle  von  den 
Getroffenen  getragen  und  nur  von  denjenigen,  welche  —  an  rückstän- 
digen Steuern  und  Kriegscontribution  —  mehr  zu  zahlen,  als  zu  fordern 
hatten,  der  Mehrkostenbetrag  der  Zahlungen  erhoben  und  mit  den 
Kassenbeständen  zur  Unterstützung  der  hülfsbedürftigen  Grundbesitzer 
vorwendet  werden  sollte."  Nach  diesem  Princip  der  Compensation  von 
Schäden  mit  rückständigen  Gefällen  wurde  verfahren;  aus  der  Anwen- 
dung dieses  Grundsatzes  erklärt  es  sich,  wenn  auch  das  um  den  König 
so  hochverdiente  Handelshaus  Boerdansz  in  Memel  nicht  alle  seine 
Forderungen  erstattet  erhielt,  da  mit  ihm  keine  Ausnahme  gemacht 
werden  konnte. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  dem  gehässigen  Vorwurfe  der  Gegner 
Friedrichs  des  Grossen,  dass  die  von  ihm  gewährten  Belohnungen  und 
Entschädigungen  „in  schlechtem  Gelde'  ausgezahlt  worden  seien.  Das 
schlechte  Geld  war  das  im  Kriege  und  in  der  grössten  Noth  von 
den  Münzpächtern,  insbesondere  von  dem  Schutzjuden  und  Hof-Juwelier 
Veitel  Ephraim  miuderwerthig  geprägte  Kriegsgeld,  auf  welches  der 
Berliner  Volks witz  den  Vers  gemacht  hatte: 

„Von  Aussen  schön,  von  Innen  schlimm, 
Von  Aussen  Friedrich,  von  Innen  Ephraim." 

Der  Werth  dieses  schlechten  Geldes  blieb  nicht  immer  gleich;  er 
wurde  immer  geringer,  je  länger  die  Noth  anhielt;  in  gleichem  Maße 
stieg  der  Werth  des  guten  Geldes,  so  dass  z.  B.  der  Dukaten  mit 
9  Thalern  bezahlt  wurde. 92)  Hätte  der  König  nach  dem  Frieden  plötzlich 
dies  schlechte  Geld  auf  seinen  wirklichen  Werth  reducirt,  so  hätte  er 
dem  Lande  unübersehbare  Verluste  zugefügt;  in  genialer  Weise  um- 
schiffte er  diese  Klippe,  indem  er83)  den  bis  1759  ausgeübten  Krieges- 
fuss  zum  Landesmünzfuss  und  zum  Massstabe  aller  Preise  und  Zahlungen 


")  Hagen  a.  a.  0.  S.  562. 

M)  Preuss  II,  388  ff.  Zimmermann,  Geschichte  des  Brandenburgisch-preussischen 
Staats.   Berlin  1842.   S.  551. 

83)  durch  die  Edicte  vom  21.  April  n.  18.  Mai  1763.  Novum  Corpus  Constita- 
tlonam  Marchicarum  Bd.  III.  S.  207—212  u.  224-232. 


210  Der  Zorn  Friedrich«  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

erhob,  so  den  Uebergang  erleichterte  und  ganz  allmählich  zu  den  alten 
Münzverhältnissen  zurückkehrte. ") 

Erwägt  man  parteilos,  dass  nur  durch  die  eigenen  Geldprägungen 
während  des  Krieges  es  Friedrich  dem  Grossen  möglich  geworden  war, 
alle  seine  Kriege  ohne  Landesschulden  zu  führen  und  zu  beendigen,  was 
keinem  andern  Staate  in  Europa  gelungen  war,  so  müssen  die  geringen 
Coursverluste,  welche  die  Einzelnen  durch  das  schlechte  Geld  erlitten, ") 
gegen  das  allgemeine  Staatswohl  zurücktreten,  und  die  landesväterlichc 
Weisheit  und  Gerechtigkeit  des  grossen  Königs  Bewunderung  erregen. 

Auch  durch  andere  Massregeln  förderte  Friedrich  nach  allen  Rich- 
tungen den  Wohlstand  der  Provinz  Preussen,  und  bewies,  dass  er 
den  Groll  gegen  die  Bewohner  das  Land  nicht  entgelten  liess.  So  lies3 
er  sofort  nach  dem  Kriege  (1764)  den  grossen  Johannisburger  Kanal 
und  (1778)  den  Gilge-Kanal  anlegen,  um  die  Holzflösserei  aus  den 
Masurischen  Wäldern  zu  befördern;  er  liess  (1767)  den  grossen  Lattana- 
Bruch  bei  Willenberg  entwässern,  urbar  machen  und  mit  Colonisten 
besetzen.  ")  Er  beförderte  die  Gewinnung  des  Bernsteins  durch  Erlass  ") 
der  sogenannten  Bernstein-Instruktion  vom  24.  Mai  1764;  er  veranlasste 
die  Anlegung  von  Oelmühlen,  »damit  die  Schlag-Saat  (der  Rübsen)  nicht, 
wie  bis  dato  unverarbeitet  aus  dem  Lande  gehen  darf,  und  das  Arbeits- 
lohn für  das  Oel-Schlagen  nicht  ferner  in  die  benachbarte  pohlnische 
Mühlen  getragen  wird."")  Ebenso  begünstigte  der  König  die  Anlegung 
von  Papier-  und  Walckmühlen,  ■•)  das  Bewalden  schlechter  Ländereien 
„mit  allerlei  Holtzsaamen." yo)    Im  Jahre   1764  gab  der  König  nach 


")  Edict  ▼.  29.  März  1764.    Novum  Corp.  Const  March.  III,  381. 

**)  bei  der  schlechtesten  Scheidemünze  waren  es  22%.    Preoss  II,  393. 

*')  Halle  in  den  Beitragen  zur  Kunde  Preossens  Bd.  I.  S.  97  ff. 

i7)  Preus8  III,  55.  Die  revidirte  Strandordnung,  welche  Preuss  erwähnt  und 
die  Bernstein-Instruc'ion  vom  24.  Mai  1764  sind  weder  in  dem  Novum  Corp.  Const 
noch  sonst  abgedruckt  (Rabe,  Samml.  Preuss.  Gesetze  n.  Verordnungen  Bd.  I.  S.33). 

")  Acta  Generalis  6.  von  1763  (in  d.  Archiv  der  Kgl.  Regierung  zu  Gumbinnen) 
wegen  des  Boumannschen  Projekts  zur  Erbauung  einer  Oelmühle.  Acta  Generalis  7. 
betr.  Anlegung  von  Oelmühlen,  Gen.  8.  9.  18. 

••)  Acta  Gen.  der  Regierung  zu  Gumbinnen  11.  15.  17. 

°°)  Rescript  vom  26.  Januar  1772  in  den  Akten  der  Regierung  zu  Gumbinnen 
wegen  der  zu  bebauenden  wüsten  Hüben.    1731—1809. 


Von  Otto  van  Baren.  211 

dem  grossen  Brande  von  Königsberg  zur  Unterstützung  der  Abgebrannten 
und  Förderung  des  Wiederaufbaues  355212  Thaler  baar  her.   Im  Ganzen 
hat  Friedrich  der  Grosse  zur  Wiederaufnahme  der  Provinz  Preussen 
von  1763  bis  1786  die  für  die  damalige  Zeiten  ungeheure  Summe  von 
2,813,800  Thalern  aufgewendet. 91)    Das  Colonisationswerk  seines  Vaters 
in  Ostprenssen  und  Littauen  hat  er  mit  gleichem  Eifer  und  Interesse  fort- 
gesetzt und  dass  diese  landesväterliche  Fürsorge  nie  aufgehört  hat,  beweist 
folgende,  14  Tage  vor  seinem  Tode,  am  1.  August  1786  an  den  Kammer- 
Präsidenten  Baron  Goltz  in  Königsberg  erlassene  Cabioets- Ordre:*5) 
„Vester,  besonders  lieber  Getreuer!  Ich  bringe  in  Erfahrung,  dass 
„auf  der  Seite  von  Tilsit  annoch  ein  grosser  Morast  zu  defrechiren 
„sey,   das  Terrain   soll   zu   meinen  Aemtern  gehören.    Die  Bauern, 
„welche  da  angesetzt  werden,  müssen  ihre  Güter  alle  eigentümlich 
„haben,  weil  sie  keine  Sklaven  sein  sollen.    Es  ist  ferner  die  Frage, 
„ob  nicht  alle  Bauern  in  meinen  Aemtern  aus  der  Leibeigenschaft 
„gesetzet  und  als  Eigentümer  auf  ihren  Gütern  angesetzt  werden 
„können?   Ich  erwarte  darüber  Eure  Anzeige,  was  das  für  Difficul- 
„täten  haben  könne  und  bin  Euer  gnädiger  König 

Friederich.14 
So  hinterliess  der  grosse  König  die  Aufhebung  der  Leibeigenschaft, 
die  ihm  durchzuführen  nicht  gelungen  war,  als  brennende  Frage  seinen 
Nachfolgern. 

Zur  Durchführung   seiner   organisatorischen  Gedanken  und  Pläne 
suchte  König  Friedrich  eifrig  nach  geeigneten  Persönlichkeiten,  auch  in 
Ostpreussen.   So  schrieb  er  am  31.  Mai  1763,  also  unmittelbar  nach  dem 
Friedensschluss,  an  den  Kammer-Präsidenten  Domhardt  in  Gumbinnen: 9a) 
„Ihr  sollt  überlegen  und  mir  melden,  ob  nicht  in  Preussen  sich 
„von   den    dortigen  Edelleuten   oder  Anderen   geschickte  und  treue 
„Subjekte  finden,  welche  ich  erfordernden  Falls  mit  einiger  Zuver- 
lässigkeit hier  und  da  in  den  hiesigen  Provinzen  zu  Kammerpräsi- 
denten employiren  könnte  und  will  ich  Euren  Bericht  etwa  gegen 
„den  20t.  Junii  c.  erwarten.14 


")  Büsohing  a.  a.  0.  8.  207. 

M)  Altpr.  Monatsschrift  Bd.  II.  S.  313.    •■)  Pr.  Pror.-Bl.  VI,  301. 


212  Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

In  erster  Reihe  vertraute  er  die  Wiederherstellung  des  Wohlstandes 
im  Königreich  Preussen  dem  eben  erwähnten  hochverdienten  Manne  an, 
der  unter  den  grössten  Schwierigkeiten  und  Gefahren  seinem  Könige 
die  Treue  bewahrt  und  sich  in  der  Russenzeit  am  meisten  bewährt  hatte, 
dem  Kammer-Präsidenten  Domhardt.  Diejenigen  Schriftsteller, 
welche  die  Ungerechtigkeit  Friedrichs  des  Grossen  gegen  Ostpreussen 
nachzuweisen  suchen,  stellen  auch  Domhardt  als  ein  Opfer  der  Undank- 
barkeit des  Königs  hin,  der  „aus  Gram  über  die  harten  Kränkungen 
desselben  gestorben  sei.44  Gerade  das  Gegentheil  ist  wahr:  Domhardt 
ist  ein  leuchtendes  Beispiel  königlicher  Dankbarkeit. 

Nachdem  Domhardt  schon  1757  vom  Kammerdirektor  zum  Kammer- 
Präsidenten  in  Gumbinnen  befördert  war,  •')  setzte  ihn  1763  der  König 
auch  über  die  Kammer  in  Königsberg  und  1772,  nach  der  Theilung 
Polens,  unter  Ernennung  zum  Oberpräsidenten,  gleichzeitig  über  die 
Kammern  in  Marienwerder  und  Bromberg,  indem  er  das  ihm  am  meisten 
am  Herzen  liegende  Werk,  die  Organisation  des  neu  gewonnenen  West- 
preussens,  seinen  bewährten  Händen  anvertraute.  Am  19.  Juli  1771 
erhob  er  den  treuen  Diener  in  den  Adelstand  und  gab  ihm  ein  Ross 
und  eine  Garbe  ins  Wappen,  weil  er  in  der  Russenzeit  dem  Könige 
sein  wichtiges  Gestüt  Trakehnen  gerettet  und  sich  um  die  Pferdezucht 
und  das  Wiedererstarken  der  Landwirtbschaft  so  hoch  verdient  gemacht 
hatte.**)  Bis  in  sein  hohes  Alter  genoss  der  Oberpräsident  v.  Dom- 
hardt das  unbegrenzte  Vertrauen  des  dankbaren  Königs:  der  Briefwechsel 
mit  ihm  füllt  Bände  aus,  die  in  dem  Urkundenbuch  von  Preuss  abge- 
druckt sind,  ••)  und  unabgedruckt  in  den  Akten  der  Archive  liegen.  Wie 
vertraulich  die  Beziehungen  des  Königs  zu  Domhardt  waren,  geht  n.  A. 
aus  den  Briefen  wom  10.,  31.  März  und  2.  April  1771  über  die  Insekten- 
haltigen  Bernsteinstücke 97)  und  vom  5.  December  1772  über  die  grauen 
Erbsen  hervor.  Der  letztgedachte  Brief  ist  so  eigenthümlich,  dass  sein 
Wortlaut  bekannt  zu  werden  verdient: 9i) 


94)  Jeater,  Leben  Domhardt's  a.  a.  0.  Bd.  1.  S.  18  f.    Preass  IV,  59  Anm.  4. 
S.  478  Anm.  3. 

9J)  Preuss  IN,  471.    v.  Hasenkamp  XI,  298  f. 

•°)  Bd.  IV.  S.  3 — 195.    Bd.  V.  S.  183—234. 

f)  Preuss,  ürkuudenbuch  Bd.  V.  S.  184.    ••)  Ebd.  V,  16. 


Von  Otto  vao  Baren.  213 

• 

„Vester  Rath,  besondars  lieber  Getreuer!  Ob  ich  Euch  gleich  für 
„die  bei  Eurem  Bericht  vom  27.  Novembris  übersandte  Preussische 
„Trüffeln  danke;  so  mag  Ich  Euch  doch  dabey  nicht  verhalten, 
„dass  solche  bei  weitem  nicht  so  gut  sind,  als  die  Preussische 
„Erbsen.  Diese  letzteren  sind  die  Frucht,  aufweiche  Preussen  stolz 
„thun  kann.  Sie  sind  leckerer,  als  seine  Trüffeln  und  sie  behalten 
„bei  mir  allezeit  den  Vorzug.  Ich  bin  Euer  gnädiger  König 
Potsdam  den  5.  Decembris  1772.  Fr." 

Bei  einem  persönlichen  Besuche  Domhardts  in  Sanssouci  schenkte 
er  ihm  einen  seiner  eigenen  Krückstöcke  zum  Andenken.90)  —  Nach 
länger  als  dreissigjährigem  amtlichem  und  freundschaftlichem  Verkehr 
trat  leider  zwischen  dem  König  und  Domhardt  dadurch  eine  Spannung 
ein,  dass  des  Letzteren  laute  und  rücksichtslose  Bekämpfung  der  vom 
König  ins  Land  gerufenen  französischen  Accisebeamten  des  Königs  Un- 
willen und  Missfallen  erregte.  Nachdem  auch  diese  Spannung  ausge- 
glichen schien,  entstand  im  letzten  Lebensjahre  Domhardt's  (1780)  bei 
einer  Revuereise  des  Königs  nach  dem  Lager  von  Mockerau  bei  Graudenz 
eine  äusserst  heftige  Scene  zwischen  ihm  und  Domhardt,  in  Folge  deren 
Letzterer  sein  Abschiedsgesuch  einreichte.  Aber  der  König  bereute, 
als  er  ruhiger  geworden  war,  die  harte  Behandlung  des  treuen,  alten 
Beamten;  er  liess  ihn  kommen,  sprach  über  eine  Stunde  mit  ihm  in 
der  alten  Art,  ohne  das  Abschiedsgesuch  und  den  Grund  desselben  zu 
berühren  und  entliess  ihn  dann,  indem  er  ihn  freundlich  auf  die  Schulter 
klopfte  mit  den  Worten:  „Leb  er  wohl,  mein  lieber  Domhardt,  wir 
sehen  uns  künftiges  Jahr  gesund  wieder!" 

Dieser  Conflikt  am  Ende  eines  langen  ehrenvollen  Zusammenwirkens 
ist  gewiss  höchst  bedauerlich;  selbst  wenn  man  aber  die  Schuld  an 
demselben  dem  König  allein  zur  Last  legen  will,  der  mit  zunehmendem 
Alter  verbitterten  Stimmungen  immer  mehr  nachgab;  so  kann  man  doch 
sicherlich  diesen  Vorfall  mit  dem  Zorn  des  Königs  gegen  Ostpreussen 
nicht  in  Zusammenhang  bringen  und  ihn  als  Beispiel  benutzen,  wie  unge- 
rechtfertigt dieser  Zorn  gewesen  und  wie  undankbar  sich  der  König  gezeigt. 


")  Ostpreussische  Zeitung  vom  16.  März  1877« 


2X4  D*r  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

Die  Dankbarkeit  der  Könige  kann  nicht  immer  mit  dem  Massstabe 
des  menschlichen  Herzens  gemessen  werden.   Es  kann  von  dem  ehernen 
Charakter  Friedrichs  des  Grossen  nicht  erwartet  werden,  dass  er  die- 
jenigen Männer,  denen  er  Dank  schuldig  war,  ihr  Lebenlang  vor  anderen 
bevorzugen,   ihr   einstiges  Verdienst   als   alleinigen    Massstab   für  die 
Leistungen  ihres  ganzen  späteren  Lebens  annehmen  solle.  Wo  er  dauerndes 
Verdienst  fand,  hat  er  es  stets  anerkannt  und  befördert;  wo  er  sein 
Unrecht  fühlte,  hat  er,  wie  in  dem  Domhardt'scben  Falle,  Genugthuung 
nach  seiuer  Art  gewährt;  eigenartig  war  auch  die  Art,  wie  er  belohnte. 
So  muss  denn  auch  der  tendenziösen  Darstellung  des  Regierungs- 
raths  Hagen  in  Betreff  der  Belohnungen  des  Hofraths  Nicolovins 
und  des  Kriegsraths  Bruno  entgegengetreten  werden.    Im  heutigen 
Milliarden-Zeitalter  klingen  die  gewährten  Summen  winzig  klein;  in  da- 
maliger Zeit  waren  sie  nicht  unbedeutend,  wenn   man  berücksichtigt, 
dass  Nicolovins  ein  Subalternbeamter  war,  deren  Gehälter  ihre  gesetz- 
lichen Grenzen  hatten.    Die  Verleihung  von  Geheimraths-Titeln  ohne 
entsprechende  Stellung  ging  gegen  des  Königs  Grundsätze,  wie  er  in 
dem   Briefe   vom    12.  April  1764  an  Domhardt  ausspricht.     Er  sagt 
dort  ausdrücklich100) 
„dass  er  ledige  Titais  nicht  stipulire,  zumalen  er  überhaupt  ohnedem 
„gerne  sehe,  dass  ein  jeder  keinen  anderen  Charakter  oder  Titul  hat, 
„als  von  der  Fonction,  so  er  wirklich  bekleidet/1 
Man  sieht,  wie  leicht  es  ist,  durch  geschickte  Nebeneinanderstellung 
von  Thatsachen,  nach  der  eigenen  vorgefassten  Anschauung  Geschichte 
zu  machen  und  selbst  Hoheit  und  Grösse  in  den  Staub  zu  ziehen. 

In  diesem  Sinne  sei  es  zum  Schluss  noch  gestattet,  auch  die  Lebens- 
schicksale der  übrigen,  in  dieser  Darstellung  und  in  den  meisten  Schriften 
über  Friedrich  den  Grossen  genannten  Männer  zu  verfolgen,  welche  dem 
Könige  in  schwerer  Zeit  Anhänglichkeit  und  Treue  bewiesen  hatten. 

Der  Postmeister  Wagner  in  Pillau,  der  wackere  Beförderer  des 
geheimen  Briefwechsels  Domhardts  mit  dem  Könige,  wurde  von  den 
Rassen  wegen  Hochverrat!»  (durch  versuchte  Ueberrumpelung  der  Festung 


"•)  Pr.  Prov.-Bl.  Bd.  V.  8.  1. 


Von  Otto  van  Baren.  215 

Pillau)  zum  Tode  durch  Viertheileu  verurtheilt,  aber  begnadigt  und  nach 
Sibirien  geschickt,  wo  er  fünf  Jahre  schmachten  musste.  Nach  seiner 
Befreiung  wurde  er  von  Friedrich  dem  Grossen  nach  Potsdam  citirt, 
dort  hoch  geehrt,  und  blieb  nach  seiner  Versetzung  nach  Graudenz  ein 
stehender  Gast  des  Königs,  der  ihn,  so  oft  er  nach  Graudenz  kam,  mit 
dem  regelmässigen  Scherz  empfing;  vNun,  wie  geht's  in  Sibirien?*  Er 
wurde  später  Hofpostdirektor  in  Königsberg  und  der  König  verlor  ihn 
nie  aus  dem  Auge.  Gegen  die  Liquidation  seines  Schadens  war  der 
sparsame  König  allerdings  harthöriger. 

Die  ostpreussischen  Jünglinge,  welche  während  der  Bussenherrschaft 
aus  der  Provinz  flüchteten,  um  in  die  preussische  Armee  einzutreten, 
empfing  der  König  sehr  gnädig  und  stellte  sie  sogleich  in  die  Armee 
ein;  die  meisten  von  ihnen  sind  hoch  gestiegen. 

Der  Erste  war  Wilhelm  von  l'Estocq.  Er  trat,  20  Jahre  alt, 
1758  vor  Olmütz  bei  den  Ziethenschen  Husaren  ein,  wurde  Ziethen's 
Adjutant,  erhielt  1761  den  Orden  pour  le  m&ite,  wurde  berühmt  durch 
die  ehrenvolle  Führung  der  Preussen  in  der  Schlacht  bei  -Pr.  Eylau 
am  8.  Februar  1807  und  starb  als  Feldmarschall  am  3.  Januar  1815. 10t) 

Zwei  andere  schwärmerische  Jünglinge  aus  Königsberg,  David 
Neumann  und  Johann  Georg  Scheffner  zogen  Jeder  mit  einem 
Exemplar  von  Abt's  Schrift  über  den  Tod  fürs  Vaterland  in  der  Tasche, 
unter  vielen  Wagnissen  zur  preussischen  Armee." I0i)  Neu  mann  wurde 
bei  der  Kleistschen  Infanterie  angestellt  und  als  Adjutant  bald  darauf 
gefangen;  er  brachte  es  unter  Friedrich  dem  Grossen  bis  zum  Major, 
erhielt  den  Orden  pour  le  rannte  und  wurde  am  10.  Juni  1779  in  den 
Adelstand  erhoben.  Später  zeichnete  er  sich  bei  der  Yertheidigung  der 
Festung  Cosel  aus  und  starb  als  Generalmajor  am  16.  April  1807. 10S) 
Scheffner  wurde  Fähnrich  im  Baminschen  Regiment;  allein,  wie  er 
in  seiner  Lebensbeschreibung  selbst  sagt:101)  der  Subalterndienst  im 
Kriege  war  ihm  im  Herzen  zuwider  und  der  Stadtdienst  im  Frieden 
langweilig;  seine  unwiderstehliche  Neigung  zum  Versemachen,  Citiren 


l01)  Preuas  1J,  269.  IV.  479. 

,w)  Joh.  Georg  Schaffners  Leben  S.  80. 

1M)  Preu»  IV,  479.    Pr.  ProY.-Bl.  Bd.  XXV.  S.  829.    *4)  S,  99, 


216  Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen. 

klassischer  Stellen  und  zum  Raisonniren  über  das  Soldatenwesen  vertrug 
sich  nicht  mit  der  Disciplin;  gleich  nach  dem  Frieden  erhielt  er  den 
wiederholt  erbetenen  Abschied  und  trat  1765  in  den  Civildienst  ein,  in 
welchem  er  Kriegs-  und  Steuerrath  in  Gumbinnen,  Königsberg  und 
Marienwerder  wurde.  Allein  auch  im  Civildienst  brachte  ihm  seine 
Oppositionslust,  Schöngeisterei  und  Neigung  zur  Schriftellerei  Unannehm- 
lichkeiten, die  ihm  den  Dienst  verleideten.  Noch  nicht  39  Jahre  alt, 
bat  er  „mit  aller  Unbefangenheit*  und  „mit  dreuster  Uebergehung  aller 
Minister  Stationen"  in  einem  französischen,  mit  Anrufung  der  Götter  des 
Marc  Aurel  und  des  Henri  beginnenden  Schreiben,  den  König  um  den 
Abschied  mit  Pension.  Dies  nahm  ihm  aber  der  König  sehr  übel;  unter 
den  Cabinetsbescheid  vom  9.  Februar  1775  schrieb  er  eigenhändig  :,oi) 
„Mihr  Müste  der  Teufel  plagen,  das  ich  en  Kriegsraht  pension 
„gebe,  da  noch  So  vihl  brav  officiers  ohne  versorgt  Seyndt  Die 
„200  Thaler  wehre  einem  Jnvaliden  officier  zu  verm".  (zuwenden?) 
Ein  bereits  älterer  Mann,  der  Strumpfwirkermeister  Kap  eil  er  aus 
Gumbinnen,  ein  eingewanderter  Salzburger,  verdient  besondere  Er- 
wähnung. Er  brachte  unter  Lebensgefahren  eine  auf  mehreren  Wagen 
verpackte  Geldsendung  Domhardts  von  1000C0  Thalern  durch  die  russi- 
schen Linien  in  die  Hände  des  Königs.  Domhardt  empfahl  diesen  wackeren, 
muthigen  Mann  dem  Könige,  der  ihn  selbst  vor  sich  kommen  liess  und 
durch  beträchtliche  Vorschüsse  zur  Anlegung  einer  Strumpffabrik,  nach 
dem  Muster  der  Berliner  Fabriken,  in  den  Stand  setzte.  Er  kam  in 
eine  gute  Lage  und  starb  hochgeehrt  1793. 10°) 

Als  Schluss-Resultat  der  vorstehenden  Untersuchung  ist  Folgendes 
hinzustellen : 

Friedrichs  des  Grossen  Zorn  über  Ostpreussen  war  nicht 
ungerecht,  und  Ostpreussen  daran  nicht  ohne  Schuld.  Frie- 
drich der  Grosse  hat  die  Provinz  mit  seiner  Ungnade  ge- 
straft; seine  königliche  Gerechtigkeit  aber  war  grösser,  als 
sein  persönlicher  Zorn. 


>0*)  Schefiner's  Leben  S.  160. 

I08)  Beiträge  zur  Kunde  Preussens  Bd.  I.  S.  209. 


Von  Otto  van  Baren.  217 

Wie  eine  Ahnung  hat  es  seit  dem  siebenjährigen  Kriege  über 
Ostpreussen  gelegen,  dass  die  Provinz  an  dem  Hause  der  Hohenzollern 
etwas  gut  zu  machen  habe  und  ein  halbes  Jahrhundert  später  hat  Ost- 
preussen es  gut  gemacht.  Als  in  den  Zeiten  der  tiefsten  Demuthigung 
und  Erniedrigung  Preussens  die  Preussische  Königsfamilie  flüchten  musste 
vor  der  Macht  und  dem  Uebermuth  des  französischen  Eroberers,  da 
hat  sie  in  Ostpreussen  ein  Asyl  gefunden.  Da  sind  die  Herzen  der 
treuen  Provinz  und  ihres  Königs  einander  nahe  getreten  und  haben  in 
Liebe  und  Vertrauen  eine  stille  Versöhnung  geschlossen.  Als  aus  der 
Nacht  der  Napoleonischen  Knechtschaft  über  Preussen  die 
Sonne  der  Freiheit  wieder  aufging,  da  hat  ihre  Morgenröthe 
in  Ostpreussen  gestanden. 


Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXII.  Hft.  3  n.  4«  15 


Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Beiträge  aus  Ost-  und  Westpreussen 

yon 

H.  Frischbier. 

Vorbemerkung. 

In  den  „Unterhaltungen  des  litterarischen  Kränzchens  zn  Königs- 
berg14, Jahrg.  1867  f.,  stehen  winzige  Anfänge  der  nachfolgenden  Arbeit 
(Mond,  Sonne,  Sterne,  Wind  und  Wetter),  die  nun  in  der  Altpreuss. 
Monatsschrift  zum  Abschlüsse  gebracht  werden  soll.  Die  Sammlung 
umfasst  die  Anschauungen  des  ost-  und  westpreussischen  Volkes  über 
die  Erscheinungen  an  Himmel  und  Erde,  die  Elemente,  die  Tiere,  Pflanzen 
und  Mineralien.  Diese  Volkstümer  sind  von  oft  genannten  Freunden 
(vgl.  mein  Preuss.  Wörterbuch,  Schlusswort)  und  von  mir  aus  dem 
Verkehr  mit  dem  Volke  und  aus  der  einschlägigen  Litteratur  zusammen- 
getragen; vielleicht  fahlen  sich  auch  Leser  dieser  Mitteilungen  ver- 
anlasst, durch  geeignete  Nachträge  mitzuhelfen  an  der  Ergänzung  und 
Vervollständigung  der  doch  immer  noch  lückenhaften  Zusammenstellung. 


L  Himmel  und  Erde. 

Sonne* 

Die  Sonne  wird  vom  Volke  „de  lewe  Sonnke"  genannt.  Was 
sie  verdirbt,  kann  wohl  der  Regen  gut  machen,  aber  nicht  umgekehrt, 
was   der  Regen   verdirbt,  die   Sonne.  (Königsberg.   Böbel,  118.)') 

Wächst  das  Korn  im  Sande,  dann  ist  Not  im  Lande.  (Dönhoflstädi) 

')  Die  Haus-  und  Feldweisheit  des  Landwirths  je.  Bearbeitet  von  TL  Böbel. 
Berlin  1854.    Die  Zahlen  bezeichnen  die  Seite. 


Zur  volkstümlichen  Naturkunde.    Von  H.  Frischbier.  219 

Der  heitere  Untergang  der  Sonne  in  den  Frühlings-  nnd  Winter- 
monaten ist  ein  Anzeichen  guten  Wetters.  Wenn  die  Sonne  beim  Auf- 
und  Untergange  grösser  als  gewöhnlich  erscheint,  und  der  Wind  von 
Süden  weht,  besonders  zur  Tag-  und  Nachtgleiche,  so  erfolgt  Regen. 
Geht  die  Sonne  in  feuriger  Morgenröte  auf,  oder  hat  sie  finstere  und 
braune  Wolken  um  sich,  oder  hüllt  sie  sich  beim  Untergange  in  weisse 
.weit  ausgebreitete  Wolken,  so  folgt  Wind  und  Regen.  (Bock,  Nat.  1, 363.) *) 

Wenn  die  Sonne  am  Neujahrstage  auf  den  Altar  scheint,  so 
gerät  der  Flachs  gut. 

Wenn  die  Sonne  am  h.  Dreikönigstage  (6.  Januar)  auch  nur  so 
lange  scheint,  als  ein  Reiter  zum  Besteigen  des  Pferdes  Zeit  gebraucht, 
so  ist  das  ein  Friedenszeichen  für  das  ganze  Jahr.    (Dönhoffstädt.) 

Vincenz  (22.  Januar)  Sonnenschein,  bringt  Obst  {Korn)  und  Wein. 
(Westpr.)  —  Scheint  die  Sonne  zu  Pauli  Bekehrung  (25.  Januar),  so 
darf  man  auf  ein  gutes  Jahr  hoffen. 

Scheint  die  Sonne  im  Februar,  so  dass  sich  die  Katze  in  ihren 
Strahlen  wärmt,  so  muss  diese  zum  April  wieder  hinter  dem  Ofen 
Wanne  suchen. 

Der  Schäfer  hat  zu  Lichtmess  (2.  Febr.)  lieber  den  Wolf  als  die 
Sonne  im  Schafstall,  weil,  scheint  die  Sonne,  ein  spätes  Frühjahr  in 
Aussicht  steht.    Der  Reim  für  diese  Beobachtung  lautet: 

Besser  der  Wolf  als  der  Sonne  Licht 
Zu  Lichtmess  in  den  Schafstall  bricht. 

Doch  verspricht  andererseits  Sonnenschein  zu  Lichtmess  eine  gute  Ernte, 
und  scheint  die  Sonne  an  diesem  Tage  auch  nur  so  lange,  als  der  Reiter 
Zeit  braucht  das  Pferd  zu  besteigen,  so  gerät  der  Flachs  wohl. 

Lichtmess  hell,  muss  der  Bauer  sein  schnell;  Lichtmess  dunkel, 
ist  der  Bauer  ein  Junker.  —  Lichtmess  klar,  gutes  Flachsjahr.  (Ostpr.)  — 
In  Masuren :  Wenn  Lichtmess  die  Dächer  flenzen  (weinen),  wird  in  dem 
Jahr  der  Flachs  recht  glänzen.  —  In  Westpr.:  Fällt  auf  Lichtmess 
Sonnenschein,  wird  der  Flachs  sehr  lang  und  fein.  —  Scheint  zu  Lichtmess 
die  Sonne  auf  den  Mist,  schliesse  der  Bauer  das  Futter  in  die  Eist'.  — 


*)  Versuch  einer  wirtschaftlichen  Naturgeschichte  von  dem  Königreich  Ost- 
und  Westpreussen.  Von  F.  S.  Bock.  Dessau  1782.  Bd.  I.  S.  345  f.:  Der  preussisehe 
Bauerokalender. 

15* 


220  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Lichtmess  Sonnenschein,  bringt  viel  Schnee  herein.  —  Sieht  der  Dachs 
zu  Lichtmess  seinen  Schatten,  d.  h.  scheint  die  Sonne,  so  kehrt  er  in 
seinen  Bau  zurück  und  der  Winter  dauert  noch  lange.  (Natangen.) 

Geht  die  Sonne  am  Fastnachtstage  frühe  auf,  so  gerät  die 
Frühsaat  gut. 

Am  Romanus  (28.  Febr.)  hell  und  klar,  deutet  an  ein  gutes  Jahr. 

Ist  am  Ruprecht  (27.  März)  der  Himmel  rein,  so  wird  er's  auch 
im  Juli  sein. 

Am  Palmsonntag  Sonnenschein,  soll  ein  gutes  Zeichen  sein. 

Am  Ostersonntag  —  doch  nur  an  diesem,  wie  die  Landleute 
behaupten  —  springt  bei  Sonnenaufgang  das  Osterlamm  in  der  Sonne. 

Sind  die  Hundstage  hell  und  klar,  so  giebt's  ein  gutes  Jahr.— 

4 

Warme  und  helle  Jacobi  (25.  Juli)  versprechen  reiche  Früchte,  aber 
kalte  Weihnachten.  —  Ist's  in  der  ersten  Woche  des  August  heiss, 
so  bleibt  der  Winter  lange  weiss.  —  Sind  Laurenz  (10.)  und  Barthel 
(24.  Aug.)  schön,  ist  guter  Herbst  vorauszusehn. 

Der  Schäfer  hat  am  St.  Hedwigstage  (15.  Okt.)  lieber  den  Wolf 
in  seiner  Herde,  als  die  Sonue  im  Stall. 

Scheint  am  Stephanstage  (26.  Dezbr.)  die  Sonne,  so  gerät  der 
Flachs.  (Volkskal.  63.  172.  207.) 3) 

Wenn  die  Sonne  „Wasser  zieht",  so  regnet  es  den  nächsten  Tag.  — 
Zeigen  sich  Nebensonnen  am  Himmel,  so  erfolgt  schleunige  Ände- 
rung des  Wetters.   (Bock,  Nat.  I,  362.) 

Redensarten:  Wo  die  Sonne  scheint,  da  tagt  es.  —  Der  Hungrige 
und  Arme  „lässt  sich  die  Sonne  in  den  Magen  scheinen".  —  Qeht  die 
Sonne  nach  Westen,  arbeiten  die  Faulen  am  besten.  —  Die  liebe  Sonne 
scheint  ihm  durch  den  Ellenbogen  (dem  Zerlumpten,  Dürftigen).  —  Die 
Sonne  geht  zur  „Rist"  (zur  „Rast"),  d.  h.  zur  Ruhe,  sie  geht  unter.  — 
Die  Sonne  ist  in  ihr  Himmelbett  (Bett  mit  Vorhängen  und  einer  oberen 
Decke,  dem  sog.  Himmel)  gestiegen,  d.  h.  sie  ist  hinter  Wolken  unter- 
gegangen. (Sprichw.  I,  3533  f.;  II,  2492.)*) 


3)  N.  Pr.  Prov.-Bl.  VI,  206  ff.  u.  X,  116  ff.  Die  Zahlen  bezeichnen  die  Nummer. 

4)  Preuss.  Sprichwörter  und  volksthumliche  Redensarten  von  H.  Frischbier. 
1.  u.  2.  Sammlung.    Berlin  1865  u.  1876. 


Von  H.  Friachbier.  221 

Mond. 

Scheint  der  Mond  Mass  und  gelb,  so  pflegt  bald  Regen  zu  ffl&en; 
scheint  er  rot,  so  deutet  dies  auf  Wind;  ist  er  weiss  und  h/  so  hat 
man  gutes  Wetter  zu  hoffen.  (Bock,  Nat.  I,  361.) 

Der  Mann  im  Monde  ist  ein  Bauer,  der  sich  nachts  in  Nachbars 
Garten  schlich,  um  Kohl  zu  stehlen.  Kaum  aber  hatte  er  eine  Staude 
gebrochen,  als  ihn  auch  schon  der  alte  Nachtwächter,  der  Mond,  ab- 
fasste  und  samt  dem  Raube  hinaufzog.  Die  dunkeln  Flecken  im  Monde 
sind,  wie  man  noch  deutlich  sehen  kann,  der  Dieb  mit  dem  Kohlstrunk. 

Aus  der  Gegend  von  Saalfeld  sind  mir  noch  (durch  Frl.  E.  Lemke) 
folgende  drei  Varianten  dieses  Märchens  zugegangen:  Der  Mann  im 
Monde  ist  ein  armer  Mann,  der  „unter  der  Kirche"  (während  des 
Gottesdienstes)  im  Walde  Keisig  gesammelt  hatte  und  den  Gott,  zur 
Strafe  für  seine  Sunde  und  als  warnendes  Beispiel,  mit  dem  Reisigbündel 
auf  den  Mond  versetzte;  —  er  ist  ein  Fuhrmann,  der  auch  am  Sonntage 
arbeitend  fuhrwerkte  und  von  Gott  mit  Wagen  und  Pferden  in  den 
Mond  gestellt  wurde.  —  Nach  andern  sitzt  in  dem  Monde  eine  Spinnerin 
mit  ihrem  Spinnwocken,  zur  Strafe  dafür,  dass  sie  auf  Erden  bei  Voll- 
mond gesponnen.  Die  Fäden,  welche  als  „Altweibersommer"  im  Herbste 
die  Luft  durchfliegen,  sind  von  ihrem  Gespinst  losgerissen. 

Den  Kindern  verwehrt  man,  nach  dem  Monde  oder  nach  den 
funkelnden  Sternen  zu  zeigen,  weil  sie  sonst  dem  lieben  Gott  die 
Augen  „ausspicken"  (ausstechen)  würden.  (Königsberg.) 

Spinnt  man  bei  Mondenschein,  so  kommt  der  böse  Geist  und 
nimmt  den  Flachs  fort.  (Ermland.) 

Bei  abnehmendem  Lichte  darf  man  nicht  Hochzeit  machen, 
weil  sonst  die  Wirtschaft  der  neuen  Ehe  zurückgeht;  —  nicht  Getreide 
säen,  es  würde  eine  schlechte  Ernte  geben.  (Friedland  i.  Ostpr.) 

Dafern  der  Mond  im  Abnehmen  die  Hörner  zeiget,  so  ist  er  im 
letzten  Viertel,  denn  er  will  bald  unsichtbar  werden,  oder  (wie  andere 
sprechen)  „zu  Bier  gehen".  (Linemann,  Deliciae  calendariogmphicae, 
Ff  4b.  Königsberg  1654.) 

Bei  abnehmendem  Lichte  kann  ein  Pferd  mit  einer  Hasen- 
scharte von  diesem  Übel   geheilt   werden,   wenn   man  die  Scharte  an 


222  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

drei  Freitagen  nach  einander  unter  dem  allgemeinen  Segen:  Im  Namen 
Gottes  :c.  bestreicht.  (Volkskal.  205.) 

Im  zunehmendenLichte  soll  man  die  Haare  beschneiden,  dann 
wachsen  sie  gut  ein. 

Bei  zunehmendem  Lichte  ist  Blatt-  und  Fruchtgemüse  zu  säen; 
ebenso  gedeihen  Obstbäume  und  tragen  reichlich,  wenn  sie  im  neuen 
Lichte  gepflanzt  werden.  Wurzelgewächse  sind  dagegen  bei  abneh- 
mendem Lichte  zu  säen.  (Dönhoffstädt.) 

Bei  zunehmendem  Mondlicht  gesäet,  blühen  die  Erbsen  immer- 
fort und  setzen  wenig  Schoten  an;  Möhren  bei  jungem  Licht  schiessen 
gern  durch;  Eleesamen  gedeiht;  Kopfkohl  säet  man  stets  bei  abneh- 
mendem Lichte.  (Memel.  Strasburg  i.  Westpr.  Böbel  126.) 

Am  ersten  und  zweiten  Tage  des  neu  beginnenden  Mondlichts  muss 
man  weder  Gras  noch  Klee,  noch  andere  Futterkräuter  mähen,  weil 
das  Vieh  die  in  diesen  Tagen  gemähten  Kräuter  nur  ungern  oder  gar- 
nicht  frisst.  (N.  Pn  Prov.-Bl.  a.  F.  VII,  233.) 

Wie  das  Wetter  am  dritten  Tage  nach  Neulicht  ist,  bleibt  es  bis 
zum  nächsten  Neulicht.  (Dönhoffstädt.) 

Hat  der  Neumond  einen  solchen  Stand,  dass  man,  wie  die  Leute 
sagen,  an  seine  Hörner  etwas  anhängen  könnte,  so  deutet  das  auf 
trockene  Witterung.  (Dönhoffstädt.) 

Bei  Neumond,  unter  dem  Zeichen  des  Fisches,  beginnt  der  Fischer 
sein  Netz  zu  stricken.  (Hohenstein.    Toppen  102.)B) 

Bei  Neu  licht  ändert  sich  das  Wetter. 

Sobald  nach  dem  Neumonde  zum  ersten  Mal  die  Mondsichel  — 
„dat  nüe  Licht"  (das  neue  Licht)  —  am  Himmel  sichtbar  wird,  muss  der 
von  Zahnschmerzen  Geplagte  sich  mit  einem  der  nachfolgenden  Reime6) 
an  den  Mond  wenden;  derselbe  wird  ihm  sicher  seine  Zahnschmerzen 
abnehmen: 


&)  Die  mit  Toppen  bezeichneten  Anführungen  beziehen  sich  auf  Dr.  M.  Toppen: 
„Aberglauben  aus  Masuren"  ac.  2.  Aufl.  Danzig  1867.  Die  Zahlen  bezeichnen 
die  Seite. 

6)  He'xenspruch  und  Zauberbann  :c.  Von  H.  Frischbier.  Berlin  1870.  S.  100 f. 


Von  H.  Friichbier. 


223 


Ock  seh  das  lewe  nüo  Licht 

Od  räd  mi  far  min  Tähnegicht, 

Dat  se  Dich  rite, 

Ok  nich  spllte, 

Ok  nich  käUe, 

Ok  nich  schwelle, 

Denn  käme  de  Vägelkes 

On  nehme  all1  min*  Tähnegicht. 

Öck  seh  önt  lewe  nüe  Licht 
On  bed  fer  mine  Tähnegicht, 
Dat  se  nich  rite,  nich  spute, 
Nich  jäke,  nich  stäke. 

Ich  grüsse  dich,  .du  neues  Licht 
Mit  deinen  zwei  Zacken! 
Meine  Zähne  sollen  mich  nicht  zwacken, 
Bis  dass  da  wirst  haben  drei  Zacken. 


(PJibischken.) 


(Samland.) 


(Samland.) 


Ach  da  liebes  neues  Licht! 

Behüte  mich,  mein  Gott,  vor  meiner  Zähne  Gicht! 

Dass  sie  mich  nicht  möchten  reizen  —  spreizen  —  schwären  —  quälen. 

Im  Namen  Gottes  je.  Vater  Unser  ohne  Amen. 

(Die  betreffende  Wange  wird  mit  der  Hand  gestrichen.) 

(Budweitschen  im  Kr.  Goldapp.) 

Öck  seh  dem  Himmel  an, 
Da  steit  e  Frü  ok  e  Mann, 
Wa  far  de  Tähne  räde  kann. 
Da  sallst  nich  eile, 
Ok  nich  käUe, 

r 

Da  sallst  Tergahne 

Wie  da  gekame.  (Plibischken.) 

Stehen  die  Quatembertage  im  zunehmenden  Licht,  so  steigen 
die  Getreidepreise,  und  umgekehrt.  (Volkskal.  202.) 

Mondfinsternis   bei  Winterszeit  im  Norden,  ist  Ursach'  stets 
von  grosser  Kalt1  geworden.  (Westpr.  Böbel  117.) 

Der   Hof  um   den   Mond   verkündet  Wind   (Bock,  Nat.  I,  360), 
nach  einer  Mitteilung  aus  Dönhoffs tädt :  Regen. 


224  Zar  Tolkstümlichen  Naturkunde. 

Sterne. 

Namen  der  Sterne:  Der  Wagen,  die  sieben  Sterne,  das 
grosse  Siebengestirn,  grosser  Bär,  der  grosse  und  der  kleine 
schiefe  Wagen,  grosser  und  kleiner  Bär;  der  Dümeke,  Stern  Alcor, 
das  Eeiterchen,  im  Sternbild  des  grossen  Bären;  auch  der  kleine  Bär, 
der  auch  Pudinke  heisst  (vgl.  mein  Pr.  Wörterb.  I,  155b);  der  Abend- 
stern, Venus;  die  drei  Häuer  oder  Mäher,  Gurtelsterne  des  Oriou. 

Heitern  Untergang  der  sieben  Sterne  sieht  der  Landmann  immer 
gerne.  (Oktober.  Westpr.  Böbel  107.) 

Am  St.  Laurentiustag  (10.  Aug.)  fallen  die  Sterne;  des  Morgens 
findet  sie  der  Fischer  am  Strand  als  Meerquallen,  denn  diese  hält  er 
für  geschneuzte  Sterne.  (Ostseestrand.  Gregorovius,  Figuren.  Leipzig 
1856.  S.  154.) 

Himmels  zeichen.  Der  Mensch  wird  entweder  unter  einem  gun- 
stigen oder  ungünstigen  Himmelszeichen  geboren;  zu  den  glückbringenden 
gehören:  Wage,  Löwe,  Jungfrau,  Stier.  Das  unglücklichste  Ge- 
stirn ist  der  Krebs;  in  diesem  Zeichen  gehen  alle  Unternehmungen 
rückwärts,  und  wer  im  Krebs  geboren  ist,  hat  in  allem  Unglück.  Im 
Zeichen  des  Krebses  darf  keine  Ehe  geschlossen  werden;  es  darf  in 
diesem  Zeichen  nicht  gesäet  und  gepflanzt  werden,  ebenso  im  Skorpion, 
weil  beide  Würmer  vorstellen,  und  dann  die  Würmer  auf  dem  Felde 
überhand  nehmen  und  den  Pflanzen  schaden  würden.  Man  säet  und 
pflanzt  unter  Löwe,  Stier,  Jungfrau,  damit  alles  stark  und  kräftig 
werde.  (Hohenstein.  Toppen  91.)  Kartoffeln  im  Krebs  gelegt,  be- 
kommen unreine  Schalen,  in  der  Wage  dagegen  geben  sie  reichen  Er- 
trag. Im  Zeichen  des  Löwen  ist  gut  heiraten,  im  Wassermann  wird 
die  ganze  Wirtschaft  zu  Wasser;  Ehen  im  Zeichen  der  Jungfrau  ge- 
schlossen, werden  leicht  durch  Ehebruch  getrübt.  Unter  dem  Zeichen 
des  Fisches  bei  Neumond  fängt  der  Fischer  an,  sein  Netz  zu  stricken. 
(N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  I,  169.   Toppen  102.) 

Bätsei  über  die  Himmelskörper:  Zwei  Dinge  gehn,  zwei  Dinge 
stehn,  zwei  Dinge  kommen  immer  wieder.  (Sonne  und  Mond.  Lösung 
auch:  Himmel  und  Erde  —  Holz  und  Wasser  —  Tag  und  Nacht  — 
Abend  und  Morgen.) 


Von  H.  Frischeier.  225 

Et  kröppt  dorch  e  Tun  on  ruächelt  nich,  et  föllt  ön*t  Wäter  on 
plorapst  nich.  (Der  Sonnen-  und  Mondenschein;  auch  der  Schatten.) 

Schön  ist  das  Wiesenthal,  schön  sind  die  Schafe  dran,  schön  ist 
der  Hirt,  der  die  Schafchens  hüt't,  noch  schöner  der  Dieb,  der  die 
Schafe  stiehlt.   (Gerdauen.    Sonne,  Mond  und  Sterne.) 

Schwärt  Lake  gespret  (gespreitet),  witte  Arfte  geset  (gesäet),  ön  e 
Modd  ös  e  Schlw.  (Der  HiiHtael  mit  den  Sternen  und  dem  Monde.) 

Erde. 

Von  der  Erde  heisst  es  im  Volksrätsel:  Meine  Mutter  hat  viele 
Kinder,  sind  sie  gross,  verschlingt  sie  dieselben. 

Am  Ende  der  Erde  ist  der  Himmel  so  niedrig,  dass  ihn  die  Wasch- 
weiber mit  dem  Waschholz  erreichen  können.   (Jerrentowitz.  Westpr.) 

Regenbogen« 

Erscheint  ein  Regenbogen  nach  langer  Dürre,  so  hält  das  Regen- 
wetter einige  Tage  an;  ist  aber  lange  Nässe  vorhergegangen,  so  folgt 
gewöhnlich  schönes  Wetter.  —  Je  grüner  die  Farben  im  Regenbogen, 
je  mehr  Regen,  je  röter,  desto  mehr  Wind  zeigen  sie  an;  intensives 
Blau  und  Gelb  deutet  auf  heiteres  Wetter.  (Bock,  Nat.  I,  362.) 

Wenn  man  einen  Regenbogen  sieht,  wird  Gott  einen  noch  sieben 
Jahre  segnen.  (Königsberg.) 

Eine  Wassergalle  (der  Widerschein  des  Regenbogens)  lässt  auf 
weiteren  Regen  schliessen.  Oft  nennen  die  Landleute  auch  einen  nicht 
klar  hervortretenden  Regenbogen  Galle. 

Der  Mondregenbogen  ist  ein  Vorbote  des  Regens.  (Bock,  Nat. 
I,  360.) 

Rätsel:  Hoch  gellögt,  kromm  gebögt,  wunderlich  beschaffe. 
(Wehlau.) —  Auch:  Hochgehäwe,  kromm  gebäge,  wunderlich  erschaffe. 
(Vgl.  Zeitschr.  f.  deutsche  Mythologie  je.  III,  181.) 

Rot,  gelb,  grün  —  rätst  du  mich,  so  nehm1  ich  dich,  rätst  du's 
in  vier  Wochen,  so  sind  wir  beid'  versprochen;  rätst  du's  um  ein  halbes 
Jahr,  so  sind  wir  beid'  ein  ganzes  Paar.  (N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  294.) 

Abend«  und  Morgenröte. 

Die  Abendröte  verkündet  gutes  Wetter,  wenigstens  für  den  fol- 
genden Tag. 


226  Zor  ▼o^tämlichen  Naturkunde. 

Abendrot  —  Gutwetterbot'  —  Schönwetterbot*  —  morge  göt  — 
bringt  Brot;  —  Morgenrot  bringt  allzeit  Kot,  —  bringt  Dreck  und  Kot, 
bringt  äwends  Kot,  —  mit  Regen  droht,  —  dat  W&ter  dorch  'm  Tun 
flöt,  —  pladdert  g6t,  —  dreckig  P16t,  —  Dreckflöt.  (Vgl.  Sprichwort 
I,  8;  II,  .7.  Böbel  119.) 

In  der  Gegend  von  Saalfeld  ist  man  der  Ansicht,  dass  leuchtendes 
Abendrot  Wind  oder  gar  Sturm  bedeute.  (Lemke  108.) 7) 

Morgenrot  am  Neujahrstage  bringt  Ungewitter  und  manche  Plage. 

(Westpr.  Böbel  56.) 

Feuerkugel. 

Eine  Feuerkugel  (Meteor)  bedeutet  Krieg.    Dieselbe  Bedeutung 

hat  ein  Komet. 

Irrlicht. 

Irrwische,  namentlich  solche,  die  sich  auf  Höhen  sehen  lassen, 

sind  Kinder,  die  ungetauft  starben,  oder  tot  zur  Welt  kamen.  (Ermland.) 

Nordlicht. 

Nordlichter,  die  mit  weissen  Flammen  lodern,  sind  Vorbedeu- 
tungen von  klarem  Wetter  und  bringen  im  Winter  Kälte.  Überhaupt 
pflegen  die  Nordlichter  auf  einige  Tage  heiteres  Wetter  zu  bedeuten. 
(Bock,  Nat.  I,  362.) 

Das  Nordlicht  verkündet  Krieg.  Die  zahlreichen  glühroten  Nord- 
lichter des  Winters  1870/71  hielt  das  Volk  für  den  Widerschein  des 
von  den  Schlachtfeldern  aufsteigenden  Blutes.  (Königsberg.) 

Wolken. 

Wenn  plötzlich  bei  hellem  Himmel  Wolken  von  Süden  oder  Westen 
zum  Vorschein  kommen,  so  entsteht  bald  ein  Sturm.  —  Bote  Wolken 
nach  der  Sonne  heiterm  Untergange,  ebenso  dünne  Wolken,  die  sich  des 
Morgens  bei  aufgehender  Sonne  trennen,  deuten  auf  helle  Witterung.  — 
Grosse  Wolken  sind  Vorboten  von  starkem  Regen;  kleine  runde  graue 
Wolken,  die  mit  einem  Nordwinde  kommen,  ebenso  weisse  Wolken  wie 
Wolle  bei  Sonnenschein  machen  Hoffnung  zu  andauerndem  schönen 
Wetter.   Sonst  pflegen  die  sogenannten  Schäfchen,  Schaf-  oder  Schuppen- 


7)  Volkstümliches  in  Ostpreussen.  Von  E.  Lemke.  I.  Tbl.  Mohrnngen  1884. 


Von  H.  Frischbter.  227 

wölken,  wie  auch  streifige  Wolken  Vorzeichen  des  Regens  za  sein.  — 
Auf  rotbraune  Wolken  bei  Sonnenuntergang  folgt  des  Morgens  oft  helles, 
aber  unbeständiges  Wetter.  —  Bei  bleichen  Wolken  zur  Zeit  des  nassen 
Wetters  ändert  sich  dies  gewöhnlich.  —  Wenn  der  Südwind  im  Sommer 
heisses  Wetter  gebracht,  und  es  erscheinen  am  Himmel  Wolken  mit 
grossen  weissen  oder  rötlichen  Spitzen,  eine  über  der  andern,  die  unten 
dunkel  sind,  wie  auch  braunrote,  so  ist  Donner-  und  Hagelwetter  nahe. 
(Bock,  Nat.  I,  361.) 

Steht  abends  im  Norden  Gewölk,  so  bedeutet  das  schlechtes  Wetter. 
(Lemke  108.) 

Senkrechte  und  schräge  Wolkenstreifen,  die  wie  Strahlen  zu  ein- 
ander stehen  und  sich  am  Horizonte  vereinigen,  nennt  man  Wind- 
bahnen, und  von  diesen  heisst  es,  dass  sie  für  den  kommenden  oder 
zweitnächsten  Tag  Sturm  verkünden.  (Saalfeld.  Lemke  107.) 

Lange  schmale  hellgefärbte  Wolken,  die  von  einem  Punkte  des 
Horizontes  fast  bis  zu  einem  andern  desselben  sich  erstrecken,  sind 
Vorboten  von  Wind  und  Sturm.  (Dönhoffstädt.) 

Eine  finstere,  drohende  Regenwolke  nennt  man  Buächer,  poln. 
busza.  (Preuss.  Wörterb.  I,  122.) 

Wer  von  einer  unerwarteten  Nachricht  :c.  überrascht  wird,  ist 
„wie  aus  den  Wolken  gefallen". 

Gewitter. 

Das  Grollen  des  Donners  ist  das  Schelten  Gottes:  „De  lewe 
Gottke  schölt". 

Der  Blitz  schlägt  in  solche  Gebäude  ein,  in  welchen  an  einem  der 
folgenden  Tage:  Karfreitag,  Busstag,  Himmelfahrt,  Johannistag,  Jakobstag, 
gearbeitet  wurde.  (Dönhoffstädt.  Volkskal.  81,  82,  189.  Toppen  S.  73.) 

Beim  ersten  Donnerschlage,  den  man  im  Jahre  hört,  muss  man 
sich  niederwerfen  und  auf  der  Erde  wälzen.  (Dönhoffstädt.)  Auch  schützt 
gegen  das  Gewitter  das  Johannisfeuer. 

Als  Witterungsregel  gilt:  Gewitter  über  kahle  Bäum',  der  Winter 
kommt  hinterdrein.   (Dönhoffstädt.) 

Viel  Sturm  und  Begen  bringet  heran  ein  Jahr,  das  im  Januar  zu 
donnern  begann.   (Westpr.  Böbel  73.) 


228  Zur  volkstümlichen  Naturkunde» 

Vor  Advent  den  Donnerschlag  das  Eorn  gar  wohl  vertragen  mag. 
(Westpr.   Böbel  65.) 

Donnert  es  im  März,  schneit  es  im  Mai.  —  Märzendonner  macht 
fruchtbar.  —  Märzgewitter  zeigen  an,  dass  grosse  Winde  ziehn  heran. 

Wenn  im  April  ein  Ungewitter  gewesen,  so  ist  nicht  leicht  mehr 
Keif  und  Frost  zu  besorgen.  Den  Zug,  den  das  erste  Gewitter  im 
April  nimmt,  pflegt  es  auch  das  ganze  Jahr  hindurch  zu  nehmen.  (Bock, 
Nat.  I,  362.  Westpr.  Böbel  81  f.)  —  Hört  man  Donner  im  April, 
viel  Gutes  der  verkünden  will.  (Westpr.  Böbel  88.) 

Donnert  es  im  Mai,  so  giebt's  grosse  Winde  und  viel  Getreide; 
donnert  es  oft,  folgt  gern  ein  unfruchtbares  Jahr.   (Westpr.  Böbel  93.) 

Gewitter  im  Juni  erfreuen  der  Bauern  Herz.   (Masuren.  Westpr.) 

Gewitter  im  September  deuten  auf  reichlichen  Schnee  im  Februar 
und  März  und  auf  ein  gutes  Kornjahr.  Gewitter  in  der  zweiten  Hälfte 
dieses  Monates  bringen  starke  Winde.   (Westpr.   Böbel  105.) 

Donner  im  Winterquartal  bringt  Kälte  ohne  Zahl.  (Medenau. 
Böbel  116.) 

Aus  der  Himmelsgegend,  woher  das  erste  Gewitter  kommt,  kommen 
die  andern  den  ganzen  Sommer.   (Medenau.  Böbel  119.) 

Wenn  sich  die  Schafe  auf  der  Weide  mit  den  Köpfen  zusammen- 
stellen, folgt  Gewitter.  (Heilsberg.)  Regen  und  Gewitter  sind  im  Anzüge, 
wenn  sich  die  Gartenschnecken  in  den  Gängen  und  auf  den  Beeten 
zeigen.   (Medenau.  Böbel  120.) 

Während  es  donnert,  fallen  Donnerkeile  (Belemniten)  vom  Himmel. 

Der  Gebrauch  von  Zahnstochern  aus  dem  Holze  eines  Baumes,  den 
der  Blitz  zersplitterte,  verhütet  Zahnschmerzen.    (Dönhoffstädt.) 

Regen« 

Die  Wolken,  welche  die  Sonne  verhüllen,  lösen  sich  in  Eegen  auf. 
Die  Volksjugend  kennt  mannigfache  Keime,  den  Regen  zu  verscheuchen 
und  „de  lewe  Sonuke"  wieder  hervorzurufen. 

Lewe  Sonn1,  komm  doch  wedder 
Möt  dlne  blanke  Fedder! 
Möt  dfne  blanke  Strahlen 
Beschin  ons  aUtomälen! 


Vun  H.  Frischbier.  229 

Lewe,  lewe  Trine, 

Lat  de  Sonnke  schine, 

Lafc  dem  Regenke  äwcrg&ne, 

Dat  de  klöne  Kinderkes  könne  spßle  gänel 

So  und  ähnlich  singt  die  ostpreussische  Kinderwelt  die  Sonne  hervor, 
und  wer  die  lieben  Versehen  alle  wissen  will,  schlage  meine  Volksreime  auf, 
er  findet  sie  unter  No.  182  und  ff.8)  Neu  ist  mir  nach  Veröffentlichung 
jenes  Werkes  noch  der  nachfolgende  Reim  aus  Marggrabowa  eingesandt: 

0  da  lewe  Kathrine, 
Lat  de  Sonnke  schine, 
Lat  den  Regen  vergane, 
Lat  de  Sonnke  käme! 
Sonnke,  Sonnke,  schin  wedder 
Möt  de  gold'ne  Fedder! 

Zu  gewissen  Zeiten  und  an  bestimmten  Tagen  ist  der  Regen  von 
ganz  besonderer  Bedeutung. 

Die  Gäste,  die  Freitags  kommen,  bleiben  über  Sonntag.  (Dönhoffstädt.) 

Frühregen  und  alter  Weiber  Tänze  dauern  nicht  lange.  (Bock, 
Nat.  I,  359.    Sprichw.  I,  1010.) 

Wenn  Januar  viel  Regen  bringt,  werden  die  Gottesäcker  gedüngt.  — 
Im  Januar  viel  Regen,  wenig  Schnee,  thut  den  Bäumen,  Thälern  und 
Bergen  weh.    (Ostpr.    Böbel  71.) 

St.  Pauli  (25.  Jan.)  klar  bringt  ein  gutes  Jahr;  so  er  bringt  Wind, 
regnet's  geschwind.  (Westpr.) 

Regen  am  Karfreitage  bedeutet  ein  trockenes,  aber  fruchtbares  Jahr. 

Wenn  es  am  Ostertage  regnet,  so  regnet  es  alle  Sonntage 
bis  Pfingsten. 

Wie  es  im  März  regnet,  so  regnet  es  auch  im  Juni.  Märzregen, 
dürre  Ernte.  Märzenregen  sollst  wieder  aus  der  Erde  fegen.  Märzregen 
bringt  keinen  Segen:  es  bleibt  der  Sommer  trocken  und  die  Ähre  hocken. 
(Westpr.   Böbel  81  f.) 

Aprilregen  ist  den  Bauern  gelegen.  An  Aprils  Regen  ist  viel 
gelegen;  ein  trockner  April  ist  nicht  der  Bauern  Will*.  —  Warmer 
Aprilregen  grosser  Segen.  (Ostpr.  Westpr.  Böbel  86  f.)   Doch  in  Westpr. 


")  Preussische  Volksreime  und  Volksspiele.  Von  H.  Frischbier.  Berlin  1867. 


/ 


230  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

auch:  Trockner  April  ist  des  Landmanns  Will1.  —  Auf  einen  nassen 
April  folgt  ein  trockner  Juni. 

Wenn's  im  Mai  recht  regnet,  wird's  Jahr  wohl  gesegnet.  —  Mai- 
regen  —  Gottessegen.  (Dönhoffstädt.)  —  Im  Mai  soll  dem  Hirten  der 
Bock  (Sack)  vom  Leibe  faulen,  dann  wird's  ein  gutes  Jahr.  —  Mai, 
kühl  und  nass,  füllt  Scheun'  und  Fass.  —  Hegen  am  1.  Mai  verschlägt 
nicht.  (Oberland.)  —  Regen  in  Walpurgisnacht  deutet  ein  gutes  Jahr. 
(Westpr.)  —  Regnet  es  am  1.  Mai,  dann  regnet  es  Mäuse,  d.  h.  es 
giebt  in  dem  Jahre  viele  Mäuse,  das  Jahr  wird  also  ein  trockenes 
sein.  —  Wasser,  das  im  Mai  steht,  bringt  den  Wiesen  Schaden.  (Masuren. 
Westpr.  Böbel,  91.)  —  Auf  nassen  Mai  kommt  trockner  Juni  herbei. 

Die  drei  Azius  ohne  Regen,  dem  Weizen  bringt  es  grossen  Segen. 
(Die  drei  Azius  sind:  Pankratius,  12.  Mai;  Servatius,  13.  Mai; 
Bonifacius,5.  Juni  (in  Ostpr.  Bonifacius  Märt.  14.  Mai);  —  sie  heissen 
auch  die  „strengen  Herren'',  weil  an  diesen  Tagen  die  Witterung 
stets  kalt  ist).  Böbel  hat  die  hierhergehörigen  Reime  für  Westpr.  in 
folgender  Fassung:  Pankratius,  Horatius,  Servatius,  der  Gärtner  sie 
beachten  muss;  gehn  sie  vorüber  ohne  Regen,  dem  Weizen  bringt  es 
grossen  Segen.  —  Mamertus  (11.  Mai),  Pankratius,  ,  Servatius  haben 
oft  Kälte  und  Ärgernus.  —  Pankratius  und  Urbanus  (25.  Mai)  ohne 
Regen  bringt  grossen  Erntesegen. 

Wenn  es  Pfingsten  regnet,  wird  keine  Frucht  gesegnet,  —  giebt 
es  eine  nasse  Ernte. 

Regnet  es  am  Medard listige  (8.  Juni),  so  ist  in  40  Tagen  kein 
beständiges  Wetter  zu  erwarten.  —  Medardi  Regen  giebt  der  Gerste 
keinen  Segen.  —  Was  der  Juni  beregnet,  lebt  es,  er  auch  segnet 
(Westpr.   Böbel  97.) 

Regen  am  St.  Vit i tag  (15.  Juni),  die  Gerste  nicht  vertragen  mag. 
0  heil'ger  Veit,  o  regne  nicht,  damit  es  nicht  an  Gerst1  (Gras)  gebricht! 

Von  St.  Veit  bis  Johannistag  viel  Nässe  nicht  gedeihen  mag. 

Vor  Johann  (24.  Juni)  muss  man  um  Regen  bitten,  nach  Johann 
kommt  er  von  selbst.  —  Regnet  es  am  Johannistage,  so  regnet  es 
Mäuse,  —  so  giebt  es  eine  nasse  Ernte,  —  so  gedeihen  die  Nüsse  nicht.  — 
Johannisregen  ohne  Segen.   (Braunsberg.) 


Von  H.  Frischbier.  231 

Regnet  es  an  Sieben-Schläfern  (27.  Juni),  so  regnet  es  7  Wochen. 

Segnet  es  an  Maria  Heimsuchung  (2.  Juli),  so  regnet  es  40  Tage 
und  man  hat  so  lange  kein  Heu. 

Regnet  es  am  Sieben-Brüdertage  (10.  Juli),  so  regnet  es 
7  Wochen;  ist  aber  der  Tag  schön  und  klar,  so  hält  sich  das  Wetter 
7  Wochen  ebenso  schön.  —  Sieben-Brflder  Regen  bringt  weder  Nutzen 
noch  Segen. 

Wenn  Margarete  (13.  Juli)  pisst,  d.  h.  wenn  es  an  diesem  Tage 
regnet,  dann  pisst  sie  7  Wochen,  —  dann  geraten  die  Nüsse  nicht.  — 
Wenn  Margarete  pisst,  missrät  die  welsch"  und  Haselnuss.  (Westpr.) 

Ist  Apostelteilung  (15.  Juli)  ein  schöner  Tag,  so  hebt  er  den 
Regen  der  sieben  Brüder  auf;  regnet  es  jedoch  an  diesem  Tage,  so 
hält  der  Regen  noch  4  Wochen  länger  an  —  nach  andern  noch  7  Wochen. 

Wenn't  regent  Magdalene  (22.  Juli),  frett  se  de  Nät'  allene. 

Morgenregen  im  August  legt  sich  noch  vor  Mittag.  —  Wenn  es 
Bartholomäi  regnet,  wird  der  Herbst  trocken  und  die  Kartoffeln  geraten 
gut.   (Ermland.  Dönhoffstädt.) 

Septemberregen  dem  Bauer  gelegen.  —  Wie  Ägidius  (1.  Septbr.) 
sich  verhält,  ist  der  ganze  Herbst  bestellt.  Regen  an  Ägiditag  giebt 
nassen  Herbst.  Ist  an  diesem  Tage  schönes  Wetter,  so  dauert  dieses 
noch  4  Wochen.  (Dönhoffstädt.)  Regnet  es  am  Michaelistage  (29.  Septbr.) 
nicht,  so  kommt  ein  gutes  Frühjahr,  regnet  es  ohne  Gewitter,  so  kommt 
ein  gelinder  Winter.   (Weslpr.) 

Im  November  Wässerung  ist  den  Wiesen  Besserung. 

Wenn  es  im  Herbste  weiss  friert,  ist  bald  Regen  da.  (Egsbg. 
Böbel  115.) 

Weihnachten  nass,  giebt  leere  Speicher  und  Fass.  —  Regnet  es 
unter  der  Miss',  regnet  es  Woch'  über  gewiss.  (Volkskal.  83  ff.  N.  Pr. 
Prov.-Bl.  a.  F.  X,  S.  277  ff.   Sprich w.  I,  3105.) 

Schnellen  sich  die  Fische  bei  heiterem  Himmel  häufig  aus  dem 
Wasser,  so  steht  in  Kürze  Regen  bevor.   (Dönhoffstädt.) 

Der  Pirol  (Regenvogel)  zeigt  durch  sein  anhaltendes  Geschrei 
nahen  Regen  an.  Dasselbe  thun  die  Hähne,  wenn  sie  bei  Tage  viel 
krähen.  (Dönhoffstädt.) 


232  "  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Wenn  die  Schafe  viel  springen  und  beim  Heimtreiben  hartnäckig 
das  Gras  am  Wege  abfressen  wollen,  dann  ist  der  Regen  nicht  weit. 
(Dönhoffstädt.) 

Wenn  Salz,  Steine,  Mauern,  die  Fussböden  tief  gelegener  Häuser 
nass  werden,  die  Wassertonne,  die  auf  dem  Lande  in  der  Wohnstube 
nahe  am  Kamin  steht,  von  aussen  feucht  wird,  dann  giebt's  Regen  — 
im  Winter  Tauwetter. 

In  der  Gegend  von  Saalfeld  giebt's  Regen,  wenn  der  untere  Boden- 
rand an  Wassertonnen  und  Eimern,  die  Kimmje  (Kimme)  feucht  wird. 
(Lemke  107.) 

Ein  dampfender  Wald  verkündet  Regen  innerhalb  24  Stunden.  — 
Wenn  es  in  der  Sommernacht  nicht  taut,  wird's  am  Tage  darauf 
regnen.  —  Regen  ist  in  Aussicht,  wenn  das  Fell  des  Hundes  besonders 
unangenehm  riecht,  und  wenn  der  Hund  Gras  frisst.  —  Wenn  dem 
Menschen  im  Sommer  „so  faula  zu  Mute  ist,  giebt's  Regen.  —  Ein 
Wolkengebilde,  das  sich  quer  über  den  Himmel  erstreckt  und  unge- 
fähr einem  Baume  ahnt,  welchen  Namen  es  auch  führt,  verkündet  einen 
drei  Tage  anhaltenden  Regen.  (Saalfeld.   Lemke  107.) 

Wenn  es  vor  6  Uhr  morgens  zu  regnen  beginnt,  so  wird  das  Wetter 
am  Tage  noch  schön.  (DöhnhofFstädt.) 

Gewitterregen  am  Abend  soll  nie  über  nachts  12  Uhr  andauern. 
(Samland.) 

Regenwasser  ist  ein  gutes  Mittel  gegen  Warzen.  Man  benetzt 
mit  dem  Wasser,  das  sich  auf  einem  Steine  angesammelt  hat,  die 
Warzen  und  geht,  ohne  zu  sprechen  und  ohne  sich  umzusehen,  weiter. 
(Hohenstein.  Toppen  S.  55.) 

Wenn  es  bei  Sonnenschein  regnet,  so  sagt  man :  der  Wolf  hat  das 
Fieber  —  die  Wölfe  pissen.  (Sprichw.  I,  4103.) 

Einen  hohen  Hut,  wohl  auch  einen  Menschen  von  bedeutender 
Körperlänge,  nennt  man  einen  Wolkenschieber. 

Rätsel:  Auf  dem  Lehm  läuft  er,  in  dem  Sande  geht  er  ohne 
Spektakel.  Po  glinie,  tylko  plynie  na  piasku,  bez  trzasku.  (Masuren.) 
Der  Regen.  —  Et  heft  noch  nie  twei  Däg  nau  enander  geregnet.  Es 
liegt  eine  Nacht  zwischen  zwei  Tagen. 


Von  H.  Friichbier.  233 

Hagel. 

De  Hagel  helft  dem  Regen  op  em  Zägel  —  der  Hagel  hat  den 
Regen  im  Gefolge.    (Samland.) 

Wäscherinnen,  welche  Wäsche,  die  am  Sonnabend  Nachmittag  ge- 
waschen wurde,  mit  dem  sogenannten  Waschholze  klopfen,  rufen  den  Hagel 
herbei,  der  die  Feldfrüchte  zerschlägt.    (Volkskal.  144.) 
Vor  Hagelschlag  bewahren  die  Johannisfeuer. 

In  Masuren  wird  der  Hagel  auf  folgende  Weise  beschworen :  Die 
Hagelwolke  anschauend,  musst  du  dich  segnen  im  N.  0.  2C;  dann 
sprich:  Vater  unser  2C.  und  darauf  dies  Gebet:  0  ihr  schändlichen 
Hagelwolken,  es  befiehlt  euch  Christus  der  Herr,  der  Mann  Gottes,  durch 
mich  seinen  unwürdigen  Diener,  ihr  sollet  hinwegziehen  nach  andern 
wüsten  Orten  und  dort  zerstieben,  auf  dass  ihr  den  Dörfern,  den  Gärten, 
den  Feldern  keinen  Schaden  thut  durch  Gottes  Macht  und  mit  des 
Sohnes  Gottes  und  des  h.  Geistes  Hilfe.    (Toppen  S.  46.) 

Tau  und  Beif. 

Wenn  sich  der  Tau  des  Sommers  über  der  Niederung  lange  auf- 
hält, so  ist  das  nach  Annahme  der  Bewohner  der  Höhe  Vorzeichen 
eines  klaren  Wetters.  (Bock  I,  361.) 

Tau  im  März,  um  Pfingsten  Reif,  im  August  ein  Nebelstreif. 
(Westpr.   Böbel  82.) 

Der  Tau  ist  im  August  so  not,  als  jedermann  sein  täglich  Brot; 
entzieht  er  sich  gen  Himmel,  herab  kommt  ein  Getümmel.  (Westpr. 
Böbel  103.) 

Taulose  Nächte  deuten  auf  nahen  Regen.  (Dönhoffstadt.) 

Der  Reif,  namentlich  früher  Herbstreif,  wird  den  dritten  Tag  vom 
Regen  abgespült.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  im  Advent  Reif  an  den  Bäumen  sich  zeigt,  wird  es  ein  frucht- 
bares Jahr  geben.  (Masuren.) 

Robrreift  es  in  den  Zwölften,  so  gerät  die  Gerste  gut.  (N.  Pr. 
Prov.-Bl.  a.  F.  X,  280  u.  283.) 

IVebel. 

Wenn  Nebel  aus  niedrigen  Feldern,  Flüssen  und  Teichen  sich 
langsam  erheben  und  nach  den  Anhöhen  aufsteigen,  so  regnet  es  bald; 

4ltpr.  MoMUichrlft  Bd.  XXIL  Hft.  3  d.  i  16 


234  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

verziehen  sie  sich  aber,  oder  die  Sonne  zerstreut  und  verzehret  sie,  so 
bedeutet  es  schön  Wetter.  Erheben  sich  Nebel  bei  heiterem  Himmel 
und  Aufgang  der  Sonne,  so  entstehen  Stürme,  wenn  sie  aber  als  ein 
feiner  Staubregen  herabfallen,  so  bringen  sie  klares  Wetter.  Wenn  des 
Morgens  eine  Nebelwolke  vor  der  Sonne  hergehet,  oder  des  Abends  ein 
dicker  Nebel  fällt,  so  regnet  es  gewöhnlich.  (Bock,  Nat.  I,  360.) 

Viel  Nebel  in  den  Zwölften  verspricht  für  das  kommende  Jahr 
Gedeihen  des  Rundgetreides.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  es  in  den  ersten  Tagen  der  Zwölften  neblig  ist,  gerät  die 
frühe,  trifft  der  Nebel  in  die  letzten  Tage,  die  späte  Gerstenaussaat. 
(Heilsberg.   Böbel  69.) 

Nebel  im  Januar  macht  ein  nass  Frühjahr. 

Soviel  im  Märzen  Nebel  steigen,  soviel  im  Sommer  sich  Wetter 
(Gewitter)  zeigen.  (N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  X.  275.  277.) 

Hundert  Tage  nach  einem  Märznebel  treten  Regen  und  Gewitter  ein. 
(Ostpr.  Böbel  80.) 

So  viele  Mal  im  März  Nebel  eintritt,  so  oft  giebt's  von  Gewittern 
begleitete  Regenfluten.  Der  kluge  Bauer  rechnet  genau  nach,  damit  er 
mit  ziemlicher  Sicherheit  seine  Feldarbeiten  regeln  kann.  (Samland.) 

Viele  Nebel  im  Herbst  deuten  auf  schneereichen  Winter.  (Königs- 
berg.  Böbel  116.) 

Schnee  und  Eis« 

Wenn  es  schneit,  so  sagt  man:  Die  Mutter  Maria  macht  Bett,  — 
schüttet  die  Betten  aus;  in  der  Saalfelder  Gegend:  Frau  Holle  klopft 
sich  das  Bett  zurecht.  (Lemke  108.) 

Das  Schneejahr  gilt  in  Ostpreussen  als  ein  reiches  Jahr.  (Medenau. 
Böbel  120.)  In  Westpreussen  heisst  es  dagegen :  Viel  Schnee  viel  Heu, 
doch  wenig  Korn  und  Obst  dabei.  (Böbel  135.) 

Kleiner  Schnee  bringt  anhaltende  Kälte;  grosser  vieleckiger,  der 
wie  Wolle  und  Federn  herabfällt,  gemässigte  Kälte  oder  Tauwetter. 
(Bock,  Nat.  I,  362.) 

Wenn  zwischen  Weihnachten  und  Neujahr  grosse  Schneeflocken 
fallen,  so  sterben  im  nächsten  Jahr  vorzüglich  alte  Leute;  fallen  kleine 
Schneeflocken,  so  sucht  der  Tod  vorzüglich  junge  Leute.  (Toppen  S.  63.) 


^ 


Von  H.  FriBchbier.  235 

Ehe  ein  beständiger  Winter  eintritt,  müssen  erst  sieben  Winter 
vergehen. 

Die  heiligen  drei  Könige  (6.  Januar)  bauen  entweder  eine  Brücke 
oder  zerbrechen  eine.  —  Wenn  (in  Westpr.)  de  hillige  Christ  en  Brügge 
find't,  so  brickt  he  se,  find't  he  kene,  so  raackt  he  ene.  (Böbel  68.)  — 
Dasselbe  thut  Matthäus  (24.  Febr.)  nach  dem  bekannten  Spruche: 

Matthees  bricht  Es, 
Hat  er  kes, 
Macht  er  wes. 

Wenn's  im  Februar  nicht  tüchtig  wintert,  kommt  die  Kälte  um 
Ostern.  —  To  Lichtmösse  (2.  Februar)  geit  de  Schnei  pösse.  — 
St.  Dorothee  (6.  Febr.)  bringt  den  meisten  Schnee.  (Westpr.) 

Der  Storch  schnee  muss  herunter.  (Storchschnee  heisst  der  Schnee- 
regen im  März  und  April;  ist  er  nicht  gefallen,  so  können  die  Störche 
nicht  anlangen.) 

Am  St.  Gregor  (12.  März)  rennt  der  Schnee  zum  Meer.  (Masuren.) 
Bei  Böbel:  Am  Gregorstag  geht  nunmehr  der  Winter  in  das  Meer. 

Friert  es  Maria  Verkündigung  (25.  März),  so  haben  wir  noch 
40  Nächte  hindurch  Frost  zu  erwarten. 

März  schnee  ist  Dung  der  Saat.  (Bastenburg.  Böbel  79.)  Doch 
heisst  es  auch:  Märzschnee  thut  der  Saat  weh;  Märzstaub  golden  Laub. 
(Königsberg.  Böbel  80.)  —  Wenn  man  sich  mit  Märzschnee  wäscht, 
so  bleibt  man  immer  jung.  (Königsberg.) 

Im  März  müssen  die  Sprinde  zufrieren  (wenn  der  Winter  milde  war). 
(Dönhoffstädt) 

Wenn  der  Schnee  im  Frühjahr  mit  Regen  abgeht,  giebt's  häufig 
Gewitter.   (Bastenburg.  Böbel  113.) 

Sei  der  April  auch  noch  so  gut,  er  schickt  dem  Schäfer  doch 
Schnee  auf  den  Hut.  Doch :  Im  April  ein  tiefer  Schnee,  keinem  Dinge 
thut  er  weh.  (Westpr.  Böbel  88.) 

Friert's  in  der  Nacht  zum  10.  April,  so  friert  es  noch  40  Nächte. 
(Willgaiten.  Samland.) 

Kommt  St  Georg  (23.  April)  auf  dem  Schimmel  geritten,  so  giebt 

es  ein  gutes  Frühjahr,  (Memel.) 

Der  Mai  ist  selten  so  gut,  er  bringt  dem  Zaunpfahl  noch  einen  Hut. 

16* 


236  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Wenn  am  Jakobstage  (25.  Juli)  weisse  Wölkchen  bei  Sonnen- 
schein am  Himmel  stehen,  so  sagt  man :  Der  Schnee  blüht  für  den 
nächsten  Winter.  (Westpr.  Böbel  37.) 

Viel  Frost  und  Schuee  im  Oktober  deuten  auf  einen  unbeständigen 
Winter;  in  Westpr.  (nach  Böbel  107)  auf  milde  Witterung  im  Januar. 

St.  Gallen  (16.  Okt.)  lässt  Schnee  fallen.—  Ist  es  zu  St  Gallen 
trocken,  so  folgt  ein  trockner  Sommer.  (Westpr.) 

Fällt  im  November  der  erste  Schnee  auf  gefrorenes  Land,  so 
folgt  eine  reiche  Ernte;  im  Gegenteil  ist  dies  nicht  der  Fall.  —  Fällt 
im  November  der  Schnee  in  den  Kot,  giebt's  grosse  Not.  (Böbel  110.)  — 
Fällt  der  erste  Schnee  in  den  Dreck,  so  ist  der  Winter  ein  arger  Geck. 
(Medenau*  Böbel  116.)  -—  Fällt  der  erste  Schnee  ins  Nasse,  so  bleibt  er, 
fällt  er  ins  Trockne,  so  geht  er  bald  wieder  ab.  (Memel.  Böbel  120.) 

Wenn's  um  Martin  (11.  Novbr.)  friert,  gehen  die  Gänse  zu  Weih- 
nachten „aufm"  Dreck.  Auch:  Tritt  die  Gans  Martini  auf  Eis,  tritt 
sie  Weihnachten  auf  Seh—. 

Katharinen  (25. Novbr.)  Winter,  ein  Plack winter. 

St.  Simon  Jüd  (Simon  u.  Juda,  28.  Novbr.)  bringt  den  Winter 
unter  de  Lud'.  (Westpr.) 

Andreas  (30.  Novbr.)  Schnee  thut  den  Saaten  weh. 

Kälte  im  November  und  Dezember  ist  nicht  von  Dauer:  —  um 
Neujahr  tritt  Tauwetter  ein;  geschieht  dies  aber  nicht,  so  folgt  ein 
anhaltender  Winter. 

Dezember  kalt  mit  Schnee  giebt  Korn  auf  jeder  Höh'.  —  Kalter 
Dezember  mit  vielem  Schnee  verheisst  ein  fruchtbares  Jahr.  (Pr.  Prov.-Bl. 
a.  F.  X,  276  ff.   Toppen  S.  63.   Böbel  111.) 

Zur  Bezeichnung  eines  starken  Frostes  hört  man  die  Redensarten: 
Es  friert,  dass  die  Katzen  miauen  —  es  friert  Keulen;  es  friert  einem 
das  Brot,  die  Seele  im  Leibe  —  das  Wasser  im  Maul,  —  frieren,  dass 
einem  die  Seele  im  Leibe  pfeift.  (Sprichw.  I,  994  f.;  II,  810.) 

Bätsei:  Der  Schnee:  Ich  bin  glänzend,  weiss  und  rein,  aber 
schmutzig  hinterdrein.  —  Et  war  e  mal  e  Mann  von  Hacketecke, 
de  hadd  e  wittet  Lake  on  wull  de  ganze  Welt  bedecke  on  kern  nich 
Uwer't  Wäter.  Auch:  Kern  e  Mannke  von  Höckepöcke,  hadd  e  grotet  Lake, 


Von  H.  Frischbier.  237 

kunn  de  ganze  Welt  bespanne,  kunn  nich  äwer't  Wäter.  (Gerdauen.)  — 
Kommt  ein  (der)  Vogel  Federlos,  setzt  sich  auf  den  Baum  Blattlos, 
kommt  die  Jungfer  Mundlos  und  frisst  den  Vogel  Federlos  vom  Baume 
Blattlos.  In  Litauen  lautet  dies  Rätsel,  das  sich  schon  im  „Keterbüchlein" 
vom  Jahre  1562  findet,  nach  Schleicher,  Lit.  Märchen  :c.  S.  208:  Kam 
geflogen  ein  Vogel  von  Osten  und  setzte  sich  auf  einen  Baum  ohne 
Aste;  kam  eine  Jungfrau  ohne  Fusse  und  verzehrte  ohne  Lippen  den 
Vogel.  —  Was  hat  keinen  Hintern  und  sitzt,  was  hat  keine  Zähne 
und  beisst?  Schnee  und  Frost.  Co  dupi  nie  ma,  a  siedzi,  co  zgbow 
nie  ma  a  k%sa.  (Masuren.) 

Das  Eis:  Et  ös  e  Brügg,  de  heft  keinMönsch  gemäkt,  se  ös  nich 
von  Sten,  ok  nich  von  Holt,  on  könne  doch  Mönsche  on  Perd'  dräwer 
gäne.  —  E  61er  Korw,  e  nüer  Deckel.   Ein  zugefrorner  Teich. 

Der  Eiszapfen:  Rund  om  ons  Hüs  Kriggelkraggelkrüs.  Wenn 
de  Sonnke  schint,  desto  doller  grint  Kriggelkraggelkrüs  rund  om  ons 
Hüs.  —  Hinger  onsem  Hüs  hängt  de  Kruckelkrüs,  wenn  nu  fangt  de 
Sonn'  to  schlne,  fangt  de  Kruckelkrüs  to  grine.  Statt  dieser  Namen 
noch:  Kuckernüs  (Angerburg)  —  Kringkrangkrüs  (Wehlack)  —  Kunkel- 
füs  —  Komkelfüs  —  Peter  Krüs  (Kraus).  —  Die  letzten  Verse  lauten 
auch:  Je  mehr  (je doller)  de  lewe Sonnke  schint,  je  mehr  *c.  grint.— 
Sonnke  schint,  Bommelke  grint.  (Süllen.) 

IL  Die  Elemente. 

Feuer  und  Wasser« 

Die  Wissenschaft  hat  zwar  die  „vier  Elemente,  innig  gesellt",  ausser 
Kurs  gesetzt;  dennoch  aber  „bilden  Feuer,  Wasser,  Luft  und  Erde  noch 
immer  das  Leben  und  bauen  die  Weltu. 

Das  Volksrätsel  sagt  von  ihnen:  Vier  Brüder  sandte  Gott  in  die 
Welt:  der  erste  läuft  und  wird  nicht  matt,  der  zweite  frisst  und  wird 
nicht  satt,  der  dritte  frisst  und  wird  nicht  voll,  der  vierte  pfeift  und 
rast  wie  toll.   (N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  291.) 

Unter  diesen  „vier  Brüdern"  sind  namentlich  Feuer  und  Wasser 
für  den  schlichten  Mann  des  Volkes  von  hervorragender  Bedeutung : 
er  weiss  ihren  Wert  zu  schätzen  und  fürchtet  ihre  Gewalt. 


238  ^ur  ▼oHMtÜrolichen  Naturkunde. 

Die  „furchtbare  Himmelsmacht"  des  Feuers  jagt  ihm  Schrecken 
ein,  und  da  menschliche  Kraft  der  „freien  Tochter  der  Natur"  oft  ohn- 
mächtig gegenübersteht,  liegt  es  nahe,  höhere  Gewalten  zur  Fesselung 
dieses  zerstörenden  Elementes  anzurufen. 

So  begegnen  wir  denn  auch  mancher  Zauberformel,  welche  im  stände 
ist,  die  Gewalt  des  Feuers  zu  dämpfen  und  ihr  ein  Halt  zu  gebieten, 
und  es  würden  deren  mehr  bekannt  sein,  wenn  nicht  die  Wissenden 
ihre  Kunst  geheim  hielten  und  des  Glaubens  lebten,  dass  diese  durch 
Verrat  geschwächt  werde. 

Den  nachfolgenden  Segensspruch,  der  die  Kraft  besitzt,  eine  Feuers- 
brunst zu  dämpfen,  wenn  man  ihn  dreimal  gegen  das  Feuer  spricht  und 
darauf  das  Vater  unser  betet  ohne  Amen  zu  sagen,  ist  mir  von  dem 
Lehrer  Nippa  in  Budweitschen,  Kr.  Goldap,  mitgeteilt.  Derselbe  bemerkt 
in  dem  Begleitschreiben,  dass  er  die  Formel  (vor  etwa  40  Jahren)  von 
dem  pensionierten  Lehrer  Kornatz  in  Lissen,  Kr.  Angerburg,  gleichsam 
als  ein  teuerwertes  Vermächtnis  erhalten  habe,  auf  dass  mit  dessen 
Tode  der  Segen  des  Spruches  nicht  untergehe.  Die  Formel,  inzwischen 
in  „Hexenspruch  und  Zauberbann"  veröffentlicht,  lautet: 

Bauch  und  Feuer,  stehe  stille 
Um  Christi,  unsres  Erlösers  Wille, 
Und  behalte  bei  dir  Feuer  und  Flamme, 
Wie  Maria  ihre  Jungfrauschaft  vor  und  nach  ihrem  Manne. 

I.  N.  G.  je. 

Der  das  Feuer  Besprechende  muss  zu  Pferde  sitzen  und  zwar  aut 
einem  „weissen"  Schimmel.  Er  umreitet  dreimal  die  Brandstätte,  spricht 
dabei  die  beschwörende  Formel  und  jagt  nach  vollendeter  Besegnung 
nach  der  Eichtung  davon,  in  welcher  keine  Gebäude  stehen.  Sogleich 
dreht  sich  der  Wind,  und  die  Flamme  eilt  dem  Davonjagenden  nach. 
(Dönhoffstädt.) 

Nach  einer  Mitteilung  aus  Alt-Pillau  wirft  der  das  Feuer  Be- 
schwörende ein  Stück  Zinn  in  die  Flammen,  worauf  die  bekannte  Sator- 
Formel  geschrieben  steht. 

So  wie  der  dreifache  Umritt  um  das  brennende  Gebäude  geschehen, 
wirft  der  Beratende  das  Zinn  im  Namen  des  dreieinigen  Gottes  in  die 
Flammen  und  jagt  schnell  davon.  Das  Zinn  zerschmilzt,  das  Feuer  erlischt. 


Von  H.  Frischbier.  239 

Aus  Plibischken,  Kr.  Wehlau,  ist  mir  die  nachfolgende  Formel 
mitgeteilt,  welche  während  eines  dreimaligen  Umganges  um  die  Brand- 
stätte zu  sprechen  ist: 

Feuer,  Feuer,  du  heissest  Flamme, 
Dich  (!)  gebietet  Gottes  Lamme, 
Dass  du  sollest  stille  stehn 
Und  Dicht  mehr  sollst  weiter  gehn! 

Weitere  Formeln  gegen  Feuersbrünste  s.  Toppen  S.  47.  49;  vgl. 
auch  Hexenspr.  S.  108  ff. 

Pisanski,  in  seinen  Überbleibseln  des  Heidentums  *c.  in  Preussen 
(No.  22,  §.  7),  leitet  aus  der  hohen  Verehrung,  die  dem  Feuer  in  früherer 
Zeit  zu  teil  wurde,  die  (heute  wohl  kaum  noch  übliche)  Gewohnheit  her, 
„dass  man  einander  einen  guten  Abend  wünschet,  sobald  des  Abends 
zuerst  ein  Licht  in  die  Stube  gebracht  wird,  wenn  diese  Höflichkeits- 
bezeigung gleich  vor  Anzündung  desselben  bereits  beobachtet  wäreu. 

Derselbe  berichtet  noch:  Am  Johannistage  abends  versammelt  sich 
das  Dorf,  legt  Heiser  zusammen,  macht  ein  Feuer,  tanzt  und  jauchzt 
um  dasselbe.  —  Anderwärts  löscht  man  alles  Feuer  an  jenem  Abende 
aus,  ein  eichener  Pfahl  wird  eingerammt,  ein  Bad  hinaufgelegt  und  von 
den  Knechten  umzech  so  lange  gedreht,  bis  es  zündet.  Jeder  nimmt 
alsdann  einen  Brand  nach  Hause  und  steckt  das  Feuer  wieder  an. 

An  vielen  Orten  Preussens  und  Litauens  werden  noch  am  Abende 
vor  Johann  die  s.  g.  Johannsfeuer  angeschürt;  man  sieht  sie  dann 
auf  allen  Höhen,  so  weit  das  Auge  reicht.  Diese  Feuer  helfen  gegen 
Gewitter,  Hagelschlag  und  Viehsterben,  besonders  wenn  man  am  folgen- 
den Morgen  das  Vieh  über  die  Brandstelle  auf  die  Weide  treibt;  auch 
dienen  sie  gegen  allerlei  Zauberei  und  Milchbenehmung. 

Darum  gehen  die  Bursche,  welche  die  Feuer  anzündeten,  am  folgen- 
den Morgen  von  Haus  zu  Haus  und  sammeln  Milch  ein.  (Volkskai.  109. 
Preuss.  Wörterb.  I,  317.) 

Wenn  das  Feuer  auf  dem  Herde  oder  im  Ofen  knistert  und  prasselt 
und  braust,  so  geht  eine  Hexe  hindurch  (Wehlau),  —  so  wird  man 
beschändet.  (Dönhoffstädt.)  Schüttet  man  Salz  hinein,  so  wird  die  Hexe 
vertrieben,  die  Lästerzunge  von  Blasen  heimgesucht.  —  Brausendes 
Feuer  zeigt  auch  kommenden  Verdruss  im  Hause  an;  man  hält  ihn 


240 


Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 


fern,  wenn  man  dreimal  ins  Feuer  speit.  (Königsberg.)  Letzteres  hilft  auch 
gegen  die  Verleumdung,  indem  es  die  Lästerzunge  bindet.  (Dönhoffstädt) 

Wenn  man  von  jemand  Feuer  oder  Licht  erbittet,  so  darf  man, 
wenn  man's  erhalten,  nicht  danken,  sonst  verfolgt  eineu  das  Feuer.  (Kgsbg.) 

Dass  die  Kraft  des  Feuers  als  Bild  für  manche  volkstümliche  Rede 
gedient,  ist  selbstverständlich;  ich  beschränke  mich  bei  Anführung  solcher 
Kedensarten  —  wie  bisher  —  ausschliesslich  auf  die  Provinz  Preussen. 

Ben  Akiba  der  Weise  sagt:  Es  giebt  nichts  Neues  unter  der  Sonne, 
und  der  kluge  Kömer  wusste,  dass  ihm,  dem  Menschen,  das  Menschliche 
nicht  fern  bleibe;  die  preussische  (deutsche)  Volksweisheit  drückt  die- 
selben Gedanken  durch  die  Redensart  aus:  Es  wird  überall  mit 
Feuer  (mit  Wasser)  gekocht. 

Cholerische  Menschen  sind  gleich  Feuer  und  Fett  gegen  einander, 
und  jeder  Leichterregte  und  Aufbrausende  ist  wie  angestecktes  Feuer, 
ist  gleich  Feuer  und  Flamme.  Dem  Trägen  und  Langsamen,  dem 
Phlegmatischen  dagegen  legt  man  Feuer  in  oder  unter  die  Socken, 
unter  die  Sohlen,  unter  die  Füsse,  oder  macht  ihm  gar  Feuer 
unter  den  Zagel,  damit  er  vorwärts,  damit  er  aus  seiner  Buhe  komme. 

Dass  überall  mit  Wasser  gekocht  wird,  hörten  wir  eben.  Das 
Volk  weiss  überhaupt  den  Wert  des  Wassers  zu  schätzen:  Man  muss 
selbst  das  unreine  Wasser  nicht  eher  ausgiessen,  als  bis 
man  reines  hat  —  will  sagen,  eine  gute  Stellung  soll  man  nicht 
aufgeben,  ehe  man  nicht  eine  bessere  gefunden.  Spi  nich  ön't 
Wäter,  dat  du  noch  drinke  motst!  ruft  man  in  Ostpreussen,  und 
der  Litauer  hat  diese  Mahnung  sogar  in  verstärkter  Form:  Spuck 
nicht  in  die  Pfütze,  vielleicht  wirst  du  später  selbst  daraus 
trinken.  (Schleicher  S.  185.)°) 

Dennoch  ist  das  Volk  unter  Umständen  auch  zugleich  ein  herber 
Verächter  des  Wassers:  —  Wasser  giess'  ich  mir  nicht  einmal 
in  die  Stiebel!  Vom  Wassertrinken  bekommt  man  Läuse 
(Filzläuse)  in  den  Magen!  sagt  der  Freund  des  Bieres,  Branntweins 


•)  Littauische  Märchen,  Sprichworte,  Rätsel  und  Lieder  von  A,  Schleicher. 
Weimar  1857. 


Von  H.  Frischbier.  241 

und  Weins,  wohl  wissend,  dass  Wasser  mag're  Poeten  macht.  Der  Jagend 
dagegen  weiss  er  das  Wasser  als  das  passendste  und  zuträglichste  Getränk 
zu  empfehlen;  die  nach  starkem  Getränken  verlangenden  Kinder  er- 
halten die  ablehnende  Weisung:  Wasser  für  die  Gans9! 

Es  giebt  Leute,  die  sich  so  unschuldsvoll  und  schüchtern  zu  geben 
wissen,  als  könnten  sie  kein  Wasser  betrüben,  d.  h.  trüben,  und 
dennoch  haben  sie  den  Teufel  im  Nacken  und  den  Schalk  im  Herzen. 
Würde  man  solchen  Leuten  in  ihren  verkehrten  Ansichten  oder  schlechten 
Absichten  beistimmen,  so  wäre  das  Wasser  auf  ihre  Mühle. 

Eine  Sache  oder  Arbeit,  die  sich  nicht  so  leicht  und  schnell  ab- 
thun  oder  beenden  lässt,  braucht  zu  ihrer  besonnenen  Ausfuhrung  Zeit, 
es  muss  bis  dahin  noch  viel  Wasser  den  Berg  hinunterlaufen  — 
und  dass  das  Wasser  den  Berg  nicht  hinaufläuft,  weiss  der  Bauer 
so  gut  wie  der  Gelehrte,  beide  wollen  daher  nicht  Unmögliches  aus- 
geführt sehen. 

Eine  besondere  Wunderkraft  schreibt  das  Volk  dem  Osterwasse r, 
d.  h.  dem  in  der  Osternacht  vor  Sonnenaufgang  geschöpften  Wasser,  zu. 
Es  soll  die  Schönheit  nicht  allein  erhalten,  sondern  auch  erzeugen,  die 
Sommersprossen  und  alle  Ausschläge  vertreiben,  auch  gegen  alle  Krank- 
heiten dienen  und  nie  faulen;  daher  bewahrt  man  es  lange  auf.  Das 
Osterwasser  übt  jedoch  seine  Wirkung  nur,  wenn  der  Träger  desselben 
bei  dem  Hin-  und  fiückgange  und  während  des  Schöpfens  kein  Wort 
gesprochen  hat.  Ihn  zu  solchem  Vergehen  zu  verlocken  oder  zu  reizen, 
finden  sich  immer  mutwillige  oder  schadenfrohe  Leute  genug. 

Schöpft  man  am  Ostermorgen  vor  Sonnenaufgang  drei  Löffel  fliessen- 
des  Wasser,  trinkt  sie  aus  und  spricht:  Untergehn,  auferstehn,  immer 
treu,  ewig  neu!  so  kann  der,  an  den  man  denkt,  nimmer  von  einem 
lassen.  (Westpr.  Böbel  61.) 

Ein  Bad  in  der  Osternacht  schützt  gegen  das  Fieber,  beseitigt 
Flechten  und  andere  Hautausschläge.  Pferde,  welche  in  der  Osternacht 
geschwemmt  werden,  bleiben  bewahrt  vor  aller  Krankheit;  nur  muss 
dafür  gesorgt  werden,  .dass  sie  vor  Sonnenaufgang  wieder  im  Stalle  sind. 

An  manchen  Orten  begiessen  sich  Jünglinge  und  Mädchen  am 
Ostermorgen  gegenseitig  mit  Wasser,  was  die  Gesundheit  erhalten  soll. 


242  Zur  ▼olkstömlichen  Naturkunde. 

Am  Ostertage  darf  jedoch  kein  Wasser  verspritzt  werden,  weil  sich  sonst 
die  Fliegen  vermehren  würden.    ( Volks kal.  84  je.  Toppen  S.  69.) 

Das  Wunder,  welches  Christus  auf  der  Hochzeit  zu  Kana  vollzog: 
Wasser  in  Wein  zu  verwandeln,  vollzieht  sich  nach  der  Volksmeinung 
in  besonders  heiligen  Stunden  noch  unmittelbar.  Als  solche  werden 
genannt:  die  Stunde  von  11  bis  12  in  der  Weihnachtsnacht,  die  Oster- 
nacht und  die  Johannisnacht. 

Linemann  in  Delicae  calendariographicae  erzählt  Bogen  B3*,  dass 
ein  alter  Preusse  in  der  Christnacht  auf  das  Wasser  gelauscht  habe, 
„aus  Ursach  einen  guten  Bausch  davon  zu  tragen,  und  es  allezeit  ge- 
schmecket, bis  endlich  aus  dem  Wasser  war  Wein  geworden,  da  habe 
er  gesaget:  Dat  Water  dat  es  Wyn,  bald  aber  habe  der  Teufel 
geantwortet:  ün  Vagel,  du  best  myn". 

Wind  und  Wetter. 

Auf  Wind  und  Wetter  haben  die  Menschen,  vorzugsweise  aber  alte 
Frauen,  bedeutenden  Einfluss.  In  Pommerellen  sagt  das  Volk:  Wenn 
alte  Weiber  mit  einem  freundlichen  Gesicht  aufstehen,  haben  die  Leute 
gut  waschen.  Es  ist  dann,  nach  der  Volksansicht,  gut  Wetter.  Gut 
Wetter  wird's  auch,  wenn  die  Spitalweiber  aufstehen.  Und  hat's  am 
Vormittage  geregnet,  so  wird  nachmittags,  wenn  die  Spitalweiber  sich 
ausgeräuspert  haben,  besser  Wetter.  (Mannhardt,  Germ.  Mythen  653.)  — 
Wenn  in  einem  Hause  grosse  Wäsche  stattfindet,  müssen  alle  Familien- 
glieder freundliche  Gesichter  zeigen,  damit  das  Wetter  gut  bleibe.  — 
„Beine  Schüssel  zu  machen",  d.  h.  alles  zu  verzehren,  damit  schönes 
Wetter  bleibe,  resp.  werde  —  ist  eine  stehende  Aufforderung  der  Haus- 
frauen bei  der  Mahlzeit,  wenn  oft  auch  nur  als  blosse  Nötigungsformel 
angewandt.  —  E  ohl  Wiew  hefft  söck  opgehängt  —  ein  altes 
Weib  hat  sich  aufgehängt  —  sagt  man,  wenn  starker  Wind  weht. 
(Sprichw.  I,  4004.)  —  Wenn  sich  jemand  erhängt  hat,  so  stürmt  es, 
und  erst  am  Begräbnistage  des  Toten,  also  am  dritten  Tage,  legt  sich 
der  Sturm.  (Lubainen.  Toppen  107.)  —  In  der  Gegend  von  Saalfeld 
sagt  man,  wenn  der  Sturm  heult,  wolle  sich  jemand  aufhängen;  so  lange 
der  Sturm  anhält,  sucht  der  Selbstmörder  den  Strick.  (Lemke  108.) 


Von  H.  Frischbier.  243 

Wind  und  sturmisches  Wetter  giebt  es,  wenn  die  Schafe  auf  der 
Weide  lebhaft  umherspringen,  die  Böcke  sich  stossen,  das  Vieh  auf  dem 
Felde  unruhig  wird,  Möwen  sich  in  Gegenden  zeigen,  in  denen  sie  sich 
nicht  aufhalten. 

Vorzeichen  eines  schlechten  Wetters  sind  das  Geschrei  der  Hähne, 
Esel  und  Pfauen.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  der  Kapitän  eine*  Schiffes,  nach  den  Segeln  sehend,  leise 
pfeift,  so  ruft  er  dadurch  stärkeren  Wind  herbei.  (Altpreuss.  Geschichten 
von  dem  Einen  und  dem  Andern.    Berlin  1882.  S.  334.) 

Im  Wirbelwinde  fährt  nach  dem  Volksglauben  der  Teufel  und 
bringt  allerlei  Krankheiten  mit.  Wird  man  von  einem  Wirbelwinde 
überrascht,  so  darf  man  nur  ausrufen:  Pfui,  pfui,  Schweinsdreck!  und  jede 
Gefahr  wird  abgewendet.  (Dubeningken.  Sprichw.  1, 3448.)  —  In  Masuren 
hält  man  ebenfalls  dämonische  Kräfte  im  Wirbelwinde  thätig.  Man  hört 
dann  ganz  gewöhnlich  den  Ausruf:  Der  Teufel  fährt  zur  Hochzeit. 
Wenn  der  Wirbelwind  so  stark  ist,  dass  von  ihm  auch  Erde  aufgerührt 
und  mitgeführt  wird,  so  sagt  man:  Ein  Pferd  fliegt  durch  die  Wolken  — 
Ausdrücke,  die  sehr  lebhaft  an  Wodans  wilde  Jagd  erinnern.  (Toppen  34.) 

Zieht  eia  starker  Wind  vorüber,  oder  erhebt  sich  bei  vorher  ruhiger 
Luft  plötzlich  ein  heftiger  Windstoss,  dem  die  frühere  Buhe  folgt,  so 
fliegt  der  Teufel  vorüber  (über  den  Schornstein). 

Im  Oberlande  hört  man,  wenn  der  Wind  ein  Boggenfeld  wellen- 
artig bewegt,  die  Bedensart:  Der  Wolf  jagt  die  Schafe.  (Sprichw.  1, 4100.) 

Dass  die  Bichtung  des  Windes  von  wesentlichem  Einfluss  auf  die 
Witterung  ist,  lehrt  die  Meteorologie;  aber  auch  der  Volksmund  weiss 
die  nach  dieser  Bichtung  hin  gemachten  Erfahrungen  klug  und  gewandt 
auszudrücken : 

Ös  de  Wind  Sude, 

Denn  regent  es  nich  morge,  denn  regent  es  lüde; 

Ös  de  Wind  Weste, 

Denn  regent  es  aufs  beste. 

(Einlage  bei  Elbing.) 

In  den  Sprichw.  I,  4057  heisst  ein  ähnlicher  Beim: 

Wenn  de  Wind  kömmt  ut  Sude, 

Wart  et  regne,  morge  vielleicht,  oder  noch  hide. 


244  ^nr  Tolk«täin liehen  Naturkunde. 

Wie  der  Wind  am  Quatember  steht  (und  den  ersten  Dienstag 
nachher),  so  bleibt  er  vorherrschend  das  ganze  Vierteljahr.  (Memel. 
Böbel  59.) 

Ans  welcher  Gegend  der  Wind  am  Vormittage  des  Ostersonntags 
(sonnabends)  webt,  nach  der  wendet  er  sich  bis  Michaelis  (29.  Septbr.) 
gleich  wieder,  wenn  er  sich  auch  einmal  entfernt.  (Strasburg  Westpr. 
Böbel  61.) 

Geht  der  Wind  durch  Nord  nach  Ost,  so  bleibt  er  stehn,  geht  er 
aber  durch  Süd  nach  Ost,  so  springt  er  bald  zurück.  (Labiau.  Böbel  118.) 
Nach  Bock,  Nat.  1, 364  „kann  man  es  in  Preussen  beinahe  für  untrüg- 
lich annehmen,  dass,  wenn  der  Wind  im  Winter  und  Frühjahr  in  Norden 
eine  Weile  stehet,  alsdann  stufenweise  nach  Osten  rücket,  auch  da  sich 
aufhält  und  dabei  nicht  ungestüm  ist,  alsdann  klare  und  fröstliche 
Witterung  erfolge.  Gemeiniglich  wird  der  Wind,  der  eine  Weile  ans 
einer  Gegend  gestanden,  von  einem  ihm  entgegengesetzten  abgelöst, 
und  folget  auf  einen  langen  Ostwind  ein  Wind  aus  Westen.14 

Wenn  man  einem  mit  gutem  Winde  in  entgegengesetzter  Richtung 
ab-  oder  vorbeisegelnden  Kahne  einen  Reisigbesen  nachwirft,  dreht  sich 
der  Wind  für  den  Besenwerfer  günstig.  (Kurisches  Haff.  Altpreuss. 
Monatsschr.  IV,  300.) 

Nordwind  im  Februar  und  Juni  versprechen  eine  sehr  ergiebige 
Ernte;  Nordwind  (aber  auch  Ostwind)  am  Michaelistage  (29.  Septbr.) 
deuten  auf  einen  harten  Winter.  —  Nord  und  Ost  bedeuten  starken 
Winterfrost.  (Westpr.)  —  Wenn  Nordwind  im  Februar  nicht  will,  so 
kommt  er  sicher  in  April.  (Westpr.  Böbel  76.) 

Wenn  es  am  Michaelistage  morgens  und  mittags  windig  ist, 
so  wird  es  im  Herbste  teuer  werden;  ist  nachmittags  stilles  Wetter, 
so  wird's  im  Frühjahre  wohlfeil  sein. 

Redensarten:  Er  hat  sich  Wind  um  die  Nase  wehen  lassen, 
d.  h.  er  hat  im  Leben  viel  durchgemacht,  reiche  Erfahrungen  ge- 
sammelt. —  Gegen  den  Wind  kann  man  nicht  pusten  (blasen)  —  dient 
als  Entschuldigung,  wenn  man  seine  eigene  berechtigte  Ansicht  gegen 
die  Meinung  eines  Höhergestellten  aufgiebt.  —  Der  Wind  heult  (bläst) 
heute  aus  einem  andern  Loch  —  sagt  man,  wenn  jemand  seine  Ansiebt 


Von  H.  Frischbier.  245 

geändert  hat  —  Zar  Bezeichnung  leichtsinniger  Leute  hört  man:  Er  ist 
ein  windiger  Backer  —  ein  windiges  Strick  —  ein  Windikus  —  ein  Wind- 
sack —  er  hat  viel  Wind  im  Kopfe.  —  Dem  Abgemagerten  bläst  der 
Wind  durch  die  Backen.  —  Der  arme  Mensch  hat  den  Wind  immer  von 
vorne  (in  Masuren :  Dem  Armen  ist  der  Wind  immer  in  die  Augen  — 
Biednemu  zawsze  wiatr  w  oczy.)  —  Der  Wind  jagt  wohl  Sandberge 
zusammen,  aber  keine  dicken  Bäuche.  (Sprichw.  I,  114.  5052  ff.  4329.) 

Bätsei:  Zackerbacker  geit  längs  dat  Acker,  bröllt  wie  e  B&r,  heft 
kein  Hat  on  kein  Här.  (Säulen.)  —  Hier  und  da,  allerwegen,  wo  man 
nicht  kann  das  Pfund  auswägen.  —  Hinter  meinem  Hause  geht  es 
immer  husch,  husch,  husch. 

Einderreime:  De  Wind  dei  weiht,  de  Hahn  dei  kreiht,  de  Foss 
liggt  ön  dem  (underm)  Erat.  Jungfer  Brut,  komm  herüt,  l&t  ons  doch 
e  mal  danze!  (Danzig.)  —  De  Wind  dei  weiht,  de  Hahn  dei  kreiht, 
he  sott  op'm  Tun  on  frett  Plüm'.  öck  segg1,  he  sull  m!  6k  wat  gewen : 
he  schmött  möt  lüter  Stenke.  Öck  schmlt  em  wedder  on  troff  em  op 
sin'n  E&hlkopp,  do  säd  he :  Meister  Jakob !  (Pommerellen.  Volksr.  187  f.) 

Die  Witterung  des  ganzen  Jahres  wird  in  der  Zeit  der  Zwölften 
(25.  Dezbr.  bis  6.  Januar)  bestimmt  und  zwar  in  der  Weise,  dass  jeder 
Tag  der  Zwölften  die  Witterung  eines  Monats  voraussagt:  der  25.  Dezbr. 
für  den  Januar,  der  26.  Dezbr.  für  den  Februar  u.  s.  w.  Jeder  Tag 
der  Zwölften  wird  ausserdem  noch  in  vier  Teile  (6  Uhr  abends  bis 
12  Uhr  Mitternacht,  bis  6  Uhr  morgens,  bis  12  Uhr  mittags)  zerlegt, 
und  jedes  solches  Viertel  giebt  die  Witterung  für  ein  Viertel,  d.  h.  eine 
Woche  des  bestimmten  Monats.  (Volkskal.  18.)  Aus  dieser  Volks- 
meinung  resultiert  der  Beim:  Wie  das  Wetter  amMakarius  (2.  Jan.) 
war,  so  wird's  im  September,  trüb  oder  klar.  Nach  Böbel  69  deutet 
der  helle  Tag  einen  trüben  Monat  an,  und  umgekehrt. 

Ein  sehr  wichtiger  Tag  für  die  Volkswetterkunde  ist  der  St.  Vinzenz* 
tag  (22.  Jan.),  denn:  Wie  das  Wetter  im  St.  Vinzent  war,  wird  es  sein 
das  ganze  Jahr. 

Ausser  diesem  Tage  sind  für  die  Witterung  noch  von  Bedeutung 
der  Medardustag  (8.  Juni)  und  der  Ägidiustag  (1.  Septbr.):  Wie's 
wittert  am  Medardustag,  bleibt  es*  sechs  Wochen  lang  hernach.  — 


246  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Wie  Ägidiu8  sich  verhält,  ist  der  ganze  Herbst  bestellt.  Und: v Wie  der 
Hirsch  in  die  Brunst  tritt  (am  Ägidiustage),  so  tritt  er  wieder  heraus 
(Michaeli,  29.  Septbr.).    (N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  X,  274.  279.  281.) 

Das  Wetter  des  April  ist  auch  durch  seine  Unbeständigkeit  sprich- 
wörtlich geworden :  er  kann  uns  auch  mit  dem  Wetter  „narren  wie  er  wilR 

Von  Tagen  sind  für  die  Witterung  die  Quatembertage  und  der 
Freitag  von  Bedeutung:  Wie  Wind  und  Wetter  am  Quatembertage  sind, 
so  gestalten  sie  sich  auch  in  der  Zeit  bis  zum  nächsten  Quatembertage  — 
und  so  wie  das  Wetter  am  Freitage  ist,  so  ist  es  auch  an  dem  folgen- 
den Sonntage. 

Als  Wetterpropheten  treten  unter  den  Tieren  Hahn,  Hund 
und  Schwein  auf.  Wenn  die  Hähne  stark  krähen,  der  Pirol  schreit,  die 
Hunde  Gras  fressen  und  die  Schweine  Lager  tragen,  d.  h:  Stroh  schleppen, 
so  giebt  es  schlecht  Wetter.    (Vgl.  Regen.) 

Redensarten.  Dass  die  Veränderlichkeit  des  Wetters  auch  zur 
Bezeichnung  des  entsprechenden  menschlichen  Charakters  hat  herhalten 
müssen,  versteht  sich  von  selbst;  wer  seine  Meinungen  und  Ansichten 
oft  wechselt  ist  —  wetterwendisch.  Wer  sich  im  Gewissen  schuldig 
fühlt,  kommt  zu  dem,  dessen  Zorn  er  fürchtet,  wie  das  nasse  Wetter, 
er  zieht  sich  vor  ihm  wie  das  nasse  Wetter  und  bittet  ihn  schliess- 
lich um  schön  Wetter,  d.  h.  um  Nachsicht  und  Vergebung.  Wenn 
erwachsene  Leute  mit  einander  wie  Kinder  sich  gebärden,  kalbern  oder 
albern,  so  sagt  man:  es  giebt  gut  Wetter,  die  Kälber  spielen.  Hin 
und  wieder  hört  man  in  solchen  Fällen  auch:  Wir  werden  schlecht 
Wetter  kriegen,  die  Eselchen  spielen.  Ist  das  Wetter  gar  zu  schaurig, 
so  verlässt  den  geduldigen  Deutschen  seine  kostbarste  Tugend  dennoch 
nicht;  er  tröstet  sich  mit  $em  Satze:  Schlecht  Wetter  ist  besser 
wie  gar  keins!  —  Kurisches  Wetter  ist  rauhes,  unbeständiges 
Wetter,  bezeichnet  aber  auch  den  Donner  und  gilt  als  Fluch.  (Sprich w. 
I,  4037  ff.   Preuss.  Wörterb.  I,  449;  H,  466.) 

Erde. 

Wenn  das  Land  reich  ist,  ist  das  Wasser  arm.  —  Wer  Land  hat, 
mu99  eine  Hand  haben.  —  Wer  Land  hat,  hat  Streit.  —  Der  Mergel 
macht  reiche  Väter,  aber  arme  Kinder.  —  Was  stinkt,  das  düngt.  (Vgl. 
Sprichw.  I,  2285;  II,  2580.) 


Von  H.  Frischbier.  247 

in.  Tiere. 

Säugetiere. 

Allgemeines. 

Will  uns  jemand  ein  Tier  abkaufen,  so  müssen  wir  entweder  es 
dem  Käufer  überlassen,  oder  einen  so  hohen  Preis  fordern,  dass  er  vom 
Kaufe  selber  absteht,  sonst  stirbt  das  Tier  bald.  (N.  Pr.  Prov.-Bl.  I,  36.) 

Wenn  man  ein  Stück  Vieh  gekauft  hat,  so  muss  man  es  sogleich 
mit  „Drank"  begiessen,  damit  es  niemand  behexen  könne. 

Wird  ein  Tier  geschlachtet,  so  darf  man's  nicht  bemitleiden,  es 
würde  sonst  nur  schwer  sterben  können;  auch  verblutet  es  nicht  gut. 
(Friedland  i.  Ostpr.)  Vgl.  Simon  Grünau,  hrsg.  v.  Perlbach  S.  90:  Item 
und  man  ein  fisch  oder  vieh  abthut  und  is  beclaget,  sie  meinen,  es 
möge  nicht  sterben,  man  beschreit  es  denne. 

Am  ersten  Ostertage  bei  Sonnenuntergang  bestreut  man  die  Haus- 
tiere: Pferde,  Rinder,  Geflügel  u.  s.  w.  schweigend  mit  der  Herdasche, 
welche  man  an  einem  Tage  der  Zwölften  gesammelt  hat,  —  sie  bleiben 
dann  das  Jahr  hindurch  frei  von  allem  Ungeziefer.    (Dönhoffstädt.) 

Man  jagt  das  Vieh  mit  Ruten  aus,  die  der  Dorfshirte  den  Haus- 
haltungen am  Ostertage  überbracht  hat  (wofür  er  Geschenke  erhält),  — 
das  Vieh  kehrt  dann  stets  gut  zurück.    (N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  118.) 

So  lange  das  Vieh  auf  die  Weide  geht,  muss  nach  Sonnenunter- 
gang nicht  gesponnen  werden,  damit  das  Zugvieh  bei  der  Arbeit  nicht 
geifere  und  auch  nicht  zu  Schaden  komme.    (Angerburg.  Goldap.) 

Wenn  jemand  dein  Vieh  lobt,  so  sage  im  stillen:  Du  kannst  ihm 
im  A.  lecken!  und  das  Tier  bleibt  nnverrufen.    (Darkehmen.) 

Die  Tiere  können  in  der  Neujahrsnacht  von.  11  bis  12  Uhr  sprechen. 
(Lubainen.  Toppen  66.)  Im  Samlande  (auch  in  Gilgenburg)  reden  die 
Tiere  in  der  Weihnachtsnacht  in  der  angegebenen  Stunde.  Volkskai.  14. 
Man  muss  sich  jedoch  hüten,  die  Gespräche  der  Tiere  zu  belauschen, 
wer  sie  auch  nur  zufälligerweise  hört,  der  stirbt.  Toppen  74.  Vgl.  Pferd. 

Fledermau«. 

Namen:  Flattermaus,  Fladdermaus,  pltd.  Fladdermüs,  Fleddermüs. 

Die  Fledermaus  fliegt  dem  Menschen  gern  in  die  Haare  und  ver- 
wickelt sich  darin  derart,  das  man  sie  schwer  losbekommt. 


248  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

Nach  einer  Notiz  in  dem  Nachlasse  von  Keusch ")  hat  der  un- 
fehlbares Glück,  der  eine  Fledermaus  im  Hause  findet.  Im  Erralande  da- 
gegen herrscht  der  Glaube,  dass  eine  Fledermaus  im  Hause  Unglück  bringe. 

Über  die  Brüderschaft  zwischen  Fledermaus  und  Eule  s.  Eule.  Vgl. 
Pr.  Wörterb.  I,  195. n) 

Katze. 

Namen:  pltd.  Katt,  masc.  Kater;  im  Scherze  Dachhase.  Rufname: 
Mfs,  Mischen,  Miz,  Mizchen,  Mizel,  Misekatz,  Pikatz,  Puikatz,  Puäch, 
Puäche,  Püäche,  Püse,  Puschchen,  Puschke,  Puschkatze,  Puschkaterchen, 
Mausekatz,  Mausepeter.  In  der  Saalfelder  Gegend  heisst  die  Katze: 
Schmigglfn,  Lieschen,  Jettchen,  Just;  der  Eater:  Peter  (allgemein), 
Schnurr,  Fuchs;  beide  nennt  man  auch  Mühsam,  weil  sie  mit  Mühe  und 
Fleiss  Mäuse  fangen.  Der  üblichste  Zuruf  ist  Pi  Pi!  PuschPusch!  zur 
Katze,  Puscher  Puscher!  zum  Kater.    (S.  Volksr.  242.  Lemke  88.) 

Die  Namen  der  Katze  überträgt  man  gern  auf  Kinder,  namentlich 
Mädchen:  Mizchen,  Mischen,  Puschchen  je.  Die  Katzen  und  die  Kinder 
streichelt  man  gern:  man  puächeit,  puschit  sie. 

Mädchen,  welche  die  Katze  gut  füttern,  haben  zu  ihrer  Hochzeit 
schönes  Wetter:  die  Katze  ist  das  Tier  der  Freija,  der  Göttin  der  Ehe. 

Wenn  sich  die  Katze  „wäscht",  putzt,  so  kommen  denselben  Tag 
noch  Gäste  und  zwar  von  der  Seite,  von  welcher  sie  beim  Putzen  mit 
der  Pfote  ausholt.  Dies  gilt  allgemein;  in  der  Gegend  von  Passenheim 
verkündet  die  Katze  auch  Besuch,  wenn  sie  sich  den  Hintern  leckt. 
In  derselben  Gegend  erkennt  man  aus  dem  Platze,  wo  sie  sich  putzt, 
die  Art  des  Besuches:  geschieht  dies  am  Fenster,  so  kommt  ein  vor- 
nehmer Gast,  thut  sie's  an  der  Thür  oder  auf  der  Ofenbank,  so  hat 
man  einen  Bettler  zu  erwarten.  Wäscht  die  Katze  den  Vorderteil  ihres 
Körpers,  so  giebt's  Herrenbesuch;  putzt  sie  den  Hinterteil,  so  hat  man 


,0)  Volkstümliches  (in  Handschrift)  von  f  Dr.  B.  Keusch,  von  ihm  selbst  schon 
»um  grössten  Teil  in  den  Prenss.  Provinzial-Blättern  veröffentlicht  Die  betr.  Blätter 
sind  mir  von  dem  tenern  Verstorbenen  kurze  Zeit  vor  seinem  Tode  zur  beliebigen 
Verwertung  fibergeben  worden.  Das  von  mir  daraus  Benutzte  ist  mit  „Keusch,  Nach- 
läse"  bezeichnet 

")  Prenssisches  Wörterbuch.  Ost-  und  Westpreussische  Provinzialismen  jc 
Von  H.  Frischbier.  2  Bde.  Berlin  1882  f. 


Von  H.  Priachbief.  249 

Damenbesuch  zu  erwarten.  (Pillau.)  Nach  E.  Lemke  wirft  man  in 
der  Saalfelder  Gegend  die  Katze  an  die  Siubenthür:  kommt  hierauf  die 
Katze  in  die  Stube,  so  steht  ein  freundschaftlicher  Besuch  in  Aussicht; 
setzt  sie  sich  still,  oder  bleibt  sie  stehen,  so  kommt  ein  Bettler. 

Nagt  die  Katze  reissend  an  Besen  oder  an  andern  Gegenständen, 
so  ist  stürmische  Witterung  im  Anzüge.  (Pillau.)  Im  Ermlande  ver- 
kündet die  Katze  Wind,  wenn  sie  die  Thür  kratzt.  Schlechtes  Wetter 
giebt's,  wenn  die  Katze  Gras  frisst. 

Fuhrleute  nehmen  ungern  eine  Katze  auf  den  Wagen;  denn  wer 
eine  Katze  fährt,  dem  werden  die  Pferde  müde.  Daher  wird  beim 
Wohnungswechsel  die  Katze  auf  dem  Arme  in  die  neue  Wohnung  ge- 
tragen. (Samland.  Fischhausen.)  —  Fuhrwerke,  denen  während  der 
Fahrt  eine  Katze  über  den  Weg  läuft,  erleiden  einen  Unfall. 

Lassen  Katze  und  Hund  gleichzeitig  Wind,  so  entsteht  ein  Gespenst. 
(Beusch,  Nachlass.) 

Wenn  eine  Katze  vor  einem  Hause  schreit,  so  giebt  es  darin  bald 
Zank  oder  Unheil,  selbst  Tod.    (Ostpr.  Wuttke  271. ")  Toppen  78.) 

Hätte  die  Katze  den  langen  Schwanz  nicht,  so  könnte  sie  die  Mäuse 
nicht  aus  ihren  Löchern  locken.  Jetzt  hängt  sie,  vor  dem  Mausloche 
sitzend,  die  Spitze  ihres  Schwanzes,  welche  nach  Brot  riechen  soll,  wedelnd 
in  das  Loch  und  lockt  so  die  Mäuse  hervor.    (Litauen.) 

Die  im  Mai  geborenen  Katzen,  die  Maikatzen,  werden  ersäuft, 
weil  sie  nicht  gut  mausen  und  viel  schreien. 

Jungfrauen  oder  Frauen  dürfen  nicht  junge  Katzen  ersäufen,  weil 
ihnen  sonst  das  Kochen,  Braten  oder  Backen  nicht  gerät.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  die  Katze  elend  wird,  „vertrocknet",  wie  die  Leute  sagen, 
so  muss  man  ihr  die  Spitze  des  Schwanzes  abhacken;  so  kann  sie  wieder 
gesund  werden.    (Lemke  89.) 

Stirbt  eine  Katze,  so  muss  man  den  Kadaver  hoch  über  den  Zaun 
werfen,  damit  der  Flachs  hoch  werde.   (Hohenstein.   Toppen  94.) 

Wer  im  Finstern  eine  Katze  jagt,  hat  zu  befurchten,  dass  diese 


13)  Der  deutsche  Volksaberglaube  der  Gegenwart  von  Dr.  A.  Wuttke.  2.  Aufl. 
Bertin  1869.  (Die  Zahlen  bezeichnen  die  Absätze  des  Werkes.) 

Allpr.  IfonatMohrift  Bd.  XX  IL  Hft.  3  u.  4.  17 


250  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

sich  in  den  Teufel  verwandelt  und  für  den  Mutwillen  sich  rächt.  (Dön- 
hoffstädt.)    Die  Katze  wird  überhaupt  als  Hexentier  gefürchtet. 

Die  Katze  steht  in  dem  Gerüche,  (krumme)  Eier  zu  legen;  daher 
man  ein  missratenes  Machwerk  wohl  Katzenei  zu  nennen  pflegt.  Im 
Volksreime  heisst  es: 

Schu  sehn  scheike, 

De  Katt  de  lad  e  Eike, 

War  ök  nich  gerade, 

De  Katt  (Eäter)  sull't  söck  brade. 

S.  Volksr.  43. 

Nach  dem  Volksrätsel  hat  die  Katze  twei  Blanke  (Augen),  ver 
Zanke  (vier  Krallenpfoten)  und  enen  Brätspiess  (den  Schwanz).  Der  Kater 
aber:  sitt  ut  wi  e  Katt,  heft  e  Kopp  wi  e  Katt,  Pote  wi  e  Katt,  müst 
wi  e  Katt  on  ös  doch  kein'  Katt. 

Die  Naschhaftigkeit   der  Katze   bringt   das  Rätsel  ebenfalls  zum 

Ausdruck : 

De  Glatte  (Wurst)  Längt, 

De  Rüge  denkt: 

Wenn  öek  di  On  mine  Ranze  hadd! 

Vgl.  Tierrätsel  25  ff. ,3) 

Im  Vergleich  mit  der  Katze,  ist  der  Mensch:  wie  eine  Katze 
falsch  —  schlau;  er  schmeichelt  — ,  zeigt  die  Krallen  wie  die  Katze, 
sieht  aus  (auch:  horcht  auf  —  macht  ein  Gesicht)  wie  die  Katze,  wenn's 
blitzt,  —  wenn's  donnert,  —  wenn's  wettert;  er  geht  wie  die  Katze  auf 
Nussschalen;  kickt  wie  die  Katze  in  den  Kalender;  hat  es  innerlich 
wie  die  Katze  das  Höchste.  Man  ist  bei  Eegenwetter  nass  wie  eine 
Katze;  verträgt  sich  mit  einem  andern  wie  Katz*  und  Hund;  geht  herum, 
wie  die  Katze  um  den  heissen  Brei;  schleicht  herum  (zieht  ab),  wie 
die  Katze  vom  Taubenschlag.  Der  Schmeichler,  Kriecher  macht  Katzen- 
puckel —  katzenpu ekelt;  bei  Prügeleien  werden  Katzenköpfe  ausgeteilt. 
Mancher  Mensch  ist  wie  ein  Kater  neugierig  —  verliebt  (wie  ein  März- 
kater); sieht  aus  wie  ein  geleckter  Kater.   (Korrespondenzbl.  III,  52. ,4) 


ia)  Die  Tierwelt  in  Volksrätseln  aus  der  Provinz  Preussen.  Von  H.  Frischbier. 
Zeitschrift  für  deutsche  Philologie  XI,  344  ff. 

")  Vergleiche  mit  Tieren.  Von  H.  Frischbier.  Korrespondenzblatt  des  Vereins 
für  niederdeutsche  Sprachforschung.    3.  Jahrgang.   Hamburg  1878. 


Von  B.  Frischbier.  251 

Im  Sprichwort  und  in  sprichwörtlicher  Redensart  sind  Eatze  und 
Kater  reich  vertreten.  Im  Dustern  sind  alle  Katzen  grau.  Katzche 
will  auch  was  haben.  Da  Katz,  hast  6k  e  Föschke,  —  e  Platz,  — 
e  Br&de!  Das  ist  (man)  für  die  Katz',  wird  nicht  einmal  die  Katz' 
gewahr,  es  ist  zu  wenig;  ebenso:  Das  trägt  die  Katz'  auf  dem  Zagel 
(Schwanz)  fort.  Das  ist  für  die  Katz1  zu  Büchsen,  wertlos,  unzureichend, 
unzulänglich.  Eine  verlegte  Sache  hat  die  Katze  mit  dem  Schwänze 
bedeckt.  Hat  man  erreicht,  wonach  man  lange  gestrebt,  so  hat  man 
die  Katze  im  Sack.  Eine  Katze  im  Sack  ist  besser,  als  zehn  auf  dem 
Dache.  Übernimmt  man  eine  Sache  ohne  Prüfung  und  nähere  Besich- 
tigung, so  kauft  man  die  Katze  im  Sack.  Je  mehr  man  die  Katze 
striegelt  (streichelt),  je  höher  hebt  sie  den  Zagel.  Sieht  doch  die  Katz* 
den  Kaiser  an,  warum  sollte  der  Mensch  den  Menschen  nicht  ansehen 
dürfen?  Die  Katze  lässt  das  Mausen  nicht,  die  Weiber  naschen  gern. 
Lass  nur  die  Katze  laufen,  der  Kater  kriegt  sie  doch.  Die  Katze,  welche 
Handschuhe  anhat,  fängt  keine  Mäuse.  Verlangen  bei  der  Mahlzeit  die 
Kinder  nach  Fleisch,  so  sagt  wohl  der  Vater  zur  Mutter:  Bring1  de 
Katt  op  e  Dösch!  Manche  Speise,  manches  Qetränk  schmeckt,  Katz  und 
Hund  zu  vergeben.  Wer  tüchtig  gegessen  hat,  darf  unbesorgt  sein: 
die  Katze  wird  ihm  den  Bauch  nicht  wegschleppen.  Wirf  die  Katz1 
wie  du  willst,  sie  fällt  immer  auf  die  Füss'.  Man  kann  es  hin  und 
her  drehen,  die  Katz'  kommt  doch  immer  auf  die  Füsse  zu  stehen. 
In  einem  zerlumpten  Kleidungsstücke  greifen  zehn  Katzen  nicht  eine 
Maus.  Man  muss  die  Katze  in  die  Sonne  halten,  wenn  man  für  einen 
andern  etwas  ausbaden,  leiden  muss.  Wer  im  Kartenspiel  Gluck  hat, 
hat  mit  der  Katze  (dem  Kater)  gehurt.  Die  ersten  Katzen  sind  Mai- 
katzen, welche  nicht  ausdauern,  —  ersäuft  werden,  d.  h.  die  ersten 
Gewinne  beim  Kartenspiel  gehen  wieder  verloren.  Sticht  man  die  Karte 
des  Gegners,  so  heisst  es:  Onsf  Katt  kröggt  6k  e  Föschke.  Bleibt  jemand 
in  einem  Vortrage  stecken,  so  ist  die  Katz1  mit  dem  Ende  weggerannt. 
Wat  von  de  Katt  ös,  lehrt  (lernt)  müse.  Das  sind  die  falschen  Katzen, 
die  vorne  lecken,  hinten  kratzen.  Vögel,  die  früh  singen,  kriegt  (frisst) 
die  Katz1.   Wenn  die  Katze  nicht  zu  Hause  ist,  tanzen  die  Mäuse  auf 

Tischen  und  Bänken.   Was  du  sparst  am  Mund,  frisst  Katz  und  Hund. 

17* 


252  Znr  ▼olkattimliehaii  Naturkunde. 

Katt,  dat  sullst  du  wete,  ongegönut  Brot  ward  oft  geg&te!  Danach 
fragt  keine  Katz',  die  Sache  ist  ohne  Interesse.  Unwahrscheinliches, 
Erlogenes  kann  man  dem  Kater  erzählen  gehen.  Als  Zurückweisung: 
De  Kater  ward  dt  wat  klemme.  Schmieds  Kater,  das  Vorhängeschlosa, 
liegt  vor  Stall  und  Schoppen.  Lärm,  Zank,  Streit  bezeichnet  man  als 
KatzengepSker,  Katzenjagd;  auffälliges  Wesen  und  Getreibe  ist  Katzen- 
komödie. —  Scheuchrufe  zur  Katze:  katz!  katzi! 

Pflanzennamen  mit  Katze:  Katzenbaldrian,  Katzenbullerjan, 
Katzenwurzel,  Valeriana  officinalis.  K atzenkäs,  Katzenkäschen,  Malva 
rotundifolia.  Katzenpotchen,  Gnaphalium  arenarium.  Katzenzagel,  Katzen- 
zahl, Equisetum  arvense. 

Zusammensetzungen  mit  Katze:  katzaus  machen,  ein  Ende 
machen;  sich  katzbalgen,  sich  zanken  :c,  davon  die  Katzbalgerei;  Katzen- 
fisch, kleiner  Fisch,  den  man  der  Katze  giebt;  KatzengepSker,  Lärm, 
Zank,  Streit;  Katzenjagd,  Lärm,  Zank,  Streit;  ebenso  Katzenkomödie; 
Katzenkopf,  Hieb  an  den  Kopf;  Katzenmargell,  Mädchen,  das  die  Katzen 
besonders  lieb  hat;  Katzenpuckel,  Visite;  Katzensprung,  kurze  Strecke; 
Katzenstreifer,  Kürschner,  auch  Schimpfwort.  —  Geldkatze,  Geldgürtel; 
Maikatze  (s.  v.);  Schmadderkatze,  unreinliches  Frauenzimmer,  auch  dünnes 
langes  Talglicht  mit  Klunkerdocht,  das  beim  Brennen  prasselt 

Das  Volk  sagt  den  betreffenden  Kaufleuten  nach,  dass  sie  in  jedem 
Syrupfasse  eine  tote  Katze  liegen  hätten;  aus  welchem  Grunde  wisse 
man  nicht.  (Lemke,  brieflich.  Vgl,  Sprichw.  I,  1900  ff.;  II,  1401  ff. 
Lemke  89.  Preuss.  Wörterb.  1, 345  ff.  Hagen,  Preuss.  Pflanzen  u.  d.  a.  W.) 

Kund. 

Namen:  Köter;  die  Hündin:  T§we,  Tif,  Töle,  Tele,  Zock,  Zocke, 
Zogg,  Zogge,  Zuck,  Zucke,  Suck;  Spitz;  Pudel;  für  den  Dachshund 
Teckel,  Tekel,  Täckel,  Dackel 

Kufnamen:  Bello,  Karo,  Greif,  Lustig,  Munter,  Rollo,  Wasser, 
Feldmann,  Bergmann,  Omei  (ami),  Scholli  (joli),  Bursch,  Fido,  Fidel, 
Fidele,  Amrett,  Aline,  Bergine,  Pikas,  Filax,  Strom,  Perl,  Turk,  Schurk, 
Lump,  Fix  (namentlich  für  Schäferhunde),  Packan  (für  grosse  Hunde). 
Im  Kindermunde:  Hauhau,  Wauwau;  im  Volksrätsel:  Huffhaff  (Tier- 


Von  H.  Friichbier.  253 

rätsei  36)  und  Pompern  ellchen  (Verbrecher-Bätsel  von  H.  Frischbier. 
Am  Urds-Brunnen  IV,  9.) 

Wenn  der  Hand  Gras  frisst,  so  giebt  es  bald  Begen. 

Wenn  der  Hund  heult,  sieht  er  den  Tod  oder  Geister.  In  Masuren 
beruft  man  ihn  dann  nicht,  vielmehr  bekreuzigt  sich  alles.  (Toppen  77.) 
Wer  dann  dem  heulenden  Hunde  auf  den  Schwanz  tritt  und  nach  den 
Ohren  des  Tieres  schaut,  kann  zwischen  denselben  gleichfalls  den  Tod 
sehen.  (Saalfeld.  Lemke  87.)  In  der  Gegend  von  Passenheim  sieht 
man  den  Tod,  wenn  man  dem  heulenden  Hunde  um  12  Uhr  nachts 
über  die  Ohren  sieht. 

Heult  der  Hund  längere  Zeit  vor  einem  Hause,  so  stirbt  in  dem- 
selben jepiand,  sicher,  wenn  er  bei  dem  Heulen  sitzt  und  dem  Hause 
die  Schnauze  zugekehrt  hat.  In  der  Gegend  von  Friedland  Ostpr.  ist 
der  dem  Tode  nahe,  den  ein  Hund  anheult.  Ein  Todesfall  in  der  Fa- 
milie ist  auch  zu  erwarten,  wenn  der  Hund  wiederholt  mit  gespreizten 
Beinen,  den  Kopf  nach  der  Stubenthflr  gerichtet,  bellt.  (Reusch,  Nachlass.) 
Wenn  bei  Krankheit  der  Angehörigen  der  Hund  sich  so  niederlegt, 
dass  er  mit  der  Schnauze  der  Thür  zugewendet  erscheint,  so  deutet  dies 
auf  den  Ausgang  des  Lebens.  (Hintz  118. ")  Toppen  77.) 

Hat  ein  Hund,  während  er  heult,  Thränen  in  den  Augen,  so  ist 
dies  das  sicherste  Zeichen,  dass  er  Geister  sieht.  Bestreicht  man  nun 
mit  diesen  Thränen  oder  auch  mit  den  sogenannten  Plieren  die  eigenen 
Augen,  so  kann  man  ebenfalls  Geister,  die  Seelen  der  Verstorbenen, 
sehen.  (Ermland.) 

Wird  man  von  einem  Hunde  beim  Vorübergehen  heftig  angebellt, 
so  braucht  man  ihm  nur  genau  mitzuteilen,  wohin  man  sich  begiebt, 
und  er  wird  still.  (Dönhoffstädt.) 

Der  anbellende  Hund  weicht  feige  zurück,  wenn  man  die  Mätze 
in  den  Mund  nimmt  und  ihm  mit  festem  Blick  gebückt  entgegengeht. 

Das  Gebell  des  Hundes  gilt  auch  als  Orakel.  Mädchen  gehen  in 
der  Neujahrsnacht  vor  die  Hausthür  und  horchen,  ob  ein  Hund  belle. 
Der  Schall  deutet  die  Gegend  an,  woher  der  Freier  kommen  wird. 
(Reusch,  Nachlass.) 

")  Die  alte  gute  Sitte  in  Altprenssen.  Von  C,  0.  Hintz.    Königsberg  1863. 


r 


254  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Am  Silvesterabende  bellen  die  Hunde  nicht.  (Natangen.)  Heult 
dennoch  ein  Hund,  so  stirbt  jemand  in  dem  Hause,  yor  dem  er  heult. 
Heult  er  am  Neujahrs!  age,  so  ist  ein  Toter  in  der  Nähe,  der  ins  Haus 
will.  (Ermland.  Volkskal.  34.  35.) 

Wenn  man  den  Hund  sein  grosses  Bedürfnis  befriedigen  sieht,  muss 
man  sich  die  Lippen  belecken:  sie  platzen  dann  nicht.  (Marggrabowa.) 

Hunde  darf  man  nicht  mit  dem  Besen  schlagen,  sie  würden  sonst 
vertrocknen,  abmagern;  ja  hin  und  wieder  treten  ihnen  dann  die  Ge- 
därme aus  dem  After:  der  Hund  schleppt  Fieken.  (Passenheim.)  Die 
Fieke  ist  bekanntlich  der  Bandwurm. 

Hunde,  welche  beim  Harnen  das  Bein  heben,  sind  wenigstens  ein 
Jahr  alt. 

Hat  man  einen  Hund  gekauft  und  befürchtet,  dass  derselbe  nicht 
bleiben  werde,  so  schabe  man  von  den  vier  Ecken  des  Tisches  etwas  ab, 
knete  das  Abgeschabte  mit  Butter  zusammen,  streiche  es  auf  Brot  und 
gebe  dies  dem  Hunde  zu  fressen.  Durch  den  Genuss  ist  der  Hund  an  das 
Haus  gekettet  und  hat  seinen  früheren  Herrn  vergessen.  (Fischhausen.) 

Auch  vom  Hunde  gilt,  was  von  der  Katze  angegeben  worden  ist: 
wirft  man  seinen  Kadaver  mit  hohem  Schwünge  über  den  Zaun,  so 
wächst  der  Flachs  hoch.  (Toppen  84.) 

Hundefett  ist  ein  geschätztes  Mittel  gegen  allerlei  Krankheit,  be- 
sonders gegen  Krankheiten,  welche  aus  Alterschwäche  entstehen.  Das 
Fett  muss  jedoch  getrunken  werden;  es  macht  den  Menschen  so  „ge- 
schmeidig, als  sei  er  jung  geboren".   (Lemke  87.) 

Gegen  den  Biss  des  tollen  Hundes  wendet  man  folgende  Mittel  an: 
Man  schreibt  auf  einen  Zettel:  „Gott  allein  die  Ehr',  sonst  keinem 
andern  mehr!  Co.sza  Niosz"  und  giebt  dies  dem  Gebissenen  ein.  — 
Auf  Zettel,  die  man  eingiebt,  schreibt  man  auch  die  bekannte  Sator- 
Formel.  '(Hexenspruch  :c.  66.)  Weitere  Segenssprüche  gegen  den  Biss 
des  tollen  Hundes  s.  Toppen  46  u.  48. 

.  Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Hunde:  Wie  ein  Hund  ab- 
gebrüht —  beissig  —  gelehrig  —  geizig  —  glupsch  —  müde  —  treu 
sein;  —  abgünstig  wie  der  Hund  auf  dem  Heuhaufen;  —  ankommen 
wie  der  Hund  aus  Labiau  (hinkend,  ein  Bein  nachschleppend);  —  ar- 


Von  H.  Frischbier.  255 

beiten  wie  ein  Hund;  abziehen  wie  ein  begossener  (Hund)  Pudel;  — 
ankommen  wie  der  Hund  an  die  Peitsche;  —  aufpassen  wie  ein  Schiess- 
hund; —  aussehen  wie  ein  Hund  ohne  Zagel  (Schwanz)  —  wie  ein 
Schlosshund;  —  bekannt  wie  ein  bunter  Hund;  —  dastehen  wie  ein  be- 
pisster  Pudel;  —  fressen  wie  ein  Gerberhund;  —  gebunden  sein  wie  ein 
Kettenhund;  —  gehen  wie  der  Hund  ohne  Zagel;  —  gtlen  wie  de  Hund 
nä  Geelfleesch;  —  kommen  wie  der  Hund  von  der  Käst;  —  dazu  kommen 
wie  der  Hund  zum  Pflaumenfleisch;  —  kotzen  wie  eine  Gerbertöle;  — 
lauern  wie  der  Hund  auf  Geelfleisch;  —  leben  wie  ein  Hund;  —  leben 
wie  Hund  und  Katze,  auch :  ein  Vertrag  wie  zwischen  Hund  und  Katze ;  — 
lügen  wie  der  Hund  läuft;  —  ein  Gesicht  machen  wie  ein  Hund,  wenn  er 
Bauchschmerzen  hat;  —  rennen  wi  e  pössaja  Huingd  (Sprichw.  1, 3131);  — 
etwas  verstehn  wie  der  tote  Hund  das  Bellen;  —  vertieft  sein  wie  der 
Hund  auf  der  Zock;  —  wie  Hunde  um  einen  Knochen  sich  beissen  — 
reissen  —  schlagen  —  streiten;  —  sich  herumtreiben  wie  ein  Hund  — 
ein  bunter  Hund  —  Hirts  Hund ;  —  sich  quälen  wie  ein  Hund  —  sich 
schämen  wie  ein  bepisster  Hund ;  —  einen  haben  wie  den  Hund  an  der 
Peitsche;  —  et  bekömmt  em  —  kömmt  em  to  Hüs,  wi  dem  Hund  dat 
Grasfrete ;  —  sich  nach  einem  bangen,  wie  der  Hund  nach  der  Peitsche;  — 
einem  gut  sein,  wie  der  Hund  dem  Juden;  —  wie  ein  Hund  den  Mond 
anbellen;  —  sich  amüsieren  wie  ein  Mops  (Spitz)  im  Eosengarten  — 
im  Theegarten  —  im  Tischkasten. 

Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redensarten:  Da  liegt 
der  Hund  begraben!  —  Hunde  schlagen  gehen  =  betteln. —  Es  ist  ein 
Wetter,  dass  man  keinen  Hund  hinausjagen  möchte.  —  Es  regnet  wie 
auf  den  Hund.  —  Auf  den  Hund  kommen.  —  Mit  allen  Hunden  ge- 
hetzt sein.  —  Von  dem  nimmt  kein  Hund  ein  Stuck  Brot.  —  Er  hat 
nicht,  den  Hund  von  hinter  dem  Ofen  zu  locken.  —  Er  sieht  aus,  als 
ob  ihn  die  Hunde  vorgehabt  hätten.  —  Der  Knüppel  liegt  beim  Hunde.  — 
Den  Letzten  beissen  die  Hunde.  Sehr  beliebt  ist  die  Zusammenstellung: 
Hund,  Teufel,  Mensch :  Hund,  Deiwel,  Mensch  hilf  mir  —  thu'  mir  das ! 
Weiteres  s.  Sprichw.  I,  1708— 57;  II,  1252-80. 

Ostpreussen  hat  eine  Hundau,  einen  Hundemacherwinkcl  und 
eine  Hundstürkei.  Die  Hundau,  auch  Huntau,  in  älterer  Zeit  Huntenau, 


256  ^up  volkstümlichen  Naturkunde. 

ist  die  Gegend  von  Brandenburg  am  Frisching;  der  Hundemacherwinkel 
liegt  zwischen  Labiau  und  Tapiau.  Zu  ihm  gehören  die  Dörfer  Uder- 
ballen,  Augstupönen  und  Stampelken  in  den  Kirchspielen  Goldbach  und 
Eremitten.  Als  Spott:  Er  ist  aus  dem  Hundemacherwinkel:  in  Stam- 
pelken werden  die  Hunde  gemacht,  in  Uderballcn  werden  sie  geringelt 
und  in  Augstupönen  wird  ihnen  die  Bell'  eingesetzt.  Hundstürkei  hcisst 
die  Landschaft  zwischen  Zinten  und  Pr.  Eylau. 

Zusammensetzungen:  Hunddrecksacker,  Acker  mit  leichtem 
Boden;  Hundeblaff,  Beliruf;  Hundebrot,  Hundsbrot,  dürftiger  Lohn; 
Hundedrab;  Hundegasse:  in  die  H.  kommen,  in  Elend  geraten;  Hunde- 
kälte; Hundeloch,  elende  Wohnung;  Hundeseele:  es  ist  keine  H.  da, 
es  ist  niemand  da;  Hundewetter;  Hundewirtschaft;  Hundezucht;  Hunds- 
fott; Hundsklunker:  einem  Hundsklunkern  geben,  ihn  durchprügeln; 
ähnlich  Hundsknochen,  Hundsnoten,  mit  der  Hundslaterne  leuchten; 
hundarschen,  rasen,  tollen,  umherjagen  wie  die  Hunde;  hundemüde, 
hundsmüde,  hunderackermüde,  hundsmager.  —  Sauhund,  Schweinhund, 
Höllenhund,  Windhund  als  Schimpf-  resp.  Scheltwörter. 

Pflanzennamen:  Hundsauge,  -kamille,  -romei,  Anthemis  arvensis. 
Hundsbeere,  -kirsche,  Lonicera  Xylosteum.  Hundsgras,  Dactylis  glome- 
rata  und  Triticum  repens.  Hundsknoblauch,  Allium  ursinum.  Hunds- 
kohl, Mercurialis  annua.  Hundskürbis,  Bryonia  alba.  Hundslauch, 
Allium  vineale.  Hundsmelde,  Chenopodium  olidum.  Hundsmilch,  Eu- 
phorbia helioscopia.  Hundsnase,  Antirrhinum  majus.  Hundsnelken, 
Saponaria  officinalis.  Hundsnessel,  Galeopsis  tetrahit.  Hundspetersilie, 
Aethusa  cynapium.  Hundsrippe,  Plantago  lanceolata.  Hundsrose,  Bosa 
canina.  Hundsschmele,  Trichodium  caninum.  Hundsveilchen,  -viole, 
Viola  canina.  Hundsweizen,  Triticum  caninum.  Hundswirgel,  Scleranthus 
annuus.  (Hagen,  Preuss.  Pflanzen.  Preuss.  Wörterb.  I,  303  ff.  u.  d.  a.  W. 
Korrespondenzbl.  HI,  51.) 

Sage  aus  der  Gegend  von  Saalfeld:  Die  schwarzen  Hunde. 
Zwischen  Ulpitten  und  Schnellwalde  (bei  der  „kleinen  Hütt")  ist  der 
„schmale  Wald",  und  in  diesem  ist  ein  grosser  Steinhaufen,  in  welchem 
es  spukt.  Wenn  z.  B.  die  Leute  aus  Albrechtswalde  ihre  Pferde  dort 
hüten,  merken  sie  ganz  deutlich,  wie  es  zwischen  den  Steinen  poltert. 


Von  H.  Frischbfer.  257 

Einmal  hat  man  erfahren,  was  dahinter  steckt.  Ein  Mann,  der  auf  der 
„Schreiberei"  wohnte  und  den  Tag  über  in  ülpitten  arbeitete,  ging 
stets  früh  nach  Hause,  um  nicht  im  Finstern  jenen  Spuk  hören  zu  müssen. 
Aber  ein  junger  Mensch,  der  auch  einmal  nach  der  „Schreiberei"  gehen 
musste,  verspätete  sich ;  es  war  schon  ganz  finster,  als  er  an  dem  Stein- 
haufen im  „schmalen  Walde"  vorbeikam.  Plötzlich  tauchten  —  gerade 
an  einer  kleinen,  verkrüppelten  Buche  —  zwei  schwarze  Hunde  auf, 
die  nun  rechts  und  links  von  ihm  denselben  Weg  schritten  und  immer 
grösser  und  unheimlicher  wurden.  Dem  jungen  Manne  vergingen  die 
Gedanken.  Mein  Gott,  er  wusste  nicht,  wie  er  überhaupt  nach  Hause 
kommen  sollte !  Aber  endlich  langte  er  dort  an.  Doch  der  Schreck  hatte 
ihn  so  elend  gemacht,  dass  er  am  dritten  Tage  starb.  (Lemke  brieflich.) 

Wolf. 

Name:  pltd.  Wulf.    Im  Rätsel:  Grimmgram.  (Tierrätsel  36.) 

Die  Tötung  eines  gefangenen  Wolfes  macht  unehrlich.  (Thorn.) 
Lenz,  Gemeinnütz.  Naturgesch.  Gotha  1835.  I,  166. 

Am  Nikolaitage  (G.  November)  kommen  die  Wölfe  zusammen 
und  gehen  zu  Maria  Licht mess  wieder  auseinander.  In  dieser  Zeit 
ist  es  gefahrlich  zu  reisen.  (Hohenstein.  Toppen  68.) 

Der  Wolf  zerreisst  das  Vieh,  mit  dem  man  am  Johannis-  und 
Jakobitage  gearbeitet  hat.  (Toppen  73.) 

Läuft  ein  Wolf  über  den  Weg,  so  bedeutet  das  Glück.  Vgl.  Fuchs. 

Sprichwörter:  Der  Wolf  jagt  die  Schafe:  wenn  der  Wind  ein 
Roggenfeld  wellenartig  bewegt.  —  Wenn  der  Wolf  im  Mai  im  Saat- 
feld liegt,  die  Last  des  Kornos  die  Scheune  biegt.  (Dubeningken.)  — 
Regnet's  bei  Sonnenschein,  so  sagt  man:  De  Wulf  heft  dat  Feber. 
De  Wulw'  pösse.  —  Der  Wolf  lässt  wohl  von  seinen  Haaren,  aber 
nicht  von  seinen  Nicken.  —  Wenn  man  an  den  Wolf  denkt,  ist  er  da  — 
ist  er  nicht  weit.  —  Wenn  man  den  Wulf  bim  Name  nennt,  kömmt 
hei  stracks  öm  Galopp  gerennt.  —  Der  Wolf  nimmt  auch  ein  gezeich- 
netes Schaf.  —  Ein  alter  Wolf  ist  böse  zu  bändigen.  —  He  hefft  söck 
den  Wulf  tom  Schaphert  gestellt.  —  Wenn  en  Wulf  vom  andre  frett, 
denn  ös  knapp'  Tit.  —  Dem  liggende  Wulf  kömmt  ök  wat  ön't  Mül. 
Vgl.  Sprichw.  I,  4100  ff.;  II,  2949  ff. 


258  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

Der  Mensch  im  Vergleich  mit  dem  Wolf:  Wie  ein  Wolf  fressen  — 
gierig  sein  —  Hunger  haben  —  heulen;  fressen  —  Hunger  haben  wie 
ein  Boggenwolf  —  wie  ein  Werwolf  —  wie  ein  Wolf  in  den  Zwölften;  — 
heulen  wie  ein  Wolf  in  den  Zwölften  —  wie  ein  Lichtmessenwolf. 
(Korrespondenzbl.  III,  54.) 

Kinderspiel: 

Gosse- Gusse -G&nskes,  kamt  na  Hü«! 

Wi  dere  nich. 
Ver  wem  denn  nich? 

Ver'm  Wulwe  nich  u.  8.  w. 

(Vgl.  Volksr.  177.   Korrespondenzbl.  III,  54.) 

Fachs. 

Name:  pltd.  Fos.  Der  Herbstbalg  des  Tuchs  es,  wie  der  des  Hasen 
(s.  d.)  deutet  die  §tärke  des  Winters. 

Läuft  ein  Wolf  oder  ein  Fuchs  über  den  Weg,  so  bedeutet  das 
Gluck.  (Soldau.)  Simon  Grünau  (hrsg.  von  Perlbach,  S.  90),  berichtet 
dagegen :  und  einer  fert  abir  reit,  und  ein  fox  im  über  den  wegk  leufft, 
so  sol  im  ein  schade  entstehen.  (Toppen  77.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  II,  338.) 

Wenn  abends  Nebel  von  den  Wiesen  aufsteigen,  kocht  der  Fachs. 
(Mitteilung  von  Walter  Gordack.) 

Fuchsleber  und  Fuchslunge  werden  in  den  Apotheken  als  Medika- 
mente für  krankes  Vieh  gefordert:  Fuchslungensaft,  Syrupus  Liquiritiae. 

Sprichwörter:  Der  Fuchs  hat  (weiss)  mehr  als  ein  Loch.  Stirbt 
der  Fuchs,  so  bleibt  (gilt)  das  Leder  (Auch  mit  dem  Zusätze:  lebt  er 
lang,  so  wird  er  alt).  Es  ist  nur  eine.  Sage,  sagt  der  Fuchs,  dass  man 
mich  zum  Gänsehüten  haben  will  (in  der  Gegend  von  Konitz:  Dat  is 
man  so'n  Kedenärt,  mt  nehmen  s'  tum  Gäshöde  ni,  seggt  de  Fos).  De 
Fos  verlert  de  Här,  äwer  nich  sine  Nicke.  —  Zuletzt  treffen  sich  die 
Füchse  beim  Pelzhändler.  —  Eine  Sache,  die  man  nicht  finden  kann, 
hatlder  Fuchs  mit  dem  Zagel  bedeckt;  das  Unbedeutende,  Geringe, 
Leichte  trägt  der  Fuchs  auf  dem  Schwanz  fort.  — -  Wie  ein  Fuchs 
listig,  —  schlau  sein,  —  liegen,  —  lauern.  —  Wie  der  Fuchs  unter  der 
Egge  sitzen;  —  wi  de  Fos  vor'm  Loch  ligge,  —  op  Geelftäsch  Iure,  — 
nä  Geelfl&ch  gile.  — -  Den  Fuchs  schleifen:  aus  einer  grossen  Kanne 


Von  H.  Frischbier.  259 

in  die  Kunde  trinken.  (Violet,  Neringia  164.)  Vgl.  Sprichw.  I,  1013  ff.; 
II.  815  ff.   Preuss.  Wörterb.  I,  209.  Korrespbl.  III,  50. 

Pflanzennamen:  Fuchsschwanz,  Panicum  germanicum,  Lythrum 
salicaria,  Alopecurus  geniculatus.  Fuchsschwanzgras,  Alopecurus  agrestis. 
Fuchssegge,  Carex  vulpina.    Hagen  a.  d.  a.  W. 

Dachs. 

Namen:  Tachs,  imErmlande  Gräber,  sonst  auch  Qräwing, Greifing, 
Dachsbär.   (Bujack  363.) 

Am  Tage  Pauli  Bekehrung  (25.  Januar)  kommt  der  Dachs  aus 
seiner  Höhle.  Scheint  dann  die  Sonne,  dass  er  seinen  Schatten  erblickt, 
so  eilt  er  in  die  Höhle  zurück,  und  der  Winter  dauert  nun  noch  so 
lange,  als  er  bereits  gewährt;  sieht  er  dagegen  den  Schatten  nicht,  ist 
der  Himmel  also  trübe,  so  wird  es  bald  Frühling.    (Er.  Goldap.) 

Sieht  der  Dachs  zu  Lichtmess  (2.  Februar)  seinen  Schatten,  d.  h. 
scheint  an  diesem  Tage  die  Sonne,  so  kehrt  er  in  seinen  Bau  zurück, 
und  es  giebt  noch  langen  Winter.    (Natangen.) 

Das  Fett  vom  Dachs  ist  gut  zum  Eintrinken;  es  hilft,  wenn  der 
Arzt  nicht  mehr  helfen  kann.   (Saalfeld.    Lemke  90.) 

Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Dachs:  Wie  ein  Dachs  schlafen,  — 
im  Loche  sitzen;  von  sin  egen  Fett  lewe,  wi  de  Tachs  öm  Winter. 
(Korrespondenzbl.  III,  50.) 

Iltis. 

Namen:  Duck,  Dock,  Duch,  Elk,  Ilk,  Ilsk,  Ilske,  Iltke,  Ulk,  Illing, 
Nilling,  Nilk,  Ölsk,  Ülske,  Düs,  Dous. 

Sprichwörtliches:  Wie  ein  Ilske  (ölske)  stinken;  —  flsten  wie 
e  Duck.  (Vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  154.  Nesselmann,  Thesaurus  34. 
Korrespondenzbl.  III,  51.) 

Bär. 

Namen:  Bar,  Bär,  Zieselbär,  Zeiselbär,  schwarzer  Bär. 

Der  Bär  war  einst  in  Deutschland  König  der  Tiere,  ist  aber  vom 
Löwen  verdrängt.    (Grimm,  Keinhardt  XLVIII.  ff.) 

Der  Bär  saugt  an  den  Pfoten ;  daher  die  Redensart,  dass  der  Mittel- 
lose, Unbeschäftigte,  Pfoten  saugen  muss. 


260  Zur  volkstümlichen  Natnrknnde. 

Das  Fett  des  Bären  ist  als  Heilmittel  sehr  beliebt.  Das  Land- 
volk unterscheidet:  Barefett  von  em  (dem  Männchen)  und  von  ehr 
(dem  Weibchen). 

Der  Fjuhrer  des  Bären  heisst  Bärentrecker,  Bäretrecker,  der 
Käfig  Bärenkasten. 

Ackerstucke  und  Schluchten  nennt  man  Bären  winkel,  B&rewinkei. 

Von  Pflanzeu  sind  nach  dem  Bären  genannt:  Hordeum  hexastichon, 
Bärengerste,  und  Vicia  duraetorum,  Bären wicke.  In  Hagen,  Preussens 
Pflanzen,  finden  sich  noch  folgende  Namen:  Bärenklau,  -tatze,  Hera- 
cleum,  Bärenlauch,  Allium  ursinum,  Bärentraube,  Bärbeere, 
Arbutus  uva  ursi. 

Die  Bewohner  von  Schippenbeil  und  Pischbausen  führen  den  Spitz- 
namen: Bärenstecher.  (Das  Genauere  s.  Keusch,  Sagen  113.  Preuss. 
Wörterb.  I,  190.) 

Der  Bär  im  Sprichwort:  Wenn  der  Bär  auch  noch  so  brummt, 
tanzen  muss  er  doch.  Dem  ohle  Bare  ös  schlömm  danze  lehre;  allge- 
mein auch  hochdeutsch. 

Der  Mensch  im  Vergleiche  zum  Bären:  Wie  ein  Bär  brummen, — 
brummig,  —  bärmaulig,  —  grimmig  sein.  —  Aussehen  wie  ein  ge- 
leckter Bär,  —  wie  ein  Zeiselbär.  —  Tanzen  wie  ein  Bär.  —  Er  ist  ein 
rechter  (alter)  Brummbär,  —  ein  Bärenhäuter;  er  ist  ein  Bärengrumpri. 

Der  Bär  im  Spiel: 

Blind  Kauke,  öck  ledcT  di. 

Wohen  denn? 
Ön  o  Bärestall. 

De  Bare  blte  mi. 
Nömm  e  Knöppel  on  wehr  di 

(von  hinge  on  von  fere)! 

Der  Träge  und  Mfissiggänger  liegt  auf  der  Bärenhaut.  Der 
Schuldeumacher  hat  einen  (guten)  Bären  brummen.  (Vgl.  Preuss. 
Wörterb.  I,  55;  Sprw.  I,  240;  II,  258;  Volksr.  186.  Korrespbl.  III,  49.) 

Maulwarf. 

Namen:  Moltwurm,  Moltworm,  Moltwurf,  Mälzsack.  (Bujack  363. 
Preuss.  Wörterb.  II,  71.) 

Wenn  der  Maulwurf  bis  unter  das  Gemäuer  eines  Hauses  gräbt, 
so  wird  in  diesem  Hause  bald  jemand  sterben. 


Von  H.  Friachbier.  261 

Wird  das  Bindvieh  mit  dem  Sande  von  Maulwurfshügeln  beworfen, 
so  wird  es  so  blitzend  blank  wie  der  Moltwurm  selbst.  (Lemke  90.  82.) 

Der  Maulwurf  im  Rätsel:  Hinjger  onsem  Hüs  plegt  (auch:  seit) 
Peter  Krüs  (auch:  schwärt  Peter,  Krüs)  ohne  Schär  on  ohne  Zech,  plegt 
Winter  on  Sämer  weg.  Auch:  Heft  kein  Zech  on  kein  Schär,  on  plegt 
doch  sin  §gen  (auch:  dep)  F&r.    (Tierrätsel  33.  ff.  Vgl.  Schwein.) 

Eichhörnchen. 

Namen:  Eichkätzchen,  pldt.  fikkatt,  fikhärnke,  Eichkater,  ßkkater. 
Letzterer  Name  auch  hin  und  wieder  zur  Bezeichnung  des  männlichen 
Tieres.    In  der  Gegend  von  Konitz  auch  Fibritzekatt. 

Sprichwörtliches:  Fliuk  wie  ein  Eichhörnchen,  —  wi  e  Fibritze- 
katt.   (Korrespondenzbl.  III,  50») 

maus« 

Pltd.  Mfis,   Dem.  Müske. 

Findet  der  Wirt  eine  Maus  auf  seinem  Acker,  so  muss  er  sich 
bemühen  sie  lebendig  zu  ergreifen;  gelingt's,  und  trägt  er  sie  über  die 
Grenze,  dann  kommen  ihm  keine  Mäuse  auf  die  Felder.  (Reuach,  Nach- 
lass.  Ermland.) 

Zeigt  sich  in  einem  Hause  eine  weisse  Maus,  so  kann  man  darauf 
gefasst  sein,  dass  dort  bald  ein  Todesfall  eintreten  wird.   (Lemke  91.) 

Mäuse  und  Satten  können  Ostern  gebannt  werden:  vier  Mädchen 
müssen  in  einer  der  Frühlingsluft  wenig  entsprechenden  Kleidung. zur 
Mitternachtsstunde  an  die  vier  Ecken  des  Hauses  gehen,  dort  an  die 
Wand  klopfen  und  rufen: 

Ratz',  Ratz1,  aus  der  Wand! 
Ostern  ist  im  Land. 

(Lemke  14.) 

Vergleiche  mit  der  Maus:  Mancher  Mensch  ist  beschäftigt  — 
geschäftig  —  flink  wie  die  Maus  in  den  Sechswochen  (wf  de  Müs,  de 
junge  wöll);  er  kickt,  wie  die  Maus  aus  den  Klunkern,  —  sieht  aus, 
steht  da,  wie  ein  Töpfchen  voll  (kahler)  Mäuse;  er  sieht  aus,  wie  'ne 
Maus  in  der  Wickelheed ;  er  ist  arm  wie  eine  Feldmaus  —  Kirchenmaus. 
(Korrespondenzbl.  III,  52.) 


2ß2  ^ur  ▼olkstümlichen  Naturkunde. 

Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redensarten:  Wenn  die 
Maus  satt  ist,  schmeckt  das  Körnchen  bitter.  Müske  dun,  Körnke  bötter. 
Wenn  die  Maus  satt  ist,  läuft  sie  über's  Korn.  Er  sitzt  wie  die  Maas 
(üblicher  Made)  im  Speck.  Wer  auf  dem  Stuhle,  eingeschlafen,  nickt, 
fängt  Mäuse;  wer  eine  versteckte  Absicht  erkennt,  merkt  Mäuse.  Beim 
Armen  krepieren  die  Maus'  in  der  Speckkammer  —  Speisekammer.  Davon 
kann  keine  Maus  fett  werden.  —  Ich  möcht  bloss  Maus  gewesen  sein! 
sagt  man,  wenn  man  einer  Unterredung  gern  beigewohnt  hätte. 

Bat  sei:  Pipop  on  Quarrop, 

Ginge  op  6ne  Barg1  rop; 

Acht  Ftf  od  Ine  Zägel, 

Räd'  e  mal,  wat's  dat  fern'n  Vagel? 

(Maus  und  Frosch.) 

Die  Maus  heisst  hier  Pfeifauf,  in  einer  Variante  des  Rätsels  auch 
Piper,  Pfeifer.    (Vgl.  Tierrätsel  30.) 

Nach  der  Ähnlichkeit  heisst  Maus  eine  Geschwulst  an  der  Seite 
tragender  Kühe,  die  sich  schnell  hin  und  her  bewegt.  Kommt  die  Maus 
bis  an  den  Hals,  so  muss  die  Kuh  sterben.  Mittel:  Man  durchsteche 
die  Maus  mit  einem  Pfriem.  Man  ziehe  dem  kranken  Stück  Vieh  schnell 
die  Zunge  aus  dem  Halse  und  beisse  die  Spitze  ab.    (Dönhoffstädi) 

Kleinen  Kindern,  welche  sich  das  Röckchen  aufgedeckt  haben, 
schlägt  man  dieses  schnell  zurück  und  ruft:  Die  Maus,  die  Maus  (de 
MÜs)!  Maus  ist  Kose-  und  Schmeichelwort  für  Mädchen.  Liebe  Maus, 
trautstes  Mauschen! 

Mäuse  nennt  man  auch  die  Sorgen  und  Gedanken,  die  Kopf  und 
Herz  erfüllen :  man  macht  sich  oder  andern  Mäuse.  (Vgl.Preuss.  Wb.  11,58.) 

Von  Maus  bildet  sich  durch  Ableitung  Mäuslein,  Mäuschen,  pltd. 
Müske,  mausig.  Dass  dich  das  Mäuslein  beisst!  als  Ausruf  der  Ver- 
wunderung, des  Staunens.  —  Sich  mausig  machen,  dreist,  keck,  stolz, 
unverfroren  auftreten. 

Zusammensetzungen:  Mauszahn,  Mausdreck,  Mausefaller,  Mause- 
holz, Mauseschwänzchen,  Mauskopf,  Mausepeter.  '  Die  Milchzähne  sind 
Mauszähne,  gehören  der  Maus;  fällt  ein  solcher  ans,  so  wirft  das  Kind 
den  Zahn  über  den  Kopf  auf  den  Ofen  mit  den  Worten :  Müske,  Müske, 
öck  gew  df  e  knäkerne  Tän,  göff  mf  e  tserne!  —  Er  mengt  sich  in 


Von  H.  Friaehbier.  263 

alles,  wie  der  Mausdreck  unter  den  Pfeffer.—  Mausefaller  heissen 
die  Slowaken,  welche  Mäuse-  und  Rattenfallen  fertigen.  —  Mäuse  holz 
ist  in  Westpr.  Name  für  Nachtschatten,  Solanum;  Mauseschwänzchen 
für  die  Bisamhyacinthe,  Muscari  botryoides.  Mauskopf  nennt  das  Volk 
die  schwarzköpfige  Grasmücke,  Sylvia  atricapilla,  während  Mausepeter 
der  Eater  (auch  die  Eatze)  als  tüchtiger  Mauser  heisst. 

Dass  mausen,  Mäuse  fangen,  auch  die  bildliche  Bedeutung: 
heimlich  und  mit  List  stehlen,  hat,  wäre  noch  anzuführen.  Vgl. 
Preuss.  Wörterb.  an  betr.  Stelle. 

Hase« 
Namen:  Lampe,  Mucker.    Nach  dem  Aufenthalte:  Feld-,  Wald-, 
Holz-,  Berg-,  Grund-,  Sumpf-  oder  Moor-,  Bruch-,  Sand-,  Steinhase. 
(Bujack  365.)    Deminutiv:  Häschen,  Haschen,  pltd.  H&ske. 

Haben  Hase  oder  Fuchs  im  Herbst  einen  stark  behaarten  Balg, 
so  giebt  es  einen  starken  Winter;  ist  der  Balg  leicht  behaart,  so  wird 
der  Winter  flau. 

Der  Hase  bringt  Unglück:  Geschäftsgänge  missglücken,  auf  einer 
Keise  begegnet  ein  Unglück,  wenn  ein  Hase  über  den  Weg  läuft.  — 
Wenn  ein  Hase  ins  Dorf  gelaufen  kommt,  so  wird  es  bald  daselbst 
brennen.  (Marggrabowa.)    Siehe  auch  Toppen  77. 

Der  Hase  im  Rätsel:  Auf  welche  Seite  fällt  der  Hase,  wenn  er 
geschossen  wird  ?  Auf  die  rauche.  —  Wann  hat  der  Hase  Zahnschmerzen  ? 
Wenn  ihn  der  Hund  beisst.  —  Warum  sieht  sich  der  Hase  um,  wenn 
ihn   die  Hunde  verfolgen?   Weil  er  hinten  keine  Augen  hat.  —  Was 
macht  der  Hase,  wenn  er  über  den  Weg  läuft?  Einen  Kreuzweg.  — 
Warhm  läuft  der  Hase  mehr  vor  einem  weissen,  als  vor  einem  schwarzen 
Hunde  ?j  Weil  er  denkt,  der  weisse  Hund  habe  sich  den  Bock  ausge- 
zogen und  könne  daher  besser  laufen.  — ^  Warum 'rennt  der  Hase  über 
den  Berg?   Weil  er  nicht  durch  den  Berg  laufen  kann.  —  Wie  weit 
rennt  der  Hase  in  den  Wald?  Bis  in  die  Mitte;  hat  er  diese  erreicht, 
dann  läuft  er  zum  .Walde  hinaus.  —  Wo  geht  der  Hase  hin,  wenn  er 
ein  Jahr  alt  ist?   Ins  zweite*  Jahr.  —  Worüber  fällt  der  Hase,  wenn 
er  über  den  Graben  springt?  Über  seine  Füsse.  —  Ein  Hase  sitzt  im 
Garten  und  kann  nicht  über'n  Zaun,  nicht  durch'n  Zaun,  nicht  unter'n 


264  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Zaun,  und  der  Jäger  steht  hinter  ihm.  Wie  kommt  der  Hase  aus  dem 
Garten?    Das  sei  des  Hasen  Sorge. 

Der  Mensch  im  Vergleich  mit  dem  Hasen:  Wie  ein  Hase  furcht- 
sam sein,  —  gesetzt  sein,  —  schlafen.  Eiu  Hasenherz  sein.  —  Das 
Hasenpanier  ergreifen,  auch:  das  Hasengewehr.  (Korrespbl.  III,  51.) 

Der  Hase  im  Sprichwort:  Da  sitzt  der  Hase  im  Pfeffer.  — 
Dazu  kommen,  wie  der  Hase  zum  Kohl.  —  in  den  Kohlgarten.  — 
Ein  Has'  macht  viele  Spuren.  —  Das  Häschen  hat  ihn  geleckt.  — 
Häschen,  hast  'nen  Bart,  so  nähr1  dich,  d.  h.  sorge  für  dich  selbst, 
nun  du  erwachsen  bist.  —  Brot,  das  den  Kindern  von  Besuchen  oder 
aus  der  Stadt  mitgebracht  wird,  heisst  flaschenbrot.  Ein  Häschen, 
so  wird  erzählt,  hat's  für  das  Kind  mitgegeben  oder  in  eiuem  Verstecke 
zurückgelassen.    Vgl.  Sprich w.  I,  1494;  II,  1123.  Preuss.  Wb.  I,  274. 

Pflanzennamen:  Hasenampfer,  Kumex  obtusifolius;  Hasen- 
aug,  Geum  urbanum;  Hasenbrot,  Briza  media  u.  Luzula  campestris; 
Hasenfuss,  -klee,  -pfötchen,  Trifolium  arvense;  Hasenpfötchen  auch 
Gnaphalium  dioicum;  Hasengras,  Briza  media;  Hasenheide,  Spar- 
tium  scoparium;  Hasenkohl,  Oxalis  acetosella,  Sonchus  oleraceus  u. 
Lapsana  communis;  Hasenlattich,  Prenanthes  muralis;  Hasenlöffel, 
Alisma  plantago;  Hasenöhrchen,  Bupleurum  rotundifolium;  Hasen- 
pappel,  Malva  rotundifolia;  Hasenpfotbinsen,  Eriophorum  vagina- 
tum;  Haseuried,  Carex  ovalis.  (Hagen,  Preuss.  Pflanzen  u.  d.  a.  W.) 

Pferd. 

Namen:  Kragge,  Kracke  (auch  altes,  abgetriebenes  Pferd).  Hingst 
=  Hengst;  Kobbel  =  Stute;  Wallach.  Das  Füllen  heisst:  Fohlen, 
Fälle;  in  der  Kindersprache :  Hitsch,  Hitschchen,  Hftscherchen,  Hitsch- 
fällchen,  Hitschfalle,  Hitschfüllen.  (Ostpr.)  Hisch,  Hischchen  2c.  (Westpr.) 
Das  männliche  Füllen  heisst  Hengstfohlen,  Hingst  fälle;  das  weibliche 
Stutfohlen,  Kobbelfälle;  die  Mutterstute  Fohlenkobbel,  Fällenkobbel. — 
Nach  der  Farbe:  Vos,  Brüner,  Kapp,  Schömmel,  Scheck. 

Zurufe:  Lockruf:  Hietsch  Hietsch!  Anspornend:  Hot!  He!  Hü 
Heda!  Je!  Zurückhaltend:  Burr!  Purr!  Beim  Fahren  und  Pflügen: 
Hott!  =  rechts,  Je  he!  =  links.  (Volksr.  242.  Preuss.  Wb.  u.  d.  a.  W.) 


Von  H.  Frischbier.  265 

Aberglauben:  Die  Pferde  werden  in  der  Osternacht  geschwemmt, 
das  bewahrt  vor  aller  Krankheit,  nur  müssen  sie  vor  Sonnenaufgang 
wieder  im  Stalle  sein.  (Samland.  Volkskal.  87.) 

Wenn  man  einen  Finger  von  einem  Gehängten  in  den  Stall  legt, 
so  gedeihen  die  Pferde  gut.  (Reusch,  Nachlass.) 

Legt  man  in  der  Sylvesternacht  den  Pferden  Handwerkzeug  (Hobel, 
Schneidemesser,  Bohrer,  Hammer  je.)  in  die  Krippe,  so  bewahrt  man 
sie  dadurch  vor  Krankheit.  (Friedland  Ostpr.) 

Es  ist  sehr  gut,  kranke  Pferde  mit  weissen  Laken  abzureiben. 
(Saalfeld.) 

Wenn  ein  Pferd  eine  Hasenscharte  hat,  so  muss  man  sie  an  drei 
Freitagen  nach  einander  bei  abnehmendem  Lichte  unter  dem  allgemeinen 
Segen:  Im  Namen  Gottes  :c.  bestreichen.  (N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  119, 205.) 

Wenn  der  Geistliche  zu  einem  Kranken  fährt,  und  die  Pferde  spitzen 
dabei  ungewöhnlich  die  Ohren  und  spielen  mit  ihnen,  als  ob  sie  scheu 
werden  wollten,  so  wird  der  Kranke  sterben.  (Beuscb,  Nachlass.) 

Vor  Leichenwagen  spannt  man  niemals  tragende  Stuten,  weil  diese 
„zu  schaden  kommen11,  d.  h.  beim  Fohlen  Unglück  haben  wurden.  Gewöhn- 
lich werden  Wallache  vor  den  Leichenwagen  gespannt.  (Passenheim.) 

Schauen  die  Pferde  vor  dem  Leichenwagen,  während  dieser  vor 
dem  Trauerhause  steht,  auffällig  nach  einem  Nachbarhause  hin,  so  stirbt 
in  demselben  jemand  in  nächster  Zeit.  (Passenheim.) 

Wenn  während  der  Fahrt  mit  der  Leiche  die  Pferde  an  einem  Hause 
stehen  bleiben,  so  stirbt  in  diesem  Hause  gleichfalls  jemand.  (Passenheim.) 

Wenn  die  Pferde  bei  einer  Fahrt  zum  Besuche  „prusten",  so  werden 
die  zu  Besuchenden  sich  über  den  Besuch  freuen.  (Passenheim.) 

Pferde  ermüden  leicht,  wenn  sich  eine  Katze  auf  dem  Wagen  be- 
findet. Auch  werden  sie  müde,  wenn  man  abfährt,  während  frischge- 
backenes, eben  aus  dem  Ofen  gezogenes  Brot  auf  dem  Tische  liegt; 
oder  wenn  Knaben  sich  am  Herde  aufhalten  und  vom  gekochten  Essen 
schmecken.    (Alt-Pillau.) 

Die  Pferde  werden  unruhig,  stehen  ungern  und  gehen  häufig  durch, 
wenn  ein  so  eben  aus  dem  Ofen  genommenes  Brot,  das  also  noch  heiss 
ist,  zum  Essen  auf  den  Tisch  gebracht  wird.    (Saalfeld.) 

Alfpr.  Monatsschrift  Bd.  XXII.  HfL3n.d,  18 


266  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Träumt  man  von  schwarzen  Pferden,  so  bedeutet  dies  Tod.  Träumen 
Mädchen  von  braunen  Pferden,  so  kommt  ein  Freier.    (Saalfeld.) 

Sagen:  Als  der  liebe  Gott  (Christus  unser  Herr)  noch  auf  Erden 
wandelte,  kam  er  einst  an  einen  Pluss  und  wollte  hinüber.  Am  Ufer 
des  Flusses  weidete  ein  Pferd  und  ein  Ochse. 

„Trage  mich  hinüber!"  sprach  der  liebe  Gott  (der  Herr)  zu  dem 
Pferde;  doch  dieses  antwortete:  „Ich  habe  keine  Zeit,  ich  muss  fressen." 
Darauf  sprach  der  liebe  Gott  (der  Herr):  „So  friss  denn  und  werde 
niemals  satt!" 

Der  Ochse  aber  bot  dem  lieben  Gott  (dem  Herrn)  bereitwillig  seinen 
Rücken  und  trug  ihn  über  den  Fluss,  und  Gott  (der  Herr)  sprach: 
„Weil  du  unaufgefordert  mich  durchs  Wasser  getragen  hast,  so  sollst 
du,  wenn  dir  reichliches  Futter  gegeben  wird,  ebenso  schnell  satt  werden, 
wie  dein  Pflüger". 

Daher  fressen  die  Pferde  auf  der  Weide  unaufhörlich  und  werden 
niemals  satt;  das  Bind  aber  wird  schneller  satt  als  das  Pferd,  verzehrt 
weniger  und  geniesst  die  Freude  des  Wiederkauens.  (In  der  ganzen 
Provinz  und  weiter  bekannt.) 

Um  die  Mitternachtsstunde  der  Neujahrsnacht  reden  alle  Tiere  die 
Sprache  der  Menschen.  Wer  aber  in  dieser  Stunde  ihre  Bede  belauschen 
würde,  wäre  ein  Kind  des  Todes.  Dies  that  in  Masuren  ein  Haus- 
wirt; er  war  auf  den  Schuppen  gekrochen,  um  die  Gespräche  seiner 
Pferde  in  dem  darunterliegenden  Stalle  zu  hören.  Da  vernahm  er  nun, 
dass  sie  über  ihn  bittere  Klage  führten:  wie  sehr  sie  angestrengt  würden, 
wie  wenig  sie  zu  fressen  bekämen,  wie*  harte  Schläge  sie  zu  erdulden 
hätten.  Ihm  wurde  angst  und  bange;  doch  er  bekam  einen  Todes- 
schreck, als  das  eine  Pferd  sagte:  „Der  uns  dort  oben  behorcht,  den 
werden  wir  nach  sechs  Wochen  tot  hinausfahren".  Und  so  geschah  es: 
der  Bauer  erkrankte,  starb  und  ward  in  der  vom  Pferde  angegebenen 
Zeit  zum  Kirchhof  gefahren.    (Passenheim.) 

Das  Pferd  im  Vergleiche  zum  Menschen:  Wie  ein  Pferd  dumm,  — 
fromm,  —  eigensinnig,  —  statisch  sein.  —  Eigensinnig  sein  wie  ein 
Droschkenpferd  —  Kutschpferd.  —  Nicken  haben  wie  ein  altes  Droschken- 
pferd. —  Ein  Gedächtnis  haben  wie  ein  Pferd.  —  Wie  ein  Pferd  ar- 


Von  H.  Prischbier.  267 

beiten.  —  Gehen  wie  ein  Körassierpferd.  —  Saufen  wie  eine  Acker- 
mäbre.  —  Besoffen  sein  wie  ein  Ackergaul.  —  Abgetrieben  sein  wie  ein 
alter  Droschkengaul.  —  Wie  ein  Hengst  braschen  —  gehen  —  durch- 
gehen. —  Vom  Pferde  hergenommen  sind  noch  die  Redensarten: 
sich  auf  die  Hinterbeine  setzen;  —  mit  allen  Vieren  ausschlagen;  — 
auf  allen  Vieren  beschlagen  sein;  —  den  Pferdefuss  zeigen;  —  gegen 
die  Peitsche  gehen.  —  Wie  ein  Pullen  ausschlagen,  —  lustig,  — 
munter  sein;  —  munter  wl  e  Sogfölle.  (Korrespondenzbl.  III,  50  f.)  — 
Bei  Krankheiten,  deren  Kur  ein  gewisses  Unbehagen  erzeugt,  sagt  man: 
Eine  Pferdekur  durchmachen. 

Sprichwörter:  Ein  gutes  Pferd  findet  sich  wieder.  Ein  schlechtes 
Pferd,  das  den  Hafer  nicht  frisst,  der  ihm  vorgeworfen  wird.  Wer  das 
Pferd  kauft,  kauft  auch  den  Schwanz.  Auf  die  magern  Pferde  setzen 
sich  die  meisten  Mücken.  Wer  sich  als  Pferd  verdungen,  muss  auch 
als  Pferd  ziehen.  Wenn  de  Perd'  göt  stäne  on  de  Früens  afgäne,  denn 
kann  de  Bär  rik  wäre. 

Zusammensetzungen:  Pferdefischerei,  Fischerei  in  kleineren 
Flüssen,  bei  der  die  Fische  durch  Beiter  allmählich  in  ein  quer  aus- 
gespanntes Netz  getrieben  werden.  Pferdsdreck,  -scheiss.  Pferds- 
liebe, plump-zärtliche  Umarmung.  Bossgarten,  Stadtteil  in  Königsberg. 

Tiernamen:  Pferdskäfer,  Geotrupes  stercorarius.  Pferdseile, 
-eule,  Hirudo  sanguisuga.   Bösschen,  Libelle. 

Pflanzennamen:  Pferdebohne,  Bossb.,  Vicia  Faba.  Pferds- 
dorn,  Hippophae  rhamnoides.  Pferdegras,  Holcus.  Pferdskastanie, 
Aesculus  hippocastanum.  Pferdemünze,  Mentha  aquatica.  Pferde- 
poley,  Mentha  silvestris.  Pferdesamen,  Bossfenchel,  Phellandrium 
aquaticum.  Pferdeschwanz,  Hippuris  vulgaris.  Pferdewurz,  Car- 
lina acaulis.  Pferdezahn,  Zea  mays.  Bossampfer,  Bumex  hydrola- 
pathum.  Bossfenchel,  Selinum  carvifolia.  Bosskümmel,  Peucedanum 
Silaus.  Bossnessel,  Stachys.  Bosspappel,  Malva  silvestris.  Boss- 
schwanz, Equisetum  limosum.  Bossveilchen,  Viola  canina.  Boss« 
wicke,  Vicia  sativa.  —  Vgl.  Sprich w.  I,  2915;  II,  2031  ff.  Korrespbl. 
m,  53.    Preuss.  Wörterb.  I,  139.    Lemke  86.    Treichel,  Volksth.  a. 

d.  Pflanzenwelt  IL    Hagen,  Preuss.  Pflanzen  u.  d.  a.  W. 

18* 


268  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Esel. 

Das  Geschrei  des  Esels  ist  ein  Vorzeichen  schlechten  Wetters. 
Vgl.  Wind  und  Wetter. 

Sprichwörter:  Den  Esel  zu  Grabe  läuten,  sitzend  mit  den 
Füssen  baumeln.  Der  Esel  geht  voran,  wenn  jemand  in  einer  Reibe 
von  Personennamen  den  seinigen  zuerst  nennt.  Wenn  dem  Esel  zu 
wohl  ist,  geht  er  aufs  Eis.  Wenn  sich  die  Esel  recken,  dann 
wird  schlechtes  Wetter,  wenn  jemand  die  Glieder  reckt,  streckt 
Wie  ein  Esel  arbeiten  müssen,  —  beladen,  bepackt  sein  (beladen  seiu 
wie  ein  Packesel),  —  faul  sein.  Zu  gebrauchen  sein,  wie  der  Esel  zum 
Laufen.  Huren  wie  ein  Steinesel.  Vgl.  Sprichw.  II,  751  ff.  Eorrespbl. 
ni,  50. 

Pflanzennamen:  Eselsdistel,  Carduus  nutans.  Eselsfuss, 
-hilf,  Tussilago  Farfara.  Eselskörbel,  Scandix  anthriscus.  Esels- 
kraut, -milch,  Euphorbia  esula.   Eselsmöhre,  Daucus  carota.  Vgl. 

Hagen  u.  d.  a.  W. 

Hirsch« 

Der  Hirsch  tritt  am  1.  September  (Ägidius)  in  die  Brunst ").  Geht 
er  nass  hinein,  d.  h.  bei  Regenwetter,  so  kommt  er  trocken,  bei  schönem 
Wetter,  heraus,  und  dieses  hält  vier  Wochen  an.  Beginnt  die  Brunst 
bei  trockenem  Wetter,  so  tritt  der  Hirsch  bei  nassem  Wetter  heraus. 
Der  Volksmund  sagt:  Natt  herön  on  dreg  herüt,  dreg  herön  on  natt  herüt 

An  einem  bestimmten  Tage  [welchem?]  springt  der  Hirsch  ins 
Wasser.  Von  der  Zeit  an  soll  man  baden  gehen.  (Hohenstein.  Toppen  70.) 

Sprichwörtliches:   Wie   ein   Hirsch   dürsten,  —  durstig  sein. 

Eorrespbl.  HI,  51. 

Ziege« 

Namen:  Zeg',  Eoö,  Eose,  letzteres  von  dem  poln.  koza.  Das 
Männchen  Bock,  Ziegenbock,  pltd.  Zegebock. 

Zurufe:  Matz  Matz!  Eorr  Korr!  Zamm  Zamm!  —  Burr  Burr! 
(Litauen.)  Hödd  Hodd!  (Samland.)  —  Diese  Bufe  gelten  mehr  noch  dem 
Schafe.    Vgl.  Volksr.  242. 

")  Der  Hirsch,  der  am  Agidi-Tag  tritt  in  die  Brunst,  spührt  Liebes-PUg. 
Carminft  nupt  II,  284° . 


Von  B.  FriBchbier.  269 

Die  Ziege  hält  man  in  Masuren  für  verwandt  mit  dem  Teufel; 
daher  auch  das  Sprichwort:  Die  Ziege  und  der  Teufel  sind  eins,  koza 
i  diabel  to  jedno.  Auch  pflegt  man  im  Bilde  dem  Teufel  einen  Ziegen- 
kopf zu  geben. 

Sagen:  Einst  führte  ein  Bauer  eine  Ziege  zu  Markte.  Unterwegs 
bindet  er  sie  an  einen  Baumstamm  und  geht  auf  die  Seite.  Während 
seiner  Abwesenheit  entführt  der  Teufel  die  Ziege,  dreht  ihr  den  Kopf 
ab  und  steckt  diesen  in  einen  Sumpf.  Der  betrübte  Bauer  sucht  die 
Ziege  und  sieht  endlich  ihren  Kopf  aus  dem  Sumpfe  ragen.  Voll  Ärger 
ruft  er:  Wo  hat  dich  der  Teufel  hingetragen!  und  eilt,  die  Ziege  aus 
dem  Sumpf  zu  ziehen;  aber  o  weh!  den  Leib  des  Tieres  hatte  der 
Teufel  entführt,  dem  Bauer  blieb  nur  der  Kopf. 

Eine  Ziege  drängte  einst  ihren  Kopf  durch  die  Stecken  eines  Zaunes 
und  konnte  weder  vorwärts  noch  zurück.  Das  sah  der  Teufel  und  sagte: 
Nun  wird  man  wieder  sagen,  das  habe  ich  gethan.  Bald  darauf  sah 
der  Hirte  die  unangenehme  Lage  des  Tieres  und  rief:  Wie  hat  dich 
denn  der  Teufel  da  wieder  hereingebracht!  Habe  ich's  nicht  gesagt, 
bemerkte  der  Teufel,  dass  die  Menschen  mir  die  Schuld  zuschreiben 
würden!  (Passenheim.) 

Sprichwörtlich:  Wie  eine  Ziege  klappern,  —  vertrocknet  sein;  — 
wie  ein  Ziegenbock  steif  sein,  —  stinken.    Korrespbl.  III,  54. 

Bock. 
Wenn  Kinder  maulen,  schmollend  schweigen,  aus  Eigensinn  stoss- 
weise  schluchzen,  so  bocken  sie,  —  sind  vom  Bocke  gestossen,  — 
der  Bock  ist  im  Garten,  —  sie  sitzen  im  Bockwinkel,  namentlich 
wenn  sie  sich  in  eine  Zimmerecke  zurückgezogen  haben;  auch  kurz: 
sie  sind  bocksch,  bockisch.   Solch  maulenden  Kindern  singt  man  vor: 

Bock  öS  dm  Garde, 
Wöll  den  Kohl  afbläde. 
Jagt  em  rut,  jagt  em  rüt! 
Heft  geele  Stewelkes  an, 
Lacht  em  üt,  lacht  em  üt! 

Wird  das  Maulen  jedoch  unerträglich,  so  drohen  die  Eltern: 
Warte,  ich  werde  dir  den  Bock  schon  austreiben!  Hat  das 
Kind  sich  endlich  beruhigt,  so  hat  es  ausgebockt. 


270  ^ur  ▼o^atümlicfaen  Naturkunde. 

Der  Bock  stösst,  sagt  man  aber  auch,  wenn  man  schluchzen  muss. 
Die  Tolkemiter  sagen  von  dem,  der  aus  Frauenburg  kommt:  Den  hat 
der  Bock  gestossen.  Die  Frage:  Hat  dich  der  Bock  gestossen?  bat 
auch  den  Sinn:  Bist  du  toll? 

Unter  bocken  versteht  man  aber  auch  die  Vollziehung  des  ge- 
schlechtlichen Aktes.  Daher  heisst  es  von  gefallenen  Mädchen:  Hat  ihr 
das  Bocken  gefallen,  so  muss  ihr  auch  das  Lammen  gefallen. 
Dat  Bocke  geit  leicht,  dat  Lamme  schwär. 

Der  Bock  kümmert  sich  um  die  Lämmer  nicht,  das  Schaf  muss 
sie  leiten;  daher:  Wat  gäne  dem  Bock  de  Lämmer  an,  seggt  de 
Buur,  dat  Schaap  mot  se  ledde. 

In  nächster  Verbindung  steht  der  Bock  mit  den  Schneidern,  weil 
diese,  wie  viele  Volkslieder  kund  thun,  gern  Zeug  unterschlagen  und 
dadurch  dem  Bösen  verfallen,  den  wieder  der  Bock  repräsentiert. 

Folgender  Neckvers  trifft  die  ehrliche  Schneiderzunft  ebenfalls: 

De  Bock,  de  leep  den  Barg  hönnop, 

He  leet  sin  Närschke  blocke, 

Da  rennden  em  alle  Schnidersch  na 

Möt  Nadel,  Tweern  on  Flöcker. 

Stah,  stah,  min  Böckerke, 

Lat  din  Närschke  flocke! 

Stah,  Bock,  min  Mannke, 

Fer  de  kleene  Sannke! 

Der  Bock  im  Sprichwort:  Alte  Böcke  haben  steife  Hörner.  — 
Ein  alter  Bock  stösst  hart.  —  Bist  du  ein  Bock,  so  stosse  dich.  —  Den 
Bock  zum  Gärtner  setzen.  —  E  ohler  Bock  lett  woll  von  de  Woll,  awer 
nich  von  de  Necken. 

Wegen  seines  Scrotums  wird  der  Bock  von  anderen  Tieren  beneidet. 
Der  Bulle  begrüsst  ihn  mit  der  Frage:  Kleener  Keerl,  grooter  Sack, 
wöll  wie  tu— usche?    „Nemmermehr—r!"  antwortet  der  Bock. 

Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Bock:  Böcke  streifen, 
vomieren;  einen  faulen  Bock  lassen,  —  schiessen,  sich  unmanier- 
lich auffuhren.  Einen  Bock  schiessen,  zunächst  so  viel  als  einen 
Fehlscbuss  thun,  einen  Fehler  machen.  Wie  ein  Bock  stossen,  — 
Beine  haben  (bocksbeinig  sein).  So  stief  as  en  Zegebock.  Es 
inwendig  haben,  wie  der  Bock  das  Fett.   Voller  Streiche  sein, 


Von  H.  Frischbier.  271 

wie  der  Bock  voller  Lorbeeren.  Voll  Stolz  sien,  wie  de  Bock 
voll  Klätre.  Als  Schimpf-  und  Scheltworte  treten  auf:  Bockfell 
(böses  Frauenzimmer,  Einfaltspinsel),  Bocksdämel,  Dummkopf,  davon 
bocksdämlich. 

In  dem  Nachlasse  von  Keusch  finde  ich  den  Vermerk:  bocks- 
beuteln  (lugen),  jemandem  einen  Bocksbeutel  anhängen,  ihm  eine 
Unwahrheit  aufbinden.  Einen  ins  Bockshorn  jagen,  ihn  einschlich- 
tern.  —  Gegenstände,  die  eigentlich  biegsam  sein  sollten,  aber  die 
Elastizität  verloren  haben,  sind  steif  wie  Bocksleder. 

Die  Stadt  Frauenburg  heisst  im  Volksmunde  Bockstall,  die  Be- 
wohner Bockstecher,  Bockstosser. 

Der  Bock  im  Bat  sei:  Kam  ein  Männchen  aus  Engelland,  hatt'  'neu 
beschlagnen  Backenbart.  (Fommerellen.  Tierrätsel  21.)  —  Ein  Fährmann 
sollte  einen  Wolf,  einen  Bock .  und  einen  Kohlkopf  übersetzen.  Sein 
Boot  war  aber  so  klein,  dass  es  ausser  ihm  nur  einen  Gefährten  fasste. 
Wie  macht  er  das?  Nähme  er  zuerst  den  Wolf  in  den  Nachen  und 
liesse  den  Bock  und  den  Eohl  ohne  Aufsicht,  so  würde  der  Bock  den 
Kohl  verspeisen;  setzte  er  dagegen  den  Kohl  über,  so  frässe  unterdes 
der  Wolf  den  Bock.  Er  setzte  daher  zuerst  den  Bock  über,  denn  der 
Kohl  war  beim  Wolfe  nicht  gefährdet;  dann  fuhr  er  leer  zurück  und 
holte  den  Kohl  ab.  Bock  und  Kohl  durfte  er  jedoch  am  jenseitigen 
Ufer  nicht  allein  lassen,  er  nahm  daher  den  Bock  wieder  zurück,  setzte 
ihn  am  diesseitigen  Ufer  ab,  packte  den  Wolf  in  den  Nachen  und  fuhr 
ihn  zum  Kohl  hinüber;  endlich  kehrte  er  nun  wieder  leer  zurück,  um 
auch  den  Bock  zu  holen. 

Pflanzennamen:  Bocksbart,  Spiraea  ulmaria,  Tragopogon. 
Bocksbeere,  Bibes  nigrum,  Bubus  caesius.  Bocksmelde,  Cheno- 
podium  olidum.  Vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  92.  Sprichw.  I,  401 ;  II,  395. 
Volksr.  45.  65.  Zeitschr.  f.  d.  Phil.  XI,  346.  Korrespondenzbl.  III,  50. 
Hagen  u.  d.  a.  W. 

Schaf. 

Namen:  Schafbock,  Bock,  das  Männchen.  Schaf,  das  Weib- 
chen.   Lamm,  das  Junge. 

Zurufe:  s.  Ziege. 


r 


GeC*. 


272  ^ur  ▼olkatämlichen  Naturkunde. 

Aberglauben:  Findet  man  einen  Halm  mit  zwei  Ähren  und 
giebfc  diesen  einem  Mutterschafe  zu  fressen,  so  wird  dieses  ein  Pärchen 
Lämmer  zur  Welt  bringen.    (Ermland.) 

Das  lebhafte  Umherspringen  der  Schafe  auf  der  Weide  verkündet 
Wind  und  stürmisches  Wetter.    (Vgl.  Wind  und  Wetter.) 

Redensarten  und  Sprichwörter:  Wie  ein  Schaf  (Lamm) 
dumm,  —  geduldig,  —  fromm,  —  sanft,  —  unschuldig  sein.  —  Er  hat 
seine  Schafchens  (Schäfchen)  ins  Trockne  gebracht,  er  hat  sich  gut  zu 
stellen  gewusst.  Er  weiss  seine  Schafchens  gut  zu  scheren,  seinen  Vor- 
teil wahrzunehmen.  Wenn  man  die  Schafe  schert,  zittern  die  Lämmer. 
Das  Schaf  trägt  das  Lamm  auf  dem  Bücken,  wenn  es  nicht  gelammt 
hat,  in  dem  Werte  der  Wolle.  Er  lässt  sich  vom  Schaf  beissen  und 
hat'ne  Axt  in  der  Hand.  Er  sitzt  in  der  Wolle.  Geruhige  (geduldige) 
Schafe  gehen  viele  in  einen  Stall.  Ein  Schaf,  das  immer  blökt,  ver- 
liert manchen  guten  Bissen.  Machst  du  dich  zum  Schaf,  so  frisst  dich 
der  Wolf.  E  Schäp  schockt  man,  e  Kalf  kömmt  wedder,  zu  dem,  der 
eine  Bestellung  schlecht  ausgeführt  hat.  —  Wenn  Kinder  die  Butter 
vom  Brote  ablecken,  so  sagt  man :  sie  jagen  die  Schafe  über  die  Brache.  — 
Über  den  dicken  Reis  mit  Rosinen  und  Korinthen,  der  beim  Kindtaufs- 
oder  Hochzeitsschmause  aufgetragen  wird:  Da  sönd  de  Schäp  rewa  ge- 
gange.   (Vgl.  Sprichw.  I,  3235  ff;  2278  ff.  Korrespondenzbl.  III,  52.) 

Schimpfwörter:  Schafskopf,  Sehaftzagel,  Schaf  ohne  Woir !  (VgL 
Bock  unter  Ziege.) 

Rätsel: 

Ging  e  Gedärtke  äwer  de  Brügg, 
De  ögen  stanjgen  em  kickerdekick, 
De  Här  de  stanjgen  em  krollerdekroll  — 
Wer  dat  Dich  rät,  de  08  rasend  doli. 

Tierrätsel  20. 

Pflanzennamen:  Schafampfer,  Rumex  acetosella.  Schaf- 
garbe, Achillea  millefolium.  Schafgras, -Schwingel,  Festuca  ovina^ 
Schafkörb el,  Tordylium  anthriscus.  Schafkraut,  Arabis.  Schaf- 
linsen, Goronilla  varia.  Schafscabiose,  -rapunzel,  Jasione  montana. 
(Hagen,  Preuss.  Pflanzen  u.  d.  %  W.) 


Von  H.  Frischbier.  273 

Rind. 

Namen:  Bulle,  pltd.  Boll,  männliches  Bind.  Kau,  Koh,  weib- 
liches Bind:  Masche,  Muschekub,  Mschock  (Saalfeld).  Kalf  das 
Juuge:  Bullenkalb,  Kuhkalb;  das  kastrierte:  Ochsenkalb;  das 
weibliche  heisst  auch  Kiskalb.  Os  =  Ochs,  das  kastrierte  Bind.  Alle 
Tiere  zusammen  heissen  das  liebe  Yiehchen;  sie  bilden  die  Haupt- 
sorge des  Landmanries. 

Zurufe:  Lockruf:  Musch  Musch!  Musche  Husche!  Muscheköke! 
Anspornend:  Wie  beim  Pferde  und  in  Litauen  noch  Sehe!  Zurückhal- 
tend: Wie  beim  Pferde  und  in  Litauen  noch  Hoha!  zum  Anhalten  im 
Zuge,  und  Staku!  (zurück!  halt!)  wenn  das  Tier  auf  der  Weide  zu  weit 
weggeht.  Beim  Fahren  und  Pflügen:  Heitsch!  Hetsch!  Aitsch!Hot!  = 
rechts.  Ze!  Kse!  Schwodder!  (schwodde,  schwod,  schwudde,  schodder  — 
in  Masuren  czoder)  =  links.  Bischke!  =  halt.  (Volksr.  242.  Preuss. 
Wörterb.  u.  d.  a.  W. 

Aberglauben:  Von  hervorragender  Bedeutung  ist  der  erste  Tag 
des  Austreibens  der  Herde;  als  günstige  Tage  hierfür  gelten:  der  Sonn- 
tag Oculi,  Maria  Verkündigung  (25.  März),  der  St.  Georgstag  (23.  April) 
und  Walpurgis  (1.  Mai).  Iu  einigen  Gegenden  gilt  der  1.  Mai  als  ein 
unheilvoller  Tag,  weil  das  Vieh,  triebe  man's  an  diesem  Tage  zum 
ersten  Male  aus,  vom  Wolfe  gefressen  werden  würde.  Über  die  Zere- 
monien, die  beim  ersten  Austreiben,  namentlich  seitens  des  Hirten,  be- 
obachtet werden,  s.  meine  ausführliche  Abhandlung  über  den  Hirten 
in  „Hexenspruch  und  Zauberbann",  S.  139—155. 

Günstige  Wochentage  für  das  erste  Austreiben  sind  Montag,  Mitt- 
woch und  Freitag.    (Dönhoffstädt.) 

In  der  Saalfelder  Gegend  muss  das  im  Frühjahr  zum  ersten  Male 
aus  dem  Stalle  tretende  Vieh  über  einen  vor  die  Stallthür  gelegten 
alten  Frauenrock  schreiten;  das  schützt  gegen  Krankheit.  Hat  die 
Herde  den  Hof  verlassen,  so  wird  ihr  (am  besten  jedem  Stück  besonders) 
Sand  vom  Kirchhofe  entgegengeworfen;  das  soll  verhindern,  dass  das 
Vieh  einander  stösst.  Andere  halten  dagegen  das  Bestreuen  mit  „Toten- 
sand44 für  verderblich;  viele  empfehlen  zum  Bestreuen  den  Sand  von 
Maulwurfshügeln. 


274  Zur  volkstömlichen  Naturkunde. 

Man  soll  am  ersten  Austreibetag  dem  Vieh  die  Hörner  mit  Knoblauch 
einreiben  und  darf  mittags  die  Kühe  nicht  melken. 

Beim  Verkauf  einer  Kuh  muss  der  Leitstrick  mitgegeben  werden, 
auch  thut  man  gut,  dem  Verkäufer  noch  eine  Kleinigkeit  obenein  zu 
geben,  weil  sonst  die  Milch  beim  Verkäufer  bleiben  würde;  auch  darf 
das  Mass  der  Milch,  welche  die  Kuh  giebt,  nicht  richtig  angegeben 
werden.  Man  streut  Salz  in  die  Milch,  damit  sie  nicht  verrufen  werde. 
(Lemke  82.  Hexenspr.  14.) 

Erkranktes  Vieh  versucht  man  durch  folgende  Mittel  zu  heilen: 
Sauerteig  mit  Leinsaat  zusammengekocht,  in  Flaschen  gefüllt  und  ab- 
gekühlt, dem  Tiere  eingeflösst;  Schnaps  mit  Kamillenthee;  ferner  wendet 
man  folgende  Pflanzen  an:  ArtemisiaAbsinthium,  OrchisMorio,  Spiraea 
Ulmaria  und  Tauacetum  vulgare. 

Wenn  ein  Stück  Vieh  nach  dem  Genüsse  von  Klee  „dick"  wird, 
so  genügt  es  nicht,  ihm  einen  Knüppel  oder  ein  Strohsei]  zwischen  die 
Zähne  zu  klemmen,  damit  es  daran  kaue,  —  man  soll  ihm  zu  gleicher 
Zeit  eine  lebendige  Pogge  (Frosch)  in  den  Schlund  stossen.  (Lemke  82  f.) 

[In  Mecklenburg  ist  Pogge  der  Name  für  das  Aufblähen  der  Kühe. 
(Schiller.  Zum  Thier-  und  Kräuterb.  II,  3.)  Vielleicht  ist  auch  hier 
dieser  Name  für  den  bezeichneten  Zustand  üblich  und  das  in  der  Saal- 
felder Gegend  angewandte  Mittel  ein  sympathetisches.  Sonst  nennt 
man  in  Ostpreussen  Pogge  die  Geschwulst,  welche  sich  zuweilen  bei 
Kühen  und  Stuten,  wenn  sie  tragend  sind,  am  Unterleibe  findet.  Näheres 
über  diese  Pogge  und  ihre  Besegnung  s.  Hexenspruch  S.  80  f.] 

Der  Kuh  wird  die  Milch  verhext.  Das  dies  geschehen,  erkennt 
man  daran,  dass  die  Milch  abnimmt,  dass  sie,  noch  während  sie  süss 
ist,  schon  gerinnt  und  lang  wird,  dass  sie  verändert  aussieht  und  bald 
sauer  wird,  dass  sie  rötlich  von  der  Kuh  kommt,  oder  nach  Kuhdünger 
riecht.  —  Zur  Beseitigung  des  Zaubers  wendet  man  absonderliche  Mittel 
an,  über  welche  Genaueres  nachzusehen  ist:  Hexenspr.  und  Zauberbaun  tc., 
S.  17  ff.  und  Lemke  83  f. 

Kehrt  die  Herde  abends  ins  Dorf  zurück  und  geht  eine  rote  Kuh 
voran,  so  wird  am  morgenden  Tage  gutes  Wetter,  eine  voranschreitende 
schwarze  Kuh  deutet  auf  schlechtes  Wetter.    (Keusch,  Nachläse.) 


Von  H.  Frischbier.  275 

Wenn  die  Kühe  auf  der  Weide  gemolken  werden,  so  waschen  die 
Melkerinnen  ihre  Hände  nicht  früher,  als  bis  sie  mit  der  Milch  zu 
Hause  angekommen  sind  und  auch  dort  erst  in  dem  Wasser,  worin  sie 
die  Milchseihe  ausgespült  haben.  Sie  thun  dies,  damit  die  Milch  vielen 
Schmand  (Sahne)  aufwerfe.    (Bürgersdorf  bei  Wehlau.) 

Wenn  man  sich  ein  Kalb  „zulegen",  d.  h.  gross  ziehen  will,  so 
achte  man  darauf,  dass  es  keine  rote  Schnauze  nnd  keine  starke  Nabel- 
schnur habe;  in  beiden  Fällen  würde  das  Kalb  sterben.  Hat  das  junge 
Tier  dagegen  eine  schwarze  Schnauze  und  eine  dünne  Nabelschnur,  so 
ist  es  gut  zum  Zulegen.  Damit  es  jedoch  gut  fresse,  zieht  man  ihm 
dreimal  einen  Strohhalm  durch  das  Maul.  Um  das  Kalb  gegen  das 
Behexen  zu  schützen,  legt  man  einen  Stahl  in  das  Qef&ss,  worin  ihm 
das  Saufen  gereicht  wird.  (Alt-Pillau.) 

Das  Volksrätsel  beschreibt  die  Kuh: 

Vor  g&ne  den  Weg, 
Ver  hänge  den  Weg, 
Twei  wf8e  den  Weg, 
Ener  hängt  hinde  op  etn 
Schlacker  on  jagt  ua. 

Es  ist  dies  Rätsel  eine  Variante  des  Rätsels  Odins,  das  dieser  unter 
andern  dem  Könige  Heidrek  aufgiebt.  (Vergl.  Müllenhoff,  Sagen, 
Märchen  *c.  XII.) 

Vom  Ochsen  heisst  es  im  Rätsel: 

Wenn  öck  klön  si, 

Kann  öck  v6r  botwinge, 

Wenn  Sek  gröt  si, 

Kann  öck  Barg1  (on  Tai)  ombringe, 

Wenn  öck  döt  si, 

Kann  öck  danze  on  springe. 

Weitere  hierhergehörige  Rätsel  s.  Tierrätsel  No.  1 — 18. 

Ein  beliebtes  Kinderspiel  ist  „Blind  Kuhchen".  (S.  die  Be- 
schreibung Volksr.  700.) 

Redensarten:  Wie  ein  Rindvieh  dumm  —  grob  sein,  —  ur- 
teilen. —  Wie  ein  Stier  (Vieh,  Stück  Vieh)  besoffen  sein.  —  Er  ist 
wie  vom  Bullen  geleckt.    Er  geht  durch  wie  ein  Dorfsbulle.    Kicke 


276  ^ar  ▼olkstÜmHeben  Naturkunde. 

wie  de  Boll  op'fc  Brett  —  öa  de  Bibel  —  ön  de  Körch.  Ihn  hat  der 
Bulle  gestossen  =  er  ist  dumm.  Die  Ballen  lecken  sich,  sagt  man, 
wenn  Männer  sich  küssen.  Zur  Beruhigung:  Bollekoppke,  begöff  dt. 
Wer  seine  Eltern  nicht  kennt,  den  hat  der  Bulle  aufs  Eis  gesch 

Kuh.  Eine  fette  Kuh  macht  einen  magern  Beutel,  —  hat  die  Milch 
auf  den  Rippen  sitzen.  Jedermann  lobt  seine  Kuh  und  glaubt,  sie  ist 
die  beste.  Die  Kühe,  die  am  meisten  brüllen,  geben  die  wenigste 
Milch.  Eine  Kuh  ist  eine  lange  Seite  Speck.  Fröschmelk  Kau  ös  e 
lange  Sld  Speck.  Veel  Kög\  veel  Mög.  Wem  de  Kau  gehört,  dei 
packt  er  bim  Zagel.  Wenn  ene  Koh  den  Zagel  hewt,  so  hewe  se  em 
alle  —  so  biäe  (piäe)  alle.  Die  Kuh  im  Sack  kaufen.  Wenn  man  dir 
schenkt  die  Kuh,  so  lauf  mit  dem  Strick  dazu.  —  Der  Kuh  das  Kalb 
abfragen,  des  Fragens  kein  Ende  finden. 

Einen  ansehen  —  ankicken  —  wie  die  Kuh  das  neue  Thor  (in 
Danzig:  das  hohe,  in  Königsberg:  das  grüne  Thor)  —  das  rote  Thor  — 
das  bunte  Stadtthor;  —  davon  soviel  verstehen  —  wissen  —  wie  die 
Kuh  vom  grünen  Thor  je. ;  —  stehen  wie  die  Kuh  vor'm  grünen  Thor  je. ;  — 
kicken    wie    die  Kuh    nach  dorn  Apfelbaum;    —  rennen  —  darauf  zu 

*  0 

laufen  wissen,  wie  die  Kuh  auf  den  Apfelbaum;  —  davon  so  viel  wissen 
wie  die  Kuh  vom  Sonntage;  —  e  Arsch  hebbe  wi  'ne  Kö  fer  fif  Gille;  — 
e  Gesöcht  hebbe  wi  e  Könärsch;  —  e  Gesöcht  mäke  wi  de  Kö,  wenn 
se  schite  wöll;  —  luchter  wi  e  Kö  fer  fif  Gille;  —  de  Mönsch  ward 
ölt  wi  e  Kö  on  lert  ömmer  mehr  dato. 

Kalb.  Wie  ein  Kalb  albern  —  dollen  —  spielen;  auch  kalbern. 
Dumm  —  toll  sein  wie  ein  Kalb  —  herumspringen  wie  ein  junges  Kalb. 
Jung  Kalw  gehört  dem  Hunn'  (Hunde)  halv.  Kalbfleisch  ist  HalbÜeiscb. 

Ochs.  Man  kann  vom  Ochsen  nicht  mehr  verlangen,  als  ein 
Stück  Rindfleisch,  —  als  dass  er  Heu  frisst.  Die  Ochsen  haben  die 
grösste  Kopfarbeit,  dem  Ochsen  kann  man  was  vor  den  Zagel  legen  = 
dem  Starken  kann  man  tüchtige  Arbeit  zumuten.  Wie  ein  Ochs  dumm 
sein,  —  ochsig  dumm  (als  Schimpfwort:  Rindvieh,  Hornvieh  —  wahres 
Hornvieh).  Wie  ein  Ochs  arbeiten  (doch  auch  ironisch:  wie  ein  ange- 
bundener Ochse).  Kicken  wie  der  Ochs  in  die  Bibel.  D'rop  kicken 
as  de  Os  op  e  Däle  (Thaler).     Bewundere  as  de  Os  de  nüg'  Dissel 


Von  H.  FriBchbier.  277 

(Deichsel),  Sick  bequeme  as  de  Os  op  em  Morgen  Land.  Utsehne  — 
geputzt,  wie  e  Jahrmarktsos.  (Über  den  Jahrmarktsochsen  s.  Preuss. 
Wörterb.  I,  314.)  Korrespondenzbl.  III,  51  f. 

Schwein« 

Namen:  Kuijel,  der  Eber;  Borg,  der  verschnittene  Eber;  Sau, 
das  weibliche  Tier,  pltd.  Sü,  verschnittene:  Sauborg.  Die  jungen 
Schweinchen  heissen  Ferkelchens,  Farkelchens.  Im  Rätsel  heisst 
das  Schwein  Griffgraff.   (Tierrätsel  36.) 

Lockrufe:  Nuckel  Nuckel!  Bei  Angerburg:  Nucke  Nucke!  auch 
Pochla  Pochla!"  —  Eusch  Kusch!  Im  Ermlande:  Eosch  Eosch!  — 
Posch  Posch!  auch  Schä  Scha!  im  Samlande.  In  der  Saalfelder  Gegend: 
Kowmei  Eowmei  (auch  Eownei) !  Zum  Ferkel  im  Saalfeldschen :  Nitsch- 
chen  Kitsch!  im  Ermlande:  Pochla  Pochla!   (Volksr.  242.) 

Das  Schwein  ist  das  Prototyp  der  Unreinlichkeit  und  Faulheit:  wie 
ein  Schwein  schmutzig  sein,  —  wühlen,  —  grunzen ;  abgehen,  —  weg- 
gehen, wie  das  Schwein  vom  Trog.  —  Aussehen,  wie  eine  Sau,  —  wie 
eine  Sau  im  goldnen  Halsbande;  —  wühlen,  wie  eine  Sau;  —  auf- 
horchen, wie  eine  Sau;  —  wie  eine  Sau,  wenn  sie  sichten  hört;  — 
beschäftigt  sein,  wie  eine  Sau  am  Sonntage;  gefährlich  sein,  —  leben,  — 
liegen,  —  im  Bett  (im  Lager)  liegen,  wie  die  Sau  (wt  Forschte  Sü)  in 
den  Sechswochen;  —  ein  Gesicht  machen,  wie  die  Sau  auf  dem  Pflaumen- 
baum; —  die  Ohren  spitzen,  wie  die  Sau  in  den  Erbsen;  —  einen  an- 
fahren —  anschreien,  wie  die  Sau  den  Sack;  —  kommen,  wie  die  Sau 
ins  Judenhaus;  —  voll  Streiche  sein,  wie  die  Sau  voll  Ferkel;  —  ihm 
ist  so  wohl,  wie  der  Sau  im  Dreck.  —  Weifzageln  wt  de  Kuijel  <3n  de 
Sessweke.  —  Wie  ein  Ferkel  aussehen,  —  schmutzig,  —  unsauber  sein 
(ein  rechtes  Ferkel  sein);  —  e  Füst  höcher  sin  wl  e  Farkel.  (Eorre- 
spondenzbl.  III,  50  f.) 

Sprichwörter:  Daraus  kann  kein  Schwein  klug  werden.  Dasfrisst 
kein  Schwein.  Jedet  Schwin  heft  sin  Erlz,  on  jeder  Mönsch  sin  Leide. 
Je  mehr  Schwein,  je  dünner  der  Drank.  Lahme  Schwtn  käme  6k  tom 
Derp.  Gut  Schwein  frisst  alles.  Ohne  Afrhweine  zu  hüten,  wirst  du 
nie  Herr  werden.  Sich  zum  Schwein  machen.  (Vgl.  Sprw.  I,  3438  ff; 
H,  2439  ff.) 


278  ^ur  vo^«tam^c^en  Naturkunde. 

Rätsel: 


Et  geit  äwer  de  Brigg 

Od  heft  dem  Schuster  stne  Nidel  op  em  Rügg. 


Tierrätsel  22. 


Aberglauben:  Wenn  sich  die  Schweine  mit  Stroh  tragen,  Lager 
tragen,  so  wird  es  regnen. 

Wenn  ein  Schwein  einen  langen  Bussel  hat,  so  ist  es  nicht  gefrässig. 

Schweine,  die  stark  wühlen,  haben  Finnen.  (Scheufelsdorf  bei 
Passenheim.) 

Schweine  werden  in  der  Mast  stark  fett,  wenn  sie  mit  einem  Acht- 
zehner (Preuss.  Wörterb.  I,  14)  bestrichen  werden  können  (Ermland) ;  — 
wenn  man  Abgekratztes  von  den  vier  Ecken  des  Tisches  und  vom  Ofen 
in  das  Fressen  (wenigstens  in  die  erste  Mastkost)  mischt  (Ermland);  — 
wenn  man  einen  Maulwurf  in  der  Hand  tot  druckt  und  alsdann  mit 
dieser  die  Schweine  streicht.  (Marggrabowa.) 

Kauft  man  ein  Schwein,  so  muss  man  beim  Einstallen  Salz  über 
des  Tieres  Bücken  und  seinen  Trog  streuen :  —  man  befördert  dadurch 
sein  Gedeihen  und  sichert  es  dadurch  gegen  Verrufen  und  Behexen. 
(Ermland.) 

Kauft  man  Ferkel  zum  Zulegen,  so  lege  man  sie  zuerst  ins  Bett, 
dann  gewöhnen  sie  sich  gleich  und  bangen  sich  nicht  nach  der  Mutter. 
Darnach  lege  man  sie  unter  den  Tisch,  so  werden  sie  keine  Kost- 
verächter, sondern  fressen  gut.  (Alt-Pillau.) 

Wenn  Mädchen  die  Milz  des  Schweines  essen,  so  lernen  sie  gut 
nähen;  isst  aber  eine  Mannsperson  die  Milz,  so  erhält  sie  Seitenstechen. 
Auch  dürfen  Knaben  nie  die  Schnauze  des  Schweines  essen,  sonst  lernen 
sie  schlecht  pflügen  (Alt-Pillau.).  —  Wenn  ein  Knecht  oder  Instmann 
eine  Schweinsschnauze  isst,  so  zerbricht  er  beim  Ackern  den  Pflug. 
(Dönhoffstädt.) 

Beim  Einlegen  der  Würste  in  den  Kessel  und  beim  Kochen  der- 
selben darf  nicht  gesprochen  werden,  weil  sie  sonst  aufplatzen  würden. 
(Dönhoffstädt) 

Vor  Schweinedreck  soll  der  Teufel  Furcht  haben.  Nervenfieber- 
kranke   sind   vom   Teufel  besessen;   legt  man  ihnen  Exkremente  des 


Von  H.  Frischbier.  279 

Schweines  ins  Bett,  so  weicht  der  Teufel  und  der  Kranke  gesundet. 
Fährt  der  Teufel  im  Wirbelwinde  einher,  allerlei  Krankheiten  mit  sich 
führend,  so  speie  man  aus  und  rufe:  Pfui,  pfui,  Schweinsdreck! 
Der  Teufel  verekelt  sich  dann  an  dem  Ausrufenden  und  lässt  ihn  un- 
belästigt.    Sprichw.  I,  3448.  Preuss.  Wörterb.  II,  330. 

Zusammensetzungen:  schweinedreist, -dumm;  Schweine- 
jagd: das  Marktrecht  für  den  Auftrieb  von  Schweinen  zum  Verkauf; 
Schweinekost:  gemeinschaftliches  Mahl  am  Abend  nach  dem  Schlach- 
ten; Schweine vesper,  Imbiss  zur  Zeit  der  Bückkehr  der  Schweine 
vom  Felde  (etwa  um  6  Uhr  abends);  Sauball,  ein  Treib-Ballspiel ; 
Saufrass,  schlechte  Speise;  Sauglocke,  Sauglück;  Sauloch,  -nest, 
schmutzige  Wohnung. 

Schimpfworte:  Schweinepriester,  Schweinhund,  Schweinigel  (auch 
der  Sauigel,  Erinaceus,  und  das  'Stachelschwein,  Hystrix),  Schweinskopf 
=  Dummkopf,  Sauaas,  -bär,  -besen,  -hund,  -läppen,  -leder,  -magen, 
-mensch,  -michel,  -pelz,  -nigel,  -trommel,  -zahn,  -zeug. 

Pflanzen:  Schweinsbohne,  Saubohne,  Sauwicke,  ViciaPaba. 
Schweinscichorien,  Hypochoeris  glabra.  Schweinsmelde,  Sau- 
melde, Sautod,  Ghenopodium  hybridum.  Schweinskraut,  Calla 
palustris.  Schweinskresse,  Cochlearia  coronopus.  Schweinssalat, 
Lapsana  pusilla.  Sauauge,  Paris  quadrifolia.  Saubrot,  Lathraea 
squamaria.  Saudi stel,  Sonchus  oleraceus.  Saufenchel,  Peucedanum 
officinale  und  Carlina  vulgaris.  Sauknoten,  Scrophularia  aquatica. 
Saukraut,  Solanum  nigrum.  Saulöffel,  Potamogeton  natans.  Sau- 
nickel, Sanicula  europaea.  (Hagen  u.  d.  a.  W.)  Schweinegras,  Poly- 
gonum  aviculare.  Schweinenüsse,  Knollen  von  Equisetum  palustre. 
Sauenkohl,  Sonchus.   Treichel,  Volksth.  a.  d.  Pflanzw.  u.  d.  a.  W. 

Vogel:  Saulocker,  Koschkelocker,  das  Botschwänzchen,  Sylvia 
phoenicurus.    Vgl.  f.  d.  a.  W.  das  Preuss.  Wörterb. 

Yögel. 

Kreuzschnabel. 

Namen:  Kreuzvogel,  Krummschnabel,  Dickschnabel,  Krünitz, 
Zapfenbeisser ;  pltd.  Tappebiter.  (Bujack  376.  Preuss.  Wb.  u.  d.  a.  W.) 


280  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Sage:  Als  Christus  am  Kreuze  hing,  war  ein  Vöglein  eifrig  be- 
müht, ihm  die  Nägel  aus  Händen  und  Füssen  zu  ziehen.  Dabei  verbog 
es  seinen  Schnabel  zur  Kreuzesform,  und  der  Heiland  liess  den  also 
gestalteten  Schnabel  zur  ewigen  Erinnerung  an  seine  Liebesthat.  Die 
Menschen  aber  nennen  den  Vogel  Kreuzschnabel.  (Aus  Alt-Pillau  mit- 
geteilt, doch  allgemein  bekannt) 

Sperling. 

Wo  ein  Sperling  —  und  noch  gar  mit  einer  Feder  im  Schnabel  — 
ins  Haus  fliegt,  meldet  sich  der  Tod  an;  fällt  die  Feder  im  Hanse 
nieder,  so  ist  ein  Todesfall  ganz  gewiss.    (Saalfeld.  Lemke  98.) 

Kinderreim  aus  Masuren  (Passenheim): 


A  te  male  wrobliki 
Sa,  duze  szkodniki, 
Do  szczyta  sie  przypinaia,, 
Grike,  owies  pozeraia. 


Und  die  kleinen  Spatzen 
Sind  grosse  Schadenstifter, 
An  den  Giebeln  haften  sie  sich  an, 
Buchweizen  (Gricke),  Hafer  fressen  sie  auf. 
Sprichwörtlich:  Wie  ein  Sperling  bekannt  sein,  —  schimpfen;  — 
Beine  haben  wie  ein  gemästeter  Sperling;  —  schimpfen  wie  ein  Bohr- 
sperling.   (Korrespbl.  III,  53.) 

Lerche« 
Namen:  Lewark,  Lewerk,  Lewrik,  Lewrink,  Lörk,  Lörke,  Lerke, 
Lewak,  Lorch,  Lirch.  (Bujack  376.  Preuss.  Wörterb.  II,  24.) 

Der  Frühlingsbote.  So  lange  die  Lerche  vor  Lichtmess  (2.  Febr.) 
singt,  so  lange  muss  sie  nach  Lichtmess  schweigen.  (Samland.) 

Wenn  die  Lerche  vor  Petri  Stuhlfeier  (22.  Febr.),  dem  eigentlichen 
Tage  ihres  Eintreffens,  singt,  so  muss  sie  nach  diesem  Tage  unter 
dem  Schlitten  singen  —  der  „Gesangu  des  unter  dem  Schlitten 
pfeifend  knirschenden  Schnees  soll  damit  angedeutet  werden  —  und 
zwar  für  jeden  Tag  vorher  eine  Woche.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  die  Lerche  da  ist  und  singt,  dann  will  die  Arbeit  in  der  Stube 
nicht  mehr  behagen  und  gelingen :  De  Lewark  singt,  de  Wocke  stinkt 
Den  Gesang  der  Lerche  hat  das  Volk  mannigfach  in  Worte  über- 
tragen : 

°  Drlw,  Peterke,  drlw! 

Hast  e  gode  Wort,  denn  bliw, 
ös  hei  schlömm,  denn  teh  wit  wtt 

wit  weg  weg  weg!  (Samland.) 


Von  H.  Frischbier.  281 

Jongehen,  tripp'le  in  den  Dienst! 

Tripp'le  in  den  Dienst! 

Wenn's  dir  nicht  gefallt, 

Lauf  weg!  (Saalfeld.  Lemke  97.) 

Weitere  provinzielle  Varianten  des  Gesanges  s.  Volksr.  260. 

Sprichwörter:  Lat  de  Lerke  fleege,  gieb  die  Hoffnung  auf. 
ütsehne  wi  e  dracht'ge  Lörch.  Munter  sein  wie  eine  Lerche.  (Sprichw. 
I,  2399.    Keusch,  Sagen  122.) 

Pirol. 

Namen:  Bierhol,  Bierhold,  Bierhahn,  Bülau,  Bülow,  Herr  von  Bülau 
(Bülow),  Junker  Bülow,  Jungfrau  Bülo,  Schulz  von  Thierau,  —  von 
Tharau,  —  Tinian,  Wiedewol,  Wittewald,  Pfingstvogel,  Regenvogel, 
Golddrossel.    Vgl.  Preuss.  Wörterbuch  I,  82.  Bujdck  370. 

Der  Pirol  zeigt  durch  anhaltendes  Geschrei  nahen  Regen  an. 
(Dönhoffstädt.) 

Sein  Ruf  klingt:  Bierhol'!  Bicrhol'!  Herr  von  Bülow  je.  Nach 
Bock's  Naturgesch.  IV,  303  ruft  er  dem  auf  Rechnung  Trinkenden  zu: 
Hast  du  gesoffen,  so  bezahle  auch!  In  der  Saalfelder  Gegend  über- 
setzt man  den  Ruf:  Jungfrau  Bülo,  schöne  Frau,  wunderschöne  Frau! 
(Lemke  97.) 


Volksreime: 


Schulz  von  Thierau  (Tharau), 

Komm,  wi  wolle  to  Ber  gän! 

„Hebb  ItGn  Schö!" 

Teh  Nage  an, 

Kannst  doch'to  Ber  gän! 

Und  in  dem  Dorf  ruft  der  Wiedewol: 
Pfingsten  ist  da,  Bauer,  dein  Bier  hol'! 

Komm  zu  Bier,  komm  zu  Bier! 

„Ich  bab  kein  Geld." 
Ich  werd1  borgen  bis  übermorgen. 


(Samland.) 


Vgl.  Preuss.  Volksreime  70,  266. 

Rabe,  pltd.  Räw. 
Der  Rabe   ist   ein  Unglücksvogel.    Wenn   ein  Rabe    über   einen 
Menschen   schreiend   dahinfliegt,   so  steht  diesem  ein  Unglück  bevor. 
(Ermland.) 

Utpr.  Monatoschrift  Bd.  XXII.  Hft.  3  u.  4.  19 


282  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

Wenn  die  Raben  sich  an  die  Bäume  hängen  und  mit  den  Flügeln 
schlagen,  oder  (das  Folgende  gilt  auch  von  den  Krähen)  wenn  sie  über 
hohe  Gebäude  hinfliegen,  ihre  Köpfe  im  Fliegen  aufrecht  halten,  sich 
im  Kreise  bewegen  und  gegen  Abend  ein  Geschrei  erheben,  so  giebt  es 
Regen  oder  Sturm.  (Bock,  Naturgesch.  I,  352.) 

Sprichwörter  und  Redensarten:  Wo  das  Aas  ist,  sammeln 
sich  die  Raben.  —  Wie  ein  Rabe  schwarz  sein,  —  schreien,  —  stehlen. 
Korrespbl.  III,  53. 

Krähe. 

Namen:  Nebel-,  Schild-,  Mantel-,  Sattel-,  Schnee-,  Luder-,  Toten-, 
Winterkrähe,  graue  Krähe,  Graurücken,  Graumantel;  Kräh-,  Nebel-, 
grauer  Rabe,  Gacke.  (Bujack  375.) 

Der  Volksmeinung  nach  hat  die  Krähe  im  Sommer  die  Stimme 
des  Kolkraben,  Corvus  corax. 

Wenn  Krähen  und  Dohlen  im  Winter  hoch  auf  den  Bäumen  sitzen, 
dann  tritt  in  den  nächsten  Tagen  starker  Frost  ein ;  zeigen  sie  sich  aber 
in  grossen  Scharen  und  setzen  sie  sich  auf  die  Erde,  dann  giebt  es  bald 
ungestümes  Wetter. 

Will  man,  dass  das  Strohdach  von  den  Krähen  nicht  zerzaust 
werde,  so  unterlasse  man  es,  am  Lichtmesstage  mit  Fett  zu  kochen- 
N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  117,  171. 

Sprichwörtliches:  Einen  ansehen  (nach  etwas  sehen),  wie  die 
Krähe  das  kranke  (nach  dem  kranken)  Ferkel  (Gessel);  —  danau  tön, 
wi  de  Kr§g  nau  Äs.    Korrespbl.  III,  52. 

Wenn  die  Krähe  im  Winter  einen  Pferdeapfel  findet,  so  bezeichnet 
sie  ihn  als  Kollatz,  Kollatz!  Fladen,  oder  Dwarg,  Dwarg!  Quarkkäse; 
im  Sommer  sieht  sie  ihn  nicht  an,  sondern  ruft  vielmehr  verächtlich: 
Bekack,  bekack!  oder  Pfui,  Kack!  Pfui,  Kack!   (Preuss.  Volksr.  67.) 

Beim  Auffinden  von  Fleisch  krächzt  die  Krähe :  Kwi  dat !  Kwi  dat ! 
Die  andere  fragt:  Wo  da?  Wo  da?  Die  erste  antwortet:  Underm  Barg! 
Underm  Barg!    (Reusch,  Sagen  121.) 

Weitere  Übersetzungen  der  Krähenunterhaltung: 

Weetst,  wo  Aas  liggt? 
Underm  Barg! 


Von  H.  Frischbier. 


283 


08  noch  wat  dran? 

Nascht  als  Enäke. 
Gnapp  af,  gnapp  af,  gnapp  af! 

Wat  hast?  Wat  hast? 

Öck  hebb  Aas. 
Ös  ök  wat  dran? 

Luter  Knäke. 

Ick  weet  wat! 

Wat  weetst? 
Hinnem  Baag  liggt  Aas. 

18  ök  wat  dra? 
Enäken  dürr. 

Pül  af!  Pül  af! 
Puhataj!  Pahataj! 


(Samland.) 


(Dönhoffstadt.) 


(Konitz.) 


Preuss.  Volksr.  66,  255. 


Hinderm  Barg  5s  As! 

Kommt  'man! 
Da  hackst  mf. 

Öck  war  nich. 
Na  schwer  (schwöre)! 

Wahrhaftig  Gott! 
Da  schwörst. 

öck  denk1  ök  nich! 


(Dönhoffstadt) 


Und're  Barg,  nnd're  Barg  liggt  e  Pörd! 

Ös  wat  dran? 
Pure  Fett,  pure  Fett! 

Die  Krähe  ruft  dem  Kinde  zu: 

Klatter  di!  Klatter  di! 

Will  sich  das  Kind  nicht  kämmen  lassen,  so  ruft  sie: 

Ru schelkopp !  Raschelkopp ! 

Lässt  das  Kind  sich  kämmen,  so  ruft  sie: 

Glattkoppke!  Glattkoppke! 


(Samland.) 


(Königsberg.) 


Kiebitz:  Et  6s  mi  költ  an  e  Fiss\ 
Kr&he:      Et  ös  ja  alle  Jähr  so! 


(Dönhoffstadt.) 

Krähenfresser  und  Krähenbeisser  heissen  spottweise  die  Be- 
wohner der  kurischen  Nehrung.  Siehe  Näheres  Pr.  Prov.-Bl.  V,  463. 
Passarge,  Baltische  Stud.  296.  Preuss.  Wörterb.  II,  417. 

Pflanzennamen:  Krähenbeere,  Schollera  oxycoccos  u.  Empe- 

tram  nigrum.   Krähenfuss,  ßanunculus  bulbosus  u.  Cochlearia  coro- 

19* 


$4  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

opus.   Krähenfusswcgetritt,  Plantago  coronopus.   Krähenmileh, 
uphorbia  esula.   Kräbcnseife,  Herniaria  glabra.    Hagen  u.  d.  a.  W. 
reiche],  Bot.  Not.    Preuss.  Wörterb.  II,  417.    Vgl.  Gans. 
Dohle. 

Namen:  Tale,  Talke,  Dale,  Dole,  Tille,  Gacke,  Klaas,  Alke,  Stadt-, 
chneekrähe.    (Bujack  375.) 

Wenn  die  Dohlen  abends  schreiend  umherfliegen  und  uicbt  zur 
achtruhe  kommen  können,  so  steht  Sturm  bevor,  im  Winter  Schlagg. 
Jönhoffstädt.)  Vgl.  Krähe. 

Kister. 

Namen:  Master,  Alster,  Aglester,  Azel,  Hetzer,  Hutz,  Schaker- 
ster,  Heigster,  Heister,  Hfigster,  Haster,  Heisker,  Höiter,  Spachheister, 
pochheister,  Kalkheigster.  (Bujack  375.  Preuss.  Wörterb.  u.  d.  a.  W. 
emke  98.) 

Die  Elster  ist  ein  Totenvogel.  Erscheint  sie  wiederholt  schreiend 
iif  einem  Gehöft,  so  meldet  sie  den  Tod  eines  Menschen,  wenigstens 
bgang  an  Vieh.  Sie  ist  aber  auch  ein  Kreuzvogel,  denn  ihre  weissen 
id  schwarzen  Gefiederäecken  bilden  beim  Fluge  die  Kreuzform.  — 
jirz  vor  Untergang  der  Welt  wird  die  Elster  verschwinden;  so  lange 
e  noch  bei  uns  weilt,  ist  das  Ende  der  Welt  uoch  fem.  (Alt-Pillau.) 

Wenn  die  Elster  über  einem  Hanse  schreit,  so  entsteht  in  dem- 
dben  Spektakel.  (Passenheim.)  In  der  Saalfelder  Gegend  kündet  ihr 
Schachern"  Besuch  an.    (Lemke  98.) 

Wenn  die  Elstern  vor  den  Penstern  schreien,  so  „seindt  geste  vor- 
inden,  die  man  nicht  gerne  syet".  (Simon  Grünau,  hrsg.  v.  Perlbach  S.89.) 

Sprichwörtliches:  Wie  eine  Elster  stehlen;  —  wi  e  Spach- 
:ister  hager  sön.    (Korrespondenzbl.  III,  50.) 

Rätsel:  Höber  als  eine  Kirche,  niedriger  als  ein  Holzschlitten, 
hwärzer  als  Kohle,  weisser  als  Schnee.  (Pommerellen.  Tierrätsel  91) 
gl.  Taube. 

Weibe,  Falco  milvus. 

Namen:  Weih,  Habicht,  Häfke,  Hühnergeier,  Gesselhabicht,  -häfke, 
übel-,  Rüttel-,  Königs-,  Hühncrweihe,  Hühner-,  Keichel-  (Küchlein) 
eb,  Schwalbenschwanz.     (Bujack  368.) 


Von  H.  Frischbier.  285 

Sage:  Bald  nach  der  Schöpfung  kamen  die  Vögel  des  Himmels 
zusammen,  um  sich  Brunnen  zu  graben,  daraus  sie  trinken  könnten. 
Alle  Vögel  scharrten  und  gruben  fleissig  nach  dem  Wasser,  und  so 
entstanden  die  Brunnen  der  Tiefe.  Die  Weihe  aber  war  zu  stolz,  wollte 
sich  ihre  gelben  Füsse  nicht  beschmutzen  und  grub  nicht  mit,  deshalb 
hat  sie  auch  gelbe  Füsse  behalten,  während  die  anderen  Vögel  die 
ihren  bei  der  Arbeit  geschwärzt  haben.  Zur  Strafe  ihres  Stolzes  und 
ihrer  Eitelkeit  verfluchte  aber  Gott  der  Herr  die  Weihe:  sie  solle  nie 
aus  einem  Brunnen,  Teiche  oder  Fluss  ihren  Durst  stillen.  Bei  an- 
haltender Dürre  hört  man  daher  die  durstende  Weihe  heftig  und  ver- 
langend nach  Kegen  pfeifen,  denn  nur  mit  dem  in  hohlen  Steinen  an- 
gesammelten Kegenwasser  darf  sie  —  eine  Folge  jenes  Fluches  —  ihren 
Durst  löschen.  —  Vgl.  die  ähnliche  Sage  über  den  Brachvogel. 

Keime: 

A  scho,  Kania,  Wige  wette! 
Wis'  mi  dine  wette  Tette, 
Socke  lank  as  e  Strank, 
Socke  deck  as  e  Beck; 
Fleeg  na  Riwoll  op  e  Steen, 
Breck  di  Hals  o  Gneck  o  Been! 

Hochdeutsch:  Ascho,  Kania,  Weihe  weisse!  Weis' mir  deine  weisse 
Zitze,  So  lang  als  ein  Strang,  So  dick  als  ein  (Zaun-)  Rück,  Flieg* 
uach  Itehwalde  auf  den  Stein,  Brich  dir  Hals  und  Genick  und  Bein!  — 
A  scho!  ist  Scheuchruf;  Kania  ist  der  polnische  Name  für  Weihe.  In 
Rehwalde  (Kloster  im  Kreise  Graudenz)  liegt  ein  hohler  Stein.  Der 
Keim  bezieht  sich  auf  die  vorstehende  Sage  uud  ist  aus  Jerrentowitz 
mitgeteilt.    Von  daher  rühren  auch  die  beiden  folgenden  Keime: 

Hüge  Wige  wacke  Fott, 
Dreemal  remme't  Schultebrook, 
Ohl  ag  Wig,  fleeg  weg! 

Beim  Hüten  der  Gessel,  kleiner  Gänse. 

Hej  kania  puh!  Lecz  do  morza, 
Kup  sobie  wQgorza, 
Wflgorz  sie,  wröci 
Kania  kark  ukr§zi! 

Hochdeutsch:   Hei,  du  Weihe,  puh!   Lauf  zum  Meere,   Kauf1  dir 
einen  Aal,  Der  Aal  wird  zurückkehren,  Der  Weihe  den  Hals  umdrehen. 


A  sza,,  kania,  za  ploty! 
Tarn  iest  kowal  bogaty, 
Kuce  rydle,  lopaty. 
Lopata  sie  roscepala, 
Kania  w  pieklo  poleciala. 


236  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Ein  ähnlicher  masurischer  Reim  (aus  Marggrabowa  mitgeteilt)  lautet: 

Kania,  kania,  kanicza, 

Niebierz  mego  panicza, 

Idz  do  dwora  po  kaczora, 

Niech  ci  diabu  leb  ukrgzi! 
(Übersetzung:) 
Weihe,  Weihe  du  Weihin, 

Nimm  nicht  meinen  jungen  Herrn  (das  Küchlein), 
Geh  ins  Schlosa  (in  den  Herrenhof)  nach  einen  jungen  Enterich, 
Der  Teufel  möge  dir  den  Kopf  abdrehen. 

(Volksr.  No.  221  und  S.  279.) 

In  der  Gegend  von  Passenheim  rufen  die  masurischen  Kinder  der 

nahenden  Weihe  zu: 

A  scho,  Weihe,  hinter  die  Zäune! 

Da  ist  ein  reicher  Schmied, 

Der  schmiedet  Ridel  (Spaten),  Schaufeln. 

Die  Schaufel  ist  gespalten, 

Die  Weihe  flog  zur  Hülle. 

Die  Weihe  galt  im  alten  Nadrauen  und  bei  den  Zamaiten  als  Vogel, 

der  Unglück  verkündete:  Schaden,  Brand.  Pierson,  Matth.  Prätorius  S.  43. 

Pflanzennamen:    Weihenfuss,    Ranunculus    repens.     Hagen 

Nr.  585. 

Eule. 

Namen:  Schuwut,  Schufut,  Schuhu,  Schuwit,  Schubut,  Schubit, 
Komm  mit;  pltd.  Ül. 

Eule,  Ül  ist  der  Gattungsname,  Schuwut  jc.  gilt  gewöhnlich  für 
den  Uhu,  Strix  Bubo;  der  Name  Kommmit  ist  dem  Geschrei  der  Nacht- 
eule nachgebildet  (vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  406). 

Die  Eule  ist  der  Unglücksvogel  und  Totenbote.  Das  nächtliche 
Wesen,  der  geräuschlose  Plug,  der  unheimliche  Ton  ihrer  Stimme 
flössen  Grauen  ein.  In  alten  Zeiten  erzählte  das  Volk,  die  Eier  des 
Schubuts  habe  noch  nie  ein  Mensch  gesehen.  (Bock,  Naturgesch.  IV,  231.) 
Man  verfolgt  den  Vogel  und  nagelt  den  gefangenen  an  das  Scheunenthor. 

Setzt  sich  die  Eule  (das  Käuzchen)  auf  ein  Gebäude,  oder  kommt 
sie  in  die  Nähe  eines  der  Fenster  und  ruft  ihr  furchtbares  „Komm'  mit! 
Komm,  mit!44  so  stirbt  in  dem  betreffenden  Hause  jemand.  (Pischhausen. 
Ermland.  Saalfeld:  Komm7  mit,  komm'  mit,  ins  kühle  Grab!  Lemke  98.) 
In  Einlage  bei  Elbing  heisst  es:  „De  Uhl  spricht,  wad  wer  sterbe". 


Von  H.  Frischbier.  287 

Liegt  in  dem  Hause  ein  Kranker,  so  kommt  dieser  vom  Lager  nicht 
mehr  auf.  (Dönhoffstädt.) 

Und  der  vogil  huhu  genannt  3  nacht  auff  eim  hause  schreiet,  sie 
halten  und  der  Mensch  muss  sterben.  (Simon  Grünau  h.  v.  Perlbach  S.  90.) 

Dieses  gilt  von  jeder  Eule,  besonders  jedoch  von  dem  Käuzchen. 

Die  Eule  gilt  auch  als  Verführerin.  Sucht  der  im  Walde  Verirrte 
durch  Ruf  nach  einem  Führer,  so  ist  gleich  die  Eule  da  und  antwortet 
ihr  täuschendes  „Ha!"  Folgt  man  diesem  vermeinten  „Jau,  so  gerät  man 
in  Sümpfe,  und  der  Vogel  fliegt  mit  Lachen  von  dannen.  (Fischhausen.) 

Bei  den  Masuren  kündet  die  Eule,  wenn  sie  in  der  Nähe  eines 
Gebäudes  „Kolys,  kolys!"  d.  i.  „Wiege,  wiege!"  schreit,  in  diesem 
Hause  den  Fall  eines  Mädchens  voraus.  (Passenheim.) 

Eule  und  Fledermaus  haben  miteinander  Brüderschaft  gemacht, 
denn  da,  wo  viele  Eulen  sich  aufhalten,  finden  sich  auch  zahlreiche 
Fledermäuse,  welche  unter  dem  Schutze  jener  stehen.  (Heydekrug. 
Coadjuthen.  Samaiten.) 

Kocht  man  eine  Eule  in  Wasser  und  bespritzt  oder  begiesst  je- 
manden mit  der  Brühe  —  das  Volk  nennt  dieselbe  Ülegicht  — ,  so  wird 
der  Begossene  von  allen  Leuten  zum  besten  gehalten  und  geneckt, 
ähnlich  wie  es  der  Eule  unter  den  Vögeln  ergeht,  wenn  sie  sich  bei 
Tage  sehen  lässt.  —  Auch  sagt  man  von  einem  Menschen,  der  Unglück 
bat:  He  ös  möt  Ülegicht  begäte.  (Sprichw.  I,  774.)  In  ähnlichem  Sinne 

A 

heisst  es  in  der  Wehlauer  Gegend:  Hei  ös  möt  Ulefedd're  beschött, 
er  ist  mit  Eulenfedern  beschüttet. 

Sprichwörter  und  Redensarten:  Er  ist  wie  die  Eule  unter  den 
Krähen,  pltd.  Hei  ös  wi  de  Ul  undre  Kreege.  Hei  kömmt  wi  de  Ul 
mank  de  Kreege.  —  Trü  nich  de  Ul  —  späss  nich  möt  e  Ul,  et  ös  6k 
e  Vägel.  Als  Zurückweisung  eines  nicht  angenehmen  Scherzes.  —  Hei 
kickt  wi  de  Ul  üt  dem  Schmolttopp.  —  Er  kuckt  (kickt)  wie  die  Eule 
aus  ihrem  Nest  (aus  verworrenen  Haaren).  Hennig,  Wörterb.  S.  247, 
hat  die  Redensart:  Er  ist  ein  rechter  Schubut,  von  einem  hässlichen, 
übel  gekleideten  Menschen,  der  mit  verworrenen  Haaren  geht.  —  Er  ist 
ein  lustiger  Kauz  —  ein  komischer  Kauz. 

Von  Kindern,  welche  frühzeitig  schläfrig  werden,  sagt  man,  dass 


238  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

A 

sie  in  der  Eulenflucht  (ön  e  Uleflucht),  zur  Stunde,  in  der  die  Eulen 
zu  fliegen  beginnen,  geboren  sind.    Vgl.  Sprichw.  I,  771  ff.;  II,  075  ff. 

Schwalbe. 

Namen:  Schwalchcn,  pldt.  Seh  walke,  Schwahn,  Schwalmke,  auch 
Scbwalmchen. 

Die  Schwalbe  ist,  wie  der  Storch,  ein  lieber  Frühlingsbote  und 
dem  Landmanne  ein  werter  Vogel.  Ihr  Nest  wird  geschont:  wer  ein 
solches  zerstörte,  würde  das  Glück  des  Hauses  vernichten  (Allgemein), 
oder  bewirken,  dass  seine  Kühe  statt  Milch  Blut  geben  (Dönhoffstädt); 
ja  er  würde  vom  Gewitter  erschlagen  werden  (Fischhausen).  Wo  die 
Schwalbe  nistet,  da  zündet  kein  Blitz  (Fischhausen).  Wer  eine  Schwalbe 
tötet,  begeht  eine  grosse  Sünde.    (Masuren.) 

Wünscht  man  eine  weisse  Hautfarbe  (einen  zarten  Teint)  zu  haben, 
so  muss  man,  wenn  man  im  Frühjahre  die  erste  Schwalbe  sieht,  ans 
Wasser  gehen,  sich  waschen  und  dreimal  rufen :  Min  Mül  witt,  din  Närsch 
schwärt!  (Fischhausen.)  —  Sommersprossen  verschwinden,  wenn  man  sich 
wäscht,  nachdem  man  die  erste  Schwalbe  gesehen.  (Saalfeld.  Lemke  89.) 

Wenn  die  Schwalben  hoch  fliegen,  so  bleibt  das  Wetter  gut; 
steigen  sie  aus  der  Höhe  herab  und  fliegen  sie  zwischen  den  Häusern, 
oder  klammern  sie  sich  an  die  Wände,  so  erfolgt  Regen  oder  unge- 
stümes Wetter.    (Siehe  Bock,  Naturgesch.  I.  352.) 

Die  Schwalben  mauern  Sperlinge,  welche  ihr  Nest  okkupiert  haben, 
ein.  Es  leistet  dabei  die  ganze  Schwalbengeseilschaft  der  geschädigten 
Familie  Hilfe. 

Der  Gesang  der  Schwalbe,  wie  er  in  unserer  Provinz  fixiert  ist, 
findet  sich:  Toppen,  Neue  Preuss.  Prov.-Bl.  I,  441,  Preuss.  Volks- 
reime No.  261,  Lemke  98.  (Am  schönsten  ist  dieser  Gesang  variiert 
in  Kückerts  „Aus  der  Jugendzeit".) 

Die  Schwalben  ziehen,  nach  den  Beobachtungen  des  Volkes,  nicht 
fort,  sondern  ertränken  sich  im  Herbste  in  Seen,  Teichen  und  Flüssen, 
aus  denen  sie  im  Frühlinge  wieder  neu  belebt  hervorkommen.  Sie 
setzen  sich  vor  ihrer  Erstarrung  auf  das  Bohr  und  Schilf  an  den  Ufern, 
oft  in  Haufen,  und  gleiten  langsam  in  das  Wasser  hinab.  Schmilzt  im 
Frühlinge  das  Eis,   und  wird  das  Wasser  wärmer,   so   erwachen   die 


Von  H.  Frischbicr.  289 

Schwalben  zu  neuem  Leben  und  fliegen  aus  dem  Wasser  heraus.  (Passen- 
heim, Fischhausen,  Dönhoffstädt,  Saalfeld.  (Lemke  98.)  und  aus  vielen 
anderen  Orten.)    Vergi.  auch  Bock,  Naturgesch.  IV,  447. 

Sprichwort:  £n  Seh  walke  mäkt  noch  keine  Sämer.  —  Am  geit 
dat  Mul  wi  dem  Schwälke  de  Arsch. 

Sagen:  In  den  ersten  Zeiten  der  Schöpfung  waren  die  Tiere 
und  Vögel  nach  ihrem  Aufenthalte  anders  verteilt  als  jetzt.  Die  Wachtel 
wohnte  und  nistete  in  den  Häusern  der  Menschen,  die  Schwalbe  aber 
wohnte  auf  den  Feldern.  Da  die  Wachtel  den  Menschen  aber  immer 
zurief:  The  torügg!  Möt  Bedacht!  so  wurden  diese  schüchtern  bei 
jedem  Unternehmen  und  legten  die  Hände  in  den  Schoss,  und  das 
Menschengeschlecht  drohte  unterzugehen.  Da  erbarmte  sich  Gott  der 
Menschen;  er  schickte  die  Wachtel  aufs  Feld  und  die  Schwalbe  ins 
Haus.  Diese  rief  nun  den  Bauern  immer  zu:  Fitschet!  fitschet! 
Das  klang,  als  triebe  sie  die  Säumigen  mit  der  Peitsche  an,  und  von 
da  ab  ging's  besser.     (Reusch,  Nachlass.) 

Die  Schwalben  waren  aus  des  Schöpfers  Hand  als  ganz  weiss  ge- 
färbte Vögel  hervorgegangen;  erst  nach  dem  Sündenfalle  erhielten  sie 
ihr  jetziges  Federkleid.     (Fischhausen.) 

Pflanzennamen:  Schwalbenkraut,  grosses,  Chelidonium  majus, 
kleines,  Geranium  Robertianum.  Seh walbenwurzel,  Asclepias  vincetoxi- 
cum.  Schwalbenzagel,  Veronica  spuria.   (Hagen  u.  d.  a.  W.) 

^Tachtgchwalbe. 

Namen:  Ziegenmelker, Tagschlaf, Hexe, Nachtschatten.  (Bujack  369.) 
Den  Namen  Ziegenmelker  führt  der  Vogel,  weil  er,  nach  der  Volks- 
meinung, Ziegen  und  Kühe  melkt.  Diese  Ansicht  hatte  schon  Aristo- 
teles.   (Vgl.  Bujack,  Naturgesch.  129.) 

Bachstelze. 

Namen:  Quekstert,  Quekstelz,  Quikstert,  Quiksterz,  Wippzagel, 
Wippenzagel,  Wippzagelche,  pldt.  Wöppzägel,  Wöppzägelke,  Wippquek- 
stert,  Wippquekstelz.  Nach  Mühling  (N.  Preuss.  Prov.-Bl.  a.  F.  VIII,  176.) 
auch  Quecksteert,  Quecksterz  und  Wippquecksterz.  Letzter  Name  schon 
in  Bock,  Naturgesch.  IV,  437.  Nach  Bock  a.  a.  0.  heisst  die  gelbe 
Bachstelze  auch  Kuhstelze.  (Vgl.  auch  Bujack  373.)  Das  Vöglein  heisst 


290  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

auch  Ackermannchen,  pltd.  Ackermannke,  weil  es  beim  Pflögen, 
besonders  im  Frühlinge,  auf  dem  Acker  sich  einstellt  und  mit  wippen- 
dem Schwänze  dem  Pfluge  ruhrig  nacheilt. 

Die  vorstehenden  Namen  gelten  für  alle  Arten  von  Bachstelzen; 
sie  sind  zurückzuführen  auf  das  unausgesetzte  Wippen  des  Tierchens 
mit  dem  Schwänze.  Quek,  Quik  =  lebendig,  munter;  Stert  =  Steiss, 
Schwanz. 

Der  Storch  bringt  die  (graue)  Bachstelze  bei  seinem  Anzüge  auf 
dem  Schwänze  mit,  d.  h.  beide  Vögel  kehren  gleichzeitig  za  uns  zu- 
rück. (Sprichw.  II,  2586.)  In  der  Gegend  von  Dönhoffstädt  heisst  die 
Bachstelze  aus  diesem  Grunde  auch  der  Eumpan  des  Storches. 

Sprichwort:  Wo  de  Quekstert  kann  stäne,  kann  de  Menist  wäne. 
Das  Sprichwort  bezeichnet  die  Genügsamkeit  der  Mennoniten,  welche 
in  den  fruchtbaren  Werdern  oft  nur  kleine  Besitztümer  haben  und 
diese  gartenmässig  anbauen.  Wie  eine  Bachstelze  munter  sein;  — 
munter  wi  e  Wöppstert.  (Sprichw.  I,  2608.  Preuss.  Wörterb.  u.  d.  a.  W. 
Korrespondenzbl.  III,  49.) 

Wiedehopf. 

Namen:  Hupp,  Hupphupp,  Deminutiv  Huppke.  Nach  Bujack  378, 
auch  Kot*,  Stinkhahn,  Kotkrämer,  Baumschnepfe,  Kuckuckslakai,  -küster. 

Wenn  der  Wiedehopf  viel  schreit,  so  ist  Regen  im  Anzüge.  Sein 
Kuf  klingt:  Hupp!  hupp!  (daher  der  Name)  und  wünscht  er  im  Früh- 
linge mit  demselben,  dass  Eis  und  Schnee  sich  heben  möge.  (Volks- 
reime No.  270.)  In  früheren  Zeiten  deutete  man  sein  anhaltendes 
Geschrei  Hopp  hopp!  als  Anzeige  eines  nahen  Krieges.  (Bock,  Natur- 
geschichte IV,  317.) 

Märchen:  Wiedehopf  und  Eohrdommel  waren  ursprünglich  zwei 
Hirten,  im  Dienste  eines  Zauberers.  Wiedehopf  hütete  sein  Vieh  am 
liebsten  auf  der  Höhe,  während  Rohrdommel  das  seinige  zu  gern  in 
die  Niederung  trieb.  Bald  zeigte  es  sich,  dass  Rohrdommel  mit  besserem 
Erfolg  sein  Vieh  weidete :  es  wurde  fett,  gab  schöne  und  reichliche  Milch 
und  zeigte  sich  munter  und  übermütig.  Wiedehopfs  Vieh  dagegen  ward 
mager  und  elend  und  gab  nur  wenig  Milch.  Zum  Melken  wurde  beider 
Vieh  in  eine  Hürde  getrieben,   und  bald  stellte  sich  die  Notwendig- 


Von  H.  Frißchbior.  291 

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keit  heraus,  dass  Rohrdommels  Vieh  zuerst  eingetrieben  wurde,    damit 
es  in  seinem  Übermute  Wiedehopfs  Vieh  nicht  überlaufe  und  stosse. 

Dieses  lag  unterdessen  mit  seinem  Hirten  vor  der  Hürde.  Eines  Tages 
kam  Wiedehopf  früher  zur  Hürde  als  Rohrdommel.  Sein  Vieh  lagerte 
sii-h.  Da  trieb  auch  Rohrdommel  heran,  vermochte  jedoch  sein  wähliges 
Vieh  nur  sehr  schwer  in  die  Hürde  zu  treiben  und  eine  bunte  Kuh  gar 
nicht:  sie  lief  wild  um  die  Hürde  herum.  Da  eilte  Rohrdommel  ent- 
rüstet der  Kuh  nach,  schlug  sie  mit  dem  Klingerstocke  und  rief  im 
tiefen  Bass:  „Bunt',  heröm!  Bunt',  heröm!"    (Bunte,  herum!) 

Als  Rohrdommel  die  Kuh  endlich  eingehürdet  hatte,  begann  Wiede- 
hopf mit  der  Eintreibung  seines  Viehes  und  rief,  es  zum  Aufstehen  an- 
treibend: „Hopp!  hopp!"  Das  Vieh  erhob  sich.  Eine  arme  Kuh  aber 
war  so  kraftlos,  dass  sie  gar  nicht  auf  konnte.  Da  hieb  Wiedehopf 
mit  seinem  Klingerstocke  auf  sie  ein  und  rief  ununterbrochen  sein  lautes 
Hopp,  hopp!    Die  Kuh  aber  starb  unter  seinen  Schlägen. 

Der  Herr  der  Hirten  hatte  aber  beider  Roheit  und  Unbarmherzig- 
keit  gesehen.  „Ihr  Bösewichter41,  rief  er,  „ihr  sollt  für  eure  Hartherzig- 
keit gestraft  werden!"  Und  er  verzauberte  sie  in  Vögel:  Wiedehopf 
hält  sich  noch  auf  der  Höhe  auf  und  ruft  hier  sein:  Hopp,  hopp! 
während  Rohrdommel  in  der  Niederung  wohnt  und  aus  dem  Schilf  und 
Kohr  sein:  Bunt1,  herum!  Bunt',  heröm!  ertönen  lässt.  (Samland.  Fisch- 
hausen.) Vgl.  Brüder  Grimm,  Kinder-  und  Hausmärchen.  Gr.  Ausg. 
No.  173. 

Redensart:    Er  stinkt  wie  ein  Wiedehopf. 

Specht* 

Namen:  Baumhacker,  Holzkrähe,  Krähenspecht,  Hohllochkrähe, 
Holzhuhn.    Nach  Bujack  379  zunächst  Namen  für  Picus  martius. 

Der  Specht  galt  bei  den  Waidelotten  der  Nadrauer  als  einer  der 
Vögel,  dessen  Erscheinen  Glück  bedeutete.  (Pierson,  Matthias  Prätorius' 
Deliciae  prussicae  43.) 

Die  nachfolgende  aus  Fiscbhausen  mitgeteilte  Sage  erinnert  an 
das  Märchen  vom  Gertrudsvogel  (Grimm,  Myth.  639):  Als  der  liebe  Gott 
noch  auf  Erden  wandelte,  kam  er  an  ein  Haus,  in  dessen  Thür  eine 
Frau  mit  einer  roten  Kappe  auf  dem  Kopfe  lehnte.    Der  liebe  Gott, 


292  Zur  volkstumlichen  Naturkunde. 

welcher  recht  hungrig  war,  bat  um  ein  Stückchen  Brot.  Aber  die  Frau, 
noch  dazu  eine  Bäckerin,  schalt  heftig  auf  das  Bettelvolk  und  jagte 
den  lieben  Gott  mit  Schimpf  und  Schelte  von  ihrer  Thür.  Gott  sprach: 
Für  deine  Hartherzigkeit  sollst  du  gestraft  werden.  Du  sollst  ein  Vogel  sein 
und  deine  Nahrung  nur  finden  zwischen  Binde  und  Holz.  Die  Frau  wurde 
zum  Schwarzspecht  und  trägt  noch  heute  als  solcher  die  rote  Kappe. 

Wenn  der  Specht  viel  schreit,  so  giebt's  Regen.  (Bock,  wirthschaftl. 
Naturgesch.  I,  351.) 

Blaurake 

Namen:  Mandelkrahe,  blaue  Krähe,  Garbenkrähe,  Blaurabe,  Birk- 
häher,  deutscher  Papagei,  Backer,  Boller.   (Bujack  378.) 

Den  Namen  Mandelkrähe  hat  der  Vogel  bekommen,  weil  er  gern 
auf  den  Mandeln,  den  Getreidehaufen  sitzt,  und  hier  nach  Heuschrecken 
und  anderer  Nahrung  sucht.  Der  Landmann  aber  ist  der  Meinung, 
dass  er  ihm  die  Körner  aus  den  Mandeln  hacke,  und  deshalb  verfolgt 
er  den  Backer.  Diesen  Namen  führt  der  Vogel  zwar  nach  seinem  Ge- 
schrei, der  Bauer  nennt  ihn  jedoch  so,  weil  er  sein  Nest  aus  Kot  (in 
hohlen  Bäumen)  baut.  (Alt-Pillau.) 

Kuckuck* 

Der  Kuckuck  ist  der  Verkünder  des  Frühlings,  der  Lebensdauer 
und  des  Glückes  der  Ehe;  sein  erster  Buf  bringt  Glück  oder  Mangel. 

Nach  der  Lebensdauer  fragt  man,  wenn  man  seinen  ersten  Buf 
vernimmt,  mit  dem  Reime: 

Kuckucksknechr. 

Segg'  mi  recht, 

Segg'  mi  wahr 

Op  e  Hoar, 

Wi  vel  Joar, 

Dat  öck  noch  l£we  war! 

Die  Zahl  der  Bufe  giebt  die  geforderte  Kunde.  Varianten  und 
weitere  Beime  dieser  Art  s.  Volksreime  Nr.  209  f.  ") 


")  Zur  Ergänzung  zwei  Beime  aus  Passenheim: 


Kukaweczka,,  kuku, 
Skowroneczek  rara, 
Day  mi  dziewcze  ge,by, 
Damcy  pol  talara. 


Kuckuckchen,  kuku, 
Lerchelein  rara, 

Gieb  mir,  Mädchen,  eiueu  Kuss, 
Geb  dir  'nen  halben  Thaler. 


Von  H.  Frischbier.  293 

Doch  antwortet  der  Kuckuck  auch  fragenden  Mädchen,  wie  lange 

sie  noch  unverheiratet  bleiben  werden: 

Kackuck  op  de  greene  Hassel, 

Woveel  Jahr  war  öck  noch  wasse, 

Kuckuck  op  de  greene  Ficht, 

Woveel  Jahr  war  Öck  noch  bliwe  onbefrigt? 

Volksreime  Nr.  211.  (Kn  Karthaus.) 

Hat  man  Geld  bei  sich,  wenn  man  den  Kuckuck  zum  erstenmal 
schreien  hört,  so  wird  man  das  ganze  Jahr  hindurch  nicht  in  Geld- 
verlegenheit kommen.  Doch  thut  man  gut,  während  des  Rufes  auf  sein 
Geld  zu  klopfen  oder  es  umzurühren,  man  steigert  dadurch  die  Jahres- 
einnahmen. —  Man  darf  im  Frühjahr  nie  ohne  Geld  oder  Brot  aus- 
gehen, denn  man  wird,  wenn  man  keins  von  beiden  mit  sich  führt  und 
der  Kuckuck  über  den  Weg  schreit,  im  nächsten  Jahre  Mangel  leiden. 

Der  Kuckuck  ist  auch  Verkünder  des  Wetters :  lässt  er  sich  zeitig 
hören,  so  giebt  es  einen  warmen  Frühling;  giebt  er  den  ihm  eigenen 
Ton  von  sich,  den  die  Landleute  ein  Lachen  nennen,  so  regnet  es  bald. 
(Bock,  Naturgeschichte  2C.  354.  351.) 

Der  Kuckuck  soll  neun  Tage  vor  Mai  zu  rufen  anfangen;  er  ver- 
mag dies  aber  nicht  eher,  als  bis  er  ein  Blatt  vom  Kuckuckskumst 
(Oxalis  Acetosella)  im  Schnabel  gehalten  hat.  (Saalfeld.  Lemke  97.) 

Wenn  der  Kuckuck  bis  Gregor  (9.  Mai)  nicht  schreit,  so  platzt  er 
auf.  (Alt-Pillau.) 

Der  Kuckuck  schreit  nur  von  Tiburtius  (14.  April)  bis  Johann 
(24.  Juni);  nach  Johann  verwandelt  er  sich  in  einen  Habicht.  (Volks- 
kalender Nr.  111.  Lemke  97.)  Kurzweg  heisst  es:  der  Kuckuck  wird 
im  Herbst  ein  Häfke  (Habicht);  als  solcher  stiehlt  er  dann  Hühner 
und  Tauben. 

Beschreit  der  Kuckuck  unbelaubte  Bäume,  d.  h.  ist  er  früher  da, 
als  das  Laub,  so  kommen  in  dem  Jahre  viele  Mädchen  zu  Falle. 
(Natangen.) 


Knkaweczka,, 

Panieneczka, 

Licz,  licz,  licz, 

Wiele  latkow  b§do  zj6\ 


Kuckuckcheu, 

Jangferchen, 

Zähle,  zähle,  zähle, 

Wie  viele  Jahrchen  ich  noch  leben  werde! 


294  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Das  Volk  nennt  den  Kuckuck  den  dümmsten  Vogel,  denn  er  ver- 
steht es  nicht  einmal,  sich  ein  Nest  zu  bauen.  Als  der  Goldammer 
ihn  diese  Kunst  lehren  wollte,  wies  er  ihn  stolz  und  höhnend  ab.  Er 
legt  sein  Ei  in  das  Nest  anderer  Vögel,  und  diese  brüten  es  aus.  Der 
junge  Kuckuck  ist  gegen  seine  Pflegemutter  undankbar;  er  trachtet  ihr 
nach  dem  Leben.  Entkommt  sie  seinem  Schnabel'  und  seinen  Krallen, 
so  ist  sie  fortan  gegen  Nachstellungen  sicher:  kein  Raubvogel  vermag 
sie  zu  erhaschen,  kein  Jäger  sie  zu  treffen.  (Fischhausen.) 

Märchen:  In  alten  Zeiten  war  der  Kuckuck  ein  Mann,  dem  seine 
Frau  sieben  Kinder  geboren  hatte.  Die  Fesseln  der  Ehe  wurden  ihm 
lästig;  er  misshandelte  Weib  und  Kind.  Da  flüchtete  die  Frau  in  ihrer 
Not  mit  den  sieben  Kindern  zu  Gott  und  rief  ihn  um  Hilfe  an.  Der 
liebe  Gott  war  sehr  entrüstet  über  die  Roheit  des  Gatten  und  Vaters 
und  wollte  ihn  zur  Rechenschaft  ziehen.  Doch  dieser  war  in  seinem 
Hause  nicht  zu  finden.  Als  aber  Gott  seinen  Namen  rief,  antwortete 
eine  Stimme  aus  dem  Backofen:  „Kuckuck!14 

Und  Gott  sprach:  Da  du  deine  Frau  und  Kinder  so  schlecht  be- 
handelt und  nun  auch  mich  noch  verhöhnet  hast,  sollst  du  ein  Vogel 
sein,  der  nur  Kuckuck  ruft,  der  Welt  zum  warnenden  Beispiel.  Deine 
Frau  und  Kinder  aber  will  ich  zu  mir  nehmen  und  zu  Sternen  machen. 
Doch  hüte  dich,  dass  dich  deine  Kinder  nie  sehen,  sie  würden  sonst 
an  dir  Bache  nehmen! 

Wie  Gott  gesagt,  so  ist  es  geschehen:  der  Kuckuck  ruft  seinen 
Namen  noch  heute  durch  die  Welt,  die  Frau  glänzt  als  Abendstern 
am  Himmel  und  die  sieben  Kinder  leuchten  als  „Siebengestirn".  Der 
Kuckuck  aber  streicht  einsam  durch  die  Welt,  ihm  fehlt  sein  eigenes 
Haus ;  auch  hütet  er  sich  wohl,  seinen  Buf  erschallen  zu  lassen,  wenn 
seine  Kinder  sich  am  Himmel  zeigen:  sobald  das  Siebengestirn  sicht- 
bar wird,  schweigt  er  und  versteckt  sich.  (Samland.  Fischhausen.) 

Dieser  eigentümliche  Vogel,  der  nach  dem  Volksliede  „sieben  Frauen 
halten  kann  und  für  alle  Arbeit  hat"  (Volksreime  212),  der  es  in  betreff 
der  ehelichen  Treue  und  Ehrlichkeit  (er  stiehlt  Weggen  —  Weizenbrot  — 
und  Schafe.  Volksr.  213.  214)  nicht  sonderlich  genau  nimmt,  hat  sich 
vielfache  Beziehungen  zum  Menschen  gefallen  lassen  müssen: 


Von  H.  Frischbier.  295 

Zu  dem,  der  Fehler  an  andern  rügt,  die  ihm  selber  eigen  sind, 
sagt  man:  Der  Kuckuck  schreit  seinen  eigenen  Namen.  Der  Undank- 
bare ist  ein  undankbarer  —  ein  böser  Kuckuck,  und  wer  Undank 
erntet,  hat  des  Kuckucks  Dank  oder  Lohn.  Wer  schadenfroh  lacht, 
lacht  wie  der  Kuckuck.  Der  treulose  Gatte  ist  ein  rechter  Kuckuck  — 
der  richtige  Kuckuck  —  ein  treuloser  Kuckuck.  Der  Kranke,  von 
dem  man  annimmt,  er  werde  das  Frühjahr  nicht  mehr  erleben,  wird 
den  Kuckuck  nicht  mehr  schreien  (singen)  hören.  Wer  Sommer- 
sprossen hat,  ist  bunt  wie  ein  Kuckuck.  Verwundernd  ruft  man  aus: 
Ei  der  Kuckuck!  und  wenn  man  mit  dem  eigenen  Wissen  zu  Bande  ist, 
heisst  es:  Das  weiss  der  Kuckuck.  Den  Unwillkommenen  wünscht 
man  zum  Kuckuck,  und  nimmt  mit  dieser  Redensart  und  den  folgenden 
der  Kuckuck  diabolischen  Charakter  an:  Hol'  ihn  der  Kuckuck!  Hör 
ihn  der  Kuckuck  und  sein  Küster  (der  Wiedehopf) !  Hat  ihn  der  Kuckuck 
schon  wieder  da?  Heut1  ist's,  als  ob  der  Kuckuck  los  wäre!  In  des 
Kuckucks  Namen!)  Das  ist  um  des  Kuckucks  zu  werden!  (Vgl. 
Sprichw.  I,  2214  ff.) 

Kuckucksspeichel,  pltd.  Kuckucksspi,  nennt  man  den  Schaum, 
den  die  Schaumcikade  (Cicada  spumaria)  hervorbringt,  der  jedoch,  nach 
der  Volksmeinung,  vom  Kuckuck  ausgespieen  wird.  (Dönhoffstädt.) 

Kuckuckskohl  heisst  der  gemeine  Sauerklee,  Oxalis  Acetosella. 
Kuckucksblume,  Lychnis  flos  cuculi  u.  Cardamine  pratensis.  Blauer 
Kuckuck,  Ajuga  reptans.  Kuckuckssaat,  s.v.  a. Lausepulver,  Pulvis 
contra  pediculos.    Vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  439.  Hagen  u.  d.  a.  W. 

Taube. 

Namen:  Es  kommen  bei  uns  wild  vor:  Holztaube,  auch  Feld- 
taube, Spocht,  Ringeltaube  und  Turteltaube.  Sie  heissen  zwar  sämtlich 
wilde  Taube,  doch  wird  so  vorzugsweise  die  Holztaube  genannt,  die 
auch  Blautaube  heisst.  (Bujack  379.  Preuss.  Wörterb.  II,  355.) 
Fünfzig  Paar  Tauben  im  Stand,  ein  fetter  Ochs.  (Dönhoffstädt) 
Die  Taube  baut  ein  sehr  schlechtes  Nest,  so  dass  man  durch  das- 
selbe die  Eier  schimmern  sehen  kann.  Woher  das  kommt,  erzählt 
folgende  Sage: 


296  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

Die  wilde  Taube  kam  zur  Elster  und  sprach:  „Lehre  mich  doch 
auch  ein  so  schönes  Nest  bauen,  wie  du  hastu.  Die  Elster,  bereit,  flog 
mit  bis  zu  der  Stätte,  wo  die  Taube  sich  häuslich  niederlassen  wollte. 
Hier  begann  sie,  der  Taube  zu  zeigen,  wie  man  gute  Nester  baut.  Sie 
sprach:  „ßne  Spreckel  leggst  du  so!"  Die  Taube  erwiderte:  „Öek  wet" 
(verstehe).  Elster:  „Den  andYe  Spreckel  leggst  du  so!"  Taube:  „Öek 
wet".  Elster:  „Den  drödde  Spreckel  legst  du  so!"  Taube:  „Öek  wet." 
Da  sagte  die  Elster,  geärgert:  „Wenn  du  wetst  (weisst),  wat  fragst 
denn  so  domm!"  Hess  die  Taube  allein  und  flog  von  dannen.  —  Die 
Taube  aber  versteht  ihr  Nest  nur  soweit  zu  bauen,  als  die  Elster  es 
ihr  gezeigt  hat  und  ist  über  die  Anfange  des  Nestbaues  nicht  hinaus- 
gekommen.   (Alt-Pillau.) 

Sprichwörtlich:  Wie  eine  Taube  sanft,  —  ohne  Falsch  sein; — 
sich  lieben  —  schnäbeln  wie  die  Tauben;  —  trocken  sein  wie  ein  Spoclit. 
(Eorrespondenzbl.  III.  54.) 

Pflanzennamen:  Taubenfuss,  Ranunculus  bulbosus  und  Gera- 
nium  rotundifolium.  Taubenkropf,  Cucubalus  Beben  und  Fumaria 
officinalis.  Taubenscabiose,  Scabiosa  columbaria.  Taubenschnabel, 
Geranium  columbinum. 

Schnarrwachtel,  Crex  pratensis. 

Namen:  Wiesenschnarre,  Schnärz,  Grasschnarrer,  Grasschnarcher, 
Grasrutscher,  Feldwächter,  Schart,  Schrecke,  Schrlk,  Eggenschär,  Kress- 
ler, Grössel,  Arp,  Scherp,  Schnarp,  Schnerz,  Scharp,  Kasper,  Wiesen- 
kasper, Schnarrwachtel,  Wachtelkönig,  Himmelsziege.  (Bujack  384. 
Preuss.  Wörterb.  I,  251.) 

So  vielmal  die  Schnarrwachtel  zur  Zeit  der  Roggenblüte  ruft,  so 
viel  Gulden  (Mark)  kostet  in  dem  Jahre  der  Scheffel  Getreide.  (Ermland.) 

Gesang  des  Vogels: 

Scharp,  scharp!  Hau'  sacht  1 
Lange  Dag,  körte  Nacht, 

Dat  du  nich  warscht  vermöde.  (Saraland.) 

Auch: 

Knecht,  Knecht,  hau1  sacht! 

Körte  Nacht,  lange  Dag,  hau1  sacht! 

(Ostroschken.) 


Von  H.  Frisehbier.  297 

Der  Arbeiter  (Hauer,  Mäher)  soll  oft  die  Sense  schärfen  und  das 
Getreide  langsam  hauen,  damit  er  in  den  langen  Tagen  wenigstens 
einige  Ruhe  habe  und  sich  nicht  zu  sehr  anstrenge.  (Volksr.  69,  263.) 

HaiiKhahn. 

Namen:  Hahn,  Putthahn,  das  Männchen;  das  Weibchen:  Huhn, 
Henne,  Putthuhn;  die  Bruthenne:  Glucke,  Klucke,  Kluck;  das 
Junge:  Keichel,  Keuchel,  pltd.  Kikel,  Kikelke;  die  Hühner  in  der 
Gesamtheit  Henner.  Hühner  mit  struppigen,  rückwärts  gekehrten  Fe- 
dern nennt  man  russische  oder  verkehrte  Hühner.  Der  Hühner- 
zwitter, der  untaugliche  Hahn,  heisst  Spöttel-,  Spittelhahn;  er  kräht 
mit  unsicherer  Stimme.  —  Lockrufe:  Pütt  Pütt!  Tipp  Tipp!  Tippchen 
Tipp  Tipp  Tipp!  Tschipp  Tschipp!  Tippa  Tippa!  Tschippa  Tschippa! 
Scheuchfufe:  Schuh!  A  scho!  (Vgl.  Volksr.  242.   Lemke  89  f.) 

Der  Hahn  gilt  allgemein  als  Wetterprophet.  Kräht  der  Hahn  abends 
auf  seinem  Sitz,  so  bekommen  wir  anderes  Wetter.  Anhaltendes  Krähen, 
namentlich  am  Morgen,  deutet  auf  Regen.  Doch  nicht  nur  das  Wetter 
verkündet  der  Hahn  voraus:  Sieht  der  Hahn  beim  Krähen  vom  Hause 
weg,  so  kräht  er  das  Glück  hinaus;  kräht  er  gegen  dasselbe,  so  ruft 
er  das  Glück  herbei.  (Ermland.)  Wenn  der  Hahn  kräht  und  seinen 
Kopf  nach  der  Thür  oder  dem  Fenster  des  Hauses  wendet,  so  kommen 
Gäste;  in  Masuren  erscheint  Besuch,  wenn  er  vor  dem  Fenster  kräht. 
Steht  er  auf  der  Hausschwelle  und  sieht  während  des  Krähens  ins' 
Haus,  so  kräht  er  das  Glück  hinein,  sieht  er  aber  nach  dem  Hofe,  so 
kräht  er  es  hinaus.  (Reusch,  Nachlass.)  Kräht  der  Hahn,  wenn  ein 
Leichenzug  vorbeikommt,  so  kann  man  sicher  sein,  dass  aus  dem  Hause, 
auf  dessen  Gehöft  der  Hahn  kräht,  die  nächste  Leiche  getragen  wird. 

Das  Krähen  der  Henne  ist  noch  bedeutungsvoller  als  das  des  Hahns. 
Ihr  Krähen  bedeutet  immer  und  überall  Unglück:  gewöhnlich  zeigt  es 
den  Tod  eines  Familiengliedes  oder  den  Fall  eines  Mädchens  in  dem 
betreffenden  Hause  an.  (Reusch,  Nachlass.)  Kräht  jedoch  ein  schwarzes 
Huhn,  so  kräht  es  das  Unglück  zum  Hause  hinaus,  kräht  es  aber 
draussen,  so  kommt  das  Unglück  ins  Haus.    (Fischhausen.)   Gehen  die 

Altpr.  Monatgsebrift  Bd.  XXII.  Hft.  3d.4  20 


298 


Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 


Hühner  während  des  Regens  statt  unterzustehen,  spazieren,  so  hält  dei 
Segen  lange  an. 

Im  Bätsei  ist  der  Hahn  reich  vertreten.  (8.  Tierrätsel  37— 49.) 
Nicht  minder  reich  berücksichtigt  ihn  Sprichwort  und  sprichwörtliche 
Redensart : 

Ein  guter  Hahn  wird  nicht  fett.  Ein  guter  Hahn  wird  im  Alter 
fett.  Ein  guter  Hahn  hält  seinen  Hof  rein,  d.  h.  duldet  keinen  Neben- 
buhler. Ein  schlechter  Hahn,  der  fett  wird.  E  dreeger  H&hn  paddelt 
got.  Dass  dich  der  Hahn  hackt!  Darnach  kräht  kein  Hahn.  Zwei 
Hähne  auf  einem  Misthaufen  vertragen  sich  nicht.  Er  ist  da  Hähn- 
chen im  Korbe.  Wir  sind  noch  nicht  auseinander,  sagt  der  Hahn  zum 
Regenwurm  und  frisst  ihn  auf.    (Vgl.  Sprichw.  I,  1439  ff.) 

Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Hahn:  Sich  blähen  wie  der 
Hahn  auf  dem  Mist.  Wie  ein  Hahn  stolzieren.  Gehen  wie  ein  ge- 
spannener  (gespannter)  Hahn  (auch:  Hühnerhahn).  Beine  haben  wie 
ein  Hahn.  Fett  sein  wie  ein  gemästeter  Hahn.  Aussehen  — ,  dastehen 
wie  ein  bedrippter  Hahn.  Schriwe  wie  de  Hahn  klaut.  Äwerhen  kicke 
as  e  Hahn.    Kreege  wie  e  Spöttelhähn.    (Korrespondenzbl.  III,  51.) 

Das  Weibchen  gehört  zum  Mann,  das  Huhn  zum  Hahn. 

Des  Unglück  kündenden  Erähens  der  Henne  ist  bereits  gedacht 
worden.    Im  Sprichworte  heisst  es: 

Wenn  die  Mädchen  pfeifen, 

Und  die  Weiber  keifen, 

Und  die  Hühner  krähen, 

Dann  ist  Zeit,  ihnen  den  Hals  umzudrehen. 

(Sprichw.  I,  2499.) 

Wenn  die  Henne  krähet  vor  dem  Hahn, 
Und  das  Weib  schreiet  vor  dem  Mann, 
So  soll  man  die  erste  braten, 
Und  die  zweite  mit  Prügel  beraten. 

(Sprichw.  n,  1162.) 
Wenn  die  Hühner  krähen,  so  hackt  man  in  der  Gegend  von  Soldau 

ihnen  sofort  den  Kopf  ab,  um  das  Unglück  abzuwenden. 

Das  Krähen  der  Hühner  soll  dadurch  veranlasst  werden,  dass  sie 

einen  Geist  sehen,  der  zu  den  Menschen  will;   auch  werden  die  Frau 


■  JV  11  "■  i 


Von  H.  Frischbier.  299 

Nachbarinnen  mit  einander  „haddern".  (Simon  Grünau,  hrsgb.  von 
M.  Perlbach  Bd.  I,  S.  90.) 

Die  Henne  ist  im  Sprichwort  reich  vertreten:  Wie  die  Henne, 
so  das  Ei,  (wie  der  Koch,  so  der  Brei).  Die  grössten  Hühner  legen 
die  kleinsten  Eier.  Kluge  Hühner  legen  die  Eier  bei's  Nest.  Ein  kluges 
Huhn  legt  auch  vorbei.  Auch  kluge  Hühner  legen  in  die  Nesseln. 
Wer  ein  Huhn  hält  zum  Legen  und  eine  Magd  zum  Spinnen,  ist  be- 
trogen. Jedes  Hühnchen  will  getreten  sein.  Lass  doch  die  Hühner 
kackeln,  wenn  ich  nur  die  Eier  habe.  Auch  ein  blindes  Huhn  findet 
manchmal  ein  Gerstenkorn. 

Der  Mensch  im  Vergleiche  und  in  Beziehung  zum  Huhn:  Die 
Hühner  haben  ihm  das  Brot  genommen,  heisst  es  vom  Betrübten.  Er 
hat  an  ihm  ein  Huhn  gefressen,  hat  ihn  besonders  lieb,  erweist  ihm 
unverdiente  Liebe.  Ihn  lachen  die  Hühner  mit  dem  A.  aus.  Mit  den 
Hühnern  zugleich  auffliegen;  auffliegen  wie  Nabers  Hühner.  Mit  einem 
ein  Hühnchen  zu  pflücken  haben.     Wer  viel  plaudert,  anvertraute  Ge- 

• 

heimnisse  verrät,  hat  vom  Hühnerarsch  gegessen.  Der  Dumme  —  hat 
unterm  Hühnersitz  (Hühnerhuck)  gestanden  —  gesessen,  —  ist  klüger 
wie  neun  dumme  Hühner  (und  ein  verrücktes  Gessel).  Gedanken  (ein 
Gedächtnis)  haben  wie  ein  Huhn.  Blind  sein  wie  ein  Huhn,  —  hühner- 
blind sein.  Brüten  wie  die  Henne  auf  Eiern.  Sich  nähren  (hungrig  sein) 
wie  Müllers  Hühner.  Krank  wie  ein  Huhn,  essen  und  nichts  thun.  Krähen 
wie  eine  Henne,  wenn  sie  auf  dem  Bienenkorb  sitzt.  (Korrespbl.  III,  51.) 

Die  Henne  und  ihr  wichtiges  Produkt,  das  Ei,  tritt  mannigfach  im 
Volksrätsel  auf.    (Vgl.  Tierrätsel  50—78.) 

Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Ei:  Wie  aus  dem  Ei  geschält 
sein;  —  einen  hüten,  —  in  acht  nehmen,  —  behandeln  wie  ein  rohes 
Ei;  —  mit  ihm  umgehen,  wie  mit  dem  rohen  Ei.  (Korrespbl.  in,  51.) 

Sollen  die  Hühner  wieder  legen,  dann  müssen  die  Schalen  ge- 
kochter Eier  beim  Essen  zerdrückt  werden;  unterlässt  man  dies,  so 
legen  sie  nicht,  —  so  hat  man  Unglück  (Wehlau),  —  so  bekommt 
man  das  Fieber.   (Königsberg.  Danzig.) 

Am  Sylvesterabend  geht  man  den  Grenzzaun  schütteln,  wobei  man 

spricht:  „Die  Eier  sind  ffir  uns  und  das  Krakeln  für  euch!"  Die  Folge 

20* 


t  ; 


300  Zur  Volkstum  liehen  Naturkunde. 

davon  ist,  dass  die  Hühner  des  Nachbarn  zum  Sprechenden  kommen, 
ihm  die  Eier  legen  und  daheim  nur  krakeln.  (Kbg.  Hartg.  Ztg.  1866,  No.  8.) 

Klare  Eier  sind  solche,  aus  welchen  keine  Küchlein  kommen: 
solche  legen  die  Hühner,  wenn  Lichtmess  (2.  Februar)  klares  Wetter  ist. 

Legt  man  Hühnern  zum  Brüten  Eier  nnter,  die  am  krummen 
Mittwoch  (in  der  Karwoche)  gelegt  sind,  so  kommen  durchgängig  Miss- 
geburten aus :  Küchlein  mit  zwei  Köpfen,  drei  Füssen  2c.  (Ermland. 
Volkskai.  79.) 

Setzt  man  eine  Henne,  eine  Gans  oder  eine  Ente  zum  Brüten,  so 
hat  man,  soll  die  Brut  gedeihen,  dil  Eier  in  einer  Mäunermütze,  am 
besten  in  einer  heimlich  weggenommenen  (Gegend  von  Hohenstein: 
Mütze  eines  Juden),  in  das  Nest  zu  legen.  (Angerburg.  Königsberg.) 
Weitere  Gebräuche  zum  Schutze  der  Brut  s.  Hexenspr.  S.  127  ff:  Auf 
dem  Hühnerhof. 

Der  Mensch  im  Vergleiche  mit  dem  Küchlein:  Wie  ein  Herbst- 
keichel  aussehen,  —  kränkeln,  —  piepsen,  —  schwach  sein;  sitzen  wie 
ein  Nestküken.  Die  Keichel  wollen  klüger  sein  als  die  Kluck.  (Korre- 
spondenzbl.  III,  52.    Lemke  90.) 

Will  man  vermeiden,  dass  die  Hühner  im  Garten  kratzen,  so  muss 
man  sich  am  Karfreitag  und  Ostersonntag  nicht  kämmen.  (Hohenstein.) 

Hühnerfedern  benutzt  man  am  liebsten  nicht  zu  Betten:  man  kann 
darauf  nicht  sterben.    (Hohenstein.) 

Das  Gackern  des  Huhnes  deutet  man  im  Samlande: 

Duck  duck  duck,  Soldate  käme! 

der  Hahn  antwortet  krähend: 

Os  ganz  wahrhaftig  wahr! 

(Volksr.  248.) 
Pfau. 

Namen:  Paw,  Baw. 

Anhaltendes  Geschrei  des  Pfauen  deutet  auf  Kegen. 

Sprichwörtlich:  Wie  ein  Pfau  bunt  —  stolz  sein  —  sich  brüsten. 
Korrespbl.  IH,  53* 

Brachvogel. 

Es  giebt  einen  grossen  (Numenius  arquatus)  und  einen  kleinen 
Brachvogel  (N.  Phaeopus),  beim  Volke  Gietvogel.    Man  spricht  und 


Von  H.  Friscbbier.  301 

schreibtauch:  Gütvogel,  Jütvogel,  Gitvogel;  er  heisst  auch  Grül, 
der  grosse  noch  Kronschnepfe,  der  kleine  Regenbrachvogel.  Der 
Name  ist  nach  dem  Rufe  git,  git  gebildet;  der  Vogel  gilt  als  ein 
Regen  verkünder.    Vgl.  Bujack  384. 

Sage:  Als  vor  langen  Jahren  die  Teiche  gegraben  werden  sollten, 
ward  auch  derGietvogel  aufgefordert,  den  Morast  ausräumen  zu  helfen; 
aber  er  hatte  gar  zu  grosse  Furcht,  sich  dabei  seine  schönen  gelben 
Füsschen  zu  besudeln  und  entzog  sich  dem  Werke.  Da  bestimmte 
Gott  der  Herr,  er  sollte  nun  auch  bis  in  Ewigkeit  aus  keinem  Teiche 
saufen.  Deshalb  sieht  man  ihn  immer  nur  aus  hohlen  Steinen  oder 
Wagenspuren,  in  denen  sich  Regenwasser  gesammelt  hat,  mühsam 
saufen.  Wenn  nun  aber  lange  kein  Regen  fällt  und  sehr  trockene  Zeit 
ist,  so  leidet  er  jänmiei liehen  Durst,  und  man  hört  ihn  ununterbrochen 
sein  klägliches  Giet  (giesse,  regne)!  schreien.  (Pr.  Prov.-Bl.  XXVI,  536.) 

Nach  einer  Variante  dieser  Sage  hatte  Gott  der  Herr  alle  Vögel 
im  Paradiese  zum  Wassertragen  befohlen,  und  nur  der  Gietvogel  war 
diesem  Befehle  nicht  nachgekommen.  Zur  Strafe  leidet  er  jetzt  in  der 
Dürre  Durst  und  ruft  zu  Gott  bittend:  Gieb,  gieb  (Regen)!  Daher 
heisst  er  auch  Giebvogel.  (Fischhausen.) 

Eine  ähnliche  Sage  wird  von  der  Weihe  erzählt  (s.  d.). 

Storch. 

Namen:  Adebär,  Ad'bör,  Hadebär;  hchd.  Adebar.  In  Jerren- 
towitz:  Knackosbot,  Knackodbäd;  in  den  polnisch-deutschen  Ge- 
genden Ost-  und  Westpreussens :  Botschan,  Botschon,  von  dem 
poln.  bocian.  In  den  Kinderreimen  als  Anrede:  Langbeen,  Langnäs, 
Schnibbeschnäbel,  Stein  und  Steiner;  im  Sprichwort:  Knäker- 
been;  im  Volksrätsel:  Schnarr aback.   (Tierrätsel  90.) 

Adebar,  mhd.  adebero,  ahd.  ödabero,  ödebero  (s.  d.  Zusammen- 
stellung der  bekannten  Formen  in  Grimm,  Mythol.  638  und  Schiller, 
Zum  Thier-  und  Kräuterbuche  I,  3a)  =  Träger,  Bringer  (des  Glückes, 
der  Kinder).  Vgl.  Grimm,  Wörterb.  I,  176.  Preuss.  Wörterb.  I,  16.  — 
Botschan,  Kuackosbot  (Volksreime  857)  haben  als  Grundwort  das 
poln.  bocian;  knackos  dürfte  ein  korrumpiertes  knacken  ==  klappern 
ausdrücken,  das  Wort  hätte  mithin  die  Bedeutuug:  Klapperstorch, 


~T      — 


3Q2  Zu?  volkstümliche!!  Naturkunde, 

Der  Storch  bringt  die  Kinder  auch  bei  uns,  wie  überall  da,  wo  er 
nistet.  Als  Kinderbringer  ist  er  zugleich  Kinderfreuud:  er  bringt  den 
Kleinen  in  der  Familie,  die  er  von  neuem  erfreut,  etwas  mit.  Diese 
untersuchen  daher  die  Wiege  des  neuen  Ankömmlings  und  finden  in 
derselben  allerlei  Naschwerk.  Die  Mutter  aber  ist  vom  Storche  ins 
Bein  gebissen  worden,  daher  muss  sie  zu  Bette  liegen. 

Er  ist  auch  der  Bringer  des  Glückes18);  deshalb  freut  sich  der 
Landmann,  wenn  der  Storch  auf  dem  Dache  seines  Wohnhauses  oder 
seiner  Scheune  das  Nest  baut.  Um  ihn  anzulocken  und  ihm  die  An- 
lage des  Nestes  zu  erleichtern,  legt  man  ein  altes  Wagenrad  auf  das 
Dach.  Gebäude,  welche  ein  Storchnest  tragen,  bleiben  vom  Feuer, 
namentlich  vom  Blitze,  verschont.  Der  Landmann  vermeidet  alles,  was 
den  Storch  stören  könnte,  selbst  eine  notwendige  Reparatur  des  Daches 
wird  ausgesetzt;  denn  wird  der  Storch  in  seinem  Heim  gestört,  so  giebt 
er's  auf;  sein  Abzug  aber  bringt  dem  Hause  Unglück,  ja  es  brennt  ab. 
Wer  ein  Storchnest  zerstört,  vernichtet  das  Gluck  des  Hauses.  Die 
Masuren  sagen:  Wer  ein  Storchnest  zerstört,  begeht  eine  grosse  Sünde. 
(Passenheim.) 

Jedes  Jahr  wirft  der  Storch  etwas  aus  dem  Neste.  Ist  das  Hinaus- 
geworfene ein  Ei,  so  folgt  ein  nasses  Jahr;  ist's  ein  Junges,  so  steht 
ein  trockenes,  ja  wohl  sehr  teures  Jahr  bevor,  denn  der  Vogel  glaubt 
dann  seine  ganze  Brut  nicht  ernähren  zu  können. 

Es  hält  schwer  einen  jungen  Storch  durch  Vermittelung  des  Haus- 
besitzers zu  erhalten.  Versteht  dieser  sich  doch  dazu,  ein  junges  Tier 
aus  dem  Neste  zu  nehmen,  so  thut  er's  nur  gegen  Bezahlung  und  legt 
diese  dem  alten  Storche  ins  Nest,  damit  er  sich  überzeuge,  dass  sein 
Interesse  gewahrt  sei. 

Am  Tage  der  heiligen  Gertrud  (17.  Mäiz)  beginnt  der  Storch  seine 
Vorbereitungen  zu  dem  Zuge  nach  Preussen,  zu  Maria  Verkündigung 
(25.  März)  kommt  er  an  und  bringt  auf  seinem  Schwänze  die  Bachstelze 
mit;  er  zieht  am  Bartholomäustage  (24.  Aug.)  wieder  ab. 


18)  Als  „Glücksbedeuter"  galt  er  schon  den  Waidelotten  der  alten  Nadrauer. 
Siehe  Pierson,  Matthäus  Prätorius'  Deliciae  prussicae  :c.  S.  43. 


Von  H.  Friscbbier.  303 

Wenn  der  Storch  zeitig  ankommt  und  viel  klappert,  so  ist  das 
ein  Zeichen  eines  warmen  Frühlings.    (Bock,  Naturgesch.  I,  S.  354.) 

Hat  der  angekommene  Storch  mit  dem  Ausbessern  seines  Nestes 
viel  zu  thun,  so  steht  ein  nasser  Sommer  bevor.  (Dönhoffstädt.) 

Ist  bei  seiner  Ankunft  sein  Gefieder  weiss  und  rein,  so  steht  ein 
schöner  trockener  Sommer  in  Aussicht;  ist  sein  Federkleid  dagegen 
schmutzig,  so  deutet  dies  auf  einen  nassen  Sommer. 

Der  erste  Storch  wird  mit  Jubel  begrüsst.  Die  Kinder  singen  ihm 
ihre  Keime  entgegen  (Volksr.  No.  189  ff.),  und  vor  wenigen  Jahren 
noch  eilten  (Gegend  von  Eastenburg)  die  Schuler,  sobald  sie  ihn  er- 
blickt, zum  Lehrer  und  erbaten  mit  dem  Reime: 

Der  Storch  ist  gekommen, 

Hat  uns  die  Bächer  genommen! 

einen  schulfreien  Tag,  der  ihnen  auch  bewilligt  wurde. Iö)  -—  Aber  auch 
iür  die  Erwachsenen  ist  das  erste  Begegnen  bedeutungsvoll. 

Sieht  man  den  Storch  nach  seiner  Ankunft  zum  ersten  mal,  so 
kommt  alles  darauf  an,  was  der  Vogel  in  diesem  Augenblicke  thut: 
fliegt  er,  so  wird  man  in  dem  bevorstehenden  Jahre  fleissig  sein  und 
dies  um  so  mehr,  wenn  man  selbst  gerade  in  rüstigem  Fortschreiten 
sich  befindet;  steht  er,  so  deutet  dies  Faulheit  an;  klappert  er,  so 
wird  man  viel  zerbrechen  —  doch  kann  es  dem  Hausherrn  auch  Segen 
an  Geld,  der  Hausfrau  Segen  an  Kindern  verkünden. 

In  der  Gegend  von  Saalfeld  zeigt  der  erste  fliegende  Storch  auch 
an,  dass  man  bald  eine  Reise  machen  werde,    der  sitzende,    dass  man 


")  Zur  Ergänzung  der  Reime  an  den  Storch  teile  ich  noch  zwei  in  der  Gegend 
von  Passenheim  übliche  masarische  Verschen  mit: 


Kle  kle,  bocianie! 
Co  masz  we  zbanie? 
Piwo  i  woda. 
Dziewczjna  iagoda, 
Chlopiec  pasknda 
Z  kobilego  nda. 

Kie  kle,  bocianie! 
Wilk  ci  nogi  potamie. 
Niechze  mi  polamie, 
Mamci  druge  w  korbanie. 


Klo  kle,  Storch! 

Was  hast  da  in  der  Kanne? 

Bier  und  Wasser. 

Das  Mädchen  ist  eine  Erdbeer1, 

Der  Junge  ist  ein  Unflat 

Aus  der  Stute  Bein. 

Kle  kle,  Storch ! 

Der  Wolf  wird  dir  die  Füsse  zerbrechen. 

Mag  er  mir  (sie)  zerbrechen, 

Hab1  ich  andere  iu  der  (Borken-)  Schachtel. 


304  Zur  volkstflmlichen  Naturkunde. 

nicht  viel  aus  dem  Hause  kommen  werde.  (Lemke  96.)  Beim  Anblicke 
des  ersten  Storches  muss  man  sein  Geld  in  der  Tasche  umrühren,  dann 
fehlt's  einem  in  dem  betreffenden  Jahre  nimmer.  Sieht  man,  ohne  Gehl 
bei  sich  zu  haben,  den  ersten  Storch,  so  wird  der  Verdienst  ein  geringer 
sein.  (Dasselbe  gilt  von  dem  ersten  Schreien  des  Kuckucks.) 

Die  Wiege  ist  bereit  zu  halten,  wenn  der  Storch  über  das  Haus 
eines  jungen  Ehepaares  fliegt.     (Dönhoffstiidt.) 

Vor  ihrer  Abreise  versammeln  sich  die  Störche  in  grossen  Scharen 
auf  den  Wieseu:  hier  töten  sie  Schwächlinge,  denen  sie  die  Über- 
windung der  Strapazen  der  Reise  nicht  zutrauen.  Sie  halten  aber  auch 
Gericht  über  einzelne  Sunder  aus  ihrer  Mitte,  die  sie  nach  erwiesener 
Schuld  mit  Schnabelhieben  unibringen.  (Vgl.  Neue  Preuss.  Prov.-Bl. 
a.  F.  III,  210,  und  Schilderung  eines  „Gerichtstages"  der  Störche  in: 
Bock  Naturgescb.  je.  IV,  347.) 

Ziehen  die  Störche  vor  Bartholomäus  ab,  so  giebt  es  einen  zeitigen 
Winter;  ziehen  sie  nach  dem  genannten  Tage  fort,  so  deutet  dies  auf 
einen  langen  und  schönen  Herbst  und  einen  späten  Winter  (nach  Böbel 
102,  auf  einen  gelinden  Winter).  —  Man  sagt  auch  genauer:  So  viele 
Tage  die  Störche  über  den  Bartholomäustag  bei  uns  bleiben,  so  viele 
Wochen  schönes  Wetter  giebt  es  noch. 

Der  Storch  wird  hier  nur  als  Gast  angesehen;  in  seiner  eigent- 
lichen Heimat  ist  er  Mensch.20)    Eine  samländische  Sage  erzählt: 

Ein  Ostpreusse,  der  die  Welt  durchwandert,  kam  auch  in  die  Heimat 
der  Störche;  aber  er  wusste  es  nicht.  Als  ihm  jedoch  als  erstes  Mahl 
ein  Gericht  Frösche  und  Kröten  vorgesetzt  wurde,  und  er  auf  sein 
Verwundern  über  diese  seltsame  Bewirtung  den  Bescheid  erhielt:  „Ihr 
gebt  mir  ja  auch  nichts  anderes",  da  merkte  er  sogleich,  wo  er 
sich  befinde.  Das  sonderbare  Gericht  war  aber  nur  ein  Scherz  gewesen: 
die  Schüssel  mit  den  unappetitlichen  Tieren  verschwand,  und  es  gab 
darauf  noch  die  schönsten  Leckerbissen. 

Nach  einer  anderen  samländischen  Sage  ist  das  Land  der  Störche 
durch  eine  hohe  Mauer  eingeschlossen,  über  die  man  nicht  hinweg  kann. 

20)  Und  sie  keinem  storch  sie  lossen  ein  leit  thun,  dan  sie  halten  is  davor, 
und  sy  andirswo  menschen  sein.    (Simon  Grünau,  lirsgb.  von  Peilbach,  I,  S.  90-) 


Von  H.  Frischbier.  305 

Daher  weiss  auch  niemand,  wie  es  jenseits  der  Mauer  aussieht.  Einst- 
mals hatte  man  einen  Menschen  auf  die  Mauer  zu  heben  gewusst;  er 
sollte  aussagen,  wie  es  in  dem  Lande  aussehe.  Als  er  oben  auf  der 
Mauer  sass,  rief  er  voll  Begeisterung:  „Schön!  schön!"  und  sprang  in 
das  Land  der  Störche.  Man  machte  einen  zweiten  Versuch  und  band 
dem  Kletterer,  um  sein  etwaiges  Entweichen  unmöglich  zu  machen,  eine 
Leine  an  den  Fuss.  Oben  auf  der  Mauer  angelangt,  rief  auch  er: 
„Schön!  schön!"  und  wollte  zu  den  Störchen  hinüber.  Er  wurde  zwar 
zurückgezogen;  doch  wie  es  im  Storchlande  aussieht,  vermochte  er  nicht 
zu  erzählen:  er  hatte  die  Sprache  verloren.") 

Im  Jahre  1848  erschien  in  Tenkitten  bei  Fischhausen  ein  Storch, 
aus  dessen  Rücken  fusslang  ein  Rohr  hervorragte,  wahrscheinlich  ein 
Pfeil.  Ohne  genistet  zu  haben,  ist  er  wieder  abgezogen.  (Neue  Preuss. 
Prov.-Bl.  VI,  318.)    Vgl.  Schnee  und  Eis. 

Den  Schneeregen  im  März  und  April  nennt  man  hier  Storch- 
schnee; auf  Rügen  und  in  Pommern  heisst  er  Adebar-Stoving. 
Der  Storchschnee  muss  herunter;  erst  wenn  er  gefallen,  können  die 
Störche  anlangen. 

Sprichwörter:  Er  hat  Storchbeine.  Er  steht  wie  ein  Storch  auf 
einem  Fuss.  Er  geht  wie  der  Storch  im  Salat  =  mit  gravitätischen 
Schritten.  Wie  ein  Storch  stehen,  —  klappern.  Verteil  ml  nuscht 
vom  Storch!  Als  Abweisung  unwahrscheinlicher,  abgeschmackter  Er- 
zählungen.   Gott  giebt  zuweilen  einen  Storch.    Vergl.  Sprichw.  I,  3649. 

Pflanzennamen:  Storchblume,  Anemone nemorosa.  Storchschnabel, 
Geranimn.    (Hagen,  u.  d.  a.  W.) 

Rohrdommel. 

Namen:  Rohrdump,  -drump,  -drumrael,  Iprump.  Bujack  381. 
Preuss.  Wörterb.  II,  231. 

Ruf:  Öck  versüp,  öck  versüp!  (Volksr.  269.)  —  Wenn  die  Rohr- 
dommel zeitig  schlägt,  giebt's  eine  gute  Ernte.   (Medenau.  Böbel,  120.) 


21)  Beide  Sagen  verdanke  ich  der  gütigen  Mitteilung  des  Lehrers  Herrn  Schimmel- 
pt'enuig  in  Fischhausen,  von  dem  auch  die  sonstigen  mit  Fischhansen  oder  Alt-Pillau 
bezeichneten  Angaben  herrühren. 


306  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Das  Märchen  von  clor  Rohrdommel  und  dem  Wiedehopf  s.  unter 
Wiedehopf. 

Sprichwörtlich:  Wie  eine  Kohrdommel  schreien. 

Gans. 

Namen:  Zahme,  pltd.  tarne  Gans,  wilde  Gans.  Das  Männchen 
heisst  Gansert,  volkstümlich  Ganter,  imErmlande  auch  Gent,  Gaings, 
die  junge  Gans  Gessel,  Güssel. 

Lockruf:  Guse  Guse  (u  kurz)!  Will  Will!  Wille  Wille!  Volksr.  242. 

Ein  beliebtes  Kinderspiel  heisst  Gusegänscben:  Guse-Guse-Gänskes 
kämt  na  Hüs!  Siehe  Volksr.  Nr.  691. 

Die  Gans  ist  das  einzige  Tier,  das  man  bedauert,  weil  es  barfuss 
gehen  muss: 

Schusche  patru£che,  wafc  ruschelt  öm  Stroh, 
Guse-Gänskes  gäne  barföt  on  hebbe  kein1  Schob, 
De  Schuster  heft  Ledder,  kein  Leestke  dato, 
Dat  hei  kann  mäke  de  Gänskes  e  Paar  Schob. 

Siehe  vollständig  Volksr.  Nr.  30. 

Eulenspiegel  prophezeite  den  Bauern  einst  einen  sehr  strengen 
Winter  und  riet,  den  Gänsen  Schuhe  machen  zu  lassen,  weil  ihnen  sonst 
die  Füsse  abfrieren  würden.  Die  Bauern  brachten  gläubig  all  ihr  Leder 
zusammen,  und  Eulenspiegel  verschnitt  den  ganzen  Vorrat  zu  Gänse- 
schuhen. Seine  Prophezeiung  traf  auch  wirklich  ein:  und  nun  hatten 
die  Gänse  Schuhe  und  die  Bauern  mussten  barfuss  gehen  und  frieren. 

Vergleiche  mit  der  Gans:  Er  ist  so  dumm  wie  eine  Gans.  Mädchen 
und  Frauen  heissen  Gänse  —  dumme  Gänse.  Er  hat  davor  Angst,  wie 
die  Gans  vor  einer  Hafergarbe.  Er  erbost  sich,  wie  die  Gans,  der  man 
ins  Nest  kuckt.  Herumkrabbeln  wie  eine  tolle  Gans.  Bekannt  sein  wie 
die  Gans  im  Schafstall.  Man  muss  ihnen  ihre  eigenen  Köpfe  lassen 
wie  den  Gänsen  in  Rügen.   Korrespondenzbl.  III,  50. 

Auf  die  Frage:  Wie  geht  es?  erhält  man  zur  Antwort:  Ömmer  op 
twei  Beene  wie  e  Ganter. 

Die  Gans,  im  Rätsel  Witschelwatschel,  auch  Patschfötkc,  Patseh- 
füsschen,  genannt,  geht  über  die  Brücke  und  trägt  die  Betteu  des  Königs 
auf  dem  Rücken.    Vergl.  Tierrätsel  Nr.  79—81. 


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Von  H.  Frischbier.  307 

Im  Volksliede  ist  die  Gans  ein  starkes  und  zugleich  zierliches  Tier: 
sie  trägt  den  Schneider  samt  den  Flicken  auf  dem  Rücken,  den  Keiter 
mit  dem  Säbel  auf  ihrem  Schnabel,  die  Braut  im  Hochzeitskranze  auf 
ihrem  Schwänze  2c.     (Siehe  Volksr.  No.  455.) 

Sollen  die  jungen  Gänschen  zum  erstenmal  auf  die  Weide,  so 
schneidet  man  ihnen  die  Spitzen  der  Schwanzfedern  ab,  zilndet  dieselben 
an  und  hält  dann  die  Gänschen,  die  man  in  einem  Siebe  hat,  über  den 
Rauch.  Darauf  bringt  man  sie  in  dem  Siebe  oder  auch  in  einem  Korbe 
auf  die  Weide  und  lässt  sie,  auf  dass  sie  gedeihen,  sämtlich  durch  eine 
Männerhose  hindurchgleiten.  (Bürgersdorf  bei  Wehlau.) 

Junge  Gessel  muss  man  mit  Schrot  und  Pulver  räuchern,  um  sie 
vor  Krähen  und  Habichten  zu  schützen.  (Dönhoffstädt.) 

Ist  der  Brustkasten  der  Gans  weiss,  so  giebt  es  viel  Schnee  und 
einen  dauernden  Winter,  ist  er  dagegen  rot,  so  wird  der  Winter  flau. 
Wenn  die  Gänse  sich  auf  dem  Eise  baden,  so  giebt  es  bald  Tau- 
wetter.   (Dasselbe  gilt  von  den  Krähen.)    Das  Baden  der  Gänse  und 
Enten  deutet  auf  baldigen  Regen.    (Heihberg.  Böbel,  119.) 

Das  Reissen  (Schleissen)  der  Federn  geschieht  gewöhnlich  in  den 
Zwölften,  weil  in  dieser  Zeit  nicht  gesponnen  werden  darf.  Nachdem 
die  Federn  gerissen  sind,  nimmt  man  sämtliche  Kiele  und  trägt  sie 
auf  einen  Steig  oder  Fussweg.  So  viele  Leute  darüber  hingehen,  so 
viele  Gänse  oder  Enten  (je  nach  den  Federn)  hat  man  das  folgende 
Jahr.    (Samhind.) 

Die  Feder  (Gänsekiel)  im  Rätsel  s.  Tierrätsel  84  ff. 
Pflanzennamen:  Gänseblümchen,  Bellis  perennis.  Gänse- 
blume, Chrysanthemum.  Gäusedistel,  Sonchus.  Gänsefuss,  Cheno- 
poclium.  Gänsegarbe,  -kraut,  auch  Gänserich,  Potentilla  anserina. 
G  Linsegrün,  Alchemilla  vulgaris.  Gänsekraut,  Arabis Thaliana,  kleines, 
Arenaria  serpyllifolia.  Gänsepappel,  Malva  rotundifolia.  Gessel- 
blunie,  Ranunculus  ficaria.    Hagen  u.  d.  a.  W. 

Zur  Bezeichnung  einer  entlegenen  Zeit  braucht  man:  Gessclpest, 
Eulenpest,  Kurrenpest     Das  ist  von  der  Gesselpest  her. 

Gesselhabicht,  -häfke,  roter  Milan,  Falco  Milvus.  (Vgl.  Preuss. 
Wörterb.  u.  d.  a.  W.) 


308  ^ar  volkfitümlichen  Naturkunde. 

Von  selbst  gezogenen  Vögeln  darf  kein  Stück  verschenkt  werden, 
es  muss  vielmehr,  und  sei  es  für  ein  Butterbrot,  d.  h.  für  den  geringsten 
Preis,  verkauft  werden,  wenn  es  bei  dem  neuen  Besitzer  gedeihen  soll. 

Reptilien. 

Schlange. 

Die  Eidechse  ist  der  Vorbote  der  Schlange:  wo  Eidechsen  sind, 
trifft  man  auch  bald  Schlangen. 

Wenn  die  Schlange  jemand  gebissen  hat,  so  muss  sie  rasch  ins 
Wasser  schlüpfen,  um  nicht  sofort  zu  sterben. 

Ist  jemand  von  einer  Schlange  in  Puss  oder  Hand  gebissen  worden, 
so  gräbt  man  ein  Loch  in  die  Erde,  in  welches  Buttermilch  gegossen 
wird;  in  diese  muss  der  Leidende  das  verletzte  Glied  hineinstecken 
und  neun  Tage  lang  (Tag  und  Nacht),  in  Betten  verpackt,  vor  der 
Thür  bleiben.  Es  wird  empfohlen,  in  die  Buttermilch,  welche  öfters 
erneut  werdeu  muss,  Kröten  (im  Notfalle  thun's  auch  Frösche)  zu 
setzen,  damit  dieselben  das  Gift  aussaugen.  —  Nach  andern  genügt 
bei  dieser  Kur  die  Zeit  von  vier  und  zwanzig  Stunden.  (Saalfeld.  Lemke  95.) 

Der  Biss  der  Blindschleiche  erzeugt  neun  Löcher  (Wunden). 
Jedes  Jahr  heilt  ein  Loch;  wenn  das  letzte  Loch  zugeheilt  ist,  stirbt 
der  Gebissene.    (Bauschen.) 

Die  Schlangen  haben  einen  König  und  versammeln  sich  gern  in 
grosser  Menge  um  ihn.  Der  Schlangenkönig  trägt  eine  goldene 
Krone,  die  demjenigen,  der  sie  entwendet,  viel  Glück  bringt;  sie  kann 
aber  auch  für  viel  Geld  verkauft  werden.  Es  ist  indes  sehr  misslich, 
den  Schlangenkönig  also  zu  kränken :  die  Schlangen  verfolgen  den  Dieb,  so 
dass  er  sich  sehr  vor  ihnen  in  acht  nehmen  muss.  (Saalfeld.  Lemke  96.) 

Schlangen  fett,  Oleum  Jecoris  flavum,  wird  als  Heilmittel  in 
den  Apotheken  gekauft. 

Sprichwörtlich:  Wie  eine  Schlange  falsch  sein,  —  kriechen,  — 
sich  winden.    (Korrespondenzbl.  III,  53.) 

Pflanzennamen:  Schlangenauge,  -äuglein,  Asperugo  pro- 
cumbens.  Schlangenkraut,  Calla  palustris  und  Aspidium  Filii  mas. 


Von  H.  Frischbier.  309 

Schlangenmord,  Scorzonera  humilis.  Schlangen  wurzel,  Polygonum 
bistorla.    (Vgl.  Hagen  und  Preuss.  Wörterb.  u.  d.  a.  W.) 

Frosch. 

Namen:  Hopser,  Pogge.  Über  die  Etymologie  von  Pogge 
s.  Preuss.  Wörterb.  IL  165.  Nach  Lemke  93  heissen  die  quarrenden 
Frösche  Roch  eichen;  der  Laubfrosch  wird  zumeist  Frosch  (statt 
Pogge)  genannt. 

Im  Volksrätsel  heisst  der  Frosch  Quarrer,  Qua rrop,  Quackop,:  Pipop 
on  e  Quarrop  ginge  op  §ne  Barg  rop  :c.  (Tierrätsel  30.) 

Treten  die  Frösche  im  Frühlinge  zahlreich  auf,  so  giebt  es  ein 
fruchtbares  Jahr.    (Ermland.) 

Sieht  man  die  ersten  Frösche  massenhaft  im  Wasser,  so  deutet 
dies  auf  ein  gutes  Flachsjahr.    (Dönhoffstädt.) 

Frösche  können  im  Frühling  den  Mund  nicht  eher  aufthun,  als 
bis  ein  Gewitter  gewesen.    (Saalfeld.) 

Wenn  man  im  Frühling  den  ersten  Frosch  auf  festem  Boden  sieht, 
so  hat  man  Freude  zu  erwarten,  sieht  man  ihn  aber  im  Wasser,  so 
muss  man  weinen. 

Wenn  die  Frösche  aufs  Land  kommen  und  auf  den  Wegen  herum- 
hüpfen, so  wird's  regnen. 

Wer  Sommersprossen  hat,  soll  sich  mit  „Poggenschleim"  waschen. 

Wer  an  Epilepsie  leidet,  soll  einen  Frosch  in  seiner  Hand  sterben 
lassen,  dann  wird  er  von  der  „schweren  Krankheit"  geheilt  werden. 

Eine  alte  Pogge  gilt  dem  Volke  als  Wassermutter,  welche  die 
Kinder  ins  Wasser  zieht.  Gilt  vorzugsweise  als  Drohung  gegen  Kinder. 
(Saalfeld.  Lemke  94.) 

Vgl.  Bind  und  Schlange. 

Ruf  der  Frösche:  Unterhaltung  in  wirtschaftlicher  Angelegen- 
heit: G'vad'rsch,  G'vad'rsch,  wann  war  jü  back'?  Wann  war  jü  back'? 
Die  Gevattern  antworten:  Moj'n,  moj'n  (morgen)!  Der  Fragende  ent- 
schliesst  sich,  dasselbe  zu  thun:  Denn  back  öck  6k!  (Back  öck  6k  e 
KOk  (Kük.) 

Näversch,  Näversch,  wölP  w!  KÖke  backe,  wöll1  wf  Koke  backe? 
(Königsberg.) 


310  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Kick  du  rftt,  op  de  Herr  kömmt  möt  de  rode  Föt,  de  ons  möt- 
nömmt!  (Tapiau.) 

Bu!  Bu!  Kück1  h'rüt,  op  de  Rotstrump  kümmt,  det  he  ons  ni«'h 
metnimmt! 

Sprichwörtliches:  Wenn  die  Pogg  getreten  wird,  so  quarkt  sie. 
Die  Poggen  haben  das  Wasser  ausgetrunken,  wenn  in  der  Wassertonne 
das  Wasser  ausgegangen  ist.  De  Pogg'  kröggt  Oge  =  ein  Schweigender 
spricht  endlich,  ein  Langweiliger  wird  muuter.  Wie  ein  Frosch  sieb 
blähen;  —  wie  eine  Pogge  zabbeln;  —  kicke  wi  de  Pogg  fit  de  Lehin- 
kül;  —  patzig  sön  wt  de  Pogg  ön  e  Lehmkul;  —  wi  e  Pogg  ön  e 
Teerpudel  (Teertonu')  kurrig  sön,  —  söck  persche,  —  spart'le,  —  winde. 
(Vgl.  Sprichw.  I,  2965.     Korrespondenzbl.  III,  50.) 

Zusammensetzungen:  Poggenfist,  Froschlaich  und  Bovist. 
Poggenfuss,  kleiner,  unansehnlicher  Mensch.  Poggenhecht,  März- 
hecht. Poggenlaichsalbe,  Unguentum  cerussae.  Poggenpfuhl. 
Strassenname  in  Danzig.  Poggenritzer,  -schlitzer,  stumpfes,  ab- 
gebrauchtes Messer.  Poggenschalen,*  -schüssel  (-schältel),  -sebachtel, 
Muschelschalen  (die  Kinder  im  Werder  meinen,  es  sässen  Poggen  darin). 
Poggenschnodder,  Froschlaich.  (Vgl.  Preuss.  Wörterb.  II,  165. 
Preuschoff,  Volksthml.  a.  d.  Gr.  Marienburger  Werder.  Schrift,  d.  naturf. 
Gesellsch.  in  Danzig  N.  F.  Bd.  VI,  Heft  1.) 

Pflanzennamen:  Froschbiss,  Hydrocharis  Morsus  ranae. 
Froscheppich,  Sium  angustifolium.  Froschkraut,  -löffel,  Alisma 
plantago  und  Calla  palustris.  Froschlattich,  Potamogeton  crispus. 
Froschpeterlein,  Sium  latifo lium .  F r o s c h p f e f f e r ,  Ranunculus  scele- 
ratus.  Froschwegerich,  Alisma  plantago.  Poggengras,  Juncus 
bufonius.  Poggenknie,  Scleranthus  perennis.  (Hagen  u.  d.  a.  W. 
Preuss.  Wörterb.  II,  165.) 

Kröte. 

Namen:  Pltd.  Krät,  Böskrät,  Beskrät,  schorfge  Krät,  Schorfkrät 

Kröten  werden  aus  dem  Hause  vertrieben,  wenn  man  eine  fangt 
und  sie  im  Herdfeuer  verbrennen  lässt.    (Dönhoffstädt.) 

Die  Kröte  ist  sehr  gefürchtet;  man  hütet  sich,  ihr  mit  Fuss  oder 
Hand  nahe  zu  kommen,  denn  das  Glied,  das  die  Kröte  berührt,  wird 


Von  H.  Frischbier.  .  31  \ 

so  „schorbig"  als  sie  selbst.  Trotzdem  spielt  die  Kröte  eine  Rolle 
unter  den  Heilmitteln.  Sie  wird  in  getrocknetem  Zustande  gegen  Krämpfe, 
besonders  bei  Kindern,  angewandt.  —  Wenn  der  Fieberkranke  sie  zer- 
beisst,  so  muss  er  sich  dabei  das  Fieber  „abschlackern4',  was  durch 
das  vom  Grauen  veranlasste  Schütteln  geschieht.  —  Die  im  Ofen  lang- 
sam geröstete  Kröte  wird  zu  Pulver  gerieben,  das  Fieberkranken  hilft, 
aber  auch  gegen  Hautkrankheiten  gut  ist.    (Saalfeld.) 

Wer  den  Mut  hat,  eine  Kröte  in  seiner  rechten  Hand  sterben  zu 
lassen,  wird  Gluck  haben.    (Saalfeld.) 

Kröten  gelten  auch  als  verwünschte  Prinzen  und  Prinzessinnen  — 
heute  allerdings  nur  im  Märchen. 

Sprichwörtliches:  Sich  aufblasen  wie  eine  Schorfkröte.  (Korre- 
spondenzbl.  III,  52.) 

Kröte  ist  erstens  beliebtes  Schimpfwort:  Dammelge  Krät.  Kleine 
unnütze  Krät.  Falsche  — ,  nazionsche  — ,  krätsche  Krät.  Auch  in 
Zusammensetzungen:  Aas-,  Bes-,  Bös-,  Aasbös-,  Backerbös-,  Hunds-, 
Hundsbös-,  Hunderackerbös-,  Brands-,  Schlagbös-,  Wetter-,  Wetterbös-, 
Zankkrät;  zweitens  Schmeichelwort;  drittens  Flickwort  zur  Bezeichnung 
der  verschiedenartigsten  Gegenstände  mit  und  ohne  Nebenbegriff  des 
Schimpfens.    (Vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  423.) 

Pflanzennamen:  Krötenbinsen,  -gras,  -simse,  auch 
Poggengras,  Juncus  bufonius.  Krötenblätter,  Rumex  crispus. 
Krötendill,  Anthemis  cotula.  Krötenkraut,  Senecio  Jacobaea. 
Krötenmelde,  Datura  stramonium.  Krötenmünze,  Mentha  aqua- 
tica.    (Hagen  u.  d.  a.  W.) 

Fische. 

Springen  die  Fische  bei  heiterm  Wetter  häufig  aus  dem  Wasser, 
so  steht  in  Kürze  Regen  bevor.    (Dönhoffstädt.) 

Der  Fisch  im  Vergleiche  mit  dem  Menschen:  Wie  ein  Fisch  ge- 
sund sein,  —  stumm  sein;  —  emöstoMöd,  wtdemFösch  op  emLand. 

(Korrespondenzbl.  III,  50.) 

Aal. 

Den  Aalen  sagt  man  nach,  dass  sie  gern  in  dunkeln,  tauigen  Nächten 

in  die  Erbsenfelder  gehen.   Wenn  sie  bei  dieser  Wanderung  auf  Sand 


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312  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

geraten,  können  sie  nicht  weiter  und  sind  leicht  zu  fangen.    (Saalfeld. 
Lemke  96.) 

Sprichwörtliches:  Wie  ein  Aal  glatt  sein,  —  sich  winden;  — 
stehen  wie  auf  Aalen.    (Korrespondenzbl.  TU,  49.) 

Hering. 

Der  Hering  füttert  seinen  Schwanz  fett,  sagt  man  in  Litauen, 
wenn  der  Februar  kalt  ist.  [Hering  steht  hier  jedenfalls  in  der 
Bedeutung  Hornung.    Vgl.  Preuss.  Wörterb.  I,  285.] 

Der  Mensch  im  Vergleiche  zum  Hering:  Wie  ein  (ausgenommener) 
Hering  aussehen;  —  es  innerlich  haben,  wie  ein  schwedischer  Hering. 
(Korrespondenzbl.  III,  51.) 

Insekten. 

Die  Insekten  gelten  den  Mädchen  als  Verkünder  der  Zukunft.  Am 
Johannisabend  gräbt  man,  ohne  dabei  zu  lachen  oder  ein  Wort  zu 
sprechen,  drei  kleine  Löcher,  „Kaulchen",  in  die  Erde  und  deckt  sie 
leicht  mit  Rasenstückchen  zu.  Am  Johannistage,  morgens  ganz  früh, 
geht  man  nachsehen,  ob  über  Nacht  Insekten  in  die  Löcher  gekommen 
sind.  Je  nachdem  im  ersten,  zweiten  oder  dritten  Loch  sich  ein 
Tierchen  vorfindet,  wird  man  im  ersten,  zweiten  oder  dritten  Jahre 
heiraten.  Sind  alle  „Kaulchen"  leer,  so  sind  die  Heiratsaussichten  sebr 
schlimm.  An  der  Species  des  gefangenen  Tierchens  kann  man  den 
Stand  und  Charakter  des  zukünftigen  Mannes  erkennen:  ein  blankes 
Käferchen  bedeutet  einen  Soldaten,  ein  graues  einen  Schulmeister,  ein 
schwarzes  einen  Pfarrer,  eine  Spinne  einen  Künstler,  eine  Biene  einen 
fleissigen,  eine  Fliege  einen  „brummigen"  Mann.    (Königsberg.) 

Kornkäfer,  Geotrupes  stercorarius. 

Namen:  Perdskäfer,  Perddreckskäfer,  Mistkäfer,  ScheiszwabbeL 
(Vgl.  Preuss.  Wörterb.  II,  139.) 

Aberglauben:  Der  Bauer  besieht,  wenn  er  Gerste  säen  will,  zu- 
vor einen  Bosskäfer;  sitzen  die  Milben  auf  dem  Vorderteil  des  Körpers, 
so  gerät  die  frühe  Gerste  gut,  sonst  die  späte.  (Beusch,  Nachlass.) 

Sprichwörtlich:  Wie  ein  Mistkäfer  munter  sein. 


Von  H,  Frischbier.  313 

]üalwurm,  Meloe  proscarabaeus. 

Er  wird  auch  jetzt  noch,  wenngleich  selten,  als  Heilmittel  gegen 
Tollwut  angewandt.  Man  bewahrt  ihn  in  Flaschen  auf  und  giebt  davon, 
zusammen  mit  ungesalzener  Butter,  den  vom  tollen  Hunde  Gebissenen. 

Getrockneter  und  geriebener  Maiwurm  auf  Butterbrot  ist  gut  gegen 
das  Fieber.   (Saalfeld.   Lemke  91.) 

Harienfcäfercheii,  Coccinella. 

Namen:  Herrgottspferdchen,  Herrgottskuhchen,  Berbutchen,  Buter- 
butchen,  Berbuschke,  Borbuschke.  (Vgl.  den  Artikel  „buäche"  im  Preuss. 
Wörterb.  I,  121.) 

Auf  seinem  Bücken  trägt  das  Käferchen  den  Preis  verzeichnet, 
welchen  der  Boggen  im  kommenden  Jahre  haben  wird.   (Saalfeld.) 

Keime: 

Herrgottspferdchen  (-Kuhchen),  fliege, 
Vater  ist  im  Kriege, 
Matter  ist  in  Engelland, 
Engelland  ist  abgebrannt, 
Herrgottspferdchen  (-Kuhchen),  fliege. 

Varianten  dieses  Einderreims  s.  Volksr.  Nr.  224  ff. 

Zur  Ergänzung: 

Barbuschke,  fleg  op,  dln  Hüske  brennt, 
De  Kinderke  schrie  nä  Butterbrot! 

(Memel.    Danzig.   Königsberg.)   Der  Beim  wird  so  lange  gesungen,  bis 
das  Eäferchen  (gewöhnlich  Cocc.  septempunctata)  von  der  Fingerspitze 
auffliegt,  und  schliesst  dann  mit  einem  freudigen:  „Fleg  op!"  — 
Lemke  92: 

Herrgottskuhchen,  gieb  uns  Milch! 
Dein  Haaschen  brennt, 
Dein  Lammchen  schreit: 
Bäh! 

Biene.  Pltd.  B$n. 
Die  Biene  ist  eine  Sabbatschänderin.  Der  liebe  Gott  sprach: 
„Sechs  Tage  sollst  du  arbeiten!*  2c.  Die  Biene  entgegnete:  „Warum  hast 
du,  lieber  Gott,  es  nicht  auch  eingerichtet,  dass  wir  am  siebenten  Tage 
nicht  zu  essen  brauchen?  Weil  wir  am  siebenten  Tage  essen  müssen, 
darum  müssen  wir  an  diesem  Tage  auch  arbeiten!11  —  „Magst  du  das,* 
sprach  Gott,  „aber  zur  Strafe  für  deine  unfromme  Gesinnung  entziehe 

Altpr.  MoMUichrift  Bd.  XX1L  Hft  3  o.  4.  21 


314  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

ich  dir  die  Blume,  welche  den  meisten  Honigstoff  in  sich  birgt,  den 
roten  Klee!"  Daher  befliegt  die  Biene  nicht  den  roten  Klee.  (Fischhausen.) 

Um  das  Wegziehen  der  Bienen  beim  Schwärmen  zu  verhindern, 
legt  man  blaue  Lilienwurzeln  in  den  Korb.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  P.  VII,  233. 

Wenn  die  Bienen  schwärmen,  soll  man  ihnen,  unter  Segenssprüchen, 
eine  Hand  voll  Sand  zuwerfen,  —  dann  kommen  sie  gleich  in  den  Stock. 
(Saalfeld.  Lemke  93.) 

Segenssprüche  und  Zauberformeln  beim  Schwärmen  s.  Hexen- 
spruch :c.  S.  131  f. 

Wenn  der  Bienenvater  stirbt,  so  sterben  ihm  die  Bienen  nach. 
(Masuren.)  Um  dies  zu  verhindern,  wird  den  Bienen  der  Tod  ihres 
Besitzers  angezeigt,  man  giebt  ihnen  auch  Trauer,  indem  man  an  jeden 
Korb  oder  Stock  ein  schwarzes  Läppchen  befestigt.  (N.  Pr.  Prov.-Bl. 
I,  398.    Hexenspruch  je.  132.) 

Von  Bienen  träumen,  bedeutet  Feuer.  (Saalfeld.  Lemke  93.) 

Pflanzennamen:  Bienensaug,  -hütchen,  Lamium.  Bienen- 
klee, Trifolium  repens. 

Ameise. 

Namen:  Amse,  Ämse,  Hämse;  Deminutiv:  Häinschen,  pltd.  Hemske. 
Hömske,  Hömske,  Hömsk,  Heimschen,  Hemschen,  Emke. 

Die  Ameisen  haben  ein  zerbrochenes  Kreuz.  Die  Ameise  fand  einst 
auf  dem  Felde,  wo  die  ackernden  Bauern  gegessen  hatten,  Brotkrumen. 
Sie  nahm  dieselben  und  ging  damit  zum  lieben  Gott.  „Sieh",  Herr11, 
sprach  sie,  „wie  der  übermütige  Landmann  deine  Gabe  missachtet;  es 
wäre  gut,  wenn  du  ihm  den  Segen  des  Feldes  vorenthieltest!"  Der 
liebe  Gott,  der  wohl  einsah,  dass  die  armen  Bauern  bei  ihrer  Mahlzeit 
auf  dem  Felde  kein  Tischtuch  unterbreiten  konnten,  sich  auch  mit  dem 
Sammeln  der  Brosamen  nicht  aufhalten  durften,  ward  über  den  unge- 
rechten Kläger  zornig  und  warf  ihn  aus  dem  Himmel.  Kopfüber  stürzte 
die  Ameise  auf  die  Erde  und  brach  das  Kreuz  mitten  durch,  wie  man 
noch  heute  sehen  kann.  (Fischhausen.) 

Ein  Hirte,  der  mit  seiner  Peitsche  einen  Ameisenhaufen  durchwühlt 
und  zerstört  hat,  kann  sie  nicht  mehr  brauchen.  Wollte  er  mit  ihr 
das  Vieh  treiben,  so  würde  es,  wie  die  geängstigten  Ameisen  auseinander 
laufen.  (Bausch,  Nachlass.) 


Von  H.  Frischbier.  315 

Wem  es  gelingt,  eine  Ameisenkönigin  einzufangen,  der  hat  Glück 
im  Hause.  (Ermland.   Reusch,  Nachlass.) 

Ameisen,  wenn  man  mit  ihnen  das  zum  Verkauf  geführte  Vieh 
bewirft,  bewirken,  dass  viele  Verkäufer  angezogen  werden.  (Ostpr. 
Wutke,  Volksaberglaube  je.  §.  149.  710.) 

Wenn  die  Ameisen  im  Juli  (Anna  26.)  ungewöhnlich  tragen,  so 
giebt  es  einen  frühen  und  harten  Winter.   (Masuren.  Böbel  99.) 

Ameisen  in  Spiritus  sind  ein  wirksames  Mittel  gegen  Rheumatismus. 
(Saalfeld.  Lemke  92.) 

Die  Ameise  ist  das  Bild  rühriger  Thätigkeit:  Wie  die  Ameise 
fleissig  —  rührig  —  thätig  sein;  —  krabble  wi  de  Hemskes.  Korre- 
spondenzbl.  III,  49. 

Schmetterlinge. 

Wenn  ein  Nachtfalter  um  das  brennende  Licht  flattert,  so  stirbt 

jemand,  und  seine  Seele  geht  von  hinnen.  (Litauen.)   N.  Pr.  Prov.-Bl. 

V,  160. 

Mücken. 

Wenn  die  Mücken  am  Abend  „spielen11,  d.  h.  in  Scharen  tanzend 

fliegen,  dann  regnet's  den  nächsten  Tag. 

Stubenfliege« 

Name:  Pltd.  Fleg,  Flochtfleg,  zum  Unterschied  vom  Floh  (s.d.). 

Bringt  der  Sommer  viele  Fliegen,  so  bringt  er  auch  viel  Getreide 
und  (Saalfeld)  Kartoffeln.   (Dönhoffstädt.  Lemke  93.) 

Sprichwörtlich:  Wie  eine  Fliege  dreist  —  lustig  —  munter  sein 
(eine  lustige  Fliege  sein);  —  fallen  wie  die  Fliegen.  Die  Fliege  setzt 
sich  dem  Pfarrer  auf  die  Nase.  Daher  die  ßätselfrage:  Wer  ist  am 
dreistesten  in  der  Kirche?  Ihn  ärgert  die  Fliege  an  der  Wand. —  Vgl. 
auch  Tierrätsel  108. 

Pflanzennamen:  Fliegenblume,  Ophrys  myodes.  Fliegen- 
distel, Cnicus  Erisithales.    (Hagen  u.  d.  a.  W.) 

Floh. 

Name:  Pltd.  Fleg,  Hoppsfleg  (vgl.  Stubenfliege.) 
Die  Flöhe  können  zur  Osterzeit  bei  der  grossen  Reinigung  „ge- 
bannt14 werden.  Es  wird  in  allen  Ecken  gesprengt  und  gefegt  und  alles 

21* 


316  Zur  Volkstum  liehen  Naturkunde. 

Zusammengefegte  vor  Sonnenaufgang  heimlich  auf  die  Schwelle  eines 
anderen  Hauses  getragen.    (Saalfeld.    Lemke  14.) 

Sprichwörtliches:  Munter  sein  wie  ein  Bettfloh. 

Im  Bat  sei  ist  der  Floh  reich  vertreten,  s.  Tierrätsel  98—107. 

Mehrere  Pflanzen  führen  den  Namen  Flöh  kraut:  Polygonum, 
Erigeron,  Inula.    Hagen  u.  d.  a.  W. 

Küchenschabe- 
Name:  Franzose,  Bäckerschabe. 

Viele  Schaben  im  Hause  bringen  Glück. 

Sind  Schaben  in  einem  Hause,  so  darf  das  weibliche  Gesinde  unbesorgt 
geschlechtlichen  Umgang  haben,  es  wird  nicht  schwanger.  (Königsberg.) 

Ein  Mittel  gegen  die  Franzosen,  bestehend  aus  Bolus  und  gesüsstem 
Kartoffelbrei,  wirkt  nur  dann,  wenn  es  bei  abnehmendem  Lichte  an 
einem  Donnerstage  angewandt  wird.  (Dönhoffstadt.) 

Grille,  Gryllus  domesticus. 

Der  volkstümliche  Name  ist  die  Schirke,  Scherke,  Schörke, 
auch  mit  Abstossung  des  Schluss  -  e :  der  Schirk  je.  Dieser  Name  lautet 
auch  mit  Tsch  an.  Der  eigentümliche  Ton,  den  das  Heimchen  hören 
lässt,  wird  mit  schirken,  schirksen,  scherken,  schörken  bezeichnet. 

Die  Schirke  bringt  dem  Hause  Glück  und  Überfluss  und  wird  des- 
halb geschont.  Wer  sie  töten  würde,  verscheuchte  aus  dem  Hause  das 
Glück.  Die  Bäcker  namentlich  freuen  sich,  wenn  in  ihrem  Hause  sich 
viele  Schirken  aufhalten. 

Maulwurfsgrille,  Gryllotalpa  vulgaris. 

Namen:  Warre,  Werre,  Twerre,  Werl,  Worbel,  Eitwurm,  Erd- 
krebs, Schrotwurm.    Preuss.  Wörterb.  II,  318. 

*    Die  Maulwurfsgrille  kann  am  Johannisabend  fliegen.    Was  sie  dann 
im  Fluge  berührt,  muss  sterben.  (Litauen.) 

Wenn  der  Fieberkranke  ihr  mit  blossem  Finger  den  Kopf  abdrückt, 
weicht  das  Fieber  von  ihm.  (Saalfeld.  Lemke  91.) 

Zangenkäfer,  Forficula. 

Er  heisst  Ohrenkneifer,  weil  er  dem  im  Freien  Schlafenden  in 
die  Ohren  kriecht.  Nach  dieser  irrigen  Annahme  des  Volkes  wird  er 
auch  in  naturgeschichtlichen  Büchern  gewöhnlich  Ohrwurm  genannt 


Von  H.  Frischbier.  317 

Sprichwörtlich:  Wie  ein  Ohnvürmchen  freundlich  —  lustig  sein. 
Korrespbl.  III,  53. 

Laut». 

Die  erste  Laus  vom  Kopfe  des  Kindes  muss  auf  einem  kupfernen 
Kessel  totgeschlagen  werden,  dann  gedeiht  das  Kind.  Läuse  sind  über- 
haupt dem  Kinde  gesund. 

Gegen  Gelbsucht  hilft  ein  Butterbrot,  auf  welches  neun  Läuse  von 
neun  Köpfen  geklebt  sind.  Natürlich  hat  der  Kranke,  wenn  er  das 
Butterbrot  verzehrt,  keine  Ahnung  von  diesem  Heilmittel.  (Saalfeld. 
Lemke  92.) 

Um  das  Vieh  vor  Läusen  zu  schützen,  darf  man  während  der 
Zwölfteu  keinerlei  Beschäftigung  mit  Flachs  haben,  denn  so  viele  Ab- 
fülle von  den  Flachsstengeln  umherfliegen  würden,  so  viele  Läuse  würde 
das  Vieh  bekommen.  (Saalfeld.) 

Sprichwörtliches:  Wie  eine  Laus  kriechen;  —  geschäftig  — 
karsch  —  lustig  —  schäftig  —  wählig  sein  wie  eine  Laus  im  Schorf;  — 
sich  pflegen  —  den  eigenen  Willen  haben  wie  die  Laus  im  Schorf;  — 
karwendig  — ,  luchtern  sein  wie  eine  Kleiderlaus ;  einem  auf  dem  Halse 
sitzen  wie  eine  Laus.  (Lemke  93.  Korrespbl.  III,  52.)  Sich  eine  Laus 
in  den  Pelz  setzen.  Wenn  de  Lüs  üt  em  Schorf  geh&we  ward,  denn 
wart.se  schäftig. 

Zusammensetzungen:  Lausangel,  Lausbart  (Lauser),  Lause- 
pulver, Lause  tag,  Lausharke,  Laushund,  Lauskamm,  Lauspungel,  Laus- 
wenzel.   Vgl.  Preuss.  Wörterb.  II,  13  f. 

Spinne. 

Name  pltd.  Spenn'. 

Spinnchen  am  Morgen:  Kummer  und  Sorgen;  Spinnchen  am  Abend: 
glückbringend  und  labend.  Auch:  Spinne  am  Morgen  macht  (bringt) 
Kummer  und  Sorgen;  Spinne  am  Abend  macht  Fastlabend  (!).  (Kö- 
nigsberg.) 

Wen  ein  Purpurspinnchen  bekriecht,  der  hat  Glück.  (Dönhoffstädt.) 

Die  Spinne  stirbt  immer  nur  zur  Abendzeit,  selbst  wenn  sie  in  der 
Frühe  tötlich  verwundet  wurde.  (Rauschen.) 


31g  Zur  volketömlicben  Naturkunde« 

Märchen:  Ein  unschuldig  Verfolgter  rettete  sich  in  ein  Ofenloch. 
Seine  Verfolger,  welche  ihn  in  das  Haus  entweichen  gesehen,  eilten  ihm 
nach  und  durchsuchten  alle  Bäume  des  Hauses.  Sie  fanden  ihn  aber 
nirgend.  Zuletzt  öffnete  einer  die  Ofenthür,  aber  warf  sie  sofort  mit 
den  Worten  zu:  „Hier  ist  er  nicht,  denn  hier  hängt  alles  voll  Spinn- 
weben!" Und  so  war  es:  eine  mitleidige  Spinne  hatte  das  Ofenloch 
eifrig  zugesponnen  und  rettete  so,  wie  früher  eine  ihrer  Schwestern 
Muhamed,  den  Verfolgten.   (Saalfeld.) 

Das  Spinngewebe  nennt  man  höhnend  Brautlaken.  Die  Braut- 
laken hängen  umher,  als  Anspielung  darauf,  dass  die  Töchter  des 
Hauses  keine  Männer  bekommen  werden,  da  sie  nicht  auf  Reinlichkeit 
sehen.    Vgl.  Sprich w.  I,  441.  Preuss.  Wörterb.  I,  105.  Lemke  92. 

Zusammensetzungen:  spinnefeind,  Spinnenarsch,  Spinnenfresser, 
Spinnensommer.    Näheres  Preuss.  Wörterb.  II,  352. 

Zwei  Pflanzen  führen  den  Namen  Spinnenkraut:  Senecio  Jacobaea 
und  Anthericum  ramosum.    Hagen  u.  d.  a.  W. 

Krebs. 

Wenn  ein  kleiner  Gegenstand  (Körnchen,  Härchen  :c.)  ins  Ange 
gekommen  ist,  soll  man  einen  Erebsstein  unter  das  Lid  schieben  und 
denselben  im  Halbkreis  umher  führen,  damit  er  den  lästigen  kleinen 
Körper  mit  sich  fortnehme.    (Saalfeld.  Lemke  93.) 

Würmer. 

Am  Tage  Pauli  Bekehrung  (25.  Januar)  drehen  sich  die  Würmer 
in  der  Erde  um  und  fangen  an  sich  zu  regen.  Sie  wenden  alsdann 
demjenigen  Hause  den  Kopf  zu,  in  welchem  an  diesem  Tage  gesponnen 
wird;  zum  Frühjahr  dringen  sie  in  dieses  Haus.    (Samland.) 

Dass  hier  nicht  die  eigentlichen  Würmer  (vernies)  ausschliesslich 
gemeint  sind,  sondern  alles  Ungeziefer,  das  in  der  Erde  lebt  und  den 
Menschen  in  seiner  Wohnung  belästigt,  sei  besonders  bemerkt. 

Sprichwörtlich:  Wie  ein  Wurm  kriechen,  —  sich  krümmen,— 
sich  winden.    Korrespbl.  III,  54. 

Auch  die  Eingeweidewürmer  nennt  man  bloss  Würmer;  ebenso 
spricht  man  vom  Wurm  am  Finger:  Umlauf,  Panaricium  (Nagel- 


Von  H.  Frisohbier.  3J  9 

wurm).  Gegen  beide  Arten  Würmer  gab  es  früher  den  Wurmdoktor, 
der  vorzugsweise  Besprecbungsformeln  anwandte.  Vgl.  Preuss.  Wörterb. 
II,  483.   Hexenspr.  97  ff. 

Regenwurm. 
Man  sammelt  den  Regenwurm,  bewahrt  ihn  in  Spiritus  und  zer- 
schüttelt ihn  in  der  Flasche.   Dieser  Spiritus  ist  eine  heilsame  Einreibung 
gegen  Rheumatismus.  (Saalfeld.  Lemke  91.) 

IV.  Pflanzen. 

Bäume  und  Sträucher. 

St.  Sebastian  (20.  Januar)  lässt  den  Saft  in  die  Bäume  gähn. 
(Dönhoffstädt.    Böbel  2.) 

Ist  man  gesonnen,  Bäume  zu  pflanzen  oder  zu  verpflanzen,  so  thue 
man  dieses  am  Gründonnerstage.  Auch  setze  man  an  diesem  Tage 
Schösslinge,  —  alles  geht  dann  sicher  fort  und  grünt  gut  ein.  (Fisch- 
hausen.)   Vgl.  Feld-  und  Gartenpflanzen. 

Sollen  die  Obstbäume  gedeihen  und  reichlich  tragen,  so  müssen 
sie  bei  Neulicht  gepflanzt  werden.    (Dönhoffstädt.) 

Im  Schaltjahr  soll  es  nicht  gut  sein,  Bäume  zu  versetzen  oder  zu 
pfropfen,  oder  viel  Kohl  zu  pflanzen.    (Linemann,  Deliciae  je.  B  2a.) 

Für  geschenkte  Pflänzlinge  darf  man  nicht  danken,  sonst  zerstört 
man  das  Gedeihen  derselben.    (Dönhoffstädt.) 

Wenn  ein  Gewitter  über  die  Baumblüte  kommt,  so  wird  der  Sommer 
obstarm.    (Dönhoffstädt.) 

Wenn  die  Bäume  zweimal  blühn,  wird  der  Winter  bis  Mai  sich 
ziehn.    (Dönhoffstädt.) 

Die  ersten  Früchte  eines  Obstbaumes  dürfen  nicht  gezählt  werden. 
Die  letzten  Früchte  lässt  man  dem  Baume,  damit  der  Segen  des  fol- 
genden Jahres  nicht  geschmälert  werde.    (Dönhoffstädt.) 

Sitzt  das  Laub  im  Oktober  noch  fest,  dies  einen  strengen  Winter 
erwarten  lässt.    (Sprich w.  I,  2313.) 

Ahorn,  Acer  L. 

Namen:  Leinbaum,  im  Eindermunde:  Brillenbaum,  Nasenbaum, 
Nasenkneiferbaum.    (Preuss.  Wörterb.  I,  108.) 


320  ^ur  ▼olkstüiulichen  Naturkunde. 

Die  Blätter  des  Ahorn  müssen  vor  Johanni  gepflückt,  getrocknet 
und  aufbewahrt  werden.  Später  in  kochendem  Wasser  erweicht,  sind 
sie  heilkräftig  für  alle  Wunden. 

Birke,  Betula  alba  L. 
Mit  Birkenruten  „schmackostert"  man  zu  Ostern  (Preuss.  Wörter- 
buch II,  292)  und  schmückt  mit  ihrem  Laube  zu  Pfingsten  Haus  und 
Stube,  Wagen  und  Pferd. 

Espe,  Zitterpappel,  Populus  tremula  L. 

Im  Volksmunde  Aspe. 

Sage:  Als  der  liebe  Gott  einst  über  die  Erde  wandelte,  neigten 
sich  alle  Bäume  vor  ihm,  nur  die  Pappel  nicht;  sie  war  eingeschlafen. 
Da  sprach  Gott:  „Wenn  ich  wiederkomme  und  dich  schlafen  finden  sollte, 
will  ich  dich  von  der  Erde  vertilgen!"  Die  Pappel  erschrak  und 
zittert  seit  diesem  Tage.  — '  Nach  einer  andern  Sage  soll  der  Splint 
(Knebel),  der  in  Jesu  Mund  gesetzt  wurde  (?!),  von  dem  Holze  einer 
Pappel  genommen  sein;  seitdem  zittert  die  Pappel,  wie  Christus  in 
seiner  Todespein.    (Fischhausen.) 

Man  erzählt  auch,  dass  zum  Kreuz  Christi  das  Holz  der  Pappel 
genommen  sei,  und  dass  diese,  seit  sie  den  Heiland  an  ihrem  Holze 
leiden  sah,  zittere.    (Königsberg.)  * 

Sprichwörtlich:  Er  zittert  wie  Espenlaub. 

Kriehelbaum9  Prunus  insititia  L. 

Namen:  Unedle  Pflaume,  Waldpflaume;  sie  heisst  auch  Kriechel, 
Krickel,  Kreke,  Krekel,  Kröke,  Krökel,  Krükel,  Krüle.  (Vgl.  Preuss. 
Wörterb.  I,  429.) 

Wenn  die  Krichelbäume  in  der  letzten  April-  oder  ersten  Maiwoche 
blühen,  so  ist  die  Roggenernte  noch  vor  Jakobi  (25.  Juli).  So  vel 
Wöke  n&  Wulprecht  (1.  Mai)  de  Krekelböm  biegt,  so  vel  Weke  nä 
Jakdb  ös  dat  Körn  rip.    (Dönhoffstädt.) 

Palme,  Salix  caprea  L. 
Die  Salweide,   ihre  Zweige  mit  den  Schäfchen,    Blumenkätzchen, 
und  die  Schäfchen  allein,   benennt   man   als   Ersatz  für  die  wirkliche 
Palme  mit  diesem  Namen. 


Von  H.  Priechbier.  321 

Am  Palmsonntage  werden  Palmen  mit  in  die  Kirche  genommen, 
um  sie  daselbst  weihen  zu  lassen.     (Ermland.) 

Diese  geweiheten  Palmen  sind  ein  sehr  wichtiges  Präservativ  gegen 
Krankheiten,  die  listigen  Anläufe  des  Teufels  und  gegen  schädliche 
Naturerscheinungen.  Steckt  man  drei  derselben  unter  die  Balken,  so 
vermag  das  Gewitter  nicht  in  das  Haus  einzuschlagen.    (Ermland.) 

Steckt  man  aus  zwei  Ästen  geweiheter  Palmen  ein  Kreuz  an  die 
Thür,  so  kann  der  böse  Geist  nicht  in  das  Haus,  dieses  ist  gefeit. 
Palmen  über  den  Eingang  zum  Stall  angebracht,  bewahren  das  Vieh 
vor  aller  Krankheit.  Birgt  man  drei  Palmen  in  die  Krippe  (in  Löcher, 
die  man  geschnitten),  so  geben  Kühe,  welche  aus  solcher  Krippe  fressen, 
viele   und  kräftige  Milch.     (Ermland.) 

Wer  drei  Palmen  nüchtern  und  ganz  (ungekaut)  verschluckt,  be- 
kommt  nicht  das  Fieber.  In  Natangen  gilt  dasselbe  auch  von  den  drei 
ersten  Märzveilchen  (Anemone  Hepatica).  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  III,  208. 
Preuss.  Wb.  II,  117  f.  Lemke  76.  Treichel,  Volksth.  *c.  unter  Salix. ") 

Hasel,  Corylus  Avellana  L. 

Im  Volksmunde  Hassel.  —  Giebt  es  viele  Haselnüsse,  so  giebt 
es  in  demselben  Jahre  wenig  Kartoffeln. 

Regnet  es  Margaret  (13.  Juli),  so  geraten  die  Nüsse  nicht.  Von 
jeder  faulen  Nuss  heisst  es:  die  Gret'  hat  sie  bepisst.  (N.  Preuss. 
Provinzialbl.  a.  F.  III,  210.) 

Ein  altes  litauisches  Bätsei  über  die  Haselnuss  heisst:  Es  ist  ein 
klein  Töpfchen,  aber  es  hat  einen  wohlschmeckenden  Mus  (Maius  Podelis 
Skanna  tirele).  Lepner,  Der  preusche  Littauerll8.  Pflanzenrätsel  25. 14) 

Feld-  und  Gartenpflanzen. 

Blumenstecklinge  müssen  am  Gründonnerstage  gemacht,  Blumen- 
samen und  Gemüse  an  eben  diesem  Tage  gesäet  werden.  (Dönhoffstädt.) 
Vgl.  Bäume  und  Sträucher. 


13 )  Volkstümliches  aus  der  Pflanzenwelt,  besonders  für  Westpreussen  I.— IV. 
Von  A.  Treichel.  (Schriften  der  naturf.  Gesellschaft  zu  Dan  zig.) 

24 )  Die  Pflanzenwelt  in  Volksrätseln  ans  der  Provinz  Preussen.  Von  H.  Frisch- 
bier.   (Zeitschr.  f.  deutsche  Philologie,  Bd.  EX,  S.  65  ff.) 


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322  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Küchengcwäcbse  dürfen  nicht  gesäet  werden,  wenn  Sonne  und  Mond 
zugleich  am  Himmel  stehen,  weil  sie  sonst  schössen  würden.  (Kr.  Goldap.) 

Am  Tage  der  Himmelfahrt  Maria  (15.  August)  findet  in  den  katho- 
lischen Kirchen  die  Krautweihe  statt.  Die  Leute,  vorzugsweise  die 
Bauern,  bringen  allerlei  Blumen  und  Kräuter:  Knoblauch,  Möhren, 
Kalmus  2c,  oft  in  grossen  Quantitäten,  mit  und  breiten  diese  auf  der 
Kommunionbank  und  um  den  Altar  aus.  Der  Priester  besprengt  die 
Pflanzen  mit  Weihwasser,  beräuchert  sie  mit  dem  heiligen  Eäucherwerke 
und  sendet  Gebete  für  das  Gedeihen  der  Feld-  und  Gartenfrüchte  gen 
Himmel.  —  Die  geweihten  Kräuter  erweisen  sich  als  besonders  heil- 
sam und  segenbringend.  Verbrennt  man  bei  herannahendem  Gewitter 
etwas  davon,  so  geht  das  Gewitter  ohne  Schaden  anzurichten  vorüber. 
(Ermland.)  —  Vgl.  A.  Treichel,  die  Kräuterweihe  in  Westpr.  (Schrift, 
d.  naturf.  Gesellschaft  z.  Danzig.  N.  F.  Bd.  VI,  Heft  I.) 

£rbse,  Pisum. 

Im  Volksmunde  Arft.  Der  Gregorstag  (12.  März)  und  der  Ain- 
brosiustag  (4.  April)  sind  für  Westpreussen  geeignete  Tage  zum  Erbsen- 
aussäen.    (Böbel  15.  19.) 

Im  Kreise  Goldap  vermeidet  man  es,  am  Tage  Pauli  Bekehrung 
(25.  Januar)  Erbsen  zu  säen,  weil  an  diesem  Tage  die  Würmer  (s.  d.) 
sich  zu  regen  aufangen  und  die  Erbsen  anstechen  würden.  (An  diesem 
Tage  dürfte  die  Witterung  das  Säen  überhaupt  verbieten.) 

Erbsen  säet  man  am  liebsten  an  einem  solchen  Wochentage,  an 
welchem  der  erste  Schnee  fiel:  die  spätere  Frucht  kocht  sich  sehr  weich. 
(Kr.  Goldap.  Für  Memel,  Böbel  137.) 

Beim  Aussäen  der  Erbsen  müssen  die  ersten  drei .  Hände  voll 
nach  Süden ,  (Wehlack:  nach  Westen)  geworfen  werden,  sonst  kochen 
die  aus  der  Saat  hervorgehenden  Früchte  sich  nicht  weich.  (Dönhoffstädt.) 

Säet  man  Erbsen  bei  Süd-  oder  Südwestwind,  so  werden  sie  weich, 
bei  Nordwind  hart,  bei  Ostwind  wurmig.    (Memel,  Böbel  137.) 

Hat  ein  Feld  sehr  viele  wurmstichige  Erbsen  gebracht,  so  hat  es 
der  Säer  versehen,  weil  er  bei  der  Arbeit  zu  viel  „gefistet"  hat.  [Ein 
gleiches  Versehen  der  Bestellarbeiter  wird  offenbar,  wenn  auf  einer 
Stelle  im  Acker  viele  Disteln  wachsen.]    (Dönhoffstädt.) 


Von  H.  Frischbier.  323 

Weisse  Erbsen  am  Karfreitag  genossen,  bewahren  vor  Krankheit 
durch  das  ganze  Jahr.    (Friedland  in  Ostpr.) 

Die  Erbsen  geraten  gut,  wenn  sich  im  Frühjahr  viele  Frösche 
zeigen.    (Rastenburg,  Böbel  113.) 

Sprichwörtlich:  Wo  der  Herr  auf  dem  Felde  nicht  herumgeht, 
da  geraten  keine  Erbsen  (Masuren :  Gdzie  pan  na  polu  niechodzie,  tarn 
sie  groszek  nie  rodzi).  —  Von  den  Erbsen  ein  Wisch,  so  sitze  des 
Abends  (Od  grochu  wieched,  to  wieczor  posiedz).  Nach  Beendigung  der 
Erbsenernte  beginnt  die  Abendarbeit.  —  Kann  man  trocken  Erbsenstroh 
auftreiben,  so  muss  man  des  Abends  lange  aufbleiben.  —  Es  geht  ihm, 
wie  den  Erbsen  am  Wege,  wer  nicht  zu  faul  ist,  der  zupft  ihn  (Ra- 
suren: Ma  sig  jak  groch  przy  drodze,  kto  sig  nie  leni  to  drze).  Sprich- 
wörter II,  3090.  3055;  I,  4264.  Mancher  Mensch  ist  dumm  wie  Erbsen- 
stroh. Vgl.  das  Erbensenschmeckerlied  in  meinen  Preuss.  Volksliedern  je. 
(Kgsbg.  1877)  S.  66  und  99  und  die  Pflauzenräts.  29—38. 

Flachs  (Lein),  Linum  L. 

Am  Medardustage  (8.  Juni)  ist  die  letzte  Zeit,  den  späteren  Flachs 
zu  säen.  (N.  Preuss.  Provinzialbl.  X,  118,  191.)  —  Wer  auf  Medard 
traut,  kriegt  viel  Flachs  und  Kraut.  (Königsberg.  Strassburg,  Westpr. 
Böbel  27.) 

Wer  den  Lein  säet  nach  Vit  (Vitus,  15.  Juni),  geht  der  Saat  quitt; 
wer  ihn  säet  vor  Medar,  ist  ein  Narr.    (Heiligenbeil.  Böbel  29.) 

Bevor  man  Flachs  aussäet,  muss  man  einen  Stein  auf  den  Acker 
legen,  diesen  dreimal  umgehen  und  dann  erst  die  Aussaat  beginnen. 
(Dönhoffstädt.) 

Soll  der  Flachs  gut  geraten,  so  muss  man  sich  Fastnacht  schaukeln 
(Fischhausen)  —  so  muss  der  Hausvater  zu  Fastnacht,  auch  am  Licht- 
messtage,  mit  dem  weiblichen  Hauspersonal,  den  Spinnerinnen,  Schlitten 
fahren.    (Dönhoffstädt.  Oberland.) 

Nach  Beendigung  der  Mittagsmahlzeit  am  Fastnachtstage  setze  sich 
ein  Mädchen,  nachdem  das  Tischtuch  entfernt  ist,  sofort  auf  den  Tisch, 
nehme  das  Nähzeug  vor,  fädele  in  die  Nadel  einen  langen  Faden  und 
nähe.  So  lang  der  vernähte  Faden  ist,  so  langen  Flachs  baut  man  in 
dem  Jahre.    (Fischhausen.) 


I 


324  ^or  yo^stüm liehen  Naturkunde. 

Wenn  St.  Stephan  (26.  Dezember)  die  Sonne  auch  nur  so  lange 
scheint,  als  der  Reiter  Zeit  braucht  aufs  Pferd  zu  steigen,  dann  gerät 
der  Flachs.  (Gilt  auch  vom  heiligen  Ghristtage.  Erinländische  Frei- 
schaft 2c.  Rössel  1866.  S.  8.  Böbel  f>f>:  Scheint  am  Stephanstage  die 
Sonne,  so  gerät  der  Flachs.    (Heilsberg.   Braunsberg.) 

Unausgekocliter  Flachs  wird  als  Mittel  gegen  Halsschmerzen  an- 
gewandt, und  das  Schwingblatt,  das  Brett,  mit  welchem  der  Flachs 
geklopft  wird,  dient  zur  Abwehr  geg«in  die  Mär.  (Lemke  74.) 

Volks  rätsei  über  Flachs  s.  Prhuizenrätsel  40—45.  Als  Rätsel- 
frage hört  man:  Wann  säet  der  Bauer  Flachs?    Nie,  er  säet  Lein. 

Getreide  (Roggen,  Weizen). 

Roggen  heisst,  als  die  am  meisten  übliche  Getreideart,  Korn,  pltd. 
Körn;  Weizen  pltd.  Wete,  im  Ermlande:  Wesze,  in  Danzig:  Weiz. 

Öm  Verjähr  ön't  Wäter,  öm  Harwst  ön  *e  Klüt  sege  (säen),  ös  göt. 
(Dönhoffslädt ) 


Kogge  söge,  dat  he  stgwt 
Weite  s€ge,  dat  he  klöwt. 


(Sprich*.  I,  3U)5.) 


Dat  Körn  seg  ön  de  Klomp' 

Ou  de  Häwer  ön  de  Somp. 

(Dönhoffstadt.) 

Weizen  soll  der  Landmann  vor  Johannis  nicht  loben  oder  tadeln. 
(Altpreuss.  Geschichten  je.  S.  407.) 

Der  Termin  zum  Anhauen  und  Anschneideu  des  Roggens  ist  Jakobi 
(25.  Juli)  —  in  Masuren  Anna,  Mutter  Maria  (26.  Juli).  Böbel  37.  39. 

Wenn  der  Weizen  eingeerntet  ist  (in  manchen  Wirtschaften  mit 
Bartholomäus),  hört  bei  den  Arbeitern  die  Vesperstunde  auf.  Sie  sagen 
daher: 

De  Weite  ös  öm  Fack, 
Dat  Vesperbrot  öm  Dack. 

(Dönhoffstädt.    Oberland.) 

Späte  Wintersaat  —  Weiberrat,  gedeiht  unter  dreimal  kaum  ein- 
mal.  (Ostpr.  Böbel  117.) 

Tritt  Matthäus  (24.  September)  ein,  muss  die  Saat  beendet  sein. 
(Masuren.)  —  Auf  St.  Michael  (29.  September)  beende  die  Saat,  sonst 
wirst  du's  bereu'n,  es  wird  zu  spat.  (Westpr.  Böbel  45.  47.) 


Von  H.  Frischbier.  325 

Bis  Martini  (11.  12.  Novbr.)  soll  ein  guter  Wirt  ausgedroschen 
haben.  (Memel.  Böbel  52.) 

Stehn  die  Quatember  hoch  im  Datum  und  steigen  vom  ersten  bis 
vierten,  so  sollen  die  Getreidepreise  auch  steigen  und  umgekehrt. 
(Memel.  Böbel  59.) 

Hafer,  Avena  L. 

Namen:  Haber,  Häwer. 

Hafer  und  Oerste  fielen  einst  in  den  Schmutz.  Beim  Ringen  um 
die  Oberhand  gewann  diese  die  Gerste,  während  der  Hafer  unterlag. 
Die  Begattung  ging  vor  sich,  und  bald  hatte  der  Hafer  ein  Eind.  Man 
kann  sich  davon  überzeugen,  denn  in  der  Haferrispe  befindet  sich  immer 
ein  grosses  Korn  und  ein  kleines:  Mutter  und  Kind.    (Fischhausen.) 

Geht  man  mit  einem  Mädchen  einem  Haferfelde  vorbei,  so  muss 
man  ihr  unbemerkt  Haferkörner  auf  die  Kleider  werfen :  so  viele  Körner 
haften  bleiben,  so  viele  Freier  wird  das  Mädchen  haben.  (Saalfeld. 
Lemke  71.)  —  Über  die  Sylvesterbelustigung  „Haferschwemmen*  siehe 
Volkskai.  29.   Preuss.  Wörterb.  I,  262. 

Maihafer  —  Spreuhafer.  Wenn  in  einer  Gesellschaft  plötzlich  Stille 
eintritt,  ist  gut  Hafer  säen.    Sprich w.  I,  2523.  1429. 

Kartoffel,  Solanum  tuberosum  L. 

Namen:  Erdschocke,  Schocke,  Schucke,  Bulle,  Bulwe,  Tuchel, 
Tuffel,  Trüffel,  Tfiffken.    Vgl.  Preuss.  Wörterb.  u.  d.  a.  W. 

Legst  du  mi  (die  Kartoffel)  im  April,  komm*  i,  wenn  i  will;  legst 
du  m!  im  Mai,  komm*  i  glei.   (Werder.  Böbel  88.) 

Frühkartoffeln  muss  man  auf  Georg  (23.  April)  setzen.  (Samland. 
Böbel  20.) 

Klee,  Trifolium. 

Namen:  Kiewer,  Kleber  (Drei-  und  Vierkleber). 

Ein  Vierklee,  ungesucht  gefunden,  bringt  Glück.  Wer  einen  solchen 
bei  sich  trägt,  ohne  zu  wissen,  hat  Glück  und  ist  gegen  „Augen- 
verblendnis"  geschützt.  (Dönhoffstädt.) 

Wenn  der  weisse  Klee  stets  blüht,  ist  eine  nasse  Aust  (Ernte)  zu 
erwarten.  (Dönhoffstädt.) 


326  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Knoblauch,  Allium  sativum  L. 

Im  Volksmunde:  Knoffeldök.  Er  ist  ein  treffliches  Mittel  gegen 
alle  Hexerei.  Man  trägt  ihn  als  solches  bei  sich  und  giebt  ihn  auch 
dem  Vieh.  Hähnen  und  Gänserichen  wächst  nach  dem  Genüsse  die 
Potenz.  (Pischhausen.  Siehe  Hexenspr.  9  f.  Preuss.  Wörterb.  I,  394. 
Vgl.  auch  Treichel,  Volksth.  IU  u.  IV.) 

Kohl,  Brassica  oleracea  L.  var.  capitata. 

Der  Weisskohl,  in  der  Provinz  Kumst,  Kumbst,  pltd.  Komst, 
Kompst.   Preuss.  Wörterb.  I,  445. 

Eohlsämereien  am  18.  April  ausgeführt,  werden  nicht  vom  Erdfloh 
beschädigt.    (Dönhoffstädt.) 

Kumst  im  Mai  (gepflanzt),  bleibt  klein  wie  ein  Ei.  (Dönhoffstädt. 
Sprichw.  I,  2520.)  Auch:  Maikumst  —  Eikumst. 

Pflanz1  Kohl  Viti  (15.  Juni).   (Westpr.  Böbel  29.) 

Beim  Setzen  des  Kumstes  wird  zuerst  eine  Staude  Brennessel  ge- 
pflanzt und  mit  einem  Stein  angedrückt;  man  bewahrt  dadurch  den 
Kohl  vor  Kaupenfrass.  (Kr.  Goldap.) 

Ist  der  Kohl  von  Raupen  befallen,  so  muss  ihn  eine  schwangere 
Frau  abfegen.  (Wehlau.) 

Am  Jakobstage  (25.  Juli)  schliesst  sich  der  Kumst,  und  man  muss 
alsdann  den  Kohl  weder  reinigen,  noch  behacken,  noch  überhaupt  in 
den  Kumstgarten  gehen,  wenn  derselbe  geraten  soll.  (N.  Pr.  Prov.-ßl. 
a.  F.  VII,  233.)  —  Wenn  der  Kohl  gerät,  verdirbt  das  Heu. 

Vor  Gallus  (IG.  Oktober)  ist  nicht  gut  den  Kumst  zu  schneiden. 
(N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  119.  Memel.  Böbel  49.) 

Sprichwörtliches:  Eine  unzulängliche  Sache  wird  den  Kohl 
nicht  fett  machen.  Kohl  —  s!  öck  satt  böl.  (Elbing.)  Sure  Komst 
schmeckt  göt,  äwer  hei  raot  schwinsch  afgemäkt  sön.  Komst  schmeckt 
erst  göt,  wenn  de  Sü  dorchgejägt  ös.  Komst  mäkt  rode  Backe. 
Sprichw.  I,  2096  ff.;  II,  1631  f. 

Volksrätsel  über  den  Kohl  s.  Pflanzenrätsel  52.  53. 

Kiirbift,  Cucurbita. 

Namen:  pltd.  Kerbs,  Kerws. 

Um  schöne  und  grosse  Kürbisse  zu  ziehen,  muss  man  am  Himmel* 


Von  H.  Frischbier.  327 

fahrtstage  die  Saatkerne  in  einem  Pantoffel  auf  den  Acker  fahren  und 
einlegen.,  (Ermland.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  118.)  In  der  Gegend  von 
Dönhoffstädt  legt  man  die  Kerne  am  Himmelfahrtstage,  wenn  die 
Glocken  zur  Kirche  rufen. 

Mittel,  Kürbisse  gross  zu  ziehen:  Man  schiebt,  bevor  noch  die 
Jahreszeit  zu  weit  vorgerückt  ist,  unter  die  kleinen  Kürbisse  Bretter, 
auf  welchen  jene  bequem,  d.h.  ohne  Schaden  zu  nehmen,  lagern;  dann 
wird  in  jeden  Kürbis  (am  „Herzpolchen"  oder  auch  seitwärts)  ein  Loch 
gestossen  oder  geschnitten,  und  in  dieses  Loch  wird  täglich  mehrmals 
süsse,  am  besten  ganz  frische  Milch  eingegossen.  Letzteres  geschieht 
mit  einem  Löffel  und  wird  „Tränken"  genannt.  Anfangs  darf  man 
uur  kleine  Portionen  Milch  eingiessen,  und  erst  wenn  der  Kürbis  grösser 
wird,  kann  auch  die  Menge  der  Milch  eine  grössere  sein.  (Ostpr. 
Lemke  72  und  in:  Deutsche  botan.  Monatsschr.  Jahrg.  1884.  S.  30.) 

Rätsel:  Es  liegt  ein  Pferd  in  der  Furche  im  angeschmiedeten 
Zaume.  (Masuren:  Lezy  koii  w  brozdzie,  w  przykowany  uzdzie.)  Pflanzen- 
rätsel 54. 

Tabak,  Nicotiana. 

Wenn  der  Tabak,  im  Volksmunde  Tobak,  im  abnehmenden  Mond- 
lichte abgeschnitten  wird,  so  wächst  derselbe,  abgeschnitten,  noch  fort. 
N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  VII,  233.  —  Vgl.  Treichel,  Volksth.  II,  III  u.  IV. 

Wracke,  Brassica  Napus  L.  c.  esculenta  D.  C. 

Namen:  Wruke,  Wracke,  ßruke,  Brücke,  Kohlrübe. 

Der  Same  von  Wrucken  und  sämtlichen  Kohlarten  muss  am 
Gregorstage  (12.  März)  gesäet  oder  wenigstens  mit  Erde  gemischt  werden, 
dann  fugen  die  Erdflöhe  den  Pflanzen  keinen  Schaden  zu.  (Westpr. 
Böbel  15.) 

Am  Tage  Maria  Verkündigung  (25.  März)  werden  Wracken,  Weiss- 
kohl, überhaupt  Pflanzensamen  gesäet,  geht's  nicht  ins  freie  Land,  so 
doch  in  Töpfe.    (Masuren.  Böbel  17.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  X,  117.) 

An  diesem  Tage,  gerade  um  12  ühr  mittags,  soll  jede  Wracke, 
Mohrrübe  tc.  innen,  also  in  der  Wurzel,  Samen  haben.   (Jerrentowitz.) 

Sprichwörtlich:  Bracke  sön  göt  to  schlucke,  wenn  se  öm  Fett 
hucke.  Sprichw.  1, 471.  —  Zur  Ergänzung  s.  Treichel,  Volksth.  II,  III  u.  IV. 


328  ^nr  ▼olkstämlichen  Naturkunde. 

Wurzelgewächse  sind  im  abnehmenden  Lichte  zu  säen,  Blatt-  und 
Fruchtgemüse  bei  zunehmendem.  (Dönhoffstädt.) 

Wildwachsende  Pflanzen, 

Allgemeines.  Unter  den  wildwachsenden  Pflanzen  unterscheidet 
das  Volk  Blumen,  Blome,  und  Unkraut,  Onkrfit.  Der  Mensch  blüht  — 
prangt  —  steht,  er  vergeht  auch  wie  eine  Blume.  Ein  schmucker  Bursche 
ist  ein  Kerl  wie  eine  Blume.  Unangenehm  ist's,  stehen,  oder  blühen, 
wie  eine  Blume  auf  dem  Mist.  (S.  Korrespondenzbl.  IV,  27:  Vergleiche 
mit  Pflanzen  von  H.  Frischbier.) 

Neunerlei  Kraut,  das  im  Freien  gewachsen,  sammeln  am  Johannis- 
abende  die  Mädchen,  flechten  daraus  einen  Kranz  und  bringen  ihn  unter 
gewissen  Ceremonien  nach  Hause.  Legt  die  Binderin  ihren  Kranz  zur 
Nacht  unter  das  Kopf kissen,  so  träumt  sie  von  ihrem  zukünftigen  Ge- 
mahl.   (Samland.    Vgl.  Volkskal.  117.  Preuss.  Würterb.  I,  425.) 

Fünf  lange  Grashalme  werden  von  einer  Person  in  der  Mitte  ge- 
halten; eine  andere  knüpft  nun  immer  ein  oberes  Ende  mit  einem  untern 
zusammen.  Ist  solches  fünfmal  geschehen,  und  bildet  das  Ganze  einen 
Kranz,  so  geschieht  das,  was  die  bindende  Person  gedacht  hat.  Diese 
muss  jedoch  schliesslich  nicht  vergessen,  den  Kranz  rücklings  über 
sich  wegzuwerfen. 

Belfkisg9  Artemisia  vulgaris  L. 

Am  Johannisabende  knicken  Bräute  oder  still  liebende  Mädchen 
zwei  nebeneinanderstehende  Beifussstauden.  Stehen  sie  am  nächsten 
Morgen  aufgerichtet  und  gegen  einander  geneigt,  so  giebt's  Hochzeit. 
Man  nennt  dies  Beifussknicken,  -brechen.  (Violät,  Neringia  S.  120. 
Lemke  21.) 

Man  sucht  am  Johannisabend  unter  den  Wurzeln  des  Beifusses 
Kohlen,  welche,  fein  zerrieben  und  mit  Wasser  eingegeben,  die  Epilepsie 
heilen  sollen.  (Pr.  Prov.-Bl.  X,  119.  Auch  aus  Jerrentowitz  mitgeteilt.) 

Man  steckt  am  Johannisabend  Beifussbüschel  gegen  Unglück  an 
die  Thür.  —  Beifuss  liefert  geschätzten  Thee.  —  Aus  grossen  Stauden 
werden  Besen  gefertigt  —  Wilde  Enten  und  dergl.  werden  mit  Bei- 
fuss  gefüllt,  damit  sich  der  Wildgeschmack  mildere.  —  Beifussbündel 


Von  H.  Priichbier.  329 

mit  Mus  oder  Waddik  bestrichen,  hängt  man  an  die  Stubendecke:  die 
Fliegen,  welche  sich  darauf  festsetzen,  werden  in  einem  Sacke,  den 
man  über  die  Bündel  streift,  entfernt.   (Lemke  71.) 

Der  Zaun  von  Beifuss  und  Nesseln.  (Sage.)  Früher  wusste 
jeder,  wie  lange  er  leben  würde;  aber  nun  weiss  es  keiner  mehr,  und 
das  ist  so  gekommen:  Ein  Mann  stellte  einen  Zaun  von  Beifuss  und 
grossen  Nesseln  her,  d.  h.  er  steckte  Stäbe  und  Stengel  rundum  in  die 
Erde.  Während  dieser  Arbeit  kam  der  liebe  Gott  vorbei,  blieb  stehen 
nod  sagte:  „Höre,  du  machst  dir  einen  schlechten  Zaun,  der  kann  nicht 
lange  halten."  —  Der  Mann  aber  antwortete:  „So  lange  ich  lebe,  wird 
der  Zaun  schon  halten."  —  Da  fragte  der  liebe  Gott:  „Was  denkst 
du  denn,  wie  lange  das  ist?"  —  „Über  drei  Tage",  sagte  der  Mann, 
bin  ich  tot,  und  so  lange  kann  der  Zaun  schon  halten;  danach  mag  er 
umfallen."  —  Solche  dreiste  Antwort  ärgerte  den  lieben  Gott,  und  er 
sagte:  „Von  nun  an  soll  kein  Mensch  wissen,  wie  lange  er  lebt!"  Und 
dabei  ist  es  auch  geblieben.  (E.  Lemke,  deutsche  botan.  Monats- 
schrift 1884,  No.  2.)   Vgl.  auch  Treichel,  Volksth.  unter  Artemisia. 

Beinwell,  Symphytum  officinale  L. 
Aus  Beinwell,  Alant  (Inula  Helenium),  Bier,  Honig  und  Butter 
wird  ein  Trank  für  Lungenkranke  bereitet.  —  Die  Wurzel  wird  gerieben 
und  dieses  Pulver  auf  Wunden  gelegt.  —  Die  Wurzel  wird  mit  Teer 
und  Sahne  gekocht  und  so  eine  heilsame  Salbe  für  Wunden  bei  Menschen 
und  Tieren  bereitet.  (Saalfeld.  Lemke  78.)  Vgl.  die  Sage  am  Schlüsse 
dieses  Abschnittes. 

Blaubeere,  Vaccinium  Myrtillus  L. 
Wenn  die  Blaubeeren  schlecht  geraten  sind,  so  giebt's  in  dem  Jahr 
viele  Krankheiten. 

Butterblume,  Leontodon  taraxacum  L. 
So  oft  man  „pusten"  muss,  um  die  Samenhaarkrone  der  Butter- 
blume wegzublasen,  so  viele  Lebensjahre  hat  man  noch  vor  sich. 
(DönhofFstädt.)  —  In  der  Gegend  von  Königsberg  lebt  man  so  viele 
Jahre,  als  Härchen  nach  dem  ersten  kräftigen  Blasen  noch  stehen 
bleiben.  —  So  viele  Löchlein  nach  einmaligem  Blasen  auf  dem  Frucht- 
boden sichtbar  werden,  so  viel  ist  die  ühr.    (Oberland.  Lemke  74.) 

Altpr.  MoMtuehrift  Bd.  XXII.  Hft.  3  u.  4.  22 


330  Zar  volkstümlichen  Naturkunde. 

Kinder  halten  einander  die  Blute  unter  das  Kinn:  je  stärker  der 
gelbe  Reflex,  desto  mehr  Butter  hat  das  betreffende  Eind  gegessen. 
Kinder  fertigen  aus  den  Stengeln  Ketten,  Schlusselchen  :c.  Lemke  74. 

Ephen,  Hedera  Helix  L. 
Wer  Epheu  in  den  Zimmern  hält,  zieht  dadurch  der  Familie  ein 
Unglück  zu.  (Dönhoffstädt.) 

Töchter  eines  Hauses,  in  welchem  Epheu  gezogen  wird,  bleiben 
unverheiratet.  (Königsberg.) 

Heidekraut,  Erica  vulgaris  L. 
Nach  dem  Anfange  der  Blute  des  Heidekrautes  richten  sich  die 
Wintersaaten.   Blüht  es  von  unten,  so  soll  die  zeitige  Boggensaat,  blüht 
es  in  der  Mitte,  die  mittlere  um  Michaelis  gesäete,  blüht  es  nach  oben, 
die  Saat  nach  Michaelis  die  beste  sein.  (Ost-  und  Westpr.  Böbel  102.) 
Heil-aller-Schaden,  Gentiana  cruciata  L. 
Die  Enzianwurzel   enthält  viel   Bitterstoff  und   wird  deshalb  als 
magenstärkendes  und  kräftigendes  Heilmittel  gebraucht.  Leunis,  Synopsis 
der  Pflanzenkunde  S.  790.   Preuss.  Wörterb.  I,  281. 

Heil-aller-Welt,  Yeronica  officinalis  L. 
Die  Blätter  werden  des  vorwaltenden  Bitter-  und  Gerbestoffs  wegen 
in  Theeaufguss  als  Brustmittel  bei  rheumatischen  Leiden  und  Ver- 
schleimung der  Atmungsorgane  und  von  Landleuten  frisch  als  Wund- 
mittel gebraucht;  der  ausgepresste  Saft  dient  auch  wohl  als  Frühlings- 
kur.   Leunis  S.  861.    Preuss.  Wörterb.  I,  281. 

Heilnarseh,  Geum  urbanum  L. 
Eine  beim  Volke  sehr  gerühmte  Gewürz-  und  Heilpflanze,  welche 
als  Nelkenwurz  (Radix  caryophyllatae)  gegen  Unterleibsschwäche  und 
schwache   Verdauung  als   Heilmittel  dient.     Leunis  S.  429.    Preuss. 
Wörterb.  I,  282. 

Heirat&Mume,  Orchis  latifolia  L. 
Die  Pflanze  wird  am  Johannistage  gegraben,  während  man  denkt, 
ob  ein  gewisses  Paar  sich  finden  werde.  Je  nachdem  die  beiden  hand- 
förmig  geteilten  Wurzelknollen  sich  an  einander  legen  oder  von  einander 
abwenden,  kann  man  auf  das  Zustandekommen  der  Heirat  schliessen. 
(Samland.)  Volkskai.  115.  Preuss.  Wörterb.  I,  282. 


Von  H.  Frischbier.  331 

Himmelselilüsselclien,  Primula  L. 
Drei  Blüten  vom  Himraelsehlüsselchen  verschlackt,  sind  ein  Schutz- 
mittel gegen  das  Fieber. 

Katzenpfote,  gelbe,  Gnaphalium  arenarium  L. 

Sehr  beliebt  zu  Kränzen.  Als  Mittel  gegen  Zahnschmerzen  räuchert 

man  die  Blumen  und  lässt  den  Rauch  in  Ohr  und  Mund  einströmen. 

Die  rosa  Katzenpfötchen  werden  mit  süsser  Milch  angerichtet 

und  gegen  Geschwulst  eingetrunken.   (Saalfeld.)  Lemke  73.    Vgl.  die 

Sage  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes. 

Kornrade,  Agrostemma  Githago  L. 
Räd'  on  Tresp  holt  den  Bär  fest,  Körnblöm1  on  Schmel  jagt  em 
yon  'er  Del.  (Dönhoffstädt.)  Im  Samlande:  aber  Schmel  und  Klapper 
jaget  ihn  vom  Acker.  In  Medenau  (Böbel  131):  aber  Schmel  und 
Kornblumen  jagen  ihn  von  den  Hüben.  Auch:  Rade,  Tresp  und  Vogel- 
wicken bringt  den  Bauer  auf  die  Krücken.    Vgl.  Sprichw.  I,  3054. 

Lebengkratit,  Sedum  telephium  L. 

Der  Name  rührt  daher,  dass  die  Pflanze,  in  freier  Luft  hängend, 

zu  vegetieren  fortfährt  und,  nach  der  Volksmeinung,  Leben  und  Tod 

anzeigt;  daher  heisst  sie  in  der  Gegend  von  Rössel  auch  Leben  und 

Sterben,   in   der   Saalfelder   Gegend   Lebkraut.      Sie  heisst   auch 

Johanniskraut,    weil    sie   in   der  Johannisnacht    gesammelt  wird; 

Wolfsbohne,  Bruchwurzel,  Fetthenne.    Man  pflückt  oder  zieht 

das  Lebenskraut  am  Johannisabend  oder  in  der  Johannisnacht,  wenn 

der  Hahn  zum  ersten  Mal  kräht,  und  steckt  es  für  bestimmte  Personen 

unter  die  Balkendecke.   Wächst  die  Staude,  so  lebt  derjenige,  für  den 

sie  bestimmt  war,  weiter;  wächst  sie  nicht,  so  stirbt  die  betreffende 

Person  bald.    Man  soll  aber  die  Pflanze  nie  vom  Kirchhofe  nehmen, 

man  würde  dem  Begrabenen  die  Ruhe  rauben.   Liebende  stecken  ebenfalls 

die  Pflanze,  von  denen  die  eine  den  Bräutigam,  die  andere  die  Braut 

vorstellt.  Ranken  sie  in  einander,  so  heiratet  das  Paar.  (Fischhausen.) 

Abgekochtes  Sedum  liefert  einen  heilsamen  Trank.  Vgl.  Genaueres 

bei  Hagen  478.   Preuss.  Wörterb.  II,  15.   Lemke  77.  479.   Volkskal. 

113.  114.  Treichel,  Westpr.  Ausläufer  der  Vorstellung  vom  Lebensbaum 

(Schrift,  d.  naturforsch.  Gesellsch.  zu  Danzig.  N.  F.  V,  Heft  4). 

22* 


332  Zur  volkstümlichen  Naturkunde. 

Maßliebchen,  Bellis  perennis  L. 

Namen:  Tausendschönchen,  Bleichblume. 

Die  Blüteublättchen  des  Massliebchens  (auch:  der  Wucherblume, 
Chrysanthemum  Leucanthemum  L.)  werden  einzeln  ausgezupft.  Bei 
jedem  Blättchen  wird  ein  Wort  des  folgenden  Reimes  gesagt: 

Er  liebt  mich  —  von  Herzen, 

Mit  Schmerzen, 

Über  alle  Massen, 

Kann  gar  nicht  von  mir  lassen, 

Ein  klein  wenig, 

Gar  nicht! 

Auch  hört  man  nur  folgende  Benennungen :  Eddelmann  —  Beddel- 
mann  —  Bürger  —  Pastor  —  Advokat  —  Soldat  —  Jäger  —  Major  ? 
So  erfährt  man  in  dem  ersten  Falle,  in  welchem  Masse  man  von  seinem 
Schatz  geliebt  wird,  in  dem  zweiten  Falle  den  Stand  des  zukünftigen 
Geliebten.   Vgl.  Sprichw.  I,  682. 

Kinder  essen  das  Blümchen  als  Leckerei.  —  Die  ersten  Frühjahrs- 
pflänzchen  isst  man  still  auf:  gegen  das  Fieber.  Man  kann  sie  aber 
auch,  zu  demselben  Zweck,  mit  Milch  kochen.    Lemke  72. 

Mistel,  Viscum  album  L. 

Namen:  Mestel,  Nistel,  Wösp,  Wespe,  Wispe,  Unruh. 

An  dem  Orte,  wo  die  Mistel  wächst,  so  tief  in  der  Erde,  als  sie 
über  ihr  steht,  liegt  ein  verborgener  Schatz.  (Dönhoffstädt.)  Vgl.  Keusch, 
Sagen  66.  Preuss.  Wörterb.  II,  62.    Treichel,  Volksth.  I,  III  und  IV. 

Steinpilz,  Boletus  edulis  Bull. 

Die  Steinpilze  wachsen  zweimal  des  Jahres:  anfangs  August  und 
anfangs  Oktober.  Wachsen  sie  zum  zweitenmal  zahlreich  und  gross, 
so  wird  die  spät  gesäete  Winterung  gut  schütten.  (Eidaten,  Er.  Heidekrug.) 


Sage:  Als  zu  Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts  in  Preussen  die 
Pest  wütete  und  Tausende  von  Menschen  jäh  dahinraffte,  riefen  die 
Kranken  zu  Gott,  er  möge  ihre  Todesstunde  ausdehnen,  damit  sie  ihr 
Testament  machen  und  sich  durch  das  heilige  Abendmahl  auf  den  Tod 
vorbereiten  könnten.   Da  kam  eines  Tages  ein  Vogel  geflogen,  welcher 

sang:  Nömm  ArmeteU  on  BäwerneU, 

Denn  starwe  nich  de  Lud*  so  schnell! 


Von  H.  Frischbier.  333 

Als  Dun  die  Menschen  diese  Kräuter  (Immortelle,  Helichrysum, 
[Gnaphalium  arenarium  L.]  und  Biberneil,  Pimpinella)  suchten  und  den 
Kranken  eingaben,  ward  deren  Todesstunde  verlängert,  und  sie  gewannen 
Zeit,  ihr  Testament  zu  machen  und  das  heilige  Abendmahl  zu  nehmen. 

Als  aber  der  Würgeengel  immer  reichere  Ernte  hielt,  schrieen  die 
Menschen  abermals  zu  Gott  und  flehten  um  Hilfe  und  Gnade.  Da  er- 
schien derselbe  Vogel  wieder  und  sang: 

Bdnwell  on  Laurin, 

Dat  suU  de  Mönsche  ehr  Löwe  sin! 

Man  suchte  nun  diese  Krauler  (Beinwell,  Sympliy tum,  und  Tausend- 
güldenkraut, Erythraea)  und  bereitete  daraus  einen  Thee:  wer  diesen 
Thee  trank,  blieb  von  der  Pest  verschont.  — 

Bis  auf  den  heutigen  Tag  heisst  es  im  Volksmunde:  „Armetell  on 
Bäwernell,  Benwell  on  Laurtn  schötze  ver  allet  Böse",  und  allgemein 
werden  diese  Kräuter  hoch  gehalten.    (Fischhausen.) 

Y.  Mineralien. 

Diamant. 

Rätsel: 

leb  babe  Wasser  und  bin  nicht  nass, 

leb  habe  Feuer  und  bin  nicht  heiss, 

Ich  hang1  am  Kreuz  und  bin  nicht  tot, 

Ich  koste  eine  Tonne  Goldes  und  wiege  kein  Lot. 

N.  Preuss.  Provinzialbl.  X,  291.    Vgl.  Simrock,  ßätselbuch  I,  10. 

Kalk. 

Fü'r  tilgt  sonst  Wätersflöt, 
Mi  sett  Wäter  erseht  ön  Glöt. 

Viol&,  Neringia  200. 

Salz. 

Verstreutes  Salz  muss  sorgfältig  aufgenommen  werden,  wenn  nicht 
Thränen  fliessen  sollen.    (Dönhoffstädt.) 

Einer  forthinkenden  Hexe  muss  man  ein  Kreuz  mit  Salz  nach- 
werfen, um  ihre  rückwirkende  Kraft  zu  hemmen.  Auch  wenn  man 
jemandem  Milch  oder  warmes  Brot  schenkt,  muss  man  Salz  hinein- 
streuen, denn  sonst  kann  der  Geschenknehmer  die  Milch,  die  Kuh  und 
uns  selbst  behexen.    Endlich  nimmt  man  Salz  in  die  Hand,  wenn  man 


334  ^ur  volkstümlichen  Naturkunde.     Von  H.  Friachbier. 

an  ein  Krankenbett  tritt,  und  erkennt  daraas,  dass  es  feucht  geworden 
oder  geschmolzen  ist,  den  nahen  Tod,  oder  wenn  es  unverändert  blieb, 
die  baldige  Genesung  des  Leidenden.  (Pr.  Prov.-Bl.  ,XXVI,  538.) 

Brot  und  Salz  trägt  man  als  Erstes  in  die  neue  Wohnung,  damit 
es  in  derselben  nie  an  Nahrung  fehle. 

Stein. 

Die  Steine  sind  Ablenk  er  von  Krankheiten.  Den  Kranken  bedauert 
man  nicht  anders,  als  mit  den  Worten:  „Dem  Sten  geklagt!"  oder 
„Hei  heft  dem  Sten  geklagt!"  Unterlässt  man  dies,  so  zieht  man  sich 
die  Krankheit  selbst  zu.  Klagt  aber  eine  kranke  Person  einer  andern 
ihr  Leiden,  so  sagt  man  im  stillen:  „Klag  dem  Sten  on  behOl  dine 
Krankheit  allen!"  (Pischhausen.)    Vgl.  Sprichw.  I,  3613. 

Sprichwörter:  Der  Stein,  der  viel  gerührt  wird,  bemoost  nicht. 
Zwei  harte  Steine  mahlen  schlecht.  Bei  Einem  einen  Stein  im  Brett 
haben.  Einem  ein  Steinchen  in  den  Weg  legen,  —  in  den  Garten 
werfen  =  ihm  eine  Gefälligkeit  erweisen.  Wer  einen  guten  Magen  hat, 
kann  kleine  Steine  vertragen.  Dem,  der  eine  Sorge  los  wird, 
ist  ein  Stein  vom  Herzen.  Man  wünscht  dem  einen  Stein  vor 
die  Ohren,  der  etwas  nicht  hören,  dem  kein  Leid  widerfahren  soll. — 
Ein  kerngesunder  Alter  ist  ein  Steinchrist.  Sprw.  I,  3614;  II,  2564. 

Wachsen  die  Steine? 

Es  gab  eine  Zeit,  da  waren  alle  Steine  auf  Erden  noch  ganz  ganz 
klein;  aber  sie  wuchsen  grösser  und  grösser,  bis  der  Heiland  der  Welt 
geboren  wurde.  Nun  standen  die  Steine  in  ihrem  Wachstum  still,  und 
wir  sehen  sie  in  der  Grösse,  die  sie  am  Tage  der  Geburt  Christi  hatten. 
Viele  aber  wollen  das  nicht  glauben,  sondern  meinen,  die  Steine  wachsen 
auch  heute  noch.  Fände  man  doch  auf  Äckern,  die  man  von  Steinen 
frei  gelesen,  wieder  Steine  und  zwar  grössere  als  die  früheren.  (Mit- 
teilung von  E.  Lemke.) 


Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenshans  Balga 

nnd  seine  Umgebung. 

Von 

Carl  Beckherrn. 

I«  Der  Name. 

Die  Herleitung  des  Namens  des  Ordenshauses  Balga  ist  mehr- 
fach versucht  worden,  wenn  auch  meistens  nur  mit  zweifelhaftem  Erfolge. 
Der  Versuch  des  Lucas  David,  welcher  meint,  die  auf  der  Stelle  der 
eroberten  Preussenburg  errichtete  Ordensburg  habe  den  Namen  Balga 
erhalten,  weil  die  Eroberung  den  Deutschen  so  manchen  Balg  gekostet, 
mag  hier  nur  seiner  Naivität  halber  erwähnt  werden.  Hennig,  der 
Herausgeber  des  Lucas  David,  leitet  den  Namen  vom  altpreussischen 
Worte  bala,  Sumpf,  ab  und  nach  ihm  Voigt  vom  litauischen  balja, 
welches  eine  Balge  oder  sumpfige  Gegend  bedeuten  soll. f)  Wenn  diese 
Wörter  auch  wirklich  mit  der  angegebenen  Bedeutung  in  den  genannten 
Sprachen  sich  vorfinden  sollten,  was  ich  nicht  zu  beurtheilen  vermag, 
so  wären  sie  doch  für  die  Ableitung  des  Namens  der  Burg  Balga 
ohne  Wertb,  denn  in  den  ältesten  in  deutscher  Sprache  abgefassten 
Urkunden  heisst  das  Ordenshaus  die  Balge,  und  die  darauf  residiren- 
den  Komture  nennen  sich  stets  Eomptur  zur  Balge.  Dieser  Name 
stammt  also  aus  dem  Deutschen,  und  zwar  aus  dem  Niederdeutschen 
and  ist  von  den  alten  lateinisch  schreibenden  Chronisten  und  den  an- 
fänglich derselben  Sprache  bei  Abfassung  der  Urkunden  sich  bedienen- 
den Schreibern  des  Ordens  in  Balga  umgeändert  worden.    Das  Wort 


')  Gesch.  Frenssens  H,  354. 


336     Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenshaas  Balga  uud  seine  Umgebung, 

Balge  bezeichnet  einen  natürlichen  Kanal  in  niedrigem,  sandigem  oder 
sumpfigem  Gelände.  So  z.  B.  heissen  die  tiefen  Rinnen  und  Fahrstrassen 
in  den  Watten  vor  der  Mundung  der  Elbe  und  Weser  Balgen.  Rogge 
vermuthet,  dass  die  eroberte  alte  Preussenburg  den  Namen  Wolitta 
geführt  habe  und  glaubt,  aus  diesem  den  Namen  der  an  deren  Stelle 
errichteten  Ordensburg  Balga  herleiten  zu  können.2)  Für  diese  Yer- 
muthung  spricht  jedoch  nichts,  und  die  Ableitung  ist  eine  sehr  gezwungene. 
Toppen3)  erkennt  in  dem  Namen  das  niederdeutsche  Wort  Balge  und 
deutet  zugleich  an,  dass  in  der  Nähe  von  Balga  eine  Balge  ehemals 
existirt  zu  haben  scheine,  welche  der  Burg  den  Namen  gegeben.  Er 
trifft  damit  das  Richtige,  erwähnt  dieser  Thatsache  aber  nur  ganz  flüchtig 
und  giebt  so  noch  manchem  Zweifel  Raum.  Um  die  ehemalige  Existenz 
dieser  Balge  und  die  Entstehung  des  Namens  des  Ordenshauses  nach- 
zuweisen, ist  es  erforderlich,  auf  die  Veränderungen  näher  einzugehen, 
welche  der  südliche  Theil  der  Küste  Ostpreussens  in  vorgeschichtlicher 
Zeit  erlitten  hat.1) 

Diese  Veränderungen  sind  im  Laufe  von  Jahrtausenden  im  grossen 
Ganzen  durch  allmähliche  Hebungen  und  Senkungen  einzelner  Theile 
der  Erdrinde  bewirkt  worden.  Nachdem  durch  eine  solche  Senkung  der 
Theil  des  festen  Landes,  den  die  Provinzen  Ost-  und  Westpreussen 
heute  einnehmen  unter  dem  Meeresspiegel  verschwunden  uud  der  auf 
diesem  Lande  üppig  gedeihende  Bernsteinwald  vernichtet  worden  war, 
wiederholte  sich  dieser  Wechsel  von  Flüssigem  und  Festem  noch  einige 
Male,  bis  derselbe  dann  endlich  mit  der  letzten  Hebung,  welche  unserm 
Lande  im  Allgemeinen  die  jetzige  Gestalt  gab,  vorläufig  zum  Abschlüsse 
kam.  Doch  nur  in  den  Hauptumrissen  war  die  Gestalt  des  damals  aus 
dem  Schosse  des  Meeres  emporgestiegenen  Landes,  besonders  an  der 
Küste,  der  beutigen  gleich,  denn  in  ihren  einzelnen  Theilen  bot  diese 
letztere  einen  von  dem  jetzigen  sehr  verschiedenen  Anblick  dar.  Im 
Süden  ragte  die  Danziger  Bucht  viel  tiefer  in  das  Land  hinein,   denn 


*)  Altpreuss.  Monatsschr.  VII,  556. 

3)  N.  Pr.  Prov.-  Blatt,  a.  F.  I,  82. 

4)  In  dem  Nachstehenden  folge  ich  zum  Theil  den  Ausführungen  Schümann^ 
und  Berendt's, 


Von  Carl  Beckherrn.  ggy 

ihre  Wasser  bedeckten  noch  den  ganzen  Raum,  den  gegenwärtig  die 
frachtbaren  Werder  einnehmen.  Von  der  ganzen  frischen  Nehrung  war 
noch  keine  Spur  vorhanden,  mithin  existhte  auch  das  frische  Haff, 
wenigstens  in  seiner  jetzigen  Ausdehnung  noch  nicht,  und  an  der  heutigen 
sudlichen  Haffküste  bis  gegen  Balga  hin  brandeten  die  Wogen  des 
Meeres.  Denn  das  Haff  war  auf  den  nordöstlichen  Theil,  das  sogenannte 
Königsberger  oder  Brandenburger  Haff  eingeschränkt,  welches  aber  wohl 
mit  seiner  östlichen  Spitze  das  jetzige  Pregelthal  bis  über  Königsberg 
hinauf  ausfüllte.  Auch  über  den  südlichen,  flachen  Theil  des  Sa  In- 
land es,  welcher  sich  als  eine  spätere  Anschwemmung  ausweist,  er- 
streckte sich  wahrscheinlich  dieses  Haff  bis  gegen  Eallen,  Powayen, 
Serappen,  Metgethen  und  Juditten  hin.  Gegen  die  See  hin  war 
dasselbe  durch  die  Pillauer  Halbinsel  abgeschlossen,  welche  sich  bis 
etwas  südlich  und  östlich  über  Balga  hinaus  erstreckte.  (Yergl.  Wutzke, 
Beschreibung  des  frischen  Haffes  in  den  Preuss.  Prov.-Bl.)  Die  Beste 
des  in  späterer  Zeit  fortgeschwemmten  mittleren  Theiles  dieser  Halb- 
insel ziehen  sich  in  geringer  Tiefe  unter  dem  Wasserspiegel  als  soge- 
nannte Haken  vor  Kamstigal  und  Kahlholz  gegenwärtig  noch  bis  weit 
ins  Haff  hinein.  Zur  Zeit  der  Ankunft  des  deutschen  Ordens  sollen  sie 
theilweise  noch  über  dem  Wasserspiegel  gelegen  haben,  denn  Lucas  David 
berichtet,  dass  zur  Zeit  des  Landmeisters  Hermann  Balk  „des  Habes 
Wasser  nicht  so  nahe  an  das  Gebirge  (die  Höhen  von  Balga)  floss, 
als  itzo,  sunder  under  dem  Gebirge  gar  schöne  Wiesen11  gelegen  hätten. 
Die  Verbindung  dieses  Haffes  mit  der  See  vermittelte  ein  breiter 
Kanal,  welcher  sich  in  ungefährer  Entfernung  von  einer  Viertelmeile 
östlich  an  dem  Punkte  vorüberzog,  auf  welchem  jetzt  Balga  liegt 
Das  Wasser  desselben  bedeckte  den  Raum,  welcher  gegenwärtig  zum 
grossesten  Theile  von  den  zwischen  Wolitnick,  Kahlholz,  Folien- 
dorf und  Reinschhoff  befindlichen  sumpfigen  Wiesen  eingenommen 
wird.  Die  ehemalige  Existenz  dieser  Wasserstrasse  geht  unzweifel- 
haft aus  der  Beschaffenheit  des  Terrains  hervor.  Der  ganze  zwischen 
den  genannten  Orten  gelegene  Raum  bildet  eine  Ebene,  welche  sich 
nur  wennig  über  das  Niveau  des  Haffes  erhebt  und  deshalb  fast  ganz 
aus  Wiesen  besteht,  welche  meistens  Torf  als  Untergrund  haben  und 


TT 


338     Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenthant  Balga  und  seine  Umgebung. 

vor  der  Schüttung  des  Dammes  zwischen  Wolitnick  und  Kahlholz 
im  Jahre  1868  noch  sehr  nass  waren.  Nur  in  dem  südwestlichen 
Thoile  befinden  sich  einige  höhere  und  deshalb  auch  trockenere  Stellen, 
welche  wohl  durch  aufgeweheten  Sand  hervorgebracht  worden  sind. 
Der  nordwestliche  Rand  des  Plateau-Abschnittes  zwischen  Heiligen- 
beil und  Bladiau  markirt  sich  hier  ganz  deutlich  als  das  Ufer  des 
ehemals  hier  strömenden  Meeresarmes.  Der  südwestliche  Theil  dieses 
ehemaligen  Ufers,  welches  dem  Anpralle  der  Meereswogen  ausgesetzt 
war,  ist  sehr  steil  geböscht,  während  der  nordwestliche,  der  Einwirkung 
der  Wellen  durch  die  ciavorliegende  Pillau-Balgaer  Halbinsel  entzogene 
sanfter  abfällt.  Auch  das  Ufer  der  Balgaer  Seite  ist  wegen  der  ge- 
schützten Lage  flach  geböscht 

Kaum  war  durch  die  Scheidung  von  Land  uud  Wasser  der  Grenze 
zwischen  beiden  die  eben  geschilderte  Form  gegeben,  so  begannen  auch 
die  nie  ruhenden  Naturkräfte  das  Werk  der  Umgestaltung.  Diese 
Kräfte  haben  wir  zunächst  zu  suchen  in  den  atmosphärischen  Nieder- 
schlägen in  Form  von  Regen  und  Schnee.  Der  eine  dringt  unmittel- 
bar, der  andere  nachdem  er  geschmolzen  in  das  Erdreich  ein,  sammelt 
sich  dort  in  Rissen  und  Spalten  und  erweitert  diese  durch  Gefrieren  des 
Wassers  im  Winter  derart,  dass  an  den  Steilküsten  grosse.  Stücke  des 
Bodens,  aus  ihrer  Lage  gedrängt  und  bei  eintretendem  Thauwetter  voll- 
ständig losgelöst,  auf  den  flachen  Strand  hinunterstürzen.  Hier  werden  sie 
dann  beim  nächsten  Sturm  von  den  darüberstürzenden  Wellen  fortgespült 
und  auf  den  Grund  des  Meeres  befördert.  Dass  der  auf  diese  Weise 
herbeigeführte  Verlust  an  Land  ein  recht  beträchtlicher  ist,  wird  alljähr- 
lich an  verschiedenen  Stellen  der  Steilküste  Samlands  wahrgenommen. 

Noch  viel  mehr  in  die  Augen  fallend  ist  die  Umgestaltung,  welche 
an  unsern  Küsten  durch  das  Wasser  der  grossen  Flüsse  bewirkt  worden 
ist,  indem  es  den  feinen  Sand  und  andere  erdige  Bestandtheile,  welche 
es  in  seinem  raschen  Laufe  bis  zur  Ausmündung  in  das  Meer  mit  sich 
führte,  hier,  wo  die  schnelle  Strömung  aufhörte,  zu  Boden  sinken  liess 
und  so  im  Laufe  der  Jahrhunderte  ein  niedriges,  ebenes  Land  an- 
schwemmte. Da  hierbei  zugleich  auch  das  Bette  des  Flusses  in  seinem 
unteren  Theile  verflacht  wurde,  so  war  dieser  genöthigt,  seine  Wasser- 


Von  Carl  Beckherrn.  339 

masse  zu  theilen  und  sich  mehrere  Bette  in  das  von  ihm  selbst  ge- 
schaffene Land  zu  graben.  Auf  diese  Weise  entstanden  die  Deltas  an 
den  Mündungen  unserer  grösseren  Flüsse,  von  denen  hier  nur  das  der 
Weichsel,  welches  gegenwärtig  noch  in  das  Haff  hinein  im  Vorschreiten 
begriffen,  zu  erwähnen  ist,  und  das  des  Pregels,  durch  welches  sich 
dieser  früher  mit  einem  zweiten  Arme  seinen  Weg  bahnte,  von  dem 
ein  üeberrest  in  dem  Beekflusse  noch  vorhanden  ist. 

Diese  bedeutende  Leistungen  unserer  Flüsse  sind  damit  aber  noch 
nicht  abgeschlossen,  die  Flüsse  sind  vielmehr  auch  wesentlich  bei  der 
Bildung  der  Nehrungen  und  somit  auch  der  Haffe  betheiligt  gewesen,  und 
zwar  im  Verein  mit  zwei  andern  Naturkräften,  nämlich  der  Bewegung  des 
Meerwassers  und  der  bewegten  Luft,  dem  Winde.  Bevor  ich  dazu  fibergehe, 
die  Entstehung  des  frischen  Haffes  in  seiner  jetzigen  Gestalt  zu  schildern, 
ist  es  nothwendig,  einer  grossartigen  Veränderung  in  dem  Flusssystem 
Ostpreussens  zu  erwähnen,  welche  dabei  von  grossem  Einflüsse  gewesen 
ist.  Es  ist  nämlich  durch  den  Geologen  Berendt  nachgewiesen  worden, 
dass  der  Memelstrom  in  vorgeschichtlicher  Zeit  zwischen  Ragnit  und 
dem  russischen  Städtchen  Jurbork  einen  grossen  See  bildete,  aus  dem 
er  seinen  Abfluss  nicht  auf  dem  jetzt  bestehenden  Wege  nahm,  sondern 
durch  das  geräumige  Insterthal  und  durch  das  Pregelthal  in  das  damals 
nur  vorhandene  Königsberger  Haff.    Zu  einer  Zeit,  in  welcher  aus  hier 
nicht  näher   zu   erörternden  Gründen  hier  schon  Menschen  gelebt  zu 
haben  scheinen,  dnrchbrach  der  erwähnte  See   zwischen  den  jetzigen 
Orten   Schreitlauken    und    Obereissein    seine   Ufer,    worauf  der 
Memelstrom  den  kürzeren  Weg  zum  Meer  einschlug  und  sich  sein  jetziges 
Bette  schuf.    Durch  die  hiedurch  herbeigeführte  bedeutende  Verringerung 
der  Wassermasse,  welche  dem  Königsberger  Haffe  durch  das  Pregel- 
thal zugeführt  wurde,  verlangsamte  auch  merklich  der  ausgehende  Strom 
in  dem  Kanal  bei  Balga.  Die  Folge  hievon  war  eine  allmähliche  Ver- 
stopfung und  schliesslich  eine  vollständige  Verlandung  desselben  durch 
die  nun  eintretende  Torfbildung.    Das  Wasser  suchte  sich  nun  einen 
andern  Ausweg  und  durchbrach,  unterstützt  von  heftigen  Stürmen,  die 
auf  der  Seeseite  durch  die  oben  erwähnte  Einwirkung  der  atmosphärischen 
Niederschläge   wahrscheinlich   schon    stark   angenagte  Pillau-Balgaer 


340      EJn'g«  Bemerkungen  Aber  da«  Ordenshans  Balgt,  und  seine  Umgebung. 

Halbinsel  an  einer  schwachen  Stelle.  Der  anfänglich  wohl  nur  schmale 
Riss  erweiterte  sich  im  Laufe  der  Zeit  so  beträchtlich,  dass  von  der 
ehemaligen  Halbinsel  nur  der  Theil  zwischen  Pillau  und  Fischhausen 
und  der  kleine  Rest  bei  Balga  übrig  blieb,  und  das  bisher  geschlossene  Haff 
in  einen  offenen  Meerbusen  verwandelt  wurde.  Zu  Zeiten  Hennebergers 
scheint  noch  eine  dunkle  sagenhafte  Erinnerung  an  diese  ehemaligen 
Zustände  und  Vorgänge  sich  im  Gedächtniss  des  Volkes  erhalten  zn 
haben,  der  Mensch  mag  also  wohl  schon  Zeuge  derselben  gewesen  sein. 
In  dieser  offenen  Bucht  konnten  der  vom  Fregel  mitgeführte  Sand,  so- 
wie auch  die  von  den  Steilküsten  abgerissenen  Erdmassen  durch  die 
westlichen  und  südwestlichen  Stürme  an  die  Südküste  Samlands  ge- 
worfen nnd  so  das  flache  sandige  Vorland  gebildet  werden,  welches 
gegenwärtig  zum  grossesten  Theile  von  der  Copornschen  und  Bludauer 
Heide  bedeckt  wird,  auch  ist  wahrscheinlich  in  dieser  Periode  bei 
Patersortein  bedeutender  Abbruch  des  Ufers  vor  sich  gegangen,  wodurch 
die  hohe  als  ehemalige  Meeresküste  erkennbare  Steilküste  hier  entstand. 
Aber  nicht  alle  der  vom  Pregel  und  den  kleineren  Küstenflüssen 
herangeführten  Sinkstoffe  wurden  auf  diese  Weise  verwendet;  die  im 
Wasser  feiner  vertheilten,  namentlich  die  thonigen  festen  Bestandteile 
wurden  weiter  fortgeführt  und  dienten  dazu,  das  Fundament  der  Nehrung 
aufzubauen.  Dieser  Aufbau  beganu  vermuthlich  an  dem  nördlichen  Beste 
der  zerstörten  Pillau-Balgaer  Halbinsel  von  dem  Punkte  aas,  auf  wel- 
chem jetzt  Alt- Pillau  liegt.  Vor  der  südlichen  Seite  dieser  noch 
immer  ziemlich  weit  hervorragenden  Landzunge,  welche  die  durch  das 
Pregel wasser  an  der  Küste  erzeugte  Strömung  und  die  Meeresströmung 
auf  eine  kurze  Strecke  auseinanderhielt,  befand  sich  bei  nicht  stürmischer 
See  stets  ein  kleiner  Baum  ruhigeren  Wassers,  in  welchem  die  vom 
strömenden  Wasser  mitgeführten  Sinkstoffe  zu  Boden  fallen  konnten. 
Begünstigt  wurde  dieser  Vorgang  noch  besonders  durch  den  der  Ost- 
see eigenthümlichen  Mangel  an  Ebbe  und  Flut.  Sobald  die  Ablagerung 
der  Sinkstoffe  den  Meeresspiegel  erreicht  hatte,  wiederholte  sich  vor 
der  Spitze  des  neugebildeten  Landes  das  Spiel  in  derselben  Weise,  und 
so  baute  sich  nach  und  nach  das  Fundament  der  Nehrung  auf.  Nach 
der  Ansicht  Schumann1 s  wuchs  auch  von  Südwesten  her,  nachdem 


Von  Carl  Beckhorrn.  34  J 

die  Bildung  des  Weichseldeltas  erfolgt  war,  ein  gleicher  schmaler  Land- 
streifen der  Nehrung  entgegen.  An  das  neugebildete  flache  Land  be- 
gannen die  Meereswellen  alsbald  reichlichen  Sand  auszuwerfen,  welcher, 
nachdem  er  trocken  geworden,  durch  die  Winde  weiter  hinaufgeweht 
und  zu  Hügeln  (Dänen)  von  oft  beträchtlicher  Höhe  aufgehäuft  wurde. 

Nachdem  auf  diese  Weise  das  Haff  durch  einen  festen  zusammen- 
hängenden Wall  gegen  das  offene  Meer  abgeschlossen  worden  war, 
musste  das  durch  die  einströmenden  Flüsse  angestauete  Wasser  des- 
selben sich  einen  Ausweg  suchen,  und  so  entstanden  denn  nach  ein- 
ander die  verschiedenen  Balgen  oder  Tiefe  auf  der  Nehrung  und  der 
Pillauer  Landzunge,  deren  Lage  einem  häufigen  Wechsel  unterworfen 
war.  Die  Berichte  der  Chronisten  über  die  Entstehung  der  Tiefe  lauten 
sehr  verworren;  man  kann  jedoch  daraus  entnehmen,  dass  in  der  histo- 
rischen Zeit  bei  Lochstedt  das  erste  Tief  vorhanden  war.  Als  dieses 
am  die  Mitte  des  14.  Jahrhunderts  zu  versanden  begann,  öffnete  sich 
ein  zweites  Balga  gegenüber  bei  Alt  tief,  welches  etwa  ein  Jahrhundert 
hindurch  das  befahrenste  blieb.  Auch  dieses  versandete  und  nun  brachen 
in  vielfachem  Wechsel  um  das  Jahr  1500  verschiedene  Tiefe  bei  Pillau 
durch,  bis  es  durch  zweckmässige  Wasserbauten  gelang,  das  jetzt  noch 
bestehende  zu  befestigen  und  für  die  Schifffahrt  dauernd  brauchbar 
zu  erhalten. 

Die  alte  Wasserstrasse  bei  Balga  war  inzwischen  immer  mehr 
verlandet  und  zu  einem  unpassirbaren  Moraste  geworden,  über  welchen 
die  deutschen  Ordensritter  nach  Eroberung  der  altpreussischen  Burg 
und  Einrichtung  derselben  als  Ordensburg  eine  Knüttelbrücke  legen 
nrassten,  um  eine  Verbindung  mit  dem  gegenüberliegenden  festen  Lande 
herzustellen.  Dusburg  nennt  diese  Brücke  ponspaludis,  Lucas  David 
einen  langen  Enotteltham  über  das  Gebruche  und  eine  Enottelbrucke 
des  grossen  „Gekwebbes".  Noch  jetzt  nennt  der  Landmann  ein  Moor, 
dessen  Oberfläche  unter  den  Fusstritten  eines  darüber  Hinschreitenden 
zittert  und  schwankt,  weil  seine  vegetabilischen  Bestandteile  noch 
nicht  genügend  comprimirt  sind,  also  ein  verhältnissmässig  junges  Moor 
ein  Qequebbe.  Dieser  von  Lucas  David  gebrauchte  Ausdruck  ist  also 
bezeichnend   für  den  zu   seiner  Zeit  bestehenden  Zustand  des  Balga, 


342     Einige  Bemerkungen  aber  das  Ordenshaus  Balga  und  seiae  Umgebung. 

umschliessenden  Wiesenmoores  und  l&sst  auf  sein  damals  nicht  sehr 
hohes  Alter  schliessen.  In  diesem  Moraste  kam  auch  ein  grosser  Tbeil 
des  Heeres  der  Preussen  um,  welchen  in  der  Schlacht  bei  Balga  im 
Jahre  1240  von  dem  Ordensheere  der  Rückzug  über  den  Knüppeldamm 
verlegt  worden  war.*)  Jeroschin  schildert  die  Lage  von  Balga 
folgendermaßen : 

Das  veld  daruff  ist  gelein 
daz  hue  zur  Balge,  allirwein 
hat  ein  nmmelage 
von  brache  und  von  wage, 
daz  zumiraeit  daraf  niman 
geritin  mochte,  noch  gegan, 
dan  Tiber  einer  braclrin  pfad, 
di  ob  daz  brach  noch  hüte  gat. 

Diese  Beschaffenheit  des  Geländes  und  die  ganze  Formation  dieses 
Terrainabschnittes,  welche  heute  noch  die  ehemalige  Wasserstrasse 
deutlich  erkennen  lassen,  war  zur  Zeit  als  die  Bitter  des  deutschen 
Ordens  nach  Eroberung  der  hier  gelegenen  altpreussischen  Burg  auf 
deren  Stelle  eine  Ordensburg  errichteten,  noch  viel  deutlicher  ausge- 
prägt als  jetzt,  sodass  die  Niederdeutschen  unter  den  Brüdern  des 
Ordens  und  unter  den  Kreuzfahrern  die  für  derartige  Kanäle  in  ihrer 
Heimat  gebräuchliche  Benennung  auch  auf  diesen  übertrugen.  Da  nun 
Ortschaften,  welche  an  Gewässern  gegründet  wurden,  thatsächlich  oft 
nach  diesen  benannt  worden  sind,  so  darf  man  mit  Sicherheit  annehmen, 
dass  auch  das  in  der  Nähe  dieser  Balge  errichtete  Ordenshaus  von  ihr 
seinen  Namen  empfangen  habe. 

II.  Der  Snickenberg. 

In  dem  Vorstehenden  wurde  ein  Knüppeldamm  erwähnt,  welchen 
die  Ordensritter  bei  der  Einrichtung  der  eroberten  altpreussischen  Barg 
als  Ordensburg  über  den  dieselbe  vom  festen  Lande  trennenden  Morast 


*)  Da  die  Torfmoore  alle  ihnen  überlieferten  Gegenstände  erfahrungsmassig 
«ehr  gut  conserviren,  so  bewahren  die  um  Balga  gelegenen  Torfwiesen  yermuthlicb 
noch  manchen  interessanten  aus  den  dort  stattgefundenen  Kämpfen  herrührenden 
Gegenstand  in  ihrem  Boden  auf.  Für  den  Fall  dort  auszuführender  Erdarbeiten,  be- 
sonders in  der  Nähe  des  von  Balga  nach  Hoppenbruch  führenden  Weges  und  am 
westlichen  Bande  des  Wiesenterrains,  möchte  ich  die  Aufmerksamkeit  der  dortigen 
Grundbesitzer  anf  diesen  Umstand  hiedurch  noch  besonders  hinlenken. 


Von  Carl  Beckherrn.  343 

gelegt  hatten.  Dieser  Damm  hat  jedenfalls  die  schmälste  Stelle  des 
Morastes  durchschnitten,  rauss  also  da  gelegen  haben,  wo  jetzt  der 
Weg  vom  Schneckenberge  nach  Hoppenbruch  fahrt.  Als  am  Anfange 
des  Jahre  1240  ein  Angriff  der  Preussen  auf  Balga  zu  befürchten 
war,  errichteten  die  Ordensritter,  wie  die  Olivaer  Chronik  und  Dus bürg 
(III,  21)  berichten,  am  Ende  des  Dammes  eine  Mühle,  befestigten  diese 
und  belegten  sie  mit  Mannschaft  Diese  Mühle  kann  sich  nur  am 
südöstlichen  Ende  des  Knüppeldammes  befunden  haben,  wo  jetzt  das 
Dorf  Hoppenbrach  liegt,  denn  hier  traf  der  Damm  mit  dem  Bache 
zusammen,  welcher,  aus  der  Gegend  von  Bladiau  herunterkommend, 
bei  Foliendorf  in  das  Haff  fliesst;  ein  anderes  zum  Treiben  einer 
Mühle  geeignetes  Gewässer  ist  hier  nicht  vorhanden.  Rogge  (Alt- 
preuss.  Monatsschr.  VI,  123)  versetzt  die  Mühle  auf  den  Schnecken- 
berg, muss  also  eine  Windmühle  im  Sinne  gehabt  haben,  welche  es 
damals  in  Preussen  noch  nicht  gab,  da  Windmühlen  erst  um  die  Mitte 
des  15.  Jahrhunderts  in  Holland  aufkamen;  auch  lässt  er  die  Burg 
Balga  mit  der  Mühle,  also  auch  mit  dem  Schneckenberge  durch  einen 
Damm  in  Verbindung  stehen,  was  den  wirklichen  Verbältnissen  wider- 
spricht. Diese  Mühle  wurde  bald  von  den  Preussen  eingenommen  und 
zerstört6)  und  Balga  darauf  von  ihnen  auf  der  Landseite  durch  Be- 
setzung des  östlichen  Ufers  der  ehemaligen  Balge  eingeschlossen,  auch 
die  Schanzen  Portegal  und  Sehr  and  inb  er  g  hierselbst  als  Stützpunkte 
in  der  Einschliessungslinie  errichtet. 7) 

Darauf  berichtet  Dusburg,0)  während  Chronic.  Oliv,  hierüber 
schweigt,  dass  die  Bitter  an  der  über  den  Sumpf  führenden  Brücke  die 
Barg  Snickenberg  erbaut  hätten.  (Dann  folgt  in  Gap.  25  die  An- 
kunft Otto's  von  Braunschweig.)  Dieser  Bericht  über  Snickenberg 
wird  von  Einigen  angefochten, ')  weil  er  eine  Wiederholung  des  Berichtes 
über  den  Bau  der  Mühle  sein  und  als  solche  den  Zusammenhang  der 


•)  Dusburg  III,  21. 
7)  a,  a,  0.  III,  23. 
■)  s,  a.  0.  III,  24. 

■)  Namentlich  von  Toppen  (Script  rer.  Pnus.  I,  63),  Hirsch  (Ebend.  660) 
und  Fachs  (Altpr.  Monatsschr.  XXI,  434). 


344     Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenahaus  ßalga  und  seine  Umgebung. 

Erzählung  stören  soll.  Auch  glaubt  man  dem  Berichte  Dusburg's  des- 
halb nicht  trauen  zu  dürfen,  weil  des  Snickenbergs  in  der  Olivaer 
Chronik  keine  Erwähnung  geschieht.  Ueber  die  Berechtigung  dieser 
Einwendungen  darf  ich  mir  kein  Urtheil  erlauben,  glaube  aber  annehmen 
zu  dürfen,  dass  man  Dusburg  höchstens  eine  Ungeschicklichkeit  in 
der  Darstellung  vorwerfen  kann,  keineswegs  aber  eine  grobe  Fahrlässig- 
keit oder  Unwahrheit.  ")  Denn  jeder,  der  die  Lokalität  aus  eigener 
Anschauung  kennt,  wird  in  der  Darstellung  der  gedachten  Ereignisse 
durch  Dusburg  nichts  Ungereimtes  finden,  ")  da  die  Ordensritter  den 
gegebenen  Terrainverhältnissen  gemäss  gar  nicht  anders  handeln  konnten, 
als  wie  es  von  Dusburg  erzählt  wird,  wenn  man  sie  nicht  eines  auf- 
fallenden Mangels  an  militärischer  Umsicht  beschuldigen  will,  den  sie 
doch   während   ihrer   ganzen  Kriegführung   nicht   dokumentirt  haben. 


lo)JeroschiD,  der  Uebersetzer  des  Dusburg,  erwähnt  den  Schneckenberg  in 
folgender  Weise: 

Vor  selben  brücke 

uf  kumftic  gelncke 

und  zu  vertribne  verlieh  ubil 

bawten  da  nf  einim  hubil 

die  brndere  eine  burc,  der  natu 

hiz  Snickenberc,  als  ich  vorn  am. 
An  einer  andern  Stelle  berichtet  Jeroschin  über  ein  bei  der  Belagerung  einer 
an  der  litauischen  Grenze  gelegenen  Burg  stattgehabtes  Ereigniss   mit  folgenden 

Worten: 

Domit  sy  do  täglich 

8 turmende  versuchten  sich, 

wohl  acht  tage  als  ich    las, 

das  stürmen  unvorfenglich  was, 

went  sie  Bchufen  klein* 
Die  hervorgehobenen  Worte  „vernehmen"  nnd  „lesen"  scheinen  von  Jeroschin 
nicht  allein  des  Keimes  halber  gewählt  worden  zu  sein;  er  hat  vielmehr  wohl  da- 
mit ausdrücken  wollen,  dass  er  von  den  betreffenden  Ereignissen  das  eine  Mal  durch 
mündliche  Ueberlieferung,  das  andere  Mal  aus  schriftlichen  Nachrichten  Kennte 
erhalten. habe.  Hieraus  darf  gefolgert  werden,  dass  Jeroschin1  s  Erzählung  Ober  die 
Befestigung  des  Schneckenberges  nicht  allein  aus  der  Chronik  Dusburgs  entnommen 
ist,  sondern  auch  auf  anderweitiger  mündlicher  Ueberlieferung  beruht,  was  nicht  an- 
wahrscheinlich ist,  weil  kaum  hundert  Jahre  nach  dem  in  Bede  stehenden  Ereignisse 
verflossen  waren,  als  Jeroschin  seine  Chronik  schrieb. 

")  Voigt,  welcher  mit  der  Lokalität  vertraut  gewesen  zu  sein  scheint,  bat 
kehlen  Anstand  genommen,  dem  Dusburg  zu  folgen,  und  ein  im  Ganzen  klares 
Bild  der  Ereignisse  vor  Balga  geliefert. 


Von  Carl  ßeckherrn.  §A& 

Ausserdem  fällt  noch  der  Umstand  ins  Gewicht,  dass  der  am  nordwest- 
lichen Ausgange  des  ehemaligen  Knüppeldammes  gelegene  und  gegen- 
wärtig noch  der  Schneckenberg  genannte  Hügel  in  der  That  noch 
Spuren  —  wenn  auch  schon  sehr  verwischte  —  einstiger  planmässiger 
Bearbeitung  durch  den  Spaten  zeigt,  welche  zu  der  Annahme  berech- 
tigen, dass  der  Hügel  ehemals  wohl  ein  kleines  thurmartiges  Blockhaus 
getragen   haben  und  mit  einem  Walle  umgeben  gewesen  sein  könnte. 

Durch  die  Erbauung  der  Mühle  am  südöstlichen  Ende  des  Knüppel- 
dammes war  nicht  nur  der  Bedarf  an  Mehl  für  die  Besatzung  der  Burg 
Balga  sichergestellt,  sondern  auch  dadurch,  dass  sie  befestigt  und  besetzt 
war  ein  überraschender  Angriff  von  Seiten  des  Feindes  auf  die  gleich- 
sam auf  einer  Insel  gelegene  Burg  unmöglich  gemacht.     Als    dieses 
detaschirte  Werk  der  Uebermacht  des  Feindes  erlegen  war,  und  dem 
Feinde  nun  der  ungehinderte  und  unbeobachtete  Zugang  zur  Burg  offen 
stand,  verstand  es  sich  ganz  von  selbst,  dass  die  Bitter  die  ihnen  vom 
Feinde,  welcher  mit  der  Errichtung  von  Cernirungsscbanzen  beschäftigt 
war,    dazu  gelassene  Zeit  benutzten,   ein  neues  detaschirtes  Werk  am 
entgegengesetzten  Ende    des  Dammes  auf  dem  Schneckenberge  anzu- 
legen.   Bei  der  gewiss  kurz  bemessenen  Zeit  konnte  dasselbe  nur  von 
geringem  Umfange  sein  und  nur  eine  kleine  Besatzung  aufnehmen,  eine 
Sperrung  des  Engpasses  einem  ernstgemeinten  Angriffe  gegenüber  also 
nicht  bewirken;  wohl  aber  war  es  geeignet,  die  Beunruhigung  der  Be- 
satzung der  Burg  Balga  durch  kleinere  feindliche  Trupps  zu  verhindern. 
Besonders  wichtig  musste  dieses   kleine  Werk   aber   dadurch  werden, 
dass  von  ihm  aus  eine  genaue  Beobachtung  nicht  nur  des  Dammweges, 
sondern  auch  des  ganzen  östlichen  Randes  des  Morastes,  woselbst  der 
Feind  seine  Aufstellung  genommen  hatte,  möglich  war,  während  die  zu 
grosse  Entfernung  der  Hauptburg  eine  Beobachtung  von  dieser  aus  nicht 
gestattete. 

Zorn  Schluss  mag  noch  bemerkt  werden,  dass  bei  der  Schilderung 
der  später  bei  Balga  stattfindenden  Schlacht  des  Snickenbergs  wohl 
deshalb  nicht  weiter  gedacht  wird,  weil  er  eben  ein  zu  unbedeutendes 
Werk  war,  welches  in  grösseren  Kämpfen  keine  Rolle  spielen  konnte. 


Altpr.  IfoMtiMhrift  Bd.  XXII.  Hft.  3  0.  4.  23 


Kritiken  und  Referate. 


-N-    N-     ^.  "'»_'"v-/  %^"s^ 


Edni.  Veckenstedt,  Die  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der  Zamaiten 

(Litauer).  Zwei  Bände.  Heidelberg.  Carl  Winter 's  Universitätsbuchhandlung. 
1883.  8°.*) 

Was  uns  altere  Schriftsteller  von  der  litauischen  Mythologie  berichten,  ist  so 
spärlich  und  unbestimmt  und  Jn  philologischer  Beziehung  von  einer  derartigen  Be- 
schaffenheit, dass  man  schon  längst  den  Blick  von  ihnen  hinweg  und  auf  die  lebende 
Volksüberlieferung  gerichtet  hat,  hoffend,  dass  diese  nicht  nur  Ergänzungen  jener 
Berichte,  sondern  auch  Mittel  zu  ihrer  kritischen  Behandlung  liefern  werde.  Diese 
Hoffnung  hat  sich  indessen  bisher,  d.  h.  bis  zu  dem  Erscheinen  des  vorliegenden 
Werkes,  nur  in  sehr  geringem  Maasse  erfüllt,  denn  der  litauische  Volksgesang  ge- 
währte nur  eine  sehr  spärliche  mythologische  Ausbeute,  und  was  die  Sammlung 
litauischer  Sagen,  Märchen  und  abergläubischer  Vorstellungen  an  zweifellos  litauischem 
und  aus  der  litauischen  Vorzeit  durch  mündliche  Tradition  gerettetem  Gut  zu  Tage 
förderte,  war  mindestens  viel  weniger,  als  das,  was  sie  an  sicher1),  wahrscheinlich8) 
oder  vielleicht  fremden  und  künstlich  aufgefrischten  Zügen  fand.  Der  Gegensatz,  in 
welchen  hierdurch  die  litauische  Prosaüberlieferung  zu  dem  litauischen  Volksgesange 


*)  Wenn  auch  bereits  das  vorige  Doppelheft  eine  Besprechung  obigen  Werkes 
enthält,  so  bringen  wir  doch  gerne  auch  diese  neue  hier  zum  Abdruck.        D.  H. 

l)  {Sicher  entlehnt,  obgleich  zum  Teil  sehr  umgestaltet,  sind  z.  B.  die  Geschichten, 
welche  den  deutschen  „vom  dummen  Hans"  und  „vom  hürnen  Sigfirid"  entsprechen, 
denn  der  Held  der  ersteren  heisst  paikasis  Ansas  oder  durnasis  Jons,  und  der 
der  letzteren  wird  in  einer  ungedruckten  Erzählung  ragotasis  Sygfryds  genannt, 
und  diese  Namen  sind  wörtliche  Übersetzungen  der  erwähnten  deutschen  Titel. 
Zweifellos  entlehnt  sind  auch  viele  litauische  Eulenspiegelstreiche,  denn  Till  Eulen- 
spiegel heisst  in  ihnen  Sawizdrols  —  so  in  allen  bez.  Geschichten,  die  ich  selbst 
gehört  habe  —  oder  Sztukoris,  und  jener  Name  ist  die  Lituanisierung  des  poln. 
Sowizdrzal  (vgl.  Veckenstedt  Sztukoris  S.  10),  dieser  die  des  russischen  sztukari. 

*)  Als  wahrscheinlich  eingewandert  nenne  ich  beispielsweise  die  Odysseus- 
Polyphem-Sage,  die  mir  in  zwei  von  einander  abweichenden  zemaitischen  Fassungen 
vorliegt,  und  welche  Bielenstein  auch  bei  den  Letten  gefunden  hat.  Man  berück- 
sichtige, dass  sie  auch  zu  den  Osseten  (Odysseus  heisst  hier  Urysmag)  gewandert 
ist,  vgl.  Globus  XL,  S.  86,  XLI,  S.  333. 


1 

Dr.  Edm.  Veckenstedt,  die  Mythen,  Sagen  u.  Legenden  der  Zamaiten.     34? 

—  in  welchen  nur  verhältnissmässig  wenige  fremde  Lieder  aufgenommen  sind  — 
trat,  war  in  Hinblick  darauf,  dass  dieser  an  Rhythmus  und  Melodie  einen  Schutz  be- 
sitzt, welcher  jener  fehlt,  verständlich  genug,  und  nicht  minder  war  die  Gering- 
wertigkeit, welche  man  der  ersteren  beimessen  zu  müssen  glaubte,  wohl  begreiflich. 
Sind  die  Litauer  doch  eingekeilt  zwischen  fremdsprachigen  Volksmassen,  auf  die  sie 
im  Handel  und  Wandel  angewiesen  sind;  ist  ihre  Nationalität  doch  Jahrhunderte 
lang  von  übermächtigen  feindlichen  Kräften  befehdet;  sind  sie  doch  zersetzt  von 
fremden  Elementen,  welche  an  Bildung  und  Vermögen  im  allgemeinen  über  ihnen 
stehen;  lernt  das  Kind  in  der  Schule,  der  junge  Bursche  beim  Militair  doch  alles 
mögliche,  wovon  die  älteren  Generationen  nichts  wussten;  liest  doch  der  Hausvater 
in  der  Zeitung,  oder  im  Kalender,  oder  in  andern  Büchern,  die  er  vom  Pfarrer  oder 
vom  Lehrer  geborgt  hat,  diese  und  jene  neue  Märe;  und  hat  der  „gute  Homer" 
doch  gewiss  nicht  „geschlafen",  als  er  sang: 

Immer  lauschen  die  Menschen  am  allerliebsten  dem  Liede, 
welches  von  allen  Gesängen  am  letzten  zu  ihnen  gedrungen. 

Man  urteilte  also  recht  ungünstig  über  die  litauische  Prosaüberlieferung 3)  und 
und  glaubte  zugleich  zu  verstehen,  weshalb  dieselbe  unursprünglich  und  geringwertig 
sei  und  sein  müsse.   Um  so  überraschender  war  die  Nachricht,  dass  Herr  Dr.  Vecken- 
stedt  von  Libau  aus  in  verhältnissmässig  kurzer  Zeit  eine  grosse 'Zahl  zemaitischer 
Erzählungen   gesammelt  habe,   durch   welche   der  Forschung   neues   mythologisches 
Material  zugeführt  werde,  und  in  welchen  „mehr  als  hundert  Gestalten  der  zemaiti- 
schen  Mythologie  und  Sagenwelt,  welche  bisher  der  Forschung  ganz  unbekannt  waren, 
oder  von  denen  man  wenig  mehr  als  den  Namen  wusste,  der  Wissenschaft  erschlossen" 
seien  (I,  1).    Diese  Erzählungen,   oder   doch   den   wesentlicheren  Teil  derselben  hat 
Herr  Veckenstedt  in  dem  vorliegenden  Werke  veröffentlicht,  das  in  seiner  Anordnung 
•  „nach  Möglichkeit  an  die  Kategorien  sich   anschiiesst,  welche  der  unvergleichliche 
Jakob  Grimm  in  seiner  , Deutschen  Mythologie'  gibt"  (1,11),  und  unter  130  Nummern 
in  der   Tat   eine   Fülle   bisher  unbekannter  litauischer,    namentlich   zemaitischer4) 
Mythen,  Sagen  und  Legenden  und  in  ihnen  eine  Menge  von  mythologischen  Gestalten 
und  Vorstellungen  enthält,  die  man  bisher  entweder  gar  nicht  oder  nur  andeutungs- 
weise kannte,   die  hier  aber  lebendig  und  frisch  auftreten.    Es  umfasst  demnach 
einen  Stoff,  dessen  Sammlung  bewunderungswürdig  sein  würde,  wenn  sie  das  Werk 
allein  des  Herrn  Herausgebers  wäre;  es  enthält  ein  Material,  das  der  Gelehrte  nicht 


*)  Vgl.  des  Litauers  Jurkschat  Urteil:  „Genuin  litauische  Märchen  wirds  über- 
haupt nur  in  sehr  geringer  Anzahl  geben"  (Mitteilungen  der  lit.  litter.  Gesellschaft 
H,  S.  52,  Anm.). 

4)  Über  den  Begriff  „zcmaitisch"  (zamaitisch)  vgl.  Magazin  f.  d.  Lit.  d.  In-  u. 
AusL  Jahrg.  53,  No.  32,  S.  490,  Veckenstedt  Sztukoris  S.  25  f.  und  das  vorliegende 
Werk  S.  5.  Die  in  dem  letzteren  enthaltenen  Geschichten  sind  demnach  nicht  aus- 
schliesslich zemaitisch.  ^^ 

23* 


348  Kritiken  und  Referate. 

hoch  genug  schätzen  könnte,  wenn  es  nicht  zu  erheblichen  kritischen  Bedenken  An- 
lass  gäbe.  Dass  nun  aber  die  erste  dieser  Bedingungen  durchaus  nicht  zutrifft,  er- 
gibt sich  aus  der  Aufzählung  der  Personen,  welche  Beiträge  zu  dieser  Sammlung 
geliefert  haben  (I,  26  ff.);  ob  die  zweite  zutreffend  ist  oder  nicht,  wird  sich  im 
folgenden  ergeben. 

Manches,  was  in  dem  vorliegenden  Werk  erzählt  ist,  ist  auch  mir  von  Litauern 
bez.  Zemaiten  mitgeteilt,  oder  steht  mit  Vorstellungen  in  Übereinstimmung,  die  ich 
bei  Litauern  oder  Letten  gefunden  habe.  Ich  erlaube  mir  einiges  der  Art  hervor- 
zuheben. 

Was  von  der  Sichel  erzählt  wird  (I,  48),  die  für  ein  reissendes  Tier  gehalten 
wurde,  erinnert  an  ein  litauisches  Rätsel,  in  dem  die  Sense  mit  einem  Hecht  ver- 
glichen wird,  der  „den  ganzen  Wald  fällt".  —  Dass  die  Krieger  des  Düngis  in  der 
Christnacht  aus  dem  Berge  kommen,  in  dem  sie  schlafen  (I,  92),  entspricht  der  im 
preussischen  Litauen  verbreiteten  Vorstellung,  dass  die  Geister  in  der  Weihenacht 
Gestalt  annehmen.  —  Die  Erzählung,  der  Erebs  sei  früher  ein  Mann  gewesen,  welcher 
in  einem  Panzerhemd  gegen  Christus  habe  streiten  wollen  (I,  228),  stimmt  zu  dem 
zemaitischen  Sprichwort  „du  erhebst  dich,  wie  der  Erebs  gegen  den  Perkun"*)  und 
den  gleichfalls  zemaitischen  Glauben,  der  Erebs  nehme  bei  einem  Gewitter  ein  Stöck- 
chen zwischen  die  Scheeren,  um  damit  gegen  Gott  zu  streiten.  —  Die  Geschichte  von 

• 

dem  in  den  Wirbelwind  geworfenen  Messer  (II,  92,  4)  habe  ich  von  mehreren  Ze- 
maiten, die  von  der  Laume  (einer  Spukgestalt)  und  dem  reichen  und  dem  armen 
Eind  (II,  96)  wiederholt  im  preussischen  Litauen  gehört.  —  Vom  Platelschen  See 
(U,  188,  190,  204  f.)  sind  auch  mir  mehrere  Sagen  erzählt,  nach  welchen  an  Stelle 
dieses  Sees  früher  ein  Schloss  gestanden  haben  soll;  eine  in  ihm  liegende  Insel  wird 
in  einer  derselben  die  „Insel  der  Königin"  genannt.  —  Dass  die  Vögel  sich  nicht 
an  dem  Bau  der  Flussbetten  betheiligten  (II,  164,  7),  ist  ein  Mythus,  der  mir  auch 
in  Smilten  in  Livland  und  im  preussischen  Litauen  begegnet  ist;  nach  meinen  Ge- 
währsleuten traf  der  Fluch  Gottes  indessen  nicht  alle  Vogel,  sondern  nur  den  Mäuse- 
bussard, bez.  den  Pirol.  —  An  die  Erzählung  von  der  Schlangenkönigin,  welche  sich 
auf  einen  von  Wasser  umgebenen  Felsen  rettete  und  sich  hier  weinend  aufhielt 
(II,  172),  erinnert  ein  lettisches  Volksliedchen,  dass  ich  in  meinen  Lett.  Dialektstudien 
S.  31  No.  9  mitgeteilt  habe.  —  Die  Vorstellung,  dass  das  Farrenkraut  in  der  Jo- 
hannisnacht blühe  (II,  180),  findet  man  unter  den  Litauern  und  Letten,  aber  auch 
in  Polen  nicht  selten.  —  In  der  II,  231  f.  mitgeteilten  Geschichte  erscheint  die  Erde 
von  einer  hohen  Eiswand  umgeben,  hinter  welcher  die  Sonne  mit  gewaltiger  Glut 

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brennt.  Mir  selbst  sagte  ein  Zemaite,  die  Sonne  stehe  hinter  einem  Vorhang  von 
Glas  oder  Nebel  und  würde,  wenn  dieser  hinweggezogen  werde,  alles  verbrennen. 
Der  Unterschied  zwischen  diesen  beiden  Auffassungen  ist  unerheblich. 


*)  Tu  kelys  käp  vezjs  prysz  Perkuna,. 


Dr.  Edm.  Veckenstedt,  Die  Mythen,  Sagen  u.  Legenden  der  Zameiten.     349 

Es  kann  hiernach  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  das  vorliegende  Werk  volks- 
tümliche, d.  h.  im  litauischen  Volke  verbreitete  Mythen,  Sagen  und  Legenden  enthält, 
indessen  dieser  Umstand  reicht  leider  nicht  hin,  in  ihm  eine  auch  nur  im  allgemeinen 
zuverlässige  mythologische  Quelle  zu  sehen,  weil  nicht  nur  manches,  was  in  Litauen 
heut  zu  Tage  weit  verbreitet  ist,  unursprünglich  ist,  oder  sein  kann,  sondern  noch 
viel  mehr,  weil  das  Werk  nicht  wenige  höchst  bedenkliche  Teile  enthält,  weil  sich 
Geschichten  in  ihm  finden,  die  ungenau  überliefert  sind  oder  den  Stempel  der  künstlichen- 
Mache  an  sich  tragen.    Auch  diese  Behauptung  erlaube  ich  mir  etwas  auszufuhren. 

Von  der  Ruine  der  Burg  von  Birsen,  welche  aus  der  Geschichte  Karls  Xu. 
bekannt  ist,  und  welche  ich  wiederholt  besucht  habe,  wird  erzählt,  dass  in  ihr  drei 
Zwerge  ihr  Wesen  trieben,  und  von  diesen  wird  einiges  gesagt,  was  gewissen  litaui- 
schen Vorstellungen  sehr  wohl  entspricht  (II,  19).  Wenn  es  aber  zugleich  heisst, 
dass  diese  Zwerge  die  Menschen  hinderten,  in  die  Ruine  einzutreten,  so  widerspricht 
dies  so  direct  dem  Tatbestande,  dass  man  hierin  notgedrungen  einen  Zusatz  eines  mit 
der  betr.  Localität  durchaus  nicht  bekannten  sehen  muss.  Wir  haben  hier  also  eine 
Sage,  in  die  ein  ihr  fremder  Zug  hineingetragen  ist. 

Die  Verlässlichkeit  der  „Stammsage"  (I,  31  ff.),  auf  welche  Herr  Veckenstedt 
einen  besonderen  Wert  legt,  ist  bereits  von  Bielenstein  in  der  Rigaschen  Zeitung, 
Jahrg.  1882  No.  298  angezweifelt,  und  ich  gestehe,  dass  ich  seine  Bedenken  für  sehr 
gewichtig  halte,  und  dass  mich  die  Entgegnung,  welche  Herr  Veckenstedt  eben  dort 
No.  302  veröffentlicht  hat,  hierin  nicht  beirren  kann.  Ich  bezweifle  naturlich  nicht, 
dass  sie  eine  Anzalü  echt  zemaitischer,  d.  h.  aus  der  zemaitischen  Vorzeit  durch 
lebendige  Volksüberlieferung  überkommener  Züge  enthält  oder  wenigstens  enthalten 
kann  (vgl.  I,  8),  aber  dass  sie  „die  Stammsage"  sei,  dass  sie  früher  sogar  eine  poe- 
tische Form  gehabt  habe  (I,  8),  —  das  sind  Ansichten,  denen  ich  in  Hinblick  auf 
die  Unzahl  von  Anklängen  an  jüdische,  christliche,  griechische,  italische  und  deutsche 

M 

Überlieferungen,  welche  diese  Erzählung  bietet,  nicht  beipflichten  kann,  und  die 
ziemlich  mit  allen  Vorstellungen  in  Collision  kommen,  die  ich  mir  von  den  Litauern 
und  ihrer  Poesie  gebildet  habe.  —  Was  diese  Geschichte  auch  in  einem  etwas  selt- 
samen Lichte  erscheinen  lässt,  ist  der  befremdliche  Umstand,  dass  in  ihr  wohl  auf 
die  Letten  und  Preussen,  aber  nicht  auf  die  nächsten  Verwandten  der  Zemaiten,  die 
Litauer  im  engeren  Sinn,  und  speciell  auf  die  s.  g.  Gudai,  ihre  östlichen  Nachbarn, 
Bezug  genommen  wird,  obgleich  namentlich  zwischen  Zemaiten  und  Guden  ein 
nationaler  Gegensatz  besteht,  von  dessen  Schärfe  der  folgende  zemaitische  Spruch 
eine  Vorstellung  geben  mag: 

Perkunaiti,  müsu  deeväiti, 

nemuszk  Zemaitiu,  kaip  sawo  vaiku, 

ale  müszk  sena,  Guda,,  kaip  szunj  rud$, 
d.  i.  „lieber  Perkun,  unser  lieber  Gott,  schlag  nicht  die  Zemaiten  als  deine  Kinder, 
aber  schlag  den  alten  Guden,  wie  einen  roten  Hund". 


*»>»  .*  »7^    * 


350  Kritiken  und  Referate. 

Wenn  Herr  Veckenstedt  zu  Gunsten  der  „Stainmsage"  mitteilt,  sie  sei  die  Er- 
zählung einer  Bäuerin  und  ihrer  beiden  Söhne,  und  die  Mutter  der  Bäuerin  „habe 
dieselbe  oft  von  ihrem  Grossvater  gehört,  welcher  dieselbe  vielmals  erzählt  habe,  da 
er  in  Folge  des  Brandunglückes  seiner  Hütte  erblindet  gewesen  und  nichts  habe 
schaffen  können"  (II,  244),  so  ist  dies  ein  Argument,  dem  ich  nicht  eher  Bedeutung 
beimessen  kann,  als  die  Glaubwürdigkeit  der  betr.  Erzähler  festgestellt,  und  als  nach- 
gewiesen ist,  dass  nicht  etwa  ein  mitleidiger  Lehrer  oder  Geistlicher  dem  erblindeten 
Grossvater  diese  Geschichte  oder  doch  eine  Anzahl  ihrer  Bestandteile  erzählt  habe.  — 
Über  eine  mir  vorliegende,  sehr  abweichende  „Stammsage"  s.  weiter  unten. 

Im  ersten  Bande  S.  154  ff.  werden  einige  Geschichten  von  einem  göttlichen 
Wesen  Gondu  erzählt,  aus  welchen  ich  einige  Sätze  hervorhebe:  „Ich  bin  Gondu", 
„Gondu  hiess  den  jungen  Bauer  aus  der  Wolke  steigen",  „Gondu  aber  zog  mit  dem 
Mädchen  von  dannen".  Gondu  ist  also  Nominativ Singularis,  und  daran  scheint  bei 
oberflächlicher  Betrachtung  nichts  merkwürdiges  zu  sein,  da  in  gewissen  Gegenden 
£emaitens  solche  Nominative  vorkommen.  Die  Sache  erhält  aber  ein  anderes  An- 
sehen, wenn  man  bemerkt,  dass  Gondu  in  Lasiczki's  bekannten  Schriftchen  De  diis 
Samagitarum  n.  s.  w.  verfasst  zwischen  1579  u.  1582)  Accusativ  Singularis  („pueflae 
quoque  quendam  Gondu  adorant  et  inuocant")  —  der  Nominativ  würde  litauisch 
Gondas  heissen  —  und  wahrscheinlich  ein  Druckfehler  ist  (Gondu  für  Gondu  = 
Gondum),  und  dass  Narbutt  Mitologia  litewska  S.  72  (nach  Hanusch  Die  Wissen- 
schaft des  slav.  Mythus  [Lemberg  1842]  S.  379)  und  Schwenck  Die  Mythologie  der 
Slawen  (Frankfurt  a.  M.  1853)  S.  108  f.  hieraus  einen  Nominativ  Singularis  Gondu 
gemacht  haben.  Niemand  wird  zweifeln,  dass  Veckenstedts  Gondu  mit  Narbutts  bez. 
Hanuschs  und  Schwencks  Gondu  identisch  ist,  und  dass  diese  Form  hier  und  dort 
dieselbe  Geschichte  hat.  Wir  finden  also  in  dem  vorliegenden  Werk  Erzählungen, 
die  auf  eine  gedruckte  Quelle  und  noch  dazu  auf  eine  missverstandene  Stelle  einer 
solchen  zurückgehen,  und  dieser  Umstand  erschüttert  das  Vertrauen  zu  den  uncon- 
trolierbaren  Teilen  dieses  Werkes  —  um  so  mehr,  als  der  nachgewiesene  Fall  nicht 
vereinzelt  ßteht. 

Man  wird  nun  vielleicht  fragen,  wie  Mitteilungen  des  Lasiczki  oder  anderer 
Schriftsteller  in  das  litauische  Volk  dringen  konnten.  Die  Beantwortung  dieser 
Fragen  ergibt  sich  aus  folgenden  Tatsachen,  deren  Zahl  sich  ohne  grosse  Mühe  ver- 
mehren  lassen  würde.  1)  Ein  Zemaite  aus  Knie,  der  einem  meiner  Freunde,  Herrn 
Gutsbesitzer  Scheu  in  Löbarten,  und  mir  eine  Fülle  von  Geschichten  erzählte  — 
darunter  eine  „Stammsage",  welche  mit  den  bezeichnenden  Worten  „im  Lande  Indien" 
beginnt  — ,  berief  sich  dabei  wiederholt  auf  Schriften  und  mündliche  Mitteilungen 
Wolonczewskis,  des  verstorbenen  Bischofs  von  Zemaiten,  bei  welchem  er  gedient  haben 
wollte.  2)  Ein  anderer  Zemaite,  der  dem  genannten  Herrn  und  mir  ebenfalls  viel 
erzählte,  erwähnte  öfters  das  Werk  „Bud%  senow$s  Lötuwiü  Kalnienü  ir  iamajtiü 
iezrasze.  Jokyb's  taukys"  (Petersburg  1845),  das  von  der  litauischen  Vorzeit  handelt, 


Dr.  Edm.  Veckenstedt,  die  Mythen,  Sagen  n.  Legenden  der  Zameiten.     351 

und  brachte  dasselbe  eines  Tages  aus  seinem  Heimatdorfe  mit.  3)  In  den  bekannten 
I  wiri  skf  sehen  Kaien  dem  finden  sich  chronologische  Übersichten  über  die  wichtigsten 
Begebenheiten  vor  und  nach  Christi  Geburt,  und  in  diesen  ist  angegeben  nicht  nur, 
wie  viel  Jahre  seit  dem  Argonautenzug,  dem  Raub  der  Helena  u.  s.  w.  verflossen 
sind,  sondern  anch,  wann  der  „litauische  Stamm  der  Heruler"  zuerst  aufgetreten  ist, 
wann  Palemon  mit  500  herulischen  „Bojaren"  nach  Litauen  kam,  wann  Algimund, 
Ringold  u.  s.  w.  starben,  u.  dergl.  4)  In  einem  mir  unbekannten  Jahrgange  dieses 
Kalenders  befindet  sich  nach  Mitteilung  des  verstorbenen  Pfarrers  Jacoby  in  Memel 
eine  Aufzählung  und  kurzgefasste  Schilderung  der  zemaitischen  Gottheiten  —  dar- 
unter z.  B.  Alabate,  Gonda  (so!),  Kelodewas,  Lietuwanis,  Goniglis,  Narbutts  Uspa- 
rinia  und  die  Maslu  Boba  „Göttin  der  Schornsteine,  Gemüll-  und  Misthaufen"  d.  i. 
die  mehslu  bahba  Stenders  —  und  die  bekannte,  von  Hanusch  a.  a.  0.  S.  234  nach 
Narbutt  mitgeteilte  Sündflutsage,  in  welcher  an  Stelle  der  Arche  eine  Nussschale 
erscheint  (vgl.  das  vorliegende  Werk  I,  S.  36).  Einen  Auszug  hieraus  verdanke  ich 
der  Güte  des  Herrn  Jacoby. 

Die  im  vorstehenden  nachgewiesenen  Tatsachen  verbieten  auf  das  bestimmteste, 
die  vorliegende  Sammlung  für  eine  vollgiltige  mythologische  Quelle  zu  halten.    Sie 
würden  für  ihre  Schätzung   von   minderer  Bedeutung  sein,   wenn  wir  in  der  Lage 
wären,  ihren  Inhalt  auch  nur  einigermassen  zu  controlieren,  wenn  uns  Herr  Vecken- 
stedt also  nur  gesagt  hätte,  wer  ihm  jedes  einzelne  Stück  mitgeteilt,  wer  es  aufge- 
zeichnet, wer  es  erzählt  hat.   Man  würde  dadurch  vielleicht  erfahren  haben,  dass  der 
Erzähler  z.  B.  der  Gondu-mythen   ausser   eben   diesen   nichts  zu   der  vorliegenden 
Sammlung  beigesteuert  hat;  oder  dass  sämmtliche  durch  innere  Gründe,  durch  eine 
Häufung  phantastischer  Züge  oder  literarischer  Reminiscenzen  verdächtigen  Geschichten 
auf  dieselbe  Quelle  zurückgehen;  oder  dass  sämmtliche  Erzählungen,  in  welchen  man 
sprachliche  Missverständnisse  annehmen  möchte,  von  dem  Sammler  aufgezeichnet  sind, 
der  z.  B.  muszket  tas  kurszas  (für  tus  Kurszius)   und  szick   lynas  (für  sek 
linu)  schrieb  und  behauptete,  „im  Zemaitischen  heisse  kunige  , Mönch'"  (II,  216, 
217,  222),   der   also   in   sprachlicher  Hinsicht  seiner  Aufgabe  nicht   gewachsen  war. 
Herr  Veckenstedt  hat  es  indessen  unterlassen  sich  über  die  Herkunft  der  einzelnen 
Stucke  auszusprechen,  und  in  Folge  dessen  ist  der  Leser  nicht  im  Stande,  den  mehr 
und  den  weniger  werten  Stoff  hinreichend  zu  unterscheiden;   er  steht  also  diesem 
Buch  gewissermaßen  mit  zugehaltenen  Augen  gegenüber  und  ist  bei  seiner  Prüfung 
auf  das  wenige  angewiesen,  was  er  durch  einen  etwas  geöffneten  Fingerspalt  hindurch 
zufallig  erblickt.    Dass  sich  bei  dieser  Sachlage  ein  abschliessendes  Urteil  über  das 
vorliegende  Werk  nicht  aussprechen  lässt,  liegt  auf  der  Hand;  dass  der  grössere  Teil 
des  letzteren  einstweilen  wissenschaftlich  nicht  zu  verwenden  ist,  bedarf  —  nach  dem 
oben  gesagten  —  ebenso  wenig  eines  Beweises. 

Die  Ausdehnung,  welche  diese  Besprechung  gewonnen  hat,  verbietet  es  mir  leider, 
auf  einige  principielle  Punkte  —  z.  B.  die  Wertschätzung  der  Mythen  von  dem  PijokB, 


352  Kritiken  und  Baferat«. 

dar  Pypka,  der  Pyraga  u.  s.  w.,  d,  h.  von  Wesen  mit  slavischeu  Namen  —  und 
auf  die  Fragen  einzugehen,  inwiefern  die  Veröffentlichung  der  Sammlung  in  deutscher 
wtzung  notwendig  war,  und  wieweit  eine  Beschränkung  des  zu  publicierenden 
is  zweckmässig  gewesen  wäre.  Ich  kann  nur  noch  meinem  Bedauern  darüber 
■uck  geben,  das»  es  mir  unmöglich  gewesen  ist,  eine  durchaus  beifallige  Haltung 
nem  Werke  einzunehmen,  bei  dessen  Herausgabe  mir  eine  Vertrau enssteliung 
räumt  norden  war.  Herr  Veckenstedt  weiss  indessen  am  besten,  dass  diese  nicht 
irt  war,  dass  ich  einen  entscheidenden  Einfluss  auf  sein  Werk  hätte  ausüben 


Die  San-  und  Kunst  denk  maler  der  Provinz  Weetpreussen.  Hrag.  im 
Auftrage  des  Wcstpr.  Provinzial- Landtages.  Heft  H.  Der  Landkreis  Danzi? 
a.  u.  d.  T. :  „Die  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Landkreises  Danzig." 
Mit  76  in  den  Text  gedruckten  Holzschnitten,  8  Kunstbeilagen  und  einer 
Uebersichtskarte.  Danzig.  Commissions- Verlag  von  Tb.  Bertling.  lütö. 
(S.  76-149.  gr.  4.) 
Die  Provinzial- CommiEsion  zur  Verwaltung  der  westpreussischen  Pronvinzisl* 
en  bietet  ans  hiermit  das  zweit«  Heft  der  „Bau-  und  Kunstdenkmäler  der  Provinz 
preussen".  Indem  wir  bezuglich  der  Aufgabe  und  des  Zwecks  des  ganzer 
rnehmens  auf  unsern  bereits  gelegentlich  des  Erscheinens  des  ersten  Hefte  in 
r  Zeitschrift  (1884.  Bd.  XXI.  5.  u.  6.  Heft  S.  509  t.)  veröffentlichten  Bericht 
eisen,  haben  wir  hier  nur  kurz  vom  Inhalt  des  vorliegenden  Heftes  zu  handeln. 
sibe  ist  allein  dem  Landkreise  Danzig  gewidmet,  und  enthält  in  alphabetisier 
ung  die  Beschreibung  der  Denkmäler  von  zwanzig  in  demselben  gelegeneu  Ort- 
ten.  Die  Behandlung  der  einzelnen  Abschnitte  ist  die  gleiche  geblieben  wie  im 
n  Heft.  Historischer  und  beschreibender  Teil  werden,  soweit  möglich,  ttnag 
einander  gesondert:  im  ersteren  geben  angezogene  Quell  encitate  des  flfterei 
ijenheit  zu  kurzen  historischen  Untersuchungen,  im  letzteren  werden  zuerst  immer 
Baulichkeiten  der  Orte,  und  demnächst  die  in  denselben  enthaltenen  Kunstgegen- 
le  einer  eingehenden  Behandlung  unterzogen. 
Den  Mittelpunkt  der  Veröffentlichung  bildet  diesmal  die  Beschreibung  && 
ters  Oliva.  Dieselbe  nimmt,  der  kunst historischen  Wichtigkeit  dieser  alten  Hef 
e  deutscher  Kultur  entsprechend,  mehr  als  ein  Dritteil  des  ganzen  Heftes  a» 
:h  eine  Fülle  von  Illustrationen,  Grundrisse,  Durchschnitte,  Ansichten  und  »H- 
e  Details  wird  der  Leser  an  der  Hand  eines  mit  liebevollem  Eingehen,  selbst 
ligkeiten  berücksichtigenden,  klar  und  fasslich  geschriebenen  Textes  in  die  Lag* 
itzt,  sich  von  der  äusseren  und  inneren  Beschaffenheit,  sowie  von  der  früheren 
:utung  und  dem  jetzigen  kunsthistorischen  Wert  der  einzelnen  Anlagen  ein  an- 
aliches Bild  zu  machen.    Nicht  zum  wenigsten  unterstützen  ihn  dabei  die  hier 


Alterthumsgetelkchaft  Prassia  1884.  353 

sowohl  wie  an  andern  Stellen  dem  Werke  beigegebenen  quartgrossen  und  in  Licht- 
druck ausgeführten  Kunstbeilagen. 

In  der  Beherrschung  des  sich  darbietenden  Materials  zeigt  sich  Überall  eine 
gewissenhafte  Genauigkeit  und  Vollständigkeit,  und  doch  ein  glückliches  Beschranken, 
das  Nebensächliches  zwar  zu  erwähnen,  aber  kurz  zu  erledigen  weiss. 

Noch  sei  nicht  unerwähnt,  dass  als  willkommene  Beigabe  dem  Werke  diesmal 
eine  Uebersichtskarte  beigefügt  worden,  welche  die  Lage  der  einzelnen  Orte,  in  denen 
sich  Kunstdenkmäler  befinden,  veranschaulicht. 

Auf  die  Herausgabe  der  nächsten  Hefte,  die  uns  ja  unter  anderem  auch  Danzig 
and  Marienburg  bringen  müssen,  dürfen  wir  billiger  Weise  gespannt  sein.  Wünschen 
wir  jedenfalls  dem  so  verdienstvollen  Unternehmen  erfreulichen  Fortgang. 

6. 


Alttrthnmsgestllschaft  Prassia  i»  Kösigsberg  1884. 

Sitzung  von  25.  Januar  1884.  Der  Vorsitzende  eröffnete  die  Sitzung  mit  einem 
ehrenden  Nachrufe  für  den  am  5.  Januar  c.  verstorbenen  Rentier  Prothmann, 
Vorstandsmitglied  der  Gesellschaft.  —  Auf  den  vom  Vorstände  bei  dem  Kultusmmister 
bezüglich  der  Erwerbung  der  Blell'schen  Waffensammlung  gestellten  Antrag  hat  der 
Herr  Minister  Folgendes  entschieden:  er  sei  zwar  mit  der  Gesellschaft  Prassia  über 
die  Grösse,  Bedeutung  und  den  wissenschaftlichen,  kunst-  und  gewerbegeschichtlichen 
Werth  der  Sammlung  einverstanden,  verkenne  auch  nicht  das  besondere  Interesse, 
welches  dieselbe  für  die  Provinzen  Ost-  und  Westpr.  habe,  sowie,  dass  deren  derein- 
stige Aufstellung  in  den  wieder  hergestellten  Räumen  des  Hochschlosses  der  Marien- 
burg als  der  ganzen  Sachlage  entsprechend  sich  empfehlen  möchte  —  er  vermöge 
jedoch  eine  Betheiligung  der  Staatskasse  für  deren  Ankauf  nicht  in  Aussicht  zu  stellen. 
Der  Herr  Minister  glaubt  vielmehr,  dass  es  den  betheiligten  Provinzen  allein  zu  über- 
lassen sein  wird,  die  zum  Ankaufe  erforderlichen  Gelder  aus  eigenen  Mitteln  event. 
mit  Unterstützung  aus  Privatkreisen  aufzubringen.  Was  die  Erwerbung  der  auf 
120,000  Mark  abgeschätzten  Sammlung  auf  dem  angedeuteten  Wege  betrifft»  so  sind 
über  die  vorbereitenden  Schritte  hierzu  Verhandlungen  bereits  im  Gange.  —  Der 
Vorsitzende  bringt  die  Abhandlung  des  Hrn.  Pfarrers  Rogge  in  Darkehmen  über 
das  Gebetbuch  der  Kurfürstan  Anna  von  Brandenburg  zum  Vortrage,  die  wir  unten 
wörtlich  nach  den  Sitzungsberichten  wieder  abdrucken.  —  Ferner  stand  auf  der  Tages- 
ordnung eine  Bestattung  von  Pferdeskeletten  mit  Beigaben,  gefunden  auf  dem  Galgen- 
berg bei  Kirpehnen,  Kr.  Fischhausen.  Herr  Rittmeister  v.  Montowt  hatte  diesen 
kostbaren  Fund,  wie  frühere  Gräberfunde  auf  seiner  oben  genannten  Besitzung  der 
Gesellschaft  zum  Geschenk  eingesandt.  Der  vorliegende  Fund  enthält  ein  Reitzeug 
ans  dem  Ende  des  3.  oder  Anfang  des  4.  Jahrh.  mit  noch  zum  Theü  erhaltenem 
Leder-  und  Bronzebesehlag,  und  ein  älteres  aus  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr.  bestehend  in 


354  Kritiken  und  Referate. 

bronzener  Trense  und  bronzenen  Zügelketten.    Neben  dem  letzteren  befand  sich  eine 
Urnenbeisetzung  mit  Leichenbrand  und  Beigabe  von  Bronzefibulen. 

Ferner  wurden  vorgelegt:  Ein  Schmalmeißsel  ans  Feuerstein,  geschenkt  tob 
Rittergutsbesitzer  Beymel  auf  Buttken,  Er.  Oletzko.  Der  Abguss  des  Griffs  eines 
Bronzeschwerts,  gef.  vor  dem  alten  abgebrochenen  Brandenburger  Thor  zu  Königs- 
berg,  gekauft,  2  griech.  Thongefässe,  gef.  auf  der  Insel  Mylo,  geschenkt  von  Dir. 
Toppen  in  Elbing,  ein  Wikinger  Schild  aus  dem  10.  Jahrh.  in  Rekonstruktion,  ge- 
schenkt von  Herrn  Blell  in  Tüngen,  ein  silberner  federnder  Ffligranfingerring  aas 
dem  12.  oder  13.  Jahrh.,  geschenkt  von  Pfarrer  Dr.  Steinwender  in  Germau,  2  Thon- 
gefässe aus  dem  13  Jahrh.,  gef.  in  Kreuznach  in  der  Rheinprovinz,  geschenkt  von 
Dir.  Toppen  in  Elbing,  2  Tafeln  mit  Abdrücken  von  Sekreten  und  Siegeln  preussischer 
Städte  und  eines  pommerschen  Fürsten,  geschenkt  vom  Buchhändler  Volckmann,  ein 
Sporn  des  16.  Jahrh.  und  eine  bronzene  Kette,  gef.  beim  Bau  der  Volksschule  auf  der 
Laak  in  Königsberg,  geschenkt  von  Bauaufseher  Selbstädt,  ein  Stück  Kettenpanzer- 
schurz, gef.  bei  der  Kanalisation  der  Infanterie-Kaserne  am  Steindammer  Thor  in 
Königsberg,  und  eine  Denkmünze  aus  dem  Jahr  1814,  geschenkt  von  Fabrikbesitzer 
Dost,  ein  eiserner  Sporn  des  15.  Jahrh.  und  ein  neuer  französischer  Bajonettsäbel 
mit  Scheide,  geschenkt  von  Regierurigs-  und  Stadtbaumeister  Hulstz,  eine  Kupfer- 
stichplatte des  17.  Jahrh.,  gekauft,  ein  calendarium  perpetuum  in  Silber,  in  Grosse 
eines  Zweithalerstücks,  gekauft,  eine  silberne  Denkmünze  auf  die  Einwanderung  der 
Salzburger  in  Ostpreussen  mit  dem  Familien- Wappen  auf  dem  Rivers,  geschenkt  von 
Frau  v.  Ravinowitz,  2  Delfter  Vasen,  gekauft. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  20.  Febr.  1884.  No.  43.] 

Das  Gebetbuch  der  Kurflurstiu  Anna  von  Brandenburg. 

Von  Adolf  Rogje. 

Die  Bibliothek  der  Prussia  besitzt  (Nr.  146)  ein  Gebetbuch,  welches  ebensowohl 
durch  seine  köstliche  Ausstattung  und  seinen  Inhalt,  als  durch  die  Fürstin,  der  das- 
selbe gewidmet,  in  hohem  Grade  anziehend  ist.  Einfach  in  schwarzes  Leder  gebunden 
enthält  dasselbe  75  Pergamentblätter,  welche  11  cm  breit  und  17  cm  lang  sind.  Die 
vier  letzten  derselben  sind  nicht  beschrieben.  Ausserdem  rinden  sich  zwei  leere  Blätter 
zwischen  Pag.  2  und  3  des  Textes  und  an  verschiedenen  Stellen  des  Buches  im  ganzen 
noch  10  unbeschriebene  Seiten.  Jede  Seite  des  Buches  hat  eine  ungemein  sauber 
und  gleichmässig  gezogene  gradlinige  Einfassung,  zu  deren  Schmuck  meistens  eine 
matte  Silberfarbe  verwandt  ist.  Die  Seiten  sind  nicht  paginiert.  Nicht  auf  allen 
derselben  ist  die  Zahl  der  Zeilen  gleich,  auch  zeigen  einzelne  Seiten  die  Fraktur- 
Schrift  des  16.  Jahrhunderts  etwas  grösser  und  stärker  als  andere.  Sowohl  die  grössere 
als  die  kleinere  Schrift  zeigt  aber  in  den  einzelnen  Zügen  eine  so  grosse  Regelmässig- 
keit, dass  man  im  ersten  Augenblick  einen  Pergamentdruck  vor  sich  zu  haben  glaubt 
Hit  besonderer  Kunst  sind  nicht  nur  die  Initialen  der  einzelnen  Gebete,  sondern  auch 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  1884.  355 

die  Anfangsbuchstaben  der  einzelnen  Sätze  behandelt.  Gold-  und  silberfarbige  Ver- 
zierungen sind  nicht  gespart.  Für  die  Ermittelung  des  Schreibers  oder  Verfassen, 
die  möglicherweise  identisch  waren,  giebt  das  Buch  keinerlei  Anhalt;  aus  der  Wid- 
mung, von  der  wir  später  reden,  geht  jedoch  hervor,  dass  es  nur  in  der  Zeit  von 
1594—1625  abgefasst  sein  kann. 

Ueber  den  allgemeinen  Inhalt  des  Buches  giebt  bereits  der  Titel  Ausschluss. 
Derselbe  lautet:  Gebet  Büchlein  |  voller  Gebet  vnd  schöner  |  Gottseliger  betrach- 
tung  |  aus  etlichen  vom  einen  |  Gebet  Büchern  ge-  |  nommen.  vnd  in  drey  |  Andaehte* 
zusam-  |  men  bracht  wi  vol-  |  get. 

Wer  Gott  mit  ernst  vertrauen  kann. 
Der  bleibt  ein  unverdorbner  Man. 
Hilf  inus  sich  letzlich  finden  lan. 

Wir  haben  es  hiernach  mit  einer  Coinpilation  aus  gleichzeitigen  und  älteren 
Gebetbüchern  zu  thun.  Das  vom  streng  lutherischen  Standpunkt  gesammelte  Material 
ist  nach  drei  Gesichtspunkten  geordnet: 

„Die  Erst  Andacht  darinnen  die  Morgen  Gebet  zu  finden,  beneben  etlichen 
schönen  trostsprüchen  aus  Heilig  Göttlicher  Schlifft  bey  gesetzet  seien."    S.  3—31, 

„Die  Ander  Andacht  darinnen  die  Abend  Gebet  zu  finden  sein.    S.  32—69. 

„Die  dritte  Andacht,  darinnen  sind  verfasset  die  Kirchen  Gebet  auch  vor  vnd 
nach  dem  Abendraal  vnsers  Herrn  Jesu  Christi.    S.  70 — 139. 

Die  erste  Andacht  setzt  gleichsam  als  Mahnug  zum  Gebet  das  Schriftwort 
Ev.  Joh.  16,  23  und  24  an  die  Spitze,  um  das  sich  eine  saubere  Federzeichnung 
schlingt.  S.  4 — 7  bringen  dann  ein  „Gebet  vmb  Verleihung  |  Göttlicher  Gnade  recht  | 
Tnd  mit  Andacht  |  zu  bctenn",  an  welches  sich  wieder  ein  Schriftwort  1.  Joh.  5, 14—16 
auschliesst,  das  die  Gebetsfreudigkeit  erhöhen  soll.  Die  Sprüche  sind  stets,  zuweilen 
mit  kleinen  Abweichungen  vom  Text,  ausgeschrieben.  Ps.  59, 17  und  92,  2  und  3 
(hier  citiert  der  Schreiber  falsch  Ps.  95),  leiten  dann  direkt  zu  den  Morgengebeten 
über,  deren  5  in  Prosa  Seite  8 — 12  einnehmen.  Ihnen  entsprechen  S.  12— 17  5  kurz« 
Gebete  in  Versen.  Wir  greifen  aus  denselben  „Ein  Gebet  Gott  vmb  gnade  anzu- 
rufen, so  offt  man  höret  den  Zeiger  schlagen"  heraus.    Dasselbe  lautet: 

„Ach -Gott  verleih  vns  ein  glückselig  Stund 
Vergieb  vns  vnser  aller  Sund 
Hilff  das  wir  Christlich  leben  auch 
Selig  sterben  vnd  dann  hernach 
Frölich  vom  Tode  auflerstehn 
Vnd  in  dein  ewiges  Reich  eingehen.    Amen". 

Auf  die  Morgengebete  „Volgen  etliche  schöne  Trost-Sprüche  aus  Heilig  Gött- 
licher Schrifft"  (S.  18.)  vnd  zwar:  Vom  Creutze  der  Christen  (S.  20  und  21  Gen.  47,9. 
Ps.  90, 10.  2.  Tim.  3,12.  Joh.  14,1.  Luc.  9,23.  Vom  Trost  der  Christen  im  Creutz 
(S.  22-28).  Ps.  23,  4.  34,20.  98^3.  71,20.  Joh.  16,  20  und  22.  1.  Cor.  11,32. 
1.  Petri  2  (soll  heissen  4, 13).  Es.  25, 26.  Osee  13, 14.    Ps.  68, 21.    Sapi.  3  wird  in 


•vT? 


35g  Kritiken  und  Referate. 

dem  Satzzusammengeiasst:  „Die  Gerechten  sind  zn  gewisser  Hoffnung,  dass  ede  nimmer- 
mehr sterben".  Esa  26, 20.  Joh.  8, 5.  Phil.  1, 21.  Luc.  19  (Christus  weint  über 
Jerusalem,  dass  sich's  nicht  bekehren  will  vnd  die  Zeit  der  heimsuchung  erkenne). 
Joh.  1, 29.  Mit  einer  Danksagung  und  einem  „schönen  Gebet  täglich  zu  sprechen", 
schlieEst  die  erste  Andacht  ab. 

Die  andre  Andacht  enthält  zunächst  sieben  Abendgebete,  (beim  siebenten :  „0  Herr 
Jesu  Christ"  je.  machen  wir  auf  das  schön  aufgeführte  Anfangs  0  aufmerksam),  dann 
S.  49—53:  ,Etlich  kurz  Gebetlein  betrübten  Herzen  tröstlichenn",  8.  54:  „Eine 
schöne  Danksagung  für  die  Menschwerdung  Christi",  darauf  folgen  S.  56 — 69:  „die 
vornehmsten  Kernspruche  durch  die  heilige  Schlifft". 

Vor  dieser  Abteilung  ist  S.  58  ein  sehr  fein  gezeichneter  und  ausgeschnittener 
Kruzifixus  auf  das  Pergament  geklebt.  Ueber  denselben  ist  ein  Halbkreis  gezogen, 
unter  welchem  in  5  feinschriftigen  Zeilen  der  Spruch  Matth.  11,  28  und  29  („Kommt 
her  zu  mir  ic")  angebracht.  An  der  linken  Seite  des  Kreuzesstammes  findet  sich 
eine  elfzeilige  Inschrift  aus  Jes.  43,  24  u.  25  und  1.  Mose  3, 15  zusammengesetzt,  an 
der  rechten  eine  zwölfzeilige:  Jes.  53,  4  u.  5.  Unter  dem  Fasse  des  Kreuzes  steht 
Matth.  9, 12.  Die  nun  S.  59  folgenden  Sprüche  sind  unter  nachstehende  Titel  gebracht: 

„Das  alle  Menschen  Sunder  sind".  Gen.  6, 8.  Exodi  34, 7.  Ps.  51,  7.  Rom.  3, 23. 
5,  12.  11,  32.  Gal.  3,  22.  Eph.  2,  3.  Act.  14,  22. 

„Gott  ist  gnedig  vnd  barmherzig."  Deut  43, 1.  32, 10.  Ps.  36, 6.  86, 5.  103, 13. 
136, 1.  Jon.  4, 2.  Sir.  2, 23.  18, 12.  2.  Cor.  1, 3.  Eph.  2, 4.  Exodi  34, 6  u.  7.  Num.  14, 18. 
Ps.  25,  7.  32,  1.   Jerem.  31,  34. 

Die  dritte  Andacht  beginnt  mit  den  Worten:  „Mit  dem  heiligenn  propheten 
David  sol  man  täglich  zu  Gott  seufTzen  vnd  also  sprecheu",  worauf  freie  Gebete 
über  Ps.  86,  Ps.  25,  4  und  5,  Ps.  143  und  31  folgen.  „Ein  schon  Psalm  täglich  zn 
beten"  ist  Ps.  148,  dem  S.  77—80  gewidmet  ist  und  auf  den  „Ein  Trotz  vnd  Trost- 
spruch wieder  die  Furcht  des  Todtes  aus  Pauli  Wortenn  zum  Philip  am  1, 5"  folgt, 
der  also  lautet: 

„Mein  Leben  ist 
Derr  Herre  Christ 
Zu  aller  Frist. 
Aber  der  Todt 
Endet  mein  noth 
Befördert  mich  zu  Gott 
Fröhlich  dahin 
Ist  mein  Gewinn 
So  wahr  als  Christ 
Im  Himmel  ist 
Weis  ich  sein  gliedt 
Er  verlest  mich  nit 
Holt  mich  endlich  zu 
im  in  Med". 


i 


Alterthumsgesellschaft  Prnstia  1884.  357 

Hieran  schliessen  sich  „Etliche  Schöne  Danksagung  für  das  bitter  Leidenn  ynd 
Sterben  Jhesu  Christi"  und  Gebete  für  betrübte  Herzen  und  Personen,  „ein  offene 
beicht  täglich  für  Gott  mit  Andacht  zu  sprechen",  „einn  ander  beicht"  (im  Anschluss 
an  Jes.  56, 6)  und  „Christliche  Gebet  vor  dem  Gebrauch  des  hoch  würdigsten  Abend- 
males vnsers  Heilandes  Jhesu  Christi  zu  sprechenn". 

S.  118  bringt  die  Einsetzungsworte  des  heiligen  Abendmahls  in  sehr  schöner 
kleiner  Schrift 

Noch  zwei  Gebete  vor  dem  Empfang  des  h.  Abendmahls  und  vier  auf  Schrift- 
btellen  gegründete  Danksagungen  „Nach  der  empfahung"  bilden  den  Schluss  des  merk- 
würdigen Buches,  welches  in  dem  zwiefachen  Gebetseufzer  gipfelt:  „Der  Leib  meines 
Herrn  ynd  Heilandes  Jhesu  Christi  speise  und  erhalt  mich  zum  ewigen  Leben  Amen". 
Das  Blut  meines  Herrn  ynd  Heilandes  Jhesu  Christi  trencke  ynd  erhalte  mich  cum 
ewigen  Leben  Amen". 

Nachdem  wir  uns  mit  Form  und  Inhalt  des  kostbaren  Gebetbüchleins  bekannt 
gemacht  haben,  gehen  wir  zu  der  Widmung  über,  welche  auf  dem  zweiten  Blatte 
desselben  folgendermaßen  gefasst  ist:  „Zu  Ehren  |  der  Durchleuchtig  |  sten  Hoch- 
gebornen  Für-  |  stin  ynd  Frawen  Frau- 1  en  Anna,  geborne  |  ynd  Vermehlte  Marg- 1 
greffin,  auch  Churfürstinn  |  zu  Brandenburg,  in  Preu- 1  sen,  zu  Gülich,  Cleve  Berge  | 
Hertzogin.    Meiner  gne-  |  digsten  ChurfÜr-  |  stin  ynd  Frauen. 

Leider  können  wir  nicht  einmal  bestimmt  nachweisen,  ob  die  zum  Gebet  ge- 
falteten Hände  der  preussischen  Herzogstochter  wirklich  auf  dem  Buche,  das  ihr  ge- 
widmet» geruht  haben,  doch  lässt  sich's  kaum  annehmen,  dass  der  Schreiber  desselben 
die  Frucht  seines  bewundernswerten  Fleisses  nicht  an  den  rechten  Mann,  oder  in 
diesem  Falle,  die  rechte  Frau  gebracht  haben  sollte.  Jedenfalls  rufen  uns  derartige 
Reliquien  das  Bild  derjenigen  vor  die  Seele,  denen  sie  geweiht  waren,  und  so  möge 
denn  auch  vor  uns  aus  dem  alten  Gebetbuche  der  Schatten  der  Kurfürstin  Anna  auf- 
steigen,  deren  Andenken  wohl  eine  Erneuerung  verdient.  Haben  wir  es  in  ihr  doch 
mit  der  Tochter  des  unglücklichen  Herzogs  Albert  Friedrich  und  der  edlen  Dulderin 
Marie  Elenore,  geborenen  Herzogin  v.  Jülich-Cleve-Berg  zu  thun,  Anna,  die  Stamm- 
mutter der  preussisch-brandenburgischen  Hohenzollern,  die  Schwiegermutter  des  grossen 
Schwedenkönigs  Gustav  Adolf  und  Grossmutter  des  grossen  Kurfürsten  Friedrich 
Wilhelm  wurde  nach  ihrer  sehr  ausfuhrlichen  Grabschrift '),  welche  den  besten  Leit- 
faden für  ihre  Lebensgeschichte  bietet,  am  3.  Juli  157.6  zu  Königsberg  geboren.  Schon 
in  der  Wiege  wurde  sie  in  ein  theologisches  Gezänk  schlimmster  Art  verwickelt, 
welches  damals  die  Köpfe  in  einem  unglaublich  hohen  Grade  erhitzt  hatte.  Der  ehr- 
same Mälzenbräuer  der  Altstadt  Greger  Möller,  bringt  in  seinen  Annalen  die  erste 
Nachricht  über  die  erstgeborene  Tochter  des  preussischen  Herzogs  *),  nicht  ohne  seinem 


')  E.  A.  Hagen,  Beschreibung  der  Domkirche  zu  Königsberg.  Kbg.  1833.  S.  273. 
*)  Acta  Bor.  II,  S.  820. 


J358  Kritiken  and  Referate. 

Gott  gegen  den,  dem  Fürsten,  wie  ihm  verhassten  Bischof  Heshusius  Luft  zu  machen. 
„Den  15.  Augusti"  (1576)  erzählt  er,  ist  allhier  „unser  Freicken  Anna"  zu  Schlot 
Tom  Hoffprediger  getauft  worden,  und  ist  mein  Herr  in  die  Kirche  nachgefolgt,  ah 
sie  zur  Kirche  getragen  ist.  Es  hat  der  Heshusius  I:  Gnad.  nicht  taufen  wollen, 
weil  verdächtige  Pathen  dazu  gebeten,  als  der  König  (von  Polen)  und  Herzog  v.  Jülich ; 
da  haben  die  Herrn  dem  Wigando  Boten  geschickt  und  den  auch  gefraget.  Als  der 
es  zugelassen,  hat  Heshu&dus  auch  gewüliget,  es  wäre  sonst  sein  Uebel  gewartet". 

In  die  Jugend  der  Prinzessin  warf  die  Schwermut  des  Vaters,  der  ein  Jahr  nach 
ihrer  Geburt  unter  Vormundschaft  gestellt  wurde,  düstere  Schatten.  Albert  Friedrieh, 
„der  blOde  Herr",  hielt  sich  meistens  in  Neuhausen  oder  Fischhausen  auf.  In  letzterem 
Orte  war  die  epileptische  Anlage,  die  er  wahrscheinlich  von  seinem  Grossvater,  dem 
Markgrafen  Friedrich  von  Anspach,  ererbt  hatte,  zum  Ausbruch  gekommen.  Wie  er 
hier  seine  Tage  zubrachte,  ist  noch  aus  einem  Bericht  Joh.  Arnold  v.  Brands3)  zu 
ersehen,  der  bei  Gelegenheit  einer  Gesandtschaftsreise  nach  Russland  1673  Fischhausen 
besuchte.  Derselbe  erzählt:  „Hier  ist  vor  Zeiten  des  Alberti  Friedend,  des  s.  g. 
„biOden  Herrn"  Sitz  gewesen,  wo  er  auf  einem  absondern  kleinen  Ort,  der  auf  der 
Mauer  gebauet  worden,  seine  Drechslerbank  gehabt,  womit  er  die  Zeit  vertrieben. 
Hie  sah  ich  oben  in  einem  sichern  Gemach  oben  am  Balken  zwei  abhängende  und 
schier  zwei  Fuss  lange  eiserne  Stäben,  daran  obgemeldten  Herrn  Bette  gehangen, 
stammt '  beihangenden  hölzernen  Bollen,  womit  selbiges  in  die  Höhe  gezogen  konnte 
werden,  worinnen  sich  der  Herr  stets  wiegen  lassen." 

Je  weniger  der  Vater  vorteilhafter  auf  die  Erziehung  seiner  Kinder  einwirken 

konnte,  destomehr  scheint  sich  die  Mutter  derselben  angenommen  zu  haben.    Ihre 

Bemühungen   wurden  reichlich   gesegnet,   denn   durch  ihre  vier  Töchter  ist  sie  die 

Stammmutter  der  meisten  europäischen  Fürstenfamüien  geworden.   Als  solche  besang 

sie  1721  der  Kriegs-  und  Domänenrat  Valentin  Heinrich  Hoffmann  bei  Gelegenheit 

eines,  dem  Könige  Friedrich  Wilhelm  I.  Überreichten  Stammbaums,  für  den  er  „bei 

dem  alten  Brot  in  neuer  Gnade  sterben"  wollte.    Nachdem  er  in  erster  Linie  die 

brandenburgische  Dynastie  gebührendermaßen  gepriesen,  fährt  er  fort:  *) 

„In  Dennmark  fangt  Bayreuth  von  Neuem  an  zu  blühen, 
In  Schweden  trägt  ein  Zweig  aus  Kurland  eine  Krön 
Und  Polen  sucht  ein  Theil  hiervon  an  sich  zu  ziehen, 
Drum  setzt  aus  Sachsen  sich  der  Kurfürst  auf  den  Thron. 
Hispanien,  Portugal,  der  Römisch1  und  Deutsche  Kaiser, 
Trier,  Neuburg,  Hessen,  Zeitz  sind  alles  Preusche  Reißer. 
Neuhausen  *)  hat  das  Glück  ein  neues  Haus  zu  werden, 


*)  Joh.  Arnhold  v.  Brand  u.  s.  w.  Reysen  durch  die  Mark  Brandenburg,  Preussen 
u.  8.  w.    Hrsg.  durch  Henrich  Cheau  de  Hennin  u.  s.  w.    Wesel  1702.   S.  212. 
4)  Erl.  Preussen  IV,  S.  753. 
')  Die  Sommer-Residenz  Albert  Friedrichs. 


AltorthnmsgeMllsctMft  Prnaua  1884.  359 

Daraus  den  Ursprung  fast  ein  ganzes  Weltteil  nimmt 
£50  über  Stadt  und  Land  die  Herrschaft  fuhrt  auf  Erden, 
Gewiss  ein  Glück,  das  nicht  von  ungefähr  bestimmt." 

Dass  Anna  ihrer  Mutter  ein  dankbar  Andenken  bewahrt  hat,  geht  daraus  her- 
vor, dass  sie  die  Namen  derselben  ihrer  zweiten  Tochter,  der  nachmaligen  Gemahlin 
Gustav  Adolfs,  beilegte.  Eine  Reise  nach  Jülich,  welche  Marie  Eleonore  am  20.  April  1591 
mit  ihren  beiden  ältesten  Töchtern  unternahm 6),  mag  eine  erfreuliche  Abwechselung 
in  das  eintönige  Leben  der  jungen  Prinzessin  gebracht  haben.  Die  Familieneindrücke, 
welche  sie  in  der  Heimat  ihrer  Mutter  empfing,  waren  freilich  denen  des  Vaterhauses 
nur  ähnlich.  Herzog  Wilhelm,  der  Grossvater  Annas,  lag  in  den  letzten  Stadien 
einer  Geisteskrankheit,  die  ihn  schon  lange  regierungsunfähig  gemacht  und  bald  nach. 
der  im  Herbst  erfolgten  der  Gäste  (25.  Januar  1592)  sein  trauriges  Ende  herbeiführte. 
Marie  Eleonore  hatte  bei  ihrem  Aufenthalt  in  Berlin  ihre  Tochter  Anna  mit  dem 
Kurprinzen  Johann  Sigismund  verlobt.  Ein  Jahr  darnach  durfte  Anna  ihren  künf- 
'  tigen  Gemahl,  welcher  damals  im  19.  Lebensjahre  stand,  in  Königsberg  begrüssen. 
„Anno  1593  den  17.  Martini",  erzählt  der  ehrbare  kneiphöfsche  Bürger 
Peter  Michel7),  ist  der  junge  Herr  Johannis  (sie!)  Sigismundus  aUhier  zu  Königs- 
berg eingekommen,  ohngefähr  mit  160  reisigen  Pferden,  und  von  der  Bürgerschaft 
stattlich  eingeholet  worden.  Was  bey  den  Bürgern  von  seinem  Valet  verzehret 
worden,  das  ist  aus  der  Forstl.  ßent-Cammer  jedem  wol  bezahlet". 

So  gut  hat's  Johann  Sigismund  in  Königsberg  nie  mehr  gehabt,  denn  selbst 
seine  Hochzeit  ging  nicht  ohne  ein  kleines  Bencontre  zwischen  den  Koeiphöfern  und 
Altstädtern  ab. 

Auch  über  diese  haben  wir  einen  Bericht  desselben  Annalisten,  der  also  lautet •)-. 
„Den  21.  Oktober  (1594)  sind  die  fremden  Fürsten  hier  auff  Johannis  Sigismnndi 
Beylager  ankommen:  Der  von  Coburg  mit  seinem  Gemahl,  der  Bischof  von  Strass- 
burg,  Johannis  Sigismundi  Bruder  mit  zwo  Schwestern,  der  von  Lüneburg,  von  An- 
halt, von  Hollstein  und  der  aus  Curland  haben  zusammen  1400  reisige  Pferde  gehabt. 
Dies  fürstliche  Beylager  ißt  gehalten  den  27.  dito  °),  und  Gott  Lob !  in  gutem  Friede 
und  Einigkeit  wol  verrichtet.  Wie  die  Herren  sein  eingekommen,  hat  die  Bürger- 
schaft sich  müssen  in  ihrer  Rüstung  stellen  und  durch  3  Städte  bis  vor  das  Schloss. 
Nach  geschehenem  Einzüge  haben  unsere  Kneiphöfer  in  der  Ordnung  durch  die  Alt- 
stadt ziehen  wollen,  aber  wie  ohngefehr  der  vierte  Teil  durchs  Cramerthor  gewesen, 
haben  uns  die  Altstadter  das  Thor  lassen  zuschliessen,  und  die  andern  nicht  wollen 
durchlassen". 


*)  Gregor  Michels  Annalen.  Erl.  Preussen  III,  S.  224.  M.  erwähnt  nur  „die 
Abreise  der  Herzogin  mit  swei  Freuleins".  Es  können  wohl  aber  nur-  die  beiden 
ältesten  Töchter  gewesen  sein. 

t)  ErL  Preussen  IH,  S.  227.    •)  Ebd.  S.  229. 

•)  Die  Grabschrift  giebt  den  20.  Oktober  an. 


360  Kritiken  und  Betonte. 

Bis  1598  blieb  der  junge  Fürst  im  Lande,  wo  er  an  Stelle  seines  Vetters,  des 
Markgrafen  Georg  Friedrich,  die  Vormundschaft  leitete  und  die  Rechte  seines  Hauses 
wahrnahm,  dann  schlug  er  seine  Hofhaltung  in  Zechlin  auf  und  fand  sich  nur  zeit- 
weise in  Preussen  ein.  Dorthin  rief  ihn  auch  die  Nachricht  vom  Tode  seiner  Schwieger- 
mutter.   Am  22.  Mai ,0) 

„Als  man  schrieb  sechszehnhnndert  8 
Ihr  Leben  selig  sie  vollbracht". 

Doch  dieser  Todesnachricht  folgte  bald  eine  andere,  welche  den  Kurprinzen  auf 
der  Reise  ereilte.  „Den  8.  Augusti",  berichtet  Peter  Michel,  ist  Ihr  Fürstliche 
Gnaden  Herr  Johannes  Sigismundus  herein  und  allhier  ankommen  mit  wenig  Voick 
und  ganz  traurig  und  schlecht,  weil  er  unterwegs  die  traurige  Zeitung  noch  bekommen, 
dass  sein  Herr  Vater  Joachim  Friedrich  plötzlich,  da  er  auf  dem  Wagen  gefahren, 
von  Cöpernick  nach  Berlin,  Todes  verblichen.  Welcher  ein  gar  frommer,  christlicher 
Fflrst  gewesen".  n) 

So  hatte  Anna  in  wenigen  Wocheu  Matter  und  Schwiegervater  verloren.  Ea 
begann  für  sie  eine  schwere  Zeit.  Während  ihr  Gemahl,  dem  der  preussische  Adel 
das  Leben  sauer  machte,  in  der  Ferne  weilte,  gebar  sie  demselben  (7.  März  1609) 
das  achte  und  letzte  Kind.  Bis  zum  20.  März  1609  blieb  Johann  Sigismund  in 
Preussen,  eilte  dann  nach  der  Mark,  kam  aber  den  14.  April  schon  wieder  zurück. 
Erst  den  14.  Juli  trugen  ihm  die  polnischen  Commissarien  „die  Curation  des  Landes" 
auf  "),  worauf  am  17.  Juli  das  feierliche  Begräbnis  seiner  Schwiegermutter  stattfand. 

Einen  neuen  Todesfall  brachte  das  Jahr  1609.  Derselbe  war  nach  mancher 
Seite  hin  verhängnisvoll  für  Annas  Familienglück.  25.  März  endete  der  blödsinnige 
Johann  Friedrich,  der  jüngste  Bruder  der  Marie  Eleonore  und  letzter  Herzog  von 
Julich-Cleve.  Anna  war  die  gesetzliche  Erbin  seines  Reiches,  doch  brachte  dieses 
Erbe  ZerwürmisB  in  die  Familie  und  war  nicht  minder  schwer  in  Besitz  zu  nehmen, 
wie  das  Lehen  in  Preussen.  Dazu  brachte  diese  Erbschaft  einen  Entschluss  zur  Keife, 
der  lange  in  Johann  Sigismund  geschlummert  hatte.  Der  Kurfürst  hatte  sich  von 
jeher  der  reformierten  Kirche  zugewandt.  Um  seine  neuen  Unterthanen  in  Jülicb- 
Cleve  inniger  an  sich  zu  fesseln,  trat  er  jetzt  offen  zur  reformierten  Kirche  über 
(25.  Dezember  1613  "),  entfremdete  sich  aber  dadurch  die  Herzen  seiner  alten  Unter- 
thanen und  trug  innern  Zwiespalt  in  sein  eigen  Haus.  Anna  und  ihre  Tochter  hielten 


")  Nach  der  Grabsohrift  Hagen,  Beschreibung  der  Domkirche  S.  273.  Nach 
Peter  Michel  Erl.  Preuss.  III,  S.  397  2.  Juni. 

")  Er  starb  17.  Juli  1606. 

")  Peter  Michel  a.  a.  0.  S.  398. 

")  Das  Nähere  bei  Nicolovius,  Erinnerungen  an  die  Kurfürsten  von  Branden- 
burg und  Könige  von  Preussen  aus  dem  Hause  Hohenzollern  hinsichtlich  ihres  Ver- 
haltens in  Angelegenheiten  der  Religion  und  der  Kirche.  Hamburg.  Perthes.  1838. 
S.  107  ff. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  1884.  361 

fest  am  lutherischen  Bekenntnis,  und  wer  ea  weiss,  wie  tief  damals  religiöse  Ueber- 
zeugungen  im  Lehen  eingriffen,  kann  ermessen,  dass  das  Glück  der  Ehe  durch  ver- 
a'hiedene  Glaubensstandpunktc  der  Ehegatten  sicher  nicht  gefordert  wurde.  Doch 
war  es  auch  wieder  der  Glaube,  der  Anna 'treu  bis  ans  Ende  bei  ihrem  Gatten  aus- 
harren hieds  und  diesem  wiederum  den  geduldsamen  Sinn  gab,  sich  der,  damals  nur 
zu  gewöhnlichen,  Zwangsmittel  zur  Herbeiführung  einer  andern  Ueberzeugung  zu 
enthalten. 

Ob  Anna  bei  der  preußischen  Huldigung,  welche  ihr  Gemahl  1612  mit  Mühe 
und  Not  erlangte,  zugegen  gewesen,  wissen  wir  nicht,  dagegen  finden  wir  sie  am 
31.  August  1618  an  der  Leiche  des  Vaters  in  Fischhausen.  Der  blöde  Herr  war  am 
27.  August  1618  nach  11  Uhr  in  der  Nacht  „in  wahrer  Erkenntniss  und  Anrufung 
Jesu  Christi  verschieden".    Jetzt  hiess  es  von  ihm:  ,4) 

„So  ruhet  unser  Fürst  im  Grab, 
Der  unsenn  Land  viel  Schatten  gab, 
Da  Gottes  Wort,  Gerechtigkeit, 
Und  Eried  geblüht  in  lange  Zeit, 
Sein  gläubig  Seel  zu  Gott  liinfährt, 
Sein  Nam  und  Stamm  bleibt  ehrenwert." 

Vereint  mit  ihrem  Gemahl  wohnte  Kurfürstin  Anna  den  5.  und  6.  Februar  des 
nächsten  Jahres  der  feierlichen  Bestattung  der  Leiche  bei.  Es  war  ein  kalter  Tag, 
als  man  (5.  Febr.)  mit  ungeheurem  Gepränge  unter  Glockengeläut  nach  dem  Früh- 
stück von  Fischhausen  aufbrach.  Kurfürst  Johann  Sigismund  empfing  die  Leiche 
bei  Spittelhof,  die  Kurfürstin  unter  dem  Schlossthor.  Hier  trat  sie  in  die  Prozession 
ein.  Vor  ihr  ging  der  junge  Prinz  Joachim  Sigismund,  hinter  ihr  ihre  Töchter  Maria 
Leonore  und  Katharina.  Der  Sarg  wurde  in  der  Schlosskirche  abgesetzt  und  von 
hier  am  andern  Nachmittage,  nachdem  man  von  10  bis  2  Uhr  gespeiset,  zur  Dom- 
kirche übergeführt.  Wiederum  ging  die  Kurfürstin  zu  Fuss  im  Zuge  bis  vor  die  neue 
Herberge.  Ein  auf  der  Wallenrodtschen  Bibliothek  befindliches  Kupferwerk  zeigt  uns 
(Blatt  28)  die  Kurfürstin  im  schwarzen  Kleide,  über  das  eine  weisse  Tracht  geworfen 
ist,  deren  Zipfel  ihre  beiden  Führer  in  den  Händen  halten.  Sie  ist  so  vermummt, 
dass  man  vom  Gesicht  nichts  sieht,  denn  die  bis  zu  den  Augen  herabreichende  Haube 
und  der  weisse  Ueberwurf,  von  dem  nichts  bedeckt  wird,  als  der  Muff,  in  dem  die 
Hände  stecken,  stossen  beinahe  zusammen. 

Von  der  neuen  Herberge  aus  fuhr  die  Kurfürstin  in  die  Kirche  und  wohnte  der 
Leichenfeier  bis  63/4  Uhr  abends  bei.  '*) 

Wenige  Monate  danach  (23.  Dezbr.  1619)  hielt  Anna  ihren  sterbenden  Gemahl 
in  den  Armen,  der  nach  der  Sage,  durch  die  Erscheinung  der  weissen  Frau  erschreckt, 
bereits  am  27.  November  im  47.  Jahre  seines  Lebens  die  Regierung  niedergelegt  und 


M)  N.  Pr.  Prov.-Bl.  XI,  S.  324. 

,&)  Die  ganze  Feierlichkeit  ist  genau  beschrieben  N.  Pr.  Prov.-Bl.  XI,  321—340. 

Altpr-  MoMtMchrift  Bd.  ZXIL  Hft.  3  u.  L  24 


362  Kritiken  und  Referate. 

die  Wohnung  seines  geheimen  Kämmeres  bezogen  hatte.    Gichtschmerzen  und  einige 
Schlaganfälle  führten  das  frühe  Ende  des  edlen  Fürsten  herbei. 

Bald  fiel  in  die  tiefe  Trauer  der  vielgeprüften  Fürstin  ein  heller  Lichtstrahl. 
Gustav  Adolf  von  Schweden  hatte  seine*  Jugendliebe  dem  Willen  seiner  strengen 
Mutter  opfern  müssen.  Ebba  Brahe  war  mit  Jakob  de  la  Gardie  dem  Henku  im 
russischen  Kriege,  auf  den  Gustav  Adolf  nicht  ohne  Eifersucht  blickte,  vermählt 
worden.  Der  junge  König  suchte  Anfangs  August  161S  Zerstreuung  auf  einer  Rei>c 
nach  Deutschland,  von  der  er  jedoch  bereits  am  20.  Augibt  in  Calmar  eintraf.  Kr 
war  nur  bis  Berlin  gekommen.  Zwei  Jahre  vorher  hatte  ihn  sein  Agent  Birkhold 
auf  die  vollendete  Schönheit  der  Prinzessin  Marie  Eleonore  aufmerksam  gemacht, 
ohne  sich  zu  erkennen  zu  geben,  hatte  er  siel»  nun  persönlich  von  derselben  über- 
zeugt. Schon  im  nächsten  Jahre  liess  er  durch  seinen  Kammerjunker  Gustav  Horu 
Johann  Sigismund  und  dessen  Gemahlin  Anna  seinen  Besuch  ankündigen.  Hörn 
sollte  genau  den  Eindruck,  welchen  diese  Meldung  machte,  beobachten.  Dass  Gustav 
Adolf  sich  denselben  von  vornherein  günstig  gedacht,  geht  daraus  hervor,  das*  er 
bereits  in  Stockholm  Anstalten  zu  bräutlichem  Empfange  machte.  Der  Tod  Johann 
Sigismunds  durchkreuzte  seine  Pläne,  doch  wurden  dieselben  im  nächsten  Frühjahr 
wieder  aufgenommen.  Im  April  1620  segelte  Gustav  Adolf  zur  persönlichen  Braut- 
werbung von  Stockholm  ab. 

Axel  Oxenstjerna  erzählt  hierüber'0):  „Anno  1620  war  Seine  Königl.  Majestät 
von  Schweden,  mein  allergnädigöter  König  ungekannt  in  Berlin  bei  der  Branden- 
burgischen Kurfürstin  Wittwe  und  verabredete  da  eine  Heirath  zwischen  ihm  und 
Ihrer  Gnaden  der  Fräulein  Maria  Elenora." 

Ausführlicher  berichtet  der  König  selbst  in  seinem  Tagebuche  über  seine  Braut- 
werbung: „Sonnabend  kamen  wir  nach  Berlin;  die  vorhergehende  Nacht  lagen  wir 
in  einem  Dorf,  heisst  Blisendorf,  von  da  folgte  mein  Schwager  (der  Pfalzgraf  Johann 
Kasimir)  zunächst  nach  Potsstamb,  und  da  bekamen  wir  Briefe  vom  jungen  Chur- 
fursten  (Georg  Wilhelm)  und  wie  wir  sie  bekamen,  ritten  wir  nach  Sällendorp  (Zehlen- 
dorf), trennten  uns  vom  Pfalzgrafen.  —  Uns  war  ein  Losement  bei  Retzlow  genannt. 
als  wir  dahin  kamen,  sah  er l7)  uns  für  englische  Soldaten  an  und  wollte  uns  nicht 
herbergen;  ebenso  gings  bei  einem  Andern.  Endlich  kamen  wir  in  Arnheimba ,8) 
Losement  und  da  wurden  wir  aufgenommen.  Arnheimb  wusste  nichts  davon,  kam 
aber  auch  hinein,  erschrack.  Ging  deshalb  um  9  Uhr  (Sonntags)  auf  das  Schloss: 
kam  recht  zum  Anfang  der  Predigt.    Wie  ich  in  das  Vorzimmer  kam,  wo  die  Leute 


,6)  Anno  tal.  PalmskölcUshe  Handschr.  T.  36,  abgedr.  in  Geijers  Gesch.  Schwed. 
HI,  S.  709  Anm.  2,  wo  sich  auch  der  Bericht  aus  dem  Tagebuch  des  Königs  findet. 

")  Der  Wirt. 

,8)  Joh.  Georg  v.  Arnim,  der  nachmalige  Sieger  von  Breitenfeld,  ein  Ucker- 
märker,  stand  damals  in  schwedischen  Diensten.  Durch  ihn  unterhandelte  Gustav 
Adolf  mit  der  Kuxfürstin  über  seinen  Empfang. 


Alterthumsgeseltschaft  Prussia  1884.  363 

niul  die  Junker  sausen,  wunderte  sich  jeder,  wer  ich  wäre  und  was  ich  wollte. 
Interim  ging  die  Predigt  an;  der  Text  war  vom  reichen  Manne,  die  Vorrede  wie  wir 
hier  in  der  Welt  eine  Komödie  spielen  und  wie  verschieden  Gott  das  Alles  regiere, 
die  Personen  austheüe,  die  wir  Menschen  hier  in  dieser  Welt  agiren  sollen.  Nach 
vollendeter  Predigt  schaffte  man  die  fort,  die  man  nicht  zu  Zuschauern  haben  wollte 
und  ich  wurde  hineingernfen.  Meine  Kede  an  die  Churfürstin.  Ihre  Antwort.  Nach- 
her führte  man  mich  in  die  Kammer  der  Herzogin  von  Curland. lö)  Wurde  discutirt 
über  das,  was  auf  der  Reise  geschehen.  Unterdessen  war  die  Mahlzeit  fertig  und  ich 
eingeladen  beim  Essen  zu  bleiben." 

Gustav  Adolf  geht  über  seine  Werbung  kurz  hinweg.  Dieselbe  wurde  mit  Be- 
geisterung aufgenommen  von  Mutter  und  Tochter.  Anna  brauchte  einen  Zufluchts- 
ort, in  welchem  sie  ungestört  dem  lutherischen  Bekenntniss  nachleben  konnte.  Wo 
konnte  sie  den  besser  linden,  als  in  dem  orthodoxen  Schweden?  Ihr  Sohn  George 
Wilhelm  war  weniger  zur  Duldsamheit  geneigt,  als  ihr  entschlafener  Gemahl,  zumal 
die  Mutter  ihm  herausfordernd  entgegentrat.  Während  seiner  Abwesenheit  liess  sie 
den  Dr.  Balthasar  Meissner  aus  Wittenberg  nach  Berlin  kommen,  welcher  daselbst 
auf  dem  Schlosse  in  ihren  Gemächern  Predigten  hielt.  Man  untersagte  demselben 
den  Aufenthalt  in  der  Residenz.20)  Da  entschloss  sich  Anna,  dem  Vaterlande  Lebe- 
wohl zu  sagen.  Auch  Gustav  Adolf  beschleunigte  den  Termin  seiner  Hochzeit. 
Axel  Oxenstjerna  schloss  die  üblichen  Verhandlungen  ab  und  geleitete  Mutter  und 
Tochter  nach  Stockholm,  wo  am  28.  November  das  Beilager  festlich  begangen  wurde. 

Bald  genug  fand  Anna  Gelegenheit,  der  Tochter  helfend  und  tröstend  zur  Seite 
zu  stehen.  Nur  kurze  Honigmonden  waren  dem  jungen  Paare  zugemessen.  Am 
24.  Juli  1G21  zog  Gustav  Adolf  in  den  polnischen  Krieg.  Der  Trennungsschmerz 
warf  seiue  Gemahlin  aufs  Kiankenlager,  und  noch  leuchteten  in  der  Ferne  die  Segel 
der  schwedischen  Flotte,  als  sie  einer  toten  Tochter  genas.  „Ich  muss  meines  Hauses 
Elend  beklagen",  schrieb  Gustav  Adolf  (29.  August  1621),  „darinnen  Gott  mich  ge- 
straffet  hat,  indeme  mein  Gemahlin  ein  dot  geboren  Kind  zur  Welt  getragen."21) 

Nur  wenige  Monate  brachte  Gustav  Adolf  in  der  Heimath  zu.  Erst  das  Jahr 
1624  gewährte  ihm  einige  Ruhe.  Da  siedelte  Kurfürstin  Anna  wieder  nach  Cöln  an 
der  Spree  über  und  füllte  ihren  Lebensabend  durch  Unterredungen  mit  dem  refor- 
mierten Oberhofprediger  Dr.  Bergius  über  die  verschiedenen  Glaubensbekenntnisse  aus. 
Wie  wenig  es  dem  gelehrten  Geistlichen  gelungen,  ihren  lutherischen  Standpunkt  zu 
verrücken,  geht  daraus  hervor,  dass  sie  in  ihrem  eigenhändig  geschriebenen  Testament 
ausdrücklich  verordnete,  in  ihrer  Leichenpredigt  die  Reformierten  zu  bekämpfen.   Sie 


,0)  Sophia,  Anna's  Schwester,  welche  1609  den  Herzog  Wilhelm  von  Curland 
geheiratet  hatte. 

20)  Nicolovius  S.  130. 

*')  Geijer  IU,  S.  171  Anm.  1. 

24* 


364  Kritiken  und  Referate. 

entschlief  sanft,  48  Jahre  8  Monate  20  Tage  alt  unter  Gebetsseufzern  in  der  Nacht 
vom  21).  zum  30.  März  1025.  Vier  Kinder  überlebten  sie,  der  energielose  Georg 
Wilhelm,  der  Nachfolger  ihres  Gemahls  (geb.  3.  Nov.  1595),  Anna  Sophia  (geb. 
17.  März  1598),  Gemahlin  des  Herzogs  von  Braunschweig-Lüneburg,  die  Schweden- 
königin Maria  Elenore  (geb.  11.  Nov.  1599)  und  Catharina  (geb.  28.  Mai  1602),  welche 
erst  den  Fürsten  Bethlen  Gabor  von  Siebenbürgen  und,  nach  dessen  Tode  den  Herzog 
Franz  Carl  von  Lauenburg  heiratete. 

Testamentarisch  hatte  sie  die  Ueberiülnung  ihrer  Leiche  in  die  väterliche  Gruft 
im  Königsberger  Dom  befohlen,  in  welcher  noch  heute  ein  Zinnsarg  ihre  Gebeine 
umlasst.  Ihre  Grabschrift  nennt  sie  eine  eifrige  Verteidigerin  ihres  Glaubens,  eine 
willfährige  und  freundliche  Gattin,  eine  sanfte  fürsorgliche  Mutter,  eine  gütige  Herrin 
und  Wohlthäterin  der  Armen,  die  gerne  aus  diesem  Leben  geschieden  sei. 

Wir  machten  am  Anfange  unserer  Erzäldung  die  Mutter  Maria  Eleonore  zum 
Massstabe  ihrer  Tochter  Anna.  Prüfen  wir  die  Mutter  Anna  noch  an  ihrer  Lieblings- 
tochter Maria  Eleonore,  die  auch  durch  ihren  spätem  Aufenthalt  in  Insterburg 
unserer  Provinz  angehört.22)  Von  dieser  sagto  ihre  Tochter  Christine,  die  man 
schwerlich  überschwenglicher  Kindesliebe  zeihen  wird:  „Sie  besässc  ebenso  alle  Schwach- 
heiten, wie  alle  Tugenden  ihres  Geschlechts."  Sollte  dieses  Wort  auch  bei  Anna  zu- 
treffen, so  hat  sie  ihre  Schwachheiten  mit  allen  Frauen  geteilt,  aber  ihre  Tugenden 
für  sich  gehabt. 

Nach  den  Ehepakten  sollte  Anna  30,(XX)  Gulden  Heiratsgut  erhalten.  Zur 
Aufbringung  dieser  Summe  wurde  am  15.  März  1594  ein  Landtag  einberufen,  der 
nach  verschiedenen,  zum  Teil  äusserst  peinliehen  Verhandlungen  am  16.  Mai  den 
verlangten  Brautschatz  zwar  bewilligte,  aber  an  seinen  Glückwunsch  zur  Verlobung 
gleich  die  Bitte  knüpfte,  künftig  solcher  Zumutung  enthoben  zu  werden.  Auch  unter- 
liess  man  nicht  bei  dieser  Gelegenheit,  um  die  Besetzung  der  preussischen  Bistümer 
„nach  Inhalt  der  Privilegien"  zu  petitionireu.  Auch  die  Einlösung  einer  landständi- 
schen Verschreibung  über  30,500  M.  „Pathenpfenmg",  in  deren  Besitz  sich  die  fürst- 
liche Braut  befand,  wollte  der  Landtag  auf  sich  nehmen,  bat  dabei  aber  um  Ab- 
Btellung  der  General-  und  Privatbeschwerden.23) 


M)  Sie  starb  daselbst  1055.  Van  Baren,  das  Schloss  Insterburg,  (Insterburg. 
Wilhelmi.  1883)  nennt  sie  S.  20  unrichtig  „die  Schwester  des  grossen  Kurfürsten"; 
sie  war  die  Tante  desselben  und  führte  den  damals  13jährigen  Knaben  zu  Wolgast 
an  die  Leiche  ihres  grossen  Gemahls,  ein  Moment,  den  Fritz  Schulz  auf  einem  er- 
greifenden Gemälde  dargestellt  hat. 

*3)  Toppen,  die  preussischen  Landtage  während  der  Regentschaft  des  Mark- 
grafen Georg  Friedrich  von  Anspach.   Progr.  d.  Gymn.  zu  Hohenstein  1867  S.  10—15- 


Mittheiluiigen  und  Anhang. 

Verzeichnis** 
der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ostpreussens 
enthaltenen  Abhandlungen  zur  Geschichte  von  Ost-  u. Westpreussen. 

Vorbemerkung. 

Vor  etwa  fünf  Jahren  wandte  ich  mich  an  die  beiden  Provinzial-Schulkollegien 
von  Ostpreussen  und  von  Westprcusscn  mit  der  Bitte,  von  denjenigen  Programmen 
der  unter  ihrer  Verwaltung  stehenden  Schulanstalten,  welche  Abhandlungen  zur 
Provinzialgeschichte  enthalten,  Verzeichnisse  anlegen  und  diese  entweder  selbst  ver- 
öffentlichen oder  mir  zum  Zwecke  der  Veröffentlichung  überweisen  zu  wollen.  Die 
genannte  westpreussische  Behörde  in  Danzig  (Provinzial-Schulrath  Dr.  Kruse)  hatte 
die  Freundlichkeit  meiner  Bitte  sofort  nachzukommen  und  Hess  in  dem  2.  Hefte  der 
„Zeitschrift  für  Westpreussische  Geschichte",  1N80,  S.  97—99  ein  „Verzeichnis  der 
landesgeschichtlichen  Abhandlungen  in  westpreussischen  Programmen"  abdrucken. 
Hier  in  Königsberg  dagegen  traten  zunächst  einige  Hindernisse  entgegen,  und  erst  im 
letzten  Winter  erhielt  ich  durch  die  Güte  des  Herrn  Prov  iuzial-Schulrath  Dr.  Trosien 
eine  amtliche  „Zusammenstellung  der  durch  die  Programme  der  höheren  Lehranstalten 
der  Provinz  Ostpreussen  veröffentlichten  Abhandlungen  in  Bezug  auf  die  Geschichte 
Ost-  und  Westpreussens".  Inzwischen  hatte  auf  meine  Veranlassung  bereits  auch 
Herr  Dr.  G.  v.  Frisch,  Lehrer  am  Progymnasium  des  hiesigen  königl.  Waisenhauses, 
ein  Verzeichniss  der  einschlagenden  Programme  zusammengestellt.  Aus  beiden  Samm- 
hingen, die  natürlich  im  Wesentlichen  übereinstimmen,  aber  doch  auch  gegenseitige 
Ergänzungen  bieten,  ist  das  nachstehende  Verzeichniss  hervorgegangen. 

Den  beiden  königlichen  Behörden  für  ihr  geneigtes  Entgegenkommen  und  Herrn 
Dr.  v.  Frisch  für  die  freundlichst  übernommene  mühevolle  Arbeit  meinen  Dank  ab- 
zustatten darf  ich  auch  an  dieser  Stelle  nicht  unterlassen. 

Als  Beilagen  gebe  ich  1)  Ergänzungen  zu  den  westpreussischen  Programmen 
und  2)  einige  einschlagende  Programm-Abhandlungen  auswärtiger  Schulen,  die  mir 
theils  durch  eigene  Einsicht,  thcils  auch  nur  durch  gelegentliche  Erwähnung  bekannt 
geworden  sind.  Karl  Lohmeyer. 


366  Mittheilungen  und  Anhang. 

Hartenstein,  Gymnasium. 

1875.  Schottmüller:  Die  Krügerin  von  Eichmedien. 

Braunnberg,  Gymnasium. 
1813.   (?)  Nachrichten  über  den  bisherigen  Zustand  dos  Gymnasiums. 
1830.   8.  Gerlach:  Gescluchte  des  Gymnasiums.    I.  Abschnitt. 
1832.   —    —      II.  Abschnitt. 
1837.   -l_    __    in.  Abschnitt. 
1842.   J.  A.  Lilienthal:   Geschichte  des  Magistrats  der  Altstadt  Braunsberg  von   «1er 

ältesten  Zeit  bis  zur  preussischen  Besitznahme  im  Jahre  1772. 
1865.   J.  J.  Braun:    1)  Geschichte  des  Königl.  Gymnasiums  zu  Braunsberg  während 

seines   300jährigen   Bestehens.    2)  Aufzählung   der   Programme    von 

1812  bis  1864. 
1868.   KawozyAski:   Polnisch  -Preussen   zur  Zeit   des   zweiten  schwedisch-polnischen 

Krieges  von  1655—1660. 
1874.    —    —    Polnisch -Preussen  zur  Zeit  des  ersten  schwedisch -polnischen  Kriege* 

von  1626  bis  1629.    I.  Ereignisse  des  ersten  Kriegsjahres. 

1876.  —    —     IL  Theil.    Ereignisse  des  zweiten  Kriegsjahres. 
1878.   —    —    III.  Theil.    Ereignisse  der  beiden  letzten  Kriegsjahre. 

1885.   E.  Dombrow8kl:  Studien  zur  Geschichte  der  Landauf  theil  ung  bei  der  Kolonisation 

des  Ermlands  im  XIII.  Jahrhundert. 

Guinbinuen,  Gymnasium. 

1809.  J.  W.  R.  Clemens:  Einige  Bemerkungen  über  den  gegenwärtigen  Zustand  de> 

Stadtschulwesens  in  Preussen. 

1810.  —    —    Vorläufige  Nachricht  von  der  Königl.  Provincialschule  zu  Gumbinnen. 
1813.    —    —    Nachricht  von  dem  Königl.  Friedrichs-Gymnasium  zu  Gumbinnen. 
1815.   —    —    Beiträge  zur  Geschichte  der  ehemaligen  Friedrichs-Schule  in  Gum- 
binnen.   Erster  Abschnitt. 

1823.  J.  D.  Prang:  Chronik  des  Gymnasiums  von  Ostern  1817  bis  Michaelis  1823. 

1824.  —    —    lieber   die   Ursachen    der    steigenden   Frequenz    der   Gymnasien  in 

Littauen,  Ost-  und  Wcstpreussen. 

1865.  J.  Amoldt:   Beiträge  zur  Geschichte  des  Schulwesens  in  Gumbinnen.    Erste 

Stück.    (1724-1764.) 

1866.  —    —    Zweites  Stück.    (1764—1809.   I.) 

1867.  _    _    Drittes  Stück.    (1764-1809.  IL) 

—    C.  Kossack:  Historischer  Bericht  über  das  Turnwesen  und  den  Turnbetrieb  an 
dem  Königl.  Friedrichs-Gymnasium  während  der  Jahre  1839—  18i>7. 

1868.  J.  Arnoldt:  Beiträge  ete.    Viertes  Stück.    (1764—1809.  III.) 

Höllenstein,  Gymnasium. 
1853.  J.  Heinicke:   Johann  Saryusz  Zamoyski  von  Zamos'c,  Grosskanzler  und  Krön- 

feldherr  von  Polen. 


Veraeichn.  der  in  d.  Progr. . . .  enthalt.  Abhandl.  s.  Gesch.  v.  Ost-  u.  "Westpr.    367 

1855.  M.  Toeppen:  Beitrag  zur  Geschichte  Prcusssns  unter  der  Regierung  der  Her- 
zöge. Die  preusskchen  Landtage  zunächst  vor  und  nach  dem  Tode 
des  Herzog«  Albrecht. 

ltS56.    —    —    Historisch-komparative  Geographie  von  Preussen.  I.  Abschnitt.  Preussen 

in  der  heidnischen  Zeit. 

1S59.    —     —    Geschichte  des  Amtes  und  der  "Stadt  Höllenstein,  nach  den  Quellen 

dargestellt.    Theil  I. 

1800.    —    —    Theil  U. 

18f>5.   —    —    Die  preussischen  Landtage  während  der  Regentschaft  des  Markgrafen 

Georg  Friedrich  von  Ansbach  (1577— 1G0Ö). 

1866.  —     —     Fortsetzung. 

1867.  —     —    Schluss. 

1S74.  J.  Heinicke:  Der  Aufstand  des  polnischen  Adels  gegen  Siegmund  IU.  Wasa. 

Insterburg,  Gymnasium. 

1860.  Th.  Preuss:   Ewald  Friedrich   von  Hertzberg.     Ein   biograplüscher  Versuch. 

Theü  I. 

1861.  —     -     Theü  U. 

1876.  C.  Wiederhold:  Geschichte  der  Lateinschule  zu  Insterburg.    I.  Teil. 

1577.  —    —      H.  Teil. 

1578.  —    —    III.  Teü. 

1883.   H.  Toews:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Insterburg.   (I.  Jahrhundert.) 

Königsberg,  Altstädtisches  Stadt-Gymnasium. 

1755 Die  Feyerlichkeit,  womit  die  Altstädtische  Parochialschule  das  An- 
denken der  vor  fünfhundert  Jahren  geschehenen  Anlage  der  König- 
lichen preussischen  Haupt-  und  Residenzstadt  Königsberg  den  l.  Mai 
des  Jahres  1755  erneuren  wird,  kündigen  in  diesen  Blättern  an  und 
laden  dazu  alle  Gönner  der  Musen  und  erfreuete  Patrioten  durch 
einige  Betrachtungen  über  das  Wachsthum  der  Stadt  Königsberg 
ergebenst  uud  freundlich  ein  die  Lehrer  derselben  Schule. 

1774.  J.  Chr.  Daubler:  Gegenwärtiger  Zustand  der  Altstädtischen  Parochialschule. 

1794.  J.  M.  Hamann:  Kurze  Nachricht  von  der  Altstädtisch-Latcinischcn  Stadtschule. 

1825.   K.  L.  Struve:  Einige  statistische  Bemerkungen  über  die  Anstalt  seit  dem  J.  1814. 

1*47.  R.  Moeller:  Geschichte  des  Altstädtischen  Gymnasiums  von  seiner  Gründung 
bis  auf  die  neueste  Zeit.    I.  Theil. 

1848.  -    -      II.  Theü. 

1849.  -    -    HI.  Theil. 
1851.  -    —    IV.  Theü. 

1855.  J.  Schumann:  Beitrag  zur  Statistik  des  Altstädtischen  Gymnasiums. 
1869.  6.  Bujack:  Der  Deutsche  Orden  und  der  Herzog  Witold  von  Littauen. 


368  Mittheilungen  und  Anhang1. 

1874.  R.  Moeller:  Geschichte  des  Altstädtibchcn  Gymnasiums.    Stück  V. 

1878.  —    —    Stück  VI. 

1881.  —    —    Stück  VII. 

1883.  —    —    Stück  VIU. 

1884.  —     —    Stück  IX. 

1885.  —    —    Stück  X. 

Königsberg,  König].  Friedrichs-Collegium. 
1793.   8.  G.  Wald :  Geschichte  und  Verfassung  des  Collegii  Friedericiani  zu  Künig.4>cr?. 
1795.   —    —    Ueber  den  Unterricht  in  der  deutschen  Schule  des  Königl.  Collogü 

Friedericiani. 
1800.   —    —    Verzeicliniss  der  von  1789—1800  aus  dem  Collegio  Friedericiano  zur 

Akademie  entlassenen  Schüler. 
1808.   —    —    Ueber  das  Collegium  Friedericianum,  dessen  Tendenz  und  Wirksamkeit. 
1814.   F.  A.  Gotthold:   Zur  Geschichte  des  neu  eingerichteten  Friedrichs-Collegiuia> 

zu  Königsberg  in  Preussen. 
1818.   —    —     II.  Theü. 

1822.  —    —    III.  Theil. 

1823.  —    —    Ein  Blick  auf  Ostpreussens  und  Litthauens  Bildungsanstalten  vor  dem 

Jahre  1810.    I.  Abtheilung. 

1824.  —    —    IL  Abtheüung. 

1825.  —    —    Geschichte  des  Friedrichs-Kollegiums  von  Michaelis  1822  bis  Michaeli* 

1825. 

1839.   J.  G.  Bujack:   Geschichte  des  Preussischen  Jagdwesens  von  der  Ankunft  des 

Deutschen  Ordens  in  Preussen  bis  zum  Schlüsse  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts, mit  besonderer  Bezugnahme  auf  einige  schwierige  Aufgaben 
der  Zoologie. 

1847.   K.  F.  Merleker:  Annalen  des  Königl.  Friedrichs-Collegiums. 

1851.  —  —  Friedrich  August  Gotthold's  Autobiographie  aus  dem  Michaelis-Pro- 
gramm des  Friedrichs-Kollegiums  von  1814,  nach  handschriftliehen 
Quellen  dargestellt. 

1855.  Urins  Natalicia  Sexcentesima  saeculari  carmine  celebraverunt  Collegii  Friederi- 
ciani Rector  et  Magistri. 

1855.   J.  Horkel:    Der  Holzkämmerer  Theodor  Gehr   und   die   Anfänge   des  Königl. 

Friedrichs-Collegiums  zu  Königsberg  nach  handschriftlichen  Quellen 
dargestellt. 
Königsberg;*  Kneiphöfisches  Stadt-Gymnasium. 

1785.  G.  Chr.  Pisanski:  Nachricht  von  dem  gelehrten  Königsberger  Melchior  Gvilandin. 

1786.  —    —    Nachricht  vom  Gregoriusfeste  der  Schulen. 

1831.   A.  L.  J.  Ohlert:  Geschichtliche  Nachrichten  über  die  Domsebule  zu  Königsberg 

in  Ostpr.  von  deren  Stiftung  im  14.  Jahrhundert  bis  Michaelis  1831. 


Veneichn.  der  in  d.  Progr. . . .  enthalt.  Abhandl.  s.  Gesch.  v.  Ost-  u.  Weitpr.    369 

18,37.   F.  A.  Witt:    Geschichte  des  Lchnsverhältnisses  zwischen   dem  Herzogthume 

Preussen  und  der  Krone  Polen  während  der  Regierung  des  Herzogs 
Albrecht.    1525  -1568. 

1&V6.   —    —    Der  preussische  Landtag  im  Februar  1813. 

1S(>5.   R.  F.  L.  Skrzeozka:  Ein  Beitrag  zur  Geschichte   des  Kneiphöfschen  Stadt- 
Gymnasiums  im  17.  Jahrhundert. 

1.S66.    —    —    Zweiter  Beitrag  zur  Geschichte  etc. 

1*75.   F.  Krosta:  Masurische  Studien.    Land  und  Volk  in  Masuren.   Ein  Beitrag  zur 

Geographie  Preussens. 

1«7G.   —    —    Masurische  Studien.  Ein  Beitrag  zur  Geographie  der  Provinz  Preussen. 

(Fortsetzung.) 
Königsberg,  Progymnasiuni  des  Königl.  Waisenhauses. 

1879.   Dembowski:  Zur  Geschichte  des  Königl.  Waisenhauses  zu  Königsberg  L  Pr. 

Theü  I. 

1881.    —    —  .  Theil  U. 

1S82.   —    —    Teü  in. 

1SS3.   —    —    Teü  IV. 

1884.  —    —    Teü  V. 

1885.  -     -    Teü  VI. 

Königsberg,  Realgymnasium  auf  der  Burg. 
18150.   H.  Schultz:  Der  Friede  zu  Oliva  vom  3.  Mai  1660.    Erster  Theü. 

Königsberg,  Städtisches  Realgymnasium. 
1H'>7.  F.  Krosta:   Wilhelm  von  Modena  als  Legat  von  Preussen.    Ein  Beitrag  zur 

ältesten  preußischen  Kirchengeschichte. 
Königsberg,  Höhere  Privat-Töchterschule  von  M.  Lehmann. 
1NQ4.  Th.  Prengel:   Beiträge  zum  Töchterschulwesen   der  Stadt  Königsberg  Ostpr. 

Die  derzeit  älteste  (Ulrich-Lehmann'sche)  höhere  Privat-Töchterschule. 

Lyck,  Gymnasium. 
1K59.  Horch:  Chronik  der  Stadt  Lyck. 
1*65.  C.  Schaper:  Beitrag  zur  Geschichte  der  Lycker  Provinzialschule. 

Rastenburg,  Gymnasium. 
1846.  J.  W.  6.  Heinlcke:  Zur  ältesten  Geschichte  des  Königl.  Gymnasiums  zu  Rasten- 
burg bis  in  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  zur  dritten  S&kularfeier. 
Rössel,  Gymnasium. 
1*41.  A.  A.  Drtki:  Notizen  über  das  ehemalige  Augustinerkloster  in  Rössel. 
1842. Dasselbe.  (Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Königl.  Progymnasiums  da- 
selbst).   (Fortsetzung.) 
1845.   —     —    (Fortsetzung.) 

1&8.  J.  A.  Lilienthal:   Fortsetzung   der   Beiträge   zur  Geschichte  des  Königl.  Pro- 
gymnasiums in  Rössel  von  1780  bis  1835. 


370  Mittheilangen  und  Anhang. 

1867.   J.  Frey:  Rückblick  auf  die  frühere  Geschichte  der  Anstalt. 

1880.   —    —    Geschichte  des  Gymnasiums  zu  Rössel  bis  1780.    Erste  Hälfte. 

Tilsit,  Gymnasium. 

179G.   J<  W«  R.  Clemens:  Beiträge  zur  Geschichte  der  Königl.  Provincialschule  zu  Tflse 

in  Ostpreussen.    Krater  Abschnitt. 

(1808.)  —  —  Nachricht  von  den  seit  1791  in  der  Königl.  Provincial-  und  Stadt- 
schule zu  Tilse  gemachten  Einrichtungen.  Bei  seinem  Abschiede  von 
der  Schule  als  Rechenschaft  an  das  Publikum. 

1844.   Fr.  Schneider:  Die  Würde  der  Schlosshauptleute  und  ihr  Verhältnis*  zu  den 

Magistraten  der  kleinen  Städte  im  Hcrzogthume  Preussen. 

1853.  —    —    Geschichte   der   Provinzial-   oder  Fürstenschule  in  Tilsit   von   ihrer 

Gründung  bis  zu  ihrer  Verwandlung  in  ein  königl.  Gymnasium. 

1854.  —    —    Dasselbe.   (Schluss.) 

18G6.   H.  Pöhlmann:  Beitrage  zur  Geschichte  des  Königlichen  Gymnasiums  zu  Tilsit. 

Erstes  Stück.    Valentin  Tenner,  Rektor  der  fürstlichen  Schule  zu  Tilsit 
1586-1598. 

1873.  —    --    Zweites  Stück.    Die   fürstliche   oder   Provinzial-Schule  zu  Tilsit  von 

1598—1682. 

1874.  —    —     Drittes  Stück.    Die  Kurfürstliche,  dann  Königliche  Provinzial-Scliule 

von  1682-1748. 

1875.  —     —     Viertes  Stück.    Die  Königliche  Provinzial-Schule  von  1748—1791. 
—     —    — -    Nachricht  über  die  auf  der  Lehrer-Bibliothek  des  Königl.  Gymnasium* 

zu  Tilsit  vorhandenen  Handschriften  Hnd  alten  Drucke. 

1876.  —     —    Beiträge   zur   Geschichte   des  Königl.  Gymnasiums.    Fünftes  Stück. 

Die  Königliche   Provinzialschule   bis   zu   ihrer   Umwandlung  in  ein 
Königliches  Gymnasium  1791—1812. 
1878.    —    —    Zur  Erinnerung  an  Gottlieb  Theodor  Fabian. 

Tilsit,  Realgymnasium. 
1870.   Fr.  Fleischer:  Die  Schweden  in  und  um  Tilsit  im  Winter  1678/9. 
1885.  A.  Thomas:   Litauen  nach  den  Wegeberichten  im  Ausgange   des  vierzehnten 

Jahrhunderts. 

Ergänzungen  zu  den  westpreussischen  Programmen. 

Danzig,  Königl.  Gymnasium. 
1883.   R.  Wartens:  Danzig  im  nordischen  Kriege.    Nach  ungedruckten  Quellen  d« 
Danziger  Ratsarchivs.    1.  Irrungen  während  des  Jahres  1704. 

Danzig,  Handels-Akademie  (Kabrun'sche  Stiftung). 
1882.   0.  Völkel:   Jacob  Kabrun  und  die  Gründung  und  Entwicklung  der  Handels- 
Academie.    (Festsclirift.) 


Verzeichn.  der  in  d.  Progr* . . .  enthalt.  Abltandl.  e.  Gesch.  v.  Ost-  u.  West-pr.    371 

Danzig,  Realgymnasium  zu  St.  Johann. 
1MJ9.   S.  S.  Schnitze:   Beiträge   zu  einer   geographischen   und  naturgeschichtlichen 

Beschreibung  des  Kreises  Carthaus. 
1S7.*>.   E.  Panten:  Das  neue  Schulgebäude. 
Ins).   E.  Kestner:  Eberhard  Perher,  Bürgermeister  von  Danzig.   I.  Theil. 

Danzig.  Realgymnasium  zu  St.  Petri. 
l«w62.   F.  Strehlke:  Aus  der  Umgegend  von  Danzig.    I.   Georg  Försters  Geburtsort. 
ISH2.   R.  Damus:  Zur  Geschichte  des  schwedisch -polnischen  Erbfolgekrieges.    Erster 

Theil:  Das  Kriegs  jähr  1655. 

Elbing,  Gymnasium. 
Ib77.  A.  Reusen:   Wilhelm  Gnapheus,  der  erste  Rector  des  Elbinger  Gymnasiums. 

Zweiter  Theil. 
1S82.   L  Volckmann:  Das  städtische  Gymnasium  zu  Elbing.    (Festschrift;.) 
1SS3.   Anger:  Schluas  des  alten  und  Eröffnung  des  neuen  Gymnasiums  zu  Elbing. 
1H&4.   Kausch:  Verzeichniss  der  Abiturienten  des  Elbinger  Gymnasiums  von  1803—1881 

nebst  Notizen  über  ihre  späteren  Lebensverhältnisse. 

Pr.  Friedland,  Progymnasium. 
1SK5.   Urkunden   der  Stadt  Pr.  Friedland  bis  zum  Jahre  1650,  veröffentlicht  von 
P.  Brennecke. 

Thorn,  Gymnasium. 
1**2.  A.  Voigt:  Geschichte  der  Thorner  Brücke  von  1496—1709.    (Nach  Urkunden 
des  Thorner  Stadt-Archivs.) 

Auswärtige  Programme« 

Aachen,  Gymnasium. 
1<S07.  Spielmanns:   Stanislaus  Hosius,   des  berühmten   ermländischen   Bischofs  und 
Cardinais,  Lehen  und  Wirken,  ein  Characterbild  für  die  studirende  Jugend 
unserer  Tage. 

Berlin,  Dorothecnst&dt.  Realgymnasium. 
l«s7o.  W.  Pierson:  Ueber  die  Nationalität  und  Sprache  der  alten  Preussen. 

Brandenburg  a.  II.,  Realgymnasium. 
1864,  A.  Klautzsch:  Das  Samland.    Vortrag. 

Chemnitz,  Realschule. 
Us74.  H.  Stier:  Graf  Heinrich  von  Plauen,  Hochmeister  des  deutschen  Ordens. 

Chemnitz.  Handels-Lehranstalt. 
1*68.   G.  Baum:  Waren  die  Phönizier  an  der  deutschen  Ostsee-Küste? 

Glehvitz,  Gymnasium. 
1871.  L  Steinmetz;  De  Alberti  senioris,  Borussiae  ducis,  ad  ecclesiae  catholicae  doctri- 
nam  reditu.    Particula  prior. 


372  MlUheflmigea  und  Anhing. 

Llegnlfe,  Gymnasium. 
1631.  J.  K.  Kwhler:  Hat  Foppo  Ton  Ostema  mit  den  d< 
I'reussen  au  der  Schlucht  bei  Wahlatadt  1341 
TremnMn,  Gymnasium. 
1857.    BerwirsJd:   Einige  Betrachtungen  über  die  älteste: 
deren  Umgestaltung  im  13.  und  14.  Juhrhundt 
Wetzlar,  Gymnasium. 
1848.   6.  firaff:  Der  deutsche  Orden,  seine  Entstehung  ob 
kurzer  Uebersicht  dargeatetlt. 


Der  Teifel  in  Flach 

(Eine  Volkssage.)*) 

Aus  Cambridge  in  Massachusets  erhielten  wir  folgen 

„Cambridge 

Ad  den  Redakteur  der  „Altpr russischen  Munat 

Geehrter  Herr! 

Im  T.  u.  8.  Heft  v.  J.  Ihrer  sehr  geschätzten,  an  hies 

Zeitschrift  (18)4,  S.  6t2)   ist  unter  den    in  der  Altert  hu 

getragenen   Sitten,  Gebräuchen  und  Sagen   auch  eine  V 

„Der  Tenfel  im  Flachs",  deren  anmutliiger  Inhalt  mir  zu  ei 

in  Form  des  beifolgenden  Gedichtes  die  Anregung  gab.    I 

Abdruck  des  Gedichtes  in  einem  demnächst  erscheinenden 

Monatsschrift"  würden  Sic  vielleicht  Ihre  Leser  erfreuen. 

Hochacl 

Der  Teufel  einmal  bekam  ein  Gelöst, 
Von  hübeeben  Mädchen  zu  werden  geküs 
Und  schlau  nachgrübelnd  beschloas  er,  st 
Sich  zu  verstecken  unter  dem  Flache. 
Der  Flachs  wird  angefeuchtet  fein 
Von  den  Lippen  der  spinnenden  Mägdele 
„Und  also",  dacht  er,  „sicherlich 
Müssen  die  Mädchen  küssen  mich"! 


*)  Die  Worte:  „Ziehen",  „Rösten",  „Schwingen",  „1 
drücke  der  landschaftlichen  Flachsbereitung. 


Der  Tenfel  im  Flachs.  373 

Gedacht,  gethan;  er  ging  aufs  Feld 
Und  hat  sich  unter  den  Flachs  gestellt, 

Und  Hess  sich  ziehen,  in  Bündel  fugen; 
Dann  musst*  er  auf  der  Baffel  liegen. 

Der  eiserne  Kamm  ihm  Qualen  schafft, 
Doch  er  bestand  sie  heldenhaft. 

Darnach  man  ihn  ins  Wasser  trug 
Zum  Kosten,  und  das  war  bös  genug. 

Doch  nun  das  Brechen  und  das  Schwingen, 
Das  musste  Höllenpein  ihm  bringen. 

Selbst  für  den  Teufel  war's  kein  Spass; 
Doch  er  geduldig  ertrug  auch  das. 

Er  dacht'  an  die  Belohnung  süss, 
Die  ihm  der  Mädchen  Mund  verhiess, 

Und  thät  die  Zähne  zusammenbeissen 
Und  liess  sich  schier  in  Stücke  reissen 

Und  auf  der  Racke  durch  den  Rechen 
Den  Körper  Glied  um  Glied  zerbrechen. 

Jetzt,  da  die  Qual  ein  Ende  nahm, 
Zuletzt  er  in  die  Hechel  kam. 

Doch  hier  liess  ihn  sein  Stolz  im  Stich, 
Das  Hecheln  dünkt  ihm  fürchterlich. 

Er  dachte  nicht  mehr  an  das  Küssen, 
Noch  was  er  vorher  erdulden  müssen, 

Dagegen  dies  nur  Kinderspiel, 
Das  Hecheln  war  ihm  doch  zu  viel. 

Und  lief  davon  und  nahm  Reissaus, 
Das  Hecheln  hielt  er  nimmer  aus.  — 

So  singt  uns  ein  Histörchen  lieb, 

Das  in  dein  Munde  des  Volks  lebendig  blieb. 

Als  ich  es  las,  ich  war  erschreckt, 

Wie  ein  Stück  vom  Teufel  im  Deutschen  steckt. 

Er  trägt  geduldig  die  schwersten  Plagen, 
Nur  das  Hecheln  kann  er  nicht  vertragen. 


374  Mittheilungen  und  Anhang. 

Altpreugsische  Bibliographie  1884. 

(Nachtrag  und  Fortsetzung.) 

Albrecht,  Karl  (aus  Einlage  bei  Elbing),  üb.  einige  Pyrogallussäure-  u.  PhloroglutiD- 

derivate  u.  die  Beziehgn.  zu  Daphnetin  u.  Aesculetin.  I.-D.  Berl.  (fifi  S.  !v 
Anger,  Gvmn.  Dir.  Dr.,  üb.  ELsenwerkzeuge  aus  e.  Urne  von  itomlseti  m.  Abbiltliru. 

[Verhdlgn.  d.  Berl.  Ges.  f.  Anthrop.,  Kthnol.  Sitzg.  v.  18.  Oct.  1^84.  S.  406— 4tH.j 
Arendt,  Paul  (aus  Danzig),  zur  Casuistik  der  Schädelbrüche.  I.-D.  Berl.  (39  S.  v:< 
Dembowski,  Zur  Geschichte  d.  Kgl.  WaiVetihan&cs.  Teil  V.  (Progr.  d.  Kgl.  Waisenli.) 

Kgsbg.  (S.  3—  16.  4.) 
©ietefS,  (Suft,  $orliid}e  Surniere.  (32  6.  ar.  8.)  —60.  [3amuil.  flcniriiroflbf.  tviffrnj  1-- 

SSorträae.  br£fl.  u.  SLtird)oro  u.  ü.  .ftolticirtoiff.   447.  oft   9.Vrlm,  Jöatwl.] 
Spanien  au3  o.  iöoaelpeijpcctroe  [sl>om  <yd*  Junt  sJLKeev.   Secbr.]   Deutsche  Reis-1- 

litt.  üb.  Spanien.  [Magaz.  f.  d.  Lit.  d.  In-  u.  Auslds.  4.]  Moderne  Pjthagon'u-r. 

[Ebd.  16.]    Spanische  Stimmungsbilder.  [Ebd.  34.]    Ein  Roman  aus  SpaniM-h- 

Amerika.   (Rec.)   [Ebd.  43.]    iHafte.    [3)eutfcbe   JHcmie   br*il-  u-   üttcö-  <YieiUi,i. 

IX.  3a&rfl.«  Oft.  3.  6.  257—2*52.1 
©iftel,  Sbeob.  (Bretten),  3acbaria$  SUcbme'ä  foacu.  dürfen hieb  (1582).  [äumMbTmi!. 

Beiblatt  j.  3tidjr.  f.  bilb.  ftunft.  19.  tfabr«.  s3ir.  12.] 
Sittrid),  sJkcf.  Dr.  g.  (Sraim«beifl,)  ^eiträfle  3.  ($rtcb.  ö.  tatbol.  föeformai.  im  ci  ü. 

drittel  b.  16. 3abrb.  I.  R>ift.  3»ibrbud>  b.  ©iJrre^GM  V.  Sft.  3.  ©(f.  6-319—9-.] 
Dohrn,  Prof.  Dr.  R.,    Geburtshilfe    [Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  11.  Fortschr.  in  d.  g<*. 

Medic.   XVIII.  Jahrg.   II.  Bd.   3.  Abth.    S.  585-610.] 
Zur  Kenntnis  des  allgemein  zu  weiten  Beckens.     [Archiv  f.  Gynäkol.  XXII. 

S.  47— 50.]   Ein  veiheiratheter  Zwitter  [Ebd.  S.  225—26.] 
&orfttttunQ,  lanbuwtbfcb«  .  .  .  &r%\\.:  Ob.  Greift.  21.  3abr4-  Äflöbä.  $eper  in  Gcmm. 

52  9fr.  (V4  $.  4.)  Viertelt  baar  n.  n.  1 - 
Dorn,  E.,  B  eineiig,  üb.  d.  Stöpsel rh eostaten  von  Siemens  u.  Halske.   [Annal.  d.  Pb\s. 

u.  Chemie.   N.  F.    Bd.  XXII.   Hft.  4.   S.  558 -577.] 
©Ulf,  3Ilb.,  ber  Srrßana  b.  gebend  3efu.    3"  «ofd>i*fI-  Sluffaßfl-  barflfft.   1.  2bl.:  T\c 

biftor.  Stturjeln  u.  bie  aalitöifaV  iölüte.  Stuttfl.  Siifc.  (XVIII,  359  6.  8.)  4.— 

ba§  Sittenaffeft  I.    [2)ie  neue  3cit.    Statt«.  2.  3abrfl.  6ft.  9.] 

I£...b,  b.  evfte  s2lnfanß  fc.  HircbenconflictS  in  s£reufo.    [6onntaß3?35ei{.  3.  9$offifibfn 

3tfl.  91r.  1.  2.  3.]  %u*  b.  Grlebniff.  b.  $roö.  $reuften  im  3-  1831  b.  evft.  SUiftict. 

ber  Gbolera  [Gbb.  >Kr.  21-25.]  3)a$  sVe|ljal)r  1709/10  in  $reu6cn.  Gin  Gkw* 

flirt  j.  Gholerajabr  1831  [Gbb.  3tr.  28.  ^9.] 
«Wert  Stuis,  2lu£  bet  Somvclt    Gffaus.  M.  <y.  Mit  b.  (2iJ?tbr.O  $ortr.  b.  $erj. 

«erlin.    Scbr'S  SBerl.    (XV,  248  8.  flr.  8.)  5.— 
Eichhorst,  Prof.  Dr.  Herrn.,  Handb.  d.  spcciell.  Pathologie  u.  Therapie  .  .  .    Hett 

29—41.  (Schi.)  (2.  Bd.  XVIII.  u.  S.  5«il— 1274.)  Wien,  Urban  &  Schwarzen- 

berg.  ä  1.— 
Manuale  di  esame  fisico  delle  malattie  interne:    traduz.  dcl  dott.  A.  Bianchi, 

con  aggiunte  originali.  Due  paiti  con  173  incis.  in  legno  ecc.  Fas.  1  ff.  Milaiio. 

ditta  Fr.  Vallardi  edit.-tip. 
Pathologie  u.  Therapie  der  Cholera.  [Wiener  medic.  Presse  ...  32.  33.]  Ueber 

Trichorhexis  nodosa.  [Zeitschr.  f.  klin.  Medicio.  XII,  6.]   Rec.  [Dtsche.  LittzUr. 

No.  1.  32.] 
Eisenbeck,  Emil   (aus  Danzig),   Observationen   in   monetam    Graecam.     Diss.  inaug. 

Berlin.    (32  S.  8.) 
Ellendt,  Prof.  Dr.  Georg,  üb.  Schülerbibliotheken.  III.  Beigabe  z.  Progr.  d.  kgl.  Fried - 

richskolleg.   Kgsbg.   (18.  S.  gr.  4.) 
(Alfter,  £ubw.,  b.  Unroerftl&ti&ftubium  in  ben  U fet.  fünf  2)ecennten.  [Dio  ©eaeuroart.  IG.] 
Entz,  Heinr.,  über  den  Periplus  des  Hanno.    Progr.-Abbdlg.  d.  k.  Gymn.  zu  Marien- 
burg.   Marienburg.    (48  S.  4.) 
Entmann,  Oskar,  Zur  geschichtl.  Betrachtung  d.  deutsch.  Syntax  [Zeitschrift  f.  Völker- 

psych ol.  u.  Sprachwissensch.    XV.  Bd.   S.  387—413.]    Kleine  Nachträge  zu 

Otfrid.   [Ztschr.  f.  dtsche.  Philol.  XVI.  Bd.  S.  70J 
©malb,  2llb.  fiubm.,  S)ie  eroberun»]  ^reufeen*  bureb  b.  3)eutfdjen.    3te§  33u4.    Sie 

©roberfl.  b.  6amlanbe§,  be£  bftl.  notanaend,  öftl.  SBartenS  u.  ©altnbenö.  §alle, 

»crl.  b.  S*fr.  b.  SBaifen^aufeg.  (VUI,  170  6.  gr.  8.)  3.— 


Altpreussische  Bibliographie  1884.  375 

Jamüicti-.ftalenbcr  für  b.  Safer  1^85-    [Eeiaabe  3.  „^nfterburaer  3ta-"]    3»fterburvv 

Enthält  S.  IS — *2:'i;  Bericht  über  die  Schicksale  der  Stadt  Jtagnit  im  7 jähr.  Kiiege, 
wshes.  am  24.  Sept.  1157.    Von  e.   Augenzeugen  in  Briefform  er  zählt. 

Fankidejski,  ks.  lic.  s'w.  teol.,  Klasztory  zeiiskio  w  dyecezyi  chelminskiej.  Pelplin  1883. 
J.  N.  Roman    (VIII.  278  &  8) 

Flach,  Prof.  Dr.  Hans,  Chronicon  Pari  um  rec.  et  praef.  est.  Accedunt  appendix  Chroni- 
Cüruni  reiiquias  coutiuens  et  raarmoris  specinien  partim  ex  Seldeni  apographo 
partim  ex  Maassii  ectypo  descriptam.  Tübing.  Fuess.  (XVII,  41  S.  gr.  8.  m. 
2  Taf.)  2.40. 

-  —  Geschichte  d.  griech.  Lyrik  nacb  d.  Quellen  dargestellt.  Ebd.  (XX,  G98  S. 
gr.  S.)  13.— 

(btofcrton.   (Sine  peroamen.  3fawUe.  [Sluä:  2>cutfcbe  SHeüue]  £übmßen,  Ofumber. 

(IV,  82  6.  8.)   2.- 

Württemberg  n.  die  Pbilologie.  Stuttg.  Metzler.  (°,0  S.  gr.  8.)  -60.  2.  veränd. 

Anfl.  (31  S.)  -60. 

Zu  Aristoteles  Politik.  [N.  Jahrbb.  f.  Piniol,  u.  Pädag.  129.  Bd.  S.  544]  Zum 

Prometheus  des  Aischylos.  [Ebd.  8.827—831.]  Der  ftabelbicbter  silefop  unb  Die 
äfepifcbe  <yabel.  [3>tjcb.  iKmte.  9.  ftabiw  oft.  1.  6.  80-87.]  3roei  perlen  ber 
fcbwcijcriid).  ©fclfcbcmclt.  [11.  oft.]  Xdcfitla.  Gine  borifcbc  Lobelie.  [14.  oft.] 

Slang,  ^taftor  Dt.  t>.,  Sie  uon  3?Ncn  ((Sjcma)  in  Stfeftpreu&nt.  [3tf*r.  b.  bift.  ^er* 
ein*  f.  b.  Dtefl.-8ta.  9Marienroerb.  10.  oft.  6.  33-62.]  $ic  t>.  (Mlocnjteru  in 
SÖcftvr.  [Gbb.  6.  62—64.]  ©efd).  roeftpv.  (Sttter.  9tunbciutefe,  Kcil^of,  t'ofoiufd), 
^arabieS  (Ar.  Marien Werber.)   [(S'bb.  6.  65—84.1 

Forstemann,  E.,  (Dresden)  d.  Verbindung  zwisch.  d.  deutsch.  Bibliotbekeu.  [Central- 
blatt  f.  Bibliothekswesen.  I.  Jahrg.  S.  6—12.]  Systematisch«,  alphabetische, 
chronologische  Anordnung.     [Ebd.  S.  293—303.] 

Sörfler,  tfanbrnbter  in  £born,  ftübrt  Der  ÜManari  ber  4>r&fentation,  bej.  feit  (Smauat. 
b.  btfdj.  ßinilproaefcorbiia..  bei*  äHanacl  b..iiTtunbl.  %id)roeife3  b.  $rAfentation  be3 
Ütfecbfel*  jur  sJlbn)eifuno  ber  aea,.  b.  91cceptanten  e.  flejofl.  ob.  ßefl.  b.  9lu*fte(l*r 
e.  eigenen,  niebt  bomijilirt.,  auf  e.  benimmt.  San  ob.  auf  e.  befttmmte  3^^  nad) 
b.  3luv|tclla.$iaa.e  iauteiiD.  siBecbfebi  im  sißecbfelproüeffe  erbob.  .Ulaae  auf  B^bluna 
brr  ^Öevbfelfumme  uebft  3i"f™  tett  b.  SBerfolItaac?  [^ufaY  SMrdno  f.  äbeoiie  u. 
Itrar.  b.  allci-  Mft.  &bl*.;  u.  Stabfefr.  #b.  45.  6.  229—268.]  Ist  seit  dem 
Inkrafttreten  der  C.  P.  0.  die  Klage  auf  Erfüllung  vor  Eintritt  der  Fälligkeit 
des  Anspruchs  unbedingt  zulässig?  [Ztschrft.  f.  dtsch.  Civilprozess.  VIII.  Bd. 
S.  128—152.] 

[Forster]  Max  Koch,  Ein  Brief  Georg  Forster's.  [Archiv  f.  Litteraturgesch.  XIII, 
4.  1883.]    Zwei  Briefe  v.  Georg  Forster  u.  Willi,  v.  Humboldt.    [Ebd.] 

v.  Fragstein,  Reg.-Baumeister  in  Pillau,  Hänge-Eisenbahn  auf  der  Zuckerfabrik  Hirsch- 
feld am  Elbing-oberländisch.  Caual  mit  Zeichnungen.  [Ztschrft.  f,  Bauwesen. 
34.  Jahrg.  Sp.  151-156.] 

Franz,  Observ.  Dr.  J.,  Festrede,  aus  Veranlassung  v.  Bessers  lOOjähr.  Geburtstag . . . 

tAus:  „Schriften  der  phys-ökon.  Gesellsch.  z.  Königsberg"]  Königsb.  (Berlin, 
Tiedländer  u.  Sohn.)   (24  S.  gr.  4.)   baar  1.— 

Berichtigung  z.  d.  Bonner  Durchmusterung.  [Astron.  Nachr.  No.  2160.1  Helio- 
meter-Beobachtungen des  Cometen  Pons- Brooks.  [Ebd.  No.  2577—78.]  Helio- 
metermessungen von  Doppelsternen  z.  Königsberg.    Ebd.  No.  2590.] 

rjfricbcberß,  sJJt.,  23übcr  au$  Oftpreufeen.  (Sin  %-beitraa  3.  SBorbereita..  b.  300j.  Säfular* 
jeier  ber  ebemal.  tBrobiniialfcbulen  gu  Süfit,  ^nef  u.  eaalfelb.  Ginft  u.  3efci  an 
b.  Oftmarf  b.  beutfdjen  Drben«.  I.  »antoben.  £üjit,  So^auft.  1885  (84).  (VII, 
106  6.  flr.  8.)  l.— 

Friedlaender,  Dr.  Konr.,  Zur  Geschichte  der  Hamburgischen  Bildung  in  der  1.  Hälfte 
d.  17.  Jahrh.   1.  Tl.   Hamburg.   Nolte.    (31  S.  4.)  nn.  2.— 

Friedlaender,  L.,  Rec.  [Wochenschrift  für  klassische  Philol.  hrsg.  v.  Wilh.  Hirsch- 
felder. 1.  Jahrg.  No.  1.] 

tftoelttf,  3E.,  ®ef*id)te  b.  ©raubender  ffreifeS.  [2.  3lufl.]  1.  53b.  1.  £fa.  3)angig, 
Kafemann.    (IV,  80  6.  ar.  8.)   1.— 

Frohne,  August  (aus  Ostpr.,)  Der  Begriff  der  Eigen thümlichkeit  oder  Individualitat 
bei  Scbleiermacber.  I.-D.  Halle.   (33  S.  8.) 


376  MUtheilongea  und  Anhang, 

FrtihlinflL  Stadtbaoratb  A.,  Denkschrift  üb.  Herstellg.  e.  vertieften  Wasserstraße  zwt'sdi. 

Königsberg  i.  Pr.  n.  Pillau . . .   Mit  2  Taf.   Königsb.   Koch  u.  Reiinor.  (•}.")  ;> 

gr.  8.)  baar  1.60. 
Fuchs,  Dr.  Walth.,    Peter  v.  Dusburg  u.  das  Chronicon  OHvense  .  .  .     [Aus:  ,,.\ir- 

preuss.  Monatsschr.]   Kgsbg.   Schubert  u.  Seidel.    (92  S.  gr.  8.)  baar  3.— 
WAßborn,  ®eorge,  Jlömgin  Scbönbifo.  Öin  öebidjt  in  10  ©cjängcit.  &ipj.  ^knjmdnr., 

(62  6.  8.)  3.- 
OdMer,  Dr.  fyaul,  torjigcfajate  ©e{cbid>te  bet  bcutfdjcn  Sanbtoictbfcboft.    SWartigrabiwa. 

SiOiiaii.,  (III,  84  6.  nr.,8.)  —75. 
Barbe.    The  Srauta   Sütra  of  Apastamba  belonging  to  tbe  Black  Yagar  Veda,  with 

the  Commentary  of  Radradatta  edited  by  Dr.  Richard  Garbe . . .  Fase.  VI-IX. 

(Vol.  II.  8.  1—384.)    [Bibliotheca  Indica  No.  496.  98.  507.  520.] 

—  —  Szyrwid's  Punkty  Kazari.  s.  Bezzenberger. 

—  —  Anorganische   nasale   im   auslaut   des   ersten  gliedes   sanskritischer  nominal 

composita.  [Beiträge  z.  kde.  d.  indogerm.  sprach.  IX.  briV  3.  hft.  S.  246— 217. 

Rec.  [Gott.  gel.  Anz.  No.  8.    Dtsche.  LZ.  30.  3s.  45.] 

<$ebanenfta.    Beiträge  3.  ©efer.  $anji^.    3.  ütoeb.:   3ugenblcben  u.  SBanberbüber  v 

Johanna  6d)openbauer.  a.  u.  b.  %.:  ^uocnbleben  u.  2L^aiit»erbi^er  non  ^obanw 

ÄÄopenbülUr.  ftuf»  sJleue  cingciübit  u.  in.  erläut.  3iotia-  nevfeb.  u.  Dr.  3S>.  (Scfarf, 

6tabtfd)ulr.  in  Sanjig.  üttit  b.  öilbnife  u.  e.  Slnfidjt  b.  ©cburttbaujts  tot  $on. 

u.  e.  Xitelbilbe  (Stemtaf.)  nacb  Orig.--3etdmuitg  u.  21.  Senfen.  $aiwg.  ©ertliiw. 

(VI,  185  8.  gr.  8.)  2.40. 
Geffroy,  Eng.,  Theoretische  u.  prakt.  Untsuchgn.  üb.  d.  Verteilg.  d.  Elektricität  beim 

Durchgehen  durch  e.  Metallplatte  von  d.  Form  einer  Lcmniscate  (m.  4  Tai.). 

[Progr.  d.  städt.  Bealgymn.]    Kgsbg.  (26  S.  4.) 
«clegeitWtSaebtÄte  ...    2.  Zbl  3.  SlufL    Xbotn.  Sambect.  <V,  144  e.  M   l.~ 
(Seasctnbeblatt,  enanaeL ...  ßrSg.  t>.  £erm.  (Siteberger.  39.  Sabin.  52  9trn.  a'/.^-i. 
Gteoraitte  .  .  .    52.  Sabra.   ^nftevbuiü.  (($umbhm.  Stevjeh  5.— 
Gerlach,   Reg.- Bauführ.   Friedrich,   Eine  bautechnische  Studienreise   nach   West-  u. 

Ostpr.  Ber.  Üb.  e.  unt.  Leitg.  des  Geh.  Ob.-Bauraths,  Hrn.  L.  Hagen  im  J.  lss-'J 

veranstalt.  Studienreise.  Hrsg.  unt.  Mitwirkg.  einiger  Reisegenoss.  Mit  22  auto- 

graphirt.  Taf.    Berlin.    Springer.    lV,  77  S.    Lex.  8.)  6.~ 
€Jer8,  zDL,  Äalenbarj  #i -6ltwfto*$ru(fi  cwangielidi  na  rof  1885.    ÄönigSb.    öavtuiv. 

(160  6.  8.)  —75. 

©ajeta  8ctfa  .  .  .    fipdt.  xtan  SRicfen.  4. 

Stfcbrebe  geb.  am  20.  3aii.  1884  am  (SimüeibungStage  ber  Äircbe  in  ©rofc  6türlaJ 

.  .  .  find,  eiebert.  (3  ÖL  8.) 
©efangbudj,  (SoangclifcbeS,  für  Oft*  u.  Söeftnr.  (Sntrourf  f  b.  $ro\rinjtalfonobe.  Jfyvfw. 

I  %x.  Oftrr.  3t^.,  u.  8lfl«^3)r.   (VIII,  434  6.  8.) 
(Seaerbebtatt  f.  b.  Vro».  Oft*  u.  äfcftpr.  . .  .    §afcfl-  18E4.  tfgebg. 
©lagau.    $er  fluliurtömpfer.    3ifd>r.  f.  offentL  &ngelgbten.    $r$g.  n.  Otto  Olagau. 

5.  3abrg.  24  £fte.  gr.  8.  Berlin,  ßrpebition.  Siertclj.  8.— 


Berichtigung« 

Band  XXI.  S.  642  Zeile  3  von  unten  lies:  nordwestlishe  statt  südwestliche. 
„     „      „2    »       „        n     Südöstliche  statt  nordöstliche. 
„  645     „   18    „        „        „     nordöstlichen  statt  nordwestlichen. 
„  646    „   15    „        „        „     nordöstliche  statt  nordwestliche. 


Qtdrnekt  in  der  Alb« rt  Bosbach*  »chen  Bnchdraekerei  in  K8nlg«b«rg. 


Literarische  Anzeigen. 


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Im  Verlage  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung  in  Königsberg  in  Pr. 

erschienen  als  Separat-Abdrücko  der  „Altpr.  Monatsschrift": 

Königsberger 

Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten, 

Vortrag, 

gehalten  am  1(5.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshauses  zu  Königsberg  In  Pr. 

von 

Prof.  Dr.  Friedrich  Zimmer. 

Preis   broch.  80  Pf. 


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der 

Stadt  Dirschauu 

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Dr.  Bich.  Petong, 

Erstem  ordentlichen  Lehrer  am  Realprogymnasiam  zu  Dirschau  a.  D. 

Mit  zwei  autogr.  Karten.    Preis  I  Mark. 

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Verlag  von  Reinhold  Kühn  jun. 

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Georg  Hantel. 

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Heft  5  u.  6  erscheinen  als  Doppelheft  Ende  September. 


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NW  5  iföi) 


Altpreussische 


Monatsschrift 

neue  Folge. 

Der 

Usuea  Freussischen  ProTtadal-Bl&Utr 

vierte  Folge. 


Herausgegeben 


von 


Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Der  Monatsschrift  XXII.  Band.  Der  Provinzialblatter  LXXXVIII.  Band. 


Fünftes  und  sechstes  Heft« 

Juli  —  September. 


[Mit    C  r  o  q  u  i  s.] 


J  Königsberg  in  Pr. 

Verlag  von  Ferd.   Beyer1  s  Buchhandlung. 

1885. 


Inhalt. 


N-   N*-^-' 


I.  Abhandlungeu:  8tite 

Aus  Kant's  Briefwechsel.  Vortrag,  gehalten  an  Kant's  Geburtstag 
den  22.  April  1885  in  der  Kant-Gesellschaft  zu  Königsberg  von 
Rudolf  Reicke.  Nebst  einem  Anhang,  enthaltend  Briefe  von 
Jac.  Sigism.  Beck  an  Kant  und  von  Kant  an  Beck 377 — 449 

Michael  Burckhardt,  der  Nehrungspfarrer  und  seine  Gemeinde.  Ein 
Sittenbild  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  von 
Adolf  Rogge 450—462 

Der  Schlossberg  bei  Jeszi6rken.    Von  C.  Beckherrn  (mit  Croquis)    463— 46G 

II.  Kritiken  and  Referate: 

Die   Bau-    and   Kunstdenkmäler   der   Provinz   Westpreussen.     Von 

R.  Bergau 467—468 

Alterthumsges ellschaft  Prussia  in  Königsberg  1884 468 — 491 

III.  Mittueilungen  and  Anhang: 

Zur  Rechtsgeschichte.    Notiz  aus  dem  Kölner  Stadtarchiv  mitget heilt 

von  Dr.  Konstantin  Höhlbaum 492 

Universitäts-Chronik  1885  (Fortsetzung) 492—493 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg  1885 494 

Altpreussische  Bibliographie  1884  (Nachtrag  u.  Fortsetzung)    .    .    .    494 — 503 
Preisausschreiben  des  Evangelischen  Vereins  für  geistliche  und  Kirchen- 
musik der  Provinzen  Ost-  und  Westpreussen 503—504 

Bitte 504 

Literarische  Anzeigen  (auf  dem  Umschlag). 


378  Aas  Kant1«  Briefwechsel. 

SLm  diesem  Behuf  erlaube  ich  mir  hiermit  eine  öffentliche  Aufforderang 

an  die  gedachten  Gelehrten   zur  Auslieferung   dieser  Briefe  an  mich 

und  bitte,  mir  dieselben  durch  den   Buchhändler  Herrn  Nicolovius 

in  Königsberg,   welcher  den  Verlag  des  Werks  übernommen,  gütigst 

zu  übersenden. 

G.  B.  Jäsche, 

Boss.  Kaiser].  Hofrath  o.  Prof.  d.  Philos. 

in  Dorpat. 

Obiger  Aufforderung  füge  ich  noch  die  Bitte  hinzu,  mir  diese  Briefe 
entweder  durch  Herrn  Wilh.  Kein  und  Comp,  in  Leipzig  oder  durch 
Herrn  Heinr.  Frölich  in  Berlin  versiegelt  zu  übersenden. 

Friedrich  Nicolovius, 

Buchhändler  zu  Königsberg  in  Pr. " 

Es  ist  mir  nicht  bekannt  geworden,  ob  diese  Aufforderung  einen 
Erfolg  gehabt  habe;  den  erwarteten  wol  sicherlich  nicht,  denn  die 
Gorrespondenz  Kant's  ist  nie  erschienen.  Aber  wenn  auch  nur  wenige 
der  obigen  Aufforderung  nachgekommen  und  die  Briefe  von  Kant 
originaliter  oder  abschriftlich  eingesandt  haben  mögen,  so  dürfte  wol 
kaum  noch  über  den  Verbleib  dieser  Briefe  etwas  zu  ermitteln  sein. 
Vielleicht  war  der  Erfolg  ein  so  geringer,  dass  der  Sammler  sich  ver- 
anlasst sah,  von  seinem  Plane  noch  abzustehen;  vielleicht  auch  können 
mancherlei  Rücksichten  auf  die  Briefschreiber  und  die  von  ihnen  er- 
wähnten Persönlichkeiten  ihn  dazu  bestimmt  haben;  noch  zwölf  Jahre 
später  meinte  E.  Morgenstern,  als  er  einige  Briefe  von  Garve, 
Hamann,  Kästner,  Lavater,  Lichtenberg,  Moses  Mendelsohn, 
Seile,  Sulzer,  Wieland  und  Wyttenbach  in  den  Dörptschen 
Beiträgen  veröffentlichte,  dass  sich  der  erste  Brief1)  Garve's,  der  seine 
von  Feder  verstümmelte  Becension  der  Kritik  der  reinen  Vernunft  in 
den  Göttinger  gelehrten  Zeitungen  betrifft,  »nach  genauerer  Ansicht 
zur  Zeit  wenigstens  noch  nicht  zur  Bekanntmachung  eigene".  Manche 
mögen  auch  ihre  Briefe  zurückgefordert  haben.  Von  einem  wissen  wir 
dies  bestimmt.    Friedr.  Heinr.  Jacobi  schreibt  den  28.  Juni  1806 


')  Derselbe  ist  erst  im  vorigen  Jahre  von  Dr.  Alb.  Stern  in  seiner  Schrift 
„Über  die  Beziehungen  Chr.  Garves  zu  Kant"  (S.  27— 32)  nach  dem  Original 
veröffentlicht  worden. 


Von  Rudolf  Beicke.  379 

an  Lndwig  Nicolovius,  den  Bruder  des  hiesigen  Buchhändlers: 
„Hierbei  fällt  mir  ein,  dass  ich  gelesen  habe:  Jagemann*)  (oder  ist  es 
ein  anderer?)  wolle  Kants  Briefwechsel  herausgeben.  Siehe  zu,  dass  Du 
den  einzigen  Brief,  den  ich  in  meinem  Leben  an  Kant  geschrieben  habe, 
herausbekommst;  den  von  Kant  an  mich,  will  ich  gern  dagegen  aus- 
liefern11. Ob  dieser  Austausch  stattgefunden  hat,  weiss  ich  nicht; 
gedruckt  sind  beide  Briefe  in  Jacobi's  Werken  Bd.  III.  (1816)  aber  in 
der  bekannten  Jacobi's  eben  Manier,  die  vor  Auslassungen,  Zusätzen  und 
Verstümmelungen  nicht  zurückschrickt3).  Den  ächten  Kantbrief  hat 
erst  Albert  Gohn  aus  seiner  Sammlung  vollständig  mitgetheilt4); 
Jacobi's  Brief,  leider  aber  nur  die  zweite  Hälfte,  ist  in  meinem  Besitz. 

Die  an  Kant  gerichteten  Briefe,  über  die  damals  Prof.  Jäsche, 
ein  Schüler  Kants  und  Herausgeber  der  Logik  seines  Lehrers,  verfügte, 
sind  noch  jetzt  so  gut  wie  gar  nicht  publicirt;  sie  liegen  in  zwei  statt- 
lichen Quartbänden  in  der  Dorpater  Universitätsbibliothek  als  ein  Ge- 
schenk ihres  einstigen  Bibliothekars  Prof.  Karl  Morgenstern,  dem 
sie  Jäsche  vermacht  hatte.  Von  den  darin  enthaltenen  461  Briefen 
sind  noch  nieht  sechszig  veröffentlicht;  zuerst  23  von  K.  Morgenstern 
in  den  von  ihm  herausgegebenen  Dörptschen  Beiträgen  Bd.  ü.  u.  III. 
(1815 — 17),  dann  27  von  Fr.  Sintenis  in  der  Altpr.  Monatsschrift 
(Bd.  XV.  u.  XVI.  1878  u.  79),  die  übrigen  an  anderen  Orten. 

Aber  Jäsche  hat  auch  nicht  den  ganzen  brieflichen  Nachlass  Kant's 
besessen.  Wasianski  berichtet,  dass  er,  als  ihm  Kant  im  November 
1801  die  Verwaltung  seiner  Angelegenheiten  übergeben  hatte,  nichts 
mehr  von  seinen  Papieren  vorfand,  als  was  auf  sein  Vermögen  Bezug 
hatte.  „Seine  übrigen  gelehrten  Arbeiten  und  Papiere  hatten  zwei  jetzt 
(sc.  1804)  abwesende  Gelehrte  in  Empfang  genommen.    Von  gelehrter 


*)  Ohne  Zweifel  ist  Jäsche  gemeint.  Ein  Jagemann  mit  Beziehungen  zu  Kant 
ist  mir  nicht  bekannt 

*)  Wiederholt  weist  Rudolf  Zöppritz  in  seinem  Buche:  „Aas  F.  H.  Jacobi's 
Nachlass.  Ungedruckte  Briefe  von  nnd  an  Jacobi  und  Andere."  2  Bde. 
(Leipzig  1869)  diese  Unart,  Wahrheit  und  Dichtung  zu  vermischen  und  doch  für 
Wahrheit  auszugeben,  nach. 

4)  „Ungedrucktes  zum  Druck  befördert  von  Albert  Cohn."  (Berlin 
1878)  nur  in  60  numerirten  Exemplaren  abgezogen.  (S.  93—99.) 

25* 


380  Ao*  KÄnt'8  Briefwechsel. 

Correspondenz  war  kein  Blatt  vorbanden"1).  Nur  sein  letztes  grosses 
Mannscript,  an  dem  Kant  noch  hartnäckig  arbeitete,  ohne  fortzurücken, 
hatte  er  nicht  fortgeben  mögen;  nach  seinem  Tode  nahm  es  Wasianski 
als  Executor  testamenti  an  sich,  „um  die  auswärtigen  Erbinteressenten 
darüber  zu  befragen,  was  damit  weiter  angefangen  werden  soll",  wie  es 
in  Tit.  VII  des  Inventars  über  den  Nachlass  Kants  lautet.  Diese  beiden 
abwesenden  Gelehrten  sind  ohne  Zweifel  Jäsche  in  Dorpat  und  Hink 
in  Danzig;  ob  der  letztere  auch  Briefschaften  erhalten  hat,  weiss  ich 
nicht;  die  Andeutungen  und  Auszüge  aus  Briefen,  denen  wir  in  seinen 
„Ansichten  aus  Kants  Leben44  (Kgsbg.  1805)  begegnen,  können 
wol  der  Jäsche'schen  Sammlung  entnommen  sein.  Seine  Bibliothek  hatte 
Kant  seinem  Schüler  und  Freunde  Mag.  Oensichen  vermacht;  dass 
dieser  auch  Briefe  an  Kant  besessen  hat,  ist  gewiss.  Denn  die  hiesige 
Königl.  Bibliothek  besitzt  über  sechszig  solcher  Briefe  an  Kant,  die 
auf  der  Bücherauktion  des  1807  verstorbenen  Prof.  Gen  sich  en  gekauft 
worden  sind.  Manche  werden  von  Kant  auch  noch  an  andere  ver- 
schenkt worden  sein.  So  weiss  ich  dies  ganz  bestimmt  von  einem 
Briefe,  den  eine  Dame  an  Kant  schrieb,  ihn  um  Beiträge  für  ihr  neu 
zu  gründendes  Journal  bittend  und  ihm  ihr  neuestes  Buch  übersendend. 
Kant  schenkte  den  Brief  und  wol  auch  das  Buch  der  ältesten  Tochter 
seines  Freundes  Mo therby,  herzlich  froh  darüber,  dass  sie  kein  Blau- 
strumpf war.  Das  merkwürdige  Schreiben  ohne  Datum  gebe  ich  getreu 
nach  dem  Original  hier  wieder: 

Sophie  Mereau  an  Kant 

„Weil  ich  auch  nach  dem  Ausspruch  meines  eignen  Gefühls 
„den  Schritt  welchen  ich  jetzt  zu  tbun  bereit  bin,  für  gewagt  erklären 
„muss,  so  finde  ich  doch  nichts  darin  wodurch  wahre  Schicklichkeit 
„beleidigt  werden  köfite.  Ich  weiss  vielmehr  dass  wir  bey  Menschen 
„höherer  Art  die  Fesseln  jener  leeren  Gonvenienz,  die  sich  in  jedem 
„Land  verändert,  u.  die  zwischen  gemeine  Menschen  oft  heilsame 
„Schrancken  sezt,  kühn  zerbrechen  könen,  u.  dass  gebildetere  Wesen 
„sich  an  die  Sache  selbst  halten,  wo  jene  ewig  an  der  leeren  Form 


*)  Imm.  Kant  in  seinen  letzten  Lebensjahren  (Kgsbg.  1804)  8.  83. 


T~"^ 


Von  Rudolf  Reioke.  ggl 

„hängen  bleiben.  Nach  dieser  Voraussetzung  glaube  ich  ohne  Be- 
„dencken  u.  ohne  weitere  Rucksicht  auf  Entfernung,  Geschlecht  u. 
„Geistesverschiedenheit,  mich  selbst  in  das  gantz  einfache  Yerhältniss 
„einer  Bittenden  gegen  Sie,  verehrungswürdigster  Mafi,  ver- 
netzen zu  dürfen. 

„Mit  Hülfe  einiger  Freunde  will  ich  mit.  dem  neuen  Jahr  ein 
„Journal  anfangen,  mehrere  hiesige  Schriftsteller  wollen  mir  Beiträge 
„liefern.  Bey  einer  solchen  Unternehmung  träumt  wohl  ein  jeder, 
„der  nicht  lediglich  für  Gewin  schreibt,  mehr  oder  weniger  stolz. 
„Ich  träumte  sehr  stolz,  den  ich  hielt  es  nicht  für  unmöglich  Sie 
„für  mich  zu  gewiüen.  Etwas  aus  Ihren  Papieren,  was  Sie  viel- 
leicht Kleinigkeit  neuen,  einige  hingeworfene  Bemerkungen,  denen 
„Ihr  Geist  Licht  und  Ihr  Name  Glantz  verleiht,  würden  mich  sehr 
„glücklich  machen.  Konen  Sie,  so  unterstützen  Sie  meine  Unter- 
nehmung, Dringender  zu  bitten,  wage  ich  nicht,  weil  ich  die  zarte 
„Linie  die  hier  das  Ungewöhnliche  vom  Unbescheidenen  trefit,  zu 
„Tiberschreiten  furchte  — 

„Achten  Sie  es  der  Mühe  werth,  das  Weib,  welches  Muth  genug 
„hatte  sich  geradezu  an  Sie  zu  wenden,  näher  keilen  zu  lernen,  so 
„lesen  Sie  das  Buch,  welches  ich  hier  beilege0).  Dies  ist  der  einzige 
„Grund  der  mich  bewegen  koöte,  dem  grossen  Kant  ein  Geistes- 
„produckt  darzubiethen ,  dessen  Fehlerhaftes  ich  selbst  am  lebhaf- 
„testen  fühle. 

„Mögte  ich  einer  baldigen  Antwort  entgegen  sehn  dürfen!  — 
„Ich  habe  mich  zutrauungsvoll  an  Sie  gewandt.  Siz  sind  gewiss  gut, 
„so  gross  und  berühmt  Sie  auch  sind.  Welche  edle  Humanität  athmet 
„aus  Ihrem  ewigen  Frieden!  Welche  Hofhungen  wissen  Sie  in  den 
„Herzen  aller  gutmüthigen  Menschen  zu  entzünden !  —  Es  hängt  nur 
„von  Ihnen  ab,  ob  ich  zu  dem  ernsten  Gefühl  von  Ehrfurcht  gegen 
„Sie,  das  ich  mit  Stolz  in  meiner  Seele  nähre,  noch  das  süßere 
„der  Dankbarkeit  hinzufügen  soll  —  Leben  Sie  wohl! 

„Mein  Name  ist:  Professorin  Mereau  in  Jena.44 


6)  Vielleicht:  „Das  Blüthenalter  der  Empfindung"  (Gotha  1794). 


382  Anl  £•">*'■  BriefWecbael. 

Vielleicht  sind  auch  die  kürzlich  von  der  hiesig« 
aus  dem  v.  Duisburg  'sehen  Nachlasse  in  Danzig  er* 
vod  Kant  nebst  andern  Papieren  verschenkt  wonl 
essanten  Aufschluss  Über  Kants  Verhältnis»  zu 
Dessauer  Philanthropin ,  über  welches  Thema  zu 
gerade  heute  vor  fünf  und  zwanzig  Jahren  an  dieE 
königliche  Recht  durch  die  Bohne  erlooste.  Ueber  i 
adressirte  Origiualbriefe  verfüge  ich  selbst;  so  d 
circa  sechshundert  Briefe  an  Kant  zusammen  zu  t 
Eine  stattliche  Anzahl! 

Wie  verhält  es  sich  nun  aber  mit  den  Brie 
unbedeutend,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  ist 
doch  nicht  gewesen.  Er  selbst  klagt  am  26.  Mai : 
Herz  in  Berlin,  „dass  er  durch  viele  Briefe,  we: 
rungen  über  gewisse  Punkte  verlangen,  unaufhörlicl 
werde".  Seinem  Freunde  Erhard  schreibt  er  am 
„dass  er  durch  andere  unumgängliche  Zwischenarbeit 
deren  Verfassern  er  so  viel  Nachsicht  nicht  zutra 
werde,  ihm  zu  antworten.'1 

Dass  Kant  nicht  gerne  Briefe  schrieb,  wisse 
liehen  Aeusserungen  seiner  eigenen  Correspondenten. 
schon  1767  an  Kant,  dass  er  dessen  „Ungenei 
schreiben,  von  der  er  auch  etwas  geerbet,  kenne"; 
gemachlichkeit  zu  schreiben,  darf  er  um  Brief 
unzuverlässig  bitten"  und  „er  hätte  ihm  wol  man< 
er  wüsste,  dass  Kant  Geduld  haben  würde,  ihm  : 
bekannte  Criminalist  Ernst  Ferdinand  Klein  i 
thätigsten  Mitarbeiter  an  der  preussischen  Gesetz! 
vorigen  Jahrhunderts,  schreibt  am  22.  Decbr.  178t 
auch  ein  Briefschreiber,  der  mit  seinen  Antworten  \ 
Sie  Ihre  Bequemlichkeit". 

0    „Knut   and  Basedow.     Ein  Vortrag,   gehalten 

22.  April  1861,  iuKgsbg.  in  der  Eantgee eile ciiaft"  abgedr.  in    . 

Ztecbr.  f.  Lid.,  Kunst  n.  offen tl.  Leben.  Hrsg.  v.  Bob.  Prot*.  1862.  Nr.  10.  S.  329—34 1- 


Vbn  Rodolf  Keicke.  3g3 

Wer  will  ihm  diese  vis  inertiae  im  Briefschreiben  verdenken,  zu- 
mal wenn  man  weiss,  wie  viel  Mühe  es  ihm,  besonders  in  den  letzten 
Jahren  machte?  dies  sieht  man  seinen  Briefentwürfen  an.  Hatte  er  doch 
wahrlich  auch  Wichtigeres  genug  zu  thun. 

Wie  viel  Briefe  Kant  geschrieben  hat,  wird  sich  ungefähr  ermitteln 
lassen,  wenn  ich  erst  alle  an  ihn  gerichtete  Briefe  durchgesehen  habe. 
So  kann  ich  schon  jetzt  beispielsweise  angeben,  dass  den  siebzehn  Briefen 
von  Beck  mindestens  neun  Briefe  von  Kant  correspondiren,  zugänglich 
ist  mir  aber  bis  jetzt  nur  einer;  den  sechszehn  Briefen  von  Biester 
gegenüber  kann  ich  ebensoviele  von  Kant  nachweisen,  davon  erst  drei 
durch  den  Druck  bekannt;  den  zehn  Briefen  von  Schütz  stehen  drei 
gedruckte  und  sieben  nachweisbare  von  Kant  gegenüber;  den  achtzehn 
Briefen  von  Kiese wett er  dreizehn  von  Kant,  davon  nur  zwei  gedruckt, 
fünf  mir  zugänglich,  die  übrigen  nachweisbar. 

Gedruckt  und  allgemein  bekannt  durch  die  drei  grossen  Gesammt- 
ausgaben  vpn  Kants  Werken  sind  etwa  achtzig  Briefe;  gedruckt  aber 
uicht  allgemein  bekannt  noch  zwanzig  Briefe.  Seit  mindestens  zehn 
Jahren  ist  es  nun  mein  eifrigstes  Bemühen,  diesen  geringen  Bestand  an 
Kantbriefen  zu  vermehren,  wobei  mich  Gönner  und  Freunde  nach  Kräften 
unterstützen.  Das  Resultat  ist  bis  jetzt  kein  unerfreuliches  gewesen,  aber 
es  genügt  noch  nicht,  um  mit  der  von  mir  in  Gemeinschaft  mit  Ober- 
lehrer Fr.  Sintenis  in  Dorpat  geplanten  Veröffentlichung  des  chrono- 
logisch zu  ordnenden  Briefwechsels  vorzugehen.  Etwa  hundert  Briefe 
und  Erklärungen  Kants  stehen  zu  meiner  Verfügung,  so  dass  also  erst 
der  dritte  Theil  der  Anzahl  der  Briefe  an  Kant  vorhanden  ist.  Könnte 
ich  nur  über  grössere  Müsse  und  Mittel  verfügen,  ich  würde  schneller 
zu  einem  gewünschten  Abschluss  kommen.  Von  öffentlichen  Aufforde- 
rungen in  Zeitungen  und  Zeitschriften  habe  ich  bisher  weit  geringeren 
Erfolg  gehabt,  als  von  direkten  Anfragen  und  Bitten,  die  ich  und  meine 
Freunde  an  Autographen-Sammler  und  -Händler  gerichtet  haben;  mit 
ganz  besonderem  Danke  habe  ich  hier  die  opferfreudige  Unterstützung 
des  Herrn  Dr.  Wilh.  Tobias  in  Berlin  hervorzuheben.  Es  gilt  also 
noch  weiter  zu  sammeln,  und  wenn  Sie  mir,  hochverehrte  Herren,  hier- 
bei helfen  können  und  wollen,  so  ist  mir  diese  Gelegenheit,  „Sie  beim 


fr 


334  Aus  Kant's  Briefwechsel. 

Kanthaken  zu  kriegen(i  —  man  verzeihe  mir  diesen  Provinzialismus  — 
sehr  erwünscht  gewesen. 

Es  sei  mir  nun  gestattet  aus  Kants  Correspondenz  eins  und  das 
andere  hier  mitzutheilen. 

Mit  dem  speculativen  Inhalte  der  Briefe  von  Beck,  Herz,  Jakob, 
Maimon,  Beinhold  u.  And.  will  ich  unser  gemeinsames  Gedächtniss- 
mahl nicht  aufhalten;  nur  soviel  darf  ich  hier  sagen,  dass  die  17  Briefe 
Beck 's,  die  von  1787  bis  1797  reichen,  zu  den  bedeutendsten  der 
ganzen  Sammlung  gehören.  Wenn  der  bekannte  Mathematiker  Elügel 
in  Halle  mit  seiner  Behauptung  Becht  hat,  dass  Kant  nur  darum  von 
Freund  und  Gegner  nicht  verstanden  werde,  weil  sie  nicht  Mathema- 
tiker sind,  so  kam  dem  jungen  Beck  zu  gut,  dass  er  auch  Mathematiker 
war;  scharf  ist  sein  Urtheil  über  die  Leipziger  und  Hallenser  Docenten; 
noch  schärfer  über  Keiuhold's  Theorie  des  Vorstellungs Vermögens;  er 
hat  einen  polemischen  Aufsatz  darüber  fertig,  legt  ihn  aber  aus  Bück- 
sicht auf  Kant's  Bücksicht  gegen  Beinhold  bei  Seite  und  wendet  sich 
mit  desto  grösserem  Eifer  dem  Auftrage  zu,  einen  Auszug  aus  Kants 
kritischen  Schriften  zu  liefern;  die  dieserhalb  geschriebenen  Briefe  an 
Kant  sind  von  um  so  grösserem  Werthe,  als  auf  einigen  derselben 
unser  Philosoph  mit  zierlicher  Schrift  seine  die  von  Beck  aufgeworfenen 
Fragen  beantwortenden  Erörterungen  beigemerkt  hat8).  — 

Die  Briefe  von  Biester  geben  interessante  Aufklärungen  über 
Kants  Mitarbeiterschaft  an  der  Berliner  Monatsschrift,  besonders  auch 
in  Bezug  auf  den  1786  heftig  entbrannten  Jacobi-Mendelssohnschen 
Streit  über  Lessing's  Atheismus. 

Die  zehn  Briefe  von  Schütz  aus  den  Jahren  1784 — 86  gewähren 
uns  einen  klaren  Einblick  in  das  literarische  Leben,  wie  es  sich  in 
Folge  der  Gründung  der  Jenaer  Allgemeinen  Literatur-Zeitung  besonders 
mit  Bezug  auf  die  kritische  Philosophie  in  Deutschland  gestaltete; 
Kants  Becension  über  Herders  Ideen  zur  Philosophie  der  Ge- 
schichteter Menschheit  muss  ausserordentliches  Aufsehen  gemacht 


a)  Wir  theilen  im  Anhange  diese  wichtigen  Briefe  Beck 's  an  Kant,  sowie 
den  einen  ans  bekannt  gewordenen  Brief  Kant 's  an  ihn  und  seine  handschriftlichen 
Bemerkungen  vollständig  mit. 


Von  Rudolf  Beicke.  3g5 

haben;  nur  diese  und  noch  eine  Recension  über  Hufelands  Grund- 
satz des  Naturrechts  erschienen  von  ihm  in  dem  genannten  Jour- 
nal; denn  sein  Grundsatz  war,  sich  nicht  selbst  mit  Widerlegungen 
zu  befassen,  sondern  seinen  Gang  ruhig  fortzusetzen.  Unterdess  liess 
die  Propaganda  für  den  Kriticismus  nicht  nach.  „Ich  werde  auch", 
schreibt  Schütz,  „in  der  A.  L.  Z.  künftig  keine  Gelegenheit  versäumen, 
immer  auf  Ihre  Ideen  zurückzukommen.  So  denke  ich  non  vi  sed  saepe 
cadendo  will  ich,  ob  ich  gleich  nur  ein  Tropfen  bin,  doch  manche 
lapides  von  Philosophen  erweichen44. 

Interessant  ist  es,  gelegentlich  aus  den  Briefen  auch  von  den  Be- 
mühungen der  Gegner  Kants  zu  erfahren.  So  berichtet  Jakob  unterm 
25.  October  1786  an  Kant,  man  melde  ihm  aus  Marburg,  dass  die 
Wolfianer  ein  landgräfliches  Rescript  erwirkt  haben,  worin  ausdrücklich 
untersagt  wird,  über  die  Kantische  Philosophie  zu  lesen!!!  Uebrigens 
brachte  auch  die  Königsberger  Hartungsche  Zeitung  vom  11.  Decem- 
ber  desselben  Jahres  dieselbe  Nachricht.  Rein  hold  erzählt  am 
12.  October  1787,  dass  Professor  Ulrich  in  Jena  seine  Ueberzeugung 
in  Rücksicht  der  Kritik  der  reinen  Vernunft  sehr  geändert  habe,  seit- 
dem er  (Reinhold)  dort  ist;  Ulrich  hat  von  Reinholds  Vorhaben  über 
seine  „Einleitung  in  die  Kritik  der  reinen- Vernunft  für  Anfänger11  zu 
lesen  erst,  da  der  Lektionskatalog  bereits  gedruckt  war,  Nachricht  er- 
halten; um  ihm  nun  zuvorzukommen  kündigt  er  an  der  Thür  seines 
Auditoriums  noch  vor  Anfang  des  Wintercursus  sein  polemisches  Colle- 
gium  gegen  die  Kritik  der  reinen  Vernunft  für  den  Sommercurs  an,  wo 
dasselbe  viermal  in  der  Woche  gratis  eröffnet  wird.  Als  Probe  von 
dem  Tone,  in  welchem  der  Mann  von  seinem  Vorhaben  spricht,  theilt 
Reinhold  den  Schluss  einer  der  letzten  Vorlesungen  Ulrichs  mit:  „Kant, 
ich  werde  dein  Stachel,  Kantianer,  ich  werde  eure  Pestilenz  sein.  Was 
Herkules  verspricht,  wird  er  auch  halten."  Dergleichen  „Armseelig- 
keitenu,  die  wol  nicht  blos  in  Jena  „was  alltägliches"  waren,  werden 
mehrmals  berichtet. 

Kant  war  gut  unterrichtet  sowohl  über  die  literarischen  wie  über 
die  politischen  Vorgänge,  besonders  auch  über  die  Vorfälle  am  Hofe 
zu  Berlin;   denn  seine  Gorrespondenten  sorgten  dafür,   zumal  Kiese- 


386  Ao»  k**x'b  Briefwechsel. 

wetter,  der  unserm  Kant  nicht  bloss  Teltower  Kuben  schickt  und  das 
Recept  seiner  Matter  über  ihre  Aufbewahrung  und  Zubereitung,  sondern 
ihm  auch  sehr  ausführlich  mittheilt,  wie  traurig  es  am  Hofe  aussehe 
unter  dem  von  Bischofswerder,  Wöllner  und  der  Rietz  tyrannisirten  an 
Leib  und  Seele  schwachen  Könige,  „der  ganze  Stunden  sitzt  und  weint 
und  dem  der  Herr  Jesus  schon  einige  mal  erschienen  ist.44  Wie  schade, 
dass  wir  wegen  Fehlens  seiner  Briefe  nicht  wissen  können,  ob  uud  wie 
Kant  über  diese  „sonderbaren  Dinge11,  unter  denen  er  ja  auch  als  aka- 
demischer Lehrer  und  als  Schriftsteller  zu  leiden  hatte,  gedacht  und 
sich  geäussert  habe. 

Merkwürdig  sind  oft  die  Anfragen,  Anerbietungen  und  Aufforderungen, 
die  Kant  erhielt.  So  schreibt  der  Consistorialratb,  Prof.  der  Theol. 
und  Phil,  an  der  Frankfurter  Universität  Gotthilf  Samuel  Steinbart, 
dessen  „System  der  reinen  Philosophie  oder  Glückseligkeitslehre  des 
Christen thums  für  die  Bedürfnisse  seiner  aufgeklärten  Landesleute  und 
andrer  die  nach  Weisheit  fragen  eingerichtet44,  bis  1794  vier  Auflagen 
erlebte,  am  23.  September  1781:  „Nach  Ihren  Schriften  sind  wir  längst 
verbrüdert,  nur  dass  Sie  im  scharfsinnigen  transcendenten  Vortrage  das 
empfehlen,  was  ich  populär  in  meinen  Schriften  sage44.  „Wenn  Sie 
mir  Ihre  Freundschaft  schenken  wollen,  so  werde  ich  Ihnen  künftig 
offenherzig  und  ausführlich  melden  können,  was  jetzt  zur  Aufreeht- 
erhaltung  der  menschlichen  Würde  und  des  Sensus  communis  gemein- 
schaftlich zu  tbun  nöthig  werden  möchte44.  Ob  Kant  ihm  geantwortet 
haben  mag?  Höchstwahrscheinlich;  aber  in  artigster  Weise  ablehnend; 
ein  zweiter  Brief  von  Steinbart  ist  wenigstens  nicht  vorhanden. 

Und  was  mag  Kant  wol  zu  dem  Anliegen  Fessler's  gesagt  haben? 
Dieser  bekannte  Exkapuziner,  dessen  historische  Romane  seiner  Zeit 
viel  gelesen  wurden  und  dessen  Geschichte  der  Ungarn  erst  kürzlich 
in  zweiter  Auflage  erschien,  schrieb  aus  Carolath  in  Niederschlesien,  wo 
er  im  Hause  des  Fürsten  Carolath-Schönaich  Erzieher  war  und  seinen 
Marc  Aurel  schrieb,  am  12.  Juli  1795  an  Kant:  „Ihre  Augenblicke 
sind  kostbar;  vor  allem  muß  ich  mein  Recht  an  Sie  zu  schreiben  er- 
weisen. Es  kann  nur  durch  Beförderung  freyer  Geistesthätigkeit  und 
durch  Begründung  der  Vernunftherrschaft  in  der  Welt  besser  werden: 


i 


Von  Budolf  Reicke.  3g7 

zu  diesem  Zwecke  beyzutragen  ist  jedes  Mannes  Pflicht,  der  Kraft  in 
sich  fühlt;  es  muß  von  allen  Seiten  und  unter  allen  möglichen  Ge- 
stalten zu  demselben  hingewirkt  werden.  Unter  allen  Lehrern  des 
Alterthums  ist  vielleicht  keiner  für  den  philosophirenden  Menschenver- 
stände [sie]  brauchbarer  und  dem  Geiste  unsers  Zeitalters  angemessener 
und  heilsamer,  als  Seneca  der  Philosoph.  Ihn,  den  ernsten  Verkündiger 
des  Vernunftgesetzes,  nicht  den  empyrischen  Schicklichkeitslehrer  Cicero 
sollte  meines  Erachtcns  der  practische  Verehrer  der  Alten  jetzt  zu  seinem 
Freunde  und  Vertrauten  machen.  Zu  bedauern  ist  es  nur,  daß  die 
höhere  Kritik  seit  Gronovius  für  Seneca's  Schriften  nichts  gethan  hat; 
weil  ihre  Geweihten  mit  der  hier  und  da  befleckten  Schale  auch  den 
in  ihr  liegenden  gesunden,  kraftvollen  Kern  verachtet  hatten.  Offen 
steht  also  noch  dem  männlichen  Fleiße  der  Weg  zu  dem  schönen  Ver- 
dienste, dem  bessern  und  edh^TTheile  unserer  Zeitgenossen  einen  durch- 
aus kritisch  rccensirten  und  verbesserten  Text  der  ältesten  Prolegomenen 
zur  kritischen  Moral  philo  sopbie  zu  überreichen.  Ich  wage  es,  nach 
diesem  Verdienste  zu  ringen44.  Zwei  Bände,  die  den  Text  mit  erklärenden 
und  kritischen  Anmerkungen  enthalten,  werden  zu  Ostern  1797  in 
Wilh.  Gottl.  Korn's  Verlag  erscheinen  [sie  sind  aber  meines  Wissens 
nie  erschienen].  „Der  dritte  Band  ist  einem  vollständigen  Gommentar  über 
die  stoische  Philosophie,  den  besondern  Stoicismus  des  Seneca,  und  über 
das  Verhältniß  desselben  zur  kritischen  Moralphilosophie  gewidmet .  .  . 
eine  Arbeit  vor  der  mir  schaudert;  aber  die  ich  übernehmen  soll  [das 
soll  ist  mit  sehr  grosser  Schrift  geschrieben.]  Hier  ist  es,  wo  ich 
mir  Ihre  Hülfe,  Ihre  heilsamen  Kath schlage  erbitte.  Was  wünschten 
Sie  in  einem  solchen  Commentar  zu  finden?  Wie  nahe  oder  entfernt 
steht  nach  Ihrem  Erkenntnisse  der  Stoicismus  überhaupt,  und  besonders 
der  Stoicismus  des  Seneca  von  dem,  durch  Sie  entdeckten  und  aufge- 
schlossenen Heiligthume  der  reinen  practischea  Vernunft?  u.  8.  w." 
Fragen,  wol  geeignet  für  die  Untersuchung  in  einer  philosophischen 
Doctordissertation! 

Weit  auffallender  ist  es,  wenn  ein  Magister  Grass  e  in  Wittenberg, 
der  einmal  im  all  gem.  litt  er.  Anzeiger  gelesen  hat,  dass  Kant  mit  dem 
berühmten  Philologen  Buhnken  einen  Briefwechsel  unterhalten  und  selbst 


388  Ans  K«nt'B  Briefwechsel. 

in  seinen  jüngeren  Jahren  über  die  lateinischen  Partikeln  geschrieben 
habe,  dem  Philosophen  ein  Exemplar  seiner  lateinischen  Grammatik 
einschickt  und  ihn  bittet,  er  möchte  ihm  doch  geneigtest  nachweisen, 
wo  die  Schrift  über  die  lateinischen  Partikeln  zu  finden  sei,  oder  ihm 
dieselbe,  wenn  er  sie  selbst  besitze,  mittheilen;  er  habe  vergebens  in 
allen  Buchhandlungen  danach  gefragt  „Zum  Beweise,  daß  ich  würklich 
mit  Ihrem  Systeme  bekant  geworden  binu,  fügt  er  in  einer  Nachschrift 
hinzu,  „mag  auch  beiliegende  Piece  °)  dienen,  die  ich  noch  als  Student 
hier  schrieb;  und  Ihnen  gesteh*  ich  es  gern,:  sie  ist  es  schon  einigemahle 
gewesen,  was  man  an  mir  tadelte,  wenn  ich  im  geistlichen  Gebiethe  habe 
wollen  versorgt  sein,  denn  ihrend wegen  heiß1  ich  hier  ein  Kantianer;  und 
das  ist  Ursache  genung,  um  bei  geistl.  Aemtern  durchzufallen  bisweilen14. 

Dass  Friedrich  Gentz  hier  in  Königsberg  studirt  hat,  ist  wol  Allen 
bekannt;  aber  unbekannt  ist  das  Schreiben  seines  Vaters  vom  16.  April  1783 
an  Kant,  auf  dessen  Bekanntschaft  er  stolz  ist.  Darin  heisst  es:  „Ich 
schicke  Ihuen  diesen  meinen  geliebten  Sohn  voll  Vertrauen  auf  Dero 
Gute  und  Menschenliebe,  und  bin  gewiß,  Sie  werden  mir  die  einzige 
und  grüßte  Bitte,  die  ich  Ihnen  jemahls  thun  kann,  nicht  versagen,  aus 
dem  Stoff,  den  er  in  seiner  Seele  trägt,  und  womit  ihn  die  Vorsehung 
so  reichlich  begabt  hat,  einen  tugendhaften,  weisen  und  nutzbaren 
Menschen  zu  bilden,  der  Führer  seiner  schwankenden  Jugend,  und  der 
Stifter  seiner  zeitlichen  und  ewigen  Glückseeligkeit  zu  werden  .  .  .u 

Dass  Kant  auch  Bettelbriefe  erhalten  hat,  lässt  sich  denken.  Mir 
liegen  ein  paar  solcher  vor.  Daist  ein  armer  Abgebrannter  aus  Grums- 
dorf  bei  Rogass  in  Südpreussen;  er  nennt  sich  Kandt,  Theodor  Gott- 
lob Martin  Kandt;  durch  eine  vermuthlich  angelegte  Feuersbrunst  ist 
er  um  all  sein  Vermögen  gekommen  und  hat  einen  Verlust  von  5000 
Thalern  erlitten.  „Da  nun  Seine  Magnificenze  ein  Mann  von  Einfluß 
ist  und  dem  [sie]  ganz  Europa  bewundert,  so  untersteht  er  sich  Dieselben 
um  eine  milde  Gabe  unterthänigst  anzuflehen".  —  Auch  ein  Schwede, 
Carl  Friedrich  Kanth,  wendet  sich  am  1.  Juli  1797  aus  Lamm  an  seinen 


9)  Vielleicht  die  Schrift:  „Was  hat  man  in  der  Moral  von  den  Handlangen  zu 
urtbeilen,  welche  nicht  aus  dem  Bewusstsein  von  Pflicht  vollzogen  werden?  Eine 
philosophisch-moralische  Abhandlang".    (Wittenberg  1792.) 


Von  Rudolf  Reicke.  3£9 

süssesten  Cousin  in  Königsberg  um  ein  Darlehn  von  8  bis  10000  Thaler 
gegen  Zinsen.  Dem  Schwedischen  Original  liegt  eine  die  sprachlichen 
Eigentümlichkeiten  geschickt  wiedergebende  Uebersetznng  bei;  da  das 
Ganze  zu  ergötzlich  ist,  will  ich  es  Ihnen  nicht  vorenthalten;  es  lautet: 

Carl  Friedrich  Kanth  an  Kant. 

„Lamm  den  1.  July  1797. 
„Daß  ich  mich  die  Freiheit  nehme  an  meinen  Cousin  mich  schrift- 
lich zu  wenden,  geschiehet  nicht  ohne  Ursache,  die  Uhr  kann  ohne 
„Fehder  und  Gewicht  nicht  gehen,  dasselbe  Bewanntniß  hat  es  mit 
„diesen  meinen  Schreiben.  Die  Hochachtung  die  ich  zu  Ihnen  hege, 
„und  Unsere  nahe  Anverwandtschafft  ist  zu  diesen  der  Triebfehder, 
„verzeihen  Sie,  Hochgeschäzter  HErr  Cousin!  die  darinn  findende 
„Schreibfehler,  mein  Vater  starb  in  meinen  5ten  Jahre,  ich  habe 

„daher   wenig   gelernt,    vor   3  Monath   Schrieb   an   meinen  Hoch- 

• 

„geschälten  Cousin  in 'der  zwischen  Zeit  bin  ich  in  Lübeck  und  in 
„Eiehl  gewesen  in  der  Hofhung  mein  HErr  Cousin  anzutreffen  und 
„mundtlich  mit  Ihnen  sprechen  zu  können;  aber  vergebens,  und  bin 
„bis  jezo  ohne  antwort  von  Ihnen,  es  sollte  mich  sehr  erfreuen,  wenn 
„es  noch  geschehen  mögte.  In  meinen  ersten  Schreiben  gab  ich  von 
„unsere  familie  Notice;  Mein  Seelig  Vater  hieß  Johann  Kant  und 
„war  Münster-Schreiber  beym  Oefotta  Cavallerie  Regiment;  mein 
„Vater-Bruder  Niklas  Kant  war  Regiments  Schreiber  bey  demselben 
„Regiment,  Carl  Frieda  Kant  war  Rosthalter 10),  Hans  Kant  war  in 
„Stockholm,  ich  weiß  aber  nicht  wo  er  sich  zu  lezt  aufgehalten  hat. 
„Des  HErrn  Cousin  Vater  hieß  Lars  Kant,  und  war  Lieutenant  in 
„Deutschland,  die  alte  Kanten  sind  aber  alle  gestorben.  Ich  war  vor 
„einiger  Zeit  in  Stockholm,  mann  fragte  mich,  ob  ich  mit  HErrn  Kant 
„in  Deutschland  anverwandt  wäre,  ich  antwortete,  Ja!  ich  wurde  be- 
tragt warum  ich  nach  Stockholm  gekommen  wäre,  ich  sagte,  um 
„mich  bey  der  Zoll  Direction  zu  melden  und  meine  Papieren  vorzu- 
liegen, um  Zoll  Infpector  zu  werden,  ich  erfuhr  alsdann,  um  solchen 
„Posten  zu  erlangen,  einige  Tausend  Thaler  bey  der  hand  sein  mögten. 


,0)  rost  h&Uare  =  Büsthalter,  ein  Bauer,  der  einen  Reiter  stellen  mnet. 


390  Auß  KÄnt1fl  Briefwechsel. 

„Ich  wende  mich  daher  an  meinen  hocbgeschäzton  HErr  Consin  mit 
„der  Bitte,  mich  auf  einige  Jahre  mit  8  k  10  Tausend  Thaler 
„Kupfer  Mfintze  gegen  Interesse  zu  dienen,  durch  diese  könnte  ich 
„glöklich  werden.  Erfreuen  Sie  mich  mit  einer  günstigen  Antwort, 
„ich  lebe  indeßen  zwischen  Furcht  und  Hofnung." 

Eant  hatte  für  seine  wirklichen  Verwandten  hier  und  in  Kurland, 

wo  sein  Bruder  Johann  Heinrich  Kant,  Fastor  zu  Alt-  und  Neurahden 

am  22.  Februar  1800  mit  Hinterlassung  von  Wittwe  und  unversorgten 

Kindern  gestorben  war,  genug  zu  thun;  und  dass  diese  wie  jene  sich 

meldeten,  beweisen  die  wiederholten  Briefe  an  ihn,  die  wol  bisweilen  auch 

seinen  Unmuth  erregt  haben  müssen;  denn  auf  einem  kleinen  Zettel  der 

Gensichen'schen  Sammlung  findet  sich  folgende  Notiz  von  Kants  Hand: 

„Es  kann  nicht  verlangt  werden  daß  ich  mich  ausziehe  ehe  ich 

„mich  schlafen  zu  legen  bereit  bin  d.  i.  daß  meine  Verwandte  schon 

„in  meinem  Leben  mich  beerben  sollen.  —  Meines  verstorbenen  Bruders 

„Kinder  werden  nach  meinem  Ableben  schon  ihr  Theil  bekommen.  — 

„Ich  habe  noch  andere  nämlich  hiesige  Verwandte,  die  ich  zum  Theil 

„schon  jetzt  obzwar  willkührlich  pensionire". 

Es  ist  bekannt  und  auch  einmal  bereits  an  dieser  Stelle  in  einer 
Festrede  n)  erörtert  worden,  dass  Kants  Autorität  auf  dem  moralisch- 
praktischen Gebiete  in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens  auch  mit  Be- 
zug auf  die  Blatternimpfungsfrage  in  Anspruch  genommen  wurde.  Sich 
wiederholt  mit  ihr  zu  beschäftigen,  dazu  gab  ihm  die  erste  Veranlassung 
das  folgende  Schreiben  des  Grafen  Dohna  auf  Mallmitz  bei  Sprottau 
in  Niederschlesien  vom  28.  August  [1799}: 

„Verehrungswurdigster  Mann! 

„Nur  die  Wichtigkeit  die  die  Frage  für  mein  Herz  hat  giebt  mir 

„den  Muth  Sie  um  eine  Antwort  zu  bitten.    Ich  habe  eine  Braut 

„mit  der  ich  der  innigen  Vereinigung  der  Liebe  mit  der  Achtung  in 

„der  Freundschaft,  nahe  zu  kommen  hoffe,  diese  hat  die  Blattern 


")  Prof.  Dr.  Heinr.  Bonn,  „Ueber  Kant's  Beziehungen  zur  Medizin.  Rede, 
gehalten  am  22.  April  1872  in  der  Kant-Gesellschaft"  abgedruckt  in  der  Altprenss. 
Monatwchrift  Bd.  X.  S.  009—627. 


Von  Rudolf  Reicke.  39  \ 

„noch  Dicht  gehabt.  Ein  Vorfall  in  unsrer  Familie  wo  eine  junge 
„Frau  von  19  Jahren  in  dem  Kindbette  die  Blattern  bekam  nnd 
„ohne  Bettung  starb,  welche  Erfahrung  man  häufig  macht,  bestirnte 
„meine  Braut  selbst  sich  die  Blattern  einimpfen  zu  laßen,  wodurch 
„sie  meinem  sehnlichen  Wunsche  zuvor  kam.  —  Nun  lese  ich  heute 
„in  Ihrer  Tugendlehre,  welche  mein  Handbuch  geworden  ist  seitdem 
„ich  im  Jahre  97  Ihr  Sistem  durch  ein  Privatissimum  beim  Professor 
„Beck  damals  in  Halle,  habe  kennen  lernen.  Nun  fällt  mir  heute 
„besonders  die  Stelle  ")  wegen  der  Einimpfung  der  Blattern  unter 
„den  Casuistischen  Fragen  auf.  Ich  halte  sie  für  erlaubt,  da  ich 
„doch  mein  Leben  noch  auf  etwas  Ungewisseres  wage,  wenn  ich  es 
„darauf  ankommen  laße,  von  einem  böseren  Gifte,  zu  einer  gefähr- 
licheren Zeit,  und  unvorbereitet  angesteckt  zu  werden.  Ich  bitte  Sie 
„herzlich  lassen  Sie  mich  wissen,  was  das  Gesetz  spricht,  so  bald  als 
„möglich.  Vielleicht  ist  die  Einimpfung  schon  geschehen  wenn  Ihre 
„Antwort  komt,  aber  schonen  Sie  mich  nicht,  ich  will  wissen  ob  ich 
„geirrt  habe,  doch  werde  ich  suchen  es  so  lange  als  möglich  auf 
„zuschieben. 

„Ich  zwinge  mich  zu  schließen:  nur  so  viel  von  meinem  Individuum. 
„Ich  bin  22  Jahr  alt,  Besitzer  ansehnlicher  Güter  und  trete  in  meinen 
„Wirkungskreis  mit  dem  ernstlichen  Willen  als  solcher  und  als 
„Mensch  in  jedem  Yerhältniß  meine  Pflichten  zu  erfüllen  und  frei 
„zu  handeln.  Sie  weiser  Mann  werden  mein  unsichtbarer  Gefährte 
„sein  und  es  wird  mir  sehr  angelegen  sein  daß  Sie  sich  der  Gesell- 
schaft nicht  schämen  dürfen.    Für  so  vieles  gegebene  Licht 

Ihr 
ewig  dankbarer  Fabian  Emil 
KeichsGraf  zu  Dohna." 


")  s.  Kant,  Metaphysische  Anfangsgründe  der  Tagendlehre.  Königsberg  1797. 
8.  75.  (Kants  sämmtl.  Werke  hrsg.  v.  Rosenkranz  and  Schubert.  Bd.  IX.  S.  275). 
Die  casuistische  Frage  lautet:  „Wer  sich  die  Pocken  einimpfen  zu  lassen  beschliesst, 
wagt  sein  Leben  aufs  Ungewisse:  ob  er  es  zwar  thot  am  sein  Leben  zu  erhalten, 
und  ist  so  fern  in  einem  weit  bedenklicheren  Fall  des  Pflichtgesetzes,  als  der  See- 
fahrer, welcher  doch  wenigstens  den  Sturm  nicht  macht»  dem  er  sich  anvertraut, 
statt  dessen  jener  die  Krankheit,  die  ihn  in  Todesgefahr  bringt,  sich  selbst  zuzieht. 
Ist  also  die  Pockeninoeulation  erlaubt?" 


392  Aus  Kant'f  Briefwechsel. 

Sodann  schrieb  Professor  Juncker  in  Halle  (t  27.  Dec.  1800),  der 
sich  seit  1792  durch  verschiedene  Schriften  und  ein  besonderes  Archiv  der 
Aerzte  und  Seelsorger  wider  die  Pockennoth  (7  Stücke.  Leipz.  1796—99) 
bekannt  gemacht  hatte,  zweimal  an  Kant;  der  erste  Brief  scheint  nicht 
mehr  vorhanden  zu  sein;  der  zweite  vom  27.  Juni  1800  lautet: 

„Erlauben  Sie  mir,  würdigster  Mann,  Sie  hiermit  noch  einmal 
„inständigst  zu  ersuchen:  über  die  Frage: 

„ob  und  in  wiefern  Sie  die  Einimpfung  der  Menschen- 
„blättern  für  sittlich  oder  unsittlich  halten? 
„Ihr  Gutachten  mir  gefälligst  mitzutheilen.  Ich  würde  diese  inständige 
„Bitte  gewiß  nicht  wiederholen,  wenn  nicht  die  Auffoderungen  einiger 
„der  würdigsten  Mitglieder  unserer  Gesellschaft  mich  hierzu  ver- 
pflichteten. Ich  wiederhole  in  dieser  pflichtmäßigen  Rücksicht  die 
„obige  Bitte,  und  verbleibe  in  der  gewißen  Hofnung  auf  eine  baldige 

„gefällige  Erklärung 

Ihr  Ihnen  innigst  ergebener  Verehrer 

Dr.  J.  C.  W.  Juncker 

Prof.  med.  ord.  Haien  f." 

■ 

Ob  Kant  diese  Briefe  wirklich  beantwortet  habe,  weiss  ich  nicht. 

Aber  es  lässt  sich  vermuthen  nach  den  Notizen,  die  sich  auf  verschiedenen 

Zetteln  zerstreut  vorfinden.   Auf  dem  einen  steht  nur  die  Ueberschrift: 

„Zur  Beantwortung  der  Aufforderung  des  Hr.  D.  Juncker  in  Halle 

„den  27.  Juny  1800  an  mich  erlassenen  Brief  wegen  der  Pockennoth11 

sonst  keine  Zeile.    Ein  anderer  Zettel  enthält  folgende  Notiz: 

„Jetzt  ist  von  der  Pockennoth  und  von  dem  Pockenrecht  des  HE. 
„Grafen  von  Maltiz  [sie]  in  Schlesien  die  Bede  imgleichen  Junkers 
„seine   hierüber   zugeschickte  Schriften,   die  Eubpocken-seuche  mit 
„eingeschlossen." 
Auf  einem  dritten  Zettel  hat  Kant  folgendes  vermerkt: 

„In  die  Jahrbücher  der  preußischen  Monarchie  einen  Brief  an  den 
„Grafen  Dohna  die  Pockeneinimpfung  u.  deren  Zuläßigkeit  oder 
„Unzuläßigkeit  der  Pockeneinimpfung  betreffend  (vide  Rechtslehre) 
„mit  Bücksicht  auf  Prof.  Juncker  in  Halle  den  Feuerlärm  darüber 
„zu  mäßigen. 


Von  Rodolf  Reioke.  393 

„Damit  Staaten  nicht  mit  Menschen  überfallt  werden  u.  man  sie 
„in  ihrem  Eeim  ersticke  zwey  Übel  als  Gegenmittel  in  sie  ge- 
siegt —  die  Pocken  und  den  Krieg.  Der  zunehmende  luxus  ver- 
hindert auch  schon  sehr  den  Überschuß  der  Gebohrnen.  Die  Natur 
„verfahrt  mit  Menschen  nicht  gelinder  als  mit  Pflanzen-  und  Thier- 
„arthen.  Durch  die  Fruchtbarkeit  ersetzt  sie  überflüßig  den  Verbrauch 
„derselben  ohne  daß  man  naturwidrige  Mittel  brauchen  darf.1' 

Danach  scheint  Kant  eine  ausfuhrliche  Erörterung  dieser  Angelegen- 
heit in  den  Jahrbüchern  der  preussischen  Monarchie  beabsichtigt  zu 
haben.  Ich  habe  dieselben  durchgesehen;  sie  enthalten  wol  mehrmals 
Artikel  betreffend  „die  landesväterliche  Sorge  des  Königs  für  die  Ge- 
sundheit der  Unterthanen,  besonders  in  Rücksicht  auf  die  Pockennoth(i, 
auch  „Nachrichten  über  zahlreiche  Blatternimpfungen  auf  dem  Lande", 
aber  einem  Aufsatz  von  Kant  bin  ich  nicht  begegnet. 

Nun  fand  ich  aber  ganz  unvermuthet  in  dem  zehnten  Convolut  des 
grossen  nachgelassenen  Manuscripts  von  Kant,  das  von  dem  U eber- 
gange von  den  metaphysischen  Anfangsgründen  der  Natur- 
wissenschaft zur  Physik  handelt  (abgedruckt  in  der  Altpr.  Mtsschr. 
Bd.  XIX.  1882.  Hft.  3/4)  auf  dem  achten  und  neunten  Blatte  (cf.  S.  270 
von  mir  bezeichnet  mit  II  (Halbbogen),  1  und  S.  274  Bogen  in,  1.) 
eine  längere  Auseinandersetzung  über  dieses  Thema,  die  man  vielleicht 
als  den  Entwurf  zu  dem  von  ihm  für  die  Jahrbücher  der  preussischen 
Monarchie  bestimmten  Artikel  anzusehen  hat.  Ich  gebe  dieselbe  hier 
wörtlich  wieder,  indem  ich  nur  die  Interpunction  hinzufüge,  die  Kant 
überall  fast  gänzlich  weglässt.  Das  erste  Blatt  ist  mit  A  bezeichnet 
und  trägt  am  Bande  die  Ueberschrift:  „Pockennoth" 

„Unter  allen  Gefahren,  in  die  der  Mensch  der  etwas  wagt  ge- 
„rathen  kan,  ist  die  in  Versuchung  der  Verletzung  seiner  Pflicht 
„zu  gerathen,  für  einen  wohldenkenden  Menschen  die  größte  ihrer 
„Wichtigkeit  nach,  obgleich,  was  das  öftere  Eräugnis  einer  solchen 
„Versuchung  betrift,  dieser  Fall  oft  genug  vorkomt.* 

„In  Todesgefahr  zu  gerathen  ist  allerdings  ein  großes  Übel, 
„und  wer  sich  darin  bringt,  da  er  es  hat  vermeiden  köüen,  fehlt 

Altpr.  Monatöachrift  Bd.  XXII.  Hft.  5  u.  6.  26 


f  394  Auf  Kant's  Briefwechsel. 

«(peccat),  ist  unklug  aus  Leichtsiö;  aber  der,  welcher  sich  der  Ge- 
fahr aussetzt,  zu  einer  lasterhaften  That  verleitet  zu  werden,  der 
«verbricht  (delinquit),  wen  er  sie  gleich  nicht  ausgeübt  hat  und 
«ist  ein  böser  Mensch.  —  Andere  Menschen  aber  vorsetzlich  in 
„die  eine  oder  die  andere  dieser  Gefahren  durch  Beyspiel  oder  Be- 
, redung  zu  bringen,  ist  Bosheit  (malitia).  Ein  habituell  böser  ist 
«ein  verworfener  Mensch  (deperditus).* 

*  * 

«Nun  wird  die  Frage  aufgeworfen:  Ist  es  erlaubt,  einen  Anderen 
«in  die  eine  oder  die  andere  dieser  Gefahren,  mit  oder  ohne  seine 
«Einwilligung  zu  bringen,  damit  etwas  Gutes  —  ein  physisches  oder 
« moralisches  Heil  für  Menschen  herauskome,  das  ohne  diese  Gefähr- 
dung (periclitatio  moralis)  nicht  bewirkt  werden  dürfte?  der  Apostel 
«sagt  „daß  deren  die  so  denken  Verdamnis  ganz  recht  sey". ")  — 
«Ein  großes  Beyspiel  für  diese  Casuistische  jetzt  sehr  in  Anregung 
«gebrachte  Frage  ist  eine  besondere  Art  von  Gefahren  nämlich: 

„Die  Pockeimoth." 

«Abgesehen  von  der  moralischen  Bedenklichkeit,  ein  Übel  in  der 
«Welt,  dem  man  steuren  kööte,  geschehen  zu  lassen,  ja  es  wohl  gar 
«zu  veranstalten,  wird  diese  so  genante  Noth  bey  der  Seltenheit 
«einer  Epidemie  dieser  Art  gar  wenig  gefühlt,  und  von  der  Unsicher- 
«heit  des  Lebens  der  Kinder  überhaupt  in  der  ersten  Epoche  des- 
selben verschlungen,  ohne  Aufsehen  zu  machen,  und  es  scheint, 
«daß  es  mehr  den  Aerzten  darum  zu  thun  ist,  ihrer  Heilkunde  Ehre 
«zu  machen,  als  einer  vom  Volk  gefühlten  großen  Noth  abzuhelfen, 
„wie  etwa  der  Hungersnoth,  Holtznoth,  u.  d.  g.* 

«Es  ist  also  bey  dem  Pockenübel,  was  nun  schon  von  undeut- 
licher Zeit  her  in  das  Menschengeschlecht  eingeartet  zu  seyn  scheint, 
«die  Gefahr  nicht  so  wohl  in  dem,  was  wir  leiden  müssen,  als  was 
«wir  hiebey  veranstalten  sollen,  d.  i.  um  die  Moralität  unseres 
«Verhaltens  zu  thun,  diese  Krankheit  und  deren  Abwendung  entweder 
«dem  Zufall  der  Naturursachen  zu  überlassen  mit  Zuziehung  der 


'*)  BOmer  3,  8. 


Von  Rudolf  Reicke.  395 

„Meister  in  der  Kunst  nämlich  der  Aerzte,  oder  sie  uns  vorsetzlich 
„zu  geben,  um  sie  methodisch  zu  behandeln,  und  da  sie  von  der 
.besonderen  Art  ist,  daß,  wen  die  Einimpfung  einmal  glücklich  ge- 
klungen ist,  man  jene  nicht  noch  zum  zweyten  mal  befürchten  darf* . 
„Wie  es  einmal  mit  unserer  Gattung  steht,  so  ist  das  Pockenübel 
„und  die  damit  verbundene  Gefahr* 

Hier  bricht  das  Fragment  plötzlich  ab  und  Kant  behandelt  sein 

eigentliches  Thema  zur  Physik  weiter  fort    Am  Rande  auf  derselben 

Seite  hat  er  an  zwei  verschiedenen  Stellen  noch  folgendes  bemerkt'. 

„Die  Glückseeligkeitslehre  ist  das  Princip  der  Gymnastik  (negativ, 

„sustine  et  abstine)  und  das  Wohlseyn  (salus)  mens  sana  in  corpore 

*sano  setzt  doch  Moral  voraus8. 

„Fiat  exper.  in  corpore  vili  und  unter  die  vilia  wird  jeder  Unter- 
„than  der  nicht  zugleich  gesetzgebend  (nicht  republicanisch)  ist  ver- 
standen.  Pockeneinimpfung  gehört  also  unter  den  Titel  der  heroica*. 

Auf  dem  zweiten  Blatte^  mit  B  bezeichnet,  heisst  es: 

Über  die  Pockennoth. 

„Die  Größte  Gefahr  für  Menschen  in  ihrem  Verkehr  unter  ein- 
ander ist  die,  Anderen  Unrecht  zu  thun.  Unrecht  zu  leiden  ist 
„hingegen  für  nichts  zu  achten,  und  es  zu  dulden,  ist  oft  gar  vor- 
„  dienstlich,  wen  man  hoffen  darf,  daß  eine  solche  Toleranz  den 
„Muth willen  zu  beleidigen  nicht  noch  verstärken  dürfte c. 

„Unter  den  mancherley  Nöthen,  die  das  Schicksal  über  das  mensch- 
liche Geschlecht  verhängt  hat,  ist  eine  Noth,  Krankheiten,  wegen 
,  deren  man  in  größerer  Gefahr  ist,  wen  man  sich  der  Natur  über- 
„läßt,  als  wen  man  ihr  zuvorkomt  und  sie  sich  selbst  zufügt,  um 
„sie  mit  mehrer  Sicherheit  heilen  zu  könen,  nämlich  die  Pocken- 
„noth,  von  welcher  hier  nun  die  moralische  Frage  ist  ob  der  ver- 
„  nünftige  mensch  sie  sich  und  anderen,  die  selbst  kein  Urtheil  haben 
„(Kindern),  die  Blattern  durch  Einimpfung  zu  geben  befugt  sey, 
„  oder  ob  diese  Art  sich  in  Gefahr  des  Todes  (oder  der  Verstümelung) 

„zu  setzen  nicht  gäntzlich  moralisch  unzuläßig  sey,  hierüber  also 

26* 


396  Ana  Kant's  Briefwechsel. 

„nicht  blos  der  Arzt  sondern  der  moralische  Rechtslehrer  in  An- 
spruch genomen  werden  müsse.  —  Etwas  wird  hiebey  imer  gewagt, 
„aber  die  moralische  Waghälsigkeit  (etwas  auf  die  Gefahr  unrecht 
„zu  thun)  ist  doch  offenbar  größer  als  die  physische  welche* 

Hier  bricht  der   Satz  wieder   ab,  am  Rande  steht  folgende  Be- 
merkung : 

„Die  Pockennoth  ist  darum  eine  der  am  meisten  bekümernden, 
„weil  das  Mittel  wieder  [sie]  dieselbe  zugleich  der  Moralität  ent- 
gegen scheint*. 

Dann  heisst  es  im  Text  weiter: 
„In  Todesgefahr  zu  gerathen  ist  ein  Übel  (etwas  physisch 
„Böses),  sich  aber  darin  willkührlich  zu  begeben,  eine  Pflichtver- 
, letzung  (etwas  moralisch  Böses),  man  mag  sich  nun  sie  vorsetzlich 
„zuziehen,  oder  sich  auch  nur  hierin  dem  Zufall  überlassen,  den  die 
„Maxime  des  Verhaltens  in  solchen  Umständen  zieht  dem  hiebey 
„gleichgültigen  doch  den  Vorwurf  des  Selbstmordes  zu*. 

„Wer  sich  oder  andere,  wen  er  es  hat  verhüten  könen,  in  Todes- 
gefahr komen  läßt  fehlt  (peccat),  der  sich  darin  begiebt  ver- 
bricht (delinquit).  Beyde  sind  strafbar,  der  eine  blos  vor  dem 
„Richterstuhl  seiner  eigenen  Vernunft  (ethisch),  oder  dem  eines 
„äußeren  Machthabers  (juridisch)*. 

„Unter  allen  Gefahren  aber,  in  die  sich  jemand  begeben,  oder  in 
„die  er  gerathen  mag,  ist  die  der  Pflichtverletzung,  wen  man  sich 
„ihr  aussetzt,  die  bey  weitem  größte,  zwar  sich  auszusetzen  nicht 
„so  wohl  (qvantitativ),  daß  man  öfterer  und  leichter  in  sie  zu  ge- 
„rathen  fürchten  muß,  als  (qvalitativ) ,  daß  sie  durch  kein  Ver- 
dienst aufgewogen  und  getilgt  werden  und  so  auf  gewisse  Weise 
„moralisch-unsterblich  ist*. 

„Es  sind  zweyerley  Gefahren,  in  die  ein  Mensch,  der  etwas  wagt, 
„gerathen  kan,  nämlich  entweder  an  seinem  Vortheil  einzubüssen, 
„oder  seine  Pflicht  zu  verletzen;  bey  welcher  die  Zufälligkeit  (in 
„Gefahr  zu  komen  z.  B.  auf  einem  schmalen  Brett  über  einem  Ab- 
sgrunde oder  über  eine  Brücke  ohne  Lehnen)  in  Gefahr  zu  komen 
„größer   sey,   wird  hier   nicht  in   Betrachtung  gezogen,   sondern 


Von  Rudolf  Eeicke.  397 

twas  ärger  ist:  wieder  [sie]  die  Klugheit  in  Beobachtung  meines 
„Vortheils,  oder  wieder  das  Sittengesetz  in  Befolgung  meiner  Pflicht 
„zu  verstoßen.  Diese  zwey  Bestimungsgrunde  der  Wahl  müßei 
„aber  rein  abgesondert  und  un vermischt  in  Betrachtung  gezogen 
»werden;  den  wen  die  bewegende  Ursache  zum  Theil  das  eine,  zum 
tTheil  das  Andere  in  Betrachtung  zieht,  so  kan  die  Vernunft  gar 
„keinen  sicheren  Ausschlag  mit  einer  solchen  Waage  finden,  daher 
„man  auch  fragen  kan:  Was  ist  wichtiger?44 

»Ob  die  Gefahr  qvantitativ  größer  (leichter  sich  eräugnend)  oder 
„qvalitativ  größer  (wichtiger)  sey:  in  dieser  Frage  wird  hoffentlich 
„jeder  Wohldenkende  das  letztere  wenigstens  aussprechen.  Der  Znstand 
„eines  seine  Lage  kenenden  Menschen,  sich  im  er  in  Gefahr  zu  wissen, 
„ist  eine  von  den  empfindlichsten  nöthen,  dafür  man  es  lieber  be- 
schließt kurz  und  gut  sich  in  das  Bedrohende  zu  stürzen44. 

Am  Rande  steht  endlich  noch  die  folgende  Bemerkung: 
„Unter  allen  Nöthen  ist  die  Gefahr,  in  ein  Gedränge  zu  gerathen, 
„den  moralischen  Grundsätzen  abtrünig  zu  werden:  allein  diese  Noth 
„kan  jederzeit  überwunden  werden,  weil  der  Mensch  das  jederzeit 
„kan  was  er  soll,  weil  unumgängliche  Pflicht  ihm  vor  Augen  gestellt 
„wird.  Selbst  auch  nur  gestehen  zu  müssen,  man  fühle  sich  in  Ge- 
Jahr, seine  Pflicht  in  gewissen  Versuchungen  nicht  wiederstehen, 
„sondern  sie  wissentlich  übertreten  zu  köiien,  ist  schon  eine  Ver- 
dorbenheit des  Herzens,  deren  der  Mensch  sich  schämen  muß". 

Man  sieht,  zu  einem  rechten  Abschluss  ist  Kant  auch  hier  nicht 
gekommen;  ich  aber  komme  zum  Abschluss,  indem  ich  alles  übrige, 
was  ich  hier  noch  habe  mittheilen  wollen,  zurücklege  und  Sie  im  Namen 
des  verhinderten  Vorsitzenden  ersuche,  dem  Weisen  und  Guten, 
dessen  Geburts-  und  Namenstag  uns  heute  vereinigt,  ein  gutes  Glas 
zu  weihen,  mit  dem  Wunsche,  es  möge  sein  kategorischer  Imperativ, 
der  uns  mehr  wie  je  in  dieser  realpolitischen  und  leider  auch  real- 
moralischen Zeit  noth  tbut,  nie  aufhören,  zu  gelten. 

Es  lebe  Eants  kategorischer  Imperativ! 


1 


"■^"\^*"  »w"X-  's*' 


L«) 
Beck  an  Kant 

Wohlgeborner, 

Hochzuehrender  Herr  Professor! 

Ewr.  Wohlgebornen  waren  gütig  mir  vor  drey  Monathe  ein 
Empfehlungsschreiben  an  den  P.  Born  in  Leipzig  zu  geben.  Ich  habe 
mich  da  einige  Wochen  aufgehalten  und  endlich  recht  gute  Aussichten 
verlassen  müssen,  weil  ich  nicht  Mittel  genug  hatte  lange  ohne  Ver- 
dienst daselbst  leben  zu  können,  kein  "Weg  aber,  etwa  zu  einer  Hof- 
meisterstelle oder  zu  Arbeiten  bey  Buchhändler,  nach  welchen  sich  da 
viele  Hände  reissen,  sich  mir  eröfuen  wollte.  Jetzt  bin  ich  in  Berlin 
wo  ich  ein  Unterkommen  eher  zu  erhalten  hoffe.  Dem  Bibliothekar 
Biester  bin  ich  durch  Herrn  P.  Krause  bekannt.  Er  erlaubt  mir  den 
Gebrauch  der  Königl.  Bibliothek,  aus  welcher  ich  jetzt  Newtons  Schriften 
bey  mir  habe.  Wenn  Ewr.  Wohlgebornen  so  gut  seyn  wollten,  an 
Gedicke  oder  sonst  wen  der  Einfluß  hat,  mir  Empfehlungsschreiben  zu 
schicken:  so  wäre  mir  es  in  vielem  Betracht  sehr  angenehm.  Ich  er- 
suche ergebenst  Sie  deswegen. 

Mit  demjenigen  Zutrauen  das  eine  Folge  des  Verhältnisses  des 
Schülers  gegen  den  Lehrer  ist,  schreibe  ich  Ewr.  Wohlgebornen  mein 
Urtheil  über  die  Docenten  der  Leipziger  Universität.  Reissender  kann 
wohl  nicht  der  Strom  der  Zuhörer  zu  den.  philosophischen  Hörsälen  soyn 
als  er  hier  ist,  aber  elender  als  hier  kann  die  Art  Philosophie  zu  lehren, 
geschweige  sie  zu  entwickeln  und  zum  philosophiren  anzuführen,  nirgends 
existiren.  Platner  ist  ein  jämmerlicher  Mann.  Sein  Ich  welches,  wenn 
von  Philosophie  die  Bede  ist,  wohl  wenig  Bedeutung  hat,  vernimmt 
der  Zuhörer  öfter  als  Inhalt  und  wirklich  öfter  als  das  was  dieses  Ich 
eigentlich  geleistet  hat.  Ohngeachtet  er  mich  kannte  und  im  Auditorium 
zu  bemerken  schien,  unterließ  er  doch  nicht  seine  Zuhörer  mißtrauisch 


,4)  Die  Originale  von  I— XIII  und  XV.  XVI  befinden  sich  auf  der  Dorpater 
Unirersitats-Bibliothek.  Ex  bibl.  Car.  Morgenstern  CCXCI.  Briefe  an  Kant.  I. 
No.  59.  61-67.  69-75. 


Von  Rudolf  Beicke.  399 

gegen  Kantische  Philosophie,  deren  Geist  er  vollkommen  gefaßt  zu 
haben,  [sze\  vorgab  zu  machen.  Den  F.  Caesar  glaube  ich  wegen  seines 
gutmüthigen  Characters  schätzen  zu  müssen.  Er  bemüht  sich  wirklich 
Ihr  System  zu  studiren.  Nur  weiß  ich  nicht  was  man  aus  der  be- 
sondern Art  Zweifel  die  er  gegen  dasselbe  hat,  machen  soll,  z.  B.  daß 
er  Licht  und  Einheit  finde  in  der  Deduction  der  Kategorien  der  Quan- 
tität und  Qualität  aber  Dunkelheit,  ja  Widersprüche  in  Absicht  der 
Relation  und  Modalität.  Es  thut  mir  sehr  leid,  daß  Born  schlechten 
Vortrag  hat.  Auch  kömmt  mir  sein  Benehmen  zu  hitzig  vor  und 
als  eine  Folge  der  Aergerniß  daß  er  keine  Zuhörer  hat.  Hindenburg 
schätzet  Sie  sehr.  Er  sagte  mir  daß  er  mit  der  Philosophie  wieder 
versöhnt  sey,  seitdem  er  Ihre  Schriften  studire.  So  gut  auch  der  Vor- 
trag dieses  vor trc Sieben  Mannes  in  der  Mathematik  und  Physik  ist  so 
hat  er  gleichwohl  wenig  Zuhörer.  Die  Vernachlässigung  dieses  Studiums, 
glaube  ich,  legt  den  Grund  der  tändelnden  Art  zu  studiren  die  in  Leipzig 
scheint  im  Gebrauch  zu  seyn.  Als  Preusse  habe  ich  daselbst  sehr  gute 
Aussichten.  Da  ich  für  Wissenschaften  brenne:  so  wünsche  ich  wohl 
meine  Laufbahn  da  machen  zu  können.  Ich  muß  mir  aber  erst  das 
verdienen  was  zum  Anfange  derselben  nöthig  ist  Empfehlungen  von 
Ewr.  Wohlgebornen  könnten  vieleicht  darin  mir  behülflich  seyn.  Ich 
bin  mit  innigster  Hochachtung 

Ewr.  Wohlgebornen 
Berlin  ergebenster  Diener 

d.  1*2  August  1789.  Beck. 

n. 

Beck  an  Kant. 

Wohlgeborner  Herr," 

Hochzuehrender  Herr  Professor! 
Erlauben  Sie  daß  ich  Ihnen  ein  Exemplar  meiner  Dissertation16) 
schicken  darf.    Dieses  geschieht  nicht,  weil  ich  ihr  einen  Werth  bey- 

")  De  theoremate  Tayloriano,  sive  de  lege  generali,  secondom  quam  funetiones 
mnUnkr,  mutatis  a  quibus  pendeant  variabilibus.  Diss.  pro  licentia  (16.  April  1791). 
Halae.  Sein  Bespondeot  war  Frdr.  Theod.  Foselger  aas  Elbing,  Rechtsbeflissener; 
gewidmet  ist  die  Schrift  (20  S.  4.)  dem  Pastor  und  Bector  der  Marienbarger  Schale 
Carl  Theod.  Wandscb. 


400  Aai  Kant's  Briefwechsel. 

lege;  sondern  weil  ich  wünsche,  daß  Sie  sich  an  mich  eines  ihrer  [sie] 
Wahrheit  liebenden  Schüler  erinnern  wollen.  Mein  eigenes  Bewußtseyn 
übelführt  mich,  daß  es  auch  solche  Menschen  giebt,  die  viel  Gefühl 
für  Wahrheit  haben  und  die  mit  wahrer  Wärme  andern  ihre  Einsichten 
mittheilen  mögen,  die  aber  doch  nur  Pfuscher  sind  wenn  sie  Schrift- 
steller seyn  wollen.  Dieses  letzte  in  meiner  Rücksicht  beweißt  meine 
Ihnen  mitgetheilte  Schrift.  Ich  habe  nunmehr  die  Licenz  zu  lesen. 
Da  ich  die  Freundschaft  des  Klügeis  besitze,  so  zweifele  ich  nicht 
Zuhörer  zu  meinen  mathematischen  Oollegien  zu  erhalten,  und  bin  herz- 
lich froh,  daß  ich  jetzt  auf  einer  Laufbahn  bin,  zu  der  ich  glaube 
bestimmt  zu  seyn.  Bekomme  ich  Zuhörer  zu  philosophischen  Vor- 
lesungen, so  werde  ich  im  Stillen  die  Ueberzeugung  zu  verbreiten  suchen, 
die  Ihr  mündlicher  und  schriftlicher  Unterricht  in  mir  bewirkt  hat. 
Ich  bin  mit  einer  herzlichen  Hochachtung  ganz 

Halle  der  Ihrige 

d.  19JS2  April  1791.  Beck. 

m. 

Beck  an  Kant. 

Mein  Theuerster  Lehrer! 

Die  freundschaftlichen  Gesinnungen  die  Sie  in  Ihrem  Briefe  gegen 
mich  äussern,  stärken  mein  Gemüth,  das  leider!  manchmahl  wegen 
Zweifel  an  eignen  Kräften  und  Tauglichkeit  niedergeschlagen  ist.  Ich 
danke  Ihnen  herzlich  dafür  und  auch  für  die  Erlaubniß  wieder  an  Sie 
schreiben  zu  dürfen.  Beym  Herrn  Geheimen  Rath  v.  Hofmann  bin  ich 
gewesen  und  habe  ihm  für  seine  Geneigtheit  gegen  mich  die  er  in 
seinem  Briefe  an  Sie  hat  blicken  lassen,  gedankt.  Er  begegnete  mir 
sehr  gütig  und  ich  kann  wohl  glauben,  daß  er  mir  nützen  werde,  wenn 
er  Gelegenheit  dazu  haben  wird.  Sonst  genüsse  ich  hier  wirklich  einen 
Vortheil  und  zwar  durch  die  Fürsorge  des  Herrn  Professor  Jakob,  der 
sobald  ich  nach  Halle  kam,  mich  dem  Schulkollegium  des  hiesigen 
Gymnasiums  so  sehr  dringend  empfahl,  daß  es  mich  bey  diesem 
Gymnasium,  bey  dem  er  selbst  so  lange  Schulkollege  gewesen,  zum 
Collaborator  wählte.    Dieser  Vortheil  beträgt  etwa  90  oder  100  Thlr. 


Von  Rudolf  Beicke.  40  \ 

und  ist  überdem  mit  der  ziemlich  sichern  Hofnung  verknüpft  Schul 
Kollege  zu  werden  wenn  eine  Vakanz  vorfällt.  Herr  Pr.  Jakob  ist  jetzt 
von  der  Schule  abgegangen;  allein  ein  anderer  als  ich,  der  ein  älteres 
Recht  dazu  hatte,  ist  an  seiner  Stelle  Lehrer  geworden.  Seit  vorigen 
Montag  sind  hier  die  Collegia  angegangen.  Ich  lese  die  reine  Mathe- 
matick  nach  Klügeis  Lehrbuch  und  habe  etwa  8  Zuhörer,  die  aber 
wahrscheinlich  mir  nichts  bezahlen  werden.  Auch  habe  ich  heute  ein 
Publicum  zu  lesen  angefangen,  nehmlich  die  mathematische  Geographie, 
worin  freylich  eine  ganze  Menge  Studenten  waren,  die  sich  aber,  weil 
es  Vorkenntnisse   verlangt,    wahrscheinlich   bis   auf  wenige  verliehren 

4 

werden.  Zur  philosophischen  Vorlesung  hat  sich  niemand  bey  mir  ge- 
meldet. Ich  bin  dieses  schlechten  Anfangs  wegen  aber  gar  nicht  muthloß. 
Denn  ich  meyne  es  ehrlich  und  glaube  daß  man  die  Absicht  zu  nutzen 
mir  anmerken  werde.  Schelten  Sie  aber  doch  nicht,  daß  ich  Sie  von 
meinen  Umständen  so  lange  unterhalte. 

Auch  von  literairischen  Dingen  haben  Sie  mir  erlaubt  Ihnen  zu 
schreiben.  Verehrungswürdiger  Mann !  Sie  lieben  die  Sprache  der  Auf- 
richtigkeit, und  verstatten  es  mir  Ihnen  herzlich  zu  beichten,  was  mir 
auf  dem  Herzen  liegt.  Die  Kritick  habe  ich  gefaßt.  Es  war  mir 
Herzenssache  sie  zu  studiren,  und  nicht  Sache  des  Eigennutzes.  Ich 
habe  Ihre  Philosophie  lieb  gewonnen,  weil  sie  mich  überzeugt.  Aber 
unter  den  lauten  Freunden  derselben,  kenne  ich  keinen  einzigen,  der 
mir  gefällt.  So  viel  ich  spühren  kann,  ist  es  eitel  Gewinnsucht,  welche 
die  Leute  belebt,  uud  das  ist  unmoralisch  und  schmeckt  wahrlich  nicht 
nach  Ihrer  practischen  Philosophie.  Herr  Professor  Reinhold  will  durch- 
aus alle  Aufmerksamkeit  an  sich  ziehen.  Aber  so  viel  ich  auch  auf- 
gemerkt habe,  so  verstehe  ich  doch  kein  Wort  und  sehe  nichts  ein  von 
seiner  Theorie  des  Vorstellungs Vermögens.  Dem  Professor  Jakob  bin 
ich  gut,  bis  auf  seine  Büchermacherey.  Er  ist  wirklich  ein  Mann  von 
guter  Denkungsart.  Aber  er  hat  kritische  Versuche  seinem  Hume  an- 
gehängt, welche  ein  schlechtes  Contrefait  dazu  sind.  Er  will  hin  und 
wieder  Mathematicker  darin  scheinen,  und  da  er  es  doch  nicht  ist,  so 
begeht  er  ausserordentliche  Absurditäten.  Im  verlaufenen  Winter  halben 
Jahre  hat  er  die  Logick  und  Metaphysick,  eine  empirische  Psychologie 


402  Aus  Kaut's  Briefwechsel. 

und  einen  moralischen  Beweiß  des  Daseyns  Gottes  geschrieben.  Auf 
die  Art  verdirbt  man  viel.  Denn  statt  dem  Publicum  bey  einer  der 
Menschheit  interessanten  Angelegenheit  behülflich  zu  seyn,  bringt  man 
dem  denkenden  Theil  desselben  Verdacht  gegen  die  gute  Sache  bey. 
Sonst  ist  Jakob  gewiß  ein  guter  Mann,  den  ich  aber  noch  weit  mehr 
lieben  wurde,  wenn  Philosophie  ihm  mehr  Herzenssache  als  Vortheils- 
sache  wäre.  Ich  halte  mich  lediglich  an  die  Eritick  und  lese  nichts 
mehr  was  von  Gegnern  oder  Freunden  derselben  geschrieben  ist 

Herr  Kiese wetter  hat  an  Jakob  geschrieben,  daß  die  Ostermesse 
Ihre  Moral  herauskommen  wurde.  Auf  diese  bin  ich  begierig.  Denn 
es  schweben  mir  in  diesem  Felde  noch  manche  Dunkelheiten  vor,  die 
eine  Moral  von  Ihnen  aufhellen  wird. 

Daß  Herr  Prof.  Jakob  jetzt  hier  Professor  Ordinarius  geworden, 
werden  Sie  aus  seinem  Briefe  an  Sie  wahrscheinlich  schon  erfahren  haben. 
Die  Giessener  haben  dem  Magister  Schmidt  die  Vocation  angetragen. 
Er  hat  sie  aber  wie  mir  Jakob  sagt,  ausgeschlagen,  weil  er  in  Jena 
eine  Predigerstelle  und  sonst  gute  Aussichten  hat. 

Sie  verlangten  daß  ich  unfrankirt  an  Sie  schieiben  sollte.  Dann 
aber  nehmen  Sie  es  mir  auch  wohl  nicht  übel,  daß  ich  einen  Brief 
an  Herrn  Pr.  Kraus  einlege. 

Herr  Professor  Klugel  empfiehlt  sich  Ihnen.  Er  sagt,  die  Ursache 
warum  Sie  von  Freunden  und  Gegnern  nicht  verstanden  werden,  ist 
weil  diese  nicht  Mathematicker  sind. 

Ich  bin  mit  der  lautersten  Hochachtung 

Halle  der  Ihrige 

d.  1*2  Juny  1791.  Beck. 

IT. 

Beck  an  Kant 

Halle  d.  6*£  October  1791. 

Theuerster  Herr  Professor, 

Vor  einiger  Zeit  erhielt  ich  einen  Brief  von  dem  Buchhändler 
Herrn  Hartknoch  aus  Riga,  der  mich  bat  und  zwar,  wie  er  sagte,  anf 
Ihren  Rath,   einen  Auszug  Ihrer  sämmtlichen  Schriften  lateinisch  zu 


Von  Rudolf  Reicke.  403 

sehreiben.  Da  ich  keinesweges  mir  die  dazu  gehörige  Fertigkeit  des 
Ausdrucks  in  dieser  Sprache  zutraue,  so  lehnte  ich  ohne  Bedenken 
diesen  Antrag  von  mir  ab.  Ich  tbat  ihm  aber  einen  andern  Vorschlag, 
den  nehmlich,  Verleger  zu  werden  von  einer  Prüfung  der  Theorie  des 
Vorstellungsvermögens  des  Herrn  Keinholdts;  oder  auch  von  einer  Ver- 
gleichung  der  Humeschen  Philosophie  mit  der  Ihrigen,  die  ich  nach 
und  nach  ausarbeiten  wollte.  Was  mich  nun  auf  einmahl  dazu  brachte, 
was  schreiben  zu  wollen,  war  in  Wahrheit  nicht  Genie-Drang,  sondern 
eine  behuthsame  Ueberlegung.  Da  ich  nehmlich  bedachte,  daß  es  um 
das  Lesen  eines  neuen  Magisters  eine  mißliche  Sache  ist,  und  mein 
anderweitiger  Verdienst  so  geringe  ist,  daß  bey  aller  Einschränkung 
ich  dennoch  davon  nicht  subsistiren  kann,  so  fiel  ich  auf  die,  in  unsern 
Tagen  leider!  von  zu  vielen  zugesprochene,  aber  doch  noch  immer 
ergiebige  Quelle,  was  zu  schreiben.  Nun  muß  ich  freylich  gestehen, 
daß  ich  nicht  sehr  gehindert  werde,  alle  blosse  Buchermacher  als  Be- 
trüger anzusehen.  Auch  muß  ich  das  gestehen,  daß  wegen  meiner 
sehr  langsamen  Progressen  in  der  Mathematick,  ja  deswegen,  weil  ich 
nichts  Neues  der  Welt  zu  sagen  habe,  ich  mich  eben  für  keinen  be- 
ruffenen  Scribenten  ansehen  kann.  Da  ich  aber  an  die  Theorie  des 
Yorstellungsvermögens  Vermögens  [sie]  dachte,  so  schien  der  Vorwurf 
darüber  was  zu  schreiben,  einen  Theil  meiner  Bedenklich[kei]ten  zu 
lieben.  Ich  bin  von  der  Nichtigkeit  dieser  Theorie  so  sehr  überzeugt, 
daß  ich  im  Stande  bin,  gar  Ihnen,  mein  Urtheil  darüber  zu  sagen, 
und  da  die  Kritick  mich  überzeugt  hat,  so  glaubte  ich  über  diese  Theorie, 
nach  Anstrengung  meiner  Kräfte,  was  Gedachtes  und  nicht  ganz  Un- 
nützes hervorzubringen.  Um  jedoch  nichts  zu  unternehmen  das  auch 
spätherhin  mich  mit  mir  selbst  unzufrieden  machen  dürfte,  entschloß 
ich  mich  zu  dem,  Ihnen,  beßter  Herr  Professor,  offenherzig  mein  Unter- 
nehmern anzuzeigen,  und  Ihren  Rath  mir  darüber  auszubitten. 
d.  8£?  October. 
So  weit  war  ich,  da  ich  Ihren  freundschaftlichen  Brief  vom  271  Sept. 
erhielt.  Nun  darf  ich  mit  etwas  mehr  Muth  weiter  schreiben.  Zuerst 
muß  ich  Ihnen  sehr  danken,  für  das  Vertrauen  das  Sie  zu  mir  fassen. 
So  gut  ich  nur  immer  kann,  werde  ich  desselben  mich  werth  zu  machen 


*  ~  "  "I 


404  Au8  K*Dt'8  Briefwechsel. 

suchen.  Mit  Freymüthigkeit,  aber  auch  mit  Furchtsamkeit  schicke  ich 
Ihnen  eine  Probe  meiner  Aufsätze  über  die  Theorie  des  Vorstellungs- 
vermögens. Sie  haben  die  Form  der  Briefe,  weil  ich  sie  wirklich  an 
einen  hiesigen  Freund  einen  gewissen  Magister  Rath,  der  im  Stillen 
die  Kritick  beherzigt,  und  den  ich  sehr  liebe,  gerichtet  habe,  der  mir 
auch  ein  Paar  Aufsätze  dazu  als  Antworten  versprochen  hat,  so  daß 
die  ganze  Schrift  vieleicht  8  Bogen  stark  werden  könute.  Aber  Sie 
bitte  ich  vor  allen  Dingen,  sie  zu  beurtheilen.  Das  imprimatur  oder 
non  imprimatur  soll  ganz  von  Ihnen  abhängen.  Eigentlich  habe  ich 
wohl  die  Absicht  sie  anonymisch  zu  schreiben.  Wenn  Sie  aber  Gelegen- 
heit haben,  mich  mit  Herrn  Reinholdt  bekannt  zu  machen,  so  würde 
das  gleichwohl  mir  angenehm  seyn,  und  ich  würde  auch  in  dem  Fall, 
sehr  sorgfältig  alles,  was  selbst  entfernt  ihn  böse  machen  könnte,  meiner 
Schritt  benehmen.  Einen  Auszug  aus  Ihren  kritischen  Schriften  zu 
machen,  wird  vorzüglich  daher  mir  ein  angenehmes  Geschäfte  seyn,  weil 
Sie  mir  erlauben,  meine  Bedenklichkeiten,  grade  Ihnen  vorzulegen. 
Die  Eritick  d.  r.  V.  habe  ich  mit  dem  herzlichsten  Interesse  studirt, 
und  ich  bin  von  ihr  wie  von  mathematischen  Sätzen  überzeugt.  Die 
Eritick  der  practischen  Vernunft  ist  seit  ihrer  Erscheinung  meine  Bibel. 
Aber  ich  wünsche  jetzt  nicht  so  viel,  Ihnen  geschrieben  zu  haben,  um 
einige  mir  vorkommende  Schwierigkeiten,  welche  jedoch  die  eigentliche 
Moral  betreffen,  Ihnen  vorlegen  zu  können. 

An  Herrn  Pr.  Eraus  bitte  ich  inliegenden  Brief  abzugeben.  Vor 
allen  Dingen  habe  ich  diesem  vortreflichen  Mann  die  Ursache  angeben 
müssen,  warum  ich  Schriftstellern  will.  Aber  Sie  habe  ich  noch  ganz 
vorzüglich  zu  ersuchen  ihn  zu  bitten,  daß  er  mir  deshalb  nicht  böse 
seyn  wolle.  Seinen  Unwillen  fürchte  ich  mehr  als  den  Tadel  der 
Becensenten. 

Da  Sie  so  gütig  sind  zu  verlangen,  daß  ich  meinen  Brief  nicht 
frankire,  so  thue  ich  es,  auch  diesesmahl  nicht.  Da  jedoch  ich  künftig 
was  verdienen  werde,  so  bitte  ich  für  die  Zukunft  mir  [*ic]  das  Porto 
tragen  zu  lassen.    Ich  bin  mit  der  herzlichsten  Hochachtung 

der  Ihrige 
Beck. 


Von  Rudolf  Reicke.  4Q5 

y. 

Beck  an  Kant. 

Halle  d.  11*2  November  1791. 
Theuerster  Herr  Professor! 

Bald  nachdem  ich  den  Brief  votn  2^2  October  an  Sie  geschrieben 
hatte,  und  noch  täglich  an  der  Prüfung  der  Theorie  des  Vorstellungs- 
vermögens etwas  arbeitete,  wurde  der  Gedanke  mir  immer  auffallender, 
daß  ich  doch  im  Grunde  für  kein  Publicum  schriebe.  Da  ich  nun 
gestern  Ihren  mir  sehr  lieben  Brief  vom  2£H  November  erhielt,  so  be- 
schloß ich  gleich,  diese  Arbeit  ganz  bey  Seite  zu  legen.  Aber,  obgleich 
dem  so  ist,  so  liegt  mir  doch  daran,  Sie  zu  versichern,  daß  ich  weit 
entfernt  gewesen,  etwas  in  meine  Schrift  zu  setzen,  was  Herrn  Reinholdt 
auf  den  Gedanken  bringen  könnte,  daß  Sie  was  darum  wüßten.  Auch 
hätte  ich  mir  nichts  Hartes  gegen  diesen  Mann  erlaubt,  der  des  Wahr- 
heit-Gefühls wegen,  das  er  in  seiner  Schrift  äussert,  mir  immer  sehr 
schätzbar  ist.  Ganz  unnütze  für  mich  ist  auch  meine  Beschäftigung 
mit  seiner  Theorie  nicht  gewesen,  indem  ich  Vieles  mehr  nachgedacht 
und  mir  auch  geläufiger  gemacht  habe. 

Ich  wende  mich  nun  zu  der  mir  weit  interessanteren  Arbeit,  einen 
Auszug  aus  Ihren  kritischen  Schriften  zu  verfertigen,  und  schiebe  die, 
dem  Herrn  Hartknoch  angebotene  Schrift  über  Hume  noch  etwas  auf. 
Mit  dem  mir  möglichen  Fleiß  will  ich  arbeiten  und  werde,  beßter 
Herr  Professor,  da  Sie  es  mir  ja  erlauben,  Ihnen  das  schreiben,  was 
ich  noch  nicht  tief  genug  bis  zur  eigenen  Beruhigung  einsehe.  Wenn 
Sie  nun  so  gütig  seyn  wollen,  deswegen  an  Herrn  Hartknoch  zu  schreiben, 
so  wird  mir  das  sehr  angenehm  seyn.  Er  wird  aber  auch  so  gut  seyn 
müssen  mir  aus  seinem  Lager  in  Leipzig  einige  Sachen,  besonders 
Journale,  die  ich  mir  ausbitten  werde,  zu  schicken. 

Und  nun,  erlauben  Sie  mir,  zu  fragen,  ob  ich  in  Folgendem  Ihren 
Sinn  treffe.  Nur  muß  ich  Sie  vorher  bitten  doch  nicht  verdrüßlich 
zu  werden,  wenn  bey  der  Versicherung  die  Eritick  beherzigt  zu  haben, 
ich  doch  vieleicht  zu  fehlerhaft  schreibe. 


406  A-08  Kant'0  Briefwechsel« 

Die  Kritick  nennt  die  Anschauung,  eine  Vorstellung  die  sich  un- 
mittelbar auf  ein  Object  bezieht.  Eigentlich  aber  wird  doch  eine  Vor- 
stellung, allererst  durch  Subsumtion  unter  die  Kategorien  objecüv.  Und 
da  auch  die  Anschauung,  diesen,  gleichsam  objectiven  Character,  auch 
nur  durch  Anwendung  der  Kategorien  auf  dieselbe  erhält,  so  wollte 
ich  gern  jene  Bestimmung  der  Anschauung,  wonach  sie  eine  auf  Ob- 
jecto sich  beziehende  Vorstellung  ist,  weglassen.  Ich  finde  doch  in  der 
Anschauung  nichts  mehr,  als  ein  vom  Bewußtseyn  (oder  dem  einer- 
ley  Ich  denke)  begleitetes  und  zwar  bestimmtes  Mannigfaltige,  wobey 
noch  keine  Beziehung  auf  ein  Object  statt  findet.  Auch  den  Begrif 
will  ich  nicht  gern  eine  Vorstellung  die  sich  mittelbar  auf  ein  Object 
bezieht,  nennen;  sondern  unterscheide  ihn  darin  von  der  Anschauung, 
daß  diese  durchgängig  bestimmt,  und  jener  nicht  durchgängig  bestimmt 
ist.  Denn  Anschauung  und  Begrif  erhalten  ja,  erst  durch  das  Geschäfte 
der  Urtheilskraft  die  sie  dem  reinen  Verstandesbegrif  subsumirt,  das 
Objective.  -|-  ,8) 

Unter  dem  Worte  verbinden  in  der  Kritick,  verstehe  ich  nichts 
mehr,  noch  minder,  als  das  Mannigfaltige  von  dem  identischen  Ich 
denke,  begleiten,  wodurch  überhaupt  eine  Vorstellung  entsteht 
Nun  meyne  ich  daß  die  ursprüngliche  Apperception  eben  um  dieser 
einen  Vorstellung  willen,  die  dadurch  nur  zu  Stande  kommen  kann, 
von  der  Kritick  die  Einheit  der  Apperception  genannt  wird.  Aber 
habe  ich  auch  darin  recht  daß  ich  beyde  verwechsele,  oder  vielmehr, 
darin  lediglich  den  Unterschied  finde,  daß  das  reine  Ich  denke,  ob- 
gleich es  nur  an  der  Synthesis  des  Mannigfaltigen  erhalten  wird,  doch 
überhaupt  (da  es  selbst  nichts  Mannigfaltiges  in  sich  schließt)  als 
etwas  Unabhängiges  von  demselben  gedacht  wird;  hingegen  die  Ein- 
heit des  Bewußtseyns  in  der  Identität  desselben  bey  den  Theilen  des 


")  Kant  hat  hier  ein  \  gemacht  und  unten  in  3  Zeilen  vermerkt:  „Die  Bestimang 
„eines  Begrifs  durch  die  Anschauung  zu  einer  Erkentnis  des  Objects  gehört  für  die 
„Urtheilskraft  aber  nicht  die  Beziehung  der  Anschauung  auf  ein  Object  überhaupt; 
„den"  das  ist  blos  der  logische  Gebrauch  der  Vorstellung  dadurch  diese  als  zum 
„Erkentnis  gehörig  gedacht  wird,  dahingegen  wefi  diese  einzelne  Vorstellung  blos 
„aufc  Subject  bezog,  wird  der  Gebrauch  ästhetisch  ist  (Gefühl)  und  die  Vorstellung 
„kein  Erkentnißstück  werden  kan". 


Von  Rudolf  Reicke.  407 

Mannigfaltigen  zu  setzen  sey?  Diese  Einheit  erhält  nun  in  meinen 
Angen  den  Character  der  objectiven  Einheit,  wenn  die  Vorstellung  selbst 
unter  die  Kategorie  subsumirt  wird.  Herr  Beinboldt  spricht  von  einer 
Verbindung  und  einer  Einheit  im  Begrif,  einer  zweyten  Verbindung  und 
einer  zweyten  Einheit  (von  der  zweyten  Potenz,  wie  er  sich  ausdrückt) 
im  Urtheil.  Auch  hat  er  noch  eine  dritte  im  Schluß.  Davon  verstehe 
ich  zwar  nicht  ein  Wort,  indem  ich  unter  verbinden  nichts  mehr  als 
das  Mannigfaltige  vom  BewuBtseyn  begleiten,  verstehe,  aber  doch  macht 
es  mich  mißtrauisch  gegen  mich  selbst. 

Mein  Theuerster  Lehrer,  Ihnen  Zeit  rauben  ist  nicht  meine  Sache. 
Aber,  indem  ich  für  dieses  mahl  nichts  Weiteres  Ihnen  vorlegen  will, 
muß  ich  Sie  inständigst  bitten,  mit  wenigen  Worten  mich  über  das 
Vorgelegte,  zu  beruhigen.  Denn  wenn  ich  irre,  so  würden  doch  wohl 
nur  einige  Winke  hinlänglich  mich  auf  die  rechte  Bahn  führen.  Es 
verhält  sich  mit  diesem  Studium  darin  ganz  anders  wie  mit  dem  der 
Mathematik.  Sätze  der  letztern,  einmahl  deutlich  eingesehen,  können 
wohl  an  Deutlichkeit  nichts  mehr  gewinnen.  Dies  letztere  findet  doch 
in  der  Philosophie  statt.  Klügel,  dessen  Scharfsinn  ich  oft  zu  bemerken 
Gelegenheit  habe,  versichert  mich,  daß  obgleich  gar  einmahl  er  ein 
Collegium  über  die  Metaphysick  der  Natur  gelesen,  er  lange  nachher 
erst  ein  einigermassen  widriges  Vorurtheil  sowohl  gegen  jene  Metaphysick, 
als  auch  wohl  gegen  die  Kritik  bis  auf  den  Punct  daß  er  sie  schätze, 
indem  er  sie  immer  mehr  verstehe  abgelegt  habe.  Ich  erinnere  mich 
noch  gar  wohl,  wie  er,  um  die  Zeit  da  ich  hier  angekommen  war,  über 
die  Bestimmung,  wonach  die  Mathematik  eine  Wissenschaft  durch 
Construction  der  Begriffe  sey,  urtheilte.  Ich  konnte  lange  nicht  errathen 
was  er  damit  haben  wollte,  daß  sie  eine  Wissenschaft  der  Formen 
der  Grössen  sey,  und  erfuhr  erst  da  ich  disputirte,  daß  seine  Er- 
klärung genau  mit  der  Ihrigen  congruire.  Die  Kritick  der  Urteils- 
kraft befriedigt  mich  ganz.  Nur  müssen  Sie  nicht  zürnen  daß  ich  jetzt 
erst  mit  dem  ästhetischen  Theil  fertig  bin.    Ich  bin  mit  der  reinsten 

Hochachtung 

der  Ihrige 

Beck. 


Am  Kaat'a  Brlefwochael 


VI. 
Beck  an  Kant. 


Thenerster  Herr  Professor, 

Heute  habe  ich  das  Vergnügen  gehabt,  H 
kennen  zu  lernen.  Er  sagt,  Sie  erlauben  es 
Auszugs  aus  Ihren  eritiseben  Schriften  zu  s 
Wissen  geschrieben  sey.  Das  ist  nun  wohl 
dadurch  noch  nicht  ganz  beruhigt.  Ich  in 
Publicum,  und  muß,  nenn  ich  auch  nur  auf 
seyn  will,  alle  Vorsicht  und  Fleiß  anwenden, 
zu  erscheinen.  Wollen  Sie  mir  erlauben,  ! 
schicken,  und  darf  ich  Sie  bitten,  entweder 
oder,    da  ich   dieses'  wohl    nicht    erwarten 

Herrn  Hofprediger  Schultz  in  meinem  Namen  darum  ersuchen? 
Er  kennt  mich  sehr  wohl,  und  würde  vieleicbt  auch  aus  Freundschaft 
für  mich,  und  wenigstens  wenn  Sie  insbesondere  ihn  darum  bitten, 
es  wohl  thtin. 

leb  wünsche  gar  sehr  zu  wissen  ob  ich  in  Folgenden  Ihre  Gedanken 
treffe.  Ich  meyne  daß  man  in  der  trausc.  Aesthetick  die  Anschauung 
gar  nicht  erklären  dürfe,  durch  die  Vorstellung  die  sich  unmittelbar  auf 
einen  Gegenstand  bezieht,  und  die  da  entsteht,  indem  der  Gegenstand 
das  Gemüth  afficirt.  Denn  in  der  transc.  Logick  kann  erst  gezeigt 
werden,  wie  wir  zu  objeetiven  Vorstellungen  gelangen.  Die  reine  An- 
schauung verbietet  jene  Erklärung  schon  von  selbst.  Ich  sehe  doch  in 
Wahrheit  nicht  daß  ich  irre,  wenn  ich  sage:  die  Anschauung  ist  eine 
durchgängig  bestimmte  Vorstellung  in  Ansehung  eines  gegebenen  Mannig- 
faltigen. Auch  wird  es  mir  so  recht  deutlich,  daß  die  Mathematik 
eine  Wissenschaft  durch  Construction  der  Begriffe  sey.  Denn  auch  die 
Algeber  kann  nicht  anders  als  vermittelst  durchgängig  bestimmter  Vor- 
stellungen ihre  Sätze  beweisen.  Auch  muß  man  meiner  Meynung  nach 
gar  sehr  bedacht  seyn,  das  Subjective  der  Sinnlichkeit  von  dem  Ob- 


Von  Rudolf  Reicke.  409 

jectiven  zu  scheiden,  um  nachher  desto  besser  das  eigene  Geschäfte  der 
Categorien,  welche  die  Objectivität  den  Vorstellungen  geben,  ins  Auge 
zu  fassen. 

Zweytens  ist  es  mir  sehr  begreiflich,  daß  die  Gegenstände  der 
Sinnenwelt,  den  Grundsätzen  der  transc.  Urtheilskraft  unterworfen  seyn 
müssen.  Um  dieses  im  hellen  Lichte  zu  sehen,  so  subsumire  man  die 
empirische  Anschauung  unter  die  Schemate  der  Categorien:  so  sieht 
man  so  fort,  daß  sie  nur  dadurch  Objectivität  erhält,  da  dann  die 
Frage  wie  es  zugeht,  daß  die  Gegenstände  sich  nach  jenen  syntheti- 
schen Sätzen  a  priori  richten  müssen,  aufhört.  Sie  sind  ja  nur  darum 
Gegenstände,  so  fern  ihre  Anschauung  der  synthetischen  Verknüpfung 
des  Schema  unterworfen  gedacht  wird.  Z.  B.  sehe  ich  die  Gültigkeit 
der  Analogie,  daß  allen  Erscheinungen  was  Beharrliches  zum  Grunde 
liege,  daher  ein,  weil,  wenn  ich  das  Schema  der  Substantialität  auf  die 
empirische  Anschauung  beziehe,  diese  eben  hiedurch  Objectivität  erhalte, 
mithin  muß  der  Gegenstand  selbst,  dieser  synthetischen  Verknüpfung 
der  Substanz  und  Accide/iz  unterworfen  seyn.  Aber  wenn  ich  bis  zu 
dem  Princip  der  ganzen  Sache  hinaufsteige,  dann  treffe  ich  doch  eine 
Stelle  an,  wo  ich  sehr  gern  mir  mehr  Licht  wünsche.  Ich  sage,  die 
Verbindung  der  Vorstellungen  im  Begrif  ist  von  derjenigen  im  Urtheil 
verschieden,  so  daß  in  der  letzten  noch  über  jene  Verknüpfung  die 
Handlung  der  objeetiven  Beziehung  vorgohe,  also  die  nehmliche  Hand- 
lang, durch  welche  man  einen  Gegenstand  denkt  In  der  That  ist  es 
doch  ganz  was  Verschiedenes,  wenn  ich  sage,  der  schwarze  Mensch, 
oder,  der  Mensch  ist  schwarz, ")  und  ich  meyne  daß  man  sich  nicht 
fehlerhaft  ausdrücke,  wenn  man  sagt,  die  Vorstellungen  im  Begrif  sind 
zur  subjeetiven  Einheit,  dagegen  im  Urtheil  zur  objeetiven  Einheit  des 
Bewußtseyns  verbunden.  Aber  ich  gebe  viel  darum  wenn  ich  tiefer 
in  die  Sache  greifen  könnte  und  eben  diese  Handlung  der  objeetiven 
Beziehung   dem  Bewußtsein  besser  darstellen  könnte.     In  meinem 


17]  Kant  hat  hierzu  auf  derselben  zweiten  Seite  unten  bemerkt:  „Der  Ausdruk:  der 
„schwarze  Mensch  bedeutet  den  Menschen  sofern  der  Begrif  von  ihm  in  Ansehung 
»der  Öchwärze  bestirnt  gegeben  ist,  aber  der:  der  Mensch  ist  schwarz  bedeutet  die 
»Handlung  meines  Bestimens". 

▲hpr.  MouatMchrift  Bd.  XX IL  HfL  5  n.  6.  27 


410  Aua  Kant' s  Briefwechsel. 

letzten  Briefe  berührte  ich  diesen  Punct  als  eine  mir  vorkommende 
Dunkelheit,  und  beßter  Herr  Professor,  aus  Ihrem  Schweigen  darauf, 
argwöhnte  ich,  daß  ich  Unsinn  darin  verrathen  haben  dürfte.  Aber 
ich  mag  die  Sache  um  und  um  ansehen,  so  sehe  ich  nicht  daß  ich 
grade  was  Ungereimtes  gethan,  wenn  ich  Belehrung  darüber  mir  aus- 
gebeten und  Sie  noch  darum  ganz  inständigst  ersuche. 

Drittens,  ist  mir  das  Verfahren  der  Critick  der  practischen  Vernunft 
ausserordentlich  einleuchtend  und  fürtreflich.  Sie  hebt  von  objectiv- 
practischen  Principien  an,  welche  die  die  [sie]  reine  Vernunft  ganz 
'  unabhängig  von  aller  Materie  des  Willens,  für  verbindend  anerkennen 
muß.  Dieser  anfänglich  problematische  Begrif  erhält  unwiderlegbare 
objeetive  Realität  durch  das  Factum  des  Sittengesetzes.  Aber  ich  ge- 
stehe, daß  so  einleuchtend  wie  der  Uebergang  der  synthetischen  Grund- 
sätze der  transc.  Urtheilskraft  zu  Gegenständen  der  Sinnenwelt,  die 
ihnen  unterworfen  sind  vermittelst  der  Schemate,  mir  vorkömmt,  mir 
der  des  Sittengesetzes  vermittelst  des  Typus  desselben,  nicht  erscheint, 
und  ich  würde  wie  von  einer  Last  befreyet  seyn,  wenn  Sie  freund- 
schaftlich, die  Nichtigkeit  folgender  Frage  mir  zeigen  wollten.  Ich 
frage  nehmlich,  kann  man  sich  nicht  denken,  daß  das  Sittengesetz 
etwas  geböte,  das  seinem  Typus  zuwider  wäre,  mit  andern  Worten: 
kann  es  nicht  Handlungen  geben,  bey  denen  eine  Naturordnung  niebt 
bestehen  kann,  und  die  doch  das  Sittengesetz  vorschreibt?  Es  ist  ein 
bloß  problematischer  Gedanke,  aber  ihm  liegt  doch  das  Wahre  zum 
Grunde,  daß  die  strenge  Notwendigkeit  des  categorischen  Imperativs, 
keinesweges  von  der  Möglichkeit  des  Bestehens  einer  Naturordnung 
herzuleiten  ist;  aber  darin  werde  ich  irren,  wenn  ich  die  Ueberein- 
stimmung  beyder  für  zufällig  erkläre. 

Und  nun,  lieber  theurer  Lehrer,  werden  Sie  mir  doch  nicht  ab- 
geneigt, wegen  meines  vieleicht  ungestühmen  Anhaltens  mit  meinen 
Briefen.    Ich  liebe  und  verehre  Sie  unaussprechlich  und  bin  mit  Herz 

und  Seele  der 

Ihrige 

Beck. 


Von  Rudolf  Reicke.  411 

vn- 

Beck  an  Kant. 

Halle  d.  8!fü  September  1792. 
Theuerster  Herr  Professor, 

Sie  haben  mir  erlaubt  Ihnen  mein  Manuscript  zu  schicken  und  ich 
benutze  hiemit  dieses  gutige  Anbieten.  Da  ich  es  mit  Sorgfalt  auf- 
gesetzt und  kein  Nachdenken  in  dieser  Arbeit  mir  erspahrt  habe,  so 
giebt  mir  dieses  einigen  Muth  dieselbe  Ihnen  vorzulegen.  Was  die 
Schwierigkeiten  betritt,  die  mich  bisweilen  quälten,  und  die  ich  zum 
Theil  Ihnen  vorgelegt  habe,  so  habe  ich  grosscntheils  und  nach  und 
nach  aus  eigenem  fundo  sie  mir  selbst  gehoben.  Daß  der  grade  Gang 
auch  in  Wissenschaften  der  beßte  ist,  erfahre  ich  täglich,  indem  jedes- 
mahl,  daß  ich  mich  überredete,  auch  in  der  Critick  was  eingesehen  zu 
haben,  das  ich  doch  nicht  hatte,  ich  mich  nur  vom  Ziel  auf  längere 
Zeit  entfernt  habe.  Der  Auszug  aus  der  Critick  der  reinen  Vernunft 
geht  in  diesen  Heften  bis  zur  tranfcendentalen  Dialectick.  Ich  habe  ihn 
schon  einmahl  ganz  fertig  gehabt;  aber  der  Fortschritt  in  diesem  Studium 
und  die  dadurch  erhaltene  Aufklärung  hat  mich  vermocht  die  ganze 
Arbeit  umzuwerfen  und  von  Neuem  den  Aufsatz  zu  machen.  Aber  um 
eine  Unart  muß  ich  um  Verzeihung  bitten.  *Ich  habe  zwar  das  Manu- 
script so  leserlich  als  ich  konnte  geschrieben,  aber  es  war  mir  unmöglich 
es  abschreiben  zu  lassen,  weil  die  Leute  die  man  hier  dazu  braucht, 
Soldaten  sind,  und  diese  sich  jetzt  in  Frankreich  befinden. 

Und  nun,  Lieber,  Theurer  Lehrer,  darf  ich  freylich  nicht  Wähnen, 
daß  sie  mein  ganzes  Geschreibe  selbst  durchgehen  werden.  Nur  um 
die  Gefälligkeit  muß  ich  Sie  wirklich  ersuchen,  die  einige  Blätter  von 
der  Deduction  der  Categorien  und  den  Grundsätzen  durchzugehen,  woran 
mir  am  meisten  gelegen  ist  und  mir  zu  zeigen,  was  ich  wohl  gar  falsch 
durfte  gefaßt,  oder  Ihrem  Wunsche  nicht  gemäß  dargestellt  haben.  Der 
Buchdrucker  verlangt  aber  das  Manuscript  in  einer  Zeit  von  acht  Wochen 
und  ich  bin  daher  genöthigt  es  mir  gegen  Ende  des  Novembers  zurück 
zu  erbitten. 

Noch  eine  Privatfrage  möchte  ich  gern  thun,  wozu  mir  Ihre  Critick 

durch  die  mir  ausserordentlich  einleuchtende  Bemerkung,  daß  man  einen 

27* 


412  Att»  K*Qt'f  Briefwech  sei. 

Baum  durchweg  erfüllt  mit  Materie  sich  denken  und  gleichwohl  das 
Reale  desselben  durch  unendlich  viele  Grade  verschieden  setzen  könne. 
Ich  habe  mich  niemals  in  die  Vorstellungsart  Kästners,  Karstens  :c. 
daß  man  die  Materie  aus  gleichförmigen  Moleculis  von  einerley  Schwere 
bestehend  sich  denken  müsse,  um  die  verschiedenen  Gewichte  gleicher 
Volumina  sich  zu  erklären,  finden  können.  Die  critische  Philosophie 
hat  bis  zum  Ergötzen  mich  hierüber  belehrt.  Um  nun  jene  Erscheinung 
mir  zu  erklären,  stelle  ich  mir  die  Sache  so  vor.  Die  Erde  zieht  jeden 
Körper  auf  ihrer  Oberfläche  an,  so  wie  sie  auch  von  ihm  angezogen 
wird.  Aber  die  Wirkung  des  Körpers  gegen  | ")  die  Erde  ist  unend- 
lich klein  gegen  die  welche  die  Erde  auf  ihn  hat  und  daher  kommt  es 
daß  die  Fallhöhe  im  luftleeren  Baum  aller  Körper  ganz  gleich  ist. 
Hänge  ich  aber  zwey  Körper  von  gleichem  Volumen  in  denen  kein  Theil 
leer  seyn  mag  an  die  Wage,  so  wird  die  Wirkung  welche  die  Erde  auf 
beyde  äussert  gegen  einander  aufgehoben,  aber  die  Kräfte  womit  beyde 
Körper  die  Erde  anziehen,  bleiben  und  sind  es  nun  allein  welche  ein 
Verhältniß  gegen  einander  haben.  Im  luftleeren  Raum  ist  das  Verhältniß 
der  Kräfte  womit  beyde  Körper  zur  Erde  fallen  =  a  +  cLc:  a  +  dy  =  a:a 
also  ein  Verhältniß  der  Gleichheit;  aber  an  der  Wage  =cLc:dy  ein 
Verhältniß  der  Ungleichheit  Würden  beyde  Körper  auf  eine  Mondes- 
weite etwa  von  der  Erde  erhoben,  so  würden  gewiß  ihre  Fallhöhen  nicht 
mehr  gleich  seyn.    Ob  ich  darin  wohl  recht  habe? 

Inliegenden  Brief  an  Sie  zu  bestellen  hat  mich  Herr  M.  Bath 
gebeten.  Er  hat  Lust  die  Critick  ins  Latein  zu  übersetzen  und  will 
Sie  darum  befragen.  Da  Ihnen  dieser  Mann  gänzlich  unbekannt  ist, 
so  darf  ich  wohl  einige  Worte  die  ihn  kenntlich  machen  sollen  her- 
setzen. Er  ist  kein  junger  Mensch,  sondern  ein  Mann  zwischen  dreyßig 
und  vierzig.  Wirklich  reine  Liebe  zu  den  Wissenschaften  hat  ihn  vom 
schriftstellerischen  Pfad,  und  diese  sowohl  als  eine  grade  aufrichtige 
Denkungsart,  von  dem  Bestreben  das  andern  manchmahl  schnell  Ehren 
bringt,  abgehalten.  Daß  er  die  alten  Sprachen  kenne  habe  ich  aus  dem 


,s)  Kant  Hat  hinter  dem  Worte  „gegen"  einen  Verticalstrich  gemacht  und  am  Rand« 

vermerkt:  „|  einen  gleichen  Theil  der  Erde    aber  auf  der  ganzen  Erde  ist  sie  gleich 
„nnr  nicht  der  Geschwindigkeit  nach,  die  sie  der  Erde  gieht" 


Von  Rudolf  Reicke.  4^3 

Munde  derjenigen,  die  hierselbst  ein  Ansehen  deshalb  haben.  Daß  er 
aber  die  critische  Philosophie  mit  glücklichem  Erfolg  studire,  davon 
überführt  mich  mein  vertrauter  Umgang  mit  ihm,  der  mir  das  seltene 
Glück  gewährt,  meine  Gedanken  einer  menschlichen  Seele  mit  Wohl- 
gefallen mittheilen  zu  können. 

Künftiges  Winterhalbe  Jahr  werde  ich  ein  Publicum  lesen  der 
practischen  Philosophie,  worauf  ich  mich  herzlich  freue,  indem  ich  ge- 
wiß viel  belehrter  es  schliessen  als  ich  es  anfangen  werde. 

Ich  schliesse  hiemit  und  empfehle  mich  Ihrer  Gewogenheit,  der 
ich  mit  Hochachtung  und  Liebe  bin  der  Ihrige 

Beck. 

Auf  derselben  Seite  von  Kants  Hand  14  Zeilen:    • 

Kant 
„Die  größte  Schwierigkeit  ist  zu  erklären  wie  ein  bestirntes  Volumen 
„von  Materie  durch  die  eigene  Anziehuug  seiner  Theil[e]  in  dem  Ver- 
hältnis des  Qvadrats  der  Entfernung  inverfe  bey  einer  Abstoßung  die 
„aber  nur  auf  die  unmittelbar  berührenden  Theile  (nicht  auf  die  Eni- 
,ferneten)  gehen  kan  im  Verhältnis  des  Cubus  derselben  (mithin  des 
„Volumens  selber)  möglich  sey.  Den  das  Änziehungsvermögen  komt 
„auf  die  Dichtigkeit  diese  aber  wieder  aufs  Anziehungsvermögen  an. 
«Auch  richtet  sich  die  Dichtigkeit  nach  dem  umgekehrten  Verhältnis 
„der Abstoßung  d.i.  des  volumens  —  Nun  fragt  sich  ob  wen  ich  eine 
„Qvantität  Materie  darin  ihre  Theile  einander  in  allen  Entfernungen  nach 
«obigem  Gesetz  anziehen  aber  derselben]  Zurückstoßung  doch  größer 
„ist  sich  selbst  überlasse  ob  es  eine  gewisse  Grenze  der  ferneren  Aus- 
dehnung gebe,  da  die  Anziehung  mit  der  Zurückstoßung  im  Gleich- 
gewicht ist  oder  ob  nicht  wen  die  Zurückstoßung  bey  einer  Dichtigkeit 
„größer  ist  als  die  Anziehung  sie  es  nicht  ins  Unendliche  bey  größerer 
„Ausdehnung  bleibe.  Die  Abnahme  nach  dem  Cubus  der  Entfernung 
„aber  scheint  das  erstere  zu  bestätigen.  Nun  kan  man  viele  solche 
»aggregata  außer  einander  denken  darin  jedes  gleichsam  einen  Dienst 
„für  sich  ausmacht  und  die  sich  einander  anziehen  wodurch  sie  sich  ' 
„mehr  verdichten  welche  Nähertretung  aber  von  einer  gewissen  Ursprung- 


L1E1 


414  ÄDB  Ksnt's  liriefwecfciel. 

, liehen  Dünnigkeit  des  Vniverfum  durch  plötzliche  Lo 
«eine  im  er  wahren  de  eoneusfion  zuwege  bringen  würd 
„terie  bestirnte  für  sich  beharrliche  Klumpen  ausr 
„einen  Zusameubang  d.  i.  eine  Anziehung  haben, 
.anziehenden  Kräften  aller  Tbeile  derselben  sondert 
.rührenden  herrühre te  als  im  Grunde  nicht  dem  Zug  i 
„beizumessen  wäre." 

Die  letzte  Seite  den  Briefes  ganz  dic)u  beschriebe 
(68—60  Zeilen): 

„Die  Kräfte  womit  jene  zwey  Körper  die  Erd 
.geben  imer  gleiche  Geschwindigkeit  derselben  weil 
.größer  ist  indem  sie  insgesamt  die  Erde  ziehen  sie  z 
„Solicitation  der  Erde  eindrücken  aber  um  so  viel 
„Annähemng  zur  Erde  vermindert  wird  (wegen  ihre 
„mithin  iiiier  dieselbe  bleibt  so  lange  das   gemeins 
„der  Schweere  von  dem  Gentrum  der  Erde  nur  un> 
„ferat  bleibt.  —  Man  muß   um  den  Unterschied   < 
„erklären,   annehmen  daß  dieselbe  Anziehungskraft   einer   gegebenen] 
„Qvantität  Materie  gegen  eine  unendliche  verschiedene  Zurückstoßungs- 
.kraft  wirke,  dieser  aber  das  Ge[gen]gewicht  (oder  die  Gegenwirkung 
„die  zur  bestirnten  Einschränkung  des  Baumes   der  isolirten  Materie) 
„nicht  leisten  köne  ohne  vermittelst  der  Anziehung  aufs  ganze  vnirerfum. 
„Da  aber  diese  mit  den  Qvadraten  der  Entfernung  abnimt  so   würde 
„sie  durch  den  Druck  der  auf  solche  Weise  angezogenen  Materie  dieses 
„Gleichgewicht  einer  bestehenden  Zusamend  rückung  nicht  leisten  wen 
„nicht  die  Zurückstoßung  als  wie  der  Cubus  der  Entfernung  umgekehrt 
„abnähme.    Hiedurcb  wird  nicht  der  Zusamenhang  (den  der  läßt  sich 
„durch  keine  drückende  Kräfte  erklären)  sondern  blos  der  Unterschied 
„der  Materien  ihrer  Qvalität  nämlich  der  Zurückstoßung  nach  erklärt; 
„den[nj  die  Zurück stoßung  läßt  sich  ohne  eigene  Bewegung  des  Ab- 
stoßenden folglich  auch  obne  Verschiedenheit  der  Masse  in  demselben 
■  .Volumen  verschieden  denken.   Daher  die  Verschiedenheit  der  Qvantität 
„derselben   nur  durch  Stoß   oder  Zug  und    vermittelst  eines  gemein- 


Von  Rudolf  Reicke.  415 

v schaftlichen  Maasstabes  nämlich  den  Zug  der  Erde  gemessen  werden 
,kan  und  nicht  die  Mehrheit  derTheile  ungleichartiger  Materien  sondern 
„ihr  Gewicht  die  Dichtigkeit  unter  demselben  volumen  messen  kan. 

„Die  Schwierigkeit  ist  hier  daß  man  das  was  sich  bewegt  in  Ge- 
danken haben  muß  in  der  Erfahrung  aber  nur  die  an  einem  Ort  oder 
„von  einem  Orte  aus  wirkenden  Kräfte,  von  denen  nur  ein  Grad  den 
„Raum  erfüllt  oder  die  Entfernung  des  Mittelpuncts  der  einen  Kraft 
„von  der  andern  bestirnt.  Da  aber  Puncte  nicht  einen  Raum  einnehmen 
„können  (nicht  einzelne  also  auch  nicht  viele  zusamen)  so  kan  man  die 
„Körper  nicht  nach  der  MeDge  der  Theile  in  Vergloichung  mit  andern 
„der  Qvantitäi  der  Substanz  nach  schätzen  und  dennoch  muß  man  sie 
„sich  als  gleichartig  und  nur  durch  die  Menge  der  Theile  unter- 
schieden vorstellig  machen  weil  wir  auf  andere  Art  kein  Verhältnis 
„der  Massen  uns  begreiflich  machen  könen. 

„Die  Qvantität  der  Materie  in  demselben  Volumen  ist  nicht  nach 
„dem  Wied erstand  der  expansiven  Kraft  gegen  die  Compression,  auch 
„nicht  nach  dem  Wiederstande  der  Attraction  eines  Fadens  durch  den 
„Schleuderstein  gegen  die  Centrifugalkraft  zu  schätzen.  Das  erste 
„darum  nicht  weil  eine  kleine  Qvantität  der  Materie  eben  so  viel 
„Wiederstand  durch  ausdehnende  Kraft  leistet  als  eine  große:  das 
„[andere]  darum  nicht  weil  das  Volumen  nichts  in  Ansehung  der  Be- 
„wegung  eines  Körpers  von  seiner  Stelle  bestirnt.  Sondern  die  loco- 
„motive  Kraft  in  einer  Wage  (bey  gleichem  Volumen)  oder  die  in  der 
„Dehnung  oder  Zusamendrückung  eines  zusamenhänjjenden  oder  elasti- 
schen Körpers  und  also  die  Überwältigung  eines  Moments  der  todten 
„Kraft  bey  demselben  volumen  und  zwar  durch  die  Bewegungsbestrebung 
„des  Körpers  und  aller  seiner  Theile  in  derselben  Bichtung  kan  das 
„Maas  abgeben. 

»Weil  die  Erfüllung  des  Baumes  nur  durch  Bäume  nicht  durch 
„Puncte  weder  durch  ihre  bloße  Nebeneinanderstellung  noch  aus  jedem 
„Punct  umher  in  einem  Baume  verbreitete  Kraft  in  der  keine  andere 
«gleichartige  Centralpuncte  wären  möglich  ist  so  enthält  die  Undurch- 
„dringlichkeit  der  Materie  eigentlich  nicht  die  Substanzen  als  eine  Menge 
.außer  einander  befindlicher  für  sich  bestehender  Dinge   sondern  nur 


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a.  ■ 


416  AQ8  Kant'a  Briefwechsel. 

„einen  umfang  von  Wirkungen  der  Dinge  ausser  einander  die  in  allen 
„Puncten  eines  gegebenen  Baumes  nicht  durch  Erfüllung  desselben 
„gegenwärtig  sind.  Die  Puncte  der  Anziehung  enthalten  eigentlich  die 
„Substanz.  Die  Anziehungskräfte  sind  in  allen  Functen  gleich  in  jedem 
„Puncte  aber  wird  sie  (in  Vergleichung  mit  andern)  durch  das  Ab- 
„stoßungsvermögen  welches  in  ihm  verschieden  seyn  kan  bestirnt  u. 
„desto  größer  je  kleiner  die  abstoßende  Kräfte  derselben  Materie  sind 
„mithin  die  Dichtigkeit  der  Materie  desto  größer.  —  Es  ist  aber  eigent- 
lich nur  der  Körper  so  fern  er  den  Raum  erfüllt  die  den  Sinen  un- 
mittelbar gegebene  Substanz.  Weil  aber  dieses  Erfüllen  selbst  nicht 
„wirklich  seyn  würde  (es  wäre  durch  die  bloße  Abstoßung  im  leeren 
„Raum)  die  Anziehung  doch  für  sich  alles  in  einen  Punct  bringen 
„würde  so  ist  das  Maas  der  Qvantität  der  Materie  die  Substanz  so  fern 
„sie  anziehend  ist  weil  darin  alles  inerlich  in  einem  Punct  seyn  würde 
„und  das  ausserhalb  nicht  wieder  durch  etwas  Äußeres  sondern  zuletzt 
„durch  das  Innere  gemessen  werden  muß  dessen  äußere  Wirkung  jener 
„äußern  gleich  ist. 

„Wen  in  einem  Räume  keine  Zurückstoßungskraft  wäre  so  würde 
„auch  gar  keine  Substanz  da  seyn  die  da  zöge  den  sie  würde  keinen 
„Raum  einnehmen.  Man  könte  sich  aber  doch  eine  Abstoßungskraft 
„die  einen  Raum  erfüllete  denken  die  nicht  durch  eigne  Auziehungs- 
„kraft  ihrer  Theile  sondern  durch  äußern  Druck  zurückgehalten  würde 
„obzwar  dieses  nicht  ins  Unendliche  ginge.  Also  wird  das  Volumen 
„nur  durch  Zurückstoßungskraft  bestirnt.  —  Weil  wir  also  die  Dichtigkeit 
„unterscheiden  wollen  [Msc.  worden]  so  müssen  die  volumina  zuvor  als 
„durch  die  Abstoßung  bestirnt  vorgestellt  werden.  Aber  dadurch  wird  der 
„Wiederstand  den  eine  Materie  der  andern  so  fern  sie  von  dieser  ans 
„ihrem  Orte  bewegt  werden  soll  thut  nicht  bekant.fj  Mithin  nur  durch 
„die  Anziehung  welche  die  darin  enthaltene  Materie  auf  andere  ausser  ihr 
„(die  Erde)  und  dadurch  zu  ihrer  eignen  Bewegung  (durch  die  Schwere) 
„ausübt.  Je  größere  Zurückstoßung  dazu  gehört  um  diese  Annäherung 
„(zur  Erde)  zu  hindern  desto  mehr  Substanz  in  demselben  Volumen. 
„Man  muß  aber  die  Anziehung  nur  als  durch  die  Zurückstoßung  ein- 
geschränkt auf  ein  volumen  mithin  als  an  sich  gleich  denken.    Das 


L 


Von  Rudolf  Reicke.  427 

„volumen  selbst  braucht  nicht  von  etwas  anderm  ausser  ihm:  es  kan 
„durch  die  Anzielmng  seiner  eignen  Theile  eingeschränkt  gedacht 
„werden  —  der  Grund  davon  daß  die  Abstoßung  in  einem  Volumen 
„ohne  daß  die  innern  Theile  sich  ziehen  von  außen  bewirkt  werde  liegt 
„darin  daß  die  Theile  sich  nicht  in  der  Entfernung  abstoßen 
„da  hingegen  sie  sich  in  der  Entfernung  unmittelbar  anziehen  könen: 
„dagegen  ist  es  unmöglich  daß  sich  die  Theile  blos  in  der  Berührung 
„anziehen  sollten  weil  diese  schon  eine  Zurückstoßung  mithin  ein  volumen 
„erfordert  mithin  keine  bloße  Fläche  voraussetzt. 

„Der  Grad  der  Zurückstoßung  wird  bey  gleichartiger  Vergrößerung 
„des  volumens  nicht  vermehrt,  aber  wohl  der  Grad  der  Anziehung.  — 
„Weil  im  ersten  die  Theile  innerhalb  eine  die  andere  Bewegung  auf- 
geben und  die  ausdehnende  Kraft  nur  auf  der  Oberfläche  ist,  (die  Ab- 
„stoßung  geht  nicht  qver  durch  in  die  Weite)  dagegen  die  Anziehungen 
„durch  Hinzufügung  die  äußere  Kraft  vermehren.  Daher  ist  die  ganze 
„Kraft  der  Substanz  nach  der  Anziehung  zu  schätzen.  Sie  muß  aber 
„auch  als  gleichartig  angesehen  werden,  weil  sie  für  sich  gar  keine 
„Materie  geben  würde  und  da  sie  nur  durch  die  Zusamendrückung  be- 
stirnt wird  diese  aber  durch  das  ganze  eines  volumens  allenthalben 
„gleich  ist,  so  muß  auch  die  daraus  entspringende  Dichtigkeit  gleich 
„seyn.  Die  Abstoßung  aber  kan  ursprünglich  ungleich  seyn  in  einem 
„gewissen  volumen.  Den  da  die  Dichtigkeit  ins  Unendliche  muß  ver- 
schieden seyn  könen  dieses  aber  nicht  auf  der  ursprünglichen  Ver- 
schiedenheit der  Anziehung  beruhen  kan  muß  sie  auf  der  der  Abstoßung 
„beruhen.  Man  kan  auch  so  sagen  weil  die  Stärke  der  AbstoGung  auf 
„der  Verschiedenheit  des  äußern  Zusaihendrucks  beruht  so  ist  innerlich 
„der  Grad  derselben  nicht  bestirnt  kan  also  nach  Belieben  größer  oder 
„kleiner  seyn." 

Am  oberen  Rande: 

„Man  kan  keinen  Grund  angeben  warum  die  materie  ursprünglich 
„eine  gewisse  Dichtigkeit  in  einer  gegebenen  qvantität  haben  müsse.  — 
»Man  [kann]  diese  Frage  nicht  wegen  der  Anziehung  unter  einem  ge- 
wissen volumen  thun  den  daß  sie  nicht  größer  ja  so  gros  oder  klein  ist 


418  Aufl  Kants  Briefwechsel. 

„wie  man  will  komt  nicht  auf  sie  sondern  auf  die  Zurückstoßung  an 
,,je  kleiner  diese  desto  größer  die  Dichtigkeit  aus  jener.  Die  verschiedene 
„Dichtigkeit  einer  gegebenen  Qvantität  Materie  rührt  aber  nicht  von 
„dieser  ihrer  Anziehung  den  die  ist  zu  klein  sondern  von  der  des  ganzen 
„Univerü  her.u 

YIII. 

Beck  an  Kant. 

Halle  d.  10  *?  November  1792. 

Beßter  Herr  Professor, 

Ich  habe  Ihren  freundschaftlichen  Brief  vom  17  £2  October  und 
einige  Tage  späther  auch  mein  Manuscript  zurück  erhalten.  Sie  er- 
lauben mir  Ihnen  die  einige  Bogen,  worauf  die  Deduction  der  Cate- 
gorien  steht,  noch  einmahl  zu  schicken.  Ich  habe  sie  abschreiben  lassen 
und  lege  sie  hier  bey,  indem  ich  Sie  ergebenst  ersuche,  die  Freund- 
schaft für  mich  zu  haben,  mir  zu  zeigen,  was  ich  vieleicht  nicht  nach 
Ihrem  Sinn  getroffen  haben  möchte.  Der  Druck  geht  erst  gegen  Ende 
des  Novembers  an  und  ich  werde  Ihren  Brief  noch  zeitig  genug  er- 
halten, wenn  ich  ihn  nach  vier  Wochen  erhalte. 

Der  Professor  Garve  war  vor  einiger  Zeit  hier  und  Herr  Pr.  Eberhard 
hat  mir  einiges  von  seinen  Gesprächen  mit  ihm,  in  Beziehung  auf  die 
cri tische  Philosophie  mitgetheilt.  Er  sagt,  daß  so  sehr  auch  Garve  die 
Critick  vertheidigt,  so  habe  er  doch  gestehen  müssen,  daß  der  critische 
Idealism  und  der  Berkleysche  gänzlich  einerley  seyn.  Ich  kann  mich 
in  die  Gedankenstimmung  dieser  achtungswürdigen  Männer  nicht  finden 
und  bin  fürwahr!  vom  Gegentheil  versichert.  Gesetzt  auch  daß  die 
Critick  der  Unterscheidung  der  Dinge  an  sich  und  der  Erscheinungen 
gar  nicht  hätte  erwähnen  dürfen,  so  hätte  sie  doch  zum  mindesten  er- 
innern müssen,  daß  man  die  Bedingungen  unter  denen  uns  etwas  ein 
Gegenstand  ist,  ja  nicht  aus  der  Acht  zu  lassen  habe,  weil  zu  besorgen 
ist,  daß  man  auf  Irrtbum  gerathe,  wenn  man  diese  Bedingungen  aus 
dem  Sinne  läßt.  Erscheinungen  sind  die  Gegenstände  der  Anschauung 
und  jedermann  meynt  dieselbe,  wenn  er  von  Gegenständen  spricht,  die 
ihn  umgeben,  und  eben  dieser  Gegenstände  Daseyn  läugnete  Berkeley 


Von  Rudolf  Reicke.  4^9 

welches  die  Critick  gegen  ihn  dargethan  bat.  Wenn  man  nun  einge- 
sehen hat,  daß  der  Kaum  und  die  Zeit  die  Bedingungen  der  An- 
schauung ")  der  Gegenstände  sind  und  nun  nachsinnt,  welches  wohl 
die  Bedingungen  des  Denkens  der  Gegenstände  seyn  mögen,  so  sieht 
man  doch  leicht,  daß  die  Dignität,  welchevdie  Vorstellungen,  in  der 
Beziehung  auf  Objecto,  erhalten,  darin  bestehe,  daß  dadurch  die  Ver- 
knüpfung des  Mannigfaltigen  als  nothwendig  gedacht  wird.  Diese  Ge- 
dankenbestimmung ist  aber  eben  dieselbe,  welche  die  Function  in  einem 
Urtheil  ist.  Auf  diesem  Wege  ist  mir  der  Beytrag  den  die  Categorie 
zu  unserm  Erkenntniß  tbut,  faßlich  geworden,  indem  durch  diese  Unter- 
suchung es  mir  einleuchtet,  daß  sie  derjenige  Begrif  ist,  durch  welchen 
das  Mannigfaltige  einer  sinnlichen  Anschauung  als  nothwendig  (für  jeder- 
mann gültig)  verbunden  vorgestellt  wird.  Einige  Epitomatoren  haben 
sich  hierüber,  soviel  ich  einsehe,  falsch  ausgedruckt.  Diese  sagen:  ur- 
theilen  heisse  objeetive  Vorstellungen  verbinden.  Ganz  was  Anderes 
ist  es,  wenn  die  Critick  lehrt:  ürtheilen  ist  Vorstellungen  zur  objeetiven 
Einheit  des  Bewußtseyns  bringen,  wodurch  die  Handlung  einer  als 
nothwendig  vorgestellten  Verknüpfung  ausgedruckt  wird. 

Wenn  ich  von  meiner  Ueberzeugung  darauf  schlössen  kann,  daß 
ich  in  meinem  Auszuge  Ihren  Sinn  getroffen,  dann  müßte  ich  mich  be- 
ruhigen, An  der  Darstellung  der  Deduction  der  Categorien  ist  mir 
vorzüglich  gelegen,  und  eine  Musterung  derselben  von  Ihnen,  lieber 
Lehrer,  würde  mir  die  wünschenswerteste  Sache  seyn.  Mitlerweile 
werde  ich  mich  noch  selbst  über  die  ganze  Ausarbeitung  hermachen, 
um  ein  so  vernünftiges  Buch  hervorzubringen,  als  ich  es  noch  vermag. 

Nun  erlauben  Sie  mir  noch  meine  neuliche  physische  Frage  zu 
berühren.  Ich  habe  lange,  noch  ehe  ich  recht  eigentlich  die  Critick 
studirte,  in  meiner  mathematischen  Leetüre,  den  zwar  gegebenen,  aber 
mir  immer  sehr  unverständlich  vorgekommenen  Begrif  von  Masse,  mit 
dem  des  Wirksamen  vertauscht.  Euler  giebt  nun  den  bestimmten  Be- 
grif von  Masse,  indem  er  sie  vis  inertiae  nennt,  qua  corpus  in  statu 
suo  perseuerare,  quam  omni  mutationi  reluctari  conatur,  und  indem  er 

l9)  Beck  hat  zuerst  „Anschauungen"  geschrieben,  die  Pluralendung  „en"  alber  durch- 
strichen. 


420  AuB  K*ut'»  Briefwechsel. 

eine  verschiedene  vis  inertiae  den  Partickelu  der  Materie  giebt,  scheint 
er  die  ungleichen  Gewichte  zweyer  Körper  von  gleichem  Volumen  zn 
erklären,  ohne  zu  leeren  Bäumen  flüchten  zu  dürfen.  Dagegen  scheint 
es  doch  auch,  daß  alle  Theile  der  Materie  mit  einer  gleichen  quanti- 
tas  inertiae  versehen  seyn,  weil  die  Fallhöhen  derselben,  in  gleichen 
Zeiten  im  Widerstandsfreyen  Baum  gleich  sind.  Dann  aber  ist  man 
wohl  genöthigt,  zu  den  leeren  poris  seine  Zuflucht  zu  nehmen  um  die 
verschiedenen  Gewichte  gleicher  Volumina  sich  zu  erklären.  Ich  habe 
mir  auf  folgende  Art  zu  helfen  gesucht.  Man  setze  die  anziehende 
Kraft  der  Erde  in  einer  bestimmten  Gegend  ihrer  Oberfläche  und  gegen 
ein  bestimmtes  Volumen,  das  ich  durchweg  von  Materie  erfüllt  seyn 
lasse,  sey  =  a ;  die  anziehenden  Kräfte  zweyer  Körper,  von  einem  Vo- 
lumen das  dem  vorigen  gleich  und  durchweg  erfüllt  ist,  gegen  die  Erde 
seyn  dx  und  dy,  die  ich  als  Differentiale  ansehen  kann,  weil  ich  sie 
im  Verhältniß  gegen  a  betrachte.  Den  Gedanken  dieser  Kräfte  wird 
man  woran  knüpfen  müssen.  Ich  knüpfe  ihn  an  die  Wege  die  in  der 
Zeit  1  beschrieben  werden.  Weil  ich  nun  die  wechselseitige  Anziehung 
dieser  Körper  gegen  die  Erde  und  die  Erde  gegen  sie,  im  Sinn  habe, 
so  kann  ich  die  Kräfte  addiren  i.nd  sagen,  daß  die  Erde  den  einen 
Körper  anziehe  mit  der  Kraft  a  +  dx,  den  andern  mit  a  +  dy.  Daraus 
aber  folgt,  daß  die  Fallhöhen  beyder  Körper  im  Widerstandsfrejen 
Baum  gleich  seyn  müssen,  weil  das  Verhältniß  von  a  +  dx  :  a  +dy 
ein  Verhältniß  der  Gleichheit  ist.  Aber  an  der  Wage,  würde  sich 
a  gegen  a  aufheben  und  es  würde  das  Verhältniß  bleiben  wie  dxidy 
welches  allerdings  ein  Verhältniß  der  Ungleichheit  seyn  kann,  wenn 
gleich  a  +  dx  :  a  +  dy  =  1 : 1.  Sollte  ich  auf  eine  grobe  Art  mich 
irren,  so  bitte  ich  Sie  mir  es  schon  nachzusehen. 

Hartknoch  hat  mich  durch  den  Buchdrucker  Grunert  bitten  lassen, 
die  Anzeige  von  meinem  Buch  in  der  Literaturzeitung  zu  besorgen. 
Nun  kann  es  weder  ihm  noch  mir  gleichgültig  seyn,  ob  in  dieser  An- 
zeige es  crwehnt  wird,  daß  Sie  um  diese  Schrift  wissen,  da  der  Aus- 
züge aus  der  Critick  unter  vielerley  Titeln  so  viele  sind,  daß  auf  eine 
blosse  Anzeige  unter  meinem  Namen  auch  ganz  und  gar  nicht  geachtet 
werden   möchte.    Es  könnte  der  Fall  seyn,   daß  Sie  es  mir  erlauben 


Von  Rudolf  Reicke.  421 

wollten,  Ihren  Namen  in  der  Anzeige  zu  nennen.  Wenn  das  ist, 
dann  ersuche  ich  Sie  so  gütig  zu  seyn,  mir  die  Worte  anzugeben, 
die  auf  Sie  Beziehung  haben  sollen.  Ich  möchte  dieser  Schrift  den 
Titel  geben:  Erläuternder  Auszug  aus  den  critischen  Schriften  des 
Herrn  Pr.  Kant  und  zum  zweyten  Bande  desselben,  den  Auszug  aus 
der  Critick  der  Urtheilskraft  und  eine  erläuternde  Darstellung  der  me- 
taphysischen Anfangsgründe  der  Naturwissenschaft  bestimmen.  Was 
meynen  Sie  dazu? 

Ich  bin  übrigens  mit  der  größten  Hochachtung  und  Liebe 

der  Ihrige 
Beck 

IX. 

Beck  an  Kant. 

Halle  den  30ten  April  1793. 
Theuerster  Lehrer, 

Ich  bin  mit  dem  Druck  des  ersten  Bandes  meines  Auszugs  fertig 
und  ich  werde  das  Vergnügen  haben,  Ihnen  ein  Exemplar  mit  den  nach 
Königsberg  gehenden  Meßwaaren  zu  überschicken.  Herr  Hartknoch 
setzte  mich  aber  vor  einiger  Zeit  durch  eine  Bitte  in  einige  Verlegen- 
heit. Er  wollte  auf  dem  Titel  gesetzt  wissen,  daß  Sie  um  meine  Arbeit 
etwas  gewußt  haben,  um  sie  dadurch  den  Buchhändlern  auf  der  Messe 
zu  empfehlen.  Er  schrieb  mir,  daß  Sie  ihm  dieses  mündlich  zugestanden 
hätten.  Ich  wollte  deshalb  an  Sie  schreiben;  aber  es  sähe  mir  nach 
Zudringlichkeit  aus,  und  ich  unterließ  es.  Das  Wort:  mit  Ihrer  Be- 
willigung, schien  mir  bedeutungsleer;  das  aber:  mit  Ihrer  Billigung, 
wäre  nicht  allein  widerrechtlich  gewesen,  sondern  ich  hätte  Sie  auch 
damit  compromittiren  können.  Ich  habe  auf  das  Titelblatt  gesetzt: 
auf  Ihr  Anrathen.  Ich  habe  hin  und  her  überlegt,  ob  ich  auch  damit 
etwas  Ihnen  Mißfälliges  thue,  aber  keinen  Grund  dazu  auffinden  können, 
weil,  wenn  sogar  das  Publicum  mein  Buch  für  schlecht  halten  sollte, 
auf  Sie  nichts  weiter  fallen  kann,  als  daß  Sie  in  der  Wahl  des  Sub- 
jects,  das  Sie  dem  Hartknoch  vorgeschlagen,  sich  geirrt  haben.  Den 
Brief  aber,  worin  mir  dieser  Mann  schreibt,  daß  Sie,  so  etwas  auf  den 


422  Aus  Ksut'3  Uriefwechsel 

Titel  zn  setzen  ihm  bewilligt  haben,  habe  ich  in  Händen  und  kann 
deshalb  mich  bey  Ihnen  rechtfertigen.  Vieleicht  sage  ich  unnützer- 
weiso  darüber  soviel;  es  kömmt  aber  lediglich  daher,  weil  ich  nicht 
will,  daß  Sie  einigen  Unwillen  gegen  mich,  haben. 

Und  nun,  mein  Theuerster  Lehrer,  danke  ich  Ihnen  für  die  Güte. 
daß  Sie  diese  Arbeit  mir  wirklich  zugewandt  haben.  Denn  nicht  allein. 
daß  meine  äussere  Umstände  dadurch  sehr  sind  verbessert  worden;  sü 
habe  ich  mir  sehr  viel  mehr  Einsicht  in  die  critische  Philosophie,  als 
ich  vorhin  hatte,  und  eine  sehr  gegründete  und  starke  Ueberzeugung 
davon  verschaft.  Diese  Philosophie  ist  mein  größtes  Gut  und  in  der 
gegenwärtigen  Beschäftigung  mit  ihr,  erkenne  ich  mehr  als  jemals  die 
wichtige  Wohlthat,  die  Ihre  Bearbeitungen  der  Menschheit  erweise» 
und  preise  mich  glücklich,  weil  ich  in  dieser  Periode  und  in  Umständen 
lebe,  da  ich  daran  Antheil  nehmen  kann.  Dieses  GeständniG  einer 
Seele,  die  so  spricht  wie  sie  denkt,  erlauben  Sie  mir,  Ihnen  zn  machen. 
und  mich  dadurch  gewissermassen  von  einer  Last  zu  entledigen:  Es 
gehört  nur  ein  unermüdetes  Nachdenken  dazu,  um  Ihren  Sinn  richtig 
zu  fassen  und  sich  sodann  auch  davon  zu  überzeugen,  wozu  der  Math 
keinem  Menschen  entfallen  darf,  und  zwar  wegen  der  Verwandschaft 
dieser  Wissenschaft  mit  der  Mathematick,  in  dem  Puncte,  daß  die 
Sache  doch  nicht  ausser  uns  liegt.  Die  Beschäftigung  mit  der  Critick 
der  Urtheilskraft,  giebt  mir  einen  abermaligen  Beweis  davon.  Ehe  kli 
die  Feder  ansetzte,  habe  ich  sie  mehrmals  durchgelesen  und  durchge- 
dacht Die  vielen  Schwierigkeiten  die  ich  anfänglich  antraf,  verschwinden 
mir  Zusehens.  Ich  nehme  mir  die  Frejheit  Ihnen  mein  Manuscript, 
welches  den  Auszug  der  Einleitung  und  der  Exposition  eines  reinen 
Geschmack surtheils  enthält,  zu  überschicken,  und  bitte  Sie,  die  Freund- 
schaft für  mich  zn  haben,  die  Einleitung  anzusehen  und  die  Stellet 
zu  bemerken,  wo  ich  Ihren  Sinn  dürfte  verfehlt,  oder  wenigstens  nickt 
deutlich  dargestellt  haben.  Sie  erlauben  mir  aber  wohl,  Sie  an  das 
Versprechen  zu  erinnern,  das  Sie  mir  in  Ihrem  letzten  Briefe  thaten, 
mir  zur  Benutzung  ein  Paar  Manuscripte  zuzuschicken,  eins,  welches 
die  Critick  der  Urtheilskraft  und  ein  anderes  welches  die  Metaphysik 
der  Natur  angebt.    Sie  sind  so  gütig  gewesen,   mir  ein  Exemplar  der 


Von  Rudolf  Reicke.  423 

neuen  Auflage  Ihrer  Critick  der  Urtheilskraft,  durch  Herrn  La  garde 
zuschicken  zu  lassen,  wofür  ich  Ihnen  ergebenst  danke,  und  mit  innig- 
ster Hochachtung  bin  der  Ihrige 

Beck. 

N.  S.  Die  im  vorigen  Jahr  Ihnen  zugeschickte  Abschrift  meines 
Manuscripts,  war  mit  der  reitenden  Post  nach  Königsberg  gegangen 
und  dieses  konnte  nach  einem  Mißbrauch  Ihrer  Güte  aussehen.  Den  [sie] 
Fehler  den  ich  dabey  begangen,  war  aber  eigentlich  der,  daß  ich  mich 
nicht  genau  auf  dem  hiesigen  Postarote  erkundigte,  wenn  eigentlich 
von  Berlin  aus,  die  fahrende  Post  abgeht,  da  von  Halle  aus,  keine 
andere  als  die  fahrende  abgeht.  In  dieser  Bucksicht  bitte  ich,  über 
die  begangene  Unart  nicht  zu  schelten.  Ein  Mensch,  dem  ich  das 
beykommende  Manuscript  zum  Abschreiben  gegeben,  hat  mich  getäuscht, 
und  ich  muß  es  so  schicken,  wie  ich  es  geschrieben  habe.  Ich  glaube 
aber  doch,  daß  Sie  die  Einleitung  leserlich  finden  werden,  und  eigent- 
lich liegt  mir  nur  daran,  daß  Sie  die  Güte  haben  möchten,  diese 
zu  lesen. 

X. 
Beck  an  Kant. 

Halle  den  24122  August  1793. 

Sehr  Theurer  Lehrer, 

In  meinem  Auszuge  aus  Ihrer  Critick  der  Urtheilskraft  bin  ich 
bis  zu  der  Dialectick  der  teleologischen  Urtheilskraft  gekommen.  Eine 
Folge  von  der  sehr  grossen  Deutlichkeit,  mit  der  ich  diese  Materie  ein- 
sehe, und  der  sehr  festen  Ueberzeugung  die  ich  davon  habe,  ist  die 
gewesen,  daß  ich  lange  Ihnen  mit  meinen  Briefen  nicht  habe  beschwer- 
lich seyn  dürfen.  Auch  ist  das  Licht,  welches  das  Studium  dieser 
Critick  der  Urtheilskraft  auf  die  Transcendentalphilosophie  überhaupt 
und  auf  die  Critick  der  practischen  Vernunft  für  meine  Augen  zurück- 
geworfen hat,  beträchtlich.  Erlauben  Sie  mir,  Ihnen  sagen  zu  dürfen, 
daß  meine  Seele,  noch  nie  einem  Gelehrten  sich  so  verbunden  gefühlt 
hat,  als  Ihnen,  ehrwürdiger  Mann.  Ich  habe  seit  der  Zeit,  da  ich 
Ihren  mündlichen  Vortrag  anhörte,,  sehr  viel  Vertrauen  zu  Ihnen  ge- 


424  Aus  Kant't  Briefwechsel. 

habt;  aber  ich  gestehe  auch,  daß  bey  den  Schwierigkeiten  die  mich 
lange  gedrückt  haben,  dieses  Vertrauen  öfters  zwischen  dem  zu  Ihnen, 
und  dem,  zu  mir  selbst  gewankt  hat.  Mein  ziemlicher  Fortgang  in 
der  Mathematick,  und  die  so  vielfach  fehlgeschlagenen  Versuche  in 
der  Philosophie,  mancher  berühmten  Männer,  war  mir  nämlich  ein 
Qrund  nicht  alle  Zuversicht  zu  mir  selbst  aufzugeben.  Von  der  andern 
Seite  aber  mußte  ich  nothwendig  denken,  daß  das  Loos  des  Menschen 
das  betrübteste  seyn  müßte,  wenn  er  nicht  einmahl  mit  sich  selbst 
fertig  werden  könnte,  und  sich  selbst,  von  dem,  was  er  dächte,  nicht 
völlige  Rechenschaft  ablegen  könnte.  Ich  habe  daher  Ihre  Schriften 
immerfort  sorgfaltig  studirt,  und  ich  darf  es  jetzt  sagen,  weil  es  wahr 
ist,  daß  die  dadurch  erlangte  innige  Bekanntschaft  mit  denselben,  mich 
mir  selbst  bekannt  gemacht  hat.  Was  wohl  einem  vernünftigen  Wesen, 
das  wünschenswürdigste  Gut  seyn  muß,  das  hat  mir  Ihre  Philosophie 
gewähret.  Denn  ich  bin  durch  sie  aufmerksam  gemacht  und  belehrt 
worden,  in  Ansehung  des  vielbedeutenden  Unterschiedes  zwischen  denken 
und  erkennen,  zwischen  dem:  mit  Begriffen  spielen,  und  Begriffe  haben 
objective  Gültigkeit,  und  was  mehr,  als  alles  ist,  ich  habe  die  die  [w] 
Verknüpfung  die  wir  im  Sittengesetz  denken,  die  man  sich  so  gern  als 
analytisch  vorstellen  mag,  um  wahrscheinlich  dadurch  nicht  allein  sich 
das  Nachdenken  zu  erleichtern,  sondern  dem  Willen  auch  einen,  ob- 
wohl der  practischen  Vernunft  sehr  heterogenen  Sporn  zu  geben,  als 
synthetisch  ansehen  gelernt.  Die  eigentliche  Ursache  aber,  warum  so 
viele  sonst  sehr  berühmte  Männer,  ihren  Beyfall  der  critischen  Philo- 
sophie immerfort  versagen,  liegt  meiner  Meynung  nach  wohl  darin, 
daß  sie  sich  nicht  aufmerksam  wollen  machen  lassen,  auf  den  mäch- 
tigen Unterschied  zwischen  denken  und  erkennen.  In  ihrer  Sprache 
sind  alle  diese  Ausdrücke  entweder  gleichgeltend,  oder  sie  legen  ihnen 
nach  ihrer  Art  einen  Sinn  unter,  welches  ihnen  auch  wohl  immer, 
wenn  der  Sprachgebrauch  es  leidet,  freystehen  mag,  wenn  dabey  nur 
die  Sache  selbst,  die  wichtigste  für  einen  Mann,  dem  es  um  reeller 
Wahrheit,  und  nicht  um  ein  Gedankenspiel  zu  thun  ist,  verlohren  gienge. 
Ich  habe  auch  gemerkt,  daß  auch  viele  von  den  Freunden  der  Critick,  den 
ganzen  Gehalt  einer  Transcendentalphilosophie,  und  insbesondere  einer 


Von  Rudolf  Reicke.  425 

transcendentalen  Logick  nicht  gut  in  Ueberlegung  nehmen,  indem  sie 
die  allgemeine  Logick  von  ihr,  bloß  durch  den  Ausdruck:  sie  abstrahire 
von  den  Gegenständen,  unterscheiden,  welcher  Begriff  aber  doch  die 
nähere  Bestimmung,  daß  die  allgemeine  Logick  eigentlich  die  objective 
Gültigkeit  der  Vorstellungen  bey  Seite  setze,  und  diese  Untersuchung 
der  transcendentalen  Logick  überlasse,  verlangt. 

Seit  einiger  Zeit  habe  ich  auch  Ihre  metaphysische  Anfangsgründe 
der  Naturwissenschaft  wieder  durchzudenken  angefangen.  In  der  Phoro- 
nomie  und  Dynamick  habe  ich  keinen  Anstoß  genommen.  Aber  in  der 
Mechanick  stoße  ich  an  etwas,  welches  ich  nicht  mir  wegzuräumen 
weiß  und  auf  die  folgende  Theorie  mir  ein  unangenehmes  Dunkel  wirft. 
Es  ist  der  Begriff  der  Quantität  der  Materie.  Ihre  Definition  lautet: 
(S.  107)  Die  Quantität  der  Materie  ist  die  Menge  des  Beweglichen  in 
einem  bestimmten  Kaum.  Ich  weiß  eigentlich  nicht,  wie  Sie  dieses 
Bewegliche  verstehen,  ob  dynamisch  oder  mechanisch.  Mechanisch  kann 
es  nicht  verstanden  seyn,  weil  die  Materie  mechanisch  betrachtet,  bloß 
als  Maaß  der  Quantität  der  Materie  (nach  dem  ersten  Lehrsatz)  gesetzt 
wird,  diese  letzte  demnach  doch  eben  sowohl  von  der  Materie,  sofern 
sie  bewegende  Kraft  hat,  verschieden  seyn  muß,  als  ein  Winkel  von 
dem  Cirkelbogen,  der  ihn  mißt.  Dynamisch  kann  ich  diesen  Begriff 
auch  nicht  nehmen,  weil  die  Quantität  der  Materie  als  unveränderlich 
soll  gedacht  werden,  wenn  gleich  die  Ausdehnungskraft  verschieden 
gesetzt  würde.  In  der  nämlichen  Definition  sagen  Sie:  die  Grösse  der 
Bewegung  ist  diejenige,  die  durch  die  Quantität  der  bewegten 
Materie  und  ihre  Geschwindigkeit  zugleich  geschätzt  wird,  und  in  dem 
gleich  darauf  folgenden  Lehrsatz  wird  doch  bewiesen,  daß  die  Quantität 
der  Materie  lediglich  durch  die  Grösse  der  Bewegung  geschätzt  werde. 

Ich  weiß  recht  wohl  daß  die  ganze  Ursache  dieser  Un Verständlich- 
keit in  meinem  Kopfe  liege.  Aber  aller  Unwille  deshalb  gegen  mich 
selbst,  räumt  sie  mir  nicht  aus  dem  Wege.  Ich  bitte  Sie,  theurer 
Lehrer,  auf  die  inständigste  Weise  mich  hierüber  zu  belehren.  Ihnen 
einige  Beschwerde  zu  machen,  ist  mir  sehr  unangenehm;  aber  da  ich 
mir  wirklich  hierin  nicht  recht  helfen  kann,  so  muß  ich  meinen  Wunsch 
gestehen,  daß  Sie  sich  entschließen  möchten,  mir  hierauf  bald  zu  antworten. 

Aitpr.  lfonatMehrift  Bd.  XXJX  Hft.  *  u.  6.  28 


426  Aus  *■■*'■  BridWeehtel. 

Klflgel  bat  in  mathematischer  Röcksicht  mich  [sie]  manchmahl  ausge- 
holfen. Aber  aus  seinem  Gespräche  bin  ich  genöthigt  zu  schließen, 
daß  er  über  die  Principien  der  reinen  Naturwissenschaft,  niemals  ge- 
hörig nachgedacht  habe. 

Der  M.  Rath  der  die  Critick  ins  Lateinische  zu  fibersetzen,  sich 
erbotb,  that  dem  Buchhändler  Hartknoch  den  Antrag,  Verleger  von 
dieser  Arbeit  zu  werden.  Vor  etwa  5  Wochen  schrieb  ihm  Hartknoch, 
daß  der  Prof.  Heydenreich  in  Leipzig  ihm  auch  einen  Mann  für  diese 
Uebersetzung  vorgeschlagen  habe,  und  daß  er,  aus  Achtung  für  das 
Publicum  genöthigt  sey,  eine  vernünftige  Wahl  zu  treffen.  Er  bath 
ihn,  ihm  eine  Probe  von  seiner  Arbeit  zu  überschicken,  wie  dann  da- 
rum auch  der  andere  Gelehrte  darum  ersucht  werden  sollte,  und  beyde 
Proben  sollten  dann  einem,  beyden  unbekannten,  fähigen  Richter  zur 
Entscheidung  vorgelegt  werden.  Anfänglich  war  Rath  hiezu  entschlosseil. 
Jetzt  aber  weiß  ich  nicht,  was  ihn  bedenklich  macht  den  Vorschlag 
anzunehmen.  Mir  thut  dieses  leid,  weil  ich  nicht  glaube,  daß  viele 
mit  dem  reinen  wissenschaftlichen  Interesse  Ihre  Schriften  studiren,  so 
wie  mein  Freund,  und  weil  ich  geneigt  bin,  zu  zweifeln,  daß  jener  mir 
fremde  Mann,  auch  so  gut  den  Sinn  der  Critick  treffe[n]  werde,  als 
er.  Indessen  kann  ich  nicht  einsehen,  daß  Hartknoch  fehle,  und  ich 
will,  so  gut  ich  kan[n  meinen]  Freund  zu  dem  Entschluß,  auch  seine 
Probe  einzuschicken,  zu  bewegen  suchen. 

Vor  einiger  Zeit  las  ich  in  Erusii  Weg,  zur  Gewißheit  und  Zu- 
verlässigkeit, veranlaßt  durch]  Herrn  Schmidts  Lexicon  und  zu  meinem 
Verwundern  habe  ich  (§  260)  die  Unterscheidung  der  ana[l]ytischen 
und  synthetischen  Urtheile  weit  deutlicher  darin  gefunden,  als  in  der 
von  Ihnen  citirten  Stelle  des  Locke.  Denn  ob  er  gleich,  meiner  Meynung 
nach,  keine  Einsicht  in  das  Princip  der  synthetischen  Erkenntnisse 
a  priori,  verräth,  so  enthält  doch  diese  Stelle  wenigstens  so  viel,  daß 
ein  nachdenkender  Leser  wohl  aufmerksam  auf  ihre  Wichtigkeit  da- 
durch gemacht  werden  könnte,  indem  Erusius  gradezu  diese  Synthesis 
als  die  Grundlage  der  Realität  unserer  Begriffe  andeutet. 

Sie  haben  auch  die  Güte  gehabt,  mir  ein  Exemplar  Ihrer  Beügion 
in  den  Grenzen  der  Vernunft  überschicken  zu  lassen.  Ich  danke  Ihnen 


Von  Rudolf  Reicke.  427 

ergebeost  dafür.  Ich  muß  aber  leider  noch  einige  Zeit  verfliessen  lassen, 
ehe  ich  sie  so  ganz  eigentlich  zu  studiren  werde  unternehmen  können. 

Leben  Sie  wohl,  mein  Theurer  Lehrer.  Ich  wünsche  daß  die  Vor- 
sehung Sie  uns  noch  lange,  und  gesund,  erhalten  wolle,  und  bin  mit  der 
reinsten  Achtung  der  Ihrige 

Beck. 

Daß  Herr  Bath  Reinhold  einen  BufF 
nach  Kiel  erhalten  habe,  wird  er  vieleicht 
Ihnen  schon  geschrieben  haben.  Er  soll  ihn 
auch,  wie  man  sagt,  angenommen  haben. 

[Adresse :]    An 

Herrn  Professor  Kant 

in 
durch  Einlage.  Königsberg. 

XI. 

Beck  an  Kant. 

■ 

Halle  den  16£?  September  1794. 
Verehrungs würdiger  Lehrer, 
Hierbey  erhalten  Sie  ein  Exemplar  vom  zweyten  Bande  meines 
Auszugs  aus  Ihren  critischen  Schriften,  welches  Sie  von  mir  anzunehmen 
so  gütig  seyn  wollen.    Daß  ich  Ihnen  für  diese  ganze  mir  übertragene 
und  jetzt  vollendete  Arbeit   sehr  verbunden  bin,   das  will  ich  Ihnen 
nicht  weiter  sagen.    Ich  hätte  gewünscht  daß  die  Beife  der  Einsicht 
in  diese  philosophische  Angelegenheiten,  und  gewissermassen  die   Ge- 
wandheit,  die  ich  allererst  in  dieser  Arbeit  in  einigem  Grade  erlangt 
habe,  mir  schon  vor  derselben  beschert  gewesen  wäre;  so  würde  ich 
derselben  mehr  Vollkommenheit  gegeben  und  sie  dem  etwas  viel  ver- 
sprechenden Titel  eines  erläuternden  Auszuges,  entsprechender  gemacht 
haben.    Während  dieses  ganzen  Geschäftes  habe  ich  meinen  Blick  auf 
das  eigentliche  Transcendentale  unserer  Erkenntniß,  immer  wieder  zu- 
rückgewandt und  diesen  Punct  so  scharf  zu  fassen  gesucht,  als  ich  nur 
immer  konnte.    Hierdurch  bin  ich  inne  geworden,  daß  die  Möglichkeit 
der  Erfahrung,  sofern  dieselbe  den  wahren  transcendentalen  Standpunct 

selbst  ausmacht,  ganz  was  Anderes  ist,  als  diejenige  bloß  abgeleitete, 

28* 


428  Ans  ^ant8  Briefwechsel. 

discursive  Vorstellung  der  Möglichkeit  der  Erfahrung,  die  ein  bloßes, 
und  grossentheils  unverständliches  Hypothesenspiel  ist,  das  zu  tausend 
Fragen  Anlaß  giebt.    Mit  Ihrer  Critik,  Fürtreflicher  Mann,  ist  es  fast 
so  bewandt,  wie  mit  der  Astronomie,  insbesondere  der  physischen.  Man 
wird  so  oft  darin  hin  und  hergeworfen,  daß  man  lange  Zeit  nicht  weiß, 
woran  man  ist.    Allererst  wenn  man  den  eigentlichen  Standpunct  der 
Transcendentalphilosophie  erreicht  hat,  und  so  den  Geist  Ihrer  synthe- 
tischen objectiven  Einheit  des  Bewußtseyns  in  seine  Denkart  gleichsam 
übertragen,  und  sich  in  die  Handlungsweise  der  ursprünglichen  Bei- 
legung (der  Synthesis   nach   den  Categorien)   und   der   ursprünglichen 
Anerkennung  (des  transcondentalen  Schematismus)  gewissermassen  ver- 
setzt hat,  ist  man  im  Stande  die  Critik   von  ihrem  Anfange  bis  zu 
ihrem  Ausgange  zu  fassen  und  sie  zu  übersehen,  und  sonach  ist  man 
wahrhaftig  erst  im  Stande,  so  simpel  es  auch  sehr  vielen  scheinen  mag, 
zu  wissen  was  ein  Erkenntniß  a  priori  und  a  posteriori  heisse.   In  dem 
Briefe  den  Ihnen  Hartknoch  wird  überbracht  haben,  schrieb  ich  Ihnen 
daß  ich  an  einer  Schrift   arbeite,   in  der  ich   diesen   transcendentalen 
Standpunct  etwas  hervorheben  will.   Da  habe  ich  nun  folgende  Gegen- 
einanderstellung  im   Kopfe.     Ich   will   zeigen,   wie   nicht   allein  alle 
Mißverständnisse  der  Critik,  sondern  auch  alle  Verirrungen  der  Ver- 
nunft überhaupt  ihre  Quelle   darin   haben,   daß  man  eine  Verbindung 
zwischen  der  Vorstellung  und  ihrem  Gegenstande  annimmt,  die  selbst 
Nichts  ist,  und  nachdem  ich  nun  diese  vermeynüiche  Erkenntniß  der 
Dinge  an  sich  in  ihrer  ganzen  Leerheit,  werde  dargestellt,  und  ganz 
besonders,  obzwar  mit  aller  Bescheidenheit  werde  gezeigt  haben,  daß 
die  meisten  Ausleger  der  Critik,  ob  sie  gleich  dieselbe  unterschreiben, 
sich  dieses  Vorurtheils  noch  gar  nicht  entschlagen  haben;  und  indem 
sie  so  an  der  bloß  abgeleiteten  Vorstellungsart  hängen,  der  Frage  des 
Sceptikers:  was  verbindet  meine  Vorstellung  von  einem  Gegenstande, 
mit  diesem  Gegenstande  ?  nimmermehr  ausweichen,  so  werde  ich  in  der 
Auseinandersetzung  der  ursprünglichen  Vorstellungsart  im  Gegensatze 
zeigen,  worin  denn  die  Verbindung  liege,  und  folglich  was  die  ganze 
Behauptung  der  Critik :  Wir  erkennen  die  Dinge  bloß  als  Erscheinungen, 
sage,  zeigen. 


Von  Rudolf  Reieke,  429 

Ich  habe  sehr  viel  auf  dem  Herzen,  was  ich  Ihnen  von  meinen 
nunmehr  etwas  fester  gewordenen  Einsichten  in  Ihre  unsterbliche  Critik 
gern  sagen  möchte.  Aber  meine  Briefe  mögen  Ihnen  vieleicht  lästig 
seyn  und  ich  schliesse  daher  mit  der  einzigen  Bitte  daß  Sie  mich  in 
freundschaftlichem  Andenken  behalten  wollen. 

An  Beck. 

Herrn  Professor  Kant 

in 
durch  Einschluß.  Königsberg. 

xn. 

Beck  au  Kaut. 

Hochachtungswürdiger  Lehrer, 

Die  Versäumung  meines  Druckers  macht  es,  daß  der  zweyte  Band 
von  meinem  Auszuge  erst  zur  Michälis  Messe  fertig  werden  wird.  Die 
Anfangsgrunde  zur  Metaphysick  der  Natur  habe  ich  mir  sehr  deutlich 
aufgewickelt.  Mein  letzter  Brief  an  Sie,  konnte  Ihnen  vieleicht  eine 
schlimme  Vermuthung  in  Ansehung  meiner  Bearbeitung  beygebracht 
haben.  Denn  da  ich  mir  das,  warum  ich  Sie  fragte,  selbst  nicht  deut- 
lich dachte,  so  kam  es,  daß  ich  auch  ganz  unverständlich  fragen  mußte. 
Im  ganzen  Ernst,  ich  habe  mich  in  Ihre  Entwickelung  sehr  genau  hin- 
eitistudirt,  und  ich  meyne  daß  Sie  so  urtheilen  werden,  wenn  Sie  mein 
Buch  ansehen  werden. 

Schätzungswürdiger  Mann,  ich  bin  auf  die  Idee  zu  einer  Schrift 
gestoßen,  die  ich  Ihnen  hier  ganz  kurz  vorlegen,  und  dabey  bitten  will, 
Ihre  wahre  Meynung  deshalb  meinem  Verleger  zu  sagen. 

Sie  führen  Ihren  Leser  in  Ihrer  Critick  der  reinen  Vernunft,  all- 
mählig,  zu  dem  höchsten  Funct  der  Transcendentalphilosophie,  nämlich 
zu  der  synthetischen  Einheit.  Sie  leiten  nämlich  seine  Aufmerksamkeit, 
zuerst  auf  das  Bewußtseyn  eines  Gegebenen,  machen  ihn  nun  auf  Be- 
griffe, wodurch  etwas  gedacht  wird,  aufmerksam,  stellen  die  Categorien 
anfänglich  auch  als  Begriffe,  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  vor,  und 
bringen  zuletzt  Ihren  Leser  zu  der  Einsicht,  daß  diese  Categorie  eigent- 
lich die  Handlung  des  Verstandes  ist,  dadurch  er  sich  ursprünglich 
den  Begriff  von  einem  Object  macht,  und  das:  ich  denke  ein  Object, 


430  Aui  ^ants  Briefwechsel. 

erzeugt.    Diese  Erzeugung  der  synthetischen  Einheit  des  Bewußtseins 
habe  ich  mich  gewöhnt,  die  ursprüngliche  Beylegung  zu  nennen. 
Sie  ist  die  Handlung,  unter  andern,  die  derGeometer  postulirt,  wenn 
er  seine  Geometrie  von  dem  Satze  anfängt:  sich  den  Baum  vorzustellen, 
und  welcher  er  mit  keiner  einzigen  discursiven  Vorstellung  gleich  kommen 
wurde.    So  wie  ich  die  Sache  ansehe,  so  ist  auch  das  Postulat:  durch 
ursprüngliche  Beylegung  sich  ein  Object  vorstellen,  das  höchste  Princip 
der  gesammten  Philosophie,  auf  welchem  die  allgemeine  r.  Logik  und 
die  ganze  Transc:  Philosophie  beruht.    Ich  bin  daher  fest  überzeugt, 
daß  diese  synthetische  Einheit,  derjenige  Standpunct  ist,  aus  welchem, 
wenn  man  sich  einmahl  seiner  bemächtigt  hat,  man  nicht  allein  in  An- 
sehung dessen,  was  wohl  ein  analytisches  und  synthetisches  Urtheil  ist 
sondern  was  wohl  überhaupt,  a  priori  und  a  posteriori  heissen  mag, 
was  das  sagen  wolle,  wenn  die  Critick  die  Möglichkeit  der  geometrischen 
Axiome  darin  setzt,  daß  die  Anschauung  die  man  ihnen  unterlegt  rein 
sey,  was  das  wohl  ist,  was  uns  afficirt,  ob  das  Ding  an  sich,  oder  ob 
damit  nur  eine  transc:  Idee  gemeynt  sey,  oder  ob  es  nicht  das  Object 
der  empirischen  Anschauung  selbst,  die  Erscheinung  sey,  und  ob  wohl 
die  Critick  im  Cirkel  gehe,    wenn   sie   die  Möglichkeit   der  Erfahrung 
zum  Princip  der  synthetischen  Urtheile  a  priori  mache,  und  doch  das 
Princip  der  Causalität  in  den  Begriff  dieser  Möglichkeit  verstecke,  ich 
sage,  daß  man  von  alle  diesem,  ja  von  dem  discursiven  Begriff:  Möglich- 
keit der  Erfahrung  selbst  allererst  dann,  vollendete  Erkundigung  er- 
halten kann,  wenn  man  sich  dieses  Standpuncts  vollkommen  bemeistert 
hat,  und  daß,  so  lange  man  diese  Möglichkeit  der  Erfahrung  nur  noch 
immer  selbst  bloß  discursiv  denkt,  und  nicht  die  ursprünglich  beylegende 
Handlung,  eben  in  einer  solchen  Beylegung  selbst  verfolgt,  man  so  viel 
wie  nichts  einsieht,  sondern  wohl  eine  Unbegreiflichkeit  in  die  Stelle 
einer  andern  schiebt.    Ihre  Critick  aber  führt,  wie  ich  sage,  nur  nach 
und  nach,  ihren  Leser  auf  diesen  Standpunct  und  da  konnte  nach  dieser 
Methode,  sie  gleich  anfänglich,  als  in  der  Einleitung,  die  Sache  nicht 
vollkommen   aufhellen,   und  die  Schwierigkeiten   die   dabey   sich  auf- 
decken, sollten  den  nachdenkenden  Mann   zum  beharrlichen  Ausdauern 
locken.   Weil  aber  die  wenigsten  Leser  sich  jenes  höchsten  Standpuncts 


1 


Von  Rudolf  Beide.  431 

zu  bemächtigen  wissen,  so  werfen  sie  die  Schwierigkeit  auf  den  Vor- 
trag, und  bedenken  nicht,  dass  sie  der  Sache  anklebe,  die  sich  gewiß 
verliehren  wurde,  wenn  sie  einmahl  im  Stande  wären,  die  Forderung 
zu  überdenken,  die  synthetische  Einheit  des  Bewußtseyns  hervorzubringen. 
Ein  Beweis  aber,  daß  die  Freunde  der  Critik  doch  auch  nicht  recht 
wissen,  woran  sie  sind,  ist  schon  das,  daß  sie  nicht  recht  wissen,  wohin 
sie  den  Gegenstand  setzen  sollen,  welcher  die  Empfindung  hervorbringt. 

Ich  habe  mir  daher  vorgenommen,  diese  Sache,  wahrlich  doch  die 
Hauptsache  der  ganzen  Critik,  recht  zu  betreiben,  und  arbeite  an  einem 
Aufsatz,  worin  ich  die  Methode  der  Critik  umwende.  Ich  fange  von 
dem  Postulat  der  ursprünglichen  Beylegung  an,  stelle  diese  Handlung 
in  den  Categorien  dar,  suche  meinen  Leser  in  die  Handlung  selbst  zu 
versetzen,  in  welcher  sich  diese  Beylegung  an  dem  Stoffe  der  Zeit- 
vorstellung ursprünglich  offenbart  —  Wenn  ich  nun  so  glaube  meinen 
Leser  gänzlich  auf  die  Stelle  gesetzt  zu  haben,  auf  der  ich  ihn  haben  will, 
so  führe  ich  ihn  zur  Beurtheilung  der  Critick  d.  r.  V.  in  ihrer  Einleitung, 
Aesthetik  und  Analytik.  Sodann  will  ich  ihn  die  vorzüglichsten  Einwürfe, 
beurtheilen  lassen,  insbesondere  die  des  Verfassers  des  Aenesidemus. 

Was  urtbeilen  Sie  wohl  davon?  Ihr  Alter  drückt  Sie  und  ich  will 
Sie  gar  nicht  bitten,  mir  hierauf  zu  antworten,  obwohl  ich  gestehen 
muß,  daß  Ihre  Briefe  mir  die  kostbarsten  Geschenke  sind.  Aber  darum 
bitte  ich  Sie,  daß  Sie  die  Freundschaft  für  mich  haben  wollen,  Ihre 
wahre  Meynung  darüber  meinem  Verleger  zu  sagen.  Denn  er  wird  sich 
darnach  bestimmen.  Es  versteht  sich  aber  wohl  von  selbst,  daß  ich 
nichts  Anders  wollen  kann,  als  daß  Sie  ihm  gerade  heraussagen,  was 
Sie  von  diesem  Froject  halten,  ob  eine  solche  Schrift,  von  mir  bear- 
beitet, für  das  Publikum  nützlich  ausfallen  dürfte. 

Auch  seyn  Sie  so  gütig,  mich  zu  entschuldigen,  wenn  ich  etwas 
zu  behauptend  Ihnen  scheinen  möchte.  Ich  muß  diesen  Brief  auf  der 
Post  dem  Hartknoch  nachschicken,  und  die  Post  will  abgehen,  daher 
ich  etwas  flüchtig  schreiben  mußte.    Behalten  Sie  Ihre  Gewogenheit  für 

Ihren 
-Halle  Sie  verehrenden 

d.  17üü  Juny  1794.  Beck. 


432  Aus  Kant's  Briefwechsel. 

xm. 

Beck  an  Kant. 

Halle  den  17*2»  Juny  1795. 
Verehrungswürdiger  Lehrer, 

Herr  Prof.  Jakob  bietet  mir  eine  Gelegenheit  an,  einen  Brief  an 
Sie  zu  bestellen,  die  ich  sehr  gern  ergreife,  weil  ich  mich  versichert 
halte,  daß  Sie  freundschaftlich  gegen  mich  gesinnt  sind,  und  aus  diesem 
Grunde,  Nachrichten  die  mich  betreffen,  mit  einigem  Interesse,  auf- 
nehmen werden. 

Die  erstem  Jahre  meines  Aufenthalts  in  Halle,  waren  von  mancherlei 
Kümmernissen  begleitet.  Jetzt  aber  wird  derselbe  von  Tage  zu  Tage 
heiterer.  Ich  habe  hier  viele  und  herzliche  Freunde  und  nachdem  ich 
bald  fünf  Jahre  lang  den  hiesigen  Studirenden  ein  wahrer  obfcurus  war, 
so  bin  ich  jetzt  in  ziemlichem  Beyfall  als  academischer  Docent.  Von 
der  Schule,  auf  der  ich  so  lange  lebte,  habe  ich  in  diesem  Frühjahr 
mich  frey  gemacht  und  lebe  jetzt  ganz  dem  academischen  Unterricht. 
Ich  war  dem  Graf  Keyserling  100  Thlr.  schuldig,  womit  er  mich  vor 
fünf  Jahren  unterstützte,  und  diese  habe  ich  jetzt  schon  abgetragen. 
Ihnen,  Fürtreflicher  Mann,  verdanke  ich  meine  bessere  Lage;  denn  Sie 
haben  mir  dazu  die  Hand  geboten. 

Künftige  Michälismesse  kömmt  ein  dritter  Theil  zu  meinem  Aus- 
zuge zum  Vorschein,  welche  Schrift,  auch  besonders  unter  dem  Titel: 
einzig  möglicher  Standpunct,  aus  welchem  die  critische  Philosophie 
beurtheilt  werden  muß,  erscheinen  wird.  Sobald  sie  fertig  gedruckt 
seyn  wird,  werde  ich  mir  die  Freyheit  nehmen  Ihnen  ein  Exemplar  zu 
überschicken.  Ich  habe  Ihnen  von  diesem  Plan,  schon  einmahl  was, 
geschrieben.  Meine  ganze  Absicht  ist,  zu  zeigen,  daß  die  Categorien 
der  Verstandesgebrauch  selbst  sind,  daß  sie  allen  Verstand,  und  alles 
Verstehen  ausmachen,  und  daß  der  wahre  Geist  der  critischen  Philosophie, 
die  das  Publicum  Ihnen  verdankt,  darin  besteht,  daß  dieselbe  an  ihrer 
Transcendentalphilosophie,  die  Kunst  sich  selbst  zu  verstehen  aufgestellt 
habe.  Dieses:  sich  selbst  verstehen,  ist  in  meinen  Augen,  der  oberste 
Grundsatz  aller  Philosophie,  und  ich  bin  versichert,  daß  nur  demjenigen, 


Von  Rudolf  Beicke.  433 

der  dieses  wohl  vornimmt,  Ihre  critische  Werke  aufgeschlossen  seyn 
kennen.  —  Möchte  die  Vorsehung  Sie  noch  lange  im  Leben  erhalten. 
Erhalten  Sie  Ihre  Gewogenheit  gegen  mich  Ihren 

Adresse  mü  Siegel:  Ihn6ö  ergebenen 

An  Beck. 

Herrn  Professor  Kant 
durch  gütige  Bestellung.      König8berg. 

XIV. 

Kant  an  Beck. 20) 

Werthester  Freund! 

Sie  haben  mich  mit  verschiedenen  Ihnen  Ehre  bringenden  Schriften, 
zuletzt  noch  mit  dem  Grundrisse  der  crit.  Phil.,  beschenckt  und  ich 
mache  mir  darüber  Vorwürfe,  die  in  Ihren  Briefen  an  mich  gerichtete 
Anfragen,  Entwürfe  und  Nachrichten,  so  angenehm  sie  mir  auch  allemal 
waren,  durch  keine  Antwort  erwiedert  zu  haben.  —  Werfen  Sie  immer 
die  Schuld  auf  die  Unbehaglichkeit  meines  Alters,  dessen  übrigens  sonst 
ziemliche,  Gesundheit  doch  nicht,  wie  bei  einem  Eaestner,  durch 
körperliche  Stärke  unterstützt  wird  und  mich,  da  ich  immer  beschäftigt 
seyn  muß,  durch  seine  Launen  unaufhörlich  abzubrechen  und  mit  Be- 
schäftigungen zu  wechseln  nöthigt. 

Man  hat  mir  versichert,  daß  Sie  provisorisch  vom  Petersburgischen 
Hofe  einen  Ruf  auf  die  in  Curland  zu  errichtende  Universität  hätten. 
Verhält  sich  dieses  so,  so  würde  ich  mich,  auch  Meinentwegen,  freuen, 
eine  Gelegenheit  zu  finden,  die  es  mir  erleichterte  unsere  beyderseitige 
Ideen,  Entwürfe  nnd  Fortschritte  wechselseitig  mitzutheilen.  —  Ein  Ge- 
danke des  Hrn.  Hindenburg,  den  Sie  mir  mitzutheilen  die  Güte  hatten, 
ist  mir  zwar  sehr  schmeichelhaft,  was  das  Zutrauen  betrifft,  übersteigt  aber 
meine  mathematische  Kenntnis  viel  zu  weit,  als  daß  ich  die  Anwendung 
der  Combinationsmethode  auf  die  Philosophie  auch  nur  versuchen  sollte. 


20)  Der  Originalbrief  besteht  ans  einem  Quartblatt  and  befindet  sich  im  Besitze 
des  Prof.  Erdmann  in  Halle,  der  ihn  mit  einem  Exemplar  der  Kritik  d.  r.  Vernunft 
(1.  Aufl.),  welches  aus  der  Beck'schen  Bibliothek  stammt,  erworben  hat.  Abschrift 
verdanke  ich  Dr.  Karl  Kebrbacb. 


434  Aos  Kan^f  Briefwechsel. 

Herren  Prof.  Jacob  bitte  gelegentlich,  neben  meiner  besten  Em- 
pfehlung, für  die  Uebersendnng  seiner  Annalen  den  ergebensten  Dank 
abzustatten.  Wen  ich  nur  etwas  zur  Erwiederung  dieser  Güte  thun  könte! 

Mit  der  größten  Hochachtung  uud  Ergebenheit  bin  ich  jederzeit 
Königsberg  Der  Ihrige 

d.  19.  Nov.  1796.  L  Kant. 

Adresse:    An  Herrn 
Magister  Beck 
in 
Halle. 

XY. 

Beck  an  Kant. 

Halle  d.  20*2  Juny  1797. 
Hochachtungswürdiger  Mann, 

Ich  kann  es  mir  wohl  deuken,  wie  ein  Mann,  der,  indessen  er  den 
Ziel  sich  nähert,  zu  seinen  Vätern  zu  gehen,  sich  bevtußt  ist,  ein  großes 
Gut  der  Nachwelt  zu  hinterlassen,  wornach  alle  Vorwelt,  als  nach  der 
interessantesten  Angelegenheit,  so  lange  und  doch  so  vergeblich  gerungen 
hat,  bey  der  Nachricht  daß  diese  Wohlthat  in  Gefahr  gesetzt  worden, 
unmöglich  gleichgültig  seyn  könne.  So  wie  ich  Sie,  Herrlicher,  Weiser 
Mann  kenne,  so  bin  ich  versichert,  daß  Sie  Ihres  innern  großen  Werths 
sich  bewußt,  über  die  Nachricht,  daß  ein  Fremder  Ihre  Arbeiten  und 
wichtige  Entdeckungen  sich  zugeeignet  habe,  sich  wohl  wegsetzen  würden; 
aber  daß  ein  böser  Feind  Unkraut  unter  Ihren  Weizen  gesäet  habe,  daß 
das  Gut  selbst,  das  Sie  gegründet  haben,  verdorben,  und,  wie  Herr 
Hofprediger  Schultz  sich  ausdrückt,  in  der  Wurzel  angegriffen  worden, 
das  kann  der  tugendhafte  Mann  unmöglich  mit  gleichgültigen  Augen 
ansehen.  Ich  eile  Ihnen  diese  Besorgniß  zu  benehmen,  indessen  icb 
mich  herzlich  freue,  diesmahl  von  der  mir  interessantesten  Sache,  an- 
mittelbar und  ohne  Beystand  eines  Referenten,  mit  meinem  grossen 
Lehrer  mich  unterhalten  zu  können,  wenn  es  gleich  mir  allerdings  wehe 
thut,  jene  unangenehme  Empfindungen  bey  Ihnen  veranlast  zu  haben. 

Sie  wissen  es  wohl  aus  eigener  Erfahrung,  daß  in  den  sehr  schweren 
transcendentalphilosophischen  Untersuchungen,  man  nur  durch  vielfach 


Von  Rudolf  Reicfce.  435 

widerholtes  und  scharfes  Nachdenken  endlich  dahin  kommt,  sich  selbst 
vollkommen  verständlich  zu  seyn,  und  daß,  bevor  man  diesen  Zustand 
erreicht  hat,   es  auch  nicht  gut  thunlich  ist,   andern  verständlich  zu 
werden.    Wenn  nun  Herr  Hofprediger  Schultz  in  meinen  unter  dem  Titel, 
die    critische  Philosophie  erläuternden,   ihren  wahren  Standpunct  dar- 
stellenden Schriften,  so  viel  gerade  auf  den  Umsturz  derselben  gerichtete 
Momente  erblickt,   daß  ich  gar  fast  glaube,   der  würdige,   gute,   mir 
sonst  sehr  liebe  Mann  möchte  mich  vieleicht  für  den  tückischen  Feind 
derselben  halten,   der  unter  der  Maske  der  Anhänglichkeit  auf  ihren 
Ruin  ausgeht,  wie  ich  geneigt  bin  zu  glauben,  daß  er  manchen  vorgeb- 
lichen Freund  der  christlichen  Religion  für  den  boshaftesten  Wieder- 
sacher  derselben   hält,   so   dürfte  dieses  wenigstens  wohl  ein  Beweis 
a  posteriori  seyn,  daß  ich  in  meinen  Schriften,  ob  ich  gleich  darin  den 
Boden  aller  Verständlichkeit  ebenen  und  bearbeiten  wollte,   ich  mich 
doch  selbst  noch  nicht  recht  wohl  darin  verstanden  habe.  Mit  mensch- 
lichen Arbeiten  geht  es  aber  nun  einmahl  nicht  anders,   als  daß  sie 
unvollkommen   ausfallen  und  ein  Transcendentalphilosoph  kommt  nur 
nach  und  nach  dahin,    die  Principien  zu  allen  objectiv  gültigen  Be- 
griffen selbst  auf  Begriffe  zu  bringen  und  sie  dann,  weil  er  sich  dann 
selbst  nicht  mehr  mißversteht,   auch  andern  so  mitzutheilen,   daß  sie 
ihn  verstehen  können.    Ich  glaube  daher  gar  nicht  mich  schämen  zu 
dürfen,  wenn  ich  frey  bekenne,  daß  seit  den  anderthalb  Jahren,  da  ich 
mit  meinem  Grundriß  fertig  wurde,  seit  welcher  Zeit  ich  jede  Gelegen- 
heit ergrif,  die  meine  wissenschaftliche  Arbeiten  mir  anboten,  um  mein 
Auge  auf  das  Object  der  Transcendentalpbilosophie  fallen  und  darauf 
ruhen  zu  lassen,   daß  seit  dieser  Zeit,   ich  in  vielen  Stellen  die  Sache 
besser  als  vorhin  getroffen  habe,  und  daß  noch  ehe  ich  Ihren  Brief  er- 
hielt, ich  mir  schon  vorgenommen  hatte,  Betractationen  meiner  Arbeit 
abzufassen.    Allein  ich  glaubte  dieses  Geschäft  für  eine  künftige  Aus- 
gabe meines  Grundrisses  aufbewahren  zu  können.    Ich  bemerke  aber, 
daß  ich   darunter   auch   nur   solche   Betractationen   meyne,    wie   ich 
glaube  daß  der  heil.  Augustin  meynte.    Ich  glaube  nämlich  nicht  eben 
Falschheiten  in  meinen  Büchern  gesagt  zu  haben,  als  vielmehr  Unbe- 
stitntheiten,  weil  ich  selbst  noch  nicht  bestimmt  genug  gegriffen  hatte. 


436  Ans  £•«*'•  Briefwechsel. 

Denn  vortreflicher  Mann,  ich  glaube  in  ein  Paar  Worten,  den  Satz 
der  die  Seele  der  critischen  Philosophie  ist,  Ihnen  wenigstens  so  aus 
einander  legen  zu  können,  daß  Sie  gewiß  sagen  sollen :  „Da  hast  eigent- 
lich nichts  Neues  in  deinen  Schriften  gelehrt;  aber  verstanden  hast  da 
mich  vollkommen",  und  ich  muß  mich  erinnern,  daß  ich  an  Sie  schreibe 
um  nicht  warm  zu  werden,  daß  der  gute  würdige  Schultz  ganz  unnützer- 
weise Feuer!  rufen  will.    Sie  müssen  mich  selbst  vernehmen. 

Ich  bemerke  nämlich  an  den  Categorien  erstens,  daß  in  dem 
Gebrauch  derselben  als  Prädicate  der  Objecto,  der  logische  Verstandes- 
gebrauch besteht.  Hiernach  heist  es  dann  ein  Ding  hat  Grösse,  hat 
Sachheit,  ihm  komt  zu  Substantialität,  Causalität,  u.  s.  w.  Diesen 
logischen  Verstandesgebrauch  sage  ich  auch  in  den  synthetischen  Ur- 
theilen  a  priori  aus,  z.  B.  Bey  allem  Wechsel  der  Erscheinung  beharret 
die  Substanz ;  Was  geschieht  hat  eine  Ursache  u.  8.  w.  Wie  fällt  nun 
die  Auflösung  dieser  Synthesis  von  Begriffen  aus?  Ich  bemerke  das  ur- 
sprüngliche Verstandesverfahren  in  der  Categorie,  wodurch  gerade  die 
synthetisch  objeetive  Einheit,  die  das  ausmacht,  was  Sinn  und  Bedeutung 
meines  Begriffs  heißt,  erzeugt  wird.  Was  ist  es,  frage  ich,  was  den 
Chemiker  nöthigt  bey  seinem  Prozeß  des  Verbrennens  des  Phosphors 
in  atmosphärischer  Luft,  zu  sagen  daß  dasjenige,  um  was  die  Phos- 
.phorblumen  schwerer  geworden  sind,  eben  das  ist,  um  was  die  Luft 
leichter  geworden ?  Ich  antworte:  sein  eigener  Verstand,  das  Erfahrende 
in  ihm,  welches  ursprüngliche  Verstandes- Verfahren  ich  einem  bemerk- 
bar mache,  wenn  ich  ihn  bitte,  alle  Objecto  im  Baum  aufzuheben  und 
nach  Ablauf  von  50  Jahren  eine  Welt  wieder  zu  setzen.  Er  wird  ge- 
stehen daß  beyde  Welten  zusammen  fallen  und  keine  leere  Zeit  abge- 
laufen ist,  das  ist,  daß  nur  am  beharrlichen  er  sich  die  Zeit  selbst 
vorstellen  könne.  Hierher  muß  der  Blick  gerichtet  seyn,  um  das  Phantom 
des  Berkleyischen  Idealisms  zu  widerlegen.  Eben  so  wenn  ich  auf 
das  Erfahrende  in  mir  achte,  wodurch  ich  zu  der  Aussage,  daß  etwas 
geschehen  ist,  gelange,  so  bemerke  ich,  daß  das  Verursachen,  das  icb 
damit  verbinde,  nichts  anders  als  das  Festmachen  der  Synthesis  von 
Wahrnehmungen  als  eine  successive  ist  (das  ursprüngliche  Setzen  eines 
Etwas,  wonach,  als  nach  einer  Begel  die  Begebenheit  folgt)  dadurch 


Von  Rudolf  Reicke.  437 

also  Erfahrung  einer  Begebenheit  erzeugt  wird.  Überhaupt  aller  dieser 
synthetischen  Urtheile  a  priori  Auflösung  fällt  dahin  aus,  daß  das 
Prädicat  das  ich  in  einem  solchen  Urtheil  mit  dem  Subject  verbinde, 
das  ursprüngliche  Verstandesverfahren  ist,  dadurch  ich  zu  dem  Begriff 
von  dem  Object  gelange.  Hiernach  (in  dem  Bewußtseyn  dieser  Prin- 
eipien)  verstehe  ich  mich  hoffentlich  richtiger  in  dem  Urtheil:  meine 
Vorstellung  von  dem  Tisch  der  vor  mir  steht,  richtet  sich  nach  dem 
Tisch,  und  dieses  Object  afficirt  mich,  es  bringt  Empfindung  in  mir 
hervor,  als  jeder  andere  der  dieses  ursprunglichen  Verstandesverfahrens 
nur  in  der  Anwendung,  aber  nicht  abgezogen  sich  bewußt  ist,  und  da 
bin  ich  freylich  überzeugt,  daß  die  Abtheilung  des  Erkenntnißvermögens, 
in  Sinnlichkeit,  als  das  Vermögen  des  Subjectiven  (das  Vermögen  von 
Gegenständen  afficirt  zu  werden)  und  in  Verstand,  das  Vermögen  Gegen- 
stände zu  denken  (dieses  Subjective  auf  ein  Object  zu  beziehen)  mit 
erforderlicher  Deutlichkeit  allererst  nach  richtiger  Ansicht  der  Categorie 
als  eines  urspr anglichen  Verstandesverfahrens  ausgeht. 

Der  Düsseldorfer  Jacobi  sagt  in  seinem  David  Hume  betitelten 
Gespräch:  „Ich  muß  gestehen,  daß  dieser  Umstand  (daß  nämlich  die 
Gegenstände  Eindrücke  auf  die  Sinne  machen)  mich  bey  dem  Studio 
der  Kantischen  Philosophie  nicht  wenig  aufgehalten  hat,  so  daß  ich 
verschiedene  Jahre  hinter  einander,  die  Critik  der  reinen  Vernunft  immer 
wieder  von  vorne  anfangen  mußte,  weil  ich  unaufhörlich  darüber  irre 
wurde,  daß  ich  ohne  jene  Voraussetzung  in  das  System  nicht  hinein- 
kommen, und  mit  jener  Voraussetzung  darin  nicht  bleiben  konnte.41 
Wenn  ich  nun  über  diese  Bedenklichkeit,  welche  gewiß  sehr  vielen 
wichtig  ist,  mein  Urtheil  sagen  und  auch  bestimmen  soll,  was  Ihre 
Critik  eigentlich  meyne,  wenn  sie  auf  der  ersten  Seite  der  Einleitung 
von  Gegenständen  spricht,  welche  die  Sinne  rühren,  ob  sie  darunter 
Dinge  an  sich  oder  Erscheinungen  meyne?  so  werde  ich  antworten,  daß 
da  Erscheinung  das  Object  meiner  Vorstellung  ist,  in  welcher  Be- 
stimmungen desselben  gedacht  werden,  die  ich  durch  das  ursprüngliche 
Verstandesverfahren  (z.  B.  durch  das  ursprüngliche  Fixiren  meiner  Syn- 
thesis  von  Wahrnehmungen,  als  eine  successive,  dadurch  Erfahrung 
einer  Begebenheit  möglich  wird)  erhalte,  so  ist  der  Gegenstand  der  mich 


438  Aui  KÄnt**  Briefwechsel. 

afficirt,  eben  daher  Erscheinung  und  nicht  Ding  an  sich.  Meynt  aber 
jemand  von  den  Categorien  einen  absoluten  Gebrauch  machen  zu  können, 
sie  als  Prädicate  der  Dinge  schlechthin  ansehen  zu  können,  ohne  Hin- 
sicht des  ursprünglichen  Yerstandesverfahrens  das  in  ihnen  liegt  (nach 
Ihrem  Ausdruck:  eine  Anwendung  von  ihnen  auf  Objecte  ohne  Bedingung 
der  Anschauung  machen  zu  können)  der  ist  in  der  Meynung  die  Dinge 
an  sich  zu  erkennen  und,  wenn  ich  ein  klein  wenig  auf  Herrn  Schultz 
böse  seyn  wollte,  so  würde  ich  gewiß  mit  mehrerm  Fug  ihm  den  Vor- 
wurf machen,  daß  er  im  Besitz  einer  Verstandesanschauung  zu  seyn 
sich  dünke,  als  er  Recht  hat,  ihn  mir  zu  machen.  Das  einzige  was 
meiner  Meynung  nach  dem  Menschen  vergönnt  [sie]  ist,  ist  die  Be- 
ziehung der  Natur  überhaupt  auf  ein  Substrat  derselben,  eine  Be- 
ziehung, der  er  sich  in  seiner  Anlage  für  Moralität,  in  dem  Bewußtseyn 
der  Bestimmbarkeit  des  Begehrens  durch  die  blosse  Vorstellung  der 
Gesetzmässigkeit  der  Handlungen  bewußt  ist.  Denn  in  diesem  Bewußt- 
seyn,  (aus  welchem  gerade  so  die  synthetisch-practischen  Grundsätze 
hervorgehen,  wie  jene  synthetisch  theoretische  Urtheile  a  priori  ans 
dem  ursprünglichen  Verstandesverfahren)  erhebt  er  sich  über  die  Natur 
und  setzt  sich  ausser  ihrem  Mechanism,  ob  er  gleich  als  Mensch  doch 
wieder  Naturgegenstand  ist,  und  sonach  seine  Moralität  selbst  etwas 
Angefangenes  ist  und  Naturursachen  voraussetzt.  Der  einer  Zweck- 
einheit entsprechende  fortgehende  Naturmechanism  stimmt  ihn  zu  dieser 
Beziehung  noch  mehr  und  erhebt  und  stärkt  die  Seele  des  sittlich 
guten  Menschen,  ob  er  gleich  doch  nur  immer  auf  symbolische  Weise 
sich  dieses  Substrat  vorzustellen  weiß.  Selbst  der  Lauf  menschlicher 
Begebenheiten,  Naturbegebenheiten,  wie  z.  B.  die  Erscheinung  der  christ- 
lichen Religion,  von  der  als  einem  Eirchenglauben  man  sagen  kann, 
daß  sie  das  Princip  zu  ihrer  eigenen  Auflösung  in  sich  selbst  trägt, 
Naturbegebenheiten  die  sichtbarlich  hinzielen,  den  rein  moralischen 
Glauben  in  unserm  Geschlecht  hervorzubringen  —  Alles  dieses  leitet  den 
Verstand  zu  einer  solchen  Beziehung« 

Aber  ich  schreibe  als  wollte  ich  Ihnen  etwas  Neues  lehren!  Ver- 
ehrungswürdiger, grosser  Mann,  ich  kann  nicht  ohne  Entzücken  diese 
Angelegenheiten  des  Menschen  überdenken,  und  Ihnen  verdanke  kh  es, 


Von  Rudolf  Rdcke.  439 

Sie  haben  mich  darauf  geführt.    Ich  befinde  mich  in  meinen  besten 
Jahren,  und  was  meine  Seele  täglich  erheitert,  ist,  der  auf  meine  jetzige 
Einsichten  in  die  Prinzipien  der  critischen  Philosophie  gegründete  Ge- 
danke, einst  auch  nach  dem  Abgange  des  grossen  Stifters  derselben, 
diese  dem  Menschengeschlecht  wichtige  Angelegenheit  kräftiglich  be- 
sorgen zu  können.   Ihre  metaphysische  Principien  der  Rechtslehre,  haben 
mich  seit  ihrer  Erscheinung  beschäftigt,  und  die  Aufklärungen  die  ich 
durch  diese  kleine  Schrift  erhalten,  sind  sehr  groß.  Um  so  mehr  thut  es 
mir  wehe,  daß  der  gute  Hofpr.  Schultz  meine  Bemühungen  in  einem  [sie] 
so  gehässigen  Licht  hat  stellen  wollen.    Mir  war  bey  meinem  Stand- 
punet  alles  darum  zu  thun,  die  wahre  Ansicht  der  Categorien  als  des 
ursprünglichen  Verstandesverfahrens  zu  eröfnen  und  den  nur  unter  dieser 
Bedingung  gültigen  empirischen  Gebrauch  meinem  Leser  unter  die  Augen 
zu  stellen,  und  ihm  die  Nichtigkeit  des  transcendentalen  Gebrauchs  der- 
selben zu  zeigen.   In  dieser  Hinsicht,  da  ich  sonach  Ihre  Methode  um- 
kehrte und  von  den  Categorien  sofort  anfing,  nannte  ich  meine  Arbeit 
Transcendentalpbilosophie  und  theilte  sie  nicht  ein  in  trans.  Ästhetik 
und  Logik.    In  dem  ersten  Abschnitt  meiner  Schrift  bandele  ich  von 
den  Schwierigkeiten   in   den   Geist   der  Critik  zu  dringen  und  mache 
darin  den  Sceptiker;   bloß   um   sehr  viele  critische  Philosophen,   die 
wirklich  den  dogmatischen  Schlaf  schlafen,  zu  wecken,  und  um  Herrn 
Reinhold  und  andern  sich  nennenden  Elementarphilosophen  zu  Gemüth 
zu  führen,  daß,  indem  sie  Ihre  Critik  meistern,  weil  sie  einen  Satz  aus 
dem  alle  Philosophie  quellen  soll,  ihrer  Meynung  nach  anzugeben  unter- 
lassen habe,  und  von  denen  der  eine  diesen,  ein  anderer  einen  andern 
Satz  als  Thatsache  des  Bewußtseyns  aufführt,  um  diesen  Männern  zu- 
zurufen, daß  sie  nicht  bemerken,  daß  dasjenige  worauf  jeder  mögliche 
Satz,  wenn  er  Sinn  haben  soll  beruht,  gerade  von  Ihnen  in  dem  ur- 
sprünglichen Verstandesverfahren  der  Categorien  angegeben  worden.   Ich 
zeigte  den  Nachsprechern  Ihrer  Critik,  die  mit  Ihren  Worten  groß  tbaten, 
daß  in  ihrem  Munde  es  mir  ganz  sinnlos  vorkomme,  wenn  sie  von  Be- 
griffen a  priori  reden,  die  sie  doch  nicht  mit  Leibnitz  angebohrne  heissen 
wollten,  lediglich  um  nachher  den  grossen  Unterschied,  der  zwischen 
Ihrer  Behauptung,  daß  die  Categorien  Begriffe  a  priori  sind  und  jener 


440  Aus  Kant's  BriefWeehael. 

von  angebohrnen  auffallend  zu  machen  und  um  zu  zeigen,  daß  diese 
Categorien  durchweg  eigentlich  das  Verstandesverfahren  sind,  wodurch 
ich  zu  dem  Begriff  von  einem  Object  gelange,  dazu  gelange,  daß  ich  über- 
haupt sage:  hier  ist  ein  von  mir  verschiedener  Gegenstand.  Niemand  kann 
von  der  Richtigkeit  seiner  Einsichten  heller  fiberzeugt  seyn,  als  ich  in 
diesem  Augenblick  bin.  Was  mir  Herr  Schultz  Schuld  giebt,  davon  ist 
mir  auch  niemals  der  Gedanke  eingefallen.  Nicht  eingefallen  ist  es  mir, 
die  Sinnlichkeit  weg  zu  exegesiren.  Wie  gesagt,  ich  konnte  mein  Auge 
nicht  dem  Lichte  verschliessen,  das  ich  erblickte,  als  ich  auf  den  Ein- 
fall kam,  von  dem  Standpuncte  der  Categorien  auszugehen,  und  das 
was  Sie  in  Ihrer  transc.  Aesthetik  besonders  abhandeln  (Raum  und  Zeit) 
mit  den  Categorien  zu  verbinden.  Herr  Beinhold  hatte  Sie  corrigirt, 
wenn  Sie  sagen:  der  Baum  ist  eine  Anschauung  a  priori  und  dahin  ge- 
meistert, daß  es  nach  ihm  beissen  soll,  die  Vorstellung  vom  Baum  ist 
Anschauung.  Ich  zeige  ihm,  daß  der  Baum  selbst  eine  reine  An- 
schauung ist,  das  heißt,  die  ursprüngliche  Yerstandessynthesis  worauf 
die  objective  Verbindung  (ein  Object  hat  diese  oder  jene  Grösse)  beruht 
Nie  in  den  Sinn  ist  es  mir  gekommen,  zu  sagen,  daß  der  Verstand  das 
Ding  macht;  ein  baarer  Unsinn!  Wie  kann  Herr  Schultz  so  unfreund- 
lich seyn  mir  dieses  zu  Schulden  kommen  zu  lassen.  Wie  gesagt,  ich 
wollte  nicht  im  geringsten  mehr,  als  die  Leute  darauf  fuhren,  daß  wir 
nichts  objectiv  verknüpfen  können  (urtheilen  mit  einem  Wort,  sagen: 
ein  Ding  hat  diese  oder  jene  Grösse,  diese  oder  jene  Realität,  Sub- 
stantialität  u.  s.  w.)  was  der  Verstand  nicht  vorher  selbst  verbunden 
hat  und  daß  hierin  die  objective  Beziehung  liegt  Hierauf  will  ich  jeden, 
wie  mit  der  Nase  darauf  fuhren  und  wie  sollte  einer  bey  diesem  Licht 
nicht  sehen  können!  da  heißt  nun  dieser  auf  mich  wirkende,  die  Sinne 
ruhrende  Gegenstand,  Erscheinung  und  nicht  Ding  an  sich,  wovon  ich 
lediglich  den  negativen  Begriff  aufstellen  kann,  als  von  einem  Dinge 
dem  Prädicate  schlechthin  (ganz  abgesehen  vun  diesem  ursprünglichen 
Verstandesverfahren)  zukommen,  —  eine  Idee  und  so  auch  die  von  einem 
urbildlichen  Verstände,  die  naturlich  durch  Entgegensetzung  aus  jener 
Eigenheit  unsers  Verstandes  entspringen.  Meine  Absicht  ging  dahin, 
dem  Begriff  von  Ding  an  sich  den  Zugang  in  die  theoretische  Philo- 


Von  Rodolf  Reicke.  44X 

sophie  zu  verschliessen,  auf  dessen  ganz  eigene  Art  von  Realität  ich 
lediglich  in  dem  moralischen  Bewußtseyn  geleitet  werde.  In  jenem 
ersten  Abschnitt  meiner  Schrift,  spreche  ich  etwas  laut,  nenne  auch 
freylich  die  Anschauung  sinnlos.  Ich  nenne  alle  Kesultate  Ihrer  Arbeit  so, 
ich,  der  indem  ich  sie  so  nannte,  der  größte  Bewunderer  derselben  war 
und  Herr  Hofprediger  S.  sie  gewiß  nicht  mehr  verehren  konnte  als  ich. 
Aach  ist  er  der  einzige  der  mich  so  mißverstanden  hat.  Fast  kann  ich 
mir  dieses  Mißverstehen  nicht  anders  als  durch  die  Nachricht  erklären, 
die  mir  Herr  Motherbey  [mV?],  der  so  gut  war,  mich  zu  besuchen,  ge- 
geben bat,  daß  der  würdige  Mann  seine  Frau  vor  einiger  Zeit  verlohren 
hat,  welches  Ereigniß  ihm  vieleicht  einige  Grämlichkeit  zurückgelassen 
bat.  Auch  kann  wohl  immer  etwas  frommer,  von  seiner  theologischen 
Denkart  übrig  gebliebener  Eifer  im  Hintergrunde  seyn,  der  gewiß  wohl 
von  wackerer  Denkungsart  einen  Beweis  ablegt,  aber  andern  ehrlichen 
Leuten  doch  immer  etwas  beschwerlich  fallt.  Niemand  hat  der  Sache 
nach,  von  allen  Freunden  der  critischen  Philosophie  auf  die  Unter- 
scheidung der  Sinnlichkeit  vom  Verstände  mehr  als  ich  gedrungen.  Ich 
thue  es  unter  dem  Ausdrucke:  daß  ein  Begriff  nur  sofern  Sinn  und 
Bedeutung  habe,  sofern  das  ursprüngliche  Verstandesverfahren  in  den 
Categorien  ihm  als  Basis  unterliegt,  welches  der  Sache  nach  einerley 
mit  Ihrer  Behauptung  ist,  daß  die  Categorien  lediglich  auf  Anschau- 
ungen Anwendung  haben,  welchen  Ausdruck  ich  aber  meines  Gesicht- 
puncts  wegen  wählte.  Eigentlich  liegt  aber  der  ganze  Grund  Ihres 
Briefes  und  was  auf  Sie  Eindruck  gemacht  hat,  in  der  Nachricht  die 
Ihnen  Herr  Schultz  giebt,  daß  ich  auf  den  Titel  meiner  Schrift:  auf 
Anrathen  K.  —  gesetzt  habe  und  er  erregt  die  Besorgniß,  daß  das 
Publicum  deswegen  glauben  werde,  daß  Sie  meine  vermeyntlich  falsche 
Vorstellungsart  für  gültig  anerkennen  und  so  Ihre  eigene  Arbeit  durch 
mich  umwerfen  lassen.  Wirklich  deswegen  habe  ich  Ursache  gegen 
ihn  unwillig  zu  seyn.  Die  Sache  verhält  sich  so.  Da  ich  dem  Buch- 
händler Hartknoch  meinen  Standpunct  antrug,  so  trug  ich  sie  ihm  als 
eine  vor  sich  bestehende  Schrift  an,  die  gar  nichts  mit  dem  Auszuge 
zu  thun  hatte.  Er  antwortete  mir  von  Riga  aus  und  bat  mich  sie  mit 
zwey  Titeln  (auf  der  einen  Seite:  Standpunct  :c.  und  auf  der  andern: 

41tpr.  MoMtMchrifft  Bd.  XXII.  Hft.  5  o.  6.  29 


442  Äüi  *•*?*  BriefWeehsel. 

Auszug  ic.)  ausgehen  zu  lassen.  Ich  sähe  nichts  Unrechtes  darin  und 
that  was  er  wollte,  wohl  aber  mit  der  Vorsicht,  daß  ich  nicht  auf  dem 
Titelblat  des  Standpuncts  auf  Ihr  Anrathen  und  nur  auf  dem  andern 
es  setzte,  weil  ich  dieses  (was  den  Auszug  überhaupt  betraf)  thun 
konnte.  Indessen  wenn  ich  geirrt  habe,  so  habe  ich  doch  nichts  Ter« 
brochen  und  ich  bin  bereit  die  Sache  bey  der  ersten  Gelegenheit  gut 
zu  machen,  nämlich  zu  erklären,  daß  der  Standpunct  nicht  auf  Ihr  An- 
rathen geschrieben  worden  sey,  wiewohl  ich  auch  nicht  einsehen  kann, 
daß  das  Wort:  Anrathen  überhaupt  etwas  anderes  sagen  kann,  als 
daß  Sie  mich  überhaupt  für  einen  Mann  halten,  der  eine  der  Beach- 
tung des  Publicums  werthe  Sache  produciren  könne.  Die  Sache  kann 
aber  auf  mehrere  Art  gut  gemacht  werden.  Vor  allen  Dingen  wünsche 
ich  es  nicht  auf  eine,  denjenigen  Leuten,  die  die  critische  Philosophie 
wie  den  Tod  hassen,  willkommene  Weise  zu  thun,  welches  durch  eine 
in  die  Lit  Zeitung  oder  in  Jakobs  Annalen  inserirte  Nachricht  geschehen 
würde;  denn  bey  aller  Vorsicht  im  Ausdruck  würden  diese  Zänkerey 
und  Uneinigkeit  wittern,  welches  der  guten  Sache  schaden  würde.  Am 
beßten  geschehe  es  in  der  Vorrede  zu  einer  Schrift.  Ich  gehe  näm- 
lich mit  einer  Arbeit  um,  die  aber  künftige  Ostern  erst  herauskommen 
kann.  Oder,  möchte  sich  nicht  Herr  Hofprediger  Schultz  entschliessen, 
selbst  einen  Aufsatz,  der  bloß  die  Hauptmomente  des  critischen  Idea- 
lisms auseinandersetzte,  zu  verfertigen  und  Betractationen  meiner  Arbeit, 
von  mir,  als  einen  zweyten  Theil  eben  dieser  Schrift  aufzunehmen  (so 
wie  Herr  Hindenburg  in  der  verlaufenen  Michaelis  [siel]  Messe  die 
Schrift:  Der  polynomische  Lehrsatz,  das  wichtigste  Theorem  der  ganzen 
Analysis,  neu  dargestellt  von  Elügel,  Kramp,  Pfaff,Tetens  und  Hindenburg, 
herausgegeben  hat)?  Keiner  dürfte  die  Arbeit  des  andern  vor  dem  Druck 
gesehen  haben.  Ich  denke  eine  solche  von  zwey  Männern,  mit  Ernst 
und  Wahrheitsliebe  abgefaste  Schrift,  von  denen  jeder  die  Sache  auf 
die  ihm  eigene  originale  Art  ansieht,  müßte  nützlich  werden.  Ich  will 
doch  nicht  hoffen,  daß  der  gute  Mann  diesen  Vorschlag  übel  aufnehmen 
werde.  Denn  vor  10  Jahren  war  ich  freylich  sein  Schüler,  bin  aber 
jetzt  selbst  ein  Mann,  habe  auch  in  dem  besondern  wissenschaftlichen 
Gebiet,  das  er  betreibt,  nach  vielen  Richtungen  hin  mich  umgesehen 


Von  Rudolf  Reicke.  443 

und  glaube  der  Achtung  meiner  Mitmenschen  nicht  unwerth  zu  seyn. 
Wenn  Sie  in  wenig  Worten  mir  Ihre  Meynung  mittheilen  wollten,  so 
würde  mir  das  sehr  angenehm  seyn. 

So  wie  ich  Ihren  Brief  erhielt,  theilte  ich  ihn  meinem  würdigen 
Freunde  dem  Prof.  Tieftrunk  mit.  Er  hatte  den  Einfall  daß  es  gut 
wäre,  wenn  Sie  auch  die  Art,  wie  ein  Anderer  meine  Bemühung  im 
Standpunct  aufnehme,  sich  sagen  liessen  und  ich  dankte  ihm  für  sein 
freundschaftliches  Anerbieten,  dieserwegen  an  Sie  zu  schreiben. 

Und  nun,  mein  ewig  verehrungswürdiger  Lehrer,  mir  müssen  Sie 
dieser  Geschichte  wegen,  Ihr  Wohlwollen  nicht  entziehen.  Wahrlich 
das  würde  mich  kränken,  der  ich  für  die  Sache  der  Philosophie  zu 
leben  wünsche.  Ich  denke  daß  in  diesen  Angelegenheiten  man  ruhig  jeden, 
von  dem  man  sieht,  daß  er  es  bieder  meynt,  seinen  Weg  gehen  lassen 
müsse.    Mit  der  innigsten  Hochachtung  bin  ich  ganz 

der  Ihrige 
Beck. 
Von  Herrn  Schlettweins  Existenz  weiß  ich  gar  nichts  mehr,  als 
daß  mir  ahndet,  daß  ein  Journal  unter  seinem  Namen  da  sey.  Was 
Sie  in  der  Lit.  Z.  ihn  betreffendes  haben  einsetzen  lassen,  habe  ich 
noch  nicht  gelesen.  Daß  dieser  Rotomontadenmacher  [siel]  Sie  ver- 
anlassen könnte,  etwas  mich  betreffendes,  das  mich  in  den  Augen  des 
Publicuma  lädiren  könnte,  darin  zu  sagen,  darf  ich  nicht  einmahl  ver- 
muthen,  ohne  Ihnen  dadurch  zu  misfallen. 

Ich  kann  mich  nicht  überreden  daß  Herr  Prof.  Pörschke,  meine 
Darstellung  des  Geistes  der  critischen  Philosophie,  ihrem  wahren  Geiste 
so  entgegen,  wie  Herr  Hofpr.  Schultz  halten  sollte.  Wie  wenn  dieser 
brave  Mann  sein  Urtheil  Ihnen  darüber  sagen  möchte.  Ich  habe  hier 
auch  meinem  Freunde  Bath  Ihren  Brief  mitgetheilt.  Dieser  sehr  ein- 
sehende Mann,  der,  ob  er  gleich  nichts  geschrieben  hat,  doch  viel  Gutes 
schreiben  könnte  und  der  mir  immer  seine  Zufriedenheit  mit  meiner 
Darstellung  gestanden  hat,  erstaunte  wie  es  möglich  sey,  so  sonderbar 
meine  Behauptungen  auszulegen,  wie  es  Herr  Hofprediger  S.  gethan 
hat.  Auf  jeden  Fall,  Hochachtungswürdiger  Mann,  können  Sie  ver- 
sichert seyn,  (auch  auf  den  Fall  daß  Sie  auf  diesen  Brief  nicht  ant- 

29* 


444  Aus  Kant'fl  Briefwechsel. 

worten  sollten,)  daß  ich  bey  der  ersten  Gelegenheit,  die  ich  haben  werde 
von  critischer  Philosophie  zum  Publicum  zu  sprechen,  sagen  werde, 
daß  Sie  gar  keinen  Antheil  weder  an  meinem  Standpunct,  noch  am 
Grundriß  haben.  Ich  werde  mich  so  erklären,  daß  Sie  und  jedermann 
vollkommen  mit  mir  zufrieden  seyn  sollen,  und  darauf  haben  Sie  meine 
Handl  Geständnisse  aber  eines  Versehens  in  der  Sache,  die  kann  ich 
nicht  thun,  weil  niemand  von  seiner  Einsicht  überzeugter  ist,  als  ich. 

XVI. 
Beck  an  Kant. 

Halle  den  24*£  Juny  1797. 

Hochachtungswürdiger  Mann, 

Als  ich  schon  meinen,  verlaufenen  20£s  an  Sie  gerichteten  Brief 
auf  die  Post  gebracht  hatte,  nahm  ich  den  Ihrigen  noch  einmahl  in 
die  Hände.  Indem  ich  nun  bey  dem  Anfange  desselben,  und  bey  einigem 
was  Herr  Hofprediger  Schulz  mich  sagen  last,  etwas  verweilte,  wurde 
mir  die  eigentliche  Veranlassung  sowohl  zu  Ihrem  Briefe,  als  auch  zu 
dem  Unwillen  dieses  würdigen  Mannes  etwas  begreiflicher,  und  da  ich 
nun  die  Sache  in  einem  etwas  andern  Lichte  ansah,  faste  ich  den  Ent- 
schluß, mit  der  heutigen  Post  noch  dasjenige  nachzuhohlen,  was  mir  jetzt 
noch  nöthig  scheint,  Ihnen  zu  sagen. 

Sie  geben  nämlich  die  Veranlassung  zu  Ihrem  Briefe  mit  den 
Worten  an:  daß  er  die  schnelle  und  Öffentliche  Beylegung  der  Mis- 
helligkeit  critischer  Principien  vom  obersten  Bang  betreffe.  Aus  diesem 
nun,  und  aus  den  Bemerkungen  des  Herrn  Hofprediger,  da  er  mich 
z.  B.  sagen  last:  „Realität  ist  die  ursprüngliche  Synthesis  des  Gleich- 
artigen der  Empfindung,  die  vom  Ganzen  zu  den  Theilen  geht  (wobey 
wahrscheinlich  Sie  es  sind  der  mich,  und  zwar  mit  allem  Becht  fragt: 
„Was  hier  Empfindung  bedeuten  mag,  wenn  es  keine  Sinnlichkeit  giebt, 
sehe  ich  nicht  wohl  ein."  Gewiß,  vortreflicher  Mann,  wenn  mir  so  etwas 
jemals  in  den  Sinn  gekommen  wäre,  müßte  ich  dieses  Unsinns  wegen 
mich  selbst  anfeinden);  daß  der  Verstand  die  Objecto  erzeugt."  schliesse 
ich,  daß  Sie  mit  Herrn  Schultz  über  das  sonderbare  Zeug  des  Herrn 
Fichte  sich  unterhalten  haben  müssen,  indem   mir  diese  Ausdrücke 


Von  Rudolf  Reicke.  445 

gänzlich  Fichtisch  klingen.  Hierauf  kann  ich  nun  nicht  anders,  als  noch 
Folgendes  erinnern  und  einen  Vorschlag  thun,  der  mir  durch  den 
Kopf  geht. 

Ich  versichere  Sie,  sowahr  ich  ein  ehrlicher  Mann  bin,  daß  ich 
unendlich  weit,  von  diesem  Fichteschen  Unsinn  mich  entfernt  befinde. 
Ich  hielt  es  bloß  vor  nöthig,  auf  die  Ansicht  der  Categorien,  als  eines 
ursprünglichen  Verstandesverfahrens,  wohin  ihre  ganze  Deduction,  als 
Beantwortung  der  Frage:  wie  sind  sie  auf  Erscheinungen  anwendbar, 
gerichtet  ist,  die  Augen  der  philosophirenden  Männer  zu  lenken,  weil 
ich  mich  versichert  hielt,  daß  ihre  Mishelligkeiten  verschwinden  müßten, 
wenn  sie  das  träfen,  daß  der  Verstand  nichts  objectiv  verknüpfen  könnte, 
was  er  nicht  vorher  ursprünglich  verbunden  hat.  Wenn  ich  nun  aller- 
dings sage,  daß  die  Categorie  Realität  die  Synthesis  der  Empfindung  ist, 
die  vom  Ganzen  zu  den  Theilen  (durch  Remission)  geht,  so  kann  doch 
vernünftigerweise  meine  Meynung  keine  andere  seyn,  als  daß  die  Sach- 
heit  eines  Dinges,  (das  Reale  der  Erscheinung  die  mich  afficirt,  und 
diese  Empfindung  in  mir  hervorbringt)  allemahl  eine  Grösse  (intensive) 
ist,  daß  eben  daher  eine  absolute  Sachheit  (die  nämlich  keine  Grösse 
wäre,  wie  nach  Cartesii  Meynung,  daß  die  Materie  durch  ihre  blosse 
Existenz  einen  Raum  erfüllt)  nichts  bedeutet.  Dieses  ursprüngliche 
Verstandesverfahren  in  der  Categorie  Realität,  fällt  mit  dem  in  den 
Categorien  der  Existenz  zusammen,  vermöge  dessen  ich  eben  aus  mir 
selbst  herausgehe,  und  sage:  hier  ist  ein  Object  das  mich  afficirt;  aber 
der  Transcendentalphilosoph  muß  diese  verschiedene  Seiten  des  Ver- 
standes von  einander  scheiden.  Ich  fand  für  nöthig,  auf  jede  Categorie 
besonders,  das  Auge  des  Lesers  zu  lenken.  Wenn  mich  einer  fragt: 
„wenn  du  nun  dich  selbst  in  Gedanken  aufhebst,  dann  hebst  du  ja  auch 
wohl  alle  Dinge  ausser  dir  zugleich  auf?u  so  werde  ich  doch  nicht 
verrückt  seyn,  solch  dummes  Zeug  zu  bejahen.  Hebe  ich  mich  in  Ge- 
danken auf,  so  betrachte  ich  mich  ja  eben  unter  Zeitbedingungen, 
welchen  Ablauf  der  Zeit  ich  mir  selbst  nur  am  Beharrlichen  vorstellen 
kann.  Absehen  von  diesem  ursprünglichen  Verstandes  verfahren ,  ist 
doch  nicht  mit  Aufheben  meiner  Selbst  einerley.  Ja  wohl,  werde  ich 
sagen,  wenn  ich  von  der  ursprünglichen  Synthesis,  der  ich  mir  im  Ziehen 


446  Ana  Kant's  Briefwechsel« 

einer  Linie  bewußt  bin,  wegsehe,  denn  vergeht  mir  freylich  aller  Sinn 
von  extensiver  Grösse,  die  ich  einem  Object  beylege,  weshalb  eben  das 
Object  meiner  Vorstellung,  Erscheinung  und  nicht  Ding  an  sich  heißt. 
Gewiß,  vortre flieh  er  Mann,  wenn  Sie  mir  die  Ehre  erweisen,  und  ein 
wenig  nur  selbst  auf  diese  meine  Methode  von  dem  Staodpuoct  der 
Gategorien  abwärts  zu  gehen,  so  wie  Sie  in  Ihrem  unsterblichen  Werk 
aufwärts  gehen,  aufmerksam  seyn  wollten,  so  würden  Sie  die  Thunlich- 
keit  derselben  bemerken.   Man  muß  nur  innig  mit  dem  ganzen  Gegen* 
stand  vertraut  seyn,  so  kann  man  besonders  im  Lehrvortrage,  mit  vieler 
Leichtigkeit,  mit  den  wahren  critischen  Principien,  jeden  der  Interesse 
und  etwas  Talent  hat,  auf  diesem  Wege  bekannt  machen.    Herr  Hof- 
prediger Schultz,  den  ich  immer  sehr  liebe,  seine  Kenntnisse  achte  und 
seiner  Redlichkeit  wegen  hochschätze,  hat  mich  wirklich  nicht  gut  ver- 
nommen und  ich  bin  betrübt,  daß  der  biedere  Mann  im  Stande  ist, 
mich  solcher  unsinnigen  Behauptungen,  wie  die  ist,  daß  der  Verstand 
das  Ding  macht,  fähig  zu  glauben,  deren  er  mich  wohl  nicht  fähig 
hielt,  als  er  mich  als  seinen  aufmerksamen  Schüler  in  der  Mathematik 
lieb  hatte. 

Aber  ich  weiß  es,  daß  Herr  Fichte,  der,  wie  es  scheint,  Anhänger 
sucht,  von  mir  sagt,  daß  ich  mit  ihm  mich  auf  einerley  Weg  befinde, 
so  sehr  ich  auch  in  einer  Recension  in  Herrn  Jakobs  A analen,  ja  auch 
in  meinem  Standpunct  das  Gegentheil  gesagt  habe.  Da  ich  ihn  in  Jena 
verlaufene  Osterferien  besuchte,  so  wollte  er  mich  wirklich  auf  diese 
Art  berücken.  Ein  Gespräch  mit  mir  fing  er  wirklich  damit  an:  „Ich 
weiß  es,  Sie  sind  meiner  Meynung,  daß  der  Verstand  das  Ding  mache"  — 
Er  sagte  mir  manche  närrische  Sachen  und  vieleicht  ist  er  noch,  da 
ich  meinen  Mann  bald  durchsah,  von  niemanden  durch  freundliche 
Antworten  so  verlegen  gemacht  worden  als  durch  mich.  Was  ich  nun 
noch  sagen  will  ist  Folgendes.  Fichte  sagte  mir,  daß  er  in  seinem 
neuen  Journal,  worin  er  seine .  Wissenschaftslehre  neu  bearbeitet  hat, 
und  unter  andern  nur  eine  Philosophie  und  keinen  Unterschied  zwischen 
theoretischer  und  Moralphilosophie  annimmt,  weil  überall  der  Verstand, 
durch  seine  absolute  Freyheit  die  Dinge  setzt  (ein  dummes  Zeug!  wer 
so  reden  kann,  kann  wohl  niemals  die  critischen  Principien  beherzigt 


Von  Rudolf  Beide*.  447 

haben)  und  daß  er  darin  viel  von  meinem  Standpunct  spreche.  Ich 
habe  nun  wohl  diese  Sachen  noch  nicht  in  Händen  gehabt,  aber  ich 
bin  vorher  versichert,  daraus  ganz  leicht  eine  Veranlassung  nehmen  zu 
können!  mich  etwa  in  Jakobs  Annalen  zu  erklären,  daß  erstens  meine 
Meynung  gar  nicht  mit  der  seinigen  zusammenstimme,  daß  ich  zweytens 
glaube  dieCritik  richtig  exponirt  zu  haben,  und  daher  von  ihrem  Sinn 
nicht  abzuweichen  glaube,  weil  mir  nichts  so  angelegentlich  ist,  als 
Sinnlichkeit  (das  Vermögen  von  Gegenständen  afficirt  zu  werden)  vom 
Verstände  (das  Vermögen  sie  zu  denken,  dieses  Subjective  auf  Objecto 
zu  beziehen)  zu  unterscheiden,  daß  aber  drittens,  ich  durch  das 
zweyte  garnicht  gesonnen  bin,  den  Stifter  der  critischen  Philosophie 
im  Geringsten  zu  compromittiren  indem  der  Standpunct  gänzlich  meine 
eigene  Idee  ist,  und  ja,  da  Ihre  Werke  am  Tage  liegen,  jedermann 
mit  eigenen  Augen  vergleichen  und  ein  eigenes  Urtheil  haben  kann. 
Den  Fichte  selbst  will  ich  mir  wohl  nicht  auf  den  Hals  laden,  und 
werde  daher  ganz  glimpflich,  was  ihn  betrift,  sprechen.  Aber  in  An« 
sehung  des  zweyten  Puncts  will  ich  mich  umständlich  auslassen,  und 
das  berichtigen,  was  fehlerhaft  von  mir  im  Standpunct  ist  gesagt  worden. 
Geben  Sie  hierzu  Ihre  Beystimmung?  Ehe  ich  diese  erhalte,  möchte 
ich  nicht  gern  was  thun.  Nur  auf  mich,  Hochachtungswärdiger  Mann, 
lenken  Sie  keinen  Unwillen.  Ich  finde  meinen  Beruf  in  wissenschaft- 
lichen Arbeiten,  und  wie  müßte,  bey  dieser  Abgezogenheit,  mir  der  Ge- 
danke wehe  thun,  in  Ihren  Augen  gesunken  zu  seyn. 

Der  Ihrige 
Beck. 

xvn.*1) 

Beck  an  Kant. 

Halle  den  9*2  September  1797. 
Hochachtungswärdiger  Mann, 
In  Ihrem  Briefe  an  Herrn  Prof.  Tieftrunk,  den  er,  die  Gate  ge- 
habt, mir  mitzutheilen,  schreiben  Sie,  daß  es  Ihnen  nicht  nöthig  zu  seyn 
dünke,  andere  mit  den  Mishelligkeiten  bekannt  zu  machen,  welche 

")  Die  Originale  von  XVII.  and  XVIII.  auf  der  Königsberger  Königl.  and 
üriTenritite-Bibliothek  „Briefe  an  Kant"  No.  II  a.  III. 


448  Au«  Kaot's  Briefwechsel. 

zwischen  meiner  Darstellung  der  critischen  Philosophie  und  dieser  selbst 
schweben  möchten.    Es  betrübt  mich,  daß  Sie  das  Daseyn  dieser  Mis- 
helligkeiten  hierin  zuzugeben  scheinen.     Wäre  es  möglich   persönlich 
über  diesen  Gegenstand  mich  mit  Ihnen  zu  unterhalten,  so  ist  meine 
Gewisheit,-  Sie  vom  Gegentheil  zu  überzeugen  so  groß,  daß  ich  ohne 
Bedenken,  alles  was  ich  besitze,  dabey  aufs  Spiel  zu  setzen  bereit  se\n 
würde.    Was  Herrn  Schultz  betrift,  so  ist  mein  Herz  von  aller  Bitter- 
keit gegen  ihn  frey,  und  ich  wünsche  mir  Gelegenheit,  ihm  dieses  durch 
die  That  zu  beweisen.    Wenn  er  sich  an  meine  Stelle  setzen  möchte, 
so  würde  er  das  Beleidigende  das  in  seinem  Vorwurf  liegt,  der  einmahl 
nichts  Geringeres  als  Unterschiebung  einer  unredlichen  Absicht  enthält, 
und  wodurch  er  zweytens   mich   mit   den   neuen   philosophischen  Irr- 
lichtern in  eine  Classe  setzt,  wohl  selbst  bemerken.   Aber  an  sich  selbst 
liegt  diesem  Betragen  Achtung  für  Sie  und  Interesse  für  die  Philosophie 
zum  Grunde,  und  in  diesen  Stücken  kann  niemand  einverstandener  mit 
ihm  seyn,  als  ich  es  bin. 

Künftige  Ostern  werde  ich  wahrscheinlich  meinen  Aufenthalt  nach 
Leipzig  verlegen.  Ich  werde  von  meinen  Leipziger  Freunden  dazu  er- 
muntert, weil  mir  als  einem  Preussisehen  Landeskinde  Aussichten  auf 
die  für  Preussen  bestimmte  Collegiatur  offen  und  ihrer  Wahrscheinlich- 
keit und  Beträchtlichkeit  wegen  nicht  in  den  Wind  zu  schlagen  sind. 
Wenn  ich  dann  kein  mathematisches  Thema  zu  meiner  Disputation 
wählen  sollte,  so  hätte  ich  fast  Lust,  in  einer  philosophischen  Arbeit 
das  Fehlerhafte  meiner  bisherigen  Darstellungen  auszubessern.  Geschieht 
dieses  aber  auch  nicht  bey  dieser  Gelegenheit,  so  werde  ich  dazu  eine 
andere  benutzen.  Herrn  Hofprediger  Schultz  bitte  ich  bey  Gelegenheit 
meiner  Hochachtung  zu  versichern,  der  ich  mit  der  größten  Hochachtung 
bin  Der  Ihrige 

Beck. 

xtdi. 

Beck  an  Kant« 

Halle  den  6££  October  1797. 
Herr  Raupach,  der  vor  2  Jahren  meine  Vorlesungen  besuchte  und 
den  ich  als  einen  braven  und  geschickten  jungen  Mann  kenne,  schreibt 


W!**M^£P 


Von  Rudolf  Reicke.  449 

mir  von  Liegnitz  aus,  wo  er  sich  jetzt  als  Hofmeister  aufhält,  daß  er  in 
Kurzem  nach  Liefland,  als  Erzieher  in  das  Haus  des  Herrn  von  Rennekamp 
gehen  werde  und  bittet  mich  ihm  einen  Brief  an  Sie,  verehrungswördiger 
Mann,  mitzugeben,  als  einen  Titel,  meynt  er,  Sie  besuchen  und  seine 
Hochachtung  Ibnen  bezeigen  zu  dürfen.  Wenn  er  Zeit  und  Gelegen- 
heit haben  sollte,  Ihnen  bekannter  zu  werden,  so  hoffe  ich,  daß  er  schon 
selbst  sich  vortheilhafl  empfehlen,  und  meiner  Empfehlung  nicht  weiter 
bedürfen  werde.  Ich  möchte  ihn  des  Glücks,  das  er  jetzt  erfährt,  sich 
persönlich  mit  Ihnen  zu  unterhalten,  beneiden.  Ihr  freundschaftliches 
Wohlwollen  ist  mir  über  alles  werth;  erhalten  Sie  es  mir  Ihrem  ewig 
ergebenen  Beck. 

Adresse  mit  Siegel: 
An  Herrn  Professor  Kant 

in 
Königsberg. 


Michael  Borckhardt,  der  Nehnrngspfarrer 

and  seiue  Gemeinde. 

Ein  Sittenbild  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts 


▼OD 


Adolf  Rogge. 

Ueber  die  kurische  Nehrung  ist,  besonders  in  den  letzten  sechszig 
Jahren,  viel  geschrieben  worden.  Der  wilde  Beiz,  welchen  die  Wander- 
dünen diesem  hundert  Kilometer  langen  und  einhalb  bis  vier  Kilometer 
breiten  Sandstreifen  aufprägen,  hat  bald  Naturforscher,  bald  Touristen 
zu  diesem  unfruchtbaren  Wunderlande  hingezogen.  Dem  Geschichts- 
forscher gewährt  dasselbe  verhältnissmässig  wenig  Ausbeute.  Verstreute 
Schädel  und  Gebeine,  die  hier  und  da  im  nordischen  Wüstensande 
bleichen,  mahnen  ihn  an  verschüttete  Dörfer  und  verschollene  Ge- 
schlechter, von  deren  Leben  und  Streben,  Lust  und  Leid  im  günstigsten 
Falle  noch  halb  verklungene  Sagen  erzählen.  Den  durchschnittlichen 
Werth  derselben  kann  man  aus  einem  alten  Schriftstück  erkennen, 
welches  theilweise  im  „Erleuterten  Preussen"1)  mitgetheilt  wird.  Wir 
erfahren  aus  demselben,  dass  ein  Kater,  welcher  öfter  eine  im  Kruge 
zu  Eossitten  hausende  Kröte  beleckt,  im  Jahre  1481  durch  seinen  gif- 
tigen Hauch  viele  der  in  besagtem  Kruge  übernachtenden  Beisenden, 
während  sie  schliefen,  getödtet  habe.  Weiter  wird  uns  berichtet,  dass 
auf  einem  hohen  Berge  bei  Nidden  ein  preussischer  Götze  „Pilkob" 
gestanden,  dessen  Tempel  eine  Wallfahrtsstätte  für  die  Fischer  gewesen. 
Am  wahrscheinlichsten  klingt  noch  die  Nachricht,  dass  sich  einst  vom 
„Bless",  einem  hohen  Berge  bei  Kunzen,  eine  Sandlawine  losgelöst  und 

0  iv,  &  27i. 


Michael  Borckhardt,  der  Nehrungepfiurrer  and  seine  Gemeinde.         451 

vierzehn  Menschen  begraben  habe,  welche  auf  der  Heimkehr  vom 
Memeler  Jahrmarkt  nach  Königsberg,  wie  eine,  allein  dem  Verderben 
entronnene  Frau  berichtet,  ein  so  schauerliches  Ende  gefunden. 

Solchen  Ueberlieferungen  gegenüber  fällt  eine  geschichtliche  Ur- 
kunde schwer  ins  Gewicht,  welche  uns  einen  wirklichen  Einblick  in  das 
Leben  und  Treiben  der  ehemaligen  Nehrurigsbewohner,  wenn  auch  nur 
für  einen  Zeitraum  von  acht  Jahren,  gewährt.  Eine  solche  ist  uns  in 
einem  Octavbüchlein  von  122  Seiten  erhalten,  welches  bisher  im  Privat-» 
besitz,  nun  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Königsberg  einverleibt  werden 
soll.  Leider  ist  die  obere  Ecke  desselben  vom  Zahn  der  Zeit  stark  ab- 
gefressen und  die  Aufschrift  des  sehr  schmutzigen  Titelblattes  so  ver- 
blichen, dass  sich  dieselbe,  trotz  aller  angewandten  Muhe,  nicht  mehr 
vollständig  entziffern  liess.  Immerhin  ist  indessen  von  derselben  noch 
genug  übrig  geblieben,  um  unsere  Theilnahme  für  den  Inhalt  des  alten 
Buches  zu  erwecken.    Also  lautet  der  Titel  desselben: 

Gommunicanten-  [Tauf-  Auf-] 

bietung-  und  Trau[buch] 

der  beyden  Kirchen  Cuntzen  [und] 

Sarkau,  angefangen 

Anno  1664, 

Alß  Michael  Burckhardt  Spir[anus] 

Pfarrer  war. 
Weil  meine  Vorfahren  alß 

I  Johannes  Kerftenius 
Erhardus  Wald[eck] 
Johannes  Ludwig 
nichts  bey  den  Kirchen  hinter 

lassen,  die  Kirchen 1660  —  1665 

überantwortet  worden 

et  nicht  vom habe. 

Lasfet  alles  ehrlich  und  ordentlich  zugehen: 
denn  Gott  ist  ein  Gott  der  Ordnung. 
Wir  haben  das  Kirchenbuch   einer   heute   zum   grossesten   Theil 
versandeten  Gemeinde  vor  uns;   der  Inhalt  desselben  entspricht  nicht 


452  Michael  Burckhardt,  der  NehrnDgepfarrer  und  feine  Gemeinde« 

ganz  dem  Titel,  da  von  kirchlichen  Amtshandlungen  nur  die  Taufen 
in  demselben  eingetragen  sind.  Im  Uebrigen  ist  das  Buch  für  den, 
welcher  darin  zu  lesen  versteht,  nicht  nur  ein  Herzensspiegel  des 
Pfarrers,  der  es  geführt,  sondern  auch  ein  beredtes  Zeugniss  für  den 
Geistes-  und  Seelenzustand  der  Gemeinden,  auf  die  sich  dasselbe  bezieht 
und  auf  deren  Sitten,  Gebräuche  und  Lebensweise  es  gleichfalls  helle 
Streiflichter  wirft.  Das  Buch  umfasst  die  Zeit  vom  27.  Mai  16G4 
bis  zum  „zweiten  Sonntage  nach  h.  3  Könige"  1672.  Die  231  Ein- 
tragungen, welche  dasselbe  im  Ganzen  enthält,  beweisen,  dass  die 
Nehrungsgemeinde  trotz  ihrer  weiten  räumlichen  Ausdehnung  an  Seelen- 
zahl eben  nicht  stark  gewesen  sein  kann.  Billig  sehen  wir  uns  zuerst 
nach  dem  um,  welchem  wir  das  kostbare  Büchlein  verdanken. 

Michael  Burckhardt  war  13.  December  1620  zu  Speier  geboren.1) 
Von  Speier  nach  Eunzen!  Als  die  Poststrasse  nach  Memel  noch  ober 
die  Nehrung  führte,  pflegte  Friedrich  Wilhelm  IV,  der  als  Kronprinz 
einige  Male  dieselbe  benatzte,  im  Pfarrhause  zu  Bossitten  zu  über- 
nachten. Es  mag  ihn  angeheimelt  haben  in  demselben  auf  ein  Berliner 
Stadtkind,  Pfarrer  Fritzsche  (1814—20)  zu  stossen.  Er  behielt  wenig- 
stens seinen  Wirtb,  der  bald  versetzt  wurde,  in  gutem  Andenken  und 
äusserte  bei  einer  spätem  Reise  zu  einem  Nachfolger  desselben:  „Wo 
ist  doch  der  Pfarrer  geblieben,  dem  das  Berliner  Strassenpflaster  viel 
besser,  als  der  Streusand  auf  der  Nehrung  gefiel?14') 

Burckhardts  Aufzeichnungen  sind  frei  von  Heimweh.  Kein  Seufzer 
geht  aus  der  Sand  wüste  hinüber  nach  den  r  ebenumkränzten  Ufern  des 
grünen  Rheins  und  den  üppigen  Gefilden  der  Pfalz.  Aus  dieser  hatte 
ihn  möglicherweise  das  „dreissigjährige  Kriegsgewühl"  vertrieben.  Id 
Preussen  war  er  „alter  Candidat"  geworden.  1657  kam  er  als  Sektor 
in  Greuzburg  an,  doch  nicht  lange  bekleidete  er  diese  Stelle.  Er  hatte  das 
Glück  gehabt  den  Sohn  des  Erzpriesters  Banger  in  Schacken  zu  unter- 
richten. Der  Vater  seines  Schülers  sorgte  wohl  dafür,  dass  Burckhardt 
17.  October  1659  in  der  Schlosskirche  zu  Königsberg  durch  den  Löb- 


*)  Nach  einer  Notiz  des  Erzpriesters  zu  Schacken,  nachmal.  Erzbischofs  BorowsE 
*)  Mittbeilong  des  zu  Eisenberg  Yerstorbenen  Pfarrers  Billeit 


Von  Adolf  Rofge.  455 

nichtschen  Pfarrer  M.  Dargatz  zum  Diakonus  in  Schacken  ordinirt 
wurde.  Den  21.  Sonntag  nach  Trin.  wurde  er  in  diese  Stelle  eingeführt 
Er  hatte  Gluck,  denn  kurz  vor  seinem  Amtsantritt  waren  die  Stellen 
sämmtlicher  Kirchenbeamten  in  Schacken  aufgebessert  worden.  Solches 
geht  aus  dem  §  3  des  Revisionsprotokolls  der  „Schackenschen  Kirchen- 
rechnungen 1647— 58"  vom  4.  August  1659  hervor,  welches  sich  noch 
heute  bei  den  Kirchenakten  befindet.  Da  der  angeführte  Paragraph 
desselben  nicht  nur  für  Burckhardt  von  Wichtigkeit  war,  sondern  auch 
die  kirchlichen  Verhältnisse  jener  Zeit  veranschaulicht,  verfehlen  wir 
nicht  denselben  hierher  zu  setzen: 

„Nachdem  auch  der  Caplansdienst  anitzo  vacant  und  deßhalben 

„von  Niemanden  sonderlichen  gesuchet  wirdt,  weiln  der  gehalt  schlecht, 

„die  Beschwer   aber  groß,   auch   allerdings  einer  geistlichen  Persohn 

„nicht  anstendik,  nemblich  Lauthen,  die  Kirchen  und  derselbigen  Kleider 

„reinigen,  in  Summa  das  Küstner  oder  Glöcknerambt  verrichten,  alß  ist 

„vor  rathsam  befunden,  auch  mit  Belieben  des  Kirchspiels  verabscheidet, 

„dass  hinfür  solche  Beschwer  vom  Caplan  abgenommen  und  ein  Häusigen . 

„bey  der  Linde  vor  einen  Glöckner,  der  zugleich  Calcant  mit  sein  kann, 

„aufgebauet  und  demselben  dieses,  waß  einem  Glöckner  zustehet,  zu 

„verrichten,  ein  Unterhalt  gemacht  werden  soll.    Und  nachdehme  bey 

„jetzigen  Kriegszeiten  die  Unterthanen  des  Kirchspiels  sehr  verarmet, 

„dahero  auch  die  accidentia  der  Herren  Geistlichen  und  Kirchendienern, 

„merklichen  abgenommen,  Alß  ist  in  solcher  consideration,  weiln  man 

„das  Kirchen  vermögen  und  jährliche  Einnahme  nicht  allein  sufficient 

„befunden,  sondern  noch  ein  Ehrliches  überbleibet,  denselben  auß  der 

„jährlichen  Einnahme  auf  daß  1660ste  Jahr  anzufangen,  folgendes  ad- 

„ditament  zu  reichen.    Nemblichen  dem  Herrn  Erzpriester  30  M.  und 

„also  jährlichen  186  M.  ohne  die  Gebuhr  vor  Haltung  der  Kirchen- 

„register.    Dem  Diakono  20  M.  und  also  jährlich  123  M.    Dem  Or- 

„ganisten,  weiln  selbter  in  Sonderheit  über  seinen  schlechten  Unterhalt 

'„geklaget  zu  den  vorigen  60  M.  nebenst  den  4  M.  so  er  wieder  vor 

»Abfindung  ad  1647  wegen  des  Vorsingens  mehr  genommen  noch  HM. 

„und  also  zusammen  15  M.  geordnet,  daß  er  also  auch  ferner  jährlichen 

„75  M.  oder  50  Fl.  polnisch  bis  zu  besserer  Zeit  zu  empfangen." 


464         Michael  Burckhardt,  dar  Nehrangspfarrer  and  seine  Gemeinde. 

Fast  fünf  Jahre  verwaltete  Burckhardt  das  Diakonat  in  Schaden, 
1664  wurde  er  Pfarrer  in  Kunzen  und  Sarkau.  Schwerlich  haben  ihn 
die  Einkünfte  dieser  Stelle  zur  Annahme  derselben  bewogen.  Dieselbe 
war  wegen  ihrer  Armseligkeit  so  verrufen,  dass  Hippel  beinahe  noch 
ein  Jahrhundert  später  ganz  ernstlich  erzählt:  „Der  Pfarrer  von  Kunzen 
sei  lediglich  auf  den  Drosselfang  vocirtu.4) 

War  etwa  das  alte  Sprichwort:  „Beatus  pastor  solus"  der  leitende 
Grundsatz  für  Burckhardt  gewesen,  so  fand  er  auf  seiner  neuen  Stelle 
zuweilen  mehr  Einsamkeit,  als  ihm  lieb  war.  Die  Schattenseiten  der- 
selben lernte  er  gleich  bei  dem  ersten  Familienfest  kennen,  das  er  hier 
zu  feiern  Gelegenheit  hatte.  ,,1665  .  .  .  Aprilisu  berichtet  er,  „habe 
„ich  Michael  B.  Pfarrer  zu  Guntzen,  mein  Söhnlein,  weil  ich  zwar 
„3  andere  Prediger  zu  Gevater,  anch  umb  die  Tauffe  gebeten,  wegen  des 
„abgelegenen  Orts  und  Übeln  Weges  aber  keiner  erschienen,  mit  dem 
„Namen  Christoff  Friederich  selbst  tauffen  müßen." 

Bei  der  Taufe  seines  zweiten  Sohnes  „Michael44  (13.  Novbr.  1668) 
hatte  Burckhardt  mehr  Glück  und  konnte  Herrn  Georg  Adam  v.  Sehlieben, 
der  dich  wohl  in  amtlichen  Angelegenheiten  auf  der  Nehrung  befand, 
zu  Gevatter  bitten.  Näherer  amtsbrüderlicher  Verkehr  war  nur  auf  dem 
Wasserwege  mit  dem  Pfarrer  zu  Windenburg  möglich,  dessen  Kirche 
freilich  noch  vor  Burckhardts  Tode  1705  abgebrochen  und  nach  Einten 
verlegt  wurde. 

Burckhardts  Amtstätigkeit  erstreckte  sich  über  den  grossesten 
Theil  der  Nehrung.  Wenn  das  damals  zum  Amte  Grünhof  gehörige 
Dorf  Cranz  auch  nicht  zu  ihm  eingepfarrt  war,  scheinen  die  Bewohner 
desselben  ihn  doch,  wenn  er  sich  in  dem  benachbarten  Sarkau  befand, 
mit  Amtshandlungen  in  Anspruch  genommen  zu  haben. 

Hinter  Sarkau  lag  Lattenwalde,  ein  Dorf,  von  welchem  ebenso, 
wie  von  dem  benachbarten  Falkenheyde,  welches  im  Eirchenbuche  nicht 
erwähnt  wird,  am  Ende  des  vorigen  Jahrhunderts  nur  noch  hie  und  da 
ein  Pfahl  aus  dem  Sande  hervorragte.8)  Dann  kam  das  Kirchdorf 
Kunzen,   welches   am  Anfange   dieses  Jahrhunderts  der  Wanderdüne 

4)  Schlichtegrolls  Nekrolog  1797.  8.  Jahrg.  1,  S.  132. 
*)  Leonhardi  Erdbeschreibung  der  preuss.  Mon.  I.  S.  597. 


Von  Adolf  Rogge.  455 

weichen  inusste.  Die  Kirche  desselben  soll  ein  massives  Gebäude  ge- 
wesen sein  und  ihr  Thurm  als  Landmarke  für  die  Schiffer  gedient  haben. 
Oleich  an  Kunzen  schloss  sich  Bossiten  an,  die  Oase  der  Nehrung  und 
der  Sitz  des  Burggrafen,  zu  dessen  Amtsbezirk  die  eben  genannten  Ort- 
schaften gehörten.  Einen  Ort  Caschncken,  der  im  Kirchenbache  enrähnt 
wird,  kann  ich  nicht  ermitteln.  Der  Name  erinnert  an  das,  auf  der 
Hennenbergerschen  Karte  unmittelbar  hinter  Bossitten  verzeichnete  „Gau- 
fatte".  Nördlich  von  Bossitten  lag  noch  Preden,  ein  lange  unterge- 
gangenes Dorf,  dessen  Kirchhof  noch  im  Jahre  1825  zu  erkennen  war 
und  die  Ortschaft  Pilkoppen.  Nidden  und  Negeln,  welches  die  nörd- 
lichste Ortschaft  des  Kirchspiels  bildete,  gehörten  schon  ins  Amt  Althof 
Memel  and  wurden  später  mit  Garwaiten,  das  gar  nicht  im  Kirchenbuche 
erwähnt  wird,  und  Schwarzort  zu  einem  Kirchspiel  vereinigt.  Das  waren 
die,  zum  grossen  Theil  von  der  Erde  verschwundenen  Wohnstätten  der 
Gemeinde  Burckhardts.  Nach  den  im  Kirchenbuche  vorkommenden 
Namen  zu  schliessen  war  die  Gemeinde  deutsch  und  nur  sehr  wenig 
litauische  oder  Curische  Elemente  konnten  derselben  beigemischt  sein, ') 

•)  Da  Namen  nach  mancher  Seite  hin  bei  verschiedenartigen  Forschungen  Dienste 
leisten  können,  so  geben  wir  hier  die  Namen,  welche  das  Kirchenbach  entfallt  in 
alphabetischer  Ordnung.  Es  werden  wohl  so  ziemlich  alle  sein,  welche  damals  auf 
der  Nehrung  überhaupt  vorkamen. 

Andreß.  Anns.  Attel.  Austrog.  —  Baar.  Ball.  Balliß.  Baldin.  (Baltin).  Bah. 
Binck.  Bioada.  Blöd.  Bloch.  (Blög).  Blömcke.  Böhm.  Böttcher.  Boioke.  Bordiert. 
Bornfeld.  —  Chnr.  —  Dap.  Dapke.  Deltsch.  Deutsch.  Deutschmann.  Diezke.  Dilgel. 
Domsien.  Drehe.  Drick.  —  Elend.  Eller.  —  Fendrich.  (Fenrich).  Feyrwald.  Franck. 
Friedrich.  Friese.  —  Gerth.  Grube.  —  Hamburg.  —  Jackutb.  Jansen,  Jamsenis. 
Joppe.  —  Käßler.  Kalley.  Kallwell.  Ealney.  Kasche.  Kaßie.  Kauel  (Kawel).  Kauer. 
Eaulait.  Keller.  Kenter.  Kersten.  Kerstenstein.  Kescbe.  Keschke.  Kiepe.  Kiggul 
(EikkuH).  Kimster.  Klamp.  Klaw.  Klein.  Klimm.  Klimmaz.  Kößner.  Kosohe.  Kox. 
Krauß.  Kraß.  Kruse.  Kubb,  Kuck.  Kuhr.  KupschelL  —  Langerfeld.  Leider.  Ltdke. 
Luhl.  —  Kfetthes.  Micheluß.  Mulith.  —  Naudieth.  —  Paipel.  Paipiß.  PaU.  PaupeL 
Pawel.  Peper.  Pfeffer.  Pip  (Pipp).  Piamann.  Plumper.  Podien.  Pfthk.  Pösche.  Poll. 
Pollpock.  Pratsch.  Puddig.  Puik.  Pumper.  Purwe.  Purwien.  Pusch.  Putiix,  —  Quop.  — 
Rahm.  Baude.  Bein  (Rhein).  Boaga.  Rom.  Röve.  Bogge.  Bubn.  Ruick.  Rundt  Rung. 
Rutsch.  Butzky  alias  Klapschell.  —  Sakuth.  Sammel.  Sangull.  Sappath.  Schimmel- 
pfennig.  Schlick.  Soblieter.  Schmeck.  Schmid.  8chenemann.  Scfaornick.  Scnukstakaft, 
Schattige.  Schwaan.  Schwan.  Sedrick.  Skirbe.  Spiti.  StincL  Stöwe.  Stolzwir.  Stflgge. 
Suddau.  —  TappL  Telsentek.  Thomas.  Trump.  Trickahn.  —  Untucht  ürbanaitis.  — 
Waldt  Wannach.  Wegner.  Werderman.  Will.  Willum.  Wincke.  Winold.  Wirbo. 
Wirttick.  Wistnl.  —  Zim.  Zimmermann. 


456         Michmal  Burekhardt,  der  Nthroogtpfamr  und  seine  Gemeinde« 

da  sich  auch  nicht  die  geringste  Andeutung  findet,  dass  hier  in  zwei 
Sprachen  gepredigt  worden,  so  erscheint  die  Annahme  gerechtfertigt, 
dass  deutsch  auch  die  Umgangssprache  des  Fischervölkchens  gewesen  sei, 
welches  diese  unwirthbare  Gegend  besiedelt  hatte. 

In  der  rein  lutherischen  Gemeinde  scheinen  sich  nur  zwei  Anders- 

m 

gläubige  befunden  zu  haben.  Der  Eunzische  Pferdehirt  wird  als  Papist 
bezeichnet.  Derselbe  besass  noch  einen  Glaubensgenossen,  der  sich 
wahrscheinlich  aus  guten  Gründen  in  diese  ultima  Thule  begeben,  da- 
selbst aber,  wie  ein  ihm  gewidmeter,  keineswegs  ehrenvoller  Nachruf 
beweist,  nicht  einmal  ein  ehrlich  Begräbniss  erhalten.  Das  Kirchen- 
buch erzählt  aber  ihn:  „1665  .  .  .  Februario  alß  die  (Winter ?)-Kälte 
angehalten,  ist  Stenzel  .  .  ntuwy,  ein  Komisch  Gatholischer  Bret- 
schneider  und  alter  H— Trecker,  so  vor  12  Jahren  in  Szameiten  sein 
Ehelich  Weib  verlassen,  nachmalß  mit  einer  zweidoppelten  Frühe  Mutter 
Joseph  Stfigsche  genannt,  auff  eingebrachten  Beweiß  copuliret  worden,  anff 
dem  Haabe  todt  gefunden  und  im  Sarkauschen  Waldt  begraben  worden". 

Sehen  wir  uns  nun  etwas  näher  in  der  Gemeinde  um,  so  finden 
wir  auf  der  ganzen  Nehrung  den  Gelehrtenstand  nur  durch  drei  Personen 
vertreten.  In  Kunzen  stand  nämlich  dem  Pfarrer  der  Schulmeister 
Hans  Pöscbe  zur  Seite,  während  Bossitten,  welches  sich  bis  1605  einer 
eignen  Kirche  erfreut  hatte,  einen  „Praeceptor"  an  Herrn  Michael  Schlick 
besass,  der  aber  wahrscheinlich  nur  den  Kindern  des  Burggrafen  Unterricht 
ertheilte.  Ein  Glöckner,  welchen  das  Volk  gleichfalls  dem  hochehren- 
werthen  Stande  der  Gelehrten  beizuzählen  pflegt,  wird  nicht  erwähnt. 
Wahrscheinlich  hatte  der  Schulmeister  hier,  wie  auch  an  andern  Orten 
zu  jener  Zeit  üblich  war,  das  Amt  desselben  mit  in  Entreprise  genommen. 

Gehen  wir  von  den  Gelehrten  zu  den  s.  g.  Gebildeten  über,  so 
stellen  sich  uns  zwei  Exemplare  dieser  Gattung  vor,  welche  im  Kirchen- 
buche so  deutlich  portraitirt  sind,  dass  wir  den  Zeichnungen  derselben 
wenig  hinzuzufügen  haben.  Feindschaft  zwischen  den  beiden  einzigen 
Leuten,  welche  auf  gegenseitigen  Umgang  mit  einander  angewiesen 
waren,  war  auf  der  Nehrung  bis  in  dieses  Jahrhundert  hinein  alte  Begeh 
Es  mag  zum  Theil  in  der  amtlichen  Stellung  beider  gelegen  haben, 
wenn  die  Geistlichen  und  Domainenbeamten,   welche,  zu  Burckhardts 


Von  Adolf  Rogge.  457 

Zeiten  noch  Burggrafen  genannt  wurden,  in  beständigem  Zwiespalt  mit 
einander  lebten.  Der  traurige  Zustand,  den  Burckhardt  in  dieser  Be- 
ziehung bei  seinem  Amtsantritt  vorfand,  spiegelt  sich  deutlich  genug 
in  einer,  zu  Schackcn  aufgenommenen  Verhandlung,  von  der  folgender 
Auszug  im  Mai  1665  in  das  Kirchenbuch  eingetragen  ist: 

„NB  Ex  protocollo  Schac"  „Weil  es  kundtbar,  daß  der  Burggraff 
mit  beeden  Pfarrherrn  H.  Erhardo  Waldecken  und  Johann  Ludovic 
so  von  Cunzen  abgezogen,  in  sehr  großer  Wieder  Wertigkeit  gelebet, 
Sie  auch  deßhalben  ohne  Unterlaß  im  Ambt  sowol,  alß  bey  der  Re- 
gierung geklaget,  alß  soll  der  Burggraff  sich  hinfüro  alles  Haders  und 
Zancks  mit  den  künftigen  Predigern  enthalten.  Wer  erst  künte  und 
. .  .  falß  Läster-Schand-Lügen-  .  .  .  hauses  zu  Cunzen  in  dem  Ellerb 
enthielte,  so  wurden  nicht  allein  die  Prediger,  sondern  auch  andere 
ehrliche  Leute  des  Friedenß  genießen,  denenselben  bey  dem  Kirchspiel 
zu  Unterhaltung  der  Gebäwde  und  sonsten  alle  gebürliche  Befoderung 

« 

erweisen  (Ach  wie  solches  geschehen,  ist  Gott  bekant,  der  wird  es 
auch  richten)  und  wenn  etwz  unbilliges  fürgehet,  solches  im  Ambt 
zeitig  anmelden,  nicht  aber  zu  solcher  Ergernüß  der  Gemeine  mit  den 
Predigern  sich  zwisten  noch  böse  Exempel  geben". 

Es  scheint  sonach,  dass  der  Burggraf  die  Hauptschuld  an  den 
traurigen  Zerwürfnissen  getragen  habe,  die  nicht  nur  den  Frieden  des 
Pfarrhauses  störten,  sondern  auch  entsittlichend  auf  die  Gemeinde  wirkten. 
Möglicherweise  nahm  sich  derselbe  den  erhaltenen  Verweis  zu  Herzen, 
vielleicht  war  auch  Burckhardt  eine  friedfertige  Natur,  die  rechtzeitig 
jedem  Streite  vorzubeugen  wusste.  Es  scheint  zwischen  ihm  und  dem 
Burggrafen  Friedrich  Wegner  wenigstens  in  den  ersten  acht  Jahren 
seiner  Amtsthätigkeit  ein  freundschaftliches  Verhältniss  obgewaltet  zu 
haben.  Man  kam  wenigstens  bei  Familienfesten  zusammen,  trat  auch 
in  Gevatterschaft. 

Der  zweite  Gebildete  spielte  eine  noch  traurigere  Rolle  in  der 
von  aller  Welt  abgeschlossenen  Nehrungsgemeinde.  Ein  verkommener 
Pfarrerssohn,  gab  er  das  abschreckende  Beispiel  zu  den  Lehren,  die  sein 
Vater  einst  der  Gemeinde  ertheilt  hatte.  Derselbe  hatte  es  nur  bis 
zum  Fischer  und  Wildnisswart  gebracht  und  welches  Leben  er  führte, 

▲Itpr.  Monatsschrift  B&  XXIL  Hfl.  5  n.  6.  30 


i?«     HW1 


458  Michael  Burckhardt,  der  Nehrangspfarrer  und  feine  Gemeinde. 

mag  eine,  unter  dem  5.  Mai  1666  vollzogene  Eintragung  beweisen,  die 
folgendermaßen  lautet:  „Den  5  Maji  haben  Hanß  Eerstenstein,  Wiltdnüß- 
wart,  des  seel.  Pfarrer  Kerltenii  Sohn,  auch  Fischer  zu  Cunzen,  nebst 
seiner  leichtfertigen  H —  Marie,  Job  Trumpen,  eines  Fischers  zu  Cunzen 
Tochter,  mit  welcher  er  bei  wehrendem  ihrem  2jährigen  Dienst  ohne 
unterlaß  in  Unzucht  gelebet,  ihr  IT— kind,  welches  nach  der  H —  Aas- 
sage am  h.  Pfingstfest  ist  gezeuget  worden,  mit  dem  Namen  Regina 
getauffet  worden11. 

„Das  heißt  mit  diesem wie  jener  Lehrer  sagt:  „Qui 

non  in  opere  Domini,  certo  est  in  opere  diaboli14,  wer  sich  nicht  läßt 
finden  im  Werke  des  Herrn,  der  ist  geschäftig  in  der  Arbeit  des  Teuffels. 
Das  haben  diese  beyde  leichtfertige  Personen  in  der  That  erwiesen. 
Denn  wenn  andere  Leute  des  Sonntages  und  andere  Tage  in  die  Kirche 
giengen,  Gott  dieneten,  sähe  man  selten  den  Warthen  in  der  Kirchen; 
wenn  andere  umb  den  h.  Geist  baten,  haben  diese  sich  laßen  den 
H — geist  treiben  und  reiten41. 

Unter  den  Beamten  wird  noch  ein  Wildnissbereiter  erwähnt. 

Der  übrige  Theil  der  Gemeinde  lebte  fast  lediglich  „vom  Netz". 
Das  Handwerk  hatte  hier  keinen  goldenen  Boden  und  war  daher  äusserst 
schwach  vertreten.  Ein  Schmied  in  Rossitten,  ein  Schneider,  der  von 
Rossitten  nach  Kunzen  übersiedelte  und  ein  Bootbauer  in  Freden  werden 
erwähnt.  Von  sonstigen  Gewerbtreibenden  finden  wir  einen  Decker, 
einen  Theerbrenner  in  Lattenwalde  und  einen  Falkenfänger.  Der  Falken- 
fang war  einst  auf  der  kurischen  Nehrung  im  weitesten  Umfange  be- 
trieben worden,  das  schon  früher  erwähnte  alte  Schriftstück7)  erzählt: 
„Auf  der  kurischen  Nehrung  liegt  eine  angenehme  Ebene,  die  Falken- 
haide,  drei  Viertelmeilen  breit  und  Kaaland  eine  halbe  Meile  lang,  wo 
Vogelsteller  und  Falkenfänger  ihre  Falkenbuden  (tugoriola)  haben  nnd 
viel  schöne  Falken  fangen,  welche  sie  fremden  Völkern  verkaufen". 

Das  edle  Gewerbe  war  offenbar  bereits  sehr  heruntergekommen  und 
der  einzige  Vertreter  desselben  stand  keineswegs  in  besonders  gutem 
Ruf  beim  Pfarrer.  „1666  am  13  Sontag  nach  Trin.u  erzählt  Burckhardt, 

')  Erl.  Prtonen  IV,  8.  371;  Tgl.  Voigt,  üeber  Falkenbng  nnd  Falktnxocht, 
N.  Pr.  Prov.-Bl.  VII,  (1849)  S.  961. 


Von  Adolf  Kogge.  459 

„alß  ich  in  Henrich  Ballißeo  Hauß  (in  Lattenwalde)  den  HanO  Baaren 
antraff,  und  fragte,  warumb  er  nicht  zur  Kirchen  komme,  gab  zur 
Antwort:  Er  habe  nicht  Zeit,  müste  die  Stricke  und  Vögel  warten44. 

Bei  allen  Gemeindegliedern  ging  Burökhardt  der  Ausübung  seiner 
Amtspflichten  mit  grossem  Eifer  nach.  An  sich  schon  nicht  leicht, 
wurde  ihm  dieselbe  oft  durch  das  Verhalten  seiner  Kirchspielskinder 
noch  erschwert.  Er  hielt  nicht  nur  Gottesdienste  in  Kunzen  und 
Sarkau,  sondern  bereiste  von  Zeit  zu  Zeit  auch  die  andern  Dörfer  seiner 
Gemeinde,  wofür  er  von  jedem  Wirth  des  Dorfes  ein,  nicht  immer  gern 
gewährtes,  Reisegeld  von  zehn  Groschen  erhielt.  Begleiten  wir  ihn  auf 
einer  Amtsreise  nach  Nidden  und  hören  von  ihm  selbst,  wie  es  ihm 
dort  ergangen.    So  erzählt  er  April  1666: 

„Auff  das  hochheilige  Fest  der  Verkündigung  Mariae  bin  ich  nach 
Nieden  gereiset,  daselbst  Predigt  zu  halten  und  das  heil.  Abendtmahl  den 
Gnadenhungrigen  und  Trostbegierigen  Hertzen  zu  reichen.  Aber,  liebster 
Herr  Jesu,  Ich  klage  es  dir  herzlich,  wie  dein  armer  Diener  mit  deinem 
aüerheiligsten  Wort  und  hochwürdigen  Sacrament  dieses  mahl  (wie 
vordem)  ankommen  und  ausgenommen  worden.  Ich  ließ  ihnen  (den 
Niedenern)  nicht  allein  Abends  vorher  meine  Ankunfft  andeuten,  damit 
sie  sich  desto  beßer  könten  bereiten;  sondern  des  Morgens  gieng  ich 
selbst  von  Hauß  zu  Hauß,  nötigte  sie  zu  kommen.  Einer,  mit  Nahmen 
Skirbe  stund  für  der  Thür,  machte  ein  Instrument,  welches  sie  nennen 
einen  Schweinßkopff.  Der  rechte  Wirth,  Martin  Pipp,  saß  in  der  Stubben, 

hatte  eben  solch  ein  Instrument  auff  dem  Tisch  für  sich ff 

spielte  er;  ein  Tubac bey  stehen.  Die  Wirthin  (eine  Ver- 
ächterin Gottes  und  seines  Worts)  saß,  flickte,  (salva  venia  zu  gedencken) 
flickte  Strimpffe.  Ich  fragte;  ob  sie  sich  nicht  wolten  schicken  zur 
Predigt  zu  kommen?  Sie  gab  zur  Antwort:  Sie  könte  zur  Predigt 
nicht  kommen,  hätte  nicht  Schuhe:  da  doch  ihr  Mann  eben  in  der- 
selbigen  Woche  24  Mark  für  Stindt  gelöset,  laut  der  andern  Nachbarn 
Aussage.  Auch  ohne  das  unter  allen  das  meiste  Brodt  hatt.  Eben  dieses 
Weib  hatte  mir  vordeme  geantwortet,  da  ich  das  gewönliche  Beißgeld, 
10  Groschen  von  ihr  foderte,  sie  würde  mir  kein  Reißgeld  geben,  es 

were  ja  auß  ihrem  Hauß  keiner  zur  Kirchen  gewesen.    Also  begehet 

30* 


460  Michael  Rurokhardt,  der  Nehrungspfarrer  and  »eine  Gemeinde. 

man  eine  zwiefache  Sünde:  den  Allerhöchsten  will  man  nicht  hören, 
und,  was  man  soll,  nicht  geben ". 

„Der  vierdte  mit  Nahmen  Andreas  Zimmermann  sagte:  Er  hätte 
nicht  Beichtgeld,  könnte  auch  nach  empfangenem  h.  Abendmahl  nicht 
in  den  Krug  gehen  und  eine  Eanne  Bier  trincken.  Es  wäre  ia  Schande, 
daß  man  sich  an  seinem  Ostertag  so  lumpisch  solte  halten  und  zur 
Waßerkann  lauffen,  nicht  einen  Stoff  Bier,  oder  was  trincken.  Da 
doch  den  thörichten  Leuten  vor  deme  schon  unterschiedlichen  gesagt 
woiden;  sie  solten  sich  doch  ia  bei  Leibe  diese  ärgerliche  opinion  nicht 
laßen  bethören  wegen  des  Beicht  Pfennigs,  sie  solten  getrost  kommen 
ohne  Beichtpfennig,  Ich  würde  keinen  mahnen". 

Fand  der  arme  Pastor  einmal  Abendmahlsgäste,  so  hatte  er  an 
denselben  auch  eben  nicht  sonderliche  Freude.  Noch  in  demselben  Jahre 
klagt  er  über  „gottvergessene  Buben,  die  sich  am  h.  Weihefest,  da  sie 
zum  h.  Abendmahle  des  Herrn  gewesen,  geschlagen,  ja  wie  die  Hunde 
haben  gebißen". 

Unter  solchen  Umständen  Hess  natürlich  der  sittliche  Zustand  der 
Gemeinde  mancherlei  zu  wünschen  übrig.  Die  Sünde  wächst  auf  jedem 
Boden  und  selbst  der  Nehrungssand  war  nicht  dürr  genug,  um  nicht  bin 
und  wieder  unnatürliche  Verbrechen  zu  zeitigen.  „Den  18  Aprilis  1665 
hatt  Bastian  Attel,  Jacob  Attelß  eines  Fischers  Sohn  zu  Eossitten  und 
H.  Burggraffen  Jung,  alß  ein  Sodomit  (nach  des  Hn.  Burggrafen  Außage) 
sich  selbst  erschossen";  berichtet  das  Kirchenbuch.  Dass  das  Familien- 
leben bei  diesen  einfachen  Naturmenschen  mitunter  recht  tiefe  Schatten 
warf,  mögen  beispielsweise  nachfolgende  Aufzeichnungen  beweisen: 

„1665  Donnerstag  nach  Cantate  hat  die  alte  unzüchtige  Vettel 
Anna  Stügsche  genannt  (so  allbereit  mit  dem  ersten  Mann  Frühemutter 
worden)  ihre  Frühetochter  von  29  Wochen  mit  dem  Namen  Marie 
taufen  laßen,  so  baldt  nach  empfangener  h.  Tauffe  Abends  gestorben". 

Oefter  ist  von  verlaufenen  Männern  die  Bede,  die  Weib  und  Kind 
treulos  im  Stich  gelassen.  Wie  man  derselben  gedachte,  zeigen  die 
beiden  nachstehenden  Notizen: 

„1667  den  6  Junii  hatt  Elße  Dapsche  ein  Fiscberweib  zu  ßossitten 
ihren  Sohn,  den  sie  mit  ihrem  verlaufenen  Mann,  Jan  des  Wiganden 


Von  Adolf  Rogge.  4g  1 

Sobn  gezeuget,  mit  dem  Nahmen  David  tauffen  laßen11;  und:  „An  selbigem 
Tage"  (4.  Deccmber  1671)  „hatt  des  entlanffenen,  trewlosen  Schelmen 
Chr.  Kawels,  eines  Fischers  zu  Pilkoppen  (unterlassenes  Weib  ihren 
Sohn  mit  dem  Namen  Jacob  lassen  tauffenu. 

In  sehr  scharfen  Ausdrücken  wird  häufig  der  allzunahe  Umgang 
der  Brautleute  getadelt  und  doch  scheint  trotzdem  hier  im  fernen  Osten 
dieselbe  Unsitte  geherrscht  zu  haben,  welche  Immer  mann  an  den  west- 
phälischen  Bauern  bemerkte  und  die  bis  auf  den  heutigen  Tag  unter 
unserm  Landvolk  nur  zu  sehr  im  Schwange  ist.  Selbst  des  Schul- 
meisters Tochter  huldigte  derselben  mit  ihrem  Verlobten  und  es  mag 
dem  Pfarrer  nicht  leicht  geworden  sein  ihre  Schande  im  Kirchenbuch 
zu  vermerken.  In  welche  Verlegenheiten  manches  junge  Ehepaar  durch 
diese  Unsitte  gerieth,  kann  man  an  Jacob  Spitz  und  seiner  Gattin  er- 
kennen. „Den  13££  Februarii",  bemerkt  Burckhardt  im  Jahre  1665, 
„haben  Jacob  Spitz,  ein  Fischer  zu  Preden  und  Catharina  (welche  am 
6.  Sontag  nach  Trinit.  copuliret  worden  und  also  11  Wochen  zu 
frühe ,  das  Weib  aber  nach  der  Trauung  biß  Mariae  Himmel- 
fahrt 4  Wochen  lang  in  den  Haaren  gangen,  alß  eine  Magd)  ihren 
Sohn  zur  Tauff  geschicket,  deßen  Nähme  Hanß". 

Beiläufig  erfahren  wir  aus  dieser  Eintragung,  dass  den  Frauen  nach 
litauischer  und  altpreussischer  Sitte  gleich  nach  der  Hochzeit  die  Haare 
abgeschnitten  wurden. 

Die  Frühmutter  wird  im  günstigsten  Falle  „leichtfertiges  Weib" 
genannt  und  regelmässig  werden  genau  die  Wochen  nachgerechnet,  in 
welchen  der  Umgang  vor  der  Hochzeit  begonnen. 

„Ganz  schlecht  ist  niemand",  nach  Byron.  Jene  alten  Nehrungs- 
bewohner waren  es  auch  nicht.  Verachteten  dieselben  zuweilen  das 
b.  Abendmahl,  so  scheinen  sie  der  h.  Taufe  um  so  grössere  Wichtig- 
keit beigelegt  zu  haben.  Am  zweiten  Weihnachtsfeiertage  1666  bringen 
z.  B.  zwei  Fischer  aus  Pilkoppen  bei  Nacht  ihre  Kinder  zur  Taufe,  um 
denselben  ja  nicht  den  Segen  derselben  für  den  Fall  des  Todes  zu  ent- 
ziehen. In  den  meisten  Nehrungsdörfern  bestand  der  Brauch,  dass  sämmt- 
licbe  Einwohner  bei  den  neugebornen  Kindern  ihres  Dorfes  Pathen  standen. 
»Pro  more  istius  loci  omnes  incolae  Nidenses"  oder:  „Nach  Gewohn- 


462  Michael  Burckhardt,  der  Nehrungtpfarrer  und  seine  Gemeinde. 

beit  das  ganze  Dorf"  sind  Bemerkungen,  die  häufig  an  Stelle  der  nament- 
lichen Angabe  der  Taufzeugen  gemacht  werden.  Nur  den  12.  Juni  1670 
treten  die  Weiber  von  Eunzen  allein  bei  einer  Taufe  an,  „dieweil  die 
Männer  die  Fischerei  abgewartet44. 

Häufig  wird  auch  der  Pfarrer  unter  den  Tauf  zeugen  genannt  und 
„Elisabeth,  die  Frau  Pfarrsche44  übernimmt  z.  B.  ein  Pathenamt  bei 
dem  Hirten  in  Pilkoppen.  Selten  muss  der  Diebstahl  in  der  Gemeinde 
gewesen  sein,  sei  es,  dass  es  hier  wenig  zu  stehlen  gab,  oder  dass  die 
Gewissen  der  Nehrungsbewohner  in  dieser  Beziehung  besonders  geschärft 
waren.  Andernfalls  hätte  sich  der  Pfarrer  schwerlich  die  Mühe  ge- 
nommen den  nachstehenden  Fall,  der  an  andern  Orten  kurz  in  der 
Eirchenrechnung  abgethan  wäre,  noch  besonders  im  Kirchenbuche  zu 
verzeichnen.  Er  theilt  nämlich  Febr.  1665  mit,  dass  Urban,  ein  Fischer 
zu  Cunzen  dem  Krüger  des  Orts  Justus  Feyrwaldten  eine  Gans  ent- 
frembdet  und  unter  seine  Mastgänse  eingesetzet.  „Hatt  Herr  Burggraf 
selbigem  3  Mark  Straff  zuerkannt,  die  er  der  Kirchen  zu  gut  soll  erlegen". 

So  weit  unterrichtet  uns  unsere  Quelle  und  wir  nehmen  nur  noch 
von  dem  Abschied,  welcher  uns  dieselbe  erschlossen.  Burckhardt  hat 
auf  seiner  elenden  Stelle  drei  und  dreissig  Jahre  lang  von  seinem  44  bis 
77  ^  Lebensjahre  ausgehalten.  Von  1694—1700  hat  er  noch  einen 
Adjuncten  unterhalten  müssen,  Christian  Bruno,  der  danach  die  einträg- 
liche Pfarre  in  Poerschken  erhielt.  Nach  dem  Abgange  desselben  fand 
sich  wahrscheinlich  Niemand,  der  Burckhardts  Hungerbrot  theilen  wollte 
und  dieser  musste  bis  zu  seinem,  um  Ostern  1707  erfolgten  Tod  wieder 
allein  die  Bürde  des  beschwerlichen  Amtes  auf  sich  nehmen.  Der  jüngste 
und  unwissendste  Gandidat  würde  sich  heute  schwer  entschliessen  auch 
nur  wenige  Jahre  auf  einer  derartigen  Stelle  auszuhalten.  Allerdings 
übertrifft  in  dieser  Beziehung  auch  Burckhardt  alle  seine  Vorgänger  und 
Nachfolger.  Der  nächste  der  letztern,  Gallus  Mäwius  starb  schon  im 
ersten  Jahre  seiner  Wirksamkeit.  Ausser  ihm  und  seinem  Vorgänger 
ist  nur  noch  ein  Pfarrer  von  Eunzen,  Ambrosius  Otto  (1602)  im  Nehrungs- 
sande begraben.  Dem  Vorgänger  des  Letztern,  Crispin  Liebermann,  gefiel 
es  hier  so  übel,  dass  Stimer  von  ihm  schreibt:  „Dis<$ssit  in  insular. 


i»r1 


Der  Schlossberg  bei  Jesziörken. 

(Mit  Croqais.) 
Von 

C.  Beekherrn. 

Bei  dem  masurischen  Dorfe  Jesziörken,  l'A  Stunde  südöstlich  von 
Gr.  Sturlack,  befindet  sich  ein  sehr  wohlerhaltener  und  interessanter 
altpreussischer  Schlossberg,  von  den  Landleuten  Grodzisko  genannt. 
Er  liegt  bei  einem  Abbau  des  Dorfes,  dem  Wirthe  Outt  gehörig,  etwa 
1000  Schritte  östlich  des  Dorfes  in  einem  langen  und  schmalen  von 
Nord  nach  Süd  sich  erstreckenden  Tbale,  von  dessen  Bändern  er  über- 
all überragt  wird,  so  dass  die  Aussicht  von  seinem  Gipfel  eine  ziemlich 
beschränkte  und  einförmige  ist.  Auf  der  Generalstabskarte  (Section 
Nicolayken)  ist  er,  allerdings  sehr  klein  und  undeutlich,  gezeichnet. 
Die  Lage  des  Berges  in  dem  sumpfigen  Tbale  ist  eine  ganz  isolirte, 
denn  mit  den  hoben  Thalrändern  hängt  er  mit  seiner  nördlichen  und 
südlichen  Seite  nur  durch  ganz  schmale  und  wenig  über  die  sumpfigen 
Wiesen  erhabene  Landengen  zusammen.  Der  höchste  Punkt  des  Berges 
wird  etwa  80  bis  90  Fuss  über  der  Thalsohle  liegen.  Die  Form  seiner 
Grundfläche  ist  ein  regelmässiges  Oval,  dessen  grösserer  Durchmesser 
oben  auf  dem  Plateau  120,  der  kleinere  60  Schritte  beträgt.  Der  Um- 
fang des  Plateaus,  auf  der  Krone  des  sogleich  zu  erwähnenden  Walles 
abgeschritten,  zählt  300  Schritte.  Die  Abhänge  sind  sehr  steil  ge- 
tischt, nach  dem  Augenmaße  mit  45  Grad;  ausserdem  sind  sie  so  sorg- 
fältig geebnet  und  geglättet,  dass  der  Fuss  des  an  ihnen  Emporsteigenden 
nirgends  eine  Stütze  findet.  Das  Plateau  ist  ringsum  durch  einen  Wall 
eingeschlossen,  welcher  auf  der  Westseite  schon  ziemlich  verflacht  ist, 


464  ^ör  Schlossberg  bei  Jcssiörkeo. 

auf  den  andern  Seiten  aber  noch  eine  Höhe  von  5  bis  10  Fuss  hat, 
und  dessen  äussere  Böschung  mit  gleichem  Neigungswinkel  in  die 
Böschung  des  Berges  übergeht.  Nach  dem  Resultate,  welches  die 
Untersuchung  anderer  Burgwälle  ergeben  hat,  darf  man  mit  Sicherheit 
annehmen,  dass  auch  auf  diesem  Walle  eine  dem  äusseren  Rande  seiner 
Krone  folgende  Brustwehr  entweder  aus  Holz  oder  aus  Lehm  und 
Strauchwerk  errichtet  gewesen  sei.  In  dem  durch  den  Wall  gebildeten 
Kessel  erhebt  sich,  deuselben  fast  ausfüllend,  so  dass  eigentlich  nur 
ein  Graben  übrig  bleibt,  ein  Hügel  von  ebenfalls  ovaler  Grundflaehe, 
welcher  von  Süden  nach  Norden  allmählich  ansteigt  und  hier,  ein  kleines 
Plateau  bildend,  sich  etwa  20  Fuss  über  die  Sohle  des  Kessels  erhebt, 
den  Wall  also  um  mindestens  10  Fuss  überragt.  Der  oben  erwähnte 
Ringwall  ist  auf  seiner  südöstlichen  Seite  durchbrochen.  Aus  dieser 
Lücke  führt  ein  schmaler  Pfad  schräge  am  Abhänge  des  Berges  in 
nordöstlicher  Richtung  hinunter  und  mündet  hier  auf  eine  breite  halb- 
mondförmige Terrasse  aus,  welche  den  stetigen  Abfall  der  Böschung 
auf  dem  untersten  Viertel  ihrer  Höhe  unterbricht  und  sich  längs  des 
ganzen  Ostabhanges  hinzieht.  Dass  dieser  Pfad  zur  ursprünglichen  An- 
lage gehört,  geht  unzweifelhaft  aus  der  angegebenen  Richtung  hervor. 
Diese  ist  darauf  berechnet,  dass  der  Angreifer,  welcher  sich  seiner  zum 
leichtern  Aufsteigen  bedienen  wollte,  seine  rechte,  vom  Schilde  nicht 
gedeckte  Seite  den  Wurfgeschossen  des  auf  der  Krone  des  Walles 
stehenden  Vertheidigers  preisgeben  musste*).  Ausserdem  ist  zu  be- 
achten, dass,  wäre  der  Pfad  erst  in  späterer  Zeit  entstanden,  er  jeden- 
falls von  dem  Plateau  des  Berges  in  südwestlicher  Richtung  hinunter 
führen  raüsste,  denn  nur  in  dieser  könnte  er  eine  bequeme  Verbindung 
mit  dem  Gehöfte,  zu  welchem  der  Schlossberg  gehört,  vermitteln.  Auf 
der  erwähnten  Terrasse  dürfte  vielleicht  durch  Pallisadirung  eine  Art 
von  Vorburg  hergestellt  gewesen  sein,  zu  welcher  der  Zugang  über  den 
festen  nach  Süden  auslaufenden  Landstreifen  geführt  haben  würde.  Die 
einstige  Existenz  einer  solchen  Vorburg  muss  um  so  mehr  vorausgesetzt 
werden,   als    der  Raum   auf  dem    innerhalb   des  Ringwalles  liegenden 


*)  Eine  derartige  Führung  des  Zuganges  ist  häufig  auch  noch  bei  den  mittel- 
alterlichen Burganlagen  in  Deutschland  wahrnehmbar. 


.**}■ 


Von  C.  Beekherro.  465 

Hügel  so  beschränkt  ist,  dass  hier  höchstens  das  zur  Aufnahme  der 
Familie  des  ehemaligen  Besitzers  bestimmte  Blockhaus  gestanden  haben 
kann,  ein  gesicherter  Unterkunftsraum  für  das  Gesinde  und  das  Vieh 
aber  innerhalb  des  Walles  nirgends  Platz  findet,  sondern  anderweitig 
gesucht  werden  muss. 

Man  kann  an  diesem  Schlossberge  erproben,  welch  ein  vorzügliches 
Hindernissmittel  der  Annäherung  die  in  der  oben  beschriebenen  Weise 
zubereiteten  Abhänge  des  Berges  bei  ihrer  beträchtlichen  Höhe  sein 
und  welchen  Schutz  sie  dem  Vertheidiger  gewähren  mussten.  Denn  ist 
es  schon  schwierig  für  den  ohne  alle  Impedimente  den  Berg  Erklim- 
menden, auf  der  Spirale  den  Gipfel  desselben  zu  erreichen,  so  wird 
dieses  in  gerader  Linie  nur  durch  häufige  Zuhilfenahme  der  Hände  er- 
möglicht. Welche  Mühe  und  Anstrengung  müsste  es  nicht  den  mit 
Schild  und  Spiess  oder  Schwert  und  oft  auch  noch  mit  schweren  Panzern 
ausgerüsteten  Kriegern  der  Vorzeit  gemacht  haben!  War  es  diesen 
dann  trotzdem  gelungen,  bis  unter  die  den  äussern  Band  des  oben  be- 
findlichen Walles  krönende  Brustwehr  zu  gelangen,  so  standen  ihnen, 
dahinter  bis  zur  Brust  gedeckt,  die  Vertheidiger  in  dominirender  Stellung 
'  gegenüber,  welche  ihre  Waffen  auf  dem  ebenen  Boden  der  Wallkrone 
viel  sicherer  und  ausgiebiger  gebrauchen  konnten,  als  die  unter  ihnen 
auf  dem  abschüssigen  und  glatten  Abhänge  stehenden  Angreifer.  Diese 
Umstände  machen  es  begreiflich,  dass  die  alten  Preussen  es  wagen 
konnten,  in  solchen  kleinen  Befestigungen,  wie  die  in  Bede  stehende, 
welche  nur  eine  sehr  kleine  Anzahl  von  Vertheidigungsmannschaft  in 
sich  aufnehmen  konnten,  den  an  Zahl,  Ausrüstung  und  Bewaffnung  über- 
legenen Angriffsscharen  des  deutschen  Ordens  zu  trotzen.  Bei  der  Be- 
trachtung einer  derartigen  Befestigung  drängt  sich  uns  die  Ueberzeugung 
auf,  dass  ein  Angriff  darauf  ohne  unverhältnissmässige  Opfer  nur  ent- 
weder durch  längere  Einschliessung  und  Aushungerung  oder  durch  . 
Ueborrumpelung  glücken  konnte,  oder  ferner  auch,  wenn  es  dem  An- 
greifer möglich  war,  die  stürmende  Abtheilung  durch  Armbrustschützen 
zu  unterstützen,  welche  aus  nicht  immer  aufzufindender  günstiger  Stellung 
die  hinter  der  Brustwehr  stehenden  Vertheidiger  mit  ihren  Geschossen 
erreichen  konnten. 


466  D*r  Schlotsberg  bei  Jeuiörken.     Von  C.  Beckberro. 

Etwa  300  Schritte  nördlich  von  dem  Schlossberge  erhebt  sich  ein 
anderer  etwas  kleinerer  Berg,  welcher  mit  jenem  durch  einen  schmalen, 
wenig  erhabenen,  trockenen  Landstreifen  verbunden  ist.  Ich  habe  wegen 
Mangel  an  Zeit  nicht  untersuchen  können,  ob  sich  auf  diesem  Berge 
etwa  auch  Spuren  ehemaliger  Befestigung  vorfinden. 

Auf  dem  Grodzisko  hat  der  Hirt  des  Besitzers  drei  Fingerringe, 
ein  Ketteben  und  mehrere  Plättchen,  nach  der  Beschreibung  wahr- 
scheinlich aus  Bronze  bestehend,  gefunden  und  diese  Sachen  ver- 
schenkt. Ich  habe  den  Hirten  leider  nicht  selbst  sprechen  können, 
vom  Besitzer  des  Berges  aber  noch  erfahren,  dass  auf  diesem  auch 
Kohlen  und  Ziegel  ausgegraben  worden  seien.  Was  die  letzteren  an- 
betrifft, so  dürften  dagegen  wohl  Zweifel  zu  erheben  sein;  möglich  ist 
es  jedoch,  dass  gebrannte  Lehmstücke  als  solche  angesehen  worden 
seien,  dergleichen  auf  den  Schlossbergen  zuweilen  gefunden  werden 
(Prömbock),  und  welche  von  der  aus  Lehm  und  Strauchwerk  auf  der 
Wallkrone  errichtet  gewesenen  Brustwehr  herrühren.  Das  Vorhandensein 
von  Kohlen,  und  zwar  in  grosser  Menge,  ist  mir  von  Dr.  Bujack, 
welcher  den  Grodzisko  ebenfalls  besucht  hat,  bestätigt  worden.  Sie  sind 
wahrscheinlich  die  Ueberreste  des  durch  Feuer  zerstörten  Blockhauses. 
Eine  audere  Angabe  des  Dr.  Bujack  ist  insofern  besonders  interessant, 
als  daraus  hervorgeht,  dass  der  Berg  schon  in  sehr  früher  Zeit  bewohnt 
gewesen  ist.  Es  sind  hier  nämlich  Scherben  von  Thongefössen  gefunden 
worden,  welche  nicht  auf  der  Drehscheibe  angefertigt  worden  sind. 


Kritiken  und  Referate. 


Die   Bau-   and  KunsIdenkmNler  der  Provinz  WcatpreaaMn. 

Kafemann.  1884. 

Die  erste  amtliche  .Anregung  zur  Herstellung  eines  Verzeichnisses  der  i 
reiche  Preusaen  vorhandenen  Bau-  und  Knnstdenkmäler  geschah  schon  im  J; 
durch  Sehinkel.  Doch  blieb  die  Sache  viele  Jahrzehnte  lang  liegen,  angel 
kerne  Mittel  dafür  Torhanden  waren,  in  der  That  aber,  weil  an  den  maß 
Stellen  das  nötbjge  Verständniss  und  Interesse  für  die  Sache  mangelte. 

Nachdem  ein  ffir  die  alte  deutsche  Ennst  begeisterter  Privatmann,  der 
W.  Lotz  vor  etwa  zwanzig  Jahren  mit  seiner  Statistik  der  Deutschen  E 
ersten  Versuch  gemacht  hatte,  alle  altern  Kunstdenkmfilor  im  ganzen  ■ 
Vaterlande  zu  verzeichnen,  ein  mit  Rücksicht  auf  die  unvollkommenen  Mitti 
ihm  für  Lösung  dieser  grossartigen  Anfgabe  zur  Verfügung  standen  und  di 
stigen  Umstände,  unter  welchen  es  ausgeführt  werden  muBate,  bewunderungt 
Werk,  geschah  von  amtlicher  Seite  der  erste  erfolgreiche  Schritt  zur  Erreic 
Tim  Sehinkel  vorgezeichneten  Zieles  durch  den  Regierungspräsidenten  i 
welcher  1866  die  Herstellung  eines  Inventars  der  Baudenkmäler  im  Reglern 
Cssm]  anordnete,  welches  dann  mit  Unterstützung  des  Preussischen  Cultosmii 
gedruckt  wurde.  Dieser  Anfang  fand  so  vielen  Beifall,  daas  das  Cultusmi 
das  Werk  allen  Regierungspräsidenten  und  bald  daran/  auch  den  Provinz! 
tangen  zur  Nachahmung  empfahl.  Die  letztem  gingen,  dem  günstigen  Zage 
folgend,  allgemein  mit  grosser  Bereitwilligkeit  anf  den  Vorschlag  des  Ministe] 

Wie  in  andern  Provinzen  so  wurde  auch  in  Westpreussen  alsbald  eine 
Commission  eingesetzt,  welche  die  InventarisirnDg  and  Beschreibung  der 
Kunstdenkmäler  energisch  in  die  Hand  nahm.  Als  Resultat  der  Arbeit  die 
nussion  hegen  nun  die  zwei  ersten  Hefte,  die  Ereise  Carthans,  Berent,  Nen. 
i.taiig  behandelnd,  seit  Kurzem  vor.  Nach  diesem  Anfange  zu  urtheilen  w 
Werk  nicht  nur  ein  Inventar  werden,  sondern  eine  fortlaufende  Reihe  n; 
schöpfender  Monographien  über  die  erhaltenen  Bauwerke  und  die  in  ihnci 
denen  Kunstwerke,  schliesst  sich  demnach  an  das  schöne,  leider  anrollend 
von  F.  v.  Quast,  über  die  Provinz  Preusaen  an.    Der  sorgfältig  gearbeitete 


468  Kritiken  und  Referate. 

übersichtlich,  kurz,  anscheinend  vollständig,  hebt  das  Wichtigste  verständniflgvoll  her- 
vor.  Die  Beschreibungen  der  Denkmäler  sind  durchaus  sachgemäss  und  objecto  ge- 
halten, frei  von  Vorurtheilen  für  oder  gegen  gewisse  Kunstrichtungen.  Die  historische 
Nachrichten  sind  mit  Sorgfalt  ausgewählt;  die  vorhandene  Literatur  ist  angegeben 
Viele  Abbildungen  erläutern  und  ergänzen  den  Text.  Wenn  manche  derselben  ru 
wünschen  übrig  lassen,  so  muss  man  bedenken,  dass  die  Autoren,  welche  nach  deci 
möglichst  Vollkommenen  strebten,  mit  gegebenen  Verhältnissen  rechnen  mnssten. 

Man  hiebt  aus  dem  Ganzen,  dass  die  Provinzialverwaltung  die  Ausführung  de; 
anziehenden  —  die  Provinz  ist  reich  an  hervorragenden  Denkmälern,  die  zu  dta 
edelsten  gehören,  welche  das  Mittelalter  (man  denke  an  Marienburg,  Marien  werdet, 
Rehden,  Thorn)  und  die  Zeit  der  Renaissance  (Danzig)  hervorgebracht  haben  —  aber 
schwierigen  Werkes  bewährten  Händen  anvertraut  und  die  dazu  erforderlichen  Mittel 
freigebig  bewilligt  hat.  Man  kann  der  Provinz  zu  diesem  vielversprechenden  Anfauir 
nur  Glück  wünschen.  Mögen  ihr  die  Kräfte  erhalten  bleiben  und  mögen  dieselben 
ihr  Werk  mit  gleicher  Liebe  und  mit  gleichem  Fleisse  weiter  fuhren  und  vollenden. 
zum  Nutzen  für  Wissenschaft  und  Kunst,  zur  Ehre  für  die  im  Ausland  viel  zu  wenig 
gekannte  und  oft  verkannte  Provinz. 

Nürnberg.  R.  Bergai. 


Alterthu msgtsellschaft  Prnssia  i«  Königsberg  1884 

Sitzung  vom  22.  Februar  1884.  Dr.  B  u  j  a  ck  hielt  einen  Vortrag  über  das  Gräber- 
feld des  altern  Eisenalters  in  der  Oberförsterei  Rothebude,  Belauf  Rogonnen,  Kr.  Goldap, 
welches  der  Vortragende  und  Hauptlehrer  Matthias  im  Juli  1883  aufdeckten.  Zur 
Kenntnissnahme  desselben  war  Förster  Wilke  durch  eine  Weganlage  gekommen  und 
die  Erlaubniss  zur  Aufdeckung  war  in  Folge  einer  freundlichen  Mittheilung  de»  fis- 
kalischen Pächters  Opp  ermann  in  Waldkater|  dem  Vorstande  der  Gesellschaft  von  dtr 
Königl.  Regierung  zu  Gumbinnen  hochgeneigtest  ertheilt  worden. 

Es  fanden  sich  auf  einer  Fläche  von  70  m  Länge  von  Norden  nach  Südea  und 
40  m  Breite  von  Westen  nach  Osten  ausser  dem  bei  der  Weganlage  zerstörten  Grab- 
hügel noch  9  derselben,  aber  westlicher  ungefähr  in  der  Richtung  von  Norden  oact 
Süden.  Ihre  Höhe  schwankte  zwischen  28,5  cm  und  70  cm,  sie  waren  kreisförmig 
hatten  einen  horizontalen  Durchmesser  von  3,80  m  bis  6,10  m  und  waren  vertiol 
meist  in  3  Steinschichtungen  aufgerichtet.  Von  den  9  Flachhügeln  waren  4  wenig 
oder  ganz  unergiebig,  einer  hatte  als  Brandplatz  im  grossartigsten  Maasstab  gedient. 
zwei  wol  auch»  dazu,  wenn  bei  denselben  auch  die  Kohlenmenge  zurücktrat  and  <* 
fast  nur  Branderde  gab.  Auf  einem  der  letztern  schien  eine  eiserne  Speerspitze  wn. 
Verbrennenden  vergessen  zu  sein,  denn  auch  nicht  der  kleinste  ürnenscherben  faoi 
sich  in  dem  Hügel.  In  einem  vierten  Grabhügel  stand  in  bedeutender  Tiefe  nur  ein' 
zerdrückte  Urne  mit  einem  eingeschlossenen  Gefäss  und  daneben  ein  Mahlstein.  Dm 


AHerthnmsgesellfichaft  Prussia  1884.  4g9 

übrigen  5  Grabhügel  waren  ergiebiger,  27  Urnen  konnten  durch  Gypsbandagen  und 
nachherigea  Zusammensetzen  erhalten  werden.  —  Von  Waffen  ist  in  den  letzteren 
nichts  gefunden  worden;  es  sind  in  die  Urnen  und  neben  dieselben  zu  den  verbrann- 
ten Knochen  nur  Schmucksachen  und  äusserst  wenig  Geräthe  gelegt  worden.  Die 
Geräthe  sind  ein  Feuersteinmesser,  eine  herzförmige  Pfeilspitze  aus  Feuerstein  und 
ein  thönerner  Spinnwirtel.  —  Die  Schmucksachen  waren  dagegen  zahlreich  vertreten: 
11  bronzene  Armbrustfibuln  mit  Nadelscheide  und  1  eiserne  Fibula  im  Bügel  er- 
halten, 6  „grossköpflge",  von  denen  2  Formen  paarweise  vertreten  waren,  endlich 
1  Fibula  von  bisher  noch  unbekannter  Form,  nämlich  fächerförmig  in  3  getheilten 
lanzettförmigen  Blatttheilen,  deren  mittelster  im  obern  Ende  das  Gewinde  der  Nadel 
tragt,  10  bronzene  Schnallen,  von  denen  1  das  Beschlagstuck  als  Thierkopf  gestaltet 
bat,  und  3  eiserne  Schnallen,  1  bronzener  Halsring  zum  Schliessen  und  Oeffnen, 
im  mittlem  Theile  tordirt,  ein  bronzener  Spiralfingerring,  1  bronzene  Pincette, 
ö  Bernsteinperlen.  Die  grossköpfigen  Nadein  bilden  bereits  den  Uebergang  zum  so- 
genannten mittlem  Eisenalter,  darum  haben  auch  die  Urnen  nicht  das  Profil  eines 
kugeligen  Gefässes  mit  Stehfläche  und  aufgesetztem  cylindrischen  Halse,  wie  in  der 
ersten  Periode  des  älteren  Eisenalters,  auch  nicht  die  von  hohen  Eimern,  die  in  der 
obern  Hälfte  sich  albnälig  erweitern,  sondern  von  niedrigem  Gefässen,  deren  Profil 
im  Allgemeinen  von  zwei  mit  ihrer  grössten  Ausladung  auf  einander  gestülpten  Trichtern 
von  verschiedener  Höhe  und  geringer  Verengung  gebildet  ist,  oder  von  stark  aus- 
ladenden Schalen.  —  Ganz  besonders  merkwürdig  ist  ein  grösseres  Gefäss  des  eben 
beschriebenen  Profils,  zugedeckt  mit  einem  Deckel  cylinderischeu  Profils. 

Hierauf  hielt  Hauptlehrer  Matthias  einen  Vortrag  über  einen  lehrreichen  Grab- 
hügel aus  dem  Bronzealter  in  Dänemark,  den  Arbeiten  Wilhelm  Bogen 's  entlehnt, 
welcher  die  Dürftigkeit  der  Funde  in  den  ostpreussischen  Hügelgräbern  recht  deut- 
lich belegte.  [Ostpr.  Ztg.  v.  26.  März  1884.    Beil.  zu  No.  73.] 

Sitzung  vom  21.  März  1884.  Der  Vorsitzende  eröffnet  die  Sitzung  mit  einem 
Nachruf  auf  zwei  langjährige  Mitglieder  der  Gesellschaft,  den  Geheimen  Justizrath, 
Curps-Auditeur  Cr  am  er,  der  in  Marienwerder  Ende  vorigen  Jahres  verstarb,  und  auf 
den  Kentier  Carl  Braune  in  Insterburg,  dessen  Tod  im  Beginn  dieses  Jahres  er- 
folgte. Die  langjährige  Arbeit  des  Ersteren,  die  Geschichte  von  Pomesanien,  wird 
von  dem  Geschichtsverein  zu  Marienwerder  gedruckt,  der  Letztere  hat  vor  Stiftung 
der  Insterburger  Alterthumsgesellschaft  viele  werthvolle  Geschenke  zur  Herstellung 
des  Pruasia-Museums  nach  Königsberg  gesandt.  Der  Vorsitzende  legte  dann  den 
quantitativ  grossen  Münzfund  von  Urbanken,  Kr.  Oletzko,  in  Belagstücken  vor  und 
gab  die  Uebersicht  der  einzelnen  Nummern:  es  sind  Münzen  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts. Buchhändler  J.  Neumann  hielt  hierauf  einen  Vortrag  über  von  Dom- 
hardt,  den  Gumbinner  Regierungs-Präsidenten  während  der  russischen  Okkupation 
1758 — fö,  und  den  ersten  Ober-Präsidenten  von  Ost-  nnd  Westpreussen.  Beide  Ar- 
beiten werden  in  der  Vereinsschrift  veröffentlicht  werden. 


470  Kritiken  und  Beiträte. 

Es  erfolgte  hierauf  die  Vorlage  von  Geschenken  und  Erwerbungen  und  rwar 
zur  Abtheilung  des  prähistorischen  Museums :  Gräberfunde  von  Urnenbeisetzung  ans 
Loszainen  Er.  Rössel  nebst  Situationsplan,  geschenkt  von  Rittergutsbesitzer  Fischer 
auf  Loszainen;  eine  eiserne  Speerspitze,  gefunden  im  Sawitz-Flusse,  Kreis  Ortekburg, 
geschenkt  vom  Feldmesser  und  Kulturtechniker  Reuter;  eine  grössere  Bernstein- 
perle, gefunden  bei  Schwarzort  auf  der  Kurischen  Nehrung,  geschenkt  vom  Gymna- 
siasten Badczies;  eine  kleine  Bernsteinperle,  gefunden  in  dem  Garten  eines  Grund- 
stückes auf  dem  Hinter-Tragheim  zu  Königsberg,  geschenkt;  ein  federnder  bronzener 
Fingerring,  auf  der  äussern  Seite  mit  einer  gedrehten  Wulst  versehen,  aus  der  letzten 
heidnischen  Zeit,  gefunden  auf  dem  Nassen  Garten  zu  Königsberg,  geschenkt  vom 
Zimmermann  Franz  Rahlke.  Zur  Abtheilung  von  Gegenständen  aus  der  Periode 
der  Renaissance:  ein  Paar  grosse  bronzene  Steigbügel  mit  breitem  Tritt  und  ein 
eiserner  Schwertknauf,  gekauft;  ein  messingener  Kronleuchter  und  ein  grosser  messin- 
gener Blaker,  geschenkt  von  dem  Ebrenmitgliede  der  Gesellschaft,  Theodor  Bleu 
in  Tüngen;  eine  Kassette,  beschlagen  mit  getriebenem  Bronzeblech  und  mit  schmalen 
eisernen  Bänden,  gekauft.  Zur  Abtheilung  von  Gegenständen  des  18.  Jahrhunderts 
drei  Delfter  Schusseln,  4  weissblaue  Steingut-Krüge,  gekauft;  eine  messingene  Büchse 
zu  holländischem  Tabak,  aus  Kalkpfeifen  zu  rauchen,  mit  bildlicher  Darstellung  auf 
den  Frieden  der  Seemächte  zu  Paris,  geschenkt  von  Kaufmann  Hirsch;  1  Steingut- 
kanne  mit  dem  Wappen  der  Altstadt  Königsberg  1758,  eine  Vase  mit  dem  Portrait 
Friedrichs  des  Grossen  im  Alter,  eine  Pistole,  ein  Feuerzeug  in  Pistolenform,  die 
letzten  5  Gegenstände  gekauft.  Ein  Paar  goldene  Verlobungsringe  mit  verstellbaren 
Ringschilden  in  mit  echten  Perlen  garnirtem  Rahmen,  gekauft.  Die  genannten  Ring- 
Schilde  zeigen  je  auf  der  einen  Seite  die  Anfangsbuchstaben  der  Namen  des  verlob- 
ten Paares,  auf  der  andern  einen  Tempel  in  der  Fronte  und  im  Profil  mit  einem 
Korb  Vergissmeinnicht  davor.  Der  Tempel,  wie  der  Korb  und  die  genannten  Blüm- 
lein  sind  theils  durch  Zeichnung,  theils  durch  feines  Moos  und  Golddraht  auf  Hörn- 
platten  hergestellt.  —  Zur  ethnographischen  Abtheilung  ein  Paar  arabische  Hoch- 
zeitsschuhe auf  fast  stelzenartigen  Holzuntersätzen,  geschenkt,  und  eine  Kette  aas 
Früchten  der  Ceder  vom  Libanon.  —  Zur  Sammlung  von  Kupferstichen  und  Karten: 
Danzig  im  Prospekt  der  Weichselseite  unter  der  Russisch-Sächsischen  Belagerung 
1734  G.  P.  Busch  sculpsit,  geschenkt  von  Rentier  Kauenhowen;  Plan  der  Rhein- 
stalle, wo  den  2.  Juni  1758  Ferdinand  von  Braunschweig  hinüberging.  Dieses  Blatt 
wie  Samuel  BlesendorfF's  Stich  des  Brandenburgischen  Kurfürsten  Friedrich  1IL 
v.  J.  1696,  geschenkt  von  Commis  Otto  Meyer.  —  Zur  Bibliothek:  Preussisebe 
Zehenden,  Allerhand  geistliche  Gaben,  Königsberg,  Dorn  1740  und  f.,  3  Bände,  ge- 
schenkt vom  Gymnasiasten  Kittel  und  Baczko's  Geschichte  Königsbergs,  Härtung 
1789,  geschenkt  vom  Gymnasiasten  Wolff.  —  Zur  Siegel-Sammlung:  2  Tafeln  mit 
besonders  Elbinger  Siegeln  nach  Original-Abdrüoken,  geschenkt  von  Buchhändler 
Volkmann.    Zur  Münz-Sammlung  ein«  Denkmünze,  geschlagen  1840  zu  Antwerpen 


Alterthumsgeseltschaft  Prussia  1884.  471 

auf  den  Maler  Rubens,  und  eine  Denkmünze  auf  S.  A.  L.  F.  P.  L.  G.  H.  dnc  d'Orleans, 
geschenkt  von  Kaufmann  Hirsch,  und  ein  Preußischer  Achtzehner  v.  J.  1763,  ge- 
schenkt von  Zimmermann  Franz  Rahlke.  —  Eine  besondere  Besprechung  und 
Erörterung  unter  den  vorgelegten  Geschenken  veranlassten  noch  zwei  Blätter,  welche 
die  Aufnahme  eines  Ermländischen  Bauernhauses  und  zwar  des  Besitzers  Schulz  Sommer 
in  Kleefeld,  Kreis  Braunsberg,  durch  den  Königl.  Kreisbau-Inspektor  Fried  rieb  zu 
Braunsberg  enthielten.  Dieselben  werden  unter  Glas  und  Rahmen  in  den  Museums- 
räumen aufgehängt  werden.  [Ostpr.  Z.  v.  18.  Apr.  1884.    No.  91.  (Beil.)] 

Sitzung  vom  18.  April  1884.  In  der  Sitzung  legte  Professor  Hey  deck  einen 
Nachtrag  von  Grabfunden  aus  Imten,  Kr.  Wehlau,  zu  dem  früher  von  Ritterguts- 
besitzer Lorek  auf  Popelken  gegebenen  Berichte  vor.  Die  jetzt  neu  eingereihten 
rühren  meistens  von  Leichenbrand  her,  dessen  Ueberreste  in  Urnen  beigesetzt  einen 
Platz  unter  meistens  kreisrunden  Steinpackungen  gefanden  hatten.  Die  Beigaben 
gehören  fast  ausschliesslich  dem  dritten  Jahrhundert  n.  Chr.  an.  Es  sind  bronzene 
Fibeln  „mit  oberer  Sehne,  breitem  Bügel  und  Rollenhülse",  zahlreiche  bronzene 
Schieber,  die  auf  einen  Lederriemen  aufgezogen,  ein  Diadem  bildeten,  eine  beschädigte 
bronzene  Haarnadel,  eine  bronzene  Riemenzunge,  ein  geschlossener  bronzener  Finger- 
ring, eine  eiserne  zweizüngige  grosse  Schnalle  und  kleine  eiserne  Nietnägel.  Dieses 
Gräberfeld  hat  aber  noch  später  in  der  christlichen  Zeit  als  Kirchhof  gedient;  denn 
abgesehen  von  einer  Leichenbestattung  mit  Beigaben  aus  der  Ordenszeit,  deren  Skelet 
von  Rittergutsbesitzer  Lorek-Popelken  für  das  Prussia-Museum  in  der  Lage  zu- 
sammengesetzt wurde,  wie  es  im  Grabe  sich  befand,  hat  Professor  Heydeck  ein 
Skelet  mit  einem  Groschen  aus  der  Zeit  des  polnischen  Königs  Alexander  aus  dem 
Anfang  des  16.  Jahrhunderts  gefunden.  —  Hierauf  hielt  Dr.  Bujack  einen  Vortrag 
Über  den  in  Königsberg  gehaltenen  Landtag  im  Jahre  1594.  Derselbe  hat  eine  Be- 
deutung, weil  auf  demselben  nicht  ganz  ohne  Schwierigkeiten  die  Aussteuer  für  die 
Tochter  des  Herzogs  Albrecht  Friedrich  von  Preussen,  die  Prinzessin  Anna,  welche 
sich  mit  dem  Kurprinzen  Johann  Sigismund  von  Brandenburg  verlobt  hatte,  bewilligt 
wurde.  Der  Vortragende  setzt  die  verwandtschaftlichen  Verhältnisse  der  drei  Familien 
Hohenzollern  in  Preussen,  Ansbach  und  Brandenburg  auseinander  und  verweilt  bei 
der  kraftvollen  Regierung  des  Markgrafen  Georg  Friedrich  von  Ansbach,  der  für  den 
„blöden  Sohn"  des  Herzog  Albrecht  als  Herzog  von  Preussen  die  Regierung  führte, 
gestützt  durch  den  polnischen  König  als  Lehnsherrn  gegenüber  den  preussischen  Ständen, 
so  dass  er  ihren  Widerspruch  10  Jahre  vor  dem  Landtag  i.  J.  1594  niederschlagen 
konnte.  Der  Fürst  war  während  des  Landtages  nicht  in  Preussen.  Die  Form  der 
Vorlagen  und  der  Berathungen  erfahren  eine  genaue  Auseinandersetzung  sowohl  für 
diesen  als  auch  die  früheren  Landtage.  Nicht  nur  die  Aussteuersumme  wurde  be- 
willigt, sondern  auch  die  Bezahlung  des  Restes  der  Schulden  aus  der  Zeit  des  Herzogs 
Albrecht.  Schliesslich  erhalten  die  Supplikationen  und  Beschwerden  der  Stände  eine 
genaue  Betrachtung  als  eigentümliche  Kennzeichen  der  Zeit  und  das  Verbot  einer 


■^v* 


472  Kritiken  und  Referate. 

Unterstützung   an   die  Famile  eines  preußischen  Edelmanns  durch  den  Markgrafen 
Georg  Friedrich,   weil  jener  ihn  an   dem   polnischen  Hof  „injuriirt  und  diffamirP 
habe.    Nach  Georg  Friedrich^  Tode  trat  eine  schlimme  Zeit  für  die  brandenbiirgi- 
schen  Fürsten   als  Herzöge  von  Preussen  ein,   weil  die  preussischen  Stände  wieder 
mehr  Fühlung  mit  dem  polnischen  Keiche  gewinnen  wollten.    (Der  Vortrag  selbst 
folgt  am  Schlüsse  des  Berichts.)   —   Ausser  den  oben  genannten  Gräberfunden  zu 
Imten,  welche  in  die  prähistorische  Abtheilung  des  Prussia-Museums  eingereiht  werden. 
kamen  zur  Vorlage:  ein  Pulverflaschenbeschlag  mit  Messer  aus  dem  17.  Jahrh.,  ge- 
funden in  Königsberg,  geschenkt  vom  Arbeiter  Franz  Davert,  ein  Tschako  aus  den 
Freiheitskriegen,  gekauft,  das  Gehäuse  einer  Taschenuhr,  angefertigt  von  Tho.  Witt. 
1544,  London,   geschenkt  vom  Gymnasiasten  Zacharias.    Ein  Bijouteriekasten,  be- 
legt mit  gravirten  und  durchbrochen  gearbeiteten  Elfenbeinplatten,  aus  dem  18.  Jahr- 
hundert.   Die  durchbrochen  gearbeiteten  Platten  sind  weiss  und  haben  noch  echten 
Kenaissancegeschmack,   grün  sind  die  gravirten  Platten,   deren  Arbeit  noch  kunst- 
voller als  die  der  weissen  ist.  Die  Gravirungen  darauf  waren  vergoldet.   Gekauft.  — 
Ein  Gesangbuch  v.  J.  1725,  Königsberg,  Keussner'sche  Buchhandlung,  geschenkt  roni 
Buchhalter  Passauer.    Ein  Trinkglas  in  Fonn  eines  c)iindrischen  Bechers,  weis* 
mit  bnnten  Farben  bemalt,  v.  J.  1726.    Das  Bild  stellt  zwei  deutsche  Fechter  dar, 
die  ihren  Rock  und  ihr  Barett  auf  den  zur  Seite  stehenden  Stuhl  gelegt  haben.  Dar- 
unter die  Inschrift:  „Tapfer  wehren,  bringt  zu  Ehren".   Gekauft.   Zur  Karten-Samm- 
lung schenkte  Herr  Dr.  Er d mann:  Abriss  der  Städte  Elbing  und  Danziger  Gebiet 
nebst   dem  Marienburgschen   grossen   und  kleinen  Werder   und  Niederung.    Hand- 
Zeichnung  ohne  Jahreszahl.    18.  Jahrhundert. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  18.  Mai  1884.    No.  HG.  (Beil.)] 

Der  preussische  Landtag  in  Königsberg  im  Jahre  1594. 

Vortrag  von  Dr.  Bujack. 

Als  die  Herzogin  Marie  Eleonore  von  Preussen  mit  ihrer  Tochter  Anna  zum 
Schluss  des  Jahres  1591  u.  92  eine  Heise  in  das  Reich  gemacht  hatte  und  sich  auf 
dieser  die  jugendliche  Prinzessin  mit  dem  Kurprinzen  von  Brandenburg,  JoliaoQ 
Sigismund,  verlobte,  war  dieses  für  den  Gubernator  und  Herzog  von  Preussen,  den 
Markgrafen  Georg  Friedrich  von  Ansbach,  Veranlassung,  aus  Franken,  wo  er  sieb 
schon  mehrere  Jahre  aufhielt,  an  seine  Oberräte  in  Preussen  die  Frage  zu  richten, 
ob  die  Aufbringung  der  Aussteuer  für  das  fürstliche  Fräulein  von  Seiten  des  Landen 
Preussen  nicht  am  besten  durch  Versammlungen  in  einzelnen  Aemtern  ermöglicht 
werden  konnte.  Der  Markgraf  Georg  Friedrich  von  Ansbach  war  nämlich  nur  daiui 
zur  Berufung  eines  Landtags  geneigt,  wenn  es  unumgänglich  nötig  war.  Die  Rate 
antworteten  ihm  aus  Königsberg,  die  Kosten  in  den  Partikularverhandlungen  würden 
ebenso  hoch  auflaufen,  wie  die  eines  Landtages  in  Königsberg,  und  sie  rieten  ihm 
daher  aufs  entschiedenste  zur  Berufung  eines  Landtages. 


Alterthtunsgeaellsch&ft  Prasaia  1884.  473 

Eine  Abschrift  dieser  Landtagsverhandlungen  in  einem  Auszüge  aus  dem  Ende 
des  17.  Jahrhunderts  war  das  erste  Aktenfascikel,  das  in  dem  Archiv  des  Landeshauses 
mir  in  die  Hand  kam  und  deshalb  mit  um  so  grösserem  Interesse  studiert  wurde, 
weil  das  Prussia-Museum  ein  Gebetbuch  der  Prinzessin  Anna  besitzt,  um  deren  Aus- 
steuer es  sich  auf  diesem  Landtage  handelt. 

Zuvörderst  dürfte  es  notwendig  sein,  die  Verhältnisse  der  Familie  der  Hohen- 
zollern  in  Ansbach,  Preussen  und  der  Mark  Brandenburg  zu  berühren. 

Herzog  Albrecht,  der  letzte  deutsche  Hochmeister  und  erste  Herzog  von  Preussen, 
hatte  noch  drei  Brüder.  Einer  starb  kinderlos,  zwei  hinterliessen  je  einen  Sohn,  von 
denen  der  eine  der  genannte  Georg  Friedrich,  der  andere  der  Markgraf  Albrecht  von 
Culrabach  ist.  Die  Parteinahme  des  letzteren  zuerst  für  Moritz  von  Sachsen  und 
nachher  gegen  ihn,  sodass  letzterer  ihn  in  der  Schlacht  bei  Sievershausen  bekämpfen 
nrasste,  hat  ihm  keinen  guten  Nachruf  hinterlassen.  Er  war  trotzdem  derjenige  Neffe, 
den  Herzog  Albrecht  zum  Gubernator  Preussens  wünschte,  mit  Benachteiligung  des 
ihn  überlebenden  Georg  Friedrich. 

Des  Herzog  Albrecht  Sohn,  Albrecht  Friedrich,  war  im  Jahre  der  Schlacht  bei 
Sievershausen  1553  geboren  und  hatte  sich  schon  dreizehnjährig  dem  Königsberger 
Landtag  —  nach  dem  Orte  der  Zusammenkunft  werden  die  preußischen  Landtage 
genannt  —  im  Jahre  1566  vorgestellt,  wo  er  das  ihm  zugewiesene  silberne  Tafel- 
geschirr dankend  annahm,  indem  er  erwiderte,  er  wolle  auch  auf  zinnernen  Schüsseln 
speisen,  wenn  nur  sein  Vater  nicht  darben  dürfe.  Auf  diesem  berüchtigten  Landtag 
vom  Jahre  1566,  auf  dem  Herzog  Albrecht  sich  von  den  preussischen  Standen  und 
?on  den  polnischen  Kommissarien  mehr  gefallen  lassen  musste,  als  je  ein  polnischer 
Edelmann  auf  einem  polnischen  Reichstag  hätte  erleiden  wollen,  waren  auch  die  Ab- 
gesandten der  fränkischen  und  brandenburgischen  Fürsten  erschienen,  zur  Berufung 
des  Landtages  beitragend. 

Als  nach  Herzog  Albrechts  Tode  und  Verlauf  dreier  Jahre  der  sechszehnjährige 
junge  Herzog  auf  dem  polnischen  Reichstag  zu  Lublin  1569  von  König  Sigismund  H. 
August,  dem  Schwiegervater  Joachims  II.  von  der  Mark  Brandenburg,  belehnt  wurde, 
hielten  der  fränkische  und  der  brandenburgische  Gesandte  auch  an  den  Zipfeln  der 
Lehnsfahne  als  Vertreter  der  Mitbelehnten. 

Achtzehnjährig  sollte  der  junge  Fürst  selbständig  die  Regierung  fuhren.  Aber 
es  blieben  die  Regierungsräte  auf  ihren  Posten,  und  als  der  junge  Fürst  sich  zwanzig- 
jährig im  Jahre  1573  mit  der  Markgräfin  Marie  Eleonore  von  Jülich  Cleve  Berg 
vermählte,  war  seine  Krankheit  bereits  so  ausgesprochen,  dass  an  eine  selbständige 
Regierung  dieses  Fürsten  nicht  mehr  gedacht  werden  konnte.  Unter  seinem  Namen 
wurde  aber  oft  die  Regierungsgewalt  gemissbraucht,  und  der  fürstliche  Hof  auf  dem 
Schloss  war  oft  in  der  grössten  Verlegenheit  und  in  derselben  Lage,  in  welcher 
Herzog  Albrecht  seine  bittern  Klagen  an  die  Stände  erhoben  hatte. 

Als  der  sogenannte  lange  Königsberger  Landtag  vom  30.  Harz  1573  bis  zum 

Altpr.  Ifaaatatckrift  Bd.  XXIX  Hft.  5  u.  6.  31 


474  Kritiken  und  Referat«. 

2.  Mai  1575,  welcher  sich  also  Aber  zwei  Jahre  ausdehnte,  gehalten  wurde,  und  die 
preussischen  Stände  die  Regimentsräte,  welche  für  Herzog  Albrecht  Friedrich  die 
Regierung  führten,  stürzen  wollten,  und  wiederholt  die  polnischen  Kommissarien  von 
preussischen  Ständen  eingeladen  und  erwartet  wurden,  erklärte  die  Herzogin  Marie 
Eleonore,  ihre  Mittel,  die  kaum  zu  ihrem  Haushalte  ausreichten,  gestatteten  nicht 
die  Bewirtung  der  Kommissarien  des  polnischen  Lehnsherrn.  Dieselben  zu  bewirten, 
hatte  Herzog  Albrecht  im  Jahre  1566  die  Ausgabe  von  30000  M.  machen  müssen 
und  dadurch  seine  bedeutenden  Schulden  noch  weiter  gesteigert.  Es  regierte  damals, 
nämlich  1573,  der  französische  Prinz  Heinrich  von  Valois  als  polnischer  König  und 
war  so  beschäftigt,  dass  er  nur  eine  Korrespondenz  mit  den  preussischen  Ständen 
unterhielt,  ohne  den  zum  Kommissarius  designierten  Woywoden  Kostka  abzusenden. 

Wohl  aber  hatte  der  schon  in  Preussen  anwesend  gewesene  Markgraf  Georg 
Friedrich  von  Ansbach  den  fränkischen  Rat  Wambach  als  seinen  Vertreter  in  Königs- 
berg zurückgelassen,  der  durch  seine  Sparsamkeit  und  Integrität,  indem  er  jede  Auf- 
nahme durch  den  herzogliehen  Hof  in  Königsberg  dankend  ablehnte,  aber  auch  durch 
seine  Entschiedenheit  und  Festigkeit  gegenüber  den  Ständen  die  Sache  seines  Herrn 
würdig  wahrnahm,  ausgezeichnet  war. 

Noch  Tier  Jahre,  bis  zum  Jahre  1577,  währte  es,  bis  der  Markgraf  Georg 
Friedrich  von  Ansbach  vom  König  Stephan  Bathory  von  Polen  zu  Warschau  be- 
lehnt wurde. 

Dieselbe  Sparsamkeit,  welche  der  Rat  in  Königsberg  zeigte,  bewies  sein  Herr 
auch  in  Warschau  während  der  Tage  der  Belehnungsfeierlichkeit,  indem  er  diejenigen 
Junker  seiner  Begleitung,  welche  unmassige  Schulden  beim  Spiel  gemacht  hatten, 
nicht  für  diese  auslöste,  sondern  nur  für  ihre  Zehrung  auslösen  wollte,  so  dass  sie 
gezwungen  waren,  von  dem  ihrigen  zuzusetzen. 

Er  hatte  hier  erfüllt,  was  er  den  Königsberger  Landtagsabgeordneten  als  un- 
passend verwiesen,  nämlich  ihr  Schlemmen  und  Prassen,  das  Verbringen  ihrer  Zeit 
mit  Privatsachen,  das  Zerschlagen  der  Oefen  und  Fenster,  welche  auf  Kosten  ihrer 
Hinterlassenen  repariert  werden  mussten.  Nicht  nur  darum,  sondern  auch  um  des 
Gerüchte«  willen,  dass  der  polnische  König  Stephan  Bathory  für  vier  Tonnen  Goldes 
dem  Markgrafen  Georg  Friedrich  die  Belehnung  Preussens  erteilt  habe,  nahmen  die 
preussischen  Stände  und  besonders  der  Adel  den  neuen  Herzog  und  Gubernator  mit 
Mis8stimmung  in  Königsberg  auf.  Als  sie  ihm  aber  den  Titel  Herzog  streitig  machen 
wollten,  weil  der  Herzog  Albrecht  Friedrich  noch  lebe,  berief  sich  der  Markgraf  suf 
die  Belehnungsurkunde  Stephans  Bathory  und  auf  die  polnischen  Kommissarien,  die 
nach  Königsberg  1578  ihm  gefolgt  waren  und  bei  deren  Anwesenheit,  wie  im  Jahre 
1566,  die  polnische  Fahne  aus  dem  Fenster  des  Moskowitergemachs  den  Schlosses 
herauswehte. 

Wenn  der  neue  Herzog  und  Gubernator  auch  nicht  vier  Tonnen  Goldes  an 
Stephan  Bathory  gezahlt  hatte,  sondern  nur  200000  M.,  welches  die  Hälfte  der 


AltertbumflgMellichaft  Prosa!«  1884.  475 

Schuldsumme  war,  die  auf  Albrecht  Friedrichs  Namen  sich  angesammelt  hatte,  so  lag; 
ihm  noch  ferner  ob,  die  polnischen  Kommissarien  hier  in  Königsberg  noch  6  Wochen 
auf  dem  Schlosse  aufzunehmen,  wobei  wöchentlich  30  Ochsen,  66  Fass  Herrnbier, 
14  Ohm  Rheinwein,  26  Fass  Haber  verbraucht  wurden  und  am  letaten  Tage  ihrer 
Bewirtung  113  Schüsseln  aufgetragen  wurden,  die  Gesandten  selbst  aber  am  Abschieds- 
tage mit  Ehrenketten  beschenkt  wurden. 

Und  doch  stand  in  der  Belehnungsurkunde:  „rein  aus  Gnade  und  Wohlwollen, 
aber  nicht  durch  Rechtsgründe  bewogen",  habe  der  König  von  Polen  dem  Markgrafen 
Georg  Friedrich  das  Herzogtum  Preussen  als  Lehn  erteilt,  so  dass  die  Verwandten 
in  der  Mark  Brandenburg  von  allen  Anrechten  vorläufig  ausgeschlossen  waren.  Das 
Wort  Gnade  wurde  freilich  nachher  auf  einem  preussischen  Landtage  etwas  milder 
ausgelegt. 

In  den  ersten  Jahren  seiner  Regierung  war  Georg  Friedrich  und  ebenso  die 
preussischen  Stande  bedacht,  mit  zweimaliger  Bewilligung  auf  Landtagen  dem  polni- 
schen Lehnsherrn  zu  einem  Kriege  gegen  Russland  Geld  und  Mannschaften  zu  be- 
willigen, wobei  freilich  die  preussischen  Stande  ihrem  Herzog  den  Wunsch  aussprachen, 
er  möge  sich  nicht  persönlich  an  den  Kriegsunternehmungen  beteiligen.  Der  Mark- 
graf war  wahrend  eines  dieser  Landtage  nicht  einmal  in  Preussen  anwesend. 

Als  König  Stephan  Bathory  mit  dem  Moskowiter  Frieden  geschlossen  hatte, 
bekam  das  Verhältnis  der  Stände  zu  ihrem  Herzog  eine  andere  Richtung;  die  inneren 
Verhältnisse  traten  in  den  Vordergrund. 

Als  Georg  Friedrich  nach  seiner  Belehnung  im  Jahre  1577  und  nach  dem 
Königsberger  Landtage  in  demselben  Jahre  seine  Huldigungsreise  durch  Preussen 
gemacht  hatte,  brachte  er  von  derselben  4000  Supplikationen  mit.  Auf  dem  Land- 
tage 1582  wünschte  er  ausdrücklich  die  Darlegung  der  Bitten  und  Beschwerden: 
dieselben  bekamen  aber  einen  so  vehementen  Charakter,  dass  die  Wünsche  des  Her- 
zogs, die  Stände  sollten  die  Schulden  der  frühern  Regierung  übernehmen,  und  andere 
gerechtfertigte  Forderungen  nicht  erfüllt  wurden,  sondern  um  so  grössere  Beschwerden 
mit  grösseren  Ansprüchen  entgegengestellt  wurden.  Darum  schloss  er  den  7.  Mai 
den  am  11.  März  begonnenen  Landtag  mit  einem  Landtagsabschied,  durch  welchen 
er  dem  unnötigen  Gezänk  und  Disputationen  ein  Ende  machen  wollte. 

Die  Mahnung  des  Herzogs  an  die  Stände,  sich  zu  trennen,  blieb  unerfüllt;  sie 
kamen  in  Privatgebäuden  zusammen  und  deputierten  im  Namen  der  Stände  der 
Landschaft  Hans  Albrecht  Herrn  von  Eulenburg,  Friedrich  von  Aulack,  Siegmund 
von  Wallenrodt  und  Christoph  von  der  Dehle  an  den  polnischen  König  am  24.  Mai 
mit  unbedingter  Vollmacht,  ihre  Absicht  dem  Herzog  insinuierend. 

Als  der  Markgraf  am  Schluss  des  Jahres  1584  einen  neuen  Landtag  jn  dem 
Städtchen  Saalfeld  im  Oberlande. berufen  hatte,  woselbst  das  Versammlungslokal  die 
Kirche  gewesen  zu  sein  scheint,  kamen  zwei  Briefe  von  den  drei  Bevollmächtigten 
der  Landschaft,  Eolenburg,  Aulack  und  Dehle,  an  die  HoMte  und  au  die.  drei  Stände 

31* 


476  Kritiken  und  Referate, 

an.  Obwohl  der  in  der  Nähe  weilende  Markgraf  schon  den  nächsten  Tag,  nachdem 
die  Frage  ventiliert  wurde,  ob  der  Herzog  den  Inhalt  der  Briefe  wissen  dürfe  oder 
nicht,  die  Botschaft  nach  Saalfeld  sandte,  die  Briefe  nur  im  Beisein  seiner  Räte  er- 
öffnen zu  dürfen,  befolgten  die  Landtagsabgeordneten  das  Gebot  nicht,  worauf  der 
Herzog  den  Landtag  am  14.  Januar  1585  schloss. 

Sofort  begann  der  Herzog  Separatunterhandlungen  mit  Mitgliedern  der  ein- 
zelnen Stände  und  zwar  zunächst  mit  solchen  aus  Königsberg.  Besonders  wirkte  hier 
vermittelnd  Achatius  Burggraf  und  Herr  von  Dohna;  auch  war  unter  den  aufgefor- 
derten Hans  Jakob  Erbtruchsess  von  Waldburg,  welcher  schon  auf  dem  Landtage 
im  Jahre  1584  das  Geschick  der  Stände  der  Mark  Brandenburg  als  Warnung  seinen 
Standesgenossen  vorhielt,  die  sich,  weil  sie  zeitig  nicht  80,000  Gulden  Schulden 
zahlen  wollten,  mit  einer  Schuld  von  55  Tonnen  Goldes  belastet  hatten,  von  denen 
sie  nur  15  Tonnen  Goldes  abhandeln  konnten,  so  dass  40  zu  bezahlen  blieben.  Den 
auf  dem  Schlosse  zu  Königsberg  versammelten  5  Mitgliedern  des  Herrenstaades, 
86  Edelleuten  aus  den  angesehensten  und  blühendsten  Adelshäusern  der  Zeit,  endlich 
6  Mitgliedern  des  Bürgerstandes,  von  denen  der  Bürgermeister  der  Altstadt  Königs- 
berg der  angesehenste  war,  eröffnete  der  Herzog,  dass  im  Falle  des  Gehorsams  und 
der  Bewilligung  der  Zahlung  der  Schulden,  „die  es  nicht  zu  grob  gemacht  und  sich 
zu  weit 'vertieft,  die  Gnadenthür  nochmals,  unverschlossen  sein";  im  entgegengesetzten 
Falle  aber  habe  er  Mittel  und  Wege  in  Händen,  seine  und  des  Königs  Autorität, 
Reputation  und  Hoheit  zu  schützen  und  zu  erhalten,  deren  er  sich  denn  auch  rück- 
sichtslos bedienen  werde. 

Am  16.  Juni  versprachen  die  97  Mitglieder  der  Stände  schriftlich,  Gehorsam 
zu  lebten  und  die  Zahlung  der  Schulden  zu  bewilligen.  Am  31.  März  des  nächsten 
Jahres  1586  wurde  dann  wieder  ein  Landtag  nach  Königsberg  berufen,  der  am  2.  Mai 
mit  dem  Landtagsabschiede  schloss:  „Hiemit  wollen  Ihre  fürstliche  Durchlaucht  Gott 
dem  Allmächtigen  für  verliehene  gnädige  Einigung  und  Vergleichung  gedanket  und 
dabei  gewünschet  haben,  dass  solche  zu  allerseits  beständiger  Wohlfahrt  gereichen 
und  lange  erhalten  bleiben  möge". 

Freilich  hätte  sich  der  Herzog  nicht  solchen  Triumphes  rühmen  können,  hätte 
nicht  der  polnische  König  zum  zweiten  Male  hinter  ihm  gestanden.  In  solchem  Sinne 
hatte  König  Stephan  Bathory  am  21.  Juni  1584  den  Anwälten  der  preussischen  Land- 
schaft, unter  welchen  nur  Wallenrodt  heimgekehrt  und  Friedrich  von  Perschken 
Platz  gemacht  hatte,  geantwortet  und  so  seine  Entscheidungen  erneuert. 

Nach  drei  Tagen,  am  5.  Mai,  verHess  der  Herzog  Preussen,  wo  er  sich  vom 
Jahre  1582  ununterbrochen  aufgehalten  hatte.  — 

Nur  nach  der  Kenntnisnahme  solcher  Vorgänge  kann  die  Darstellung  der  Ver- 
handlungen des  Königsberger  Landtages  im  Jahre  1594  eine  rechte  Würdigung  er- 
fahren. An  dieser  Stelle  scheint  es  angezeigt,  der  verdienstvollen  Arbeiten  unseres 
preussischen  Historikers,  des  Direktor  Toeppen,  zu  gedenken,  welche  über  die  preusa- 


Altertbumsgesellschaft  Prussia  1884.  477 

sehen  Landtage  im  16.  Jahrhundert  handelnd,  in  zwei  Jahrgängen  des  historischen 
Taschenbuches  von  Räumer  und  in  vier  Programmen  des  Hohensteiner  Gymnasiums 
veröffentlicht  sind. 

Die  früher  gegen  Brandenburg  gerichtete  Stimmung  ist  umgeschlagen  in  Freude 
und  Teilnahme  über  das  Familienglück  des  Fürstenhauses,  freilich  bleibt  doch  immer 
eine  kühle  Berechnung  der  Aussteuer.  Einen  Pracedenzfall  durch  die  Mitgift  der 
Prinzessin  Anna  von  Preussen  wollen  sie  nicht  für  die  Übrigen  Töchter  des  Herzogs 
Albrecht  Friedrich  schaffen,  wenn  sich  dieselben  auch  verloben  sollten.  Der  Stand 
der  Städte  weigert  sich  sogar  im  Anfang,  die  Summe  von  30,000  Gulden  zu  be- 
bewilligen, und  muss  selbst  die  Herzogin  Marie  Eleonore  die  drei  Bürgermeister  der 
drei  Städte  Königsberg  auf  das  Schloss  laden  lassen,  um  sie  zur  Zustimmung  zu  ver- 
mögen. Die  Oberräte  des  Markgrafen  hatten  genannte  Summe  an  Kosten  für  Aus- 
stattung des  fürstlichen  Schmucks,  der  Kleider,  der  Kleinodien,  andern  Aufwands, 
„nebenst  anderer  Ausfertigung"  zum  Heiratsgut  gefordert.  Als  dann  aber  nach  der 
Zusage  dieser  Summe  der  Markgraf  eine  neue  Forderung  stellte  in  Bücksicht  darauf, 
dass  er  wegen  Erhaltung  der  Jülich-Cleve-Berg'schen  Erbschaft  viel  Geld  habe  auf- 
wenden müssen,  dass  noch  andere  Unkosten  das  eheliche  Beilager  des  jungen  Fürsten- 
paares erfordern  würde,  wurde  dies  Gesuch  den  Oberräten  ohne  Entschuldigung  ab- 
geschlagen, indem  sich  •  die  Stände  darauf  beriefen,  dass  während  des  Landtags  nach 
dem  im  Jahre  1566  bestätigten  Privilegium  keine  neue  Forderung  gestellt  werden 
dürfe.  Und  Georg  Friedrich,  der  den  Ständen  noch  nicht  ihre  Privilegien  konfirmiert 
hatte,  liess  diese  Berufung  unangefochten  und  beschied  sich  bei  der  oben  genannten 
Summe  von  30000  Gulden. 

In  betreff  des  Modus  der  Vorlagen  der  Regierung  wurde  folgendes  eingehalten : 
Die  Forderungen,  welche  dem  zusammentretenden  Landtage  vorgelegt  werden  sollten, 
wurden  in  den  einzelnen  Aemtern,  von  denen  aus  die  Anordnungen  der  Wahl  ge- 
troffen wurden,  bekannt  gemacht,  „die  Proposition" ;  dann  erschienen  die  Abgeordneten 
mit  ihren  Vollmachten  am  häufigsten  in  Königsberg  „sterblicher  Läufe",  wie  es  heisst, 
oder  aus  politischen  Gründen,  um  die  Mitglieder  der  Stände  gefügiger  zu  haben,  in 
Rastenburg,  Heiligenbeil,  Saalfeld  ic.  In  Königsberg  wurde  im  Jahre  1594  wie  immer 
die  Ständeversammlung  auf  dem  Schlosse  gehalten,  wie  der  Markgraf  schreibt,  des 
»andern  Tages  um  8  Uhr  uff  unserm  fürstlichen  Hauss  im  grossen  Saal",  nachdem 
„gegen  Abends  gewisslich  und  unausbleiblich"  die  Mitglieder  zu  Königsberg  einge- 
kommen waren. 

Im  Beisein  des  Herzogs  oder,  wenn  derselbe  nicht  anwesend  war,  wie  in  diesem 
Fall,  da  der  Markgraf  Georg  Friedrich  von  Ansbach  und  von  Heilbrunn  aus  seine 
Schreiben  an  die  Oberräte  nach  Königsberg  richtet,  in  deren  Anwesenheit  wurde 
vom  Kanzler  die  in  den  Aemtern  bekannt  gemachte  Proposition  mündlich  verlesen. 
Es  erfolgte  nun  eine  eigentümliche  Verhandlung,  indem  die  Stände  sich  genau  von 
einander  getrennt  hielten.  Der  zuerst  in  Aktion  tretende  Stand  war  der  Herrenstand 


478  Kritiken  and  Referate. 

mit  den  Landräten,  ihnen  wurde  die  Proposition  schriftlich  übergeben.  Wollte  der 
Adel,  „die  ehrbare  Landschaft",  der  zweite  Stand,  oder  die  Städte,  der  dritte  Stand, 
eine  Abschrift  der  Proposition  haben,  so  musste  ausdrücklich  von  ihnen  darum  ge- 
beten werden.  Im  Falle  der  Gegenstand  der  Verhandlung  nicht  partikuläre  Inter- 
essen betraf,  unterblieb  ein  Schriftenaustausch  eines  Standes  mit  dem  andern  Stande, 
man  unterhandelte  mündlich  in  Ausschüssen  und  wartete  nicht  einmal  die  Bestätigung 
durch  die  Mitglieder  desselben  Standes  ab.  Die  Proposition  vor  zusammengerufenem 
Landtage  im  Jahre  1594  erfolgte  vor  den  Oberräten  ain  22.  April  —  am  6.  Mm 
übergaben  die  Abgesandten  der  Städte  ihre  Antwort  auf  die  den  4.  Mai  ihnen  münd- 
lich beigebrachte  Erklärung  der  Abgesandten  des  Adels,  wie  die  von  dem  Herzog 
geforderte  Summe  aufgebracht  werden  solle,  des  modi  contribuendi  halben.  Den  S.  Mai 
übergeben  die  Städte  ihre  endliche  Erklärung  und  den  16.  Mai  erfolgt  einer  ehrbaren 
Landschaft  von  allen  Ständen  sämtliche  Antwort  auf  fürstliche  Durchlaucht  Proposition. 

Weil  die  Pflngstfeiertage  dazwischen  fielen  und  mancher  der  Abgeordneten  häus- 
liche Pflichten,  wie  die  Wirtschaftsbestellung  zu  erfüllen  hatte,  so  erfolgte  eine  Ke- 
clusion  der  zur  Regierung  geordneten  Oberräte  nach  neuem  Zusammentritt  der  Ab- 
geordneten erst  den  27.  Mai,  worauf  eine  ehrbare  Landschaft  von  allen  Ständen  den 
1.  Juni  schriftlich  antwortete  und  an  demselben  Tage,  also  auch  den  1.  Juni,  auf 
ihre  übergebene  Schrift  eine  schliessliche  Antwort  von  den  Oberräten  erhielt.  Damit 
waren  die  Verhandlungen  aber  noch  nicht  geschlossen,  denn  den  8.  Juni  wurden 
einer  ganzen  ehrbaren  Landschaft  von  allen  Ständen  letzte  Bedenken  und  Supplika- 
tionen, darinnen  sie  etzliche  Punkte  abzuschaffen  und  fort  denen  von  Städten  zn 
übersehen,  übergeben,  der  fürstlichen  Regierung  überreichet.  Dieses  Libell  der  Be- 
schwerden, welches  der  Stand  der  Herren  und  des  niedern  Adels  der  fürstlichen 
Regierung  überreichte  und  nur  sieben  Punkte  umfasste,  nannten  sie  letzte  Bedenken 
und  Supplikationen. 

Die  Städte  Königsberg  nennen  ihr  Libell  Anliegen  und  Beschwerungen,  denen 
sie  gern  Abhelfung  sehen  wollten;  die  Altstadt-Königsberg  übergab  sechs  solcher 
Punkte  und  hinter  denselben  sieben  Punkte  Generalbeschwerung;  die  Stadt  Löbenicht- 
Königsberg  übergab  vier  Punkte.  Die  Stadt  Kneiphof-Königsberg  hatte  gegenüber 
der  Regierung  des  Markgrafen  Georg  Friedrich  nicht  in  Opposition  gestanden. 

Obwohl  diese  Supplikationen  noch  einen  reichen  Stoff  bieten,  ist  noch  einmal 
auf  die  Geldbewillung  der  Stände  an  die  fürstliche  Regierung  zurückzukommen. 

Nicht  nur  das  Heiratsgut  von  30000  Gulden  war  bewilligt  worden,  sondern 
auch  der  Rest  der  Schuldforderung  der  Handlungshäuser  Loitzen  &  Krakau,  kurzweg 
genannt  die  Loitzische  Schuldforderung.  Sie  betrug  22000  Gulden  und  1896  Gulden 
und  stammte  noch  aus  der  Zeit  von  1563  bis  1566.  Der  grösste  Teil  dieses  Geldes 
war  von  Herzog  Albrecht  dem  A eitern  aufgenommen  worden,  als  er  den  Königsberger 
Landtag  im  Jahre  1566  berufen  musste  und  den  SöldnerfÜhrer  Paul  von  Wobeser 
in  der  Nähe  von  Königsberg  mit  tausend  Reitern  lagern  hatte,  um  nach  dem  Tor- 


Alterthumsgeeellschaft  Prassia  1884.  479 

schlag  seiner  herzoglichen  Räte  Funk,  Sehneil,  Horst,  Steinbach  und  Scaliehins  den 
Widerstand  der  Stände  niederzuschlagen  und  ein  selbständiges  Regiment  zu  beginnen. 
In  seinen  jungen  Jahren,  als  Herzog  Albrecht  die  Opferfreudigkeit  der  Stände  noch 
rühmen  konnte,  hatte  der  aus  Franken  zu  ihm  nach  Preussen  herübergekommene 
Rat  Besenrode,  welcher  Burggraf  wurde,  einen  ähnlichen  Vorschlag  während  des 
Bauernaufstandes  gemacht,  starb  aber  noch  vor  der  beabsichtigten  Heerschau,  ver- 
möge deren  die  Ueberwältigung  erfolgen  sollte. 

Doch  wir  kehren  zurück  zum  Landtag  im  Jahre  1566.  Erst  dann  tritt  uns  die 
kräftige  Regierung  des  Markgrafen  Georg  Friedrich  entgegen,  wenn  wir  die  beiden 
Landtage  von  1566  und  1594  in  dem  Verhalten  zu  ihren  Fürsten  vergleichen. 

Herzog  Albrecht  muss  drei  seiner  auswärtigen  Räte  zum  Richtplatz  ohne  ge- 
bührend geführten  Prozess  abführen  sehen  und  darf  niemand  um  sich  haben  noch 
jemand  Zutritt  gewähren,  der  nicht  der  von  den  Ständen  eingesetzten  Regierung 
genehm  ist. 

Der  Markgraf  Georg  Friedrich  hat  trotz  der  von  dem  Adel  im  Jahre  1584  an 
dem  polnischen  Reichstag  geführten  Klagen  seine  fränkischen  Räte  behalten,  die 
Stände  gezwungen,  die  alte  Schuldforderung  zu  übernehmen,  kann  ohne  Sorge  wäh- 
rend seines  Aufenthalts  in  Ansbach  durch  seine  Oberräte  einen  Landtag  berufen 
lassen,  und  sieht  sich  von  einer  Deputation  desselben,  denn  die  Stände  hatten  eine 
solche  gewählt,  in  Ansbach  aufgesucht,  um  ihre  Supplikationen  dem  Markgrafen  zu 
überreichen.  Das  Kreditschreiben  ist  datirt  vom  9.  Juni,  so  dass  sie  also  bald  nach 
Schluss  des  Landtages  sich  auf  die  Reise  machten.  Die  Gesandten,  so  gering  sie  an 
Zahl  waren,  erhielten  von  ihren  Standesgenossen  die  ausdrückliche  Anweisung,  nur 
mit  Vorwissen  und  einhelliger  Beliebung  der  andern  Stände  etwas  vorzunehmen,  noch 
viel  weniger  soll  ein  Stand  dem  andern  etwas  zu  Schaden  und  Nachteil  suchen. 
Hierauf  thut  eine  ehrbare  Landschaft  von  allen  Ständen  den  Abgesandten  zu  ihrer 
Reise  und  guter  gewünschter  Expedition  von  Gott  dem  Allmächtigen  viel  Glück, 
Heil  und  Segen  wünschen,  den  lieben  Gott  bittende,  er  wolle  sie  mit  ihren  lieben 
Engeln  beleiten  und  ihn  mit  Gesundheit  hin  und  wieder  anhero  verhelfen.  So  lautet 
die  Instruction,  welche  von  den  Ständegenossen  mit  ihren  Petschaften  besiegelt  und 
eigenhändig  subscribiert  ist.  Die  Abgesandten  waren. Hansen  von  Tettau,  Friedrichen 
von  Hausen,  Rittmeistern,  Albrecht  von  Schlubuten,  Hofrat,  Otto  von  der  Groben, 
Ambrosius  Rohrmann,  Ratsmann  der  Altstadt-Königsberg  und  Christinus  Bergschlagen, 
Ratsschreiber  zu  Bartenstein. 

Die  letzten  Bedenken  und  Supplikation  einer  ganzen  ehrbaren  Landschaft  ent- 
hielten folgende  Punkte:  1)  dass  die  Haupt-  und  Amtsleute  eines  jeden  Amtes  ein 
Verzeichnis  des  in  dem  Amte  von  jedem  Krüger  verschenkten  Bieres  vierteljährlich 
an  den  Kreiskassen-Rendanten,  damals  Kastenherr  des  Kreises  genannt,  zuschicken 
sollten;  2)  die  Berechtigung  die  säumigen  Zahler  in  Betreff  der  Kreiskasse  des  Kastens 
jeden  Ortes  in  „Verstrickung"  zu  nehmen,  und  nicht  eher  von  statten  zu  lassen,  als 


480  Kritiken  und  Referate« 

bis  sie  den  „Kasten"  befriedigt;  3)  die  strengste  Handhabung  des  Mandats  gegen 
die  des  Hausirens  wegen  nmstreichenden  Schotten  mit  Ausschluss  derer  des  Ober- 
landes; 4)  ferner  dasjenige,  welches  gegen  die  Unzucht  erlassen  ist;  5)  die  Bückgabe 
der  Landtagsakten  vom  Jahre  1579  and  1584,  welche  bei  einer  Haussuchung  und 
Verhaftung  des  Antonio  von  Kohl  fortgenommen  seien,  wieder  in  die  Verwahrung 
einer  ehrbaren  Landschaft  zurückgelangen  zu  lassen;  6)  eine  Berücksichtigung  der 
Abgeordneten  der  Städte  Altstadt  und  Kneiphof  in  betreif  der  Landtagszehrung;  der 
siebente  Punkt  betraf  einen  Mann  in  persönlichen  Angelegenheiten. 

Unter  den  Anliegen  und  Beschwerungen  der  Städte  Königsberg  ist  das  erste 
Anliegen  der  Altstadt  von  allgemeinem  Interesse.  Dieselbe  bittet  dasjenige,  so  üir 
noch  ausständig,  vermöge  der  fürstlichen  Zusage  zu  restituieren.  Die  Altstädter  hatten 
nämlich  einen  fürstlichen  Bedienten,  Namens  Wilhelm  Wilde,  welcher  bei  einem 
öffentlichen  Gelage  auf  dem  Altstädtischen  Junkerhofe  einen  Bürger  schwer  verwandet 
hatte,  gefänglich  eingezogen  und  auf  fürstlichen  Befehl  nicht  herausgeben  wollen, 
indem  sie  sich  auf  ihr  erstes  Privilegium  beriefen.  Der  Markgraf  belegte  infolge 
dessen  durch  Sentenz  vom  11.  November  1583  die  Stadt  mit  einer  Geldstrafe  von 
20,000  ungarischen  Gulden.  Zur  Erlangung  derselben  zog  er  alle  der  Stadt  gehöri- 
gen Güter  an  Dörfern,  Aeckern,  Wäldern  ic.  ein  und  liess  die  grossen  Eichen  und 
Fichten  im  Wilky- Walde  niederhauen  und  zum  Bau  der  Westseite  des  Schlosses  ver- 
wenden. Die  starken  Balken  unter  der  Kirche  im  Portal  zeugten  bis  1861  unbe- 
kleidet noch  von  der  Stärke  der  dazu  gefällten  Bäume.  Zur  Krönungsfeier  im  ge- 
nannten Jahre  wurde  die  Decke  auch  dieses  Portals  mit  Gyps  verkleidet.  Erst  löN) 
nach  vielen  kostspieligen  Verhandlungen  am  polnischen  Hofe  ward  diese  Irrung  bei- 
gelegt. In  dieser  ersten  Supplikation  bitten  die  Altstädter,  dass  die  Restitution 
vollkommen  und  in  integrum  geschehen  möchte.  Dann  was  ihre  fürstliche  Durch- 
laucht aus  den  Dörffern  an  Zinsen  und  Nützungen,  also  auch  an  Pfundzoll,  die  Zeit 
sie  es  innegehabt,  eingenommen  und  empfangen,  davon  ist  der  Stadt  nichts  noch 
zur  Zeit  wieder  worden. 

Der  zweite  Punkt  betrifft  die  Wiederherstellung  einer  Schleuse  an  dem  Teich 
auf  den  Hüben  hinter  dem  Oberteich,  durch  deren  Baufälligkeit  von  den  Zeiten  der 
Regimentsräte  an,  der  Stadt  ein  bedeutender  Schade  an  abgeflossenem  Wasser  und 
fortgeschwommenen  Fischen  entstanden  sei. 

Der  dritte  Punkt  betrifft  die  Bitte  um  Abstellung  des  grossen  Schadens,  welchen 
das  Freiwasser  bereitet,  welches  aus  den  herzoglichen  Teichen  durch  den  Altstädti- 
schen Rossgarten  nach  dem  Pregel  und  dem  Haffe  zufliesst. 

Ihre  vierte  Bitte  ist  die  obrigkeitliche  Feststellung  der  Grenzen  des  Land- 
besitzes der  Städte  Altstadt  und  Löbenicht  zwischen  dem  Dorfe  Beydritten  und  der 
fürstlichen  Ziegelscheune  auf  dem  Tragheim,  da  die  von  den  Obrigkeiten  beider  Städte 
allein  aufgerichteten  Grenzzeichen  nicht  volle  zwei  Tage  gestanden  hätten,  die  Grenz- 
pfähle ausgehoben  und  die  Stadtwappen  verächtlich  nach  unten  gekehrt  wären, 


Alterthumsgesellachaft  Prussia  1884.  4g  \ 

Fünftens  bitten  die  Altstädter,  dass  die  Hofdiener  auch  zur  Contribution  bei- 
tragen mochten. 

Das  Anliegen  im  sechsten  Punkte  erinnert  an  eine  Beschwerde  der  Altstädter 
auf  dem  Landtage  von  15G6.  Damals  fürchteten  die  Altstädter,  dass  Herzog  Al- 
brecht, der  sich  einen  hölzernen  Gang  von  dem  Schloss  nach  der  jetzt  abgebrochenen 
Altstädtischen  Kirche  zum  bequemeren  Kirchgang  bei  abnehmender  Gesundheit  er- 
bauen liess,  zur  Ueberfuhrung  von  Bewaffneten  benutzen  könnte,  um  die  Stadt  zu 
vergewaltigen.  Jetzt  1594  klagen  die  Bürger  der  Altstadt,  dass  die  fürstliche  Re- 
gierung eine  ungewöhnliche  Mauer  auf  der  Stadt  Grand  und  Boden  erbauet  (1593), 
nachdem  sie  einige  Jahre  früher  ebenso  ein  Thor  erbaut  und  die  fürstliche  Freiheit 
habe  anmalen  lassen. 

Der  7.— -14.  Beschwerdepunkt  trägt  die  Ueberschrift  „Generalbeschwerungen". 
Sie  betreffen,  der  siebente:  das  Schankwerk,  das  häufige  Bierbrauen  auf  dem  Lande 
und  Verlegung  der  Krüge;  der  achte:  die  Veröffentlichung  der  Landesordnung  des 
köhnischen  Rechtes,  kurzweg  der  Kolm  genannt.  Im  neunten  Punkt  erbitten  die 
Stadt  Kneiphof  in  einem  speziellen  Fall,  die  beiden  andern  Städte  im  allgemeinen, 
dass  von  ihnen  eine  freie  Wahl  gehandhabt  werden  dürfte. 

Das  zehnte  Anliegen  nimmt  wegen  der  Klage  über  die  Konkurrenz  der  Stadt 
Meine!  und  Libau  in  Bezug  auf  den  Handel  ein  besonderes  Interesse  in  Anspruch, 
Die  drei  Städte  Königsberg  beklagen  6ich,  dass  „Lübische,  Niederländische  und 
andere  fremde  Lieger  und  Gesellen  in  Sameiten,  Littauen  und  sonsten  reisen,  allda 
aüerley  an  Wahren,  Flachs,  Hanf,  Leder,  Wachs,  Talck,  Fleisch  auch  bey  grossen 
vielen  Lasten  Dorsch  und  dergleichen  an  sich  schlagen  und  kaufen,  und  dann  solches 
zur  Seewärts  außiuhren  und  wegschiffen  sollen,  dadurch  dann  grosse  Teurung  durch's 
gantze  Landt  geursacht  wird".  Sie  haben  auch  gehört,  dass  „wo  die  Anfahrtung 
und  Anlandung  aus  der  See  geschehen  könnte,  Baaken  aufs  Landt  gesetzet  und  auf- 
gerichtet werden".  „Die  alte  hochseelige  fürstliche  Durchlaucht  habe  bei  ihrem 
Leben  und  Regierung  nicht  gewolt,  noch  gerne  gesehen,  dass  das  Tieff  zur  Memmel 
jederman  sonderlich  dem  Frembden  bekandt  werden  solte  und  solchen,  umb  der 
Vesten  des  Ohrts  willen,  derwegen  dan  biß  nunher  keine  Baaken  gesetzet  noch  See- 
thonnen  gelegt  werden  müssen,  solte  nun  und  zu  diesen  Zeiten  solches  frey  sein,  die 
Baaken  gesetzt  und  ein  jeder  das  Tief  und  eingefahrt  geweiset  und  bekandt  gemacht 
werden,  was  wurde  anders  daraus,  als  eine  Aufhebung  und  Verhöhnung  geringer 
Städte,  und  eine  Zerstörung  und  Untergang  großer  Städte,  sonderlich  der  alten  be- 
hörigen Niederlage  zu  Königsberg,  wir  wollen  geschweigen  der  gefahr,  so  furstl.  Dhl. 
selbsten  und  dem  gantzen  Lande  daraus  entstehen  möchte,  folgen". 

Punkt  11  spricht  gegen  die  neue  Mühlenordnung  in  Bezug  auf  den  Mühlschreiber, 
Punkt  12  ebenso  in  Bezug  auf  den  Mahlzwang,  im  Punkt  13  bitten  sie  um  ein  Ver- 
bot an  die  Amtleute,  dass  sie  Gerste,  Hopfen  und  anders  Getreide,  auf  das  sie  eine 
Anzahlung  gegeben,  von  den  Bauern  nicht  den  Bürgern  vorweg  kaufen  dürften.    In 


482  Kritiken  und  Referat«. 

Beschwerde  14  beklagen  sie  ach  über  den  Mangel  an  Bau-  and  Brennholz  in  Folge 
der  Neuen  forstlichen  Verordnungen. 

Fünfzehntem  verklagen  sie  den  frembden  Kauffmann  und  nicht  wehenden  Bürger 
Hans  Rendorff,  die  Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  der  drei  Städte  überschritten 
zu  haben. 

Die  Stadt  Löbenicht  bringt  4  Beschwerden  vor,  die  nichts  wesentlich  neues 
mehr  enthalten. 

Die  Antwort  der  Oberräte  auf  die  Beschwerden  in  den  einzelnen  Punkten  nui 
annähernd  zu  berühren,  ist  nicht  in  Kürze  möglich,  wohl  aber  noch  zu  erwähnen, 
dass  die  fürstliche  Regierung  in  einer  besondern  Schrift  dagegen  protestierte,  das 
der  Wittib  und  den  Kindern  des  geächteten  Friedrich  Aulacken  4000  Mark  aas  dem 
gemeinen  Landeskasten  nicht  solten  gefolget  werden,  wie  sie  ihnen  von  einer  ehr- 
baren  Landschaft  gewilligt  waren. 

Friedrich  Aulack  war  das  einzige  Mitglied  der  Städte  der  Landschaft,  das 
Georg  Friedrich  von  seiner  Amnestie,  die  er  im  Jahre  1586  den  ungehorsamen  Ständen 
verhies8,  ausschloss,  und  dem  er,  nach  seinem  Ausdruck,  das  Gnadenthor  nicht  öffnete. 
Er  erwähnte  nur  vorläufig,  dass  er  „hochnothdränglich  verursacht  sei,  gegen  Aulack, 
der  vielfach  wider  Ehre,  Eid  und  Gewissen  ihn  und  seine  Räte  auf's  höchste  defa- 
miert,  verkleinert  und  injurirt,  auch  allerlei  verräterische  diesen  Landen  und  Leuten 
hochgefährliche  Consilia,  wie  fürstliche  Durchlaucht  aus  der  Regierung  zu  heben,  hin 
und  wieder  gehalten"  peinlich  klagen  zu  lassen.  Friedrich  von  Aulack  hatte  gchon 
auf  dem  öfters  genanten  „langen"  Königsberger  Landtag  im  Jahre  1573  eine  her- 
vorragende Rolle  gespielt  und  war,  trotzdem  die  streng  lutherische  Kirche  den  Sieg 
davon  trug,  obwohl  er  Calvinist  war,  in  bedeutendem  Ansehen  geblieben.  In  dieser 
Zeit  der  Regimentsräte  während  der  Unmündigkeit  des  Herzog  Albrecht  Friedrich 
hatte  der  bedeutendste  derselben,  der  Kanzler  Hans  von  Kreutz  von  seinen  Freunden 
den  ehrenden  Beinamen  des  Cicero  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Catilinariscbe 
Verschwörung,  deren  Führer  Friedrich  von  Aulack  war,  erhalten.  Ihn  hat  die  Land- 
schaft öfter  als  Syndikus  erkoren,  er  musste  aber  zeitweise  von  den  Landtagsrer- 
handlangen  fern  bleiben,  weil  ihn  der  Bischof  Hesshusius  von  Samland  als  Calviafeten 
und  wegen  seiner  Bekenntnisschrift,  die  er  auf  dem  Rastenburger  Landtag  übergeben 
hatte,  am  23.  Januar  1575  in  den  Bann  that,  als  die  unterbrochenen  Landtags- 
Sitzungen  wieder  aufgenommen  wurden.  Seine  Fernhaltung  währte  nur  kurze  Zeit,  und 
der  Kanzler  von  Schack  bekannte,  dass  Leute  wie  Aulack  im  Lande  nicht  wären; 
wenn  der  sich  mit  dem  Bischof  versöhnte,  wolle  er  ihm  fortan  sein  Amt  übergeben. 
Friedrich  von  Hausen,  Hauptmann  von  Fischhausen,  durfte  nicht  früher  das  Barg- 
grafenamt übernehmen,  als  bis  er  jedes  Umgangs  mit  Friedrich  von  Aulack  trotz  der 
Verwandtschaft  entsagt,  und  die  Erklärung  abgegeben  hatte,  weil  ich  aus  Gottes 
Wort  soviel  Bericht  erlanget,  dass  ich  mit  Friedrichen  Aulacks  Conversation  gesündigt, 
als  ist  mir's  leid  und  will  es  meinem  lieben  Gott  gern  abbitten. 


Alterthumsgetellschaft  Prnssia  1884.  4g  g 

Als  Markgraf  Georg  Friedrich  in  die  Regierungsgeschäfte  Preussens  einzugreifen 
Gelegenheit  fand,  wurde  ihm  Aulack  als  einer  derjenigen  genannt,  den  er  zuerst  fern- 
zuhalten suchen  müsse.  Im  Jahre  1582  war  Aulack  der  Fuhrer  der  Gesandtschaft, 
welche  die  ganze  ehrbare  Landschaft  von  allen  Ständen  als  Klägerin  wegen  Miss- 
achtung ihrer  Privilegien  durch  den  Herzog  nach  Polen  entsandte.  Aulack  war  hier 
veiter  gegangen,  als  die  zwei  anderen  Bevollmächtigten  Eulenburg  und  Dehle,  indem 
er  in  einer  Bede  nachweisen  wollte,  dass  Georg  Friedrich  das  Lehen  verwirkt  habe. 
Da  Aulack  sich  der  Verfolgung  durch  Gewappnete,  Reisige  und  Bauersleute  zu  ent- 
ziehen vermochte,  so  wurden  in  seinem  Hause  seine  alte  Mutter,  seine  Gattin  und 
selbst  seine  zarten  Kinder  nicht  verschont,  und  seine  Güter  konfisciert,  wie  der  Ver- 
folgte klagt. 

Aulack  ist  ein  Vorgänger  Kalksteins  im  17.  Jahrhundert.  Aulack  stirbt  aber 
im  Auslande  und  hat  noch  die  Eigenschaft,  dass,  trotzdem  er  Calvinist  ist,  er  die 
echt  lutherische  Landschaft  Preussen  in  Polen  vertritt. 

Dies  lasst  sich  nur  durch  die  grosse  Erbitterung  erklären,  die  im  Jahre  1585 
und  1586  gegen  den  Markgrafen  Georg  Friedrich  in  Preussen  herrschte. 

Wie  er  selbst  dies  empfand,  lasst  er  durch  seine  Räte  an  den  Rat  der  Altstadt 
Königsberg,  als  derselbe  eine  herzogliche  Visitation  hinauszuschieben  weiss,  in  dem 
Post8kriptum  eines  Schreibens  kundthun,  in  welchem  es  heisst: 

„dass  in  den  gemeinen  Zusammenkünften,  sonderlich  allhier  auf  dem  alt- 
städtischen Rathhause  durch  allerlei  gewaltsame  Bedräuung  mit  Zufugung 
allerlei  Spotts  und  Unglimpfs,  letzlich  auch  mit  Thürzuschliessen  und  mit 
Fensterhinauszuwerfen  und  dergleichen  gewaltigen  Handanlegungen  gute 
wohlmeinende  Leute  in  ihrem  Votiren  und  Wohlmeinen  verhindert  würden, 
welches,  wo  es  so  wäre,  vielmehr  einem  gemeinen  Aufruhr  und  einer 
Mördergrube  als  freiwilligen  heilsamen  Rathschlägen  und  Rathhäusern 
ähnlich  sehe". 
Auch  folgendes  Pasquill  wird  von  der  gegen  den  Markgrafen  erbitterten  Stim- 
mung Zeugnis  ablegen: 

Fides  ist  geschlagen  tod, 
Justitia  liegt  in  grosser  Noth, 
Pietas,  die  liegt  im  Stroh, 
Humüitas  schreit  Mordio, 
Superbia  ist  auserkoren, 
Patientia  hat  den  Streit  verloren, 
Veritas  ist  gen  Himmel  geflogen, 
Treu  und  Ehr  über  Meer  gezogen, 
Frömmigkeit  laset  man  betteln  gähn, 
Tyrannis.  sitzt  jetzt  oben  an, 
Invidia  ist  worden  los. 


484  Kritiken  and  Referate. 

Charitas  erkalt  und  bloss, 
Tagend  ist  Lands  vertrieben, 
Bosheit  und  Meuterei  darin  geblieben, 
Sei  es  Gott  geklaget. 

Kehren  wir  noch  einmal  kurz  auf  die  kirchlichen  Verhältnisse  Preussens  zurück, 
so  ist  in  der  Forderung  aller  drei  Stände,  wie  sie  1590  und  1594  gestellt  wurde: 
„Besetzung  der  Bistümer,  damit  ein  christliches  Wesen  wieder  Herrschaft  gewinnt"', 
nur  ein  Vorwand,  um  das  Fundament  der  ständischen  Privilegien  nicht  verkleinern 
zu  lassen.  Markgraf  Georg  Friedrich  dachte  ausserordentlich  ernst  über  die  Visitationen, 
wie  er  es  in  folgendem  Schreiben  kund  that: 

„Es  sei  beschwerlich  und  schädlich,  dass  Privatpersonen  der  Visitation  bei- 
wohnen; sie  gebühre  dem  Fürsten,  seinen  Bäten,  der  Herrschaft  und  der  Ritterschaft1'.  - 

Nach  dem  Tode  des  Bischof  Wigand  im  Jahre  1587  Hess  der  Markgraf  fr 
beiden  Bfcchofstellen  eingehen  und  setzte  an  deren  Stelle  die  beiden  Konsistoritf 
als  fürstliche  Landes-Kollegien,  indem  er  ihnen  die  Gerichtsbarkeit  über  die  Gräß- 
lichkeit in  Civilsachen,  die  Aufsicht  über  die  Universität  und  die  Censur  der  im 
Herzogtum  erscheinenden  Schriften  entzog. 

Die  Bitte  um  Besetzung  der  Bistümer  war  die  einzige  Forderung  des  erstes 
Standes  der  Herren  im  Jahre  1594 :  bei  der  ersten  Beratung  über  die  Aussteuer  <te 
fürstlichen  Fräuleins  Anna  hatte  derselbe  Stand  aber  nicht  eine  hinweisende  Be- 
merkung auf  den  Lehnsherrn  in  Polen  und  die  dort  herrschenden  Gebräuche  unter- 
drücken können. 

In  der  Proposition  war  die  Aussteuer  für  die  Prinzessin  Anna  durch  den  Ja 
allen  Landen"  herrschenden  „gebrauch,  do  die  E.  LandtscharTt  von  Lande  und  Stadt 
allenthalb  zu  Ihrer  gebohrne  Fürstin  und  Fräulein  ausstattung  und  Ehesteuer  Ihn 
Eltern  und  versorger  eine  Zulage  und  hülffe  thun",  motiviert. 

Hierauf  äusserten  sich  Bitterschaft  und  Adel  mündlich  durch  Hans  AuerswaM: 
„der  Gebrauch  anderer  Fürstentümer  kümmere  die  Stände  Preussens  nicht,  denn 
Preussen  sei  in  Polen  inkorporiert,  in  Polen  aber  sei  solche  Ausstattung  nicht  ge- 
bräuchlich". 

Die  Erinnerungen  an  die  Preussische  Oligarchia,  die  Zeit  der  Regimentsräte 
von  1566—1578,  die  so  erst  nach  dem  Tode  des  Herzog  Albrecht  genannt  wurde, 
aber  es  schon  vorher  war,  verblieben  noch  dem  ersten  und  zweiten  Stande:  dass  aus 
ihnen  ein  Gubernator  hätte  gewählt  werden  können,  hatte  im  Bereich  der  Möglich- 
keit gelegen;  der  Stand  der  Städte  hatte  1577  die  Initiative  für  die  Uebernahm? 
der  Regierung  durch  den  Markgrafen  Georg  Friedrich  ergriffen. 

Nach  dem  Tode  dieses  kraftvollen  Fürsten  i.  J.  1603  blieb  dieselbe  Hinneigrog 
des  Adels  für  Polen,  der  i.  J.  1606  vergeblich  Otto  v.  d.  Groben  zu  Sigismond  d«a 
Dritten  schickte,  um  dem  preussischen  Adel  die  Rechte  des  polnischen  zu  verschaffen, 
welches  der  polnische  Lehnsherr  aber  nicht  that. 


Alterthumsgesellschaft  Prussia  1884.  485 

Unter  diesen  Verhältnissen  ist  es  erklärlich,  dass  der  Kurprinz  Johann  Sigis- 
mund  auf  die  Nachricht,  dass  seine  Schwiegermutter,  die  Gemahlin  des  Herzogs 
Albrecht  Friedrich,  gestorben  wäre,  von  seinem  Vater,  dem  Kurfürsten  Joachim  Friedrich, 
nach  Preussen  geschickt,  seine  begonnene  Reise  in  unsere  Provinz  weiter  fortsetzte, 
trotzdem  er  unterwegs  den  bald  nach  der  Abreise  eingetretenen  Tod  seines  Vaters  erfuhr. 

Seine  Anwesenheit  in  Preussen  war  notwendiger  als  in  der  Mark  Brandenburg. 
[Sitzgsber.  d.  Altertumsges.  Pr.  im  40.  Vereinsj.  Nov.  1883/84.  S.  36-48.] 

Sitzung  von  16.  Mai  1884.  Rittergutsbesitzer  Lorek  auf  Popelken  giebt  über 
die  bisherigen  Untersuchungen,  die  er  und  Professor  Hey  deck  über  den  Pfahlbau  zu 
Bonslack,  Kreis  Wehlau,  gemacht,  nachdem  der  Besitzer  dieses  Terrains,  Baron 
v.  Keudell  auf  Bonslack,  dazu  freundlichst  die  Erlaubniss  ertheilt,  Bericht.  Ein 
Bindewerk  von  Birkengeflecht  zwischen  einzelnen  Pfählen  ist  hier  zuerst  bei  einem 
ostpreussifichen  Pfahlbau  konstatirt  worden.  Ein  Schlegel  aus  Holz  und  siebartige 
Gefässscherben  aus  Thon  zum  Käsemachen  sind  die  einzigen,  aber  auch  seltenen  Funde 
in  diesem  Pfahlbau,  da  die  Untersuchung  des  auf  dem  Wasser  fast  schwimmenden 
Moorbodens  ausserordentlich  erschwert  und  behindert  wird.  —  Hierauf  legt  derselbe 
Vortragende  Ergänzungsfunde  für  das  Gräberfeld  zu  Popelken  und  Iinten  vor.  Es 
sind  Beisetzungen  von  Leichenbrand  in  Urnen  unter  einfacher  und  mehrfacher  Stein- 
packung, denen  Beigaben  aus  Bronze  und  Eisen  aus  den  Christi  Geburt  folgenden 
Jahrhunderten  beigefügt  sind.  Besonders  reichhaltig  erwies  sich  ein  neugefundenes 
Gräberfeld  auf  der  sog.  „Palwe"  in  Popelken,  in  welchem,  wenn  auch  nicht  alle 
Urnenbeisetzungen  Beigaben  enthielten,  einige  mit  sehr  reichen  und  seltenen  ausge- 
stattet waren.  Zum  Schluss  seines  Berichtes  übergiebt  Rittergutsbesitzer  Lorek  Ge- 
schenke des  Rittergutsbesitzers  Ger  lach  auf  Friedrichsthal,  Kr.  Wehlau,  unter  denen 
sich  seltene  Bronzen  bei  einer  Pferdebestattung  des  älteren  Eisenalters  fanden.  — 
Hierauf  hielt  Dr.  Bujack  einen  Vortrag  über  die  Ordensstadt  Neidenburg  nach  dem 
in  Marienwerder  in  der  Kanter'schen  Hof  buchdruckerei  unter  dem  obigen  Titel  1883 
erschienenen  Buche  des  preussischen  Oberst  a.  D.  Julius  Gregorovius.  Der  Ver- 
fasser, in  Neidenburg  geboren,  hat  so  schöne  Jugendjahre  in  seinem  Elternhause  and 
seiner  Vaterstadt  verlebt,  dass  er  diese  Arbeit  als  eine  Pflicht  der  Pietät  nicht  nur 
gegen  seinen  um  die  Erhaltung  des  Neidenburger  Schlosses  hochverdienten  Vater  und 
gegen  seine  über  300  Jahre  in  Masuren  in  nachweisbarer  Amtsthätigkeit  lebende  Fa- 
milie, sondern  auch  gegen  seine  Vaterstadt  ansieht.  Als  Knabe  selbst  Zeuge  gewesen, 
wie  das  Neidenburger  Schloss  seine  Wiederherstellung  auf  Antrag  des  Oberpräsiden' 
ten  v.  Schön  erhielt,  hat  der  Verfasser  die  Über  den  Bau  des  Ordensschlosses  auf- 
behaltenen Nachrichten  zu  einer  anziehenden  Darstellung  zu  vereinigen  gewusst.  Nicht 
minder  plastisch  tritt  das  Bild  der  Ordensstadt  Neidenburg  in  ihren  rechteckigen 
Umfassnngs-Mauern  und  Gräben  und  in  ihrer  späteren  Erweiterung  hervor.  Für  die 
Eingesessenen  des  Kreises   und   für  die  Einwohner  der  Stadt  Neidenburg  haben 


486  Kritiken  und  Referate. 

Gregorovius'  Vorarbeiten  in  einseinen  Aufsätzen  im  Kreisblatte  schon  grosses  Inter- 
esse gehabt,  wie  viel  mehr  werden  sie  Sun  nicht  auch  Dank  wissen  für  die  Ausffihroog 
im  Detail,  wie  es  auch  alle  Diejenigen  thun,  welche  unsere  Provinzialgeschichte  mit 
Interesse  verfolgen.  Der  Vortragende  gab  nach  dieser  allgemeinen  Uebersicht  Böder 
aus  den  einzelnen  Perioden  der  Geschichte  Neidenburgs,  musste  aber  mit  dem  plötz- 
lichen Abzüge  der  Tartaren  von  Neidenburg  im  Jahre  1656  wegen  der  noch  tnbe- 
raumten  General- Versammlung  abbrechen.  Es  unterblieb  auch  die  Vorlegung  <kr 
reichlich  eingegangenen  Geschenke  und  neuen  Erwerbungen.  —  Die  sich  zur  General- 
Versammlung  konstituirende  Versammlung  nahm  den  Kassenbericht  des  Schatzmeister: 
Kaufmann  Ballo  pro  1883  entgegen,  ertheilte  Decharge  auf  den  von  den  Reviaura 
Stadtrath  Wark entin  und  Hauptmann  Ephraim  gestellten  Antrag,  wählte  sodam 
zum  Stellvertreter  des  Schatzmeisters  in  den  Vorstand  den  Bildhauer  und  Fabrikbe- 
sitzer Eckart  und  zum'  Ehrenmitgliede  den  Gymnasial-Direktor  Toppen  in  Elbmg 

[Ostpr.  Ztg.  v.  22.  Juni  1884.  No.  144.  (Beil.)] 

SHZMf  VM  20.  Juli  1884.  In  der  letzten  Sitzung  vor  den  Ferien  kam  zoerct 
ein  Aufsatz  des  Superintendenten  Dr.  Gebauer  „Das  Kaiserdenkmal  bei  Medenu. 
Ein  Erinnerung  aus  dem  Samlande",  zum  Vortrage.  Dem  Verfasser  konnte  dieselbe 
leicht  werden,  da  er  seit  einem  halben  Jahrhundert  seine  Amtstätigkeit  im  Sam- 
lande hat  und  ausserdem  es  in  antiquarischer  und  historischer  Beziehung  darzustdlei 
wusste.  Gern  gedachte  er  der  Führerschaft  des  hochseligen  Königs  auf  dessen  An* 
-flug  in  das  Samland  im  Jahre  1840,  und  des  Momentes  des  Aufenthalts  unsere» 
Kaisers  in  der  Nähe  von  Medwau»  als  er  sich  1879  von  dem  Manöverterrain  nach 
der  Stelle  des  Gutes  Medenau  fahren  liess,  wo  er  als  Kind  geweilt  hatte.  Ancb  der 
Besuch  des  Samlandes  durch  den  Kronprinzen  im  Jahre  1863  wurde  mit  der  Errich- 
tung des  Denkmals  in  Adl.  Medenau  in  anziehender  Weise  in  Beziehung  gebracht. 

Ferner  sprach  Hauptlehrer  Matthias  über  „die  Gräber  der  heidnischen  Ulti- 
mos auf  der  Westküste  Grönlands",  mit  den  eingehenden  dänischen  Berichten  ver- 
traut, wies  aufs  Ueberzeugendste  die  Analogien  dieser  Bestattung  mit  derjenigen  der 
prähistorischen  Zeit  nach,  und  zeigte  gewisse  Punkte  dieser  Bestattungsweise,  die 
sich  trotz  des  kurz  verflossenen  Zeitraums  nicht  mit  evidenter  Sicherheit  feststellen 
lassen.  —  Zum  Schrass  legte  der  Vorsitzende  folgende  Geschenke  und  Ankäufe  fr 
das  Museum  vor,  und  zwar  zur  prähistorischen  Abtheilung:  einen  rechteckig  mg?- 
schlitfenen  Stein  zum  Anschlagen  des  Feuerstahls,  gef.  zu  Ffirstenau,  Kr.  Bastenborg, 
und  geschenkt  von  Gutsbesitzer  Nebelung;  einen  Schleifstein  in  Stabform  aus  heid- 
nischer Zeit,  gef.  in  Dorben,  Kr.  Königsberg,  geschenkt  von  stud.  Both;  eisen  durch* 
lochten  Steinhammer,  gef.  zu  Boschehnen,  Kr.  Fischhausen,  geschenkt  von  Frau 
Hellbar  dt,  und  einen  ähnlichen,  gefunden  am  Fusse  des  grossen  Hausen  bei  G#- 
mau,  Kreis  Fischhausen,  geschenkt  von  Dr.  Bujack.  Gekauft  wurden  silberne  Arm- 
ringe des  älteren  Eisenalters,  gef.  bei  Kiwitten,  Kr.  Heilberg,  und  BernsteinperieD, 
gef.  bei  Heydekrug,  Kreis  Fischhausen.    Zur  Abtheilung  mittelalterlicher  Gegenstände 


'jr^-v, 


AltertbamfgeeelUchaft  Pmtsim  1884.  4g  7 

schenkte  Rittergutsbesitzer  Valentini  auf  Heinriettenhof,  Kreis  Pr.  Eylau,  einen 
bronzenen  Schlüssel,  gefunden  im  Schutt  des  alten  Ordensschlosses.  Zur  Sammlung 
von  Gegenständen  des  17.  bis  .19.  Jahrhunderts  wurden  gekauft  Delfter  Schüsseln, 
Steinkrüge  und  Zinnseidel,  alte  Stickereien  und  ein  grosser  Schildpattkamm  indischer 
Arbeit,  wie  er  noch  zu  Anfang  unseres  Jahrhunderts  in  Deutschland  getragen  wurde, 
und  geschenkt  von  Frau  L.  Pilkowski;  ein  Bijouterieschränkchen  aus  Hole  mit 
Bildhauerarbeit.  Zur  Münzsammlung  schenkten  Superintendentent  Dr.  Gebauer  eine 
Serie  Münzen,  die  zum  kleineren  Thefle  antike  und  mittelalterliche,  zum  grösseren 
Theil  jüngere  sind.  Kaufmann  W.  Szittnick  die  preussische  Huldigungsmfinze  vom 
Jahre  1786.  Zur  Bibliothek  schenkte  Superintendent  Dr.  Gebauer  eine  Anzahl  Bücher, 
unter  denen  wir  nur  die  preussische  Chronik  von  Lukas  David  und  die  Soldaten 
Friedrichs  des  Grossen  von  Lange  und  Menzel  hervorheben.  Die  kleine  ethnographische 
Abtheilung  des  Museums,  welche  der  Vergleichung  halber  eingerichtet  ist,  wurde 
durch  eine  freundliche  Zusendung  unseres  Landsmannes  William  Hellbar  dt  in 
Asuncion  in  Paraguay  durch  folgende  Gegenstände  bereichert:  durch  einen  MatteVTopf, 
aus  einem  in  Paraguay  wachsenden  Kürbis  gearbeitet,  sammt  Matte-Thee  und  einer 
Röhre  mit  siebartigem  Ende  zum  Aufschlürfen  des  Thees,  durch  eine  Tabakspfeife 
der  Paraguayer  und  einige  Spitzen,  von  der  Hand  der  geschickten  Guaranis  gear- 
beitet, die  seiner  Zeit  von  Jesuiten  in  Paraguay  gelehrt  wurde. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  1.  Okt.  1884.  No.  230.  (Beil.)] 
Sttamj  vm  19.  Septeaber  1884.  „Simon  Dach  und  der  Königsberger  Dichter- 
kreis" war  auf  der  Tagesordnung  der  erste  Vortrag;  den  Herr  Buchhändler  F.  Neu- 
mann hielt.  Dieser  oft  besprochene  Dichter  unserer  Vaterstadt  in  seinem  Freundes- 
kreise erfuhr  nach  den  in  den  letzten  Jahren  Über  ihn  und  seine  Familie  erschienenen 
neuen  Werken  eine  zusammenfassende  Darstellung,  welche  ebenso,  wie  der  darauf 
folgende  Bericht  des  Dr.  Bujack  über  einige  Landwehren  der  Kreise  Alienstein,  Or- 
telsburg  und  Neidenburg  in  der  Vereinsschrift  veröffentlicht  werden  wird.  Aus  dem 
erst  genannten  Kreise  hob  der  Vortragende  die  Umwallung  des  Gutes  Wallen,  vor 
Zeiten  im  Besitz  des  Bischöfe  von  Ermland,  hervor.  Die  Kopie  einer  alten  Karte 
dieses  Gutes,  welche  der  zeitige  Besitzer,  Herr  v.  Palmowsky,  freundlich  gestattete, 
die  Besichtigung  der  Ueberreste  der  alten  Landwehr  und  die  Nachrichten  über  die 
Beschaffenheit  der  behufs  Einackerung  niedergerissenen  Landwehren  vervollständig- 
ten das  Bild  über  diese  alten  Befestigungswälle,  die  zur  Abwehr  des  von  Osten  ein- 
fallenden Feindes  errichtet  waren.  Der  nicht  weit  davon  in  demselben  Kreise  liegende 
Längswall  bei  Nerwick  umschUesst  das  Ostende  eines  See's  und  erweist  die  Zeit,  in 
der  solche  Ueberfalle  gewöhnlich  stattfanden,  nämlich  im  Winter.  Denn  war  erst 
die  Eisfläche  erreicht,  so  konnten  die  Feinde  alle  anliegenden  Gebiete  um  so  leichter 
bewältigen,  wie  es  im  Jahre  1370  beim  Einfall  der  Littauer  in's  Samland  geschah, 
nachdem  sie  durch  die  Landwehren  (totlich  vom  kurischen  Haff  ohne  Mühe  hindurch 
gekommen  waren.    Im  Kreise  Orteisburg  zeigt  der  Längswall  im  Westen  der  Kot- 


4g8  Kritiken  and  Referat«. 

peller  Forst,  welcher  sich  auch  in  der  Nähe  eines  See's  nach  Johannisthai  zu  zieht, 
wie  der  Feind  von  der  Betretung  der  See'n  abgehalten  werden  sollte.  Es  hat  dieser 
Längswall  aber  noch  darum  ein  Interesse,  weil  er  in .  der  Nähe  eines  alten  Borgwalls 
ansetzt,  eines  beliebten  Vergnügungsortes  der  Ortelsburger.  Derjenige  Längswall, 
welcher  wegen  eines  Durchgangs,  dann  aber  auch  wegen  des  sichern  Zeugnisses  für 
die  Altersbestimmung  der  Herstellung  derartiger  Landwehren  wichtig  ist,  ist  der  tob 
Uscanek  aber  Wallendorf  bis  Zimnawodda  7  Kilometer  messende  Längswall.  Er  ist 
ein  Doppelwall  und  zeigt  ferner  vor  einer  sumpfigen  Stelle  einen  schrägen  Vorsprang, 
der  durch  eine  Lücke  unterbrochen  ist.  Nicht  fern  von  dieser  Stelle  weisen  über 
900  Jahre  alte  Eichen  in  dem  Wuchs  ihres  untern  Stammes  über  der  Wurzel  darauf 
hin,  dass  diese  Bäume  schon  standen,  als  diese  Längswälle  durch  Aufschüttung  von 
verkohlten  Holzstämmen  mit  Ueberdeckung  von  Lehm  in  einem  sandigen  Terrain 
hergestellt  wurden. 

Ausserdem  erfolgte  die  Vorlage  der  eingegangenen  Geschenke  und  Erwerbungen. 
Zur  prähistorischen  Abtheilung  des  Prussia-Museums  schenkten:  Rittergutsbesiuer 
von  Biberstein  auf  Stapporn  2  daselbst  gefundene  bronzene  Haarnadeln  aus  Hügel- 
gräbern und  einen  bronzenen  Halsring  aus  dem  älteren  Eisenalter,  Kaufmann  Hau  ben- 
sack als  Ergänzungsfund  zu  dem  Blumenauer  Gräberfeld  ein  Beigefäss  und  ein* 
bronzene  Fibula  des  älteren  Eisenalters,  Oekonom  v.  Besser  zwei  Speerspitzen  des- 
selben Zeitalters  aus  Kirtigehnen,  Kr.  Fischhausen,  Frau  Rittergutsbesitzer  Hellbar  dt 
einen  grossen  Mahlstein  aus  Roschenen,  Kreis  Friedland,  Besitzer  Niemann  in  Ge- 
bieten Schmuckgegenstände  des  älteren  Eisenalters  aus  einem  Gräberfelde,  Baumeister 
Lorenz  in  Pobethen  eine  Urne  aus  Czwaddau,  Provinz  Posen,  Rittmeister  v.  Mon- 
towt  auf  Kirpehnen  achtzehn  Getreidequetscher,  mehrere  Spinn wirtel  aus  Thon  und 
Netzbeschwerer,  Graf  v.  d.  Trenk  jun.  Gräberfunde  aus  Langendorf,  Kr.  Wehlau. 

Für  die  Alterthümer  aus  der  Abtheilung  der  Zeit  des  deutschen  Ordens  schenkt« 
Gutsbesitzer  Nebelung  auf  Fürstenau,  Kr.  Rastenburg,  ein  schweres  Wurfgeschoss, 
von  einer  Bailiste  zu  schiessen.  —  Die  Sammlung  der  Gegenstände  der  neueren  Zeit 
wurde  vermehrt  durch  ein  Vexirtrinkglas  des  16.  Jahrhunderts  und  durch  ein  halbes 
Dutzend  Bier-  und  Weingläser  mit  dem  eingeschliffenen  Namenszug  des  preussiachen 
Königs  Friedrich  Wilhelm  III.,  Dr.  von  Koblinski  schenkte  ein  Carneolpetschaft 
mit  dem  Portrait  August  des  Starken.  Gekauft  wurde  ein  historisch-genealogischer 
und  ein  militärischer  Kalender  vom  Jahre  1806. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  16.  Oktob.  1884.  No.  243.] 

Sitzung  von  17.  Oktober  1884.  Den  Vortrag  hielt  Herr  Major  Beckherrn 
über  das  Ordenshaus  Bäslack.  Nachdem  derselbe  die  Sicherung  des  kolonisirteo 
Theiles  des  Ordenslandes  an  seiner  Östlichen  Grenze  durch  die  Landwehr  und  die  da- 
hinter errichteten  Wildhäuser  dargelegt  und  gezeigt  hatte,  wie  diese  Grenzbefestigung 
in  der  Gegend  zwischen  Nordenburg  und  Sensburg  mit  der  nach  Osten  vordringen- 
den Kolonisation  ebenfalls  successive  immer  weiter  in  die  grosse  den  ganzen  östlichen 


Alterthumsgesellßchaft  PrnasU  1881  489 

TheD  unserer  Provinz  im  14.  Jahrhundert  noch  einnehmende  Wildniss  hinausgerückt 
worden  war,  ging  er  zur  Beschreibung  des  ehemaligen  Wildhauses  Bäslaik  über. 
Dieses  ist  durch  die  um  das  Jahr  1583  erfolgte  Einrichtung  als  Kirche/  vor  dem 
vollständigen  Untergange  bewahrt  worden  und  in  seinen  wichtigsten  Theilen  noch 
so  wohl  erhalten,  dass  eine  dem  früheren  Zustande  entsprechende  Rekonstruktion 
nicht  besonders  schwierig  ist.  Dieser  Umstand  ist  von  um  so  grösserer  Bedeutung, 
als  von  diesen  kleinen,  nur  militärischen  Zwecken  dienenden  Ordenshäusern  sonst 
nur  unbedeutende  Spuren  oder  gar  nur  die  Namen  auf  uns  gekommen  sind,  so  dass 
ansere  Kenntniss  von  der  Einrichtung  dieser  Ar*  von  Ordenshäusern  eine  nur  sehr 
dürftige  ist.  Erläutert  wurde  der  Vortrag  durch  eine  Kartenskizze  und  durch  mehrere 
von  Herrn  Baumeister  Steinbrecht  nach  eigenen  Aufnahmen  gefertigte  Zeichnungen 
der  verschiedenen  Theile  des  Ordenshauses.*) 

Für  das  Pr-ussia-Museum  gingen  in  der  prähistorischen  Abtheilung  folgende 
Geschenke  ein:  ein  Steinbeil  mit  begonnenem  Bohrloch  und  stehengebliebenen  Zapfen, 
gef.  bei  Neu-Jucha,  Kr.  Lyck,  in  der  Nähe  des  sogenannten  Schlossberges,  geschenkt 
von  Rektor  Krawiliczki;  ein  durchloch ter  Steinhammer,  gef.  in  Ffirstenau  bei 
Drengfurt,  Kr.  Rastenburg,  geschenkt  vom  Besitzer  Payse;  eine  grosse  bronzene 
Fibula,  zwei  bronzene  Armringe  mit  Spiralrollen  und  ein  bronzener  Gusszapfen,  ge- 
schenkt von  einem  unbekannten  Geber;  2  bronzene  Armringe  und  ein  bronzener  Finger- 
ring sammt  einer  abgeriebenen  römischen  Bronzemfinze,  2  bronzene  scheibenförmige 
Fibulen  des  jüngeren  Eisenalters,  3  bronzene  Fibulabügel  des  älteren  Eisenalters,  eine 
Steinperle  und  ein  durchlochter  Bärenzahn,  letzterer  zusammen  mit  einem  bronzenen 
Schlüssel  zu  Löbertshoff,  Kr.  Labiau,  gefunden,  und  geschenkt  von  Lieutenant 
Kiebensahm;  Photographien  von  Gräberfunden  des  älteren  Eisenalters  zu  Rodsenen, 
Kr.  Graudenz,  geschenkt  von  Direktor  Anger  in  Graudenz.  Für  die  Sammlung  von 
Gegenständen  des  16—18.  Jahrh.  wurde  ein  Dolch,  gef.  in  der  Walischen  Gasse, 
und  ein  silberner  Becher  mit  eingelassenen  Münzen  des  Böhmen  Johann  Huss,  des 
dänischen  Königs  Christian  IV.  und  des  deutschen  Kaisers  Joseph  I.  erworben. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  19.  Nov.  1884.    No.  272.] 

Sitzung  vom  21.  November  1884.  In  der  letzten  Sitzung  des  vergangenen  Jahres 
berichtete  Dr.  Bujack  über  Hügelgräber,  die  er  in  den  Kreisen  Orteisburg  und 
Neidenburg  aufgedeckt  hatte,  und  zwar  zu  Gilgenau  und  Gcorgensgut  im  erstgenann- 
ten Kreise,  zu  Burdungen  und  Brayniken  im  Kreise  Neidenburg.  An  dem  letztge- 
nannten Ort  war  ein  Grab  auf  der  Feldmarke  des  Besitzers  Lipka  dadurch  von 
vielen  anderen  ausgezeichnet,  dass  auf  einem  Steinpflaster  noch  der  zum  Theil  in 
Brandscheiten  erhaltene  Scheiterhaufen  vorhanden  war.  Die  darin  befindlichen  Gefösse 
waren  ganz  roth  gebrannt  und  hatten  eine  grössere  Festigkeit,  als  die  sonst  vor- 


*)  Den  ausfuhrlichen  Vortrag  „Das  Ordenshaus  Bäslack"  s.  Altpr.  Monatsschr. 
XXL  Bd.    7/8.  Hft.    S.  637— €49. 

Altpr.  MonatMobrift  Bd.  XXIL  Hft.  i  n.  6.  32 


490  Kritiken  und  Referate. 

kommenden  Gefässe  der  Hügelgräber.    An  einem  anderen  Hügelgrabe  war  auf  der 
äusseren  Seite  ein  auf  der  Töpferscheibe  gedrehtes  Grabgefäss  unmittelbar  vor  oder 
zur  Zeit  der  Ordensherrschaft  angestellt  und  mit  Erde  beschüttet,  während  die  hier 
beschriebenen  Hügelgräber  aus  der  Zeit  vor  Christi  Geburt  stammen.    Hieraufgab 
Hauptlehrer  Matthias  nach  Dänischen  Berichten  eine  Schilderung,  wie  Sehested  in 
Broholm  ein  Blockhaus  nur  mit  Anwendung  von  Werkzeugen  aus  Flint  herstellen 
liess.   —  Femer  erfolgte  die  Vorlage  der  eingegangenen  Geschenke  und  gemachten 
Erwerbungen:  Für  die  prähistorische  Abtheilung  zur  Sammlung  von  SteingerätheD 
schenkte  Gutsbesitzer  Kint  auf  Jerusalem,  Er.  Königsberg,  einen  Keil  aus  Feuerstein 
und  einen  aus  Diorit  und  Pfarrer  List  auf  Starkenberg,  Kreis  Wehlau,  ein  durch- 
lochtes  Steinbeil  mit  knopfartigem  und  ein  eben  solches  mit  verjüngtem  Bahnende 
und  Bildhauer  Eckart  die  Schneide  eines  durchlochten  Beils  gef.  im  Kreise  Rössel; 
zur  Abtheilung  von  Grabfunden  zwischen  700—1000  Hauptmann  Graf  auf  Janiseh- 
ken,  Kr.  Memel,  zerbrochene  bronzene  Arm-  und  Halsringe  und  eiserne  Beile,  ein 
eisernes  Schwert,  die  Frau  Lübbe  auf  Schugsten,  Kr.  Fischhausen,  eiserne  Speer- 
spitzen, Steigbügel  und  Trensen  aus  Grabfunden  und  2  hufeisenförmige  bronzene  Fi- 
bulen.  —  Zur  historischen  Abtheilung  der  Gegenstände  des  17.  und  18.  Jahrhunderts 
schenkte  Hauptmann  von  Leinitz  eine  Pulverflasche  in  Bingform  und  mit  Steinen 
ausgelegt.    Dieselben  zeigen   die  polnischen  Nationalfarben  und   die  Gravirung  das 
Sobieski'sche  Wappen.    Angekauft  wurden  für  diese  Abtheilung  2  emaillirte  Dosen. 
2  grosse  messingene  Leuchter,  2  messingene  Blaker,  1  messingener  Kronleuchter  mit 
6  Armen,  2  Kinderstühle  v.  J.  1774  und  1777,   1  Delfter-Schale  und  Vase,   1  Bild 
aus  Elfenbein  geschnitzt,  1  vergoldeter  silberner  Altarkelch.  Unter  den  Gegenständen 
des  19.  Jahrhunderts  erhielt  die  in  einem  Glasschrank  hängende  Litewka  des  (&• 
preussischen  National-Kavallerie-Regiments  eine  Erklärung  durch  das  Geschenk  fol- 
gender unter  Glas   und  Bahmen  sich  befindender  Bilder,   der  Portraits  von  York, 
Blücher  und  Bülow,  der  Abschiedsworte  Yorks  an  das  1.  Armeecorps  de  dato  Arlon, 
7.  Juli  1814,  und  der  Dekorirung  des  KnefphOfischen  Junkerhofes  zu  Königsberg  zur 
Waffenhalle  am  3.  Febr.  1838  beim  Fest  der  Freiwilligen  aus  den  Befreiungskriegen. 

Hauptlehrer  Matthias  trägt  vor: 
Wie  Sehested  ein  Blockhaas  nur  mit  Anwendung  von  Werkzeugen  •■§ 

Fllnt  herstellen  liess. 
(Nach  dem  dänischen  Berichte  Sehested's.) 

Bei  Betrachtung  von  vielen  tausenden  augenscheinlich  gebrauchten  und  abge- 
nutzten Steinwerkzeugen,  die  Seheßted  auf  Broholm  gesammelt  hatte,  bemerkte  er, 
wie  die  beim  Gebrauch  gesprengten  Geräthe  wieder  und  immer  wieder  zugehauen, 
geschliffen  und  geschärft  waren,  oft  so  vielmal,  dass  .kaum  die  Hälfte  des  ursprüng- 
lichen Geräthes  übriggeblieben  war.  Die  Untersuchung  der  Form  der  Werkzeuge  und 
der  Schneiden  derselben,  welche  durch  Jahrtausende  ihre  Schärfe  bewahrt  hatten,  gab 
ihm  die  Ueberzeugung,  dass  mit  diesen  Steingeräthen  Arbeiten  der  verschiedensten 


Alterthumg^esellsehaft  Pruesia  1884.  491 

Art  ausgeführt  wären  und  sich  noch  heute  ausführen  Hessen,  viel  leichter,  besser  und 
schneller,  als  man  früher  geglaubt  hatte.  Um  die  Probe  zu  machen,  entschloss  Sehested 
sich,  ein  Holzhaus  bauen  zu  lassen  ausschliesslich  mit  Anwendung  von  Flintgeräth- 
schaften,  welche  dazu  mit  einem  Schaft  versehen  wurden,  4  Aexte  mit  langem  Schaft, 
3  Handäxte  mit  kurzem  Schaft  für  eine  Hand  und  3  dicke,  wie  Handäxte  geschaffte 
Keile.    Mit  diesen  Werkzeugen  wurden  zunächst  63  Tannen  von  ca.  8  Zoll  Dicke 
gefallt,  und  zwar  von  zwei  Arbeitern,  einem  Tischler  und  einem  Zimmermann.    Der 
erste  Baum  fiel  nach  8  Minuten  und  gleich  darauf  der  zweite.     Ein  Versuch  der 
ungeübten  Zuschauer  erforderte  zwei-  bis  dreimal  so  viel  Zeit.    Am  folgenden  Tage 
war  die  Arbeit  beendet  Jeder  der  beiden  Handwerker  hatte  26  Vs  Bäume  umgehauen 
and  dazu  10  Arbeitsstunden  gebraucht,  wovon  die  zum  Trennen  der  mit  den  Wipfeln 
beim  Fallen  verwickelten  Bäume  verwendete  Zeit  in  Abrechnung  zu  bringen  ist.  Bei 
der  ganzen  Arbeit  bedienten  sich  die  Handwerker  nur  einer  Axt  und  einer  Beilaxt, 
und  nur  eine  derselben  erhielt  eine  unbedeutende  Scharte  in  der  Schneide.  Das  Ab- 
ästein der  Bäume  geschah  durch  Waldarbeiter  mittelst  Handäxten,  welche  sie  so  rück- 
sichtslos handhabten,  dass  die  Schneiden  litten;  von  der  einen  sprangen  sogar  läng- 
liche Splitter  ab.     Zwei  dicke  als  Handäxte  geschattete  Keile  bewährten  sich  bei 
dieser  Arbeit.    Es  wurden  8000  Aeste  abgehauen.  Die  übrigen  drei  Aexte  hatten  eine 
nur  unbedeutende  Verwendung  gefunden;   an  der  einen  war  ein  Fehler  im  Flint, 
weshalb  sie  zersprang,  an  den  andern  war  eine  Abnutzung  kaum  zu  bemerken.  Nach 
Beendigung  dieser  Arbeit  wurden  noch  60  junge  Tannen  von  ca.  3%  Zoll  Dicke  ge- 
fällt, welche  zu  Latten  und  dergl.  gebraucht  werden  sollten.    Ein  Mann  war  damit 
5  Stunden  beschäftigt.  Das  Fällen  sämmtlicher  123  Bäume  hatte  14%  Tage  gedauert, 
wovon  auf  das  eigentliche  Fällen  nur  3  Tage  kommen:  die  übrige  Zeit  hatte  das 
Herausschleppen,  Abästein  und  Abrinden  erfordert.   Nachdem  die  Steinwerkzeuge  neu 
geschliffen  und  gewetzt  worden  waren,  ging  man  ans  Zurichten  der  Hölzer.    Die 
Stämme  wurden  mit  der  Axt  vierkantig  behauen  und  in  Blöcke  von  12f/2u.  14VsFuss 
Länge  zu  den  Wänden  zerlegt  und  jedes  Stück  mit  einer  Art  von  Falz  versehen. 
Die  Ständer  und  Schwellen  zum  Thürgerüete  erhielten  Zapfen  und  Löcher  und  die 
Dachsparren  die  zur  Verbindung  der  Hölzer  erforderliche  Vorrichtung.    Ausser  den 
angegebenen  Werkzeugen  fanden  bei  diesen  Arbeiten  noch  einige  Hohhneiasel  und 
Schmalmeissel,  ebenfalls  von  Stein,  Verwendung.    Das  zusammengesetzte  viereckige 
Haus  mit  schrägem  Dache  zeigte  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Holzhäusern,  welche 
gegenwärtig  noch  in  verschiedenen  kultivirten  Ländern  vorgefunden  werden. 

Der  Vortragende  berichtete  darauf  noch  über  nachstehende  interessante  und 
meistens  gelungene  Versuche  Sehested' s:  das  Schleifen  der  Steingeräthe,  das  Wetzen, 
das  Sägen  des  Steines  mittels  hölzerner  Werkzeuge,  das  Bohren  von  Löchern  in  den 
Stein  und  das  Bearbeiten  von  Knochen  mit  Steinwerkzeugen. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  11.  Jan.  1885.    Nr.  9.] 

32» 


BtittheilnDgen  und  Anhang. 


Zur  Rechtsgesehichtt.         • 

Notiz  ans  dem  Kölner  Stadtarchiv  mitgetheilt  von  Dr.  Konstantin  NShlbaum. 

Laut  einer  Urkunde  des  Edlner  Archivs  (Original  mit  3  anhangenden  Siegeln) 
von  1410,  in  crastino  dominice  quasimodogeniti,  ist  Werner  Panthaleon 
um  mancherlei  Vergehen  willen,  besonders  aber  weil  er  geslagen  ind  np  de  nie 
marte  offenberlichen  gehauwen,  gefangen  worden;  er  ist  nun  frei  gegeben 
und  beschwört,  dat  ich  nu  zer  stunt  up  datum  dis  briefs  uysser  Coeloe 
wandelen  sali  hyen  in  Pruyssen  ind  bjnnen  desen  nyesten  zokomenden 
zwen  jairen  en  sali  ich  up  dys  syte  Danske  nyet  komen.  Der  Verkehr 
zwischen  Köln  und  den  preussischen  Städten  ist  bereits  im  14.  Jahrhundert  ein  sehr 
reger,  aber  eine  derartige  Bannformel  habe  ich  doch  nicht  wieder  auffinden  können. 


iMYenitäte-Chrraik  1885. 

'(Fortsetzung.) 
Nro.  112.  Amtl.  Verzeicbniss  d.  Personals  u.  d.  Studirenden  .  .  .  f.  d.  Sommer-Sem. 

1885.  Kgsbg.  HartungSChe  Buchdr.  (31  S.  8.)  [89  (7  theol.,  6  Jurist.,  33  mtdit., 
4t  philo»,)  Doc,  4  Leck,  4  Sprach-  u.  Exercitienmoister ;  871  (231  theol.,  111  Jurist.,  251uedic, 
278  philof.)  immatr.  ßtud.  u.  12  c.  Hören  d.  Vorles.  berecht.] 

9.  Apr.  Phil.  I.-D.  v.  Paul  Stettiner  Regimontanus:  Ad  Solonis  aetatem  quaestioaes 

criticae.    Regim.  Pr.    Typis  expr.  R.  Leupold.    (2  Bl.  u.  56  S.  8.) 
18.  Apr.  Phil.  1.4).  v.  Francisous  Ziemann  Regimontanus:   De  anathematis  Graecis. 
Regim.  Bor.    Typis  Leupoldianis.    (4  Bl.  u.  63  S.  8.) 

2.  Mai.  Lectiones  cursorias  quas  venia  et  consensu  ord.  medic.  . . .  Hugo  Falkenbein 
Med.  Dr.  Ueb.  die  Entwicklung  der  Anschauungen  von  dem  Wesen  der  In- 
fectionskrankheiten  ad  doc.  facult.  rite  impetr.  die  II.  Maji  . . .  habebit  indicit 
Rudolfus  Dohrn  Med.  Dr.  P.  P.  0.  ord.  med.  h.  t.  dec.  Regim.  Bor.  typis 
Leupoldianis.    (2  Bl.  4.) 

2.  Mai.  Lectiones  cursorias  quas  venia  et  cons.  ord.  medic.  .  .  .  Oscar  Minkowski 
Med.  Dr.  Ueb.  Selbstvergütung  des  Organismus  ad  doc  facult  rite  impetr. 
die  IL  Maji  .  .  .  habebit  indicit  Rudolfus  Dohrn  •  .  .  ibid.  (2  BL  4.) 


Universität* -Chronik  1885.  493 

15.  Mai  ...  ex  decr.  ord.  phil.  .  .  .  Rvdolpho  Lvdovico  Hermanno  Danielciok  Regi- 
montano  yerbi  divini  ministro  emerito  summos  in  philos.  honores  .  .  .  ante 
hos  qvinqvaginta  annos  die  XV.  m.  Maii  collatos  gratvlabvndvs  renovavit 
Ioannes  Georgivs  Prvtz  Dr.  phil.  P.  P.  0.  h.  t.  Decanvs.  Kegim.  Pr.  ex  offic. 
Leupoldiana.    [Dipl.] 

„Acad.  Alb.  Regim.  1885.  II."  Qvaestiones  Ennianae  H.  lordanl  dissert.  ed.  ad  eelebr. 
diebvs  21.  23.  in.  Maii  23.  m.  Ivnü  raemoriam  .  .  .  Caelestini  de  Kowalewski 
Jacobi  Friderici  de  Rhod  -Friderici  de  Groeben  Ioaonis  Diterici  de  Tettav 
Kegimontii  prostat  in  aedibvs  Hartvngiauis  1885  (8  p.  4°.) 

13.  Juni.  Med.  J.-l).  v.  Bruno  Hoffheinz  (a.  Fiscbhausen),  prakt.  Arzt:  Ueb.  Gesichts- 

lagen.    Kgsbg.  i.  Pr.    K.  Leupold's  Buchdr.    (2  Bl.  u.  43  S.  8.) 

19.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Fritz  Burdach  (a.  Karolinenthal  Kr.  Lyck),  pract.  Arzt:  Ueb. 
den  Senftleben'schen  Versuch,  die  Bindegewebsbildung  in  todten,  doppelt  unter- 
bundenen Gefässs trecken  betreuend.  Berlin.  1885.  (26  S.  8.)  ( Separat- Abdr. 
aus  Virchow's  Archiv  f.  pathol.  Anatomie  u.  Physiologie  u.  f.  klin.  Medicin. 
100.  Bd.  188Ti.)    Druck  u.  Verl.  v.  Georg  Keimer  in  Berlin. 

19.  Juni.  Med.  I.-D.  v.  Philipp  Sem britzki  (a.  Oletzko),  prakt.  Arzt:  Beitrag  zur  Chemie 
der  Milch.    Kgsbg.  i.  Pr.    K.  Lcupold's  Buchdr.    (29  S.  8.) 

Zu  d.  am  20.  Juni  1^85  .  .  .  statttind.  mit  Musikaufführung  verbundenen  Feier  zum 
Andenken  an:  d.  Vicepräsidenten  des  Consistorii  Prof.jur.  Cölestin  Kowalewski, 
den  Kriegsminister,  Oberburggrafen  Jacob  Friedrich  von  Kohd,  den  General- 
lieutenant Friedrich  von  der  Groeben,  d.  Churfürstl.  Brandenburg.  Oberrath 
ii.  Kanzler  d.  Herzogthums  Preussen  Johann  Dietrich  von  Tettau,  d.  Ober-  n. 
Regimen tsrath  Kanzler  von  Kospoth,  d.  Prof.  extraord.  philos.  Heinrich  Oel- 
mann,  d.  Frau  Pfarrer  Cathariua  Dorothea  Geelhaar,  geb.  Wulff  u.  deren 
Tochter,  laden  hierdurch  ein  Prorect  u.  Senat  d.  Albertus-Univers.  Königs- 
berg i.  Pr.    Hartungsche  Buchdr.  1885.    [I  Bl.  4°.] 

25.  Juni.  Phil.  Inaugdiss.  v.  Josef  Thiel  a.  Seeburg:  Die  politische  Thätigkeit  des 
Abtes  Bernhard  von  Clairvaux.  Braunsberg.  Druck  d.  Ermländ.  Zeitungs-  n. 
Verlagsdruckerei  (J.  A.  Wiehert).    (I  Bl.  u.  51  S.  8.) 

27.  Juni.  Phil.  I.-D.  v.  Frideric.  Jeschounek  (aus  Bialla):  De  nominibus  quae  Graeci 
peeudibus  domesticis  indiderunt.  Ei  offic.  Hartungiana.  (2  Bl.  u.  68  S.  8.) 

4.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Rudolph  Wilhelm  aus  Neu-Münsterberg  in  Westpr.:  Ueb.  das 

Vorkommen  von  Spaltöffnungen  auf  den  Karpellen.  Kgsbg  i.  Pr.  Hartungsche 
Buchdr.    (2  Bl.  u.  80  S.  8.  m.  Taf.  I— VH.) 

10.  Juli.  Lectiones  Cursor,  quas  venia  et  consensu  ord.  philos.  .  .  .  Carolus  Brandt 

Phil.  Dr.  Ueb.  die  Symbiose  von  Thieren  and  Algen  die  X.  m.  Jalii  ...  ad 
doc.  facult.  rite  impetr.  .  .  .  habebit  indicit  Joannes  Georgius  Prutz  Phil.  Dr. 
et  P.  P.  0.  Ord.  Phil.  b.  t.  Dec.    Regim.  Bor.  Typ.  Leupoldianis.  (2  Bl.  4.) 

11.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Albert  Sieber  ans  Deutsch- Krone:   Bischof  Ivo  von  Chartres 

und  seine  Stellung  zu  den  kirchenpolitischen  Fragen  seiner  Zeit  Braunsberg. 
Druck  d.  Ermländ.  Zeitgs-  u.  Verlagsdr.  (J.  A.  Wiehert).    (2  Bl.  u.  42  S.  8.) 

14.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Theodorus  KonHzer  Conitziensis:  De  fabulae  Prometheae  in 

arte  litterisque  usu.    Regim.  Bor.  Typ.  Leupoldianis.  (2  Bl.  u.  39  S.  8.) 
„Acad.  Alb.  Regim.  1885.  II."  Index  lectionvm  ...  per  hiemem  a.  MDCCCLXXXV/VI 

a  d.  XV.  m.  Octobris  habendarvm  Insvnt  H.  Iordani  Qvaestiones  Theognideae. 

(p.  3—16).    Kegimontii.  Ex  offic.  Hartvngiana.    (31  p.  4.) 
Verzeichniss  d.  ...  im  Winter-Halbj.  v.  15.  Oct.  1885  an  zu  haltend.  Vorlesungen 

u.  d.  öffentl.  akadem.  Anstalten.    Kgsbg.  Hartungsche  Buchdr.  (9  S.  4.) 
24.  Juli.  Med.  I.-D.  v.  Julius  Pulewka,  prakt  Arzt  ans  Gilgenburg,  Ein  Fall  von 

Phosphorvergiftung   bei  einer  Hochschwangeren.    Kgsog.  Leupold's  Buchdr. 

(31  S.  8.) 
30.  Juli.  Phil.  I.-D.  v.  Hermann  Minkowski  (a.  Alexoten  in  Russld.),  Untersuchungen 

aber  quadratische  Formen.    Bestimmung  der  Anzahl  verschiedener  Formen, 

welche  ein  gegebenes  Genus  enthalt.   Typ.  E.  Erlatis.  Kgsbg.  i.  Pr.  (60  S.  4.) 

5.  Aug.  Phil.  I.-D.  v.  Rudolf  Gartenmeister  aus  Labiau,   Beiträge  zur  Kenntnis  der 

physikalisch.  Eigenschaften  normaler  Fettsäureester.  Kgsog.  Ostpr.  Ztgs-  u. 
Verl.-Dr.    (71  S.  8.  m.  1  Taf.)  j 


Lk — i.. 


494  Mittheüongen  und  Anhang. 

Lyceam  Hosianou  ia  Brausberg  1885. 

Index  lectionum  ...  per  hiemem  a  die  XV.  Oct.  a.  MDCCCLXXXV.  usque  ad  diem 
XV.Martü  a.  MDCCCLXXXVI.  instituendarum  (h.tRector:  Dr.  Wilh.  Killing, 
P.  P.  0.)  Brunsbergae.  Typis  Heyneanis  (R.  Siltmann.)  (20  8.  4.)  Praecedit 
Prof.  Dr.  Franc  Hlpler  de  theologia  libror.  qui  sab  Dionysii  Areopagitae  no- 
mine feruntur.    Particala  IV.    (S.  3—16.)  « 

5 

Altprenssische  Bibliographie  1884 

(Nachtrag  und  Fortsetzung.) 

AbromeK,  Dr.  J.,  Berichtigung  d.  Sanio'sch.  Aufsatzes  Qb.  d.  Zahlen  Verhältnisse  der 

Flora  Preussens.    [Aus:  „Schriften  d.  physik.-ökon.  Ges.  zu  Kgsbg."]  (Berlin. 

Friedländer  &  Sohn.)    (25  S.  gr.  4.)    1.— 
Albrecht,  Karl  (ans  Einlage  bei  Elbing),  Ueb.  einige  Pyrogallussäure-  u.  Phloroglu- 

cinderivate  n.  die  Beziebgn.  derselb.  zu  Daphnctin  u.  Aesculetin.   I.-D.  Berlin. 

(56  S.  8.) 
[BeaaelJ    5Rc*er,  Dr.  2H.  SÖUb-,  3um  lOOj.  ©eburtetaße  Sr.  SB.  Mel1*  <m.  $ertr.) 
[Seipj.  3lhiftr.  3tß.  83.  SBb.  9tr.  2143.] 
Qtttti,  g.  3.  ©.,  grbr.  m\\>.  »cfTel.     [5)tf*e  Hernie.    IX.  $abrfl.    $ft.  11. 
6.  221—240.] 
[Copertllca$.l    Berti,  Doinenico,   Antecedenti  al  processo  galileiano  e  alla  condanna 
della  dottrina  Copernicana.    Memoria  letta  nella  seduta  del  19  giungno 
1881.  [Atti  della  r.  Accad.  dei  Lincei.  Anno  CCLXXX.  Ser.III.  Memorie 
Vol.  X.    Borna  1883.  p.  49—96.  4to.] 
Obgau,  $rof.  Dr.  ©uft,  bie  Sßbautafte.  SSortr.  Saüe.  Wemeber.  (38  6.  8.)   -60. 

Grandriss  der  Psychologie.    Bresl.    Koebner.    (X,  235  S.  gr.  8.)  4. — 

Bec.  [Dtsche.  L.-Z.  9.  39.  40.  44.  45.] 

Goerth,  Dir.  A.f  Einfahrung  in  d.  Studium  der  Dichtkunst  I.  Das  Studium  der  Lvrik. 

Leipz.  1883.   Klinkhardt  (1H,  372  S.  gr.  8.»  4.—   ...  II.  Das  Studium*  der 

dramatisch.  Kunst.   Ebd.   1884.  (XVIII,  411  S.)  6.— 
Oolbfämtbt    Beitftbrift  f.  b.  flcfammtc  £bl*re<bt.  fcräfl.  o.  ©eb-  3ufbW.  $rof.  Dr. 

&•  Oolbfamibt,  £abn,  ßeb&ner,  Sabanb  u.  €a*ö.  30.  $b.  %  §.    15.  $b. 

4  £fte.  ar.  8.  6tutta.  @nfe.  12.— 
üb.  ebitiottfpfUcbt,  inäbef.  betr.  aemeinfdjftl.  Ur!bn.  u.  £blsbü*er.    (Sin  9led>t*. 

fluta*t.  [(5bb.  14.  33b.  6.  341—412.]    $ie  Reform  ***  SttHenßefeUfaaftSredte 

[ebb.  15.  93b.  S.  69—89.]  SHec.  [Cbb.] 
«ol#,  $rof.  Dr.  2*.  %x\)v.  t>.  b.f  üb.  3ei*en  ber  3eit.  [©oanfl.  ®embM.  91r.  2.]  Ueb. 

ßinricfctß.  n.  ^aturafoerpfleflunaSItationen  u.  2lrbetter=Jlclomen  in  Oftpr.    Sertr. 

[HflSba.  (ante  u.  forftw.  3tfl.  9lr.  1.  2.] 
Orau,  $rof.  Dr.  5Hub.  Srbr.,  Ueb.  ajtartin  fcutbcrS  ©lauben.  Hebe,  aeb.  am  400j.  0c 

burtStaßc  fiutberS.  [2lu$:  „$er  SJetoeiS  b.  ©laubcna".]  ©üterSlob-  ^Bertelsmann. 

(20  6.  ßr.  8.)  —40. 
SBom  Opfer  u.  jur  SBerföbnunaSlcbre  ber  $aulimf<b.  Briefe  fomie  betf  Hebräer» 

briefe*.  [Scr  SBetoetS  b.  ©lauten?.  %  g.  V.  »b.  6.  241—257.]  Der  3arobu* 

brief.    [(Sbb.  6.  281-285.]    Ueb.  b.  ©ottb.  e&rifti  u.  b.  SBerföbnuna  burd>  lein 

»lut  .  .  .    SBortr.    [e»ana.  flirdv3.  2*  3-1  ™*  6ep.*SIbbr.:  ©reifemalb.  SM. 

(55  S.  flt.  8.)  —75.   erneuter  Aufruf  jur  Unterftüfcuno  b.  ^PaftoraI*6üIf^i>ereinö 

f.  b.  lutber.  ©emeinb.  in  Slmerifa.  [ebb.  29.] 
Greger,  L.  (aus  Neufahrwass*  b.  Danzig),  Spindelzellensarkom  des  Kreuzbeins  als  Ur- 
sache von  Ischias  postica.  I.-D.  Greifswald.   (24  8.  8.) 
flregoroniuS,  gerb.,  eupborion.  eine  $id)tft.  au$  Pompeji  in  4  ©efAno.  3Nu|tr.  $ra<bt* 

auSfl.  m.  Oriö.:Gompo(.  n.  Z\).  ©roffe.  2.  ^lufl.  Seipj.  ^ro(Tbauä.  (100  6.  4.) 

cart.  7.— 

Äorfu.  eine  tonifäV  3b'pne..  2.  SlufL  ebb.  (VI,  104  8.  8.)  cart.  1.80. 

2)er  Äaifer  $abrian.  ©emdlbe  b.  röm.-beüen.  3BeIt  in  fr.  3«t«  2.  u.  3.  neuße* 

f*rieb.  Shtfl.  Stuttft.  6otta.  (X,  505  6.  flr.  8.)  10.—  geb.  12.— 


Altpreussisehe  Bibliographie  1884.  495 

Gregorovtaa.  Uoa  Pianta  di  Koma  delineata  da  Leonardo  da  Besozzo  milanese.  Memoria 

letta  nella  sedota  del  15  aprile  1883.  (Con  una  tavola)   [Atti  della  r.  Accad. 

dei  Lincei.  Anno  CCLXXX.  1882—88.  Ser.  III.  Memorie  Vol.  XI.  p.  203— 312.; 
Die  Geschichte  eines  Papstes.    [Das  Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  o.  Aaslds.  40. 

ftitt  nach  Dem  lobten  2Heer.  2lu$  e.  $aaebud>e.   [Unf.  3eit  1.  £ft.  6.  81-99. 

2tu«  b.  Ruinen  t».  6arbe$  1882.  [3eitf*tift  f.  alla,.  ©efd}.,  tfult*,  fiitt.«  u.  tfunfb 

aefcb«  £)ft.  X.  6.  721—754.]    Verzeichniss  seiner  Schriften.  [Almanach*  d.  kgl. 

baycr.  Akad.  d.  W.  f.  d.  J.  1884.  S.  380—382.1 
Greefen,  3nfl.:0berfüieut.  g.  $.  ü.  b.,  ©n  ©eitraß  j.  Stfrcma  „©onnenfleden  u.  JReoens 

inenacn".  [@aea.  20.  3abrft.  6.  153—62.    216—20.] 
6ros8nann,  Dr.  W.,  de  particuÜB  ne  . .  quidem.  Particula  1.  (Progr.-Abhdlg.)  Alien- 
stein. (26  S.  gl*.  4.  m.  3  Tabell.) 
6ruber,  A.,  prakt.  Ar2t  aus  Jaenischken,  Ueb.  d.  Therapie  der  Extrauterinschwanger- 

schaften.   I.-D.   Manch.   (35  S.  8.) 
Grüneberg,   Beruh.   (au6  Schloppe),   d.  Behdlg.   complicirter  Fracturen  nnter  dem 

antiseptischen  Dauerverbande.   I.-D.   Würzburg.  (39  S.  8.) 
6rünhagen,  Prof.  Dr.  A.,  Lehrbuch  d.  Physiologie  f.  akad.  Vorlesen,  u.  z.  Selbststadium. 

Begründ.  v.  Rad.  Wagner,  fortgef.  v.  Otto  Funke,  neu  hrsg.  7te.,  neu  bearb. 

Aufl.   Lief.  1—3.  Hamb.,  Lpz.  Leop.  Voss.  (1.  Bd.  S.  1—480.  gr.  8.)  ä  3.— 
über  e.  £ndothelial-£lement  der  Nervenprimitivscheide.    [Archiv   f.  tnikrosk. 

Anat   23.  Bd.  S.  380-81.]    Yerhältn.  zw.  Reizdauer,   BeizgrOsse  u.  latenter 

Beizperiode  nach  e.  neuen  Versuchsveri'ahren.    [Arch.  f.  d.  gesrate.  Phjsiol. 

33,  V/VI.]  üb.  echte  Interferenz-  u.  Summationsvorgänge  nervöser  Th&tigkeits- 

zustände  (m.  Taf.)  [ebd.  34,  V/VI.]  zur  Physik  des  Elektrotonus.  [ebd.  35,  X!/XII.] 
©untrer,  6em.--$ir.  Dr.,  u.  Sem.s&br.  a.  3).  CtritMng,  $reuf>.  äinberfrcunb.  Gin 

gefehlt*  f.  33olfef*ulen  ...  11.  reu.  Slufl.  2.2Ibtfr.  Oberftufe.  ÄaSbfl.  1885  (84). 

5öoir«  SBerl.  (VIII  u.  6.  89-400.  8°.)    -80. 
(9üntf>er,  (5.  £.  U?a$ba_.),  Xk  (E^olera,  beren  Eerbüiung,  u.  fceüunfl.    StQSba,.    Selbfc 

verlas    (8  6.  8.) 
Guttmann.  Jahrbuch  f.  praci  Aerzte;    unt.  Mitwirkg.  v.  Fachmännern  hrsg.  v.  Dir. 

Doc.  Dr.  Paul  Guttmann.    7.  Bd.  (3  Abthlgn.)  Berlin.  Hirschwald.   17.— 
Hache,  Bector  Richard,  De  participio  Thucydidio.  Extrema  pars.  [10.  Jahreeber.  üb. 

d.  Progymn.]  Löbau  Westpr.    (S.  1— 11.) 
Hagen,  G.,  der  Constanten  wahrscheinliche  Fehler.  Nachtrag  zur  3.  Aufl.  d.  Grund- 
züge d.  Wahrscheinlichkeits-Rechnun^.  Berl.  Ernst  u.  Korn.  (38  S.  gr.  8.)  1.60. 
Geschwindigkeit  d.  Wassers  in  verschied.  Tiefen  untsucbt  nach  d.  v.  Brfinninga 

ausgeführten  Messungen.  (Mit  1  Tafel.)    [Abhandlgn.  d.  Kgl.  Akad.  d.  Wiss. 

zu  Berlin.  Physik.-Math.  Cl.  I.  S.  1—79.  4°.] 
Dresel,  Gotthilf  Heinrich  Ludwig  Hagen.    Vortr.  geh.  bei  d.  Feier  d.  Schinkel- 
festes  in  Berlin.    [Ztschr.  f.  Bauwesen.    Jahrg.  XXXIV.    Hft.  IV— VI. 
(10  8.  4°.  m.  Portr.)] 
Hagen,  L.,  Geh.  Ober-Baurath  in  Berlin,  Der  Hafen  zu  Memel,  mit  Zeichnungen  auf 

B).  24  u.  25  im  Atlas.    [Ztschr.  f.  Bauwesen.    Jahrg.  XXXIV.   Hft  X— XII. 

Sp.  385—404.] 
Härtung,  Dr.  G.t  Das  alte  Bergsturzgebiet  von  Flims.  (Mit  Karte  Taf.  IV.)   [Ztschr. 

d.  Gesellsch.  f.  Erdkunde  zu  Berlin.  No.  111.  19.  Bd.  S.  161—193.] 
$au*falenbec  f.  c.  $rot>.  Dftpr.,  Seffyr.  jc.    17.  3a(t0.    3$orn.    Sambed.    (74  u. 

120  6.  16°.)  —50. 
Hecht,   Gymn.-L.   Dr.   Max,  Zur  homerischen   Semasiologie.     Verteidigung  meiner 

quaestiones  Homericae  geg.  Gymn.-Dir.  Kammer  u.  Erweiterg.  derselben.  Kbg. 

Nünnberger  in  Comm.    (29  S.  8.)    —50. 
Heidenhain,  Friedr.  (Strasburg  i.  Westpr.),   Zu  Livius  zu  Buch  30.  V  5,  4.    [Neue 

Jabrbb.  f.  Philologie.  129.  Bd.  S.  192.]  \ 

Heidenhain,  R.,  eine  neue  Verwendung  des  Hämatoxylin.  Briefl.  Mitthlg.    [Archiv  f. 

Mikroskopische  Anatomie.   24.  Bd.  S.  468—470.] 
§cnntna  (frä^r  ganbratfr  b.  Ar.  6tra$bura  SBeftpr.,  jefrt  G>*\).  9tefl.«9i  in  $ot«bam), 

ß&ronif  beä  Äreifeg  Strasburg.    (54  S.) 
fencict,  Qoana.  TlcnatMcWt  f.  6tabt  u.  £anb  &r$a.  ».  ©♦  fcenrtci,  $fan.  ju  6<bab* 

malbe  bei  ^tarienburfl.  SRarienb.  t.  2Beftyr.  0.  Salb.  (©rfa>eint  feit  8»r.  1884 

monatl.  V/2  Sog.) 


496  MittheiluDgen  und  Anhang. 

Hensel,  Kort  (aus  Kgsbg.  i.  Pr.),  Arithmetische  Untersuchungen  über  Diseriminantea 

ii.  ihre  ausserwesentl.  Theiler.    L-D.  Berlin.    (32  S.  4.) 
Herbart's,  Joh.  Frdr.,  sämmtl.  Werke.   Hrsg.  v.  G.  Hartenstein.   2.  Abdruck.  3.  Bd. 
Schriften  z.  Metaphysik.    1.  ThL    Hamburg.   Voss.    (XII,  514  S.)    a  4.50. 

Jtfbaaoajfcbe  64riften  br$a.  b.  Dr.  grbr.  »artbolomfit.  2.  SBb.  3.  BufL  2cmw 

falja.    33e$er  u.  €öbne.  (VI,  412  6.  m.  2  Sab.  u.  1  £af.)    3.— 

»riefe  über  b.  2tnroenbfl.  b.  $fod)ol.  auf  b.  3*äba,j.  SReue  2lußß.  £>r$fl.  *.  Äail 

Siebter.    Seipjiß.  6ieaiemunb  u.  SBolfemna.  1.20. 

BQflem.  $äbaa.oaif,  au*  b.  3mede  bei  (Sniebß.  abgeleitet.    Ä.  21.  $rS<|.  *•  Äail 

9U*ter.    6bb.    (144  6.  «r.  8.)    1.50. 

$eftafottt«  3bce  unb  ?l$G  ber  »nf*auunß  ...  91.  21.  fcrSfl.  t>.  Hat!  9ti*l«. 

®bt>.  (144  S.)  1.50. 

Umrife  päbag.  Sorlefunacn.  91.21.  £rsa.  t>.  Karl  MiAter.  (Sbb.  (132  S.  ar.8.)  1.50. 

SitenBerger,  2lnt.,  £erbart  u.  b.  elcatifcbe  Scbule.  (5ine  frit.  2$erßlei<bß.   Krrme. 

$roar.  b.  Sanbcä'Dberrealfdmle  k.  (42  6.) 
Peraitder,  J.  J.  F.,  Herbartianismen  i  Pedagogiken.  Akad.  Af  handling.  Helsiog- 

fors,  J.  C.  Frenekell  &  Son.  1883.  (146  S.  8.) 

Sohoel,  Prof.  Dr.  Alb.,  Joh.  Friedr.  Herbarts  pbilos.  Lehre  ▼.  d.  Relig.  qnellen- 

mässig  dargestellt;  c.  Beitr.  z.  Beantwortg.  d.  relig.  Frage  d.  Gegenwait 

Dresden.    Bleyl  &  Kaemmerer.    (V,  254  S.   gr.  8)    5.-     </•  ZSddet  in. 

Evang.  Kirchen-Ztg.  1SS5.  No.  10. 

Ufer,  Chr.,  Vorschule  d.  Pädag.  H/a.  2.  verb.  Aufl.  Ebd.  (VW,  85  8.  gr.  8.)  UU 

Ziller,  Prof.  Dr.,  Herbartische  Reliquien.   Ein  Supplem.  z.  H/s  sämmtl.  Werkes. 

2.  (Tit.-)  Ausg.  gr.  8.  (VI,  346  8.)  Leipzig  (1871).    Gräbner.    n.  3.- 
Zimmermann,  R.,  Ein  Beitrag  zu  „Herbart'schen  Reliquien".   [Zeitschr.  f.  eiacte 
Philos.   Bd.  XHI.  S.  205—210.] 
$etber*  fömmtl.  SBerfe  b^fl.  ö.  Sevnb.  Supban.    9b.  XXVIIL    ©erlin.  SBeibmann. 
(XII,  583  6.)    SBb.  VII.  (LIV,  573  e.)    a  4.- 

2lu*ßeroäblte  SBBcrte.  ßrSß.  n.  iöernb.  6upban.   1.  23b.  2lu$ßen>äblte  $tdmtnflM. 

6r$ß.  ron  Gatl  ülebli*.    1.  93b.    QbX>.  (VI,  275  6.  flt.  8.)    2.— 

Gib.  £r$ß.  n.  Garl  9teblt*.    Gbb.    (150  6.  «r.  8.)    1.— 

Gib.  5tacb  foan.  ftomanjen  befunden,  gut  Sdbule  u.  Sau«  b*Sß-  *>•  21.  ^entjebd 

u.  tf.  Sinte.    fieipjia,  $eter.    (131  6.  12.)    1.20. 

Contcs  popalaire8  tires  de  Grimm,  Musaeus,  Andersen,  Herder  et  Liebeskind. 

(Feuilles  de  palmier)  et  publies  ...  par D. E. Scherdlin.  Paris.  Hachette  etCie. 
(466  p.  in  16.) 
Naumann,  Gymn.-Lehr.  Dr.  Ernst,  Untersuchungen  üb.  H/s  Stil.    [Jahres-Bcr. 
üb.  d.  Kgl.  Frdr.  Wilh.-Gymn.  Berlin.  (S.  3—32  4°.)] 

&$.  $ro»inatalbtätter.  [Sltabemifcbe  93lätter.  £r$ß.  t>.  0.  6iet>er*.  1.  3*to- 

6.  oft.] 
Nevlnson,  Henry,  A  Sketch  of  Herder  and  bis  times.  Lond.  Cbapman  and  Hall. 

(IV,  455  S.  gr.  8.)    14  sh. 
•4M,  2lbolf,  f>.'*  SBcrbienft  um  ©ürbißunß  ber  2lntife  u.  b.  bübencen  fluni*. 
(2öeimarifa>e$  £erber:2ilbum  [^ena  1845]  6.  195—254.)  [Oefammeltr  M 
fafce  |.  ütaffifeben  Literatur  alter  u.  neuer  3eit  v.  21.  6d?ölL  Berlin,  fr* 
6.  152-204.] 
Stieba,  S.,  6efretär,  Ueb.  ©.'*  3)enfmal  3ob.  ^Bindelmann*.    [6ifra*ber.  b.  a£ 

efrn.  ©ef.  $.  SDorpat  1883.    SDorp.  1884.  6.  33—35.] 
Wolf,  G.-L.  Rad.,  H.  und  Karoline  Flachsland.    Bartenstein.    [Beil.  z.  Gjzbd* 
Progr.    27  S.l 
Hermes,  J.,  Darstellung  a.  Zahl  e  als  unendliches  Product.    [Archir  d.  Mathem.  o- 

Phys.    2.  Reibe  I.  Tbl.    Leipzig.    S.  103—105.] 
Heynaoher,  M.,  Recens.  [Philol.  Rundschau.  No.  17.  21.] 

Hllbert,  Dr.  Rieh.,  Zur  Gesch.  der  Gastrotomie.  [Dtsches  Arch.  f.  Gesch.  d.  Medic. 
.  .  .  VII,  2.]  Ueb.  d.  nach  d.  Geburt  eintretenden  entwickelungsgescbicbtl. 
Veränderungen  der  brechenden  Medien  u.  d.  Augenhintergrundes  der  Katze. 
[Graefe's  Arch.  f.  Ophthalmologie.  XXX.  Bd.  Abth.  3.  S.  245-250.] 

Zur  Kenntniss  der  Farbenblindheit   [Archiv  f.  d.  ges.  Pbysiol.  XXXIII,  bfi-] 

ßine  neue  SRetbobe  Sarben  31t  mifeben.    [$umbolbt.  9Rtäfä>r.  f.  b.  aef.  Satur« 


Aliphatische  Bibliographie  1884.  497 

miffenfcbaften  brSß.  r>.  $rof.  flreb*.  6.  257—259.]    Zur  Kenntniss  d.  patholog. 

Farbenempfindungen.  [Memorabilien.  Ztschr.  f.  rationelle  prakt.  Aerzte  red.  v. 

Prdr.  Betz.  N.  F.  4.  Jahrg.  Hft  9.]    üeb.  Association  von  Geschmacks-  und 

Geruchsempfindungen  mit  Farben  u.  Association  von  Klängen  mit  Formvor- 

stellnngen.  [Klin.  Monatsblätter  f.  Augenheilkunde.  22.  Jahrg.  Januar.]    Ueb. 

eine  eigenthüml.  Ermüdung-Erscheinung  des  nervösen  Sehapparates  u.  seine 

Beziebgn.  z.  Ervthropie.    [Ebd.   Novbr.] 
Hildebrandt's,  Ed.,  Aquarelle.  N.  F.  2.  u.  3.  Serie  a  5  Chrotnolith.  gr.  Fol.   Berlin, 

Mitschcr.    In  Mappe  baar  ä  50—  einz.  Bl.  ä  12.— 
Himstatt,  A.  (G.-L.  in  Löbau  i.  Westpr.),  üeb.  Lissajous'sche  Curven.  Götting.  I.-D. 

Freiburg  i.  Br.    (33  S.  8.) 
Wer,  $rof.  Dr.  ftranj,  bie  (frißt.  ©ef*id)t&Huffaflunß.  [2te  Berefoöfcfrtft  b.  ©ötrefc 

GWellfcb.]    JRöln.  ($a*em.)    (III,  100  6.  ßr.  8.)    1.80. 
Scptlilium  B.  Dorotheae  Montoviensis  auctore  Joanne  Marienwerder  nunc  prim. 

edit.  Tractatus  II.  III.  [Analecta  Bollandinna  Tom.  III.  Fase,  II.  p.  113—140. 

Fase.  IV.  p.  408—448.1 
Hippel,  Prof.  Dr.  Arthur  v.,  Welche  Massregeln  erford.  d.  häuf.  Vorkommen  d.  Kurz- 
sichtigkeit in  d.  höh.  Schulen?    Acad.  Festrede.    Gi essen.    (27  S.  gr.  4.) 
Antwort  auf  Dr.  L.  de  Wecker's  „Entgegnung".    [Graefe's  Arch.  f.  Ophthal- 
mologie.   30.  Jahrg.    Abth.  II.    S.  283—288.] 
*t»»el,  $b.  ©.  *.,  Ueb.  b.  epe.  Seipuß.  (o.&)  fiernt.  SBrudner.  (254  6.  16.)  [Seife* 

bibliotfret  f.  Äunft  u.  SBiffcnf*.  frtfß.  *.  Nub.  ©ergner.  9lr.  5.  Äbtfr  f.  öumoriftifa. 

Oft.  1/2.]  -«0. 
Hirsch.    Biographisches  Lexikon,  der  hervorragend.  Aerzte  aller  Zeiten  u.  Völker  .  .  . 

unt.  Special-Red.  v.  Dr.  A.  Werafoh  hrsg.  v.  Prof.  Dr.  Ang.  Hirsch.    [In  ca. 

4  Bdn.|    Lfg.  1—14.  (Bd.  I.  713  S.  u.  II.  S.  1—272  gr.  8.)  Wien,  ürban  & 

Schwarzenberg.    a  1.50. 
Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  n.  Fortschr.  in  d.  ges.  Wcdicin.    18.  Jahrg.  .  .  • 

Ber.  f.  d.  J.  1883.    2  Bde  ä  3  Abth.    Berlin.  Hirschwald.    37.— 
Jahresber.  üb.  d.  Leist.  u.  Fortschr.  in  d.  Anat.  u.  Physiol.  .  .  .  Ber.  f.  d.  J. 

1883.    Ebd.    (III,  227  S.  hoch  4.)    9.50. 
Deutsche  Vierteljahrsschrift  f.  öffentl.  Gesundheitspflege  ...  16.  Bd.   Braun- 
schweig.   Vieweg  &  Sohn. 
Acute  Infections-Krankheiten.    [Jahresber.  üb.  d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d. 

ges.  Med.   XVIII.  Jahrg.  Bd.  11.  Abth.  1.  S.  1—26.] 
Hirsch,  Ferd.  Mittheilungen  aus  d.  hist  Litt.  . . .  red.  v.  Dr.  Ferd.  Hirsch.  XII.  Jahrg. 

(4  Hft«.  gr.  8.)   Berlin.   R.  Gaertner. 
Kec.  [Mittheilungen...  12.  Jahrg.  —  Wochenschrift  f.  klasa.  Philol.  I.  Jahrg. 

No.  1.  —  fciftor.  3tf«r.   ft.  §.   15.  ©b.  fcft.  3.  5.] 
#trfdj,  Dr.  3ranj,  Slenndjen  *on  Sljarau.  $in  Sieb  au$  alt.  3t.  4.  Suff.  Seipj.  6.  SReifrter. 

(128  6.  8.  m.  ßel3[*n.*$ortr.  6im.  StoaVS.)    2.—  ßeb.  3.- 
baflelbe.    $racfr-2lu$ß.,  iUuftr.  ».  ©corß  ÜEnotr.   ©ob.   (VII,  139  6.  ßr.  4.  m. 

8  $&otortr.)    Qeb.  m.  ©olbfdjn.  20.— 
Geschichte  d.  dtsch.  Litt.  v.  ihr.  Anfang,  bis  auf  d.  neuste  Zeit.    Lfg.  4—16. 

Leipz.   Friedrich.    (1.  Bd.  VIII.  u.  S.  241—434.    2.  Bd.  V,  688  S.  u.  3.  Bd. 

S.  1—128.)   a  1.— 

ba*  neue  »latt.    (14.)  3afrfl-  Sw.  *Mne.  SBiettelj.  1.60. 

Das  Magazin  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Auslandes . . .  Bed.  Dr.  Frz.  Hirsch.  53.  Jahrg. 

Leipzig.  Friedrich.  (52  Nrn.  gr.  4.)  Vierte^.  4.— 
Die  Berliner  Gesellsch.  im  Pariser  Licht.  (Kec.)   [Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u. 

Ausl.  16.]    Zum  Gedächtnis  an  Heinr.  Lanbe.  [Ebd.  33.] 
Hirsch,  Paul,  Phrjgiae  de  nominibus  oppidorum.  Diss.  inaug«  Kgsbg.  (Koch  k  Reimer). 

(32  S.  gr.  8.)  baar  1.— 
Hirsch,  weil.  Prof.  Dr.  Theod.,  Geschichte- Tabellen  z.  Auswendiglernen.  9.  verb.  Aufl. 
hrsg.  t.  Prof.  Dr.  Ferd.  Hirsch.  Danzig.  Saunier's  Bchh.  (33  S.  gr.  8.)  —80. 
Hirschfeld,  Prof.  Dr.  Gust.,  Zur  Typologie  griech.  Ansiedelungen  im  Alterthum.  [Histor. 
u.  philol.  Aufsätze  Ernst  Curtius  z.  sm.  70.  Geburtstage  am  2.  Spt.  1884  ge- 
widm.  Berl.  Asher  &  Co.  S.  353-73.]  (Sin  beutfeber  ©efanbtet  bei  Soliman 
b.  ®r.  [Horb  u.  Süb  33b.  28.  6. 348-363.]  2)elo3.  [3)tf*e.  SRunbfAau.  11. 3«^a- 
Octob.  6.  107-19.]    Bec.    [Dtoche.  Litt.-Ztg.  43.] 


498  Mitftheitangen  und  Anhang. 

Hirsctrfotd,   Prof.  Dr.  Otto.    MittheUutigen,   archäol.-  epigrapb.,   ans  Oesterr.-Ungirn 
hrsg.  ?.  0.  Benndorf  u.  0.  Hirsemehl.   8.  Jahrg    Wien.  Gerolde  Sobn.  9.- 

InschrifU.  Fände  in  Carnuntum.    [Arch.-epigr.  Mittb.  .  .  .  Jahrg.  8.    Hft.  1. 

S.  74-84.1  Inschriften  in  Pola.  [Ebd.  Hft.  2.  S.  248.]  Gallische  Stadien 
II.  Gallische  Inschriftfälschungen.  [Sitzgsber.  d.  ks.  Akad.  d.  W.  Püilos,- 
hisi  Cl.  CVII.  Bd.  1.  Heft.  8.  221—  238.]  HI.  Der  Praefectos  rigihm  in 
Neraausus  u.  d.  Feuerwehr  in  d.  röm.  Landstädten.  [Ebd.  S.  239—257.]  aocli 
sep.:  Wien.  Gerolde  Sobn  i.  Comm.  (20  n.  21  S.  gr.  8.)  a  n.  n.  -50.  Be- 
merken, z.  d.  Biogr.  des  Septimius  Severus.  [Wiener  Studieu.  Ztschr.  f.  class. 
Philo!  Supplem.  d.  Ztschr.  f.  österr.  Gymn.  Vi.  Jahrg.  1.  Hft.  S.  121-127 
Die  Annalen  des  C.  Fannius.  [Ebd.  S.  127—128.]  Reo.  [Dtscbe  Litt-Z.  1.27. 

$0ftte4t,  War,  33on  ber  Oftflrcnje.    $rei  9iooeüen.    SBerlin.    ggiift.  fcerfc.    (Sefierjfc 
©d)t>.)    1885(84.)    (2  WL,   320  6.  8.)  5.—  aeb.  6.20. 

#offmann,  &  X.  $L,  Weiftet  Wart  in,  ber  ftüfer  u.  feine  ©efcüen.  ßine  erjäWg.  8ta, 
Huffl.    SReuttina.  (Jnfrun  &  Saiblin.  (63  6.  8.)  —20. 

Meister  Martin  der  Küfer  und  Seiue  Gesellen  Edited,  with  literary  introdac- 

tion  and  notes  by  Franz  Lange.  (German  Classic*)  London.  Symons.  (144  S.  12.) 
1  sh.  6  b 

Weird  Tales.  A  new  translation  frora  the  German,  with  biographical  notice  bj 

J.  T.  Bcalby.  With  11  etchings  by  A.  Lalauze.  2  v.  post  8°,  pp.  802.  London, 
Nimrao.    15  sh.  — 

fantastic  tales;  from  the  original  German;  ill.  with  etchings  by  Lalaoze.  Large 

Eaper  ed.  New  York.    B.  Worthington.    2  v.  0.  (Bomances  of  fantasy  aod 
nmor.)    £  12. 
E.  T.  W.  Hoffmann.   [The  Satorday  Review.  February  2,  S.  145—146.] 
Hoffnung,    $er  (Sbriften.    (Sine  Sammlung  ^ciftU  Sieber.    ÄflSbft.  Scbubert  &  6eitel. 

(21  6.  ar.  8.)  n.  n.  —50. 
Hoppe,  Michael  (ans  Wilkowo  Er.  Flatow)    Ein  Beitrag  zur  Castration  der  Frauen 

bei  Uterusfibroiden  I.-D.   Grcifsw.   (33  S.  8.) 
#etn,  6uperint.  $.,  ätom  Übelnehmen.  SBorlcfuna.  [$er  93eroei§  b.  ©tauben«.  91  ?. 

Sb.V.  6.321—34.1  au«  fep.:  j(ftma*b.  ©räfe&  Unser  in  Gcmm.  (166.  flr.SJ 
Horowitz,  Oberl.  Dr.  J.,  Ueber  Plato's  Theätet,  seine  Bedeutg.  n.  Stellg.  innerh.  der 

piaton.  Lehre  u.  seino  Abfassungszeit.    (Beil.  z.  Progr.  d.  Gymn.  m.  ßealg.) 

Thorn.    (28  S.  4.) 
Jacobson,  Prof.  Dr.,  zur  Abwehr  geg.  Hrn.  Medicinalr.  Dr.  Passauer.  Ebg.  Härtung. 

(18  S.  gr.  8.)    —50. 
Präparatorische  Iridcctomie  u.  antiseptische  Behandlung.    [Graefe's  Archiv  f. 

Ophtbalmol.   30.  Jahrg.  Abth.  II.  S.  261—282.]    Zur  Casuistik  d.  glaucoma- 

tosen  Krankheiten.    [Ebd.   Abth.  IV.  8.  157—210.] 
Jacoby,  Oberlehr.  Dr.  C,  Dan  zig,  Becens.   [Zeitschr.  f.  d.  Gymn.- Wesen.  38.  Jabrg. 

5.  230—233.    Neue  Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Pädag.  II.  Abth.  S.  621—622.] 
3aeoft>,  £>.  U?a*bß.  in  $r.),  $ie  gürjtin  ©aüifein.    [3)tf<D.»e&anü.  Blatter.  9.  ^at?r,i 

6.  381—403.  459—465.  544-558.]    SHecenf.  T»lÄtt.  f.  Itterat.  Unteibattfl.  6.] 
Jeep,  Ludwig,  Quellenuntersuchungen  zu  d.  griech.  Kirchenhistorikern.    [Jahrbb.  f. 

class.  Philol.   XIV.  Supplementbd.  S.  53—178.]  auch  separ.:  Leipz.  Teubner. 

(128  S.  8.)    2.40.     rec.  LÜ.  CentralbL  30. 
Zur  Gesch.  Constantin  d.  Gr.    [Histor.  u.  philol.  Aufsätze   Ernst  Curtins  zu 

am.  70.  Geburtstage  gewidm.    Berlin.  Asher  u.  Co.  S.  79—95  gr.  8.] 
Jentzsch,  Dr.  Alfr.  (Kg&bg.),  Gedächtnissrede  auf  Oswald  Heer,  geh.  in  d.  Sitzg.  d. 

pbys.-Ökon.  Ges.  zu  Kgsbg.  [Aus:  „Schriften  :c."]  (Berl.  Friedländer  u.  Sobn.) 

(26  S.  gr.  4.)  baar  n.  1.—    cf.  Leopoldina.  Hft.  XXI.  1885.  S.  18—20. 
3eftet,  g.  G.,  bte  Meine  Saab,    gür  3aacr  u.  3aobliebfraber.    5.  JKufl.  aoflft.  umwarb. 

*.  Ob.*3örft.  D.  *.  «iefentfoil.  (3n  12  fifan.)  fieipjifl.  Srocf&au*.  3.-10.  gl«. 

(6.  145—688.)   ä  l.- 
3©&ii,  Kid?,  ob.,  6trafproce&orbnuna  f.  b.$eutfd)e  JRei«  nebft  GinfiUtunoSacfffc.  1.9fr. 

3.  ©ft.  (XXII  u.  6. 651—1030.)  [$.  ©efeftaebuna.  6.  ©b.  1.  Slbtb.  3.  ^>ftj  7.20. 

compl.  8b.  I.  Örlongen.  <ßafoi  &  (Snte.  (XXII,  1030  6.  8.)    18.80. 
Seital,  $auline  aeb.  (Mb,  geprüft,  Äocbbud?.  2lnn>ettuna.  ...  in  2165  SRecejrten  . . . 

9.  «up.    flflSbfl.  Son.    (488  6.  gr.  8.)    aeb.  4.— 


AHpreossische  Bibliographie  1884.  499 

Jordan,  Heinr.,  quaestiones  archaeicae.    Kgsbg.  Härtung.  (13  S.  gr.  4.)  1.50. 

Der  Tempel  der  Vesta,  die  Vestalinnen  u.  ihr  Haus.   [Hißt.  u.  phil.  Aufsätze 

Ernst  Curtius  zu  sm.  70.  Geburtstage  gewidra.   Berl.  Asher  u.  Co.  S.  209—20.] 

Rec.  [Dteche  Littztg.  14.  16.  52.] 
gerban'*,  SB.,  Ktbehinae  1.  u.  2.  Sieb  a  2  ZhU.  (ffoblf.  StoSo,)    ^rantfnri,  3orban. 

1.  6ia.fribfaae.    12.  2hif(.  (291  u.  296  6.)    2.  fcilbebrantS  fceimtebr.    7.  HnfL 

(279  u.  315  6.  8.)    a  6.— 

$utaV$  Obr.    Cuflfpiel    5.  Stufl.    Gbb.    (XV,  107  6.  8.)    2.- 

$aufd>  enttflnfaU    Suftfo.  in  5  »ufe.    2.  Hufl.    ©>b.    (147  6.  8.)    2.— 

Josephsohn,  Nathan  (Arzt  ans  Riqsenburg),  Ueb.  d.  Ausgang  d.  Pneumonie  in  Indu- 
ration.   L-D.    Marburg.    (34  S.  8.) 
Josupeit,  0.,  Ueb.  d.  latein.  Unterricht  in  Quarta  .  .  .  Beil.  z.  Gymn.-Progr.  Inster- 

burg.    Wilhelmi.   (19  S.  8.) 
3  übt  (dum,  $ci$  600jäbr.,  b.  Stabt  ©raunSbera  1884.  ©in  ©ebenfMatt  . . .  SraunSbfl. 

($>une.)    (56  6.  8.)    —40.    [6epar.*3lbbr.  au«  b.  @rmtänb.  Ate.] 
3uttg,  SMbur  (SHcfcrife),  bisputable  (9ebanfen  üb.  b.  böb-  fiebtftanb.  nölatter  f.  bobere* 

6<bu(wefen.  1.  3abra.  Tit.  9.]  Altrömische  Lyrik.  (Rec.)  [D.  Magazin  f.  d.  Litt 

d.  In-  u.  Ausl.  47.]. 
Äö&fet,  Superint.  in  ftcitebera,  SBertdjt  üb.  b.  firdjt.  u.  flltl.  3uftÄnbe  in  b.  ©emeinben 

b.  ermlanb.  ennobaltf  reifes  .  .  .  flaSbfl.  Oftpr.  3ta3.  u.  $Berl.:3>r.  (32  6.  8.) 
ftäMer,  $rof.  Dr.  SJlartin,  b.  2öiffenfd>.  b.  firdtf.  Sefere  ü.  b.  e&ana.  ©runbaTtitel  au$ 

im  Hbriffe  baraeft.    2.  oft.  Soamatit.  erlangen.  5>eicbert.  (6.  217—460.)  3.— 
b.  S-Brief  b.  *|$aulu$  an  b.  ©alater  in  genauer  ffitebetaabe  feines  ©ebanfenaangeS 

bargefteflt  .  .  .  Untocrf.-Ikoar.  ftaüe.    (54  6.  ar.  8.) 
ÄoicFfretn.  ganfreft'*,  %,  ©cfdjidjte  Napoleon'*  I.    ¥lu$  b.  ftranj.  ü.  (5.  n.  ©lümer. 

(*inaeleitct  t?.  Slb.  6tabr.  öeenbet  beb.  Dr.  <E.  *.  Jraldfceim    2.  moblf.  »uSa. 

in  7  8bcn.    »b.  I.  (VI.  381  6.  ßr.  8.)    »b.  II.  (395  S.)    »b.  IV.  (462  6.) 

9flinben.  93run*.    ä  3.— 
Portrait«  au«  b.  brfeb.  9tei*$faae.   [tfeipj.  3fluftr.  3ta.]    Rec.  [Mitthlgn.  a.  d. 

bist  Litt.   XII.  Jahrg.  3.  Hft.] 
•frülenber,  neuer  u.  alt.  oft.-  u.  weftpr.  a.  b.  3-  1885.    Jtaibg.  Wartung. 
Jtalenbre«,  SilieS  flrtchvjo  1885.    Jifftt.  »tcnUInber.    (96  S.  8.) 
Kammer,  Dir.  Prof.  Dr.  E.,   zur  homerischen  Worterklärong  des  Aristarchos.    [Neue 

Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Pädag.  129.  Bd.  8.1—12.  523—28.]  Rec.  [£it.  ©entrfllbl.  4. 

Philo).  Rundschau.  49.  50.  51.] 
Kant,  Imm.*) 
Äatolofl  b.  fluSftcflg.  bieneutrirtM*.  ©gftbc  ...  jutfaSba..  in$r.  ».8.— 12. Sept.  1884, 

nebft  e.  SBortoort  üb.  b.  Stanb  b.  oftpreufe.  tBienenjudjt.  j?g4bq.  ®räfe  u.  Unser. 

(44  6.  8.)   n.  n.  —20. 
Kanffmann,  Hugo,  aus  Graudenz,  üb.  Hartmanns  lyrik.    Leipz.  Inaug.-Diss.   Danzig, 

Druck  ▼.  Edw.  Gröning.    (Leipzig,  Pock.)    (95  S.  gr.  8.)     1.50. 
Kauach,  Oberl,  Verzeichn.  d.  Abiturienten  d.  Elbinger  Gyran.  y.  1803—1881  nebst 

Notizen  Üb.  ihre  spät  Lebensverhältnisse.    Mit  Benntzg.  v.  Vorarbeiten  des 

ehernal.  Oberl.  Anger.    [Gymn.-Progr.]    Elbing.    (37  S.  4.) 
Keroke,  Ioannes  (aus  Kgsbg.),   Pbilodemi  de  musica  librorum  quae  exstant  praeter 

librum  IV.  edidit  .  .  .  Diss.  inaug.  Bonnensis.  Lipsiae,  typ.  Teubneri.  (3  Bl. 

32  S.  8.) 
Ketaynskl,  Wojciech  dr.  Vitae  et  miracula  sanetorum  Poloniae  patronorum  Adalberti 

et  Stanidai.    (Odbitka  z  IV  tomu   dziela  Monumenta  Poloniae  histor.   str. 

206—438.)    Lwöw,  druk.  im.  Ossolinskich  1883.    (238  S.  4.) 
Miracula  Venerabilis  patris  Prandotae,  episcopi  CracoYiensis.    (Odbitka  .  .  . 

str.  439-500.)   Ebd.  1884.   (64  S.  4.) 
Vita  et  miracula  8.  Kyngae,  ducissae  Cracoviensis  (Odbitka  . . .  str.  662—744). 

Ebd.    (84  S.  4.) 

De  pincerna  ducis  Poloniae  a  mortc  liberato,  Mors  et  Miracula  b.  Verneri, 

'   episcopi  Plocensis,  Translatio  s.  Floriani,  Miracula  b.  Hedwigis,  reginae  Po- 
loniae. (Odbitka  .  .  .  str.  745—769.)    Ebd.    (27  S.  4.) 

*)  Die  Kant  betreff.  Litteratur  folgt  später  in  einer  besondere  Zusammenstellung, 


500  Mittheilungea  and  Anhang. 

K$trzyAski.    Vita  8.  Salomeae,   retinae  Haliciensis,  auctore   Stanislao  FranciscaDo. 

(Odbitka  .  .  .  str.  770-796.)    Ebd.    (30  S.  4.) 
Jan  Kanaparyusz,   zakonnik   wloski,   czy   Gaudenty,   arcybiscup  gnieznieiisri, 

autorem  najdawniejszego  zywota  s'w.  Wojciecha.  [Przewodnik  naukowy  i  lit<*-. 

pod  redakcya,  A.  Krechowieckiego,  zeszyt  z  stycznia  1884.  Lw6w.  str.  1—%.] 
KUHng,  Prof.  Dr.  W.,   Erweiterung  de»  Raumbegriffes.    Mathem.   Abbdlg.    BraoD>- 

berg,  Huye.  (21  S.  4.)  1.60. 
Kirchhoff,  G.,  Zur  Theorie  der  Diffusion  Ton  Gasen  durch  e.  poröse  Wand.  |  Annita 

d.  Physik  u.  Chemie.    N.  P.    Bd.  21.    (257.)  S.  563-575.]    üeb.  d.  Form- 
änderung, die  e.  fester  elast  Körper  erfahrt,  wenn  er  magnetisch  od.  dielec- 

trisch  polarisirt  wird.    [Sitzungsber.  d.  kg]*  prenss.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin 

XL  XII.  S.  137—156.  auch:  Anualen  d. Physik  u.  Chemie  N.  F.  Bd.24.  (M) 

S.  52—74.]     Ob.  einige  Anwendungen  d.  Theorie  der  Formänderung,  welche 

ein  Körper  erfährt,  wenn  er  magnetisch  oder  dielektrisch  poralisirt  wird  [Sitzunj.v 

ber.  d.  Akad.  d.  Wiss.  z.  Berl.    LI.  S.  1155—1170.] 
Kitt,  Dr.,  De  translationibus  Taciteis.   (63.  Jahresber.  d.  kgl.  Gyron.)  Conitz,  Gebaut. 

(S.  3—32.  4.) 
£ty,  Giftet  (Obererer  in  Xrier),  ©runbjüfle  ber  9Rora(pbUofop&ie  o.  €tanbpunt!e  r» 

ÖeflelsSHoien  flanschen  €pfiftn$  becirb.  SBiffenfcbaftf.  Silage  3.  ^Rcal-@pmn.^rM 

frier.  (2  SBl.,  31  6.  flr.  8.) 
Klebs.   Fritsche,  Dr.,  u.  Prof.  E.  Kleb»,  e.  Beitrag  z.  Pathol.  d.  Riesenwuchses.  Elio. 

n.  pathol.- anatom.  Untersnchgn.   Mit  3  Taf.  Leipzig,  Vogel.  (90  S.gr.  8.)  4- 
Julius  Cohnheim  f.    [Archiv  f.  experiment  Pathol.  u.  Pharraak.  XVIII,  3.  4. 

8.  I— X.l    I)ie  Umßeftdtfl.  b.  ÜHenfdjcnaefcblecbtä,  tn&befonb.  burdj  Aranlbcis« 

pvoceffe.  [Horb  u.  ©üb.  XXV1I1.  33b.  6.  241-254.] 
JHcto,  ©eorfl,  lieber  «lumenpfleae  im  Sinter.   [SeutfAe  9tcoue.|  !Ro*.  6.  191-1051 

über  d.  Organisation  u.  d.  systemat.  Stellung  d.  Peridineen.     [Biologische 

Ccntralbl.  hrsg.  v.  J.  Rosenthal.  4.  Bd.  No.  23.]  einige  Bemerkgn.  zu  „Schmitz 

Beiträge  z.  Kcnntniss  d.  Chrom  atophoren"  (Pringsheim's  Jahrbb.  XV.  1.)  [Butar. 

Ztg.  36.]    e.  klein.  Beitrag  z.  Kenntniss  d.  Peridineen.    [Ebd.  No.  46. 47M* 

Rec.  [Ebd.  No.  5.] 
Klebs,  R.,  Der  Deckthon  u.  d.  tbonigen  Bildungen  d.  unteren  Diluviums  um  Htü- 

berg.    [Jahrb.  d.  Kgl.  Pr.  Geol.  L.-Anstalt  f.  1883.   S.  598—618.] 
Älrifr,  (Smil,  (Pfarrer  gu  ßreujbura,,  Oftpr.)  ßreto.  ©eifü.  Sieber.  Seipjia,  fteifcna 
Klapper,  Prof.  Dr.  Alb.,  Ein  paar  Bemerkgn.  z.  d.  Urtheil  d.  Josephus  üb.  Joh.  d. 

Täufer.    [Ztschr.  f.  wisse nsch.  Theo!  28.  Jahrg.    S.  1-20.] 
Jtlofc,  fiebr.  3W.,  Sie  SHofen^ucbt.    Anleitung  f.  Säten  u.  Siebter.  2.  tlufl.  SMnü.i 

1885  (84)  Slrt.  (46  6.  16.)  —50. 
-  ■  —  Sie  Dbftbaumjudtf  u.  b.  Söebanbljj.  b.  3i(tbäume  u.  Strauber  nebft  2liÄ  - 

Slnlaae  u.  $fleae  b.  ©lumcnaartenS.  2.8lup.  (5bb.  1885  (84).  (31 S.  ßt.  8.)  -5C«. 
Kobilinski,  G.  v.,  (Königsb.  i.  Pr.)  Bemerkgn.  z.  Lat.  Grammatik  v.  Ellendt-Sejffert. 

[Ztschr.  f.  d.  Gymn.-Wesen.  N.  F.   18.  Jahrg.  S.  432—440.] 
Koch,  John,  Rec.  [Engl.  Studien.  VIII.-Bd.   S.  142-145.   Dtscb.  Litt-Z.  No.  52.] 
Köhler  (Generalmaj.  z.  D.)   üb.  d.  Conflict  d.  Stadt  Danzig  m.  d.  Krone  Polen  i.  d 

J.  1576  u.  1577.  [61.  Jahres-Ber.  d.  Schles.  Gesellsch.  f.  vaterl.  Cultur.  BreJ. 

S.  388—391.] 
äottifl,  »ob.,  Sie  SJtoräenfrau  b.  «rüber  ©rimm.    [Sa&eim,  20.  3a&ra.  &•  &I 

Giemen*  Brentano.    [(5bo.  9tr.  48.] 
Jfönigrterget  ...  S.  aemütblicfre;  e.tfalenber  a.  b.  3.1885.  2Ro&ruitaen.  SRautfnbcu 

(108  6.)    -30. 
Kohl,  Feld.,  Vorschläge  z.  Reform  d.  Schreibunterrichts  in  höh.  Lehranstalten.  ProgT.- 

Abhdlg.    Osterode  Ostpr.    (19  S.  4.) 
Kosallina,  Dr.  phiL  Gustaf  (Halle),   Bibliotheca  philologica  od.  geordnete  Uebersieh: 

aller  auf  d.  Gebiete  d.  class.  Alterthsw.  .  .  .  neu  erschien.  Bücher.  36.  Jahr?. 

2  Hfte.  (393  S.  gr.  8.)    Göttingen.  Van  de  u  ho  eck  u.  Ruprecht    2.— 
Karl  Mtillenhoff.  (Nekrolog.)   [Beiträge  z.  künde  d.  Indogerm.  sprachen  bn? 

v.  A.  Bezzenberger.    Göttingen.    9.  Bd.    S.  135—150.     (LitUraturverzeicfau 

S.  144—150.)]    flu*  e.  btf*.  fiiterarWftoriter.  [©renjboten.  45.  6.  267-S76. 

Rec  [Dtsche  Littztg.  39.  41.  Centralbl.  f.  Bibliothekswes.  1.  Jahrg.  S.  451—52.] 


Altpreussieche  Bibliographie  1884.  501 

Kraffert  Ree.  [Philol.  Rundschau.  3.  4.  8.  22.  26.  27.  32.  42.] 

Knh,  £.  (Insterbnrg),  Rec  [Wochen 8 ehr.  f.  klass.  Philol.  9.  19.  22.] 

Jtroufe,  OberL  Dr.  ©ottlieb,  ftriebrid)  b.  ©r.  u.  b.  btf*e  $oefte.    6aü>.  ©u*&bla.  b. 

©aifenbauf.    (V,  120  6.  ar.  8.)    2.— 
Fried r.  d.  Gr.  Stellung  z.  dtschen  Litteratar  u.  zu  d.  dtseb.  Dichtern.    (Ber. 

d.  Kneipböfsch.  Gymn.)    Kgsbg.    (16  S.  4.) 
Kresia,  Eug.  Oskar  (Arzt  aus  Danzig),   Ceb.  Tracheotomie  nach  Verletzungen.   I.-D. 

Würzburg.    (30  S.  8.) 
frctylift/  <fcr  Scranfler  unb  Courier.    (G.  ©eitr.  j.  ©efd>.  b.  föabicaltemuv.)  [Wotb  u. 

Süb.  93b.  30.  6.  88-108  ]    3*ier$  u.  feine  3ett.    [Gbb.  $ecbt\] 
^T(9fftf)#  @.  (Snflemeur),  SBorfdjIäae  3.  ßntn>idfß.  e.  Ofnpr.  ManalfoftemS.  [Kflsbfl.  fianb* 

u.  forftroittMcb.  3tfl.  46.1 
Krieg,  Prof.  Heinr.,  Corresponaenzblatt  d.  königl.  stenogr.  Instituts  zu  Dresden  .  .  . 

31.  Jahrg.    Dresden.  Dietze.  Hohle  in  Comm.  4. —  Dazu  als  Beibl. :  Echo 

Ebd.  1.50.  u.  stenogr.  Lesebibliothek  .  .  •  1.50. 

stenogr.  Schreibheft  m.  Vorschriften  ...  l.Hft  11. Aufl.  Ebd.  (48 S.  8.)  —60. 

das  GerichtsTerfassungsgesetz  f.  d.  Dtsche  Reich,  nebst  Einffthrgsgesetz  .  .  . 

2.  Aufl.    Ebd.    (IV,  36  autogr.  S.  16.)    n.  n.  —75. 
ärefta,  Dr.  gr.,  öilfgbu*  f.  b.  iluterricbt  tu  b.  ®efd>.  an  fröfc.  XöaMerföulen.  2.  Zty. 

$.  aUtttelalter.    5.  Slufl.    fcetbelbcra.  äöeift.    1.— 
Arna.tr,  Dtctt.  Sari  21.,  (Sbarafterbilber  au«  b.  üftaturaefd).    @in  fiebr*  u.  Cefebudj  m. 

257  $arft(lan.  aus  b.  3  ffleid?.  b.  Statur ...  Wü  203  «bbilbßn.  S)an}tG  188f>  (84.) 

Art.  (VIII,  372  S.  flr.  8.)  3.-  aeb.  4.— 

9iaumlcbre  f.  $olf*fdmlen  .  .  .  ßbb.  (20  6.  8.)  —20. 

©ef*.  b.  djriftl.  ätrdp  nebft  3fofc. :  ba*  cfcriftl.  flirajenjafrr  ...  4.  SufL  Gbb. 

öfrtlina,  (40  6.  ar.  8.)  —SO. 
fiieberftraufe  o.  2«  u.  3ftimmtfl.  ©c|Ä"ß-  f.  Scfculen.    Ausg.  B.    3.  Sbifl.  @bb. 

3irt.  (83  6.  8.)  —50. 
—  Sdmlcboralbud)  unt.  befonb.  SBerüdff.  b.  flemifät.  (Sänaetdtöve.  3.  8.  £pd.  ffitebe. 

(58  6.  «r.  8.)  aeb.  baar  1.— 
beutjtbeS  Sefebu*  f.  8olf$=  u.  »üwvfcbul 2  SEWe.   ÄaSbfl.  $on'$  SBerl. 

(IV,  171  6.  ar.  8.)  —55.    (VIII,  455  6.)  1.30. 
beutfebe  6d)ularammarit  f.  SBoitä*  u.  ©üracrföul.  Ausg.  A.  $anjia.  2lrt.  (48  6. 

ar.  8.)  nn.  —25.    2.  8u$fl.  ßbenio. 
Stealienbu*  f.  §8oK*f<btilen  ...    5.  nerb.  $1.   Wit  60  (einaebr.)  Nbbtlb.  6bb. 

(126  6.  ar.  8.)  aeb.  -50.    SluSa.   f.  etoana..  6d?ul.    Mit  61  &bb.  (126  6.) 

cart.  —50.    $u3a.  f.  fah>.  6d?ul.  reb.  x>.  3-  ft.  ^atotontffi.  SRit  60  Slbb.  dbb. 

(126  6.)  ßeb.  —50. 
Krueger,  Paul.  Corpus  jur.  civilis.  Ed.  stereot.  III.  Vol.  II.  Codex  Iustinianua  recogn. 

P.  Krueger.  Berl.  Weidmann.   (XXX,  513  S.  Lex.  8.)  6.—  Scbreibpap.  9.— 
Collectio  libror.  jur.  antejustiniani.    In  usum  scholarum.   Edd.  Paul.  Krueger, 

Tb.  Mommsen,   Guil.  Studemund.  Tom.  1.  ibd.  [Inh.:]  Gai  institotionea.  Ad 

codicis  Veron3nsis  apographum  8tndemundianum  noris  curia  auetum.  Iterum 

edd.  P.  Krueger  et  Guil.  Studemund.  Insunt  supplementa  ad  codicis  Veronen- 

sis  apographum  a  Studemundo  composita.   (XXaIX,  206  S.  8.)  3. — 

9tec.  [Ärit.  38ierteljafrr*f4r.  f.  ©efetflieba.  H.  %  $b.  VII.  $ft.  2.] 

Kruse,  Prov.-Schulr.  Dr.  K.,  Rec.  [Ztschr.  f.  d.  Gymn.-Wes.  38.  Jahrg.  S.22— 31. 85—94.] 
Äübnaft,  ftmtericbt.,  üb.  b.  tedjtl.  Segr.  b.  tfapttafo  [^eitrfioe  3.  ©rläuterfl.  b.  btfa>. 

sJ<ecbtd.  3.  5.  8.  3Mra.  6.  856—405.] 
Äünjer,  $rof.  Dr.  (ü«artentt).),  JHec.  [«öbag.  Htcbfo.  »b.  XXVI.  SRr.  5.  7.] 
Kuhnert,  Ernst,  Statue  u.  Ort  in  ihr.  Verhältnis  bei  d.  Griechen.  Eine  archaol.  Unter- 
suchung.  [Jahrbb.  f.  class.  Philol.  XIV.  Supplementbd.  1.  Hft.  8.  245—338.] 

auch  Sep.-Abdr.:  Leipz.  Teubner.  (94  S.  gr.  8.  m.  1  Taf.)  2.— 
Äunfee,  Üuöv  Silber  auö  b.  $reugif(b.  Sittauen.    (SrinneraSblätt.  an  e.  %o(t  baö  einft 

§rofe  unb  mädjtifl  »ar,  bejf.  (Sriftenj  abet  jefet  nur  nod?  eine  graae  ber  3«t  ift. 
bftod.  2öil^.  Söert^er«  8ert    (V,  74  6.  8.)    1.— 
£tttfa)ttt,  fiebr.  3lleybr.,  Unedierte  Horaz-Scholien  de6  codex  Parisinus  Lat  7975  (y) 
zum  vierten  Buch  der  Oden,  den  Epoden,  dem  Carmen  saeculare  u.  d.  ersten 
Buch  der  Sauren.    [$roor.  b.  ©pmn.]    2Uftt    (59  6.  4.) 


502  Miltheilungwi  und  Anhang, 

Äittt,  SBtrK.  StaatSr.,  em.  $rof.  D.  ftofc.  öeinr.,   fit&rbu*  b.  peil.  ®ef*.    ©n  ffle* 

weifet  3.  SerftanbniS  b.  aottl.  $eifp(ano*  na*  fr.  oefcfcirttl.  entrokflft.  16.  Ter».  3usji. 

Jtaftba..  <Mfe.  (X,  331  6.  ar.  8.)    2.80. 
Labahn,  Gymn.-L.  Dr.,  Observation  criticae  in  Hesiodum.    (Gymn.-Ber.)  Schweiz. 

(S.  3—10.  4°.) 
LangendorfT,  Prof.  Dr.  Ose,   Studien  Ob.  Rhythmik  u.  Automatie  d.  Froschherzm 

Mit  Abbildgn.    (133  S.  gr.  8.)    Einzelpr.  5.60.    [Archiv  f.  Anat  n.  Physiol. 

Physiol.  Abth.   Suppl.-Bd.]  4.60. 
gefcmonu,  $ft.  Dr.  &,  $ajtoralbibliotbef.    Sanimfa.  t>.  äafualreben,  bearünb.  ».  £id» 

mann,  fortaef.  u.  br$a.  n.  .  .  .  6.  Sto.  ©otba,  6d)lö&mann.  (369  6.  8.)  AM 
Lehmann,  Hugo  (Arzt,  a.  Tuchel),  Ueb.  die  neuer.  Antipyretica  mit  besond.  Berück- 
sichtigung d.  Antipyrin.    Inaug.-Diss.  Berlin.    (32  S.  8.) 
Lenke,  Elisabeth,  ab.  d.  Burgberg  v.  Gross* Gardienen.    [Verhandlungen  d.  Berliner 

anthropol.  Gesellsch.  8.  442 — 444.] 
Lentz,  F.  L.  (Kgsbg.),  Zu  Plutarchos.  [Neue  Jahrbuch,  f.  Pbilol.  u.  Pädag.  129.  Ei 

S.  282 -284.] 
Lewald,  Fanny,  Stella.  From  the  German  by  Beatrice  Marshall.  (Tauchnitz  Genus 

Authors.)    2  vols.  pp.  576.    4  sh. 

$er  Seefrof.    3.  HnfL    Berlin.  $anfe.    (205  6.  8.)    1.50. 

(£rmnerunoen.    fcortenfe  Gornu.    [Söeftermann'S  iüuftr.  beutW*  aRonatSbejk 

29.  te.  5.  gotoe.   $Bb.  VII.  S.  25-38.1 
Leyden.  Verbandlungen  a.  Congresses  f.  innere  Medicin.  3.  Congr.  gehalt  zu  Berlin 

21.— 24.  Apnl  1884  .  .  .  hrsg.  v.  Geh.  Med.-R.  Prof.  Dr.  E.  Leyden  u.  Dr. 

Emil  Pfeiffer.    Wiesbaden.  Bergmann.  (XX,  388  S.  8.)    8.— 
Ueber  Poliomyelitis  und  Neuritis.   [Verbdlgn.  d.  3.  Öongr.  f.  innere  Median 

S.  92—125.]   Ueb.  spontane  Peritonitis.  [Dtsche  rnedic.  Wochenschr.  Nr.  1T.| 

Ueb.  d.  Sclerose  der  Coronar- Arterien  u.  d.  davon  abh&ng.  Krankhlszusiändi. 

[Ztschr.  f.  klin.  Medicin.   Bd.  VII.  S.  459—486.  539- 5S0.] 
LleWsch,  Th.  (Kgsbg.  i.  Pr.),  Bec.  [Dtsche  L.-Ztg.  49.] 
Liebreich,  Ose,  u.  Alex.  Langgaard,  DD.,  medic.  Recept- Taschenbuch.  (In  20  Lfgn-i 

1.  Lfe.    Berlin.   Fischer.    (IV,  48  Ö.  8.)    -  50. 
SteberM»,  Muftrirte*  ...  11.  Sluff.    Sporn,  fiambed.    (264  6.  16.) 
Undemann,  F.  (Kgsbg.  i.  Pr.),  Ueb.  d.  Darstellg.  binärer  Formen  u.  ihr.  Co?arianta 

durch  geometr.  Gebilde  im  Räume.  [Mathern.  Annalen.  XXIII.  Bd.  S.  lll — 142.J 
LIpsohHz,  R.,  Beiträge  z.  d.  Kenntniss  d.  Bernouillischen  Zahlen.  [Journal  f.  d.  reine 

u.  angew.  Mathem.   96.  Bd.   S.  1—16.  4°.]    Bemorkg.  zu  d.  Abhdlg.:  Unter- 

suchgn.  üb.  d.  Bestimmung  v.  Oberflächen  mit  Torgeschriebenem  Ausdruck  l 

Linearelements.  [Sitzgsber.  d.  k.  preuss.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin.  Hft.  XXX. 

u.  XXXI.  S.  649-650.]    Sur  une  representation  de  la  fonetion  eiponeuüelfe 

par  un  produit  infini.    [Comptes  rendus  hebdomad.  des  seances  de  FAcai 

des  sc.  f.  99.  p.  701—703.] 
Ussaiier,  Dr.  (Danzig),  Vortrag  Üb.  d.  sagittale  Schädelkrümmung.    [Verhandlgn.  i 

Berl.  Ges.  f.  Anthropol.,  Ethnol.  u.  Urgesch.    S.  468—473.] 
Seeiet  (Dbeifonbe30Ct.*JR.  in  ÄaSbfl.  t.  $r.),  £>.  preufr.  Snteißmraß$a,efe&  0.  IL  3&ni 

1874  etlaut.    geipjtfl.  mt  u.  So.  (IV,  233  S.  gr.  8.)    5.— 
göbett,  Dr.  Mi*.,  üb.  2itauif*e  Solfepoeftc.  (8eü.  g.  $roflr.  b.  dtealfcbule  Oppen^in.) 

(29  6.  4.) 
Sefflab,  $fr.  in  SBraunSbera.,  Post  festuin.  3meite  3>entf<t>rift  ab.  b.  cixihq.  ®fm«»k 

»taunSberg  .  .  .  Xtt  TOfc.  aebr.  33etl.  Xronrifcfcfc  u.  6ofcn.  cf.  E».  Gemmen.  :>7. 
Loevy,  Iacobns  (a.  Orteisburg),  Libri  Kohelet  veraio  Arabica  quam  composuit  Ibn- 

Ghijath.    Dias,  inaug.  Lips.  Lugduni  Bataror,    (52  S.  8.) 
Lohmeyer  Rec.  [Sit.  Gentralbl.  9.  23.  46.  52.] 
Lohrenz,  J.  F.,  neuester  Situations-Plan  ?.  Danzig  m.  numerirt.  Strassenverteichflia. 

1 :  5000.    Lith.  qu.  Fol.    Danzig.  Saunier.    2.—  col.  3.— 
—  —  kleiner  Plan  ▼.  Danzig  mit  Berücksichtigung  aller  Neubanten  entworfen  . .  • 

1 :  20000.    Ghromolith.  qu.  gr.  4*.    Ebd.    —50. 
l**winsk!,  Anton  (Dt  Krone),  Zu  Aeschylos  Agam.  t.  642  fgg.  [Philologus.  43.  BA 

S.  707—709.] 


Präsausaehreibeii.  503 

Lüwich,  Arth.  (Prof.  zu  Kgsbg.),  Aristarchs  Homerische  Textkritik  nach  den  Frag- 
menten d.  Didymos  dargest.  o.  beurtheilt.  I.  Tbl.  Leipzig.  Teobner.  (VIII, 
635  S.  gr.  8.)   12.— 

Ukowicz,  Marceil  v.  (Blumfelde  Westpr.),  Beitrag  z.  Prognostik  d.  Glioma  retinae. 
l.-D.  Halle.    (30  S.  8.)  £ 

Prelsaussehreibeii. 

Das  Preisausschreiben,  das  der  „Evangelische  Verein  für  geistliche  und 
Kirchenmusik  der  Provinzen  Ost-  und  Westpreussen"  auf  Kirch  enchöre  für 
2  Frauen-  und  1  Mäunerstimme  zu  Neujahr  rf.  J.  erlassen  hat,  ist  nun  zur  Ent- 
scheidung gekommen.  Im  Ganzen  waren  von  etwa  400  Einsendern  aus  ganz  Deutsch- 
land, Oesterroich,  der  Schweiz,  Italien  und  Amerika  gegen  1200  Kompositionen  zur 
Konkurrenz  gestellt.  Dieselben  wurden  von  4er  „Redaktionskommission"  für  die 
Herstellung  des  gewünschten  Kircheuchorbuches  einer  vorläufigen  Sichtung  nach  Musik 
und  Texten  unterzogen,  nnd  nach  Ausmerzung  der  den  Bedingungen  der  Konkurrenz 
nicht  genügenden  Kompositionen  in  hektographischen  Abzügen  der  „Preis richte r- 
kommission"  zur  Entscheidung  übersandt.  Letztere,  aus  Vertrauensmännern  des 
Vereins  und  Beigeordneten  der  Konsistorien  konstituiert,  bestand  aus  den  Herren 
Domorganist  Berneker- Königsberg,  Musikdirektor  Kuhlmann-Oldenburg,  Musik- 
direktor Mark  u  11- Danzig,  Professor  Dr.  Volckm er- Homburg,  Musikdirektor  Wal d - 
bach-Pr.  Eylau.  Die  Mitglieder  der  Preisrichterkommission  gaben  ihre  Stimmen 
aber  die  ihnen  ohne  Namen  vorgelegten  Kompositionen  völlig  unabhängig  von  ein- 
ander ab.  Durch  die  Majorität  der  abgegebenen  Stimmen  erhielt  darnach  den  ersten 
Preis  (100  M.)  die  Komposition  „Ich  lasse  dich  nicht,  du  segnest  mich  denn",  den 
zweiten  (50  M.)  die  Komposition  „Herr,  höre  mein  Gebet".  Als  Namen  der  Kom- 
ponisten ergaben  sich  bei  der  durch  den  Vereinsvorstand  unter  Vorsitz  des  Herrn 
Generalsuperintendentcn  Dr.  Oarus  vollzogenen  Eröffnung  der  Namensbillete  für  die 
erstgenannte  Komposition  Pastor  Gustav  Kittan  in  Priessnitz  bei  Borna  (König- 
reich Sachsen),  für  die  zweite  Chordirektor  Emil  Jork  in  Neustadt  in  Ober- 
achlesien.  Die  weiteren  zu  Prämien  ausgesetzten  100  M.  werden  nach  Fertigstellung 
des  in  2 — 3  Monaten  im  Verlage  von  F.  W.  Gadow  &  Sohn  in  Hildburghausen 
erscheinenden  „Kirchenchorbuches"  als  Honorare,  speciell  für  diejenigen  Ein- 
sender, von  denen  mehrere  Kompositionen  Aufnahme  finden,  verwendet  werden. 
Bas  „Kirchenchorbuch"  wird  aus  den  besten  der  eingehenden  Konkurrenzarbeiten  und 
ans  den  dem  Vereine  sonst  noch  freundlichst  von  einer  Anzahl  von  Komponisten  zur 
Verfügung  gestellten  Originalkompositionen  durch  die  „Redaktionskommission"  aus- 
gearbeitet, welche  besteht  aus  den  in  Königsberg  ansässigen  Herren  Generalsuper- 
intendent D.  Carus,  Superintendent  Lic.  Eilsberger,  Konsistorialrat  D.  Hase, 
Professor  D.  Jacoby ,  Universitäts-Musikdirektor  Lau  dien,  Schlossorganist  Völcker- 
ling  und  Prof.  Dr.  Zimmer. 

Durch  eine  von  Sr.  Excellenz  dem  Herrn  Minister  der  geistliches  je.  Ange- 
legenheiten huldvoll  bewilligte  Beihilfe  ist  der  Verein  in  den  Stand  gesetzt,  Ar  fol- 
gende neue  Preisaufgabe  vorläufig  siebenhundert  Mark  —  spätere  etwaige 
Erhöhung  des  Preises,  bezw.  Aussetzung  eines  zweiten  Preises  bleibt  ausdrücklich 
vorbehalten  —  anzubieten.    Der  Verein  wüuscht 

eine  in  allgemein  verständlicher  Form  gehaltene  wi*«e*«sWtL.  Unter- 
suchung der  Geechichte  und  der  Bedeutung  der  preueeinehen  Tonschule. 


Hittheilungoa  and  Anhing. 

rientierung  ülier  den  Gegenstand  wird  anf  den  im  VeTltge  im 
lung  in  Königsberg  erschienenen  Vortrag  von  Prof.  Dr.  E.  Zimmer, 
lenliederdichter  nnd  Kirchen komponisten"  [Altpr.  Mtsschr.  XXII. 
sen.)  Die  Arbeit  würde  vor  allem  die  zum  Teil  noch  ganz  Gli- 
chen Schätze  aus  jener  Zeit,  namentlich  die  der  Königlichen  unJ 
lek  in  Königsberg  Angehörige  Gotthold'sche  Sammlung  in  w- 
mr  Konkurrem  bestimmten  Arbeiten  müssen  in  deutscher  Spraye 
geschrieben  sein  nnd  vollständig  fertiggestellt  bis  mm  1.  01- 
ei  an  die  Verlagshandlang  von  Breitkopf  &  Hürtel  in  Leip- 
len,  ohne  Nennung  des  Veifassornamcus,  aber  verseben  mit  eiomi 
In   den   Namen   des   Verfassers   einsculiessendes   versiegeltes  Um- 

inte  Schrift  wird  Eigentum  dea  Vereins,  auf  den  also  das  Bei 
U  derselben  im  Original  nnd  in  Uebcrsetzungeu  übergeht.    AuA 

inten  Einsendungen  bleiben  die  eingereichten  Handschriften  im 
der  sich  vorbehält,  von  denselben  in  Einzelheiten  nach  Gutbe- 
machen  mit  Verscbweigung  oder  Angabe  der  Verfasser,  j*W. 

nicht  ohne  deren  Bewilligung. 

>  (Pr.),  Anfang  Juli  1885. 


Bittet 

von  Immanuel  Kant's  Briefwechsel  wird  seit  langem  von  d» 
«  KOnigsberger  KOnigL  und  Univcrsitats- Bibliothek  Herrn  fe 
u  —s.v»-  i»  u-.iieinscbaft  mit.  Oberlehrer  Fr.  Sintenis  in  Dorpat  vorbereM 
Dm  aber  eine  wirklich  möglichst  .vollständige  Sammlung  herausgeben  zu  kBon« 
ist  eine  t  heil  weise  Mithülfe  weiterer  Kreise  durchaus  erforderlich.  Es  ergeht  daher 
an  alle  Besitzer  von  Briefen  von  oder  an  Kant  die  dringende  Bitte,  dieselben  ih 
Kenntnissnahrae  an  Herrn  Dr.  R.  Reicke  in  Königsberg  direct  oder  durch  V<r- 
mittlnng  der  nnterzeichneten  Verlagsbuchhandlung  einzusenden.  Aueh  die  tiefst 
Not«  ist  willkommen,  ebenso  Briefe  von  Kant's  Zeitgenossen,  in  denen  seiner  er- 
wähnt wird,  da  durch  dieselben  leicht  sonst  anerklärbare  anderweitige  BriefeteUei 
aufgeklärt,  die  Chronologie,  Absender  oder  Empfänger  festgestellt  werden  Uno«. 
Was  in  der  Band  des  Einzelnen  zusammenhanglos,  unbedeutend  erscheint,  ist  in 
Vergleich  mit  anderem  vorhandenen  Material  häufig  von  unschätzbarem  Werth, 
Bei  der  allgemeinen  Verehrung,  welche  noch  heute  dem  bahnbrechenden  Geiste  d« 
Königsberg«  Philosophen  mit  Recht  gezollt  wird,  darf  wol  die  vorstehende  Bit» 
eines  allseitig  bereiten  Entgegenkommens  gewärtig  sein. 
Hamburg,  im  September  1885. 

Leopold  Voss  Verlagsbuchhandlung 

Hamburg  und  Leipzig. 


Literarische  Anzeigen. 

Im  Verlage  von  Ferd.  Beyer's  Buchhandlung  in  Königsberg  in  Pr. 

erschienen  als  Separat-Abdrückc  der  „Altpr.  Monatsschrift": 

Königsberger 

Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten, 

Vortrag, 

gebalten  am  16.  Februar  1885  im  Saale  des  Landeshauses  zu  Königsberg  in  Pr. 

von 

Prof»  Dr.  Friedrich  Ziemer. 

Preis   b  roch.  80  Pf. 


Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung 

der 

Stadt  I>ii\scliaiie 

Von 

Dr.  Rieh.  Petong, 

Erstem  ordentlichen  Lehrer  am  Kcal|>rogymnasium  zu  Dirschau  a.  O. 

Mit  zwei  autogr.  Karten.    Preis  I  Mark. 

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Im  Verlage  von  Lipsius  &  Tischer  in  Kiel 

ist  soeben  erschienen: 

Kant  und  (  riisiiis. 

Ein  Beitrag 

zum 

richtigen  Verständniss  der  crusianischen  Philosophie. 

Von 

Dr.  Anton  Marquardt. 

Preis  1  M.  60  Pf. 


kia»      vffi»      *i&p — *&*      *ffi»      «4»V«.v      **)<& — ^& — *ffi-      **^»      *jM 


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i'xm  3,50  Hl. 


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Friedrichs  des  Grossen 


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Soeben  erschien:  |K 

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Heft  7  a.  8  erscheinen  als  Doppelheft  Ende  060601161. 


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Altpreussische 


Mona 


Heuen  Preu^sischenTwinsial-Blätter 

vierte  Folge. 

Herausgegeben 

von 

Rudolf  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 


Der  Monatsschrift  XXII.  Band.  Der  Provinzialblätter  LXXXVIII.  Band, 


Siebentes  and  achstes  Heft. 

October  —  December. 


Königsberg  in  Fr. 

Verlag  von  Ferd.  Beyer' s  Buchhandlung. 

1885. 


Inhalt. 


I.  Abhandlungen : 

Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden.    Von 

Carl  Beckherrn 505—6*5 

Nachträge  zu  Robertins  Gedichten  von  Dr.  L.  H.Fischer  in  Berlin     606—617 

Kants  Copernicanismus  auf  die  Begriffe  Notwendigkeit  und  Freiheit 

angewandt.    Von  Dr.  Otto  Kuttner  in  Coblenz 618— 600 

Tannenberg.    Von  A.  Hörn,  Rechtsanwalt 637—64* 

II.  Kritiken  und  Referate: 

Liv-,  Est-  und  Curländisches  Urkundenbuch.  Begründet  vou  F.  G. 
v.  Bunge,  fortgesetzt  von  Hermann  Hiidebrand.  Bd.  VIII.  Von 
M.  Perlbach 649-651 

Paul  Schienther,  Frau  Gottsched  und  die  bürgerliche  Komödie. 

Von  P 651-653 

Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1885 654 — 665 

III.  Mittheilungen  und  Anhang: 

Universitäts-Chronik  1885  (Fortsetzung) 666—0^7 

Altpreussische  Bibliographie  1884  (Nachtrag,  Fortsetzung  u.  Schluss)     667—6^2 
Die  Kant- Bibliographie    des  Jahres    1884.      Zusammengestellt   von 

Rudolf  Reicke 683-&* 

I.  Autoren-Register      .    .  ' 689— ö*-' 

IL  Sach-Register 690— 6i'2 

Titel  und  Inhalts-Verzeichniss  für  Band  XXII. 


Altpreussische  Monatsschrift 

neue  Folge. 

Her  Neuen)  Pr-ettssCseEteni  P-PQvia?ial«8tItter 

vierte  Folge. 
Herausgegeben  von 

Rud.  Reicke  und  Ernst  Wiehert. 

Dieses  zunächst  den  wichtigsten  Interessen  der  Provinzen  Ost-  und  Westpreusseii 
dienende  Organ,  dessen  Bedeutung  aber  auch  weit  über  ihre  Grenzen  hinausrei«  h; 
und  welches  daher  mit  Recht  wegen  seiner  werthvollen  Beiträge  zur  Geschichte 
und  Landeskunde  weiteren  Kreisen  empfohlen  werden  kann,  erscheint  jährlich  in 
4  Doppelheften  zu  je  8—12  Bogen  gr.  8°.  Der  Pränumeratiouspreis  betritt 
"9  Reichsmark  pro  Jahrgang.  Inserate  werden  die  Petitzeile  mit  20  Pf.  berechnet. 
Bestellungen  nehmen  alle  Buchhandlungen  und  Postämter  an. 
Königsberg  in  Pr. 

Ferd.  Beyer's  Buchhandlung. 


FEB  25^ 


Verzeichiiiss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden 

Urkunden  • 

Von 

Carl  Beekherrn. 

Das  nachstehende  Verzeichniss,   die  Zeit  von  der  Gründung  der 
Stadt  bis  zur  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  umfassend,  beschränkt  sich 
nicht  auf  die  Urkunden  im  engeren  Sinne,  sondern  enthält  auch  andere 
für  die  Geschichte  der  Stadt  wichtige  oder  in  kulturgeschichtlicher  Hin- 
sicht interessante   amtliche  Schriftstücke.     Sie  werden  sämmtlich,  je 
nach  der  Wichtigkeit  oder   nach  der  Beschaffenheit  des  vorliegenden 
Materials,   in  mehr  oder  weniger  ausführlichen  Auszügen  mitgetheilt. 
Diese  sind  theils  nach  den  Originalen  angefertigt,  welche  in  der  Mehr- 
zahl im  königlichen  Staatsarchiv  zu  Königsberg  deponirt  sind,  theils 
nach  den  Abschriften  des  Hausbuches  des  Amtes  Bastenburg  von  1585 
(Hsb.  322),  desselben  von  1696  (Hsb.  327)  und  des  Handfestenbuches 
Nr.  124  (Hndfb.  124),  sämmtlich  ebendaselbst  befindlich,  ferner  nach 
den  Abschriften  des  rothen  Hausbuches  der  Stadt  Bastenburg  (B.  Hsb.). 
Eine  kleine  Anzahl  enthält,  leider  in  sehr  knapper  Form,  Schaffer's 
Chronik  von  Bastenburg  (Manusc.  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Königs- 
berg).   Diesem  haben  zum  Theil  die  Originale  vorgelegen,   zum  Theil 
aber  nur  die  Abschriften  der  oben  genannten  Bücher,   ausserdem  aber 
noch  verschiedene  Protokolle  und  Actenstücke  z.  B.  das  über  die  Unter- 
suchung der  kleinen  Städte.   Seine  Nachrichten  sind  glaubwürdig,  denn 
in  vielen  Fällen,  in  denen  er  controllirt  werden  konnte,  hat  er  sich 
stets  als  zuverlässig  erwiesen. 

▲itpr.  MonatMehrift  Bd.  XXIL  Hft.  7  n.  8.  33 


! 


506  Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden* 

Viele  von  diesen  Urkunden  sind  noch  nicht  gedruckt;  um  die 
Sammlung  aber  möglichst  zu  vervollständigen,  sind  in  dieselbe  auch 
bereits  publicirte  aus  verschiedenen  Werken  aufgenommen,  soweit  diese 
dem  Verfasser  bekannt  und  zugänglich  waren.  Namentlich  haben  Toppen'? 
Acten  der  Ständetage  einen  ziemlich  beträchtlichen  Beitrag  geliefert 

In  den  Anmerkungen  soll  durch  Verweisung  auf  die  zu  einander 
in  Beziehung  stehenden  Stücke  die  Orientirung  erleichtert  werden,  und 
ferner  ist  darin  versucht  worden,  verschiedene  dunkle  Punkte  aufzu- 
klären. Zu  diesem  Zwecke  konnten  in  einzelnen  Fällen  freilich  nur 
Hypothesen  aufgestellt  werden,  aber  auch  diese  werden  einem  etwaigen 
späteren  Bearbeiter  der  Geschichte  der  Stadt  vielleicht  zu  weiteren 
Forschungen  Anregung  geben. 


1)  1343*  Inventionis  sancte  crucis.  Ludolf  König,  HM.,  stellt 
die  Handfeste  für  die  Brüder  Warpun,  Weysnor,  Meirune  und 
Bertold  über  33  Hufen  im  Walde  Queden  aus.1) 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Aus  einem  Tbeile  dieses  Areals  (23  Hufen)  ist 
Weischnuren  entstanden,  bei  welchem  das  Hospital  zu  Bastenburg  später 
Besitzungen  hatte.    (Vergl.  Altpr.  Monatsschr.  XVIII,  436.) 

2)  1356*  Jacobi.  Johann  Schindekop,  Eomt.  zu  Balga,  stellt 
die  Handfeste  für  das  Dorf  Bosenveld1)  aus.  Unter  den  Zeugen  ge- 
nannt: Margkwardt,  Pfleger  zu  Bastenburg. f) 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  f)  Rosenort.  s)  Wird  in  Voigt's  Namencodex  schon 
1354  als  Pfleger  zu  Rastenburg  aufgeführt 

3)  1357 ♦  In  die  beati  Martini  episcopi  et  confessoris.  Jo.  Schinde- 
kop, Eomt.  zur  Balge  und  Vogt  von  Natangen,  beurkundet,  „dass  wir 
usgegeben  eyne  stat,  rastinburc  genantu,  von  102  Hufen.  Diese 
Stadt  „vorlye  wir  dem  erbern  manne  Heynrich  Padeluch,1)  scult- 
heiß  derselbin  stat",  zu  kölmischen  Bechten.  Von  den  verliehenen  Hufen 
erhält  der  Schulz  8  Hufen  frei  und  eine  freie  Hofstätte,  die  Kirche 
„dem  almechtigen  gote  czu  lobe  und  dem  heiligin  heren  sent  Jörgen11 
ebenso  4  Hufen9)  und  die  Stadt  als  Gemeindeeigenthum  40  Hufen.  Die 
Besitzer  der  andern  Hufen  sollen  jährlich  von  jeder  Hufe  eine  halbe 
Mark  und  zwei  Huhner  Zinsen,  jedoch  erst  nach  Ablauf  der  ersten 


Von  Carl  Beckherrn.  507 

15  Jahre.    Jede  Hofstätte  in  der  Stadt  soll  6  Ruthen  lang  und  4  Ruthen 
breit  sein  und  jeder  als  unabtrennbarer  Besitz  3  Morgen  von  den  vier- 
zig Preihufen  zugetheilt  werden.3)    Nach  Ablauf  von  6  Freijahren  ist 
jährlich  von  jedem  Hofe  1  Vierdung  zu  zahlen.    Die  kleinen  Gerichte, 
von  4  Schilling  und  darunter,   werden  dem  Schulzen  für  den  ganzen 
Umfang  des  Stadtgebietes  übertragen,  die  grossen  dagegen,  über  Hals 
und  Hand,    nur  in  der  Stadt  selbst  und  in  dem  Baume,   welcher  sich 
von  dem  nach  Leunenburg  führenden  Thore  auf  4  Seile,  vor  dem 
Mühlen thore   auf  1  Seil  erstreckt.    Die  Bussen   hiervon   fallen  zu 
gleichen  Theilen  an  den  Schulzen,  die  Herrschaft  und  die  Stadt    Das 
Gericht  über  die  Preussen,  welche  unter  den  Ordensbrüdern  desselben 
Gebietes  wohnen,  in  dem  die  Stadt  liegt,  behält  sich  der  Orden  vor; 
kämen   aber  solche  Preussen,  welche  unter  den  „Königen"  oder  unter 
den  Lehnleuten 4)  wohnhaft  sind  oder  andere  Preussen  von  auswärts  her 
in  den  Bezirk  der  Stadt,  verbrächen  hier  etwas  und  würden  dabei  er- 
griffen, so  soll  diese  der  Schulz  richten.    Die  Bussen  von  diesen  Ge- 
richten   fallen  gleichfalls  zu   gleichen  Theilen   an  den  Schulzen,    die 
Herrschaft  und   die    Stadt.    Zum  Brauen  sollen  die  Bürger  sich  nur 
der  Pfannen  bedienen,  welche  von  der  Stadt  dazu  beschafft  werden.  Der 
Zins  von  dem  Kauf  hause,  der  Badestube,  den  Brod-,  Fleisch-,  Fisch- 
und  Schuhbänken  fällt  zu  gleichen  Theilen  an  den  Schulzen,  die  Herr- 
schaft und  die  Stadt.   Den  Einwohnern  wird  freie  Fischerei  mit  kleinem 
Geräthe  innerhalb  der  Grenzen  in  der  Guber  und  den  andern  Gewässern 
verliehen.    Sobald  die  Stadt  sich  einigermaßen  entwickelt  haben  wird, 
soll  eine  vom  Orden  zu  genehmigende  Willkühr  aufgestellt  werden.  Der 
Zins,  welcher  von  den  Höfen  der  Neustadt  fallen  wird/)  soll  zu  einem 
Theile  von   der  Stadt,   zu  zwei  Theilen  von  der  Herrschaft  bezogen 
werden.   Für  den  Fall,  dass  in  der  Neustadt  eine  Badestube  oder  Brod-, 
Fleisch-,  Fisch-  und  Schuhbänke  errichtet  würden,  soll  der  Zins  davon 
zu  gleichen  Theilen  an  den  Schulzen,  die  Herrschaft  und  die  Stadt  ver- 
teilt werden.    Die  Gerichtsbarkeit  steht  dem  Schulzen  in  derselben 
Weise  zu,  wie  in  der  Altstadt.  An  den  vierzig  Freihufen  sind  die  Ein- 
wohner  der  Neustadt  ebenso  betheiligt,  wie  die  der  Altstadt.    Der 

Pfarrer  erhält  von  jeder  Hufe  mit  Ausnahme  der  vierzig  Freihufen  jährlich 

33* 


508  Verzeichnis*  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

1  Scheffel  Boggen  und  1  Scheffel  Hafer.  Wenn  bei  späterer  Vermes- 
sung des  Landes  sich  Uebermaß  herausstellen  sollte,  so  soll  die  Stadt 
solches  nicht  bezahlen,  sondern  nur  den  Zins  davon  entrichten. *)  Zeugen: 
Jobann  von  Orlemunde,  Hauskomtur;  Otto  von  Wilburt,  Wald- 
meister; Bruder  Echard  Brahe;  Bruder  Albrecht,  der  Herzog; 
Heinrich  von  Cattenhoven,  Pfleger  zu  Eilau;  Marquart,  Pfleger 
zu  Bastenburg;  Beimar  von  Bode,  Kompan;  Bruder  Heinrich  von 
Eranichsvelde;  Peter,  Kaplan. 

Original  auf  Pergam.  im  Staatsarchiv  zu  Königsberg.  Das  Siegel  des  Kom- 
turs zeigt  ein  Tbier,  welches  man  für  einen  Wolf  halten  kann;  die  Unischrift 
ist  nicht  mehr  zn  entziffern,  —  Altpr.  Monatsschr.  HI,  81.  —  ')  Der  in  der 
Gründnngsurknnde  der  Stadt  Schippenbeil  vom  Jahre  1351  genannte  Locator 
führt  aufiallenderweise  dieselben  Namen.  Es  war  nicht  zu  ermitteln,  ob  dar- 
unter eine  und  dieselbe  Person  zn  suchen  ist  Das  altprenssische  Geschlecht 
der  Padeluch's  war  auch  unter  den  Namen  von  Elditten  und  Schult- 
heiß oder  Scholtz  in  der  Umgegend  Bastenbargs  ansässig.  (S.  v.  Mülrer- 
ötedt,  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  XI,  290.)  —  J)  Im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts 
befand  sich  die  Kirche  nicht  im  Besitz  dieser  4  Hufen  (s.  Nr.  35.)  nnd  gegen 
Ende  desselben  hatte  sie  deren  nur  zwei  (s.  Altpr.  Monatsschr.  XX,  266). 
Ueber  die  Erbauung  der  Kirche  ist  Näheres  daselbst  S.  234  zu  finden.  — 
s)  Als  Gemeindeeigenthum  erhält  die  Stadt  40  Freihufen.  Es  liegt  nun  nahe, 
anzunehmen,  dass  diese  zur  Gründang  des  in  späteren  Quellen  (Nr.  160)  er- 
wähnten bei  der  Stadt  gelegenen  und  dieser  zugehörenden  Dorfes»  der  nach- 
herigen „Bauern Vorstadt",  benutzt  worden  seien;  das  ist  jedoch  nicht  der 
Fall  gewesen.  Das  grosse  Zinsbuch  von  1437  (citirt  von  L.  Weber  in  Prcuss. 
v.  500  J.)  führt  nämlich  dieses  Dorf  mit  40  Zinshufen  au£  Ferner  befindet 
sich  darin  die  Angabe,  dass  die  Stadt  zu  jener  Zeit  26  ganze  Häuser  und 
1  halbes  in  der  Altstadt  und  19  halbe  in  der  Neustadt  gezählt  habe.  Diese 
kleine  Anzahl  wird  man  für  den  Anfang  der  Stadt  nur  wenig  oder  gar  nicht 
reduciren  dürfen.  Jedem  (ganzen)  Hause  sollten  nach  der  vorliegenden  Ur- 
kunde von  den  40  Freihufen  3  Morgen  (als  Gartenland)  zugetheilt  werden; 
es  sind  also  von  den  40  Freihufen  ungefähr  3  Hufen  hierauf  in  Abrechnung 
zu  bringen»  ausserdem  aber  auch  noch  ca.  */e  Hufen  auf  die  öffentlichen  Plätze, 
städtischen  Gebäude,  die  Befestigung  und  die  Strassen  der  Stadt,  so  dass  das 
auf  den  Freihufen  angelegte  Dorf  nur  ca.  36  Hufen  enthalten  haben  konnte, 
welche  Zahl  mit  der  des  Zinsbuches  nicht  übereinstimmt  Die  40  Zins-  oder 
Bauernhufen  des  Dorfes  liegen  also  in  den  50  Zinshufen  der  obigen  Yer- 
Bchreibung,  welche  sich  nach  Abzug  der  4  Pfarrhufen,  8  Schulzen«  und  40  Frei- 


Von  Carl  Beckhemi.  5Q9 

hufen  von  den  überhaupt  verliehenen  102  Hufen  ergeben.  Rechnet  man  die 
Hafen  des  Dorfes  von  den  50  Zinshufen  ab,  so  bleiben  deren  noch  10.  Auf 
einem  kleinen  Theile  dieser  letzteren,  ca.  %  Hufe,  sind  die  Höfe  oder  Häuser 
der  Stadt  angelegt,  jedes  zu  24  DR.»  an  Ackerland  kommen  also  davon  zur 
Vertheilung  auf  die  Häuser  ca.  95/e  Hufen.  Nach  dieser  Auseinandersetzung 
ergiebt  sich  also,  dass  das  Gemein deeigenth am  nicht  nur  aus  den  in  solcher 
Eigenschaft  in  der  Handfeste  ausdrücklich  erwähnten  40  Freihufen  bestand, 
sondern  auch  aus  dem  Dorfs  mit  seinen  40  Zinshufen,  da  dieses  doch  eben- 
falls nur  als  Gemeindeeigenthum  gedacht  werden  kann.  Dass  das  Dorf  aber 
in  der  Handfeste  nicht  erwähnt  und  nach  seiner  besonderen  Eigenschaft  nicht 
bezeichnet  wird,  darf  nicht  auffallen,  weil  in  den  alten  Verschreibungen  den 
betheiligten  Personen  bekannte  und  selbstverständlich  erscheinende  Dinge  sehr 
häufig  mit  Stillschweigen  Übergangen  werden.  So  ist  auch  in  der  vorliegen- 
den Handfeste  der  neben  dem  Ordenshause  schon  vor  Ertheilung  derselben 
bestehenden  andern  Ansiedelung,  aus  welcher  die  Stadt  selbst  hervorgegangen, 
nicht  gedacht  Diese  Ansiedelung  kann  nicht  einmal  unbedeutend  gewesen 
sein,  weil  sie  von  den  Chronisten,  welche  ihrer  bei  Gelegenheit  der  Zerstörung 
durch  die.  Litauer  in  den  Jahren  1345  und  1347  erwähnen,  schon  als  Stadt 
bezeichnet  wird.  (Vergl.  auch  Nr.  53,  Anmerk.  2.)  Als  weitere  Anzeige  für 
die  Existenz  des  Dorfes  schon  vor  der  Ausfertigung  der  Handfeste  der  Stadt 
ist  noch  die  Abgrenzung  des  Bezirks  anzuführen,  in  welchem  dem  Schulzen 
der  Stadt  die  grossen  Gerichte  zustanden.  Dieser  ist  vor  dem  Leunenburger 
Thore  der  Länge  nach  anf  4  Seile  bemessen.  Diese  Abmessung  trifft  gerade 
den  Ausgang  der  später  hier  entstandenen  Königsberger  Vorstadt  in  die  Bauern- 
vorstadt, das  ehemalige  Dorf,  welcher  Umstand  auf  eine  hier  schon  bei  der 
Gründung  der  Stadt  bestehende  Grenzmarke  hindeutet.  Vielleicht  war  das 
Dorf  eine  ursprünglich  preussische  Niederlassung,  in  welcher  neben  späteren 
deutschen  Ansiedlern  auch  noch  Preusien  wohnten,  über  weicht  nach  Bestimmung 
der  obigen  Urkunde  dem  Schulzen  der  Stadt  die  Gerichtsbarkeit  nicht  zu- 
stand. Für  diese  Vermnthung  spricht  sogar  der  angebliche  Name  (s.  weiter 
unten)  des  Dorfes,  „Rast".  In  einer  Urkunde  von  1421  (Nr.  42)  wird  näm- 
lich in  der  weiteren  Umgegend  Bastenburgs  ein  Dorf  Rastekay me  erwähnt 
(1563  Bastickeim  geschrieben).*)  Der  erste  Tb  eil  dieses  Namens  kann  zwar 
deutsch  sein,  ist  aber  wahrscheinlicher  gleich  dem  zweiten  preussitch,  denn 
nach  Nesselmaon's  Ansicht  sind  zusammengesetzte  Namen,  deren  erster  Theil 
deutsch,  der  zweite  preussisch  ist,  entweder  späteren  Ursprungs  oder  Ver- 


*)  Herzog  Albrecht  verschreibt  1563  dem  Hans  Lange  zu  Schippenbeil  die 
Dörfer  Scharwerkeim  (Scharkeim)  und  Ninickeim  (Nohnkeim?)  und  die  Freigüter 
Dungene yn  und  Bastickeim,  im  Bastenburgiscben  und  Bartischen  gelegen. 


510  Verzeichnis«   der  die  Stadt  Rastenborg  betreffenden  Urkunden. 

stümmelungen  echter  altpreussischer  Wörter  (vgl.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  V,  9  u.  255). 
Ist  also  der  erste  Theil  des  Namens  ßastekayme  preussisch,  so  ist  dieses 
höchst  wahrscheinlich  mit  dem  Namen  Rast  trotz  seines  deutschen  Klanges 
der  Fall,  wie  ja  auch  z.  B.  der  Name  des  Gates  Windkeim  (Windekajrmej 
ein  durchweg  preussischer  ist,  in  welchem  keineswegs  das  deutsche  Wort 
Wind  steckt 

Als  indirecter  Beweis  für  die  Existenz  des  Dorfes  vor  Ausfertigung  der 
Handfeste  der  Stadt  kann  ferner  der  Umstand  gelten,  dass  über  eine  spätere 
Anlegung  alle  urkundlichen  und  sonstigen  Nachrichten  fehlen,  während  doch 
solche  über  die  Gründung  der  beiden  andern  Stadtdörfer,  Prangenau  und 
Bürgersdorf,  vorhanden  Bind.  Auch  darf  die  Nachricht  Schaffens,  dass  vor 
Gründung  der  Stadt  hier  schon  ein  Kirchdorf  von  4  Pfarrhufen,  8  Schulzen-, 
28  Bauern-  und  12  Waldhufen  mit  Namen  Bast  gestanden  haben  soll,  nicht 
unbeachtet  bleiben,  denn  der  genannte  Chronist  kam  am  Ende  des  17.  Jahr- 
hunderts nach  Basteuburg,  also  zu  einer  Zeit,  in  welcher  noch  Ueberlieferungen 
aus  der  Gründungszeit  der  Stadt  vorhanden  sein  konnten.  Beiläufig  sei  hier 
noch  bemerkt,  dass,  lässt  man  obige  Nachricht  gelten,  die  Herleitung  des 
Nameus  des  neben  dem  schon  bestehenden  Dorfe  Bast  erbauten  Ordensbause* 
Bastenburg  eine  ganz  einfache  und  natürliche  ist,  während  die  von  den  alten 
Geschichtschreibern  und  Chronisten  versuchte,  von  Bast  oder  Buhe  der  Kriegs- 
scharen  des  Ordens  an  diesem  Orte  auf  den  Beisen  nach  und  aus  Litauen, 
eine  durchaus  gezwungene  ist.  Von  derartig  zusammengesetzten  Ortsnamen, 
welche  in  allen  Bestandteilen  der  deutschen  Sprache  anzugehören  scheinen, 
deren  erster  Theil  aber  in  Wirklichkeit  der  preussischen  entnommen  ist,  sind 
noch  einige  nachweisbar  z.  B.  Lenzenburg,  Angerburg,  Biesenburg  u.  a. 

Der  Nutzen,  welchen  die  Stadt  aus  dem  Dorfe  zog,  wird  erstens  am 
dem  von  diesem  zu  leistenden  Scharwerk  bestanden  haben  und  zweitens  in  der 
Differenz  des  Zinses,  den  sie  von  den  Dorfhufen  an  den  Orden  zu  entrichten 
hatte  und  desjenigen,  welchen  sie  selbst  von  dem  Dorfe  bezog.  Die  Böhe 
desselben  lässt  sich  einigermaßen  nach  dem  Zinse  bemessen,  welchen  andere 
Zinsdörfer  an  den  Orden  zahlten.  Es  hatten  z.  B.  von  jeder  Hufe  zu  zinsen: 

Eisenberg        (1308)   18  Scot,    4  Hühner, 

Behfeld  (1322)   18     „       3      „ 

Grünau  (1331)   14     „       2       „ 

Höllenfürst      (1332)   15     „       2       „ 

Bauschenbach  (1338)   15     „       2       „ 

Neuendorf       (1372)   16     „       2       „ 

Mulack  (1412)   18     „       2      ,, 

Nimmt  man  als  Leistung  des  Bastenburger  Dorfes  an  die  Stadt  den  Geldzins 
des  benachbarten  Neuendoif  mit  16  Scot  an,  so   stellt  sich    die  Differenz 


Von  Carl  Beckherro.  511 

zwischen  Einnahme  und  Abgabe  ('/2  M.  =  12  Scot)  der  Stadt  auf  4  Scot  für 
die  Hufe,  also  für  das  ganze  Dorf  auf  160  Scot.  Diese  sind  nach  ihrem 
Silbergehalt  =  100  M.,  nach  ihrem  wirklichen  Werthe  =  300  M.  jetzigen  Geldes. 
4)  Die  Lehnleute  sind  die  in  der  Umgegend  der  Stadt  wohnenden  Besit- 
zer von  Gütern  kölmischen  Eechtes.  Ueber  die  „Könige"  ist  man  noch  nicht 
ganz  im  Klaren;  es  werden  aber  wohl  auf  kleinem  Gütern  sitzende  Freie  von 
edler  altpreussischer  Abkunft  sein.  (Vergl.  Toppen,  AUpr.  Monatsschr.  IV,  144 
and  v.  Mülverstedt,  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.  F.  VII,  180,  woselbst  eine  Anzahl 
Ton  preussischen  Königen  in  den  Gebieten  von  Elbing,  Osterode  und  Marien- 
burg und  in  den  Kammerämtern  Pr.  Holland,  Burdeyn,  Liebstadt  und  Pomeen 
namhaft  gemacht  wird.)  —  *)  Die  Erwähnung  einer  Neustadt  schon  in  der 
Gründungsurkunde  der  Stadt  ist  auffallend,  und  das  um  so  mehr,  als  die- 
selbe hier  nicht  als  ein  besonderes  Gemeinwesen  mit  selbständiger  Verwal- 
tung erscheint.  Die  Neustädte,  welche  bei  einigen  grösseren  Städten  vor- 
kommen, waren  erst  längere  Zeit  nach  der  Gründung  der  Mutterstädte  aus 
Vorstädten  hervorgegangen,  hatten  ihren  eigenen  Rath  und  eigenes  Gericht  und 
mitunter  auch  besondere  Ländereien  als  Gemeindeeigenthum.  Der  vorliegende 
Fall  lässt  sich  nur  so  erklären,  dass  die  erste,  von  den  Chronisten  schon 
Stadt  genannte  Ansiedelung  beim  Ordenshause  Bastenburg  bald  ein  ziemlich 
festes  Gefüge  als  Gemeinwesen  erlangt  gehabt  habe,  neben  welchem  die  spätere 
Ansiedlang,  die  sogenannte  Neustadt,  nur  als  abgesonderter  Theil  Platz  fand. 
Als  die  Erhebung  zur  Stadt  erfolgte,  liess  der  Orden,  vielleicht  aus  politischen 
Rücksichten  und  in  der  Hoffnung  auf  eine  baldige  Vergrösserung  der  jüngeren 
Ansiedelung,  dieses  Verhältniss  bestehen,  um  dann  die  Entwickelung  zu  einem 
selbständigen  Gemeinwesen  später  durch  besondere  Dotationen  und  Ertheilung 
von  Privilegien  zu  befördern.  Zur  Selbständigkeit  ist  die  Neustadt  aber  nie- 
mals gelangt,  weil  die  Anzahl  ihrer  Bewohner  zu  gering  und  deren  Vermögens- 
verhältnisse zu  unbedeutend  blieben.  Die  jetzt  noch  bestehende  Bezeichnung 
eines  Theiles  der  Stadt  als  Neustadt  war  daher  immer  bedeutungslos;  sie  unter- 
schied sich  von  der  Altstadt  nur  dadurch,  dass  sie  fast  durchwog  aus  halben 
Häusern  bestand.  —  •)  Diese  Festsetzung  der  Handfeste  ist  schon  im  Jahre 
1393  nicht  mehr  in  Geltung  gewesen,  denn  in  diesem  Jahre  wird  der  Stadt 
von  dem  Orden  ein  Uebermaß  von  vier  Hufen  verkauft  (Nr.  25). 

4)  1360»   Heinrich  von  Kranichsfeld,  Pflg.  zuB.1)  giebt  den 
Schuhmachern  zu  K.  eine  Handfeste  Aber  einen  Schmeerbecher.  *) 

Schaffer,  aus  der  SchubmacherwUlkühr  von  U65.  — -  f)  R.  steht  hier  und  weiter 
unten  stets  für  Rastenburg.  —  *)  Wahrscheinlich  ein  Kessel  zum  Schmelzen  des 
Fottes,  welches  die  Schuhmacher  zur  Zubereitung  des  Leders  gebrauchten,  da 
es  damals  in  R.  noch  keine  Gerber  gegeben  zu  haben  scheint.  (Vergl.  Nr.  191.) 


512  Verieichnis8  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

5)  1361*  Kathedra  Petri.  Conrad  von  Wolfsdorf  verschreibt 
den  Bauern  zu  Wolfsdorf  50  Hufen.  Zeugen:  Heinrich  von  Kra- 
nichsfeld, Pflg.  zu  B.,  Budolph,  Waldmeister  zu  B.1) 

Ab  sehr.  Hndfb.  124.  —  ')  Ein  zweiter  Waldmeister  zu  Bastenburg  wird  tob 
Schaffer  zum  Jahre  1366  namhaft  gemacht:  Dietrich  Roder. 

6)  1361»  Montag  vor  Lucä.  Arnold  von  Burgein,  Komi  zu 
Balga,  verleiht  dem  Dietrich  von  Salza  den  Baum  zwischen  beiden 
Flüssen1)  bei  der  Mühle  zu  B.  zu  kölm.  Rechten,  frei  von  Zins  und 
Scharwerk.  Zu  diesem  Baum  soll  er  auch  einen  freien  Fahrweg  haben. 
Zeugen:  Heinrich  vonGundelstein,  Hauskomt.;  Kuntze  von  Erlig- 
heim,  Pflg.  zu  B.;  Graf  Friedrich  von  Zollern,  Kompan;  Hein- 
rich, Kaplan. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  49.  —  ')  Guber  und  Müblenkanal.  Der  Raum,  auf  welchen 
später  das  Hospital  errichtet  worden  ist. 

7)  1363*  St.  Hieronymi.  Gottfried  von  der  Linden,  Korat.  zu 
Balga,  bestätigt  den  Preussen  Wissroyte,  Hindrix,  Stenebute  und 
Glaubote  ihre  Handfeste  über  3  Hufen  zu  Einwangen.  Zeuge: 
Albrecht  Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

8)  1368*  Fabiani  und  Sebastiani.  Ulrich  Fricke,  Komi  zu 
Balga,  verkauft  der  Stadt  Schiffen  bürg1)  9  Hufen  Wald.  Zeuge: 
Budolph  von  Nuspinden,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Schippenboil. 

9)  1370*  Johannis  Bapt.  Derselbe  stellt  eine  Handfeste  über 
6  Hufen  und  die  Mühle  zu  Pomenigk  aus.  Zeuge:  Budolph  von  Nu- 
splingen,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

10)  1371*  Sonnabend  vor  Tiburtii.  Derselbe  stellt  die  Handfeste 
für  Bayselaugken1)  aus.  Zeuge:  Albrecht  Herzog  zu  Sachsen, 
Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124.  -  f)  Bäslack. 

11)  1372»  Lichtmess.  Gottfried  von  der  Linden,  Komt.  zu 
Balga,  stellt  die  Handfeste  über  Schönfliess  aus.  Zeuge:  Albrecht 
Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 


Von  Carl  ßeokherrn.  513 

12)  1372»  Sonnabend  vor  Barnabä.  Derselbe  stellt  dem  Jacob  die 
Handfeste  aber  Neuendorf  ans.  Die  Einwohner  sind  verpflichtet,  an 
die  Pfarre,  bei  welcher  sie  eingewidmet  sind,1)  jährlich  von  der  Hufe 
1  Scheffel  Roggen  und  1  Scheffel  Hafer  zu  liefern.  Zeuge:  AI  brecht 
Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Rastenburg. 

13)  1372*  St.  Barnabä.  Derselbe  verleiht  den  Bäckern  zu  B. 
10  Brodbänke  zu  kölm.  Rechten.  Von  jeder  der  Bänke  soll  jährlieh 
an  die  Herrschaft,  die  Stadt  und  den  Schulzen  1  Vierdung  gezahlt 
werden.  Von  auswärts  darf  kein  Brod  zum  Verkauf  in  die  Stadt  ein- 
geführt werden.  Zeugen:  Bruder  von  Einer,  Hauskomt.;  Albrecht 
Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  R.;  Bruder  Lewe,  Eompan. 

Abschr.  B.  Hsb.  S.  113. 

14)  1373»  Mittwoch  nach  St.  Benedicti.  Derselbe  verleibt  den 
Fleischern  zu  R.  9  Fleischbänke  zu  kölm.  Rechten.  Von  jeder  der 
Bänke  soll  jährlich  an  die  Herrschaft,  die  Stadt  und  den  Schulzen  Vi  II. 
gezahlt  werden.  Von  auswärts  darf  kein  Fleisch  zum  Verkauf  in  die 
Stadt  eingeführt  werden.  Zeugen:  Dietrich  von  Einer,  Hauskomt; 
Albrecht  Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  R.;  Bruder  Lewe,  Eompan; 
Helmich,  Kaplan. 

Orig.  im  Staatsarch.  zu  Königsb. 

15)  1374.  Dienstag  nach  Jacobi.  Elbing.  Winrich  von  Knip- 
ro de,  HM.,  verleiht  der  Stadt  R.  12  Hufen  Waldes1)  zu  einem  Hege- 
walde frei  zu  kölm.  Rechten.  Zeugen:  Wolfram  von  Baldersheim, 
Grosskomtur;  Rütticher  von  Einer,  oberster  Marschall;  Ulrich 
Fricke,  oberster  Spitler  und  Komtur  zu  Elbing;  Conrad  Zöllner, 
oberster  Trapier  und  Komt.  zu  Cbristburg;  Schwieder  von  Pellant, 
Tressler;  Gottfried  von  der  Linde,  Komt.  zu  Balga;  Nicolaus, 
Kaplan;  Kuntz  von  Liebenstein,  Kompan. 

Abschr.  B.  Hsb.  8.  33.  —  ')  An  der  Grenz«  von  Eichmedien  bei  Bürgersdorf 
gelegen.    Diese  Lage  ergiebt  sich  ans  Nr.  21  u.  31. 

16)  1374*  St.  Clementis.  Gottfried  von  der  Linde,  Komtur 
zu  Balga,  erlaubt  den  Bürgern  zu  R.  an  der  Stadtmauer  innerhalb 
der  Stadt  Häuser  zu  bauen  zu  kölm.  Rechten.  Dafür  sollen  sie  an  die 
Herrschaft  jährlich  3  Vierdung  entrichten.  Das,  was  die  Stadt  von  diesen 


514  Verseichniss  der  die  Stadt  Rastenbnrg  betreffenden  Urkunden. 

Häusern  an  Zins  mehr  einnehmen  wird,  darf  sie  zu  ihrem  eigenen  Nutzen 
verwenden.  Zeugen:  Dietrich  von  Einer,  Hauskomtur;  Albrecht 
Herzog  zu  Sachsen,  Pflg.  zu  B.;  Leue,  Eompan;  Helmich,  Kaplan. 

Abschr.  R.  Hab.  8.  23.  —  Altpr.  Monatsschr.  XX,  299. 

17)  1376  d.  1.  Juli.  Der  Bath  der  Stadt  B.,  bestehend  aus  dem 
Bürgermeister  D.  Wetz,  dessen  Kompan  JoLBardin,  den  Bathleuten 
Vunsig  und  Valcke  und  den  Stadtkämmerern  Gutke  Schröter  und 
Nicol.  Günther,  giebt  dem  Gewerke  der  Schuhmacher  eine  Willkübr. 

Scbaffer,  nach  dem  Orig. 

18)  1378*  St.  Johannis  mit  dem  güldenen  Muude.  Bastenburg. 
Winrich  von  Kniprode,  HM.,  bestätigt  der  Stadt  B.  die  1357  von 
Joh.  Schindekop  ausgestellte  Handfeste  (Nr.  3).  Der  Inhalt  dieser  Be- 
stätigung ist  mit  dem  der  Handfeste  fast  gleichlautend,  nur  geschieht 
der  Freijahre  keine  Erwähnung.  Zeugen:  Eutticher  von  Einer,  Gross- 
komtur; Balduin  von  Frankenhöven,  Tressler;  Dietrich  von  Einer, 
Komt.  zu  Balga;  Nicolaus,  Kaplan;  Euntz  von  Liebenstein,  Jo- 
hann Schonveit,  Eompane. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  8.  —  Voigt,  Codex  dipl.  Prass.  CXXX. 

19)  1379»  Maria  Reinigung.  Günther  vom  Hornstein,  Komt 
zu  Brandenburg,  stellt  den  Söhnen  des  Matthis  Tolke  von  Mergklin- 
gerode,  Glauke,  Matthis  und  Bertold  eine  Handfeste  aus  über 
93  Hufen  im  Walde  Milimedien.1)  Zeuge:  Hans  Babe,  Pflg. zu B. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  l)  Zwischen  Dietrichsdorf,  Friedeberg  und  Scböniu. 

20)  1381»  Circumcisionis  Domiui.  Albrecht  Herzog  zu  Sachsen, 
Komi  zu  Balga,  verschreibt  dem  Santhunge  10  Hufen  zu  Schlangk- 
lauken.   Zeuge:  Helfart  von  Saxenheim,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

21)  1383»  St.  Martini.  Friedrich  von  Egloffstein,  Komt  zu 
Balga,  verleiht  der  Stadt  B.  2  Hufen,  welche  an  ihrem  Hegewalde  an 
der  Grenze  von  Eichmedien  liegen,1)  und  welche  sie  von  „unsern" 
Preussen  Sanse  und  Sangawe  gekauft  hat,  frei  zu  kölm.  Rechten. 
Zeugen:  Bruder  Härder,  Hausk.;  Gottfried  von  der  Knie,  Pflg.  zu 
B.;  Wilhelm  von  Witlich,  Waldmeister  zu  iieunenburg;  Kuntze 
von  Erlingheim,  Kompan. 

Orig.  im  Staatearch.  iu  KOnigsb.  —  ')  Vergl.  Nr.  15. 


Von  Carl  Beckherrn.  515 

22)  1385*  St.  Ambrosii.  Derselbe  stellt  dem  Nakayme  eine 
Handfeste  aus  über  3  Hufen  zu  Galbun,  die  „polleide"  geworden.1) 
Zeuge:  Gottfried  von  der  Eule,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hudfb.  124.—  ')  Wegen  Mangel  an  berechtigten  Erben  an  den  Orden 
zurückgefallen. 

23)  1385«  St.  Margarethä.  Derselbe  stellt  eine  Verschreibung  fftr 
Löwenstein  aus.    Zeuge:  Gottfried  von  der  Eule,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

24)  138«  d.  29.  Sept.  Derselbe  stellt  eine  Verschreibung  für  das  Dorf 
Stangenwalde1)  aus.   Zeuge:  Gottfried  von  der  Eule,  Pflg.  zu  R. 

Cod.  dipl.  Warm.  Nr.  199.  —  l)  Polechendorf. 

25)  1393»  Mittwoch  nach  Matthiä.  Conrad  von  Eyburg,  Eomt. 
zu  Balga,  verkauft  und  verleiht  der  Stadt  B.  4  Uebermaße, ')  „die  Da- 
merau,*)  beidenthalben  dem  Steige  gelegen,  als  man  gen  Woplauken 
gehet,  zwischen  der  Budenburschen  Gräntze*)  und  der  Steuermarck4) 
und  des  Baders  Acker5)  und  dem  Graben  und  Landwehren6)  ge- 
legen41, zu  kölm.  Rechten  frei  von  Zins  und  Scharwerk.  Zeugen:  Johann 
Egloffsteiner,  Hauskomt.;  Euntze  von  Erlbacb,  Pflg.  zu R.;  Michel 
Freudenberger,  Kellermeister  zu  R.;  Bruder  Gerhard  von  Monken- 
heim;  Friedrich  Graf  von  Zollern,  Eompan;  Peter,  Eaplan. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  24  u.  Hndfb.  124.  —  Beckherrn,  Bastenbarg  hist-topogr. 
dargestellt.  —  Altpr.  Monatsschr.  XXI,  637.  —  ')  Die  Abschr.  des  Hndfb. 
hat  1  Uebermaß.  Schaffer  giebt  ca.  3  Hafen  an.  —  *)  Haaptcomplez  des 
jetzigen  selbständigen  Gates  Charlottenberg  nördlich  vom  Hofe.  Noch  in 
den  zwanziger  Jahren  dieses  Jahrhunderts  zeigte  dieses  Stack  des  Stadt- 
gebietes den  Character  der  ehemaligen  Dameran.  —  *)  Das  Hndfb.  hat 
„bandinbische";  es  ist  wohl  „brandenburgische"  zu  lesen  und  die  Grenze  der 
Komturci  Brandenbarg  gemeint,  welche  sich  »wischen  Woplauken  and  Basten- 
barg hinzog.  —  4)  Jetzt  Stiermarkt,  Ackerparzellen,  welche  sioh  westlich 
der  Chaussee  Rastenburg-Barten  von  der  Windmühle  bis  Charlottenberg  er» 
strecken.  —  5)  Wahrscheinlich  im  sudlichen  Zipfel  des  Gates  Charlottenberg. 
Die  Erwähnung  des  Baders  lässt  auf  das  Vorhandensein  einer  Badestabe  schon 
zu  dieser  Zeit  schliessen.  (Vergl.  Nr.  33.)  —  •)  Ein  Wall  mit  Graben  und 
davorliegendem  Verhau,  zum  Schatz  gegen  die  Einfalle  der  Litauer  angelegt, 
welcher  den  Östlichen  Band  der  Dameran  bildete  und  genau  da  lag,  wo  sich 
heute  die  Grenze  zwischen  den  Ländereien  von  Charlottenberg  und  Krau- 
sendorf  hinzieht    (Vergl.  Altpr.  Monatsschr.  XXI,  640.) 


516  Veriefchniss  der  die  8Udt  Bustenbnrg  betreffenden  Urkunden. 

26)  1395.  St:  Katharina.  Friedrich  von  Wallenrode,  Komi 
zu  Rhein,  verschreibt  dem  Hans  Key  mann  genannt  Fromholt  4  Hafen 
Wald  bei  Lindenau.    Zeuge:  Heidecke,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

27)  1395*  St.  Thomä.  Derselbe  verleiht  2  Morgen  zu  Kalt- 
wangen.   Zeuge:  Heidecke,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

28)  1395.  St.  Thomä.  Derselbe  verschreibt  dem  Hans  Sparwio 
4 Vi  Hufen  zu  Plankmedien.    Zeuge:  Heidecke,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

29)  1399»  Jacobi.  Ulrich  von  Jungingen,  Eomt.  zu  Balga, 
verschreibt  dem  Hangke  und  Bittau  1  Haken  zu  Clusienen.  Zeuge: 
Michel  Kuchenmeister,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

30)  1400»  Mittfasten.  Derselbe  verschreibt  dem  Paul  Juncker 
4  Hufen  im  Felde  Selbkaym.  Zeuge:  Michel  Küchmeister,  Pflg. 
zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

31)  1402.  Pfingsten.  Derselbe  beurkundet,  dass  Hermann  Bar- 
dyn,  Bürgermeister,1)  Peter  Nicolay,  sein  Kompan,  Nickel  Holland 
und  Klaus  Wulff  Stadtkämmerer,  Gottfried  Girke,  Rathmann  der 
Stadt  B.  für  diese  von  Andreas  Byman  6  Hufen  gekauft  haben,  be- 
stehend aus  Acker,  Busch,  Wiese  und  Wald  und  gelegen  im  Felde  von 
Poplebisseyn,1)  worüber  Byman  eine  Verschreibung  des  Hochmeisters 
hat,  und  verleiht  sie  der  Stadt  „zu  demselben  Rechte,  Nutze  und  Frei- 
heit, als  sie  ihre  vierzehn  Hüben,  zu  Bürgerdorf  gelegen,1)  haben, 
zu  Hilfe,  dass  sie  sich  bessern  und  desto  baß  in  andern  Diensten  ge- 
dienen mögen41.  Die  erfolgte  Bezahlung  wird  bescheinigt.  Zeugen: 
Balduin  Stoll,  Hauskomt.;  Michel  Kochemeister,  Pflg.  zu  R; 
Kuntze  von  Bemychyngen,  Pflg.  zu  Eilau;  Merten  Kemnother, 
Kompan;  Peter,  Kaplan. 

Orig.  im  Staatsarch.  zu  Xönigab.  —  ')  Waide  später  wegen  des  im  Jahre  1410 
von  ihm  geleiteten  Anfetandes,  wobei  das  Schloss  eingenommen  wurde,  hin- 
gerichtet. (Script  rer.  Prosa.)  —  *)  Bosemb.  —  •)  Bürgerdorf  wird  hier 
schon  erwähnt,  wahrend  die  Handfeste  Ar  dieses  Dorf  erst  im  Jahre  1438 


Von  Carl  Beckherrn.  517 

ausgefertigt  worden  ist  (Nr.  77).  Dieser  Umstand  in  Verbindung  mit  dem 
Namen  „Börgerdorf  legt  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  Stadt  den  Entschluss 
gefasßt  habe,  das  hier  1374  und  1383  (Nr.  15  n.  21)  erworbene  Land»  weichet 
ursprünglich  zur  Anlegung  eines  Hegewaldes  bestimmt  war,  als  Ackerland  zu 
verwenden  und  hier  den  Bürgern  Ackerhufen  zuzutheilen,  auf  welchen  diese 
dann  auch  ihre  Wirthschaftshöfe  errichtet  Itaben  werden.  Die  mit  der  grossen 
Entfernung  verbundene  Unbequemlichkeit  ist  dann  vielleicht  später  die  Ver- 
anlassung gewesen,  den  Bürgern  einen  Theil  der  Hufen  des  bei  der  Stadt  ge- 
legenen Bauerndorfes  einzuräumen  (vergl.  Nr.  160),  und  aus  Bürgerdorf  im 
Jahre  1438  ein  Bauerndorf  zu  machen.  Die  beabsichtigte  Anlegung  eines 
Hegewaldes  bei  Bürgerdorf  war  durch  die  Erwerbungen  von  1427  und  1429 
(Nr.  55  u.  60)  auch  ausführbar  geworden. 

32)  1402  d.  30.  Juni.  Heilsberg.  Heinrich,  Bischof  von  Erm- 
land,  genehmigt  einen  Zinskauf  seiner  Schwester  Adelheid.  Zeuge: 
Tiburtius  Grabow,  Vicar  zu  K. 

Cod.  dipl.  Warm.  Nr.  376. 

33)  1404«  St.  Katharina.  Johann  Graf  von  Sayn,  Komt.  zu 
Balga,  verleiht  dem  Nicolaus  Palefeld  die  Badestube  zu  B.  frei 
zu  kölm.  Rechten.  „Davon  sollen  die  Besitzer  der  Badstoben  alljährlich 
op  ieclich  Quatember  zinsen  und  geben  3  Vierdunge",  wovon  ein  Theil 
der  Stadt,  ein  Theil  dem  Schulzen  und  der  dritte  der  Herrschaft  zu- 
fällt. Zeugen:  Eberhard  von  Nyppenburg,  H auskörnt;  Willem 
von  Eparwiesecke,  Pflg.  zu  B.;  Martin  Kempnacher,  Kompan; 
Jacob,  Kaplan. 

Abschr.  B.  Hab.  S.  26. 

34)  1407«  Dienstag  vor  Mittfasten.  Derselbe  stellt  eine  Handfeste 
über  das  Dorf  zum  Stalle  aus.  Zeuge:  Kuntz  von  Busigk,  Pflg.  zu  B. 

Abfichr.  Hndfb.  124. 

35)  1407*  Mittwoch  nach  Jacobi.  Bartenstein«  Ulrich  von 
Jungingen,  HM.,  beurkundet,  dass  Herr  Gonradt,  Pfarrer  zu  B., 
14  Hufen  Wildniss,  bei  Poblebissen  gelegen,  welche  er  früher  für 
4  Hufen  Acker,  vor  der  Stadt  B.  gelegen  und  ehemals  der  Widdern 
zugehörig  gewesen,  von  Andres  Beimann  eingetauscht  gehabt,  jetzt 
an  Mauritius  gegen  Zurückempfang  der  vier  Kirchenhufen  bei  der 
Stadt1)  wieder  abgetreten  habe.  Der  HM.  verleiht  dem  Mauritius  die 
oben  erwähnten   14  Hufen  frei  von  Dienst  und  Scharwerk  zu  kölm. 


1 


518  Veneiehnias  der  die  Stadt  Reitenbarg  betreffenden  Urkunden. 

Rechten  gegen  einen  jährlichen  Zins  von  3  M.  and  die  Verpflichtung, 
dem  Pfarrer  Conradt  und  seinen  Amtsnachfolgern  anstatt  des  Decems 
jährlich  4  Schillinge  zu  entrichten.  Wurde  Mauritius  aber  Leute  auf 
diese  Hufen  setzen,  so  sollen  diese  dem  Pfarrer  zu  K.  Decem  geben 
„und  thun  gleich  unsern  andern  deutschen  Leuten44.  Die  4  Hufen  im 
R.  verleiht  der  HM.  dem  Pfarrer  Conradt  und  seinen  Amtsnachfolgern 
so,  wie  sie  ehemals  zur  Pfarrkirche  gehört  haben  und  ihm  von  Mauritius 
fibergeben  worden  sind,  frei  von  aller  Beschwerniss.*)  Zeugen:  Conrad 
von  Lichtenstein,  Grosskomt;  Friedrich  von  Wallenrode,  ober- 
ster Marschall;  Werner  von  Tachtrungen(P),  oberster  Spitler  und 
Eomt.  zu  Elbing;  Burchard  von  Wobecke,  oberster  Trapier  und 
Eomt.  zu  Ghristburg;  Arnold  Gecken,  Tressler;  Graf  Johann  vod 
Zein,  Eomt.  zu  Balga;  Marquart  von  Salzbach,  Eomt.  zu  Branden- 
burg; Graf  Albrecht  von  Schwartzburg,  Eomt.  zu  Danzig;  Herr 
Gerhard,  Eaplan;  Arnoldt  von  Baden  und  Bimmudt  Brendell, 
Eompane;  Nicolaus  und  Gregorius,  Schreiber. 

Abschr.  Hab.  322,  foL  156.  —  ')  Vergl.  Nr.  3.  —  *)  Vergl.  Nr.  60  Aiim.  1. 

36)  1408*  Corporis  Christi.  Johann  Graf  von  Sayn,  Komt. zu 
Balga,  verschreibt  dem  Preussen  San  tele  1'A  Hufen  UebermaO  zu 
Wodungkeim.    Zeuge:  Euntz  von  Busecke,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

37)  1411*  Friedrich  Graf  von  Zolre,  Eomt.  zu  Balga,  ver- 
schreibt dem  Bittau  zu  Clausgeyn  1  Hufe  daselbst.  Zeuge:  Jo- 
bannes Spete,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

38)  1411*  Matthäi.  Derselbe  verschreibt  dem  Girke  4  Hufen 
im  Felde  Salbekeim.    Zeuge:  Johann  Spette,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

39)  1412«  Derselbe  bestätigt  einen  Landaustausch  zu  Prassen. 
Zeuge:  Paul  von  Russdorff,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

40)  1413«  Himmelfahrt.  Derselbe  verleiht  dem  Niclas  Erause 
als  Schulzen  das  Dorf  Mulagk.  Die  Einwohner  sollen  dem  Pfarrer 
deijenigen  Pfarre,  bei  welcher  sie  eingewidmet  sind, ')  jährlich  von  jeder 


Von  Carl  Beekherrn.  5ld 

Hufe  1  Scheffel  Boggen  und  1  Scheffel  Hafer  geben.     Zeuge:  Faul 
von  Russdorf,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Bastenburg. 

41)  1418*  Sonntag  Judica.  Ulrich  Zeuge r,  Eomt.  zu  Balga, 
verkauft  Stinte  von  Wodungkeim  */»  Hufe  daselbst.  Zeuge:  Jo- 
hann von  Benhausen,  Pflg.  zu  B. 

Äbscbr.  Hndfb.  124. 

42)  1421*  Visitationis.  Bastenburg.  Friedrich  von  Welsen- 
dorf, Eomt.  zu  Rhein,  beurkundet,  dass  Peter  Nicolai  zu  B.,  Nico- 
laus Struwe,  Kaspar  und  Hans  im  Grunde  von  den  Brüdern 
Georg  Lorentz  und  Hans  Eüneck  zu  Bastekayme1)  eine  Hufe 
Acker,  bei  Pleinen  gelegen,  zum  Gebrauch  für  ihre  Mühle  bei  Pome- 
nigk  gekauft  haben. 

Abschr.  Hndfb.  124.  — -  ')  Ezistirt  nicht  mehr  unter  diesem  Namen. 

43)  1423.  Bartholomäi.  Johann  von  Benhausen,  Pflg.  zu  B., 
verkauft  der  Stadt  Schiffenburg  22  Morgen  Uebermaß. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

44)  1424.  Himmelfahrt.  Bastenburg.  Derselbe  verleiht  dem 
Andres  Brunwortz  „den  Baum,  begriffen  zwischen  beiden  Flutrinnen 
uff  diesseit  dem  freien  Wasser  kenn  dem  Moltiche  wertis,  uff  eine  halbe 
Buthe  nach  dem  Wege  von  der  Stadt  Bastenburgu  ])  zu  kölra.  Rechten 
frei*)  von  Zins  und  Scharwerk.  Durch  etwaiges  Ausbrechen  des  Mühlen- 
dammes  entstehender  Schaden  soll  ihm  nicht  ersetzt  werden.  Zeugen: 
Friedrich  von  Camentz,  Kellermeister  zu  B.;  Andres  vonFlissen- 
steten,  Kellermeister  zu  Bhein;  Jorge  Brunwortz,  Kaplan. 

Origin.  in  der  Lade  des  8chnhmachergewerks  in  R.  —  Altpr.  Monatsschr. 
XXI,  676.—  ')  Der  Baum  zwischen  der  Strasse  auf  der  Freiheit»  demMflhlen- 
kanal,  dem  ehemaligen  Mühlenteiche  und  der  Gaber.  —  *)  Das  Original  hat 
den  merkwürdigen  Ausdruck  „vogelfrei". 

45)  1424.  Jacobi.  Derselbe  verschreibt  8  Morgen  Uebermaß  bei 
Baumgarten.  Zeugen:  Friedrich  von  Camentz,  Kellermeister  zu 
B.;  Andreas  von  Flyssenstetten,  Kellermeister  zu  Bhein;  Herr 
Jorge  Brunwortz,  Pfarrer  zu  Lamgarben,  „mein  Kaplan*. 

Abseht.  Hndfb.  124. 


520  Verzeichnis*  der  die  Stadt  Raitenbarg  betreffenden  Urkunden. 

46)  1435«  Freitag  nach  beil.  drei  Könige.  Derselbe  verschreibt 
den  Freien  Glaubot  und  Luban  zu  Mickelnick  9'A  Morgen. 

Abschr.  Hab.  322. 

47)  1425.  Donnerstag  nach  Visit.  Maria.  Derselbe  giebt  dem  Ge- 
werk  der  Schneider  zu  ß.  eine  Willkuhr.  Zeugen:  Friedrich  tod 
Camentz,  Kellermeister;  Heidechen  von  Meylen,  Pflg.  zu  Rhein; 
Helfrich  von  Selboth,  Kompan;  Hans  Prange,  Bürgermeister  zu 
R.;  Nicolaus  Lenkener,  dessen  Kompan;  Hans  Nivorgalt,  Hans 
Neumann,  Stadtkämmerer;  Albrecht  Hollandt,  Albrecht  Mer- 
gental,  Augustin  Beyer,  Peter  Gumman. 

Schiffer,  nach  dem  Origin. 

48)  1435«  Maria  Magdalena.  Gerlach  Merz,  Pflg.  zu  R.,  con- 
firmirt  einen  Kaufvertrag  über  1  Hufe  zu  Pleinen.  Zeugen:  Volbrechi 
Kellermeister  zu  R.;  Johann  Dadenberg,  Kompan;  Jobst,  Kaplan. 

Abscbr.  Hsb.  322. 

49)  1426»  Reminiscere.  Johann  von  Benhausen,  Pflg.  zu  B., 
beurkundet,  dass  er  von  Merten  Gluenstein  6  Hufen,  am  „Geberge" 
gelegen,  eingetauscht  habe  gegen  4  Hufen  5  Morgen  zu  Passey1)  und 
freie  Holzung  in  der  Heide  zwischen  Rössel  und  Baiselaucken. 
Zeugen:  Helfrich  von  Selboth,  Pflg.  zu  Rhein;  Heidenreich  von 
Meylen,  Kellermeister  zu  R.;  Andreas  von  Flissenstedteu,  Kom- 
pan; Niclas,  Kaplan. 

Abichr.  Hab.  322.  —  ()  Straushöfen. 

50)  1436  d.  10.  März  werden  der  Stadt  R.  vom  Orden  die  33  Hufen 
verliehen,  auf  welchen  später  das  Stadtdorf  Bürgerwald  (Prangenao) 
gegründet  wurde.  (Vergl.  Nr.  53.) 

Diese  wichtige  Urkunde  ist  nicht  mehr  vorhanden,  weder  im  Original,  noch 
in  Abschrift  Die  obige  dürftige  Nachriebt  findet  sich  in  Schaffens  Chronik 
und  ist  von  ihm  entnommen  dem  Actenstück  Über  die  Untersuchung  der 
kleinen  Städte. 

51)  1436«  Maria  Magdalena.  Rastenburg.  Johann  von  Ben- 
husen,  Pflg.  zu  R.,  verkauft  dem  Niclas  Lenkener  zu  R.  ein  Malz- 
haus, bei  der  Flutrinne  vor  der  Stadt  gelegen, ')  und  einen  Platz,  welcher 
vorher  de«  Nicolaus  Hirsberg  gehört  hat,  zu  kölm.  Rechten,  frei 
von  Zins  und  aller  Beschwerniss.    Zeugen:  Helffrich  von  Selboth, 


Von  Carl  Beckherra,  521 

Pflg.  zu  Rhein;  Andreas  von  Flissensteten,  Kellermeister  zu  B.; 
Niclas  Gol...,  Kaplan. 

Origin.  in  der  Lade   des  Schuhmachergewerks  zu  R.  —  Altpr.  Mooatssohr. 
XXI,  677.  —  ')  Auf  der  Freiheit 

52)  1436«  Simonis  u.  Judä.  Rastenburg.  Derselbe  verschreibt 
den  Einwohnern  von  Bayselaugken  1  Hufe  2  Morgen  Wiese.  Zeuge: 
Andreas  von  Flyssenstetten,  Kellermeister  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

53)  1436»    Martini.    Der   Rath    der   Stadt   R.,   vertreten   durch 
Nicolaus  Lenkener,  Bürgermeister,  Peter  Gumman,  dessen  Kom- 
pan,    Nyvorgalt,    Albrecht   Mergental,    Albrecht   Hollandt, 
Rathleute,  Augustin  Beyer  und  Hans  Neumann,  Stadtkämmerer, 
beurkundet,  dass  er  mit  Genehmigung  des  HM.  Paul  von  Rassdorf  und 
des   Pflegers   zu  R.   Johann   von   Beenhusen    „ausgegeben"    habe   an 
Hannes  Prange  ein  Dorf,  genannt  Bürgerwald1)  von  33  Hafen  zu 
kölm.  Rechten.    Der  Schulz  erhält  3  Hufen  frei  mit  den  kleinen  Ge- 
richten von  4  Schilling  und  darunter  und  den  dritten  Theil  von  den 
grossen  Gerichten.    Dafür  soll  er  für  die  Stadt  zu  allen  Heerfahrten 
ein  Pferd  im  Werthe  von  8  M.  halten.2)   Die  Besitzer  der  andern  Hufen 
erhalten  8  Freijahre  und  zinsen  dann  der  Stadt  jährlich  von  jeder  Hufe 
3  Vierdung  und  2  Hühner.1)    Ausserdem  sollen  sie  für  die  Stadt  von 
jeder  Hufe  ein  Viertel  Holz  aufsetzen,  unschädlich  ihrem  Hegewalde; 
wenn  sie  aber  kein  Holz  haben,  so  wird  der  Rath  bestimmen,  was  sie 
dafür  an  Scharwerk  zu  leisten  haben.    Die  Beuten,  welche  die  Stadt 
dort  besitzt,  behält  sie  sich  vor,  ebenso  soll  es  ihr  freistehen,  auch 
fernerhin  solche  anzulegen.    Wer  seine  Besitzung  verkaufen  und  aus 
dem  Dorfe  fortziehen  will,  soll  zuvor  das  Geld,  welches  die  Stadt  vor* 
gestreckt  hat,  zurückzahlen.4) 

Origin.  im  Staatsarchiv  zu  Königsberg.  —  Beckherrn,  Rastenbarg  S.  119.  — 
')  Prangenau.  (Vergl.  Nr.  50.)  —  *)  Hieraus  geht  hervor,  dass  die  Stadt, 
wenn  auch  in  ihrer  Handfeste  nichts  darüber  bestimmt  ist,  verpflichtet  war, 
nicht  nnr  ihre  eigenen  Mauern  zu  vertheidigen,  sondern  dem  Orden  auch 
Mannschaft  zu  den  Kriegsreisen  zu  stellen  und  ferner,  wie  ans  Nr.  77  zu  er« 
aehen'ist,  zwei  Pferde  für  den  Warpenwagen.  —  3)  3  Vierdung  =  6,76  M. 
jetzigen  Geldes  nach  dem  Silbergehalte,  =  27  M.  nach  dem  wirklichen  Werthe; 

▲Itpr.  Mon*tts«hrift  Bd.  XXH.  Hfl  7  n.  8.  34 


522  Verzeichniss  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkunden. 

der  Geldzins  von  dem  Dorfs  betragt  also  810  R.  M.  —  *)  Prangenao  wurde 
1657  an  den  Oberst  von  Groben  verpfändet,  1663  aber  für  3000  Gulden, 
welche  die  Stadt  hiezn  von  Pomian  auf  Wossau  entlieh,  wieder  eiogelfct 
Im  Jahre  1680  wurde  es  abermals  an  Herrn  von  Dargowitz  verpfändet  und 
von  diesem  1703  an  den  Stadtkämmerer  Hippel  für  8000  Gulden  cedirt. 
Im  Jahre  1704  gelangte  es  zur  Subhastation.    (Schaffer.) 

54)  1426  am  Tage  der  Einderlein  in  den  weihnachtheiligen  Tagen. 
Barten.  Paul  von  Bussdorf,  HM.,  verleiht  dem  Hans  Bebra 
50  Hufen  im  Felde  Görlitz,  im  Kammeramt  Barten  gelegen, f)  frei  zu 
magdeburg.  Rechten  mit  dem  innerhalb  der  Grenzen  gelegenen  Seechen 
Zechesdrien.*)  Dazu  freie  Fischerei  mit  einer  Fusswate  und  seeh> 
Säcken  in  dem  bei  dem  Gute  gelegenen  See  Michen3)  zu  Tisches  Noth- 
durft.  Leistungen:  Ein  redlicher  Platendienst4)  zu  allen  Geschreien, 
Landwehren,  Heerfahrten  und  Reisen,  Bauen  neuer  Häuser,  Brechen  und 
Bessern  alter,  jährlich  ein  Krampfund  Wachs  und  1  kölnischer  oder 
5  preussische  Pfennige  und  von  jedem  Pfluge  1  Scheffel  Weizen  und 
1  Scheffel  Boggen.5)  Zeugen:  Merten  Kempnether,  Grosskomtur; 
Helfrich  vonDrahe,  Eomt.  zu  Brandenburg;  Heinrich  von  Plauen, 
Pflg.  zu  Barten;  Lorenz,  Kaplan;  Johann  Behnhusen,  Pflg.  zuB.: 
Johann  Stockheim,  Eompan;  Henricus  Nicolaus,  Schreiber. 

Abschr.  IL  Hsb.  S.  27.  —  Beckherrn,  Bastenbarg  S.  116.  —  f)  Dieses  Gut 
gelangte  später  in  den  Besitz  der  Stadt  R;  wann  und  auf  welche  Weise,  Issst 
Bich  weder  aus  Urkunden  noch  aus  Chroniken  mit  Sicherheit  ermitteln.  (Vergl 
Nr.  156  u.  158.)  —  *)  Unbekannt  Dieser  Name  ist  wahrscheinlich  der  h&nflg 
vorkommende  Seenamen  Snsdroyen.  —  ')  Moysee.  —  4)  Nach  Ausweis  der 
Amt8rechnang  pro  1698  ist  der  Platendienst  später  in  Gestellung  eines  mit 
4  Pferden  bespannten  Warpenwagens  umgewandelt  worden.  —  &)  Das  Pflog- 
getreide  kommt  in  keiner  andern  der  alten  Verschreibungen  der  Stadt  tot. 
Die  Amtsrechnung  pro  1698  enthält  die  Angabe,  dass  die  Stadt,  in  deren 
Besitz  die  Görlitz  gelangt  war,  von  altersher  1  Schelf.  Weizen  and  1  Scheff 
Roggen  Pfluggetreide  zu  entrichten  gehabt  habe.  Toppen  (ZinsTerfessnng 
Preussens)  nimmt  den  Pflug  zu  4  Hufen  an;  danach  wurde  also  das  eben 
genannte  Maß  an  Pfluggetreide  die  Leistung  eines  beackerten  Feldes  tod 
4  Hafen  sein.  Da  die  Görlitz  nur  aus  Wald  besteht,  so  sind  diese  kultiYirten 
Hufen  Tielleicht  in  dem  jetzigen  selbständigen  Gute  Görlitz  zu  suchen,  welches 
an  den  Wald  Görlitz  grenzt  und  früher  zum  Stadtgebiete  gehört  zu  haben 
scheint    Die  Abtretung  dieses  Theiles  müsste  schon  vor  1625  erfolgt  sein, 


Von  Carl  Beckherrn.  523 

denn  eine  Vermessung  in  diesem  Jahre  ergab  als  Eigenthum  der  Stadt  in  der 
Görlitz  nur  ein  Areal  yon  44  Hufen  28  Morgen  113  QR.,  welche  bei  der 
Veranlagung  zar  Contribution  von  1674  (Nr.  197)  auf  45  Hufen  abgerundet 
sind.    Gegenwärtig  enthält  die  Görlitz  44  Hufen. 

Die  Abgabe  des  Pfluggetreides  ist  übrigens  später,  zu  unbekannter  Zeit, 
neben  dem  Geld-  und  dem  Hnhnerzinse  für  säramtliche  Zinshufen  der  Stadt 
eingeführt  worden.  Die  Amtsrechnung  pro  1698  giobt  das  von  der  Stadt  zu 
entrichtende  Pfluggetreide  mit  10  Scheff.  Weizen  und  10  Schelf.  Roggen  an, 
welche  einem  kaltivirten  Areal  von  40  Hufen  entsprechen.  Diese  Zahl  stimmt 
ungefähr  mit  der  Anzahl  der  zinspflichtigen  Hafen  der  Stadt  nach  Abrech- 
nung der  Waldhufen  des  bei  der  Stadt  gelegenen  Dorfes. 

55)  1427*  Freitag  vor  Maria  Reinigung.  Rast ejn bürg.  Paul 
von  Russdorf,  HM.,  verleiht  der  Stadt  R.  für  die  fleissigen  und 
mannigfaltigen  Dienste  ihrer  Einwohner  20  Hufen  Wald1)  zu  einem 
Hegewalde  zu  demselben  Rechte,  welches  ihre  Haupthandfeste  enthält, 
frei  von  Scharwerk,  Diensten  und  bäuerlicher  Arbeit  gegen  Entrichtung 
des  Recognitionszinses  von  4  Pfund  Wachs  und  4  kölnischen  oder 
20  preussischen  Pfennigen  jährlich,  „auf  daß  sie  dieselbe  Stadt  desto 
baß  befestigen,  zuforder  endlicher  Beständigkeit  gedien  und  Uns  und 
Unserm  Orden  in  zukommenden  Zeiten  desto  kräftiglicher  mögen  ge- 
dienen." Zeugen:  Merten  Eempnather,  Grosskomtur;  Lorentz, 
Kaplan;  Johann  von  Beenhusen,  Pflg.  zuR.;  Johann  Stogheym, 
Johann  Saßwitz,  Eompan;  Henricus  Nicolaus,  Schreiber. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Eönigsb.  —  ')  Bei  Bürgerdorf.   Diese  Lage  ergiebt 
sich  aus  Kr.  60. 

56)  1427*  Johann  von  Beenhusen,  Pflg.  zu  R.,  verleiht  an 
mehrere  Personen  30  Hufen  bei  Zondern. 

Erwähnt:  Weiss,  Pr.  Litauen  und  Masaren  I. 

57)  1428*  Mittwoch  nach  Lätare.  Barten.  Paul  von  Russdorf, 
HM.,  erneuert  dem  Niclas  Preuß  seine  im  Brande  von  Rössel  ver- 
loren gegangene  Handfeste  über  Peterkeim.  Zeuge:  Johann  von 
Benhausen,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

58)  1428*  Ostern.  Der  Rath  der  Stadt  R.,  vertreten  durch 
Nicolaus  Lenkener,  Bürgermeister,  Peter  Gumman,  seinen  Eom- 
pan, Augustin  Beyer  und  Hans  Neumann,  Stadtkämmerer,  Nyvor- 

34* 


524  Veneichnias  der  die  Stadt  Rastenbarg  betreffenden  Urkunden. 

galt,   Olbrecht  Holland   und   Olbrecht  Mergental,   Rathleute, 
giebt  dem  Fleischergewerk  eine  Willkühr. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Königsb. 

59)  1128»  Dienstag  nach  Martini.  Johann  von  Benhaas en, 
Pflg.  zu  R.,  verschreibt  den  Einwohnern  von  Neuendorf  zur  Aus- 
gleichung yon  Mindermaß  3  Hufen  Waldes,  gelegen  an  ihren  beiden 
Hufen  bei  dem  Walde  der  Stadt  R.  Zeuge:  Niclas  Lenkener,  Burger- 
meister zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

60)  1429»  Donnerstag  vorGalli.  Bastenburg.  Derselbe  verkauft 
der  Stadt  R.  5*  Hufen  Wald,  gelegen  an  der  Grenze  von  Eichmedien 
bei  den  vom  HM.  Faul  von  Russdorf  der  Stadt  verliehenen  20  Hufen, 
bei  dem  Hegewalde  von  Neuendorf  und  an  den  Grenzen  von  Burger- 
dorf „zu  solchem  Rechte,  als  die  Handfeste  über  die  Stadt  ausweiset.1' 
Die  erfolgte  Bezahlung  wird  bescheinigt. !)  Zeugen:  Eckhard  von  Buch- 
hain, Pflg.  zu  Rhein;  Helfrich  von  Seelboth,  Pflg.  zu  Lyck;  An- 
dreas von  Fliesenstädten,  Kellermeister  zu  R.;  Nicolaus,  Kaplan. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Königsb.  —   ')  Die  durch  Urkunden  bezeugten  Er- 
werbungen (Nr.  15,  21,  31,  55)  bei   Bürgerdorf  schliessen  hiermit  ab.    Sie 
umfassen  45  Hufen.    Eine  Stelle  in  Schaffer's  Chronik  lässt  aber  ersehen,  dass 
das  Areal  der  Bürgersdorfer  Besitzung  grosser  gewesen  sei.    Es  werden  hier 
nämlich  die  obigen  Erwerbungen  der  Beihe  nach  einzeln  aufgeführt,  in  diese 
aber  noch  eine  solche  vom  Jahre  1407  in  folgender  Weise  eingeschaltet: 
„Herr  Pfarrer  Conrad  giebt  seine  14  Hüben  zu  Poblebißen  auch,  (nämlich  zu 
den  von  der  Stadt  bei  Bürgersdorf  bereits  erworbenen)  auf  dass  er  die  4  Hoben 
wieder  an  die  Kirch  bringe".  (Vergl.  Nr.  35.)    Das  Areal  der  Bürgersdorfer 
Besitzung  der  Stadt  berechnet  Schaffer  auf  59  Hufen.  Dieses  Areal  entspricht 
ungefähr  demjenigen,  welches  die  jetzigen  aus  dieser  ehemaligen  Besitzung 
der  Stadt  hervorgegangenen  Ortschaften  Gr.  Bürgersdorf,  El.  Bürgersdorf, 
Hinzenhof  und  der  Bürgersdorfer  Stadtwald  einnehmen.    Eine  im  Jahre  1642 
ausgeführte  Vermessung  ergab  zwar  nur  55  Huf.  16  Morg.  136  QR.  und  eine 
andere  von  1647  für  das  Dorf  33  Huf.  13  Morg.  266  DB*  und  für  den  Wald 
23  Huf.  2  Morg.  170  DB.,  im  letzten  Falle  also  im  Ganzen  ca.  57  Hufen; 
diese  Differenz  kann  aber  wohl,  wie  obige  Resultate  zeigen,  auf  einer  mangel- 
haften Ausführung  der  damaligen  Vermessungen  beruhen.  Durch  die  Urkunde 
von  1407  (Nr.  35),  auf  welche  Schaffer  sich  stützt,  wird  also  nachgewiesen, 
dass  die  14  Hufen  bei  Poblebissen  schon  früher  einen  Theil  des  Stadtgebietes 


Von  Carl  Beckherrn.  525 

ausmachten  und  dieses  durch  die  neue  Verleihung  der  4  Kirchenhufen  eine 
Vergrößerung  erfahren  hat.  Aus  den  Nachrichten  Schaffe r's  geht  auch  her- 
vor, dass  die  14  Hufen  hei  Poblebissen  auch  fernerhin  bei  der  Stadt  gehlieben 
sind,  indem  der  gedachte  Mauritius,  welchem  sie  von  Neuem  verliehen  wurden, 
wohl  als  ein  Bürger  der  Stadt  anzusehen  ist.    Poblebissen  jetzt  Bosemb. 

61)  1430»  Dienstag  nach  Himmelfahrt.  Bastenburg.  Derselbe 
verschreibt  dem  Andres  von  Salbkeim  2  Hufen  zu  seinen  daselbst 
gelegenen  4  Hufen.  Zeuge:  Andreas  von  Flißenstädten,  Keller- 
meister zu  ß. 

Abschr.  Hsh.  322. 

62)  1430»  Pfingstabend.  Rastenburg.  Derselbe  beurkundet,  dass 
er  von  Matthes  Tolck,  Bürger  zu  B.,  den  diesem  vom  Komtur  zu 
Rhein  Friedrich  von  Wilsdorf  verliehenen  Baum  mit  der  Ziegel- 
scheu  ne  des  Hauses  eingetauscht  habe,  da  das  Haus  die  Ziegelscheune 
nicht  entbehren  könne.  Matthes  Tolck  habe  dafür  erhalten  einen  Baum 
von  24  Morgen,  Acker,  Wiese,  Bruch  und  Gebüsch,  gelegen  an  der 
Woplauker  Grenze1)  zu  kölm.  Bechten  frei  von  Zins  und  Scharwerk. 
Zu  diesem  Baume  soll  er  auch  einen  Fahrweg  durch  den  Acker  des 
Hauses  haben,  welcher  bei  dem  Graben2)  von  dem  nach  Schwarzstein 
führenden  Wege  sich  abzweigen  soll.  Zeuge:  Eckhart  von  Buchhain, 
Pflg.  zu  Bheiu;  Helffrich  von  Selboth,  Kompan;  Andreas  von 
Flißenstädten,  Kellermeister  zu  B.;  Niclas,  Kaplan. 

Abschr.  Hsh.  322,  fol.  20.  —  *)  Die  Amtsrechnung  pro  1698  bezeichnet  das 
Grundstück  als  ein  heim  Vorwerke  Bastenburg  nach  Woplauken  zu  gelegenes. 
Es  grenzte  wahrscheinlich  an  den  Badersacker  und  wird  später  als  der  Hippeische 
Bossgarten  erwähnt,  welcher  den  südl.  Theil  des  jetzigen  Gutes  Charlotten- 
berg ausmacht.  —  2)  Wahrscheinlich  der  Landwehrgrahen.  (Vergl.  Nr.  25.) 

63)  1430*  Der  Bath  der  Stadt  B.,  vertreten  durch  den  Bürger- 
meister Niclaus  Lenkener,  dessen  Kompan  Peter  Gumman,  die 
Stadtkämmerer  Augustin  Beyer  und  Hans  Neumann,  den  Schulzen 
Hans  Nievorgalt,  die  Bathleute  Albrecht  Mergental  und  Al- 
brecht Hollandt  und  den  Stadtschreiber  Nicolaus  Gabelnau,  ver- 
schreibt dem  Hans  Prange  eine  von  den  Zinshufen  zu  Prangen  au. 

Schaffer,  nach  dem  Origin. 

64)  1430*  Dienstag  vor  Johannis  Bapt.  Bastenburg.  Johann 
von  Benhausen,  Pflg.  zu  B.,  stellt  eine  Krugverschreibung  für  Gel- 


526  Verseichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

wiscbk1)  aus.   Zeugen:  Helfrich  von  Selboth,  Kompan;  Andreas 
von  Flyssenstetten,  Kellermeister  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  s)  Gelbsch. 

65)  1430»  St.  Clementis.  Kastenburg.  Derselbe  verschreibt  dem 
Hangke  von  Wodunithen  13 Morgen  daselbst.  Zeugen:  Helferich, 
Kompan;  Andreas  von  Flyssenstetten,  Kellermeister  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

66)  1431»  Purificationis.  Bastenburg.  Paul  von  Bussdorf, 
HM.,  erneuert  die  Handfeste  über  Bockein.  Zeuge:  Johann  von  Ben- 
hausen,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hsb.  322,  fol.  356. 

67)  1431«  Freitag  vor  Palmarum.  Bastenburg.  Johann  von 
Benhausen,  Pflg.  zu  B.,  stellt  die  Handfeste  für  Kayskaym1)  ans. 
Zeuge:  Andreas  von  Flyssenstetten,  Kellermeister  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Gr.  Köskeim. 

68)  1431«  Heil.  Dreifaltigkeit.  Der  Bath  der  Stadt  B.,  vertreten 
durch  den  Bürgermeister  Peter  Gumman,  dessen  Kompan  HansNj- 
vorgalt,  die  Stadtkämmerer  Augustin  Beyer  und  Hans  Neumann, 
den  Schulzen  Olbrecht  Hollandt,  die  Ratbleute  Ol  brecht  Mergen- 
tal  und  Matthis  Scherff  und  den  Stadtschreiber  Nicolaus  Gabel- 
nau,  giebt  dem  Bäckergewerk  zu  B.  eine  Willkühr. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Königsb. 

69)  1433*  Freitag  vor  Palmarum.  Heytichen  von  Meylen, 
Pflg.  zu  B.,  verschreibt  den  Falkenauern  2  Hufen.  Zeugen:  Albrecht 
von  Dornbach,  Kompan;  Heinrich  Hartfust,  Kellermeister  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

70)  1433*  März.  Bruder  Johann,  Guardian  zu  Welau,  giebt 
dem  Gewerk  der  Bäcker  zu  B.  die  Zusicherung,  alle  Sonntage  auf 
dem  Predigtstuhl  für  dasselbe  bitten  zu  wollen  und  jährlich  auf  Pfingsten, 
wenn  das  Gewerk  dem  Convent  1/2  Vierdung  nach  Welau  schicken 
würde,  eine  Vigilie  und  Andacht  für  solches  zu  halten  und  es  aller 
guten  Werke  des  Convents  theilhaftig  zu  machen. 

Schaffer,  nach  dem  Origin. 

71)  1434  d.  26.  Febr.  Bezess  des  Ständetages  zu  Bastenburg. 
Die  Städte  kündigen  dem  HM.  ihre  Beise  nach  Basel  auf.    Der  EM. 


Von  Carl  Beckherrn.  527 

giebt  ihnen  Weisungen  wegen  ihrer  Verbindung  mit  den  Hansestädten, 
verspricht,  den  Beifrieden  mit  Polen,  welchen  die  Livländer  anfechten, 
nach  Becht  der  Lande  und  Städte  aufrecht  zu  erhalten.  Ferner  wird 
gebandelt  über  einen  Streit  der  Stadt  Danzig  mit  dem  dortigen  Komtur, 
den  Pfundzoll,  den  Schaden  einzelner  Städte  im  letzten  Kriege,  die 
Gesandtschaft  nach  Lübeck  u.  s.  w.  Vertreter  der  Städte:  Von  Gulm 
Job  ann  Stercz,  vonThornNiclas  Gelen  und  Tidemann  von  Allen, 
von  Elbing  Lucas  Kybe  und  Jacob  Steinbott,  von  Königsberg 
Michel  Matthis  und  Theoderich  Pampow,  von  Danzig  Albert 
Huxer  und  Wilhelm  Winterfeit. 

Toppen,  Acten  der  Ständetage  I. 

72)  1434*  Gerlach  Merz,  Pflg.  zu  B.,  verschreibt  30  Hufen 
zu  Quicka. 

Erwähnt:  Weiss,  Pr.  Litauen  u.  Masaren  I. 

73)  1435»    Derselbe  verschreibt  20  Hufen  zu  Zudnochen. 

Erwähnt:  Weiss,  Pr.  Litauen  u.  Masaren  I. 

74)  1435«  [Johann  von  Benhusen(?)]  Pflg.  zu  E.  verleiht  der 
Stadt  R.  „einen  räumen  Weg1)  zwischen  den  Seen4)  und  dem  Hause". 
„Und  her  hot  yn  ouch  eynen  briff  darober  gegeben  der  unmöglich  ist". 

Script,  rer.  Pr.  IV,  442.  —  !)  Die  Bahnhofsstrasse.  —  2)  Der  Oberteich  und 
der  ehemalige  Mühlen teich. 

75)  1435*  Maria  Magdalena.  Bastenburg.  Johann  von  Been- 
husen,  Pflg.  zu  B.t  bestätigt  einen  Kaufvertrag  zwischen  Niclas 
Strube  und  Kasper  Tyle  zu  Pomenigk.  Zeugen:  Volbrecht, 
Kellermeister  zu  £.;  Johann  Dadenberg,  Kompan;  Jobst,  Kaplan. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

76)  1437»  Gerlach  Merz,  Pflg.  zu  B.,  verschreibt  30  Hufen  zu 
Kynstokenbrast1). 

Erwähnt:  Weiss,  Pr.  Litauen  u.  Masuren  I.  —  !)  Gregorsdorf. 

77)  1488»  Jacobi.  Der  Bath  der  Stadt  B.,  vertreten  durch  den 
Bürgermeister  Nicolaus  Lenkener,  dessen  Kompan  Matthis  Scherff, 
die  Bathleute  Johannes  Paul  und  Nicolaus  von  Wenden  und  die 
Stadtkämmerer  Matthis  Tolk  und  Hermann  Sp&lder,  beurkundet, 
dass  er  mit  Genehmigung  des  HM.  Paul  von  Bussdorf  und  des 
Pflegers  zu  R.  Heydechin  von  Meylen  ausgegeben  habe  an  Hans 


528  Veraeicbniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

Bewirstein  ein  Dorf,  genannt  Bürgerdorf1)  von  32  Hufen  zu  kölro. 
Rechten.  Der  Schulz  erhält  2  Hufen  frei  mit  den  kleinen  Gerichten 
und  dem  dritten  Theil  von  den  grossen  Gerichten.  Dafür  soll  er  für 
die  Stadt  zu  allen  Heerfahrten  ein  Pferd  im  Werthe  von  sechs  Mark 
halten.  Die  Besitzer  der  andern  Hufen  erhalten  6  Freijahre  und  Zinsen 
dann  der  Stadt  jährlich  von  jeder  Hufe  1/i  M.  und  2  Hühner3).  „Aach 
sollen  sie  der  Stadt  warpen  mit  zween  gutten  Sweyken  zu  allen  Heer- 
fahrten, wo  ihrer  die  Stadt  bedarf443).  Die  Beuten,  welche  die  Stadt 
dort  besitzt,  behält  sie  sich  vor,  auch  soll  es  ihr  freistehen,  auch  ferner- 
hin solche  in  dem  Hegewalde  der  dortigen  Besitzer  anzulegen.  Wer 
seine  Besitzung  verkaufen  und  aus  dem  Dorfe  fortziehen  will,  soll  zu- 
vor das  Geld,  welches  die  Stadt  vorgestreckt  hat,  zurückzahlen4). 

Origin.  im  Staatsarchiv  zu  Königsberg.  —  Beckbern),  Rastenburg  S.  120.  — 
J)  Vergl.  Nr.  31  Anm.  3.  —  f)  !/2  M.  =  4,50  M.  jetzigen  Gelies  nach  dem 
Silbergehalte  =  18  M.  nach  dem  wirklieben  Werthe;  der  Geldzins  des  Dorfes 
beträgt  also  540  R.  M.  —  3)  Vergl.  Nr.  53  Anm.  2.  —  4)  Weiteres  über 
Bürgerdorf  unter  Nr.  204  u.  222. 

78)  1438*  Donnerstag  nach  Michaelis.  Heitchen  von  Meyleu, 
Pflg.  zu  B.,  verschreibt  den  Löwen  steinern  2  Hufen  10  Morgen  Wald, 
zwischen  Landskron,  Kaltwangen  und  Dietrichsdorf  gelegen. 
Zeugen:  Albrecht  von  Dornbach,  Kompan;  Heinrich  Hartfust, 
Kellermeister  zu  B. 

Abscbr.  Hsb.  322,  fol.  262. 

79)  1439«  Montag  nach  Kathedra  Petri.  Bastenburg.  Derselbe 
verschreibt  den  Einwohnern  von  Mulack  6  Hufen  Wald,  an  der  Thur- 
wange  und  bei  Wilkendorf  gelegen.  Zeuge:  Johann  von  Jünters- 
berg,  Kellermeister  zu  B. 

Abscbr.  Hndfb.  124. 

80)  1439*  Donnerstag  nach  Barnabä.  Leunenburg.  Derselbe 
verschreibt  dem  Thomas  und  Leonhart  Sparwin  20  Morgen  Wiesen 
bei  Ghelwysk1).  Zeugen:  Hippenburgk,  Kompan;  Johann  von 
Güntersbergk,  Kellermeister  zu  B. 

AbBchr.  Hndfb.  124.  —  f)  Gelbs  eh. 

81)  1439«  Bastenburg.  Derselbe  verleiht  dem  Matthes  von 
der  Albe  2  Hufen  Wald,  an  den  fünf  Hufen  bei  Beimannsdorf1) 


Von  Carl  Beckherrn.  529 

gelegen,  seinem  Dienste  zu  Hilfe  zu  solchem  Rechte,  wie  es  seine  Hand- 
feste ausweist.  Bei  späterer  Vermessung  soll  er  etwaiges  Ueberraafl 
behalten,  Mindermaß  ihm  aber  nicht  ersetzt  werden.  Zeugen:  Ostwald 
Holtzappel,  Pflg.  zuLyck;  Johann  von  Dobenbach,  Pflg.  zu  Rhein; 
Johann  von  Günthersberg,  Kellermeister  zu  R. 

Die  Abschrift  im  R.  Hdb.  8.  350  bat  die  Ueberechrift:  „Handlest  Aber  der 
Armen  Wolle  hinter  Reimsdorf".  Hiernach  bilden  diese  beiden  Hafen  also 
einen  Bestandteil  des  jetzigen  Gutes  Wolka,  des  ehemaligen  Hospital- 
▼orwerks  Jerusalem  oder  Wolla.  —  *)  Reimsdorf. 

82)  1440«  Dienstag  nach  Mittfasten.  Leunenburg.  Derselbe  ver- 
schreibt den  Einwohnern  von  Zandersdorf  2  Hufen  zu  Maysucken. 
Zeugen:  Heppenberg,  Kompan;  Johann  von  Güntersberg,  Keller- 
meister zu  B. 

Abschr.  Hab.  322. 

83)  1440.  Derselbe  verschreibt  den  Einwohnern  von  Mulack 
eine  1  Seil  breite  Viehtrift  von  ihrer  Grenze  an,  zwischen  Prangenau 
nnd  Gyrdete's  Grenzen,  an  dem  Zcyngkreyn1)  entlang  bis  an  ihren 
Wald.    (Vergl.  Nr.  90.) 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  In  der  Ämtsrechnung  pro  1698  Sackereyen  genannt, 
der  früher  bei  Wolka  gelegene  und  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  abge- 
lassene See. 

84)  1440«    Derselbe  verschreibt  30  Hufen  zu  Alt-Fastzen. 

Erwähnt:  Weiss,  Pr.  Litauen  u.  Masuren  I. 

85)  1410.  Himmelfahrt.  Elbing.  Bürgermeister  und  Rathmänner 
der  Städte  Bastenburg,  Bartenstein,  Friedland  und  Schippen- 
beil untersiegeln  den  Bundesbrief  vom  14.  März  1440. 

Toppen,  Acten  der  Stände  tage  IL 

86)  1440.  Heitchenvon  Meylen,  Pflg.  zu  R.,  verschreibt  einem 
Freien  zu  Mickelnick  3  Hufen. 

Amtsrecbnung  pro  1698/99. 

87)  1440+  St.  Stephani.  Rastenburg.  Conrad  von  Erlichs- 
hausen,  HM.,  verschreibt  dem  Eunz  Stange  9  Hufen  Feld  und 
3  Hufen  Damerau  zu  Gluenstein1)  gegen  Abtretung  von  15  Hufen 
zu  Greselagk1).   Zeuge:  Heidechen  von  Meylen,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —  ')  Glubenstein.  —  s)  Grieslack. 


1 


530  Veneicbnisi  der  die  8t*dt  Battenberg  betreffenden  Urkunden. 

88)  1441  d.  23.  April.  Marienburg.  Bezess  der  Tagfahrt.  Es 
wird  über  die  Formel  des  Huldigungseides,  die  Bestätigung  der  Privi- 
legien und  Abstellung  der  Beschwerden,  insbesondere  der  kleinen  Städte 
verhandelt,  desgl.  auch  über  einen  jährlich  abzuhaltenden  Richttag. 
Vertreter  der  Stadt  B.  Nicolaus  Lenkener  und  Hans  Ny  vorgalt. 

Toppen,  Acten  der  Standetage  JL 

89)  1442»  Sonntag  Quasimodogeniti.  Bartenstein.  Der  Komtur 
zu  Balga  berichtet  dem  HM.:  Der  Pfleger  zu  Basten  bürg1)  habe  am 
gestrigen  Tage  alle  ehrbaren  Leute  des  Bastenburgischen  Gebietes  und 
die  Bürger  von  Bastenburg  und  Schippenbeil  zu  Leunenburg 
versammelt  gehabt  und  ihnen  daselbst  die  Antwort  der  übrigen  Bitter, 
Knechte  und  Städte  des  Balgischen  Gebietes  mitgetheilt9),  welcher  Alle 
zugestimmt  hätten. 

Toppen,  Acten  der  Ständetage  IL  —  ')  Heitchen  von  Merlen.  —  *)  Diese 
hatten  erklärt,  dass  sie  dem  HM.  in  seinem  Rechte  beistehen  wollten,  und 
dass  sie  des  häufigen  Reisens  zu  den  Tagfahrten  überhoben  sein  möchten,  Ji 
sie  dem  HM.  und  den  Gebietigern  zutrauten,  dass  diese  für  sie  wohl  ratben 
würden.   Auch  hatten  sie  gebeten,  dass  ein  gutes  Regiment  eingeführt  würde. 

90)  1442*  St.  Georg».  Bastenburg.  Heidichen  von  Meylen, 
Pflg.  zu  B.,  verschreibt  dem  Hans  Zappe  14  Morgen,  gelegen  am 
Czockereyen  und  demFliess,  welches  von  derThurwange  herunter- 
kommt, für  Abtretung  einer  Viehtrift  an  die  Mulacker.  (Y ergl.  Nr.  83.) 

Abschr.  Hndfb.  124. 

91)  1443«  Ulrich  Zenger,  Komtur  zu  Balga,  verkauft  dem 
Wayke  von  Wodunithen  1/2  Hufe  Uebermaß  zu  Wodungkeim. 
Zeuge:  Johann  von  Benhusen,  Pflg.  zu  B. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

92)  1443«  Montag  nach  Corporis  Christi.  Bartenstein.  Der  Komi 
zu  Balga  berichtet  dem  HM.,  dass  er  mit  den  Städten  Bastenburg, 
Schippenbeil,  Zinten  und  Heiligenbeil  über  „die  Vergebung  und 
Verschreibung"  verhandelt  habe.  Sie  hätten  sich  dabei  auf  die  grösseren 
Städte  des  Hinterlandes  bezogen,  da  keine  gern  die  erste  sein  wolle. 
Er  habe  diese  und  noch  einige  andere  Städte  auf  nächsten  Donnerstag 
zu  einer  Tagfahrt  nach  Pr.  Eilau  berufen. 

*    Toppen,  Acten  der  St&ndetage  II. 


Von  Carl  Beckherrn.  531 

93)  1443  d.  13.  Juli.  Leunenburg.  Der  Pfleger  zu  Rasten- 
burg1) berichtet  dein  HM.  über  seine  Verhandlungen  zu  Leunenburg 
mit  den  Amtseingesessenen  wegen  der  Kriegsrüstungen  *). 

Toppen,  Acten  der  Ständetage  IL—  ')  Heinrich  von  Richtenberg.  (?)  — 
*)  Zur  Abwehr  .eines  Angriffs,  welchen  der  Herzog  von  Mecklenburg  auf  die 
Neumark  beabsichtigte. 

94)  1446  d.  8.  Juli.  Beystern.  Der  Komtur  zu  Balga  ertheilt 
dem  HM.  den  Bath,  die  Städte  Bartenstein  und  Bastenburg  und 
die  andern  klein  an  Städte  dazu  zu  bewegen,  dass  sie  in  Marienburg  mit 
den  Marienburgern  sich  über  die  Angelegenheiten  einigen  möchten, 
welche  auf  der  von  den  Culmern  angesetzten  Tagfahrt  zu  Marienwerder 
zur  Sprache  kommen  sollten.  Auch  würde  es  rathsam  sein,  Nicolaus 
Lenkener1)  dorthin  kommen  zu  lassen. 

Toppen,  Acten  der  Standetage  IL  —  f)  Bürgermeister  zu  B. 

95)  1446  d.  14.  Juli.  Eilau.  Der  Eomt.  zu  Balga  schreibt  dem 
HM.,  dass  er,  noch  bevor  er  die  Anweisung  erhielt,  „ap  ich's  künde 
gefugen,  das  die  stete  meyns  gebietes  unde  Bastenburg  und  die  andern, 
das  ewir  gnadq  nicht  dorinne  vormereket  wurde,  uff  disse  czyth  nicht 
czum  tage  ken  Marienwerder  quemen",  diese  Städte  in  Eilau  versammelt 
und  veranlasst  gehabt,  dem  HM.  zu  schreiben,  sie  wurden  sich  gern 
einstellen,  wenn  er  eine  Tagfahrt  ansetzte.  Da  sie  nun  nach  Marien- 
werder geladen  wären,  hätten  sie  ihn  um  Bath  gefragt;  er  habe  ihnen 
mit  Hinweisung  auf  jenes  Schreiben  gerathen,  daheim  zu  bleiben. 

Toppen,  Act.  d.  Standet  IL 

96)  1448  d.  18.  u.  19.  Febr.  Bastenburg.  Verzeichniss  der 
Personen,  welche  zu  B.  den  ewigen  Frieden  beschworen  haben.1) 

Conrad  von  Erlichshausen,  HM.;  Nicolaus,  Bischof  von 
Ermland;  Eilian  von  Exdorf,  oberst.  Marschall;  Gerlach  Mercz, 
Komt.  zu  Brandenburg;  Erick,  Pfleg,  zu  R.;  Ludolf  von  Vesten- 
berg,  Pfleg,  zu  Tapiau;  Albr.  Beibenicz,  Pfleg,  zu  Orteisburg; 
Hans  Heczel  von  Sessingen,  Pfleg,  zu  Gerdauen;  Heinrich  Benff- 
Hn  von  Bichtenberg,  Koropan;  Johann,  Pfleg,  zu  Rhein;  Paul 
Wyn,  Domprobst  zu  Königsberg;  Nico  laus,  Domherr  und  Official  zu 
Königsberg;  Hans  von  Köckeritz,  Hauptm.  zu  Costrin;  Lupolt 
Swynshoupt,  Pfleg,  zu  Schaken;  Gottfr.  von  Meyenthal,  Pferde- 


632  VerieichoiBi  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

marschall  zu  Königsberg;  Antonius  vom  Steyne,  Pfleg,  zu  Grünhof: 
Wilhelm  Schotte,  Haaskomt.  zu  Labiau;  Kaspar  Czolner,  Haas- 
komt.  zuBalga;  Heincze  von  Lichtensteyn,  Kellermeister  zu  Balga. 
Von  erbaren  Leuten  aus  dem  Bastenburgischen  Kammeramte:  Wilhelm 
von  Scherffs,  Otto  von  Scherffs,  Gregor  Preymog,  Tibur- 
tius  von  der  Hoffen.  Vom  Rathe  der  Stadt  Bastenburg:  Johannes 
Ny  vorgalt,  Bärgermeister;  Nicolaus  Lenkener,  alter  Bürgermeister; 
Melchior,  Kompan  des  Bärgermeisters;  Niclas  Gagar,  Schulz: 
Niclas  von  Wende,  Stadtkämmerer;  Hans  Döring,  dessen  Kom- 
pan; Hans  Bardin,  Bathmann.  Von  den  Schoppen:  Nicolaus 
Hirczberg,  Schoppen meister;  Andres  Gruneche,  Erasmus  Bel- 
garth,  Niclaus  Glasouge,  Jobannes  Klingenberg,  Hans  Har- 
denack,  Michel  Prange  und  Peter  Herre.  Ausserdem  noch  An- 
gehörige der  Gebiete  Königsberg,  Brandenburg  und  Balga. 

Toppen,  Act.  der  Ständet.  III.  —  ')  Der  im  Jahre  1435  zu  Brzesc  zwischen 
dem  Orden  und  Polen  geschlossene  Frieden  sollte  vertragsmässig  alle  zehn 
Jahre  von  beiden  Theilen  von  Neuem  beschworen  werden. 

97)  1450  d.  20.  April.  Elbing.  Verhandlung  des  HM.  mit  den 
Ständen  wegen  der  Huldigung.  Unter  den  in  der  Versammlung  ver- 
tretenen Städten  wird  auch  Bastenburg  genannt. 

Toppen,  Act.  d.  Standet.  III. 

98)  1460«  Wolfgang  Sauer,  Pflg.  zu  B.  ertheilt  dem  Zinsdorfe 
Gußepilke1)  eine  Handfeste  über  66  Hufen. 

Erw.  Weiss,  Pr.  Lit.  u.  Mas.  I.  —  *)  Gutten. 

99)  1451  d.  5.  Sept.  Marienwerder  und  Marienburg.  Land 
und  Städte  bitten,  alle  Mitglieder  des  Bundes,  deren  mehreren  für  dies- 
mal die  Besendung  des  Tages  verboten  war,  zu  einer  Tagfahrt  zu  ver- 
sammeln, um  das  Schreiben  des  Komischen  Königs  und  der  Kurfürsten 
über  die  Ungesetzlichkeit  des  Bundes  beantworten  zu  können.  Der  HM. 
giebt  widerstrebend  seine  Zustimmung.  Unter  den  in  der  Versamm- 
lung vertretenen  Städten  wird  auch  Bastenburg  genannt. 

Toppen,  Act.  d.  Ständet  111. 

100)  1451  d.  24.  Sept.  Elbing.  Bezess  der  Tagfahrt.  Die  grossen 
und  kleinen  Städte  erneuern  ihre  Bundesgelübde.  Land  und  Städte  bitten 
den  HM.  um  Rath  und  Vertretung  dem  Komischen  Könige  gegenüber. 


Von  Carl  Beckherrn.  53$ 

Der  HM.  räth  ihnen,  dem  Schreiben  des  Römischen  Königs  und  der 
Kurfürsten  Folge  zu  leisten  und  den  Bund  aufzulösen,  und  verspricht 
ihnen  Schutz  gegen  Gewalt  und  Unrecht.  In  den  am  25.  und  26.  fort- 
gesetzten Verhandlungen  wird  keine  Einigung  erzielt.  Vertreter  Raste n- 
bnrgs:  Johann  Nyvorgalt  und  Melchior. 

Toppen,  Act.  d.  Ständet.  III. 

1C1)  1451  d.  21.  Oct.  Elbing.  Rezess  der  Tagfahrt.  Die  kleinen 
Städte  verpflichten  sich  von  Neuem,  beim  Bunde  zu  bleiben  und  er- 
theilen  den  grossen  Vollmacht,  für  sie  zu  handeln.  Auch  wünschen 
sie,  nicht  so  oft  zu  Tagfahrten  berufen  zu  werden.  Der  HM.  fragt  an, 
ob  Land  und  Städte  die  von  ihm  entworfene  Versicherungsschrift  über 
den  zu  gewährenden  Schutz  gegen  Gewalt  und  unrecht  annehmen  wollen. 
Die  Stände  wollen  darüber  auf  einer  bis  spätestens  Martini  1452  zu 
Marien  werder  abzuhaltenden  Tagfahrt  berathen.  Vertreter  Rasten - 
burgs:  Melchior  Gzimmermann  und  Niclas  Glosow. 

Toppen,  Act.  d.  Ständet.  III. 

102)  1452»  Freitag  vor  Johannis  Bapt.  Rastenburg.  Wolf- 
gang Sauer,  Fflg.  zu  R.,  erneuert  den  Einwohnern  des  Dorfes  Neu- 
Wilkendorf  ihre  vom  früheren  Fflg.  Joh.  v.  Benhausen  ausgestellte 
Handfeste.  Zeugen:  Jacob  Becherer,  Priesterbruder;  Burgkart, 
Pflg.  zu  Rhein;  Kaspar  von  Holheim,  Eompan;  Ulrich  von  Otten- 
berg,  Kellermeister  zu R. ;  Hans  von  Kaysen,  „mein44  Landkämmerer; 
Johann  Langerbein,  „mein41  Kaplan. 

Abschr.  Ebb.  322. 

103)  1452  d.  10.  Sept.  Rastenburg.  Der  Pfleger  zu  R.f)  schreibt 
dem  HM:  „Sundir  dy  burger  zcu  Rastenburgk  sprochen  alßo  ge- 
meynlich:  Wir  weiden,  das  got  weide,  das  wir  des  bundes  los  weren 
unde  domethe  nichts  zcu  thun  hetten,  wenne  wir  haben  seyn  keynen 
nutz  unde  firomen,  alleyn  das  unser  arme  stad  dovon  zcu  muh  unde 
nff  große  czerunge  und  schaden  ist  gekomen".') 

Toppen,  Act.  d.  Ständet,  in.  —  f)  Wolfgang  Saner.  —  *)  Die  Stadt  hat 
danach  also  schon  vor  dem  Ausbräche  des  Krieges  und  vor  den  von  den  Chro- 
nisten erwähnten  Verlosten  an  Mannschaft  nnd  Material  bei  ihren  Unterneh- 
mungen gegen  Tapian  (1455),  Bössei  (1456)  nnd  gegen  Samland  (1461)  durch 
ihren  Beitritt  zum  Bande  bedeutende  Unkosten  nnd  Verluste  tu  tragen  gehabt 


534  VereeichniM  der  die  Stadt  Raetenburg  betreffenden  Urkunden. 

104)  1458  d.  30.  Oct.  Schreiben  des  HM.  über  die  am  Sonntage 
nach  Simonis  et  Judä  erfolgte  Entsendung  des  Pflegers  zu  R.  Wolf- 
gang Sauer  an  den  Römischen  König. 

Toppen,  Act  d.  Ständet  III. 

105)  1453  d.  25.  Febr.  Marien  wer  der.  Rezess  der  Tagfahrt. 
In  Gegenwart  der  kleinen  Städte  erstatten  die  Sendeboten  Bericht  über 
ihre  Verrichtungen  beim  Kaiser.  Ein  Schoss  für  die  Zwecke  des 
Bundes  wird  beschlossen,  die  Einsetzuug  eines  engeren  Rathes  zur  Leitung 
seiner  Angelegenheiten,  die  Zusammenstellung  der  Beschwerden  über 
die  Ordensregierung,  die  Prüfung  der  Klagen  von  Privatpersonen  gegen 
den  Orden  und  eine  Gesandtschaft  nach  Masovien  werden  angeregt 
Vertreter  Rastenburgs:  Melchior,  Niclos  von  Wenden,  Frede- 
landt,  Niclos  von  der  Stroe,  Paul  Becker. 

TCppen,  Act  d.  Ständet.  III. 

106)  1453  d.  13.  März.  Rastenburg.  Der  Pfleger  zu  R. l)  schreib: 
dem  HM:  Schippenbeil  habe  wegen  des  vom  Bunde  verlangtes 
Schosses  erklärt,  dabei  thun  zu  wollen,  was  die  andern  Städte  thäten, 
die  erbaren  Leute  aber  und  die  Rastenburger,  sie  hätten  mit  der 
Sache  nichts  zu  thun.2) 

TOppen,  Act  d.  Ständet  III.  —  J)  Wolfgang  Sauer.  —  ')  Dieses  Wider- 
streben gegen  die  Anforderungen  des  Bandes  hatte  die  Stadt  aber  schon  im 
Jahre  1456  aufgegeben,  denn  sie  zahlte  nun  an  den  Bund  1150  Golden. 
(Schaffer.) 

107)  1453  d.  10.  Aug.  Rezess  der  Städte  aber  den  Ständetag  zu 
Oraudenz.  Unter  andern  Beschwerden  wird  folgende  Gewaltthat  des 
Pflegers  zu  R.  Sauer  zur  Sprache  gebracht.  Der  genannte  Pfleger 
hatte  dreien  Leuten  befohlen,  nach  seinen  Beuten  in  der  Wildniss  zu 
sehen.  Als  er  diese  beim  Fischen  betraf,  zwang  er  den  einen,  die 
beiden  andern  aufzuhängen,  worauf  er  jenen  selbst  so  lange  unter  das 
Wasser  tauchte,  bis  er  ertrunken  war. 

TOppen,  Act.  d.  Ständet  IV. 

108)  1454  d.  22.  Febr.  Eibin g.  Land  und  Städte  berichten  naeb 
Thorn,  dass  unter  andern  Ordenshäusern  auch  das  Haus  Rastenbarg 
in  die  Gewalt  der  Aufständischen  gelangt  sei. 

Toppen,  Act  d.  Ständet  IV. 


Von  Carl  Beekherra.  535 

109)  1454  d.  12.  April.  Graudenz.  Die  kleinen  Städte  geneh- 
migen die  Verhandinngen  wegen  der  Uebergabe  des  Landes  an  den 
König  von  Polen  und  ermächtigen  die  grossen  Städte,  in  ihrem  Namen 
zu  untersiegeln.  Vertreter  Rastenburgs:  NiclosGlaßaw  und  Nie- 
los  Molner. 

TOppen,  Act  d.  Standet.  IV. 

110)  1454  d.  19.  Juni.  Königsberg.  Melchior  Czimmer- 
man,  Bürgermeister  zu  R.,  untersiegelt  im  Namen  der  Stadt  die 
Huldigungsurkunde  für  den  König  Casimir  von  Polen. 

Script  rer.  Pioss. 

111)  1454  d.  13.  Juli.  Graudenz.  Rezess  der  Tagfahrt.  Eine 
Steuerauflage  wird  beliebt,  die  Einkünfte  des  Landes  werden  den  Städten 
versetzt.    Rasten  bürg  ist  auf  400  M.  eingeschätzt 

Toppen,  Act  d.  Standet  IV. 

112)  1456  d.  19.  April.  Tagfahrt  zu  Elbing.  Auf  derselben 
werden  Briefe  der  Städte  Heilsberg,  Schippenbeil,  Rastenburg, 
Bartenstein,  Seeburg,  Friedland  und  Guttstadt  verlesen,  worin 
diese  anzeigen,  dass  sie  die  Tagfahrt  nicht  beschicken  können,  weil 
„sie  vom  finde  halben  mechtiglichen  uff  allen  zeiten  ummegeben  und 
alle  straßen  vorlegt  werenu.  Sie  versprechen,  Alles,  was  auf  der  Tag- 
fahrt beschlossen  werden  würde,  gutzuheissen. 

Toppen,  Act  d.  Standet  IV. 

113)  1456  am  Dienstage  zu  Pfingsten.  Rastenburg.1)  Albrecht 
Voith,  Hauptmann  zu  Rastenburg,9)  und  die  andern  „Hofleute"  da- 
selbst befehlen  den  Dienstpflichtigen  zu  Paaris,  Wolfs dorf,  Glit- 
tehnen,  Dörings  und  Romsdorf,  angesichts  dieses  Briefes  die 
Partei  des  Ordens  zu  ergreifen  und  sich  bei  ihnen  einzufinden;  Wenn 
sie  ausblieben,  würde  man  ihnen  „greifen  zu  Leib  und  zu  Oute  und 
sie  in  die  Grund  bornenu.  Der  Brief  soll  bei  Niemand  zurückgehalten, 
sondern  in  die  andern  Dörfer  geschickt  werden,  damit  Niemand  zu 
Schaden  komme. 

Origin.  im  Staatsarcb.  zu  Kftnigsb.  —  N.  Pr.  Prov.-Bl.  2.  F.  V,  035.  —  ')  Der 
Brief  bat  zwar  im  Datum  Rastenburg,  es  kann  aber  damit  nicht  die  Stadt 
oder  das  Haus  gemeint  sein,  welche  erat  1461  wieder  in  die  Gewalt  des 
Ordens  gelangten  (vergl.  Nr.  114),  sondern  nur  das  Lager  der  Einschliesaunga- 


536  Veraeichniw  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkauden. 

trappen  Tor  der  Stadt  (rergl.  Nr.  112).  —  *)  Söldnerhauptmann  des  Ordens, 
üeber  seine  Belohnung  mit  Leunenborg  s.  Altpr.  Monafoschr.  XVIII,  416. 

114)  1461«  Dienstag  vor  Martini.  Königsberg.  Ludwig  von 
Erlicbshausen,  HM.,  gewährt  in  den  nachstehenden  Artikeln  der 
Stadt  Bastenburg  Verzeihung  und  Aufrechthaltung  ihrer  alten  Privile- 
gien, weil  sie  nach  ihrem  Abfalle  vom  Orden  und  Beitritt  zum  preus- 
sischen  Bunde  „sich  mit  wollbedachtem  Muthe  und  mit  freiem 
gutem  Willen,  ohne  harten  Bedräng14  dem  Orden  wieder  unter- 
worfen habe.1) 

1.  Alle  während  des  Abfalles  verübte  Uebelthaten,  Mord,  Tod- 
schlag, „Versäufung",8)  Brand,  Zerstörung  von  Häusern  und  Höfen,  un- 
befugte Zinserhebung,  sollen  für  immer  vergeben  und  vergessen  sein. 

2.  Die  Stadt  und  alle  Landleute,  welche  sich  in  derselben  auf- 
halten und  beim  Orden  bleiben  wollen,  sollen  in  allen  ihren  Privile- 
gien, Freiheiten  und  Gerechtigkeiten  erhalten  werden. 

3.  Die  Bärger  und  Landleute,  welche  bei  dem  Orden  bleiben  wollen, 
haben  Alles,  was  dem  Orden  an  Gold,  Silber,  Kleinodien,  Geld,  Kircben- 
und  Hausgeräthe  entwendet  worden,  „und  noch  vor  Augen  ist,  heimlich, 
verborgen  oder  offenbar",  wieder  abzuliefern.  Diejenigen  aber,  welche 
von  dem  Orden  und  aus  der  Stadt  ziehen  wollen,  können  dasselbe 
behalten. 

4.  Jeder  Einwohner  der  Stadt  mag  das,  was  er  auf  dem  Lande 
an  ausstehenden  Forderungen  hat,  als  Geldschulden,  Getreide  und 
Waaren  einziehen  mit  Ausnahme  derjenigen,  welche  er  an  den  Orden, 
dessen  Bruder  oder  Hofleute  hat. 

5.  Von  seiten  des  Ordens  werden  „allerlei  Güter,  wie  die  benannt 
werden  mögen",  die  von  den  Bürgern  und  Landleuten  dem  Orden  aus 
Schlössern,  Höfen,  Dörfern,  Mühlen  und  von  Strassen  genommen  worden 
sind,  ebenso  aller  Zins  und  Erbgeld  nicht  reclamirt  werden,  mit  Aus- 
nahme dessen,  „was  noch  vor  Augen  ist,  gefunden  wird  und  hernach- 
mals  gefunden  werden  mag  und  besonders,  was  im  Anfange  dieser 
Kriege  geschehen  ist". 

6«  Allen  denjenigen,  welche  unter  dem  Orden  nicht  bleiben  wollen, 
steht  es  frei,  innerhalb  dreier  Monate  fortzuziehen. 


Von  Carl  Beckherrn.  537 

7.  Wenn  diese  Leute  ihr  Erbe  und  liegende  Gründe  innerhalb 
dreier  Monate  verkaufen,  soll  ihnen  ihr  Erbgeld  nicht  zurückgehalten 
werden. 

8.  „Wie  sich  alle  diese  Dinge  und  Betrübnisse  verwehet  haben 
iü  dem  Beifrieden,  den  Wir  mit  dem  Könige  zu  Polen  hatten,3)  oder 
sonst  mit  andern  Sachen  und  Verwirkungen,  wie,  wo  oder  wann  sich 
diese  Dinge  begeben  haben,  es  sei  mit  Fahrung,  Schätzung,  Schelt- 
wort, Todschlag,  Bürgschaft,  und  wie  sich's  alles  verlaufen  hat,  soll 
alles  todt,  hingelegt  und  vergessen  sein." 

9.  Der  Orden  wird  während  des  Krieges  die  Stadt  nicht  verkaufen, 
versetzen  oder  verpfänden. 

10.  Derselbe  verspricht  auch,  die  Stadt  während  des  Krieges  nicht 
mit  ausländischen  Truppen  zu  belegen,  sondern  zur  erforderlichen  Be- 
satzung nur  Inländer  zu  verwenden. 

11.  Diejenigen  Einwohner  der  Stadt,  welche,  vom  Orden  gefangen 
und  gegen  mündliches  oder  schriftliches  Gelöbniss  freigelassen,  wort- 
brüchig gewesen  sind,  sollen  deshalb  nicht  weiter  verfolgt  werden. 

12.  Wenn  von  Einwohnern  der  Stadt  etwas  an  Zins  oder  Erb- 
geld unrechtmässigerweise  aufgehoben  oder  empfangen  worden  sein  sollte, 
so  wird  dem  nicht  weiter  nachgeforscht  werden.  Alle  sonstigen  Ver- 
günstigungen, welche  der  Orden  andern  sich  ihm  wieder  unterwerfen- 
den Städten  gewährt,  sollen  auch  Bastenburg  zutheilwerden. 

Zeugen:  Ulrich  von  Rys^phoffen,  Grosskomt.;  Heinrich 
Keuß  von  Plawen,  oberst.  Spitler  und  Komtur  zu  Elbing;  Wilhelm 
von  Eppingen,  Komt.  zu  Osterode;  Hans  Narwe,  Hauptm.  zu  Bagnit 
und  Labiau;  Werner  Oberstoltz,  Kirchenvogt  auf  Samland;  Chri- 
stoph Eylinger,  alter  Vogt  der  Neumark;  Veith  von  Gich  und 
Heinrich  Nothafft,  Kompane;  Johannes  Winckeler,  Doctor  und 
Kanzler;  Augustinus  und  Ludovicus>  Schreiber. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Königsb.  —  Beckherrn,  Rastenburg  S.  100.  — 
')  Wie  in  dem  ganzen  Schriftstücke,  so  auch  besonders  in  diesem  Passus  do- 
kumentirt  sich  die  Schwäche  des  Ordens,  denn  durch  denselben  soll  das  Ver- 
halten der  Stadt  nur  beschönigt  werden;  sie  ergab  sich  in  der  That  erst 
nach  einer  längeren  Einschliessung  und  nach  der  Zerstörung  der  Vorstadt 
durch  die  Ordenstruppen.  —  2)  Bezieht  sich  auf  die  Ertrankang  des  Pflegers 

Altpr.  Itonauichrift  Bd.  XXII.  Hft.  7  n.  8.  35 


538  Vereeichniss  der  die  Stadt  Rasteaburg  betreffenden  Urkunden. 

Wolfgang  Sauer.  Diese  Gewalttbat  dürfte  durch  Nr.  107  ihre  Erklärung 
finden.  —  3)  Am  13.  Juli  1459  wurde  zwischen  dem  Orden  und  dem  Könige 
von  Polen  ein  Waffenstillstand  abgeschlossen.  Diesen  hat  von  polnischer 
Seite  unterzeichnet  Fritz  Machwitz,  Hauptmann  zu  Basten  bürg  und 
Schippenbeil. 

115)  1463*  Dienstag  vor  Martini.  Schadeck.  Kasimir,  König 
von  Polen,  präsentirt  den  ehemaligen  Pfarrer  zu  Rastenburg  Jo- 
hannes auf  Wunsch  der  Stadt  Elbing  zum  Pfarrer  dieser  Stadt. 

Origin.  im  Stadtarchiv  zu  Elbing. 

116)  1465  d.  14.  Januar.  Der  Rath  der  Stadt  R.,  vertreten  durch 
den  Bürgermeister  Melchior  Zimmermann,  den  alten  Burgermeister 
Thomas  Neumark,  den  Kompan  des  Bürgermeisters  Niclaus  Glau- 
sow,  die  Stadtkämmerer  Peter  Herre  und  Hans  Frank  und  den 
Rathmann  Hans  Gruneche,  giebt  dem  Gewerke  der  Schuhmacher 
zu  R.  eine  neue  Willkühr. 

Schaffer,  nach  dem  Origin.  Derselbe  bringt  daraus  noch  die  Notiz,  dass  da3 
Gewerk  eine  Kerze  in  der  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz  auf  der  Frei- 
heit unterhalten  habe.    (Vergl.  Nr.  186.) 

117)  1467*  Dienstag  vor  Neujahr.  Königsberg.  Ludwig  von 
Erlichshausen,  HM.,  verschreibt  auf  Lebenszeit  dem  Niclas  Glaß- 
oge,  Bürger  zu  R.,  wegen  seiner  dem  Orden  im  Kriege  geleisteten 
Dienste1)  das  Dorf  Bardinykayme2)  und  6  Morgen  Acker,  die  ehe- 
mals einem  Pfleger  zu  R.  gehört  haben,  frei  von  allen  Pflichten.  Dazu 
freie  Fischerei  im  Gubersee. 

Abschr.  Hndfb.  5.  —  J)  Hiernach  scheint  die  Stadt,  nachdem  sie  sich  im 
Jahre  1461  dem  Orden  wieder  unterworfen,  diesem  in  den  letzten  Kriegsjahren 
noch  Mannschaft  gestellt  zu  haben.  Allerdings  kann  sich  die  Belohnung  des 
Glaßoge  auch  auf  Dienste  anderer  Art  beziehen;  vielleicht  hatte  er  eifrig  für 
die  Uebergabe  der  Stadt  an  den  Orden  gewirkt.  —  2)  Vergl.  Nr.  122. 

118)  1479  d.  6.  Nov.  Nicolaus,  Bischof  von  Ermland,  investirt 
den  vom  Hauptm.  zu  K.  Veit  Feuchter,  dem  Pfarrer  Kaspar  Be- 
deke,  dem  Bernd  Weise  und  Christoph  Scolin  präsentirten 
Andreas  Schonewaldt  in  die  Yicarie  zum  heil.  Leichnam  [an  der 
St.  Georgenkirche]  zu  E. 

Script  rer.  Warm.  Investiti. 

119)  1480*   St.  Andrea.   Bastenburg.  Georg  Bamningk  von 


Von  Carl  Beckherrn.  539 

Ramegk,  Komt.  zu  Rhein,  ertheilt  der  St.  Jacobsbrüderschaft 
zu  K.  ein  Privilegium.  Zeugen:  Heinrich  von  Seben,  Hauskomt. 
zu  Königsberg;  Beinhart  vom  Berge,  „unser"  Kellermeister;  die 
erbaren  und  vesten  Veit  Feuchter,  Hauptm.  zu  R.,1)  Berendt 
Leinbacher,  Jorge  Ertzstätter,  Gregor  Landvoyth;  Casper 
Betkc,  Pfarrer;  Thomas  Neumargkt,  Bürgermeister;  Joseph  von 
der  Phorie;  Herten  Colman,  Schulz;  Niclas  Prange,  Hans 
Francke,  Jacobus  Hollandt,  Niclas  Bendel,  Andreas  Bern- 
hart, Paul  Dingwerth,  Michel  Tyle,  Hans  Hollandt,  Greger 
Staude,  Äelterleute;  Lanzenius,  Stadtschreiber. 

Origin.  im  Staatsarch.  zu  Königsb.  —  Die  Abschrift  im  R.  Hsb.  hat  die  Ueber- 
schrift:  „Ein  altes  Privilegium,  so  die  Schützenbrüder  in  der  Gartenlade  auff- 
gehoben  und  au  ff  welches  ihre  Gartengesetze  zum  Theil  sich  gründen".  Da- 
nach hat  also  die  St.  Jacobsbrüderschaft  zu  der  Schützengilde  in  Beziehung 
gestanden  und  ist  wahrscheinlich  aus  dieser  hervorgegangen.  Die  Jahres- 
zahl 1420  in  der  Abschrift  ist  falsch  und  nach  der  oben  stehenden  zu  berich- 
tigen. —  ')  Söldnerhauptmaun  des  Ordens.  Der  HM.  bestätigt  1489  die  an 
Feuchter  geschehene  Verpfändung  für  rückständigen  Sold  von  800  M.  der 
Orte  Glaubitten,  Goddocken,  Paßlack  und  Köskeim,  (Altpreuss.  Monats- 
schrift XI,  271.) 

120)  1481*  Sonntag  Jubilate.  ßastenburg.  Georg  Ram- 
ningk  von  Ramegk,  Komt.  zn  Rhein,  verschreibt  dem  Michel  Tyle 
3  Hufen  zu  Gr.  Galbun.    Zeuge:  Veit  Feuchter,  Hauptm.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

121)  1481  d.  12.  Mai.  Nicolaus,  Bischof  von  Ermland,  inve- 
stirt  den  vom  HM.  Martin  Truchsess  von  Wetzhausen  präsentirten 
[samländischen  Domherrn  und  Hauskaplan  des  HM.]  Nicolaus  Kreuder 
als  Pfarrer  an  der  St.  Georgenkirche  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Tnvest. 

122)  1481»  Donnerstag  vor  Urbani.  Die  Stifter  und  Lehnherren 
der  neugestifteten  Brüderschaft  Unserer  lieben  Frauen  zu  R. 
Veit  Feuchter,  Hauptmann  zu  R.,  und  Christoph  Scolin1)  ver- 
leihen und  verschreiben  dem  Schulzen  Peter  Persigk,  den  Rathleuten 
und  der  ganzen  Gemeinde  zu  Neuendorf  6  Hufen  zu  Bardinckeim,') 

neben  Neuendorf  gelegen,  nach  Inhalt  ihrer  Handfeste  frei  von  Dienst 

35* 


540  Verzeichnis!  der  die  Stadt  Rasten  barg  betreffenden  Urkunden. 

und  Schanverk.    Die  Gemeinde  Neuendorf  hat  dafür  der  oben  genann- 
ten Brüderschaft  jährlich  UM.  geringen  Geldes  zu  entrichten. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  351.  —  Altpr.  Monatsschr.  XX,  296.  —  ■)  Die  Scolin 
werden  im  Anfange  des  15.  Jahrhunderts  in  dem  Verzeichnis  der  pro  assi- 
schen „Könige"  des  Kararoeramtes  Pr.  Holland  aufgeführt  (Vgl.  Kr.  3,  An- 
nierk.  4.)  —  2)  Im  Kirchenvisitationsrezcss  von  1565  Bardiene n  genannt. 
Der  Name  steht  jedenfalls  in  Beziehung  zu  dem  der  Familie  Bardin,  tuii 
welcher  einige  Mitglieder  in  Aemtern  der  Stadt  B.  aufgeführt  werdeu.  Das 
Dorf  existirt  nicht  mehr. 

123)  1482*  Nicolaus,  Bischof  von  Ermland,  investirt  den  vom 
Hauptm.  zu  K.  präsentirten  Marcus  Eckard  in  die  Vicarie  des  heil. 
Laurentius  [an  der  St.  Georgenkirche]  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Invest 

124)  1484«  Präsentationis  Maria.  Rastenburg.  Martin  Trucli- 
ses,  HM.,  verleiht  dem  Andreas  Behm  bl/2  Hufen  zu  Gr.  Gal- 
bun.    Zeuge:   Bernhart  Droe,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

125)  1484  d.  27.  Juli.  Nicolaus,  Bischof  von  Ermland,  inve- 
stirt den  vom  Hauptm.  Veit  Feuchter  präsentirten  Martin  Sartoris 
in  die  Vicarie  der  heil.  Katharina  an  der  St.  Katharinenkirche  in  der 
Vorstadt  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Invest. 

126)  1484  d.  15.  Dez.  Derselbe  investirt  den  von  der  Wittwe  des 
Anselm  von  Tettau  präsentirten  Nicolaus  Jawer  in  die  Vicarie 
Compassionis  Mariae  [an  der  St.  Georgenkirche]  zu  R. 

Script  rer.  Warm.  Invest. 

127)  1484  d.  15.  Dez.  Derselbe  investirt  den  von  Veit  Feuch- 
ter präsentirten  Alexander  Wilke  in  die  Vicarie  der  Heiligen  Nica- 
sius,  Sebastian,  Rochus  und  Sylvester  [an  der  St.  Georgenkirche]  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Invest. 

128)  1485  im  Juni.  Derselbe  investirt  den  von  Veit  Feuchter 
präsentirten  Georg  Rusticus  in  die  Vicarie  zum  heil.  Kreuze  [in  der 
Kapelle  zum  heil.  Kreuze  auf  der  Freiheit]  zu  R. 

Script  rer.  Warm.  Invest 

129)  1485  die  Veneris  nonas  mensis  Septembris.  In  Castro  Nostro 
Heilsberg.  Derselbe  bestätigt  der  St.  Jacobsbrüderschaft  zu  R. 


Von  Carl  Reckherrn«  541 

das  ihr  [vom  Komt.  zu  Rhein  Georg  Ramningk  von  Ramegk]  ertheilte 
Privilegium !)  unter  Verwerfung  einiger  auf  die  zu  veranstaltenden 
Schmausereien  sich  beziehenden  Artikel  und  unter  Bewilligung  eines 
vierzigtägigen  Ablasses  für  diejenigen,  welche  den  Zwecken  der  Bruder- 
schaft förderlich  sein  werden. 

Abschr.  (latciu.)  R.  Hsb.  —  Altpr.  Monatsschr.  XX,  294.—  *)  Vergl.Nr.  119. 

130)  i486  d.  1.  Aug.  Derselbe  investirt  den  Lazarus  Reymann 
in  die  Vicarie  zum  heil.  Geiste  [im  Hospital]  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Invcst. 

131)  1486  d.  7.  Aug.  Derselbe  investirt  den  von  Christoph 
Scolin  und  den  andern  Aeltesten  der  Brüderschaft  Unserer  lieben 
Frauen  zu  R.  präsentirten  Antonius  Mil gedien  in  die  Vicarie  zum 
heil.  Leichnam  [an  der  St..  Georgenkirche]  zu  R. 

Script,  rer.  Warm.  Invest. 

132)  1488*  Montag  nach  Francisci.  Georg  Truchses,  Pflg.  zu 
R.  verschreibt  einen  Krug  zu  Philippsdorf. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

133)  1488*  Mittwoch  nach  Calixti.  Derselbe  giebt  dem  Gewerk 
der  Tuchmacher  zu  R.  seine  Rolle,  worin  der  Walkmühle  Erwäh- 
nung geschieht.  Zeugen:  Faustin  Weblinger,  Kellermeister,  Leon- 
hard  Auer;  Martin  Kolmann,  Burgermeister,  Thomas  Tolcke, 
Kompan,  Nicolaus  Serdel,  Nicolaus  Glasaug  und  Erdmann 
Krause,  Rathleute. 

Schaffer,  nach  dem  Origin.  der  Bolle  von  1658. 

134)  1488*  Freitag  nach  Crispini.  Rastenburg.  Martin  Truch- 
ses, HM.,  verschreibt  dem  Martin  Tile  3  Hufen  zu  Philippsdorf. 
Zeuge:  Georg  Truchses,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

135)  1490*  Bartholomäi.  Georg  Truchses,  Pflg.  zuR.,  erneuert 
dem  Bartholomäus  Resenkirch  die  Verschreibung  über  den  Krug 
zu  Kr  öligkeim.  Zeuge:  Samson  (?)  Woblinger,  Kellermeister  zu  R. 

Abschr.  Hsb.  322,  fol.  461. 

136)  1490»  Der  HM.  [Hans  von  Tiefen]  schreibt  an  den  Bischof 
von  Ermland,  Berndt  Weise  (Weße)  habe  ihn  gebeten,  ihm  die  Er- 


542  Verseichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

laubniss  des  Bischofs  auszuwirken,  in  der  von  ihm,  Weise,  in  seinem 
Dorfe1)  erbauten  Kirche  Gottesdienst  abhalten  zu  lassen.  Einen  Geist- 
lichen habe  er  dazu  schon  gewonnen,  und  die  kirchlichen  Abgaben 
werde  er  nach  wie  vor  nach  Rosenthal,*)  wohin  sein  Dorf  gehöre, 
entrichten. 

Script,  rer.  Warm.  III,  405.  —  *)  Blaustein.  (Vergl.  Nr.  140  Anraerk.  2.)  — 
2)  Au  die  dortige  Pfarrkirche.  Diese  wurde  spater,  wahrscheiulich  bald  nach 
Einführung  der  Reformation,  Filiale  von  Rasten  bürg  und  ibt  bald  nach 
1726  ganz  eingegangen. 

137)  1492*  St.  Elisabethä.  Jordan  von  Berchenrode,  Pflg. 
zu  R.,  giebt  dem  Müller  Matzke  zu  Queden  eine  Handleste.  Zeugen: 
Franz  von  Hersei,  Kellermeister  zu  R.,  Pachelcke,  Landrichter  im 
Lötzenschen  Gebiete,  Jocosch  Kinast,  Bürgermeisters  Koinpan  zu  R. 

Abschr.  Heb.  322,  fol.  312. 

138)  1493»  Mittwoch  nach  Oculi.  Schippenbeil.  Hans  von 
Tieffen,  HM.,  verschreibt  dem  Georg  Zentern  6  Hufen  zu  Geda- 
kaym1)  und  3  Hufen  zu  Bayslaugken.8)  Zeuge:  Jordan  von  Berg- 
rade, Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124.  —   0  Goddocken.  —  2)  Paßlack. 

139)  1494»  Dienstag  nach  Bartholomäi.  Königsberg.  Derselbe 
verschreibt  dem  Georg  Strauß  6  Hufen  zu  Padongen.  Zeuge: 
Jordan  von  Bergkrode,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hndfb.  124. 

140)  1496*  Sonntag  Reminiscere.  Königsberg.  Derselbe  ver- 
leiht dem  Jocosch  Kynast  und  dessen  Schwester  Katharina  am 
ihr  Ansuchen  15  wüste  Hufen,  Grießlack  genannt,  bei  Masyu1)  im 
Gebiete  Barten  gelegen,  welche  ehemals  dem  Hans  Coerth  (?)  und 
dessen  Stiefsohn  Kasper  Bureken  gehört  haben,  sich  jetzt  aber  im 
Besitze  des  Bernhart  Wese3)  befinden,  und  welche  sie  zu  kaufen  und 
zu  „umbewurtzelen"  beabsichtigen,  um  sie  dem  Hospital  zu  R.  zu 
übergeben.  Auch  beabsichtigen  die  genannten  Geschwister  für  das  Hos- 
pital ein  neues  Conventshaus 3)  zu  errichten.  Die  Verleihung  geschieht 
unter  Befreiung  von  Diensten  und  Scharwerk  und  mit  der  Berechtigung, 
im  See  Masyn  mit  Handwaten  und  Wurfangeln  zu  Tisches  Nothdurft 
zu   fischen.    Wenn   die   Hufen   besetzt  sein  werden,   sollen  die  Vor- 


I 


Von  Carl  Beckherrn.  543 

steher  des  Hospitals  die  Gerichte  über  ihre  Leute  haben,  Strassenge- 
richte  ausgenommen.  Die  Besitzer  der  Hufen  sollen  an  Abgaben  und 
sonstigen  Pflichten  leisten,  was  vom  ganzen  Lande  gefordert  wird.  Nach 
dem  Tode  der  Geschwister  hat  der  Pfleger  zu  R.  zwei  Hospitalvor- 
steher zu  ernennen,  einen  aus  der  Stadt  und  einen  vom  Lande.  Zeugen: 
Wilhelm  Graf  zu  Eisenberg,  Grosskomt.;  Erasmus  von  Reit- 
zenstein,  oberst.  Marschall;  Melchior  Kechlar,  oberst.  Spitler  und 
Komt.  zu  Brandenburg;  Heinrich  ßeuß  von  Plauen,  Trapier  und 
Komt.  zu  Balga;  Jordan  Bergenroda,  Pflg.  zuE.;  Doctor  Michel, 
Kaplan  und  Domherr  zu  Königsberg;  Hans  Gabelentz  und  Hans 
Colwitz^Kompane;  Liborius  und  Albertus,  Schreiber. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  274.  —  *)  Masehnen.  —  s)  Dieser  ist  jedenfalls  iden- 
tisch mit  dem  oben  (Nr.  118,  136)  erwähnten  Bern  dt  Weise.  Diesen  beiden 
Namensformen  darf  wohl  noch  eine  dritte  hinzugefügt  werden,  nämlich  von 
Wiese.  Unter  letzterer  werden  von  Me  ekel  bürg  Besitzer  von  Blaustein 
aufgeführt,  welches  an  G rieslack  grenzt.  —  3)  Ein  altes  Hospitalgebäude  ist 
also  schon  vorhanden  gewesen. 

141)  1498*  Wilhelm  Graf  zu  Eisenberg,  Grosskomt.  und 
Statthalter,  verschreibt  dem  Jost  Cresten  die  Fischerei  im  Scherff- 
seben  See.    Zeuge:  Hans  von  der  Gabelentz,  Pflg.  zu  R. 

Abschr.  Hridfb.  124. 

142)  1499  d.  6.  Dez.  Kastenburg.  Hans  von  der  Gabelentz, 
Pflg.  zu  R.,  meldet  dem  HM.  Friedrich  von  Sachsen,  dass  er  den 
aus  der  Gefangenschaft  entkommenen  Danziger  Rathsherrn  Merten 
Rawenwalt  von  Drengfurt,  wohin  er  sich  geflüchtet,  nach  dem 
Schlosse  zu  R.  geleitet  habe,  wo  er  besser  aufgehoben  sei. f) 

Erwähnt  in  einem  Schreiben  des  HM.  von  demselben  Datum  an  den  Rath  zu 
Danzig  im  Staatsarch.  zu  Königsb.  —  N.  Pr.  Prov.-Bl.  a.F.  V,  138.—  *)  Ra- 
wenwalt war  nebst  dem  Bürgermeister  von  Elbing  Michel  Bäcker  auf  der 
Rückkehr  von  einer  Tagfahrt  zu  Krakau  von  dem  die  Stadt  Danzig  befehden- 
den Gregor  Matern  bei  Graudenz  gefangen  genommen  und  dann  zu  den 
mit  Matern  in  Verbindung  stehenden  Grafen  von  Schlieben  nach  Ger- 
da uen  geführt  worden.  Es  gelang  beiden,  von  hier  zu  entspringen.  Der 
HM.  Hess  Rawenwalt  über  Brandenburg  nach  Braunsberg  geleiten,  um  ihn 
dort  den  Danzigern  zu  übergeben;  Bäcker  gelangte  über  Frauenburg  nach 
Elbing. 


F 


544  Vcrreichniss   der  die  Stadt  Rastenburg  betreffend» 

143)  1502.  Kreuzesorhöhung.  Rasteuburg, 
zu  Sachsen,  HM.,  giebt  den  Falkenaueru  eine  Vers 
„Paunir".    (Panneye  in  der  Amlsrechung  pro  109; 

Absdir.  Hndfb.  121. 

144)  1503.  St.  Galli.  Derselbe  bestätigt  ( 
Grob-  und  Kleinscbraiede  zu  R. 

Schaffer. 
^  145)  1504.    Johannis  Bapt.    Hans  von  Brc 

R.,  bestätigt  einen  Landkauf  zu  Lamgarben. 
Abscbr.  Hndfb.  124. 

146)  1506.  St.  Francisco  Rastenburg.  I 
Pfig.  zu  R.  bestätigt  einen  Kaufvertrag  über  PaD: 

Absehr.  Heb.  322. 

147)  1508.  St.  Thomä.  Königsberg.  Si 
Grosskomt.  und  Regent,  beurkundet,  dass  der  P 
you  Hersei  und  die  Schön  fließer  sieb  mit  K 
Wilhelm  von  Schainberg,  Ph"g.  zu  Harten, 
Pflg.  zu  Sehesten,  und  Quirin  Schlick,  des  Gr< 
über  die  Heide  Nimmergut,  zwischen  dem  Bist 
zendorf, ')  Beaelagk,')  Linde1)  und  der  Heii 
bürg  gehört,1)  gelegen,  verglichen  haben.  Dem  Kl 
mit  Vorbehalt  der  Holzung  bei  Braudungliick,  5 
treten,  für  welche  die  Schön  fließer  sonst  5  M.  nach 
die  Heide  wird  zur  freien  Mark  gemacht. 

Abschr.  (fehlerhaft)  in  der  Wallen rodtächen  Biblioü 
Altpr.  Monatssclir.  XI,  2T2.  —  'j  Putsch  endor 
»)  Beilige  Linde.  —  ')  Die  beim  Stadtd.irfe  Prai 
düngen,  von  denen  jetzt  keine  Spur  mehr  vorhanden 

148)  1511.  Sonntag  nach  Matthiä.  Rasten 
urkundet,  dass  Rath  und  Gericht  mit  Consens  der 
Jacob  Kinast,  alten  Bürgermeister,  und  desse: 
ein  Grundstück  au  der  Guber,  von  einer  Eiche  bis 
an  den  Stein  an  der  Guber,  verliehen  haben.  Zei 
Vibitz,  Kellermeister;  Tewes  Werner,  Bürgermi 
macher,  dessen  Kompan;  Weißnickel  und  Pet 


Von  Carl  Beckherrn.  545 

nierer;  Barth el  Perschke,  Stadtschulz;  Martin  Neumann,  Hans 
Vorheuer,  Nickel  David. 

Schaffe r,  nach  dem  Origin. 

149)  1520  d.  9.  März.  Eastenburg.  Der  Stadtgebietiger  zu  R. 
Melchior  von  Kettich  meldet  dem  HM.,  dass  der  Probst  der  Heil. 
Linde  Nicolaus  am  Freitage  zu  R.  gestorben  sei.1)  Er  habe  das 
von  demselben  auf  der  Flucht  mit  nach  B.  gebrachte  Kirchen-  und 
Hansgeräth  in  Gegenwart  des  Herrn  Kotwitz  versiegelt  und  bäte  um 
Anweisung,  was  damit  weiter  zu  geschehen  habe.  [Ein  Verzeichniss 
des  Geräthes  ist  beigefügt.] 

Origin.  im  Staatearch.  zu  Königsb.  —  Zeitschr.  f.  d.  Gesch.  Erralands  III,  56.  — 
!)  HRher  hatte  der  Probst  sich  beim  Einfalle  der  Polen  geflüchtet. 

150)  1525«  Der  Hauptmann  zu  B.  berichtet  [an  Herzog  Albrecht?], 
dass  er  zu  dem  bei  Brandenburg  zur  Unterdrückung  des  Bauern- 
aufruhrs sich  sammelnden  Heerhaufen  mit  einer  Schaar  von  36  reisi- 
gen Pferden,  40  Bürgern  und  8  Fussknechten  gestossen  sei. 

Erw.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  III,  38. 

151)  1529  d.  1.  März.  Albrecht,  Herzog  in  Preussen,  erlässt 
eine  Verfügung  an  Bürgermeister  und  Rath  zu  R.,  wonach  in  der 
St.  Georgenkirche  ein  Kirchenkasten  errichtet  werden  soll. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  63. 

152)  1529  d.  15.  Juni.  Protokoll  über  die  Musterung  der  Dienst- 
pflichtigen bei  Heidekrug.  Unter  den  dort  Gemusterten  wird  auf- 
geführt der  Hauptmann  zu  Eastenburg  von  Reppichau. 

Rathsbuch  im  Staatsarcb.  zu  Königsb.  —  Erw.  N.  Pr.  Prov.-Bl.  3,  F.  III,  44. 

153)  1545  d.  12.  Febr.  Rastenburg.  Die  Kirchen  visitations- 
Commission  unter  dem  Vorsitz  des  Bischofs  von  Pomesanien  Dr.  Paulus 
Speratus  und  des  Hauptmanns  zu  R.  Wolff  zu  Heydeck  vereinbart 
mit  Bürgermeister  and  Rath  die  Erhebung  eines  jährlichen  Kirchen- 
decems  im  Betrage  von  70  M.,  welcher  jedoch  auf  den  Widerspruch 
der  Gemeinde  auf  60  M.  heruntergesetzt  wird.  Er  soll  von  den  Höfen, 
Hufen,  Morgen,  Rauch  und  Geld,  oder  was  sonst  noch  decemspflichtig 
ist,  erhoben  und  in  Zukunft  nicht  erhöhet  werden.  Bürgermeister  und 
Rath  besorgen  die  Repartirung  auf  Uübner,  Gärtner,  Instleute  und 
Gesinde.    Die  Kosten  der  baulichen  Erhaltung  der  Kirchen,  Widmen 


546  Verzeichnis»   der  die  Stadt  Eisten  barg  betrelTer 

und  Schulen  sind  durch  besondere  Auflagen  auf 
aufzubringen.  Kaiende,  Läute-  uud  Taufgeld  so 
erhoben  werden.  Den  Vormündern  der  Kinder  de 
stoph  Gattenhofer  soll  angezeigt  werdeu,  dass 
thal1)  belegeneu  4  Kirchenhufen  nunmehr  der  St 
zum  Besten  zu  YerpacUten  seien. 

Iti'zcss  in  der  Begistratur  d.  St.  Georgenkirche.  — 

154)  1553  d.  24.  Nov.  Königsberg.    Herz 
litirt  das  Schuhmachergewerfc  zu  K.,  welches  nvei 
etlicher  Irer  vorfarenn  verbreebunge  willenn" ')  zi 
licher  Aemtcr  unfähig  geworden  sei  uud  weist 
Gewerk  nunmehr  in  Schutz  zu  nehmen, 

Origiu.  in  der  Lade  des  Schubmachergewerks.  — 
8.  121.  —  ')  Die  herTO tragende  Betheiligung  bei  dt 
und  bei  der  Ertränkung  des  Fliegars  Wolfgang  Saue 

155)  1555  d.  6.  Mai.  Wolff  Herr  zu  Hey. 
bestätigt  dem  Schneidergewerk  zu  R.  zwei  Artike 
Willkühr  zusätzlich  aufzunehmen  beabsichtigt. 

Oiigin.  in  der  Lade  des  Scbneidergewerks. 

156)  1555  d.  17.  Juli.  Königsberg.  Herzo 
der  Stadt  R.  auf  Bitte  derselben  das  Gut  Görlit 
bisher  besessen')  und  zu  ihrer  Viehtrift  nicht  £ 
zu  kölm.  Rechten.  Dazu  freie  Fischerei  in  den  z 
Görlitz  und  auf  dem  im  Amte  Lötzen  gelegenen  gr 
in  letzterem  jedoch  mit  der  Bedingung,  dass  d 
grossen  Deiguhnsce  in  den  kleinen  Deigubc 
werde.  Die  Nichterfüllung  dieser  Bedingung  soll 
rechtigung  zur  Folge  haben.  Auch  soll  die  Stadt 
Pfarrer  der  Stadt  ein  Gericht  Fische  unentgeltlich, 
und  Schuldienern  gegen  Bezahlung  überlassen.  n 
Fischerei  auf  dem  Seissersee'J  und  grossen  Tau« 
die  Jagd.') 

Absckr.  R.  Hsb.  S.  30.  —  Beckherrn,  Rastenburg  S.  1 
weiche  Weise  die  Stadt  in  den  Besitz  der  Görlitz  gel 
keine  Dokumente  und   keine  sonstigen  Nachrichten  i 


Von  Carl  Beckherrn 

hiefür  keinen  festen  Anhalt,  da  die  dort  erwähnte 
die  Stadt  „vor  ungefähr  dreizehn  Jahren"  sich  s< 
auch  auf  die  vorliegende  Verleihung  beliehen  kann.  — 
see.  -  3)  Nicht  bekannt  Vielleicht  der  tödliche? 
sees  oder  der  Taytasee.  —  ')  Sierczesee.  —  *)  ' 
künde  auch  die  Leistungen  nicht  angiebt,  so  müssen  i 
jedoch  nach  den  Angaben  der  Amtsrechnung  pro 
Schreibung  for  Ilana  Hohra  von  1420  (Nr.  54)  gle 
nur  fraglich,  ob  jetzt  schon  die  Umwandlung  des 
Stellung  des  Warpenwagens  stattgefunden  habe,  unc 
getreide-  wegen  der  vermutheten  Abtretung  des  li 
Abgang  zu  bringen  sei.    (Vergl.  Nr.  54  Anmerk.  ,ri 

157)  1565.  ISei  der  Kirchen  Visitation  wird 
nischc  KircLe,  welche  unter  der  Scliule  lieg 
/.war  bis  an  die  Stadtmauer.    Die  Stadt  zahlt  1 

Ilezess  in  der  Registratur  der  St.  Georgenkirche. 

158)  1566d.  27.  Mai.  Königsberg.  Herzog 
dem  Andreas  Packmohr  das  Dorf  Salzbach  i 
gehörige  Gütchen  Riplauken  mit  7  Hufen,  da: 
von  30  Hufen,  Kl.  Baum  garten  mit  37  Hufen,  d 
mit  25  Zins-  und  19  Freihufen,  dazu  die  grossei 
ausgenommen  die  Strasseugericbte,  zu  Lehnrecl 
erhält  Andreas  Packmohr  als  Ersatz  für  die  vor  ui 
von  Markgraf  Albrecht  ihm  „verliehenen"  und 
aber  noch  nicht  verschriebenen  50  Hufen  im  i 
letzterer  inzwischen,  durch  besondere  Umstand' 
Stadt  Rastenburg  verliehen,  nachdem  das  Am 
Packmohr  verpfändet  worden. 

Abscbr.  im  Staat>arch.  zu  Künigsb.  —  ')  Stettet 
3>  Görlitz  (Vergl.  Nr.  150). 

159)  1571  d.  25.  Juli.  Königsberg.  Herzog 
ertbcilt  dem  Bastian  Monzeck  das  Privilegiu 
Kluges  vor  der  Siadt  li.,  vor  welcher  ein  sol 
bestanden,  und  zwar  an  dem  nach  Lötzen  führen 
Kruge  werden  ihm  auch  zwei  im  Dorfc  Krause 
welche  er  von  einein  Bauern  gekauft  hat,  zu  kc 


548  Verzeichnis*  der  die  Stadt  R  asten  burg  betreffenden  Urkunden. 

Er  soll  dafür  nur  Amtsbier  schenken  mit  Ausnahme  des  von  ihm  seihst 
von  1  Last  Malz  gebraueten  Bieres,  ausserdem  jährlich  6  M.  Zins  zahlen 
und  verpflichtet  sein,  sich  auf  dem  Hause  und  im  Amte  Rastenburg  nach 
Bedarf  gebrauchen  zu  lassen.  Zeugen:  Hans  Jacob  Erbtruchseß 
Freiherr  zu  Waldburg,  Landhofmeister;  Christoph  vonKreytzen, 
oberster  Burggraf;  Doctor  Johann  von  Kreytzen,  Kanzler;  Joachim 
Borcke,  Obermarschall;   Kaspar  von  Lehndorff,  Hofmeister  uud 

Hauptm.  zu  Pr.  Eilau;  Melcher  von ,  Ofcerkämmerer;  Friedrich 

von  Hausen,  Hauptm.  zu  R.;  Kasper  Dargiz,  Obersecretär;  Greger 
Wagner,  Kanzleischreiber. 

Abschr.  Hsb.  323,  fol.  £2.  —  f)  Der  nachherige  Amtskrug.  Einen  zweiten 
vor  der  Stadt  gelegenen  Krag  auf  der  Freiheit  erwähnt  die  Amtsrechnung 
pro  1698. 

160)  1571  d.  15.  Oct.  Rastenburg.  Kirchenvisitation  durch  den 
Bischof  von  Pomesanien  Georg  Venediger,  den  edlen  und  ehrenvesten 
Kaspar  Fasolt,  den  Hauptmann  zu  R.  Friedrich  von  Hausen,  den 
herzoglichen  Secretfir  Balthasar  Ganß  und  den  Ofßcial  Joseph  Pau- 
lini. Der  von  der  Stadt  aufgebrachte  Decera  beträgt  96  M.  25  j>  und 
vertheilt  sich  auf: 

32  ganze  Erbe  k 48  JS 

79  halbe     „     ä 24  „ 

46  Buden  in  der  Stadt  ä,  ...  15  „ 
36  „  „  „  Vorstadt  k  .  .  15  „ 
27  Höfe  vor  der  Stadt  ä  ...  9  „ 
48  Hufen  ä, 18  „') 

„Noch  hat  die  Stadt  Rastenburg,  so  bei  der  Stadt  gelegen 
in  alles  102  Hüben,2)  davon  zu  einem Dorfe  geordnet  52 -Hüben.  Von 
denselben  dem  Pfarrherrn  4  Hüben  und  dem  Dorfe  48  Hüben.  Die 
andern  Hüben  sind  auf  Morgenzahl  auf  die  Häuser  geleget. 
Zu  diesen  48  Hüben  sind  5  Röche."3)  Die  zum  Kirchspiele  gehörenden 
Ortschaften  werden  mit  Angabe  der  Hufenzahl  und  der  Röche  (Haus- 
haltungen) aufgeführt,  darunter  das  Stadtdorf  Bürg  er  dorf  mit  31  Hufen 
[excl.  Waldhufen],  15  Röchen,  2  Gärtnern,  das  Stadtdorf  Prangenau 
mit  32  Hufen,  13  Röchen,  6  Gärtnern  und  1  Hirten.    [Die  Görlitz  ge- 


Von  Carl  Beckherrn.  549 

hörte  zum  Kirchspiel  Schwarzstein.]  Die  4  Kirchenhufen  zu  Alt- 
Rosenthal,  welche  der  Pfarrer  zu  Schwarzstein  benutzt,  sollen  den 
beiden  Kaplänen  zu  E.  übergeben  werden.  —  Der  Betrag  des  Decems, 
welcher  von  den  Instlcuten  und  dem  Gesinde  gezahlt  wird,  fällt  sehr 
ungleich  aus.  Die  Besitzer  von  Pferden  in  der  Stadt  haben  sich  dazu 
bereit  erklärt,  dem  Pfarrer  jährlich  jeder  ein  Fuder  Holz  anzufahren.  — 
Das  Brandweinschenken  vor  der  Predigt  soll  verboten  werden;  Ueber- 
treter,  Wirth  und  Gäste,  wird-  der  Kath  bestrafen.  —  Da  es  schwer 
hält,  für  die  Schule  Lehrer  zu  gewinnen,  einigt  sich,  um  diesem  Uebel- 
stande  abzuhelfen,  die  Visitationscommission  mit  dem  Kath  und  der 
Gemeinde  dahin,  dass  jedes  ganze  und  halbe  Haus,  auch  jede  Bude  in 
der  Stadt  und  Vorstadt  jährlich  1  Groschen  zur  Beköstigung  des  Kantors 
und  des  dritten  Gesellen  beisteuern  solle.  Zu  der  nach  Berechnung 
sich  herausstellenden  Summe  von  UM.  wird  der  Kath  noch  10  M. 
und  der  gemeine  Kasten  19  M.  zuschiessen.  Ausserdem  verspricht  der 
Rath,  demjenigen,  welcher  die  beiden  Lehrer  beköstigen  wird,  einmal 
jährlich  an  Fischtagen  einen  Kescher  Fische  zu  verabfolgen. 

Rezess  in  der  Kegistrat.  d.  St.  Georgenkirche.  —  ')  Am  Aufange  des  18.  Jahr- 
hunderts waren  nach  Schaffens  Angabe  vorhanden:  34  ganze,  74  halbe  Häuser, 
49  Buden  in  der  Stadt,  79  Buden  in  den  Vorstädten,  9  Malzhäuser,  66  Woh- 
nungen der  Gärtner  und  123  der  Instleute.  Die  Anzahl  der  Einwohner  lässt 
sich  für  den  Zeitraum  von  1670  bis  1685  nach  Proportion  der  Geborenen  und 
Gestorbenen  auf  3500  bis  3800  berechnen,  davon  fast  die  Hälfte  polnischer 
Nationalität,  hauptsächlich  vertreten  durch  die  Instleute  und  das  Gesinde.  Im 
Jahre  1620  zählte  die  Stadt  an  Grundbesitzern: 

Bürger  in  der  Altstadt 69 

„      „    „   Neustadt 43 

112 

Budener  in  der  Stadt 42 

„      auf  der  Freiheit 17 

Vorstadter  vor  dem  EOnigsb.  Thor  .  .  31 
Summa  aller  Grundbesitzer  202. 
s)  Das  ganze  in  städtischem  Besitz  befindliche  Gebiet  (Gemeinde-  und  Privat- 
eigenthum)  erstreckte  sich  zu  dieser  Zeit  über  ca.  269  Hufen  incl.  15  Hoa- 
pitalnufen.  —  8)  Dieses  Dorf,  die  nachherige  „Bauernvorstadt",  ist  als 
solches  jedenfalls  schon  bei  Gründung  der  Stadt  dieser  als  ein  Theil  der  Do- 
tation von  102  Hufen  verliehen  worden,  obgleich  die  Handfeste  des  Dorfes 


550  Verzeichnis»  der  die  Stadt  Rasteuburg  betreffenden  Urkunden. 

nicht  besonders   erwähnt.    Dieses  geht  ausser  den  unter  Nr.  3,  Anmerk.  ö, 
dafür  beigebrachten  Gründen  auch  noch  aus  der  von  Seh  äff  er  bezeugten  Existenz 
einer  ehemals   selbständigen,   weil  mit  4  Pfarrhufen  ausgestatteten,   Kirch?. 
der   St.  Katharinenkirchc,   in    diesem   Dorfe   hervor.    Bei  der  Gründung  dir 
St.  Georgenkirche  in  der  Stadt  müssen  diese  Kirchenhufen  an  diese  Übertrages 
worden  sein,  da  eine  anderweitige  Dotation  der  St.  Georgenkirche  nicht  nad- 
zuweisen ist.    (Vergl.  St.  Georgenkirche,   Altpr.  Monatsscbr.  XX,  263.)    I*i.j 
ehemalige  Selbständigkeit  der  Kirche  des  Dorfes,   der  St.  Katbarinenkirche, 
wird   sogar    bewiesen    durch    den  Umstand,   dass  für  die  bei  derselben  iku 
Gottesdienst  versehenden  Geistlichen  noch  in  der  ersten  Zeit  nach  der  Defor- 
mation der  Pfarrertitel  gebräuchlich  war.  So  z.  B.  führte  der  1549  gestorben* 
Jobann  Pauli  oder  Paulinus  den  Titel  „Parochus  zu  St.  Katharina  und  Archi- 
diaconns  zu  St.  Georg",  welchen  Schaffer  auf  dessen  Epitaphium  gelesen  hat. 
Zur  Zeit  Schaffer's  ging  ferner  im  Volke  noch  die  Sage  um  Ton  einem  Klonte: 
welches  ehemals  in  der  Nähe  der  St.  Katharinenkirche  gestanden  haben  sA 
und  dessen  Stelle  daselbst  auch  genau  bezeichnet  wurde.   Da  nun  ein  Klos  •: 
in  Rastenburg  niemals  existirt  hat,  so  nimmt  der  genannte  Chrouist  mit  Reol t 
an,  dass  diese  Sage  sich  auf  die  ehemalige  Pfarrwiddem  des  Dorfes  beziehe 
deren  Ueberreste  vielleicht  noch  lauge  nach  dem  Kingehen  der  Pfarre  an  d<r 
betreffenden  Stelle  sichtbar  gewesen. 

Von  den  übrigen  48  Hufen  des  Dorfes  gehurten  nach  Schaffer  8  Hnf  \ 
ursprünglich  zum  Schulzenamte,  welches  bei  dem  Uebergange  des  Dorfes  ai. 
die  Stadt  dem  Schulzen  derselben  übergeben  worden  sein  wird.  Später  hat  daun 
wohl  die  Stadt  das  Schulzenamt  an  sich  gekauft  und  die  8  Hufen  zu  d«n 
Bauernhufen  geschlagen.  Der  Ankauf  hat  wahrscheinlich  schon  vor  den 
Jahre  1376  stattgefunden,  denn  in  diesem  wird  bereits  ein  an  der  Spitze  de: 
Stadt  stehender  Bürgermeister  erwähnt.  Die  Angabe  des  Rezesses,  dass  zj 
den  48  Hufen  des  Dorfes  5  Wohnhäuser  (Röche)  gehören,  dürfte  so  zu  ver- 
stehen sein,,  dass  im  Jahre  1571  nur  noch  5  wirkliche  Bauernhöfe  bestanden 
haben.  Da  nun  zu  einem  Bauernhofe  aber  nur  2,  seltener  3  Hufen  gehören, 
so  würde  der  übrige  grössere  Theil  der  Bauernhufen  sich  schon  im  Besitze 
von  Bürgern  (der  Hübener)  befunden  haben  oder  auch  an  solche  seitens  der 
Stadt  verpachtet  gewesen  sein  (Vergl.  Nr.  31  und  162).  Diese,  in  der  Stadt 
wohnend,  hatten  ihre  Wirthschaftshöfe  theils  in  dem  Dorfe,  tlieils  in  den  zi 
Wirthschaftszwecken  angelegten  flöfen  in  der  Gegend  der  jetzigen  Wilhelms- 
strasse und  der  Scheunenstrasse.  Der  vorstädtischen  Bauern  geschieht  noch 
zwischen  1638  und  1644  Erwähnung  (s.  Anhang  II,  Cap.  XU,  5). 

Ausser  dem  Dorfe  mit  seinen  52  Hufen  lagen  in  dem  nordwärts  und 
westwärts  von  der  Stadt  sich  erstreckenden  Hauptcomplex  ihrer  Ländereien 
noch  50  Hufen,  nämlich  10  Zins-  und  40  Freihufen,  deren  letzterer  grösserer 


Von  Carl  Beckherm  551 

Theil  ursprünglich  als  Gemein  de  eigenthum  ausgeworfen  worden  war.  Diese 
50  Hufen  sind  nunmehr  nach  Angabe  des  obigen  Dokuments  bereits  sämmt- 
lich,  mit  Ausnahme  eines  kleinen  Theiles,  auf  die  Häuser  der  Stadt  und  der 
Vorstädte  vertheilt  worden;  nach  Proportion  des  auf  die  verschiedenen  Grund- 
stucke gelegten  Decems  wird  sich  diese  Vertheilung  ungefähr,  wie  folgt, 
ergeben: 

32  ganze  Häuser     ....    ä  15      Morgen  =  480      M. 


79  halbe  „  ... 
46  Buden  in  der  Stadt  . 
36  „  „  „  Vorstadt 
27  HCfe  vor  der  Stadt    . 


a 

7  Vi 

n 

=  592V2 

a 

4 

rt 

=  184 

a 

4 

t? 

=  144 

a 

2 

j» 

=    54 

71 
M 
I» 

n 


Sa.  14641/«  H. 

Wirkliche  Anzahl  der  zu  verteilenden  Morgen        1500 

Bleiben  übrig  rund  45  M. 

Diese  45  Morgen  sind  auf  die  Befestigung,  die  Strassen,  öffentlichen  Plätze, 
öffentlichen  Gebäude  der  Stadt  und  der  Vorstädte  und  die  Wege  ausserhalb 
derselben  in  Anrechnung  zu  bringen. 

Ein  Vergleich  mit  der  Angabe  des  grossen  Zinsbuches  von  1437  (vergl. 
Nr.  3,  An  merk.  3)  ergiebt,  dass  die  Stadt  trotz  des  fiberstandenen  dreizehn- 
jährigen und  des  polnischen  Krieges,  wie  auch  mehrerer  Pestepidemien  be- 
deutend gewachsen  ist;  es  haben  sich  die  Häuser  nicht  nur  innerhalb  der 
Stadtmauer  vermehrt,  auch  ausserhalb  derselben  hat  sich  schon  eine  Vorstadt 
gebildet,  von  der  aus  sich  noch  einzclno  Höfe  weiter  in  das  Feld  hinaus  er- 
strecken. Zur  Ausstattung  der  Häuser  mit  Grundbesitz  bat  der  bei  der  Gründung 
der  Stadt  dazu  bestimmte  Rest  der  Zinshufen  (ca.  9*/c  H-)  nicht  mehr  ausge- 
reicht, es  ist  vielmehr  auch  schon  der  als  Gemeindeeigenthum  ausgeworfene 
bedeutende  Best  der  Freihufen  in  Privatbesitz  übergegangen. 

161)  1577  d.  20.  Nov.  Königsberg.  Herzog  Albrecht  Friedrich 
verschreibt  zu  kölm.  Bechten  dem  Amtsschreiber  zu  ß.  Heinrich 
Weidenhammer  ein  preussisches  Freigut  von  3 Vi  Hufen,  bei  Gr. 
Galbunen  gelegen,  welches  vorher  dem  Lorenz  Packmohr  gehört 
hat,  gegen  ein  Darlehen  von  600  M.;  dazu  noch  3  im  Dorfe  Galbunen 
gelegene  Hufen,  die  er  vom  Pfarrer  Dologovius  zu  Eosengarten  für 
210  M.  gekauft  hat,  zu  magdeb.  Hechten;  ferner  einen  wüsten  Garten, 
vor  der  Stadt  ß.  an  der  Brücke1)  gelegen,  über  welche  man  nach  dem 
neuen  Kruge2)  oder  der  Vogelstange  geht,  frei  zu  kölm.  ßechten. 

Abschr.  Hsb.  322.  —  !)  Eine  Brücke  auf  der  Angerburger  Vorstadt  Über  den 
vom  Oberteich  herkommenden  Kanal  gelegt  —  *)  Der  Amtskrug. 


552  Verzeichnis  der  die  Stadt  ßastenburg  betreffenden  Urkunden. 

162)  1582  d.  22.  Juni.  ßastenburg.  Die  berzogl.  Comraissarieu 
Hans  Kalckstein,  Hauptmann  zu  R.,  Hans  Cammerarius  ul«1 
Baltzer  Schlubuth  schlichten  einige  Streitigkeiten,  welche  hinsicht- 
lich der  Grenzen  der  Stadtländereien  beim  Bauernwalde  mit  dem  be- 
nachbarten Gute  Borken,  den  Brüdern  Thomas  Bastian  und  Erhard 
von  Parthein  gehörig,  bestehen.  Die  Forderung  der  letzteren,  die 
Grenze  ihres  Gutes  auf  Kosten  der  Stadtländereien  weiter  vorzurücken, 
wird,  weil  nicht  genügend  begründet,  zurückgewiesen.  Dagegen  räumt 
die  Stadt  aus  Gutwilligkeit  den  von  Parthein  die  Trift  und  Kuhweide 
in  dem  Bauer-  und  Bürgerwalde  ein, la)  jedoch  unbeschadet  ihrer 
eigenen  Viehtrift.  Damit  dadurch  kein  Schaden  entstehe,  verpflichtet 
sie  sich,  den  Wald  einzuzäunen.  Hinsichtlich  einer  zweiten  Forderung 
der  von  Parthein,  nämlich  ihnen  zu  gestatten,  von  ihrem  Territoriuii3 
aus  einen  Damm  nach  dem  Bauernwalde  hin  zu  schütten,  werden  sie, 
da  der  Wald  nicht  Gemeindeeigenthum  ist,  auf  Verhandlungen  mit  den 
betreffenden  Bürgern  verwiesen. ,b)  Vertreter  der  Stadt:  Thomas  Grund, 
Bürgermeister;  Greger  Waldau  und  Heinrich  Weidenhammer, 
Bathsverwandte ;  Lorenz  Grünau,  Schöppenmeister;  Stuhlmacher, 
dessen  Kompan ;  der  Gegenpartei:  Baltzer  Zeuger,  Hauptm.  zu  L\ck. 
und  Georg  Pröck.  (Von  der  Regierung  bestätigt  Königsberg,  deu 
15.  October  1585.) 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  59. —  !ab)  Das  jetzige  Gut  Tannenwalde  (Rastenborgs- 
walde)  ca.  12  Hufen  gross.  Dieser  Wald  gehörte  zu  dem  ehemaligen  Bauern- 
dorfe  bei  der  Stadt  Dass  der  Wald,  so  wie  auch  das  Dorf  sich  damals  schon 
th eilweise  im  Besitze  von  Bürgern  befunden  habe,  geht  aus  der  Benennung 
„Burger-  und  Bauernwald"  und  aus  der  Verhandlung  mit  den  einzelnen 
Bürgern  hervor.  (Vergl.  Nr.  31,  Anmerk.  3.)  Als  die  Stadt  das  Areal  er- 
worben hatte,  auf  welchem  sie  bald  darauf  das  Dorf  Prangenau  anlegte, 
scheint  sie  den  Bürgern  einen  Theil  des  dortigen  Waldes  (s.  Nr.  53  und  147) 
zugetheilt  oder  dieses  wenigstens  beabsichtigt  zu  haben,  worauf  der  ursprüng- 
liche Name  Jones  Dorfes,  „Bürgerwald",  hindeutet.  Die  Gründung  dieses 
Dorfes  ist  dann  wohl  die  Veranlassung  gewesen,  die  Bürger  durch  Ueber- 
weisung  yon  Theil en  des  Bauernwaldes  bei  der  Stadt,  in  dessen  Nähe  sie  ja 
auch  bald  darauf  ihre  Ackerhufen  erhalten  zu  haben  scheinen  (vergl.  Nr.  160, 
Anmerk.  3),  für  das  Aufgeben  ihres  dortigen  Besitzthums  zu  entschädigen.  — 
Von  dem  Bürger-  und  Bauernwalde  (Tannenwalde)  hat  die  Stadt  im  Jahre  !b27 


Von  Carl  Beckherrn.  553 

100  Morgen  mit  dum  Stobbenteiche,  an  der  nördlichen  Grenze  zwischen  dem 
nach  Barten  und  dem  nach  Rosenthal  führenden  Wege  gelegen,  an  Borken 
abgetreten. 

163)  1590  d.  29.  Sept.  Der  ßath  der  Stadt  R.,  bestehend  aus 
dem  Bürgermeister  Heinrich  Weidenhammer,  dessen  Korapan  Lo- 
renz Dörffer,  den  Stadtkämmerern  A.  Sonnensluhl  und  Friedrich 
Kretschmann,  den.Räthleuten  6.  Demiin,  Heinrich  Rose,  Simon 
Dörffer,  Erdmann  Koppenhagen  und  dem  Stadtschreiber  David 
Reich,  giebt  dem  Gewerk  der  Kürschner  die  Pundationsrolle. 

Schaffer. 

164)  1598  d.  12.  Febr.  Königsberg.  Georg  Friedrich,  Mark- 
graf zu  Brandenburg,  bestätigt  die  Willkuhr  der  Leinenweber  zu  R. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  252. 

165)  1599.  St.  Andrea.  Rasteuburg.  Der  Rath  der  Stadt  R., 
vertreten  durch  Simon  Dörffer,  Bürgermeister,  Friedrich  Kretsch- 
mann, Kompan,  Andreas  Sonnenstubl,  Stadtkämmerer,  Lorenz 
Dörffer,  dessen  Kompan,  Greger  Demiin,  Unterrichter,  Heinrich 
Rose,  Kalkherr,  Erdmann  Koppenhagen,  Ziegelherr,  David  Reich, 
Stadtschreiber,  revidirt  und  confirmirt  die  zur  Zeit  der  Pest  von  dem 
verstorbenen  Bärgermeister  Heinrich  Weidenhammer  im  Jahre  1589 
errichtete  christliche  Ordnung  und  Brüderschaft  der  Tagelöhner  und 
Arbeitsleute  [auch  die  arme  Gille  (Gilde)  genannt].  Hauptsächlich- 
ster Zweck  ist  Sorge  für  ein  anständiges  Begräbniss  der  Mitglieder 
und  Unterstützung  in  Krankheitsfällen.  Sie  sind  verpflichtet  zum  Läuten 
der  Glocken  und  zur  Hilfe  beim  Löschen  von  Feuersbrünsten. 

Origin.  im  Staatsar  eh.  zu  Königsb.  —  Das  Siegel  hängt  an  einer  braungelb, 
violett,  grün  und  weiss  gefärbten  seidenen  Schnur  in  hölzerner  Kapsel  und 
zeigt  einen  vor  sieben  Laubbäumen  stehenden  Bären.    Die  Umschrift  lautet: 

sttjHIum  *  «»Haft*  *  raflötWt  * 

Die  ersten  vier  Buchstaben  des  Wortes  sigillum  sind  deformiri  Diese  Defor- 
mation bei  denselben  Buchstaben  ist  auch  auf  der  Abbildung  des  Siegels 
unter  dem  Bundesbriefe  von  1448  bei  Voßberg  angedeutet.  Es  darf  daraus 
geschlossen  werden,  dass  der  mangelhafte  Abdruck  des  Siegels  auf  einer  Be- 
schädigung des  Siegelstempels  an  der  betreffenden  Stelle  beruht  hat,  und 
dass  zu  beiden  Abdrücken  ein  und  derselbe  Stempel  benutzt  worden  ist.  Auch 
die  Anzahl  und  Form  der  Bäume  stimmt  auf  beiden  Siegeln  überein.    Da- 

▲ltpr.  IfonatMchrift  Bd.  XXII.  Hit  7  u.  8.  36 


554  VerEeichniss  der  die  Stadt  Bastenburg  betreffenden  Urkunden. 

gegen  aber  zeigt  die  Abbildung  des  Siegels  von  1448  statt  des  Bären  von 
1590  einen  Eber.  Dass  das  Thier  auf  dem  Siegel  von  1599  wirklich  ein  Bär 
ist,  geht  unzweifelhaft  aus  der  Form  der  Füsse  hervor,  welche  den  Sohlen- 
gänger deutlich  erkennen  lässt;  die  zu  lang  und  dünn  gerathenen  Unter* 
schenke!,  die  zu  Boden  gesenkte  Nase  und  der  etwas  gekrümmte  Kücken 
können  jedoch  wohl  Veranlassung  gewesen  sein,  dass  der  Zeichner  des  Siegel« 
von  1448  einen  Eber  vor  sich  zu  sehen  geglaubt  hat,  welchem  er,  um  ihn  al> 
solchen  kenntlicher  zu  machen  in  seiner  Zeichnung  «in  geringeltes  Schwänz- 
chen anhängte.  Danach  wird  also  das  Wappenthier  der  Stadt  seit  Anbeginn 
ein  Bar  gewesen  sein  und  die  bisher  angenommene  auffällige  Veränderung  in 
Wirklichkeit  nicht  stattgefunden  haben.  Die  Bemerkung  über  das  Wappen 
der  Stadt  in  meiner  bist,  topogr.  Darstellung  Rastenburgs  ist  somit  zu  be- 
richtigen. Eine  tbatsächlich  stattgefundene  Abänderung  des  Wappens  betrifft 
die  Bäume.  Die  sieben  Laubbäume  des  alten  Wappens  haben  sich  in  neuerer 
Zeit  in  drei  Fichtenbäume  (Tanuen)  verwandelt,  zwischen  denen  der  Bar  ein- 
geklemmt erscheint.  Diese  Umwandlung  ist  vielleicht  bei  der  Neuanfertigung 
der  beiden  Siegel  der  Stadt  im  Jahre  1628  während  der  Besetzung  derselben 
durch  polnische  Truppen  vor  sich  gegangen. 

166)  1606  d.  8.  Oct.  erhalten  die  Tischler  zu  ß.  ihre  Bolle. 

Schaffer. 

167)  1612  d.  15.  Febr.  Auf  Ansuchen  des  Königs  von  England 
ergeht  an  die  Stadt  R.  ein  kurfürstliches  offenes  Mandat,  alle  Exem- 
plare eines  Pasquills,  welches  Johann  Starcovius  in  der  Stadt  ver- 
breitet hatte,  verschlossen  und  wohlverwahrt  zur  Vermeidung  von  Strafe 
an  die  preussischen  Oberräthe  einzusenden. 

Schaffer,  nach  dem  Origin.  Dieser  bringt  noch  die  Nachlicht,  dass  das  Pas- 
quill gegen  die  ganze  schottische  Nation  gerichtet  gewesen  und  Starcovios 
laut  Urtheil  des  Hofgerichts  nach  erfolgtem  Öffentlichen  Widerrufe  im  Jahre 
1611  mit  dem  Schwerte  hingerichtet  worden  sei. 

168)  1612  d.  7.  Nov.  Die  Kegierung  ertheilt  den  Schirr-  und 
Rademachern  zu  B.  ein  Privilegium. 

Schaffer. 

169)  1614  d.  11.  Febr.  Königsberg.  Johann  Sigismund, 
Markgraf  zu  Brandenburg,  entscheidet  einen  Streit  des  Hauptmanns  zu 
R.  mit  der  Stadt  wegen  des  grossen  Deiguhnsees  dahin,  dass  das 
Amt  bei  der  Winterfischerei  den  Vorzug  haben,  der  Hauptmann  sonst 
aber  die  Fischerei  auf  dem  See  unterlassen  solle,  da  diese  nach  ihrem 


Von  Carl  Beckherrn.  555 

Privilegium  (Nr.  156)  der  Stadt  zustehe.  Letztere  solle  aber  stets  da- 
für sorgen,  dass  der  Abfluss  des  grossen  in  den  kleinen  Deiguhnsee 
nicht  verstellt  werde. 

Abschr.  Hsb.  322,  fol.  23. 

170)  1624  d.  13.  Mai.  Die  Regierung  bestätigt  die  Rolle  der 
Hutraacher  zu  R. 

Schaffer,  nach  dem  Origin. 

171)  1624. d.  10.  Juli.  Die  Regierung  bestätigt  die  Hauptgewerks- 
rolle  der  Städte  Bartenstein,  Friedland,  Schippenbeil,  Tilsit, 
Kreuzburg,  Gerdauen,  Nordenburg,  Insterburg,  Rastenburg, 
Angerburg  und  Ragnit. 

Schaffer. 

172)  1624  d.  19.  Juli.  Die  Seiler  zu  R.  und  der  andern  10  Städte 
erhalten  von  der  Regierung  ihr  Privilegium. 

Schaffer. 

173)  1627*    Das  Müllergewerk  zu  R.  erhält  eine  Rolle. 

Schaffer,  nach  dem  Origin. 

174)  1636  d.  28.  Febr.  Rastenburg.  Schreiben  des  Königs  von 
Polen  Wladislaus  IV.  an  die  preussischen  Regimentsräthe.  Es  sind 
dein  Könige  von  den  Bürgern  und  Handwerkern  der  Städte  Rasten- 
burg, Schippenbeil,  Welau  und  Insterburg  wiederholt  Beschwer- 
den zugegangen,  dass  sie  in  ihrem  Brauwerk  erheblich  benachtheiligt 
wurden,  weil  die  Braugerechtigkeit  auch  einigen  andern  Bürgern  er- 
theilt  worden  wäre.  Der  König  befiehlt  daher,  dass  die  Bürger  und 
Handwerker  der  alten  Mälzenbräuerzunft  in  ihrer  althergebrachten 
Gewohnheit  geschützt  werden  sollen.  Wenn  die  Gegenpartei  vermeinte, 
dass  ihr  dadurch  Unrecht  geschehe,  solle  die  Sache  vor  dem  Hofge- 
richte zum  Austrage  gebracht  werden.  [Vergl.  Nr.  175—177,  179,  188.] 

Abschr.  It.  Hsb.  S.  99. 

175)  1636  d.  30.  April.  Wilna.  Derselbe  ertheilt  der  alten 
Mälzenbräuerzunft  der  Städte  Rastenburg,  Schippenbeil,  We- 
lau und  Insterburg  einen  Schlitzbrief.  Durch  diesen  sollen  die  nach 
kölm.  Rechte  erbberechtigten  Brauer  der  genannten  Städte  und  deren 
Patrone  in  den  königlichen  Schutz  genommen  werden  gegen  Gewalt- 
tat, JJebergriflfe  und  Beeinträchtigung  seitens  aller  Personen,  namentlich 

36* 


556  Verzeichnisa   der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

aber  der  Regimentsräthe  des  Herzoglhums  Preussen,  der  Hauptleute 
in  den  Städten  und  jedes  Geliebtes  des  Herzogthums,  und  zwar  auf 
die  Zeit  von  sechs  Monaten.  Auf  alle  Sacben  des  bürgerliehen  Rechtes 
soll  dieser  Schutz  sich  jedoch  nicht  erstrecken.  Ihr  Gewerbe  sollen 
die  gedachten  Brauer  überall  betreiben  dürfen,  dabei  aber  keine  Ge- 
legenheit zu  Streitigkeiten  geben  und  dieses  Beneficium  nicht  miß- 
brauchen. Jeder  Klage  gegenüber  sind  sie  gehalten,  si<-h  vor  dein 
zuständigen  Gerichte  zu  rechtfertigen.  Leute,  von  denen  sie  Gewalt 
fürchten,  sollen  sie  der  betreffenden  Behörde  anzeigen  dürfen,  ohne 
dass  ihre  Person  oder  ihr  Eigenthum  geschädigt  werden  darf.  Dieser 
Schutzbrief  soll  durch  den  Ausrufer  öffentlich  bekannt  gemacht  werden. 

Abschr.  (latein.)  R.  Hsb.  S.  87. 

176)  1636  d.  30.  Aug.  Wilna.  Derselbe  befiehlt  dem  Hauptm. 
zu  B.  Meinhard  von  Lehndorf,  die  Rastenburger  Bürger  bei  ihrer 
Beschäftigung,  das  Bier  nach  altem  Gebrauche  zu  brauen,  nicht  zu  be- 
lästigen und  sie  nicht  ohne  rechtmässige  Ursache  mit  Strafen  zu  be- 
legen. Damit  nicht  gegen  Recht  und  Billigkeit  gehandelt  werde  und 
es  nicht  schiene,  als  ob  seine,  des  Königs,  Schutzbriefe  werthlos  wären, 
solle  er  sich  aller  Gewaltthätigkeit  enthalten  und  durch  den  Fiscal  auf 
dem  Rechtswege  vor  dem  Gerichte  gegen  sie  vorgehen. 

Abschr.  (latein.)  B.  Hsb.  S.  88. 

177)  1637«  Feria  quarta  post  Dominicam  Reminiscere  proxima. 
Warschau.  Derselbe  publicirt  das  von  ihm  gefällte  Urtheil  in  einer 
Streitsache  zwischen  der  Zunft  der  alten  Brauer  der  Städte  Rasten- 
burg und  Schippenbeil  und  den  Kaufleuten  und  neuen  Brauern 
derselben  Städte.  Auf  dringendes  Ansuchen  des  Jacob  Klein,  Georg 
Cerbach,  Johann  Rudell  und  der  andern  Kaufleute  und  neuen 
Brauer  seien  die  Aeltesten  und  die  ganze  Zunft  der  alten  Brauer 
vor  den  König  und  das  Relationsgericht  vorgeladen  worden,  um  das 
königliche  Decret,  betreffend  die  von  den  neuen  Klägern  eingeführte 
Art  des  Brauens,  wiederherzustellen.  Zugleich  hätten  sie  sich  über- 
zeugen sollen,  dass  es  geboten  sei,  das  gedachte  Decret  wieder  zur 
Geltung  zu  bringen  und  ein  anderes,  auf  unrechtmässige  Weise  erlang- 
tes,  zu  cassiren,   ferner  die  vorliegende  Sache  zu  restituiren  und  die 


Von  Carl  Beckherrn.  557 

neuen  Kläger  bei  ihren  Rechten,  Privilegien  und  Gewohnheiten  zu  er- 
halten. Während  das  königliche  Decret,  wider  den  Ungehorsam  der 
neuen  Kläger  erlassen,  durch  eine  neue  Verfügung  der  Herren  Regen- 
ten und  durch  von  oben  her  erschlichene  Bestätigung  derselben  un- 
wirksam gemacht  worden  wäre,  hätte  der  König  die  Vorgeladenen  in 
ihrem  Rechte,  ihren  alten  Gewohnheiten  und  ruhigen  Besitz  der  Brauerei 
beschützt  gehabt.  Ausserdem  sei  durch  ihn  verfugt  gewesen,  dass  die- 
selben neuen  Kläger,  um  sie  von  Anstiftung  weiterer  Unruhen  abzu- 
halten, Caution  für  eine  event.  von  ihnen  an  die  Kirche  zu  Rastenburg 
zu  zahlende  Strafe  von  1000  Gulden  ungar.  und  für  die  Gerichtskbsten 
stellen  sollten.  Ferner  hätte  er  verfugt  gehabt,  dass  neue  Streitig- 
keiten von  den  Parteien  an  das  preussische  Hofgericht  gebracht  werden 
sollten.  Nachdem  nun  die  neuen  Kläger,  vertreten  durch  ihren  Bevoll- 
mächtigten Matthias  Popiel,  und  die  Vorgeladenen,  vertreten  durch 
den  ihrigen,  MartinSwigczynski,  vor  dem  Relationsgerichte  erschienen, 
halten  sie  den  Termin  angefochten,  und  zwar  die  Vorgeladenen,  indem 
sie  die  Beweisführung  über  die  Gesetzmässigkeit  der  Befugniss,  das 
Decret  wider  den  Ungehorsam  zu  cassiren,  verlangt  hätten;  die  neuen 
Klager  aber,  indem  sie  für  die  Nichtigkeit  des  gedachten  Decretes  an- 
geführt  hätten,  dass  in  der  in  Rede  stehendeu  Sache  weder  ein  ordent- 
licher Prozess,  noch  ein  Decret  vorliege,  sondern  nur  ein  Rescript  oder 
eine  einfache  Verfügung,  auf  welche  sich  zu  berufen  nicht  statthaft 
sei.  Auch  hätten  sie  um  Cassirung  des  wider  den  Ungehorsam  erlangten 
Decrets  seiner  Ungiltigkeit  halber  und  um  Aufrechthaltung  der  könig- 
lichen Verordnung  in  Bezug  auf  das  Recht  gebeten.  Er,  der  König, 
bestimme  daher  nach  Anhörung  und  Erwägung  der  Streitsachen  der 
Parteien,  dass,  da  die  neuen  Kläger  selbst  den  Rechtsweg  verlassen 
und  sich  an  ein  incompetentes  Gericht  gewandt  hätten,  die  Parteien, 
unter  Aufhebung  der  Untersuchung  über  die  Gesetzmässigkeit  des  mehr- 
gedachten Decrets,  zur  Beschreitung  des  Rechtsweges  an  das  preussi- 
sche Hofgericht  zu  verweisen  seien,  jedoch  unbeschadet  der  vertrags- 
mässigen  Appellation  an  das  Relationsgericht.  Inzwischen  sollen  jedoch 
die  Handwerker,  die  alten  Brauer,  bei  dem  von  ihnen  vor  der 
neuen  bestrittenen  Ordnung  ausgeübten  Gebrauche  des  Brauens  erhalten 


558  Verzeichniss   der  die  Stadt  Rastetiburg  betreffenden  Urkundeo.  7! 

bleiben  bis  zur  endgiltigen  Entscheidung  der  Sache  vor  dem  königlichen 
Gerichte.  Indem  der  König  die  alten  Brauer  sowohl  für  ihre  Person, 
als  auch  für  ihr  Eigenthum  durch  Androhung  von  Strafen  in  diesem 
Decret  in  Schutz  nimmt,  überweist  er  zur  Ausführung  desselben  die 
vorliegende  Sache  nebst  den  Parteien  dem  identischen  Uofgeriehte  zu 
einem  sieben  Wochen  a  dato  anzusetzenden  Termin. 

Abschr.  (latein.)  R.  Hsb.  S.  89. 

178)  1637  d.  22.  April.  Kastenburg.  Der  Kath  der  Stadt  R. 
bestätigt  den  Hübuern1)  zu  R.  ihre  im  Jahre  1(536  aufgerichtet* 
Willkühr.     (S.  Anhang  I.) 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  101.  —  !)  Diejenigen  Bärger,  welche  sich  im  Besitze  des 
grössten  Theiles  der  Acker-  und  Waldhufen  des  bei  der  Stadt  gelegenen  ehe- 
maligen Borfes  befanden.  (Vergl.  Nr.  160). 

179)  1638  d.  17.  März.  Rastenburg,  in  der  Erzpriesterwidd^m. 
In  Gegenwart  des  Käthes  und  des  Erzpriesters  Priitorius  wird  von. 
der  neuen  Zunft  der  Mälzenbrauer  mit  den  Ge werken  folgender 
Vertrag  abgeschlossen.  Die  Ge  werke  sollen  bei  ihrem  althergebrach- 
ten Rechte,  alle  drei  uud  sechs  Wochen  von  ihren  ganzen  und  halben 
Häusern  zu  brauen,  erhalten  bleiben.  Der  neuen  Zunft  der  Mälzeu- 
bräuer  dagegen  wird,  abgesehen  von  der  ihnen  zustehenden  alther- 
gebrachten Braugerechtigkeit  und  unter  Voraussetzung  der  Zustimmung 
der  ganzen  Gemeinde  zugestanden,  dass,  nachdem  in  üblicher  Weise 
die  Rathsvenvandteu,  der  Richter  und  Stadtsehreiber  im  Herbst  die 
erste  Woche  gebraut  haben,  alsdann  in  der  nächsten  Woche  die  neue 
Zunft  den  Vorzug  haben  solle,  dass  diejenigen,  welche  zu  dieser 
Zeit  mit  den  Vorbereitungen  zum  Brauen  fertig  sind,  dann  zunächst 
vor  allen  Andern  brauen  dürfen.  Wenn  aber  von  ihnen  das  Brauen 
in  derselben  Woche  nicht  beendet  würde,  dürften  die  von  den 
Gewerken  neben  ihnen  brauen.  Sonst  aber  das  ganze  Jahr  hindurch 
sollen  Alle  langüblichem  Brauche  nach  ihre  Zeit  abwarten,  bis  nach 
drei  oder  sechs  Wochen  an  sie  die  Reihe  kommt.  Der  zwischen  beiden 
Parteien  schwebende  Prozess  (vergl.  Nr.  177)  soll  lallen  gelassen, 
die  entstandenen  Kosten  compensirt,  Rolle  und  Privilegium  der  neuen 
Zunft  cassirt  und  eine  neue  Willkühr  der  Regierung  zur  Bestätigung 


1 


Von  Carl  Beckherrn.  559 

vorgelegt  werden!  Auch  soll,  damit  Niemand  im  Brauen  behindert 
weiden  möchte,  auf  Kosten  der  Gemeinde  eiue  vierte  Pfanne  ange- 
schafft werden. ') 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  94.  —  ')  Eine  bedeutende  Ausgabe,  denn  allein  eine  ein- 
fache Reparatur  einer  Branpfanne  kostote  im  Jahre  1680  2GI  M.  10  Gr.  = 
ca.  522  M.  nach  jetzigem  Wertlie,  und  die  Anfertigung  eines  neuen  Bodens 
im  Jahre  1704  920  Gulden  =  ca.  3526  M.    (Schaffer.) 

180)  Zwischen  1638  und  1644  wird  von  Bürgermeister  und  Kath 
der  Stadt  R.  unter  Mitwirkung  des  Gerichts  und  der  Aelterleute  der 
Gewerke  die  Stadtwillkühr  aufgestellt.  [S.  Anhang  IL] 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  292. 

181)  1639  d.  15.  Nov.  Der  Eath  der  Stadt  R.  bestätigt  die 
Willkflhr  der  Böttcher  zu  R. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  263. 

182)  1642  d.  23.  Juui.  Derselbe  bestätigt  die  Rolle  der  Glaser  zu  R. 

Schaffer. 

183)  1644  d.  30.  Mai.  Albrecht  von  Kainein,  Hauptm.  zu  R., 
erlässt  eine  Verordnung,  wonach  kein  Freischlächter  in  die  Stadt  kommen 
darf.     (Vom  Kurfürsten  bestätigt  den  21.  Juni  1645.) 

Schaffer,  nach  dem  Origin. 

184)  1615  d.  21.  Juui.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  Wil- 
helm bewilligt  dem  jedesmaligen  Schützenkönige  der  Schützengilde 
zu  R.,1)  „damit  sie  zu  der  edlen  Büchsenschützenkunst  desto  mehr 
exstimuliret  werden  möge"  für  ein  Jahr  Freiheit  von  Metze,  Zeise  und 
Sehoss.  Trifft  die  Königschaft  Jemanden,  der  nur  eine  Bude  oder  gar 
kein  Grundeigentum  besitzt,  so  soll  derselbe  berechtigt  sein,  diese 
Vergünstigung  zu  seinem  Vortheil  auf  andere  zu  übertragen. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  75.  —  ')  Die  Schützengilde  soll  von  Winrich  von  Knip- 
rode  gestiftet  worden  sein.  Diese  Tradition  ist  zwar  nicht  verbürgt,  die 
Schützenkel te  liefert  aber  den  ziemlich  sichern  Beweis,  dass  diese  und  somit 
auch  die  Schützengilde  zur  Zeit  Winrichs  schon  bestanden  haben  muss.  An 
der  Kette  befindet  sich  nämlich  ein  Schild,  auf  welchem  ein  Schnabelschuh 
cingravirt  ist,  und  an  welchem  ausserdem  noch  ein  kleiuer  silberner  Schnabel- 
schuh mittels  einer  Oese  angehäugt  ist.  Beide  Schuhe  zeigen  eine  schmale 
nicht  besonders  lange  Spitze.  Dieie  Form  der  mittelalterlichen  Fussbekloidung 
war  bis  ins  14.  Jahrhundert  hinein  in  der  Mode;  im  Laufe  desselben  wurden 


560  Verzeichnis!  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

die  Spitzeu  übermässig  verlängert  und  nahmen  dann  im  15.  Jahrh.  die  Fona 
des  Entenschnabels  und  des  Bären  fussos  an.    Wie  noch  gegenwältig  kamen 
auch   damals   die  Moden   von  Westen   her  zu  uns  herüber,   zunächst  in  die 
grossen  Städte,  von  denen  aus  sie  sich  allmählich  übet  die  kleineren  verbreiteten; 
es   bedurfte   dazu  jedoch   eines   viel   längeren   Zeitraumes.      Die   Mitte  des 
14.  Jahrh.,  die  Zeit  Wiurichs,  kann  also  als  derjcuige  Zeitpunkt  angenommen 
werden,  in  welchem  in  Bastenburg  Schuhe  von  der  auf  dem  Schilde  daige- 
stellten  Form   getragen   wurden.    Da  das  Schild   keinen  Namen   tiägt,   darf 
man  annehmen,  dass  es  nicht  von  einer  einzelnen  Person,  sondern  von  einer 
Genossenschaft   gestiftet  worden  sei,    also  dem  Schuhmachergewerk.     Diebes 
wird  in  li.  schon  1300  urkundlich  erwähnt  und  erhält  1376  vom  Rath  seine 
Willkühr.    Ganz   sicher   beglaubigt   ist  das  Bestehen  der  Scbüizengilde  aber 
erst  im  Jahre  1488  durch  ein  zweites  Schild  mit  Wappen  und  der  Umschrift: 

»Uftto  •  gttf  •  c\p  •  riffußerg .  Mi  •  f  u  •  q»  •  gicifs  •  !«!!*•  Jilf  t  (tf  •  tri  -gniamflct- 

mccctfiiixmi' 

Ebenfalls  noch  aus  der  Ordenszeit  btammen  drei  andere  Schilder  sämmtlich 
mit  ein  und  demselben  Wappen  und  der  Umschrift: 

JACOP  BEiF  GNANNT  WALEB  DEVTZKE  ORDENSHER. 
ohne  Datum.    Jacob  Beii  genannt  Walter  (so  bei  Voigt)  war  von  14fcU — 1511 
Pfleger  zu  Lötzeu. 

185)  1645  im  Juli.  Die  Käthe  der  Städte  Schippenbeil,  Auger- 
burg'und  Drengfurt  confirmiren  die  Kolle  der  Glaser  zu  R. 

Schaffer. 

186)  1647  d.  8.  Febr.  Kastenburg.  Die  kurfürstl.  Conimissarien 
Heinrich  Erbtruchses  Freiherr  zu  Waldburg,  Friedrich  Wit- 
tich, Fabian  Kalau  und  Christoph  Kupner  heben  die  Zahlung 
des  Grundzinses  auf,  welcher  im  Jahre  1638  den  Besitzern  der  auf  der 
Freiheit  zu  R.  um  die  Kapelle  zum  heiligen  Kreuz1)  gelegenen 
Grundstücke,  wo  auch  die  alte  Ziegelscheune  gestanden  [des  sogenannten 
Schustergrundes]  auferlegt  worden;  nach  ihren  alten  Privilegien  [Nr.  44 
u.  51]  seien  sie  zur  Zahlung  des  Grundzinses  nicht  verpflichtet. 

Abschr.  Hsb.  322,  fol.  542.  —  ')  Vergl.  Nr.  llö.  Von  dieser  Kapelle,  welche 
anf  dem  von  Guber  und  Mühlenkaual  umflossenen  T heile  der  Freiheit,  östlich 
der  Strasse  gelegen  haben  muss  und  bald  nach  Einführung  der  Reformation 
eingegangen  zu  sein  scheint,  war  bisher  nichts  bekannt.  In  meinem  Anfeafee 
„Die  St.  Georgenkirche  zu  Kastenbuig"  in  der  Ältpr.  Monats^chr.  XX,  233  SL 
ist  daher  irrthümlich  auf  S.  244  der  alte  Kelch  mit  der  Inschrift  und  auf 
S,  266  die  Vicarie  zum  heil.  Kreuz  der  St.  Katharinenkirche   zugeschrieben 


Von  Carl  Beckherrn.  5g J 

* 

worden,  während  sie  nach  den  obigen  Urkunden  nur  der  Kapelle  zum  heil. 
Kreuz  angehört  haben  können. 

Lucanns  giebt  in  seinem  handschriftlichen  Werke  „Preußens  gegenwärtiger 
und  uralter  Zustand"  S.  578  an,  dass  ausser  der  St.  Katharinenkirche  noch 
eine  St.  Barbarakirche  in  der  Vorstadt  zu  ß.  gestanden  habe.  Da  dieser 
Kirche  aber  weder  in  Urkunden,  noch  bei  den  Chronisten  gedacht  wird,  sich 
auch  nicht  die  geringste  Spur  oder  irgend  eine  mündliche  Ueberlieferung  da- 
von erhalten  hat,  so  itfuss  diese  Angabe  auf  einer  Verwechselung  mit  der 
Kapelle  zum  heil.  Kreuze  beruhen. 

187)  1647  d.  23.  Juli.  Rastenburg.  Die  kurfürstlichen  Haus- 
haltungsvisitatoren  Heinrich  Erbtruchseß  Freiherr  zu  Waldburg, 
Friedrich  Wittich  und  Fabian  Kalau,  Kammerverwandte,  und 
Christoph  Kupner,  Amtsschreiber  zu  Neuhausen,  geben  in  einer 
Streitsache  zwischen  dem  Amte  und  der  Stadt  R.,  den  Oberteich  be- 
treffend, ihre  Entscheidung  dahin  ab,  dass  der  genannte  Teich  der  Stadt 
zugehöre.  Der  Teich  sei  vor  Zeiten  von  Herzog  Alb  recht  gegen  den 
Tauch  eise e  von  der  Stadt  eingetauscht  worden,  dieser  Tausch  aber 
spater  von  Herzog  Albrecht  rückgängig  gemacht,  wie  aus  der  Ver- 
handlung vom  23.  August  1557  hervorgehe.  Der  Umstand,  dass  die 
Hauptleute  zuweilen  mit  Bewilligung  der  Stadt  in  dem  Teiche  gefischt 
hätten,  könne  das  Eigentumsrecht  des  Amtes  nicht  begründen. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  51. 

188)  1649  d.  16.  Juni.  Rastenburg.  Harn pus,  Bürgermeister 
zu  R.,  Interpret irt  mit  Beirath  einiger  Rathsherren  den  Vertrag  der 
neuen  Mälzenbräuerzunft  mit  der  alten  Zunft  der  Gewerke 
d.  d.  17.  März  1638  [Nr.  179]  und  legt  die  inzwischen  wieder  zwischen 
beiden  Parteien  entstandenen  Streitigkeiten  bei.  Nach  der  neuen  Aus- 
legung dos  Wortlautes  des  Contracts  sollen  als  Mitglieder  der  neuen 
Zunft  nur  diejenigen  Bürger  gelten,  welche  mit  den  Handwerkern  ehe- 
mals den  Prozess  wegen  des  Brauwerks  geführt  haben,  nicht  aber  die, 
welche  später  in  die  Zunft  aufgenommen  worden  sind.  Danach  werden 
als  wirkliche  Mitglieder  namentlich  aufgeführt:  Jacob  Köper,  Chri- 
stoph Spiller,  Frau  Schöppmann  Cerbach  und  Simon  Lange.  Zu 
diesen  sollen  noch  folgende  Mitglieder  des  Rathes,  welche  als  solche 
gegenwärtig  einen  Vorzug  beim  Brauen  geniessen,  treten,  wenn  sie  aus 


562  Verzeichnis»  der  die  ßtadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

ihrem  Amte  ausscheiden,  Dämlich:  Johann  Reich,  Thomas  Hauen- 
stein, Johann  flintz  und  Thomas  Dietloff.  Die  Wittwen  der  ge- 
nannten Zunftgenossen  sollen  so  lange,  bis  sie  sich  wieder  verloben 
oder  verheirathen,  des  Prärogativs  ihrer  verstorbenen  Ehemänner  tlieil- 
haftig  bleiben,  alle  andern  Erben  aber  davon  ausgeschlossen  sein.  Diese 
Auslegung  des  Contracts  wird  von  beiden  Parteien  aeeeptirt  (Dieser 
neue  Vertrag  ist  uuter  dem  5.  Nov.  1653  vom  Amtshauptmann  zu  B. 
Albrecht  von  Kainein  vidimirt.) 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  96.  —  (Noch  zu  vergl.  Nr.  216,  218,  219,  223.) 

189)  1649  d.  30.  Sept.  Rasten  bürg.  Der  Rath  der  Stadt  B. 
beurkundet,  dass  Albrecht  Ernst  von  und  zum  Egloffstein  von 
der  Linie  Bärenfels,  Erbherr  auf  Warnikaym,  Gudnicken  zc.  dem 
armen  Hospital  zu  B.  ein  Kapital  von  500  Gulden  poln.  legirt  hat,  von 
dessen  Zinsen  die  Hospitaliten  jährlich  am  Johannistage  festlich  gespeist 
werden  sollen.    Der  Bath  wird  als  Curatorium  der  Stiftung  eingesetzt. 

Abschr.  ß.  Hsb.  S.  84. 

190)  1650  d.  16.  Juli.  Friedrich  Wilhelm,  Markgraf  zu  Bran- 
denburg, ertheilt  dem  Andres  Henffner  zu  Wilkendorf  ein  Krug- 
privilegium.  Darin  wird  Bezug  genommen  auf  einen  Bericht  des  Haupt- 
manns zu  Bastenburg  Albrecht  von  Kainein. 

Origin.  in  Privatbesitz  zu  Wilkendorf. 

191)  1650  d.  28.  Nov.  Königsberg.  Die  kurfürstliche  Regierung 
ertheilt  dem  Schuh-  und  Pantoffelmachergewerk  zu  E.  ein  Pri- 
vilegium. Darin  wird  einer  im  Besitze  des  Gewerks  befindlichen  Loh- 
mühle gedacht;  auch  werden  Vorschriften  über  dasStosseu  der  Gerber- 
lohe gegeben.1) 

Origin.  im  Staatsar  eh.  zu  Königsb.  —    f)  Die   Schuhmacher  haben   also  ia 
dieser  Zeit  das  Leder  noch  selbst  zubereitet. 

192)  1665  d.  29.  Mai.  Cöln  a.  d.  Spree.  Kurfürst  Friedrich 
Wilhelm  befiehlt  dem  Hauptm.  zuB.  Georg  Wilhelm  von  Kreytzen. 
dass  das  den  Burgern  Bastenburgs  ertheilte  Privilegium,  die  Befreiung 
des  Schützenkönigs  von  der  Accise  betreffend  [Nr.  184]  aufrecht  erhalten 
werde.  Es  seieu  mehrfach  Klagen  an  ihn  gelangt,  dass  die  Schützen- 
könige die  Stadtaccise  entrichten  müssten. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  77. 


Von  Carl  Beckherrn.  563 

193)  1667  d.  28.  Nov.  Königsberg.  Die  kurfürstliche  Regierung 
bestätigt  die  Entscheidungen  der  von  ihr  eingesetzten  Commissiön  zur 
Untersuchung  uud  Beilegung  verschiedener  zwischen  Bürgermeister  und 
Ruth  der  Stadt  K.  einerseits  und  Gericht  und  Gemeinde  andererseits 
obwaltenden  Streitigkeiten  und  der  von  beiden  Parteien  geführten  Be- 
schwerden. Mitglieder  der  Commissiön  sind  Georg  Wilhelm  von 
Kreytzen,  Andreas  Bernhard  von  Königseck,  Georg  Döppner, 
Daniel  von  Tettau,  Batholomäus  ßehm  und  Johann  Dietrich 
Kühne  mann.  Diese  ermahnen  im  Namen  des  Kurfürsten  den  ßath, 
(Ins  Gericht  und  alle  Beamte,  ihr  Amt  mit  Unparteilichkeit  zu  ver- 
walten, jeden  Rechtsuchenden  geduldig  zu  hören  und  ihre  Entscheidungen 
nach  des  Landes  Recht  und  Gewohnheiten  und  den  abgeschlossenen 
Verträgen  abzugeben.  Der  Gemeinde  in  allen  ihren  Zünften  wird  ernstlich 
anbefohlen,  die  Obrigkeit  zu  respectiren,  zu  den  Berathungen  und  amt- 
lichen Verhandlungen  pünktlich  zu  erscheinen  und  ihre  Anliegen  der 
vorgesetzten  Behörde  zu  rechter  Zeit  und  an  rechtem  Orte  vorzutragen. 
Den  Zuwiderhandelnden  wird  eine  fiskalische  Strafe  von  100  Gulden  ingar. 
angedroht.  Auf  die  einzelnen  Beschwerdepunkte  und  Streitobjecte  ein- 
gehend, entscheidet  die  Commissiön  dann  folgendermassen. 

Den  Festsetzungen  der  Transaction  d.  d.  18.  Sept.  1665  zwischen 
Rath,  Gericht  und  Gemeinde,  das  Stadt-  und  Holzwesen  betreffend,  soll 
genau  nachgelebt  werden.  Der  Bürgermeister  und  die  betreffenden 
Beamten  werden  angewiesen,  sich  beim  Austluilen  der  Holzzettel  jeder 
Parteilichkeit  zu  enthalten.  Durch  Nachlässigkeit  in  der  Verwaltung 
oder  Eigenmächtigkeit  entstandener  Schaden  soll  der  Stadt  von  den  be- 
treffenden Beamten  ersetzt  werden.  Der  Bath  soll  kein  Geraeinde- 
eigenthum  verpfänden  oder  gar  verkaufen.1)  Rector  und  Schulcollegen 
dürfen  nur  mit  Einwilligung  der  Gemeinde  vocirt  werden.  Diejenigen, 
welche  ihren  Amts-  oder  Bürgereid  noch  nicht  geleistet  haben,  sollen 
dazu  angehalten  werden,  desgleichen  zur  Beibringung  der  Geburtsbriefe. 
Der  Rath  hat  bei  der  Wahl  eines  Bürgermeisters  nur  ein  Votum.  Die 
Privilegien  der  Stadt  sind  den  Bürgern  alljährlich  vorzulesen.  Die 
städtischen  Gebäude  und  die  Stadtbefestigung  soll  Bürgermeister  und 
Rath  in  gutem  Zustande  erhalten,  auch  über  die  der  Stadt  zugehörenden 


564  Verreichniss  der  die  Stadt  Raatenburg  betreffenden  Urkunden. 

Waffen,  Feuerlöschgeräthe  je.  ein  richtiges  Inventarium  führen.  DU 
Vertretung  des  Richters,  wenn  dieser  verreist,  hat  nach  dem  im  gauzt-L 
Lande  üblichen  Gebrauche  stattzufinden.  Der  Sehöppenmeister  soll  dir 
Gewerke  und  Zünfte  nicht  seinem  Gutdünken  nach  zu  heimlichen  Be- 
ralhungen  an  ungewöhnlichen  Orteu  zusammenberufeu;  etwaige  Be- 
schwerden sind  an  gehörigem  Orte  und  zu  gebührlicher  Zeit  vor  den 
Eath  zu  bringen.  Personen,  welche  sich  dem  Rath  gegenüber  bei  dessen 
amtlichen  Verrichtungen  ungebührlich  betragen,  sollen  bestraft  werden. 
Das  Verlangen  der  Gemeinde,  bei  wichtigen  Angelegenheiten  um  ihn- 
Meinung  befragt  zu  werden,  ist  berechtigt  und  dieser  Beschwerdepunkt 
durch  das  Versprechen  des  Käthes,  in  Zukunft  danach  zu  handeln,  er- 
ledigt. Die  Abhörung  der  Rechnungen  hat  nach  den  von  der  kürfürst- 
lichen Regierung  erlassenen  Bestimmungen  vom  25.  Sept.  1652  statt- 
zufinden. Alle  Ausgaben  sind  mit  Belägen  zu  versehen,  bei  der  za 
Kriegszeiten  oft  unvermeidlichen  Unordnung  soll  jedoch  billigendem 
davon  abgesehen  werden.  Die  Pupillenherren  haben  die  Vormünder 
der  Waisen  zur  Rechnunglegung  anzuhalten. 

Von  Personennamen  kommen  in  den  Schriftstücken  noch  folgeudt 
vor:  Georg  Heiligendörfer,  Bürgermeister  zu  R.,  Christian  Hani- 
pus,  dessen  Kompan,  Kaspar  Friedrich  Tiell,  Martinas  VogeL 
Johann  Reich,  Georg  Ohl,  Simon  Pohl,  Rathmänner;  Äeltermaun 
des  Tuchmachergewerks  Lorenz  Hampus,  des  Schuhmach erge werk? 
Bartel  Sittau,  des  Schneidergewerks  Michael  Görcke,  des  Bäcker- 
gewerks Heinrich  Schultz,  des  Schmiedegewerks  Hans  Freuden- 
thal,  des  Kürschnergewerks  Johann  Aw,  des  Fleischergewerks  Mi- 
chael Werner;  Christoph  Schmitt,  Gartenherr;  Georg  Speer, 
Heinrich  Gottschalk,  Mathes  Schwieder,  Hans  Albrecht  Bür- 
ger, Bürger  zu  R.;  Westphal,  Rector;  Wilmsdorff,  Oberstlieutenant 
und  Kommandant  [ca.  1656J. 

Abschr.  K.  Hsb.  S.  121.  —  Sitzungsberichte  der  Prussia  1882/83  S.  11  i.  - 
')  Der  Rath  wird  von  der  Bürgerschaft  beschuldigt,  die  Stadtdörfer  Prangen^ 
und  Bürgersdorf,  die  Görlitz,  die  Stadthufen  und  ein  Malzhaus  ohne  Vor- 
wissen  der  Gemeinde  verpfändet  zu  haben. 

194)  1669  d.  20.Febr.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  Wil- 
helm ertheilt  den  beiden  Apothekern  zu  R.  Heinrich  Balthasar 


Von  Carl  Beckherrn.  565 

Billich  und  Reinhold  Sahme  auf  deren  Beschwerde,  dass  zum  Nach- 
theil ihrer  Officinen  auch  von  audern  Leuten  Medicamente  zubereitet 
und  verkauft  würden,  ein  Privilegium,  wonach  neben  den  beiden  Apo- 
thekern und  den  bereits  vorhandenen  Gewürzkrämern1)  keine  neuen 
zugelassen  werden  sollen.  Die  Kegierung,  so  wie  auch  Bürgermeister 
und  Rath  werden  angewiesen,  die  Apotheker  in  ihrem  Privilegium  zu 
schützen,   dagegen  dieselben  aber  auch  anzuhalten,  dass  sie  gute  und 

nicht  zu  theure  Waaren  liefern. 

Origin.  im  Besitz  des  Apothekers  Patsch.  —  %)  1704  d.  9.  Januar  ergeht  ein 
königl.  Rescript,  dass  die  zwei  Gewurzkrämer  zu  R.  jährlich  12  M.  an  die 
Rentkammer  zahlen  sollen.    (Schaffer.) 

195)  1669  d.  13.  März.  Königsberg.  Derselbe  bestätigt  die  Rolle 
des  Schneidergewerks  zu  R.  Das  Gewerk  soll  nur  aus  12  Meistern 
bestehen,  „weiln  bey  ietzigen  noch  wehrenden  kümmerlichen  Zeiten  die 
Leuthe  und  Einwohner  sehr  untergekommen,  dahero  sie  fast  wenig  zu 
ihrer  Bekleidung  können  arbeiten  lassen". 

Origin.  im  Staatsarchiv  zu  Königsberg. 

196)  1669  d.  24.  Aug.  Königsberg.  Derselbe  bestätigt  die  Pri- 
vilegien der  Stadt  Lötzen.  Der  dortige  Magistrat  soll  in  zweifelhaften 
Fällen  Urtheil  und  Recht  aus  Kasten  bürg  holen. 

v.  Werner,  gesammelte  Nachrichten  S.  94. 

197)  1674  d.  8.  Januar.  Königsberg.  Die  kurfurstl.  Kegierung 
weist  auf  den  Bericht  des  Amtshauptmanns,  dass  die  Stadt  R.  nur  733 
zur  Contribution  heranzuziehende  „Hunderte" ')  habe,  den  Kriegscommissar 
Peter  Kalau  an,  bis  auf  spätere  Revision  davon  noch  den  dritten 
Theil  vorläufig  abzusetzen.  Für  das  von  der  Stadt  in  den  verflossenen 
Monaten  zuviel  Gezahlte  sollen  ihr  an  dem  schuldigen  Quantum  monatlich 
100  Gulden  weniger  angerechnet  werden. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  56.  —  ')  Die  ausserordentlichen  Abgaben  (der  Schoss) 
wurden  nach  Hufen  und  Hunderten  veranlagt,  wobei  jede  hundert  Mark  Ver- 
mögen in  städtischem  Grundbesitz  einer  Feldhufe  gleichgeschätzt  wurden.  Seit 
alter  Zeit  her  hatte  die  Stadt  den  Scboss  von  1067  Hufen  und  Hunderten, 
später  von  746  zu  zahlen  gehabt  (vergl.  Nr.  206);  im  Jahre  1657  war  es  je- 
doch dem  damaligen  Bürgermeister  Heiligen dörfer  gelungen,  eine  Herab- 
setzung auf  600  zu  bewirken.  Er  war,  wie  Schaffer  berichtet,  zweimal 
nach  Königsberg  gereist  und  hatte  dort  den  einflussreichen  Generalmajor 
Grafen  von  Waldeck  für  diese  Angelegenheit  der  Stadt  zu  interessiren 


566  Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenbnrg  betreffenden  Urkunden. 

gewusst,  indem  er  ihm  in  deren  Namen  3  Last  Hafer  im  Werthe  ton  315  M. 
(630  M.  heute)  verehrte.  Die  nach  dem  obigen  Schriftstücke  inzwischen  wi*!*: 
eingetretene  Erhöhung  wird  in  einer  Besserung  der  Besitz-  und  Yerntögeaa- 
verhältnisse  der  Bürger  der  Stadt  ihren  Grund  haben,  auf  welche  unter  andern 
der  Umstand  hindeutet,  dass  zu  dieser  Zeit  eine  kostspielige  Wasserkunst  zun 
grössten  Theile  aus  Beisteuern  der  Bürger  errichtet  wurde,  uud  dass  fenu-r 
im  Jahre  1670  die  Regierung  auch  den  Grundzins  um  15  M.  erhöht  hatte. 
Die  städtischen  Finanzen  befanden  sich  allerdings  in  einem  Zustande  bederA- 
lieber  Zerrüttung.  —  Das  R.  Hsh.  S.  52  weist  die  733  Hunderte  nach  wie  fol^t; 
197  Hunderte  von  ganzen  Häusern  \ 

234         „         „    halben        „  I  bewohnt,  unbewohnt 

49 y4      „  „    Buden  in  der  Stadt  I       und  ganz  wüst. 

47V,      „         „        „       „    „    Vorstadt*)    ) 
6  „  „3  Malzhäusern 

48  Feldhufen  bei  der  Stadt**) 


32 

n 

zu  Prangcnau 

32 

n 

„    Bürgersdorf***) 

45 

n 

„    Görlitz 

62A 

n 

„   Galbunen 

12 

n 

„   Grießlack           \ 

9 

$t 

„    Weischnuren       1 

6 

ff 

„   Eatkeim             \ 

dem  Hospital  gehörig  f) 

6 

f» 

„   Galbunen           \ 

3 

„          „   Mulack               / 
[underte  und  Hufen. 

733  '/,  F 

Die  gesammten 

in  i 

städtischem  Besitz  befindlichen  Lände reien  incl.  Hospital- 

hufen  umfassten 

ca. 

294  Hufen. 

*)  Hierunter  2  Hunderte  vom  Hospital. 
**)  Das  ehemalige  Bauerndorf. 

***)  Es  ist  auffallend  und  nicht  zu  erklären,  dass  bei  diesem  und  einigen  dir 

andern  Dörfer   der  Wald   nicht  in  Anrechnung   gebracht,   was   doch  bei 

Görlitz  der  Fall  ist,  desgleichen,  dass  hier  uud  bei  Prangenau   1  Buk 

weniger  als  der  wirkliche  Bestand  angegeben  ist. 

t)  Die  Hospitalrechnung  von  1617  führt  die  Ländercien  folgendermassen  au:' 

10  Hufen  zu  Grießlack  (excl.  Wald,  welcher  damals  also  noch 

5  Hufen  umfasst  haben  muss) 
4      „       „    Gudnick 
9ya  „       n  Weischnuren 
6      „       „   Eatkeim 
4fA  n       n  Reimsdorf 
6      ,,       „   Neuendorf 
2      n      n  Jerusalem  (Wolka). 


Von  Carl  Beckherrn.  5g7 

198)  1679  d.  10.  Sept.  Quartschen.  Kurfürst  Friedrich  Wil- 
helm bestätigt  den  zwischen  dem  Hauptmann  zu  B.  Wilhelm  von 
Kreytzen  und  dem  Kupferschmied  Jacob  Oertel  zu  B.  im  Jahre 
1667  abgeschlossenen  Contract  über  Anlegung  eines  Kupferhammers 
bei  der  Neuen  Mühle.  Oertel  erhält  danach  freies  Bauholz  und  zahlt 
jährlich  45  M.  Zins. 

Abseht.  Hsb.  327,  fol.  45. 

199)  1683  d.  23.  Mai.  Lötzen.  Das  Amt  zu  Lötzen  untersagt  auf 
die  Beschwerde  des  Eichters  zu  E.  Georg  Helwing  den  Dorfschaften 
Groß-  und  Klein-Stürlack,  Bogatzen  und  Kronau  die  Fischerei 
mit  Kieppen  auf  dem  Deiguhnsee,  da  diese  Art  der  Fischerei  ihnen 
nach  ihren  Verschreibungen ')  nicht  zustehe.  Der  Woitek  Kosack  zu 
Grzibowen  sei  durch  den  Eichter  Helwing  angewiesen  worden,  die 
Uebertreter  zur  Anzeige  zu  bringen.  Diesen  würde  eine  Strafe  von 
50  Gulden  auferlegt  werden. 

Abschr.  B.  Hsb.  S.  230.   —    ')  Groß  Sturlack  1387,   El.  Stürlack  1407,  Bo- 
gatzko  1545,  Kronau  1477,  Grzibowen  1440. 

200)  1696  d.  6.  Juni.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  III.  be- 
stätigt die  Willkühr  der  Müller  zu  B.  vom  Jahre  1553  und  1627. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  235. 

201)  1696  d.  4.  Aug.  Bastenburg.  Christoph  Alexander 
von  Bauschke,  Hauptm.  zu  ß.,  bestätigt  einen  Kaufcontract  zwischen 
Augustin  Wannovius  und  dem  kurfürstl.  Kornschreiber  Christian 
Biedel  zu  B.  über  einen  auf  der  Freiheit  beim  kurfürstl.  Malzhause 
gelegenen  Baumgarten. 

Abschr.  Hsb.  327. 

202)  1696  d.  8.  Sept.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  III. 
befiehlt  dem  Hauptm.  zu  B.  zu  verhindern,  dass  von  einigen  Bürgern, 
welche  auf  der  Freiheit  Malzhäuser  gemiethet  haben,   zum  Nachtheil 


Ein  im  Staatsarchiv  befindliches  Verzeichniss  vom  Jahre  1620  hat  dagegen: 

12  Hufen  Acker,  3  Hafen  Wald  zu  G rieslack. 
4      „      zu  Gudnicken 
91/«  »       »   Weischnnren 
6      „       „   Eatkeim 
4'A  „       „   Reimsdorf 
2      „      auf  der  Wolle  (Wolka). 


568  Verzeichnis»  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden* 

der  andern  das  Getreide  aufgekauft  werde,  bevor  es  auf  den  Markt  oder 
auf  den  Platz  vor  dem  Königsberger  Thore  gebracht  worden. 

Abschr.  K.  Hsb.  S.  69. 

2C3)  1697  d.  15.  Oct.  Cöln  a.  d.  Spree.  Derselbe  eröffnet  der 
preussischen  Regierung,  dass  der  Magistrat  der  Stadt  R.  den  von  ihm 
gegen  die  Regierung  geführten  Prozess  wegen  der  Jagdgerechtigkeit 
fallen  gelassen,  dagegen  aber  gebeten  habe,  der  Stadt  die  Erlaubnis? 
zum  Schiessen  von  Hasen  und  Enten  auf  den  Stadtfeldern  zu  ertheileu, 
damit  sie  dann  leichter  die  fremden  Jäger  zurückhalten  und  sich  der 
Wölfe  erwehren  könne.  Diese  Bitte  könne  jedoch  nicht  gewahrt  werden. 
Die  Regierung  habe  daher  dem  Magistrat  zu  eröffnen,  dass  die  Stadt 
sich  wie  alle  andern  Städte,  denen  das  Jagdrecht  nicht  ausdrücklich 
verliehen,  zu  verhalten  und  der  Büchsen  sich  nicht  anders  zu  bedu-oea 
habe,  als  auf  Reisen  oder  beim  Scheibensohiessen. ')  Fremde  Per- 
sonen, welche  auf  den  Ländereien  der  Stadt  jagen,  hetzen  oder  schiessen 
und  Aecker  und  Wiesen  beschädigen  würden,  solle  die  Stadt  dem 
Oberforstmeister  anzeigen,  damit  solche  bestraft  werden  könnten.  Luder- 
stellen sollen  auf  dem  Gebiete  der  Stadt  künftig  nicht  mehr  angelegt 
werden,2)  wenn  der  Magistrat  es  nicht  besonders  verlangte.  Dieser 
sei  übrigens  im  Irrthum,  wenn  er  glaube,  dass  die  Wölfe  durch  die 
Luderstellen  aus  der  Feine  herbeigelockt  würden,  da  man  ja  nur  an 
solchen  Orten  dergleichen  anlegte,  an  denen  sich  schon  Wölfe  in  grosser 
Anzahl  vorfänden.  Das  Gesuch  des  Magistrats  das  Schiessen  der  Wolfe 
zu  gestatten,  müsse  ebenfalls  abgelehnt  werden. 

Abschr.  K.  Hsb.  S.  73.  —  l)  Vergl.  Nr.  156.  Schon  1583  hatte  Georg 
Friedrich  die  Jagd  bei  100  Ducaten  Strafe  verboten.  (Schaffer.)  —  2)  Solches 
war  vom  kurfurstl.  Forsthanse  Thurwangen  aus  bei  Bürgersdorf  geschehen. 

204)  1698  [oder  einige  Jahre  vorher].  Das  Stadtdorf  Bürger sdorf 
„hat  nunmehr  Christian  Biedel,  Churfürstl. Kornschreiber  allhier,  durch 
ausgeführtes  Recht  wegen  gewisser  Schuldforderung  an  sich  gebracht". ') 

Amtsrechnung  pro  1698/99.  —  !)  Dieses  Dorf  war  inzwischen,  im  Jahre  1>53, 
verpachtet  gewesen,  und  zwar  auf  6  Jahre  an  den  Stadtkämmerer  Hauen- 
stein  und  den  Rathsherrn  Georg  H eiligen dörfer,  das  erste  Jahr  för 
450  M.,  hernach  für  600  M.  (Schaffer.)  1675  hatte  es  Georg  Ohl  gepach- 
tet.   (Weiteres  über  Börgersdorf  unter  Nr.  222). 


/ 


Von  Carl  Reckberm.  569 

205)  1698  d.  18.  März.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  III. 
befiehlt  dem  Hauptm.  zu  Tapiau1),  die  unbefugte  Salzhökerei  auf  der 
Freiheit  zu  ß.  zu  unterdrücken. 

Abschr.  lt.  Hsb.  S.  70.  —  *)  Die  Hauptmannsstelle  zu  R.  war  vacant. 

206)  1698»  „Bericht  der  kurfürstl.  Kegierung  wie  die  Städte  des 
Herzogthums  Preussen  ehemals  in  Hunderten  bestanden,  worauf  sie  in 
den  Jahren  1673  und  1674  gesetzt  und  wie  sie  bei  der  neuen  Revi- 
sion 1698  veranschlagt  worden  sind."  Danach  lautet  für  Rastenburg 
der  alte  Anschlag  auf  1067,  der  von  1674  auf  733  und  der  neueste 
auf  486 1/4  Hunderte.')   [S.  Anhang  III.] 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  53.  —  Schaffe r  berichtet,  dass  bald  nach  der  Veranlagung 
von  1674  (s.  Nr.  197)  der  Bürgermeister  Rhode  im  Jahio  1675  nach  Königs- 
berg geieist  sei,  um  eine  abermalige  Heruntersetzung  für  die  Stadt  zu  be- 
wirken, und  ferner,  dass  1692  die  Stadt  um  ein  Freijahr  nachgesucht  und  ihre 
Passivschulden  auf  10000  Thlr.  angegeben  habe.  Darauf  sei  eine  Commissiou 
in  R.  erschienen  und  habe  bereits  am  23.  Oct.  1692  die  oben  angegebene  Re- 
duetion  herbeigeführt;.  —  Die  auffallende  Differenz  zwischen  dem  alten  An- 
schlage und  dem  von  1678/74  scheint  nicht  allein  durch  Verschlechterung  der 
Besitz-  und  Vermögens  Verhältnisse  der  Stadt  herbeigeführt  zu  sein;  in  einer 
Notiz  im  R.  Hsb.  wird  sie  vielmehr  so  erklärt,  dass  in  früherer  Zeit  «He 
Bürger  ihr  Ansehen  und  ihren  Credit  dadurch  zu  heben  suchten,  dass  sie, 
um  ihr  Besitzthum  möglichst  gross  uud  werth?oll  erscheinen  zu  lassen,  bei 
der  Veranlagung  alle  schlechten  Plätze  und  nicht  eultivirbaren  Grundstücke 
angegeben  hätten.  Der  Unterschied  zwischen  den  beiden  letzten  Anschlägen 
beruht  zum  Theil  darauf,  dass  bei  dem  von  1698  die  Hospitalländereien,  von 
denen  die  Stadt  keinen  unmittelbaren  Gewinn  hatte,  nicht  in  Anrechnung  ge- 
bracht worden  sind.  Die  Besitzungen  des  Hospitals  bestehen  zu  dieser  Zeit 
nach  der  Amtsrechnung  pro  1698/99  aus 

12    Hufen  Acker,  3  Hufen  Wald  zu  G rieslack,*) 

9y2     „  „  4       „         „     zu  Weischnuren, 

3         „  „  zu  Mulack, 

6         „  „  „   Katkeim, 

6        „  „  „   Wolka  (Vorwerk,  ist  verpachtet). 

Die  6  Hufen,  welche  das  Hospital  früher  bei  Galbunen  beaass,  sind  jetzt  an 
zwei  Fieio  verkauft.  —  !)  Die  in  städtischem  Besitz  befindlichen  Ländereien 
incl.  Hospitalhufen  betrag eu  ca.  23S  Hufen. 


*)  Die  12  Ackerhufen  bei  G rieslack  sind  laut  Vertrag  vom  20.  Nov.  1784  zu 
je  2  Hufen  an  6  Besitzer  vererbpachtet,  die  3  Waldhufen  jedoch  im  Be- 
sitz des  Hospitals  verblieben.    (Schmidt,  Angerburg.  Kreis  S.  90.) 

AJtpr.  MoMUscbrift  Bd.  XXII.  Hft.  7  u.  8.  37 


570  Verzeichniss  der  die  Stadt  Bastenburg  betreffenden  Urkunden. 

207)  1699  d.  15.  Sept.  Königsberg.  Kurfürst  Friedrich  III. 
ertheilt  dem  Gericht  zu  ß.,  welches  auf  eine  Ermahnung  des  Amts- 
hauptmanns, in  einer  Crimiualsache  schleuniger  zu  verfahren,  mit  einem 
Protest  und  Appellation  geantwortet  hatte,  einen  strengen  Verweis. 

Abschr.  Hsb.  327,  fol.  243. 

208)  1699  d.  16.  Sept.  Königsberg.  Derselbe  ertheilt  dem 
Bürgermeister  zu  R.  Heinrich  Balthasar  Billich  einen  Verweis 
wegen  Verletzung  der  Autorität  des  Amtshauptmanns  und  weil  er  einen 
Rangstreit  mit  dem  Amtsschreiber,  anstatt  an  die  Regierung,  an  das 
Gericht  gebracht  hatte. 

Abschr.  Hsb.  327,  fol.  243. 

209)  1700  d.  8.  Mai.  Lötzen.  De;-  Hauptm.  zu  Lötzen  A.  von 
Lesgewang  untersagt  den  Dörfern,  welche  nicht  berechtigt  sind,  auf 
dem  Deiguhnsee  zu  fischen,  die  Ausübung  der  freien  Fischerei  auf 
demselben.  Wollten  sie  die  Sommerfischerei  ausüben,  so  hätten  sie  sich 
vorher  bei  der  Frau  Landrichter  Ebert  zu  melden.1) 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  230.    —    %)  Diese  hatte  die  Fischerei  von  der  Stadt  E. 
gepachtet. 

210)  1700  d.  19.  Aug.  Rhein.  Die  Erben  des  ehemaligen  Amts- 
schreibers zu  Rhein  Philipp  Sande n  cediren  dem  Stadtkämmerer 
Melchior  Hippel  ihre  Forderung  an  die  Stadt  R.  im  Betrage  von 
8000  M.1)  Zeuge:  Andreas  Wilhelm  Ovander,  Schöppenmeister  zufi. 

Abschr.  Hsb.  327,  fol.  268.  —  ')  Schaffer  giebt  an,  dass  die  Forderung  ur- 
sprünglich 9000  M.  betragen  nnd  Hippel  dieselbe  nachträglich  noch  im  Inte- 
resse der  Stadt  auf  $650  M.  heruntergebracht  habe.  Schon  vorher  war  es 
diesem  gelungen,  eine  Schuldverschreibung  der  Stadt  an  den  Kapitän  Kegler 
vom  Jahre  1G55  über  500  Guld.  und  eine  solche  von  1657  über  1000  Gold, 
für  welche  zusammen  von  Kegler  (wahrscheinlich  doch  wegen  rückständiger 
Zinsen)  6393  M.  verlangt  wurden,  für  die  Stadt  für  1500  Guld.  einzulösen. 
Auch  in  verschiedenen  andern  Beziehungen  hat  Melchior  Hippel  jun.  während 
seiner  mehrjährigen  Amtsverwaltung  als  Stadtkämmerer  und  später  als  Bürger- 
meister sich  um  das  Wohl  der  Stadt  sehr  verdient  gemacht,  sogar  unter  Dar- 
bringung peeuniärer  Opfer.  Nr.  211  lässt  ersehen,  dass  seine  Umsicht  nnd 
Gewandtheit  auch  seitens  des  Königs  anerkannt  wurde.  Da  noch  einige  andere 
Mitglieder  der  Familie  Hippel  nicht  nur  in  der  Geschichte  der  Stadt  ein« 
Bolle  gespielt,  sondern  auch  in  weiteren  Kreisen  sich  einen  Namen  gemacht 


Von  Carl  ßeckberrn.  571 

haben,  so  dürften  nachstehende  genealogische  Notizen  über  dieselbe  bier  am 
Platze  sein. 

Melchior  Hippel,  Bathsherr  und  Schöppe  zu  B.,  geb.  1625,  t  1677.  Verm.  m. 

Barbara  Hampus,  geb.  1G28,  f  1697.    Kinder: 

1)  Melchior,    Stadtkämmerer,   später  Bürgermeister  zu  B.f   geb.  1657, 

t  1729.    Verm.  m. 
Elisabeth  Bolandt,  geb.  1665,  t  1736.    Kinder: 

1.  Katharina  Elisabeth,  geb.  1682,  f  1684. 

2.  Christina,  geb.  1684,  t  1710  in  Welau  an  der  Pest.    Verm.  m. 

N.  N.  Bernhardi. 

3.  Melchior,  geb.  1686,  t  1689. 

4.  Maria,  geb.  1688,  t  1689. 

5.  Christoph,  Kaufm.  in  Breslau,  geb.  1690,  f  1735.  (Legirt  der 
Stadt  Kastenburg  1000  Thlr.  Sein  Portrait  im  Sitzungssaale  des 
Bathhauses.) 

6.  Melchior,  geb.  1692,  f  1704. 

7.  Katharina  Elisabeth,  geb.  1695,  lebt  noch  1735.    Verm.  mit 

N.  N.  Czerwinski  in  Königsberg. 

8.  Georg,  geb.  1697,  t  1699. 

9.  Gottlieb,  geb.  1700. 

10.  Barbara  Loysa,  geb.  1701,  t  1726. 

11.  Christian,  Kaufm.  in  B.,  geb.  1703,  lebt  noch  1736.  (Eine  ihn 
botreffende  Anekdote  erzählt  Pisanski  in  N.  Preiiss.  Proviuz.- 
Bl.  VIII,  41.)  Verm.  m. 

Elisabeth  von  Seeren  (Sehren),  Tochter  des  Kaufm.  v.  S.  in 
Königsberg. 

12.  Friedrich,  geb.  1705,  t  1708. 

13.  Maria  Johanna,  geb.  1707,  f  1727. 

2)  Gottlieb,  Kaufm.  in  Königsberg.     Kind: 

1.  Melchior,  1735  Bector  in  Gerdauen.    Verm.  m. 

Eleonore  Thimm,  Tocht.  d.  Kantors  Tb.  in  Bartenstein.  Kinder: 
1:  Gotthard  Friedrich,  Kaplan  in  Gerdauen.    Kind: 

1)  Gott  lieb  Theodor,  Begierungspräsident  in  Brom- 
berg, f  1843.  (Verfasser  des  Aufrufs  zum  Befreiungs- 
kriege: „An  mein  Volk".) 
2:  Theodor  Gottlieb  von  H.,  Criminaldirector  u.  Bürger- 
meister zu  Königsberg,  geb.  1741,  f  1796.  (Der  bekannte 
Schriftsteller.) 

Von  dem  1735  erwähnten  Bürgermeister  zu  Johannisburg  Stephan  H.  kann 
das  Verwandtschaftsverhältniss  nicht  angegeben  werden. 

37* 


572  Verzeichnis»  der  die  Stadt  Rastenbarg  betreffenden  Urkunden. 

211)  1701  d.  18.  Juni.  Königsberg.  König  Friedrich  I.  ent- 
scheidet mittels  Erlass  an  den  Hauptmann  zu  R.  Johann  Georg  von 
Kalnein  und  den  zu  Barten  Fabian  von  Knobelsdorf  einen  Streit 
zwischen  der  Stadt  R.  und  den  Kirchenvorstehern  zu  Schwarzstein 
betreffend  Erhöhung  des  von  der  Stadt  an  die  Kirche  zu  Schwarzstein 
für  Görlitz  zu  zahlenden  Decems.  Die  Stadt  habe  von  undenklichen 
Zeiten  her  von  den  Einwohnern  des  genannten  Besitzthums  den  Decem 
an  die  Kirche  zu  Schwarzstein  gezahlt,  auch  in  eine  Erhöhung  desselben 
auf  8  M.  gewilligt.  Da  nun  aber  die  Görlitz  nur  aus  uncultivirten 
Hufen  bestehe,  die  Kirchenvorsteher  auch  nichts  Anderes  zur  Begrün- 
dung ihrer  Forderung  vorzubringen  vermöchten,  als  das,  was  bei  der 
Kirchenvisitatiou  von  1652  durch  die  Visitatoren  festgesetzt  worden  sei, 
so  sei  der  Stadt  eine  abermalige  Erhöhung  nicht  aufzubürden.  Dagegen 
habe  sich  die  Stadt  zu  einem  freiwilligen  Beitrage  zur  Instandsetzung 
der  baufälligen  Kirche  erboten,  wozu  der  Rathsverwandte  Hippel 
20  Gulden  beisteuern  wolle.  Die  in  den  Registern  seit  1652  geführten 
Reste  sollen  also  getilgt  und  der  freiwillige  Beitrag  von  jeder  Person 
nach  Verhältuiss  des  Vermögens  aufgebracht  werden.  Auch  soll  bei 
künftig  vorkommenden  Reparaturen  an  Kirchengebäuden  neben  dem 
Oberkirchenvorsteher  auch  der  Rathsverwandte  Hippel  jedesmal  mit- 
hinzugezogen werden,  „dessen  Dexterität  bekannt  sei". 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  347. 

212)  1702  d.  10.  Juli.  Königsberg.  Derselbe  bestätigt  die  Rolle 
der  Töpfer  zu  R. 

Abschr.  K.  Hsb.  S.  277. 

213)  1702  d.  26.0ct.  Potsdam.  Derselbe  bestätigt  den  mit  dem 
Müller  Heinrich  Kante  1  aus  Drengfurt  abgeschlossenen  Kauf- 
contract  über  die  königlicho  Haus mü hie  auf  der  Freiheit  zu  R.  Nach 
demselben  soll  dem  Kantel  einfürallemal  zur  Reparatur  der  Mühle  und 
der  Schleusen  das  nothwendige  Holz  unentgeltlich  durch  die  Bauern 
aus  den  Amtswaldungen  angefahren  werden.  Er  zahlt  für  die  Mühle 
500  Thaler,  liefert  jährlich  ins  Amt  10  Scheffel  Weizen,  68  Scheffel 
Reinkorn,  180  Scheffel  Mengkorn,  330  Scheffel  Malz  und  mästet  jährlich 
12  Schweine  für  das  Amt    Ferner  hat  er  die  Verpflichtung,  für  das 


Voo  Carl  Beck  her  rn.  573 

Amt,  den  Hauptmann,  Amtsschreiber  und  Erzpriester  unentgeltlich  zu 
mahlen.  Mit  dem  Vorwerksvieh  darf  er  3  Kühe  und  7  Schweine  zur 
Weide  treiben.  Die  Fischerei  auf  dem  Mühlteiche  darf  er  nur  zum 
eigenen  Bedarf  ausüben. 

Abschr.  Hab.  327,  fol.  342. 

214)  1707  d.  16.  Aug.  Königsberg.  Derselbe  befiehlt  dem  Amts- 
verweser  zu  R.,  über  einen  Excess  Untersuchung  anzustellen,  welchen 
der  Kapitän  Michael  Küchmeister  von  Sternberg  begangen,  in- 
dem er  eines  der  Thore  der  Stadt  Rastenburg,  welche  laut  Verordnung 
während  des  sonntäglichen  Gottesdienstes  geschlossen  gewesen  wären, 
gewaltsam  aufgebrochen  hätte,  worüber  seitens  des  Magistrats  Klage 
geführt  würde. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  65. 

215)  1707  d.  9. Dec.  Königsberg.  Derselbe  befiehlt  demselben 
auf  dessen  Bericht  hin,  dem  Kapitän  Michael  Küchmeister  von 
Sternberg  wegen  des  gewaltsamen  Aufbrechens  des  Stadtthores  einen 
ernsten  Verweis  zu  ertheilen,  besonders  weil  sein  Gut')  so  nahe  bei  der 
Stadt  liege,  dass  er  sich  zur  rechten  Zeit  zur  Kirche  hätte  einfinden 
können.  Dem  Magistrat  sei  anzubefehlen,  dass  er  die  Stadthore  erst 
schliessen  lasse,  wenn  zur  Ablesung  der  Epistel  das  übliche  Zeichen  mit 
der  Klingel  gegeben  worden  wäre.  Auch  sollten  die  an  den  Thoren 
Wache  haltenden  Stadtdiener  kein  Trinkgeld  von  den  Leuten  erpressen. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  65.  —  ')  Windkeim. 

216)  1711  d.  25.  Aug.  Rastenburg.  Der  Amtshauptmanu  W.  S. 
von  der  Groben  erlässt  Verwarnungen  an  1.  denRector  der  lateini- 
schen Schule  zu  R.  Jentiko,  2.  den  Collega  quartus  Dutke. 

Ad  1.  Anstatt  den  ihm  untergebenen  Lehrern  mit  gutem  Beispiel 
voranzugehen,  verleite  der  Rector  dieselben  vielmehr  durch  sein  häufiges 
„Herumvagiren"  ebenfalls  zu  Pflichtverletzungen.  Er  sei  auch  mehrere 
Tage  ohne  V^rwissen  des  Schulinspectors  „nebenst  dem  bösen  Menschen, 
dem  Quarto",  verreist  gewesen.  Dadurch  würde  nicht  nur  der  Unter- 
richt versäumt,  sondern  es  wären  auch  viele  „Scandala"  in  der  Schule 
und  in  der  Kirche  während  des  Gottesdienstes  von  den  nicht  beauf- 


574  Verzeichnis«  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

sichtigten  Schülern  verübt  worden.  Da  die  bisherigen  Ermahnungen 
nicht  gefruchtet  hätten,  würden  bei  nochmaliger  Pflichtverletzung  ernstere 
Massregeln  ergriffen  werden. 

Ad  2.  „Es  sollte  wol  einer  von  einem  Gelahrten,  ja  von  einem, 
welcher  sich  vor  einen  Theologum  ausgeben  will,  niemahlen  die  Ge- 
danken machen  können,  daß  so  einer  vors  erste  Gott  aus  den  Augen 
setzet,  sich  auf  ein  versoffenes  und  liederliches  Leben  leget,  wodurch 
er  seinen  Pflichten    weder   in  dem  Gotteshause,    noch  in  der  Schulen 
bey  der  Jugend  satisfaciret.     Er  gebe  doch  in  sich  und  schäme  sich, 
daß  er  die  ihm  von  Gott  geschenkte  dona  schlecht  achtet  und  selbige 
durch  das  liederliche  Leben  verscherzet.     —     —     —     —     —    — 

Er  entsiune  sich,  wie  vor  kurzer  Zeit  sein  bisheriges  Comportement  und 
übel  geführte?  Leben,  das  öftere  Wegreisen  vor  seinen  Kopf,  wodurch 
die  Kirche  und  Schularbeit  versäumet,  insonderheit  Herr  polnischer 
Diaconus  darüber  Klage  führet,  v*on  mir  und  dem  Herrn  Inspectore 
Scholae  ernstlich  vermahnet  worden.  Wie  hat  er  sich  zu  bessern  ver- 
sprochen!" Allein  es  bleibe  Alles  beim  Alten,  denn  erst  kürzlich  sei 
er  wieder  ohne  Vorwissen  seiner  Vorgesetzten  veneist  gewesen.  Dieses 
sei  die  letzte  Ermahnung;  bei  Fortsetzung  seines  bösen  Lebenswandels 
solle  er  ohne  Weiteres  von  seinem  Amte  abgesetzt  werden. 

Abschr.  in  der  Registratur  der  St.  Georgen kirche.  —  Beckbern],  Mitteilungen 
S.  35. 

217)  1719  d.  26.  Apr.  Königsberg.  Die  Regierung  theilt  dem 
Commissariat,  bestehend  aus  dem  Präsidenten  Graf  zu  Eulenburg 
und  den  Käthen  Gregory  und  Sommerfeld,  die  königl.  Verordnung 
vom  4.  Dez.  1717  zur  Nachachtung  mit,  nach  welcher  in  den  kleinen 
Städten  die  Anzahl  der  Brauhäuser  dadurch  reducirt  werden  soll, 
dass,  wenn  ein  Mälzenbräuer  sein  Brauhaus  verkaufen  wolle,  die  übrigen 
Mälzenbräuer  es  ankaufen  möchten,  um  dann  die  daran  haftende  Brau- 
gerechtigkeit eingehen  zu  lassen.  Die  Handwerker,  welche  eigene  Brau- 
häuser besitzen,  wären  allerdings  in  ruhigem  Besitz  und  in  ihrer  Nahrung 
zu  belassen,  jedoch  solle  kein  Handwerker  ein  Brauhaus  miethen,  oder 
falls  er  sein  Handwerk  fortsetzen  wolle,  erhandeln  dürfen. 

Abschr,  R.  Hsb.  S.  391. 


Von  Carl  ßeckherrn.  575 

218)  1719  d.  4.  Mai.    Berlin.    König  Friedrich  Wilhelm  L 
theilt   dem    General-Finanzdirectorium   die  Entscheidung  des  General- 
Kriegscommissariats  zur  Nachachtung  mit,  betreffend  die  Errichtung  eines 
Kruges    durch   den    Oberstlieutenant  von  Collrep   auf  seinem    Gute 
Weischnuren  zum  Nachtheil  der  Stadt  B.    Da  nach  dem  Landtags- 
rezess  von  1618  den  Städten  zum  Nachtheil  kein  Krug  innerhalb  einer 
Meile  von  derselben  angelegt  werden   dürfe,  die  Stadt  ß.  auch  schon 
mit  vier  guten  Krügen  verseben  sei,  so  solle  der  von  Collrep  der  Stadt 
seinen  neuerbauten  Krug  nicht  zum  Kaufe  aufdringen,  sondern  ihn  ent- 
weder selbst  behalten  oder  an  Andere  veikaufen.    Der  Besitzer  solle  die 
Freiheit  haben,    Bier  und  Brandwein,    welche    aus    der  Stadt   bezogen 
wären,  zu  verschenken.     Der  von  dem  von  Collrep  offerirte  Canon,  um 
die  Braugerechtigkeit   zu   erlangen,   könne,   um    die  Gerechtsame   der 
Stadt  nicht  zu  beeinträchtigen,  nicht  angenommen,  ebensowenig  der  Stadt 
auferlegt  werden,  da  diese  für  die  innehabende  Braugerechtigkeit  schon 
die  Accise  entrichte.    Dagegen  könne  der  von  Collrep  von  den  Brauern, 
welche  den  Krug  mit  Bier  verlegten,  von  jeder  Tonne  2  Gr.  Lagergeld 
erheben. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  369. 

219)  1733  d.  15.  Juni.  Königsberg.  Die  Begierung  erläutert 
in  einem  Anschreiben  an  den  Präsidenten  und  die  Bäthe  des  Com- 
missariats  von  Kainein,  Cupner,  von  Viereck  und  Beyer  eine 
am  26.  März  a.  c.  erlassene  königliche  Verordnung,  mittels  welcher  den 
Handwerkern,  die  früher  die  Braugerechtigkeit  gehabt,  solche  auch 
wieder  auf  Lebenszeit  zugestanden,  nach  ihrem  Tode  aber  ihre  Brau- 
häuser aus  der  Bolle  gestrichen  werden  sollen.  Die  hierait  beabsich- 
tigte Beducirung  der  Brauhäuser  könnte  nun  leicht  dadurch  verzögert 
werden,  dass  diese  Handwerker  ihre  Brauhäuser  an  andere  Handwerker 
oder  solche  Bürger  verkauften,  welche  kein  Handwerk  neben  der  Brauerei 
betrieben.  Die  Begierung  bestimmt  daher,  dass  die  Braugerechtigkeit 
an  einem  in  dem  gedachten  Falle  verkauften  Brauhause  nur  so  lange 
haften  soll,  als  der  Verkäufer  lebt.  Diese  Klausel  soll  in  die  Kauf- 
contracte  aufgenommen  werden. 

Abschr.  B.  Hsb.  S.  393. 


j 


576  Verzeichnis*   der  die  8tadt  Rastenbarg  betreffenden  Urkanden. 

220)  1722  d.  14.  Dez.  Basten  bürg.  Der  Commissarius  loci 
W.  Lohmeyer  fordert  von  dem  Magistrat  zu  R.  eine  Liste  der  Häuser, 
welche  dauernd  die  Braugerechtigkeit  haben,  sowie  auch  derjenigen, 
welchen  sie  nur  auf  Lebenszeit  des  jetzigen  Besitzers  belassen  ist,  nach 
dessen  Tode  aber  aufzuhören  hat. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  395. 

221)  1724.  Rastenburg.  Kirchenvisitationsrezess.  Der  Erz- 
priester Friedrich  Seuberlich  berichtet  über  die  Revision  der  la- 
teinischen Schule  zu  Rastenburg  und  bemerkt  dabei,  von  dem  vierten 
Collegen  Dreyer  sei  angezeigt  worden,  „daß  er  den  Soff  lieben  solle, 
in  welchem  Stück  ihm  die  anwesende  Gemeine  ein  sehr  böses  Zeugniß 
giebet.  Er  wird  deshalb  ernstlich  angeredet,  vermag  sich  aber  nicht 
gänzlich  zu  Justitiaren,  sondern  gelobet  an,  sich  davon  in  Zukunft  zu 
halten,  welches  sowol  als  auch  ein  geziemendes,  friedfertiges  Couiporte- 
ment  gegen  den  Rectorem  ihm  sub  poena  suspensionis  ab  officio  in- 
jungiret  worden".  Was  das  Brandweinausschenken  in  der  Schule  an- 
betreffe, so  wisse  man  hier  nichts  davon.  Der  Rector  führt  Beschwerde 
über  die  Winkelschulen,  welche  meistens  von  Weibern,  eine  sogar  von 
der  Tochter  des  Scharfrichters,  gehalten  würden.  Das  Halseisen  sollen 
die  Geistlichen  nicht  mehr  als  Strafmittel  anwenden,  die  Huren  viel- 
mehr von  der  weltlichen  Obrigkeit  mit  Geldbußen  belegt  werden.  Von 
diesen  fällt  ein  Theil  an  die  Kirche  und  zwei  Theile  an  die  Kämmerei- 
kasse. 

Registr.  des  Magistrats  zu  Rastenburg. 

222)  J730  d.  3.  Januar.  Königsberg.  Die  Kriegs- und  Donoänen- 
kammer  bestätigt  den  Kaufcontract  des  Magistrats  der  Stadt  R.  mit 
dem  Kaufmann  daselbst  Christian  Hippel  über  das  halbe  Gnt 
Bürgersdorf.  Das  Dorf  hat  früher  in  seinem  ganzen  Umfange  der 
Stadt  gehört,  ist  dann  aber  „durch  ein  fatales  Schicksal"  derselben 
vorloren  gegangen  und  durch  richterliches  Urtheil  den  Maternschen 
Erben  zugesprochen  worden.  Der  Successor in  matrimonio  des  Matern, 
Vice-Bürgermcister  Riedel,  hat  das  Gut  in  zwei  Hälften  verkauft, 
die  eine  vor  einigen  Jahren  an  den  Bürgermeister  Melchior  Hippel') 
zuR.,  die  andere  vor  kurzer  Zeit  an  den  Pfarrer  zu  Bäslack  Stephan 


Von  Carl  Beckherrn.  577 

Neumann,  von  dem  es  an  den  Sohn  des  Bürgermeisters  Hippel,  den 
Kaufmann  zu  R.  Christian  Hippel  durch  Kauf  übergegangen  ist.1) 
Dieser  verkauft  seinen  Antheil,  IG  Hufen  nebst  dem  Walde,  für 
5215  Gulden  3  Gr.  poln.  an  die  Stadt  ß.  Geschehen  zu  Bürgers- 
dorf d.  17.  August  1729  in  Gegenwart  des  Amtshauptmanns  Grafen 
E.  von  Schlieben,  des  Gerichtsschreibers  Theodor  Frölich,  des 
Burgermeisters  Dr.  med.  Heinrich  Bernhard  Hübner,  Eichters 
Gottfried  Heiligendörfer,  Rathsverwandten  Gottfried  Ernst 
Billich,  Stadtältesten  Christian  Reich  und  Aeltermanns  Michael 

Dannowski. 

Abschr.  K.  Hsb.  S.  362.  —  »)  S.  Nr.  210,  Anraerk.  1.  —  f)  In  dem  Inventar 
sind  die  16  auf  dem  Gute  vorhandenen  Kühe  aufgeführt,  und  zwar  gleich 
den  edleo  Pferden  mit  Angabe  ihrer  Namen:  Regina,  Rosa,  Willka  Pstra, 
Kolodzeyka,  Hanska,  Bodzeck,  Pstra  gtowa,  Pstra  mata,  Kusse  Cize,  Stump- 
tawska,  Rutta,  Soscha,  Anna,  Maria,  Viotka,  Soffcka. 

223)  1735  d.  6.  Juni.  Rastenburg.  Bürgermeister  und  Rath 
beurkunden,  dass  der  verstorbene  Kaufmann  zu  Breslau  Christoph 
Hippel  in  seinem  am  19.  Mai  1732  errichteten  Testament  seiner  Vater- 
stadt R.  ein  Legat  von  1000  Thalern  ausgesetzt  habe.  Nach  der  Be- 
stimmung des  Erblassers  soll  von  den  Zinsen  k  6  Prozent  jährlich  ge- 
zahlt werden:  An  den  Rector  der  Schule  10  Thlr.,  an  den  Conrector 
8  Thlr.,  dem  Cantojr  und  dem  Stadtmusikus  zusammen  7  Thlr.,1)  an 
die  beiden  Hospitäler  zusammen  5  Thlr.,  den  drei  Predigern  zusammen 
8  Thlr.,  den  Predigerwittwen  5  Thlr.,  dem  Bürgermeister  5  Thlr.  Die 
übrigen  12  Thlr.  sollen  bei  Ablegung  der  Rechnung  zu  einer  Collation 
für  den  Magistrat  und  die  Ael testen  der  Bürgerschaft  verwendet  werden. 

Abschr.  R.  Hsb.  S.  381.  —  A)  Nach  der  Bestimmung  des  Testaments  hat  der 
Rector  an  jedem  Charfreitage  für  die  ganze  Bürgerschaft  durch  die  Schüler 
einen  festlichen  Actus  zu  veranstalten  mit  Dcclamationen  in  deutschen  Versen 
über  das  Leiden  Jesu,  verbunden  mit  einer  durch  Cantor  und  Stadtmusikus 
aufzuführenden  Trauermusik.  Der  Conrector  soll  an  jedem  19.  Mai  der  Bürger- 
schaft „eine  erbauliche  Historie  vorstellig  machen"  und  Cantor  und  Stadt- 
musikus  „eine  zierliche  Musik". 

224)  1750  d.  6.  Aug.  Berlin.  König  Friedrich  IL  ertheilt  der 
Stadt  R.  ein  neues  Braugerechtigkeitsprivilegium,  nach  welchem 


578  VtriwchniM  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

der  bisherige  Unterschied  zwischen  perpetuellen  und  temporellen  Brau- 
häusern fortfallen,  dagegen  die  perpetuirliche  Braugerechtigkeit  auf  die 
reducirte  Anzahl  von  107  von  altersher  die  Braugerechtigkeit  inne- 
habenden Häusern  [welche  nach  den  Namen  ihrer  Besitzer  aufgeführt 
werden] ')  übertragen  werden  soll.  Die  Braugerechtigkeit  soll  an  diesen 
Häusern  als  ein  immerwährendes  Real-Privilegium  haften  und  das  Brau- 
gewerbe von  ihren  jeweiligen  Besitzern  nach  Proportion  des  Unterschiedes 
von  ganzen,  halben  und  Viertelbäusern  darin  betrieben  werden. 

Abs  ehr.  R.  Hsb.  S.  392.   —    !)  S.  Anhang  IV.    Vergl.   die  Angabe   über  die 
Anzahl  der  Häuser  unter  Nr.  160. 

225)  1J83  d.  7.  Novbr.  Bastenburg.  Der  Commissarius  loci 
von  Kort z fleisch  weist  auf  Verfügung  der  Kriegs-  und  Domänen- 
kammer den  Magistrat  zu  B.  an,  das  Stück  von  der  Mauer  des  abge- 
brochenen Rathhauses,  welches  an  das  Haus  des  Bürgers  Grube  stösst, 
stehen  zu  lassen;  das  Stück  aber,  welches  an  des  Nadlers  Schwartz 
Haus  stösst,  soll  der  Stadtkämmerer  sofort  abbrechen  lassen.  „Damit 
aber  diese  Sache  nicht  wieder  so  der  alten  Bastenburgischen  Gewohn- 
heit nach  verschleppet  werde",  wird  dem  Magistrat  befohlen,  hiefür  und 
für  die  baldigste  Ablegung  der  Rechnung  Sorge  zu  tragen,  wenn  er  sich 
nicht  einer  empfindlichen  Beahndung  aussetzen  wolle;  denn  es  liege 
grösstenteils  an  ihm,  „dass  hier  Alles  so  schläfrig  uud  zum  Nachtheil 
der  Kasse  zugehe". 

Registratur  des  Magistrats.  —  Beckherrn,  Kastenburg  S.  114. 


Anhang. 


I. 

Willkühr  der  Hübner  zu  Bastenburg. 

Wir  Bürgermeister  und  Rath  der  kurfürstlichen  Stadt  Rastenburg  fügen  jeder- 
männlichen  zu  vernehmen,  wasraaßen  Uns  E.  E.  Gemeine  der  Hübner  bei  dieser  Stadt 
durch  ihre  gekohrenen  Aelterleute  eine  in  gewisse  von  allerseits  Interessenten  be- 
liebte Artikel  verfaßte  Ordnung,  wie  sie  es  künftig  zu  allen  Zeiten  des  Jahres  im 
Felde  mit  ihrem  Ackerbau,  Viehtriften,  Zechen  und  sonderlich  mit  ihrem  Hubenwalde 
gehalten  wissen  wollen,  einreichen  lassen  mit  inständiger  Bitte,  nicht  allein  selbe 
Artikel  zu  revidiren,  sondern  auch  dieselben  aus  obrigkeitlichem  Amte  zu  confirmiren 
und  zu  bestätigen.  Gleich  wie  Wir  nun  über  alle  gute  Ordnungen  bei  dieser  Stadt 
ein  wachendes  Auge  zu  haben  Uns  verpflichtet  befinden,  also  haben  Wir  diese  Feld- 
ordiiung  der  obbesagten  Hübner  vor  gut,  heilsam  und  nöthig  befunden.  Und  lauten 
deroselben  verfaßte  Articuli  als  hernach  folget. 

Verbesserte  Willkühr  E.  E.  Gemeine  der  Hübner  zu  Iiastenbarg, 
zusammengetragen  mit  VoUwort  und  Belieben  der  ganzen  Gemeinde 

im  Jahre  1C36. 

1.  Erstlich  ist  von  E.  E.  Gemeinde  beschlossen  und  beliebet,  daß  deroselben 
von  denen  gekohrenen  Aeltesten  alle  zwei  Jahre  wegen  Einnahme  und  Ausgabe  des 
empfangenen  Weidegeldes  Rechnung  gethan  und  alsdann  die  Kühr  im  Beisein  E.  E. 
Kaths  und  ues  Stadtschreibers,  bei  welcher  sich  alle  Hübner,  so  dazu  gehören,  be- 
finden sollen,  vorgenommen  und  gewisse  Aelterleute,  welche  solche  Leute,  so  ihre 
eigene  ganze  oder  halbe,  nicht  aber  gemiethete  Hüben  haben,  sein  müssen,  erwählet, 
auch  die  Willkühr  jedesmal  verlesen  werden  sollen. 

2.  Dieselben  Aelterleute  sollen  nun  allen  Schaden,  sowohl  in  der  Gemeinde 
Wäldern,  als  auch  zu  aller  Zeit  im  Felde,  bei  ihrem  Gewissen,  so  viel  ihnen  immer 
möglich,  verhüten  und  auf  Alles  gute  und  genaue  Achtung  geben,  damit  niemand 
inuthwilliger  Weise  Schaden  geschehe.  Insonderheit  aber  sollen  sie  sich  nicht  unter- 
stehen, Jemanden  das  geringste  aus  dem  Hubenwalde*)  ohne  Vorbewust  der  ganzen 
Gemeinde  zu  geben,  also  daß  sie  in  keinerleiwege  ihren  eigenen,  sondern  den  gemeinen 
Nutzen  zu  suchen  schuldig  sein  sollen. 


*)  Der  Bürger-  und  Bauernwald  bei  dem  jetzigen  Gute  Tannenwalde  (Rasten- 
burgswalde). 


580  Verzeichnis»  der  die  Stadt  Rasten  barg  betreffenden  Urkunden. 

3.  Wenn  Kogelung*)  vorgehet,  soll  solches  durch  die  Aclterleute  vorher  der 
ganzen  Gemeinde,  damit  sich  Jeder  danach  zu  richten  habe,  angemeldet  und  in 
Auakogeln  nach  der  Hubenzahl  Gleichheit  gehalten  auch  aller  bisher  vorgegangene 
gewöhnliche  Unterschleif  verhütet  werden. 

4.  Soll  ein  jeder  Hübner,  so  bald  ihm  solches  durch  die  Aeltesten  angekündet 
wird,  die  Zäune  bei  den  Gärten  fertig  machen.  Thut  er  solches  nicht,  giebt  er  nach 
der  ersten  Kündigung  10  Gr.,  nach  der  andern  20  Gr.  und  zum  drittenmal  30  Gr. 
und  soll  den  daraus  entstandenen  Schaden  gelten. 

5.  Gleichergestalt  sollen  auch  die  Rücken**)  im  Felde  nach  geschehener  erst*- 
Ankündigung  fertig  gemacht  werden.  Da  Jemand  dawid erhandelt,  der  soll  nach  d?r 
ersten  Besichtigung  geben  3  f>,  nach  der  andern  6  f>  und  zum  drittenmal  9  p  ro.i 
jedem  Loch  und  soll  den  Schaden  dazubtißen.  So  soll  auch  ein  Jeder  schuldig  sein. 
sich  bei  Besichtigung  der  Rücken  in  Person  einzustellen,  oder  aber  einen  gewinn 
Hübner  oder  einen  andern  an  seine  Stelle  abzuordnen  bei  Strafe  von  10  Gr. 

6.  Wenn  die  Aclterleute  die  Gemeinde  verbotten  lassen  und  bleibt  Jemand 
ohne  erhebliche  Entschuldigung,  die  er  dem  Aeltermann  anmelden  soll,  ans,  der  ver- 

%      büßt  6  Gr. 

7.  Der  Aeltermann  soll  demjenigen,  so  zum  erstenmal  die  Zeche***)  zu  hüka 
schuldig,  dieselbe  durch  deu  jüngsten  mit  Zuschickung  der  Blaset)  anmelden  las&Q. 
Wenn  nun  derselbe  seine  Nacht  gehütet,  soll  er  zu  rechter  Zeit  dem  Aeltermann  die 
Blase  wiederbringen,  der  ihm  dann  andeuten  wird,  wem  er  die  Wache  weiter  an- 
sagen soll.    Der  hier  widerbandelt  büßet  10  Gr. 

8.  Wem  nun  die  Zeche  zu  hüten  also  ordentlich  angesaget  worden  und  der- 
selbe bliebe  gänzlich  aus  und  hütete  gar  nicht,  es  entstünde  aber  ein  Schaden  dar- 
aus, derselbe  soll  den  ganzen  Schaden  zu  büßen  ohne  einige  Ausflucht  schuldig  «in. 
Entstünde  aber  ein  großes  Ungewitter,  ehe  und  wann  die  Zeche  gejaget  wird,  w 
soll  derjenige,  dem  die  Zeche  zu  hüten  gebühret,  sich  bei  den  Aelterleuten  anmelden, 
daß  er  die  Zeche  nicht  hüten  könne,  damit  jeder  seine  Pferde  inachtnehme,  bei  Straf-1 
von  20  Gr. 

9.  Daferne  aber  einer  zwar  in  die  Zeche  gehet,  in  selbiger  aber  unfleißig  h- 
siehet,  oder  aber  bei  enstandenem  Ungewitter  davonläuft  und  entstehet  also  ein 
Schaden  daraus,  der  soll  den  halben  Schaden  gelten. 


*)  Wahrscheinlich  Vertheilung   des  geschlagenen   Holzes   nach  Maßgabe  de: 
Grösse  des  Besitzthums  und  durch  Verloosung. 

**)  Zäune,  bestehend  aus  starken,  in  gewissen  Abständen  in  den  Boden  ^ 
grabenen  Piählen.  Diese  sind  mit  Löchern  versehen,  durch  welche  starke  Latten 
oder  Stangen  geschoben  werden. 

***)  Das  Hüten  der  Pferde.  Im  18.  Jahrhundert  hüteten  die  Bürger  nicht  mehr 
selbst  die  Pferde;  dieses  besorgte  ein  von  der  Stadt  argestellter  Pferdehirt,  welcher 
der  Zechner  hiess. 

t)  Das  Hirtenhorn. 


Von  Carl  Beckherrn.  5g  \ 

10.  Derjenige,  welchen  die  Ordnung,  die  Zeche  zu  hüten,  trifft,  soll  dieselbe 
zu  rechter  Zeit,  nämlich  sobald  der  Hirt  vom  Felde  kommt,*)  treiben  und  ehe 
nicht  nach  Hause  gehen,  bis  der  Kuhhirt  ins  Feld  kommt.**)  Wer  hierwider- 
handelt  büßt  10  Gr. 

11.  Es  soll  auch  von  demjenigen,  so  seine  Pferde  zur  Zeche  jaget,  dem,  so  die 
Zeche  hütet  jedesmal  angekündiget  werden,  daß  er  nunmehr  seine  Pferde  überant- 
worte, damit  sich  Niemand  mit  Unwissenheit  entschuldigen  könne. 

12.  Wenn  die  Zeche  zum  erstenmal  angesaget  ist,  sollen  alle  Hübner  nach  der 
Ordnung,  sie  jagen  ihre  Pferde  zur  Zeche  oder  nicht,  dieselbe  zu  hüten  schuldig  sein. 
Wer  aber  zum  andern  Mal  seine  Pferde  im  Stall  behält  und  nicht  zur  Zeche  jagen 
will,  ist  ferner  zu  hüten,  nicht  verbunden.  Sonst  ist  bewilliget,  daß  ein  jeder  von 
4  Pferden  eine  Nachtzeche  hüten  soll,  und  soll  hiebei  verboten  sein,  daß  die  Pferde 
nicht  beisammen  in  einem  Winkel  gehalten,  sondern  auf  der  Weide  herumgehend  ge- 
lassen werden,  damit  an  den  Rücken  kein  Schaden  geschehe,  bei  Strafe  von  20  Gr. 

13.  So  oft  Jemand  Brücken,  Wege  und  Stege  zu  bessern  von  den  Aelterleuten 
angekündiget  wird,  und  derselbe  kommt  nicht  zur  angemeldeten  Zeit,  der  verbüßet 
30  j>. 

14.  Wenn  aber  ein  großer  Schaden  an  Brücken,  Wegen  und  Stegen  vorfiele, 
also  daß  Steinbrücken  zu  machen  und  dazu  Scharwerk  vonnöthen  wäre,  soll  solches 
von  den  Aelterleuten  der  Gemeinde  angemeldet  werden,  und  soll  alsdann  ein  jeder 
Hübner  soviel  Fuder,  als  ihm  von  der  Hube  zu  fuhren  angesaget  worden,  zu  Ver- 
fertigung der  Steinbrücken  zu  führen  schuldig  sein.  Bleibt  aber  einer  muthwülig 
aus,  der  verbüßet  von  jedem  Fuder  6  Gr.;  wer  aber  nicht  einheimisch  ist  oder  sich 
genugsam  entschuldigen  läßt,  der  führet  mit  seinen  Pferden  zu  anderer  Zeit. 

15.  Würde  Jemand  aus  der  Zahl  der  Hübner,  er  sei,  wer  er  wolle,  im  Hübener- 
walde gesehen  oder  betroffen,  daß  er  vom  Stamm  haue  oder  Holz  führe,  der  giebt 
ohne  einige  Widerrede  von  jedem  Stamme  5  M.  Strafe.  Wer  aber  eine  gemiethete 
Hube  innehat  und  wird  im  Walde  vom  Stamme  hauend  betroffen,  giebt  von  jedem 
Stamme  10  M. 

16.  Bei  Einnahme  des  jährlichen  Grundzinses  sollen  mehr  nicht,  als  drei  Tage 
zugebracht  werden.  Derselbe  aber,  so  sich  innerhalb  solcher  drei  Tage  mit  seinem 
Zins  und  Pfluggetreide  nicht  einstellet,  giebt  15  Gr.  Strafe. 

17.  Im  angehenden  Vorjahr  soll  allemal  ein  jeder  sein  geltes***)  Vieh  von  der 
Stadt  wegzutreiben  schuldig  sein.  Wer  hierwiderhandelt  dessen  Vieh  soll  gepfändet 
werden  und  er  von  jedem  Stück  10  j>  Strafe  geben. 

18.  Keiner  soll  dem  Andern  auf  dem  Seinigen,  es  sei  auf  Acker  oder  Wiesen, 
zu  nahe  hauen  und  pflügen.  Wer  wissentlich  hierwiderhandelt,  und  daß  der  Herr 
selbsten  ein  Ursacher  auch  dessen  genugsam  überführet  würde,  wie  auch  nicht  weniger 


*)  des  Abends.       **)  des  Morgens.       ***)  unfruchtbares. 


582  Verzeichnis!  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkunden. 

derjenige,  so  einen  Rain  auspflüget,  derselbe  soll  unnachlässig  vor  jedesmal  13  M. 
Strafe,  jedoch  E.  E.  Raths  Strafe  vorbehaltlich,  erlegen. 

19.  Wer  dem  Andern  muthwillig  durch  seine  Wiesen  oder  Getreide  fahren 
würde,  giebt  jedes  Mal  3  M.  Strafe  und  verbüßet  den  Schaden. 

20.  Derjenige,  so  seines  Nachbarn  Stücke  in  Einführung  seines  Heues  und  Ge- 
treides nothwendig  durchhauen  muß,  soll  sich  bei  den  Aelterleuten  anmelden,  die  es 
dann  demselben  Nachbarn  zu.  wissen  thun,  damit  er  dasjenige,  so  abgehauen,  weg- 
führen lassen  kann.    Wer  hierwiderhandelt  giebt  10  Gr. 

21.  Niemand  soll  freistehen,  auf  seines  Nachbarn  Hube,  wenn  er  auf  den  «einigen 
fahren  kann,  die  Länge  weg  zu  fahren  und  ihme  also  auf  einem  fremden  Grund  eint-o 
Weg  zu  machen.    Wer  hierüber  betroffen  wird  giebt  3  M.  Strafe. 

22.  Wer  seinem  Nachbaren  seine  Rücken  aufzieht  und  solche  nicht  wieder,  wk 
sie  vorhin  gewesen,  zumachet,  giebt  3  M.  Strafe. 

23.  Niemand  soll  auf  den  Anger  oder  sonst  an  ungewöhnliche  Oerter  seinen 
Mist  abladen,  sondern  denselben  aisbaM  auf  den  Acker  oder  auf  einen  Haufen  in  die 
Trift  zu  führen  schuldig  sein  bei  Strafe  von  30  Gr. 

24.  Es  soll  auch  Niemand  Mist  auf  die  Brache  zu  führen  erlaubet  sein,  es  sej 
ihme  denn  zuvor  von  den  Aelterleuten  angesaget  worden.  Wer  hierwiderhandelt, 
giebt  3  M.  Strafe. 

25.  Wenn  die  Aelterleute  Brache  ausgeben,  soll  sich  Niemand  unterstehen,  über 
das  ausgesteckte  Zeichen  überzupflügen.  Wer  hierwiderhandelt,  giebt  von  jeder  Ruth* 
9  6  Strafe.  Alten  Drisch  aber  und  Wege  hat  man  jeder  Zeit  frei,  zu  stürzen,  auch 
allen  Mist,  so  geführet  worden,  daselbst  unterzupflügen. 

26.  Derjenige,  so  sein  Vieh  nicht  vor  den  Hirten  treibet,  sondern  zuschadm- 
gehen  und  frei  hüten  läßt,  derselbe  soll  vor  jedes  Mal,  so  oft  er  verbricht,  und  zu 
jeder  Zeit  des  Jahres  3  M.  Strafe  erlegen. 

27.  Diejenigen  Bürger  und  Gärtner,  so  nicht  Hüben  haben,  und  ihre  Schweine 
frei  gehen  lassen,  denen  sollen  die  Schweine  weggenommen  und  ins  Hospital  gegeben 
werden.  So  soll  auch  jedem,  der  Schweine  im  Getreide,  so  da  blühet  oder  reifet, 
findet,  solche  zu  erschießen  erlaubt  sein. 

28.  Wer  im  Äugst  ins  Feld  fährt  und  hinter  ihme  ein  überj  ähriges  Fohlen  oder 
ein  ander  ledig  Pferd  laufen  läßt,  giebt  vor  jedes  Mal  1  M.  Strafe. 

29.  Auch  soll  Keiner  im  Kornaugst  mehr  Pferde  mit  zu  Felde  nehmen,  als  die 
er  angespannt  hat;  soll  auch  die  angespannten  nicht  auf  seines  Nachbars,  sondern 
auf  das  seinige  zu  zeudern*)  verbunden  sein  bei  Strafe  von  1  M.  Im  Sommerfelde 
aber  soll  gar  kein  Pferd  ausgespannt  werden  bei  Strafe  von  3  M. 


*)  Die  Pferde  verhindern,  frei  umherzulaufen,  indem  man  ihnen  um  einen  Fuss 
eine  Leine  schlingt,  deren  anderes  Ende  an  einem  in  den  Boden  geschlagenen  Pflock 
befestigt  wird. 


Von  Carl  Beckherrn.  588 

30.  "Wer  auf  Drisch  zwischen  dem  Getreide  Pferde  zu  hüten  oder  zu  zeydern  sich 
unterstehen  würde,  so  es  ein  Hübner,  der  verbüßet  1  M.;  ist  es  aber  ein  Vorstädter 
oder  ein  Anderer,  der  büßet  3  M.  und  gelten  beide  den  hieraus  erwachsenen  Schaden. 

31.  Wer  Gras  auf  fremden  Wiesen  oder  Drisch  ausschneidet,  giebt  3  M.  Strafe. 
Dafern  sich  aber  Jemand  unterstehen  würde,  fremde  Wiesen  auszuhauen,  und  es  ein 
Hübner,  der  giebt  6  M.;  ist  es  aber  ein  Vorstädter  oder  ein  Anderer  der  giebt 
15  M.  Strafe. 

32.  So  Jemand  sich  böslichen  unterstehen  würde,  im  Felde  Bücken  und  Pfahle 
entzweizuhauen  und  wird  hierüber  betroffen  oder  dessen  überwiesen,  der  soll  unnach- 
lässig mit  10  M.  beleget  werden. 

33.  Demnach  auch  bisanhero  mannigfaltige  Klagen  geführet  worden,  daß  etliche 
der  Hübner  und  Andere  sich  unterstehen,  wenn  ihre  Pferde  und  Vieh  in  den  Pfand- 
stall vom  Zechner  wegen  zugefugten  Feldschadens  eingejagt  worden,  dasselbe  eigenes 
Beliebens  und  wol  noch  mit  Verübung  einer  und  der  andern  Gewalt  und  Thätlich- 
keit  aus  dem  Pfandstall  zu. nehmen,  und  aber  solches  zu  großem  Schaden  der  Ge- 
meinde geschiehet,  als  soll  ins  Künftige  derjenige,  so  sich  solcher  Thätlichkeit  ohne 
Erkeuntniß  der  Aelterleute  oder  £.  £.  Rathes  unterstehen  würde,  da  es  der  Herr 
selbsten,  solche  mit  3  M.,  das  Gesinde  aber  mit  dem  Thurm  unablässig  büßen. 

34.  Wann  im  Vorjahre  das  Sommerfeld  meistentheils  besäet,*)  sollen  die  Aelter- 
leute der  Gemeinde  anmelden  lassen,  daß  Niemand  sein  Vieh  oder  Pferde  in  dasselbe 
zu  jagen,  sich  unterfangen  soll.  Wer  hierwider  gebricht,  soll  solches  jedes  Mal  mit 
1  M.  verbüßen. 

35.  Wenn  die  Gemeinde  zusammen  ist  und  sich  mit  einem  Trunk  ergötzet, 
soll  Keiner  dem  Andern  mit  unterschiedenen  höhnischen  Worten  und  Geberden  zu 
Hader  und  Zank  Ursache  geben,  sondern  ein  jeder  sich  aller  Bescheidenheit,  Glimpfs 
und  Ehrbarkeit  gebrauchen  auch  sich  jedes  Mal,  so  oft  er  von  dem  Aeltermann  be- 
rufen wird,  nüchtern  einstellen  bei  Strafe  von  30  Gr. 

36.  Wenn  Hüben  verkauft  oder  vermiethet  werden,  soll  solches  mit  vorher- 
gehendem Consens  E.  E.  Raths  allhie  geschehen  auch  solches  den  Aelterleuten  zuvor 
angekündiget  werden,  und  soll  alsdann  Käufer  und  Verkäufer  jeder  ein  halbes  Achtel  Bier 
nach  alter  Gewohnheit  zu  geben,  schuldig  sein.  Wer  hierwiederhandelt,  büßet  30  Gr. 

37.  Ein  Bürger  oder  Büdner,  der  nicht  Acker  hat,  soll  mehr  nicht,  als  zwei 
Kühe  halten;  die  Schafe  aber  derjenigen,  so  nicht  Hüben  haben,  sollen  gänzlich 
abgeschaffet  sein. 


*)  Die  Erwähnung  des  Sommerfeldes  in  diesem  Artikel  in  Verbindung  mit  den 
Bestimmungen  der  Artikel  24  und  25  beweist,  dass  bei  der  Beackerung  der  Dorf- 
hufen das  Betriebssystem  der  Dreifelderwirthschaft  befolgt  worden  ist.  Aus  den  Be- 
stimmungen der  zuletzt  genannten  beiden  Artikel  kann  man  auch  schlieasen,  dass 
auch  das  Ackerland  der  Dorfhufen  gemeinsames  Besitzthum  sämmtlicher  Hübener  ge- 
wesen und  alljährlich  zur  Beackerung  neu  ausgetheüt  worden  sei. 


584  Verzeichnis«  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

38.  Den  Handwerksleuten  in  der  Vorstadt  soll  über  zwo  Kühe  zu  halten  nicht 
zugelassen  werden,  von  welchen  sie  30  Gr.  Weidegeld  erlegen  sollen.  Ingleichea 
sollen  die  Freigärtner  keine  Kühe  halten,  Hubengärtner  aber  halten  auch  nur  eise 
Kuh  und  geben  30  Gr.  Vom  Pferde  in  der  Vorstadt  soll  30  Gr.  gegeben  werden. 
Und  soll  obbesagten  Gärtnern  und  Vorsiädtern  allen  von  den  Aelterleuten  das  übrige 
viele  Vieh,  dadurch  der  rechten  Eigenthümer  Vieh  unterkommt  und  ihrae  die  Weid« 
entzogen  wird,  zum  ersten  Mal  bei  Strafe  von  1  M.,  zum  andern  Mal  bei  2  M.,  zum 
dritten  Mal  bei  Wegnehmung  und  Verlust  des  Viehes  abzuschaffen,  angesaget  und 
über  dieser  Verordnung  unveränderlich  und  stet  gehalten  werden. 

39.  Schließlichen  ist  von  E.  E.  Gemeinde  der  Hübner  bewilliget,  daß  den  Aelter- 
leuten alle  hohe  Feste  und  Fastnachten  ein  Fuder  Holz  aus  dem  Hübenerwalde  zur 
Ergötzlichkeit  zu  führen,  vergünstiget,  sie  aber  hergegen  obligat  sein  sollen,  alle 
Einnahme  der  Strafen  und  Gefälle  richtig  nebenst  der  nothwendigen  Ausgabe  zu 
verzeichnen  und  in  Rechnung  zu  bringen  auch  über  allen  diesen  Artikeln  unablässig 
zu  halten  und  solche  in  gute  Acht  zu  nehmen.  Dahingegen  aber  soll  ihnen  von 
einem  jeden  Hübner  billiger  Respect  und  Gehorsam  geleistet  und  keine  Widersetzlich- 
keit gegen  sie  vorgenommen  werden,  bei  Strafe  nach  Erkenntnis  E.  E.  Gemeinde, 
damit  also  Alles  ordentlich  unter  der  Gemeinde  zugehen  und  ein  jeder  das  Seine 
ohne  vorsätzlichen  großen  Schaden  in  Fried  und  Einigkeit  genießen  möge. 

Dieses  alles  ist  also  von  E.  E.  Gemeinde  über  allen  vorhergesetzten  Punkten 
und  Clausulen  stet,  fe3t  und  unverbrüchlich  zu  halten,  einhellig  beliebet  und  ge- 
schlossen worden. 

Geschehen  Rastenburg  am  ersten  Sonntag  nach  Trinitatis  Anno  1636. 

Confirmiren,  bekräftigen  und  bestätigen  demnach  Wir  Bürgermeister  und  Rath 
der  Churfürstl.  Stadt  Rastenburg  obbeschriebenc  Punkte  in  allem  ihrem  Begriff, 
Inhalt  und  Clausulen  kraft  Unsers  tragenden  obrigkeitlichen  Amtes  des  gänzlichen 
Willens,  daß  dieselben  hinfüro  fest,  stet  und  unverbrüchlich  gehalten  und  die  Ver- 
brecher zur  unablässigen  Strafe  von  E.  E.  Rath  und  den  bestätigten  Aelterleuten 
gezogen  werden  sollen,  wonach  sich  jedermännlichen,  der  hieran  interessiiet,  zu  richten. 

Actum  Rastenburg  den  22.  Aprilis  Anni  1637. 


n. 

WillkUhr  der  Stadt  Rastenburg. 

Nachdem  zu  sonderlicher  Beförderung  christlichen  Wandels  und  Wesens,  Fort- 
stellung gleichmäßigen  Rechtens,  zu  Erhaltung  Güter,  Ordnung  und  Polizei  hoch- 
nöthig  und  dieser  Stadt  ganz  dienstlich,  daß  eine  gute  Ordnung  und  willkührhches 
Recht,  wonach  sich  ein  jeder  Bürger,  der  Reiche  sowohl  als  der  Arme  zu  richten, 
gestiftet  und  angeordnet  werde,  auch  alle  löbliche  Satzungen  und  Ordnungen  Gott, 


Von  Carl  Beckherrn.  585 

dem  Allmächtigen,  zu  Ehren  und  der  gemeinen  Bürgerschaft  zu  aller  Wohlfahrt  ge- 
reichen und  gemeinet  werden,  so  ist  aus  vorhergehendem  wohlbedachtem  Recht  und 
einhelligem  Schluß  E.  E.  Raths,  Gerichts,  Aeltestcn  aller  Werke  und  einer  ganzen 
Gemeinde*)  diese  Willkühr  und  Stadtordnung  aufgerichtet  und  zusammengetragen. 
Solle  demnach  ein  jeder  und  alle  diejenigen,  die  sich  in  dieser  Stadt  Rastenburg  des 
Bürgerrechts,  Handels  und  Wandels  gebrauchen  wollen,  diese  Willkühr,  wie  dieselbe 
nach  Gelegenheit  und  Erheischung  gegenwärtiger  Zeit  allenthalben  in  allen  und 
jeden  ihrer  Punkte  und  Clausulen  enthalten,  sich  derselben  gemäß  und  gehorsamb- 
lichen bei  Vermeidung  der  beigesetzten   Strafe  und  Pön  verhalten  und  nachleben 

wie  folget. 

Cap.  I. 

Von  gottfurclitigem  Leben  und  Wandel. 

Distinctio  1.  2.  (Diese  und  die  anderen  auf  kirchliche  Verhältnisse  bezüglichen 
Artikel  sind  hier  nicht  aufgenommen,  da  sie  schon  in  dem  Aufsatze  „Die  St.  Georgen- 
kirche zu  Rastenburg"  in  der  Altpr.  Monatschr.  XX,  297  abgedruckt  sind.) 

Dist.  3.  Würde  auch  Jemand  in  Collationibus,  Bierzechen  und  anderswo  von 
Königl.  Majestät  in  Polen  oder  aber  Churrurstl.  Durchl.  allhier  in  Preußen,  unserer 
allergnädigsten  Herrschaft  und  dem  ganzen  Churfurstl.  Hause  Brandenburg  etwas 
Uebles  redcu  hören  und  es  nicht  andeuten,  soll  willkührlich  gestrafet  werden. 

Dist.  4 — 10  (s.  Bemerkung  unter  1). 

Cap.  U. 
Von  Examinibas  in  der  Schulen. 

Dist.  1.  Wenn  Examina  in  der  Schulen  gehalten  werden  und  der  Tag  sowohl 
die  Stunde  von  Herrn  Pfarrern  und  Schulmeistern  angekündiget  wird,  sollen  zween 
Herren  aus  E.  E.  Raths  und  zween  aus  E.  E.  Gerichts  Mitteln,  wie  auch  die  Kirchen- 
väter und  aus  den  Hauptziinften  und  Werken  einer  von  denAeltesten  dazu  deputiret 
werden.  Dieselben  sollen  sich  zu  rechter  Zeit  in  der  Schulen  eingestellen,  solche 
Examina  mit  anhören  und  ihren  Hinterlassenen  davon  Relation  thun. 

Cap.  in. 

Vom  Bürgerrecht,  wie  es  damit  soll  gehalten  und  wem  es  soll 

gegeben  werden.    Item  von  andern  Stadtsachen. 

Dist.  1.    Wer  sich  allhier  in  der  Stadt  nähren  will  oder  Haus  und  Hof  auf- 
halten, sein  Handwerk  oder  Kaufmannschaft  treiben,  der  soll  seine  Geburtsbriefe  auch 


*)  Der  Rath  bestand  aus:  1  Bürgermeister,  1  Vice-Bürgermeister  und  6  Raths- 
verwandten,  worunter  2  Stadtkämmerer.    Ihm  war  beigegeben  1  Stadtschreiber. 

Das  Gericht  bestand  aus:  1  Richter  (vorübergehend  auch  1  Unterrichter), 
1  Schöppenmeister  und  7  Gerichtsverwandten.  Im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts 
war  ihm  auch  1  Gerichtsschreiber  beigegeben. 

Die  Gemeinde  oder  die  dritte  Ordnung  bestand  aus:  20  Vertretern  der 
Bürgerschaft,  darunter  je  2  Aelterleute  der  sieben  Hauptgewerke. 

Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XX IL  Hft.  7  u.  8.  38 


586  Verzeichnis»  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

ein  Gezeugniß  seines  Verhaltens  haben  und  das  Bürgerrecht  gewinnen,  sonsten  s»U 
er  nicht  eingenommen  noch  gelitten  werden. 

Dist.  2.  Ein  jeder,  so  das  Bürgen-echt  gewinnet,  soll  den  Erbeid  Ihrer  Künigl 
Majestät  und  Churfürstl.  Durchl.  vor  E.  E.  Rath  stracks  zu  leisten  schuldig  sein. 

Dist.  3.  Welcher  Bürger  den  angelobten  Gehorsam  und  Pflichten  nicht  legtet, 
demselben  soll  das  Bürgerrecht,  so  er  nach  vorhergehender  Erinnerung  beharrbel» 
fortfahren  würde,  wieder  geleget,  und  Nahrung  zu  treiben  nicht  gestattet  werden. 

Dist.  4.  Es  soll  keinem  Juden  oder  Schotten  alhier  zu  Hasten  bürg  alter  Ge- 
wohnheit nach  das  Bürgerrecht  gegeben  werden. 

Dist.  5.  Ingleichen  soll  Keinem  das  Bürgerrecht  gegeben  werden,  der  anders- 
wo Bürger  ist,  er  verzeihe  sich  denn  dessen  und  ziehe  mit  der  Wohnung  anhero  \ivA 
thue  die  Pflichten  einem  andern  Bürger  gleich. 

Dist.  G.  Es  soll  derjenige  Bürger,  so  anderwohin  aus  der  Stadt  sich  begieb.t, 
sofern  er  das  Bürgerrecht  länger  als  ein  Jahr  behalten  will,  sich  jahrlich  bei  E.  E. 
Rath  anzugeben  und  desfalls  abzufinden,  schuldig  sein. 

Dist.  7.  Wer  auch  allhier  Bürger  sein  will,  der  soll  sich  nicht  des  Hauädnus 
weder  in  der  Stadt,  noch  auf  dein  Lande  gebrauchen  und  umherfahren,  noch  Ku^chr* 
halten,  die  solches  seinetwegen  andern  Bürgern  zum  Vor  fang  thun,  bei  Strafe  von  ;>  M. 

Dist.  8.  Die  umbfahrenden  Schotten  sollen  außerhalb  des  Jahrmarkts  keicr 
Waaren  in  der  Stadt  uud  Vorstadt  zu  verkaufen  Macht  haben  bei  Verlust  »]<  r 
Waaren,  außer  solchen  Sachen,  die  man  in  der  Stadt  nicht  haben  könnte. 

Dist.  9.  u.  10.  Die  Willkühr  soll  jährlich  auf  dem  Itathhause  der  ganzen  Gemeind»* 
verlesen,  auch  die  Rechnung  vor  der  Stadt  Kühr  E.  E.  Gemeinde  abgeleget  w«*rdeL. 

Dist.  11.  Ein  jeder  Bürger  in  oder  außer  der  Stadt  soll  sein  über-  und  Unter- 
gewehr halten  bei  Strafe  von  3  M. 

Dist.  12.  Auf  Landtage  und  andere  Stadt-Expeditiones  sollen  allewege  zwri 
abgeordnet  werden,  nämlich  einer  aus  E.  E.  Raths  Mittel  und  neben  ihme  der  Herr 
Stadtschreiber,  auch,  da  wichtige  Händel  vorfielen,  es  der  Stadt  ehestens  notificireit 
und  Raths  erholen.*) 

Cap.  IV. 
Von  Hand  Werksleuten  insgemein. 

Dist.  1.  Tuchmacher,  Gewandschneider,  Krämer  und  alle  Händler,  so  sich  der 
Ellen  und  des  Gewichts  gebrauchen,  sollen  gute  vollkommene  Ellen  und  Gewicht 
haben  auch  nach  altem  Maß,  Korn  und  Brauch  ihre  Waaren  an  Länge  und  Breite* 
machen,  welche  dann  nach  Gelegenheit  von  den  Aeltesten  besichtiget  werden  sollen, 
und  da  sie  falsch  und  sunder  an  Rahmen  befunden,  sollen  sie  vermöge  ihrer  RahVii 
in  gebührliche  Strafe  genommen  und  die  Strafe  zum  besten  eingebracht  werden. 


*)  Unter  den  kleinen  Städten  hatte  Rastenburg  auf  den  Landtagen  das  zweite 
Votum  und  in  Abwesenheit  der  Deputirten  von  Bartenstein  den  Vorsitz. 


Von  Carl  Beckherrn.  587 

Bist.  2.  Goldschmiede  und  Kannengießer  sollen  auch  recht  Gewicht  haben  und 
ihre  Waaren  nicht  verfälschen  bei  hoher  Strafe,  wie  zu  Recht  geordnet. 

Dist.  3.  Aus  allen  Werken  sollen  alle  14  Tage  ihrer  zween  umhergehen,  die 
Waaren  mit  Fleiß  besehen  und  einen  jeden  Werkbruder  vermahnen,  daß  er  seine 
Waaren  um  einen  billigen,  ziemlichen  Pfennig  nach  dem  Einkauf  gebe,  auch  niemals 
vertheuere,.  und  da  etwas  Tadelhaffces  befanden  würde,  dasselbige  hinwegnehmen  und 
zum  Aeltesten  bringen,  damit  er  möge  in  gebührliche  Strafe  genommen  werden.. 

Dist.  4.  Welche  Werkbruder  zu  solcher  Besichtigung  verordnet  werden  und 
sich  säumig  oder  nachlässig  erzeigen,  dieselben  sollen  E.  E.  Werk  mit  Strafe  ver- 
fallen sein. 

Dist.  5.  Welcher  Handwerksmann  einer  Bürgerschaft  um  Bezahlung  nicht  will 
arbeiten,  sonderlich  die  Schmiede,  Rademacher,  Schirrmacher,  Böttcher  und  Leinen- 
weber, der  verbüßet  E.  E.  Rath  3G  J>  und  soD  demnach  arbeiten,  und  soll  allzeit  der 
Bürger  dem  Landmann  in  der  Arbeit  vorgezogen  werden. 

Dist.  6.  Die  Handwerker  sollen  unter  ihnen  nichts  Neues  ordnen  ohne  der 
Obrigkeit  Wissen  und  Willen  bei  Strafe  von  3  M. 

Dist.  7.  Wenn  Jemand  verwundet  wird,  soll  dem  verordneten  Arzt  der  erste 
Verband,  damit  er  sich  desto  baß  erhalten  könne,  gegönnet  werden*);  doch  wofern 
der  Schade  und  die  Gefahr  so  groß,  daß  der  Arzt  sich  des  Schadens  mit  Heften  und 
Schienen  nicht  unterstehen  könnte  und  der  Patient  sich  eines  Schandmals  oder  sonsten 
anderer  Gefahr  besorget,  mag  ein  jeder  zu  Erhaltung  seiner  Gesundheit  einen  andern 
Arzt  oder  Balbierer  suchen  und  gleichwohl  dem  verordneten  Arzt  den  ersten  Ver- 
band zahlen. 

Cap.  V. 

Von  den  üfälzenbrftnern. 

Dist.  1.  Zu  brauen  soll  jährlich  um  Bartholomäi  oder  noch  früher,  dafern  am 
Bier  ein  Mangel  sich  ereignen  sollte,  angefangen  und  auf  den  letzten  März  neuen 
Kalenders  geendiget  werden.  Da  dann  E.  E.  Rath,  Stadtrichter  und  Stadtschreiber 
die  ersten  Wochen  sollen  vorgehen  und  drei  Wochen,  dafern  solches  nicht  ehe 
ausgehen  sollte,  zum  Verschenken  haben  sollen;  die  anderen  Wochen  aber  die 
neue  Zunft. 

Dist.  2.  Derjenige,  so  seines  eigenen  Vortheils  halber,  ehe  er  vom  ganzen 
Hause  3  Wochen,  vom  halben  6  Wochen  und  vom  Viertel-Hause  12  Wochen  alt  wird, 
die  Pfanne  verschreiben  läßt,  soll  büßen  3  M. 

Dist.  3.  Welcher  Bürger  sein  eigen  Haus  hat,  soll  dasselbe  nicht  leer  lassen 
oder  vermiethen,  sondern  selbst  wenigstens  Jahr  und  Tag  besitzen,  wenn  er  die  Brau- 
gerechtigkeit genießen  will. 


*)  Der  erste  geprüfte  Chirurg  wurde  1676  von  der  Stadt  angestellt,  einStadt- 
medicus  wird  schon  1652  erwähnt. 

38* 


588  Veraeichüißs  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

Dist.  4.  Der  Unmündigen  Häuser  sollen  zu  besserem  Unterhalt  der  Unmündigen 
und  Erhaltung  der  Gebäude  mit  der  Gerechtigkeit  des  Brauens  bis  zu  ihrer  Minder- 
jährigkeit und  nicht  darüber  aufs  Höchste  einem  Bürger  zu  vermiethen  frei  stehen. 

Dist.  5.  Derjenige  Bürger,  so  zwei  oder  mehr  Häuser  hat  und  nicht  selb>t 
besitzet,  sondern  einen  Miethsmann  darinnen  hat  und  ziemliche  Miethe  empfängt, 
die  Aecker  aber  und  das  Brauwerk  genießen  will,  soll  mehr  nicht,  als  jährlich  vom 
ganzen  Hause  zweimal  und  vom  halben  einmal  zu  brauen  berechtigt  sein. 

Dist.  6.  Sobald  ein  jeder  abgebrauet,  soll  er  die  Brände  vor  der  Thür  aus- 
löschen und  nicht  gestatten,  daß  glühende  Kohlen  oder  Brände  über  die  Gasse  %*■- 
tragen  werden,  und  wenn  in  der  Woche  das  letzte  Bier  gebrauet,  die  Pfanne  aut 
den  Kirchhof  wie  gewöhnlich  führen  lassen  bei  Strafe  von  30  j>. 

Dist.  7.  Kein  fremdes  Bier,  Meth  oder  Brandwein  wird  verstattet,  in  die  Stadt 
einzuführen  bei  Strafe  und  Verlust  des  Getränkes. 

Dist.  8.  Es  soll  sich  Niemand  unterstehen  Kesselbier*)  zu  brauen,  auch  die 
Büdener  und  Yorstädter  Brandwein  zu  brennen  bei  Verlust  des  Kessels  und  Grapen«. 

Dist.  9.  Es  soll  Keiner  für  einen  Andern  die  Pfannen  verschreiben,  noch  brauen 
lassen  außer  um  die  Hälfte  bei  Strafe  von  IG  M.  von  jedem. 

Dist.  10.  Diejenigen,  so  in  der  letzten  Woche  alt  genug  mit  dem  Pfannen- 
verschreiben  sind,  aber  von  Aelteren  abgestoßen  werden  und  fertig  Malz  haben, 
sollen  die  nachfolgende  Woche  zu  brauen  Macht  haben,  doch  daß  sie  beim  letzten 
Pfannenverschreiben  sich  angeben  und  stracks  versclireiben  lassen;  denjenigen  aber, 
so  zur  selbigen  Zeit  nicht  verschreiben  lassen,  soll  keineswegs  zu  brauen  weiter  ver- 
gönnet werden. 

Dist.  11.  Wenn  ein  ganzes  und  ein  halbes  Haas  gleich  alt  sind,  soll  das  ganze 
vor  dem  halben  den  Vorzug  haben  und  nicht  wie  vor  alters  zu  loosen  verbunden  sein. 

Dist.  12.  Es  soll  Keiner  seine  eigene  Pfanne  weder  zum  Meth  noch  Bierbraueu 
halten  bei  Verlust  der  Pfanne. 

Dist.  13.  Es  soll  sich  auch  kein  Bürger  unterstehen,  der  Stadt  zum  Vorfang 
außerhalb  der  Stadt,  im  Schloß  oder  sonsten  zu  brauen  bei  harter  willkührlicher  Strafe. 

Cap.  VI. 
Biersehank. 

Dist.  1.  Ein  jeder,  der  sich  des  Bierschanks  gebrauchet,  soll  vollkommene  und 
geaichte  Halbachtcl-Stofe  und  Halben  halten  auch  volles  Maß  geben  bei  Strafe 
von  1  M. 

Dist.  2—4  (s.  Bemerkung  Cap.  I.  1). 

Dist.  5.  Niemand  soll  außer  der  Stadt  in  der  Vorstadt  des  Gästesetzens  und 
Bierschenkens  sich  gebrauchen  außer  beim  Jahrmarkt  zwei  Tage  bei  Strafe  von  10  M. 


*)  Das  im  eigenen  gewöhnlichen  Kessel  ausser  der  Ordnung  gebraute  Bier. 


Von  Carl  Beckherrn»  589 

Dist.  G.    Es  soll  auch  kein  Bürger  seinem  Nachbarn  zum  Vorfang  eines  Andern 

Bier  in  sein  Haus  tragen  und  verschenken  lassen  bei  Strafe  von  6  M. 

Dist.  7.    Niemand  soll  freistehen,  sein  Bier  in  fremden  Häusern  zu  verschenken 

bei  Strafe  von  G  M. 

Cap.  VH. 

Vom  Mälzen  und  Brauen. 

Dist.  1.  Die  Mälzer  sammt  den  Brauern  sollen  beeidigt  und  von  E.  E.  Rath 
hart.  aiii»cinahn<,t  werden,  die  Malze  und  Bier  ihrem  höchsten  Vermögen  nach  auszu- 
arbeiten, widrigenfalls  sollen  sie  das  Malz  und  Unkosten  zahlen  oder  aber  am  Leibe, 
da  fern  sie  es  verwahrlosen,  gestrafet  werden. 

Dist.  2.  Es  sollen  die  Mälzer  keinem  fremden  Manne  außer  dem  vom  Adel 
Malz  machen,  sondern  die  Bürger  unsäuuüich  befördern.  Welche  dawider  handeln, 
verbüßen   1  M.  30  jS. 

Bist.  3.  Damit  Parthiererei  verhütet  werde,  soll  Niemand  bei  etlichen  Scheffeln 
beizugießen  vergönnet  sein.  Wer  dawiderhandelt,  verbüßet  das  Getreide  oder  Malz, 
und   der  Mälzer  1  M.  30  f 

Dist.  4.  An  Vieh  soll  der  Mälzer  nicht  mehr  als  eine  Kuh  und  zwei* Schweine 
halten  und  das  andere  alles  ihm  verboten  sein  bei  Verlust  des  Viehes. 

Cap.  VHI. 
Von  Instleiiteu  und  Gärtnern. 

Diät.  1.  Die  Gärtner  sind  verbunden,  von  ihren  Brodherren  zu  aller  Arbeit 
vor  Anderen  sich  gehorsam  gebrauchen  zu  lassen  bei  Strafe  des  Thunns. 

Dist.  2.  Imgleichen  sollen  sie  auch  andern  Bürgern,  wenn  sie  bei  ihrer  Herr- 
schaft nichts  zu  thun  haben,  um  gewisse  Bezahlung  nach  E.  E.  Kaths  Taxe  und 
Ordnung  zu  arbeiten  schuldig  sein  bei  Thurmstrafe. 

Dist.  3.  Würde  aber  Jemand  von  Kauf-  Frei-  und  andern  Gärtnern  bei  der 
Stadt  nicht  arbeiten,  sondern  ohne  Vorbcwust  der  Obrigkeit  und  ihrer  Herrschaft 
seinem  Vortheil  nach  aufs  Land  laufen  wollen,  der  soll  zum  ersten  und  andern  Mal 
mit  Thurmstrafe  beleget  werden,  zum  dritten  Male  aber  mit  6  M.  Strafe  verbüßen, 
in  Erwägung,  daß  sie  sich  und  ihr  Weib  und  Kind  bei  der  Stadt  erhalten  und  er- 
nähren und  freien  Einkauf  zu  ilirer  Nothdurft  auf  dem  Markt  haben. 

Cap.  IX. 
Vom  Viehhalten. 

Dist.  1.  Niemand  soll  seine  Pferde  los  zur  Tränke  jagen  und  in  der  Stadt  los 
laufen  lassen,  sondern  bei  den  Zäumen  führen,  bei  Strafe  von  15  j>,  und  soll  der 
Eintreibe!*  hierauf  gute  Acht  haben,  solche  Pferde  eintreiben,  und  wer  solche  will 
wieder  haben,  giebt  ihm  für  jedes  Stück  1  Gr. 

Dist.  2.  Es  soll  ein  jeder  sein  Vieh  vor  den  Hirten  treiben  und  nicht  selber 
hüten  lassen.    Wer  darwiderhandelt,  büßet  zum  ersten  Mal  vom  Stück  3  j>,  zum 


590  Verzeichnis«  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkunden. 

andern  6  j$,  zum  dritten  Mal  soll  ihm  das  Vieh  eingejaget  and  nicht  ehe  ausgelassen 
werden,  er  erlege  denn  Ton  jedem  Stück  1  M. 

Dist.  3.  Niemand  soll  seine  Kühe,  Schweine  oder  ander  Vieh  auf  der  Gas^ 
umhergehen  lassen,  sondern  im  Stall  halten,  daß  es  dem  fremden  Manne  nicht  Schaden 
zufügen  möge;  wer  hierwiderhandelt,  dem  soll  das  Vieh  eingetrieben  und  dem  £u> 
treiber  von  jedem  Stück  1  Gr.  gegeben  werden,  auch  daneben  den  Schaden  gelten. 
Wer  aber  über  zwei  oder  dreimal  sein  Vieh  und  Schweine  nicht  einhalten  würd«?. 
dem  soll  es  genommen  und  ins  Hospital  gegeben  werden.*) 

Dist.  4.  Es  soll  keinem  Instmann  in  und  vor  der  Stadt,  der  kein  Bürgerrecht 
hat,  Vieh  zu  halten  gestattet  sein  bei  Verlust  des  Viehes. 

Dist.  5.  Es  soll  kein  Hübner  und  Bürger  in  und  vor  der  Stadt  Gämse  halten. 
Wer  hierwiderhandelt,  dem  sollen  die  Gänse  genommen  und  ins  Hospital  gegeben 
werden. 

Dist.  6.  Es  soll  Niemand  mehr  Rauhfutter  an  Heu  und  Stroh  als  auf  zwei 
Nächte  in  die  Stadt  bringen  bei  Strafe  von  3  M. 

Dist.  7.  Weil  auch  die  Viehweide  sehr  knapp,  und  mancher  mehr  Vieh  hat, 
denn  ihme  gebühret  und  er  halten  kann,  soll  hinfüro  das  übrige  Vieh  abgeschattet 
sein,  und  ein  ganzes  Haus  8  Kühe,  ein  halbes  4,  ein  Büdner  an  der  Mauer  zwo  Kühe 
und  die  Vorstädter  eine  Kuh,  ohne  welche,  die  Hüben  haben,  halten  und  zur  Weide 
vor  den  Hirten  treiben  lassen.  Wer  hierwiderhandeln  wird,  ist  in  E.  E.  Ratha 
Strafe  und  soll  gleichwohl  das  übrige  abschaffen;  das  gelte  Vieh  aber  soll  an  einen 
andern  Ort  getrieben  werden. 

Dist.  8.  Es  soll  auch  Niemand  Schweine  allhier  vor  den  Thüren  mästen  und 
Sautröge  halten  bei  Strafe  von  3  M. 

Dist.  9.  Den  Kauf-  und  Freigärtnern  soll  kein  Vieh,  ausgenommen  zwei 
Schweine,  zu  halten  vergönnet  werden. 

Dist.  10.  Würden  Jemandes  Schweine  aus  den  Gärten  oder  sonsten  gepfändet 
und  in  3  Tagen  nicht  ausgelöset,  sollen  sie  ins  Hospital  gegeben  werden;  im  Felde 
aber  werden  sie  ganz  zum  Schießen  freigegeben. 


*)  Unter  der  Voraussetzung,  dass  die  für  die  Strassenordnung  gegebenen  polizei- 
lichen Vorschriften  strenge  gehandhabt  wurden,  darf  man  annehmen,  dass  die  Stadt 
damals  einen  ungleich  günstigeren  Eindruck  in  dieser  Beziehung  gemacht  haben  moss, 
als  in  späterer  Zeit;  denn  noch  zu  Ende  der  zwanziger  Jahre  unsers  Jahrhunderts 
waren  die  Strassen  der  Stadt  die  unbestrittenen  Tummelplätze  der  oben  genannten 
Dickhäuter.  Als  einst  darüber  Klage  geführt  und  dem  Bürgermeister  von  gewisser 
Seite  angedeutet  wurde,  dass  es  zweck-  und  zeitgemäss  sei,  ein  Verbot  dagegen  zu 
erlassen,  erwiderte  das  „fursichtige  und  wolweise"  Stadtoberhaupt:  Ein  solches  Ver- 
bot könne  in  Rücksicht  auf  die  Reinhaltung  der  Strassen  nicht  erlassen  werden. 
Die  Erklärung  dieses  räthselhaften  Ausspruchs  findet  man  in  der  Anmerkung  zu 
Cap.  XI,  Dist.  3,  wenn  man  sich  zugleich  der  eigentümlichen  Geschmacksrichtung 
der  erwähnten  Thiere  erinnert. 


I 


Von  Carl  Beckherrn.  591 

Dist.  11.  Das  gelte  Vieh  soll  auf  alten  Philippi  Jacobi  von  der  Stadt  weg- 
gebracht werden. 

Dist.  12.  Niemand  soll  sein  Vieh,  Pferde  oder  Schweine  in  den  Stadtgraben 
«rehen  lassen  bei  3  J>  Strafe. 

Dist.  13.    Räudige  Pferde  sollen  abgeschafft  oder  erschossen  werden. 

Cap.  X. 
Wie  es  im  Felde  und  mit  den  Rücken  soll  gehalten  werden. 

Dist.  1.  Weil  die  ganzen,  halben  und  Viertel-Häuser  tue  Rücken  im  Roßgarten 
auch  .sonst  in  Feldern  halten  müssen,  die  Vor^t&dter  und  Büdner  aber  ihre  Pferde 
auch  in  den  Roßgarten  bringen,  sollen  sie  hinfüro  jährlich  auf  Jacobi  20  Gr.  Weide- 
geld  dem  Roßgartenherru  ablegen  und  die  Nachtzeche,  wenn  es  an  sie  kommt,  mit- 
halten, von  welcher  Geldeinnahme  die  Roßgartenherren  14  Tage  nach  Jacobi  E.  E. 
Kath  sollen  richtige  Rechnung  thun. 

Dist.  2.  Es  soll  ein  jeder  seine  Rücken  im  Felde  und  Roßgarten  an  allen  Orten 
wie  es  ihme  Ton  dem  Herrn  Bürgermeister  befohlen  wird,  fertig  machen.  Wer  hier- 
widerhandelt  und  bruchfällig  wird,  der  büßet  von  jedem  Loch  2  j>,  und  ob  er  sich 
nicht  daran  kehren  wollte  und  ferner  nachlässig  befunden  würde,  der  büßet  E.  E. 
Kath  zum  andern  Mal  15  j>,  und  so  oft  er  straffällig  befunden  wird,  büßet  er  30  6 
wegen  Ungehorsams  nebst  Erstattung  alles  Schadens,  so  durch  solche  bruchfällige 
Rücken  Jemand  zugefügt  worden. 

Dist.  3.  Niemand  soll  seinem  Nachbarn  die  Rücken  ausziehen  und  entwenden, 
noch  die  seinen  damit  ausbessern.  In  Verbrechung  soll  derselbe  arbitrarie  von  E.  E. 
Kath  gestraft  werden. 

Dist.  4.  Es  soll  Niemand  dem  Andern  aus  den  Gärten  Geköch  oder  Anderes 
entwenden  bei  Thurrastrafe. 

Dist.  5.  Niemand  soll  einem  Andern  durch  das  Getreide  oder  Wiesen  fahren 
oder  reiten  und  ihm  dadurch  Schaden  zufügen  bei  1  M.  30  f>  Strafe. 

Dist.  (j.  Es  soll  ein  jeder  Nachbar  dem  andern  die  Vorfluth  auf  den  Aeckern, 
Wiesen,  Gärten  und  bei  der  Stadt  allenthalben  verschaffen  und  räumen  bei  1  M. 
Strafe.  Die  Hauptgraben  aber  in  den  Feldern  sollen  von  gemeiner  Contribution  nach 
erheischender  Nothdurft  ausgeworfen  und  zurecht  gemacht  werden. 

Dist.  7.  Niemand  soll  seinem  Nachbarn  das  Gras  weder  auf  den  Wiesen  noch 
auf  den  Rainen  abschneiden  bei  3  M.  Strafe. 

Dist.  8.  Es  soll  Niemand  seine  Pferde  im  besiieten  Winter-  und  Sommerfeld, 
weder  des  Tages  noch  Nachts  zu  hüten,  nachgelassen  sein  bei  3  M.  Strafe. 

Dist.  9.  Niemand  soll  seine  Feldäcker  berücken  und  Roß-  oder  andere  Gärten 
daraus  machen,  damit  das  Feld  nicht  enger  wird,  bei  willkührhcher  Strafe. 


i 


592  Verzeichnis*  der  die  Stadt  R.ntenburg  betreffenden  Urkunden. 

Cap.  XI. 
Von  Straßen  uod  Gassen. 

DU*.  1.  Es  soll  Niemand  seine  Wagen  oder  Schlitten  des  Sonntags.  Feierta- 
oder  sonsten  des  Werkeltages,  sowohl  bei  Abend  als  bei  nachtschlafender  Zeit  aof 
dem  Markt  oder  den  Gassen  stehen,  noch  Hob  oder  Klotze  vor  der  Thur  Kwn 
lassen  bei  30  j>  Strafe. 

Dist.  2.  Es  soll  jeder  seinen  Mist,  sowohl  vor  den  Thüren  als  hinter  d<ru 
Ställen,  alle  vierzehn  Tage  in  und  vor  der  Stadt  ausführen;  im  Falle  er  aber  solch- 
nicht  thun  könnte,  soll  er  denselben  seinem  Nachbarn  oder  einem  andern  gut.-o 
Manne  wegzuführen,  vergönnen  bei  30  jS  Strafe.  *) 

Bist.  3.  Es  soll  Niemand  eine  Kloake  oder  Heimlichkeit  an  der  Gasse  an- 
bauen, noch  denselben  Unflath  auf  die  Gasse  gießen  bei  3  M.  Strafe.**) 

Bist.  4.  Es  soll  kein  Schuster,  Riemer  noch  Weißgerber  Leder  oder  Sämi^h 
in  der  Stadt  gerben  und  waschen,  noch  das  Wasser  davon  auf  die  Gasse  giffr-n 
bei  3  M.  Strafe. 

Bist.  5.  Es  soll  auch  kein  Barbierer  das  Blut  vom  Aderlassen  auf  die  Gas* 
und  Misthaufen  gießen  bei  3  M.  Strafe. 

Bist.  6.  Kein  Burger  oder  Fleischhauer  der  allhier  in  der  Stadt  wohnen  oder 
Vieh  schlachten  will,  soll  die  Kotteln  von  geschlachtetem  großem  Vieh  in  der  Stadt 
ausschütten,  noch  reinmachen,  sondern  soll  sie  außerhalb  an  den  See  tragen  und  reü> 
machen  bei  3  M.  Strafe. 

Bist.  7.  Niemand  soll  seine  Leitern  schrank  über  die  Gasse  setzen,  sondern 
rieht  überende  an  der  Rinne  halten  und  anbinden.***)  Wer  hierwiderhandelt  büßet 
30  £ 

Bist.  8.  Es  sollen  die  Gassen  zwischen  den  Höfen  und  Gärten  nicht  en^er 
gemacht  oder  ganz  verzäunet  werden,  sondern  bei  dem  alten  Raum  und  Grenzen 
gelassen  werden.    Wer  dawiderhandelt  büßet  6  M. 

Bist.  9.    Es  soll  kein  Holz  oder  Mist  beim  Stiernagel  alias  Kaakf)  oder  aut 

*)  Ber  Bünger  wurde  in  Gruben  und  Kasten  aufgehoben,  welche  unmittelbar 
an  der  Strasse,  die  Hauptstrassen  nicht  ausgenommen,  lagen.  Biese  Einrichtung  be- 
stand noch  am  Ende  der  zwanziger  Jahre  unseres  Jahrhunderts. 

**)  Auch  die  Abtritte  ragten  noch  zu  der  in  vorstehender  Anmerkung  ge- 
dachten Zeit  an  den  oberen  Stockwerken  einiger  Häuser  in  die  Strasse  hinaus  und 
waren  auch  im  Gebrauch.  Burch  diese  merkwürdige  Einrichtung  wurden  die  mensch- 
lichen Excremente  unmittelbar  auf  die  Strasse  befördert. 

***)  Bie  Verordnung  wegen  der  Bachleitern  deutet  darauf  hin,  dass  noch  viele 
Häuser  mit  Strohdächern  versehen  gewesen  sind.  (Vergl.  Cap.  XXH,  1.) 

t)  Ber  Pranger,  welcher  noch  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  in  der  ehe- 
maligen Mauerstrasse  zwischen  den  Brückenmauern  vor  dem  hohen  Thore  stand. 
„Ber  grüne  Bock",  welcher  1660  am  Rathhause  befestigt  und  mit  einem  eisernen 
Gitter  umgeben  wurde,  hat  vielleicht  eine  ähnliche  Bestimmung  gehabt. 


Von  Carl  Beckherrn.  593 

offener  Straße  in  der  Vorstadt  abgeleget  werden  bei  .Verlust  des  Holzes  ins  Hospital 
und  nach  Inhalt  der  Hübnerwillkühr  wegen  des  Mistes  1  Guld.  Strafe. 

Dist.  10.    Asche  und  Gruß  sollen   außerhalb   der  Stadt  gebracht   werden  bei 

18  l  Strafe. 

Cap.  XII. 

Von  Feuersbriiust. 

Dist.  1.  Anfänglich,  so  ein  Feuer  auskommt,  welches  doch  Gott,  der  Allmäch- 
tige, abwenden  und  die  ganze  Stadt  sowohl  männiglich  gnädigst  davor  behüten  wolle, 
soll  vor  allen  Dingen  der  Herr  Bürgermeister  nebst  dem  Stadtkämmerer  und  dem 
Jüngsten  aus  E.  E.  Kaths  Mittel  der  erste  beim  Feuer  sein  und  die  Leute  antreiben 
und  das  Feuer  zu  löschen  fleißig  ermahnen. 

Dist.  2.  Die  Zimmerleute  und  Maurer  sollen  in  Feuersnöthen  mit  Axt  und 
Mauerhacken  stracks  erscheinen  und  ihrem  besten  Vermögen  nach  retten  helfen. 

Dist.  3.  Es  soll  auch  E.  E.  Kath  nebst  den  Aeltesten  aus  allen  Werken  gute 
Achtung  geben,  daß  aus  allen  Häusern  der  Bürgerschaft  der  Wirth  selbst  erscheine, 
einen  Eimer  mit  Wasser  mitbringe  und  löschen  helfe.  So  Jemand  befunden  würde, 
der  nickt  aus  seinem  Hause  persönlich  erschiene,  oder  im  Fall  er  nicht  einheimisch 
oder  mit  Krankheit  befallen  wäre,  einen  aus  seinem  Hause  schicken  würde,  derselbe 
soll  3  M.  Strafe  erlegen. 

Dist.  4.  Es  soll  auch  E.  E.  Kath  die  Leitern,  Feuerhaken,  Schlitten  und  Wasser- 
küfen  allezeit  fertig  und  an  gewissen  Orten  halten,  damit  man  solche  in  vorfallender 
Feuersbrunst  zur  Hand  haben  könne. 

Dist.  5.  Es  sollen  die  Bürgerschaft  und  die  vorstädtischen  Bauern  zum  fleißig- 
sten helfen  Wasser  führen,  ihre  Pferde  unsäumlich  anspannen,  die  mit  Wasser  ge- 
lullten Kufen  mitbringen,  und  wer  der  erste  zum  Feuer  kommt,  soll  3  M.,  der  andere 
2  M.,  der  dritte  1  Guld.,  der  vierte  1  M.  haben. 

Dist.  6.  E.  E.  Kath  soll  den  Vorstädtem  auch  etliche  Feuerleitern  mit  Rädern 
und  Haken  fertigen  lassen  und  an  einem  besondern  Ort  in  Bereitschaft  halten. 

Dist.  7.  Es  soll  auch  bei  einem  jeden  Hof  in  der  Vorstadt  eine  Leiter  ge- 
halten werden. 

Dist.  8.  Es  solleu  die  Vorstädter,  gleich  wie  sie  wollen,  daß  man  aus  der  Stadt 
ihnen  in  Feuersnoth  zu  Hilfe  kommt,  desgleichen  auch  der  Stadt  zu  Hilfe  kommen,  und 
würden  die  Vorstädter  hierinnen  nachlässig  befunden,  sollen  sie  solches  büßen  mit  6  M. 

Dist.  9.  Es  soll  auch  ein  jeder  sein  Gesinde  und  Gesellen  fleißig  ermahnen, 
die  Feuersbrunst  bellen  zu  löschen,  und  wo  sich  die  Handwerksleute  und  Gesellen 
bierin  fleißig  erweisen,  will  sich  E.  E.  Kath  nach  Gelegenheit  der  Brunst  dankbar 
erzeigen,  und  wo  die  Noth  groß,  ihnen  ein  Faß  Bier  oder  ein  mehre  res  geben. 

Dist.  10.  Es  soll  auch  ein  jeder  Fuhrmann,  welcher  sich  des  Fuhrwerks  be- 
fleißigt, der  erste  bei  der  Wasserfuhr  sein,  helfen  Wasser  führen  und  uns&uralich  sich 
erzeigen  bei  3  M.  Strafe. 


594  Verzeichnisa  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

Dibt.  11.  Da  auch  der  allmächtige,  ewige  Gott  Jemand  aus  der  Bürgerschaft 
mit  Feuer  strafen  und  betrüben  würde,  soll  ein  jeder  Nachbar  dem  andern,  abge- 
brannten zu  Hilfe  kommen,  und  soll  ein  ganzes  Haus  ein  Stück  Balkenholz,  zwei 
halbe  Häuser  ein  Stück  Balkenholz,  vier  Buden  ein  Stück  Balkenholz,  die  Hübner 
ein  Stück  Riegelholz*)  von  der  Hube  zu  Hilfe  geben,  wie  auch  andere  Materialien 
und  Kalk  führen  helfen.  Wenn  die  Gefahr  groß,  und  zwei,  drei  oder  mehr  Häuser 
wegen  des  Feuers  eingerissen  werden  müssen,  sollen  solche  auf  der  Stadt  Unkosten 
wiederum  erbauet  werden. 

Dist.  12.  Es  soll  auch  E.  E.  Rath  ein  Schock  lederne  Eimer  fertig  halten,  da- 
mit man  sich  derer  in  Feuersnöthcn  gebrauchen  und  desto  geschwinder  zu  Löschung 
des  Feuers  Wasser  damit  schöpfen  könne.  Dieselben  sollen  auf  dem  Ivathhause  in 
Verwahrung  gehalten  werden. 

Dist.  13.  Welcher  Bürger  oder  Einwohner  in  und  vor  der  Stadt  einen  ledernen 
Wassereimer,  welchen  E.  E.  Rath  oder  ein  Bürger  in  Feucrsnöthen  ausgegeben,  nicht 
wieder  nach  gelöschter  Feuersbrunst  an  seinen  gehörigen  Ort  und  aufs  Rathhaoä 
bringet,  sondern  denselben  behält  und  veruntreuet,  der  soll,  wo  er  solches  wissentlich 
thäte,  als  ein  treuloser  Mann  mit  dem  Thurm  und  Geldbuße  nach  Erkenntniß  E.  E. 
Raths  abgestrafet  werden. 

Dist.  14.  Ein  ganzes  Haus  soll  drei,  ein  halbes  zwei  und  eine  Bude  einen 
ledernen  Eimer  in  Bereitschaft  halten  bei  30  j>  Strafe. 

Dist.  15.  Es  soll  auch  ein  jeder  in  und  außer  der  Stadt  an  seinem  Hanse  auf 
dem  Dache  die  Leitern  fertig  halten;  wer  es  nicht  thuet,  verbüßet  1  M. 

Dist.  16.  Es  soll  auch  Keiner  mit  dem  Flackerkiehn  und  Kohlen  ans  dem 
Brauhause  über  die  Gasse  gehen,  auch  kein  Licht  in  den  Höfen  gebrauchen  bei 
3  M.  Buße. 

Dist.  17.  Es  soll  auch  ein  jeder  in  und  vor  der  Stadt  bei  Tag  und  Nacht  sein 
Feuer  wohl  bewahren;  wer  das  nicht  thuet,  verbüßet  6  M. 

Dist.  18.  Es  soll  Niemand  Flachs  innen  und  außen  der  Stadt  treugen,  brechen, 
schwingen  oder  hecheln  bei  Lichte  bei  3  M.  Strafe. 

Cap.  XH1. 
Von  Gewandschneidern  und  Tuchmachern. 

Dist.  1.  Kein  Gast,  der  Gewand  herbringet,  soll  dasselbe  außerhalb  öffent- 
lichen Jahrmarkts  bei  der  Elle  verschneiden  bei  Verlust  des  Gewandes. 


*)  Das  Riegelholz  deutet  darauf  hin,  dass  bei  den  freistehenden  Wänden  der 
Fachwerkbau  noch  allgemeine  Anwendung  gefunden.  Die  aneinanderstoßenden  Wände 
sollten  nach  Cap.  XXU,  Dist.  3  massiv  aufgeführt  werden.  Das  erste  ganz  massige 
Haus  wurde  im  Jahre  1575  erbaut.  Schaffer  berichtet  nämlich  zu  diesem  Jahre: 
„Weidenhammer  hat  das  Steinhaus  am  Markt  gebauet,  da  Herr  Ovander  innen  wohnet 
dergleichen  keins  in  der  Stadt  ist,  und  dessen  Possessores  darnach  eine  lange  Zeit 
die  Steinhauser  deswegen  genennet  worden". 


Von  Carl  Reckherrn.  595 

Dist.  2.  Es  soll  auch  kein  Gewandschneider  außerhalb  öffentlichen  Jahrmarkts 
fremdes  preußisches  Tuch  schneiden  bei  willkührlicher  Strafe. 

Cap.  XIV. 
Von  Schicht  und  Theiluiig. 

Dist.  1.  Es  soll  Niemand  Schicht  nnd  Theilung  thun  ohne  Vorbewust  und 
Beisein  E.  E.  Kaths  bei  3  M.  Buße. 

Cap.  XV. 
Vom  Kaufen  und  Verkaufen] 

Dist.  1.  Keiner  soll  dem  Andern  in  den  Kauf  treten;  wer  aber  hierwider- 
handeln  wird,  der  soll  E.  E.  Rath  30  j>  verfallen  sein,  es  wäre  denn  Sache,  daß  der, 
so  die  Waaren  erstlich  bedungen,  von  dem  Wagen  abtrete. 

Dist.  2.  Außerhalb  öffentlichen  Jahrmarkts  soll  keinem  fremden  Handwerks- 
oder Bauersmann  in  der  Woche  auf  dein  Markt  einzukaufen  oder  einigen  Kauf  zu 
machen  gestattet  werden  bei  Verlust  der  Waaren,  so  er  gekauft.  An  den  öffentlichen 
Tagen  aber  soll  dem  Landmann  nach  eingezogenen  Stadtfahnen  nachgelassen  sein, 
zu  seiner  Nothdurft  und  Unterhalt  allerlei  Essensspeise  einzukaufen. 

Dist.  3.  Welcher  Mann  o<ler  Bürger  einem  fremden  Manne  oder  Gast,  der  nicht 
Bürger  ist,  in  seinem  Namen  zu  handeln  und  zu  wandeln  nachgiebet  und  also  allerlei 
Durchschleif  der  Bürgerschaft  zum  Vorfang  dadurch  einführet,  der  büßet  3  M.,  und 
dem  Gast,  der  also  kuppelt,  soll  die  Waare  genommen  werden. 

Dist.  4.  Keinem  Bürger  soll  zu  handeln  und  wandeln  verboten  sein,  allein  daß 
gleichwohl  ein  jeder  sich  befleißige,  daß  er  aufrichtig  handele  und  keinen  Aufsatz 
noch  Theuerung  muthwilliger  Weise  der  Stadt  und  Annuth  zum  Vorfang  mache  bei 
1  M.  Strafe. 

Dist.  5.  Es  soll  Niemand  sich  unterstehen,  seinem  Nachbarn  zum  Vorfang  vor 
das  Thor  zu  laufen,  allda  Waaren  einzukaufen,  noch  den  Bauersmann  oder  Fisch- 
fiihrer  aufzuhalten,  es  sei  an  Getreide,  Fischen  und  anderen  Waaren,  sondern  soll 
den  Bauersmann  und  all  die  Waaren  in  die  Stadt  auf  den  offenen  Markt  kommen 
lassen.    Wer  dawiderhandelt,  büßet  3  M. 

Dist.  6.  Es  soll  auch  ein  jeder  Bürger  einen  rechtmäßigen  gcaichten  Scheffel 
erebrauchen  und  mit  dem  Scheffel,  damit  er  einkauft,  wieder  ausmessen.  Wer  da- 
widerhandelt, büßet  6  M.*) 


*)  Dass  dieser  Artikel  sehr  zeitgemäss  war,  geht  aus  der  im  Jahre  1629  vom 
Krzpriester  Prätorius  gehaltenen  Danksagungspredigt  für  die  Befreiung  von  der 
]>« »Inisehen  Einquartierung  hervor,  in  welcher  er  unter  andern  Sünden  der  Rasten- 
Borger  auch  ihre  Unredlichkeit  aufführt,  indem  er  sagt:  „Etliche  unter  euch  sind 
gar  ersoffen  gewesen  in  der  Ungerechtigkeit  und  im  Geiz;  mit  unrechtem  Maß  und 
falschem  Gewicht  haben  sie  sich  nähren  wollen;  aber  das  unrechte  Gut  hat  nicht 
gedeihen  wollen".  Auch  schon  Henneberger  berichtet  darüber:  „Da  Adrian 
von  Bochsen  Hauptmann  allda  war  (um  1550),  dauchte  sie  der  Scheffel  viel  zu  gering 


596  Verzeichnis«  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

Dist.  7.  Es  soll  sich  keiu  Vor&tädter  unterstehen,  Getreide  auf  den  Vorkaof 
zu  kaufen  bei  3  M.  Strafe  und  Verlust  des  Getreides. 

Dist.  8.  An  allerlei  Yictualien  soll  sieh  kein  Bürger  unterstehen,  dieselbe 
allein  an  sich  zu  ziehen,  sondern  seinem  Nachbarn  auf  sein  Begehren  auch  davon  n 
kaufen  vergönnen  bei  45  j>  Strafe. 

Dist.  9.  Nachdem  sieh  auch  die  Instlcutc  und  Gärtner,  so  kein  Bürgerrecht 
haben,  unterstehen,  die  Bürger  auf  dem  Markt  von  allerlei  Essensspeise  abzusfofcn 
und  ohne  Respect  der  Person  sich  durchzudrängen  und  also  Theuerung  zu  machen, 
als  soll  ihnen  solches  verboten  und  allererst,  wann  die  Bürger  ihre  NothdurPt  gekauft, 
einzukaufen  nachgelassen  sein. 

Dist.  10.  Es  soll  Keinem  in  oder  außer  der  Stadt  einen  Grund  zu  kaufen  vw- 
stattet  werden,  er  habe  denn  zuvor  das  Bürgerrecht  gewonnen. 

Dist.  11.  Fische  sollen  auf  dem  Markt  fuder-  oder  wagen  weise  von  Fremden 
aufzukaufen  und  nachmals  wieder  zu  verkaufen  nicht  verstattet  werden  bei  Verlud 
der  Fische  ins  Hospital. 

Cap.  XVI. 

Von  den  Bäckern  und  ihrem  Brodbacken. 

Dist.  1.  Die  Bäcker  sollen  alles  Brod   backen   nachdem  der  Weitzen   und  da> 

Korn  gilt,  also,  daß  der,  so  es  kauft,  vor  sein  Geld  ein  Genügen  habe;  und  damit 

es  nicht  zu  klein  gebacken  werde,  soll  E.  E.  Rath  und  die  Aelterleute  der  Bäcker 

hierauf  gute  Achtung  geben  und,  so  oft  es  die  Noth  erfordert,  besichtigen  lassen. 

Dist.  2.  Werden  die  Bäcker  aber  wider  diese  Ordnung  handeln,  das  Brod 
nicht  nach  rechtmäßigem  Gewicht  backen,  sondern  ihren  Nutzen  suchen  und  die  Ar- 
muth  sich  dessen  beschweren,  worauf  denn  E.  E.  Rath  gute  Achtung  geben  und  zwi-i 
Personen  dazu  verordnen  soll,  so  soll  ihnen  das  Brod,  wenn  es  nicht  vollkommen 
Gewicht  hätte,  genommen  und  ins  Hospital  gegeben  wTerden. 

Cap.  XVII. 
Von  den  Fleischhauern. 

Dist.  1.  Die  Fleischhauer  sollen  wöchentlich  umzech  um  einander  gutes,  ge- 
sundes Vieh  schlachten,  doch  kein  geschlachtetes  Vieh  aufhauen,  sie  haben  es  denn 
zuvor  den  dazu  verordneten  Herren  angesaget,  welche  alsdann  das  Fleisch  sowohl  als 
dessen  Gewicht  besichtigen  und  wardiren  sollen,  wie  theuer  das  Pfund  könne  gegeben 
werden;  und  soll  E.  E.  Rath  hierzu  zweeu  Herren  verordnen. 

Dist.  2.  Ein  jeder  Fleischer  soll  recht  Gewicht  haben,  und  so  das  Gewicht  von 
den  dazu  verordneten  Herrn  oder  Jemand  anders  falsch  befunden  würde,  und  man 
sich  dessen  beschwerte,  soll  er  E.  E.  Rath  büßen  6  M. 


sein,  machten  ihn  größer,  demnach  auch  die  Metzen.  Aber  das  Landvolk  merkt's, 
wollte  nicht  mehr  allda  zu  Markte  fahren,  mußten  von  den  Pawrcn  auf  dein  Lan«ie 
Getreide  holen.  Die  maaßen  ihnen  mit  ihren  Paudeln  zu,  wie  sie  selbst  wollten. 
Den  Scheffel  mußten  sie  geringer  machen,  aber  die  Metze  blieb  damals." 


Von  Carl  Beckherrn.  597 

Dist.  3.  Würde  auch  ein  Scldächter  das  geschlachtete  Fleisch  theurer  geben, 
als  es  von  den  dazu  verordneten  Herren  wardiret  worden,  dem  soll  das  Fleisch  ge- 
nommen und  ins  Hospital  gegeben  werden;  würde  er  aber  ungesundes  Vieh  schlachten 
und  dessen  überwiesen  werden,  büßet  er  10  M. 

Dist.  4.  Hieneben  sollen  die  Freischlächter  dahin  gehalten  werden,  daß  sie, 
wenn  sie  Fleisch  zu  Markt  bringen,  zugleich  auch  das  Leder  und  Talg  vom  ge- 
schlachteten Vieh  mit  zu  Kauf  bringen.  Wer  dawiderhandelt  soll  von  E.  E.  Rath 
arbitrarie  gestrafet  werden.*) 

Dist.  5.    Niemand  soll  Kälber,  Schafe  oder  dergleichen  Vieh  znm  Vorfang  der 

Fleischer  einkaufen  und  wieder  verkaufen  an  solche,  die  nicht  Fleischer  sind,  es  sei 

denn,  daß  einer  oder  etliche  zusammen  sich  selbst  zu  gut  ein  Stück  Vieh  kaufen  und 

vertheilen. 

Cap.  XVHI. 

Von  Einigkeit  der  Burger. 

Dist.  1.  Es  soll  ein  jeder  Bürger,  wann  es  ihme  angesaget  wird,  jährlichen  nach 
dem  Schirm**)  zu  schießen  und  sich  mit  seinem  Gewehr  zu  exerciren  schuldig  sein.***) 

Dist.  2.  Imgleichen  soll  ein  jeder,  der  das  Bürgerrecht  gewinnt,  zu  Erhaltung 
des  Schießgartens  einen  Reichsthaler  abzulegen  schuldig  sein,  welchen  die  Schieß- 
gartenherren zu  empfangen  und  jährlichen  zu  verrechnen  haben,  t) 

Dist.  3.  Wann  einem  Bürger  sein  Gesinde  entläuft  oder  was  gestohlen  wird, 
soll  der  Stadtdiener  mit  den  Stadtpferden  vergönnet  werden,  nachzujagen. 

Dist.  4.  Wenn  E.  E.  Gemeinde  was  zu  deliberiren,  soll  solches  auf  dem  Rath- 
liau.se  geschehen  mit  Zulaß  E.  E.  Raths. 

Cap.  XIX. 
Von  Bornen  und  Röhrkasten. 

Dist.  1.  Es  soll  Niemand  was  Unreines  an  Koth,  Unflath  oder  abgestorbenem 
Aas,  noch  etwas  anderes,  so  einem  Menschen  widerwärtig  sein  möchte,  in  die  Grund- 
börne  werfen.  Würde  er  aber  hierwiderhandeln  und  man  ihn  dessen  überzeugete,  soll 
er  nach  Gelegenheit  der  Verbrechung  entweder  mit  dem  Thurm  oder  nach  Erkennt- 
nis E.  E.  Raths  gestrafet  werden. 


*)  Die  Freischlächterei  wurde  1644  ganz  unterdrückt.    (Schaffer.) 

**)  Scheint  hier  die  gewöhnliche  feststehende  Scheibe  zu  bedeuten.  In  Elbing 

verstand  man  unter  einem  Schinne  eine  Zugscheibe.  (Vergl.  Fuchs,  Gesch.  Elbings.) 

***)  Im  Jahre  1703  wurde  eine  Bürgerkompagnie  neu  formirt  und  vom  Rath 

ein  Stadtkapitän,  ein  Lieutenant  und  ein  Fähnrich  aus  der  Zahl  der  Bürger  ernannt. 

Nachdem  diese  Kompagnie  am  11.  April  1704  zum  erstenmal  im  Felde  exercirt,  hatte 

sie  bereits  am  14.  Mai  bei  Gelegenheit  des  Schützenfestes  Parade  vor  dem  zur  In- 

spicirung  der  Garnison  in  Rastenburg  anwesenden  Herzog  von  Holstein  und  wurde 

am  8.  Juli  zusammen  mit  der  Landmiliz  vom  General  Aniheim  gemustert.  (Schaffer.) 

t)  Der  Schiessgarten,  welcher  1656  auf  Befehl  des  Kommandanten  der  Stadt 

abgebrochen  worden  war,  wurde  1703  wieder  neu  aufgebaut.  (Schaffer.) 


59  8  Verseicbiiiss  der  die  Stadt  Rastenbarg  betreffenden  Urkunden. 

Cap.  XX. 
Von  der  Nachtwache. 

Dist.  1.  Ein  jeder  Bürger,  an  welchem  die  Nachtwache  ist  und  ihme  zugesagt 
wird,  soll  sich  des  Morgens  frühe  bei  dem  Wachherrn  ansagen;  wer  das  nicht  thutt. 
büßet  30  f. 

Dist.  2.  Jeder  Bürger  soll,  wenn  er  des  Morgens  die  Wache  angesaget.  *ii  ?. 
bei  Sommerszeiten  auf  den  Abend  um  D  Uhr  und  bei  Winterszeiten  um  8  Uhr  lt  i 
dem  Wachherrn  wiederum  fein  nüchtern  eingest  eilen  und  fleißig  anhören,  wie  ihm- 
die  Wache  anbefohlen  wird.  Im  Falle  er  aber  hierwiderhandeln  und  sich  trunk-r. 
einstellen  würde,  soll  er  bald  mit  demThurme  gestrafet,  die  Nacht  allda  aussehla^n 
oder  in  dessen  Statt  30  ß  Strafe  ablegen. 

Dist.  3.  Ein  jeder  Bürger  soll,  wenn  ihm  die  Stadtwache  vom  Wachherrn  In- 
fanten und  er  abgefertigt  ist,  gute  Achtung  auf  die  Thore  und  Pforten  geben,  dut 
dieselben  wohlzugcschlossen  werden,  fleißig  umhergehen,  den  Wächter  alle  Stuinl» *;: 
und  in  allen  Gassen  auf  den  Orten  blasen  und  die  Stunde  ausrufen  lassen,  die  K-.- 
serei  in  den  Gassen  abschaffen  und,  zu  Verhütung  großes  Unglücks,  gute  Achtm«? 
aufs  Feuer  geben.  Wann  solches  geschehen,  sollen  sie  sich  bei  Sommerszeiten  auf  diiu 
Markt  vor  dem  Kathhause,  des  Winters  aber  in  der  Wachtbude  wieder  einstellen  mvl 
nicht  in  den  Bierhäusern  oder  vor  den  Braupfannen  finden  lassen;  wurde  Jetnac! 
dawiderhandeln  und  sich  nachlässig  erzeigen,  der  soll  mit  dem  Thurm  gestrau* 
werden  oder  30  j>  büßen. 

Dist.  4.  Die  Nachtwache  soll  bei  Sommerszeiten  des  Abends  von  9  Uhr  bL>  aul 
den  Morgen  um  2  Uhr  und  bei  Winterszeit  des  Abends  um  8  Uhr  bis  4  Uhr  des 
Morgens  gehalten  werden. 

Dist.  5.  Werden  sich  die  Wächter  nachlässig  erzeigen  oder  trunken  sein  und 
nicht  fleißig  blasen  oder  teuten,  sollen  es  die  Bürger,  die  in  die  Wache  gehen  drin 
Herrn  Bürgermeister  unverholen  anzeigen,  damit  sie  zu  gebührlicher  Strafe  könnt  n 
gezogen  werden. 

Dist.  G.  Ein  jeder  Bürger  soll  in  eigener  Person  in  die  Wache  gehen,  oder 
aber,  da  er  Alters  oder  Leibesschwachheit  halber,  oder  daß  er  verreiset  wäre,  selber 
nicht  gehen  könnte,  soll  er  einen  andern  Mitbürger,  der  E.  E.  Kath  Bürgerschaft 
angelobet,  und  nicht  einen  Tagelöhner,  Gärtner,  Dienst-  oder  Lehrjungen  dam  ver- 
mögen und  an  sein  Statt  schicken,  auch  solches  mit  des  Wachherrn  Vorwissen  thmi 

bei  30  f>  Strafe. 

Cap.  XXL 

Von  liegenden  Gründen. 

Dist.  1.  Es  soll  Niemand  einigerlei  Gründe  ohne  Zulaß  E.  E.  Raths  kaufen 
bei  3  M.  Strafe. 

Dist.  2.  Wer  liegende  Gründe,  Aecker  oder  Wiesen,  versetzen  will,  soll  es  mit 
Zulaß  E.  E.  Kaths  thun  bei  3  M.  Strafe. 


Von  Carl  Beckherrn.  599 

Dist.  3.  Es  sollen  alle  diejenigen,  worüber  £.  E.  Rath  den  Zulaß  giebet,  und 
was  bei  E.  E.  Rath  verhandelt  wird  an  Kauf,  Vertragen  und  Anderem,  um  mehrere 
Glaubens  willen  und  zu  Verhütung  vieles  Gezänks  solches  durch  den  geschworenen 
Stadtschreiber  verschreiben  oder  in  E.  E.  Raths  Buch  bringen  lassen,  wer  solches 
nicht  thut,  büßet  3  M. 

Cap.  xxn. 

Von  baulichem  Wesen. 

Dist.  1.  Es  soll  hinführ o  ein  jeder,  der  da  eine  Statte  bebauet,  das  Dach 
nicht  mit  Stroh,  sondern  mit  Dachsteinen  decken  lassen;  auch  wer  ein  altes  Dach* 
abreißet,  es  sei  auf  dem  ganzen,  halben  oder  vierten  Theil  des  Daches,  soll  eben- 
mäßig mit  Dachsteinen  zu  decken  schuldig  sein  bei  6  M.  Strafe,  und  soll  dennoch 
gleichwohl  das  Strohdach  wieder  einreißen.  Es  soll  aber  E.  E.  Rath  die  Vorsorge 
thun,  daß  in  der  Ziegelschcune  um  einen  billigen  Kauf  Dachsteine  zu  bekommen 
sein  möchten.*) 

Dist.  2.  Niemand  soll  seinem  Nachbarn  das  Licht  verbauen  noch  benehmen, 
auch  nicht  überhängende  Pahrstubcn  ausbauen  oder  Jemand  an  der  Traufe  hindern, 
sondern  die  Vorflut  zu  halten  schuldig  sein.  Wer  hierwiderhandelt,  der  soll  sein 
Gebäude  wieder  einreißen  und  E.  E.  Rath  nach  Erkenntniß  eine  Geldbuße  ablegen. 

Dist.  3.  Ein  jeder  Nachbar  soll  mit  seinem  Nachbarn  eine  Brandmauer  und 
Gegenwand  zu  halten  schuldig  sein**)  und  gleichen  Mauerstein  und  Kalk  schaffen. 
Könnte  aber  der  eine  Nachbar  Armuth  halber  nicht  Ziegel  noch  Materialien  schaffen 
und  der  andere  solches  alles  schaflen  müßte,  so  soll  ihme  doch  der  arme  Nachbar 
weichen  und  den  Grund  auf  seinen  halben  Theil  seines  Grundes  in  sein  Haus 
setzen  lassen,  und  er  oder  seine  Erben  oder  der  Käufer,  welcher  das  Haus  kaufen 
möchte,  sich  mit  dem  andern,  der  allerlei  Materialien  schaffen  und  die  Unkosten 
tragen  müssen,  darum  vergleichen  und  vor  den  andern  Schuldnern  den  Vorzug  haben. 


*)  Die  früher  in  der  Provinz  gebräuchliche  sprichwörtliche  Redensart:  „Er 
glüht  wie  Rastenburg"  lässt  darauf  schliesscn,  dass  die  Ersetzung  der  Strohdächer 
durch  Ziegeldächer  sehr  schnell  vor  sich  gegangen  ist.  VonWerner  erklärt  nämlich 
in  seiner  Geschichte  der  heil.  Linde  die  Entstehung  jener  Redensart  foldendermassen : 
„Dicunt  vulgo  de  nomine,  cuius  facies  extra  modum  rubet:  er  glühet  oder  ist  so  roth 
wie  Rastenburg.  Quod  exinde  ortum,  quia  haec  urbs,  dum  reliquarum  domus  Stra- 
mine teetae  erant,  lateritiis  iam  superbiebat  tectis."  Diese  Erklärung  trifft  das  Rich- 
tige, während  die  von  Pisanski  versuchte  ganz  unbegründet  ist.  Dieser  meint 
nämlich,  der  zu  den  Dachziegeln  verwendete  Lehm  ■  habe  die  Eigenschaft  gehabt, 
ihnen  eine  besonders  lebhafte  rothe  und  den  Witterungseinflüssen  widerstehende  Farbe 
zu  verleihen. 

**)  Diese  Vorschrift  ist  später  nicht  mehr  beachtet  worden,  denn  in  der  Kö- 
nigsbjrger  Vorstadt,  deren  Häuser  meistens  im  18.  Jahrhundert  neu  errichtet  worden 
sind,  werden  viele  derselben  nur  durch  eine  einfache  Mauer,  die  Bodenräume  oft  nur 
durch  eine  Bretterwand  von  einander  geschieden. 


600  Verzeichnisa  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkunden. 

Biet.  4.  Ein  jedes  halbe  Haus  soll  hin  für  der  seinen  eigenen  Feuerherd  and 
zum  Dache  sonderlich  aufgeführten  Schornstein  haben  und  ins  Förderlichste  ins  Wert 
richten.*) 

Dist.  5.  Die,  so  an  der  Stadtmauer  wohnen,  sollen  nicht  durch  die  Löcher  io 
den  Stadtgraben  gießen  oder  schütten  bei  1  Guld.  poln.  Strafe,  und  sollen  ihnen  <!:• 
Thürchen  nach  der  Stadtmauer  zugeschlagen  werden. 

Dist.  6.  Töpferöfen  sollen  binnen  der  Stadtmauer  wie  vor  alters  nicht  ge- 
litten werden. 

Cap.  XXIII. 

Von  leichtfertigem  Doppelspiel.  Gluckstöpfen  und  Kaufenspielen. 

Dist.  1.    (s.  Bemerk,  unter  Cap.  I,  1.) 

Dist.  2.  Sollte  auch  ein  Spitzbube  oder  ein  anderer  Dieb  ergriffen,  von  eiuda 
Bürger  angeklaget  und  rechtlichen  verdammet  werden,  sollen  die  Unkosten  von  «Irr 
ganzen  Bürgerschaft  contribuiret  werden. 

Cap.  XXIV. 
Von  Einmahnung  des  Deeenia,  Grundzinses,  Hirten-  und  Waiehtriiokiits. 

Dist.  1.    (s.  Bemerk,  unter  Cap.  I,  1.) 

Dist.  2.  Imgleichen  soll  ein  jeder  Bürger  und  Einwohner  in  und  vor  der  Stadt 
seinen  Grundzins  jährlich,  wenn  man  die  Kathsglockc  läuten  und  ihm  ansagen  wird, 
aufa  Rathhaus  bringen.  Welcher  säumig  befunden,  der  soll  ausgepfändet  werden 
und  30  JS  Strafe  erlegen. 

Dist.  3.  Welcher  Bürger  und  Einwohner  in  und  vor  der  Stadt  sein  Hirten- 
lohn  und  Wächtergeld  alle  Quartal,  wann  es  ihm  angesaget  und  die  Kathsgloeli- 
geläutet  wird,  nicht  unsäumlich  bringen  würde,  der  verbüßet  30 |>. 

w 

Dist.  4.  Welcher  Bürger  und  Einwohner  in  und  vor  der  Stadt,  es  sei  Manu 
oder  Weib,  sein  Vieh,  wenn  man  das  Hirtenlohn  einnimmt,  verleugnen  uud  er  de^n 
Überführet  würde,  dem  soll  das  Vieh  genommen  und  ins  Hospital  gegeben  werden. 

Cap.  XXV. 
Von  Holzungen. 

Dist.  1.  Niemand,  er  sei  aus  E.  E.  Raths  Mittel,  oder  Gerichts  Mittel,  oder 
aus  der  Gemeinde,  soll  sich  unterstehen,  ohne  Kogelung**)  in  den  Wald  zu  fahren 
und  weder  stehendes,  noch  grobes  Lagerholz  zu  hauen  und  zu  führen;  wer  hier- 
widerhandeln  wird,  büßet  3  M. 

Dist.  2.  Wenn  ein  Bürger  was  zu  bauen  hat,  soll  aus  der  Stadt  Wäldern  alter 
Gewohnheit  nach  ihm  an  Bau-  Binnen-  und  Schwellenholz  zu  Hilfe  gegeben  werden. 

Dist.  3.  Es  soll  E.  E.  Rath  jährlich,  so  oft  die  Nothdurfb  erfordert,  au*  der 
Stadt  Wäldern  Kogelung  halten. 


*)  Die  Schornsteine  fehlten  noch  im  Anfange  des  18.  Jahrhunderts  in  vielen 
Häusern.    (Schaffer.) 

**)  S.  Anmerk.  zu  Anhang  I,  3. 


Von  Carl  Beckherrn.  601 

Dist.  4.  Die  Grenzen  sollen  alle  drei  Jahro  aufs  Wenigste  besichtiget  und  ge- 
riiurnet  werden. 

Dist.  5.  {Sollte  ein  Bürger  Stammholz  im  Walde  hauen  und  darüber  betroffen 
werden,  dem  soll  die  Axt  genommen  und  er  der  Obrigkeit  angezeiget  werden.  Außer- 
halb des  Waldes  auf  der  StralJe  aber  hat  sich  der  Hofmann  oder  Waldknecht  keiner 
Thätlichkeit  anzumaßen  bei  willkührlicher  Strafe. 

Dist.  6.    Spar  und  Stobben  soll  der  Bürgerschaft  zu  führen  unverboten  sein. 

Diät.  7.  Den  Gärtnern  soll  keineswegs  freistehen,  fuderweise  aus  der  Stadt 
Wäldern  Holz  zu  holen  bei  Strafe  des  Thurraes  oder  nach  Beschaffenheit  des  Holzes 
bei  willkührlicher  Strafe. 

DLst.  8.    (s.  Bemerk,  unter  Cap,  I,  1.) 

Dist.  9.  Die  Hofleute  und  Waldknechte,  so  auf  die  Wälder  bestellet  sind,  sollen 
beeidiget  genommen  werden. 

Cap.  XXVI. 
Von  Zusammenkauften  und  Kulircn  einer  jeden  Zunft.*) 

Dist.  1.  Es  soll  keine  Zunft  ihre  Kühr  oder  Rechnung  halten,  es  geschehe 
denn  mit  Wissen  und  im  Beisein  £.  E.  Kaths. 

Dist.  2.  Es  soll  Niemand  einschreiben  oder  das  Meisterstück  ihme  zu  machen 
gestattet  werden  ohne  Vorbewust  und  Beisein  E.  E.  Raths. 


*)  Im  Anfange  des  18.  Jahrh.,  wahrscheinlich  auch  schon  früher  waren  die 
Handwerker  in  10  Gewerke  und  in  eine  wechselnde  Anzahl  von  Zünften  eingetheilt. 
Die  Aelterleutc  der  7  ältesten  Gewerke  (Hauptgewcrke)  waren  Mitglieder  der  dritten 
Ordnung  (Gemeinde)  der  stadtischen  Regierung  und  sollten  in  wichtigen  Angelegen- 
heiten zur  Berathung  und  Beschlussfassung  hinzugezogen  werden.  Es  war  Gebrauch, 
dass  die  übrigen  Bürger  der  Leichenbegängnisse  halber  sich  bei  einem  der  Gewerke  als 
sogenannte  Beibrüder  einschreiben  Hessen.  In  Handwerkssachen  hatten  sie  jedoch  kein 
Votum.   Die  Gewerke,  denen  das  Prädicat  „erbar"  beigelegt  wurde,  waren  folgende: 

Die  Schuhmacher,  erwähnt  1360,  privilegirt  1376.  Die  Bäcker,  priv.  1372. 
Die  Fleischer,  priv.  1373.  Die  Schneider,  priv.  1425.  Die  Tuchmacher,  priv.  1488. 
Die  Sehmiede,  priv.  1503.  Die  Müller,  priv.  1553.  Die  Kürschner,  priv.  1590.  Die 
Seiler,  priv.  1624.    Die  Glaser,  priv.  1642. 

Als  Zünfte  mit  dem  Prädicat  „löblich"  werden  aufgeführt:  Die  Leinenweber, 
priv.  1508.  Die  arme  Gilde  (Brüderschaft  der  Tagelöhner  und  Arbeitsleute)  priv.  1599. 
Die  Tischler,  priv.  1606.  Die  Schirr-  und  Rademacher,  priv.  1612.  Die  Hutmacher, 
priv.  1624.  Die  Mälzenbräuer,  deren  Bcgräbnissrolle  von  1628  datirt.  Die  Böttcher, 
priv.  1(539.    Die  Töpfer,  priv.  1702. 

Diesen  ist  noch  anzuschliessen  E.  löbl.  Collegium  der  Hübner,  priv.  1637,  und 
die  Apotheker  und  Gewürzkrämer,  priv.  1669. 

Die  übrigen  Handwerker  und  Professionsverwandte  als  Bader,  Barbiere,  Borten- 
wirker, Buchbinder,  Dreher,  Schwarzfärber,  Weiss-  und  Rothgerber,  Goldschmiede, 
Handschuhmacher,  Kannengiesser,  Knopfmacher,  Kupferschmiede,  Maler,  Maurer, 
Nadler,  Presser,  Riemer,  Sattler,  Schwertfegcr  und  Zimmerleute  hatten  grösstenteils 
die  GewerksTollen  der  Königsberger.    (Schaffer.) 

AJtpr.  Monȟj8cbrift  Bd.  XXIL  Hft  7  n.  8.  39 


602  Verseichnisa  der  die  Stadt  Rotenburg  betreffenden  Urkunden. 

Cap.  XXVII. 
Von  Hochzeiten  und  unordentlichen  Tänzen. 

Dist.  1.  2.    (s.  Bemerk,  unter  Cap.  I,  1,) 

Cap.  XXVIU. 
Von  Hökern. 

Dist.  1.  Wer  in  Hakenbuden  wohnen  will,  soll  haben  rechtes  Maß  nnd  Ge- 
wicht; wer  aber  mit  falschem  Maß  und  Gewicht  befunden  wird,  soll  seine  Strafe  nicht 
wissen.    Es  soll  ihm  auch  hinfort  das  Hökern  zu  treiben  nicht  gestattet  werden. 

Dist.  2.  Es  sollen  auch  alle  Höker  sich  befleißigen,  daß  sie  nimmermehr  ohne 
Waaren  sein  und  die  Stadt  mit  genügsamen  Waaren,  so  gut  sie  zu  bekommen  sind, 
versehen  bei  Verlust  des  Hökorwerks. 


Pro  multiplici  transgressione  in  quavis  lege  multiplicetur  quoque  muleta  sive 


poena. 


in. 

Bericht 

wie  die  Städte  ehemals  in  Hunderten  bestanden,  worauf  sie  Anno  1673  u.  1674 
gesetzet  und  bei  der  neuen  Revision  Anno  1698,  welche  den  12.  Aug.  präoentirt, 

abermals  gestellet  worden. 

Anmerkung.  Die  eingeklammerten  Zahlen  geben  für  jede  der  drei  Veranlagungen 
die  Stelle  an,  welche  in  der  Reihe  der  48  Städte  jede  derselben  hinsichtlich 
ihrer  Leistungsfähigkeit  einnimmt. 


Alter 

Anschlag 

Anschlag 

Namen  der  Städte. 

von 

von 

Anschlag. 

1673/1674. 

1698. 

In  Samland. 

Fischhausen    .    .    .    (20.  24.  13) 

256 

196  y2 

277 

Labiau   .... 

.    (31.  37.  17) 

157 

124 

242 

Wehlau      .... 

(4.  10.    8) 

797 

400 

4ioy* 

Allenburg  .... 

.    (40.  39.  34) 

97 

97 

177  y2 

Insterburg      .    .    . 

.    (10.    8.    3) 

587 

587 

665  V4 

Tilsit 

.      (9.    4.    1) 

695 

695 

1619  !A 

Memel 

.      (1.    6.    2) 

1090 

600 

1240 

Goldapp     .... 

(46.  45.  32) 

65 

65 

183 

In  Natangen. 

Heiligenbeil    .    .    .    (24.  20.    9) 

220 

220 

374  % 

Zinten (38.  36.  21) 

125 

125 

206V, 

Friedland  ....      (8.    3.  11) 

700 

700 

354% 

Kreuzburg      .    .    .    (18.  38.  31) 

267 

120 

187 

Domnau     ....    (28.  26.  35) 

167 

167 

163 

Pr.  JJylau  .... 

(34.  32.  30) 

143'/2 

1431/* 

187 

r 


Von  Carl  Beckberrn. 


603 


Alter 

Anschlag 

Anschlag 

Namen  der  Städte. 

von 

von 

Anschlag. 

i 

1673/1674. 

1698. 

Landsberg       .     .    . 

(29.  30.  29) 

164  Vi 

150 

188  Y, 

Rastenburg     .    . 

.      (2.    2.    6) 

1067 

733 

486 »/» 

Schippenbeil    .    .    . 

(5.    9.  10) 

778 

536 

371% 

Bartenstein     .    . 

(6.    1.    7) 

767 

746 

437% 

Barten 

.    (41.  41.  42) 

78 

78 

ioo  y2 

Drengfurt  .    .    . 

.    (19.  16.  18) 

258 

258 

239 

Gerdauen   .    .    . 

(32.  29.  25) 

156 

156 

199 

Nordenburg    .    . 

.    (45.  4(3.  3(5) 

65 

•65 

144% 

Angerburg      .    .    . 

.    (42.  43.  23) 

77 

73 

2033/4 

Marggrabowa 

.    (39.  40.  37) 

115 

97 

131 

Lyck 

(44.  44.  26) 

72 

72 

197 

Johannisburg       .     . 

.    (27.  25.  45) 

170 

170 

92 

Sensburg    .... 

.    (21.  23.  46) 

254 

200 

84 

Lötzen   .... 

.    (&5.  48.  47) 

138 

32 

79V, 

In  Oberli 

nud. 

Pr.  Holland    .    .    . 

.      (3.    7.    5) 

882 

600 

522 

Mühlbausen     .    . 

.    (25.  21.  20) 

208 

208 

208 

Liebstadt    .    .    . 

.    (26.  22.  33) 

204 

204 

182  yf 

Mohrungen      .    . 

.    (17.  17.  19) 

267 

257Vto 

209  y, 

Saalfeld      .    .    . 

.    (13.  12.  15) 

352 

352 

257  y, 

Liebemühl       .    .    . 

(43.  42.  44) 

76 

76 

95 

Kiesenburg      .     .    . 

(11.  11.  12) 

378 

378 

308 

Bischofswerder    .    , 

(36.  33.  39) 

137 

137 

123 

Freistadt    .... 

.    (30.  27.  38) 

164 

164 

127  y, 

Marien  werder      .    . 

(7.    5.    4) 

728 

683 

5803/4 

Garnsee      .... 

(33.  31.  43) 

156 

145  y, 

98 

Rosenberg  .    .    . 

.    (— .  35.  41) 

— . 

130 

104 

Neidenburg     .    .    . 

(16.  14.  24) 

285 

285 

200 

Soldau 

.    (15.  13.  14) 

316 

316 

262  y» 

Osterode     .... 

(14.  J5.  16) 

347 

284 

250 

Dtsch.  Eylau  .    .    . 

.    (37.  34.  40) 

133 

133 

noy4 

Hohenstein      .    .    . 

.    (22.  18.  27) 

246 

246 

i94ys 

Gilgenburg     .    .    . 

(23.  19.  28) 

231 

231 

1933/4 

Orteisburg      .    . 

.    (47.  47.  48) 

36 

36 

0*) 

Passenheim     .    . 

.    (12.  28.  22) 

365 

157% 

206 

(Königsberg)   .    . 

■    ••••• 

9000 

— 

— 

Summa 

— 

12629V10 

13475% 

Signatum  Eon 

igsberg  d.  11 

Juli  1698. 

27 

Frie 

drich. 

*)  Vielleicht  wegen  der  grossen  Brände,  welche  die  Stadt  1669  und  1698  ver- 
heert hatten. 

39* 


604  Verieichaiss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  Urkunden. 

Unter  obigem  Bericht  findet  sich  im  rothen  Hausbache  die  nachstehende,  wi- 
es scheint  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.  entworfene,  Rangordnung  der  kkino 
Städte  des  Herzogthums  Preussen  eingetragen. 

Rang  der  kleinen  Städte. 

Dieselben  haben  insgesambt  den  Vorgang,  wenn  sie  deputiret  werden,  Sir 
denen  Herrn  Schöppenmeistern  der  Städte  Königsberg,  und  folgen  einander: 


1.  Bartenstein. 

2.  Rastenburg. 

3.  Friedland. 

4.  Wehlau. 

5.  Schippenbeil. 

6.  Pr.  Holland. 

7.  Heiligenbeil, 

8.  Marienwerder. 

9.  Riesenburg. 

10.  Osterode. 

11.  Morungen. 

12.  Saalfeld. 

13.  Liebemühl. 

14.  Liebstadt. 

15.  Hohenstein. 

16.  Neidenburg. 


17.  Gilgenburg. 

18.  Passenheim. 

19.  Zinten. 

20.  Fischhausen. 

21.  Tilsit. 

22.  D.  Eylau. 

23.  Pr.  Eylau. 

24.  Bischofswerder. 

25.  Garnsee. 

26.  Freistadt. 

27.  Mühlhausen. 

28.  Soldau. 

29.  Domnau. 

30.  Kreuzburg. 

31.  Drengfurth. 

32.  Gerdauen. 


33.  Nordenburg. 

34.  Barten. 

35.  Lyck. 

36.  Allenburg. 

37.  Sensburg. 

38.  Memel. 

39.  Insterburg. 

40.  Goldapp. 

41.  Marggrabowa. 

42.  Angerburg. 

43.  Lätzen. 

44.  Johannisburg. 

45.  Labiau. 

46.  Kosenberg. 

47.  Landsberg. 

48.  Ortelsburg. 


Nach  der  vorstehenden  Veranlagung  zur  Contribution  ist  diese  Rangordnung 
augenscheinlich  nicht  aufgestellt,  ebensowenig  nach  dem  Alter  der  Städte ;  es  kCmnu- 
also  nur  die  damalige  Einwohnerzahl  massgebend  gewesen  sein.  Daraus  würde  dann 
ein  sehr  ungleiches  Anwachsen  der  städtischen  Bevölkerung  in  den  letzten  iwä- 
hundert  Jahren  hervorgehen,  welches  sich  am  auffallendsten  bei  Tilsit,  Menul. 
Insterburg  zeigt;  denn  während  diese  Städte  jetzt  zu  den  grossesten  gehören,  nehmen 
sie  in  der  obigen  Rangordnung  noch  eine  sehr  tiefe  Stelle  ein. 


IV. 

Namen  der  Besitzer 

der  im  Jahre  1750  prlvilegirten  Brauhäuser. 


Agricola,  Wittw. 
Bahr,  Albr. 
Bambam,  Kasper. 


Billich,  Gottfr.  Ernst. 
Bladau,  Wittw. 
Böcker's  Erben.1 


Böcker,  BarthoL 
Buchholtz,  Wittw. 
Bürger,  Wittw. 


Von  Carl  Beckherrn. 


605 


Buttler. 

(''rüger. 

Cruse,  Mich.  Albr. 

Daunowski,  Joh. 

—  Wittw. 

Prigalaki. 
Falkenberg,  Sam. 
Fanck,  Georg. 
Fiverabend,  Dan.  Heinr. 
Fischer,  Christian. 

—  Friedr. 

—  Gottfr. 
Frauck,  Wittw. 
Glaubith,  Andr. 
Grenda,  Gottfr. 
Groß,  Pfarrer.*) 
Guttke,  Mart.  (2). 
Hampus,  Andr. 

—  Dan. 

—  Gottfr. 

—  Wittw. 
Heberlein. 

Hciligendörffer,  Gottfr. 
Hcnnig,  Mich.  Gottl. 
Hippel,  Christian. 
Hintzmann,  Friedr. 
Holldorf,  Gottfr. 
Horch,  Wittw.  (2). 
Hübner,  Heinr.  Bcrnh.  (2). 
Janson. 


Jenisch,  Christian  (2). 
John,  Joh. 
Jonas  sen. 
—     jun. 
Eempa,  Matthes. 
Kempff,  Christoph. 
Kerstcin,  Friedr.  sen. 

—  jun. 
Krintz,  Joh.  Rector. 
Küßner,  Mich.  Wittw.  (2). 

—  Wittw. 
Lehmann,  Zach. 
Matern's  Erben. 
Meyer,  Joh. 
Möller,  Carl. 
Nemheim. 

Neuraann's,  Gottfr.,  Erben. 
Ohm,  Gottl.  (2). 

Petzel,  Wittw. 
Piamann. 
Pontanus,  Gottl. 
Prcsting,  Barthol. 

—  Joh. 

—  Wittw. 
Raackau,  Christian  Friedr. 

—  Georg  Heinr. 
Reichert,  Gottl. 

—  Mich. 
Reichel,  Heinr. 
Richter,  Mart.    , 


Rohde,  Christian. 

—  Jakob. 

—  Peter. 

—  Wittw. 
Rose,  Gottfr. 
Schiffel. 

Schultz,  Jungfer. 
Schwartz,  Jakob. 
Siercke,  Christian. 

—  Mart. 
Sockolowski. 
Sperling,  Friedr. 
Stabenow,  Georg  Siegfr. 
Strauch,  Matthes. 
Tennig,  Friedr. 

Thylo,  Christoph. 
Tiedtke,  Mich. 
Trascowius,  Wittw. 
Trautmann,  Christ.  Friedr. 
Triedtwind,  Wittw. 
Uhlich. 
Weiß,  Jakob. 
Wiedehopp  (2). 
Wolgemuth,  Wittw. 
Wollraann,  Joh. 
Wollschläger,  Just.  Friedr. 
Zimmermann,  Christian. 

—  Joh. 

Die  Kammerei  (1). 
Die  Kirche  (2). 


*)  WahrscheinHch  ein  emeritirter  von  auswärts  zugezogener  Pfarrer;  in  Arnoldt's 
Verzeichniss  ist  er  nicht  als  Rastenburgischer  Geistlicher  aufgeführt. 


Nachtrage  zu  Robertiiis  Gedichten. 

Von 

I>r.  Ja.  H.  Fischer 

in  Berlin. 

Im  XII.  Baude  der  Altpreussischen  Monatsschrift  (S.  27 — 50)  hu' 
Hermann  Oesterley  eine  sorgfaltige  Sammlung  der  Robertinsehei 
Gedichte  zugleich  mit  einem  Lebensabriss  des  Dichters  gegeben.  D- 
sich  bei  derartigen  Zusammenstellungen  immer  nur  eine  relative  Voll- 
ständigkeit erreichen  lässt,  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  si,J 
auch  zu  dieser  Sammlung  Nachträge  als  nötig  erweisen. 

An  erster  Stelle  mag  das  kleine  lateinische  Gedicht,  welches  Oes teile;, 
selbst  in  seiner  Ausgabe  der  Gedichte  Simon  Dachs  S.  723  mitteiL 
erwähnt  werden.  Dasselbe  steht  bei  der  Altstimme  des  von  Dach  ver- 
fassten,  von  Stobaeus  componirten  Gratulationscarmens  auf  Robertia.^ 
Rückkehr  aus  der  Mark  (Königsb.  Univ.-Bibl.  Pa  127,  4a  (106)  V.). 

Ferner  findet  sich  am  Ende  der  5.  Stimme  der  geistlichen  Lieder 
von  Eccard  und  Stobaeus  nach  einem  lateinischen  Gedicht  Chr.  Wilkaui 
folgendes  Gedicht  Robertins: 

Nim  an,  0  guter  Gott,  was  itzt  zu  deinen  Ehren 

(Weil  du  für  Ehr  erkennst,  was  vnser  Schuldigkeit 
Zu  deinem  Lobe  thut)  den  Kirchen-dienst  zu  mehren 

STOBAEI  reicher  Schatz  in  alle  Welt  aufsstrewt: 
Wenn  lue  vnd  anderswo  die  Christenheit  wird  singen, 

Was  Er,  sein  Meister  auch  vor  Ihni,  hie  hat  gemacht, 
So  lafs  es,  grosser  Gott,  in  deinen  Ohren  klingen, 

Vnd  für  des  Preussen- Lands  Dank-opffer  seyn  geacht. 
Wir  müssen  zwar  gefernt  von  andern  Landen  leben 

In  denen  wärme  herrscht;  Vns  deckt  der  rauhe  Nort; 


Nachträge  zu  Robertios  Gedichten.  Von  Dr..  L.  B.  Fischer-Berlin.       607 


Doch  hastu  vns  gewolt  ein  andre  Sonne  geben 

Der  Seelen  schönstes  Liecht,  das  klare  Gnaden -wort; 
Vnd  neben  diesem  Wort  hastu  vns  mit  verliehen 

Dafs  guter  Künste  brauch  hie  reichlich  ist  bokandt: 
In  denen  haben  wir  vns  etwas  solt  bemühen, 

Dafs  Sie  zu  deinem  Lob  auch  würden  angewandt. 
Erhalte,  lieber  Gott,  vns  noch  hinfort  bey  Friede, 

Damit  die  grosse  Gnad  vnd  wehrte  Vater -Trew 
Vns  immer  mehr  und  mehr  zu  manchem  schönen  Liede 

Ein  vorgelegter  Zeug  vnd  steter  Anlafs  sey. 
So  werden  sich  alfsdann  noch  andre  mehr  befleissen, 

Dafs  ihre  Danckbarkeit  in  aller  Welt  erschall, 
Vnd  jedermann  gesteh,  dafs  in  dem  alten  Preussen 

Mehr  geistlich  singen  sey,  als  sonsten  überall. 
Auch  vnser  höchster  Ruhm,  STOBAEVS,  wird  es  binden 

In  solche  süfse  Weifs  in  solche  Stimmen  Kunst, 
Dafs  «ein  Geistreicher  Thon  viel  Hertzen  wird  anzünden 

Vnd  bringen  manche  Seel  auff  heisser  Andacht  Brunst. 

„Der  Teutsche  Merkur  vom  Jahr  1779"  enthält  auf  S.  110-113: 
„Etliche  noch  ungedruckte  Lieder  von  Preussischen  Dichtem  aus  dem 
Anfange  des  vorigen  Jahrhunderts".  Es  sind  dies  Dachs  „Komm, 
Dorinde,  lass  uns  eilen"1),  ferner:  „Keine  Nacht,  kein  Tag  vergehet"2), 
an  jener  Stelle  fälschlich  Dach  zugeschrieben,  während  es  in  Alberts 
Arien  C.  V.  M.  unterzeichnet  ist,  und  schliesslich  „Frühlingslied  von 
Robert  Roberthin".    Dasselbe  lautet: 


Es  kömmt  in  seiner  Herrlichkeit 
der  holde  Lenz  hernieder, 
und  schenket  seine  Wonnezeit 
dem  Erdenkreise  wieder; 

Er  malt  die  Wolken  nüt  Azur 
mit  Gold  der  Wolken  Rande, 
mit  Regenbogen  Thal  und  Flur, 
mit  Schmelz  die  Garten  wände; 


Er  kleidet  den  entblöfsten  Baum 
deckt  ihn  mit  einer  Krone, 
dafs  unter  seinem  Schattenraum 
das  Volk  der  Vögel  wohne. 

Wie  preiset  ihrer  Lieder  Schall 
die  Wunder  seiner  Rechten, 
die  Lerch'  am  Tage,  Nachtigall 
in  schauervollen  Nächten! 


')  Vergl.  meine  Ausgabe   der  Gedichte  des  Königsberger  Dichterkreises  aus 
Alberts  Arien  und  Musikalischer  Kürbshfttte  (Halle,  Niemeyer  1883)  S.  130. 
*)  Vergl.  ebenda  &  13. 


608 


Nachtrüge  zu  Robertos  Gedichten« 


Die  Fische  scherzen  in  der  Flut, 
die  Heerden  auf  der  Weide, 
es  schwärmt  der  Bienen  junge  Brut 
auf  der  beblühinten  Haide. 

Der  Mensch  allein,  der  .Schöpfung  Haupt, 
vergrabet  sich  in  Sorgen, 
ist  immer  seiner  seihst  beraubt, 
lebt  immer  nur  für  morgen; 


Ihn  weckt  Auroren*  güldner  Stral, 
ihm  lacht  die  Flur  vergebens, 
er  wird,  nach  selbstgemachter  Qual, 
der  Hencker  seines  Lebens, 

Das  ohnehin  wie  ein  (iesieht 
des  Morgentraums  entfliehet, 
und  vor  ein  schreckliches  Gericht 
ihn,  den  Verbrecher,  ziehet. 


Der  Umstand,  dass  die  beiden  andern  im  „Teutschen  Merkur"  mit- 
geteilten Gedichte  nicht  die  Originale,  sondern  modernisirte  Bearbei- 
tungen sind,  giebt  der  Vermutung  Kaum,  dass  auch  das  vorstehende  seine 
ursprüngliche  Gestalt  verloren  hat.  Diese  Vermutung  hat  0.  F.  Gruppe 
(Leben  und  Werke  deutscher  Dichter  Bd.  I.  S.  598)  zur  Gewissheit  er- 
hoben, indem  er  nachwies,  dass  jenes  Frühlingslied  eine  Bearbeitung 
des  in  Alberts  Arien  IV,  12  komponirten  Robertinschen  Mailiedes  ist. 

Das  Gedicht  Kobertins  ist  aber  selbst  wieder  eine  Bearbeitung.  Es 
trägt  ebenso  wie  ein  zweites  desselben  Verfassers,  das  H.  Albert  eben- 
falls in  Musik  gesetzt  hat  (Arien  V,  11),  die  Unterschrift:  Auss  Dirck 
Camphuysen  Holländischem. 

Dirk  d.  i.  Diderik  Rafael  Kamphuyszen  lebte  von  1586—1627. 
Er  schrieb  Wel-Rymens  wet  (Kunst  gut  zu  reimen)  und  Stichtelyke 
Rymen  (geistliche  Lieder)  und  führte  als  verfolgter  Arminianer  ein 
herumschweifendes,  wechselvolles  Leben.  Seine  Gedichte  verdienen  eher 
Aufmerksamkeit  wegen  des  gottesfürchtigen,  aber  von.  jeder  kränklieben 
Uebertreibung  freien  Sinnes,  als  wegen  des  in  ihnen  zum  Ausdruck  ge- 
brachten poetischen  Talents.  Robertin,  der  wie  mancher  deutsche  Ge- 
lehrte jener  Zeit  auf  seinen  Reisen  Holland  besucht  und  ein  Jahr  dort 
zugebracht  hatte,  hat  vielleicht  den  Dichter  selbst  noch  kennen  ge- 
lernt, sicher  bei  seiner  ernsten  und  frommen  Gesinnung  gerade  an  diesen 
Gedichten  Gefallen  gefunden,  obgleich  ihr  Verfasser  seinen  Gegensatz 
zu  dem  damals  allgemein  gefeierten  Dan.  Heinsius  dem  älteren  aus- 
zusprechen gewagt  hatte.3) 


3)  Vergl.  Jonckbloets  Geschichte  der  Niederländischen  Litt e rat ur  fibersetzt  von 
Wilhelm  Berg  II,  S.  344  ff. 


Von  Dr.  L.  H.  Fischer  -  Berlin. 


609 


Dio  beiden  holländischen  Gedichte  sind  in  zweifacher  Weise  inter- 
essant. Einmal  geben  sie  ein  weiteres  Beispiel  für  den  Einfluss  der 
niederländischen  Litteratur  auf  die  gelehrte  deutsche  Dichtung  im 
17.  Jahrhundert,  andrerseits  lassen  sie  erkennen,  in  welcher  Weise 
Robertin  seine  Vorlagen  benutzt  hat.  Sie  mögen  deshalb  im  Folgenden 
einen  Platz  finden. 

In  der  mir  vorliegenden  Ausgabe  (D.  R.  Kamphuyzens  Stichtelyke 
Kymen,  Geheel  op  Noten  gebracht;  en  gestelt  op  sleutels  om  te  zingen 
en  te  speien  op  allerhande  instrumenten ;  mitfgaders  vermeerdert  met 
eenige  nieuwgecomponeerde  wijzen  Door  M.  Mathieu.  De  tweede  Druk. 
Te  Rotterdam,  By  Izaak  Naeranus,  Boekverkoper  op  't  Steyger,  Anno  1702.) 
steht  das  erste  der  mitzuteilenden  Gedichte  auf  S.  210  (es  ist  das  letzte 
von  dem  „Eerste  Deel"),  das  zweite  S.  691  ff.,  gegen  Ende  des 
„Derde  Deelu. 

Ich  gebe  zuerst  den  in  der  alten  Orthographie  abgedruckten  hollän- 
dischen Text,  dann  eine  möglichst  getreue  Übersetzung  und  schliesslich 
die  Bearbeitung  Robertins. 

I. 

Niet  nieuws  onder  de  Zonne. 


i. 

Wat  is't  onvernoegde  mensch, 

Dat  uw  weiisch 

^tadig  na  wat  nieuws  komt  dryven? 

Neora  de  heele  weereld  voor, 

Loopze  door: 

*t  Is  de  weer'ld  en't  zalze  blyven. 

2. 

*t  Geen  men  tegenwoordig  ziet, 

la  geschied; 

t  Geen  de  tyd  hier  na  zal  bringen, 

Is  of  na,  of  al  geweest: 

Op  een  leest 

Schoeycn  alle  aardsche  dingen. 


3. 

Bouwen,  breken,  krygen,  slaan, 

Doo'n,  verraa'n, 

Jachten,  trachten,  zoeken,  wroeten; 

Wat  men  hoort,  beleeft,  aanschouwt; 

't  Is  al  ond 

Dat  op  aard  ons  zal  ontmoeten. 

4. 

Nieuwe  menschen  voed  en  baart 

Stccds  de  aard1, 

Maar  geen  nieuw  begeert'  noch  haken. 

't  Was  als  't  is,  ent  is  als  't  was:* 

D'  ouden  pas 

Houden  al  des  weerelts  zaken. 


610 


Nachträge  zu  Robertini  Gedichten. 


5. 
D'  eygen  weg,  die  Cyrus  trad, 
Was  ook  't  päd 
Van  den  grooten  Alexander: 
Daar  na  ging  hem  Cezar  in: 
Cezars  zin 
Is  nn  weder  in  een  ander. 

6. 
Dus  aanschoutm'  in  alle  ding 
Wisseling 

Van  begeert1  en  zinne-buyden: 
Nu  zynz'  hier;  een  ander  jaar 
Op  een  aar1: 
Nu  by  dees,  dan  by  die  luyden. 

7. 
Dat  in't  grootf  eerst  is  gespeurt, 
't  Zelve  beurt 

NaderhÄnd  in't  kleyn1  en  läge: 
Hier  by  stukken  en  ten  deel, 
Daar  geheel; 
Nu  gestadig,  dan  by  vlagen. 


8. 
Hier,  door  hstigheyd  en  kunst; 
Daar,  door  gunst: 
Nu  met  voorspoed;  dan  onspoedig: 
Hier,  met  moeyt*  en  weder -Inst; 
Daar,  met  rust: 
Nu  met  vreeze,  dan  kloekmoedig. 

9. 

Zoo  lang  menschen  menseben  zvn, 

ZaT  er  pyn, 

Kamp,  gevaar,  en  onlust  wez<?n. 

Zoek  op  aard  geen  Paradijs 

Zyt  gy  wys; 

Leeg'  uw  hart  van  hoop  en  vreeze. 

10. 

's  Weerelds  heyl  en  ongeval 

Is  een  bal, 

Daer  me'e  d'aardsche  Insten  speien: 

Die  ne'er  valt,  na  d'  Opper-hecr 

't  Zacht  oft  zeer 

Onder  menschen  wil  verdeeleo. 


IL 

Maysche  Morgen-stoud. 


l. 


WAt  is  de  Meester  wys  en  goed, 
Die  alles  heeft  gebouwt, 
En  noch  in  wezen  blyven  doet, 
Wat's  menschen  oog  aanschouwt. 

2. 
Die's  weerelds  wyden  ommering, 
Noyt  uytgewaakt,  bewaakt; 
En  door  gepaste  wisseling 
Het  zoet  noch  zoeter  maakt. 

3. 
Nn  is  de  winter,  dor  en  schraal, 
Met  al  zyn  onlust  heen; 
En  d'aerde  heeft  voor  deze  maal 
Haar  lyden  afgele'en. 


4. 


Dies  is  de  tyd  we'erom  gekeert, 
Waarin  natuur  verjonkt, 
Haars  milden  Scheppers  goedheyd  eert. 
En  met  zyn  gaven  pronkt. 

5. 
De  Mey,  wiens  zoetheyt  zoo  verstTelt: 
Dat  zyn  gedachtenis 
In's  menschen  geest  al  vreugd  venv.  - 
Eer  hy  voorhanden  is; 

6. 
De  Mey,  het  schoonste  van  het  jaar. 
Daar  alles  in  verfraavt; 
De  lucht  is  zoet,  de  zon  schynt  kka?, 
't  Gewenschte  windje  waayt. 


Von  Dr.  L.  H.  Fischer- Berlin. 


611 


7. 

Het  dauwtje  in  de  koele  nacht 
Word  over  *t  yeld  verspreyd, 
Waar  door  de  heel  Nature  lacht, 
En  is  vol  dankbaarheyd. 

8. 
De  aard  ist  met  gehloemt  geeiert, 
Het  Byken  ga'ert  zyn  was, 
Het  Leeuwcrikje  tiereliert, 
En  daalt  op't  nieuwe  gras. 

9. 
Het  bloempje  dringt  ten  knoppe  uyt, 
't  Geboomte  ruygt  van  lof, 
Het  veetje  scheert  het  klaver-kruyd 
Graag  van  het  veldje  of. 

10. 
Elk  dieitje  heeft  zyn  vollen  wensch, 
En  quel-begeert  leyt  stil; 
Behalvcn  in  den  dwazen  mensch, 
Door  zyn  verkeerden  wil. 


11. 

De  mensch,  van  wäre  deugden  leeg 
En  vol  van  zotte  lust, 
Hern  zelv'  en  and'ren  in  de  weeg, 
Vennoord  zyn  eygen  rust. 

12. 
Dit  leven,  't  welk  alleen  niet  end, 
Maar  kort  ook  is  van  daur, 
En  licht  van  zclfs  slaat  tot  eilend, 
Maakt  hy  zieh  dobbel  zuur. 

13. 
't  Vee  word  ontzielt;  zyn  eynd  is  snel, 
En  zyns  doods  pyn  niet  groot: 
De  mensch,  door  meenig  ziel-gcquel, 
Sterft  meer  dan  eenc  dood. 

14. 
Ach !  had  de  mensch  (zoo  waar  zyn  stand 
Vol  hart-en  zürnen -vrengd) 
Of  zonder  deugde,  min  verstand, 
Üf  by't  verstand,  meer  deugd! 


15. 


Ach!  waren  alle  menschen  wys, 
En  wilden  daar  by  wel! 
De  aard'  waar  haar  cen  Paradys, 
Nu  is  ze  meest  een  Hei! 


Nichts  Neues  unter  der  Sonne. 

1.  Was  ist's  unzufriedener  Mensch, 
Dafs  dein  Wunsch 

Stetig  nach  was  Neuem  mufs  treiben? 

Nimm  die  ganze  Welt  vor, 

Geh  sie  durch, 

Es  ist  die  Welt  und  wird  sie  bleiben. 

2.  Was  man  gegenwartig  sieht 
Ist  geschehen; 

Was  die  Zeit  hierauf  bringen  wird 

Ist  entweder  gegenwärtig  oder  ist  schon  gewesen: 

Auf  einen  Leisten 

Sind  alle  irdischen  Dinge  zugeschnitten. 


612  Nachtrüge  in  Robert  ins  Gedichten. 

3.  Bauen,  abbrechen,  kriegen,  schlagen, 
Töten,  verraten, 

Jagen,  trachten,  Buchen,  sich  mühen, 
Was  man  hört,  erlebt,  anschaut, 
Es  ist  alles  alt, 
Was  auf  Erden  uns  begegnen  mag. 

4.  Neue  Menschen  nährt  und  gebärt 
Stets  die  Erde, 

,  Aber  weder  neue  Begierde  noch  neues  Verlangen. 
Es  war,  wie  es  ist,  und  es  ist,  wie  es  war: 
Den  alten  Schritt 
Halten  ein  alle  Sachen  der  Welt. 

5.  Derselbe  Weg,  den  Cyrus  betrat, 
War  auch  der  Pfad 

Des  grofsen  Alexander. 

Danach  betrat  ihn  Cäsar, 

Cäsars  Sinn 

Ist  nun  wieder  auf  einen  andern  übergegangen. 

6.  So  sieht  man  in  allen  Dingen 
Wechsel 

Von  Begierde  und  Sinnentaumel, 
Nun  sind  sie  hierauf,  ein  ander  Jahr 
Auf  ein  anderes  (gerichtet), 
Nun  bei  diesen,  dann  bei  jenen  Leuten. 

7.  Das  zuerst  ist  grofs  angelegt, 
Dasselbe  geschieht 

Darauf  im  Kleinen  und  Geringen : 
Hier  stückweise  und  zum  Teil, 
Dort  ganz, 
Nun  beständig,  dann  stofsweise. 

8.  Hier  durch  List  und  Kunst; 
Dort  durch  Gunst: 

Jetzt  mit  Glück,  dann  unglücklich, 
Hier  mit  Mühe  und  Widerwillen 
Dort  mit  Buhe: 
Jetzt  mit  Furcht,  dann  beherzt. 


Von  Dr.  L.  H.  Fischer- Berlin.  gl 3 

9.  So  lang  Menschen  Menschen  sind, 
Wird  Pein, 

Kampf,  Gefahr  und  Unruhe  sein. 
Such  auf  Erden  kein  Paradies, 
Wenn  du  weise  bist; 
Mache  ledig  dein  Herz  von  Hoffnung  und  Furcht. 

10.  Der  Welt  Heil  und  Unglück 
Ist  wie  ein  Ball, 

Damit  die  irdischen  Lüste  spielen, 
Der  niederfällt,  je  nachdem  der  Oberherr 
Es  milde  oder  hart 
Unter  den  Menschen  verteilen  will. 

Morgenstunde  im  Mai. 

1.  Was  ist  der  Meister  weis1  und  gut, 
Der  alles  hat  gebaut 

Und  noch  bestehen  bleiben  läfet, 
Was  des  Menschen  Aug'  anschaut. 

2.  Der  der  Welt  weiten  Umkreis 
Nimmer  müde  bewacht 

Und  durch  geziemende  Abwechslung 
Das  Süfse  noch  süfser  macht. 

3.  Nun  ist  der  Winter  dürr  und  kahl 
Mit  all  seinem  Leid  dahin, 

Und  die  Erde  hat  für  dieses  Mal 
Ihr  Leiden  ausgelitten. 

4.  So  ist  die  Zeit  wiedergekommen, 
In  der  Natur  sich  verjüngt, 
Ihres  milden  Schöpfers  Güte  ehrt 
Und  mit  seinen  Gaben  prunkt. 

5.  Der  Mai,  dessen  Lieblichkeit  soweit  sich  ausdehnt, 
Dafs  sein  Gedächtnis 

In  des  Menschen  Geist  schon  Freud1  erweckt, 
Bevor  er  da  ist; 

6.  Der  Mai,  das  Schönste  des  Jahres, 
In  dem  alles  sich  verschont; 

Die  Luft  ist  lieblich,  die  Sonne  scheint 
Das  erwünschte  Windchen  weht. 


(JJ4  Nachträge  eu  Robertins  Gedichten. 

7.  Der  Tau  (das  Tauchen)  in  der  kühlen  Nacht 
Wird  über  das  Feld  ausgebreitet, 
Wodurch  die  ganze  Natur  lacht 

Und  voll  Dankbarkeit  ist. 

8.  Die  Erde  ist  mit  Blumen  geziert, 

Das  Bienchen  sammelt  ein  seinen  Wachs, 
Die  kleine  Lerche  tiereliert 
Und  senkt  sich  ins  neue  Gras. 

9.  Das  Blümlein  dringt  aus  der  Knospe  heraus, 
Die  Bäume  duften  von  Laub, 

Das  Vieh(chen)  weidet  das  Kleekraut 
Begierig  von  dem  Fcldchen  ab. 

10.  Jedes  Tierlein  hat  seinen  vollen  Wunsch, 
Und  quälende  Begierde  liegt  still, 
Aufser  in  dem  schwachen  Menschen 
Durch  seinen  verkehrten  Willen. 

11.  Der  Mensch,  der  wahren  Tugend  ledig 
Und  voll  der  thörichten  Lust, 

Sich  selbst  und  andern  in  dem  Weg 
Mordet  seine  eigene  Kühe, 

12.  Dies  Leben,  welches  nicht  nur  ein  Ende  hat, 
Sondern  auch  kurz  von  Dauer  ist 

Und  leicht  von  selbst  ins  Elend  fuhrt, 
Macht  er  sich  doppelt  sauer. 

13.  Das  Vieh  wird  entseelt,  sein  End  ist  schnell 
Und  seines  Todes  Pein  nicht  grofs, 

Der  Mensch  durch  manches  Seelgequäl 
Stirbt  mehr  denn  einen  Tod. 

14.  Ach  hätte  der  Mensch,  (so  gewüs  sein  Stand 
Voll  Freude  des  Herzens  und  der  Sinnen  ist), 
Entweder  ohne  Tugend  weniger  Verstand 
Oder  mit  Verstand  mehr  Tugend. 

15.  Ach  wären  alle  Menschen  weise 

Und  wollten  sich  dabei  wohl  befinden, 
Die  Erde  wäre  für  sich  ein  Paradies, 
Nun  ist  sie  meist  eine  Hölle! 


Von  Dr.  L.  H.  Fischer- Berlin. 


615 


I.  Albert  Arien  V,  11. 

Salomo  im  Prediger  am  1.  v.  9.    Nichts  newes  vnter  der  Sonne,  je: 


1.  MEnsch  wie  kömpt  es,  dass  dein  Sinn 

Immerhin 
Sich  auff  Newheit  lasset  treiben? 
Was  die  Welt  erdencken  kan, 

Sieh  es  an! 
Das  ist  Welt  vnd  wird  Welt  bleiben. 

2.  Was  wir  gegenwärtig  sehn, 

Ist  geschehn, 
Was  die  Nach-Zeit  auff-kan  bringen, 
Ist  jetzt  oder  war  ja  schon; 

Ein  Patron 
Zeiget  sich  in  allen  Dingen. 

3.  Bawen,  brechen;  Fried  vnd  Streit; 

Gunst  vnd  Neidt; 
Heben,  Stürzen;  Fluchen,  Segnen; 
Was  man  höret,  list  und  sieht, 

Was  geschieht, 
Piiag  auch  ehmals  zu  begegnen. 

4.  Newer  Menschen  kommen  viel 

In  das  Spiel, 
Doch  darumb  kein  new  begehren: 
Was  zuvorhin  ward  begunt, 

Vnd  jetzundt, 
Wird  sich  noch  gar  offt  verkehren. 

5.  Cyrus  bahnte  seinen  Pfadt; 

Nach  Ihm  trat1 
In  die  Herrsch -sucht  Alexander, 
Diesem  folgte  Caesar  nach, 

Caesars  Sach' 
Hat  zu  dieser  Zeit  ein  ander. 

6.  Witz  vnd  Falschheit,  Raub  vnd  Mordt 

Hie  vnd  dort, 
Bald  besonders,  bald  im  Hauffeo, 
Vor  vnd  nach,  vnd  auff  vnd  ab 

Ist  der  Trab 
Den  die  Welt  wil  immer  lanffen. 


7.  Sie  betreibet  einerley 

Mummerey, 
So  in  Inflen  alß  in  Kronen: 
Wer  geruhig,  still  vnd  wol 

Leben  soll, 
Muß  des  Gäuckel-Wercks  gewohnen. 

8.  Woran  sich  der  Füret  ergetzt, 

Wird  zu  letst 
Von  den  Bauren  nach-gemachet ; 
Vnd  was  (wie  man  etwan  meynt,) 

Höfisch  scheint, 
Wird  im  Dorff  hernach  verlachet. 

9.  Siehstu  nicht  wie  alles  Tuhn 

Dann  als  nun, 
Nun  alß  dann,  sich  Wechsel -schichtet? 
Hörst u  nicht  was  so  jetzt  war 

Vbers  Jahr 
Ander-weise  zugerichtet? 

10.  Was  bey  einem  pflag  zu  seyn, 

Wird  gemein; 
Auss  dem  grossen  wird  das  schlechte: 
Ehre,  Reichtumb,  Standt,  Gewalt, 

Rollet  bald 
Von  dem  Herren  zu  dem  Knechte. 

11.  Hie  durch  Fundeben,  List  vnd  Kunst, 

Dort  durch  Gunst: 
Hie  zu  Vortheil,  dort  zu  Schaden: 
Hie  mit  Vnmuht  vnd  Verdruß, 

Dort  mit  Muß1 ; 
Hie  anß  Zorn,  vnd  dort  auß  Gnaden. 

12.  So  lang  Menschen  Menschen  seyn 

Wird  auch  Pein, 
Angst,  Gefahr  vnd  Vnlust  stehen. 
Mercke  doch  den  Grund -Betrug! 

Bistu  klug: 
Alles  gehet  zum  vergehen. 


616  Nachtrüge  i 

13.    Weltlich  GlQck  vnd  Vngefall 


Robcrlim  Gediel 
I       Vnd  der  ' 


|      Nach  don 

Aus  dem  Holländisi 

Koben 


IL  Albert  Arieii  IV,  ] 

Mej-Lied.    0  curas  homii 

1.  DEr  Meister  ist  ja  Lobens  werth  8.  Die  Wi 
Der  alles  hat  gebauet,  Der  Wald 
Vnd  Vaterlich  erhallt  vnd  nährt  Des  Hiim 
Was  vnser  Aug'  anschauet.  Dem  Erdi 

2.  Der  diese  Welt,  so  räum  vnd  breit,  9.  Die  Bi* 
In  treuer  Hut  bewachet,  Das  Honi 
Vnd  mit  Abwechselung  der  Zeit  Die  Schw 
Das  Liebe  lieber  machet.  Die  Lercl 

3.  Von  Winters  Prost  war  alles  kahl  10.  Die  Na 
In  Schnee  vnd  Ejfl  begraben,  Durch  all 
Noch  hat  die  Erd'  auch  dieses  mal  Des  allgei 
Sich  auß  dem  Leid  erhaben.  So  gut  sii 

4.  Die  Zeit  kömpt  wieder  zu  vns  an  11.  Der  wai 
Die  Berg  vnd  Thal  beblühmet,  Den  Bäfli 
Vnd  hiemit,  wie  sie  jmrner  kan,  DieHecrd 
Des  Schöpffers  Mildheit  rühmet.  In  diesem 

5.  Der  Mcy,  (der  allen  Sinnen  pflegt  12.  Ein  jod 
So  manche  Lust  zu  schencken,  Sein  Hert 
Daß  auch  sein  Nähme  Freud'  erregt  Der  Mens 
So  offt  wir  sein  gedencken.)  In  wanck< 

6.  Der  Mey,  (das  schönste  Stück  vom  Jahr)  13.  Der  Mc 
Hat  sich  schon  lassen  sehen;  An  einem 
Die  Lnfft  ist  rein,  die  Sonne  klahr,  Wirbt  nu 
Die  linde  Windclien  wähen.  Vnd  tiidt 

7.  Der  Thaw  erfrischt  den  zarten  Klee,  14.  Sein  Le 
Der  vnlengst  war  verfroren;  Nicht  lan 
Die  Fische  gehn  im  Bach'  vnd  See  Wil  er  m 
Als  wieder  -new-gebohren.  Auch  übe 


Von  Dr.  L.  H.  Fischer- Berlin.  ßjf 


15.    Ein  Vieh  stirbt  hin,  vnd  seine  Noht 
Scheint  hierinn  wol  bequämet: 
Der  Mensch  stirbt  mehr  als  einen  Todt, 
Der  sich  zur  Vnzeit  grämet. 


16.    Er  pralet  immer  auff  Verstandt; 
Ach,  Hess1  Er  den  doch  inercken, 
Vnd  machte  seinen  Ruhm  bekant 
In  Tugend -gleichen  Wercken! 

17.    Ach  daß  Er  sich  doch  weisen  ließ' 
Auff  GOTT  sein  Thun  zu  stellen ! 
Die  Erde  wehr'  ein  Paradieß, 
Nun  wird  sie  Ihm  zur  Hellen. 

Auß  Dirck  Camphuysen,  Holländischem 
Robert  Robertihn. 

Wie  man  sieht,  hat  Kobertin  die  Form  des  holländischen  Vorbildes 
herüber  genommen,  mit  der  einen  Abweichung,  dass  er  in  dem  Mailiede 
die  zweite  und  vierte  Zeile  jeder  Strophe  um  eine  Senkung  am  Ende 
vermehrt  hat.  Die  Gedichte  Bobertins  sind  in  einzelnen  Stellen  wört- 
liche Übersetzungen  der  holländischen  Originale,  im  allgemeinen  getreue 
Nachbildungen;  doch  hat  B.,  wie  es  scheint,  in  V,  11  Strophe  6,  7u.  8 
hinzugefugt  und  in  IV,  12  die  achte  Strophe  des  Originals  zu  drei 
Strophen  (8,  9  u.  10)  erweitert.  Einigemal  ist  die  prägnante  holländi- 
sche Ausdrucks  weise  in  der  Bearbeitung  verblasst  und  verflacht,  z.  B. 
in  I,  Strophe  2  Zeile  5  u.  6,  in  Strophe  12  Zeile  4— 6;  in  II,  Strophe  16 
scheint  mir  Eobertin  den  Gedanken,  welchen  der  holländische  Dichter 
durch  Vergleichung  von  Mensch  und  Tier  gewinnt,  nicht  scharf  und 
klar  genug  wiedergegeben  zu  haben.  In  I,  Str.  3  Z.  4  hat  der  hollän- 
dische Text:  beleeft  =  erlebt,  E.  übersetzt:  list.  Ob  hier  ein  Irrtum 
Bobertins  oder  eine  abweichende  Lesart  (beleest)  in  der  von  B.  benutzten 
Ausgabe  angenommen  werden  muss,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein. 


Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XXEL  Hft  7  u.  8.  40 


Kants  Copernicanismns 

auf  die  Begriffe  Notwendigkeit  und  Freiheit  angewandt. 

Von 

Dr.  Otto  Kuttner. 

Fr.  Harms  hat  sich  in  seiner  Vorrede  zu  „Die  Philosophie  seit  Kant" 
sehr  darüber  ereifert,  dass  „es  Mode  geworden  den  ehrenhaften  Königs- 
berger Weisen  irgendwie  in  Parallele  zu  stellen  mit  dem  Sophisteu 
Protagoras".  Und  doch  ist  diese  Parallele  zwischen  Kant  und  Protagons, 
die  von  Albert  Lange  datiert,  und  von  Harms  „albern"  gescholten  wird. 
mehr  als  in  einer  Beziehung  zutreffend.  Das  Protagoräische "Ai&Qwm 
Ii&qov  ndvrayv  ist  zum  Motto  wie  geschaffen  für  die  Copernicanische 
Neuerung  der  Kritik  der  reinen  Vernunft,  welche  Kant  ankündigt  in  der 
Vorrede  derselben  (Kirch mann  S.  28):  statt  unsere  Begriffe  sich  drehen 
zu  lassen  um  die  Dinge,  will  er  es  einmal  umgekehrt  versuchen.  Das 
Resultat  dieser  Operation  ist  die  „Erscheinungswelt"  Kants. 

Gegeben  ist  auch  in  unserem  Motto  das  andere:  dass,  wie  ein  Maass 
ohne  Füllung  nichts  besagen  will,  Begriffe  ohne  Anschauungen  leer  sind. 
Unsere  Erkenntniss  ist  gebannt  an  den  Boden  der  sinnlichen  Erfahrung; 
wo  diese  aufhört,  da  hört  auch  jene  auf.  Alle  Gegenstände  einer  im 
engeren  Sinne  sogenannten  Metaphysik  verfallen  daher  unerbittlich  dem 
Richterspruche  der  Kritik,  wo  es  sich  handelt  um  Erkenntniss.  Aber 
zugleich  ist  das  viel  misdeutete  Wort  aus  der  Vorrede  zur  zweiten 
Auflage  der  Kritik  d.  r.  V.  bekannt :  „Ich  musste  das  Wissen  aufheben, 
„um  zum  Glauben  Platz  zu  bekommen".1) 


*)  Kirchmann  S.  36. 


Kants  Copernicanismus.     Von  Dr.  Otto  Kuttner.  619 

Es  ist  aber  nicht  jedwedes  Wissen,  noch  jedweder  Glaube  gemeint. 
Aufgehoben  werden  soll  aller  Schein  eines  absoluten  Wissens  der  im 
Hexentanze  der  Begriffsromantik  sich  um  sich  selbst  drehenden  Vernunft. 

„Die  Lehre  von  der  Sinnlichkeit  ist  die  Lehre  von  den  Noumenen 
„im  negativen  Verstände".2) 

Platz  soll  dafür  dem  praktischen  Glauben  geschafft  werden  an  die 
sittliche  Würde  dieser  selben  Vernunft. 

Wieder  gilt  es,  der  Mensch  ist  das  Maass  aller  Dinge! 

Und  wie  ist  hiefür  Platz  gemacht? 

Es  giebt  gewisse  einseitige  Kantianer,  welche  sich  also  nennen, 
ohne  doch  eigentlich  ein  Recht  dazu  zu  haben.  Diese  sind  froh,  wenn 
sie  den  kalten  schneidigen  Luftzug,  der  ihnen  aus  der  Kritik  d.  r.  V. 
entgegen  weht,  und  den  sie  nur  unter  schwachbrüstigem  Hüsteln  zu 
ertragen  vermochten,  hinter  sich  haben,  uin  auf  Kosten  der  Kritik  der 
praktischen  Vernunft  um  so  ungestörter  schwärmen  zu  können.  Indem 
sie  sich  als  Eichter  aufwerfen  in  dem  Streite  der  mit  sich  selbst  pro- 
cessirenden  Vernunft,  wissen  sie  es  fertig  zu  bringen,  halbpart  zu 
machen.  Die  Welt  der  Erscheinungen  und  die  Welt  der  „Dinge  an  sich" 
wird,  die  eine  der  theoretischen  und  die  andere  der  praktischen  Ver- 
nunft zugeteilt,  und  beide  werden  dann  knurrend  und  murrend  über 
ihrem  Teile  zur  Euhe  verwiesen. 

Es  mag  manches  Misverständliche  aus  der  Kritik  der  praktischen 
Vernunft  und  der  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten 3)  hierfür  mit 
scheinbarem  Rechte  können  angeführt  werden,  manches  auch  in  Wahr- 
heit Kantscher  Inconsequenz  zuzuschreiben  sein.  Damit  haben  wir  uns 
nicht -zu  beschäftigen,  sondern  damit,  inwiefern  der  Wunsch  Kants, 
Platz  zu  bekommen  für  das,  was  er  Glauben  nennt,  vereinbar  ist  mit 
consequent  durchgeführtem  Kritieismus. 4) 


2)  Kirchmann  S.  262. 

*)  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten.  Riga  1785.  Kritik  der  praktischen 
Vernunft.  Riga  1788.  Beide  sind  in  der  Philosophischen  Bibliothek  Kirchmann's 
erschienen. 

4)  Die  vortrefflichsten  Winke  hierüber  finden  sich  in  der  transcendentalen 
Methodenlehre,  Kritik  d.  r.  Vera.  Kirchmann  S.  553  ff. 

40* 


620  Kants  Copernicanismus. 

Wer  sich  nun  aber  in  der  Kritik  d.  r.  V.  den  beherzigenswerthen 
Vergleich  in  der  Widerlegung  des  Beweises  der  Persönlichkeit  der  Seele 
samrat  seinen  Consequenzen  zu  Gernüte  geführt  hat,  der  wird  für  eine 
so  bequeme  Teilung  auf  Kant  sich  zu  berufen,  doch  etwas  verlernen 
müssen.    Hier  ist  er:6) 

„Eine  elastische  Kugel,  die  auf  eine  gleiche  in  gerader  Richtung 
„stösst,  teilt  dieser  ihre  ganze  Bewegung,  mithin  ihren  ganzen  Zu- 
„stand  .  .  .  mit.  Nehmet  nun,  nach  der  Analogie  mit  dergl.  Körpern, 
„Substanzen  an,  deren  die  eine  der  anderen  Vorstellungen  sammt 
„deren  Bewusstsein  einflösste,  so  wird  sich  eine  ganze  Reihe  derselben 
„denken  lassen,  deren  die  erste  ihren  Zustand  sammt  dessen  Be- 
„wusstsein  der  zweiten,  diese  ihren  eigenen  Zustand  sammt  dem  der 
„vorigen  Substanz  der  dritten,  und  diese  ebenso  die  Zustände  aller 
„vorigen  sammt  ihrem  eigenen  und  deren  Bewusstsein  mitteilte.  Die 
„letzte  Substanz  würde  also  aller  Zustände  der  vor  ihr  veränderten 
„Substanzen  sich  als  ihrer  eigenen  bewusst  sein,  weil  jene  zusaoimi 
„dem  Bewusstsein  in  sie  übertragen  worden,  und  dem  unerachtet 
„würde  sie  doch  nicht  eben  dieselbe  Person  in  allen  diesen  Zuständen 
„gewesen  sein". 

'  Scheut  sich  hier  Kant  wohl  im  Mindesten  die  mechanischen  Be- 
wegungsgesetze auf  das  Zu -Stande -Kommen  seelischen  Lebens  zu 
übertragen  ? 

Und  ist  es  nicht  dasselbe  in  der  ganzen  Widerlegung  der  rationalen 
Seelenlehre,  die  sich  anheischig  macht,  die  Seele  als  ein  besonderes  Etwas 
darzutun,  dasselbe  auch  mit  der  in  der  zweiten  Auflage  hinzugefügten 
„Widerlegung  des  Idealismus"?8) 

Gewiss  wird  hier  nirgends  mit  dem  Materialismus  die  Seele  als 
Wirkung  materieller  Ursachen  behauptet,  aber  die  Behauptung  des 
Gegenteils,  die  Behauptung  der  Selbständigkeit  der  Seele,  wird,  sofern 
sie  mit  dem  Ansprüche  auf  Beweisbarkeit  auftritt,  als  ebenso  unkritisch 
zurückgewiesen. 


*)  Kirchmann,  Kritik  der  reinen  Vernunft  S.  692  n.  93  Anm. 
6)  Die  entere  findet  sich  bei  Kirchmann  S.  682—720  (l.  Aufl.)  u.  S.  823—344 
(2.  Aufl.);  die  zweite  S.  235—38. 


1 


Von  Dr.  Otto  Knttner.  621 

Und  dass  hiermit  in  der  That  kein  blosses  Scheinmanöver  ausge- 
führt wird,  sondern  jener  Protest  ernstlich  gemeint  ist  und  zwar  im 
Sinne  der  oben  angeführten  Analogie,  geht  daraus  hervor:  dass  Kant 
ohne  Scheu  erklärt,  es  sei  ganz  unzweifelhaft,  dass  wenn  wir  alle  die 
physischen  Kräfte  und  Ursachen  genau  kennten,  die  auf  ein  Individuum 
von  Aussen  und  Infcen  einwirken,  wir  auch  seine  Handlungen  voraus  zu 
bestimmen  vermöchten. 


Wir  haben  von  der  Freiheit  noch  kein  Wort  geredet,  wissen  noch 

nicht,    welches  die  Wege    sind,    die   in  der  geraden  Linie    der  Kritik 

d.  r.  Vera,  gelegen,  geeignet  sein  könnten,  dem  praktischen   Glauben 

Platz  zu  verschaffen.    Und  bevor  wir  davon  reden,  stehen  wir  nicht  an, 

ein  erlösendes  Wort  aus  Kants  Methodenlehre  anzuführen,  das  auch  für 

den  Verstocktesten  ein  Licht  anzuzünden  im  Stande  ist,  und  mehr  Funken 

schlägt,  als  die  ganze  Kritik  der  praktischen  Vernunft,  wie  wir  glauben.7) 

„Ob  aber  die  Vernunft  selbst  in  diesen  Handlungen,  dadurch  sie 

„Gesetze  vorschreibt,  nicht  wiederum  durch  anderweitige  Einflüsse 

„bestimmt  sei,  und  das,  was  in  Absicht  auf  sinnliche  Antriebe  Freiheit 

„heisst,  in  Ansehung  höherer  und  entfernterer,  wirkender  Ursachen, 

„nicht  wiederum  Natur  sein  möge,  das  geht  uns  im  Praktischen, 

„da  wir  nur  die  Vernunft   um   die  Vorschrift  des  Verhaltens 

„zunächst  befragen,  nichts  an,  sondern  ist  eine  bloss  spekulative  Frage, 

„die  wir,  so  lange  unsere  Absicht  auf  das  Thun  oder  Lassen  gerichtet 

„ist,  bei  Seite  setzen  können.    Wir  erkennen  also  die  praktische 

„Freiheit  durch  Erfahrung  als  eine  von  den  Naturursachen,  nämlich 

„eine  Kausalität  der  Vernunft  in  Bestimmung  des  Willens". 

Hier  wird  einerseits  die  Abhängigkeit  des  Freiheitsbewusstseins 
vom  Causalitätsgesetz  der  Natur  erst  hypothetisch  und  dann  unbedingt 
anerkannt  —  denn  was  Naturursache  ist,  ist  auch  zu  gleicher  Zeit 
Naturwirkung  — ;  andererseits  heisst  es:  dieser  Gesichtspunkt  sei  gleich- 
giltig,  da  es  sich  nur  um  die  „Vorschrift  des  Verhaltens"  handele  und 
nicht  um  die  theoretische  Einsicht,  wie  eine  solche  Vorschrift  möglich  sei. 


7)  Kritik  d.  r.  Vera.  Kirchmann  S.  621. 


622  Kant«  Copernicanismaß, 

Dann  freilich  scbeint  es,  als  brauche  ja  gar  kein  besonderer  Plah 
geschafft  zu  werden  für  die  Möglichkeit  eines  Glaubens  an  die  prak- 
tische Freiheit,  wenn  diese  selbst  eingereiht  wird  in  die  Reihe  der 
Natur-Ursachen  und  -Wirkungen,  und  von  ihr  nur  dasselbe  gilt,  was 
eben  von  den  anderen  auch.  Aber  es  ist  klar:  in  dieser  Eigenschaft  kann 
sie  gerade  das  nicht  leisten,  was  sie  leisten  soll.  Und  die  exceptionelle 
Stellung,  die  ihr  angewiesen  wird  als  „Vorschrift  des  Verhaltens", 
scheint  doch  auch  eine  exceptionelle  Begründung  zu  verlangen.  Sie 
würde  sonst  durch  ihren  Gegensatz  zu  ihrem  mütterlichen  Roden,  in 
dem  sie  für  unser  Bewusstsein  steht,  gar  zu  leicht  angesehen  werden 
nach  Analogie  der  Sinnestäuschungen,  die  auch  als  solche  ihre  zu- 
reichenden Gründe  haben  und  deshalb  als  Empfindungsthatsachen  müssen 
angesehen  werden,  und  dennoch  uns  als  Täuschungen  gelten  gegenüber 
einer  realen  Welt. 

Nur  freilich,  dass  auch  hier,  wie  so  oft,  die  scheinbare  Exception, 
die  Regel  nicht  aufhebt,  wie  Kant  Alles  in  Allem  doch  will,  sondern 
sie  vielmehr  zur  Klarheit  bringt. 

Wir  behaupten:  der  Platz,  der  dem  praktischen  Glauben  geschafft 
werden  solle,  könne  nicht  also  geschafft  werden,  dass  nun  umgekehrt 
als  Täuschung  und  Schein  die  Erscheinungswelt  behandelt  und  die 
Idealität  von  Raum  und  Zeit  dazu  benutzt  werde,  um  so  zu  thun,  als 
hätten  wir  uns  an  sie  gar  nicht  zu  kehren. 

Wir  sind  ehrlich  genug,  zunächst  die  Stelle  aus  der  Kritik  d.  r.  V. 
herzusetzen,  die  allerdings  diese  Wendung  nimmt8): 

„Hiewider  könnt  ihr  aber  eine  transcendentale  Hypothese  auf- 
bieten: dass  alles  Leben  eigentlich  nur  intelligibel  sei,  den  Zeit- 
Veränderungen  gar  nicht  unterworfen,  und  weder  durch  Geburt  an- 
gefangen noch  durch  den  Tod  beendigt  werde,  dass  dieses  Leben 
„nichts  als  eine  blosse  Erscheinung,  d.  i.  eine  sinnliche  Vorstellung 
„von  dem  reinen  geistigen  Leben,  und  die  ganze  Siuneuwelt  ein 
„blosses  Bild  sei,  welches  unserer  jetzigen  Erkenntnissart  vorschwebt 
„und  wie  ein  Traum  au  sich  keine  objektive  Realität  habe". 


8)  Kritik  d.  r.  Vera.  Kirchmann  S.  605. 

•  V 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  623 

Es  ist  möglich,  dass  Schopenhauer  mit  Behagen  an  solchen  Stellen 
geweilt  hat  und  gemeint  hier  seinen  ganzen  Buddhismus  wieder  zu 
finden;  jedenfalls  hat  er  aus  allen  seinen  Illusionen  herausfallen  müssen, 
wenn  der  lachende  Philosoph,  als  der  uns  Kant  hier  erscheint,  fortfährt: 
wir  wüssten  zwar  von  All  dergleichen  nicht  das  Mindeste,  könnten 
nichts  davon  im  Ernste  behaupten,  es  könne  All  dieses  nicht  einmal 
den  Rang  blosser  Vernunft-Ideen,  sondern  nur  den,  ausgedachter  Be- 
griffe beanspruchen,  aber  die  seien  vielleicht  einmal  ganz  zweckmässig 
zur  Abwehr  eines  zudringlichen  Gegners  —  wie  Platzpatronen  zum 
Srhreckschuss,  fugen  wir  hinzu. 

Im  Ernste,  mit  dem  wir  es  doch  hier  zu  tun  haben,  werden  wir 
uns  hüten,  die  Realität  der  Erscheinungswelt,  die  zu  behaupten  Kant 
es  sich  so  viel  Muhe  hat  kosten  lassen,  durch  dergleichen  Lügen  strafen 
zu  lassen.  

Aber  sehen  wir  doch  einmal  näher  zu  und  fragen:  was  ist  denn 
dasjenige  von  dem,  und  was  dasjenige,  für  das,  die  Bahn  frei- 
gemacht werden  soll? 

Jenes,  so  formulirt,  wie  es  wohl  zunächst  in  eines  Jeden  Bewusst- 
sein  liegt,  ist  doch  die  Notwendigkeit  causalen  Geschehens,  dessen 
geschlossene  Reihe  von  Ursache  und  Wirkung,  in  continuirlicher  Zeit- 
folge sich  darstellend,  keinen  Kaum  zu  lassen  scheint  für  die  Selbst- 
ständigkeit sittlichen  Handelns. 

Und  dieses  ist  das  Bewusstsein  der  Freiheit,  das  sich  für  uns  zu- 
sammenschliesst  mit  dem  Gedanken  der  Verantwortlichkeit  unserer  Hand- 
lungen, welche  gefährdet  erscheint,  sobald  diese  sollen  begriffen  werden 
als  physische  Wirkungen,  denen  das  Gepräge  notwendigen  Eintretens 
ebenso  aufgedrückt  ist  wie  allen  anderen. 

Aber  wo  bekamen  wir  denn  überhaupt  den  Gedanken  einer  Not- 
wendigkeit her? 

So  viel  steht  uns  fest:  aus  den  Dingen  können  wir  sie  nicht  her- 
ausfiltrieren. Und  so  viel  zum  Zweiten:  in  der  blossen  Zeitfolge 
ist  sie  auch  nicht  gelegen.  Denn  wir  vermögen  ganz  deutlich  diese 
uls  bloss  subjektiv  zu  unterscheiden  von  der  „Vorstellung  einer  not* 


624  Kants  Copernicaoismu«. 

wendigen  Verknüpfung  der  Wahrnehmungen",  ja,  es  bleibt  hier  ein 
gewisser  Widerspruch  für  unser  Bewusstsein  hängen.  Und  während 
wir  zuerst  Ursache  und  Wirkung  nach  der  zeitlichen  Analogie  von 
Anfang  und  Fortgang  uns  vorstellten:  so  kommen  wir  bei  näherer 
Ueberlegung  zu  dem  Resultate:  dass  hier  eben  nur  eine  Analogie  vor- 
liegt, und  beide  vielmehr  als  zugleich  vorhanden  müssen  gedacht  werden, 
und  bei  noch  eingehenderer  zu  dem  anderen,  dass  auch  der  Begriff 
der  Ursache  und  Wirkung  in  nicht  unwesentlichen  Punkten  der  Revi- 
sion anheim  falle. 

Alle  die  Vorstellungen  eines  schöpferischen  Entstehens  und  Ver- 
gehens sind  auszuschliessen  und  an  ihre  Stelle  ist  zu  setzen  1)  das 
Axiom  von  dem  unvermeidbaren  und  unverminderbaren  Bestände  der 
Materie,  2)  das  von  der  Erhaltuug  der  e?nmal  vorhandenen  Kraftmenge 
und  3)  endlich  das  wichtige  Gesetz,  welches  das  zweite  zugleich  be- 
gründet und  modificirt,  indem  es  dem  Thatbestande  von  der  Aus- 
lösungsfahigkeit  einer  Kraft  in  die  andere  uud  der  anderen  wieder  in 
die  eine  Ausdruck  verleiht. 

Kein  Mensch  aber  wird  die  richtig  verstandene  Freiheit  geleugnet 
finden,  wenn  ich  behaupte:  die  Bewegung  des  Armes  sei  als  „lebendige 
Kraft"  ein  Aequivalent  für  die  Spannkraft  des  Empfindungsnerven  im 
Gehirn.  Ich  müsste  denn  den  thörichten  Wahn  haben,  mit  dergl.  die 
Thatsache  der  Empfindung  und  des  Willens  selbst  abgeleitet  und  sie 
in  ihrem  Sein  begreiflicher  gemacht  zu  haben!  Aber  gerade,  um  diesen 
Schein  zu  vermeiden,  habe  ich  ja  statt  der  missverständlichen  Aus- 
drücke: Ursache  und  Wirkung,  von  Aequivalenten  gesprochen,  die  an 
Wert  und  Ursprünglichkeit  völlig  parallel  neben  einander  her  gehen, 
und  deren  Thatbestand  ich  darum  um  nichts  mehr  verständlich  gemacht 
habe,  weil  ich  die  zwischen  ihnen  aufgefundene  Beziehung  ausge- 
drückt habe. 

„Aber  diese  Beziehung  ist  eben  eine  notwendige"  wirft  man  uns 
ein.  Und  mit  dieser  Notwendigkeit  wird  im  Handumdrehen  wieder  der 
mythologische  Sinn  einer  zwingenden  Macht,  die  mit  praedestinatorischer 
Allge  walt  auf  uns  einwirkt,  verbunden :  und  so  wären  wir  denn  glück- 
lich wieder  auf  dem  alten  Flecke  angelangt! 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  625 

Sagen  wir  lieber:  diese  beiden  Thatsachen  sind  durch  die  Vor- 
stellung einer  notwendigen  Verknüpfung  verbünden;  es  besteht  eine 
Nötigung  für  uns,  sie,  sobald  wir  sie  kennen,  zusammen  zu  denken, 
deren  Recht  „objektive  Notwendigkeit*4  genannt  za  werden,  steht 
und  fällt  mit  dem  Rechte  des  Bewussts eins,  sie  als  solche  zu 
empfinden. 

Und  hier  ist  ein  Punkt  von  entscheidender  Wichtigkeit  zu' 
beachten,  den  wir  schon  einmal  im  Vorbeigehen  streiften: 

Es  gilt  einzusehen,  dass  es  sich  im  causalen  Urteile  ganz  und  gar 
nicht  um  dessen  inhaltliche  Richtigkeit  handelt,  sondern  um  die  für 
das  jeweilige  Bewusstsein  vorhandene  Nötigung  handelt  es  sich, 
die  oft  genug  ohne  jene  anzutreffen  ist.  Allerwärts  wo  man  von  Wirkungen 
auf  falsche  Ursachen  zurückgeschlossen  und  von  Ursachen  auf  falsche 
Wirkungen  geraten  hat,  ist  jener  Fall  eingetreten. 

Das  bekannteste  Beispiel:  der  Schluss  aus  der  Thatsache  von 
Sonnenaufgang  und  -Untergang,  um  mich  paradox  auszudrücken,  auf 
die  Bewegung  der  Sonne  um  die  Erde!  Von  jener  objektiven  Notwen- 
digkeit aber,  die  uns  in  der  Regel  vorschwebt,  wenn  wir  von  einer 
geschlossenen  Reihe  von  Gliedern  reden,  durch  die  keine  Macht  der 
Welt  durchbrechen  könne,  von  ihr  ist  in  einem  harmlosen  Erfahrungs- 
urteil, das  wir  fällen,  ganz  und  gar  nicht  die  Rede.  Oder  wem  schwebt 
wohl  solch  ein  fatalistischer  Zwang  vor,  wenn  er  in  der  Mittags- 
sonne die  Wahrnehmung  macht,  dass  dieser  und  jener  Stein  warm  ge- 
worden? Wir  werden  im  Grossen  und  Ganzen  die  Wahrscheinlichkeit 
für  grösser  halten,  dass  die  Sonne  den  Stein  erwärmt,  als  die  andere, 
dass  er  künstlich  in  einem  Kessel  erwärmt  und  hier  ausgeworfen  sei. 
Aber  es  lässt  sich  ganz  und  gar  nicht  sagen:  dass  Letzteres  ins  Be- 
reich der  Unmöglichkeit  gehöre.  Und  man  ist  glücklicher  Weise  nicht 
so  abergläubisch,  im  gegebenen  Falle  aus  der  Wahrscheinlichkeit,  nach 
der  wir  im  Einzelneu  entscheiden,  einen  bindenden  Zwang  der  Sachen 
zu  machen,  der  über  ihnen  schwebte. 

Allerdings  würde  es  unrichtig  sein,  die  Sache  so  darzustellen,  als 
ob  die  Vorstellung  einer  notwendigen  Verknüpfung  der  Dinge 
in  uns  erst  entstünde  durch  die  Wiederholungen  des  einzelnen  Falles, 


626  Knnts  CopernicanismoB. 

auf  den  wir  Acht  haben.  Durch  die  Erfahrung  allerdings  müssen  uns 
die  beiden  Gegenstände  gegeben  werden,  die  wir  in  diese  notwendige 
Verknüpfung  setzen,  und  dazu  brauchen  wir  platterdings  der  Erfahrung 
oder,  um  Missverständisse  zu  verhüten,  der  sinnlichen  Wahrnehmung. 

Ohne  deren  Hilfe  können  wir  von  keiner  uns  vorliegenden  Er- 
scheinung sagen:  wie  sie  zu  Stande  gekommen  ist,  von  keiner  auch, 
•  was  sie  zu  Stande  bringen  wird,  sondern,  sofern  uns  dies  möglich  ist, 
ist  es  uns  möglich,  gestützt  auf  frühere  Erfahrung,  also  durch  ein^a 
Analogie-Schluss.  Und  die  Möglichkeit,  dass  wir  in  diesem  Schluss- 
verfahren fehl  gehen,  die  Wirklichkeit,  dass  wir  darin  oft  genug  febl 
gegangen  siud,  liegt  nicht  bloss  vor,  sondern  wir  sind  uns  dessen  auch 
sehr  wohl  bewusst. 

Jedes  Experiment  des  Naturforschers  ist  nur  eine  bescheidene 
Frage  an  die  Natur,  die  allerdings  in  bestimmter  Form  ruuss  gestellt 
sein.  Und  die  Natur  hat  oft  genug  das  „Ja"  verweigert  auf  solche 
Frage,  und  damit  „Nein"  geantwortet,  als  dass  man  sich  über  dif 
Schranken,  di'e  unserer  voraussagenden  Erkenntniss  gesetzt  sind,  hat 
tauschen  können. 

Weit  gefehlt  also,  dass  wir  von  vorneherein  aus  der  einen  Er- 
scheinung ihre  Componenten  vermöchten  vorher  zu  bestimmen,  oder 
umgekehrt:  so  können  wir  nicht  einmal  mit  Sicherheit  aus  einer  Reihe 
von  ähnlichen  Erfahrungstatsachen,  die  sich  uns  vorher  dargeboten  haben, 
auf  die  Gleichheit  der  Folgen,  aus  der  Gleichartigkeit  der  Wirkung 
auf  die  der  Ursache  zurückschliessen. 

Aber  ob  wohl  wir  nicht  a  priori  zu  sagen  vermögen,  welches  die 
zusammensetzenden  Faktoren  einer  Erscheinung  sind :  so  fordern  wir  doch, 
dass  es  solche  überhaupt  giebt.  Und  diese  allgemeine  Forderung  ist  es, 
di«  sich  charakterisiren  lässt  als  die  Vorstellung  einer  notwendigen 
Verknüpfung.  Sie  stammt  nicht  aus  der  Erfahrung:  sie  wird  vielmehr 
durch  Erfahrung  eingeschränkt.  Wenn  wir  bei  unseren  Ur-Elemeoten. 
deren  es  jetzt  einige  GO  giebt,  in  der  Analyse  angelangt  sind,  und 
suchen  unsere  Forderung  weiteren  Zergliederns,  d.  h.  weiteren  Forschens 
nach  den  obersten  letzten  Bestandteilen,  aus  denen  jene  selbst  mögen 
zusammengesetzt  sein,  auf  sie  auszudehnen,  so  wird  uns  bis  jetzt  jede 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  627 

Antwort  verweigert.  Möglich:  dass  es  früher  oder  später  gelingt,  von 
diesen  Ur-Stoffen  einige  als  zusammengesetzte  darzuthun  und  sie  da- 
mit abzuleiten  aus  solchen  höherer  Ordnuug,  ebenso  möglich  auch: 
dass  die  bis  jetzt  gefundenen  Elemente  wirklich  als  solche  im  vollen 
Sinne  des  Wortes  anzusehen  sind. 

Genug!  in  beiden  Fallen  setzt  die  Natur,  sei  es  früher  oder  später, 
unserem  Forschungslriobe  ein  „Bis  hierher"  entgegen,  und  das  wissen- 
schaftliche Streben  des  unaufhaltsamen  Rückschritts  von  Erscheinung 
zu  Erscheinung  endigt  schliesslich  doch  im  Aether  der  Imagination. 

Folgende  Worte  aus  Kants  Schrift  „Ueber  Formen  und  Princi- 
pien  der  Sinnes-  und  Verstandes-welt"  wissen  den  fraglichen  Punkt 
sehr  scharf  zu  beleuchten:9) 

Dass  Alles  im  Universum  nach  einer  Naturordnung  geschieht,  ist 
ein  sich  auf  dem  subjektiven  Grunde  des  Intellektes  und  nicht  dem 
objektiven  stützendes  Gewohnheitsgesetz,  das  uns  nicht  eigen  ist  in 
Folge  unserer  ausgebreiteten  Naturerkenntniss,  oder  weil  wir  die  Un- 
möglichkeit vom  Uebernatürlichen  beweisen  könnten,  sondern  weil,  wenn 
wir  von  der  Naturordnung  abweichen,  an  einen  Gebrauch  des  Intellek- 
tes eben  nicht  mehr  zu  denken  ist. 

Mit  anderen  Worten:  jene  unverbrüchliche  Naturordnung,  die  uns 
in  Augenblicken  unklarer  Sentimentalität  als  unentrinnbares  Yerhängniss 
erscheint,  dem  auch  wir  unterworfen  sind,  ist  eine  Forderung  unseres 
eigenen  Verstandes,  um  Erkenntniss  möglich  zu  machen.  Dessen  syno- 
nyme Postulate  sind  Allgeraeinheit  und  Notwendigkeit,  und  er  findet  sie, 
eben  weil  er  sie  vorausgesetzt  hat.  Oder  wo  in  aller  Welt  offenbart 
sich  ein  allgemeines  Gesetz  in  seiner  Nacktheit? 

Nein!  vielmehr  die  besondere  Form  ist  es,  die  sich  uns  darbietet. 
Und  weit  gefehlt,  dass  der  Charakter  der  Gleichheit  und  Gemeinsam- 
keit sich  uns  aufdrängt,   wenn  wir  nur  die  Augen  auftun:  so  ist  seine 


'■')  Rosenkranz-Schubert  Bd.  I,  S.  340:  „Orania  in  universo  fieri  seeundura  or- 

»dinein  naturae Ita  autem  statuirnus,  non  propterea,  quod  eventaum 

»uiundanorura  seeundum  leges  naturae  communes,  tarn  aroplam  possideamus  cogni- 
»tionem,  aut  supernaturalium  nobis  pateret  vel  impossibilitas,  Tel  minima  possibilitas 
»hypothetica,  sed  quia,  si  ab  ordine  naturae  discesseris,  intellectui  nnllus  plane 
»usus  esset,  et  temeraria  citatio  supernaturalium  est  pulrinar  intellectos  pigri". 


628  Kante  Copernicaniftinufl. 

Bedeutung  nur  richtig  zu  würdigen  mit  der  kritischen  Einschränkung, 
dass  sie  ein  Verstandesprodukt  ist  und  kein  Naturprodukt  —  wenn  es 
letzteres  gäbe  losgelöst  von  ersterem. 

.Gleichheit  finden  wir  nicht  in  den  Erscheinungen,  sondern  wir 
filtrieren  sie  erst  heraus.  Man  mag  immerhin  darüber  reflektiren:  wie 
wir  dazu  kommen  sollten,  wenn  sie  nicht  darin  gelegen  wäre.  Genug! 
dass  in  der  unmittelbaren  Erfahrung  der  sinnlichen  Anschauung  sich 
uns  nur  eine  Welt  buntester,  mannigfaltigster  Verschiedenheit  darbietet, 
genug!  dass  die  allgemeinsten  Naturgesetze  von  Attraktion  und  Repul- 
sion sich  uns  nur  vermitteln  durch  ein  so  buntes  Vielerlei  von  Er- 
scheinungen, dass  der  exakte  Forscher  von  heute  sich  vollständig  dar- 
über klar  ist,  dass  er  in  jenen  beiden  nur  verallgemeinernde  Namen  tu 
sehen  hat  für  den  unendlichen  Reichtum  physikalischer  Aeusseruugen. 
Ja  mehr  als  das!  so  hat  man  bereits  angefangen,  jenes  Schema  einer 
Dualität  von  Kräften,  die  sich  das  Gleichgewicht  halten,  aufzugeben, 
und  auch  die  Aeusserungen  der  Schwere,  der  Cohäsion,  des  Chemismus, 
die  man  bislang  sich  gewöhnt  hatte  als  Erscheinungen  der  Attraktion*- 
Kraft  zu  fassen,  zusammen  mit  den  repulsiven  Äusserungen  mechanischer 
Druck-  und  Stoss-Bewegungen,  aus  letzteren  zu  erklären. 

Nur  dass  man  sich  wohl  hüte,  aus  dieser  Aehnlichkeit,  die  maa 
von  Fall  zu  Fall  aufsucht,  eine  uniforme  Gleichheit  zu  machen,  die  man 
nicht  findet! 

Und  was  hat  denn  nun  aber  die  vielgenannte,  viel  gefürchtete  und 
viel  als  Schreckgespennst  benutzte  Unverbrüchlichheit  oder  Notwendig- 
keit der  Naturgesetze  für  eine  andere  Bedeutung,  als  ihre  Einheit  und 
Allgemeinheit? 

Mit  dieser  aber  steht  es  doch  wirklich  sehr  bedenklich,  wenn  man 
sich  nicht  abspeisen  lässt  mit  Büchnerscher  Phraseologie.  Denn  ab- 
gesehen davon,  dass  auch  die  verallgemeinernde  Abstraktion  nur  er>t 
zur  Zweiheit  der  Elementar-Kräfte  vorgeschritten  ist,  so  wird  der  be- 
sonnene Forscher  den  erkenntnisstheoretischen  Anteil  an  dem 
Zu-Stande-Kommen  allgemeiner  Gesetze  nicht  verkennen. 

Aber  da  macht  der  metaphysische  Schlummer  erst  aus  jenen 
Gattungsbegriffen  Wesen  für  sich,  die  nach  Art  der  Platonischen  Ideen 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  £29 

in  der  Luft  schweben,  um  alsdann  diesen  selbstgemachten  Schreckge- 
spenstern den  Charakter  der  MoTqcc  zu  verleihen,  die  mit  blinder  All- 
gewalt nicht  allein  über  unserem  äusseren  Schicksale  herrscht,  sondern 
deren  Zwang  sich  auch  geltend  macht  in  unserem  innern  Leben. 

Dem  gegenüber  hat  einer  unserer  berühmtesten  Naturforscher, 
Helmholtz,  eine  Lanze  eingelegt  für  die  durch  die  Naturgesetze  un- 
widersprochene Existenz  der  Freiheit. 

Jene  Notwendigkeit  also,  die  man  erträumt,  ist  eine  Fiktion,  und 
von  ihr  bleibt  nur  übrig:  die  Nötigung  unseres  Geistes,  eine  Verknüpfung 
zwischen  Wahrnehmungen  vorzunehmen,  sofern  wir  zusammenhängende 
Erkenntniss  wollen  zu  Wege  bringen.  Aber  jener  Begressus  im  Begreifen 
des  causalen  Geschehens  von  Ursache  zu  Ursache  ist  in  der  empiri- 
schen Forschung  keineswegs  einer,  der  ins  Unendliche  geht.  Vielmehr 
sehen  wir,  dass  die  Erfahrung  gerade  jenem  Unendlichkeitstriebe  sehr 
handgreifliche  Schranken  entgegensetzt.  Und  es  lässt  sich  nicht  ein- 
mal sagen,  dass  wir  diese  Schranken  als  Widersprüche  empfänden  zu 
unserer  Organisation.  Somit  ist  selbst  der  Begriff  der  Nötigung,  den 
wir  zur  Bezeichnung  des  Unterschiedes  von  der  fingirten  Notwendig- 
keit gebraucht  haben,  sehr  wesentlich  in  seinem  Herrschaftsgebiete  ein- 
geschränkt. Sie  lässt  sich  zurückführen  auf  den  Trieb  unseres  Geistes 
zu  erkennen:  wo  aber  Erkenntniss  möglich  sein  soll,  da  muss  Zusammen- 
hang sein.  Und  jene  allgemeine  Forderung  eines  Zusammenhanges, 
die  uns  heisst,  wo  ein  Glied  gegeben  ist  in  der  Beihe  der  Erscheinungen, 
ein  weiteres  vorauszusetzen,  ist  der  einzige  berechtigte  Kern  jener  ver- 
meintlich determinirenden  Notwendigkeit,  der  wir  uns  nicht  sollen  ent- 
ziehen können.  Und  sie  selbst  sinkt  ins  Beich  der  Schatten,  wo  wir 
ihr  ein  Plätzchen  gönnen  wollen  unter  den  übrigen  luftigen  Gebilden 
der  Phantasie,  und  von  wo  sie  ihre  Auferstehung  feiern  mag  durch  das 
mächtige  Schöpferwort  des  Dichters: 

„Gelassen  hingestützt  auf  Grazien  und  Mnsen 

„EtnpfSngt  er  das  Geschoss,  das  ihn  bedr&ut, 

„Mit  freundlich  dargebotenem  Busen 

„Vom  sanften  Bogen  der  Notwendigkeit" lö) 


l0)  Schillere  Gedichte  „Die  Künstler".    Cotta  Bd.  I,  S.  62. 


630  Kant«  Copernicanismus . 

Und  hiermit  hätte  ja,  so  scheint  es,  die  Freiheit  Rechtsanspruch 
auf  Existenz  nnd  damit  einen  Platz  erhalten,  wo  sie  sich  anbanen 
kann,  ungestört  durch  die  inhaltslosen  Drohungen  der  Notwendigkeits- 
schwärmer! 

Dem  Guten  ist  der  lähmende  Stachel  genommen:  dass  er  in  der 
besten  seiner  Handlungen  doch  nur  gemusst,  nicht  gekonnt  habe,  dem 
Bösen  die  Entschuldigung  der  NichtVerantwortlichkeit  für  seine  Thaten. 

Und  gewiss  Letzteres  ist  unverbrüchlich  wahr:  Platz  haben  wir 
bekommen  für  die  Entwickelung  der  sittlichen  Persönlichkeit  und  zwar 
einen  Platz,  bei  dessen  Besitzergreifung  sie  nicht  mehr  auf  Schritt 
und  Tritt  den  Vorwurf  widerrechtlicher  Usurpation  braucht  fürchten 
zu  müssen. 

Was  aber  die  Freiheit  betrifft:  ja,  wenn  sie  nur  nicht  ein  so  in- 
haltloses Etwas  wäre,  das  seine  Bedeutung  erst  erhält  durch  Beziehung 
auf  seinen  Gegensatz,  und  das  desshalb  mit  der  Beseitigung  dieses  an 
positivem  Werthe  verliert,  was  es  an  logischem  Existenz-Rechte  ge- 
wonnen hat! 

Mit  anderen  Worten:  die  übliche  Art  der  Betrachtung,  zufolge 
deren  die  physische  Welt  der  Notwendigkeit  unterworfen  gedacht  wirJ 
und  die  psychische,  sofern  sie  sich  sittlich  bethätigen  kann,  als  Reich 
der  freien  Geister,  ist  schief  und  gänzlich  unhaltbar. 

Vielmehr  liegt  es  in  der  Consequenz  des  Kantischen  Gedankens 
zu  sagen:  dass  es  sich  in  beiden  Fällen  nur  um  Bewusstseinsthat- 
sachen  handeln  könne.  Und  der  Reformator  der  deutschen  Philosophie 
sollte  nach  den  Grundsätzen  seiner  Kritik  hier  ganz  einstimmig  sein 
mit  dem  Reformator  der  deutschen  Kirche, ")  der  es  deutlich  genug 
ausgesprochen  hat,  dass  er  beide  Begriffe  aus  dem  Sprachgebrauche 
wünschte  entfernt  zu  wissen,  weil  Verwirrung  erregend. 


n)  Vergl.  Lnthere  Schrift  aas  dem  Jahre  1525:  De  servo  arbitrio.  „Freilich 
„möchte  ich,  wir  hätten  ein  anderes  Wort  als  den  Ausdruck  Notwendigkeit,  welche* 
»an  Zwang  erinnert,  and  VorsteUangen  herbeizieht»  die  mit  dem  Willen  anTertrag- 
„lich  sind. 

„Viel  besser  wäre  es,  das  Wort  freier  Wille  gar  nicht  za  gebrauchen," 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  ß31 

Wer  kann  es  auch  leugnen:  dass  wir  das  Wort  „Freiheit"  in  der 
verschiedensten  Bedeutung  gebrauchen,  und  dass  nach  diesem  Sprach- 
gebrauche das,  was  nach  der  einen  Seite  frei  genannt  wird,  es  nach 
der  anderen  ganz  und  gar  nicht  zu  sein  braucht? 

Ich  will  nicht  erinnern  an  die  vielbeliebte  Kantische  Wendung  von 
der  Freiheit  des  Bratenwenders,  oder  an  die  spinozistische  von  der 
Freiheit  des  Steines,  der  in  seinem  Falle  nicht  gehemmt  ist. 

Keflektiren  wir  auf  die  seelischen  Erscheinungen:  Sprechen  wir 
nicht  ebenso  gern  von  „freien"  Trieben,  wie  von  „blinden"  Trieben, 
ein  Attribut,  das  den  Notwendigkeitsfanatikern  besonders  geeignet  er- 
scheint zur  Charakterisirung  des  Zwanges,  der  über  uns  schwebt? 

Die  Kenner  des  paulinischen  Sprachgebrauchs  erinnere  ich  auch 
an  die  recht  absichtlich  gebrauchten  Paradoxieen  von  der  Freiheit  von 
Gott,  die  eine  Knechtschaft  der  Sünde,  und  von  der  Knechtschaft  Gottes, 
die  eine  Freiheit  von  der  Sünde  sei. 

Die  Relativität  und  Negativität  der  Bedeutung  liegt  eben  im  Worte 
selbst:  frei  wovon?  so  frage  ich. 

Der  Körper  ist  frei  im  Falle,  wenn  er  nicht  unvorhergesehene  und 
unberechenbare  Hemmungen  oder  Beschleunigungen  erleidet. 

Dahingegen  ist  er  gebunden  an  die  Schwerkraft  der  Erde,  ge- 
bunden an  den  Stoss  der  Anfangsgeschwindigkeit,  gebunden  in  der 
atmosphärischen  Luft  an  sein  eigenes  Gewicht. 

Von  freier  Entfaltung  der  Triebe  sprechen  wir:  wo  wir  die  Be- 
schränkung durch  fremden,  von  Aussen  hinzutretenden.  Zwang 
ausschliessen  wollen,  von  ihrer  blinden  Wirksamkeit,  wo  wir  sie  gegen- 
überstellen dem  sittlichen  Faktor  des  zielbewussten  Wollens,  das  sich 
nur  zu  oft  vor  ihnen  beugen  muss,  weil  ja  selbst  aus  ihnen  entstanden. 

Man  hat  geglaubt  der  Sache  eine  präcisere  Wendung  zu  geben, 
indem  man  die  Freiheit  als  sehr  wohl  vereinbar,  ja  im  Grunde  als  Eins 
erklärte  mit  einer  inneren  organischen  Determination,  die  nur 
fremden  Zwang  und  äussere  Gewalt  ausschliesst,  nicht  aber  die 
immanente  Notwendigkeit,  wie  man  es  nannte. 

Aber  abgesehen  von  dem  incorrekten  Gegensatze  des  „Inneren11 
und  des  „Aeusseren",  den  sich  der  Naturforscher  mit  Recht  verbittet 


632  Kants  CoperoicanismUfl. 

so  braucht  man  ja  auch  nur  auf  die  erstbesprochenen  Erscheinungen 
sein  Augenmerk  zu  richten,  um  zu  sehen,  dass  mit  diesem  Unterschiede 
nichts  gewonnen  ist. 

Niemand  zweifelt,  dass  auch  der  im  Falle  freie,  ungehemmte  Körper 
mechanisch  wirkenden  Kräften  folgt;  aber  die  Thatsache,  dass  wir 
diese  Kräfte  übersehen,  berechnen  können,  macht,  dass  wir  ihn  frei 
nennen,  sowie  die  umgekehrte  Erscheinung  unberechenbarer  Hemmungen 
uns  zu  dem  umgekehrten  Prädikament  veranlasst. 

Dasselbe  ist  es  mit  der  Blindheit  der  Triebe,  die  uns  als  solche 
erscheint  im  Gegensätze  zur  vorausbestimmenden  Berechnung  der  Ver- 
nunft, der  sie  sich  nicht  haben  fugen  wollen.  Haben  sie  sich  ihr  ge- 
fügt, so  heisst  das  eine  Bethätigung  der  sittlichen  Freiheit. 

Es  ist  ganz  recht,  wenn  man  uns  einwirft:  dass  die  sogenannte 
Wahlfreiheit  doch  von  der  entgegengesetzten  Reflexion  ausgehe.  Soll 
sie  doch  gerade  in  der  unberechenbaren  Fähigkeit  gut  oder  böse  zu 
handeln,  bestehen.  Und  der  nächste  Wortsinn  entscheidet  sich  unzweifel- 
haft für  diese  Ableitung. 

Hierdurch  wird  aber  nur  bestätigt,  was  wir  vorher  bemerkten,  dass 
das  Wort  sich  eine  eigentümliche  Neuprägung  seines  Inhalts  hat  ge- 
fallen lassen  müssen,  die  fast  auf  das  Gegenteil  seiner  ursprünglichen 
Bedeutung  hinausläuft. 

Da  hilft  man  sich  denn  in  der  philosophischen  Sprache  mit  den 
charakteristischen  Zusätzen,  einer  „falsch verstandenen"  und  einer  „richtig- 
verstandenen" Freiheit,  welche  letztere  mit  der  Notwendigkeit  identisch 
sein  soll,  natürlich  wiederum  mit  der  „richtig  verstandenen". 

Versucht  man  nun  aber  den  Begriff  der  Freiheit  seiner  Relativität 
zu  entkleiden,  die  das  Schillern  zwischen  den  verschiedensten  Bedeu- 
tungen, dies  alglatte  Schweben  und  Schwanken  von  Einem  zum  Anderen, 
diese  Modifikationen  und  Graduationen  und  dies  schliessliche  Umschlagen 
ins  Gegenteil  veranlasst,  versucht  man  sich  eine  Freiheit  in  jedwedem 
Sinne  zu  constmiren,  so  sieht  man  bald:  dass  nichts  gewonnen  ist, 
aber  Alles  verloren  im  buchstäblichen  Sinne.  Denn  man  ist  angekommen 
bei  der  absoluten  Leere  und  Inhaltlosigkeit  des  nihil  privativum. 


Von  Dr.  Otto  Kuttner.  63$ 

Freilich  wer  das  auch  dem  edelen  Brutus  gesagt  hätte!  Wie  wurde 
das  Kepublikanerherz  in  Aufruhr  gerathen  sein!  Indess:  wir  würden 
uns  lächerlich  inachen,  hielten  wir  es  erst  der  Versicherung  für  be- 
dürftig, dass  die  republikanische  Freiheit  der  Körner  mit  ihrer  eisernen 
Disciplin  gegen  den  Einzelnen  keineswegs  Freiheit  in  jedwedem  Sinne 
gewesen  sei.  Wir  gehen  weiter  und  behaupten,  dass  überhaupt  die 
Republiken  der  Alten  von  dem  modernen  Menschen  als  drückendste 
Knechtschaft  würden  empfunden  werden,  weil  das  Wohl  des  Staates 
Endzweck,  das  der  Einzelnen  nur  Mittel  dazu  gewesen  ist.  Und  bei  den 
demokratischen  Parteien  der  Neuzeit  ist  es  nicht  sowohl  die  Freiheit 
als  die  Gleichheit,  die  beansprucht,  gefordert  wird. 

Wenn  aber  die  republikanischen  Naturen  vom  alten  Caliber  die 
verlorene  Freiheit  beklagten,  so  beklagten  sie,  zu  ihrer  Ehre  sei's  ge- 
sagt, nichts  weniger  als  die  schrankenlose  Ungebundenheit,  sondern  den 
Verlust  der  activen  Teilnahme  des  Einzelnen  am  Staatsleben,  den  Ver- 
lust der  sittlichen  Verantwortlichkeit  des  Bürgers  für  das  Wohl  des 
Ganzen,  die  in  den  Alten  frisch  und  kräftig  gewesen  und  dort  die 
schönsten  und  edelsten  Früchte  gezeitigt  hat,  die  aber  natürlich  nur 
dort  als  wirksame  Macht  ins  Dasein  treten  kann,  wo  der  Bürger 
Regierter  und  Regierender  in  Einem  ist,  und  die  aufhören  muss,  sobald 
zwischen  Beidem  ein  schroffer  Gegensatz  Fuss  fasst,  —  der  Verlust 
dieses  lebendigen  und  vorher  stets  wach  erhaltenen  Gefühls,  unabtrenn- 
bares Glied  am  Staatskörper  zu  sein,  das  war  es,  was  die  Brutus-  Seelen 
unter  dem  Namen  der  verlorenen  Freiheit  betrauerten. 

Und  wir  pflegen  zwar  den  Mund  recht  voll  zu  nehmen,  wenn  es 
gilt,  unsere  Vaterlandsliebe  ins  rechte  Licht  zu  setzen,  werden  es  aber 
wenn  sich  einige  Wahrheitsliebe  damit  verbindet,  nicht  in  Abrede  stellen 
können,  dass  die  Vaterlandsliebe  der  Alten  in  ihrer  grossartigen  Er- 
habenheit wie  in  ihrer  abschreckenden  Nichtachtung  der  Persönlichkeit 
uns  als  ein  vollständig  Fremdes  gegenübersteht. 

Also  auch  hier  ist  es  nicht  die  vage  Freiheit,  sondern  das  mit 
positivem  Inhalt  erfüllte  Selbstbestimmungsrecht  des  Einzelnen 
und  die  daraus  erwachsende  Verantwortlichkeit,  welche  als  Wer th 
empfunden  '^rden. 

▲Itpr.  MotMUiohrift  Bd.  XXII.  Hft.  7  a.  8.  41 


634  Kants  Copernicanismufl. 

Und  wo  es  gilt,  eine  sittliche  Principien-Frage  zu  entscheiden,  da 
scheint  es  uns  genug,  auf  diese  beiden  Faktoren  das  Augenmerk  7.11 
richten,  die  mit  derThatsache,  dass  sie  empfunden  werden,  auch  zu- 
gleich für  den  Empfindenden  das  Bewusstsein  der  Verbindlichkeit 
enthalten.  Mit  dem  Nicht-Empfindenden  aber  streiten  wir  nicht  wi> 
wir  überhaupt  uns  nicht  einreden,  voraussetzungslos  beweisen  zu  können. 
Dass  aber  auch  die  sittliche  Freiheit  eine  solche  primäre  Bewusstseins- 
thatsache  sei,  ist  ein  Irrthum,  den  schon  Kant  eingesehen.  Denn  er 
stellt  als  erstes  Datum  der  praktischen  Vernunft  den  kategorischen 
Imperativ,  das  Bewusstsein  der  Verpflichtung,  hin  und  erst  ak 
Schluss  hieraus  behauptet  er  die  Existenz  der  Freiheit,  ein  Schlitz 
freilich,  den  er  für  stringent  und  äusserst  wichtig  hielt,  den  wir  lü. 
nicht  zwingend  und  irrelevant  halten,  weil  das  drohende  Schreckgespenst 
der  Notwendigkeit,  des  bindenden  Zwanges  seinen  Nimbus  in  unsera 
Augen  verloren  hat. 

Unangefochten  stimmen  wir  desshalb  ein  in  den  Kantsehen  Pflicht- 
Hymnus  ") : 

„Pflicht,  du  erhabener,  grosser  Name,  der  du  nichts  Beliebtes, 
„was  Einschmeichelung  bei  sich  führt,  in  dir  fassest,  sondern  Unter- 
werfung verlangst,  doch  auch  nichts  drohst,  was  natürliche  Ab- 
neigung im  Gemüthe  erregte  und  schreckte,  um  den  Willen  zu  bewegen, 
„sondern  bloss  ein  Gesetz  aufstellst,  welches  von  selbst  im  Gemüthe 
„Eingang  findet,  und  doch  sich  selbst  wider  Willen  Verehrung 
„(wenngleich  nicht  immer  Befolgung)  erwirbt,  vor  dem  alle  Neigungen 
„verstummen,  wenn  sie  gleich  ins  Geheim  ihm  entgegen  wirken: 
„welches  ist  der  deiner  würdige  Ursprung  und  wo  findet  man  die 
„Wurzel  deiner  edlen  Abkunft,  welche  alle  Verwandtschaft  mit 
„Neigungen  stolz  ausschlägt  und  von  welcher  Wurzel  abzustammen 
„die  unnachlassliche  Bedingung  desjenigen  Werthes  ist,  den  sich 
„Menschen  allein  geben  können." 
Unbedenklich  setzen  wir  unser  Ja  und  Amen!  unter  den  berühm- 
ten Anfang  von  Kants  „Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten": ") 

")  Kritik  der  praktischen  Vernunft  Kirchmann  S.  104. 

")  Kante  Grundlegung  zur  Metaphysik  der  Sitten,  Kirchmann  S.  10. 


Von  Dr.  Otto  Kattner.  635 

„Es  ist  überall  nichts  in  der  Welt,  ja  überhaupt  auch  ausser  der- 
selben zu  denken  möglich,  was  ohne  Einschränkung  für  gut  könnte 
„gehalten  werden,  als  allein  ein  guter  Wille". 


Wohl!  In  der  Welt  der  Sachen,  die  der  Physiker  vor  Allem  kennt, 
giebt  es  keinen  berechtigten  Unterschied  zwischen  Gut  nnd  Böse!  Aber 
neben  ihr,  ja  über  ihr  steht  eine  Welt  der  Ideale,  die  so  wenig  ein 
wesenloser  Schemen  ist,  dass  sie  es  ist,  die  dem  Leben  des  Menschen 
seinen  Inhalt  giebt,  sein  eigentümliches  Gepräge  aufdrückt,  sie  auch, 
die  obzwar  oft  nur  hinter  den  Coulissen  spielend  und  deshalb  thörichter 
Weise  gering  geschätzt,  mit  um  so  grösserer  Allgewalt  uns  beherrscht, 
sie,  die  nicht  bloss  die  Heroen  der  Religion  getrieben  zur  Aufopferung 
für  Menschenwohl  und  Abwehr  von  Menschenwehe,  sondern  die  noch 
immer  treibt  jenen  wie  diesen,  hier  den  begeisterten  Religiösen  und 
dort  den  ernsten  Jünger  der  Wissenschaft,  die  auch  dem  Physiker  Mut 
eingehaucht  und  Enthusiasmus,  im  Namen  der  Wahrheit  und  unter 
ihren  Fahnen  seine  Forschungen  anzustellen.  Hat  sie  doch  oft  genug 
mit  selbstloser  Grossmut  gerade  die  Vertreter  des  Materialismus  sich 
auserwählt  zu  ihrem  Rüstzeug  und  ihnen  den  Idealismus  uneigennützigsten 
Wahrheitstriebes  in  die  Seele  gegossen.  Mochten  sie  dann  immerhin 
im  schlechtverstandenen  Interesse  ihrer  Wissenschaft  den  mütterlichen 
Boden  verleugnen,  der  ihnen  Kraft  gegeben  und  Freudigkeit. 

Denn  wahrlich  gerade  der  Wahrheitstrieb  ist  am  wenigsten  ein 
blasser  Gedanke.  Würden  wohl  sonst  die  von  ihm  erfüllten  Geister  die 
Bequemlichkeiten  und  sinnlichen  Freuden  des  Daseins,  Leib  und  Leben, 
Gut  und  Blut  oft  so  leichten  Herzens  drangegeben  haben,  um  in  seinem 
Dienste  Entbehrung  und  Ruhmlosigkeit  für  nichts  zu  achten  ? 

Und  sie  endlich  ist  es,  diese  Welt  der  Ideale,  die  nur  des  letzten 
entscheidenden  Wortes  bedarf,  um  sich  umzusetzen  in  die  realste  aller 
Mächte,  die  ultima  ratio  rerum:  ein  Volk  in  Waffen! 

Ein  geistvoller  Schriftsteller  hat  neulich  geäussert: 
„Der  kategorische  Imperativ  hat  die  Schlachten  des  Befreiungs- 
krieges geschlagen". 

41* 


636  *' 

Und  daran  ist  so  viel  jedenfi 
ländischen  Patriotismus  und  ohne 
Unterdrücker,  der  sich  im  Volke 
Scheidung,  so  schnell  und  gewalti; 

Vertrauen  wir  dieser  Macht  < 
als  Besitzthum  nachgerühmt  wun 
verlassen  zn  haben,  vertrauen  wir 

Denn  wenn  nns  auch  die  V 
wir  wüssten  alle  Geheimnisse  in 
der  Erde,  und  hätten  der  liebende 
wertschätzenden  Achtung  nicht  fü 
und  Schönen,  welche  ein  und  die: 
nach  des  Apostels  Worten  doch  u 
klingenden  Schelle. 


Tannenberg. 

Von 

A.  Hörn, 

Rechtsanwalt 

Wer  sich  eines  ruhigen  und  glücklichen  Lebens  in  einem  geordneten 
Haus-  oder  Staatswesen  erfreut,  blickt  mit  Dankbarkeit  auf  diejenigen, 
welche  ihm  diesen  Frieden  beschafft  haben  und  erhalten.  Fern  liegt 
uns  das  ungeahnte  Unglück  des  Krieges  früherer  Jahrhunderte  und 
Niemand  denkt  in  unsern  glücklichen  Zeiten  an  das  schwere  Missgeschick 
dos  Krieges,  welches  dereinst  auf  den  Stätten  unseres  Glückes  mit 
Brand  und  Schwert,  Verwüstung  und  Plünderung  gelastet  hat.  Man 
klagt  noch  und  ist  unzufrieden,  will  unbekanntes  Besseres  schaffen  und 
ahnt  dabei  nicht,  um  welchen  Preis  eine  andere,  vielleicht  viel  schlechtere 
Ordnung  der  Dinge  geschaffen  werden  kann.  Da  ist  es  wohlthätig, 
dass  uns  Namen  und  Orte  an  die  Vergangenheit  erinnern.  Selten  giebt's 
eine  Gegend,  wo  dieser  Ruf  so  deutlich  laut  und  klar  ertönt,  als  in 
unserra  ehemaligen  Ordenslande,  das  dem  Orden  sein  deutsches  Funda- 
ment, die  Grundlage  seines  Lebens  verdankt,  ohne  welchen  zweifelsohne 
der  russische  Doppelar  bis  zur  Weichsel  herrschen  würde,  in  dessen 
Schatten  keine  Cultur  gedeiht. 

Wir  hatten  im  Sommer  1877  die  herrliche  Umgegend  Osterodes 
durchstrichen,  die  fast  tausend  Fuss  hohe  Kernsdorfer  Höhe  besucht 
und  eilten,  von  der  Hitze  des  Tages  erschöpft,  in  die  erfrischende. Kühle 
des  Döhlauer  Waldes  und  seiner  Schluchten  hinab,  bis  wir  in  eine  Ebene 
traten,  deren  compakter  Lehmboden  die  üppigsten  Roggen-  und  Weizen- 
felder trug.  Vor  uns  nach  Osten  begrenzte  ein  Streifen  Waldes  den 
Horizont;  näher  vor  uns  lagen  zerstreut  mehrere  kleinere  Ortschaften, 


638  Tannenberg. 

links  Frögeuau,  rechts  Seenien,  in  der  Mitte  ein  kleines  Kirchdorf:  es 
ist  Tannenberg,  jetzt  ein  Gut,  daneben  ein  kleines  Dörfchen  mit  einer 
einfachen  evangelischen  Kirche. 

Welche  Erinnerungen  ruft  dieser  Name  hervor,  welche  Stätte  <le> 
Unheils  haben  wir  betreten.  Hier  war  es,  als  vor  467  Jahren  die  Blüthe 
des  Ordens  erlag,  wo  seine  Kraft  gebrochen  sein  soll.  Unwillkürlich 
sucht  man  nach  Spuren  des  Unheils,  aber  sie  scheinen  zu  fehlen  in  dem 
tiefen  Frieden,  in  welchem  die  Landschaft  ruht.  Ist  das  die  hölzern*» 
katholische  Kapelle,  in  welcher  Jagello  am  Tage  nach  jenem  verhänguiss- 
vollen  15.  Juli  1410  seinen  Feldgottesdienst  hielt,  ist  das  der  Kirchhof, 
auf  welchem  die  51  Ordensfahnen  aufgepflanzt  im  Winde  zu  seinen 
Dankgebeten  rauschten?  Es  ist  dieselbe  Stolle,  wenn  auch  nicht  das- 
selbe Gotteshaus;  da  ist  um  die  einfache  erst  in  neuerer  Zeit  gebaute 
evangelische  Kirche  herum  der  Kirchhof,  in  welchem  eine  grosse  Zahl 
erschlagener  Ordensbrüder  begraben  ruht;  aber  kein  Stein,  kein  Zeichen 
verkündet  es  dem  Wanderer.  Nur  in  der  Sakristei  wird  uns  ein  Brust- 
harnisch, ein  Paar  recht  schwerer  langer  Stiefel,  eine  grosse  Keule  und 
eine  Steinkugel  gezeigt,  letztere  8  Centimeter  im  Durchmesser,  von 
behauenem  Schwerspat,  vielleicht  eine  von  denjenigen,  welche  der  Orden 
in  dem  Jahre  vorher  sich  bei  Labiau  am  Haffe  aus  den  dort  bei  Rud- 
lauken  aufgehäuften  Steinmassen  hatte  schlagen  lassen.  Vom  Schlacht- 
felde, welches  von  dem  erhöhten  Kirchhofe  gut  überblickt  werden  konnte 
—  es  steht  fest,  dass  der  Generalstab  des  Ordens  dort  nicht  postirt 
gewesen  ist  —  wussten  die  Leute  nichts,  bis  sich  der  freundliche  Lehrer 
des  Orts  unserer  annahm  uud  uns  hinab  zu  der  ehemaligen  Kapelle 
führte,  welche  der  Orden  bald  darauf  da,  wo  Ulrich  von  Jungingen 
gefallen  oder  vor  Jagello's  Zelt  gelegen,  erbaute,  um  die  Seelenmessen 
für  ihn  zu  halten,  welche  aber  schon  vier  Jahre  später  von  den  Polen 
wieder  zerstört  wurde. 

Es  war  just  der  Tag  und  die  Stunde  der  Schlacht,  der  15.  Juli, 
Nachmittags  3  Uhr.  Eine  Hitze  von  mindestens  30  Gr.  R.  trieb  den 
Schweiss  mit  Gewalt  durch  die  Poren  nnd  dem  Wanderer  im  leichten 
Sommerkleide  kostete  es  Anstrengung,  den  Kilometer  bäum-  und  strauch- 
losen  Weges  bis  zur  ehemaligen  Kapelle  zurückzulegen.   Zuletzt  mussten 


Von  A.  Hörn.  639 

wir  durch  ein  Getreidefeld  oder  doch  auf  dessen  Kain  klettern,  um  auf 
den  Hügel  zu  gelangen,  der  so  viel  Sorgen  und  Qualen  deckt,  alles  in 
wilder  Unordnung,  Steinziegel  auf  ihm  zwischen  dem  wilden  Brombeer- 
strauch lagernd.  Das  ist  kein  Fundament,  keine  Kuine  mehr,  ein 
wüster  Haufen  jener  grossen  rothen  Ziegel,  welche  die  Hintersassen  der 
Lehnsleute  und  Kölmer  zu  den  Burgenbauten  brannten  und  trugen,  sie, 
die  nachher  in  Leibeigenschaft  fielen,  während  die  Söldner  und  unter- 
nehmenden Deutschen  den  Lohn  ihrer  Kriegsdienste  in  Land  empfingen 
und  im  Landadel  sich  zu  Herren  des  Landes  machten.  Einen  dieser 
schweren  Ziegel  trugen  wir  zum  Andenken  heim.  Der  wüste  Hügel, 
auf  dem  wir  stehen,  gewährt  ebenso  wie  der  Tannenberger  Kirchhof 
einen  Uebei  blick  über  die  Gegeud  und  ich  verniuthc,  dass  sich  auf  ihm 
der  Hochmeister  in  der  Schlachtreihe  mit  der  grossen  Ordensfahne 
postirt  hatte,  während  dahinter  nach  Nordwest  gegen  Grünfelde  die 
Wiigenburg  und  das  grosse  Hochmeisterzelt  gestanden  hat,  in  welchem 
die  Gedanken  der  Schlacht  zum  Ausdruck  gekommen  sind. 

Denn  es  war  üblich,  dass  ein  besonderes  grosses  Hochmeisterzelt 
in  den  Krieg  mitgeführt  und  im  Lager  aufgeschlagen  wurde,  in  welchem 
nicht  bloss  der  Hochmeister  und  seine  Grosswürdenträger,  der  Marschall, 
der  Trappier,  der  Spittler,  sondern  auch  dieKomthure  und  vielleicht  alle 
angesehenen  fremden  Gäste  und  die  eigentlichen  Ordensritter  schliefen. 
Dort  sind  nach  Norden  gegen  Frögenau  die  vielen  Sümpfe  und  Torf- 
brücher  im  Bücken  der  Ordensschlachtlinie,  in  denen  viele  Ritter  mit 
Koss  und  Mann  versanken;  dort  gegen  Tannenberg  und  Seemen  die 
kleinen  Hügel,  auf  denen  man  die  blanken  Rüstungen  der  fliehenden 
Kitter  blitzen  sah.  Dort  gegen  Südosten  vor  Schönwalde  und  Ludwigsdorf 
die  Wälder,  in  denen  die  Polen  Schatten,  Stärkung  und  Deckung  fanden. 

Man  .hat  zwei  Beschreibungen  der  Schlacht.  Die  eine  von  dem 
Kiesenburger  Offizial,  dem  sogen.  Lindenblatt,  der  im  Wesentlichen 
Voigt  Bd.  7  seiner  preussischen  Geschichte  folgt,  und  eine  zweite  von 
polnischer  Seite  von  Dlugosz,  dessen  Vater  die  Schlacht  mitgemacht  hat. 
Der  Bericht  des  Letzteren  ist  klarer.  Voigt  hat  auch  einen  Schlachten- 
plan geliefert,  dabei  aber  nicht  die  recht  wesentlichen  Höhenangaben 
berücksichtigt.    Man   hat  in  der  Generalstabskarte  in  nnsern  Jahren 


§40  Tannenberg. 

eine  genaue  sachgemässe  Zeichnung  des  Terrains  gewonnen  und  es  ge- 
winnt durch  dieselbe  bei  genauerer  Berücksichtigung  der  Lokalität  di? 
Schlacht  in  manchen  Beziehungen  ein  Bild,  das  von  den  üblichen 
Schilderungen  etwas  abweicht  und  dieselben  ergänzt. 

Das  Schlachtfeld. 

Das  Schlachtfeld  hatte  die  Sichtung  von  Seemen  auf  Seewalde, 
8  Kilometer  breit  Die  eigentlichen  Schlachtlinien  waren  nördlich  und 
südlich  von  einem  etwa  4  Kilometer  langen  Streifen  vom  Grünfelder 
Walde  bis  zum  Wege  von  Tannenberg  nach  Faulen  aufgestellt,  von 
welchem  aus  sich  das  Terrain  sowohl  nach  Nordwest  als  nach  Südost 
erhebt;  jeder  Theil  „jagte  die  Hügel  (nach  dieser  Senke)  herabu. 

Nach  Nordwest  standen  die  Ordensritter  in  zwei  Reihen  über  dem 
731  Fuss  hohen  Hügel,  auf  dem  der  Merkstein  steht  und  unfern  von 
dem  Platze,  wo  die  Kapelle  später  gebaut  wurde. 

Die  Wagenburg  und  die  Stein-  und  Lothgeschütze  standen  im 
Kücken  bei  Grünfelde  und  jene  bildete  die  Reserve.  Der  Orden  hatte  am 
Abend  vorher  sein  Lager  in  Frögenau  aufgeschlagen  und  am  Schlachten- 
tage von  da  bis  Grünfelde  2!/2  Kilometer  zurückgelegt.  Da  um  jene 
Zeit  Gerichtsverhandlungen  um  6  Uhr  Morgens  begannen,  so  darf  man 
annehmen,  dass  man  mindestens  um  diese  Tageszeit  aufgebrochen  war. 

Die  Feinde  dagegen  hatten  nach  Zerstörung  Gilgenburgs  —  wunder- 
barer Weise  fiel  diese  recht  starke,  zwischen  zwei  Seen  gelegene  Burg 
ohne  Weiteres  in  Feindeshand,  gleich  Neidenburg,  das  auf  hohem  Berg»? 
liegt,  —  wo  sie  mehrere  Tage  gebrannt  und  geraubt,  am  Schlachten- 
tage von  Gilgenburg  über  Seemen,  Ludwigsdorf  bis  an  den  Gr.  Lauben- 
schen  See  etwa  12  Kilometer  zurückgelegt,  also  einen  anstrengenden 
Tagesmarsch,  zumal  bei  der  auf  eine  schwere  Gewitternacht, folgenden 
schwülen  Hitze,  die  ich  an  dem  Schlachtentage  des  Jahres  1877  auf 
30  Gr.  ß.  fand,  eine  Temperatur,  bei  welcher  dem  völlig  leicht  Ge- 
kleideten der  Schweiss  stromweise  von  der  Stirn  läuft. 

Jagello  nahm  seinen  Standpunkt  am  Laubensee,  bestieg  den  Hügel 
daneben  zum  Eecognosciren  und  gürtete  (adelte)  seine  besten  Krieger 
in  dem  Wäldchen  um  denselben.    Es  ist  dies  das  Wäldchen  zwischen 


Von  A.  Hörn.  641 

Lauben  und  Ludwigsdorf.  Der  linke  Flügel  unter  Marschall  Zindram 
—  einem  kleinen  aber  energischen  Manne  —  lehnte  sich  an  den  Grün- 
felder Wald  bei  dem  jetzigen  Gute  Schönwäldchen. 

Die  Ordnung  der  Polen  und  Littauer,  die  sich  nach  anstrengendem 
Morgenmarsche  in  den  beiden  Wäldchen  erholen  konnten,  in  drei 
Schlachtenreihen  hinter  einander,  kann  nicht  gut  vor  Mittag  beendigt 
gewesen  sein  und  der  Orden  Hess  ihnen  dazu  alle  Zeit. 

Inzwischen  ordnete  sich  das  Ordensheer  vom  frühen  Morgen  bis 
Mittag  in  glühender  Sonnenhitze;  kein  Baum,  kein  Strauch  gewährte 
Schatten.  Mancher  Ritter  mag  sich  im  Stillm  unwillig  gefragt  haben, 
warum  zögert  der  Meister  mit  dem  Zeichen  zum  Angriff? 

Gegen  Mitag  sandte  der  Ordensmarschall  Friedrich  von  Wallenrod, 
ein  jüngerer  Bruder  Conrads  von  Wallenrod,  dessen  Compan  (Adjutant) 
der  in  der  Blüthe  seiner  Jahre  stehende  45  Jahre  alte  Hochmeister 
gewesen,  und  den  Ulrich  erst  im  Vorjahre  zum  Ordensraarschall  und 
daher  zweiten  Commandirenden  gemacht  hatte,  —  „ohne  des  Hoch- 
meisters Beirath"  die  bekannten  zwei  Herolde  ins  Lager  des  feindlichen 
Führers.  Diesen  entscheidenden  herausfordernden  Schritt  „ohne  Beirath" 
des  Oberfeldherrn  zu  thun,  war  kein  Zeichen  von  guter  Ordnung  und 
ein  solcher  stand  ihm  nur  im  Nothfalie  frei.  Der  Ordensmarschall  kam 
aber  damit  offenbar  der  Mehrheit  der  kampfbereiten  Ritter  na,ch,  die 
ungeduldig  auf  den  Schlachtbefehl  harrten. 

Es  lag  also  eine  Differenz  zwischen  dem  Hochmeister  und  dem 
Marschall,  den  beiden  obersten  Führern,  vor  und  diese  erklärt  das  lange 
Hinausschieben  des  Angriffs.  *  Sie  kann  nur  darin  bestanden  haben,  dass 
der  Meister  den  Angriff  vermeiden,  die  Partei  des  Marschalls  ihn  aber 
ausführen  wollte. 

Wollte  Ulrich  von  Jungingen  den  Angriff  vermeiden,  so  geschah 
das  wohl  nur  im  Interesse  eines  anderen  Planes.  Dieser  Plan  ist  aus 
dem  Wege,  den  er  nahm,  erkennbar.  Hätte  er  angreifen  wollen,  so 
führte  der  nächste  Weg  von  Löbau  nach  Gilgenburg  über  Ellgenau; 
dass  Jagello  eben  Gilgenburg  plündert,  wusste  der  Meister. 

Er  ging  ihm  nicht  entgegen,  sondern  nordöstlich  vorbei,  zog  nach 
Frögenau,  schlug  das  Lager  dort  auf  und  eilte  dann  südlich  nach  Grün- 


642 


Tannenberg. 


felde.  Er  wollte  ihm  in  die  Flanke  fallen,  ihn  von  hinten  fassen  oder 
von  Polen,  seiner  Ruckzugslinie,  abschneiden.  Und  das,  sowie  die  Rolle 
des  Cunktators,  war  das  Verständigere.  Wozu  alles  auf  eine  Karte 
setzen,  wenn  man  aus  langer  Kriegserfahrung  weiss,  dass  die  grossen 
und  rohen  Horden  des  Gegners  nirht  lange  zusammengehalten  werden 
konnten.  Als  später  Jagello  an  der  Marienburg  eine  Säule  fand,  gegen 
die  er  vergeblich  anstürmte,  mussten  von  selbst  und  ohne  Schlacht  erst 
die  Litlauer,  dann  auch  die  Polen  abziehen.  Sie  versuchten  gainkht 
einen  andern  Strauss  zu  pflöcken,  sondern  zogen,  wie  in  allen  frühem 
Fällen,  nach  mehrwöcheutlichem  Plündern  nach  Hause.  Durch  eine 
erfolgreiche  Schlacht  wurde  der  Zusammenhang  des  feindlichen  Heeres 
gestärkt.  Das  war  Kitt  für  sie  und  die  Schlacht  lag  daher  iu  ihrem 
Interesse,  während  im  Interesse  des  Ordens  ihr  Vermeiden  lag.  Das 
muss  der  Hochmeister  iu  seinem  Zelt  dem  versammelten  Convent  vor- 
gehalten haben,  darüber  wurde  den  ganzen  Vormittag  dort  debattirt, 
aber  man  kam  zu  keinem  Schluss. 

Aber  der  Geist  des  Heeres,  der  drei  Jahre  später  den  Better  der 
Marienburg  absetzte  uud  bis  acht  Jahre  in  Brandenburg  gefangen  hielt, 
führte  schon  bei  Tannenberg  zur  Katastrophe;  das  Heer  zwingt  den 
Führer  wider  seinen  Willen  zur  Schlacht. 

Hätte  der  Meister  diese  gewollt,  so  wäre  er  in  der  Frische  des 
Morgens,  als  seine  Vorposten  etwa  7  Uhr  früh  bei  Grünfelde  auf  den 
Feind  stiessen,  ohne  Weiteres  auf  diesen,  bevor  er  sich  in  Schlacht- 
ordnung gestellt,  eingerannt  und  hätte  ihn  sicher  über  den  Haufen  ge- 
worfen, wie  es  später  in  der  Schlacht  bei  Konitz  geschah.  Andererseits 
die  Polen  scheinen  auch  nicht  eine  Schlacht  im  Sinne  gehabt  zu  haben. 
Auch  sie  ziehen  dem  Orden  nicht  entgegen,  sondern  schieben  ihre 
Schaaren  östlich  bis  an  den  See  vou  Gr.  Lauben  vorbei.  Aufgefordert 
nehmen  sie  die  Schlacht  an.  Jagello  war  no«%h  weniger  Feldherr,  als 
Napoleon  HL,  aber  mehr  Diplomat.  Der  Kriegsratii  beschloss,  ihm  bei 
der  Wagenburg,  also  am  Gr.  Lauben'schen  See,  wo  er  in  Sicherheit 
war,  seinen  Platz  anzuweisen.  Der  Marschall  Zindram  kommandirt  den 
linken,  der  Littauerfürst  Witold  den  rechten  Flügel.  Es  werden  drei 
Glieder  hintereinander  erwähnt. 


Von  Ar  Born.  64^ 

Ueber  die  Zahl  der  gegenüberstehenden  Sireiter  fehlt  es  an  sichern 
Angaben.  Voigt,  der  in  der  von  Schlosser  so  oft  gegeisselten  Art 
den  Herolden  nach  Lindenblatt  eine  lange  Rede  in  den  Mund  legt,  und 
den  Bericht  mehr  oratorisch  als  sachlich  hält,  giebt  das  Ordensheer 
auf  83000,  das  der  Gegner  auf  163000  Mann  an.  Vom  Ordensheer 
sollen  57000  Mann  Pussvolk  und  26000  Reiter,  vom  Feinde  97000 
Mann  Fussvolk  und  26000  Reiter  gewesen  sein,  letzterer  fährte  60 
schwere  Geschütze  bei  sich,  der  Orden  soll  an  Artillerie  dem  Feinde 
überlegen  gewesen  sein.  Nach  Dlugosz,  dessen  Vater  die  Schlacht  mit- 
gemacht hat,  bestand  das  Polenheer  aus  50  Fahnen,  das  Litthäuerheer 
aus  40  Fahnen.  Das  Ordensheer  soll  51  Fahnen  gehabt  haben»  Nach 
Dlugosz  beträgt  die  Fahne  etwa  200  Spiesse  oder  Ritter.  Darnach  be- 
trug die  Zahl  dei  kämpfenden  Ritter  etwa  10000  Manu  auf  Otdens- 
seiten,  die  der  Gegner  etwa  das  Doppelte.  Man  rauss  zunächst  berück- 
sichtigen, dass  das  Fussvolk  fast  garnicht  gerechnet  wurde.  Dasselbe 
war  nicht  zu  einer  Schlacht  verwendbar,  erst  Kaiser  Maximilian  am 
Ende  des  15.  Jahrhunderts  fing  —  nach  Weber  —  an,  dasselbe  zu 
organisiren  und  zur  Schlacht  zu  gebrauchen.  Bis  dahin  wurde  dasselbe 
auf  grossen  Wagen,  deren  jeder  etwa  40—50  Mann  fasste,  wahrscheinlich 
zu  Belagerungszwecken,  zum  Lagerbaucn  und  Fouragiren  mitgefuhrt. 
Dlugosz  erwähnt,  dass  der  Orden  einen  grossen  unnützen  Tross  mit- 
geführt, verschweigt  aber,  dass  derjenige  der  Polen  noch  grösser  war. 

Die  Ritter  kämpften  mit  Lanze  und  Schwert.  Jeder  Ritter  zog 
mit  4  Pferden  ins  Feld,  von  denen  er  das  stärkste,  den  Hengst,  ritt, 
das  zweite  seine  Rüstung  trug  und  als  Reservepferd  diente,  das  dritte 
der  Knappe  uud.  das  vierte  der  Bogenschütze  mit  der  Armbrust  be- 
nutzte. Diese  4  Pferde  musste  jeder  beisammen  haben.  Alles  dieses 
bedingte  eine  lockere  Aufstellung.  Ueber  das  Detail  derselben  fehlt 
jede  Nachricht.    Man  muss  wohl  Folgendes  annehmen. 

Der  Ritter  stand  selbstverständlich  voran.  Der  Bogenschütze  musste 
eine  freie  Schusslinie  haben  und  kann  nur  neben  dem  Ritter  postirt 
gewesen  sein.  Das  Reservepferd  und  der  Diener  gehören  dahinter.  Diese 
4  Pferde  bilden  die  Glefe  oder  Glefenie.  Das  Schlachtross  des  Ritters 
(Conventsheugst,  gedacktes  Pferd)  war  ebenso  wie  der  Ritter  (Platten- 
ritter, weil  er  Platten  trug)   gepanzert  mit  Schuppen  und  Brustpanzer. 


644  Tannenberg. 

Die  nächsthöhere  Gliederung  war  die  Rotte,  welche  der  Komthur 
(commendator)  befehligte.  Es  gab  damals  etwa  30  Komthure.  Di* 
Ordensritter  lebten  in  den  Burgen  zu  10  bis  60  zusammen  und  jeder 
Komthur  hatte  mehrere  Burgen  in  seinem  Gebiet.  Man  darf  die  Ge- 
sammtzahl  der  unter  seinem  Befehl  stehenden  Ordensritter  auf  200 
rechnen.  Diese  bildeten  eine  Rotte.  Der  Orden  wird  daher  aus  etwa 
6000  kampffähigen  Rittern  bestanden  haben.  Rechnet  man  die  Hälfte 
als  zurückgebliebene  Burgbesatzung  ab,  so  können  „von  den  wütten 
Mänteln"  mindestens  3000  Ritter  in  die  Schlacht  gezogen  sein.  Dazu 
kommen  die  dienstpflichtigen  Kölmer  und  Freien  des  Bezirks,  welche 
sich  der  Rotte  des  betreffenden  Komthurs,  in  dessen  Bezirk  sie  wohn- 
ten, naturgemäss  anschlössen. 

Nach  den  Ordensbüeheru  gab  es  774  köllmische  uud  magdeburgische 
Dienste,  974  Schulzendienste  und  2820  preussische  und  polnische  Dienste, 
zusammen  4568  Ritter,  die  nicht  dem  eigentlichen  Ordensveibande  an- 
gehörten. 

Es  zogen  in  die  Schlacht  als  Comthure  1)  der  Ordensmarsehall 
von  Wallenrod,  der  die  kleine  Ordensfahne  mit  dem  schwarzen  Kreuze 
führte  2)  der  Obersttrappier  Graf  Albrecht  von  Schwarzenburg  3)  der 
Ordenstressler  Thomas  von  Merheim  4)  der  Gomthnr  von  Graudenz 
Wilhelm  von  Helfenstein  5)  der  Comthur  von  Althaus  —  Eberhard! 
von  Ippenburg  6)  der  Comthur  der  Engelsburg  (etwa  1  Meile  südlieh 
von  Graudenz  gelegen)  Burghard  von  Wobeske  7)  der  von  Nessau  Gött- 
fried von  Hatzfeld  8)  der  von  Strassburg  —  Balduin  Stahl  9)  der  von 
Schlochau  —  Arnold  von  Baden  10)  der  von  Osterode  —  Gamrad 
von  Pinzenau  11)  der  von  Thorn  Graf  Johann  von  Sayn,  welche  sämmt- 
lich  nebst  dem  Hochmeister  gefallen  sind;  ferner  zogen  mit,  aber  ent- 
kamen durch  die  Flucht  12)  der  Oberspittler  Werner  von  Tettingen 
13)  der  Comthur  von  Danzig  Johann  von  Schoenfeld,  14)  der  von  Balga 
Friedrich  von  Zollern,  der  Rest  der  Comthure  war  theils  zurückgeblieben, 
theils  gefangen  genommen. 

Weber  (Preussen  vor  500  Jahren  S.  661)  wird  die  Zahl  dieser 
Kerntruppen  annähernd  richtig  auf  5500  Mann  oder  22000  Pferde  be- 
rechnet haben.    Sie  werden  etwa  in  30  Rotten  k  200  Mann  getheilt 


Von  A.  Hörn.  645 

worden  sein.  Sie  schaarten  sich  theils  um  das  grosse  Ordensbanner 
mit  dem  schwarz  und  goldenen  Kreuze,  unter  dem  der  Hochmeister 
das  Centrum  kommandirte  und  um  die  kleine  Ordensfahne  des  Mar- 
schalls auf  dem  linken  Flügel.  Dazu  kamen  die  von  den  Landstädten 
gestellten  500  Reiter  unter  Nicolaus  von  Renys  roth  weisser  Fahne. 
Der  Herzog  von  Stettin  war  mit  100  Spiessen,  der  Herzog  Conrad 
von  Oels  ebenfalls  mit  100  Spiessen  Schlesier,  welche  unter  der  Fahne 
des  schwarzen  Adlers  kämpften;  beide  wurden  gefangen  genommen, 
endlich  kommen  dazu  etwa  1700  Spiess  Söldner,  welche  der  Orden  auf 
2  Monat  Kriegsdienst  engagirt  hatte,  unter  den  Rottenführern  Nickel 
Kottwitz  —  395  Spiess,  die  Rotte  Caspar  Gersdorfs  mit  386  Spiess, 
die  des  Böhmischen  Rottenführers  Wenzel  von  Donayn  (Dohna)  236  Spiess, 
4  Meissner-Rotten  mit  228  Spiess,  Zenke  Borsnitz  Rotte  120  Spiess, 
Georg  Zeterers,  Ronau's  und  anderer  Rotten.  Jede  Rotte  scheint  unter 
besonderer  Fahne  gefochten  zu  haben.  Als  Jagello  am  Tage  darauf 
Feldgottesdienst  hielt,  hatte  mau  51  erbeutete  Fahnen  herum  postirt, 
welche  im  Winde  rauschten. 

Ueber  die  Feinde  weiss  man  nur,  dass  der  Litthauerfürst  Witowt 
den  rechten,  der  tapfere,  kleine,  untergesetzte  Marschall  Zindram  den 
linken  Flügel  kommandirte,  der  König  mit  seiner  Standarte  in  der 
Wagenburg  blieb,  und  dass  sie  in  3  Gliedern  hintereinander  aufge- 
stellt waren. 

Alles  Fussvolk  scheint  beiderseits  um  die  Wagenburg  (inter  curres 
et  castra)  geschaart  gewesen  zu  sein  und  mag  wohl  marodirt  haben. 
In  der  Schlacht  selbst  ist  dasselbe  activ  nicht  verwendet. 

Die  Schlachtmusik  wurde  durch  Geschrei  und  Gesang  gebildet 
Der  polnische  Kriegsrath  bestimmte,  dass  auf  seinen  Linien  Niemand 
blasen  dürfe,  ausser  dem  einzigen  königlichen  Hornisten.  Das  erste 
Signal  bedeutet  „Aufstehen",  das  zweite  „Satteln",  das  dritte  „aus- 
marschiren".  Wenn  man  sich  über  die  Bedeutung  dieser  Töne  in  dieser 
Weise  verständigte,  so  hatte  man  damals  noch  nicht  besondere  Signale, 
sondern  alle  müssen  gleich  gewesen  sein.  Es  ergiebt  sich,  dass  Blaser 
oder  Trommler  nicht  vorhanden  gewesen. 

Die  Schlacht  beginnt  mit  beiderseitigem  Kriegsgeschrei.   Die  Polen 


646  Tannenberg. 

singen  die  Nationalhymne  and  schwingen  die  Lanzen.  Das  Ordensbeer 
singt,  als  es  den  Sieg  verspürt,  auf  der  ganzen  Linie  „Christ  ist 
erstanden" ! 

Die  Artillerie  griff  effektiv  in  den  Streit  ein.  Die  Feinde  sollen 
60  Geschütze  mit  sich  geführt  haben  und  dass  diese  zum  Theil  recht 
bedeutend  gewesen  sein  müssen,  ergiebt  die  im  grossen  Remter  zn 
Marienburg  eingemauerte,  etwa  l1/*  Fuss  im  Durchmesser  fassende 
Steinkugel,  durch  welche  der  Mittelpfeiler  umgeschossen  werden  sollte. 
Wie  heute  Preussen,  so  stand  damals  der  Orden  mit  seiner  Artillerie 
der  ganzen  Welt  voran.  Ans  den  Kreuzzügen  übertragen,  war  sie  be- 
reits 1346  in  der  Schlacht  bei  Crecy  angewendet.  Der  Orden  besass 
1410  nach  Toppen  74  Steinbüchsen  und  99  Lothbüchsen.  Man  hatte 
zwei  Jahre  vor  der  Schlacht  eiue  fieberhafte  Thätigkeit  auf  die  Ar- 
tillerie gewendet  u.  a.  1408  zu  Marienburg  die  grösste  Kanone  der 
Zeit  gegossen  aus  232  Ctr.  Kupfer,  34  Ctr.  Zinn,  2V2  Ctr.  Blei,  51  Ctr. 
Schieneneisen  (zu  Ringsreifen);  sie  kostete  1500  Mark  (nach  Vossberg 
ä  4y2  Rmk.)  =  6500  Rmk  heutigen  Geldes.  Sie  bestand  aus  2  Theilen 
die  aneinander  geschroben  wurden,  das  Kaliber  betrug  52  Ctm.,  die 
Steinkugel  wog  3—4  Ctr.  Ausserdem  goss  man  eine  Büchse  Vellemauer 
von  80  Ctr.  Kupfer  und  14 Va  Ctr.  Zinn,  eine  lange  Büchse  aus  81  Ctr. 
Kupfer,  eine  kleine  von  11  Ctr.,  1408  zwei  Mittelbüchsen  von  9  Ctr., 
deren  jede  1032  Skott  kostete  (k  50  Pf.  =  170  Rmk.) 

Man  empfing  im  Ordeusheer  den  anrückenden  Feind  mit  schwerem 
Geschütz,  dessen  Donner  sich  bald  auf  der  ganzen  Schlachtlinie  immer 
weiter  ausdehnte.  „Weil  indess  das  Geschoss  von  der  Anhöhe  gegen 
die  feindlichen  Reihen  keino  besondere  Wirkung  zeigte,  so  schwieg  es 
auf  des  Meisters  Befehl  und  es  stürmten  nun  plötzlich  die  beiden  Schlach- 
tenreihen unter  erneutem  Schlachtrufe  auf  das  ebene  Blachfeld  (von 
den  beiderseitigen  Hügeln  in  die  Ebene)  hinab".    (Voigt.) 

Der  linke  Flügel  unter  Witowt  wird  geworfen,  das  erste  Glied 
drängt  auf's  zweite,  dieses  auf's  dritte,  der  linke  Flügel  des  Ordens- 
heeres stürmt  mit  unüberwindlicher  Gewalt  an  und  stimmt  das  Siegeslied 
„Christ  ist  erstanden4'  an.  Mit  ihm  das  ganze  Ordensheer,  das  auch 
den  Marschall  Zindram  etwas  zurückgedrängt,  so  dass  er  theilweise  in 


Von  A.  Hom.  647 

den  Wald  geworfen  wurde.  Der  Hochmeister  verstärkt  seinen  linken 
Flügel  und  dieser  verfolgt  den  Feind,  plündert  in  der  nahen  Wagenburg 
und  viele  Litthauer  fliehen  bis  in  ihre  Heimat,  den  Verlust  der  Schlacht 
verkündigend.  Inzwischen  hat  Witowt  seine  Smolensker  Russen  gesammelt 
und  fällt  mit  ihnen  dem  Ordensheer,  dessen  linker  Flügel  zu  weit  vor- 
geruckt gewesen  zu  sein  scheint,  in  die  Flanken  und  anscheinend  diese 
Kleinigkeit  ändert  die  Situation.  Die  früheren  Sieger  kehren  zurück, 
lassen  Beute  und  Gefangene  frei,  können  aber  die  bereits  verlorene 
Situation  nicht  mehr  retten.  Witowt  holt  noch  einen  Statisten,  den 
König,  aus  der  Wagenburg,  dessen  Erscheinen  auf  die  Slaven  ermunternd 
wirkt.  Ein  Eitter  wirft  mit  der  Lanze  nach  ihm,  vergeblich;  der  Ordens- 
feldherr begeht  die  Thorheit,  sein  Leben  preiszugeben;  die  Schlacht  ist 
verloren,  man  sieht  überall  die  blanken  Rüstungen  der  fliehenden  Bitter. 

Der  eigentliche  Qmnd  der  Katastrophe  schwebt  im  Dunkel.  Ohne 
Frage  wird  sie  zum  grossen  Theil  in  der  Ermattung  der  Ritter  liegen, 
die  einen  halben  Tag  in  der  Sonnengluth  stillgestanden,  in  der  heissesten 
Zeit  von  12  bis  4  Uhr  gekämpft  haben,  während  die  Polen  in  den 
Wäldern,  in  die  sie  gedrängt  wurden,  neue  Kraft  sammeln  konnten 
und  körperlich  rüstiger  sein  mussten. 

So  war  die  Schlacht  für  den  Orden  verloren.  Man  hat  sie  viel- 
fach als  den  Wendepunkt  des  Ordensschicksals  betrachtet.  Meines  Er- 
achtens  ohne  allen  Grund.  Die  Menschenleben,  welche  die  Schlacht 
gekostet,  wurden  ersetzt  durch  die  vielen  neuen  Ankömmlinge  aus  Deutsch- 
land. Der  Adel  Deutschlands  hat  drei  Jahrhundertelang,  seine  Söhne, 
die  er  dort  nicht  placiren  konnte,  ins  Ordensland  geschickt  und  dort 
als  Ordensritter  und  Beamte  placirt  und  hat  nach  der  Schlacht  bei 
Tannenberg,  diese  bequeme  Versorgungsstelle  nicht  ungenutzt  gelassen. 
Er  ersetzte  die  Gefallenen  reichlich  und  bis  auf  Markgraf  Albrecht 
herab  ist  ein  Mangel  an  Rittern  nicht  empfunden  worden.  Anderer- 
seits hat  der  Orden  an  Land  oder  Macht  durch  den  Verlust  der  Schlacht 
äusserst  wenig  eingebüsst,  nur  Szamaiten  verlor  er  an  Litthauen  und 
einige  kleine  Plätze.  Jagello  hat  den  Nutzen  der  Schlacht  garnicht 
ausgebeutet.  Wäre  ihm  Heinrich  von  Plauen's  beherzte  Waffe  nicht 
in  Marienburg  entgegengetreten,  so  wäre  es  um  die  ganze  Ordensherr- 


ß48  Tannenberg.     Von  A.  Hörn. 

schaft  auf  einmal  geschehen  gewesen.     So  aber  zog  er  ohne  sonder- 
lichen Gewinn  ab. 

Von  einer  moralischen  Niederlage  kann  man  doch  nicht  entfernt 
reden.  Der  Orden  hatte  sich  tapfer  geröstet  und  recht  wacker  ge- 
kämpft. Dass  das  Kriegsglück  einmal  gegen  ihn  entschieden,  ist  ibm 
nicht  als  Schuld  anzurechnen.  Wie  man  von  keinem  Schachspieler, 
keinem  Anwalt  erwartet,  dass  er  alle  Partien  gewinnt,  so  kann  man 
einem  Feldherrn  nicht  zumuthen,  dass  er  aus  allen  Schlachten  als 
Sieger  hervorgeht. 

Bis  auf  Friedrich  von  Sachsen  und  Alb  recht  von  Brandenburg  herab, 
hat  dem  Orden  nichts  so  sehr  geschadet,  als  der  Verlust  Marienburgs 
und  Pommerellens  und  diesen  verdankt  er  nicht  etwa  den  Folgen  der 
Schlacht  von  Tannenberg,  sondern  dem  Landadel,  der  als  Eidechsen- 
ritter, vereint  mit  einigen  verblendeten  westpreussischen  Städten  für 
die  vielen  ihnen  erwiesenen  Wohlthaten  und  ein  überaus  mildes  Regi- 
ment ihren  Dank  dadurch  zollten,  dass  sie  die  Polen,  den  Erbfeind, 
ins  Land  riefen  und  damit  zur  Annahme  jener  Rottenführer  aus  Deutsch- 
land nöthigten,  denen  es  nicht  genügte,  Abentheuer  erlebt  und  gut  ge- 
lebt zu  haben.  Reiche  Schätze  wollten  sie  als  Sold  nach  Hause  bringen 
und  da  der  Orden  sie  nicht  leisten  konnte,  unternahmen  diese  Schaaren 
den  Verkauf  der  Marienburg  und  Westpreussen  an  Polen. 

Das  allein  brach  die  Kraft  des  Ordens,  indem  es  ihm  die  Hälfte 
seines  Landbesitzes  entzog  und  die  ganze  Organisation  zerstörte.  So- 
wohl die  Rechts-  als  die  damit  verbundenen  Verwaltungsorgane  ändern 
sich  von  da  ab  mit  dem  Jahre  1466,  und  mussten  nach  einem  Ueber- 
gangsstadium  in  neue  Bahnen  geleitet  weiden. 


Kritiken  und  Referate* 


Liv-,  Est-  and  Curländisches  Urkuiidenbuch.  Begründet  von  F.  G.  v.  Bunge, 
im  Auftrage  der  Baltischen  Kitterschaften  und  Städte  fortgesetzt  von 
Hermann  Hildebrand.  Band  8.  1429 Mai  —  1435.  1884.  Riga, Moskau. 
Verlag  von  J.  Deubner.  Leipzig.  E.  F.  Steinacker.   4°.  XXX  Vll,  688  S. 

Dem  siebenten  Bande  des  grossen  livländischen  Quellenwerkes,  über  welchen 
Referent  im  19.  Bande  (1882)  S.  130—132  dieser  Monatsschrift  berichtete,  ist  nach 
Ablauf  von  vier  Jahren  der  achte  gefolgt,  der  das  urkundliche  Material  zur  Geschichte 
der  Ostseeprovinzen  für  weitere  sieben  Jahre  erschKesst.  Um  10  Bogen  stärker  als 
sein  Vorgänger  bringt  er  1041  Nummern,  584  in  extenso,  457  im  Regest  (548  und  265 
im  7.  Bande),  von  denen  858  hier  zum  ersten  Mal  erscheinen  und  nur  183  bereits 
vorher  gedruckt  waren.  Als  ausgiebigste  Fundgrube  erwies  sich  auch  bei  diesem 
Bande  das  Rathsarchiv  zu  Reval,  aus  welchem  mehr  als  die  Hälfte  aller  Stücke, 
562  Nummern  stammen,  den  nächsten  Platz  nimmt  das  Königsberger  Staatsarchiv 
ein,  welches  287  Nummern  beigesteuert  hat,  der  Rest  von  192  Nummern  wurde  36 
verschiedenen  baltischen  und  ausserbaltischen  Sammlungen  entlehnt,  bei  denen  Preussen 
nur  noch  durch  das  Danziger  Stadtarchiv  mit  22  Nummern  vertreten  ist. 

Die  bewährten  Grundsätze  der  Edition  und  die  musterhafte  Einrichtung  des 
Bandes  sind  natürlich  dieselben  geblieben,  wie  im  7.  Bande:  dass  dem  Regest  ein 
etwas  grösserer  Spielraum  eingeräumt  ist,  ergiebt  die  eben  mitgetheilte  Zahlenzu- 
sammenstellung. Vom  Jahre  1431  an  berührt  sich  Hildebrand  mit  dem  ersten  Bande 
der  Hanserecesse  G's.  v.  d.  Ropp,  weist  aber  meinen  Vorschlag,  das  von  diesem  mit- 
getheilte livländische  Material  durchweg  nur  in  verkürzter  Form  zu  bringen,  im  Vor- 
wort mit  der  Bemerkung  ab :  „dem  an  reicherer  Bücherquelle  Sitzenden  wird  in  diesem 
Falle  die  Wiederholung  entbehrlich  dünken.  Es  war  hierbei  aber  zunächst  unseren 
heimischen  Verhältnissen  Rechnung  zn  tragen,  sodann  der  feststehende  Plan  innerhalb 
gewisser  Grenzen  Vollständigkeit  und  Abgeschlossenheit  zu  erreichen,  einzuhalten. 
Die  Recesse  und  Correspondenzen  der  livländischen  Städtetage  waren  aus  diesem 
Zusammenhange  dann  unmöglich  auszusondern". 

Altpr.  IfonatMehrift  B<L  ZXIL  H/t.  7  u.  8.  42 


650  Kritiken  und  Referate. 

Dem  Abdruck  der  Urkunden  geht  auch  bei  diesem  Bande  eine  orientirende  Ein- 
leitung voran,   welche  ein  klares,  übersichtliches  Bild  der  Hauptfragen,  die  während 
der  sieben  Jahre  1429— 1435  Livland  beschäftigten,  giebt.    Nach  zwei  Richtungen 
bewegten  sich  während  dieser  Zeit   die  Bestrebungen  des  Ordensmeisters:  in  der 
äusseren  Politik  war  es  der  Versuch  des  Hochmeisters  die  polnisch-litauische  Union 
durch  Unterstützung  der  litauischen  Grossfürsten  Witold  und  Swidrigail  gegen  die 
Krone  Polen  zu  sprengen,  welcher  von  Livland  energischer  und  consequenter  ge- 
fördert wurde,  als  von  Preussen  —  im  Innern  währte  der  Streit  mit  den  Landes- 
bischöfen,  speciell  mit  Riga  und  Oesel,   der  schon  einen  Theil  des  siebenten  Bandes 
füllte,  nur  durch  vergebliche  Friedensversuche  unterbrochen,  bis  zum  Landtage  ron 
Walk  (4.  December  1435)  fort.  Während  für  die  polnisch-litauischen  Verwickelungen 
die  Correspondenzen  des  Hochmeisters  und  des  Inländischen  Landmeisters  mit  den 
litauischen  Fürsten  und  die  Schreiben  dieser  die  Hauptquelle  bilden,  lernen  wir  den 
Streit  mit  den  Bischöfen  hauptsächlich  aus  den  Berichten  der  Ordensprocuratoren 
in  Rom,  die  schon  vor  50  Jahren  von  Joh.  Voigt  in  seinen  „Stimmen  aus  Romu  in 
Raumers  historischem  Taschenbuch  Bd.  IV.  benutzt  worden  sind,  kennen.    Es  ist 
freilich  ein  unerquickliches  Bild,   das  uns  aus  diesen  Papieren  entgegen  tritt:  mit 
Recht  bezeichnet  Hildebrand  S.  XXII.  den  Procurator  Caspar  Wandofen  als  einen 
„lügenhaften  in  gleichem  Masse  zur  Gewaltthat  wie  Tücke  neigenden  Ränkeschmied'4. 
Ebensowenig  wie  in  der  äusseren  Politik  Polen  gegenüber  vermochte  die  schwächliche 
Regierung  Pauls  von  Russdorf  in  Rom  trotz  aller  aufgewandten  Mittel  gegen  die 
Prälaten   entscheidende  Erfolge  zu  erzielen.    Zwar  starb  im  Juli  1432  in  Rom  des 
Ordens  gefährlichster  Feind,  der  Bischof  Christian  Kubant  von  Oesel,   aber  schliess- 
lich musste  der  Meister  den  Anspruch  auf  die  Rückkehr  des  rigischen  Capitels  in 
den  deutschen  Orden  fallen  lassen  und  der  Landtag  von  Walk  1435  führte  zu  einem 
Compromiss,  das  der  Kirche  mindestens  nicht  ungünstiger  war  als  der  Landesherr- 
schaft. In  demselben  Monat  schloss  der  Hochmeister  mit  Polen,  Litauen  den  ewigen 
Frieden  von  Brzesc,  in  welchem  er  seinen  Plänen  Litauen  gegen  Polen  zu  unter- 
stützen für  immer  entsagte. 

Anstatt  wie  bei  der  Besprechung  des  vorigen  Bandes  einige  für  Preussen  wich- 
tige Details  hervorzuheben,  kann  Referent  nicht  umhin  hier  einen  anderen,  sehr  der 
Beachtung  werthen  Umstand  zu  betonen:  es  ist  der  Umfang,  in  welchem  dem  Her- 
ausgeber das  Königsberger  Staatsarchiv  offen  gestanden  hat.  Von  den  287  Nummern, 
die  er  aus  diesem  Archiv  mittheilt,  waren  235  bereits  von  Hennig  zu  Anfang  die»« 
Jahrhunderts  für  die  livländische  Ritterschaft  copirt,  und  nach  diesen  Copien  in 
Napiersky's  Index  corporis  historici  diplomatici  Livoniae  *c.  mehr  oder  weniger  genau 
verzeichnet,  weitere  18  Nummern  hatten  in  Voigts  preussischer  Geschichte  oder 
anderen  historischen  Werken  Erwähnung  gefunden,  ßodass  der  Gewinn  des  dem  Her- 
ausgeber vorher  unbekannten  Materials  in  Königsberg  sich  auf  nur  34  Nummern  be- 
schränkt.   Von  jenen  ritterschaftlichen  Abschriften  hat  aber  H.  24  nicht  verglichen, 


Paul  Schlenther,  Frao  Gottsched  und  die  bürgerliche  Komödie.  g51 

4 

weil  die  Originale  von  21  zur  Zeit  seiner  Anwesenheit  im  Königlichen  Staatsarchiv 
zu  Königsberg  (Sommer  1878)  nicht  aufgefunden  werden  konnten,  bei  drei  weiteren 
(n.  167.  246.  330.)  „weil  nicht  Livland  betreffend"  ihm  die  Vorlegung  verweigert  ^ 
wurde.  H.  zieht  in  seinem  Vorwort  die  erste  Angabe,  dass  jene  Nummern  unauf- 
findbar gewesen  seien,  deshalb  in  Zweifel,  weil  eine  Nummer  (208)  kurz  vor  ihm 
dem  Dr.  Prochaska,  dem  Herausgeber  des  Codex  epistolaris  Vitoldi  vorgelegen  hat. 
Sein  Zweifel  an  der  Glaubwürdigkeit  des  dortigen  Staatsarchivars  scheint  aber  dem 
Referenten  unbegründet:  es  ist  sehr  wohl  denkbar,  dass  jene  Nummer  208  erst  nach 
der  Benutzung  durch  Dr.  Prochaska  unauffindbar  geworden,  d.  h.  verlegt  worden  ist. 
Referent  hat  mit  n.  694  seines  Pommerellischen  Urkundenbuchs  dieselbe  Erfahrung 
gemacht:  die  von  mir  Ostern  1879  collationirte  Urkunde  war  Ostern  1880  im  Königs- 
berger Archiv  nicht  aufzufinden,  deshalb  fehlt  in  meinem  Abdruck  die  1879  von  mir 
nicht  notirte  Angabe  der  Siegelbefestigung.  —  „An  eine  erschöpfende  Ausnutzung 
der  für  die  politische  Geschichte  Livlands  unvergleichlich  reichsten  Fundgrube  ist 
bei  dieser  Lage  der  Dinge  leider  nicht  entfernt  zu  denken"  schliesst  H.  S.  VI.  seinen 
Bericht  über  Königsberg.  Wie  sehr  sticht  dieses  hier  geschilderte  Verfahren  gegen 
die  Liberalität  ab,  mit  welcher,  seitdem  H.  von  Sybel  an  der  Spitze  der  preußischen 
Archiwerwaltung  steht,  alle  übrigen  preussischen  Staatsarchive  wissenschaftlichen 
Forschungen  ungehindert  geöffnet  sind! 

Halle  a.  S.  M.  Perlbach. 


9r<m  «ottftied  im*  Hie  Mrgerlküe  ÄnwuWc.  Gin  ffuitutbilb  aus  ber  3oj>f* 
Seit  Don  *ßaui  <5$lent$er.  Berlin.  «erlag  t>on  Söityelm  gerft.  1886. 
267  6. 

Das  vorliegende  Buch,  von  einem  Landsmanne  —  der  Verf.  ist  Insterburger  — 
dem  Andenken  einer  Landsmännin  gewidmet,  will,  indem  es  eine  Lücke  unserer 
literargeschichtlichen  Kenntnis  des  vorigen  Jahrhunderts  auszufüllen  sucht,  zugleich 
eine  Schuld  abtragen,  auf  die  Mich.  Bernays  in  seinem  Gottsched-Artikel  in  der 
Allgemeinen  rdeutschen  Biographie  mit  den  Worten  hingewiesen  hat:  „Gottsched's 
geschickte  Freundin  wartet  noch  auf  das  Denkmal,  das  ihr  gebührt".  Zwar  hat 
Danzel  in  seinem  grundlegenden  Werke  über  Gottsched  und  seine  Zeit  (S.  270  ff.) 
die  literarischen  Verdienste  der  Gottschedin  neben  denen  ihres  Gatten  nicht  unbe- 
rücksichtigt gelassen  und  Bernays  selbst  würdigt  in  dem  erwähnten  Aufsatz  ihre  Be- 
mühungen um  die  deutsche  Literatur  in  zwar  kurzen,  aber  trefflich  zusammenfassenden 
Worten.  Doch  hier  wie  dort  erscheint  sie  eben  nur  als  das,  was  sie  ihrem  Manne 
zeitlebens  gewesen  ist,  als  die  „werte  Gehilfin"  seiner  Arbeiten.  Auch  Seh/s  Buch 
berücksichtigt  nun  zwar,  wie  billig,  in  erster  Linie  die  Schriftstellerin  in  ihr;  doch 
darüber  hinaus  sucht  er  —  und  das  macht  uns  das  Buch  besonders  anziehend  — 
sie  als  Gattin,  als  Freundin,  als  Weib  uns  menschlich  näher  zu  bringen.    Er  geht 

42* 


652  Kritiken  und  Referate. 

von  der  Ansicht  aus  —  und  jeder,  der  die  als  Anlage  beigefügten  Auszuge  aus  ihren 
Briefen  gelesen,  wird  ihm  beipflichten  —  „dass  ihr  weibliches  Herz  Besseres  begehren 
und  bieten  konnte,  als  einem  herrschsüchtigen  Buchgelehrten  lebenslänglich  Schreiber- 
dienste zu  leisten".   An  Feinheit  des  Geistes  und  Reichtum  des  inneren  Lebens  ihrem 
Gatten  weit  überlegen,  stellt  sie  ihm  ihren  Fleiss  und  ihre  Fähigkeiten  selbstlos  zur 
Verfügung  —  und  was  ist  ihr  Lohn?    Nicht  nur  muss  sie  das  Misgeschick  ihres 
Gatten  teilen,  mit  ihm  Enttäuschung  und  Erniedrigung  in  Fülle   erfahren,  auch 
Kummer  anderer  und  schlimmerer  Art,  Gram  über  die  Untreue  des  Mannes,  dem  sie 
ihr  Leben  geopfert,  verbittern  ihre  letzten  Lebensjahre.    Kann  ein  vernichtenderes 
Zeugnis  gegen  den  Herausgeber   der  „moralischen  Wochenschrift"  gedacht  werden 
als  die  Worte,  welche  seine  Frau  von  ihrem  Sterbelager  ihrer  vertrauten  Freundin 
schreibt:  „Fragen  Sie  nach  der  Ursache  meiner  Krankheit?    Hier  ist  sie.    Achtund- 
zwanzig Jahre  ununterbrochener  Arbeit,  Gram  im  Verborgenen  und  sechs  Jahre  lang 
unzählige  Thränen  sonder  Zeugen,  die  Gott  allein  hat  fliessen  sehen".    So  kann  das 
Bild  dieses  Lebens,   das   Seh.  im  ersten,  „Frau  Gottsched"  betitelten  Teil  seines 
Werkes  mit  warmer  Anteilnahme  an  dem  Schicksal  seiner  Heldin  entworfen  und  mit 
einer  Fülle  anziehenden  Details  ausgestattet  hat,  nicht  anders  als  einen  tragischen 
Eindruck  hinterlassen.    Auf  die  vielseitige  literarische  Thatdgkeit  der  Gottschedin  ist 
in  diesem  biographischen  Teil  nur  soweit   eingegangen,   als   es  der  Rahmen  eines 
Lebens-  und  Charakterbildes  zuliess.    Demselben  hat  der  Verfasser  einen  zweiten 
umfangreicheren  Teil  folgen  lassen,  in  welchem  er  die   dem  Lustspiel  zugewandte 
Thätigkeit  der  vielseitig  angeregten  Frau,  sowohl  Uebersetzungen  wie  Originale,  einer 
eingehenden  Betrachtung  unterzieht,  indem  er  sie  in  den  Zusammenhang  einer  Ge- 
schichte der  obersächsischen  bürgerlichen  Komödie  überhaupt  stellt.    Wie  er  in  der 
Vorrede  bemerkt,  ist  sein  Bemühen  dabei  weniger  auf  Erforschung  und  Vermehrung 
des  literarhistorischen  Materials  als  vielmehr  auf  ästhetische  Beobachtungen  gerichtet, 
welche  gerade  für  diese  Epoche  des  Emporkämpfens  von  Wert  seien.    Wir  können 
dieses  Bestreben  nur  gut  heissen;   ist   doch  die  poetische  Technik  jener,  unserer 
klassischen  Literaturperiode  unmittelbar  voraufgehenden  Zeit  ein  fast  noch  ganz  un- 
bebautes Gebiet.   Nach  einem  einleitenden  Blick  auf  Gryphius  wird  Christian  Weise, 
der  Zittauer  Rektor,  als  eigentlicher  Ahnherr  des  neueren  deutschen  Lustspiels  hin- 
gestellt;  seine  dramatische  Technik,  Ton  und  Sprache  seiner  Komödie,  die  er  als 
Erziehungsmittel  auffasst,  und  die  von  dieser  Auffassung  geleitete  Wahl  des  Stoffes 
bei  ihm  finden  ausführliche  Besprechung.  (I.  Anfänge  des  bürgerlichen  ProsalustspieL» 
im  mittleren  Deutschland.)    Die  nächsten  Kapitel   (EL  Die  Regel  vom  Lustspiel 
III.  Der  Kampf  gegen  den  Harlekin.   IV.  Satire  und  Pasquill.   V.  Vers  und  Prost) 
führen  uns  von  Zittau  nach  Leipzig,  von  der  Schaubühne  als  „politischen"  zu  der- 
selben als  „moralischen  Anstalt".    Vermittelt  wird  dieser  Uebergang  vom  älteren 
obersächsischen  Lustspiel  zum  jüngeren  nach  des  Verfassers  Ansicht  durch  des  un- 
sauberen Picander-Henrici  „Teutsche  Schauspiele".     Wir  erfahren  von  Gottscheds 


Paul  Schienther,  Frau  Gottsched  und  die  bürgerliche  Komödie.  £53 

Lustspieltheorie,  seinem  vereinten  Wirken  mit  der  Nenberin,  von  ReuteVs  des  witzi- 
gen Pasquillanten,  Schelrauffskydichtung,  von  den  Beziehungen  zu  Dresden  und  dem 
Dresdener  Hofpoeten  König,  endlich  von  dem  zwischen  Gottsched's  Schülern  Straube 
und  Schlegel  unter  seiner  Acgide  ausgefochtenen  Streit,  ob  Vers  oder  Prosa  im  Lust- 
spiele, und  dem  Siege  der  letzteren.  Sehr  dankenswerth  ist  es,  dass  hier,  wie  in  den 
späteren  Abschnitten,  die  sich  mit  den  Stucken  der  Gottschedin  beschäftigen,  der 
Verfasser  es  nicht  unterlässt,  uns  durch  knappe  und  geschickte  Analysen  mit  dem 
Inhalt  der  besprochenen  Stücke  bekannt  zu  machen.  Die  beiden  nächsten  Kapitel 
(VI.  Eine  Talentprobe.  VII.  Die  Kunst  der  Verdeutschung)  zeigen  uns  Frau  Gott- 
sched zunächst  als  Uebersetzerin  oder  richtiger  Bearbeiterin  französischer  Stücke. 
Denn  „die  Pietisterei  im  Fischbeinrocke  oder  die  doctormässige  Frau",  eine  Nach- 
bildung von  Bougeants  „La  femme  docteur  ou  la  theologie  janseniste  tombee  en 
quenouille"  kennzeichnet  sich  schon  äusserlich  dadurch  als  Bearbeitung,  dass  Frau 
Gottsched  den  Schauplatz  von  Paris  nach  Königsberg  verlegt,  statt  des  Jansenismus 
den  Pietismus  und  statt  des  Katholicismus  '  die  rationalistische  Orthodoxie  einsetzt. 
Hier  wie  in  der  Bearbeitung  des  Moliere'schen  „Misanthrop",  die  hinsichtlich  der 
Diktion  eingehend  mit  dem  Vorbild  verglichen  wird,  ein  Vergleich,  der  natürlich 
nicht  zu  Gunsten  der  Uebersetzerin  ausfallen  kann,  sehen  wir  sie  durch  Einruhrung 
drastischer  Motive  und  durch  allerlei  Kraftausdrücke  und  Gemeinplätze  ihrem  an 
Hanswurst  gewöhnten  Publikum  Konzessionen  machen,  die  auf  ihr  weibliches  Zart- 
gefühl zuweilen  ein  recht  bedenkliches  Licht  werfen.  —  Wie  die  „Pietisterei"  sind 
auch  die  drei  Originallustspiele  der  Gottschedin,  deren  Besprechung  die  letzten  Kapitel 
(VHI.  Die  Einrichtung.  IX.  Der  moralische  Satz  und  seine  Anwendung.  X.  Typus 
und  Charakter.  XI.  Der  Knoten)  gewidmet  sind,  moralische  Tendenzstücke.  Während 
das  erste,  1743  erschienene,  die  „ungleiche  Heirath",  den  bettelstolzen  Adel  geisselt, 
werden  im  dritten,  dem  „Testament"  (1745),  Edelmuth  und  Selbstsucht  einander 
gegenübergestellt;  das  dazwischenliegende,  die  „Hausfranzösinn",  richtet  sich  gegen 
die  Unsitte  französischer  Gouvernantenerziehung,  wobei  das  Hauptthema,  die  franzö- 
sische Kindererziehung,  mit  dem  Hauptthema  des  Holbergschen  Jean  de  France,  der 
Sucht  nach  Frankreich  zu  reisen,  verwoben  wird. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  den  reichhaltigen  Inhalt  des  Sch.'sehen  Buches 
glauben  wir  uns  um  so  eher  versagen  zu  können,  als  die  bei  aller  Gründlichkeit 
flotte  und  fesselnde  DarsteDungsweise  des  Verf.  wohl  geeignet  scheint,  ihm  einen 
weiteren  Leserkreis  als  den  rein  fachmännischen  zuzuführen.  Als  besonders  dankens- 
wert sei  nur  noch  hervorgehoben,  dass  der  Verf.  durch  dem  Buche  beigefügte,  aus 
verschiedenen  Lebensperioden  geschickt  ausgewählte  Briefauszüge  uns  schliesslich  noch 

die  persönliche  Bekanntschaft  seiner  Heldin  zu  vermitteln  sucht. 

P. 


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654  Kritiken  und  Referate, 


Alterthnusgesellschaft  Prussia  in  Königsberg  1885. 


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Sitzung  vom  16.  Januar  1885.   Vortrag  des  Major  Beckherrn:   „Einige  Be- 
merkungen über  das  Ordenshaus  Balga  und  seine  Umgebung".  Der  Vor- 
tragende versucht  zunächst,  indem   er  auf  die  Veränderungen  eingeht,  welche  die 
Küste  Ostpreussens  durch  die  Einwirkung  verschiedener  Naturkräfte  in  vorgeschicht- 
licher Zeit  erlitten  hat,  darzulegen,  dass  der  Name  des  Ordenshauses  Balga  (ursprüng- 
lich die  Balge)  nicht,  wie  bisher  angenommen  worden,  von  den  Tiefen  oder  Balgen 
auf  der  Frischen  Nehrung  und   bei  Lochstedt  herzuleiten  sei,   sondern  von  einem 
V4  Meile  östlich  von  Balga  gelegenen  Kanal  oder  einer  Balge,  durch  welche  in  vor- 
geschichtlicher Zeit  das  Wasser  des  Haifes  in  die  See  ausströmte,  als  die  Nehrung 
noch  nicht  existirtc  und  das  Haff  nur  aus  dem  nordwestlichen  Theile  bestand,  welcher 
gegen  die  See  hin  durch  eine  von  Fischhausen  über  Pillau  bis  etwas  über  Balga 
hinaus  sich  erstreckende  Halbinsel  abgeschlossen  war.  Eine  zweite  Bemerkung  betraf 
den  Schneckenberg,  auf  welchem  nach  dem  Berichte  Dusburg's  während  der  Kämpfe 
bei  Balga  um  das  Jahr  1240  von  den  Ordensrittern  eine  Befestigung  angelegt  worden 
sein  soll.  Dieser  Bericht  Dusburg'sist  von  neueren  Forschern  mehrfach  angefochten 
worden,  hauptsächlich  deshalb,  weil  er  die  Wiederholung  des  Berichtes  über  die  Er- 
bauung einer  befestigten  Mühle  bei  Hoppenbruch  sein  soll.  Der  Vortragende  glaubt 
dagegen  aus  taktischen  Bücksichten  annehmen  zu  dürfen,  dass  der  Bericht  Dusburg 's 
nichts  Ungereimtes  enthalte,  und  dass  die  Ordensritter  den  gegebenen  Terrainverhält- 
nissen gemäß  gar  nicht  anders  handeln  konnten,  als  wie  es  von  Dusburg  erzählt 
wird,  wenn  man  ihnen  nicht  alle  militärische  Umsicht  absprechen  will,  welche  sie 
oft  genug  in  den  von  ihnen  geführten  Kriegen  bewiesen  haben.    Der  Vortrag  wurde 
durch  einige  Kartenskizzen  erläutert  [vgl.  Altpr.  Mtsschr.  XXII,  335—345]. 

Darauf  folgte  die  Vorlesung  eines  Aufsatzes  des  Rittergutsbesitzers  Blell-Tüngen 
über  die  Keule  der  heidnischen  Preussen.  Nachdem  der  Verfasser  ausgeführt 
hat,  dass  die  Preussen  die  Keule  von  den  Gothen  kennen  gelernt  und,  weil  sie  an- 
fänglich dieser  Waffe  sich  vorzugsweise  bedienten,  wahrscheinlich  von  den  Polen  den 
Namen  Prutzen  (von  pröca,  spr.  Prutza)  erhalten  haben,  geht  er  auf  die  Beschreibung 
und  die  Herstellung  dieser  Waffe  ein.  Es  gab  zwei  Arten  derselben,  die  Wurfkeule, 
welche  entweder  aus  Stein  oder  aus  Holz  mit  einer  Füllung  aus  Blei  hergestellt  war, 
und  die  Schlagkeule.  An  einem  vor  einigen  Jahren  bei  Bothau  gefundenen  Exemplar 
dieser  letzteren  versucht  der  Verfasser  die  Herstellungsweise  zu  erklären,  welche  in 
der  mehrere  Jahre  währenden  besonderen  Behandlung  eines  jungen  Baumes  bestand, 
durch  welche  dem  Wurzelende  die  meisten  Säfte  zugeführt  wurden  und  dieses  die 
eigentümliche  knorrige  Form  erhielt.  Die  in  Bede  stehende  Keule,  welche  im 
Prussiamuseum  aufbewahrt  wird,  war  vorgelegt  und  zur  Vergleichung  eine  australische 
Keule  in  Ruderform. 


Alterthumsg  esellach  aft  Prussia  188Ö.  655 

Zu  der  prähistorischen  Sammlung,  Abtheilung  Gräberfunde  der  Zeit  von  700 
bis  1000  n.  Chr.,  schenkte  Pfarrer  Fuchs  ein  eisernes  Schwert  mit  Parierstange 
und  Knauf,  gefunden  bei  Ragnit.  Für  die  Münzsammlung,  Abtheilung  der  in  Ost- 
preussen  gefundenen  antiken  Münzen,  Studiosus  Both  eine  abgeriebene  römische 
Kaisermtinze  aus  Bronze,  gefunden  auf  dem  Acker  zu  Dorbcn,  Kreis  Königsberg.  Für 
die  Abtheilung  altpreuss.  Münzen  Buchhändler  Volkmann  einen  Elbinger  Groschen 
vom  Jahre  1534.  Für  die  Serie  von  Petschaften  und  Siegeln  wurde  ein  messingnee 
Petschaft  aus  dem  15.  Jahrhundert  erworben;  dasselbe  hat  als  Wappen  einen  Lanzen- 
schaft  mit  zwei  seitwärts  aufsitzenden  Pfeilenden  und  die  Umschrift  Ansgar  von 
•Schwinz.  Zu  der  Abtheilung  von  Waffen  des  16.  Jahrhunderts  schenkte  Pfarrer 
Fuchs  einen  Knappenhelm  aus  Eisen,  gefunden  bei  Ragnit.  Zu  der  Abtheilung  von 
Gegenständen  des  18.  Jahrhunderts  wurden  gekauft  ein  goldener  Fingerring  mit 
Elfenbeinplatte,  die  die  bildliche  Darstellung  eines  Genius  und  einer  Blumen  windenden 
Frau  zeigt,  in  achteckiger  Fassung  mit  echten  Perlen,  ferner  eine  silberne  Schwamm- 
dose mit  eingelassenen  Münzen  und  stark  vergoldet.  Zu  der  Abtheilung  von  Gegen- 
ständen des  19.  Jahrhunderts  schenkte  Frau  Quedenfeldt  einen  grossen  Zopfkamm 
von  Hörn,  getragen  um  1820.    Gekauft  wurde  eine  kleine  Stutzuhr  aus  Marmor  im 

Geschmack  des  Empire. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  18.  Febr.  1885.    Nr.  41.] 

Sitzung  vom  20.  Februar  1885.  Professor  D  ehio  hielt  einen  Vortrag  über  Epitaphe. 
Er  unterscheidet  unter  denselben  3  Hauptgattungen  und  zwar  die  auf  dem  Boden 
liegenden  Grabplatten,  ferner  die  Tumben,  die  zur  Bestattung  der  Bischöfe  und 
Fürsten  dienten,  für  welche  bei  uns  als  vornehmstes  Beispiel  die  Fürstengruft  im 
Dome  dienen  kann,  und  endlich  die  aufrechtstehenden  Grabdenkmäler,  am  Ausgang 
des  Mittelalters  beginnend,  deren  klassische  Zeit  erst  ins  17.  und  18.  Jahrhundert 
fällt.  Im  hohen  Mittelalter  gab  es  keine  Epitaphe,  sondern  nur  Gedenktafeln,  wie 
sie  sich  z.  B.  am  Treppenaufgang  des  Domes  zu  Merseburg  aus  dem  13.  Jahrhundert 
finden.  Der  Begriff  eines  Epitaphs  wird  in  späterer  Zeit  ein  Grabesdenkmal  nicht 
über  dem  Grabe,  sondern  in  räumlicher  Entfernung  von  demselben,  also  ein  Keno- 
taph.  —  Die  Grabplatte  und  die  Tumba  enthalten  das  Abbild  des  Todten  selbst,  diese 
unterscheidet  sich  von  ersterer  durch  ihre  Höhe,  wie  sie  das  Sebaldus-Grab  in  Nürn- 
berg, das  Grab  Ludwigs  des  Bayern  in  der  Frauenkirche  in  München  beispielsweise 
hat.  Steht  das  Grabdenkmal  aber  nicht  frei,  sondern  ist  mit  einer  Langseite  an  die 
Wand  gelehnt,  so  wird  die  über  dem  Grabe  sich  befindende  Flachnische  zur  bild- 
lichen Darstellung  des  Todten,  symbolischer  Figuren  und  Inschriften  benutzt,  wie 
wir  solche  an  der  Ost-,  Süd-  und  Nordwand  des  Chores  unseres  Königsberger  Domes 
finden.  Aus  der  Flachnische  entwickelt  sich  die  Tafel,  das  zweite  Motiv  und  diese 
hat  in  der  Renaissance-  und  Kococo-Zeit  als  Epitaph,  ohne  dass  sie  sich  über  oder 
an  dem  Grabe  befindet,  die  verschiedensten  Gestalten  angenommen.  Ihr  Material 
ist  Stein,  Bronze  oder  Holz.  Im  letzteren  Falle  wurde  sie  bemalt  oder  trug  Wappen- 


£56  Kritiken  and  Referate. 

Schilde  als  Todtenschilde,  Waffen,  ganze  Rüstungen,  Trauelfahnen.  Dienen  die  Tafeln 
nicht  zur  Darstellung  von  Portraits  oder  zum  Aufhängen  von  geweihten  Gegen- 
ständen, so  nehmen  den  grössten  Theil  derselben  Inschriften  ein,  die  in  zierliche 
Rahmen  eingeschlossen  sind,  was  besonders  in  der  nordeuropäischen  protestantischen 
Kirche  Sitte  war.  Im  19.  Jahrhundert  ist  die  Sitte  der  Epitaphe  in  den  Kirchen 
ausser  Gebrauch  gekommen,  und  an  ihren  Stellen  werden  Gedenktafeln  an  der  Stätte 
der  Wirksamkeit  desjenigen  errichtet,  dessen  Andenken  gefeiert  werden  sollte. 

Der  Vortragende  geht  dann  auf  die  äussere  Beschreibung  einer  Ehrentafel  in 
dem  Prussia-Museum  ein,  die  im  gedruckten  Katalog  IV.  Nr.  21  verzeichnet  ist,  vor- 
gezeigt wird  und  bisher  für  ein  Epitaph  gehalten  wurde. 

Dr.  Bujack  setzt  die  Beschreibung  in  Bezug  auf  das  Inschriftenmaterial  und 
ihren  Zweck  weiter  fort.  Derselbe  hat  die  Inschriften  genau  kopirt,  weil  der  Kultus- 
minister  von   Gossler  durch  einen  Erlass  vom  13.  Januar  eine  Photographie  der 
von  ihm  gesehenen  Ehrentafel  angeordnet  hatte.  Dr.  Bujack  erklärt  dieselbe  nach 
der  von  ihm  gewonnenen  Ueberzeugung  für  eine  Tafel  zu  Ehren  und  in  Hoffnung 
auf  die  Genesung  des  kranken  Herzog  Albrecht  Friedrich  aus  dem  Jahre  1584,  in 
welchem  das  strenge  und  feste  Regiment  des  Gubernators  von  Preussen,  des  Herzogs 
Georg  Friedrich  aus  Ansbach,   einen  Theil  der  Stände  zu  einer  Klage  in  Polen  ver- 
anlasst hatte.    Der  Beweis  hierfür  liegt  in  mehreren  Punkten,  von  denen  nur  zwei 
an  dieser  Stelle   angeführt  werden  sollen.    Auf  der  grossen  Pergamenttafel  dies* 
Denkmals  steht  u.  A.  mit  Bezug  auf  König  Nebukadnezar:  „Das  vierte  Kapitel  Daniel* 
ist  ein  trefflich  Exempel  wider  die  grausamen  Wütheriche  und  Tyrannen",  und  das 
Portrait  in  dem  dreieckigen  Aufsatz  Über  der  Ehrentafel  ist  nach  der  von  Professor 
Dehio  mit  einem  Gypsabguss  einer  Medaille  auf  Herzog  Albrecht  Friedrich  im  Ber- 
liner Münzkabinet  gemachten  Vergleichung  das  Portrait  des  genannten  Fürsten.   In 
den  Sitzungsberichten  der  Gesellschaft  wird  die  Erklärung  der  Ehrentafel  für  Herzog 
Albrecht  in  ausfuhrlicher  Bearbeitung  durch  Dr.  Bujack  erfolgen. 

Zum  Schlüsse  der  Sitzung  wurden  folgende  Geschenke  und  Erwerbungen  vor- 
gelegt: Ein  kleiner  eiserner  Radsporn  zum  Anschrauben,  aus  dem  Beginn  der  neueren 
Zeit,  gekauft;  Funde,  bestehend  in  der  Platte  einer  kleinen  Sonnenuhr  zum  Reise- 
gebrauch,  einem  eisernen  Schlüssel  aus  der  Renaissance-Zeit  u.  A.,  gemacht  bei  Erd- 
arbeiten Neurossgärter  Kirchenstrasse  Nr.  1/2,  geschenkt  vom  Fabrikanten  L.  Dost; 
eine  symbolische  Figur  des  Friedens  aus  der  Berliner  Porzellan-Fabrik  18.  JahrL, 
gekauft;  eine  damastene  Tischdecke  aus  dem  Jahre  1779  mit  bezüglichen  Darstellungen 
auf  den  Teschener  Frieden,  gekauft;  ein  St.  Georgsorden  und  eine  Denkmünze  ans 
den  Freiheitskriegen,  eine  Dekoration  eines  verstorbenen  Veteranen  aus  jener  Zeit, 
geschenkt  von  dessen  Neffen;  eine  Narrenpritsche,  Kölner  Fastnachtsspiel  in  klein- 
stem Format,  geschenkt.  —  Zur  Bibliothek  schenkte  Direktor  Möller:  Liedert:  das 
jubilirende  Königsberg  1755,  Pisanski:  Vom  Gregorius-Feste  der  Schulen  1786;  kun- 
gefasste  Nachrichten  von  der  Haberbergischen  Kirche  und  drei  pädagogische  Abhand- 


juij 


Alterthumsgesellschaft  Pruasia  1885.  657 

langen  aus  dem  Schluss  des  vorigen  und  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  und  ferner  zur 
vergleichenden  ethnographischen  Abtheilung  eine  Opiumpfeife  aus  China. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  19.  März  1885.    Nr.  65.    Beil.] 

Sitzung  vom  20.  März  1885.  Der  Hauptlehrer  Matthias  hielt  einen  Vortrag 
über  den  Vendel-Fund.  Bei  dem  Dorfe  Vendel  in  Schweden  wurden  1881  elf 
höchst  interessante  Gräber  aus  dem  Eisenalter  des  Nordens  aufgedeckt.  Aus  den 
darin  gemachten  reichen  und  zum  Theil  kostbaren  Funden  geht  unzweifelhaft  hervor, 
dass  sie  die  Ueberreste  alter  nordischer  Seekönige  bergen.  Mit  Ausnahme  von  zweien 
enthielten  alle  ein  grosses  spitzgebautes  Boot,  dessen  Grösse  und  Form  sich  fast  bei 
allen  aus  einer  grossen  Anzahl  in  ihrer  ursprünglichen  Lage  noch  vorhandener  Klink- 
nägel erkennen  liess.  In  diesen  Booten  lagen  die  Gerippe  der  Häuptlinge,  umgeben 
von  denen  verschiedener  Thiere,  welche  bei  der  Beisetzung  geopfert  worden  waren, 
z.  B.  Pferde  mit  Nägeln  in  den  Schädeln,  Binder,  Schafe,  Säue,  Hunde,  Bergeule, 
Kranich,  Jagdfalke,  Gans  und  Ente.  An  Waffen  wurde  gefunden:  Eiserne  Helme 
mit  Bronzebeschlägen,  Kingpanzer,  Schilde  und  Schildbuckel,  Spiesse,  Schwerter, 
diese  oft  am  Griff  und  Scheidenbeschlage  sehr  reich  verziert  mit  Granaten  oder 
Email,  Reitzeuge  u.  s.  w.,  ferner  an  Geräthen:  Glasgefässe,  Wetzsteine,  Scheeren, 
Ketten,  eine  Art  grosser  dreizinkiger  Gabeln,  Messer,  Bratspiesse,  Kesselhaken, 
Hämmer,  Grapen  von  Eisen,  Damenbrettsteine  von  Knochen,  Kämme  von  Knochen, 
eine  kufische  Münze  von  Silber  (Jahr  914—943)  u.  dgl.  m.  Was  die  Bedeutung  des 
Fundes  in  hohem  Grade  vermehrt,  ist  der  Umstand,  dass  die  Gräber  nicht  aus  einer 
und  derselben  Zeit  stammen,  sondern  nach  und  nach  angelegt  wurden,  so  dass 
zwischen  dem  ältesten  und  dem  jüngsten  mindestens  ein  Jahrhundert  liegt,  denn 
während  erstere  bis  zum  Schlüsse  des  mittleren  Eisenalters  zurückreichen,  gehören 
letztere  der  eigentlichen  Vikinger  Zeit  an. 

Hierauf  legte  Dr.  Bujack  sechs  Stücke  zweier  grosser  silberner  Schalen  vor, 
die  aus  der  Sammlung  vaterländischer  Alterthümer  des  Königlichen  Staatsarchivs 
dem  Prussia-Museura  zur  Aufbewahrung  übergeben  sind.  Die  eine  Schale  ist  glatt, 
kantig,  profilirt,  nur  mit  einem  Eierstab  als  Randverzierung  versehen  und  nach  einem 
3434  Gramm  schweren  Stück  von  Baumeister  Muttray  in  einer  Zeichnung  in  natür- 
licher Grösse  konstruirt.  Von  der  anderen  war  eine  solche  nicht  möglich,  dafür 
bieten  aber  die  erhaltenen  Stücke  bildliche  Darstellungen  und  zwar  Akanthusblätter 
und  eine  Tigerjagd.  Leider  ist  von  dem  Jäger  nur  ein  Arm  mit  der  Fackel,  wohj 
aber  sein  losspringender  Hund  erhalten,  desgleichen  der  sich  vertheidigende  Tiger, 
dessen  aus  dem  Munde  sprühender  Geifer  auch  angedeutet  ist,  und  ein  zweiter  noch 
ruhig  in  seiner  Höhle  sitzender  Tiger,  vor  welcher  ein  getödtetes  Hufthier,  wahr- 
scheinlich  ein  Esel,  liegt  Diese  bildliche  Darstellung  hebt  sich  durch  eine  Vergoldung 
ab,  welche  auf  eine  schwarze  Harzmasse  aufgetragen  ist,  mit  der  die  vertiefte  Zeich- 
nung ausgefüllt  ward.  Das  Ehrenmitglied  der  Gesellschaft,  Theodor  Blell,  schreibt 
aus  Wiesbaden,  dass  dergleichen  verzierte  Silberarbeiten  noch  heutigen  Tages  da- 


g58  Kritiken  und  Beitrat*. 

selbst  am  Schaufenster  stehen,  wie  sie  die  beschriebene  vergoldete  Schale  in  ihres 
Stücken  zeigt,  die  in  Hammersdorf,  Kreis  Braunsberg,  gefunden,  und  nach  Bleu'« 
Annahme  eine  römische  ist.  Es  erfolgt  ferner  die  Vorlage  einer  farbigen  Zeichnung 
genannter  Stücke  für  das  nächste  Vereinsheft  und  die  eines  kleinen  schalenförmigen 
Gefässes  des  Hildesheimer  Silberfundes  in  Gyps  wie  ähnlicher  antiker  Darstellungen 
aus  Lindenschmit  A.  u.  h.  V.,  den  memoires  du  Nord  und  Montelius,  Desgleichen 
werden  in  die  Besprechung  italische  Glasgefässe  aus  Gräbern  am  Rhein,  in  Däne- 
mark und  in  Schweden  von  dem  Vortragenden  autgenommen,  aber  auch  die  Funde 
solcher  in  Ostpreussen  hervorgehoben  und  ein  solches,  in  Schotenform,  in  Popielnen, 
Kreis  Johannisburg,  gefunden,  vorgelegt.  —  Drittens  stand  auf  der  Tagesordnung 
ein  bronzener  Halsschmuck  aus  Fürstenau,  Kreis  Rastenbürg.  In  Folge  freundlicher 
Aufforderung  des  Gutsbesitzers  Nebelung  in  Fürstenau  hatten  Dr.  Bujack  und 
Hauptlehrer  Matthias  mehrere  Urnen  daselbst  ausgegraben;  dieselbe  ergaben 
Schmuckgegenstände  des  älteren  Eisenalters  und  zwar  eine  derselben  12  bronzene 
Hängestücke  mit  Oese  in  Grösse  eines  Thalers  und  in  Form  eines  sechsspeichigen 
Rades.  Aehnliche  Zierstücke  zu  einem  Halsschmuck  wurden  von  dem  Vortragenden 
aus  Waldhaus  Görlitz,  Kreis  Rastenburg,  und  Wekelitz  in  Westpreussen  vorgelegt 
und  von  demselben  die  Verschiedenheit  der  bronzenen  Halsringe  in  vorchristlicher 
Zeit,  im  älteren  und  jüngeren  Eisenalter  nach  Abbildungen  des  Professor  Hey  deck 
besprochen.  —  Als  Geschenke  und  Erwerbungen  für  das  Prussia-Museum  kommen 
zur  Vorlage  eine  grosse  eiserne  Preussische  Medaille,  geprägt  in  der  Zeit  von  1806— 1808, 
geschenkt  von  Landgerichtsrath  Lipski,  einige  Münzen  neuerer  Zeit,  geschenkt  tos 
Hauptlehrer  Matthias,  ein  „Publikandum"  aus  dem  Jahre  1840,  geschenkt  vom 

■ 

Gymnasiasten  Ti essen,  und  ein  persisches  seidenes  Tuch,  das  ein  französischer  Sol- 
dat 1812  aus  Moskau  bis  nach  Stallupönen  mitbrachte  und  dort  sterbend  zurücklief, 
gekauft.  Schliesslich  wurden  die  beiden  trefflich  gelungenen  Photographien  aus  dem 
Atelier  von  Gottheil  und  Sohn  vorgelegt,  welche  von  der  Widmungstafel  mit  dem 
Gebete  für  die  Genesung  des  kranken  Herzogs  Albrecht  Friedrich  auf  Erlass  des 
Kultus-Ministeriums  hergestellt  wurden. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  12.  April  1885.  Nr.  85J 
Sitzung  vom  17.  April  1885.  Prof.  A.  Müller  hielt  „Ueber  den  Handel  der 
Araber  nach  dem  Norden  Europas"  folgenden  Vortrag:  Die  Produkte  des 
Ostens  und  Nordens,  welche  seit  der  Gründung  des  Chalifates  von  Bagdad  (750  v.  Chr.) 
der  stets  zunehmende  Luxus  des  mohammedanischen  Mittelalters  verlangte:  —  Ge- 
würze und  Kostbarkeiten  Indiens,  Seide  aus  China,  Pelzwerk  und  Sklaven  aus  Ruß- 
land —  kamen  grösstenteils  auf  den  schon  im  Alterthum  bekannten  Seewegen  und 
Karawanenstrassen  nach  Persien  und  Babylonien.  Eine  Ausnahme  bildet  der  Norden, 
da  das  Schwarze  Meer  wegen  der  fortgesetzten  Kriege  zwischen  den  Byzantinern  und 
Arabern  für  die  letzteren  unzugänglich  war,  pflegten  ihre  Kaufleute  seit  dem  10.  Jahr- 
hundert über  das  Kaspische  Meer  bis  zu  der  in  der  Nähe  des  jetzigen  Astrachan 


AHerthumsgesellachaft  Prtusia  1885*  659 

gelegenen  Hauptstadt  desChazarenreiches  und  von  dort  die  Wolga  hinauf  bis  zur 
Hauptstadt  der  an  dem  Mittellaufe  derselben  noch  sitzenden  Bulgaren  zu  reisen. 
Diese,  ein  betriebsames  Volk,  zogen  zu  ihren  Märkten  die  Russen  heran,  d.  h.  die 
in  jener  Zeit  im  westlichen  Bussland  herrschenden  Skandinaven,  die  sogenannten 
Waräger,  die  von  dort  die  von  den  Mohammedanern  begehrten  Produkte  des 
Landes  nach  Bulgar  brachten.  Mit  den  Bussen  standen  ihrerseits  die  Schweden, 
Dänen  und  Preussen  in  Handelsverbindung,  indem  sie  Federn,  Fischbein,  Thran 
u.  A.  nach  den  russischen  Städten,  besonders  Nowgorod,  einführten.  Von  allen 
diesen  Völkern  besassen  nur  die  Mohammedaner  gemünztes  Geld,  mit  dem  sie  in 
Bulgar  um  so  ausschliesslicher  zahlten,  als  die  Nordländer  der  Produkte  der  arabi- 
schen und  persischen  Provinzen  nicht  bedurften.  So  ist  das  arabische  Geld  als  einzig 
bequemes  Zahlungsmittel  nach  Bulgar,  von  dort  nach  Westrussland  und  von  West- 
russland nach  der  Südküste  und  den  Inseln  des  Baltischen  Meeres,  sowie  nach 
Schweden  in  verhältnissmässig  grossen  Massen  weitergewandert,  und  es  ist  nicht  er- 
staunlich, das8  noch  heute  zahlreiche  und  beträchtliche  Funde  solcher  Münzen  in 
Kussland,  Preussen,  Pommern  und  den  skandinavischen  Ländern  gemacht  werden. 
Da  diese  Münzen  vielfach  die  einzigen,  und  immer  sehr  wichtigen  Denkmäler  der  Ge- 
schichte des  mohammedanischen  Orients  aus  der  Zeit  vom  achten  bis  ins  elfte  Jahr- 
hundert sind,  so  ist  es  im  Interesse  der  Wissenschaft  höchst  wünschenswerth,  dass 
sie,  wo  sie  gefunden  werden,  nicht  verschleudert  oder  eingeschmolzen  werden,  sondern 
zur  Untersuchung  an  den  Alterthumsverein  Prussia  oder  das  Königliche  Münzkabinet 
in  Königsberg  zur  Prüfung  gesandt  werden,  damit  werthvolle  Stücke  angekauft  und 
für  das  wissenschaftliche  Studium  in  den  dafür  bestehenden  Sammlungen  erhalten 
werden  können. 

Hierauf  beschrieb  Major  Beckherrn  unter  Vorlegung  einer  Zeichnung  den 
interessanten  Schlossberg  bei  Jesziorken  im  Kreise  Lötzen.  Er  liegt  ganz  isolirt 
auf  der  moorigen  Sohle  eines  Thaies  und  hat  bei  80—90  Fuss  Höhe  eine  ovale  Grund- 
fläche. Seine  Abhänge  haben  eine  Böschung  von  circa  45  Grad,  sind  also  sehr  steil 
und  sorgfältig  geebnet  und  geglättet,  daher  sehr  schwierig  zu  ersteigen.  Seine  Kuppe 
ist  mit  einem  an  der  inneren  Seite  meistens  10  Fuss  hohen  Wall  umgeben.  In  dem 
von  diesem  Walle  eingeschlossenen  Kessel  erhebt  sich  bis  zu  20  Fuss  Höhe  ein  von 
Süden  nach  Norden  allmälig  ansteigender  Hügel,  welcher  den  Baum  des  Kessels  fast 
ganz  ausfüllt,  so  dass  zwischen  dem  Walle  und  dem  Hügel  nur  ein  Graben  übrig 
bleibt.  Der  Wall  ist  an  der  südöstlichen  Seite  durchbrochen,  und  aus  dieser  Lücke 
fuhrt  am  Abhänge  ein  schmaler  Pfad  in  nordöstlicher  Richtung  hinunter.  Er  mündet 
auf  eine  am  östlichen  Fusse  des  Berges  sich  hinziehende  halbmondförmige  Terrasse 
aus,  welche  wahrscheinlich  eine  Art  von  Vorburg  zur  Unterbringung  des  Gesindes 
und  des  Viehes,  für  welches  oben  kein  Baum  vorhanden  war,  getragen  hat.  Bedeu- 
tende auf  dem  Berge  befindliche  Massen  von  Kohlen  sind  wahrscheinlich  die  Ueber- 
reste  der  ehemals  auf  dem  Berge  errichtet  gewesenen  Holzbauten.    Ausser  einigen 


660  Kritiken  und  Referate. 

bronzenen  Schmucksachen  sind  auch  Scherben  von  thönernen,  ohne  Anwendung  der 
Drehscheibe  gefertigten  Gefassen  gefanden  worden,  welche  auf  die  Bewohnung  de? 
Berges  in  sehr  alter  Zeit  hinweisen,  (s.  Altpr.  Mtsschr.  XXII,  Hft.  5/6.  S. 463—4*56.) 

Danach  folgte  ein  Bericht  des  Prof.  Hey  deck  über  eine  Voruntersuchung  d** 
Schlossberges  bei  Sonnenberg,  Kr.  Braunsberg,  welche  er  auf  freundliche  Aufforderw 
des  Landraths  Oberg  unternommen  hatte. 

Zum  Schluss  legte  Dr.  Bujack  eingegangene  Geschenke  und  Erwerbungen  vor. 
und  zwar  einen  von  Rittergutsbesitzer  Hellbart  auf  Roschenen,  Kr.  Friedland,  ge- 
schenkten Hammer,  daselbst  gefunden,  der  erst  roh  zugehauen  war,  ein  durchlochfcs 
Beil  aus  Grünstein,  gefunden  bei  Fischhausen;  als  Erwerbung:  die  Photographie  eines 
römischen  Glases,  gefunden  in  Elbing,  als  Geschenk  des  dortigen  AltexthumsvereiD> 
Übersandt  von  dem  Vorsitzenden  Oberlehrer  Dr.  Dorr;  ein  Siegelabdruck  der  Stadt 
Wormditt  als  Geschenk  und  2  Siegelabdrücke  des  heutigen  deutschen  Ordens  au.* 
Tyrol,  geschenkt  von  Oberst  Gregorovius  in  München;  eine  Zeichnung  der  ehe- 
maligen BlelTschen  Waffenhalle  in  Tangen  von  Buchhändler  Volk  mann,  der  gleich- 
zeitig mehrere  preussische  Erinnerungsmedaillen  und  neun  kleinere  historische  Ab- 
handlungen als  Geschenk  beigefügt  hatte,  ferner  eine  Monographie  über  Tycho  de  Brahe 
aus  dem  17.  Jahrhundert  und  das  Album  der  Königsberger  Universitäts-Feier  Tom 
Jahre  1844,  geschenkt  von  Hauptlehrer  Matthias.  Endlich  berichtete  der  Vor- 
sitzende, dass  Apotheker  Kahle  eine  Steinfigur,  die  Abundantia,  aus  dem  Giebel 
seines  Hauses  in  der  Altstädtischen  Langgasse  aus  dem  18.  Jahrh.  geschenkt  hätte. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  21.  Mai  1885.  Beil.  zu  116.] 

Sitzung  von  22.  Mal  1885.  Es  wurde  ein  „Bericht  über  das  Wappen  der 
OrdensBtadt  Neidenburg"  von  Referendarius  Georg  Conrad  vorgetragen. 
Gregorovius  beschreibt  in  seinem  Werke  „die  Ordensstadt  Neidenburg"  das  Wappen 
folgendermaßen:  Ein  wilder  Mann  hält  in  der  rechten  Hand  ein  Schwert  und  in  der 
linken  eine  Weinrebe.  Die  Weinrebe  in  der  Hand  eines  nackten  Wilden  sei  kaum 
ein  Zeugniss  dafür,  dass  der  Orden  besonders  in  diesen  Landstrichen  das  Götter- 
geschenk  des  Dionys  einzubürgern  vorgehabt  habe,  sie  sei  vielmehr  ein  Symbol  der 
Kultur  überhaupt,  und  als  solches  erinnere  sie  uns  an  die  grosse  That  jener  muthigen 
Ritter,  welche  die  Keime  der  Kultur  in  die  galindische  Wildniss  gepflanzt  haben. 
Da  die  noch  vorhandenen  Siegelstempel  und  Abdrücke  von  der  obigen  Beschreibung 
nicht  unerheblich  abweichen,  so  erbat  sich  der  Magistrat  zu  Neidenburg  vom  König!. 
Münzkabinet  ein  Gutachten  darüber,  welches  dahin  lautete,  dass  man  in  einem  solchen 
Falle  bei  dem  Fehlen  urkundlicher  Nachrichten  auf  die  älteste  Darstellung  de> 
Wappens  zurückgehen  müsse;  als  solche  sei  in  dem  vorliegenden  Falle  die  nach- 
stehende anzusehen.  Zwischen  zwei  baumartigen  Stauden  (Weinstöcken?)  steht  ein  in 
der  üblichen  Weise  tun  den  Kopf  (ob  auch  um  die  Hüften,  ist  mindestens  zweifelhaft  > 
mit  Laub  bekränzter  sogen,  wilder  Mann,  der  in  der  rechten  Hand  ein  Schwert,  in 
der  linken  eine  heraldische  Lilie  hält  und  (was  doch  wohl  mit  dem  räthselbaiten 


AltertiramsgeseUsehaft  Prasaia  1886.  ßßl 

Gegenstände  zwischen  den  Füssen  gemeint  ist)  auf  einem  Stück  Erdreich  steht.  Das 
Feld  des  Schildes  möchte  weiss  oder  silbern  zu  tingiren  sein,  der  Mann,  das  Laub- 
werk, der  Basen  und  das  Schwert  ihre  natürliche  Farbe,  die  Lilie  eine  gelbe  oder 
goldene  Tinktur  erhalten.  Die  Deutung  des  Wappens  durch  einen  Heraldiker  in 
München  lautet  der  oben  wiedergegebenen  ähnlich:  Der  wilde  Mann  stehe  in  einem 
der  Kultur  eröffneten  Lande,  was  der  Baumstumpf  zwischen  seinen  Füssen  nebst  den 
daneben  grünenden  Sträuchern  darstellen  solle.  Das  Schwert  bedeute,  dass  das  Land 
erobert  sei,  wogegen  die  Lilie  als  Symbol  der  Kultur  zu  gelten  habe.  Hievon  ab- 
weichend ist  die  von  Archivrath  Philippi  gegebene  Auslegung:  Der  Mann  stelle  den 
Führer  einer  Glevenie  dar,  darauf  deute  die  Gleve  in  der  linken  und  das  Schwert  in 
der  rechten  Hand  hin.  Der  Abdruck  zeige  auch  eine  Rüstung  aus  Fellen.  Der 
Schwanz  des  umgelegten  Balges  hänge  zufällig  zwischen  den  Beinen  herab;  auch  die 
Kopfbedeckung  scheine  aus  Fell  zu  bestehen.  Ein  wilder  Mann  käme  in  den  Wappen 
erst  seit  dem  16.  Jahrhundert  vor.  Uebrigens  habe  der  Magistrat  von  Neidenburg 
gar  kein  Recht  ein  neues  Wappen  der  Stadt  zu  entwerfen,  die  Begutachtung  und 
Berechtigung  ertheile  im  Namen  der  Regierung  das  Staatsarchiv. 

Bei  diesem  Auseinandergehen  der  Ansichten  entschied  sich  das  zur  Anschaffung 
eines  Wappens  in  Neidenburg  zusammengetretene  Contite*  für  die  nachstehende,  auch 
zur  Ausführung  gekommene  Darstellung:  In  silbernem  Felde  steht  vor  einem  Baum- 
stumpfe ein  wilder  Mann  mit  einem  grünen  Kranze  um  Haupt  und  Hüften,  ein 
Schwert  in  der  rechten,  eine  heraldische  goldene  Lilie  in  der  linken  Hand  haltend 
und  von  beiden  Seiten  umgeben  von  jungen  Eichenbäumen,  die  aus  dem  Erdreiche 
hervorgewachsen  sind. 

Vorher  hatte  Hauptlehrer  Matthias  über  einen  Fund  aus  dem  Steinalter 
am  Ladoga-See  berichtet.  Bei  den  Kanalarbeiten  am  Ladoga-See  im  Jahre  1882 
stiess  man  in  einer  Sandschicht  und  darunterliegenden  Torfschicht  auf  Menschen- 
und  Thierknochen  nebst  verschiedenen  Artefacten,  welche  nach  ihrer  Beschaffenheit 
dem  Steinzeitalter  zuzuschreiben  sind.  Die  unter  den  Menschenknochen  befindlichen 
Schädel  näherten  sich  dem  Typus  der  Langschädel,  wie  solche  auch  in  den  Kurganen 
des  mittleren  Russland  gefunden  werden.  Die  Artefacte  waren  aus  Stein,  Knochen, 
Lehm  und  Holz  gefertigt.  Die  Steinsachen  sind  entweder  nur  zugehauen  oder  ge- 
schliffen. Von  erster  Art  sind  zu  nennen  Schraper  von  Hornstein,  Kieselschiefer, 
Lehmschiefer  und  Quarz,  eine  Pfeilspitze  aus  Hornstein  und  ein  Messer  aus  demselben 
Material.  Die  geschliffenen  Sachen  bestehen  aus  Meissein  und  Aexten.  Entere  aus 
Lehmschiefer  gefertigt,  haben  theils  eine,  theüß  zwei  Schneiden;  unter  ihnen  befindet 
sich  auch  ein  Hohlmeissel.  Die  Aexte,  aus  Hornstein  gefertigt,  unterscheiden  sich 
von  jenen  nur  durch  ihre  Grösse.  Ferner  wurden  gefunden  Hacken,  Schleifsteine, 
Messer,  Pfriemen  und  Nadeln.  Als  Schmuck  hat  man  verwendet  kleine  dünne  Platten 
von  Schiefer  mit  Löchern.  Die  aus  Knochen  verfertigten  Gegenstände  sind  zahl« 
reicher.  Hiervon  sind  zu  nennen  Nadeln,  Pfrieme,  Pfeilspitzen,  Spiess-  und  Harpuu- 


662  Kritiken  nnd  Referate. 

spitzen  und  eine  Axt  aus  Elchgeweih.  Auch  Schmucksachen  aus  diesem  Material  sind 
vorhanden,  nämlich  eine  roh  geschnitzte  Menschenfigur  wie  die  eines  Seehundes,  ein 
angeschliffener  Bärenzahn,  eben  solche  vom  Wildschwein  und  andern  Thieren.  Von  au* 
Lehm  gefertigten  Gegenständen  wurden  eine  Menge  Scherben  von  Gefässen  gefunden. 
Dieses  Material  ist  theils  rein,  theils  gemischt  mit  Granitkörnern  oder  zerstossenen 
Muschelschalen  verwendet  worden.  Ein  Prozent  der  Scherben  hat  Ornamente,  an* 
Vertiefungen  und  Strichen  bestehend.  Von  Holzsachen  ist  die  Hälfte  eines  aus  einem 
Baumstamme  hergestellten  Bootes  zu  erwähnen,  1,70  Meter  lang,  0,65  Meter  breit. 
Es  zeigt  eine  Art  von  Rippe,  welche  durch  Stehenlassen  des  Holzes  beim  Aushöhlen 
entstanden  ist.  Die  gefundenen  Thierknochen  gehören  an  dem  Seehund,  Hirsch, 
Rennthier,  Elch,  Auerochsen,  Wildschwein,  Biber,  Hasen,  Wasserratte,  Bären,  Zobel, 
Marder,  Iltis,  Wolf,  Hund  und  Fuchs.  Die  Vogelknochen  gehören  15  Arten  an,  vrm 
denen  hervorzuheben  sind:  Adler,  Singschwan,  Auerhahn,  Wildgans  und  Wildente. 
Von  Fischknochen  sind  zu  nennen  solche  vom  Wels,  Zander  und  Quabbe.  Von  den 
Hausthieren  ist  also  nur  der  Hund  vertreten,  ein  unzweifelhafter  Beweis,  das*  das 
Volk,  welches  hier  wohnte,  nur  von  der  Jagd  und  Fücherei  gelebt  hat. 

Für  die  Geschichte  der  beiden  altpreussischen  Adelsfamilien  von  Kreytzen 
und  von  Lesgewang  hatte  Generalmajor  v.  Au  er  die  Freundlichkeit,  einen  kleinen 
Beitrag  zu  geben.  Veranlassung  dazu  gaben  zwei  alte  Erbschaftsstücke,  die  in  den 
Besitz  der  Gesellschaft  gekommen  waren.  Das  erste  Stück  ist  eine  Truhe  vom  Jahrv 
1616  mit  allen  wohl  erhaltenen  16  Wappen,  von  der  Gesellschaft  erworben  und  dann 
restaurirt,  das  zweite,  ein  Taufzeug  aus  der  Familie  v.  Lesgewang,  Leinwand-,  Seiden- 
und  Mullstickereien,  aus  dem  Ende  des  17.  oder  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  stam- 
mend, mit  welchen  der  Herr  Kultusminister  als  einem  in  historischer  und  kunst- 
gewerblicher Hinsicht  werthvollen  Taufzeuge  das  Prussia-Museum  beschenkt  hat 

Als  Geschenke  und  Erwerbungen  gingen  ferner  dem  Museum  zu:  ein  bronzener 
Schaftkelt  mit  halbkreisförmiger  Schneide,  gefunden  in  Spiegels,  Kreis  Rastenburg, 
mehrere  bronzene  Stifte,  von  denen  einer  eine  Barren  ahnliche  Form  hat,  gefunden 
in  Hülf,  Kr.  Pr.  Friedland,  beides  geschenkt  vom  Majoratsbesitzer  Grafen  v.  d.  Gröben- 
Gr.  Schwansfeld;  eine  Urne  mit  Stehfl&che  aus  dem  älteren  Eisenalter,  gefunden  bei 
Goldbach  Kr.  Wehlau,  ein  Feuersteinmesser  aus  Rügen,  beides  gekauft.  —  Zur  Samm- 
lung von  Gegenständen  des  17.  bis  19.  Jahrhunderts:  ein  silberner  Brautbecher,  ge- 
nannt Dftcklein,  eine  Monstranz,  eine  kleine  messingne  Dose  zu  holländischem  Tabak, 
drei  Schnupftabaksdosen  mit  Elfenbeineinlagen,  von  denen  eine  Friedrich  den  Gr.  in 
ganzer  Figur  zu  Pferde,  die  andere  ein  selten  schönes  Portrait  Friedrich  Wilhelm»  II. 
trägt,  sämmtlich  gekauft;  eine  Schnupftabaksdose  aus  Schildpatt  mit  Silbereinlagen, 
geschenkt  von  Frau  Stock  hausen.  —  Für  die  Bildermappen  und  die  Bibliothek: 
eine  Photographie  des  Hauses  in  Neidenburg,  in  welchem  Gregorovius,  der  Ehren- 
bürger der  Stadt  Rom,  geboren  ist,  aus  dem  Atelier  von  EL  Schumacher,  geschenkt 
vom  Referendarius  Conrad;  ein  Publikandum  gegen  die  Zigeuner  aus  dem  Jahre 


Alterfthumsgesellschaft  Prussia  1885.  663 

1726  und  ein  Lehrbrief,  geschenkt  vom  Architekten  Ballhorn,  ein  Stammbuch  ans 
der  zweiten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts,  geschenkt  vom  Hauptlehrer  Matthias. 
Zur  Münzsammlung  schenkten  Rittergutsbesitzer  Georgsohn  auf  Rödersdorf  polni- 
sche Münzen  aus  dem  Ende  des  17.  und  Anfang  des  18.  Jahrhunderts.  Gekauft 
wurde  ein  Thaler  in  Form  einer  Klippe  von  August  dem  Starken  1696,  in  Königs- 
berg gefunden.  Ferner  schenkten  Gerichtsdiener  Hamann  einen  Achtzehner  von 
Friedrich  II.  1763;  Fräulein  Stornowski  eine  Denkmünze  auf  die  25jährige  Regie- 
rung Friedrich  Wilhelms  ÜL;  Rentier  de  Vry  sen.  eine  Kossuthnote  aus  dem  Jahre 
1848;  ein  Geber,  der  nicht  genannt  sein  will,  eine  silberne  Schaumünze  aus  dem 
Anfang  des  vorigen  Jahrhunderts. 

Hierauf  konstituirte  sich  die  Versammlung  zur  General- Versammlung,  in  welcher 
der  Kassenwart,  Kaufm.  Ballo,  die  Uebersicht  der  Einnahmen  (1683,70  Mk.)  und  der 
Ausgaben  (1782,11  Mk.)  nach  den  von  den  Kassenrevisoren,  Stadtrath  Warkentin 
und  Hauptmann  Ephraim,  für  richtig  befundenen  Rechnungen  vorlegte,  und  er- 
theilte  Decharge.  Hierauf  wurde  Regierungsrath  Singelmann,  vortragender  Rath 
im  landwirthschaftlichen  Ministerium,  zum  Ehrenmrtgliede  der  Gesellschaft  gewählt. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  18.  Juni  1885.  Nr.  139  (Beil.)] 

Sitzung  vom  19.  Juni  1885.  In  der  letzten  Sitzung  vor  den  Ferien  beschrieb  Dr.  Bu- 
jack  ein  Hügelgrab  aus  vorchristlicher  Zeit  in  der  Sadlower  Forst,  Revier  Kekitten, 
Kr.  Rössel,  und  legte  die  aus  demselben  gemachten  Funde  vor.  Die  Aufdeckung  führte 
der  Vortragende  und  Hauptlehrer  Matthias  aus  und  beschäftigte  mehrere  Tage 
hindurch;  denn  es  musste  eine  10  m  lange  Grabkammer  freigelegt  werden.  Dieselbe 
zeigte  sich  zusammengesetzt  aus  einem  ursprünglichen  Bau  und  mindestens  zwei  An- 
bauten. Die  Beigaben  zu  den  verbrannten  Knochen  und  der  Asche  waren  ausser- 
ordentlich spärlich:  sie  bestanden  in  feinem  Bronzedraht  oder  in  Steinen,  die,  in  die 
Urnen  gelegt,  dieselben  durch  ihr  Gewicht  beschädigt  hatten.  So  fest  dieser  Bau 
der  Grabkammer  auch  war,  indem  die  ca.  1  m  hohen  Wände  mit  vierfachen  Stütz- 
steinen gesichert  waren,  konnten  doch  nicht  viele  Töpfe  unversehrt  gefunden,  immer- 
hin aber  durch  Erhaltung  der  Topfstücke  ihr  Profil  und  ihre  Ornamente  erkannt 
werden.  Die  Boden  waren  meistens  alle  in  Form  eines  Kugelabschnitts,  der  obere 
Theil  annähernd  cylindrisch  und  auch  die  Deckel  vertreten  wie  kleine  Schalen. 

Stud.  Voss  hielt  einen  Vortrag  über  die  von  ihm  im  Auftrage  der  Prussia  im 
Juni  d.  J.  geleitete  Aufdeckung  eines  Urnenfeldes  in  Gr.  Thurwangen,  Kr.  Rasten- 
burg, wozu  Herr  Rittergutsbesitzer  Werner  auf  Wangotten  sofort  nach  Kenntniss- 
nahme  von  der  Auffindung  des  Gräberfeldes  freundlichst  eingeladen  hatte.  —  Der 
Typus  der  Urnen,  welche  s&mmtlich  auf  einer  Schicht  Branderde  standen,  und  auch 
von  Branderde  zum  grossen  Theile  umhüllt  waren,  ist  derjenige  jenem  östlichen  Theile 
Ostpreussens,  während  des  älteren  Eisenalters  eigentümliche.  Auch  die  verhältniss- 
mässig  spärlichen  Beigaben,  hauptsächlich  Bronze  und  im  Feuer  versilberte  Bronze, 
wenig  Eisen,  Perlen  aus  Glas,  und  Bernsteinschmuckgegenstände  weisen  ebenfalls 


664  Kritiken  und  Referate. 

auf  die  ersten  Jahrhunderte  n.  Chr.,  in  ihrer  Art  waren  ea  hauptsächlich  Schmuck- 
gegenstande, nnr  eine  sichelartige  Säge  aus  Eisen,  ein  Spinnwirtel  und  ein  eiserner 
Pfriem  deuteten  auch  auf  die  Beschäftigung  der  damaligen  Bewohner,  den  Ackerbau 
und  das  Handwerk  hin,  dagegen  fehlten  Waffen  gänzlich.  —  Unter  den  Schmuck- 
gegenständen  war,  wie  auch  sonst,  die  Pihula  am  meisten  vertreten,  der  Form  nach 
als  Kappen-  sowohl  wie  auch  als  Armhrustfihula ;  auch  mehrere  bronzene  Ringe  und 
eine  Menge  Glasperlen,  zum  Theil  mit  Goldunterlage,  wurden  gefunden,  sodann  aber 
eine  sehr  zierliche  Ohrbommel  aus  Bernstein.  Als  interessant  wäre  noch  das  Auffinden 
eines  am  nordöstlichen  Ende  des  Gräberfeldes  gelegenen  Brandplatzes  zu  erwähnen, 
auf  dem  sich  auf  einer  Schicht  hart  gebrannten  Lehms  verstreut  Scherben,  thefl- 
weise  gemusterte,  Asche,  wenig  Knochen,  ein  Stück  geschmolzener  Bronze  und  eine 
eiserne  Pincette  fanden. 

Drittens  stand  auf  der  Tagesordnung:  der  Wasianskische  Bogenflügel,  welchen 
wohl  schon  vor  mehreren  Jahren  Professor  Zander  dem  Museum  zum  Geschenk  ge- 
macht hatte,  aber  erst  in  diesem  Frühjahr  Professor  Hey  deck  durch  hingebende 
und  angestrengte  sachverständige  Arbeit  soweit  völlig  herstellte,  dass  er  wie  vor 
50  Jahren  wieder  gespielt  werden  konnte.  Professor  Hey  deck  demonstrirte  nun  in 
der  Sitzung,  wie  er  es  in  der  Ausstellung  auf  dem  Moskowiter-Saal  zum  Besten  des 
Kinderhortes  mehrmals  in  der  Woche  gethan  hatte,  den  Mechanismus  und  die  Ton- 
bildung des  Instruments,  welches  seinen  Namen  von  dem  Bogen  der  Violine,  hier 
einem  unendlichen  Bogen,  erhalten  hat.  Die  Beschreibung  des  Bogenflügels  von 
Prof.  Zander,  welche  in  den  Sitzungsberichten  der  Gesellschaft  1881—82  [Altpr. 
Mts8chr.  XX,  492—496]  abgedruckt  ist,  zu  Grunde  legend,  führte  er  aufs  Genaueste 
aus,  welche  Arbeiten  als  die  grundlegenden  der  Mechanikus  Garbrecht  in  technisch 
geschulter  Weise  nach  Wasianski's  Angabe  herstellte,  und  welche  Verbesserungen 
dann  der  Erfinder  selbst  in  laienhafter  Ausfuhrung  anbrachte,  um  den  Ton  zu  ver- 
stärken oder  zu  verbessern.  Wasianski's  Freund,  der  grosse  Philosoph  Kant,  hat 
sich  ja  auch  über  den  Klang  dieses  Instrumentes  und  die  geeigneten  Stücke  zum 
Vortrage  auf  demselben  ausgesprochen.*)  Der  Versammlung  wurden  solche  nicht 
nur  von  Prof.  Hey  deck,  sondern  auch  von  Lehrer  Kirbuss  vorgetragen.  Prof. 
Hey  deck  sprach  zum  Schluss  die  Erwartung  aus,  dass  der  Ton  sich  noch  voller 
gestalten  werde,  wenn  ein  neuer  unendlicher  Bogen  hergestellt  sein  wird,  dessen 
mühevolle  Arbeit  die  Gemahlin  eines  der  Mitglieder  freundlichst  Übernommen  hat 

Die  vorgelegten  Accessionen  für  das.  Prussia-Museum  waren:  zur  Abtheilung 
von  Steingeräthen  14  solcher  Stücke  aus  Feuerstein  von  der  Insel  Rügen,  sämmtlich 
gekauft,  von  denen  5  als  Messer,  1  als  Keil,  3  als  Meissel,  4  als  Beile  (undurchlochte) 
dienten,  ferner  ein  durchlochtes  Beil,  gefunden  zu  Kraussen,  Kreis  Königsberg;  zur 
Abtheilung  von  Gräberfunden  der  erBten  Jahrhunderte  nachchristlicher  Zeit,  2  römische 


*)  Vgl.  Wasianski,  Kant  in  seinen  letzten  Lebensjahren  S.  152. 


AlterthumsgeselUchaft  Prasma  1885.  gg5 

Bronzemünzen  des  Kaisers  Hadrianus,  gefunden  zu  Transsitten,  Kreis  Königsberg, 
sämmtlich  gekauft;  zur  Siegelsammlung  schenkte  Zahnarzt  Dr.  Behrent  den  Gyps- 
ab druck  eines  Petschafts  der  Ordensstadt  Neidenbnrg  aus  dem  14.  Jahrhundert.  Für 
die  ethnographische  Abtheilung  wurde  ein  echtarabisches  Zaumzeug  mit  Zungenring 
erworben  und  eine  Reihe  chinesischer  Bilder  von  Commis  Giesbrecht  geschenkt. 
Die  Mappe  mit  Trachtenbildern  erhielt  eine  Vermehrung  durch  3  Blätter  solcher 
Darstellungen  aus  dem  16.  Jahrhundert  für  Nürnberg.  Zur  Aufbewahrung  im  Mu- 
seum übergab  Regierungspräsident  Studt  einen  schön  ciselirten  Apostellöffel  mit 
Inschrift  und  Wappen  aus  dem  Jahre  1630  und  dem  Verse:  Mit  diesem  leffel  essen 
Gott  nie  vorgessen.  Die  Serie  von  Gegenständen  des  18.  Jahrhunderts  wurde  ver- 
mehrt durch  Ankauf  eines  Weinglases  mit  dem  Namenszug  König  Friedrich  Wilhelm  I. 
Ebenfalls  wurde  erworben  aus  dem  Anfang  des  genannten  Jahrhunderts  ein  Keusch- 
heitsgürtel und  aus  dem  Schluss  desselben  wie  aus  dem  Anfang  unseres  Jahrhunderte 
Trachten  von  Hausfrauen  des  Bürgerstandes  in  ganzer  Vollständigkeit,  wie  zwei 
Artillerie-Uniformen  aus  dem  Jahre  1807  sämmt  Reithandschuhen,  Sporen  und  Reit- 
zeug. Ferner  schenkte  Fräulein  von  Bolschwing  einen  Fächer  aus  der  Zeit  der 
französischen  Revolution  und  ein  kleines  eisernes  Kreuz  mit  geradlinigen  Armen  und 
je  einem  silbernen  Eichenblatt  an  den  Endigungen,  welches  an  einer  Oese  als  Orden 
von  den  Frauen  derjenigen  Offiziere  getragen  wurde,  welche  die  Schlacht  bei  Leipzig 
überstanden  hatten.  Auf  einer  kleinen  Silberplatte  im  Schnittpunkt  der  vier  Arme 
ist  eingravirt  L  (Louise)  und  14.  16.  18.  19.  Oktober  1813,  und  auf  einem  Plättchen 
auf  der  andern  Seite  Germania.  Ferner  wurden  vorgelegt  die  in  dem  Atelier  von 
Gottheil  und  Sohn  angefertigten  Vergrößerungen  der  Portraits  des  Oberlehrer 
Gisevius  in  Tilsit  und  des  Archivrath  Meckelburg,  der  beiden  verstorbenen  Mit- 
glieder der  Gesellschaft,  von  denen  der  Erstere  seine  werthvollen  Sammlungen  dem 
Prussia-Museum  vermacht  und  der  Letztere  dasselbe  mit  1500  Mk.  beschenkt  hatte, 
und  endlich  das  Momentbild,  welches  Seine  Kaiserliche  Hoheit  den  Kronprinzen  den 
4.  Juni  d.  J.  vor  Eintritt  in  das  Prussia-Museum  darstellt,  als  Geschenk  des  Ateliers 
Ton  Gottheil  und  Sohn. 

[Ostpr.  Ztg.  v.  13.  Sept.  1885.  Nr.  214.   (Beil.)] 


Altpr.  Monatsschrift  Bd.  XX IL  Hft.  7  u.  8.  43 


Mittheilongen  und  Anhang. 

Universitäts-Chronik  18S5. 

(Fortsetzung.) 

8.  Oct.  Phil.  I.-D.  v.  Gualtharius  Prell witz  Tilsensis:  De  dialecto  Thessalica.  Got- 
tingae.    Ex  officina  Academica  E.  A.  Huth.    (2  Bl.  u.  64  S.  8.) 

10.  Okt.  Phil.  I.-D.  v.  Richard  Boening  ans  Ginthieden,  Kreis  Königsberg,  Ostpr.: 

Anatomie  des  Stammes  der  Berberitze.    Kgsbg.  i.  Pr.    Hartung'sche  Buchdr. 
(2  Bl.  n.  36  S.  8.) 

17.  Okt.  Phil.  I.-D.  v.  Georg  Reuter  aus  Gumbinnen  in  Ostpr.:  Die  Beyricbien  der 
obersilurischen  Diluvialgeschiebe  Ostpreussens.  Berlin.  Druck  t.  J.  F.  Starcke. 
[Separat-Abdruck  aus  der  Zeitschrift  der  Deutschen  geologischen  Gesellschaft. 
Hft  3.   Bd.  XXXVII.  S.  62I-679J    (63  S.  8.) 

31.  Okt.  Phil.  I.-D.  v.  Otto  Schoendoerfirer  Labiauensis:  De  genuina  Catonis  de 
agricultura  libri  forma.  Part.  I.  De  syntaxi  Catonis.  Begimonti.  Ex  officina 
Hartungiana.  (2  Bl.  u.  92  S.  8.) 
2.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Benno  Hecht  (Borusso-Eylaviensis):  Ueb.  die  Form  der  Lö- 
sungen algebraisch  auflösbarer  Gleichungen  von  Primzahlgraden,  insbesondere 
vom  fünften  und  siebenten  Grade.  Kgsbg.  in  Pr.  Buchdr.  von  B.  Leopold. 
.     (2  Bl.  u.  35  S.  4.) 

4.  Nov.   Phil.  I.-D.  y.  Wilhelm  Hutecker  aus  Girrehnen:  Üb.  den  felschen  Smerdis. 

Kgsbg.  i.  Pr.   Hartung'sche  Buchdr.    (76  S.  8.) 

5.  Nov.  Phil.  I.-D.  y.  Georg  Meyer  aus  Griesen:  Die  Karier,  eine  ethnogr.-linguist 

Untersuchg.   Göttingen,  Dr.  d.  Univ.- Buchdr.  v.  E.  A.  Huth.  (2  BL  u.  28  5.  8.) 

11.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Maximilianus  Seliger,  Hannoveranus:  De  versibns  Oeticü 

sive  Paeonicis  poetarum  Graecorum.    Begimonti.  Ex  offic.  Liedtkiana.  (2  BL 

u.  55  S.  8.) 
14.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Theodor  Sanio  (a.  Königsberg):  Die  Abbildung  d.  Aensseren 

eines  Kreisbogenpolygons  auf  eine  Kreisfläche.  Greifsw.  Druck  v.  F.  W.  Kunike. 

(46  S.  u.  1  Taf.  8.) 
25.  Nov.  Phil.  I.-D.  v.  Theodor  Müller  (a.  Pr.  Holland),  ordentl.  Lehrer  a.  d.  höh. 

Bürgerschule  zu  Kgsbg.  in  Pr.:  Die  Senegal-  u.  oberen  Nigerländer.    Kgsbg. 

Buchdr.  v.  R.  Leupold.    (52  S.  8.) 
Nro.  113.  Amtl.  Verzeichn.  d.  Personals  u.  d.  Studirenden  ...id.  Winter-Semest 

1885/86.  Kgsbg.  Hartnngsche  Buchdr.  (36  S.  8.)   [88  (7  theoi.,  6  Jurist.,  si  medk.. 

44  philos.)  Doc.,  4  Lect.,  4  Sprach-*  u.  Exercitienmcistor ;  853  (240  theol.,  108  Jurist,  Wlmedk., 
264  philos.)  imm&tr.  Stud.  u.  14  z.  Hören  d.  Vorles.  berecht.] 

2.  Dec.  Phil.  I.-D.  v.  Johannes  Danker  aus  Swinemünde:  Experimentelle  Prüfung 
der  aus  den  Fresnel'schen  Gesetzen  der  Doppelbrechung  abgeleiteten  Gesetze 
der  Totalreflexion.  Stuttgart.  E.  Schweizerbart'sche  Verlagsbuchh.  (E.  Koch.) 
(2  Bl.,  S.  247— j90  „Separat-Abdr.  aus  d.  Neuen  Jahrbuch  f.  Mineralogie  etc. 
1885.   Beil.-Bd.  IV."  u.  1  Bl.  8.) 

8.  Dec  Phil.  I.-D.  v.  Gotthold  Hamilton  aus  Willkeim:  Beitrage  zur  Kenntniss  der 
Struktur  der  Hydroxylaminderivate.  Kgsbg.  i.  Pr.  Ostpr.  Ztgs.-  u.  VerL-Dr. 
(2  Bl.  u.  32  S.  8.) 


Altprenssische  Bibliographie  1884.  gß7 

12.  Dec.  Phil.  I.-D.  y.  Paul  Behrend  aus  Tilsit:  Ueber  die  Einwirkung  von  Oial- 
äther  auf  Hydroxy  larain  a.  Aethoxylamin.  Kgsbg.  i.  Pr.  Hartangsche  Bochdr. 
(32  S.  8.) 

17.  Dec.   Phil.  I.-D.  v.  Max  Abraham  aas  Elbing:   Bau  u.  Entwickelungsgeschichte 

der  Wand  verdick  angen  io  den  Samenoberhautzellen  einiger  Cruciferen.   (Sep.- 

Abdr.  aus  PringBheim's  Jahrbüchern  für  wissenschaftl.  Botanik.  Band  XVI.) 

Berlin.    Druck  v.  G.  Bernstein.    (48  S.  8.)  ± 

5 


Altprenssische  Bibliographie  1884« 

(Nachtrag,  Fortsetzung  und  Schluss.) 

Caspary,  Prof.  J.,  üb.  Dermatitis  exfoliativa  neonatorum.  Vortr.  geh.  am  19.  Not.  1883 
im  Verein  f.  wiss.  Heilkde.  [Vierteljahrsschrift  f.  Dermatol.  u.  Syphilis.  N.  F. 
XL  Jahrg.  1.  u.  2.  Hfl]  üb.  Prurigo.  Vortr.,  geh.  in  d.  Versmlg.  ostpr.  Aerzte 
zu  Kgsbg.  in  Pr.  am  30.  Juni  1884.  [Ebd.  3.  u.  4.  Heft.]  Zur  Syphilis-Behdlg. 
Vortr.  [Dtsche  raedic.  Wochenschrift.  Nr.  13.] 

Dagilis,  Lietuviszkas  sziupinis,  isz  svetimu  sanskoniu  ant  naudos  broliams  Lietuviams 
pataisitas,  laida  I.   Tilzeje.  Otto  v.  Mauderode.    (18  S.  8.) 

Drazdauskis,  Antanas,  Giesmes  svietiszkas  ir  szvcntas.  1814  in  Wilna  gedr.,  jetzt 
wieder  aufgelegt  durch  Joseph  Miglovara.    Tilsit,  v.  Mauderode. 

En&8,  Ernst  (Dirschau),  Tetrallylammonium- Quecksilberjodide  als  Producte  der  Ein- 
wirkg.  v.  Allyljodid  auf  weiss.  Präcipitat.   Kostocker  I.-D.  Dirschau.  (54  S.  8.) 

Gebhard,  Fritz  (Gumbinnen),  üb.  Kephir,  seine  Bereitung  u.  therapeut.  Verwerthang. 
Würzburg.    (23  S.  8.) 

Goteblewftki,  Eduard  (Pr.  Stargardt),  üb.  Diphtheritis  bei  Scharlach.  I.-D.  Würzburg. 
(53  S.  8.) 

Graeber,  Ernst  (Marienwerder),  Historisches  zur  Entwicklung  d.  öffentl.  Gesundheits- 
pflege auf  d.  Gebiete  der  Fleischaahrung.   Münchener  I.-D.  Leipzig.  (30  S.  8.) 

£aud*.ftatenber,  (frmlänbijcber,  f.  1885.  29.  3a(?rß.  $r$fl.  n.  3ul.  $oty.  HBraunSberg. 
Supe.    —50. 

Kahsnitz,  Carl  (aus  Lichtenhagen),  üb.  d.  gleichzeitige  Hineinsprechen  in  beide  Ohren 
als  Mittel  z.  Entlaivung  von  Simulation  einseitiger  Taubheit.  Würzburg  1883. 
(26  S.  8.) 

Magnus,  Dr.  A.,  Ein  Fall  v.  vollstand,  vorübergehend.  Taubheit.  [Archiv  f.  Ohren- 
heilkunde.   Leipzig.    20.  Bd.  S.  171—182.] 

Mannhardt,  W.,  Mythol.  Forschungen  a.  d.  Nachlasse  hrsg.  v.  Hermann  Patzig.  Mit 
Vorreden  v.  Karl  Müllenhoff  u.  Wilh.  Scherer.  Strasburg.  Trübner.  (a.  u.  d.T.:) 
Quellen  n.  Forschungen  zur  Sprach-  u.  Culturgescb.  d.  german.  Volker.  LI. 
(XL,  382  S.  gr.  8.)  9.—  rf.  &£  Jftrfr  in:  Ztschr.  f.  dtsch.  Alterth.  u.  dtsche  Litt. 
N.  F.    XVII.  Bd.    Anzeiger  XL  S.  141—164. 

©ebid)te.  2Hit  e.  Sebensffwe  b.  $td)terg.  $anjiß  1881.  Saunier.  (XXXI,  152  S.  8.) 

2. —  fleh.  3. —     Im  Buchhandel  seit  1884.  cf.  Aügem.  Bibliogr.  No.  IL 

9Rareinom£ft,  3-,  ©e&.  ginanjr.,  2>ie  beutfcbe  ©eroerbfcOrbnuna  f.  b.  $rari$  ...  mit 

Kommentar  u.  Slubanfl.  3.  2lufL  Berlin.  £ebmann.  (XXII,  636  6.  ßr.  8.)  10.— 
b.  aefefel.  33e[timmunaen  betr.  b.  $enftomrunß  b.  unmittclb.  Staatsbeamten  .  .  . 

2.  SlufL    Berlin.  2)eder.    (XH,  154  6.  ßr.  8.)  1.50. 
GhraAnjungdbefte  g.  Kommentar  b.  btfd).  Steitbfröeroerbeorbnß.    3.  Sluff.  1.  oft, 

(VII,  55  6.  ßr.  8.)  1.50.    2.  £ft.  (114  6.  gr.  8.)  2.50.    ^Berlin.  Weimer. 
Die  preuBS.  Staatslotterie  vor  d.  Forum  d.  Landesvertretung.   [Finanz-Archiv. 

Ztschr.  f.  d.  ges.  Finanzwes.  hrsg.  v.  G.  Schanz.  I.  Jahrg.  2.  Hft.  S.  100—127.] 
Marold,  Dr.  G.  (Kgsbg  i.  Pr.),  Der  Ambrosiaster  nach  Inhalt  u.  Ursprung.    [Ztschr. 

f.  wisaensch.  Theol.    27.  Jahrg.  S.  415—470.] 
Martttz,  F.  v.  (Tübingen),  Rec.    [Dtsche  Littztg.  27.] 
Maschke,  RicaHus  (Bischofsburg),  De  magistratuum  Romanorum  jure  jurando.  Diss. 

inaug.  bist  Berol.    (32  S.  8.) 
Matzat,  Heinr.,  Rom.  Chronologie.  II.  Bd.  Rom.  Zeittafeln  v.  506—219  v.  Chr.  nebst 

2  Nachträgen  z.  1.  Bde.    Berlin.  Weidmann.  (VIII,  424  S.  gr.  8.)    8.— 
Rec.  [Dtsche  Littztg.  Nr.  2.    Piniol.  Rundschan.  No.  1.] 

43» 


668  Mittheilungen  nnd  Anhang. 

Nerguet,  H.,  Leiicon  z.  d.  Schriften  Cäsars  u.  seiner  Fortsetzer  m.  Angabe  sirnmtL 

Stellen.    Jena.  Fischer.     1.  Lfg.  (144  S.  Lex.-8.)    8.— 
Lexicon  zu  d.  Reden  des  Cicero  .  .  .  Jena.    Mauke.    IV.  Bd.    19. — 30.  Lfg. 

(III,  u.  S.  649-106;").)    ä  2.—  cplt  189.— 
Merkel,  Prof.  Fr.,  Anleitg.  z.  Muskelpräparation  im  Egsbgr.  Präparirsaal.   [Als  Mac 
gedr.]    Kgsbg.  Gräfe  u.  Urzcr.    (2tt  S.  gr.  8.)    baar  nn.  —60. 

Kec.  [Dtöche  Littztg.  23.) 

Meyer,  d.  öffentl.  Impfungen  im  Kreise  Heilsbefg  i.  J.  1884,  ausgeführt  m.  animaler 

Lymphe.    [Vierteljahrsschr.  f.  gerichtl.  Medic.  N.  F.  Bd.  XLI,  2.] 
SRetyer,  Oberlanbeäacricbter.  öcrmann  in  sDtavienrc.,  3nmien?eit  ift,  roenn  e.  Sennin  j. 

Sortfe&a.  b.  münbl.  ©crbbla.  anaefefet  ift,  ba$  im  früberen  Sermine  ©erbanbdft 

bejro.  Seft^cftclltc  311  bcvütffidrtia.  u.  in  b.  $batbe|ianb  b.  Urtbeüä  aufzunehmen? 

[©eiträac  j.  GrWutera.  b.  btf*.  iRcAt«.  3.  Solae.  8.  3afera.  6.  707— 72a]  D» 

Entscheidung  üb.  d.  Kosten  d.  Rechtsstreits.     [Ztschr.  f.  dtsch.  Civüprocess 

Bd.  VII.  S.  281-327.] 
Meyhoeffer,  Ed.  (aus  Kurnehuen  Ostpr.),  üb.  d.  median.  Bebandlg.  d.  Hürtengelenb- 

entzündg.    I.-D.  Greifswalde.    (32  S.  8.) 
Michelson,  Dr.  Paul,  Anomalieen  des  Haarwachsthums  u.  d.  Haarfärbung.  [ZiemsseaV 

Handbuch  d.  speciell.  Pathol.  u.  Therapie,   XIV.  Bd.  2.  Hälfte.  S.  89— 160.] 
Ueb.  Dujardin-Beametz's  „Femme  autographique"  und  Urticaria  facticia  im 

Allgcra.    [Berlin,  klin.  Wochenschrift.  Nr.  6.  7.] 
Miglovara,  Joz.,  Rasztai.   Pirmas  plauksztas.    Tilsit,   v.  Mauderode. 
Minkowski,  primäre  Seitenstrangsklerose  nach  Lues.    Aus  d.  medic.  Klinik  d.  Prot 

Naunjn  in  Kgsbtr.    [Dtsch.  Archiv  f.  klin.  Medic.  34.  Bd.  8.  433—42.] 
Minkowski,  Herrn.,   Memoire   sur  la  theorie   des  forraes  quadratiques  a  coemeients 

entiers.    Paris.  (180  p.  4.)    [Memoires  prdsentes  par  divers  savants  ä  PAcad. 

des  seien c.  de  Tlnstitut  de  France;  extrait  du  t.  29.] 
SWittfreUungett  beS  SSeftpr.  Mrcbiteften*  u.  3naenieut;©eretn$.    oft.  1.    Storni«  1882. 

3ul.  6aucr.  (46  6.  av.  8.)    oft.  2.  1883.    £ft.  3.  1884.    (13  u.  45  6.) 
aKittoeuunaen  ber  litau.  litterar.  ®efeüf*aft.    £ft.  8.  (II,  2.)    £eibelbera.    SBinterl 

Unto.;©u4bblß.  (S.  57-131  ar.  8.)    oft.  9.  (II,  3.)  (6.  133-170.) 
JBföffct,  Dr.  3.,  Xut  öwene  ber  SBobnuna.  [Sdjorer'ä  Samtüenblatt.  ©b.  V.  5fr.  13.] 

2ßa$  ift  aefunbeä  Stintoafier?    [(Sbb.  Dir.  15.] 
3Roat,  $tof.  21uß.,  Loci  memoriales  mr  latein.  Styntar  auä  $i$tern.  II.  Seil:  Sjn- 

taxis  verbi.  (SRealo.*$roflr.)  Silftt.  (74  6.  4.) 
ÜRolbtnbauer,  ©uftaa,  2)ie  litcrar.  ©ilbuna.  b.  beutfd).  ©udfrWnblerS.    ©n  ©etrraa  ni 

bem,  roa$  not  tfcut.    [$eutfd>e  ©udräänblevSttabemie  .  .  .  fytfa-  to.  £erm.  2&tfc 

ba4.  93b.  I.  S.  145—150.  209—215.  257—266.  321-328.  429—432.]  Sfcutftfc 

©üietlolieftionen  in  ibr.  ©ebeuta..  f.  fittteratur  u.  ©ucbbanbel.  [dbb.  ©.  164-71. 

221—31.  271—91.  372—75.  385—401.  454-74.  519-41.]    3um  Äapitel  ber 

©üäerauSftattuna.  [GbD.  6.503—10.  589-99.  635—43.]  Slleranber  3unß.  ©«< 

nefroloaifc&e  Sfijje.  [6.  609-15.]    (Sine  ©emerfuna.  [©.  649—51.]    Sflejanter 

3una  üb.  fiitteratur  je.  [8. 688—90.]  Unf.  ÄoQcItionen.  ©ne  erneute  ©errang. 

[S.  698-714]    3um  ©efcMuffe  b.  erften  ©anbei. 
$ipptl,  üb.  bie  Gbe.    W\t  einleitn.  u.  Slnmerfunaen  frftd-  x>.  ©uft.  gRofoenbauer, 
Wxt  fciWei'S  ©UbniS.  (296  6.  16.)  —40.  Geb.  —80.   [9teciam'3  Unfoerjal« 
©iblioftef.  <Rr.  1959-60.1 
&& ermann,  ©efpräcbe  mit  ©oetbe.  9JKt  ßmleita,.  u.  Sfamerf.  br3fl.  x>.  ®uft.  3RoIben- 
feauer.  3  ©be.  (282,  251  u.  292  6.  16.)    [<5bb.  Kr.  2005—2010.] 
SKolitor,  Ä.,  3n  3cinbe«lanb.  3.    [64orer'3  gamilienblatt.  5.  ©b.  Kr.  13J 
Monatsschrift,  Altpreussische  ...  21.  Bd.  8  üfte.   Kgsbg.   (IV,  700  S.  gr.  8.  m.  4 
C  autogr.  Taf.)    9.— 

Müller,  Prof.  Dr.  Aug.,   Ibn  Abi  Useibla  hrsg.    2  Thle.    Text  u.  krit  Commentar. 

Kgsbg.  (Leipzig,  Köhler's  Antiqu.)  (VIII,  727  u.  LIV,  113  S.  gr.  &)  baar  50.- 

—  —  Rec.  [Götting.  gel.  Anz.  24.  Oesterr.  Mopatsschr.  f.  d.  Orient.  X.Jahr?.  10.] 

MQIIer,  Conrad  (Danzig),  Bau  d.  Molen  zur  zweiten  Hafeneinfahrt  in  Wilhelmshaven, 

mit  Zeichngn.  auf  Bl.  68—70  im  Atlas.  [Ztschr.  f.  Bauwesen.  Jahrg.  XXXIV. 

Sp.  265—280.] 
Müller,  Dr.  Frz.  (Danzig),  Rec.  [Ztschr.  f.  d.  Gymn.-Wesen.  38.  Jahrg.  8.  36—41.] 


Altpren wische  Bibliographie  1884.  669 

Müller,  Max  (Dt.  Krone),  Behdlg.  d.  Pleuritis  exsudativa  mit  Ghlornatriam.    I.-D. 

Greifswalde.    (49  S.  8.1 
MUHer,  Rad.,  Pbanerogamae,  geordu.  nach  natürl.  Familien  m.  besond.  Berücks.  der 

bei  Gumbinn.  wild  u.  angebaut  wachsend.  Pflanzen.   Zum  Gebrauch  f.  Schüler. 

Gambinnen.    (38  S.  8.) 
Mfllverstedt,  Geh.  Archivr.  G.  A.  v.,   Wem  und  welcher  Zeit  gehört  das  Siegel  des 
Hinricus  sacerdos  de  Ealant  an?  [Der  Deutsche  Herold.  XV.  Nr.  11.  S.  152 — 56.] 
Mitttrioh,  Prof.  Dr.  AM  Beobachtungs-  Ergebnisse  der  v.  d.  forstl.  Versuchsanstalt . . . 

eingericbt  forstl.-meteorol.  Stationen  hrsg.   10.  Jahrg.   12  Nrn.  (Bog.)  gr.  8. 

Berlin.  Springers  Verl.    baar  2. — 
©in  neuer  ©aumböbcnmeffer,  confttuirt  rom  gorftmeifter  Älau&ner  in  STOund&en. 

[3eitfd)r.  f.  gorft*  u.  3aabtoefen.  16.  3abrß.  7.  oft.] 
Nadrowski,  R.,  ein  Blick  in  Roms  Vorzeit.  Kultarhist.  Skizze.  Thorn.  Dombrowski. 

(22  S.  8.)    —25. 
Nagel,  Kurt  (aus  Tilsit),  Alexandre  Hardjs  Einfluss  auf  Pierre  Corneille.  I.-D.  (Ausg. 

u.  Abb.  aus  d.  Geb.  d.  roraau.  Philol.   Hft.  XXVIII.)  Marburg.   (36  S.  8.) 
Naunyn,  Zur  Lehre  vom  Fieber  u.  von  d.  Kaltwasserbehandlung.  [Archiv  f.  experim. 

Pathol.  u.  Pharmakol.   XVHI.  Hft.  1/2.] 
Nerie.    Trys  Pamokslai  apie  gaspadoryste,  del  gaspadoriu  sodieczin.    Ragnit.   Alban 

u.  Kibelka. 
3teffe(manit,  Sic.  *ßreb.  %,  CutberS  flatecbtem.,  f.  Scfcule  u.  ßirc&e  auSßefeßt.  8. Slufl. 

Seipjtß.  Mcicbarbt.  (IV,  89  6.  8.)  —40. 
SReu&aur,  Dr.  fi.  (Glbinß),  2)ie  Säße  üom  etoißen  %vtotn.  Seipjiß.  ©inricba'fcbe  93u#&. 

(VII,  132  8.  ßr.  8.)    3.60. 
9?etimann,  2Imt£fler.-sJi.  Garl,  $a8  StufßebotSnerfabren  bind)  SSeifpiele  t>eranf$aulicbt. 

Berlin.  SBeibmann.  (VHI,  411  8.  ar.  8.)    8.— 
Netimann,  Geb.  Reg.-R.  Prof.  Dr.  Carl,   Geschichte  Roms  während  d.  T  jrfalles  der 

Republik.    2.  Bd.   Von  Sullas  Tode  bis  z.  Ausgange  d.  catilinarischen  Ver- 
schwörung.   Aus  sein.  Nachlasse  hrsg.  v.  Dr.  G.  Faltin.    Breslau.  Koebner. 

(VIII,  312  S.  gr.  8.)    7—    (1.  L.  ^-) 
Neumann,  Carl,  Vorlesungen  üb.  RiemannV       orie  d.  Abel'schen  Integrale.  2.  Aufl. 

Leipzig.  Teubner.  (XIV,  472  S.  gr.  8.)  -.       — 
Ueb.  d.  v.  G.  Cantor  u.  P.  du  Bois-Reymm^   üb.  trigonometr.  Reihen  aufge- 
stellten Sätze  etc.    [Berichte  üb.  d.  Verhandln,  d.  kgl.  sächs.  Ges.  d.  Wiss. 

zu  Leipzig.   Mathem.-phys.  Cl.    1883.   S.  18—34.]    Ueb.  e.  neue  u.  einfache 

Methode   zur   Untersuchung   der   Stetigkeit   resp.   Uustetigkeit   mehrdeutiger 

Functionen.  [Ebd.  S.  85—98.]  Ueb.  d.  Verschwinden  d.  Thetafunctionen.  [Ebd. 

S.  99—122.] 
Neumann,  Prof.  Dr.  Franz,  Vorlesgn.  üb.  mathem.  Physik  geh.  an  d.  Univ.  Kgsbg. 

(3.  Hfl)  a.  u.  d.  T.:  Vorlesungen  üb.  elektr.  Ströme  .  .  .  Hrsg.  v.  Prof.  Dr. 

K.  Von  der  Mühll,  Leipzig.    (X,  308  S.  gr.  8.)    9.60. 
Nitechmann,  Heinrich,  Ein  neuer  polnisch.  Dichter.  (Josef  Koscielski.)    [Magaz.  f.  d. 

Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  Nr.  4.]    Die  heutige  Litteraturbewogung  in  Polen.  [Ebd. 

Nr.  21.  22.]    Johann  Kochanowski.  Zum  Gedächtniss  s.  300jähr.  Todestages. 

[Ebd.  Nr.  25.] 
Obricatis,  Ricardus,   de  per  praepositionis  latinae  et  cum  casu  coniunetae  et  cum 

verbis  nominibusque  compositae  usu,  qualis  obtinuerit  ante  Ciceronis  aetatem. 

I.-D.    Kgsbg.  (Beyer.)    (60  S.  8.)    1.20. 
Oehmke,  Rieh,  (lnsterburg),  Tabes  u.  Syphilis.    L-D.   Würzburjg.    (21  S.  8.) 
Dlbenberß,  ftrb.,  ftobann  ©einrieb  SPicbem.    Sein  £eben  u.  Sßirfen.    9tod?  f.  fcbriftl. 

Kacblap  u.  b.  2)Uttblßn.  b.  3amilie  baraefteüt.    I.  93b.    £amburß.    Slßentur  b. 

Stauben  fcaufeS  u.  30.  3flau!e  Söbne.    (XVI,  602  6.  ßr.  8.)    9.— 
Slätter,  flteßenbe,  au«  b.  Stauben  £aufe  ju  &oxn  bei  Samburß.  Oraan  b.  ßentral* 

JluäjcbuffeS  f.  D.  innere  SMiffion  ...  12  £fte.  (2  93oß.  ßr.  8.)  ßbt>.  baar  3.— 

3>asu  Beiblatt.  12  9frn.  (93oß.)    baar  1.20. 
Ortmann,  Paul,  experimentelle  Untersuchungen  üb.  centrale  Keratitis.    L-D.   Kgsbg. 

(Beyer.)    (35  S.  8.)  1.— 
Drtfc$ttft$*»enet<itri#,  alpbabet.,  b.  ÄreifeS  SWobrunßen  m.  Sejeicfcnunß  b.  SlmtSbejirfe 

.  ,  .  2Hobnmßen.  Sari*.    (21  6.  4.)    1.25. 


ß70  Mlttheilungen  und  Anhang. 

Pancritlue,  Paul,  Beiträge  z.  Kenntniss  der  Flügelcntwicklg.  bei  d.  Insecten.   I.-D. 

Kgsbg.  (Nürmbcrger's  Sort.)   (37  S.  gr.  8.  m.  2  Steintaf.)    1.— 
Panten,  Dir.  Dr.,  Danzigs  Rückkehr  unter  Preussische  Herrschaft  im  J.  1814.   York. 

[Ztschr.  d.  Weßtpr.  Geschichtsvereins.  Hfl.  13.  Danzig.  S.  91 — 112.] 
Passarge,  L.,   Sommerfahrten  in   Norwegen.    Reiseerinnerungen,  Natur-  a.  Coltar- 

stadien.    2.  Aufl.   2  Bde.   Leipzig,  Schlicke.  (VI,  303  a.  325  S.  gr.  8.)  10.- 
$au>lcto3fi,  ©ptlefer.  3-  %,  populäre  Sanbeöfunbe  ob.  öanbbucfc  b.  ©eoan  u.  @cf<t- 

b.  $rop.  SBMtpc.  2.  Slufl.    Sxmjig.  £omann.    (118  6.  av.  8.)    1.75. 
fietmattunbe  ob.  Seitfaben  b.  ©eoßt.  u.  Oef*.  b.  $rop.  SBeftpr.    2.  Slufl    <Sbb. 

(23  6.  8.)    —35. 
Perlbach,  M.t  Rec  üb.  Monumenta  medii  aevi  historica  res  gestas  Poloniae  illostrantia. 

VIII.    [Götting.  gel.  Anzeig.  Nr.  13.  S.  527-530.]    üb.  Monumenta  Poloniae 

historica.   T.  IV.  [Ebd.  Nr.  23.  &  924—937.]   üb.  Schirren,  neue  Quellen  zur 

Gesch.  d.  Untergangs  livländ.  Sclbstdgk.   Bd.  L   (Dtöche  Littztg.  13.] 
PetersdorfT,  Gvmn.-Dir.  Dr.  R.,  eine  neue  Hauptquelle  des  Q.  Curtius  Rufus,    Bei- 
träge z.  Kritik  d.  Quellen  f.  d.  Gesch.  Alexanders  d.  Gr.    Hannover.   Hahn. 

(III,  64  S.  gr.  8.)    2  — 
Petong,  Dr.  Rieh.,  Uebersichtskarte  d.  Alpengebietes  für  Schüler  bearb.   1 :  500,000. 

10  Bl.  gr.  Fol.    Elberfeld,  Fassbender.   (Danzig.  Homann  in  Comm.)  6.— 
Pianka,  fflefl..  u.  ©eb.  Webtet.  Dr.,  ©eneraLSBericbt  üb.  b.  üflebiainal*  u.  Sanität** 

roefen  im  9ieß.s©ej.  2ftarieMDerbcr  f.  b.  3»  l802-  SMariem».  Äanterfcbe  $ofbd)br. 

(46  6.  ßr.  8.) 
Vierfott,  $rof.  Dr.  2B.,  Seitfabcn  b.  preufe.  ®ef*i*te  nebft  cbtonoL  u.  ftatift.  Tabellen. 

7.  Slufl.    «Berlin,  Reifer.    (VI,  195  6.  8.)  1.- 
SSrenten&of,  ein  ©ebüfe  gnebriebö  b.  ©r.  [SIuS  aßen  3«te"  «•  Semben.  2.  3a&tfl. 

6.  834—847.] 
Plenio,  Dr.,  Tracheotomie  bei  Diphtheritis.    Aus  d.  chirurg.  Univ.-Klinik  z.  Kgsbg. 

in  Pr.    [Arch.  f.  klinische  Chirurgie.    30.  Bd.  S.  753—780.] 
Plew,  J.  (Strassburg  i.  E.),  Rec.  [Götting.  gel.  Anz.  Nr.  5.   Dtsche  Littztg.  31.  42.] 
Preiss,  Dr.  Hermann  G.  S.,  Grundriss  d.  Gesch.  d.  Musik  z.  Gebrauch  bei  Vorlesgn. 

bearb.  .  .  .  Leipzig,  Lincke.  (VUI,  148  S.  gr.  8.)    2.40. 

3Me  $ot$bammer  Siefenaarbe.  [tfßaba.  "^artafebe  3ta.  *Rr.  197.  198.] 

Prellwitz,  W.  (Kgsbg.),  Kypr.  piva.  [Beiträge  z.  Kunde  d.  indogerm.  Sprachen  hrsg. 

v.  Bezzenberger.   IX.  Bd.   S.  172.] 
Prengel,  Th.,  Beiträge  z.  Tochterschulwesen  d.  Stadt  Königsbg.  Ostpr.   (Beriebt  üb. 

d.  höhere  Privat-Töchterschule  des  Frl.  Marie  Lehmann.)    Kgsbg.   Kiewning. 

(8.  1—8.  4°.) 
SBeiträfle  $ur  ©ef<btd)te  bcS  SöcbterföultoefenS  o.  6tabt  %&bß.  in  $r.    [8&bq. 

ßartrtfcbe  3t«.  *Rr.  116.  121.] 
#ccufr  toeü.  $tr.  JL  £,  bibl.  ©eieb.  m.  93erfitf}14tiöimß  b.  3eitfoIöc  ...  77.  Slufl. 

ÄaSbfl.  Eon.    (Vi,  276  6.  8.)    —80. 
$rcw0e  u.  ©eutföe,  ber  reblicbe.  8.  Äalenber  auf  b.  3.  1884  ...  53.  3a&rg.  2Rey* 

runflen,  SRautenberg.    2Iu3ß.  1:  1.—   2:  —76.  3:  —40. 

Preussen,  Polen,  Litauen  etc. 

Acta  historica  res  gestas  Poloniae  illustrantia  ab  anno  1507  usque  ad  a.  1795. 
Vol.  VI.  Acta  regia  Joannis  III  ad  res  anno  1683,  imprimis  in  expeditione 
Viennen 8i,  gestas,  illustrandas,  edidit  Francisc.  Kluczycki.  Cracoviae 
1883.  (XXXII,  704  S.  gr.  8.  m.  8  Taf.  Facs.)  20.—  Vol.  VH.  Acta  quae 
in  Archivo  ministerii  rerum  ezterarum  Gallici  ad  Joannis  III  regnum 
illustrandum  speetant  continens  ab  anno  1680  ad  ann.  1683.  Ibid.  1884. 
(423  S.)    20.—  (I— VII:  184.-) 

Adler,  der  Ursprung  d.  Backsleinbaues  in  d.  balt.  Ländern.  [Festschr.  d.  Vgl 
techn.  Hochschule  zu  Berlin  z.  Feier  d.  Einweibg.  ihr.  neuen  Gebäudes. 
Berlin.    S.  177—212.  4°.] 

Archiv  f.  d.  Gesch.  Liv-,  Est-  u.  Curlands  .  .  •  hrsg.  v.  C.  Schirren.  N.  F. 
Bd.  X.  a.  u.  d.  T:  Neue  Quellen  z.  Gesch.  d.  Untergangs  livländ.  Selb- 
ständigkeit. Aus  d.  dänisch.  Geh.  Archive  zu  Kopenhagen  .  .  .  Bd.  II. 
Reval.  Kluge.    (IX,  385  S.  gr.  8.)    7.50. 

Ateneum  pismo  naukowe  i  literackie  .  .  .  r.  1884.    (4  Bde.  8.) 


Altpreussische  Bibliographie  1884.  671 

Beitrage  3.  flunbe  ßftfc,  Sfo«  u.  Äurfonbä,  &r3ß.  d.  b.  (SftfrWnb.  Kterär.  ©efeüfcfc. 

3.  39b.  2.  oft.    «Renal,  fllufle.  (S.  113—248  ar.  8.)    2.50. 
f$erg(au$,  Dr.  geinr.,  ©pracbfcbafe  ber  Saffen.  SBörterbd).  b.  plattbentfdj.  6fcrad&e 

...  21.  oft.  Söerltn,  Gifenfcbmibt.  (3,  ©b.  6.  1—80  ßr.  8.)  1.50. 
Codex  diplomaticus  Silesiae.  Hrsg.  v.  Verein  f.  Gesch.  u.  Alterth.  Schlesiens. 
7.  Bd.  1.  Thl.  Bis  zum  J.  1250.  2.  umgearb.  u.  verm.  Aufl.  a.  n.  d.  T.: 
Begesten  z.  schles.  Gesch.  Namens  d.  Vereins  f.  Gesch.  u.  Alth.  Schles. 
hrsg.  v.  Dr.  G.  Grünhagen ...  1.  Theil . . .  Nebst  Register.  Bresl.  Max  &  Co. 
(IV,  400  S.  gr.  4.)  11.— 
Contributlon  an  Folk-Lore.  Chansons  des  bords  da  Ntämen  tradnits  par  Adolphe 

cVAvril.  Paris.  Ern.  Leroux.  1883.  (14  S.  Lex.-8.) 
Denkmäler,  niederdeutsche;  hrsg.  v.  Verein  f.  niederdeutsche  Sprachforschung. 
Bd.  IV.  Norden.  Soltau.  5.—  Inh. :  Valentin  u.  Namelos.  Die  niederdtsche 
Dichtung.  Die  hochdtsche  Prosa.  Die  Bruchstücke  d.  mittel-niederländ. 
Dichtg.  Nebst  Einleitg.,  Bibliogr.  u.  Analyse  d.  Romans  Valentin  u.  Orson. 
Von  W.  Seelmann.  (LX,  138  S.  gr.  8.) 
©ornerb,  %  n.,  eine  Dietfe  burd)  fiitaucn  nacb  Äurlanb  u.  SRiaa.    [Unferc  3^it. 

1884.  oft.  1.  9.  10.    I.  6.  60-80.    II.  S.  401—422.  530—554.] 
Dzieduszycki,  Dr.  Isid.,   der  Patriotismus  in  Polen  in  s.  geschichtl.  Entwickelg. 

Krakau.  Bartoszewicz.  (Wien.  Gerold  &  Co.)  (VIII,  224  S.  gr.  8.)  5.— 
@i<j&orn,  SelbftcrlebteS  u,  ^tacbcr^äblte^  auä  b.  &itn)icfeluna$ßefa)icbte  GbftlanbS 

u.  b.  ei)ft:n.  [florbifdje  iKunbfdjau.  I.  2J 
[©(<$.]  93aron  A.  y.  —  (£iulanb,  Dtonbr.  1883.1  lieb.  ba3  SBorfommen  u.  bie  SBe* 
fcbaffenbeit  be3  ßlcbroilbeä  in  $teu&en.  (Wacb  ÜRittblan.  b.  OberförfterS  2lrt 
in  ybcnborft.)  [ffaäba.  lanb*  u.  forfttuirtbfcbaftl.  3ta.  ftr.  10.  53eil.  <2(u$ 
31.  fcuao'3  3aßbacitunß.)]  Sllbin  ©ener,  ©Ictymlfc  in  3benI>orft.  [Äfläbfl. 
Öartafcbe  3ta.  d.  16.  Oct.  SRr.  244.] 
Estreicher,  K.,   Bibliografia  XIX  w.,  tom  X  zesz.  1  i  2:   Spis   chronologiczny. 

Krakow  1885  (84).  (296  S.  8.) 
Freund,  Assess.  Dr.  Rieh.,  das  lübische  eheliche  Güterrecht  in  ältester  Zeit.  Eine 

Habilitationsschrift.    Weimar.  Böhlau.    (XI,  98  S.  gr.  8.)   2.40. 
©en6e,  Mubolf,  Warienburg.  fiift.  JHoman.  Berlin.  $cubner.  (VII,  291 S.  8.)  4.— 

2>ie  9Marienbura,  ibr  Verfall  u.  ifjre  s-ÖMeber&erftellun0.    [Sonntaa3*23eü.  h 

SoffiM-m  3tfl.  Wr.  13 J 
Geschichtsblätter,  Hcnsische.    Hrsg.  v.  Verein  f.  Hansische  Gesch.    12.  Jahrg. 
1883.  Leipzig.  Duncker  &  Humbio t  (172  u.  XXXI  S.  gr.  8.  m.  photogr. 
Portr.)    4.60. 
Gritzner,  M.,  n.  Ad.  M.  Hildebrandt,  Wappenalbum  d.  gräfl.  Famil.  Dtschlands 
u.  Ocstereich-Ungarns.  etc.  (In  20—30  Lfgn.  a  2.—)  Lfg.  1 — 11.  Leipzig. 
T.  0.  Weigel.    (110  heliotvp.  Taf.  in.  21  Bl.  Text  gr.  4.) 
©um&lottHCa,  £.,  (Sin  politifcbcr  Abenteurer  beä  16.  Qabri?.    93eitr.  3.  ®efc&.  b. 
öfterr.  u.  poln.  ©ejtcbfln.  (SUbrccbt  8a3ti,  <Staro)t  ü.  9ftarienburü.)  [3tid?r. 
f.  allaem.  ©efeb.,  Kultur*,  CiL  u.  tfunftaefeb.  ßft.  9.  6.  712—20.] 
$artner,  (£.,  Unter  Dem  febwarjen  Jlteua.  Jpijtor.  Vornan.  2  23be.  fieipa.  SRei&ner. 

(205  u.  228  6.  8)    6.— 
$eüat,  4$.,  einige  53emerfan.  üb.  b.  üBolfämebictn  b.  Gftcn.  [Si&aSber.  b.  fiel,  eftn. 

©efeüfcb.  *.  $orpat.    501.  ei&>*.    $orpat  1884.    6.  107-124.] 
Jahrbuch  des  Vereins  f.  niederdtsche  Sprachforschung.  Jahrg.  1883.  IX.  Norden. 

öoltau.    (III,  160  S.  gr.  8.  m.  1  Stahlstich-Portr.)    4.— 
Jarochowskl,  Eazim.,    Sprawa   Kalksteina    löTO— 72.    Opowiadanie   historycznc. 
Wydanie  wznowisne.    Warszawa.  Gebethner  i  Wolff.  1883.  (132  S.  gr.  8.) 
Kade,  Bein  hold,  De  Brunonis  Querfurtensis  vita  quinquo  fratrum  Poloniae  nuper 

reperta.    Diss.  inaug.   Lips.  1883.    (32  S.  8.) 
ÄarpeleS,  ©uft.,  bie  SHabjiroillS.  (*ine  tfftor.  eti^e.  [s2Iu3  allen  3eiten  u.  Sanben. 

2.  3abra.  Sp.  459-472.] 
Koch,  Dr.  Adolf,  Hermann  von  Salza,  Meist,  d.  Dtschcn  Ord.  (f  1239).  Ein  biogr. 
Versuch.  Leipzig.  Duncker  &  Humblot.  1885(84).  (X,  140  S.  gr.  8.)   3.20. 

lieber  ben  $>eufiien  Orben  u.  feine  öerufunft  nach  ^reufeen.    Seibclbera. 

Söinter.    (31  6.  ar.  8.)    [cammlß.  ü.  §ßotträöen  \)x*q.  &.  So.  Srommel  ut 
grbr.  $faff.    XII.  ©b.  10.  fcft.]    —60. 


ß72  Mittbeilongen  und  Anhang. 

Sbppen,  gebor  ».,  »ranbenburß  in  Slfrifa.  (SWit  3fluftration:  ÜRajor  Otto  grirtr. 

ö.  b.  ©roeben.    !Ra*  e.  Äupffti*  *.  2lnbr.  6cbarff  au«  b.  §.  1694.)  [Steg 

allen  3eiten  u.  Sanken.  3.  3afcrq.  6p.  329—44.] 
Korrespondenzblatt  des  Vereins  f.  niederdeutsche  Sprachforschung.  VIII.  Jahrg. 

Hamburg.  Norden.  Soltau.   No.  1—6.   (96  S.  8.) 
Krause,  Oberl.  Dr.,  Forschungen  auf  d.  Gebiete  d.  deutsch-slawisch.  Gesch.  io 

d.  erst.  Hälfte  d.  Mittelalters.  Tbl.  I.  Zur  Kritik  des  Cosmas  v.  Prag  u. 

d.  ältest.  Gesch.  Böhmens.    (Beil.  z.  XVIJI.  Jahresber.  d.  Egl.  Gymn.) 

Schrimm.    (22  S.  4.) 
Secfenberß,  Dr.  $1,  9tadmd)ten  über  b.  Orben  ber  SRittcr  non  3>obrin  in  ^reufiau 

[ffiofcnbf.  b.  3obanniter:Orb.*«aUei  Skanbenburo..  ftibrß.  25.  Str.  34.] 
Lehmann,  F.  W.  Paul,  das  Küstengebiet  Hinterpomroerns.  Waodergn.  u.  Studien. 

[Ztschr.  d.  Gesellsch.  f.  Erdkde.  zu  Berl.  XIX.  Bd.  S.  3H2— 404.] 
Lent,  Adolf,  der  Aujrsburger  Reichstag  v.  1555  u.  das  Haus  Brandenburg.  Nach 

d.  Akten  d.  Geh.  Staats-  Arch.  zu  Magdeburg.  Leipz.  I.-D.  Berl.  (44  S.S.) 
Leskien,  Aug.,  der  Ablaut  der  Wurzelsilben  im  Litauischen.    Leipzig.    Hircd 

(192  8.  hoch  4.)   7.—    (Des  IX.  Bds.  d.  Abhdlgn.  d.  philol.-hist.  Cl.  I 

k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  Nr.  IV.  S.  263—454.) 
Ubri  judiciales,  antiquissimi,  terrae   Cracoviensis.    Pars  I,  ab  ann.  1374 — 139*1. 

Editionem  curavit  Bolesl.  Ulanowski.  Krakau.  (Friedlein.)  (XXIII,  361  c 

26  S.  gr.  4.  m.  6  Fcsm.-Taf.)    14.— 
Llske,  Xaw.f  Akta  grodzkie  i  ziemskie  z  czasöw  Rzeczypospolitej  polskiej  z  ir- 

chiwum  tak  zwanego  bernadyriskiego  we  L  wo  wie,  w  skutek  fundaeyi  sw. 

p.  Alexandra  hr.  Stadnickiego  Wydzialu  krajowego,  tom  X.    Lwöw,  Sey- 

farth  i  Czajkowski.    (VI,  542  S.  4°.)    7  zlr  60  cnt. 
Löwenfeld,  Raph.,  Lukasz  Gornicki.    Sein  Leben  u.  seine  Werke.    Ein  Beitrag 

z.  Gesch.  d.  Humanismus  in  Polen.  Bresl.  Koebner.  (IX,  223  S.  gr.  8.)  4.r>". 
Maass,  Wm.,  Schulwandkarte  t.  Est-,  Liv-  u.  Kurlaud  ...  4  Blatt.  Lith.  Imp.-FoL 

Riga.  Kymmel.   9.—  auf  Leinw.  14.— 
Maurer,  R.,  Stanislaus  Ciolek,  Vicekanzler  v.  Polen  u.  Bischof  v.  Posen.  Brodv. 

Real-  u.  Ober-Gymn.    (28  S.  8.) 
Mittheilungen  aus  d.  Gebiete  d.  Gesch.  Liv-,  Est-  u.  Kurlands,  hrsg.  v.  d.  Ges. 

f.  Gesch.  u.  Altthskde  d.  Ostsee-Provinzen  Russlands.    13.  Bd.  3.  Hft 

Jubiläumsheft  z.  6.  Dec.  1884.   Riga.  Kymmel.  (S.  245—452  gr.  8.)  4.35. 
Mollerup,  Dr.  W.,  Daenemarks  Beziehgo.  zu  Livlsnd  v.  Verkauf  Estlands  bis  zer 

Auflösung  d.  Ordenstaats.  (1346 — 1561.)   Mit  Genehmigg.  d.  Verf.  aas  d. 

Dan.  übers,  v.  Woldemar  Ruberg.  Berl.  Siemenroth.  (VII,  171 S.  gr.  8.)  3.tiü 
Monatsschrift,  Baltische,  hrsg.  v.  Frdr.  Bienemann.   31.  Bd.   (12  Hfte.)  (1.  Hft 

88  S.  Lex.-8.)    Reval.   Kluge  in  Comm.    20.— 
Monumenta  medii   aevi  historica  res   gestas  Poloniae  illustrantia.    Tom.  VIII. 

Krakau  1883.  (Friedlein.)    (XXXVIII,  597  S.  m.  4  Taf.)    20.— 
Monumenta  Poloniae  historica:  Pomniki  dziejowe  Polski,    tom  IV,  wjdany  nak- 

ladem  Akademii  umiejetnosci  w  Krakowie . . .  Lwöw.  Gubrynowicz  i  Schmidt 

(X,  99S  S.  4.)  14  zlr. 
SRoraqentfti,  2Ractci,  ba$  £reu$errenfd?Io&  in  2JtarienburQ  beut  unb  bor  fünf 

bunbert  Saferen.    (Sin  Vortrag  in  poln.  €prad)e,  geb.  in  b.  €i|fl.  b.  j* 

tedm.  ©ef.  in  Sembera,  am  4.  Ü/tärj  1882.    3fn  b.  3)tf*e.  übertraft,  turtfc. 

9t.  Sauer.    (44  6.  ar.  8.  mit  Situationen.)  J2Jtittbeilunßen  b.  SBejrpr. 

Slrcbitecten*  u.  3nö«nieur»SBerein«.  oft.  III.  $anaia.  1884.] 
[Dfrfee.]  8m  ^Blicf  auf  bie  pbpftfaltf*.  äSerbältniffe  b.  Oftfee  (m.  93e*.  auf  Sldermann, 

Beitrage  J.  Pbpfiwl.  ©eoßr.  ber  Oftfee.  öambß.  1883.)    [®ata.  20.  3*^ 

6.  129—146.] 
Perwolf,  J.,  Slavische  Völkernamen.  [Archiv  f.  slav.  Philo!.  VII.  Bd.  S.  590-628. 

VIIL  Bd.  S.  1—35.] 
Pettenegg,  Dr.  Ed.  Gaston  Pöttickh  Graf  von,  Spbragisfcische  Mittheilungen  aus 

d.  Dt8ch.-Ordens-Geutralarchive.  Wien.  Selbstverl.  (Frankf.  a.  M.  Bommel 

in  Comm.  1885.)    (40  S.  hoch  4.)  3.— 
Plerllng,  R.  P.,  la  Pologne,  le  Saint- Siege  et  la  Russie.  —  Deux  projets  de  con- 

quete  d1  Etienne  Bathory.    (1582—87.)   [Revue  des  questions  historiques. 

T.  XXXV.  S.  167— 215.J 


Altpreussische  Bibliographie  1884.  673 

Przeglqd  Polski  pod  rcdakcja,  St.  Tarnowskiego.    1884.   Krakow. 
Przewodnik  naukowy  i  literacki,  pod  redakcya,  Wl.  Lozirizkiego  1884.   Lwdw. 
Puncta  in  judiciis  terrestribus  et  castrensibus  observanda  anno  1544  conscripta. 

Abbreviatio   processus  joridici  anno  1641  confecta.    Nunc  primnm  edita 

opera  Mich.    Bobrzynski.   Krakau  1882.    (Friedlein.)    [Aas:   „Starodaw- 

nvch  prawa  polskiego  pomniköw"  tom  VII.  zeszyt  2.]  (8. 195—272.  4.)  4. — 
atiefentüttl,  0.  *>.,  Silber  t>ou  Der  Ojtfee.    @in  »uafhio.  in«  gorfttemer  3benfrorft. 

[Gartenlaube.  38.] 
Rozprawy  i  sprawozdania  z  posiedzeri  Wydzialu  hißt-filoz.  Akad.  umiejetaoß'ci 

t.  XVII.   Krakow.   (406,  XXIX  S.  gr.  8.) 
e<t$,  Dr.  Stoß.,  Tic  beutfdpe  £eimat.  i'anbicbaft  u.  SSolfstum.  Tixt  SlbbÜban.  £aOe 

a.  6.,  $cfcb.  b.  SBaifenbauf.  1885  (84.)    (XII,  660  S.  ar.  8.)  7.50. 
Satter,  gv  $er  tyreujuiebe  Staatäratb  u.  feine  iReacttoiruna.  Unt.  SJemifcfl.  ar4i* 

Dal.  OueQ.    SWt  18  21nlaaen.  Berlin.  $eubner.  (IV,  142  6.  an  8.)  2.50. 
Sami88l0W9ky,  E.,   Herberstein  und  seine  bist.-geogr.  Nachricht,  üb.  Bassland. 

Mit  angeführt.  Materialien  für  e.  hist.-geogr.  Atlas  Russlds.  im  16.  Jahr- 
hundert.   St.  Petersbg.  8°.    (russisch.) 
«artovittd,  (*.,  SBalbpot  ü.  ^affenfreim.  Gpifcbe  Sidtfa.  fieipj.  fiuete.  (VI,  78  6. 8.)  2.— 
&4jiemann,   Stabtarcbtoar  Dr.  £l?eob.,   $te  SKeformatton  2llt=£iölanb$.    Soitr. 

Sftenal.    Älufle.    (32  6.  ßr.  8.)  —80. 
Dtufelanb,  Wen  u.  Siülanb  big  in*  17.  3a!>r&.    »erlin.   ©rote.  (6. 1—160 

ar.  8.  m.  Slbbilb.)    [Mgem.  ®ejd}td)te  in  Sin^elbarfteUfln.,  Mß.  t>.  20.  Onden. 

90.  Slbtb.]  3.- 
Die  Vitalienbrüder  u.  ihre  Bedeutung  für  Livland.    [Balt  Monatsschrift. 

XXXI.  Bd.  S.  305-319.] 
Stiller,  $fr.  3ul.,  $ietro  $aofo  SBerßetio,  e.  römifefc.  3^0*  für  fiut&er.  [ßnanß. 

Äircben:3tvi.  9Rr.  5.] 
«Bluter,  Dr.  &*.,  Ueb.  b.  SlbelSßefücbte  ber  SUnpefeg.  [Stoiber,  b.  fiel,  eftnif*. 

©efettfd).  ju  $orpat  1883.    503.  Sifea.    6.  141-44.] 
Schmidt,  Gouvern.-Revisor  Hofr.  J.  H.,  Karte  von  £h6tland  m.  d.  Kreis-,  Poli- 

zeidistricts-  u.  Guts- Grenzen,  so  wie  den  Plänen  der  Städte,  neu  umge- 

arb.  u.  hrsg.  1:  210,000.    2.  Aufl.  6  Bl.  Lith.  u.  color.  Imp.-Fol.  Reval. 

Kluge.  18.— 
Schneider,  Dr.  Oskar,  Naturwissenschftl.  Beiträge  z.  Geogr.  und  Kulturgesch. 

Dresd.  Kaemmerer  1883.    (4  Bl.,  276  S.)   S.  176-213:    Zw  Beatittnfatß. 
Schottin,  Ober!.  Prof.  Dr.  Reinhold,  die  Slaven  in  Thüringen.    Wissenscb.  BeiL 

z.  Gymn.-Progr.    Bautzen.    (28  S.  4.) 
®ifeunaöberid)fe  ber  ßelefert.  eftnifd),  ©efeüjcb.  j.  Sorpat.  1883.  (Seift.,  ÄöMer  in 

ßomm.)    (IV,  196  6.  8.)  n.  n.  l.~ 
Sitzungsberichte  der  Gesellsch.  f.  Gesch.  n.  Altthskde.  d.  Ostseeprovinzen  Buss- 
lands aus  d.  J.  1  «77— 1881.    Riga.   (2  Bl.,  186  S.  gr.  8.) 
Sfownik  geograficzny  Krölewstwa  polskiego  •  .  .    Zeszyt  37—48.    Warezawa. 

(T.  IV,  963  S.  4.) 
«taatSratfr,  ber,  in  $reu|en.    Wund).  2Wß.  3tß.  108.  109.] 


®tertt,  211fr.,  ein  preufe.  amnifter  (u.  6cbrötter)  ber  SRefotmseit  üb.  b.  Äapita 


[Sie  Nation.  1.  $a&rß.  9tr.  24.1    „3Ba3  ift  ein  ©utSbejifcer  ohne  $p(i)ri 
ßetoalt?"  [@bb.  2.  Qabtfl.  ÜRr.  6.]  Documents  sur  le  premier  empire. 


t*mu3. 
$oli|ei« 
Revue 


historique.   Tome  XXIV.  p.  308—329.   T.  XXV.  p.  82— 107.  J 
Szuio,  Ueber  die  Ureinwohner  zwisch.  der  Weichsel  u.  der  Elbe.    [Correspon- 

denz-Blatt  der  dtsch.  Ges.  f.  Anthropol.,  Ethnol.  n.  Drgesch.  XV.  Jaorg. 

8.  132—143.] 
Szymanowski,   Osw.  Korwin,   Beiträge  zur  Gesch.   d.  Adels  in  Polen.    Zürich. 

Schulthess.   (XI,  103  S.  gr.  8.)  3.20. 
Tuttle,  Herbert,   history  of  Prussia  to  the  Accession   of  Frederic  the  Great 

1134-1740.    Boston..  Houghton,  Mifflin  &  Co. 
Urkundeibuoh,  Hessisches.  1.  Abth.  Urkundenbuchd.  Deutschordens- Bailei  Hessen 

v.  Arthur  Wyss.    2.  Bd.    Von  1300—1359.    Leipz.  Hirzel.   (VI,  663  8. 

gr.  8.)  14.—  [Publicationen  aus  d.  k.  preuss.  Staatsarchiven.   19.  Bd.] 
—  —  der  Stadt  Lübeck.  Hrsg.  von  d.  Vereine  f.  Lübeck.  Gesch.  u.  Altthskde* 

7,  Tbl.  7-10  Lfg.  Lübeck.  Grautofc  (8.  481-800  gr.  8.)  a  3,— 


674  Mittheilungen  and  Anhang. 

Urfcundenbooh,  liv-,  est-  u.  curländisches,  begründ.  von  F.  6.  ▼.  Bunge,  im  Auf- 
trage d.  balt.  Ritterschaften  und  Städte  fortges.  von  Herrn.  HHdebrand. 
8.  Bd.  1429  Mai— 1435.  Riga.  Deubner.  (XXXVII,  687  S.  gr.4.)  n.n.20.- 
(1—8.:  184.-) 

Mecklenburgisches,  hrsg.  v.  d.  Verein  f.  mecklenburg.  Gesch.  n.  Altthskde. 

t3.  Bd.    1351—1355.    Schwerin.   Stiller.    (XX,  715  S.  gr.  4.) .  15.— 
Setfenftebt,  Dr.  Crom.,  ©jtuforte  ber  %\\i  (^ulenfpleael  bcr  fiittauer  u.  3ametten  a. 
Sdjut  3oncfa  fein  ruffifcbe&  (Sbcnbttb.    ÜUlit  Ortßinalf(bn?dnten,  Stretcben  a. 
Saßen  au3  b.  föuffifcb.,  3amait.  u.  Sit.  2pj.  »emtfe**  $erl.  v  (50  6. 8.)  1.- 

sBumrbut  ein  Äulturbämon  v  ber  $eutfcben,  $Jenben,  fittauer  u.  3amaiten.    3Rü 

Orißhialfctß.  o.  fiitauer  u.  Samaiten.  6bb.  1885(84.)  (VI,  33  6.  ar.  8.)  1.- 

Ueb.  das  Kulturleben  d.  Zaroaiten  (Litauer).  [Correspondenz-Blatt  <L  dtseb. 

Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.  u.  Urgescb.   XV.  Jahrg.  4.  5.] 
Verhandlungen  der  gel.  estnisch.  Ges.  zu  Dorpat  12.  Bd.  Dorpat  (Leipzig.  Köhler.) 

(V,  133  S.  gr.  8.)  3.50. 
Vlrchow,   ostpreuss.  Prähistorie.    [Verhandlungen  d.  Berlin.    Ges.  f.  Anthrop., 

Ethnol.  u.  ürgesch.    Sitzg.  ▼.  20.  Dec.  1884.    8.  560—564.1 
Wendt,  Dr.  Georg,  die  Germanisierung  der  Länder  östl.  der  Elbe.  Teilt.  780 — 1137. 

Beil.  z.  Progr.  d.  Ritt.-Akad.  Liegnitz.  (Reisner.)   (91  S.  8.)  baar  1.— 
Wielocki,  Wl.,   Przewodnik  bibliograficzny  .  .  .   Rok  VII.    Krakow.    Gebothner. 

(XXIV,  252  S.  gr.  8.) 
Zinken,  €.,  Bernstein  in  Oesterreich-Ungarn  n.  in  Rumänien.   [Corresp.-Blatt  d. 
dtsch.  Ges.  f.  Anthrop.,  Ethnol.  u.  Urgesch.    15.  Jahrg.  No.  8.1 
Prowe,  Adolf  (Thorn)  der  Buddhismus  in  Deutschland  u.  England.    [D.  Mag.  f.  i 
Litt.  d.  In-  u.  Auel.  Nr.  10.]    John  Morley  u.  d.  freie  Gedanke  in  <L  angel- 
sächsich.  Welt.    [Ebd.   Nr.  25.] 
Prowe,  Leop.  Nicolaus  Coppernicus.  2.  Bd.  Urkunden.  Berl.,  Weidmannn.  (VI,  552  S. 

gr.  8.  m.  5  Facs.-Taf.)  15.—    cplt:  39.— 
^rnt,  6an3,  Sranbenburß  unb  granfretdj  1688.    [$iftorifAe6  $afd>enbu<fc,  &r£a.  *• 
ftoureiibredjer.  6.golße.  4.3afcra.  Seip$tfl.  93rodbau$  1885  (84).  6.  249-286.] 
2)er  Unteraana  be$  XempelbennotbenS.  [4lu8  a&Vn  Qeitcn  u.  l'anbcn.  2.  3afcra. 
6.  1062—1075.    1143  -1163.]    S)er  preu&ifcbe  „ÜRilitatrftaat''.    [3citf*nft  für 
SlUßem.  ©efd?.,  flultur*,  Sitteratur*  unb  flunftßefcbicbte   1884.    Stuttfl.,  Gotta. 
6.  265— *82.]  «Rec.  HBlätt.  f.  lit.  UntHtfl.  3Rr.  9.  12.  14.  18.  22.  28.  3eitM?r. 
f.  b.  aebilbete  ®elt.    V.  <Bb.  6.  94-100.    VI.  33b.  6.  183-190.] 
E.  Mühlbacher  rec.  H.  Prutz,  Malteser  Urkund.  u.  Regest,  z.  Gesch.  d.  Tempel- 
herren u.  d.  Johanniter.    München  1883.    [Mittheilgn.  d.  Instituts  f.  tteten. 
Geschichtsforschg.  V.  Bd.  S.  490—97.] 
Radau,  R.,  Les  Vßtements  et  les  Habitations  dans  leurs  rapports  avec  l'atmosphere. 

Paris,  impr.  et  libr.  Gauthier- Villars.   (97  S.  8.) 
—  —  Sur  la  the'orie  des  refractions  astronomiques.    [Bulletin  astronomique.    Od] 
Sur  les  developpements  de  l'expression   (1 — 2  cs-fa')  —  k.    [Bulletin  des 
sciences  mathem.  et  astron.   2e*  se"rie.    Tome  VIII.   p.  284—285.]    Sur  une 
notation  propre  ä  repr&enter  certains  developpements.  [Comptes  rendus  heb- 
domadaires  des  seances  de  1'  Acad.  des  sciences.  T.  XCVIII.  Nr.  1.  p.  39—41.] 
8ur  la  de'terraination  des  orbites  par  trois  observations.    [T.  XCIX.  Nr.  16. 
p.  643 — 646.]    Addition  ä  une  Note  pre'cddente  sur  la  dltermioation  des  or- 
bites. [Nr.  17.  p.  701.] 
Radde,  Dr.  Gust.,  Ornis   caucasica.   (In  20  Lfgn.)   Kassel.  Fischer.   1.  Lfg.  (32  $. 
hoch  4.  m.  4  Chrom olith.)  Subscr.-Pr.  2.—  cplt.  40.—  Ladenpr.  3.—  cplt  60.— 
Radtke,  Adolf,  Paritäts-Tabellen  f.  d.  Getreide-Handel  (Export,  Spedition  und  ross. 
Commission.)    III.  Aufl.    Verl.  v.  Ose.  Goede,  Kgsbg.  i.  Pr.   (o.  J.)   Debit  f. 
d.  Buchhandel:  Braun  &  Weber.  (2  Bl.  92  S.  8.)  baar  n.  9.— 
Räuber,  Dr.,  froherer  Assistenzarzt  an  d.  Irrenanstalt  Alienben?  bei  Wehlau,  Ein  Fall 
von  periodisch,  wiederkehrender  Baarveräuderg.  bei  e.  Epileptiker,  [Virchow's 
Arcb.  f.  pathol.  Anat.    97.  Bd.   1.  Hft.   S.  50—83  m.  Taf.  IL] 
9ta|m,  «flbmg),  5)ie  ©efebidpte  be$  5Kr*enflefcmabuclje$  in  Oft«  imb  SGBeftpreu&en  I.  II. 

[Ötoanael.  ©emeinbeblatt.  41.  44.] 
Rahnenfihrer,  Carl,  Ueb.  einige  iso-  n.  terephtalylhaltige  Derivate  d.  Hydroxylamiiis 
u.  die  Ueberfthrung  der  Isophtalsäure  in  Meta-,  der  Terephtalsäuie  in  Para- 
phen jrlendiamiD.    L-D.  Kgsbg.  (Beyer.)  (36  S.  8.)  1.— 


Altpreussiache  Bibliographie  1884.  675 

Rahta,  J.,  Meridianbeobachtgn.  auf  d.  Sternwarte  in  Königsberg.    [Astronom.  Nach* 

richten.   Nr.  2569.   Sp.  5—8.] 
^teforotbldtter.    5lu3  bem  Äreife  b.  oftbeutfcfcen  freien  rcliatäf.  ©emctnben.    6rSß.: 

Zb.  $rengel.  5.  3abrß.   12  5Rrn.  ($.)  flö$bß.  »raun  u.  äBeber  in  Gontre. 

balbj.  baat  1.50. 
Rehdans,  Dr.,  glora  b.  nftcbften  UmßCflenb  StraSburaS  .  .  .    2Biffenfc&.  ©eil.  3.  Öfter« 

«liroar.  b.  JtaJ.  ©nmn.  in  etra$bura,  2Beft*$r.  1.  Seil.  (56  6.  8.) 
[Reinhardt]    Briefe  von  Johann  Friedrich  Reichardt.    Mitgetheilt  t.  Ang.  Eschen. 

[Aren.  f.  Litteraturgescb.   XII.  Bd.   4.  Heft.  S.  554-564.] 
Reicke,  R.,   Die  Kant- Bibliographie  d.  J.  Ib83  m.  Nachträgen  zu  früheren  Jahren. 

[Aus  „Altpr.  Monatsschr."]    Kgsbg.    (Beyer.)   (8  S.  gr.  8.)  baar  —40. 
Reissert,  Arnold,  (a.  Powayen  bei  Kgsbg.)   Ueb.  d.  Einwirkg.  v.  Phenylhydrazin  auf 

d.  Cyanhydrine  v.  Benzaldehyd,  Acetaldehyd  u.  Aceton.  I.-D.  Berlin.  (46  6«  8.) 
Reiter,  Dr.  Hugo,   Observation  criticae  in   M.  Terentii  Varronis  de  lingna  latina 

libro8.    [Jahrcsbcr.  üb.  d.  kgl.  Gymn.]   Braunsberg,   Heyne.   (10  S.  4.) 
Stifter,  $rof.  Dr.  2ltib.,  3obanna  Siebte.  <S.  fiebenebilb.  SBortr.  fceirelbera.  6.  SBinter. 

(34  6.  8.)  [Sammln.,  üon  SBovträöen.    £r$8-  &•  9B-  Stommel  unb  grbr.  $faff. 

II.  »b.   10.  $ft.]  -80. 
liefert  Slbfleorbn.,  bliebe  bei  o.  ©ebflc&tnifefeier  f.  Dr.  Gbuarb  Satter  .  .  .  im  ©erlitte* 

£anbroerfen?eretn.    Sanjia.  Äafemann.   (27  8.  ar.  8.)  —40. 
Rieder,  Ober!.  Dr.  Ä.,  I.  Quae  ad  syntaxin  Hebraicam,  qua  infinitivus  absolatus  cum 

verbo  finito  eiusdem  radicis  coniungitur,  planioreni  faciendam  ex  lingua  Graec* 

et  Latina  afferantur.  —  II.  De  linguae  Hebraicae  verbis,  quae  vocaotur  deri- 

vata  nifal  et  hitpael.  [Progr.  d.  Kgl.  Friedrichsgymu.]  Gumbinnen.  (15  8.  4.) 
ftie§,  Subroia,  (a.  ScuticfeÄrone.)   ©efdjicbte  beä  SBablredjte  jum  enaUfcben  Parlament 

im  Mittelalter.  3.=$.  «etfin.  (33  6.  8.)  —  b.  »oüftanb.  Slbbblß.  u.  b.  S. :  ®e* 

fdjicbte  be$  9Bablre*t3  i.  enal.  Parlament.    1.  3ibtb.  3m  Mittelalter.  Seiftia. 

1885  (84.)  Sünder  u.  «pumblot.  (XI,  115  6.  flr.  8.)  2.80. 
Ritthausen,  H.,  Mittheilungen  d.  agriculturchemiseben  Laboratoriums  d.  Universität 

Königsberg    11—15.   [Journal  f.  prakt.  Chemie.  N.  F.   Bd.  29.  Nr.  7.  u.  8. 

5.  351—365.    Nr.  9.  10  u.  11.  S.  448—456.] 

u.  F.  Weger,  Mittheilungen  ...  16.    [ebd.  Bd.  30.   1.  n.  2.  Hft  8.  32—37.] 

SRobett,  griebr.,  $a*  Problem  ber  böcbfteu  äöiftenfojaft.  Gin  erft.  SSerfucb  h  ßinfübra.. 

in  e.  neue  *Pbilofopbie.  Söbau.  Seftyr.  <Sfr$ecjef.  (3J  6.  ar.  8.)  —50. 
Roediger,  J.,  Benutzungsstatistik  der  kgl.  u.  Universii-Bibliothek  zu  Königsberg  i.  Pr. 

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9tcggc,  Slbolf,  $fr.  in  3)arfebmen,  $ef  Äampf  um  Ütabrauen.    SBortraa,.  3nfterburß. 

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Wörter.    Leipz.  l.-D.    Danzig.  Druck  v.  A.  W.  Kafcmann.    (31  8.  8.) 
9toterina,  fianbriebt.  in  find,  Ueb.  3aab,  ättilb  u.  3aaen.  [ttabto  f.  etrafrectot.  32.99b. 

6.  340-360.]    Ueb.  b.  3ueianunq  im  Sinne  ber  §§.  242,  246  b.  fet.*©.»$B,S. 
[$er  ©eriebtefaal.   S3^.  XXXVI.  6.  520—538.  561-575.] 

Rudolph,  A.,  Neuer  Führer  durch  Danzig  u.  Umgegend.  Mit  e.  Plan  d.  Stadt.  2.  verb. 

Aufl.    Danzig  18>5  (84.)   Axt  (32  S.  16.)  —75. 
mW,  granj,  g.  (Sreaoromuä*  „Äatfcr  fcabrian".    [«eil.  j.  (ÜRüncbener)  »Uaem.  3tß. 

mx.  24.]   SHcc.   [£iftor.  3tfdjr.  n.  g.   16.  ob.   3.  fcft.] 
Rydygier,  Dr.  in  Kulm  a.  W.,   Eine  neue  Resectiousmethode  d.  Fusswurzelknochen 

beim  veralteten  Pes  varus.    [Berliner  klin.  Wochenschritt.    20.  Jahrg.  1883. 

Nr.  6.]    Zur  Naphthalinbehandlung.    [Ebd.  Nr.  16.] 
Salkowski,  E.  (e  Leube,  Wilh.),  La  teoria  delT  urina  pei  medici  e  per  gli  studenti; 

tradotta  dal  prof.  Pietro  Giacosa.   Napoli,  Leon.  Vallardi  edit  (96  S.  8.)  L.  2. 
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ehem.  Gesellsch.  17.  Jahrg.  S.  3010 — 12.1   Physiolog.  Chemie.  fJahresber.  üb. 

d.  Leistgn.  u.  Fortschr.  in  d.  gesammt.  Medic.  XVIII.  Jahrg.  Bd.  I.  Abth.  1. 

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Chemie.  VIII.  Bd.  S.  417—466.  IX.  Bd.  S.  8-22.1    Ueb.  d.  Verhalten  der 

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reaktion.  [Ebd.  8.  127—128.] 


676  Mittbelloiigen  and  Anhang. 

•awmliiitft  Wbaa.  Huffafce.  £ft.  5.  lieb.  b.  ¥ffoae  bet  $&antafte  in  b.  SolWiule  19. 

3.  Öö^r.  (23  6.  ar.  8.)  —50.    $ft.  6.  Da«  SBolfelieb  a(*  ©efanaftoff  in  m 

©ementarfdmlc.    9Jon  Set  tau.    2>an*tfl.  8rt.    (23  6.  8.)    —50. 
SamlMlg  Sbakespeare'scher  Stücke  f.  Schul,  hrsg.  v.  Dir.  E.  .Sc hm  id.  Nr.  1.  Julius 

Caesar.  4.  verb.  Aufl.  (78  S.  er.  8.)  Nr.  3.  The  merchant  of  Venice.  3.  verb. 

Aufl.   (75  8.  gr.  8.)    Danzig.  Saunier,  ä  —  60. 
Samuel,  $rof.  Dr.,  üb.  bie  fternofttdr.  [fiumbolbt.  »UtonatSfdjr.  f.  b.  aefammt  Statur? 

miffcnlcbaften.  III,  2.  S.  59—64.]  Die  subcutane  Infusion  als  Behdlgsmethode 

der  Cholera.  [Berl,  klin.  Wochenschrift.  Nr.  28.1   Subcutane  oder  intravenöse 

Infusion  als  Behandlungsmethode  d.  Cholera.   [Ebd.    Nr.  40.  41.) 
8tflfo,  Th.  (Kgsbg.),  Beweis  f.  den  in  T.  LXX  S.  224  gegeb.  Ausdruck  d.  Zahl  «. 

[Archiv  d.  Mathem.  u.  Physik.  2.  Reibe,  I.  Tbl.  S.  105—107.] 
©djatf,  ».  (©bina),  $.  Unterflana  b.  Xemplerorbend.    [$eutf<b.  Slbefeblatt.  IL  3<ibrft. 

3Rr.  10.]    ©ne  6ee«(Srpebitton  qu$  ^reufeen  1398.    [ßbb.  9tr.  35—37.] 
Sohade.  Osk.,   Paradigmen  z.  deutsch.  Grammatik,  gotisch,  althochdeutsch,  mittel- 

nochdeutsch,  neuhochdeutsch,  f.  Vorlesungen.    4.  Aufl.  (101  S.  gr.  8.)   Halle. 

Waisenhaus.    1.50. 
Soheffler,  Alb.,  de  Mercurio  puero.    Dies,  inaug.    Egsbg.  Bejer.  (53  S.  8.)    1.20. 
Gcfeeffner,  30b.  (Skorae,  Sfacblieferunoen  ju  meinem  fieben  nad)  beftem  SBiffen  u.  <3«* 

roiffen,  ftetS  mit  rraftigem  2BoÜen,  oft  mit  fdjmadjem  Jfbnnen.    Sehnig.  9te$tter. 

(151  6.  8.)    3.— 
Soheflonu,  0»»  Beiträge  zur  Wirkung  des   deutschen   Aconitin  auf  die  Athmung. 

Münchener  I.-D.  Karlsruhe.  (22  S.  8.  m.  1  Taf.) 
Sohenkendorf. 

ealemcn  fiubm.,  3u  Sßar  *.  6*entenborr$  100.  ®eburt*taß.  2Rit  $ortr.  [3flnftr. 


3trt.  Mr.  2U0J 
Fritz,   "     ~ 


Jonas,  Fritz,  Zu  Schenkendorfs  Christi.  Gedichten.  [Archiv  f.  Litteraturgeseh, 
XII.  Bd.  S.  643-44J 
SeMefftrtfeoker,  Dr.  Paul,  zur  Kenntnise  d.  Baus  der  Schleimdrüsen.  [Archiv  f.  Mi- 
kroskopische Anat  23.  Bd.  S.  382—412  m.  Taf.  XIX  u.  XX.  Nachrichten 
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des  Stutzgewebes  der  Retina.  [Ebd.  Nr.  7.  S.  294—303.]  Beitrage  z.  Kennta. 
d.  Drüsen  d.  Magens  u.  Duodenums.    [Ebd.  S.  303—306.] 

Jittbonrifi,  Hob.,  bie  »lumenjudpt  im  3immer.  S)anjia.  Slxt.  (61  6.  16.)    —50. 
leittter,  $aulf  eire  SReife  nad)  5Bien  (©ottfdjeb  u.  b.  ©ottfaebin  bei  ftaiferin  SRarta 
2*erefw).    [Deutfcbe  2öo*enfdmft.  2.  3a&ra.  Hr.  35.]    $on  bidjtenben  grauen. 
L  Slaraaretbe  *.  SBfilom.   [S)ie  Lotion.  2.  3abr«.  $lx.  8.]    IL  Offtp  6*ubtn, 

E91r.  9.]  UI.  @mil  3Narriot.  [9lr.  11.]  S)a«  „3)eurfd>e  Sbeater"  a.  feine  ®eaner. 
(Sbb.   1.  3<>bra.  9far.  40.1    Lettre  de  Berlin.    Wilhelm  Scherer  et  les  Etudes 
itteroires  historiquer.    [Kevue  internationale.  I.  annee.  Tome  I.  p.  352—356. 
T.  IV.  p.  828—834.]    Rec.  [$ie  Nation.   1.  3afctfl.  Er.  44.  2.  3afrrfl.  Kr.  4. 
Dteche  LZ.  Nr.  4.  7.  25.  28.  31.  37.] 
Sohnld.  Dir.  E.,  Wörterbuch  zu   Shakespeare^  Julius  Caesar  (25  S.  gr.  8.)  .  .  . 
Merchant  of  Venice  (21  S.)  .  .  .  A  midsummernights  dream  (23  S.)  a  20.— 
Danzig.  Saunier, 
etfmtbt,  Julian,  3Hoberne  effatfften.  [S>te  ©eacnmart.  8b.  XXVL  9tr.  48.]  «©etbe* 
„feeitber.  [ffieftermannS'  iQufir,  btf*e  ÜJtonatSbefte.  »b.  LV1I.  6.  114—129.] 
Bec  pßreufc.  Sabrbb.  53.  ©b.  £ft.  2.  3.  4.  5.  6.  54.  »b.  $ft.  2.  3.  6.  3Hf*e 
Hunbfdmu.  10.  3abra.  12.  oft.] 
Sohmhtt,  Max,  die  Aquarell-Malerei.    Bemerkungen  üb.  die  Technik  derselben  .  .  . 

5.  verro.  Aufl.    Leipzig.  Grieben.   (79  S.  8.)    2.— 
Cfftnüfc,  Oberiebr.  Dr.,  ßeffuißS  öamburaifcfce  S)ramaturaie  au?  Skbußectflre.    Seil.  5. 

©pmn.^roar.  2öeb(au.    (24  6.  4°.) 
e^nettet,  Ueb.  £efen  u.  6d?reiben.  Sortr.  3)ang.  Saunier'*  Sudft.  (44  6.  8.  m.  2  Zal) 
Schopaahaiier,  A.,   Pens^es  et  fragments.    Traduite  par  J.  Bourdeau.    4me  e^ition. 
Paris.  Alcan.  (231  S.  8.)    2  fr.  50  c. 
B.,  Chr.,  Schopennauer  Üb.  d.  Nutzen  d.  Lateinlernens  u.  d.  latein.  Aufsatzes. 

[Berl.  Philol.  Wochenschrift.  4.  Jahrg.  8.  253—256.] 
Bonrdeaa,  J.,  le  bonheur  dans  le  pessimisme.   Schop.  d'apres  aa  corresponden«. 
[Revue  des  deux  mondes.  LIV.  annee.  Tome  64.  4e  livr.] 


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gfranettftdbt  3ul.,  Slrt.  <5d>oö.  fiicbtfirablen  au£  f.  Werfen.  3Rit  e.  »ioaratoble  u. 

Gbarafteriftif  6*.'$.  6.  2lufl.  Seimia.  1885  (84).  (XXVIII,  282  6.  8.)  3.— 
Hartmann,  Ed.  v.,  Mein  Verh&ltniss  zu  Schopenhauer.  [Phil.  Monatshfte.  XX.  Bd. 

5.  32-42.] 

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Lorm,  Hieronymus,  Ein  Denkmal  gegen  Schopenhauer.  [Das  Magazin  t  d.  Litt. 

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Mlramont,  la  femme  d'apres  Seh.    [La  nouvelle  Revue.   15.  Oct] 
Moschettini,  La  radice  quadrupla  del  prineipio  di  raggiono  sufficiente  di  Schopen- 
hauer owero  la  teorica  della  cognizione.    Consenza.  Principe. 
N.,  L.,  Ueb.  Scbopenbauer.  [2Jtüncbener  2lü*a.  3tß.  9*r.  158  (Seil.).  159.] 
Noel,  Roden,  Schopenhauer.  [The  Academy.  Nr.  624.] 
»i&betf,  28.,  3um  Scbopenbauer^enemat.  [3)te  Nation.  3lr.  28.] 
9t5flerr  Gonftantin,  @in  $enfmal  f.  s2lrtt>.  6(&open&auer.  [$reufc.  3a&tbb.  53. 9b. 

6.  493-502.] 

»Me,  $rof.  Dr.  3.,  3htb.  8*openfower.  3ur  $&arafteriftit  f.  $erfönU*teit  u.  f. 
SebenS  in  ibrem  (iinfluffc  auf  f.  $effimi£mu£.  [3tf*r.  f.  $Wof.  u.  Mlof. 
Äritit.    84.  93b.  ©.  214—248.] 

G$ent,  2>ir.  2lua.,  ©efd).  bei  ^äbaaofltt  in  Sorbilbevn  u.  Silbern.  11.  Slufl.  Seipjifl. 
$ütr.    fVIII,  361  ©.)  4.— 

Schrader,  Adolf  (aus  Paddeim  Ostpr.),  Ein  Grosshirnschenkelherd  mit  seoundären 
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Schreiber,  Prof.  Dr.  Julius,  üb.  Fischvergiftung.  [Berliner  klinische  Wochenschrift. 
Nr.  11.  12.] 

Schreiber  (Kgsbg.),  Experimentelle  Untersuchungen  üb.  d.  Kniephänomen.  (Vortrag.) 
[Vernandlgn.  d.  Congresses  f.  innere  Mecucin.   Wiesbaden.  S.  341—346.] 

Schriften  d.  naturforsch.  Gesellsch.  in  Danzig.  N.  F.  6.  Bd.  1.  Hft  Danzig.  Anhuth 
in  Comm.  (XLI,  303  S.  Lex.-8.)    8.— 

Schriften  d.  physik.*ökon.  Gesellsch.  zu  Kgsbg.  i.  Pr.  25.  Jahrg.  2  Abth.  gr.  4°. 
(1.  Abth.  VIII,  134  u.  37  S.  m.  1  Steintaf.)  Kgsbg.  Koch  &  Beimer  in  Comm. 
baar  n.  6. — 

Schroeter,  H.,  Beitrage  z.  Theorie  d.  elliptisch.  Funktionen.  [Acta  mathematica  5:2. 
Stockholm.  S.  205—208.  4°.]  Lineare  Constructionen  z.  Erzeugung  d.  kubi- 
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Schubert,  Bud.,  Gesch.  d.  Könige  v.  Lydien.  Breslau.  Koebner.  (132  S.  gr.  8.)  3.— 

Schach,  H.,  Gerichtsbücher  d.  Stadt  Berent  aus  d.  17.  Jahrh.    [Ztechr.  d.  Westnr. 


Geschichtsvereins.  Hft.  XIII.  Danzig.  S.  75—90  gr.  8.1 

j.Sabro,  52%rn.  (a  !AStoa.  flt.  4.)  Stanj. 
eäul'Strorbnitnafifilatt.  iRebaction:  $aul  Optfe,  Stonjik    SBcrL  Stanj.  Hrt 


e^ulblatt,  preufe.  .  .  .  Ö.äabra,  52%rn.  (a  !AStoa.  flt.  4.)  Stanj.  ilrt.  toiettclj.  1.— 


Schwarzlose,  Friedr.,  Die  perforirenden  Schüsse  der  Lunge  ohne  Knochenverletzung. 

I.-D.  Berlin.    (48  S.  8.) 
etfwertn,  Sofepfrine  ©rdfin,  3m  SBecWet  ber  Seiten.   Vornan,   »erlin.  ©ofofeferaibt. 

(212  <S.  12°.)  1.— * 
SeiUbenflrüfce.  [6onntao>9Matt  5lr.  25-32.]  $et  £ew  S»ajor.  [ÄaSbö.  $artaflfe 

3tg.  Mr.  211  ff.] 
Seemann,  Dr.  0.  ©.,  üb.  ben  Urfpruno  ber  6pra#e.   (Sorfeoß.)   fieipafo.  griebtia). 

(33  S.  8.)  —50. 
3)er  ©eelencutt  ofö  Äeimform  ber  »eliafon.    [3>ie  Station.  1.  3a&rg.  Sir.  27.] 

6inb  bie  graßen:  ©ort,  greibeit  u.  Unfterblüteit  »on  Seffina  beantwortet?  [<&b. 

5Rr.  31.]    Aus  d.  Kindheit  des  Geistes.    Leipzig.  Friedrich.    [Du  Magazin  £ 

d.  Litt  d.  In-  u.  Ausl.  Nr.  8.] 
Cfettegaft,  Dr.  phil.  öenrg,  bie  ffiertfebeftimmfl.  b.  ©etreibe*  aU  ©ebrauo)**  u.  ^anbete* 

»aare.  Sßerfucb  h  »uffteUfl.  e.  SBomtirnnflSfoftem*  b.  ÄötnerfriU&te.  £abiktatum$* 

febeift  .  .  .  SetpBiQ.  god  in  60mm.    (75  6.  8.  m.  2  8eU.)    1.50. 
Setfegast,  H.,  die  deutsche  Landwirthschaft  v.  kulturgeschichü.  Standpunkt  [Landw. 

Jahhrbb.  XUI.Bd.  S.  177-214.]  (auchsepar.  Berlin.  Parey.)  (33S.gr.  8.)  1.— 


678  Mitlheilungen  und  Anhing. 

Seydel,  Dr.  C.  (Kgsbg.  i.  Pr.),  Seltener  Fall  von  inn.  Verletzung.   [Vierteljahrs^  rift 

f.  gerichtl.  Med.  u.  öffentl.  Sanitätswes.   N.  F.   XL.  Bd.   S.  295—299.] 
Sleffert,  Prof.  Dr.,  Rec  [Dtsche  Littztg.  Nr.  32.    Theol.  Littztg.  Nr.  26.] 
Siegfried,  R.,  die  Rechte  der  Aktionäre  u.  d.  Schutz  ihrer  Interessen  nach  d.  neuen 

Aktiengesetz  vom  18.  Juli  1884.   Berlin.  Hände  u.  Spener.  (III,  638.  8.)  1.— 
Die  Börse  nnd  die  Börsengeschäfte.    Ein  Handbuch  f.  Bankiers,  Juristen  o. 

Kapitalist.  (XII,  779  S.  8.)  [Salines  Börsen-Papiere.  1.  Thl.  4.  Aufl.]  Ebd.  9.20. 
•lerfe,  <$u&en,  ba8  Gnbe  einer  toeftflefcbtcbtl.  Seßenbe.  [$ie  ©renjboten.  3far.  37.1    $ie= 

motten  bet  lefcten  Siebe  öeinrid?  £eine*$.  |6<borer'3  gamüienblatt.  5.Sb.  "Sr.14. 

18.  21.  26.  28-  37.  41.  48.    6.  ©b.  Hr.  1.  2.  5.  20.]    3)ie  $*effc  b.  Sinbf. 

[Äa«ba.  fcartaf*e  3lfl-  %t-  186.  1.  »eüj 
Sieroka,  Otto,  zu  Ciceros   zweiter  Philippica.    [N.  Jahrbücher  f.  Philo!,  n.  Padag. 

129.  Bd.   S.  616.] 
Cteba,  8L,  torsgefa&te  latetn.  Formenlehre  f.  b.  unt.  Älaff.  bö&.  fiebranftalten.    £tf&c 

Srone,  fltebattb.    (70  6.  ßr.  8.)  1.— 
«fctma* beriete  b.  SUtertbumSßefeÜfcbaft  $ruffia  in  Äßäbß.  i.  %x.  im  39.  SereinSjafer. 

(XII,  205  6.  ßr.  8.) 
Skmczta,  die  Ausführung  des  Nahrungsmittelgesetzes,  futsche  medic.  Wocheoschr 

Nr.  2-4.] 
Colbaten'Sieber,  ÄömßSberßer.    Äß*bß.    ßartuna.    (48  6.  12°.)    —30. 
eteffeitbageit,  £m\\,  u.  2lufl.  ffiefccl,  DD.,  bie  ÄfofterbibUotbef  }u  »orbeS&olm  u.  bie 

©otioifer  ©ibliotbef.    $rei  biblioßrapbifcbe  Unterjucbunßen.  Äiel.  Uniüerf.:33ud?b- 

in  (Somm.    (VII,  232  6.  ar.  8.)    6— 
Der  Gottorfer  Codex  der  Notiüa  Dignitatum.  [Hermes.  XIX.  Bd.  S.  458 -61.] 

Die  Entwickig.  d.  Landrechtsglosse  d.  Sachsenspiegels.  IV.  Die  Tzerstediscfce 

Glosse.  [Sitzgsber.  d.  ksl.  Akad.  d.  Wiss.   CVI.  Bd.  S.  19?— 234.]  auch  separ. 

(40  S.)  -60.  (I-IV.  2.80.)    Sin  ©ober  iHanjo&ianu«.    [ätfebr.  b.  ©efeüf*.  f. 

ScblcSro.sßolfteim£auenburß.  ©efeb.   14.  99b.  6.  303— 312.J 
•tetn&erg«G!irb3,  ©enerabärat  j.  £.  Dr.  x>.,  bie  alters*  unb  3n*oliben4BerJt4ennt0. 

SJorfcbläße  ju  ibr.  SBernwflicbß.    Serlin.  tforttampf.  (42  6.  ar.  8.)  —60.  and? 

[3eitfraßen.  ©ft.  14.  d.  Slbtfc.  €ocialpolirtt.] 
Stobaeus. 

Fisoher,  Dr.  L.  H.,  Joh.  Stobaeus  ein  Mitglied  d.  Königsberger  Dichterkreises. 
[Monatshefte  f.  Musik- Gesch.   XVI.  Jahrg.  S.  89—91.] 
Ätobbe,  2luß.,  geftfpiel  g.  75jäbr.  3ubelfeier  b.  ©rridjtß.  b.  berjoßl.  SBraunfcbroeiaf*. 

3nfant.*<Reßim.  *Rr.  92  .  .  .  93taunf*».  ©oerife  &  ju  $utlifc.  (56  6.  8.)  1.— 

2.  »ufL    -50. 

etobbe,  Otto,  ßanbbucb  b.  beutf*.  ^rfoatrecbts.    4.  93b.  1.  u.  2.  Stuft,  »erlin.  £erfc. 

(VII,  548  6.  ar.  8.)   10.-  (1-4:  42.60.) 
—  —  Ueb.  die  rechtliche  Natur  der  allgem.  ehelichen  Gütergemeinschaft.    Leipzig. 

(18  S.  8.) 
Cfte&tfefi,  beridbttßenbc  ©emertunßen  üb.  b.  ^tftor..fleoör.  Unterricht.    [9(&Uer  f.  ^ 

©cbulwefen.    1.  3abrß.  Jlr.  9.] 
etteblfe.  ©oetbc'3  ©riefe.  21.-27.  £fe.    ©erlin.  $em»el.  (2.  »b.  6.  481—543  «. 

3.  »b.  S.  1-247.)  ä  1.— 

Szmann,  Dr.  L.,  Eine  lebensrettende  Infusion  von  Kochsalzlösung.    [Berl.  klinische 

Wochenschrift  20.  Jabrg.  Nr.  21.) 
Xaufte,  ©eneralfupermt.  <5mil,  $raft.  2lu*leaß.  b.  $falmen  ...  3.  $ft.  ($falm  51-75.) 

3.  Slufl.  SBerlin.  ©aertner.  (148  6.  ßr.  8.)  a  1.80. 
Telohtrt,  Paul,   de  fbntibus   Quintiliani  rhetoricis.    Diss.  inaug.    Kgsbg.    (Beyer.) 

.  (58  S.  8.)   1.20. 
Thomas,  A.,  Lettische  R&thsel.  [Magazin  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Ausl.  52.  Jahrg.  Nr.  19.] 
S(oma*,  Dr.  ©.,  bafi  äßniß!.  Oftfeebab  Grana  b.  ÄßSbß.  t.  $r.  2.  burd?  Dr.  6<bubcrt 

toeroollftänb.  SufL  m.  7  3Uu)tr.  u.  5Bentfcber.   Gran*.  ©abe-Senvatt^  u.  Äß*bg. 

©rdfe  u.  Un$er  in  (Eomm.    (66  6.  gr.  8.)    baar  1.60. 
Tlohelmann.  Ludov.,  de  versibus  Jonicis  a  minore  poetas  graecos  obviis.  Diss,  inaog. 

Kgsbg.  (Bever.)  (64  S.  8.)  1.20.  seit  Juli  1885:  (Gr&fe  &  Unzer.)  baar  1.— 
Tiefe  (Braunsbg.  Ostpr.),  Unterricht  in  d.  Stenographie«    [N.  Jahrbuch,  f.  PhiloL  u. 

Padag.  130.  Bd.  S.  427-434.] 


Altpreussiache  Bibliographie  1884.  679 

Tischler,  Dr.  Otto,  das  Ausgraben  v.  Urnen  n.  deren  weitere  Behandig.  (Nachtrag.) 
[Correspon  den  z -Blatt  d.  dtsch.  Gesellsch.  f.  Anthropol.,  Ethnolog.  u.  Urgesch. 
15.  Jahrg.  S.  57—60.]  Fände  aas  d.  Kaukasus.  [Ebd.  S.  126—130.]  Unter- 
suchungen der  Emails.  [Ebd.  S.  179—183.] 

Poppen.  Dr.  gugo,  üb.  $araßuan  aU  Sanb  für  beutfcbe  Solomfoiton.  [©Iobui.  45.  93b. 
ytt>  22.]  Corsica.  (Vortr.  gehalt  in  d.  geogr.  Gesellsch.  zu  Hamburg.)  [Mit- 
tbeilungen d.  Geogr.  Gesellsch.  in  Hambg.  Hft.  I.  S.  1 — 25»] 

Tornter,  Alfred  (ans  Gr.  Lichtenau  Westpr.),  zur  Behandig.  septischer  Processe  nach 
complicirten  Fracturen.    I.-D.  Würzburg.   (20  S.  8.) 

Treiohel,  A,,  Drei  Amtsschreiben  aus  d.  Kirche  zu  Boreken.  [Separat-Abdr.  ans  cL 
Altpr.  Monatsschr.  Bd.  XXI.  S.  513— 516.]  A  u.  0  der  Satorformel.  [Verhdlgn. 
d.  Berl.  anthropolog.  Gesellsch.  8.  66—70.1  Bericht  üb.  Prähistorische  Fund- 
stellen aus  Westpreussen.  [Ebd.  S.  71 — 737)  Bemerkgn.  üb.  Klucke  u.  nordi- 
schen Botenstock.  [Ebd.  S.  74—77.]  Beriebt  üb.  d.  Schlossberg  bei  Tolkemit 
in  Westpr.  [Ebd.  S.  194J  Ber.  üb.  e.  Bargwall  bei  Paleschken  u.  üb.  e.  Erd- 
fall bei  Bowno.  [Ebd.  S.  319—323.]  Mittheilgn.  üb.  Hochzeitsthaler.  [Ebd. 
S.  323 — 327.1  Ber.  Üb.  e.  Oehsen-Ume  von  Wahlendorf  n.  Beschreibung  des 
Zamkowisko  bei  Gorrenczin.  [Ebd.  S.  383—384.]  Hochzeitsgebrauche  besond. 
aus  Westpr.  [Ztschr.  f.  Ethnologie.  XVI.  Jahrg.  S.  105—133.]  ÜRadbtraoe  ju 
b.  Steinfagen.  [3tfd)r.  b.  biftor.  SereinS  f.  b.  9Rea..s33ej.  SRarientoerber.  £ft.  13. 
<een.s2lb*.  4  6.  8.)]  Sie  $u&iger  <Rat&&2lr*h)aUen.  [<lbb.  (Sep.*3lbj.  45  &  8.)] 

Trenck,  Friedr.  v.  d., 

Reumont,  v.f  Friedr.  v.  d.  Trenck  in  Aachen  1765—1780.  [Ztschr.  des  Aachener 

Geschichtsvereins  VI,  1 — 3.] 
Wing,  'ÜDtar,  ^ringefpu  Slmalia  non  Sreufien  w.  greiberr  SJriebr.  n.  b.  Zttnd.  ©n 
2eben3bilb.    [2Beftermann3  iOuftr.  bif*.  2Jlonat$befte.  29.  3a&ra.  »b.  57. 
6.  357—384.    2Rit  $ortrat$J 

UtUmtq,  grbr.,  Sdjiüer  als  ©iftorttcr  u.  $MIofopb.  SDttt  einer  bioar.  SHue  U.'$  d. 
ffr.  81.  Sanae.    £r8a,  *.  Dr.  2Ror.  Srafcb.  Seipüifl.  Meifcner.  (XLVH,  270  ©. 

flr.  8.  mit  $0rtr.)  8.—  rec.  v.  S.  F.  in:  Münch.   AUgem.  Zeug.   Nr.  322.    (Beil.) 

P.  Natotp  in:  Dtsch.  L.-Z.  1885.  Nr.  13.    Smtl  Grout  m:  Altpr.  Monatsschr.  XXL 

S.  650—657.    J.  Minor  in:  Göttmg.  gel  Anz.  1885.  Nr.  24. 
Ulrich,  Gust,   Refraction  and  Papilla  optica  der  Augen  der  Neugeborenen.    I.-D. 

Kgsbg.  (Beyer.)  (25  S.  8.)  1.— 
Urkundenbuch,  neues  preußisches.    Westpr.  Theil.    Hrsg.  v,  d.  westpr.  Geschieht*» 

verein.  II.  Abtn.  Urkund.  d.  Bisthüm.,  Kirchen  u.  Klöster.    Bd.  I.  Urkdbch. 

d.  Bisth.  Culm.  Bearb.  v.  Dr.  C.  P.  Woelky.  Hft  I.  Danz.  Bertling  in  Comm. 

(VH,  280  S.  gr.  4.)  baar  10.— 
Set  janblungen  b.  7.  $rou.*ganbtage£  b.  $ron.  Oftpreufe.  n.  27.  äJldQ  bt«  5.  Styr.  1884. 

Äfläbß.  2)ru<I  v.  @mü  Mautenberß.  4°. 
fiet$anb(ungen  b.  7.  SBeftpr.  $ro».*2anbtaae3  vom  26.  bis  emföl.  31.  9Rdt|  1884 

Sanaiß.  flafemann. 
Setfudjc,  ctitifdje  u.  ni*t  entifebc.    3$on  Gfltnont.  I-IV.  (22,  15,  25,  100  6.  ar.  8.) 

Sandig,  2lrt.  1885  (84).  2.85. 
»ettoalttttig$4Beti<5t  be$  Ärei&2tu£fdmfie3  be*  Sanbfr.  flaäbß.  in  Oftpr.  f 

1883/84.    flaSba.  SRautenbera.  (17  6.  fol.) 
Viehstand,  der,  der  Gemeinden  u.  Gutsbezirke  im  Reg.-Bez.  Kgsbg.    [Aus:  „Vieh- 

stands-Lexikon."]  Bearb.  vom  königl.  statist  Bureau  in  Berlin.  Berl.  Verl.  cL 

stat.  Bur.  (78  S.)  1.20. 
im  Reg.-Bez.  Danzig.  (25  S.)  —40. 

—  —  im  Reg.-Bez.  Gumbinnen.  (70  8.)  1. — 

—  —  im  Reg.-Bez.  Marien werder.  (44  S.)  — 80. 

Viehstands-Lexikon  f.  d.  Königr.  Prenssen.    Nachweisg.  d.  Viehstandes  d.  einzeln. 

Gemeinden  u.   Gutsbezirke  nach   d.  Aufnahme  vom  10.  Jan.  1883.    1.  Hft. 

Prov.  Ostpreuss.  Berlin.  Statist.  Bureau.    (V,  149  8.  Lex.  8.)  2.—    2.  Hft. 

Westpr.  (V,  70  S.)  1.— 
Voigt,  G.,  Ueber  die  Lucretia-Fabel  u.  ihre  literar.  Verwandten.    [Berichte  üb.  <L 

Verhdlgn.  d.  k.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  z.  Leipz.  S.  1—36.]  Rec.  [Dtsch.  Litafe, 

Nr.  21.  23.' 


23.1 

,  oft«  u, 


Solttfalenber,  oft«  u,  foeftpr,,  auf  b.  3.  1885  . . .  Jt&Bba,  Gattung.   —75. 


ßgO  Mittheilungen  and  Anhang, 

So(!*falen»er  f.  b.  $rot>.  Oftpr.,  SBeftpr.,  ...  auf  b.  3.  1885.  17.  3a&rg.  2Jcm 
fiambecf.  (68  «.  115  6.)  —75. 

«©IPSftfulfreunb,  ber,  brS«.  t>.  SRect.  ©.  SKülIer.  48. 3abrg.  ÄaSba.  93on.  (26  9lrn.  4.)  3.— 

VottiMS.  Dr.  med.  A.,  klinische  Mittheilgn.  (m.  Taf.  L  Fig.  3.)  FGraefe's  Archiv  f. 
Ophthalmol.  XXX.  Jahrg.  Abth.  8.  S.  157—190.]  Ein  Fall  von  oeuritischer 
Sehnervenatrophie  mit  eigenthQml.  Anomalie  der  Venen  anf  der  Papille  bei- 
derseits bei  angeborn.  Schadeldifformität  und  Epikrise  [Elin.  Monatshlätt. 
für  Angenheilk.  22.  Jahrg.  MaiJ  Die  entzündl.  Affektionen  der  Orbita.  [Sonder- 
abdrücke  d.  Dtsch.  Medizinal- Zeitg.  2l.  Hft.  (7  S.  gr.  8.)]  —20  Die  heil- 
sam. Wirkungen  der  Jequirity  Ophthalmie.  [Berl.  klinische  Wocbenschr.  Nr.  17.] 

»am,  31b.,  ftobertcb  x>.  6tinBinvi.  Jletroloa.  [tirit.  SBierteljabrSf**.  f.  (Sefefcaebfl.  u- 
9ie*t3».    9L  g.  »b.  VII,  6.  161-180.] 

Stall/  bte,  im  Oftpr.  SanbnrirtMdj.  Sentrafoeretn  au  5lömfl$bera  am  18.  2>ej.  1S83  u. 
b.  Äonferoattoen  OftpreufeenS.    ÄaSba..    Ditpr.  3tfl*brua*eret.  (31  6.  a.r.  8.) 

»aleSrebe,  8.,  $onborf*$  SBa**3>cntinaI  in  Gifenacb.  [jjfluftr.  3tfl.  83.  99b.  Sir.  2155.] 

Kleber,  31.,  Ontel  Ottilie.  flopeüe.  [Äö$bfi-  £artflf*e.  3»0-  s-fa-  284—291.]  SHarum 
ber  Pfarrer  Stord)  au«  ferner  feaut  fubr.  (Sine  oftpr.  ©efd>.  Qfctfcb.  2ftonta*i*bL 
Äasbß.  Mflem.  3tfl.  ^Rr.  296.  tfiadjbr.)  $Utpr.  3tfl.  296.]  §Dic  blonbe  9üifjtn- 
SRopeüette.  [$tfcb.  3Rontaa3bl.  ftr.  7.1    Sein  2öeib.   Dlopeflette.  [Gbb.  »r.  24.] 


3unae  ©>e.  «Roüellette.  [@bb.  9tr.  81.1 
k  ©et 


»eil,  iBern&.,  2>aS  fiebert  3efu.  [3n  2  »benj  2.  XufL  18  fifan.  Serlin.  £erfc. 
(V1IL  556 ;  IV,  630  6.  ar.  8.)    a  1.— 

The  life  of  Christ    Translated  by  M.  0.  Hope.    VoL  3.  8°  pp.  430.   (Clark 

Hamilton.)  10  sh.  6  $■ 

Eec.  fTheol.  Literaturztg.  Nr.  5.  7.] 

Wefeebrodt,  W.,  Griechische  n.  latein.  Inschrift  v.  d.  Untermosel.  [Jahrbb.  d.  Ver- 
eins t.  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande.  Hft  LXXVII.  Bonn.  8.  48—56.] 
Zur  lateinischen  Epigraphik  o.  Grammatik.  [Philologus  43.  Bd.  8.  444 — 466l] 

Weltaer,  Pfr.  Äug«»  Musikalische  Skizzen  u.  Studien;  e.  Beitrag  z.  Kultur-  u.  Musxk- 

Seschichte.   Hildburghausen.  1885  (84.)   Gadow  u.  Sohn.   (III,  176  8.  &)  2.20. 
>as  Löwe'sche  geistliche,  resp.  biblische  Oratorium  in  s.  Bedeutung  u.  Ver- 
wendung für  Volkskirchenkonzerte.    [Halleluja.   Organ  f.  d.  geistl.  Musik  in 

Kirche,  Haus  ...    5.  Jahrg.   S.  109—112.] 
Wermbter.  H.,  Die  Verfassg.  f.  d.  Städte  im  Ordenslande  Preussen,  vornehm!,  nach 

Urkunden  dargestellt  [Ztschrft.  d.  Westpr.  Geschichtsvereins.  Dans.  Hft  X1H. 

S.  1—74.  gr.  8.] 
XBenter,  Steinfcolb,  3)er  $eter  von  Stanjifi.    $iftor.  (SrjAWa.  a.  b.  3t*  b.  $anfa.  9erl. 

3antc.    (344  6.  8.) 
Wernioh.  Ueber  d.  Blaueische  Eisenbahnweiche  .  .  .    [Glasers  Annalen  f.  Gewerbe 

u.  Bauwesen  Nr.  163.] 
Werllich,  Dr.,  Medicinischc  Geographie  u.  Statistik.  [Jahresbericht  üb.  d.  Leistgo.  u. 

Fortschritte  i.  d.  gesammt.  Medicin.  XVIII.  Jahrg.  L  Bd.  2.  Abth.  8. 338—368. 

XIX.  Jahrg.  S.  317—351.1    Gesundheitspflege  im  Allgemeinen.  .  .  .  [Dtsch. 

Vierteljahrsschrift  f.  öffenti.  Gesundheitspflege.  XVI.  Bd.  8.  63-68.] 
»erottf,  grifc,  Silber  avß  Spanien,    [(Bartenlaube  9fr.  46—48.] 
»itfett,  Grnfi,  $ie  »raut  in  Trauer.    endWunß.    Setpj.  Meißner.  (184  €.  8.)  &- 
Bon  ber  beutf*en  3torboft.2Rarl   SÖier  preufeif*e  $iftorien.  1885  (84.)   Gbb. 

(406  6.  8.)  6.— 
Seter  ÜRunL  8o«3f*aufpiel  in  4  Huf*,  u.  1  Sorfpiel  (86  6.  ßt-  &>  [StedanV* 

Unit>erfal*»tbIiotbee.  3fr.  1850.]  -20. 
S)ie  SBetenntniffe  einer  arm.  Seele.    Suftfp.  in  1  SUifjug.  (41  6.  16.)  [JRedam'S 

Untoerfal-SöibliotW.  Str.  1885.]  —20. 
Sptoefterfpuf.    Sin  Sla^tftüd.    [®att«ilaube  9fr.  52.]    Zu  RaaDschs  hundert]. 

Geburtstage.    [Das  Mag.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Auslandes.    53.  Jahrg.  Nr.  30.) 

SRuttet  unb  Socbter.    eine  ltttauif*e  ®ef4i4te.    [Stfcb  »unbfebau.  iL  Sar/tg. 

1.  $ft  6.  1—40.]  2>er  ©ofrn  feine*  Sater«.  [Ueber  Sano  u.  SWeer.  26.  Sa&tfl. 

Sit.  82—39.]    Bec.    [Magas.  f.  d.  Litt  d.  In-  u.  Auslds.  Nr.  4J 
ISiebemaittt,  fianbeerat^  91.,  Sie  communale  Serfaffg.  u.  SBermaltfl.  b.  $twinj  Ofipr* 

(kfUt  9laa)traa.   Jtbnitfbfl.  Wartung.  (6.  255—369.) 


Altpreussische  Bibliographie  1884.  ß81 

Winicker,  Fritz,  (Graudenz),   Stand  der  Lykurgischen  Frage.    (XVIII.  Gynm-Ber.) 

Graudenz.  (S.  3—22.  4°.) 
SBtnFtlmami,  (Sb.,  ©efcfcicbte  b.  2(naelfad)fen  bis  j.  Sobe  flöma.  SlelfrebS.  (III,  186  6. 8.) 

[ftUflem.  ©efdjidjte  in  Ginielbarfteüunaen  .  .  .  br*ß.  t>.  SBUb-  Onden.  77.  2lbt&. 

8erl.  ©rote]    Subfcript.^r.  3.— 
Bischof  Harduin  von  Cefalu  u.  8.  Prozess.    Eine  Episode  a.  d.  Leben  Kaiser 

Friedrichs  II.  [Mitthlgn.  d.  Instituts  f.  Osten*.  Geschieh  tsforechg.  I.  Erg&nzgsbd. 

S.  298—358.]  Rec.  [Götting.  gel.  Anzeigen  Nr.  13.   Dtsche  L.-Z.  Nr.  17.] 
Wfeotzki,  Dr.  Emil,  Die  Classification  der  Meeresräume,  e.  Beitrag  z.  Gesch.  d.  Erd- 
kunde.   Progr.  d.  städt.  Realgymn.   (26  S.  4.)    Stettin.  Ostern  1883. 
fRoitttma*anaetger,  ßlbmaer,  für  1884.    ßlbina,  9Jteifcner.    (104  6.  or.  8.) 
2Soif e,  £Keä.s  u.  Scbulr.,  jroetmal  48  bibl.  öiftorien  f.  eüana.  (Slementarfcbulen.  63. 5IufU 

sJReue  neränb.  u.  netm.  93earbeita-    £r$ß.  u.  fö.  £nefrel.  (IV,  176  S.  8.)  —50. 

54.  2lufl.  Wit  unoeranb.  &u*a.  1885  (84.)    (IV,  124  S.  8.)  —35. 
Wolf,  Rudolf,  Herder  u.  Karoline  Flachsland.  Gymn.-Progr.-Beil.  Bartenstein,  Kraemer. 

(27  S.  gr.  4.) 
Wunderlich,  Ose,  Ober  Wiedereinführung  der  Erbpacht.  I.-D.  Kgsbg.  (Beyer.)  Leipzig. 

Fock.    (74  S.  gr.  8.)  baar  1.20. 
3abet,  Quoen,  fttterariiebe  Streifte  but*  Dto&lanb.    Berlin.  1885  (84).    5)eubner. 

(V,  285  6.  8.)   3.50. 
Rur  ©efeb.  ber  re&olution.  ©etoeaunaen  in  SRufelanb.  [$ie  Oeaenwart.  Sb.  XXV. 

9Cr.  3.]  Offenbar  legte  Oper.  [@bb.  9lx.  13.1  g.  2H.  $oftojera$ft.  [<5bb.  9tr.  20.] 

(öraf  glbolf  gm.  p.  Sdjenf.  [$üeftermann«  illuftr.  btfdbe  ÜJlonatebfte.  28.  3a&rß. 

Januar,  ob.  55.  6.  531—543.]    ßenin  6*üdinß.  (Sin  littcrar.  Porträt.  [<Sbb. 

Sluauft.  93b.  56.  6. 665-674.]  (Sin  beutfeber  gotjeber  u.  (Srforftber  b.  Statten: 

SBilbelm  6*ercr.  [lieber  fianb  u.  SJteer.  53.  $b.  27.  3abra.  91t.  lj    $ortrat3 

au«  b.  ruff.  Siteratutleb.  ffl.  g.  3R.  Softojentfti.  [Unf.  3eit.  93b.  II.  6. 332—46.] 

<Dtoberne  Siteratur.  [3tf*rft.  f.  b.  aebilbete  äöelt.  VI.  )8b.  6.  303-808.]  3)rei 

SBirtuofen.   ßöuitr.  3t«.  82.  93b.  3Rr.  2122.]    Slrma  Sentrafc.  [Gbb.  83.  »b. 

SRr.  2160.]   Slnna  ©rofier.  [Gbb.  84.  <Bb.  3for.  2167.]  Bec.  [«UUL  f.  litt.  Unter* 

Wt  «Rr.  39.  40.] 
3a$er,  3tertieruna.3'2lf[effor  Dr.,  S)ie  rotfce  internationale.    Serlin.  £er&.  (V,  193  6. 

ar.  8.)  2.-    3.  Siu?{.  (V,  191  6.  flr.  8.) 
Zander,  Prosector  Dr.  Eichard,   Die  frühest.  Stadien  der  Nagelentwickelung  u.  ihre 

Beziehungen  zu  den  Digitalnerven.   [Archiv  f.  Anat.  u.  Physiol.   Jahrg.  1884. 

S.  103—144  m.  Taf.  VI.]    Neurologie.   [Jahresberichte  üb.  d.  Fortschritte  d. 

Anat.  u.  Physiol.    XII.  Bd.   Lpzg.  S.  175—230.] 
Zeitschrift  d.  westpr.  Geschichtsvereins.    In  zwanglosen  Heften.    Hft  11.    Danzig. 

(Bertling.)     (106  S.  gr.  8.)    1.50.     Hft.  12.  (VII,   HOS.)    2.—     Hft.  13. 

(III,  112  S.)  1.50.    (1-13:  nn.  22.—) 
Seitftfdft  bes  biftor.  herein«  f.  b.  Stea^e*.  aJlarientoerbcr.    £ft.  10—13.    3Rarien* 

Werber.    6elbftoerl.  (98;  V,  293  ©.  «r.  8.) 
Seituttg,  ÄQebfl.  lanbs  u.  forfttüirtbfd).  f.  b.  notböftl.  5)tfcb(b.    £r$fl.  Äreife.  20.  ^abrg. 

ÄaSbfl.  Söe^cr  in  Gornm.  (5*2  3Rrn.  a  V/t  %.  fol.)  Vierte!  j.  3.— 
Zimmer,  Lic  Dr.  Frdr.,  Epistelsprüche  f.  d.  Kinder-Kirch enchor  zu  sonn-  u.  festt&el. 

gottesdienstlich.   Verwendung,  .  .  •    Hildburghausen.   Gadow  &  Sohn.   (VIII, 

146  S.  8.)  1.  - 
SBünfcbe  inbeauo.  auf  b.  neue  ©efanabueb.  ßöSba..  [ßuan«.  ©emeinbeblatt  *Rr.  43.1 

Eduard  Greifs  kleinere  Kirchenkompositionen.  [Halleluja.  5.  Jahrg.  Nr.  11.12.] 

Introiten  f.  d.  Pfingst-  u.  Trinitatiszeit   [Ebd.  13.]    Der  erste    Musikanten 


rieht  f.  Kinder.  [Ebd.  16. 
b.  neuteftamentlicben  @reae 


Zur  Erwiderung.  fEbd.  17.]   Ueber  3iel  u.  93detbobe 
e.  [@nang.  Jiircben^tg.  ÜRr.  3.] 
Zippel,  G.,  Rec,  [Histor.  Ztschrift.   15.  Bd.  S.  487—492.] 
Zöppritz,  Prof.  Dr.  Karl,   Leitfaden  der  KartenentwurfBlehre.    Für  Studierende  der 
Erdkunde  und  deren  Lehrer  bearb.    Mit  Fig.  im  Text  u.  1  lith.  Tal    Leipz. 
Teubner.    (VIII,  162  S.  gr.  8.)  4.40. 
Kaiser,  Höhenmessungen.    [Mittheilgn.  d.  afrikan.  Gesellschaft  IV,  2.]  Mete- 
orologische Beobachtgn.  u.  Höhenmessungen,  berechnet    Anhang  zu:  Josef 
Menges,  Ausflug  in  d.  Somali-Land.    [Petermanss  Mitteilungen  aus  Just. 

▲ltpr.  MouAUfohrlft  Bd.  XXU.  Hft.  7  a.  S.  44 


682  Mittheilangen  und  Anhang. 

Perthes'  geogr.  Anstalt.  30.  Bd.  S.  411—412.]  Die  Wahl  der  Projektion 
für  Atlanten  u.  Handkarten.  Ein  Mahnwort  an  die  Kartographen.  (Hierzu 
eine  Karte,  Taf.  1:  Afrika  1:  40,000,000.)  [Ztschrft  d.  Geselfech.  f.  Erd- 
kunde zu  Berlin.  XIX.  Bd.  6.  1—24.]  Rec.  [Verhau  d lg n.  d.  Gesellsch.  f. 
Erdkunde  zu  Berlin.  Bd.  XI.  Nr.  4  u.  5.] 
8om,  sJ$rof.  Dr.  $bil.,  9teuc  Eeiträfle  jur  fitbre  uom  SBunbeSftaat.  [Hnnalen  b.  teil« 
f*en  Heim*  6. 453—483.]  $er  Staatsrat^  [$ie  ©eaentoart.  26.  »&.  6. 273—275.] 
SRec.  [Ärit.  SBierteljabrsfdmft  f.  ©efefeöbfl.  u.  9te*t$tuifienfa>.  »b.  VII.  6. 124— m 
3)tf*e  SttjtQ.  3tr.  7.  32.  36.  43.]  • 


Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1884 

zusammengestellt  von  R.  Belebe. 

K&nt's,  Imman.,  Kritik  der  reiuen  Vernunft.  Hrsg.,  ertönt,  u.  mit  e.  Lebensbeschreibg. 

Kant's  versehen  von  J.  H.  v.  Kirchmann.    6.  Aufl.    (Kants  sämmtL  Werke. 

I.  Bd.)    Heidelberg.  Weiss'  Verl.    (VHI,  720  S.  8.)    2.40.  geb.  3.10. 
Critik  of  pure  reason;   second  edition,  translated,  with  notes  and  explanation 

of  terms,  dj  P.  Haywood.  (?) 
—  —  Critique  of  Judgment  by  T.  B.  Veblen.  [The  Journal  of  speculai  philosophj 

Vol.  XVHI.  No.  3.  July.  p.  260—274.] 
Gutachten.    Geheimer  Artikel  zum  ewigen  Frieden.   (Zweiter  Zusatz  zu  seiner 

f leichnamig.  Schrift.}  [Dr.  F.  Schmldt-Warneck,  die  Sociologie  Fichte's.  Berl. 
'ottkammer  &  Mühlbrecht.    Anhang.  S.  205—208  gr.  8.] 

Reflexionen  Kants  zur  kritisch.  Philosophie.  Aus  Kants  handschriftl.  Nachlass 

hrsg.  v.  Benno  Erdmann.  II.  Bd.  Reflexionen  Kants  zur  Kritik  der  reinen 
Vernunft.  Leipzig.  Fues's  Verl.  (LV,  524  S.  gr.  8.)  12.—  (I,  1  u.  II:  16.—) 
Selbstanz.  Vierteljahrsschrift  f.  wissensch,  l*hilos.  IX.  Jahrg.  2.  Hfl.  S.  255 — 56*.  — 
Rec.:  Nat.-Ztg.  —  G.  Simmel  in:  Dt.  L.-Z.  1885.  Nr.  29. 

Ein  ungedrucktes  Werk  von  Kant  aus  seinen  letzten  Lebensjahren.    [Ueber- 

gang  von  d.  metaphys.  Anfangsgrund,  d.  Naturw.  zur  Physik.]  Als  Hsc  hrsg. 
v.  Rudolf  Reicke.  Fortsetzung.  [Altpr.  Monatschr.  XXI.  Bd.  8.  81  —  159. 
309—387.  389—420.  533—620.] 
lieber  das  nachgelassene  Werk  Kants.  [Kgsbg.  Hartungsche  Ztg.  v.  2.  März  1884. 
Nr.  53.  1.  Beil.  —  Hamburg.  Corresp.  —  Deutsch.  Reichs- Anzeiger  51.  —  Theol. 
Literaturbl.  Nr.  11.  —  Protest.  Kirchenztg.  Nr.  14.  —  Max  BtWtr,  das  nachgelassene 
Kant-Msc.  (Nebst:  „Ein  Blatt  aus  dem  nachgelass.  Kant-Manuscript."  Facsimile  nach 
e.  photogr.  Aufnahme)  in:  Iüustr.  Ztg.  v.  2.  Aug.  1884.  Nr.  2144.  &  120—122.  — 
P.  tfErcole,  un  manoscriüo  inedüo  di  E.  Kant  in;  La  FUosofia  delle  scuole  Italiane. 
Anno  XVy    Vol.  XXIX.  disp.  II.    Vgl.  auch  unten  unter  Qosub,  Fischer  u.  Km*. 

3wei  ©ricfreliquien  (ßampe  au  Äant  d.  d.  ©raunfätoetfl  b.  27.  3unt  94.  Rani 

an  6ampe  d.  d.  ÄöniöSb.  b.  16.3ul.94.)  [Sof ftfcfce  Rtq.  ».2.00.1884.  9h.  461. 

1.  »eil.    ÄßSbö.  £artfl.  3tg.  SRr.  233.  «bb.*$lu$a.)J 
Achelia,  Tb.  (Bremen),  Bewusst  und  Unbewosst.    [Philos.  Monatshefte.    XX.  Bd. 

S.  492—518.] 
Ucb.  b.  SRaturto&üofopbie  Der  ©eßenroart.  II.  3ur  <5rlenntnifjtbeorie.  [3eitfdbr.  f. 

$büof.  u.  pbtlof.  Äritif.  84.  «b.  6.41-78.]  III.  3ur  Gib«.  [@bb.  6.193-214.] 
Amador,  La  doctrina  de  Kant.    [Revista  contemporanea  Novembre.    Madrid.] 
Balfour,  Arthur  James,  Green's  Mataphysics  of  Knowledge.    [Mind.    Nr.  XXXHL 

January.  p.  73—92.] 
»artf Ä.  2lbolf,  bie  ©runbprintföien  ber  Äantf*.  ttfrS  u.  baS  G&ttftenrum.  SBiffenfdrftl. 

9Beil.,j.  $roar.  b.  (Stomn.  ju  Sorau.    (28  6.  4.) 
Beaussire,  Emile,  1 indepenaance  de  la  morale.    [Revue  philosophique.  Tome  XVHI. 

p.  121—137.] 
Benber,  &,  bie  ©ubjtana  als  Sing  an  fub.    ®n  Seitraß  *.  reinen  erkmttaifele&re. 

[3tf*r.  f.  $bUof.  u.  tobUof.  Sttit.  85.  »>.  6.  257-292.1 
Biedermann,  Alois  Em.,  christl.  Dogmatik.  I.  Bd.:  Der  principielle  TheiL  2.,  erw.  Aufl. 

Berl.  Reimer.  (XVI,  383  S.  gr.  8.)  6.—  rec.  v.  Kalla*  in:  Theol  Lkztg.  1885.  9. 


Kantbibliographie.  Qg3 

S3remiFet,  £erm.  (au8  SempUn),  3ur  Sßerßleiefcunft  ber  Scbofeen&auerfcfcen  mit  b.  Äantü 

fcfren  ßrfenntni&tbeorie.    3.=®.    <&alle  a.  6.    (41  6.  8.) 
Burger,  D.,  Kant's  Wijsbegeerte  kortelijk  vorklaard.   Tweede  verbeterde  en  vermeer- 

derde  uitgave.    Araersfoort.    A.  M.  Slothouwer.    (20  S.  8.)    f.  0,30. 
Burman,eE.  0.,  om  Kante  kunskapslära.    upsala.  (92  S.  gr.  8.)  [Upsala  Universitets- 

Arsskrift  1884.] 
Cantoni,  Carlo,  Emanuele  Kant.  Vol.  III.  La  filosofia  religiosa,  la  critica  del  giudizio, 

e  le  dottrine  minori.    Milauo.  Napoli.  Pisa.   Ulr.  Hoepli.  (436  S.  8.)    L.  5. — 

cf.  Selbstbericht  des  Verf.  in :  Rendiconti  del  r.  istituto  Lombardo.  Ser.  II.    Vol.  X  VII, 

Jasc.  XIII. 
—  —  rec.  Werner,  Kant  in  Italien.  [La  Filosofia  delle  scuole  Italiane.  Vol.  XXIX. 

disp.  2.] 
Kantiana.    (Wallaco,  Kant.  Edinb.  1882;    Weir,  tbe  critical  philosopby  of 

Kant.    Lond.  1881;    Stirling,  Text  Book  to  Kant.   Edinb.  1881.    Werner, 

Kant  in  Italien.    Wien  1881.)    [Cultura.    Anno  III.   N.  12.    (1.  Juli  1884.)] 
<Sa*9art,  Otto,  lieber  Die  (Inttbronutifl  Der  Wtofop&ie.    [Die  ©eflenmart.  5U&.  XXV. 

9tr.  15.]    Ueb.  Den  ßnb^ed  im  21U.    [Gbb.  *Rr.  30.] 
Cesca,  Dr.  Giovanni,  il  nuovo  realismo  contemporaneo  della  teorica  della  conoscenza 

in  Germania  ed  Inghilterra.   Studio  critico.  Verona,  1883.   Drucker  &  Tcdeschi. 
Storia  e  dottrina  del  Criticismo.  Cenni.  Padova.  Verona.  Drucker  e  Tedeschi. 

(VIII,  260  S.  8.)  L.  4.  Selbstanz.  in:  Vierteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos.    VIII.  Jahrg. 

S.  500. o—  in:  Dtsche  Littztg.  1885.  Nr.  1.  —  Bemard  Pens  in:  Revue  philos. 

T.  XX.    Nr.  7.    —    Com.  Hermann  in:  Zeilschr.  f.  PhU.  u.  philos.  Eni.    87.  Bd. 

S.  93—94. 
Chiappelli,  Alessandro,  Sul  carattere  formale  del  prineipio  etico.    Verona.  Padova. 

Drucker  e  Tedeschi.  (34  S.  4.)  rec.  v.  C.  S.[chaarschmidtJ  in:  Fhüos.  Monatshefte. 

XXI.  Bd.  S.  417—418. 
klaffen.  21.  ($ainburp,),  $aä  roieberaufaefunbene  Söerf  Qmm.  j?ant$.  [3)ie  ©renjboten. 

5fr.  18.  ob.  I.   6.  218—221.]    ©oetbe*  naturttnffenfcbaftL  Scbriften.    (Goethes 

Verhältnis  zu  Kant  wird  besond.  berücksichtigt.)  [@bb.  Mr.  24.  93b.  II.  6.  544—52.] 
(£ine  Uebeifefcunfl  t>on  ©OetM  Sauft.  (Besprechung  e.  demnäcJist  bei  Westermann 
in  Braunschweig  erscheinenden  (aber  bis  jetzt  nicht  erschienenen)  anonym.  Werks  u.  d.  T. 
„Sphinx  locuta  est",  wonach  Goethe  durch  den  Einfluss  Kants  bestimmt  u.  sein  Faust  durch 
die  KriL  d.  r.  V.  zu  erklären  ist.)  HSbb.  3ßr.  31—32.  *öb.  III.  6.  220—32.  267—75.] 

Dewey,  J.,  Kant  and  philosophic  metbod.  [The  Journ.  of  spec.  philos.  Vol.  XVIII.  2.J 

Dieterich,  Prof.  Dr.  Konr.,  die  Kant1« che  Philosophie  in  ihr.  inneren  Entwicklungs- 
geschichte. I.  Theil.  Naturphilosophie  u.  Metaphysik.  [2.  (Tit.-)  Ausg.  von: 
Kant  u.  Newton.]  Freiburg  i.Br.  1885(84).  (X,  294  S.  gr.8.)  3.50.  —  IL  TU. 
Psychologie  u.  Ethik.  [2.  (Tit.-)  Ausg.  von:  Kant  u.  Rousseau.]  (VI,  200 S.)  2.— 

DominiciSy  D.f  Emanuele  Kant  per  Carlo  Cantoni.  [Rivista  di  filosofia  scientifica. 
Giugno-Luglio.] 

©re$er,  Dr.  @uflen,  baS  SBöefcn  u.  bic  »ebeutunfl  bcS  efepticiSmitf.  [3tfc6r.  f.  $&itof. 
u.  pbiloi.  Ärit.  84.  23b.  6.  249-62.] 

Drobi8Ch,  M.  W.,  Kant's  Dinge  au  sich  u.  sein  Erfahrungsbegriff.  Eine  üntersuchg. 
Hamburg  u.  Leipzig.  Leop.  Voss.  1885  (84).  (V,  53  S.  gr.  8.)  2.—  rec.  von 
K.  Lasswitz  in:  Dtsche  Litztg.  1885.  Nr.  16.  —  v.[on]  Sch.[ubert]  S.[old$rnJ  in:  Lü. 
Centralbl  1885.  Nr.  23.  —  Mind.  Nr.  XXXVIII. 

£u&0f,  Dr.  3uliu*,  ©eoen  ben  6irom.  ©efammclte  2Iuffäfce.  2.  ($tt.r)  3lufL  £anu 
burfl.  (1877)  1883.  ©rüntnfl.  (344  6.  8.)  6.—  Ä  187—226:  Wider  die  Grund- 
anschauungen  des  philosophisch.  Idealismus. 

Du  Bois-Reymond,  Emil,  üb.  d.  Grenzen  des  Naturerkennens.   Die  sieben  Welträthsel. 

2  Vorträge.    Des  lsten  Vortr.  6.,  des  2ten  Vortr.  2.  Aufl.  Leipzig.  Veit  &  Co. 

(111  S.  gr.  8.)  2.- 
Dunan,  Charles,  Essai  sur  les  formes  a  priori  de  la  sensibilite*.   These.   Paris.  Germer 

Baihiere  et  C'"-  (227 S.  gr.8.)  angez.  in:  Mind.  Nr.  XXXVI.  —  Alexis  Btxtnnd 

in:  Revue  philos.    T.  XVIII.  p.  469—75. 
Engelmann,  Max,  Kritik  der  Kant'schen  Lehre  vom  Ding  an  sich  u.  ihrer  Praemissen 

vom  Standpunkt  der  heutigen  Wissenschaft    L-D.   Halle.    (Leipzig.  Fock.) 

(40  S.  gr.  8.)    baar  1.20. 

44* 


684  Mittheilungen  und  Anhang. 

Erdmann,  6.,  Mittheilungen  über  Kaufs  metaphysischen  Standpunkt  in  der  Zeit  am 

1774.   [Philo*.  Monatshefte.   XX.  Bd.  S.  65—97.] 
—  —  Tee.  C.  v.  Nägeli,  mechanisch  physiolog.  Theorie  der  Abstammungslehre  .  .  . 

München  1884.  [Götting.  gel.  Anz.  Nr.  14.  S. 540— 557.]   rec.  Aug.  Stadler, 

Kants  Theorie  der  Materie.    Leipzig  1883.  [Dtsche  LZ.  1884.  Nr.  48.] 
Faye,  Sur  un  theoreme  de  Kant  relatit  ä  la  Mecanique  Celeste.    [Comptes  rendos 

hebdomadaires  des  seances  de  l'Academie  des  sciences.   T.  XCVI1I.  Nr.  16. 

p.  948-  61.  4°.] 
gfefcet,  Garl  2lufl.,  *BbdofopMf*e  Seitbeflriffe.  Sfibinflpn.  Saupp.  (X,  296  6.  ar.  8.)  4.- 

rec.  von  L  Weiss  in:  Philo*.  Monatshefte.  XX.  Bd.  S.  616—19.  —  Rad.  Ltimeu 
in:  Dtsche  LZ.  1884.  Nr.  46.  —  v./onj  Sekfubert/  Z.foldern]  in:  Liter.  Centralbl. 
1885.  Nr.  1.  —  Die  Grensboten.  1884.  Nr.  46. 

flftföer.  Äuno,  ©efdjidjtc  ber  neuern  ^bilofopbie.   5.  93t).  a.  u.  b.  X.:  3-  ©.  Siebte  u. 
(eine  ißorflänaer.    2.  uerm.  11.  remb.  2lufl.    9Ründ)en.    ©afjermann.    (XXVIII, 
840  6.  flr.  8.)    16.50. 
L  R.  Äuno  gifcberS  3)arftefluna  be$  äSernunftfoftemS  auf  ber  ©lunblage  ber  Sets 
nunftfritit.    [«eil.  3.  9Rün*encr  SUlfl.  3Uv  1884.  «Rr.  46.] 

$aä  6treber*  u.  ©rünbertfcum  in  bet  Literatur.    2$abemecum  für  fern,  ^M'tor 

Äraufe  in  ©amtura.  [«eil.  g.  SRüncbener  SlUa.  3t(V  ^r.  148.  149.  6. 2169-72. 

2185—87.]  cf.  Entgegnung  von  Dr.  Albneht  Knast.  Ebd.  Nr.  170.  BeiL  Replik 
von  KüttO  Flschtr.  Ebd.  172.  Beil. 

©urdiflefeb.  u.  erweitert.  Slbbrud  unt.  bemf.  Sit.  6tuttaart.  Gorta'fdbe  8ud*bla. 

(63  6.  8.)  1.—     cf.  Magaz.  f.  d.  Litt.  d.  In-  u.  Auslas.  1884.  Nr.  36.    -  Prof. 

Dr.  Schaidtl- Darmstadt,   der  neueste  Streit  üb.  das  nDing  an  sich"  in:  Dtsch.  Litte- 

raturbl.   7.  Jahrg.  Nr.  12.  —  Fuqualt  tfEttOli,  Kuno  Fischer  e  il  manascritto  inedko 

di  Kant  in:  La  fibsofia  dette  scuole  Italiane.    Vol.  XXXI.  disp.  1. 
F(lügel),  O(tto),  rec.  W.  Wohlrabe,  Kant's  Lehre  vom  Gewissen,  hist.-krit  dargest 

Gotha  1880.   u.   üb.   Gewissen  u.  Gewissensbildung.    Ebd.  1883.    [Ztachr.  f. 

exakte  Philos.   XIII.  Bd.  S.  334—336.] 
Fouillfa,  Alfr.,  La  Liberte  et  le  de'terminisme.   Deuxieme  edit.  entierement  refondue 

et  tres  augmentäe.  Paris.  Germer  Bailiiere  et  Cie-  (VIII,  367  S.  gr.  8.)  7  fr.  50  c 

rec.  v.  T.  WhUtiket  in:  Mind.  Nr.  XXXIX.  p.  448—51. 
Srranfe,  3pbanneS,  Utb.  i'ohe'ä  Cefore  von  ber  ^bänomenalitAt  beS  Raumes,  ^aflenfer 

3.3).    Erfurt.    (M  6.  or.  8.)    (Ceipjifl,  Scrf.)    baar  n.  1.20. 
Fullerton,  G.  8.,  the  mathematical  antinomies  and  their  Solution.    [The  Journal  of 

specul.  philosopby.    Vol.  XVILI.  Nr.  I.] 
(SaStoife,  #.,  bie  Sranscenbentaiübilojopbie  u.  bie  Qtyxl    [3«tf(ir.  f.  $büof.  u.  pbilof. 

ftrit.    85.  $b.  6.  92—125] 
Gerber,  Gust.,  die  Sprache  u.  das  Erkennen.  Berlin.  Gärtner.  (IV,  336  6.  gr.  8.)  8.— 

rec.  v.  Georg  Slmmil  in:  Dtsche  LZ.  1885.  Nr.  8.  —  Mind.  Nr.  XXX VW. 
©ßtiiTft,  $uae,  äuno  gifcberS  Kant.    [$ie  ©eflenroart.  $0.  XXVI.  Sir.  33.] 
Gottschick,  J.t  Kec.  üb.  Sommer,  Hugo,  üb.  d.  Wesen  u.  die  Bedeute,  d.  mensch). 

Freiheit  u.  deren  moderne  Widersacher.    Berlin  1882.   u.  die  Neugestaltung 

unserer  Weltansicht  durch  d.  Erkenntniss  der  Idealität  d.  Baumes  u.  d.  Zeit. 

Berlin  1882.    [Theoi.  Literaturztg.  1884.  Nr. 6.]    Bec.  üb.  Pfleiderer,  Otto, 

Religionsphilosophie  auf  geschichtl.  Grundlage.    2.  Aufl.  1.  Bd.   Berlin  1883. 

(Ebd.  No.  24.] 
Gorsoh,  Herrn.,   Kants  Lehre  vom  Ideal  der  rein.  Vernunft.   I.-D.   Halle.  (44  S.  S.) 
©wtberlet,  Dr.  Gonftanttn,  ftaturp&ilotopbie.  ffltonftar."  3*eifftnAfcbe  Sucht.  (X,  176  6. 

ftr.  8.)    2.40. 
Haberland,  Maximil.,  Wie  unterscheid,  sich  d.  Methode  der  Mathematik  von  der  der 

Philosophie  ?  Wissenscbaftl.  Beil.  z.  Progr.  d.  Rcalsch.  Neustrelitz.  (24  S.  4.) 

(Jacoby.)   —80. 
Startmann,  dfouarb  d.,  ßant  aU  SSeßrünber  ber  mobernen  Sleftbetif.    [Siorb  u.  6üb. 

30.  SBb.  6.  304—328.] 
Hedge,  F.  H.,  Atheism  in  philosopby,  and  other  Essays.    Boston. 
Heller,  Prof.  Aug.  (in  Budapest),  Geschichte  der  Physik  von  Aristoteles  bis  auf  die 

neueste  Zeit.  2  Bde.  Bd.  II:  Von  Descartes  bis  Robert  Mayr.    Statte.  Enke. 

(XV,  753  S.  gr.  8.)  18.—   Ä  428—441:  Kant, 


Kantbibliographie.  685 

^ermann,  tfonrab,  neuere  fcbilof.  Literatur.  (ShVc.  üb.  Sllbr.Äraufe,  3mm.Äant  mibet 
äuno  Sifdjer.  tfabr  1884.  ftranj  Staubinaet,  9teumena.  a)armftabt  1884. 
2iuft.  fctabler,  Jtant«  Sbeorie  Der  Materie.  Seitojia  1883.  <S.  tfaft,  b.  realift. 
u.  b.  ibealift.  ©elfanfifcaiwnfl.  fieipjiß  1884.  Silman  $ef(b,  bie  fitofeen  SBelf* 
rätbfel.  2.  v«öb.  greibo.  i.  $r.  1884.  u.  a.)  [»lätt.  f.  liter.  Unterbaltunfl.  9ftr.33.] 

Heymans,  6.  (Leiden),  Zurechnung  u.  Vergeltung.  Eine  psycholog.-ethische  Unter- 
suchung. 2.  u.  3.  Artikel.  [Vierteljahrsschr.  f.  wisse  nach.  Philofi.  YI1L  Jahrg. 
S.  95-111.  193—220.] 

HUI,  W.,  Kant's  system  of  pbilosopby.    [The  American  Qnarterly  Review.  Jan.] 

Hodgson,  Snadworth  H.,  tbe  metapbysical  metbod  in  pbilosopby.  [Mind.  No.  XXXIII. 
p.  48—72.] 

Hourison,  G.  H.,  Umriss  von  vier  Vorträgen  über  Hume  und  Kant  (Gehalten  im 
Juli  1883,  am  philos.  Institut  zn  Concord,  Mass.)  2ter,  venu.  Abdr.  San 
Francisco.  Druck  von  Eosenthai  u.  Rösth.  1884.  Dasselbe  m  englischer  Heber- 
Setzung  in:  Journal  of  speculatiue  philos.     Jan.  1885.     S.  85—89. 

3o&n,  Obert.  Dr.,  bie  6ubjettimtät  be$  iHaumeS  u.  bie  Slriome  ber  Geometrie.  (ffiiffen* 
fcbaftl.  2lb&bfa.  j.  17.  $roar.  b.  ftäbr.  ©nmn.)    $ramburfl.    (20  6.  4.) 

Jahn,  Dr.  Max  (Leipz.),  der  Einfluss  d.  Kantischen  Psychologie  auf  die  Pädagogik 
als  Wissenschaft.  [Neue  Jahrbb.  f.  Philol.  u.  Fädag.  130.  Bd.  S.  404—27. 
492—514.]     Separatabdr.    Leipzig.    Frohberg  1885.    (47  S.  gr.  8.)  1.20. 

Jafa,  l'unita  sintetica  Kantiana  e  Tesigenza  positivista.  [Giornale  Napoletano  di  fllo- 
sophia  e  lettere,  scienze  morali  e  politisbe  No.  28.] 

Imbriani,  Vittorio,  £picedii  del  Kant  Napoli  XXX  Gingno  M.  DCCC.  LXXX1V. 
(1  genitori  di  Paolo  Emilio  ii  Inibnani  distribuendo  questo  opnacoletto  ad 
amici  e  conoscenti  commemorano  il  quarto  anniversario  della  nascita  del  fig- 
liuolo  perduto  abime   il  XXVI  Ottobre  M.  DCCC.  LXXXI.)    (16  8.  gr.  8.) 

Esemplari  cento  fuori  commercio. 

3fenrro.be,  $farr.  G.  $t)..  3um  Problem  be3  fmnf.  ßrtennenS.  [$beoL  Qu<rrtalf*rift. 
66.  3abr«.  6.  356—80.] 

Katzer,  Dr.,  rec.  C.  J.  Jeppel,  Kant's  ontolog.  Beweisversuche  für  d.  Dasein  Gottes. 
Halle  1883.    [Ztschr.  f.  exakte  Pbilos.    Bd.  XIII.    S.  329-333.] 

.fteferjrein,  Dr.  §an$,  ftoeb  einmal  bie  „Söiberleßuna,  be8  QbealiSmuS"  in  ber  2.  5lu*fl. 
x>.  JRfantg  Ärit.  b.  r.  SBft.  [3tjcbr.  f.  $bilof.  u.  vbtlof.  Ml  84.  ©b.  6.  281—90.] 

Kirchner,  Frdr.  (Berlin)  rec.  0.  Ca  8 pari,  Herrn.  Lotze  in  seiner  Stellung  zu  der 
durch  Kant  begiünd.  neuest  Gesch.  d.  Philos.  Bresl.  1883.  [Pbilos.  Monats- 
hefte.  XX.  Bd.   S.  436—38.] 

Koeber,  Dr.,  Raphael,  das  philosophische  System  Eduard  v.  Hartmann's.  Breslau. 
Koebner.    (X,  402  S.  gr.  8.)    9.— 

Koenig,  Dr.  Edmund  (Dresden),  Einige  Gedanken  für  Kant's  Aesthetik  gegen  Empiris- 
mus u.  Realismus.    [Philos.  Monatshefte.    XX.  Bd.    8,  233— 50.  J 

Ueb.  b.  25ea,tiff  ber  Cbieftimtät  bei  Söolf  u.  ßambert  mit  ©egiebunfl  auf  Äant. 

[3tfcbr.  f.  ^bilof.  u.  pbüof.  flritif.    85.  Üto.  6.  292—313.] 

Krause,  Albrecht,  Immanuel  Kant  wider  Kuno  Fischer  zum  ersten  Male  mit  Hülfe 
des  verloren  gewesenen  Kantischen  Hauptwerkes:  Vom  Uebergang  von  der 
Metaphysik  zur  Physik  vertheidigt.  Eine  Ergänzung  der  Populären  Darstellung 
der  Kritik  der  reinen  Vernunft  in  d;r  Lehre  vom  Gegenstand  und  Ding  an 
sich.  Lahr.  Schauen  bürg.  (XI,  128  S.  gr.  8.)  3. —  Vgl.  Conr.  Stmau  in: 
Bläu.  f.  liter.  UnthaUg.  1884.  33.  u.  Theol  Lüblatt.  22.—  „Ein  Streu  um  das  Ding 
an  sich'4  in:  Neue  Evangel.  Kirchenztg.  Nr.  38.  —  v.  Seh.  S.  «i;  Lit.  CentralbL  52. 

Kreyenbflhl,  J.,  rec.  Adolf  B olliger,  Anti-Kant  I.  Bd.  Basel  1882.  [Philos.  Monats- 
hefte. XX.  Bd.   S.  128—134.] 

Kuttner,  Dr.  Otto,  Kantianismus  und  Realismus.  [Jahrbücher  f.  potest  Theologie. 
X.  Bd.  8.  353-367.1 

Laaa,  Ernst  Idealismus  und  Positivismus.  Eine  kritische  Auseinandersetzung.  3.  Theil: 
Idealistische  u.  positivistische  Erkenntnisstheorie.  Berlin.  Weidmann.  (IV,  704  S. 
ZT.  8.)  16.—     rec.  v.  Rithl  in:  Dtsche  L-Z.  1885.  Nr.  14. 

Einige  Bemerkungen  zur  Transcendentalphilosophie.  [Strassburger  Abhandlgn. 

zur  Philos.  Eduard  Zeller  zn  sm.  70.  Geburtstage.  Freiburg  i.  B.  n.  Tübing. 
Akad.  Verlagsbuchh.  v.  J.  C.  B.  Mohr.  S.  61—84.  gr.  &]  rec.  v.  Rad.  Actos 
m:  Dtsche.  L-Z.  47.    C.  S.[chaarschmidtJ  in:  Philos.  Monatshefte  XXII,  178—79. 


686  Mittheiloagen  und  Anhang. 


I,  Ernst,  Ueb.  teleologischen  Kriticismus  (geg.  Windelband's  „Präludien").  [Vlertel- 
Jahrsschr.  f.  wiss.  Philos.  VIII.  Jahrg.  5.  1—17,] 
Soft,  (f.,  feie  realift.  u.  feie  ifeealift.  Söeltanfdjaunna,  entroidelt  an  Aantö  3beaUiat  res 
Seit  u.  JKaum.    3LRit  fe.  $ortr.  feer  SBerf.  in  Sicbtbr.    fieiptfu.  ©rieben.  (XX11I, 

259  6.  8.)  5.—     rer.  v.  fe*.  fftoju  in:  DtorAe.  £-£.  /S6'4.  40.  —  CA.  WfctA  in: 

Blatt,  f.  d.  Bmfer.  Gymnasialwcs.    20.  Bd.  10.  Hfl.  —  Cont.  Bssmaan  in:  BlätL  f. 

IÜ.   ünth.  33.     Mind.  Nr.  XXXVII.  —  Dr.  Baas  JEraafer  in:  Ztschr.  f.  Phil.  «. 

philos.  Krü.    87.  Bd.   S.  111—13. 
Lehmann,  Rudolf  (Berlin),  Ueb.  die  psycholog.  Grundanschauung  der  Kantischen  Kate- 

gorienlehre.    [Philos.  Monatshfte.    XX.  Bd.   S.  98—120.] 
LesbazeillM,   Paul,   Le   fondement  dn  savoir.     These.    Paris.     Leop.   Cerfc     1883. 

(-41  S.  gr.  8.) 
Ltvy-Bruhl,  L.,  V  idle  de  responsabilite'.   Paris  Hachette  et  Cie.  (XV,  251  S.  gr.  8.) 

rec.  v.  TL  Wtbtr  in:  Dtsche.  L-Z.  1885.    Nr.  26. 

Steftmamt,  Otto,  feie  ftlimar  feer  äfcorieen.    6inc  Unterfudmn«  au£  feem  Bernd)  feer 
aUaem.  äöifienfd>aftSlebre.    Slrafeburfl.    Srübner.   (X,  113  6.  gr.  &)  2.50.   rw. 

v.  C  3(chaarschmidt)   in:  Philos.  Monotshfle.   XXI.  Bd.  S.  176—78. 
Mac  Gosh,  James,  a  criticUm  of  the  critical  philosophy.   New-York.   Ch.  Scribner  s 

Sons.    (60  p.  12°.)     rec.  v.  Fi.  fnlbtttt  in:  Revue  philos.  T.  XIX.  p.  699— 7  OL  — 

Mind.  Nr.  XXXIX. 
Mamianl,  T.,  £.  Kant  per  C.  Cantoni.  [La  fiiosofia  delle  scnole  Italiane  Vol.  XXX.  disp.  2.] 
Marfcull,  Oberl.  G.,   Ueb.  Glauben  u.  Wissen,    im  Anschluss   an  Kants  „Kritik  der 

reinen  Vernunft".  [Progr.  Nr.  8.  des  Kgl.  Gvmn.]   Danzig.  (16  8.  ct.  4.) 
Masaryk,  Prof.  Dr.  Thomas  Garrigue  (Prag),   David  Hume's  Skepsis  und  die  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung.   Ein  Beitrag  zur   Gesch.   der  Logik  u.  Philosophie. 

Wien.    Konegen.    (16  8.  gr.  8.)  —  £0. 
Mchaglls,  Dr.  C.  Tb.,  über  Kants  Zahlbegriff.  (Progr.  d.  Charlotten-Schale.)  Berlin. 

Gärtner.   (18  S.  gr.  4.)   1.— 
flRi^altfn,  Dr.  Otto,  flanfä  tfritif  feer  reinen  Vernunft  u.  $erber«  3Metatritit.    [3efc 

fdjiift  f.  $Wof.  u.  pbilof.  Jtittif.  84.33b.  6.1-41.  161-193.  85.  Bfe.  6.1-29.] 

Als  Fortsetzung  der  in  der  Kont-Bibliogr.  für  1883  erwähnten  Inaug.-Diss. 

Vtffcfter,  ©nmnaftaUebr.  Dr.,  Hfpdjoloajfcfee  fragen.  Seit.  $.  $ro&r.  fe.  ©pnuu  Bu  6ee- 

bauten  t.  21.  6tenfea(.  (25  6.  4.) 
Montgomery,  Edmund,  the  objeet  of  Knowledge.  [Mind.  Nr.  XXXV.  p.  349—383.] 
Wfina,  6iamunfe  (ffiien),  3ur  pbüof.  Literatur.    (2Rit  Bej.  auf  3eüer,  üb,  Begriff  n. 

Beartnfeuna  feer  fittl.  ©efefce.  Berl.  1883.)    [Müncb.  »üa,  3tß.  5lr.  10Q.J 
Ncuber,  G jmnasiallehr.,  Kants  transscendentale  Ideen.  I.  Ihre  erkenntnisstheoret.  Ab- 
leitung.   [Jahresber.  d.  kgl.  Gymn.]    Essen.    (8.  3—25.  4.) 
ftpirt,  Subtoia,  »pfrortemen  jur  momjtifd).  Wofopfcie.  2.  (£it.O  HuSfl.  3Rain$  (1877) 

».  3abern.    (XVIII,  132  6.  8.)  2.50. 
(ftnleituna,  u.  Beßrfinfea..  einer  monifrifd?.  @rfcnntnijj*3$eorie.    2.  (Sit.*)  $u*a. 

(Sbfe.    (1877.)    (XVI,  247  6.  ar-  8.)  5.— 
Penzig,  Dr.  Rudolf,   Ein  Wort  vom   Glauben  an   seine  Verfechter   und  Verächter. 

Kassel,  Tb.  Fischer.   (XII,  320  S.  8.)   3.—    s.  besond.  S.  167  ff.  192  ff. 
Petch,  Tilman,  die  grossen  Welträthsel.    Philosophie  der  Natur  ...    2.  Bd.  Natur- 

philosoph.  Weltauffassung.  Preiburg  i.  Br.  (XI,  599  S.  gr.  8.)  8.—  (cplt.  20.-) 

rec.  Lü.  Centralbl.  1884.     Nr.  48. 

Vfaff,  $rof.  Dr.  ftrfer.,  feie  (Sntroidluna,  feer  Söelt  auf  atomiftifeber  ©runblaflc    (ün 
Beitraa.  3.  ®?arafteriftit  beS  SDtateriali«niu«.  ^eifeelber«  1883.  SBiwtcr.  (X,  241  3. 

ar.  8.)    5.  -     rec.  v.  0.  Flipl  in:  Ztschr.  f.  exakte  PhiL  XIII.  Bd.  S.  431— tt- 

VfWbercr,  qjrof.  Otto,  SHelifliongpfeilofonbie  auf  flefcbidjtl.  ©ntnfelaße.  *.  ilufl.  2.  #t>. 

a.  u.  fe.  £:  ©enetifcb^fpeEulatine  9ieligiondpbiloiop^ie.    Berlin.    9teimer.    (VIII, 

676  6.   ar.  8.)  9.—    (cplt.:  18.—) 
PlflMCher,  O(lga),  der  Pessimismus  in  Vergangenheit  n.  Gegenwart.    Geschichtliches 

u.  Kritisches.    Heidelberg.    Weiss.    (XII,  355  S.  gr.  8.)  7.20. 
Vreffettfe,  ©fem.  p.,  feie  Urfprflna.e.    3"^  ®efa>.  u.  flöfunß  fee«  Problem«  feer  erfennt. 

nid,  feer  Jtotmoloriie,  feer  51ntl?ropoIoflte  u.  fe.  Ursprung*  feer  IDtoral,  u.  fe.  $U\u 

aion.    Hutorirtrte  fetfAe.  ^uög.  n.  6feuarfe  gabariud.    fealle  a.  fe.  6.    $feffer. 

(XX,  446  6.  ttr.  8.)  6.75.  rec.  v.  C  S.[chaar8chmidtJ  in:  Philos.  Monotshfle.  XXI.  B<L 
S.  396-402. 


Rantbibliographie.  687 

Proach,  die  Pädagogik  Kants.    [Ztschr.  f.  d.  Realschalwes.    IX.  Jahrg.    2.  HftJ 
Renouvier,  1'  immortalite'  conditionnelle  au  point  de  yue  da  par  criticisme.    [Criti- 
que  philosophiqae  XIII.  anne'e.   Nr.  4.    p.  49 — 60.1   Esquisse  d'une  Classifica- 
tion systematique  des  doctrines  pbilosophiques.    [Supplement  trimestriel  de 
la  critique  philos.     La  Critique  religieuse.   6.  annee.  p.  63—%.    154—208. 
252—304.  358-416.   7.  anne'e.  p.  51—96.  140—208.  237—304.  363—434.] 
Riedel,  Otto,  die  monadologischen  Bestimmungen  in  Kants  Lehre  vom  Ding  an  sich. 
I.-D.    Hamburg.    Voss  in  Comm.    (46  S.   gr.  8.)  1.—    rec.  v.  S.  VoJhlagtr  in: 
Vierteljahrsschr.  f.  wiss.  Philos.     IX.  Jahrg.    S.  128—29. 

9tofenfrrin,  21.,  3ur  $opulartfirunfl  ÄantS.    [2)ie  ©eßenroart.    25.  98b.  9lt.  17.] 
Rosmihl-Serbatl,  Antonio,  the  Origin  of  Ideas.  Trans!  ated  from  the  fifth  Italian  edit. 

of  the  Nuovo  Saggio  sull1  origine  delle  idee.   Vol.  III.  London:  Kegan  Paul, 

Trench.    (XVI,  442  S.)    rec.  v.  J.  Bum+Gibson  in:  Mind.  Nr.  XXXYIII. 
Schaarechmidt,  C,  Zur  Widerlegung  des  Determinismus.  [Philos.  Mouafehfte.  XX.  Bd. 

S.  193—218.] 
Ueber  die  Möglichkeit  der  Metaphysik  (m.  Bezug  auf  Volkelt's  Antrittsrede.) 

[Ebd.  S.  398-407.] 
rec.  Kr oman,  Dr.  K.,   unsere  Naturerkenntniss.     Kopenhagen  1883.    [Ebd. 

S.  256—262.]  rec.  S  eth,  Andr.,  the  derelopment  from  Kant  to  Hegel.  Lond.  1882. 

[Ebd.  S.  412-14.] 
Schiffer,  Ludw.,  der  Baum.    Studie  zu  einer  kineto-monistisch.   Weltanschauung. 

Wien.    Konegen  in  Comm.    (16.  S.   gr.  8.)  —60. 
Schlesinger,  Prof.  Josef  (Wien),  substantielle  Wesenheit  des  Baumes  und  der  Kraft 

Motive  für  d.  nothw.  TJmgestaltg.  der  gegenwärt,  zur  wissenschaftl.  Erklärung 

der  Naturerscheinungen  dienenden  Grundlagen.    Wien  1885  (84).    Holder  in 

Comm.   (VIII,  52  S.  gr.  8.)  1.20. 
Schoel,  Dr.  Alb.  (Prof.  an  der  Kantonsschule  in  St.  Gallen),  Joh.  Friedr.  Herbart's 

philosophische  Lehre  von  der  Beligion  quellenmassig  dargestellt;   e.  Beitrag 

zur  Beantwortung  der  religiösen  Frage  der  Gegenwart.  Dresden.  Bleyl  &  Kaem- 

raerer.    (V,  254  S.  gr.  8.)  5.— 
Schubert-Soldern,  Dr.  Rieh,  v.,  Grundlagen  einer  Erkenntnisstheorie.    Leipz.    Fues. 

(IV,  349  S.  gr.  8.)  7.20.     Selbslam.  m;     Vierteljschr.  f.   wiss.  Phil.    IX.  Jahrg. 

S.  130-31.  —  Mind.  Nr.  XXXVUI. 
Sidgwiok,  Prof.  Henry,   the  methods  of  ethics.    3.  edit  London  Macmillan  &  Co. 

(XXX,  505  S.  gr.  8.)     rec.  v.  ff.  r.  Güjtkt  in:   Vierteljschr.  IX,  104— 1Z 
Siebeck,  H.,  Ueb.  d.  Verhältnis  Ton  Naturgesetz  u.  Sittengesetz  (Akadem.  Antritts- 

vorlegg.)    [Philos.  Monatshfte.  XX.  Bd.  S.  321—341.] 
Ctommer,  dugo,  ©eroiffen  u.  mobeme  Kultur.  Berlin.  Weimer.  (IV,  143  6.  dt.  8.)  3.— 
Spir,  A.,  gesammelte  Schriften.    Lfg.  3—16.    Leipz.  Findel.   (1.  Bd.  XII,  161—416. 

2.  Bd.  322  S.  3.  Bd.  VI,  285  S.  4.  Bd.  IX,  226  S.  gr.  8.)  ä  1.— 
Staudinger,  Dr.  Franz,  Noumena.  Die  „transcendentalen"  Grundgedanken  und  die 
„Widerlegung  des  Idealismus".  Darmstadt.  Brill.  (VIII,  144  8.  gr.  8.)  4.— 
rec.  v.  v.fonj  SeL[ubertJ  S.foldern]  in:  Lit.  Centralbl.  1884.  Nr.  32.  M.  lau  in:  Dt. 
L-Z.  36.  J.  WiUt  in:  Philos.  Monhfle.  XX,  609—16.  Com.  ffemau  in:  Bläu.  f. 
liier.  Unthltg.  33.—  Thilo  in:  Ztschr.f.  exaete  Philos.  XIII.  Bd.  S.  429— 31.  Theol. 
LitblaU.  1885.  9.   Selbstanz.  in  Vierteljschr.  f.  wiss.  Phü.    VIII,  120. 

rec.  Neudecker,  Geo.,  das  Grandproblem  d.  Erkenntnistheorie.  Nördlingen 

1881.  [Vierteljahrsschr.  f.  wissensch.  Plplps.  VIL  Jahrg.  S.  233—237.] 
Stern,  Dr.  Albert,  Ueber  die  Beziehungen  Chr.  irve's  zu  Kant  nebst  mehreren  bis- 
her ungedruckt.  Briefen  Kaufs,  Feder's  und  Ganre's.  Leipzig.  Denicke's 
Verl.  (4  BL,  98  S.  gr.  8.)  2.—  rec.  v.  Com.  Bouuuu  in:  Theol.  LitblaU.  Nr.  25.— 
Die  Grenzboten  Nr.  35.  —  T.fonJ  ScLfubertJ  S.foldernJ  in:  Lit.  Centralbl  Nr.  43.  — 
C  S.[chaarschmidl]  in:  Philos.  Monatshefte  XXI,  501—2.  —  J.  Rthmki  in:  Dt. 
L-Z.  44.  —  Schaidil  in:   Dtsch.  LitblaU  41. 

Stlrllng,  Dr.  J.  Hutchinson,  Kant  has  n  o  t  answered  Hume.  [Mind.  Vol.  IX.  p.  531—547. 

X.  p.  45—72.] 
Stöhr,  Ad£,  Analyse  der  reinen  Naturwissenschaft  Kaufs.    Wien.    Toeplitz  &  Deu- 

ticke.    (VH,  71  S.  gr.  8.)  1.60. 
Stokes,  George  J.,  Going  back  to  Kant    [Mind.  Vol.  IX.  p.  274—281.] 


ggg  Mittheirangen  und  Anhang. 

Stuten,  fierm.,  $>arfteüung  u.  flritif  ber  ©runbfäfce  be*  äRatmaltemuS.  ©n  Skitrao 
gur  5k»abiö.  u.  (Srneueruna  b.  btfcb.  ©eifteälebcn*.  Samba.  SeippeL  (55  c. 
flt.  8.)  —75.    rec.  v.  Max  Rtlxhlt  in:  Theol.  L-Z.  1885.     Nr.  23. 

TUMTY.  Paul,  Theorie  de  la  conoaissance  matheinatique.  [iitevue  philosophique. 
T.  XVIL  p.  429-448.] 

Thilo,  Chr.  A.,   Einige   Beitrage  zur   Prüfung    der  theoretisch.     Ansichten    Kants. 

gitschr.  f.  exakte  Philos.    Bd.  XIH,  ö.  245—75.    337—73.] 
ec.  üb.  Vai binger,  Kommentar  z.  Kaufs  Krit.  d.  r.  V.    Bd.  I.    Stuttgart 

1882.    Paulsen,  Versuch  e.  Entwickl^sgesch.  d.  Kantisch.  Erkenntnistheorie. 

Leipz.  1875.    Biehl,  d.  philos.  Kriticism.  u.  seine  Bedeutg.  f.  d.  posit  Wi*- 

sensch.   I.  Bd.   Leipz.  1876.   Cohen,  Kaufs  Begrün  dg.  der  Ethik.  Berl.  IST 7. 

[Ebd.  S.  78—103.] 
Tullooh,  J.,  Modern  theories  in  philosophy  and  religion.    Edinburgh.    Enthält  u.  u.: 

Back  to  Kant;  or  Jmm.  Kant  and  the  Kaution  revival. 
Valhlnger,  H.,  Zu  Kants  Widerlegung  des  Idealismus.    fStrassbnrger  Abhandlungta 

zur  Philosophie.    Eduard  Zeller  zu  seinem  70.  Geburtstage.    Freiburg  i.  B. 

U.  Tübingen.  Mohr.  S.  85 — 164.]  rec.  v.  Ä.  r.  Lsdair  in:  Vierteljahrsschrijl  f. 
wies.  PhU.  IX,  123—26.  Rüd.  Eucktn  in:  Dtsche.  L-Z.  1884.  Nr.  47.  Casaut  ,V 
Kosmos  1884.  S.  148—154.  Kim  in:  Schwab.  Merkur  1884.  Nr.  195  (ßJL 
Vom  der  Wljk,  de  Tijdspiegel  1884. 

Veyder  Malbarg,  Arthur  Freihr.  von,  Ueb.  die  Einheit  aller  Kraft  Eine  Abhandig. 
Wien.  Selbstverl.    (VI,  129  S.  gr.  8.)    3.— 

Botfeit,  Dr.  Äarl,  b.  Problem  Dom  Urfpruna.  b.  Vernunft  u.  feine  Söfunfr  (SRit  Sfcnu 
auf  91oire\  bie  Sefcre  flaut«  u.  b.  Urfpruna  b.  SBermmft.  2Wainj  1882.  [Wtüm 
Mfl.  3ta.  «eil.  )u  SRr.  303  u.  304.] 

Volkelt,  Johannes,  üb.  die  Möglichkeit  der  Metaphysik.  Antrittsrede,  geh.  sn  Basel 
am  23.  Okt.  1883.    Hamburg.  Voss.  (10  S.  gr.  8.)    1.— 

(Sin  SBetompfev  be*  Gmpirtömuä.  (2Jüt  SBejuß  auf  Otto  ßtebmann,  bie  JUimai 

ber  3*eoriett.    6tra6b«.  1884.    [$ie  (Seoentoart.  93b.  XXVI.  6.  71—73.1 

Wijok,  van  der,  de  levensloop  van  een  iersch  denker  (üb.  d.  Verhältniss  Ton  Berke- 
ley zu  Kant)  im  „Tijdspiegel"  1884. 

WlmtollMUid,  W.  (Strassburg  i.  E.),  Ueb.  den  teleologischen  Kriticismus.  Zur  Abwehr 
(geg.  Prof.  Laas'  Gegenbemerkgn.  zu  Windelband's  Präludien).  [Philos.  Mo- 
natshefte. XX.  Bd.  3.  161-69.] 

Beitrage  zur  Lehre  vom  negativen  Urtheil.    fStrassburger  Abhandlungen  iur 

Philos.  Ed.  Zeller  zu  sm.  70.  Geburtstage.  Freiburg  i.  Br.  u.  Tübing.  Mohr. 
8.  165—195.]     rec.  v.  BtdUtr  in:  Philos.  Monatshefte  XXI,  435  ff. 

fBittt,  $rof.  Dr.  3.,  ber  ©efammtdjaratter  üon  Jtant h  fiefore  im  Siebte  t)on  Äunc 

tifdjet'3  neufter  flritit  betfelben.    [3eitf*r.  f.  Wlof.  u.  rtilof.  Äririt.  84.  3fc 
>.  291—311.] 
S&ottftfy,  flaut  unb  baS  ^rineip  ber  gr&altottß  ber  Arbeit.    [$reujiif*e  Sa&rMaVr. 

52.  SBb.  1883.  6.  513-514.1 
Zeller,  Eduard,  Vorträge  u.  Abhandlungen.  3.  Sammig.  Leipzig.  Fues.  (VII,  285  S. 

gr.  8.)    6.—    Enth.  S.  156—188:  Ueb.  das  Kantische  Moralprincip  und  den 

Gegensatz  formaler  u.  materialer  Moralprincipien.  —  189 — 224:  Ueb.  Betriff 

u.  Begründung  der  sittlich.  Gesetze,   vgl.  oben  unter  Jttaz.  —  225 — 285:  Leb. 

die  Gründe  unseres  Glaubens  an  die  Realität  der  Aussen  weit. 
ZtawermaJin,  Bob.,  üb.  Hume's  empirische  ßegründg.  d.  Moral.   [Aus:  „Sitiungsber. 

d.  k.  Akad.  d.  Wiss."]    Wien.  Gerolde  Sohn  in  Comm.   (96  S.  Lex.-a)  1-5& 
(Sine  neue  äöenbuno.  be*  9ieotantiam£mu$.    |2)eutfd>e  Bleöue  üb.  b.  gefanuntc 

nationale  Seben  b.  ©an>.  IX.  3afcra_.  £ft.  3.  6.  254—257.] 


I.  Autoren-Register. 


Baren,  Otto  van,  Landgerichte-Präsident  in  Instcrburg.  Der  Zorn  Friedrichs  des 
Grossen  über  Ostprcussen.  Vortrag,  gehalteu  in  der  Alterthumsgesellschaft 
za  Instorburg  am  20.  Febr.  1885.    185—217. 

Beckherrn,  Carl,  Major  a.  D.  in  Königsberg.  Einige  Bemerkungen  über  das  Ordens- 
hans Balga  und  seine  Umgebung.    335—345. 

—  —  Der  Schlossberg  bei  Jesziorken.    (Mit  Croqais).    463—466. 

Verzeichniss  der  die  Stadt  Rastenburg  betreifenden  Urkunden.    505—605. 

Bergan,  Rudolf,  Professor  in  Nürnberg.  Recension.    467—468. 

Bezzenberger,  Dr.  Adalbert,  Universit&ts-Professor  in  Königsberg.  Recension.  346—352. 

Bnjack,  Dr.  Georg,  Gymnasialoberlehrer  in  Königsberg.  Der  preussische  Landtag 
von  Königsberg  im  Jahre  1494.    472—485. 

E  .  .  .  d.    Der  preussische  Staatsrath  und  seine  erste  That  im  Jahre  1817.  122—157. 

Fischer,  Dr.  L.  EL,  Gymnasiallehrer  in  Berlin.    Nachtrage  zu  Kobertins  Gedichten, 

606-617. 

Frischeier,  H.,  Rector  in  Königsberg.  Zur  volkstümlichen  Naturkunde.  Beitrage 
aus  Ost-  und  Westpreussen.    218—334. 

6.    Recension.    352—353. 

Höhlbaum,  Dr.  Konstantin,  Stadtarchivar  in  Köln.  Zur  Rechtsgeschichte.  Notiz  aus 
dem  Kolner  Stadtarchiv  mitgetheilt.    492. 

Hörn,  A.,  Rechtsanwalt  und  Notar  in  Insterburg.    Tannenberg.    637—648. 

Jacoby,  Leopold,  in  Cambridge,  Massachusetts.  Der  Teufel  im  Flachs.  Nach  einer 
Volkssage  poetisch  dargestellt    372—373. 

Kuttner,  Dr.  Otto,  Gymnasiallehrer  in  Coblenz,  vorher  in  Neuhaldensleben.  Die  Be- 
deutung der  regulativen  Ideen  Kants:    Die  Atomistik.    59 — 75. 

Kants  Copernicanismu8  auf  die  Begriffe  Notwendigkeit  und  Freiheit  ange- 
wandt   618—636. 

Lohmeyer,  Dr.  Carl,  Universitats-Professor  in  Königsberg.  Verzeichnfes  der  in  den 
Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ostpreussens  enthaltenen  Abhand- 
lungen zur  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen.    365—372. 

P.    Recension.    651—653. 

Perlbach,  Dr.  Max,  Bibliothekar  in  Halle.    Recension.    649—651. 

Petong,  Dr.  Richard,  Realprogymnasiallehrer  zu  Dirachau  a.  D.  Dio  Gründung  und 
älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau.    (Mit  zwei  eutogr.  Karten.)  1—44. 


690  H.  Sach-Begister. 

Reloke,  Dr.  Rudolf,  Bibliothekar  in  Königsberg.  Biographische  Notizen  über  Thomas 

Homer.    52—68. 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  Beligionszustandes  in  PreusBisch  Litauen  unter  dem 

Churfürsten  Friedrich  Wilhelm.    177—178.      ' 
Ans   Kant's  Briefwechsel.      Vortrag,    gehalten    an    Kant's    Gehaltstag  den 

22.  April  1885  in  der  Kant- Gesellschaft  zu  Königsberg.  Nebst  einem  Anhang. 

enthaltend  Briefe  von  Jac.  Sigism.  Beck  an  Kant  nnd  von  Kant  an  Beck. 

377-449. 

Die  Kant-Bibliographie  des  Jahres  1884.    682—688. 

Rogge,  Adolf,  Pfarrer  in  Darkebmen.    Die  Gobotiner.    45—49. 

Das  Gebetbuch  der  KnrfÜrstin  Anna  von  Brandenburg.    345—364. 

Michael  Burckhardt,  der  Nehrungspfarrer  nnd  seine  Gemeinde.  Ein  Sittenbild 

aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.    450—462. 
Stern,  Dr.  Alfred,   Universitäts- Professor  in  Bein.    Was  ist  ein  Gutsbesitzer  ohne 

Polizeigewalt?    174—177. 
Ungewitter,  Otto,  Gymnasial-Professor  in  Königsberg.  De  ratione  componcndi  canfo. 

Autore  Thoma  Hornero  Egrano.    50—52. 
W.,  E.    Becensiou.    161—162. 
Witt,  Carl,  Gymnasial- Professor  in  Königsberg.  Kant's  Gedanken  von  den  Bewohnern 

der  Gestirne.    Vortrag,   gehalten  zum  Besten  des  Vereins  für  die  Erziehung 

taubstummer  Kinder.    76—90. 
Zimmer,  Lic.  Dr.  Friedrich,    Universitäts- Professor    in    Königsberg.     Königsberger 
.   Kirchenliederdichter  und  Kirchenkomponisten.    Vortrag,  gehalten  am  16.  Fe- 
bruar 1885  im  Saale  des  Landeshauses  zu  Königsberg  in  Pr.    91 — 121. 


n.  Sach-Begister. 


Attertfaumsgesellftchaft  Prussia  in  Königsberg  1883.  162-173.  1884.  353-361. 
468—491.    1885.  654—665. 

Attpreussfoche  Bibliographie  1884.  179—184.  374—376.  494—503.  667—682. 

Anna  —  Das  Gebetbuch  der  Kurfürstin  A.  von  Brandenburg.  354—364. 

Balga  —  Einige  Bemerkungen  über  das  Ordenshaus  B.  und  seine  Umgebung.  335—344. 

Beck  —  Aus  Kant's  Briefwechsel  Vortrag.  Nebst  einem  Anhang,  enthaltend  Brief« 
von  Jac.  Sigism.  B.  an  Kant  und  von  Kant  an  B.    377—449. 

Berichtigung.    376. 

Bibliographie,  altpreussische.  179—184.  374—376.  494—503.  667—682.  Die  Kant-B. 
des  Jahres  1884.   682—688. 

Bitte.    504. 

Braunsberg  —  Lyceum  Hosianum  in  B.    179.  494. 

Burokhardt  —  Michael  B.,  der  Nehrungspfarrer  und  seine  Gemeinde.  Ein  Sitten- 
bild aus  der  zwoiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.    450—462. 

Directum  —  Die  Gründung  und  älteste  Einrichtung  der  Stadt  D.  (Mit  zwei  autogr. 
Karten.)    1—44. 


%  II.  Baeh-Register.  691 

Eingesandt.    184. 

Friedrich  —  Der  Zorn  F.'s  des  Grossen  über  Ostpreussen.    Vortrag.    185—217. 

Gebetbuch  —  Das  6.  der  Karfürstin  Anna  von  Brandenburg.    354—364. 

Geschichte  —  Verzeichniss  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ost- 
preussens  enthaltenen  Abhandlongen  zur  G.  von  Ost-  n.  Westpreossen.  365—372. 

Gesellschaft  —  Alterthums-G.  Prussia  in  Königsberg  1883.162-173.  1884.353—364. 
468-491.    1885.  654—665. 

Gobotiner  —  Die  G.  45—49. 

Gründung  —  Die  G.  nnd  älteste  Einrichtung  der  Stadt  Dirschau.  (Mit  zwei  autogr. 
Karten.)    1—44. 

Gutsbesitzer  —  Was  ist  ein  G.  ohne  Polizeigewalt?    174-177. 

Homer  —  De  ratione  componendi  cantns.  Antore  Thoraa  H.  Egrano.  Nebst  bio- 
graphischen Notizen  über  Thomas  H.    50—58. 

Hosiamnn  —  Lyceum  H.    179.    494. 

Jesziörsken  —  Der  Schlossberg  bei  J.  (mit  Croqnis).    463—466. 

Kant  —  K— 's  Gedanken  von  den  Bewohnern  der  Gestirne.  Vortrag.  76—90.  Die 
K.-  Bibliographie  des  Jahres  1884.  682—688.  Aus  K— 's  Briefwechsel.  Vortrag. 
Nebst  einem  Anbang,  enthaltend  Briefe  von  Jac  Sigism.  Beck  an  K.  und 
von  K.  an  Beck.  377—449.  K—  's  Copernicanismns  auf  die  Begriffe  Not- 
wendigkeit und  Freiheit  angewandt.  618—636.  Die  Bedeutung  der  regulativen 
Ideen  K-'s:  Die  Atomistik.   58—75. 

Kirchenliederdichter  —  Königsberger  K.  und  Kirchenkomponisten.  Vortrag.  91—121. 

Köln  —  Zur  Rechtsgeschichte.    Notiz  aus  dem  K— er  Stadtarchiv.    492. 

Königsberg  —  Alterthumsgesellschaft  Prussia  in  K.  1883.  162—173.  1884.  353—364. 
468—491.  1885.  654—665.  K— er  Kirchenliederdichter  und  Kirchenkompo- 
nisten. Vortrag.  91—121.  Der  preussische  Landtag  von  K.  im  Jahre  1594. 
472—485.    Universitäts-Chronik  1884/*5.    178—179.    492—493.    666—667. 

Landtag  —  Der  preussische  L.  von  Königsberg  im  Jahre  1594.    472 — 485. 

Litauen  —  Beitrag  zur  Kenntniss  des  Religionszustandes  iu  Preussisch  L.  unter  dem 
Churfursten  Friedrich  Wilhelm.     177—178. 

Lyceum  Hosianum  in  Braunsberg.    179.    494. 

Musik  —  Preisausschreiben  des  Evangelischen  Vereins  für  geistliche  und  Kirchen- 
M.  der  Provinzen  Ost-  und  Westpreussen.    503—504. 

Naturkunde  —  Zur  volkstümlichen  N.  Beiträge  aus  Ost-  und  Westpreussen.  218—334. 

Nehrung  —  Michael  Burckhardt,  der  N—  spfarrer  und  seine  Gemeinde.  Ein  Sitten* 
bild  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts.    450—462. 

Ordenshaus  —  Einige  Bemerkungen  über  das  0.  Balga  und  seine  Umgebung. 
835-345. 

Ostpreussen  —  Zur  volkstümlichen  Naturkunde.  Beiträge  aus  0.  und  Westpreussen. 
218 — 334.  Verzeichniss  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  0— s 
enthaltenen  Abhandlungen  zur  Geschichte  von  0.  und  Westpreussen.  365 — 372. 
Der  Zorn  Friedrichs  des  Grossen  über  0.    185—217. 

Polizeigewalt  —  Was  ist  ein  Gutsbesitzer  ohne  P.?    174—177. 

Preisausschreiben  des  evangelischen  Vereins  für  geistliche  und  Kirchenmusik  der 
Provinzen  Ost-  und  Westpreussen.    503—504. 

Preussisch  —  Der  p-e  Landtag  von  Königsberg  im  Jahre  1594.  472-485.  Der 
p— e  Staatsrath  und  seine  erste  That  im  Jahre  1817.    122—157. 


692  H.  Sach-Begister. 

Prof  raiMM  —  Verzeichnis  der  in  den  P— n  der  höheren  Lehranstalten  Ostpreussens 
enthaltenen  Abhandlungen  znr  Geschichte  von  Ost-  and  Westprenssen.  365—372. 

Pmesfa  —  Altorthumsgesellschaft  P.  in  Königsberg  1883.  162—178.  1884. 353-364. 
468-491.     1885.  664-666. 

Raateulwrg  —  Yerzeichniss  der  die  Stadt  R.  betreffenden  Urkunden.    505—605. 

Recenelonen  —  Die  Bau-  nnd  Eunstdenkinäler  der  Provinz  Westprenssen.  Heft  IL 
Der  Landkreis  Dam  ig.  352—353.  467—468.  Max  Hobrecht,  Von  der 
Ostgrenze.  161—162.  Panl  Schienther,  Frau  Gottsched  nnd  die  K  ver- 
liehe Komödie.  651—653.  Urkundenbuch,  Liv-,  Est-  nnd  Curländischee, 
begründet  von  F.  G.  v.  Bunge,  fortgesetzt  von  Hermann  Hildebrand.  Bd.  VIII. 
649—651.  Dr.  Edra.  Veckenatedt,  Die  Mythen,  Sagen  nnd  Legenden  der 
Zamaiten  (Litaner).    158— 160.  #  346—352. 

Rechtsneschichte  —  Znr  R.    Notiz  ans  dem  Kölner  Stadtarchiv.    492. 

RetlflionszustaJid  —  Beitrag  znr  Kenntniss  des  R— es  in  Preussisch  Litauen  unter 
dem  Cburftirsten  Friedrich  Wilhelm.    177-178. 

RobertiH  —  Nachträge  zu  B— s  Gedichten.    606—617. 

ScMoaebtrg  —  Der  S.  bei  Jesziörken.    (Mit  Croqnis.)    463—466. 

Staat8fath  —  Der  preußische  S.  nnd  seine  erste  That  im  Jahre  1817.    122—157. 

Tannenbery.    637—648. 

Tenfel  —  Der  Teufel  im  Flachs.  Nach  einer  Volkssage  poetisch  dargestellt  von 
Leopold  Jacoby  in  Cambridge,  Massachusetts.    372 — 373. 

Untorsrttts-Chronik  1884/85.    178—179.    492—493.    666—667. 

Urkunden  —  Verzeichnis  der  die  Stadt  Rastenburg  betreffenden  U.    505—605. 

Verzeichniaa  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten  Ostpreussens  ent- 
haltenen Abhandlungen  zur  Geschichte  von  Ost-  und  Westpreussen.  365—372. 

Volkaamae  —  Der  Teufel  im  Flachs.    Nach  einer  V.  poetisch  dargestellt  372—373. 

Volkstümlich  —  Zur  v— en  Naturkunde.  Beitrage  aus  Ost-  und  Westprenssen. 
218-334. 

Wettprenaaen  —  Verzeichniss  der  in  den  Programmen  der  höheren  Lehranstalten 
Ostpreussens  enthaltenen  Abhandlungen  zur  Geschichte  von  Ost-  und  W. 
365—372. 

Zorn  —  Der  Z.  Friedrichs  des  Grossen  über  Ostpreussen.    Vortrag.    185—217. 


Gedruckt  in  der  Albert  Bosbach* toben  Buchdrucker«!  in  Kitaigeberf. 


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VI,  630  S.  8.  geh.  9  Mk.,  eleg.  geb.  10  Mk. 

Wie  in  **im  „Kampf  um  Rom"  den  Untergang  des  Gothenreiches  in  Italien, 
schildert  der  Verfasser  hier  den  Untergang  des  Vandalenreiches  in  Afrika,  jedoch, 
den  sehr  verschiedenen,  ja  zum  Theil  entgegengesetzten  Verhältnissen  entsprechend, 
in  sehr  verschiedener  Weise  der  Darstellung,  doch  dem  Kampf  um  Rom  voll  ebenbürtig. 


Felix  l>alm. 

Kleine  Romane  aus  der  Völkerwanderung. 


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Die  schlimmen  Nonnen  von  Poitiers. 

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In  Pergamentband  mit  Schwarz-  und  Rothpressung. 

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Heft  1  XL  2    des    nenen    ^XXTTT^  JaTiroraner«    «r««h«iineii  als