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Monatsschrift
neue Folge. ?— / -,s > r,
Der w
Hauen Preussiscasn PiOTiniial-Bl&ttw
vierte F«lge.
Herausgegeben
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert
Zweiundzwanzigster Band.
Der Provinaial-Blatter LXXXVIII. Band.
Mit Beiträgen
0. vu Bann, C. Beckherrn, R. Bergan, A. Bezzenberger, 8. Bujack, L. H. Flacher,
H. Frtoeabier, K. Höhlbaum, A. Harn, L. iacony, D. Kuttner, K. Lohmeyer, M. Perlbaoh,
R. Pflteag, R. Reicke, A. Rogge, A. Stern, 0. UngewKter, C. Witt, F. Zimmer
und Ungenannten.
Hit iwei antograpbiachen Karten
und Croqnis.
Königsberg in Fr.
Vertag von Perd. Beyer's Buchhandlnng.
1886.
HX^- P*-u 4* z. , y, /, -7
( C t :z r '- ^ /*-f c^ „
Alle Rechte bleiben vorbehalten.
Herausgeber und Mitarbeiter.
T
Inhalts-Verzeichniss.
I. Abhandlungen.
Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau. Von Dr. Rieh. Petong.
(Mit zwei autogr. Karten.) 1—44.
Die Gobotiner. Von Adolf Kogge. 45—49.
De ratione componendi cantus. Antore Thoma Hornero Egrano. Von Otto Un-
gewitter. Nebst biographischen Notizen über Thomas Homer von Rudolf
Reicke. 50—58.
Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants: Die Atomistik. Von Dr. Otto Kuttner
in Neuhaldensleben. 59—75.
Kants Gedanken von den BewohneYn der Gestirne. Vortrag, gehalten zum Besten
de» Vereins für die Erziehung taubstummer Kinder von Carl Witt. 76—90.
Kfinigsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten. Vortrag, gehalten am
16. Februar 1885 im Saale des Landeshauses zu Königsberg in Pr. von Prof.
Dr. Friedrich Zimmer. 91—121.
Der preus8ische Staatsxath und seine erste That im Jahre 1817. Von E . . . d*
122-157.
Der Zorn Friedrichs des Grossen Ober Ostpreussen. Vortrag, gehalten in der Alter-
thum8ge8ell8chaft zu Insterburg am 20. Febr. 1885 von Otto van Baren,
Landgerichts-Präsident 185—217.
Zar volkstümlichen Naturkunde. Beiträge aus Ost- und Westpreuasen von EL Friseh-
bier. 218—334.
Einige Bemerkungen über das Ordenshaus BaJga und seine Umgebung. Von Carl
Beckherrn. 335—345.
Ans Kaufs Briefwechsel. Vortrag, gehalten an Kant's Geburtstag den 22. April 1885
in der Kant-Gesellschaft; zu Königsberg von Rudolf Beicke. Nebet einem
Anhang, enthaltend Briefe von Jac. Sigism. Beck an Kant und von Kant an
Beck. 377—449.
Michael Burckhardt, der Nehrungspfarrer und seine Gemeinde. Ein Sittenbild aus
der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von Adolf Bogge. 450—462.
Der Schlossberg bei Jesziörken. Von C. Beckherrn (mit Croquis). 468—466.
* Verzeichniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden. Von Carl Beck-
herrn. 505—605.
Nachtrage zu Robertins Gedichten von Dr. L. H. Fischer in Berlin* 606—617.
Kants Copernicanismus auf die Begriffe Notwendigkeit und Freiheit angewandt
Von Dr. Otto Kuttner in Coblenz. 618—636.
Tannenberg. Von A. Hörn, Rechtsanwalt. 637—648.
V
IT Inbalts-Vereeichniss.
II. Kritiken und Referate.
Dr. Edm. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer).
158—160.
Max Hobrecht, Von der Ostgrenze. Von £. W. 161—162.
Dr. Edm. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer).
Von A. Bezzenberger. 346—352.
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreussen. Heft IL Der Landkreis
Danzig. Von G. 352—353.
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Westpreussen. Von R. Bergau.
467-468.
Liv-, Est- und Curländisches Urkundenbuch. Begründet von F. 0. v. Bunge, fort-
gesetzt von Hermann Hildebrand. Bd. 8. Von M. Perlbach. 649—651.
Paul Schlentber, Frau Gottsched und die bürgerl. Komödie. Von P. 651—653.
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1883. 162—173. 1884. 353—364.
468-491. 1885. 654—665.
III. Mittheilungen und Anhang.
Was ist ein Gutsbesitzer ohne Polizeigewalt? Von Prof. Dr. Alfr. Stern. 174—177.
Beitrag zur Kenntniss des Beligionszustandes in Preussisch Litauen unter dem
ChurfÜrsten Friedrich Wilhelm. Mitgetheilt von Budolf Reicke. 177—178.
Verzeichniss der in den Programmen der höheren Lehranstalten Ostpreussens ent-
haltenen Abhandlungen zur Geschichte von Ost- und Westpreussen. Von
Karl Lohmeyer. 365—372.
Der Teufel im Flachs. Nach einer Volkssage poetisch dargestellt von Leopold
Jacoby in Cambridge, Massachusetts. 372—373.
Zur Bechtsgeschichte. Notiz aus dem Kölner Stadtarchiv mitgetheilt von Dr. Kon-
stantin Hohlbaum. 492.
Üniversit&ts-Chronik 1884/85. 178—179. 492—493. 666-667.
Lyeeum Hosianum in Braunsberg 1885. 179. 494.
Altpreussische Bibliographie 1884. 179—184. 373-376. 494—503. 667—682.
Die Kant-Bibliographie des Jahres 1884. Zusammengestellt von Budolf Beicke.
682-688.
Preisausschreiben des Evangelischen Vereins für geistliche und Kirchenmusik der Pro-
vinzen Ost- und Westpreussen. 503—504.
Eingesandt 184.
Berichtigung. 376.
Bitte. 504.
L Autoren-Begister. 689—690.
IL Sach-Begister. 690—692.
Literarische Anzeigen (auf den Umschlagen).
1
« *■
-' j -/ . ■
Altpreussische ^
\
Monatsschrift
neue Folge.
Der
Heues Preussischen FroTissial-Blätter
vierte Folge.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Der Monatsschrift XXII. Band. Der Provinzialblätter LXXXVIII. Band.
Erstes and zweites Heft
Januar — März.
[Mit zwei autographischen Karten.]
inPr.
Verlag von Ferd. Beyer's Buchhandlung.
1886.
Inhalt.
^■"V.%. S. V^
I. Abhandlungen: 8eiu
Die Gründung und Elteste Einrichtung der Stadt Dirschau. Von
Dr. Rieh. Petoug. (Mit zwei autogr. Karten.) 1 — 44
Die Gobotiner. Von Adolf Rogge 45—49
De ratione componendi cantus. Autore Thoma Hornero Egrano.
Von Otto Ungewitter. Nebst biographischen Notizen über
Thomas Horner von Rudolf Reicke 50—58
Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants: Die Atomistik. Von
Dr. Otto Kuttner in Neuhai densleben 59—75
Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne. Vortrag, gehalten
zum Besten des Vereins für die Erziehung taubstummer Kinder
von Carl Witt 76—90
Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten. Vortrag,
gebalten am 16. Februar 1885 im Saale des Landeshauses zu
Königsberg in Pr. von Prof. Dr. Friedrich Zimmer , . . 91 — 12t
Der preussische Staatsrath und seine erste That im Jahre 1817.
Von E ... d 122—157
II. Kritiken and Referate:
Dr. Edm. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen und Legenden der
Zamaiten (Litauer) 158—160
Max Hobrecht, Von der Ostgrenze. Von E. W 161—162
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1883 162 — 173
III. Mittlieilungen and Anhang:
Was ist ein Gutsbesitzer ohne Polizeigewalt? Von Prof. Dr. Alf r. Stern 174 — 177
Beitrag zur Kenntniss des Religionszustandes in Preussisch Litauen
unter dem Churfürsten Friedrich Wilhelm 177—178
Universitäts-Chronik 1884/85 178—179
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1885 179
Altpreussische Bibliographie 1884 179 — 184
Eingesandt 184
Literarische Anzeigen (auf dem Umschlag).
Literarische Anzeigen«
Zw Carl Kttntir'* Untnerfttntö-?3ml)ljanMuns in ^tiitlbtxß
ift fofWn eifdücnnr.
Keßer ben peufföjen (Drben unb feine Berufung
tta<# IJfreußen.
fton Dr. 3Uflif fUdf.
(Sammlung u<m Wortragen. Don «frommel mit Pfaff XII, 10.)
?x<i$: 0,60 m.
Gründung nnd älteste Einrichtung der Stadt
Dirschan,
Von
Dr. Rieh. Petong.
(Mit zwei autogr. Karten.)
Die Leuchte des Christentums war von dem polnisch-poinmerellischen
Grenzbruch bis zur Mündung der Weichsel hindurchgedrungen, soweit
polnische Eroberer ihr Scepter geltend zu machen vermocht hatten.
Wohl gab es noch manchen Unterschied zwischen Wenden und Polen,
in Sprache und Sitte, in socialer und politischer Organisation; aber die
naturwüchsige wendische Art wurde von der höher entwickelten polni-
schen Kultur in etwa zwei Jahrhunderten fast völlig verdrängt. Es ist
der natürliche Weg solcher Einflüsse, mit einer politischen Umgestaltung
zu beginnen, um zuletzt mit der Verdrängung von Sprache und Sitte
zu ^chliessen. Dass dieser Prozess in unserem Lande zwischen Weichsel
und Leba sich jedoch nur teilweise vollzog, verdanken wir neben der
wetterwendischen Politik eingeborner Machthaber, zwei Factoren, dem
deutschen Ordenswesen und dem deutschen Bürgertum.
Seitdem Papst EugeniusIII. im Jahre 1148 dem polnischen Bischof
zu Wlotzlaweck in Cujavien die kirchlichen Einkünfte von Ostpommern
mit der Burg Edanzc (Danzig) und allem Zehnten von Getreide und
von den handeltreibenden Schiffen, von der Münze und der Gerichtsbar-
keit verliehen, bis in die Zeiten der Ordensherrschaft hinein begegnen
wir beständig einem Ankämpfen gegen die polnische Suprematie, einer
kirchlichen und politischen Parteiströmung, getragen von deutschen
Rittern, Mönchen und Bürgern.
In jener Zeit der deutschen Kolonisation im slawischen Nordosten,
zwischen Elbe und Weichsel — ja bis zum finnischen Meerbusen hinauf —
als Staufer und Weifen, Kaiser und Päpste sich mit einander maßen,
Altpr. Mouattiohrift Bd. XXII. Hft. 1 n. 2, 1
2 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau,
war nicht das Bewusstsein der Reichseinheit und der nationale Gedanke,
wohl aber der Trieb nach festumgrenzter Selbstständigkeit herrschend.
Hierin fühlten sich die deutschen Elemente, so verschieden ihre Inter-
essen auch waren, mit den eingeborenen Machthabern Eins und lohnten
mit treuer Anhänglichkeit die hochherzige Protection und Beförderung,
welche sie fanden. Neben dieser Gegenströmung trat der slawische
Grundzug der Entwickelung aber doch mächtig hervor.
Schon im Jahre 1139, etwa gleichzeitig mit der oben erwähnten
kirchlichen Vereinigung, beginnt mit der Teilung des polnischen Reiches
politische Schwäche. Gegen Ende des Jahrhunderts liegen die polnischen
Teilfürsten schon mit einander im Kampfe. Waren aber inzwischen
während der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts die einheimischen
Statthalter in Pommerellen zu ansehnlicher Macht gelangt, so scheint
doch auch hier eine feste monarchische Einrichtung niemals zum Durch-
bruch gekommen zu sein und im zielbewussten heroischen Kampf um
Erhaltung der mühsam errungenen Selbständigkeit verzehrt sich das
eigeborene Herrschergeschlecht. Verderblicher Bruderzwist entbrannte,
als auf dem rechten Ufer der Weichsel eine neue Macht sich geltend
machte — der deutsche Orden.
Selbst im Vordringen gegen die heidnischen Preussen begriffen,
denen man das Land zwischen Nogat und Weichsel entzog, hatte die
Pommerellische Macht sich den Brückenkopf Zantir auf dem rechten
Ufer der Weichsel geschaffen und da, wo weiter unterhalb eine gute
Uebergangsstelle sich fand, gründeten die pommerellischen Herzöge auf
wenig ergiebigem Boden und in gering bevölkerter Gegend die neue
Kirche zu Dyrsowe (Dischau), gerade zu der Zeit, als die erste Ordens-
gesandtschaft in Cujavien erschien; als aus der Ferne ganz neue Unter-
nehmungen gegen die heidnischen Preussen im Anzüge waren.
Swantopolk, der grosse Nationalheld, hatte schon vorher ausserhalb
Danzigs dem heiligen Nikolaus, dem Patrone der Schiffer und Fischer,
eine Kapelle errichtet. Es ist die Zeit, in der die Klöster Zuckau und
Oliva reiche Schenkungen erhielten, in welcher auch der Kirche und
dem Kloster zu St. Albrecht, sowie den Johannitern und andern Geist-
lichen reiche Dotationen zuteil wurden.
Von Dr. Rieb. Petong. 3
Swantopolk suchte sich der Gunst des Gneseuer Erzbischofs zu
versichern, nachdem Papst Gregor IX. ihn vorher schon seines Schutzes
gegen die Fürsten von Polen versichert.
Es war ein ebenso politischer als kirchlicher Gedanke, sich durch
ein neues frommes Werk angesichts der gefahrlichen Heiden bei den
von Kaiser und Papst begünstigten Glaubenskämpfern in Achtung zu
setzen. Ausser den Klosterkirchen .von Oliva und Zuckau gab es da-
mals sehr wenige Kirchen im Lande. Priester begegnen uns an den
TTürstensitzen zu Danzig und Schwetz; auf der wichtigen südlichen
Grenzburg Wyszegrod besteht eine Kirche, deren Patron Swantopolk ist,
und in Liebschau hat der Johanniterorden zwei Priester; ausserdem
kommen noch der Johannitersitz Schöneck und St. Albrecht bei Danzig
in Betracht; andere Kirchen werden urkundlich nicht genannt.
Bei so spärlicher Anzahl von Gotteshäusern kann man die Gründung
der Dirschauer Kirche in unmittelbarer Nähe von Liebschau nur einem
ausserordentlichen Anlass zuschreiben.
Der unmündige Sambor, der spätere Gründer des Schlosses, hatte
von vornherein wenig Teil an dem Werk; der ihn bevormundende
Bruder Swantopolk erkannte mit kühnem Scharfblick die Bedeutung des
Ortes. Der gemischte Charakter des Baues spricht noch heute für die
verschiedenartige Beteiligung der Erbauer. Der Turmkoloss, auf un-
behauenen Granitblöcken errichtet, ist etwa 13 Meter breit, ca. 10 Meter
tief. Da seine Wände unten eine Stärke von etwa 3 Meter aufweisen,
ist der im Lichten bleibende Raum nur gering, zur Vollendung scheint
er niemals gediehen zu sein, so dass bei der vor kurzem erfolgten Auf-
bringung neuer Glocken der Wunsch nach einem vollständigen Ausbau
des Turmes zu Tage trat. Gegenwärtig ist er nur 100 Puss hoch,
darüber befindet sich eine hölzerne Fortsetzung von ca. 25 Fuss Höhe,
aber der gewaltige Ziegelkoloss ist meilenweit, besonders von dem tiefer-
liegenden Werdergebiete, sichtbar. Das ältere Dach der Kirche reichte
noch über den jetzigen oberen Rand des Turmes hinaus. Bei einem
Ausbau nach Art der Danziger Marienkirche müsste derselbe mindestens
die doppelte Höhe erhalten. Während seiner ehemaligen Erbauung
machte sich bereits, wie es scheint, eine Geschmacksänderung geltend.
1*
4 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirscbaa.
Statt des niedrigen Rundbogens an den Lichtöffnungen der Vorderseite
wählte man an der Südseite die Spitzbogenform. Da die Seitenschiffe
der Kirche aus späterer Zeit stammen, so erscheinen die beiden ur-
sprünglichen Chöre, das grössere etwa 25 Meter, das kleinere etwa
20 Meter lang, sowie die geringe Breite wie ein Abfall von dem
Gedanken, welchem der Turm seine Entstehung verdankt; aber nach
dem Maß jener Zeiten war die neue Kirche zur heiligen Kreuzerhöhung
ein gewaltiger Bau, und nicht nur auf ein momentan vorhandenes Be-
dürfnis berechnet. Es gab schon einzelne Dörfer im Danziger Werder,
und dass auch das grosse Werder zwischen Weichsel und Nogat da-
mals nicht ganz ohne Ansiedler war, schliessen wir nicht sowohl aus den
prähistorischen Funden; welche Dr. Marschall in 16 verschiedenen Orten
mit preussischen und altslawischen Namen nachgewiesen hat, sondern
aus den seit dem Jahre 1251 über besondere Besitztitel vorhandenen
Urkunden. Fischfang und Jagd, zum Teil auch die Holznutzung reizten,
wenn nicht zur Ansiedlung so doch zu zeitweisem Aufenthalt. Längs
der damals zahlreicheren Wasserarme und über dieselben führten ge-
wisse Passagen. Wo eine neue Insel sich bildete, baute man Wehre
und Blockhäuser, um den angrenzenden Strich beherrschen und unbe-
schränkt ausbeuten zu können. Es gab auch unzweifelhaft einen Ueber-
gangsweg, welcher von der Weichsel bei Lichtenau vorbei nach der
Nogat führte; doch lief derselbe wie die betreffende Urkunde von 1254
lehrt, wenigstens teilweise einen Weichselarm entlang. Es galt dies
Grenzgebiet zu kolonisiren und fester in den ostpommerschen Macht-
bereich einzufügen, als man auch den leicht zu verteidigenden Hügel,
auf welchem die Dirschauer Pfarrkirche zu stehen kam, zur historischen
Bedeutung erhob.
Die Ordensritter waren inzwischen langsam aber unaufhaltsam das
rechte Weichselufer hinab vorgedrungen. Burgen und Städte gaben
dem Lande ein neues den slavischen Nachbarn völlig unbekanntes Aus-
sehn. Auf der Weichsel wurde es von fremden Schiffen lebendig, ein
neuer Pilger- und Handelsverkehr begann und 'die einheimischen Herzoge
waren bemüht, die Yortheile dieser Veränderungen sich nicht entgehen
zu lassen. Seit Erbauung der Burg Elbing im Jahre 1237 erlangte auch
Von Dr. Rieb. Petong. g
der Weg von Dirschau ostwärts durchs Werder grössere Bedeutung.
Die deutschen Einwanderer strömten herbei, um das was das Schwert
der Bitter bezwungen, noch einmal mit dem Pflug zu erobern.
Swantopolk und Sambor erkennen die wachsende Bedeutung auch
des untern linksseitigen Ufers der Weichsel.
Nach den Resultaten der bisherigen Forschung war die slavische,
osfpommersche Bevölkerung eine ursprunglich sehr dünne, wenn auch
in grösserer Menge Ortsnamen schon früh urkundlich vorkommen.
Fischfang und Jagd neben spärlichem Ackerbau konnte man in dem
seen- und flussreichen Lande im Innern und überall wo Waldungen den
Holzbedarf darboten, besser betreiben, als an dem holzarmen Hochufer
der Weichsel von der Mündung der Ferse abwärts bis Dyrsowe (Dirschau).
So erklärt es sich, dass die Uferstriebe des gewaltigen schiffetragenden
Stromes erst im Laufe der Verwickelungen mit den feindlichen Nachbaren
allmälig eine grössere Bedeutung erhalten.
Dem Lande Wanecke oder Mewe, unmittelbar nördlich von der Ein-
mündung der Ferse, da wo eine breitere Tieflandsausbuchtung Teilungen
des Stromlaufs und Inselbildungen hervorrief, welche nach der Ein-
dämmung der heutigen Niederungen von Liebenau, Rosenkranz und
Falkenau gegenwärtig bis auf wenige Reste entschwunden sind, muss
jedoch eine Ausnahmestellung zuerkannt werden. Zahlreiche heidnische
Gräber verschiedener Art weisen auf eine jederzeit ansehnliche Bevöl-
kerung hin; hierher jedenfalls richteten vornehmlich die jenseits woh-
nenden Pruzzen ihre räuberischen Einfalle, wenn anders nicht die kriegs-
lustigeren Ostpommern gerade von hier aus ihre Nachbaren am meisten
heimsuchten und zur Vergeltung herausforderten. In Feindesland hatten
sie der heutigen „Insel Küche" gegenüber in der Nähe des Dorfes
„Rudnerweide" die Burg Zantir gegründet und lange genug mag diese
Burg für die Pruzzen eine Quelle des Schreckens gewesen sein, als
Swantopolk dem Beispiele anderer freigiebigerer Förderer des Bekehrungs-
werks folgend, dieselbe an Christian, den neuen preussischen Bischof abtrat.
Zantir war nicht Mos das Ausfallthor gegen die heidnischen Preussen,
das nunmehr im Besitz eines Glaubensapostels friedlichen Zwecken ge-
weiht schien, sondern es war auch der Stützpunkt für die Verteidigung
g Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Diracbau.
der ganzen zwischen Nogat und Weichsel gelegenen Insel, welche von
der Burg ihren Namen erhielt. Um den Besitz dieser Burg dreht sich
Jahrzehnte hindurch die Politik aller beteiligten Machthaber, und kommt
es dabei klar zur Erscheinung, wie die kirchlichen und Bekehrtings-
interessen nur ein Motiv innerhalb der Verwickelungen und Kämpfe um
Macht und Herrschaft bilden.
So lange Swantopolk die Schwäche Polens benutzend als Landes-
fürst sich zu festigen suchte und klüglich vermied, die Wut der
Heiden zu reizen, während der Orden zugleich im Culmerlande sich
eine landesherrliche Stellung begründete, war der Verzicht auf Zantir
zur Beförderung des Bekehrungswerkes ein guter Gedanke, um nach
keiner Seite hin Anstoss zu wecken. — Als aber Bischof Christian und
der Orden selbst mit einander zerfielen und Sarabor schon lange mit
seinem Bruder Swantopolk uneins, auf ebenso rücksichtslose wie unkluge
Pläne verfiel, trachtete Swantopolk um jeden Preis nach der Wieder-
erlangung des wichtigen Punktes. In dem Zwist der Brüder, der wie
man glaubt wegen Führung der Vormundschaft oder wegen Erbteilung
entstanden, zeigte sich Sambor in der That leidenschaftlich und in
hohem Grade erregbar. Mochte er bei seinen Beziehungen zu den
Preussen auch nicht direkt an eine Schädigung der Kirche und des
christlichen Glaubens denken — ehe der Orden Pomesanien, das Land
zwischen Ossa und Ilfing anbaute, hatten Christian und andere Apostel
die christliche Lehre daselbst verbreitet — sein Plan oder Vorgeben,
die Tochter eines preussischen Edlen, Namens Preroch, heirathen zu
wollen, die Schuld, die man ihm beimaß, einem heidnischen Heerhaufen
zu einem Plünderungszuge den Durchzug gestattet oder nicht verwehrt
zu haben, machte seine Stellung sehr schwierig.
Er entschloss sich, um nicht völlig isolirt dazustehen, die Ver-
mittelung des Landmeisters Hermann Balke anzurufen, der sie gerne
gewährte. Erhob sich der Orden doch dabei selbst zu einer höheren
Stellung, indem er die Gelegenheit benutzte, Grenzverlegungen, Zoll-
bedrückungen und Belästigungen anderer Art Swantopolk vorzuhalten
und den Pommernherzogen gegenüber fortan die Kolle eines begehrlichen
Schiedsrichters und Protektors erhielt. Der Orden besetzte nicht nur
Von Dr. Rieb. Petong. 7
Zantir, die Bnrg des noch von den Heiden gefangen gehaltenen Bischofs,
sondern erbaute sogar, von Sambor aufgefordert, auf dem linken Weichsel-
ufer, da wo das Hochufer, das Zantir gegenüber vom Strome zurück-
tretend, sich bald wieder eng ans Strombett anschliesst, die geeignetste
Stelle darbot, mit seinem Schützling gemeinsam die Burg Gerdin.
Swantopolk, der bisher beständig bestrebt gewesen war, sein Einver-
nehmen mit den Rittern ungestört zu erhalten und in richtigem Takt jeden
Zündstoff zu Streit vermied, erkannte mit Recht, in dem neuen Unter-
nehmen den Anfang des Niederganges der pommerellischen Herrschaft. —
Von dem Rechte des obersten Herzogs in Pommern Gebrauch machend,
erstürmte Swantopolk Gerdin. Er wie der Orden vermieden damals
noch ängstlich aus diesem Ereignis einen Kriegsfall zu machen. Nicht
durch eigene Macht, sondern durch Gottes gerechtes Urteil, sagt Swanto-
polk selbst, hätte er den Sieg gewonnen. Er nahm Sambor wohl ge-
fangen, liess die gefangenen Ritter aber frei abziehen, gab auch den
Bruder bald frei und versprach ferner im Juni 1238 bei Strafe des
Bannes sich aller Belästigungen des Ordens, seiner Unterthanen und der
zuziehenden Fremden zu enthalten.
Von nun an sehen wir bis zum Jahre 1248 die Politik der beiden
Brüder in immer schrofferen Gegensatz treten. Während Swantopolk
von den Rittern zunächst nichts fürchtend sich in die polnischen Händel
mischte, um dort neue Macht zu gewinnen, tritt Sambor als unmittel-
barer Nachbar des unaufhaltsam vordringenden Ordens in immer
grössere Abhängigkeit und scheint seiner slavischen Abstammung ganz
zu vergessen. Wenn nun die grosspolnischen Fürsten den älteren ihnen
verschwägerten Bruder unterstützten, so stellte sich der deutsche Orden
ganz auf Seiten Sambors, des Schwächeren. Sambor, seit 1232 mit
Mathilde, der Tochter Borwins II. von Mecklenbug verheirathet, umgab
sich mit deutschen Rittern und Mönchen und setzte im Bunde mit
seinem Bruder Ratibor von Beigard den Kampf gegen Swantopolk fort.
Ein bestimmtes Staatsrecht gab es in jener Zeit nicht, klare und
unzweideutige Verträge und Vereinbarungen zwischen den Brüdern
mochten ebensowenig geschlossen sein. Swantopolk sah sich nach dem,
was Mestwin, der Vater, auf dem Sterbebette zu ihm gesprochen, und
I
g Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Direchau,
weil er der älteste war, als den Oberherrn über seine Brüder an und
beanspruchte namentlich auch Verfügungsrecht über die festen Plätze
im Lande. Aber gleichviel ob er als oberster Kriegsherr, oder blos
nach einfachem Kriegsrecht gegenüber dem feindseligen Bruder verfuhr;
die Burg Schlanz auf dem linken Ufer der Weichsel, zwischen Zanür
im Süden und Gerdin im Norden gelegen, wurde von ihm erbaut oder
befestigt. Diese Burg erscheint damals zum ersten Mal in der Geschichte.
Sie lag im Gebiete Sambors und dieser fasste gemeinsam mit Ratibor
den Plan, sie Swantopolk zu entreissen. Swantopolk lag bereits im Krieg
mit dem Orden und zwar während des ersten grossen Abfalls der Neu-
bekehrten, zu dessen Unterwerfung nicht weniger als 11 Jahre erforderlich
waren. Später wurde Schlanz, ob noch als Burg oder bloss als unbe-
festigter Ort, die erste Besitzung des Ordens auf dem linken Weichselufer,
als Geschenk von einem Kitter Mestwins IL, der seines Vaters Swantopolk
Nachfolger wurde, — jedenfalls ein Anzeichen für die Bedeutung, welche
man diesem Punkte am linken Ufer der Weichsel beimass. — Ehe
damals aber Sambor sein Unternehmen gegen Schlanz ausführen konnte,
fiel er in Swantopolks Hände und wurde dort gefangen gesetzt. Auch
Zantirs hatte Swantopolk sich von neuem bemächtigt und die Burg
daselbst wieder aufgebaut. Vornehmlich aber suchte der Herzog die
Wasserstrasse auf der Weichsel dem Orden zu sperren ; doch in seinem
nationalen oder landesherrlichen Eifer erwuchs ihm bald ein so grosses
Heer von Anklägern und Gegnern, dass er in den Augen der Welt zuletzt
nur als „Sohn des Verraths und der Bosheit, als Kind des Teufels"
erschien, weil er den Rittern den Kampf gegen die Heiden erschwerte.
Mit dem Banne bedroht und von dem Ordensheer, den Polen und
fremden Kriegsschaaren, welche dem Orden in seiner Bedrängniss zu
Hilfe eilten, im eigenen Lande heimgesucht, so dass „nicht ein Winkel
in Pommern" blieb, der nicht von Raub und Brand heimgesucht wäre,
wie es bei einem Chronisten heisst, lagerte er sich zuletzt vor Zantir,
von dort aus das von den Rittern neuerbaute Christburg bedrohend. —
Aber statt Christburg zu gewinnen, verlor er Zantir; was von seinem
Heeere dem Tode in der Schlacht oder der Gefangenschaft entrann,
kam auf der Flucht in denFluthen der Weichsel um; er selbst entging
Von Dr. Rieh. Petong. 9
mit genauer Not demselben Schicksal. Von nun an sinkt der Stern
pommerellischer Grösse, obwohl in dem darauf geschlossenen Frieden
der Orden den Herzog im Besitz des grossen Werders anerkannte; denn
dieser musste nicht nur auf alle anderen Besitzungen östlich der Weichsel
verzichten, sondern durfte fernerhin pommerschen Zoll auch nur an der
alten Zollbrücke bei Danzig und nicht mehr über das herkömmliche
Maaß erheben. Seinem Bruder Sambor hatte er, von Mitleid bewogen,
schon vor dem im Jahre 1248 mit dem Orden geschlossenen Frieden,
die Freiheit wiedergegeben. Miteinander versöhnt, wetteifern beide —
nach dem Jahre 1248 in der Hebung des Landes. Swantopolk giebt
an Sambor alle Burgen, welche er als die seinigen beansprucht, heraus
und erklärt alle Bestimmungen eines aus den Herren Nicolaus und
Johann von Mecklenburg (Werle), leiblichen Brüdern von Sambors
Gattin Mathilde und dem Landmeister von Preussen gebildeten Schieds-
gerichts anerkennen zu wollen. Ein gewisses Misstrauen blieb jedoch
noch zurück; und seinem gefährlichsten Rivalen, dem deutschen Orden
gegenüber, der ihm Mestwin seinen Sohn und Thronfolger schmerzlich
lange Jahre als Geissei zurückbehalten hatte und auch in den polnischen
Angelegenheiten sowie im Verhalten seinem Bruder gegenüber von ihm
den Gehorsam eines Vasallen verlangte, grollte er weiter.
Ein Unglück, das die Bitter im Kampf gegen die Ermländer und
Natanger 1249 betraf, reizte den thatkräftigen Herzog noch einmal mit
den Heiden vereint in Pomesanien einzufallen. Aber er kämpfte für
eine verlorene Sache. Auf Betreiben des Pabstes kamen zahlreiche
Kreuzfahrer, so ein Markgraf von Brandenburg, der Bischof von Merse-
burg und ein Fürst von Anhalt herbei und mit dem Jahre 1253 war
der „erste Abfall" der Preussen völlig niedergeworfen und der scheel-
blickende Pommernherzog für immer paeifizirt. Swantopolk erkannte
nun endlich doch selbst, wie seine Bemühungen, die Festsetzung der
Deutschen in seiner nächsten Nachbarschaft zu verhindern, durchaus
vergebliche waren. Die ostpommersche Macht musste sich wohl oder
übel für überflügelt ansehen und in den Hintergrund stellen. Es wäre
nicht unmöglich, dass Sambor Anlass gehabt, schon vor diesen Ver-
wickelungen mit dem Bau seiner Burg zu Dirschau den Anfang zu machen;
20 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirachau.
aber wahrscheinlich ist es doch nicht. Ebenso wie Swantopolk ritter-
lich kühn, konsequent, energisch und weitblickend, so erscheint Sambor
in allen seinen Unternehmungen vorsichtig ängstlich und zaghaft, wenn
es ihm auch deshalb nicht an kluger Berechnung fehlte. Er erkannte
eben bei seinen beständigen Beziehungen und intimeren Verbindungen mit
dem Orden lange vor Swantopolk die Nutzlosigkeit eines Widerstandes
oder gar offener Feindseligkeit gegen den auf den Pittigen der Christenheit
und der weltherrschenden deutschen Nation zu einer glänzenden Macht-
fülle emporsteigenden Orden und wusste sein bescheidenes Stückchen
von Souveränität darnach zu brauchen.
Wir haben keinerlei Nachricht darüber, dass Sambor etwa auf
Ermunterung des Ordens oder mit dessen Hilfe während seines Zwistes
mit dem älteren Bruder mit dem Burgbau zu Dirschau begonuen oder
später nach geschlossenem Frieden auf Swantopolks liath in dessen
Oesiuuungen und Pläne einlenkend, ein Bollwerk gegen den Orden auf-
zurichten gedacht hat. Was auch die bisherigen Geschichtsschreiber,
sei es aus Lokalpatriotismus oder in mühseligem Eifer der Forschung
für das undenkliche Alter des Ortes geltend zu machen versucht haben,
diente eben, Irrtum aus Irrtum erzeugend, allein der Ansicht zur Stutze,
dass Dirschau seit dem Jahre 1243 bereits als Sanibors Residenz an-
zusehen ist.
Es ist für die Bestimmung des Zeitpunktes wie für das ganze
Auftreten Sambors charakteristisch genug, dass er am 7. December 1251
dem Orden zu Kulm bekundet, wie er demselben seine Ansprüche auf
das grosse Werder — Insel Zantir genannt — abtritt. War nach dem
Wortlaut der Friedensurkunde von 1248 dem Orden nicht der mindeste
Anspruch auf die Insel Zantir eingeräumt worden; denn nur oberhalb
Zantirs sollte die Tiefe der Weichsel für alle Inseln und Landstücke
die Grenze zwischen dem ostpommerschen Staate und der Herrschaft
des Ordens bilden — so giebt sich Sambor nunmehr den Anschein, als
ob das Werder ihm eigentlich niemals gehört habe. Von jedem An-
spruch, den er auf die Insel haben sollte, oder den man ihm zuge-
schrieben habe, erklärte er, trete er zu Gunsten des Ordens zurück.
Er begnügt sich gerne mit einem Stück Landes 4000 Schritte lang und
Vou Dr. Rieh. Petong. \\
40CO Schritte breit, welches er als eine frühere Verleihung des Ordens
zum Schutze seiner mit ihm gemeinsam erbauten Burg Gerdin ansieht
und will sogar dieses Stück abtreten und auf die gemeinsame Nutzung
der Weichsel verzichten, wenn ihm der Orden 150 Mark Silber auszahlt.
Spaterhin will er mit seinem (dem linken) Ufer der Weichsel bis zur
Tiefe des Stromes zufrieden sein. Man begreift diese freiwillige Ent-
sagung, diese ängstliche Bescheidenheit nur, wenn man sich den Plan
vergegenwärtigt, mit welchem Sambor damals sich trug. Nördlich von
Zantir und Gerdin gab es auf dem linken Ufer der Weichsel keinen
Punkt, der bei dem Zusammenstoss mit dem Orden eine wirksamere '
Stütze für die poraraerellische Macht abgeben konnte, als Ufer und Berg
bei der Kirche von Dyrsowe (Dirschau).
Im Frühliug des nächsten Jahres am 30. April 1252 ist Sambor
mit dem Sau der Burg gerade beschäftigt, als er den Bürgern von
Kulm für den ihm während seines Streites mit Swantopolk geleisteten
Beistand Zollfreiheit in seinem Lande gewährt. So leitet er das be-
deutsame Werk mit Wohltaten, Schenkungen und Versicherungen der
Dankbarkeit und grössten Ergebenheit gegen den Orden und seine Unter-
tanen ein, immer von Freude und Ehre erfüllt, denen Gutes erweisen
zu dürfen, welche sein neues Werk möglichenfalls mit Argwohn be-
trachten oder ihm Hindernisse in den Weg legen konnten.
Vor seinem Bruder Swantopolk flüchtig hatte Sambor als Schützling
des Bischofs Michael von Cujavien und des deutschen Ordens gewisser-
maßen im Exil gelebt. Nach den von ihm ausgestellten Urkunden war
er bis zum Sommer des Jahres 1250 sicher noch nicht in sein Land
zurückgekehrt. Für 300 Mark Silber polnischen Gewichts, welche ihm
in seiner dürftigen Lage der Bischof geliehen, trat er demselben um
diese Zeit sieben Dörfer ab und der Landmeister Ludwig von Preussen
bescheinigt und genehmigt diese Schenkung, als ob die blosse Beur-
kundung Sanibors anfechtbar sein könnte.
Bischof Michael verzichtete damals auf die vermutlich sehr unregel-
mäßig eingehenden Zehnten aus Sambors Gebiet; aber durch den Besitz
der sieben Dörfer scheint sein Nachfolger Wolimir ebenso wenig befriedigt
worden zu sein. Denu Swantopolk versprach demselben schon im Februar
}2 Di* Gründung und älteste Einriebtang der Sudt Dtrschau.
1253, ihn in allen seinen geistlichen Rechten zu schätzen und machte
sich anheischig ihm die Zehnten wieder zu zahlen und jenen Vertrag
vom Jahre 1250 zn annulliren, sobald er Sambors Land unter seine
eigene Herrschaft bekäme. Nach alledem ist es wahrscheinlich, dass
Sambor erst gegen Ende des Jahres 1251, nachdem er die Insel Zantir
dem Orden geschenkt, in sein Land zurückgekehrt ist und mit dem Bau
der Burg Dirschau seine lang vermissic Selbständigkeit neu zu begründen
suchte. 1250 nennt Sambor sich noch den Herrn von Liebschau, wo
er seither residirt hatte, dagegen 1253 dient ihm bereits Zesborius als
besonderer Burgverwalter zu Dirschau, und Domaslaus, einer seiner
älteren Barone, verwaltet gleichzeitig die alten Liebschauer Güter.
Fasst man die Stelle ins Auge, welche Sambor zum neuen Wohnsitz
für sich und seine Gemahlin, die wie sein einziger Sohn Soboslaus mit
ihm die Not des Exils gekostet, auserkor, den ungastlichen Winkel der
sumpfigen „Podlitz" genannten Ebene, welche sich zwischen dem Dir-
schauer Hngelgebiet und der Weichsel hinstreckt, so wird es klar, dass
nicht ein Lustschloss sondern ein durch die Not der Zeit gebotener
Bau hier zur Ausfuhrung gelangte.
Im Gegensatz zu der deutschen Art Burgen auf Bergen zu bauen,
war es bei den Slaven in der ältesten Zeit Sitte, ihre festen Wohnsitze
an unzugänglichen Orten, mitten in Seeen, oder an ähnlichen niedrigen
morastigen, wasserreichen Stellen anzulegen; und anders lag auch die
Liebschauer Residenz nicht. Zwischen Wasserarmen der heutigen oberen
Mottlau (damals Spancowa genannt) kennzeichnet sich noch heute eine
geringe Bodenerhebung von massiger Grösse, im Volksraunde „dolni
zameku die niedrige Burg, genannt, ein wenig südöstlich vom heutigen
Dorfe Liebscbau. Urnenfunde und andere Culturreste altertümlichster
Art, wie die Erinnerung der Einwohner meldet, geben der Stelle ihre
Bedeutung schon seit vorchristlicher Zeit. Nicht anders war die natür-
liche Lage der Residenzen zu Danzig und Schwetz und anderer bedeu-
tender Burgen des Landes. Unmittelbar an den Hügel sich lehnend,
auf welchem die Kirche zur Kreuzeserhöhung etwa 500 Schritt west-
wärts damals wahrscheinlich nahezu fertig dastand, Hess Sambor
unbehauene Granitsteine, wie sie der umliegende Boden nur spärlich
Von Dr. Eich. Peton*. 13
liefert, zum Fundament für seine Burg einsenkeu. Darauf wurden dann
die Mauern aus grossen Ziegeln, wie sie bei den ältesten Ordensbauten
zu finden sind, errichtet. Die plumpe, ungleich massige Form der Ziegel,
die verschiedene Mischung des Materials und die dicken Schichten des
Mörtels kennzeichnen noch heute die primitive Kunstfertigkeit nicht
weniger wie die grosse Eile, welcher dieser Burgbau entsprang. Bisher
waren Wohnungen und Burgen, ebenso auch im Gebiete des deutschen
Ordens in der Begel nur leicht aus Holz und Lehm aufgeführt worden.
Die natürliche Befestigung durch Wälle, vornehmlich aber durch Sümpfe
und Gräben, bildete den Hauptschutz gegen feindliche Angriffe. So wurde
auch hier recht bald von der Weichsel aus Wasser zu beiden Seiten
der Burg geleitet, da wo die natürliche Abdachung des Bodens und,
wie es scheint, alte Regenschluchten zur Anlage von Graben einluden.
Haben wir darüber gerade für die Zeit der Gründung aach keine
specielle Nachricht, so wissen wir doch aus einer späteren Urkunde
über die Gründung des Dominikanerklosters, das auf dem Ostrande des
Hügels, und unmittelbar westlich vom Schlosse zu stehen kam, dass
auf der Nordseite sogar zwei durch einen Damm getrennte Gräben zur
Befestigung dienten. Begann nun der Damm wahrscheinlich vom Ostende
des Hügels, so ging der zweite Graben jedenfalls dicht an der Burg-
mauer vorbei, wie dies noch zu Anfang dieses Jahrhunderts der Fall war
und führte zur Weichsel, deren Bett damals etwas weiter entfernt lag.
Aus den heutigen Trümmern ist die Grösse der schon im Jahre 1309
zerstörten Burg nicht mehr genau zu erkennen. Die Umfassungsmauern
an der Ost- und Nordseite bildeten mit der Stadtmauer ein Ganzes.
In einer Erbpachtsverleihung vom 25. April 1782 wird der sogen.
Schlossplatz als 180 Fuss lang und 60 bis 78 Fuss breit vermessen.
Erscheint an der Ostseite auch der älteste Theil der Mauer in etwa
doppelter Ausdehnung, so ist zu bedenken, dass gerade hier eine Ver-
längerung über die bewohnten Bäume hinaus zum Schutze des neben
liegenden Platzes gegen Ueberschwemmungen der Weichsel am frühesten
nothwendig war. Die Mauern sind nur vier Ziegel d. h. etwas mehr
als 4 Fuss (1,25 Meter) stark, an der Ostseite weiter nach Süden hinauf,
nimmt die Stärke ein wenig ab. Nach der Erinnerung der ältesten
24 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau.
■
Bewohner der Stadt wurden zu Anfang des Jahrhunderts viel Fundament-
steine und Ziegel aus dem Boden gegraben, aus deren Lage zu schliessen
ist, dass die Burg einen kleinen inneren Hof hatte. Rechnet man einen
Theil von der Längenausdehnung als Vorhof, so war der ganze Bau
von nicht erheblicher Grösse, etwa wie die mittleren Schlösser des
Ordens. Die Front war nach Süden gerichtet. Der ganze Grund bis
zur Südecke der späteren Stadtmauer, wo der Boden wieder ein wenig
ansteigt (falls er nicht künstlich erhöht worden ist), wurde später der
Schlossgrund genannt. Ueber die Mitte desselben führte ein Weg direkt
zur Weichsel; dort lag auch später die sogenannte Wasserpforte, welche
bei Grundstücksbezeichnungen häufig erwähnt wird. Landwirthschaft
und Viehzucht wurden jedenfalls vom Schlossplatze und Schlossgrunde
aus betrieben. Wahrscheinlich war das heutige Zeisgendorf (Thiscow)1)
herzoglicher Besitz, während Eniebau und Baidan die von ersterem
unmittelbar südlich liegenden Güter schon 1275 nicht mehr Sambor
gehören und er dieselben durch Tausch oder Kauf für die Cisterciense-
rinnen in Eulm, denen er die heilige Kreuzkirche zu Dirschau verlieh,
erwerben will. Deutsche zugewanderte Bitter halfen, wie es scheint,
Sambor bei der Errichtung der Burg. Schon 1253 am 10. Januar, als
Sambor dem deutschen Orden die der Burg Zantir gegenüberliegende
Insel Bern zwischen der alten und neuen Weichsel verleiht, werden aus
seiner Umgebung Friedrich von Wildenberc, Cornelius, Ditmar und Daniel
von Jueterbock*), als Zeugen erwähnt; 1256 benennt er wahrscheinlich
denselben Ditmar als seinen Diener und eine grössere Anzahl deutscher
Männer, die er teilweise mit Grundbesitz ausstattet, befinden sich seit-
dem in seiner steten Begleitung und in wichtigen Aemtern.
') „Thiscow". Der Name dürfte wenn nicht ans dem Altgermanischen,
siska (Zeisig), vielleicht von dem altslavischen Namen „Sysik" abzuleiten sei. Ein
Albert Sysic wird z. B. 1296 als Verwandter des Unterkämmerers Andreas von
Dirschau erwähnt. Polnisch heisst der Ort „Czyzykowo" von czyzyk (Zeisig).
*) Vor Cornelius und Ditmar wird noch ein „Albertus" genannt, 1255 ohne
Ort Albertus als Unterkämmerer, 1276 Albertus als Unterkämmerer noch in
Mestwins Dienst, der seit 1272 die deutschen Bitter vertreibt. Schon aus diesem
Grunde, besonders aber weil der Name Albert auch bei den eingeborenen Wenden
sehr verbreitet war, nehme ich Anstand, den 1255 erwähnten Albert als einen Deut-
schen Anzusprechen.
Von Dr. Rieh. Petong. £5
Es werden bis zum Jahre 1256 ferner urkundlich genannt: Johann
von Lugendorf als Kanzler, Conrad von Lugendorf, eines Herbord Sohn,
der Vogt Peregrinus (Fremder), die Ritter Heinrich von Braunschweig,
Johann von Wittenborch, dessen Sohn Herbord von Sommerfeld, Michael,
Arnold von Calve und Hermann genannt der Teufel, die Knappen
Hartwich von Ratzeburg, Philipp, Richard und Andreas, endlich Heinrich
Scildere und Johann von Beyzenburg (Boitzenburg), welchen beiden
letzteren Sambor die nahe bei Dirscbau gelegenen Güter Liebenhof und
Mestin schenkt. Von diesen 19 Personen, neben denen einige andere
Namen mit slavischem Klang in Sambors Umgebung vorkommen, gehören
allem Anschein nach die beiden (Johann und Conrad) von Lugendorf,
des Letzteren Vater Herbord, ferner Herbord von Sommerfeld, Johanns
von Wittenborg Sohn, der Vogt Peregrinus, endlich Philipp und Ditmar
vorweg „unsere Diener" genannt zu dem unmittelbaren Hof- und Haus-
personal und mögen dieselben neben dem Priester und Hofkapellan
Abraham auch in den Räumen der neuen Burg oder in einem kleinern
Nebengebäude ein bescheidenes Unterkommen gefunden haben, für die
andern freilich bleibt nur die Annahme einer Ansiedelung in unmittel-
barer Nähe der Burg oder auf benachbarten Gutern des Herzogs. Sei
es, dass manche Verleihungsurkunden verloren gegangen sind, oder dass
man für nur zeitweise Belehnungen bestimmter Formalitäten entbehren
zu können glaubte; bei den häufigen Besitzveränderungen sind auch
deutsche Bitter betheiligt. Johann von Wittenborg, der schon 1256
als Schulz von Dirscbau auftritt, hat auf seine Guter Gardschau und
Mahlin Sambor zu Liebe bereits 1258 verzichtet; Michael, der in näherer
Beziehung zu dem nur 1253 und 1275 erwähnten Friedrich von Wilden-
berg gestanden zu haben scheint, wird 1283 als Vorbesitzer der Güter
Brodden und Gogolevo bei Mewe genannt, über welche Mestwin II. als
Nachfolger Sambors anderweitig verfügt. Anderseits hiesse es zu weit
gehen, wenn man eine umfangreiche Colonisation des Landes durch
zugewanderte Bitter jener Zeit zuschreiben wollte. Dazu war das
Herzogthum Sambors zu unbedeutend und er selbst durch seinen
frommen Eifer der Kirche und ihren Instituten su dienen, in seinen
Mitteln zu sehr beschränkt.
lg Die Gründung und Klteite Einrichtung der Stadt Dirschau«
Unzweifelhaft aber trug das Eindringen einflussreicher fremder
Männer in ein von Hanse aus slavisches Land wesentlich dazu bei, nicht
nur die einheimischen Barone und bisherigen Beamten aus der Umgebung
des Herzogs nach und nach zu verdrängen, sondern auch Neuerungen
verschiedener Art zu begründen. Während im Jahre 1255 nach Er-
bauung der Burg neben fünf deutschen Männern ohne jede amtliche
Stellung, aus dem eingeborenen Adel Zesborius als Castellan von Dirschau,
Domaslaus von Liebschau, der in früheren Jahren daselbst als Unter-
schenk, jetzt wahrscheinlich als Verwalter der dortigen Güter fungirte,
und Netanc als Tribun (Heerführer und Richter) besonders genannt und
den deutschen Männern vorangestellt werden, sind im Jahre 1258 die
eingeborenen Beamten in den Urkunden nicht mehr zu finden ; der getreue
Domaslaus hat sich dazu bequemt, ein einfacher Kitter zu werden, als
welcher er in der Beihe der Zeugen hinter den bevorzugten deutschen
Bittern die letzte Stelle einnimmt.
Johann von Lugendorf, im Jahre 1255 nur „Schreiber" genannt,
hat inzwischen die einflussreiche Stelle eines Kanzlers erhalten, ein
anderer Fremdling „Peregrinus" wird mit der Verwaltung der Gerichts-
barkeit betraut wie es die Stellung der Vögte bei deutschen Landesherren
war3). Die Frage liegt nahe, ob nicht damals bereits in der Nähe der
Burg eine dorf- oder stadtähnliche Ansiedelung bestand, sei es (wozu eine
gefälschte mit der Jahreszahl 1198 versehene Urkunde verlockt), dass sie
als uralten Ursprungs, oder als gleichzeitig mit und seit der Erbauung
der Kirche entstanden anzusehen ist. Die heutige Forschung ist über die
naive Methode hinaus, aus einer kleinen Anzahl Gräberfunde des heid-
nischen Zeitalters auf eine Oontinuität der Bevölkerung oder gar auf
das Vorhandensein einer nicht unbedeutenden Stadt mit lebhaftem
Handelsverkehr zu schliessen; es sprechen überdies viele andere Um-
stände dagegen, dass Dirschau schon vor der Ankunft des deutschen
a) Ob der Unterkämmerer Albert von 1276 mit dem von 1255 identisch, ob der
1273 in Mestwins Dienst stehende Castellan Michael und der Michael in Sambors
Urkunden ein und dieselbe Person ist, and ob beide als Deutsche anzusehen sind,
wage ich nicht m entscheiden.
Von Dr. Eich. Petong. 17
Ordens bestand4); ebeuso liegt keine zwingende Notwendigkeit vor, die
Entstehung des Orts schon in das Jahr 1226, als die Herzöge mit dem
Bau der Kirche begannen, zu setzen — es giebt noch heute in wenig
bevölkerten Orten Kirchen, denen es an jeder dorfartigen Umgebung
fehlt, obwohl die Bevölkerung der Umgegend sich dort zum Gottesdienste
versammelt — die Entstehung von Kirchdörfern setzt wie bei andern
ohne Kirche der Regel nach einen tragbaren Boden voraus, der in
Dirsowe zunächst fehlte, -und eine stadtähnliche Ansiedelung hat einen
dem öffentlichen Verkehr dienenden Marktplatz und Marktgerechtigkeit
zur Voraussetzung, welche dem Orte Dirschau bisher von niemand ver-
liehen war. Wir wissen noch nicht einmal sicher, ob der Kirchenbau
bereite vollendet war, als Sambor die Fundamente zu seinem Schlosse
zu legen begann. Angenommen aber, wie es wahrscheinlich ist, dass
damals ihren Hauptteilen nach die Kirche zur heiligen Kreuzeserhöhung
fertig dastand, und die benachbarten Bewohner sich zum Gottesdienste
einfanden, einen Pfarrer für Dirschau (in Dirsowe) finden wir urkundlich
erst im Jahre 1258 erwähnt; bis dahin mochte des Herzogs Capellan
Abraham die neue Kirche versehen und dieser Erinnerung entspricht
es auch, dass in einer auf Betreiben Pelplins etwa 1287 fälschlich an-
gefertigten Urkunde, de dato Dirschau 29. Juni 1256 nur Abraham als
Zeuge erwähnt wird, während von 1258 an neben ihm und vor ihm in allen
Dirschauer Urkunden Johannes der erste Dirschauer Pfarrer (plebanus
Dirsoviensis) genannt wird. Die Frohnarbeiter, welche beim Bau der
Kirche und des Schlosses- zu thun hatten, werden dort nicht als An-
siedler verblieben sein : wir finden auch nirgends das geringste Anzeichen
dafür, dass eine eingeborene Bevölkerung dort Platz nahm. Aber die
deutschen Einwanderer, welche den Herzog an seine Residenz zu fesseln
bemüht waren, mussten sich eigene Wohnstätten errichten; denn unmög-
lich konnten sie alle in der neuen kleinen Burg auf der Podlitz Aufname
finden. Sambor* hielt dort mit seiner Familie (Boleslaw sein einziger
Sohn war bereits im Jahre 1254 verstorben und. in Stralsund begraben;
i
*) leb habe dieselben in einem andern Aufsatz: „Zur Vorgeschichte Dirschaus", der
in der Zeitschrift des Westpreussischen Geschichtsvereins veröffentlicht werden soll,
auseinandergesetzt.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXII. Hft, 1 n. 2. 2
Jg Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirachau.
aber er hatte ausserdem vier zumeist erwachsene Töchter) und seinen
Beamten gewiss nur bescheidenen Hof. Einen hinlänglichen Beweis für
das Vorhandensein eines Orts mit communalen Einrichtungen auf der I
Dirschauer Flur seit dem Jahre 1256 können wir jedoch darin erblicken,
dass ein Schultheiss, der vorerwähnte Ritter Johann, von Wittenborg
genannt, urkundlich dort fungirte; es mag damals bereits auch ein vom
Herzoge genehmigter Marktverkehr stattgefunden haben. Die Namen
der Heimatsorte der bisher aufgeführten Männer Ratzeburg, Wittenburg,
Boitzenburg, Braunschweig, Calbe, Jüterbog und Sommerfeld dienen zum
Beweise, wie aus ganz Norddeutschland von Holstein bis zur Lausitz
Einwanderer zuströmten, die, wie es scheint, durch das Beispiel ihrer
Landesherren, welche, um an dem verdienstvollen Werk der Htiden-
bekehrung teilzunehmen, Kriegsfahrten nach Preussenland unternahmen,
ermuntert, sich an den Ufern der Weichsel eine neue Heimat zu gründen
beflissen waren. Unter solchen heerfahrenden Fürsten werden aber in
der Zeit von 1240 bis 1249 genannt Otto von Braunschweig, ein Mark-
graf von Brandenburg, ein Bischof von Merseburg und ein Anhalter.
Die Lausitz gehörte damals zu Böhmen, dessen König Ottokar IT. wenige
Jahre nach dem Anfang von Sambors Burggründung zu Dirschau dem
Orden bei der Gründung von Königsberg half.
Sambors Geschicke schienen seit der Gründung der Burg einen
bedeutenden, fast glänzenden Aufschwung zu nehmen. Er schenkt 1258
den Cisterciensermönchen von Doberan im Heimatlande seiner frommen
Gattin Mathilde die im Lande Garzen, südwestlich von Schöneck, ge-
legenen Güter Pogutken, Kobilla und Koschnim zur Anlegung eines
Klosters Neu-Doberan, das dann dem Gründer zu Ehren, der dort sogar
schleunigst eine neue hölzerne Kirche bauen liess, welche er in der
Folge durch eine steinerne zu ersetzen versprach, „Samburia" genannt
und später nach Pelplin verlegt wurde. Es war diese Klostergründung
ein Akt souveräner Macht, und stand ihm als untergeordneten Teilfürsten
ohne die Genehmigung seines Bruders, Swantopolk IL, des obersten
Landesherren, streng genommen, nicht zu. Swantopolk bestätigte in-
dessen im Jahre 1260 nachträglich dies Werk seines Bruders. Für
seine älteste Tochter Margarethe hatte sich schon im Jahre 1253 ein
Von Dr. Rieh. Petong. 19
Gatte königlichen Standes, Christoph von Dänemark, gefunden, den er
im Frühling des Jahres 1256 besuchte und dabei die für sein eigenes
fürstliches Ansehen vorteilhafte Gelegenheit fand, einen Streit zwischen
dem Könige Christoph, seinem hohen Schwiegersohn, und dem Erzbischof
von Lund wegen Ueberschreitung der geistlichen Gewalt zu schlichten.
Aber andere ihm selbst näher liegende Ideen und Pläne mochten
damals Sanibor beschäftigen. Es gab nach dem Vorbild des deutschen
Ordens und anderer deutscher Landesherren, sogar schon nach dem
seiner Stamraesvettern, der Herzoge von Slavien oder Westpommern,
kein geeigneteres Mittel zur Stärkung der fürstlichen Macht, als die
Gründung von städtischen Gemeinwesen, über deren Mitglieder man als
Gouner und Beschützer von vornherein mancherlei Rechte erhielt, vor
allem aber eine günstige Gelegenheit durch Gerichtsbarkeit, Zölle,
Münze und Gerechtsame anderer Art sich Einnahmequellen zu ver-
schaffen. Denn Geldeinnahmen hatte Sambor bis dahin lange genug
vermisst und war in eine bedauernswerte Abhängigkeit von Bürgern
und Clerus geraten. Es ist oben gezeigt, wie sich im Laufe einiger
Jahre in der Nähe von Kirche und Burg eine kleine Ansiedelung von
deutschen Einwanderern gebildet. Neben den früheren Namen, welche
der Mehrzahl nach in den Urkunden mehr als einmal vorkommen,
weiden bis zum Jahre 1260 noch die Ritter: Alexidus, Heinrich von
Hagen, und Heinrich von Stormarn, neben ihnen als Bürger Alardus
von Lübeck, Johann von Braunschweig, Johann der Schwarze und Johann
der Schreiber*) aufgeführt; von vier bis fünf anderen Männern, welche
bei Urkundenausstellungen in Dirschau oder anderwärts als Begleiter
Sambois erwähnt werden, kann man, wenn auch mit einigem Bedenken,
gleichfalls annehmen, dass sie zu den ersten Bewohnern Dirschaus ge-
hörten. Ein grosser Teil derselben stammte aus Orten, in denen nach-
weislich damals das lübische Recht in Gebrauch war. Mit demselben
Recht waren in Westpommern die Städte Greifenhagen (1254) und
Colberg (1255) und im benachbarten Ordenslande 1246 Elbing gegründet.
Auch die Städte in Mecklenburg, dem Heimathlande von Sanibors
•) Die Namen der beiden letzteren stehen freilich in einer für unecht gehal-
tenen Urkunde.
2*
20 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau.
Gemahlin, hatten lübisches Recht. Es lag ihm daher am nächsten,
dasselbe Recht für seine Stadtgründung zu wählen.6) Vornehmlich
musste ihn jedoch das Beispiel von Elbing anregen.
Es führten mehrere Hauptstrassen zum Lande der neubekehrten
Preussen und zugleich nach der Stadt Elbing. Neben den alten Land-
wegen, namentlich dem durch Schlesien und das heutige Posen zur
Weichsel, mochte damals der Seeweg von Lübeck aus in Aufnahme
gekommen sein. Nach der Erbauung der Burgen von Elbing (1237)
und Balga (1240) wurde durch das Balgaer Tief hindurch noch eine
neue Wasserstrasse eröffnet. Otto das Kind, der Herzog von Braun-
schweig hatte schon 1240 mit seinem Pilgerheere zur See den durch
die lübische Colonie in Elbing eröffneten Seeweg benutzt. So hatte
sich unter beständigem Zuzug von deutschen Männern zum Ordenslande
gerade in Elbing ein blühendes städtisches Gemeinwesen schnell ent-
wickelt, in geringer Entfernung von Dirschau, überdies geordneter als
die deutsche Ansiedelung zu Dan zig, welche noch kein formell ver-
liehenes Stadtrecht besass. Schon im Jahre 1255 verlieh Sambor den
Elbingern für die besonderen Dienste, welche sie ihm zum öftern ge-
leistet, Zollfreiheit in seinem ganzen Gebiet. Gelang es, die neue An-
siedelung zu Dirsowe (Dirschau) in eine enge Verbindung mit der Stadt
Elbing zu bringen, so musste erstere nicht nur günstiger Einwirkungen
•) Dass für die Wahl des lübischen Rechts die Herkunft der Ansiedler allein
oder hauptsächlich entscheidend gewesen sein sollte, lässt sich kaum annehmen. Nur
von etwa zwölf Männern erfahren wir ihren früheren Wohnsitz; es sind zum grössten
Teil lütter, von denen doch wol nicht alle in die Bürgerschaft Dirschaas eingetreten
sein werden. Der Katsherr Alardus von Lübeck ist strenggenommen der einzige, der
als Kenner des lübischen Rechts anzusehen ist Der Ort Wittenburg war damals
nur eine zur Grafschaft Schwerin gehörige Domaine und hat erst 1323 das lübische
Recht verliehen erhalten; Boitzenburg ist 1267, also sieben Jahre später als Dirschau,
mit lübischem Rechte bewidmet; bei Ratzebarg ist eine solche Verleihung freilich
schon vor dem Jahre 1260 wahrscheinlich. Dagegen galt in Jüterbog und Calbe
magdeburgisches Recht, in Sommerfeld „jus teutonicum" und Braunschweig, von wo
der Ritter Johann in die Dirschauer Bürgerschaft trat, hatte sein von Otto I. ver-
liehenes „braunschweig8cbes Recht". Das Recht Hagens war wenn auch sächsisch,
doch nicht mit dem Lübecks identisch; die andern Ortsangaben bieten der Forschung
keinen greifbaren Anhalt. — Zu bedenken bleibt immer, dass die Zahl der erstell
Ansiedler sehr gering war.
Von Dr. Rieh. Petong. 21
von dorther teilhaftig werden, sondern ohne Zweifel gewann auch der
Doch wenig benutzte mangelhafte Weg durch das Werder eine neue
Bedeutung. Dirschau wurde fortan eine der Etappenstationen für den
Strom preussischer Kreuzfahrer wie der zuwandernden Kolonisten. Jeden-
falls benutzte Sambor bei seiner Reise nach Dänemark die Gelegenheit,
sich für seinen Zweck zu informiren. Fehlen uns auch genaue Angaben
aber die Städte, welche er auf seiner Reise passirte, so konnte er schon
in Mecklenburg und am dänischen Hofe genügende Unterweisung er-
halten, da Lübeck mehr als 20 Jahre in den Händen der Dänen ge-
wesen und in dieser Zeit in derselben Weise wie vordem von den
deutschen Herrschern verwaltet worden war. Zudem hatte sein Schwieger-
sohn König Christoph seit dem Jahre 1252 die Lübecker in seinen
Schutz genommen. Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Dänemark
scheint er den Bitter Johann von Wittenburg zum Schultheissen der
deutschen Ansiedelung in Dirscbau ernannt zu haben. In der Gründungs-
urkunde für das Kloster Samburia am 10. Juli 1258 werden dann
Alardus von Lübeck und Heinrich Schildere als die beiden Ratsherren
(consules) von Dirschau bezeichnet. Johann von Wittenburg wird indes
in dieser und in einer andern Urkunde des Jahres 1258 wieder nur als
Ritter bnzeichnet, führt dann aber am 11. November desselben Jahres
von neuem den Titel „Schultheiss von Dirschau" ohne die Apposition
„miles" = Ritter, und wird vor den anderen ausdrücklich als Rittern
bezeichneten Personen genannt. Aehnlich wird Heinrich von Braun-
schweig sowohl in die Reihe der Ritter gestellt, als von ihnen getrennt.
Nicht wie es gewöhnlich bei der Gründung deutscher Städte in
slawischen Ländern der Fall war, wo man einem Unternehmer eine
Strecke Landes übergab, mit der Verpflichtung für Ansiedler zu sorgen,
und ihm zum Lohne öffentliche Gerechtsame, gewisse Nutzungen, einen
grösseren städtischen Besitz zuweilen sogar mit besondern Befreiungen
verlieh, wurde Dirschau gegründet; sondern der Herzog selbst ist dem
Wortlaut der Urkunde7) nach der planmässige Gründer der Stadt, mit
Zustimmung seiner Gattin und Kinder und nach dem Rate seiner Va-
7) Vgl. die Urkunde nebst Uebersetzung in der Beilage.
22 D'e Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau.
sallen, als welche er jedenfalls in erster Linie seine deutschen Ritter
betrachtet. Johann von Wittenburg geniesst als Schultheiss in der Stadt
selbst nicht das mindeste persönliche Vorrecht; er hat die Güter Gard-
schau und Mahlin erhalten, 1258 für deren Abtretung vermutlich eine
anderweitige Entschädigung. In der Gründungsurkunde von 1260 wird er
garnicht einmal als Schultheiss bezeichnet; doch wird er in einer Ur-
kunde vom Jahre 1273, in welcher seinem Schwiegersohne das Dorf
Grebin im Danziger Werder verliehen wird, noch einmal als Schultheiss
von Dirschau erwähnt. Wie später zur Ordenszeit in den mit lübischem
Recht bewidmeten Städten die Mandate der Mitglieder des Rats lebens-
längliche waren, so scheint auch schon 'damals dasselbe in Dirschau
gegolten zu haben.
Herzog Sambor verleiht seiner Stadt in allen Stücken das lübische
Recht; es ist damit sowohl das öffentliche Recht gemeint wie das
Privatrecht. Man würde aber sehr fehlgehen, die Verfassung von
Dirschau mit der Lübecks in jener Zeit zu identificiren, auch abgesehen
davon, dass letzteres eine Reichsstadt, Dirschau nur Landstadt war.
Das öffentliche Recht Lübecks beruhte auf Privilegien und Freiheits-
briefen von Herzogen und Kaisern seit dem Jahre 1163 und der Er-
hebung zur Reichsfreiheit im Jahre 1226; das Privatrecht auf einer
Fixierung längst vorhandener und im Leben geübter Rechtsgewohnheiten,
welche die aus dem Westen stammenden sächsischen Einwanderer mit-
brachten, namentlich nach den Aufzeichnungen des Soester Rechts.")
Eine scharfe Scheidung beider Gebiete lässt sich freilich nicht durch-
führen, da im Sinne jener Zeit auch grosse Gebiete des Process- und
Strafrechts zum Privatrecht zu zählen zind. Als unterscheidender Kern-
punkt ist aber schon die seit dem Privileg Kaiser Friedrichs I. vom
Jahre 1188 den Lübeckern zuerkannte Befugnis anzusehen, das inner-
halb ihrer Stadt geltende Recht, soviel sie können, zu bessern, eine
Befugniss, die sich in der selbständigen Feststellung von Willküren und
Statuten innerhalb der öffentlichen Rechtsordnung und teilweise auch
in Bestimmungen über Gegenstände des Privatrechts kundgiebt. Das
*) cf. Frensdorff: Die Stadt- und Gerichtsverfassung Lübecks im 12ten und
13ten Jahrhundert. Lübeck 1661.
Von Dr. Rieh. Petong. 23
Kecht der „Köre", das von Lübeck wie von andern Städten auch ohne
Erlaubniss geübt wurde, unterlag insofern Streitigkeiten und Zweifeln,
als mit demselben die dem Beamten des Kaisers zustehenden Gerecht-
same nicht geschmälert werden durften. Aus diesem Grunde wird jenes
Recht in städtischen Privilegien häufig besonders verliehen und in seinem
Umfange bestimmt. Sambor verleiht den Dirschauern ein solches po-
sitives Eecht nicht, er verbietet nur, dass jder Rat selbständig ohne ihn,
den Herzog, neue Einrichtungen treffe, durch welche ihm als Landes-
herrn ein Nachteil oder seinem Lande ein Mangel oder eine Beschwerde
erwachsen könnte ; und er stellt gleich am Eingang der Urkunde hinter
den Worten „das lübische Kecht" für sich und seine rechtmässigen
Erbfolger den Vorbehalt der Herrschaft in solcher Weise hin, wie andere
Landesherren in ihren Städten herrschen. Mag man nach den eigenen
Informationen des Herzogs oder nach dem Kate des Alardus von Lübeck
und anderer dort heimischer Männer auch manche Anordnung nach dem
Vorbilde Lübecks getroffen haben, die Urkundenbücber enthalten keine
Zeugnisse eines Verkehrs der Stadt Dirschau mit Lübeck im 13. Jahr-
hundert. Soweit die Ausübung der Gerichtsbarkeit in Frage steht, wird
der Bat auf eine Uebereinstimmung mit der Bechtsprechung des Elbinger
Rates verwiesen und die speciellen Einrichtungen Elbings werden auch
in anderer Hinsicht als Muster gedient haben. Der wesentliche Zweck
der Verleihungsurkunde ist aber die Feststellung des besondern Verhält-
nisses der Gerechtsame des Landesherrn zu denen der Stadt.
Der Herzog behält sich zunächst das volle Anrecht auf alle Me-
talle, welche innerhalb des Weichbildes der Stadt gefunden werden
sollten, vor (ein für die dortige Gegend freilich wertloses Regal). Von
dem Zins der Fähren und Mühlen, welche auf der Weichsel bereits
vorhanden sind, oder später innerhalb des städtischen Bereiches gebaut
werden sollten, gebühren ihm, sobald die Freijahre der Stadt abgelaufen
sind,9) zwei Dritte], das dritte der Stadt. Da in der Urkunde über die
Dauer der Befreiung gar nichts bemerkt ist, so war dieselbe jedenfalls
9) Preuss: Dirschau' 8 historische Denkwürdigkeiten 1860 — p. 10 übersetzt hier
die Worte „com civitatis Überlas exspiraverit" sehr unklar mit „unbeschadet der
übrigen Freiheit".
24 ^,e Gründung and älteste Einrichtung der Stadt Dirschau.
schon mehrere Jahre vorher festgesetzt, allgemein bekanut und das Ende
bevorstehend. Denn die Befreiung von Lasten und Abgaben, welche
man gewöhnlich verlieh, damit neugegründete Städte sich zu einigem
Wohlstand erhoben, währte auch anderwärts nur wenige Jahre l0). Hier-
nach könnte die Freiheit der Stadt auch schon mit dem Schlüsse des
Verleihungsjahres abgelaufen sein. Zur Anlegung von Fähren war der
Strom, der sich an zwei Stellen verengt, und noch in unserm Jahr-
hundert Inselbildungen aufwies, dort besonders geeignet. In Betreff
der Höhe der Einnahmen werden wir über die blosse Vermutung, dass
dieselben verhältnissmässig bedeutend waren, schwerlich hinauskommen.
In Betreff des Mühlenzinses wird uns eine Beurteilung dadurch er-
leichtert, dass nach damaliger Ordnung nicht nur alle Bewohner der
Stadt, sondern auch die der herzoglichen Güter, sofern dort nicht andere
Mühlen lagen, ihr Getreide in Dirschau mahlen lassen mussten und ein
Dreissigstel etwa an die Müller als Abgabe zu leisten war. ") In Lübeck
gab es noch im Jahre 1229 urkundlich nur eine Mühle und liess sich
die städtische Gesetzgebung früh angelegen sein, die Bürger zur Be-
nutzung der städtischen Mühlen zu zwingen. War der Getreidebau
damals auch viel spärlicher als heutzutage, so gab es doch in der
Umgegend von Dirschau, zu welcher auch ein Teil des Danziger und
des grossen Werders zu rechnen ist, keine concurrirenden Mühlen. ")
Darnach wird der Dirschauer Mühlenzins höher zu taxiren sein, als an
andern Orten "). — Da die Anlage des Dirschauer Mühlengrabens, eines
Ableitungscanais der alten Spancowa (der heutigen Mottlau) der Ordens-
10) Prenzlau erhielt diese libertas für 'drei Jahre, Stargar d in Pommern (1243) für
zwei Jahre, Gollnow (1268) für fünf Jahre, Colberg (1255) ebenfalls für fünf Jahre.
") Nach dem lateinischen Codex des lübischen Rechts (wie ihn Berlin besitzt),
etwa vom Jahre 1250 betragt die dem Müller zustehende „matta" !/so; ebenso im
deutschen Elbinger Codex, der etwa ums Jahr 1260 zu setzen ist: „achtebalb matten
enen schepel und van ver (4) schepelen shal man geren ene matten".
1S) Die Mühle Spangau war seit 1258 geistliches Gut und eine Mühlengerechtig-
keit in dem Bache zwischen Mühlbanz und Liebenhof wird erst 1286 ton Mestwin
dem Bischof Wislaus von Cujavien verliehen.
13) 1261 darf am Striessbach nördlich ?on Danzig eine dritte Mühle oberhalb
der des Klosters Olira angelegt werden; der Jahreszins beträgt zwei Mark Silber.
Urk. 189 bei Perlbach.
Von Dr. Rieb. Petong. 25
zeit zugeschrieben wird, und von einer neuen kleinen Mühle am Drebock,
welcher oberhalb der Stadt in die Weichsel mundet, erst in den Jahren
1280 und 1292 die Rede ist, dieses Flüsschen übrigens nicht durch
Stadtgebiet fliegst, sondern nur innerhalb der städtischen Fischerei-
gerechtigkeit in die Weichsel einmündet, so können die damaligen städti-
schen Mühlen entweder nur auf künstlich angelegten Dämmen oder auf
Inseln gelegen haben, welche zugleich den Fährbetrieb begünstigten und
wie noch in unserm Jahrhundert die Weichsel in ein breites, gewöhnlich
sehr flaches Bette, und ein schmales, stark fliessendes Fahrwasser teilten.
Die Bedeutsamkeit beider Einnahmequellen ist aus der Bestimmung
des Herzogs zu folgern, dass weder der Bat ohne ihn, noch er ohne
Mitwirkung des Bates über das Fährwesen wie über die Mühlen An-
ordnungen irgend welcher Art treffen dürfe.
Als ihm vorbehaltene Gerechtsame bezeichnet Sambor ferner das
Münz- und das Zollrecht. Ob er dass Münzrecht thatsächlich ausgeübt
hat, wissen wir nicht, da Münzen mit seinem Namen nicht nachweis-
bar sind; doch ist es zu vermuten, da 1305, also schon vor der Er-
oberung der Stadt durch den Orden der Bürger Gerhard zu Dirschau
urkundlich als Münzer bezeichnet wird. Das Recht, welches der Herzog
den Schultheissen und den Ratsherren einräumt, die Münze nach Gewicht
und Gehalt so oft sie wollen, zu prüfen, stand der Stadt Lübeck schon
seit dem Privilegium Herzog Heinrichs des Löwen zu. Hatte der
Münzer ein herzoglicher Beamter dort den festgesetzten Münzfuss nicht
eingehalten, oder sonst gegen die aufgestellten Münzbestimmungen ge-
fehlt, so verfiel er in eine Busse, die zur Hälfte der Stadt, zur andern
Hälfte an den Richter zu zahlen war. In dem kaiserlichen Privileg
von 1226 wurde aber das Münzregal an die Stadt übertragen und ihr
gestattet unter dem Zeichen des jeweiligen Kaisers selbst Münzen zu
schlagen, wofür sie sechszig Mark Silber an die kaiserliche Kammer
zu entrichten hatte. — In dieser Hinsicht stand das Recht der Land-
stadt Dirschau dem der Reichsstadt Lübeck natürlich nicht gleich. Ob
der Dirschauer Münzfuss mit dem Lübecks übereinstimmte, wonach
38 Schilling 10 Pfennig eine Mark wiegen und \b% Loth Silber ent-
halten sollten, bleibt eine offene Frage.
26 Di© Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirschau.
Von seinem Zoll recht macht der Herzog einen den heimischen und
auswärtigen Privilegien der Lübecker entsprechenden Gebrauch, indem
er die Burger der Stadt sowie alle innerhalb ihres Weichbilds sich auf-
haltenden Fremden für alle Zeiten von jedem Zoll an seine Herrschaft
befreit. Die der Stadt Elbing schon im Jahre 1255 verliehene Zoll-
freiheit musste zwischen dieser Stadt und Dirschau, das fortan Ver-
kehrsmittelpunkt für das ganze Herrschaftgebiet Sambors wurde, mit der
Zeit einen lebhaften Handelsverkehr hervorrufen; denn alle zur See in
Elbing eingehenden Waaren fanden nunmehr auch in Dirschau unbe-
hindert Eingang und Absatz. Dieselbe Zollfreiheit in Sambors Land
genossen wie früher bemerkt seit 1252 die Bürger von Culm. Ueber
das Vorhandensein sonstiger Normen über Zollwesen und Handelsverkehr,
wie sie in Lübeck seit einem Jahrhundert bestanden, wissen wir nichts;
selbst die Befreiung der Lübecker von der abscheulichen Gewohnheit
des Strandrechts, wie ihnen eine solche z. B. in Mecklenburg schon
im Jahre 1220 zuteil geworden war, geschah für das Danziger Gebiet
erst 1263 und 1268; Zollfreiheit wurde ihnen für ganz Ostpommern
erst 1272 durch die Markgrafen von Brandenburg verliehen. Die An-
wendung des lübischen Zoll- und Seerechts ist darnach für die Zeit
der Gründung nicht zu vermuten, vielmehr wird in diesen Stücken
landesüblicher Brauch maßgebend gewesen sein. Das Beservatrecht
des Herzogs konnte sich in selbsterkorenen Grenzen bewegen, ebenso
wie in Lübeck zur herzoglichen Zeit die Bürgerschaft auf die Verwaltung
des Zollrechts keinen Einfluss erlangte.
Sambor verpflichtet die Bürger, nach Ablauf der Freijahre von
jeder Hofstelle an ihn sechs Dirschauer Pfennig zu zahlen, eine Abgabe,
wie sie als Anerkennung der Unterthänigkeit auch anderwärts dem
Landesherren zufiel. In Ermangelung von Dirschauer Münzen werden wol
andere nach dem in Lübeck oder in den Städten des deutschen Orden-
landes üblichen Fusse geprägte Pfennige als vollgültig anerkannt sein.
Man pflegte auf einen Schilling zwölf Pfennige zu rechnen.
Ueber die älteste Gerichtsverfassung der Stadt kann sich aus
einer Betrachtung der gleichzeitigen Gerichtsverfassung Lübecks nicht
viel ergeben. Denn gerade was die Ausübung des Jurisdictionsrechts
Von Dr. Rieh. Petong. 27
betrifft, so waren die Dinge dort wie in andern emporstrebenden Städten
am meisten in Fluss, während das materielle ßecht seine Lebenskraft
an allen Orten bewährte. — Ursprünglich lag in Lübeck die Gerichts-
barkeit in den Händen des Vogtes (häufig judex genannt), eines her-
zoglichen Beamten, der das echte Ding hielt. Dreimal im Jahre rief
er hierzu alle freien Männer zusammen. Mit dem Königsbanne belehrt
war er allein zur Ausübung der höheren Gerichtsbarkeit befugt. Auf
den Dingen fanden unter Aufsicht des Vogtes auch Handlungen der
freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; der Vogt entfaltete daneben zugleich
eine polizeiliche Thätigkeit, Maßregeln zum Nutzen der Stadt wurden
dort von der Gemeinde beschlossen. Bei der Vertretuug der Stadt
aach aussen hin ging der Vogt übrigens dem Bat und der Gemeinde
voran. - Aber dieser Umfang seiner Befugnisse bestand nicht lange.
Man strebte darnach den Vogt auf die Gerichtsbarkeit zu beschränken,
schmälerte die Competenz des echten Dinges und gewann dann sogar
eine Controle über das Gericht des Vogts, indem die Hälfte der Ein-
künfte vom Gericht der Stadt zufielen. Schon zu Anfang des 13* Jahr-
hunderts sitzen zwei Batmannen neben dem Vogt zu Gericht und bereits
im Jahre 1247 ist gegen eine dem Beiche zu leistende Abgabe die
Gerichtsbarkeit des Vogtes an die Stadt Lübeck gekommen.
Dieses Ergebnis einer hundertjährigen Entwickelung fiel dem neuen
Dirscbauer Gemeinwesen nicht in den Schoss. Ein herzoglicher Vogt
wird urkundlich schon 1256 erwähnt und jedenfalls schwebte Herzog
Sambor der wesentliche Unterschied zwischen den Gerechtsamen Lübecks
und denen kleiner Landstädte bei der Ausstellung der Urkunde vor, da
er unmittelbar nach den Worten („jus Lubecense per omnia concedentes")
mit denen er Dirschau das lübische Becht verleiht, nachdrücklichst betont,
dass er sich, seinen Nachfolgern und rechtmässigen Erben die Herrschaft
in der Weise vorbehalte, wie Fürsten in ihren Städten herrschen.
Die höhere Gerichtsbarkeit, insbesondere auch das Strassengericht
war Sache des herzoglichen Vogts. Aber es gab in allen Städten sehr früh
ein Gebiet, welches naturgemäss der Competenz des Bates zufiel, die Auf-
rechthaltung der Ordnung in der Stadt, die Wahrung der städtischen Will-
küren und aller solchen Satzungen, welche der Bat selbst gegeben hatte.
2g Die Giiindung und älteste Einrichtung der Stadt Dirachau.
Ob aber das Amt der Vogtei, ebenso wie in Deutschland, hier im
slavischen Osten dauernden Fuss fasste, darf man nicht ohne Grund
bezweifeln. Der Vogt war im Grunde nur ein Stellvertreter des Landes-
herrn zur Wahrnehmung sämmtlicher Interessen desselben. In Dirschau
residirte aber Sambor als Landesherr selbst; überdies war die neue
Ansiedelung zu klein, als dass ein besonderer herzoglicher Beamter für
die Stadt beständig erforderlich schien. Der Herzog konnte seine
Gerechtsame, auch was die Rechtsprechung betraf, durch andere Beamte
wahrnehmen. Iu der That kommt ein Vogt in Dirschau zu Sambors
Zeit urkundlich nicht weiter vor; aber der ostpommerschen Verfassung
gemäß erhält sich das Amt des Castellans (Burggraf und Landrichter)
oder eines besonderen Richters (judex) bis zum Ende der einheimischen
Herrschaft, während gerade in Lübeck, obwol die Stadt das Vogteiamt
an sich gebracht hat und den Vogt selbst einsetzt, das hohe Ansebn
dieses Amtes sich noch ferner erhält. ")
Für die factischen Jurisdictionsbedürfnisse im Stadtgebiet Dirschau
dürfte im allgemeinen die Gerichtsgewalt des Schultheissen und der
Räte genügt haben. — Man könnte sogar geneigt sein, den ersten auf
die Gerichtsbarkeit bezüglichen Passus der Gründungsurkunde: „Si quis
etiam in hiis libertatibus (d. h. in den städtischen Grenzen) eicesserit
ita sicut in civitate delinqueret, judicetur, de cujus judicio reeipimus
terciam portionemu dahin zu verstehen, dass die Gleichheit in der Be-
handlung der in und ausserhalb der Stadt begangenen Gesetzesver-
letzungen sich nicht nur auf die Anwendung des Strafmaßes und die Com-
petenz des städtischen Gerichts bezog, sondern auch die Verschiedenheit
der Vergehen dabei keinen Unterschied machte; aber in Ermangelung
bestimmter Competenzabgrenzungen ist denn doch hieran weniger, zu
denken, als vielmehr an die Festsetzung eines landesherrlichen Gefälles
und eine räumliche Vergünstigung, welche der Herzog dabei der Stadt
") Die Lübecker übertragen die Vogtei eiuera angesehenen Mitbürger gegen
Zahlung einer bestimmten Geldsumme; 1262 dem Menelans für 70 Mark Pfennige,
1263 dem Johannes von Carssowe für 60 Mark Pfennige; in demselben Jahre richtet
Herzog Swantopolk an die Lübecker ein Schreiben, in welchem er zuvörderst einen
Gross an „den Vogt, den Bat und die Gemeinde zu Lübeck" sendet
Von Dr. Rieh. Petong. 29
zuwenden will. — In den Städten im inneren Deutschland waren die
Gerechtsame der Bürgerschaft durch den Kreis ihrer Mauern räumlich
beschränkt, im Gegensatz hierzu werden die deutschen Städte im Slaven-
lande sofort mit Nutzungsrechten an einem benachbarten Territorum
ausgestattet; sie erhielten ein erweitertes Weichbild und so bestimmt
auch für die Gerichtsbarkeit Sambor, dass innerhalb des gesammten
Stadtgebiets dasselbe Recht und dasselbe Verfahren maßgebend sei. Es
kam dies besonders den Fremden zu statten und war geeignet, das
Ansehn der Stadt nach aussen zu fördern. — Handelte es sich um
Vergehen, welche vor das landesherrliche Forum gehörten, so sollte
eben der städtische Boden und das Stadtgebiet keinen Unterschied
machen15), und dasselbe galt für die Rechtsprechung des Schultheissen
und der Räte. Vom städtischen Gericht behält sich aber der Herzog
in jedem Falle ein Drittel der erkannten Geldstrafen, (Brüche, Bussen)
vor. Es entsprach dies genau den Verhältnissen Lübeks, wo bei den
vom Rat erkannten Bussen dei Richter auch nur ein Drittel, die Stadt
zwei Drittel erhielt. Von den Brüchen wegen Uebertretung der städti-
schen Küren überlieferten die Consuln dort auch zwei Drittel der
Stadt. Es gab Fälle, bei denen auch der Kläger zu berücksichtigen
war, z. B. bei Diebstahlsstrafen. Erhielt derselbe dann, wie es nach
lübischem Recht Brauch war, ein Drittel, so behielt die Stadt nur
noch ein Drittel, während der Richter, an dessen Stelle Sambor sich
denkt, wie immer seinen vollen Anteil behielt. Dass es Sambor weniger
auf Regelung der Gerichtscompetenz, als auf eine Sicherung seiner
Gefälle ankam, beweist auch die zweite die Gerichtsbarkeit betreffende
Stelle der Urkunde, in welcher er den Rat verpflichtet, ihm freiwillig
den dritten Teil der bei den Deutschen „vorsatungeu genannten Geld-
strafe abzuliefern. Unter „vorsate", oder „vorsatunge14 wird in den
mittelalterlichen Rechtsaufzeichnungen zunächst diejenige Erscheinungs-
form des verbrecherischen Willens verstanden, bei welcher auf das
Vorhandensein eines besondern verbrecherischen Vorsatzes zu schliessen
1S) Elbing war bei seiner Gründung nur innerhalb des Bereichs seiner Be-
festigungswerke mit lübischom Recht bewidmet; die Erweiterung für den ganzen
Bereich der Stadtfreiheit erhielt es erst 1288.
30 Die Gründang and älteste Einrichtung dar Stadt Dirschaa.
war. Diejenigen Momente einer strafbaren Handlung, in denen die
„vorsate" sich kundgiebt, sollen von dein übrigen Vorgange abgelöst
und für sich behandelt werden, so dass in Lübeck bei solchen Sachen
der Vogt und die beisitzenden Ratmannen nur soviel, als zu ihrer
Competenz gehört aburteilen, der „vorsate" aber sich nicht unterwinden
durften, sondern diese ganz auf das Haus vor den sitzenden Rat
sandten. Die charakteristische Zuzatzstrafe der „vorsate" war eine
öffentliche in dem Sinne, dass sie ganz und voll den obrigkeitlichen
Gewalten ohne Concurrenz des Vogtes zufiel und bestand in zehn Mark
Silber und einem Fuder Wein. Die Bezeichnung des bösen Willens
ging aber sehr bald auf die Strafe selbst über und wurde die alte
Bestimmung des lübischen Rechts, dass der Vogt von allen durch den
Rat erkannten Bussen ein Drittteil zu empfangen habe, gerade mit
Bezug auf diese Strafe speciell hervorgehoben, jedoch mit dem Zusatz,
dass der Weiu der Stadt ganz ausschliesslich zukomme. Welche Arten
von Verbrechen zu den mit „vorsate" bedrohten gehören, ist in den
verschiedenen Recensionen des lübischen Rechts nicht ausgeführt, doch
deuten mannigfache Exemplificationen darauf hin, dass besonders vor-
sätzliche Körperverletzungen und Beschimpfungen von Bürgern gemeint
sind. Eine specielle Hervorhebung dieses landesherrlichen Gerichts-
gefälles kann aber nicht nur durch die unzweifelhafte Gerichtscompetenz
des Rats in den Fällen der „vorsate", sondern auch durch die damals
schon vorkommende Praxis eines Strafnachlasses, der Sambor nicht zu-
stimmen will, motivirt erscheinen. — Eine den Zeitverhältnissen ange-
passte Modification einer alten statutarischen Bestimmung lübischen
Rechts, tritt in der Fassung des Verbots, städtische Grundstücke an
Gotteshäuser oder geistliche Stiftungen zu übertragen, zum Vorschein.
Während in Lübeck und andern rechtsverwandten Städten jenes Verbot,
ungeachtet päbstlicher Mahnungen und Drohnungen, im Laufe der Zeit
geschärft wird und Uebertretungen damals mit zehn Mark Silber gebüsst
wurden, abgesehen von der Nichtigkeit des ganzen Actes, bestimmt
Sambor nur, dass zur Veräusserung innerhalb der Stadtbefestigung be-
legener städtischer Grundstücke, seine Erlaubniss und die Zustimmung
der ganzen Bürgerschaft erforderlich sei.
Von Dr. Rieh. Petong. 31
Diese mildere Praxis ist auch in Elbing ") und in andern Städten
des Ordenslandes üblich gewesen. Es handelte sich darum, der Stadt
den ganzen Bereich der ihr äusserlich zugehörigen Grundstücke, die
auf diesen ruhende Verpflichtung zu bürgerlichen Abgaben und Diensten,
die auf den ganzen städtischen Bezirk sich erstreckende Gerichtsbar-
keit ungeschmälert und ununterbrochen durch Exemtionen, wie sie die
Geistlichkeit in Anspruch nahm, zu wahren und zu erhalten.
Diese knappen Grundzüge des öffentlichen Rechts, für dessen Er-
weiterung* der Wille des Landesherrn die alleinige Quelle blieb, konn-
ten für ein kleines Gemeinwesen genügen; in Betreff der Civilgerichts-
barkeit, an welche bei der allgemeinen Hinweisung besonders gedacht
werden muss, gestattet Sambor seiner Bürgerschaft sich Rats in Elbing
zu holen, sobald ihnen ein Rechtsausspruch unbekannt oder unklar sein
sollte. Der Bat zu Elbing nahm damit für Dirschau die Stellung eines
Oberhofs ein, wie Lübeck für viele Städte in Deutschland.
Was Sambor der Stadt an Besitz verleiht, ist wenig bedeutend.
Es sind zuvörderst Weichselwiesen, deren Länge von dem obern, dem süd-
lichen Ende der Stadt gerechnet, 82 Seile, d. h. etwa 3280 meter be-
trägt; die Angabe der Breite (27 Faden = etwa 1080 meter) bezieht
sich jedenfalls nur auf das Nordende, wo die Spancowa ") (beute Mottlau)
in älterer Zeit das städtische Wiesenterrain umsäumte. Heute trennt
dieselbe jenen älteren Wiesenbesitz (die sogenannten Eitriche) von dem
spätem, den Winrich von Eniprode der Stadt im Jahre 1372 verlieh
(„Dirschauer Wiesen" genannt) "). Die Nachmessung der Breite im
heutigen Stadtgebiet wird dadurch sehr problematisch, dass die Weichsel
seit jener Zeit ihren Lauf nicht unbeträchtlich nach Westen verlegt hat ").
") cf. Handfeste des Hochmeisters Heinrich von Hohenlohe für Elbing a. 1246
Cod. dipl. Warmiensis No. 13. Cod. dipl. Prass. II. No. 6 Privilegium des Bischöfe
Heinrich für Braunsberg a. 1284.
") Prenss und auch Perlbach übersetzen Spancowa falschlich mit Spangan
(damals nnr Mühle), das als ein einzelner abseits nach Westen zu liegender Punkt
hier garnicht geeignet ist, als Grenzbezeichnung zu dienen.
") Siehe Karte 2, das Stadtgebiet Dirschau.
") Die Verschiebung des Weichselbettes seit dem Brückeubau wird auf circa
80 Meter taxirt.
32 Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt Dirscfcau.
Indessen kann uns der Inhalt der Handfeste Winricbs vom Jahre 1364,
in welcher der Stadt ihr altes Gebiet der Hauptsache nach neu be-
stätigt sein wird, zur Aushilfe dienen. Es wird darin eine besonders
geschüttete Grenze erwähnt, welche an und von der Spangau (Mottlau)
auslaufend, den Wiesenbesitz der Sladt von dem benachbarten Lande,
zu welchem auch das Ordensgut Liebenhof (incl. des heutigen Bitter-
guts Stangenberg) gehörte, abschnitt. Das Stangenberger Land (noch
heute ca. 8 kulmische Hufen ausmachend und vom Weichseldamm bis
zur Bokittker Grenze an das Dirschauer Gebiet anstossend) jvird aber
schon damals ganz ähnlich das Dirschauer Territorium begrenzt haben,
da in der Verleihungsurkunde von Liebenhof im Jahre 1256 auch
„acht Hufen vor Dirschau" so) als Zubehör zu dem Hauptareal bezeichnet
sind. Zwischen dem alten Schönecker Wege, der Weichsel und der
Stangenberger Grenze ist der Boden in seinem westlichen Teil hügelig
und dort nicht als ursprünglicher Wiesengrund anzusehen. Den hierzu
gehörigen Samaitenberg (jetzt planirtes Bahnhofsterrain) schenkte Herzog
Wladislaw von Polen und Pommern im Jahre 1299, der westlich davon
liegende grössere Mühlenberg ferner wurde von der Stadt durch einen
Kaufvertrag erworben; in demselben Gebiet fand man, wie es scheint,
•
später auch Baum zur Ausstattung von Klöstern (Nonnenmorgen, Kloster-
wiesen). Sambor sondert von dem hierher gehörigen Wiesenterrain auch
ausdrücklich ein bis zum „Jesniczsee" reichendes Stück ab, das er als
Gemeinland allen in der Nähe wohnenden Leuten, allen Fremden (d. h.
Pilgern und Gästen) wie den Wirten zur freien Benutzung einräumt.
Unter dem Jesniczsee ist unzweifelhaft kein anderes Gewässer zu ver-
stehen, als der spätere Müblenteich (durch den Bau der Ostbahn ist er
beseitigt), neben welchem Jahrhunderte hindurch ein städtischer Gemein-
platz lag.21)
*°) Die Stelle ist lückenhaft; wahrscheinlich lautete sie vollständig: „ante castrum
in Dersow", vielleicht wurde zur Ordenszeit ein Teil dieses Landes der Stadt Dirschau
zugeschrieben; es liegt grösstenteils auf einer Deckthoninsel und wurde mit dem
gleichwertigen Acker oberhalb Dirschaus früher in Cultur genommen, als das minder-
wertige Dirschauer Land.
21) Die Stadtbleiche ist in Folge des Bahnhofebaues von dort weiter abwärts verlegt.
Die Anlage des Mühlengrabens musate ehemals den See natürlich zum Teil entwässern.
Von Dr. Rieh. Petong. 3g
Von minderer Güte war ein zweites grösseres oberhalb der Stadt
gelegenes Stück Land, welches Sarobor den Burgern als Viehweide ver-
lieh. Die Länge desselben betrug von der Grenze der Stadtgärten nach
Westen gemessen 90 Seile (3390 meter); die Breite wird mittels der
Grenzsteine des Czarliner Weges von Süden nach Norden gleichfalls
auf 90 Seile bestimmt, die Seilenzahl der zweiten Länge wird durch
andere zu diesem Behuf gesetzte Grenzsteine bezeichnet. Da Schliewen
und Rokittken damals, wenigstens noch nicht in bestimmten Grenzen
vorhanden waren, so war eine solche Abmessung notwendig; das Hufen-
:aaß findet bei Weideland keine Anwendung.
Das bezeichnete Gebiet ist der heutige Hauptplan der Dirschauer
Hufenländereien von der Gewannengrenze nach Südwesten zu gelegen,
bis an die vorgenannten Ortschaften.
Endlich verleiht Sambor seinen Bürgern noch die Fischereigerechtig-
keit in der Weichsel von der Kniebauer M) Grenze abwärts bis dorthin,
wo die Wiesen der Stadt aufhören.
Werfen wir zum Schluss einen Blick auf die äussere Einrichtung
der Stadt. Die Altstadt Dirschau liegt auf einem schmalen nach
Westen zu gerichteten Plateau, dessen östlicher Abhang zur Weichsel
gleichfalls in die Umfassung der Stadt- resp. der verlängerten Burg-
mauer gezogen wurde und in seinem niedrigsten Teile den Schloitagrund
hergab. Ihrem Hauptteile nach bestand die erste Befestigung der Stadt
nur aus einem Wall mit doppeltem Graben, wenigstens an der Nord-
seite, wie aus der Gründungsurkunde des Dominikanerklosters von 1289
ss) Die Uebersetzung der Stelle: „a finibus Gordin et Pnebabowe" in dem Sinne,
dass eine zwischen Gerdin und Kniebau befindliche Grenze gemeint sei (welche über-
haupt doch nnr eine Wassergrenze sein konnte) hat wenig för sich; richtiger dürfte
man „Gordin et Pnebabowe" als ein Gebiet betrachten, zumal zn Gerdin nach andern
Urkunden eine Anzahl Dependenzien gehören, von denen Knieban als die nördlichste,
Dirschau zunächst liegende hier erwähnt wird. Gerdin hatte (nach Urkunde 427 bei
Perlbach vom Jahre 1287) sechsig Hufen, Kniebau ehemals deren zehn (jetzt nur
noch acht). Kniebau gehörte zu denjenigen Besitzungen, über welche der Herzog
sich Verfügungsrecht vorbehalten hatte: denn er will es nebst Baldau 1275 für die
Cistercienserinnen erwerben (cf. Urk. 272 bei P.)' im Jahre 1260 war es samt dem
Fischereirecht wahrscheinlich bereits in den Händen eines seiner Getreuen, oder
sollte demnächst verliehen werden.
A)*r. MoMUsehrift Bd. XXJA Hit 1 u. 2. 3
34 D>* Gründung and Älteste Einrichtung der Stadt Dirsehao.
hervorgeht. Müssen wir nach Analogie der Ordensstädte ferner an-
nehmen, dass die ersten Wohnhäuser nicht massiv, sondern ans leichtem
Fachwerk gebaut waren, so ist die Erhaltung der ursprünglichen Hof-
stellen trotz wiederholter Zerstörung der Stadt leicht zu erweisen. Die
weiteste Ausdehnung des Stadtplans von Osten nach Westen beträgt
nur 390 meter, die kleinste 305 meter, die Breite zwischen Norden und
Süden beträgt 140 bis 250 meter. An der Nordseite der alten Stadt-
befestigung steht etwas nach Westen zu über die Mitte hinaus die alte
von einem kleinen Kirchhof umgebene Kirche zur heiligen Kreuzes-
erhöhung. Ziemlich genau in der Richtung der Begrenzungslinien gegen
Osten und Westen befinden sich heute zwei je sechs Wohnhäuser ent-
haltende Hofstellenreihen, die Ost- und die Westseite des Marktes
bildend. Nirgends anders als hier sind meines Erachtpns die ältesten
Wohnstätten su suchen; hier entfaltete sich der erste städtische Ver-
kehr, dem in unentwickelter Form eine blosse Benutzung des oben be-
zeichneten Gemeinlandes durch die benachbarten Landleute voraus-
gegangen zu sein scheint. Der heutige Marktplatz war aber nach der
Grundungsurkunde des Dominikanerklosters von 1289 bereits vorhanden
und lief eine Strasse von dort direct nach der Weichsel, die heutige
Langestrasse (zur Ordenszeit „Herrenstrasse11 benannt). Der bis zur
Südseite der Stadtbefestigung noch übrigbleibende Baum gestattete nur
noch eine zweite gleichfalls zur Weichsel führende Hofstellenreihe mit
derjenigen der „Herrenstrasseu parallel zu vermessen (heute Berliner-
strasse, und ehemals „Breitestrasse41 genannt). ") Beider Strassen Ver-
längerung nach dem Westthor der Stadt (nach Danzig führend) brachte
den ersten Bebauungsplan zu vollständiger Ausführung. Der Baum
zwischen Marktplatz und Kirche blieb unbesetzt, wie dies aus der
späteren Handfeste vom Jahre 1364 hervorgeht
Eine Bestätigung dieses Bebauungsplanes ergiebt sich aus der Ver-
gleichung der verschiedenen Hofstellenmaße. Die der Kirche gegenüber
liegende Südseite des Marktes wird nämlich ebenso wie die Ost- und
*') Beide Strassen sind erst nach Beseitigung der vor den Wohnhäusern befind-
lichen Lauben breiter geworden; die Herrenstrasse war ehemals fünf Meter, die
Breitestrasse 7 Meter breit.
Von Dr. Rieh. Petong. 35
Westseite von einer sechs Wohnhäuser enthaltenden Hofstellenreihe
gebildet, deren Breite wie bei den andern 46 meter84) beträgt. Hatte
darnach jedes der ältesten Wohnhäuser durchschnittlich 7% meter Front,
welches Maß sich noch bis heute bei den meisten erhalten hat, so be-
trug nach vorhandenen Grenzlinien zu urteilen die Tiefe am Markt
mindestens 35 bis 36 meter. Die Tiefe der andern Hofstellen war je
nach der Lage verschieden und durch die Krümmung der Befestigungs-
linie bedingt; doch giebt es noch heute eine Anzahl Hof stellen, deren
Tiefe bis gegen die Stadtbefestigung hin (längs welcher natürlich etwas
Baum für Vertheidigungszwecke freibleiben musste) reichte und sogar
60 Vs meter (als Maximum) beträgt. War hiernach für die Anlage von
Hintergassen kein genügender Baum vorhanden, so scheint auch der
sonstige noch verfügbare Baum zunächst nicht zu Hofstellen benutzt
worden zu sein. Denn unterhalb der je acht Hofstellen enthaltenden
Ostflügel der beiden Strassen fällt der Boden noch heute so steil ab,
dass jener minder geschätzte Stadtteil als „Unterstadt41 ") im Gegensatz
zu dem Hauptstadtteil (der Oberstadt) angesehen wird und lange un-
bewohnt blieb; oberhalb der je zehn Hofstellen enthaltenden Westflügel
der beiden Strassen blieb nur noch Baum für zwei Hofstellen, durch
deren Besetzung der Verkehr am Hauptthor sehr beengt worden wäre.
Auch der hinter der Ost- wie der Westseite des Marktes verfügbare
Raum war nicht zur Vermessung in Hofstellen geeignet; derselbe ist
32 resp. 34 meter tief und scheint später in völlig regelloser Weise
ausgeteilt worden zu sein, denn nicht ein. einziges Grundstück erinnert
an eine ehemalige Uebereinstimmung mit den ältesten Hofstellen. Nach
der Westseite nimmt jener Baum übrigens so sehr an Breite ab, dass
seine Tiefe nicht zu verwerten war, und blieben beide Plätze ursprung-
lich schon deshalb frei, weil jene zunächst hauptsächlich Viehwirtschaft
*4) Die Maße sind nach einer von dem vereid. Feldmesser Peter neuerdings
gefertigten Karte von Dirscban angegeben, welche der gegenwärtige Besitzer mir
irenndKcbst Ar diese Arbeit zur Verfügung gestellt bat.
*•} Dort lftgdn in früherer Zeit die Abdeckerei resp. Scharfrichterei, ein Brand-
bans, Backhäuser, Töpferöfen, der Stadthofplatz, und der tfüste Seblossgrund; einen
ähnlichen Charakter hat dieser Stfatitteil noch beute.
3*
36 Die Gründung und Kiteste Einrichtung der Stadt Dirschaa,
treibenden Burger am Markte von ihren Stallungen aus dort ihr Vieh
zur Weide hinauslassen mussten. Sondert man übrigens diejenigen von
den heutigen 307 Grundstücken der Altstadt aus, welche nachweislich
erst aus der Ordenszeit stammen, oder einer späteren Austeilung wüster
Plätze ihre Entstehung verdanken, wie besonders da, wo ehemals die
Stadtmauer und der Stadtgraben lief,26) sowie diejenigen, welche als
Hinterhäuser zu den alten Hofstellen gehören, so wird der alte Stadt-
plan ziemlich deutlich erkennbar. Von der Aufklärung gerinfügiger
Abweichungen absehend, können wir die oben bezeichneten Hofstellen,
nämlich achtzehn am Ringe des Marktes, sechszehn nach Osten und
zwanzig nach Westen zu als den ursprünglichen Baugrund der Stadt in
Anspruch nehmen und hätten nur eine Hofstelle an der Nordostecke des
Marktes (im heutigen Stadtplan IV 27 mit den fünf kleinen nördlich
dahinter liegenden Grundstücken), welche nach dem Kirchhof zu und
in die Nähe des Hochaltars auslief und einen Teil derjenigen Grund-
fläche bildet, welche Mestwin IL im Jahre 1289 dem neugegründeten
Dominicanerkloster zuwies, in Abrechnung zu bringen, so dass die An-
zahl der ältesten Hofstellen und Vollbürger sich auf dreiundfünfzig
beschränkte27). Für das Pfarrhaus blieb in der Nähe der Kirche ge-
nügender Baum. Die in den Gründungsurkunden erwähnten Stadt-
gärten, welche in Ermangelung andern fruchttragenden Landes, als
notwendiger Zubehör zu jeder einzelnen Hofstelle anzusehen sind, lassen
S)ch, wenn auch nicht mit untrüglicher Gewissheit im einzelnen, so doch
nach ihrer ehemaligen den Stadtgraben rings umschliessenden Gesammt-
fläche im Vergleich mit der Grösse einzelner noch vorhandener Garten-
grundstücke, gleichfalls herausfinden resp. berechnen.
Sollten wir indessen hierin auch vorgreifen, so bestätigt uns die
seit Alters völlig übereinstimmende Anzahl der Ackerhufen, dass in echtem
ursprünglichen Sinne des Worts zu jedem Hofe auch eine Hufe gehörte.
26) Die Generalhypotekenacten von Dirschaa enthalten eine Nachweisung der zur
Stadt gehörigen Erbpachtsgrandstücke vom Jahre 1833, in Summa 83, welche zum
grossen Teil hier in Betracht kommen; in den Jahren 1780 bis 1784 Würden nach
Ausweis der Acten allein 34 wüste Plätze vergeben.
*7) Vergleiche den diesem Aufsätze beigefügten Stadtplan.
Von Dr. Rieh. Petong. 37
Es ist zur Genüge bekannt, dass besonders im Mittelalter eine Hufe
nicht ein überall gleiches Stück Land, sondern nur das zu einer Hof-
stelle gehörige Maaß Ackers bezeichnet, hinreichend um einen Land-
mann mit seiner Familie zu nähren. Fand damals auch die Anwendung
des kulmischen Hufenmaßes mehr und mehr Eingang, so geschahen
Landverleihungen doch auch in ungemessenen Grenzen, in grösseren
und kleineren Hufen. s>)
Das im Gründungsprivileg nur oberflächlich dem Umfang nach be-
stimmte Weideland Dirschaus wurde erst im Laufe der Zeit in 56 Acker-
hufen — drei gebührten dem Pfarrer — verwandelt, deren einzelne
Anteile in verschiedenen Abschnitten des Gesammtareais lagen. Jede
Dirschauer Hufe enthielt nachweislich seit dem 16. Jahrhundert, wie aus
den bezüglichen Nachrichten aber zn folgern ist seit ältester Zeit29),
21 Morgen 47 Buten kulmisches Maas in 6 Theilen, von denen 5 inner-
halb des alten Weideplans lagen, der sechste je sechs Morgen enthaltend
an der Stangenberger Grenze. Das ganze Ackerland bildete indes einen
zusammenhängenden Plan. Diese allmälige Verteilung des Stadtackers
in 56 gleiche Anteile (Hufen genannt) ist nur bei der Annahme einer
seit Alters vorhandenen gleichen Anzahl vollberechtigter Hofstellen er-
klärlich, gleichviel ob man zu den Zeiten Sambors nur die nächst-
liegenden ersten 56 Parcellen („Schmalstückeu genannt, jedes 3 Morgen
220OButen gross) oder auch schon die andern („Hubenstücke, Drei-
") cf. Zorn Beispiel ürk. 587 (Perlbach) vom Jahre 1299, in welcher das
Dorf Mühlbanz bei Dirschau zn deutschem Recht in kleinen Hufen (ad parvos mansos)
ausgesetzt wird.
**) Extract der Generalberichtigimg Verhandlung der Lande Freussen vom
Jahre 1664, in welchem ein Privilegium Stephan Bathorys vom Jahre 1580 ange-
fahrt wird, das die drei und fünfzig Hufen auf den Bergen und in der Niederung
als laut besonderer Rechte und Einteilung von den Bürgern benutzt hervorhebt
und Acta generalis des Egl. Land- und Stadtgerichts Dirschau betr. die Privilegien
der Hubner- Brüder- Corporation in denen es heisst: Ueber diese sechs und fünfzig
Hufen hat unser vormaliger Magistrat bei der am 4. October 1577 erfolgten Ein-
äscherung unserer Stadt und nach sich gezogenen Verlust unserer ehemaligen
Bolle eine am 1. August 1579 entworfene etc. Willkür erteilt. Mit der Vermessung
des Privilegs von 1580 stimmt auch die Handfeste Winrichs von Eniprode a. 1364
annähernd übertin, nur dass hier nicht die Grösse des alten Ackerlandes, sondern
das Gesammtareal eingehender bezeichnet wird.
3g Die Gründung nud älteste Einrichtung der Stadt Dirschaa.
rutenstücke, Querstücke, Schmalstücke ")" geheissen) verteilt hat. Denn
jede spätere Verteilung musste an die erste sich anschliessen. Auch
nicht der geringste Wahrscheinlichkeitsgrund ist dafür geltend zu machen,
dass jene alte Ackerverteilung erst in der polnischen Zeit statt gehabt
hätte, da dann jedenfalls irgend eine chronologische Erinnerung daran
erbarten und die Behauptung, dass die Bürgerschaft von Dirschau
„seit undenklichen Zeiten 56 Hufen Säeland"31) besitze, nicht
möglich gewesen wäre.
Der ersten geringfügigen32) Ansiedelung, deren Seelenzahl auf
höchstens dreihundert zu schätzen ist, konnte der unbedeutende Markt-
platz33) und eine nur aus drei Personen gebildete Stadtobrigkeit ge-
nügen 34). Wie schon aus der oben bemerkten wechselnden Bezeichnung
derselben Personen als Bitter und als Bürger hervorgeht, bestand eine
scharfe Scheidung der Ansiedler nach Herkommen und Beruf nicht,
wir werden daher unter den früher aufgeführten Personen aus Sambors
Umgebung pum grossen Teil die ersten Bürger zu suchen haben; sehen
wir doch, dass auch in Westpommern waffentüchtige Männer (Bitter
und Knappen) sich in den Städten ansiedeln und mit geringer Besitz-
ausstattung vorlieb nehmen **). Die Einwohner fanden ihren Unterhalt
vom Fähr- und Mühlenbetrieb, von der Fischerei, Gastwirtschaft und
Viehzucht, daneben entwickelten sich Handelsverkehr und Handwerks-
betrieb, wie in andern deutschen Städten jenes Jahrhunderts. Schil-
derei, Gewandmachen und Schmiedekunst treten am frühesten hervor,
wahrscheinlich weil die dort einkehrenden Kreuzfahrer und Kolonisten
den Einwohnern Gelegenheit zu Arbeit und Verdienst gaben.
8D) Diese „Schmalstücke" sind viel kleiner als die erstgenannten Schmalstücke.
31) Acta generalia etc. im Eingang einer Eingabe an den König yom 12. Octo-
ber 1781, welche auf da« Privileg von 1577 resp. 1580 zurückgreift.
9S) In Westpommern worden um jene Zeit Greifenhagen mit 200 Hafen, Colberg,
Greifenberg nnd Cöslin mit je 100 Hafen und Gollnow mit 120 Hufen Acker bewidmet
33) Dasselbe ist in unserem Jahrhundert durch Beseitigung der vor den Häusern
befindlichen Lauben etwas erweitert
") Wenigstens erscheint mir die Elbinger Ratsverfassung, nach welcher 24 Bat-
männer den gemeinen Bat bildeten, als für Dirschaa nicht anwendbar.
3*) So werden bei der Gründung von Greifenberg 1262 an zehn Bitter und
Knappen zusammen nur 30 Hufen verliehen*
Von Dr. Rieh. Petong. 39
Das fremde Geld, welches der Verkehr in die Stadt brachte, konnte
dann ein vom Herzog bestellter Münzer zum Umprägen erhalten. Ein
Schreiber übernahm die Anfertigung schriftlicher Verträge und Obliga-
tionen. Für den Schulunterricht sorgte, soweit es üblich war, der Pfarrer
oder der Küster "). Im Jahre 1262 erbaten sich die Bürger von Dirschau
eine Handschrift des lübischen Rechts, welche nach einem im Jahre 1240
gefertigten und zur Versendung nach auswärts bestimmten lateinischen
Codex wahrscheinlich über Elbing ihnen zugestellt worden ist37).
Die alten Traditionen aus den Zeiten des herzoglichen Gründers
haben sich trotz mancher friedlichen und gewaltsamen Veränderung,
trotz mehrfacher Zerstörung durch Eroberung und Brand, trotz des
Wechsels der Dynastien und Zeiten, ja sogar ungeachtet der Vernich-
tung der alten Privilegien und Pergamente bis auf den heutigen Tag
in manchen Formen erhalten; sie wurden insbesondere im Jahre 1860
lebendig als man in grossartiger Weise das 600jährige Jubelfest der
Gründung der Stadt beging. Eine damals errichtete wohlthätige Stif-
tung, welche den Namen des Gründers trägt, bewahrt mit ihren von
Jahr zu Jahr langsam aber stetig zunehmenden Fonds für fernere Zeiten
den Namen des Gründers der Stadt, dem es in der Folge nicht einmal
vergdnnt war, auf eigenem Boden zu sterben, Sambors des Hersogs der
Pommern zu Liebschau und Dirschau.
,8) So wird ein Geistlicher Arnoldus 1264 zu Stettin als rector parvulorum be-
zeichnet; die Danziger Urkunde von 1227, in welcher Gerwin als „magister puerornm"
erscheint» ist gefälscht und erst etwa 1280 gefertigt (Urk. 34 bei Perlbach), in den
Ordensstädten geschieht seit 1300 des Schulwesens Erwähnung.
,7) cf. Frensdorff: das lübische Recht nach seinen ältesten Formen (Leipzig 1872)
p. 68, 69, Toeppen: Elbinger Antiquitäten (Danzig 1871) und die Urkunde No. 196
bei Perlbach. Die jetzt verschollene Urschrift befand Bich noch 1724 in Dirschau.
Beilage.
40 nie Gründung and Kitette Einriehtang der SUdt Diraebaa.
Beilage.
Die Gründungs-Urkunde von Dirschau.
Dr. M. Perlbach's Pommerelliaches Urkuodenbuch No. 185.
In nomine patris et filii et Spiritus sancti amen. Sicut preterita,
que olim fuerunt, scire non possumus, sie nee eorum quidem, que fu-
tura sunt, erit recordatio in novissimo, quia labente tempore transeunt,
et temporis actiones, que tarnen perhennari poterunt, si reeipiant a voce
testium aut scripti memoria firmamentum. Nos igitur Samburius dei
gratia dux Fomeranie volentes ea, que per nos fiunt, inviolabiliter im-
perpetuum conservari, de consensu et bona voluntate uxoris nostre nee
non puerorum nostrorum baronumque consilio civitatem in Dersowe
locavimus eidem ius Lubecense per omnia concedentes in ea nobis et
nostris successoribus iustis heredibus retinendo dominium, quemadmodum
nostri consimiles suis in civitatibus dominantur. Dedimus itaque pre-
dicte civitati cum omni utilitate prata libera, longitudo quorum ab
australi superiori parte civitatis protenditur penes Wizlam inferius
mensurando, donec octoginta duorum funium numerus impleatur, a Wizla
deinde versus Spancowam directius procedendo viginti septem funiculis
extenditur latitudo, excipientes hoc, quod a metis supradictis usque ad
lacum modicum, qui Jesnicz dicitur, omnium hominum vicinorum pere-
grinorum et hospitum usibus spacium sit commune. Preterea contuli-
mus antedicte civitati ad pascua pecorum eadem libertate cum omni-
moda utilitate, sicut de pratis prediximus, nonaginta fines funes(!) in
longitudine, que longitudo de ortorum confinio civitatis sumit originem
ad oeeidentem incedendo, donec ipsius longitudinis iam dicti funiculi
suppleantur. Porro de metis, quas in via de Tszadelin1) signavimus,
versus aquilonem reliquos nonaginta funes retinet latitudo et inde, se-
eundum quod metas posuimus, ad civitatem iterando seeunde longitudinis
funiculi distinguntur. Damus insuper Wizlam ad utilitatem piscandi
*) Czarlin b. w. von Dirschau.
Von Dr. Rieh. Petong. 41
liberam a finibus Gordin et Pnebabowe') in descensam usque ad locum,
ubi prata civitatis inferius terminantur. Si autem infra libertates istas
aliquod genus metalli inventum fuerit, in hoc volumus absque contra-
dictione dominari. Si quis eciam in faiis libertatibus excesserit, ita
sient in civitate delinqueret, iudicetur, de cuius iudicio reeipimus ter-
ciam portionem. De censu nauli et molendinorum, que in Wizla sunt
vel construentur amplius infra prenomioatos terminos, cum civitatis
libertas exspiraverit, duas partes aeeipimus, civitas terciam. Sed nobis
monetam totaliter cum tbeloneo reservamns. Si vero falsitas aliqua
discernitur in moneta vel vicium, eam sculteto committimus et con-
sulibus examinare. De molendinis antedictis et naulo sine nobis non
debent consules nee nos absque ipsorum consilio volumus aliquid ordinäre.
Preterea cives eiusdem loci cum omnibus in eadem libertate commo-
rantibns ab omni theloneo nunc et imperpetuum mittimus penitus in
nostro dominio liberos et solutos. Admittimns itaque propter forum
comodum pro ignorata vel obscura sentencia querant consilium Elbigense.
Hinc consules prefati spoponderunt nobis voluntarii terciam parte m de
culpa dare, que vorsatunge apud Theutunicos appellatur. Item nolumus,
quod per se sine nobis institutiones novas faciant, per quas nobis pre-
iudicium vel terre nostre penuria oriatur et gravamen. In recognitionem
vero dominii quevis area civitatis nobis annuatim sex denarios solvet
Dersovienses exspirata libertate. Nullus itaque civium alicui religioso
enriam vel domum suam infra munitionem sitam vendere sive dare
potent absque nostra licentia et totius eiusdem civitatis voluntate. Ut
autem hec robur obtineant perpetuum, presentem paginam nostri sigilli
et uxoris nostre munimine feeimus roborari. Acta sunt hec in Castro
nostro Dersowe anno gratie M°. CC°. LX°. Huius rei testes sunt hü
sacerdotes : dominus Heinricus de Mynda ordinis Cysterciensis, dominus
Johannes plebanus Dersouiensis, dominus Abraham cappellanus curie;
milite8: Johannes de Witten[borch], Heinricus de Bruns[wich]; burgenses:
Heinricus Scilder, Johannes de Brunswich.
K) Kniebau zwischen Dirschau und Gerdin.
43 Di« Gründung and Klteat« Einrichtung der Stadt Dlnehan.
Uebersetzung.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes
Amen. Gleichwie wir vergangene Dinge, die vor Zeiten gewesen sind, nicht
wissen können, so wird man zuletzt sogar dessen, was in der Zukunft
bestehen bleibt, sich nicht mehr erinnern, weil mit dem Laufe der Zeit
auch die in der Zeit geschehenen Handlungen vergehen. Dieselben
können jedoch für die Dauer erhalten werden, wenn sie durch das Wort
der Zeugen oder durch schriftliche Ueberlieferung Befestigung erlangen.
Wir Sambor, von Gottes Gnaden Herzog von Pommern haben darum
mit dem Wunsche, dass was durch uns geschieht, für alle Zeiten un-
verletzlich bleibe, mit Zustimmung und Einwilligung unserer Gemahlin,
sowie nach dem Bäte unserer Kinder und Barone in „Dersowe" eine
Stadt gegründet und verleihen derselben in allen Stücken das lübische
Recht, wobei wir jedoch uns und unsern rechtmässigen nachfolgenden
Erben die Herrschaft in der Weise vorbehalten, wie Unsersgleichen in
ihren Städten herrschen. Wir haben vorbenannter Stadt freie Wiesen
mit aller Nutzung übergeben, deren Länge sich vom südlichen, dem obern
Teile der Stadt an der Weichsel nach unten gemessen so weit erstreckt,
bis die Zahl von zwei und achtzig Seilen erreicht ist; wenn man dann
aber von der Weichsel nach der Spancowa hin gerade aus geht, so
beträgt die Breit« sieben und zwanzig Seile; hier nehmen wir jedoch
das Stück aus, welches von den genannten Grenzen bis zu dem kleinen
„Jesnicz" genannten See reichend allen benachbarten und fremden Leuten
sowie den Einwohnern als Gemeinplatz dienen soll. Ausserdem haben
wir der vorbenannten Stadt zur Viehweide mit derselben Freiheit und
mit jederartigem Nutzungsrecht, sowie wir es schon in Betreff der
Wiesen erklärt haben, neunzig Seile in die Länge verliehen, welche
Länge von der Grenze der Stadtgärten ihren Anfang nimmt und nach
Abend zu geht, bia die erwähnte Seilezahl voll ist. Von den Grenz-
zeichen, welche wir am Tszadeliner Wege gesetzt haben, nach Norden
zu, fasst die Breite die noch übrigen neunzig Seile und von dort den
Von Div Rieb. Petoop. 43
gesetzten Grenzzeichen zur Stadt hin folgend, werden die Seile der
zweiten Länge (zunächst) abgemessen.
Ueberdies geben wir die Weichsel zur freien Fischereinatzung von
den Grenzen yon „Gordin und Pnebabowe" abwärts bis dahin, wo die
Wiesen der Stadt unten ihr Ende haben.
Wenn aber innerhalb dieses Stadtgebietes Metall irgend welcher
Art gefunden werden sollte, so wollen wir darin ohne Widerspruch
unser Herrschaftsrecht ausüben.
Wenn jemand sich innerhalb der Stadtfreiheit vergeht, so soll er
gerichtet werden, wie bei einem Vergehen in der Stadt selbst, von
deren Gericht wir ein Drittel des Ertrages erhalten.
Von dem Zins der Fähren und Mühlen, welche auf der Weichsel
sind oder künftig innerhalb der vorbezeichneten Grenzen errichtet werden,
erhalten wir, sobald die Freijahre der Stadt abgelaufen sind, zwei Drittel,
die Stadt ein Drittel. Das Münz- und Zollrecht behalten wir uns da-
gegen vollständig vor. Sollte jedoch bei dem Gelde eine Fälschung
oder Fehlerhaftigkeit bemerkt werden, so überlassen wir die Prüfung
dem Schultheissen und den Ratmannen.
In Bezug auf die erwähnten Mühlen und das Fährgeld sollen weder
die Batmannen ohne uns, noch wollen wir ohne ihren Beirat etwas an-
ordnen. Ueberdies sprechen wir die Bürger dieser Stadt sowie alle,
die in ihrem Gebiete verweilen, von jedem Zoll in unserem Herrschafts-
gebiete für jetzt und für alle Zeiten völlig frei und ledig.
Wir gestatten ferner, dass sie in Fällen, wo Bechtsaussprüche
ihnen entweder nicht bekannt oder unverständlich sein sollten, als
passenden Gerichtshof den Bat zu Elbing fragen.
Hierauf haben die genannten Batmannen sich verpflichtet, uns frei-
willig ein Drittel von der Busse zu geben, welche bei den Deutschen
„Vorsatunge" genannt wird.
Ferner wollen wir nicht, dass sie für sich ohne uns neue Einrich-
tungen treffen, durch welche uns eine Bechtsschädigung oder unserm
Lande Mangel und Beschwerde erwachsen könnte.
Zur Anerkennung unserer Herrschaft soll nach Ablauf der Freijahre
jede Hofstelle der Stadt uns jährlich sechs Dirschauer Pfennige zahlen.
44 D,e öröndung und Klteet* Einrichtung der Stadt Dirschau.
Keiner von den Bürgern darf daher irgend einem Geistlichen
seinen Hof oder sein innerhalb der Stadtbefestigung gelegenes Haus
verkaufen oder schenken, es sei denn mit unserer Erlaubniss und der
Zustimmung der gesammten Bürgerschaft.
Damit aber Vorstehendes ewige Kraft bebalte, so haben wir gegen-
wärtige Urkunde durch Anhängung unseres Siegels und des unserer
Gemahlin bekräftigen lassen. So geschehen auf unserer Burg Dersowe
im Jahre der Gnade 1260.
Dieser Sache Zeugen sind diese: die Priester Herr Heinrich von
Minden Cisterzienserordens, Herr Johannes der Pfarrer von Dersowe,
Herr Abraham unser Hof kapeüan, die Bitter Johannes von Witten(burg),
Heinrich von Braunsch(weig) und die Bürger: Heinrich Scilder und
Johannes von Braunschweig.
Die Gobotiner.
Von
Adolf Rogge.
„In terra Warmiensi fuerunt quidam viri prepotentes, dicti
„Gobotini" valde infesti fratribus, qui congregata muüttudtne
„pugnatorum unum castrum dictum Partegal in campo eic nomi-
„nato, et aliud propugnaculum in monte Serandonis edificav$runt9
„munientes ea diversü armigeru. Hie cotidie fratres de Balga
„impugnaverunt, sie quod extra castrum non audebat aliquis de
„teter o comparere".
Dusb. III, 23. Scryt. rer. Pr. I, p. 63.
Diese Stelle aus Dusburgs Chronik enthält Alles, was man über
die Gobotiner weiss. Jeroschin bietet in seiner gereimten Uebersetznng
derselben !) nichts Nenes nnd die ältere Chronik von Oliva erzählt die
Thatsache ebenso einfach, nur dass eine ihrer Handschriften den Namen
„Gobotini", wie uns dankt absichtlich, in „Bogetiniu verwandelt hat,
von dem zwei andere die Lesart „Bogatiniu aufweisen.
Perlbach1), Weber3) und Lohmeyer4) geben hier der Olivaer Chronik
den Vorzug vor der Dusburgschen und doch ist gerade dann, wenn
Webers Ansicht, der die Bogatini für die Pogezanen hält, sich als
stichhaltig erweisen sollte, der Irrthum des Verfassers oder Abschreibers
derselben mit Händen zu greifen. Die Pogezanen, welche wohl immer
nur als Anhang der Warmier betrachtet wurden, mochten den Mönchen
') Script rer. Pr. I, p. 362; cf. p. 680 und V, p. 598.
') Preuss. Begasten, Sep.-Abdr. aus d. Altpr. Mtsschr, 8* 53.
*) Preussen vor 600 Jahren S. 10 a. 12.
4) Gesch. v. Ost- u. Weetpreuseen S. 74.
4g Die Gobotiner.
von Oliva schon durch ihre Raubzüge unvergesslich geworden sein, waren
ihnen aber jedenfalls dem Namen nach bekannt. Von den Gobotinern
wusste man aber im Kloster zu Oliva gar nichts und so lag es nur
zu nahe, dieselben mit den Bogatinern zu verwechseln.
Voigt hat, durch die Lesarten „Glottini, Goltinyn und Golotinyn",
sowie durch die Bezeichnung „Glottiner" bei Waiszel und Henneberger
verleitet, an Bewohner des Gebietes Glottau bei Guttstadt gedacht9).
Dieser Ansicht schlössen sich Toeppen8) und die Monumenta Warmiensia7)
an, doch wurde dieselbe von Ersterem aufgegeben, nachdem er bei der
Ausgabe Dusburgs „Gobotiniu als die allein richtige Lesart festgestellt').
Eine andere Erklärung ist unsers Wissens nicht aufgestellt.'
Abgesehen von allen Lesarten widerspricht die Ansicht Voigts
ebenso wie die vorhin berührte der ganzen damaligen geschichtlichen
Sachlage. Der Missionskampf befand sich im Ermlande vorläufig noch
auf dem Standpunkt des kleinen Raubkrieges. Auf Haffschiffen landet
einige Mannschaft, welche Dusburg im Vergleich zu einem frühern
Haufen ein grosses Heer nennt, zu einem Bachezuge gegen das Ermland.
Es gelingt derselben, mit Hilfe des feinlichen verräterischen Befehls-
habers Codrun, die kleine Preussenburg Balga zu überrumpeln, sich in
derselben zu behaupten und von dort aus die umliegenden Dörfer zu
brandschatzen. Pyopso, ein jedenfalls in der Nähe wohnender preussischer
Edelmann (capitaneus), der mit seinem ganzen Anhange9) zur Wieder-
eroberung der Burg herbeieilt, fällt durch einen Bogenschuss und sein
Haufe zerstreut sich sofort.'
Jetzt tritt in auffälliger Weise der Mangel aller Einigkeit unter
den preussischen Edeln hervor, den der Orden sicher auch vorher schon
kannte, und in seiner Weise benutzte. Mehrere edle und mächtige
Männer erkennen plötzlich, „dass der Herr für die Brüder streite44 und
begeben sich mit den Ihrigen nach Balga. Das beisst zu deutsch : Ein
») Gesch. I, S. 488 n. 659, H, S. 388 Anm. 1.
•) Geogr. S. 18.
7) Mon.Warm. I, D. p.290 Anm. 2 cor Verschreib, f. Glottau v. 12.M&rz 1318.
•) Script rer. Pr. I, p. 63 Anm. 1.
•) So glauben wir sachlich richtig das Dnsburgsche „congregata omni potencia
exerdtos sui" (HI, 20) ausdrucken zu müssen.
Von Adolf Bogge. 47
Theil des umliegenden Adels macht mit dem Orden gemeinschaftliche
Sache. Jetzt wird eine befestigte Mahle am Kopf der Sumpf brücke
vor Balga erbaut, die aber mit Leichtigkeit von der starken umliegenden
Bevölkerung10) zerstört wird.
Der Sieg stärkt den Muth. Empört über den Abfall seiner Standes*
genossen, gestachelt durch die unmittelbare Nähe der Gefahr, tritt jetzt
ein in jener Gegend weit verbreitetes Adelsgeschlecht in den Vorder-
grund und übernimmt naturgemäss die Leitung des Kampfes „Qnidam
viri prepotentes, dicti Gobotini". So kann man nicht von der Mannschaft
eines ganzen Gaus sprechen, der ausserdem unter den übrigen Gauen
nicht einmal eine hervorragende Bedeutung hatte. Dusburg will offen-
bar nur die Führer im Kampfe bezeichnen. Wenn er dann weiter von
einer „eongregata multitudo pugnatorum" redet, so hat er sicher auch
kein grosses Heer im Auge, welches aus der Nähe von Gutstadt odet
Liebstadt herbeigeeilt war, uro eine kunstreiche Belagerung Baigas zu
unternehmen. Wenn Weber, ") der sonst bemüht ist, die übertriebenen
Zahlenangaben mittelalterlicher Heere auf ihr bescheidenes Matt zu-
rückzuführen, seine Ansicht durch die Behauptung stützt: „Waraier,
Natanger und Barter kämpfen stets zusammen", so dürfte da eben,
wie der vorliegende Fall zeigt, nur das Wörteben „stets" zu streichen
sein. Im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse ist es durchaus nicht
nöthig den Haufen der Gobotiner zu einer gewaltigen Armee aufzu-
bauschen, welche den Umwohnern Baigas gefährlicher gewesen wäre,
als der Feind. Etwa die Mannschaft eines der heute dort befindlichen
Kirchspiele war vollkommen genügend den, in die kleine Burg einge-
sperrten, Feind in die grosseste Bedrängniss zu versetzen. Das höchste
Interesse an der Vertreibung desselben mussten nun selbstverständlich
die zunächst gelegenen Ortschaften haben und wenn man in ihnen die
Gobotiner suchen will, so liegt auch hier, wie immer, das Gute sehr nahe.
Die einzige Ortschaft in der Nähe von Balga, welche noch heute
durch ihren Namen an die Gobotiner erinnert, ist das Gut Gabditten.
Eine Primordial-Verschreibung über dasselbe ist uns nicht bekannt,
TT .11
") „cum vaKdo exercita" III, 21.
")& 12.
48 Die Gobotiner.
vielleicht auch nie ertheilt, weil die Ordensherrschaft hier den Familien-
besitz nicht unterbrach. Dagegen wird die Ortschaft öfter urkundlich
erwähnt. Hiebei fällt vor Allem die schwankende Schreibart des Namens
in die Augen, welche denselben oft bis zur Unkenntlichkeit verändert.
Die Ortschaft wird im schwarzen Hausbuch des Amtes Balga 1430
Gangitten ") genannt, und war damals noch von Stammpreussen bevölkert,
heisst 1495 Guptiten "), 1548 Coyditten ")f 1617, wo Wollbrand v. Portu-
gal 10 Hufen des Guts verkauft, Gabtithen "). Im Volke sind diese
Namen jedenfalls neben einander hergegangen und wurden fixirt, je
nachdem dieselben ausgesprochen, oder vom Ohr des Schreibers auf-
genommen wurden. Es ist nicht wahrscheinlich, dass in den vorhin
aufgeführten Lesarten sämmtliche Sprech- und Schreibformen des Namens
aufbewahrt sind. Die Grundform lautet wohl Gabit, Gobit, Gubit, wie
es noch heute ein Gubitten im Kirchspiel Eckersdorf giebt, oder Gobotit *).
Dass ein, mit der Landessprache nicht vertrauter mittelalterlicher Chronist
die Einwohner einer so, oder ähnlich benannten Ortschaft „Gobotini"
nennnt, scheint uns keiner weitern Erklärung zu bedürfen. Was die Lesart
„Goltini" und die verwandten Bezeichnungen anlangt, so kann dieselbe
möglicher Weise von dem mit der Oertlichkeit bekannten Abschreiber
ursprünglich mit Bewusetsein in den Text als vermeintliche Verbesserung
eingeschoben sein, beweirt dann aber, dass auch dieser keineswegs an
die Gegend von Gutstadt oder Liebstadt dachte, sondern die nächste
Umgebung von Balga im Auge hatte. Er dachte vielleicht an Gelitten,
das ebenso wie Draudienen (Drawedin) in Pr. Bahnau aufgegangen ist
und jemanden, der Gabdit vielleicht Gangitten nennen hörte, leicht zu
der verhängnissvoll gewordenen Gorrectur reizen konnte.
Wenn nun sprachlich uns nichts zu hindern scheint die Gobotiner
nach Gabditten zu verweisen, so wird diese Ansicht entschieden durch
die Adelsgeschichte jener Gegend bestätigt. Auf Gabditten ist jeden-
") Altpr. Mtsschr. VI, S. 484 No. 51; bei Weber S. 491 GaDgiten.
") Altpr. Mtsschr. VI, 8. 600 No. 132.
") Ebd. Vll, & 108 No. 132.
») Ebd. VII, S. 128 No. 314.
") Wir erinnern hiebei an Gawaiten, Gawehnen, Gubehnen, Golbit je. Ans
Globotin, später (1467) Glabentin ist Glaudinen geworden.
Von Adolf Bogge. 49
falls der Ursitz eines Geschlechts zu suchen, dessen Sprossen noch im
vorigen Jahrhundert einen grossen Theil der Gegend um Balga in Besitz
hatten und sich mit Stolz ihrer Abkunft von den Ureinwohnern des
Landes rühmten.
Das Geschlecht derer v, Portugal oder Partegal hatte nach Meckel-
burgs Adelsmatrikel l7) seine Stammsitze in Bregden, Freudenthal, Gab-
ditten, Grundt, Keimkallen, Keimkeim, Kirschitten, Laxdoy.en, Mükiehnen,
Pammern, Paplauken, Partegal, Perschein, Regitten (Romansgut?), Reu-
schenhof. Schrangenberg (Ritterthal) hat demselben in alten Zeiten wohl
auch gehört, denn noch 1516 werden dem Ritterkrüger Greger Bierwolf
4 Morgen auf dem Rittergut oder Schrangenberg und 2 Morgen an der
■
alten Viehwiese und „Portugals Wiesen" verschrieben l8).
Wenn somit die Gobotiher Schanzen in Partegal und Schrangen-
berg aufwarfen, denn für mehr haben wir ihr „Castrum" und „propug-
naculun" wohl nicht zu halten, so schützten sie damit zunächst nur
ihre eigenen Güter und die „congregata multitudo pugnatorum" bestand
lediglich aus ihrer Sippe und ihren Sassen.
") N. Pr. Prov.-Bl. VIII. (1855 b) S. 377.
1B) Altpr. Mtsschr. VI, S. 507 No. 173.
lltpr. MoMtMehrlit Bd. XXIL H/t. 1 n. 2.
De ratione componendi eantns.
_ •
Autor e Thoma Hornero Egrano.
Von
Otto Uligewitter.
Nebst biographischen Notizen über Thomas Horner
von
Rudolf Reicke.
In einem im Jahre 1548 gebundenen Sammelbande von seltenen
grösstenteils Königsberger Druckschriften findet sich obige Abhandlung,
publiciört im Mai 1546. Sie umfasst nur 25 Blätter in Klein-Octav,
ist bei Joh. Weinreich gedruckt und enthält sicher den ersten in
Königsberg ausgeführten Notendruck1). In der kurzen Vorrede
gesteht der Verfasser, dass zwar das Componieren von Gesängen
grosse Schwierigkeiten habe, dennoch wolle er es an Eifer nicht fehlen
lassen, den Kunstbeflissenen einige Regeln über Rhythmus, Modus und
vorzugsweise den Contrapunkt und seine Einteilung zu geben. Es folgt
dann sofort in Cap. 1 die Definition und Einteilung des Contrapunktes
„Est igitur Contrapunctus (so schreibt der Verfasser nach Pranco von
Köln) ars flectendi cantabiles sonos proportionabili dimensione ac tem-
poris mensura". „Simplex" ist er, wenn er gleich lange Töne, „com-
positus" wenn er von Tönen verschiedenen Wertes begleitet wird, was an
Notenbeispielen ohne Text (wie überhaupt durchgehends) gezeigt wird.
In Cap. 2 „de concordantiis" d. h. von den Intervallen, die von
der Terz bis zur vigesima ausgedehnt werden, finden sich ausführliehe
!) Cosack, Paulus Speratus Leben und Lieder (Braunschweig 1861) hat das
Buch nicht gekannt; sonst hätte er nicht S. 236 bemerken können: „die erste Noten-
druckerei scheint die Officin von Georg Osterberg (seit c. 1580) gewesen zu sein/'
De ratione componeadi cantas. Aatore Thoma Hornero Egrano. 5J
Beispiele für die harmonische Folge der Intervalle, wobei überall, wie
damals üblich, der Tenor als führende Stimme hervortritt, und zwar in
vier- bis neunstimmigen kurzen, jedoch nicht in Noten, sondern Buch-
staben gedruckten Tonreihen.
Cap. 3 handelt „de discordantiis" und ihrer Zulässigkeit, Cap. 4
„de cantilenae partibus ac clausulis formalibus". Die Alten, sagt Horner,
waren mit drei Stimmen zufrieden, die heutigen Musiker verlangen
fünf Stimmen und mehr (Discant, Tenor, Altus, Vagans, Bassus). Dann
werden diese Stimmen kurz charakterisiert und Regeln über den Ton-
schluss gegeben. „Clausula est . . . certa et optata conjunctio vel
cantilenae particula, in cujus fine quies vel perfectio reperitur".
Cap. 5 spricht Horner darüber „quibus consonantiis cantus inchoetur,
et cur pausis debite distinguatur" und führt sieben Gründe für die
Notwendigkeit der Pausen an. Cap. 6 handelt über die Tonarten
(Definition derselben nach Guido v. Arezzo, „tonus est regula, in fine
cantum dijudicans"), ihre Einteilung in „autenti et plagales" und die
sich daraus ergebenden Tonreihen. Natürlich fehlt dann auch nicht
jene dem ganzen Mittelalter eigentümliche und bis ins vorige Jahr-
hundert hinein immer wieder nachgebetete Charakteristik über die
„tonorum affectus". Hier sind ihre Eigenschaften in fünf Distichen zu
lesen. Cap. 7 endlich definiert Horner den Begriff „Rhythmus" nach
Beda vener. und tischt uns, um seine Bedeutung und Wirkung zu be-
schreiben, jene althergebrachten Fabeln aus dem Altertume wieder auf,
wie z. B. Pythagoras einen trunkenen Jüngling durch den Ernst und die
Würde des Spondeus in phrygischer Weise zur Besinnung gebracht habe.
In der „Peroratio" fährt der Verfasser fort: „habes hie, candide
Lector, rationem componendi cantus Musici. Quaeso igitur, ut benigno
favore legas et me a zoilis acriter defendas. Olim enim (volente Deo)
scitu digniora tibi communicabimus".
Das Ganze schliesst mit einer „Ex academia Regij montis Mense
Maio Anno M. D. XL VI" datierten Widmung an den Rat der Stadt
Elbing, worin noch einmal ausführlich über die Macht der Musik, den
schönsten Schmuck der Religion, gehandelt wird (Horner hat durch
Andere erfahren, dass gerade von den Elbingern „plerosque excellenti
4*
52 £>e ratione componendi cantas. Autore Thoma Hornero Egrano.
quadam eruditione conspicuos esse") und, wie damals üblich, mit einem
Panegyrikus auf die Musik:
„Ad masices stadiosos Thomae Horneri Egrani Carmen".
Prüfen wir nun das Buch auf seinen literarischen Wert und seine
Stellung zur theoretischen Ausübung der Musik in damaliger Zeit.
Dass sich Thomas Homer lediglich auf Autoritäten stützt, wie Guido
von Arezzo (1020), der die Notenschrift, und Pranco von Köln (13. Jahrb.),
der die Mensur erfand, ist natürlich; denn ihr Einfluss war ein weit-
greifender. Wundern könnte uns höchstens, dass Horner die grossen
Niederländer Dufay und Ockeghem nicht erwähnt. Indess haben diese
für die theoretische Ausbildung der Musik weniger, als für die* praktische
gearbeitet. Von Orlando di Lasso (1520—94) konnte Horner vielleicht
ebenso wenig wissen, als von den wackeren deutschen Contrapunktislen
der letzten Decennien des 15. Jahrhunderts Herrn. Finck und Adam von
Fulda. Joh. Walter und Senfl waren ihm vielleicht aus den lebhaften
Beziehungen, in denen Königsberg zu Wittenberg stand, bekannt; wenig-
stens sind die Notentypen dieselben, wie in den Werken dieser Männer.
Ohne das Buch zu überschätzen, darf man wohl sagen, es ist, wenn
auch nur kurz und in gewissem Sinne elementar, doch ein bemerkens-
wertes Zeichen dafür, dass an der neugegründeten Academia Albertina
auch die Tonkunst wissenschaftliche Pflege fand. Ich kann mir aber
doch nicht verhehlen, dass gegenüber dem grossartigen und schweren
Büstzeug mittelalterlicher Musikwissenschaft dieses Libell nur ein Ver-
such zu sein scheint, die einfachsten Dinge in ein gelehrtes Gewand
zu kleiden und bezweifle, dass damit für die Praxis etwas erreicht
worden ist. Eine musikalische Berühmtheit auch über ihre Grenzen
hinaus erhielt unsere Provinz erst später durch Eccard und Stobäus.
Diese schrieben nicht gelehrte Compendien über Contrapunkt, sondern
ihre herrlichen Choräle und Motetten.
Ueber den Verfasser haben wir nur sehr dürftige Nachrichten.
Seit wann, wie lange und zu welchem Zwecke er sich in Königsberg
aufhielt, ist nicht bekannt; ob er Beziehungen zu Elbing gehabt habe,
Yon Otto Ungt witter. 53
und welcher Art diese waren, geht auch aus seiner Dedication an den
dortigen Rath nicht hervor. Amoldt, „fortgesetzte Zusätze zu seiner
Historie der Königsberger Universität" (Kgsbg. 1769) S. 101 weiss nur
„dass Thomas Horner, von Eger bürtig, allhier 1546 im Mai eine musi-
calische Schrift de ratione componendi in 8. herausgab, welche er dem
Rath der Stadt Elbing zugeschrieben." Adelung „Forts, und Er-
gänzungen zu Jöchers allg. Gelehrt.- Lexic." Bd. IL (Leipz. 1787) kennt
diese Schrift gar nicht, weiss aber, dass Thom. Horner sich eine Zeitlang
in Liefland aufhielt und eine historia Livoniae in compendium ex annalibus
contracta schrieb, die zusammen mit Job. Meletii Schreiben de veterum
Livonum et Borussorum sacrificiis et idolatria in Königsberg 1551 er-
schien, eine kleine unbedeutende Schrift. Auch Gadebusch, auf den
Adelung verweist, kann sowol in seiner anonymen „Abhandlung von
Livländisch. Geschichtschreibern" (Riga 1772) S. 16 wie in seiner „Liv-
ländisch. Bibliothek nach aiphabet. Ordnung" IL Theil (Riga 1777)
S. 97—98 nur über diese von ihm nie gesehene historische Schrift
berichten und zwar auf Grund von Mittheilungen Pisanski's, der selber
in seiner preussisch. Litterärgesch. (Kbg. 1791) S. 328 nichts als die
Titel der beiden genannten Bücher anzugeben weiss. Was das v. Recke
und Napiersky'sche „Allgem. Schriftst.- und Gelehrt.-Lexik. der Provinzen
Livland, Esthland und Kurland" Bd. IL (Mitau 1829) S. 346 — die
Nachträge und Fortsetzung bearbeitet von Th. Beise (2 Bde. Ebd.
1859—61) sind mir leider nicht zugänglich gewesen — und die Scriptores
rerum Livonicarum Bd. IL (Riga u. Lpz. 1848) S. XV über Horner bei-
bringen, bezieht sich lediglich auf seine livländische Chronik. Allen
ist er „ein sonst weiter nicht nach seinem Leben bekannter." Auch
nur mit ein paar Zeilen erwähnt wird er als Contrapunktist, „der zu
Königsberg wirkte," von dem Musikhistoriker G. W. Fink in Ersch
und Gruber's allg. Encykl., und mehr erfahren wir auch aus Mendels
musikalisch. Conversations- Lexikon nicht.
Nun wissen wir aber aus der seiner livländischen Chronik an den
Ordensmeister Johann von Recke vorgedruckten Dedication, dass Thomas
Horner im Febr. 1551 sich in desselben Diensten zu Pernau in Livland
(„Parnouioe in Liuonia mense, Februario. Anno. 1551") aufhielt.
54 De ratione componendi cantus. Autore Thoma Hornero Egrano.
Seine livländische Angehörigkeit beweist auch das der Chronik
beigefügte Epigramm an den Voigt von Sonneburg, Heinrich Wulff
(Henricum Vulff, in Liuonia Marianorum ordinis praefectum Soneburgen-
sem), so wie eine im Juni desselben Jahres gedruckte Elegie an den
kurländischen Bischof Johann v. Möuchhausen. [Ad reverendissiinum
Principem ac Dominum, Dominum Joannein Episcopum Curonensem, &
Administratoren! Ozelienfem in Liuonia, Elegia Thomao Horneri Egrani.
1551. In Academia Kegiimoutis excudebat Joannes Lvfft Menfe Junio,
(4 B1L 4°.)].
Wenn nun irgendwo Aufschluss wenigstens über Homers Leben
in Livland zu erhoffen war, so war derselbe nur in den deutschen Ostsee-
provinzen zu suchen, deren Litteratur von den westlichen Nachbaren
leider noch immer viel zu wenig beachtet wird. Und richtig: die erste
ausführlichere Nachricht über Thomas Horner giebt Julius Döring,
der in der 582. Sitzung der kurländischen Gesellschaft für Lit. u. Kunst
vom 5. Nov. 1869 „Einiges zur Biographie des Thoraas Horner11
mittheilt. Wir können es uns nicht versagen, das Bezügliche aus dem
hier wenig bekannten „Sitzungsberichte der kurländischen Gesellschaft
für Lit. u. Kunst aus dem Jahre 1869" (Mitau) SL 29—30 wiederzugeben:
„Schon Eichter erzählt in seiner Geschichte der deutschen Ostseeprovinzen
(Riga 1857 I. 2. 324) wie der Ordensmeister Wilhelm v. Fürstenberg am
25. Oktober 1557 eine Gesandtschaft, bestehend aus dem Licentiaten
Thomas Horner, aus Klaus Franke und Melchior Grothus, an den
Czaar nach Moskau gesandt, die erst im Januar 1558 zurückkam, und
über deren Verhandlungen Horner auf dem Landtage zu Wolmar im
März 1558 eine Relation, wahrscheinlich von ihm selbst verfasst, verlesen.
Im Herbst 1558 befand sich Th. Horner als Gesandter des Ordens-
raeisters beim Herzog von Preussen und im Januar 1559 als solcher zu
Petrikau beim Könige von Polen. Im Juni 1559 wird er vom Ordens-
meister Wilhelm v. Fürstenberg nebst Schweder v. Melchsiett und Johann
Wagner als Gesandter an den Rath zu Reval geschickt, theils zum
Abschluss einer Geldanleihe, theils andrer Geschäfte wegen. In den
darüber ausgefertigten Urkunden (s. Fr. Bienemann, Briefe und Urkunden
zur Gesch. Livlands III, S. VIII, XI, XII, 77, 79, 211) wird er meist
Von Otto Ungewitter. 55
Th. Horner, aber auch Hörner (S. 77) genannt, bald der Rechte
Licentiat, bald Rath titulirt. Am 24. Aug. 1559 war er noch zu Beval,
denn von diesem Tage ist die Quittung, die er in Vollmacht des Ordens-
meisters, nebst Dietrich Schencking, für eine von Eeval empfangene
Summe Geldes ausstellt. (Bienemann a. a. 0. S. XII). Ebenso erscheint
er als herzogl. kurländischer Gesandter bei dem Herzoge Albrecht
Friedrich v. Preussen im Febr. 1573 .... Laut der noch ungedruckten
Materialien-Sammlung zur kurl. Güterchronik von F. v. Klopmann (im
Mitauschen Museum) wird Thomas Horner im Jahre 1560 vom Herr-
meister Gotthard Kettler mit dem Gute Leegen (Kurland) belehnt;
damit ist doch wol der Obige gemeint. Auch unter dem Doblenschen
Recess vom 7. Okt. 1579 findet sich „Thomas Hörner, der Hechte
Licentiat" als Zeuge unterschrieben. (Vgl. Bunges Archiv IL S. 226.)
Dass nun der Licent. Thom. Horner, der nachherige Bath des Herzogs
Gotthard, mit dem aus Eger gebürtigen Chronisten gl. Namens, ein und
dieselbe Person sei, geht am deutlichsten aus dem Adelsbriefe hervor,
der für erstem (Thomas Hornerus Juris utriusque Licentiatus et Illustris
Domini Curlandiae Ducis Consiliarius) ausgefertigt wurde und der sich
im Original im Besitz seines direkten Nachkommens, des Herrn Baron
Ottokar v. Hörner auf Ihlen (Kurland) befindet. In dieser zu Grodno
den 10. Juli 1568 ausgestellten und vom König Sigismund August unter-
zeichneten Urkunde heisst es unt. and.: „denn es ist uns glaubwürdig
„berichtet worden, dass der vorgenannte Thomas Horner einen grossen
„Theil seines Lebens in wissenschaftlichen Studien ehrenvoll und löblich
„verbracht und von seiner Tüchtigkeit und ausgezeichneten natürlichen
„Begabung sehr deutliche Proben abgelegt hat, besonders auf den Gesandt-
schaften, die er nicht nur in der gegenwärtigen Zeit, sondern auch schon
„damals, als der Bitterorden und der Herrmeister Livland regirten, denen
„er als Sekretär und Bath treu und eifrig drei und zwanzig Jahre *) hin-
„durch gedient hat, zu uns und zu einigen andern Fürsten unternommen
*) Darnach würde also Thomas Horner bereits im Jahre 1546, als er sein
musikalisches Lehrbach in Königsberg- drucken Hess and die Dedication an den
Elbinger Rath aus der hiesigen Academie unterzeichnete, in livländischen Diensten
gewesen sein und es muss auffallend erscheinen, dass er dieses Verhältnisses mit
keinem Worte gedenkt.
5g De rati on e componendi cantus. Autore Thorua Hornero Egrano.
„hat, und seine Treue, seinen Eifer und seine Gewandtheit fleissig be-
wiesen hat und bis auf den heutigen Tag in unsern livländischen An-
gelegenheiten unverdrossen beweise, so dass nichts an ihm auszusetzen
„oder des Tadels würdig zu sein scheint. Daher haben wir, damit seine
„so zahlreichen 'ausgezeichneten Geistesgaben und sei» nicht gewöhn-
licher grosser Eifer gegen uns und unsern Staat durch die Ungunst
„des Geschickes nicht länger im Dunkeln bleiben, sondern durch uns
„nach Verdienst geehrt und auf alle Nachkommen lobwürdig übertragen
„werden, diesen selben Thomas Horner und seine rechtmässigen Nach-
kommen beiderlei Geschlechts nach dem vollen Eechte unsers Reiches
„aus eigenem Willen und nach sorgfältiger Erwägung, gemäss unsers
„königlichen Rechtes in den Ritterstand aufnehmen zu lassen und mit
„dem ächten und wahren Adel zu begnadigen beschlossen" u. s. w.
In einer in demselben Besitz befindlichen Abschrift einer andern
Urkunde vom Jahre 1561, die am 23. Sept. zu Riga vom Ordensmeister
Gotthart („Goddert" in der Unterschrift) ausgestellt ist, verlehnt Letzterer
„dem achtbaren und hochgelahrten unserm Rath und üben Getreuen
„Thomassen Hörnern, der Rechten Licentiarius, und seiner zukünftigen
„Hausfrauen Katharinen Dubin, und allen ihren Beyden rechten Erben,
„Männlichs und Weibliches Geschlechts, von wegen Vier Tausend Mark
„Rigisch, die ehr, Thomas Horner vns Inn disen Beschwerlichen Zeiten,
„zu der Lande Beste gelehnet, auch Umb vielfältiger seiner langen
„Dienste, die ehr Uns, Unserm Orden und Vorfahren, getreulich ge-
leistet, gegunt und gegeben haben. Wie Wir denn Ihn Tomassen
„Hörnern, und seiner gedachten zukünftigen Hausfrauen, und allen ihren
„Beeden Erben Mänlichs und Weiblichs Geschlechts Inn Kraflft dises
„Brieffes gunnen und geben das dorffigen Muyzesem, im Gebieth Frauen-
„burg belegen, das zwölf Gesinde sind" (:c. ic. es folgen die Grenzen
und andere Formeln) „dasselbig alles er, sambt seiner obgedachten
„ — eignes Gefallens frey und friedsamlichen nutzen Besitzen
„und gebrauchen mügen, zu ewigen Zeiten, ohne mennigliches Ein-
drang und aller und jeder Freiheit, Privilegien, so im Lande
„gebräuchlich, und derer sich der Adele, künfftiglichen zu gebrauchen,
„mit theilhafftig zu seyn," u. s. w.
Von Otto Ungewitter. 57
In der Matricttla militaris nobilium Curlandiae 1605, 2. August
(s. Klopmanns Güterchronik Bd. I.) stellt Thomas Hörner für seine
im Frauenburgschen gelegenen Güter, die aber nicht namentlich auf-
geführt sind, zwei Eeiter. Ob das wol noch Obiger sein könnte? In
der Stammtafel kommt, ausser dem ersten Thomas, kein zweiter dieses
Namens vor."
Zu diesen Notizen über Th. Homer bringt G. Berkholz in den
„Mittheilungen aus dem Gebiete der Gesch. Liv.-, Est- und Kurlands"
Bd. XII (Riga 1880) S. 211 einen neuen Beitrag aus Renner's livläud.
Chronik, wonach Thomas Horner als einer der Commissäre im Auftrage
des Ordensmeisters November 1559 das Schloss Dünaburg den Polen
zu übergeben hat.
Das Interesse für Thomas Horner bekundet sich wiederholt in den
Sitzungen der kurländischen Gesellschaft. So legt am 6. Febr. 1880
Baron Rudolf v. Hörner ein Schreiben seines Ahnherrn Thomas Horner
an seinen Schwager Salomon Henning d. d. Goldingen 28. April 1574
vor. — Die neuesten Nachrichten endlich verdanken wir wieder dem Ge-
schäftsführer der mehrgenannten kurländischen Gesellschaft Jul. Döring,
(Sitzungs-Berichte ... aus d. J. 1881. Mitau 1882. S. 63—64). Es sind
folgende einem alten Stamm- und Merkbuch eines gewissen Joh. Georg
Michaelis (der 1710 in Stockholm war) entnommene Aufzeichnungen:
„Thomas Hörner — primus acquirens Nobilitatis, hat anno 1555 den
„21. Novembris in Franckfurt an der Oder unterm Magnifico Casparo
„Wiederstadt J. U. D. den Gradum Liecentiati Juris angenommen, nach-
„dehm er 4. Jahr zuvor in Wittenberg *) studirt, und noch den glaubens
„KU. D. Luhterij und Ph. Melanthon, g. h. worüber nOi'h der lateinische
„promotion Brieff im Original vorhanden.
„Nachdem er einnige Jahr bey den letzten Heer Meister und Ersten
„Hertzoge in Curl. gottbardt Kettler geheimbter Raht gewehssen, und
„sich wohl Meridietirt gemacht hat ihm Sigismundus Augustus König
„in Pohl: Anno 1568 zu Grodno d. 10. July Soleniter die privilegia
*) Diese Nachricht ist falsch. Das von Foers bemann herausgegebene Album
Academiae Vitebergensis (Lips. 1841) weiss von keinem Thomas Horner oder Hörner.
5g De ratione componendi cantn*. Autore Thoma Hornero Egrano.
„Nobilitatis couferiret die auff pergamehn geschrieben, noch behalten
„werden. Anno 1570 ist Thomas Hörner Hoehfürstl. Saht zur Ueber-
„setzung der Cuhrschen Statuten verordnet der auch selbsten, nebst
„andern, den drüber geraachten recess unterschrieben, zu Mitau d. 22. Juny
„Anno 1570. man findet auch sein unterschrieben nahm in Kezess
„zu Mitau gemacht Anno 1572, drn 10. Martzij item zu Doblehn,
„d. 7. October. ano. 1579."
Diese Aufzeichnungen sind alles, was ich an den angeführten Orten
über Thomas Homer habe auffinden können; vielleicht geben sie hier
und dort Veranlassung zu weiteren Nachforschungen und gelegentlichen
Mittheilungen.
Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants:
Die Atomistik.
Vou
l>r. Otto Kuttner
in Neuhaldenslebeu.
Die gedankenlose Aeusserung Buechners: dass die Atome der Alten
zwar eine blosse Hypothese seien, dahingegen die der modernen Natur-
wissenschaft klar erwiesen seien, ist bekannt, wie viele der übrigen
leichtsinnigen bonmots dieses seiner Zeit viel gelesenen und wie er
verdient hat, jetzt völlig vergessenen Autors. Auch hat es inzwischen
nicht an solchen gefehlt, die diesem heissspornigen Dilettanten eben-
sowohl auf dem Gebiete der Naturforschung, wie auf dem der Philo-
sophie, der, wie es Dilettanten eigen zu sein pflegt, die sich für eine
Idee begeistert haben, mit dem ganzen Fanatismus des Proselyten-
Machers auftrat, die Wege gewiesen haben. Und es ist als ein Glück
zugleich und als ein Beweis für den besonnenen Zug, der die wissen-
schaftliche Forschung heut zu Tage durchzieht, anzusehen: dass diese
mahnenden Stimmen zur Besonnenheit aus dem Lager der Naturforscher
selbst sich haben hören lassen.
Du Bois Reymond's bedeutender Vortrag über die Grenzen des
Naturerkeimens, ist, denken wir, den Gebildeten, die für derlei Fragen
überhaupt einiges Interesse haben, bekannt. Wir rechnen es diesem
Manne nicht sowohl als bedeutendes wissenschaftliches Verdienst an,
sondern als sittliches, das in der Selbstbescheidung wurzelt, wenn er
sein ignoramus et ignorabimus hier und dort geltend macht, hinter dem
wir versteckten Hochmuth, wie Manche, zu finden nicht vermögen.
ßO Die Bedentang der regulativen Ideen Kants.
Indessen hört man auf der einen Seite noch immer die Atome als
wissenschaftlichen Fund requiriren. Beweis dafür: die ganze moderne
Naturforschung bedient sich ihrer und hat auf diesem Grunde die weit-
greifendsten Entdeckungen gemacht — ein Factum, das als solches
nicht kann bezweifelt werden! Auf der andern Seite kommt es leicht,
dass die oberflächliche Kenntnissnah me von den Problemen, die in der
Annahme der Atome gelegen sind, von den Widersprüchen, die sich
darin bergen, zu dem Schluss verführen: Also ist diese Annahme irrig
und die Naturwissenschaft ebenso wie die Philosophie muss sich dieser
Theorie als eines blossen Geredes enthalten?
Dass beide Theile sehr weit vom Ziele vorbei geschossen haben
könnten, diese Einsicht pflegt sich nicht eben dem flüchtigsten Nach-
denken aufzudrängen. Sie ist aber für alle die gegeben, welche sich
mit congenialem Sinne in den Geist der Kritik der reinen Vernunft vertieft
haben und den Gedanken der regulativen Ideen Kants nicht mit
dem billigen Einspruch des allwissenden Metaphysikers : Enweder — Oder,
entweder an sich gültig oder gar nicht gültig, abzuweisen vermögen.
Aus dieser Quelle hat auch Du Bois Reymond, gleichviel, ob mittelbar
oder unmittelbar, geschöpft. Und sein Vortrag verhält sich zu den
Kant'schcn Erörterungen, wie die kurz ausgesprochenen Besultate zur
eingehenden Beweisführung.
Wir haben in einem kurzen Aufsatz über die Bedeutung von Kants
Kritik der rein,en Vernunft für die Gegenwart (cf. Jahrbb. für die prot.
Theol. 1882. Bd. 4) die Gegenstände der materiellen Welt nur auf ihre
sinnlichen Qualitäten hin angesehen und die Atome nur insoweit in den
Bereich unserer Erörterung gezogen, als sie sich als die letzten, wenn
auch nur durch Schlussverfahren sich darbietenden, Elemente für die
objectivste Wahrnehmung der Körper durch den Tastsinn, die der Wäg-
barkeit herausstellten, während die unwägbaren Aether- Atome, sofern
sie in der physikalischen Forschung zuzulassen sind, nur nach Analogie
jener ersteren dürfen vorgestellt werden, d. i. als nicht an sich un-
wägbar und damit etwa ausgenommen von dem letzten gemeinsamen
Merkmale aller materiellen Erscheinungen, sondern als nur für uns
Von Dr. Otto Rattner. ßj[
unwägbar, insofern sie bis jetzt für die Grobheit unseres Tastsinnes und
die der hergestellten Waagen jenseits der Wahrnehmbarkeit gelegen sind.
Hier liegt bereits ein Missverständniss sehr nahe, wie wir es von
einem unserer Leser, einem namhaften Gelehrten, zur Erfahrung gebracht
haben: als wäre es uns in den Sinn gekommen, die Atome als sinnlich
aufzeigbare Elemente der physischen Welt zu behaupten, dahingegen
wir doch das Schlussverfahren, wodurch sie erst zu Stande kommen,
sehr wohl erwähnt, wenn auch nicht besprochen haben.
Die Erörterung desselben soll jetzt folgen, um herauszustellen:
dass die Atom-Theorie es nie über die Gültigkeit eines regulativen
Erkennt nissprincips bringen kann, dem übrigens dadurch unbeschadet
als einem solchen sein voller wissenschaftlicher Werth verbleibt, und
dass sogar durch die Annahme von Atomen ein Widerspruch unseres
Denkens zum Ausdruck kommt, dem aber aus dem Wege zu gehen
durch Leugnung der Zulässigkeit dieser Annahme ein völlig nutzloses
Manöver ist.
Die zweite Antinomie in Kants Kritik kommt in folgender Thesis
und Antithesis zum Ausdruck (Kirchmann S. 366, 67):
Thesis : „Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt be-
steht aus einfachen Theilen und es existirt überall nichts
„als das Einfache oder das, was aus diesem zusammen-
gesetzt ist".
Antithesis: „Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht
„aus einfachen Theilen und es existirt überall nichts Ein-
faches in derselben".
Kant's Ueberzeugung geht dahin: dass die menschliche Vernunft
vollgiltige Beweise für Thesis und Antithesis erbringen kann, wie das ja
auch bei den übrigen Antinomien der Fall sein soll, allerdings allerwärts
nur auf indirectem Wege, durch den Erweis der Unmöglichkeit des
Gegentheils. Unsere Zeit ist vorsichtiger geworden im Operiren mit
indirecten Beweisen: wir pflegen ihnen nirgends eine gleichwertige
Beweiskraft mit den directen einzuräumen, noch ihre Evidenz für apo-
diktisch zu halten, auch in dergleichen Fällen nicht, wo wir Dilemmas
so fataler Art nicht zu befürchten haben. Wir besinnen uns zurück
62 ^ie Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
auf den Unterschied contradiktorischer und conträrer Gegensätze sowie
darauf, dass innerhalb der letzteren zwei sich ebensowenig auszuschliessen
brauchen, als die erwiesene Unmöglichkeit und Unwirklichkeit des einen
etwa die Wirklichkeit und Notwendigkeit des andern zur Folge haben
müsste. Wir würden also in den indirecten Beweisen dieser Antinomien,
die sich gegenseitig aufheben, nur eine Kritik finden können, deren
Werth darin besteht, in jeder von beiden Voistellungsarten incongruente
sich selbst widersprechende Elemente herausgesetzt zu haben.
Aber darauf will ja gerade Kant hinaus, und, wenn er seinen Be-
weisen volle Evidenz zudiktirt, so geschieht es in der gutgemeinten
Absicht, sie über die gewöhnlichen Proben dialektischen Scharfsinnes
im Advokatengebrauche hinauszuheben und den Widerspruch, der sich
durch sie ergiebt, als weit erhaben über den Spiegelfechtereien eitler
Sophismen, wurzelnd vielmehr in der Natur des menschlichen Geistes
selbst, aufzuzeigen. Ja, Kant ist es gewesen, der uns durch die Re-
sultate seiner Antinomien jene eben zur Geltung gebrachte kritische
Scheidung auferlegt und ermöglicht hat.
Nichts desto weniger haben wir an dem Wortlaute der Thesis und
Antitbesls selbst eine die Sache betreffende Ausstellung zu machen, der
die eine als petitio principii erscheinen lässt, der anderen aber ihren
rein antithetischen Charakter trübt.
Eine jede zusammengesetzte Substanz, sagt Kant, besteht aus
einfachen Theilen. Und sein Beweis wurzelt allein in dem Gedanken:
„Im ersteren Falle aber (unter der Voraussetzung des Gegentheils der
„These) würde das Zusammengesetzte wiederum nicht aus Substanzen
„bestehen (weil hierbei die Zusammensetzung nur eine zufällige Relation
„der Substanzen ist, ohne welche diese als für sich beharrliche Wesen
„bestehen müssen)" (Kirchmann S. 368).
Man sieht, der Begriff der Substanz, der in die Thesis eingetragen
ist, wird im Beweise dazu benutzt, den Begriff des Beharrlichen und
schlechthin Einfachen auszuklauben. Und der Gegner, der einen andern
Begriff von der Substanz hat, oder sie überhaupt nicht will verwandt
wissen, damit abgefertigt: „Da nun dieser Fall der Voraussetzung wider-
spricht, so bleibt nur der zweite übrig: dass nämlich das substanzielle
„Zusammengesetzte in der Welt aus einfachen Theilen bestehe" (a. a. 0.).
Von Dr. Otto Knttner. ß3
War der Begriff der Substanz aber einmal eingeführt, so musste
er selbstverständlich auch in die Antithesis aufgenommen werden; und
sie durfte nicht begonnen werden: „Kein zusammengesetztes Ding ja",
sondern musste begonnen werden: „Keine zusammengesetzte Substanz je."
Würde sich nun aber ergeben haben : dass alsdann der Beweis für die
Antithesis nicht zu erbringen war, zumal wenn wir hier im Begriffe der
Substanz dieselben Vorstellungen von Beharrlichkeit und Einfachheit als
latitirend mitgedacht hätten, die Kant in der Thesis voraussetzt, so
würde die Gonsequenz gewesen sein, dass auch in die Thesis vielmehr
der voraussetzungslosere Ausdruck der Antithesis: „Ein jedes zusammen-
gesetztes Ding jc.u hätte substituirt werden müssen.
Wir machen gerade deshalb auf diese Mängel aufmerksam, damit
man nicht meine: das Ungenügende der einzelnen Beweisführung in den
Antinomien, das gerade hier allerdings dem unbefangenen Leser sich
auf Schritt und Tritt aufdrängt, mache den grossen Gedanken der Anti-
nomien überhaupt illusorisch.
Wir werden an unserm Beispiel Gelegenheit nehmen zu zeigen,
wie wenig das der Fall ist. Sodann treten wir hiermit allerdings auch
denen ganz energisch entgegen, die jeden Buchstaben Kants einbalsa-
miren möchten, und demzufolge in jeder Wendung der Antinomien
planvolle Ueberlegung, philosophische Weisheit und genialen Tiefsinn
wittern, wo gewöhnliche Sterbliche nicht blos Schwerfälligkeit in der
Darstellung und im Ausdruck, sondern auch ein auffallendes Ungeschick
für zusammenhängendes und doch das Eine vom Andern scharf son-
derndes Argumentiren zu erkennen glauben. Demgegenüber dringt man
auch nicht mit dem Einwände durch, den der in der modernen Kant-
forschung so verdienstvolle Cohen zurHagd hat: es wäre selbstverständ-
lich, dass die Beweise der Thesis und Antithesis für den bereits kritisch
gebildeten Leser die Hauptkraft ihrer Evidenz einbüssen müssten, die
sie nach Kant für den sogenannten gesunden Menschenverstand haben
sollen. Aber haben sie wirklich aller Orten jene Evidenz für den
letzteren, fragen wir, oder muss sich nicht jeder Leser, gleichviel ob
kritisch oder nicht kritisch, meist erst sehr mühsam hineinarbeiten in
die Kant'schen Beweisgänge der Antinomien, um sie auch nur psycho-
logisch nachempfinden zu können?
ß4 Dte Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
So viel zur Ernüchterung gegenüber gewissen rechthaberischen Ver-
götterungen der Worte des Meisters, die sich gerade für den Kantianer
am wenigsten schicken wollen. Und jetzt zur Sache!
Es wird dem Leser bei unserem Recurs auf die zweite Kantische
Antinomie der Zusammenhang dieser mit der Atomistik, als auf die wir
hinauswollen, durchaus einleuchtend gewesen sein. Wir haben jetzt vor,
den wahren Sinn der Antinomie innerhalb der Atomistik zugleich mit
ihrem erkenntnisstheoretischen Ursprung klar zu legen.
Wenn der Chemiker animalische, vegetabilische und anorganische
Körper höherer Ordnung in einfache Elemente auflöst, die quaternären
und ternären Verbindungen in binäre und diese selbst wiederum in
ihre primären Urstoffe zu zerlegen vermag, so glaubt er durch solche
Analyse allerdings einfache nicht weiter zerlegbare Stoffe erhalten zu
haben. Wir kennen deren jetzt einige sechzig und sind berechtigt diese
solange als die einfachen nicht weiter zerlegbaren Elemente, aus denen
sich die ganze Körperwelt zusammen setzt, anzusehen, bis neue Versuche
neue Resultate aufzuweisen haben, welche darthun: dass auch von den
bis jetzt mit Recht so genannten Urstoffen einzelne nochmaliger Analyse
zugänglich sind und diese somit als zusammengesetzte Stoffe ihren
Cpmponenten Platz zu machen haben. Und die immer neuen Ent-
deckungen auf diesem Gebiete sind allerdings dazu angethan, uns vor-
erst aus diesem heilsamen Zustand einer vorsichtigen Reserve nicht
heraus zu lassen.
Indess der Möglichkeit steht natürlich nichts im Wege, dass die
bis jetzt entdeckten letzten oder ersten Elemente allesammt in Wahr-
heit auf diesen Rang Anspruch zu machen hätten. Wir hätten damit
einfache nicht weiter zerlegbare Urstoffe, die sich doch sinnlich wahr-
nehmbar darstellen lassen: und es scheint kein Zweifel, dass sehr
vielen von den gefundenen immer dieser Platz verbleiben wird. Obwohl
wir aber hierin Urstoffe hätten, so haben wir doch bei Weitem keine
Atome: jene Einfachheit und Unzerlegbarkeit, die der Chemiker von
seinen Elementen prädicirt, bezieht sich nur auf die Qualität, dahin-
gegen ihre quantitative Theilbarkeit in immer kleinere Masseneinheiten
Von Dr. Otto Kuttner. 65
gar nicht in Frage kommt und in der That ausser Frage ist. Eine
solche kleinste Masseneinheit nun, die numerisch nicht mehr theilbar
ist, würde den Begriff des Atoms ausmachen. Aber was ist numerisch
nicht mehr theilbar? Der Chemiker kann es sich hier wieder bequem
machen: er operirt mit Molekuelen, das sind Massencomplexe, die nur
für ihn letzte Einheiten bilden, insofern er sie ansieht auf gewisse
physische Eigenschaften, seien es nun die allgemeinsten der Cohaesion
und Repulsion, oder besondere morphologische oder chemische Quali-
täten, wie Krystallisation und Lichtbrechung, ohne doch darum eine
Atomenvielheit in jeder seiner relativen Einheiten in Abrede zu stellen,
wie sie ja vielmehr schon zum Ausdruck kommt in der Wahl eines
anderen Wortes: Molekuel. Ja der Chemiker selbst pflegt sich bei
Rechnungen, aus methodischen Gründen der Vereinfachung, mit diesen
Molekular-Einheiten, deren es ja je nach der Art der chemischen
Zusammensetzung unzählig verschiedene giebt, nicht zu begnügen. Die
Masseneinheit des Wasserstoffes, des leichtesten terrestrischen Elements
pflegt man sich als kubische Lagerung von acht Atom-Einheiten vor-
stellig zu machen, je zwei in jeder Seite, die des Sauerstoffes, dessen
specifisches Gewicht doppelt so gross ist, als der Wasserstoff, als
Kubus mit vier Atomen in der Seite und so fort. Denn obzwar die
Zahlen also vervielfältigt werden, so ergiebt sich doch eine Vereinfachung
des Maßes. Immerhin kann der Naturforscher diese doch nur hypothe-
tische und fingirte Atom-Einheit seinen Experimenten nicht zu Grunde
legen, weil auch die einfachsten Molekular-Kräfte, wie die der An-
ziehung und Abstossung nur erst in verhältnissmäßig complicirten Zu-
sammensetzungen vorhanden sind. Andere chemische Molekular-Einheiten
ergeben sich allerdings nur durch Zusammensetzung verschiedener
ürstoffe, wie Weinsäure aus Sauerstoff-, Wasserstoff- und Kohlen-
stoff-Atomen.
Wir fragten: was ist numerisch nicht mehr theilbar, wir fanden
dass der Chemiker es sich leicht machen kann, dergl. Skrupeln aus
dem Wege zu gehen durch die praktisch ebenso verwerthbare wie
theoretisch unverfängliche Handhabe der Molekuele, wir kamen darauf zu
sprechen: dass er selbst bei der Rechnung seine Molekular-Einheiten
Aitpr. MoDfttMchrift Bd. XXIL litt. U2, 5
ßß Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
aus verschiedenen Atom-Einheiten bestehend sich denkt! Aber haben
wir denn bei ihnen nun etwa die Grenze der Theilbarkeit gefunden?
Für die reale Analyse ist diese längst vor jener blossen Fiktion
gegeben, in der Regel werden auch die Molekular-Einheiten nur er-
schlossene nicht unmittelbar wahrzunehmende Grössen sein, die gegeben
sind in einem grösseren Complex von Zusammensetzungen, wenngleich
darum sich Niemand einfallen lassen wird, das Molekuel ein blosses
Gedankending zu nennen. Aber gesetzt auch jene fiugirtcn Atom-Ein-
heiten hätten annähernd die vortreffliche induktive Basis aufzuweisen
wie die Molekuele, gesetzt der chemische Analyst käme mit seiner Betorte
und sonstigen Apparaten bis auf diese, weiter aber nicht, oder er möchte
einen indirekten Nachweis für die Nothwendigkeit seiner Annahme
führen, gesetzt der Forscher vermöchte ein Mikroskop aufzutreiben,
mit dem er bis auf diese von uns trotz des Widersinnes vorläufig so-
genannten Atom-Einheiten, deren Eigenschaft als Atomon an sich sich
eben nie wird ausweisen lassen, dringt: welche Berechtigung hätten wir
denn damit erlangt, zu schliessen: diese Einheiten die wir allerdings
als solche hinsichtlich der Molekuele eruirt haben würden, sind über-
haupt letzte Einheiten, sind Atoma in der Welt des Seienden, welche
Berechtigung hätten wir über den Schluss hinauszugehen: jene Ein-
heiten verhalten sich zu den Molekuelen; wie diese zu grösseren Eörper-
complexen? wobei die Frage vollständig offen zu lassen ist, ob sie nicht
ebenso wie die Molekuele ihnen gegenüber sich im Verhältniss zu noch
primäreren Elementen als zusammengesetzte Erscheinungen herausstellen.
Das ist der regressus ins Unendliche, von dem Eant spricht und
von dem wir jetzt schon erkennen, dass er nicht sowohl auf die Seite
der Objekte fallt, als auf die unseres Erkenntnissvermögens. Dies
kommt zum Ausdruck in der Antithesis der zweiten Antinomie:
„Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen
„Theilen und es eiistirt überall nichts Einfaches in derselben,
es kommt in jener paradoxen Form zum Ausdruck, die Kant in den
Antinomien absichtlich gewählt hat, um solche überhaupt zu Stande
zu bringen, eine Eigenschaft unserer psychischen Organisation, die uns
allerwärts die Theilung, wo nicht in Wirklichkeit, so doch in der Vor-
Von Dr. Otto Kuttner, ßf
stellang, fortzusetzen gebietet, auf die Objekte der Theilung übertragend
und 90 den Schein erregend, als ob ein zusammengesetztes Ding ohne
ein Etwas, daraus es zusammengesetzt ist und das wir Theil nennen,
bestehen könne.
In rein kritischer Fassung spricht Eant (Kirchmann S. 183 ff.) diesen
Gedanken in den beiden ersten von ihm mathematisch genannten Grund-
sätzen des reinen Verstandes aus: den Axiomen der Anschauung und Anti-
cipationen der Wahrnehmung, deren Beziehung zu den beiden ersten Anti-
nomien auf der Hand liegt wie die der dynamischen Grundsätze zu den
beiden letzten und die, wie wir hier beiläufig bemerken möchten von den
Kantforschern wohl bemerkt, aber bisher nicht gehörig verwerthet ist.
Bei dieser Gelegenheit können wir nicht unterlassen, darauf auf-
merksam zu machen, welch eigenthümliches Quid pro quo dem sonst
seinem Gegenstande so congenialen Geschichtsschreiber Euno Fischer
in der Darstellung dieser beiden ersten mathematischen Grundsätze
passirt ist. Diese beiden Grundsätze tragen bei Eant folgendes harm-
lose Gewand:
„Alle Anschauungen sind extensive Grössen" und „In allen Er-
scheinungen hat das Reale, was ein Gegenstand der Empfindung ist,
„intensive Grösse d. i. einen Grad".
Sie polemisiren allerdings gegen die dogmatische Fassung der
Atome und des leeren Baumes, oder wie wir uns lieber mit Eant selbst
in der Anmerkung zu der oben angeführten zweiten Antinomie verbessern
wollen: gegen die Monadologie eines Leibnitz.
Euno Fischer aber, der hier offenbar den Unterschied einer bloss
erkenntnisstheoretischen Eritik von einer dogmatischen Polemik über-
sehen hat, muthet Eant eine Widerlegung des Atomismus schlechtweg
zu. Er hat sich hier doch, wie es scheint, mit seinem Gegenstande zu
sehr identificirt.
Eant hingegen trägt in den „Anticipationen der Wahrnehmung14 die
erkenntnisstheoretischen Prämissen seiner dynamischen Naturanschauung,
die sich übrigens, wie wir seiner Zeit in unserer Doctor-Dissertation*)
*) „Historisch-genetische Darstellung von Kants verschiedenen Ansichten über
das Wesen der Materie" (Halle 1881).
5*
68 Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
nachgewiesen haben, sehr wohl vereinigen lässt und vereinbart findet
mit einer als regulatives Princip gefassten Atomtheorie, mit jener ihm
eigenen Reserve vor, dass er ihr, gegenüber der dogmatischen Annahme
diskreter Atome und leeren Baumes, nur das Verdienst vindicirt „den
Verstand wenigstens in Freiheit zu versetzen, sich diese Verschiedenheit"
(nämlich die der Schwere bei gleicher Ausdehnung) „auch auf andere
Art" (als durch verschiedene Dichtigkeit der Körper) „zu denken, wenn
die Naturerklärung hierzu irgend eine „Hypothese nothwendig machen
sollte" (Kirchmann S. 195).
Welches diese andere Hypothese ist? Die der continuirlichen
Baumerfüllung, über die wir nachher noch in ihrem Verhältniss zur
Atomistik ein Wort zu sprechen haben werden. Hier ist ein Beispiel:
„So kann eine Ausspannung, die einen Baum erfüllt, z. B. Wärme,
„und auf gleiche Weise jede andere Bealität, ohne im Mindesten den
„kleinsten Theil dieses Baumes leer zu lassen, in ihren Graden ins
„Unendliche abnehmen und nichts desto weniger den Baum mit diesen
„kleineren Graden eben so wohl erfüllen, als eine andere Erscheinung
„mit grösseren" (S. 195, 196 a. a. 0.).
Aber alsbald fügt der vorsichtige Kant hinzu: „Meine Absicht ist
„hier keineswegs zu behaupten, dass dieses wirklich mit der Verschieden-
heit der Materien ihrer specifischen Schwere nach so be wandt sei,
„sondern nur aus einem Grundsatze des reinen Verstandes darzuthun:
„dass die Natur unserer Wahrnehmungen eine solche Erklärungsart
„möglich mache" (a. a. 0.)
Aber welches ist denn nun in aller Welt die berechtigte und
welches die unberechtigte Atomtheorie, welches sind die anünomischen
Elemente in ihr, die uns einerseits nöthigen, ein äropov, ein unheil-
bares Letzte zu denken und uns andererseits doch wieder den Wider-
spruch dieses Gedankens mit einer anderen Grundanschauung, von der
wir nicht lassen können, aufdrängen, was ist der Bechtstitel dieser
Grundanschauung und was der jenes zwingenden Gedankens?
Wir kommen in der anschauenden Wirklichkeit, so sehen wir,
trotz chemischen Betorten und Schmelztiegeln von Piatina, nicht eben
weiter, als bis zu bestimmten Molekular-Compleien, die rechnende
I
Von Dr. Otto Kottner. gg
Phantasie — sit venia verbi — kann weiter nnd muss weiter. Und
dennoch ist es gerade die anschauende Form der Vergegenwärtigung
sinnlicher Erscheinungen, die uns hindert halt zu machen innerhalb der
Theilung, die uns jenen regressus ad infinitum, wo wir ihn nicht in der
Wirklichkeit ausführen können, doch in der Vorstellung vorzunehmen,
gebietet: es ist der Kaum, der uns mit instinktivem Zwange die Ge-
wissheit aufnöthigt, dass so wie er, auch alles Baum-Erfüllende, eine
Grenze der Theiibarkeit nicht in sich trägt, sondern mit ihm zusammen
eine continuirliche Grösse ist.
Allerdings dürfen wir das Eine hierbei nicht übersehen! An sich
hat das Kaum-Continuum, wie das Continuum rauraerfüllender Körper,
mit dem Gedanken einer begrenzten oder unbegrenzten Theiibarkeit zu-
nächst gar nichts zu thun: — an sich: das will natürlich sagen, in
unserer unreflektirten Vorstellung — Beides sind vollständig disparate
Begriffe, oder vielmehr sie sind eben so disparat, dass sie sich als
Anschauung dem Begriff gegenüberstellen lassen: das simultane und
continuirliche Baumbild den innerhalb seiner gezogenen Grenzen.
Wer denkt auch bei der sinnlichen Anschauung eines Zimmers und der
in ihm vertheilten Gegenstände an einen Widerspruch? Auch die Vor-
stellung eines selbst begrenzten Baumes, der um nichts weniger den
Eindruck eines fortlaufenden Continuums macht, enthält nichts Störendes
und sich Widersprechendes, sobald wir über die Simultaneität dieses
Raumbildes durch Eeflexion nicht hinausgehen. Erst wenn wir dies
thun und zwar an der Hand der zeitlichen Succession, erst wenn wir
an der Hand eines abstrakteren Grössebegriffs, der seinerseits von da
stammt, Vergleiche anstellen darüber: dass dieser Zimmerraum doch
selbst nur ein Theil ist eines grösseren Baumes und dass er sich dem-
entsprechend auch muss theilen lassen, ja sogar getheilt erscheint durch
die in ihm vertheilten Gegenstände, die wir nun mit dem ganz andern
Auge, eines Baumes im Baume, einer Grenze der räumlichen Theiibarkeit
ansehen, erst mit Zuhilfenahme dieses Mediums zeitlicher Succession,
die uns zur begrifflichen Auffassung des Bäumlich-Simultanen verhelfen
soll, stossen wir auf einen Widerspruch. Indem wir nämlich die ein-
zelnen, fixirten zeitlichen Momente, in denen wir das räumlich Aus-
70 Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
gedehnte nach einander aufnehmen, mit dem räumlichen Contiuuum selbst
vermischen, wird aus der Linie, die unterschiedslos vor uns ausgebreitet
liegt, eine Reihe von Punkten, entstehend durch ein successives Nach-
einander. So pflegt man in mathematischen Lehrbüchern und im
philosophischen Vortrage noch immer die Linien entstehen zu lassen
durch Bewegung des Punktes, die Fläche durch Bewegung der Linie
und sogar den Körper durch Bewegung der Fläche, obwohl mau bei
diesem Dritten billigerweise hätte stutzig werden sollen. Den drei
dimensionalen Baum mag diese Darstellungsweise pädagogisch klar
machen : auf wissenschaftlichen Werth scheint sie uns keinen Anspruch
zu haben. Es ist vielmehr mit Fechner energisch Protest dagegen zu
erheben, dass die Punkte als Elemente der Composition angesehen
werden des simultan vor uns ausgebreiteten, ununterbrochenen Baum-
bildes, mit demselben Fechner, der doch die Atome als diskrete Grössen
und den leeren Baum im Interesse der physikalischen Forschung äusserst
scharfsinnig zu verth eidigen weiss: wir werden sehen wie? und mit
welchem Bechte? Und Kant gerade ist es, der immer wiederholt darauf
aufmerksam macht, dass die Punkte weit gefehlt Elemente des Baumes
zu sein, als termini a quo und ad quem, nur fixirte Hilfsmittel sind
zur successiven Beconstruktion des Baumbildes. Von der transscenden-
talen Frage nach Baum und Zeit ist hier nicht die Bede: nehmen wir
mal hinsichtlich der letzteren den neuerdings gemachten Unterschied *)
zwischen einer transscendenten und empirischen Zeit in Anspruch, ohne
ihm übrigens unbedingt beizutreten, so ist es die empirische Zeitreihe
als Vehikel unseres Vorstellungsverlaufes, als fixirte Zeitgrösse, von
der wir handelten, ohne über die Zeit selbst als Continuum aburtheilen zu
wollen. Vielmehr soll sich herausstellen, dass jenes Fixiren der Grenzen
von einem tiefer gelegenen Focus des psychischen Lebens ausgeht.
Bleiben wir nun beim Fixiren der Grenzen, zerlegen wir die gerade
Linie in eine numerisch bestimmte Beihe einzelner Punkte, so ergiebt
sich zunächst noch kein Widerspruch. Aber alsbald tritt unser Baum-
bild corrigirond dazwischen und fragt uns: Bildet ihr euch ein in
*) Von Laas, Kants Analogien der Erfahrung.
• Von Dr. Otto Kuttner. TJ\
punktuelle Elemente aufgelöst zu haben, was ihr nur durch Punkte
willkürlich getrennt habt, und was ihr, so klein auch die Abstände von
Punkt zu Punkt sein mögen, ad libitum weiter trennen könnt, wo nicht
auf dem Papier so doch in der Vorstellung. Meinet ihr aber durch
Bewegung des Punktes die Entstehung der Linie nachweisen zu können,
so lasset euch sagen, dass mein eigenes räumliches Bild, das ihr nur
reconstruiren könnt, das Prius eurer Operation war, und dieser hat zu
Grunde liegen müssen, um sie überhaupt möglich zu machen. In der
That meinen wir: das disparate Bild einer discreten Punktreihe und
einer Linie zerstört die Fiktion, welche den Punkt als Element des räum-
lichen Continuum fasst.
Der Widerspruch einer begrenzten und unbegrenzten Theilbarkeit
tritt also hervor durch die Vermischung oder Einmischung fixirter
Zeitraomente in die simultane Eäumlichkeit. Jene aber drängt
sich nicht blos mit dem psychischen Zwange einer Organisationsthatsache
uns auf, sondern sie wird in dieser ihrer Form uns für alle Zeiten das
einzige Fundamentalmittel der Forschung sein : wir fixiren zeitlich auch
das Räumliche durch das Medium unserer Vorstellungen. Daher man
hier von einer Antinomie der Geistesorganisation im vollen Sinne des
Wortes zu reden das Recht hat und das Vergehen nicht gar zu unent-
schuldbar erscheint, wenn der naive Realist jenen regressus ad infantum,
den der kritische Forscher auf die phänomenale Welt des psycho-
physischen Seins zurückführt, den Dingen selbst in die Schuhe schiebt.
Aber was ist es denn nun mit jenen fixirten Zeitmomenten für ein
geheimnissvolles Räthsel, damit wir den geduldigen Leser so lange
hingehalten haben und darin doch das andere Element der Antinomie
gelegen sein soll? Welcher „tiefer gelegene Fokus des psychischen
Lebens" ist denn ihr Ausgangspunkt, wenn nicht die Zeit selbst?
Der Verstand braucht einen Ruhepunkt, im Regressus des Ganzen
zum Theil, in der analytischen Arbeit des Zerlegens, und so entsteht
«las Atom, er braucht einen Ruhepunkt im Progressus der Theile zum
Ganzen, in der synthetischen Arbeit des Componirens, und so entsteht
der Weltbegriff, das Universum, das sind die Grundgedanken von Kants
regulativen Ideen, wie sie sich schon in der Schrift vom Jahre 1770
72 Die Bedeutung der regulativen Ideen Kante. ,
„de formis et principiis mundi sensibilis et intelligibilis" ausgesprochen
finden. Indessen wir können es Keinem verdenken, wenn er sich mit
dem hereingeschneiten deus ex machina eines „ltuhepunktes" als Er-
klärung des geheimnissvollen Widerspruches von Vernunft zu Vernunft
nicht begnügen will. Kant selbst bedient sich auch nur dieses Hilfs-
ausdrucks, nachdem er gewiss sein darf, dass wir aus dem Voran-
gehenden seiner Kritik den tiefern Grund zur Hand haben werden:
Die Projektion der rein formalen Einheit unseres Denkvermögens
nach Aussen vermag erst Ordnung in den chaotischen Stoff des Mannig-
faltigen zu bringen, schafft den Begriff eines Objektes und den eines
Gegenstandes überhaupt erst, ohne welche nur ein wirres Gewühl von
Empfindungen in uns sich zutragen würde. Die Zeit aber bildet das
zwischen Beiden vermittelnde Schema: das ist gemeine kantische Lehre.
Es ist aber klar, dass der Begriff des Einfachen, Letzten, daraus
der Körper sich zusammensetzt, des beharrlichen Substrates, das da
bleibt im Wechsel der Zeit-Erscheinungen, und als solches Substanz von
uns genannt wird, eben dort seine Quelle hat, wo der Begriff der Ein-
heit und des Objekts überhaupt. Desshalb sind Substanz und Atom
in streng erkenntnisstheoretischem Sinne identische Begriffe und
wir mussten die Einschmuggelung des Substanzbegriffes in die Thesis
der zweiten Antinomie, um daraus den Atombegriff deduciren zu können,
als petitio principii zurückweisen.
Wir sagen: die Begriffe des Atoms und der Substanz, als unheil-
barer Einheiten, stammen aus jener formalen Einheit des Denkvermögens,
das als logisches Ich aller psychischen Thätigkeit zu Grunde liegt.
Die Frage aber, wo denn jene erste Einheit selbst herstamme, ist wider
die Abrede des kritischen Phaenomenalismus, der sich ja nicht einbildet
über Alles Aufschluss geben zu können. Damit ist natürlich in keiner
Weise die psychologische Frage nach der Entstehung des Ich abge-
schnitten, welche vielmehr durch die Aufweisung der Paralogismen den
freiesten Spielraum erhält. Kant selbst fasst übrigens in der zweiten
Antinomie den Atombegriff als zunächst auf ein Letztes, Untheilbares im
Seelischen gehend, als einen Schluss also von der Einheit des Subjekts
auf die Einheit desselben als Objekt. Denn jene erste Einheit bringt ja
Von Dr. Otto Kuttner. 73
überhaupt erst den Begriff der Substanz zu Wege. Es ist also eine
Verbindung hergestellt zwischen den Antinomien und Paralogismen, in
welchen derselbe Schluss Gegenstand der Kritik ist. Eine zweite Frage
aber, ob denn nicht jenem Begriff der Substanz und des Untheilbaren
ein wirklich Reales im transcendentalen Sinne entspreche, ist weder zu
bejahen, noch zu verneinen, weil auf kritischem Standpunkte vollständig
inhaltslos.- Die Vergegenwärtigung des Substanziellen der räumlich
fixirten Erscheinung wird allerdings der unmittelbaren Vorstellung die
plausibelste, ja sogar die einzig mögliche sein, weil es in der That eine
Vergegenwärtigung nur im Räume giebt und wir unwillkürlich die
entscheidende Operation des Denkens und Projicirens im Voraus unter-
nommen haben, bevor wir uns darüber Rechenschaft geben können.
Wenn nun Kant, nachdem er auf die angegebene Weise den Substanz-
begriff im Räumlichen abgeleitet hat, mit Zuhilfenahme der fixirten
Zeitmomente aus der Ich-Funktion, in der zweiten Auflage zur „Wider-
legung des Idealismus" (Kirch mann a. a. 0. S. 235 ff.) wieder umge-
kehrt die Vorstellung des Ich als eines Beharrlichen nur möglich glaubt,
mit Zuhilfenahme der Analogie des räumlichen Substrates, so müssen
wir auf diesem Punkte für den Kant der ersten Auflage gegen den
der zweiten weniger um principieller Abweichungen willen als um
des methodischen Cirkels in der Beweisführung Partei ergreifen. Es
unterliegt keinem Zweifel, dass letztere Vorstellung die populäre verständ-
lichere ist: wenn wir aber den Muth haben, den kritischen Phänome-
nalismus anzunehmen, dann sollen wir uns auch vor der Consequenz nicht
scheuen, dass die Empfindung des, wie es scheint, ruhigen Raumbildes
mit den in ihn durch die Körperwelt gesteckten Grenzen, auf alle Fälle
eben Empfindung, psychische Thätigkeit, bleibt, die vom Zeitverlauf un-
abhängig zu denken, auch für die ausschweifendste Phantasie ein un-
ausführbares Kunststück sein wird.
Das Recht der Atome liegt in der Nöthigung sie zu denken und
mehr noch, wie Fechner sich ausdrückt, „in der mathematischen Not-
wendigkeit, sie zu gebrauchen".
Fechner behauptet für die Physik die Notwendigkeit diskreter
Atome und leeren Raumes, die Notwendigkeit im methodischen Sinne,
was dies besagen will, mag folgendes kurze Beispiel erläutern:
74 Die Bedeutung der regulativen Ideen Kants.
Die Fallgeschwindigkeit pflegt man zu berechnen, indem man die
einzelne Sekunde als diskrete Grösse betrachtet. So kommt auf die
erste Sekunde eine bestimmte Durchschnittsgeschwindigkeit = g, auf
die zweite eine bestimmte = 2 g u. s. w. Es ist nun evident, dass
hier in Wahrheit vom Ende der ersten Sekunde bis zum Anfang der
zweiten kein plötzlicher Sprung von g auf 2 g stattfindet, sondern der
üebergang findet continuirlich-allmählich statt. Aber es ist andrerseits
klar: dass an der Richtigkeit des Resultates durch diese Fixirung von
Sekunden als bestimmter Zeiteinheiten nichts geändert wird, und dass,
ohne sie zu Hilfe zu nehmen, eine Berechnung überhaupt unmöglich
wäre. Dieselbe Bewandniss hat es mit dem Nutzen diskreter Atome
für die Physik, und was ihr Verhältniss zu den dynamischen, den Raum
continuirlich erfüllenden, Kraft- Centren Kants betrifft, so möge sich
Kuno Fischer von Fechner auseinandersetzen lassen, dass der Philosophie
die Annahme unbenommen bleibe, von Atom zu Atom den leeren Raum
durch einen feineren nicht mehr wägbaren Aether-Stoff ausgefüllt zu
denken. In der That nimmt Kant diesen an in seinem medium in
se elasticum; und er ist bei Lichte besehen nicht bloss eine Förderung
der Philosophie, sondern auch der Physik. Oder wie stellt man sich
die Aether- Vibrationen, durch welche Licht und Farbe sich vermittelt,
vor? ja selbst die Repulsions-Kraft ist man im Grossen und Ganzen
geneigt auf Kosten dieser Aether-Atome zu setzen.
Wir sagten vom Begriffe des Atoms, er sei identisch mit dem der
Substanz. Und das gilt nicht bloss erkenntnisstheoretisch, sondern auch
physikalisch. Das physikalische Axiom : Bei allen Veränderungen bleibt
die Quantität der Materie unvermindert und unvermehrt, ist ein Satz
der im Begriffe der Substanz gelegen ist, und, der in Anwendung kommt
für deu Begriff der Atome, und zwar in qualitativer Bedeutung. Die
untheilbaren Urstoffe sind als solche unvergänglich, vergänglich ist nur
die Form ihrer Verbindung. Wir hatten zwar oben eine definitive
Beschränkung des Atom-Begriffes auf diese Bedeutung abgewiesen, es
kam uns auf eine scharfe erkenntnisstheoretische Fixirung an. Aber es
ist ja evident: dass die Anwendung und regulative Verwerthung dieses
Begriffes, die übrigens ohne Reflexion vor sich geht, für Physik und
' Von Dr. Otto Kuttner. 75
Chemie nicht besteht in der lediglichen Einschränkung auf das mathe-
matisch-unendlich Kleine, sondern im Gebrauch nach Bedürfniss. So
ist das Ur-Element qualitativ ein Atomon, so ist es das Molekuel des
Chemikers im Hinblick auf gewisse physikalische Eigenschaften, so ist
es das Atom des Physikers im mathematischen Verstand, und auch
dieses lässt noch Eaum für Aether- Atome, die als Imponderabilia zwischen
den Ponderabilien schwingen.
Diese regulative und nicht mehr als regulative Bedeutung der Atome,
auf die zuerst Kant, allerdings mehr negativ abweisend, als positiv
zustimmend, aufmerksam gemacht hat, haben wir durch erkenntniss-
theoretische Ableitung uns klar machen wollen, das Augenmerk richtend
auf die also entstehende Antinomie zwischen Continuum und diskreter
Grösse.
Schliessen wir mit einem Worte Du Bois Keymond's über diesen
Gegenstand:
„Da ergiebt sich denn bekanntlich, dass zwar innerhalb bestimmter
„Grenzen die atomistische Vorstellung für den Zweck unserer physi-
kalisch mathematischen Ueberlegungen brauchbar, ja unentbehrlich ist,
„dass sie aber, wenn die Grenzen der an sie zu stellenden Forderungen
„überschritten werden, als Corpuscular-Philosophie in unlösliche Wider-
sprüche führt".
Wie der Begriff des Universum durch Verfestigung nach der andern
Seite hin zu Stande kommt, nach demselben Grundsatze: ein Ruhepunkt
in der Synthese des Manigfaltigen, ist nicht schwer zu sehen. Viel-
leicht haben wir ein ander Mal Gelegenheit, hierauf zurückzukommen,
um von hier aus zugleich die eigenthümlichen Grund-Beziehungen im
Denken zwischen Naturwissenschaft und Theologie heraussetzen zu können.
Geschrieben im Sommer 1882.
Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
Vortrag,
gehalten zum Besten des Vereins für die Erziehung taubstummer Kinder
von
Carl Witt.
Gewiss war es eine der grössten Zumutungen, die jemals an die
menschliche Fähigkeit zu glauben gestellt wurden, als Kopernikus vor
nunmehr viertehalb hundert Jahren mit der Behauptung auftrat, dass
die Sonne, die so offenbar sich bewegte, stillstehe, und die Erde, die
nicht die mindeste Unruhe verriet, sich bewege. Und es war nicht blos
dieser schreiende Widerspruch mit dem Augenschein, was den Sprung
in die neue Anschauung erschwerte, gleichzeitig erfuhr der menschliche
Stolz durch die nächsten Folgerungen, die aus ihr herflossen, die
empfindlichste Demütigung. Denn nach der alten Ansicht diente die
ganze Pracht des Himmels nur dem Zwecke, unsere Erde bei Tage und
bei Nacht zu erleuchten, nur darum machte als ihr glänzendes Gefolge
das unendlich reiche Heer von Fixsternen und Planeten seinen täglichen
Rundgang um diese Krone, diese Perle der Schöpfung. Jetzt sollte
die Erde von ihrem Königsthrone herabsteigen und in gleicher Keihe
mit den übrigen Planeten der Sonne die Schleppe nachtragen. Es ist
daher nicht zu verwundern, wenn es langer Zeit bedurfte, bis die
Mehrzahl der Gebildeten, ja der Gelehrten, sich der Auffassung des
Kopernikus anschloss. Sobald nun die Astronomie im Besitz der nötigen
Beobachtungsmittel und Rechenmethoden war, konnte man von dem
neuen Standpunkte aus die Rolle genau bestimmen, welche die Erde
für die andern Planeten spielt. Auf der Venus und dem Mars sieht
Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne. Von Carl Witt. 77
die Erde nur wenig grösser aus, als diese uns erscheinen. Die Be-
wohner des Jupiter müssten ausgezeichnete Teleskope, viel leistungs-
fähigere als wir besitzen, um sie auch nur als deu unscheinbarsten
unter den Sternen des Himmels wahrzunehmen, und die noch entfern-
teren Planeten haben von ihrer Existenz ebenso wenig eine Ahnung,
wie wir von den Millionen von Planetenwelten, die höchst wahrscheinlich
die Schwestern unserer Sonne, die Fixsterne umkreisen. Wenn somit
die Erde iu dieser und anderen Beziehungen die Natur der Planeten
teilte, so lag der Gedanke nahe, dass diese in allem Wesentlichen mit
der Erde übereinstimmten und demnach auch diejenige Besonderheit
besässen, die uns, ihren Bewohnern, die interessanteste an ihr ist: die
Ausstattung mit sinnlich-vernünftigen Wesen. Diese Vorstellung musste
der Phantasie sehr reizend erscheinen, da sie ihr ein unermessliches
Feld für Vermutungen, Hoffnungen und Träume darbot, gegen die ihr
oft so unbequemer Hofmeister, der nüchterne Verstand, im Grunde
keinen gehörig formulierten Widerspruch erheben konnte. Ideen solcher
Art hatten wärmere Köpfe gewiss schon früher beschäftigt, aber die
Form, in welcher sie die Teilnahme der Menge gewannen, fanden
sie erst in der 1686 erschienenen kleinen Schrift von Fontenelle:
„Entretiens sur la Pluralite des mondesu (Unterhaltungen
über mehrerlei Welten). Fontenelle war ein sehr rühriger Schrift-
steller, der seine leichte und elegante Feder den verschiedensten Ge-
bieten widmete; alles übrige ist indessen längst in Schatten getreten,
während diese „Entretiens" sich fast zwei Jahrhunderte im Gedächtnis
der Lesewelt behauptet haben, noch immer aufgelegt werden und als
angenehm anregende und zugleich wissenschaftlich aufklärende Lektüre
noch immer Empfehlung verdienen. Sie sind in den Rahmen einiger
Abendgespräche gefasst, welche Fontenelle mit einer jungen anmutigen
Marquise führt, auf deren Landsitz er sich als Gast befindet An einem
herrlichen Mondscheinabend lustwandeln sie im Parke der Marquise und
der Anblick des Sternenhimmels veranlasst die letztere zu einigen Fragen
an ihren gelehrten Freund. Sie ist eine Dame von vielem natürlichen
Verstand, von Geist und Witz, mit allen Bomanen ihrer Zeit ohne
Zweifel vertraut, aber höchst unwissend in allem, was die Verhältnisse
78 Kant« Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
der Erde zu Sonne, Mond und Sternen betrifft. Dies nötigt Fontenelle,
zum Vorteil gewiss sehr zahlreicher Zeitgenossen, die sich in dieser
Beziehung in ganz der nämlichen Lage wie die Marquise befanden, auf
die einfachsten Grundthaisachen zurückzugehn, und fuhrt zu einer Reihe
von Erklärungen, in welchen Fontenelle das oft so glänzende Talent
der Franzosen für populäre Darstellung im vollsten Maße bewährt. Die
Marquise würde vielleicht bald müde sein, sich auf diese unromantischen
Dinge einzulassen, aber Fontenelle zieht sie an dem Faden der Idee,
dass sehr wahrscheinlich, ja sicher, noch andere Weltkörper ausser der
Erde von geistigen, menschenähnlichen Wesen bewohnt seien, hinter
sich her und unterhält so ihre Aufmerksamkeit für das, was zum Ver-
ständnis unseres Planetensystems dient.
Der erste Versuch, fremde Weltkörper zu beseelen, gilt dem Monde.
Nichts scheint sicherer als dass, wenn überhaupt ausseihalb der Erde
denkende, fühlende Wesen anzunehmen, der Mond sie haben müsse.
Denn er weist uns eine vollständige Landkarte, von Seiten der Sonne
erfährt er dieselbe Gunst wie die Erde und an dieser letzteren hat er
eine Leuchte der Nacht, wie er selbst sie uns noch lange nicht gewährt,
indem die viel grössere Erde in der Phase ihres Vollichts soviel wie
dreizehn bis vierzehn Monde leistet. Und wie interessant müsste es sein,
unter den höchst eigentümlichen Verhältnissen unseres nächsten Nach-
bars zu leben. Die Sterne des Firmaments leuchten von einem fast
schwarzen Himmel in viel lebhafterem Glänze, und ohne das Dazwischen-
treten einer Morgen- oder Abenddämmerung geht aus dem Dunkel der
Nacht urplötzlich der volle Tag hervor und umgekehrt jene aus diesem.
Das sogenannte schlechte Wetter giebt es dort nicht: kein Vergnügen
kann verregnen, keine nervöse Natur durch ein Gewitter erschreckt
werden, kein zudringlicher Wind setzt die Gesundheit in Gefahr. Stö-
render Lärm ist nie zu besorgen; selbst wenn einer der hohen Mond-
berge plötzlich in Trümmern ins Thal stürzte, würde das gewaltige
Ereignis nicht das leiseste Summen einer irdischen Mücke übertönen.
Aber alle diese Annehmlichkeiten fliessen aus einem Mangel des Mondes
her, der uns den Wunsch, dorthin auszuwandern, ganz und gar verleiden
muss. Denn aus der Beobachtung, dass die Strahlen der Sterne selbst
Von Carl Witt. 79
in der grösstcn Nähe des Mondes nicht die geringste Ablenkung er«
fahren, ergiebt sich mit unzweifelhafter Gewissheit die Abwesenheit
desjenigen Lebensmittels, von dem man nach dem bekannten Sprich-
wort nicht, ohne das man aber ebenso wenig leben kann, der Luft.
Wenn aber der Druck der Luft fehlt, so kann kein Wasser bestehn,
ohne das Wasser wieder ist keine Pflanzendecke, ohne diese kein Tier-
leben möglich. Kurz, wir Menschen und alle Wesen, deren Lebens-
bedingungen den unsrigen irgend ähnlich wären, würden dort keine fünf
Minuten leben können. In Fontenelle's Zeit war diese Eigentümlichkeit
des Mondes noch nicht so wie mit unsern heutigen viel schärfer blickenden
Fernröhren zu erweisen, aber schon damals wusste man vom Monde
genug, um die Bewohnbarkeit desselben als äusserst unwahrscheinlich
anzusehn. Fontenelle kann sich auch nur nach einigem Widerstreben
zu der entgegengesetzten Meinung entschliessen, aber — es scheint ein
Tribut der Galanterie an die Marquise zu sein, die den lebhaften
Wunsch ausspricht, diesen nächsten und deutlichsten Genossen der Erde,
zu welchem so viele Seufzer glücklich und unglücklich Liebender auf-
steigen, sich bewohnt denken zu dürfen — er gicbt ihr nach und be-
schwichtigt seine Zweifel mit der Annahme, dass die Bewohner des
Mondes sehr anders organisirt seien als die Menschen.
Günstiger steht es um Merkur, Venus und die anderen Planeten.
In Fontenelle's Zeit hatte man keinen Grund, das Vorhandensein einer
dieselben umgebenden Luft- und Dampfhülle zu bezweifeln, heute ist
es von einem Teil derselben sogar erwiesen, dass sie eine solche be-
sitzen. Es steht daher nichts im Wege sich diese Weltkörper als
Stätten organischen und seelischen Lebens vorzustellen. Ob nun ihre
Bewohner uns Menschen gleichartig sind? Im Wesentlichen, meint
Fontenelle, ja; sie haben Empfindungen, Gefühle, Bedürfnisse, Neigungen,
Gedanken, nur wird der grosse Unterschied des Klimas zwischen den
der Sonne näheren und ferneren Planeten gewisse Differenzen in dem
Temperament und den geistigen Zuständen ihrer Bewohner nach sich
ziehen. Venus und Merkur befinden sich in geringerem Abstände von
der Sonne als die Erde, haben also wie einen höheren Grad von Hellig-
keit, so ein grösseres Maß von Wärme ; Jupiter erhält nur 1/25* Saturn
8Q Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
(der äusserste der damals bekannten Planeten) gar nur 1/90 des Lichts
und der Wärme, welche die Sonne uns Erdbewohnern spendet. Diese
Unterschiede liefern der Phantasie der beiden Freunde das nötige Ma-
terial für ihre Vorstellungen von der mannigfaltigen Natur der Planeten-
bewohner. Die Marquise meint, die Bürger der Venu3 müssten den
Mauren in Granada gleichen, ein kleines von der Sonne verbranntes,
schwarzes Volk sein, voll Geist und Feuer, immer verliebt, geborene
Dichter, Musikfreunde und Wesen, die alle Tage neue Feste, Tänze
und Spiele erfinden. Fontenelle hält die Farben dieses Bildes noch für
zu matt. Die Mauren Spaniens würden, mit den Venusbewohnern ver-
glichen, nüchtern und träge, wie Lappen und Grönländer erscheinen;
gar die Leute auf dem Merkur, welche der Sonne fast dreimal näher
wohnen als wir und also bei einer Hitze wie im heissesten Afrika vor
Frost zittern würden, müssten vor Lebhaftigkeit närrisch sein, daher
kein Gedächtnis haben und der Ueberlegung unfähig unter der unbe-
dingten Herrschaft des ersten besten Einfalls stehn: kurz, der Merkur
sei wahrscheinlich das Tollhaus unserer Planetenwelt. Im vollsten
Gegensatz dazu steht das Leben auf dem Saturn. Kämen die Bewohner
desselben in die Nachbarländer unseres Nordpols, dicke Schweisstropfen
würde ihnen die dortige Kälte auspressen, ; denn bei ihnen zu Hause
sei das Wasser stets wie polierter Marmor und selbst der Weingeist
beständig gefroren. Vor jeder Uebereilung sind sie sicher, da sie sich
des unerschütterlichsten Phlegmas erfreuen. Was lachen heisst, wissen
sie nicht, brauchen einen ganzen Tag, um auf die einfachste Frage die
Antwort zu finden, und der schweigsame Cato würde unter ihnen für
den unerträglichsten Schwätzer gelten.
Dass die Gespräche Fontenelle's unterhaltend sind, wird man nach
den gegebenen Andeutungen kaum bezweifeln; auch der wissenschaftlich
belehrende Teil verdient um seiner ungewöhnlichen Durchsichtigkeit
willen Beifall. Aber wir haben die Empfindung, dass wir nach einer
leichten Unterhaltung mit geistvollem Spiel in die Sphäre gediegenen
wissenschaftlichen Ernstes übertreten, wenn wir uns nach der Lektüre
Fontenelle's der Schrift Kant's zuwenden, in welcher er seine Ge-
danken über den nämlichen Gegenstand ausspricht.
Von Carl Witt. 81
Nachdem Eant neun Jahre als Hauslehrer auf dem Laude zugebracht,
kehrte er — 31 Jahre alt — 1755 nach Königsberg zurück und wurde
hier Privatdocent an der Universität, eine Stellung, in welcher er andert-
halb Jahrzehnte verbleiben sollte, denn erst 1770, als er bereits über
die Hälfte der Vierziger hinaus war, erhielt er eine Professur. Gleich
nach seiner Rückkehr vom Lande erschien seine erste bedeutsame Schrift,
die „Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels." Er stellt
darin eine Hypothese auf, welche damals sehr kühn erscheinen musste,
heute aber fast das Ansehn einer beobachteten Thatsache hat. Nach
dieser bestand die Materie unseres Planetensystems ursprünglich in Form
einer den ganzen Baum desselben einnehmenden und noch weit darüber
hinausreichenden ungeheuren Dunstkugel, aus welcher sich allmählich
infolge der allgemeinen Anziehung einerseits der Centralkörper, die Sonne,
anderseits die mächtigen Klumpen der Planeten zusammenzogen. Gewiss
ein Gedanke, neu und genial genug, um die allgemeinste Beachtung zu
finden, aber er blieb lange Zeit das Geheimnis äusserst weniger. Bücher
haben eben ihre Schicksale wie die Menschen, und über diesem Buche
hat leider kein Glücksstern gewaltet. Im Jahre nach seinem Erscheinen
brach der siebenjährige Krieg aus und während desselben war man von
den irdischen Dingen so vollauf in Anspruch genommen, dass die himm-
lischen wenig Interesse erregten. 1765 schrieb ein hochangesehener Ge-
lehrter an Kant, dessen Schriften er die lebhafteste Teilnahme zuwandte:
„Ich kann Ihnen zuversichtlich sagen, dass mir Ihre Gedanken über den
Weltbau noch dermalen nicht vorgekommen." Und ein halbes Jahrhundert
später trug der grosse französische Geometer Laplace in seiner „M^canique
ce'leste" dieselbe Hypothese (mit einer einzigen Abänderung) vor, ohne zu
ahnen, dass er auf diesem Felde schon einen so berühmten Vorgänger hatte.
Nachdem die „Naturgeschichte des Himmels" sich in ihrem weit-
aus grössten Teil mit der Erörterung der mathematisch-physikalischen
Thatsachen beschäftigt hat, bringt sie zum Schlüsse einen „Anhang.
Von den Bewohnern der Gestirne. Versuch einer auf die Analogieen
der Natur gegründeten Vergleichung zwischen den Bewohnern der ver-
schiedenen Planeten." Schon in der Vorrede zum ganzen Werke be-
zeichnet Kant den Charakter dieses Abschnitts mit den Worten: „Man
Altpr. Mooatsschrift Bd. XXII. Uft. 1 u. 2. Q
82 Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
wird allemal etwas mehr wie blos willkürliches, obgleich jederzeit etwas
weniger als ungezweifeltes darin finden". Seine Schlüsse sind von
wesentlich anderer Art als die Fontenelles, aber die Grundlage, auf
welcher sie beruhen, bei beiden ein und dieselbe, wie es auch nicht
anders sein konnte. Auch Kant geht von dem Wesen des Menschen
aus, des einzigen vernünftigen Wesens, das wir kennen, und ändert
dieses uur nach den abweichenden Bedingungen ab, die es auf anderen
Planeten vorfindet. Und hier sieht er sich fast lediglich anf dasselbe
Moment gewiesen, das schon die Quelle für die Mutmassungen Fontenelle's
war, die verschiedenen Abstände der Planeten von der Sonne. Es ist
ja auch ein recht ausgiebiges, da die Sonne als die eigentliche Pflegerin
des Lebens auf die Planeten den mächtigsten Einfluss übt und im Cha-
rakter orientalischer Naivetat mit einer Henne verglichen werden könnte,
die ihre Küchlein, die Planeten, wärmt und nährt. Sie spendet zugleich
mit ihrem „rosigen Lichtu nicht blos unmittelbar lebenweckende Wärme,
Stephenson hatte ja vollkommen recht zu sagen, seine Eisenbahnzüge
würden von der Sonne getrieben, denn auch die künstliche Wärme, die
wir uns durch Feuer bereiten, ist nur aufgespeicherte Sonnenwärme, da
unser gesamtes Brennmaterial, Holz, Kohlen, Oele, aus solchen Stoffen
besteht, die sich in Pflanzen unter dem Einfluss der warmen Sonne
unlängst oder wie die Steinkohlen vor unendlich langer Zeit gebildet
haben. Die Sonne ist es ferner, die durch die Verdampfung der Wasser-
flächen das Material zu den Wolken liefert, welche, nachdem sie längere
oder kürzere Strecken als „Segler der Lüfte" zurückgelegt, in der Form
des Segens zum Erdboden zurückkehren und so die unumgängliche Be-
dingung alles Pflanzenwuchses und damit zugleich alles Tierlebens erfüllen.
In betreff der Planetenbewohner meint Kant zunächst, „es sei eben
nicht notwendig anzunehmen, dass alle Planeten bewohnt seien, ob es
gleich eine Ungereimtheit wäre, es in Ansehung aller oder auch nur
der meisten zu leugnen." Wenn es der göttlichen Weisheit nicht wider-
spreche, dass auf der Erde weitgedehnte unbewohnte Sandwüsten sich
finden, warum sollte es nicht auch unbewohnte Planeten geben, da doch
ein Planet im Vergleich mit dem Ganzen der Schöpfung nur ein Atom
und viel weniger sei als eine der grossen Wüsten gegenüber dem Erd-
Von Carl Witt. g3
boden. Was sich in dem Menschen dagegen sträube, sei seine Ein-
bildung, dass eine Schöpfung ohne ihn oder seinesgleichen ganz verfehlt
sein würde, ein Dünkel, der unlängst von einem witzigen Kopfe im
Haag recht glücklich verspottet worden sei. „Diejenigen Creaturen,
welche die Wälder auf dem Kopfe eines Bettlers bewohnen, hatten
schon lange ihren Aufenthalt für eine unermessliche Kugel und sich
selber als das Meisterstück der Schöpfung angesehen, als einer unter
ihnen, den der Himmel mit einer feineren Seele versehn, ein kleiner
Fontenelle seines Geschlechts, unvermutet den Kopf eines Edelmanns
gewahr ward. Alsbald rief er alle witzigen Köpfe seines Quartiers zu-
sammen und sagte ihnen mit Entzückung : Wir sind nicht die einzigen
belebten Wesen der ganzen Natur; seht hier ein neues Land, hie
wohnen mehr Läuse!" Kant's Wohlgefallen an diesem Spott ist
keineswegs das eines Menschenfeinds, vielmehr weil er von der Be-
stimmung der Menschheit so überaus hoch dachte und ein so warmer
Freund der Menschen war, schmerzte es ihn, dass er die moralische
Verfassung, welche ihm bei der grossen Mehrzahl der Menschen ent-
gegentrat, als eine höchst unwürdige erkennen musste, und er hat des-
halb wiederholt Gelegenheit genommen, sie in den stärksten Ausdrücken
zu geissein. In der Naturgeschichte des Himmels heisst es: „Wenn
man das Leben der meisten Menschen ansieht, so scheint diese Creatur
geschaffen zu sein, um wie eine Pflanze Saft in sich zu ziehen und zu
wachsen, sein Geschlecht fortzusetzen, endlich alt zu werden und zu
sterben. Er erreicht unter allen Geschöpfen am wenigsten den Zweck
seines Daseins, weil er seine vorzüglichen Fähigkeiten zu solchen Ab-
sichten verbraucht, die die anderen Creaturen mit weit minderen Fähig-
keiten und doch weit sicherer und anständiger erreichen. Er würde
auch das verachtungswürdigste Geschöpf unter allen, zum wenigsten in
den Augen der wahren Weisheit sein, wenn die Hoffnung des Künftigen
ihn nicht erhübe und den in ihm verschlossenen Kräften nicht die
Periode einer völligen Auswicklung bevorstünde." Wenn übrigens ein
Teil der Planeten keine denkenden Bewohner habe, so könne der Grund
auch darin liegen, dass sie noch nicht in das Stadium ihrer Entwickelung
getreten, in welchem sie dazu im stände sind. Die Erde habe offen-
6*
g4 Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
bar eine lange Reihe vom Umwälzungen durchmachen müssen, ehe ihre
Oberfläche beruhigt genug war, um Geschöpfen unserer Art einen hin-
reichend sicheren Aufenthalt zu bieten. Kant schlägt diese vorberei-
tenden Perioden auf Jahrhunderte und Jahrtausende an, nach heutiger
Auffassung würde man wohl Hunderttausende, Millionen von Jahren
dafür erforderlich erachten. Dass übrigens die meisten Planeten bewohnt
sind und diejenigen, welche es noch nicht sind, einer gleichen Aus-
stattung entgegen gehn, schliesst er nicht nur aus ihrer äusserlichen
Analogie mit der Erde, sondern ebenso sehr aus dem allgemeinen Ge-
danken, dass die Werke der Natur ihren wahren Zweck nicht erreicht
haben, so lange es an vernünftigen Wesen fehlt, die sich an ihnen
erfreuen und aus ihrer Betrachtung Antrieb und Mittel für ihre geistige
Vervollkommnung ziehen.
Kant stellt sich nun die Frage: welche Abänderungen in der körper-
lichen Organisation denkender Wesen sind erforderlich, wenn diese in
wesentlich verschiedenen Abständen von der Sonne lebensfähig sein
sollen? Dass wir Menschen weder auf dem siebenfach wärmeren Merkur,
noch auf dem neunzigfach kälteren Saturn leben könnten, ist unbestreit-
bar, denn der Mensch hat wie die Pflanze sein Maximum und Minimum
von Wärme, über die hinaus er entweder vor Hitze oder vor Kälte
umkommt. Giebt es also den Menschen ähnlich organisierte Wesen
auf den Planeten, die der Sonne erheblich näher sind, so müssen sie
die Fähigkeit besitzen, ein viel höheres Maß von Wärme ohne Gefahrdung
ihres Lebens zu ertragen; ist Saturn mit menschenähnlichen Wesen
bevölkert, so bedürfen diese eines Leibes, der mit dem neunzigsten Teil
irdischer Wärme bestehen kann. Kant meint nun, dass die Bewohner
der näheren Planeten mit einem Körper aus gröberem, derberem
Stoff versehen sind, dessen Starrheit erst durch eine hohe Temperatur
überwunden wird, während der Leib der sinnlich-geistigen Wesen auf
den entfernteren Planeten sich aus so feinem Stoffe bildet, dass sie
schon durch ein sehr geringes Maß von Wärme in die zum Leben er-
forderlichen Bewegungen des Blutumlaufs und der Nerventhätigkeit
versetzt werden. „Damit ich", sagt er, „alles in allem zusammenfasse:
Der Stoff, woraus die Einwohner verschiedener Planeten, ja sogar die
Von Carl Witt, 85
Tiere und Pflanzen gebildet sind, muss überhaupt um desto leichterer
und feinerer Art und die Elasticitat der Fasern samt der vorteilhaften
Anlage ihres Baues um desto vollkommener sein nach dem Maße, als
sie weiter von der Sonne abstehn."
Der Unterschied in dem Gewebe der leiblichen Hülle kann aber
für den Geist nicht ohne bedeutsame Folgen sein, wie die an Körper
und Geist gleichzeitig eintretenden Veränderungen beweisen, welche der
Mensch in der Folge seiner Lebensalter durchmacht. „Nach dem Maße,
als der Körper des Menschen sich ausbildet, bekommen die Fähigkeiten
seiner denkenden Natur auch die gehörigen Grade der Vollkommenheit
und erlangen allererst ein gesetztes und männliches Vermögen, wenn
die Fasern seiner Werkzeuge die Festigkeit und Dauerhaftigkeit über-
kommen haben, welche die Vollendung ihrer Ausbildung ist.* Ander-
seits „Wenn das hohe Alter durch den geschwächten Umlauf der Säfte
nur dicke Säfte kocht, so erstarren die Kräfte des Geistes in einer
gleichen Ermattung u. Ferner „ist aus den Gründen der Phychologie
ausgemacht, dass vermöge der jetzigen Verfassung, darin die Schöpfung
Seele und Leib von einander abhängig gemacht hat, die erstere nicht
allein alle Begriffe des Universi durch des letzteren Gemeinschaft und
Einfluss überkommen muss," — wir würden ja von der Welt gar keine
Kenntnis haben, wenn wir nicht mit unseren fünf Sinnen an ihr um-
hertasteten — „sondern dass auch die Ausübung seiner Denkungskraft
selber auf dessen Verfassung ankommt und von dessen Beihilfe die
nötige Fähigkeit dazu entlehnet.* Dieselbe Seele, die wir vom ersten
Bewusstsein als unser Ich kennen, wenn sie in einen anders gearteten
Leib gebettet wäre, würde mit einer anderen Fähigkeit und Leichtigkeit
zu denken ausgerüstet sein. Und zwar — nach Kant's Meinung —
je gröber der Stoff des Leibes, an den wir gebunden, desto weniger
deutlich die Wahrnehmungen, weil sie durch ein trübes Medium ihren
Weg nehmen, desto mehr Widerstand findet die geistige Thätigkeit,
desto mühsamer wird diese, desto geringer unsere Neigung, uns damit
zu befassen. Wo dagegen der Körperstoff von feinerem Gewebe, das
Gehirn von lebhafterer Empfindlichkeit ist, da wird das wertvollere Roh-
material der Sinne von der Seele leichter in die höheren Formen des
gg Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne,
Geistes verarbeitet. Da nun, je näher ein Planet der Sonne, der Körper
denkender Wesen um so mehr durch eine handfeste, aber darum auch
rohere Zusammensetzung gegen die Gewalt der Sonnenwärme geschützt
werden musste, so schliesst Kant, die Bewohner des Merkur möchten
wohl unter allen die geistig schwerfälligsten, dumpfesten sein, während
die des Jupiter nicht nur diese, sondern auch uns Erdwesen an „Hurtig-
keit der Gedanken, Klarheit der Vorstellungen, Lebhaftigkeit des Witzes,
Umfang und Genauigkeit des Gedächtnisses" bei weitem übertreffen
müs8ten. „Welch ein verwunderungswürdiger Anblick!" ruft er aus,
„auf der einen Seite sehn wir denkende Geschöpfe, bei denen ein Grön-
länder oder Hottentotte ein Newton sein würde, auf der andern andere,
die diesen nur als einen" — ungewöhnlich begabten — „Affen ansehn",
wie es bei Pope heisst:
„Jüngst sahn die hohem Wesen, dass ein Mann,
Ein irdischer das Weltgesetz ersann,
Da dünkt sie Newton ganz so wunderbar,
Wie etwa uns ein kluger Affe war".
Eine Bestätigung ijär die geistigen Vorzüge der Jupitersbewohner
findet Kant in der Einrichtung, dass dort der Wechsel von Tag und
Nacht in zehn Stunden vollendet ist. „Was würde der Bewohner der
Erde, wenn er auf den Jupiter versetzt würde, bei dieser Einteilung
wohl anfangen? fünf Stunden würden zu derjenigen Ruhe nicht zureichen,
die diese grobe Maschine zu ihrer Erholung durch den Schlaf braucht.
Was würde ferner die Vorbereitung zu den Verrichtungen des Wachens,
das Kleiden, die Zeit, die zum Essen angewandt wird, nicht für einen
Anteil an der folgenden Zeit abfordern und wie würde eine Creatur,
deren Handlungen mit solcher Langsamkeit geschehn, nicht zerstreut
und zu etwas Tüchtigem unvermögend gemacht werden, deren fünf
Stunden Geschäfte plötzlich durch die Dazwischenkunft einer ebenso
langen Finsternis unterbrochen würden ? Dagegen wenn Jupiter von voll-
kommeneren Creaturen bewohnt ist, die mit einer feineren Bildung mehr
elastische Kräfte und eine grössere Behendigkeit in der Ausbildung ver-
binden, so kann man glauben, dass diese fünf Stuuden ihnen eben dasselbe
und mehr sind, als was die zwölf Stunden des Tages für die niedrige
Klasse der Menschen betragen41.
Ton Carl Witt. 87
Zu jenen Vorzügen der Jupitersbewohner meint Kant auch den
eines längeren Lebens gesellen zu dürfen. „Es ist zu glauben, dass,
obgleich die Vergänglichkeit auch an den vollkommensten Naturen nagt,
dennoch der Unterschied in der Feinigkeit des Stoffes, in der Elasticität
der Gefässe und der Leichtigkeit und Wirksamkeit der Säfte, woraus
jene vollkommeneren Wesen gebildet sind, die Hinfälligkeit, welche eine
Folge aus der Trägheit einer groben Materie ist, weit länger aufhalten
und diesen Creaturen eine Dauer, deren Länge ihrer Vollkommenheit
proportionirt ist, verschaffen werde, sowie die Hinfälligkeit des Lebens
der Menschen ein richtiges Verhältnis zu ihrer Nichtswürdigkeit hat".
Wenn nun die denkenden Naturen auf den Planeten sich nach ihrer
leiblichen und geistigen Verfassung so wesentlich unterscheiden, so muss
auch ihr Verhalten zu dem moralischen Gesetz, ihr sittliches Thun und
Handeln unter dem Einfluss ihres Ortes im Weltraum stehn. Denn
unsere sittlichen Entscheidungen zwischen dem Angenehmen und Guten
sind das Besultat eines inneren Kampfes: auf der einen Seite stehn die
sinnlichen Beizungen und die Leidenschaften, auf der anderen das Wissen
m
von den unbedingten Ansprüchen, welche die sittlichen Forderungen auf
unsern Gehorsam haben, das Gewissen. Je heftiger die ersteren auf
uns eindringen, desto schwerer fällt es ihren Andrang siegreich abzu-
wehren; in je grösserer Klarheit das Becht der anderen vor unserem
Bewusstsein steht, desto mehr dürfen wir hoffen, in der Stunde der
Versuchung ihre Gegner niederzuwerfen, wie denn im Alterthum gesagt
worden, dass, wenn wir die Tugend in solcher Leibhaftigkeit wie ein
sinnliches Gebilde im Glänze ihrer erhabenen Schönheit sehn könnten,
wir nicht unterlassen würden, ihr allein die Ehre zu geben. Nun lehrt
uns die Erfahrung schon innerhalb verhältnismässig so geringer Klima-
differenzen, wie sie die Erde bietet, dass nicht blos die feurigen Weine,
sondern auch die menschlichen Leidenschaften um so üppiger gedeihn,
je heisser die Sonne ihre Strahlen auf den Boden herabschiesst, und
Shakespeare macht uns die wilde Eifersucht seines Othello nicht zum
wenigsten dadurch wahrscheinlich, dass er als ihren Träger einen Afrikaner
vorführt. Wieviel mal grösser muss daher die Macht der Leidenschaften,
welche die Sonne brüten hilft, auf dem Merkur als dem Jupiter sein,
gg Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne.
zumal da der Damm geistiger Einsicht und Besonnenheit, der ihr Bette
einzuengen bestimmt ist, auf jenem so schwach, auf diesem so kräftig ist!
Kant wirft die Frage auf, „ob die Sünde auch auf den andern
Kugeln des Weltbaus ihre Herrschaft ausübe oder die Tugend allein
ihr Regiment daselbst aufgeschlagen habe*, wie einer von Kant's
Lieblingsdichtern, Haller, sagt:
„Die Sterne sind vielleicht der Sitz verklärter Geister,
Wie hier das Laster herrscht, ist dort die Tagend Meister".
Da wir die Uebertretung des moralischen Gesetzes als Sünde bezeichnen,
sofern jene als Verletzung des göttlichen Gebotes betrachtet und dem-
gemäss an die Strafe gedacht wird, welche Gott darauf gesetzt, so
können wir uns über diese Frage an dem Verfahren des menschlichen
Strafrichters ins Klare setzen. Dieser hat, mit welcher Macht des
Strafgesetzes er auch ausgerüstet sein mag, über zwei Arten der Menschen
keine Gewalt: einmal über diejenigen, welche sich unverbrüchlich inner-
halb der Schranken des Gesetzes halten, dann aber auch über solche,
welche sich nicht im Besitz derjenigen Geisteskräfte befinden, die es
möglich machen, die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem zu
erkennen und das letztere zu meiden. Jene sind vorwurfsfrei, diese
unzurechnungsfähig. Nach dieser Analogie entscheidet sich Kant dahin,
dass das Gebiet der Sünde sich wie über die Erde so auch vielleicht
über den Mars erstrecke, die Bewohner der unteren, sonnennäheren
Planeten aber als unzurechnungsfähig, die der oberen als vorwurfsfrei
ohne Sünde seien. Mit Entzücken malt er sich daher die moralische
Verfassung der Jupitersbewohner aus: „Welche schöne Folgen wird die
Erleuchtung der Einsichten, wie sie den glückseligen Wesen der obersten
Himmelssphären gegönnt ist, auf ihre sittliche Beschaffenheit haben!
Die Einsichten des Verstandes, wenn sie die gehörigen Grade der Voll-
ständigkeit und Deutlichkeit besitzen, habeu weit lebhaftere Reizungen
als die sinnlichen Lockungen an sich und sind vermögend diese zu be-
herrschen und unter den Fuss zu treten. Wie herrlich wird sich die
Gottheit, die sich in allen Geschöpfen malt, in diesen denkenden Naturen
malen, welche als ein von den Stürmen der Leidenschaften unbewegtes
Meer ihr Bild aufnehmen und wiederstrahlen!"
Vou Carl Witt. 89
Aber diese Seligkeit sollte ohne ihr Verdienst den Jupitersbewohnern
zugefallen sein, während wir Menschen und die Bürger des Mars, weil
wir die ungunstigste Stelle in der Planetenwelt einnehmen, unter dem
Joche der Sünde seufzen? Dieser Gedanke musste Kant mit der
Gerechtigkeit Gottes unvereinbar erscheinen. Daher eröffnet er uns
eine Aussicht, welche niemals zu allgemeiner Annahme gelangt, aber
seit uralten Zeiten immer wieder aufgetaucht und vielen denkenden
Menschen als die einfachste und schönste Lösung eines grossen Problems
erschienen ist: die Wanderung der Seelen über eine Stufenfolge von
Sternen. , Sollte wohl die unsterbliche Seele" sagt er, „in der ganzen
Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die das Grab selber nicht unter-
bricht, sondern nur verändert, an diesen Punkt des Weltraums, an
unsere Erde jederzeit geheftet bleiben? Sollte sie niemals von den
übrigen Wundern der Schöpfung eines näheren Anschauens teilhaftig
werden? Vielleicht ist es ihr zugedacht, dass sie dereinst jene ent-
fernten Kugeln des Weltgebäudes und die Trefflichkeit ihrer Anstalten,
die schon von weitem ihre Neugierde reizen, von nahem sollte kennen
lernen. Wer weiss, laufen nicht jene Trabanten um den Jupiter, um
uns dereinst zu leuchten". Aber auch die herrlichsten Formen eines
sinnlich-geistigen Daseins haben nur den Wert einer weiteren und höheren
Vorbereitung, endlich muss jede leibliche Hülle abfallen. „Nachdem die
Eitelkeit ihren Anteil an der menschlichen Natur wird abgefordert haben,
so wird der unsterbliche Geist mit einem schnellen Schwünge sich über
alles, was endlich ist, emporschwingen, und in einem neuen Verhältnis
gegen die ganze Natur, welches aus einer näheren Verbindung mit dem
höchsten Wesen entspringt, sein Dasein fortsetzen. Forthin wird diese
erhöhete Natur, welche die Quelle der Glückseligkeit in sich selber hat,
sich nicht mehr unter den äusseren Gegenständen zerstreuen, um eine
Beruhigung bei ihnen zu finden".
Dies der wesentliche Inhalt von Kant's Gedanken über die Bewohner
der Gestirne, wie er sie in der Naturgeschichte des Himmels vorträgt.
In einer viel späteren Schrift, der Anthropologie, kommt er gleichfalls
auf die vernünftigen Wesen anderer Planeten zu sprechen, doch sagt er
von ihnen nur: Menschen können sie nicht sein, aber wie sie beschaffen,
ÖO Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirne. Von Carl Witt.
wissen wir nicht. Von dem früheren positiven Standpunkte hat er sich
also ganz auf den negativen zurückgezogen. Die ältere Behandlung
des Gegenstandes trägt eben den Charakter einer genialen Jugendlich-
keit. Sein Genie offenbart sich in den sehr hypothetischen, aber doch
fast natürlich und zuverlässig auseinander herfliessenden Folgerungen,
die er aus wenigen Vordersätzen zieht; seine Jugendlichkeit aber in
dem Mute und Selbstvertrauen, womit er die Abgründe zwischen unseren
irdischen Erfahrungen und dem geistig-moralischen Leben auf nie be-
suchten, Millionen von Meilen entfernten Planeten zu überbrücken unter-
nimmt. Wie es in der wunderbar hohen Begabung Kant's überhaupt
lag, seinem Denken den weitesten Horizont zu geben und das Senkblei
am liebsten in die grössten Tiefen hinab zu lassen, so hatte auch der
in die Unendlichkeit sich verlierende Sternenhimmel schon von Anfang
seiner Denkerlaufbahn ihm gleich sehr Gemüt und Phantasie mächtig
erregt. Darum konnte er in dem Buche, wo er seine Ansichten über
die erste Bildung der Himmelskörper, ihre Anordnung und Bewegungen
ausgesprochen, es sich nicht versagen, auch die geistige Welt auf ihnen
wenigstens der Phantasie näher zu führen. Der Boden, aus dem seine
gewagten Vermutungen Nahrung zogen, ist, glaube ich, am deutlichsten
bezeichnet in einigen Zeilen am Ende der Naturgeschichte, welche —
wie es nicht zu selten in seinen Schriften vorkommt — gleich einer
blühenden Insel sich von dem Meere des für gewöhnlich streng wissen-
schaftlich und nüchtern gehaltenen Stils abheben:
„Der Anblick eines bestirnten Himmels bei einer heitern Nacht
„giebt eine Art des Vergnügens, welches nur edle Seelen empfinden.
„Bei der allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der Sinne
„redet das verborgene Erkenntnisvermögen eine unnennbare Sprache
„und giebt un ausgewickelte Begriffe, die sich wohl empfinden, aber
„nicht beschreiben lassen".
K&iiigsberger
Hirclienliederdichter und Kireheiikoniponisteii.
Vortrag,1)
gehalten am 16. Februar 1885 im Saale des Landeshanses zu Königsberg in Pr.
von
Prof. Dr. Friedrich Zinimer.
Hochgeehrte Versammlung!
Es ist ein in vielfacher Beziehung klassischer Boden, auf dem wir
in der Haupt- und Residenzstadt Königsberg uns befinden. Ueberall
ist Königsberg bekannt als die Krönungsstadt für Preussens Könige,
als Heimstatte vieler hochangesehener Gelehrten, als Geburtsort der
ueueren Philosophie. Weniger oft denkt man daran, dass auch Poesie
und Musik, insonderheit die kirchliche Dichtung und Tonkunst, in unserer
Stadt lange Zeit in ganz hervorragender Weise Pflege und Förderung
!) Im Auscbluss an den hier abgedruckten Vortrag folgten Sologesänge von
Compositionen von Kugelmann, Albert, Weichmann, Sebastiani, Sobolewski und Götz;
Tags vorher fand in der Domkirche eine Kirchenmusik statt, bei welcher nur Com-
positionen von Königsberger Tonsetzern aus der Blütezeit der „Preussischen Tonschule"
vorgeführt wurden. Bei dem geschichtlichen Interesse beider Programme und bei
dem Zusammenhange dieser Aufführungen mit dem obigen Vortrage erschien es er-
wünscht, die Programme in der Anlage beizufügen.
Die Quellen für die Geschichte der Kirchenmusik in Königsberg bietet in
aasgezeichneter Vollständigkeit die der Königl. und Universitätsbibliothek einverleibte
Bibliothek des im Jahre 1858 verstorbenen Gymnasialdirektors Gotthold. Vgl. den
Katalog derselben: „Jos. Müller, dio musikalischen Schätze der Kgl. und Universitäts-
bibliothek zu Königsberg in Pr. Bonn 1870." An Literatur sind vor allem zu
nennen: Carl von Winterfeld, der evangelische Kirchengesang und sein Verhältniss
zur Kunst des Tonsatzes. 3 Bände. Leipzig 1843—47 und G. Döring, zur Geschichte
der Musik in Preussen. Elbiog 1852. Die für die Geschichte der kirchlichen Dich-
tung in Betracht kommende stellt grösstenteils zusammen: Jacoby, Dach und die
prenssische Dichterschule, in Herzogs Eealencyklopädie. 2/Aufl. Bd. in. S. 432—439.
92 Königsberger Rirchenüederdichter und Kirchenkomponisten.
gefunden haben, ja dass vielleicht nirgends wieder so, wie hier einmal,
Dichter und Komponisten mit und für einander gearbeitet und dadurch
nachhaltig und tief auf Literatur und Musikpflege, besonders aber auf
den evangelischen Eirchengesang im ganzen Vaterlande eingewirkt haben.
Wenn ich Sie einlade, diesem besonderen Zweige Königsberger
Kulturarbeit jetzt für eine Weile Ihr Interesse zuzuwenden, so bitte ich
von vornherein, von dieser flüchtigen Stunde nicht mehr erwarten zu
wollen, als sie bei der Fülle des zu verarbeitenden Stoffes bieten kann,
also lediglich eine kurze Darstellung des Wichtigsten aus Leben und
Wirken der Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten
unter Beifügung charakteristischer Proben ihres Schaffens. Eine wissen-
schaftlich durchgeführte Verknüpfung der hier zu nennenden Thatsachen
und Strömungen mit dem damit teils in ursächlichem Zusammenhange,
teils in Wechselwirkung stehenden so mannigfaltigen Getriebe der gleich-
zeitigen weit-, kirchen- und lokalgeschichtlichen Ereignisse und des
kulturellen Lebens kann kaum in einzelnen Hauptzügen versucht werden.
Aus der Zeit vor derBeformation haben wir nur ganz spärliche
Nachrichten über die Pflege der kirchlichen Tonkunst*) in Königsberg.
Wir wissen nur, dass die Domkirche bereits um die Mitte des 14. Jahr-
hunderts im Besitze einer Orgel war, und dass bei der Gründung des
Kneiphöfschen Gymnasiums 1381 die Bürgerschaft verpflichtet wurde,
„den Kindern einen wissenden, redlichen Schulmeister zu setzen, der
ihnen allerlei freie Künste nach Gewohnheit der Schule in der Altstadt
zu Elbing lehre und seinen Chor mit Gesang halte11. Dies war die Nach-
wirkung der Anordnung, die schon ein halbes Jahrhundert vorher der
selbst als Dichter und Musiker thätige Hochmeister des deutschen Ordens,
Luther von Braunschweig (1331—1335) getroffen hatte, dass die Schul-
jugend am Kirchengesange sich betheiligen solle. Was aber und wie
damals hier gesungen worden ist, davon ist keine Kunde mehr zu
uns gelangt.
s) Von kirchlicher oder volkstümlich- geistlicher Dichtung vor der Reformation
finde ich keine Spuren, auch nicht bei Toppen, „Volkstümliche Dichtungen, zunächst
aus Handschriften des 15., 16. u, 17. Jahrhunderts gesammelt" Altpr. Monatsschrift
Bd. IX. 1872. S. 289 ff.
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. 93
Ein ganz neuer und hochbedeutender Aufschwung für die Pflege
geistlicher Dichtung und Musik begann für Königsberg mit der Ein-
führung der Reformation. Der erste evangelische Landesfürst, Herzog
Albrecht, hatte eine grosse Vorliebe für den evangelischen Kirchen-
gesang und ist vielleicht selbst der Dichter eines Glaubensliedes, das
er eigenhändig in ein auf der hiesigen Königl. Bibliothek befindliches
Katechismus- und Gesangbuch eingeschrieben hat8). Die ersten beiden
preussischen Gesangbücher, 1527 erschienen, sind wohl nicht ohne sein
Zuthun herausgegeben4). (Beiläufig: Eine Notendruckerei gab es da-
mals so wenig in Königsberg wie gegenwärtig — ganz entgegen dem
17. Jahrhundert, wo hier mehrere vielbeschäftigte derartige Officinen
bestanden — . Da man aber damals ein Gesangbuch sich nicht ohne Noten
denken konnte — ungefähr umgekehrt wie heute — so sind in jenen
beiden Gesangbüchern die Notenlinien gedruckt und die Notenköpfe selbst
handschriftlich eingefügt.)
Wenigstens von einer 1558 veröffentlichten Kirchenordnung für die
evangelische Kirche ist es bekannt, dass er selbst sie mit seinen
Theologen ausgearbeitet hat. Darin wird, ganz der Praxis Luthers ent-
sprechend, der lateinische Chorgesang noch ferner gestattet „vm vbung
willen der Jugentu; jedoch werden für die deutsche Messe nicht nur
eingehende Vorschriften gegeben unter Nennung bestimmter für die ein-
zelnen Gottesdienste geeigneter „deutscher Psalmen vnd Gesenge",
sondern es wird auch der deutsche Gemeindegesang allgemein herzustellen
gesucht. Denn es heisst — mit einer Vorschrift, die bei der heutigen
Melodienarmut unserer Gemeinden Nachahmung verdiente — : „Wenn
aber das Volck solche gemelte Teutsche geseng nicht zuvor kundte,
sollens die Pfarrherrn sampt jren Schulmeistern anrichten zu lernen vnd
sonderlich derhalben fleis bei der Jugent fürwendenu.
*) Der Titel des ersten Werkes des Sammelbandes heisst „Enchiridion, der kleine
Katechismus für die gemeinen Pfarher ic."
4) „Etlich geseng | dadurch Qot ynn der ge | benedeiten muter Christi | und
Opferung der wey | sen heyden, Auch |ym Syraeone, al|len heyigen vnn | Engeln ge|
lobt wirt | Alles auß grundt | götlicher schlifft :c" — „Etliche newe | verdeutschte
mnd ge| machte ynn göttlicher | schrifft gegründte Christliche Hymnus vn ge|
seng, wie die am ennd derselben yn eynem | sonderlichen Rejgister gefunden | werden.
Q4 Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
Aber der Herzog sorgte nicht nur für die Erlernung der neuen
Weisen, sondern regte auch die Dichtung und Komposition neuer Kirchen-
lieder an. Ausdrücklich wird uns das von dem schönen Lobliede be-
richtet: „Nun lob' mein7 Seel1 den Herren". Martin Chemnitz, der nach
der zeitweiligen Auflösung der Wittenberger Universität sechs Jahre lang
als Bibliothekar des Herzogs hier in Königsberg lebte, erzählt uus darüber:
„Es hat der weiland durchlauchtige hochgeborene Fürst und Herr,
Albrecht, Herzog in Preussen, diesen (103.) Psalm für anderen allezeit
lieb und werth gehalten, auch denselben durch den gottesgelahrten,
ansehnlichen, wohlberühmten Mann, Johannein Poliandrum, lassen ge-
sangsweise in gute schöne deutsche Verse bringen, unter einem freudigen
Tenor, welcher, eben wie die Worte lauten, auch durch den Gesang
das Herz erwecken und aufmuntern mag. Wie derselbe denn fast in
allen unseren Kirchen also gesungen wird". Dies in Königsberg auf
seine unmittelbare Veranlassung gedichtete und komponierte Lied war
dem Herzog besonders theuer. Chemnitz berichtet weiter: „Ich denke
oft mit Lust und Freuden daran, wie ich selbst gesehen und gehört,
da der fromme alte Herr auf seinem Siechbettlein lag, dass jederzeit
dieser Psalm nach aller Musik das letzte Stück sein musste, da S. Fürstl.
Gnaden selbst die Worte mit grosser Andacht und sonderlicher Bewe-
gung des Herzens mitsang und dann aus den Worten schöne gottselige
Gedanken nahm". Und es hat ihm mancher nachgesungen, dem „alten
seligen Herzog", bis heute ist's ein Lieblingslied in vielen Gemeinden
des ganzen Vaterlandes geblieben, wenn auch wegen der einfacheren
Strophenform allmählich das bekanntere „Nun danket alle Gott" an
seine Stelle getreten ist. Aber wie jetzt dieses, so wurde früher jenes
Königsberger „Nun lob' mein' Seel' den Herren" in grossen geschicht-
lichen Momenten als Ausdruck der Dankesfreude gegen Gott angestimmt.
So wurde der Friedensschluss des dreissigjährigen Krieges verkündet
unter den Klängen dieses Liedes:
Nun loV mein1 Seel1 den Herren,
Was in mir ist, den Namen sein!
Sein Wohlthat thut er mehren,
Vergiss es nicht, o Herze mein!
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. 95
Hat dir dein1 Sund1 vergeben
Und heilt dein1 Schwachheit £roß;
Errett't dein armes Leben,
Nimmt dich in seinen Schooß,
Mit rechtem Trost beschüttet,
Verjüngt dem Adler gleich.
Der Kön'g schafft Recht, behütet
Die Leidenden im Reich.
Gedichtet — wie wir hörten auf des Herzogs Veranlassung — - ist
das Lied von Johann Gra(u)raann, genannt Poliander, der von
1529 bis 1541 Pfarrer an der altstädtischen Kirohe hier war. Ein ge-
borner Baier, 1487 zu Neustadt geboren, in Leipzig, wo er studiert hatte,
zum Doctor der Theologie promoviert und Rektor der Thomasschule
geworden, soll er bei der bekannten Disputation zwischen Luther und
Eck des letzteren Amanuensis gewesen, aber durch des Gegners Lehre
alsbald gewonnen worden sein. Jedenfalls wandte er sich — seines
evangelischen Bekenntnisses halber seines Amtes entsetzt — nach Witten-
berg und wurde von Luther an Herzog Albrecht empfohlen, der ihn
nach Königsberg zog. Hier hat er anderthalb Decennien in Segen ge-
wirkt, in bewegter Zeit ein friedlicher, doch fester Mann. Von anderen
seiner Dichtungen ist wenig auf uns gekommen6).
Sein Vorgänger im Pfarramt der Altstadt wie in der kirchlichen
Dichtung war der freimütige und glaubenskühne Paul von Spretten
oder Speratus, den Markgraf Albrecht schon 1524 auf Luthers
Empfehlung nach Königsberg berufen hatte. Speratus, am 13. Dezbr. 1484
geboren — seine Säkularfeier hat Königsberg vor zwei Monaten ver-
gessen — entstammte einem schwäbischen Adelsgeschlecht und hatte
sich in Frankreich und Italien gebildet. Durch Luthers Lehre gewonnen,
predigte er im Januar 1522 in der Stephanskirche zu Wien freimütig
den evangelischen Glauben, wurde in Folge dessen mehrfach gefangen
gesetzt und selbst zum Feuertode verurteilt. Doch entging er dem-
selben und kam nach Wittenberg zu Luther und durch diesen hierher
nach Königsberg als Hofprediger des Fürsten. Von 1530 bis zu seinem
6) Wackernagel, das deutsche Kirchenlied, III, 823 teilt nur noch ein zweites
Lied von ihm mit.
Qg Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
1551 erfolgten Tode lebte er als Bischof von Pomesanien in Marien-
werder, wo er auch begraben ist.
Von Speratns enthält das erste evangelische Gesangbuch, 1524 in
Wittenberg mit nur acht Liedern erschienen, drei Lieder. Aber nur
eines von diesen ist im kirchlichen Gebrauch bis heute geblieben und zwar
das Lied, das allezeit als das eigentliche evangelische Bekenntnislied
gegolten und als solches auch seine geschichtliche Bedeutung und Wirk-
samkeit gehabt hat. Als man in der Pfalz zögerte die Reformation
einzuführen, und die Priester in der Hauptkirche von Heidelberg nach
wie vor den Gottesdienst katholisch und lateinisch abhielten, stimmte
eines Sonntags die Menge das Lied von Sperätus an und erzwang damit
die Einfuhrung der neuen Lehre und des. neuen Cultus. Das Lied beginnt:
Es ist das Heil uns kommen her
Von GnacT and lauter Güten;
Die Werke helfen nimmermehr,
Sie mögen nicht behüten.
Der Glaub1 sieht Jesum Christum an,
Der hat g'nug für ans all' gethan,
Er ist der Mittler worden.
Ohne dichterischen Schwung, aber mit Klarheit, Einfachheit und
Kraft wird hier die evangelische Lehre ausgesprochen, und es lässt sich
wohl begreifen, wie das Lied in der Reformationszeit so tief hat ein-
wirken können.
Zwei Königsberger Dichter waren es also, die der Reformations-
kirche hervorragende Kleinodien der kirchlichen Liederdichtung geschenkt
haben, die noch heute nicht vergessen sind.
So finden wir schon zur Reformationszeit mehr als verheissungs-
volle Anfänge der Kirchenliederdichtung in Königsberg. Auch die An-
fänge der preussischen Tonschule fallen bereits in jene Zeit. Der Erst-
ling ist Johann Kugelmann, Kapellmeister des Herzogs Albrecht,
dem unsere Kirche wahrscheinlich die schöne Choralmelodie „Allein
Gott in der Höh1 sei' Ehr" verdankt und der den „freudigen Tenor",
welcher nach M. Chemnitz' vorher genanntem Ausspruch „eben wie die
Worte lauten, auch durch den Gesang das Herz erwecken und ermuntern
mag", gefunden hat zu dem Gramann'schen Liede „Nun lob1 mein1 Seel'
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. 97
den Herren". Herzog Albrecht gab eine Sammlung werthvoller Kompo-
sitionen dieses seines Kapellmeisters 1540 in Augsburg in Druck. Die-
selbe ist, soweit bis jetzt bekannt, das älteste preussische Choralbucb,
und enthält dreissig Tonsätze von Kugelmann, davon die Mehrzahl
(26 Gesänge) in dreistimmiger Bearbeitung, 'die mit dem besonderen
Namen „Cantus Prussiae" bezeichnet werden.
Kugelmann ragt nicht an seinen grossen Nachfolger Eccard heran ;
er beginnt und versucht erst, was jener, vollendet. Immerhin sind seine
Tonsätze auch für uns noch beachtenswert, sanglich in den Einzel-
stimmen, im ganzen wohllautend in der Harmonie und durchdacht in
der ganzen Behandlungsweise. Der nachher als Probe mitzuteilende
Choralsatz über das Lutherlied „Ein' feste Burgu ist ein bezeichnendes
Beispiel. Die Melodie liegt hier in der Unterstimme. Offenbar war
die gewaltige Kraft der Worte wie der Weise das Motiv für den Ton-
setzer, die Melodie nicht Frauenstimmen, sondern dem markigen Basse
zu übergeben.
Kugelmann's nächste beiden Nachfolger9) kommen ihm nicht gleich,
noch weniger aber dem ihnen folgenden grossen Eccard, dem Begründer
und Haupt der preussischen Tonschule.
Wohl einzig stehen in der Geschichte des evangelischen Kirchen-
gesanges zwei deutsche Städte da: Mühlhausen in Thüringen und unser
Königsberg, beide durch mehrere Generationen die Heimstätte der be-
deutendsten Kirchenkomponisten : Mühlhausen geziert durch die Namen
Joachim a Bnrgk, Eccard, Johann Georg und Johann Rudolph Ahle,
sowie Sebastian Bach ; Königsberg bis nach Italien und Holland hinein
bekannt als Wohnort von Eccard, Stobaeus, Albert, dem hellen Drei-
gestirn erster Grösse, und ihren vielen minder bedeutenden Zeitgenossen
und Nachfolgern. Zwischen diesen beiden Vororten der deutsch -
evangelischen Kirchenmusik im 16. und 17. Jahrhundert nun ist Eccard
das verbindende Glied.
6) Es waren Magister ürban Störmer, zugleich Professor der Eloquenz an
der Universität, vordem Schalmeister zu Thora, und nach ihm Theodor Riccio
ans Breeda, von dem noch fünf- and mehrstimmige Motetten mit lateinischem Text
«halten sind, der aber so sehr Italiener geblieben ist, dass er, so viel wir wissen,
niemals ein deutsches Wort in Musik gesetzt hat.
Altpr. MeMtMchrifl Bd. XXIL Hft. 1 u. 2. 7
gg Königtb erger Kirchenllederdichter und Kirchenkomponisten,
Diesem hochbedeutenden Komponisten von {Gottes Gnaden ist es
nicht anders gegangen wie Johann Sebastian Bach: ei- war durch lange
Jahre völlig vergessen, und noch heute wird er vermutlich manchem
Gebildeten unserer Stadt ganz unbekannt sein. Hat doch selbst der
kenntnisreiche Geschichtschreiber der Musik in Altpreussen, der frühere
Elbinger Musikdirektor Döring noch vor vierzig Jahren nur durch ein
gluckliches Ungefähr Eccard's Festlieder in die Hand bekommen, und
ist erst durch die hohe Verehrung, mit der in der Vorrede dieses Werkes
in der Bearbeitung seines Schülers Stobaeus von ihm als einem
„Fundamentaldiseipul des weltberühmten Orlando Lasso" die Eede ist,
auf seine Bedeutung aufmerksam geworden. Das Verdienst Eccard's
Namen und Werke wieder an das Licht gezogen und gewürdigt zu haben,
gebührt aber dem gediegenen Geschichtschreiber des evangelischen
Kirchengesanges, Carl v. Winterfeld, auf dessen Ausführungen ich hier-
mit dankbar hinweisen möchte.
Johannes Eccard, 1553 in Mühlhausen in Thüringen geboren,
war als Jüngling wohl in seiner Vaterstadt ein Schüler des bekannten
Meisters Joachim a Burgk, neben dem er später eine Zeit lang in seiner
Vaterstadt gewirkt hat, befreundet zugleich mit dem Dichter Ludwig
Helmbold. Die für seine musikalische Bildung entscheidende Unter-
weisung aber erhielt er in München als Schüler und Gehülfe des Orlandus
Lassus, mit dem er wahrscheinlich eine Beise nach Paris an den Königshof
machte. Auch in Venedig scheint er gewesen und mit den Häuptern
der grossen italienischen Tonschule jener Zeit, Gabrieli, Merulo und
Zarlino in persönliche Beziehung gekommen zu sein. Vor seiner Berufung
nach Königsberg war er in Regensburg Musiker im Dienste des grossen
Handelsherrn Jacob Fugger. Wann 'er nach Königsberg gekommen ist,
wissen wir nicht, jedenfalls nicht erst 1583 wie man gewöhnlich annimmt,
denn schon von 1581 an haben wir von ihm in Königsberg gedruckte
Gelegenheitskompositionen. Bis 1603 heisst er „fürstlicher Durchlaucht
in Preussen Musikus und Vice-Kapellmeister". Wirklicher Kapellmeister
wurde er wohl 1604, blieb aber als solcher nur drei Jahre in Königsberg,
da ihn der Kurfürst 1607 zur Reorganisation seiner Musikkapelle unter
ehrenvollen Bedingungen nach Berlin berief. Dort ist er 1611 gestorben.
Von Prof. Dr. Friedrieh Zimmer. 99
Seine Hauptwerke hat Eecard in Königsberg herausgegeben und
grösstenteils auch hier geschrieben. Es sind: „Newe Lieder mit fünff
vnd vier Stimmen gantz lieblich zu singen vnd auff allerley Instrumenten
zu gebrauchen", erschienen 1589. „Geistliche Lieder Auff gewöhnliche
Preussische Eirchen-Melodeyen durchauß gerichtet vnd mit fünff Stimmen
componiret", im Auftrage des Markgrafen Georg Friedrich seit 1586 be-
gonnen und 1597 in zwei Teilen herausgegeben; endlich die beiden
Teile der „Preussischen Pestlieder mit 5, 6, 7 oder 8 Stimmen", ein
Jabr später veröffentlicht ebenfalls in zwei Teilen7).
Es kann nicht meine Aufgabe sein, den Entwickelungsgang dieses
grossesten der preussischen Tonmeister darzulegen. Auch wäre das
völlig unmöglich bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung, wo wohl
ein reiches, aber noch nicht durchgearbeitetes Material vorliegt, und alle
Nachfolger noch ausschliesslich auf den Schultern v. Winterfells stehen,
der Eecard erst wieder entdeckt hat. Ebenso wenig kommt es für unseren
Zweck in Betracht hervorzuheben, was Eecard für die ausserkirchliche
Musikpflege gethan hat, wenngleich es zur vollen — und ich darf hin-
zusetzen: zur ehrenden — Charakteristik des Meisters mit gehört, ihn
zu beobachten, wie er sich im weltlichen Liede bewegt und wie er zur
gelegenen Zeit auch das Lob des Weines zu singen weiss. Hier handelt
es sich nur darum, was hat er für die kirchliche Musik geleistet. Und
die Antwort darauf ist kurz die: er hat einen neuen, gleich kunstvollen
wie durchsichtigen und kirchlich brauchbaren Stil des Choralsatzes ge-
schaffen. In der Gegenwart pflegt man als die vollendeteste, nie wieder
erreichte und überhaupt unerreichbare Satzweise des Chorals diejenige
von Johann Sebastian Bach anzusehen, und ich bin weit entfernt die
eminente Bedeutung der Bach'schen Choralbearbeitungen irgendwie in
Frage stellen zu wollen, bekenne es vielmehr dankbar, dass ich mein
bischen musikalischer Bildung ganz wesentlich dem Studium gerade der
Bach'schen Choräle verdanke, begreife es auch vollkommen, dass Musiker
wie Robert Franz sich täglich wohl eine Stunde lang mit denselben
*) in Neuauagahen in Partitur sind von G. W. Tesohner im Verlage von
Breitkopf & Härte! in Leipzig die geistlichen Lieder von Eceard und die Festlieder
ton Eecard und Stobaeus in je zwei Binden erschienen.
7*
100 Königaberger Kirchenliederdichter and Kircheakomponisten.
beschäftigen. Trotzdem bin ich zweifelhaft geworden, ob die Satzweise
Eccard's und seines Schulers Stobäus nicht doch der Bach'schen über-
legen ist, sowohl an kirchlichem Charakter, wie selbst an künstlerischem
Werte. Darüber ein kurzes, begründendes Wort.
Vordem lag bei mehrstimmigen Tonsätzen die Melodie in der Regel
im Tenor, teils weil bei der Fülle von Tenorstimraen, die man in jener
Zeit noch hatte, und bei der Zusammensetzung der Chöre aus Knaben-
(nicht Frauen-) und Männerstimmen der Tenor wirklich die „führende14
Stimme bildete, teils weil es dem Motettenstile, in welchem noch in
der Reformationszeit Choräle und Lieder gesetzt wurden, am günstigsten
war, die Melodie in eine der Mittelstimmen zu legen, wo sie von den
andern mannichfaltig umspielt werden konnte. Als aber das evangelische
Gemeindeprincip auch im Kultus der neuen Kirche zum Durchbruche
kam und die Gemeindeglieder die Choräle nicht bloss hören, sondern
mitsingen wollten6), da war die nächste, natürliche Folge, dass man für die
Bearbeitung der Choralmelodieen nicht mehr den Motettenstil, sondern
den Choralstil anwandte, d. h. die MeLodieen liedförmig setzte, also
ohne Wiederholung einzelner Textstücke und ohne willkürliche Pausen,
wie sie im Motettenstil gebräuchlich und berechtigt sind. Erst später,
aber mit gleicher innerer Notwendigkeit, kam man auch dazu, die Melodie
in die Oberstimme zu verlegen, wo sie an sich am deutlichsten her-
vortritt, und speciell den mitsingenden weiblichen Gemeindegliedern mehr
Halt gewähren konnte.
Diesen letzteren Schritt hatte mit ausführlicher und für die weitere
Entwickelung des Choralsatzes wichtig gewordener Begründung zuerst
der Nürnberger Lucas Osiander 1586 gethan. Ohne Zweifel war Eccard
mit diesem ersten Versuche reinen Choralsatzes bald bekannt geworden,
und wenn wir ihn schon in demselben Jahre mit den Vorarbeiten zu
seinen Festliedern beschäftigt finden, so dürfen wir annehmen, dass er
dieser Arbeit sich unterzog unter bewusster Stellungnahme gegenüber
der Osiander'schen Satzweise.
•) Auch Eccard's Festlieder sind nicht bloss vom Chore, sondern auch von der
Gemeinde mitgesungen. Das beweist Anlage und Vorrede der 1653 von J. Reinhard
besorgten Ausgabe derselben in Melodie und beziffertem Bass.
Von Prof. Dr. «Friedrich Zimmer. JQl
Oslander hatte die Choräle nach derselben Art — nur besser —
gesetzt, wie man sie auch heute zu setzen pflegt, nämlich so, dass die
Stimmen sämtlich gleichzeitig und gleichmässig mit der Melodie fort-
schreiten und für diese die harmonische Grundlage ausmachen. Er ist
somit der Schöpfer unseres homophon-harmonischen Choralsatzes. Aber
was unsern gegenwärtigen Tonsetzern vielfach ganz verborgen zu bleiben
scheint, empfand er doch schon recht gut, denn er klagt, dass man bei
dieser Satzweise „zwischen dem Choral im Discant, davon man kein1
Noten ändern darf, und zwischen dem Bass, dem man nicht gern, mit
Abwechslung der Concordanzen, sein' gravitatem und Lieblichkeit nehmen
will, gleich als zwischen zweien Gräben, in der Straßen bleiben rauss".
Diesem Mangel haben nun Eccard und nachher Bach, jeder auf
eigentümliche Weise, abzuhelfen gesucht. Bach kommt aus der Homo-
phonie zur Polyphonie, indem er unter völliger Beibehaltung des Schemas
der Osiander'schen Satzweise den begleitenden Stimmen durch individua-
lisierte Führung den Charakter selbständiger Stimmqn giebt. In dieser
Stimmenführung entwickelt er eine erstaunliche Kraft, die immer Be-
wunderung und Nachahmung hervorrufen wird. Aber gerade diese Art
der Behandlung hat auch ihre unläugbaren Mängel. Selbständigkeit
erlangt eine Stimme einer andern gegenüber nur durch selbständigen
Rhythmus. Bei Beibehaltung des homophonen Schemas nun, nach
welchem jede Nebenstimme dieselbe Silbe singt, wie die Führerin der
Melodie, kann die nötige Selbständigkeit des Rhythmus der Neben-
stimmen nicht anders erreicht werden, als durch zeitweilige Teilung
der Notenwerte. Während die Melodie gleichmässig in Vierteln fort-
schreitet, wechseln die Nebenstimmen mit Vierteln, Achteln, Sechszehnteln.
Die kaum vermeidliche Folge davon aber ist es, dass solche rhythmische
Bewewegung auch in die Oberstimme sich Eingang erzwingt, namentlich
in Form von Durch gangsnoten und dadurch die Gestalt der Melodie,
die in der Gemeinde lebt, dieser zum Anstoss verändert. Zu diesem
Mangel kirchlicher Korrektheit tritt bei der Bach'schen Behandlungs-
weise ein zweites Moment, in welchem auch ihrem musikalischen Werte
nach dieser Choralsatz hinter dem Eccard'schen zurücksteht. Bei Bach
8chliessen die einzelnen Zeilen gleichzeitig mit der Melodie auch in den
102 Königaberger Kirchenliederdichter und Kircbcnkomponisten.
Unterstimmen mittelst einer Fermate ab. So ist zwar die Gliederung
der ganzen Strophe völlig klar und durchsichtig, sie ist aber eben nur
zu klar. Die einzelnen Zeilen stehen neben einander wie Säulen ohne
verbindendes und krönendes Dach.
Ganz anders der Eccard'sche Choralsatz. Eccard hält streng an
der Melodieform, wie sie in der Kirche gebräuchlich ist, fest, ohne den
Nebenstimmen einen Einfluss auf Gestaltung derselben zu gestatten.
Bei den Einschnitten der Melodie leiten die Nebenstimmen vermittelnd
über, sodass das ganze Tonstück ein zusammenhängendes Ganze bildet,
in dem doch die einzelnen Melodiezeilen deutlich gegliedert sind. End-
lich die Nebenstimmen sind ganz selbständig geführt mit freiem Ein-
tritt und Schluss, und können bei ihrer völligen Beweglichkeit zu Nach-
ahmungen charakteristischer Motive der Melodie verwandt werden,
während doch die Fünfstimmigkeit, die Eccard grösstentheils anwendet,
bei aller Freiheit der Einzelstimmen die nötige Fülle der Harmonie
gewährt und beim gleichzeitigen Zusammenklingen aller fünf Stimmen
eine harmonische Sättigung ermöglicht, wie sie kein vierstimmiger Satz,
auch nicht der von Bach, erreichen kann. Freilich ist gerade diese
Fünfstimmigkeit der Eccard'schen Choräle für die Verbreitung derselben
in der Gegenwart ein gewichtiges praktisches Hindernis, da es bei dem
allgemeinen Mangel an Tenören jetzt fast unmöglich ist, die meist einen
doppelten Tenor fordernden Tonsätze mit der erforderlichen Fülle, Rein-
heit und Fräcision zu Gehör zu bringen.
Mit dieser kurzen Charakteristik seines Choralsatzes ist die hervor-
ragendste Art der Thätigkeit Eccard's gekennzeichnet. Von der Viel-
seitigkeit der modernen Komposition war jene Zeit ohnehin weit entfernt
Messen, Kantaten, Oratorien, Opern, Symphonien, Ouvertüren u. s. w.
kann man wohl heute von jedem über das Gewöhnliche hinausragenden
Musiker erwarten; aber jener Zeit mit ihrem fast völligen Mangel der
Instrumentalmusik waren die meisten dieser Formen noch ganz fremd.
Aber auch in dem, was seiner Zeit möglich war, hat sich Eccard meistens
auf die Pflege des geistlichen Liedes in der von ihm geschaffenen Satz-
weise beschränkt. Denn — um mit v. Winterfeld zu reden — „die
Hauptaufgabe von Eccard's künstlerischem Bilden war die Liedform.
Von Prof. Dr. Friedrieb Zimmer. 103
Als Setzer hat er die kirchliche, dem Gemeindegesange angehörende
Melodie des geistlichen Liedes, wie er sie vorfand, als ein Gegebenes,
nach ihrem inneren Beichtume, ihrer harmonischen Bedeutsamkeit, zur
Anschauung gebracht, ohne deshalb auf die Kunst der Stimmenverwebung
verzichten zu dürfen, die er, wenn ihr auch die Natur seiner Aufgabe
nur beschränkten Baum zu gewähren schien, dennoch mit Meisterschaft
dabei entfaltete. Als Sänger hat er den Schatz der Kirche an Sing-
weisen jener Art zwar um einige bereichert" — in unserm kirchlichen
Gebrauch hat sich davon nur die Adventsmelodie „Gar lustig jubilieren"
erhalten — „aber mit viel grösserem Erfolge noch deren für den Kunst-
gesang erfunden. Es geschah in demjenigen, was er Festlied nannte,
einer das Lied und das Motett lebendig vermittelnden Form. Gereift
war, nach allmählicher Entwickelung in Vorgängern, bereits in seinem
Lehrer jene künstlerische Thätigkeit, aus der die letzte dieser Formen,
eine mannichfach zusammengesetzte, hervorgeht, und auf ihn als Erb-
teil übertragen; gereift nicht minder in ihm selbst, nach Anderer Vor-
gange, jene Fertigkeit, welche die erste dieser Formen durch einfache
Züge zu deuten unternimmt; ihm aber war dabei gegeben, sie nicht
allein zu deuten, sondern auch zu schaffen, und in dieser Gabe,
wie sie jenen Fertigkeiten sich gesellte, ging auf dem naturgemässen
Wege künstlerischen Fortbildens ihm seine neue Form hervor, in der
Mannichfaltiges und Einfaches, Fülle und Klarheit verschmolz, die er
nicht allein wahrhaft erfand, sondern auch vollendet ausgestaltete. So
steht er denn hier auf der Höhe der Kunst, und nicht seiner Zeit
allein. Denn er hat zwar fortübende Nachfolger gehabt in der
von ihm gegründeten preussischen Tonschule, aber keinen weiter-
bildenden Schüler; in seinem Sinne konnte er von keinem Spätem
übertroffeil werden, weil in diesem keiner etwas ferner auszugestalten
fand. Denn was Anderen unter gleichem Namen später gelang, liegt
auf einem ganz verschiedenen Gebiete und ist seinen Leistungen durchaus
unvergleichbar. Deshalb ist er von höchster Bedeutung für die Ge-
schichte der Ausbildung des geistliehen Liedes in der evangelischen
Kirche als Aufgabe für höhere Tonkunst1'.
104 Königsberger Kirchenliederdichter and Kirchenkomponisten.
Was Eccard in anderen Formen der geistlichen und was er in der
weltlichen Musik geleistet hat, übergehen wir hier und scbliessen seine
Charakteristik mit einem kurzen Wort dessen, der ihn der Vergessen-
heit entrissen hat: „Stets die Aufgaben seiner Kunst vor Augen, niemals
sich selber; seine reichen Gaben nie überschätzend; als ihren Quell stets
den erkennend, von dem allein alle gute und vollkommene Gabe kommt,
ihm die Ehre gebend in der herzlichen und rechtlichen Freude an dem
Wohlgelungenen, dessen ihm viel gewährt wurde; so hat unser Meister
in der That sein Leben lang gestrebt, und wir dürfen sagen, dass er
wahrhaft gelebt habe!" —
Neben Eccard verschwinden seine Königsberger Zeit- und Berufs-
genossen. Immerhin verdienen sie genannt zu werden. Es waren Paulus
Em melius aus Mittenwalde in der Mark, Kantor der Altstadt, und sein
Nachfolger Jonas Zornicht aus Hohenstein, Heinrich Theodoricus
aus Hainau in Sachsen, Kantor im Löbenicht, Johannes Vogler,
Kantor im Kneiphof, und später Pfarrer des Haberbergs; Georg Furrter,
ein Bayer, Valentin Husmann, ein Sachse, und Berthold Schulze,
Mitglieder der Kapelle, deren Meister bis zu seiner Berufung nach
Berlin Eccard war. Seine Nachfolger in diesem Amte waren Johannes
Crocker (1609 bis c. 1620), ein Schlesier, und nach dessen Entlassung
Jacob Schmidt (c. 1620 bis 1627) aus Elbing, beide wohl die Stellung,
aber nicht die Stelle Eccard's ersetzend.
Aber ein neuer Eccard erstand in demjenigen, der nach diesen
beiden des Meisters Amt und Arbeit fortsetzte, Johannes Stobäus.
Die Meinung der Zeitgenossen war es, die sein Freund Dr. Lothus so
aussprach: „Eccardus cecidit, per te, Stobaee, resurgit." Und die Nach-
welt kann diesem Urteil nur beipflichten.
Stobaeus, 1580 zu Graudenz geboren, wohl schon frühe nach Königs-
berg gekommen, war hier Jahre lang der Schüler und nachherige Gehülfe
Eccard's. In ein öffentliches Amt trat er 1603, indem er, wohl auf
seines Meisters Empfehlung, Kautor an der Domkirche wurde. 1627 zum
Kapellmeister ernannt, füllte er diese Stelle ganz im Sinne seines Meisters
aus, zwar selber ein Meister geworden, aber doch ganz sein Schüler
geblieben. Er starb am 11. Sept. 1646.
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. J()5
Es ist mir schwer, Stobaeus zu charakterisieren. Seine 1624 er-
schienenen „Cantiones sacrae barmonieae", nach Döring sein Hauptwerk
und eine seltene Meisterschaft bekundend, sind mir nicht bekannt geworden.
Nach seinen übrigen Kompositionen aber zu urteilen, tritt bei ihm der
eigentumliche Fall ein, dass er so ganz sich in die Weise seines Lehrers
und Vorbildes versenkt hat, dass es kaum möglich ist, den einen vom
andern zu unterscheiden. Bezeichnend für die ganze Richtung und Art
seiner Arbeit ist es, dass seine beiden Hauptwerke die Wiederauflegung
und Ergänzung der Geistlichen Lieder und der Festlieder Eccards sind.
Zu den 58 bzw. 27 Tonsätzen seines Lehrers fugte er 44 bezw. 34 eigene
Kompositionen hinzu, seine eigene Arbeit nach Umfang wie Inhalt und
Zweck nur als eine in Eccard's Sinne unternommene Erweiterung der
Originalausgaben betrachtend. Und so steht er ganz auf den Schultern
seines Lehrmeisters, mit gleicher Virtuosität, Kraft und Hingebung und
mit gleich kirchlichem Sinne in den Formen weiter schaffend, die Eccard
ausgebildet hatte. So ist sein Werk wie seine Person ein Bild rührender
Treue gegen seinen Meister.
Die gebührende Anerkennung hat ihm nicht gefehlt. Der grosse
Kurfürst gewährte die Mittel zur Herausgabe seiner und der Eccard*-
sehen Festlieder, und das Königsberger geistliche Ministerium nahm sich
in einer Vorrede zu den Geistlichen Liedern dieser Arbeit auf das wärmste
an und rühmte ihn in derselben als einen Fundamentaldiscipul des
weiland Ebrenvesten, Achtbaren und kunstreichen Johannis Eccardi,
gleichwie dieser ein Fundamentaldiscipel des hochberühmten und welt-
kundigen Orlandi gewesen. Aber die materielle Lage des Meisters war
in der trüben Zeit des dreissigjährigen Krieges eine recht klägliche.
Nicht nur seine starke Familie, sondern seine ganze Kapelle mit Aus-
nahme der besonders besoldeten Instrumentisten sollte er erhalten mit
seinem Einkommen von 1000 Mark, 26 Tonnen Tafelbier, 4 Hof kleidungen
für 4 Kapellknaben, und 6 Achtel Brennholz. Und dies Gehalt wurde
ihm noch dazu nicht regelmässig ausgezahlt, so dass er aus den Schulden
nicht heraus kam.
Diese äusserliche Bedrängnis seiner Lage brachte es mit sich,
dass er eine grosse Fruchtbarkeit in Gelegenheitskompositionen ent-
106 Küoigsbergcr Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
wickelte, da diese ihra doch einiges Honorar eintrugen. Wie Simon Dach der
Gelegenheitsdichter der damaligen Königsberger Welt war, so Stobaeus
der Gelegenheitskomponist. Und wir dürfen uns dessen bei beiden freuen.
Ist auch bei der Eile der Produktion und bei der oft nur äusserlichen
Erfassung ihres Gegenstandes viel Handwerksmäßiges mit untergelaufen,
so befinden sich unter diesen Moment- und Stimmungsbildern doch auch
wirkliche Juwelen. Die Zahl der uns erhaltenen derartigen Kompositionen
ist sehr gross. Die jetzt der hiesigen Kgl. Bibliothek einverleibte wert-
volle Gotthold'scbe Sammlung von Musikalien (die allerdings gerade
an Werken aus jener Zeit ungemein reichhaltig ist, da sie eine von einem
Zeitgenossen des Stobaeus, dem Kantor Crone in Wehlau angelegte
Musikalienbibliothek in sich aufgenommen hat) enthält von Stobaeus
allein 280 solcher Hochzeitslieder — Epithalamien, wie sie gern genannt
werden — , Begräbnisgesänge und musikalischer Beglückwünschungen
zu akademischen Promotionen. Ein gut Stück Königsberger Familien-
geschichte Hesse sich aus jenen Festkompositionen schildern, und oft
geben diese die einzigen bestimmten Daten für das Leben sonst be-
kannter Persönlichkeiten. Auch Eccard hatte bereits in ähnlicher, doch
weniger ausgedehnter Weise solche Gelegenheitskompositionen gearbeitet,
u. a. seinen lieben Schüler Stobaeus selbst zu seiner Hochzeit mit einer
sechsstimmigen lateinischen Motette beglückwünscht. Von Eccard's
derartigen Arbeiten ist durch die Vorsorge des Stobaeus mehreres noch
lange in Gebrauch erhalten worden, indem letzterer durch seine dichte-
rischen Freunde die ursprünglich weltlichen Texte durch neue geistliche
ersetzen liess, die die Aufnahme der schönen Kompositionen in die
Neuauflage der geistlichen Lieder und der Festlieder gestatteten. Von
seinen eigenen Gelegenheitskompositionen hat Stobaeus, wie es scheint,
nur zwei so verarbeitet; einen Hochzeitsgesang hat er dem Liede seines
Freundes G. Weissei untergelegt: ,<Such, wer da will, ein ander Ziel,"
und zu einem andern Hochzeitsliede bat er selbst die geistliche Parodie
geschrieben, die in unsre Gesangbücher übergegangen ist und die hier
auszugsweise mitgeteilt werden möge, weil sie charakteristisch ist für
den Mann und für seine Zeit.
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. £07
Es ist gewiss eiu' grosse Gnad'
Wenn's einem Gott gewähret,
Dass er ein sanft Sterbstündlein hat
Und wie im Schlaf hinfähret,
Dass er sich an dem letzten End'
Vernünftig zu dem Heiland wend't;
Dies Gott allein dem giebet,
Der ihn stets hat geliebet.
Wer wollte denn so trostlos sein,
Ob ihm eiu Frennd abstürbe,
Dass er denselben so bewein',
Als wenn er ganz verdürbe?
Wer wollte nicht zu jeder Stund*
Rufen zu Gott mit Herz und Mund:
Mir auch, o lieber Herre,
Ein sel'ges End bescheere.
Denn dieses ist und bleibt ja wahr:
Die Seelen der Gerechten
Die sind befreit aller Gefahr,
Die kaun kein Angst anfechten;
Sie werden von den Engelein
Getragen in Abram's Schoss hinein,
Sie kommen allzugleiche
In's ew'ge Himmelreiche.
Ja, wenn ich diese Freud1 betracht
Mit Seufzen ich begehre,
Dass Gott der Herr mit seiner Macht
Auch einst zu mir cinkehie
Und mache, dass zu rechter Zeit
Von aller Müh ich werd1 befreit;
Ich will mit Lust und Freuden
Von dieser Lust abscheiden.
Ach lehr" du uns, Herr Jesu Christ,
Dass wir ja wohl bedenken,
Dass unser Leben endlich ist,
Und uns zur Klugheit lenken
108 Köoigsberger Kirehenliederdiehter und Kircheokomponfoten.
Und schicken uns zum sel'gen End\
Befehl'n die Seel' in deine H&nd'
Dass wir eingehn lusammen
Ins ew'ge Leben. Amen.
Warum ergreifen einen die Kompositionen dieser alten Meister,
wenn erst die Fremdartigkeit ein wenig überwunden ist, mit so zauberischer
Gewalt? Weil wir es fühlen, die Töne sind der musikalische Ausdruck
einer herzenstiefen, wahrhaftigen Empfindung. Die Tonsetzer sind ge-
legentlich selbst Dichter, und stehen jedenfalls in innigem Verein mit
dichtenden Freunden, und erst die gemeinsame Arbeit giebt in dem in
Töne gesetzten Wort die gemeinsame Empfindung ganz wieder.
Auch Eccard hat vielleicht selber den Text für einzelne Tonsätze
geschrieben. Die Dichter, die ihm zumeist zur Seite standen, sind
Sebastian Artomedes, Georg Reimann und Peter Hagen. Der
erstgenannte, aus Franken gebürtig, von Herzog Albrecht nach Königs-
berg gezogen und hier bis zu seinem Tode 1602 Pfarrer am Dom, ist
namentlich durch ein kirchliches Neujahrslied bekannt, in welchem er
— bezeichnender Weise — zuerst dies erbittet:
0 reicher Thron der Gnaden,
Dies liebe neue Jahr
Vor Unheil und vor Schaden «
Kirchen und Schul bewahr,
Des Satans Tücken wehr,
Dass er uns nicht bethöre
Mit Gift der falschen Lehre,
Dein Reich bei uns vermehr.
Peter Hagen (Petrus Hagius, 1569 — 1620), aus Henneberg bei
Heiligenbeil gebürtig, Rektor des Kneiphöfischen Gymnasiums, an
welchem Stobaeus damals Kantor war, hat für die „Festlieder14 eine
Anzahl von in der alten objektiv schildernden Art gehaltenen Dichtungen
verfasst, die sammt ihren Melodieen jetzt vergessen sind. Nicht anders
ergeht es den Liedern Georg Reimann' s. Wäre es nicht zu dem
herrlichen achtstimmigen Chor Eccard's gedichtet, den der Berliner Dom-
chor wieder zum Leben erweckt hat, so wüsste Niemand mehr \on
seinem Jubelliede von der Geburt Christi:
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer* £0$
0 Freude Aber Freud'.
Wir Jiab'n erlebt die Zeit,
Da ans za Trost and Frommen
Der ewig Gott ist kommen
Ins Fleisch, ohn' alle Sünden
Mit ans sich za verbinden.
Jungfrau Maria auserkoren,
Die hat ihn za der Welt gebor'n.
0 süsser Jesu Christ,
Der da Mensch worden bist,
Der Schlang den Kopf zertreten,
Beim Vater ans verbeten,
Sein Huld and Gnsd' erworben,
Sonst waren wir verdorben:
Gieb Gnad\ dass wir auch loben dich
Dafür zeitlich und ewiglich.
Bekannter als dieses um Eccard gesammelte Dichtertriumvirat des
16. Jahrhunderts, von dem in das neue Gesangbuch kein Glied Aufnahme
finden soll, sind zwei jüngere Männer geworden, die zwischen jenen
älteren Königsberger Dichtern und der späteren preußischen Dichter-
schule zeitlich und sachlich in der Mitte stehen: Valentin Thilo der
Aeltere und Georg Weissei. Der erstgenannte, 1579 zu Zinten ge-
boren und 1620 als Diakonus der Altstadt hier gestorben, hat allerdings
das Mißgeschick (oder vielleicht richtiger Ungeschick) gehabt, einen
Sohn mit seinem eigenen Vornamen zu taufen, der gleichfalls ein frucht-
barer Liederdichter geworden ist und nun in vielen seiner Dichtungen
nicht mehr vom Vater unterschieden werden kann. Eine anziehende
Erscheinung ist Georg Weissei/) 1590 in Domnau geboren und 1635
als erster Pfarrer der 1623 gegründeten Altrossgärter Parochie verstorben.
Ein grundgelehrter Theolog — er hatte nach dem in Königsberg ver-
brachten Triennium hoch in Wittenberg, Leipzig, Jena, Strassburg, Basel
und Marburg studiert und war, den Dreissigern nahe, nach dreijähriger
Schulmeisterthätigkeit noch einmal nach Königsberg zurückgekehrt „um
sieb in seinen Studiis noch besser festzusetzen" — ein grundgelehrter
') Vgl. Lic. Dr. E. A. F. Kahle, Georg Weiasel. Ein Zeit- und Sanggenosse Simon
Dach's. Vortrag, abgedruckt in der Altpr. Monatsschrift Bd. IV. 1867. S. 430—463,
110 Königsberger Kirchenliederdichter and Kirchenkomponisten.
Theolog ist er in den zelotischen Kämpfen der damaligen streitsüchtigen
Schultheologie doch eine Friedensgestalt. Seine Lieder bekunden Glaubens-
kraft und Tiefe, daneben unleugbare dichterische Begabung und verhält-
nissmässige Formgewandtheit. Unter uns leben noch fort das glaubens-
gewisse: „Kurz ist die Zeit, kurz sind die Jahr'", das zuversichtliche:
Such, wer da will :
Ein ander Ziel
Die Seligkeit zu finden;
Mein Herz allein
Bedacht soll sein
Auf Christum sich zu gründen.
Sein Wort ist wahr,
Sein' Werk1 sind klar,
Sein heiFger Mund
Hat Kraft und Grund,
AU1 Feind1 zu überwinden.
Endlich die Krone der Adventslieder ist ihm zu schmieden gegeben
worden :
Macht hoch die Thor, die Thor macht weit,
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Schöpfer reich von Rat
Er ist gerecht, ein Helfer wert,
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
Sein1" Königskron ist Heiligkeit,
Sein Scepter ist Barmherzigkeit;
AU unare Not zu End' er bringt,
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Heiland, gross von That.
0 wohl dem Land, o wohl der Stadt,
So diesen König bei sich hat!
Wohl allen Herzen insgemein,
Da dieser König ziehet ein!
^r
Von Prof, Dr. Friedrich Zimmer. 211
Er ist die rechte Freudensonn',
Bringt mit sich lauter Freud1 und Wonn'.
Gelobet sei mein Gott,
Mein Tröster, früh mid spat!
Bei Weisse], der mit dem um zehn Jahre älteren Stobaeus in Freund-
schaft verbunden und wie dieser ein Schüler Eccard's war, macht sich die
musikalische Schulung deutlich bemerkbar. Welchen geradezu melodi-
schen Schwung hat doch das eben mitgeteilte Lied ! Und bewundernswert
ist namentlich der Feinsinn, mit dem es Weissei verstanden hat, Eccard-
schen Gelegenheitskompositionen neue Texte unterzulegen, die sich allen
Wendungen des Tonsatzes aufs genaueste und glücklichste anschmiegen.
Der äusseren Arbeitsgemeinschaft zwischen Dichter und Komponisten
entspricht hier deutlich eine Gemeinsamkeit der künstlerischen Empfin-
dung, und dieses gemeinschaftliche Schaffen hat beide Teile befruchtet,
hier wie bei den Späteren. Und ich meine, den beiden mit Weissei
ungefähr gleichzeitigen Kirchenliederdichtern, die aber aus unbekannten
Gründen mit den Tonsetzern in keine nähere Berührung gekommen sind,
merkt man das ab, nicht zu ihrem Vorteil. Es waren Georg Werner,
geb. 1589 zu Pr. Holland, gestorben 1653 als Diakonus im Löbenicht,
von dem in das neue Gesangbuch zwei Lieder aufgenommen werden
sollen, und Bernhard Derschau, geb. 1591 in Königsberg und hier
1639 als Pfarrer der Altstadt gestorben, der mit einem Kommunions-
liede im neuen Gesangbuch vertreten sein wird.
In die dreissiger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts, in die Zeit
also, wo ganz Deutschland durch die Furien des grossen Religionskrieges
auf das entsetzlichste verheert wurde, Königsberg jedoch, trotz wieder-
holter vorübergehender Bedrängnisse im ganzen, wie oin Friedenshafen bei
stürmischer See, leidlich Buhe und Sicherheit gewährte, darum auch der
Zufluchtsort Vieler war und namentlich eine nie wieder erreichte Blüte-
zeit der Universität erlebte, — in diese Zeit fällt die Stiftung und
fruchtbringende Wirksamkeit der preussischen Dichterschule, der
die Kirchenliederdichtung wertvolle Beiträge verdankt. I0)
10) Vgl. H. Jacoby, Das geistige Leben Königsbergs in der Zeit des dreissig- i
jährigen Krieges. „Die Grewboten." 1877. 8. 121—139.
L
It2 ltöD»g»berger Kirchenliederdiehter and Kirchenkomponistea.
Zwar keineswegs ihr Haupt, aber doch ihr dichterisch am meisten
begabtes und thätigstes Mitglied ist der durch die um seinen Namen
gewobene Äennchen-von-Tharau-Mythe allbekannte Simon Dach. 1605
in Memel geboren, seit 1633 Eollaborator an der Domschule, seit 1639
Professor der Poesie an der Albertus-Universität bis zu seinem 1659 er-
folgten Tode, sein ganzes Leben über in den dürftigsten Verhältnissen —
auch als Professor hatte er neben einigem Holz- und Korn-Deputat nur
100 Thaler Gehalt . — durch die Not zur Versfabrikation getrieben,
durch die Freundschaft seiner dichterischen und musikalischen Genossen
zur wahrhaften Dichtung erweckt — das ist in kurzen Strichen der
Mann, der in weiten Kreisen allein als Königsberger Dichter bekannt
ist. Er war, wie ihn sein Biograph Oesterley ") treffend charakterisiert,
„ein frommgläubiger Christ, ein hingebender, für jede Wohlthat dank-
barer Freund, der beste Gatte und Vater, der treueste Unterthan seines
Kurfürsten, aber ohne jede andere Energie, als die, in kindlichem Ver-
trauen seine Gönner und Freunde um Hilfe anzusprechen, wo er sich
selbst nicht helfen konnte. Dabei lebte er bis auf den Verkehr in
seiner Familie und seinem Freundeskreise ein fast ausschliesslich inner-
liches Leben, er war eine so durchaus subjektiv angelegte Natur, dass
er den Ereignissen der Aussenwelt völlig fern blieb, wenn sie ihn nicht
persönlich berührten. Den grossen kirchlichen Streitfragen seiner Zeit
schenkte er keine Teilnahme und verkehrte mit der einen Partei so
friedlich, wie mit der andern ; die tiefgehenden politischen Händel blieben
ihm so fremd, dass ihn nicht einmal die Zerwürfnisse zwischen dem
Kurfürsten und der Stadt Königsberg berührten, die ihn doch nahe genug
angingen; die sein ganzes Jahrhundert aufwühlenden Kriegsereignisse
entlockten ihm nur den Ausdruck der Freude darüber, dass die Heimath
von der Kriegsnot verschont geblieben war . . . Nur die pestartigen
Krankheiten, die in Königsberg und ganz Preussen so entsetzliche Ver-
heerungen anrichteten, machten einen tieferen Eindruck auf ihn, aber
hauptsächlich, weil er selbst von ihnen ergriffen wurde und vor ihnen
") „Simon Dach, seine Freunde und Johann Roling.M Berlin and Stattgart
Spemann. (30. Bd. der „Deutsehen Nationalliteratur".)
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. U3
fluchten musste, weil sie seine liebsten Freunde hinwegrafften und weil
ihm das unaufhörliche dumpfe Tönen der Totenglocken ins Herz drang."
Diese Subjectivität charakterisiert mit dem Menschen zugleich den
Dichter, der so naturnothwendig Lyriker wurde, aber auch Lyriker blieb.
„Die ihm angeborene und seit früher Jugend geübte Leichtigkeit in der
Behandlung der Form lässt ihn aussei lieh fast immer liebenswürdig,
glatt und formenschön erscheinen, wie er innerlich stets edel und rein,
innig und zart war, aber nur selten zu dem höheren Fluge der Ode
oder des Dithyrambus sich aufschwingen konnte; und die Bestimmung
seiner Lieder für den Vortrag durch Gesang gab denselben Abrundung,
Fülle und Wohlklang, während die unablässige Beschäftigung mit den
Gedanken des Todes über seine Dichtungen einen Hauch weicher Trauer
verbreitete, der selbst in seineu weltlichen Gedichten als ein Ton sanfter
Resignation wiederzuerkennen ist und nur in ganz vereinzelten Fällen
von einer wirklichen warmen und herzlichen Fröhlichkeit verdrängt wird."
Von Dach 's geistlichen Liedern sind gegenwärtig noch eine ziem-
liche Anzahl im kirchlichen Gebrauch. Die bekanntesten dürften sein:
„Ich bin bei Gott in Gnaden", die liedförmige Wiedergabe des paulinischen
Siegeshymnus Rom. 8, 31 ff., dann das sehnsüchtige „0 wie selig seid
ihr doch ihr Frommen, die ihr durch den Tod zu Gott gekommen; ihr
seid entgangen aller Not, die uns noch hält gefangen". Endlich ein
Lied, das in jeder Weise für Dach und seine Genossen bezeichnend ist,
ist das Sterbelied, das er seinem innig geliebten Freunde und Gönner,
Robert Robertin, einem feingebildeten und selbst dichterisch thätigen
Manne, der in Dach den Born der Dichtung erschlossen hatte und des
Dichterkreises Vater und Haupt war, auf Begehren desselben schon
mehrere Jahre vor seinem Hinscheiden gedichtet hat, und das dann mit
einer ergreifenden Komposition Albert's wirklich bei Robertin's 1648 er-
folgtem Tode gesungen wurde. Es lautet (verkürzt):
Ich bin ja, Herr, in deiner Macht,
Da hast mich an das Licht gebracht,
Da unterhaltet mir auch das Leben,
Da kennest meiner Monden Zahl,
Weißst, wann ich diesem Jammerthal
Aach wieder gute Nacht muss geben.
AJtpr. MonfttMehrift Bd. XXIL Hft. I u. 2. „ 8
114 Königsberger Kirchenliederdichter and Kirchenkomponisten.
Wo, wie and wann ich sterben soll,
Das weiset da, Vater, mehr als wohl.
Mich dünkt, da lieg1 ich schon vor mir
In grosser Hitz\ ohn' Kraft, ohn' Zier,
Mit höchster Herzensangst befallen;
Gehör und Bede nehmen ab,
Die Augen werden wie ein Grab,
Doch kränkt die Sünde mich vor allen;
Des Satans Anklag* hat nicht Rah,
Setzt mir auch mit Versuchung zu.
Ich höre der Posaunen Ton
Und seh auch den Gerichtstag schon,
Der mir auch wird ein Urteil fällen.
Hier weiset mein Gewisseusbach,
Dort aber des Gesetzes Fluch
Mich Sündenkind hinab zur Höllen.
Wer hilft mir sonst in dieser Not,
Wo du nicht, Gott, da Todes Tod?
Herr Jesu, ich dein teures Gut
Bezeag es selbst mit meinem Blat,
Dass ich der Sünde nicht gehöre.
Was schont der Satan meiner nicht
Und schreckt mich durch das Zorngericht?
Komm, rette deines Leidens Ehre!
Was giebest da mich fremder Hand
Und hast so viel an mich gewandt?
Nein, nein, ich weiss gewiss, mein Heil,
Da lassest mich, dein wahres Teil,
In deinem Schosse selig sitzen.
Hier lach* ich aller Angst and Not,
Es mag Gesetz, Höir oder Tod /
Auf mich her donnern oder blitzen.
Dieweil ich lebte, war ich dein,
Jetzt kann ich keines Fremden sein. —
Der dichterische Freundeskreis, in und mit dem Dach lebte und
dichtete, bestand wahrscheinlich aus zwölf Gliedern, denen Heinrich
Albert in seinem Garten auf den Hufen auf zwölf Kürbisse einen Denk-
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. U5
vers schrieb. Der schon genannte Eobertin hatte die Anregung zu
Bildung des Dichterbundes gegeben; er blieb auch der Leiter desselben.
Das für die Geschichte der Kirchenliederdichtung bedeutendste Mitglied
war nächst Dach Valentin Thilo, der Sohn des gleichnamigen schon
genannten Dichters, 1607 in Königsberg geboren und 1662 als Pro-
fessor der Beredtsamkeit gestorben. Am bekanntesten sind von ihm
die Lieder: „Gross ist Herr deine Güte" und „Mit Ernst, ihr Menschen-
kinder, das Herz in euch bestellt". Die übrigen Mitglieder des Bundes
sind mit Ausnahme von Heinrich Albert, den wir unter den Tonsetzern
noch besonders zu erwähnen haben, meistens vergessen: Georg Mylius,
ein Königsberger, der 1640 als Pfarrer des benachbarten Brandenburg
27 Jahre alt starb; Christoph Caldenbach, Prorector der altstädti-
schen Schule, nachher Professor der Poesie, Geschichte und Beredsamkeit
in Tübingen, zugleich als Komponist thätig; Andreas Adersbacb,
J. P. Titz oder Titius u. a.
Als Dichter dem Bunde angehörig, aber gerade als Komponist für
denselben in besonderer Weise fruchtbar, war Heingrich Albert, der
in der Kirche durch seine gedichteten, wie seine gesungenen Lieder
gleich bekannt geworden und geblieben ist. Eines derselben gehört zu
den „Achtzig Kirchenliedern der preussischen Regulative44 und wird
wohl in jeder evangelischen Schule Preussens gelernt: „Gott des Himmels
und der Erden". Die Melodie des* Liedes, ebenfalls von Albert stammend,
ist bekanntlich so beliebt und so vielen andern Kirchenliedern unter-
gelegt, dass nur wenige Sonntage vergehen dürften, an denen nicht in
der einen oder anderen Gemeinde ein Lied in diesem Ton gesungen
würde. Besonders als Erfinder von kirchlichen und weltlichen Melodieen
ist Albert bedeutend, weniger als Setzer. „Die Gabe, welche Stobäus,
zumal aber Eccard, in hohem Maße besass, in fremde Melodieen sich
hinein zu empfinden und von innen "heraus sie durch Harmonie zu be-
leben, war ihm nicht verliehen. ... Er versäumt meistenteils, was
Eccard und Stobäus so erfolgreich gethan, die melodischen Grund-
gedanken für seine begleitenden Stimmen aus der Hauptmelodie zu ent-
lehnen, deren Gang dadurch vorzudeuten, ihn nachzuahmen und so an
geeigneter Stelle auch den Zusammenklängen grösseren Nachdruck zu
geben44 (v. Winterfeld).
8*
2X6 Rünigsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
Die Bedeutung Albert's für die Musikgeschichte Königsbergs liegt
darin, dass er ein ganz neues Element musikalischer Darstellung hierher
verpflanzte, nämlich die Kunst der italienischen Schule des Venediger
Meisters Johann Gabrieli. 1604 in Lobenstein im Voigtlande geboren
als Neffe des berühmten Heinrich Schutz, des Vorläufers der um gerade
hundert Jahre später in die Welt getretenen Grossmeister Händel und
Bach, war Albert seines Oheims Schüler gewesen und durch diesen so
tief in die italienische Kompositionsweise eingetaucht, dass er trotz
seiner Bewunderung der Eccard-Stobäus'scheu Satzart und trotz des
wohl unverkennbaren Strebens, von ihnen zu lernen, den Grundtypus
der italienischen Schule nie verloren hat. Wirklich bot diese Schule
in dem doppelten Streben, einmal nach redegemäßera Ausdruck, anderer-
seits nach Zierlichkeit und Kehlfertigkeit wertvolle Elemente zu einer
Weiterbildung der Musik. Und dieselben sind in unserer Provinz nicht
auf unfruchtbaren Boden gefallen. Zweierlei kam ihrer günstigen Ent-
faltung hier zu statten. Die schwere Kunst eines Eccard — das ist
das eine — erforderte durchgeistete und geniale Musiker zu ihrer Pflege
schon, um so mehr zu ihrer Fortbildung. Aber die Grösse Eccard's
und seines „Fundamentaldiscipels" Stobaeus hat von ihren Nachfolgern
keiner wieder erreicht. Es sind achtenswerte Musiker, ein Caspar Case
des Stobaeus Nachfolger im Kapellmeister- Amt, Georg Colb, der früh
verstorbene, und die wackeren Kantoren- der Altstadt: Jonas Zorn ich t,
Johann Tragner, Georg Hucke, Conrad Matthaei, von kleineren
Geistern abgesehen; und namentlich Johann Weichmann, ein Pommer,
der während der Jahre 1647 — 52 dieses Kantorat verwaltete, wird in
allen Ehren zu nennen und, wie ich wünschte, zu halten, resp. in die
ihm gebührende Ehre wieder einzusetzen sein, denn seine grösseren
Kompositionen, die in der hiesigen Königl. Bibliothek, zum Teil noch
im Manuscript, sich befinden, reihen ihn gleich hinter die Häupter
der Preussischen Tonschule. Aber erreicht hat er sie doch nicht, und
dann zeigt gerade er in seinen kleineren Kompositionen den entschie-
denen Einfluss der durch Albert nach Königsberg gebrachten italienischen
Schule. Der grösste Schüler der beiden Meister Eccard und Stobaeus
ist also zugleich in die Albert'sche Schule gegangen. Zu solchem Ein-
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. 117
flusse wirkte noch weiter mit — und das ist das zweite Moment, das
ich zu nennen habe — die Gunst äusserer Verhältnisse. Albert ge-
hörte der preussischen Dichterschule an; seine Kompositionen boten so-
mit immer die neueste Lyrik. Ferner schrieb er seine Lieder nicht für
die 'Kirche, sondern für häusliche Kreise und zwar in einer für diese
recht praktischen Weise. Denn er ist der erste, so viel mir bekannt,
der hier in Preussen statt in Einzelstimmen seine Kompositionen in
Partitur herausgab, und gleichfalls der erste, der eine leichte Instrumental-
begleitung durch Beifügung des Generalbasses ermöglichte und durch
praktische Erläuterung in den Vorreden dem musikalischen Publikum
empfahl. Endlich war es ihm beschieden, in Deutschlands schwerster,
aber Königsbergs vielleicht glücklichster Zeit hier wenigstens ein Viertel-
jahrhundert, von 1626 bis zu seinem 1655 — nach anderen Angaben
1651, 1656 oder gar erst 1668 — erfolgten Tode, in Friede, Freund-
schaft und Anerkennung zu schaffen. Das Werk, das ihn vor allem
bekannt gemacht hat, erschien in acht Teilen 1638—48 unter dem Titel:
„Arien oder Melodeyen etlicher theils Geistlicher, theils Weltlicher, zur
Andacht, guten Sitten, keuscher Liebe und Ehrenlust dienender Lieder;
in ein Positiv, Clavicyinbal, Theorbe oder anderes vollstimmiges Instru-
ment zu singen gesetzet 2c.u Es ist nicht bloss musikgeschichtlich von
grossem Wert, sondern zugleich als Spiegel damaligen Königsberger
Familienlebens von hohem Interesse. Wir sehen daraus, dass schon
damals hier nicht weniger wie heute musiciert, jedenfalls aber mehr
gesungen wurde wie im modernen Königsberg, und dass die Hausmusik,
der es an allerlei schelmischen Liedern nicht gefehlt hat, doch auch
der Weihe der Lieder der Anbetung nicht entbehrte. Und darin ist jene
Zeit der unsrigen voraus gewesen. Hätten wir noch solche geistliche
Hausmusik, wir wären selbst musikalisch weiter!
Albert hat sowohl als Komponist wie als Dichter die Stellung eines
lebendigen Ueberleiters ; als Komponist sachlich, da er mit seinem Streben
sich an die Art des Eccard und Stobaeus anzuschliessen die neue ita-
lienische Weise verbindet und dieser damit zur Herrschaft verhilft; als
Dichter wenigstens zeitlich, denn da er die Glieder des Dichterbundes
grösstenteils überlebte, ist er das Bindeglied zwischen ihm und seinen
118 Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
beiden Nachkömmlingen; Jobann Köling und Michael Eongehl.
Ueber diese beiden nur ein kurzes Wort.
Köling, ein Holsteiner, geboren 1634, Dach's Nachfolger in der
Professur der Poesie wie in der Prosa dieser Professur mit ihrem schmalen
Gehalt und ihrer Nötigung zu einer unerquicklichen Gelegenheitsreimerei,
steht in seinen geistlichen Dichtungen „in der Auffassungs- und Dar-
stellungsweise, in der Wärme der Empfindung und der Kraft der Ge-
staltung, selbst in der Schönheit der Form und des Ausdrucks der
Gegenwart so nahe wie kaum ein andrer Dichter seiner Zeit" (Oesterley).
Und doch ist er in der Gegenwart ziemlich vergessen, wie so mancher,
der zu seiner Zeit hoch in Ehren gestanden. Ihre Stätte kennet sie
nicht mehr. Auch Michael Kongehl, geb. 1646 in Kreuzburg, ge-
storben 1710 als Bürgermeister der Altstadt, seinerzeit als dramatischer
Dichter thätig und bekannt, wie kaum einer seiner Königsberger Vor-
gänger und Nachfolger, ist höchstens noch durch sein Kirchenlied be-
kannt: „Nur frisch hinein; Es wird so tief nicht sein".
Wie in diesen Männern und etwa noch in Friedrich von Derschau
(1644—1713), dem Dichter des Liedes „Süsser Trost der matten Herzen",
die preussische Dichterschule nennenswerte Ausläufer gehabt hat, so ist
auch noch ein Musiker zu erwähnen, der, mit jenen gleichzeitig und
z. T. zu gemeinsamer Arbeit verbunden, zwar nicht mehr als Glied der
preussischen Touschule, aber doch als namhafter Königsberger Kom-
ponist in italienischer Manier und somit als Nachfolger Alberts be-
zeichnet werden kann. Es ist Johann Sebastiani, 1622 zu Weimar
geboren, seit 1650 in Königsberg, von 1661 an als Kapellmeister. Seine
eigentliche Bedeutung liegt allerdings nicht auf dem Gebiete der Kirchen-
musik, sondern auf dem der Tanzkomposition, Was Strauss, Lanner
und Gungl für unsre Zeit sind, war er für die seinige, wenigstens hier
in Königsberg, wo er sich schnell und gemütlich eingelebt hatte. Immer-
hin ist er auch als Kirchenkomponist zu nennen. Die Probe aus seinen
1672 und 1675 erschienenen „Parnaßblumen", die nachher vorgeführt
werden wird, wird Ihren Beifall gewiss finden. Ueber Sebastiani's
giösstes, uns erhaltenes Werk weiss ich leider nicht aus eigener An-
schauung zu berichten. Es ist eine Matthäus-Passion für Soli, Chor
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. JJ9
und Orchester, die im 17. Jahrhundert hier und auswärts wiederholt
aufgeführt worden ist. Interessant ist die Komposition jedenfalls; über
ihren Wert aber lauten die Urteile der wenigen, die sie zu unsrer Zeit
eingesehen haben, sehr verschieden.
Mit dem Ende des 17. Jahrhunderts schliesst die Zeit der Grösse
und des Glanzes Königsbergs in der Dichtung und Musik wenigstens auf
kirchlichem Gebiete u). Die Zeit ist vorüber, in der und von der der
Stifter der preussischen Dichterschule Bobert Bobertia rühmen konnte:
„Wir müssen zwar entfernt von andern Orten leben,
In denen Wärme herrscht, uns deckt der kalte Nord;
Doch hast du uns gewollt ein1 andre Sonne geben,
Der- Seelen schönstes Licht, das klare Gnadenwort;
Cnd neben diesem Wort hast du uns mit verliehen,
Dass guter Künste Brauch hier reichlich ist bekannt,
Und jedermann gesteh1, dass in dem kalten Preussen
Mehr geistlich Singen sei, denn sonsten überall". —
Hochverehrte Versammlung! Ich habe nur in kurzen Strichen und
mit schlichtem Wort von jener grossen Königsberger Vergangenheit er-
zählt ; aber ich meine, die hehren Klänge, die wir gestern in der Dom-
kirche vernommen haben, machen jedes Wort des Preisens der damaligen
Kirchenmusik unsrer Stadt entbehrlich. So weit die Musik überhaupt
andere Gedanken aufkommen liess als die hingebender Versenkung
und heiliger Anbetung, ist mir's gewesen als sprächen mit ehernem
Tone Biesenmenschen zu uns, einem Zwerggeschlecht, und straften uns
und sprächen: Warum vermögt ihr nicht mehr in Tagen des Wohl-
standes, was wir in Zeiten der Armut gethan? Warum habt ihr nicht
mehr Chöre in Euren Kirchen, die die bekümmerten Herzen, für die
das Trostes wort nicht ausreicht, mit himmlischen Klängen erquicken
und aufrichten und die harten Herzen weich machen und die erstarreten
schmelzen ? Warum vereint ihr euch nicht mehr in euren Häusern zum
singenden Preise der unaussprechlichen Gnade Eures Schöpfers und
Heilandes? Und warum lasst ihr eure Verstorbenen ins letzte Bettlein
1Z) Uebcr die musikalische Schulung jener Zeit Tgl. 0. Ungewitter, „Das Enchiri-
dion musicum von Laurentius Ribovius, Königsberg 1634" in der Altpr. Monats-
schrift Bd. V. 1868. S. 331—338.
120 Königsberger Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten.
legen mit hohlem, verzweiflungsvollem Pomp, aber ohne den herztrösten-
den Klang des Chorals und des Bibelspruchs? Hochverehrte Ver-
sammlung! Wissen Sie darauf die Antwort? —
lieber die kirchliche Dichtung und die Kirchenmusik des vorigen
und des gegenwärtigen Jahrhunderts darf ich mit wenigen Worten
hinweggehen. Dem Gemeindegesange hat nur noch das vergangene
Jahrhundert einigen Stoff zugeführt Einer der bedeutendsten deutscheu
Humoristen, dem aber auch der Ernst des Lebens und Sterbens vor
Augen gestanden, hat uns das Lied hinterlassen: „Noch leb1 ich; ob
ich morgen lebe, ob diesen' Abend, weiss ich nicht". Es war Theodor
Gottlieb v. Hippel, geboren 1741 in Gerdauen und 1796 hier in
Königsberg gestorben als Bürgermeister, Polizeidirektor, Kriegsrat und
Stadtpräsident. Die Tonweisen der früheren Zeiten hat ein Kantor der
Domkirche, Joh. Heinr. Kirchhoff (1692—1753) in der ersten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts treulich gesammelt und um einige vermehrt.
Namentlich die Melodie zum Liede „Gross ist Herr deine Güte11 stammt
von ihm "). Sonst weiss ich aus der Kirchenmusik des vorigen Säculums
nur noch die damals hier eingewanderte Familie Zander zu nennen
aus der mehrere Glieder teils schaffend, teils ausübend gewirkt haben.
Unser Jahrhundert hat mit dem Eingehen ständiger, besoldeter
Kirchenchöre auch die Kirchenmusik verloren. Motetten, Psalme und
dergleichen, die Männer wie Saemann, Paetzold, Sobolewski,
Jensen, Hahn, Nicolai und Hermann Goetz komponiert haben,
sind entweder nur Gelegenheitskompositionen, oder geistliche Konzert-,
keine Kirchen- d. h. gottesdienstliche Musik. Das gilt namentlich von
der in seiner Weise grossartigen Komposition des 137. Psalms von dem
seiner Kunst zu früh entrissenen H. Goetz und von den kleinen Oratorien
von Eduard Sobolewski. Letztere sind überraschend schnell in
Vergessenheit geraten — die nachher mitzuteilende Probe mag es Ihnen
sagen, ob mit Recht.
Und somit ständen wir bei der Kirchenmusik der Gegenwart. Ueber
das, was jetzt hier darin geschieht, schweige ich, denn es vollzieht sich
13) Vgl. 0. Ungewitter, „Die Königsberger geistlichen Melodienbücher des
J8. Jahrhundert»" in der Altpr. Monatsschrift Bd. VII. 1870. S. 1—12.
Von Prof. Dr. Friedrich Zimmer. 121
unter Ihrer aller Augeu. Nur das eine lassen Sie mich sagen, denn
in herzlichster Freude und Dankbarkeit bin ich gedrangen, es auszu-
sprechen: unser junger „Evangelischer Verein für geistliche und Kirchen-
musik der Provinzen Ost- und Westpreussen" hat bei den Dirigenten
und den ausübenden Sängern und Sängerinnen, die er um ihre Hülfe
gebeten, eine Bereitwilligkeit und eine Opferfreudigkeit gefunden, für
die wir nicht Worte des Dankes und Lobes genug haben. Die Freudig-
keit ist da zum Dienst im Heiligtum! Es weiss eben ein jeder, der
in der Kirche dirigiert und singt im Wechsel mit der mitsingenden
und mitbetenden Gemeinde, er thut es Gott zu Ehren und sich und
der Gemeinde zu Erbauung. Und das ist doch ein ander Ding, als im
Konzertsaal oder auf der Bühne nach dem Beifall eines unberechen-
baren Publikums und der Gunst eines — wenn auch vielleicht nicht
ebenso unberechenbaren — Zeitungsrecensenten haschen zu müssen.
Gerade in der Gegenwart ist die Kirchenmusik ein Labsal sowohl
für den Sängerchor, wie für die predigtmüde und nach anbetender Feier
sich sehnende Gemeinde. Ergreifen wir jetzt die Zeit nicht, kehrt sie
vielleicht nie wieder. Und ich sage es, nicht als Musiker, sondern als
Theologe, die Kirche wird es aufs bitterste bereuen müssen, wenn nicht
mit dem falschen Begriff des Gemeindegottesdienstes, als sei er, mit
der Predigt als Mittelpunkt, eine religiöse Lehrunterweisung, anstatt ein
Akt der gemeinsamen Gottesverehruug, bei dem dann freilich das Ele-
ment der Chormitwirkung kaum zu entbehren ist — wenn nicht damit
bald und gründlich aufgeräumt wird in Praxis und Theorie* Es ist die
letzte Stunde! Aber hoffen wir, dass die frische Thätigkeit unseres
Vereins für Kirchenmusik und seiner aufopferungsfähigen und opfer-
willigen Helfer und Helferinnen nicht das Spätrot bedeutet, mit dem
Königsbergs grosse kirchenmusikalische Vergangenheit in ewige Nacht
versinkt, sondern das Morgenrot einer neuen Blütezeit kirchlicher Dichtung
und Tonkunst, zur Ehre Gottes und zur Erbauung seiner Gemeinde!14)
u) Die oben in Note 1 angekündigten Programme werden, um hier Wieder-
holungen der Texte zu vermeiden, einem Separat-Abdruck als Anlage beigegeben.
Die Red.
Der preussisehe Staatsrath und seine erste That
im Jahre 1817.
Von
E • . • d.
Nachdem „auf. Befehl des Königs11, wie die amtliche Formel lautet,
der Staatsrath wieder zusammengetreten ist, mag es wohl zeitgemäss
erscheinen, einen fluchtigen Rückblick auf die Gründung und Entwicke-
lung einer Institution zu werfen, welcher von den in konstitutionellen
Fragen erfahrenen Engländern bei Gelegenheit ihrer Reaktivirung sofort
eine hohe Bedeutung für die Ausbildung des Yerfassungsrechts sowohl
im preussischen Staate als auch im deutschen Reiche zugeschrieben
worden ist. Die Begründung und Entwickelung dieses Gedankens und
seine Prüfung gehört selbstredend nicht in eine Zeitschrift, welche der
Geschichte gewidmet ist. Für denkende Leser wird es aber nicht blos
von Interesse sein, sich daran zu erinnern, in welchem Zusammenhange
die Institution mit der Restauration des preussischen Staates gestanden
hat. Diese Erinnerung wird vielmehr auch einen Fingerzeig für die
Beantwortung der Frage geben, ob die Reaktivirung eines Faktors des
Staatslebens, der ein volles Menschenalter hindurch nahezu in Vergessen-
heit gerathen war, die Bedeutung für die weitere Fortbildung desselben
erlangen kann, soll und wird, welche von manchen Seiten ihr zuge-
schrieben wird.
Auch mit dem provinziellen Leben, dem diese Blätter vorzugsweise
gewidmet sind, steht die ganze Institution in einem weit näheren Zu-
sammenhange, als man auf den ersten Blick annehmen sollte. Einmal
ist der Gedanke, neben der in der grossen Reformperiode 1808 geläuterten
Der preußische Staafcsrath und seine erste That i. J. 1817, 123
und auf feste Grundlagen gestellten Institution des Staatsministeriums
noch eine völlig unabhängige höchste berathende Körperschaft dem
Könige zu schaffen, um ihn vor illegitimen Einwirkungen und vor den
Irrthümern seiner Minister gleichmässig zu bewahren, gerade hier ent-
standen und ausgearbeitet worden. Dieser Gedanke ist ein Hauptstück
der Reform, welche Stein in Preussen mit seinen Gehülfen zu Stande
brachte, und er gehört daher in eminentem Sinne den grossartigen Thaten
an, durch welche der zertrümmerte alte Staat in dem engen Kreise der
fast allein geretteten Provinz wiederhergestellt wurde. Dann aber ist
darauf zu verweisen, dass derselbe Gedanke, lange von unberechtigter
Reaktion zurückgedrängt, dann endlich nach Beendigung der Freiheits-
kriege sich siegreich Bahn brechend, zuerst zu einer Befreiungsthat
führte, die wie kaum eine andere gerade dem Wesen und den vitalen
Interessen dieser Provinz entspricht, und die gerade heute wieder voll-
ständig in Frage gestellt wird. Die Steuerreform und die Beseitigung
des alten Protektionssystems war die erste That, welche den im Jahre
1817 eingesetzten Staatsrath in die Geschichte des Landes eingeführt
hat, und diese That ist die reife Frucht der gereinigten Wirthscbafts-
lehre gewesen, welche hier in Königsberg den hervorragenden Staats-
männern in ihrer Jugend vorgetragen, und dann über das ganze Land
verbreitet wurde. Es ist nicht zufällig geschehen, dass derjenige aka-
demische Lehrer, der vorzugsweise Adam Smiths volkswirtschaftliche
Grundsätze vertreten, und in die Praxis des preussischen Staates ein-
geführt hat, an der Königsberger Universität gelehrt hat. Diese Pro-
vinz ist von der Natur auf den Freihandel angewiesen, und sie kann
nur gedeihen, und ihre Bestimmung, ein aggressiver Kulturträger für
die dahinter liegende slavische Wüstenei zu sein, nur dann erfüllen,
wenn das Prinzip des Freihandels und damit zusammenhängend das
allgemeine Prinzip der Freiheit zur Herrschaft gelangt. Die Geschichte
des Staatsraths im Ganzen, und speziell die Geschichte seiner ersten
That kann daher sehr wohl auf diesem Boden ein provinzielles Interesse
in Anspruch nehmen.
Die Einrichtung eines Geheimen Baths, Staatsraths, ist im branden-
burgisch-preussischen Staate schon sehr alt. Nachdem die Kurfürsten
124 ^er Preussiscbe Staatsrath und seine erste Thal i. J. 1817,
sich zuerst bei den einfachen Verhältnissen damit begnügt hatten, bei
Gelegenheit mit Vertrauenspersonen aus der Bitterschaft oder mit ge-
lehrten Bathspersonen aus den Städten zu Bathe zu gehen, trat im
Jahre 1542 der Fall ein, dass der Kurfürst Joachim II., als er das
Kommando der Beichsarmee in Ungarn übernahm, für die Dauer seiner
Abwesenheit einen Statthalter einsetzte, und diesem ein Geheimraths-
Eollegium zur Leitung der Landesverwaltung an die Seite setzte. Diese
Einrichtung gefiel, und Joachim Friedrich machte dieselbe durch die
Geheimraths-Ordnuug vom 25. Dezember 1604 permanent. Der neu ein-
gesetzte Geheime Bath wurde am 5. Januar 1605 eröffnet und die Mit-
glieder desselben wurden vereidigt. Dieser Geheime Bath war aber
zugleich die höchste Behörde in der Landesverwaltung. Wenn man die
damals noch immer überaus einfachen Verhältnisse der Landesverwaltung
mit den verwickelten und umfassenden der Neuzeit vergleichen will, so
muss man sagen, dass dieser alte brandenburgische, dann brandenburgisch-
preussische Geheime Bath die Funktionen des Staatsministeriums mit
denen eines Staatsraths vereinigte. Der grosse Kurfürst hat während
seiner Begierungszeit von dem Beirath seines Geheimen Baths den um-
fassendsten Gebrauch gemacht, und die Umwandlung, welche die nun-
mehr auf die Unterhaltung eines stehenden Heeres und die Beseitigung
der ständischen Verwaltung gerichtete Landesverwaltung dadurch erlitt,
dass nach und nach immer weitere Zweige einer wirklichen und um-
fassenden Landesverwaltung in ihren Bereich gezogen wurden, erhöhte
noch die Bedeutung dieser höchsten Behörde, innerhalb welcher es denn
auch zu einer Theilung der Arbeit, zu einer Eintheilung in gesonderte
Departements kommen musste.
Der König Friedrich Wilhelm I., der genialste und scharfsinnigste
Organisator, den der pieussische Staat jemals gesehen hat, ist also
nicht der Schöpfer der von ihm eingesetzten, nunmehr „Geheimer
Staatsrat!)44, auch wohl Staatsministerium genannten Behörde gewesen.
Er hat nur dieser höchsten Landesbehörde eine svstematisch aus-
gedachte Organisation gegeben, und zwar auch nicht gleich auf den
ersten Wurf, sondern erst nach einem nicht befriedigenden Versuch,
der dann zur Organisation des „General -Ober -Finanz -Kriegs- und
Von E ... d. 125
Domänen-Direktoriums", gewöhnlich Generaldirektoriura genannt, führte.
Diese Organisation erfolgte im Jahre 1722. Die Chefs der einzelnen
Departements, in welche das Generaldirektorium zerlegt wurde, bildeten
wieder, d. h. auch nur insoweit sie in demselben ausdrücklich durch
die Beilegung des Titels „Geheimer Staatsminister" berufen wurden,
den Geheimen Staatsrath, der also theils die höchste berathende Behörde
des Königs und theils die oberste Spitze der Landesverwaltung bildete,
und in welchem nach der ursprünglichen Bestimmung der König selbst
den Vorsitz führen wollte.
Dieser alte Geheime Staatsrath entsprach also zum grössten Theil
dem heutigen Staatsministerium, besonders da der persönliche Vorsitz
des Königs bald in Wegfall kommen musstc, und nur in Ausnahme-
fallen stattfinden konnte. Aber dieser König fühlte schon das Bedürfniss,
sich gegen einseitige Anschauungen und Darstellungen seiner Minister
zu schützen. Er ging daher auch über die von früher her festgehaltene
Kollegialberathung noch einen mächtigen Schritt hinaus, indem er den
Ministern nicht bloss für das von jedem bearbeitete Fach, sondern auch
jedem von ihnen auch für jede im Kollegium entschiedene Sache die
volle Verantwortlichkeit auferlegte. Der Minister, welcher mit einem
Beschlüsse des Kollegiums nicht einverstanden sein konnte, und für
denselben die Verantwortlichkeit nicht .übernehmen wollte, war dem-
zufolge genöthigt, dem Könige seine Gegengrunde vorzutragen, und
diese mussten, wenn der König nicht ausnahmsweise persönlich prä-
sidirt und entschieden hatte, in den Bericht aufgenommen werden, mit
welchem die Entscheidung des Königs eingeholt wurde. Ein sehr treffendes
Beispiel von dieser Art zu verhandeln bietet der Bericht der Staats-
minister an den König dar, welchen dieselben unter dem 8. Januar 1806
über die von Stein vorgeschlagene Creirung von Papiergeld erstattet
haben. (Pertz, Steins Leben. I. p. 551 ff.)
Daneben hatte aber der König noch ein Kabinetsministerium ein-
gerichtet, in welchem die auswärtigen Angelegenheiten, die Angelegen-
heiten des königlichen Hauses, Gnadensachen etc. berathen wurden —
eine Einrichtung, welche übrigens vom grossen Kurfürsten bereits ge-
schaffen war. Der Geheime Staatsrath war damit auf die inneren An-
126 ^er Prosaische 8taatsratfa and seine erste That i. J. 1817.
gelegenheiten beschränkt, welche in den einzelnen Departements des
Generaldirektoriums speziell bearbeitet wurden, während die Departements-
chefs den Geheimen Staatsrath bildeten. Friedrich der Grosse hat for-
mell an dieser Einrichtung wenig geändert, aber da er nach Beendigung
der Kriege, welche die erste Hälfte seiner Regierung ausfüllten, ganz
selbständig regierte, so fiel der Schwerpunkt des Regiments von selbst
in sein Kabinet, in welchem er nur mit untergeordneten Subaltern-
beamten schaltete. Diese Eabinetssekretärc konnten wohl in einzelnen
untergeordneten Dingen einigen Einfluss ausüben, in den Staatsgeschäften
aber hatten sie keine Stimme. Da Friedrich der Grosse dem Geheimen
Staatsrath ebenfalls durch sein persönliches Eingreifen nur eine viel
eingeschränktere Wirksamkeit beliess, als er eigentlich haben sollte, so
trat auch diese Behörde in den Hintergrund, und dies wurde noch da-
durch verstärkt, dass der König immer neue Departements schuf, die
neben das Generaldirektorium gestellt wurden, ohne dass die Minister,
welche deren Chefs wurden, wenn sie nicht besonders auch zu Staats-
ministern ernannt wurden, Zutritt zum Geheimen Staatsrath erhielten.
Diese losen Anfügungen an das bestehende Institut haben dann bei dem
Mangel an organischer Einfügung der Verwaltung jene Schwerfälligkeit
zu Wege gebracht, welche Gneist berechtigte, zu sagen, dass Stein den
schwerfälligen kollegialischen Körper dieser Staatsverwaltung als den
eigentlichen Grund der Lähmung und geistigen Stagnation betrachtet
habe. (Gesetz und Budget p. 39.)
Aber Stein war auch berechtigt, in der berühmten Denkschrift vom
April 1806, welche dem König Friedrich Wilhelm III. durch Vermittelung
der Königin Louise vorgelegt wurde, zu sagen : „Friedrich Wilhelm I.
herrschte selbständig, berathschlagte, beschloss und führte aus durch
und mit seinen versammelten Ministern. Er bildete die noch vorhandenen
Verwaltungsbehörden und regierte mit Weisheit, Kraft und Erfolg.
Friedrich der Grosse regierte selbständig, verhandelte und berathschlagte
mit seinen Ministern schriftlich und durch Unterredung, führte durch
sie aus, seine Kabinetsräthe schrieben seinen Willen und waren ohne
Einfluss." (Pertz I. S. 332.) „Friedrich Wilhelm IL," so fährt Stein
fort, „regierte unter dem Einflüsse eines Favoriten und seiner Umge-
Von E . . . d. 127
bangen, sie traten zwischen den Thron und seine ordentlichen Rath-
geber." Aus diesem verderblichen Zustande entwickelte sich nun eine
Kabinetsregierung, welche den Geheimen Staatsrath fast ganz verdrängte
and das Generaldirektorium zuerst in Kämpfe und Zänkereien mit einer
illegalen Macht verwickelte, zuletzt lahm legte. Gegen dieses Uebel
war es keine Hälfe, und konnte an der Sache dadurch nichts geändert
werden, dass Friedrich Wilhelm III. die Macht des Eabinets in reinere
Hände legte. Der Grossvater des Fürsten Bismarck, der erste Kabinets-
rath dieses Königs, Menken, ist unstreitig einer der reinsten Staats-
männer, die der preussische Staat als seine Zierden zu betrachten hat.
Aber die Kabinetsregierung blieb, was sie gewesen war, eine Zwischen-
regierung, die eigentlich keinen legalen Boden hatte. „Gegenwärtig,"
sagte Stein dem Könige, „verhandelt, berathschlagt und beschliesst der
Regent mit seinem Kabinet, dem mit diesem affiliirten Grafen v. Haug-
witz, und seine Minister machen Anträge und fuhren die in dieser
Versammlung gefassten Beschlüsse aus. Es hat sich also unter der
jetzigen Regierung eine neue Staatsbehörde gebildet Diese neue
Staatsbehörde hat kein gesetzliches und öffentlich anerkanntes Dasein/1
Gegen diese nach seiner Ansicht ungesetzliche und gefährliche In-
stitution hat Stein im Jahre 18C6 unaufhörlich geeifert. Die Geschichte
des Falles des preussischen Staates hat ihn gerechtfertigt, und die
preussische Politik vor und während der Katastrophe liefert die Beweise
dafür. Der Einwand, dass das Kabinet in seiner damaligen Stellung
nicht gesetzlich oder verfassungsmässig anerkannt sei, mochte freilich
in der Zeit des absoluten Regiments nicht übermässig schwer ins Gewicht
fallen. Aber die verderbliche Einwirkung auf den Gang der Staatsge-
schäfte sprang gerade bei einem absoluten Regiment um so greller in
die Augen. „Dieses Kabinet/4 schreibt Stein weiter dem Könige, „hat
alle Gewalt, die endliche Entscheidung aller Angelegenheiten, die Be-
setzung aller Stellen, aber keine Verantwortlichkeit, da die Person des
Königs ihre Handlungen sanktionirt. Denen obersten Staatsbeamten
bleibt die Verantwortlichkeit der Anträge, der Ausführung, die Unter-
werfung unter die öffentliche Meinung. Alle Einheit unter den Ministern
selbst ist aufgelöst, da sie unnütz ist, da die Resultate aller ihrer
128 ^er PreQ8S'8c^e Staatarath und seine ernte Tbat i. J. 1817.
gemeinschaftlichen Ueberlegungen, ihrer gemeinschaftlichen Beschlüsse
von der Zustimmung des Eabinets abhängen." Der Kampf gegen diese
illegale Macht und für die Wiederherstellung des Zusammenhanges
zwischen den Ministern mit dem Könige, die Beseitigung ihrer „Ab-
hängigkeit von Subalternen, die das Gefühl ihrer Selbständigkeit zu
einem übermüthigen Betragen verleitet," war vergeblich. Erst die voll-
ständige Vollendung des Ruins vermochte den König nach dem Ab-
schlüsse des Friedens von Tilsit den Ideen des Ministers zugänglich
zu machen.
Als Stein, nachdem er am Schlüsse des Jahres 1806 in Ungnade
entlassen worden war, im Herbst 1807 wieder zurückberufen, sich der
Aufgabe unterzog, den zertrümmerten preussischen Staat wieder auf-
zurichten, fasste er vor allen Dingen, wie seine Denkschriften ergeben,
zwei Gesichtspunkte ins Auge. Er war an der Aufgabe gescheitert,
welche er schon vor der grossen Katastrophe verfolgt hatte, das Kabinet
des Königs zu beseitigen, in so fern dasselbe sich im Laufe der Zeit
*
zu einer unverantwortlichen und doch mit einer unzulässigen Machtfülle
ausgestatteten Zwischeninstanz zwischen dem Könige und seinen Ministern
ausgebildet hatte. Der König sollte nach Steins, auf der bestehenden
Begierungsverfassung beruhenden, Ansicht wieder in die verloren ge-
gangene unmittelbare Verbindung mit dem Ministerium gebracht werden.
Ausserdem aber war der berühmte Staatsmann, dessen hervorragendes
Organisationsgenie von keiner Seite bestritten worden ist, darauf bedacht,
die Verantwortlichkeit der Minister in wirksamer Weise sicherzustellen,
und den König gegen einseitige Beeinflussung von Seiten derselben zu
schützen. Er hat bei dieser Gelegenheit die an Staatsmännern leider
zu selten wahrnehmbare Tugend der Selbstbeschränkung in vollstem
Maße geübt und Zeugniss dafür abgelegt, dass er aufrichtig und be-
scheiden genug war, um sich selbst nicht für unfehlbar zu halten. Damit
hat er Anderen ein leuchtendes Beispiel gegeben. Dass dasselbe nicht
beherzigt und von Anderen viel zu wenig befolgt wird, ist das beklagens-
werte Leiden, an welchem die heutige Zeit bedenklich krankt.
Stein löste die Aufgabe, welche er im Herbst 180? übernommen
hatte, nicht auf einmal in plötzlichem Wechsel. Die Bücksicht auf
Von E . . . d. 129
den gebeugten König machte einen Uebergang nöthig. Von der Her-
stellung des unmittelbaren Zusammenhanges zwischen dem Könige und
den Ministern, „der Bildung eines Staatsraths oder einer unmittelbar
unter dem Könige arbeitenden, mit anerkannter nnd nicht erschlichener
Verantwortlichkeit versehenen obersten Behörde, die der endliche Ver-
einigungspunkt der verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung ist/1 wie
er sich in der Nassauer Denkschrift ausdruckt, brauchte in der ersten
Zeit nicht die Bede zu sein, denn dieser Zusammenhang war von selbst
damit gegeben, dass Stein zur Zeit der einzige Minister war. Der
Kabinetsrath Beyme wurde, sobald die völlige Trennung der Justiz
von der Administration ausgesprochen war, als Grosskanzler nach Berlin
entfernt, während Hof und Ministerium sich in Memel und dann in
Königsberg befanden, und kehrte erst nach Steins abermaligem er*
zwungenen Abgange zurück. Zuerst wurde also die Staatsverwaltung
selbst neu eingetheilt. An die Stelle des bisherigen gemischten Systems,
nach welchem die Minister theils Fach-, theils Territorialminister ge-
wesen waren, trat ausschliesslich das Fach- oder Bealsystem. Diese
Reform, durch welche zugleich der Staat auch formell als ein einheit-
liches Ganzes constituirt wurde, hat Stein deA dauernden Buhm und
eine Stelle unter den wirksamen Beformatoren gesichert. An derselben
wird auch niemals etwas geändert werden.
Aber schon in der ersten Zeit in Memel, am 15. Okt. 1807 (Pertz IL
p. 31) wird die Frage erörtert, ob es „rathsam sei, die oberste Leitung
der Staatsangelegenheiten einem ersten Minister oder einem Staatsrath
anzuvertrauen?11 Schon damals entschied sich Stein dem Könige gegen-
über dahin; „einem Manne übertrage man die Umformung der Regierung;
ist diese bewirkt, so übertrage man die Verwaltung der öffentlichen
Angelegenheiten einem Staatsrath, der unter dem überwiegenden Einfluss
eines Präsidenten steht.u Man sieht, dass Stein auch hier noch den
überkommenen Begriff eines Staatsraths als der höchsten verwaltenden
Behörde, also eines Ministerkollegiums, festhält. Erst bei der weiteren
Ausarbeitung seines Beformplanes ging er noch einen Schritt weiter
dahin, dass er den Ministern, den höchsten Spitzen der Verwaltung,
noch ein berathendes, leitendes, controlirendes Kollegium an die Seite
Altpr- Monatsschrift Bd. XX IL Hft. Id. 2. 9
130 ^er Prcu88i8che Staatsrath uud seine erste That i. J. 1817.
stellte. In dieser Weise hat Stein den von Napoleon I. ausgesprochenen
Gedanken, wohl ohne ihn zu kennen, praktisch zu gestalten gesucht.
Der erste Kaiser der Franzosen bezeichnete seinen Staatsrath als: sa
pens£e en deliberation, das Ministerium dagegen als: sa pensee en
extfcution. Zu dieser Beform bahnte er — es ist das ein überaus merk-
würdiges, hochehrenvolles Beispiel von Selbstbeschränkung — dadurch
den Weg, dass er im Juli 1808, nachdem er seine Beformthätigkeit
wieder aufgenommen hatte, sich selbst das „General-Departement14 oder
die „General-Conferenz" zu seiner eigenen Controle an die Seite setzte.
Die am 25. August 1808 vom Könige vollzogene „"Vorschrift für den
Geschäftsgang bei den gemeinschaftlichen Arbeiten der obersten Staats-
verwaltungsbehörden" bestimmt in § 4. ausdrücklich, dass in den Con-
ferenzen frei abgestimmt und der endliche Beschluss durch Stimmen-
mehrheit festgestellt werden soll. Nur bei Stimmengleichheit war dem
Minister Stein die ausschlaggebende Stimme vorbehalten.
Auf dem so gelegten Grunde konnte Stein nun die definitive Beform
ausarbeiten, welche in der Verordnung vom 24. Nov. 1808 ihre Vollendung
erhielt. Bei dieser definitiven Feststellung erhielt der Staatsrath eine
eigenthümliche Zusammensetzung und Stellung, sowohl dem Könige,
als auch den Ministern gegenüber, und mehrere dieser eigenartigen
Züge sind dann auch in den späteren Staatsrath übergegangen, der im
Jahre 1817 wirklich in Funktion trat. „Der Staatsrath war in dieser
Verfassung/1 sagt Ernst Meier ganz richtig (die Beform der Verwal-
tungsorganisation unter Stein und Hardenberg, 1881, S. 181), „der dem
Oberhaupte des Staats unmittelbar untergeordnete oberste Punkt, von
dem die gesammte Staatsthätigkeit im Interesse der grösstmöglichen
Einheit, Kraft und Begsamkeit künftig ausgehen sollte.14 Aber er war
ausserdem auch als die höchste Instanz zur Leitung, Controle und
Correctur der Thätigkeit der Minister gedacht, welche selbst als solche
Mitglieder des Staatsraths, und diesem zunächst verantwortlich waren.
So war der König, der in der Begel den Vorsitz im Staatsrath selbst
führen sollte, zugleich in unmittelbare Berührung mit den Ministern
gebracht, welche im Staatsrath ihre Vorschläge zu vertheidigen hatten,
und doch durch die Berathung mit den anderen Mitgliedern des Staats-
Von E . . . d. 131
raths yor einseitiger Beeinflussung geschützt. Da einerseits der „Staats -
und Cabinetssecretär" mit im Staatsrate sass und dessen Beschlüsse
auszufertigen hatte, so war zugleich dessen geheimer Einfluss paralysirt,
und andrerseits enthielt die Institution keine Beschränkung der absoluten
königlichen Gewalt, da der König im Staatsrath entschied, oder seine Ent-
scheidung eingeholt werden musste, wenn er nicht selbst präsidirt hatte.
Die Einteilung dieses Staatsrats in Plenum und Abtheilungen
kann hier übergangen werden. Seine Zusammensetzung aus den Prinzen
des kgl. Hauses, den Ministern und den Geheimen Staatsräten, welche
theils als Dirigenten der den Ministern untergeordneten Departements
vermöge ihres Amtes wie die Minister selbst Mitglieder des Staats-
rats waren, theils aus Personen, die der König aus besonderem Ver-
trauen berief, theils aus Ministern bestanden, welche mit Genehmigung
des Königs ihre Posten niedergelegt hatten, ist nur zum Theil später
beibehalten worden. Dagegen ist die Aufmerksamkeit darauf zu richten,
dass das Plenum des Staatsraths „die Anordnung sämmtlicher Ver-
waltungsgrundsätze, die oberste Leitung der Verwaltung, soweit sie
von einem Punkt ausgehen muss, und die oberste Controle des Ganzen
der Verwaltung14 überwiesen erhielt. Demgemäss sollten dort verhandelt
werden „alle Gegenstände der Gesetzgebung, sobald die Sanction eines
neuen, oder die Abschaffung und Modifikation eines bisher bestandenen
Gesetzes für nöthig gehalten wirdu; ferner alle neuen allgemeinen Ein-
richtungen oder die Aufhebung alter Anordnungen; ferner alle Ange-
legenheiten, bei denen mehrere Departements betheiligt, oder welche
unter ihnen streitig geblieben waren; ferner alle Angelegenheiten, für
welche die Minister der Genehmigung des Königs bedurften; endlich
die Recbenschaftsablegung der Minister über ihre Verwaltung, die Prüfung
der Hauptrechnungen, die monatlichen Gassenextracte und die Rechen-
i
scbaftsablegung über die Gesammtlage der Staats- und Volkswirtschaft.
Diese umfassende und tiefeinschneidende Einrichtung ist nie in
das Leben getreten. Der König hat zwar die Verordnung vom 24. No-
vember 1808 vollzogen (Pertz II. p. 689/739), aber da Stein unmittelbar
darauf seine Stellung aufgeben musste, so erhielten seine Nachfolger,
*
insbesondere der von seinem Schwager Nagler stark beeinflusste Minister
9*
132 ^er preussische Staatsrath und seine erste That i. J. 1817.
Altenstein, Gelegenheit, bei dem Könige die Streichung des ganzen
Capitels vom Staatsrath ans der noch nicht publieirten Verordnung durch-
zusetzen. Die wirklich publicirte Verordnung vom 16. Dezember 1808,
betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden, ent-
hält bezuglich des Staatsraths nur eine vage Hinweisung auf die Zukunft.
Immerhin kann es hier dahingestellt bleiben, ob die Streichung
des Staatsraths ein Act bewusster Reaction gegen Steins Beformen
gewesen ist, oder ob kein Systemwechsel stattfand, sondern an Steins
Nachfolgern sich nur von vornherein der Mangel an Energie geltend
gemacht hat, der schon nach 1 ty2 Jahren zu einem vollständigen Fiasco
geführt hat. Ernst Meier vertheidigt die letztere Meinung. Man kann
ohne Weiteres als sicher annehmen, dass der Minister des Inneren, Graf
Alexander zu Dohna-Schlobitten, ehrlich daran geglaubt hat, dass die
Institution sich erst dann werde handhaben lassen, wenn der Staat von
den französischen Truppen werde geräumt sein, und die Regierung wieder
nach Berlin zurückgekehrt wäre. Dies war der Vorwand, unter welchem
die Reaktionspartei dem Könige die Suspension des Staatsraths plausibel
gemacht hat. Deshalb kann der Bericht, den Altenstein und Dobna
gemeinschaftlich schon am 4. Dezember 1808 dieserhalb dem Könige
vorlegten, weder für noch gegen diese Ansicht etwas beweisen. Stein
selbst schrieb, wie Schön und Merkel, die Suspension des Staatsraths
in einem an Schön gerichteten Briefe vom 26. Dezember 1808 unum-
wunden „der Eitelkeit Altensteins, von der ich Alles erwarte", zu. Er
deutete aber auch gleichzeitig sofort auf den durch Nagler vermittelten
Einfluss der Reaktion auf Altenstein hin. Graf Dohna hat, freilich ver-
geblich, mehr als einen Anlauf genommen, die Staatsrathsidee wieder
in Fluss zu bringen, ist also von diesem Einfluss völlig unberührt geblieben.
Nur das eine verhängnissvolle Resultat ist gewiss, dass Steins Ver-
waltungsreform, nachdem man ihr die niemals wiederhergestellte Spitze
im Staatsrath abgebrochen hatte, zu jenem „Ministerialismusu, zu jener
Ministerallgewalt den Weg gebahnt hat, welche in neuster Zeit in Freussen
die Machtstellung des Fürsten Bismarck und die Einführung einer dem
französischen Präfectensystem ähnlichen oder vielmehr gleichartigen
Verwaltungsorganisation möglich gemacht hat.
Von E ... d. 133
Als das Ministerium Altenstein-Dohna im Frühjahr 1810 voll-
ständig abgewirtschaftet hatte und mit seinen Hülfsmitteln am Ende
angekommen war, trat Hardenberg unter dem Titel Staatskanzler Steins
Erbschaft an. Es galt die Reform weiterzuführen, und es war daher
wohl angebracht, dass Hardenberg sich eine ähnliche dilatorische Stellung
ausbedang, wie Stein sie gehabt hatte, und dass der König ihm dieselbe
zugestand. Gewissermaßen entsprach diese Stellung des Staatskanzlers
der Stellung, welche Stein dem Staatsrath hatte geben wollen, nur dass
die Befugnisse und Funktionen des Staatsrats, in der Hand eines
Mannes vereinigt, das gerade Gegenstück eines Staatsraths sein müssen.
Indessen wurde bei der Ernennung Hardenbergs und der durch die
Verordnung vom 27. October 1810 über die veränderte Verfassung der
obersten Staatsbehörden erfolgten Präcisirung derselben die Einsetzung
eines Staatsraths ausdrücklich vorbehalten.
Bekanntlich hat der Staatskanzler v. Hardenberg einen Versuch
gemacht, mit einer Versammlung von Notabein, welche von der Re-
gierung berufen waren, im Jahre 1311 eine Verständigung über die
Fortsetzung der Stein'schen Beformen herbeizuführen. Das Wort „all-
gemeine Nationalrepräsentation41 war von Stein oder wenigstens mit seiner
Namensunterschrift als ein Postulat der Reform noch in dem sogenannten
Testament ausgesprochen worden. Hardenberg hielt anfänglich an dem-
selben fest, und obgleich er mit dem ersten Versuche an der starren
aristokratisch-reactionären Opposition der von ihm selbst geschaffenen
Notabein vollständig gescheitert war, wiederholte er den Versuch im
folgenden Jahre schon mit von „der Nation erwählten" interimistischen
»Nationalrepräsentanten". Was man auch gegen das Wahlverfahren ein-
wenden mochte, welches sehr summarisch nur grundbesitzende Edelleute
und die Stadtmagistrate als Wähler verwenden konnte, weil man damals
keine anderen haben konnte, es waren doch immerhin gewählte Repräsen-
tanten, welche die Stimme des Landes auszudrücken vermochten. Denn
„der Sinn für politisches Leben begann überall im Volke zu erwachen",
sagt Treitschke bei dieser Gelegenheit mit Recht, wenn ihm auch nicht
bekannt geworden war, dass diese Versammlung von Nationalrepräsentan-
ten, welche mit Unterbrechungen, namentlich während des Krieges 1813,
134 ^er Prea8S'8Cbe Staatsrath und seine erste That i. J. 1817t
drei Jahre lang getagt, gar nicht so unbedeutende Beschäftigung gehabt
hat, als er annimmt. Die Protokolle dieser Versammlung sind endlich
von Alfred Stern im Geheimen Staatsarchive aufgefunden worden, und
der vorläufige Bericht, den dieser Gelegte über den Inhalt derselben
im ersten Hefte des Jahrgangs 1882 der „Nachrichten der Egl. Ge-
sellschaft der Wissenschaften zu Göttingen" erstattet hat, zeigt, dass
sich in derselben recht kräftige constitutionelle Regungen kundge-
geben haben.
An dieser Stelle ist die Debatte von Interesse, welche der Land-
schafts-Syndikus Eisner am 7. April 1815 dadurch veranlasste, dass
er den Antrag stellte, die Versammlung möge. den König bitten, „die
Ausarbeitung und Ausführung der allergnädigst versprochenen Landes-
verfassung durch die neuen Ereignisse nicht unterbrechen zu lassen,
vielmehr die Einführung einer definitiven Landesrepräsentation nach
Möglichkeit zu beschleunigen". Dieser Mann motivirte seinen Antrag
mit den verschiedenen „seit mehreren Jahren gegebenen Verheissungen,"
und meinte zugleich, die jetzt tagende Versammlung dürfe deshalb
nicht aufgelöst, sondern nur „durch eine fester konstituirte Versamm-
lung" abgelöst werden; sie müsse „bis dahin als Gegengewicht dienen
gegen die Opposition, welche aus unlauteren Absichten wider jede ver-
fassungsmässige Repräsentation erregt und erhalten werde". Ein Theil
der Versammlung war bedenklich, ob der Zeitpunkt, einen solchen Antrag
zu stellen, richtig gewählt sei. Man rüstete sich eben, dem von Elba
herübergekommenen Napoleon zu begegnen. Da ist es denn doch für
die Zeitstimmung recht bezeichnend, dass gerade Edelleute, wie ein
Bredow, ein Brandt :c. dem Antragsteller zustimmten. Den Einwand,
dass der König den Antrag ungnädig aufnehmen werde, widerlegte Eisner
sehr peremtorisch mit dem Hinweise darauf, dass der König dazu gar
nicht mehr in der Lage sei: „es ist hier nicht vom Geben einer Kon-
stitution die Rede ; dieses hat des Königs Majestät schon versprochen.
Es ist bloss von Beschleunigung ihrer Ausarbeitung die Rede, und dies
ist lediglich Sache des Fürsten Staatskanzlers". So wurde denn, und
zwar mit zweiunddreissig Stimmen gegen nur drei, in dieser grössten-
theils aristokratischen Versammlung beschlossen, nicht an den Köuig,
Von E . . . d. J35
sondern nur an den Staatskanzler die Aufforderung zu richten, dass er
die ihm bereits aufgetragene Arbeit beschleunigen wolle. Zugleich be-
schloss man, auch an die Wiederherstellung von Provinzialständen
zu erinnern.
Die Antwort war die bekannte und berühmte Verordnung vom
22. Mai 1815 über die zu bildende Repräsentation des Volkes, welche
bis zum Jahre 1848 den Ausgangspunkt für alle konstitutionellen Be-
strebungen gebildet hat. Die interimistische National-ßepräsentation,
welche diesen kräftigen Anstoss gegeben hatte, wurde nach Hause ge-
schickt. Aber am 24. Juni 1815 wurde derselben amtlich verkündet,
i
dass sie vor ihrer Auflösung „mit den Grundlinien der neuen Konsti-
tution bekannt werden würde". Diese Zusage ist nun freilich nicht ge-
halten worden, konnte wohl auch kaum gehalten werden.
Diese ganze Episode musste deshalb an dieser Stelle erwähnt werden,
weil sie beweist, wie tief man damals ganz allgemein von der Not-
wendigkeit überzeugt war, in Freussen eine konstitutionelle Verfassung
einzuführen. Diese Stimmung und Ueberzeugung hat bis zum Jahre 1819
unverändert, trotz aller Gegenbestrebungen, unerschütterlich fest ge-
standen. Bekannt ist, mit welchem Eifer Stein noch 1818 und 1819
die Angelegenheit verfolgte. Im Sommer 1819 schrieb ihm Wilhelm
von Humboldt, dass Hardenberg eine Verfassung ausgearbeitet und dem
Könige vorgelegt habe (Pertz V, p. 381), am 15. Juli 1819 meldete
er, dass nach Mittheilungen aus Berlin der König die Verfassung, die
ihm zwei Monate lang vorgelegen, unterzeichnet habe. Dass diese Nach-
richt keineswegs unbegründet gewesen ist, ergiebt sich wohl deutlich
genug aus der von Sailer in dem jetzt vorliegenden Buche „der preus-
sische Staatsrath und seine Reactivirung, Berlin 1884" veröffentlichten
Kabinetsordre vom 30. März 1817 (Anlage X), in welcher aus der Mitte
des eben zusammen getretenen Staatsraths eine Kommission niederge-
setzt wurde, welche die „Organisation der Provinzialstände, der La n d es-
repräsentanten uud der Ausarbeitung einer Vcrf&ssungsurkunde"
beschäftigen sollte. Welche Umstände den plötzlichen Umschlag her-
beiführten, ist bekannt. Damit ist denn nun die lange Jahre kolportirte
Deutung der Verordnung vom 22. Mai 1815, dass nämlich dieselbe
136 Der Pr«us»ische Staatsrath und seine erste Tbat i. J. 1817.
nicht das Versprechen einer konstitutionellen Verfassung enthalte, viel-
mehr durch die Einführung der Provinzialstände erledigt sei, gründlich
widerlegt und als unwahr erwiesen. Es ist unbegreiflich» wie der König
Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1840 überhaupt darüber hat zweifel-
haft sein können. Aber alle diese Vorgänge beweisen doch klar, dass
man damals, als Hardenberg im Jahre 1817 die Einsetzung eines Staats-
rats durchgesetzt hatte, diese Institution nicht für unvereinbar mit
einer konstitutionellen Verfassung und mit der Verantwortlichkeit der
Minister betrachtet hat. Diese Frage tauchte erst nach 1850 auf, als
man die Konstitution, aber noch nicht die Ministerverantwortlichkeit hatte.
Die Verordnung yom 20. März 1817 rief einen Staatsrath ins Leben,
der mit der Verwaltung gar nichts zu thun haben, sondern nur die
höchste berathende Behörde der Krone bilden sollte. Nur die Grund-
sätze, nach denen verwaltet werden sollte, gehörten vor sein Forum.
Demzufolge gingen dem Staatsrath alle Gesetze, Verfassungs- und
Verwaltungsnormen, Pläne über Verwaltungsgegenstände zu, durch welche
die Verwaltungsgrundsätze abgeändert werden, Berathungen über all-
gemeine Verwaltungsmaßregeln, zu welchen die Minister nicht autorisirt
sind, sondern der Genehmigung des Königs bedürfen. Sämmtliche Vor-
schläge zu neuen oder zur Aufhebung, Abänderung und authentischen
Deklaration von bestehenden Gesetzen und Einrichtungen sollten durch
den Staatsrath an den König zur Sanktion gelangen. Daneben gehörten
dahin auch noch alle Gegenstände, welche nach bestehenden Gesetzen
oder durch speziellen Befehl des Königs an den Staatsrath gewiesen
werden, insbesondere alle Differenzen zwischen Ministerien. Zuletzt
wurde aber, und das ist für die oben bezeichnete Streitfrage ent-
scheidend, die Verhandlung mit den noch nicht existirenden Ständen
dem Staatsrath vorbehalten. Die Zusammensetzung dieses Staatsrates
blieb ungefähr dieselbe wie in Steins Projekt, nur wurde den Ministerial-
direktoren nicht als solchen ein Sitz im Staatsrath, auch nicht das
Recht eingeräumt und die Pflicht auferlegt, an den Staatsrath zu appel-
liren, wenn sie mit einer Verfügung des Ministers nicht einverstanden
waren. Geborene Mitglieder des Staatsratbs waren aber ausser den
Prinzen des Hauses die Feldmarschälle, die Staatsminister im Dienst,
Von E ... d. 137
der Staatssekretär, der Chef des Obertribunals, der erste Präsident der
Oberrechenkamraer, der Geheime Kabinetsrath, der Offizier, welcher
beim Könige den Vortrag in Militärsachen hat, endlich noch, wenn sie
in Berlin anwesend, d. h. dahin berufen waren, die kornmandirenden
Generale und die Oberpräsidenten.
Die Geschichte der Thätigkeit einer so erlauchten Versammlung,
welche am 31. März 1817 zum ersten Male zusammentrat, ist noch
nicht geschrieben worden. Ein an sich sehr bedeutendes Stuck, aber
doch eben nur ein dem Umfange nach verhältnissmässig kleines Stück
ihrer Berathungen, die Verhandlungen über die Steuerreform, auf welcher
der Aufschwung des Wohlstandes in Preussen nnd der Industrie beruht,
ist von Dieterici, dem Sohn, ausfuhrlich dargestellt worden. Nach einem
so glänzenden Anfang seiner Thätigkeit, die sich übrigens auch auf die
ganze in demselben Jahre durchgeführte Verwaltungsorganisation bezog,
und nach dem entscheidenden Einflüsse, den diese Institution auf die
Gesetzgebung und die Haltung der Minister ausübte, hätte man von
derselben einen anderen Gang der Entwickelung erwarten sollen, als sie
wirklich eingeschlagen hat. Ueber die Gründe, welche dahin führten,
dass die immer höher aufstrebende Ministergewalt den Staatsrath immer
mehr in den Hintergrund zu drängen vermochte, spricht sich der Minister
v. Schön in seinen Memoiren (Aus den Papieren Bd. 3, Berlin 1876
p. 48) folgendermaßen aus:
„Im März 1817 wurde ich wieder nach Berlin berufen. Zur Er-
öffnung des Staatsraths waren alle Oberpräsidenten versammelt. Gegen
die eben vergangene Zeit war es ein bedeutender Fortschritt, dass der
in Königsberg errichtete und nach dem Abgange Steins suspendirte
Staatsrath wieder ins Leben trat. Wie der Staatskanzler zwar reich an
Ideen war, aber wie keine Idee bis zur Klarheit bei ihm sich hatte
durchbilden können, so wurde durch die ersten Ernennungen zur Mit-
gliedschaft des Staatsraths zugleich der Keim zu seiner Unbedeutenheit
gelegt. Ein Staatsrath soll den Souverän gegen die Einseitigkeit der
Beamten sichern, und die Ueberzeugung geben, dass das, was das Ke-
gierungspersonal, welches entfernt vom Volke steht, als heilsam vor-
sehlägt, bei dem Standpunkte des Volkes diesem auch wirklich heilsam
138 Der p'enseiscbe Staatsrat und seine erste Tbat i. J. 1817.
sei, so dass, wenn die zu nehmende Maßregel den Repräsentanten des
Volkes zur letzten Prüfung vorgelegt wird, diese Maßregel weder an
Einseitigkeit noch am Mangel der Kenntniss des Landes in seinem
augenblicklichen Zustande leide. Hienach gehören Beamte jeder Art
allerdings in den Staatsrate insofern sie selbständig nicht von einem
anderen Beamten abhängen, aber wesentlich gehören dahin unabhängige
Männer, welche in keinem offiziellen Yerhältniss stehen, um durch ihre
Unabhängigkeit, ihren Charakter, durch ihre Entfernung von jedem
Beamtenverl ä'tniss die unbefangene Intelligenz und durch ihr Leben
mit dem Volke den augenblicklichen moralischen und Kulturzustand
des Volkes zu repräsentiren. Dies wurde aber vom Staatskanzler nicht
beachtet, der Staatsrat!} wurde ausser den Administrationschefs und den
ersten Militärs mit Ausnahme von einer Person grösstentheils aus
Berliner Bureaubeamten und einzelnen Mitgliedern der Gerichtshöfe
gebildet. Der Graf Dobna, der Baron Stein und mehrere andere Per-
sonen aus allen Ständen waren zu Mitgliedern des Staatsraths durchaus
geeignet, aber die Bureaukratie überwältigte hier alles, und der Staats-
kanzler musste es noch selbst erleben, dass er mit seiner Stiftung nicht
zufrieden sein konnte. Bei der ersten Stiftung war noch das volle
Leben aus der Eriegszeit in den Gemüthern der Mitglieder, und die
Verhandlungen gingen verhältnissmässig anfangs sehr gut, aber mit
jedem Friedensjahr trat der Sinn für das öffentliche Leben mehr zurück
und gewann die Bureaubeamten-Richtung mehr Terrain. Jetzt (1844)
musste eine ganz neue Organisation des Staatsraths stattfinden, es müssten
Männer mit Ideen da die Oberhand bekommen, und alle, deren Gesichts-
kreis nicht weiter als der Bureaudienst reicht, daraus entfernt werden,
wenn der Staatsrath seine Aufgabe soll lösen können41.
Dieser Darstellung können hier noch aus besonderen Quellen einige
Details hinzugefügt werden, die auch für ernsthafte Leser nicht jedes
Interesses entbehren werden. Der König Friedrich Wilhelm III. hat,
wie der Oberpräsident von Ostpreussen, Landhofmeister v. Auerswald
in seinen Tagebuchnotizen vermerkt hat, den Staatsrath am 30. März
1817 persönlich „mit wenigen Worten" eingeführt. „Der ganze Höf,
die Generalität" war bei dieser Feierlichkeit zugegen, sonst ausser den
Von E ... d. 139
Mitgliedern des Staatsrates „bloss Militär/4 Die Entfaltung dieses mili-
tärischen Prunks bei solchen Gelegenheiten, welche, als derselbe bei
der Grundsteinlegung des Reichstagsgebäudes wiederholt sich zeigte,
mehrfach in einer nicht berechtigten Manier bekrittelt worden ist, ent-
spricht einer alten Hohenzollernschen Tradition, und sollte daher nicht
bekrittelt werden. Sie wurde auch von Engländern, welche seit Jahr-
hunderten mit parlamentarischen Institutionen verwachsen und vertraut
sind, in Berlin nicht bekrittelt worden sein. Wenn diese Nation bei
sich einen gleichartigen Prunk nicht leiden würde, so liegt dies daran,
dass dies bei ihnen eine Neuerung sein und ihrem Sinne für die Kon-
servirung alter Sitten widersprechen würde. Ausserdem hat die Armee
in England eine ganz andere Stellung als bei uns. Hier ist sie eine
mit dem ganzen Yolksbewusstsein fest verwachsene Institution, welche
das ganze Volk repräsentirt. Sie ist populär wie keine andere, und
somit rechtfertigt sich die Beibehaltung der alten Sitte, welche den
König und jetzt auch den Kaiser in Galla von seinen Generalen um-
geben, als die höchste Spitze der Monarchie gedacht, darstellt.
Dem Könige folgte der Staatskanzler Fürst Hardenberg, der „eine
herzliche Ansprache hielt," und die Organisationsverordnung publizirte.
Diese Bede ist, obgleich sie zur Sache Nichts enthielt, als ein auf
„archivalischen" Studien beruhendes Novum von Sailer veröffentlicht
worden. Der Welt und auch dem Geschichtschreiber hätte voraus-
sichtlich die von Auerswald notirte Bezeichnung: „herzliche Ansprache"
vollauf genügt. Der Staatskanzler legte dem neu eröffneten Staatsrath
sodann als ersten Gegenstand seiner Berathung „den neuen Bülowschen
Finanz- und Steuerplan" vor. Wilhelm v. Humboldt war zum Vor-
sitzenden des sofort gebildeten „Finanz-Comite's* (in den Verhandlungen
wird dasselbe als „Steuerkommission" bezeichnet) ernannt worden, und
damit war die erste einleitende Sitzung beendet.
Dieser „neue Bülow'sche Finanz- und Steuerplan" und der Bericht
der Steuerkommission des Staatsraths, dann ein Separatvotum Wilhelm
v. Humboldts und eine Replik des Finanzministers Grafen v. Bülow
liegen gedruckt vor. Wer sich ein begründetes Urtheil über die in
Aussicht stehende Wirksamkeit und die Leistungen des jetzt reaktivirten
140 E>er preussische Staatsratb und seine erste Tfaat i. J. 1817.
Staatsraths bilden will, dem kann das Studium dieser Verhandlungen
nicht dringend genug empfohlen werden, welche der verstorbene Re-
gierungsrath Dieterici jun. in seinem 1875 erschienenen Bucho: „zur
Geschickte der Steuerreform in Preussen von 1810 bis 1820" auf Grund
eingehender Archivstudien veröffentlicht hat. Diese Verhandlungen bieten
ein Muster dar für die Art und Weise, wie der Staatsrath die Vorlagen
der Regierung zu behandeln hat.
Nachdem Dieterici, der Vater, in seinem noch lange nicht veralteten
Buche: „der Volkswohlstand im preussischen Staate etc. vor Eintritt des
Zollvereins" den Nachweis dafür erbracht hat, dass es nach dem Ab-
schlüsse des Friedens 1815 keine dringendere Aufgabe für die Gesetz-
gebung geben konnte, als die Neuordnung des Abgaben- und Finanz-
wesens, bedarf der Versuch, deu der Finanzminister Graf Bülow gemacht
hatte, keiner weiteren Rechtfertigung bezüglich seiner Notwendigkeit.
Vor allen Dingen war eine völlige Umgestaltung dr.s Abgabenwesens
dadurch nöthig geworden, dass die Gesetzgebung inzwischen den bis
dahin festgehaltenen Unterschied zwischen den Städten und dem platteu
Lande aufgehoben hatte. Das bisherige Steuersystem war aber auf diese
noch aus dem Mittelalter überkommene Unterscheidung begründet worden.
Die durch Mauern und Thore räumlich abgeschlossenen Städte hatten
ihre Einnahmen schon in sehr alter Zeit durch indirekte Abgaben
(Bierziese etc.) erhoben, und aus denselben ihre Leistungen an den Landes-
herrn bestritten. Die wachsende fürstliche Macht legte ihnen dann
dieselben auf. Als später die Bedürfnisse des stehenden Heeres gesichert
werden mussten, wurde auf dem platten Lande den Bauern die Eon-
tribution aufgelegt, welche später Grundsteuer genannt wurde. Die Städte
wurden dagegen mit der Accise belegt, welche zuletzt alle erdenklichen
Gegenstände und Bedürfnisse des Lebens erfasste. Dazu boten die
Zwangs- und Bannrechte der Städte die bereite Handhabe. Und wie
in Rüssland im 19. Jahrhundert der Finanxminister Graf Kankrin in den
Grenzzöllen ein sehr bequemes und kräftig ausgenutztes Mittel fand,
um dem steuerfreien Adel auf einem Umwege recht ansehuliche Steuern
abzunehmen, ohne dass dieser sich beklagen durfte, so hat die preussisclie
Steuerverwaliung die städtische Accise zu demselben Zwecke benutzt,
Von E ... d. 141
nnd bis in die subtilsten Feinheiten ausgebildet. Grundbedingung war
dabei freilieb, dass alle Gewerbe nur in den Städten getrieben wurden
und das platte Land nur auf die nöthigsten landwirtschaftlichen Ge-
werbe: Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Stellmacher beschränkt wurde,
sodass der Landmann, wenn er in der Stadt etwas einkaufte, die auf
den Rohmaterialien ruhende, bei der Einfuhrung in die Stadt erlegte
Accise mitbezahlen musste. Dies System war mit solcher Strenge durch-
geführt worden, dass Friedrich der Grosse nach der Besitznahme von
Westpreussen dort alle auf dem Lande wohnenden Handwerker ohne
Weiteres in die sofort mit der Accise beglückten Städte treiben Hess,
und dass man in Süd- und Neuostpreussen nach der zweiten und dritten
Theilung Polens ebenso verfuhr.
Das System hatte freilich schon vorher manches Loch erhalten.
In Schlesien fand man erbberechtigte Handwerkerstellen und eine aus-
gebildete und damals werthvolle Weberei auf dem Lande vor, die sich
nicht in die Städte einpferchen liess. Als dann noch die Baumwollen-
weberei aufkam, musste man dieselbe sogar vom Zunftzwange entbinden,
den die zarte Industriepflanze gar nicht ertragen hätte. Nun wurde aber
1810 der Unterschied zwischen Stadt und Land gesetzlich beseitigt,
das Gewerbe freigegeben. Der Steuerverfassung war damit das Fun-
dament entzogen, und es war sogar später geradezu unmöglich ge-
worden, dasselbe wiederherzustellen, nachdem man die Rheinlande dazu
genommen hatte mit einer ganz ansehnlichen Fabrikindustrie, die in
den alten Bahmen einzupassen unmöglich war. Man hatte in der ersten
Noth versucht die Accise als eine Konsumtionsabgabe auf Brod, Fleisch,
Getränke auch auf das platte Land auszudehnen, um ein Gleichgewicht
mit den Städten einigermaßen herzustellen. Aber die Mahlsteuer und
die Fleischsteuer hatte nicht bloss den Bruch zwischen Hardenberg und
Niebuhr, dem auch Schön beitrat, im Jahre 1810 zur Folge gehabt.
Niebuh r hatte Aufruhr und Mord und Todschlag prophezeiht; Schön
hatte vorhergesagt, dass dies System kein Jahr lang werde aufrecht
erhalten werden können. Schon im Jahre 1811 musste der König die
rigorose Handhabung der Mahlsteuer gegen das hungernde Landvolk
untersagen, und in mehr als einem Kreise baten die Stände (d. h. da-
142 ^er Pf russische Staatsrath und sein« erste That i. J. 1817.
in als also die grundbesitzenden Edelleute auf dem Lande) sie lieber mit
einer direkten Fersonalabgabe zu belegen, als das hungernde Volk so
furchtbar zu peinigen.
Daduich war die ganze Steuer Verfassung ein Chaos geworden,
welches noch dadurch gesteigert wurde, dass man eine Provinz von der
anderen durch Binnenzolllinien halte trennen müssen, damit nicht ein
und derselbe Gegenstand in verschiedenen Provinzen verschiedener Be-
steuerung unterliege. In den Provinzen jenseits der Weser bestand sogar
ein ganz anderes Steuersystem, weil man dort der verwirrten Grenzen
wegen die Acciseverfassung gar nicht handhaben konnte, und deshalb
von diesen Landestheilen Aversa erhob, die zum Theil von den Ständen
verwaltet wurden. So war es dahin gekommen, dass der Finanzminister
selbst eingestehen musste, es gebe 57 verschiedene Zoll- und Accise-
tarifs und 2775 besteuerte Gegenstände, und dass „auch der geübteste
Officiant in dieser Parthie keine richtige Uebersicht von dem, was im
Lande und dessen verschiedenen Theilen von jedem Artikel gegeben
wird, liefern kann44.
Der Reformplan des Grafen v. Bülow war in dem Immediatbericht
vom 14. Januar 1817 enthalten, welchem zwei Gesetzentwürfe beigefügt
waren : „Gesetz über die Steuerverfassung des Königreichs44 und „Gesetz
über den Zoll und die Konsumtionssteuern14. Der erste Gesetzentwarf
behielt jede Abänderung der Grundsteuerverfassung der Berathung mit
den Ständen vor, dehnte dieselbe aber gleichzeitig auf die Städte aus,
denen eine Grundsteuer und eine Gebäudesteuer auferlegt werden sollte.
Alle Personal- und indirekten Steuern, welche bisher erhoben waren,
wurden aufgehoben bis auf die Gewerbesteuer, die Stempel-, Spielkarten-
und Kalendereinnahmen, und das Salzmonopol. Der zweite Gesetz-
entwurf setzte an die Stelle der bisherigen Binnen- und Zwischenzölle
und der verschiedenartigen Grenzzölle einen einheitlichen „Einfuhrzoll
und eine Konsumtionssteuer" von auswärtigen Waaren gewisser Art,
welche neben dem Zoll erhoben wurde. Bei der Durchfuhr solcher
Waaren in andere Länder sollte nur der Zoll entrichtet werden. Alle
Accisen wurden aufgehoben und ihre Stelle durch Konsumtionsabgaben
ersetzt. Zu dem Ende sollte eine Mahlsteuer, eine Backsteuer, eine
Von IS ... 4. 143
Biersteuer, eine Branntweinsteuer, eine Weinsteuer, eine Fleischsteuer,
eine Tabacksteuer erhoben werden. Auch die neuerdings angepriesenen
Berufsgenossenschaften hatten in dem Projekt schon einen Platz ge-
funden. Man nahm „Steuerkorporationen" von Mullern, Bierbrauern,
Branntweinbrennern in Aussicht, welche die ihnen auferlegten Steuerfixa
unter sich aufbringen sollten. Das heutige „Pauschalirungssystem" in
Oesterreich.
In dem allegirten Immediatbericht hat Graf Bülow einige bemerkens-
werthe Aeusserungen gethan, welche von den Vertheidigern des heutigen,
dem Bülow'schen sonst recht ähnlichen Steuer- und Wirtschaftssystems
nicht anerkannt werden durften. Seine Begründung des Verbrauchs-
abgabensystems ist nur recht schwach ausgefallen. Er hatte überhaupt
zunächst den Verkehr mit dem Auslande im Auge, und hatte sich hier
der Feder Maaßen's bedient. „Die ergiebigste Quelle des Wohlstandes
liegt im Handel. Die Erhaltung und Beförderung des Handels und der
Fabrikation verdienen die gross te Aufmerksamkeit". Er erklärte es für
nothwendig, „eine gemässigte Handelsfreiheit" zu gewähren. „Freier
Handelsverkehr mit dem Auslande, Einlassung fremder, ebenso die Aus-
fuhr eigener Erzeugnisse des Bodens und des Gewerbefleisses müsse
gestattet, und jene sowohl durch die diesseitigen Länder zu verfahren
(transit), als darin zu verbrauchen erlaubt sein". Er verwarf alle Ein-
fuhr- und Durchfuhrverbote, das ganze bis dahin gehandhabte merkan-
tilistische Prohibitivsystem völlig. „Dabei sind jedoch Maßregeln ge-
nommen, um dem inländischen Gewerbefleiss Schutz und den inländischen
Fabrikaten hinreichenden Vorzug zu gewähren".
Graf Bülow wusste recht gut, und sein die Feder führender Ge-
hülfe, Maaßen wusste es vielleicht noch besser, dass der Reformplan
an diesem Punkte auf den heftigsten und zähesten Widerstand stossen
werde. Die Handelsfreiheit, selbst in der Beschränkung, welche man
für unerlässlich hielt, und der gerade Maaßen wenigstens zur Zeit
diese Beschränkung aufzulegen für geboten hielt, damit sie sich später
in den Freihandel umwandeln, oder zu demselben ausbilden könne,
war das genaue Gegentheil von der bisherigen Handels- und Gewerbe-
politik. Der Immediatbericht des Finanzministers widmete also einen
144 ^er prosaische Staatsrath and seine erste Tbat i. J. 1817.
ganzen Abschnitt der Rechtfertigung der vorgeschlagenen tief eingrei-
fenden Neuerung. „Ein Prohibitivsystem11 — also das vom preussischen
Staat seit den Tagen des grossen Kurfürsten konsequent festgehaltene
und bis in die feinsten Einzelheiten ausgebildete Handels- und Fabrikeu-
system — „wie es in einigen Proviuzen zum Theil besteht, wie es Eng-
land, Frankreich, neuerlichst auch Bussland befolgt, kann der Lage und
dem Verhältniss des preussischen Staats unmöglich entsprechen. Die
lange Küste, die Lage der Rheinischen und Westfälischen Provinzen
zwischen Frankreich, den Niederlanden und" — sie! — „Deutschland
eignen dieses Land zu einem ausgedehnten Transitverkehr und Zwischen-
handel. Je grösser die Freiheit, desto mehr wird man sich dieses
Handels bemächtigen können, möglichst grosse Einfuhr erweitert den
Handel, erleichterte Ausfuhr belebt die inländische Produktion11. Es
kann heute keine ärgere Ketzerei geben, und man mag daran einiger-
maßen bemessen, wie gross der Rückschritt bereits geworden ist, den
die heutige Wirthschafts-, Handels- und Steuerpolitik gemacht hat — ]
um mehr als zwei Menschenalter! !
Es wird dann darauf hingewiesen, dass man schon immer die Provinz
Preussen von dem Prohibitiv- und Fabrikensystem habe ausnehmen
müssen, dass man jetzt mehrere fabriken reiche Landestheile dazu er-
worben habe, denen man Absatz in das Ausland eröffnen müsse, dass
Einfuhrverbote aber das Gegen theil von dem, was man zu erstreben
habe, bewirken, und Retorsionen des Auslandes hervorrufen werden.
Aber „der Monopoliengeist beherrscht aller Orten die Produzenten und
Fabrikanten auf gleiche Weise. Sie fordern Zurückweisung der fremden
und wollen den alleinigen Betrieb ihrer Erzeugnisse sowohl im Inlande
als zugleich den ungehinderten Absatz im Auslande, da sie des Aus-
landes dabei nicht entbehren können. Sie übersehen es dabei, dass
Beides zugleich nicht zu erreichen stehtu. Das Beispiel der Provinzen
Niederrhein und Westfalen wird zu Gunsten dieser Lehre herangezogen.
Sie „haben ihre Kräfte dadurch kennen gelernt. Während sie ohne alle
Staatsvortheile und Bannmittel fremde Konkurrenz ausznhalten hatten,
hat sich ihre Fabrikation erhoben, und der Kunstfleiss ist dahin ge-
diehen, dass sie nicht allein den Absatz im Inlande sich zu sichern
keine Sorge haben, sondern auch die Konkurrenz mit England bestehen14.
<
?on E . . . d. 145
Diese Aeusserung stand nun freilich in schroffem Widerspruch zu
dem gerade damals lebhaften Geschrei, welches die Fabrikanten in allen
Landestheilen gegen die durch die Beseitigung des Napoleonischen
Kontinentalsystems plötzlich herangelockte Konkurrenz der englischen
Fabrikanten, wie heute wieder, erhoben hatten. Im ersten Augenblicke
begegnete dieselbe natürlich auch einer auf das allerniedrigste Maaß
herabgedrückten Kauf- und Konsumtionskraft des durch die Kriege auf
den Tod erschöpften Volkes. Das Beispiel eines Fabrikanten im Merse-
burger Begierungsbezirk, Buben Goldschmidt, hatte aber die Aufmerk-
samkeit des Finanzministers erregt, denn dieser war „der einzige inlän-
dische Fabrikant, der im Verhältniss zu seinem nicht sehr starken Lager
gute Geschäfte in baumwollenen Waaren gemacht zu haben scheint'1,
so hatte die Begierung zu Merseburg im August 1816 berichtet. Sein
Erfolg beruhte aber auf der Kunst der Ausstattung seiner Waaren.
Die Noth der Lage war übrigens noch dadurch verschärft worden,
dass nicht bloss England, Frankreich, Holland, Bussland sich durch
Prohibitivsysteme abschlössen, sondern auch England den landwirt-
schaftlichen Erzeugnissen namentlich der Ostprovinzen, welche auf den
Export nach England seit Jahrhunderten angewiesen gewesen waren,
den englischen Markt durch die Parlamentsakte, Kornbill, vom 20. März
1815, wenn nicht verschloss, doch den Eintritt wesentlich erschwerte
und unsicher machte. Unter solchen Umständen war der Staatsrath
Kunth, der Erzieher der Gebrüder v. Humboldt und langjährige Ver-
traute und quasi Geschäftsführer Steins, der seit dem Jahre 1807 das
sogenannte Fabrikendepartement geleitet hatte, mit einer genauen an
Ort und Stelle anzustellenden EnquSte über die Lage und die Bedürf-
nisse der industriellen Thätigkeit betraut worden. Seine Enkel haben
diesem verdienten Beamten, dessen Wirksamkeit in diesem entscheidenden
Augenblick von der höchsten Wichtigkeit gewesen ist, ein ehrendes
Denkmal in dem Buche „das Leben des Staatsraths Kunth von Friedrich
und Paul Goldschmidt (zugleich die Enkel jenes Fabrikanten Goldschmidt)
Berlin 1881" gesetzt, aus welchem das Nähere entnommen werden kann.
Kunth resumirte sich in seinen Reiseberichten dahin, dass die Klagen
der Fabrikanten zwar nicht unbegründet, aber in hohem Maße über-
Aftp. MoMtaMhrlft Bd. XXIL Hft.lo.2, 10
146 ^er Prosaische Staatarath and seine erste That i. J. 1817.
trieben seien. Sie mfissten sich grössere Bildung aneignen, mehr Werth
legen auf Berufskenntnisse und technische Erfahrungen, mehr durch eigene
Anschauung lernen auf den grossen Industrieplätzen Englands und Frank-
reichs, und dürften sich nicht, wie bisher — es war das freilich eine
nothwendige Folge des alten Prohibitivsystems und jenes Fabrikensystems,
welches auf fortwährender Einmischung der Regierung in die Fabriken-
manipulationen beruhte — auf den Schutz verlassen, den eine Regierung
durch Ausschluss jeder Konkurrenz gewähren kann". Diese Winke sind
später von dem unvergesslichen Beuth befolgt worden, und sie sind
das Fundament für eine Blüthe der deutschen Industrie geworden, die
man damals, als man in den allerbescheidensten Anfingen stand, gar
nicht zu ahnen vermochte.
Es gereicht dem Finanzminister Grafen v. Bülow zu unvergäng-
licher Ehre, dass er an dieser Stelle, wenn er nicht auch seiner eigenen
wissenschaftlichen Ueberzeugung folgte, seinem spiritus rector auf diesem
Felde, Maaßen, freie Hand liess, und seiner Anregung folgte. Er ist
vielleicht selbst erstaunt gewesen, dass er hier einen Erfolg errang, den
er kaum erwartet haben mochte, und welcher die Grundlage zu einem
ebenso grossartigen politischen Aufschwünge des preussischen Staates
abgegeben hat. Der Zolltarif, den Graf Bülow von diesem freihändleri-
schen Standpunkte ausarbeiten liess, und vorlegte, wurde vom Staats-
rath mit ganz unerheblichen Aenderungen nahezu einstimmig gut ge-
heissen, und hat dann später Deutschland in den Zollverein gezwungen.
Alle übrigen Vorschläge Bülows, bei denen Maaßen nicht die Hand im
Spiele gehabt hat, gegen die er sogar schliesslich auftrat, wurden ver-
worfen, weil die Staatsmänner, welche im Staatsrate darüber zu Gericht
sassen, nicht bloss den Verkehr mit dem Auslande, sondern auch alle
Fragen der inneren Besteuerung nach dem Prinzip der Freiheit beur-
theilen wollten, und sich vor allen Dingen nicht dazu hergaben, die
Lebensnothdurft des gemeinen Mannes mit schweren Steuern zu belegen,
wie man jetzt wieder für Weisheit ausgiebt. Graf Bülow behauptete
später, um sein der französischen Verwaltung entlehntes Steuersystem
zu vertheidigen : „eine Auflage auf Brod, Fleisch und Kleider wirkt wie
eine unmittelbare Auflage auf das Arbeitslohn, wird daher sieht von
V.M
Von E . . . a. 147
dem Arbeiter selbst, der sie verbraucht, sondern von dem, der den Ar-
beiter braucht, vorgeschossen, und dieser findet wieder seine Entschädi-
gung in dem Preise der Waaren". Den ersten Satz erkannte man im
Staatsrath als richtig an, die Wahrheit des letzteren stellte man in
Abrede, und derselbe ist heute, wo er als etwas angeblich Neues wieder-
holt wird, um nichts wahrer geworden, als er damals war.
Die leider überaus kurzen Angaben, welche die hinterlassenen
Tagebuchnotizen des Landhofmeisters v. Auerswald darbieten, enthalten
nur Merkzeichen für die eigene Erinnerung. Thatsächlich ergeben die-
selben über den Hergang Folgendes: Schon am 1. April 1817 waren
sämmtliche Oberpräsidenten bei dem Finanzminister Grafen v. Bülow
im Verein mit den Geh. Käthen Maaßen und Ferber zu einer Konferenz
„über das neue Abgabensystem" vereinigt. Vielleicht hat Graf Bülow
bei dieser Gelegenheit den Versuch gemacht, die Majorität der Steuer-
kommission im Voraus zu beeinflussen. Es hat dabei „heftige Debatten"
gegeben, über welche Punkte wird nicht gesagt. Da nur einer der
Oberpräsidenten, v. Heydebreck, später als Gegner des Freihandels auf-
trat, so mag man annehmen, dass diese Herren von vornherein ihrem
Vorgesetzten bezüglich der inneren Besteuerung den Gehorsam und mit
demselben ihre Zustimmung aufkündigten. Die Oberpräsidenten haben
sich später gemeinsam über des Ministers „grobes Benehmen" beschwert.
Am 5. April fand die erste Sitzung der Steuerkommission statt,
welche wahrscheinlich die Behandlung des umfassenden Stoffes betraf.
Wie Auerswald bei dieser Gelegenheit anmerkt, soll die Verhandlung
„von Humboldt in einer Art eingeleitet worden sein, die klar darthue,
dass er erst durch Hören das ihm übertragene Geschäft lernen will".
In der zweiten Konferenz am 10. April, nachdem also die verschiedenen
Referenten sich eingerichtet hatten, entwickelte und rechtfertigte Graf
v. Bülow „in V/i stündigem Vortrage seinen neuen Steuerplan". Man
sefzte eine Subkommission ein, welche den Auftrag erhielt, die von
Bülow vorgelegten Belagspapiere zu prüfen. Diese Kommission bestand
aus den Oberpräsidenten v. Schön und Merkel und aus. den Geh. Käthen
Hoffmans, v. Ladenberg und Maaßen. Dann aber ging man zur Be-
ratung 4er einzelnen Theile des Steuerplans über, und es ist offenbar
10*
148 ^er P^ussische Staatsrate und seine erste That i. J. 1817.
in der dritten Konferenz zuerst zur Erörterung des Zoll- und Handels-
systems gekommen. Dieser Theil des Reformplans ist auch in dem
Beriebt der Steuerkommisson vorangestellt.
Hier handelte es sich zunächst um die Frage, ob Prohibitivsystem
oder Handelsfreiheit, und diese Frage ist in dem Bericht der Steuer-
kommission ebenso ausführlich behandelt, wie in Graf Bülows Immediat-
bericht. Da das preussische Handelssystem bis dahin auf Prohibitiv-
und Fabrikenzwang beruht hatte, so war hier der Punkt gegeben, wo
eine Beform einzusetzen hatte, wenn überhaupt eine durchgreifende
Reform für nothwendig erachtet wurde. Es musste für die wirtschaft-
liche Entwickelung des preussischen Staates, der so eben erst die Auf-
gabe übernommen hatte, ganz verschieden geartete und situirte Wirt-
schaftsgebiete zu einer Einheit zusammenzusch weissen, von entscheidender
weittragender Bedeutung sein, ob man die neu erworbenen Landestheile
in das alte Prohibitions- und Fabrikensystem hineinzwängen, oder dieses
System für die mittleren alten Provinzen — die Provinz Preussen hat
niemals unter dem Prohibitiv- und Fabrikensystem gestanden — voll-
ständig über Bord werfen müsse. Ein Drittes gab es nicht. Hier hat
nun die Idee der Freiheit, wenn auch nicht in ihrer Reinheit, aber im
Prinzip, wie sie von Adam Smith verkündet war, einen unerwartet
grossen Sieg erfochten, und man darf wohl sagen, dass es dieser Sieg
eines grossartigen Prinzips gewesen ist, welcher dem preussischen Staate
den Weg bahnte, um die beherrschende Stellung, welche ihm in Deutsch-
land gebührt, zunächst auf wirtschaftlichem Gebiete zu erringen.
Sieben Sitzungen hat die Steuerkommission gebraucht, um die Frage
nach allen Richtungen hin zu erörtern. Erst in der neunten Sitzung
wurde „das Prohibitivsystem abgestimmt". Das Prohibitivsystem wurde
mit zwanzig Stimmen gegen zwei verworfen. Da die Kommission nur
aus zweiundzwanzig Mitgliedern bestand, so muss die im „Leben des
Staatsrates Kunthu p. 118 enthaltene Angabe, dass drei Mitglieder* für
das Prohibitivsystem gestimmt haben, nothwendig der im Bericht der
Kommission enthaltenen Angabe gegenüber auf einem Irrthum beruhen,
obgleich sie von Kunth selbst herrührt. Welcher von den dort genannten
Herren: v. Heydebreck, v. Ladenberg und v. Beguelin schliesslich zur
Von B . . . d. 149
Freihandelspartei übergegangen ist, dürfte nicht von Belang sein, doch
darf man wohl vermuthen, dass Ladenberg und Beguelin die zäheren
Naturen gewesen sind.
Die Vorgänge hinter den Kulissen, welche der Abstimmung voran-
gingen, sind übrigens interessant genug, und sie sind durch Kunth selbst
in ein recht helles Licht gestellt worden. Kunth ist persönlich bei den
Berathungen der Steuerkommission nicht betheiligt gewesen, da er nicht
Mitglied des Staatsraths war. Aber der König selbst sowohl als auch
der Staatskanzler waren von so zahlreichen Bittschriften aus allen Welt-
gegenden bestürmt worden, vorzüglich aber hatten sich die während der
Kontinentalsperre reich gewordenen Fabrikanten von Seiden-, Baum-
wollen- und Wollenwaaren damals ebenso stürmisch für das Prohibitiv-
system ausgesprochen, wie ihre Nachfolger heute an dem Schutzzollsystem
hängen. „Denn", so sagt GrafBülow: „der Monopoliengeist beherrscht
aller Orten die Produzenten und Fabrikanten auf gleiche Weise". Der
König selbst soll den monopolistischen Bestrebungen sehr geneigt ge-
wesen sein. Hier aber kam der guten Sache das eigentümliche Miss-
trauen zu statten, welches dieser König, der immer nur darauf bedacht
gewesen ist, den für die Wohlfahrt seiner Unterthanen richtigen Weg
zn finden, nicht bloss in seine eigene Einsicht, sondern auch in die
seiner nächsten Bathgeber zu hegen gewohnt war. Er hatte daher die
Einsetzung einer Spezialkommission angeordnet, welche unter dem Vorsitz
Heydebrecks diese Petitionen einer Prüfung unterwerfen sollte. Nach
Kunths Angabe sassen in dieser Kommission v. Heydebreck, v. Laden-
berg, v. Beguelin und noch zwei nicht genannte Personen, welche von
Jenen dem Könige vorgeschlagen waren. Noch in letzter Stunde hatte
der Staatskanzler es durchgesetzt, dass auch Kunth und Maaßen als
Vertreter der entgegengesetzten Richtung in die Kommission gesetzt
wurden. Diese Kommission, in welcher Kunth und Maaßen die grössten
Widerwärtigkeiten zu erfahren hatten, entschied sich mit fünf gegen
zwei Stimmen für das Prohibitivsystem. Ihrem Bericht aber fügten
Kunth und Maaßen ein von ersterem verfaßtes Separatvotum bei.
„Es ist nicht erwiesen, aber es ist anzunehmen, dass ohne das
Separatvotum Kunths .... die Kommission des Staatsraths in ihrer
150 ^er Preaß8'8C^e 6taatsrath und seine erste That i. J. 1817.
Mehrheit, zumal der König selbst den monopolistischen Wünschen eines
Theils der Fabrikanten ausserordentlich geneigt war, sich den An-
schauungen der Spezialkommission angeschlossen hätte", sagen die Bio-
graphen Kunths. Aber wenn in Folge dessen der bezugliche Theil des
Bülow'schen Beformplanes in der Steuerkommission und dann im Staats-
rat selbst und schliesslich in der Anschauung des absolut gebietenden
Königs gefallen wäre, so würden wir heute unzweifelhaft in der Lage
sein, zu beklagen, dass eine niemals wiederkehrende Gelegenheit, den
preussischen Staat und ganz Deutschland auf die jetzt erreichte Stufe
der wirtschaftlichen Machtentfaltung und Kultur zu beben, versäumt
wurde. Hier ist nicht die einzige aber eine unerlässliche Entscheidung
getroffen worden, deren Wirkung noch bis in die heutige Zeit hineinreicht.
Die Gefahr, dass das Princip der Handelsfreiheit, wie man es da-
mals verstand, d. h. nicht als Freihandel, sondern nur als Gegensatz
gegen die Prohibition oder so hohen Zölle, dass der Handel und der
Import ausländischer Waare unmöglich wurde, in der Steuerkommission
verworfen worden wäre, konnte kaum sehr gross sein. Diese Kommission
war zum überwiegenden Theil aus Männern zusammengesetzt, welche
von dem Geist der neuen Zeit zum Theil völlig erfüllt, zum Theil
wenigstens von demselben stark berührt waren. Wilhelm v. Humboldt
war über diese Frage wohl über jeden Zweifel hinaus. Die Ober-
präsidenten v. Auerswald, v. Schön, v. Vincke kann man ohne Weiteres
für Apostel des Adam Smith'schen Systems ansehen. Friese würde
niemals seine Stimme für das Prohibitivsystem abgegeben haben; ist er
doch geradezu der Verfasser des § 34 der Regierungsinstruktion vom
26. Dezember 1808 gewesen, in welchem die Regierungen zur Hand-
habung des Freihandels und der Gewerbefreiheit verpflichtet wurden.
Die Oberpräsidenten Merkel, Zerboni, Graf Solms, die Geheimen Räthe
Ferber, Hoffmann und Maaßen standen auf demselben Standpunkte, und
selbst Fürst Radziwill wäre schwer für engherzige Prinzipien zu ge-
winnen gewesen. Ausgesprochene Gegner des Prinzips waren wohl nur
v. Heydebreck, v. Ladenberg, v. Beguelin. So blieben nur etwa v. Ingers-
leben, v. Bülow, v. Dewitz, Rother, Sack und Scharnweber als zweifel-
haft und gegnerischen Ausführungen unter Umständen zugänglich einer
Von E ... d. 151
entschiedenen Majorität gegenüber, denn Herr v. Behdiger konvertirte
sieh erst nach 1819. Dagegen mochte es zweifelhaft sein, ob das Plenum
des Staatsrates, in welchem doch viele Personen sassen, welchen über
diese Frage kein selbständiges entschiedenes Urteil zugetraut werden
darf, sich der Majorität oder einer starken Minorität der Steuerkommission
angeschlossen hätte. Da letztere nicht vorhanden war, so ist die Ent-
scheidung allerdings in der Steuerkommission so gefallen, dass das
Plenum folgen musste.
Dagegen ist gar nicht zu verkennen, dass Eunths Votum, dem
Maaßen pure beigetreten war, wesentlich, sogar entscheidend dazu bei-
getragen hat, dass die Majorität für das Freiheitsprincip so imposant
ausfiel. Die Enkel Eunths haben diese Staatsschrift aus dem Geheimen
Staatsarchive hevorgezogen und als Anlage II. p. 271 der Biographie
ihres Grossvaters abgedruckt. Die Lektüre, ja das Studium derselben
kann Jedem, der sich über die Frage ein Urteil bilden will, noch heute
nicht dringend genug empfohlen werden. Eunth geht in seiner Argu-
mentation von dem Satze aus : „rein staatswirthschaftlich und im Geiste
unserer ganzen neueren Gesetzgebung seit 1807, besonders seit 1810
betrachtet, würde der Manufakturhandel für ganz frei, durch keine Art
von Abgaben gelenkt, zu erklären sein, damit Jeder nur das unternähme,
was ihm den grüssten Gewinn verspricht, nicht mehr auf den besondern
Schutz der Regierung sich verlassend, Jeder seine Eenntnisse und
äusseren Mittel zu gewerblichen Unternehmungen prüfte, verfehlte Spe-
kulationen seltener würden14. Von der schädlichen Einwirkung der
staatssocialistischen Fürsorge für den Schutz der nationalen Arbeit giebt
er ein drastisches Beispiel: „Die Seidenfabriken in Berlin, Potsdam,
Frankfurt und Köpenick (um nur ein Beispiel anzuführen, weil es am
genauesten bekannt ist) kosten dem Staat (den Begierungskassen und
der Nation) in einem Zeitraum von achtzig Jahren gegen zehn Millionen
Thaler". Er meint, dass sei pure Verschwendung im Verhältnisse zu
den erlangten Resultaten gewesen von Geldern, die anderweit viel nutz-
bringender hätten angelegt werden können und sollen. „Wie, wenn' wir
jährlich 50000 Stück Hornvieh mehr erzeugten, und mit der Viehpest
verschont blieben!" Das Buch des ersten preussischen Statistikers
152 ^er preussische Staatsrate and seine erste That i. J. 1817.
Leopold Krug „vom Nationalreichthum des preussiscben Staats11 und die
Studienreisen Theodor v. Schöns enthalten übrigens noch zahlreiche
andere Beispiele der sonderbaren Wirkungen jenes Schutzes der nationalen
Arbeit, welche der Staat damals gewährte, und man darf sagen, dass
Kuntb vollkommen Recht hatte, wenn er behauptete: „in den Zwangs-
pro vinzen, während der Zeit der strengsten Sperre, unter den reichlichsten
ausserordentlichen Unterstützungen der Regierung, wie keine andere sie
jemals gegeben hat, sind die Fabriken in grosser Anzahl zu Grunde
gegangen, oder haben die innere Kraft nicht erlangt, um jenen" (den
Fabriken in den Provinzen der Freiheit) „sich gleich zu stellen; in den
wenigen Jahren der Freiheit" (1814 bis 1817), „der drückenden äusseren
Verhältnisse ungeachtet, sind mehrere neue entstanden, oder haben sich
intensiv und extensiv gehoben". Es würde übrigens, beiläufig bemerkt,
da die nähere Ausführung nicht hierher gehört, ohne allzu grosse
Schwierigkeit sich erweisen lassen, dass, was man heute als „die sociale
Krankheit" zu bezeichen liebt, im Grunde nur durch die Nachgiebigkeit
hervorgerufen worden ist, mit welcher man damals, wie Friedrich List
später aus Maaßens Munde erfahren hat, wider die bessere Ueberzeugung
dem Fabrikantengeschrei die Konzession machte, nicht zum reinen Frei-
handel entschlossen überzugehen.
Hier ist überhaupt nicht der Ort, das Thema weiter zu verfolgen.
Der Staatsrath, dem Beschlüsse seiner Kommission folgend, genehmigte
den Bülow'schen Zolltarif, der darauf berechnet war, die Einfuhr fremder
Waaren freizugeben, aber zugleich „dem inländischen Gewerbefleiss
Schutz und den inländischen Fabrikaten hinreichenden Vorzug zu ge-
währen", jedoch so, dass die fremde Konkurrenz nicht ausgeschlossen
wurde. Dabei hatten Auerswald und Schön gleich den Antrag gestellt,
die Verbrauchsabgabe mit dem Zolle zu vereinigen, was aber erst drei
Jahre später wirklich erfolgte. Man sah voraus, dass diese Aenderung
der Handelspolitik auch tiefgreifende Aenderungen in der Beschäftigung
der Fabrikarbeiter nach sich ziehen werde, und dass, obwohl die Nach-
frage nach Arbeitskräften von dem Angebot derselben zur Zeit gar
nicht befriedigt werden könne, doch namentlich ältere Arbeiter in die
Lage kommen könnten, erwerblos zu werden. Die Steuerkommission
Von £ ... d. 153
trag daher darauf an — und das muss bei der beute herrschenden
Begriffsverwirrung ausserordentlich merkwürdig erscheinen — „dass der
Staat für die etwa ausser Brod kommenden Arbeiter sorge, ihnen w
Beschäftigung und Unterhalt Gelegenheit verschaffe, und sie nöthigen-
falls unterstütze'4, sowie dass dafür „ein zureichender Fonds ausgesetzt
werde11. Recht auf Arbeit ! Freilich nur im landrechtlichen Sinne, zu-
gleich aber auch ein Beispiel, welches in grossem Maßstabe wird nach-
geahmt werden müssen, wenn einmal der jetzt Mode gewordene „Schutz
der nationalen Arbeit1' wird abgewirtschaftet haben. Das Experiment
wird sich dann als ein sehr kostspieliges erweisen, und Gott verhüte,
dass man erst wieder in einer Zeit gleichartiger Noth gezwungen werde,
die Probe darauf zu machen.
Ganz anders stellte sieh die Steuerkommission und dann der Staats-
rate selbst zu dem andern Theile des Bülow'schen Beformplanes be-
züglich der inneren Besteuerung. Nachdem am 24. April in der neunten
Sitzung der Kommission das Prohibitivsystem mit zwanzig Stimmen
gegen zwei verworfen war, ging man zur Berathung des Tarifs über,
die nur zu einigen unerheblichen Aenderungen führte, und in der drei-
zehnten Sitzung am 1. Mai beendet wurde. Dann folgte die Berathung
über die Mahlstener, Fleiscbsteuer, Branntweinsteuer, Salzmonopol *c.,
die erst in der neunundzwanzigsten Sitzung am 3. Juni beendet wurde.
Es folgte dann noch eine Sitzung zur Feststellung des Berichts, und
eine am 20. Juni zur Vollziehung desselben. Da keine Sache im Plenum
des Staatsraths zur Berathung gestellt werden durfte, welche demselben
nicht vom Könige zugewiesen wurde, so ging dieser vom Staatssekretär
Friese abgefasste Bericht zunächst nicht an den Staatsrath, sondern als
„Immediatbericht" vom 20. Juni 1817 an den König selbst. Erst die
Kabinetsordre vom 23. Juni verwies den Theil des Berichts, der den
Verkehr mit dem Auslande betraf, in Gesetzesform an das Plenum des
Staatgraths. Der andere Theil wurde einstweilen noch zurückgestellt.
Die Berathung im Plenum des Staatsraths fand am 2., 3. und 5. Juli
statt in langdauernden, zum Theil sogar „stürmischen'1 Sitzungen.
Auerswaldö Tagebuchnotizen geben darüber folgende Nachricht, die nicht
ohne Interesse ist : „2. Juli : Staatsrathsversammlung. Regellose Kon-
154 Der prosaische Staatsrat und seine erste That i. J. 1817.
ferenz! Humboldt gegen Bülow sehr brav; letzterer erbärmlich. An-
cillons Mantelträgerei. Grobheit des alten Grollmann (des Chefs des
Obertribunals). 3. Juli: Staatsrathsversammlung von 11 bis 3 V* Uhr.
Das Prohibitivsystem wird mit 58 Stimmen gegen 3 abgestimmt Schlechte
Leitung des Vortrages. 5. Juli: Konferenz des Staatsrates über das
Steuergesetz unter stürmischen Diskussionen 3 Stunden, wobei sich
Mininister Bülow erbärmlich nahm. Der Kronprinz zeigte Kraft. Minister
Schuck mann erlaubte sich höhnische Bemerkungen über Preussen. Ich
trat allein dagegen auf, und widerlegte ihn mit Erfolg dadurch, dass
ich ihn ad absurdum führte. Sack, Heydebreck, Beguelin, Kamptz
zeigten sich mit erbärmlicher Mantelträgerei. Die Konferenz dauerte
von 11 bis 5'A Uhr N. M." Bei dieser Gelegenheit zeigte sich schon
die Spaltung zwischen Liberalen und Reaktionären, sowie ein Gegensatz
zwischen Altpreussen und Märkern. Der letztere war nicht neu, sondern
rührte aus der älteren Beformzeit und dem Jahre 1813 her. Beide Strö-
mungen vertieften sich später sehr erheblich, uud dauern heute noch fort.
Am folgenden Tage reisten die Oberpräsidenten von Berlin ab, um
nie wieder gleichzeitig in Berlin zu tagen. Der König hatte in der
schon bezeichneten Kabinetsordre angeordnet, dass der zweite Theil des
Berichts der Steuerkommission über die innere Besteuerung, weil dieselbe
zwar Bülows Plan verworfen, aber keine anderen Vorschläge gemacht
hatte — „ich vermisse dieselben ungern/1 hatte der König gesagt —
dem Finanzminister wieder zugestellt werden solle mit der Aufforderung,
„sich mit einem neuen Gesetzentwurf zu beschäftigen, und dabei auf
die Bemerkungen der Kommission Bücksicht zu nehmen44. Vorher aber
sollten' die Oberpräsidenten „sich gleich nach ihrer Rückkehr in die
Provinzen mit einsichtsvollen Eingesessenen derselben über die neu
einzuführenden Steuern berathen, ihnen zu dem Ende die liberalen Grund-
sätze, von denen bei der Sache ausgegangen wird, und die Verhand-
lungen der Kommission bekannt machen44. Der König überliess es den
Oberpräsidenten ausdrücklich, „wie diese Berathungcn anzustellen sind,
sowie die Auswahl der Personen. Es ist gleichviel, aus welchen Ständen
sie genommen werden, wenn sie nur Einsicht, Rechtlichkeit und Kenntniss
der Provinz besitzen44.
Von E . . . d. 155
üeber die Verhandlungen der Oberpräsidenten mit ihren Notabein
sind wir nicht näher unterrichtet, so wünschenswert dies wäre, um
die damalige Stimme des Landes über Besteuerung der notwendigsten
Lebensbedürfnisse des, wie man damals sagte, gemeinen Mannes näher
kennen zu lernen. Die ostpreussischen Notabein haben vom 22. August
bis zum 1. September 1817 getagt, und ihre Meinung in zehn Sitzungen
zum officiellen Ausdruck gebracht. Dass sie für eine Klassensteuer
gestimmt haben, mag man ohne Weiteres annehmen, denn die Stände
des Heilsberger (alten) Kreises hatten schon im Jahre 1810 flehentlich
um eine solche an Stelle der das hungernde Volk zur Verzweiflung
treibenden Mahlsteuer gebeten. Die westpreussischen Notabein waren
nach einem Briefe Schöns an den Grafen Alexander zu Dohna (ans den
Papieren 2c. Bd. 6. p. 399) am 28. August fertig. „Wir haben11, schreibt
Schön, „verworfen die Mahlsteuer, die Fleischsteuer, Dagegen
ist eine Personensteuer von 16 gute Groschen (2 Mark) bis 5 Thaler
( 15 Mark) mit Ausschluss aller Personen unter 14 Jahren vorgeschlagen,
die Backstetter, die Hausplatzsteuer, die Tabaksteuer sind als Lumpe-
reien, die keines Worts werth wären, bezeichnet .... Auch die Bier-
und Branntweinsteuer soll in Gewerbesteuer verändert werden11. Auf
dieser Grundlage konnte dann J. G. Hoffmann sein Klassensteuerge-
setz ausarbeiten, und endlich zur Annahme bringen. Dies der tat-
sächliche Hergang bei der Einfährung der direkten Personalbesteuerung
im Gegensatze zu der indirekten Besteuerung der notwendigsten
Lebensbedurfnisse .
Wilhelm v. Humboldt hatte dem Immediatbericht der Steuerkom-
mission ein Separatvotum beigefügt, und mit dem esteren dem Könige
vorgelegt. In demselben rechtfertigte er vorzüglich und ausführlich,
dass und aus welchen Granden die Steuerkommission unter seinem Vor-
sitz nur zu einem negativen Votum über die innere Besteuerung gelangt sei.
in dieser Staatsschrift, welche den sonstigen Staatsschriften Humboldts
ebenbürtig zur Seite steht, betont er, dass „der jetzige Zustand der
Ungleichheiten, Missverhältnisse und Reibungen" allerdings gründlicher
Abhülfe bedürftigt sei, „eine Beform mit Hecht nothwendig heisse".
Aber eine Beform dürfe sich nicht auf „theüweise Veränderung und
^■1
156 ^er preosfliache Staatsratn und seine erste That i. J. 1817.
zweifelhafte Verbesserung" beschränken, sondern sie müsse eine „wohl-
thätige Umschaffung des fehlerhaften Znstandesu herbeiführen, und des-
halb auf „einem und einem allgemeinen Plan" beruhen. Der Reform-
plan des Finanzministers aber leide — „alle übrigen von der Kommission
einzeln gemachten Vorwürfe abgerechnet" — an zwei Fehlern. Der
eine sei, „das 8 er nicht alle Steuern umfasst", der andere, „dass er
gar keine Rücksicht auf die so ausnehmend verschiedene und selbst in
ihrer auch bei diesem Gesetz stehend bleibenden Belastung so ungleichen
Provinzen des Staats nimmt". Von diesem Gesichtspunkte aus giebt
Humboldt zwar zu, dass eine „genaue Quotisation der Provinzen" niemals
erreichbar sei, er verlangt aber, dass in der Ungleichheit der Belastung
„ein Begriff des Minimi und Maximi ihres verhältnissmässigen Beitrages
zum Grunde liegen" müsse, den er wohl für erreichbar hält, „da nicht
alle Steuern indirekte zu sein brauchen". Damit kam Humboldt auf
die Frage zu sprechen, dass eine Regulirung der Grundsteuer durchaus
nothwendig sei, wenn man ein neues Steuersystem einführen wolle, und er
brachte zugleich auch die Einführung direkter Personalsteuer zur Sprache.
Die erste Frage hat sodann weniger den Staatsrath selbst, als
vielmehr die nunmehr in den Vordergrund tretenden Steuerreformatoren
Maaßen, J. G. Hoffmann und selbst Ladenberg lange beschäftigt. Sie
ist bekanntlich erst 45 Jahre später gelöst worden. Die zweite Frage
ist dagegen, da eine Steuerausgleichung durch indirekte Steuern absolut
nicht gefunden werden konnte, und da sich, was ausserordentlich wichtig
ist, die Mehrzahl der Oberpräsidenten nach erfolgter Berathung mit
ihren Notabein dahin äusserte, dass man eine Mahl- und Fleischsteuer
absolut verwerfe und für verderblich erachte, dass man zum Ersatz der-
selben auf der Einführung einer Elassensteuer bestehe (Hoffmann an
Bother bei Dieterici p. 187) zu Gunsten direkter Personalsteuern in den
nächsten zwei Jahren entschieden worden. Es ist also gar nicht wahr,
was heute so oft behauptet wird, dass die Einführung der Elassensteuer
und die Zurückstellung der indirekten Besteuerung einem doktrinären
Irrthum irgend welcher manchesterlichen Theorie zu verdanken sei, den
man jetzt zu korrigiren habe. Das Land selbst hat durch den Mund
seiner Notabein diese Verbesserung des Steuersystems gefordert, und
Von E . . . d. 157
das Volk in diesem Lande hatte an seinem Leibe den furchtbaren Druck
des indirekten Steuersystems und insbesondere der Besteuerung der
notwendigsten Lebensmittel in den vorhergegangenen Nothjahren zur
Genüge erfahren, um aus Erfahrung zu sprechen, die man heute wieder
in doktrinärem Uebermuth einer veralteten Theorie in den Wind schlägt.
Humboldt hatte aber endlich auch einen Gedanken angeregt, der
noch weiter beweist, wie nahe man einer Konstitutionellen Verfassung
zu sein glaubte. „Ich bin sehr weit entfernt zu behaupten, dass ein
neues Steuergesetz nicht ohne Berathung mit den Ständen gegeben
werden könne, eine solche Behauptung liesse sich, da jetzt nicht ein-
mal Provinzialstände vorhanden sind, allgemein nicht aus den bestehenden
Verhältnissen herleiten, so wünschenswert ich es auch halte, vorzüg-
lich über die Modalitäten der Anwendung auch die einzelnen Provinzial-
stände zu Bathe zu ziehen. Allein ich muss meiner Ueberzeugttng nach
weiter gehen, und es doch wenigstens unangemessen finden, ein allgemeines
Steuergesetz, ohne durch andere Gründe als die Verbesserung der
Steuerverfassung dazu genötbigt zu sein, in demselben Augenblick zu
geben, wo eine ständische Vertretung eingeführt werden soll, die Art
und Weise derselben aber noch nicht feststeht. Beide Maßregeln in
richtigen Zusammenhang zu bringen, scheint mir eine unerlässlicbe
Forderung". Man darf wohl vermuthen, dass diese Bemerkung den
König veranlasst hat, die Vernehmung von Notabein über die Steuer-
reform durch die Oberpräsidenten anzuordnen.
Auf diese Seite der Staatsratbsverhandlungen kann hier nicht näher
eingegangen werden. Begnügen wir uns hier mit dem Resultat, dass
die erste That des Staatsrats in der mit Kraft und Erfolg durch-
gesetzten Grundlegung für ein Zoll- und Handelssystem bestanden hat,
welches Preussen an die Spitze Deutschlands geführt hat. Eine glor-
reiche That, an welcher der Minister denselben Antbeil hat, wie die
ihm sonst opponirende und schliesslich ihn aus seiner Stellung ver-
treibende Koalition geistreicher und energischer Oberpräsidenten.
Kritiken und Referate.
Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer). Gesammelt
und herausgegeben von Dr. Edm. Veckenstedt. Zwei Bände. Heidel-
berg. Carl Wintert Uiuverritätebuchhandlung. 1883. 8°.
„Das vorliegende Werk ist die Frucht meiner Beschäftigung mit der Volks-
Überlieferung der Zamaiten. Als ich vor nicht ganz vier Jahren Deutschland verlies,
um meine jetzige Stellung am hiesigen Gymnasium anzutreten, beseelte mich die
Hoffnung, dass ich neben ansprechender amtlicher Th&tigkeit Zeit und Gelegenheit
finden würde, meine sprachlichen Studien erweitern und vertiefen, sowie auch, wenn
das Geschick mir hold, der Forschung neues mythologisches Material zufuhren zu
können. Dass diese Hoffnung keine trügerische gewesen, erweist das Werk, welches
ich hiermit der Öffentlichkeit übergebe: mehr als hundert Gestalten der zamaitischen
Mythologie und Sagenwelt, welche bisher der Forschung ganz unbekannt waren, oder
von denen man wenig mehr als den Namen wusste, sind darin der Wissenschaft
erschlossen".
Mit diesen Worten beginnt Herr Veckenstedt, früher Oberlehrer am Gymnasium
zu Iibau, jetzt Chefredacteur der Wochenschrift „Von Nah und Fern" die Einleitung
des vorliegenden Werkes und stellt dasselbe als eine mythologische Quelle ersten
Ranges hin. Wäre es dies in der That, so müsste man es mit der Zuversicht be-
nutzen können, dass sein Inhalt im Allgemeinen durch mündliche Tradition aus der
Zeit des litauischen Heidenthumes überliefert und von den litterarischen Überliefe-
rungen und Darstellungen der litauischen Mythologie unabhängig sei. Diese Voraus-
setzung trifft indessen, wie sofort gezeigt werden soll, nicht zu.
Lasiczki nennt in seiner bekannten Schrift „de diis Samagitarum" (herausgegeben
von Mannhardt im Magazin der lett.-liter. Gesellschaft XIV, 1, S. 88) u. a. die dea
vespertina Bezlea und die dea tenebrarum Breksta („Bezlea dea vespertins,
Breksta tenebrarum"). Kein Kenner des Litauischen wird zweifeln, dass Breksta
nichts anderes als die Verbalform brekszta „es tagt" ist, und dass in Bezlea das
Substantiv ileja „das Halbdunkel in der Morgen- oder Abenddämmerung" oder das
Verbum llejfiti „dämmern, beginnen dunkel zu werden" (vgl. Kurschat, Lit.-dt«ch.
I
Dr. Edm. Veckenstedt, die Mythen, Sagen u. Legenden der Zaraaiten. J59
Wörterbuch S. 526) steckt. Das Be von Bezlea kann hieran nichts andern, da
einerseits es das Verbalpr&fix be sein kann, andererseits die betr. Stelle als ganzes
genommen unsinnig ist (vgl. das Über Breksta gesagte). Diese beiden Göttinnen
sind also lediglich für Geschöpfe des ' Laaiczki oder eines seiner Gewährsmänner zu
halten; der Umstand, dass wir sie in dem vorliegenden Werke finden — die erste'
als Brekszta, I. 87, die zweite, als Beslea, I. 87, 196—198 — , zwingt demnach
zu der Annahme, dass dasselbe zun Theil auf der erwähnten Schrift beruht. —
Wenn von der Beslea erzahlt wird, sie habe diesen Namen deshalb erbalten, weil
ihr mit dem obersten der Teufel erzeugter Sohn nach seinem Tode das Aussehen
eines Balkens (baslis) angenommen habe (I. 198), so versteht Referent durchaus
nicht, wie Beslea aus baslis hätte gebildet werden können. Er zweifelt dagegen
keinen Augenblick, dass irgend jemand, der zwischen s und z nicht zu unterscheiden
verstand — also ein Deutscher — Bezlea, wovon man ihm nach Lasiczki oder
Hanusch oder sonst wem erzählt hatte, in Beslea verderbte, und dass derselbe oder
ein anderer diese mit der geschmacklosen Geschichte ausstaffirte, die oben andeutungs-
weise mitgeteilt ist.
Im ersten Bande S. 174 ff. hat Herr Veckenstedt einige Geschichten zusammen-
gestellt, welche von einem Weide- und Herdengott Gonyklis handeln. Mit ihm,
der „sich gern in der Gestalt eines Widders zeigt", ist, wie man sofort erkennt, der
II. 158 auftretende Widder Goniglis, welcher den Wilkutis d. i. den Wolf besiegt,
identisch. Daas diese Namen mit lit. ganyklä „Weide", ganyti „weiden" zu ver-
binden sind, ist ebenfalls ohne weiteres klar; trotzdem aber fordern beide zum Nach-
denken auf. Woher kommt ihr o? Im £emaitischen — und Sedden, woher eine der
betr. Geschichten stammt, liegt doch im Kreise Telsch — wird doch a vor einem
Nasal mit darauf folgendem Vocal nicht zu o! Wie ist das -glis von Goniglis
aufzufassen? In der litauischen Sprache ist doch dafür nur -klis zu hOren! Soll
man sein g ebenso beurtheflen, wie das von Niksztagelis (II. 35), welches einfach
fehlerhaft für k steht? Warum lesen wir Goniglis und nicht Gonyglis? — —
Alk diese Fragen und Bedenken lOst ein Blick in die von Herrn Veckenstedt selbst
erwähnte (II. 256) Kronika polska, litewska, zmödzka u. s. w. Stryjkowski's, wo man
in einer Aufzählung litauischer und zemaitischer Gottheiten (in der Warschauer Aas-
gabe von 1846 Bd. I, S. 146 f., in der Warschauer Ausgabe von 1766 S. 146) folgendes
findet: „Goniglis Dziewos, pasterski bog lesny, ktore Grekowie i Rzynrianie Sati-
ros Faunosque zwali". In diesem Goniglis Dziewos hat man längst gan^klos
devas „Gott der Weide" erkannt (Mannhardt a. a. 0. S. 106, Anm.), und es fca&n
durchaus nicht befremden, goniglis für gan^klos (oder vielleicht richtiger gany-
kUs) in einem Verzeichnisse zu finden, in welchem die Wortungeheuer Swiecz-
punseynis und Chaurirari (für kariavyriju]?) begegnen. Wenn aber in einem
modernen Werk der Genitiv goniglis so oder in der ein bischen corrigirten Fotjn
gonyklis als Name eines überirdischen Wesens erscheint, so ist das — trotz Narbutts
1§0 Mitthailungen und Anhang.
gonge le — ein schlagender Beweis dafür, dass jenes Werk, wenn auch indirect,
theilweise von Stryjkowski's Eronika abhängt.
Wir finden in dem vorliegenden Werk also Geschichten, welche litterarischen,
und zwar unlauteren litterarischen Quellen entsprungen sind. Wie viele der Art ei
enthält, lässt sich um so weniger bestimmt sagen, als Herr Yeckenstedt — unbe-
kümmert um das Misstrauen, welches man mit Recht gegen Berichte hegt, deren
Ursprung und Überlieferung nicht klar vor Augen liegen — über die Herkunft der
einzelnen Stücke seiner Sammlung so gut wie nichts sagt. Bedenkt man aber, das*
einen erheblichen Theü dieses Werkes Schüler des Libauschen Gymnasiums und junge
Studenten zusammengetragen haben (I. 26 ff.), d. h. Personen, welchen man die zur
psychologischen Beurtheilung der betr. Erzähler nöthige Keife im allgemeinen nicht
wird zutrauen dürfen; dass „jeder dieser jugendlichen Mitarbeiter vor seiner Ferien-
reise Besprechungen mit Herrn Veckenstedt über Mythologica gehabt, dass dieser ihm
Fragezettel als Anhaltepunkte für seine Nachforschungen mitgegeben" (II. 246 f.);
dass das Werk eine Masse von Namen (und zwar zum TheU recht seltsamen) enthält,
die man bisher nur aus gedruckten Quellen kannte, und von welchen weder Schleicher,
noch Bezzenberger, noch Geitler, noch irgend ein anderer irgend etwas von Litauern
oder bemalten gehört, und dass Herr Veckenstedt dieselben in ganz unverhaUtnis-
mäsaig kurzer Zeit aufgetrieben hat; dass endlich das Hauptstück der Sammlung,
„die Stammsage der Zamaiten" (I. 31—94), von allen — so viel Referent weiss —
Beurtheüern dieses Buches verworfen und für eine Compilation unlitauischer Züge
erklärt ist — so wird man sich die Zahl jener Geschichten recht erheblich vorstellen
müssen. Muss man dies aber, so kann man diesen „Mythen, Sagen und Legenden
der Zamaiten" unmöglich einen erheblichen wissenschaftlichen Werth zuschreiben, so
darf man sie durchaus nicht als eine zuverlässige mythologische Quelle betrachten
und benutzen. Sie enthalten auch brauchbares, aber nur ganz wenige dürften in der
Lage sein, dasselbe auszuscheiden. Die äusserste Vorsicht bei dem Gebrauch dieses
Werkes sei deshalb dringend empfohlen.
Schliesslich darf nicht verschwiegen werden, dass einzelne Theile des besprochenen
Werkes durch Personen hindurchgegangen sind, welche nur sehr massige Kenntnisse
des Litauischen besitzen können (vgl. z. B. „den Piktybe", „des Piktybe" I. 135 f. und
das schauderhafte, von Bezzenberger in atzindojis conigirte adfendelis II. 261),
und dass Herr Veckenstedt selbst von dieser Sprache nur sehr wenig versteht. Der
„Gott Warpn" welchen er jüngst „in die Wissenschaft eingeführt" hat (Pumphut,
ein Kulturdämon der Deutschen, Wenden, Litauer und Zamaiten, Leipzig 1885, S. 14)
lässt dies deutlich erkennen: „er hatte dem Gott Warpu geopfert" ist natürlich die
schülerhafte Übersetzung eines litauischen devni värpu ap8rav6je.s „hatte Gott
Ähren geopfert" oder eines v&rpu devui apöravöjes „hatte dem Gott der Ähren
geopfert".
Max Hobrecht, Von der Ostgrenze. Ißl
Von der Ostgrenze. Drei Novellen von Max Hob recht. Berlin bei W. Hertz
(Be8sersche Buchhandlung) 1885.
Auch in Deutschland gilt es mehr und mehr als selbstverständlich, dass sich
die erzählende Dichtung, wenn sie für national gelten soll, auf ein mehr oder minder
bestimmtes und dem Leser erkennbares Stück deutscher Erde zu stellen und von da
her die Lokalfarbe zu entnehmen hat. Dabei wird natürlich stets derjenige Erzähler
etwas voraus haben, der ein möglichst allgemein bekanntes, jedem leicht zugäng-
liches Lokal wählt, das der Leser aus eigener Anschaung kennt oder in Bildwerken
oft vor Angen gehabt hat; er bringt dann sein Interesse für Land und Leute schon
der Erzählung entgegen und glaubt sich in derselben schnell zu Hause. Weit zögernder
folgt er dem' Autor nach Punkten des grossen Vaterlandes, die von der gewöhnlichen
Reiseroute weit entfernt liegen und daher schon die Vermuthung gegen sich haben,
fesselnde Reize zu besitzen. Und wenn auch — „wer gelangt jemals dahin?" So
mag es kaum einen Strich deutschen Landes geben, der zur belletristischen Ausbeute
unlohnender scheint, als unsere „Ostgrenze". Und doch ist hier im Landschaftlichen,
Ethnographischen, Politischen, Gesellschaftlichen in Vergangenheit so viel Charakte-
ristisches anzutreffen, dass jeder Versuch, dieses Gebiet wenigstens der immer nach
Neuem begierigen Lesewelt aufzuschliessen, mit besonderem Dank begrüsst werden
sollte. Freilich wird verlangt werden müssen, dass der eigentlich novellistische Theil
der Erzählung um so fesselnder gestaltet wird, je zufälliger die Beziehungen zu dem
gewähltem Lokal sind, und dass andererseits das Charakteristische in der Schilderung
der Gegend und der handelnden Personen um so lebhafter hervortritt, je weniger
Eigenartiges die Erzählung selbst hat. In dieser Hinsicht lassen die vorliegenden
drei Novellen zu wünschen übrig. Erfindung ist nicht gerade die starke Seite dieses
Autors, und wenn er schildert hat man oft das Gefühl, als ob es ihm darauf ankomme,
in allererster Linie seine Landsleute an der Ostgrenze selbst zu bedenken, ihnen ge-
druckt aufzutischen, was sie als National- oder lieber Provinzialgericht anderswo
nicht finden, aber auch nicht suchen. Wir dürfen uns diese liebenswürdige Aufmerk-
samkeit schon gefallen lassen, müssen aber befürchten, dass man auswärts kein Auge,
oder nicht das richtige Auge für diese Art der lokalen lüeinmalerei haben wird. Der
Verfasser gefallt sich in derselben manchmal so, dass er ganz das Maß für das ver-
liert, was als allgemein anziehend gelten kann. So wird manche Partie, auf die er
vermuthlich selbst ein besonderes Gewicht legt, als weitschweifig empfunden werden.
An anderen Stellen, wo er sich gleichsam von der Bücksicht auf die intimsten Kenner
von allerhand Provinzialismen emancipirt und der Handlung einen rascheren Fluss
gestattet, zeigt er dann wieder, dass er trefflich zu erzählen versteht, nicht gerade
spannend aber gut und angenehm unterhaltend. Am meisten eigentlichen Novellenstoff
enthält die letzte der drei Erzählungen „Vis major"; sie ist auch die ansprechendste.
Obgleich die Handlung auch an einem andern Orte vor sich gehen könnte, als in
uaaerm Samland, so hat der Held, Gutsbesitzer Gerhard zu Schallauen, sein Nachbar
Altpr. UonatMcfcrift Bd. XXII. Hft. 1 «. 8. 11
162 Kritiken und Referate.
Schütz und dessen Frau etwas recht anheimelnd Ostpreussisches, das auch wohl
auswärts verstanden und gewürdigt werden kann. „Feiertage" ist in der ersten Halft«
etwas zu lang gerathen. Der preussische Bischof, aas dessen Leben hier „Bilder"
geboten werden, ist der bekannte Georg Ton Polenz, der dem Herzog Albrecht eine
wesentliche Stütze bei Durchführung der Reformation in Preussen war und zu Gunsten
des neuen weltlichen Staates auf seine bischöfliche Landeshoheit verzichtete. Dies and
wie er seine Frau Katharina gewinnt und mit ihr trotz mancherlei Anfeindungen in
die ihm vom Herzog verliehene Burg Balga einzieht, ist recht behaglich und mit
guter Kenntniss der damaligen Kulturverhaltnisse vorgetragen. Der Titel lässt den
Inhalt nicht ahnen und bezieht sich eigentlich auch nur auf die Ueberschriften der
Kapitel (Weihnachten — Ostern — Pfingsten,) die wieder nur die dem Geistlichen
besonders bedeutsamen Zeiten bezeichnen, in denen er nun auch weltlich etwas Wich-
tigeres erlebt. Er darf am Schlags gewiss mit Recht rühmen: „als wir die Lehre
umstiessen, dass Ehelosigkeit ein Gott wohlgefälliges Opfer sei, haben wir eine gute
Arbeit gethan. Dess will ich mich getrosten". — „Marienburg" muthet wie die
novellistische Bearbeitung einer älteren Aufzeichnung wirklicher Erlebnisse aus dem
Anfang dieses Jahrhunderts an, als der merkwürdige Ordensbau noch als eine halbe
Ruine dalag und Wenigen erst das Verständniss für seine historische und architektoni-
sche Bedeutung aufzugehen anfing. Der Erzähler spricht in der ersten Person, kann
also der Autor selbst nicht sein ; vielleicht aber hat er aus Familienpapieren geschöpft
und dem Aufzeichner das Wort lassen wollen, so viel er auch von dem Seinigen da-
zu that. Auffallend erscheint es immer, dass eine orientirende Einleitung fehlt, wie
sonst bei Ich-Novellen, deren Fabel erfunden ist. Das Leben in der kleinen west-
preussischen Garnisonstadt in der Zeit vor dem Befreiungskriege ist recht anschaulieb
gemacht. Die Beziehungen der kleinbürgerlichen Gesellschaft zu dem erhabenen
Bauwerk benehmen ihr etwas von dem beengenden Charakter; man sieht brave,
tüchtige Menschen aufwachsen und zuletzt thätig in die Zeitereignisse eingreifen. Nur
wäre auch hier ein strafferes Zusammenziehen der für die Handlung wesentlichen
Momente wünschenswerth gewesen. E. W.
Alterthumsgesellschaft Prussia ia Königsberg 1883.
Zu der Sitzung vom 16. Februar ist noch des Berichts von Dr. Bujack und
Major von Graba über eine Urnenbeisetzung in einem Meinen Hügel (zu Skurpien,
Er. Neidenburg) im 12. Oder 13. Jahrb. zu erwähnen (vgl. d. betr. Sitzgsber. S. 69—70).
Sitzung vom 16. März. Vortrag von Rittmeister v. Montowt auf Kirpehnen:
Die Schlacht des griechischen Alterthums
und des 17. und 18. Jahrhunderts zur Zeit der Lineartaktik.
Verfasser motivirt den Versuch eines derartigen Vergleiches bei Schlachten so
verschiedener Zeiträume! wo bei der Ungleichheit des Heer- und Waffenwesera, der
Alterthumsgesellschaft Prnssia 1883. Ig3
#
Taktik, hier des Nahkampfes 8—16 Glieder tiefer Phalangen, dort der Feuertaktik
dünner Linien 'scheinbar die Anknüpfungspunkte fehlen, damit, dass mit vollem Recht
eigentlich ebenso von einer Lineartaktik des griechischen Alterthums wie von einer
Lineartaktik des 18." Jahrhunderts gesprochen werden könne, indem in den Schlachten
beider Zeiträume verhältnissmassig lange, zusammenhängende, geschlossene Fronten
auftreten, die eine grosse Offensiv- und Defensivkraft, aber äusserst schwache Flanken
besitzen. Je ausgedehnter und unangreifbarer nun eine Front wird, desto grösser
resp. augenscheinlicher wird auch die Schwäche der Flanke und es ist aus diesem
Grunde erklärlich, dass sich für den Vertheidiger stets sehr viel um Schutz der Flanke,
für den Angreifer um Gewinnung der feindlichen Flanke handeln wird.
Während die schachbrettförmige Schlachtordnung des römischen Alterthums
mehr auf einen Durchbruch des feindlichen Centrums eingerichtet ist, scheint die
Lineartaktik mehr die Tendenz zur Flögelschlacht zu haben. Dieses Prinzip der
Flügelschlacht und seine Entwickelung zur schiefen Schlachtordnung findet sich in
den Schlachten beider Zeiträume.
Wenn Thukydides schon ein gegenseitiges Ueberflügeln der kleinen griechischen
Heere, welche hauptsächlich nur aus schwer bewaffneten mit Schutz- und Nahwaffen
versehenem meistens acht Glieder tief aufgestelltem Fussvolk bestanden, dadurch
motivirte, dass bei dem Angriff der beiden Heere — denn beide ergriffen stets die
Offensive — jeder mit seiner unbeschildeten — rechten — Seite unter dem Schilde
seines rechten Nebenmannes Schutz gesucht habe, was zu einer Vorwärtsbewegung
der Linie mit halbrechts geführt, so wurde dieses mehr unwillkürlich angenommene
Prinzip der schiefen Schlachtordnung zunächst durch Epaminondas künstlich vervoll-
kommnet, welcher den linken Flügel seiner Schlachtordnung als Offensivflügel durch
Zotheilung einer tiefen Angriffskolonne, die Elite des Heeres enthaltend, sowie von
Kavallerie und leichter Infanterie quantitativ und qualitativ verstärkte, während der
rechte Flügel und das Centrum bei dem Angriff zurückgehalten werden. Eine weitere
Ausbildung erfuhr dieses Prinzip durch Alezander den Grossen, welcher wieder den
rechten Flügel als Offensivflügel, namentlich durch Zutheilung einer vorzüglichen
Kavallerie einrichtete. Das Verhalten der Offensiv- und Defensivflügel wird in den
Schlachten bei Mantjnea und Gaugamela näher gezeigt.
Auf die neuere Lineartaktik mit ihren Feuerwaffen übergehend, weist Verfasser
an einer Menge von Beispielen aus den Schlachten Gustav Adolphs, Montccuculis,
Turennee, Prinz Eugen und Anderer nach, dass auch hier in den meisten Fällen nicht
wie man vermuthen sollte, Parallelschlachten, sondern Flügelschlachten, bei denen
der Kampf auf einem oder beiden Flügeln die Entscheidung gab, stattfanden. Die
schiefe Schlachtordnung indess, zu welcher in der Literatur schon Feuquieres und
Pysegur gerathen, wurde praktisch im 18. Jahrhundert erst durch Friedrich den Gr.
wieder angewandt. Sein Princip bestand darin, auf Kanonenschussweite vom Feinde
*> an&umarsohiren, dass seine Schlachtiinie mit ihrem Angri&flügel die feindliche
11*
164 Kritiken und Referate.
überragte und beide sich in ihrer Verlängerung schnitten; dann brauchte man nur
gerade aus vorzugehen, wobei namentlich die Kavallerie auf dem Flügel wtithende
Angriffe auf den feindlichen Flügel in Front und Flanke machte. Im Wesentlichen
war im 18. Jahrhundert die Schachtordnung folgende: Im Centrum die mit Bajonet-
flinte bewaffnete Infanterie in zwei Treffen, auf den Flügeln die Kavallerie in zwei
oder drei Treffen, die leichte Artillerie bei den Bataillonen eingetheilt, die schwere
auf den Flanken des Centrums ; hinter dieser Schlachtlinie eine Reserve von Infanterie
und Kavallerie. Als gemeinsame Momente bei den drei schiefen Schlachtordnungen
der drei grossen Feldherren ergaben sich: das Priucip des Theilsieges, die Nicht-
berücksichtigung der feindlichen numerischen Ueberlegenheit, Ausnutzung der grösseren
Beweglichkeit eines kleineren Heeres, Angriff auf den feindlichen Flügel in Front und
Flanke zugleich, Aufgeben der eigenen Rückzugslinie, Verstärkung des Angriffsflügels,
besondere Schutzmaßregeln des zurückgehaltenen Defensivflügels, Anwendbarkeit der
schiefen Schlachtordnung nur für den Angreifer.
Die offensive Thätigkeit der Flügel verlassend, wendet die Betrachtung sich
jetzt auf die verschiedenen Mittel des Flankenschutzes bei beiden Lineartaktiken.
Im Alterthum sind als solche das bereits erwähnte Vorrücken der Schlachtlinie mit
halbrechts, das Verdoppeln der Frontausdehnung unter Verminderung der Tiefe,
ferner die Aufstellung von leichtem Fussvolk und von Kavallerie auf den Flügeln
anzusehen. Letztere spielte indess bei den Griechen, trotz der Auswahl eines ganz
ebenen Terrains zur Schlacht und trotz der Unvollkommenheit der Feuerwaffen eine
unbedeutende Rolle, was wohl auf die mangelhafte Pferdezucht, das System der Miliz-
heere, den Mangel des Sattels und Huf beschlages zurückzuführen ist. Erst Alexander
der Grosse brachte durch Einfuhrung eines stehendes Heeres seine Kavallerie in die
Höhe. Reserven und zweites Treffen findet man bei den Griechen nicht, ebensowenig
Flügelanlehnungen. In der neuen Lineartaktik bildete zunächst die Kavallerie auf
den Flügeln den Flankenschutz, welche bei Friedrich dem Grossen durch Aufgeben
des Feuergefechtes und Anwendung des wüthenden Cheks zu grüsstem Ruhme ge-
langte, ferner das zweite Treffen und die Reserve, sowie Flügelanlehnungen an Sümpfe,
Wälder, Dörfer, die dann noch jenseits der Kavallerie durch Infanterie besetzt wurden.
Hakenstellungen, Rechts- und Linkaziehen der Schlachtlinie wie bei Collin und Prag
seitens der Oesterreicher, Aufstellung von Bataillonen hinter die Flügelbataillone,
welche den Raum zwischen den beiden Treffen absperrten (von Montecuculi und
Friedrich dem Grossen angewendet) ic.
Verfasser geht nun auf die Schlachtordnung in beiden Lineartaktiken näher
ein, in welcher die Streitkräfte in Raum und Zeit nicht nacheinander — wie bei uns —
sondern nebeneinander in Thätigkeit traten; betrachtet die Thätigkeit der Feld-
herren und ihrer Unterführer, die Bedeutung der taktischen Einheiten im Vergleich
zu der der Evolutionseinheiten, das Verhältniss von Linie und Kolonne, Rotte und
Glied und viele andere Gegenstände des Eierzier-Reglements, wobei namentlich auf
Alterthumfgesellschaft Pruseia 1883. 165
diu vielfache Umgestaltung der Evolutionseinheiten in sich bei den Griechen hinge-
wiesen wurde, welche durch Verdoppelungen der Länge, der Tiefe, resp. der Länge
und Tiefe, Verdoppelungen der Rotten- resp. Gliederzahl, Contremärsche jc. entstehen.
Im Alterthum machte der Nahkampf eine tiefe Stellung erforderlich, welche meistens
8 bis 16 Mann, mitunter auch 32 Mann betrug. In der Neuzeit führte indess die
Einfuhrung und Vervollkommnung der Feuerwaffen eine Verkleinerung und Ver-
flachung der tiefen Haufen des Mittelalters herbei und nur der zeitraubende Lade-
modus machte Anfang des 17. Jahrhunderts unter Anwendung des Gliederfeuers noch
10 Glieder hintereinander, bei Gustav Adolph aber nur noch 6 Glieder hintereinander
erforderlich. Da Gustav Adolph die hinteren 3 Glieder in die vorderen eindubliren
Hess, so ist es wunderbar, dass sich nicht gleich unter Anwendung des Pelotonfeuers,
bei welchem sechs nebeneinander stehende Musketierabtheilungen durch Feuern nach
einem bestimmten Turnus ein kontin uirliches Feuer unterhalten konnten, aus der
sechsgliedrigen unmittelbar die dreigliedrige Aufstellung des 18. Jahrhunderts ent-
wickelte, sondern erst ihren Weg durch die fünf- und viergliedrige nahm.
Einer der Hauptgegensätze der beiden Lineartaktiken ist der Nahkampf des
Alterthums, das Feuergefecht der Neuzeit. Das griechische Fussvolk bestand aus den
geschlossen kämpfenden Schwerbewaffneten, welche mit kurzem Schwert, 8—10 Fuss
langem Spiess, dem mannshohen Schilde und Schutzwaffen versehen waren, und aus
den mit Bogen, Wurfspeer oder Schleuder in zerstreuter Ordnung kämpfenden Leicht-
bewaffneten. Letztere gelangten mit ihren unvollkommenen Fernwaffen zu keiner
Bedeutung. Eine Einheitsinfanterie gab es wohl wegen Mangels einer Einheitswaffe,
wie z.B. der Bajonetflinte, nicht; ein Versuch dazu waren die Iphikratischen Peltasten.
Bei Einfuhrung des Feuergewehrs gab es nun auch beim Fnssvolk einen Dua-
lismus, nämlich die in grossen Haufen kämpfenden Pikeniere und die in zerstreuter
Ordnung kämpfenden Feuergewehrschützen. Diese Schützenschwärme waren bei der
ünvollkommenheit der damaligen Feuergewehre sehr gefährdet, es wurden in Folge
dessen Schützenflügel oder Musketiervierecke, welche Gliederfeuer gaben, an die grossen
Haufen gehängt, das zweite Glied der letzteren auch aus Schützen gebildet oder
schliesslich der ganze Haufen ringsum mit Musketieren umkleidet, welche unter den
Spiessen Schutz gegen Kavallerie fanden. So entstand das geschlossene Feuergefecht.
Bei der weiteren Vervollkommnung der Feuerwaffen verschwanden die Pikeniere
immer mehr und schliesslich gänzlich mit der Einführung der Bajonetflinte im
18. Jahrhundert, und die Kampfweise der Infanterie ist das geschlossene Feuergefecht.
Ein weiterer Vergleich der beiden Lineartaktiken hinsichtlich Offensive und Defensive
ergiebt, dass im griechischen Alterthume stets beide Theile die Offensive in der Schlacht
ergriffen; eine Vertheidigung stehenden Fusses hätte die Einbruchskraft einer sich
bewegenden tiefen Kolonne eingebüsst ohne bei der Ünvollkommenheit der Fernwaffen
im Stande zu sein, die Annäherung des Feindes wesentlich zu erschweren. Das Feuer-
166 Kritiken und Referate.
gewehr findet nun in der Defensive besser seine Rechnung und in der neuen Linear-
taktik giebt es Defensivstellungen in jeder Schlacht.
Hinsichtlich der Trainbenutzung findet sich eine grosse Aehnlichkeit bei den
Schlachten der beiden Zeiträume, da des geschlossenen Zusammenhanges der Schlacht-
ordnung wegen ein möglichst gangbares freies Terrain erwünscht war, allerdings war
bei dem Feuergefecht für den Vertheidiger ein Frontalhinderniss, Anlehnung der
Flügel, erhöhte Stellung ein .grosser Vortheil. Dorf- und Waldgefechte aber wurden
ausser auf den Flügelanlehnungen gemieden.
«
* - Die taktische Verfolgung nach, der Schlacht fehlte fast stets ; dies ging soweit,
dass sich die Heere häufig mit dein Bücken an einen Fluss aufstellten. Grosse Feld-
herren machten hiervon eine Ausnahme, ebenso auch hinsichtlich der strategischen
Benutzung des Sieges. [Ostpr. Ztg. v. 2. Mai 1883. No. 100 (Beil.)]
Der Vortrag ist vollständig abgedruckt in den erwähnten Sitzungsberichten
S. 71—97, woselbst auch eine Tafel mit 14 Figuren beigegeben ist. Ebendaselbst
wird noch*S. 98 ein Teppich der Frau v. Mirbach auf Sorquttten beschrieben und
S. 99—101 ein Kunstschrank in Pr. Holland, im Besitz der Frau Lutze.
Sitzung vom 20. April. Hauptlehrer Matthias trägt aus Sehesteds grossem
Werk „Fortidsminder og Oldsager" aus der Umgegend von Broholm (auf Fünen) den
Abschnitt über die Topf-Industrie in Jütland vor. Die Bereitung des Lehms, die
freihändige Fonnung des Materials zum Gefäss ohne jede Hilfe einer Drehscheibe,
das Trocknen und Brennen resp. Farbegeben der Gefässe in kleinen Feldtöpfereien
zu je 200 Stock bieten aus der heutigen, aber bald verschwindenden Topf-Industrie
Jütlands so viel Anknüpfungspunkte für die Erklärung der Bearbeitung der prähi-
storischen Thongefässe, dass ein. grosser Abschnitt des genannten Werkes davon handelt
Der Vortragende versprach vermöge seiner persönlichen Verbindung in Dänemark
ein solches Gefäss aus Jütland für das Prussia-Museum als Vergleichungsobjekt zu
gewinnen. ') Im Anschluss an einen Vortrag über einige mittelalterliche Kalkmalereien,
welchen Professor Kornerup in der nordischen Gesellschaft zu Kopenhagen am
14. v. M. hielt, spricht Professor Hey deck über den ' Reichthum mittelalterlicher
Kalkmalereien im Ordenslande Preussen, von welchen der grösste Theil unter der
Decke eines mehrfachen Kaikabputzes versteckt ist. Was Professor Heydeck in der
Marienburg nahe der .goldenen Pforte, in Juditten und Arnau in kleinerem Umfange
selbst freigelegt hat, zeigt nur eine bildliche Darstellung in Contouren, gleichsam eine
Bilderschrift der biblischen Geschichte und eine Colorirung der Wandflächen, Gewölbe-
rippen, Consolen und des Maaßwerks. Ferner besprach Professor Hey deck nach
seinen eigenen Erfahrungen die Technik der Kalkmalerei und stellte Proben dafür
an. Zum Schluss der Sitzung legte Dr. Bujack die für das Museum eingegangenen
Geschenke und gemachten Erwerbungen vor, zur prähistorischen Abtheilung Gräber-
*) Die Ucbersetzung ist in extenso mitgetheilt Sitzungsberichte S. 102—110.
Alterthumsgesellschaft Prussia 1883. J67
fände nachchristlicher Zeit geschenkt von Rittmeister von Montowt auf Kirpehnen
and eben solche geschenkt von Lieutenant Ri eben sah ra auf Löbertshof; zur ethno-
graphischen Abtheilung, als Vergleichungsobjekt vom Zimmermeister Matthias ein
japanischer Angelhaken aus Perlmutter geschenkt, und gekauft ein südamerikanisches
Straussenei mit Zeichnungen eines Gaucho; zur Abtheilung von Gegenständen des
18. Jahrhunderts geschenkt einen Fliesentisch, ein Holzkästchen mit Marqueterie-
Arbeit, gekauft ein kleines Schreibebureau, Imitation japanesischer Arbeit, geschenkt
ein Paar Messer und Gabel in Lederetui vom Jahre 1730, gekauft ein Stein mit
Drechsler-Emblemen und einem Verse aus dem Giebel über der Thüre eines Hauses
der Hundrieserstrassc, ein Zinnhumpen der Elbinger Hufschmiede vom Jahre 1747;
zur Abtheilung von Waffen einen Hirschfänger mit Klinge vom Jahre 1720, ein Sponton
aus der Zeit König Friedrichs L, eine Partisane mittelalterlicher Form (geschmiedet),
und für die Bibliothek eine Bibel Strassburger Drucks in Holzdcckel mit Lederbezug,
messingnem Beschlag und messingnen Krampen.
[Ostpr. Ztg. v. 29. Apr. 1883. No. 98 (Beil.)]
Sitzung vom 18. Mai. Der Vorsitzende, Dr. Bujack, legte vor Fintritt in die
Tagesordnung vor: 1) die Festschrift zur Erinnerung an das 25jährige Geschäfts-
Jubiläum von Stantien und Becker: Gewinnung und Verarbeitung des Bernsteins von
Dr. B. Klebs; 2) von demselben: Der Bernsteinschmuck der Steinzeit, No. 5 der
Beiträge zur Naturkunde Preussens, herausgegeben von der physikalisch-ökonomischen
Gesellschaft zu Königsberg. Für letztere Schrift sind auch die Sammlungen der Prussia
verwerthet. — Den Haupttheil der Sitzung nimmt der Vortrag der Abhandlung des
Majors Beckherrn ein, des Verfassers der dankenswerthen Chronik der Stadt Rasten-
burg: Ein Rastenburgischer Verfassungskonflikt aus dem 17. Jahrhundert, ein zwar
interessantes, aber keineswegs erfreuliches Bild eines im Verfall befindlichen Gemeinde-
wesens, in welchem die Mängel und Nachlässigkeiten in der Verwaltung einen lang-
wierigen und unerquicklichen Streit zwischen Bürgerschaft und Bürgermeister und Rath
der Stadt herbeiführen [s. Sitzgsber. S. 111—145]. — Der Vorsitzende spricht sodann
über Gräberfunde in Scheufelsdorf und Friederikenhain, Kr. Orteisburg, und über ein
Gräberfeld zu Burdungen, Kr. Neidenburg, das er selbst im vergangenen Sommer
und Herbst aufdeckte. Die vorgelegten interessanten Fundstücke, unter denen nament-
lich eine mit Thierköpfen ornamentirte, vergoldete broncene Fibula, ein Geschenk des
Gutsbesitzers Preijawa auf Friederikenhain, besonders werthvoll erscheint, stammen
aus der Zeit der Völkerwanderung, resp. dem 5. und dem folgenden Jahrhunderten
n. Chr. Der Vorsitzende spricht seinen besonderen Dank an Frau Schilke in Bur-
dungen für die ihm gewordene Unterstützung aus. [s. a. a. 0. S. 146—154.] — Von
sonstigen Gegenständen werden noch vorgelegt: ein Beil in Form einer Amazonen-
axt und ein russischer Feldaltar in Bronce. — Nach Schluss der Versammelung
konstituirte sich dieselbe zur Generalversammelung, in welcher der Kassenfuhrer,
Herr Kaufmann Ballo, Rechnung über das letztverflossene Jahr legt. Aus derselbeu
16$ Kritiken und Referate.
ergiebt sich die erfreuliche Wahrnehmung, das die Prussia mit verhältnissmassig
geringen Mitteln, den Beiträgen von 336 Mitgliedern, den Unterstützungen der König-
lichen Regierung und der Landesverwaltung je, in Summa circa 4300 Mark, in hohem
Grade Anerkennenswerthes geleistet hat, [Ostpr. Ztg. v. 25. Mai 1883. No. 118]
In der Sitzung vom 22. Juni wurden die verschiedenen Mitglieder und Gäste
überrascht durch den mit Funden, Geschenken und Erwerbungen reich ausgestatteten
Tisch der Gesellschaft, der ihr vollstes Interesse zunächst in Anspruch nahm. Der
Vorsitzende zeigte vor und besprach erläuternd : Götzen von Bernstein in Copien aus
Wachs ; Feuerstein, Messer, Speerspitze und Abfälle von solchen Geräthen ans Gräber-
feldern zu Burdungen und Malschöwen, Kr. Neidenburg, und Waplitz, Kr. Orteisburg,
dieselben wurden zerstreut neben Rrandgruben gefunden, Geschenke von Frau Schillke
in Burdungen; ein durchlochtes Hirschhorngeräth, gefunden zu Walterkehmen, Kr.
Gumbinnen, geschenkt von Pfarrer Zippel; aus Gräberfeldern des älteren Eisenalters:
Bemsteinperlen, wovon 7 Stück noch die unterbrochene Bearbeitung zeigten, aus
Transau, Kr. Fischhausen, eiserne Trensen und Bronzeschmuckgegenstände, geschenkt
von Rittmeister v. Montowt auf Kirpehnen; ein Stück Steinhammer, ein eiserner
Schildbuckel und Urnenstücke aus Fürstenau, Kr. Rastenburg, geschenkt von Guts-
besitzer Nebelung. Als Vergleichungsobjekte für die Töpferei des älteren und jüngeren
Eisenalters interessirten drei jütische Töpfe, in Dänemark „schwarze Töpfe" genannt,
gegenwärtig durch die Feuerung mit Kohlen ausser Gebrauch gekommen. Sie waren
in einer der früheren Sitzungen als freihändig gearbeitet beschrieben. Zur ethno-
graphischen vergleichenden Abtheilung lagen vor: zwei lackirte Trinkgefässe, ein
Kästchen mit buntem Stroh ausgelegt, ein sogen. Mörderfächer aus Japan ; aus China
zwei Thonüguren (Gräber und Mandarin); aus Siam eine Lampe aus Seifenstein und
Hausgötze in Gestalt eines Elephanten aus Ebenholz; aus Schweden ein Kästchen
von Borke von stud. agr. He 11 bar dt. Von einheimischen Gegenständen neuerer Zeit
erregten folgende Erwerbungen Interesse: ein silbernes Gewerksfähnlein mit Weber-
schiffchen und der Inschrift: Bengemin voegd. Beysetzer Erenst Christian Peter
Altgesell Stallupeiin (Stallupönen) d. 8. Juni 1768; ein livländischer Frauenschmuck
aus vergoldetem Silber, bestehend in grossen Brustnadeln in Ringform, Fingerringen
und grossen Ohrgehängen: die Glaseinsätze aus den Zierköpfen waren ausgebrochen.
Als Parallele für die livländischen Schmucksachen wurden ringförmige bleierne Brust-
nadeln mit Pinne neuerer Zeit aus Gisevius Vermächtniss vorgelegt; ferner ein bron-
zener Kirchenleuchter in Renaissancestyl von den Vorfahren der Geberin bei Früh-
gottesdiensten gebraucht, geschenkt von Frau Hell bar dt auf Roschenen. Von ganz
besonderem Interesse war ein in Wachs poussirtes Portrait Napoleons L, ein Geschenk
des Polizeirath Schmidt. Der genannte französische Kaiser hatte zu seinem Feld-
zuge 1812 mehrere solcher Portraits aus Paris mitgenommen. Das jetzt dem Prussia-
Museum übergebene war von einem der Leibärzte Napoleons, Doctor Hesper, an
Klempnermeister Kalk geschenkt, bei welchem der Arzt logirte. — Der Bibliothek
Alterthum&geseüschaft Prusaia 1883. Iß9
verehrten Lehrer Haber einzelne ältere Hefte der Monnmenta historiae Warmiensis
und Lehrer Zinger: Blicke in die Vergangenheit von Pr. Holland von Erdmann.—-
Zar Tagesordnung übergehend, haben wir zunächst den Vortrag des Prof. Hey deck
über die Pfahlbauten in der Nähe von Voigtshof bei Seeburg (Er. Rössel) im Kook-
See und im Probchen-See zu erwähnen (s. Sitzungsber. S. 155—160). Die Ausstellung
wurde durch die Pfahlbaufunde von bearbeiteten Hirschgeweihäxten, TopfBberresten
und and. Stücken vergrößert. Ein Theil dieser Vorlage war die Ausbeute der von
Prof. Hey deck und Bildhauer Eckart im Oktober 1882 auf freundliche Einladung
des Oberamtmann Kr am er gehaltenen Untersuchung. Der Vortragende legte zugleich
Proben von den bei seinen Nachgrabungen vorgefundenen Holzresten vor, an denen
besonders die auffälligen concaven Schnittflächen interessirten. Auch erklärte er sich
bereit von dem Pfahlbau im Kook-See ein Modell anfertigen zu wollen, wie eines
aus dem Arys-See bei Werder, Kr. Lötzen, zur Veranschaulichung der Fundstätte
der an eben genanntem Orte gemachten reichen Funde 60 dankenswerth hergestellt
ist Der Vorsitzende Dr. Bujack knüpfte hieran Mittheilungen über einen Pfahlbau
bei dem Dorfe Queetz, Kr. Heilsberg, für welchen ihm interessantes Material durch
den Besitzer der entwässerten Seestätte, Gutsbesitzer Julius Bludau in Queetz, zu-
gegangen war. Auf die merkwürdige Stelle hat zuerst Major v. Kaminski auf-
merksam gemacht. Den zweiten Vortrag hielt Hauptlehrer Matthias: Zur Geschichte
der Nahrungsmittel im Norden, woran sich noch lebhafte Erörterungen und Mit-
theQungen des Vorsitzenden und des Redners über Mahlzeiten und Speisevorräthe in
den Ordenskriegen Preussens und über englische Biere anschlössen.
[Ostpr. Ztg. v. 8. Juli 1883. No. 156 (Beil.)]
Sitzung van 28. September. Eine reiche Vorlage von Accesionen für die einzelnen
Abtheilungen des Prussia-Museums bildeten einen Theil der Tagesordnung. Zur Samm-
lung von Stein- und Knochengeräthen kamen hinzu: ein undurchlochtes Hammerbeil
aus Diorit, gef. in Schmelz-Memel, geschenkt von Herrn Fabrikbesitzer Albert
Tau dien, ein durchloch tes Beil aus Diorit, gef. bei Kl. StÜrlack, Kr. Lötzen, ge-
schenkt von Herrn Sarowy, ein Fischstecher aus Geweih mit Widerhaken, gef. in
einem Torfmoor bei Garben, geschenkt von Herrn Pfarrer Kröhnke in Scirgu*
pohnen. Die Abtheilung der Bronzen vorchristlicher Zeit erhielt eine seltene Bereicherung
durch eine Krone mit 22 Zacken aus vollem Guss, zu öffnen und zu schliessen durch
Hilfe eines Chamiers und eines Zapfens: sie kann auch als kolossaler Halsring gedient
haben, gefunden in einer kleinen Steinkiste bei Lochstädt, Kr. Fischhausen, geschenkt
von Herrn Bentier von Montowt in Elbing. Zur Serie von Funden aus Gräber-
feldern der ersten Jahrhunderte n. Chr. schenkten Herr Polizeirath Jagielski ver-
schiedene Beigaben aus Bronze, Bernstein und Silber, bestehend in bronzenen und
silbernen Fibulen, Hängestücken, Perlen, einer eisernen Speerspitze, thönernen Bei-
gefassen, begleitet von einer römischen Bronzemünze des Kaisers Hadrian, gefunden
in Kegehnen, Kr. Fischhausen, und als Einzelfund eine grosse Bernsteinperle aus
.170 Kritiken and Beferate.
Bauschen, Rittergutsbesitzer v. Bujak auf Ramberg, Kr. Darkehmen, eine daselbst
gefundene damascirte eiserne Speerspitze. Auch wurden die im vorigen Jahre von Herrn
Kaulmann Ballo, Dr. Erdmann, Dr. Kirschfeld und Professor Dr. Schneider
bei Rantau, Kr. Fischhausen gemachten Gräberfunde des älteren Eisenalters vorgelegt
Hieran schlössen sich die Funde aus der Zeit des Ueberganges von der heidnischen
Zeit zur Herrschaft des deutschen Ordens, welche in diesem Sommer in der Stadt
Rastenburg bei Bauten gemacht wurden und von einer ausfuhrlichen Beschreibung
des Major Beckherrn begleitet waren, die einen besonderen Theil der Tagesordnung
bildeten, [s. „Ein aus Holz konstruirtes altes Bauwerk in Rastenburg. Von Major
Beckherrn". A. a. 0. S. 161—166 m. Beilage Tafel II.] Der Zeit der deutschen
Ordensherrschaft gehörte an ein Fund von eisernen Geräthen aus Lanskerofen, Kr.
Alienstein, geschenkt von Herrn Baldus. Angekauft als Stück der Renaissance-Periode
war eine grosse eiserne Streitaxt in Form eines Amazonenbeils. Zu den Gegenständen
dieses Zeitalters ist auch eine Schenkung des Baron von Schenk zu Tautenburg zu
rechnen: es waren Funde auf der alten Schanze der Doben'schen Insel, Kr. Anger-
burg, der Lauf einer grossen Wallbüchse, drei eiserne grosse Trensen. Angekauft
zu der Sammlung von Waffen der letzten Jahrhunderte war ein Radschlossgewehr
des 18. Jahrhunderts und ein perkussionirtes Jagdgewehr aus dem Anfang dieses
Jahrhunderts. Gymnasiast Badczies schenkte ein Terzerol aus derselben Zeit Es
wurde die Serie von genannten Gegenständen vermehrt durch eine messingene gravirte
Dose für Rauchtabak aus dem 18. Jahrhundert, geschenkt von Herrn Walther
Thuleweit und durch einen hohen Spazierstock mit vergoldetem Messingknopf, ein
hundertjähriges Erbstück in der Familie Käswurm, sowie durch einen sogen. „Ziegen-
hainer" v. J. 1820 mit einer grossen Zahl von eingeschnittenen Namen der um das
genannte Jahr auf der Albertina zu Königsberg studirenden Genossen des damaligen
Besitzers, geschenkt yon Herrn Rentier Karl Käs wurm in Darkehmen.
Zur Bibliothek schenkten Pfarrer Rogge einen Danziger Geburtsbrief v. J. 1734
und Dr. Bujack mehrere gebundene Jahrgänge der „Weser-Zeitung" vom Jahre
1866 bis zum Anfange des vorigen Jahrzehnts, Kaufmann J. Neumann eine ver-
kleinerte Ausgabe des Homan'schen Atlasses.
Ausser den durch Herrn Dr. Bujack vorgelegten Accessionen, dem von Herrn
Major Beckherrn verfassten Bericht über die Aufdeckung eines alten Holzbauwerks
zu Rastenburg, dessen schon vorher Erwähnung gethan war, stand auf der Tages-
ordnung ein Vortrag des Kaufmann Herrn F. Neuro an n über die Beziehungen
Friedrich des Grossen zur Provinz Preussen, welche sämmtlich unverkürzt in den
Sitzungsberichten für die Mitglieder abgedruckt werden, (s. a. a. 0. S. 167—173.)
[Ostpr. Ztg. v. 18. Oct. 1883. No. 243.]
Sitzitg vom 19. Oktober. In der Sitzung der Gesellschaft am 19. Oktober
berichtete zunächst Herr Direktor Friederici über einen russischen Feldaltar, der
in der vorigen Sitzung als neue Erwerbung vorgelegt war. Im Uebrigen konnte die
Alterthumsgesellsehaft Prueaia 1883. 171
Sitzung nicht ganz nach der Tagesordnung gehalten werden. Der Vortrag c/es Vor-
sitzenden, über „Dr. Martin Luther's Beziehungen zu ÄltpreUBßen" nahm als Haupt-
thema den grössten Theil der angesetzten Zeit in Anspruch. Der Vortragende legte
die gleich betitelte Schrift Adolf Rogge's (Verlag bei Glaser in Darkehmen) seinem
Vortrage zu Grunde. Diese für 4ie Provinz hoch interessante und darum besonders
empfehlenswerthe Festgabe zum 10. November basirt auf gründlicher Quellenkunde
und fuhrt uns den grossen Reformator so recht nahe. „Es muss unser lieber Herrgott
dies Preussenland sehr lieb gehabt haben, dass er nicht allein den ersten papistischen
Bischof zum Evangelio bekehrt, sondern auch des theuern Mannes Gottes Luthers
Kinder darinnen zu ruhen verordnet hat", sagt der alte Hennenberger in seiner „Er-
klärung der preusskchen Landtafel". — Unter den Kindern Luthers ist besonders
Johannes uns Königsbergern von besonderem Interesse. Er hat am Hofe der säch-
sischen Herzoge, wie an dem des Kurfürsten von -Brandenburg gelebt und Beihilfe
im Staatsrat!) geleistet. Er lebte auch am Hofe Herzogs Albrecht von Preussen und
ist 1549 als Bürger unserer Universität immatrikulirt und eingeschrieben, hat auch
fleiseig die öffentlichen Vorlesungen gehört. 1575 sich gastweise hier aufhaltend,
starb Johannes Luther am 29. Oktober und wurde vor dem Altar der Altatädtischen
Kirche beigesetzt. — Der Vortrag fuhrt Luther als Berather des Herzogs in Kirchen-
und Staatssachen, und als dessen Freund vor, bespricht seine Mitarbeiter und Schüler
in der Provinz, würdigt seine Gegner und hebt schliesslich Luthers Freundschaft und
Verwandtschaft in Altpreussen hervor. Genaueres aus demselben herausheben, würde
das Büchlein Rogge's abschreiben heissen; wir schliessen unsern Bericht mit dem
interessanten Bilde, das der ermländische Bischof Däntisous, ein Gegner Luthers, der
ihn 1523 in Wittenberg besuchte, von ihm in einem Briefe entwirft: Luthers Gesicht
iöt wie' seine Bücher; die Augen scharf und unheimlich funkelnd, wie man es bis-
weilen bei Besessenen sieht. Die Rede ist heftig, voll von Spott und Stichelreden;
er trägt ein Gewand, dass man ihn von einem Hofmann nicht unterscheiden könnte.
Sobald er indess das Haus, in dem er wohnt — dass frühere Kloster — verläset,
soll er, wie man sagt, sein Ordenshabit anlegen. Wie wir nun mit ihm zusammen
sassen, blieb es nicht beim Sprechen. Wir tranken auch in heiterer Laune Wein
und Bier mit einander, wie es dort Sitte ist, und scheint er in Allem, wie man zu
Deutsch sagt, „ein guter Geselle1' zu sein. — Aber noch einen Gedenktag, wenn
auch nur von provinzieller Bedeutung, hatte der Vorsitzende Dr. Bujack hervorzu-
heben, den Todestag des am 21. Oktober 1833 in Braunsberg verstorbenen Kommer-
zienrath Johann Oestreich, welcher am 6. September 1750 daselbst geboren, dort und
von dort aus seine segensreiche Thätigkeit für die Provinz entfaltete und stets Treue
und Opferfreudigkeit in guten und in lösen Tagen für sein hohes Herrscherhans
bewies. Nur die allgemeine Charakteristik dieses um unsere Provinz hochverdienten
Mannes konnte nach dem amtlichen Bericht des Landraths des Kreises Braunsberg
vom 25. Oktober 1833 [abgedr. Sitzgsber. S. 174—177] gegeben werden, noch nicht
X72 Kritiken und Beformte.
eine Darstellung der grossen Opfer, welche derselbe im Jahre 1807 dem Vaterlande
brachte. Die Verlesung des hierauf bezüglichen Aufsatzes von einem Augenzeugen:
„Braunsberg i. J. 1807" musste bis zur nächsten Sitzung verschoben werden.
[Ostpr. Ztg. v. 4. Nov. 1883. No. 258 (Beil.)]
Sitzung und Seneratversammlung am 16. November. Erster Gegenstand der
Tagesordnung ist eine Mittheilung über den altpreussischcn Schlossberg bei Neu-Jucha
von Major a.D. Beckherrn. Nachgrabungen konnten vorläufig nicht unternommen
werden; bei oberflächlichem Absuchen wurden aber verschiedene Fragmente von
thönernen Gefässen gefunden, welche allem Anscheine nach nicht auf der Drehscheibe
gefertigt worden sind. Auch an diesen Berg knüpfen sich Sagen von einem ver-
sunkenen Schlosse und einer verwünschten Prinzessin. Neben der von Herrn Beck-
herrn gezeichneten Skizze wurde der Vortrag noch durch eine Zeichnung erläutert,
welche Herr Rektor Krawielicki in Neu-Jucha eingesandt hatte. — Hierauf ver-
las der Vorsitzende eine von einem Herrn C. E. Höpfner im Jahre 1853 nieder-
geschriebene grössere Abhandlung über die Ereignisse, welche im Jahre 1807 die Stadt
Braunsberg heimgesucht: Gefecht, mehrtägige Plünderung und in deren Folge Ver-
armung auf lange Jahre. Die interessanten und für die Provinzialgeschichte werth-
vollen Erinnerungen, welche in den Schriften der Prussia veröffentlicht werden sollen,
veranlassten Herrn Director Friederici hieran seine Erlebnisse als Knabe in Königs-
berg und auf einem Gute im Samland aus der Franzosenzeit zu knüpfen. — Nach
Erledigung der für die Sitzung festgesetzten Tagesordnung konstituirte sich die Ver-
sammlung zur Generalversammlung. Der Vorsitzende erstattete zunächst den Jahres-
bericht, aus dem wir Folgendes hervorheben: Als ein gutes Omen für das Gedeihen
der Alterthumsgesellschaft wird der Umstand gedeutet, dass der Vorsitzende einem
in Elbing auf der Schichau'schen Werft erbauten Dampfer den Namen „Prussia" bei-
legen durfte. Dem Museum der Gesellschaft steht ein Umzug nach andern Lokalitäten
im Schlosse bevor, indem die bisherigen Räume derselben dem Königl. Consistorium
Überwiesen werden sollen. Das Museum hat sich eines sehr regen Besuches zu er-
freuen gehabt, 6500 Personen haben im Laufe des Jahres bis zum 11. November die
Schätze der Gesellschaft in Augenschein genommen, darunter die Herren Landtags-
abgeordneten, die Mitglieder des volkswirtschaftlichen Congresses, der General-Assistent
des Berliner Museums Herr Dr. Voss, der Herrr Oberpräsident Dr. v. Schlieckmann
und Herr Regierungspräsident Studt. Dem Wunsche des besuchenden Publikums
nach einem Catalog ist durch die Arbeit des Vorsitzenden genügt worden und sind
bereits 450 Exemplare des Catalogs verkauft worden, der zunächst die Räume be-
rücksichtigt, welche das Zeitalter der Ordensherrschaft, der Renaissance und des
18. und 19. Jahrhunderts zur Anschauung bringen. Die Mitgliederzahl des Vereins
beträgt 340. Dem von Königsberg geschiedenen Förderer der Interessen der Gesell-
schaft, Herrn Oberpräsidialrath Singelmann, werden Worte dankbarer Anerkennung
gewidmet; ebenso Herrn Scher bring in München, der früher mit grossem Eifer und
Alterthumsgesellscliaft Prussia 1883. \ 73
glücklichem Erfolge Bodenuntersuchungen in der Provinz auf Grabstätten ausgeführt
hat. In gleicher Weise thätig waren im Laufe des Vereinsjahres: Herr Professor
Hey deck, Rittergutsbesitzer Lorek, Hauptlehrer Matthias und Oberlehrer Dr.
Bujack. — Nach Schluss des Berichts erfolgt die Ergänzungswahl des Vorstandes,
der aus folgenden Mitgliedern besteht: Oberlehrer Dr. Bujack (Vorsitzender), Kauf-
mann Ballo (Kassirer), Rektor Frischbier (Schriftführer), Prof. Hey deck, Major
v. San den, Rittergutsbesitzer Lorek und P artikulier Prothmann. Eine auf Ver-
anlassung mehrerer Mitglieder von Herrn Rechtsanwalt Als eher entworfene und
hierauf verlesene Petition an den Herrn Kultusminister um Erwerbung der gross-
artigen und einzigen Sammlung der Alterthümer des Herrn Blell-Tüngen für das
Marienburger Schloss fand einstimmige Annahme und ist die Petition bereits abge-
sandt. Von dem Vorschlag, eine Deputation an den Herrn Oberpräsidenten behufs
Unterstützung dieser Petition zu senden, wurde Abstand genommen, weil Herr Ober-
präsident bereits dem Vorsitzenden sein warmes Interesse für diese Angelegenheit
ausgesprochen hatte.
An neuen Geschenken und Erwerbungen lagen aus, indem die Vorlage der
grösseren Accessionen für das Münzkabinet noch aufgeschoben werden musste: Zur
prähistorischen Abtheilung als Geschenke ohne Angabe des Fundortes: ein durch,
lochtes Steinbeil; ein mit Strichen ornamentirter Urnendeckel, wie er auf westpreussi-
schen Gesichtsurnen vorkommt; ein vor mehreren Jahrzehnten zwischen Bonczik und
Babienten, Kr. Orteisburg, gemachter Gräberfund, bestehend in einem bronzenen,
mit rothem Glasfluss omamentirten Halsring, einer bronzenen Pincette, in Bernstein-
tmd Glasperlen ; ferner altpreussische Gräberfunde ohne Angabe des Fundortes, welche
enthielten: 2 rechteckige bronzene Gürtelbleche, 1 gebuckelten bronzenen Fingerring,
bronzene Armbrustfibulen, bronzene Schnallen, 1 grosse und 26 kleine Bernsteinperlen,
einen knöchernen mit Würfelaugen ornamentirten Kamm, 88 Glasperlen aus der Zeit
des jüngeren Eisenalters; ferner als Geschenk des Realschülers Stenzler 5 römische
Denare, gefunden bei Bartenstein, Kr. Friedland; Topfscherben von dem Schlossberg
zu Neu-Jucha, Kr. Lyck, eingesandt von Major Beckherrn in Rastenburg; gekauft
wurden 2 grosse Bernsteinperlen, gefunden bei Lochstädt und bei Gr. Medenau, Kr.
Fischhausen.— Zur ethnographischen Abtheilung schenkte Dr. Bujack eine Haifiach-
harpune mit beweglichen Widerhaken. — Zur Abtheilung der Gegenstände des
18. u. 19. Jahrhunderts schenkte Frau Weich eine messingne Dose mit demBildniss
des Herzogs Ferdinand von Braunschweig zum Aufbewahren des Tabacks für Ideine
Kalkpfeifen; Fräulein Fuchs einen Fächer vom Jahre 1804; Kaufmann Eduard
Zacharias als ein in hohen Ehren gehaltenes Erbstück seines Vaters David Zacharias
einen Waffenrock (Litewka) des ostpreussischen National-Kavallerie-Regiments samnit
Pallasch und Militairschein v. J. 1815, welches kostbare Geschenk in einem besondern
Glasschi ank seine Aufstellung gefunden hat; ferner wurde aus dem Ermland einge-
sandt eine ermländische Prunkhaube, und lagen noch die Geschenke des Fräulein
Ulrich vor: ein Federmesser mit fester Klinge und einem Elfenbeingriff, der mit
Thierstücken verziert ist, und ein Trinkglas mit dem Portrait Luthers und der
Jahreszahl 1824. Schliesslich wurde eine goldene Denkmünze auf die hundertjährige
Feier der Augsburgischen Konfession vorgelegt (vgl. Tentzel, Saxonia numismatica,
Taf. 45 u. 46). [Ostpr. Ztg. v. 20. Dec. 1883. No. 297 (Beil.)]
Mittheilmigeii und Anhang«
Was ist ein Gutsbesitzer ohne Polizeigewalt?
Von Professor Dr. Alfred Stern.
Man mutete ein grosses Buch schreiben, wenn man dem heute lebenden Ge-
schlecht alle die Kämpfe vor Augen führen wollte, die um diese Frage einige Menschen-
alter hindurch im preussischen Staate geführt worden sind. Es könnte lehrreich genug
werden und den Blick für die Einsicht in die grossen Gegensätze schärfen, die noch
zur Stunde in unserem politischen Leben eine hervorragende Bedeutung haben. In-
zwischen wird man aber auch nicht verschmähen, von einigen urkundlichen Zeugnissen
Kenntniss zu nehmen, die in einem solchen Buche ihre Stelle finden dürften. Denn
sie liefern einen beinerkenswerthen Beitrag zur Geschichte der Schicksale, die jene
Frage in einer an fruchtbaren Ideen, an Hoffnungen und Entsagungen, an kühnen
Fortachritten und ängstlichen Zögerungen reichen Epoche erlitten hat.
Es war im Sommer des Jahres 1809. Der Minister Stein war gefallen, nicht
weil die preussischen Gegner seiner Beformen, sondern weil die französischen Macht-
haber seinen Sturz gefordert hatten, aber doch zu nicht geringer Genugthuung jener.
Denn er war es, welcher nach den Worten eines ihrer Heisssporne, F. A. L. von der
Marwitz, „die Revolution ins Land gebracht hatte". „Er fing", sagt derselbe ver-
blendete Gewährsmann, „die Revolutionirung des Vaterlandes an, den Krieg der Be-
sitzlosen gegen das Eigenthum, der Industrie gegen den Ackerbau, des Beweglichen
gegen das Stabile, des krassen Materialismus gegen die von Gott eingeführte Ordnung,
des (eingebildeten) Nutzens gegen das Recht, des Augenblicks gegen die Vergangen-
heit und Zukunft, des Individuums gegen die Familie, der Spekulanten und Komtoire
gegen die Felder und Gewerbe, der Bureaus gegen die aus der Geschichte des Landes
hervorgegangenen Verhältnisse, des Wissens und eingebildeten Talents gegen Tugend
und ehrenwerthen Charakter". Einen Thefl jener „Revolutionirung des Vaterlandes",
das wuaste man, sollte neben der Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit die Auf-
hebung der gutsherrlichen Polizei bilden, welche mit den Plänen einer Neuordnung
der Verhältnisse des platten Landes innig zusammenhing.
Was ist ein Gotsbesitser ohne Poliseigewalt? 175
StenVs Nachfolger hatten nicht die Kraft sein Werk fortzusetzen. Das Dohna-
Altenstein'sche Ministerium brachte es nur zu „einstweiligen Maßregeln", zu denen
namentlich die Anstellung inaktiver Offiziere gehörte, welche die Geholfen der Land-
räthe bei der Polizeiverwaltung in den einzelnen Kreisen sein sollten. Diese „einst- .
weiligen Maßregeln" waren an sich allerdings anfechtbar genug. Indem sich aber
hie und da der Widerstand der Prirflegirten dagegen erhob, kamen mitunter die
Gefühle, welche in diesen Kreisen herrschten, zu sehr drastischem Ausdruck.
So hiess es in einer an Dohna gerichteten Eingabe einer Anzahl von Adligen
des Mohrunger Kreises: „E. Exellenz sind berufen die Stütze eines Vaterlandes zu
sein, dessen Söhne wir sind. Von Ihnen erwarten wir die Aufrechthaltung unserer
alten Verfassung. Lassen Sie uns nicht das Opfer eines Systems werden,
welches keinen anderen Zweck hat, als die Gutsherren ihren Bauern
gleich zu machen und jede Ordnung aufzulösen, die bisher in unserem
Staate bestand". Sie berufen sich auf ihren Patriotismus, fügen aber hinzu: „Nur
dann erwacht jener Enthusiasmus, der die Wiedergeburt eines am Abgrunde stehen-
den Staates möglich macht, wenn Schonung der theuersten Rechte, Aufrechthaltung
der alten Verfassung der Zweck und die Belohnung dieser Opfer Bind. Durch die
schnell auf einander folgenden Verordnungen, Maßregeln und Ankündigung noch
anderer bevorstehender Maßregeln, die einzig auf das Nivellirungssystem einer allge-
meinen Gleichheit und Aufhebung des Unterschieds der Stände berechnet sind, sind
wir zu Boden gebeugt und nichts gleicht unserem schreckensvollen Erstaunen, da
wir nun auch erfahren müssen, dass man uns die Polizeigewalt in unseren eigenen
Gütern einschränken, ja vielleicht bald ganz entreissen will. Was ist ein Guts-
besitzer ohne Polizeigewalt?" ....
Sie erklären nichts gegen den Charakter der ernannten „Assistenten des Land-
rathes" einwenden zu wollen, sondern sie bekämpfen das angenommene System. „Muss
sich der Adel nicht für tief erniedrigt halten, wenn zu ebe,n der Zeit, wo der Staat
den Bürgern in den Städten Wahlrechte bewilligt, die sie weder hatten noch be-
gehrten, wenn zu eben dieser Zeit das Wahlrecht der Stände, welches ihnen verfassungs-
mäßig zustehet, beschränkt wird?" Und sie betonen nochmals: „Jeder Gutsbesitzer
ist die seinen Gütern vorgesetzte Polizeibehörde".
Der Minister suchte die aufgeregten Gemüther zu beruhigen und versicherte
vorläufig, dass es durchaus nicht die Absicht sei, „den Gutsbesitzern absolut und
ganzlich die Polizeigewalt auf ihren Gütern zu entziehen". Dies ermuthigte die
Petenten nnd ihre Genossen desselben Kreises zu weiteren Schritten. Am 11. Sep-
tember wandten sie sich mit einer neuen Eingabe an Dohna. Man darf den guten
Kern ihrer Gesinnung nicht verkennen. „Wer könnte", sagen sie, „noch den geringsten
Beruf in sich fühlen, auf Gütern zu leben, in welchen ihm keine andere Bestimmung
mehr verbleibt als die, seine Bevenüen zu verzehren" und beweisen damit, dass hier
nur das self-government sehr brauchbare Materialien vorhanden gewesen wären. Aber
276 Mitteilungen und Anhang.
mit diesem Gedanken verbinden sie hartnäckig den Anspruch, dass „der Gutsbesitzer
die vom Staate verordnete Obrigkeit in seinen Gütern ist", dass „auf dem Lande
Niemand als der Gutsbesitzer diejenige Obrigkeit sein kann, welche die Natur selbst
dazu angewiesen zu haben scheint, die Polizeigewalt auszuüben".
Hierbei Messen sie es jedoch nicht bewenden. Unter dem gleichen Datum richteten
sie eine Bittschrift an den König. In dieser sprachen sie allerdings ihre lebhaft«
Freude darüber aus, dass eine Verbindung der öffentlichen Gewalt mit der Nation
angestrebt werde und dass landständische Repräsentanten in die Provinzialregienmg
aufgenommen worden seien, wie denn in dem ostpreussischen Regierungsdepartement
dieser Theil der Verordnung vom 26. Dezember 1808 ausgeführt wurde. Allein sie
nahmen dies zum Anlass, ihre bitteren Klagen über den von ihnen befürchteten Eingriff
in ihre Privilegien an höchster Stelle mit beweglichen Worten anzubringen. „Unserem
lieben und gnädigen König können wir es nicht bergen, dass dieselben Tendenzen,
welche vor einigen Jahren in Frankreich alle Formen zerbrach und die
unlängst in Ew. Königlichen Majestät Landen unter Anderm die Ausübung der
Patrimonialgerichtsbarkeit herabzusetzen und wohl gar ganz aufzuheben wünschte,
jetzt wiederum die für die Existenz eines Gutsbesitzers noch unentbehrlichere Polizey
zu beschränken bemüht ist. Zu Ew. Königlichen Majestät nehmen wir abermals und
zutrauensvoll unsere Zuflucht. Lassen Sie uns die Wohlthat Ihrer Königlichen Absicht
dadurch ganz empfinden, dass der jetzt in Prüfung stehende Plan einer neuen Polizey-
Einrichtung unseren Repräsentanten und durch diese denen vorschiedenen Provinzen
und Kreisen Ihres Königreichs mitgetheilt werde. Vergönnen Sie, allergnädigster
König, gleich Ihrem hochseligen Herrn Vater bei Gelegenheit des Entwurfs zum neuen
Gesetzbuche, dass die Stimme der Erfahrung, insbesondere dazu erwählter ständischer
Committlen bei der jetzt in Absicht stehenden Umbildung der Polizey gehört werde.
Auf diese Weise wird der landesväterliche Wille, die öffentliche Administration mit
der Nation in nähere Verbindung zu setzen würklich erreicht und wir der Gefahr
entzogen werden, ein Opfer philosophischer Theorieen zu sein, die auf Teutschem
Boden noch nirgend bewehrt [bewährt] gefunden worden, in auswärtigen Ländern
aber viel Unheil angestiftet". Friedrich Wilhelm III. war jedoch nicht gewillt, diese
Sprache ungerügt zu lassen. Seine Antwort vom 21. September 1809 besagte: „Seine
Königliche Majestät von Preussen habe der Nation eine regere Theilnahme an Gesetz-
gebung und Administration eröffnet, könne aber die adligen Gutsbesitzer überhaupt
nur als einen Theil derselben und keineswegs als die ganze Nation oder deren Re-
präsentanten anerkennen. Am wenigsten sind zu solchen Repräsentanten der Nation
Gutsbesitzer des Mohrungen'schen Kreises geeignet, die sich erlauben in Seiner
-Majestät* wohlthätigen Maßregeln und Absichten ein revolutionäres
Zerbrechen aller Formen zu finden und voreilig ohne gehörige Bekanntschaft
mit der Lage der Dinge, sowie ohne gründliches Nachdenken über die Grenzen jener
Natjonaltheilnahme sich gerne in blosse Verwaltungsmaßregeln mischen möchten".
Beitrag zur Kenntmss des Religionszustandes in Preuss, Litauen. 177
Die königlichen Worte sprachen deutlich genug für den Willen auf dem Wege
der Reformen nicht inne zu halten. Allein die rettende That blich aus. Eine Reor-
ganisation des platten Landes, die dasselbe geleistet hätte, was für ein anderes Gebiet
die Städteordnung leistete, kam nicht zu Stande, und hinter dem starken Bollwerk
der gutsherrlichen Polizeigewalt konnte sich ein grosses Stück des ancien regime von
Preussen siegreich behaupten.
[Die Nation. Wochenschrift für Politik, Volkswirtschaft und Litteratur.
Hrsg. v. Dr. Th. Barth. 2. Jahrg. No. 6. S. 70—71.]
Beitrag zur Heontniss des ReligiMszustandes in Preuss. Litauen
unter den Churfursten Friedrieh Wilhelm«
Unsern Lesern dürfte die folgende Mittheilung wol ebenso neu, wie interessant
sein; wir entnehmen sie einer vor hundert Jahren erschienenen Zeitschrift, die den
Titel fahrt: „Historisches Portefeuille. Zur Kenntniss der gegenwärtigen und ver-
gangenen Zeit." (Vierten Jahrganges 1. Bd. 1785. Wien, Breslau, Leipzig, Berlin,
Hamburg. 5tes Stück. Monat May. S. 580-582.)
„Friedrich Wilhelm der grosse, Churfurst von Brandenburg, sorgte nicht allein
für die Sicherheit seiner Unterthanen, sondern er bemühte sich auch, sie gesitteter
und menschlicher zu machen. In Preussen, besonders in Litthauen, lebten die Bauern
wie die Wilden. Religion und Einderzucht waren ihnen sogar zum Theil dem Namen
nach unbekannt. Um diese Leute umzuschaffen, glaubte der glorreiche Churfurst
das beste Mittel zu erwählen, wenn er auf den Dörfern Prediger ansetzte, und zu-
gleich verordnete: dass diese die Bauern anhalten sollten, nicht allein die Predigten
fleissig zu besuchen, sondern auch ihre Kinder fleissig in die Schule zu schicken.
Wie sehr aber die wohlthätige Absicht des Churfursten von diesen Leuten verkannt
wurde, und aus welchem Gesichtspunkte sie solche betrachteten, lässt sich nicht
besser zeigen, als wenn wir eine Supplike der Bauern aus clem Amte Ragnit her-
setzen, worin sie unterthänigst bitten, sie doch mit so vielem Kirchengehen und Beten
nicht zu beschweren, sondern es bei dem alten verbleiben zu lassen, oder doch einen
gewissen Unterschied darinnen zu machen. Das Supplikat lautet folgcndergcstalt:
„Obwohl unsre Vorfahren von undenklichen Jahren her das Land solchergestalt
„besessen und inne gehabt, dass wenn wir unsern Dienst gethan, und den Beamten
„und Pastoren unsre Pflicht gegeben, wir mit nichts weiter beschweret worden, so
unterstehen sich doch unsere Pastoren anjetzo eine höchst schädliche und ganz un-
erträgliche Neuerung einzuführen, indem sie uns zwingen wollen, dass wir nicht
„allein alle Sonntage zweymal in die Kirche sollten gehen, sondern auch noch über-
„das Gebethe halten-: durch welche unerhörte Neuerung wfr nicht allein zum höchsten
»beschweret, sondern auch an unserer Haushaltung und' dem Ackerbau merklich ver-
Altpn MonatMthrift Bd. XXII. Hft. 1 u. 2. 12
ii
»
I
278 Mittheilungen ond Anhang.
„hindert werden. Derohalben bitten wir Ew. Churfurstl. Durclilaucliten, Sie wollen
„aus Landesfurstlicher und löblicher Vorsorge diese höchst schädliche Sache entweder
„gar abschaffen, oder dahin gründlich vermitteln (sintemal unter uns ein groN*r
„Unterschied ist, und mancher Paur 0, mancher 5, mancher 4, 3 und mancher kaum
„eine Hube Landes hat, und dahero unbillig seyn würde, dass der eine so viel Be-
schwerde tragen sollte, gleich wie der andere), dass doch das Kirchengehen und
„Bethen lernen möge nach den Hüben angelegt, und der arme nicht so sehr, als wie
„der Reiche, möge beschweret werden. Und demnach diese unsere Bitte der Billig-
keit gemäss ist, so hotten wir gnädigst erhöret zu werden."
Was Supplikanten für eine Antwort erhalten haben, davon ist kein näherer
Bericht vorhanden."
IniversitiUs-Chreuik 1884.
26. Sept. Phil. Inaug.-Diss. v. Franci8CU8 Krenkel Stolpensis (a.Schmaatz b. Stolp):
Epilegomenorvm ad poetas Latinos posteriores particvla prima De Avrelii Prü-
den tii Clementis re metrica. Bvdolstadii impr. F. Mitzlaff. (2 Bl. u. 67 S. 8.)
20. Dec. Phil. I.-D. v. Adalbertus Roquette Kegimontanus: De Xenophontis vita.
Begim. Bor. Ex offic. Leupoldiana. (2 Bl. u. 115 S. 8.) Prostat apud Graefe
et Unzer, Begimonti.
20. Dec. Med. I.-D. v. August Schmidt (a. Knipstein, Kr. Heilsberg), pract. Arzt in
Landsberg in Ostpr.: Ueber das Verhalten einiger Chinolinderivate im Thier-
körper mit Bücksicht auf die Bildung von Kvnurcnsäure. Kgsbg. in Fr.
B. Leupold'a Buchdr. (29 S. 8.)
1885.
10. Jan. Med. I.-D. v. Ernst Herbst (aus Maulen, Er. Kgsbg. i. Pr.), pract. Arzt:
Ueber den Einflass des iuducirten und con stauten Stromes auf die Thätigkeit
des menschlichen Herzens. Mit 1 Curventafel. Leipzig, Druck v. J. B. Hirsch-
feld. 1884. (24 S. 8. u. 1 Taf. qu.-Fol.)
Zu d. am 18. Jan. 1885 . . . stattfind. Feier d. Krönungstages laden ... ein Prored
u. Senat d. Albertus-Univ. Kgsbg. i. Pr. Hartungsche Buchdr. 1885. (2 Bl. 4)
[Preisaufgaben für die Studirenden im Jahre 1885.]
24. Jan. Med. I.-D. v. Hans Stern (a. Kgsbg. i. Pr.), pract. Arzt: Ueber die normale
Bildungsstätte des Gallenfarbstoffes. Leipzig, Druck von J. B. Hirschfeld.
2 Bl. u. 23 S. 8.)
7. Febr. Phil. I.-D. v. David Hilbert (a. Kgsbg.): Ueb. die invarianten Eigenschaften
spezieller binärer Formen, insbesondere der Kugelfunctionen. Kgsbg. in Pr-
Buchdr. v. B. Leupold. (2 Bl. u. 32 S. 4.)
12. Febr. Phil. I.-D. v. Wilhelm Tesdorpf aus Gamsau i. Ostpr.: Der Bömerzug
Ludwigs des Baiern 1327—1330. Kgsbg. i. Pr. In Commission bei Wilh. Koch
& Beimer. (2 Bl. u. 8*5 S. 8.)
13. Febr. Phil. I.-D. v. Arthur Seeck a. Kgsbg.: Beitrag zur Kenntnis der graniti-
schen Diluvialgeschiebe in den Provinzen Ost- u. Westpreussen. Berlin, Druck
v. J. F. Starcke. (51 S. 8.)
19. Febr. Phil. I.-D. v. Gustav Zacher (aus Kgsbg.): Die Hiatoria Orientalis des
Jacob von Vitry. Ein quellenkritischer Beitrag zur Geschichte der Kreuzzüge.
Kgsbg. i. Pr. Buchdr. v. B. Leupold. (2 Bl. u. 47 S. 8.)
27. Febr. Med. I.-D. v. Richard Blumberg (a. Braunsberg): prakt Arzt: Ueber den
Einfluss der Schwere auf Kreislauf und Athmung. Kgsbg. i. Pr. B. Leupold's
Buchdr. (32 S. 8.)
3. März. Phil. I.-D. v. Albert Koehler a. Szillen: Studien üb. Ester der Bernstcio-
aäure u. Oxalsäure. Kgsbg. i. Pr. Ostpr. Ztgs.- u. Verl.-Dr. (2 Bl. u. 51 S. 8.)
Altpreussische Bibliographie 1884. X79
7. März. Phil. I.-D. v. Hermann Kienast (a. Danzig): Ueber die Entwicklung der
Oelbehälter in den Blättern von Hypericum und Ruta. Elbing. A. Biedere
Buchdr. (51 S. 8.)
„Acad. Alb. Regini. 1885. I." Index lection. ... per aestatem a. MDCCCLXXXV
a d. XVI. m. Aprilis habendarum. Begim. ex offic. Hartungiana. (31 p. 4.) Insunt
H. lordani Symbol ae ad historiam religionum Italicarum alterae (p. 3 — 16).
Verzeichniss d. ... im Sommer- Halbj. v. 16. Apr. 1885 au zu haltenden Vorlesungen
o. d. Öffentl. akadem. Anstalten. Kgsbg. Hartungsche Buchdr. (9 S. 4.)
10. März. Phil. I.-D. v. Abraham Tawrogi (a. Neust adt-Schirwindt in ßussld.): Der
talmudische Tractat Derech Erez sutta nach Handschriften und seiteneu Aus-
gaben, mit Parallelstellen und Varianten kritisch bearbeitet, übersetzt und
erläutert. Kgsbg. i. Pr. Gedr. bei E. Erlatis. (2 Bl., VII u. 55 S. 8.)
19. März. Phil. I.-D. v. Maximilian!» Neumann Bor. Hollandensis: De imperativi apud
epicos Graecos, tragicos, Aristophanem formis atque frequentia. Regim. Pr.
Typ. Kiewningianis. (2 Bl. u. 58 S. 8.)
Za d. am 22. März . . . Feier d. Geburtstags Sr. Maj. d. Kaisers u. Königs laden
... ein Prorect. u. Senat d. Alb.-Univ. Kgsbg. i. Pr. Hartungsche Buchdr.
1885. (2 Bl. 4.) [Preisvertheilg. am 18. Jan. 1885.)
Lyceitm Uosiannni in Braunsberg 1885.
Iudex lection. . . . per aestat. a die XV. Apr. a. MDCCCLXXXV instituen darum.
[Rcct.: Dr. Willi. Killing, P. P. 0.] Brunsbergae, typis Heyneanis (R. Siltmann).
(14 S. 4.) [Praecedit Prof. Dr. Julii Marquardt de christologia S. Cyrilii
Hier osolymi tan i commentatio. S. 3 — 12.] *
Altpreussische Bibliographie 1884.
Abromeit, J., Ueber die Anatomie des Eichenholzes. [Jahrbb. f. Wissenschaft!. Botanik.
XV. Bd. S. 209-281.]
Acten der Ständetage Ost- u. Westpr. Hrsg. v. Dr. M. Toeppeo. Bd. IV. Lfg. I.
Leipzig. Duncker & Humblot. (400 S.) Lfg. II. (Schiusa) sammt d. Registern,
Tit. u. Inhaltsverzeichn. (S. 401—682.) [Publication d. Vereins f. d. Gesch. r.
Ost- u. We6tpr.] 15. —
Hbref I3u(6 für bic $ro&in3iaköauptftabt Danzig unb beren SBorftäbre. 9tebft einem
Änbar.fle . . . 2)anjiß, 2lrt (VIII, 201; 114 u. 102 S. fli*. 8.) a,eb. n. n. 7.50.
Slbrcg 83ud) bcr feaupt? it. SHcfibenäftabt Äöniflöberü . . . reb. n. Garl SRürmbetßer.
ttasba. öartimfl. (322, 128 u. 64 S. flv. 8.) baar 10.—
Sbregbutb, Corner, f. b. 3abr 1884. 9ia* amtl. Guell. bearb. u. br$tt- &. 3)tofli|"tr.»
»ureau^ffift. «. $erölic#. £bem (Wallis). (IV, 124 6. 8.) 2.—
**bre§bud) für bie Stabt Silfit. . . flu* amtlichen Quälen jufammettAeftelU. ^tffit.
Mepfftnber u. 6obn. (146 6. 8°.)
Albert, Heinrich, Musik-Beilagen zu den Gedichten des Künigsberger Dichterkreises.
Hrsg. v. Kob. Eitner. (III, 20 S. 8.) [Neudrucke deutscher Litteraturwerke
d. XVI. u. XVII. Jahrh. No. 48. Halle. Niemeyer.] —60.
SUmanad), tföniaaberder, f. 1884. Rubrer burdj MönioSbero, u. feine Untflcbftn., (5ifen*
babn-Setbinbflti. p. Oft u. v2tteUpr., Otottjen f. 35abe* u. iHunbreifen je. ic. Äönia,S«
bera. S»artunß. (83 6. 16.) —50.
"nbenfen, bem, an ben s#rebiflev ber freien etxmaelifaWatbolifcbcn ©emeinbe ju ftöniߣ*
bera. in $r. Dr. ftul. JKupp. t IL 3"U ^84 fleroibmet. Möntasbeia.. Oöraun
u. Söeber.) (16 3. 8.) baar n. —40.
Anger, Dir. Dr. (Graudenz), Bericht über eine Ausgrabung bei Rondsen. [Verhandlgn.
d. Berlin. Ges. f. Anthropol. S. 251.]
Arnoltft, Direkt. Dr. Kichard, Antrittsrede. Gymn.-Progr. Prenzlau (S. 3—9. 4.)
JgQ Mittheilungeo und Anhang.
Babucke, H., Carmen sollemne. (2 S.) Gescb. d. latein. Schule, der höher. Bürgerech.
u. d. Gymn. u. d. Realgymnas. zu Laudsber&r a. W. 1462—1864. (LH. S.)
[Festschrift z. 25j. Jubelfeier d. Gymn. u. Realgymn. z. Landsberg a. W. 8.)
Baecker, Elimar, de canuro nominibus graecis. Diss. iuaug. Kbg. (Härtung.) (78 S.
gr. 8.) 2.-
Baenftz, Dr. C, Lehrb. d. Zoologie in popul. Darstellg. ... 5. verm. u. ?erb. Aufl.
Berl. Stubenrauch <VH, 326 S. gr. 8.) geb. 2.M). 6. Aufl. (VIII, 350 S.) 2.75.
Physik f. Volksschulen . . . 11. vui. u. vb. Aufl. Ebd. (70 S. gr.8.) geb. — 90.
Lehrb. d. Botanik ... 4. vm. u. vb. Aufl. Ebd. (VIII, 366 S. gr.8.) geb. 2.75.
Lehrb. d. Chemie u. Mineralogie ... 2. Th!. Ebd. (VIII, 135 S. gr. 8.) 2.-
Leitfaden f. d. Unterricht in der Botanik ... 4. verb. u. veinr. Aufl. Ebd.
(IV, 195 S. gr. 8.) geb. 2.75.
Leitfaden f. d. Unterricht in der Zoologie ... 3. verm. u. verh. Aufl. Ebd.
(IV, 228 S. gr. 8.) geb. 1.75.
— — u. Oberl. flotfa, fiebrb. b. ©eoflr. ... 1. %bl Untere unb mittlere 6tufe ....
SBieUfelb. 3fcH?aaen & Älafina. (VIII, 288 6. ar. 8.) 2.50.
bafielbe 1. Sty. 1- flurfu*. Untere 6tufe. ... 2. um>eränb. Nbbr. <*bb. (III, 76 S.
ar. 8-) 1.
f)ail, $rof. Oberl. Dr., mei&ob. Seitfab. f. b. Unterricht in b. «Ratutßef*. . . . Söotanif.
1. £ft. ... 3. uerb. Slufl. £pj. $weS. (VIII, 144 6. 8.) cart. 1.20.
... SJüneraloaie, nebft e. Icidbtfafel. Ueberblict üb. b. (Sntftefcfl. u. dntroidla. b.
ISrbrinbe nach b. neueft. 2lnfd)auunöen. W\t . . . &oljjd)n. u. 3 <Steinbr.;£af.
in. tfrrjftaünefcen. <§bb. (VI, 106 6. flv. 8.) cart. 1.10.
... 3*oloflie. I. fcft. [.«urf. 1— III.] Unt. üflittuirtuna. t>. i'efer. Dr. gride. . . .
ebb. (VI, 194 6. flr. 8.) cart. n. n. 1.60.
Ergänzg. u. Berichtigg. z. Brefeld's Behdlg. der Gährgsfrage. [Botan. Ztg. No. 21-]
Bamberger, ßabb. Dr. J., hebr. Spruch- u. Wortschatz, nebst Erklärg. der im Cultus
gebräuchl. hebr. Ausdrücke. Ein Hülfsbch. f. d. israel. Religionsunterr. Kgsbg,
Härtung. (VI, 41 S. gr. 8.) cart. —60.
Bau- u. Kunstdenkmäler, die, d. Prov. Westpr. Hrsg. im Auftrage d. Westpr. Provinz.-
Landtages. Hft. I. Die Kreise Cartbaus, Bereut u. Neustadt. Mit 58 in d.
Text gedr. Holzschu. u. 9 Kunstbeil, (in Lichtdr.) Daszig. (Bertling) (VI, 73S.
gr. 4.) baar 6.—
Baumgarten, Prof. Dr. P., üb. pathogene pflanzl. Mikroorganismen. II. Die pathogen«!
Scbizomyceten. (57 S. gr. 8.) [Sonderabdrücke d. dtech. Medicinal-Ztg. 27. Hft
Berlin. Grosser.] —80.
Patbolog.-anatoin. Mittheilungen. I— VII. [Virchow's Archiv f. pathol. Anat.
97. Bd. S. 1—50.] Einige Bemerkgn. zur Histiol. des Trachoms. [Graeic's
Archiv f. Ophthalmot. XXX. Jahrg. Abth. I. S. 277-289] Beitrage z. Dar-
stellgsmethode der Tuberkelbacilien. [Ztschr. f. wissensch. Mikroskopie. Bd. 1.
S. 51—60.] üb. Untsuchgsmethoden z. Unterscheid^ von Lepra- u. Tuberkel-
bacilien. [Ebd. S. 367 — 371.] üb. e. gute Färbgsmethode z. Untsuchg. von
Keratheilgsfiguren. [Ebd. S. 415—417.]
S3enber, $rof. Dr. 3of., gum 2. fjuli 1884. (aMd)id)t(. ßrinneront. au* ©raunetcr^
SBerßaiiQfiibett. 2lu8 SlnlaB be$ 600j. 3ubiläumö ber <Stabt. 53rauii$b. $ut)e.
(53 6. ßr. 8.) baar 1.30.
* £ene<!e, $rof. Dr. 93., bie 2Banberß. ber 2lalbrut u. bie ßinria^tß. n. SCalbtutleitern.
[tfßäbß. 2anb* u. forftro. 3ta« 15-1
Benioken, Gymn.-L. Dr. H. K., dio Litterat ar z. 6. Liede vom Zorne des Achilleus
im 6. u. 7. Buche der Homerischen Dias. Teil IL Progr.-Abhdlg. Bastenburg
(22 S. 4.)
Bergau, R., der Bildschnitzer Veit Stoss u. seine Werke. (20) Photogr. v. Job. Hahn
m. erklär. Beschreibung u. Biographie d. Künstlers. [Neue Ausg.] Nürnberg.
J. L. Schrag's Verl. (15 S. Pol.) In Mappe baar 30.—
Bericht üb. d. Handel und die Schifffahrt von Kgsbg. i. J. 1883. Kgsbg. Härtung.
(VI, 194 S. gr. 8.)
9ett$t ber n. b. Oftpr. $ron.'£anbtage entfaubt. Gommiffion üb. 2(rmem u. $lrbei&
bäuf. fomie 3lrbeiter:(£o(omeu in 5)än«marf, 6ä?leem.s£ol|tv pannon., SBeftfal.,
Aar. ea*!en. flßSbß. ©räfc & Unjer. (66 6. ßt. 8.) baar -80.
Aitpreutisische Bibliographie 1884. Igl
Script b. $rwM(Sommi)fion f. b. SertvaUß. fr. *Jtrot>.*2>tofren üb. b. SBroenbß. ber ibr
j. Skrfüflunö. oeftellt. gonbtf. Sanjitf. (4 £. fol.) mit 3ln(j. . . . öeridbt üb. b.
Ütoaltfl. b. iiüturbift., ardrtof. u. ettjnol. Sammln. be3 Stfeftpr. $tot?.'ÜWufeum^
f. b. 3. t883. (11 ö. fd.)
Bericht ab. d. 6. Veisammlung d. westpr. botan.-zoolog. Vereins z. Dt. Eylau, am
15. Mai 1883. [Aus „Schrift d. natuif. Ges. z. Danzig".] (127 S. gr. 8.)
Bericht üb. d. Vhdlgn. d. 21. Kongresses dtbdi. Volkswirthe in Königsb. i. Pr. am
20., 21. o. 22. Spt. 1888. Im Auftrage d. stand. Deputation hrsg. v. M. Broemel.
Berlin 1883. Simion. (IV, 210 8. gr. 8.) 4.—
©eriifjte bc* gifdjeret Vereine b. s4hemn$en Oft* u. Söeflpv. reb. u. $rof. Dr. £eitedfe
1883/84. 4°.
Sertlittfl, $., iftriribiafomiä in $anjivi), ber (*ntnmrf e. euauad. ©efanabudjö für
Oft* 11. 3ik|tpreufeeu. 3\in$irt £cbrotb.
Bezzenberger. Beiträge zur künde der indogerman. sprachen hrsg. v. Dr. Adalb. Bezzen-
• borger. 9. Bd. Oöttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht. (. . . S. gr. 8.) n. 10. —
Litauische u. lettische Drucke d. 16. u. 17. Jahrb., hrsg. v. Adl. Bezzenberger.
4. Hft. Götting. Vandenhoeck & Ruprecht. 10.— Inh.: Szyrwld'8 Punkty.
Kazari [Punktay Sakimu] vom J. 1629. Mit e. grammat. Einleitung hrsg. v.
Kich. Garbe. (XLV1II, 15« 8. gr. 8.) lö.—
Lett. meklet. [Beiträge z. künde d. Indogeiman. spr. IX. Bd. S. 134] Lettische
ablaufe. [S. 248—250.] Tivio-mvvw. [S. 252.] V. Jagic, Altruss. Fragmente
in Kgebg. Mitgetb. v. Prof. A. Bezzenberger. [Archiv f. slav. Philol. VII. Bd.
5. 640—43.] Eine lettische Dorfgeschichte [Magaz. f. d. Litt, des In- u. Ausl.
53. Jahrg. No. 11. 12.] Kurische Studien; ein Sprachwissenschaft!. Reisebrief.
[Ebd. 32.] die pamphylisch. Inschriften. [Samml. d. griech. Dialekt-Inschriften.
Hft. IV. Göttingen. 8. 363—370.] y>od>$eitebüterfprucb. [ÜJtttteiiunflcn b. £itau.
litterar. ©efelljd). oft 8. 6. 121— 124.] Kec. [Dtsch. Littztg. No. 19. 32. Götting.
gel. Anz. No. 10.]
Bietterstedt, August, pract. Arzt aus Westpr. (Briesen) Ueber situs viscerum in versus
und Mittheilung eines Falles. I.-I). Greifswald. (32 8. 8.)
Sienett'Seitiinft, ^reii&ijcbe, . . . bre«. x>. 3. <$. Aonife . . . % §. VIII., alte g. XXI. 3a&rfl.
#a*ba. Oftpr. 3t,^.. 11. Sliiebr. (2 IM, 188 6. 8.)
Btskup8ki, Gymn.-Lehr. Dr. Leou (Konitz), Beiträge zur slavischen Diabetologie. I.
Dio Sprache der Brodnitzer Kaschuben im Kreise Kalthaus [West-Pr.] 1. Hft.
Die Lautlehre. Abth. A. Leipz. Breitkopf u. Härtel. 1883. (VI, 61 S. 8.) 1.50.
btspr. v. V. Jagte in: Archiv f. slar. Phihl. VIII. Bd. S. 140—148.
Blochmann, R. (Kgsbg.), üb. e. einfach. Verfahr, z. annähernden Bestimmg. d. Kohlen-
Säure in der Luft bewohnter Ränme u. in anderen Gasgemischen. [Ztschr. f.
analyt. Chemie. 23. Jahrg. S. 333—345.]..
Bock, Ober]., üb. verschied. Konstruktionen zur Übertragg. v. Figuren von e. gegeb.
Oberfläche «auf eine andere. I. Wisscnschaftl. Abhdlg. f. d. Ost-Progr. Lyck.
(21 8. 4.) m. I Taf.)
Böhmer, Kgl. Feldmesser J„ Neue Karte v. Thorn. 1 : 2500. Farbendruck. Thorn.
Lithogr. Anstalt v. Otto Feyerabend. 1.25.
»ornftetn, $rof Dr. Nid?., bie ioeale sBc tferpreanofe. S3erL eprinaer. (48 8. 8.) —60.
Bötteher, Dir. Dr. Carl, Vorschläge z. Methodik d. geogr. Unterrichts m. Beispielen
aus d. Schulpraxis. Kgsbg. (24 S. gr. 4.) (Leipz. Teubner.) — 80.
»e!M, 3(., QmaZ üb. b. fcuHfltn Stanb bev ÜJMbdjen.ömnnaftit in Oft* u. 2Öeftpr.
[Ütfiona&fcbr. f. b. Surnroefen. 3. Qabi'fl. oft. 7.]
8ort$erf, 91 Ib., btfebe @lenientar:©rammatit u. Ortboorapbie f. SBorfduilen bök 8e&r*
anftaltcn. 1. Stufe. Maftenbura. 5<croa[-?ft. (VII, 62 6. p,r. 8.) -80.
Sranbenburger, (*. 6., bas aai^e ÜlMffen ber. £iqueur:gabrifation auf faltem 2Beae ob.
ber foflen. falten $efli(Iation . . . £born. ?ambrcf. (95 6. 8.) 2.—
©roudjitf*. M. ü., bie neu. preufj. ^emjaltfl^efcfce, jfaeft. «• erläut. W. Sluft., tooflftb.
umflearb. u. biv auf b. Qkflenroart fortflef. r>. 9tea.'$r&f. ®tubt u. ©eb- 9Hca.sSR.
©raun beb veno ... 6. u. 7. (Sefammtaufl. b. OrrtanifationSaefefcc b. hm. 2$n>altfl.
©b. I. IL 1. u. 2. »bbr. «erün. (XII, 614; VIII, 467 6. «r. 8.) a 8.—
Brosow, Aug.» Qucraodo sit Apollonius sophista ex etymologico magno eiplendus
atque emendatus. Diss. inaug. Kgsbg. (Beyer.) (51 S. 8.) 1.20.
182 Mittheil fingen und Anhang.
KrtmitecF, $rof. Dr. jur. m\\). t>., »eitrfiae jur ©ef*. u. $eamatlt ber <ßfanbbrief--
fafteme na* preu&. SHedjt. fSBcitrA^e 3. ßrläuterfl. b. btf*. sJiccbt^ 3. ftelrte.
8. 3a(w. 6. 48-82. 318—356. 481—547. 9. ftibra. 6. 23—52.]
Brunnemann, Dir. Dr. Karl, Maximilian Robespiorre. Ein Lebensbild nach z. Theil
noch unbenutzt Quellen. 2. (Tit.-)Aufl. Loipz. (1880.) 18«5 (84). Friedrich.
(VI, 219 8. gr. 8.) 4.50.
Corneille's Polyeucte Martyr, für d. oberen Klassen höh. Lehranstalten hrsg.
Wolfenbüttel. Zwissler. (V, 76 S. gr. 8) n. n. —90.
Sttttner, G. ®., 3>a« fcwterlanb nou 3BaIfifd:bai imb Slriflra $rquena. (Sine Ueberficbt
ber Kulturarbeit beutfd). OTifftonarc u. b. feitber. (Sutaridlfl. b. btfd). öanbel« in
Sübtwftafrita. (124 6. 8.) [Sammlfl. i\ ^Borträ^. bräfl. n. Trommel u. ^föff.
12. 53b. 7-9. oft. Seioelbera, SBintcr. <S. 207—330.] 2.—
$ie ficrero ti. ibre tobten. [2)aS Jluslanb. 20] üb. Sanbroerfe u. tecbtiifd^c
Sertfofeiten ber ©inflebornen in $amaralanb (Süoafrifa). (ßbb. 27. Englisch in:
Populär Science Monthly. Novbr.] t>ic (Sntnndlflefäbiflfett ^übiueftafnfa« nad)
bem 3.»ucrn au. [(*bb. 34.] SleqtlicbeS au« 3)amaralanb. [@bb. 35.]
Büttner, £>cinr., Sktbania. 3« *wft u. Grbauuna an ßrantenbetten u. ©räbern. 3*f>"
$rebiflten. fla$bfl. edmbert & 6eibel in Gomm. (VIII, 166 S. flr. 8.) 2 —
»ujaef, Dr. phil. ©pmn.-Oberl., ba« ^Sruffta^ufeum im StorbftöaeK be« Jt^I. €Aloffc3
iu flfl*bfl. in $r. Sie au^oefteüt. Altertümer ber prabiftor. Reit tfor (Ebrifti (Sc-
hürt. $e« 1. Seite be* Äatalofl« 1. Hälfte . . . Äbß. Oftpr. RtflS.* u. »IflS.^r.
(20 6. ßr. 8.) . . . 3>ie auäfleftellten Altertümer b. bütor. 3eit mit ©nfdrfufe *.
«uramaUfunbe. 2. Seil be« Äataloa«. 2. ttufl. m. 3ufA|k ebb. (30 6.) ä —20.
Bardach, Dr. Konr., die Einigung der Neuhochdeutsch. Schriftsprache. Einleitung.
Das sechszehnte Jahrh. Habilitationsschrift. Halle. (31 S. gr. 8.)
Rec. [Anzeiger f. dtsch. Alterth. u. dtsche Litt. X. S. 13—31. 127—128.]
Snro», 3ulie [Jrau Ufannenfd)mib!], $enffprücbe f. b. mciblicbe Sehen ... 23. StufL
brSa, p. (Ilife $clfo. ©remerbaven. Qanaerotü. (IX, 256 6. 8.) 6.—
grauen Siebe u. geben, ©n »rautflefdjenf. 2. Slufl. 3)at>o3. SHidtfer. (2386. 8.)
ßeb. 5.50.
BusoK, Prof. Dr. Georg in Kiel, Sparta und der ionische Aufstand. [Neue Jahrbb.
f. Piniol, u. Pädag. 129. Bd. S. 154 — 158.] zu den griechischen Königslisteu.
[Rhein. Mus. f. Philol. N. F. 39. Bd. S. 478—480.] zur Scblaoht bei Himera.
[Ebd. 40. Bd. 1S?S5 (84). S. 156-160.]
Samt, @en.<Superint. Dr., Äirdjlicbe 3"ftänbe in 2Rafuren. Gin Ser.bfcfcreiben . . .
tfaeb. Oftpr. 3trt«.* u. SBlaSbr. (24 6. flr. 8.)
^Beriefet ber ßommiffion g. öerfteüfl. e. einbeitl. ©efanabudj« f. b. $ro&. Oft* u.
SVeftpr. [Seil. $. ©nanfl. ©emeinbebl. 9tr. 46.1 Pfleget den heiligen Gesang!
Ansprache. [Halleluja. Organ f. d. geistl. Musik . . . hrsg. v. Becker u. Fr.
Zimmer. 5. Jahrg. No. 11.]
Chodowiecki. Auswahl aus d. Künstlers schönsten Eupfersticheu. J.36 Stiche auf 30
Carton- Blättern. Nach den z. Theil sehr seltenen Originalen in Lichtdruck
ausgef. v. A. Frisch in Berlin. (2. Aufl.) Berlin. Mitscher & Röstoll. (1 Bl.
Text gr. 4.) In Leinw.-Mappo 20. —
Clebsoh, Alfr., Lecons sur la geometrie . . . traduites par Adolphe Benoist. T. III.
Integrales abeliennes et connexes. Paris 1883. Gauthier- Villars. (X, 485 S. 8.)
16 fr.
Cnettcitd, $., ba« ©appen ber 6tabt 2Raabebura,. aNaflbebfl. (Söennbade & Sinrfe.)
(19 6. flr. 4. m. cbromoHtb. Sit. u. 4 Stein taf.) baar 5.—
-— — Städtewappen. [Siebmacber's gross, u. allg. Wappenbuch. Lfg. 235 od. Bd. I, 4.
Hft. 18. S. 309-28 m. Taf. 300—317.]
Dallas. 3ritf&rift b. Äunft.©ercerbe-$Berem$ ui Waabcburfl. SHeb.: £. telericu*.
5. 3abrfl. 12 -)lrn. O-Bofl. flr. 4.) äHaabebfl. ^aber in (Somm. Viertel j. 1.—
In Sachen d. Berlin. Stadtwapp. [D. dtsche Herold. XV. No. 1.1 Snhragistische
Miscelle. (Ebd. 2.] die Städtewappen. [5. 9.] An die Adresse d. Kgl. Herolds-
amtes. [10.] Kunstgewerbl.-Heraldisches. [10] Anfrage. [12.] Rec. [3. 10.)
Cohn, Leop. (aas Zempelburgj, De Heraclide Milesio Grammatico. Commentatio philol.
ad veniam docendi in Univ. Viadrina. Berol. (37 S. 8.)
Altpranssiache Bibliographie 1883. 183
[Copernicus,] du Boi8-Reymond, Emil, Friedrich II. in englischen Urtheüen. Darwin
u. Kopernicus. Die Humboldt- Denkmal er vor d. Berlin Univers. Drei Reden.
Leipz. Veit & Comp. il20 S. gr. 8.) 2.—
Shidleo, P. Le Systeme de Copernic juge' d'apres scs propres theories expose'es
dans T Astronomie populaire de M.Camille Flammarion; par Pierre 8 indico.
Paris. Lemerre. (In-8°, 48 p. et 3 pl. de fig.)
Cramer, H., ©efcbidjte bce pormal. SBtetbumä ^omefanicn. (Sin ^Beitrag $. Sanbefc u.
ttircberu®efd)id)te beä jtöniarcidtf 9$reu&en. $on H. Krämer, n>eü. Ober*$lubiteur
u. ©e&. 3ujtia 9fatl>. SBeröffentlidwnß b. biftor. herein* f. b. <Hefl.«$ej. Morien«
Werber. «Warienro. Selbftperf. b. herein«. (V, 293 6. «r. 8.) 3.—
Curtze, Gymn.-Oberl. Maxim, in Thorn, die in betreff der exakten Wissenschaften im
Altertum währd. d. Zeit v. Okt. 1879 bis Schluss 1882 erschienenen Werke,
Schriften u. Abhandlgn. [Jahresber. üb. d. Fortschr. d. cJass. Alterthnmswiss.
XII. Jahrg. Bd. XL. S. 1—50.] Kec. [Dtscbe Littztg. 1.]
Czy möwisz po polsku? [Spricbjt bu polnifcb?] ob. polni(d). 3)olmetf<bcr ... 13. 2lup.
Sborn. & fiambed. (199 6. 8.) 1.20.
tabn, Relir, SBaufteine. ©efammclte Heine 64riften. 6. SRei&e. ©ermanifebe Stubien.
Serlin. 3an!e. (VII, 327 6. 8.) 7.- 5. töei&e: 1. u. 2. 6cbi*t. 1. Söölterrecbtf.
u. ftaaterecbtl. 6tubien (VII, 396 6.) 7.— 2. $ripcitrecbü\ 6tubien (226 6.) 4.—
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Uraefdjicbte b. flerman. u. roman. SBölfer (3. 93t». 6. 97—384 or. 8.) [Slüaem.
©efd). in föngeibarfteUungen . . . !?r*a. P. sißi(b. Duden. $lbtl>. 80. 89. »erlin.
©rote.] ä 6.—
Reine iHomtme a. b. 3te(ferh)anbmma. 1. *Banb SdicitaS ... 8. Slufl. 2eipj.
93reittopf & tfÄrtel. (274 e.) 5.— 2. $anb Siffula. . . . 2.-6. Stuft. (568 S.) 8.—
Busala. Historische roman uit den tijd der volksverhuizing. Uit het Hoog-
duitsch door A. J< van Dragt. 2 dln. Arnhem. J. Rinkes Jr. (4 en 238;
4 en 242 bl. 8.) fl. 4,90.
ein Äampf um fflom: fiiftor. Vornan. 4 93be. 10. 2lufl. Gbb. (VIII, 416; 400;
488 u. 489 6. 8.) 24.—
$ie Äreutfafcrer. (SrjäW. a. b. 13. 3afcr&. 2 93be. 2.-4. Slufl. «Berlin. 3anfe.
(344 u. 223 6. 8.) 12.—
Wein geben. $on fiubto. €teub. lieber Subtoia. 6teub. SBon gelix JDapn. 9Rtt
e. $ortr. Sbm. 6teub$. (57 6. ßr. 8.) 1.— [3)eulfd)e 93ü*eret *Rr. 31. «Breälau,
Scfcottlänber.]
u. Sfrerefe SDafrt faeb. Sreiin p. $rofte--&üteboft] SBalbafl. ©ermaniföe ©öfter«
unb $elbenfagen . . . W\t mefrr atö 50 83i(bertaf. . . . P. 3°b£. ©efrrt«. (3n
6-82fan. fiffl. 1—9. äreujna*, Eoiötlänber. (665 6. <jr.8.) a 1.— 2.-5. Slufl.
oeb. 10.—
2lüflemeine3 WetdtfCSommerSbud) für beuttäe Stubenten, ©earfinbet P. 2Rüller
p. ber SBerra. SReu brefl- p. ffelir fiabn u. Garl fteineefe 7. »ufl. si)Mt e. Sitefbüb
p. Slnt. p. SBerner. 2eip*. 1885 (84.) «retttopf & fcflrtef. (VIII, 578 6. 12.) 3.-
Nordischer Gottesbegriff und Götterglaube. [Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Anal.
No. 2.] The Mothers Welkome to Her returning Sailor-Boy (5 englische Strophen)
[ebd. 14.] üb. Gntfteb«. u. ^ufKwefd}. b. Btdbte in S)tfcblb. [ Hefter mannö tüuftr.
btj^e ÜJlonatöbefte. 9ftai.] mm SBerbeaana b. beutfeben Äönifltbum«. (öin afabem.
Seftportrafl.) [ÜRüncbener Maem. 8tfl. SBeil. jii 9k. 34, 35.] Kec. |Lit. Cen-
tralbl. 4. Literaturbl. f. gerroan. n. roman. Philo]. 1. Magaz. f. d. Litt. d.
In- n. Ausl. 5. 3Rüncbener $lUaem. 3ta. 33ei(. 31 9lx. 349.]
fcamtett, Äotecbctif, 2. Slufl. S)ans- fcoenifl. (VIII, 199 6. 8.)
Damut, Dr. R., Der erste nordische Krieg bis zur Schlacht bei Warschau. Ans Danziger
Quellen. [Ztschrift. d. Westpr. Geschichtsvereins. Hft. XII. Danz. (110S.gr. 8.]
Dehio, Prof. G., u. Archit. G. v. Bezold, die kirchl. Baukunst d. Abendlandes hist.
u. system. dargestellt. (In 4 Lfgn.) 1. Lfg. — Hierzu ein Bilder-Atlas v.
77 lith. Taf. (in Fol. u. Mappe) Stuttgart, Cotta. (VIII, 200 S. gr. 8.) 25.—
2>ie Grboltuna ber 2)entmäler. [>J)tün*. 2lUß. 3tfl. 93eil. %u 91r. 352.]
Lettin, 6em.sfiebr. »v gefen 2urn.^eiflen f. 6*u(en ... 2. Slufl. m. 15 fitj. Saf.
lilfit 6d?ubert Sc 6eibel. (24 6. gr. 8.) —50.
184 Wittbeilungeo and Anhang.
Deniok«, Harry, (Marien Werder) Bedenken geg. d. aehullektüre von Schülers gedieht
,dic Wage der Ceres" [N. Jahrbb. f. PIuloL n. Pidag. 130. Bd. 8. 387— 393.J
Einige Bemerkungen z. Methode des geograph. Unterrichte [Ztscbift f. d.
Gvmnasial-Wesen. XXXVIII. Jahrg. S. 269-275.] Rec. [Ebd. S. 149—151.)
Cenfmdlet, cte bifleriiiben, o. Jtreiie* SnUerburfl. ftufterb., UUilbelmi (10 S. or. 8.1
Dewlta) H.i Qb. d. Fortbewegung der Tblere nn senkrechten glatten Flacher vermittele
eines Secrotes. [Zoolog. Anzeiger So. 172. Ptiüger'a Archiv f. d. genannt«
Fhysiol. d. Menschen u. d. 'l'hiere. Äi. Bd. 9/10, Hft.] Die Angelhaare der
Chrjaopenlarven. [Biolog. Centralbl. 4. Bd. Nr. 23.] Ein mann), tiescbleehts-
charakter bei Catoeala. [Ebd.] £
EM 33 ge»aii *** t-
Von einem Freunde der Altureuss. Monatsschrift gehen uns folgende Zeilen zu :
„Eine „Mitteilung" wie die von A. Boldt-Elbing im 21. Bande der Altpreus Bis dien
Monatsschrift 8. U7H ff. Ober „das Begräbnis! des Grafen Franziskas Bernhard
von Thura in der St, Nikolaikirche zu Elbing am 11. Mai 1629" ist geeignet den
scheinbaren Verfasser, Herrn A. Boldt-Elbing, in den Verdacht zu bringen, als ob
er Quellen studire und hie and da angesehenen wissenschaftlichen Zeitschriften eine
kleine Frucht dieser Quellenstudien mitteile, andererseits aber der angesehenen Zeit-
schrift Verlegenheiten zu bereiten. Denn wenn eine solche „Mitteilung" wie dio
erwähnte mit dem Anspruch einer Original -Mitteilung in die Welt binuusgesandt
wird, ohne daas Fache, Beschreibung der Stadt Elbing n. a. w., ans der
sie abgeschrieben ist, genannt ist, so kann es wohl vorkommen, dass der
Bedaction ein Vorwurf daraus gemacht wird, sie habe eiu für die Geschichte Elbing«
so geläufiges Hilfsmittel, wie Fuchs es ist, nicht gekannt.*) Da nun aber wohl
kaum im Ernst verlangt werden kann, der Herausgeber der Altpreuss. Honateschril!
müsse alle Werke, aus denen etwas Tür ihn abgeschrieben werden kann, kennen, so
scheint es anch Pflicht derjenigen, die die Zeitschrift lesen und schätzen, für die
Würde derselben mitzusorgen und darauf zu sehen, ilats kein Unberufener in der-
selben eich mit fremden Federn schmücke. Das« dies aber Herr Boldt gethan,
dass er eich eines Plagiats an Fuchs schuldig gemacht hat, das wird jeder erkennen,
der den Text bei Fuchs II, 210-213 mit dem in Bd. 21 S. 678-680 der Altpreuss.
Monatsschrift vergleicht Die ganze eigene Thätigkeit des Herrn Boldt besteht
darin, dass er Sätze umstellt, zusammengesetzte in mehrere einfache zerlegt und
einmal Apoc. in Apost. verschlimmbessert,"
*) Eben weil Fachs' Beschreibung Elbings ein so bekanntes Buch ist, so konnte
seitens der Redaction anständiger Weise nicht angenommen werden, dass der Elbinger
Einsender eine so leicht zugängliche Quelle ausschreiben würde, ohne sie zu nci
Die Red.
L-
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pe Irrten unti irafrn oon Sdjrotrin.
ßlatter au« her pmijjtfdjett ©efdjtdjte
von
@$ßar $e()weßef.
Gr. 8°. Broch. 7 Mk. — Eleg. Originalband Preis 8 Mk. 50 Pf.
Prachtaasgabe auf Velinpapier Preis 9 Mk.
Inhalt: I. Die letzten Wendenkämpfe und die ersten Schwerin. IL Im Refecto-
rinm und im Rathsstuhle. III. „Wy dienen to Felde". Die Fehden der Schwerin.
IV. Der Held von Angermünde. V. Der Grossmeister Ulrich von Schwerin.
VI. Jakobus der Kurländer. VII. Der Oberpräsident Otto Freiherr von Schwerin
und sein Bruder Bogislaw. VIII. Graf Otto von Schwerin. IV. Der Feldraarschall
Graf Card Christoph von Schwerin. X. Der Keitgerten- Schwerin, der Held von
Hohen-Friedberg. XL „Zopf und Schwert". XII. Graf Maximilian von Scbwerin-Putzar.
XIII. Gefallen für das Vaterland. XIV. Auf Schwerin'schen Schlössern.
Die vorzüglichen Quellen, welche dem Verfasser zu Gebote standen, gaben ihm
die Anregung für diese Schilderung des mit allen Phasen der preussischen Geschichte
so eng verknüpften Geschlechtes und hat derselbe hierin ein acht vaterländisches,
historisch und culturhistorisch bedeutendes Werk geschaffen.
Berlin W.
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Soeben erschien im Commissicras- Verlage vcn Theodor Bertling in Danzig:
Die Bau- und Kunstdenkmäler
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1885.
Inhalt.
I. Abhandlangen: *****
Der Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen. Vortrag, gehalten
in der Alterthumsgesellschaft zu Insterburg am 20. Febr. 1885
Ton Otto Tan Baren, Landgerichts-Präsident 185 — 217
Zar volkstümlichen Naturkunde. Beiträge ans Ost- und Westpreussen
von H. Frischbier 218—334
Einige Bemerkungen über das Ordensbaus Balga und seine Umgebung.
Von Carl Beckherrn 335—345
II. Kritiken und Referate:
Dr. Edm. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen und Legenden der
Zamaiten (Litauer). Von A. Bezzen berger 346 — 352
Die Bau- und Kunstdenkmäler der Proviz Westpreussen. Heft IL
Der Landkreis Dauzig. Von 6 352—353
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1884 ...... 353 — 364
III. Mittheilungen and Anhang:
Verzeichniss der in den Programmen der höheren Lehranstalten Ost-
preussens enthaltenen Abhandlungen zur Geschichte von Ost-
und Westpreussen. Von Karl Loh meyer 365 — 372
Der Teufel im Flachs. Nach einer Volkssage poetisch dargestellt von
Leopold Jacoby in Cambridge, Massachusets 372 — 373
Altpreussische Bibliographie 1884 374—376
Berichtigung 376
Literarische Anzeigen (auf dem Umschlag).
fV.
M1885
Der Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
Vortrag,
gehalten in der Alterthumsgesellschaft zu Insterburg am 20. Februar 1885
von
Otto van Baren,
Landgeriehta-Präsident.
In manchen vaterländischen Geschichtswerken findet man am Schiasse
der Darstellung des siebenjährigen Krieges eine kurze Bemerkung des
Inhalts: dass Friedrich der Grosse der Provinz Ostpreussen ihre Haltung
im siebenjährigen Kriege nie verziehen, sie mit Beweisen seiner Ungnade
überhäuft und sie nie wieder betreten habe.
Wenn man sich dann über den Zorn Friedrichs des Grossen
über Ostpreussen näher unterrichten, die Ursachen des Zornes, die
Art, wie er sich äusserte, kennen lernen und die Gerechtigkeit desselben
prüfen will, so findet man gerade in den verbreitetsten Geschichtswerken
kein Material; Friedrichs des Grossen eigene Darstellung des sieben-
jährigen Krieges, ') seine Denkwürdigkeiten,3) Abhandlungen u. s. w. geben
keinen Aufschluss über diesen Zorn und nur nach mühsamem Forschen
in dem Briefwechsel des Königs und in der umfangreichen Literatur
über Friedrich den Grossen findet man hier und da Einzelheiten zur
Beleuchtung obiger Frage.
Die Thatsache ist wahr. Friedrich der Grosse, der Stolz
Preussens, der Begründer seiner Macht, der König, der den Staat allein
und ohne Bathgeber regierte, der in allen Dingen nur seinem eigenen
genialen Urtheil folgte; der König, dessen Gerechtigkeitsliebe sprüch-
wörtlich geworden ist — er hat im siebenjährigen Kriege einen Groll
1) Friedrichs II. Unterlassene Werke. Deutsche Ausgabe. Berlin 1788. Bd. 3. 4.
*) Ebd. Bd. 5.
Aitpr« MoMtaacbrlfl Bd, XXIL Hft, Sei. 13
18G ^er ^orn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
gegen Ostpreussen gefasst, der ihn bis zu seinem Lebensende nicht ver-
lassen hat; er hat diesem Groll in vielen merkwürdigen Briefen, Ver-
fügungen und Cabinetsordres einen für Ostpreussen wenig schmeichel-
haften Ausdruck gegeben. Obwohl der König in den Friedensjahren
seiner späteren Regierung alljährlich seine Provinzen bereiste und häufig
bei den „Revuereisen" bis an die Grenze Ostpreussens gelangte,*) hat
sein Fuss die Provinz Ostpreussen nicht mehr betreten. Er warf der
Provinz vor, dass sie durch Leistung des Huldigungseides
an die russische Kaiserin die Treue gegen ihn und sein Haus
verletzt habe; dass die preussischen Regimenter sich schlecht
geschlagen hätten und dass die Ostpreussische Jugend sich
dem Kriegsdienst entzogen habe. —
Friedrich der Grosse hatte schon als Kronprinz eine Abneigung
gegen Ostpreussen gefasst und es ist nicht unmöglich, dass sie ihm
von seinem Vater eingeflösst worden ist, welchem, trotz der grossen
Wohlthaten, die er der durch die Pest verödeten Provinz erwies, deren
Bewohner nicht sympatisch waren. Bei seiner ersten Reise nach dem
Königreich Preussen (1726) musste der vierzehnjährige Kronprinz in
Darkehmen es mit anhören, wie der König, sein Vater, auf offenem
Markte die versammelten Bürger „Schelme und Rebellen" nannte.4)
Als es sich 1738 um Abschaffung der Prügelstrafe handelte, wollte
König Friedrich Wilhelm I. die Ostpreussen ausnehmen,6) „weil das Volk
daselbst sehr gottlos, faul und ungehorsam ist". Obschon Friedrich
der Grosse schon sehr früh eine bewundernswerthe Selbständigkeit des
Urtheils zeigte, ist es immerhin wahrscheinlich, dass das Urtheil und
Beispiel des Vaters einen bleibenden Eindruck auf ihn machte.
Friedrich der Grosse kannte das Königreich Preussen
genau. Er ist mehrere Male als Kronprinz, dreimal als König dort
gewesen,8) und hat sich wiederholt Wochen lang in Ostpreussen auf-
gehalten. Als er 1726 das erste Mal seinen Vater nach Preussen be-
*) J. D. E. Preuss, Friedrich der Grosse. Berlin 1832. Bd. II. S. 162.
4) Kogge, Geschichte des Kreises und der Diözese Darkehmen 8. 102.
6) Preuss a. a. 0. I, 304. III, 97.
°) Preuss a. a. 0. I, 380 Anm.
v. d. Oelsnitz, Geschichte des Ersten Inffcnterie-RegimenU S. 424. 426. 503.
Von Otto van Baren. J87
gleitete, bewarb sich der Magistrat von Königsberg eifrig um die Gunst
des künftigen Königs, indem er dem von seinem Vater im Geldpunkte
äusserst knapp gehaltenen Prinzen einen kostbar gestickten Beutel mit
1000 Dukaten schenkte.7) Im Herbst 1735 beauftragte der König den
damals dreiundzwanzigjahrigen Kronprinzen an seiner Stelle die üblichen
Musterungen und Inspektionen im Königreich Preussen abzuhalten.8)
Friedrich unterzog sich diesem Auftrage mit solcher Gewandtheit, Scharf-
sinn und Vollständigkeit, dass der schwer zu befriedigende König über
seinen — leider nicht bekannt gewordenen — Bericht äusserst zufrieden
gestellt war. Er lernte damals die Heeres- und Garnison-Einrichtungen,
das Schulwesen, die Steuern-Erhebung, die Domänen-Verwaltung, die
Verhältnisse der Kaufmannschaft und Zünfte,9) der Salzburger und an-
derer Eingewanderten, überhaupt Land und Leute gründlich kennen.
Im Juli 1736 scheint Friedrich der Grosse sich wiederum vier Wochen
in Preussen aufgehalten zu haben, ,0) und zum letzten male als Kron-
priuz begleitete er im Juli 1739 seinen Vater auf dessen „Musterreise
nach Littauen und Preussen". Bei dieser Gelegenheit schenkte ihm der
König am 19. Juli 1739 die „Stuterei* Trakehnen, ") die er dann
am 9. August 1739 sich übergeben Hess, mehrere Tage besichtigte und
der Aufsicht des durch seine Pferdezucht ihm bekannt gewordenen
Kriegs- und Domainen-liaths Domhardt anvertraute.11) Auf
dieser Reise schrieb Friedrich jenen berühmt gewordenen klassischen
Brief an Voltaire aus Insterburg vom 27. Juli 1739. '*) Derselbe
lautet wörtlich in der Uebersetzung aus dem Französischen:
7) Preuss a. a. 0. I, 119.
*) Carlyle, Geschichte Friedrich II. von Preussen. Deutsch von J. Neuberg.
1859. Bd. IL S. 557.
9) Neue Preussische Provinzial-Blätter Bd. I. 1846. S. 151.
10) Preuss I, 88. Lucanus, Uhralter und heutiger Zustand Preussens 1738.
Manuscript in der Kgl. Bibliothek zu Königsberg S. 658 f. unter „Insterburg".
") Uebergabe-Protokoll des Ober-Stallmeisters von Schwerin in Trakehnen vom
9. August 1739 in dem Archiv des Gestüts Trakehnen. (MitgetheUt durch die Güte
des Landstallmeisters von Dassel.)
1S) Domhardt's Leben von Jester in den „Beiträgen zur Kunde Preussens".
1818. Bd. I. S. 4.
") Hinterlassene Werke Friedrichs IL Bd. VIIL S. 240. Suppl.-Bd. II. S. 202.
N. Pr. Prov.-Bl. VI, 404.
13*
188 Der Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
„Mein theurer Freund! Da wären wir denn nach einer ßeise von
„drei Wochen endlich in einem Lande angekommen, das ich als das
„non plus ultra der civilisirten Welt ansehe. Diese Provinz ist in
„Europa wenig bekannt, sie verdiente es aber mehr zu sein, da sie
„sich als eine Schöpfung des Königs, meines Vaters, ansehen lässt.
„Preussisch Littauen ist ein Herzogthum, das dreissig deutsche
„Meilen lang und zwanzig breit ist, doch auf der Seite von Samogitien
„etwas schmäler zuläuft. Diese Provinz ward zu Anfange dieses
„Jahrhunderts von der Pest verwüstet, und es kamen mehr als
„300000 Einwohner vor Krankheit und Elend um. Der Hof wusste
„wenig von dem Unglück des Volkes, und leistete einer reichen,
„fruchtbaren Provinz, die sehr bevölkert und an allen Arten von Pro-
dukten ergiebig war, nicht die miudeste Hülfe. Die Einwohner wurden
„von Krankheiten weggerafft, die Felder blieben ungebauet und wurden
„zu Haiden. Auch die Thiere waren von dem allgemeinen Uebel
„nicht ausgenommen. Mit einem Wort: die blühendste von unseren
„Provinzen ward in die schrecklichste Einöde verwandelt.
„Während der Zeit starb Friedrich I. und ward mit seiner falschen
„Grösse begraben, die er nur in leeren Pomp und in den Prunk
„nichtiger Ccremonien setzte. Mein Vater, der ihm in der Regierung
„folgte, ward von dem allgemeinen Elende gerührt. Er ging selbst
„hierher, und sah mit eigenen Augen in diesem weiten verheerten
„Lande alle die schrecklichen Spuren, die eine ansteckende Seuche,
„Hungersnoth und der schmutzige Geiz der Minister hinter sich zu-
rückgelassen. Zwölf oder fünfzehn entvölkerte Städte, vier- oder
„fünfhundert unbewohnte und ungebauete Dörfer waren das traurige
„Schauspiel, das sich seinen Augen darbot. Anstatt sich von so
„niedrigen Gegenständen zurückschrecken zu lassen, fühlte er sich
„vielmehr von dem lebhaftesten Mitleiden durchdrungen und beschloss,
„dieser Gegend, die selbst die Gestalt eines bewohnten Landes ver-
loren hatte, Menschen, Ueberfluss und Handel wieder zu geben.
„Seit der Zeit hat der König keine Ausgabe gespart, um seine heil-
samen Absichten glücklich durchzusetzen. Zuerst gab er sehr weise
„Verordnungen, baute dann alles wieder auf, was durch die Pest ver-
TV
11'
Von Otto van Baren. J89
»fallen war, und liess aus allen Gegenden von Europa Tausende von
»Familien kommen. Die Aecker wurden urbar, das Land bevölkerte
„sich wieder, der Handel blühete von neuem; und gegenwärtig herrscht
„in dieser fruchtbaren Provinz mehr Ueberfluss, als jemals.
„Nun leben über eine halbe Million Einwohuer in Littauen; es hat
»mehr Städte und mehr Heerden, als ehemals, und ist reicher und
»fruchtbarer, als .irgend eine Gegend von Deutschland. Und alles was
„ich Ihnen gesagt habe, hat man nur dem Könige zu verdanken, der
»nicht blos anordnete, sondern auch selbst über die Vollziehung
»wachte; Plane entwarf und sie allein ausführte; keine Mühe, keine
»Beschwerden scheute, ungeheure Summen aufwandte, und es nie an
»Versprechen und Belohnungen fehlen liess, um das Glück und das
»Leben einer halben Million denkender Wesen zu sichern, die nun
»ihm allein ihren Wohlstand und ihre gute Lage verdanken.
„Ich hoffe, diese umständliche Beschreibung werde Ihnen nicht
„unangenehm sein. Ihre Menschenliebe muss sich über Ihre Littaui-
„schen Brüder erstrecken, so wie über Ihre Französischen, Englischen
„und Deutschen u. s. w. .und zwar um so mehr, da ich durch Dörfer
„gekommen bin, worin man, zu meinem grossen Erstaunen, nichts
„als Französisch sprechen hört.
„In dem grossraüthigen und arbeitsamen Betragen, das der König
„beobachtet hat, um diese Wü8te bewohnt, fruchtbar und glücklich
„zu machen, habe ich so etwas Heroisches gefunden, dass ich glaubte,
„Sie würden ebendas fühlen, wenn Sie die Umstände von dem Wieder-
aufbau dieser Provinz erführen" :c.
Professor Preuss, der Haupt-Geschichtsschreiber Friedrichs des
Grossen, hat nicht zuviel gesagt, wenn er meint, dass diese hohen staats-
inänuischen Gedanken das Herz erwärmen. Aber wunderbar sind die
Gegensätze in des philosophischen Fürsten Natur. Wenige Tage später,
am 8. August 1739, schreibt er an seinen Freund Jordan !4) die gehässig-
sten Worte und Urtheile über Ostpreussen, die er je ausgesprochen hat.
Man höre nur:
»*) Hinterlassene Werke VII, 194; vgl. VIII, 249.
290 ^er ^orn Friedrichs des Grossen über Ostpreuesen,
„Müssiggang und Laugeweile sind, wenn ich nicht irre, die Sohutz-
„götter von Königsberg; denn die Leute, die man hier sieht und die
„Luft, die man hier einathmet, scheinen einem nichts anders einzu-
„flössen ic. Und jetzt eile ich eben nach den Stutereien hin :c.
„Wären Sie hier, so liesse ich Ihnen die Wahl zwischen dem artig-
sten littauischen Mädchen und der schönsten Stute von meiner Zucht.
„Ihre Ehrbarkeit ärgere sich hieran nicht; denn hier zu Lande ist
„ein Mädchen nur dadurch von einer Stute unterschieden, dass es
„auf zwei und diese auf vier Füssen geht je".
Noch feindlicher schreibt er am 10. August 1739 „auf der Stuterei
in Preussen44 an denselben Freund:15)
„Dies Land, das so fruchtbar an Pferden, so gut angebaut und be-
völkert ist, bringt nicht ein einziges denkendes Wesen hervor. Ich
„versichere Sie, bliebe ich lange hier, so verlöre ich noch die wenige
„gesunde Vernunft, die ich etwa haben mag je. Ebenso gern wäre
„ich todt, als ich hier bliebe. Ein gewisses, ich weiss nicht was, hat
„meine Dichterader erstarrt. Ich kann nicht sagen, ob sich diess
„Land nicht mit dem Denken verträgt,, oder ob es der Gott der
„Dichtkunst nie mit einem günstigen Auge angesehen hat; aber dass
„hier die Materie stark über den Geist herrscht, dass fühle ich wohl".
Auch das Klima von Preussen behagte ihm nicht. Aus dem Lager
von Petersdorf bei Wehlau schrieb er an Jordan am 23. Juli 1739: l8)
„Wir reisen nun bald drei Wochen. Es ist so heiss, als wenn wir
„auf einem Sonnenstrahl sässen; und einen Staub giebt es, als machte
„uns eine Wolke jedem der vorüber geht, unsichtbar. Ueberdies
„reisen wir wie die Engel: ohne zu schlafen und beinahe auch ohne
„zu essen. Denken Sie also nur selbst, ob ich gegenwärtig nioht ein
„artiges Figürchen sein muss. Geht das so fort, so wird man noch
„ganz abgestumpft und hirnlos werden44.
Am 3. August 1739 schreibt er aus Königsberg an Jordan.: ")
„Da wäre ich denn in der Hauptstadt eines Landes, wo man im
„Sommer gebraten wird und wo im Winter die Welt vor Kälte springen
») Hinterlasse™ Werke VII, 196. ,6) Ebd. VII, 191. ,7) Ebd. VII, 192.
■
Von Otto van Baren. 191
„möchte. Es kann besser Bären aufziehen, als zu einem Schauplatz
„der Wissenschaft dienen" u. s. w.
Zur Erklärung dieses Gedankenganges und gewissermassen zur Ent-
schuldigung des Prinzen, muss man sich in seine damalige Lage hinein
denken. Er kam aus Kheinsberg. Verwöhnt durch seinen dortigen
Verkehr mit den geistreichsten Köpfen, Dichtern, Philosophen, Künstlern,
durch sie unausgesetzt zu eigener dichterischer Thätigkeit angeregt,
langweilte er sich auf dieser Reise; der tägliche Umgang mit seinem
trockenen, pedantischen Vater und dessen militairischer Begleitung ver-
darb seine Stimmung und seine Briefe sind der Ausdruck dieser seiner
üblen Laune. Und mit diesem Gemisch von hoher königlicher Einsicht
und philosophischer Geringschätzung erschien Friedrich ein Jahr später,
am 16. Juli 1740, wieder in Königsberg, um als König die Huldigung
der preussischen Stände persönlich in Empfang zu nehmen.18)
Wieder sind es dort die preussischen Stände, welche ihm die Stimmung
verderben, indem sie abweichend von denen der anderen Provinzen, eine
Erweiterung ihrer ständischen Rechte und eine Zusicherung (Assecuration)
des Königs darüber verlangten. Iö) Man kann sich denken, wie dies
Begehren der „Getreuen Stände" einen jungen König ärgern und er-
bittern musste, der von der ersten Stunde seines Regierungsantritts an
beschlossen hatte, den Staat ohne Stände, selbstständig und allein zu
regieren, der keinen Vertrauten hatte, sich von niemanden lenken liess,
nicht einmal den Ministern Einblicke in seine Pläne gewährte. 20)
Friedrich der Grosse hat seine Grundsätze über die Regierungs-
formen und die Pflichten eines Regenten in einer dem Minister
von Hertzberg 1781 zugesandten Abhandlung u. A. dahin dargelegt:2')
„Der Regent stellt den Staat vor je. Der Fürst ist für den Staat,
„den er beherrscht, was das Haupt für den Körper ist; er muss für
„das Ganze sehen, denken und handeln, um diesem alle Vortheile
l8) Carlyle a. a. 0. III, 45 ff. Preuss a. a. 0. I, 148 ff.
I0) Droysen, Friedrich der Grosse. Leipzig 1674. Bd. I. S. 48 ff.
20) Bericht des Dänischen Gesandten Prätorius nach Kopenhagen: Droysen 1,53.
Carlyle III, 54. Büsching, Charakter Friedrichs des Grossen S. 215. Halle 1788.
*») Hinteriassene Werke VI, 51. 53.
192 ^er ^orn Friedrichs des Grossen über Ostprenssen.
„zu verschaffen, deren es empfänglich ist :c. Wenn der Fürst aus
„Hang zum Nichtsthun die Regierung des Staats gedungenen Händen,
„ich will sagen, seinen Ministern überlässt, so zieht der Eine zur
„Rechten, der andre zur Linken, niemand arbeitet nach einem be-
stimmten Plan" u. s. w.
Als iu Königsberg der Sprecher der Stände, Landschaftsrath von
der Groben, in einer kühnen Huldigungsrede die Untersuchung der Be-
schwerden des Landes durch den Landtag forderte, ertheilte der König
amtlich zwar denselben Bescheid, wie 1714 sein Vater, „dass keinem
Rechte der Stände präjudiciret werden solle;" aus allem Pomp und
Glanz der Huldigung behielt er aber den inneren Stachel zurück, dass
die Preussischen Stände versucht hatten, in seine Königlichen Rechte
einzugreifen. Einen Landtag hat er nie wieder einberufen.
Mit diesem Stachel im Herzen, mit einer persönlichen Abneigung
gegen Land und Leute im Königreich Preussen ging Friedrich der Grosse
in den siebenjährigen Krieg und übertrug dem Feldmarschall
von Lehwald den Schutz des Königreichs gegen die Russen.
Die allgemeinen geschichtlichen Thatsachen müssen als bekannt
vorausgesetzt werden; zum leichteren Verständniss des Folgenden sei
jedoch kurz daran erinnert, dass im zweiten Jahre des siebenjährigen
Krieges (1757) ein russisches Heer unter dem Feldmarschall Graf
Apraxin in Ostpreussen eingefallen war und das schwache preussische
Heer unter dem Feldmarschall von Lehwald am 30. August 1757
bei Gross Jägersdorf, unweit Norkitten, geschlagen hatte; dass
dann aber die Russen auffallender Weise sich aus dem Königreich
Preussen zurückgezogen, als hätten sie die Schlacht verloren. ") Friedrich
der Grosse, von allen Seiten von Feinden bedroht, und ausser Stande
einem abermaligen Vorrücken der Russen mit Erfolg zu widerstehen,
beschloss damals Ostpreussen, als die entfernteste seiner Provinzen,
die von Pommern und der Mark durch das damals noch unter polnischer
Oberhoheit stehende Westpreussen getrennt war, aufzugeben;13) rief
die Armee Lehwald's zurück und schickte sie nach Pommern gegen die
") Hinterlassen Werke HI, 198. ") Ebd. S. IM. 196.
Von Otto van Baren. 193
Schweden. Gleich nach ihrem Abzüge ruckten die Küssen unter Feld-
luarschall von Fennor wieder vor, besetzten in wenig Tagen das
ganze damalige Königreich Preussen und durch das Patent vom
11. Januar 1758 ergriff die russische Kaiserin Elisabeth Besitz
von demselben. Alle Einwohner des Landes, alle Behörden und Beamten
mussten nun der Czarin den Huldigungseid leisten;24) die Prediger
mussten die Huldigung durch Gottesdienste feiern und die russische
Czarin in das Kirchengebet einschliessen ; 25) die Münzen wurden unter
russischem Stempel geprägt;26) selbst die preussischen Adler auf den
öffentlichen Gebäuden und den Thürmen mussten dem russischen Doppel-
adler Platz machen. 27) Die Landesbehörden wurden zwar beibehalten,
traten aber, nachdem dio preussischen Minister, angeblich auf Befehl
des Königs, Königsberg und das Königreich Preussen verlassen hatten, ")
unter den Befehl des russischen Gouverneurs, Feldmarschall v. Fermor. *•)
Den Kriegs- und Domainenkammern in Königsberg und Gumbinnen
wurden die russischen Generale v. Nummern und v. Hartrois vorgesetzt;
an die Spitze der Kegierung in Königsberg trat der Feldmarschall
von Fermor, dem später die Generale Nicolaus Freiherr von Korff und
von Suwarow folgten. — Diese ganze Wandlung ging friedlich vor
sich; nirgends fanden die Eussen Widerstand. Die Bevölkerung, ohne
Hülfe, sich selbst überlassen, ohne Hoffnung, fügte sich der Gewalt
und leistete den Huldigungseid an die russische Kaiserin Elisabeth und
nach deren Tode (1762) demnächst auch ihren Nachfolgern Peter III.
und Catharina IL In jedem Winter kehrte die russische Armee von
ihren Feldzügen gegen Friedrich den Grossen im Innern Deutschlands
zu den Winterquartieren nach Ostpreussen zurück. —
Als nach dem Hubertsburger Frieden am- 15. Februar 1763
die russische Herrschaft im Königreich Preussen ganz aufhörte, stellte
2t) Verzeich niss der Huldigungseide in: X. v. Hasenkamp, Ostpreussen unter
dem Doppelaar. N. Pr. Prov.-Bl. 3. Folge. Bd. XI. S. 321.
") v. Hasenkamp a. a. 0. IX, 376.
M) Preuss II, 417. N. Pr. Prov.-Bl. 3. Folge. II, 66.
17) N. Pr. Prov.-Bl. 3. Folge. I, 202. Beiträge zur Kunde Preussens I, 556.
J») v. Hasenkamp a. a. 0. VII, 47. 163. IX, 188.
*») N. Pr. Prov.-Bl. VII, 44.
294 ^er ^orn Friedrich» des Grossen über Ostpreusgen.
es sich heraus, dass dieselbe, abgesehen von den Verwüstungen des
Landes beim Ein- und Auszuge der Russen im Jahre 1757, im Ganzen
eine milde Herrschaft gewesen war. 30) Sowohl Fermor, wie dessen Nach-
folger, die Generale von Korff und von Suwarow waren dem Lande
freundlich gesinnt; sie stundeton und erliessen einen Theil der Kriegs-
contribution und verrechneten diese auf Einquartierung, Naturallieferungen
und Gestellung von Kriegsfuhren; sie erhoben einzelne Abgaben gar-
nicht, z. B. die Ritterpferdegelder, die Aceise, bezahlten ihre Bedurfnisse
baar und brachten Geld und Luxus ins Land, so dass die Gewerbe
und die Lairlwirthsehaft in Aufschwung kamen und sogar die von der
Rekruten- Aushebung verschonte Bevölkerung zunahm. 3!) —
So faud denn der König, als er 1763 sein Königreich Preussen
wieder übernahm, dasselbe in besserem Zustande wieder, als die treu
gebliebenen Provinzen Mark, Pommern und Schlesien. Die Schäden
der Verwüstung und Plünderung bei dem ersten Einmarsch der Bussen
waren längst überwunden, das Land war geschont und ausgeruht, die
Bewohner hatten nicht zu klagen. ") Während der russischen Herr-
schaft hatten einzelne treu gebliebene Beamte, vor Allen der Kammer-
Präsident Domhardt, in Gumbinnen, der Kriegsrath Bruno und
der Hofrath Nicolovius in Königsberg ihr Verbleiben in ihren Aemtern
benutzt, um die Interessen ihres Königs wahrzunehmen, ihm heimlich
Gelder zuzuführen, ja sogar Getreide durch Vermittelung des Handels-
hauses Roerdansz in Memel zur See nach Colberg zu schicken.33)
Nach dem Tode der Kaiserin Elisabeth begab sich Domhardt sogleich
zum Könige nach Schlesien und händigte ihm 300000 Ducaten aus,31)
die er aus der Verwaltung seines Distrikts heimlich erspart hatte.
In seiner grössten Bedrängnis? und Noth hatte der König aus
anderen Provinzen ganz erhebliche Unterstützungen zur Ergänzung seiner
*°) Tagebuch des Prof. Bock in den N. Pr. Prov.-Bl. 3. Folge. Bd. II. S. 60.
31 ) Gottschalck, Preussische Geschichte Bd. IL S. 179. 185. 18<5.
M) Preuss II, 155. Bock's Tagebach II, 60. Hagen, Preussens Schicksale wäh-
rend der drei Schlesischen Kriege in Bd. I. der Beitrage zur Kunde Preussen s.
1818. S. 553. 558.
") Preuss II, 172. 185.
»4) Ebd. IV, 479.
Von Otto van Baren. 195
decimirten Armee erhalten;35) aus dem Königreich Preussen blieben
die wohlthuenden Beweise von Treue und Anhänglichkeit nur vereinzelt.
Dagegen überstürzten ihn fort und fort Nachlichten von dem wunder-
baren, zweideutigen, oft geradezu abtrünnigen Benehmen der Bevölkerung
in Preussen und gerade vorzugsweise des gebildeteren Theiles derselben
und der höheren Stände. 30) Die Zeitungen, , Berichte der Behörden,
und als diese unmöglich wurden,37) die Briefe Dorahardt's, welche in
der Regel durch den treuen Postmeister Wagner in Pillau zur See
an den König befördert wurden, erhielten ihn in Kenntniss von den
Vorgängen in Preussen. So konnten denn dem Könige die vielfachen
Beispiele von eilfertigem Servilismus nicht entgehen, die damals die
Treue der Ostpreussen befleckten.
Noch ehe die russische Ordre (vom 30. Januar 1758) die Abnahme
der preussischen Adler nnd Wappen verfügte, erschien die Königs-
berger Zeitung, welche bis dahin den Titel „Königlich privilegirte
Preussische Staats-, Kriegs- und Friedenszeitungen" und den preussischen
Adler geführt hatte, als einfache „Königsberger Staats-, Kriegs- und
Friedeuszeitungen" mit einer Fama an Stelle des Adlers und schon am
6. Februar trug sie den russischen Doppeladler an der Spitze. 3i) Man
versetze sich nur in die Gefühle des Königs, als ihm mit den regel-
mässigen Zeitungsberichten 3Ö) der Anblick dieser russificirten Zeitung
nicht erspart werden konnte. Die russische Verwaltung des König-
reichs Preussen sorgte selbst dafür, dass die angeblichen Sympathieen
des Landes für die russische Herrschaft zur Kenntniss des Königs ge-
3*) Die meisten Provinzen stellten Rekruten und Landmilizen, die Stadt Kyritz
18 junge Leute in Montur und Bekleidung, die Herzogtümer Halberstadt und
Magdeburg 4000 Pferde. Prcuss, Vortrag in der militairischen Gesellschaft zu Berlin
am 24. Januar 1855 S. 12.
36) Bock's Tagebuch a. a. 0. S. 63.
37) v. Hasenkamp a. a. 0. X, 491. XI. 173. Das erste Mal übernahm (1758)
eiu verarmter früherer Schiirsrheder Stricker die gefährliche Briefsendung und brachte
sie glücklich in die Hände des Königs, auch einen Brief des Königs an D. zurück.
Jester, Leben Domhardt's S. 10 a. a. 0.
38) v. Hasenkamp a. a. 0. IX, 378. VI, 75.
") Preuss III, 574 No. (5.
196 ^er Zorn Friedrichs des Grossen aber Ostpreasaen.
langten; denn die Presse der Provinz, insbesondere die servile Königs-
berger Zeitung, wurde ganz systematisch von den Russen beeinflusst. 40)
Kein Fall der Verweigerung des Huldigungseides kam vor,
als derselbe in allen Städten und Aemtern der Provinz von den
Behörden, dem Landadel, den Stadtgemeinden, von jedem Beamten,
Geistlichen, Lehrer unter der schärfsten Coutrole erfordert wurde. Selbst
Domhardt leistete den Eid, aber als Gutsbesitzer von Worienen, Schön-
wiese und Wischwill und entging damit der Eidesleistung als Beamter. 41)
Nur zwei Beamte legten ihre Stellen nieder, um sich der Eidesleistung
zu entziehen: der 78jährige erblindete, ganz dienstunfähige Minister
von Lesgewang und der Präsident der Kriegs- und Domainenkammer
in Königsberg, von der Marwitz. Der Letztere war sehr kränklich
und gab dies auch als Grund der Amtsniederlegung an; dennoch rechnete
Friedrich der Grosse ihm später seinen Schritt zum Ruhm an und ver-
fugte nach dem Abzug der Busseu, am 26. August 1762 :,s)
„Inzwischen, soviel den Cammer-Präsidenten v. Marwitz angeht,
„so muss derselbe sein Gehalt nach als vor behalten, da Ich den-
selben um so mehr deshalb conserviret wissen will, als er gleich
„anfänglich als die Russen die dortige Provintz envahiret, wie eiu
„redlicher Mann gethan und in seinen Umständen lieber auf Alles
„resigniren, als sich einer frembden puissance mit Eydespflichten ver-
bindlich machen wollen".
Nur wenige Getreue hatten sich der Eidesleistung durch die Flucht
entzogen, um entweder auswärts ihren Aufenthalt zu nehmen, oJer in
die Armee ihres Königs einzutreten. Zu den letzteren sollen einige
zwanzig bis dreissig junge preussische Edelleute gehört haben, deren
Namen aber nicht erhalten sind; 4I) viel genannt sind aber von TEstocq,
Neumann, Scheffner, Wilde, welche unter Lebensgefahren die
russische Armee durchbrachen, um in der preussischen Armee einzu-
treten. Andere Beweise von Treue sind leider nicht bekannt geworden.
40) Bock's Tagebuch a. a. 0. I, 202. 213. 215. II, 60. v. Hasenkamp X, 492 f.
4 1) v. Hasenkamp XI, 342.
4J) Ebd. S. 301.
43) Prouss II, lf>3 f. IV, 479.
Von Otto vao Haren. J97
Wie die Huldigungseide, so wurde von den russischen Befehlshabern
auch die Feier der Geburtstage der russischen Kaiserin und der
Mitglieder der russischen Herrscherfamilie, sowie der russischen
Staatsfeste gefordert. Die Stadt Königsberg musste erleuchtet werden,
die Universität musste feierliche Akte, die Kirchen Festgottesdienste
abhalten, der Gouverneur und die russischen Generale gaben Bälle
und Festlichkeiten. Alles dies geschah auf Befehl. Allein in der
Ausführung der russischen Befehle zeigte sich vielfach ein serviles Zur-
schautragen von Loyalität gegen das russische Herrscherhaus, welches die
treu gebliebenen Preussenherzen, wieviel mehr das Herz des Königs, aufs
Tiefste verletzen musste. Die Illumination zeigte oft verschwenderische
Pracht; Transparente, Allegorieen und Inschriften priesen heuchlerisch
die un gekannten Prinzen und Prinzessinnen in Petersburg. Geistliche
ergingen sich in ihren Festpredigten in überschwänglichen Lobpreisungen
der russischen Kaiserin. Der Festredner der Universität, Professor der
Poesie J. G. Bock, der Verfasser des bekannten Tagebuchs aus der
Russenzeit, 44) begnügte sich nicht mit der öffentlichen Lobrede ; er ver-
fertigte noch besondere, von Schmeichelei und Kriecherei überfliessende
Lobgedichte, die er dem Gouverneur überreichte und gut bezahlt er-
hielt.45) Er entblödete sich nicht, in sein Tagebuch zu schreiben:
„Nachdem alle abgetreten waren, hatte ich das besondere Glück,
„in Ihro Exellenz Cabinet gelassen zu werden, da ich Ihnen meine
„Poesie auf die Grossfürstin vorlas, welche Ihro Excellenz gnädigst
„zu approbiren beliebten, auch mir die Erlaubniss ertheilten, Ihnen
„auf den Dienstag ein Exemplar an die Grossfürstin einzuhändigen,
„auch mich Dero Gnade zu versichern." 4Ö)
Andere Professoren der Universität 47) und Geistliche in der Provinz
folgten diesem Beispiele, nicht zu ihrem Schaden. Auch der Erzpriester
Hahn in Insterburg wird durch seine eigenen hinterlassenen Auf-
44) N. Pr. Prov.-Bl. 3. Folge Bd. I. S. 153 ff., 201 ff. H 59 ff., 140 ff.
46) Bock erhielt Immunität von der Kriegssteuer und 500 Babel baar. (Bock's
Tagebach a. a. 0. I, 205 and v. Hasenkamp XI, 337.)
48) Bock's Tagebach I, 205.
47) Professor Watson und Hahn. Ersterer wurde als Rector nach Mitau berufen,
Bock's Tagebach I, 206. H, 66, 63.
298 ^er ^orn Friedrich» des Grossen über Oatpreussen.
Zeichnungen48) mit dorn Vorwurf allzu grosser Dienstfertigkeit gegen
die Bussen belastet. Kaum näherte sich die russische Armee der Stadt
Insterburg, noch vor der Schlacht von Gr. Jägersdorf, als bereits der
Erzpriester mit seinem Ministerium und dem Magistrat dem russischen
Feldherrn feierlich vor die Stadt entgegenzog, ihn und die ganze Gene-
ralität zum Mittagsmahl in seine „Widdern* einlud und auf Befehl an
demselben Tage (11. August 1757) die Hiildignngspredigt, am Tage
darauf aber eine Dankpredigt wegen des m unschädlichen Uebergangs
der Stadt* hielt. Als dann die russische Armee nach ihrem Siege bei
Gross Jägersdorf wieder durch Insterburg „retournirte", hat der Erz-
priester, wie er sich selbst in der Chronik ausdrückt, am 15. September
den Herrn General-Feldmarschall bei Althoff wegen seiner retour compli-
mentirt und am 16. complimentirte er wiederum zum Namenstage der
Kaiserin, worauf ihm der Feldmarschall umgehend durch den General
von Weimarn 50 goldene Rubel schickte. Der Erzpriester verschweigt
aber in der Chronik, was er in seinem Notizkalender49) verzeichnete,
dass er im Hauptlager vor der ganzen Generalität eine Rede gehalten
hat, deren Inhalt zwar nicht erhalten ist, die aber doch wohl für die
Russen so schmeichelhaft gewesen sein muss, dass sie ihm den sofortigen
goldenen Dank einbrachte. — Den Geistlichen wurde überall aufgegeben,
„ihre Predigten so einzurichten, dass dadurch die Leute zur Huldigung
Ihrer Kaiserlichen Majestät, und zum Schwur, der ihnen demnächst
sollte abgenommen werden, vorbereitet würden." 50) Nicht überall wurde
diesem Verlangen so bereitwillig entsprochen, wie in Insterburg. Manche
Geistliche und Festredner zerbrachen sich den Kopf, was sie bei solchen
Gelegenheiten sagen sollten; aber es kam doch nur ein Aufsehen er-
regender Fall vor, dass ein Geistlicher, der auf Befehl nach dem Siege
der Russen über Friedrich den Grossen bei Kunersdorf, eine Sieges-
und Dankpredigt halten solle, in der Schlosskirche zu Königsberg, in
Gegenwart der russischen Generalität, eine Siegespredigt so eigener
4S) Aktenstück „Insterburger Kirchen-Nachrichten" No. 1. Fach XIII. lit. A. im
Archiv der lutherischen Kirche Bl. 20. 21.
") Altpr. Monatsschrift Bd. XX. S. 649.
B0) N. Pr. Prov.-BL 3. Folge. Bd. XI. S. 492.
Von Otto van Baren. 199
Art über die Pflichten der TJeberwinder und der Ueberwundenen hielt,
dass er dafür Arrest bekam.61) Dieser wackere Mann, der Oberhof-
prediger Dr. Arnoldt wurde nur durch das Wohlwollen des Generals
von Fermor vor dem Transport nach Sibirien errettet. 52) Der ihm auf-
erlegte Widerruf wurde durch den Buf „ Feuer8 unterbrochen, welcher
der „ Feier* ein Ende machte.
Die von dem russischen Gouverneur und den Generälen in Königs-
berg und in der Provinz veranstalteten Feste, Bälle und Maskenbälle
wurden von den höheren Ständen eifrig besucht; das schöne Geschlecht
insbesondere Hess sich die Huldigungen der russischen Offiziere gern
gefallen ") und die Zofen und Kuchenmädchen ahmten es mit Unter-
officieren und gemeinen Soldaten nach. Unter der während des sieben-
jährigen Krieges steigenden Anzahl der geschlossenen Ehen •*) befanden
sich zahlreiche Ehen preussischer Mädchen mit russischen Soldaten.
Auf den Festen, die auch vom preussischen Adel für die Russen er-
wiedert wurden, herrschte ein ausserordentlicher Luxus; russische Sitten
z. B. das russische Punschtrinken wurde nachgeahmt. Von einem Druck,
der auf der Gesellschaft lastete, war nicht viel zu bemerken.
Der Handelsstand wusste aus der russischen Occupation seinen
Vortheil wahrzunehmen, selbst zum Nachtheil des Königs. Thatsächlich
haben preussische Kaufleute Lieferungen für die russische Armee über-
nommen, die gegen ihren König im Felde stand, und ihn durch die
Schlacht von Kunersdorf bis an den Rand der Verzweiflung gebracht
hatte. Das Handelshaus des Oommerzienraths Saturgus in Königsberg
ist vor allen unter denen zu nennen, die durch diese Lieferungen reich
wurden. M) Auch in Insterburg haben mehrere Kaufleute 8e) (1761) Hafer-
lieferungen übernommen und dafür den in Königsberg befindlichen
rassischen Hafer angenommen, den sie verkauften. Dass auch die kleineren
61) N. Pr. Prov. Bl. 3. Folg« Bd. VI. S. 294. Bock a. a. 0. II, 73.
B2) v. Hasenkamp XI, 345.
") J. G. Scheffher's Leben. Kgsbg. 1821. S. 67. Preass II, 158. v. Hasenkamp
XI, 161—163.
'*) Hagen in den Beiträgen zur Kunde Preussens Bd. I* S. 559 ff.
") v. Hasenkamp X, 508 Anm. XI, 38 f. Bock's Tagebuch H, 67.
*•) Blanck, Thierbach und Urbani. Hahn's Insterb. Kirchennachrichten S, 25«
200 ^er Z°rD Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
■
Kaufleute, Krämer, Händler und Handwerker erhebliche Vortheile aus
dem Handverkauf an die russischen Soldaten zogen, indem sie sich deren
Unkenntniss der Sprache, der Münzen, der Preise und des Werths der
Sachen und ihre Liebhaberei für Branntwein, Sauerkraut und Heringe
zu Nutzen machten,57) wird man freilich nicht als einen Mangel an
patriotischer Gesinnung auslegen können.
Alles vorgetragene ist thatsächlich erwiesen; von Allem erhielt der
König glaubhafte Nachrichten. Wohl mag die grosse Masse der Be-
völkerung und der Beamten im Herzen ihrem Königshause die Liebe
und Anhänglichkeit bewahrt haben; thatsächlich aber hatten sie hinter
einander drei russischen Regenten den Huldigungseid geleistet, ohne
von dem dem Könige von Preussen geleisteten entbunden zu sein;
thatsächlich hatten sie den Bussen ein Entgegenkommen erwiesen, das
mit der Treue schwer vereinbar war. Schlimme Eindrücke haften tiefer,
namentlich in einem verbitterten Gemüth, als gute Nachrichten. Wer
kann es dem vom Unglück verfolgten Könige zum Vorwurf machen,
wenn er an die, in den Herzen der Ostpreussen heimlich zurückgebliebene
Liebe und Treue für ihn und sein Haus nicht glauben wollte, wenn die
in der Zeit der Russenherrschaft von Ostpreussen erhaltenen Eindrücke
in ihm haften blieben für das ganze Leben.
Auch der zweite Vorwurf Friedrichs des Grossen gegen Ost-
preussen: dass die Preussischen Regimenter sich schlecht ge-
schlagen hätten, ist thatsächlich begründet. Derselbe hängt nicht
zusammen mit der Schlacht von Gr. Jägersdorf, denn wegen dieser
Schlacht hat ihn der König nie erhoben. Wohl aber ging damals in
Königsberg und in der Provinz das Gerücht,51) dass die Schlacht bei
Gr. Jägersdorf verloren gegangen sei, „weil einige Regimenter nicht
ihr devoir gethan, sondern die Flucht genommen, darunter Schorlemmer,
Plettenberg, Platen und das Sudauische ••) die vornehmsten sind". Der
Erzpriester Hahn in Insterburg verzeichnete in sein Tagebuch:
") v. Hasenkamp XI, 38 f.
*•) Bock's Tagebuch I, 167. Hahn's Kirchennachrichten a. a. 0. Bl. 20 v.
69) soll wohl heissen: „v. Sydow'sche Garnison-Regiment". Die drei anderen
Regimenter waren Cavallerie-Regimenter.
Von Otto van Baren. 201
„Den 30ten lieferten die Preussen den B. früh eine Schlacht, die
„Preussen mussten sich zuletzt aus schuld einiger Offiziere reteriren
„und ihre canonen im stiche lassen".
Friedrich der Grosse dagegen schreibt in seiner Geschichte des
siebenjährigen Krieges:60)
„Hätte Feldmarschall Lehwald auch alle Fähigkeiten des Prinzen
„Eugen besessen; wie konnte er in der Folge des Krieges mit
„24000 Preussen 100000 Bussen widerstehen? Der König hatte gegen
„so viele Feinde zu kämpfen und seine Truppen waren so ausser-
ordentlich geschmolzen, dass es ihm unmöglich war, seiner Armee
„in Preussen Hülfe zuzusenden".
Hier klingt eher eine Entschuldigung des Königs durch, dass er
die schwache Lehwald'sche Armee einer so grossen Uebermacht aus-
gesetzt habe. Heutzutage ist es erwiesen/1) dass die Schlacht in Folge
eines verhängnissvollen Irrthums bei der vorhergegangenen Becognosci-
rung, in Folge von Fehlern und Unschlüssigkeit in der Heeresführung
und des schlechten Benehmens der Garnison-Begimenter verloren ge-
gangen ist, und trotz der grossen Ueberlegenheit der Bussen hätte ge-
wonnen werden können, wenn rechtzeitig und mit grösserem Nachdruck
angegriffen worden wäre. Allein Friedrich der Grosse scheint dies
nicht erfahren zu haben. Er sagt, „es sei unmöglich, die Gründe an-
zugeben, welche den Feldmarschall v. Lehwald bewogen hätten, auf
morgen zu verschieben, was auf den Fleck sich ausführen Hess*. Der
König hat den greisen Feldmarschall bis zu dessen Tod (1768) in hohen
Ehren gehalten, und nach dem Abzug der Bussen wieder zum comman-
direnden General in Königsberg ernannt.
Der Vorwurf Friedrichs des Grossen gegen die preussischen Be-
gimenter bezog sich auf die Schlacht bei Zorndorf (am 25. Aug. 1758),
in welcher die Preussischen National-Begimenter v. Tettenborn, v. Stein-
metz und Graf Dohna in der That zweimal Kehrt machten und weder
durch Vorstellungen, noch durch Strafen zu bewegen waren, vorzugchen.
60) Hinterlassene Werke III. 194.
6») v. d. Oelsnitz a. a. 0. S. 439. v. Hasenkamp VII, 171. 177 ff. 278 f.
AJtpr. Ifonatstthrlft Bd. XXII. Hil. 3 n. 4» 14
202 ^er ^orn Pri*dricha des Grossen über Ostpreusseo.
Selbst ein neuerer militairischer Schrift^eller ") muss bekennen, dass
diese Regimenter , in einer bis dahin in 1er Armee unerhörten Weise
nach Wilkersdorf geflohen u seien. Der Kmig hat am Tage nach der
Schlacht von Zorndorf den die Preussischi 3 National-Regimenter be-
fehligenden Generalmajor") „von der Arme^ weggejagt" und den Re-
gimentern die Civil Versorgung der Invaliden entzogen. Auch hat er
diesen Regimentern, obgleich sie sich später wieder gut geschlagen und
die Schande ausgewetzt haben, nicht mehr getraut und sie nie wieder
ins erste Treffen gestellt.04) Den Offizieren dieser Regimenter hat der
König allerdings bis an sein Lebensende nicht verziehen und ihnen jede
Gnadenbezeigung abgeschlagen. Es sind hierüber folgende Bescheide
des Königs bekannt:65)
Als der Generalmajor v. Syburg, Chef des Ostpreussischen Infanterie-
Regiments Graf Dohna No. 16 im Jahre 1768 den König bat, „den
invaliden Offiziers und Gemeinen wieder Versorgungen zuzugestehen/
verfügte der König eigenhändig:
„Das ist Nichts, bei Zorndorf hat das Regiment gelaufen, das ich
„Sie erst den andern Tag zurück gekriegt habe und bei Kunersdorf
„seindt Sie nicht 8 Minuten ins Feuer geblieben".
Der Major v. Wobersnow von dem in Königsberg in Garnison ste-
henden Tettenborn'schen Infanterie-Regiment No. 10 bat 1770 den König
um eine Retablissements- Unterstützung. Darauf verfügte der König
eigenhändig :
„er hat die Stat — denburg verbrennen lasfen und das Regiment
„hat den gantzen Krig geberenheitert. Solche Leute Krigen nichts."
Der Gapitain v. Brincken des Steinwehr'schen Ostpreuss. Infanterie-
Regiments No. 14 bat 1772 den König in Ansehung seiner langjährigen
irreprochablen Dienste, ihn zum übercompletten Major zu avanciren.
Der König antwortete:")
") v. d. Oelsnite S. 454. 447. Gotfcschalck in Pr. Ptot.-BL Bd. XXIII. S. 529.
") von Rantter.
") Cabinets-Ordre v. 28. Mai 1759 an den General v. Manteuffel in: v. d. Oelsnitz
a. a. 0. S. 454.
") Preuss II, 161. v. Hasenkamp VI, 218. XI, 304. Pr. Prov.-Bl. XXIII, 539.
") Prous», Urkundenbach II, 231.
Von Otto van Baren, 203
„Das Regiment ist beständig vohr den Feindt gelaufen, nnd mus
„er nothwendig allerwegens mitgelaufen Seindt, ich avansire die
„Officiers die den Feindt geschlagen haben, aber nicht diejenigen, die
„nirgends sich gehalten haben. u
Friedrich der Grosse kannte seine Armee so genau, wie jetzt höchstens
noch ein Hauptmann seine Compagnie kennt; jeden Offizier kannte er
persönlich. Ueber die Tapferkeit der Regimenter und der Einzelnen
ist er der allein competente Richter;67) sein Urtheil ist entscheidend.
Freilich verlangte er von seinen Offiziere» und Soldaten sehr viel und
konnte nicht leicht zufrieden gestellt werden; auch war er äusserst
sparsam im Lobe. Wenn aber seine Unzufriedenheit mit einer einzelnen
Truppe oder mit einem einzelnen Offizier, noch im Frieden Jahre lang in
seinem Gedächtniss haften blieb, so muss sein bestimmt ausgesprochener
Tadel unbedingt die Wahrheit treffen.
Den Vorwurf: dass die Ostpreussische Jugend sich dem
Kriegsdienst entzogen habe, hat Friedrich der Grosse hauptsächlich
dem Adel gemacht; am unumwundensten findet er sich ausgesprochen
in der kurzlich veröffentlichten ••) Correspondenz mit den Ostpreussischen
Ständen wegen Errichtung eines landschaftl. Kreditsystems.
Es ist bekannt, dass Friedrich der Grosse den Adel in hohem
Grade begünstigte,09) Offizierstellen in der Regel nur an Adelige ver-
lieh und Rittergüter nicht leicht in bürgerliche Hände übergehen liess.
Zur Erhaltung der Rittergüter in altem adeligen Besitz verwendete er
grosse Summen und zur dauernden Unterstützung und Wiederherstellung
des Grundbesitzes in Schlesien, Pommern und der Eurmark gründete er
auf Antrag der Stände dieser Provinzen landschaftliche Kreditsysteme.
Auch die Ostpreussische Ritterschaft erstrebte im Jahre 1780 die Er-
richtung einer Landschaft. Rundweg aber schlug der König dies Ge-
such ab. Anfangs erklärte er, dass dazu keine Fonds vorhanden seien;
als aber die Stände dringender wurden, gab er ihnen in einem Cabinets-
Bescheide vom 6. Juli 1781 zu erkennen:
") Büsching, Charakter Friedrichs des Grossen. Halle 1788. S. 190 (identisch
mit Theil V. der Beiträge zu der LebenBgeschichte denkwürdiger Personen).
' ") Altpr. Monatsschrift Bd. XIII. S. 643 ff. ") Büaching a. a. 0. S. 197 ff.
U*
204 Der ^orn Friedrichfl deß Grossen über Ostprenssen.
„dass die Ostpreussische Adeliche Stände sich nur hübsch zurück-
erinnern möchten, wie sie sich im Kriege von 1756 betragen haben
„und ihre Söhne dienen auch nicht, sie haben keine Vaterlandsliebe,
„mithin können sie nicht verlangen, dass Sr. Königl. Majestät welche
„vor sie haben sollen: die Pommern und auch die andern dagegen
„haben in allem mit ausgehalten und ihre Liebe für das Vaterland
„bewiesen: Weshalben denn auch Höchstdieselben für deren Erhal-
tung und Wohlstand am Ersten wieder gesorget haben."
Die Ostpreussischen Stände verwahrten sich nun gegen diesen herben
Königlichen Vorwurf, »den Grössten, der treuen Ständen gemacht werden
kann," reichten Vasallen-Tabellen ein und bezogen sich auf die Listen
der Regimenter. Der König beharrte aber auf seiner Meinung und als
die Stände 1783 eine Deputation an den König in das Lager von Graudenz
schickten, liess er die Deputirten gar nicht vor und ertheilte ihnen auf
die schriftliche Bittschrift einen ablehnenden Cabinets-Bescheid vom
7. Juni 1783, unter welchen er eigenhändig folgende Worte schrieb:
„Die Herren haben sich in Sibenjährigen Krig nicht So aufgeführt,
„das man an Sie dencken Sol, Sie Seint auf dem Landt Schlechte
„Wirte und Wintbeutels und durch der arm^e fallen Sie durch wie
„durch ein Sip."
Gegen diese harten Worte vertheidigte sich nun der Preussische
Adel mit grosser Empfindlichkeit, verwahrte sich gegen den Vorwurf
der Untreue, der schlechten Aufführung im Kriege, der schlechten Wirt-
schaft, und erklärte, dass die unverschuldete Ungnade auf ein Land,
von welchem der König seine Königliche Würde führe, sie bis in das
Innerste schmerze. Der Adel bat nochmals um Gewährung der erbetenen
Credit-Einrichtung. In dem hierauf ertheilten Cabinets-Bescheide aus
Potsdam vom 17. Juli 1783 milderte der König zwar seine Beschuldi-
gungen, versagte aber nach wie vor die Bitte der Bitterschaft und hat
sie auch bis zu seinem Tode nicht gewährt. Der erwähnte Bescheid
lautet wörtlich: 70)
w) a. a. 0. 8. 660.
Von Otto van Baren. 205
„Hochwohlgeborene und Veste, besonders liebe
und liebe getreue!
„Ich kenne unter meinem Preuss. Adel viele, welche Verdienste
„haben und Ich sehr wohl zu schätzen weiss. Aber im siebenjährigen
„Krieg sind Mir auch einige bekandt worden, welche nicht gut ge-
„than und die Bravour nicht bewiesen haben, welche Ihr in Eurer
„Vorstellung vom 13. Junii, so Mir jedoch nur erst heute zugekommen,
„dem gantzen Corps beyleget. Wo ist auch eine Gesellschaft? welche
„von allen ausartenden Gliedern gantz frey sein solte. Dencken lasset
„sich dergleichen wohl; aber wo findet Sie sich. Meine Vorwürfe
„treffen dahero keinesweges die gantze Pr. Kitterschafft; sondern
„eintzig und allein diejenigen unter solcher, deren eigenes Bewusstsein
„solche rechtfertiget. Die guten hingegen, haben und behalten auf
„Meine Landes väterliche Huld und Gnade, eben die Ansprüche, welche
„der Adel aus Meinen anderen Provintzien Sich zu erfreuen hat; ob
„ich gleich sonst ihnen zu dem erbethenen Credit System nicht be-
„hülflich seyn kan. Hierbey wird Sich Mein Preuss. Adel gantz be-
ruhigt finden; und Ich werde das Verdienst desselben, wo Ich es
„finde, nicht verkennen, als Euer gnädiger König
Frie(drich).
An den Adel im Königreich Preussen.u
Welche einzelne Fälle der Feigheit im Kriege und der Entziehung
vom Kriegsdienst der König im Sinn gehabt hat, ist nicht bekannt
geworden; sie müssen aber sehr auffallend gewesen sein, wenn sie ihm
23 Jahre lang nicht aus dem Gedächtniss schwanden und dauernd die
Lust verleideten, die Provinz wiederzusehen.
Es giebt nun einige, sonst verdienstvolle ostpreussische Geschichts-
forscher,7I) welche die geschilderten Schroffheiten und Härten des
grossen Königs als eine grundsätzliche Ungerechtigkeit desselben gegen
ihr Heimathsland darstellen und so dem Charakter Friedrichs des Grossen
einen Makel anhängen. Dieselben folgen hierin meistens blindlings und
7l) Gottschalck, Geschichte Preussens S. 186 Anm. v. Hasenkamp, Ostpreussen
unter dem Doppelaar a. a. 0. VI, 49 f. XI, 299 f.
206 Der Zorn Friedrich* des Grossen über Ostpreussen,
fast wörtlich dem Vorgänge des auffallend russenfreundlichen Regierungs-
Raths Hagen, welcher im Jahre 1818 im I. Bande der „Beiträge zur
Kunde Preussens* einen Aufsatz über „Preussens Schicksale während
der drey Schlesischen Kriege" veröffentlichte72) und in demselben u. A.
sagte (S. 565): v. . . . Von den meisten Preussen glaubte er aber,
dass es ihren Wünschen weit entsprechender gewesen wäre, russische
Unterthanen zu bleiben 2C Daher erhielt auch keiner jener Patrioten,
die Gut und Leben für König und Vaterland aufs Spiel gesetzt hatten,
eine den Verdiensten angemessene Belohnung, sondern viele derselben
mussten noch Verluste erleiden. Der Kriegsrath Bruno hatte durch
zu angestrengte Arbeit zwar das Wohl des Landes befördert, aber seine
Gesundheit untergraben und starb in Armuth; alles was seine Wittwe
bekam, waren 300 Thaler in schlechtem Gelde, die bey der Vertheilung
der russischen Kriegsvergütungen übrig blieben. Der Kaufmann Roer-
dansz in Memel, der alle Geld- und Getreidesendungen besorgt hatte,
erhielt nicht seine Vorschüsse vollständig erstattet. Dem Hofrath
Nicolovius, dem Preussen unstreitig am meisten zu verdanken hat,
wurde ungeachtet der Präsident Domhardt bei dem Könige unmittelbar
für ihn den Geheimratbstitel nachsuchte, . . . dennoch dieser nicht ge-
geben und die ganze Anerkennung seiner unendlichen Verdienste bestand
in der ärmlichen Gehaltszulage von 200 Reichsthaler. Selbst Domhardt,
dieser Wohlthäter des Landes, . . . musste die grössten Kränkungen
ertragen und starb zuletzt aus Gram.11
Andere Schriftsteller73) halten Friedrichs des Grossen Abneigung
gegen Ostpreussen für etwas ganz Unerklärliches, weil doch „viele ge-
borene Preussen dem grossen Kriegesfürsten als Generale gedient, andere
in Civildiensten treffliche Dienste geleistet, preussische Regimenter in
anderen Schlachten grossen Kriegsruhm geerndtet, und wie ihre Führer
vom König hochgeehrt worden seien.44 Ein besonders boshafter Angriff
gegen den grossen König erschien in dem Königsberger Wochenblatt
vom 15. December 1830 ") und warf ihm vor, dass er aus Hass gegen
71) a. a. 0. S: 525 ff.
*3) v. Mülverstedt in den N. Pr. Prov.-Bl. Bd. XI. S. 376 £
T4) aus Dr. Justi „Die Vorzeit" Jahrg. 1825.
Von Otto ran Baren. 207
Preussen die Königsberger Bibliothek geplündert, den preussischen Handel
zum Vortheile Berlins beeinträchtigt, Ostpreussen wie eine eroberte
Kolonie behandelt und gegen andere Provinzen zurückgesetzt habe.
Die letztgedachte Schmähschrift hat bereits von dem Geheimen
Arcbivrath Paber ihre sachkundige Widerlegung gefunden, 75) auf welche
hier nicht zurückgegangen werden soll. Die Schriftsteller, welche sich
den Groll Friedrichs des Grossen nicht erklären können, sind einfach
auf gründlichere Forschungen zu verweisen. Dass aber ein so sorg-
faltiger und gründlicher Forscher, wie X. v. Hasenkamp in seinem Werke
.Ostpreussen unter dem Doppelaar • zu keinem anderen Resultat ge-
kommen ist, als der Regierungsrath Hagen, und ebenfalls die Unge-
rechtigkeit und Undankbarkeit Friedrichs des Grossen brandmarkt, ist
befremdend. Es ist gegen diese Anschauungen noch Folgendes geltend
zu machen.
In Friedrich dem Grossen ist der Begent und der Mensch zu
unterscheiden. Als Mensch war Friedrich menschlichen Schwächen,
Leidenschaften, Stimmungen und Fehlern unterworfen und es würde
thöricht sein, dieselben abzuleugnen. Es ist wahr, dass in seiner
Natur Herz und Gemüth nie sehr zur Geltung kamen und dass nach
seiner grausamen Jugend und seinem liebeleeren, arbeitsvollen, schwer-
geprüften und aufreibenden Mannesleben sein Herz im Alter fast ver-
steinert, sein Glauben an die Menschen erschüttert, seine Stimmung
verbittert und sein Willen verhärtet worden war. Aber unabhängig
von dieser Menschennatur steht Friedrich in der Geschichte in seiner
unerreichten Grösse als Regent. Als König konnte er wohl strafen —
denn auch die strafende Gerechtigkeit gehört zum königlichen Amt —
und als Strafe ist die Behandlung der preussischen Regimenter und des
preussischen Adels anzusehen; aber Hass und Rache, Zorn und Ab-
neigung kannte er nicht als König, nicht einmal Liebe und Vertrauen.
Das Wohl des Landes, der Nutzen und Vortheil seines Volkes war die
einzige Richtschnur seiner Regentenlaufbahn und es kann ihm nicht
nachgewiesen werden, dass er von dem Ideal eines Regenten, welches er
n) Prov.-Bl. Bd. VI, S. 299.
208 ^er Z°rn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
in seinen Denkwürdigkeiten und Abhandlungen so klar und schön dar-
gestellt hat, wissentlich je abgewichen ist. So hat der König denn auch
in den Denkwürdigkeiten nach dem Hubertsburger Frieden erklärt:")
„er habe nicht gewollt, dass die Provinz Preussen den üb-
rigen nachstehen solle*4. Dass er diesem Grundsatz gemäss ge-
handelt, und trotz seines Zornes gegen Ostpreussen, die Provinz gerecht
und königlich behandelt hat, soll zum Schluss noch gezeigt werden.
Als der Hubertsburger Frieden den siebenjährigen Krieg und im
Wesentlichen auch die kriegerische Laufbahn Friedrichs des Grossen
abschloss, ging Preussen ohne Schulden,77) mit einem Länderzuwachs
von 1380 Quadratmeilen, mit einem Gewinn von 3'A Million Seelen ~%)
aus dem Kriege gegen ganz Europa siegreich hervor. In den Kassen
des Königreichs lagen 25 Millionen Thaler für den Feldzug des nächsten
Jahres bereit, die nun für den König verfügbar wurden und die er be-
nutzte, um die Kriegsschäden des Landes zu heilen. Es ist unwahr, 7i)
wenn die erwähnte Schmähschrift behauptet, dass Friedrich Ostpreussen
hierbei gegen die anderen Provinzen zurückgesetzt habe. Eine Ver-
gleichung der für die einzelnen Provinzen aufgewendeten Summen kaun
keinen richtigen Massstab liefern, weil die Kriegsschäden verschieden
waren. Ostpreussen hatte einen geringeren Schaden gehabt, als die
anderen Provinzen, welche alljährlich der Schauplatz von Heereszügen,
feindlichen Einfällen und Schlachten gewesen waren. Den Schaden,
welchen Ostpreussen nachweislich gehabt, ersetzte der König gleich nach
dem Kriege, indem er der Provinz schon im Mai 1763 das Darlebn
erstattete, welches er von ihr vor Beginn der russischen Occupation im
Jahre 1757 in Höhe von 577942 Thalern aufgenommen hatte.80)
Zur Feststellung und Tilgung der übrigen Kriegsschäden durch
Lieferungen, Fuhrengestellungen, Brand u. s. w. wurde eine besondere
Commission ernannt, welche nach mühevoller Ermittelung der Schäden
'•) Hinterlassen« Werke V, 105. VI, 65.
") Ebd. V, 99.
") Weber, Allgem. Weltgeschichte Bd. XIII. S. 483.
'•) Faber in den Pr. Prov.-Bl. Bd. VI. S. 304.
•°) Hagen a. a. 0. S. 5G3.
Von Otto van Baren. 209
und der Beschädigten den Grundsatz aufstellte/1) »dass alle von den
Küssen unvergütet gebliebenen Kriegslasten als Unglücksfälle von den
Getroffenen getragen und nur von denjenigen, welche — an rückstän-
digen Steuern und Kriegscontribution — mehr zu zahlen, als zu fordern
hatten, der Mehrkostenbetrag der Zahlungen erhoben und mit den
Kassenbeständen zur Unterstützung der hülfsbedürftigen Grundbesitzer
vorwendet werden sollte." Nach diesem Princip der Compensation von
Schäden mit rückständigen Gefällen wurde verfahren; aus der Anwen-
dung dieses Grundsatzes erklärt es sich, wenn auch das um den König
so hochverdiente Handelshaus Boerdansz in Memel nicht alle seine
Forderungen erstattet erhielt, da mit ihm keine Ausnahme gemacht
werden konnte.
Aehnlich verhält es sich mit dem gehässigen Vorwurfe der Gegner
Friedrichs des Grossen, dass die von ihm gewährten Belohnungen und
Entschädigungen „in schlechtem Gelde' ausgezahlt worden seien. Das
schlechte Geld war das im Kriege und in der grössten Noth von
den Münzpächtern, insbesondere von dem Schutzjuden und Hof-Juwelier
Veitel Ephraim miuderwerthig geprägte Kriegsgeld, auf welches der
Berliner Volks witz den Vers gemacht hatte:
„Von Aussen schön, von Innen schlimm,
Von Aussen Friedrich, von Innen Ephraim."
Der Werth dieses schlechten Geldes blieb nicht immer gleich; er
wurde immer geringer, je länger die Noth anhielt; in gleichem Maße
stieg der Werth des guten Geldes, so dass z. B. der Dukaten mit
9 Thalern bezahlt wurde. 92) Hätte der König nach dem Frieden plötzlich
dies schlechte Geld auf seinen wirklichen Werth reducirt, so hätte er
dem Lande unübersehbare Verluste zugefügt; in genialer Weise um-
schiffte er diese Klippe, indem er83) den bis 1759 ausgeübten Krieges-
fuss zum Landesmünzfuss und zum Massstabe aller Preise und Zahlungen
") Hagen a. a. 0. S. 562.
M) Preuss II, 388 ff. Zimmermann, Geschichte des Brandenburgisch-preussischen
Staats. Berlin 1842. S. 551.
83) durch die Edicte vom 21. April n. 18. Mai 1763. Novum Corpus Constita-
tlonam Marchicarum Bd. III. S. 207—212 u. 224-232.
210 Der Zorn Friedrich« des Grossen über Ostpreussen.
erhob, so den Uebergang erleichterte und ganz allmählich zu den alten
Münzverhältnissen zurückkehrte. ")
Erwägt man parteilos, dass nur durch die eigenen Geldprägungen
während des Krieges es Friedrich dem Grossen möglich geworden war,
alle seine Kriege ohne Landesschulden zu führen und zu beendigen, was
keinem andern Staate in Europa gelungen war, so müssen die geringen
Coursverluste, welche die Einzelnen durch das schlechte Geld erlitten, ")
gegen das allgemeine Staatswohl zurücktreten, und die landesväterlichc
Weisheit und Gerechtigkeit des grossen Königs Bewunderung erregen.
Auch durch andere Massregeln förderte Friedrich nach allen Rich-
tungen den Wohlstand der Provinz Preussen, und bewies, dass er
den Groll gegen die Bewohner das Land nicht entgelten liess. So lies3
er sofort nach dem Kriege (1764) den grossen Johannisburger Kanal
und (1778) den Gilge-Kanal anlegen, um die Holzflösserei aus den
Masurischen Wäldern zu befördern; er liess (1767) den grossen Lattana-
Bruch bei Willenberg entwässern, urbar machen und mit Colonisten
besetzen. ") Er beförderte die Gewinnung des Bernsteins durch Erlass ")
der sogenannten Bernstein-Instruktion vom 24. Mai 1764; er veranlasste
die Anlegung von Oelmühlen, »damit die Schlag-Saat (der Rübsen) nicht,
wie bis dato unverarbeitet aus dem Lande gehen darf, und das Arbeits-
lohn für das Oel-Schlagen nicht ferner in die benachbarte pohlnische
Mühlen getragen wird."") Ebenso begünstigte der König die Anlegung
von Papier- und Walckmühlen, ■•) das Bewalden schlechter Ländereien
„mit allerlei Holtzsaamen." yo) Im Jahre 1764 gab der König nach
") Edict ▼. 29. März 1764. Novum Corp. Const March. III, 381.
**) bei der schlechtesten Scheidemünze waren es 22%. Preoss II, 393.
*') Halle in den Beitragen zur Kunde Preossens Bd. I. S. 97 ff.
i7) Preus8 III, 55. Die revidirte Strandordnung, welche Preuss erwähnt und
die Bernstein-Instruc'ion vom 24. Mai 1764 sind weder in dem Novum Corp. Const
noch sonst abgedruckt (Rabe, Samml. Preuss. Gesetze n. Verordnungen Bd. I. S.33).
") Acta Generalis 6. von 1763 (in d. Archiv der Kgl. Regierung zu Gumbinnen)
wegen des Boumannschen Projekts zur Erbauung einer Oelmühle. Acta Generalis 7.
betr. Anlegung von Oelmühlen, Gen. 8. 9. 18.
••) Acta Gen. der Regierung zu Gumbinnen 11. 15. 17.
°°) Rescript vom 26. Januar 1772 in den Akten der Regierung zu Gumbinnen
wegen der zu bebauenden wüsten Hüben. 1731—1809.
Von Otto van Baren. 211
dem grossen Brande von Königsberg zur Unterstützung der Abgebrannten
und Förderung des Wiederaufbaues 355212 Thaler baar her. Im Ganzen
hat Friedrich der Grosse zur Wiederaufnahme der Provinz Preussen
von 1763 bis 1786 die für die damalige Zeiten ungeheure Summe von
2,813,800 Thalern aufgewendet. 91) Das Colonisationswerk seines Vaters
in Ostprenssen und Littauen hat er mit gleichem Eifer und Interesse fort-
gesetzt und dass diese landesväterliche Fürsorge nie aufgehört hat, beweist
folgende, 14 Tage vor seinem Tode, am 1. August 1786 an den Kammer-
Präsidenten Baron Goltz in Königsberg erlassene Cabioets- Ordre:*5)
„Vester, besonders lieber Getreuer! Ich bringe in Erfahrung, dass
„auf der Seite von Tilsit annoch ein grosser Morast zu defrechiren
„sey, das Terrain soll zu meinen Aemtern gehören. Die Bauern,
„welche da angesetzt werden, müssen ihre Güter alle eigentümlich
„haben, weil sie keine Sklaven sein sollen. Es ist ferner die Frage,
„ob nicht alle Bauern in meinen Aemtern aus der Leibeigenschaft
„gesetzet und als Eigentümer auf ihren Gütern angesetzt werden
„können? Ich erwarte darüber Eure Anzeige, was das für Difficul-
„täten haben könne und bin Euer gnädiger König
Friederich.14
So hinterliess der grosse König die Aufhebung der Leibeigenschaft,
die ihm durchzuführen nicht gelungen war, als brennende Frage seinen
Nachfolgern.
Zur Durchführung seiner organisatorischen Gedanken und Pläne
suchte König Friedrich eifrig nach geeigneten Persönlichkeiten, auch in
Ostpreussen. So schrieb er am 31. Mai 1763, also unmittelbar nach dem
Friedensschluss, an den Kammer-Präsidenten Domhardt in Gumbinnen: 9a)
„Ihr sollt überlegen und mir melden, ob nicht in Preussen sich
„von den dortigen Edelleuten oder Anderen geschickte und treue
„Subjekte finden, welche ich erfordernden Falls mit einiger Zuver-
lässigkeit hier und da in den hiesigen Provinzen zu Kammerpräsi-
denten employiren könnte und will ich Euren Bericht etwa gegen
„den 20t. Junii c. erwarten.14
") Büsohing a. a. 0. 8. 207.
M) Altpr. Monatsschrift Bd. II. S. 313. •■) Pr. Pror.-Bl. VI, 301.
212 Der Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
In erster Reihe vertraute er die Wiederherstellung des Wohlstandes
im Königreich Preussen dem eben erwähnten hochverdienten Manne an,
der unter den grössten Schwierigkeiten und Gefahren seinem Könige
die Treue bewahrt und sich in der Russenzeit am meisten bewährt hatte,
dem Kammer-Präsidenten Domhardt. Diejenigen Schriftsteller,
welche die Ungerechtigkeit Friedrichs des Grossen gegen Ostpreussen
nachzuweisen suchen, stellen auch Domhardt als ein Opfer der Undank-
barkeit des Königs hin, der „aus Gram über die harten Kränkungen
desselben gestorben sei.44 Gerade das Gegentheil ist wahr: Domhardt
ist ein leuchtendes Beispiel königlicher Dankbarkeit.
Nachdem Domhardt schon 1757 vom Kammerdirektor zum Kammer-
Präsidenten in Gumbinnen befördert war, •') setzte ihn 1763 der König
auch über die Kammer in Königsberg und 1772, nach der Theilung
Polens, unter Ernennung zum Oberpräsidenten, gleichzeitig über die
Kammern in Marienwerder und Bromberg, indem er das ihm am meisten
am Herzen liegende Werk, die Organisation des neu gewonnenen West-
preussens, seinen bewährten Händen anvertraute. Am 19. Juli 1771
erhob er den treuen Diener in den Adelstand und gab ihm ein Ross
und eine Garbe ins Wappen, weil er in der Russenzeit dem Könige
sein wichtiges Gestüt Trakehnen gerettet und sich um die Pferdezucht
und das Wiedererstarken der Landwirtbschaft so hoch verdient gemacht
hatte.**) Bis in sein hohes Alter genoss der Oberpräsident v. Dom-
hardt das unbegrenzte Vertrauen des dankbaren Königs: der Briefwechsel
mit ihm füllt Bände aus, die in dem Urkundenbuch von Preuss abge-
druckt sind, ••) und unabgedruckt in den Akten der Archive liegen. Wie
vertraulich die Beziehungen des Königs zu Domhardt waren, geht n. A.
aus den Briefen wom 10., 31. März und 2. April 1771 über die Insekten-
haltigen Bernsteinstücke 97) und vom 5. December 1772 über die grauen
Erbsen hervor. Der letztgedachte Brief ist so eigenthümlich, dass sein
Wortlaut bekannt zu werden verdient: 9i)
94) Jeater, Leben Domhardt's a. a. 0. Bd. 1. S. 18 f. Preass IV, 59 Anm. 4.
S. 478 Anm. 3.
9J) Preuss IN, 471. v. Hasenkamp XI, 298 f.
•°) Bd. IV. S. 3 — 195. Bd. V. S. 183—234.
f) Preuss, ürkuudenbuch Bd. V. S. 184. ••) Ebd. V, 16.
Von Otto vao Baren. 213
•
„Vester Rath, besondars lieber Getreuer! Ob ich Euch gleich für
„die bei Eurem Bericht vom 27. Novembris übersandte Preussische
„Trüffeln danke; so mag Ich Euch doch dabey nicht verhalten,
„dass solche bei weitem nicht so gut sind, als die Preussische
„Erbsen. Diese letzteren sind die Frucht, aufweiche Preussen stolz
„thun kann. Sie sind leckerer, als seine Trüffeln und sie behalten
„bei mir allezeit den Vorzug. Ich bin Euer gnädiger König
Potsdam den 5. Decembris 1772. Fr."
Bei einem persönlichen Besuche Domhardts in Sanssouci schenkte
er ihm einen seiner eigenen Krückstöcke zum Andenken.90) — Nach
länger als dreissigjährigem amtlichem und freundschaftlichem Verkehr
trat leider zwischen dem König und Domhardt dadurch eine Spannung
ein, dass des Letzteren laute und rücksichtslose Bekämpfung der vom
König ins Land gerufenen französischen Accisebeamten des Königs Un-
willen und Missfallen erregte. Nachdem auch diese Spannung ausge-
glichen schien, entstand im letzten Lebensjahre Domhardt's (1780) bei
einer Revuereise des Königs nach dem Lager von Mockerau bei Graudenz
eine äusserst heftige Scene zwischen ihm und Domhardt, in Folge deren
Letzterer sein Abschiedsgesuch einreichte. Aber der König bereute,
als er ruhiger geworden war, die harte Behandlung des treuen, alten
Beamten; er liess ihn kommen, sprach über eine Stunde mit ihm in
der alten Art, ohne das Abschiedsgesuch und den Grund desselben zu
berühren und entliess ihn dann, indem er ihn freundlich auf die Schulter
klopfte mit den Worten: „Leb er wohl, mein lieber Domhardt, wir
sehen uns künftiges Jahr gesund wieder!"
Dieser Conflikt am Ende eines langen ehrenvollen Zusammenwirkens
ist gewiss höchst bedauerlich; selbst wenn man aber die Schuld an
demselben dem König allein zur Last legen will, der mit zunehmendem
Alter verbitterten Stimmungen immer mehr nachgab; so kann man doch
sicherlich diesen Vorfall mit dem Zorn des Königs gegen Ostpreussen
nicht in Zusammenhang bringen und ihn als Beispiel benutzen, wie unge-
rechtfertigt dieser Zorn gewesen und wie undankbar sich der König gezeigt.
") Ostpreussische Zeitung vom 16. März 1877«
2X4 D*r Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
Die Dankbarkeit der Könige kann nicht immer mit dem Massstabe
des menschlichen Herzens gemessen werden. Es kann von dem ehernen
Charakter Friedrichs des Grossen nicht erwartet werden, dass er die-
jenigen Männer, denen er Dank schuldig war, ihr Lebenlang vor anderen
bevorzugen, ihr einstiges Verdienst als alleinigen Massstab für die
Leistungen ihres ganzen späteren Lebens annehmen solle. Wo er dauerndes
Verdienst fand, hat er es stets anerkannt und befördert; wo er sein
Unrecht fühlte, hat er, wie in dem Domhardt'scben Falle, Genugthuung
nach seiuer Art gewährt; eigenartig war auch die Art, wie er belohnte.
So muss denn auch der tendenziösen Darstellung des Regierungs-
raths Hagen in Betreff der Belohnungen des Hofraths Nicolovins
und des Kriegsraths Bruno entgegengetreten werden. Im heutigen
Milliarden-Zeitalter klingen die gewährten Summen winzig klein; in da-
maliger Zeit waren sie nicht unbedeutend, wenn man berücksichtigt,
dass Nicolovins ein Subalternbeamter war, deren Gehälter ihre gesetz-
lichen Grenzen hatten. Die Verleihung von Geheimraths-Titeln ohne
entsprechende Stellung ging gegen des Königs Grundsätze, wie er in
dem Briefe vom 12. April 1764 an Domhardt ausspricht. Er sagt
dort ausdrücklich100)
„dass er ledige Titais nicht stipulire, zumalen er überhaupt ohnedem
„gerne sehe, dass ein jeder keinen anderen Charakter oder Titul hat,
„als von der Fonction, so er wirklich bekleidet/1
Man sieht, wie leicht es ist, durch geschickte Nebeneinanderstellung
von Thatsachen, nach der eigenen vorgefassten Anschauung Geschichte
zu machen und selbst Hoheit und Grösse in den Staub zu ziehen.
In diesem Sinne sei es zum Schluss noch gestattet, auch die Lebens-
schicksale der übrigen, in dieser Darstellung und in den meisten Schriften
über Friedrich den Grossen genannten Männer zu verfolgen, welche dem
Könige in schwerer Zeit Anhänglichkeit und Treue bewiesen hatten.
Der Postmeister Wagner in Pillau, der wackere Beförderer des
geheimen Briefwechsels Domhardts mit dem Könige, wurde von den
Rassen wegen Hochverrat!» (durch versuchte Ueberrumpelung der Festung
"•) Pr. Prov.-Bl. Bd. V. 8. 1.
Von Otto van Baren. 215
Pillau) zum Tode durch Viertheileu verurtheilt, aber begnadigt und nach
Sibirien geschickt, wo er fünf Jahre schmachten musste. Nach seiner
Befreiung wurde er von Friedrich dem Grossen nach Potsdam citirt,
dort hoch geehrt, und blieb nach seiner Versetzung nach Graudenz ein
stehender Gast des Königs, der ihn, so oft er nach Graudenz kam, mit
dem regelmässigen Scherz empfing; vNun, wie geht's in Sibirien?* Er
wurde später Hofpostdirektor in Königsberg und der König verlor ihn
nie aus dem Auge. Gegen die Liquidation seines Schadens war der
sparsame König allerdings harthöriger.
Die ostpreussischen Jünglinge, welche während der Bussenherrschaft
aus der Provinz flüchteten, um in die preussische Armee einzutreten,
empfing der König sehr gnädig und stellte sie sogleich in die Armee
ein; die meisten von ihnen sind hoch gestiegen.
Der Erste war Wilhelm von l'Estocq. Er trat, 20 Jahre alt,
1758 vor Olmütz bei den Ziethenschen Husaren ein, wurde Ziethen's
Adjutant, erhielt 1761 den Orden pour le m&ite, wurde berühmt durch
die ehrenvolle Führung der Preussen in der Schlacht bei -Pr. Eylau
am 8. Februar 1807 und starb als Feldmarschall am 3. Januar 1815. 10t)
Zwei andere schwärmerische Jünglinge aus Königsberg, David
Neumann und Johann Georg Scheffner zogen Jeder mit einem
Exemplar von Abt's Schrift über den Tod fürs Vaterland in der Tasche,
unter vielen Wagnissen zur preussischen Armee." I0i) Neu mann wurde
bei der Kleistschen Infanterie angestellt und als Adjutant bald darauf
gefangen; er brachte es unter Friedrich dem Grossen bis zum Major,
erhielt den Orden pour le rannte und wurde am 10. Juni 1779 in den
Adelstand erhoben. Später zeichnete er sich bei der Yertheidigung der
Festung Cosel aus und starb als Generalmajor am 16. April 1807. 10S)
Scheffner wurde Fähnrich im Baminschen Regiment; allein, wie er
in seiner Lebensbeschreibung selbst sagt:101) der Subalterndienst im
Kriege war ihm im Herzen zuwider und der Stadtdienst im Frieden
langweilig; seine unwiderstehliche Neigung zum Versemachen, Citiren
l01) Preuas 1J, 269. IV. 479.
,w) Joh. Georg Schaffners Leben S. 80.
1M) Preu» IV, 479. Pr. ProY.-Bl. Bd. XXV. S. 829. *4) S, 99,
216 Der Zorn Friedrichs des Grossen über Ostpreussen.
klassischer Stellen und zum Raisonniren über das Soldatenwesen vertrug
sich nicht mit der Disciplin; gleich nach dem Frieden erhielt er den
wiederholt erbetenen Abschied und trat 1765 in den Civildienst ein, in
welchem er Kriegs- und Steuerrath in Gumbinnen, Königsberg und
Marienwerder wurde. Allein auch im Civildienst brachte ihm seine
Oppositionslust, Schöngeisterei und Neigung zur Schriftellerei Unannehm-
lichkeiten, die ihm den Dienst verleideten. Noch nicht 39 Jahre alt,
bat er „mit aller Unbefangenheit* und „mit dreuster Uebergehung aller
Minister Stationen" in einem französischen, mit Anrufung der Götter des
Marc Aurel und des Henri beginnenden Schreiben, den König um den
Abschied mit Pension. Dies nahm ihm aber der König sehr übel; unter
den Cabinetsbescheid vom 9. Februar 1775 schrieb er eigenhändig :,oi)
„Mihr Müste der Teufel plagen, das ich en Kriegsraht pension
„gebe, da noch So vihl brav officiers ohne versorgt Seyndt Die
„200 Thaler wehre einem Jnvaliden officier zu verm". (zuwenden?)
Ein bereits älterer Mann, der Strumpfwirkermeister Kap eil er aus
Gumbinnen, ein eingewanderter Salzburger, verdient besondere Er-
wähnung. Er brachte unter Lebensgefahren eine auf mehreren Wagen
verpackte Geldsendung Domhardts von 1000C0 Thalern durch die russi-
schen Linien in die Hände des Königs. Domhardt empfahl diesen wackeren,
muthigen Mann dem Könige, der ihn selbst vor sich kommen liess und
durch beträchtliche Vorschüsse zur Anlegung einer Strumpffabrik, nach
dem Muster der Berliner Fabriken, in den Stand setzte. Er kam in
eine gute Lage und starb hochgeehrt 1793. 10°)
Als Schluss-Resultat der vorstehenden Untersuchung ist Folgendes
hinzustellen :
Friedrichs des Grossen Zorn über Ostpreussen war nicht
ungerecht, und Ostpreussen daran nicht ohne Schuld. Frie-
drich der Grosse hat die Provinz mit seiner Ungnade ge-
straft; seine königliche Gerechtigkeit aber war grösser, als
sein persönlicher Zorn.
>0*) Schefiner's Leben S. 160.
I08) Beiträge zur Kunde Preussens Bd. I. S. 209.
Von Otto van Baren. 217
Wie eine Ahnung hat es seit dem siebenjährigen Kriege über
Ostpreussen gelegen, dass die Provinz an dem Hause der Hohenzollern
etwas gut zu machen habe und ein halbes Jahrhundert später hat Ost-
preussen es gut gemacht. Als in den Zeiten der tiefsten Demuthigung
und Erniedrigung Preussens die Preussische Königsfamilie flüchten musste
vor der Macht und dem Uebermuth des französischen Eroberers, da
hat sie in Ostpreussen ein Asyl gefunden. Da sind die Herzen der
treuen Provinz und ihres Königs einander nahe getreten und haben in
Liebe und Vertrauen eine stille Versöhnung geschlossen. Als aus der
Nacht der Napoleonischen Knechtschaft über Preussen die
Sonne der Freiheit wieder aufging, da hat ihre Morgenröthe
in Ostpreussen gestanden.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXII. Hft. 3 n. 4« 15
Zur volkstümlichen Naturkunde.
Beiträge aus Ost- und Westpreussen
yon
H. Frischbier.
Vorbemerkung.
In den „Unterhaltungen des litterarischen Kränzchens zn Königs-
berg14, Jahrg. 1867 f., stehen winzige Anfänge der nachfolgenden Arbeit
(Mond, Sonne, Sterne, Wind und Wetter), die nun in der Altpreuss.
Monatsschrift zum Abschlüsse gebracht werden soll. Die Sammlung
umfasst die Anschauungen des ost- und westpreussischen Volkes über
die Erscheinungen an Himmel und Erde, die Elemente, die Tiere, Pflanzen
und Mineralien. Diese Volkstümer sind von oft genannten Freunden
(vgl. mein Preuss. Wörterbuch, Schlusswort) und von mir aus dem
Verkehr mit dem Volke und aus der einschlägigen Litteratur zusammen-
getragen; vielleicht fahlen sich auch Leser dieser Mitteilungen ver-
anlasst, durch geeignete Nachträge mitzuhelfen an der Ergänzung und
Vervollständigung der doch immer noch lückenhaften Zusammenstellung.
L Himmel und Erde.
Sonne*
Die Sonne wird vom Volke „de lewe Sonnke" genannt. Was
sie verdirbt, kann wohl der Regen gut machen, aber nicht umgekehrt,
was der Regen verdirbt, die Sonne. (Königsberg. Böbel, 118.)')
Wächst das Korn im Sande, dann ist Not im Lande. (Dönhoflstädi)
') Die Haus- und Feldweisheit des Landwirths je. Bearbeitet von TL Böbel.
Berlin 1854. Die Zahlen bezeichnen die Seite.
Zur volkstümlichen Naturkunde. Von H. Frischbier. 219
Der heitere Untergang der Sonne in den Frühlings- nnd Winter-
monaten ist ein Anzeichen guten Wetters. Wenn die Sonne beim Auf-
und Untergange grösser als gewöhnlich erscheint, und der Wind von
Süden weht, besonders zur Tag- und Nachtgleiche, so erfolgt Regen.
Geht die Sonne in feuriger Morgenröte auf, oder hat sie finstere und
braune Wolken um sich, oder hüllt sie sich beim Untergange in weisse
.weit ausgebreitete Wolken, so folgt Wind und Regen. (Bock, Nat. 1, 363.) *)
Wenn die Sonne am Neujahrstage auf den Altar scheint, so
gerät der Flachs gut.
Wenn die Sonne am h. Dreikönigstage (6. Januar) auch nur so
lange scheint, als ein Reiter zum Besteigen des Pferdes Zeit gebraucht,
so ist das ein Friedenszeichen für das ganze Jahr. (Dönhoffstädt.)
Vincenz (22. Januar) Sonnenschein, bringt Obst {Korn) und Wein.
(Westpr.) — Scheint die Sonne zu Pauli Bekehrung (25. Januar), so
darf man auf ein gutes Jahr hoffen.
Scheint die Sonne im Februar, so dass sich die Katze in ihren
Strahlen wärmt, so muss diese zum April wieder hinter dem Ofen
Wanne suchen.
Der Schäfer hat zu Lichtmess (2. Febr.) lieber den Wolf als die
Sonne im Schafstall, weil, scheint die Sonne, ein spätes Frühjahr in
Aussicht steht. Der Reim für diese Beobachtung lautet:
Besser der Wolf als der Sonne Licht
Zu Lichtmess in den Schafstall bricht.
Doch verspricht andererseits Sonnenschein zu Lichtmess eine gute Ernte,
und scheint die Sonne an diesem Tage auch nur so lange, als der Reiter
Zeit braucht das Pferd zu besteigen, so gerät der Flachs wohl.
Lichtmess hell, muss der Bauer sein schnell; Lichtmess dunkel,
ist der Bauer ein Junker. — Lichtmess klar, gutes Flachsjahr. (Ostpr.) —
In Masuren : Wenn Lichtmess die Dächer flenzen (weinen), wird in dem
Jahr der Flachs recht glänzen. — In Westpr.: Fällt auf Lichtmess
Sonnenschein, wird der Flachs sehr lang und fein. — Scheint zu Lichtmess
die Sonne auf den Mist, schliesse der Bauer das Futter in die Eist'. —
*) Versuch einer wirtschaftlichen Naturgeschichte von dem Königreich Ost-
und Westpreussen. Von F. S. Bock. Dessau 1782. Bd. I. S. 345 f.: Der preussisehe
Bauerokalender.
15*
220 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Lichtmess Sonnenschein, bringt viel Schnee herein. — Sieht der Dachs
zu Lichtmess seinen Schatten, d. h. scheint die Sonne, so kehrt er in
seinen Bau zurück und der Winter dauert noch lange. (Natangen.)
Geht die Sonne am Fastnachtstage frühe auf, so gerät die
Frühsaat gut.
Am Romanus (28. Febr.) hell und klar, deutet an ein gutes Jahr.
Ist am Ruprecht (27. März) der Himmel rein, so wird er's auch
im Juli sein.
Am Palmsonntag Sonnenschein, soll ein gutes Zeichen sein.
Am Ostersonntag — doch nur an diesem, wie die Landleute
behaupten — springt bei Sonnenaufgang das Osterlamm in der Sonne.
Sind die Hundstage hell und klar, so giebt's ein gutes Jahr.—
4
Warme und helle Jacobi (25. Juli) versprechen reiche Früchte, aber
kalte Weihnachten. — Ist's in der ersten Woche des August heiss,
so bleibt der Winter lange weiss. — Sind Laurenz (10.) und Barthel
(24. Aug.) schön, ist guter Herbst vorauszusehn.
Der Schäfer hat am St. Hedwigstage (15. Okt.) lieber den Wolf
in seiner Herde, als die Sonue im Stall.
Scheint am Stephanstage (26. Dezbr.) die Sonne, so gerät der
Flachs. (Volkskal. 63. 172. 207.) 3)
Wenn die Sonne „Wasser zieht", so regnet es den nächsten Tag. —
Zeigen sich Nebensonnen am Himmel, so erfolgt schleunige Ände-
rung des Wetters. (Bock, Nat. I, 362.)
Redensarten: Wo die Sonne scheint, da tagt es. — Der Hungrige
und Arme „lässt sich die Sonne in den Magen scheinen". — Qeht die
Sonne nach Westen, arbeiten die Faulen am besten. — Die liebe Sonne
scheint ihm durch den Ellenbogen (dem Zerlumpten, Dürftigen). — Die
Sonne geht zur „Rist" (zur „Rast"), d. h. zur Ruhe, sie geht unter. —
Die Sonne ist in ihr Himmelbett (Bett mit Vorhängen und einer oberen
Decke, dem sog. Himmel) gestiegen, d. h. sie ist hinter Wolken unter-
gegangen. (Sprichw. I, 3533 f.; II, 2492.)*)
3) N. Pr. Prov.-Bl. VI, 206 ff. u. X, 116 ff. Die Zahlen bezeichnen die Nummer.
4) Preuss. Sprichwörter und volksthumliche Redensarten von H. Frischbier.
1. u. 2. Sammlung. Berlin 1865 u. 1876.
Von H. Friachbier. 221
Mond.
Scheint der Mond Mass und gelb, so pflegt bald Regen zu ffl&en;
scheint er rot, so deutet dies auf Wind; ist er weiss und h/ so hat
man gutes Wetter zu hoffen. (Bock, Nat. I, 361.)
Der Mann im Monde ist ein Bauer, der sich nachts in Nachbars
Garten schlich, um Kohl zu stehlen. Kaum aber hatte er eine Staude
gebrochen, als ihn auch schon der alte Nachtwächter, der Mond, ab-
fasste und samt dem Raube hinaufzog. Die dunkeln Flecken im Monde
sind, wie man noch deutlich sehen kann, der Dieb mit dem Kohlstrunk.
Aus der Gegend von Saalfeld sind mir noch (durch Frl. E. Lemke)
folgende drei Varianten dieses Märchens zugegangen: Der Mann im
Monde ist ein armer Mann, der „unter der Kirche" (während des
Gottesdienstes) im Walde Keisig gesammelt hatte und den Gott, zur
Strafe für seine Sunde und als warnendes Beispiel, mit dem Reisigbündel
auf den Mond versetzte; — er ist ein Fuhrmann, der auch am Sonntage
arbeitend fuhrwerkte und von Gott mit Wagen und Pferden in den
Mond gestellt wurde. — Nach andern sitzt in dem Monde eine Spinnerin
mit ihrem Spinnwocken, zur Strafe dafür, dass sie auf Erden bei Voll-
mond gesponnen. Die Fäden, welche als „Altweibersommer" im Herbste
die Luft durchfliegen, sind von ihrem Gespinst losgerissen.
Den Kindern verwehrt man, nach dem Monde oder nach den
funkelnden Sternen zu zeigen, weil sie sonst dem lieben Gott die
Augen „ausspicken" (ausstechen) würden. (Königsberg.)
Spinnt man bei Mondenschein, so kommt der böse Geist und
nimmt den Flachs fort. (Ermland.)
Bei abnehmendem Lichte darf man nicht Hochzeit machen,
weil sonst die Wirtschaft der neuen Ehe zurückgeht; — nicht Getreide
säen, es würde eine schlechte Ernte geben. (Friedland i. Ostpr.)
Dafern der Mond im Abnehmen die Hörner zeiget, so ist er im
letzten Viertel, denn er will bald unsichtbar werden, oder (wie andere
sprechen) „zu Bier gehen". (Linemann, Deliciae calendariogmphicae,
Ff 4b. Königsberg 1654.)
Bei abnehmendem Lichte kann ein Pferd mit einer Hasen-
scharte von diesem Übel geheilt werden, wenn man die Scharte an
222 Zur volkstümlichen Naturkunde.
drei Freitagen nach einander unter dem allgemeinen Segen: Im Namen
Gottes :c. bestreicht. (Volkskal. 205.)
Im zunehmendenLichte soll man die Haare beschneiden, dann
wachsen sie gut ein.
Bei zunehmendem Lichte ist Blatt- und Fruchtgemüse zu säen;
ebenso gedeihen Obstbäume und tragen reichlich, wenn sie im neuen
Lichte gepflanzt werden. Wurzelgewächse sind dagegen bei abneh-
mendem Lichte zu säen. (Dönhoffstädt.)
Bei zunehmendem Mondlicht gesäet, blühen die Erbsen immer-
fort und setzen wenig Schoten an; Möhren bei jungem Licht schiessen
gern durch; Eleesamen gedeiht; Kopfkohl säet man stets bei abneh-
mendem Lichte. (Memel. Strasburg i. Westpr. Böbel 126.)
Am ersten und zweiten Tage des neu beginnenden Mondlichts muss
man weder Gras noch Klee, noch andere Futterkräuter mähen, weil
das Vieh die in diesen Tagen gemähten Kräuter nur ungern oder gar-
nicht frisst. (N. Pn Prov.-Bl. a. F. VII, 233.)
Wie das Wetter am dritten Tage nach Neulicht ist, bleibt es bis
zum nächsten Neulicht. (Dönhoffstädt.)
Hat der Neumond einen solchen Stand, dass man, wie die Leute
sagen, an seine Hörner etwas anhängen könnte, so deutet das auf
trockene Witterung. (Dönhoffstädt.)
Bei Neumond, unter dem Zeichen des Fisches, beginnt der Fischer
sein Netz zu stricken. (Hohenstein. Toppen 102.)B)
Bei Neu licht ändert sich das Wetter.
Sobald nach dem Neumonde zum ersten Mal die Mondsichel —
„dat nüe Licht" (das neue Licht) — am Himmel sichtbar wird, muss der
von Zahnschmerzen Geplagte sich mit einem der nachfolgenden Reime6)
an den Mond wenden; derselbe wird ihm sicher seine Zahnschmerzen
abnehmen:
&) Die mit Toppen bezeichneten Anführungen beziehen sich auf Dr. M. Toppen:
„Aberglauben aus Masuren" ac. 2. Aufl. Danzig 1867. Die Zahlen bezeichnen
die Seite.
6) He'xenspruch und Zauberbann :c. Von H. Frischbier. Berlin 1870. S. 100 f.
Von H. Friichbier.
223
Ock seh das lewe nüo Licht
Od räd mi far min Tähnegicht,
Dat se Dich rite,
Ok nich spllte,
Ok nich käUe,
Ok nich schwelle,
Denn käme de Vägelkes
On nehme all1 min* Tähnegicht.
Öck seh önt lewe nüe Licht
On bed fer mine Tähnegicht,
Dat se nich rite, nich spute,
Nich jäke, nich stäke.
Ich grüsse dich, .du neues Licht
Mit deinen zwei Zacken!
Meine Zähne sollen mich nicht zwacken,
Bis dass da wirst haben drei Zacken.
(PJibischken.)
(Samland.)
(Samland.)
Ach da liebes neues Licht!
Behüte mich, mein Gott, vor meiner Zähne Gicht!
Dass sie mich nicht möchten reizen — spreizen — schwären — quälen.
Im Namen Gottes je. Vater Unser ohne Amen.
(Die betreffende Wange wird mit der Hand gestrichen.)
(Budweitschen im Kr. Goldapp.)
Öck seh dem Himmel an,
Da steit e Frü ok e Mann,
Wa far de Tähne räde kann.
Da sallst nich eile,
Ok nich käUe,
r
Da sallst Tergahne
Wie da gekame. (Plibischken.)
Stehen die Quatembertage im zunehmenden Licht, so steigen
die Getreidepreise, und umgekehrt. (Volkskal. 202.)
Mondfinsternis bei Winterszeit im Norden, ist Ursach' stets
von grosser Kalt1 geworden. (Westpr. Böbel 117.)
Der Hof um den Mond verkündet Wind (Bock, Nat. I, 360),
nach einer Mitteilung aus Dönhoffs tädt : Regen.
224 Zar Tolkstümlichen Naturkunde.
Sterne.
Namen der Sterne: Der Wagen, die sieben Sterne, das
grosse Siebengestirn, grosser Bär, der grosse und der kleine
schiefe Wagen, grosser und kleiner Bär; der Dümeke, Stern Alcor,
das Eeiterchen, im Sternbild des grossen Bären; auch der kleine Bär,
der auch Pudinke heisst (vgl. mein Pr. Wörterb. I, 155b); der Abend-
stern, Venus; die drei Häuer oder Mäher, Gurtelsterne des Oriou.
Heitern Untergang der sieben Sterne sieht der Landmann immer
gerne. (Oktober. Westpr. Böbel 107.)
Am St. Laurentiustag (10. Aug.) fallen die Sterne; des Morgens
findet sie der Fischer am Strand als Meerquallen, denn diese hält er
für geschneuzte Sterne. (Ostseestrand. Gregorovius, Figuren. Leipzig
1856. S. 154.)
Himmels zeichen. Der Mensch wird entweder unter einem gun-
stigen oder ungünstigen Himmelszeichen geboren; zu den glückbringenden
gehören: Wage, Löwe, Jungfrau, Stier. Das unglücklichste Ge-
stirn ist der Krebs; in diesem Zeichen gehen alle Unternehmungen
rückwärts, und wer im Krebs geboren ist, hat in allem Unglück. Im
Zeichen des Krebses darf keine Ehe geschlossen werden; es darf in
diesem Zeichen nicht gesäet und gepflanzt werden, ebenso im Skorpion,
weil beide Würmer vorstellen, und dann die Würmer auf dem Felde
überhand nehmen und den Pflanzen schaden würden. Man säet und
pflanzt unter Löwe, Stier, Jungfrau, damit alles stark und kräftig
werde. (Hohenstein. Toppen 91.) Kartoffeln im Krebs gelegt, be-
kommen unreine Schalen, in der Wage dagegen geben sie reichen Er-
trag. Im Zeichen des Löwen ist gut heiraten, im Wassermann wird
die ganze Wirtschaft zu Wasser; Ehen im Zeichen der Jungfrau ge-
schlossen, werden leicht durch Ehebruch getrübt. Unter dem Zeichen
des Fisches bei Neumond fängt der Fischer an, sein Netz zu stricken.
(N. Pr. Prov.-Bl. a. F. I, 169. Toppen 102.)
Bätsei über die Himmelskörper: Zwei Dinge gehn, zwei Dinge
stehn, zwei Dinge kommen immer wieder. (Sonne und Mond. Lösung
auch: Himmel und Erde — Holz und Wasser — Tag und Nacht —
Abend und Morgen.)
Von H. Frischeier. 225
Et kröppt dorch e Tun on ruächelt nich, et föllt ön*t Wäter on
plorapst nich. (Der Sonnen- und Mondenschein; auch der Schatten.)
Schön ist das Wiesenthal, schön sind die Schafe dran, schön ist
der Hirt, der die Schafchens hüt't, noch schöner der Dieb, der die
Schafe stiehlt. (Gerdauen. Sonne, Mond und Sterne.)
Schwärt Lake gespret (gespreitet), witte Arfte geset (gesäet), ön e
Modd ös e Schlw. (Der HiiHtael mit den Sternen und dem Monde.)
Erde.
Von der Erde heisst es im Volksrätsel: Meine Mutter hat viele
Kinder, sind sie gross, verschlingt sie dieselben.
Am Ende der Erde ist der Himmel so niedrig, dass ihn die Wasch-
weiber mit dem Waschholz erreichen können. (Jerrentowitz. Westpr.)
Regenbogen«
Erscheint ein Regenbogen nach langer Dürre, so hält das Regen-
wetter einige Tage an; ist aber lange Nässe vorhergegangen, so folgt
gewöhnlich schönes Wetter. — Je grüner die Farben im Regenbogen,
je mehr Regen, je röter, desto mehr Wind zeigen sie an; intensives
Blau und Gelb deutet auf heiteres Wetter. (Bock, Nat. I, 362.)
Wenn man einen Regenbogen sieht, wird Gott einen noch sieben
Jahre segnen. (Königsberg.)
Eine Wassergalle (der Widerschein des Regenbogens) lässt auf
weiteren Regen schliessen. Oft nennen die Landleute auch einen nicht
klar hervortretenden Regenbogen Galle.
Der Mondregenbogen ist ein Vorbote des Regens. (Bock, Nat.
I, 360.)
Rätsel: Hoch gellögt, kromm gebögt, wunderlich beschaffe.
(Wehlau.) — Auch: Hochgehäwe, kromm gebäge, wunderlich erschaffe.
(Vgl. Zeitschr. f. deutsche Mythologie je. III, 181.)
Rot, gelb, grün — rätst du mich, so nehm1 ich dich, rätst du's
in vier Wochen, so sind wir beid' versprochen; rätst du's um ein halbes
Jahr, so sind wir beid' ein ganzes Paar. (N. Pr. Prov.-Bl. X, 294.)
Abend« und Morgenröte.
Die Abendröte verkündet gutes Wetter, wenigstens für den fol-
genden Tag.
226 Zor ▼o^tämlichen Naturkunde.
Abendrot — Gutwetterbot' — Schönwetterbot* — morge göt —
bringt Brot; — Morgenrot bringt allzeit Kot, — bringt Dreck und Kot,
bringt äwends Kot, — mit Regen droht, — dat W&ter dorch 'm Tun
flöt, — pladdert g6t, — dreckig P16t, — Dreckflöt. (Vgl. Sprichwort
I, 8; II, .7. Böbel 119.)
In der Gegend von Saalfeld ist man der Ansicht, dass leuchtendes
Abendrot Wind oder gar Sturm bedeute. (Lemke 108.) 7)
Morgenrot am Neujahrstage bringt Ungewitter und manche Plage.
(Westpr. Böbel 56.)
Feuerkugel.
Eine Feuerkugel (Meteor) bedeutet Krieg. Dieselbe Bedeutung
hat ein Komet.
Irrlicht.
Irrwische, namentlich solche, die sich auf Höhen sehen lassen,
sind Kinder, die ungetauft starben, oder tot zur Welt kamen. (Ermland.)
Nordlicht.
Nordlichter, die mit weissen Flammen lodern, sind Vorbedeu-
tungen von klarem Wetter und bringen im Winter Kälte. Überhaupt
pflegen die Nordlichter auf einige Tage heiteres Wetter zu bedeuten.
(Bock, Nat. I, 362.)
Das Nordlicht verkündet Krieg. Die zahlreichen glühroten Nord-
lichter des Winters 1870/71 hielt das Volk für den Widerschein des
von den Schlachtfeldern aufsteigenden Blutes. (Königsberg.)
Wolken.
Wenn plötzlich bei hellem Himmel Wolken von Süden oder Westen
zum Vorschein kommen, so entsteht bald ein Sturm. — Bote Wolken
nach der Sonne heiterm Untergange, ebenso dünne Wolken, die sich des
Morgens bei aufgehender Sonne trennen, deuten auf helle Witterung. —
Grosse Wolken sind Vorboten von starkem Regen; kleine runde graue
Wolken, die mit einem Nordwinde kommen, ebenso weisse Wolken wie
Wolle bei Sonnenschein machen Hoffnung zu andauerndem schönen
Wetter. Sonst pflegen die sogenannten Schäfchen, Schaf- oder Schuppen-
7) Volkstümliches in Ostpreussen. Von E. Lemke. I. Tbl. Mohrnngen 1884.
Von H. Frischbter. 227
wölken, wie auch streifige Wolken Vorzeichen des Regens za sein. —
Auf rotbraune Wolken bei Sonnenuntergang folgt des Morgens oft helles,
aber unbeständiges Wetter. — Bei bleichen Wolken zur Zeit des nassen
Wetters ändert sich dies gewöhnlich. — Wenn der Südwind im Sommer
heisses Wetter gebracht, und es erscheinen am Himmel Wolken mit
grossen weissen oder rötlichen Spitzen, eine über der andern, die unten
dunkel sind, wie auch braunrote, so ist Donner- und Hagelwetter nahe.
(Bock, Nat. I, 361.)
Steht abends im Norden Gewölk, so bedeutet das schlechtes Wetter.
(Lemke 108.)
Senkrechte und schräge Wolkenstreifen, die wie Strahlen zu ein-
ander stehen und sich am Horizonte vereinigen, nennt man Wind-
bahnen, und von diesen heisst es, dass sie für den kommenden oder
zweitnächsten Tag Sturm verkünden. (Saalfeld. Lemke 107.)
Lange schmale hellgefärbte Wolken, die von einem Punkte des
Horizontes fast bis zu einem andern desselben sich erstrecken, sind
Vorboten von Wind und Sturm. (Dönhoffstädt.)
Eine finstere, drohende Regenwolke nennt man Buächer, poln.
busza. (Preuss. Wörterb. I, 122.)
Wer von einer unerwarteten Nachricht :c. überrascht wird, ist
„wie aus den Wolken gefallen".
Gewitter.
Das Grollen des Donners ist das Schelten Gottes: „De lewe
Gottke schölt".
Der Blitz schlägt in solche Gebäude ein, in welchen an einem der
folgenden Tage: Karfreitag, Busstag, Himmelfahrt, Johannistag, Jakobstag,
gearbeitet wurde. (Dönhoffstädt. Volkskal. 81, 82, 189. Toppen S. 73.)
Beim ersten Donnerschlage, den man im Jahre hört, muss man
sich niederwerfen und auf der Erde wälzen. (Dönhoffstädt.) Auch schützt
gegen das Gewitter das Johannisfeuer.
Als Witterungsregel gilt: Gewitter über kahle Bäum', der Winter
kommt hinterdrein. (Dönhoffstädt.)
Viel Sturm und Begen bringet heran ein Jahr, das im Januar zu
donnern begann. (Westpr. Böbel 73.)
228 Zur volkstümlichen Naturkunde»
Vor Advent den Donnerschlag das Eorn gar wohl vertragen mag.
(Westpr. Böbel 65.)
Donnert es im März, schneit es im Mai. — Märzendonner macht
fruchtbar. — Märzgewitter zeigen an, dass grosse Winde ziehn heran.
Wenn im April ein Ungewitter gewesen, so ist nicht leicht mehr
Keif und Frost zu besorgen. Den Zug, den das erste Gewitter im
April nimmt, pflegt es auch das ganze Jahr hindurch zu nehmen. (Bock,
Nat. I, 362. Westpr. Böbel 81 f.) — Hört man Donner im April,
viel Gutes der verkünden will. (Westpr. Böbel 88.)
Donnert es im Mai, so giebt's grosse Winde und viel Getreide;
donnert es oft, folgt gern ein unfruchtbares Jahr. (Westpr. Böbel 93.)
Gewitter im Juni erfreuen der Bauern Herz. (Masuren. Westpr.)
Gewitter im September deuten auf reichlichen Schnee im Februar
und März und auf ein gutes Kornjahr. Gewitter in der zweiten Hälfte
dieses Monates bringen starke Winde. (Westpr. Böbel 105.)
Donner im Winterquartal bringt Kälte ohne Zahl. (Medenau.
Böbel 116.)
Aus der Himmelsgegend, woher das erste Gewitter kommt, kommen
die andern den ganzen Sommer. (Medenau. Böbel 119.)
Wenn sich die Schafe auf der Weide mit den Köpfen zusammen-
stellen, folgt Gewitter. (Heilsberg.) Regen und Gewitter sind im Anzüge,
wenn sich die Gartenschnecken in den Gängen und auf den Beeten
zeigen. (Medenau. Böbel 120.)
Während es donnert, fallen Donnerkeile (Belemniten) vom Himmel.
Der Gebrauch von Zahnstochern aus dem Holze eines Baumes, den
der Blitz zersplitterte, verhütet Zahnschmerzen. (Dönhoffstädt.)
Regen«
Die Wolken, welche die Sonne verhüllen, lösen sich in Eegen auf.
Die Volksjugend kennt mannigfache Keime, den Regen zu verscheuchen
und „de lewe Sonuke" wieder hervorzurufen.
Lewe Sonn1, komm doch wedder
Möt dlne blanke Fedder!
Möt dfne blanke Strahlen
Beschin ons aUtomälen!
Vun H. Frischbier. 229
Lewe, lewe Trine,
Lat de Sonnke schine,
Lafc dem Regenke äwcrg&ne,
Dat de klöne Kinderkes könne spßle gänel
So und ähnlich singt die ostpreussische Kinderwelt die Sonne hervor,
und wer die lieben Versehen alle wissen will, schlage meine Volksreime auf,
er findet sie unter No. 182 und ff.8) Neu ist mir nach Veröffentlichung
jenes Werkes noch der nachfolgende Reim aus Marggrabowa eingesandt:
0 da lewe Kathrine,
Lat de Sonnke schine,
Lat den Regen vergane,
Lat de Sonnke käme!
Sonnke, Sonnke, schin wedder
Möt de gold'ne Fedder!
Zu gewissen Zeiten und an bestimmten Tagen ist der Regen von
ganz besonderer Bedeutung.
Die Gäste, die Freitags kommen, bleiben über Sonntag. (Dönhoffstädt.)
Frühregen und alter Weiber Tänze dauern nicht lange. (Bock,
Nat. I, 359. Sprichw. I, 1010.)
Wenn Januar viel Regen bringt, werden die Gottesäcker gedüngt. —
Im Januar viel Regen, wenig Schnee, thut den Bäumen, Thälern und
Bergen weh. (Ostpr. Böbel 71.)
St. Pauli (25. Jan.) klar bringt ein gutes Jahr; so er bringt Wind,
regnet's geschwind. (Westpr.)
Regen am Karfreitage bedeutet ein trockenes, aber fruchtbares Jahr.
Wenn es am Ostertage regnet, so regnet es alle Sonntage
bis Pfingsten.
Wie es im März regnet, so regnet es auch im Juni. Märzregen,
dürre Ernte. Märzenregen sollst wieder aus der Erde fegen. Märzregen
bringt keinen Segen: es bleibt der Sommer trocken und die Ähre hocken.
(Westpr. Böbel 81 f.)
Aprilregen ist den Bauern gelegen. An Aprils Regen ist viel
gelegen; ein trockner April ist nicht der Bauern Will*. — Warmer
Aprilregen grosser Segen. (Ostpr. Westpr. Böbel 86 f.) Doch in Westpr.
") Preussische Volksreime und Volksspiele. Von H. Frischbier. Berlin 1867.
/
230 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
auch: Trockner April ist des Landmanns Will1. — Auf einen nassen
April folgt ein trockner Juni.
Wenn's im Mai recht regnet, wird's Jahr wohl gesegnet. — Mai-
regen — Gottessegen. (Dönhoffstädt.) — Im Mai soll dem Hirten der
Bock (Sack) vom Leibe faulen, dann wird's ein gutes Jahr. — Mai,
kühl und nass, füllt Scheun' und Fass. — Hegen am 1. Mai verschlägt
nicht. (Oberland.) — Regen in Walpurgisnacht deutet ein gutes Jahr.
(Westpr.) — Regnet es am 1. Mai, dann regnet es Mäuse, d. h. es
giebt in dem Jahre viele Mäuse, das Jahr wird also ein trockenes
sein. — Wasser, das im Mai steht, bringt den Wiesen Schaden. (Masuren.
Westpr. Böbel, 91.) — Auf nassen Mai kommt trockner Juni herbei.
Die drei Azius ohne Regen, dem Weizen bringt es grossen Segen.
(Die drei Azius sind: Pankratius, 12. Mai; Servatius, 13. Mai;
Bonifacius,5. Juni (in Ostpr. Bonifacius Märt. 14. Mai); — sie heissen
auch die „strengen Herren'', weil an diesen Tagen die Witterung
stets kalt ist). Böbel hat die hierhergehörigen Reime für Westpr. in
folgender Fassung: Pankratius, Horatius, Servatius, der Gärtner sie
beachten muss; gehn sie vorüber ohne Regen, dem Weizen bringt es
grossen Segen. — Mamertus (11. Mai), Pankratius, , Servatius haben
oft Kälte und Ärgernus. — Pankratius und Urbanus (25. Mai) ohne
Regen bringt grossen Erntesegen.
Wenn es Pfingsten regnet, wird keine Frucht gesegnet, — giebt
es eine nasse Ernte.
Regnet es am Medard listige (8. Juni), so ist in 40 Tagen kein
beständiges Wetter zu erwarten. — Medardi Regen giebt der Gerste
keinen Segen. — Was der Juni beregnet, lebt es, er auch segnet
(Westpr. Böbel 97.)
Regen am St. Vit i tag (15. Juni), die Gerste nicht vertragen mag.
0 heil'ger Veit, o regne nicht, damit es nicht an Gerst1 (Gras) gebricht!
Von St. Veit bis Johannistag viel Nässe nicht gedeihen mag.
Vor Johann (24. Juni) muss man um Regen bitten, nach Johann
kommt er von selbst. — Regnet es am Johannistage, so regnet es
Mäuse, — so giebt es eine nasse Ernte, — so gedeihen die Nüsse nicht. —
Johannisregen ohne Segen. (Braunsberg.)
Von H. Frischbier. 231
Regnet es an Sieben-Schläfern (27. Juni), so regnet es 7 Wochen.
Segnet es an Maria Heimsuchung (2. Juli), so regnet es 40 Tage
und man hat so lange kein Heu.
Regnet es am Sieben-Brüdertage (10. Juli), so regnet es
7 Wochen; ist aber der Tag schön und klar, so hält sich das Wetter
7 Wochen ebenso schön. — Sieben-Brflder Regen bringt weder Nutzen
noch Segen.
Wenn Margarete (13. Juli) pisst, d. h. wenn es an diesem Tage
regnet, dann pisst sie 7 Wochen, — dann geraten die Nüsse nicht. —
Wenn Margarete pisst, missrät die welsch" und Haselnuss. (Westpr.)
Ist Apostelteilung (15. Juli) ein schöner Tag, so hebt er den
Regen der sieben Brüder auf; regnet es jedoch an diesem Tage, so
hält der Regen noch 4 Wochen länger an — nach andern noch 7 Wochen.
Wenn't regent Magdalene (22. Juli), frett se de Nät' allene.
Morgenregen im August legt sich noch vor Mittag. — Wenn es
Bartholomäi regnet, wird der Herbst trocken und die Kartoffeln geraten
gut. (Ermland. Dönhoffstädt.)
Septemberregen dem Bauer gelegen. — Wie Ägidius (1. Septbr.)
sich verhält, ist der ganze Herbst bestellt. Regen an Ägiditag giebt
nassen Herbst. Ist an diesem Tage schönes Wetter, so dauert dieses
noch 4 Wochen. (Dönhoffstädt.) Regnet es am Michaelistage (29. Septbr.)
nicht, so kommt ein gutes Frühjahr, regnet es ohne Gewitter, so kommt
ein gelinder Winter. (Weslpr.)
Im November Wässerung ist den Wiesen Besserung.
Wenn es im Herbste weiss friert, ist bald Regen da. (Egsbg.
Böbel 115.)
Weihnachten nass, giebt leere Speicher und Fass. — Regnet es
unter der Miss', regnet es Woch' über gewiss. (Volkskal. 83 ff. N. Pr.
Prov.-Bl. a. F. X, S. 277 ff. Sprich w. I, 3105.)
Schnellen sich die Fische bei heiterem Himmel häufig aus dem
Wasser, so steht in Kürze Regen bevor. (Dönhoffstädt.)
Der Pirol (Regenvogel) zeigt durch sein anhaltendes Geschrei
nahen Regen an. Dasselbe thun die Hähne, wenn sie bei Tage viel
krähen. (Dönhoffstädt.)
232 " Zur volkstümlichen Naturkunde.
Wenn die Schafe viel springen und beim Heimtreiben hartnäckig
das Gras am Wege abfressen wollen, dann ist der Regen nicht weit.
(Dönhoffstädt.)
Wenn Salz, Steine, Mauern, die Fussböden tief gelegener Häuser
nass werden, die Wassertonne, die auf dem Lande in der Wohnstube
nahe am Kamin steht, von aussen feucht wird, dann giebt's Regen —
im Winter Tauwetter.
In der Gegend von Saalfeld giebt's Regen, wenn der untere Boden-
rand an Wassertonnen und Eimern, die Kimmje (Kimme) feucht wird.
(Lemke 107.)
Ein dampfender Wald verkündet Regen innerhalb 24 Stunden. —
Wenn es in der Sommernacht nicht taut, wird's am Tage darauf
regnen. — Regen ist in Aussicht, wenn das Fell des Hundes besonders
unangenehm riecht, und wenn der Hund Gras frisst. — Wenn dem
Menschen im Sommer „so faula zu Mute ist, giebt's Regen. — Ein
Wolkengebilde, das sich quer über den Himmel erstreckt und unge-
fähr einem Baume ahnt, welchen Namen es auch führt, verkündet einen
drei Tage anhaltenden Regen. (Saalfeld. Lemke 107.)
Wenn es vor 6 Uhr morgens zu regnen beginnt, so wird das Wetter
am Tage noch schön. (DöhnhofFstädt.)
Gewitterregen am Abend soll nie über nachts 12 Uhr andauern.
(Samland.)
Regenwasser ist ein gutes Mittel gegen Warzen. Man benetzt
mit dem Wasser, das sich auf einem Steine angesammelt hat, die
Warzen und geht, ohne zu sprechen und ohne sich umzusehen, weiter.
(Hohenstein. Toppen S. 55.)
Wenn es bei Sonnenschein regnet, so sagt man : der Wolf hat das
Fieber — die Wölfe pissen. (Sprichw. I, 4103.)
Einen hohen Hut, wohl auch einen Menschen von bedeutender
Körperlänge, nennt man einen Wolkenschieber.
Rätsel: Auf dem Lehm läuft er, in dem Sande geht er ohne
Spektakel. Po glinie, tylko plynie na piasku, bez trzasku. (Masuren.)
Der Regen. — Et heft noch nie twei Däg nau enander geregnet. Es
liegt eine Nacht zwischen zwei Tagen.
Von H. Friichbier. 233
Hagel.
De Hagel helft dem Regen op em Zägel — der Hagel hat den
Regen im Gefolge. (Samland.)
Wäscherinnen, welche Wäsche, die am Sonnabend Nachmittag ge-
waschen wurde, mit dem sogenannten Waschholze klopfen, rufen den Hagel
herbei, der die Feldfrüchte zerschlägt. (Volkskal. 144.)
Vor Hagelschlag bewahren die Johannisfeuer.
In Masuren wird der Hagel auf folgende Weise beschworen : Die
Hagelwolke anschauend, musst du dich segnen im N. 0. 2C; dann
sprich: Vater unser 2C. und darauf dies Gebet: 0 ihr schändlichen
Hagelwolken, es befiehlt euch Christus der Herr, der Mann Gottes, durch
mich seinen unwürdigen Diener, ihr sollet hinwegziehen nach andern
wüsten Orten und dort zerstieben, auf dass ihr den Dörfern, den Gärten,
den Feldern keinen Schaden thut durch Gottes Macht und mit des
Sohnes Gottes und des h. Geistes Hilfe. (Toppen S. 46.)
Tau und Beif.
Wenn sich der Tau des Sommers über der Niederung lange auf-
hält, so ist das nach Annahme der Bewohner der Höhe Vorzeichen
eines klaren Wetters. (Bock I, 361.)
Tau im März, um Pfingsten Reif, im August ein Nebelstreif.
(Westpr. Böbel 82.)
Der Tau ist im August so not, als jedermann sein täglich Brot;
entzieht er sich gen Himmel, herab kommt ein Getümmel. (Westpr.
Böbel 103.)
Taulose Nächte deuten auf nahen Regen. (Dönhoffstadt.)
Der Reif, namentlich früher Herbstreif, wird den dritten Tag vom
Regen abgespült. (Dönhoffstädt.)
Wenn im Advent Reif an den Bäumen sich zeigt, wird es ein frucht-
bares Jahr geben. (Masuren.)
Robrreift es in den Zwölften, so gerät die Gerste gut. (N. Pr.
Prov.-Bl. a. F. X, 280 u. 283.)
IVebel.
Wenn Nebel aus niedrigen Feldern, Flüssen und Teichen sich
langsam erheben und nach den Anhöhen aufsteigen, so regnet es bald;
4ltpr. MoMUichrlft Bd. XXIL Hft. 3 d. i 16
234 Zar volkstümlichen Naturkunde.
verziehen sie sich aber, oder die Sonne zerstreut und verzehret sie, so
bedeutet es schön Wetter. Erheben sich Nebel bei heiterem Himmel
und Aufgang der Sonne, so entstehen Stürme, wenn sie aber als ein
feiner Staubregen herabfallen, so bringen sie klares Wetter. Wenn des
Morgens eine Nebelwolke vor der Sonne hergehet, oder des Abends ein
dicker Nebel fällt, so regnet es gewöhnlich. (Bock, Nat. I, 360.)
Viel Nebel in den Zwölften verspricht für das kommende Jahr
Gedeihen des Rundgetreides. (Dönhoffstädt.)
Wenn es in den ersten Tagen der Zwölften neblig ist, gerät die
frühe, trifft der Nebel in die letzten Tage, die späte Gerstenaussaat.
(Heilsberg. Böbel 69.)
Nebel im Januar macht ein nass Frühjahr.
Soviel im Märzen Nebel steigen, soviel im Sommer sich Wetter
(Gewitter) zeigen. (N. Pr. Prov.-Bl. a. F. X. 275. 277.)
Hundert Tage nach einem Märznebel treten Regen und Gewitter ein.
(Ostpr. Böbel 80.)
So viele Mal im März Nebel eintritt, so oft giebt's von Gewittern
begleitete Regenfluten. Der kluge Bauer rechnet genau nach, damit er
mit ziemlicher Sicherheit seine Feldarbeiten regeln kann. (Samland.)
Viele Nebel im Herbst deuten auf schneereichen Winter. (Königs-
berg. Böbel 116.)
Schnee und Eis«
Wenn es schneit, so sagt man: Die Mutter Maria macht Bett, —
schüttet die Betten aus; in der Saalfelder Gegend: Frau Holle klopft
sich das Bett zurecht. (Lemke 108.)
Das Schneejahr gilt in Ostpreussen als ein reiches Jahr. (Medenau.
Böbel 120.) In Westpreussen heisst es dagegen : Viel Schnee viel Heu,
doch wenig Korn und Obst dabei. (Böbel 135.)
Kleiner Schnee bringt anhaltende Kälte; grosser vieleckiger, der
wie Wolle und Federn herabfällt, gemässigte Kälte oder Tauwetter.
(Bock, Nat. I, 362.)
Wenn zwischen Weihnachten und Neujahr grosse Schneeflocken
fallen, so sterben im nächsten Jahr vorzüglich alte Leute; fallen kleine
Schneeflocken, so sucht der Tod vorzüglich junge Leute. (Toppen S. 63.)
^
Von H. FriBchbier. 235
Ehe ein beständiger Winter eintritt, müssen erst sieben Winter
vergehen.
Die heiligen drei Könige (6. Januar) bauen entweder eine Brücke
oder zerbrechen eine. — Wenn (in Westpr.) de hillige Christ en Brügge
find't, so brickt he se, find't he kene, so raackt he ene. (Böbel 68.) —
Dasselbe thut Matthäus (24. Febr.) nach dem bekannten Spruche:
Matthees bricht Es,
Hat er kes,
Macht er wes.
Wenn's im Februar nicht tüchtig wintert, kommt die Kälte um
Ostern. — To Lichtmösse (2. Februar) geit de Schnei pösse. —
St. Dorothee (6. Febr.) bringt den meisten Schnee. (Westpr.)
Der Storch schnee muss herunter. (Storchschnee heisst der Schnee-
regen im März und April; ist er nicht gefallen, so können die Störche
nicht anlangen.)
Am St. Gregor (12. März) rennt der Schnee zum Meer. (Masuren.)
Bei Böbel: Am Gregorstag geht nunmehr der Winter in das Meer.
Friert es Maria Verkündigung (25. März), so haben wir noch
40 Nächte hindurch Frost zu erwarten.
März schnee ist Dung der Saat. (Bastenburg. Böbel 79.) Doch
heisst es auch: Märzschnee thut der Saat weh; Märzstaub golden Laub.
(Königsberg. Böbel 80.) — Wenn man sich mit Märzschnee wäscht,
so bleibt man immer jung. (Königsberg.)
Im März müssen die Sprinde zufrieren (wenn der Winter milde war).
(Dönhoffstädt)
Wenn der Schnee im Frühjahr mit Regen abgeht, giebt's häufig
Gewitter. (Bastenburg. Böbel 113.)
Sei der April auch noch so gut, er schickt dem Schäfer doch
Schnee auf den Hut. Doch : Im April ein tiefer Schnee, keinem Dinge
thut er weh. (Westpr. Böbel 88.)
Friert's in der Nacht zum 10. April, so friert es noch 40 Nächte.
(Willgaiten. Samland.)
Kommt St Georg (23. April) auf dem Schimmel geritten, so giebt
es ein gutes Frühjahr, (Memel.)
Der Mai ist selten so gut, er bringt dem Zaunpfahl noch einen Hut.
16*
236 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Wenn am Jakobstage (25. Juli) weisse Wölkchen bei Sonnen-
schein am Himmel stehen, so sagt man : Der Schnee blüht für den
nächsten Winter. (Westpr. Böbel 37.)
Viel Frost und Schuee im Oktober deuten auf einen unbeständigen
Winter; in Westpr. (nach Böbel 107) auf milde Witterung im Januar.
St. Gallen (16. Okt.) lässt Schnee fallen.— Ist es zu St Gallen
trocken, so folgt ein trockner Sommer. (Westpr.)
Fällt im November der erste Schnee auf gefrorenes Land, so
folgt eine reiche Ernte; im Gegenteil ist dies nicht der Fall. — Fällt
im November der Schnee in den Kot, giebt's grosse Not. (Böbel 110.) —
Fällt der erste Schnee in den Dreck, so ist der Winter ein arger Geck.
(Medenau* Böbel 116.) -— Fällt der erste Schnee ins Nasse, so bleibt er,
fällt er ins Trockne, so geht er bald wieder ab. (Memel. Böbel 120.)
Wenn's um Martin (11. Novbr.) friert, gehen die Gänse zu Weih-
nachten „aufm" Dreck. Auch: Tritt die Gans Martini auf Eis, tritt
sie Weihnachten auf Seh—.
Katharinen (25. Novbr.) Winter, ein Plack winter.
St. Simon Jüd (Simon u. Juda, 28. Novbr.) bringt den Winter
unter de Lud'. (Westpr.)
Andreas (30. Novbr.) Schnee thut den Saaten weh.
Kälte im November und Dezember ist nicht von Dauer: — um
Neujahr tritt Tauwetter ein; geschieht dies aber nicht, so folgt ein
anhaltender Winter.
Dezember kalt mit Schnee giebt Korn auf jeder Höh'. — Kalter
Dezember mit vielem Schnee verheisst ein fruchtbares Jahr. (Pr. Prov.-Bl.
a. F. X, 276 ff. Toppen S. 63. Böbel 111.)
Zur Bezeichnung eines starken Frostes hört man die Redensarten:
Es friert, dass die Katzen miauen — es friert Keulen; es friert einem
das Brot, die Seele im Leibe — das Wasser im Maul, — frieren, dass
einem die Seele im Leibe pfeift. (Sprichw. I, 994 f.; II, 810.)
Bätsei: Der Schnee: Ich bin glänzend, weiss und rein, aber
schmutzig hinterdrein. — Et war e mal e Mann von Hacketecke,
de hadd e wittet Lake on wull de ganze Welt bedecke on kern nich
Uwer't Wäter. Auch: Kern e Mannke von Höckepöcke, hadd e grotet Lake,
Von H. Frischbier. 237
kunn de ganze Welt bespanne, kunn nich äwer't Wäter. (Gerdauen.) —
Kommt ein (der) Vogel Federlos, setzt sich auf den Baum Blattlos,
kommt die Jungfer Mundlos und frisst den Vogel Federlos vom Baume
Blattlos. In Litauen lautet dies Rätsel, das sich schon im „Keterbüchlein"
vom Jahre 1562 findet, nach Schleicher, Lit. Märchen :c. S. 208: Kam
geflogen ein Vogel von Osten und setzte sich auf einen Baum ohne
Aste; kam eine Jungfrau ohne Fusse und verzehrte ohne Lippen den
Vogel. — Was hat keinen Hintern und sitzt, was hat keine Zähne
und beisst? Schnee und Frost. Co dupi nie ma, a siedzi, co zgbow
nie ma a k%sa. (Masuren.)
Das Eis: Et ös e Brügg, de heft keinMönsch gemäkt, se ös nich
von Sten, ok nich von Holt, on könne doch Mönsche on Perd' dräwer
gäne. — E 61er Korw, e nüer Deckel. Ein zugefrorner Teich.
Der Eiszapfen: Rund om ons Hüs Kriggelkraggelkrüs. Wenn
de Sonnke schint, desto doller grint Kriggelkraggelkrüs rund om ons
Hüs. — Hinger onsem Hüs hängt de Kruckelkrüs, wenn nu fangt de
Sonn' to schlne, fangt de Kruckelkrüs to grine. Statt dieser Namen
noch: Kuckernüs (Angerburg) — Kringkrangkrüs (Wehlack) — Kunkel-
füs — Komkelfüs — Peter Krüs (Kraus). — Die letzten Verse lauten
auch: Je mehr (je doller) de lewe Sonnke schint, je mehr *c. grint.—
Sonnke schint, Bommelke grint. (Süllen.)
IL Die Elemente.
Feuer und Wasser«
Die Wissenschaft hat zwar die „vier Elemente, innig gesellt", ausser
Kurs gesetzt; dennoch aber „bilden Feuer, Wasser, Luft und Erde noch
immer das Leben und bauen die Weltu.
Das Volksrätsel sagt von ihnen: Vier Brüder sandte Gott in die
Welt: der erste läuft und wird nicht matt, der zweite frisst und wird
nicht satt, der dritte frisst und wird nicht voll, der vierte pfeift und
rast wie toll. (N. Pr. Prov.-Bl. X, 291.)
Unter diesen „vier Brüdern" sind namentlich Feuer und Wasser
für den schlichten Mann des Volkes von hervorragender Bedeutung :
er weiss ihren Wert zu schätzen und fürchtet ihre Gewalt.
238 ^ur ▼oHMtÜrolichen Naturkunde.
Die „furchtbare Himmelsmacht" des Feuers jagt ihm Schrecken
ein, und da menschliche Kraft der „freien Tochter der Natur" oft ohn-
mächtig gegenübersteht, liegt es nahe, höhere Gewalten zur Fesselung
dieses zerstörenden Elementes anzurufen.
So begegnen wir denn auch mancher Zauberformel, welche im stände
ist, die Gewalt des Feuers zu dämpfen und ihr ein Halt zu gebieten,
und es würden deren mehr bekannt sein, wenn nicht die Wissenden
ihre Kunst geheim hielten und des Glaubens lebten, dass diese durch
Verrat geschwächt werde.
Den nachfolgenden Segensspruch, der die Kraft besitzt, eine Feuers-
brunst zu dämpfen, wenn man ihn dreimal gegen das Feuer spricht und
darauf das Vater unser betet ohne Amen zu sagen, ist mir von dem
Lehrer Nippa in Budweitschen, Kr. Goldap, mitgeteilt. Derselbe bemerkt
in dem Begleitschreiben, dass er die Formel (vor etwa 40 Jahren) von
dem pensionierten Lehrer Kornatz in Lissen, Kr. Angerburg, gleichsam
als ein teuerwertes Vermächtnis erhalten habe, auf dass mit dessen
Tode der Segen des Spruches nicht untergehe. Die Formel, inzwischen
in „Hexenspruch und Zauberbann" veröffentlicht, lautet:
Bauch und Feuer, stehe stille
Um Christi, unsres Erlösers Wille,
Und behalte bei dir Feuer und Flamme,
Wie Maria ihre Jungfrauschaft vor und nach ihrem Manne.
I. N. G. je.
Der das Feuer Besprechende muss zu Pferde sitzen und zwar aut
einem „weissen" Schimmel. Er umreitet dreimal die Brandstätte, spricht
dabei die beschwörende Formel und jagt nach vollendeter Besegnung
nach der Eichtung davon, in welcher keine Gebäude stehen. Sogleich
dreht sich der Wind, und die Flamme eilt dem Davonjagenden nach.
(Dönhoffstädt.)
Nach einer Mitteilung aus Alt-Pillau wirft der das Feuer Be-
schwörende ein Stück Zinn in die Flammen, worauf die bekannte Sator-
Formel geschrieben steht.
So wie der dreifache Umritt um das brennende Gebäude geschehen,
wirft der Beratende das Zinn im Namen des dreieinigen Gottes in die
Flammen und jagt schnell davon. Das Zinn zerschmilzt, das Feuer erlischt.
Von H. Frischbier. 239
Aus Plibischken, Kr. Wehlau, ist mir die nachfolgende Formel
mitgeteilt, welche während eines dreimaligen Umganges um die Brand-
stätte zu sprechen ist:
Feuer, Feuer, du heissest Flamme,
Dich (!) gebietet Gottes Lamme,
Dass du sollest stille stehn
Und Dicht mehr sollst weiter gehn!
Weitere Formeln gegen Feuersbrünste s. Toppen S. 47. 49; vgl.
auch Hexenspr. S. 108 ff.
Pisanski, in seinen Überbleibseln des Heidentums *c. in Preussen
(No. 22, §. 7), leitet aus der hohen Verehrung, die dem Feuer in früherer
Zeit zu teil wurde, die (heute wohl kaum noch übliche) Gewohnheit her,
„dass man einander einen guten Abend wünschet, sobald des Abends
zuerst ein Licht in die Stube gebracht wird, wenn diese Höflichkeits-
bezeigung gleich vor Anzündung desselben bereits beobachtet wäreu.
Derselbe berichtet noch: Am Johannistage abends versammelt sich
das Dorf, legt Heiser zusammen, macht ein Feuer, tanzt und jauchzt
um dasselbe. — Anderwärts löscht man alles Feuer an jenem Abende
aus, ein eichener Pfahl wird eingerammt, ein Bad hinaufgelegt und von
den Knechten umzech so lange gedreht, bis es zündet. Jeder nimmt
alsdann einen Brand nach Hause und steckt das Feuer wieder an.
An vielen Orten Preussens und Litauens werden noch am Abende
vor Johann die s. g. Johannsfeuer angeschürt; man sieht sie dann
auf allen Höhen, so weit das Auge reicht. Diese Feuer helfen gegen
Gewitter, Hagelschlag und Viehsterben, besonders wenn man am folgen-
den Morgen das Vieh über die Brandstelle auf die Weide treibt; auch
dienen sie gegen allerlei Zauberei und Milchbenehmung.
Darum gehen die Bursche, welche die Feuer anzündeten, am folgen-
den Morgen von Haus zu Haus und sammeln Milch ein. (Volkskai. 109.
Preuss. Wörterb. I, 317.)
Wenn das Feuer auf dem Herde oder im Ofen knistert und prasselt
und braust, so geht eine Hexe hindurch (Wehlau), — so wird man
beschändet. (Dönhoffstädt.) Schüttet man Salz hinein, so wird die Hexe
vertrieben, die Lästerzunge von Blasen heimgesucht. — Brausendes
Feuer zeigt auch kommenden Verdruss im Hause an; man hält ihn
240
Zur volkstümlichen Naturkunde.
fern, wenn man dreimal ins Feuer speit. (Königsberg.) Letzteres hilft auch
gegen die Verleumdung, indem es die Lästerzunge bindet. (Dönhoffstädt)
Wenn man von jemand Feuer oder Licht erbittet, so darf man,
wenn man's erhalten, nicht danken, sonst verfolgt eineu das Feuer. (Kgsbg.)
Dass die Kraft des Feuers als Bild für manche volkstümliche Rede
gedient, ist selbstverständlich; ich beschränke mich bei Anführung solcher
Kedensarten — wie bisher — ausschliesslich auf die Provinz Preussen.
Ben Akiba der Weise sagt: Es giebt nichts Neues unter der Sonne,
und der kluge Kömer wusste, dass ihm, dem Menschen, das Menschliche
nicht fern bleibe; die preussische (deutsche) Volksweisheit drückt die-
selben Gedanken durch die Redensart aus: Es wird überall mit
Feuer (mit Wasser) gekocht.
Cholerische Menschen sind gleich Feuer und Fett gegen einander,
und jeder Leichterregte und Aufbrausende ist wie angestecktes Feuer,
ist gleich Feuer und Flamme. Dem Trägen und Langsamen, dem
Phlegmatischen dagegen legt man Feuer in oder unter die Socken,
unter die Sohlen, unter die Füsse, oder macht ihm gar Feuer
unter den Zagel, damit er vorwärts, damit er aus seiner Buhe komme.
Dass überall mit Wasser gekocht wird, hörten wir eben. Das
Volk weiss überhaupt den Wert des Wassers zu schätzen: Man muss
selbst das unreine Wasser nicht eher ausgiessen, als bis
man reines hat — will sagen, eine gute Stellung soll man nicht
aufgeben, ehe man nicht eine bessere gefunden. Spi nich ön't
Wäter, dat du noch drinke motst! ruft man in Ostpreussen, und
der Litauer hat diese Mahnung sogar in verstärkter Form: Spuck
nicht in die Pfütze, vielleicht wirst du später selbst daraus
trinken. (Schleicher S. 185.)°)
Dennoch ist das Volk unter Umständen auch zugleich ein herber
Verächter des Wassers: — Wasser giess' ich mir nicht einmal
in die Stiebel! Vom Wassertrinken bekommt man Läuse
(Filzläuse) in den Magen! sagt der Freund des Bieres, Branntweins
•) Littauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder von A, Schleicher.
Weimar 1857.
Von H. Frischbier. 241
und Weins, wohl wissend, dass Wasser mag're Poeten macht. Der Jagend
dagegen weiss er das Wasser als das passendste und zuträglichste Getränk
zu empfehlen; die nach starkem Getränken verlangenden Kinder er-
halten die ablehnende Weisung: Wasser für die Gans9!
Es giebt Leute, die sich so unschuldsvoll und schüchtern zu geben
wissen, als könnten sie kein Wasser betrüben, d. h. trüben, und
dennoch haben sie den Teufel im Nacken und den Schalk im Herzen.
Würde man solchen Leuten in ihren verkehrten Ansichten oder schlechten
Absichten beistimmen, so wäre das Wasser auf ihre Mühle.
Eine Sache oder Arbeit, die sich nicht so leicht und schnell ab-
thun oder beenden lässt, braucht zu ihrer besonnenen Ausfuhrung Zeit,
es muss bis dahin noch viel Wasser den Berg hinunterlaufen —
und dass das Wasser den Berg nicht hinaufläuft, weiss der Bauer
so gut wie der Gelehrte, beide wollen daher nicht Unmögliches aus-
geführt sehen.
Eine besondere Wunderkraft schreibt das Volk dem Osterwasse r,
d. h. dem in der Osternacht vor Sonnenaufgang geschöpften Wasser, zu.
Es soll die Schönheit nicht allein erhalten, sondern auch erzeugen, die
Sommersprossen und alle Ausschläge vertreiben, auch gegen alle Krank-
heiten dienen und nie faulen; daher bewahrt man es lange auf. Das
Osterwasser übt jedoch seine Wirkung nur, wenn der Träger desselben
bei dem Hin- und fiückgange und während des Schöpfens kein Wort
gesprochen hat. Ihn zu solchem Vergehen zu verlocken oder zu reizen,
finden sich immer mutwillige oder schadenfrohe Leute genug.
Schöpft man am Ostermorgen vor Sonnenaufgang drei Löffel fliessen-
des Wasser, trinkt sie aus und spricht: Untergehn, auferstehn, immer
treu, ewig neu! so kann der, an den man denkt, nimmer von einem
lassen. (Westpr. Böbel 61.)
Ein Bad in der Osternacht schützt gegen das Fieber, beseitigt
Flechten und andere Hautausschläge. Pferde, welche in der Osternacht
geschwemmt werden, bleiben bewahrt vor aller Krankheit; nur muss
dafür gesorgt werden, .dass sie vor Sonnenaufgang wieder im Stalle sind.
An manchen Orten begiessen sich Jünglinge und Mädchen am
Ostermorgen gegenseitig mit Wasser, was die Gesundheit erhalten soll.
242 Zur ▼olkstömlichen Naturkunde.
Am Ostertage darf jedoch kein Wasser verspritzt werden, weil sich sonst
die Fliegen vermehren würden. ( Volks kal. 84 je. Toppen S. 69.)
Das Wunder, welches Christus auf der Hochzeit zu Kana vollzog:
Wasser in Wein zu verwandeln, vollzieht sich nach der Volksmeinung
in besonders heiligen Stunden noch unmittelbar. Als solche werden
genannt: die Stunde von 11 bis 12 in der Weihnachtsnacht, die Oster-
nacht und die Johannisnacht.
Linemann in Delicae calendariographicae erzählt Bogen B3*, dass
ein alter Preusse in der Christnacht auf das Wasser gelauscht habe,
„aus Ursach einen guten Bausch davon zu tragen, und es allezeit ge-
schmecket, bis endlich aus dem Wasser war Wein geworden, da habe
er gesaget: Dat Water dat es Wyn, bald aber habe der Teufel
geantwortet: ün Vagel, du best myn".
Wind und Wetter.
Auf Wind und Wetter haben die Menschen, vorzugsweise aber alte
Frauen, bedeutenden Einfluss. In Pommerellen sagt das Volk: Wenn
alte Weiber mit einem freundlichen Gesicht aufstehen, haben die Leute
gut waschen. Es ist dann, nach der Volksansicht, gut Wetter. Gut
Wetter wird's auch, wenn die Spitalweiber aufstehen. Und hat's am
Vormittage geregnet, so wird nachmittags, wenn die Spitalweiber sich
ausgeräuspert haben, besser Wetter. (Mannhardt, Germ. Mythen 653.) —
Wenn in einem Hause grosse Wäsche stattfindet, müssen alle Familien-
glieder freundliche Gesichter zeigen, damit das Wetter gut bleibe. —
„Beine Schüssel zu machen", d. h. alles zu verzehren, damit schönes
Wetter bleibe, resp. werde — ist eine stehende Aufforderung der Haus-
frauen bei der Mahlzeit, wenn oft auch nur als blosse Nötigungsformel
angewandt. — E ohl Wiew hefft söck opgehängt — ein altes
Weib hat sich aufgehängt — sagt man, wenn starker Wind weht.
(Sprichw. I, 4004.) — Wenn sich jemand erhängt hat, so stürmt es,
und erst am Begräbnistage des Toten, also am dritten Tage, legt sich
der Sturm. (Lubainen. Toppen 107.) — In der Gegend von Saalfeld
sagt man, wenn der Sturm heult, wolle sich jemand aufhängen; so lange
der Sturm anhält, sucht der Selbstmörder den Strick. (Lemke 108.)
Von H. Frischbier. 243
Wind und sturmisches Wetter giebt es, wenn die Schafe auf der
Weide lebhaft umherspringen, die Böcke sich stossen, das Vieh auf dem
Felde unruhig wird, Möwen sich in Gegenden zeigen, in denen sie sich
nicht aufhalten.
Vorzeichen eines schlechten Wetters sind das Geschrei der Hähne,
Esel und Pfauen. (Dönhoffstädt.)
Wenn der Kapitän eine* Schiffes, nach den Segeln sehend, leise
pfeift, so ruft er dadurch stärkeren Wind herbei. (Altpreuss. Geschichten
von dem Einen und dem Andern. Berlin 1882. S. 334.)
Im Wirbelwinde fährt nach dem Volksglauben der Teufel und
bringt allerlei Krankheiten mit. Wird man von einem Wirbelwinde
überrascht, so darf man nur ausrufen: Pfui, pfui, Schweinsdreck! und jede
Gefahr wird abgewendet. (Dubeningken. Sprichw. 1, 3448.) — In Masuren
hält man ebenfalls dämonische Kräfte im Wirbelwinde thätig. Man hört
dann ganz gewöhnlich den Ausruf: Der Teufel fährt zur Hochzeit.
Wenn der Wirbelwind so stark ist, dass von ihm auch Erde aufgerührt
und mitgeführt wird, so sagt man: Ein Pferd fliegt durch die Wolken —
Ausdrücke, die sehr lebhaft an Wodans wilde Jagd erinnern. (Toppen 34.)
Zieht eia starker Wind vorüber, oder erhebt sich bei vorher ruhiger
Luft plötzlich ein heftiger Windstoss, dem die frühere Buhe folgt, so
fliegt der Teufel vorüber (über den Schornstein).
Im Oberlande hört man, wenn der Wind ein Boggenfeld wellen-
artig bewegt, die Bedensart: Der Wolf jagt die Schafe. (Sprichw. 1, 4100.)
Dass die Bichtung des Windes von wesentlichem Einfluss auf die
Witterung ist, lehrt die Meteorologie; aber auch der Volksmund weiss
die nach dieser Bichtung hin gemachten Erfahrungen klug und gewandt
auszudrücken :
Ös de Wind Sude,
Denn regent es nich morge, denn regent es lüde;
Ös de Wind Weste,
Denn regent es aufs beste.
(Einlage bei Elbing.)
In den Sprichw. I, 4057 heisst ein ähnlicher Beim:
Wenn de Wind kömmt ut Sude,
Wart et regne, morge vielleicht, oder noch hide.
244 ^nr Tolk«täin liehen Naturkunde.
Wie der Wind am Quatember steht (und den ersten Dienstag
nachher), so bleibt er vorherrschend das ganze Vierteljahr. (Memel.
Böbel 59.)
Ans welcher Gegend der Wind am Vormittage des Ostersonntags
(sonnabends) webt, nach der wendet er sich bis Michaelis (29. Septbr.)
gleich wieder, wenn er sich auch einmal entfernt. (Strasburg Westpr.
Böbel 61.)
Geht der Wind durch Nord nach Ost, so bleibt er stehn, geht er
aber durch Süd nach Ost, so springt er bald zurück. (Labiau. Böbel 118.)
Nach Bock, Nat. 1, 364 „kann man es in Preussen beinahe für untrüg-
lich annehmen, dass, wenn der Wind im Winter und Frühjahr in Norden
eine Weile stehet, alsdann stufenweise nach Osten rücket, auch da sich
aufhält und dabei nicht ungestüm ist, alsdann klare und fröstliche
Witterung erfolge. Gemeiniglich wird der Wind, der eine Weile ans
einer Gegend gestanden, von einem ihm entgegengesetzten abgelöst,
und folget auf einen langen Ostwind ein Wind aus Westen.14
Wenn man einem mit gutem Winde in entgegengesetzter Richtung
ab- oder vorbeisegelnden Kahne einen Reisigbesen nachwirft, dreht sich
der Wind für den Besenwerfer günstig. (Kurisches Haff. Altpreuss.
Monatsschr. IV, 300.)
Nordwind im Februar und Juni versprechen eine sehr ergiebige
Ernte; Nordwind (aber auch Ostwind) am Michaelistage (29. Septbr.)
deuten auf einen harten Winter. — Nord und Ost bedeuten starken
Winterfrost. (Westpr.) — Wenn Nordwind im Februar nicht will, so
kommt er sicher in April. (Westpr. Böbel 76.)
Wenn es am Michaelistage morgens und mittags windig ist,
so wird es im Herbste teuer werden; ist nachmittags stilles Wetter,
so wird's im Frühjahre wohlfeil sein.
Redensarten: Er hat sich Wind um die Nase wehen lassen,
d. h. er hat im Leben viel durchgemacht, reiche Erfahrungen ge-
sammelt. — Gegen den Wind kann man nicht pusten (blasen) — dient
als Entschuldigung, wenn man seine eigene berechtigte Ansicht gegen
die Meinung eines Höhergestellten aufgiebt. — Der Wind heult (bläst)
heute aus einem andern Loch — sagt man, wenn jemand seine Ansiebt
Von H. Frischbier. 245
geändert hat — Zar Bezeichnung leichtsinniger Leute hört man: Er ist
ein windiger Backer — ein windiges Strick — ein Windikus — ein Wind-
sack — er hat viel Wind im Kopfe. — Dem Abgemagerten bläst der
Wind durch die Backen. — Der arme Mensch hat den Wind immer von
vorne (in Masuren : Dem Armen ist der Wind immer in die Augen —
Biednemu zawsze wiatr w oczy.) — Der Wind jagt wohl Sandberge
zusammen, aber keine dicken Bäuche. (Sprichw. I, 114. 5052 ff. 4329.)
Bätsei: Zackerbacker geit längs dat Acker, bröllt wie e B&r, heft
kein Hat on kein Här. (Säulen.) — Hier und da, allerwegen, wo man
nicht kann das Pfund auswägen. — Hinter meinem Hause geht es
immer husch, husch, husch.
Einderreime: De Wind dei weiht, de Hahn dei kreiht, de Foss
liggt ön dem (underm) Erat. Jungfer Brut, komm herüt, l&t ons doch
e mal danze! (Danzig.) — De Wind dei weiht, de Hahn dei kreiht,
he sott op'm Tun on frett Plüm'. öck segg1, he sull m! 6k wat gewen :
he schmött möt lüter Stenke. Öck schmlt em wedder on troff em op
sin'n E&hlkopp, do säd he : Meister Jakob ! (Pommerellen. Volksr. 187 f.)
Die Witterung des ganzen Jahres wird in der Zeit der Zwölften
(25. Dezbr. bis 6. Januar) bestimmt und zwar in der Weise, dass jeder
Tag der Zwölften die Witterung eines Monats voraussagt: der 25. Dezbr.
für den Januar, der 26. Dezbr. für den Februar u. s. w. Jeder Tag
der Zwölften wird ausserdem noch in vier Teile (6 Uhr abends bis
12 Uhr Mitternacht, bis 6 Uhr morgens, bis 12 Uhr mittags) zerlegt,
und jedes solches Viertel giebt die Witterung für ein Viertel, d. h. eine
Woche des bestimmten Monats. (Volkskal. 18.) Aus dieser Volks-
meinung resultiert der Beim: Wie das Wetter amMakarius (2. Jan.)
war, so wird's im September, trüb oder klar. Nach Böbel 69 deutet
der helle Tag einen trüben Monat an, und umgekehrt.
Ein sehr wichtiger Tag für die Volkswetterkunde ist der St. Vinzenz*
tag (22. Jan.), denn: Wie das Wetter im St. Vinzent war, wird es sein
das ganze Jahr.
Ausser diesem Tage sind für die Witterung noch von Bedeutung
der Medardustag (8. Juni) und der Ägidiustag (1. Septbr.): Wie's
wittert am Medardustag, bleibt es* sechs Wochen lang hernach. —
246 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Wie Ägidiu8 sich verhält, ist der ganze Herbst bestellt. Und: v Wie der
Hirsch in die Brunst tritt (am Ägidiustage), so tritt er wieder heraus
(Michaeli, 29. Septbr.). (N. Pr. Prov.-Bl. a. F. X, 274. 279. 281.)
Das Wetter des April ist auch durch seine Unbeständigkeit sprich-
wörtlich geworden : er kann uns auch mit dem Wetter „narren wie er wilR
Von Tagen sind für die Witterung die Quatembertage und der
Freitag von Bedeutung: Wie Wind und Wetter am Quatembertage sind,
so gestalten sie sich auch in der Zeit bis zum nächsten Quatembertage —
und so wie das Wetter am Freitage ist, so ist es auch an dem folgen-
den Sonntage.
Als Wetterpropheten treten unter den Tieren Hahn, Hund
und Schwein auf. Wenn die Hähne stark krähen, der Pirol schreit, die
Hunde Gras fressen und die Schweine Lager tragen, d. h: Stroh schleppen,
so giebt es schlecht Wetter. (Vgl. Regen.)
Redensarten. Dass die Veränderlichkeit des Wetters auch zur
Bezeichnung des entsprechenden menschlichen Charakters hat herhalten
müssen, versteht sich von selbst; wer seine Meinungen und Ansichten
oft wechselt ist — wetterwendisch. Wer sich im Gewissen schuldig
fühlt, kommt zu dem, dessen Zorn er fürchtet, wie das nasse Wetter,
er zieht sich vor ihm wie das nasse Wetter und bittet ihn schliess-
lich um schön Wetter, d. h. um Nachsicht und Vergebung. Wenn
erwachsene Leute mit einander wie Kinder sich gebärden, kalbern oder
albern, so sagt man: es giebt gut Wetter, die Kälber spielen. Hin
und wieder hört man in solchen Fällen auch: Wir werden schlecht
Wetter kriegen, die Eselchen spielen. Ist das Wetter gar zu schaurig,
so verlässt den geduldigen Deutschen seine kostbarste Tugend dennoch
nicht; er tröstet sich mit $em Satze: Schlecht Wetter ist besser
wie gar keins! — Kurisches Wetter ist rauhes, unbeständiges
Wetter, bezeichnet aber auch den Donner und gilt als Fluch. (Sprich w.
I, 4037 ff. Preuss. Wörterb. I, 449; H, 466.)
Erde.
Wenn das Land reich ist, ist das Wasser arm. — Wer Land hat,
mu99 eine Hand haben. — Wer Land hat, hat Streit. — Der Mergel
macht reiche Väter, aber arme Kinder. — Was stinkt, das düngt. (Vgl.
Sprichw. I, 2285; II, 2580.)
Von H. Frischbier. 247
in. Tiere.
Säugetiere.
Allgemeines.
Will uns jemand ein Tier abkaufen, so müssen wir entweder es
dem Käufer überlassen, oder einen so hohen Preis fordern, dass er vom
Kaufe selber absteht, sonst stirbt das Tier bald. (N. Pr. Prov.-Bl. I, 36.)
Wenn man ein Stück Vieh gekauft hat, so muss man es sogleich
mit „Drank" begiessen, damit es niemand behexen könne.
Wird ein Tier geschlachtet, so darf man's nicht bemitleiden, es
würde sonst nur schwer sterben können; auch verblutet es nicht gut.
(Friedland i. Ostpr.) Vgl. Simon Grünau, hrsg. v. Perlbach S. 90: Item
und man ein fisch oder vieh abthut und is beclaget, sie meinen, es
möge nicht sterben, man beschreit es denne.
Am ersten Ostertage bei Sonnenuntergang bestreut man die Haus-
tiere: Pferde, Rinder, Geflügel u. s. w. schweigend mit der Herdasche,
welche man an einem Tage der Zwölften gesammelt hat, — sie bleiben
dann das Jahr hindurch frei von allem Ungeziefer. (Dönhoffstädt.)
Man jagt das Vieh mit Ruten aus, die der Dorfshirte den Haus-
haltungen am Ostertage überbracht hat (wofür er Geschenke erhält), —
das Vieh kehrt dann stets gut zurück. (N. Pr. Prov.-Bl. X, 118.)
So lange das Vieh auf die Weide geht, muss nach Sonnenunter-
gang nicht gesponnen werden, damit das Zugvieh bei der Arbeit nicht
geifere und auch nicht zu Schaden komme. (Angerburg. Goldap.)
Wenn jemand dein Vieh lobt, so sage im stillen: Du kannst ihm
im A. lecken! und das Tier bleibt nnverrufen. (Darkehmen.)
Die Tiere können in der Neujahrsnacht von. 11 bis 12 Uhr sprechen.
(Lubainen. Toppen 66.) Im Samlande (auch in Gilgenburg) reden die
Tiere in der Weihnachtsnacht in der angegebenen Stunde. Volkskai. 14.
Man muss sich jedoch hüten, die Gespräche der Tiere zu belauschen,
wer sie auch nur zufälligerweise hört, der stirbt. Toppen 74. Vgl. Pferd.
Fledermau«.
Namen: Flattermaus, Fladdermaus, pltd. Fladdermüs, Fleddermüs.
Die Fledermaus fliegt dem Menschen gern in die Haare und ver-
wickelt sich darin derart, das man sie schwer losbekommt.
248 Zar volkstümlichen Naturkunde.
Nach einer Notiz in dem Nachlasse von Keusch ") hat der un-
fehlbares Glück, der eine Fledermaus im Hause findet. Im Erralande da-
gegen herrscht der Glaube, dass eine Fledermaus im Hause Unglück bringe.
Über die Brüderschaft zwischen Fledermaus und Eule s. Eule. Vgl.
Pr. Wörterb. I, 195. n)
Katze.
Namen: pltd. Katt, masc. Kater; im Scherze Dachhase. Rufname:
Mfs, Mischen, Miz, Mizchen, Mizel, Misekatz, Pikatz, Puikatz, Puäch,
Puäche, Püäche, Püse, Puschchen, Puschke, Puschkatze, Puschkaterchen,
Mausekatz, Mausepeter. In der Saalfelder Gegend heisst die Katze:
Schmigglfn, Lieschen, Jettchen, Just; der Eater: Peter (allgemein),
Schnurr, Fuchs; beide nennt man auch Mühsam, weil sie mit Mühe und
Fleiss Mäuse fangen. Der üblichste Zuruf ist Pi Pi! PuschPusch! zur
Katze, Puscher Puscher! zum Kater. (S. Volksr. 242. Lemke 88.)
Die Namen der Katze überträgt man gern auf Kinder, namentlich
Mädchen: Mizchen, Mischen, Puschchen je. Die Katzen und die Kinder
streichelt man gern: man puächeit, puschit sie.
Mädchen, welche die Katze gut füttern, haben zu ihrer Hochzeit
schönes Wetter: die Katze ist das Tier der Freija, der Göttin der Ehe.
Wenn sich die Katze „wäscht", putzt, so kommen denselben Tag
noch Gäste und zwar von der Seite, von welcher sie beim Putzen mit
der Pfote ausholt. Dies gilt allgemein; in der Gegend von Passenheim
verkündet die Katze auch Besuch, wenn sie sich den Hintern leckt.
In derselben Gegend erkennt man aus dem Platze, wo sie sich putzt,
die Art des Besuches: geschieht dies am Fenster, so kommt ein vor-
nehmer Gast, thut sie's an der Thür oder auf der Ofenbank, so hat
man einen Bettler zu erwarten. Wäscht die Katze den Vorderteil ihres
Körpers, so giebt's Herrenbesuch; putzt sie den Hinterteil, so hat man
,0) Volkstümliches (in Handschrift) von f Dr. B. Keusch, von ihm selbst schon
»um grössten Teil in den Prenss. Provinzial-Blättern veröffentlicht Die betr. Blätter
sind mir von dem tenern Verstorbenen kurze Zeit vor seinem Tode zur beliebigen
Verwertung fibergeben worden. Das von mir daraus Benutzte ist mit „Keusch, Nach-
läse" bezeichnet
") Prenssisches Wörterbuch. Ost- und Westpreussische Provinzialismen jc
Von H. Frischbier. 2 Bde. Berlin 1882 f.
Von H. Priachbief. 249
Damenbesuch zu erwarten. (Pillau.) Nach E. Lemke wirft man in
der Saalfelder Gegend die Katze an die Siubenthür: kommt hierauf die
Katze in die Stube, so steht ein freundschaftlicher Besuch in Aussicht;
setzt sie sich still, oder bleibt sie stehen, so kommt ein Bettler.
Nagt die Katze reissend an Besen oder an andern Gegenständen,
so ist stürmische Witterung im Anzüge. (Pillau.) Im Ermlande ver-
kündet die Katze Wind, wenn sie die Thür kratzt. Schlechtes Wetter
giebt's, wenn die Katze Gras frisst.
Fuhrleute nehmen ungern eine Katze auf den Wagen; denn wer
eine Katze fährt, dem werden die Pferde müde. Daher wird beim
Wohnungswechsel die Katze auf dem Arme in die neue Wohnung ge-
tragen. (Samland. Fischhausen.) — Fuhrwerke, denen während der
Fahrt eine Katze über den Weg läuft, erleiden einen Unfall.
Lassen Katze und Hund gleichzeitig Wind, so entsteht ein Gespenst.
(Beusch, Nachlass.)
Wenn eine Katze vor einem Hause schreit, so giebt es darin bald
Zank oder Unheil, selbst Tod. (Ostpr. Wuttke 271. ") Toppen 78.)
Hätte die Katze den langen Schwanz nicht, so könnte sie die Mäuse
nicht aus ihren Löchern locken. Jetzt hängt sie, vor dem Mausloche
sitzend, die Spitze ihres Schwanzes, welche nach Brot riechen soll, wedelnd
in das Loch und lockt so die Mäuse hervor. (Litauen.)
Die im Mai geborenen Katzen, die Maikatzen, werden ersäuft,
weil sie nicht gut mausen und viel schreien.
Jungfrauen oder Frauen dürfen nicht junge Katzen ersäufen, weil
ihnen sonst das Kochen, Braten oder Backen nicht gerät. (Dönhoffstädt.)
Wenn die Katze elend wird, „vertrocknet", wie die Leute sagen,
so muss man ihr die Spitze des Schwanzes abhacken; so kann sie wieder
gesund werden. (Lemke 89.)
Stirbt eine Katze, so muss man den Kadaver hoch über den Zaun
werfen, damit der Flachs hoch werde. (Hohenstein. Toppen 94.)
Wer im Finstern eine Katze jagt, hat zu befurchten, dass diese
13) Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart von Dr. A. Wuttke. 2. Aufl.
Bertin 1869. (Die Zahlen bezeichnen die Absätze des Werkes.)
Allpr. IfonatMohrift Bd. XX IL Hft. 3 u. 4. 17
250 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
sich in den Teufel verwandelt und für den Mutwillen sich rächt. (Dön-
hoffstädt.) Die Katze wird überhaupt als Hexentier gefürchtet.
Die Katze steht in dem Gerüche, (krumme) Eier zu legen; daher
man ein missratenes Machwerk wohl Katzenei zu nennen pflegt. Im
Volksreime heisst es:
Schu sehn scheike,
De Katt de lad e Eike,
War ök nich gerade,
De Katt (Eäter) sull't söck brade.
S. Volksr. 43.
Nach dem Volksrätsel hat die Katze twei Blanke (Augen), ver
Zanke (vier Krallenpfoten) und enen Brätspiess (den Schwanz). Der Kater
aber: sitt ut wi e Katt, heft e Kopp wi e Katt, Pote wi e Katt, müst
wi e Katt on ös doch kein' Katt.
Die Naschhaftigkeit der Katze bringt das Rätsel ebenfalls zum
Ausdruck :
De Glatte (Wurst) Längt,
De Rüge denkt:
Wenn öek di On mine Ranze hadd!
Vgl. Tierrätsel 25 ff. ,3)
Im Vergleich mit der Katze, ist der Mensch: wie eine Katze
falsch — schlau; er schmeichelt — , zeigt die Krallen wie die Katze,
sieht aus (auch: horcht auf — macht ein Gesicht) wie die Katze, wenn's
blitzt, — wenn's donnert, — wenn's wettert; er geht wie die Katze auf
Nussschalen; kickt wie die Katze in den Kalender; hat es innerlich
wie die Katze das Höchste. Man ist bei Eegenwetter nass wie eine
Katze; verträgt sich mit einem andern wie Katz* und Hund; geht herum,
wie die Katze um den heissen Brei; schleicht herum (zieht ab), wie
die Katze vom Taubenschlag. Der Schmeichler, Kriecher macht Katzen-
puckel — katzenpu ekelt; bei Prügeleien werden Katzenköpfe ausgeteilt.
Mancher Mensch ist wie ein Kater neugierig — verliebt (wie ein März-
kater); sieht aus wie ein geleckter Kater. (Korrespondenzbl. III, 52. ,4)
ia) Die Tierwelt in Volksrätseln aus der Provinz Preussen. Von H. Frischbier.
Zeitschrift für deutsche Philologie XI, 344 ff.
") Vergleiche mit Tieren. Von H. Frischbier. Korrespondenzblatt des Vereins
für niederdeutsche Sprachforschung. 3. Jahrgang. Hamburg 1878.
Von B. Frischbier. 251
Im Sprichwort und in sprichwörtlicher Redensart sind Eatze und
Kater reich vertreten. Im Dustern sind alle Katzen grau. Katzche
will auch was haben. Da Katz, hast 6k e Föschke, — e Platz, —
e Br&de! Das ist (man) für die Katz', wird nicht einmal die Katz'
gewahr, es ist zu wenig; ebenso: Das trägt die Katz' auf dem Zagel
(Schwanz) fort. Das ist für die Katz1 zu Büchsen, wertlos, unzureichend,
unzulänglich. Eine verlegte Sache hat die Katze mit dem Schwänze
bedeckt. Hat man erreicht, wonach man lange gestrebt, so hat man
die Katze im Sack. Eine Katze im Sack ist besser, als zehn auf dem
Dache. Übernimmt man eine Sache ohne Prüfung und nähere Besich-
tigung, so kauft man die Katze im Sack. Je mehr man die Katze
striegelt (streichelt), je höher hebt sie den Zagel. Sieht doch die Katz*
den Kaiser an, warum sollte der Mensch den Menschen nicht ansehen
dürfen? Die Katze lässt das Mausen nicht, die Weiber naschen gern.
Lass nur die Katze laufen, der Kater kriegt sie doch. Die Katze, welche
Handschuhe anhat, fängt keine Mäuse. Verlangen bei der Mahlzeit die
Kinder nach Fleisch, so sagt wohl der Vater zur Mutter: Bring1 de
Katt op e Dösch! Manche Speise, manches Qetränk schmeckt, Katz und
Hund zu vergeben. Wer tüchtig gegessen hat, darf unbesorgt sein:
die Katze wird ihm den Bauch nicht wegschleppen. Wirf die Katz1
wie du willst, sie fällt immer auf die Füss'. Man kann es hin und
her drehen, die Katz' kommt doch immer auf die Füsse zu stehen.
In einem zerlumpten Kleidungsstücke greifen zehn Katzen nicht eine
Maus. Man muss die Katze in die Sonne halten, wenn man für einen
andern etwas ausbaden, leiden muss. Wer im Kartenspiel Gluck hat,
hat mit der Katze (dem Kater) gehurt. Die ersten Katzen sind Mai-
katzen, welche nicht ausdauern, — ersäuft werden, d. h. die ersten
Gewinne beim Kartenspiel gehen wieder verloren. Sticht man die Karte
des Gegners, so heisst es: Onsf Katt kröggt 6k e Föschke. Bleibt jemand
in einem Vortrage stecken, so ist die Katz1 mit dem Ende weggerannt.
Wat von de Katt ös, lehrt (lernt) müse. Das sind die falschen Katzen,
die vorne lecken, hinten kratzen. Vögel, die früh singen, kriegt (frisst)
die Katz1. Wenn die Katze nicht zu Hause ist, tanzen die Mäuse auf
Tischen und Bänken. Was du sparst am Mund, frisst Katz und Hund.
17*
252 Znr ▼olkattimliehaii Naturkunde.
Katt, dat sullst du wete, ongegönut Brot ward oft geg&te! Danach
fragt keine Katz', die Sache ist ohne Interesse. Unwahrscheinliches,
Erlogenes kann man dem Kater erzählen gehen. Als Zurückweisung:
De Kater ward dt wat klemme. Schmieds Kater, das Vorhängeschlosa,
liegt vor Stall und Schoppen. Lärm, Zank, Streit bezeichnet man als
KatzengepSker, Katzenjagd; auffälliges Wesen und Getreibe ist Katzen-
komödie. — Scheuchrufe zur Katze: katz! katzi!
Pflanzennamen mit Katze: Katzenbaldrian, Katzenbullerjan,
Katzenwurzel, Valeriana officinalis. K atzenkäs, Katzenkäschen, Malva
rotundifolia. Katzenpotchen, Gnaphalium arenarium. Katzenzagel, Katzen-
zahl, Equisetum arvense.
Zusammensetzungen mit Katze: katzaus machen, ein Ende
machen; sich katzbalgen, sich zanken :c, davon die Katzbalgerei; Katzen-
fisch, kleiner Fisch, den man der Katze giebt; KatzengepSker, Lärm,
Zank, Streit; Katzenjagd, Lärm, Zank, Streit; ebenso Katzenkomödie;
Katzenkopf, Hieb an den Kopf; Katzenmargell, Mädchen, das die Katzen
besonders lieb hat; Katzenpuckel, Visite; Katzensprung, kurze Strecke;
Katzenstreifer, Kürschner, auch Schimpfwort. — Geldkatze, Geldgürtel;
Maikatze (s. v.); Schmadderkatze, unreinliches Frauenzimmer, auch dünnes
langes Talglicht mit Klunkerdocht, das beim Brennen prasselt
Das Volk sagt den betreffenden Kaufleuten nach, dass sie in jedem
Syrupfasse eine tote Katze liegen hätten; aus welchem Grunde wisse
man nicht. (Lemke, brieflich. Vgl, Sprichw. I, 1900 ff.; II, 1401 ff.
Lemke 89. Preuss. Wörterb. 1, 345 ff. Hagen, Preuss. Pflanzen u. d. a. W.)
Kund.
Namen: Köter; die Hündin: T§we, Tif, Töle, Tele, Zock, Zocke,
Zogg, Zogge, Zuck, Zucke, Suck; Spitz; Pudel; für den Dachshund
Teckel, Tekel, Täckel, Dackel
Kufnamen: Bello, Karo, Greif, Lustig, Munter, Rollo, Wasser,
Feldmann, Bergmann, Omei (ami), Scholli (joli), Bursch, Fido, Fidel,
Fidele, Amrett, Aline, Bergine, Pikas, Filax, Strom, Perl, Turk, Schurk,
Lump, Fix (namentlich für Schäferhunde), Packan (für grosse Hunde).
Im Kindermunde: Hauhau, Wauwau; im Volksrätsel: Huffhaff (Tier-
Von H. Friichbier. 253
rätsei 36) und Pompern ellchen (Verbrecher-Bätsel von H. Frischbier.
Am Urds-Brunnen IV, 9.)
Wenn der Hand Gras frisst, so giebt es bald Begen.
Wenn der Hund heult, sieht er den Tod oder Geister. In Masuren
beruft man ihn dann nicht, vielmehr bekreuzigt sich alles. (Toppen 77.)
Wer dann dem heulenden Hunde auf den Schwanz tritt und nach den
Ohren des Tieres schaut, kann zwischen denselben gleichfalls den Tod
sehen. (Saalfeld. Lemke 87.) In der Gegend von Passenheim sieht
man den Tod, wenn man dem heulenden Hunde um 12 Uhr nachts
über die Ohren sieht.
Heult der Hund längere Zeit vor einem Hause, so stirbt in dem-
selben jepiand, sicher, wenn er bei dem Heulen sitzt und dem Hause
die Schnauze zugekehrt hat. In der Gegend von Friedland Ostpr. ist
der dem Tode nahe, den ein Hund anheult. Ein Todesfall in der Fa-
milie ist auch zu erwarten, wenn der Hund wiederholt mit gespreizten
Beinen, den Kopf nach der Stubenthflr gerichtet, bellt. (Reusch, Nachlass.)
Wenn bei Krankheit der Angehörigen der Hund sich so niederlegt,
dass er mit der Schnauze der Thür zugewendet erscheint, so deutet dies
auf den Ausgang des Lebens. (Hintz 118. ") Toppen 77.)
Hat ein Hund, während er heult, Thränen in den Augen, so ist
dies das sicherste Zeichen, dass er Geister sieht. Bestreicht man nun
mit diesen Thränen oder auch mit den sogenannten Plieren die eigenen
Augen, so kann man ebenfalls Geister, die Seelen der Verstorbenen,
sehen. (Ermland.)
Wird man von einem Hunde beim Vorübergehen heftig angebellt,
so braucht man ihm nur genau mitzuteilen, wohin man sich begiebt,
und er wird still. (Dönhoffstädt.)
Der anbellende Hund weicht feige zurück, wenn man die Mätze
in den Mund nimmt und ihm mit festem Blick gebückt entgegengeht.
Das Gebell des Hundes gilt auch als Orakel. Mädchen gehen in
der Neujahrsnacht vor die Hausthür und horchen, ob ein Hund belle.
Der Schall deutet die Gegend an, woher der Freier kommen wird.
(Reusch, Nachlass.)
") Die alte gute Sitte in Altprenssen. Von C, 0. Hintz. Königsberg 1863.
r
254 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Am Silvesterabende bellen die Hunde nicht. (Natangen.) Heult
dennoch ein Hund, so stirbt jemand in dem Hause, yor dem er heult.
Heult er am Neujahrs! age, so ist ein Toter in der Nähe, der ins Haus
will. (Ermland. Volkskal. 34. 35.)
Wenn man den Hund sein grosses Bedürfnis befriedigen sieht, muss
man sich die Lippen belecken: sie platzen dann nicht. (Marggrabowa.)
Hunde darf man nicht mit dem Besen schlagen, sie würden sonst
vertrocknen, abmagern; ja hin und wieder treten ihnen dann die Ge-
därme aus dem After: der Hund schleppt Fieken. (Passenheim.) Die
Fieke ist bekanntlich der Bandwurm.
Hunde, welche beim Harnen das Bein heben, sind wenigstens ein
Jahr alt.
Hat man einen Hund gekauft und befürchtet, dass derselbe nicht
bleiben werde, so schabe man von den vier Ecken des Tisches etwas ab,
knete das Abgeschabte mit Butter zusammen, streiche es auf Brot und
gebe dies dem Hunde zu fressen. Durch den Genuss ist der Hund an das
Haus gekettet und hat seinen früheren Herrn vergessen. (Fischhausen.)
Auch vom Hunde gilt, was von der Katze angegeben worden ist:
wirft man seinen Kadaver mit hohem Schwünge über den Zaun, so
wächst der Flachs hoch. (Toppen 84.)
Hundefett ist ein geschätztes Mittel gegen allerlei Krankheit, be-
sonders gegen Krankheiten, welche aus Alterschwäche entstehen. Das
Fett muss jedoch getrunken werden; es macht den Menschen so „ge-
schmeidig, als sei er jung geboren". (Lemke 87.)
Gegen den Biss des tollen Hundes wendet man folgende Mittel an:
Man schreibt auf einen Zettel: „Gott allein die Ehr', sonst keinem
andern mehr! Co.sza Niosz" und giebt dies dem Gebissenen ein. —
Auf Zettel, die man eingiebt, schreibt man auch die bekannte Sator-
Formel. '(Hexenspruch :c. 66.) Weitere Segenssprüche gegen den Biss
des tollen Hundes s. Toppen 46 u. 48.
. Der Mensch im Vergleiche mit dem Hunde: Wie ein Hund ab-
gebrüht — beissig — gelehrig — geizig — glupsch — müde — treu
sein; — abgünstig wie der Hund auf dem Heuhaufen; — ankommen
wie der Hund aus Labiau (hinkend, ein Bein nachschleppend); — ar-
Von H. Frischbier. 255
beiten wie ein Hund; abziehen wie ein begossener (Hund) Pudel; —
ankommen wie der Hund an die Peitsche; — aufpassen wie ein Schiess-
hund; — aussehen wie ein Hund ohne Zagel (Schwanz) — wie ein
Schlosshund; — bekannt wie ein bunter Hund; — dastehen wie ein be-
pisster Pudel; — fressen wie ein Gerberhund; — gebunden sein wie ein
Kettenhund; — gehen wie der Hund ohne Zagel; — gtlen wie de Hund
nä Geelfleesch; — kommen wie der Hund von der Käst; — dazu kommen
wie der Hund zum Pflaumenfleisch; — kotzen wie eine Gerbertöle; —
lauern wie der Hund auf Geelfleisch; — leben wie ein Hund; — leben
wie Hund und Katze, auch : ein Vertrag wie zwischen Hund und Katze ; —
lügen wie der Hund läuft; — ein Gesicht machen wie ein Hund, wenn er
Bauchschmerzen hat; — rennen wi e pössaja Huingd (Sprichw. 1, 3131); —
etwas verstehn wie der tote Hund das Bellen; — vertieft sein wie der
Hund auf der Zock; — wie Hunde um einen Knochen sich beissen —
reissen — schlagen — streiten; — sich herumtreiben wie ein Hund —
ein bunter Hund — Hirts Hund ; — sich quälen wie ein Hund — sich
schämen wie ein bepisster Hund ; — einen haben wie den Hund an der
Peitsche; — et bekömmt em — kömmt em to Hüs, wi dem Hund dat
Grasfrete ; — sich nach einem bangen, wie der Hund nach der Peitsche; —
einem gut sein, wie der Hund dem Juden; — wie ein Hund den Mond
anbellen; — sich amüsieren wie ein Mops (Spitz) im Eosengarten —
im Theegarten — im Tischkasten.
Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten: Da liegt
der Hund begraben! — Hunde schlagen gehen = betteln. — Es ist ein
Wetter, dass man keinen Hund hinausjagen möchte. — Es regnet wie
auf den Hund. — Auf den Hund kommen. — Mit allen Hunden ge-
hetzt sein. — Von dem nimmt kein Hund ein Stuck Brot. — Er hat
nicht, den Hund von hinter dem Ofen zu locken. — Er sieht aus, als
ob ihn die Hunde vorgehabt hätten. — Der Knüppel liegt beim Hunde. —
Den Letzten beissen die Hunde. Sehr beliebt ist die Zusammenstellung:
Hund, Teufel, Mensch : Hund, Deiwel, Mensch hilf mir — thu' mir das !
Weiteres s. Sprichw. I, 1708— 57; II, 1252-80.
Ostpreussen hat eine Hundau, einen Hundemacherwinkcl und
eine Hundstürkei. Die Hundau, auch Huntau, in älterer Zeit Huntenau,
256 ^up volkstümlichen Naturkunde.
ist die Gegend von Brandenburg am Frisching; der Hundemacherwinkel
liegt zwischen Labiau und Tapiau. Zu ihm gehören die Dörfer Uder-
ballen, Augstupönen und Stampelken in den Kirchspielen Goldbach und
Eremitten. Als Spott: Er ist aus dem Hundemacherwinkel: in Stam-
pelken werden die Hunde gemacht, in Uderballcn werden sie geringelt
und in Augstupönen wird ihnen die Bell' eingesetzt. Hundstürkei hcisst
die Landschaft zwischen Zinten und Pr. Eylau.
Zusammensetzungen: Hunddrecksacker, Acker mit leichtem
Boden; Hundeblaff, Beliruf; Hundebrot, Hundsbrot, dürftiger Lohn;
Hundedrab; Hundegasse: in die H. kommen, in Elend geraten; Hunde-
kälte; Hundeloch, elende Wohnung; Hundeseele: es ist keine H. da,
es ist niemand da; Hundewetter; Hundewirtschaft; Hundezucht; Hunds-
fott; Hundsklunker: einem Hundsklunkern geben, ihn durchprügeln;
ähnlich Hundsknochen, Hundsnoten, mit der Hundslaterne leuchten;
hundarschen, rasen, tollen, umherjagen wie die Hunde; hundemüde,
hundsmüde, hunderackermüde, hundsmager. — Sauhund, Schweinhund,
Höllenhund, Windhund als Schimpf- resp. Scheltwörter.
Pflanzennamen: Hundsauge, -kamille, -romei, Anthemis arvensis.
Hundsbeere, -kirsche, Lonicera Xylosteum. Hundsgras, Dactylis glome-
rata und Triticum repens. Hundsknoblauch, Allium ursinum. Hunds-
kohl, Mercurialis annua. Hundskürbis, Bryonia alba. Hundslauch,
Allium vineale. Hundsmelde, Chenopodium olidum. Hundsmilch, Eu-
phorbia helioscopia. Hundsnase, Antirrhinum majus. Hundsnelken,
Saponaria officinalis. Hundsnessel, Galeopsis tetrahit. Hundspetersilie,
Aethusa cynapium. Hundsrippe, Plantago lanceolata. Hundsrose, Bosa
canina. Hundsschmele, Trichodium caninum. Hundsveilchen, -viole,
Viola canina. Hundsweizen, Triticum caninum. Hundswirgel, Scleranthus
annuus. (Hagen, Preuss. Pflanzen. Preuss. Wörterb. I, 303 ff. u. d. a. W.
Korrespondenzbl. HI, 51.)
Sage aus der Gegend von Saalfeld: Die schwarzen Hunde.
Zwischen Ulpitten und Schnellwalde (bei der „kleinen Hütt") ist der
„schmale Wald", und in diesem ist ein grosser Steinhaufen, in welchem
es spukt. Wenn z. B. die Leute aus Albrechtswalde ihre Pferde dort
hüten, merken sie ganz deutlich, wie es zwischen den Steinen poltert.
Von H. Frischbfer. 257
Einmal hat man erfahren, was dahinter steckt. Ein Mann, der auf der
„Schreiberei" wohnte und den Tag über in ülpitten arbeitete, ging
stets früh nach Hause, um nicht im Finstern jenen Spuk hören zu müssen.
Aber ein junger Mensch, der auch einmal nach der „Schreiberei" gehen
musste, verspätete sich ; es war schon ganz finster, als er an dem Stein-
haufen im „schmalen Walde" vorbeikam. Plötzlich tauchten — gerade
an einer kleinen, verkrüppelten Buche — zwei schwarze Hunde auf,
die nun rechts und links von ihm denselben Weg schritten und immer
grösser und unheimlicher wurden. Dem jungen Manne vergingen die
Gedanken. Mein Gott, er wusste nicht, wie er überhaupt nach Hause
kommen sollte ! Aber endlich langte er dort an. Doch der Schreck hatte
ihn so elend gemacht, dass er am dritten Tage starb. (Lemke brieflich.)
Wolf.
Name: pltd. Wulf. Im Rätsel: Grimmgram. (Tierrätsel 36.)
Die Tötung eines gefangenen Wolfes macht unehrlich. (Thorn.)
Lenz, Gemeinnütz. Naturgesch. Gotha 1835. I, 166.
Am Nikolaitage (G. November) kommen die Wölfe zusammen
und gehen zu Maria Licht mess wieder auseinander. In dieser Zeit
ist es gefahrlich zu reisen. (Hohenstein. Toppen 68.)
Der Wolf zerreisst das Vieh, mit dem man am Johannis- und
Jakobitage gearbeitet hat. (Toppen 73.)
Läuft ein Wolf über den Weg, so bedeutet das Glück. Vgl. Fuchs.
Sprichwörter: Der Wolf jagt die Schafe: wenn der Wind ein
Roggenfeld wellenartig bewegt. — Wenn der Wolf im Mai im Saat-
feld liegt, die Last des Kornos die Scheune biegt. (Dubeningken.) —
Regnet's bei Sonnenschein, so sagt man: De Wulf heft dat Feber.
De Wulw' pösse. — Der Wolf lässt wohl von seinen Haaren, aber
nicht von seinen Nicken. — Wenn man an den Wolf denkt, ist er da —
ist er nicht weit. — Wenn man den Wulf bim Name nennt, kömmt
hei stracks öm Galopp gerennt. — Der Wolf nimmt auch ein gezeich-
netes Schaf. — Ein alter Wolf ist böse zu bändigen. — He hefft söck
den Wulf tom Schaphert gestellt. — Wenn en Wulf vom andre frett,
denn ös knapp' Tit. — Dem liggende Wulf kömmt ök wat ön't Mül.
Vgl. Sprichw. I, 4100 ff.; II, 2949 ff.
258 Zar volkstümlichen Naturkunde.
Der Mensch im Vergleich mit dem Wolf: Wie ein Wolf fressen —
gierig sein — Hunger haben — heulen; fressen — Hunger haben wie
ein Boggenwolf — wie ein Werwolf — wie ein Wolf in den Zwölften; —
heulen wie ein Wolf in den Zwölften — wie ein Lichtmessenwolf.
(Korrespondenzbl. III, 54.)
Kinderspiel:
Gosse- Gusse -G&nskes, kamt na Hü«!
Wi dere nich.
Ver wem denn nich?
Ver'm Wulwe nich u. 8. w.
(Vgl. Volksr. 177. Korrespondenzbl. III, 54.)
Fachs.
Name: pltd. Fos. Der Herbstbalg des Tuchs es, wie der des Hasen
(s. d.) deutet die §tärke des Winters.
Läuft ein Wolf oder ein Fuchs über den Weg, so bedeutet das
Gluck. (Soldau.) Simon Grünau (hrsg. von Perlbach, S. 90), berichtet
dagegen : und einer fert abir reit, und ein fox im über den wegk leufft,
so sol im ein schade entstehen. (Toppen 77. N. Pr. Prov.-Bl. II, 338.)
Wenn abends Nebel von den Wiesen aufsteigen, kocht der Fachs.
(Mitteilung von Walter Gordack.)
Fuchsleber und Fuchslunge werden in den Apotheken als Medika-
mente für krankes Vieh gefordert: Fuchslungensaft, Syrupus Liquiritiae.
Sprichwörter: Der Fuchs hat (weiss) mehr als ein Loch. Stirbt
der Fuchs, so bleibt (gilt) das Leder (Auch mit dem Zusätze: lebt er
lang, so wird er alt). Es ist nur eine. Sage, sagt der Fuchs, dass man
mich zum Gänsehüten haben will (in der Gegend von Konitz: Dat is
man so'n Kedenärt, mt nehmen s' tum Gäshöde ni, seggt de Fos). De
Fos verlert de Här, äwer nich sine Nicke. — Zuletzt treffen sich die
Füchse beim Pelzhändler. — Eine Sache, die man nicht finden kann,
hatlder Fuchs mit dem Zagel bedeckt; das Unbedeutende, Geringe,
Leichte trägt der Fuchs auf dem Schwanz fort. — - Wie ein Fuchs
listig, — schlau sein, — liegen, — lauern. — Wie der Fuchs unter der
Egge sitzen; — wi de Fos vor'm Loch ligge, — op Geelftäsch Iure, —
nä Geelfl&ch gile. — - Den Fuchs schleifen: aus einer grossen Kanne
Von H. Frischbier. 259
in die Kunde trinken. (Violet, Neringia 164.) Vgl. Sprichw. I, 1013 ff.;
II. 815 ff. Preuss. Wörterb. I, 209. Korrespbl. III, 50.
Pflanzennamen: Fuchsschwanz, Panicum germanicum, Lythrum
salicaria, Alopecurus geniculatus. Fuchsschwanzgras, Alopecurus agrestis.
Fuchssegge, Carex vulpina. Hagen a. d. a. W.
Dachs.
Namen: Tachs, imErmlande Gräber, sonst auch Qräwing, Greifing,
Dachsbär. (Bujack 363.)
Am Tage Pauli Bekehrung (25. Januar) kommt der Dachs aus
seiner Höhle. Scheint dann die Sonne, dass er seinen Schatten erblickt,
so eilt er in die Höhle zurück, und der Winter dauert nun noch so
lange, als er bereits gewährt; sieht er dagegen den Schatten nicht, ist
der Himmel also trübe, so wird es bald Frühling. (Er. Goldap.)
Sieht der Dachs zu Lichtmess (2. Februar) seinen Schatten, d. h.
scheint an diesem Tage die Sonne, so kehrt er in seinen Bau zurück,
und es giebt noch langen Winter. (Natangen.)
Das Fett vom Dachs ist gut zum Eintrinken; es hilft, wenn der
Arzt nicht mehr helfen kann. (Saalfeld. Lemke 90.)
Der Mensch im Vergleiche mit dem Dachs: Wie ein Dachs schlafen, —
im Loche sitzen; von sin egen Fett lewe, wi de Tachs öm Winter.
(Korrespondenzbl. III, 50.)
Iltis.
Namen: Duck, Dock, Duch, Elk, Ilk, Ilsk, Ilske, Iltke, Ulk, Illing,
Nilling, Nilk, Ölsk, Ülske, Düs, Dous.
Sprichwörtliches: Wie ein Ilske (ölske) stinken; — flsten wie
e Duck. (Vgl. Preuss. Wörterb. I, 154. Nesselmann, Thesaurus 34.
Korrespondenzbl. III, 51.)
Bär.
Namen: Bar, Bär, Zieselbär, Zeiselbär, schwarzer Bär.
Der Bär war einst in Deutschland König der Tiere, ist aber vom
Löwen verdrängt. (Grimm, Keinhardt XLVIII. ff.)
Der Bär saugt an den Pfoten ; daher die Redensart, dass der Mittel-
lose, Unbeschäftigte, Pfoten saugen muss.
260 Zur volkstümlichen Natnrknnde.
Das Fett des Bären ist als Heilmittel sehr beliebt. Das Land-
volk unterscheidet: Barefett von em (dem Männchen) und von ehr
(dem Weibchen).
Der Fjuhrer des Bären heisst Bärentrecker, Bäretrecker, der
Käfig Bärenkasten.
Ackerstucke und Schluchten nennt man Bären winkel, B&rewinkei.
Von Pflanzeu sind nach dem Bären genannt: Hordeum hexastichon,
Bärengerste, und Vicia duraetorum, Bären wicke. In Hagen, Preussens
Pflanzen, finden sich noch folgende Namen: Bärenklau, -tatze, Hera-
cleum, Bärenlauch, Allium ursinum, Bärentraube, Bärbeere,
Arbutus uva ursi.
Die Bewohner von Schippenbeil und Pischbausen führen den Spitz-
namen: Bärenstecher. (Das Genauere s. Keusch, Sagen 113. Preuss.
Wörterb. I, 190.)
Der Bär im Sprichwort: Wenn der Bär auch noch so brummt,
tanzen muss er doch. Dem ohle Bare ös schlömm danze lehre; allge-
mein auch hochdeutsch.
Der Mensch im Vergleiche zum Bären: Wie ein Bär brummen, —
brummig, — bärmaulig, — grimmig sein. — Aussehen wie ein ge-
leckter Bär, — wie ein Zeiselbär. — Tanzen wie ein Bär. — Er ist ein
rechter (alter) Brummbär, — ein Bärenhäuter; er ist ein Bärengrumpri.
Der Bär im Spiel:
Blind Kauke, öck ledcT di.
Wohen denn?
Ön o Bärestall.
De Bare blte mi.
Nömm e Knöppel on wehr di
(von hinge on von fere)!
Der Träge und Mfissiggänger liegt auf der Bärenhaut. Der
Schuldeumacher hat einen (guten) Bären brummen. (Vgl. Preuss.
Wörterb. I, 55; Sprw. I, 240; II, 258; Volksr. 186. Korrespbl. III, 49.)
Maulwarf.
Namen: Moltwurm, Moltworm, Moltwurf, Mälzsack. (Bujack 363.
Preuss. Wörterb. II, 71.)
Wenn der Maulwurf bis unter das Gemäuer eines Hauses gräbt,
so wird in diesem Hause bald jemand sterben.
Von H. Friachbier. 261
Wird das Bindvieh mit dem Sande von Maulwurfshügeln beworfen,
so wird es so blitzend blank wie der Moltwurm selbst. (Lemke 90. 82.)
Der Maulwurf im Rätsel: Hinjger onsem Hüs plegt (auch: seit)
Peter Krüs (auch: schwärt Peter, Krüs) ohne Schär on ohne Zech, plegt
Winter on Sämer weg. Auch: Heft kein Zech on kein Schär, on plegt
doch sin §gen (auch: dep) F&r. (Tierrätsel 33. ff. Vgl. Schwein.)
Eichhörnchen.
Namen: Eichkätzchen, pldt. fikkatt, fikhärnke, Eichkater, ßkkater.
Letzterer Name auch hin und wieder zur Bezeichnung des männlichen
Tieres. In der Gegend von Konitz auch Fibritzekatt.
Sprichwörtliches: Fliuk wie ein Eichhörnchen, — wi e Fibritze-
katt. (Korrespondenzbl. III, 50»)
maus«
Pltd. Mfis, Dem. Müske.
Findet der Wirt eine Maus auf seinem Acker, so muss er sich
bemühen sie lebendig zu ergreifen; gelingt's, und trägt er sie über die
Grenze, dann kommen ihm keine Mäuse auf die Felder. (Reuach, Nach-
lass. Ermland.)
Zeigt sich in einem Hause eine weisse Maus, so kann man darauf
gefasst sein, dass dort bald ein Todesfall eintreten wird. (Lemke 91.)
Mäuse und Satten können Ostern gebannt werden: vier Mädchen
müssen in einer der Frühlingsluft wenig entsprechenden Kleidung. zur
Mitternachtsstunde an die vier Ecken des Hauses gehen, dort an die
Wand klopfen und rufen:
Ratz', Ratz1, aus der Wand!
Ostern ist im Land.
(Lemke 14.)
Vergleiche mit der Maus: Mancher Mensch ist beschäftigt —
geschäftig — flink wie die Maus in den Sechswochen (wf de Müs, de
junge wöll); er kickt, wie die Maus aus den Klunkern, — sieht aus,
steht da, wie ein Töpfchen voll (kahler) Mäuse; er sieht aus, wie 'ne
Maus in der Wickelheed ; er ist arm wie eine Feldmaus — Kirchenmaus.
(Korrespondenzbl. III, 52.)
2ß2 ^ur ▼olkstümlichen Naturkunde.
Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten: Wenn die
Maus satt ist, schmeckt das Körnchen bitter. Müske dun, Körnke bötter.
Wenn die Maus satt ist, läuft sie über's Korn. Er sitzt wie die Maas
(üblicher Made) im Speck. Wer auf dem Stuhle, eingeschlafen, nickt,
fängt Mäuse; wer eine versteckte Absicht erkennt, merkt Mäuse. Beim
Armen krepieren die Maus' in der Speckkammer — Speisekammer. Davon
kann keine Maus fett werden. — Ich möcht bloss Maus gewesen sein!
sagt man, wenn man einer Unterredung gern beigewohnt hätte.
Bat sei: Pipop on Quarrop,
Ginge op 6ne Barg1 rop;
Acht Ftf od Ine Zägel,
Räd' e mal, wat's dat fern'n Vagel?
(Maus und Frosch.)
Die Maus heisst hier Pfeifauf, in einer Variante des Rätsels auch
Piper, Pfeifer. (Vgl. Tierrätsel 30.)
Nach der Ähnlichkeit heisst Maus eine Geschwulst an der Seite
tragender Kühe, die sich schnell hin und her bewegt. Kommt die Maus
bis an den Hals, so muss die Kuh sterben. Mittel: Man durchsteche
die Maus mit einem Pfriem. Man ziehe dem kranken Stück Vieh schnell
die Zunge aus dem Halse und beisse die Spitze ab. (Dönhoffstädi)
Kleinen Kindern, welche sich das Röckchen aufgedeckt haben,
schlägt man dieses schnell zurück und ruft: Die Maus, die Maus (de
MÜs)! Maus ist Kose- und Schmeichelwort für Mädchen. Liebe Maus,
trautstes Mauschen!
Mäuse nennt man auch die Sorgen und Gedanken, die Kopf und
Herz erfüllen : man macht sich oder andern Mäuse. (Vgl.Preuss. Wb. 11,58.)
Von Maus bildet sich durch Ableitung Mäuslein, Mäuschen, pltd.
Müske, mausig. Dass dich das Mäuslein beisst! als Ausruf der Ver-
wunderung, des Staunens. — Sich mausig machen, dreist, keck, stolz,
unverfroren auftreten.
Zusammensetzungen: Mauszahn, Mausdreck, Mausefaller, Mause-
holz, Mauseschwänzchen, Mauskopf, Mausepeter. ' Die Milchzähne sind
Mauszähne, gehören der Maus; fällt ein solcher ans, so wirft das Kind
den Zahn über den Kopf auf den Ofen mit den Worten : Müske, Müske,
öck gew df e knäkerne Tän, göff mf e tserne! — Er mengt sich in
Von H. Friaehbier. 263
alles, wie der Mausdreck unter den Pfeffer.— Mausefaller heissen
die Slowaken, welche Mäuse- und Rattenfallen fertigen. — Mäuse holz
ist in Westpr. Name für Nachtschatten, Solanum; Mauseschwänzchen
für die Bisamhyacinthe, Muscari botryoides. Mauskopf nennt das Volk
die schwarzköpfige Grasmücke, Sylvia atricapilla, während Mausepeter
der Eater (auch die Eatze) als tüchtiger Mauser heisst.
Dass mausen, Mäuse fangen, auch die bildliche Bedeutung:
heimlich und mit List stehlen, hat, wäre noch anzuführen. Vgl.
Preuss. Wörterb. an betr. Stelle.
Hase«
Namen: Lampe, Mucker. Nach dem Aufenthalte: Feld-, Wald-,
Holz-, Berg-, Grund-, Sumpf- oder Moor-, Bruch-, Sand-, Steinhase.
(Bujack 365.) Deminutiv: Häschen, Haschen, pltd. H&ske.
Haben Hase oder Fuchs im Herbst einen stark behaarten Balg,
so giebt es einen starken Winter; ist der Balg leicht behaart, so wird
der Winter flau.
Der Hase bringt Unglück: Geschäftsgänge missglücken, auf einer
Keise begegnet ein Unglück, wenn ein Hase über den Weg läuft. —
Wenn ein Hase ins Dorf gelaufen kommt, so wird es bald daselbst
brennen. (Marggrabowa.) Siehe auch Toppen 77.
Der Hase im Rätsel: Auf welche Seite fällt der Hase, wenn er
geschossen wird ? Auf die rauche. — Wann hat der Hase Zahnschmerzen ?
Wenn ihn der Hund beisst. — Warum sieht sich der Hase um, wenn
ihn die Hunde verfolgen? Weil er hinten keine Augen hat. — Was
macht der Hase, wenn er über den Weg läuft? Einen Kreuzweg. —
Warhm läuft der Hase mehr vor einem weissen, als vor einem schwarzen
Hunde ?j Weil er denkt, der weisse Hund habe sich den Bock ausge-
zogen und könne daher besser laufen. — ^ Warum 'rennt der Hase über
den Berg? Weil er nicht durch den Berg laufen kann. — Wie weit
rennt der Hase in den Wald? Bis in die Mitte; hat er diese erreicht,
dann läuft er zum .Walde hinaus. — Wo geht der Hase hin, wenn er
ein Jahr alt ist? Ins zweite* Jahr. — Worüber fällt der Hase, wenn
er über den Graben springt? Über seine Füsse. — Ein Hase sitzt im
Garten und kann nicht über'n Zaun, nicht durch'n Zaun, nicht unter'n
264 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Zaun, und der Jäger steht hinter ihm. Wie kommt der Hase aus dem
Garten? Das sei des Hasen Sorge.
Der Mensch im Vergleich mit dem Hasen: Wie ein Hase furcht-
sam sein, — gesetzt sein, — schlafen. Eiu Hasenherz sein. — Das
Hasenpanier ergreifen, auch: das Hasengewehr. (Korrespbl. III, 51.)
Der Hase im Sprichwort: Da sitzt der Hase im Pfeffer. —
Dazu kommen, wie der Hase zum Kohl. — in den Kohlgarten. —
Ein Has' macht viele Spuren. — Das Häschen hat ihn geleckt. —
Häschen, hast 'nen Bart, so nähr1 dich, d. h. sorge für dich selbst,
nun du erwachsen bist. — Brot, das den Kindern von Besuchen oder
aus der Stadt mitgebracht wird, heisst flaschenbrot. Ein Häschen,
so wird erzählt, hat's für das Kind mitgegeben oder in eiuem Verstecke
zurückgelassen. Vgl. Sprich w. I, 1494; II, 1123. Preuss. Wb. I, 274.
Pflanzennamen: Hasenampfer, Kumex obtusifolius; Hasen-
aug, Geum urbanum; Hasenbrot, Briza media u. Luzula campestris;
Hasenfuss, -klee, -pfötchen, Trifolium arvense; Hasenpfötchen auch
Gnaphalium dioicum; Hasengras, Briza media; Hasenheide, Spar-
tium scoparium; Hasenkohl, Oxalis acetosella, Sonchus oleraceus u.
Lapsana communis; Hasenlattich, Prenanthes muralis; Hasenlöffel,
Alisma plantago; Hasenöhrchen, Bupleurum rotundifolium; Hasen-
pappel, Malva rotundifolia; Hasenpfotbinsen, Eriophorum vagina-
tum; Haseuried, Carex ovalis. (Hagen, Preuss. Pflanzen u. d. a. W.)
Pferd.
Namen: Kragge, Kracke (auch altes, abgetriebenes Pferd). Hingst
= Hengst; Kobbel = Stute; Wallach. Das Füllen heisst: Fohlen,
Fälle; in der Kindersprache : Hitsch, Hitschchen, Hftscherchen, Hitsch-
fällchen, Hitschfalle, Hitschfüllen. (Ostpr.) Hisch, Hischchen 2c. (Westpr.)
Das männliche Füllen heisst Hengstfohlen, Hingst fälle; das weibliche
Stutfohlen, Kobbelfälle; die Mutterstute Fohlenkobbel, Fällenkobbel. —
Nach der Farbe: Vos, Brüner, Kapp, Schömmel, Scheck.
Zurufe: Lockruf: Hietsch Hietsch! Anspornend: Hot! He! Hü
Heda! Je! Zurückhaltend: Burr! Purr! Beim Fahren und Pflügen:
Hott! = rechts, Je he! = links. (Volksr. 242. Preuss. Wb. u. d. a. W.)
Von H. Frischbier. 265
Aberglauben: Die Pferde werden in der Osternacht geschwemmt,
das bewahrt vor aller Krankheit, nur müssen sie vor Sonnenaufgang
wieder im Stalle sein. (Samland. Volkskal. 87.)
Wenn man einen Finger von einem Gehängten in den Stall legt,
so gedeihen die Pferde gut. (Reusch, Nachlass.)
Legt man in der Sylvesternacht den Pferden Handwerkzeug (Hobel,
Schneidemesser, Bohrer, Hammer je.) in die Krippe, so bewahrt man
sie dadurch vor Krankheit. (Friedland Ostpr.)
Es ist sehr gut, kranke Pferde mit weissen Laken abzureiben.
(Saalfeld.)
Wenn ein Pferd eine Hasenscharte hat, so muss man sie an drei
Freitagen nach einander bei abnehmendem Lichte unter dem allgemeinen
Segen: Im Namen Gottes :c. bestreichen. (N. Pr. Prov.-Bl. X, 119, 205.)
Wenn der Geistliche zu einem Kranken fährt, und die Pferde spitzen
dabei ungewöhnlich die Ohren und spielen mit ihnen, als ob sie scheu
werden wollten, so wird der Kranke sterben. (Beuscb, Nachlass.)
Vor Leichenwagen spannt man niemals tragende Stuten, weil diese
„zu schaden kommen11, d. h. beim Fohlen Unglück haben wurden. Gewöhn-
lich werden Wallache vor den Leichenwagen gespannt. (Passenheim.)
Schauen die Pferde vor dem Leichenwagen, während dieser vor
dem Trauerhause steht, auffällig nach einem Nachbarhause hin, so stirbt
in demselben jemand in nächster Zeit. (Passenheim.)
Wenn während der Fahrt mit der Leiche die Pferde an einem Hause
stehen bleiben, so stirbt in diesem Hause gleichfalls jemand. (Passenheim.)
Wenn die Pferde bei einer Fahrt zum Besuche „prusten", so werden
die zu Besuchenden sich über den Besuch freuen. (Passenheim.)
Pferde ermüden leicht, wenn sich eine Katze auf dem Wagen be-
findet. Auch werden sie müde, wenn man abfährt, während frischge-
backenes, eben aus dem Ofen gezogenes Brot auf dem Tische liegt;
oder wenn Knaben sich am Herde aufhalten und vom gekochten Essen
schmecken. (Alt-Pillau.)
Die Pferde werden unruhig, stehen ungern und gehen häufig durch,
wenn ein so eben aus dem Ofen genommenes Brot, das also noch heiss
ist, zum Essen auf den Tisch gebracht wird. (Saalfeld.)
Alfpr. Monatsschrift Bd. XXII. HfL3n.d, 18
266 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Träumt man von schwarzen Pferden, so bedeutet dies Tod. Träumen
Mädchen von braunen Pferden, so kommt ein Freier. (Saalfeld.)
Sagen: Als der liebe Gott (Christus unser Herr) noch auf Erden
wandelte, kam er einst an einen Pluss und wollte hinüber. Am Ufer
des Flusses weidete ein Pferd und ein Ochse.
„Trage mich hinüber!" sprach der liebe Gott (der Herr) zu dem
Pferde; doch dieses antwortete: „Ich habe keine Zeit, ich muss fressen."
Darauf sprach der liebe Gott (der Herr): „So friss denn und werde
niemals satt!"
Der Ochse aber bot dem lieben Gott (dem Herrn) bereitwillig seinen
Rücken und trug ihn über den Fluss, und Gott (der Herr) sprach:
„Weil du unaufgefordert mich durchs Wasser getragen hast, so sollst
du, wenn dir reichliches Futter gegeben wird, ebenso schnell satt werden,
wie dein Pflüger".
Daher fressen die Pferde auf der Weide unaufhörlich und werden
niemals satt; das Bind aber wird schneller satt als das Pferd, verzehrt
weniger und geniesst die Freude des Wiederkauens. (In der ganzen
Provinz und weiter bekannt.)
Um die Mitternachtsstunde der Neujahrsnacht reden alle Tiere die
Sprache der Menschen. Wer aber in dieser Stunde ihre Bede belauschen
würde, wäre ein Kind des Todes. Dies that in Masuren ein Haus-
wirt; er war auf den Schuppen gekrochen, um die Gespräche seiner
Pferde in dem darunterliegenden Stalle zu hören. Da vernahm er nun,
dass sie über ihn bittere Klage führten: wie sehr sie angestrengt würden,
wie wenig sie zu fressen bekämen, wie* harte Schläge sie zu erdulden
hätten. Ihm wurde angst und bange; doch er bekam einen Todes-
schreck, als das eine Pferd sagte: „Der uns dort oben behorcht, den
werden wir nach sechs Wochen tot hinausfahren". Und so geschah es:
der Bauer erkrankte, starb und ward in der vom Pferde angegebenen
Zeit zum Kirchhof gefahren. (Passenheim.)
Das Pferd im Vergleiche zum Menschen: Wie ein Pferd dumm, —
fromm, — eigensinnig, — statisch sein. — Eigensinnig sein wie ein
Droschkenpferd — Kutschpferd. — Nicken haben wie ein altes Droschken-
pferd. — Ein Gedächtnis haben wie ein Pferd. — Wie ein Pferd ar-
Von H. Prischbier. 267
beiten. — Gehen wie ein Körassierpferd. — Saufen wie eine Acker-
mäbre. — Besoffen sein wie ein Ackergaul. — Abgetrieben sein wie ein
alter Droschkengaul. — Wie ein Hengst braschen — gehen — durch-
gehen. — Vom Pferde hergenommen sind noch die Redensarten:
sich auf die Hinterbeine setzen; — mit allen Vieren ausschlagen; —
auf allen Vieren beschlagen sein; — den Pferdefuss zeigen; — gegen
die Peitsche gehen. — Wie ein Pullen ausschlagen, — lustig, —
munter sein; — munter wl e Sogfölle. (Korrespondenzbl. III, 50 f.) —
Bei Krankheiten, deren Kur ein gewisses Unbehagen erzeugt, sagt man:
Eine Pferdekur durchmachen.
Sprichwörter: Ein gutes Pferd findet sich wieder. Ein schlechtes
Pferd, das den Hafer nicht frisst, der ihm vorgeworfen wird. Wer das
Pferd kauft, kauft auch den Schwanz. Auf die magern Pferde setzen
sich die meisten Mücken. Wer sich als Pferd verdungen, muss auch
als Pferd ziehen. Wenn de Perd' göt stäne on de Früens afgäne, denn
kann de Bär rik wäre.
Zusammensetzungen: Pferdefischerei, Fischerei in kleineren
Flüssen, bei der die Fische durch Beiter allmählich in ein quer aus-
gespanntes Netz getrieben werden. Pferdsdreck, -scheiss. Pferds-
liebe, plump-zärtliche Umarmung. Bossgarten, Stadtteil in Königsberg.
Tiernamen: Pferdskäfer, Geotrupes stercorarius. Pferdseile,
-eule, Hirudo sanguisuga. Bösschen, Libelle.
Pflanzennamen: Pferdebohne, Bossb., Vicia Faba. Pferds-
dorn, Hippophae rhamnoides. Pferdegras, Holcus. Pferdskastanie,
Aesculus hippocastanum. Pferdemünze, Mentha aquatica. Pferde-
poley, Mentha silvestris. Pferdesamen, Bossfenchel, Phellandrium
aquaticum. Pferdeschwanz, Hippuris vulgaris. Pferdewurz, Car-
lina acaulis. Pferdezahn, Zea mays. Bossampfer, Bumex hydrola-
pathum. Bossfenchel, Selinum carvifolia. Bosskümmel, Peucedanum
Silaus. Bossnessel, Stachys. Bosspappel, Malva silvestris. Boss-
schwanz, Equisetum limosum. Bossveilchen, Viola canina. Boss«
wicke, Vicia sativa. — Vgl. Sprich w. I, 2915; II, 2031 ff. Korrespbl.
m, 53. Preuss. Wörterb. I, 139. Lemke 86. Treichel, Volksth. a.
d. Pflanzenwelt IL Hagen, Preuss. Pflanzen u. d. a. W.
18*
268 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Esel.
Das Geschrei des Esels ist ein Vorzeichen schlechten Wetters.
Vgl. Wind und Wetter.
Sprichwörter: Den Esel zu Grabe läuten, sitzend mit den
Füssen baumeln. Der Esel geht voran, wenn jemand in einer Reibe
von Personennamen den seinigen zuerst nennt. Wenn dem Esel zu
wohl ist, geht er aufs Eis. Wenn sich die Esel recken, dann
wird schlechtes Wetter, wenn jemand die Glieder reckt, streckt
Wie ein Esel arbeiten müssen, — beladen, bepackt sein (beladen seiu
wie ein Packesel), — faul sein. Zu gebrauchen sein, wie der Esel zum
Laufen. Huren wie ein Steinesel. Vgl. Sprichw. II, 751 ff. Eorrespbl.
ni, 50.
Pflanzennamen: Eselsdistel, Carduus nutans. Eselsfuss,
-hilf, Tussilago Farfara. Eselskörbel, Scandix anthriscus. Esels-
kraut, -milch, Euphorbia esula. Eselsmöhre, Daucus carota. Vgl.
Hagen u. d. a. W.
Hirsch«
Der Hirsch tritt am 1. September (Ägidius) in die Brunst "). Geht
er nass hinein, d. h. bei Regenwetter, so kommt er trocken, bei schönem
Wetter, heraus, und dieses hält vier Wochen an. Beginnt die Brunst
bei trockenem Wetter, so tritt der Hirsch bei nassem Wetter heraus.
Der Volksmund sagt: Natt herön on dreg herüt, dreg herön on natt herüt
An einem bestimmten Tage [welchem?] springt der Hirsch ins
Wasser. Von der Zeit an soll man baden gehen. (Hohenstein. Toppen 70.)
Sprichwörtliches: Wie ein Hirsch dürsten, — durstig sein.
Eorrespbl. HI, 51.
Ziege«
Namen: Zeg', Eoö, Eose, letzteres von dem poln. koza. Das
Männchen Bock, Ziegenbock, pltd. Zegebock.
Zurufe: Matz Matz! Eorr Korr! Zamm Zamm! — Burr Burr!
(Litauen.) Hödd Hodd! (Samland.) — Diese Bufe gelten mehr noch dem
Schafe. Vgl. Volksr. 242.
") Der Hirsch, der am Agidi-Tag tritt in die Brunst, spührt Liebes-PUg.
Carminft nupt II, 284° .
Von B. FriBchbier. 269
Die Ziege hält man in Masuren für verwandt mit dem Teufel;
daher auch das Sprichwort: Die Ziege und der Teufel sind eins, koza
i diabel to jedno. Auch pflegt man im Bilde dem Teufel einen Ziegen-
kopf zu geben.
Sagen: Einst führte ein Bauer eine Ziege zu Markte. Unterwegs
bindet er sie an einen Baumstamm und geht auf die Seite. Während
seiner Abwesenheit entführt der Teufel die Ziege, dreht ihr den Kopf
ab und steckt diesen in einen Sumpf. Der betrübte Bauer sucht die
Ziege und sieht endlich ihren Kopf aus dem Sumpfe ragen. Voll Ärger
ruft er: Wo hat dich der Teufel hingetragen! und eilt, die Ziege aus
dem Sumpf zu ziehen; aber o weh! den Leib des Tieres hatte der
Teufel entführt, dem Bauer blieb nur der Kopf.
Eine Ziege drängte einst ihren Kopf durch die Stecken eines Zaunes
und konnte weder vorwärts noch zurück. Das sah der Teufel und sagte:
Nun wird man wieder sagen, das habe ich gethan. Bald darauf sah
der Hirte die unangenehme Lage des Tieres und rief: Wie hat dich
denn der Teufel da wieder hereingebracht! Habe ich's nicht gesagt,
bemerkte der Teufel, dass die Menschen mir die Schuld zuschreiben
würden! (Passenheim.)
Sprichwörtlich: Wie eine Ziege klappern, — vertrocknet sein; —
wie ein Ziegenbock steif sein, — stinken. Korrespbl. III, 54.
Bock.
Wenn Kinder maulen, schmollend schweigen, aus Eigensinn stoss-
weise schluchzen, so bocken sie, — sind vom Bocke gestossen, —
der Bock ist im Garten, — sie sitzen im Bockwinkel, namentlich
wenn sie sich in eine Zimmerecke zurückgezogen haben; auch kurz:
sie sind bocksch, bockisch. Solch maulenden Kindern singt man vor:
Bock öS dm Garde,
Wöll den Kohl afbläde.
Jagt em rut, jagt em rüt!
Heft geele Stewelkes an,
Lacht em üt, lacht em üt!
Wird das Maulen jedoch unerträglich, so drohen die Eltern:
Warte, ich werde dir den Bock schon austreiben! Hat das
Kind sich endlich beruhigt, so hat es ausgebockt.
270 ^ur ▼o^atümlicfaen Naturkunde.
Der Bock stösst, sagt man aber auch, wenn man schluchzen muss.
Die Tolkemiter sagen von dem, der aus Frauenburg kommt: Den hat
der Bock gestossen. Die Frage: Hat dich der Bock gestossen? bat
auch den Sinn: Bist du toll?
Unter bocken versteht man aber auch die Vollziehung des ge-
schlechtlichen Aktes. Daher heisst es von gefallenen Mädchen: Hat ihr
das Bocken gefallen, so muss ihr auch das Lammen gefallen.
Dat Bocke geit leicht, dat Lamme schwär.
Der Bock kümmert sich um die Lämmer nicht, das Schaf muss
sie leiten; daher: Wat gäne dem Bock de Lämmer an, seggt de
Buur, dat Schaap mot se ledde.
In nächster Verbindung steht der Bock mit den Schneidern, weil
diese, wie viele Volkslieder kund thun, gern Zeug unterschlagen und
dadurch dem Bösen verfallen, den wieder der Bock repräsentiert.
Folgender Neckvers trifft die ehrliche Schneiderzunft ebenfalls:
De Bock, de leep den Barg hönnop,
He leet sin Närschke blocke,
Da rennden em alle Schnidersch na
Möt Nadel, Tweern on Flöcker.
Stah, stah, min Böckerke,
Lat din Närschke flocke!
Stah, Bock, min Mannke,
Fer de kleene Sannke!
Der Bock im Sprichwort: Alte Böcke haben steife Hörner. —
Ein alter Bock stösst hart. — Bist du ein Bock, so stosse dich. — Den
Bock zum Gärtner setzen. — E ohler Bock lett woll von de Woll, awer
nich von de Necken.
Wegen seines Scrotums wird der Bock von anderen Tieren beneidet.
Der Bulle begrüsst ihn mit der Frage: Kleener Keerl, grooter Sack,
wöll wie tu— usche? „Nemmermehr—r!" antwortet der Bock.
Der Mensch im Vergleiche mit dem Bock: Böcke streifen,
vomieren; einen faulen Bock lassen, — schiessen, sich unmanier-
lich auffuhren. Einen Bock schiessen, zunächst so viel als einen
Fehlscbuss thun, einen Fehler machen. Wie ein Bock stossen, —
Beine haben (bocksbeinig sein). So stief as en Zegebock. Es
inwendig haben, wie der Bock das Fett. Voller Streiche sein,
Von H. Frischbier. 271
wie der Bock voller Lorbeeren. Voll Stolz sien, wie de Bock
voll Klätre. Als Schimpf- und Scheltworte treten auf: Bockfell
(böses Frauenzimmer, Einfaltspinsel), Bocksdämel, Dummkopf, davon
bocksdämlich.
In dem Nachlasse von Keusch finde ich den Vermerk: bocks-
beuteln (lugen), jemandem einen Bocksbeutel anhängen, ihm eine
Unwahrheit aufbinden. Einen ins Bockshorn jagen, ihn einschlich-
tern. — Gegenstände, die eigentlich biegsam sein sollten, aber die
Elastizität verloren haben, sind steif wie Bocksleder.
Die Stadt Frauenburg heisst im Volksmunde Bockstall, die Be-
wohner Bockstecher, Bockstosser.
Der Bock im Bat sei: Kam ein Männchen aus Engelland, hatt' 'neu
beschlagnen Backenbart. (Fommerellen. Tierrätsel 21.) — Ein Fährmann
sollte einen Wolf, einen Bock . und einen Kohlkopf übersetzen. Sein
Boot war aber so klein, dass es ausser ihm nur einen Gefährten fasste.
Wie macht er das? Nähme er zuerst den Wolf in den Nachen und
liesse den Bock und den Eohl ohne Aufsicht, so würde der Bock den
Kohl verspeisen; setzte er dagegen den Kohl über, so frässe unterdes
der Wolf den Bock. Er setzte daher zuerst den Bock über, denn der
Kohl war beim Wolfe nicht gefährdet; dann fuhr er leer zurück und
holte den Kohl ab. Bock und Kohl durfte er jedoch am jenseitigen
Ufer nicht allein lassen, er nahm daher den Bock wieder zurück, setzte
ihn am diesseitigen Ufer ab, packte den Wolf in den Nachen und fuhr
ihn zum Kohl hinüber; endlich kehrte er nun wieder leer zurück, um
auch den Bock zu holen.
Pflanzennamen: Bocksbart, Spiraea ulmaria, Tragopogon.
Bocksbeere, Bibes nigrum, Bubus caesius. Bocksmelde, Cheno-
podium olidum. Vgl. Preuss. Wörterb. I, 92. Sprichw. I, 401 ; II, 395.
Volksr. 45. 65. Zeitschr. f. d. Phil. XI, 346. Korrespondenzbl. III, 50.
Hagen u. d. a. W.
Schaf.
Namen: Schafbock, Bock, das Männchen. Schaf, das Weib-
chen. Lamm, das Junge.
Zurufe: s. Ziege.
r
GeC*.
272 ^ur ▼olkatämlichen Naturkunde.
Aberglauben: Findet man einen Halm mit zwei Ähren und
giebfc diesen einem Mutterschafe zu fressen, so wird dieses ein Pärchen
Lämmer zur Welt bringen. (Ermland.)
Das lebhafte Umherspringen der Schafe auf der Weide verkündet
Wind und stürmisches Wetter. (Vgl. Wind und Wetter.)
Redensarten und Sprichwörter: Wie ein Schaf (Lamm)
dumm, — geduldig, — fromm, — sanft, — unschuldig sein. — Er hat
seine Schafchens (Schäfchen) ins Trockne gebracht, er hat sich gut zu
stellen gewusst. Er weiss seine Schafchens gut zu scheren, seinen Vor-
teil wahrzunehmen. Wenn man die Schafe schert, zittern die Lämmer.
Das Schaf trägt das Lamm auf dem Bücken, wenn es nicht gelammt
hat, in dem Werte der Wolle. Er lässt sich vom Schaf beissen und
hat'ne Axt in der Hand. Er sitzt in der Wolle. Geruhige (geduldige)
Schafe gehen viele in einen Stall. Ein Schaf, das immer blökt, ver-
liert manchen guten Bissen. Machst du dich zum Schaf, so frisst dich
der Wolf. E Schäp schockt man, e Kalf kömmt wedder, zu dem, der
eine Bestellung schlecht ausgeführt hat. — Wenn Kinder die Butter
vom Brote ablecken, so sagt man : sie jagen die Schafe über die Brache. —
Über den dicken Reis mit Rosinen und Korinthen, der beim Kindtaufs-
oder Hochzeitsschmause aufgetragen wird: Da sönd de Schäp rewa ge-
gange. (Vgl. Sprichw. I, 3235 ff; 2278 ff. Korrespondenzbl. III, 52.)
Schimpfwörter: Schafskopf, Sehaftzagel, Schaf ohne Woir ! (VgL
Bock unter Ziege.)
Rätsel:
Ging e Gedärtke äwer de Brügg,
De ögen stanjgen em kickerdekick,
De Här de stanjgen em krollerdekroll —
Wer dat Dich rät, de 08 rasend doli.
Tierrätsel 20.
Pflanzennamen: Schafampfer, Rumex acetosella. Schaf-
garbe, Achillea millefolium. Schafgras, -Schwingel, Festuca ovina^
Schafkörb el, Tordylium anthriscus. Schafkraut, Arabis. Schaf-
linsen, Goronilla varia. Schafscabiose, -rapunzel, Jasione montana.
(Hagen, Preuss. Pflanzen u. d. % W.)
Von H. Frischbier. 273
Rind.
Namen: Bulle, pltd. Boll, männliches Bind. Kau, Koh, weib-
liches Bind: Masche, Muschekub, Mschock (Saalfeld). Kalf das
Juuge: Bullenkalb, Kuhkalb; das kastrierte: Ochsenkalb; das
weibliche heisst auch Kiskalb. Os = Ochs, das kastrierte Bind. Alle
Tiere zusammen heissen das liebe Yiehchen; sie bilden die Haupt-
sorge des Landmanries.
Zurufe: Lockruf: Musch Musch! Musche Husche! Muscheköke!
Anspornend: Wie beim Pferde und in Litauen noch Sehe! Zurückhal-
tend: Wie beim Pferde und in Litauen noch Hoha! zum Anhalten im
Zuge, und Staku! (zurück! halt!) wenn das Tier auf der Weide zu weit
weggeht. Beim Fahren und Pflügen: Heitsch! Hetsch! Aitsch!Hot! =
rechts. Ze! Kse! Schwodder! (schwodde, schwod, schwudde, schodder —
in Masuren czoder) = links. Bischke! = halt. (Volksr. 242. Preuss.
Wörterb. u. d. a. W.
Aberglauben: Von hervorragender Bedeutung ist der erste Tag
des Austreibens der Herde; als günstige Tage hierfür gelten: der Sonn-
tag Oculi, Maria Verkündigung (25. März), der St. Georgstag (23. April)
und Walpurgis (1. Mai). Iu einigen Gegenden gilt der 1. Mai als ein
unheilvoller Tag, weil das Vieh, triebe man's an diesem Tage zum
ersten Male aus, vom Wolfe gefressen werden würde. Über die Zere-
monien, die beim ersten Austreiben, namentlich seitens des Hirten, be-
obachtet werden, s. meine ausführliche Abhandlung über den Hirten
in „Hexenspruch und Zauberbann", S. 139—155.
Günstige Wochentage für das erste Austreiben sind Montag, Mitt-
woch und Freitag. (Dönhoffstädt.)
In der Saalfelder Gegend muss das im Frühjahr zum ersten Male
aus dem Stalle tretende Vieh über einen vor die Stallthür gelegten
alten Frauenrock schreiten; das schützt gegen Krankheit. Hat die
Herde den Hof verlassen, so wird ihr (am besten jedem Stück besonders)
Sand vom Kirchhofe entgegengeworfen; das soll verhindern, dass das
Vieh einander stösst. Andere halten dagegen das Bestreuen mit „Toten-
sand44 für verderblich; viele empfehlen zum Bestreuen den Sand von
Maulwurfshügeln.
274 Zur volkstömlichen Naturkunde.
Man soll am ersten Austreibetag dem Vieh die Hörner mit Knoblauch
einreiben und darf mittags die Kühe nicht melken.
Beim Verkauf einer Kuh muss der Leitstrick mitgegeben werden,
auch thut man gut, dem Verkäufer noch eine Kleinigkeit obenein zu
geben, weil sonst die Milch beim Verkäufer bleiben würde; auch darf
das Mass der Milch, welche die Kuh giebt, nicht richtig angegeben
werden. Man streut Salz in die Milch, damit sie nicht verrufen werde.
(Lemke 82. Hexenspr. 14.)
Erkranktes Vieh versucht man durch folgende Mittel zu heilen:
Sauerteig mit Leinsaat zusammengekocht, in Flaschen gefüllt und ab-
gekühlt, dem Tiere eingeflösst; Schnaps mit Kamillenthee; ferner wendet
man folgende Pflanzen an: ArtemisiaAbsinthium, OrchisMorio, Spiraea
Ulmaria und Tauacetum vulgare.
Wenn ein Stück Vieh nach dem Genüsse von Klee „dick" wird,
so genügt es nicht, ihm einen Knüppel oder ein Strohsei] zwischen die
Zähne zu klemmen, damit es daran kaue, — man soll ihm zu gleicher
Zeit eine lebendige Pogge (Frosch) in den Schlund stossen. (Lemke 82 f.)
[In Mecklenburg ist Pogge der Name für das Aufblähen der Kühe.
(Schiller. Zum Thier- und Kräuterb. II, 3.) Vielleicht ist auch hier
dieser Name für den bezeichneten Zustand üblich und das in der Saal-
felder Gegend angewandte Mittel ein sympathetisches. Sonst nennt
man in Ostpreussen Pogge die Geschwulst, welche sich zuweilen bei
Kühen und Stuten, wenn sie tragend sind, am Unterleibe findet. Näheres
über diese Pogge und ihre Besegnung s. Hexenspruch S. 80 f.]
Der Kuh wird die Milch verhext. Das dies geschehen, erkennt
man daran, dass die Milch abnimmt, dass sie, noch während sie süss
ist, schon gerinnt und lang wird, dass sie verändert aussieht und bald
sauer wird, dass sie rötlich von der Kuh kommt, oder nach Kuhdünger
riecht. — Zur Beseitigung des Zaubers wendet man absonderliche Mittel
an, über welche Genaueres nachzusehen ist: Hexenspr. und Zauberbaun tc.,
S. 17 ff. und Lemke 83 f.
Kehrt die Herde abends ins Dorf zurück und geht eine rote Kuh
voran, so wird am morgenden Tage gutes Wetter, eine voranschreitende
schwarze Kuh deutet auf schlechtes Wetter. (Keusch, Nachläse.)
Von H. Frischbier. 275
Wenn die Kühe auf der Weide gemolken werden, so waschen die
Melkerinnen ihre Hände nicht früher, als bis sie mit der Milch zu
Hause angekommen sind und auch dort erst in dem Wasser, worin sie
die Milchseihe ausgespült haben. Sie thun dies, damit die Milch vielen
Schmand (Sahne) aufwerfe. (Bürgersdorf bei Wehlau.)
Wenn man sich ein Kalb „zulegen", d. h. gross ziehen will, so
achte man darauf, dass es keine rote Schnauze nnd keine starke Nabel-
schnur habe; in beiden Fällen würde das Kalb sterben. Hat das junge
Tier dagegen eine schwarze Schnauze und eine dünne Nabelschnur, so
ist es gut zum Zulegen. Damit es jedoch gut fresse, zieht man ihm
dreimal einen Strohhalm durch das Maul. Um das Kalb gegen das
Behexen zu schützen, legt man einen Stahl in das Qef&ss, worin ihm
das Saufen gereicht wird. (Alt-Pillau.)
Das Volksrätsel beschreibt die Kuh:
Vor g&ne den Weg,
Ver hänge den Weg,
Twei wf8e den Weg,
Ener hängt hinde op etn
Schlacker on jagt ua.
Es ist dies Rätsel eine Variante des Rätsels Odins, das dieser unter
andern dem Könige Heidrek aufgiebt. (Vergl. Müllenhoff, Sagen,
Märchen *c. XII.)
Vom Ochsen heisst es im Rätsel:
Wenn öck klön si,
Kann öck v6r botwinge,
Wenn Sek gröt si,
Kann öck Barg1 (on Tai) ombringe,
Wenn öck döt si,
Kann öck danze on springe.
Weitere hierhergehörige Rätsel s. Tierrätsel No. 1 — 18.
Ein beliebtes Kinderspiel ist „Blind Kuhchen". (S. die Be-
schreibung Volksr. 700.)
Redensarten: Wie ein Rindvieh dumm — grob sein, — ur-
teilen. — Wie ein Stier (Vieh, Stück Vieh) besoffen sein. — Er ist
wie vom Bullen geleckt. Er geht durch wie ein Dorfsbulle. Kicke
276 ^ar ▼olkstÜmHeben Naturkunde.
wie de Boll op'fc Brett — öa de Bibel — ön de Körch. Ihn hat der
Bulle gestossen = er ist dumm. Die Ballen lecken sich, sagt man,
wenn Männer sich küssen. Zur Beruhigung: Bollekoppke, begöff dt.
Wer seine Eltern nicht kennt, den hat der Bulle aufs Eis gesch
Kuh. Eine fette Kuh macht einen magern Beutel, — hat die Milch
auf den Rippen sitzen. Jedermann lobt seine Kuh und glaubt, sie ist
die beste. Die Kühe, die am meisten brüllen, geben die wenigste
Milch. Eine Kuh ist eine lange Seite Speck. Fröschmelk Kau ös e
lange Sld Speck. Veel Kög\ veel Mög. Wem de Kau gehört, dei
packt er bim Zagel. Wenn ene Koh den Zagel hewt, so hewe se em
alle — so biäe (piäe) alle. Die Kuh im Sack kaufen. Wenn man dir
schenkt die Kuh, so lauf mit dem Strick dazu. — Der Kuh das Kalb
abfragen, des Fragens kein Ende finden.
Einen ansehen — ankicken — wie die Kuh das neue Thor (in
Danzig: das hohe, in Königsberg: das grüne Thor) — das rote Thor —
das bunte Stadtthor; — davon soviel verstehen — wissen — wie die
Kuh vom grünen Thor je. ; — stehen wie die Kuh vor'm grünen Thor je. ; —
kicken wie die Kuh nach dorn Apfelbaum; — rennen — darauf zu
* 0
laufen wissen, wie die Kuh auf den Apfelbaum; — davon so viel wissen
wie die Kuh vom Sonntage; — e Arsch hebbe wi 'ne Kö fer fif Gille; —
e Gesöcht hebbe wi e Könärsch; — e Gesöcht mäke wi de Kö, wenn
se schite wöll; — luchter wi e Kö fer fif Gille; — de Mönsch ward
ölt wi e Kö on lert ömmer mehr dato.
Kalb. Wie ein Kalb albern — dollen — spielen; auch kalbern.
Dumm — toll sein wie ein Kalb — herumspringen wie ein junges Kalb.
Jung Kalw gehört dem Hunn' (Hunde) halv. Kalbfleisch ist HalbÜeiscb.
Ochs. Man kann vom Ochsen nicht mehr verlangen, als ein
Stück Rindfleisch, — als dass er Heu frisst. Die Ochsen haben die
grösste Kopfarbeit, dem Ochsen kann man was vor den Zagel legen =
dem Starken kann man tüchtige Arbeit zumuten. Wie ein Ochs dumm
sein, — ochsig dumm (als Schimpfwort: Rindvieh, Hornvieh — wahres
Hornvieh). Wie ein Ochs arbeiten (doch auch ironisch: wie ein ange-
bundener Ochse). Kicken wie der Ochs in die Bibel. D'rop kicken
as de Os op e Däle (Thaler). Bewundere as de Os de nüg' Dissel
Von H. FriBchbier. 277
(Deichsel), Sick bequeme as de Os op em Morgen Land. Utsehne —
geputzt, wie e Jahrmarktsos. (Über den Jahrmarktsochsen s. Preuss.
Wörterb. I, 314.) Korrespondenzbl. III, 51 f.
Schwein«
Namen: Kuijel, der Eber; Borg, der verschnittene Eber; Sau,
das weibliche Tier, pltd. Sü, verschnittene: Sauborg. Die jungen
Schweinchen heissen Ferkelchens, Farkelchens. Im Rätsel heisst
das Schwein Griffgraff. (Tierrätsel 36.)
Lockrufe: Nuckel Nuckel! Bei Angerburg: Nucke Nucke! auch
Pochla Pochla!" — Eusch Kusch! Im Ermlande: Eosch Eosch! —
Posch Posch! auch Schä Scha! im Samlande. In der Saalfelder Gegend:
Kowmei Eowmei (auch Eownei) ! Zum Ferkel im Saalfeldschen : Nitsch-
chen Kitsch! im Ermlande: Pochla Pochla! (Volksr. 242.)
Das Schwein ist das Prototyp der Unreinlichkeit und Faulheit: wie
ein Schwein schmutzig sein, — wühlen, — grunzen ; abgehen, — weg-
gehen, wie das Schwein vom Trog. — Aussehen, wie eine Sau, — wie
eine Sau im goldnen Halsbande; — wühlen, wie eine Sau; — auf-
horchen, wie eine Sau; — wie eine Sau, wenn sie sichten hört; —
beschäftigt sein, wie eine Sau am Sonntage; gefährlich sein, — leben, —
liegen, — im Bett (im Lager) liegen, wie die Sau (wt Forschte Sü) in
den Sechswochen; — ein Gesicht machen, wie die Sau auf dem Pflaumen-
baum; — die Ohren spitzen, wie die Sau in den Erbsen; — einen an-
fahren — anschreien, wie die Sau den Sack; — kommen, wie die Sau
ins Judenhaus; — voll Streiche sein, wie die Sau voll Ferkel; — ihm
ist so wohl, wie der Sau im Dreck. — Weifzageln wt de Kuijel <3n de
Sessweke. — Wie ein Ferkel aussehen, — schmutzig, — unsauber sein
(ein rechtes Ferkel sein); — e Füst höcher sin wl e Farkel. (Eorre-
spondenzbl. III, 50 f.)
Sprichwörter: Daraus kann kein Schwein klug werden. Dasfrisst
kein Schwein. Jedet Schwin heft sin Erlz, on jeder Mönsch sin Leide.
Je mehr Schwein, je dünner der Drank. Lahme Schwtn käme 6k tom
Derp. Gut Schwein frisst alles. Ohne Afrhweine zu hüten, wirst du
nie Herr werden. Sich zum Schwein machen. (Vgl. Sprw. I, 3438 ff;
H, 2439 ff.)
278 ^ur vo^«tam^c^en Naturkunde.
Rätsel:
Et geit äwer de Brigg
Od heft dem Schuster stne Nidel op em Rügg.
Tierrätsel 22.
Aberglauben: Wenn sich die Schweine mit Stroh tragen, Lager
tragen, so wird es regnen.
Wenn ein Schwein einen langen Bussel hat, so ist es nicht gefrässig.
Schweine, die stark wühlen, haben Finnen. (Scheufelsdorf bei
Passenheim.)
Schweine werden in der Mast stark fett, wenn sie mit einem Acht-
zehner (Preuss. Wörterb. I, 14) bestrichen werden können (Ermland) ; —
wenn man Abgekratztes von den vier Ecken des Tisches und vom Ofen
in das Fressen (wenigstens in die erste Mastkost) mischt (Ermland); —
wenn man einen Maulwurf in der Hand tot druckt und alsdann mit
dieser die Schweine streicht. (Marggrabowa.)
Kauft man ein Schwein, so muss man beim Einstallen Salz über
des Tieres Bücken und seinen Trog streuen : — man befördert dadurch
sein Gedeihen und sichert es dadurch gegen Verrufen und Behexen.
(Ermland.)
Kauft man Ferkel zum Zulegen, so lege man sie zuerst ins Bett,
dann gewöhnen sie sich gleich und bangen sich nicht nach der Mutter.
Darnach lege man sie unter den Tisch, so werden sie keine Kost-
verächter, sondern fressen gut. (Alt-Pillau.)
Wenn Mädchen die Milz des Schweines essen, so lernen sie gut
nähen; isst aber eine Mannsperson die Milz, so erhält sie Seitenstechen.
Auch dürfen Knaben nie die Schnauze des Schweines essen, sonst lernen
sie schlecht pflügen (Alt-Pillau.). — Wenn ein Knecht oder Instmann
eine Schweinsschnauze isst, so zerbricht er beim Ackern den Pflug.
(Dönhoffstädt.)
Beim Einlegen der Würste in den Kessel und beim Kochen der-
selben darf nicht gesprochen werden, weil sie sonst aufplatzen würden.
(Dönhoffstädt)
Vor Schweinedreck soll der Teufel Furcht haben. Nervenfieber-
kranke sind vom Teufel besessen; legt man ihnen Exkremente des
Von H. Frischbier. 279
Schweines ins Bett, so weicht der Teufel und der Kranke gesundet.
Fährt der Teufel im Wirbelwinde einher, allerlei Krankheiten mit sich
führend, so speie man aus und rufe: Pfui, pfui, Schweinsdreck!
Der Teufel verekelt sich dann an dem Ausrufenden und lässt ihn un-
belästigt. Sprichw. I, 3448. Preuss. Wörterb. II, 330.
Zusammensetzungen: schweinedreist, -dumm; Schweine-
jagd: das Marktrecht für den Auftrieb von Schweinen zum Verkauf;
Schweinekost: gemeinschaftliches Mahl am Abend nach dem Schlach-
ten; Schweine vesper, Imbiss zur Zeit der Bückkehr der Schweine
vom Felde (etwa um 6 Uhr abends); Sauball, ein Treib-Ballspiel ;
Saufrass, schlechte Speise; Sauglocke, Sauglück; Sauloch, -nest,
schmutzige Wohnung.
Schimpfworte: Schweinepriester, Schweinhund, Schweinigel (auch
der Sauigel, Erinaceus, und das 'Stachelschwein, Hystrix), Schweinskopf
= Dummkopf, Sauaas, -bär, -besen, -hund, -läppen, -leder, -magen,
-mensch, -michel, -pelz, -nigel, -trommel, -zahn, -zeug.
Pflanzen: Schweinsbohne, Saubohne, Sauwicke, ViciaPaba.
Schweinscichorien, Hypochoeris glabra. Schweinsmelde, Sau-
melde, Sautod, Ghenopodium hybridum. Schweinskraut, Calla
palustris. Schweinskresse, Cochlearia coronopus. Schweinssalat,
Lapsana pusilla. Sauauge, Paris quadrifolia. Saubrot, Lathraea
squamaria. Saudi stel, Sonchus oleraceus. Saufenchel, Peucedanum
officinale und Carlina vulgaris. Sauknoten, Scrophularia aquatica.
Saukraut, Solanum nigrum. Saulöffel, Potamogeton natans. Sau-
nickel, Sanicula europaea. (Hagen u. d. a. W.) Schweinegras, Poly-
gonum aviculare. Schweinenüsse, Knollen von Equisetum palustre.
Sauenkohl, Sonchus. Treichel, Volksth. a. d. Pflanzw. u. d. a. W.
Vogel: Saulocker, Koschkelocker, das Botschwänzchen, Sylvia
phoenicurus. Vgl. f. d. a. W. das Preuss. Wörterb.
Yögel.
Kreuzschnabel.
Namen: Kreuzvogel, Krummschnabel, Dickschnabel, Krünitz,
Zapfenbeisser ; pltd. Tappebiter. (Bujack 376. Preuss. Wb. u. d. a. W.)
280 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Sage: Als Christus am Kreuze hing, war ein Vöglein eifrig be-
müht, ihm die Nägel aus Händen und Füssen zu ziehen. Dabei verbog
es seinen Schnabel zur Kreuzesform, und der Heiland liess den also
gestalteten Schnabel zur ewigen Erinnerung an seine Liebesthat. Die
Menschen aber nennen den Vogel Kreuzschnabel. (Aus Alt-Pillau mit-
geteilt, doch allgemein bekannt)
Sperling.
Wo ein Sperling — und noch gar mit einer Feder im Schnabel —
ins Haus fliegt, meldet sich der Tod an; fällt die Feder im Hanse
nieder, so ist ein Todesfall ganz gewiss. (Saalfeld. Lemke 98.)
Kinderreim aus Masuren (Passenheim):
A te male wrobliki
Sa, duze szkodniki,
Do szczyta sie przypinaia,,
Grike, owies pozeraia.
Und die kleinen Spatzen
Sind grosse Schadenstifter,
An den Giebeln haften sie sich an,
Buchweizen (Gricke), Hafer fressen sie auf.
Sprichwörtlich: Wie ein Sperling bekannt sein, — schimpfen; —
Beine haben wie ein gemästeter Sperling; — schimpfen wie ein Bohr-
sperling. (Korrespbl. III, 53.)
Lerche«
Namen: Lewark, Lewerk, Lewrik, Lewrink, Lörk, Lörke, Lerke,
Lewak, Lorch, Lirch. (Bujack 376. Preuss. Wörterb. II, 24.)
Der Frühlingsbote. So lange die Lerche vor Lichtmess (2. Febr.)
singt, so lange muss sie nach Lichtmess schweigen. (Samland.)
Wenn die Lerche vor Petri Stuhlfeier (22. Febr.), dem eigentlichen
Tage ihres Eintreffens, singt, so muss sie nach diesem Tage unter
dem Schlitten singen — der „Gesangu des unter dem Schlitten
pfeifend knirschenden Schnees soll damit angedeutet werden — und
zwar für jeden Tag vorher eine Woche. (Dönhoffstädt.)
Wenn die Lerche da ist und singt, dann will die Arbeit in der Stube
nicht mehr behagen und gelingen : De Lewark singt, de Wocke stinkt
Den Gesang der Lerche hat das Volk mannigfach in Worte über-
tragen :
° Drlw, Peterke, drlw!
Hast e gode Wort, denn bliw,
ös hei schlömm, denn teh wit wtt
wit weg weg weg! (Samland.)
Von H. Frischbier. 281
Jongehen, tripp'le in den Dienst!
Tripp'le in den Dienst!
Wenn's dir nicht gefallt,
Lauf weg! (Saalfeld. Lemke 97.)
Weitere provinzielle Varianten des Gesanges s. Volksr. 260.
Sprichwörter: Lat de Lerke fleege, gieb die Hoffnung auf.
ütsehne wi e dracht'ge Lörch. Munter sein wie eine Lerche. (Sprichw.
I, 2399. Keusch, Sagen 122.)
Pirol.
Namen: Bierhol, Bierhold, Bierhahn, Bülau, Bülow, Herr von Bülau
(Bülow), Junker Bülow, Jungfrau Bülo, Schulz von Thierau, — von
Tharau, — Tinian, Wiedewol, Wittewald, Pfingstvogel, Regenvogel,
Golddrossel. Vgl. Preuss. Wörterbuch I, 82. Bujdck 370.
Der Pirol zeigt durch anhaltendes Geschrei nahen Regen an.
(Dönhoffstädt.)
Sein Ruf klingt: Bierhol'! Bicrhol'! Herr von Bülow je. Nach
Bock's Naturgesch. IV, 303 ruft er dem auf Rechnung Trinkenden zu:
Hast du gesoffen, so bezahle auch! In der Saalfelder Gegend über-
setzt man den Ruf: Jungfrau Bülo, schöne Frau, wunderschöne Frau!
(Lemke 97.)
Volksreime:
Schulz von Thierau (Tharau),
Komm, wi wolle to Ber gän!
„Hebb ItGn Schö!"
Teh Nage an,
Kannst doch'to Ber gän!
Und in dem Dorf ruft der Wiedewol:
Pfingsten ist da, Bauer, dein Bier hol'!
Komm zu Bier, komm zu Bier!
„Ich bab kein Geld."
Ich werd1 borgen bis übermorgen.
(Samland.)
Vgl. Preuss. Volksreime 70, 266.
Rabe, pltd. Räw.
Der Rabe ist ein Unglücksvogel. Wenn ein Rabe über einen
Menschen schreiend dahinfliegt, so steht diesem ein Unglück bevor.
(Ermland.)
Utpr. Monatoschrift Bd. XXII. Hft. 3 u. 4. 19
282 Zar volkstümlichen Naturkunde.
Wenn die Raben sich an die Bäume hängen und mit den Flügeln
schlagen, oder (das Folgende gilt auch von den Krähen) wenn sie über
hohe Gebäude hinfliegen, ihre Köpfe im Fliegen aufrecht halten, sich
im Kreise bewegen und gegen Abend ein Geschrei erheben, so giebt es
Regen oder Sturm. (Bock, Naturgesch. I, 352.)
Sprichwörter und Redensarten: Wo das Aas ist, sammeln
sich die Raben. — Wie ein Rabe schwarz sein, — schreien, — stehlen.
Korrespbl. III, 53.
Krähe.
Namen: Nebel-, Schild-, Mantel-, Sattel-, Schnee-, Luder-, Toten-,
Winterkrähe, graue Krähe, Graurücken, Graumantel; Kräh-, Nebel-,
grauer Rabe, Gacke. (Bujack 375.)
Der Volksmeinung nach hat die Krähe im Sommer die Stimme
des Kolkraben, Corvus corax.
Wenn Krähen und Dohlen im Winter hoch auf den Bäumen sitzen,
dann tritt in den nächsten Tagen starker Frost ein ; zeigen sie sich aber
in grossen Scharen und setzen sie sich auf die Erde, dann giebt es bald
ungestümes Wetter.
Will man, dass das Strohdach von den Krähen nicht zerzaust
werde, so unterlasse man es, am Lichtmesstage mit Fett zu kochen-
N. Pr. Prov.-Bl. X, 117, 171.
Sprichwörtliches: Einen ansehen (nach etwas sehen), wie die
Krähe das kranke (nach dem kranken) Ferkel (Gessel); — danau tön,
wi de Kr§g nau Äs. Korrespbl. III, 52.
Wenn die Krähe im Winter einen Pferdeapfel findet, so bezeichnet
sie ihn als Kollatz, Kollatz! Fladen, oder Dwarg, Dwarg! Quarkkäse;
im Sommer sieht sie ihn nicht an, sondern ruft vielmehr verächtlich:
Bekack, bekack! oder Pfui, Kack! Pfui, Kack! (Preuss. Volksr. 67.)
Beim Auffinden von Fleisch krächzt die Krähe : Kwi dat ! Kwi dat !
Die andere fragt: Wo da? Wo da? Die erste antwortet: Underm Barg!
Underm Barg! (Reusch, Sagen 121.)
Weitere Übersetzungen der Krähenunterhaltung:
Weetst, wo Aas liggt?
Underm Barg!
Von H. Frischbier.
283
08 noch wat dran?
Nascht als Enäke.
Gnapp af, gnapp af, gnapp af!
Wat hast? Wat hast?
Öck hebb Aas.
Ös ök wat dran?
Luter Knäke.
Ick weet wat!
Wat weetst?
Hinnem Baag liggt Aas.
18 ök wat dra?
Enäken dürr.
Pül af! Pül af!
Puhataj! Pahataj!
(Samland.)
(Dönhoffstadt.)
(Konitz.)
Preuss. Volksr. 66, 255.
Hinderm Barg 5s As!
Kommt 'man!
Da hackst mf.
Öck war nich.
Na schwer (schwöre)!
Wahrhaftig Gott!
Da schwörst.
öck denk1 ök nich!
(Dönhoffstadt)
Und're Barg, nnd're Barg liggt e Pörd!
Ös wat dran?
Pure Fett, pure Fett!
Die Krähe ruft dem Kinde zu:
Klatter di! Klatter di!
Will sich das Kind nicht kämmen lassen, so ruft sie:
Ru schelkopp ! Raschelkopp !
Lässt das Kind sich kämmen, so ruft sie:
Glattkoppke! Glattkoppke!
(Samland.)
(Königsberg.)
Kiebitz: Et 6s mi költ an e Fiss\
Kr&he: Et ös ja alle Jähr so!
(Dönhoffstadt.)
Krähenfresser und Krähenbeisser heissen spottweise die Be-
wohner der kurischen Nehrung. Siehe Näheres Pr. Prov.-Bl. V, 463.
Passarge, Baltische Stud. 296. Preuss. Wörterb. II, 417.
Pflanzennamen: Krähenbeere, Schollera oxycoccos u. Empe-
tram nigrum. Krähenfuss, ßanunculus bulbosus u. Cochlearia coro-
19*
$4 Zar volkstümlichen Naturkunde.
opus. Krähenfusswcgetritt, Plantago coronopus. Krähenmileh,
uphorbia esula. Kräbcnseife, Herniaria glabra. Hagen u. d. a. W.
reiche], Bot. Not. Preuss. Wörterb. II, 417. Vgl. Gans.
Dohle.
Namen: Tale, Talke, Dale, Dole, Tille, Gacke, Klaas, Alke, Stadt-,
chneekrähe. (Bujack 375.)
Wenn die Dohlen abends schreiend umherfliegen und uicbt zur
achtruhe kommen können, so steht Sturm bevor, im Winter Schlagg.
Jönhoffstädt.) Vgl. Krähe.
Kister.
Namen: Master, Alster, Aglester, Azel, Hetzer, Hutz, Schaker-
ster, Heigster, Heister, Hfigster, Haster, Heisker, Höiter, Spachheister,
pochheister, Kalkheigster. (Bujack 375. Preuss. Wörterb. u. d. a. W.
emke 98.)
Die Elster ist ein Totenvogel. Erscheint sie wiederholt schreiend
iif einem Gehöft, so meldet sie den Tod eines Menschen, wenigstens
bgang an Vieh. Sie ist aber auch ein Kreuzvogel, denn ihre weissen
id schwarzen Gefiederäecken bilden beim Fluge die Kreuzform. —
jirz vor Untergang der Welt wird die Elster verschwinden; so lange
e noch bei uns weilt, ist das Ende der Welt uoch fem. (Alt-Pillau.)
Wenn die Elster über einem Hanse schreit, so entsteht in dem-
dben Spektakel. (Passenheim.) In der Saalfelder Gegend kündet ihr
Schachern" Besuch an. (Lemke 98.)
Wenn die Elstern vor den Penstern schreien, so „seindt geste vor-
inden, die man nicht gerne syet". (Simon Grünau, hrsg. v. Perlbach S.89.)
Sprichwörtliches: Wie eine Elster stehlen; — wi e Spach-
:ister hager sön. (Korrespondenzbl. III, 50.)
Rätsel: Höber als eine Kirche, niedriger als ein Holzschlitten,
hwärzer als Kohle, weisser als Schnee. (Pommerellen. Tierrätsel 91)
gl. Taube.
Weibe, Falco milvus.
Namen: Weih, Habicht, Häfke, Hühnergeier, Gesselhabicht, -häfke,
übel-, Rüttel-, Königs-, Hühncrweihe, Hühner-, Keichel- (Küchlein)
eb, Schwalbenschwanz. (Bujack 368.)
Von H. Frischbier. 285
Sage: Bald nach der Schöpfung kamen die Vögel des Himmels
zusammen, um sich Brunnen zu graben, daraus sie trinken könnten.
Alle Vögel scharrten und gruben fleissig nach dem Wasser, und so
entstanden die Brunnen der Tiefe. Die Weihe aber war zu stolz, wollte
sich ihre gelben Füsse nicht beschmutzen und grub nicht mit, deshalb
hat sie auch gelbe Füsse behalten, während die anderen Vögel die
ihren bei der Arbeit geschwärzt haben. Zur Strafe ihres Stolzes und
ihrer Eitelkeit verfluchte aber Gott der Herr die Weihe: sie solle nie
aus einem Brunnen, Teiche oder Fluss ihren Durst stillen. Bei an-
haltender Dürre hört man daher die durstende Weihe heftig und ver-
langend nach Kegen pfeifen, denn nur mit dem in hohlen Steinen an-
gesammelten Kegenwasser darf sie — eine Folge jenes Fluches — ihren
Durst löschen. — Vgl. die ähnliche Sage über den Brachvogel.
Keime:
A scho, Kania, Wige wette!
Wis' mi dine wette Tette,
Socke lank as e Strank,
Socke deck as e Beck;
Fleeg na Riwoll op e Steen,
Breck di Hals o Gneck o Been!
Hochdeutsch: Ascho, Kania, Weihe weisse! Weis' mir deine weisse
Zitze, So lang als ein Strang, So dick als ein (Zaun-) Rück, Flieg*
uach Itehwalde auf den Stein, Brich dir Hals und Genick und Bein! —
A scho! ist Scheuchruf; Kania ist der polnische Name für Weihe. In
Rehwalde (Kloster im Kreise Graudenz) liegt ein hohler Stein. Der
Keim bezieht sich auf die vorstehende Sage uud ist aus Jerrentowitz
mitgeteilt. Von daher rühren auch die beiden folgenden Keime:
Hüge Wige wacke Fott,
Dreemal remme't Schultebrook,
Ohl ag Wig, fleeg weg!
Beim Hüten der Gessel, kleiner Gänse.
Hej kania puh! Lecz do morza,
Kup sobie wQgorza,
Wflgorz sie, wröci
Kania kark ukr§zi!
Hochdeutsch: Hei, du Weihe, puh! Lauf zum Meere, Kauf1 dir
einen Aal, Der Aal wird zurückkehren, Der Weihe den Hals umdrehen.
A sza,, kania, za ploty!
Tarn iest kowal bogaty,
Kuce rydle, lopaty.
Lopata sie roscepala,
Kania w pieklo poleciala.
236 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Ein ähnlicher masurischer Reim (aus Marggrabowa mitgeteilt) lautet:
Kania, kania, kanicza,
Niebierz mego panicza,
Idz do dwora po kaczora,
Niech ci diabu leb ukrgzi!
(Übersetzung:)
Weihe, Weihe du Weihin,
Nimm nicht meinen jungen Herrn (das Küchlein),
Geh ins Schlosa (in den Herrenhof) nach einen jungen Enterich,
Der Teufel möge dir den Kopf abdrehen.
(Volksr. No. 221 und S. 279.)
In der Gegend von Passenheim rufen die masurischen Kinder der
nahenden Weihe zu:
A scho, Weihe, hinter die Zäune!
Da ist ein reicher Schmied,
Der schmiedet Ridel (Spaten), Schaufeln.
Die Schaufel ist gespalten,
Die Weihe flog zur Hülle.
Die Weihe galt im alten Nadrauen und bei den Zamaiten als Vogel,
der Unglück verkündete: Schaden, Brand. Pierson, Matth. Prätorius S. 43.
Pflanzennamen: Weihenfuss, Ranunculus repens. Hagen
Nr. 585.
Eule.
Namen: Schuwut, Schufut, Schuhu, Schuwit, Schubut, Schubit,
Komm mit; pltd. Ül.
Eule, Ül ist der Gattungsname, Schuwut jc. gilt gewöhnlich für
den Uhu, Strix Bubo; der Name Kommmit ist dem Geschrei der Nacht-
eule nachgebildet (vgl. Preuss. Wörterb. I, 406).
Die Eule ist der Unglücksvogel und Totenbote. Das nächtliche
Wesen, der geräuschlose Plug, der unheimliche Ton ihrer Stimme
flössen Grauen ein. In alten Zeiten erzählte das Volk, die Eier des
Schubuts habe noch nie ein Mensch gesehen. (Bock, Naturgesch. IV, 231.)
Man verfolgt den Vogel und nagelt den gefangenen an das Scheunenthor.
Setzt sich die Eule (das Käuzchen) auf ein Gebäude, oder kommt
sie in die Nähe eines der Fenster und ruft ihr furchtbares „Komm' mit!
Komm, mit!44 so stirbt in dem betreffenden Hause jemand. (Pischhausen.
Ermland. Saalfeld: Komm7 mit, komm' mit, ins kühle Grab! Lemke 98.)
In Einlage bei Elbing heisst es: „De Uhl spricht, wad wer sterbe".
Von H. Frischbier. 287
Liegt in dem Hause ein Kranker, so kommt dieser vom Lager nicht
mehr auf. (Dönhoffstädt.)
Und der vogil huhu genannt 3 nacht auff eim hause schreiet, sie
halten und der Mensch muss sterben. (Simon Grünau h. v. Perlbach S. 90.)
Dieses gilt von jeder Eule, besonders jedoch von dem Käuzchen.
Die Eule gilt auch als Verführerin. Sucht der im Walde Verirrte
durch Ruf nach einem Führer, so ist gleich die Eule da und antwortet
ihr täuschendes „Ha!" Folgt man diesem vermeinten „Jau, so gerät man
in Sümpfe, und der Vogel fliegt mit Lachen von dannen. (Fischhausen.)
Bei den Masuren kündet die Eule, wenn sie in der Nähe eines
Gebäudes „Kolys, kolys!" d. i. „Wiege, wiege!" schreit, in diesem
Hause den Fall eines Mädchens voraus. (Passenheim.)
Eule und Fledermaus haben miteinander Brüderschaft gemacht,
denn da, wo viele Eulen sich aufhalten, finden sich auch zahlreiche
Fledermäuse, welche unter dem Schutze jener stehen. (Heydekrug.
Coadjuthen. Samaiten.)
Kocht man eine Eule in Wasser und bespritzt oder begiesst je-
manden mit der Brühe — das Volk nennt dieselbe Ülegicht — , so wird
der Begossene von allen Leuten zum besten gehalten und geneckt,
ähnlich wie es der Eule unter den Vögeln ergeht, wenn sie sich bei
Tage sehen lässt. — Auch sagt man von einem Menschen, der Unglück
bat: He ös möt Ülegicht begäte. (Sprichw. I, 774.) In ähnlichem Sinne
A
heisst es in der Wehlauer Gegend: Hei ös möt Ulefedd're beschött,
er ist mit Eulenfedern beschüttet.
Sprichwörter und Redensarten: Er ist wie die Eule unter den
Krähen, pltd. Hei ös wi de Ul undre Kreege. Hei kömmt wi de Ul
mank de Kreege. — Trü nich de Ul — späss nich möt e Ul, et ös 6k
e Vägel. Als Zurückweisung eines nicht angenehmen Scherzes. — Hei
kickt wi de Ul üt dem Schmolttopp. — Er kuckt (kickt) wie die Eule
aus ihrem Nest (aus verworrenen Haaren). Hennig, Wörterb. S. 247,
hat die Redensart: Er ist ein rechter Schubut, von einem hässlichen,
übel gekleideten Menschen, der mit verworrenen Haaren geht. — Er ist
ein lustiger Kauz — ein komischer Kauz.
Von Kindern, welche frühzeitig schläfrig werden, sagt man, dass
238 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
A
sie in der Eulenflucht (ön e Uleflucht), zur Stunde, in der die Eulen
zu fliegen beginnen, geboren sind. Vgl. Sprichw. I, 771 ff.; II, 075 ff.
Schwalbe.
Namen: Schwalchcn, pldt. Seh walke, Schwahn, Schwalmke, auch
Scbwalmchen.
Die Schwalbe ist, wie der Storch, ein lieber Frühlingsbote und
dem Landmanne ein werter Vogel. Ihr Nest wird geschont: wer ein
solches zerstörte, würde das Glück des Hauses vernichten (Allgemein),
oder bewirken, dass seine Kühe statt Milch Blut geben (Dönhoffstädt);
ja er würde vom Gewitter erschlagen werden (Fischhausen). Wo die
Schwalbe nistet, da zündet kein Blitz (Fischhausen). Wer eine Schwalbe
tötet, begeht eine grosse Sünde. (Masuren.)
Wünscht man eine weisse Hautfarbe (einen zarten Teint) zu haben,
so muss man, wenn man im Frühjahre die erste Schwalbe sieht, ans
Wasser gehen, sich waschen und dreimal rufen : Min Mül witt, din Närsch
schwärt! (Fischhausen.) — Sommersprossen verschwinden, wenn man sich
wäscht, nachdem man die erste Schwalbe gesehen. (Saalfeld. Lemke 89.)
Wenn die Schwalben hoch fliegen, so bleibt das Wetter gut;
steigen sie aus der Höhe herab und fliegen sie zwischen den Häusern,
oder klammern sie sich an die Wände, so erfolgt Regen oder unge-
stümes Wetter. (Siehe Bock, Naturgesch. I. 352.)
Die Schwalben mauern Sperlinge, welche ihr Nest okkupiert haben,
ein. Es leistet dabei die ganze Schwalbengeseilschaft der geschädigten
Familie Hilfe.
Der Gesang der Schwalbe, wie er in unserer Provinz fixiert ist,
findet sich: Toppen, Neue Preuss. Prov.-Bl. I, 441, Preuss. Volks-
reime No. 261, Lemke 98. (Am schönsten ist dieser Gesang variiert
in Kückerts „Aus der Jugendzeit".)
Die Schwalben ziehen, nach den Beobachtungen des Volkes, nicht
fort, sondern ertränken sich im Herbste in Seen, Teichen und Flüssen,
aus denen sie im Frühlinge wieder neu belebt hervorkommen. Sie
setzen sich vor ihrer Erstarrung auf das Bohr und Schilf an den Ufern,
oft in Haufen, und gleiten langsam in das Wasser hinab. Schmilzt im
Frühlinge das Eis, und wird das Wasser wärmer, so erwachen die
Von H. Frischbicr. 289
Schwalben zu neuem Leben und fliegen aus dem Wasser heraus. (Passen-
heim, Fischhausen, Dönhoffstädt, Saalfeld. (Lemke 98.) und aus vielen
anderen Orten.) Vergi. auch Bock, Naturgesch. IV, 447.
Sprichwort: £n Seh walke mäkt noch keine Sämer. — Am geit
dat Mul wi dem Schwälke de Arsch.
Sagen: In den ersten Zeiten der Schöpfung waren die Tiere
und Vögel nach ihrem Aufenthalte anders verteilt als jetzt. Die Wachtel
wohnte und nistete in den Häusern der Menschen, die Schwalbe aber
wohnte auf den Feldern. Da die Wachtel den Menschen aber immer
zurief: The torügg! Möt Bedacht! so wurden diese schüchtern bei
jedem Unternehmen und legten die Hände in den Schoss, und das
Menschengeschlecht drohte unterzugehen. Da erbarmte sich Gott der
Menschen; er schickte die Wachtel aufs Feld und die Schwalbe ins
Haus. Diese rief nun den Bauern immer zu: Fitschet! fitschet!
Das klang, als triebe sie die Säumigen mit der Peitsche an, und von
da ab ging's besser. (Reusch, Nachlass.)
Die Schwalben waren aus des Schöpfers Hand als ganz weiss ge-
färbte Vögel hervorgegangen; erst nach dem Sündenfalle erhielten sie
ihr jetziges Federkleid. (Fischhausen.)
Pflanzennamen: Schwalbenkraut, grosses, Chelidonium majus,
kleines, Geranium Robertianum. Seh walbenwurzel, Asclepias vincetoxi-
cum. Schwalbenzagel, Veronica spuria. (Hagen u. d. a. W.)
^Tachtgchwalbe.
Namen: Ziegenmelker, Tagschlaf, Hexe, Nachtschatten. (Bujack 369.)
Den Namen Ziegenmelker führt der Vogel, weil er, nach der Volks-
meinung, Ziegen und Kühe melkt. Diese Ansicht hatte schon Aristo-
teles. (Vgl. Bujack, Naturgesch. 129.)
Bachstelze.
Namen: Quekstert, Quekstelz, Quikstert, Quiksterz, Wippzagel,
Wippenzagel, Wippzagelche, pldt. Wöppzägel, Wöppzägelke, Wippquek-
stert, Wippquekstelz. Nach Mühling (N. Preuss. Prov.-Bl. a. F. VIII, 176.)
auch Quecksteert, Quecksterz und Wippquecksterz. Letzter Name schon
in Bock, Naturgesch. IV, 437. Nach Bock a. a. 0. heisst die gelbe
Bachstelze auch Kuhstelze. (Vgl. auch Bujack 373.) Das Vöglein heisst
290 Zur volkstümlichen Naturkunde.
auch Ackermannchen, pltd. Ackermannke, weil es beim Pflögen,
besonders im Frühlinge, auf dem Acker sich einstellt und mit wippen-
dem Schwänze dem Pfluge ruhrig nacheilt.
Die vorstehenden Namen gelten für alle Arten von Bachstelzen;
sie sind zurückzuführen auf das unausgesetzte Wippen des Tierchens
mit dem Schwänze. Quek, Quik = lebendig, munter; Stert = Steiss,
Schwanz.
Der Storch bringt die (graue) Bachstelze bei seinem Anzüge auf
dem Schwänze mit, d. h. beide Vögel kehren gleichzeitig za uns zu-
rück. (Sprichw. II, 2586.) In der Gegend von Dönhoffstädt heisst die
Bachstelze aus diesem Grunde auch der Eumpan des Storches.
Sprichwort: Wo de Quekstert kann stäne, kann de Menist wäne.
Das Sprichwort bezeichnet die Genügsamkeit der Mennoniten, welche
in den fruchtbaren Werdern oft nur kleine Besitztümer haben und
diese gartenmässig anbauen. Wie eine Bachstelze munter sein; —
munter wi e Wöppstert. (Sprichw. I, 2608. Preuss. Wörterb. u. d. a. W.
Korrespondenzbl. III, 49.)
Wiedehopf.
Namen: Hupp, Hupphupp, Deminutiv Huppke. Nach Bujack 378,
auch Kot*, Stinkhahn, Kotkrämer, Baumschnepfe, Kuckuckslakai, -küster.
Wenn der Wiedehopf viel schreit, so ist Regen im Anzüge. Sein
Kuf klingt: Hupp! hupp! (daher der Name) und wünscht er im Früh-
linge mit demselben, dass Eis und Schnee sich heben möge. (Volks-
reime No. 270.) In früheren Zeiten deutete man sein anhaltendes
Geschrei Hopp hopp! als Anzeige eines nahen Krieges. (Bock, Natur-
geschichte IV, 317.)
Märchen: Wiedehopf und Eohrdommel waren ursprünglich zwei
Hirten, im Dienste eines Zauberers. Wiedehopf hütete sein Vieh am
liebsten auf der Höhe, während Rohrdommel das seinige zu gern in
die Niederung trieb. Bald zeigte es sich, dass Rohrdommel mit besserem
Erfolg sein Vieh weidete : es wurde fett, gab schöne und reichliche Milch
und zeigte sich munter und übermütig. Wiedehopfs Vieh dagegen ward
mager und elend und gab nur wenig Milch. Zum Melken wurde beider
Vieh in eine Hürde getrieben, und bald stellte sich die Notwendig-
Von H. Frißchbior. 291
i
i
keit heraus, dass Rohrdommels Vieh zuerst eingetrieben wurde, damit
es in seinem Übermute Wiedehopfs Vieh nicht überlaufe und stosse.
Dieses lag unterdessen mit seinem Hirten vor der Hürde. Eines Tages
kam Wiedehopf früher zur Hürde als Rohrdommel. Sein Vieh lagerte
sii-h. Da trieb auch Rohrdommel heran, vermochte jedoch sein wähliges
Vieh nur sehr schwer in die Hürde zu treiben und eine bunte Kuh gar
nicht: sie lief wild um die Hürde herum. Da eilte Rohrdommel ent-
rüstet der Kuh nach, schlug sie mit dem Klingerstocke und rief im
tiefen Bass: „Bunt', heröm! Bunt', heröm!" (Bunte, herum!)
Als Rohrdommel die Kuh endlich eingehürdet hatte, begann Wiede-
hopf mit der Eintreibung seines Viehes und rief, es zum Aufstehen an-
treibend: „Hopp! hopp!" Das Vieh erhob sich. Eine arme Kuh aber
war so kraftlos, dass sie gar nicht auf konnte. Da hieb Wiedehopf
mit seinem Klingerstocke auf sie ein und rief ununterbrochen sein lautes
Hopp, hopp! Die Kuh aber starb unter seinen Schlägen.
Der Herr der Hirten hatte aber beider Roheit und Unbarmherzig-
keit gesehen. „Ihr Bösewichter41, rief er, „ihr sollt für eure Hartherzig-
keit gestraft werden!" Und er verzauberte sie in Vögel: Wiedehopf
hält sich noch auf der Höhe auf und ruft hier sein: Hopp, hopp!
während Rohrdommel in der Niederung wohnt und aus dem Schilf und
Kohr sein: Bunt1, herum! Bunt', heröm! ertönen lässt. (Samland. Fisch-
hausen.) Vgl. Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen. Gr. Ausg.
No. 173.
Redensart: Er stinkt wie ein Wiedehopf.
Specht*
Namen: Baumhacker, Holzkrähe, Krähenspecht, Hohllochkrähe,
Holzhuhn. Nach Bujack 379 zunächst Namen für Picus martius.
Der Specht galt bei den Waidelotten der Nadrauer als einer der
Vögel, dessen Erscheinen Glück bedeutete. (Pierson, Matthias Prätorius'
Deliciae prussicae 43.)
Die nachfolgende aus Fiscbhausen mitgeteilte Sage erinnert an
das Märchen vom Gertrudsvogel (Grimm, Myth. 639): Als der liebe Gott
noch auf Erden wandelte, kam er an ein Haus, in dessen Thür eine
Frau mit einer roten Kappe auf dem Kopfe lehnte. Der liebe Gott,
292 Zur volkstumlichen Naturkunde.
welcher recht hungrig war, bat um ein Stückchen Brot. Aber die Frau,
noch dazu eine Bäckerin, schalt heftig auf das Bettelvolk und jagte
den lieben Gott mit Schimpf und Schelte von ihrer Thür. Gott sprach:
Für deine Hartherzigkeit sollst du gestraft werden. Du sollst ein Vogel sein
und deine Nahrung nur finden zwischen Binde und Holz. Die Frau wurde
zum Schwarzspecht und trägt noch heute als solcher die rote Kappe.
Wenn der Specht viel schreit, so giebt's Regen. (Bock, wirthschaftl.
Naturgesch. I, 351.)
Blaurake
Namen: Mandelkrahe, blaue Krähe, Garbenkrähe, Blaurabe, Birk-
häher, deutscher Papagei, Backer, Boller. (Bujack 378.)
Den Namen Mandelkrähe hat der Vogel bekommen, weil er gern
auf den Mandeln, den Getreidehaufen sitzt, und hier nach Heuschrecken
und anderer Nahrung sucht. Der Landmann aber ist der Meinung,
dass er ihm die Körner aus den Mandeln hacke, und deshalb verfolgt
er den Backer. Diesen Namen führt der Vogel zwar nach seinem Ge-
schrei, der Bauer nennt ihn jedoch so, weil er sein Nest aus Kot (in
hohlen Bäumen) baut. (Alt-Pillau.)
Kuckuck*
Der Kuckuck ist der Verkünder des Frühlings, der Lebensdauer
und des Glückes der Ehe; sein erster Buf bringt Glück oder Mangel.
Nach der Lebensdauer fragt man, wenn man seinen ersten Buf
vernimmt, mit dem Reime:
Kuckucksknechr.
Segg' mi recht,
Segg' mi wahr
Op e Hoar,
Wi vel Joar,
Dat öck noch l£we war!
Die Zahl der Bufe giebt die geforderte Kunde. Varianten und
weitere Beime dieser Art s. Volksreime Nr. 209 f. ")
") Zur Ergänzung zwei Beime aus Passenheim:
Kukaweczka,, kuku,
Skowroneczek rara,
Day mi dziewcze ge,by,
Damcy pol talara.
Kuckuckchen, kuku,
Lerchelein rara,
Gieb mir, Mädchen, eiueu Kuss,
Geb dir 'nen halben Thaler.
Von H. Frischbier. 293
Doch antwortet der Kuckuck auch fragenden Mädchen, wie lange
sie noch unverheiratet bleiben werden:
Kackuck op de greene Hassel,
Woveel Jahr war öck noch wasse,
Kuckuck op de greene Ficht,
Woveel Jahr war Öck noch bliwe onbefrigt?
Volksreime Nr. 211. (Kn Karthaus.)
Hat man Geld bei sich, wenn man den Kuckuck zum erstenmal
schreien hört, so wird man das ganze Jahr hindurch nicht in Geld-
verlegenheit kommen. Doch thut man gut, während des Rufes auf sein
Geld zu klopfen oder es umzurühren, man steigert dadurch die Jahres-
einnahmen. — Man darf im Frühjahr nie ohne Geld oder Brot aus-
gehen, denn man wird, wenn man keins von beiden mit sich führt und
der Kuckuck über den Weg schreit, im nächsten Jahre Mangel leiden.
Der Kuckuck ist auch Verkünder des Wetters : lässt er sich zeitig
hören, so giebt es einen warmen Frühling; giebt er den ihm eigenen
Ton von sich, den die Landleute ein Lachen nennen, so regnet es bald.
(Bock, Naturgeschichte 2C. 354. 351.)
Der Kuckuck soll neun Tage vor Mai zu rufen anfangen; er ver-
mag dies aber nicht eher, als bis er ein Blatt vom Kuckuckskumst
(Oxalis Acetosella) im Schnabel gehalten hat. (Saalfeld. Lemke 97.)
Wenn der Kuckuck bis Gregor (9. Mai) nicht schreit, so platzt er
auf. (Alt-Pillau.)
Der Kuckuck schreit nur von Tiburtius (14. April) bis Johann
(24. Juni); nach Johann verwandelt er sich in einen Habicht. (Volks-
kalender Nr. 111. Lemke 97.) Kurzweg heisst es: der Kuckuck wird
im Herbst ein Häfke (Habicht); als solcher stiehlt er dann Hühner
und Tauben.
Beschreit der Kuckuck unbelaubte Bäume, d. h. ist er früher da,
als das Laub, so kommen in dem Jahre viele Mädchen zu Falle.
(Natangen.)
Knkaweczka,,
Panieneczka,
Licz, licz, licz,
Wiele latkow b§do zj6\
Kuckuckcheu,
Jangferchen,
Zähle, zähle, zähle,
Wie viele Jahrchen ich noch leben werde!
294 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Das Volk nennt den Kuckuck den dümmsten Vogel, denn er ver-
steht es nicht einmal, sich ein Nest zu bauen. Als der Goldammer
ihn diese Kunst lehren wollte, wies er ihn stolz und höhnend ab. Er
legt sein Ei in das Nest anderer Vögel, und diese brüten es aus. Der
junge Kuckuck ist gegen seine Pflegemutter undankbar; er trachtet ihr
nach dem Leben. Entkommt sie seinem Schnabel' und seinen Krallen,
so ist sie fortan gegen Nachstellungen sicher: kein Raubvogel vermag
sie zu erhaschen, kein Jäger sie zu treffen. (Fischhausen.)
Märchen: In alten Zeiten war der Kuckuck ein Mann, dem seine
Frau sieben Kinder geboren hatte. Die Fesseln der Ehe wurden ihm
lästig; er misshandelte Weib und Kind. Da flüchtete die Frau in ihrer
Not mit den sieben Kindern zu Gott und rief ihn um Hilfe an. Der
liebe Gott war sehr entrüstet über die Roheit des Gatten und Vaters
und wollte ihn zur Rechenschaft ziehen. Doch dieser war in seinem
Hause nicht zu finden. Als aber Gott seinen Namen rief, antwortete
eine Stimme aus dem Backofen: „Kuckuck!14
Und Gott sprach: Da du deine Frau und Kinder so schlecht be-
handelt und nun auch mich noch verhöhnet hast, sollst du ein Vogel
sein, der nur Kuckuck ruft, der Welt zum warnenden Beispiel. Deine
Frau und Kinder aber will ich zu mir nehmen und zu Sternen machen.
Doch hüte dich, dass dich deine Kinder nie sehen, sie würden sonst
an dir Bache nehmen!
Wie Gott gesagt, so ist es geschehen: der Kuckuck ruft seinen
Namen noch heute durch die Welt, die Frau glänzt als Abendstern
am Himmel und die sieben Kinder leuchten als „Siebengestirn". Der
Kuckuck aber streicht einsam durch die Welt, ihm fehlt sein eigenes
Haus ; auch hütet er sich wohl, seinen Buf erschallen zu lassen, wenn
seine Kinder sich am Himmel zeigen: sobald das Siebengestirn sicht-
bar wird, schweigt er und versteckt sich. (Samland. Fischhausen.)
Dieser eigentümliche Vogel, der nach dem Volksliede „sieben Frauen
halten kann und für alle Arbeit hat" (Volksreime 212), der es in betreff
der ehelichen Treue und Ehrlichkeit (er stiehlt Weggen — Weizenbrot —
und Schafe. Volksr. 213. 214) nicht sonderlich genau nimmt, hat sich
vielfache Beziehungen zum Menschen gefallen lassen müssen:
Von H. Frischbier. 295
Zu dem, der Fehler an andern rügt, die ihm selber eigen sind,
sagt man: Der Kuckuck schreit seinen eigenen Namen. Der Undank-
bare ist ein undankbarer — ein böser Kuckuck, und wer Undank
erntet, hat des Kuckucks Dank oder Lohn. Wer schadenfroh lacht,
lacht wie der Kuckuck. Der treulose Gatte ist ein rechter Kuckuck —
der richtige Kuckuck — ein treuloser Kuckuck. Der Kranke, von
dem man annimmt, er werde das Frühjahr nicht mehr erleben, wird
den Kuckuck nicht mehr schreien (singen) hören. Wer Sommer-
sprossen hat, ist bunt wie ein Kuckuck. Verwundernd ruft man aus:
Ei der Kuckuck! und wenn man mit dem eigenen Wissen zu Bande ist,
heisst es: Das weiss der Kuckuck. Den Unwillkommenen wünscht
man zum Kuckuck, und nimmt mit dieser Redensart und den folgenden
der Kuckuck diabolischen Charakter an: Hol' ihn der Kuckuck! Hör
ihn der Kuckuck und sein Küster (der Wiedehopf) ! Hat ihn der Kuckuck
schon wieder da? Heut1 ist's, als ob der Kuckuck los wäre! In des
Kuckucks Namen!) Das ist um des Kuckucks zu werden! (Vgl.
Sprichw. I, 2214 ff.)
Kuckucksspeichel, pltd. Kuckucksspi, nennt man den Schaum,
den die Schaumcikade (Cicada spumaria) hervorbringt, der jedoch, nach
der Volksmeinung, vom Kuckuck ausgespieen wird. (Dönhoffstädt.)
Kuckuckskohl heisst der gemeine Sauerklee, Oxalis Acetosella.
Kuckucksblume, Lychnis flos cuculi u. Cardamine pratensis. Blauer
Kuckuck, Ajuga reptans. Kuckuckssaat, s.v. a. Lausepulver, Pulvis
contra pediculos. Vgl. Preuss. Wörterb. I, 439. Hagen u. d. a. W.
Taube.
Namen: Es kommen bei uns wild vor: Holztaube, auch Feld-
taube, Spocht, Ringeltaube und Turteltaube. Sie heissen zwar sämtlich
wilde Taube, doch wird so vorzugsweise die Holztaube genannt, die
auch Blautaube heisst. (Bujack 379. Preuss. Wörterb. II, 355.)
Fünfzig Paar Tauben im Stand, ein fetter Ochs. (Dönhoffstädt)
Die Taube baut ein sehr schlechtes Nest, so dass man durch das-
selbe die Eier schimmern sehen kann. Woher das kommt, erzählt
folgende Sage:
296 Zar volkstümlichen Naturkunde.
Die wilde Taube kam zur Elster und sprach: „Lehre mich doch
auch ein so schönes Nest bauen, wie du hastu. Die Elster, bereit, flog
mit bis zu der Stätte, wo die Taube sich häuslich niederlassen wollte.
Hier begann sie, der Taube zu zeigen, wie man gute Nester baut. Sie
sprach: „ßne Spreckel leggst du so!" Die Taube erwiderte: „Öek wet"
(verstehe). Elster: „Den andYe Spreckel leggst du so!" Taube: „Öek
wet". Elster: „Den drödde Spreckel legst du so!" Taube: „Öek wet."
Da sagte die Elster, geärgert: „Wenn du wetst (weisst), wat fragst
denn so domm!" Hess die Taube allein und flog von dannen. — Die
Taube aber versteht ihr Nest nur soweit zu bauen, als die Elster es
ihr gezeigt hat und ist über die Anfange des Nestbaues nicht hinaus-
gekommen. (Alt-Pillau.)
Sprichwörtlich: Wie eine Taube sanft, — ohne Falsch sein; —
sich lieben — schnäbeln wie die Tauben; — trocken sein wie ein Spoclit.
(Eorrespondenzbl. III. 54.)
Pflanzennamen: Taubenfuss, Ranunculus bulbosus und Gera-
nium rotundifolium. Taubenkropf, Cucubalus Beben und Fumaria
officinalis. Taubenscabiose, Scabiosa columbaria. Taubenschnabel,
Geranium columbinum.
Schnarrwachtel, Crex pratensis.
Namen: Wiesenschnarre, Schnärz, Grasschnarrer, Grasschnarcher,
Grasrutscher, Feldwächter, Schart, Schrecke, Schrlk, Eggenschär, Kress-
ler, Grössel, Arp, Scherp, Schnarp, Schnerz, Scharp, Kasper, Wiesen-
kasper, Schnarrwachtel, Wachtelkönig, Himmelsziege. (Bujack 384.
Preuss. Wörterb. I, 251.)
So vielmal die Schnarrwachtel zur Zeit der Roggenblüte ruft, so
viel Gulden (Mark) kostet in dem Jahre der Scheffel Getreide. (Ermland.)
Gesang des Vogels:
Scharp, scharp! Hau' sacht 1
Lange Dag, körte Nacht,
Dat du nich warscht vermöde. (Saraland.)
Auch:
Knecht, Knecht, hau1 sacht!
Körte Nacht, lange Dag, hau1 sacht!
(Ostroschken.)
Von H. Frisehbier. 297
Der Arbeiter (Hauer, Mäher) soll oft die Sense schärfen und das
Getreide langsam hauen, damit er in den langen Tagen wenigstens
einige Ruhe habe und sich nicht zu sehr anstrenge. (Volksr. 69, 263.)
HaiiKhahn.
Namen: Hahn, Putthahn, das Männchen; das Weibchen: Huhn,
Henne, Putthuhn; die Bruthenne: Glucke, Klucke, Kluck; das
Junge: Keichel, Keuchel, pltd. Kikel, Kikelke; die Hühner in der
Gesamtheit Henner. Hühner mit struppigen, rückwärts gekehrten Fe-
dern nennt man russische oder verkehrte Hühner. Der Hühner-
zwitter, der untaugliche Hahn, heisst Spöttel-, Spittelhahn; er kräht
mit unsicherer Stimme. — Lockrufe: Pütt Pütt! Tipp Tipp! Tippchen
Tipp Tipp Tipp! Tschipp Tschipp! Tippa Tippa! Tschippa Tschippa!
Scheuchfufe: Schuh! A scho! (Vgl. Volksr. 242. Lemke 89 f.)
Der Hahn gilt allgemein als Wetterprophet. Kräht der Hahn abends
auf seinem Sitz, so bekommen wir anderes Wetter. Anhaltendes Krähen,
namentlich am Morgen, deutet auf Regen. Doch nicht nur das Wetter
verkündet der Hahn voraus: Sieht der Hahn beim Krähen vom Hause
weg, so kräht er das Glück hinaus; kräht er gegen dasselbe, so ruft
er das Glück herbei. (Ermland.) Wenn der Hahn kräht und seinen
Kopf nach der Thür oder dem Fenster des Hauses wendet, so kommen
Gäste; in Masuren erscheint Besuch, wenn er vor dem Fenster kräht.
Steht er auf der Hausschwelle und sieht während des Krähens ins'
Haus, so kräht er das Glück hinein, sieht er aber nach dem Hofe, so
kräht er es hinaus. (Reusch, Nachlass.) Kräht der Hahn, wenn ein
Leichenzug vorbeikommt, so kann man sicher sein, dass aus dem Hause,
auf dessen Gehöft der Hahn kräht, die nächste Leiche getragen wird.
Das Krähen der Henne ist noch bedeutungsvoller als das des Hahns.
Ihr Krähen bedeutet immer und überall Unglück: gewöhnlich zeigt es
den Tod eines Familiengliedes oder den Fall eines Mädchens in dem
betreffenden Hause an. (Reusch, Nachlass.) Kräht jedoch ein schwarzes
Huhn, so kräht es das Unglück zum Hause hinaus, kräht es aber
draussen, so kommt das Unglück ins Haus. (Fischhausen.) Gehen die
Altpr. Monatgsebrift Bd. XXII. Hft. 3d.4 20
298
Zar volkstümlichen Naturkunde.
Hühner während des Regens statt unterzustehen, spazieren, so hält dei
Segen lange an.
Im Bätsei ist der Hahn reich vertreten. (8. Tierrätsel 37— 49.)
Nicht minder reich berücksichtigt ihn Sprichwort und sprichwörtliche
Redensart :
Ein guter Hahn wird nicht fett. Ein guter Hahn wird im Alter
fett. Ein guter Hahn hält seinen Hof rein, d. h. duldet keinen Neben-
buhler. Ein schlechter Hahn, der fett wird. E dreeger H&hn paddelt
got. Dass dich der Hahn hackt! Darnach kräht kein Hahn. Zwei
Hähne auf einem Misthaufen vertragen sich nicht. Er ist da Hähn-
chen im Korbe. Wir sind noch nicht auseinander, sagt der Hahn zum
Regenwurm und frisst ihn auf. (Vgl. Sprichw. I, 1439 ff.)
Der Mensch im Vergleiche mit dem Hahn: Sich blähen wie der
Hahn auf dem Mist. Wie ein Hahn stolzieren. Gehen wie ein ge-
spannener (gespannter) Hahn (auch: Hühnerhahn). Beine haben wie
ein Hahn. Fett sein wie ein gemästeter Hahn. Aussehen — , dastehen
wie ein bedrippter Hahn. Schriwe wie de Hahn klaut. Äwerhen kicke
as e Hahn. Kreege wie e Spöttelhähn. (Korrespondenzbl. III, 51.)
Das Weibchen gehört zum Mann, das Huhn zum Hahn.
Des Unglück kündenden Erähens der Henne ist bereits gedacht
worden. Im Sprichworte heisst es:
Wenn die Mädchen pfeifen,
Und die Weiber keifen,
Und die Hühner krähen,
Dann ist Zeit, ihnen den Hals umzudrehen.
(Sprichw. I, 2499.)
Wenn die Henne krähet vor dem Hahn,
Und das Weib schreiet vor dem Mann,
So soll man die erste braten,
Und die zweite mit Prügel beraten.
(Sprichw. n, 1162.)
Wenn die Hühner krähen, so hackt man in der Gegend von Soldau
ihnen sofort den Kopf ab, um das Unglück abzuwenden.
Das Krähen der Hühner soll dadurch veranlasst werden, dass sie
einen Geist sehen, der zu den Menschen will; auch werden die Frau
■ JV 11 "■ i
Von H. Frischbier. 299
Nachbarinnen mit einander „haddern". (Simon Grünau, hrsgb. von
M. Perlbach Bd. I, S. 90.)
Die Henne ist im Sprichwort reich vertreten: Wie die Henne,
so das Ei, (wie der Koch, so der Brei). Die grössten Hühner legen
die kleinsten Eier. Kluge Hühner legen die Eier bei's Nest. Ein kluges
Huhn legt auch vorbei. Auch kluge Hühner legen in die Nesseln.
Wer ein Huhn hält zum Legen und eine Magd zum Spinnen, ist be-
trogen. Jedes Hühnchen will getreten sein. Lass doch die Hühner
kackeln, wenn ich nur die Eier habe. Auch ein blindes Huhn findet
manchmal ein Gerstenkorn.
Der Mensch im Vergleiche und in Beziehung zum Huhn: Die
Hühner haben ihm das Brot genommen, heisst es vom Betrübten. Er
hat an ihm ein Huhn gefressen, hat ihn besonders lieb, erweist ihm
unverdiente Liebe. Ihn lachen die Hühner mit dem A. aus. Mit den
Hühnern zugleich auffliegen; auffliegen wie Nabers Hühner. Mit einem
ein Hühnchen zu pflücken haben. Wer viel plaudert, anvertraute Ge-
•
heimnisse verrät, hat vom Hühnerarsch gegessen. Der Dumme — hat
unterm Hühnersitz (Hühnerhuck) gestanden — gesessen, — ist klüger
wie neun dumme Hühner (und ein verrücktes Gessel). Gedanken (ein
Gedächtnis) haben wie ein Huhn. Blind sein wie ein Huhn, — hühner-
blind sein. Brüten wie die Henne auf Eiern. Sich nähren (hungrig sein)
wie Müllers Hühner. Krank wie ein Huhn, essen und nichts thun. Krähen
wie eine Henne, wenn sie auf dem Bienenkorb sitzt. (Korrespbl. III, 51.)
Die Henne und ihr wichtiges Produkt, das Ei, tritt mannigfach im
Volksrätsel auf. (Vgl. Tierrätsel 50—78.)
Der Mensch im Vergleiche mit dem Ei: Wie aus dem Ei geschält
sein; — einen hüten, — in acht nehmen, — behandeln wie ein rohes
Ei; — mit ihm umgehen, wie mit dem rohen Ei. (Korrespbl. in, 51.)
Sollen die Hühner wieder legen, dann müssen die Schalen ge-
kochter Eier beim Essen zerdrückt werden; unterlässt man dies, so
legen sie nicht, — so hat man Unglück (Wehlau), — so bekommt
man das Fieber. (Königsberg. Danzig.)
Am Sylvesterabend geht man den Grenzzaun schütteln, wobei man
spricht: „Die Eier sind ffir uns und das Krakeln für euch!" Die Folge
20*
t ;
300 Zur Volkstum liehen Naturkunde.
davon ist, dass die Hühner des Nachbarn zum Sprechenden kommen,
ihm die Eier legen und daheim nur krakeln. (Kbg. Hartg. Ztg. 1866, No. 8.)
Klare Eier sind solche, aus welchen keine Küchlein kommen:
solche legen die Hühner, wenn Lichtmess (2. Februar) klares Wetter ist.
Legt man Hühnern zum Brüten Eier nnter, die am krummen
Mittwoch (in der Karwoche) gelegt sind, so kommen durchgängig Miss-
geburten aus : Küchlein mit zwei Köpfen, drei Füssen 2c. (Ermland.
Volkskai. 79.)
Setzt man eine Henne, eine Gans oder eine Ente zum Brüten, so
hat man, soll die Brut gedeihen, dil Eier in einer Mäunermütze, am
besten in einer heimlich weggenommenen (Gegend von Hohenstein:
Mütze eines Juden), in das Nest zu legen. (Angerburg. Königsberg.)
Weitere Gebräuche zum Schutze der Brut s. Hexenspr. S. 127 ff: Auf
dem Hühnerhof.
Der Mensch im Vergleiche mit dem Küchlein: Wie ein Herbst-
keichel aussehen, — kränkeln, — piepsen, — schwach sein; sitzen wie
ein Nestküken. Die Keichel wollen klüger sein als die Kluck. (Korre-
spondenzbl. III, 52. Lemke 90.)
Will man vermeiden, dass die Hühner im Garten kratzen, so muss
man sich am Karfreitag und Ostersonntag nicht kämmen. (Hohenstein.)
Hühnerfedern benutzt man am liebsten nicht zu Betten: man kann
darauf nicht sterben. (Hohenstein.)
Das Gackern des Huhnes deutet man im Samlande:
Duck duck duck, Soldate käme!
der Hahn antwortet krähend:
Os ganz wahrhaftig wahr!
(Volksr. 248.)
Pfau.
Namen: Paw, Baw.
Anhaltendes Geschrei des Pfauen deutet auf Kegen.
Sprichwörtlich: Wie ein Pfau bunt — stolz sein — sich brüsten.
Korrespbl. IH, 53*
Brachvogel.
Es giebt einen grossen (Numenius arquatus) und einen kleinen
Brachvogel (N. Phaeopus), beim Volke Gietvogel. Man spricht und
Von H. Friscbbier. 301
schreibtauch: Gütvogel, Jütvogel, Gitvogel; er heisst auch Grül,
der grosse noch Kronschnepfe, der kleine Regenbrachvogel. Der
Name ist nach dem Rufe git, git gebildet; der Vogel gilt als ein
Regen verkünder. Vgl. Bujack 384.
Sage: Als vor langen Jahren die Teiche gegraben werden sollten,
ward auch derGietvogel aufgefordert, den Morast ausräumen zu helfen;
aber er hatte gar zu grosse Furcht, sich dabei seine schönen gelben
Füsschen zu besudeln und entzog sich dem Werke. Da bestimmte
Gott der Herr, er sollte nun auch bis in Ewigkeit aus keinem Teiche
saufen. Deshalb sieht man ihn immer nur aus hohlen Steinen oder
Wagenspuren, in denen sich Regenwasser gesammelt hat, mühsam
saufen. Wenn nun aber lange kein Regen fällt und sehr trockene Zeit
ist, so leidet er jänmiei liehen Durst, und man hört ihn ununterbrochen
sein klägliches Giet (giesse, regne)! schreien. (Pr. Prov.-Bl. XXVI, 536.)
Nach einer Variante dieser Sage hatte Gott der Herr alle Vögel
im Paradiese zum Wassertragen befohlen, und nur der Gietvogel war
diesem Befehle nicht nachgekommen. Zur Strafe leidet er jetzt in der
Dürre Durst und ruft zu Gott bittend: Gieb, gieb (Regen)! Daher
heisst er auch Giebvogel. (Fischhausen.)
Eine ähnliche Sage wird von der Weihe erzählt (s. d.).
Storch.
Namen: Adebär, Ad'bör, Hadebär; hchd. Adebar. In Jerren-
towitz: Knackosbot, Knackodbäd; in den polnisch-deutschen Ge-
genden Ost- und Westpreussens : Botschan, Botschon, von dem
poln. bocian. In den Kinderreimen als Anrede: Langbeen, Langnäs,
Schnibbeschnäbel, Stein und Steiner; im Sprichwort: Knäker-
been; im Volksrätsel: Schnarr aback. (Tierrätsel 90.)
Adebar, mhd. adebero, ahd. ödabero, ödebero (s. d. Zusammen-
stellung der bekannten Formen in Grimm, Mythol. 638 und Schiller,
Zum Thier- und Kräuterbuche I, 3a) = Träger, Bringer (des Glückes,
der Kinder). Vgl. Grimm, Wörterb. I, 176. Preuss. Wörterb. I, 16. —
Botschan, Kuackosbot (Volksreime 857) haben als Grundwort das
poln. bocian; knackos dürfte ein korrumpiertes knacken == klappern
ausdrücken, das Wort hätte mithin die Bedeutuug: Klapperstorch,
~T —
3Q2 Zu? volkstümliche!! Naturkunde,
Der Storch bringt die Kinder auch bei uns, wie überall da, wo er
nistet. Als Kinderbringer ist er zugleich Kinderfreuud: er bringt den
Kleinen in der Familie, die er von neuem erfreut, etwas mit. Diese
untersuchen daher die Wiege des neuen Ankömmlings und finden in
derselben allerlei Naschwerk. Die Mutter aber ist vom Storche ins
Bein gebissen worden, daher muss sie zu Bette liegen.
Er ist auch der Bringer des Glückes18); deshalb freut sich der
Landmann, wenn der Storch auf dem Dache seines Wohnhauses oder
seiner Scheune das Nest baut. Um ihn anzulocken und ihm die An-
lage des Nestes zu erleichtern, legt man ein altes Wagenrad auf das
Dach. Gebäude, welche ein Storchnest tragen, bleiben vom Feuer,
namentlich vom Blitze, verschont. Der Landmann vermeidet alles, was
den Storch stören könnte, selbst eine notwendige Reparatur des Daches
wird ausgesetzt; denn wird der Storch in seinem Heim gestört, so giebt
er's auf; sein Abzug aber bringt dem Hause Unglück, ja es brennt ab.
Wer ein Storchnest zerstört, vernichtet das Gluck des Hauses. Die
Masuren sagen: Wer ein Storchnest zerstört, begeht eine grosse Sünde.
(Passenheim.)
Jedes Jahr wirft der Storch etwas aus dem Neste. Ist das Hinaus-
geworfene ein Ei, so folgt ein nasses Jahr; ist's ein Junges, so steht
ein trockenes, ja wohl sehr teures Jahr bevor, denn der Vogel glaubt
dann seine ganze Brut nicht ernähren zu können.
Es hält schwer einen jungen Storch durch Vermittelung des Haus-
besitzers zu erhalten. Versteht dieser sich doch dazu, ein junges Tier
aus dem Neste zu nehmen, so thut er's nur gegen Bezahlung und legt
diese dem alten Storche ins Nest, damit er sich überzeuge, dass sein
Interesse gewahrt sei.
Am Tage der heiligen Gertrud (17. Mäiz) beginnt der Storch seine
Vorbereitungen zu dem Zuge nach Preussen, zu Maria Verkündigung
(25. März) kommt er an und bringt auf seinem Schwänze die Bachstelze
mit; er zieht am Bartholomäustage (24. Aug.) wieder ab.
18) Als „Glücksbedeuter" galt er schon den Waidelotten der alten Nadrauer.
Siehe Pierson, Matthäus Prätorius' Deliciae prussicae :c. S. 43.
Von H. Friscbbier. 303
Wenn der Storch zeitig ankommt und viel klappert, so ist das
ein Zeichen eines warmen Frühlings. (Bock, Naturgesch. I, S. 354.)
Hat der angekommene Storch mit dem Ausbessern seines Nestes
viel zu thun, so steht ein nasser Sommer bevor. (Dönhoffstädt.)
Ist bei seiner Ankunft sein Gefieder weiss und rein, so steht ein
schöner trockener Sommer in Aussicht; ist sein Federkleid dagegen
schmutzig, so deutet dies auf einen nassen Sommer.
Der erste Storch wird mit Jubel begrüsst. Die Kinder singen ihm
ihre Keime entgegen (Volksr. No. 189 ff.), und vor wenigen Jahren
noch eilten (Gegend von Eastenburg) die Schuler, sobald sie ihn er-
blickt, zum Lehrer und erbaten mit dem Reime:
Der Storch ist gekommen,
Hat uns die Bächer genommen!
einen schulfreien Tag, der ihnen auch bewilligt wurde. Iö) -— Aber auch
iür die Erwachsenen ist das erste Begegnen bedeutungsvoll.
Sieht man den Storch nach seiner Ankunft zum ersten mal, so
kommt alles darauf an, was der Vogel in diesem Augenblicke thut:
fliegt er, so wird man in dem bevorstehenden Jahre fleissig sein und
dies um so mehr, wenn man selbst gerade in rüstigem Fortschreiten
sich befindet; steht er, so deutet dies Faulheit an; klappert er, so
wird man viel zerbrechen — doch kann es dem Hausherrn auch Segen
an Geld, der Hausfrau Segen an Kindern verkünden.
In der Gegend von Saalfeld zeigt der erste fliegende Storch auch
an, dass man bald eine Reise machen werde, der sitzende, dass man
") Zur Ergänzung der Reime an den Storch teile ich noch zwei in der Gegend
von Passenheim übliche masarische Verschen mit:
Kle kle, bocianie!
Co masz we zbanie?
Piwo i woda.
Dziewczjna iagoda,
Chlopiec pasknda
Z kobilego nda.
Kie kle, bocianie!
Wilk ci nogi potamie.
Niechze mi polamie,
Mamci druge w korbanie.
Klo kle, Storch!
Was hast da in der Kanne?
Bier und Wasser.
Das Mädchen ist eine Erdbeer1,
Der Junge ist ein Unflat
Aus der Stute Bein.
Kle kle, Storch !
Der Wolf wird dir die Füsse zerbrechen.
Mag er mir (sie) zerbrechen,
Hab1 ich andere iu der (Borken-) Schachtel.
304 Zur volkstflmlichen Naturkunde.
nicht viel aus dem Hause kommen werde. (Lemke 96.) Beim Anblicke
des ersten Storches muss man sein Geld in der Tasche umrühren, dann
fehlt's einem in dem betreffenden Jahre nimmer. Sieht man, ohne Gehl
bei sich zu haben, den ersten Storch, so wird der Verdienst ein geringer
sein. (Dasselbe gilt von dem ersten Schreien des Kuckucks.)
Die Wiege ist bereit zu halten, wenn der Storch über das Haus
eines jungen Ehepaares fliegt. (Dönhoffstiidt.)
Vor ihrer Abreise versammeln sich die Störche in grossen Scharen
auf den Wieseu: hier töten sie Schwächlinge, denen sie die Über-
windung der Strapazen der Reise nicht zutrauen. Sie halten aber auch
Gericht über einzelne Sunder aus ihrer Mitte, die sie nach erwiesener
Schuld mit Schnabelhieben unibringen. (Vgl. Neue Preuss. Prov.-Bl.
a. F. III, 210, und Schilderung eines „Gerichtstages" der Störche in:
Bock Naturgescb. je. IV, 347.)
Ziehen die Störche vor Bartholomäus ab, so giebt es einen zeitigen
Winter; ziehen sie nach dem genannten Tage fort, so deutet dies auf
einen langen und schönen Herbst und einen späten Winter (nach Böbel
102, auf einen gelinden Winter). — Man sagt auch genauer: So viele
Tage die Störche über den Bartholomäustag bei uns bleiben, so viele
Wochen schönes Wetter giebt es noch.
Der Storch wird hier nur als Gast angesehen; in seiner eigent-
lichen Heimat ist er Mensch.20) Eine samländische Sage erzählt:
Ein Ostpreusse, der die Welt durchwandert, kam auch in die Heimat
der Störche; aber er wusste es nicht. Als ihm jedoch als erstes Mahl
ein Gericht Frösche und Kröten vorgesetzt wurde, und er auf sein
Verwundern über diese seltsame Bewirtung den Bescheid erhielt: „Ihr
gebt mir ja auch nichts anderes", da merkte er sogleich, wo er
sich befinde. Das sonderbare Gericht war aber nur ein Scherz gewesen:
die Schüssel mit den unappetitlichen Tieren verschwand, und es gab
darauf noch die schönsten Leckerbissen.
Nach einer anderen samländischen Sage ist das Land der Störche
durch eine hohe Mauer eingeschlossen, über die man nicht hinweg kann.
20) Und sie keinem storch sie lossen ein leit thun, dan sie halten is davor,
und sy andirswo menschen sein. (Simon Grünau, lirsgb. von Peilbach, I, S. 90-)
Von H. Frischbier. 305
Daher weiss auch niemand, wie es jenseits der Mauer aussieht. Einst-
mals hatte man einen Menschen auf die Mauer zu heben gewusst; er
sollte aussagen, wie es in dem Lande aussehe. Als er oben auf der
Mauer sass, rief er voll Begeisterung: „Schön! schön!" und sprang in
das Land der Störche. Man machte einen zweiten Versuch und band
dem Kletterer, um sein etwaiges Entweichen unmöglich zu machen, eine
Leine an den Fuss. Oben auf der Mauer angelangt, rief auch er:
„Schön! schön!" und wollte zu den Störchen hinüber. Er wurde zwar
zurückgezogen; doch wie es im Storchlande aussieht, vermochte er nicht
zu erzählen: er hatte die Sprache verloren.")
Im Jahre 1848 erschien in Tenkitten bei Fischhausen ein Storch,
aus dessen Rücken fusslang ein Rohr hervorragte, wahrscheinlich ein
Pfeil. Ohne genistet zu haben, ist er wieder abgezogen. (Neue Preuss.
Prov.-Bl. VI, 318.) Vgl. Schnee und Eis.
Den Schneeregen im März und April nennt man hier Storch-
schnee; auf Rügen und in Pommern heisst er Adebar-Stoving.
Der Storchschnee muss herunter; erst wenn er gefallen, können die
Störche anlangen.
Sprichwörter: Er hat Storchbeine. Er steht wie ein Storch auf
einem Fuss. Er geht wie der Storch im Salat = mit gravitätischen
Schritten. Wie ein Storch stehen, — klappern. Verteil ml nuscht
vom Storch! Als Abweisung unwahrscheinlicher, abgeschmackter Er-
zählungen. Gott giebt zuweilen einen Storch. Vergl. Sprichw. I, 3649.
Pflanzennamen: Storchblume, Anemone nemorosa. Storchschnabel,
Geranimn. (Hagen, u. d. a. W.)
Rohrdommel.
Namen: Rohrdump, -drump, -drumrael, Iprump. Bujack 381.
Preuss. Wörterb. II, 231.
Ruf: Öck versüp, öck versüp! (Volksr. 269.) — Wenn die Rohr-
dommel zeitig schlägt, giebt's eine gute Ernte. (Medenau. Böbel, 120.)
21) Beide Sagen verdanke ich der gütigen Mitteilung des Lehrers Herrn Schimmel-
pt'enuig in Fischhausen, von dem auch die sonstigen mit Fischhansen oder Alt-Pillau
bezeichneten Angaben herrühren.
306 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Das Märchen von clor Rohrdommel und dem Wiedehopf s. unter
Wiedehopf.
Sprichwörtlich: Wie eine Kohrdommel schreien.
Gans.
Namen: Zahme, pltd. tarne Gans, wilde Gans. Das Männchen
heisst Gansert, volkstümlich Ganter, imErmlande auch Gent, Gaings,
die junge Gans Gessel, Güssel.
Lockruf: Guse Guse (u kurz)! Will Will! Wille Wille! Volksr. 242.
Ein beliebtes Kinderspiel heisst Gusegänscben: Guse-Guse-Gänskes
kämt na Hüs! Siehe Volksr. Nr. 691.
Die Gans ist das einzige Tier, das man bedauert, weil es barfuss
gehen muss:
Schusche patru£che, wafc ruschelt öm Stroh,
Guse-Gänskes gäne barföt on hebbe kein1 Schob,
De Schuster heft Ledder, kein Leestke dato,
Dat hei kann mäke de Gänskes e Paar Schob.
Siehe vollständig Volksr. Nr. 30.
Eulenspiegel prophezeite den Bauern einst einen sehr strengen
Winter und riet, den Gänsen Schuhe machen zu lassen, weil ihnen sonst
die Füsse abfrieren würden. Die Bauern brachten gläubig all ihr Leder
zusammen, und Eulenspiegel verschnitt den ganzen Vorrat zu Gänse-
schuhen. Seine Prophezeiung traf auch wirklich ein: und nun hatten
die Gänse Schuhe und die Bauern mussten barfuss gehen und frieren.
Vergleiche mit der Gans: Er ist so dumm wie eine Gans. Mädchen
und Frauen heissen Gänse — dumme Gänse. Er hat davor Angst, wie
die Gans vor einer Hafergarbe. Er erbost sich, wie die Gans, der man
ins Nest kuckt. Herumkrabbeln wie eine tolle Gans. Bekannt sein wie
die Gans im Schafstall. Man muss ihnen ihre eigenen Köpfe lassen
wie den Gänsen in Rügen. Korrespondenzbl. III, 50.
Auf die Frage: Wie geht es? erhält man zur Antwort: Ömmer op
twei Beene wie e Ganter.
Die Gans, im Rätsel Witschelwatschel, auch Patschfötkc, Patseh-
füsschen, genannt, geht über die Brücke und trägt die Betteu des Königs
auf dem Rücken. Vergl. Tierrätsel Nr. 79—81.
■w^
Von H. Frischbier. 307
Im Volksliede ist die Gans ein starkes und zugleich zierliches Tier:
sie trägt den Schneider samt den Flicken auf dem Rücken, den Keiter
mit dem Säbel auf ihrem Schnabel, die Braut im Hochzeitskranze auf
ihrem Schwänze 2c. (Siehe Volksr. No. 455.)
Sollen die jungen Gänschen zum erstenmal auf die Weide, so
schneidet man ihnen die Spitzen der Schwanzfedern ab, zilndet dieselben
an und hält dann die Gänschen, die man in einem Siebe hat, über den
Rauch. Darauf bringt man sie in dem Siebe oder auch in einem Korbe
auf die Weide und lässt sie, auf dass sie gedeihen, sämtlich durch eine
Männerhose hindurchgleiten. (Bürgersdorf bei Wehlau.)
Junge Gessel muss man mit Schrot und Pulver räuchern, um sie
vor Krähen und Habichten zu schützen. (Dönhoffstädt.)
Ist der Brustkasten der Gans weiss, so giebt es viel Schnee und
einen dauernden Winter, ist er dagegen rot, so wird der Winter flau.
Wenn die Gänse sich auf dem Eise baden, so giebt es bald Tau-
wetter. (Dasselbe gilt von den Krähen.) Das Baden der Gänse und
Enten deutet auf baldigen Regen. (Heihberg. Böbel, 119.)
Das Reissen (Schleissen) der Federn geschieht gewöhnlich in den
Zwölften, weil in dieser Zeit nicht gesponnen werden darf. Nachdem
die Federn gerissen sind, nimmt man sämtliche Kiele und trägt sie
auf einen Steig oder Fussweg. So viele Leute darüber hingehen, so
viele Gänse oder Enten (je nach den Federn) hat man das folgende
Jahr. (Samhind.)
Die Feder (Gänsekiel) im Rätsel s. Tierrätsel 84 ff.
Pflanzennamen: Gänseblümchen, Bellis perennis. Gänse-
blume, Chrysanthemum. Gäusedistel, Sonchus. Gänsefuss, Cheno-
poclium. Gänsegarbe, -kraut, auch Gänserich, Potentilla anserina.
G Linsegrün, Alchemilla vulgaris. Gänsekraut, Arabis Thaliana, kleines,
Arenaria serpyllifolia. Gänsepappel, Malva rotundifolia. Gessel-
blunie, Ranunculus ficaria. Hagen u. d. a. W.
Zur Bezeichnung einer entlegenen Zeit braucht man: Gessclpest,
Eulenpest, Kurrenpest Das ist von der Gesselpest her.
Gesselhabicht, -häfke, roter Milan, Falco Milvus. (Vgl. Preuss.
Wörterb. u. d. a. W.)
308 ^ar volkfitümlichen Naturkunde.
Von selbst gezogenen Vögeln darf kein Stück verschenkt werden,
es muss vielmehr, und sei es für ein Butterbrot, d. h. für den geringsten
Preis, verkauft werden, wenn es bei dem neuen Besitzer gedeihen soll.
Reptilien.
Schlange.
Die Eidechse ist der Vorbote der Schlange: wo Eidechsen sind,
trifft man auch bald Schlangen.
Wenn die Schlange jemand gebissen hat, so muss sie rasch ins
Wasser schlüpfen, um nicht sofort zu sterben.
Ist jemand von einer Schlange in Puss oder Hand gebissen worden,
so gräbt man ein Loch in die Erde, in welches Buttermilch gegossen
wird; in diese muss der Leidende das verletzte Glied hineinstecken
und neun Tage lang (Tag und Nacht), in Betten verpackt, vor der
Thür bleiben. Es wird empfohlen, in die Buttermilch, welche öfters
erneut werdeu muss, Kröten (im Notfalle thun's auch Frösche) zu
setzen, damit dieselben das Gift aussaugen. — Nach andern genügt
bei dieser Kur die Zeit von vier und zwanzig Stunden. (Saalfeld. Lemke 95.)
Der Biss der Blindschleiche erzeugt neun Löcher (Wunden).
Jedes Jahr heilt ein Loch; wenn das letzte Loch zugeheilt ist, stirbt
der Gebissene. (Bauschen.)
Die Schlangen haben einen König und versammeln sich gern in
grosser Menge um ihn. Der Schlangenkönig trägt eine goldene
Krone, die demjenigen, der sie entwendet, viel Glück bringt; sie kann
aber auch für viel Geld verkauft werden. Es ist indes sehr misslich,
den Schlangenkönig also zu kränken : die Schlangen verfolgen den Dieb, so
dass er sich sehr vor ihnen in acht nehmen muss. (Saalfeld. Lemke 96.)
Schlangen fett, Oleum Jecoris flavum, wird als Heilmittel in
den Apotheken gekauft.
Sprichwörtlich: Wie eine Schlange falsch sein, — kriechen, —
sich winden. (Korrespondenzbl. III, 53.)
Pflanzennamen: Schlangenauge, -äuglein, Asperugo pro-
cumbens. Schlangenkraut, Calla palustris und Aspidium Filii mas.
Von H. Frischbier. 309
Schlangenmord, Scorzonera humilis. Schlangen wurzel, Polygonum
bistorla. (Vgl. Hagen und Preuss. Wörterb. u. d. a. W.)
Frosch.
Namen: Hopser, Pogge. Über die Etymologie von Pogge
s. Preuss. Wörterb. IL 165. Nach Lemke 93 heissen die quarrenden
Frösche Roch eichen; der Laubfrosch wird zumeist Frosch (statt
Pogge) genannt.
Im Volksrätsel heisst der Frosch Quarrer, Qua rrop, Quackop,: Pipop
on e Quarrop ginge op §ne Barg rop :c. (Tierrätsel 30.)
Treten die Frösche im Frühlinge zahlreich auf, so giebt es ein
fruchtbares Jahr. (Ermland.)
Sieht man die ersten Frösche massenhaft im Wasser, so deutet
dies auf ein gutes Flachsjahr. (Dönhoffstädt.)
Frösche können im Frühling den Mund nicht eher aufthun, als
bis ein Gewitter gewesen. (Saalfeld.)
Wenn man im Frühling den ersten Frosch auf festem Boden sieht,
so hat man Freude zu erwarten, sieht man ihn aber im Wasser, so
muss man weinen.
Wenn die Frösche aufs Land kommen und auf den Wegen herum-
hüpfen, so wird's regnen.
Wer Sommersprossen hat, soll sich mit „Poggenschleim" waschen.
Wer an Epilepsie leidet, soll einen Frosch in seiner Hand sterben
lassen, dann wird er von der „schweren Krankheit" geheilt werden.
Eine alte Pogge gilt dem Volke als Wassermutter, welche die
Kinder ins Wasser zieht. Gilt vorzugsweise als Drohung gegen Kinder.
(Saalfeld. Lemke 94.)
Vgl. Bind und Schlange.
Ruf der Frösche: Unterhaltung in wirtschaftlicher Angelegen-
heit: G'vad'rsch, G'vad'rsch, wann war jü back'? Wann war jü back'?
Die Gevattern antworten: Moj'n, moj'n (morgen)! Der Fragende ent-
schliesst sich, dasselbe zu thun: Denn back öck 6k! (Back öck 6k e
KOk (Kük.)
Näversch, Näversch, wölP w! KÖke backe, wöll1 wf Koke backe?
(Königsberg.)
310 ^ur volkstümlichen Naturkunde.
Kick du rftt, op de Herr kömmt möt de rode Föt, de ons möt-
nömmt! (Tapiau.)
Bu! Bu! Kück1 h'rüt, op de Rotstrump kümmt, det he ons ni«'h
metnimmt!
Sprichwörtliches: Wenn die Pogg getreten wird, so quarkt sie.
Die Poggen haben das Wasser ausgetrunken, wenn in der Wassertonne
das Wasser ausgegangen ist. De Pogg' kröggt Oge = ein Schweigender
spricht endlich, ein Langweiliger wird muuter. Wie ein Frosch sieb
blähen; — wie eine Pogge zabbeln; — kicke wi de Pogg fit de Lehin-
kül; — patzig sön wt de Pogg ön e Lehmkul; — wi e Pogg ön e
Teerpudel (Teertonu') kurrig sön, — söck persche, — spart'le, — winde.
(Vgl. Sprichw. I, 2965. Korrespondenzbl. III, 50.)
Zusammensetzungen: Poggenfist, Froschlaich und Bovist.
Poggenfuss, kleiner, unansehnlicher Mensch. Poggenhecht, März-
hecht. Poggenlaichsalbe, Unguentum cerussae. Poggenpfuhl.
Strassenname in Danzig. Poggenritzer, -schlitzer, stumpfes, ab-
gebrauchtes Messer. Poggenschalen,* -schüssel (-schältel), -sebachtel,
Muschelschalen (die Kinder im Werder meinen, es sässen Poggen darin).
Poggenschnodder, Froschlaich. (Vgl. Preuss. Wörterb. II, 165.
Preuschoff, Volksthml. a. d. Gr. Marienburger Werder. Schrift, d. naturf.
Gesellsch. in Danzig N. F. Bd. VI, Heft 1.)
Pflanzennamen: Froschbiss, Hydrocharis Morsus ranae.
Froscheppich, Sium angustifolium. Froschkraut, -löffel, Alisma
plantago und Calla palustris. Froschlattich, Potamogeton crispus.
Froschpeterlein, Sium latifo lium . F r o s c h p f e f f e r , Ranunculus scele-
ratus. Froschwegerich, Alisma plantago. Poggengras, Juncus
bufonius. Poggenknie, Scleranthus perennis. (Hagen u. d. a. W.
Preuss. Wörterb. II, 165.)
Kröte.
Namen: Pltd. Krät, Böskrät, Beskrät, schorfge Krät, Schorfkrät
Kröten werden aus dem Hause vertrieben, wenn man eine fangt
und sie im Herdfeuer verbrennen lässt. (Dönhoffstädt.)
Die Kröte ist sehr gefürchtet; man hütet sich, ihr mit Fuss oder
Hand nahe zu kommen, denn das Glied, das die Kröte berührt, wird
Von H. Frischbier. . 31 \
so „schorbig" als sie selbst. Trotzdem spielt die Kröte eine Rolle
unter den Heilmitteln. Sie wird in getrocknetem Zustande gegen Krämpfe,
besonders bei Kindern, angewandt. — Wenn der Fieberkranke sie zer-
beisst, so muss er sich dabei das Fieber „abschlackern4', was durch
das vom Grauen veranlasste Schütteln geschieht. — Die im Ofen lang-
sam geröstete Kröte wird zu Pulver gerieben, das Fieberkranken hilft,
aber auch gegen Hautkrankheiten gut ist. (Saalfeld.)
Wer den Mut hat, eine Kröte in seiner rechten Hand sterben zu
lassen, wird Gluck haben. (Saalfeld.)
Kröten gelten auch als verwünschte Prinzen und Prinzessinnen —
heute allerdings nur im Märchen.
Sprichwörtliches: Sich aufblasen wie eine Schorfkröte. (Korre-
spondenzbl. III, 52.)
Kröte ist erstens beliebtes Schimpfwort: Dammelge Krät. Kleine
unnütze Krät. Falsche — , nazionsche — , krätsche Krät. Auch in
Zusammensetzungen: Aas-, Bes-, Bös-, Aasbös-, Backerbös-, Hunds-,
Hundsbös-, Hunderackerbös-, Brands-, Schlagbös-, Wetter-, Wetterbös-,
Zankkrät; zweitens Schmeichelwort; drittens Flickwort zur Bezeichnung
der verschiedenartigsten Gegenstände mit und ohne Nebenbegriff des
Schimpfens. (Vgl. Preuss. Wörterb. I, 423.)
Pflanzennamen: Krötenbinsen, -gras, -simse, auch
Poggengras, Juncus bufonius. Krötenblätter, Rumex crispus.
Krötendill, Anthemis cotula. Krötenkraut, Senecio Jacobaea.
Krötenmelde, Datura stramonium. Krötenmünze, Mentha aqua-
tica. (Hagen u. d. a. W.)
Fische.
Springen die Fische bei heiterm Wetter häufig aus dem Wasser,
so steht in Kürze Regen bevor. (Dönhoffstädt.)
Der Fisch im Vergleiche mit dem Menschen: Wie ein Fisch ge-
sund sein, — stumm sein; — emöstoMöd, wtdemFösch op emLand.
(Korrespondenzbl. III, 50.)
Aal.
Den Aalen sagt man nach, dass sie gern in dunkeln, tauigen Nächten
in die Erbsenfelder gehen. Wenn sie bei dieser Wanderung auf Sand
•^ j ", .~*rr *"*• "jf
312 Zur volkstümlichen Naturkunde.
geraten, können sie nicht weiter und sind leicht zu fangen. (Saalfeld.
Lemke 96.)
Sprichwörtliches: Wie ein Aal glatt sein, — sich winden; —
stehen wie auf Aalen. (Korrespondenzbl. TU, 49.)
Hering.
Der Hering füttert seinen Schwanz fett, sagt man in Litauen,
wenn der Februar kalt ist. [Hering steht hier jedenfalls in der
Bedeutung Hornung. Vgl. Preuss. Wörterb. I, 285.]
Der Mensch im Vergleiche zum Hering: Wie ein (ausgenommener)
Hering aussehen; — es innerlich haben, wie ein schwedischer Hering.
(Korrespondenzbl. III, 51.)
Insekten.
Die Insekten gelten den Mädchen als Verkünder der Zukunft. Am
Johannisabend gräbt man, ohne dabei zu lachen oder ein Wort zu
sprechen, drei kleine Löcher, „Kaulchen", in die Erde und deckt sie
leicht mit Rasenstückchen zu. Am Johannistage, morgens ganz früh,
geht man nachsehen, ob über Nacht Insekten in die Löcher gekommen
sind. Je nachdem im ersten, zweiten oder dritten Loch sich ein
Tierchen vorfindet, wird man im ersten, zweiten oder dritten Jahre
heiraten. Sind alle „Kaulchen" leer, so sind die Heiratsaussichten sebr
schlimm. An der Species des gefangenen Tierchens kann man den
Stand und Charakter des zukünftigen Mannes erkennen: ein blankes
Käferchen bedeutet einen Soldaten, ein graues einen Schulmeister, ein
schwarzes einen Pfarrer, eine Spinne einen Künstler, eine Biene einen
fleissigen, eine Fliege einen „brummigen" Mann. (Königsberg.)
Kornkäfer, Geotrupes stercorarius.
Namen: Perdskäfer, Perddreckskäfer, Mistkäfer, ScheiszwabbeL
(Vgl. Preuss. Wörterb. II, 139.)
Aberglauben: Der Bauer besieht, wenn er Gerste säen will, zu-
vor einen Bosskäfer; sitzen die Milben auf dem Vorderteil des Körpers,
so gerät die frühe Gerste gut, sonst die späte. (Beusch, Nachlass.)
Sprichwörtlich: Wie ein Mistkäfer munter sein.
Von H, Frischbier. 313
]üalwurm, Meloe proscarabaeus.
Er wird auch jetzt noch, wenngleich selten, als Heilmittel gegen
Tollwut angewandt. Man bewahrt ihn in Flaschen auf und giebt davon,
zusammen mit ungesalzener Butter, den vom tollen Hunde Gebissenen.
Getrockneter und geriebener Maiwurm auf Butterbrot ist gut gegen
das Fieber. (Saalfeld. Lemke 91.)
Harienfcäfercheii, Coccinella.
Namen: Herrgottspferdchen, Herrgottskuhchen, Berbutchen, Buter-
butchen, Berbuschke, Borbuschke. (Vgl. den Artikel „buäche" im Preuss.
Wörterb. I, 121.)
Auf seinem Bücken trägt das Käferchen den Preis verzeichnet,
welchen der Boggen im kommenden Jahre haben wird. (Saalfeld.)
Keime:
Herrgottspferdchen (-Kuhchen), fliege,
Vater ist im Kriege,
Matter ist in Engelland,
Engelland ist abgebrannt,
Herrgottspferdchen (-Kuhchen), fliege.
Varianten dieses Einderreims s. Volksr. Nr. 224 ff.
Zur Ergänzung:
Barbuschke, fleg op, dln Hüske brennt,
De Kinderke schrie nä Butterbrot!
(Memel. Danzig. Königsberg.) Der Beim wird so lange gesungen, bis
das Eäferchen (gewöhnlich Cocc. septempunctata) von der Fingerspitze
auffliegt, und schliesst dann mit einem freudigen: „Fleg op!" —
Lemke 92:
Herrgottskuhchen, gieb uns Milch!
Dein Haaschen brennt,
Dein Lammchen schreit:
Bäh!
Biene. Pltd. B$n.
Die Biene ist eine Sabbatschänderin. Der liebe Gott sprach:
„Sechs Tage sollst du arbeiten!* 2c. Die Biene entgegnete: „Warum hast
du, lieber Gott, es nicht auch eingerichtet, dass wir am siebenten Tage
nicht zu essen brauchen? Weil wir am siebenten Tage essen müssen,
darum müssen wir an diesem Tage auch arbeiten!11 — „Magst du das,*
sprach Gott, „aber zur Strafe für deine unfromme Gesinnung entziehe
Altpr. MoMUichrift Bd. XX1L Hft 3 o. 4. 21
314 Zar volkstümlichen Naturkunde.
ich dir die Blume, welche den meisten Honigstoff in sich birgt, den
roten Klee!" Daher befliegt die Biene nicht den roten Klee. (Fischhausen.)
Um das Wegziehen der Bienen beim Schwärmen zu verhindern,
legt man blaue Lilienwurzeln in den Korb. N. Pr. Prov.-Bl. a. P. VII, 233.
Wenn die Bienen schwärmen, soll man ihnen, unter Segenssprüchen,
eine Hand voll Sand zuwerfen, — dann kommen sie gleich in den Stock.
(Saalfeld. Lemke 93.)
Segenssprüche und Zauberformeln beim Schwärmen s. Hexen-
spruch :c. S. 131 f.
Wenn der Bienenvater stirbt, so sterben ihm die Bienen nach.
(Masuren.) Um dies zu verhindern, wird den Bienen der Tod ihres
Besitzers angezeigt, man giebt ihnen auch Trauer, indem man an jeden
Korb oder Stock ein schwarzes Läppchen befestigt. (N. Pr. Prov.-Bl.
I, 398. Hexenspruch je. 132.)
Von Bienen träumen, bedeutet Feuer. (Saalfeld. Lemke 93.)
Pflanzennamen: Bienensaug, -hütchen, Lamium. Bienen-
klee, Trifolium repens.
Ameise.
Namen: Amse, Ämse, Hämse; Deminutiv: Häinschen, pltd. Hemske.
Hömske, Hömske, Hömsk, Heimschen, Hemschen, Emke.
Die Ameisen haben ein zerbrochenes Kreuz. Die Ameise fand einst
auf dem Felde, wo die ackernden Bauern gegessen hatten, Brotkrumen.
Sie nahm dieselben und ging damit zum lieben Gott. „Sieh", Herr11,
sprach sie, „wie der übermütige Landmann deine Gabe missachtet; es
wäre gut, wenn du ihm den Segen des Feldes vorenthieltest!" Der
liebe Gott, der wohl einsah, dass die armen Bauern bei ihrer Mahlzeit
auf dem Felde kein Tischtuch unterbreiten konnten, sich auch mit dem
Sammeln der Brosamen nicht aufhalten durften, ward über den unge-
rechten Kläger zornig und warf ihn aus dem Himmel. Kopfüber stürzte
die Ameise auf die Erde und brach das Kreuz mitten durch, wie man
noch heute sehen kann. (Fischhausen.)
Ein Hirte, der mit seiner Peitsche einen Ameisenhaufen durchwühlt
und zerstört hat, kann sie nicht mehr brauchen. Wollte er mit ihr
das Vieh treiben, so würde es, wie die geängstigten Ameisen auseinander
laufen. (Bausch, Nachlass.)
Von H. Frischbier. 315
Wem es gelingt, eine Ameisenkönigin einzufangen, der hat Glück
im Hause. (Ermland. Reusch, Nachlass.)
Ameisen, wenn man mit ihnen das zum Verkauf geführte Vieh
bewirft, bewirken, dass viele Verkäufer angezogen werden. (Ostpr.
Wutke, Volksaberglaube je. §. 149. 710.)
Wenn die Ameisen im Juli (Anna 26.) ungewöhnlich tragen, so
giebt es einen frühen und harten Winter. (Masuren. Böbel 99.)
Ameisen in Spiritus sind ein wirksames Mittel gegen Rheumatismus.
(Saalfeld. Lemke 92.)
Die Ameise ist das Bild rühriger Thätigkeit: Wie die Ameise
fleissig — rührig — thätig sein; — krabble wi de Hemskes. Korre-
spondenzbl. III, 49.
Schmetterlinge.
Wenn ein Nachtfalter um das brennende Licht flattert, so stirbt
jemand, und seine Seele geht von hinnen. (Litauen.) N. Pr. Prov.-Bl.
V, 160.
Mücken.
Wenn die Mücken am Abend „spielen11, d. h. in Scharen tanzend
fliegen, dann regnet's den nächsten Tag.
Stubenfliege«
Name: Pltd. Fleg, Flochtfleg, zum Unterschied vom Floh (s.d.).
Bringt der Sommer viele Fliegen, so bringt er auch viel Getreide
und (Saalfeld) Kartoffeln. (Dönhoffstädt. Lemke 93.)
Sprichwörtlich: Wie eine Fliege dreist — lustig — munter sein
(eine lustige Fliege sein); — fallen wie die Fliegen. Die Fliege setzt
sich dem Pfarrer auf die Nase. Daher die ßätselfrage: Wer ist am
dreistesten in der Kirche? Ihn ärgert die Fliege an der Wand. — Vgl.
auch Tierrätsel 108.
Pflanzennamen: Fliegenblume, Ophrys myodes. Fliegen-
distel, Cnicus Erisithales. (Hagen u. d. a. W.)
Floh.
Name: Pltd. Fleg, Hoppsfleg (vgl. Stubenfliege.)
Die Flöhe können zur Osterzeit bei der grossen Reinigung „ge-
bannt14 werden. Es wird in allen Ecken gesprengt und gefegt und alles
21*
316 Zur Volkstum liehen Naturkunde.
Zusammengefegte vor Sonnenaufgang heimlich auf die Schwelle eines
anderen Hauses getragen. (Saalfeld. Lemke 14.)
Sprichwörtliches: Munter sein wie ein Bettfloh.
Im Bat sei ist der Floh reich vertreten, s. Tierrätsel 98—107.
Mehrere Pflanzen führen den Namen Flöh kraut: Polygonum,
Erigeron, Inula. Hagen u. d. a. W.
Küchenschabe-
Name: Franzose, Bäckerschabe.
Viele Schaben im Hause bringen Glück.
Sind Schaben in einem Hause, so darf das weibliche Gesinde unbesorgt
geschlechtlichen Umgang haben, es wird nicht schwanger. (Königsberg.)
Ein Mittel gegen die Franzosen, bestehend aus Bolus und gesüsstem
Kartoffelbrei, wirkt nur dann, wenn es bei abnehmendem Lichte an
einem Donnerstage angewandt wird. (Dönhoffstadt.)
Grille, Gryllus domesticus.
Der volkstümliche Name ist die Schirke, Scherke, Schörke,
auch mit Abstossung des Schluss - e : der Schirk je. Dieser Name lautet
auch mit Tsch an. Der eigentümliche Ton, den das Heimchen hören
lässt, wird mit schirken, schirksen, scherken, schörken bezeichnet.
Die Schirke bringt dem Hause Glück und Überfluss und wird des-
halb geschont. Wer sie töten würde, verscheuchte aus dem Hause das
Glück. Die Bäcker namentlich freuen sich, wenn in ihrem Hause sich
viele Schirken aufhalten.
Maulwurfsgrille, Gryllotalpa vulgaris.
Namen: Warre, Werre, Twerre, Werl, Worbel, Eitwurm, Erd-
krebs, Schrotwurm. Preuss. Wörterb. II, 318.
* Die Maulwurfsgrille kann am Johannisabend fliegen. Was sie dann
im Fluge berührt, muss sterben. (Litauen.)
Wenn der Fieberkranke ihr mit blossem Finger den Kopf abdrückt,
weicht das Fieber von ihm. (Saalfeld. Lemke 91.)
Zangenkäfer, Forficula.
Er heisst Ohrenkneifer, weil er dem im Freien Schlafenden in
die Ohren kriecht. Nach dieser irrigen Annahme des Volkes wird er
auch in naturgeschichtlichen Büchern gewöhnlich Ohrwurm genannt
Von H. Frischbier. 317
Sprichwörtlich: Wie ein Ohnvürmchen freundlich — lustig sein.
Korrespbl. III, 53.
Laut».
Die erste Laus vom Kopfe des Kindes muss auf einem kupfernen
Kessel totgeschlagen werden, dann gedeiht das Kind. Läuse sind über-
haupt dem Kinde gesund.
Gegen Gelbsucht hilft ein Butterbrot, auf welches neun Läuse von
neun Köpfen geklebt sind. Natürlich hat der Kranke, wenn er das
Butterbrot verzehrt, keine Ahnung von diesem Heilmittel. (Saalfeld.
Lemke 92.)
Um das Vieh vor Läusen zu schützen, darf man während der
Zwölfteu keinerlei Beschäftigung mit Flachs haben, denn so viele Ab-
fülle von den Flachsstengeln umherfliegen würden, so viele Läuse würde
das Vieh bekommen. (Saalfeld.)
Sprichwörtliches: Wie eine Laus kriechen; — geschäftig —
karsch — lustig — schäftig — wählig sein wie eine Laus im Schorf; —
sich pflegen — den eigenen Willen haben wie die Laus im Schorf; —
karwendig — , luchtern sein wie eine Kleiderlaus ; einem auf dem Halse
sitzen wie eine Laus. (Lemke 93. Korrespbl. III, 52.) Sich eine Laus
in den Pelz setzen. Wenn de Lüs üt em Schorf geh&we ward, denn
wart.se schäftig.
Zusammensetzungen: Lausangel, Lausbart (Lauser), Lause-
pulver, Lause tag, Lausharke, Laushund, Lauskamm, Lauspungel, Laus-
wenzel. Vgl. Preuss. Wörterb. II, 13 f.
Spinne.
Name pltd. Spenn'.
Spinnchen am Morgen: Kummer und Sorgen; Spinnchen am Abend:
glückbringend und labend. Auch: Spinne am Morgen macht (bringt)
Kummer und Sorgen; Spinne am Abend macht Fastlabend (!). (Kö-
nigsberg.)
Wen ein Purpurspinnchen bekriecht, der hat Glück. (Dönhoffstädt.)
Die Spinne stirbt immer nur zur Abendzeit, selbst wenn sie in der
Frühe tötlich verwundet wurde. (Rauschen.)
31g Zur volketömlicben Naturkunde«
Märchen: Ein unschuldig Verfolgter rettete sich in ein Ofenloch.
Seine Verfolger, welche ihn in das Haus entweichen gesehen, eilten ihm
nach und durchsuchten alle Bäume des Hauses. Sie fanden ihn aber
nirgend. Zuletzt öffnete einer die Ofenthür, aber warf sie sofort mit
den Worten zu: „Hier ist er nicht, denn hier hängt alles voll Spinn-
weben!" Und so war es: eine mitleidige Spinne hatte das Ofenloch
eifrig zugesponnen und rettete so, wie früher eine ihrer Schwestern
Muhamed, den Verfolgten. (Saalfeld.)
Das Spinngewebe nennt man höhnend Brautlaken. Die Braut-
laken hängen umher, als Anspielung darauf, dass die Töchter des
Hauses keine Männer bekommen werden, da sie nicht auf Reinlichkeit
sehen. Vgl. Sprich w. I, 441. Preuss. Wörterb. I, 105. Lemke 92.
Zusammensetzungen: spinnefeind, Spinnenarsch, Spinnenfresser,
Spinnensommer. Näheres Preuss. Wörterb. II, 352.
Zwei Pflanzen führen den Namen Spinnenkraut: Senecio Jacobaea
und Anthericum ramosum. Hagen u. d. a. W.
Krebs.
Wenn ein kleiner Gegenstand (Körnchen, Härchen :c.) ins Ange
gekommen ist, soll man einen Erebsstein unter das Lid schieben und
denselben im Halbkreis umher führen, damit er den lästigen kleinen
Körper mit sich fortnehme. (Saalfeld. Lemke 93.)
Würmer.
Am Tage Pauli Bekehrung (25. Januar) drehen sich die Würmer
in der Erde um und fangen an sich zu regen. Sie wenden alsdann
demjenigen Hause den Kopf zu, in welchem an diesem Tage gesponnen
wird; zum Frühjahr dringen sie in dieses Haus. (Samland.)
Dass hier nicht die eigentlichen Würmer (vernies) ausschliesslich
gemeint sind, sondern alles Ungeziefer, das in der Erde lebt und den
Menschen in seiner Wohnung belästigt, sei besonders bemerkt.
Sprichwörtlich: Wie ein Wurm kriechen, — sich krümmen,—
sich winden. Korrespbl. III, 54.
Auch die Eingeweidewürmer nennt man bloss Würmer; ebenso
spricht man vom Wurm am Finger: Umlauf, Panaricium (Nagel-
Von H. Frisohbier. 3J 9
wurm). Gegen beide Arten Würmer gab es früher den Wurmdoktor,
der vorzugsweise Besprecbungsformeln anwandte. Vgl. Preuss. Wörterb.
II, 483. Hexenspr. 97 ff.
Regenwurm.
Man sammelt den Regenwurm, bewahrt ihn in Spiritus und zer-
schüttelt ihn in der Flasche. Dieser Spiritus ist eine heilsame Einreibung
gegen Rheumatismus. (Saalfeld. Lemke 91.)
IV. Pflanzen.
Bäume und Sträucher.
St. Sebastian (20. Januar) lässt den Saft in die Bäume gähn.
(Dönhoffstädt. Böbel 2.)
Ist man gesonnen, Bäume zu pflanzen oder zu verpflanzen, so thue
man dieses am Gründonnerstage. Auch setze man an diesem Tage
Schösslinge, — alles geht dann sicher fort und grünt gut ein. (Fisch-
hausen.) Vgl. Feld- und Gartenpflanzen.
Sollen die Obstbäume gedeihen und reichlich tragen, so müssen
sie bei Neulicht gepflanzt werden. (Dönhoffstädt.)
Im Schaltjahr soll es nicht gut sein, Bäume zu versetzen oder zu
pfropfen, oder viel Kohl zu pflanzen. (Linemann, Deliciae je. B 2a.)
Für geschenkte Pflänzlinge darf man nicht danken, sonst zerstört
man das Gedeihen derselben. (Dönhoffstädt.)
Wenn ein Gewitter über die Baumblüte kommt, so wird der Sommer
obstarm. (Dönhoffstädt.)
Wenn die Bäume zweimal blühn, wird der Winter bis Mai sich
ziehn. (Dönhoffstädt.)
Die ersten Früchte eines Obstbaumes dürfen nicht gezählt werden.
Die letzten Früchte lässt man dem Baume, damit der Segen des fol-
genden Jahres nicht geschmälert werde. (Dönhoffstädt.)
Sitzt das Laub im Oktober noch fest, dies einen strengen Winter
erwarten lässt. (Sprich w. I, 2313.)
Ahorn, Acer L.
Namen: Leinbaum, im Eindermunde: Brillenbaum, Nasenbaum,
Nasenkneiferbaum. (Preuss. Wörterb. I, 108.)
320 ^ur ▼olkstüiulichen Naturkunde.
Die Blätter des Ahorn müssen vor Johanni gepflückt, getrocknet
und aufbewahrt werden. Später in kochendem Wasser erweicht, sind
sie heilkräftig für alle Wunden.
Birke, Betula alba L.
Mit Birkenruten „schmackostert" man zu Ostern (Preuss. Wörter-
buch II, 292) und schmückt mit ihrem Laube zu Pfingsten Haus und
Stube, Wagen und Pferd.
Espe, Zitterpappel, Populus tremula L.
Im Volksmunde Aspe.
Sage: Als der liebe Gott einst über die Erde wandelte, neigten
sich alle Bäume vor ihm, nur die Pappel nicht; sie war eingeschlafen.
Da sprach Gott: „Wenn ich wiederkomme und dich schlafen finden sollte,
will ich dich von der Erde vertilgen!" Die Pappel erschrak und
zittert seit diesem Tage. — ' Nach einer andern Sage soll der Splint
(Knebel), der in Jesu Mund gesetzt wurde (?!), von dem Holze einer
Pappel genommen sein; seitdem zittert die Pappel, wie Christus in
seiner Todespein. (Fischhausen.)
Man erzählt auch, dass zum Kreuz Christi das Holz der Pappel
genommen sei, und dass diese, seit sie den Heiland an ihrem Holze
leiden sah, zittere. (Königsberg.) *
Sprichwörtlich: Er zittert wie Espenlaub.
Kriehelbaum9 Prunus insititia L.
Namen: Unedle Pflaume, Waldpflaume; sie heisst auch Kriechel,
Krickel, Kreke, Krekel, Kröke, Krökel, Krükel, Krüle. (Vgl. Preuss.
Wörterb. I, 429.)
Wenn die Krichelbäume in der letzten April- oder ersten Maiwoche
blühen, so ist die Roggenernte noch vor Jakobi (25. Juli). So vel
Wöke n& Wulprecht (1. Mai) de Krekelböm biegt, so vel Weke nä
Jakdb ös dat Körn rip. (Dönhoffstädt.)
Palme, Salix caprea L.
Die Salweide, ihre Zweige mit den Schäfchen, Blumenkätzchen,
und die Schäfchen allein, benennt man als Ersatz für die wirkliche
Palme mit diesem Namen.
Von H. Priechbier. 321
Am Palmsonntage werden Palmen mit in die Kirche genommen,
um sie daselbst weihen zu lassen. (Ermland.)
Diese geweiheten Palmen sind ein sehr wichtiges Präservativ gegen
Krankheiten, die listigen Anläufe des Teufels und gegen schädliche
Naturerscheinungen. Steckt man drei derselben unter die Balken, so
vermag das Gewitter nicht in das Haus einzuschlagen. (Ermland.)
Steckt man aus zwei Ästen geweiheter Palmen ein Kreuz an die
Thür, so kann der böse Geist nicht in das Haus, dieses ist gefeit.
Palmen über den Eingang zum Stall angebracht, bewahren das Vieh
vor aller Krankheit. Birgt man drei Palmen in die Krippe (in Löcher,
die man geschnitten), so geben Kühe, welche aus solcher Krippe fressen,
viele und kräftige Milch. (Ermland.)
Wer drei Palmen nüchtern und ganz (ungekaut) verschluckt, be-
kommt nicht das Fieber. In Natangen gilt dasselbe auch von den drei
ersten Märzveilchen (Anemone Hepatica). N. Pr. Prov.-Bl. a. F. III, 208.
Preuss. Wb. II, 117 f. Lemke 76. Treichel, Volksth. *c. unter Salix. ")
Hasel, Corylus Avellana L.
Im Volksmunde Hassel. — Giebt es viele Haselnüsse, so giebt
es in demselben Jahre wenig Kartoffeln.
Regnet es Margaret (13. Juli), so geraten die Nüsse nicht. Von
jeder faulen Nuss heisst es: die Gret' hat sie bepisst. (N. Preuss.
Provinzialbl. a. F. III, 210.)
Ein altes litauisches Bätsei über die Haselnuss heisst: Es ist ein
klein Töpfchen, aber es hat einen wohlschmeckenden Mus (Maius Podelis
Skanna tirele). Lepner, Der preusche Littauerll8. Pflanzenrätsel 25. 14)
Feld- und Gartenpflanzen.
Blumenstecklinge müssen am Gründonnerstage gemacht, Blumen-
samen und Gemüse an eben diesem Tage gesäet werden. (Dönhoffstädt.)
Vgl. Bäume und Sträucher.
13 ) Volkstümliches aus der Pflanzenwelt, besonders für Westpreussen I.— IV.
Von A. Treichel. (Schriften der naturf. Gesellschaft zu Dan zig.)
24 ) Die Pflanzenwelt in Volksrätseln ans der Provinz Preussen. Von H. Frisch-
bier. (Zeitschr. f. deutsche Philologie, Bd. EX, S. 65 ff.)
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322 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Küchengcwäcbse dürfen nicht gesäet werden, wenn Sonne und Mond
zugleich am Himmel stehen, weil sie sonst schössen würden. (Kr. Goldap.)
Am Tage der Himmelfahrt Maria (15. August) findet in den katho-
lischen Kirchen die Krautweihe statt. Die Leute, vorzugsweise die
Bauern, bringen allerlei Blumen und Kräuter: Knoblauch, Möhren,
Kalmus 2c, oft in grossen Quantitäten, mit und breiten diese auf der
Kommunionbank und um den Altar aus. Der Priester besprengt die
Pflanzen mit Weihwasser, beräuchert sie mit dem heiligen Eäucherwerke
und sendet Gebete für das Gedeihen der Feld- und Gartenfrüchte gen
Himmel. — Die geweihten Kräuter erweisen sich als besonders heil-
sam und segenbringend. Verbrennt man bei herannahendem Gewitter
etwas davon, so geht das Gewitter ohne Schaden anzurichten vorüber.
(Ermland.) — Vgl. A. Treichel, die Kräuterweihe in Westpr. (Schrift,
d. naturf. Gesellschaft z. Danzig. N. F. Bd. VI, Heft I.)
£rbse, Pisum.
Im Volksmunde Arft. Der Gregorstag (12. März) und der Ain-
brosiustag (4. April) sind für Westpreussen geeignete Tage zum Erbsen-
aussäen. (Böbel 15. 19.)
Im Kreise Goldap vermeidet man es, am Tage Pauli Bekehrung
(25. Januar) Erbsen zu säen, weil an diesem Tage die Würmer (s. d.)
sich zu regen aufangen und die Erbsen anstechen würden. (An diesem
Tage dürfte die Witterung das Säen überhaupt verbieten.)
Erbsen säet man am liebsten an einem solchen Wochentage, an
welchem der erste Schnee fiel: die spätere Frucht kocht sich sehr weich.
(Kr. Goldap. Für Memel, Böbel 137.)
Beim Aussäen der Erbsen müssen die ersten drei . Hände voll
nach Süden , (Wehlack: nach Westen) geworfen werden, sonst kochen
die aus der Saat hervorgehenden Früchte sich nicht weich. (Dönhoffstädt.)
Säet man Erbsen bei Süd- oder Südwestwind, so werden sie weich,
bei Nordwind hart, bei Ostwind wurmig. (Memel, Böbel 137.)
Hat ein Feld sehr viele wurmstichige Erbsen gebracht, so hat es
der Säer versehen, weil er bei der Arbeit zu viel „gefistet" hat. [Ein
gleiches Versehen der Bestellarbeiter wird offenbar, wenn auf einer
Stelle im Acker viele Disteln wachsen.] (Dönhoffstädt.)
Von H. Frischbier. 323
Weisse Erbsen am Karfreitag genossen, bewahren vor Krankheit
durch das ganze Jahr. (Friedland in Ostpr.)
Die Erbsen geraten gut, wenn sich im Frühjahr viele Frösche
zeigen. (Rastenburg, Böbel 113.)
Sprichwörtlich: Wo der Herr auf dem Felde nicht herumgeht,
da geraten keine Erbsen (Masuren : Gdzie pan na polu niechodzie, tarn
sie groszek nie rodzi). — Von den Erbsen ein Wisch, so sitze des
Abends (Od grochu wieched, to wieczor posiedz). Nach Beendigung der
Erbsenernte beginnt die Abendarbeit. — Kann man trocken Erbsenstroh
auftreiben, so muss man des Abends lange aufbleiben. — Es geht ihm,
wie den Erbsen am Wege, wer nicht zu faul ist, der zupft ihn (Ra-
suren: Ma sig jak groch przy drodze, kto sig nie leni to drze). Sprich-
wörter II, 3090. 3055; I, 4264. Mancher Mensch ist dumm wie Erbsen-
stroh. Vgl. das Erbensenschmeckerlied in meinen Preuss. Volksliedern je.
(Kgsbg. 1877) S. 66 und 99 und die Pflauzenräts. 29—38.
Flachs (Lein), Linum L.
Am Medardustage (8. Juni) ist die letzte Zeit, den späteren Flachs
zu säen. (N. Preuss. Provinzialbl. X, 118, 191.) — Wer auf Medard
traut, kriegt viel Flachs und Kraut. (Königsberg. Strassburg, Westpr.
Böbel 27.)
Wer den Lein säet nach Vit (Vitus, 15. Juni), geht der Saat quitt;
wer ihn säet vor Medar, ist ein Narr. (Heiligenbeil. Böbel 29.)
Bevor man Flachs aussäet, muss man einen Stein auf den Acker
legen, diesen dreimal umgehen und dann erst die Aussaat beginnen.
(Dönhoffstädt.)
Soll der Flachs gut geraten, so muss man sich Fastnacht schaukeln
(Fischhausen) — so muss der Hausvater zu Fastnacht, auch am Licht-
messtage, mit dem weiblichen Hauspersonal, den Spinnerinnen, Schlitten
fahren. (Dönhoffstädt. Oberland.)
Nach Beendigung der Mittagsmahlzeit am Fastnachtstage setze sich
ein Mädchen, nachdem das Tischtuch entfernt ist, sofort auf den Tisch,
nehme das Nähzeug vor, fädele in die Nadel einen langen Faden und
nähe. So lang der vernähte Faden ist, so langen Flachs baut man in
dem Jahre. (Fischhausen.)
I
324 ^or yo^stüm liehen Naturkunde.
Wenn St. Stephan (26. Dezember) die Sonne auch nur so lange
scheint, als der Reiter Zeit braucht aufs Pferd zu steigen, dann gerät
der Flachs. (Gilt auch vom heiligen Ghristtage. Erinländische Frei-
schaft 2c. Rössel 1866. S. 8. Böbel f>f>: Scheint am Stephanstage die
Sonne, so gerät der Flachs. (Heilsberg. Braunsberg.)
Unausgekocliter Flachs wird als Mittel gegen Halsschmerzen an-
gewandt, und das Schwingblatt, das Brett, mit welchem der Flachs
geklopft wird, dient zur Abwehr geg«in die Mär. (Lemke 74.)
Volks rätsei über Flachs s. Prhuizenrätsel 40—45. Als Rätsel-
frage hört man: Wann säet der Bauer Flachs? Nie, er säet Lein.
Getreide (Roggen, Weizen).
Roggen heisst, als die am meisten übliche Getreideart, Korn, pltd.
Körn; Weizen pltd. Wete, im Ermlande: Wesze, in Danzig: Weiz.
Öm Verjähr ön't Wäter, öm Harwst ön *e Klüt sege (säen), ös göt.
(Dönhoffslädt )
Kogge söge, dat he stgwt
Weite s€ge, dat he klöwt.
(Sprich*. I, 3U)5.)
Dat Körn seg ön de Klomp'
Ou de Häwer ön de Somp.
(Dönhoffstadt.)
Weizen soll der Landmann vor Johannis nicht loben oder tadeln.
(Altpreuss. Geschichten je. S. 407.)
Der Termin zum Anhauen und Anschneideu des Roggens ist Jakobi
(25. Juli) — in Masuren Anna, Mutter Maria (26. Juli). Böbel 37. 39.
Wenn der Weizen eingeerntet ist (in manchen Wirtschaften mit
Bartholomäus), hört bei den Arbeitern die Vesperstunde auf. Sie sagen
daher:
De Weite ös öm Fack,
Dat Vesperbrot öm Dack.
(Dönhoffstädt. Oberland.)
Späte Wintersaat — Weiberrat, gedeiht unter dreimal kaum ein-
mal. (Ostpr. Böbel 117.)
Tritt Matthäus (24. September) ein, muss die Saat beendet sein.
(Masuren.) — Auf St. Michael (29. September) beende die Saat, sonst
wirst du's bereu'n, es wird zu spat. (Westpr. Böbel 45. 47.)
Von H. Frischbier. 325
Bis Martini (11. 12. Novbr.) soll ein guter Wirt ausgedroschen
haben. (Memel. Böbel 52.)
Stehn die Quatember hoch im Datum und steigen vom ersten bis
vierten, so sollen die Getreidepreise auch steigen und umgekehrt.
(Memel. Böbel 59.)
Hafer, Avena L.
Namen: Haber, Häwer.
Hafer und Oerste fielen einst in den Schmutz. Beim Ringen um
die Oberhand gewann diese die Gerste, während der Hafer unterlag.
Die Begattung ging vor sich, und bald hatte der Hafer ein Eind. Man
kann sich davon überzeugen, denn in der Haferrispe befindet sich immer
ein grosses Korn und ein kleines: Mutter und Kind. (Fischhausen.)
Geht man mit einem Mädchen einem Haferfelde vorbei, so muss
man ihr unbemerkt Haferkörner auf die Kleider werfen : so viele Körner
haften bleiben, so viele Freier wird das Mädchen haben. (Saalfeld.
Lemke 71.) — Über die Sylvesterbelustigung „Haferschwemmen* siehe
Volkskai. 29. Preuss. Wörterb. I, 262.
Maihafer — Spreuhafer. Wenn in einer Gesellschaft plötzlich Stille
eintritt, ist gut Hafer säen. Sprich w. I, 2523. 1429.
Kartoffel, Solanum tuberosum L.
Namen: Erdschocke, Schocke, Schucke, Bulle, Bulwe, Tuchel,
Tuffel, Trüffel, Tfiffken. Vgl. Preuss. Wörterb. u. d. a. W.
Legst du mi (die Kartoffel) im April, komm* i, wenn i will; legst
du m! im Mai, komm* i glei. (Werder. Böbel 88.)
Frühkartoffeln muss man auf Georg (23. April) setzen. (Samland.
Böbel 20.)
Klee, Trifolium.
Namen: Kiewer, Kleber (Drei- und Vierkleber).
Ein Vierklee, ungesucht gefunden, bringt Glück. Wer einen solchen
bei sich trägt, ohne zu wissen, hat Glück und ist gegen „Augen-
verblendnis" geschützt. (Dönhoffstädt.)
Wenn der weisse Klee stets blüht, ist eine nasse Aust (Ernte) zu
erwarten. (Dönhoffstädt.)
326 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Knoblauch, Allium sativum L.
Im Volksmunde: Knoffeldök. Er ist ein treffliches Mittel gegen
alle Hexerei. Man trägt ihn als solches bei sich und giebt ihn auch
dem Vieh. Hähnen und Gänserichen wächst nach dem Genüsse die
Potenz. (Pischhausen. Siehe Hexenspr. 9 f. Preuss. Wörterb. I, 394.
Vgl. auch Treichel, Volksth. IU u. IV.)
Kohl, Brassica oleracea L. var. capitata.
Der Weisskohl, in der Provinz Kumst, Kumbst, pltd. Komst,
Kompst. Preuss. Wörterb. I, 445.
Eohlsämereien am 18. April ausgeführt, werden nicht vom Erdfloh
beschädigt. (Dönhoffstädt.)
Kumst im Mai (gepflanzt), bleibt klein wie ein Ei. (Dönhoffstädt.
Sprichw. I, 2520.) Auch: Maikumst — Eikumst.
Pflanz1 Kohl Viti (15. Juni). (Westpr. Böbel 29.)
Beim Setzen des Kumstes wird zuerst eine Staude Brennessel ge-
pflanzt und mit einem Stein angedrückt; man bewahrt dadurch den
Kohl vor Kaupenfrass. (Kr. Goldap.)
Ist der Kohl von Raupen befallen, so muss ihn eine schwangere
Frau abfegen. (Wehlau.)
Am Jakobstage (25. Juli) schliesst sich der Kumst, und man muss
alsdann den Kohl weder reinigen, noch behacken, noch überhaupt in
den Kumstgarten gehen, wenn derselbe geraten soll. (N. Pr. Prov.-ßl.
a. F. VII, 233.) — Wenn der Kohl gerät, verdirbt das Heu.
Vor Gallus (IG. Oktober) ist nicht gut den Kumst zu schneiden.
(N. Pr. Prov.-Bl. X, 119. Memel. Böbel 49.)
Sprichwörtliches: Eine unzulängliche Sache wird den Kohl
nicht fett machen. Kohl — s! öck satt böl. (Elbing.) Sure Komst
schmeckt göt, äwer hei raot schwinsch afgemäkt sön. Komst schmeckt
erst göt, wenn de Sü dorchgejägt ös. Komst mäkt rode Backe.
Sprichw. I, 2096 ff.; II, 1631 f.
Volksrätsel über den Kohl s. Pflanzenrätsel 52. 53.
Kiirbift, Cucurbita.
Namen: pltd. Kerbs, Kerws.
Um schöne und grosse Kürbisse zu ziehen, muss man am Himmel*
Von H. Frischbier. 327
fahrtstage die Saatkerne in einem Pantoffel auf den Acker fahren und
einlegen., (Ermland. N. Pr. Prov.-Bl. X, 118.) In der Gegend von
Dönhoffstädt legt man die Kerne am Himmelfahrtstage, wenn die
Glocken zur Kirche rufen.
Mittel, Kürbisse gross zu ziehen: Man schiebt, bevor noch die
Jahreszeit zu weit vorgerückt ist, unter die kleinen Kürbisse Bretter,
auf welchen jene bequem, d.h. ohne Schaden zu nehmen, lagern; dann
wird in jeden Kürbis (am „Herzpolchen" oder auch seitwärts) ein Loch
gestossen oder geschnitten, und in dieses Loch wird täglich mehrmals
süsse, am besten ganz frische Milch eingegossen. Letzteres geschieht
mit einem Löffel und wird „Tränken" genannt. Anfangs darf man
uur kleine Portionen Milch eingiessen, und erst wenn der Kürbis grösser
wird, kann auch die Menge der Milch eine grössere sein. (Ostpr.
Lemke 72 und in: Deutsche botan. Monatsschr. Jahrg. 1884. S. 30.)
Rätsel: Es liegt ein Pferd in der Furche im angeschmiedeten
Zaume. (Masuren: Lezy koii w brozdzie, w przykowany uzdzie.) Pflanzen-
rätsel 54.
Tabak, Nicotiana.
Wenn der Tabak, im Volksmunde Tobak, im abnehmenden Mond-
lichte abgeschnitten wird, so wächst derselbe, abgeschnitten, noch fort.
N. Pr. Prov.-Bl. a. F. VII, 233. — Vgl. Treichel, Volksth. II, III u. IV.
Wracke, Brassica Napus L. c. esculenta D. C.
Namen: Wruke, Wracke, ßruke, Brücke, Kohlrübe.
Der Same von Wrucken und sämtlichen Kohlarten muss am
Gregorstage (12. März) gesäet oder wenigstens mit Erde gemischt werden,
dann fugen die Erdflöhe den Pflanzen keinen Schaden zu. (Westpr.
Böbel 15.)
Am Tage Maria Verkündigung (25. März) werden Wracken, Weiss-
kohl, überhaupt Pflanzensamen gesäet, geht's nicht ins freie Land, so
doch in Töpfe. (Masuren. Böbel 17. N. Pr. Prov.-Bl. X, 117.)
An diesem Tage, gerade um 12 ühr mittags, soll jede Wracke,
Mohrrübe tc. innen, also in der Wurzel, Samen haben. (Jerrentowitz.)
Sprichwörtlich: Bracke sön göt to schlucke, wenn se öm Fett
hucke. Sprichw. 1, 471. — Zur Ergänzung s. Treichel, Volksth. II, III u. IV.
328 ^nr ▼olkstämlichen Naturkunde.
Wurzelgewächse sind im abnehmenden Lichte zu säen, Blatt- und
Fruchtgemüse bei zunehmendem. (Dönhoffstädt.)
Wildwachsende Pflanzen,
Allgemeines. Unter den wildwachsenden Pflanzen unterscheidet
das Volk Blumen, Blome, und Unkraut, Onkrfit. Der Mensch blüht —
prangt — steht, er vergeht auch wie eine Blume. Ein schmucker Bursche
ist ein Kerl wie eine Blume. Unangenehm ist's, stehen, oder blühen,
wie eine Blume auf dem Mist. (S. Korrespondenzbl. IV, 27: Vergleiche
mit Pflanzen von H. Frischbier.)
Neunerlei Kraut, das im Freien gewachsen, sammeln am Johannis-
abende die Mädchen, flechten daraus einen Kranz und bringen ihn unter
gewissen Ceremonien nach Hause. Legt die Binderin ihren Kranz zur
Nacht unter das Kopf kissen, so träumt sie von ihrem zukünftigen Ge-
mahl. (Samland. Vgl. Volkskal. 117. Preuss. Würterb. I, 425.)
Fünf lange Grashalme werden von einer Person in der Mitte ge-
halten; eine andere knüpft nun immer ein oberes Ende mit einem untern
zusammen. Ist solches fünfmal geschehen, und bildet das Ganze einen
Kranz, so geschieht das, was die bindende Person gedacht hat. Diese
muss jedoch schliesslich nicht vergessen, den Kranz rücklings über
sich wegzuwerfen.
Belfkisg9 Artemisia vulgaris L.
Am Johannisabende knicken Bräute oder still liebende Mädchen
zwei nebeneinanderstehende Beifussstauden. Stehen sie am nächsten
Morgen aufgerichtet und gegen einander geneigt, so giebt's Hochzeit.
Man nennt dies Beifussknicken, -brechen. (Violät, Neringia S. 120.
Lemke 21.)
Man sucht am Johannisabend unter den Wurzeln des Beifusses
Kohlen, welche, fein zerrieben und mit Wasser eingegeben, die Epilepsie
heilen sollen. (Pr. Prov.-Bl. X, 119. Auch aus Jerrentowitz mitgeteilt.)
Man steckt am Johannisabend Beifussbüschel gegen Unglück an
die Thür. — Beifuss liefert geschätzten Thee. — Aus grossen Stauden
werden Besen gefertigt — Wilde Enten und dergl. werden mit Bei-
fuss gefüllt, damit sich der Wildgeschmack mildere. — Beifussbündel
Von H. Priichbier. 329
mit Mus oder Waddik bestrichen, hängt man an die Stubendecke: die
Fliegen, welche sich darauf festsetzen, werden in einem Sacke, den
man über die Bündel streift, entfernt. (Lemke 71.)
Der Zaun von Beifuss und Nesseln. (Sage.) Früher wusste
jeder, wie lange er leben würde; aber nun weiss es keiner mehr, und
das ist so gekommen: Ein Mann stellte einen Zaun von Beifuss und
grossen Nesseln her, d. h. er steckte Stäbe und Stengel rundum in die
Erde. Während dieser Arbeit kam der liebe Gott vorbei, blieb stehen
nod sagte: „Höre, du machst dir einen schlechten Zaun, der kann nicht
lange halten." — Der Mann aber antwortete: „So lange ich lebe, wird
der Zaun schon halten." — Da fragte der liebe Gott: „Was denkst
du denn, wie lange das ist?" — „Über drei Tage", sagte der Mann,
bin ich tot, und so lange kann der Zaun schon halten; danach mag er
umfallen." — Solche dreiste Antwort ärgerte den lieben Gott, und er
sagte: „Von nun an soll kein Mensch wissen, wie lange er lebt!" Und
dabei ist es auch geblieben. (E. Lemke, deutsche botan. Monats-
schrift 1884, No. 2.) Vgl. auch Treichel, Volksth. unter Artemisia.
Beinwell, Symphytum officinale L.
Aus Beinwell, Alant (Inula Helenium), Bier, Honig und Butter
wird ein Trank für Lungenkranke bereitet. — Die Wurzel wird gerieben
und dieses Pulver auf Wunden gelegt. — Die Wurzel wird mit Teer
und Sahne gekocht und so eine heilsame Salbe für Wunden bei Menschen
und Tieren bereitet. (Saalfeld. Lemke 78.) Vgl. die Sage am Schlüsse
dieses Abschnittes.
Blaubeere, Vaccinium Myrtillus L.
Wenn die Blaubeeren schlecht geraten sind, so giebt's in dem Jahr
viele Krankheiten.
Butterblume, Leontodon taraxacum L.
So oft man „pusten" muss, um die Samenhaarkrone der Butter-
blume wegzublasen, so viele Lebensjahre hat man noch vor sich.
(DönhofFstädt.) — In der Gegend von Königsberg lebt man so viele
Jahre, als Härchen nach dem ersten kräftigen Blasen noch stehen
bleiben. — So viele Löchlein nach einmaligem Blasen auf dem Frucht-
boden sichtbar werden, so viel ist die ühr. (Oberland. Lemke 74.)
Altpr. MoMtuehrift Bd. XXII. Hft. 3 u. 4. 22
330 Zar volkstümlichen Naturkunde.
Kinder halten einander die Blute unter das Kinn: je stärker der
gelbe Reflex, desto mehr Butter hat das betreffende Eind gegessen.
Kinder fertigen aus den Stengeln Ketten, Schlusselchen :c. Lemke 74.
Ephen, Hedera Helix L.
Wer Epheu in den Zimmern hält, zieht dadurch der Familie ein
Unglück zu. (Dönhoffstädt.)
Töchter eines Hauses, in welchem Epheu gezogen wird, bleiben
unverheiratet. (Königsberg.)
Heidekraut, Erica vulgaris L.
Nach dem Anfange der Blute des Heidekrautes richten sich die
Wintersaaten. Blüht es von unten, so soll die zeitige Boggensaat, blüht
es in der Mitte, die mittlere um Michaelis gesäete, blüht es nach oben,
die Saat nach Michaelis die beste sein. (Ost- und Westpr. Böbel 102.)
Heil-aller-Schaden, Gentiana cruciata L.
Die Enzianwurzel enthält viel Bitterstoff und wird deshalb als
magenstärkendes und kräftigendes Heilmittel gebraucht. Leunis, Synopsis
der Pflanzenkunde S. 790. Preuss. Wörterb. I, 281.
Heil-aller-Welt, Yeronica officinalis L.
Die Blätter werden des vorwaltenden Bitter- und Gerbestoffs wegen
in Theeaufguss als Brustmittel bei rheumatischen Leiden und Ver-
schleimung der Atmungsorgane und von Landleuten frisch als Wund-
mittel gebraucht; der ausgepresste Saft dient auch wohl als Frühlings-
kur. Leunis S. 861. Preuss. Wörterb. I, 281.
Heilnarseh, Geum urbanum L.
Eine beim Volke sehr gerühmte Gewürz- und Heilpflanze, welche
als Nelkenwurz (Radix caryophyllatae) gegen Unterleibsschwäche und
schwache Verdauung als Heilmittel dient. Leunis S. 429. Preuss.
Wörterb. I, 282.
Heirat&Mume, Orchis latifolia L.
Die Pflanze wird am Johannistage gegraben, während man denkt,
ob ein gewisses Paar sich finden werde. Je nachdem die beiden hand-
förmig geteilten Wurzelknollen sich an einander legen oder von einander
abwenden, kann man auf das Zustandekommen der Heirat schliessen.
(Samland.) Volkskai. 115. Preuss. Wörterb. I, 282.
Von H. Frischbier. 331
Himmelselilüsselclien, Primula L.
Drei Blüten vom Himraelsehlüsselchen verschlackt, sind ein Schutz-
mittel gegen das Fieber.
Katzenpfote, gelbe, Gnaphalium arenarium L.
Sehr beliebt zu Kränzen. Als Mittel gegen Zahnschmerzen räuchert
man die Blumen und lässt den Rauch in Ohr und Mund einströmen.
Die rosa Katzenpfötchen werden mit süsser Milch angerichtet
und gegen Geschwulst eingetrunken. (Saalfeld.) Lemke 73. Vgl. die
Sage am Schlüsse dieses Abschnittes.
Kornrade, Agrostemma Githago L.
Räd' on Tresp holt den Bär fest, Körnblöm1 on Schmel jagt em
yon 'er Del. (Dönhoffstädt.) Im Samlande: aber Schmel und Klapper
jaget ihn vom Acker. In Medenau (Böbel 131): aber Schmel und
Kornblumen jagen ihn von den Hüben. Auch: Rade, Tresp und Vogel-
wicken bringt den Bauer auf die Krücken. Vgl. Sprichw. I, 3054.
Lebengkratit, Sedum telephium L.
Der Name rührt daher, dass die Pflanze, in freier Luft hängend,
zu vegetieren fortfährt und, nach der Volksmeinung, Leben und Tod
anzeigt; daher heisst sie in der Gegend von Rössel auch Leben und
Sterben, in der Saalfelder Gegend Lebkraut. Sie heisst auch
Johanniskraut, weil sie in der Johannisnacht gesammelt wird;
Wolfsbohne, Bruchwurzel, Fetthenne. Man pflückt oder zieht
das Lebenskraut am Johannisabend oder in der Johannisnacht, wenn
der Hahn zum ersten Mal kräht, und steckt es für bestimmte Personen
unter die Balkendecke. Wächst die Staude, so lebt derjenige, für den
sie bestimmt war, weiter; wächst sie nicht, so stirbt die betreffende
Person bald. Man soll aber die Pflanze nie vom Kirchhofe nehmen,
man würde dem Begrabenen die Ruhe rauben. Liebende stecken ebenfalls
die Pflanze, von denen die eine den Bräutigam, die andere die Braut
vorstellt. Ranken sie in einander, so heiratet das Paar. (Fischhausen.)
Abgekochtes Sedum liefert einen heilsamen Trank. Vgl. Genaueres
bei Hagen 478. Preuss. Wörterb. II, 15. Lemke 77. 479. Volkskal.
113. 114. Treichel, Westpr. Ausläufer der Vorstellung vom Lebensbaum
(Schrift, d. naturforsch. Gesellsch. zu Danzig. N. F. V, Heft 4).
22*
332 Zur volkstümlichen Naturkunde.
Maßliebchen, Bellis perennis L.
Namen: Tausendschönchen, Bleichblume.
Die Blüteublättchen des Massliebchens (auch: der Wucherblume,
Chrysanthemum Leucanthemum L.) werden einzeln ausgezupft. Bei
jedem Blättchen wird ein Wort des folgenden Reimes gesagt:
Er liebt mich — von Herzen,
Mit Schmerzen,
Über alle Massen,
Kann gar nicht von mir lassen,
Ein klein wenig,
Gar nicht!
Auch hört man nur folgende Benennungen : Eddelmann — Beddel-
mann — Bürger — Pastor — Advokat — Soldat — Jäger — Major ?
So erfährt man in dem ersten Falle, in welchem Masse man von seinem
Schatz geliebt wird, in dem zweiten Falle den Stand des zukünftigen
Geliebten. Vgl. Sprichw. I, 682.
Kinder essen das Blümchen als Leckerei. — Die ersten Frühjahrs-
pflänzchen isst man still auf: gegen das Fieber. Man kann sie aber
auch, zu demselben Zweck, mit Milch kochen. Lemke 72.
Mistel, Viscum album L.
Namen: Mestel, Nistel, Wösp, Wespe, Wispe, Unruh.
An dem Orte, wo die Mistel wächst, so tief in der Erde, als sie
über ihr steht, liegt ein verborgener Schatz. (Dönhoffstädt.) Vgl. Keusch,
Sagen 66. Preuss. Wörterb. II, 62. Treichel, Volksth. I, III und IV.
Steinpilz, Boletus edulis Bull.
Die Steinpilze wachsen zweimal des Jahres: anfangs August und
anfangs Oktober. Wachsen sie zum zweitenmal zahlreich und gross,
so wird die spät gesäete Winterung gut schütten. (Eidaten, Er. Heidekrug.)
Sage: Als zu Anfange des vorigen Jahrhunderts in Preussen die
Pest wütete und Tausende von Menschen jäh dahinraffte, riefen die
Kranken zu Gott, er möge ihre Todesstunde ausdehnen, damit sie ihr
Testament machen und sich durch das heilige Abendmahl auf den Tod
vorbereiten könnten. Da kam eines Tages ein Vogel geflogen, welcher
sang: Nömm ArmeteU on BäwerneU,
Denn starwe nich de Lud* so schnell!
Von H. Frischbier. 333
Als Dun die Menschen diese Kräuter (Immortelle, Helichrysum,
[Gnaphalium arenarium L.] und Biberneil, Pimpinella) suchten und den
Kranken eingaben, ward deren Todesstunde verlängert, und sie gewannen
Zeit, ihr Testament zu machen und das heilige Abendmahl zu nehmen.
Als aber der Würgeengel immer reichere Ernte hielt, schrieen die
Menschen abermals zu Gott und flehten um Hilfe und Gnade. Da er-
schien derselbe Vogel wieder und sang:
Bdnwell on Laurin,
Dat suU de Mönsche ehr Löwe sin!
Man suchte nun diese Krauler (Beinwell, Sympliy tum, und Tausend-
güldenkraut, Erythraea) und bereitete daraus einen Thee: wer diesen
Thee trank, blieb von der Pest verschont. —
Bis auf den heutigen Tag heisst es im Volksmunde: „Armetell on
Bäwernell, Benwell on Laurtn schötze ver allet Böse", und allgemein
werden diese Kräuter hoch gehalten. (Fischhausen.)
Y. Mineralien.
Diamant.
Rätsel:
leb babe Wasser und bin nicht nass,
leb habe Feuer und bin nicht heiss,
Ich hang1 am Kreuz und bin nicht tot,
Ich koste eine Tonne Goldes und wiege kein Lot.
N. Preuss. Provinzialbl. X, 291. Vgl. Simrock, ßätselbuch I, 10.
Kalk.
Fü'r tilgt sonst Wätersflöt,
Mi sett Wäter erseht ön Glöt.
Viol&, Neringia 200.
Salz.
Verstreutes Salz muss sorgfältig aufgenommen werden, wenn nicht
Thränen fliessen sollen. (Dönhoffstädt.)
Einer forthinkenden Hexe muss man ein Kreuz mit Salz nach-
werfen, um ihre rückwirkende Kraft zu hemmen. Auch wenn man
jemandem Milch oder warmes Brot schenkt, muss man Salz hinein-
streuen, denn sonst kann der Geschenknehmer die Milch, die Kuh und
uns selbst behexen. Endlich nimmt man Salz in die Hand, wenn man
334 ^ur volkstümlichen Naturkunde. Von H. Friachbier.
an ein Krankenbett tritt, und erkennt daraas, dass es feucht geworden
oder geschmolzen ist, den nahen Tod, oder wenn es unverändert blieb,
die baldige Genesung des Leidenden. (Pr. Prov.-Bl. ,XXVI, 538.)
Brot und Salz trägt man als Erstes in die neue Wohnung, damit
es in derselben nie an Nahrung fehle.
Stein.
Die Steine sind Ablenk er von Krankheiten. Den Kranken bedauert
man nicht anders, als mit den Worten: „Dem Sten geklagt!" oder
„Hei heft dem Sten geklagt!" Unterlässt man dies, so zieht man sich
die Krankheit selbst zu. Klagt aber eine kranke Person einer andern
ihr Leiden, so sagt man im stillen: „Klag dem Sten on behOl dine
Krankheit allen!" (Pischhausen.) Vgl. Sprichw. I, 3613.
Sprichwörter: Der Stein, der viel gerührt wird, bemoost nicht.
Zwei harte Steine mahlen schlecht. Bei Einem einen Stein im Brett
haben. Einem ein Steinchen in den Weg legen, — in den Garten
werfen = ihm eine Gefälligkeit erweisen. Wer einen guten Magen hat,
kann kleine Steine vertragen. Dem, der eine Sorge los wird,
ist ein Stein vom Herzen. Man wünscht dem einen Stein vor
die Ohren, der etwas nicht hören, dem kein Leid widerfahren soll. —
Ein kerngesunder Alter ist ein Steinchrist. Sprw. I, 3614; II, 2564.
Wachsen die Steine?
Es gab eine Zeit, da waren alle Steine auf Erden noch ganz ganz
klein; aber sie wuchsen grösser und grösser, bis der Heiland der Welt
geboren wurde. Nun standen die Steine in ihrem Wachstum still, und
wir sehen sie in der Grösse, die sie am Tage der Geburt Christi hatten.
Viele aber wollen das nicht glauben, sondern meinen, die Steine wachsen
auch heute noch. Fände man doch auf Äckern, die man von Steinen
frei gelesen, wieder Steine und zwar grössere als die früheren. (Mit-
teilung von E. Lemke.)
Einige Bemerkungen über das Ordenshans Balga
nnd seine Umgebung.
Von
Carl Beckherrn.
I« Der Name.
Die Herleitung des Namens des Ordenshauses Balga ist mehr-
fach versucht worden, wenn auch meistens nur mit zweifelhaftem Erfolge.
Der Versuch des Lucas David, welcher meint, die auf der Stelle der
eroberten Preussenburg errichtete Ordensburg habe den Namen Balga
erhalten, weil die Eroberung den Deutschen so manchen Balg gekostet,
mag hier nur seiner Naivität halber erwähnt werden. Hennig, der
Herausgeber des Lucas David, leitet den Namen vom altpreussischen
Worte bala, Sumpf, ab und nach ihm Voigt vom litauischen balja,
welches eine Balge oder sumpfige Gegend bedeuten soll. f) Wenn diese
Wörter auch wirklich mit der angegebenen Bedeutung in den genannten
Sprachen sich vorfinden sollten, was ich nicht zu beurtheilen vermag,
so wären sie doch für die Ableitung des Namens der Burg Balga
ohne Wertb, denn in den ältesten in deutscher Sprache abgefassten
Urkunden heisst das Ordenshaus die Balge, und die darauf residiren-
den Komture nennen sich stets Eomptur zur Balge. Dieser Name
stammt also aus dem Deutschen, und zwar aus dem Niederdeutschen
and ist von den alten lateinisch schreibenden Chronisten und den an-
fänglich derselben Sprache bei Abfassung der Urkunden sich bedienen-
den Schreibern des Ordens in Balga umgeändert worden. Das Wort
') Gesch. Frenssens H, 354.
336 Einige Bemerkungen über das Ordenshaas Balga uud seine Umgebung,
Balge bezeichnet einen natürlichen Kanal in niedrigem, sandigem oder
sumpfigem Gelände. So z. B. heissen die tiefen Rinnen und Fahrstrassen
in den Watten vor der Mundung der Elbe und Weser Balgen. Rogge
vermuthet, dass die eroberte alte Preussenburg den Namen Wolitta
geführt habe und glaubt, aus diesem den Namen der an deren Stelle
errichteten Ordensburg Balga herleiten zu können.2) Für diese Yer-
muthung spricht jedoch nichts, und die Ableitung ist eine sehr gezwungene.
Toppen3) erkennt in dem Namen das niederdeutsche Wort Balge und
deutet zugleich an, dass in der Nähe von Balga eine Balge ehemals
existirt zu haben scheine, welche der Burg den Namen gegeben. Er
trifft damit das Richtige, erwähnt dieser Thatsache aber nur ganz flüchtig
und giebt so noch manchem Zweifel Raum. Um die ehemalige Existenz
dieser Balge und die Entstehung des Namens des Ordenshauses nach-
zuweisen, ist es erforderlich, auf die Veränderungen näher einzugehen,
welche der südliche Theil der Küste Ostpreussens in vorgeschichtlicher
Zeit erlitten hat.1)
Diese Veränderungen sind im Laufe von Jahrtausenden im grossen
Ganzen durch allmähliche Hebungen und Senkungen einzelner Theile
der Erdrinde bewirkt worden. Nachdem durch eine solche Senkung der
Theil des festen Landes, den die Provinzen Ost- und Westpreussen
heute einnehmen unter dem Meeresspiegel verschwunden uud der auf
diesem Lande üppig gedeihende Bernsteinwald vernichtet worden war,
wiederholte sich dieser Wechsel von Flüssigem und Festem noch einige
Male, bis derselbe dann endlich mit der letzten Hebung, welche unserm
Lande im Allgemeinen die jetzige Gestalt gab, vorläufig zum Abschlüsse
kam. Doch nur in den Hauptumrissen war die Gestalt des damals aus
dem Schosse des Meeres emporgestiegenen Landes, besonders an der
Küste, der beutigen gleich, denn in ihren einzelnen Theilen bot diese
letztere einen von dem jetzigen sehr verschiedenen Anblick dar. Im
Süden ragte die Danziger Bucht viel tiefer in das Land hinein, denn
*) Altpreuss. Monatsschr. VII, 556.
3) N. Pr. Prov.- Blatt, a. F. I, 82.
4) In dem Nachstehenden folge ich zum Theil den Ausführungen Schümann^
und Berendt's,
Von Carl Beckherrn. ggy
ihre Wasser bedeckten noch den ganzen Raum, den gegenwärtig die
frachtbaren Werder einnehmen. Von der ganzen frischen Nehrung war
noch keine Spur vorhanden, mithin existhte auch das frische Haff,
wenigstens in seiner jetzigen Ausdehnung noch nicht, und an der heutigen
sudlichen Haffküste bis gegen Balga hin brandeten die Wogen des
Meeres. Denn das Haff war auf den nordöstlichen Theil, das sogenannte
Königsberger oder Brandenburger Haff eingeschränkt, welches aber wohl
mit seiner östlichen Spitze das jetzige Pregelthal bis über Königsberg
hinauf ausfüllte. Auch über den südlichen, flachen Theil des Sa In-
land es, welcher sich als eine spätere Anschwemmung ausweist, er-
streckte sich wahrscheinlich dieses Haff bis gegen Eallen, Powayen,
Serappen, Metgethen und Juditten hin. Gegen die See hin war
dasselbe durch die Pillauer Halbinsel abgeschlossen, welche sich bis
etwas südlich und östlich über Balga hinaus erstreckte. (Yergl. Wutzke,
Beschreibung des frischen Haffes in den Preuss. Prov.-Bl.) Die Beste
des in späterer Zeit fortgeschwemmten mittleren Theiles dieser Halb-
insel ziehen sich in geringer Tiefe unter dem Wasserspiegel als soge-
nannte Haken vor Kamstigal und Kahlholz gegenwärtig noch bis weit
ins Haff hinein. Zur Zeit der Ankunft des deutschen Ordens sollen sie
theilweise noch über dem Wasserspiegel gelegen haben, denn Lucas David
berichtet, dass zur Zeit des Landmeisters Hermann Balk „des Habes
Wasser nicht so nahe an das Gebirge (die Höhen von Balga) floss,
als itzo, sunder under dem Gebirge gar schöne Wiesen11 gelegen hätten.
Die Verbindung dieses Haffes mit der See vermittelte ein breiter
Kanal, welcher sich in ungefährer Entfernung von einer Viertelmeile
östlich an dem Punkte vorüberzog, auf welchem jetzt Balga liegt
Das Wasser desselben bedeckte den Raum, welcher gegenwärtig zum
grossesten Theile von den zwischen Wolitnick, Kahlholz, Folien-
dorf und Reinschhoff befindlichen sumpfigen Wiesen eingenommen
wird. Die ehemalige Existenz dieser Wasserstrasse geht unzweifel-
haft aus der Beschaffenheit des Terrains hervor. Der ganze zwischen
den genannten Orten gelegene Raum bildet eine Ebene, welche sich
nur wennig über das Niveau des Haffes erhebt und deshalb fast ganz
aus Wiesen besteht, welche meistens Torf als Untergrund haben und
TT
338 Einige Bemerkungen über das Ordenthant Balga und seine Umgebung.
vor der Schüttung des Dammes zwischen Wolitnick und Kahlholz
im Jahre 1868 noch sehr nass waren. Nur in dem südwestlichen
Thoile befinden sich einige höhere und deshalb auch trockenere Stellen,
welche wohl durch aufgeweheten Sand hervorgebracht worden sind.
Der nordwestliche Rand des Plateau-Abschnittes zwischen Heiligen-
beil und Bladiau markirt sich hier ganz deutlich als das Ufer des
ehemals hier strömenden Meeresarmes. Der südwestliche Theil dieses
ehemaligen Ufers, welches dem Anpralle der Meereswogen ausgesetzt
war, ist sehr steil geböscht, während der nordwestliche, der Einwirkung
der Wellen durch die ciavorliegende Pillau-Balgaer Halbinsel entzogene
sanfter abfällt. Auch das Ufer der Balgaer Seite ist wegen der ge-
schützten Lage flach geböscht
Kaum war durch die Scheidung von Land uud Wasser der Grenze
zwischen beiden die eben geschilderte Form gegeben, so begannen auch
die nie ruhenden Naturkräfte das Werk der Umgestaltung. Diese
Kräfte haben wir zunächst zu suchen in den atmosphärischen Nieder-
schlägen in Form von Regen und Schnee. Der eine dringt unmittel-
bar, der andere nachdem er geschmolzen in das Erdreich ein, sammelt
sich dort in Rissen und Spalten und erweitert diese durch Gefrieren des
Wassers im Winter derart, dass an den Steilküsten grosse. Stücke des
Bodens, aus ihrer Lage gedrängt und bei eintretendem Thauwetter voll-
ständig losgelöst, auf den flachen Strand hinunterstürzen. Hier werden sie
dann beim nächsten Sturm von den darüberstürzenden Wellen fortgespült
und auf den Grund des Meeres befördert. Dass der auf diese Weise
herbeigeführte Verlust an Land ein recht beträchtlicher ist, wird alljähr-
lich an verschiedenen Stellen der Steilküste Samlands wahrgenommen.
Noch viel mehr in die Augen fallend ist die Umgestaltung, welche
an unsern Küsten durch das Wasser der grossen Flüsse bewirkt worden
ist, indem es den feinen Sand und andere erdige Bestandtheile, welche
es in seinem raschen Laufe bis zur Ausmündung in das Meer mit sich
führte, hier, wo die schnelle Strömung aufhörte, zu Boden sinken liess
und so im Laufe der Jahrhunderte ein niedriges, ebenes Land an-
schwemmte. Da hierbei zugleich auch das Bette des Flusses in seinem
unteren Theile verflacht wurde, so war dieser genöthigt, seine Wasser-
Von Carl Beckherrn. 339
masse zu theilen und sich mehrere Bette in das von ihm selbst ge-
schaffene Land zu graben. Auf diese Weise entstanden die Deltas an
den Mündungen unserer grösseren Flüsse, von denen hier nur das der
Weichsel, welches gegenwärtig noch in das Haff hinein im Vorschreiten
begriffen, zu erwähnen ist, und das des Pregels, durch welches sich
dieser früher mit einem zweiten Arme seinen Weg bahnte, von dem
ein üeberrest in dem Beekflusse noch vorhanden ist.
Diese bedeutende Leistungen unserer Flüsse sind damit aber noch
nicht abgeschlossen, die Flüsse sind vielmehr auch wesentlich bei der
Bildung der Nehrungen und somit auch der Haffe betheiligt gewesen, und
zwar im Verein mit zwei andern Naturkräften, nämlich der Bewegung des
Meerwassers und der bewegten Luft, dem Winde. Bevor ich dazu fibergehe,
die Entstehung des frischen Haffes in seiner jetzigen Gestalt zu schildern,
ist es nothwendig, einer grossartigen Veränderung in dem Flusssystem
Ostpreussens zu erwähnen, welche dabei von grossem Einflüsse gewesen
ist. Es ist nämlich durch den Geologen Berendt nachgewiesen worden,
dass der Memelstrom in vorgeschichtlicher Zeit zwischen Ragnit und
dem russischen Städtchen Jurbork einen grossen See bildete, aus dem
er seinen Abfluss nicht auf dem jetzt bestehenden Wege nahm, sondern
durch das geräumige Insterthal und durch das Pregelthal in das damals
nur vorhandene Königsberger Haff. Zu einer Zeit, in welcher aus hier
nicht näher zu erörternden Gründen hier schon Menschen gelebt zu
haben scheinen, dnrchbrach der erwähnte See zwischen den jetzigen
Orten Schreitlauken und Obereissein seine Ufer, worauf der
Memelstrom den kürzeren Weg zum Meer einschlug und sich sein jetziges
Bette schuf. Durch die hiedurch herbeigeführte bedeutende Verringerung
der Wassermasse, welche dem Königsberger Haffe durch das Pregel-
thal zugeführt wurde, verlangsamte auch merklich der ausgehende Strom
in dem Kanal bei Balga. Die Folge hievon war eine allmähliche Ver-
stopfung und schliesslich eine vollständige Verlandung desselben durch
die nun eintretende Torfbildung. Das Wasser suchte sich nun einen
andern Ausweg und durchbrach, unterstützt von heftigen Stürmen, die
auf der Seeseite durch die oben erwähnte Einwirkung der atmosphärischen
Niederschläge wahrscheinlich schon stark angenagte Pillau-Balgaer
340 EJn'g« Bemerkungen Aber da« Ordenshans Balgt, und seine Umgebung.
Halbinsel an einer schwachen Stelle. Der anfänglich wohl nur schmale
Riss erweiterte sich im Laufe der Zeit so beträchtlich, dass von der
ehemaligen Halbinsel nur der Theil zwischen Pillau und Fischhausen
und der kleine Rest bei Balga übrig blieb, und das bisher geschlossene Haff
in einen offenen Meerbusen verwandelt wurde. Zu Zeiten Hennebergers
scheint noch eine dunkle sagenhafte Erinnerung an diese ehemaligen
Zustände und Vorgänge sich im Gedächtniss des Volkes erhalten zn
haben, der Mensch mag also wohl schon Zeuge derselben gewesen sein.
In dieser offenen Bucht konnten der vom Fregel mitgeführte Sand, so-
wie auch die von den Steilküsten abgerissenen Erdmassen durch die
westlichen und südwestlichen Stürme an die Südküste Samlands ge-
worfen nnd so das flache sandige Vorland gebildet werden, welches
gegenwärtig zum grossesten Theile von der Copornschen und Bludauer
Heide bedeckt wird, auch ist wahrscheinlich in dieser Periode bei
Patersortein bedeutender Abbruch des Ufers vor sich gegangen, wodurch
die hohe als ehemalige Meeresküste erkennbare Steilküste hier entstand.
Aber nicht alle der vom Pregel und den kleineren Küstenflüssen
herangeführten Sinkstoffe wurden auf diese Weise verwendet; die im
Wasser feiner vertheilten, namentlich die thonigen festen Bestandteile
wurden weiter fortgeführt und dienten dazu, das Fundament der Nehrung
aufzubauen. Dieser Aufbau beganu vermuthlich an dem nördlichen Beste
der zerstörten Pillau-Balgaer Halbinsel von dem Punkte aas, auf wel-
chem jetzt Alt- Pillau liegt. Vor der südlichen Seite dieser noch
immer ziemlich weit hervorragenden Landzunge, welche die durch das
Pregel wasser an der Küste erzeugte Strömung und die Meeresströmung
auf eine kurze Strecke auseinanderhielt, befand sich bei nicht stürmischer
See stets ein kleiner Baum ruhigeren Wassers, in welchem die vom
strömenden Wasser mitgeführten Sinkstoffe zu Boden fallen konnten.
Begünstigt wurde dieser Vorgang noch besonders durch den der Ost-
see eigenthümlichen Mangel an Ebbe und Flut. Sobald die Ablagerung
der Sinkstoffe den Meeresspiegel erreicht hatte, wiederholte sich vor
der Spitze des neugebildeten Landes das Spiel in derselben Weise, und
so baute sich nach und nach das Fundament der Nehrung auf. Nach
der Ansicht Schumann1 s wuchs auch von Südwesten her, nachdem
Von Carl Beckhorrn. 34 J
die Bildung des Weichseldeltas erfolgt war, ein gleicher schmaler Land-
streifen der Nehrung entgegen. An das neugebildete flache Land be-
gannen die Meereswellen alsbald reichlichen Sand auszuwerfen, welcher,
nachdem er trocken geworden, durch die Winde weiter hinaufgeweht
und zu Hügeln (Dänen) von oft beträchtlicher Höhe aufgehäuft wurde.
Nachdem auf diese Weise das Haff durch einen festen zusammen-
hängenden Wall gegen das offene Meer abgeschlossen worden war,
musste das durch die einströmenden Flüsse angestauete Wasser des-
selben sich einen Ausweg suchen, und so entstanden denn nach ein-
ander die verschiedenen Balgen oder Tiefe auf der Nehrung und der
Pillauer Landzunge, deren Lage einem häufigen Wechsel unterworfen
war. Die Berichte der Chronisten über die Entstehung der Tiefe lauten
sehr verworren; man kann jedoch daraus entnehmen, dass in der histo-
rischen Zeit bei Lochstedt das erste Tief vorhanden war. Als dieses
am die Mitte des 14. Jahrhunderts zu versanden begann, öffnete sich
ein zweites Balga gegenüber bei Alt tief, welches etwa ein Jahrhundert
hindurch das befahrenste blieb. Auch dieses versandete und nun brachen
in vielfachem Wechsel um das Jahr 1500 verschiedene Tiefe bei Pillau
durch, bis es durch zweckmässige Wasserbauten gelang, das jetzt noch
bestehende zu befestigen und für die Schifffahrt dauernd brauchbar
zu erhalten.
Die alte Wasserstrasse bei Balga war inzwischen immer mehr
verlandet und zu einem unpassirbaren Moraste geworden, über welchen
die deutschen Ordensritter nach Eroberung der altpreussischen Burg
und Einrichtung derselben als Ordensburg eine Knüttelbrücke legen
nrassten, um eine Verbindung mit dem gegenüberliegenden festen Lande
herzustellen. Dusburg nennt diese Brücke ponspaludis, Lucas David
einen langen Enotteltham über das Gebruche und eine Enottelbrucke
des grossen „Gekwebbes". Noch jetzt nennt der Landmann ein Moor,
dessen Oberfläche unter den Fusstritten eines darüber Hinschreitenden
zittert und schwankt, weil seine vegetabilischen Bestandteile noch
nicht genügend comprimirt sind, also ein verhältnissmässig junges Moor
ein Qequebbe. Dieser von Lucas David gebrauchte Ausdruck ist also
bezeichnend für den zu seiner Zeit bestehenden Zustand des Balga,
342 Einige Bemerkungen aber das Ordenshaus Balga und seiae Umgebung.
umschliessenden Wiesenmoores und l&sst auf sein damals nicht sehr
hohes Alter schliessen. In diesem Moraste kam auch ein grosser Tbeil
des Heeres der Preussen um, welchen in der Schlacht bei Balga im
Jahre 1240 von dem Ordensheere der Rückzug über den Knüppeldamm
verlegt worden war.*) Jeroschin schildert die Lage von Balga
folgendermaßen :
Das veld daruff ist gelein
daz hue zur Balge, allirwein
hat ein nmmelage
von brache und von wage,
daz zumiraeit daraf niman
geritin mochte, noch gegan,
dan Tiber einer braclrin pfad,
di ob daz brach noch hüte gat.
Diese Beschaffenheit des Geländes und die ganze Formation dieses
Terrainabschnittes, welche heute noch die ehemalige Wasserstrasse
deutlich erkennen lassen, war zur Zeit als die Bitter des deutschen
Ordens nach Eroberung der hier gelegenen altpreussischen Burg auf
deren Stelle eine Ordensburg errichteten, noch viel deutlicher ausge-
prägt als jetzt, sodass die Niederdeutschen unter den Brüdern des
Ordens und unter den Kreuzfahrern die für derartige Kanäle in ihrer
Heimat gebräuchliche Benennung auch auf diesen übertrugen. Da nun
Ortschaften, welche an Gewässern gegründet wurden, thatsächlich oft
nach diesen benannt worden sind, so darf man mit Sicherheit annehmen,
dass auch das in der Nähe dieser Balge errichtete Ordenshaus von ihr
seinen Namen empfangen habe.
II. Der Snickenberg.
In dem Vorstehenden wurde ein Knüppeldamm erwähnt, welchen
die Ordensritter bei der Einrichtung der eroberten altpreussischen Barg
als Ordensburg über den dieselbe vom festen Lande trennenden Morast
*) Da die Torfmoore alle ihnen überlieferten Gegenstände erfahrungsmassig
«ehr gut conserviren, so bewahren die um Balga gelegenen Torfwiesen yermuthlicb
noch manchen interessanten aus den dort stattgefundenen Kämpfen herrührenden
Gegenstand in ihrem Boden auf. Für den Fall dort auszuführender Erdarbeiten, be-
sonders in der Nähe des von Balga nach Hoppenbruch führenden Weges und am
westlichen Bande des Wiesenterrains, möchte ich die Aufmerksamkeit der dortigen
Grundbesitzer anf diesen Umstand hiedurch noch besonders hinlenken.
Von Carl Beckherrn. 343
gelegt hatten. Dieser Damm hat jedenfalls die schmälste Stelle des
Morastes durchschnitten, rauss also da gelegen haben, wo jetzt der
Weg vom Schneckenberge nach Hoppenbruch fahrt. Als am Anfange
des Jahre 1240 ein Angriff der Preussen auf Balga zu befürchten
war, errichteten die Ordensritter, wie die Olivaer Chronik und Dus bürg
(III, 21) berichten, am Ende des Dammes eine Mühle, befestigten diese
und belegten sie mit Mannschaft Diese Mühle kann sich nur am
südöstlichen Ende des Knüppeldammes befunden haben, wo jetzt das
Dorf Hoppenbrach liegt, denn hier traf der Damm mit dem Bache
zusammen, welcher, aus der Gegend von Bladiau herunterkommend,
bei Foliendorf in das Haff fliesst; ein anderes zum Treiben einer
Mühle geeignetes Gewässer ist hier nicht vorhanden. Rogge (Alt-
preuss. Monatsschr. VI, 123) versetzt die Mühle auf den Schnecken-
berg, muss also eine Windmühle im Sinne gehabt haben, welche es
damals in Preussen noch nicht gab, da Windmühlen erst um die Mitte
des 15. Jahrhunderts in Holland aufkamen; auch lässt er die Burg
Balga mit der Mühle, also auch mit dem Schneckenberge durch einen
Damm in Verbindung stehen, was den wirklichen Verbältnissen wider-
spricht. Diese Mühle wurde bald von den Preussen eingenommen und
zerstört6) und Balga darauf von ihnen auf der Landseite durch Be-
setzung des östlichen Ufers der ehemaligen Balge eingeschlossen, auch
die Schanzen Portegal und Sehr and inb er g hierselbst als Stützpunkte
in der Einschliessungslinie errichtet. 7)
Darauf berichtet Dusburg,0) während Chronic. Oliv, hierüber
schweigt, dass die Bitter an der über den Sumpf führenden Brücke die
Barg Snickenberg erbaut hätten. (Dann folgt in Gap. 25 die An-
kunft Otto's von Braunschweig.) Dieser Bericht über Snickenberg
wird von Einigen angefochten, ') weil er eine Wiederholung des Berichtes
über den Bau der Mühle sein und als solche den Zusammenhang der
•) Dusburg III, 21.
7) a, a, 0. III, 23.
■) s, a. 0. III, 24.
■) Namentlich von Toppen (Script rer. Pnus. I, 63), Hirsch (Ebend. 660)
und Fachs (Altpr. Monatsschr. XXI, 434).
344 Einige Bemerkungen über das Ordenahaus ßalga und seine Umgebung.
Erzählung stören soll. Auch glaubt man dem Berichte Dusburg's des-
halb nicht trauen zu dürfen, weil des Snickenbergs in der Olivaer
Chronik keine Erwähnung geschieht. Ueber die Berechtigung dieser
Einwendungen darf ich mir kein Urtheil erlauben, glaube aber annehmen
zu dürfen, dass man Dusburg höchstens eine Ungeschicklichkeit in
der Darstellung vorwerfen kann, keineswegs aber eine grobe Fahrlässig-
keit oder Unwahrheit. ") Denn jeder, der die Lokalität aus eigener
Anschauung kennt, wird in der Darstellung der gedachten Ereignisse
durch Dusburg nichts Ungereimtes finden, ") da die Ordensritter den
gegebenen Terrainverhältnissen gemäss gar nicht anders handeln konnten,
als wie es von Dusburg erzählt wird, wenn man sie nicht eines auf-
fallenden Mangels an militärischer Umsicht beschuldigen will, den sie
doch während ihrer ganzen Kriegführung nicht dokumentirt haben.
lo)JeroschiD, der Uebersetzer des Dusburg, erwähnt den Schneckenberg in
folgender Weise:
Vor selben brücke
uf kumftic gelncke
und zu vertribne verlieh ubil
bawten da nf einim hubil
die brndere eine burc, der natu
hiz Snickenberc, als ich vorn am.
An einer andern Stelle berichtet Jeroschin über ein bei der Belagerung einer
an der litauischen Grenze gelegenen Burg stattgehabtes Ereigniss mit folgenden
Worten:
Domit sy do täglich
8 turmende versuchten sich,
wohl acht tage als ich las,
das stürmen unvorfenglich was,
went sie Bchufen klein*
Die hervorgehobenen Worte „vernehmen" nnd „lesen" scheinen von Jeroschin
nicht allein des Keimes halber gewählt worden zu sein; er hat vielmehr wohl da-
mit ausdrücken wollen, dass er von den betreffenden Ereignissen das eine Mal durch
mündliche Ueberlieferung, das andere Mal aus schriftlichen Nachrichten Kennte
erhalten. habe. Hieraus darf gefolgert werden, dass Jeroschin1 s Erzählung Ober die
Befestigung des Schneckenberges nicht allein aus der Chronik Dusburgs entnommen
ist, sondern auch auf anderweitiger mündlicher Ueberlieferung beruht, was nicht an-
wahrscheinlich ist, weil kaum hundert Jahre nach dem in Bede stehenden Ereignisse
verflossen waren, als Jeroschin seine Chronik schrieb.
") Voigt, welcher mit der Lokalität vertraut gewesen zu sein scheint, bat
kehlen Anstand genommen, dem Dusburg zu folgen, und ein im Ganzen klares
Bild der Ereignisse vor Balga geliefert.
Von Carl ßeckherrn. §A&
Ausserdem fällt noch der Umstand ins Gewicht, dass der am nordwest-
lichen Ausgange des ehemaligen Knüppeldammes gelegene und gegen-
wärtig noch der Schneckenberg genannte Hügel in der That noch
Spuren — wenn auch schon sehr verwischte — einstiger planmässiger
Bearbeitung durch den Spaten zeigt, welche zu der Annahme berech-
tigen, dass der Hügel ehemals wohl ein kleines thurmartiges Blockhaus
getragen haben und mit einem Walle umgeben gewesen sein könnte.
Durch die Erbauung der Mühle am südöstlichen Ende des Knüppel-
dammes war nicht nur der Bedarf an Mehl für die Besatzung der Burg
Balga sichergestellt, sondern auch dadurch, dass sie befestigt und besetzt
war ein überraschender Angriff von Seiten des Feindes auf die gleich-
sam auf einer Insel gelegene Burg unmöglich gemacht. Als dieses
detaschirte Werk der Uebermacht des Feindes erlegen war, und dem
Feinde nun der ungehinderte und unbeobachtete Zugang zur Burg offen
stand, verstand es sich ganz von selbst, dass die Bitter die ihnen vom
Feinde, welcher mit der Errichtung von Cernirungsscbanzen beschäftigt
war, dazu gelassene Zeit benutzten, ein neues detaschirtes Werk am
entgegengesetzten Ende des Dammes auf dem Schneckenberge anzu-
legen. Bei der gewiss kurz bemessenen Zeit konnte dasselbe nur von
geringem Umfange sein und nur eine kleine Besatzung aufnehmen, eine
Sperrung des Engpasses einem ernstgemeinten Angriffe gegenüber also
nicht bewirken; wohl aber war es geeignet, die Beunruhigung der Be-
satzung der Burg Balga durch kleinere feindliche Trupps zu verhindern.
Besonders wichtig musste dieses kleine Werk aber dadurch werden,
dass von ihm aus eine genaue Beobachtung nicht nur des Dammweges,
sondern auch des ganzen östlichen Randes des Morastes, woselbst der
Feind seine Aufstellung genommen hatte, möglich war, während die zu
grosse Entfernung der Hauptburg eine Beobachtung von dieser aus nicht
gestattete.
Zorn Schluss mag noch bemerkt werden, dass bei der Schilderung
der später bei Balga stattfindenden Schlacht des Snickenbergs wohl
deshalb nicht weiter gedacht wird, weil er eben ein zu unbedeutendes
Werk war, welches in grösseren Kämpfen keine Rolle spielen konnte.
Altpr. IfoMtiMhrift Bd. XXII. Hft. 3 0. 4. 23
Kritiken und Referate.
-N- N- ^. "'»_'"v-/ %^"s^
Edni. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten
(Litauer). Zwei Bände. Heidelberg. Carl Winter 's Universitätsbuchhandlung.
1883. 8°.*)
Was uns altere Schriftsteller von der litauischen Mythologie berichten, ist so
spärlich und unbestimmt und Jn philologischer Beziehung von einer derartigen Be-
schaffenheit, dass man schon längst den Blick von ihnen hinweg und auf die lebende
Volksüberlieferung gerichtet hat, hoffend, dass diese nicht nur Ergänzungen jener
Berichte, sondern auch Mittel zu ihrer kritischen Behandlung liefern werde. Diese
Hoffnung hat sich indessen bisher, d. h. bis zu dem Erscheinen des vorliegenden
Werkes, nur in sehr geringem Maasse erfüllt, denn der litauische Volksgesang ge-
währte nur eine sehr spärliche mythologische Ausbeute, und was die Sammlung
litauischer Sagen, Märchen und abergläubischer Vorstellungen an zweifellos litauischem
und aus der litauischen Vorzeit durch mündliche Tradition gerettetem Gut zu Tage
förderte, war mindestens viel weniger, als das, was sie an sicher1), wahrscheinlich8)
oder vielleicht fremden und künstlich aufgefrischten Zügen fand. Der Gegensatz, in
welchen hierdurch die litauische Prosaüberlieferung zu dem litauischen Volksgesange
*) Wenn auch bereits das vorige Doppelheft eine Besprechung obigen Werkes
enthält, so bringen wir doch gerne auch diese neue hier zum Abdruck. D. H.
l) {Sicher entlehnt, obgleich zum Teil sehr umgestaltet, sind z. B. die Geschichten,
welche den deutschen „vom dummen Hans" und „vom hürnen Sigfirid" entsprechen,
denn der Held der ersteren heisst paikasis Ansas oder durnasis Jons, und der
der letzteren wird in einer ungedruckten Erzählung ragotasis Sygfryds genannt,
und diese Namen sind wörtliche Übersetzungen der erwähnten deutschen Titel.
Zweifellos entlehnt sind auch viele litauische Eulenspiegelstreiche, denn Till Eulen-
spiegel heisst in ihnen Sawizdrols — so in allen bez. Geschichten, die ich selbst
gehört habe — oder Sztukoris, und jener Name ist die Lituanisierung des poln.
Sowizdrzal (vgl. Veckenstedt Sztukoris S. 10), dieser die des russischen sztukari.
*) Als wahrscheinlich eingewandert nenne ich beispielsweise die Odysseus-
Polyphem-Sage, die mir in zwei von einander abweichenden zemaitischen Fassungen
vorliegt, und welche Bielenstein auch bei den Letten gefunden hat. Man berück-
sichtige, dass sie auch zu den Osseten (Odysseus heisst hier Urysmag) gewandert
ist, vgl. Globus XL, S. 86, XLI, S. 333.
1
Dr. Edm. Veckenstedt, die Mythen, Sagen u. Legenden der Zamaiten. 34?
— in welchen nur verhältnissmässig wenige fremde Lieder aufgenommen sind —
trat, war in Hinblick darauf, dass dieser an Rhythmus und Melodie einen Schutz be-
sitzt, welcher jener fehlt, verständlich genug, und nicht minder war die Gering-
wertigkeit, welche man der ersteren beimessen zu müssen glaubte, wohl begreiflich.
Sind die Litauer doch eingekeilt zwischen fremdsprachigen Volksmassen, auf die sie
im Handel und Wandel angewiesen sind; ist ihre Nationalität doch Jahrhunderte
lang von übermächtigen feindlichen Kräften befehdet; sind sie doch zersetzt von
fremden Elementen, welche an Bildung und Vermögen im allgemeinen über ihnen
stehen; lernt das Kind in der Schule, der junge Bursche beim Militair doch alles
mögliche, wovon die älteren Generationen nichts wussten; liest doch der Hausvater
in der Zeitung, oder im Kalender, oder in andern Büchern, die er vom Pfarrer oder
vom Lehrer geborgt hat, diese und jene neue Märe; und hat der „gute Homer"
doch gewiss nicht „geschlafen", als er sang:
Immer lauschen die Menschen am allerliebsten dem Liede,
welches von allen Gesängen am letzten zu ihnen gedrungen.
Man urteilte also recht ungünstig über die litauische Prosaüberlieferung 3) und
und glaubte zugleich zu verstehen, weshalb dieselbe unursprünglich und geringwertig
sei und sein müsse. Um so überraschender war die Nachricht, dass Herr Dr. Vecken-
stedt von Libau aus in verhältnissmässig kurzer Zeit eine grosse 'Zahl zemaitischer
Erzählungen gesammelt habe, durch welche der Forschung neues mythologisches
Material zugeführt werde, und in welchen „mehr als hundert Gestalten der zemaiti-
schen Mythologie und Sagenwelt, welche bisher der Forschung ganz unbekannt waren,
oder von denen man wenig mehr als den Namen wusste, der Wissenschaft erschlossen"
seien (I, 1). Diese Erzählungen, oder doch den wesentlicheren Teil derselben hat
Herr Veckenstedt in dem vorliegenden Werke veröffentlicht, das in seiner Anordnung
• „nach Möglichkeit an die Kategorien sich anschiiesst, welche der unvergleichliche
Jakob Grimm in seiner , Deutschen Mythologie' gibt" (1,11), und unter 130 Nummern
in der Tat eine Fülle bisher unbekannter litauischer, namentlich zemaitischer4)
Mythen, Sagen und Legenden und in ihnen eine Menge von mythologischen Gestalten
und Vorstellungen enthält, die man bisher entweder gar nicht oder nur andeutungs-
weise kannte, die hier aber lebendig und frisch auftreten. Es umfasst demnach
einen Stoff, dessen Sammlung bewunderungswürdig sein würde, wenn sie das Werk
allein des Herrn Herausgebers wäre; es enthält ein Material, das der Gelehrte nicht
*) Vgl. des Litauers Jurkschat Urteil: „Genuin litauische Märchen wirds über-
haupt nur in sehr geringer Anzahl geben" (Mitteilungen der lit. litter. Gesellschaft
H, S. 52, Anm.).
4) Über den Begriff „zcmaitisch" (zamaitisch) vgl. Magazin f. d. Lit. d. In- u.
AusL Jahrg. 53, No. 32, S. 490, Veckenstedt Sztukoris S. 25 f. und das vorliegende
Werk S. 5. Die in dem letzteren enthaltenen Geschichten sind demnach nicht aus-
schliesslich zemaitisch. ^^
23*
348 Kritiken und Referate.
hoch genug schätzen könnte, wenn es nicht zu erheblichen kritischen Bedenken An-
lass gäbe. Dass nun aber die erste dieser Bedingungen durchaus nicht zutrifft, er-
gibt sich aus der Aufzählung der Personen, welche Beiträge zu dieser Sammlung
geliefert haben (I, 26 ff.); ob die zweite zutreffend ist oder nicht, wird sich im
folgenden ergeben.
Manches, was in dem vorliegenden Werk erzählt ist, ist auch mir von Litauern
bez. Zemaiten mitgeteilt, oder steht mit Vorstellungen in Übereinstimmung, die ich
bei Litauern oder Letten gefunden habe. Ich erlaube mir einiges der Art hervor-
zuheben.
Was von der Sichel erzählt wird (I, 48), die für ein reissendes Tier gehalten
wurde, erinnert an ein litauisches Rätsel, in dem die Sense mit einem Hecht ver-
glichen wird, der „den ganzen Wald fällt". — Dass die Krieger des Düngis in der
Christnacht aus dem Berge kommen, in dem sie schlafen (I, 92), entspricht der im
preussischen Litauen verbreiteten Vorstellung, dass die Geister in der Weihenacht
Gestalt annehmen. — Die Erzählung, der Erebs sei früher ein Mann gewesen, welcher
in einem Panzerhemd gegen Christus habe streiten wollen (I, 228), stimmt zu dem
zemaitischen Sprichwort „du erhebst dich, wie der Erebs gegen den Perkun"*) und
den gleichfalls zemaitischen Glauben, der Erebs nehme bei einem Gewitter ein Stöck-
chen zwischen die Scheeren, um damit gegen Gott zu streiten. — Die Geschichte von
•
dem in den Wirbelwind geworfenen Messer (II, 92, 4) habe ich von mehreren Ze-
maiten, die von der Laume (einer Spukgestalt) und dem reichen und dem armen
Eind (II, 96) wiederholt im preussischen Litauen gehört. — Vom Platelschen See
(U, 188, 190, 204 f.) sind auch mir mehrere Sagen erzählt, nach welchen an Stelle
dieses Sees früher ein Schloss gestanden haben soll; eine in ihm liegende Insel wird
in einer derselben die „Insel der Königin" genannt. — Dass die Vögel sich nicht
an dem Bau der Flussbetten betheiligten (II, 164, 7), ist ein Mythus, der mir auch
in Smilten in Livland und im preussischen Litauen begegnet ist; nach meinen Ge-
währsleuten traf der Fluch Gottes indessen nicht alle Vogel, sondern nur den Mäuse-
bussard, bez. den Pirol. — An die Erzählung von der Schlangenkönigin, welche sich
auf einen von Wasser umgebenen Felsen rettete und sich hier weinend aufhielt
(II, 172), erinnert ein lettisches Volksliedchen, dass ich in meinen Lett. Dialektstudien
S. 31 No. 9 mitgeteilt habe. — Die Vorstellung, dass das Farrenkraut in der Jo-
hannisnacht blühe (II, 180), findet man unter den Litauern und Letten, aber auch
in Polen nicht selten. — In der II, 231 f. mitgeteilten Geschichte erscheint die Erde
von einer hohen Eiswand umgeben, hinter welcher die Sonne mit gewaltiger Glut
m
brennt. Mir selbst sagte ein Zemaite, die Sonne stehe hinter einem Vorhang von
Glas oder Nebel und würde, wenn dieser hinweggezogen werde, alles verbrennen.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Auffassungen ist unerheblich.
*) Tu kelys käp vezjs prysz Perkuna,.
Dr. Edm. Veckenstedt, Die Mythen, Sagen u. Legenden der Zameiten. 349
Es kann hiernach keinem Zweifel unterliegen, dass das vorliegende Werk volks-
tümliche, d. h. im litauischen Volke verbreitete Mythen, Sagen und Legenden enthält,
indessen dieser Umstand reicht leider nicht hin, in ihm eine auch nur im allgemeinen
zuverlässige mythologische Quelle zu sehen, weil nicht nur manches, was in Litauen
heut zu Tage weit verbreitet ist, unursprünglich ist, oder sein kann, sondern noch
viel mehr, weil das Werk nicht wenige höchst bedenkliche Teile enthält, weil sich
Geschichten in ihm finden, die ungenau überliefert sind oder den Stempel der künstlichen-
Mache an sich tragen. Auch diese Behauptung erlaube ich mir etwas auszufuhren.
Von der Ruine der Burg von Birsen, welche aus der Geschichte Karls Xu.
bekannt ist, und welche ich wiederholt besucht habe, wird erzählt, dass in ihr drei
Zwerge ihr Wesen trieben, und von diesen wird einiges gesagt, was gewissen litaui-
schen Vorstellungen sehr wohl entspricht (II, 19). Wenn es aber zugleich heisst,
dass diese Zwerge die Menschen hinderten, in die Ruine einzutreten, so widerspricht
dies so direct dem Tatbestande, dass man hierin notgedrungen einen Zusatz eines mit
der betr. Localität durchaus nicht bekannten sehen muss. Wir haben hier also eine
Sage, in die ein ihr fremder Zug hineingetragen ist.
Die Verlässlichkeit der „Stammsage" (I, 31 ff.), auf welche Herr Veckenstedt
einen besonderen Wert legt, ist bereits von Bielenstein in der Rigaschen Zeitung,
Jahrg. 1882 No. 298 angezweifelt, und ich gestehe, dass ich seine Bedenken für sehr
gewichtig halte, und dass mich die Entgegnung, welche Herr Veckenstedt eben dort
No. 302 veröffentlicht hat, hierin nicht beirren kann. Ich bezweifle naturlich nicht,
dass sie eine Anzalü echt zemaitischer, d. h. aus der zemaitischen Vorzeit durch
lebendige Volksüberlieferung überkommener Züge enthält oder wenigstens enthalten
kann (vgl. I, 8), aber dass sie „die Stammsage" sei, dass sie früher sogar eine poe-
tische Form gehabt habe (I, 8), — das sind Ansichten, denen ich in Hinblick auf
die Unzahl von Anklängen an jüdische, christliche, griechische, italische und deutsche
M
Überlieferungen, welche diese Erzählung bietet, nicht beipflichten kann, und die
ziemlich mit allen Vorstellungen in Collision kommen, die ich mir von den Litauern
und ihrer Poesie gebildet habe. — Was diese Geschichte auch in einem etwas selt-
samen Lichte erscheinen lässt, ist der befremdliche Umstand, dass in ihr wohl auf
die Letten und Preussen, aber nicht auf die nächsten Verwandten der Zemaiten, die
Litauer im engeren Sinn, und speciell auf die s. g. Gudai, ihre östlichen Nachbarn,
Bezug genommen wird, obgleich namentlich zwischen Zemaiten und Guden ein
nationaler Gegensatz besteht, von dessen Schärfe der folgende zemaitische Spruch
eine Vorstellung geben mag:
Perkunaiti, müsu deeväiti,
nemuszk Zemaitiu, kaip sawo vaiku,
ale müszk sena, Guda,, kaip szunj rud$,
d. i. „lieber Perkun, unser lieber Gott, schlag nicht die Zemaiten als deine Kinder,
aber schlag den alten Guden, wie einen roten Hund".
*»>» .* »7^ *
350 Kritiken und Referate.
Wenn Herr Veckenstedt zu Gunsten der „Stainmsage" mitteilt, sie sei die Er-
zählung einer Bäuerin und ihrer beiden Söhne, und die Mutter der Bäuerin „habe
dieselbe oft von ihrem Grossvater gehört, welcher dieselbe vielmals erzählt habe, da
er in Folge des Brandunglückes seiner Hütte erblindet gewesen und nichts habe
schaffen können" (II, 244), so ist dies ein Argument, dem ich nicht eher Bedeutung
beimessen kann, als die Glaubwürdigkeit der betr. Erzähler festgestellt, und als nach-
gewiesen ist, dass nicht etwa ein mitleidiger Lehrer oder Geistlicher dem erblindeten
Grossvater diese Geschichte oder doch eine Anzahl ihrer Bestandteile erzählt habe. —
Über eine mir vorliegende, sehr abweichende „Stammsage" s. weiter unten.
Im ersten Bande S. 154 ff. werden einige Geschichten von einem göttlichen
Wesen Gondu erzählt, aus welchen ich einige Sätze hervorhebe: „Ich bin Gondu",
„Gondu hiess den jungen Bauer aus der Wolke steigen", „Gondu aber zog mit dem
Mädchen von dannen". Gondu ist also Nominativ Singularis, und daran scheint bei
oberflächlicher Betrachtung nichts merkwürdiges zu sein, da in gewissen Gegenden
£emaitens solche Nominative vorkommen. Die Sache erhält aber ein anderes An-
sehen, wenn man bemerkt, dass Gondu in Lasiczki's bekannten Schriftchen De diis
Samagitarum n. s. w. verfasst zwischen 1579 u. 1582) Accusativ Singularis („pueflae
quoque quendam Gondu adorant et inuocant") — der Nominativ würde litauisch
Gondas heissen — und wahrscheinlich ein Druckfehler ist (Gondu für Gondu =
Gondum), und dass Narbutt Mitologia litewska S. 72 (nach Hanusch Die Wissen-
schaft des slav. Mythus [Lemberg 1842] S. 379) und Schwenck Die Mythologie der
Slawen (Frankfurt a. M. 1853) S. 108 f. hieraus einen Nominativ Singularis Gondu
gemacht haben. Niemand wird zweifeln, dass Veckenstedts Gondu mit Narbutts bez.
Hanuschs und Schwencks Gondu identisch ist, und dass diese Form hier und dort
dieselbe Geschichte hat. Wir finden also in dem vorliegenden Werk Erzählungen,
die auf eine gedruckte Quelle und noch dazu auf eine missverstandene Stelle einer
solchen zurückgehen, und dieser Umstand erschüttert das Vertrauen zu den uncon-
trolierbaren Teilen dieses Werkes — um so mehr, als der nachgewiesene Fall nicht
vereinzelt ßteht.
Man wird nun vielleicht fragen, wie Mitteilungen des Lasiczki oder anderer
Schriftsteller in das litauische Volk dringen konnten. Die Beantwortung dieser
Fragen ergibt sich aus folgenden Tatsachen, deren Zahl sich ohne grosse Mühe ver-
mehren lassen würde. 1) Ein Zemaite aus Knie, der einem meiner Freunde, Herrn
Gutsbesitzer Scheu in Löbarten, und mir eine Fülle von Geschichten erzählte —
darunter eine „Stammsage", welche mit den bezeichnenden Worten „im Lande Indien"
beginnt — , berief sich dabei wiederholt auf Schriften und mündliche Mitteilungen
Wolonczewskis, des verstorbenen Bischofs von Zemaiten, bei welchem er gedient haben
wollte. 2) Ein anderer Zemaite, der dem genannten Herrn und mir ebenfalls viel
erzählte, erwähnte öfters das Werk „Bud% senow$s Lötuwiü Kalnienü ir iamajtiü
iezrasze. Jokyb's taukys" (Petersburg 1845), das von der litauischen Vorzeit handelt,
Dr. Edm. Veckenstedt, die Mythen, Sagen n. Legenden der Zameiten. 351
und brachte dasselbe eines Tages aus seinem Heimatdorfe mit. 3) In den bekannten
I wiri skf sehen Kaien dem finden sich chronologische Übersichten über die wichtigsten
Begebenheiten vor und nach Christi Geburt, und in diesen ist angegeben nicht nur,
wie viel Jahre seit dem Argonautenzug, dem Raub der Helena u. s. w. verflossen
sind, sondern anch, wann der „litauische Stamm der Heruler" zuerst aufgetreten ist,
wann Palemon mit 500 herulischen „Bojaren" nach Litauen kam, wann Algimund,
Ringold u. s. w. starben, u. dergl. 4) In einem mir unbekannten Jahrgange dieses
Kalenders befindet sich nach Mitteilung des verstorbenen Pfarrers Jacoby in Memel
eine Aufzählung und kurzgefasste Schilderung der zemaitischen Gottheiten — dar-
unter z. B. Alabate, Gonda (so!), Kelodewas, Lietuwanis, Goniglis, Narbutts Uspa-
rinia und die Maslu Boba „Göttin der Schornsteine, Gemüll- und Misthaufen" d. i.
die mehslu bahba Stenders — und die bekannte, von Hanusch a. a. 0. S. 234 nach
Narbutt mitgeteilte Sündflutsage, in welcher an Stelle der Arche eine Nussschale
erscheint (vgl. das vorliegende Werk I, S. 36). Einen Auszug hieraus verdanke ich
der Güte des Herrn Jacoby.
Die im vorstehenden nachgewiesenen Tatsachen verbieten auf das bestimmteste,
die vorliegende Sammlung für eine vollgiltige mythologische Quelle zu halten. Sie
würden für ihre Schätzung von minderer Bedeutung sein, wenn wir in der Lage
wären, ihren Inhalt auch nur einigermassen zu controlieren, wenn uns Herr Vecken-
stedt also nur gesagt hätte, wer ihm jedes einzelne Stück mitgeteilt, wer es aufge-
zeichnet, wer es erzählt hat. Man würde dadurch vielleicht erfahren haben, dass der
Erzähler z. B. der Gondu-mythen ausser eben diesen nichts zu der vorliegenden
Sammlung beigesteuert hat; oder dass sämmtliche durch innere Gründe, durch eine
Häufung phantastischer Züge oder literarischer Reminiscenzen verdächtigen Geschichten
auf dieselbe Quelle zurückgehen; oder dass sämmtliche Erzählungen, in welchen man
sprachliche Missverständnisse annehmen möchte, von dem Sammler aufgezeichnet sind,
der z. B. muszket tas kurszas (für tus Kurszius) und szick lynas (für sek
linu) schrieb und behauptete, „im Zemaitischen heisse kunige , Mönch'" (II, 216,
217, 222), der also in sprachlicher Hinsicht seiner Aufgabe nicht gewachsen war.
Herr Veckenstedt hat es indessen unterlassen sich über die Herkunft der einzelnen
Stucke auszusprechen, und in Folge dessen ist der Leser nicht im Stande, den mehr
und den weniger werten Stoff hinreichend zu unterscheiden; er steht also diesem
Buch gewissermaßen mit zugehaltenen Augen gegenüber und ist bei seiner Prüfung
auf das wenige angewiesen, was er durch einen etwas geöffneten Fingerspalt hindurch
zufallig erblickt. Dass sich bei dieser Sachlage ein abschliessendes Urteil über das
vorliegende Werk nicht aussprechen lässt, liegt auf der Hand; dass der grössere Teil
des letzteren einstweilen wissenschaftlich nicht zu verwenden ist, bedarf — nach dem
oben gesagten — ebenso wenig eines Beweises.
Die Ausdehnung, welche diese Besprechung gewonnen hat, verbietet es mir leider,
auf einige principielle Punkte — z. B. die Wertschätzung der Mythen von dem PijokB,
352 Kritiken und Baferat«.
dar Pypka, der Pyraga u. s. w., d, h. von Wesen mit slavischeu Namen — und
auf die Fragen einzugehen, inwiefern die Veröffentlichung der Sammlung in deutscher
wtzung notwendig war, und wieweit eine Beschränkung des zu publicierenden
is zweckmässig gewesen wäre. Ich kann nur noch meinem Bedauern darüber
■uck geben, das» es mir unmöglich gewesen ist, eine durchaus beifallige Haltung
nem Werke einzunehmen, bei dessen Herausgabe mir eine Vertrau enssteliung
räumt norden war. Herr Veckenstedt weiss indessen am besten, dass diese nicht
irt war, dass ich einen entscheidenden Einfluss auf sein Werk hätte ausüben
Die San- und Kunst denk maler der Provinz Weetpreussen. Hrag. im
Auftrage des Wcstpr. Provinzial- Landtages. Heft H. Der Landkreis Danzi?
a. u. d. T. : „Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landkreises Danzig."
Mit 76 in den Text gedruckten Holzschnitten, 8 Kunstbeilagen und einer
Uebersichtskarte. Danzig. Commissions- Verlag von Tb. Bertling. lütö.
(S. 76-149. gr. 4.)
Die Provinzial- CommiEsion zur Verwaltung der westpreussischen Pronvinzisl*
en bietet ans hiermit das zweit« Heft der „Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz
preussen". Indem wir bezuglich der Aufgabe und des Zwecks des ganzer
rnehmens auf unsern bereits gelegentlich des Erscheinens des ersten Hefte in
r Zeitschrift (1884. Bd. XXI. 5. u. 6. Heft S. 509 t.) veröffentlichten Bericht
eisen, haben wir hier nur kurz vom Inhalt des vorliegenden Heftes zu handeln.
sibe ist allein dem Landkreise Danzig gewidmet, und enthält in alphabetisier
ung die Beschreibung der Denkmäler von zwanzig in demselben gelegeneu Ort-
ten. Die Behandlung der einzelnen Abschnitte ist die gleiche geblieben wie im
n Heft. Historischer und beschreibender Teil werden, soweit möglich, ttnag
einander gesondert: im ersteren geben angezogene Quell encitate des flfterei
ijenheit zu kurzen historischen Untersuchungen, im letzteren werden zuerst immer
Baulichkeiten der Orte, und demnächst die in denselben enthaltenen Kunstgegen-
le einer eingehenden Behandlung unterzogen.
Den Mittelpunkt der Veröffentlichung bildet diesmal die Beschreibung &&
ters Oliva. Dieselbe nimmt, der kunst historischen Wichtigkeit dieser alten Hef
e deutscher Kultur entsprechend, mehr als ein Dritteil des ganzen Heftes a»
:h eine Fülle von Illustrationen, Grundrisse, Durchschnitte, Ansichten und »H-
e Details wird der Leser an der Hand eines mit liebevollem Eingehen, selbst
ligkeiten berücksichtigenden, klar und fasslich geschriebenen Textes in die Lag*
itzt, sich von der äusseren und inneren Beschaffenheit, sowie von der früheren
:utung und dem jetzigen kunsthistorischen Wert der einzelnen Anlagen ein an-
aliches Bild zu machen. Nicht zum wenigsten unterstützen ihn dabei die hier
Alterthumsgetelkchaft Prassia 1884. 353
sowohl wie an andern Stellen dem Werke beigegebenen quartgrossen und in Licht-
druck ausgeführten Kunstbeilagen.
In der Beherrschung des sich darbietenden Materials zeigt sich Überall eine
gewissenhafte Genauigkeit und Vollständigkeit, und doch ein glückliches Beschranken,
das Nebensächliches zwar zu erwähnen, aber kurz zu erledigen weiss.
Noch sei nicht unerwähnt, dass als willkommene Beigabe dem Werke diesmal
eine Uebersichtskarte beigefügt worden, welche die Lage der einzelnen Orte, in denen
sich Kunstdenkmäler befinden, veranschaulicht.
Auf die Herausgabe der nächsten Hefte, die uns ja unter anderem auch Danzig
and Marienburg bringen müssen, dürfen wir billiger Weise gespannt sein. Wünschen
wir jedenfalls dem so verdienstvollen Unternehmen erfreulichen Fortgang.
6.
Alttrthnmsgestllschaft Prassia i» Kösigsberg 1884.
Sitzung von 25. Januar 1884. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit einem
ehrenden Nachrufe für den am 5. Januar c. verstorbenen Rentier Prothmann,
Vorstandsmitglied der Gesellschaft. — Auf den vom Vorstände bei dem Kultusmmister
bezüglich der Erwerbung der Blell'schen Waffensammlung gestellten Antrag hat der
Herr Minister Folgendes entschieden: er sei zwar mit der Gesellschaft Prassia über
die Grösse, Bedeutung und den wissenschaftlichen, kunst- und gewerbegeschichtlichen
Werth der Sammlung einverstanden, verkenne auch nicht das besondere Interesse,
welches dieselbe für die Provinzen Ost- und Westpr. habe, sowie, dass deren derein-
stige Aufstellung in den wieder hergestellten Räumen des Hochschlosses der Marien-
burg als der ganzen Sachlage entsprechend sich empfehlen möchte — er vermöge
jedoch eine Betheiligung der Staatskasse für deren Ankauf nicht in Aussicht zu stellen.
Der Herr Minister glaubt vielmehr, dass es den betheiligten Provinzen allein zu über-
lassen sein wird, die zum Ankaufe erforderlichen Gelder aus eigenen Mitteln event.
mit Unterstützung aus Privatkreisen aufzubringen. Was die Erwerbung der auf
120,000 Mark abgeschätzten Sammlung auf dem angedeuteten Wege betrifft» so sind
über die vorbereitenden Schritte hierzu Verhandlungen bereits im Gange. — Der
Vorsitzende bringt die Abhandlung des Hrn. Pfarrers Rogge in Darkehmen über
das Gebetbuch der Kurfürstan Anna von Brandenburg zum Vortrage, die wir unten
wörtlich nach den Sitzungsberichten wieder abdrucken. — Ferner stand auf der Tages-
ordnung eine Bestattung von Pferdeskeletten mit Beigaben, gefunden auf dem Galgen-
berg bei Kirpehnen, Kr. Fischhausen. Herr Rittmeister v. Montowt hatte diesen
kostbaren Fund, wie frühere Gräberfunde auf seiner oben genannten Besitzung der
Gesellschaft zum Geschenk eingesandt. Der vorliegende Fund enthält ein Reitzeug
ans dem Ende des 3. oder Anfang des 4. Jahrh. mit noch zum Theü erhaltenem
Leder- und Bronzebesehlag, und ein älteres aus dem 3. Jahrh. n. Chr. bestehend in
354 Kritiken und Referate.
bronzener Trense und bronzenen Zügelketten. Neben dem letzteren befand sich eine
Urnenbeisetzung mit Leichenbrand und Beigabe von Bronzefibulen.
Ferner wurden vorgelegt: Ein Schmalmeißsel ans Feuerstein, geschenkt tob
Rittergutsbesitzer Beymel auf Buttken, Er. Oletzko. Der Abguss des Griffs eines
Bronzeschwerts, gef. vor dem alten abgebrochenen Brandenburger Thor zu Königs-
berg, gekauft, 2 griech. Thongefässe, gef. auf der Insel Mylo, geschenkt von Dir.
Toppen in Elbing, ein Wikinger Schild aus dem 10. Jahrh. in Rekonstruktion, ge-
schenkt von Herrn Blell in Tüngen, ein silberner federnder Ffligranfingerring aas
dem 12. oder 13. Jahrh., geschenkt von Pfarrer Dr. Steinwender in Germau, 2 Thon-
gefässe aus dem 13 Jahrh., gef. in Kreuznach in der Rheinprovinz, geschenkt von
Dir. Toppen in Elbing, 2 Tafeln mit Abdrücken von Sekreten und Siegeln preussischer
Städte und eines pommerschen Fürsten, geschenkt vom Buchhändler Volckmann, ein
Sporn des 16. Jahrh. und eine bronzene Kette, gef. beim Bau der Volksschule auf der
Laak in Königsberg, geschenkt von Bauaufseher Selbstädt, ein Stück Kettenpanzer-
schurz, gef. bei der Kanalisation der Infanterie-Kaserne am Steindammer Thor in
Königsberg, und eine Denkmünze aus dem Jahr 1814, geschenkt von Fabrikbesitzer
Dost, ein eiserner Sporn des 15. Jahrh. und ein neuer französischer Bajonettsäbel
mit Scheide, geschenkt von Regierurigs- und Stadtbaumeister Hulstz, eine Kupfer-
stichplatte des 17. Jahrh., gekauft, ein calendarium perpetuum in Silber, in Grosse
eines Zweithalerstücks, gekauft, eine silberne Denkmünze auf die Einwanderung der
Salzburger in Ostpreussen mit dem Familien- Wappen auf dem Rivers, geschenkt von
Frau v. Ravinowitz, 2 Delfter Vasen, gekauft.
[Ostpr. Ztg. v. 20. Febr. 1884. No. 43.]
Das Gebetbuch der Kurflurstiu Anna von Brandenburg.
Von Adolf Rogje.
Die Bibliothek der Prussia besitzt (Nr. 146) ein Gebetbuch, welches ebensowohl
durch seine köstliche Ausstattung und seinen Inhalt, als durch die Fürstin, der das-
selbe gewidmet, in hohem Grade anziehend ist. Einfach in schwarzes Leder gebunden
enthält dasselbe 75 Pergamentblätter, welche 11 cm breit und 17 cm lang sind. Die
vier letzten derselben sind nicht beschrieben. Ausserdem rinden sich zwei leere Blätter
zwischen Pag. 2 und 3 des Textes und an verschiedenen Stellen des Buches im ganzen
noch 10 unbeschriebene Seiten. Jede Seite des Buches hat eine ungemein sauber
und gleichmässig gezogene gradlinige Einfassung, zu deren Schmuck meistens eine
matte Silberfarbe verwandt ist. Die Seiten sind nicht paginiert. Nicht auf allen
derselben ist die Zahl der Zeilen gleich, auch zeigen einzelne Seiten die Fraktur-
Schrift des 16. Jahrhunderts etwas grösser und stärker als andere. Sowohl die grössere
als die kleinere Schrift zeigt aber in den einzelnen Zügen eine so grosse Regelmässig-
keit, dass man im ersten Augenblick einen Pergamentdruck vor sich zu haben glaubt
Hit besonderer Kunst sind nicht nur die Initialen der einzelnen Gebete, sondern auch
Alterthumsgesellschaft Prussia 1884. 355
die Anfangsbuchstaben der einzelnen Sätze behandelt. Gold- und silberfarbige Ver-
zierungen sind nicht gespart. Für die Ermittelung des Schreibers oder Verfassen,
die möglicherweise identisch waren, giebt das Buch keinerlei Anhalt; aus der Wid-
mung, von der wir später reden, geht jedoch hervor, dass es nur in der Zeit von
1594—1625 abgefasst sein kann.
Ueber den allgemeinen Inhalt des Buches giebt bereits der Titel Ausschluss.
Derselbe lautet: Gebet Büchlein | voller Gebet vnd schöner | Gottseliger betrach-
tung | aus etlichen vom einen | Gebet Büchern ge- | nommen. vnd in drey | Andaehte*
zusam- | men bracht wi vol- | get.
Wer Gott mit ernst vertrauen kann.
Der bleibt ein unverdorbner Man.
Hilf inus sich letzlich finden lan.
Wir haben es hiernach mit einer Coinpilation aus gleichzeitigen und älteren
Gebetbüchern zu thun. Das vom streng lutherischen Standpunkt gesammelte Material
ist nach drei Gesichtspunkten geordnet:
„Die Erst Andacht darinnen die Morgen Gebet zu finden, beneben etlichen
schönen trostsprüchen aus Heilig Göttlicher Schlifft bey gesetzet seien." S. 3—31,
„Die Ander Andacht darinnen die Abend Gebet zu finden sein. S. 32—69.
„Die dritte Andacht, darinnen sind verfasset die Kirchen Gebet auch vor vnd
nach dem Abendraal vnsers Herrn Jesu Christi. S. 70 — 139.
Die erste Andacht setzt gleichsam als Mahnug zum Gebet das Schriftwort
Ev. Joh. 16, 23 und 24 an die Spitze, um das sich eine saubere Federzeichnung
schlingt. S. 4 — 7 bringen dann ein „Gebet vmb Verleihung | Göttlicher Gnade recht |
Tnd mit Andacht | zu bctenn", an welches sich wieder ein Schriftwort 1. Joh. 5, 14—16
auschliesst, das die Gebetsfreudigkeit erhöhen soll. Die Sprüche sind stets, zuweilen
mit kleinen Abweichungen vom Text, ausgeschrieben. Ps. 59, 17 und 92, 2 und 3
(hier citiert der Schreiber falsch Ps. 95), leiten dann direkt zu den Morgengebeten
über, deren 5 in Prosa Seite 8 — 12 einnehmen. Ihnen entsprechen S. 12— 17 5 kurz«
Gebete in Versen. Wir greifen aus denselben „Ein Gebet Gott vmb gnade anzu-
rufen, so offt man höret den Zeiger schlagen" heraus. Dasselbe lautet:
„Ach -Gott verleih vns ein glückselig Stund
Vergieb vns vnser aller Sund
Hilff das wir Christlich leben auch
Selig sterben vnd dann hernach
Frölich vom Tode auflerstehn
Vnd in dein ewiges Reich eingehen. Amen".
Auf die Morgengebete „Volgen etliche schöne Trost-Sprüche aus Heilig Gött-
licher Schrifft" (S. 18.) vnd zwar: Vom Creutze der Christen (S. 20 und 21 Gen. 47,9.
Ps. 90, 10. 2. Tim. 3,12. Joh. 14,1. Luc. 9,23. Vom Trost der Christen im Creutz
(S. 22-28). Ps. 23, 4. 34,20. 98^3. 71,20. Joh. 16, 20 und 22. 1. Cor. 11,32.
1. Petri 2 (soll heissen 4, 13). Es. 25, 26. Osee 13, 14. Ps. 68, 21. Sapi. 3 wird in
•vT?
35g Kritiken und Referate.
dem Satzzusammengeiasst: „Die Gerechten sind zn gewisser Hoffnung, dass ede nimmer-
mehr sterben". Esa 26, 20. Joh. 8, 5. Phil. 1, 21. Luc. 19 (Christus weint über
Jerusalem, dass sich's nicht bekehren will vnd die Zeit der heimsuchung erkenne).
Joh. 1, 29. Mit einer Danksagung und einem „schönen Gebet täglich zu sprechen",
schlieEst die erste Andacht ab.
Die andre Andacht enthält zunächst sieben Abendgebete, (beim siebenten : „0 Herr
Jesu Christ" je. machen wir auf das schön aufgeführte Anfangs 0 aufmerksam), dann
S. 49—53: ,Etlich kurz Gebetlein betrübten Herzen tröstlichenn", 8. 54: „Eine
schöne Danksagung für die Menschwerdung Christi", darauf folgen S. 56 — 69: „die
vornehmsten Kernspruche durch die heilige Schlifft".
Vor dieser Abteilung ist S. 58 ein sehr fein gezeichneter und ausgeschnittener
Kruzifixus auf das Pergament geklebt. Ueber denselben ist ein Halbkreis gezogen,
unter welchem in 5 feinschriftigen Zeilen der Spruch Matth. 11, 28 und 29 („Kommt
her zu mir ic") angebracht. An der linken Seite des Kreuzesstammes findet sich
eine elfzeilige Inschrift aus Jes. 43, 24 u. 25 und 1. Mose 3, 15 zusammengesetzt, an
der rechten eine zwölfzeilige: Jes. 53, 4 u. 5. Unter dem Fasse des Kreuzes steht
Matth. 9, 12. Die nun S. 59 folgenden Sprüche sind unter nachstehende Titel gebracht:
„Das alle Menschen Sunder sind". Gen. 6, 8. Exodi 34, 7. Ps. 51, 7. Rom. 3, 23.
5, 12. 11, 32. Gal. 3, 22. Eph. 2, 3. Act. 14, 22.
„Gott ist gnedig vnd barmherzig." Deut 43, 1. 32, 10. Ps. 36, 6. 86, 5. 103, 13.
136, 1. Jon. 4, 2. Sir. 2, 23. 18, 12. 2. Cor. 1, 3. Eph. 2, 4. Exodi 34, 6 u. 7. Num. 14, 18.
Ps. 25, 7. 32, 1. Jerem. 31, 34.
Die dritte Andacht beginnt mit den Worten: „Mit dem heiligenn propheten
David sol man täglich zu Gott seufTzen vnd also sprecheu", worauf freie Gebete
über Ps. 86, Ps. 25, 4 und 5, Ps. 143 und 31 folgen. „Ein schon Psalm täglich zn
beten" ist Ps. 148, dem S. 77—80 gewidmet ist und auf den „Ein Trotz vnd Trost-
spruch wieder die Furcht des Todtes aus Pauli Wortenn zum Philip am 1, 5" folgt,
der also lautet:
„Mein Leben ist
Derr Herre Christ
Zu aller Frist.
Aber der Todt
Endet mein noth
Befördert mich zu Gott
Fröhlich dahin
Ist mein Gewinn
So wahr als Christ
Im Himmel ist
Weis ich sein gliedt
Er verlest mich nit
Holt mich endlich zu
im in Med".
i
Alterthumsgesellschaft Prnstia 1884. 357
Hieran schliessen sich „Etliche Schöne Danksagung für das bitter Leidenn ynd
Sterben Jhesu Christi" und Gebete für betrübte Herzen und Personen, „ein offene
beicht täglich für Gott mit Andacht zu sprechen", „einn ander beicht" (im Anschluss
an Jes. 56, 6) und „Christliche Gebet vor dem Gebrauch des hoch würdigsten Abend-
males vnsers Heilandes Jhesu Christi zu sprechenn".
S. 118 bringt die Einsetzungsworte des heiligen Abendmahls in sehr schöner
kleiner Schrift
Noch zwei Gebete vor dem Empfang des h. Abendmahls und vier auf Schrift-
btellen gegründete Danksagungen „Nach der empfahung" bilden den Schluss des merk-
würdigen Buches, welches in dem zwiefachen Gebetseufzer gipfelt: „Der Leib meines
Herrn ynd Heilandes Jhesu Christi speise und erhalt mich zum ewigen Leben Amen".
Das Blut meines Herrn ynd Heilandes Jhesu Christi trencke ynd erhalte mich cum
ewigen Leben Amen".
Nachdem wir uns mit Form und Inhalt des kostbaren Gebetbüchleins bekannt
gemacht haben, gehen wir zu der Widmung über, welche auf dem zweiten Blatte
desselben folgendermaßen gefasst ist: „Zu Ehren | der Durchleuchtig | sten Hoch-
gebornen Für- | stin ynd Frawen Frau- 1 en Anna, geborne | ynd Vermehlte Marg- 1
greffin, auch Churfürstinn | zu Brandenburg, in Preu- 1 sen, zu Gülich, Cleve Berge |
Hertzogin. Meiner gne- | digsten ChurfÜr- | stin ynd Frauen.
Leider können wir nicht einmal bestimmt nachweisen, ob die zum Gebet ge-
falteten Hände der preussischen Herzogstochter wirklich auf dem Buche, das ihr ge-
widmet» geruht haben, doch lässt sich's kaum annehmen, dass der Schreiber desselben
die Frucht seines bewundernswerten Fleisses nicht an den rechten Mann, oder in
diesem Falle, die rechte Frau gebracht haben sollte. Jedenfalls rufen uns derartige
Reliquien das Bild derjenigen vor die Seele, denen sie geweiht waren, und so möge
denn auch vor uns aus dem alten Gebetbuche der Schatten der Kurfürstin Anna auf-
steigen, deren Andenken wohl eine Erneuerung verdient. Haben wir es in ihr doch
mit der Tochter des unglücklichen Herzogs Albert Friedrich und der edlen Dulderin
Marie Elenore, geborenen Herzogin v. Jülich-Cleve-Berg zu thun, Anna, die Stamm-
mutter der preussisch-brandenburgischen Hohenzollern, die Schwiegermutter des grossen
Schwedenkönigs Gustav Adolf und Grossmutter des grossen Kurfürsten Friedrich
Wilhelm wurde nach ihrer sehr ausfuhrlichen Grabschrift '), welche den besten Leit-
faden für ihre Lebensgeschichte bietet, am 3. Juli 157.6 zu Königsberg geboren. Schon
in der Wiege wurde sie in ein theologisches Gezänk schlimmster Art verwickelt,
welches damals die Köpfe in einem unglaublich hohen Grade erhitzt hatte. Der ehr-
same Mälzenbräuer der Altstadt Greger Möller, bringt in seinen Annalen die erste
Nachricht über die erstgeborene Tochter des preussischen Herzogs *), nicht ohne seinem
') E. A. Hagen, Beschreibung der Domkirche zu Königsberg. Kbg. 1833. S. 273.
*) Acta Bor. II, S. 820.
J358 Kritiken and Referate.
Gott gegen den, dem Fürsten, wie ihm verhassten Bischof Heshusius Luft zu machen.
„Den 15. Augusti" (1576) erzählt er, ist allhier „unser Freicken Anna" zu Schlot
Tom Hoffprediger getauft worden, und ist mein Herr in die Kirche nachgefolgt, ah
sie zur Kirche getragen ist. Es hat der Heshusius I: Gnad. nicht taufen wollen,
weil verdächtige Pathen dazu gebeten, als der König (von Polen) und Herzog v. Jülich ;
da haben die Herrn dem Wigando Boten geschickt und den auch gefraget. Als der
es zugelassen, hat Heshu&dus auch gewüliget, es wäre sonst sein Uebel gewartet".
In die Jugend der Prinzessin warf die Schwermut des Vaters, der ein Jahr nach
ihrer Geburt unter Vormundschaft gestellt wurde, düstere Schatten. Albert Friedrieh,
„der blOde Herr", hielt sich meistens in Neuhausen oder Fischhausen auf. In letzterem
Orte war die epileptische Anlage, die er wahrscheinlich von seinem Grossvater, dem
Markgrafen Friedrich von Anspach, ererbt hatte, zum Ausbruch gekommen. Wie er
hier seine Tage zubrachte, ist noch aus einem Bericht Joh. Arnold v. Brands3) zu
ersehen, der bei Gelegenheit einer Gesandtschaftsreise nach Russland 1673 Fischhausen
besuchte. Derselbe erzählt: „Hier ist vor Zeiten des Alberti Friedend, des s. g.
„biOden Herrn" Sitz gewesen, wo er auf einem absondern kleinen Ort, der auf der
Mauer gebauet worden, seine Drechslerbank gehabt, womit er die Zeit vertrieben.
Hie sah ich oben in einem sichern Gemach oben am Balken zwei abhängende und
schier zwei Fuss lange eiserne Stäben, daran obgemeldten Herrn Bette gehangen,
stammt ' beihangenden hölzernen Bollen, womit selbiges in die Höhe gezogen konnte
werden, worinnen sich der Herr stets wiegen lassen."
Je weniger der Vater vorteilhafter auf die Erziehung seiner Kinder einwirken
konnte, destomehr scheint sich die Mutter derselben angenommen zu haben. Ihre
Bemühungen wurden reichlich gesegnet, denn durch ihre vier Töchter ist sie die
Stammmutter der meisten europäischen Fürstenfamüien geworden. Als solche besang
sie 1721 der Kriegs- und Domänenrat Valentin Heinrich Hoffmann bei Gelegenheit
eines, dem Könige Friedrich Wilhelm I. Überreichten Stammbaums, für den er „bei
dem alten Brot in neuer Gnade sterben" wollte. Nachdem er in erster Linie die
brandenburgische Dynastie gebührendermaßen gepriesen, fährt er fort: *)
„In Dennmark fangt Bayreuth von Neuem an zu blühen,
In Schweden trägt ein Zweig aus Kurland eine Krön
Und Polen sucht ein Theil hiervon an sich zu ziehen,
Drum setzt aus Sachsen sich der Kurfürst auf den Thron.
Hispanien, Portugal, der Römisch1 und Deutsche Kaiser,
Trier, Neuburg, Hessen, Zeitz sind alles Preusche Reißer.
Neuhausen *) hat das Glück ein neues Haus zu werden,
*) Joh. Arnhold v. Brand u. s. w. Reysen durch die Mark Brandenburg, Preussen
u. 8. w. Hrsg. durch Henrich Cheau de Hennin u. s. w. Wesel 1702. S. 212.
4) Erl. Preussen IV, S. 753.
') Die Sommer-Residenz Albert Friedrichs.
AltorthnmsgeMllsctMft Prnaua 1884. 359
Daraus den Ursprung fast ein ganzes Weltteil nimmt
£50 über Stadt und Land die Herrschaft fuhrt auf Erden,
Gewiss ein Glück, das nicht von ungefähr bestimmt."
Dass Anna ihrer Mutter ein dankbar Andenken bewahrt hat, geht daraus her-
vor, dass sie die Namen derselben ihrer zweiten Tochter, der nachmaligen Gemahlin
Gustav Adolfs, beilegte. Eine Reise nach Jülich, welche Marie Eleonore am 20. April 1591
mit ihren beiden ältesten Töchtern unternahm 6), mag eine erfreuliche Abwechselung
in das eintönige Leben der jungen Prinzessin gebracht haben. Die Familieneindrücke,
welche sie in der Heimat ihrer Mutter empfing, waren freilich denen des Vaterhauses
nur ähnlich. Herzog Wilhelm, der Grossvater Annas, lag in den letzten Stadien
einer Geisteskrankheit, die ihn schon lange regierungsunfähig gemacht und bald nach.
der im Herbst erfolgten der Gäste (25. Januar 1592) sein trauriges Ende herbeiführte.
Marie Eleonore hatte bei ihrem Aufenthalt in Berlin ihre Tochter Anna mit dem
Kurprinzen Johann Sigismund verlobt. Ein Jahr darnach durfte Anna ihren künf-
' tigen Gemahl, welcher damals im 19. Lebensjahre stand, in Königsberg begrüssen.
„Anno 1593 den 17. Martini", erzählt der ehrbare kneiphöfsche Bürger
Peter Michel7), ist der junge Herr Johannis (sie!) Sigismundus aUhier zu Königs-
berg eingekommen, ohngefähr mit 160 reisigen Pferden, und von der Bürgerschaft
stattlich eingeholet worden. Was bey den Bürgern von seinem Valet verzehret
worden, das ist aus der Forstl. ßent-Cammer jedem wol bezahlet".
So gut hat's Johann Sigismund in Königsberg nie mehr gehabt, denn selbst
seine Hochzeit ging nicht ohne ein kleines Bencontre zwischen den Koeiphöfern und
Altstädtern ab.
Auch über diese haben wir einen Bericht desselben Annalisten, der also lautet •)-.
„Den 21. Oktober (1594) sind die fremden Fürsten hier auff Johannis Sigismnndi
Beylager ankommen: Der von Coburg mit seinem Gemahl, der Bischof von Strass-
burg, Johannis Sigismundi Bruder mit zwo Schwestern, der von Lüneburg, von An-
halt, von Hollstein und der aus Curland haben zusammen 1400 reisige Pferde gehabt.
Dies fürstliche Beylager ißt gehalten den 27. dito °), und Gott Lob ! in gutem Friede
und Einigkeit wol verrichtet. Wie die Herren sein eingekommen, hat die Bürger-
schaft sich müssen in ihrer Rüstung stellen und durch 3 Städte bis vor das Schloss.
Nach geschehenem Einzüge haben unsere Kneiphöfer in der Ordnung durch die Alt-
stadt ziehen wollen, aber wie ohngefehr der vierte Teil durchs Cramerthor gewesen,
haben uns die Altstadter das Thor lassen zuschliessen, und die andern nicht wollen
durchlassen".
*) Gregor Michels Annalen. Erl. Preussen III, S. 224. M. erwähnt nur „die
Abreise der Herzogin mit swei Freuleins". Es können wohl aber nur- die beiden
ältesten Töchter gewesen sein.
t) ErL Preussen IH, S. 227. •) Ebd. S. 229.
•) Die Grabschrift giebt den 20. Oktober an.
360 Kritiken und Betonte.
Bis 1598 blieb der junge Fürst im Lande, wo er an Stelle seines Vetters, des
Markgrafen Georg Friedrich, die Vormundschaft leitete und die Rechte seines Hauses
wahrnahm, dann schlug er seine Hofhaltung in Zechlin auf und fand sich nur zeit-
weise in Preussen ein. Dorthin rief ihn auch die Nachricht vom Tode seiner Schwieger-
mutter. Am 22. Mai ,0)
„Als man schrieb sechszehnhnndert 8
Ihr Leben selig sie vollbracht".
Doch dieser Todesnachricht folgte bald eine andere, welche den Kurprinzen auf
der Reise ereilte. „Den 8. Augusti", berichtet Peter Michel, ist Ihr Fürstliche
Gnaden Herr Johannes Sigismundus herein und allhier ankommen mit wenig Voick
und ganz traurig und schlecht, weil er unterwegs die traurige Zeitung noch bekommen,
dass sein Herr Vater Joachim Friedrich plötzlich, da er auf dem Wagen gefahren,
von Cöpernick nach Berlin, Todes verblichen. Welcher ein gar frommer, christlicher
Fflrst gewesen". n)
So hatte Anna in wenigen Wocheu Matter und Schwiegervater verloren. Ea
begann für sie eine schwere Zeit. Während ihr Gemahl, dem der preussische Adel
das Leben sauer machte, in der Ferne weilte, gebar sie demselben (7. März 1609)
das achte und letzte Kind. Bis zum 20. März 1609 blieb Johann Sigismund in
Preussen, eilte dann nach der Mark, kam aber den 14. April schon wieder zurück.
Erst den 14. Juli trugen ihm die polnischen Commissarien „die Curation des Landes"
auf "), worauf am 17. Juli das feierliche Begräbnis seiner Schwiegermutter stattfand.
Einen neuen Todesfall brachte das Jahr 1609. Derselbe war nach mancher
Seite hin verhängnisvoll für Annas Familienglück. 25. März endete der blödsinnige
Johann Friedrich, der jüngste Bruder der Marie Eleonore und letzter Herzog von
Julich-Cleve. Anna war die gesetzliche Erbin seines Reiches, doch brachte dieses
Erbe ZerwürmisB in die Familie und war nicht minder schwer in Besitz zu nehmen,
wie das Lehen in Preussen. Dazu brachte diese Erbschaft einen Entschluss zur Keife,
der lange in Johann Sigismund geschlummert hatte. Der Kurfürst hatte sich von
jeher der reformierten Kirche zugewandt. Um seine neuen Unterthanen in Jülicb-
Cleve inniger an sich zu fesseln, trat er jetzt offen zur reformierten Kirche über
(25. Dezember 1613 "), entfremdete sich aber dadurch die Herzen seiner alten Unter-
thanen und trug innern Zwiespalt in sein eigen Haus. Anna und ihre Tochter hielten
") Nach der Grabsohrift Hagen, Beschreibung der Domkirche S. 273. Nach
Peter Michel Erl. Preuss. III, S. 397 2. Juni.
") Er starb 17. Juli 1606.
") Peter Michel a. a. 0. S. 398.
") Das Nähere bei Nicolovius, Erinnerungen an die Kurfürsten von Branden-
burg und Könige von Preussen aus dem Hause Hohenzollern hinsichtlich ihres Ver-
haltens in Angelegenheiten der Religion und der Kirche. Hamburg. Perthes. 1838.
S. 107 ff.
Alterthumsgesellschaft Prussia 1884. 361
fest am lutherischen Bekenntnis, und wer ea weiss, wie tief damals religiöse Ueber-
zeugungen im Lehen eingriffen, kann ermessen, dass das Glück der Ehe durch ver-
a'hiedene Glaubensstandpunktc der Ehegatten sicher nicht gefordert wurde. Doch
war es auch wieder der Glaube, der Anna 'treu bis ans Ende bei ihrem Gatten aus-
harren hieds und diesem wiederum den geduldsamen Sinn gab, sich der, damals nur
zu gewöhnlichen, Zwangsmittel zur Herbeiführung einer andern Ueberzeugung zu
enthalten.
Ob Anna bei der preußischen Huldigung, welche ihr Gemahl 1612 mit Mühe
und Not erlangte, zugegen gewesen, wissen wir nicht, dagegen finden wir sie am
31. August 1618 an der Leiche des Vaters in Fischhausen. Der blöde Herr war am
27. August 1618 nach 11 Uhr in der Nacht „in wahrer Erkenntniss und Anrufung
Jesu Christi verschieden". Jetzt hiess es von ihm: ,4)
„So ruhet unser Fürst im Grab,
Der unsenn Land viel Schatten gab,
Da Gottes Wort, Gerechtigkeit,
Und Eried geblüht in lange Zeit,
Sein gläubig Seel zu Gott liinfährt,
Sein Nam und Stamm bleibt ehrenwert."
Vereint mit ihrem Gemahl wohnte Kurfürstin Anna den 5. und 6. Februar des
nächsten Jahres der feierlichen Bestattung der Leiche bei. Es war ein kalter Tag,
als man (5. Febr.) mit ungeheurem Gepränge unter Glockengeläut nach dem Früh-
stück von Fischhausen aufbrach. Kurfürst Johann Sigismund empfing die Leiche
bei Spittelhof, die Kurfürstin unter dem Schlossthor. Hier trat sie in die Prozession
ein. Vor ihr ging der junge Prinz Joachim Sigismund, hinter ihr ihre Töchter Maria
Leonore und Katharina. Der Sarg wurde in der Schlosskirche abgesetzt und von
hier am andern Nachmittage, nachdem man von 10 bis 2 Uhr gespeiset, zur Dom-
kirche übergeführt. Wiederum ging die Kurfürstin zu Fuss im Zuge bis vor die neue
Herberge. Ein auf der Wallenrodtschen Bibliothek befindliches Kupferwerk zeigt uns
(Blatt 28) die Kurfürstin im schwarzen Kleide, über das eine weisse Tracht geworfen
ist, deren Zipfel ihre beiden Führer in den Händen halten. Sie ist so vermummt,
dass man vom Gesicht nichts sieht, denn die bis zu den Augen herabreichende Haube
und der weisse Ueberwurf, von dem nichts bedeckt wird, als der Muff, in dem die
Hände stecken, stossen beinahe zusammen.
Von der neuen Herberge aus fuhr die Kurfürstin in die Kirche und wohnte der
Leichenfeier bis 63/4 Uhr abends bei. '*)
Wenige Monate danach (23. Dezbr. 1619) hielt Anna ihren sterbenden Gemahl
in den Armen, der nach der Sage, durch die Erscheinung der weissen Frau erschreckt,
bereits am 27. November im 47. Jahre seines Lebens die Regierung niedergelegt und
M) N. Pr. Prov.-Bl. XI, S. 324.
,&) Die ganze Feierlichkeit ist genau beschrieben N. Pr. Prov.-Bl. XI, 321—340.
Altpr- MoMtMchrift Bd. ZXIL Hft. 3 u. L 24
362 Kritiken und Referate.
die Wohnung seines geheimen Kämmeres bezogen hatte. Gichtschmerzen und einige
Schlaganfälle führten das frühe Ende des edlen Fürsten herbei.
Bald fiel in die tiefe Trauer der vielgeprüften Fürstin ein heller Lichtstrahl.
Gustav Adolf von Schweden hatte seine* Jugendliebe dem Willen seiner strengen
Mutter opfern müssen. Ebba Brahe war mit Jakob de la Gardie dem Henku im
russischen Kriege, auf den Gustav Adolf nicht ohne Eifersucht blickte, vermählt
worden. Der junge König suchte Anfangs August 161S Zerstreuung auf einer Rei>c
nach Deutschland, von der er jedoch bereits am 20. Augibt in Calmar eintraf. Kr
war nur bis Berlin gekommen. Zwei Jahre vorher hatte ihn sein Agent Birkhold
auf die vollendete Schönheit der Prinzessin Marie Eleonore aufmerksam gemacht,
ohne sich zu erkennen zu geben, hatte er siel» nun persönlich von derselben über-
zeugt. Schon im nächsten Jahre liess er durch seinen Kammerjunker Gustav Horu
Johann Sigismund und dessen Gemahlin Anna seinen Besuch ankündigen. Hörn
sollte genau den Eindruck, welchen diese Meldung machte, beobachten. Dass Gustav
Adolf sich denselben von vornherein günstig gedacht, geht daraus hervor, das* er
bereits in Stockholm Anstalten zu bräutlichem Empfange machte. Der Tod Johann
Sigismunds durchkreuzte seine Pläne, doch wurden dieselben im nächsten Frühjahr
wieder aufgenommen. Im April 1620 segelte Gustav Adolf zur persönlichen Braut-
werbung von Stockholm ab.
Axel Oxenstjerna erzählt hierüber'0): „Anno 1620 war Seine Königl. Majestät
von Schweden, mein allergnädigöter König ungekannt in Berlin bei der Branden-
burgischen Kurfürstin Wittwe und verabredete da eine Heirath zwischen ihm und
Ihrer Gnaden der Fräulein Maria Elenora."
Ausführlicher berichtet der König selbst in seinem Tagebuche über seine Braut-
werbung: „Sonnabend kamen wir nach Berlin; die vorhergehende Nacht lagen wir
in einem Dorf, heisst Blisendorf, von da folgte mein Schwager (der Pfalzgraf Johann
Kasimir) zunächst nach Potsstamb, und da bekamen wir Briefe vom jungen Chur-
fursten (Georg Wilhelm) und wie wir sie bekamen, ritten wir nach Sällendorp (Zehlen-
dorf), trennten uns vom Pfalzgrafen. — Uns war ein Losement bei Retzlow genannt.
als wir dahin kamen, sah er l7) uns für englische Soldaten an und wollte uns nicht
herbergen; ebenso gings bei einem Andern. Endlich kamen wir in Arnheimba ,8)
Losement und da wurden wir aufgenommen. Arnheimb wusste nichts davon, kam
aber auch hinein, erschrack. Ging deshalb um 9 Uhr (Sonntags) auf das Schloss:
kam recht zum Anfang der Predigt. Wie ich in das Vorzimmer kam, wo die Leute
,6) Anno tal. PalmskölcUshe Handschr. T. 36, abgedr. in Geijers Gesch. Schwed.
HI, S. 709 Anm. 2, wo sich auch der Bericht aus dem Tagebuch des Königs findet.
") Der Wirt.
,8) Joh. Georg v. Arnim, der nachmalige Sieger von Breitenfeld, ein Ucker-
märker, stand damals in schwedischen Diensten. Durch ihn unterhandelte Gustav
Adolf mit der Kuxfürstin über seinen Empfang.
Alterthumsgeseltschaft Prussia 1884. 363
niul die Junker sausen, wunderte sich jeder, wer ich wäre und was ich wollte.
Interim ging die Predigt an; der Text war vom reichen Manne, die Vorrede wie wir
hier in der Welt eine Komödie spielen und wie verschieden Gott das Alles regiere,
die Personen austheüe, die wir Menschen hier in dieser Welt agiren sollen. Nach
vollendeter Predigt schaffte man die fort, die man nicht zu Zuschauern haben wollte
und ich wurde hineingernfen. Meine Kede an die Churfürstin. Ihre Antwort. Nach-
her führte man mich in die Kammer der Herzogin von Curland. lö) Wurde discutirt
über das, was auf der Reise geschehen. Unterdessen war die Mahlzeit fertig und ich
eingeladen beim Essen zu bleiben."
Gustav Adolf geht über seine Werbung kurz hinweg. Dieselbe wurde mit Be-
geisterung aufgenommen von Mutter und Tochter. Anna brauchte einen Zufluchts-
ort, in welchem sie ungestört dem lutherischen Bekenntniss nachleben konnte. Wo
konnte sie den besser linden, als in dem orthodoxen Schweden? Ihr Sohn George
Wilhelm war weniger zur Duldsamheit geneigt, als ihr entschlafener Gemahl, zumal
die Mutter ihm herausfordernd entgegentrat. Während seiner Abwesenheit liess sie
den Dr. Balthasar Meissner aus Wittenberg nach Berlin kommen, welcher daselbst
auf dem Schlosse in ihren Gemächern Predigten hielt. Man untersagte demselben
den Aufenthalt in der Residenz.20) Da entschloss sich Anna, dem Vaterlande Lebe-
wohl zu sagen. Auch Gustav Adolf beschleunigte den Termin seiner Hochzeit.
Axel Oxenstjerna schloss die üblichen Verhandlungen ab und geleitete Mutter und
Tochter nach Stockholm, wo am 28. November das Beilager festlich begangen wurde.
Bald genug fand Anna Gelegenheit, der Tochter helfend und tröstend zur Seite
zu stehen. Nur kurze Honigmonden waren dem jungen Paare zugemessen. Am
24. Juli 1G21 zog Gustav Adolf in den polnischen Krieg. Der Trennungsschmerz
warf seiue Gemahlin aufs Kiankenlager, und noch leuchteten in der Ferne die Segel
der schwedischen Flotte, als sie einer toten Tochter genas. „Ich muss meines Hauses
Elend beklagen", schrieb Gustav Adolf (29. August 1621), „darinnen Gott mich ge-
straffet hat, indeme mein Gemahlin ein dot geboren Kind zur Welt getragen."21)
Nur wenige Monate brachte Gustav Adolf in der Heimath zu. Erst das Jahr
1624 gewährte ihm einige Ruhe. Da siedelte Kurfürstin Anna wieder nach Cöln an
der Spree über und füllte ihren Lebensabend durch Unterredungen mit dem refor-
mierten Oberhofprediger Dr. Bergius über die verschiedenen Glaubensbekenntnisse aus.
Wie wenig es dem gelehrten Geistlichen gelungen, ihren lutherischen Standpunkt zu
verrücken, geht daraus hervor, dass sie in ihrem eigenhändig geschriebenen Testament
ausdrücklich verordnete, in ihrer Leichenpredigt die Reformierten zu bekämpfen. Sie
,0) Sophia, Anna's Schwester, welche 1609 den Herzog Wilhelm von Curland
geheiratet hatte.
20) Nicolovius S. 130.
*') Geijer IU, S. 171 Anm. 1.
24*
364 Kritiken und Referate.
entschlief sanft, 48 Jahre 8 Monate 20 Tage alt unter Gebetsseufzern in der Nacht
vom 21). zum 30. März 1025. Vier Kinder überlebten sie, der energielose Georg
Wilhelm, der Nachfolger ihres Gemahls (geb. 3. Nov. 1595), Anna Sophia (geb.
17. März 1598), Gemahlin des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg, die Schweden-
königin Maria Elenore (geb. 11. Nov. 1599) und Catharina (geb. 28. Mai 1602), welche
erst den Fürsten Bethlen Gabor von Siebenbürgen und, nach dessen Tode den Herzog
Franz Carl von Lauenburg heiratete.
Testamentarisch hatte sie die Ueberiülnung ihrer Leiche in die väterliche Gruft
im Königsberger Dom befohlen, in welcher noch heute ein Zinnsarg ihre Gebeine
umlasst. Ihre Grabschrift nennt sie eine eifrige Verteidigerin ihres Glaubens, eine
willfährige und freundliche Gattin, eine sanfte fürsorgliche Mutter, eine gütige Herrin
und Wohlthäterin der Armen, die gerne aus diesem Leben geschieden sei.
Wir machten am Anfange unserer Erzäldung die Mutter Maria Eleonore zum
Massstabe ihrer Tochter Anna. Prüfen wir die Mutter Anna noch an ihrer Lieblings-
tochter Maria Eleonore, die auch durch ihren spätem Aufenthalt in Insterburg
unserer Provinz angehört.22) Von dieser sagto ihre Tochter Christine, die man
schwerlich überschwenglicher Kindesliebe zeihen wird: „Sie besässc ebenso alle Schwach-
heiten, wie alle Tugenden ihres Geschlechts." Sollte dieses Wort auch bei Anna zu-
treffen, so hat sie ihre Schwachheiten mit allen Frauen geteilt, aber ihre Tugenden
für sich gehabt.
Nach den Ehepakten sollte Anna 30,(XX) Gulden Heiratsgut erhalten. Zur
Aufbringung dieser Summe wurde am 15. März 1594 ein Landtag einberufen, der
nach verschiedenen, zum Teil äusserst peinliehen Verhandlungen am 16. Mai den
verlangten Brautschatz zwar bewilligte, aber an seinen Glückwunsch zur Verlobung
gleich die Bitte knüpfte, künftig solcher Zumutung enthoben zu werden. Auch unter-
liess man nicht bei dieser Gelegenheit, um die Besetzung der preussischen Bistümer
„nach Inhalt der Privilegien" zu petitionireu. Auch die Einlösung einer landständi-
schen Verschreibung über 30,500 M. „Pathenpfenmg", in deren Besitz sich die fürst-
liche Braut befand, wollte der Landtag auf sich nehmen, bat dabei aber um Ab-
Btellung der General- und Privatbeschwerden.23)
M) Sie starb daselbst 1055. Van Baren, das Schloss Insterburg, (Insterburg.
Wilhelmi. 1883) nennt sie S. 20 unrichtig „die Schwester des grossen Kurfürsten";
sie war die Tante desselben und führte den damals 13jährigen Knaben zu Wolgast
an die Leiche ihres grossen Gemahls, ein Moment, den Fritz Schulz auf einem er-
greifenden Gemälde dargestellt hat.
*3) Toppen, die preussischen Landtage während der Regentschaft des Mark-
grafen Georg Friedrich von Anspach. Progr. d. Gymn. zu Hohenstein 1867 S. 10—15-
Mittheiluiigen und Anhang.
Verzeichnis**
der in den Programmen der höheren Lehranstalten Ostpreussens
enthaltenen Abhandlungen zur Geschichte von Ost- u. Westpreussen.
Vorbemerkung.
Vor etwa fünf Jahren wandte ich mich an die beiden Provinzial-Schulkollegien
von Ostpreussen und von Westprcusscn mit der Bitte, von denjenigen Programmen
der unter ihrer Verwaltung stehenden Schulanstalten, welche Abhandlungen zur
Provinzialgeschichte enthalten, Verzeichnisse anlegen und diese entweder selbst ver-
öffentlichen oder mir zum Zwecke der Veröffentlichung überweisen zu wollen. Die
genannte westpreussische Behörde in Danzig (Provinzial-Schulrath Dr. Kruse) hatte
die Freundlichkeit meiner Bitte sofort nachzukommen und Hess in dem 2. Hefte der
„Zeitschrift für Westpreussische Geschichte", 1N80, S. 97—99 ein „Verzeichnis der
landesgeschichtlichen Abhandlungen in westpreussischen Programmen" abdrucken.
Hier in Königsberg dagegen traten zunächst einige Hindernisse entgegen, und erst im
letzten Winter erhielt ich durch die Güte des Herrn Prov iuzial-Schulrath Dr. Trosien
eine amtliche „Zusammenstellung der durch die Programme der höheren Lehranstalten
der Provinz Ostpreussen veröffentlichten Abhandlungen in Bezug auf die Geschichte
Ost- und Westpreussens". Inzwischen hatte auf meine Veranlassung bereits auch
Herr Dr. G. v. Frisch, Lehrer am Progymnasium des hiesigen königl. Waisenhauses,
ein Verzeichniss der einschlagenden Programme zusammengestellt. Aus beiden Samm-
hingen, die natürlich im Wesentlichen übereinstimmen, aber doch auch gegenseitige
Ergänzungen bieten, ist das nachstehende Verzeichniss hervorgegangen.
Den beiden königlichen Behörden für ihr geneigtes Entgegenkommen und Herrn
Dr. v. Frisch für die freundlichst übernommene mühevolle Arbeit meinen Dank ab-
zustatten darf ich auch an dieser Stelle nicht unterlassen.
Als Beilagen gebe ich 1) Ergänzungen zu den westpreussischen Programmen
und 2) einige einschlagende Programm-Abhandlungen auswärtiger Schulen, die mir
theils durch eigene Einsicht, thcils auch nur durch gelegentliche Erwähnung bekannt
geworden sind. Karl Lohmeyer.
366 Mittheilungen und Anhang.
Hartenstein, Gymnasium.
1875. Schottmüller: Die Krügerin von Eichmedien.
Braunnberg, Gymnasium.
1813. (?) Nachrichten über den bisherigen Zustand dos Gymnasiums.
1830. 8. Gerlach: Gescluchte des Gymnasiums. I. Abschnitt.
1832. — — II. Abschnitt.
1837. -l_ __ in. Abschnitt.
1842. J. A. Lilienthal: Geschichte des Magistrats der Altstadt Braunsberg von «1er
ältesten Zeit bis zur preussischen Besitznahme im Jahre 1772.
1865. J. J. Braun: 1) Geschichte des Königl. Gymnasiums zu Braunsberg während
seines 300jährigen Bestehens. 2) Aufzählung der Programme von
1812 bis 1864.
1868. KawozyAski: Polnisch -Preussen zur Zeit des zweiten schwedisch-polnischen
Krieges von 1655—1660.
1874. — — Polnisch -Preussen zur Zeit des ersten schwedisch -polnischen Kriege*
von 1626 bis 1629. I. Ereignisse des ersten Kriegsjahres.
1876. — — IL Theil. Ereignisse des zweiten Kriegsjahres.
1878. — — III. Theil. Ereignisse der beiden letzten Kriegsjahre.
1885. E. Dombrow8kl: Studien zur Geschichte der Landauf theil ung bei der Kolonisation
des Ermlands im XIII. Jahrhundert.
Guinbinuen, Gymnasium.
1809. J. W. R. Clemens: Einige Bemerkungen über den gegenwärtigen Zustand de>
Stadtschulwesens in Preussen.
1810. — — Vorläufige Nachricht von der Königl. Provincialschule zu Gumbinnen.
1813. — — Nachricht von dem Königl. Friedrichs-Gymnasium zu Gumbinnen.
1815. — — Beiträge zur Geschichte der ehemaligen Friedrichs-Schule in Gum-
binnen. Erster Abschnitt.
1823. J. D. Prang: Chronik des Gymnasiums von Ostern 1817 bis Michaelis 1823.
1824. — — lieber die Ursachen der steigenden Frequenz der Gymnasien in
Littauen, Ost- und Wcstpreussen.
1865. J. Amoldt: Beiträge zur Geschichte des Schulwesens in Gumbinnen. Erste
Stück. (1724-1764.)
1866. — — Zweites Stück. (1764—1809. I.)
1867. _ _ Drittes Stück. (1764-1809. IL)
— C. Kossack: Historischer Bericht über das Turnwesen und den Turnbetrieb an
dem Königl. Friedrichs-Gymnasium während der Jahre 1839— 18i>7.
1868. J. Arnoldt: Beiträge ete. Viertes Stück. (1764—1809. III.)
Höllenstein, Gymnasium.
1853. J. Heinicke: Johann Saryusz Zamoyski von Zamos'c, Grosskanzler und Krön-
feldherr von Polen.
Veraeichn. der in d. Progr. . . . enthalt. Abhandl. s. Gesch. v. Ost- u. "Westpr. 367
1855. M. Toeppen: Beitrag zur Geschichte Prcusssns unter der Regierung der Her-
zöge. Die preusskchen Landtage zunächst vor und nach dem Tode
des Herzog« Albrecht.
ltS56. — — Historisch-komparative Geographie von Preussen. I. Abschnitt. Preussen
in der heidnischen Zeit.
1S59. — — Geschichte des Amtes und der "Stadt Höllenstein, nach den Quellen
dargestellt. Theil I.
1800. — — Theil U.
18f>5. — — Die preussischen Landtage während der Regentschaft des Markgrafen
Georg Friedrich von Ansbach (1577— 1G0Ö).
1866. — — Fortsetzung.
1867. — — Schluss.
1S74. J. Heinicke: Der Aufstand des polnischen Adels gegen Siegmund IU. Wasa.
Insterburg, Gymnasium.
1860. Th. Preuss: Ewald Friedrich von Hertzberg. Ein biograplüscher Versuch.
Theü I.
1861. — - Theü U.
1876. C. Wiederhold: Geschichte der Lateinschule zu Insterburg. I. Teil.
1577. — — H. Teil.
1578. — — III. Teü.
1883. H. Toews: Beiträge zur Geschichte der Stadt Insterburg. (I. Jahrhundert.)
Königsberg, Altstädtisches Stadt-Gymnasium.
1755 Die Feyerlichkeit, womit die Altstädtische Parochialschule das An-
denken der vor fünfhundert Jahren geschehenen Anlage der König-
lichen preussischen Haupt- und Residenzstadt Königsberg den l. Mai
des Jahres 1755 erneuren wird, kündigen in diesen Blättern an und
laden dazu alle Gönner der Musen und erfreuete Patrioten durch
einige Betrachtungen über das Wachsthum der Stadt Königsberg
ergebenst uud freundlich ein die Lehrer derselben Schule.
1774. J. Chr. Daubler: Gegenwärtiger Zustand der Altstädtischen Parochialschule.
1794. J. M. Hamann: Kurze Nachricht von der Altstädtisch-Latcinischcn Stadtschule.
1825. K. L. Struve: Einige statistische Bemerkungen über die Anstalt seit dem J. 1814.
1*47. R. Moeller: Geschichte des Altstädtischen Gymnasiums von seiner Gründung
bis auf die neueste Zeit. I. Theil.
1848. - - II. Theü.
1849. - - HI. Theil.
1851. - — IV. Theü.
1855. J. Schumann: Beitrag zur Statistik des Altstädtischen Gymnasiums.
1869. 6. Bujack: Der Deutsche Orden und der Herzog Witold von Littauen.
368 Mittheilungen und Anhang1.
1874. R. Moeller: Geschichte des Altstädtibchcn Gymnasiums. Stück V.
1878. — — Stück VI.
1881. — — Stück VII.
1883. — — Stück VIU.
1884. — — Stück IX.
1885. — — Stück X.
Königsberg, König]. Friedrichs-Collegium.
1793. 8. G. Wald : Geschichte und Verfassung des Collegii Friedericiani zu Künig.4>cr?.
1795. — — Ueber den Unterricht in der deutschen Schule des Königl. Collogü
Friedericiani.
1800. — — Verzeicliniss der von 1789—1800 aus dem Collegio Friedericiano zur
Akademie entlassenen Schüler.
1808. — — Ueber das Collegium Friedericianum, dessen Tendenz und Wirksamkeit.
1814. F. A. Gotthold: Zur Geschichte des neu eingerichteten Friedrichs-Collegiuia>
zu Königsberg in Preussen.
1818. — — II. Theü.
1822. — — III. Theil.
1823. — — Ein Blick auf Ostpreussens und Litthauens Bildungsanstalten vor dem
Jahre 1810. I. Abtheilung.
1824. — — IL Abtheüung.
1825. — — Geschichte des Friedrichs-Kollegiums von Michaelis 1822 bis Michaeli*
1825.
1839. J. G. Bujack: Geschichte des Preussischen Jagdwesens von der Ankunft des
Deutschen Ordens in Preussen bis zum Schlüsse des siebzehnten Jahr-
hunderts, mit besonderer Bezugnahme auf einige schwierige Aufgaben
der Zoologie.
1847. K. F. Merleker: Annalen des Königl. Friedrichs-Collegiums.
1851. — — Friedrich August Gotthold's Autobiographie aus dem Michaelis-Pro-
gramm des Friedrichs-Kollegiums von 1814, nach handschriftliehen
Quellen dargestellt.
1855. Urins Natalicia Sexcentesima saeculari carmine celebraverunt Collegii Friederi-
ciani Rector et Magistri.
1855. J. Horkel: Der Holzkämmerer Theodor Gehr und die Anfänge des Königl.
Friedrichs-Collegiums zu Königsberg nach handschriftlichen Quellen
dargestellt.
Königsberg;* Kneiphöfisches Stadt-Gymnasium.
1785. G. Chr. Pisanski: Nachricht von dem gelehrten Königsberger Melchior Gvilandin.
1786. — — Nachricht vom Gregoriusfeste der Schulen.
1831. A. L. J. Ohlert: Geschichtliche Nachrichten über die Domsebule zu Königsberg
in Ostpr. von deren Stiftung im 14. Jahrhundert bis Michaelis 1831.
Veneichn. der in d. Progr. . . . enthalt. Abhandl. s. Gesch. v. Ost- u. Weitpr. 369
18,37. F. A. Witt: Geschichte des Lchnsverhältnisses zwischen dem Herzogthume
Preussen und der Krone Polen während der Regierung des Herzogs
Albrecht. 1525 -1568.
1&V6. — — Der preussische Landtag im Februar 1813.
1S(>5. R. F. L. Skrzeozka: Ein Beitrag zur Geschichte des Kneiphöfschen Stadt-
Gymnasiums im 17. Jahrhundert.
1.S66. — — Zweiter Beitrag zur Geschichte etc.
1*75. F. Krosta: Masurische Studien. Land und Volk in Masuren. Ein Beitrag zur
Geographie Preussens.
1«7G. — — Masurische Studien. Ein Beitrag zur Geographie der Provinz Preussen.
(Fortsetzung.)
Königsberg, Progymnasiuni des Königl. Waisenhauses.
1879. Dembowski: Zur Geschichte des Königl. Waisenhauses zu Königsberg L Pr.
Theü I.
1881. — — . Theil U.
1S82. — — Teü in.
1SS3. — — Teü IV.
1884. — — Teü V.
1885. - - Teü VI.
Königsberg, Realgymnasium auf der Burg.
18150. H. Schultz: Der Friede zu Oliva vom 3. Mai 1660. Erster Theü.
Königsberg, Städtisches Realgymnasium.
1H'>7. F. Krosta: Wilhelm von Modena als Legat von Preussen. Ein Beitrag zur
ältesten preußischen Kirchengeschichte.
Königsberg, Höhere Privat-Töchterschule von M. Lehmann.
1NQ4. Th. Prengel: Beiträge zum Töchterschulwesen der Stadt Königsberg Ostpr.
Die derzeit älteste (Ulrich-Lehmann'sche) höhere Privat-Töchterschule.
Lyck, Gymnasium.
1K59. Horch: Chronik der Stadt Lyck.
1*65. C. Schaper: Beitrag zur Geschichte der Lycker Provinzialschule.
Rastenburg, Gymnasium.
1846. J. W. 6. Heinlcke: Zur ältesten Geschichte des Königl. Gymnasiums zu Rasten-
burg bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts zur dritten S&kularfeier.
Rössel, Gymnasium.
1*41. A. A. Drtki: Notizen über das ehemalige Augustinerkloster in Rössel.
1842. Dasselbe. (Ein Beitrag zur Geschichte des Königl. Progymnasiums da-
selbst). (Fortsetzung.)
1845. — — (Fortsetzung.)
1&8. J. A. Lilienthal: Fortsetzung der Beiträge zur Geschichte des Königl. Pro-
gymnasiums in Rössel von 1780 bis 1835.
370 Mittheilangen und Anhang.
1867. J. Frey: Rückblick auf die frühere Geschichte der Anstalt.
1880. — — Geschichte des Gymnasiums zu Rössel bis 1780. Erste Hälfte.
Tilsit, Gymnasium.
179G. J< W« R. Clemens: Beiträge zur Geschichte der Königl. Provincialschule zu Tflse
in Ostpreussen. Krater Abschnitt.
(1808.) — — Nachricht von den seit 1791 in der Königl. Provincial- und Stadt-
schule zu Tilse gemachten Einrichtungen. Bei seinem Abschiede von
der Schule als Rechenschaft an das Publikum.
1844. Fr. Schneider: Die Würde der Schlosshauptleute und ihr Verhältnis* zu den
Magistraten der kleinen Städte im Hcrzogthume Preussen.
1853. — — Geschichte der Provinzial- oder Fürstenschule in Tilsit von ihrer
Gründung bis zu ihrer Verwandlung in ein königl. Gymnasium.
1854. — — Dasselbe. (Schluss.)
18G6. H. Pöhlmann: Beitrage zur Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Tilsit.
Erstes Stück. Valentin Tenner, Rektor der fürstlichen Schule zu Tilsit
1586-1598.
1873. — -- Zweites Stück. Die fürstliche oder Provinzial-Schule zu Tilsit von
1598—1682.
1874. — — Drittes Stück. Die Kurfürstliche, dann Königliche Provinzial-Scliule
von 1682-1748.
1875. — — Viertes Stück. Die Königliche Provinzial-Schule von 1748—1791.
— — — - Nachricht über die auf der Lehrer-Bibliothek des Königl. Gymnasium*
zu Tilsit vorhandenen Handschriften Hnd alten Drucke.
1876. — — Beiträge zur Geschichte des Königl. Gymnasiums. Fünftes Stück.
Die Königliche Provinzialschule bis zu ihrer Umwandlung in ein
Königliches Gymnasium 1791—1812.
1878. — — Zur Erinnerung an Gottlieb Theodor Fabian.
Tilsit, Realgymnasium.
1870. Fr. Fleischer: Die Schweden in und um Tilsit im Winter 1678/9.
1885. A. Thomas: Litauen nach den Wegeberichten im Ausgange des vierzehnten
Jahrhunderts.
Ergänzungen zu den westpreussischen Programmen.
Danzig, Königl. Gymnasium.
1883. R. Wartens: Danzig im nordischen Kriege. Nach ungedruckten Quellen d«
Danziger Ratsarchivs. 1. Irrungen während des Jahres 1704.
Danzig, Handels-Akademie (Kabrun'sche Stiftung).
1882. 0. Völkel: Jacob Kabrun und die Gründung und Entwicklung der Handels-
Academie. (Festsclirift.)
Verzeichn. der in d. Progr* . . . enthalt. Abltandl. e. Gesch. v. Ost- u. West-pr. 371
Danzig, Realgymnasium zu St. Johann.
1MJ9. S. S. Schnitze: Beiträge zu einer geographischen und naturgeschichtlichen
Beschreibung des Kreises Carthaus.
1S7.*>. E. Panten: Das neue Schulgebäude.
Ins). E. Kestner: Eberhard Perher, Bürgermeister von Danzig. I. Theil.
Danzig. Realgymnasium zu St. Petri.
l«w62. F. Strehlke: Aus der Umgegend von Danzig. I. Georg Försters Geburtsort.
ISH2. R. Damus: Zur Geschichte des schwedisch -polnischen Erbfolgekrieges. Erster
Theil: Das Kriegs jähr 1655.
Elbing, Gymnasium.
Ib77. A. Reusen: Wilhelm Gnapheus, der erste Rector des Elbinger Gymnasiums.
Zweiter Theil.
1S82. L Volckmann: Das städtische Gymnasium zu Elbing. (Festschrift;.)
1SS3. Anger: Schluas des alten und Eröffnung des neuen Gymnasiums zu Elbing.
1H&4. Kausch: Verzeichniss der Abiturienten des Elbinger Gymnasiums von 1803—1881
nebst Notizen über ihre späteren Lebensverhältnisse.
Pr. Friedland, Progymnasium.
1SK5. Urkunden der Stadt Pr. Friedland bis zum Jahre 1650, veröffentlicht von
P. Brennecke.
Thorn, Gymnasium.
1**2. A. Voigt: Geschichte der Thorner Brücke von 1496—1709. (Nach Urkunden
des Thorner Stadt-Archivs.)
Auswärtige Programme«
Aachen, Gymnasium.
1<S07. Spielmanns: Stanislaus Hosius, des berühmten ermländischen Bischofs und
Cardinais, Lehen und Wirken, ein Characterbild für die studirende Jugend
unserer Tage.
Berlin, Dorothecnst&dt. Realgymnasium.
l«s7o. W. Pierson: Ueber die Nationalität und Sprache der alten Preussen.
Brandenburg a. II., Realgymnasium.
1864, A. Klautzsch: Das Samland. Vortrag.
Chemnitz, Realschule.
Us74. H. Stier: Graf Heinrich von Plauen, Hochmeister des deutschen Ordens.
Chemnitz. Handels-Lehranstalt.
1*68. G. Baum: Waren die Phönizier an der deutschen Ostsee-Küste?
Glehvitz, Gymnasium.
1871. L Steinmetz; De Alberti senioris, Borussiae ducis, ad ecclesiae catholicae doctri-
nam reditu. Particula prior.
372 MlUheflmigea und Anhing.
Llegnlfe, Gymnasium.
1631. J. K. Kwhler: Hat Foppo Ton Ostema mit den d<
I'reussen au der Schlucht bei Wahlatadt 1341
TremnMn, Gymnasium.
1857. BerwirsJd: Einige Betrachtungen über die älteste:
deren Umgestaltung im 13. und 14. Juhrhundt
Wetzlar, Gymnasium.
1848. 6. firaff: Der deutsche Orden, seine Entstehung ob
kurzer Uebersicht dargeatetlt.
Der Teifel in Flach
(Eine Volkssage.)*)
Aus Cambridge in Massachusets erhielten wir folgen
„Cambridge
Ad den Redakteur der „Altpr russischen Munat
Geehrter Herr!
Im T. u. 8. Heft v. J. Ihrer sehr geschätzten, an hies
Zeitschrift (18)4, S. 6t2) ist unter den in der Altert hu
getragenen Sitten, Gebräuchen und Sagen auch eine V
„Der Tenfel im Flachs", deren anmutliiger Inhalt mir zu ei
in Form des beifolgenden Gedichtes die Anregung gab. I
Abdruck des Gedichtes in einem demnächst erscheinenden
Monatsschrift" würden Sic vielleicht Ihre Leser erfreuen.
Hochacl
Der Teufel einmal bekam ein Gelöst,
Von hübeeben Mädchen zu werden geküs
Und schlau nachgrübelnd beschloas er, st
Sich zu verstecken unter dem Flache.
Der Flachs wird angefeuchtet fein
Von den Lippen der spinnenden Mägdele
„Und also", dacht er, „sicherlich
Müssen die Mädchen küssen mich"!
*) Die Worte: „Ziehen", „Rösten", „Schwingen", „1
drücke der landschaftlichen Flachsbereitung.
Der Tenfel im Flachs. 373
Gedacht, gethan; er ging aufs Feld
Und hat sich unter den Flachs gestellt,
Und Hess sich ziehen, in Bündel fugen;
Dann musst* er auf der Baffel liegen.
Der eiserne Kamm ihm Qualen schafft,
Doch er bestand sie heldenhaft.
Darnach man ihn ins Wasser trug
Zum Kosten, und das war bös genug.
Doch nun das Brechen und das Schwingen,
Das musste Höllenpein ihm bringen.
Selbst für den Teufel war's kein Spass;
Doch er geduldig ertrug auch das.
Er dacht' an die Belohnung süss,
Die ihm der Mädchen Mund verhiess,
Und thät die Zähne zusammenbeissen
Und liess sich schier in Stücke reissen
Und auf der Racke durch den Rechen
Den Körper Glied um Glied zerbrechen.
Jetzt, da die Qual ein Ende nahm,
Zuletzt er in die Hechel kam.
Doch hier liess ihn sein Stolz im Stich,
Das Hecheln dünkt ihm fürchterlich.
Er dachte nicht mehr an das Küssen,
Noch was er vorher erdulden müssen,
Dagegen dies nur Kinderspiel,
Das Hecheln war ihm doch zu viel.
Und lief davon und nahm Reissaus,
Das Hecheln hielt er nimmer aus. —
So singt uns ein Histörchen lieb,
Das in dein Munde des Volks lebendig blieb.
Als ich es las, ich war erschreckt,
Wie ein Stück vom Teufel im Deutschen steckt.
Er trägt geduldig die schwersten Plagen,
Nur das Hecheln kann er nicht vertragen.
374 Mittheilungen und Anhang.
Altpreugsische Bibliographie 1884.
(Nachtrag und Fortsetzung.)
Albrecht, Karl (aus Einlage bei Elbing), üb. einige Pyrogallussäure- u. PhloroglutiD-
derivate u. die Beziehgn. zu Daphnetin u. Aesculetin. I.-D. Berl. (fifi S. !v
Anger, Gvmn. Dir. Dr., üb. ELsenwerkzeuge aus e. Urne von itomlseti m. Abbiltliru.
[Verhdlgn. d. Berl. Ges. f. Anthrop., Kthnol. Sitzg. v. 18. Oct. 1^84. S. 406— 4tH.j
Arendt, Paul (aus Danzig), zur Casuistik der Schädelbrüche. I.-D. Berl. (39 S. v:<
Dembowski, Zur Geschichte d. Kgl. WaiVetihan&cs. Teil V. (Progr. d. Kgl. Waisenli.)
Kgsbg. (S. 3— 16. 4.)
©ietefS, (Suft, $orliid}e Surniere. (32 6. ar. 8.) —60. [3amuil. flcniriiroflbf. tviffrnj 1--
SSorträae. br£fl. u. SLtird)oro u. ü. .ftolticirtoiff. 447. oft 9.Vrlm, Jöatwl.]
Spanien au3 o. iöoaelpeijpcctroe [sl>om <yd* Junt sJLKeev. Secbr.] Deutsche Reis-1-
litt. üb. Spanien. [Magaz. f. d. Lit. d. In- u. Auslds. 4.] Moderne Pjthagon'u-r.
[Ebd. 16.] Spanische Stimmungsbilder. [Ebd. 34.] Ein Roman aus SpaniM-h-
Amerika. (Rec.) [Ebd. 43.] iHafte. [3)eutfcbe JHcmie br*il- u- üttcö- <YieiUi,i.
IX. 3a&rfl.« Oft. 3. 6. 257—2*52.1
©iftel, Sbeob. (Bretten), 3acbaria$ SUcbme'ä foacu. dürfen hieb (1582). [äumMbTmi!.
Beiblatt j. 3tidjr. f. bilb. ftunft. 19. tfabr«. s3ir. 12.]
Sittrid), sJkcf. Dr. g. (Sraim«beifl,) ^eiträfle 3. ($rtcb. ö. tatbol. föeformai. im ci ü.
drittel b. 16. 3abrb. I. R>ift. 3»ibrbud> b. ©iJrre^GM V. Sft. 3. ©(f. 6-319—9-.]
Dohrn, Prof. Dr. R., Geburtshilfe [Jahresber. üb. d. Leistgn. 11. Fortschr. in d. g<*.
Medic. XVIII. Jahrg. II. Bd. 3. Abth. S. 585-610.]
Zur Kenntnis des allgemein zu weiten Beckens. [Archiv f. Gynäkol. XXII.
S. 47— 50.] Ein veiheiratheter Zwitter [Ebd. S. 225—26.]
&orfttttunQ, lanbuwtbfcb« . . . &r%\\.: Ob. Greift. 21. 3abr4- Äflöbä. $eper in Gcmm.
52 9fr. (V4 $. 4.) Viertelt baar n. n. 1 -
Dorn, E., B eineiig, üb. d. Stöpsel rh eostaten von Siemens u. Halske. [Annal. d. Pb\s.
u. Chemie. N. F. Bd. XXII. Hft. 4. S. 558 -577.]
©Ulf, 3Ilb., ber Srrßana b. gebend 3efu. 3" «ofd>i*fI- Sluffaßfl- barflfft. 1. 2bl.: T\c
biftor. Stturjeln u. bie aalitöifaV iölüte. Stuttfl. Siifc. (XVIII, 359 6. 8.) 4.—
ba§ Sittenaffeft I. [2)ie neue 3cit. Statt«. 2. 3abrfl. 6ft. 9.]
I£...b, b. evfte s2lnfanß fc. HircbenconflictS in s£reufo. [6onntaß3?35ei{. 3. 9$offifibfn
3tfl. 91r. 1. 2. 3.] %u* b. Grlebniff. b. $roö. $reuften im 3- 1831 b. evft. SUiftict.
ber Gbolera [Gbb. >Kr. 21-25.] 3)a$ sVe|ljal)r 1709/10 in $reu6cn. Gin Gkw*
flirt j. Gholerajabr 1831 [Gbb. 3tr. 28. ^9.]
«Wert Stuis, 2lu£ bet Somvclt Gffaus. M. <y. Mit b. (2iJ?tbr.O $ortr. b. $erj.
«erlin. Scbr'S SBerl. (XV, 248 8. flr. 8.) 5.—
Eichhorst, Prof. Dr. Herrn., Handb. d. spcciell. Pathologie u. Therapie . . . Hett
29—41. (Schi.) (2. Bd. XVIII. u. S. 5«il— 1274.) Wien, Urban & Schwarzen-
berg. ä 1.—
Manuale di esame fisico delle malattie interne: traduz. dcl dott. A. Bianchi,
con aggiunte originali. Due paiti con 173 incis. in legno ecc. Fas. 1 ff. Milaiio.
ditta Fr. Vallardi edit.-tip.
Pathologie u. Therapie der Cholera. [Wiener medic. Presse ... 32. 33.] Ueber
Trichorhexis nodosa. [Zeitschr. f. klin. Medicio. XII, 6.] Rec. [Dtsche. LittzUr.
No. 1. 32.]
Eisenbeck, Emil (aus Danzig), Observationen in monetam Graecam. Diss. inaug.
Berlin. (32 S. 8.)
Ellendt, Prof. Dr. Georg, üb. Schülerbibliotheken. III. Beigabe z. Progr. d. kgl. Fried -
richskolleg. Kgsbg. (18. S. gr. 4.)
(Alfter, £ubw., b. Unroerftl&ti&ftubium in ben U fet. fünf 2)ecennten. [Dio ©eaeuroart. IG.]
Entz, Heinr., über den Periplus des Hanno. Progr.-Abbdlg. d. k. Gymn. zu Marien-
burg. Marienburg. (48 S. 4.)
Entmann, Oskar, Zur geschichtl. Betrachtung d. deutsch. Syntax [Zeitschrift f. Völker-
psych ol. u. Sprachwissensch. XV. Bd. S. 387—413.] Kleine Nachträge zu
Otfrid. [Ztschr. f. dtsche. Philol. XVI. Bd. S. 70J
©malb, 2llb. fiubm., S)ie eroberun»] ^reufeen* bureb b. 3)eutfdjen. 3te§ 33u4. Sie
©roberfl. b. 6amlanbe§, be£ bftl. notanaend, öftl. SBartenS u. ©altnbenö. §alle,
»crl. b. S*fr. b. SBaifen^aufeg. (VUI, 170 6. gr. 8.) 3.—
Altpreussische Bibliographie 1884. 375
Jamüicti-.ftalenbcr für b. Safer 1^85- [Eeiaabe 3. „^nfterburaer 3ta-"] 3»fterburvv
Enthält S. IS — *2:'i; Bericht über die Schicksale der Stadt Jtagnit im 7 jähr. Kiiege,
wshes. am 24. Sept. 1157. Von e. Augenzeugen in Briefform er zählt.
Fankidejski, ks. lic. s'w. teol., Klasztory zeiiskio w dyecezyi chelminskiej. Pelplin 1883.
J. N. Roman (VIII. 278 & 8)
Flach, Prof. Dr. Hans, Chronicon Pari um rec. et praef. est. Accedunt appendix Chroni-
Cüruni reiiquias coutiuens et raarmoris specinien partim ex Seldeni apographo
partim ex Maassii ectypo descriptam. Tübing. Fuess. (XVII, 41 S. gr. 8. m.
2 Taf.) 2.40.
- — Geschichte d. griech. Lyrik nacb d. Quellen dargestellt. Ebd. (XX, G98 S.
gr. S.) 13.—
(btofcrton. (Sine peroamen. 3fawUe. [Sluä: 2>cutfcbe SHeüue] £übmßen, Ofumber.
(IV, 82 6. 8.) 2.-
Württemberg n. die Pbilologie. Stuttg. Metzler. (°,0 S. gr. 8.) -60. 2. veränd.
Anfl. (31 S.) -60.
Zu Aristoteles Politik. [N. Jahrbb. f. Piniol, u. Pädag. 129. Bd. S. 544] Zum
Prometheus des Aischylos. [Ebd. 8.827—831.] Der ftabelbicbter silefop unb Die
äfepifcbe <yabel. [3>tjcb. iKmte. 9. ftabiw oft. 1. 6. 80-87.] 3roei perlen ber
fcbwcijcriid). ©fclfcbcmclt. [11. oft.] Xdcfitla. Gine borifcbc Lobelie. [14. oft.]
Slang, ^taftor Dt. t>., Sie uon 3?Ncn ((Sjcma) in Stfeftpreu&nt. [3tf*r. b. bift. ^er*
ein* f. b. Dtefl.-8ta. 9Marienroerb. 10. oft. 6. 33-62.] $ic t>. (Mlocnjteru in
SÖcftvr. [Gbb. 6. 62—64.] ©efd). roeftpv. (Sttter. 9tunbciutefe, Kcil^of, t'ofoiufd),
^arabieS (Ar. Marien Werber.) [(S'bb. 6. 65—84.1
Forstemann, E., (Dresden) d. Verbindung zwisch. d. deutsch. Bibliotbekeu. [Central-
blatt f. Bibliothekswesen. I. Jahrg. S. 6—12.] Systematisch«, alphabetische,
chronologische Anordnung. [Ebd. S. 293—303.]
Sörfler, tfanbrnbter in £born, ftübrt Der ÜManari ber 4>r&fentation, bej. feit (Smauat.
b. btfdj. ßinilproaefcorbiia.. bei* äHanacl b..iiTtunbl. %id)roeife3 b. $rAfentation be3
Ütfecbfel* jur sJlbn)eifuno ber aea,. b. 91cceptanten e. flejofl. ob. ßefl. b. 9lu*fte(l*r
e. eigenen, niebt bomijilirt., auf e. benimmt. San ob. auf e. befttmmte 3^^ nad)
b. 3luv|tclla.$iaa.e iauteiiD. siBecbfebi im sißecbfelproüeffe erbob. .Ulaae auf B^bluna
brr ^Öevbfelfumme uebft 3i"f™ tett b. SBerfolItaac? [^ufaY SMrdno f. äbeoiie u.
Itrar. b. allci- Mft. &bl*.; u. Stabfefr. #b. 45. 6. 229—268.] Ist seit dem
Inkrafttreten der C. P. 0. die Klage auf Erfüllung vor Eintritt der Fälligkeit
des Anspruchs unbedingt zulässig? [Ztschrft. f. dtsch. Civilprozess. VIII. Bd.
S. 128—152.]
[Forster] Max Koch, Ein Brief Georg Forster's. [Archiv f. Litteraturgesch. XIII,
4. 1883.] Zwei Briefe v. Georg Forster u. Willi, v. Humboldt. [Ebd.]
v. Fragstein, Reg.-Baumeister in Pillau, Hänge-Eisenbahn auf der Zuckerfabrik Hirsch-
feld am Elbing-oberländisch. Caual mit Zeichnungen. [Ztschrft. f, Bauwesen.
34. Jahrg. Sp. 151-156.]
Franz, Observ. Dr. J., Festrede, aus Veranlassung v. Bessers lOOjähr. Geburtstag . . .
tAus: „Schriften der phys-ökon. Gesellsch. z. Königsberg"] Königsb. (Berlin,
Tiedländer u. Sohn.) (24 S. gr. 4.) baar 1.—
Berichtigung z. d. Bonner Durchmusterung. [Astron. Nachr. No. 2160.1 Helio-
meter-Beobachtungen des Cometen Pons- Brooks. [Ebd. No. 2577—78.] Helio-
metermessungen von Doppelsternen z. Königsberg. Ebd. No. 2590.]
rjfricbcberß, sJJt., 23übcr au$ Oftpreufeen. (Sin %-beitraa 3. SBorbereita.. b. 300j. Säfular*
jeier ber ebemal. tBrobiniialfcbulen gu Süfit, ^nef u. eaalfelb. Ginft u. 3efci an
b. Oftmarf b. beutfdjen Drben«. I. »antoben. £üjit, So^auft. 1885 (84). (VII,
106 6. flr. 8.) l.—
Friedlaender, Dr. Konr., Zur Geschichte der Hamburgischen Bildung in der 1. Hälfte
d. 17. Jahrh. 1. Tl. Hamburg. Nolte. (31 S. 4.) nn. 2.—
Friedlaender, L., Rec. [Wochenschrift für klassische Philol. hrsg. v. Wilh. Hirsch-
felder. 1. Jahrg. No. 1.]
tftoelttf, 3E., ®ef*id)te b. ©raubender ffreifeS. [2. 3lufl.] 1. 53b. 1. £fa. 3)angig,
Kafemann. (IV, 80 6. ar. 8.) 1.—
Frohne, August (aus Ostpr.,) Der Begriff der Eigen thümlichkeit oder Individualitat
bei Scbleiermacber. I.-D. Halle. (33 S. 8.)
376 MUtheilongea und Anhang,
FrtihlinflL Stadtbaoratb A., Denkschrift üb. Herstellg. e. vertieften Wasserstraße zwt'sdi.
Königsberg i. Pr. n. Pillau . . . Mit 2 Taf. Königsb. Koch u. Reiinor. (•}.") ;>
gr. 8.) baar 1.60.
Fuchs, Dr. Walth., Peter v. Dusburg u. das Chronicon OHvense . . . [Aus: ,,.\ir-
preuss. Monatsschr.] Kgsbg. Schubert u. Seidel. (92 S. gr. 8.) baar 3.—
WAßborn, ®eorge, Jlömgin Scbönbifo. Öin öebidjt in 10 ©cjängcit. &ipj. ^knjmdnr.,
(62 6. 8.) 3.-
OdMer, Dr. fyaul, torjigcfajate ©e{cbid>te bet bcutfdjcn Sanbtoictbfcboft. SWartigrabiwa.
SiOiiaii., (III, 84 6. nr.,8.) —75.
Barbe. The Srauta Sütra of Apastamba belonging to tbe Black Yagar Veda, with
the Commentary of Radradatta edited by Dr. Richard Garbe . . . Fase. VI-IX.
(Vol. II. 8. 1—384.) [Bibliotheca Indica No. 496. 98. 507. 520.]
— — Szyrwid's Punkty Kazari. s. Bezzenberger.
— — Anorganische nasale im auslaut des ersten gliedes sanskritischer nominal
composita. [Beiträge z. kde. d. indogerm. sprach. IX. briV 3. hft. S. 246— 217.
Rec. [Gott. gel. Anz. No. 8. Dtsche. LZ. 30. 3s. 45.]
<$ebanenfta. Beiträge 3. ©efer. $anji^. 3. ütoeb.: 3ugenblcben u. SBanberbüber v
Johanna 6d)openbauer. a. u. b. %.: ^uocnbleben u. 2L^aiit»erbi^er non ^obanw
ÄÄopenbülUr. ftuf» sJleue cingciübit u. in. erläut. 3iotia- nevfeb. u. Dr. 3S>. (Scfarf,
6tabtfd)ulr. in Sanjig. üttit b. öilbnife u. e. Slnfidjt b. ©cburttbaujts tot $on.
u. e. Xitelbilbe (Stemtaf.) nacb Orig.--3etdmuitg u. 21. Senfen. $aiwg. ©ertliiw.
(VI, 185 8. gr. 8.) 2.40.
Geffroy, Eng., Theoretische u. prakt. Untsuchgn. üb. d. Verteilg. d. Elektricität beim
Durchgehen durch e. Metallplatte von d. Form einer Lcmniscate (m. 4 Tai.).
[Progr. d. städt. Bealgymn.] Kgsbg. (26 S. 4.)
«clegeitWtSaebtÄte ... 2. Zbl 3. SlufL Xbotn. Sambect. <V, 144 e. M l.~
(Seasctnbeblatt, enanaeL ... ßrSg. t>. £erm. (Siteberger. 39. Sabin. 52 9trn. a'/.^-i.
Gteoraitte . . . 52. Sabra. ^nftevbuiü. (($umbhm. Stevjeh 5.—
Gerlach, Reg.- Bauführ. Friedrich, Eine bautechnische Studienreise nach West- u.
Ostpr. Ber. Üb. e. unt. Leitg. des Geh. Ob.-Bauraths, Hrn. L. Hagen im J. lss-'J
veranstalt. Studienreise. Hrsg. unt. Mitwirkg. einiger Reisegenoss. Mit 22 auto-
graphirt. Taf. Berlin. Springer. lV, 77 S. Lex. 8.) 6.~
€Jer8, zDL, Äalenbarj #i -6ltwfto*$ru(fi cwangielidi na rof 1885. ÄönigSb. öavtuiv.
(160 6. 8.) —75.
©ajeta 8ctfa . . . fipdt. xtan SRicfen. 4.
Stfcbrebe geb. am 20. 3aii. 1884 am (SimüeibungStage ber Äircbe in ©rofc 6türlaJ
. . . find, eiebert. (3 ÖL 8.)
©efangbudj, (SoangclifcbeS, für Oft* u. Söeftnr. (Sntrourf f b. $ro\rinjtalfonobe. Jfyvfw.
I %x. Oftrr. 3t^., u. 8lfl«^3)r. (VIII, 434 6. 8.)
(Seaerbebtatt f. b. Vro». Oft* u. äfcftpr. . . . §afcfl- 18E4. tfgebg.
©lagau. $er fluliurtömpfer. 3ifd>r. f. offentL &ngelgbten. $r$g. n. Otto Olagau.
5. 3abrg. 24 £fte. gr. 8. Berlin, ßrpebition. Siertclj. 8.—
Berichtigung«
Band XXI. S. 642 Zeile 3 von unten lies: nordwestlishe statt südwestliche.
„ „ „2 » „ n Südöstliche statt nordöstliche.
„ 645 „ 18 „ „ „ nordöstlichen statt nordwestlichen.
„ 646 „ 15 „ „ „ nordöstliche statt nordwestliche.
Qtdrnekt in der Alb« rt Bosbach* »chen Bnchdraekerei in K8nlg«b«rg.
Literarische Anzeigen.
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Fällt
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|««5 VI.
JDic UerfalJung der lüc(lgat^n.
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Soeben erschien:
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il Blf i
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Mut
Eiu Liedcrkranz
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Georg Hantel.
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££~iv2L£ — «sjl
Heft 5 u. 6 erscheinen als Doppelheft Ende September.
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NW 5 iföi)
Altpreussische
Monatsschrift
neue Folge.
Der
Usuea Freussischen ProTtadal-Bl&Utr
vierte Folge.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Der Monatsschrift XXII. Band. Der Provinzialblatter LXXXVIII. Band.
Fünftes und sechstes Heft«
Juli — September.
[Mit C r o q u i s.]
J Königsberg in Pr.
Verlag von Ferd. Beyer1 s Buchhandlung.
1885.
Inhalt.
N- N*-^-'
I. Abhandlungeu: 8tite
Aus Kant's Briefwechsel. Vortrag, gehalten an Kant's Geburtstag
den 22. April 1885 in der Kant-Gesellschaft zu Königsberg von
Rudolf Reicke. Nebst einem Anhang, enthaltend Briefe von
Jac. Sigism. Beck an Kant und von Kant an Beck 377 — 449
Michael Burckhardt, der Nehrungspfarrer und seine Gemeinde. Ein
Sittenbild aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts von
Adolf Rogge 450—462
Der Schlossberg bei Jeszi6rken. Von C. Beckherrn (mit Croquis) 463— 46G
II. Kritiken and Referate:
Die Bau- and Kunstdenkmäler der Provinz Westpreussen. Von
R. Bergau 467—468
Alterthumsges ellschaft Prussia in Königsberg 1884 468 — 491
III. Mittueilungen and Anhang:
Zur Rechtsgeschichte. Notiz aus dem Kölner Stadtarchiv mitget heilt
von Dr. Konstantin Höhlbaum 492
Universitäts-Chronik 1885 (Fortsetzung) 492—493
Lyceum Hosianum in Braunsberg 1885 494
Altpreussische Bibliographie 1884 (Nachtrag u. Fortsetzung) . . . 494 — 503
Preisausschreiben des Evangelischen Vereins für geistliche und Kirchen-
musik der Provinzen Ost- und Westpreussen 503—504
Bitte 504
Literarische Anzeigen (auf dem Umschlag).
378 Aas Kant1« Briefwechsel.
SLm diesem Behuf erlaube ich mir hiermit eine öffentliche Aufforderang
an die gedachten Gelehrten zur Auslieferung dieser Briefe an mich
und bitte, mir dieselben durch den Buchhändler Herrn Nicolovius
in Königsberg, welcher den Verlag des Werks übernommen, gütigst
zu übersenden.
G. B. Jäsche,
Boss. Kaiser]. Hofrath o. Prof. d. Philos.
in Dorpat.
Obiger Aufforderung füge ich noch die Bitte hinzu, mir diese Briefe
entweder durch Herrn Wilh. Kein und Comp, in Leipzig oder durch
Herrn Heinr. Frölich in Berlin versiegelt zu übersenden.
Friedrich Nicolovius,
Buchhändler zu Königsberg in Pr. "
Es ist mir nicht bekannt geworden, ob diese Aufforderung einen
Erfolg gehabt habe; den erwarteten wol sicherlich nicht, denn die
Gorrespondenz Kant's ist nie erschienen. Aber wenn auch nur wenige
der obigen Aufforderung nachgekommen und die Briefe von Kant
originaliter oder abschriftlich eingesandt haben mögen, so dürfte wol
kaum noch über den Verbleib dieser Briefe etwas zu ermitteln sein.
Vielleicht war der Erfolg ein so geringer, dass der Sammler sich ver-
anlasst sah, von seinem Plane noch abzustehen; vielleicht auch können
mancherlei Rücksichten auf die Briefschreiber und die von ihnen er-
wähnten Persönlichkeiten ihn dazu bestimmt haben; noch zwölf Jahre
später meinte E. Morgenstern, als er einige Briefe von Garve,
Hamann, Kästner, Lavater, Lichtenberg, Moses Mendelsohn,
Seile, Sulzer, Wieland und Wyttenbach in den Dörptschen
Beiträgen veröffentlichte, dass sich der erste Brief1) Garve's, der seine
von Feder verstümmelte Becension der Kritik der reinen Vernunft in
den Göttinger gelehrten Zeitungen betrifft, »nach genauerer Ansicht
zur Zeit wenigstens noch nicht zur Bekanntmachung eigene". Manche
mögen auch ihre Briefe zurückgefordert haben. Von einem wissen wir
dies bestimmt. Friedr. Heinr. Jacobi schreibt den 28. Juni 1806
') Derselbe ist erst im vorigen Jahre von Dr. Alb. Stern in seiner Schrift
„Über die Beziehungen Chr. Garves zu Kant" (S. 27— 32) nach dem Original
veröffentlicht worden.
Von Rudolf Beicke. 379
an Lndwig Nicolovius, den Bruder des hiesigen Buchhändlers:
„Hierbei fällt mir ein, dass ich gelesen habe: Jagemann*) (oder ist es
ein anderer?) wolle Kants Briefwechsel herausgeben. Siehe zu, dass Du
den einzigen Brief, den ich in meinem Leben an Kant geschrieben habe,
herausbekommst; den von Kant an mich, will ich gern dagegen aus-
liefern11. Ob dieser Austausch stattgefunden hat, weiss ich nicht;
gedruckt sind beide Briefe in Jacobi's Werken Bd. III. (1816) aber in
der bekannten Jacobi's eben Manier, die vor Auslassungen, Zusätzen und
Verstümmelungen nicht zurückschrickt3). Den ächten Kantbrief hat
erst Albert Gohn aus seiner Sammlung vollständig mitgetheilt4);
Jacobi's Brief, leider aber nur die zweite Hälfte, ist in meinem Besitz.
Die an Kant gerichteten Briefe, über die damals Prof. Jäsche,
ein Schüler Kants und Herausgeber der Logik seines Lehrers, verfügte,
sind noch jetzt so gut wie gar nicht publicirt; sie liegen in zwei statt-
lichen Quartbänden in der Dorpater Universitätsbibliothek als ein Ge-
schenk ihres einstigen Bibliothekars Prof. Karl Morgenstern, dem
sie Jäsche vermacht hatte. Von den darin enthaltenen 461 Briefen
sind noch nieht sechszig veröffentlicht; zuerst 23 von K. Morgenstern
in den von ihm herausgegebenen Dörptschen Beiträgen Bd. ü. u. III.
(1815 — 17), dann 27 von Fr. Sintenis in der Altpr. Monatsschrift
(Bd. XV. u. XVI. 1878 u. 79), die übrigen an anderen Orten.
Aber Jäsche hat auch nicht den ganzen brieflichen Nachlass Kant's
besessen. Wasianski berichtet, dass er, als ihm Kant im November
1801 die Verwaltung seiner Angelegenheiten übergeben hatte, nichts
mehr von seinen Papieren vorfand, als was auf sein Vermögen Bezug
hatte. „Seine übrigen gelehrten Arbeiten und Papiere hatten zwei jetzt
(sc. 1804) abwesende Gelehrte in Empfang genommen. Von gelehrter
*) Ohne Zweifel ist Jäsche gemeint. Ein Jagemann mit Beziehungen zu Kant
ist mir nicht bekannt
*) Wiederholt weist Rudolf Zöppritz in seinem Buche: „Aas F. H. Jacobi's
Nachlass. Ungedruckte Briefe von nnd an Jacobi und Andere." 2 Bde.
(Leipzig 1869) diese Unart, Wahrheit und Dichtung zu vermischen und doch für
Wahrheit auszugeben, nach.
4) „Ungedrucktes zum Druck befördert von Albert Cohn." (Berlin
1878) nur in 60 numerirten Exemplaren abgezogen. (S. 93—99.)
25*
380 Ao* KÄnt'8 Briefwechsel.
Correspondenz war kein Blatt vorbanden"1). Nur sein letztes grosses
Mannscript, an dem Kant noch hartnäckig arbeitete, ohne fortzurücken,
hatte er nicht fortgeben mögen; nach seinem Tode nahm es Wasianski
als Executor testamenti an sich, „um die auswärtigen Erbinteressenten
darüber zu befragen, was damit weiter angefangen werden soll", wie es
in Tit. VII des Inventars über den Nachlass Kants lautet. Diese beiden
abwesenden Gelehrten sind ohne Zweifel Jäsche in Dorpat und Hink
in Danzig; ob der letztere auch Briefschaften erhalten hat, weiss ich
nicht; die Andeutungen und Auszüge aus Briefen, denen wir in seinen
„Ansichten aus Kants Leben44 (Kgsbg. 1805) begegnen, können
wol der Jäsche'schen Sammlung entnommen sein. Seine Bibliothek hatte
Kant seinem Schüler und Freunde Mag. Oensichen vermacht; dass
dieser auch Briefe an Kant besessen hat, ist gewiss. Denn die hiesige
Königl. Bibliothek besitzt über sechszig solcher Briefe an Kant, die
auf der Bücherauktion des 1807 verstorbenen Prof. Gen sich en gekauft
worden sind. Manche werden von Kant auch noch an andere ver-
schenkt worden sein. So weiss ich dies ganz bestimmt von einem
Briefe, den eine Dame an Kant schrieb, ihn um Beiträge für ihr neu
zu gründendes Journal bittend und ihm ihr neuestes Buch übersendend.
Kant schenkte den Brief und wol auch das Buch der ältesten Tochter
seines Freundes Mo therby, herzlich froh darüber, dass sie kein Blau-
strumpf war. Das merkwürdige Schreiben ohne Datum gebe ich getreu
nach dem Original hier wieder:
Sophie Mereau an Kant
„Weil ich auch nach dem Ausspruch meines eignen Gefühls
„den Schritt welchen ich jetzt zu tbun bereit bin, für gewagt erklären
„muss, so finde ich doch nichts darin wodurch wahre Schicklichkeit
„beleidigt werden köfite. Ich weiss vielmehr dass wir bey Menschen
„höherer Art die Fesseln jener leeren Gonvenienz, die sich in jedem
„Land verändert, u. die zwischen gemeine Menschen oft heilsame
„Schrancken sezt, kühn zerbrechen könen, u. dass gebildetere Wesen
„sich an die Sache selbst halten, wo jene ewig an der leeren Form
*) Imm. Kant in seinen letzten Lebensjahren (Kgsbg. 1804) 8. 83.
T~"^
Von Rudolf Reioke. ggl
„hängen bleiben. Nach dieser Voraussetzung glaube ich ohne Be-
„dencken u. ohne weitere Rucksicht auf Entfernung, Geschlecht u.
„Geistesverschiedenheit, mich selbst in das gantz einfache Yerhältniss
„einer Bittenden gegen Sie, verehrungswürdigster Mafi, ver-
netzen zu dürfen.
„Mit Hülfe einiger Freunde will ich mit. dem neuen Jahr ein
„Journal anfangen, mehrere hiesige Schriftsteller wollen mir Beiträge
„liefern. Bey einer solchen Unternehmung träumt wohl ein jeder,
„der nicht lediglich für Gewin schreibt, mehr oder weniger stolz.
„Ich träumte sehr stolz, den ich hielt es nicht für unmöglich Sie
„für mich zu gewiüen. Etwas aus Ihren Papieren, was Sie viel-
leicht Kleinigkeit neuen, einige hingeworfene Bemerkungen, denen
„Ihr Geist Licht und Ihr Name Glantz verleiht, würden mich sehr
„glücklich machen. Konen Sie, so unterstützen Sie meine Unter-
nehmung, Dringender zu bitten, wage ich nicht, weil ich die zarte
„Linie die hier das Ungewöhnliche vom Unbescheidenen trefit, zu
„Tiberschreiten furchte —
„Achten Sie es der Mühe werth, das Weib, welches Muth genug
„hatte sich geradezu an Sie zu wenden, näher keilen zu lernen, so
„lesen Sie das Buch, welches ich hier beilege0). Dies ist der einzige
„Grund der mich bewegen koöte, dem grossen Kant ein Geistes-
„produckt darzubiethen , dessen Fehlerhaftes ich selbst am lebhaf-
„testen fühle.
„Mögte ich einer baldigen Antwort entgegen sehn dürfen! —
„Ich habe mich zutrauungsvoll an Sie gewandt. Siz sind gewiss gut,
„so gross und berühmt Sie auch sind. Welche edle Humanität athmet
„aus Ihrem ewigen Frieden! Welche Hofhungen wissen Sie in den
„Herzen aller gutmüthigen Menschen zu entzünden ! — Es hängt nur
„von Ihnen ab, ob ich zu dem ernsten Gefühl von Ehrfurcht gegen
„Sie, das ich mit Stolz in meiner Seele nähre, noch das süßere
„der Dankbarkeit hinzufügen soll — Leben Sie wohl!
„Mein Name ist: Professorin Mereau in Jena.44
6) Vielleicht: „Das Blüthenalter der Empfindung" (Gotha 1794).
382 Anl £•">*'■ BriefWecbael.
Vielleicht sind auch die kürzlich von der hiesig«
aus dem v. Duisburg 'sehen Nachlasse in Danzig er*
vod Kant nebst andern Papieren verschenkt wonl
essanten Aufschluss Über Kants Verhältnis» zu
Dessauer Philanthropin , über welches Thema zu
gerade heute vor fünf und zwanzig Jahren an dieE
königliche Recht durch die Bohne erlooste. Ueber i
adressirte Origiualbriefe verfüge ich selbst; so d
circa sechshundert Briefe an Kant zusammen zu t
Eine stattliche Anzahl!
Wie verhält es sich nun aber mit den Brie
unbedeutend, wie man gewöhnlich annimmt, ist
doch nicht gewesen. Er selbst klagt am 26. Mai :
Herz in Berlin, „dass er durch viele Briefe, we:
rungen über gewisse Punkte verlangen, unaufhörlicl
werde". Seinem Freunde Erhard schreibt er am
„dass er durch andere unumgängliche Zwischenarbeit
deren Verfassern er so viel Nachsicht nicht zutra
werde, ihm zu antworten.'1
Dass Kant nicht gerne Briefe schrieb, wisse
liehen Aeusserungen seiner eigenen Correspondenten.
schon 1767 an Kant, dass er dessen „Ungenei
schreiben, von der er auch etwas geerbet, kenne";
gemachlichkeit zu schreiben, darf er um Brief
unzuverlässig bitten" und „er hätte ihm wol man<
er wüsste, dass Kant Geduld haben würde, ihm :
bekannte Criminalist Ernst Ferdinand Klein i
thätigsten Mitarbeiter an der preussischen Gesetz!
vorigen Jahrhunderts, schreibt am 22. Decbr. 178t
auch ein Briefschreiber, der mit seinen Antworten \
Sie Ihre Bequemlichkeit".
0 „Knut and Basedow. Ein Vortrag, gehalten
22. April 1861, iuKgsbg. in der Eantgee eile ciiaft" abgedr. in .
Ztecbr. f. Lid., Kunst n. offen tl. Leben. Hrsg. v. Bob. Prot*. 1862. Nr. 10. S. 329—34 1-
Vbn Rodolf Keicke. 3g3
Wer will ihm diese vis inertiae im Briefschreiben verdenken, zu-
mal wenn man weiss, wie viel Mühe es ihm, besonders in den letzten
Jahren machte? dies sieht man seinen Briefentwürfen an. Hatte er doch
wahrlich auch Wichtigeres genug zu thun.
Wie viel Briefe Kant geschrieben hat, wird sich ungefähr ermitteln
lassen, wenn ich erst alle an ihn gerichtete Briefe durchgesehen habe.
So kann ich schon jetzt beispielsweise angeben, dass den siebzehn Briefen
von Beck mindestens neun Briefe von Kant correspondiren, zugänglich
ist mir aber bis jetzt nur einer; den sechszehn Briefen von Biester
gegenüber kann ich ebensoviele von Kant nachweisen, davon erst drei
durch den Druck bekannt; den zehn Briefen von Schütz stehen drei
gedruckte und sieben nachweisbare von Kant gegenüber; den achtzehn
Briefen von Kiese wett er dreizehn von Kant, davon nur zwei gedruckt,
fünf mir zugänglich, die übrigen nachweisbar.
Gedruckt und allgemein bekannt durch die drei grossen Gesammt-
ausgaben vpn Kants Werken sind etwa achtzig Briefe; gedruckt aber
uicht allgemein bekannt noch zwanzig Briefe. Seit mindestens zehn
Jahren ist es nun mein eifrigstes Bemühen, diesen geringen Bestand an
Kantbriefen zu vermehren, wobei mich Gönner und Freunde nach Kräften
unterstützen. Das Resultat ist bis jetzt kein unerfreuliches gewesen, aber
es genügt noch nicht, um mit der von mir in Gemeinschaft mit Ober-
lehrer Fr. Sintenis in Dorpat geplanten Veröffentlichung des chrono-
logisch zu ordnenden Briefwechsels vorzugehen. Etwa hundert Briefe
und Erklärungen Kants stehen zu meiner Verfügung, so dass also erst
der dritte Theil der Anzahl der Briefe an Kant vorhanden ist. Könnte
ich nur über grössere Müsse und Mittel verfügen, ich würde schneller
zu einem gewünschten Abschluss kommen. Von öffentlichen Aufforde-
rungen in Zeitungen und Zeitschriften habe ich bisher weit geringeren
Erfolg gehabt, als von direkten Anfragen und Bitten, die ich und meine
Freunde an Autographen-Sammler und -Händler gerichtet haben; mit
ganz besonderem Danke habe ich hier die opferfreudige Unterstützung
des Herrn Dr. Wilh. Tobias in Berlin hervorzuheben. Es gilt also
noch weiter zu sammeln, und wenn Sie mir, hochverehrte Herren, hier-
bei helfen können und wollen, so ist mir diese Gelegenheit, „Sie beim
fr
334 Aus Kant's Briefwechsel.
Kanthaken zu kriegen(i — man verzeihe mir diesen Provinzialismus —
sehr erwünscht gewesen.
Es sei mir nun gestattet aus Kants Correspondenz eins und das
andere hier mitzutheilen.
Mit dem speculativen Inhalte der Briefe von Beck, Herz, Jakob,
Maimon, Beinhold u. And. will ich unser gemeinsames Gedächtniss-
mahl nicht aufhalten; nur soviel darf ich hier sagen, dass die 17 Briefe
Beck 's, die von 1787 bis 1797 reichen, zu den bedeutendsten der
ganzen Sammlung gehören. Wenn der bekannte Mathematiker Elügel
in Halle mit seiner Behauptung Becht hat, dass Kant nur darum von
Freund und Gegner nicht verstanden werde, weil sie nicht Mathema-
tiker sind, so kam dem jungen Beck zu gut, dass er auch Mathematiker
war; scharf ist sein Urtheil über die Leipziger und Hallenser Docenten;
noch schärfer über Keiuhold's Theorie des Vorstellungs Vermögens; er
hat einen polemischen Aufsatz darüber fertig, legt ihn aber aus Bück-
sicht auf Kant's Bücksicht gegen Beinhold bei Seite und wendet sich
mit desto grösserem Eifer dem Auftrage zu, einen Auszug aus Kants
kritischen Schriften zu liefern; die dieserhalb geschriebenen Briefe an
Kant sind von um so grösserem Werthe, als auf einigen derselben
unser Philosoph mit zierlicher Schrift seine die von Beck aufgeworfenen
Fragen beantwortenden Erörterungen beigemerkt hat8). —
Die Briefe von Biester geben interessante Aufklärungen über
Kants Mitarbeiterschaft an der Berliner Monatsschrift, besonders auch
in Bezug auf den 1786 heftig entbrannten Jacobi-Mendelssohnschen
Streit über Lessing's Atheismus.
Die zehn Briefe von Schütz aus den Jahren 1784 — 86 gewähren
uns einen klaren Einblick in das literarische Leben, wie es sich in
Folge der Gründung der Jenaer Allgemeinen Literatur-Zeitung besonders
mit Bezug auf die kritische Philosophie in Deutschland gestaltete;
Kants Becension über Herders Ideen zur Philosophie der Ge-
schichteter Menschheit muss ausserordentliches Aufsehen gemacht
a) Wir theilen im Anhange diese wichtigen Briefe Beck 's an Kant, sowie
den einen ans bekannt gewordenen Brief Kant 's an ihn und seine handschriftlichen
Bemerkungen vollständig mit.
Von Rudolf Beicke. 3g5
haben; nur diese und noch eine Recension über Hufelands Grund-
satz des Naturrechts erschienen von ihm in dem genannten Jour-
nal; denn sein Grundsatz war, sich nicht selbst mit Widerlegungen
zu befassen, sondern seinen Gang ruhig fortzusetzen. Unterdess liess
die Propaganda für den Kriticismus nicht nach. „Ich werde auch",
schreibt Schütz, „in der A. L. Z. künftig keine Gelegenheit versäumen,
immer auf Ihre Ideen zurückzukommen. So denke ich non vi sed saepe
cadendo will ich, ob ich gleich nur ein Tropfen bin, doch manche
lapides von Philosophen erweichen44.
Interessant ist es, gelegentlich aus den Briefen auch von den Be-
mühungen der Gegner Kants zu erfahren. So berichtet Jakob unterm
25. October 1786 an Kant, man melde ihm aus Marburg, dass die
Wolfianer ein landgräfliches Rescript erwirkt haben, worin ausdrücklich
untersagt wird, über die Kantische Philosophie zu lesen!!! Uebrigens
brachte auch die Königsberger Hartungsche Zeitung vom 11. Decem-
ber desselben Jahres dieselbe Nachricht. Rein hold erzählt am
12. October 1787, dass Professor Ulrich in Jena seine Ueberzeugung
in Rücksicht der Kritik der reinen Vernunft sehr geändert habe, seit-
dem er (Reinhold) dort ist; Ulrich hat von Reinholds Vorhaben über
seine „Einleitung in die Kritik der reinen- Vernunft für Anfänger11 zu
lesen erst, da der Lektionskatalog bereits gedruckt war, Nachricht er-
halten; um ihm nun zuvorzukommen kündigt er an der Thür seines
Auditoriums noch vor Anfang des Wintercursus sein polemisches Colle-
gium gegen die Kritik der reinen Vernunft für den Sommercurs an, wo
dasselbe viermal in der Woche gratis eröffnet wird. Als Probe von
dem Tone, in welchem der Mann von seinem Vorhaben spricht, theilt
Reinhold den Schluss einer der letzten Vorlesungen Ulrichs mit: „Kant,
ich werde dein Stachel, Kantianer, ich werde eure Pestilenz sein. Was
Herkules verspricht, wird er auch halten." Dergleichen „Armseelig-
keitenu, die wol nicht blos in Jena „was alltägliches" waren, werden
mehrmals berichtet.
Kant war gut unterrichtet sowohl über die literarischen wie über
die politischen Vorgänge, besonders auch über die Vorfälle am Hofe
zu Berlin; denn seine Gorrespondenten sorgten dafür, zumal Kiese-
386 Ao» k**x'b Briefwechsel.
wetter, der unserm Kant nicht bloss Teltower Kuben schickt und das
Recept seiner Matter über ihre Aufbewahrung und Zubereitung, sondern
ihm auch sehr ausführlich mittheilt, wie traurig es am Hofe aussehe
unter dem von Bischofswerder, Wöllner und der Rietz tyrannisirten an
Leib und Seele schwachen Könige, „der ganze Stunden sitzt und weint
und dem der Herr Jesus schon einige mal erschienen ist.44 Wie schade,
dass wir wegen Fehlens seiner Briefe nicht wissen können, ob uud wie
Kant über diese „sonderbaren Dinge11, unter denen er ja auch als aka-
demischer Lehrer und als Schriftsteller zu leiden hatte, gedacht und
sich geäussert habe.
Merkwürdig sind oft die Anfragen, Anerbietungen und Aufforderungen,
die Kant erhielt. So schreibt der Consistorialratb, Prof. der Theol.
und Phil, an der Frankfurter Universität Gotthilf Samuel Steinbart,
dessen „System der reinen Philosophie oder Glückseligkeitslehre des
Christen thums für die Bedürfnisse seiner aufgeklärten Landesleute und
andrer die nach Weisheit fragen eingerichtet44, bis 1794 vier Auflagen
erlebte, am 23. September 1781: „Nach Ihren Schriften sind wir längst
verbrüdert, nur dass Sie im scharfsinnigen transcendenten Vortrage das
empfehlen, was ich populär in meinen Schriften sage44. „Wenn Sie
mir Ihre Freundschaft schenken wollen, so werde ich Ihnen künftig
offenherzig und ausführlich melden können, was jetzt zur Aufreeht-
erhaltung der menschlichen Würde und des Sensus communis gemein-
schaftlich zu tbun nöthig werden möchte44. Ob Kant ihm geantwortet
haben mag? Höchstwahrscheinlich; aber in artigster Weise ablehnend;
ein zweiter Brief von Steinbart ist wenigstens nicht vorhanden.
Und was mag Kant wol zu dem Anliegen Fessler's gesagt haben?
Dieser bekannte Exkapuziner, dessen historische Romane seiner Zeit
viel gelesen wurden und dessen Geschichte der Ungarn erst kürzlich
in zweiter Auflage erschien, schrieb aus Carolath in Niederschlesien, wo
er im Hause des Fürsten Carolath-Schönaich Erzieher war und seinen
Marc Aurel schrieb, am 12. Juli 1795 an Kant: „Ihre Augenblicke
sind kostbar; vor allem muß ich mein Recht an Sie zu schreiben er-
weisen. Es kann nur durch Beförderung freyer Geistesthätigkeit und
durch Begründung der Vernunftherrschaft in der Welt besser werden:
i
Von Budolf Reicke. 3g7
zu diesem Zwecke beyzutragen ist jedes Mannes Pflicht, der Kraft in
sich fühlt; es muß von allen Seiten und unter allen möglichen Ge-
stalten zu demselben hingewirkt werden. Unter allen Lehrern des
Alterthums ist vielleicht keiner für den philosophirenden Menschenver-
stände [sie] brauchbarer und dem Geiste unsers Zeitalters angemessener
und heilsamer, als Seneca der Philosoph. Ihn, den ernsten Verkündiger
des Vernunftgesetzes, nicht den empyrischen Schicklichkeitslehrer Cicero
sollte meines Erachtcns der practische Verehrer der Alten jetzt zu seinem
Freunde und Vertrauten machen. Zu bedauern ist es nur, daß die
höhere Kritik seit Gronovius für Seneca's Schriften nichts gethan hat;
weil ihre Geweihten mit der hier und da befleckten Schale auch den
in ihr liegenden gesunden, kraftvollen Kern verachtet hatten. Offen
steht also noch dem männlichen Fleiße der Weg zu dem schönen Ver-
dienste, dem bessern und edh^TTheile unserer Zeitgenossen einen durch-
aus kritisch rccensirten und verbesserten Text der ältesten Prolegomenen
zur kritischen Moral philo sopbie zu überreichen. Ich wage es, nach
diesem Verdienste zu ringen44. Zwei Bände, die den Text mit erklärenden
und kritischen Anmerkungen enthalten, werden zu Ostern 1797 in
Wilh. Gottl. Korn's Verlag erscheinen [sie sind aber meines Wissens
nie erschienen]. „Der dritte Band ist einem vollständigen Gommentar über
die stoische Philosophie, den besondern Stoicismus des Seneca, und über
das Verhältniß desselben zur kritischen Moralphilosophie gewidmet . . .
eine Arbeit vor der mir schaudert; aber die ich übernehmen soll [das
soll ist mit sehr grosser Schrift geschrieben.] Hier ist es, wo ich
mir Ihre Hülfe, Ihre heilsamen Kath schlage erbitte. Was wünschten
Sie in einem solchen Commentar zu finden? Wie nahe oder entfernt
steht nach Ihrem Erkenntnisse der Stoicismus überhaupt, und besonders
der Stoicismus des Seneca von dem, durch Sie entdeckten und aufge-
schlossenen Heiligthume der reinen practischea Vernunft? u. 8. w."
Fragen, wol geeignet für die Untersuchung in einer philosophischen
Doctordissertation!
Weit auffallender ist es, wenn ein Magister Grass e in Wittenberg,
der einmal im all gem. litt er. Anzeiger gelesen hat, dass Kant mit dem
berühmten Philologen Buhnken einen Briefwechsel unterhalten und selbst
388 Ans K«nt'B Briefwechsel.
in seinen jüngeren Jahren über die lateinischen Partikeln geschrieben
habe, dem Philosophen ein Exemplar seiner lateinischen Grammatik
einschickt und ihn bittet, er möchte ihm doch geneigtest nachweisen,
wo die Schrift über die lateinischen Partikeln zu finden sei, oder ihm
dieselbe, wenn er sie selbst besitze, mittheilen; er habe vergebens in
allen Buchhandlungen danach gefragt „Zum Beweise, daß ich würklich
mit Ihrem Systeme bekant geworden binu, fügt er in einer Nachschrift
hinzu, „mag auch beiliegende Piece °) dienen, die ich noch als Student
hier schrieb; und Ihnen gesteh* ich es gern,: sie ist es schon einigemahle
gewesen, was man an mir tadelte, wenn ich im geistlichen Gebiethe habe
wollen versorgt sein, denn ihrend wegen heiß1 ich hier ein Kantianer; und
das ist Ursache genung, um bei geistl. Aemtern durchzufallen bisweilen14.
Dass Friedrich Gentz hier in Königsberg studirt hat, ist wol Allen
bekannt; aber unbekannt ist das Schreiben seines Vaters vom 16. April 1783
an Kant, auf dessen Bekanntschaft er stolz ist. Darin heisst es: „Ich
schicke Ihuen diesen meinen geliebten Sohn voll Vertrauen auf Dero
Gute und Menschenliebe, und bin gewiß, Sie werden mir die einzige
und grüßte Bitte, die ich Ihnen jemahls thun kann, nicht versagen, aus
dem Stoff, den er in seiner Seele trägt, und womit ihn die Vorsehung
so reichlich begabt hat, einen tugendhaften, weisen und nutzbaren
Menschen zu bilden, der Führer seiner schwankenden Jugend, und der
Stifter seiner zeitlichen und ewigen Glückseeligkeit zu werden . . .u
Dass Kant auch Bettelbriefe erhalten hat, lässt sich denken. Mir
liegen ein paar solcher vor. Daist ein armer Abgebrannter aus Grums-
dorf bei Rogass in Südpreussen; er nennt sich Kandt, Theodor Gott-
lob Martin Kandt; durch eine vermuthlich angelegte Feuersbrunst ist
er um all sein Vermögen gekommen und hat einen Verlust von 5000
Thalern erlitten. „Da nun Seine Magnificenze ein Mann von Einfluß
ist und dem [sie] ganz Europa bewundert, so untersteht er sich Dieselben
um eine milde Gabe unterthänigst anzuflehen". — Auch ein Schwede,
Carl Friedrich Kanth, wendet sich am 1. Juli 1797 aus Lamm an seinen
9) Vielleicht die Schrift: „Was hat man in der Moral von den Handlangen zu
urtbeilen, welche nicht aus dem Bewusstsein von Pflicht vollzogen werden? Eine
philosophisch-moralische Abhandlang". (Wittenberg 1792.)
Von Rudolf Reicke. 3£9
süssesten Cousin in Königsberg um ein Darlehn von 8 bis 10000 Thaler
gegen Zinsen. Dem Schwedischen Original liegt eine die sprachlichen
Eigentümlichkeiten geschickt wiedergebende Uebersetznng bei; da das
Ganze zu ergötzlich ist, will ich es Ihnen nicht vorenthalten; es lautet:
Carl Friedrich Kanth an Kant.
„Lamm den 1. July 1797.
„Daß ich mich die Freiheit nehme an meinen Cousin mich schrift-
lich zu wenden, geschiehet nicht ohne Ursache, die Uhr kann ohne
„Fehder und Gewicht nicht gehen, dasselbe Bewanntniß hat es mit
„diesen meinen Schreiben. Die Hochachtung die ich zu Ihnen hege,
„und Unsere nahe Anverwandtschafft ist zu diesen der Triebfehder,
„verzeihen Sie, Hochgeschäzter HErr Cousin! die darinn findende
„Schreibfehler, mein Vater starb in meinen 5ten Jahre, ich habe
„daher wenig gelernt, vor 3 Monath Schrieb an meinen Hoch-
•
„geschälten Cousin in 'der zwischen Zeit bin ich in Lübeck und in
„Eiehl gewesen in der Hofhung mein HErr Cousin anzutreffen und
„mundtlich mit Ihnen sprechen zu können; aber vergebens, und bin
„bis jezo ohne antwort von Ihnen, es sollte mich sehr erfreuen, wenn
„es noch geschehen mögte. In meinen ersten Schreiben gab ich von
„unsere familie Notice; Mein Seelig Vater hieß Johann Kant und
„war Münster-Schreiber beym Oefotta Cavallerie Regiment; mein
„Vater-Bruder Niklas Kant war Regiments Schreiber bey demselben
„Regiment, Carl Frieda Kant war Rosthalter 10), Hans Kant war in
„Stockholm, ich weiß aber nicht wo er sich zu lezt aufgehalten hat.
„Des HErrn Cousin Vater hieß Lars Kant, und war Lieutenant in
„Deutschland, die alte Kanten sind aber alle gestorben. Ich war vor
„einiger Zeit in Stockholm, mann fragte mich, ob ich mit HErrn Kant
„in Deutschland anverwandt wäre, ich antwortete, Ja! ich wurde be-
tragt warum ich nach Stockholm gekommen wäre, ich sagte, um
„mich bey der Zoll Direction zu melden und meine Papieren vorzu-
liegen, um Zoll Infpector zu werden, ich erfuhr alsdann, um solchen
„Posten zu erlangen, einige Tausend Thaler bey der hand sein mögten.
,0) rost h&Uare = Büsthalter, ein Bauer, der einen Reiter stellen mnet.
390 Auß KÄnt1fl Briefwechsel.
„Ich wende mich daher an meinen hocbgeschäzton HErr Consin mit
„der Bitte, mich auf einige Jahre mit 8 k 10 Tausend Thaler
„Kupfer Mfintze gegen Interesse zu dienen, durch diese könnte ich
„glöklich werden. Erfreuen Sie mich mit einer günstigen Antwort,
„ich lebe indeßen zwischen Furcht und Hofnung."
Eant hatte für seine wirklichen Verwandten hier und in Kurland,
wo sein Bruder Johann Heinrich Kant, Fastor zu Alt- und Neurahden
am 22. Februar 1800 mit Hinterlassung von Wittwe und unversorgten
Kindern gestorben war, genug zu thun; und dass diese wie jene sich
meldeten, beweisen die wiederholten Briefe an ihn, die wol bisweilen auch
seinen Unmuth erregt haben müssen; denn auf einem kleinen Zettel der
Gensichen'schen Sammlung findet sich folgende Notiz von Kants Hand:
„Es kann nicht verlangt werden daß ich mich ausziehe ehe ich
„mich schlafen zu legen bereit bin d. i. daß meine Verwandte schon
„in meinem Leben mich beerben sollen. — Meines verstorbenen Bruders
„Kinder werden nach meinem Ableben schon ihr Theil bekommen. —
„Ich habe noch andere nämlich hiesige Verwandte, die ich zum Theil
„schon jetzt obzwar willkührlich pensionire".
Es ist bekannt und auch einmal bereits an dieser Stelle in einer
Festrede n) erörtert worden, dass Kants Autorität auf dem moralisch-
praktischen Gebiete in den letzten Jahren seines Lebens auch mit Be-
zug auf die Blatternimpfungsfrage in Anspruch genommen wurde. Sich
wiederholt mit ihr zu beschäftigen, dazu gab ihm die erste Veranlassung
das folgende Schreiben des Grafen Dohna auf Mallmitz bei Sprottau
in Niederschlesien vom 28. August [1799}:
„Verehrungswurdigster Mann!
„Nur die Wichtigkeit die die Frage für mein Herz hat giebt mir
„den Muth Sie um eine Antwort zu bitten. Ich habe eine Braut
„mit der ich der innigen Vereinigung der Liebe mit der Achtung in
„der Freundschaft, nahe zu kommen hoffe, diese hat die Blattern
") Prof. Dr. Heinr. Bonn, „Ueber Kant's Beziehungen zur Medizin. Rede,
gehalten am 22. April 1872 in der Kant-Gesellschaft" abgedruckt in der Altprenss.
Monatwchrift Bd. X. S. 009—627.
Von Rudolf Reicke. 39 \
„noch Dicht gehabt. Ein Vorfall in unsrer Familie wo eine junge
„Frau von 19 Jahren in dem Kindbette die Blattern bekam nnd
„ohne Bettung starb, welche Erfahrung man häufig macht, bestirnte
„meine Braut selbst sich die Blattern einimpfen zu laßen, wodurch
„sie meinem sehnlichen Wunsche zuvor kam. — Nun lese ich heute
„in Ihrer Tugendlehre, welche mein Handbuch geworden ist seitdem
„ich im Jahre 97 Ihr Sistem durch ein Privatissimum beim Professor
„Beck damals in Halle, habe kennen lernen. Nun fällt mir heute
„besonders die Stelle ") wegen der Einimpfung der Blattern unter
„den Casuistischen Fragen auf. Ich halte sie für erlaubt, da ich
„doch mein Leben noch auf etwas Ungewisseres wage, wenn ich es
„darauf ankommen laße, von einem böseren Gifte, zu einer gefähr-
licheren Zeit, und unvorbereitet angesteckt zu werden. Ich bitte Sie
„herzlich lassen Sie mich wissen, was das Gesetz spricht, so bald als
„möglich. Vielleicht ist die Einimpfung schon geschehen wenn Ihre
„Antwort komt, aber schonen Sie mich nicht, ich will wissen ob ich
„geirrt habe, doch werde ich suchen es so lange als möglich auf
„zuschieben.
„Ich zwinge mich zu schließen: nur so viel von meinem Individuum.
„Ich bin 22 Jahr alt, Besitzer ansehnlicher Güter und trete in meinen
„Wirkungskreis mit dem ernstlichen Willen als solcher und als
„Mensch in jedem Yerhältniß meine Pflichten zu erfüllen und frei
„zu handeln. Sie weiser Mann werden mein unsichtbarer Gefährte
„sein und es wird mir sehr angelegen sein daß Sie sich der Gesell-
schaft nicht schämen dürfen. Für so vieles gegebene Licht
Ihr
ewig dankbarer Fabian Emil
KeichsGraf zu Dohna."
") s. Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Tagendlehre. Königsberg 1797.
8. 75. (Kants sämmtl. Werke hrsg. v. Rosenkranz and Schubert. Bd. IX. S. 275).
Die casuistische Frage lautet: „Wer sich die Pocken einimpfen zu lassen beschliesst,
wagt sein Leben aufs Ungewisse: ob er es zwar thot am sein Leben zu erhalten,
und ist so fern in einem weit bedenklicheren Fall des Pflichtgesetzes, als der See-
fahrer, welcher doch wenigstens den Sturm nicht macht» dem er sich anvertraut,
statt dessen jener die Krankheit, die ihn in Todesgefahr bringt, sich selbst zuzieht.
Ist also die Pockeninoeulation erlaubt?"
392 Aus Kant'f Briefwechsel.
Sodann schrieb Professor Juncker in Halle (t 27. Dec. 1800), der
sich seit 1792 durch verschiedene Schriften und ein besonderes Archiv der
Aerzte und Seelsorger wider die Pockennoth (7 Stücke. Leipz. 1796—99)
bekannt gemacht hatte, zweimal an Kant; der erste Brief scheint nicht
mehr vorhanden zu sein; der zweite vom 27. Juni 1800 lautet:
„Erlauben Sie mir, würdigster Mann, Sie hiermit noch einmal
„inständigst zu ersuchen: über die Frage:
„ob und in wiefern Sie die Einimpfung der Menschen-
„blättern für sittlich oder unsittlich halten?
„Ihr Gutachten mir gefälligst mitzutheilen. Ich würde diese inständige
„Bitte gewiß nicht wiederholen, wenn nicht die Auffoderungen einiger
„der würdigsten Mitglieder unserer Gesellschaft mich hierzu ver-
pflichteten. Ich wiederhole in dieser pflichtmäßigen Rücksicht die
„obige Bitte, und verbleibe in der gewißen Hofnung auf eine baldige
„gefällige Erklärung
Ihr Ihnen innigst ergebener Verehrer
Dr. J. C. W. Juncker
Prof. med. ord. Haien f."
■
Ob Kant diese Briefe wirklich beantwortet habe, weiss ich nicht.
Aber es lässt sich vermuthen nach den Notizen, die sich auf verschiedenen
Zetteln zerstreut vorfinden. Auf dem einen steht nur die Ueberschrift:
„Zur Beantwortung der Aufforderung des Hr. D. Juncker in Halle
„den 27. Juny 1800 an mich erlassenen Brief wegen der Pockennoth11
sonst keine Zeile. Ein anderer Zettel enthält folgende Notiz:
„Jetzt ist von der Pockennoth und von dem Pockenrecht des HE.
„Grafen von Maltiz [sie] in Schlesien die Bede imgleichen Junkers
„seine hierüber zugeschickte Schriften, die Eubpocken-seuche mit
„eingeschlossen."
Auf einem dritten Zettel hat Kant folgendes vermerkt:
„In die Jahrbücher der preußischen Monarchie einen Brief an den
„Grafen Dohna die Pockeneinimpfung u. deren Zuläßigkeit oder
„Unzuläßigkeit der Pockeneinimpfung betreffend (vide Rechtslehre)
„mit Bücksicht auf Prof. Juncker in Halle den Feuerlärm darüber
„zu mäßigen.
Von Rodolf Reioke. 393
„Damit Staaten nicht mit Menschen überfallt werden u. man sie
„in ihrem Eeim ersticke zwey Übel als Gegenmittel in sie ge-
siegt — die Pocken und den Krieg. Der zunehmende luxus ver-
hindert auch schon sehr den Überschuß der Gebohrnen. Die Natur
„verfahrt mit Menschen nicht gelinder als mit Pflanzen- und Thier-
„arthen. Durch die Fruchtbarkeit ersetzt sie überflüßig den Verbrauch
„derselben ohne daß man naturwidrige Mittel brauchen darf.1'
Danach scheint Kant eine ausfuhrliche Erörterung dieser Angelegen-
heit in den Jahrbüchern der preussischen Monarchie beabsichtigt zu
haben. Ich habe dieselben durchgesehen; sie enthalten wol mehrmals
Artikel betreffend „die landesväterliche Sorge des Königs für die Ge-
sundheit der Unterthanen, besonders in Rücksicht auf die Pockennoth(i,
auch „Nachrichten über zahlreiche Blatternimpfungen auf dem Lande",
aber einem Aufsatz von Kant bin ich nicht begegnet.
Nun fand ich aber ganz unvermuthet in dem zehnten Convolut des
grossen nachgelassenen Manuscripts von Kant, das von dem U eber-
gange von den metaphysischen Anfangsgründen der Natur-
wissenschaft zur Physik handelt (abgedruckt in der Altpr. Mtsschr.
Bd. XIX. 1882. Hft. 3/4) auf dem achten und neunten Blatte (cf. S. 270
von mir bezeichnet mit II (Halbbogen), 1 und S. 274 Bogen in, 1.)
eine längere Auseinandersetzung über dieses Thema, die man vielleicht
als den Entwurf zu dem von ihm für die Jahrbücher der preussischen
Monarchie bestimmten Artikel anzusehen hat. Ich gebe dieselbe hier
wörtlich wieder, indem ich nur die Interpunction hinzufüge, die Kant
überall fast gänzlich weglässt. Das erste Blatt ist mit A bezeichnet
und trägt am Bande die Ueberschrift: „Pockennoth"
„Unter allen Gefahren, in die der Mensch der etwas wagt ge-
„rathen kan, ist die in Versuchung der Verletzung seiner Pflicht
„zu gerathen, für einen wohldenkenden Menschen die größte ihrer
„Wichtigkeit nach, obgleich, was das öftere Eräugnis einer solchen
„Versuchung betrift, dieser Fall oft genug vorkomt.*
„In Todesgefahr zu gerathen ist allerdings ein großes Übel,
„und wer sich darin bringt, da er es hat vermeiden köüen, fehlt
Altpr. Monatöachrift Bd. XXII. Hft. 5 u. 6. 26
f 394 Auf Kant's Briefwechsel.
«(peccat), ist unklug aus Leichtsiö; aber der, welcher sich der Ge-
fahr aussetzt, zu einer lasterhaften That verleitet zu werden, der
«verbricht (delinquit), wen er sie gleich nicht ausgeübt hat und
«ist ein böser Mensch. — Andere Menschen aber vorsetzlich in
„die eine oder die andere dieser Gefahren durch Beyspiel oder Be-
, redung zu bringen, ist Bosheit (malitia). Ein habituell böser ist
«ein verworfener Mensch (deperditus).*
* *
«Nun wird die Frage aufgeworfen: Ist es erlaubt, einen Anderen
«in die eine oder die andere dieser Gefahren, mit oder ohne seine
«Einwilligung zu bringen, damit etwas Gutes — ein physisches oder
« moralisches Heil für Menschen herauskome, das ohne diese Gefähr-
dung (periclitatio moralis) nicht bewirkt werden dürfte? der Apostel
«sagt „daß deren die so denken Verdamnis ganz recht sey". ") —
«Ein großes Beyspiel für diese Casuistische jetzt sehr in Anregung
«gebrachte Frage ist eine besondere Art von Gefahren nämlich:
„Die Pockeimoth."
«Abgesehen von der moralischen Bedenklichkeit, ein Übel in der
«Welt, dem man steuren kööte, geschehen zu lassen, ja es wohl gar
«zu veranstalten, wird diese so genante Noth bey der Seltenheit
«einer Epidemie dieser Art gar wenig gefühlt, und von der Unsicher-
«heit des Lebens der Kinder überhaupt in der ersten Epoche des-
selben verschlungen, ohne Aufsehen zu machen, und es scheint,
«daß es mehr den Aerzten darum zu thun ist, ihrer Heilkunde Ehre
«zu machen, als einer vom Volk gefühlten großen Noth abzuhelfen,
„wie etwa der Hungersnoth, Holtznoth, u. d. g.*
«Es ist also bey dem Pockenübel, was nun schon von undeut-
licher Zeit her in das Menschengeschlecht eingeartet zu seyn scheint,
«die Gefahr nicht so wohl in dem, was wir leiden müssen, als was
«wir hiebey veranstalten sollen, d. i. um die Moralität unseres
«Verhaltens zu thun, diese Krankheit und deren Abwendung entweder
«dem Zufall der Naturursachen zu überlassen mit Zuziehung der
'*) BOmer 3, 8.
Von Rudolf Reicke. 395
„Meister in der Kunst nämlich der Aerzte, oder sie uns vorsetzlich
„zu geben, um sie methodisch zu behandeln, und da sie von der
.besonderen Art ist, daß, wen die Einimpfung einmal glücklich ge-
klungen ist, man jene nicht noch zum zweyten mal befürchten darf* .
„Wie es einmal mit unserer Gattung steht, so ist das Pockenübel
„und die damit verbundene Gefahr*
Hier bricht das Fragment plötzlich ab und Kant behandelt sein
eigentliches Thema zur Physik weiter fort Am Rande auf derselben
Seite hat er an zwei verschiedenen Stellen noch folgendes bemerkt'.
„Die Glückseeligkeitslehre ist das Princip der Gymnastik (negativ,
„sustine et abstine) und das Wohlseyn (salus) mens sana in corpore
*sano setzt doch Moral voraus8.
„Fiat exper. in corpore vili und unter die vilia wird jeder Unter-
„than der nicht zugleich gesetzgebend (nicht republicanisch) ist ver-
standen. Pockeneinimpfung gehört also unter den Titel der heroica*.
Auf dem zweiten Blatte^ mit B bezeichnet, heisst es:
Über die Pockennoth.
„Die Größte Gefahr für Menschen in ihrem Verkehr unter ein-
ander ist die, Anderen Unrecht zu thun. Unrecht zu leiden ist
„hingegen für nichts zu achten, und es zu dulden, ist oft gar vor-
„ dienstlich, wen man hoffen darf, daß eine solche Toleranz den
„Muth willen zu beleidigen nicht noch verstärken dürfte c.
„Unter den mancherley Nöthen, die das Schicksal über das mensch-
liche Geschlecht verhängt hat, ist eine Noth, Krankheiten, wegen
, deren man in größerer Gefahr ist, wen man sich der Natur über-
„läßt, als wen man ihr zuvorkomt und sie sich selbst zufügt, um
„sie mit mehrer Sicherheit heilen zu könen, nämlich die Pocken-
„noth, von welcher hier nun die moralische Frage ist ob der ver-
„ nünftige mensch sie sich und anderen, die selbst kein Urtheil haben
„(Kindern), die Blattern durch Einimpfung zu geben befugt sey,
„ oder ob diese Art sich in Gefahr des Todes (oder der Verstümelung)
„zu setzen nicht gäntzlich moralisch unzuläßig sey, hierüber also
26*
396 Ana Kant's Briefwechsel.
„nicht blos der Arzt sondern der moralische Rechtslehrer in An-
spruch genomen werden müsse. — Etwas wird hiebey imer gewagt,
„aber die moralische Waghälsigkeit (etwas auf die Gefahr unrecht
„zu thun) ist doch offenbar größer als die physische welche*
Hier bricht der Satz wieder ab, am Rande steht folgende Be-
merkung :
„Die Pockennoth ist darum eine der am meisten bekümernden,
„weil das Mittel wieder [sie] dieselbe zugleich der Moralität ent-
gegen scheint*.
Dann heisst es im Text weiter:
„In Todesgefahr zu gerathen ist ein Übel (etwas physisch
„Böses), sich aber darin willkührlich zu begeben, eine Pflichtver-
, letzung (etwas moralisch Böses), man mag sich nun sie vorsetzlich
„zuziehen, oder sich auch nur hierin dem Zufall überlassen, den die
„Maxime des Verhaltens in solchen Umständen zieht dem hiebey
„gleichgültigen doch den Vorwurf des Selbstmordes zu*.
„Wer sich oder andere, wen er es hat verhüten könen, in Todes-
gefahr komen läßt fehlt (peccat), der sich darin begiebt ver-
bricht (delinquit). Beyde sind strafbar, der eine blos vor dem
„Richterstuhl seiner eigenen Vernunft (ethisch), oder dem eines
„äußeren Machthabers (juridisch)*.
„Unter allen Gefahren aber, in die sich jemand begeben, oder in
„die er gerathen mag, ist die der Pflichtverletzung, wen man sich
„ihr aussetzt, die bey weitem größte, zwar sich auszusetzen nicht
„so wohl (qvantitativ), daß man öfterer und leichter in sie zu ge-
„rathen fürchten muß, als (qvalitativ) , daß sie durch kein Ver-
dienst aufgewogen und getilgt werden und so auf gewisse Weise
„moralisch-unsterblich ist*.
„Es sind zweyerley Gefahren, in die ein Mensch, der etwas wagt,
„gerathen kan, nämlich entweder an seinem Vortheil einzubüssen,
„oder seine Pflicht zu verletzen; bey welcher die Zufälligkeit (in
„Gefahr zu komen z. B. auf einem schmalen Brett über einem Ab-
sgrunde oder über eine Brücke ohne Lehnen) in Gefahr zu komen
„größer sey, wird hier nicht in Betrachtung gezogen, sondern
Von Rudolf Eeicke. 397
twas ärger ist: wieder [sie] die Klugheit in Beobachtung meines
„Vortheils, oder wieder das Sittengesetz in Befolgung meiner Pflicht
„zu verstoßen. Diese zwey Bestimungsgrunde der Wahl müßei
„aber rein abgesondert und un vermischt in Betrachtung gezogen
»werden; den wen die bewegende Ursache zum Theil das eine, zum
tTheil das Andere in Betrachtung zieht, so kan die Vernunft gar
„keinen sicheren Ausschlag mit einer solchen Waage finden, daher
„man auch fragen kan: Was ist wichtiger?44
»Ob die Gefahr qvantitativ größer (leichter sich eräugnend) oder
„qvalitativ größer (wichtiger) sey: in dieser Frage wird hoffentlich
„jeder Wohldenkende das letztere wenigstens aussprechen. Der Znstand
„eines seine Lage kenenden Menschen, sich im er in Gefahr zu wissen,
„ist eine von den empfindlichsten nöthen, dafür man es lieber be-
schließt kurz und gut sich in das Bedrohende zu stürzen44.
Am Rande steht endlich noch die folgende Bemerkung:
„Unter allen Nöthen ist die Gefahr, in ein Gedränge zu gerathen,
„den moralischen Grundsätzen abtrünig zu werden: allein diese Noth
„kan jederzeit überwunden werden, weil der Mensch das jederzeit
„kan was er soll, weil unumgängliche Pflicht ihm vor Augen gestellt
„wird. Selbst auch nur gestehen zu müssen, man fühle sich in Ge-
Jahr, seine Pflicht in gewissen Versuchungen nicht wiederstehen,
„sondern sie wissentlich übertreten zu köiien, ist schon eine Ver-
dorbenheit des Herzens, deren der Mensch sich schämen muß".
Man sieht, zu einem rechten Abschluss ist Kant auch hier nicht
gekommen; ich aber komme zum Abschluss, indem ich alles übrige,
was ich hier noch habe mittheilen wollen, zurücklege und Sie im Namen
des verhinderten Vorsitzenden ersuche, dem Weisen und Guten,
dessen Geburts- und Namenstag uns heute vereinigt, ein gutes Glas
zu weihen, mit dem Wunsche, es möge sein kategorischer Imperativ,
der uns mehr wie je in dieser realpolitischen und leider auch real-
moralischen Zeit noth tbut, nie aufhören, zu gelten.
Es lebe Eants kategorischer Imperativ!
1
"■^"\^*" »w"X- 's*'
L«)
Beck an Kant
Wohlgeborner,
Hochzuehrender Herr Professor!
Ewr. Wohlgebornen waren gütig mir vor drey Monathe ein
Empfehlungsschreiben an den P. Born in Leipzig zu geben. Ich habe
mich da einige Wochen aufgehalten und endlich recht gute Aussichten
verlassen müssen, weil ich nicht Mittel genug hatte lange ohne Ver-
dienst daselbst leben zu können, kein "Weg aber, etwa zu einer Hof-
meisterstelle oder zu Arbeiten bey Buchhändler, nach welchen sich da
viele Hände reissen, sich mir eröfuen wollte. Jetzt bin ich in Berlin
wo ich ein Unterkommen eher zu erhalten hoffe. Dem Bibliothekar
Biester bin ich durch Herrn P. Krause bekannt. Er erlaubt mir den
Gebrauch der Königl. Bibliothek, aus welcher ich jetzt Newtons Schriften
bey mir habe. Wenn Ewr. Wohlgebornen so gut seyn wollten, an
Gedicke oder sonst wen der Einfluß hat, mir Empfehlungsschreiben zu
schicken: so wäre mir es in vielem Betracht sehr angenehm. Ich er-
suche ergebenst Sie deswegen.
Mit demjenigen Zutrauen das eine Folge des Verhältnisses des
Schülers gegen den Lehrer ist, schreibe ich Ewr. Wohlgebornen mein
Urtheil über die Docenten der Leipziger Universität. Reissender kann
wohl nicht der Strom der Zuhörer zu den. philosophischen Hörsälen soyn
als er hier ist, aber elender als hier kann die Art Philosophie zu lehren,
geschweige sie zu entwickeln und zum philosophiren anzuführen, nirgends
existiren. Platner ist ein jämmerlicher Mann. Sein Ich welches, wenn
von Philosophie die Bede ist, wohl wenig Bedeutung hat, vernimmt
der Zuhörer öfter als Inhalt und wirklich öfter als das was dieses Ich
eigentlich geleistet hat. Ohngeachtet er mich kannte und im Auditorium
zu bemerken schien, unterließ er doch nicht seine Zuhörer mißtrauisch
,4) Die Originale von I— XIII und XV. XVI befinden sich auf der Dorpater
Unirersitats-Bibliothek. Ex bibl. Car. Morgenstern CCXCI. Briefe an Kant. I.
No. 59. 61-67. 69-75.
Von Rudolf Beicke. 399
gegen Kantische Philosophie, deren Geist er vollkommen gefaßt zu
haben, [sze\ vorgab zu machen. Den F. Caesar glaube ich wegen seines
gutmüthigen Characters schätzen zu müssen. Er bemüht sich wirklich
Ihr System zu studiren. Nur weiß ich nicht was man aus der be-
sondern Art Zweifel die er gegen dasselbe hat, machen soll, z. B. daß
er Licht und Einheit finde in der Deduction der Kategorien der Quan-
tität und Qualität aber Dunkelheit, ja Widersprüche in Absicht der
Relation und Modalität. Es thut mir sehr leid, daß Born schlechten
Vortrag hat. Auch kömmt mir sein Benehmen zu hitzig vor und
als eine Folge der Aergerniß daß er keine Zuhörer hat. Hindenburg
schätzet Sie sehr. Er sagte mir daß er mit der Philosophie wieder
versöhnt sey, seitdem er Ihre Schriften studire. So gut auch der Vor-
trag dieses vor trc Sieben Mannes in der Mathematik und Physik ist so
hat er gleichwohl wenig Zuhörer. Die Vernachlässigung dieses Studiums,
glaube ich, legt den Grund der tändelnden Art zu studiren die in Leipzig
scheint im Gebrauch zu seyn. Als Preusse habe ich daselbst sehr gute
Aussichten. Da ich für Wissenschaften brenne: so wünsche ich wohl
meine Laufbahn da machen zu können. Ich muß mir aber erst das
verdienen was zum Anfange derselben nöthig ist Empfehlungen von
Ewr. Wohlgebornen könnten vieleicht darin mir behülflich seyn. Ich
bin mit innigster Hochachtung
Ewr. Wohlgebornen
Berlin ergebenster Diener
d. 1*2 August 1789. Beck.
n.
Beck an Kant.
Wohlgeborner Herr,"
Hochzuehrender Herr Professor!
Erlauben Sie daß ich Ihnen ein Exemplar meiner Dissertation16)
schicken darf. Dieses geschieht nicht, weil ich ihr einen Werth bey-
") De theoremate Tayloriano, sive de lege generali, secondom quam funetiones
mnUnkr, mutatis a quibus pendeant variabilibus. Diss. pro licentia (16. April 1791).
Halae. Sein Bespondeot war Frdr. Theod. Foselger aas Elbing, Rechtsbeflissener;
gewidmet ist die Schrift (20 S. 4.) dem Pastor und Bector der Marienbarger Schale
Carl Theod. Wandscb.
400 Aai Kant's Briefwechsel.
lege; sondern weil ich wünsche, daß Sie sich an mich eines ihrer [sie]
Wahrheit liebenden Schüler erinnern wollen. Mein eigenes Bewußtseyn
übelführt mich, daß es auch solche Menschen giebt, die viel Gefühl
für Wahrheit haben und die mit wahrer Wärme andern ihre Einsichten
mittheilen mögen, die aber doch nur Pfuscher sind wenn sie Schrift-
steller seyn wollen. Dieses letzte in meiner Rücksicht beweißt meine
Ihnen mitgetheilte Schrift. Ich habe nunmehr die Licenz zu lesen.
Da ich die Freundschaft des Klügeis besitze, so zweifele ich nicht
Zuhörer zu meinen mathematischen Oollegien zu erhalten, und bin herz-
lich froh, daß ich jetzt auf einer Laufbahn bin, zu der ich glaube
bestimmt zu seyn. Bekomme ich Zuhörer zu philosophischen Vor-
lesungen, so werde ich im Stillen die Ueberzeugung zu verbreiten suchen,
die Ihr mündlicher und schriftlicher Unterricht in mir bewirkt hat.
Ich bin mit einer herzlichen Hochachtung ganz
Halle der Ihrige
d. 19JS2 April 1791. Beck.
m.
Beck an Kant.
Mein Theuerster Lehrer!
Die freundschaftlichen Gesinnungen die Sie in Ihrem Briefe gegen
mich äussern, stärken mein Gemüth, das leider! manchmahl wegen
Zweifel an eignen Kräften und Tauglichkeit niedergeschlagen ist. Ich
danke Ihnen herzlich dafür und auch für die Erlaubniß wieder an Sie
schreiben zu dürfen. Beym Herrn Geheimen Rath v. Hofmann bin ich
gewesen und habe ihm für seine Geneigtheit gegen mich die er in
seinem Briefe an Sie hat blicken lassen, gedankt. Er begegnete mir
sehr gütig und ich kann wohl glauben, daß er mir nützen werde, wenn
er Gelegenheit dazu haben wird. Sonst genüsse ich hier wirklich einen
Vortheil und zwar durch die Fürsorge des Herrn Professor Jakob, der
sobald ich nach Halle kam, mich dem Schulkollegium des hiesigen
Gymnasiums so sehr dringend empfahl, daß es mich bey diesem
Gymnasium, bey dem er selbst so lange Schulkollege gewesen, zum
Collaborator wählte. Dieser Vortheil beträgt etwa 90 oder 100 Thlr.
Von Rudolf Beicke. 40 \
und ist überdem mit der ziemlich sichern Hofnung verknüpft Schul
Kollege zu werden wenn eine Vakanz vorfällt. Herr Pr. Jakob ist jetzt
von der Schule abgegangen; allein ein anderer als ich, der ein älteres
Recht dazu hatte, ist an seiner Stelle Lehrer geworden. Seit vorigen
Montag sind hier die Collegia angegangen. Ich lese die reine Mathe-
matick nach Klügeis Lehrbuch und habe etwa 8 Zuhörer, die aber
wahrscheinlich mir nichts bezahlen werden. Auch habe ich heute ein
Publicum zu lesen angefangen, nehmlich die mathematische Geographie,
worin freylich eine ganze Menge Studenten waren, die sich aber, weil
es Vorkenntnisse verlangt, wahrscheinlich bis auf wenige verliehren
4
werden. Zur philosophischen Vorlesung hat sich niemand bey mir ge-
meldet. Ich bin dieses schlechten Anfangs wegen aber gar nicht muthloß.
Denn ich meyne es ehrlich und glaube daß man die Absicht zu nutzen
mir anmerken werde. Schelten Sie aber doch nicht, daß ich Sie von
meinen Umständen so lange unterhalte.
Auch von literairischen Dingen haben Sie mir erlaubt Ihnen zu
schreiben. Verehrungswürdiger Mann ! Sie lieben die Sprache der Auf-
richtigkeit, und verstatten es mir Ihnen herzlich zu beichten, was mir
auf dem Herzen liegt. Die Kritick habe ich gefaßt. Es war mir
Herzenssache sie zu studiren, und nicht Sache des Eigennutzes. Ich
habe Ihre Philosophie lieb gewonnen, weil sie mich überzeugt. Aber
unter den lauten Freunden derselben, kenne ich keinen einzigen, der
mir gefällt. So viel ich spühren kann, ist es eitel Gewinnsucht, welche
die Leute belebt, uud das ist unmoralisch und schmeckt wahrlich nicht
nach Ihrer practischen Philosophie. Herr Professor Reinhold will durch-
aus alle Aufmerksamkeit an sich ziehen. Aber so viel ich auch auf-
gemerkt habe, so verstehe ich doch kein Wort und sehe nichts ein von
seiner Theorie des Vorstellungs Vermögens. Dem Professor Jakob bin
ich gut, bis auf seine Büchermacherey. Er ist wirklich ein Mann von
guter Denkungsart. Aber er hat kritische Versuche seinem Hume an-
gehängt, welche ein schlechtes Contrefait dazu sind. Er will hin und
wieder Mathematicker darin scheinen, und da er es doch nicht ist, so
begeht er ausserordentliche Absurditäten. Im verlaufenen Winter halben
Jahre hat er die Logick und Metaphysick, eine empirische Psychologie
402 Aus Kaut's Briefwechsel.
und einen moralischen Beweiß des Daseyns Gottes geschrieben. Auf
die Art verdirbt man viel. Denn statt dem Publicum bey einer der
Menschheit interessanten Angelegenheit behülflich zu seyn, bringt man
dem denkenden Theil desselben Verdacht gegen die gute Sache bey.
Sonst ist Jakob gewiß ein guter Mann, den ich aber noch weit mehr
lieben wurde, wenn Philosophie ihm mehr Herzenssache als Vortheils-
sache wäre. Ich halte mich lediglich an die Eritick und lese nichts
mehr was von Gegnern oder Freunden derselben geschrieben ist
Herr Kiese wetter hat an Jakob geschrieben, daß die Ostermesse
Ihre Moral herauskommen wurde. Auf diese bin ich begierig. Denn
es schweben mir in diesem Felde noch manche Dunkelheiten vor, die
eine Moral von Ihnen aufhellen wird.
Daß Herr Prof. Jakob jetzt hier Professor Ordinarius geworden,
werden Sie aus seinem Briefe an Sie wahrscheinlich schon erfahren haben.
Die Giessener haben dem Magister Schmidt die Vocation angetragen.
Er hat sie aber wie mir Jakob sagt, ausgeschlagen, weil er in Jena
eine Predigerstelle und sonst gute Aussichten hat.
Sie verlangten daß ich unfrankirt an Sie schieiben sollte. Dann
aber nehmen Sie es mir auch wohl nicht übel, daß ich einen Brief
an Herrn Pr. Kraus einlege.
Herr Professor Klugel empfiehlt sich Ihnen. Er sagt, die Ursache
warum Sie von Freunden und Gegnern nicht verstanden werden, ist
weil diese nicht Mathematicker sind.
Ich bin mit der lautersten Hochachtung
Halle der Ihrige
d. 1*2 Juny 1791. Beck.
IT.
Beck an Kant
Halle d. 6*£ October 1791.
Theuerster Herr Professor,
Vor einiger Zeit erhielt ich einen Brief von dem Buchhändler
Herrn Hartknoch aus Riga, der mich bat und zwar, wie er sagte, anf
Ihren Rath, einen Auszug Ihrer sämmtlichen Schriften lateinisch zu
Von Rudolf Reicke. 403
sehreiben. Da ich keinesweges mir die dazu gehörige Fertigkeit des
Ausdrucks in dieser Sprache zutraue, so lehnte ich ohne Bedenken
diesen Antrag von mir ab. Ich tbat ihm aber einen andern Vorschlag,
den nehmlich, Verleger zu werden von einer Prüfung der Theorie des
Vorstellungsvermögens des Herrn Keinholdts; oder auch von einer Ver-
gleichung der Humeschen Philosophie mit der Ihrigen, die ich nach
und nach ausarbeiten wollte. Was mich nun auf einmahl dazu brachte,
was schreiben zu wollen, war in Wahrheit nicht Genie-Drang, sondern
eine behuthsame Ueberlegung. Da ich nehmlich bedachte, daß es um
das Lesen eines neuen Magisters eine mißliche Sache ist, und mein
anderweitiger Verdienst so geringe ist, daß bey aller Einschränkung
ich dennoch davon nicht subsistiren kann, so fiel ich auf die, in unsern
Tagen leider! von zu vielen zugesprochene, aber doch noch immer
ergiebige Quelle, was zu schreiben. Nun muß ich freylich gestehen,
daß ich nicht sehr gehindert werde, alle blosse Buchermacher als Be-
trüger anzusehen. Auch muß ich das gestehen, daß wegen meiner
sehr langsamen Progressen in der Mathematick, ja deswegen, weil ich
nichts Neues der Welt zu sagen habe, ich mich eben für keinen be-
ruffenen Scribenten ansehen kann. Da ich aber an die Theorie des
Yorstellungsvermögens Vermögens [sie] dachte, so schien der Vorwurf
darüber was zu schreiben, einen Theil meiner Bedenklich[kei]ten zu
lieben. Ich bin von der Nichtigkeit dieser Theorie so sehr überzeugt,
daß ich im Stande bin, gar Ihnen, mein Urtheil darüber zu sagen,
und da die Kritick mich überzeugt hat, so glaubte ich über diese Theorie,
nach Anstrengung meiner Kräfte, was Gedachtes und nicht ganz Un-
nützes hervorzubringen. Um jedoch nichts zu unternehmen das auch
spätherhin mich mit mir selbst unzufrieden machen dürfte, entschloß
ich mich zu dem, Ihnen, beßter Herr Professor, offenherzig mein Unter-
nehmern anzuzeigen, und Ihren Rath mir darüber auszubitten.
d. 8£? October.
So weit war ich, da ich Ihren freundschaftlichen Brief vom 271 Sept.
erhielt. Nun darf ich mit etwas mehr Muth weiter schreiben. Zuerst
muß ich Ihnen sehr danken, für das Vertrauen das Sie zu mir fassen.
So gut ich nur immer kann, werde ich desselben mich werth zu machen
* ~ " "I
404 Au8 K*Dt'8 Briefwechsel.
suchen. Mit Freymüthigkeit, aber auch mit Furchtsamkeit schicke ich
Ihnen eine Probe meiner Aufsätze über die Theorie des Vorstellungs-
vermögens. Sie haben die Form der Briefe, weil ich sie wirklich an
einen hiesigen Freund einen gewissen Magister Rath, der im Stillen
die Kritick beherzigt, und den ich sehr liebe, gerichtet habe, der mir
auch ein Paar Aufsätze dazu als Antworten versprochen hat, so daß
die ganze Schrift vieleicht 8 Bogen stark werden könute. Aber Sie
bitte ich vor allen Dingen, sie zu beurtheilen. Das imprimatur oder
non imprimatur soll ganz von Ihnen abhängen. Eigentlich habe ich
wohl die Absicht sie anonymisch zu schreiben. Wenn Sie aber Gelegen-
heit haben, mich mit Herrn Reinholdt bekannt zu machen, so würde
das gleichwohl mir angenehm seyn, und ich würde auch in dem Fall,
sehr sorgfältig alles, was selbst entfernt ihn böse machen könnte, meiner
Schritt benehmen. Einen Auszug aus Ihren kritischen Schriften zu
machen, wird vorzüglich daher mir ein angenehmes Geschäfte seyn, weil
Sie mir erlauben, meine Bedenklichkeiten, grade Ihnen vorzulegen.
Die Eritick d. r. V. habe ich mit dem herzlichsten Interesse studirt,
und ich bin von ihr wie von mathematischen Sätzen überzeugt. Die
Eritick der practischen Vernunft ist seit ihrer Erscheinung meine Bibel.
Aber ich wünsche jetzt nicht so viel, Ihnen geschrieben zu haben, um
einige mir vorkommende Schwierigkeiten, welche jedoch die eigentliche
Moral betreffen, Ihnen vorlegen zu können.
An Herrn Pr. Eraus bitte ich inliegenden Brief abzugeben. Vor
allen Dingen habe ich diesem vortreflichen Mann die Ursache angeben
müssen, warum ich Schriftstellern will. Aber Sie habe ich noch ganz
vorzüglich zu ersuchen ihn zu bitten, daß er mir deshalb nicht böse
seyn wolle. Seinen Unwillen fürchte ich mehr als den Tadel der
Becensenten.
Da Sie so gütig sind zu verlangen, daß ich meinen Brief nicht
frankire, so thue ich es, auch diesesmahl nicht. Da jedoch ich künftig
was verdienen werde, so bitte ich für die Zukunft mir [*ic] das Porto
tragen zu lassen. Ich bin mit der herzlichsten Hochachtung
der Ihrige
Beck.
Von Rudolf Reicke. 4Q5
y.
Beck an Kant.
Halle d. 11*2 November 1791.
Theuerster Herr Professor!
Bald nachdem ich den Brief votn 2^2 October an Sie geschrieben
hatte, und noch täglich an der Prüfung der Theorie des Vorstellungs-
vermögens etwas arbeitete, wurde der Gedanke mir immer auffallender,
daß ich doch im Grunde für kein Publicum schriebe. Da ich nun
gestern Ihren mir sehr lieben Brief vom 2£H November erhielt, so be-
schloß ich gleich, diese Arbeit ganz bey Seite zu legen. Aber, obgleich
dem so ist, so liegt mir doch daran, Sie zu versichern, daß ich weit
entfernt gewesen, etwas in meine Schrift zu setzen, was Herrn Reinholdt
auf den Gedanken bringen könnte, daß Sie was darum wüßten. Auch
hätte ich mir nichts Hartes gegen diesen Mann erlaubt, der des Wahr-
heit-Gefühls wegen, das er in seiner Schrift äussert, mir immer sehr
schätzbar ist. Ganz unnütze für mich ist auch meine Beschäftigung
mit seiner Theorie nicht gewesen, indem ich Vieles mehr nachgedacht
und mir auch geläufiger gemacht habe.
Ich wende mich nun zu der mir weit interessanteren Arbeit, einen
Auszug aus Ihren kritischen Schriften zu verfertigen, und schiebe die,
dem Herrn Hartknoch angebotene Schrift über Hume noch etwas auf.
Mit dem mir möglichen Fleiß will ich arbeiten und werde, beßter
Herr Professor, da Sie es mir ja erlauben, Ihnen das schreiben, was
ich noch nicht tief genug bis zur eigenen Beruhigung einsehe. Wenn
Sie nun so gütig seyn wollen, deswegen an Herrn Hartknoch zu schreiben,
so wird mir das sehr angenehm seyn. Er wird aber auch so gut seyn
müssen mir aus seinem Lager in Leipzig einige Sachen, besonders
Journale, die ich mir ausbitten werde, zu schicken.
Und nun, erlauben Sie mir, zu fragen, ob ich in Folgendem Ihren
Sinn treffe. Nur muß ich Sie vorher bitten doch nicht verdrüßlich
zu werden, wenn bey der Versicherung die Eritick beherzigt zu haben,
ich doch vieleicht zu fehlerhaft schreibe.
406 A-08 Kant'0 Briefwechsel«
Die Kritick nennt die Anschauung, eine Vorstellung die sich un-
mittelbar auf ein Object bezieht. Eigentlich aber wird doch eine Vor-
stellung, allererst durch Subsumtion unter die Kategorien objecüv. Und
da auch die Anschauung, diesen, gleichsam objectiven Character, auch
nur durch Anwendung der Kategorien auf dieselbe erhält, so wollte
ich gern jene Bestimmung der Anschauung, wonach sie eine auf Ob-
jecto sich beziehende Vorstellung ist, weglassen. Ich finde doch in der
Anschauung nichts mehr, als ein vom Bewußtseyn (oder dem einer-
ley Ich denke) begleitetes und zwar bestimmtes Mannigfaltige, wobey
noch keine Beziehung auf ein Object statt findet. Auch den Begrif
will ich nicht gern eine Vorstellung die sich mittelbar auf ein Object
bezieht, nennen; sondern unterscheide ihn darin von der Anschauung,
daß diese durchgängig bestimmt, und jener nicht durchgängig bestimmt
ist. Denn Anschauung und Begrif erhalten ja, erst durch das Geschäfte
der Urtheilskraft die sie dem reinen Verstandesbegrif subsumirt, das
Objective. -|- ,8)
Unter dem Worte verbinden in der Kritick, verstehe ich nichts
mehr, noch minder, als das Mannigfaltige von dem identischen Ich
denke, begleiten, wodurch überhaupt eine Vorstellung entsteht
Nun meyne ich daß die ursprüngliche Apperception eben um dieser
einen Vorstellung willen, die dadurch nur zu Stande kommen kann,
von der Kritick die Einheit der Apperception genannt wird. Aber
habe ich auch darin recht daß ich beyde verwechsele, oder vielmehr,
darin lediglich den Unterschied finde, daß das reine Ich denke, ob-
gleich es nur an der Synthesis des Mannigfaltigen erhalten wird, doch
überhaupt (da es selbst nichts Mannigfaltiges in sich schließt) als
etwas Unabhängiges von demselben gedacht wird; hingegen die Ein-
heit des Bewußtseyns in der Identität desselben bey den Theilen des
") Kant hat hier ein \ gemacht und unten in 3 Zeilen vermerkt: „Die Bestimang
„eines Begrifs durch die Anschauung zu einer Erkentnis des Objects gehört für die
„Urtheilskraft aber nicht die Beziehung der Anschauung auf ein Object überhaupt;
„den" das ist blos der logische Gebrauch der Vorstellung dadurch diese als zum
„Erkentnis gehörig gedacht wird, dahingegen wefi diese einzelne Vorstellung blos
„aufc Subject bezog, wird der Gebrauch ästhetisch ist (Gefühl) und die Vorstellung
„kein Erkentnißstück werden kan".
Von Rudolf Reicke. 407
Mannigfaltigen zu setzen sey? Diese Einheit erhält nun in meinen
Angen den Character der objectiven Einheit, wenn die Vorstellung selbst
unter die Kategorie subsumirt wird. Herr Beinboldt spricht von einer
Verbindung und einer Einheit im Begrif, einer zweyten Verbindung und
einer zweyten Einheit (von der zweyten Potenz, wie er sich ausdrückt)
im Urtheil. Auch hat er noch eine dritte im Schluß. Davon verstehe
ich zwar nicht ein Wort, indem ich unter verbinden nichts mehr als
das Mannigfaltige vom BewuBtseyn begleiten, verstehe, aber doch macht
es mich mißtrauisch gegen mich selbst.
Mein Theuerster Lehrer, Ihnen Zeit rauben ist nicht meine Sache.
Aber, indem ich für dieses mahl nichts Weiteres Ihnen vorlegen will,
muß ich Sie inständigst bitten, mit wenigen Worten mich über das
Vorgelegte, zu beruhigen. Denn wenn ich irre, so würden doch wohl
nur einige Winke hinlänglich mich auf die rechte Bahn führen. Es
verhält sich mit diesem Studium darin ganz anders wie mit dem der
Mathematik. Sätze der letztern, einmahl deutlich eingesehen, können
wohl an Deutlichkeit nichts mehr gewinnen. Dies letztere findet doch
in der Philosophie statt. Klügel, dessen Scharfsinn ich oft zu bemerken
Gelegenheit habe, versichert mich, daß obgleich gar einmahl er ein
Collegium über die Metaphysick der Natur gelesen, er lange nachher
erst ein einigermassen widriges Vorurtheil sowohl gegen jene Metaphysick,
als auch wohl gegen die Kritik bis auf den Punct daß er sie schätze,
indem er sie immer mehr verstehe abgelegt habe. Ich erinnere mich
noch gar wohl, wie er, um die Zeit da ich hier angekommen war, über
die Bestimmung, wonach die Mathematik eine Wissenschaft durch
Construction der Begriffe sey, urtheilte. Ich konnte lange nicht errathen
was er damit haben wollte, daß sie eine Wissenschaft der Formen
der Grössen sey, und erfuhr erst da ich disputirte, daß seine Er-
klärung genau mit der Ihrigen congruire. Die Kritick der Urteils-
kraft befriedigt mich ganz. Nur müssen Sie nicht zürnen daß ich jetzt
erst mit dem ästhetischen Theil fertig bin. Ich bin mit der reinsten
Hochachtung
der Ihrige
Beck.
Am Kaat'a Brlefwochael
VI.
Beck an Kant.
Thenerster Herr Professor,
Heute habe ich das Vergnügen gehabt, H
kennen zu lernen. Er sagt, Sie erlauben es
Auszugs aus Ihren eritiseben Schriften zu s
Wissen geschrieben sey. Das ist nun wohl
dadurch noch nicht ganz beruhigt. Ich in
Publicum, und muß, nenn ich auch nur auf
seyn will, alle Vorsicht und Fleiß anwenden,
zu erscheinen. Wollen Sie mir erlauben, !
schicken, und darf ich Sie bitten, entweder
oder, da ich dieses' wohl nicht erwarten
Herrn Hofprediger Schultz in meinem Namen darum ersuchen?
Er kennt mich sehr wohl, und würde vieleicbt auch aus Freundschaft
für mich, und wenigstens wenn Sie insbesondere ihn darum bitten,
es wohl thtin.
leb wünsche gar sehr zu wissen ob ich in Folgenden Ihre Gedanken
treffe. Ich meyne daß man in der trausc. Aesthetick die Anschauung
gar nicht erklären dürfe, durch die Vorstellung die sich unmittelbar auf
einen Gegenstand bezieht, und die da entsteht, indem der Gegenstand
das Gemüth afficirt. Denn in der transc. Logick kann erst gezeigt
werden, wie wir zu objeetiven Vorstellungen gelangen. Die reine An-
schauung verbietet jene Erklärung schon von selbst. Ich sehe doch in
Wahrheit nicht daß ich irre, wenn ich sage: die Anschauung ist eine
durchgängig bestimmte Vorstellung in Ansehung eines gegebenen Mannig-
faltigen. Auch wird es mir so recht deutlich, daß die Mathematik
eine Wissenschaft durch Construction der Begriffe sey. Denn auch die
Algeber kann nicht anders als vermittelst durchgängig bestimmter Vor-
stellungen ihre Sätze beweisen. Auch muß man meiner Meynung nach
gar sehr bedacht seyn, das Subjective der Sinnlichkeit von dem Ob-
Von Rudolf Reicke. 409
jectiven zu scheiden, um nachher desto besser das eigene Geschäfte der
Categorien, welche die Objectivität den Vorstellungen geben, ins Auge
zu fassen.
Zweytens ist es mir sehr begreiflich, daß die Gegenstände der
Sinnenwelt, den Grundsätzen der transc. Urtheilskraft unterworfen seyn
müssen. Um dieses im hellen Lichte zu sehen, so subsumire man die
empirische Anschauung unter die Schemate der Categorien: so sieht
man so fort, daß sie nur dadurch Objectivität erhält, da dann die
Frage wie es zugeht, daß die Gegenstände sich nach jenen syntheti-
schen Sätzen a priori richten müssen, aufhört. Sie sind ja nur darum
Gegenstände, so fern ihre Anschauung der synthetischen Verknüpfung
des Schema unterworfen gedacht wird. Z. B. sehe ich die Gültigkeit
der Analogie, daß allen Erscheinungen was Beharrliches zum Grunde
liege, daher ein, weil, wenn ich das Schema der Substantialität auf die
empirische Anschauung beziehe, diese eben hiedurch Objectivität erhalte,
mithin muß der Gegenstand selbst, dieser synthetischen Verknüpfung
der Substanz und Accide/iz unterworfen seyn. Aber wenn ich bis zu
dem Princip der ganzen Sache hinaufsteige, dann treffe ich doch eine
Stelle an, wo ich sehr gern mir mehr Licht wünsche. Ich sage, die
Verbindung der Vorstellungen im Begrif ist von derjenigen im Urtheil
verschieden, so daß in der letzten noch über jene Verknüpfung die
Handlung der objeetiven Beziehung vorgohe, also die nehmliche Hand-
lang, durch welche man einen Gegenstand denkt In der That ist es
doch ganz was Verschiedenes, wenn ich sage, der schwarze Mensch,
oder, der Mensch ist schwarz, ") und ich meyne daß man sich nicht
fehlerhaft ausdrücke, wenn man sagt, die Vorstellungen im Begrif sind
zur subjeetiven Einheit, dagegen im Urtheil zur objeetiven Einheit des
Bewußtseyns verbunden. Aber ich gebe viel darum wenn ich tiefer
in die Sache greifen könnte und eben diese Handlung der objeetiven
Beziehung dem Bewußtsein besser darstellen könnte. In meinem
17] Kant hat hierzu auf derselben zweiten Seite unten bemerkt: „Der Ausdruk: der
„schwarze Mensch bedeutet den Menschen sofern der Begrif von ihm in Ansehung
»der Öchwärze bestirnt gegeben ist, aber der: der Mensch ist schwarz bedeutet die
»Handlung meines Bestimens".
▲hpr. MouatMchrift Bd. XX IL HfL 5 n. 6. 27
410 Aua Kant' s Briefwechsel.
letzten Briefe berührte ich diesen Punct als eine mir vorkommende
Dunkelheit, und beßter Herr Professor, aus Ihrem Schweigen darauf,
argwöhnte ich, daß ich Unsinn darin verrathen haben dürfte. Aber
ich mag die Sache um und um ansehen, so sehe ich nicht daß ich
grade was Ungereimtes gethan, wenn ich Belehrung darüber mir aus-
gebeten und Sie noch darum ganz inständigst ersuche.
Drittens, ist mir das Verfahren der Critick der practischen Vernunft
ausserordentlich einleuchtend und fürtreflich. Sie hebt von objectiv-
practischen Principien an, welche die die [sie] reine Vernunft ganz
' unabhängig von aller Materie des Willens, für verbindend anerkennen
muß. Dieser anfänglich problematische Begrif erhält unwiderlegbare
objeetive Realität durch das Factum des Sittengesetzes. Aber ich ge-
stehe, daß so einleuchtend wie der Uebergang der synthetischen Grund-
sätze der transc. Urtheilskraft zu Gegenständen der Sinnenwelt, die
ihnen unterworfen sind vermittelst der Schemate, mir vorkömmt, mir
der des Sittengesetzes vermittelst des Typus desselben, nicht erscheint,
und ich würde wie von einer Last befreyet seyn, wenn Sie freund-
schaftlich, die Nichtigkeit folgender Frage mir zeigen wollten. Ich
frage nehmlich, kann man sich nicht denken, daß das Sittengesetz
etwas geböte, das seinem Typus zuwider wäre, mit andern Worten:
kann es nicht Handlungen geben, bey denen eine Naturordnung niebt
bestehen kann, und die doch das Sittengesetz vorschreibt? Es ist ein
bloß problematischer Gedanke, aber ihm liegt doch das Wahre zum
Grunde, daß die strenge Notwendigkeit des categorischen Imperativs,
keinesweges von der Möglichkeit des Bestehens einer Naturordnung
herzuleiten ist; aber darin werde ich irren, wenn ich die Ueberein-
stimmung beyder für zufällig erkläre.
Und nun, lieber theurer Lehrer, werden Sie mir doch nicht ab-
geneigt, wegen meines vieleicht ungestühmen Anhaltens mit meinen
Briefen. Ich liebe und verehre Sie unaussprechlich und bin mit Herz
und Seele der
Ihrige
Beck.
Von Rudolf Reicke. 411
vn-
Beck an Kant.
Halle d. 8!fü September 1792.
Theuerster Herr Professor,
Sie haben mir erlaubt Ihnen mein Manuscript zu schicken und ich
benutze hiemit dieses gutige Anbieten. Da ich es mit Sorgfalt auf-
gesetzt und kein Nachdenken in dieser Arbeit mir erspahrt habe, so
giebt mir dieses einigen Muth dieselbe Ihnen vorzulegen. Was die
Schwierigkeiten betritt, die mich bisweilen quälten, und die ich zum
Theil Ihnen vorgelegt habe, so habe ich grosscntheils und nach und
nach aus eigenem fundo sie mir selbst gehoben. Daß der grade Gang
auch in Wissenschaften der beßte ist, erfahre ich täglich, indem jedes-
mahl, daß ich mich überredete, auch in der Critick was eingesehen zu
haben, das ich doch nicht hatte, ich mich nur vom Ziel auf längere
Zeit entfernt habe. Der Auszug aus der Critick der reinen Vernunft
geht in diesen Heften bis zur tranfcendentalen Dialectick. Ich habe ihn
schon einmahl ganz fertig gehabt; aber der Fortschritt in diesem Studium
und die dadurch erhaltene Aufklärung hat mich vermocht die ganze
Arbeit umzuwerfen und von Neuem den Aufsatz zu machen. Aber um
eine Unart muß ich um Verzeihung bitten. *Ich habe zwar das Manu-
script so leserlich als ich konnte geschrieben, aber es war mir unmöglich
es abschreiben zu lassen, weil die Leute die man hier dazu braucht,
Soldaten sind, und diese sich jetzt in Frankreich befinden.
Und nun, Lieber, Theurer Lehrer, darf ich freylich nicht Wähnen,
daß sie mein ganzes Geschreibe selbst durchgehen werden. Nur um
die Gefälligkeit muß ich Sie wirklich ersuchen, die einige Blätter von
der Deduction der Categorien und den Grundsätzen durchzugehen, woran
mir am meisten gelegen ist und mir zu zeigen, was ich wohl gar falsch
durfte gefaßt, oder Ihrem Wunsche nicht gemäß dargestellt haben. Der
Buchdrucker verlangt aber das Manuscript in einer Zeit von acht Wochen
und ich bin daher genöthigt es mir gegen Ende des Novembers zurück
zu erbitten.
Noch eine Privatfrage möchte ich gern thun, wozu mir Ihre Critick
durch die mir ausserordentlich einleuchtende Bemerkung, daß man einen
27*
412 Att» K*Qt'f Briefwech sei.
Baum durchweg erfüllt mit Materie sich denken und gleichwohl das
Reale desselben durch unendlich viele Grade verschieden setzen könne.
Ich habe mich niemals in die Vorstellungsart Kästners, Karstens :c.
daß man die Materie aus gleichförmigen Moleculis von einerley Schwere
bestehend sich denken müsse, um die verschiedenen Gewichte gleicher
Volumina sich zu erklären, finden können. Die critische Philosophie
hat bis zum Ergötzen mich hierüber belehrt. Um nun jene Erscheinung
mir zu erklären, stelle ich mir die Sache so vor. Die Erde zieht jeden
Körper auf ihrer Oberfläche an, so wie sie auch von ihm angezogen
wird. Aber die Wirkung des Körpers gegen | ") die Erde ist unend-
lich klein gegen die welche die Erde auf ihn hat und daher kommt es
daß die Fallhöhe im luftleeren Baum aller Körper ganz gleich ist.
Hänge ich aber zwey Körper von gleichem Volumen in denen kein Theil
leer seyn mag an die Wage, so wird die Wirkung welche die Erde auf
beyde äussert gegen einander aufgehoben, aber die Kräfte womit beyde
Körper die Erde anziehen, bleiben und sind es nun allein welche ein
Verhältniß gegen einander haben. Im luftleeren Raum ist das Verhältniß
der Kräfte womit beyde Körper zur Erde fallen = a + cLc: a + dy = a:a
also ein Verhältniß der Gleichheit; aber an der Wage =cLc:dy ein
Verhältniß der Ungleichheit Würden beyde Körper auf eine Mondes-
weite etwa von der Erde erhoben, so würden gewiß ihre Fallhöhen nicht
mehr gleich seyn. Ob ich darin wohl recht habe?
Inliegenden Brief an Sie zu bestellen hat mich Herr M. Bath
gebeten. Er hat Lust die Critick ins Latein zu übersetzen und will
Sie darum befragen. Da Ihnen dieser Mann gänzlich unbekannt ist,
so darf ich wohl einige Worte die ihn kenntlich machen sollen her-
setzen. Er ist kein junger Mensch, sondern ein Mann zwischen dreyßig
und vierzig. Wirklich reine Liebe zu den Wissenschaften hat ihn vom
schriftstellerischen Pfad, und diese sowohl als eine grade aufrichtige
Denkungsart, von dem Bestreben das andern manchmahl schnell Ehren
bringt, abgehalten. Daß er die alten Sprachen kenne habe ich aus dem
,s) Kant Hat hinter dem Worte „gegen" einen Verticalstrich gemacht und am Rand«
vermerkt: „| einen gleichen Theil der Erde aber auf der ganzen Erde ist sie gleich
„nnr nicht der Geschwindigkeit nach, die sie der Erde gieht"
Von Rudolf Reicke. 4^3
Munde derjenigen, die hierselbst ein Ansehen deshalb haben. Daß er
aber die critische Philosophie mit glücklichem Erfolg studire, davon
überführt mich mein vertrauter Umgang mit ihm, der mir das seltene
Glück gewährt, meine Gedanken einer menschlichen Seele mit Wohl-
gefallen mittheilen zu können.
Künftiges Winterhalbe Jahr werde ich ein Publicum lesen der
practischen Philosophie, worauf ich mich herzlich freue, indem ich ge-
wiß viel belehrter es schliessen als ich es anfangen werde.
Ich schliesse hiemit und empfehle mich Ihrer Gewogenheit, der
ich mit Hochachtung und Liebe bin der Ihrige
Beck.
Auf derselben Seite von Kants Hand 14 Zeilen: •
Kant
„Die größte Schwierigkeit ist zu erklären wie ein bestirntes Volumen
„von Materie durch die eigene Anziehuug seiner Theil[e] in dem Ver-
hältnis des Qvadrats der Entfernung inverfe bey einer Abstoßung die
„aber nur auf die unmittelbar berührenden Theile (nicht auf die Eni-
,ferneten) gehen kan im Verhältnis des Cubus derselben (mithin des
„Volumens selber) möglich sey. Den das Änziehungsvermögen komt
„auf die Dichtigkeit diese aber wieder aufs Anziehungsvermögen an.
«Auch richtet sich die Dichtigkeit nach dem umgekehrten Verhältnis
„der Abstoßung d.i. des volumens — Nun fragt sich ob wen ich eine
„Qvantität Materie darin ihre Theile einander in allen Entfernungen nach
«obigem Gesetz anziehen aber derselben] Zurückstoßung doch größer
„ist sich selbst überlasse ob es eine gewisse Grenze der ferneren Aus-
dehnung gebe, da die Anziehung mit der Zurückstoßung im Gleich-
gewicht ist oder ob nicht wen die Zurückstoßung bey einer Dichtigkeit
„größer ist als die Anziehung sie es nicht ins Unendliche bey größerer
„Ausdehnung bleibe. Die Abnahme nach dem Cubus der Entfernung
„aber scheint das erstere zu bestätigen. Nun kan man viele solche
»aggregata außer einander denken darin jedes gleichsam einen Dienst
„für sich ausmacht und die sich einander anziehen wodurch sie sich '
„mehr verdichten welche Nähertretung aber von einer gewissen Ursprung-
L1E1
414 ÄDB Ksnt's liriefwecfciel.
, liehen Dünnigkeit des Vniverfum durch plötzliche Lo
«eine im er wahren de eoneusfion zuwege bringen würd
„terie bestirnte für sich beharrliche Klumpen ausr
„einen Zusameubang d. i. eine Anziehung haben,
.anziehenden Kräften aller Tbeile derselben sondert
.rührenden herrühre te als im Grunde nicht dem Zug i
„beizumessen wäre."
Die letzte Seite den Briefes ganz dic)u beschriebe
(68—60 Zeilen):
„Die Kräfte womit jene zwey Körper die Erd
.geben imer gleiche Geschwindigkeit derselben weil
.größer ist indem sie insgesamt die Erde ziehen sie z
„Solicitation der Erde eindrücken aber um so viel
„Annähemng zur Erde vermindert wird (wegen ihre
„mithin iiiier dieselbe bleibt so lange das gemeins
„der Schweere von dem Gentrum der Erde nur un>
„ferat bleibt. — Man muß um den Unterschied <
„erklären, annehmen daß dieselbe Anziehungskraft einer gegebenen]
„Qvantität Materie gegen eine unendliche verschiedene Zurückstoßungs-
.kraft wirke, dieser aber das Ge[gen]gewicht (oder die Gegenwirkung
„die zur bestirnten Einschränkung des Baumes der isolirten Materie)
„nicht leisten köne ohne vermittelst der Anziehung aufs ganze vnirerfum.
„Da aber diese mit den Qvadraten der Entfernung abnimt so würde
„sie durch den Druck der auf solche Weise angezogenen Materie dieses
„Gleichgewicht einer bestehenden Zusamend rückung nicht leisten wen
„nicht die Zurückstoßung als wie der Cubus der Entfernung umgekehrt
„abnähme. Hiedurcb wird nicht der Zusamenhang (den der läßt sich
„durch keine drückende Kräfte erklären) sondern blos der Unterschied
„der Materien ihrer Qvalität nämlich der Zurückstoßung nach erklärt;
„den[nj die Zurück stoßung läßt sich ohne eigene Bewegung des Ab-
stoßenden folglich auch obne Verschiedenheit der Masse in demselben
■ .Volumen verschieden denken. Daher die Verschiedenheit der Qvantität
„derselben nur durch Stoß oder Zug und vermittelst eines gemein-
Von Rudolf Reicke. 415
v schaftlichen Maasstabes nämlich den Zug der Erde gemessen werden
,kan und nicht die Mehrheit derTheile ungleichartiger Materien sondern
„ihr Gewicht die Dichtigkeit unter demselben volumen messen kan.
„Die Schwierigkeit ist hier daß man das was sich bewegt in Ge-
danken haben muß in der Erfahrung aber nur die an einem Ort oder
„von einem Orte aus wirkenden Kräfte, von denen nur ein Grad den
„Raum erfüllt oder die Entfernung des Mittelpuncts der einen Kraft
„von der andern bestirnt. Da aber Puncte nicht einen Raum einnehmen
„können (nicht einzelne also auch nicht viele zusamen) so kan man die
„Körper nicht nach der MeDge der Theile in Vergloichung mit andern
„der Qvantitäi der Substanz nach schätzen und dennoch muß man sie
„sich als gleichartig und nur durch die Menge der Theile unter-
schieden vorstellig machen weil wir auf andere Art kein Verhältnis
„der Massen uns begreiflich machen könen.
„Die Qvantität der Materie in demselben Volumen ist nicht nach
„dem Wied erstand der expansiven Kraft gegen die Compression, auch
„nicht nach dem Wiederstande der Attraction eines Fadens durch den
„Schleuderstein gegen die Centrifugalkraft zu schätzen. Das erste
„darum nicht weil eine kleine Qvantität der Materie eben so viel
„Wiederstand durch ausdehnende Kraft leistet als eine große: das
„[andere] darum nicht weil das Volumen nichts in Ansehung der Be-
„wegung eines Körpers von seiner Stelle bestirnt. Sondern die loco-
„motive Kraft in einer Wage (bey gleichem Volumen) oder die in der
„Dehnung oder Zusamendrückung eines zusamenhänjjenden oder elasti-
schen Körpers und also die Überwältigung eines Moments der todten
„Kraft bey demselben volumen und zwar durch die Bewegungsbestrebung
„des Körpers und aller seiner Theile in derselben Bichtung kan das
„Maas abgeben.
»Weil die Erfüllung des Baumes nur durch Bäume nicht durch
„Puncte weder durch ihre bloße Nebeneinanderstellung noch aus jedem
„Punct umher in einem Baume verbreitete Kraft in der keine andere
«gleichartige Centralpuncte wären möglich ist so enthält die Undurch-
„dringlichkeit der Materie eigentlich nicht die Substanzen als eine Menge
.außer einander befindlicher für sich bestehender Dinge sondern nur
■i
i
a. ■
416 AQ8 Kant'a Briefwechsel.
„einen umfang von Wirkungen der Dinge ausser einander die in allen
„Puncten eines gegebenen Baumes nicht durch Erfüllung desselben
„gegenwärtig sind. Die Puncte der Anziehung enthalten eigentlich die
„Substanz. Die Anziehungskräfte sind in allen Functen gleich in jedem
„Puncte aber wird sie (in Vergleichung mit andern) durch das Ab-
„stoßungsvermögen welches in ihm verschieden seyn kan bestirnt u.
„desto größer je kleiner die abstoßende Kräfte derselben Materie sind
„mithin die Dichtigkeit der Materie desto größer. — Es ist aber eigent-
lich nur der Körper so fern er den Raum erfüllt die den Sinen un-
mittelbar gegebene Substanz. Weil aber dieses Erfüllen selbst nicht
„wirklich seyn würde (es wäre durch die bloße Abstoßung im leeren
„Raum) die Anziehung doch für sich alles in einen Punct bringen
„würde so ist das Maas der Qvantität der Materie die Substanz so fern
„sie anziehend ist weil darin alles inerlich in einem Punct seyn würde
„und das ausserhalb nicht wieder durch etwas Äußeres sondern zuletzt
„durch das Innere gemessen werden muß dessen äußere Wirkung jener
„äußern gleich ist.
„Wen in einem Räume keine Zurückstoßungskraft wäre so würde
„auch gar keine Substanz da seyn die da zöge den sie würde keinen
„Raum einnehmen. Man könte sich aber doch eine Abstoßungskraft
„die einen Raum erfüllete denken die nicht durch eigne Auziehungs-
„kraft ihrer Theile sondern durch äußern Druck zurückgehalten würde
„obzwar dieses nicht ins Unendliche ginge. Also wird das Volumen
„nur durch Zurückstoßungskraft bestirnt. — Weil wir also die Dichtigkeit
„unterscheiden wollen [Msc. worden] so müssen die volumina zuvor als
„durch die Abstoßung bestirnt vorgestellt werden. Aber dadurch wird der
„Wiederstand den eine Materie der andern so fern sie von dieser ans
„ihrem Orte bewegt werden soll thut nicht bekant.fj Mithin nur durch
„die Anziehung welche die darin enthaltene Materie auf andere ausser ihr
„(die Erde) und dadurch zu ihrer eignen Bewegung (durch die Schwere)
„ausübt. Je größere Zurückstoßung dazu gehört um diese Annäherung
„(zur Erde) zu hindern desto mehr Substanz in demselben Volumen.
„Man muß aber die Anziehung nur als durch die Zurückstoßung ein-
geschränkt auf ein volumen mithin als an sich gleich denken. Das
L
Von Rudolf Reicke. 427
„volumen selbst braucht nicht von etwas anderm ausser ihm: es kan
„durch die Anzielmng seiner eignen Theile eingeschränkt gedacht
„werden — der Grund davon daß die Abstoßung in einem Volumen
„ohne daß die innern Theile sich ziehen von außen bewirkt werde liegt
„darin daß die Theile sich nicht in der Entfernung abstoßen
„da hingegen sie sich in der Entfernung unmittelbar anziehen könen:
„dagegen ist es unmöglich daß sich die Theile blos in der Berührung
„anziehen sollten weil diese schon eine Zurückstoßung mithin ein volumen
„erfordert mithin keine bloße Fläche voraussetzt.
„Der Grad der Zurückstoßung wird bey gleichartiger Vergrößerung
„des volumens nicht vermehrt, aber wohl der Grad der Anziehung. —
„Weil im ersten die Theile innerhalb eine die andere Bewegung auf-
geben und die ausdehnende Kraft nur auf der Oberfläche ist, (die Ab-
„stoßung geht nicht qver durch in die Weite) dagegen die Anziehungen
„durch Hinzufügung die äußere Kraft vermehren. Daher ist die ganze
„Kraft der Substanz nach der Anziehung zu schätzen. Sie muß aber
„auch als gleichartig angesehen werden, weil sie für sich gar keine
„Materie geben würde und da sie nur durch die Zusamendrückung be-
stirnt wird diese aber durch das ganze eines volumens allenthalben
„gleich ist, so muß auch die daraus entspringende Dichtigkeit gleich
„seyn. Die Abstoßung aber kan ursprünglich ungleich seyn in einem
„gewissen volumen. Den da die Dichtigkeit ins Unendliche muß ver-
schieden seyn könen dieses aber nicht auf der ursprünglichen Ver-
schiedenheit der Anziehung beruhen kan muß sie auf der der Abstoßung
„beruhen. Man kan auch so sagen weil die Stärke der AbstoGung auf
„der Verschiedenheit des äußern Zusaihendrucks beruht so ist innerlich
„der Grad derselben nicht bestirnt kan also nach Belieben größer oder
„kleiner seyn."
Am oberen Rande:
„Man kan keinen Grund angeben warum die materie ursprünglich
„eine gewisse Dichtigkeit in einer gegebenen qvantität haben müsse. —
»Man [kann] diese Frage nicht wegen der Anziehung unter einem ge-
wissen volumen thun den daß sie nicht größer ja so gros oder klein ist
418 Aufl Kants Briefwechsel.
„wie man will komt nicht auf sie sondern auf die Zurückstoßung an
,,je kleiner diese desto größer die Dichtigkeit aus jener. Die verschiedene
„Dichtigkeit einer gegebenen Qvantität Materie rührt aber nicht von
„dieser ihrer Anziehung den die ist zu klein sondern von der des ganzen
„Univerü her.u
YIII.
Beck an Kant.
Halle d. 10 *? November 1792.
Beßter Herr Professor,
Ich habe Ihren freundschaftlichen Brief vom 17 £2 October und
einige Tage späther auch mein Manuscript zurück erhalten. Sie er-
lauben mir Ihnen die einige Bogen, worauf die Deduction der Cate-
gorien steht, noch einmahl zu schicken. Ich habe sie abschreiben lassen
und lege sie hier bey, indem ich Sie ergebenst ersuche, die Freund-
schaft für mich zu haben, mir zu zeigen, was ich vieleicht nicht nach
Ihrem Sinn getroffen haben möchte. Der Druck geht erst gegen Ende
des Novembers an und ich werde Ihren Brief noch zeitig genug er-
halten, wenn ich ihn nach vier Wochen erhalte.
Der Professor Garve war vor einiger Zeit hier und Herr Pr. Eberhard
hat mir einiges von seinen Gesprächen mit ihm, in Beziehung auf die
cri tische Philosophie mitgetheilt. Er sagt, daß so sehr auch Garve die
Critick vertheidigt, so habe er doch gestehen müssen, daß der critische
Idealism und der Berkleysche gänzlich einerley seyn. Ich kann mich
in die Gedankenstimmung dieser achtungswürdigen Männer nicht finden
und bin fürwahr! vom Gegentheil versichert. Gesetzt auch daß die
Critick der Unterscheidung der Dinge an sich und der Erscheinungen
gar nicht hätte erwähnen dürfen, so hätte sie doch zum mindesten er-
innern müssen, daß man die Bedingungen unter denen uns etwas ein
Gegenstand ist, ja nicht aus der Acht zu lassen habe, weil zu besorgen
ist, daß man auf Irrtbum gerathe, wenn man diese Bedingungen aus
dem Sinne läßt. Erscheinungen sind die Gegenstände der Anschauung
und jedermann meynt dieselbe, wenn er von Gegenständen spricht, die
ihn umgeben, und eben dieser Gegenstände Daseyn läugnete Berkeley
Von Rudolf Reicke. 4^9
welches die Critick gegen ihn dargethan bat. Wenn man nun einge-
sehen hat, daß der Kaum und die Zeit die Bedingungen der An-
schauung ") der Gegenstände sind und nun nachsinnt, welches wohl
die Bedingungen des Denkens der Gegenstände seyn mögen, so sieht
man doch leicht, daß die Dignität, welchevdie Vorstellungen, in der
Beziehung auf Objecto, erhalten, darin bestehe, daß dadurch die Ver-
knüpfung des Mannigfaltigen als nothwendig gedacht wird. Diese Ge-
dankenbestimmung ist aber eben dieselbe, welche die Function in einem
Urtheil ist. Auf diesem Wege ist mir der Beytrag den die Categorie
zu unserm Erkenntniß tbut, faßlich geworden, indem durch diese Unter-
suchung es mir einleuchtet, daß sie derjenige Begrif ist, durch welchen
das Mannigfaltige einer sinnlichen Anschauung als nothwendig (für jeder-
mann gültig) verbunden vorgestellt wird. Einige Epitomatoren haben
sich hierüber, soviel ich einsehe, falsch ausgedruckt. Diese sagen: ur-
theilen heisse objeetive Vorstellungen verbinden. Ganz was Anderes
ist es, wenn die Critick lehrt: ürtheilen ist Vorstellungen zur objeetiven
Einheit des Bewußtseyns bringen, wodurch die Handlung einer als
nothwendig vorgestellten Verknüpfung ausgedruckt wird.
Wenn ich von meiner Ueberzeugung darauf schlössen kann, daß
ich in meinem Auszuge Ihren Sinn getroffen, dann müßte ich mich be-
ruhigen, An der Darstellung der Deduction der Categorien ist mir
vorzüglich gelegen, und eine Musterung derselben von Ihnen, lieber
Lehrer, würde mir die wünschenswerteste Sache seyn. Mitlerweile
werde ich mich noch selbst über die ganze Ausarbeitung hermachen,
um ein so vernünftiges Buch hervorzubringen, als ich es noch vermag.
Nun erlauben Sie mir noch meine neuliche physische Frage zu
berühren. Ich habe lange, noch ehe ich recht eigentlich die Critick
studirte, in meiner mathematischen Leetüre, den zwar gegebenen, aber
mir immer sehr unverständlich vorgekommenen Begrif von Masse, mit
dem des Wirksamen vertauscht. Euler giebt nun den bestimmten Be-
grif von Masse, indem er sie vis inertiae nennt, qua corpus in statu
suo perseuerare, quam omni mutationi reluctari conatur, und indem er
l9) Beck hat zuerst „Anschauungen" geschrieben, die Pluralendung „en" alber durch-
strichen.
420 AuB K*ut'» Briefwechsel.
eine verschiedene vis inertiae den Partickelu der Materie giebt, scheint
er die ungleichen Gewichte zweyer Körper von gleichem Volumen zn
erklären, ohne zu leeren Bäumen flüchten zu dürfen. Dagegen scheint
es doch auch, daß alle Theile der Materie mit einer gleichen quanti-
tas inertiae versehen seyn, weil die Fallhöhen derselben, in gleichen
Zeiten im Widerstandsfreyen Baum gleich sind. Dann aber ist man
wohl genöthigt, zu den leeren poris seine Zuflucht zu nehmen um die
verschiedenen Gewichte gleicher Volumina sich zu erklären. Ich habe
mir auf folgende Art zu helfen gesucht. Man setze die anziehende
Kraft der Erde in einer bestimmten Gegend ihrer Oberfläche und gegen
ein bestimmtes Volumen, das ich durchweg von Materie erfüllt seyn
lasse, sey = a ; die anziehenden Kräfte zweyer Körper, von einem Vo-
lumen das dem vorigen gleich und durchweg erfüllt ist, gegen die Erde
seyn dx und dy, die ich als Differentiale ansehen kann, weil ich sie
im Verhältniß gegen a betrachte. Den Gedanken dieser Kräfte wird
man woran knüpfen müssen. Ich knüpfe ihn an die Wege die in der
Zeit 1 beschrieben werden. Weil ich nun die wechselseitige Anziehung
dieser Körper gegen die Erde und die Erde gegen sie, im Sinn habe,
so kann ich die Kräfte addiren i.nd sagen, daß die Erde den einen
Körper anziehe mit der Kraft a + dx, den andern mit a + dy. Daraus
aber folgt, daß die Fallhöhen beyder Körper im Widerstandsfrejen
Baum gleich seyn müssen, weil das Verhältniß von a + dx : a +dy
ein Verhältniß der Gleichheit ist. Aber an der Wage, würde sich
a gegen a aufheben und es würde das Verhältniß bleiben wie dxidy
welches allerdings ein Verhältniß der Ungleichheit seyn kann, wenn
gleich a + dx : a + dy = 1 : 1. Sollte ich auf eine grobe Art mich
irren, so bitte ich Sie mir es schon nachzusehen.
Hartknoch hat mich durch den Buchdrucker Grunert bitten lassen,
die Anzeige von meinem Buch in der Literaturzeitung zu besorgen.
Nun kann es weder ihm noch mir gleichgültig seyn, ob in dieser An-
zeige es crwehnt wird, daß Sie um diese Schrift wissen, da der Aus-
züge aus der Critick unter vielerley Titeln so viele sind, daß auf eine
blosse Anzeige unter meinem Namen auch ganz und gar nicht geachtet
werden möchte. Es könnte der Fall seyn, daß Sie es mir erlauben
Von Rudolf Reicke. 421
wollten, Ihren Namen in der Anzeige zu nennen. Wenn das ist,
dann ersuche ich Sie so gütig zu seyn, mir die Worte anzugeben,
die auf Sie Beziehung haben sollen. Ich möchte dieser Schrift den
Titel geben: Erläuternder Auszug aus den critischen Schriften des
Herrn Pr. Kant und zum zweyten Bande desselben, den Auszug aus
der Critick der Urtheilskraft und eine erläuternde Darstellung der me-
taphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft bestimmen. Was
meynen Sie dazu?
Ich bin übrigens mit der größten Hochachtung und Liebe
der Ihrige
Beck
IX.
Beck an Kant.
Halle den 30ten April 1793.
Theuerster Lehrer,
Ich bin mit dem Druck des ersten Bandes meines Auszugs fertig
und ich werde das Vergnügen haben, Ihnen ein Exemplar mit den nach
Königsberg gehenden Meßwaaren zu überschicken. Herr Hartknoch
setzte mich aber vor einiger Zeit durch eine Bitte in einige Verlegen-
heit. Er wollte auf dem Titel gesetzt wissen, daß Sie um meine Arbeit
etwas gewußt haben, um sie dadurch den Buchhändlern auf der Messe
zu empfehlen. Er schrieb mir, daß Sie ihm dieses mündlich zugestanden
hätten. Ich wollte deshalb an Sie schreiben; aber es sähe mir nach
Zudringlichkeit aus, und ich unterließ es. Das Wort: mit Ihrer Be-
willigung, schien mir bedeutungsleer; das aber: mit Ihrer Billigung,
wäre nicht allein widerrechtlich gewesen, sondern ich hätte Sie auch
damit compromittiren können. Ich habe auf das Titelblatt gesetzt:
auf Ihr Anrathen. Ich habe hin und her überlegt, ob ich auch damit
etwas Ihnen Mißfälliges thue, aber keinen Grund dazu auffinden können,
weil, wenn sogar das Publicum mein Buch für schlecht halten sollte,
auf Sie nichts weiter fallen kann, als daß Sie in der Wahl des Sub-
jects, das Sie dem Hartknoch vorgeschlagen, sich geirrt haben. Den
Brief aber, worin mir dieser Mann schreibt, daß Sie, so etwas auf den
422 Aus Ksut'3 Uriefwechsel
Titel zn setzen ihm bewilligt haben, habe ich in Händen und kann
deshalb mich bey Ihnen rechtfertigen. Vieleicht sage ich unnützer-
weiso darüber soviel; es kömmt aber lediglich daher, weil ich nicht
will, daß Sie einigen Unwillen gegen mich, haben.
Und nun, mein Theuerster Lehrer, danke ich Ihnen für die Güte.
daß Sie diese Arbeit mir wirklich zugewandt haben. Denn nicht allein.
daß meine äussere Umstände dadurch sehr sind verbessert worden; sü
habe ich mir sehr viel mehr Einsicht in die critische Philosophie, als
ich vorhin hatte, und eine sehr gegründete und starke Ueberzeugung
davon verschaft. Diese Philosophie ist mein größtes Gut und in der
gegenwärtigen Beschäftigung mit ihr, erkenne ich mehr als jemals die
wichtige Wohlthat, die Ihre Bearbeitungen der Menschheit erweise»
und preise mich glücklich, weil ich in dieser Periode und in Umständen
lebe, da ich daran Antheil nehmen kann. Dieses GeständniG einer
Seele, die so spricht wie sie denkt, erlauben Sie mir, Ihnen zn machen.
und mich dadurch gewissermassen von einer Last zu entledigen: Es
gehört nur ein unermüdetes Nachdenken dazu, um Ihren Sinn richtig
zu fassen und sich sodann auch davon zu überzeugen, wozu der Math
keinem Menschen entfallen darf, und zwar wegen der Verwandschaft
dieser Wissenschaft mit der Mathematick, in dem Puncte, daß die
Sache doch nicht ausser uns liegt. Die Beschäftigung mit der Critick
der Urtheilskraft, giebt mir einen abermaligen Beweis davon. Ehe kli
die Feder ansetzte, habe ich sie mehrmals durchgelesen und durchge-
dacht Die vielen Schwierigkeiten die ich anfänglich antraf, verschwinden
mir Zusehens. Ich nehme mir die Frejheit Ihnen mein Manuscript,
welches den Auszug der Einleitung und der Exposition eines reinen
Geschmack surtheils enthält, zu überschicken, und bitte Sie, die Freund-
schaft für mich zn haben, die Einleitung anzusehen und die Stellet
zu bemerken, wo ich Ihren Sinn dürfte verfehlt, oder wenigstens nickt
deutlich dargestellt haben. Sie erlauben mir aber wohl, Sie an das
Versprechen zu erinnern, das Sie mir in Ihrem letzten Briefe thaten,
mir zur Benutzung ein Paar Manuscripte zuzuschicken, eins, welches
die Critick der Urtheilskraft und ein anderes welches die Metaphysik
der Natur angebt. Sie sind so gütig gewesen, mir ein Exemplar der
Von Rudolf Reicke. 423
neuen Auflage Ihrer Critick der Urtheilskraft, durch Herrn La garde
zuschicken zu lassen, wofür ich Ihnen ergebenst danke, und mit innig-
ster Hochachtung bin der Ihrige
Beck.
N. S. Die im vorigen Jahr Ihnen zugeschickte Abschrift meines
Manuscripts, war mit der reitenden Post nach Königsberg gegangen
und dieses konnte nach einem Mißbrauch Ihrer Güte aussehen. Den [sie]
Fehler den ich dabey begangen, war aber eigentlich der, daß ich mich
nicht genau auf dem hiesigen Postarote erkundigte, wenn eigentlich
von Berlin aus, die fahrende Post abgeht, da von Halle aus, keine
andere als die fahrende abgeht. In dieser Bucksicht bitte ich, über
die begangene Unart nicht zu schelten. Ein Mensch, dem ich das
beykommende Manuscript zum Abschreiben gegeben, hat mich getäuscht,
und ich muß es so schicken, wie ich es geschrieben habe. Ich glaube
aber doch, daß Sie die Einleitung leserlich finden werden, und eigent-
lich liegt mir nur daran, daß Sie die Güte haben möchten, diese
zu lesen.
X.
Beck an Kant.
Halle den 24122 August 1793.
Sehr Theurer Lehrer,
In meinem Auszuge aus Ihrer Critick der Urtheilskraft bin ich
bis zu der Dialectick der teleologischen Urtheilskraft gekommen. Eine
Folge von der sehr grossen Deutlichkeit, mit der ich diese Materie ein-
sehe, und der sehr festen Ueberzeugung die ich davon habe, ist die
gewesen, daß ich lange Ihnen mit meinen Briefen nicht habe beschwer-
lich seyn dürfen. Auch ist das Licht, welches das Studium dieser
Critick der Urtheilskraft auf die Transcendentalphilosophie überhaupt
und auf die Critick der practischen Vernunft für meine Augen zurück-
geworfen hat, beträchtlich. Erlauben Sie mir, Ihnen sagen zu dürfen,
daß meine Seele, noch nie einem Gelehrten sich so verbunden gefühlt
hat, als Ihnen, ehrwürdiger Mann. Ich habe seit der Zeit, da ich
Ihren mündlichen Vortrag anhörte,, sehr viel Vertrauen zu Ihnen ge-
424 Aus Kant't Briefwechsel.
habt; aber ich gestehe auch, daß bey den Schwierigkeiten die mich
lange gedrückt haben, dieses Vertrauen öfters zwischen dem zu Ihnen,
und dem, zu mir selbst gewankt hat. Mein ziemlicher Fortgang in
der Mathematick, und die so vielfach fehlgeschlagenen Versuche in
der Philosophie, mancher berühmten Männer, war mir nämlich ein
Qrund nicht alle Zuversicht zu mir selbst aufzugeben. Von der andern
Seite aber mußte ich nothwendig denken, daß das Loos des Menschen
das betrübteste seyn müßte, wenn er nicht einmahl mit sich selbst
fertig werden könnte, und sich selbst, von dem, was er dächte, nicht
völlige Rechenschaft ablegen könnte. Ich habe daher Ihre Schriften
immerfort sorgfaltig studirt, und ich darf es jetzt sagen, weil es wahr
ist, daß die dadurch erlangte innige Bekanntschaft mit denselben, mich
mir selbst bekannt gemacht hat. Was wohl einem vernünftigen Wesen,
das wünschenswürdigste Gut seyn muß, das hat mir Ihre Philosophie
gewähret. Denn ich bin durch sie aufmerksam gemacht und belehrt
worden, in Ansehung des vielbedeutenden Unterschiedes zwischen denken
und erkennen, zwischen dem: mit Begriffen spielen, und Begriffe haben
objective Gültigkeit, und was mehr, als alles ist, ich habe die die [w]
Verknüpfung die wir im Sittengesetz denken, die man sich so gern als
analytisch vorstellen mag, um wahrscheinlich dadurch nicht allein sich
das Nachdenken zu erleichtern, sondern dem Willen auch einen, ob-
wohl der practischen Vernunft sehr heterogenen Sporn zu geben, als
synthetisch ansehen gelernt. Die eigentliche Ursache aber, warum so
viele sonst sehr berühmte Männer, ihren Beyfall der critischen Philo-
sophie immerfort versagen, liegt meiner Meynung nach wohl darin,
daß sie sich nicht aufmerksam wollen machen lassen, auf den mäch-
tigen Unterschied zwischen denken und erkennen. In ihrer Sprache
sind alle diese Ausdrücke entweder gleichgeltend, oder sie legen ihnen
nach ihrer Art einen Sinn unter, welches ihnen auch wohl immer,
wenn der Sprachgebrauch es leidet, freystehen mag, wenn dabey nur
die Sache selbst, die wichtigste für einen Mann, dem es um reeller
Wahrheit, und nicht um ein Gedankenspiel zu thun ist, verlohren gienge.
Ich habe auch gemerkt, daß auch viele von den Freunden der Critick, den
ganzen Gehalt einer Transcendentalphilosophie, und insbesondere einer
Von Rudolf Reicke. 425
transcendentalen Logick nicht gut in Ueberlegung nehmen, indem sie
die allgemeine Logick von ihr, bloß durch den Ausdruck: sie abstrahire
von den Gegenständen, unterscheiden, welcher Begriff aber doch die
nähere Bestimmung, daß die allgemeine Logick eigentlich die objective
Gültigkeit der Vorstellungen bey Seite setze, und diese Untersuchung
der transcendentalen Logick überlasse, verlangt.
Seit einiger Zeit habe ich auch Ihre metaphysische Anfangsgründe
der Naturwissenschaft wieder durchzudenken angefangen. In der Phoro-
nomie und Dynamick habe ich keinen Anstoß genommen. Aber in der
Mechanick stoße ich an etwas, welches ich nicht mir wegzuräumen
weiß und auf die folgende Theorie mir ein unangenehmes Dunkel wirft.
Es ist der Begriff der Quantität der Materie. Ihre Definition lautet:
(S. 107) Die Quantität der Materie ist die Menge des Beweglichen in
einem bestimmten Kaum. Ich weiß eigentlich nicht, wie Sie dieses
Bewegliche verstehen, ob dynamisch oder mechanisch. Mechanisch kann
es nicht verstanden seyn, weil die Materie mechanisch betrachtet, bloß
als Maaß der Quantität der Materie (nach dem ersten Lehrsatz) gesetzt
wird, diese letzte demnach doch eben sowohl von der Materie, sofern
sie bewegende Kraft hat, verschieden seyn muß, als ein Winkel von
dem Cirkelbogen, der ihn mißt. Dynamisch kann ich diesen Begriff
auch nicht nehmen, weil die Quantität der Materie als unveränderlich
soll gedacht werden, wenn gleich die Ausdehnungskraft verschieden
gesetzt würde. In der nämlichen Definition sagen Sie: die Grösse der
Bewegung ist diejenige, die durch die Quantität der bewegten
Materie und ihre Geschwindigkeit zugleich geschätzt wird, und in dem
gleich darauf folgenden Lehrsatz wird doch bewiesen, daß die Quantität
der Materie lediglich durch die Grösse der Bewegung geschätzt werde.
Ich weiß recht wohl daß die ganze Ursache dieser Un Verständlich-
keit in meinem Kopfe liege. Aber aller Unwille deshalb gegen mich
selbst, räumt sie mir nicht aus dem Wege. Ich bitte Sie, theurer
Lehrer, auf die inständigste Weise mich hierüber zu belehren. Ihnen
einige Beschwerde zu machen, ist mir sehr unangenehm; aber da ich
mir wirklich hierin nicht recht helfen kann, so muß ich meinen Wunsch
gestehen, daß Sie sich entschließen möchten, mir hierauf bald zu antworten.
Aitpr. lfonatMehrift Bd. XXJX Hft. * u. 6. 28
426 Aus *■■*'■ BridWeehtel.
Klflgel bat in mathematischer Röcksicht mich [sie] manchmahl ausge-
holfen. Aber aus seinem Gespräche bin ich genöthigt zu schließen,
daß er über die Principien der reinen Naturwissenschaft, niemals ge-
hörig nachgedacht habe.
Der M. Rath der die Critick ins Lateinische zu fibersetzen, sich
erbotb, that dem Buchhändler Hartknoch den Antrag, Verleger von
dieser Arbeit zu werden. Vor etwa 5 Wochen schrieb ihm Hartknoch,
daß der Prof. Heydenreich in Leipzig ihm auch einen Mann für diese
Uebersetzung vorgeschlagen habe, und daß er, aus Achtung für das
Publicum genöthigt sey, eine vernünftige Wahl zu treffen. Er bath
ihn, ihm eine Probe von seiner Arbeit zu überschicken, wie dann da-
rum auch der andere Gelehrte darum ersucht werden sollte, und beyde
Proben sollten dann einem, beyden unbekannten, fähigen Richter zur
Entscheidung vorgelegt werden. Anfänglich war Rath hiezu entschlosseil.
Jetzt aber weiß ich nicht, was ihn bedenklich macht den Vorschlag
anzunehmen. Mir thut dieses leid, weil ich nicht glaube, daß viele
mit dem reinen wissenschaftlichen Interesse Ihre Schriften studiren, so
wie mein Freund, und weil ich geneigt bin, zu zweifeln, daß jener mir
fremde Mann, auch so gut den Sinn der Critick treffe[n] werde, als
er. Indessen kann ich nicht einsehen, daß Hartknoch fehle, und ich
will, so gut ich kan[n meinen] Freund zu dem Entschluß, auch seine
Probe einzuschicken, zu bewegen suchen.
Vor einiger Zeit las ich in Erusii Weg, zur Gewißheit und Zu-
verlässigkeit, veranlaßt durch] Herrn Schmidts Lexicon und zu meinem
Verwundern habe ich (§ 260) die Unterscheidung der ana[l]ytischen
und synthetischen Urtheile weit deutlicher darin gefunden, als in der
von Ihnen citirten Stelle des Locke. Denn ob er gleich, meiner Meynung
nach, keine Einsicht in das Princip der synthetischen Erkenntnisse
a priori, verräth, so enthält doch diese Stelle wenigstens so viel, daß
ein nachdenkender Leser wohl aufmerksam auf ihre Wichtigkeit da-
durch gemacht werden könnte, indem Erusius gradezu diese Synthesis
als die Grundlage der Realität unserer Begriffe andeutet.
Sie haben auch die Güte gehabt, mir ein Exemplar Ihrer Beügion
in den Grenzen der Vernunft überschicken zu lassen. Ich danke Ihnen
Von Rudolf Reicke. 427
ergebeost dafür. Ich muß aber leider noch einige Zeit verfliessen lassen,
ehe ich sie so ganz eigentlich zu studiren werde unternehmen können.
Leben Sie wohl, mein Theurer Lehrer. Ich wünsche daß die Vor-
sehung Sie uns noch lange, und gesund, erhalten wolle, und bin mit der
reinsten Achtung der Ihrige
Beck.
Daß Herr Bath Reinhold einen BufF
nach Kiel erhalten habe, wird er vieleicht
Ihnen schon geschrieben haben. Er soll ihn
auch, wie man sagt, angenommen haben.
[Adresse :] An
Herrn Professor Kant
in
durch Einlage. Königsberg.
XI.
Beck an Kant.
■
Halle den 16£? September 1794.
Verehrungs würdiger Lehrer,
Hierbey erhalten Sie ein Exemplar vom zweyten Bande meines
Auszugs aus Ihren critischen Schriften, welches Sie von mir anzunehmen
so gütig seyn wollen. Daß ich Ihnen für diese ganze mir übertragene
und jetzt vollendete Arbeit sehr verbunden bin, das will ich Ihnen
nicht weiter sagen. Ich hätte gewünscht daß die Beife der Einsicht
in diese philosophische Angelegenheiten, und gewissermassen die Ge-
wandheit, die ich allererst in dieser Arbeit in einigem Grade erlangt
habe, mir schon vor derselben beschert gewesen wäre; so würde ich
derselben mehr Vollkommenheit gegeben und sie dem etwas viel ver-
sprechenden Titel eines erläuternden Auszuges, entsprechender gemacht
haben. Während dieses ganzen Geschäftes habe ich meinen Blick auf
das eigentliche Transcendentale unserer Erkenntniß, immer wieder zu-
rückgewandt und diesen Punct so scharf zu fassen gesucht, als ich nur
immer konnte. Hierdurch bin ich inne geworden, daß die Möglichkeit
der Erfahrung, sofern dieselbe den wahren transcendentalen Standpunct
selbst ausmacht, ganz was Anderes ist, als diejenige bloß abgeleitete,
28*
428 Ans ^ant8 Briefwechsel.
discursive Vorstellung der Möglichkeit der Erfahrung, die ein bloßes,
und grossentheils unverständliches Hypothesenspiel ist, das zu tausend
Fragen Anlaß giebt. Mit Ihrer Critik, Fürtreflicher Mann, ist es fast
so bewandt, wie mit der Astronomie, insbesondere der physischen. Man
wird so oft darin hin und hergeworfen, daß man lange Zeit nicht weiß,
woran man ist. Allererst wenn man den eigentlichen Standpunct der
Transcendentalphilosophie erreicht hat, und so den Geist Ihrer synthe-
tischen objectiven Einheit des Bewußtseyns in seine Denkart gleichsam
übertragen, und sich in die Handlungsweise der ursprünglichen Bei-
legung (der Synthesis nach den Categorien) und der ursprünglichen
Anerkennung (des transcondentalen Schematismus) gewissermassen ver-
setzt hat, ist man im Stande die Critik von ihrem Anfange bis zu
ihrem Ausgange zu fassen und sie zu übersehen, und sonach ist man
wahrhaftig erst im Stande, so simpel es auch sehr vielen scheinen mag,
zu wissen was ein Erkenntniß a priori und a posteriori heisse. In dem
Briefe den Ihnen Hartknoch wird überbracht haben, schrieb ich Ihnen
daß ich an einer Schrift arbeite, in der ich diesen transcendentalen
Standpunct etwas hervorheben will. Da habe ich nun folgende Gegen-
einanderstellung im Kopfe. Ich will zeigen, wie nicht allein alle
Mißverständnisse der Critik, sondern auch alle Verirrungen der Ver-
nunft überhaupt ihre Quelle darin haben, daß man eine Verbindung
zwischen der Vorstellung und ihrem Gegenstande annimmt, die selbst
Nichts ist, und nachdem ich nun diese vermeynüiche Erkenntniß der
Dinge an sich in ihrer ganzen Leerheit, werde dargestellt, und ganz
besonders, obzwar mit aller Bescheidenheit werde gezeigt haben, daß
die meisten Ausleger der Critik, ob sie gleich dieselbe unterschreiben,
sich dieses Vorurtheils noch gar nicht entschlagen haben; und indem
sie so an der bloß abgeleiteten Vorstellungsart hängen, der Frage des
Sceptikers: was verbindet meine Vorstellung von einem Gegenstande,
mit diesem Gegenstande ? nimmermehr ausweichen, so werde ich in der
Auseinandersetzung der ursprünglichen Vorstellungsart im Gegensatze
zeigen, worin denn die Verbindung liege, und folglich was die ganze
Behauptung der Critik : Wir erkennen die Dinge bloß als Erscheinungen,
sage, zeigen.
Von Rudolf Reieke, 429
Ich habe sehr viel auf dem Herzen, was ich Ihnen von meinen
nunmehr etwas fester gewordenen Einsichten in Ihre unsterbliche Critik
gern sagen möchte. Aber meine Briefe mögen Ihnen vieleicht lästig
seyn und ich schliesse daher mit der einzigen Bitte daß Sie mich in
freundschaftlichem Andenken behalten wollen.
An Beck.
Herrn Professor Kant
in
durch Einschluß. Königsberg.
xn.
Beck au Kaut.
Hochachtungswürdiger Lehrer,
Die Versäumung meines Druckers macht es, daß der zweyte Band
von meinem Auszuge erst zur Michälis Messe fertig werden wird. Die
Anfangsgrunde zur Metaphysick der Natur habe ich mir sehr deutlich
aufgewickelt. Mein letzter Brief an Sie, konnte Ihnen vieleicht eine
schlimme Vermuthung in Ansehung meiner Bearbeitung beygebracht
haben. Denn da ich mir das, warum ich Sie fragte, selbst nicht deut-
lich dachte, so kam es, daß ich auch ganz unverständlich fragen mußte.
Im ganzen Ernst, ich habe mich in Ihre Entwickelung sehr genau hin-
eitistudirt, und ich meyne daß Sie so urtheilen werden, wenn Sie mein
Buch ansehen werden.
Schätzungswürdiger Mann, ich bin auf die Idee zu einer Schrift
gestoßen, die ich Ihnen hier ganz kurz vorlegen, und dabey bitten will,
Ihre wahre Meynung deshalb meinem Verleger zu sagen.
Sie führen Ihren Leser in Ihrer Critick der reinen Vernunft, all-
mählig, zu dem höchsten Funct der Transcendentalphilosophie, nämlich
zu der synthetischen Einheit. Sie leiten nämlich seine Aufmerksamkeit,
zuerst auf das Bewußtseyn eines Gegebenen, machen ihn nun auf Be-
griffe, wodurch etwas gedacht wird, aufmerksam, stellen die Categorien
anfänglich auch als Begriffe, in der gewöhnlichen Bedeutung vor, und
bringen zuletzt Ihren Leser zu der Einsicht, daß diese Categorie eigent-
lich die Handlung des Verstandes ist, dadurch er sich ursprünglich
den Begriff von einem Object macht, und das: ich denke ein Object,
430 Aui ^ants Briefwechsel.
erzeugt. Diese Erzeugung der synthetischen Einheit des Bewußtseins
habe ich mich gewöhnt, die ursprüngliche Beylegung zu nennen.
Sie ist die Handlung, unter andern, die derGeometer postulirt, wenn
er seine Geometrie von dem Satze anfängt: sich den Baum vorzustellen,
und welcher er mit keiner einzigen discursiven Vorstellung gleich kommen
wurde. So wie ich die Sache ansehe, so ist auch das Postulat: durch
ursprüngliche Beylegung sich ein Object vorstellen, das höchste Princip
der gesammten Philosophie, auf welchem die allgemeine r. Logik und
die ganze Transc: Philosophie beruht. Ich bin daher fest überzeugt,
daß diese synthetische Einheit, derjenige Standpunct ist, aus welchem,
wenn man sich einmahl seiner bemächtigt hat, man nicht allein in An-
sehung dessen, was wohl ein analytisches und synthetisches Urtheil ist
sondern was wohl überhaupt, a priori und a posteriori heissen mag,
was das sagen wolle, wenn die Critick die Möglichkeit der geometrischen
Axiome darin setzt, daß die Anschauung die man ihnen unterlegt rein
sey, was das wohl ist, was uns afficirt, ob das Ding an sich, oder ob
damit nur eine transc: Idee gemeynt sey, oder ob es nicht das Object
der empirischen Anschauung selbst, die Erscheinung sey, und ob wohl
die Critick im Cirkel gehe, wenn sie die Möglichkeit der Erfahrung
zum Princip der synthetischen Urtheile a priori mache, und doch das
Princip der Causalität in den Begriff dieser Möglichkeit verstecke, ich
sage, daß man von alle diesem, ja von dem discursiven Begriff: Möglich-
keit der Erfahrung selbst allererst dann, vollendete Erkundigung er-
halten kann, wenn man sich dieses Standpuncts vollkommen bemeistert
hat, und daß, so lange man diese Möglichkeit der Erfahrung nur noch
immer selbst bloß discursiv denkt, und nicht die ursprünglich beylegende
Handlung, eben in einer solchen Beylegung selbst verfolgt, man so viel
wie nichts einsieht, sondern wohl eine Unbegreiflichkeit in die Stelle
einer andern schiebt. Ihre Critick aber führt, wie ich sage, nur nach
und nach, ihren Leser auf diesen Standpunct und da konnte nach dieser
Methode, sie gleich anfänglich, als in der Einleitung, die Sache nicht
vollkommen aufhellen, und die Schwierigkeiten die dabey sich auf-
decken, sollten den nachdenkenden Mann zum beharrlichen Ausdauern
locken. Weil aber die wenigsten Leser sich jenes höchsten Standpuncts
1
Von Rudolf Beide. 431
zu bemächtigen wissen, so werfen sie die Schwierigkeit auf den Vor-
trag, und bedenken nicht, dass sie der Sache anklebe, die sich gewiß
verliehren wurde, wenn sie einmahl im Stande wären, die Forderung
zu überdenken, die synthetische Einheit des Bewußtseyns hervorzubringen.
Ein Beweis aber, daß die Freunde der Critik doch auch nicht recht
wissen, woran sie sind, ist schon das, daß sie nicht recht wissen, wohin
sie den Gegenstand setzen sollen, welcher die Empfindung hervorbringt.
Ich habe mir daher vorgenommen, diese Sache, wahrlich doch die
Hauptsache der ganzen Critik, recht zu betreiben, und arbeite an einem
Aufsatz, worin ich die Methode der Critik umwende. Ich fange von
dem Postulat der ursprünglichen Beylegung an, stelle diese Handlung
in den Categorien dar, suche meinen Leser in die Handlung selbst zu
versetzen, in welcher sich diese Beylegung an dem Stoffe der Zeit-
vorstellung ursprünglich offenbart — Wenn ich nun so glaube meinen
Leser gänzlich auf die Stelle gesetzt zu haben, auf der ich ihn haben will,
so führe ich ihn zur Beurtheilung der Critick d. r. V. in ihrer Einleitung,
Aesthetik und Analytik. Sodann will ich ihn die vorzüglichsten Einwürfe,
beurtheilen lassen, insbesondere die des Verfassers des Aenesidemus.
Was urtbeilen Sie wohl davon? Ihr Alter drückt Sie und ich will
Sie gar nicht bitten, mir hierauf zu antworten, obwohl ich gestehen
muß, daß Ihre Briefe mir die kostbarsten Geschenke sind. Aber darum
bitte ich Sie, daß Sie die Freundschaft für mich haben wollen, Ihre
wahre Meynung darüber meinem Verleger zu sagen. Denn er wird sich
darnach bestimmen. Es versteht sich aber wohl von selbst, daß ich
nichts Anders wollen kann, als daß Sie ihm gerade heraussagen, was
Sie von diesem Froject halten, ob eine solche Schrift, von mir bear-
beitet, für das Publikum nützlich ausfallen dürfte.
Auch seyn Sie so gütig, mich zu entschuldigen, wenn ich etwas
zu behauptend Ihnen scheinen möchte. Ich muß diesen Brief auf der
Post dem Hartknoch nachschicken, und die Post will abgehen, daher
ich etwas flüchtig schreiben mußte. Behalten Sie Ihre Gewogenheit für
Ihren
-Halle Sie verehrenden
d. 17üü Juny 1794. Beck.
432 Aus Kant's Briefwechsel.
xm.
Beck an Kant.
Halle den 17*2» Juny 1795.
Verehrungswürdiger Lehrer,
Herr Prof. Jakob bietet mir eine Gelegenheit an, einen Brief an
Sie zu bestellen, die ich sehr gern ergreife, weil ich mich versichert
halte, daß Sie freundschaftlich gegen mich gesinnt sind, und aus diesem
Grunde, Nachrichten die mich betreffen, mit einigem Interesse, auf-
nehmen werden.
Die erstem Jahre meines Aufenthalts in Halle, waren von mancherlei
Kümmernissen begleitet. Jetzt aber wird derselbe von Tage zu Tage
heiterer. Ich habe hier viele und herzliche Freunde und nachdem ich
bald fünf Jahre lang den hiesigen Studirenden ein wahrer obfcurus war,
so bin ich jetzt in ziemlichem Beyfall als academischer Docent. Von
der Schule, auf der ich so lange lebte, habe ich in diesem Frühjahr
mich frey gemacht und lebe jetzt ganz dem academischen Unterricht.
Ich war dem Graf Keyserling 100 Thlr. schuldig, womit er mich vor
fünf Jahren unterstützte, und diese habe ich jetzt schon abgetragen.
Ihnen, Fürtreflicher Mann, verdanke ich meine bessere Lage; denn Sie
haben mir dazu die Hand geboten.
Künftige Michälismesse kömmt ein dritter Theil zu meinem Aus-
zuge zum Vorschein, welche Schrift, auch besonders unter dem Titel:
einzig möglicher Standpunct, aus welchem die critische Philosophie
beurtheilt werden muß, erscheinen wird. Sobald sie fertig gedruckt
seyn wird, werde ich mir die Freyheit nehmen Ihnen ein Exemplar zu
überschicken. Ich habe Ihnen von diesem Plan, schon einmahl was,
geschrieben. Meine ganze Absicht ist, zu zeigen, daß die Categorien
der Verstandesgebrauch selbst sind, daß sie allen Verstand, und alles
Verstehen ausmachen, und daß der wahre Geist der critischen Philosophie,
die das Publicum Ihnen verdankt, darin besteht, daß dieselbe an ihrer
Transcendentalphilosophie, die Kunst sich selbst zu verstehen aufgestellt
habe. Dieses: sich selbst verstehen, ist in meinen Augen, der oberste
Grundsatz aller Philosophie, und ich bin versichert, daß nur demjenigen,
Von Rudolf Beicke. 433
der dieses wohl vornimmt, Ihre critische Werke aufgeschlossen seyn
kennen. — Möchte die Vorsehung Sie noch lange im Leben erhalten.
Erhalten Sie Ihre Gewogenheit gegen mich Ihren
Adresse mü Siegel: Ihn6ö ergebenen
An Beck.
Herrn Professor Kant
durch gütige Bestellung. König8berg.
XIV.
Kant an Beck. 20)
Werthester Freund!
Sie haben mich mit verschiedenen Ihnen Ehre bringenden Schriften,
zuletzt noch mit dem Grundrisse der crit. Phil., beschenckt und ich
mache mir darüber Vorwürfe, die in Ihren Briefen an mich gerichtete
Anfragen, Entwürfe und Nachrichten, so angenehm sie mir auch allemal
waren, durch keine Antwort erwiedert zu haben. — Werfen Sie immer
die Schuld auf die Unbehaglichkeit meines Alters, dessen übrigens sonst
ziemliche, Gesundheit doch nicht, wie bei einem Eaestner, durch
körperliche Stärke unterstützt wird und mich, da ich immer beschäftigt
seyn muß, durch seine Launen unaufhörlich abzubrechen und mit Be-
schäftigungen zu wechseln nöthigt.
Man hat mir versichert, daß Sie provisorisch vom Petersburgischen
Hofe einen Ruf auf die in Curland zu errichtende Universität hätten.
Verhält sich dieses so, so würde ich mich, auch Meinentwegen, freuen,
eine Gelegenheit zu finden, die es mir erleichterte unsere beyderseitige
Ideen, Entwürfe nnd Fortschritte wechselseitig mitzutheilen. — Ein Ge-
danke des Hrn. Hindenburg, den Sie mir mitzutheilen die Güte hatten,
ist mir zwar sehr schmeichelhaft, was das Zutrauen betrifft, übersteigt aber
meine mathematische Kenntnis viel zu weit, als daß ich die Anwendung
der Combinationsmethode auf die Philosophie auch nur versuchen sollte.
20) Der Originalbrief besteht ans einem Quartblatt and befindet sich im Besitze
des Prof. Erdmann in Halle, der ihn mit einem Exemplar der Kritik d. r. Vernunft
(1. Aufl.), welches aus der Beck'schen Bibliothek stammt, erworben hat. Abschrift
verdanke ich Dr. Karl Kebrbacb.
434 Aos Kan^f Briefwechsel.
Herren Prof. Jacob bitte gelegentlich, neben meiner besten Em-
pfehlung, für die Uebersendnng seiner Annalen den ergebensten Dank
abzustatten. Wen ich nur etwas zur Erwiederung dieser Güte thun könte!
Mit der größten Hochachtung uud Ergebenheit bin ich jederzeit
Königsberg Der Ihrige
d. 19. Nov. 1796. L Kant.
Adresse: An Herrn
Magister Beck
in
Halle.
XY.
Beck an Kant.
Halle d. 20*2 Juny 1797.
Hochachtungswürdiger Mann,
Ich kann es mir wohl deuken, wie ein Mann, der, indessen er den
Ziel sich nähert, zu seinen Vätern zu gehen, sich bevtußt ist, ein großes
Gut der Nachwelt zu hinterlassen, wornach alle Vorwelt, als nach der
interessantesten Angelegenheit, so lange und doch so vergeblich gerungen
hat, bey der Nachricht daß diese Wohlthat in Gefahr gesetzt worden,
unmöglich gleichgültig seyn könne. So wie ich Sie, Herrlicher, Weiser
Mann kenne, so bin ich versichert, daß Sie Ihres innern großen Werths
sich bewußt, über die Nachricht, daß ein Fremder Ihre Arbeiten und
wichtige Entdeckungen sich zugeeignet habe, sich wohl wegsetzen würden;
aber daß ein böser Feind Unkraut unter Ihren Weizen gesäet habe, daß
das Gut selbst, das Sie gegründet haben, verdorben, und, wie Herr
Hofprediger Schultz sich ausdrückt, in der Wurzel angegriffen worden,
das kann der tugendhafte Mann unmöglich mit gleichgültigen Augen
ansehen. Ich eile Ihnen diese Besorgniß zu benehmen, indessen icb
mich herzlich freue, diesmahl von der mir interessantesten Sache, an-
mittelbar und ohne Beystand eines Referenten, mit meinem grossen
Lehrer mich unterhalten zu können, wenn es gleich mir allerdings wehe
thut, jene unangenehme Empfindungen bey Ihnen veranlast zu haben.
Sie wissen es wohl aus eigener Erfahrung, daß in den sehr schweren
transcendentalphilosophischen Untersuchungen, man nur durch vielfach
Von Rudolf Reicfce. 435
widerholtes und scharfes Nachdenken endlich dahin kommt, sich selbst
vollkommen verständlich zu seyn, und daß, bevor man diesen Zustand
erreicht hat, es auch nicht gut thunlich ist, andern verständlich zu
werden. Wenn nun Herr Hofprediger Schultz in meinen unter dem Titel,
die critische Philosophie erläuternden, ihren wahren Standpunct dar-
stellenden Schriften, so viel gerade auf den Umsturz derselben gerichtete
Momente erblickt, daß ich gar fast glaube, der würdige, gute, mir
sonst sehr liebe Mann möchte mich vieleicht für den tückischen Feind
derselben halten, der unter der Maske der Anhänglichkeit auf ihren
Ruin ausgeht, wie ich geneigt bin zu glauben, daß er manchen vorgeb-
lichen Freund der christlichen Religion für den boshaftesten Wieder-
sacher derselben hält, so dürfte dieses wenigstens wohl ein Beweis
a posteriori seyn, daß ich in meinen Schriften, ob ich gleich darin den
Boden aller Verständlichkeit ebenen und bearbeiten wollte, ich mich
doch selbst noch nicht recht wohl darin verstanden habe. Mit mensch-
lichen Arbeiten geht es aber nun einmahl nicht anders, als daß sie
unvollkommen ausfallen und ein Transcendentalphilosoph kommt nur
nach und nach dahin, die Principien zu allen objectiv gültigen Be-
griffen selbst auf Begriffe zu bringen und sie dann, weil er sich dann
selbst nicht mehr mißversteht, auch andern so mitzutheilen, daß sie
ihn verstehen können. Ich glaube daher gar nicht mich schämen zu
dürfen, wenn ich frey bekenne, daß seit den anderthalb Jahren, da ich
mit meinem Grundriß fertig wurde, seit welcher Zeit ich jede Gelegen-
heit ergrif, die meine wissenschaftliche Arbeiten mir anboten, um mein
Auge auf das Object der Transcendentalpbilosophie fallen und darauf
ruhen zu lassen, daß seit dieser Zeit, ich in vielen Stellen die Sache
besser als vorhin getroffen habe, und daß noch ehe ich Ihren Brief er-
hielt, ich mir schon vorgenommen hatte, Betractationen meiner Arbeit
abzufassen. Allein ich glaubte dieses Geschäft für eine künftige Aus-
gabe meines Grundrisses aufbewahren zu können. Ich bemerke aber,
daß ich darunter auch nur solche Betractationen meyne, wie ich
glaube daß der heil. Augustin meynte. Ich glaube nämlich nicht eben
Falschheiten in meinen Büchern gesagt zu haben, als vielmehr Unbe-
stitntheiten, weil ich selbst noch nicht bestimmt genug gegriffen hatte.
436 Ans £•«*'• Briefwechsel.
Denn vortreflicher Mann, ich glaube in ein Paar Worten, den Satz
der die Seele der critischen Philosophie ist, Ihnen wenigstens so aus
einander legen zu können, daß Sie gewiß sagen sollen : „Da hast eigent-
lich nichts Neues in deinen Schriften gelehrt; aber verstanden hast da
mich vollkommen", und ich muß mich erinnern, daß ich an Sie schreibe
um nicht warm zu werden, daß der gute würdige Schultz ganz unnützer-
weise Feuer! rufen will. Sie müssen mich selbst vernehmen.
Ich bemerke nämlich an den Categorien erstens, daß in dem
Gebrauch derselben als Prädicate der Objecto, der logische Verstandes-
gebrauch besteht. Hiernach heist es dann ein Ding hat Grösse, hat
Sachheit, ihm komt zu Substantialität, Causalität, u. s. w. Diesen
logischen Verstandesgebrauch sage ich auch in den synthetischen Ur-
theilen a priori aus, z. B. Bey allem Wechsel der Erscheinung beharret
die Substanz ; Was geschieht hat eine Ursache u. 8. w. Wie fällt nun
die Auflösung dieser Synthesis von Begriffen aus? Ich bemerke das ur-
sprüngliche Verstandesverfahren in der Categorie, wodurch gerade die
synthetisch objeetive Einheit, die das ausmacht, was Sinn und Bedeutung
meines Begriffs heißt, erzeugt wird. Was ist es, frage ich, was den
Chemiker nöthigt bey seinem Prozeß des Verbrennens des Phosphors
in atmosphärischer Luft, zu sagen daß dasjenige, um was die Phos-
.phorblumen schwerer geworden sind, eben das ist, um was die Luft
leichter geworden ? Ich antworte: sein eigener Verstand, das Erfahrende
in ihm, welches ursprüngliche Verstandes- Verfahren ich einem bemerk-
bar mache, wenn ich ihn bitte, alle Objecto im Baum aufzuheben und
nach Ablauf von 50 Jahren eine Welt wieder zu setzen. Er wird ge-
stehen daß beyde Welten zusammen fallen und keine leere Zeit abge-
laufen ist, das ist, daß nur am beharrlichen er sich die Zeit selbst
vorstellen könne. Hierher muß der Blick gerichtet seyn, um das Phantom
des Berkleyischen Idealisms zu widerlegen. Eben so wenn ich auf
das Erfahrende in mir achte, wodurch ich zu der Aussage, daß etwas
geschehen ist, gelange, so bemerke ich, daß das Verursachen, das icb
damit verbinde, nichts anders als das Festmachen der Synthesis von
Wahrnehmungen als eine successive ist (das ursprüngliche Setzen eines
Etwas, wonach, als nach einer Begel die Begebenheit folgt) dadurch
Von Rudolf Reicke. 437
also Erfahrung einer Begebenheit erzeugt wird. Überhaupt aller dieser
synthetischen Urtheile a priori Auflösung fällt dahin aus, daß das
Prädicat das ich in einem solchen Urtheil mit dem Subject verbinde,
das ursprüngliche Verstandesverfahren ist, dadurch ich zu dem Begriff
von dem Object gelange. Hiernach (in dem Bewußtseyn dieser Prin-
eipien) verstehe ich mich hoffentlich richtiger in dem Urtheil: meine
Vorstellung von dem Tisch der vor mir steht, richtet sich nach dem
Tisch, und dieses Object afficirt mich, es bringt Empfindung in mir
hervor, als jeder andere der dieses ursprunglichen Verstandesverfahrens
nur in der Anwendung, aber nicht abgezogen sich bewußt ist, und da
bin ich freylich überzeugt, daß die Abtheilung des Erkenntnißvermögens,
in Sinnlichkeit, als das Vermögen des Subjectiven (das Vermögen von
Gegenständen afficirt zu werden) und in Verstand, das Vermögen Gegen-
stände zu denken (dieses Subjective auf ein Object zu beziehen) mit
erforderlicher Deutlichkeit allererst nach richtiger Ansicht der Categorie
als eines urspr anglichen Verstandesverfahrens ausgeht.
Der Düsseldorfer Jacobi sagt in seinem David Hume betitelten
Gespräch: „Ich muß gestehen, daß dieser Umstand (daß nämlich die
Gegenstände Eindrücke auf die Sinne machen) mich bey dem Studio
der Kantischen Philosophie nicht wenig aufgehalten hat, so daß ich
verschiedene Jahre hinter einander, die Critik der reinen Vernunft immer
wieder von vorne anfangen mußte, weil ich unaufhörlich darüber irre
wurde, daß ich ohne jene Voraussetzung in das System nicht hinein-
kommen, und mit jener Voraussetzung darin nicht bleiben konnte.41
Wenn ich nun über diese Bedenklichkeit, welche gewiß sehr vielen
wichtig ist, mein Urtheil sagen und auch bestimmen soll, was Ihre
Critik eigentlich meyne, wenn sie auf der ersten Seite der Einleitung
von Gegenständen spricht, welche die Sinne rühren, ob sie darunter
Dinge an sich oder Erscheinungen meyne? so werde ich antworten, daß
da Erscheinung das Object meiner Vorstellung ist, in welcher Be-
stimmungen desselben gedacht werden, die ich durch das ursprüngliche
Verstandesverfahren (z. B. durch das ursprüngliche Fixiren meiner Syn-
thesis von Wahrnehmungen, als eine successive, dadurch Erfahrung
einer Begebenheit möglich wird) erhalte, so ist der Gegenstand der mich
438 Aui KÄnt** Briefwechsel.
afficirt, eben daher Erscheinung und nicht Ding an sich. Meynt aber
jemand von den Categorien einen absoluten Gebrauch machen zu können,
sie als Prädicate der Dinge schlechthin ansehen zu können, ohne Hin-
sicht des ursprünglichen Yerstandesverfahrens das in ihnen liegt (nach
Ihrem Ausdruck: eine Anwendung von ihnen auf Objecte ohne Bedingung
der Anschauung machen zu können) der ist in der Meynung die Dinge
an sich zu erkennen und, wenn ich ein klein wenig auf Herrn Schultz
böse seyn wollte, so würde ich gewiß mit mehrerm Fug ihm den Vor-
wurf machen, daß er im Besitz einer Verstandesanschauung zu seyn
sich dünke, als er Recht hat, ihn mir zu machen. Das einzige was
meiner Meynung nach dem Menschen vergönnt [sie] ist, ist die Be-
ziehung der Natur überhaupt auf ein Substrat derselben, eine Be-
ziehung, der er sich in seiner Anlage für Moralität, in dem Bewußtseyn
der Bestimmbarkeit des Begehrens durch die blosse Vorstellung der
Gesetzmässigkeit der Handlungen bewußt ist. Denn in diesem Bewußt-
seyn, (aus welchem gerade so die synthetisch-practischen Grundsätze
hervorgehen, wie jene synthetisch theoretische Urtheile a priori ans
dem ursprünglichen Verstandesverfahren) erhebt er sich über die Natur
und setzt sich ausser ihrem Mechanism, ob er gleich als Mensch doch
wieder Naturgegenstand ist, und sonach seine Moralität selbst etwas
Angefangenes ist und Naturursachen voraussetzt. Der einer Zweck-
einheit entsprechende fortgehende Naturmechanism stimmt ihn zu dieser
Beziehung noch mehr und erhebt und stärkt die Seele des sittlich
guten Menschen, ob er gleich doch nur immer auf symbolische Weise
sich dieses Substrat vorzustellen weiß. Selbst der Lauf menschlicher
Begebenheiten, Naturbegebenheiten, wie z. B. die Erscheinung der christ-
lichen Religion, von der als einem Eirchenglauben man sagen kann,
daß sie das Princip zu ihrer eigenen Auflösung in sich selbst trägt,
Naturbegebenheiten die sichtbarlich hinzielen, den rein moralischen
Glauben in unserm Geschlecht hervorzubringen — Alles dieses leitet den
Verstand zu einer solchen Beziehung«
Aber ich schreibe als wollte ich Ihnen etwas Neues lehren! Ver-
ehrungswürdiger, grosser Mann, ich kann nicht ohne Entzücken diese
Angelegenheiten des Menschen überdenken, und Ihnen verdanke kh es,
Von Rudolf Rdcke. 439
Sie haben mich darauf geführt. Ich befinde mich in meinen besten
Jahren, und was meine Seele täglich erheitert, ist, der auf meine jetzige
Einsichten in die Prinzipien der critischen Philosophie gegründete Ge-
danke, einst auch nach dem Abgange des grossen Stifters derselben,
diese dem Menschengeschlecht wichtige Angelegenheit kräftiglich be-
sorgen zu können. Ihre metaphysische Principien der Rechtslehre, haben
mich seit ihrer Erscheinung beschäftigt, und die Aufklärungen die ich
durch diese kleine Schrift erhalten, sind sehr groß. Um so mehr thut es
mir wehe, daß der gute Hofpr. Schultz meine Bemühungen in einem [sie]
so gehässigen Licht hat stellen wollen. Mir war bey meinem Stand-
punet alles darum zu thun, die wahre Ansicht der Categorien als des
ursprünglichen Verstandesverfahrens zu eröfnen und den nur unter dieser
Bedingung gültigen empirischen Gebrauch meinem Leser unter die Augen
zu stellen, und ihm die Nichtigkeit des transcendentalen Gebrauchs der-
selben zu zeigen. In dieser Hinsicht, da ich sonach Ihre Methode um-
kehrte und von den Categorien sofort anfing, nannte ich meine Arbeit
Transcendentalpbilosophie und theilte sie nicht ein in trans. Ästhetik
und Logik. In dem ersten Abschnitt meiner Schrift bandele ich von
den Schwierigkeiten in den Geist der Critik zu dringen und mache
darin den Sceptiker; bloß um sehr viele critische Philosophen, die
wirklich den dogmatischen Schlaf schlafen, zu wecken, und um Herrn
Reinhold und andern sich nennenden Elementarphilosophen zu Gemüth
zu führen, daß, indem sie Ihre Critik meistern, weil sie einen Satz aus
dem alle Philosophie quellen soll, ihrer Meynung nach anzugeben unter-
lassen habe, und von denen der eine diesen, ein anderer einen andern
Satz als Thatsache des Bewußtseyns aufführt, um diesen Männern zu-
zurufen, daß sie nicht bemerken, daß dasjenige worauf jeder mögliche
Satz, wenn er Sinn haben soll beruht, gerade von Ihnen in dem ur-
sprünglichen Verstandesverfahren der Categorien angegeben worden. Ich
zeigte den Nachsprechern Ihrer Critik, die mit Ihren Worten groß tbaten,
daß in ihrem Munde es mir ganz sinnlos vorkomme, wenn sie von Be-
griffen a priori reden, die sie doch nicht mit Leibnitz angebohrne heissen
wollten, lediglich um nachher den grossen Unterschied, der zwischen
Ihrer Behauptung, daß die Categorien Begriffe a priori sind und jener
440 Aus Kant's BriefWeehael.
von angebohrnen auffallend zu machen und um zu zeigen, daß diese
Categorien durchweg eigentlich das Verstandesverfahren sind, wodurch
ich zu dem Begriff von einem Object gelange, dazu gelange, daß ich über-
haupt sage: hier ist ein von mir verschiedener Gegenstand. Niemand kann
von der Richtigkeit seiner Einsichten heller fiberzeugt seyn, als ich in
diesem Augenblick bin. Was mir Herr Schultz Schuld giebt, davon ist
mir auch niemals der Gedanke eingefallen. Nicht eingefallen ist es mir,
die Sinnlichkeit weg zu exegesiren. Wie gesagt, ich konnte mein Auge
nicht dem Lichte verschliessen, das ich erblickte, als ich auf den Ein-
fall kam, von dem Standpuncte der Categorien auszugehen, und das
was Sie in Ihrer transc. Aesthetik besonders abhandeln (Raum und Zeit)
mit den Categorien zu verbinden. Herr Beinhold hatte Sie corrigirt,
wenn Sie sagen: der Baum ist eine Anschauung a priori und dahin ge-
meistert, daß es nach ihm beissen soll, die Vorstellung vom Baum ist
Anschauung. Ich zeige ihm, daß der Baum selbst eine reine An-
schauung ist, das heißt, die ursprüngliche Yerstandessynthesis worauf
die objective Verbindung (ein Object hat diese oder jene Grösse) beruht
Nie in den Sinn ist es mir gekommen, zu sagen, daß der Verstand das
Ding macht; ein baarer Unsinn! Wie kann Herr Schultz so unfreund-
lich seyn mir dieses zu Schulden kommen zu lassen. Wie gesagt, ich
wollte nicht im geringsten mehr, als die Leute darauf fuhren, daß wir
nichts objectiv verknüpfen können (urtheilen mit einem Wort, sagen:
ein Ding hat diese oder jene Grösse, diese oder jene Realität, Sub-
stantialität u. s. w.) was der Verstand nicht vorher selbst verbunden
hat und daß hierin die objective Beziehung liegt Hierauf will ich jeden,
wie mit der Nase darauf fuhren und wie sollte einer bey diesem Licht
nicht sehen können! da heißt nun dieser auf mich wirkende, die Sinne
ruhrende Gegenstand, Erscheinung und nicht Ding an sich, wovon ich
lediglich den negativen Begriff aufstellen kann, als von einem Dinge
dem Prädicate schlechthin (ganz abgesehen vun diesem ursprünglichen
Verstandesverfahren) zukommen, — eine Idee und so auch die von einem
urbildlichen Verstände, die naturlich durch Entgegensetzung aus jener
Eigenheit unsers Verstandes entspringen. Meine Absicht ging dahin,
dem Begriff von Ding an sich den Zugang in die theoretische Philo-
Von Rodolf Reicke. 44X
sophie zu verschliessen, auf dessen ganz eigene Art von Realität ich
lediglich in dem moralischen Bewußtseyn geleitet werde. In jenem
ersten Abschnitt meiner Schrift, spreche ich etwas laut, nenne auch
freylich die Anschauung sinnlos. Ich nenne alle Kesultate Ihrer Arbeit so,
ich, der indem ich sie so nannte, der größte Bewunderer derselben war
und Herr Hofprediger S. sie gewiß nicht mehr verehren konnte als ich.
Aach ist er der einzige der mich so mißverstanden hat. Fast kann ich
mir dieses Mißverstehen nicht anders als durch die Nachricht erklären,
die mir Herr Motherbey [mV?], der so gut war, mich zu besuchen, ge-
geben bat, daß der würdige Mann seine Frau vor einiger Zeit verlohren
hat, welches Ereigniß ihm vieleicht einige Grämlichkeit zurückgelassen
bat. Auch kann wohl immer etwas frommer, von seiner theologischen
Denkart übrig gebliebener Eifer im Hintergrunde seyn, der gewiß wohl
von wackerer Denkungsart einen Beweis ablegt, aber andern ehrlichen
Leuten doch immer etwas beschwerlich fallt. Niemand hat der Sache
nach, von allen Freunden der critischen Philosophie auf die Unter-
scheidung der Sinnlichkeit vom Verstände mehr als ich gedrungen. Ich
thue es unter dem Ausdrucke: daß ein Begriff nur sofern Sinn und
Bedeutung habe, sofern das ursprüngliche Verstandesverfahren in den
Categorien ihm als Basis unterliegt, welches der Sache nach einerley
mit Ihrer Behauptung ist, daß die Categorien lediglich auf Anschau-
ungen Anwendung haben, welchen Ausdruck ich aber meines Gesicht-
puncts wegen wählte. Eigentlich liegt aber der ganze Grund Ihres
Briefes und was auf Sie Eindruck gemacht hat, in der Nachricht die
Ihnen Herr Schultz giebt, daß ich auf den Titel meiner Schrift: auf
Anrathen K. — gesetzt habe und er erregt die Besorgniß, daß das
Publicum deswegen glauben werde, daß Sie meine vermeyntlich falsche
Vorstellungsart für gültig anerkennen und so Ihre eigene Arbeit durch
mich umwerfen lassen. Wirklich deswegen habe ich Ursache gegen
ihn unwillig zu seyn. Die Sache verhält sich so. Da ich dem Buch-
händler Hartknoch meinen Standpunct antrug, so trug ich sie ihm als
eine vor sich bestehende Schrift an, die gar nichts mit dem Auszuge
zu thun hatte. Er antwortete mir von Riga aus und bat mich sie mit
zwey Titeln (auf der einen Seite: Standpunct :c. und auf der andern:
41tpr. MoMtMchrifft Bd. XXII. Hft. 5 o. 6. 29
442 Äüi *•*?* BriefWeehsel.
Auszug ic.) ausgehen zu lassen. Ich sähe nichts Unrechtes darin und
that was er wollte, wohl aber mit der Vorsicht, daß ich nicht auf dem
Titelblat des Standpuncts auf Ihr Anrathen und nur auf dem andern
es setzte, weil ich dieses (was den Auszug überhaupt betraf) thun
konnte. Indessen wenn ich geirrt habe, so habe ich doch nichts Ter«
brochen und ich bin bereit die Sache bey der ersten Gelegenheit gut
zu machen, nämlich zu erklären, daß der Standpunct nicht auf Ihr An-
rathen geschrieben worden sey, wiewohl ich auch nicht einsehen kann,
daß das Wort: Anrathen überhaupt etwas anderes sagen kann, als
daß Sie mich überhaupt für einen Mann halten, der eine der Beach-
tung des Publicums werthe Sache produciren könne. Die Sache kann
aber auf mehrere Art gut gemacht werden. Vor allen Dingen wünsche
ich es nicht auf eine, denjenigen Leuten, die die critische Philosophie
wie den Tod hassen, willkommene Weise zu thun, welches durch eine
in die Lit Zeitung oder in Jakobs Annalen inserirte Nachricht geschehen
würde; denn bey aller Vorsicht im Ausdruck würden diese Zänkerey
und Uneinigkeit wittern, welches der guten Sache schaden würde. Am
beßten geschehe es in der Vorrede zu einer Schrift. Ich gehe näm-
lich mit einer Arbeit um, die aber künftige Ostern erst herauskommen
kann. Oder, möchte sich nicht Herr Hofprediger Schultz entschliessen,
selbst einen Aufsatz, der bloß die Hauptmomente des critischen Idea-
lisms auseinandersetzte, zu verfertigen und Betractationen meiner Arbeit,
von mir, als einen zweyten Theil eben dieser Schrift aufzunehmen (so
wie Herr Hindenburg in der verlaufenen Michaelis [siel] Messe die
Schrift: Der polynomische Lehrsatz, das wichtigste Theorem der ganzen
Analysis, neu dargestellt von Elügel, Kramp, Pfaff,Tetens und Hindenburg,
herausgegeben hat)? Keiner dürfte die Arbeit des andern vor dem Druck
gesehen haben. Ich denke eine solche von zwey Männern, mit Ernst
und Wahrheitsliebe abgefaste Schrift, von denen jeder die Sache auf
die ihm eigene originale Art ansieht, müßte nützlich werden. Ich will
doch nicht hoffen, daß der gute Mann diesen Vorschlag übel aufnehmen
werde. Denn vor 10 Jahren war ich freylich sein Schüler, bin aber
jetzt selbst ein Mann, habe auch in dem besondern wissenschaftlichen
Gebiet, das er betreibt, nach vielen Richtungen hin mich umgesehen
Von Rudolf Reicke. 443
und glaube der Achtung meiner Mitmenschen nicht unwerth zu seyn.
Wenn Sie in wenig Worten mir Ihre Meynung mittheilen wollten, so
würde mir das sehr angenehm seyn.
So wie ich Ihren Brief erhielt, theilte ich ihn meinem würdigen
Freunde dem Prof. Tieftrunk mit. Er hatte den Einfall daß es gut
wäre, wenn Sie auch die Art, wie ein Anderer meine Bemühung im
Standpunct aufnehme, sich sagen liessen und ich dankte ihm für sein
freundschaftliches Anerbieten, dieserwegen an Sie zu schreiben.
Und nun, mein ewig verehrungswürdiger Lehrer, mir müssen Sie
dieser Geschichte wegen, Ihr Wohlwollen nicht entziehen. Wahrlich
das würde mich kränken, der ich für die Sache der Philosophie zu
leben wünsche. Ich denke daß in diesen Angelegenheiten man ruhig jeden,
von dem man sieht, daß er es bieder meynt, seinen Weg gehen lassen
müsse. Mit der innigsten Hochachtung bin ich ganz
der Ihrige
Beck.
Von Herrn Schlettweins Existenz weiß ich gar nichts mehr, als
daß mir ahndet, daß ein Journal unter seinem Namen da sey. Was
Sie in der Lit. Z. ihn betreffendes haben einsetzen lassen, habe ich
noch nicht gelesen. Daß dieser Rotomontadenmacher [siel] Sie ver-
anlassen könnte, etwas mich betreffendes, das mich in den Augen des
Publicuma lädiren könnte, darin zu sagen, darf ich nicht einmahl ver-
muthen, ohne Ihnen dadurch zu misfallen.
Ich kann mich nicht überreden daß Herr Prof. Pörschke, meine
Darstellung des Geistes der critischen Philosophie, ihrem wahren Geiste
so entgegen, wie Herr Hofpr. Schultz halten sollte. Wie wenn dieser
brave Mann sein Urtheil Ihnen darüber sagen möchte. Ich habe hier
auch meinem Freunde Bath Ihren Brief mitgetheilt. Dieser sehr ein-
sehende Mann, der, ob er gleich nichts geschrieben hat, doch viel Gutes
schreiben könnte und der mir immer seine Zufriedenheit mit meiner
Darstellung gestanden hat, erstaunte wie es möglich sey, so sonderbar
meine Behauptungen auszulegen, wie es Herr Hofprediger S. gethan
hat. Auf jeden Fall, Hochachtungswürdiger Mann, können Sie ver-
sichert seyn, (auch auf den Fall daß Sie auf diesen Brief nicht ant-
29*
444 Aus Kant'fl Briefwechsel.
worten sollten,) daß ich bey der ersten Gelegenheit, die ich haben werde
von critischer Philosophie zum Publicum zu sprechen, sagen werde,
daß Sie gar keinen Antheil weder an meinem Standpunct, noch am
Grundriß haben. Ich werde mich so erklären, daß Sie und jedermann
vollkommen mit mir zufrieden seyn sollen, und darauf haben Sie meine
Handl Geständnisse aber eines Versehens in der Sache, die kann ich
nicht thun, weil niemand von seiner Einsicht überzeugter ist, als ich.
XVI.
Beck an Kant.
Halle den 24*£ Juny 1797.
Hochachtungswürdiger Mann,
Als ich schon meinen, verlaufenen 20£s an Sie gerichteten Brief
auf die Post gebracht hatte, nahm ich den Ihrigen noch einmahl in
die Hände. Indem ich nun bey dem Anfange desselben, und bey einigem
was Herr Hofprediger Schulz mich sagen last, etwas verweilte, wurde
mir die eigentliche Veranlassung sowohl zu Ihrem Briefe, als auch zu
dem Unwillen dieses würdigen Mannes etwas begreiflicher, und da ich
nun die Sache in einem etwas andern Lichte ansah, faste ich den Ent-
schluß, mit der heutigen Post noch dasjenige nachzuhohlen, was mir jetzt
noch nöthig scheint, Ihnen zu sagen.
Sie geben nämlich die Veranlassung zu Ihrem Briefe mit den
Worten an: daß er die schnelle und Öffentliche Beylegung der Mis-
helligkeit critischer Principien vom obersten Bang betreffe. Aus diesem
nun, und aus den Bemerkungen des Herrn Hofprediger, da er mich
z. B. sagen last: „Realität ist die ursprüngliche Synthesis des Gleich-
artigen der Empfindung, die vom Ganzen zu den Theilen geht (wobey
wahrscheinlich Sie es sind der mich, und zwar mit allem Becht fragt:
„Was hier Empfindung bedeuten mag, wenn es keine Sinnlichkeit giebt,
sehe ich nicht wohl ein." Gewiß, vortreflicher Mann, wenn mir so etwas
jemals in den Sinn gekommen wäre, müßte ich dieses Unsinns wegen
mich selbst anfeinden); daß der Verstand die Objecto erzeugt." schliesse
ich, daß Sie mit Herrn Schultz über das sonderbare Zeug des Herrn
Fichte sich unterhalten haben müssen, indem mir diese Ausdrücke
Von Rudolf Reicke. 445
gänzlich Fichtisch klingen. Hierauf kann ich nun nicht anders, als noch
Folgendes erinnern und einen Vorschlag thun, der mir durch den
Kopf geht.
Ich versichere Sie, sowahr ich ein ehrlicher Mann bin, daß ich
unendlich weit, von diesem Fichteschen Unsinn mich entfernt befinde.
Ich hielt es bloß vor nöthig, auf die Ansicht der Categorien, als eines
ursprünglichen Verstandesverfahrens, wohin ihre ganze Deduction, als
Beantwortung der Frage: wie sind sie auf Erscheinungen anwendbar,
gerichtet ist, die Augen der philosophirenden Männer zu lenken, weil
ich mich versichert hielt, daß ihre Mishelligkeiten verschwinden müßten,
wenn sie das träfen, daß der Verstand nichts objectiv verknüpfen könnte,
was er nicht vorher ursprünglich verbunden hat. Wenn ich nun aller-
dings sage, daß die Categorie Realität die Synthesis der Empfindung ist,
die vom Ganzen zu den Theilen (durch Remission) geht, so kann doch
vernünftigerweise meine Meynung keine andere seyn, als daß die Sach-
heit eines Dinges, (das Reale der Erscheinung die mich afficirt, und
diese Empfindung in mir hervorbringt) allemahl eine Grösse (intensive)
ist, daß eben daher eine absolute Sachheit (die nämlich keine Grösse
wäre, wie nach Cartesii Meynung, daß die Materie durch ihre blosse
Existenz einen Raum erfüllt) nichts bedeutet. Dieses ursprüngliche
Verstandesverfahren in der Categorie Realität, fällt mit dem in den
Categorien der Existenz zusammen, vermöge dessen ich eben aus mir
selbst herausgehe, und sage: hier ist ein Object das mich afficirt; aber
der Transcendentalphilosoph muß diese verschiedene Seiten des Ver-
standes von einander scheiden. Ich fand für nöthig, auf jede Categorie
besonders, das Auge des Lesers zu lenken. Wenn mich einer fragt:
„wenn du nun dich selbst in Gedanken aufhebst, dann hebst du ja auch
wohl alle Dinge ausser dir zugleich auf?u so werde ich doch nicht
verrückt seyn, solch dummes Zeug zu bejahen. Hebe ich mich in Ge-
danken auf, so betrachte ich mich ja eben unter Zeitbedingungen,
welchen Ablauf der Zeit ich mir selbst nur am Beharrlichen vorstellen
kann. Absehen von diesem ursprünglichen Verstandes verfahren , ist
doch nicht mit Aufheben meiner Selbst einerley. Ja wohl, werde ich
sagen, wenn ich von der ursprünglichen Synthesis, der ich mir im Ziehen
446 Ana Kant's Briefwechsel«
einer Linie bewußt bin, wegsehe, denn vergeht mir freylich aller Sinn
von extensiver Grösse, die ich einem Object beylege, weshalb eben das
Object meiner Vorstellung, Erscheinung und nicht Ding an sich heißt.
Gewiß, vortre flieh er Mann, wenn Sie mir die Ehre erweisen, und ein
wenig nur selbst auf diese meine Methode von dem Staodpuoct der
Gategorien abwärts zu gehen, so wie Sie in Ihrem unsterblichen Werk
aufwärts gehen, aufmerksam seyn wollten, so würden Sie die Thunlich-
keit derselben bemerken. Man muß nur innig mit dem ganzen Gegen*
stand vertraut seyn, so kann man besonders im Lehrvortrage, mit vieler
Leichtigkeit, mit den wahren critischen Principien, jeden der Interesse
und etwas Talent hat, auf diesem Wege bekannt machen. Herr Hof-
prediger Schultz, den ich immer sehr liebe, seine Kenntnisse achte und
seiner Redlichkeit wegen hochschätze, hat mich wirklich nicht gut ver-
nommen und ich bin betrübt, daß der biedere Mann im Stande ist,
mich solcher unsinnigen Behauptungen, wie die ist, daß der Verstand
das Ding macht, fähig zu glauben, deren er mich wohl nicht fähig
hielt, als er mich als seinen aufmerksamen Schüler in der Mathematik
lieb hatte.
Aber ich weiß es, daß Herr Fichte, der, wie es scheint, Anhänger
sucht, von mir sagt, daß ich mit ihm mich auf einerley Weg befinde,
so sehr ich auch in einer Recension in Herrn Jakobs A analen, ja auch
in meinem Standpunct das Gegentheil gesagt habe. Da ich ihn in Jena
verlaufene Osterferien besuchte, so wollte er mich wirklich auf diese
Art berücken. Ein Gespräch mit mir fing er wirklich damit an: „Ich
weiß es, Sie sind meiner Meynung, daß der Verstand das Ding mache" —
Er sagte mir manche närrische Sachen und vieleicht ist er noch, da
ich meinen Mann bald durchsah, von niemanden durch freundliche
Antworten so verlegen gemacht worden als durch mich. Was ich nun
noch sagen will ist Folgendes. Fichte sagte mir, daß er in seinem
neuen Journal, worin er seine . Wissenschaftslehre neu bearbeitet hat,
und unter andern nur eine Philosophie und keinen Unterschied zwischen
theoretischer und Moralphilosophie annimmt, weil überall der Verstand,
durch seine absolute Freyheit die Dinge setzt (ein dummes Zeug! wer
so reden kann, kann wohl niemals die critischen Principien beherzigt
Von Rudolf Beide*. 447
haben) und daß er darin viel von meinem Standpunct spreche. Ich
habe nun wohl diese Sachen noch nicht in Händen gehabt, aber ich
bin vorher versichert, daraus ganz leicht eine Veranlassung nehmen zu
können! mich etwa in Jakobs Annalen zu erklären, daß erstens meine
Meynung gar nicht mit der seinigen zusammenstimme, daß ich zweytens
glaube dieCritik richtig exponirt zu haben, und daher von ihrem Sinn
nicht abzuweichen glaube, weil mir nichts so angelegentlich ist, als
Sinnlichkeit (das Vermögen von Gegenständen afficirt zu werden) vom
Verstände (das Vermögen sie zu denken, dieses Subjective auf Objecto
zu beziehen) zu unterscheiden, daß aber drittens, ich durch das
zweyte garnicht gesonnen bin, den Stifter der critischen Philosophie
im Geringsten zu compromittiren indem der Standpunct gänzlich meine
eigene Idee ist, und ja, da Ihre Werke am Tage liegen, jedermann
mit eigenen Augen vergleichen und ein eigenes Urtheil haben kann.
Den Fichte selbst will ich mir wohl nicht auf den Hals laden, und
werde daher ganz glimpflich, was ihn betrift, sprechen. Aber in An«
sehung des zweyten Puncts will ich mich umständlich auslassen, und
das berichtigen, was fehlerhaft von mir im Standpunct ist gesagt worden.
Geben Sie hierzu Ihre Beystimmung? Ehe ich diese erhalte, möchte
ich nicht gern was thun. Nur auf mich, Hochachtungswärdiger Mann,
lenken Sie keinen Unwillen. Ich finde meinen Beruf in wissenschaft-
lichen Arbeiten, und wie müßte, bey dieser Abgezogenheit, mir der Ge-
danke wehe thun, in Ihren Augen gesunken zu seyn.
Der Ihrige
Beck.
xvn.*1)
Beck an Kant.
Halle den 9*2 September 1797.
Hochachtungswärdiger Mann,
In Ihrem Briefe an Herrn Prof. Tieftrunk, den er, die Gate ge-
habt, mir mitzutheilen, schreiben Sie, daß es Ihnen nicht nöthig zu seyn
dünke, andere mit den Mishelligkeiten bekannt zu machen, welche
") Die Originale von XVII. and XVIII. auf der Königsberger Königl. and
üriTenritite-Bibliothek „Briefe an Kant" No. II a. III.
448 Au« Kaot's Briefwechsel.
zwischen meiner Darstellung der critischen Philosophie und dieser selbst
schweben möchten. Es betrübt mich, daß Sie das Daseyn dieser Mis-
helligkeiten hierin zuzugeben scheinen. Wäre es möglich persönlich
über diesen Gegenstand mich mit Ihnen zu unterhalten, so ist meine
Gewisheit,- Sie vom Gegentheil zu überzeugen so groß, daß ich ohne
Bedenken, alles was ich besitze, dabey aufs Spiel zu setzen bereit se\n
würde. Was Herrn Schultz betrift, so ist mein Herz von aller Bitter-
keit gegen ihn frey, und ich wünsche mir Gelegenheit, ihm dieses durch
die That zu beweisen. Wenn er sich an meine Stelle setzen möchte,
so würde er das Beleidigende das in seinem Vorwurf liegt, der einmahl
nichts Geringeres als Unterschiebung einer unredlichen Absicht enthält,
und wodurch er zweytens mich mit den neuen philosophischen Irr-
lichtern in eine Classe setzt, wohl selbst bemerken. Aber an sich selbst
liegt diesem Betragen Achtung für Sie und Interesse für die Philosophie
zum Grunde, und in diesen Stücken kann niemand einverstandener mit
ihm seyn, als ich es bin.
Künftige Ostern werde ich wahrscheinlich meinen Aufenthalt nach
Leipzig verlegen. Ich werde von meinen Leipziger Freunden dazu er-
muntert, weil mir als einem Preussisehen Landeskinde Aussichten auf
die für Preussen bestimmte Collegiatur offen und ihrer Wahrscheinlich-
keit und Beträchtlichkeit wegen nicht in den Wind zu schlagen sind.
Wenn ich dann kein mathematisches Thema zu meiner Disputation
wählen sollte, so hätte ich fast Lust, in einer philosophischen Arbeit
das Fehlerhafte meiner bisherigen Darstellungen auszubessern. Geschieht
dieses aber auch nicht bey dieser Gelegenheit, so werde ich dazu eine
andere benutzen. Herrn Hofprediger Schultz bitte ich bey Gelegenheit
meiner Hochachtung zu versichern, der ich mit der größten Hochachtung
bin Der Ihrige
Beck.
xtdi.
Beck an Kant«
Halle den 6££ October 1797.
Herr Raupach, der vor 2 Jahren meine Vorlesungen besuchte und
den ich als einen braven und geschickten jungen Mann kenne, schreibt
W!**M^£P
Von Rudolf Reicke. 449
mir von Liegnitz aus, wo er sich jetzt als Hofmeister aufhält, daß er in
Kurzem nach Liefland, als Erzieher in das Haus des Herrn von Rennekamp
gehen werde und bittet mich ihm einen Brief an Sie, verehrungswördiger
Mann, mitzugeben, als einen Titel, meynt er, Sie besuchen und seine
Hochachtung Ibnen bezeigen zu dürfen. Wenn er Zeit und Gelegen-
heit haben sollte, Ihnen bekannter zu werden, so hoffe ich, daß er schon
selbst sich vortheilhafl empfehlen, und meiner Empfehlung nicht weiter
bedürfen werde. Ich möchte ihn des Glücks, das er jetzt erfährt, sich
persönlich mit Ihnen zu unterhalten, beneiden. Ihr freundschaftliches
Wohlwollen ist mir über alles werth; erhalten Sie es mir Ihrem ewig
ergebenen Beck.
Adresse mit Siegel:
An Herrn Professor Kant
in
Königsberg.
Michael Borckhardt, der Nehnrngspfarrer
and seiue Gemeinde.
Ein Sittenbild aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts
▼OD
Adolf Rogge.
Ueber die kurische Nehrung ist, besonders in den letzten sechszig
Jahren, viel geschrieben worden. Der wilde Beiz, welchen die Wander-
dünen diesem hundert Kilometer langen und einhalb bis vier Kilometer
breiten Sandstreifen aufprägen, hat bald Naturforscher, bald Touristen
zu diesem unfruchtbaren Wunderlande hingezogen. Dem Geschichts-
forscher gewährt dasselbe verhältnissmässig wenig Ausbeute. Verstreute
Schädel und Gebeine, die hier und da im nordischen Wüstensande
bleichen, mahnen ihn an verschüttete Dörfer und verschollene Ge-
schlechter, von deren Leben und Streben, Lust und Leid im günstigsten
Falle noch halb verklungene Sagen erzählen. Den durchschnittlichen
Werth derselben kann man aus einem alten Schriftstück erkennen,
welches theilweise im „Erleuterten Preussen"1) mitgetheilt wird. Wir
erfahren aus demselben, dass ein Kater, welcher öfter eine im Kruge
zu Eossitten hausende Kröte beleckt, im Jahre 1481 durch seinen gif-
tigen Hauch viele der in besagtem Kruge übernachtenden Beisenden,
während sie schliefen, getödtet habe. Weiter wird uns berichtet, dass
auf einem hohen Berge bei Nidden ein preussischer Götze „Pilkob"
gestanden, dessen Tempel eine Wallfahrtsstätte für die Fischer gewesen.
Am wahrscheinlichsten klingt noch die Nachricht, dass sich einst vom
„Bless", einem hohen Berge bei Kunzen, eine Sandlawine losgelöst und
0 iv, & 27i.
Michael Borckhardt, der Nehrungepfiurrer and seine Gemeinde. 451
vierzehn Menschen begraben habe, welche auf der Heimkehr vom
Memeler Jahrmarkt nach Königsberg, wie eine, allein dem Verderben
entronnene Frau berichtet, ein so schauerliches Ende gefunden.
Solchen Ueberlieferungen gegenüber fällt eine geschichtliche Ur-
kunde schwer ins Gewicht, welche uns einen wirklichen Einblick in das
Leben und Treiben der ehemaligen Nehrurigsbewohner, wenn auch nur
für einen Zeitraum von acht Jahren, gewährt. Eine solche ist uns in
einem Octavbüchlein von 122 Seiten erhalten, welches bisher im Privat-»
besitz, nun der Königlichen Bibliothek zu Königsberg einverleibt werden
soll. Leider ist die obere Ecke desselben vom Zahn der Zeit stark ab-
gefressen und die Aufschrift des sehr schmutzigen Titelblattes so ver-
blichen, dass sich dieselbe, trotz aller angewandten Muhe, nicht mehr
vollständig entziffern liess. Immerhin ist indessen von derselben noch
genug übrig geblieben, um unsere Theilnahme für den Inhalt des alten
Buches zu erwecken. Also lautet der Titel desselben:
Gommunicanten- [Tauf- Auf-]
bietung- und Trau[buch]
der beyden Kirchen Cuntzen [und]
Sarkau, angefangen
Anno 1664,
Alß Michael Burckhardt Spir[anus]
Pfarrer war.
Weil meine Vorfahren alß
I Johannes Kerftenius
Erhardus Wald[eck]
Johannes Ludwig
nichts bey den Kirchen hinter
lassen, die Kirchen 1660 — 1665
überantwortet worden
et nicht vom habe.
Lasfet alles ehrlich und ordentlich zugehen:
denn Gott ist ein Gott der Ordnung.
Wir haben das Kirchenbuch einer heute zum grossesten Theil
versandeten Gemeinde vor uns; der Inhalt desselben entspricht nicht
452 Michael Burckhardt, der NehrnDgepfarrer und feine Gemeinde«
ganz dem Titel, da von kirchlichen Amtshandlungen nur die Taufen
in demselben eingetragen sind. Im Uebrigen ist das Buch für den,
welcher darin zu lesen versteht, nicht nur ein Herzensspiegel des
Pfarrers, der es geführt, sondern auch ein beredtes Zeugniss für den
Geistes- und Seelenzustand der Gemeinden, auf die sich dasselbe bezieht
und auf deren Sitten, Gebräuche und Lebensweise es gleichfalls helle
Streiflichter wirft. Das Buch umfasst die Zeit vom 27. Mai 16G4
bis zum „zweiten Sonntage nach h. 3 Könige" 1672. Die 231 Ein-
tragungen, welche dasselbe im Ganzen enthält, beweisen, dass die
Nehrungsgemeinde trotz ihrer weiten räumlichen Ausdehnung an Seelen-
zahl eben nicht stark gewesen sein kann. Billig sehen wir uns zuerst
nach dem um, welchem wir das kostbare Büchlein verdanken.
Michael Burckhardt war 13. December 1620 zu Speier geboren.1)
Von Speier nach Eunzen! Als die Poststrasse nach Memel noch ober
die Nehrung führte, pflegte Friedrich Wilhelm IV, der als Kronprinz
einige Male dieselbe benatzte, im Pfarrhause zu Bossitten zu über-
nachten. Es mag ihn angeheimelt haben in demselben auf ein Berliner
Stadtkind, Pfarrer Fritzsche (1814—20) zu stossen. Er behielt wenig-
stens seinen Wirtb, der bald versetzt wurde, in gutem Andenken und
äusserte bei einer spätem Reise zu einem Nachfolger desselben: „Wo
ist doch der Pfarrer geblieben, dem das Berliner Strassenpflaster viel
besser, als der Streusand auf der Nehrung gefiel?14')
Burckhardts Aufzeichnungen sind frei von Heimweh. Kein Seufzer
geht aus der Sand wüste hinüber nach den r ebenumkränzten Ufern des
grünen Rheins und den üppigen Gefilden der Pfalz. Aus dieser hatte
ihn möglicherweise das „dreissigjährige Kriegsgewühl" vertrieben. Id
Preussen war er „alter Candidat" geworden. 1657 kam er als Sektor
in Greuzburg an, doch nicht lange bekleidete er diese Stelle. Er hatte das
Glück gehabt den Sohn des Erzpriesters Banger in Schacken zu unter-
richten. Der Vater seines Schülers sorgte wohl dafür, dass Burckhardt
17. October 1659 in der Schlosskirche zu Königsberg durch den Löb-
*) Nach einer Notiz des Erzpriesters zu Schacken, nachmal. Erzbischofs BorowsE
*) Mittbeilong des zu Eisenberg Yerstorbenen Pfarrers Billeit
Von Adolf Rofge. 455
nichtschen Pfarrer M. Dargatz zum Diakonus in Schacken ordinirt
wurde. Den 21. Sonntag nach Trin. wurde er in diese Stelle eingeführt
Er hatte Gluck, denn kurz vor seinem Amtsantritt waren die Stellen
sämmtlicher Kirchenbeamten in Schacken aufgebessert worden. Solches
geht aus dem § 3 des Revisionsprotokolls der „Schackenschen Kirchen-
rechnungen 1647— 58" vom 4. August 1659 hervor, welches sich noch
heute bei den Kirchenakten befindet. Da der angeführte Paragraph
desselben nicht nur für Burckhardt von Wichtigkeit war, sondern auch
die kirchlichen Verhältnisse jener Zeit veranschaulicht, verfehlen wir
nicht denselben hierher zu setzen:
„Nachdem auch der Caplansdienst anitzo vacant und deßhalben
„von Niemanden sonderlichen gesuchet wirdt, weiln der gehalt schlecht,
„die Beschwer aber groß, auch allerdings einer geistlichen Persohn
„nicht anstendik, nemblich Lauthen, die Kirchen und derselbigen Kleider
„reinigen, in Summa das Küstner oder Glöcknerambt verrichten, alß ist
„vor rathsam befunden, auch mit Belieben des Kirchspiels verabscheidet,
„dass hinfür solche Beschwer vom Caplan abgenommen und ein Häusigen .
„bey der Linde vor einen Glöckner, der zugleich Calcant mit sein kann,
„aufgebauet und demselben dieses, waß einem Glöckner zustehet, zu
„verrichten, ein Unterhalt gemacht werden soll. Und nachdehme bey
„jetzigen Kriegszeiten die Unterthanen des Kirchspiels sehr verarmet,
„dahero auch die accidentia der Herren Geistlichen und Kirchendienern,
„merklichen abgenommen, Alß ist in solcher consideration, weiln man
„das Kirchen vermögen und jährliche Einnahme nicht allein sufficient
„befunden, sondern noch ein Ehrliches überbleibet, denselben auß der
„jährlichen Einnahme auf daß 1660ste Jahr anzufangen, folgendes ad-
„ditament zu reichen. Nemblichen dem Herrn Erzpriester 30 M. und
„also jährlichen 186 M. ohne die Gebuhr vor Haltung der Kirchen-
„register. Dem Diakono 20 M. und also jährlich 123 M. Dem Or-
„ganisten, weiln selbter in Sonderheit über seinen schlechten Unterhalt
'„geklaget zu den vorigen 60 M. nebenst den 4 M. so er wieder vor
»Abfindung ad 1647 wegen des Vorsingens mehr genommen noch HM.
„und also zusammen 15 M. geordnet, daß er also auch ferner jährlichen
„75 M. oder 50 Fl. polnisch bis zu besserer Zeit zu empfangen."
464 Michael Burckhardt, dar Nehrangspfarrer and seine Gemeinde.
Fast fünf Jahre verwaltete Burckhardt das Diakonat in Schaden,
1664 wurde er Pfarrer in Kunzen und Sarkau. Schwerlich haben ihn
die Einkünfte dieser Stelle zur Annahme derselben bewogen. Dieselbe
war wegen ihrer Armseligkeit so verrufen, dass Hippel beinahe noch
ein Jahrhundert später ganz ernstlich erzählt: „Der Pfarrer von Kunzen
sei lediglich auf den Drosselfang vocirtu.4)
War etwa das alte Sprichwort: „Beatus pastor solus" der leitende
Grundsatz für Burckhardt gewesen, so fand er auf seiner neuen Stelle
zuweilen mehr Einsamkeit, als ihm lieb war. Die Schattenseiten der-
selben lernte er gleich bei dem ersten Familienfest kennen, das er hier
zu feiern Gelegenheit hatte. ,,1665 . . . Aprilisu berichtet er, „habe
„ich Michael B. Pfarrer zu Guntzen, mein Söhnlein, weil ich zwar
„3 andere Prediger zu Gevater, anch umb die Tauffe gebeten, wegen des
„abgelegenen Orts und Übeln Weges aber keiner erschienen, mit dem
„Namen Christoff Friederich selbst tauffen müßen."
Bei der Taufe seines zweiten Sohnes „Michael44 (13. Novbr. 1668)
hatte Burckhardt mehr Glück und konnte Herrn Georg Adam v. Sehlieben,
der dich wohl in amtlichen Angelegenheiten auf der Nehrung befand,
zu Gevatter bitten. Näherer amtsbrüderlicher Verkehr war nur auf dem
Wasserwege mit dem Pfarrer zu Windenburg möglich, dessen Kirche
freilich noch vor Burckhardts Tode 1705 abgebrochen und nach Einten
verlegt wurde.
Burckhardts Amtstätigkeit erstreckte sich über den grossesten
Theil der Nehrung. Wenn das damals zum Amte Grünhof gehörige
Dorf Cranz auch nicht zu ihm eingepfarrt war, scheinen die Bewohner
desselben ihn doch, wenn er sich in dem benachbarten Sarkau befand,
mit Amtshandlungen in Anspruch genommen zu haben.
Hinter Sarkau lag Lattenwalde, ein Dorf, von welchem ebenso,
wie von dem benachbarten Falkenheyde, welches im Eirchenbuche nicht
erwähnt wird, am Ende des vorigen Jahrhunderts nur noch hie und da
ein Pfahl aus dem Sande hervorragte.8) Dann kam das Kirchdorf
Kunzen, welches am Anfange dieses Jahrhunderts der Wanderdüne
4) Schlichtegrolls Nekrolog 1797. 8. Jahrg. 1, S. 132.
*) Leonhardi Erdbeschreibung der preuss. Mon. I. S. 597.
Von Adolf Rogge. 455
weichen inusste. Die Kirche desselben soll ein massives Gebäude ge-
wesen sein und ihr Thurm als Landmarke für die Schiffer gedient haben.
Oleich an Kunzen schloss sich Bossiten an, die Oase der Nehrung und
der Sitz des Burggrafen, zu dessen Amtsbezirk die eben genannten Ort-
schaften gehörten. Einen Ort Caschncken, der im Kirchenbache enrähnt
wird, kann ich nicht ermitteln. Der Name erinnert an das, auf der
Hennenbergerschen Karte unmittelbar hinter Bossitten verzeichnete „Gau-
fatte". Nördlich von Bossitten lag noch Preden, ein lange unterge-
gangenes Dorf, dessen Kirchhof noch im Jahre 1825 zu erkennen war
und die Ortschaft Pilkoppen. Nidden und Negeln, welches die nörd-
lichste Ortschaft des Kirchspiels bildete, gehörten schon ins Amt Althof
Memel and wurden später mit Garwaiten, das gar nicht im Kirchenbuche
erwähnt wird, und Schwarzort zu einem Kirchspiel vereinigt. Das waren
die, zum grossen Theil von der Erde verschwundenen Wohnstätten der
Gemeinde Burckhardts. Nach den im Kirchenbuche vorkommenden
Namen zu schliessen war die Gemeinde deutsch und nur sehr wenig
litauische oder Curische Elemente konnten derselben beigemischt sein, ')
•) Da Namen nach mancher Seite hin bei verschiedenartigen Forschungen Dienste
leisten können, so geben wir hier die Namen, welche das Kirchenbach entfallt in
alphabetischer Ordnung. Es werden wohl so ziemlich alle sein, welche damals auf
der Nehrung überhaupt vorkamen.
Andreß. Anns. Attel. Austrog. — Baar. Ball. Balliß. Baldin. (Baltin). Bah.
Binck. Bioada. Blöd. Bloch. (Blög). Blömcke. Böhm. Böttcher. Boioke. Bordiert.
Bornfeld. — Chnr. — Dap. Dapke. Deltsch. Deutsch. Deutschmann. Diezke. Dilgel.
Domsien. Drehe. Drick. — Elend. Eller. — Fendrich. (Fenrich). Feyrwald. Franck.
Friedrich. Friese. — Gerth. Grube. — Hamburg. — Jackutb. Jansen, Jamsenis.
Joppe. — Käßler. Kalley. Kallwell. Ealney. Kasche. Kaßie. Kauel (Kawel). Kauer.
Eaulait. Keller. Kenter. Kersten. Kerstenstein. Kescbe. Keschke. Kiepe. Kiggul
(EikkuH). Kimster. Klamp. Klaw. Klein. Klimm. Klimmaz. Kößner. Kosohe. Kox.
Krauß. Kraß. Kruse. Kubb, Kuck. Kuhr. KupschelL — Langerfeld. Leider. Ltdke.
Luhl. — Kfetthes. Micheluß. Mulith. — Naudieth. — Paipel. Paipiß. PaU. PaupeL
Pawel. Peper. Pfeffer. Pip (Pipp). Piamann. Plumper. Podien. Pfthk. Pösche. Poll.
Pollpock. Pratsch. Puddig. Puik. Pumper. Purwe. Purwien. Pusch. Putiix, — Quop. —
Rahm. Baude. Bein (Rhein). Boaga. Rom. Röve. Bogge. Bubn. Ruick. Rundt Rung.
Rutsch. Butzky alias Klapschell. — Sakuth. Sammel. Sangull. Sappath. Schimmel-
pfennig. Schlick. Soblieter. Schmeck. Schmid. 8chenemann. Scfaornick. Scnukstakaft,
Schattige. Schwaan. Schwan. Sedrick. Skirbe. Spiti. StincL Stöwe. Stolzwir. Stflgge.
Suddau. — TappL Telsentek. Thomas. Trump. Trickahn. — Untucht ürbanaitis. —
Waldt Wannach. Wegner. Werderman. Will. Willum. Wincke. Winold. Wirbo.
Wirttick. Wistnl. — Zim. Zimmermann.
456 Michmal Burekhardt, der Nthroogtpfamr und seine Gemeinde«
da sich auch nicht die geringste Andeutung findet, dass hier in zwei
Sprachen gepredigt worden, so erscheint die Annahme gerechtfertigt,
dass deutsch auch die Umgangssprache des Fischervölkchens gewesen sei,
welches diese unwirthbare Gegend besiedelt hatte.
In der rein lutherischen Gemeinde scheinen sich nur zwei Anders-
m
gläubige befunden zu haben. Der Eunzische Pferdehirt wird als Papist
bezeichnet. Derselbe besass noch einen Glaubensgenossen, der sich
wahrscheinlich aus guten Gründen in diese ultima Thule begeben, da-
selbst aber, wie ein ihm gewidmeter, keineswegs ehrenvoller Nachruf
beweist, nicht einmal ein ehrlich Begräbniss erhalten. Das Kirchen-
buch erzählt aber ihn: „1665 . . . Februario alß die (Winter ?)-Kälte
angehalten, ist Stenzel . . ntuwy, ein Komisch Gatholischer Bret-
schneider und alter H— Trecker, so vor 12 Jahren in Szameiten sein
Ehelich Weib verlassen, nachmalß mit einer zweidoppelten Frühe Mutter
Joseph Stfigsche genannt, auff eingebrachten Beweiß copuliret worden, anff
dem Haabe todt gefunden und im Sarkauschen Waldt begraben worden".
Sehen wir uns nun etwas näher in der Gemeinde um, so finden
wir auf der ganzen Nehrung den Gelehrtenstand nur durch drei Personen
vertreten. In Kunzen stand nämlich dem Pfarrer der Schulmeister
Hans Pöscbe zur Seite, während Bossitten, welches sich bis 1605 einer
eignen Kirche erfreut hatte, einen „Praeceptor" an Herrn Michael Schlick
besass, der aber wahrscheinlich nur den Kindern des Burggrafen Unterricht
ertheilte. Ein Glöckner, welchen das Volk gleichfalls dem hochehren-
werthen Stande der Gelehrten beizuzählen pflegt, wird nicht erwähnt.
Wahrscheinlich hatte der Schulmeister hier, wie auch an andern Orten
zu jener Zeit üblich war, das Amt desselben mit in Entreprise genommen.
Gehen wir von den Gelehrten zu den s. g. Gebildeten über, so
stellen sich uns zwei Exemplare dieser Gattung vor, welche im Kirchen-
buche so deutlich portraitirt sind, dass wir den Zeichnungen derselben
wenig hinzuzufügen haben. Feindschaft zwischen den beiden einzigen
Leuten, welche auf gegenseitigen Umgang mit einander angewiesen
waren, war auf der Nehrung bis in dieses Jahrhundert hinein alte Begeh
Es mag zum Theil in der amtlichen Stellung beider gelegen haben,
wenn die Geistlichen und Domainenbeamten, welche, zu Burckhardts
Von Adolf Rogge. 457
Zeiten noch Burggrafen genannt wurden, in beständigem Zwiespalt mit
einander lebten. Der traurige Zustand, den Burckhardt in dieser Be-
ziehung bei seinem Amtsantritt vorfand, spiegelt sich deutlich genug
in einer, zu Schackcn aufgenommenen Verhandlung, von der folgender
Auszug im Mai 1665 in das Kirchenbuch eingetragen ist:
„NB Ex protocollo Schac" „Weil es kundtbar, daß der Burggraff
mit beeden Pfarrherrn H. Erhardo Waldecken und Johann Ludovic
so von Cunzen abgezogen, in sehr großer Wieder Wertigkeit gelebet,
Sie auch deßhalben ohne Unterlaß im Ambt sowol, alß bey der Re-
gierung geklaget, alß soll der Burggraff sich hinfüro alles Haders und
Zancks mit den künftigen Predigern enthalten. Wer erst künte und
. . . falß Läster-Schand-Lügen- . . . hauses zu Cunzen in dem Ellerb
enthielte, so wurden nicht allein die Prediger, sondern auch andere
ehrliche Leute des Friedenß genießen, denenselben bey dem Kirchspiel
zu Unterhaltung der Gebäwde und sonsten alle gebürliche Befoderung
«
erweisen (Ach wie solches geschehen, ist Gott bekant, der wird es
auch richten) und wenn etwz unbilliges fürgehet, solches im Ambt
zeitig anmelden, nicht aber zu solcher Ergernüß der Gemeine mit den
Predigern sich zwisten noch böse Exempel geben".
Es scheint sonach, dass der Burggraf die Hauptschuld an den
traurigen Zerwürfnissen getragen habe, die nicht nur den Frieden des
Pfarrhauses störten, sondern auch entsittlichend auf die Gemeinde wirkten.
Möglicherweise nahm sich derselbe den erhaltenen Verweis zu Herzen,
vielleicht war auch Burckhardt eine friedfertige Natur, die rechtzeitig
jedem Streite vorzubeugen wusste. Es scheint zwischen ihm und dem
Burggrafen Friedrich Wegner wenigstens in den ersten acht Jahren
seiner Amtsthätigkeit ein freundschaftliches Verhältniss obgewaltet zu
haben. Man kam wenigstens bei Familienfesten zusammen, trat auch
in Gevatterschaft.
Der zweite Gebildete spielte eine noch traurigere Rolle in der
von aller Welt abgeschlossenen Nehrungsgemeinde. Ein verkommener
Pfarrerssohn, gab er das abschreckende Beispiel zu den Lehren, die sein
Vater einst der Gemeinde ertheilt hatte. Derselbe hatte es nur bis
zum Fischer und Wildnisswart gebracht und welches Leben er führte,
▲Itpr. Monatsschrift B& XXIL Hfl. 5 n. 6. 30
i?« HW1
458 Michael Burckhardt, der Nehrangspfarrer und feine Gemeinde.
mag eine, unter dem 5. Mai 1666 vollzogene Eintragung beweisen, die
folgendermaßen lautet: „Den 5 Maji haben Hanß Eerstenstein, Wiltdnüß-
wart, des seel. Pfarrer Kerltenii Sohn, auch Fischer zu Cunzen, nebst
seiner leichtfertigen H — Marie, Job Trumpen, eines Fischers zu Cunzen
Tochter, mit welcher er bei wehrendem ihrem 2jährigen Dienst ohne
unterlaß in Unzucht gelebet, ihr IT— kind, welches nach der H — Aas-
sage am h. Pfingstfest ist gezeuget worden, mit dem Namen Regina
getauffet worden11.
„Das heißt mit diesem wie jener Lehrer sagt: „Qui
non in opere Domini, certo est in opere diaboli14, wer sich nicht läßt
finden im Werke des Herrn, der ist geschäftig in der Arbeit des Teuffels.
Das haben diese beyde leichtfertige Personen in der That erwiesen.
Denn wenn andere Leute des Sonntages und andere Tage in die Kirche
giengen, Gott dieneten, sähe man selten den Warthen in der Kirchen;
wenn andere umb den h. Geist baten, haben diese sich laßen den
H — geist treiben und reiten41.
Unter den Beamten wird noch ein Wildnissbereiter erwähnt.
Der übrige Theil der Gemeinde lebte fast lediglich „vom Netz".
Das Handwerk hatte hier keinen goldenen Boden und war daher äusserst
schwach vertreten. Ein Schmied in Rossitten, ein Schneider, der von
Rossitten nach Kunzen übersiedelte und ein Bootbauer in Freden werden
erwähnt. Von sonstigen Gewerbtreibenden finden wir einen Decker,
einen Theerbrenner in Lattenwalde und einen Falkenfänger. Der Falken-
fang war einst auf der kurischen Nehrung im weitesten Umfange be-
trieben worden, das schon früher erwähnte alte Schriftstück7) erzählt:
„Auf der kurischen Nehrung liegt eine angenehme Ebene, die Falken-
haide, drei Viertelmeilen breit und Kaaland eine halbe Meile lang, wo
Vogelsteller und Falkenfänger ihre Falkenbuden (tugoriola) haben nnd
viel schöne Falken fangen, welche sie fremden Völkern verkaufen".
Das edle Gewerbe war offenbar bereits sehr heruntergekommen und
der einzige Vertreter desselben stand keineswegs in besonders gutem
Ruf beim Pfarrer. „1666 am 13 Sontag nach Trin.u erzählt Burckhardt,
') Erl. Prtonen IV, 8. 371; Tgl. Voigt, üeber Falkenbng nnd Falktnxocht,
N. Pr. Prov.-Bl. VII, (1849) S. 961.
Von Adolf Kogge. 459
„alß ich in Henrich Ballißeo Hauß (in Lattenwalde) den HanO Baaren
antraff, und fragte, warumb er nicht zur Kirchen komme, gab zur
Antwort: Er habe nicht Zeit, müste die Stricke und Vögel warten44.
Bei allen Gemeindegliedern ging Burökhardt der Ausübung seiner
Amtspflichten mit grossem Eifer nach. An sich schon nicht leicht,
wurde ihm dieselbe oft durch das Verhalten seiner Kirchspielskinder
noch erschwert. Er hielt nicht nur Gottesdienste in Kunzen und
Sarkau, sondern bereiste von Zeit zu Zeit auch die andern Dörfer seiner
Gemeinde, wofür er von jedem Wirth des Dorfes ein, nicht immer gern
gewährtes, Reisegeld von zehn Groschen erhielt. Begleiten wir ihn auf
einer Amtsreise nach Nidden und hören von ihm selbst, wie es ihm
dort ergangen. So erzählt er April 1666:
„Auff das hochheilige Fest der Verkündigung Mariae bin ich nach
Nieden gereiset, daselbst Predigt zu halten und das heil. Abendtmahl den
Gnadenhungrigen und Trostbegierigen Hertzen zu reichen. Aber, liebster
Herr Jesu, Ich klage es dir herzlich, wie dein armer Diener mit deinem
aüerheiligsten Wort und hochwürdigen Sacrament dieses mahl (wie
vordem) ankommen und ausgenommen worden. Ich ließ ihnen (den
Niedenern) nicht allein Abends vorher meine Ankunfft andeuten, damit
sie sich desto beßer könten bereiten; sondern des Morgens gieng ich
selbst von Hauß zu Hauß, nötigte sie zu kommen. Einer, mit Nahmen
Skirbe stund für der Thür, machte ein Instrument, welches sie nennen
einen Schweinßkopff. Der rechte Wirth, Martin Pipp, saß in der Stubben,
hatte eben solch ein Instrument auff dem Tisch für sich ff
spielte er; ein Tubac bey stehen. Die Wirthin (eine Ver-
ächterin Gottes und seines Worts) saß, flickte, (salva venia zu gedencken)
flickte Strimpffe. Ich fragte; ob sie sich nicht wolten schicken zur
Predigt zu kommen? Sie gab zur Antwort: Sie könte zur Predigt
nicht kommen, hätte nicht Schuhe: da doch ihr Mann eben in der-
selbigen Woche 24 Mark für Stindt gelöset, laut der andern Nachbarn
Aussage. Auch ohne das unter allen das meiste Brodt hatt. Eben dieses
Weib hatte mir vordeme geantwortet, da ich das gewönliche Beißgeld,
10 Groschen von ihr foderte, sie würde mir kein Reißgeld geben, es
were ja auß ihrem Hauß keiner zur Kirchen gewesen. Also begehet
30*
460 Michael Rurokhardt, der Nehrungspfarrer and »eine Gemeinde.
man eine zwiefache Sünde: den Allerhöchsten will man nicht hören,
und, was man soll, nicht geben ".
„Der vierdte mit Nahmen Andreas Zimmermann sagte: Er hätte
nicht Beichtgeld, könnte auch nach empfangenem h. Abendmahl nicht
in den Krug gehen und eine Eanne Bier trincken. Es wäre ia Schande,
daß man sich an seinem Ostertag so lumpisch solte halten und zur
Waßerkann lauffen, nicht einen Stoff Bier, oder was trincken. Da
doch den thörichten Leuten vor deme schon unterschiedlichen gesagt
woiden; sie solten sich doch ia bei Leibe diese ärgerliche opinion nicht
laßen bethören wegen des Beicht Pfennigs, sie solten getrost kommen
ohne Beichtpfennig, Ich würde keinen mahnen".
Fand der arme Pastor einmal Abendmahlsgäste, so hatte er an
denselben auch eben nicht sonderliche Freude. Noch in demselben Jahre
klagt er über „gottvergessene Buben, die sich am h. Weihefest, da sie
zum h. Abendmahle des Herrn gewesen, geschlagen, ja wie die Hunde
haben gebißen".
Unter solchen Umständen Hess natürlich der sittliche Zustand der
Gemeinde mancherlei zu wünschen übrig. Die Sünde wächst auf jedem
Boden und selbst der Nehrungssand war nicht dürr genug, um nicht bin
und wieder unnatürliche Verbrechen zu zeitigen. „Den 18 Aprilis 1665
hatt Bastian Attel, Jacob Attelß eines Fischers Sohn zu Eossitten und
H. Burggraffen Jung, alß ein Sodomit (nach des Hn. Burggrafen Außage)
sich selbst erschossen"; berichtet das Kirchenbuch. Dass das Familien-
leben bei diesen einfachen Naturmenschen mitunter recht tiefe Schatten
warf, mögen beispielsweise nachfolgende Aufzeichnungen beweisen:
„1665 Donnerstag nach Cantate hat die alte unzüchtige Vettel
Anna Stügsche genannt (so allbereit mit dem ersten Mann Frühemutter
worden) ihre Frühetochter von 29 Wochen mit dem Namen Marie
taufen laßen, so baldt nach empfangener h. Tauffe Abends gestorben".
Oefter ist von verlaufenen Männern die Bede, die Weib und Kind
treulos im Stich gelassen. Wie man derselben gedachte, zeigen die
beiden nachstehenden Notizen:
„1667 den 6 Junii hatt Elße Dapsche ein Fiscberweib zu ßossitten
ihren Sohn, den sie mit ihrem verlaufenen Mann, Jan des Wiganden
Von Adolf Rogge. 4g 1
Sobn gezeuget, mit dem Nahmen David tauffen laßen11; und: „An selbigem
Tage" (4. Deccmber 1671) „hatt des entlanffenen, trewlosen Schelmen
Chr. Kawels, eines Fischers zu Pilkoppen (unterlassenes Weib ihren
Sohn mit dem Namen Jacob lassen tauffenu.
In sehr scharfen Ausdrücken wird häufig der allzunahe Umgang
der Brautleute getadelt und doch scheint trotzdem hier im fernen Osten
dieselbe Unsitte geherrscht zu haben, welche Immer mann an den west-
phälischen Bauern bemerkte und die bis auf den heutigen Tag unter
unserm Landvolk nur zu sehr im Schwange ist. Selbst des Schul-
meisters Tochter huldigte derselben mit ihrem Verlobten und es mag
dem Pfarrer nicht leicht geworden sein ihre Schande im Kirchenbuch
zu vermerken. In welche Verlegenheiten manches junge Ehepaar durch
diese Unsitte gerieth, kann man an Jacob Spitz und seiner Gattin er-
kennen. „Den 13££ Februarii", bemerkt Burckhardt im Jahre 1665,
„haben Jacob Spitz, ein Fischer zu Preden und Catharina (welche am
6. Sontag nach Trinit. copuliret worden und also 11 Wochen zu
frühe , das Weib aber nach der Trauung biß Mariae Himmel-
fahrt 4 Wochen lang in den Haaren gangen, alß eine Magd) ihren
Sohn zur Tauff geschicket, deßen Nähme Hanß".
Beiläufig erfahren wir aus dieser Eintragung, dass den Frauen nach
litauischer und altpreussischer Sitte gleich nach der Hochzeit die Haare
abgeschnitten wurden.
Die Frühmutter wird im günstigsten Falle „leichtfertiges Weib"
genannt und regelmässig werden genau die Wochen nachgerechnet, in
welchen der Umgang vor der Hochzeit begonnen.
„Ganz schlecht ist niemand", nach Byron. Jene alten Nehrungs-
bewohner waren es auch nicht. Verachteten dieselben zuweilen das
b. Abendmahl, so scheinen sie der h. Taufe um so grössere Wichtig-
keit beigelegt zu haben. Am zweiten Weihnachtsfeiertage 1666 bringen
z. B. zwei Fischer aus Pilkoppen bei Nacht ihre Kinder zur Taufe, um
denselben ja nicht den Segen derselben für den Fall des Todes zu ent-
ziehen. In den meisten Nehrungsdörfern bestand der Brauch, dass sämmt-
licbe Einwohner bei den neugebornen Kindern ihres Dorfes Pathen standen.
»Pro more istius loci omnes incolae Nidenses" oder: „Nach Gewohn-
462 Michael Burckhardt, der Nehrungtpfarrer und seine Gemeinde.
beit das ganze Dorf" sind Bemerkungen, die häufig an Stelle der nament-
lichen Angabe der Taufzeugen gemacht werden. Nur den 12. Juni 1670
treten die Weiber von Eunzen allein bei einer Taufe an, „dieweil die
Männer die Fischerei abgewartet44.
Häufig wird auch der Pfarrer unter den Tauf zeugen genannt und
„Elisabeth, die Frau Pfarrsche44 übernimmt z. B. ein Pathenamt bei
dem Hirten in Pilkoppen. Selten muss der Diebstahl in der Gemeinde
gewesen sein, sei es, dass es hier wenig zu stehlen gab, oder dass die
Gewissen der Nehrungsbewohner in dieser Beziehung besonders geschärft
waren. Andernfalls hätte sich der Pfarrer schwerlich die Mühe ge-
nommen den nachstehenden Fall, der an andern Orten kurz in der
Eirchenrechnung abgethan wäre, noch besonders im Kirchenbuche zu
verzeichnen. Er theilt nämlich Febr. 1665 mit, dass Urban, ein Fischer
zu Cunzen dem Krüger des Orts Justus Feyrwaldten eine Gans ent-
frembdet und unter seine Mastgänse eingesetzet. „Hatt Herr Burggraf
selbigem 3 Mark Straff zuerkannt, die er der Kirchen zu gut soll erlegen".
So weit unterrichtet uns unsere Quelle und wir nehmen nur noch
von dem Abschied, welcher uns dieselbe erschlossen. Burckhardt hat
auf seiner elenden Stelle drei und dreissig Jahre lang von seinem 44 bis
77 ^ Lebensjahre ausgehalten. Von 1694—1700 hat er noch einen
Adjuncten unterhalten müssen, Christian Bruno, der danach die einträg-
liche Pfarre in Poerschken erhielt. Nach dem Abgange desselben fand
sich wahrscheinlich Niemand, der Burckhardts Hungerbrot theilen wollte
und dieser musste bis zu seinem, um Ostern 1707 erfolgten Tod wieder
allein die Bürde des beschwerlichen Amtes auf sich nehmen. Der jüngste
und unwissendste Gandidat würde sich heute schwer entschliessen auch
nur wenige Jahre auf einer derartigen Stelle auszuhalten. Allerdings
übertrifft in dieser Beziehung auch Burckhardt alle seine Vorgänger und
Nachfolger. Der nächste der letztern, Gallus Mäwius starb schon im
ersten Jahre seiner Wirksamkeit. Ausser ihm und seinem Vorgänger
ist nur noch ein Pfarrer von Eunzen, Ambrosius Otto (1602) im Nehrungs-
sande begraben. Dem Vorgänger des Letztern, Crispin Liebermann, gefiel
es hier so übel, dass Stimer von ihm schreibt: „Dis<$ssit in insular.
i»r1
Der Schlossberg bei Jesziörken.
(Mit Croqais.)
Von
C. Beekherrn.
Bei dem masurischen Dorfe Jesziörken, l'A Stunde südöstlich von
Gr. Sturlack, befindet sich ein sehr wohlerhaltener und interessanter
altpreussischer Schlossberg, von den Landleuten Grodzisko genannt.
Er liegt bei einem Abbau des Dorfes, dem Wirthe Outt gehörig, etwa
1000 Schritte östlich des Dorfes in einem langen und schmalen von
Nord nach Süd sich erstreckenden Tbale, von dessen Bändern er über-
all überragt wird, so dass die Aussicht von seinem Gipfel eine ziemlich
beschränkte und einförmige ist. Auf der Generalstabskarte (Section
Nicolayken) ist er, allerdings sehr klein und undeutlich, gezeichnet.
Die Lage des Berges in dem sumpfigen Tbale ist eine ganz isolirte,
denn mit den hoben Thalrändern hängt er mit seiner nördlichen und
südlichen Seite nur durch ganz schmale und wenig über die sumpfigen
Wiesen erhabene Landengen zusammen. Der höchste Punkt des Berges
wird etwa 80 bis 90 Fuss über der Thalsohle liegen. Die Form seiner
Grundfläche ist ein regelmässiges Oval, dessen grösserer Durchmesser
oben auf dem Plateau 120, der kleinere 60 Schritte beträgt. Der Um-
fang des Plateaus, auf der Krone des sogleich zu erwähnenden Walles
abgeschritten, zählt 300 Schritte. Die Abhänge sind sehr steil ge-
tischt, nach dem Augenmaße mit 45 Grad; ausserdem sind sie so sorg-
fältig geebnet und geglättet, dass der Fuss des an ihnen Emporsteigenden
nirgends eine Stütze findet. Das Plateau ist ringsum durch einen Wall
eingeschlossen, welcher auf der Westseite schon ziemlich verflacht ist,
464 ^ör Schlossberg bei Jcssiörkeo.
auf den andern Seiten aber noch eine Höhe von 5 bis 10 Fuss hat,
und dessen äussere Böschung mit gleichem Neigungswinkel in die
Böschung des Berges übergeht. Nach dem Resultate, welches die
Untersuchung anderer Burgwälle ergeben hat, darf man mit Sicherheit
annehmen, dass auch auf diesem Walle eine dem äusseren Rande seiner
Krone folgende Brustwehr entweder aus Holz oder aus Lehm und
Strauchwerk errichtet gewesen sei. In dem durch den Wall gebildeten
Kessel erhebt sich, deuselben fast ausfüllend, so dass eigentlich nur
ein Graben übrig bleibt, ein Hügel von ebenfalls ovaler Grundflaehe,
welcher von Süden nach Norden allmählich ansteigt und hier, ein kleines
Plateau bildend, sich etwa 20 Fuss über die Sohle des Kessels erhebt,
den Wall also um mindestens 10 Fuss überragt. Der oben erwähnte
Ringwall ist auf seiner südöstlichen Seite durchbrochen. Aus dieser
Lücke führt ein schmaler Pfad schräge am Abhänge des Berges in
nordöstlicher Richtung hinunter und mündet hier auf eine breite halb-
mondförmige Terrasse aus, welche den stetigen Abfall der Böschung
auf dem untersten Viertel ihrer Höhe unterbricht und sich längs des
ganzen Ostabhanges hinzieht. Dass dieser Pfad zur ursprünglichen An-
lage gehört, geht unzweifelhaft aus der angegebenen Richtung hervor.
Diese ist darauf berechnet, dass der Angreifer, welcher sich seiner zum
leichtern Aufsteigen bedienen wollte, seine rechte, vom Schilde nicht
gedeckte Seite den Wurfgeschossen des auf der Krone des Walles
stehenden Vertheidigers preisgeben musste*). Ausserdem ist zu be-
achten, dass, wäre der Pfad erst in späterer Zeit entstanden, er jeden-
falls von dem Plateau des Berges in südwestlicher Richtung hinunter
führen raüsste, denn nur in dieser könnte er eine bequeme Verbindung
mit dem Gehöfte, zu welchem der Schlossberg gehört, vermitteln. Auf
der erwähnten Terrasse dürfte vielleicht durch Pallisadirung eine Art
von Vorburg hergestellt gewesen sein, zu welcher der Zugang über den
festen nach Süden auslaufenden Landstreifen geführt haben würde. Die
einstige Existenz einer solchen Vorburg muss um so mehr vorausgesetzt
werden, als der Raum auf dem innerhalb des Ringwalles liegenden
*) Eine derartige Führung des Zuganges ist häufig auch noch bei den mittel-
alterlichen Burganlagen in Deutschland wahrnehmbar.
.**}■
Von C. Beekherro. 465
Hügel so beschränkt ist, dass hier höchstens das zur Aufnahme der
Familie des ehemaligen Besitzers bestimmte Blockhaus gestanden haben
kann, ein gesicherter Unterkunftsraum für das Gesinde und das Vieh
aber innerhalb des Walles nirgends Platz findet, sondern anderweitig
gesucht werden muss.
Man kann an diesem Schlossberge erproben, welch ein vorzügliches
Hindernissmittel der Annäherung die in der oben beschriebenen Weise
zubereiteten Abhänge des Berges bei ihrer beträchtlichen Höhe sein
und welchen Schutz sie dem Vertheidiger gewähren mussten. Denn ist
es schon schwierig für den ohne alle Impedimente den Berg Erklim-
menden, auf der Spirale den Gipfel desselben zu erreichen, so wird
dieses in gerader Linie nur durch häufige Zuhilfenahme der Hände er-
möglicht. Welche Mühe und Anstrengung müsste es nicht den mit
Schild und Spiess oder Schwert und oft auch noch mit schweren Panzern
ausgerüsteten Kriegern der Vorzeit gemacht haben! War es diesen
dann trotzdem gelungen, bis unter die den äussern Band des oben be-
findlichen Walles krönende Brustwehr zu gelangen, so standen ihnen,
dahinter bis zur Brust gedeckt, die Vertheidiger in dominirender Stellung
' gegenüber, welche ihre Waffen auf dem ebenen Boden der Wallkrone
viel sicherer und ausgiebiger gebrauchen konnten, als die unter ihnen
auf dem abschüssigen und glatten Abhänge stehenden Angreifer. Diese
Umstände machen es begreiflich, dass die alten Preussen es wagen
konnten, in solchen kleinen Befestigungen, wie die in Bede stehende,
welche nur eine sehr kleine Anzahl von Vertheidigungsmannschaft in
sich aufnehmen konnten, den an Zahl, Ausrüstung und Bewaffnung über-
legenen Angriffsscharen des deutschen Ordens zu trotzen. Bei der Be-
trachtung einer derartigen Befestigung drängt sich uns die Ueberzeugung
auf, dass ein Angriff darauf ohne unverhältnissmässige Opfer nur ent-
weder durch längere Einschliessung und Aushungerung oder durch .
Ueborrumpelung glücken konnte, oder ferner auch, wenn es dem An-
greifer möglich war, die stürmende Abtheilung durch Armbrustschützen
zu unterstützen, welche aus nicht immer aufzufindender günstiger Stellung
die hinter der Brustwehr stehenden Vertheidiger mit ihren Geschossen
erreichen konnten.
466 D*r Schlotsberg bei Jeuiörken. Von C. Beckberro.
Etwa 300 Schritte nördlich von dem Schlossberge erhebt sich ein
anderer etwas kleinerer Berg, welcher mit jenem durch einen schmalen,
wenig erhabenen, trockenen Landstreifen verbunden ist. Ich habe wegen
Mangel an Zeit nicht untersuchen können, ob sich auf diesem Berge
etwa auch Spuren ehemaliger Befestigung vorfinden.
Auf dem Grodzisko hat der Hirt des Besitzers drei Fingerringe,
ein Ketteben und mehrere Plättchen, nach der Beschreibung wahr-
scheinlich aus Bronze bestehend, gefunden und diese Sachen ver-
schenkt. Ich habe den Hirten leider nicht selbst sprechen können,
vom Besitzer des Berges aber noch erfahren, dass auf diesem auch
Kohlen und Ziegel ausgegraben worden seien. Was die letzteren an-
betrifft, so dürften dagegen wohl Zweifel zu erheben sein; möglich ist
es jedoch, dass gebrannte Lehmstücke als solche angesehen worden
seien, dergleichen auf den Schlossbergen zuweilen gefunden werden
(Prömbock), und welche von der aus Lehm und Strauchwerk auf der
Wallkrone errichtet gewesenen Brustwehr herrühren. Das Vorhandensein
von Kohlen, und zwar in grosser Menge, ist mir von Dr. Bujack,
welcher den Grodzisko ebenfalls besucht hat, bestätigt worden. Sie sind
wahrscheinlich die Ueberreste des durch Feuer zerstörten Blockhauses.
Eine audere Angabe des Dr. Bujack ist insofern besonders interessant,
als daraus hervorgeht, dass der Berg schon in sehr früher Zeit bewohnt
gewesen ist. Es sind hier nämlich Scherben von Thongefössen gefunden
worden, welche nicht auf der Drehscheibe angefertigt worden sind.
Kritiken und Referate.
Die Bau- and KunsIdenkmNler der Provinz WcatpreaaMn.
Kafemann. 1884.
Die erste amtliche .Anregung zur Herstellung eines Verzeichnisses der i
reiche Preusaen vorhandenen Bau- und Knnstdenkmäler geschah schon im J;
durch Sehinkel. Doch blieb die Sache viele Jahrzehnte lang liegen, angel
kerne Mittel dafür Torhanden waren, in der That aber, weil an den maß
Stellen das nötbjge Verständniss und Interesse für die Sache mangelte.
Nachdem ein ffir die alte deutsche Ennst begeisterter Privatmann, der
W. Lotz vor etwa zwanzig Jahren mit seiner Statistik der Deutschen E
ersten Versuch gemacht hatte, alle altern Kunstdenkmfilor im ganzen ■
Vaterlande zu verzeichnen, ein mit Rücksicht auf die unvollkommenen Mitti
ihm für Lösung dieser grossartigen Anfgabe zur Verfügung standen und di
stigen Umstände, unter welchen es ausgeführt werden muBate, bewunderungt
Werk, geschah von amtlicher Seite der erste erfolgreiche Schritt zur Erreic
Tim Sehinkel vorgezeichneten Zieles durch den Regierungspräsidenten i
welcher 1866 die Herstellung eines Inventars der Baudenkmäler im Reglern
Cssm] anordnete, welches dann mit Unterstützung des Preussischen Cultosmii
gedruckt wurde. Dieser Anfang fand so vielen Beifall, daas das Cultusmi
das Werk allen Regierungspräsidenten und bald daran/ auch den Provinz!
tangen zur Nachahmung empfahl. Die letztem gingen, dem günstigen Zage
folgend, allgemein mit grosser Bereitwilligkeit anf den Vorschlag des Ministe]
Wie in andern Provinzen so wurde auch in Westpreussen alsbald eine
Commission eingesetzt, welche die InventarisirnDg and Beschreibung der
Kunstdenkmäler energisch in die Hand nahm. Als Resultat der Arbeit die
nussion hegen nun die zwei ersten Hefte, die Ereise Carthans, Berent, Nen.
i.taiig behandelnd, seit Kurzem vor. Nach diesem Anfange zu urtheilen w
Werk nicht nur ein Inventar werden, sondern eine fortlaufende Reihe n;
schöpfender Monographien über die erhaltenen Bauwerke und die in ihnci
denen Kunstwerke, schliesst sich demnach an das schöne, leider anrollend
von F. v. Quast, über die Provinz Preusaen an. Der sorgfältig gearbeitete
468 Kritiken und Referate.
übersichtlich, kurz, anscheinend vollständig, hebt das Wichtigste verständniflgvoll her-
vor. Die Beschreibungen der Denkmäler sind durchaus sachgemäss und objecto ge-
halten, frei von Vorurtheilen für oder gegen gewisse Kunstrichtungen. Die historische
Nachrichten sind mit Sorgfalt ausgewählt; die vorhandene Literatur ist angegeben
Viele Abbildungen erläutern und ergänzen den Text. Wenn manche derselben ru
wünschen übrig lassen, so muss man bedenken, dass die Autoren, welche nach deci
möglichst Vollkommenen strebten, mit gegebenen Verhältnissen rechnen mnssten.
Man hiebt aus dem Ganzen, dass die Provinzialverwaltung die Ausführung de;
anziehenden — die Provinz ist reich an hervorragenden Denkmälern, die zu dta
edelsten gehören, welche das Mittelalter (man denke an Marienburg, Marien werdet,
Rehden, Thorn) und die Zeit der Renaissance (Danzig) hervorgebracht haben — aber
schwierigen Werkes bewährten Händen anvertraut und die dazu erforderlichen Mittel
freigebig bewilligt hat. Man kann der Provinz zu diesem vielversprechenden Anfauir
nur Glück wünschen. Mögen ihr die Kräfte erhalten bleiben und mögen dieselben
ihr Werk mit gleicher Liebe und mit gleichem Fleisse weiter fuhren und vollenden.
zum Nutzen für Wissenschaft und Kunst, zur Ehre für die im Ausland viel zu wenig
gekannte und oft verkannte Provinz.
Nürnberg. R. Bergai.
Alterthu msgtsellschaft Prnssia i« Königsberg 1884
Sitzung vom 22. Februar 1884. Dr. B u j a ck hielt einen Vortrag über das Gräber-
feld des altern Eisenalters in der Oberförsterei Rothebude, Belauf Rogonnen, Kr. Goldap,
welches der Vortragende und Hauptlehrer Matthias im Juli 1883 aufdeckten. Zur
Kenntnissnahme desselben war Förster Wilke durch eine Weganlage gekommen und
die Erlaubniss zur Aufdeckung war in Folge einer freundlichen Mittheilung de» fis-
kalischen Pächters Opp ermann in Waldkater| dem Vorstande der Gesellschaft von dtr
Königl. Regierung zu Gumbinnen hochgeneigtest ertheilt worden.
Es fanden sich auf einer Fläche von 70 m Länge von Norden nach Südea und
40 m Breite von Westen nach Osten ausser dem bei der Weganlage zerstörten Grab-
hügel noch 9 derselben, aber westlicher ungefähr in der Richtung von Norden oact
Süden. Ihre Höhe schwankte zwischen 28,5 cm und 70 cm, sie waren kreisförmig
hatten einen horizontalen Durchmesser von 3,80 m bis 6,10 m und waren vertiol
meist in 3 Steinschichtungen aufgerichtet. Von den 9 Flachhügeln waren 4 wenig
oder ganz unergiebig, einer hatte als Brandplatz im grossartigsten Maasstab gedient.
zwei wol auch» dazu, wenn bei denselben auch die Kohlenmenge zurücktrat and <*
fast nur Branderde gab. Auf einem der letztern schien eine eiserne Speerspitze wn.
Verbrennenden vergessen zu sein, denn auch nicht der kleinste ürnenscherben faoi
sich in dem Hügel. In einem vierten Grabhügel stand in bedeutender Tiefe nur ein'
zerdrückte Urne mit einem eingeschlossenen Gefäss und daneben ein Mahlstein. Dm
AHerthnmsgesellfichaft Prussia 1884. 4g9
übrigen 5 Grabhügel waren ergiebiger, 27 Urnen konnten durch Gypsbandagen und
nachherigea Zusammensetzen erhalten werden. — Von Waffen ist in den letzteren
nichts gefunden worden; es sind in die Urnen und neben dieselben zu den verbrann-
ten Knochen nur Schmucksachen und äusserst wenig Geräthe gelegt worden. Die
Geräthe sind ein Feuersteinmesser, eine herzförmige Pfeilspitze aus Feuerstein und
ein thönerner Spinnwirtel. — Die Schmucksachen waren dagegen zahlreich vertreten:
11 bronzene Armbrustfibuln mit Nadelscheide und 1 eiserne Fibula im Bügel er-
halten, 6 „grossköpflge", von denen 2 Formen paarweise vertreten waren, endlich
1 Fibula von bisher noch unbekannter Form, nämlich fächerförmig in 3 getheilten
lanzettförmigen Blatttheilen, deren mittelster im obern Ende das Gewinde der Nadel
tragt, 10 bronzene Schnallen, von denen 1 das Beschlagstuck als Thierkopf gestaltet
bat, und 3 eiserne Schnallen, 1 bronzener Halsring zum Schliessen und Oeffnen,
im mittlem Theile tordirt, ein bronzener Spiralfingerring, 1 bronzene Pincette,
ö Bernsteinperlen. Die grossköpfigen Nadein bilden bereits den Uebergang zum so-
genannten mittlem Eisenalter, darum haben auch die Urnen nicht das Profil eines
kugeligen Gefässes mit Stehfläche und aufgesetztem cylindrischen Halse, wie in der
ersten Periode des älteren Eisenalters, auch nicht die von hohen Eimern, die in der
obern Hälfte sich albnälig erweitern, sondern von niedrigem Gefässen, deren Profil
im Allgemeinen von zwei mit ihrer grössten Ausladung auf einander gestülpten Trichtern
von verschiedener Höhe und geringer Verengung gebildet ist, oder von stark aus-
ladenden Schalen. — Ganz besonders merkwürdig ist ein grösseres Gefäss des eben
beschriebenen Profils, zugedeckt mit einem Deckel cylinderischeu Profils.
Hierauf hielt Hauptlehrer Matthias einen Vortrag über einen lehrreichen Grab-
hügel aus dem Bronzealter in Dänemark, den Arbeiten Wilhelm Bogen 's entlehnt,
welcher die Dürftigkeit der Funde in den ostpreussischen Hügelgräbern recht deut-
lich belegte. [Ostpr. Ztg. v. 26. März 1884. Beil. zu No. 73.]
Sitzung vom 21. März 1884. Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung mit einem
Nachruf auf zwei langjährige Mitglieder der Gesellschaft, den Geheimen Justizrath,
Curps-Auditeur Cr am er, der in Marienwerder Ende vorigen Jahres verstarb, und auf
den Kentier Carl Braune in Insterburg, dessen Tod im Beginn dieses Jahres er-
folgte. Die langjährige Arbeit des Ersteren, die Geschichte von Pomesanien, wird
von dem Geschichtsverein zu Marienwerder gedruckt, der Letztere hat vor Stiftung
der Insterburger Alterthumsgesellschaft viele werthvolle Geschenke zur Herstellung
des Pruasia-Museums nach Königsberg gesandt. Der Vorsitzende legte dann den
quantitativ grossen Münzfund von Urbanken, Kr. Oletzko, in Belagstücken vor und
gab die Uebersicht der einzelnen Nummern: es sind Münzen des 16. und 17. Jahr-
hunderts. Buchhändler J. Neumann hielt hierauf einen Vortrag über von Dom-
hardt, den Gumbinner Regierungs-Präsidenten während der russischen Okkupation
1758 — fö, und den ersten Ober-Präsidenten von Ost- nnd Westpreussen. Beide Ar-
beiten werden in der Vereinsschrift veröffentlicht werden.
470 Kritiken und Beiträte.
Es erfolgte hierauf die Vorlage von Geschenken und Erwerbungen und rwar
zur Abtheilung des prähistorischen Museums : Gräberfunde von Urnenbeisetzung ans
Loszainen Er. Rössel nebst Situationsplan, geschenkt von Rittergutsbesitzer Fischer
auf Loszainen; eine eiserne Speerspitze, gefunden im Sawitz-Flusse, Kreis Ortekburg,
geschenkt vom Feldmesser und Kulturtechniker Reuter; eine grössere Bernstein-
perle, gefunden bei Schwarzort auf der Kurischen Nehrung, geschenkt vom Gymna-
siasten Badczies; eine kleine Bernsteinperle, gefunden in dem Garten eines Grund-
stückes auf dem Hinter-Tragheim zu Königsberg, geschenkt; ein federnder bronzener
Fingerring, auf der äussern Seite mit einer gedrehten Wulst versehen, aus der letzten
heidnischen Zeit, gefunden auf dem Nassen Garten zu Königsberg, geschenkt vom
Zimmermann Franz Rahlke. Zur Abtheilung von Gegenständen aus der Periode
der Renaissance: ein Paar grosse bronzene Steigbügel mit breitem Tritt und ein
eiserner Schwertknauf, gekauft; ein messingener Kronleuchter und ein grosser messin-
gener Blaker, geschenkt von dem Ebrenmitgliede der Gesellschaft, Theodor Bleu
in Tüngen; eine Kassette, beschlagen mit getriebenem Bronzeblech und mit schmalen
eisernen Bänden, gekauft. Zur Abtheilung von Gegenständen des 18. Jahrhunderts
drei Delfter Schusseln, 4 weissblaue Steingut-Krüge, gekauft; eine messingene Büchse
zu holländischem Tabak, aus Kalkpfeifen zu rauchen, mit bildlicher Darstellung auf
den Frieden der Seemächte zu Paris, geschenkt von Kaufmann Hirsch; 1 Steingut-
kanne mit dem Wappen der Altstadt Königsberg 1758, eine Vase mit dem Portrait
Friedrichs des Grossen im Alter, eine Pistole, ein Feuerzeug in Pistolenform, die
letzten 5 Gegenstände gekauft. Ein Paar goldene Verlobungsringe mit verstellbaren
Ringschilden in mit echten Perlen garnirtem Rahmen, gekauft. Die genannten Ring-
Schilde zeigen je auf der einen Seite die Anfangsbuchstaben der Namen des verlob-
ten Paares, auf der andern einen Tempel in der Fronte und im Profil mit einem
Korb Vergissmeinnicht davor. Der Tempel, wie der Korb und die genannten Blüm-
lein sind theils durch Zeichnung, theils durch feines Moos und Golddraht auf Hörn-
platten hergestellt. — Zur ethnographischen Abtheilung ein Paar arabische Hoch-
zeitsschuhe auf fast stelzenartigen Holzuntersätzen, geschenkt, und eine Kette aas
Früchten der Ceder vom Libanon. — Zur Sammlung von Kupferstichen und Karten:
Danzig im Prospekt der Weichselseite unter der Russisch-Sächsischen Belagerung
1734 G. P. Busch sculpsit, geschenkt von Rentier Kauenhowen; Plan der Rhein-
stalle, wo den 2. Juni 1758 Ferdinand von Braunschweig hinüberging. Dieses Blatt
wie Samuel BlesendorfF's Stich des Brandenburgischen Kurfürsten Friedrich 1IL
v. J. 1696, geschenkt von Commis Otto Meyer. — Zur Bibliothek: Preussisebe
Zehenden, Allerhand geistliche Gaben, Königsberg, Dorn 1740 und f., 3 Bände, ge-
schenkt vom Gymnasiasten Kittel und Baczko's Geschichte Königsbergs, Härtung
1789, geschenkt vom Gymnasiasten Wolff. — Zur Siegel-Sammlung: 2 Tafeln mit
besonders Elbinger Siegeln nach Original-Abdrüoken, geschenkt von Buchhändler
Volkmann. Zur Münz-Sammlung ein« Denkmünze, geschlagen 1840 zu Antwerpen
Alterthumsgeseltschaft Prussia 1884. 471
auf den Maler Rubens, und eine Denkmünze auf S. A. L. F. P. L. G. H. dnc d'Orleans,
geschenkt von Kaufmann Hirsch, und ein Preußischer Achtzehner v. J. 1763, ge-
schenkt von Zimmermann Franz Rahlke. — Eine besondere Besprechung und
Erörterung unter den vorgelegten Geschenken veranlassten noch zwei Blätter, welche
die Aufnahme eines Ermländischen Bauernhauses und zwar des Besitzers Schulz Sommer
in Kleefeld, Kreis Braunsberg, durch den Königl. Kreisbau-Inspektor Fried rieb zu
Braunsberg enthielten. Dieselben werden unter Glas und Rahmen in den Museums-
räumen aufgehängt werden. [Ostpr. Z. v. 18. Apr. 1884. No. 91. (Beil.)]
Sitzung vom 18. April 1884. In der Sitzung legte Professor Hey deck einen
Nachtrag von Grabfunden aus Imten, Kr. Wehlau, zu dem früher von Ritterguts-
besitzer Lorek auf Popelken gegebenen Berichte vor. Die jetzt neu eingereihten
rühren meistens von Leichenbrand her, dessen Ueberreste in Urnen beigesetzt einen
Platz unter meistens kreisrunden Steinpackungen gefanden hatten. Die Beigaben
gehören fast ausschliesslich dem dritten Jahrhundert n. Chr. an. Es sind bronzene
Fibeln „mit oberer Sehne, breitem Bügel und Rollenhülse", zahlreiche bronzene
Schieber, die auf einen Lederriemen aufgezogen, ein Diadem bildeten, eine beschädigte
bronzene Haarnadel, eine bronzene Riemenzunge, ein geschlossener bronzener Finger-
ring, eine eiserne zweizüngige grosse Schnalle und kleine eiserne Nietnägel. Dieses
Gräberfeld hat aber noch später in der christlichen Zeit als Kirchhof gedient; denn
abgesehen von einer Leichenbestattung mit Beigaben aus der Ordenszeit, deren Skelet
von Rittergutsbesitzer Lorek-Popelken für das Prussia-Museum in der Lage zu-
sammengesetzt wurde, wie es im Grabe sich befand, hat Professor Heydeck ein
Skelet mit einem Groschen aus der Zeit des polnischen Königs Alexander aus dem
Anfang des 16. Jahrhunderts gefunden. — Hierauf hielt Dr. Bujack einen Vortrag
Über den in Königsberg gehaltenen Landtag im Jahre 1594. Derselbe hat eine Be-
deutung, weil auf demselben nicht ganz ohne Schwierigkeiten die Aussteuer für die
Tochter des Herzogs Albrecht Friedrich von Preussen, die Prinzessin Anna, welche
sich mit dem Kurprinzen Johann Sigismund von Brandenburg verlobt hatte, bewilligt
wurde. Der Vortragende setzt die verwandtschaftlichen Verhältnisse der drei Familien
Hohenzollern in Preussen, Ansbach und Brandenburg auseinander und verweilt bei
der kraftvollen Regierung des Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach, der für den
„blöden Sohn" des Herzog Albrecht als Herzog von Preussen die Regierung führte,
gestützt durch den polnischen König als Lehnsherrn gegenüber den preussischen Ständen,
so dass er ihren Widerspruch 10 Jahre vor dem Landtag i. J. 1594 niederschlagen
konnte. Der Fürst war während des Landtages nicht in Preussen. Die Form der
Vorlagen und der Berathungen erfahren eine genaue Auseinandersetzung sowohl für
diesen als auch die früheren Landtage. Nicht nur die Aussteuersumme wurde be-
willigt, sondern auch die Bezahlung des Restes der Schulden aus der Zeit des Herzogs
Albrecht. Schliesslich erhalten die Supplikationen und Beschwerden der Stände eine
genaue Betrachtung als eigentümliche Kennzeichen der Zeit und das Verbot einer
■^v*
472 Kritiken und Referate.
Unterstützung an die Famile eines preußischen Edelmanns durch den Markgrafen
Georg Friedrich, weil jener ihn an dem polnischen Hof „injuriirt und diffamirP
habe. Nach Georg Friedrich^ Tode trat eine schlimme Zeit für die brandenbiirgi-
schen Fürsten als Herzöge von Preussen ein, weil die preussischen Stände wieder
mehr Fühlung mit dem polnischen Keiche gewinnen wollten. (Der Vortrag selbst
folgt am Schlüsse des Berichts.) — Ausser den oben genannten Gräberfunden zu
Imten, welche in die prähistorische Abtheilung des Prussia-Museums eingereiht werden.
kamen zur Vorlage: ein Pulverflaschenbeschlag mit Messer aus dem 17. Jahrh., ge-
funden in Königsberg, geschenkt vom Arbeiter Franz Davert, ein Tschako aus den
Freiheitskriegen, gekauft, das Gehäuse einer Taschenuhr, angefertigt von Tho. Witt.
1544, London, geschenkt vom Gymnasiasten Zacharias. Ein Bijouteriekasten, be-
legt mit gravirten und durchbrochen gearbeiteten Elfenbeinplatten, aus dem 18. Jahr-
hundert. Die durchbrochen gearbeiteten Platten sind weiss und haben noch echten
Kenaissancegeschmack, grün sind die gravirten Platten, deren Arbeit noch kunst-
voller als die der weissen ist. Die Gravirungen darauf waren vergoldet. Gekauft. —
Ein Gesangbuch v. J. 1725, Königsberg, Keussner'sche Buchhandlung, geschenkt roni
Buchhalter Passauer. Ein Trinkglas in Fonn eines c)iindrischen Bechers, weis*
mit bnnten Farben bemalt, v. J. 1726. Das Bild stellt zwei deutsche Fechter dar,
die ihren Rock und ihr Barett auf den zur Seite stehenden Stuhl gelegt haben. Dar-
unter die Inschrift: „Tapfer wehren, bringt zu Ehren". Gekauft. Zur Karten-Samm-
lung schenkte Herr Dr. Er d mann: Abriss der Städte Elbing und Danziger Gebiet
nebst dem Marienburgschen grossen und kleinen Werder und Niederung. Hand-
Zeichnung ohne Jahreszahl. 18. Jahrhundert.
[Ostpr. Ztg. v. 18. Mai 1884. No. HG. (Beil.)]
Der preussische Landtag in Königsberg im Jahre 1594.
Vortrag von Dr. Bujack.
Als die Herzogin Marie Eleonore von Preussen mit ihrer Tochter Anna zum
Schluss des Jahres 1591 u. 92 eine Heise in das Reich gemacht hatte und sich auf
dieser die jugendliche Prinzessin mit dem Kurprinzen von Brandenburg, JoliaoQ
Sigismund, verlobte, war dieses für den Gubernator und Herzog von Preussen, den
Markgrafen Georg Friedrich von Ansbach, Veranlassung, aus Franken, wo er sieb
schon mehrere Jahre aufhielt, an seine Oberräte in Preussen die Frage zu richten,
ob die Aufbringung der Aussteuer für das fürstliche Fräulein von Seiten des Landen
Preussen nicht am besten durch Versammlungen in einzelnen Aemtern ermöglicht
werden konnte. Der Markgraf Georg Friedrich von Ansbach war nämlich nur daiui
zur Berufung eines Landtags geneigt, wenn es unumgänglich nötig war. Die Rate
antworteten ihm aus Königsberg, die Kosten in den Partikularverhandlungen würden
ebenso hoch auflaufen, wie die eines Landtages in Königsberg, und sie rieten ihm
daher aufs entschiedenste zur Berufung eines Landtages.
Alterthtunsgeaellsch&ft Prasaia 1884. 473
Eine Abschrift dieser Landtagsverhandlungen in einem Auszüge aus dem Ende
des 17. Jahrhunderts war das erste Aktenfascikel, das in dem Archiv des Landeshauses
mir in die Hand kam und deshalb mit um so grösserem Interesse studiert wurde,
weil das Prussia-Museum ein Gebetbuch der Prinzessin Anna besitzt, um deren Aus-
steuer es sich auf diesem Landtage handelt.
Zuvörderst dürfte es notwendig sein, die Verhältnisse der Familie der Hohen-
zollern in Ansbach, Preussen und der Mark Brandenburg zu berühren.
Herzog Albrecht, der letzte deutsche Hochmeister und erste Herzog von Preussen,
hatte noch drei Brüder. Einer starb kinderlos, zwei hinterliessen je einen Sohn, von
denen der eine der genannte Georg Friedrich, der andere der Markgraf Albrecht von
Culrabach ist. Die Parteinahme des letzteren zuerst für Moritz von Sachsen und
nachher gegen ihn, sodass letzterer ihn in der Schlacht bei Sievershausen bekämpfen
nrasste, hat ihm keinen guten Nachruf hinterlassen. Er war trotzdem derjenige Neffe,
den Herzog Albrecht zum Gubernator Preussens wünschte, mit Benachteiligung des
ihn überlebenden Georg Friedrich.
Des Herzog Albrecht Sohn, Albrecht Friedrich, war im Jahre der Schlacht bei
Sievershausen 1553 geboren und hatte sich schon dreizehnjährig dem Königsberger
Landtag — nach dem Orte der Zusammenkunft werden die preußischen Landtage
genannt — im Jahre 1566 vorgestellt, wo er das ihm zugewiesene silberne Tafel-
geschirr dankend annahm, indem er erwiderte, er wolle auch auf zinnernen Schüsseln
speisen, wenn nur sein Vater nicht darben dürfe. Auf diesem berüchtigten Landtag
vom Jahre 1566, auf dem Herzog Albrecht sich von den preussischen Standen und
?on den polnischen Kommissarien mehr gefallen lassen musste, als je ein polnischer
Edelmann auf einem polnischen Reichstag hätte erleiden wollen, waren auch die Ab-
gesandten der fränkischen und brandenburgischen Fürsten erschienen, zur Berufung
des Landtages beitragend.
Als nach Herzog Albrechts Tode und Verlauf dreier Jahre der sechszehnjährige
junge Herzog auf dem polnischen Reichstag zu Lublin 1569 von König Sigismund H.
August, dem Schwiegervater Joachims II. von der Mark Brandenburg, belehnt wurde,
hielten der fränkische und der brandenburgische Gesandte auch an den Zipfeln der
Lehnsfahne als Vertreter der Mitbelehnten.
Achtzehnjährig sollte der junge Fürst selbständig die Regierung fuhren. Aber
es blieben die Regierungsräte auf ihren Posten, und als der junge Fürst sich zwanzig-
jährig im Jahre 1573 mit der Markgräfin Marie Eleonore von Jülich Cleve Berg
vermählte, war seine Krankheit bereits so ausgesprochen, dass an eine selbständige
Regierung dieses Fürsten nicht mehr gedacht werden konnte. Unter seinem Namen
wurde aber oft die Regierungsgewalt gemissbraucht, und der fürstliche Hof auf dem
Schloss war oft in der grössten Verlegenheit und in derselben Lage, in welcher
Herzog Albrecht seine bittern Klagen an die Stände erhoben hatte.
Als der sogenannte lange Königsberger Landtag vom 30. Harz 1573 bis zum
Altpr. Ifaaatatckrift Bd. XXIX Hft. 5 u. 6. 31
474 Kritiken und Referat«.
2. Mai 1575, welcher sich also Aber zwei Jahre ausdehnte, gehalten wurde, und die
preussischen Stände die Regimentsräte, welche für Herzog Albrecht Friedrich die
Regierung führten, stürzen wollten, und wiederholt die polnischen Kommissarien von
preussischen Ständen eingeladen und erwartet wurden, erklärte die Herzogin Marie
Eleonore, ihre Mittel, die kaum zu ihrem Haushalte ausreichten, gestatteten nicht
die Bewirtung der Kommissarien des polnischen Lehnsherrn. Dieselben zu bewirten,
hatte Herzog Albrecht im Jahre 1566 die Ausgabe von 30000 M. machen müssen
und dadurch seine bedeutenden Schulden noch weiter gesteigert. Es regierte damals,
nämlich 1573, der französische Prinz Heinrich von Valois als polnischer König und
war so beschäftigt, dass er nur eine Korrespondenz mit den preussischen Ständen
unterhielt, ohne den zum Kommissarius designierten Woywoden Kostka abzusenden.
Wohl aber hatte der schon in Preussen anwesend gewesene Markgraf Georg
Friedrich von Ansbach den fränkischen Rat Wambach als seinen Vertreter in Königs-
berg zurückgelassen, der durch seine Sparsamkeit und Integrität, indem er jede Auf-
nahme durch den herzogliehen Hof in Königsberg dankend ablehnte, aber auch durch
seine Entschiedenheit und Festigkeit gegenüber den Ständen die Sache seines Herrn
würdig wahrnahm, ausgezeichnet war.
Noch Tier Jahre, bis zum Jahre 1577, währte es, bis der Markgraf Georg
Friedrich von Ansbach vom König Stephan Bathory von Polen zu Warschau be-
lehnt wurde.
Dieselbe Sparsamkeit, welche der Rat in Königsberg zeigte, bewies sein Herr
auch in Warschau während der Tage der Belehnungsfeierlichkeit, indem er diejenigen
Junker seiner Begleitung, welche unmassige Schulden beim Spiel gemacht hatten,
nicht für diese auslöste, sondern nur für ihre Zehrung auslösen wollte, so dass sie
gezwungen waren, von dem ihrigen zuzusetzen.
Er hatte hier erfüllt, was er den Königsberger Landtagsabgeordneten als un-
passend verwiesen, nämlich ihr Schlemmen und Prassen, das Verbringen ihrer Zeit
mit Privatsachen, das Zerschlagen der Oefen und Fenster, welche auf Kosten ihrer
Hinterlassenen repariert werden mussten. Nicht nur darum, sondern auch um des
Gerüchte« willen, dass der polnische König Stephan Bathory für vier Tonnen Goldes
dem Markgrafen Georg Friedrich die Belehnung Preussens erteilt habe, nahmen die
preussischen Stände und besonders der Adel den neuen Herzog und Gubernator mit
Mis8stimmung in Königsberg auf. Als sie ihm aber den Titel Herzog streitig machen
wollten, weil der Herzog Albrecht Friedrich noch lebe, berief sich der Markgraf suf
die Belehnungsurkunde Stephans Bathory und auf die polnischen Kommissarien, die
nach Königsberg 1578 ihm gefolgt waren und bei deren Anwesenheit, wie im Jahre
1566, die polnische Fahne aus dem Fenster des Moskowitergemachs den Schlosses
herauswehte.
Wenn der neue Herzog und Gubernator auch nicht vier Tonnen Goldes an
Stephan Bathory gezahlt hatte, sondern nur 200000 M., welches die Hälfte der
AltertbumflgMellichaft Prosa!« 1884. 475
Schuldsumme war, die auf Albrecht Friedrichs Namen sich angesammelt hatte, so lag;
ihm noch ferner ob, die polnischen Kommissarien hier in Königsberg noch 6 Wochen
auf dem Schlosse aufzunehmen, wobei wöchentlich 30 Ochsen, 66 Fass Herrnbier,
14 Ohm Rheinwein, 26 Fass Haber verbraucht wurden und am letaten Tage ihrer
Bewirtung 113 Schüsseln aufgetragen wurden, die Gesandten selbst aber am Abschieds-
tage mit Ehrenketten beschenkt wurden.
Und doch stand in der Belehnungsurkunde: „rein aus Gnade und Wohlwollen,
aber nicht durch Rechtsgründe bewogen", habe der König von Polen dem Markgrafen
Georg Friedrich das Herzogtum Preussen als Lehn erteilt, so dass die Verwandten
in der Mark Brandenburg von allen Anrechten vorläufig ausgeschlossen waren. Das
Wort Gnade wurde freilich nachher auf einem preussischen Landtage etwas milder
ausgelegt.
In den ersten Jahren seiner Regierung war Georg Friedrich und ebenso die
preussischen Stande bedacht, mit zweimaliger Bewilligung auf Landtagen dem polni-
schen Lehnsherrn zu einem Kriege gegen Russland Geld und Mannschaften zu be-
willigen, wobei freilich die preussischen Stande ihrem Herzog den Wunsch aussprachen,
er möge sich nicht persönlich an den Kriegsunternehmungen beteiligen. Der Mark-
graf war wahrend eines dieser Landtage nicht einmal in Preussen anwesend.
Als König Stephan Bathory mit dem Moskowiter Frieden geschlossen hatte,
bekam das Verhältnis der Stände zu ihrem Herzog eine andere Richtung; die inneren
Verhältnisse traten in den Vordergrund.
Als Georg Friedrich nach seiner Belehnung im Jahre 1577 und nach dem
Königsberger Landtage in demselben Jahre seine Huldigungsreise durch Preussen
gemacht hatte, brachte er von derselben 4000 Supplikationen mit. Auf dem Land-
tage 1582 wünschte er ausdrücklich die Darlegung der Bitten und Beschwerden:
dieselben bekamen aber einen so vehementen Charakter, dass die Wünsche des Her-
zogs, die Stände sollten die Schulden der frühern Regierung übernehmen, und andere
gerechtfertigte Forderungen nicht erfüllt wurden, sondern um so grössere Beschwerden
mit grösseren Ansprüchen entgegengestellt wurden. Darum schloss er den 7. Mai
den am 11. März begonnenen Landtag mit einem Landtagsabschied, durch welchen
er dem unnötigen Gezänk und Disputationen ein Ende machen wollte.
Die Mahnung des Herzogs an die Stände, sich zu trennen, blieb unerfüllt; sie
kamen in Privatgebäuden zusammen und deputierten im Namen der Stände der
Landschaft Hans Albrecht Herrn von Eulenburg, Friedrich von Aulack, Siegmund
von Wallenrodt und Christoph von der Dehle an den polnischen König am 24. Mai
mit unbedingter Vollmacht, ihre Absicht dem Herzog insinuierend.
Als der Markgraf am Schluss des Jahres 1584 einen neuen Landtag jn dem
Städtchen Saalfeld im Oberlande. berufen hatte, woselbst das Versammlungslokal die
Kirche gewesen zu sein scheint, kamen zwei Briefe von den drei Bevollmächtigten
der Landschaft, Eolenburg, Aulack und Dehle, an die HoMte und au die. drei Stände
31*
476 Kritiken und Referate,
an. Obwohl der in der Nähe weilende Markgraf schon den nächsten Tag, nachdem
die Frage ventiliert wurde, ob der Herzog den Inhalt der Briefe wissen dürfe oder
nicht, die Botschaft nach Saalfeld sandte, die Briefe nur im Beisein seiner Räte er-
öffnen zu dürfen, befolgten die Landtagsabgeordneten das Gebot nicht, worauf der
Herzog den Landtag am 14. Januar 1585 schloss.
Sofort begann der Herzog Separatunterhandlungen mit Mitgliedern der ein-
zelnen Stände und zwar zunächst mit solchen aus Königsberg. Besonders wirkte hier
vermittelnd Achatius Burggraf und Herr von Dohna; auch war unter den aufgefor-
derten Hans Jakob Erbtruchsess von Waldburg, welcher schon auf dem Landtage
im Jahre 1584 das Geschick der Stände der Mark Brandenburg als Warnung seinen
Standesgenossen vorhielt, die sich, weil sie zeitig nicht 80,000 Gulden Schulden
zahlen wollten, mit einer Schuld von 55 Tonnen Goldes belastet hatten, von denen
sie nur 15 Tonnen Goldes abhandeln konnten, so dass 40 zu bezahlen blieben. Den
auf dem Schlosse zu Königsberg versammelten 5 Mitgliedern des Herrenstaades,
86 Edelleuten aus den angesehensten und blühendsten Adelshäusern der Zeit, endlich
6 Mitgliedern des Bürgerstandes, von denen der Bürgermeister der Altstadt Königs-
berg der angesehenste war, eröffnete der Herzog, dass im Falle des Gehorsams und
der Bewilligung der Zahlung der Schulden, „die es nicht zu grob gemacht und sich
zu weit 'vertieft, die Gnadenthür nochmals, unverschlossen sein"; im entgegengesetzten
Falle aber habe er Mittel und Wege in Händen, seine und des Königs Autorität,
Reputation und Hoheit zu schützen und zu erhalten, deren er sich denn auch rück-
sichtslos bedienen werde.
Am 16. Juni versprachen die 97 Mitglieder der Stände schriftlich, Gehorsam
zu lebten und die Zahlung der Schulden zu bewilligen. Am 31. März des nächsten
Jahres 1586 wurde dann wieder ein Landtag nach Königsberg berufen, der am 2. Mai
mit dem Landtagsabschiede schloss: „Hiemit wollen Ihre fürstliche Durchlaucht Gott
dem Allmächtigen für verliehene gnädige Einigung und Vergleichung gedanket und
dabei gewünschet haben, dass solche zu allerseits beständiger Wohlfahrt gereichen
und lange erhalten bleiben möge".
Freilich hätte sich der Herzog nicht solchen Triumphes rühmen können, hätte
nicht der polnische König zum zweiten Male hinter ihm gestanden. In solchem Sinne
hatte König Stephan Bathory am 21. Juni 1584 den Anwälten der preussischen Land-
schaft, unter welchen nur Wallenrodt heimgekehrt und Friedrich von Perschken
Platz gemacht hatte, geantwortet und so seine Entscheidungen erneuert.
Nach drei Tagen, am 5. Mai, verHess der Herzog Preussen, wo er sich vom
Jahre 1582 ununterbrochen aufgehalten hatte. —
Nur nach der Kenntnisnahme solcher Vorgänge kann die Darstellung der Ver-
handlungen des Königsberger Landtages im Jahre 1594 eine rechte Würdigung er-
fahren. An dieser Stelle scheint es angezeigt, der verdienstvollen Arbeiten unseres
preussischen Historikers, des Direktor Toeppen, zu gedenken, welche über die preusa-
Altertbumsgesellschaft Prussia 1884. 477
sehen Landtage im 16. Jahrhundert handelnd, in zwei Jahrgängen des historischen
Taschenbuches von Räumer und in vier Programmen des Hohensteiner Gymnasiums
veröffentlicht sind.
Die früher gegen Brandenburg gerichtete Stimmung ist umgeschlagen in Freude
und Teilnahme über das Familienglück des Fürstenhauses, freilich bleibt doch immer
eine kühle Berechnung der Aussteuer. Einen Pracedenzfall durch die Mitgift der
Prinzessin Anna von Preussen wollen sie nicht für die Übrigen Töchter des Herzogs
Albrecht Friedrich schaffen, wenn sich dieselben auch verloben sollten. Der Stand
der Städte weigert sich sogar im Anfang, die Summe von 30,000 Gulden zu be-
bewilligen, und muss selbst die Herzogin Marie Eleonore die drei Bürgermeister der
drei Städte Königsberg auf das Schloss laden lassen, um sie zur Zustimmung zu ver-
mögen. Die Oberräte des Markgrafen hatten genannte Summe an Kosten für Aus-
stattung des fürstlichen Schmucks, der Kleider, der Kleinodien, andern Aufwands,
„nebenst anderer Ausfertigung" zum Heiratsgut gefordert. Als dann aber nach der
Zusage dieser Summe der Markgraf eine neue Forderung stellte in Bücksicht darauf,
dass er wegen Erhaltung der Jülich-Cleve-Berg'schen Erbschaft viel Geld habe auf-
wenden müssen, dass noch andere Unkosten das eheliche Beilager des jungen Fürsten-
paares erfordern würde, wurde dies Gesuch den Oberräten ohne Entschuldigung ab-
geschlagen, indem sich • die Stände darauf beriefen, dass während des Landtags nach
dem im Jahre 1566 bestätigten Privilegium keine neue Forderung gestellt werden
dürfe. Und Georg Friedrich, der den Ständen noch nicht ihre Privilegien konfirmiert
hatte, liess diese Berufung unangefochten und beschied sich bei der oben genannten
Summe von 30000 Gulden.
In betreff des Modus der Vorlagen der Regierung wurde folgendes eingehalten :
Die Forderungen, welche dem zusammentretenden Landtage vorgelegt werden sollten,
wurden in den einzelnen Aemtern, von denen aus die Anordnungen der Wahl ge-
troffen wurden, bekannt gemacht, „die Proposition" ; dann erschienen die Abgeordneten
mit ihren Vollmachten am häufigsten in Königsberg „sterblicher Läufe", wie es heisst,
oder aus politischen Gründen, um die Mitglieder der Stände gefügiger zu haben, in
Rastenburg, Heiligenbeil, Saalfeld ic. In Königsberg wurde im Jahre 1594 wie immer
die Ständeversammlung auf dem Schlosse gehalten, wie der Markgraf schreibt, des
»andern Tages um 8 Uhr uff unserm fürstlichen Hauss im grossen Saal", nachdem
„gegen Abends gewisslich und unausbleiblich" die Mitglieder zu Königsberg einge-
kommen waren.
Im Beisein des Herzogs oder, wenn derselbe nicht anwesend war, wie in diesem
Fall, da der Markgraf Georg Friedrich von Ansbach und von Heilbrunn aus seine
Schreiben an die Oberräte nach Königsberg richtet, in deren Anwesenheit wurde
vom Kanzler die in den Aemtern bekannt gemachte Proposition mündlich verlesen.
Es erfolgte nun eine eigentümliche Verhandlung, indem die Stände sich genau von
einander getrennt hielten. Der zuerst in Aktion tretende Stand war der Herrenstand
478 Kritiken and Referate.
mit den Landräten, ihnen wurde die Proposition schriftlich übergeben. Wollte der
Adel, „die ehrbare Landschaft", der zweite Stand, oder die Städte, der dritte Stand,
eine Abschrift der Proposition haben, so musste ausdrücklich von ihnen darum ge-
beten werden. Im Falle der Gegenstand der Verhandlung nicht partikuläre Inter-
essen betraf, unterblieb ein Schriftenaustausch eines Standes mit dem andern Stande,
man unterhandelte mündlich in Ausschüssen und wartete nicht einmal die Bestätigung
durch die Mitglieder desselben Standes ab. Die Proposition vor zusammengerufenem
Landtage im Jahre 1594 erfolgte vor den Oberräten ain 22. April — am 6. Mm
übergaben die Abgesandten der Städte ihre Antwort auf die den 4. Mai ihnen münd-
lich beigebrachte Erklärung der Abgesandten des Adels, wie die von dem Herzog
geforderte Summe aufgebracht werden solle, des modi contribuendi halben. Den S. Mai
übergeben die Städte ihre endliche Erklärung und den 16. Mai erfolgt einer ehrbaren
Landschaft von allen Ständen sämtliche Antwort auf fürstliche Durchlaucht Proposition.
Weil die Pflngstfeiertage dazwischen fielen und mancher der Abgeordneten häus-
liche Pflichten, wie die Wirtschaftsbestellung zu erfüllen hatte, so erfolgte eine Ke-
clusion der zur Regierung geordneten Oberräte nach neuem Zusammentritt der Ab-
geordneten erst den 27. Mai, worauf eine ehrbare Landschaft von allen Ständen den
1. Juni schriftlich antwortete und an demselben Tage, also auch den 1. Juni, auf
ihre übergebene Schrift eine schliessliche Antwort von den Oberräten erhielt. Damit
waren die Verhandlungen aber noch nicht geschlossen, denn den 8. Juni wurden
einer ganzen ehrbaren Landschaft von allen Ständen letzte Bedenken und Supplika-
tionen, darinnen sie etzliche Punkte abzuschaffen und fort denen von Städten zn
übersehen, übergeben, der fürstlichen Regierung überreichet. Dieses Libell der Be-
schwerden, welches der Stand der Herren und des niedern Adels der fürstlichen
Regierung überreichte und nur sieben Punkte umfasste, nannten sie letzte Bedenken
und Supplikationen.
Die Städte Königsberg nennen ihr Libell Anliegen und Beschwerungen, denen
sie gern Abhelfung sehen wollten; die Altstadt-Königsberg übergab sechs solcher
Punkte und hinter denselben sieben Punkte Generalbeschwerung; die Stadt Löbenicht-
Königsberg übergab vier Punkte. Die Stadt Kneiphof-Königsberg hatte gegenüber
der Regierung des Markgrafen Georg Friedrich nicht in Opposition gestanden.
Obwohl diese Supplikationen noch einen reichen Stoff bieten, ist noch einmal
auf die Geldbewillung der Stände an die fürstliche Regierung zurückzukommen.
Nicht nur das Heiratsgut von 30000 Gulden war bewilligt worden, sondern
auch der Rest der Schuldforderung der Handlungshäuser Loitzen & Krakau, kurzweg
genannt die Loitzische Schuldforderung. Sie betrug 22000 Gulden und 1896 Gulden
und stammte noch aus der Zeit von 1563 bis 1566. Der grösste Teil dieses Geldes
war von Herzog Albrecht dem A eitern aufgenommen worden, als er den Königsberger
Landtag im Jahre 1566 berufen musste und den SöldnerfÜhrer Paul von Wobeser
in der Nähe von Königsberg mit tausend Reitern lagern hatte, um nach dem Tor-
Alterthumsgeeellschaft Prassia 1884. 479
schlag seiner herzoglichen Räte Funk, Sehneil, Horst, Steinbach und Scaliehins den
Widerstand der Stände niederzuschlagen und ein selbständiges Regiment zu beginnen.
In seinen jungen Jahren, als Herzog Albrecht die Opferfreudigkeit der Stände noch
rühmen konnte, hatte der aus Franken zu ihm nach Preussen herübergekommene
Rat Besenrode, welcher Burggraf wurde, einen ähnlichen Vorschlag während des
Bauernaufstandes gemacht, starb aber noch vor der beabsichtigten Heerschau, ver-
möge deren die Ueberwältigung erfolgen sollte.
Doch wir kehren zurück zum Landtag im Jahre 1566. Erst dann tritt uns die
kräftige Regierung des Markgrafen Georg Friedrich entgegen, wenn wir die beiden
Landtage von 1566 und 1594 in dem Verhalten zu ihren Fürsten vergleichen.
Herzog Albrecht muss drei seiner auswärtigen Räte zum Richtplatz ohne ge-
bührend geführten Prozess abführen sehen und darf niemand um sich haben noch
jemand Zutritt gewähren, der nicht der von den Ständen eingesetzten Regierung
genehm ist.
Der Markgraf Georg Friedrich hat trotz der von dem Adel im Jahre 1584 an
dem polnischen Reichstag geführten Klagen seine fränkischen Räte behalten, die
Stände gezwungen, die alte Schuldforderung zu übernehmen, kann ohne Sorge wäh-
rend seines Aufenthalts in Ansbach durch seine Oberräte einen Landtag berufen
lassen, und sieht sich von einer Deputation desselben, denn die Stände hatten eine
solche gewählt, in Ansbach aufgesucht, um ihre Supplikationen dem Markgrafen zu
überreichen. Das Kreditschreiben ist datirt vom 9. Juni, so dass sie also bald nach
Schluss des Landtages sich auf die Reise machten. Die Gesandten, so gering sie an
Zahl waren, erhielten von ihren Standesgenossen die ausdrückliche Anweisung, nur
mit Vorwissen und einhelliger Beliebung der andern Stände etwas vorzunehmen, noch
viel weniger soll ein Stand dem andern etwas zu Schaden und Nachteil suchen.
Hierauf thut eine ehrbare Landschaft von allen Ständen den Abgesandten zu ihrer
Reise und guter gewünschter Expedition von Gott dem Allmächtigen viel Glück,
Heil und Segen wünschen, den lieben Gott bittende, er wolle sie mit ihren lieben
Engeln beleiten und ihn mit Gesundheit hin und wieder anhero verhelfen. So lautet
die Instruction, welche von den Ständegenossen mit ihren Petschaften besiegelt und
eigenhändig subscribiert ist. Die Abgesandten waren. Hansen von Tettau, Friedrichen
von Hausen, Rittmeistern, Albrecht von Schlubuten, Hofrat, Otto von der Groben,
Ambrosius Rohrmann, Ratsmann der Altstadt-Königsberg und Christinus Bergschlagen,
Ratsschreiber zu Bartenstein.
Die letzten Bedenken und Supplikation einer ganzen ehrbaren Landschaft ent-
hielten folgende Punkte: 1) dass die Haupt- und Amtsleute eines jeden Amtes ein
Verzeichnis des in dem Amte von jedem Krüger verschenkten Bieres vierteljährlich
an den Kreiskassen-Rendanten, damals Kastenherr des Kreises genannt, zuschicken
sollten; 2) die Berechtigung die säumigen Zahler in Betreff der Kreiskasse des Kastens
jeden Ortes in „Verstrickung" zu nehmen, und nicht eher von statten zu lassen, als
480 Kritiken und Referate«
bis sie den „Kasten" befriedigt; 3) die strengste Handhabung des Mandats gegen
die des Hausirens wegen nmstreichenden Schotten mit Ausschluss derer des Ober-
landes; 4) ferner dasjenige, welches gegen die Unzucht erlassen ist; 5) die Bückgabe
der Landtagsakten vom Jahre 1579 and 1584, welche bei einer Haussuchung und
Verhaftung des Antonio von Kohl fortgenommen seien, wieder in die Verwahrung
einer ehrbaren Landschaft zurückgelangen zu lassen; 6) eine Berücksichtigung der
Abgeordneten der Städte Altstadt und Kneiphof in betreif der Landtagszehrung; der
siebente Punkt betraf einen Mann in persönlichen Angelegenheiten.
Unter den Anliegen und Beschwerungen der Städte Königsberg ist das erste
Anliegen der Altstadt von allgemeinem Interesse. Dieselbe bittet dasjenige, so üir
noch ausständig, vermöge der fürstlichen Zusage zu restituieren. Die Altstädter hatten
nämlich einen fürstlichen Bedienten, Namens Wilhelm Wilde, welcher bei einem
öffentlichen Gelage auf dem Altstädtischen Junkerhofe einen Bürger schwer verwandet
hatte, gefänglich eingezogen und auf fürstlichen Befehl nicht herausgeben wollen,
indem sie sich auf ihr erstes Privilegium beriefen. Der Markgraf belegte infolge
dessen durch Sentenz vom 11. November 1583 die Stadt mit einer Geldstrafe von
20,000 ungarischen Gulden. Zur Erlangung derselben zog er alle der Stadt gehöri-
gen Güter an Dörfern, Aeckern, Wäldern ic. ein und liess die grossen Eichen und
Fichten im Wilky- Walde niederhauen und zum Bau der Westseite des Schlosses ver-
wenden. Die starken Balken unter der Kirche im Portal zeugten bis 1861 unbe-
kleidet noch von der Stärke der dazu gefällten Bäume. Zur Krönungsfeier im ge-
nannten Jahre wurde die Decke auch dieses Portals mit Gyps verkleidet. Erst löN)
nach vielen kostspieligen Verhandlungen am polnischen Hofe ward diese Irrung bei-
gelegt. In dieser ersten Supplikation bitten die Altstädter, dass die Restitution
vollkommen und in integrum geschehen möchte. Dann was ihre fürstliche Durch-
laucht aus den Dörffern an Zinsen und Nützungen, also auch an Pfundzoll, die Zeit
sie es innegehabt, eingenommen und empfangen, davon ist der Stadt nichts noch
zur Zeit wieder worden.
Der zweite Punkt betrifft die Wiederherstellung einer Schleuse an dem Teich
auf den Hüben hinter dem Oberteich, durch deren Baufälligkeit von den Zeiten der
Regimentsräte an, der Stadt ein bedeutender Schade an abgeflossenem Wasser und
fortgeschwommenen Fischen entstanden sei.
Der dritte Punkt betrifft die Bitte um Abstellung des grossen Schadens, welchen
das Freiwasser bereitet, welches aus den herzoglichen Teichen durch den Altstädti-
schen Rossgarten nach dem Pregel und dem Haffe zufliesst.
Ihre vierte Bitte ist die obrigkeitliche Feststellung der Grenzen des Land-
besitzes der Städte Altstadt und Löbenicht zwischen dem Dorfe Beydritten und der
fürstlichen Ziegelscheune auf dem Tragheim, da die von den Obrigkeiten beider Städte
allein aufgerichteten Grenzzeichen nicht volle zwei Tage gestanden hätten, die Grenz-
pfähle ausgehoben und die Stadtwappen verächtlich nach unten gekehrt wären,
Alterthumsgesellachaft Prussia 1884. 4g \
Fünftens bitten die Altstädter, dass die Hofdiener auch zur Contribution bei-
tragen mochten.
Das Anliegen im sechsten Punkte erinnert an eine Beschwerde der Altstädter
auf dem Landtage von 15G6. Damals fürchteten die Altstädter, dass Herzog Al-
brecht, der sich einen hölzernen Gang von dem Schloss nach der jetzt abgebrochenen
Altstädtischen Kirche zum bequemeren Kirchgang bei abnehmender Gesundheit er-
bauen liess, zur Ueberfuhrung von Bewaffneten benutzen könnte, um die Stadt zu
vergewaltigen. Jetzt 1594 klagen die Bürger der Altstadt, dass die fürstliche Re-
gierung eine ungewöhnliche Mauer auf der Stadt Grand und Boden erbauet (1593),
nachdem sie einige Jahre früher ebenso ein Thor erbaut und die fürstliche Freiheit
habe anmalen lassen.
Der 7.— -14. Beschwerdepunkt trägt die Ueberschrift „Generalbeschwerungen".
Sie betreffen, der siebente: das Schankwerk, das häufige Bierbrauen auf dem Lande
und Verlegung der Krüge; der achte: die Veröffentlichung der Landesordnung des
köhnischen Rechtes, kurzweg der Kolm genannt. Im neunten Punkt erbitten die
Stadt Kneiphof in einem speziellen Fall, die beiden andern Städte im allgemeinen,
dass von ihnen eine freie Wahl gehandhabt werden dürfte.
Das zehnte Anliegen nimmt wegen der Klage über die Konkurrenz der Stadt
Meine! und Libau in Bezug auf den Handel ein besonderes Interesse in Anspruch,
Die drei Städte Königsberg beklagen 6ich, dass „Lübische, Niederländische und
andere fremde Lieger und Gesellen in Sameiten, Littauen und sonsten reisen, allda
aüerley an Wahren, Flachs, Hanf, Leder, Wachs, Talck, Fleisch auch bey grossen
vielen Lasten Dorsch und dergleichen an sich schlagen und kaufen, und dann solches
zur Seewärts außiuhren und wegschiffen sollen, dadurch dann grosse Teurung durch's
gantze Landt geursacht wird". Sie haben auch gehört, dass „wo die Anfahrtung
und Anlandung aus der See geschehen könnte, Baaken aufs Landt gesetzet und auf-
gerichtet werden". „Die alte hochseelige fürstliche Durchlaucht habe bei ihrem
Leben und Regierung nicht gewolt, noch gerne gesehen, dass das Tieff zur Memmel
jederman sonderlich dem Frembden bekandt werden solte und solchen, umb der
Vesten des Ohrts willen, derwegen dan biß nunher keine Baaken gesetzet noch See-
thonnen gelegt werden müssen, solte nun und zu diesen Zeiten solches frey sein, die
Baaken gesetzt und ein jeder das Tief und eingefahrt geweiset und bekandt gemacht
werden, was wurde anders daraus, als eine Aufhebung und Verhöhnung geringer
Städte, und eine Zerstörung und Untergang großer Städte, sonderlich der alten be-
hörigen Niederlage zu Königsberg, wir wollen geschweigen der gefahr, so furstl. Dhl.
selbsten und dem gantzen Lande daraus entstehen möchte, folgen".
Punkt 11 spricht gegen die neue Mühlenordnung in Bezug auf den Mühlschreiber,
Punkt 12 ebenso in Bezug auf den Mahlzwang, im Punkt 13 bitten sie um ein Ver-
bot an die Amtleute, dass sie Gerste, Hopfen und anders Getreide, auf das sie eine
Anzahlung gegeben, von den Bauern nicht den Bürgern vorweg kaufen dürften. In
482 Kritiken und Referat«.
Beschwerde 14 beklagen sie ach über den Mangel an Bau- and Brennholz in Folge
der Neuen forstlichen Verordnungen.
Fünfzehntem verklagen sie den frembden Kauffmann und nicht wehenden Bürger
Hans Rendorff, die Freiheiten und Gerechtigkeiten der drei Städte überschritten
zu haben.
Die Stadt Löbenicht bringt 4 Beschwerden vor, die nichts wesentlich neues
mehr enthalten.
Die Antwort der Oberräte auf die Beschwerden in den einzelnen Punkten nui
annähernd zu berühren, ist nicht in Kürze möglich, wohl aber noch zu erwähnen,
dass die fürstliche Regierung in einer besondern Schrift dagegen protestierte, das
der Wittib und den Kindern des geächteten Friedrich Aulacken 4000 Mark aas dem
gemeinen Landeskasten nicht solten gefolget werden, wie sie ihnen von einer ehr-
baren Landschaft gewilligt waren.
Friedrich Aulack war das einzige Mitglied der Städte der Landschaft, das
Georg Friedrich von seiner Amnestie, die er im Jahre 1586 den ungehorsamen Ständen
verhies8, ausschloss, und dem er, nach seinem Ausdruck, das Gnadenthor nicht öffnete.
Er erwähnte nur vorläufig, dass er „hochnothdränglich verursacht sei, gegen Aulack,
der vielfach wider Ehre, Eid und Gewissen ihn und seine Räte auf's höchste defa-
miert, verkleinert und injurirt, auch allerlei verräterische diesen Landen und Leuten
hochgefährliche Consilia, wie fürstliche Durchlaucht aus der Regierung zu heben, hin
und wieder gehalten" peinlich klagen zu lassen. Friedrich von Aulack hatte gchon
auf dem öfters genanten „langen" Königsberger Landtag im Jahre 1573 eine her-
vorragende Rolle gespielt und war, trotzdem die streng lutherische Kirche den Sieg
davon trug, obwohl er Calvinist war, in bedeutendem Ansehen geblieben. In dieser
Zeit der Regimentsräte während der Unmündigkeit des Herzog Albrecht Friedrich
hatte der bedeutendste derselben, der Kanzler Hans von Kreutz von seinen Freunden
den ehrenden Beinamen des Cicero mit besonderer Rücksicht auf die Catilinariscbe
Verschwörung, deren Führer Friedrich von Aulack war, erhalten. Ihn hat die Land-
schaft öfter als Syndikus erkoren, er musste aber zeitweise von den Landtagsrer-
handlangen fern bleiben, weil ihn der Bischof Hesshusius von Samland als Calviafeten
und wegen seiner Bekenntnisschrift, die er auf dem Rastenburger Landtag übergeben
hatte, am 23. Januar 1575 in den Bann that, als die unterbrochenen Landtags-
Sitzungen wieder aufgenommen wurden. Seine Fernhaltung währte nur kurze Zeit, und
der Kanzler von Schack bekannte, dass Leute wie Aulack im Lande nicht wären;
wenn der sich mit dem Bischof versöhnte, wolle er ihm fortan sein Amt übergeben.
Friedrich von Hausen, Hauptmann von Fischhausen, durfte nicht früher das Barg-
grafenamt übernehmen, als bis er jedes Umgangs mit Friedrich von Aulack trotz der
Verwandtschaft entsagt, und die Erklärung abgegeben hatte, weil ich aus Gottes
Wort soviel Bericht erlanget, dass ich mit Friedrichen Aulacks Conversation gesündigt,
als ist mir's leid und will es meinem lieben Gott gern abbitten.
Alterthumsgetellschaft Prnssia 1884. 4g g
Als Markgraf Georg Friedrich in die Regierungsgeschäfte Preussens einzugreifen
Gelegenheit fand, wurde ihm Aulack als einer derjenigen genannt, den er zuerst fern-
zuhalten suchen müsse. Im Jahre 1582 war Aulack der Fuhrer der Gesandtschaft,
welche die ganze ehrbare Landschaft von allen Ständen als Klägerin wegen Miss-
achtung ihrer Privilegien durch den Herzog nach Polen entsandte. Aulack war hier
veiter gegangen, als die zwei anderen Bevollmächtigten Eulenburg und Dehle, indem
er in einer Bede nachweisen wollte, dass Georg Friedrich das Lehen verwirkt habe.
Da Aulack sich der Verfolgung durch Gewappnete, Reisige und Bauersleute zu ent-
ziehen vermochte, so wurden in seinem Hause seine alte Mutter, seine Gattin und
selbst seine zarten Kinder nicht verschont, und seine Güter konfisciert, wie der Ver-
folgte klagt.
Aulack ist ein Vorgänger Kalksteins im 17. Jahrhundert. Aulack stirbt aber
im Auslande und hat noch die Eigenschaft, dass, trotzdem er Calvinist ist, er die
echt lutherische Landschaft Preussen in Polen vertritt.
Dies lasst sich nur durch die grosse Erbitterung erklären, die im Jahre 1585
und 1586 gegen den Markgrafen Georg Friedrich in Preussen herrschte.
Wie er selbst dies empfand, lasst er durch seine Räte an den Rat der Altstadt
Königsberg, als derselbe eine herzogliche Visitation hinauszuschieben weiss, in dem
Post8kriptum eines Schreibens kundthun, in welchem es heisst:
„dass in den gemeinen Zusammenkünften, sonderlich allhier auf dem alt-
städtischen Rathhause durch allerlei gewaltsame Bedräuung mit Zufugung
allerlei Spotts und Unglimpfs, letzlich auch mit Thürzuschliessen und mit
Fensterhinauszuwerfen und dergleichen gewaltigen Handanlegungen gute
wohlmeinende Leute in ihrem Votiren und Wohlmeinen verhindert würden,
welches, wo es so wäre, vielmehr einem gemeinen Aufruhr und einer
Mördergrube als freiwilligen heilsamen Rathschlägen und Rathhäusern
ähnlich sehe".
Auch folgendes Pasquill wird von der gegen den Markgrafen erbitterten Stim-
mung Zeugnis ablegen:
Fides ist geschlagen tod,
Justitia liegt in grosser Noth,
Pietas, die liegt im Stroh,
Humüitas schreit Mordio,
Superbia ist auserkoren,
Patientia hat den Streit verloren,
Veritas ist gen Himmel geflogen,
Treu und Ehr über Meer gezogen,
Frömmigkeit laset man betteln gähn,
Tyrannis. sitzt jetzt oben an,
Invidia ist worden los.
484 Kritiken and Referate.
Charitas erkalt und bloss,
Tagend ist Lands vertrieben,
Bosheit und Meuterei darin geblieben,
Sei es Gott geklaget.
Kehren wir noch einmal kurz auf die kirchlichen Verhältnisse Preussens zurück,
so ist in der Forderung aller drei Stände, wie sie 1590 und 1594 gestellt wurde:
„Besetzung der Bistümer, damit ein christliches Wesen wieder Herrschaft gewinnt"',
nur ein Vorwand, um das Fundament der ständischen Privilegien nicht verkleinern
zu lassen. Markgraf Georg Friedrich dachte ausserordentlich ernst über die Visitationen,
wie er es in folgendem Schreiben kund that:
„Es sei beschwerlich und schädlich, dass Privatpersonen der Visitation bei-
wohnen; sie gebühre dem Fürsten, seinen Bäten, der Herrschaft und der Ritterschaft1'. -
Nach dem Tode des Bischof Wigand im Jahre 1587 Hess der Markgraf fr
beiden Bfcchofstellen eingehen und setzte an deren Stelle die beiden Konsistoritf
als fürstliche Landes-Kollegien, indem er ihnen die Gerichtsbarkeit über die Gräß-
lichkeit in Civilsachen, die Aufsicht über die Universität und die Censur der im
Herzogtum erscheinenden Schriften entzog.
Die Bitte um Besetzung der Bistümer war die einzige Forderung des erstes
Standes der Herren im Jahre 1594 : bei der ersten Beratung über die Aussteuer <te
fürstlichen Fräuleins Anna hatte derselbe Stand aber nicht eine hinweisende Be-
merkung auf den Lehnsherrn in Polen und die dort herrschenden Gebräuche unter-
drücken können.
In der Proposition war die Aussteuer für die Prinzessin Anna durch den Ja
allen Landen" herrschenden „gebrauch, do die E. LandtscharTt von Lande und Stadt
allenthalb zu Ihrer gebohrne Fürstin und Fräulein ausstattung und Ehesteuer Ihn
Eltern und versorger eine Zulage und hülffe thun", motiviert.
Hierauf äusserten sich Bitterschaft und Adel mündlich durch Hans AuerswaM:
„der Gebrauch anderer Fürstentümer kümmere die Stände Preussens nicht, denn
Preussen sei in Polen inkorporiert, in Polen aber sei solche Ausstattung nicht ge-
bräuchlich".
Die Erinnerungen an die Preussische Oligarchia, die Zeit der Regimentsräte
von 1566—1578, die so erst nach dem Tode des Herzog Albrecht genannt wurde,
aber es schon vorher war, verblieben noch dem ersten und zweiten Stande: dass aus
ihnen ein Gubernator hätte gewählt werden können, hatte im Bereich der Möglich-
keit gelegen; der Stand der Städte hatte 1577 die Initiative für die Uebernahm?
der Regierung durch den Markgrafen Georg Friedrich ergriffen.
Nach dem Tode dieses kraftvollen Fürsten i. J. 1603 blieb dieselbe Hinneigrog
des Adels für Polen, der i. J. 1606 vergeblich Otto v. d. Groben zu Sigismond d«a
Dritten schickte, um dem preussischen Adel die Rechte des polnischen zu verschaffen,
welches der polnische Lehnsherr aber nicht that.
Alterthumsgesellschaft Prussia 1884. 485
Unter diesen Verhältnissen ist es erklärlich, dass der Kurprinz Johann Sigis-
mund auf die Nachricht, dass seine Schwiegermutter, die Gemahlin des Herzogs
Albrecht Friedrich, gestorben wäre, von seinem Vater, dem Kurfürsten Joachim Friedrich,
nach Preussen geschickt, seine begonnene Reise in unsere Provinz weiter fortsetzte,
trotzdem er unterwegs den bald nach der Abreise eingetretenen Tod seines Vaters erfuhr.
Seine Anwesenheit in Preussen war notwendiger als in der Mark Brandenburg.
[Sitzgsber. d. Altertumsges. Pr. im 40. Vereinsj. Nov. 1883/84. S. 36-48.]
Sitzung von 16. Mai 1884. Rittergutsbesitzer Lorek auf Popelken giebt über
die bisherigen Untersuchungen, die er und Professor Hey deck über den Pfahlbau zu
Bonslack, Kreis Wehlau, gemacht, nachdem der Besitzer dieses Terrains, Baron
v. Keudell auf Bonslack, dazu freundlichst die Erlaubniss ertheilt, Bericht. Ein
Bindewerk von Birkengeflecht zwischen einzelnen Pfählen ist hier zuerst bei einem
ostpreussifichen Pfahlbau konstatirt worden. Ein Schlegel aus Holz und siebartige
Gefässscherben aus Thon zum Käsemachen sind die einzigen, aber auch seltenen Funde
in diesem Pfahlbau, da die Untersuchung des auf dem Wasser fast schwimmenden
Moorbodens ausserordentlich erschwert und behindert wird. — Hierauf legt derselbe
Vortragende Ergänzungsfunde für das Gräberfeld zu Popelken und Iinten vor. Es
sind Beisetzungen von Leichenbrand in Urnen unter einfacher und mehrfacher Stein-
packung, denen Beigaben aus Bronze und Eisen aus den Christi Geburt folgenden
Jahrhunderten beigefügt sind. Besonders reichhaltig erwies sich ein neugefundenes
Gräberfeld auf der sog. „Palwe" in Popelken, in welchem, wenn auch nicht alle
Urnenbeisetzungen Beigaben enthielten, einige mit sehr reichen und seltenen ausge-
stattet waren. Zum Schluss seines Berichtes übergiebt Rittergutsbesitzer Lorek Ge-
schenke des Rittergutsbesitzers Ger lach auf Friedrichsthal, Kr. Wehlau, unter denen
sich seltene Bronzen bei einer Pferdebestattung des älteren Eisenalters fanden. —
Hierauf hielt Dr. Bujack einen Vortrag über die Ordensstadt Neidenburg nach dem
in Marienwerder in der Kanter'schen Hof buchdruckerei unter dem obigen Titel 1883
erschienenen Buche des preussischen Oberst a. D. Julius Gregorovius. Der Ver-
fasser, in Neidenburg geboren, hat so schöne Jugendjahre in seinem Elternhause and
seiner Vaterstadt verlebt, dass er diese Arbeit als eine Pflicht der Pietät nicht nur
gegen seinen um die Erhaltung des Neidenburger Schlosses hochverdienten Vater und
gegen seine über 300 Jahre in Masuren in nachweisbarer Amtsthätigkeit lebende Fa-
milie, sondern auch gegen seine Vaterstadt ansieht. Als Knabe selbst Zeuge gewesen,
wie das Neidenburger Schloss seine Wiederherstellung auf Antrag des Oberpräsiden'
ten v. Schön erhielt, hat der Verfasser die Über den Bau des Ordensschlosses auf-
behaltenen Nachrichten zu einer anziehenden Darstellung zu vereinigen gewusst. Nicht
minder plastisch tritt das Bild der Ordensstadt Neidenburg in ihren rechteckigen
Umfassnngs-Mauern und Gräben und in ihrer späteren Erweiterung hervor. Für die
Eingesessenen des Kreises und für die Einwohner der Stadt Neidenburg haben
486 Kritiken und Referate.
Gregorovius' Vorarbeiten in einseinen Aufsätzen im Kreisblatte schon grosses Inter-
esse gehabt, wie viel mehr werden sie Sun nicht auch Dank wissen für die Ausffihroog
im Detail, wie es auch alle Diejenigen thun, welche unsere Provinzialgeschichte mit
Interesse verfolgen. Der Vortragende gab nach dieser allgemeinen Uebersicht Böder
aus den einzelnen Perioden der Geschichte Neidenburgs, musste aber mit dem plötz-
lichen Abzüge der Tartaren von Neidenburg im Jahre 1656 wegen der noch tnbe-
raumten General- Versammlung abbrechen. Es unterblieb auch die Vorlegung <kr
reichlich eingegangenen Geschenke und neuen Erwerbungen. — Die sich zur General-
Versammlung konstituirende Versammlung nahm den Kassenbericht des Schatzmeister:
Kaufmann Ballo pro 1883 entgegen, ertheilte Decharge auf den von den Reviaura
Stadtrath Wark entin und Hauptmann Ephraim gestellten Antrag, wählte sodam
zum Stellvertreter des Schatzmeisters in den Vorstand den Bildhauer und Fabrikbe-
sitzer Eckart und zum' Ehrenmitgliede den Gymnasial-Direktor Toppen in Elbmg
[Ostpr. Ztg. v. 22. Juni 1884. No. 144. (Beil.)]
SHZMf VM 20. Juli 1884. In der letzten Sitzung vor den Ferien kam zoerct
ein Aufsatz des Superintendenten Dr. Gebauer „Das Kaiserdenkmal bei Medenu.
Ein Erinnerung aus dem Samlande", zum Vortrage. Dem Verfasser konnte dieselbe
leicht werden, da er seit einem halben Jahrhundert seine Amtstätigkeit im Sam-
lande hat und ausserdem es in antiquarischer und historischer Beziehung darzustdlei
wusste. Gern gedachte er der Führerschaft des hochseligen Königs auf dessen An*
-flug in das Samland im Jahre 1840, und des Momentes des Aufenthalts unsere»
Kaisers in der Nähe von Medwau» als er sich 1879 von dem Manöverterrain nach
der Stelle des Gutes Medenau fahren liess, wo er als Kind geweilt hatte. Ancb der
Besuch des Samlandes durch den Kronprinzen im Jahre 1863 wurde mit der Errich-
tung des Denkmals in Adl. Medenau in anziehender Weise in Beziehung gebracht.
Ferner sprach Hauptlehrer Matthias über „die Gräber der heidnischen Ulti-
mos auf der Westküste Grönlands", mit den eingehenden dänischen Berichten ver-
traut, wies aufs Ueberzeugendste die Analogien dieser Bestattung mit derjenigen der
prähistorischen Zeit nach, und zeigte gewisse Punkte dieser Bestattungsweise, die
sich trotz des kurz verflossenen Zeitraums nicht mit evidenter Sicherheit feststellen
lassen. — Zum Schrass legte der Vorsitzende folgende Geschenke und Ankäufe fr
das Museum vor, und zwar zur prähistorischen Abtheilung: einen rechteckig mg?-
schlitfenen Stein zum Anschlagen des Feuerstahls, gef. zu Ffirstenau, Kr. Bastenborg,
und geschenkt von Gutsbesitzer Nebelung; einen Schleifstein in Stabform aus heid-
nischer Zeit, gef. in Dorben, Kr. Königsberg, geschenkt von stud. Both; eisen durch*
lochten Steinhammer, gef. zu Boschehnen, Kr. Fischhausen, geschenkt von Frau
Hellbar dt, und einen ähnlichen, gefunden am Fusse des grossen Hausen bei G#-
mau, Kreis Fischhausen, geschenkt von Dr. Bujack. Gekauft wurden silberne Arm-
ringe des älteren Eisenalters, gef. bei Kiwitten, Kr. Heilberg, und BernsteinperieD,
gef. bei Heydekrug, Kreis Fischhausen. Zur Abtheilung mittelalterlicher Gegenstände
'jr^-v,
AltertbamfgeeelUchaft Pmtsim 1884. 4g 7
schenkte Rittergutsbesitzer Valentini auf Heinriettenhof, Kreis Pr. Eylau, einen
bronzenen Schlüssel, gefunden im Schutt des alten Ordensschlosses. Zur Sammlung
von Gegenständen des 17. bis .19. Jahrhunderts wurden gekauft Delfter Schüsseln,
Steinkrüge und Zinnseidel, alte Stickereien und ein grosser Schildpattkamm indischer
Arbeit, wie er noch zu Anfang unseres Jahrhunderts in Deutschland getragen wurde,
und geschenkt von Frau L. Pilkowski; ein Bijouterieschränkchen aus Hole mit
Bildhauerarbeit. Zur Münzsammlung schenkten Superintendentent Dr. Gebauer eine
Serie Münzen, die zum kleineren Thefle antike und mittelalterliche, zum grösseren
Theil jüngere sind. Kaufmann W. Szittnick die preussische Huldigungsmfinze vom
Jahre 1786. Zur Bibliothek schenkte Superintendent Dr. Gebauer eine Anzahl Bücher,
unter denen wir nur die preussische Chronik von Lukas David und die Soldaten
Friedrichs des Grossen von Lange und Menzel hervorheben. Die kleine ethnographische
Abtheilung des Museums, welche der Vergleichung halber eingerichtet ist, wurde
durch eine freundliche Zusendung unseres Landsmannes William Hellbar dt in
Asuncion in Paraguay durch folgende Gegenstände bereichert: durch einen MatteVTopf,
aus einem in Paraguay wachsenden Kürbis gearbeitet, sammt Matte-Thee und einer
Röhre mit siebartigem Ende zum Aufschlürfen des Thees, durch eine Tabakspfeife
der Paraguayer und einige Spitzen, von der Hand der geschickten Guaranis gear-
beitet, die seiner Zeit von Jesuiten in Paraguay gelehrt wurde.
[Ostpr. Ztg. v. 1. Okt. 1884. No. 230. (Beil.)]
Sttamj vm 19. Septeaber 1884. „Simon Dach und der Königsberger Dichter-
kreis" war auf der Tagesordnung der erste Vortrag; den Herr Buchhändler F. Neu-
mann hielt. Dieser oft besprochene Dichter unserer Vaterstadt in seinem Freundes-
kreise erfuhr nach den in den letzten Jahren Über ihn und seine Familie erschienenen
neuen Werken eine zusammenfassende Darstellung, welche ebenso, wie der darauf
folgende Bericht des Dr. Bujack über einige Landwehren der Kreise Alienstein, Or-
telsburg und Neidenburg in der Vereinsschrift veröffentlicht werden wird. Aus dem
erst genannten Kreise hob der Vortragende die Umwallung des Gutes Wallen, vor
Zeiten im Besitz des Bischöfe von Ermland, hervor. Die Kopie einer alten Karte
dieses Gutes, welche der zeitige Besitzer, Herr v. Palmowsky, freundlich gestattete,
die Besichtigung der Ueberreste der alten Landwehr und die Nachrichten über die
Beschaffenheit der behufs Einackerung niedergerissenen Landwehren vervollständig-
ten das Bild über diese alten Befestigungswälle, die zur Abwehr des von Osten ein-
fallenden Feindes errichtet waren. Der nicht weit davon in demselben Kreise liegende
Längswall bei Nerwick umschUesst das Ostende eines See's und erweist die Zeit, in
der solche Ueberfalle gewöhnlich stattfanden, nämlich im Winter. Denn war erst
die Eisfläche erreicht, so konnten die Feinde alle anliegenden Gebiete um so leichter
bewältigen, wie es im Jahre 1370 beim Einfall der Littauer in's Samland geschah,
nachdem sie durch die Landwehren (totlich vom kurischen Haff ohne Mühe hindurch
gekommen waren. Im Kreise Orteisburg zeigt der Längswall im Westen der Kot-
4g8 Kritiken and Referat«.
peller Forst, welcher sich auch in der Nähe eines See's nach Johannisthai zu zieht,
wie der Feind von der Betretung der See'n abgehalten werden sollte. Es hat dieser
Längswall aber noch darum ein Interesse, weil er in . der Nähe eines alten Borgwalls
ansetzt, eines beliebten Vergnügungsortes der Ortelsburger. Derjenige Längswall,
welcher wegen eines Durchgangs, dann aber auch wegen des sichern Zeugnisses für
die Altersbestimmung der Herstellung derartiger Landwehren wichtig ist, ist der tob
Uscanek aber Wallendorf bis Zimnawodda 7 Kilometer messende Längswall. Er ist
ein Doppelwall und zeigt ferner vor einer sumpfigen Stelle einen schrägen Vorsprang,
der durch eine Lücke unterbrochen ist. Nicht fern von dieser Stelle weisen über
900 Jahre alte Eichen in dem Wuchs ihres untern Stammes über der Wurzel darauf
hin, dass diese Bäume schon standen, als diese Längswälle durch Aufschüttung von
verkohlten Holzstämmen mit Ueberdeckung von Lehm in einem sandigen Terrain
hergestellt wurden.
Ausserdem erfolgte die Vorlage der eingegangenen Geschenke und Erwerbungen.
Zur prähistorischen Abtheilung des Prussia-Museums schenkten: Rittergutsbesiuer
von Biberstein auf Stapporn 2 daselbst gefundene bronzene Haarnadeln aus Hügel-
gräbern und einen bronzenen Halsring aus dem älteren Eisenalter, Kaufmann Hau ben-
sack als Ergänzungsfund zu dem Blumenauer Gräberfeld ein Beigefäss und ein*
bronzene Fibula des älteren Eisenalters, Oekonom v. Besser zwei Speerspitzen des-
selben Zeitalters aus Kirtigehnen, Kr. Fischhausen, Frau Rittergutsbesitzer Hellbar dt
einen grossen Mahlstein aus Roschenen, Kreis Friedland, Besitzer Niemann in Ge-
bieten Schmuckgegenstände des älteren Eisenalters aus einem Gräberfelde, Baumeister
Lorenz in Pobethen eine Urne aus Czwaddau, Provinz Posen, Rittmeister v. Mon-
towt auf Kirpehnen achtzehn Getreidequetscher, mehrere Spinn wirtel aus Thon und
Netzbeschwerer, Graf v. d. Trenk jun. Gräberfunde aus Langendorf, Kr. Wehlau.
Für die Alterthümer aus der Abtheilung der Zeit des deutschen Ordens schenkt«
Gutsbesitzer Nebelung auf Fürstenau, Kr. Rastenburg, ein schweres Wurfgeschoss,
von einer Bailiste zu schiessen. — Die Sammlung der Gegenstände der neueren Zeit
wurde vermehrt durch ein Vexirtrinkglas des 16. Jahrhunderts und durch ein halbes
Dutzend Bier- und Weingläser mit dem eingeschliffenen Namenszug des preussiachen
Königs Friedrich Wilhelm III., Dr. von Koblinski schenkte ein Carneolpetschaft
mit dem Portrait August des Starken. Gekauft wurde ein historisch-genealogischer
und ein militärischer Kalender vom Jahre 1806.
[Ostpr. Ztg. v. 16. Oktob. 1884. No. 243.]
Sitzung von 17. Oktober 1884. Den Vortrag hielt Herr Major Beckherrn
über das Ordenshaus Bäslack. Nachdem derselbe die Sicherung des kolonisirteo
Theiles des Ordenslandes an seiner Östlichen Grenze durch die Landwehr und die da-
hinter errichteten Wildhäuser dargelegt und gezeigt hatte, wie diese Grenzbefestigung
in der Gegend zwischen Nordenburg und Sensburg mit der nach Osten vordringen-
den Kolonisation ebenfalls successive immer weiter in die grosse den ganzen östlichen
Alterthumsgesellßchaft PrnasU 1881 489
TheD unserer Provinz im 14. Jahrhundert noch einnehmende Wildniss hinausgerückt
worden war, ging er zur Beschreibung des ehemaligen Wildhauses Bäslaik über.
Dieses ist durch die um das Jahr 1583 erfolgte Einrichtung als Kirche/ vor dem
vollständigen Untergange bewahrt worden und in seinen wichtigsten Theilen noch
so wohl erhalten, dass eine dem früheren Zustande entsprechende Rekonstruktion
nicht besonders schwierig ist. Dieser Umstand ist von um so grösserer Bedeutung,
als von diesen kleinen, nur militärischen Zwecken dienenden Ordenshäusern sonst
nur unbedeutende Spuren oder gar nur die Namen auf uns gekommen sind, so dass
ansere Kenntniss von der Einrichtung dieser Ar* von Ordenshäusern eine nur sehr
dürftige ist. Erläutert wurde der Vortrag durch eine Kartenskizze und durch mehrere
von Herrn Baumeister Steinbrecht nach eigenen Aufnahmen gefertigte Zeichnungen
der verschiedenen Theile des Ordenshauses.*)
Für das Pr-ussia-Museum gingen in der prähistorischen Abtheilung folgende
Geschenke ein: ein Steinbeil mit begonnenem Bohrloch und stehengebliebenen Zapfen,
gef. bei Neu-Jucha, Kr. Lyck, in der Nähe des sogenannten Schlossberges, geschenkt
von Rektor Krawiliczki; ein durchloch ter Steinhammer, gef. in Ffirstenau bei
Drengfurt, Kr. Rastenburg, geschenkt vom Besitzer Payse; eine grosse bronzene
Fibula, zwei bronzene Armringe mit Spiralrollen und ein bronzener Gusszapfen, ge-
schenkt von einem unbekannten Geber; 2 bronzene Armringe und ein bronzener Finger-
ring sammt einer abgeriebenen römischen Bronzemfinze, 2 bronzene scheibenförmige
Fibulen des jüngeren Eisenalters, 3 bronzene Fibulabügel des älteren Eisenalters, eine
Steinperle und ein durchlochter Bärenzahn, letzterer zusammen mit einem bronzenen
Schlüssel zu Löbertshoff, Kr. Labiau, gefunden, und geschenkt von Lieutenant
Kiebensahm; Photographien von Gräberfunden des älteren Eisenalters zu Rodsenen,
Kr. Graudenz, geschenkt von Direktor Anger in Graudenz. Für die Sammlung von
Gegenständen des 16—18. Jahrh. wurde ein Dolch, gef. in der Walischen Gasse,
und ein silberner Becher mit eingelassenen Münzen des Böhmen Johann Huss, des
dänischen Königs Christian IV. und des deutschen Kaisers Joseph I. erworben.
[Ostpr. Ztg. v. 19. Nov. 1884. No. 272.]
Sitzung vom 21. November 1884. In der letzten Sitzung des vergangenen Jahres
berichtete Dr. Bujack über Hügelgräber, die er in den Kreisen Orteisburg und
Neidenburg aufgedeckt hatte, und zwar zu Gilgenau und Gcorgensgut im erstgenann-
ten Kreise, zu Burdungen und Brayniken im Kreise Neidenburg. An dem letztge-
nannten Ort war ein Grab auf der Feldmarke des Besitzers Lipka dadurch von
vielen anderen ausgezeichnet, dass auf einem Steinpflaster noch der zum Theil in
Brandscheiten erhaltene Scheiterhaufen vorhanden war. Die darin befindlichen Gefösse
waren ganz roth gebrannt und hatten eine grössere Festigkeit, als die sonst vor-
*) Den ausfuhrlichen Vortrag „Das Ordenshaus Bäslack" s. Altpr. Monatsschr.
XXL Bd. 7/8. Hft. S. 637— €49.
Altpr. MonatMobrift Bd. XXIL Hft. i n. 6. 32
490 Kritiken und Referate.
kommenden Gefässe der Hügelgräber. An einem anderen Hügelgrabe war auf der
äusseren Seite ein auf der Töpferscheibe gedrehtes Grabgefäss unmittelbar vor oder
zur Zeit der Ordensherrschaft angestellt und mit Erde beschüttet, während die hier
beschriebenen Hügelgräber aus der Zeit vor Christi Geburt stammen. Hieraufgab
Hauptlehrer Matthias nach Dänischen Berichten eine Schilderung, wie Sehested in
Broholm ein Blockhaus nur mit Anwendung von Werkzeugen aus Flint herstellen
liess. — Femer erfolgte die Vorlage der eingegangenen Geschenke und gemachten
Erwerbungen: Für die prähistorische Abtheilung zur Sammlung von SteingerätheD
schenkte Gutsbesitzer Kint auf Jerusalem, Er. Königsberg, einen Keil aus Feuerstein
und einen aus Diorit und Pfarrer List auf Starkenberg, Kreis Wehlau, ein durch-
lochtes Steinbeil mit knopfartigem und ein eben solches mit verjüngtem Bahnende
und Bildhauer Eckart die Schneide eines durchlochten Beils gef. im Kreise Rössel;
zur Abtheilung von Grabfunden zwischen 700—1000 Hauptmann Graf auf Janiseh-
ken, Kr. Memel, zerbrochene bronzene Arm- und Halsringe und eiserne Beile, ein
eisernes Schwert, die Frau Lübbe auf Schugsten, Kr. Fischhausen, eiserne Speer-
spitzen, Steigbügel und Trensen aus Grabfunden und 2 hufeisenförmige bronzene Fi-
bulen. — Zur historischen Abtheilung der Gegenstände des 17. und 18. Jahrhunderts
schenkte Hauptmann von Leinitz eine Pulverflasche in Bingform und mit Steinen
ausgelegt. Dieselben zeigen die polnischen Nationalfarben und die Gravirung das
Sobieski'sche Wappen. Angekauft wurden für diese Abtheilung 2 emaillirte Dosen.
2 grosse messingene Leuchter, 2 messingene Blaker, 1 messingener Kronleuchter mit
6 Armen, 2 Kinderstühle v. J. 1774 und 1777, 1 Delfter-Schale und Vase, 1 Bild
aus Elfenbein geschnitzt, 1 vergoldeter silberner Altarkelch. Unter den Gegenständen
des 19. Jahrhunderts erhielt die in einem Glasschrank hängende Litewka des (&•
preussischen National-Kavallerie-Regiments eine Erklärung durch das Geschenk fol-
gender unter Glas und Bahmen sich befindender Bilder, der Portraits von York,
Blücher und Bülow, der Abschiedsworte Yorks an das 1. Armeecorps de dato Arlon,
7. Juli 1814, und der Dekorirung des KnefphOfischen Junkerhofes zu Königsberg zur
Waffenhalle am 3. Febr. 1838 beim Fest der Freiwilligen aus den Befreiungskriegen.
Hauptlehrer Matthias trägt vor:
Wie Sehested ein Blockhaas nur mit Anwendung von Werkzeugen •■§
Fllnt herstellen liess.
(Nach dem dänischen Berichte Sehested's.)
Bei Betrachtung von vielen tausenden augenscheinlich gebrauchten und abge-
nutzten Steinwerkzeugen, die Seheßted auf Broholm gesammelt hatte, bemerkte er,
wie die beim Gebrauch gesprengten Geräthe wieder und immer wieder zugehauen,
geschliffen und geschärft waren, oft so vielmal, dass .kaum die Hälfte des ursprüng-
lichen Geräthes übriggeblieben war. Die Untersuchung der Form der Werkzeuge und
der Schneiden derselben, welche durch Jahrtausende ihre Schärfe bewahrt hatten, gab
ihm die Ueberzeugung, dass mit diesen Steingeräthen Arbeiten der verschiedensten
Alterthumg^esellsehaft Pruesia 1884. 491
Art ausgeführt wären und sich noch heute ausführen Hessen, viel leichter, besser und
schneller, als man früher geglaubt hatte. Um die Probe zu machen, entschloss Sehested
sich, ein Holzhaus bauen zu lassen ausschliesslich mit Anwendung von Flintgeräth-
schaften, welche dazu mit einem Schaft versehen wurden, 4 Aexte mit langem Schaft,
3 Handäxte mit kurzem Schaft für eine Hand und 3 dicke, wie Handäxte geschaffte
Keile. Mit diesen Werkzeugen wurden zunächst 63 Tannen von ca. 8 Zoll Dicke
gefallt, und zwar von zwei Arbeitern, einem Tischler und einem Zimmermann. Der
erste Baum fiel nach 8 Minuten und gleich darauf der zweite. Ein Versuch der
ungeübten Zuschauer erforderte zwei- bis dreimal so viel Zeit. Am folgenden Tage
war die Arbeit beendet Jeder der beiden Handwerker hatte 26 Vs Bäume umgehauen
and dazu 10 Arbeitsstunden gebraucht, wovon die zum Trennen der mit den Wipfeln
beim Fallen verwickelten Bäume verwendete Zeit in Abrechnung zu bringen ist. Bei
der ganzen Arbeit bedienten sich die Handwerker nur einer Axt und einer Beilaxt,
und nur eine derselben erhielt eine unbedeutende Scharte in der Schneide. Das Ab-
ästein der Bäume geschah durch Waldarbeiter mittelst Handäxten, welche sie so rück-
sichtslos handhabten, dass die Schneiden litten; von der einen sprangen sogar läng-
liche Splitter ab. Zwei dicke als Handäxte geschattete Keile bewährten sich bei
dieser Arbeit. Es wurden 8000 Aeste abgehauen. Die übrigen drei Aexte hatten eine
nur unbedeutende Verwendung gefunden; an der einen war ein Fehler im Flint,
weshalb sie zersprang, an den andern war eine Abnutzung kaum zu bemerken. Nach
Beendigung dieser Arbeit wurden noch 60 junge Tannen von ca. 3% Zoll Dicke ge-
fällt, welche zu Latten und dergl. gebraucht werden sollten. Ein Mann war damit
5 Stunden beschäftigt. Das Fällen sämmtlicher 123 Bäume hatte 14% Tage gedauert,
wovon auf das eigentliche Fällen nur 3 Tage kommen: die übrige Zeit hatte das
Herausschleppen, Abästein und Abrinden erfordert. Nachdem die Steinwerkzeuge neu
geschliffen und gewetzt worden waren, ging man ans Zurichten der Hölzer. Die
Stämme wurden mit der Axt vierkantig behauen und in Blöcke von 12f/2u. 14VsFuss
Länge zu den Wänden zerlegt und jedes Stück mit einer Art von Falz versehen.
Die Ständer und Schwellen zum Thürgerüete erhielten Zapfen und Löcher und die
Dachsparren die zur Verbindung der Hölzer erforderliche Vorrichtung. Ausser den
angegebenen Werkzeugen fanden bei diesen Arbeiten noch einige Hohhneiasel und
Schmalmeissel, ebenfalls von Stein, Verwendung. Das zusammengesetzte viereckige
Haus mit schrägem Dache zeigte grosse Aehnlichkeit mit den Holzhäusern, welche
gegenwärtig noch in verschiedenen kultivirten Ländern vorgefunden werden.
Der Vortragende berichtete darauf noch über nachstehende interessante und
meistens gelungene Versuche Sehested' s: das Schleifen der Steingeräthe, das Wetzen,
das Sägen des Steines mittels hölzerner Werkzeuge, das Bohren von Löchern in den
Stein und das Bearbeiten von Knochen mit Steinwerkzeugen.
[Ostpr. Ztg. v. 11. Jan. 1885. Nr. 9.]
32»
BtittheilnDgen und Anhang.
Zur Rechtsgesehichtt. •
Notiz ans dem Kölner Stadtarchiv mitgetheilt von Dr. Konstantin NShlbaum.
Laut einer Urkunde des Edlner Archivs (Original mit 3 anhangenden Siegeln)
von 1410, in crastino dominice quasimodogeniti, ist Werner Panthaleon
um mancherlei Vergehen willen, besonders aber weil er geslagen ind np de nie
marte offenberlichen gehauwen, gefangen worden; er ist nun frei gegeben
und beschwört, dat ich nu zer stunt up datum dis briefs uysser Coeloe
wandelen sali hyen in Pruyssen ind bjnnen desen nyesten zokomenden
zwen jairen en sali ich up dys syte Danske nyet komen. Der Verkehr
zwischen Köln und den preussischen Städten ist bereits im 14. Jahrhundert ein sehr
reger, aber eine derartige Bannformel habe ich doch nicht wieder auffinden können.
iMYenitäte-Chrraik 1885.
'(Fortsetzung.)
Nro. 112. Amtl. Verzeicbniss d. Personals u. d. Studirenden . . . f. d. Sommer-Sem.
1885. Kgsbg. HartungSChe Buchdr. (31 S. 8.) [89 (7 theol., 6 Jurist., 33 mtdit.,
4t philo»,) Doc, 4 Leck, 4 Sprach- u. Exercitienmoister ; 871 (231 theol., 111 Jurist., 251uedic,
278 philof.) immatr. ßtud. u. 12 c. Hören d. Vorles. berecht.]
9. Apr. Phil. I.-D. v. Paul Stettiner Regimontanus: Ad Solonis aetatem quaestioaes
criticae. Regim. Pr. Typis expr. R. Leupold. (2 Bl. u. 56 S. 8.)
18. Apr. Phil. 1.4). v. Francisous Ziemann Regimontanus: De anathematis Graecis.
Regim. Bor. Typis Leupoldianis. (4 Bl. u. 63 S. 8.)
2. Mai. Lectiones cursorias quas venia et consensu ord. medic. . . . Hugo Falkenbein
Med. Dr. Ueb. die Entwicklung der Anschauungen von dem Wesen der In-
fectionskrankheiten ad doc. facult. rite impetr. die II. Maji . . . habebit indicit
Rudolfus Dohrn Med. Dr. P. P. 0. ord. med. h. t. dec. Regim. Bor. typis
Leupoldianis. (2 Bl. 4.)
2. Mai. Lectiones cursorias quas venia et cons. ord. medic. . . . Oscar Minkowski
Med. Dr. Ueb. Selbstvergütung des Organismus ad doc facult rite impetr.
die IL Maji . . . habebit indicit Rudolfus Dohrn • . . ibid. (2 BL 4.)
Universität* -Chronik 1885. 493
15. Mai ... ex decr. ord. phil. . . . Rvdolpho Lvdovico Hermanno Danielciok Regi-
montano yerbi divini ministro emerito summos in philos. honores . . . ante
hos qvinqvaginta annos die XV. m. Maii collatos gratvlabvndvs renovavit
Ioannes Georgivs Prvtz Dr. phil. P. P. 0. h. t. Decanvs. Kegim. Pr. ex offic.
Leupoldiana. [Dipl.]
„Acad. Alb. Regim. 1885. II." Qvaestiones Ennianae H. lordanl dissert. ed. ad eelebr.
diebvs 21. 23. in. Maii 23. m. Ivnü raemoriam . . . Caelestini de Kowalewski
Jacobi Friderici de Rhod -Friderici de Groeben Ioaonis Diterici de Tettav
Kegimontii prostat in aedibvs Hartvngiauis 1885 (8 p. 4°.)
13. Juni. Med. J.-l). v. Bruno Hoffheinz (a. Fiscbhausen), prakt. Arzt: Ueb. Gesichts-
lagen. Kgsbg. i. Pr. K. Leupold's Buchdr. (2 Bl. u. 43 S. 8.)
19. Juni. Med. I.-D. v. Fritz Burdach (a. Karolinenthal Kr. Lyck), pract. Arzt: Ueb.
den Senftleben'schen Versuch, die Bindegewebsbildung in todten, doppelt unter-
bundenen Gefässs trecken betreuend. Berlin. 1885. (26 S. 8.) ( Separat- Abdr.
aus Virchow's Archiv f. pathol. Anatomie u. Physiologie u. f. klin. Medicin.
100. Bd. 188Ti.) Druck u. Verl. v. Georg Keimer in Berlin.
19. Juni. Med. I.-D. v. Philipp Sem britzki (a. Oletzko), prakt. Arzt: Beitrag zur Chemie
der Milch. Kgsbg. i. Pr. K. Lcupold's Buchdr. (29 S. 8.)
Zu d. am 20. Juni 1^85 . . . statttind. mit Musikaufführung verbundenen Feier zum
Andenken an: d. Vicepräsidenten des Consistorii Prof.jur. Cölestin Kowalewski,
den Kriegsminister, Oberburggrafen Jacob Friedrich von Kohd, den General-
lieutenant Friedrich von der Groeben, d. Churfürstl. Brandenburg. Oberrath
ii. Kanzler d. Herzogthums Preussen Johann Dietrich von Tettau, d. Ober- n.
Regimen tsrath Kanzler von Kospoth, d. Prof. extraord. philos. Heinrich Oel-
mann, d. Frau Pfarrer Cathariua Dorothea Geelhaar, geb. Wulff u. deren
Tochter, laden hierdurch ein Prorect u. Senat d. Albertus-Univers. Königs-
berg i. Pr. Hartungsche Buchdr. 1885. [I Bl. 4°.]
25. Juni. Phil. Inaugdiss. v. Josef Thiel a. Seeburg: Die politische Thätigkeit des
Abtes Bernhard von Clairvaux. Braunsberg. Druck d. Ermländ. Zeitungs- n.
Verlagsdruckerei (J. A. Wiehert). (I Bl. u. 51 S. 8.)
27. Juni. Phil. I.-D. v. Frideric. Jeschounek (aus Bialla): De nominibus quae Graeci
peeudibus domesticis indiderunt. Ei offic. Hartungiana. (2 Bl. u. 68 S. 8.)
4. Juli. Phil. I.-D. v. Rudolph Wilhelm aus Neu-Münsterberg in Westpr.: Ueb. das
Vorkommen von Spaltöffnungen auf den Karpellen. Kgsbg i. Pr. Hartungsche
Buchdr. (2 Bl. u. 80 S. 8. m. Taf. I— VH.)
10. Juli. Lectiones Cursor, quas venia et consensu ord. philos. . . . Carolus Brandt
Phil. Dr. Ueb. die Symbiose von Thieren and Algen die X. m. Jalii ... ad
doc. facult. rite impetr. . . . habebit indicit Joannes Georgius Prutz Phil. Dr.
et P. P. 0. Ord. Phil. b. t. Dec. Regim. Bor. Typ. Leupoldianis. (2 Bl. 4.)
11. Juli. Phil. I.-D. v. Albert Sieber ans Deutsch- Krone: Bischof Ivo von Chartres
und seine Stellung zu den kirchenpolitischen Fragen seiner Zeit Braunsberg.
Druck d. Ermländ. Zeitgs- u. Verlagsdr. (J. A. Wiehert). (2 Bl. u. 42 S. 8.)
14. Juli. Phil. I.-D. v. Theodorus KonHzer Conitziensis: De fabulae Prometheae in
arte litterisque usu. Regim. Bor. Typ. Leupoldianis. (2 Bl. u. 39 S. 8.)
„Acad. Alb. Regim. 1885. II." Index lectionvm ... per hiemem a. MDCCCLXXXV/VI
a d. XV. m. Octobris habendarvm Insvnt H. Iordani Qvaestiones Theognideae.
(p. 3—16). Kegimontii. Ex offic. Hartvngiana. (31 p. 4.)
Verzeichniss d. ... im Winter-Halbj. v. 15. Oct. 1885 an zu haltend. Vorlesungen
u. d. öffentl. akadem. Anstalten. Kgsbg. Hartungsche Buchdr. (9 S. 4.)
24. Juli. Med. I.-D. v. Julius Pulewka, prakt Arzt ans Gilgenburg, Ein Fall von
Phosphorvergiftung bei einer Hochschwangeren. Kgsog. Leupold's Buchdr.
(31 S. 8.)
30. Juli. Phil. I.-D. v. Hermann Minkowski (a. Alexoten in Russld.), Untersuchungen
aber quadratische Formen. Bestimmung der Anzahl verschiedener Formen,
welche ein gegebenes Genus enthalt. Typ. E. Erlatis. Kgsbg. i. Pr. (60 S. 4.)
5. Aug. Phil. I.-D. v. Rudolf Gartenmeister aus Labiau, Beiträge zur Kenntnis der
physikalisch. Eigenschaften normaler Fettsäureester. Kgsog. Ostpr. Ztgs- u.
Verl.-Dr. (71 S. 8. m. 1 Taf.) j
Lk — i..
494 Mittheüongen und Anhang.
Lyceam Hosianou ia Brausberg 1885.
Index lectionum ... per hiemem a die XV. Oct. a. MDCCCLXXXV. usque ad diem
XV.Martü a. MDCCCLXXXVI. instituendarum (h.tRector: Dr. Wilh. Killing,
P. P. 0.) Brunsbergae. Typis Heyneanis (R. Siltmann.) (20 8. 4.) Praecedit
Prof. Dr. Franc Hlpler de theologia libror. qui sab Dionysii Areopagitae no-
mine feruntur. Particala IV. (S. 3—16.) «
5
Altprenssische Bibliographie 1884
(Nachtrag und Fortsetzung.)
AbromeK, Dr. J., Berichtigung d. Sanio'sch. Aufsatzes Qb. d. Zahlen Verhältnisse der
Flora Preussens. [Aus: „Schriften d. physik.-ökon. Ges. zu Kgsbg."] (Berlin.
Friedländer & Sohn.) (25 S. gr. 4.) 1.—
Albrecht, Karl (ans Einlage bei Elbing), Ueb. einige Pyrogallussäure- u. Phloroglu-
cinderivate n. die Beziebgn. derselb. zu Daphnctin u. Aesculetin. I.-D. Berlin.
(56 S. 8.)
[BeaaelJ 5Rc*er, Dr. 2H. SÖUb-, 3um lOOj. ©eburtetaße Sr. SB. Mel1* <m. $ertr.)
[Seipj. 3lhiftr. 3tß. 83. SBb. 9tr. 2143.]
Qtttti, g. 3. ©., grbr. m\\>. »cfTel. [5)tf*e Hernie. IX. $abrfl. $ft. 11.
6. 221—240.]
[Copertllca$.l Berti, Doinenico, Antecedenti al processo galileiano e alla condanna
della dottrina Copernicana. Memoria letta nella seduta del 19 giungno
1881. [Atti della r. Accad. dei Lincei. Anno CCLXXX. Ser.III. Memorie
Vol. X. Borna 1883. p. 49—96. 4to.]
Obgau, $rof. Dr. ©uft, bie Sßbautafte. SSortr. Saüe. Wemeber. (38 6. 8.) -60.
Grandriss der Psychologie. Bresl. Koebner. (X, 235 S. gr. 8.) 4. —
Bec. [Dtsche. L.-Z. 9. 39. 40. 44. 45.]
Goerth, Dir. A.f Einfahrung in d. Studium der Dichtkunst I. Das Studium der Lvrik.
Leipz. 1883. Klinkhardt (1H, 372 S. gr. 8.» 4.— ... II. Das Studium* der
dramatisch. Kunst. Ebd. 1884. (XVIII, 411 S.) 6.—
Oolbfämtbt Beitftbrift f. b. flcfammtc £bl*re<bt. fcräfl. o. ©eb- 3ufbW. $rof. Dr.
&• Oolbfamibt, £abn, ßeb&ner, Sabanb u. €a*ö. 30. $b. % §. 15. $b.
4 £fte. ar. 8. 6tutta. @nfe. 12.—
üb. ebitiottfpfUcbt, inäbef. betr. aemeinfdjftl. Ur!bn. u. £blsbü*er. (Sin 9led>t*.
fluta*t. [(5bb. 14. 33b. 6. 341—412.] $ie Reform *** SttHenßefeUfaaftSredte
[ebb. 15. 93b. S. 69—89.] SHec. [Cbb.]
«ol#, $rof. Dr. 2*. %x\)v. t>. b.f üb. 3ei*en ber 3eit. [©oanfl. ®embM. 91r. 2.] Ueb.
ßinricfctß. n. ^aturafoerpfleflunaSItationen u. 2lrbetter=Jlclomen in Oftpr. Sertr.
[HflSba. (ante u. forftw. 3tfl. 9lr. 1. 2.]
Orau, $rof. Dr. 5Hub. Srbr., Ueb. ajtartin fcutbcrS ©lauben. Hebe, aeb. am 400j. 0c
burtStaßc fiutberS. [2lu$: „$er SJetoeiS b. ©laubcna".] ©üterSlob- ^Bertelsmann.
(20 6. ßr. 8.) —40.
SBom Opfer u. jur SBerföbnunaSlcbre ber $aulimf<b. Briefe fomie betf Hebräer»
briefe*. [Scr SBetoetS b. ©lauten?. % g. V. »b. 6. 241—257.] Der 3arobu*
brief. [(Sbb. 6. 281-285.] Ueb. b. ©ottb. e&rifti u. b. SBerföbnuna burd> lein
»lut . . . SBortr. [e»ana. flirdv3. 2* 3-1 ™* 6ep.*SIbbr.: ©reifemalb. SM.
(55 S. flt. 8.) —75. erneuter Aufruf jur Unterftüfcuno b. ^PaftoraI*6üIf^i>ereinö
f. b. lutber. ©emeinb. in Slmerifa. [ebb. 29.]
Greger, L. (aus Neufahrwass* b. Danzig), Spindelzellensarkom des Kreuzbeins als Ur-
sache von Ischias postica. I.-D. Greifswald. (24 8. 8.)
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Äorfu. eine tonifäV 3b'pne.. 2. SlufL ebb. (VI, 104 8. 8.) cart. 1.80.
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Begründ. v. Rad. Wagner, fortgef. v. Otto Funke, neu hrsg. 7te., neu bearb.
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5öoir« SBerl. (VIII u. 6. 89-400. 8°.) -80.
(9üntf>er, (5. £. U?a$ba_.), Xk (E^olera, beren Eerbüiung, u. fceüunfl. StQSba,. Selbfc
verlas (8 6. 8.)
Guttmann. Jahrbuch f. praci Aerzte; unt. Mitwirkg. v. Fachmännern hrsg. v. Dir.
Doc. Dr. Paul Guttmann. 7. Bd. (3 Abthlgn.) Berlin. Hirschwald. 17.—
Hache, Bector Richard, De participio Thucydidio. Extrema pars. [10. Jahreeber. üb.
d. Progymn.] Löbau Westpr. (S. 1— 11.)
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ausgeführten Messungen. (Mit 1 Tafel.) [Abhandlgn. d. Kgl. Akad. d. Wiss.
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fencict, Qoana. TlcnatMcWt f. 6tabt u. £anb &r$a. ». ©♦ fcenrtci, $fan. ju 6<bab*
malbe bei ^tarienburfl. SRarienb. t. 2Beftyr. 0. Salb. (©rfa>eint feit 8»r. 1884
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Jtfbaaoajfcbe 64riften br$a. b. Dr. grbr. »artbolomfit. 2. SBb. 3. BufL 2cmw
falja. 33e$er u. €öbne. (VI, 412 6. m. 2 Sab. u. 1 £af.) 3.—
»riefe über b. 2tnroenbfl. b. $fod)ol. auf b. 3*äba,j. SReue 2lußß. £>r$fl. *. Äail
Siebter. Seipjiß. 6ieaiemunb u. SBolfemna. 1.20.
BQflem. $äbaa.oaif, au* b. 3mede bei (Sniebß. abgeleitet. Ä. 21. $rS<|. *• Äail
9U*ter. 6bb. (144 6. «r. 8.) 1.50.
$eftafottt« 3bce unb ?l$G ber »nf*auunß ... 91. 21. fcrSfl. t>. Hat! 9ti*l«.
®bt>. (144 S.) 1.50.
Umrife päbag. Sorlefunacn. 91.21. £rsa. t>. Karl MiAter. (Sbb. (132 S. ar.8.) 1.50.
SitenBerger, 2lnt., £erbart u. b. elcatifcbe Scbule. (5ine frit. 2$erßlei<bß. Krrme.
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mässig dargestellt; c. Beitr. z. Beantwortg. d. relig. Frage d. Gegenwait
Dresden. Bleyl & Kaemmerer. (V, 254 S. gr. 8) 5.- </• ZSddet in.
Evang. Kirchen-Ztg. 1SS5. No. 10.
Ufer, Chr., Vorschule d. Pädag. H/a. 2. verb. Aufl. Ebd. (VW, 85 8. gr. 8.) UU
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$etber* fömmtl. SBerfe b^fl. ö. Sevnb. Supban. 9b. XXVIIL ©erlin. SBeibmann.
(XII, 583 6.) SBb. VII. (LIV, 573 e.) a 4.-
2lu*ßeroäblte SBBcrte. ßrSß. n. iöernb. 6upban. 1. 23b. 2lu$ßen>äblte $tdmtnflM.
6r$ß. ron Gatl ülebli*. 1. 93b. QbX>. (VI, 275 6. flt. 8.) 2.—
Gib. £r$ß. n. Garl 9teblt*. Gbb. (150 6. «r. 8.) 1.—
Gib. 5tacb foan. ftomanjen befunden, gut Sdbule u. Sau« b*Sß- *>• 21. ^entjebd
u. tf. Sinte. fieipjia, $eter. (131 6. 12.) 1.20.
Contcs popalaire8 tires de Grimm, Musaeus, Andersen, Herder et Liebeskind.
(Feuilles de palmier) et publies ... par D. E. Scherdlin. Paris. Hachette etCie.
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bibliotfret f. Äunft u. SBiffcnf*. frtfß. *. Nub. ©ergner. 9lr. 5. Äbtfr f. öumoriftifa.
Oft. 1/2.] -«0.
Hirsch. Biographisches Lexikon, der hervorragend. Aerzte aller Zeiten u. Völker . . .
unt. Special-Red. v. Dr. A. Werafoh hrsg. v. Prof. Dr. Ang. Hirsch. [In ca.
4 Bdn.| Lfg. 1—14. (Bd. I. 713 S. u. II. S. 1—272 gr. 8.) Wien, ürban &
Schwarzenberg. a 1.50.
Jahresber. üb. d. Leistgn. n. Fortschr. in d. ges. Wcdicin. 18. Jahrg. . . •
Ber. f. d. J. 1883. 2 Bde ä 3 Abth. Berlin. Hirschwald. 37.—
Jahresber. üb. d. Leist. u. Fortschr. in d. Anat. u. Physiol. . . . Ber. f. d. J.
1883. Ebd. (III, 227 S. hoch 4.) 9.50.
Deutsche Vierteljahrsschrift f. öffentl. Gesundheitspflege ... 16. Bd. Braun-
schweig. Vieweg & Sohn.
Acute Infections-Krankheiten. [Jahresber. üb. d. Leistgn. u. Fortschr. in d.
ges. Med. XVIII. Jahrg. Bd. 11. Abth. 1. S. 1—26.]
Hirsch, Ferd. Mittheilungen aus d. hist Litt. . . . red. v. Dr. Ferd. Hirsch. XII. Jahrg.
(4 Hft«. gr. 8.) Berlin. R. Gaertner.
Kec. [Mittheilungen... 12. Jahrg. — Wochenschrift f. klasa. Philol. I. Jahrg.
No. 1. — fciftor. 3tf«r. ft. §. 15. ©b. fcft. 3. 5.]
#trfdj, Dr. 3ranj, Slenndjen *on Sljarau. $in Sieb au$ alt. 3t. 4. Suff. Seipj. 6. SReifrter.
(128 6. 8. m. ßel3[*n.*$ortr. 6im. StoaVS.) 2.— ßeb. 3.-
baflelbe. $racfr-2lu$ß., iUuftr. ». ©corß ÜEnotr. ©ob. (VII, 139 6. ßr. 4. m.
8 $&otortr.) Qeb. m. ©olbfdjn. 20.—
Geschichte d. dtsch. Litt. v. ihr. Anfang, bis auf d. neuste Zeit. Lfg. 4—16.
Leipz. Friedrich. (1. Bd. VIII. u. S. 241—434. 2. Bd. V, 688 S. u. 3. Bd.
S. 1—128.) a 1.—
ba* neue »latt. (14.) 3afrfl- Sw. *Mne. SBiettelj. 1.60.
Das Magazin f. d. Litt. d. In- u. Auslandes . . . Bed. Dr. Frz. Hirsch. 53. Jahrg.
Leipzig. Friedrich. (52 Nrn. gr. 4.) Vierte^. 4.—
Die Berliner Gesellsch. im Pariser Licht. (Kec.) [Magaz. f. d. Litt. d. In- u.
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Hirsch, Paul, Phrjgiae de nominibus oppidorum. Diss. inaug« Kgsbg. (Koch k Reimer).
(32 S. gr. 8.) baar 1.—
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Hirschfeld, Prof. Dr. Gust., Zur Typologie griech. Ansiedelungen im Alterthum. [Histor.
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498 Mitftheitangen und Anhang.
Hirsctrfotd, Prof. Dr. Otto. MittheUutigen, archäol.- epigrapb., ans Oesterr.-Ungirn
hrsg. ?. 0. Benndorf u. 0. Hirsemehl. 8. Jahrg Wien. Gerolde Sobn. 9.-
InschrifU. Fände in Carnuntum. [Arch.-epigr. Mittb. . . . Jahrg. 8. Hft. 1.
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Neraausus u. d. Feuerwehr in d. röm. Landstädten. [Ebd. S. 239—257.] aocli
sep.: Wien. Gerolde Sobn i. Comm. (20 n. 21 S. gr. 8.) a n. n. -50. Be-
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Philo! Supplem. d. Ztschr. f. österr. Gymn. Vi. Jahrg. 1. Hft. S. 121-127
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©d)t>.) 1885(84.) (2 WL, 320 6. 8.) 5.— aeb. 6.20.
#offmann, & X. $L, Weiftet Wart in, ber ftüfer u. feine ©efcüen. ßine erjäWg. 8ta,
Huffl. SReuttina. (Jnfrun & Saiblin. (63 6. 8.) —20.
Meister Martin der Küfer und Seiue Gesellen Edited, with literary introdac-
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J. T. Bcalby. With 11 etchings by A. Lalauze. 2 v. post 8°, pp. 802. London,
Nimrao. 15 sh. —
fantastic tales; from the original German; ill. with etchings by Lalaoze. Large
Eaper ed. New York. B. Worthington. 2 v. 0. (Bomances of fantasy aod
nmor.) £ 12.
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Hoppe, Michael (ans Wilkowo Er. Flatow) Ein Beitrag zur Castration der Frauen
bei Uterusfibroiden I.-D. Grcifsw. (33 S. 8.)
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Sb.V. 6.321—34.1 au« fep.: j(ftma*b. ©räfe& Unser in Gcmm. (166. flr.SJ
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(128 S. 8.) 2.40. rec. LÜ. CentralbL 30.
Zur Gesch. Constantin d. Gr. [Histor. u. philol. Aufsätze Ernst Curtins zu
am. 70. Geburtstage gewidm. Berlin. Asher u. Co. S. 79—95 gr. 8.]
Jentzsch, Dr. Alfr. (Kg&bg.), Gedächtnissrede auf Oswald Heer, geh. in d. Sitzg. d.
pbys.-Ökon. Ges. zu Kgsbg. [Aus: „Schriften :c."] (Berl. Friedländer u. Sobn.)
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3eftet, g. G., bte Meine Saab, gür 3aacr u. 3aobliebfraber. 5. JKufl. aoflft. umwarb.
*. Ob.*3örft. D. *. «iefentfoil. (3n 12 fifan.) fieipjifl. Srocf&au*. 3.-10. gl«.
(6. 145—688.) ä l.-
3©&ii, Kid?, ob., 6trafproce&orbnuna f. b.$eutfd)e JRei« nebft GinfiUtunoSacfffc. 1.9fr.
3. ©ft. (XXII u. 6. 651—1030.) [$. ©efeftaebuna. 6. ©b. 1. Slbtb. 3. ^>ftj 7.20.
compl. 8b. I. Örlongen. <ßafoi & (Snte. (XXII, 1030 6. 8.) 18.80.
Seital, $auline aeb. (Mb, geprüft, Äocbbud?. 2lnn>ettuna. ... in 2165 SRecejrten . . .
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Jordan, Heinr., quaestiones archaeicae. Kgsbg. Härtung. (13 S. gr. 4.) 1.50.
Der Tempel der Vesta, die Vestalinnen u. ihr Haus. [Hißt. u. phil. Aufsätze
Ernst Curtius zu sm. 70. Geburtstage gewidra. Berl. Asher u. Co. S. 209—20.]
Rec. [Dteche Littztg. 14. 16. 52.]
gerban'*, SB., Ktbehinae 1. u. 2. Sieb a 2 ZhU. (ffoblf. StoSo,) ^rantfnri, 3orban.
1. 6ia.fribfaae. 12. 2hif(. (291 u. 296 6.) 2. fcilbebrantS fceimtebr. 7. HnfL
(279 u. 315 6. 8.) a 6.—
$utaV$ Obr. Cuflfpiel 5. Stufl. Gbb. (XV, 107 6. 8.) 2.-
$aufd> enttflnfaU Suftfo. in 5 »ufe. 2. Hufl. ©>b. (147 6. 8.) 2.—
Josephsohn, Nathan (Arzt ans Riqsenburg), Ueb. d. Ausgang d. Pneumonie in Indu-
ration. L-D. Marburg. (34 S. 8.)
Josupeit, 0., Ueb. d. latein. Unterricht in Quarta . . . Beil. z. Gymn.-Progr. Inster-
burg. Wilhelmi. (19 S. 8.)
3 übt (dum, $ci$ 600jäbr., b. Stabt ©raunSbera 1884. ©in ©ebenfMatt . . . SraunSbfl.
($>une.) (56 6. 8.) —40. [6epar.*3lbbr. au« b. @rmtänb. Ate.]
3uttg, SMbur (SHcfcrife), bisputable (9ebanfen üb. b. böb- fiebtftanb. nölatter f. bobere*
6<bu(wefen. 1. 3abra. Tit. 9.] Altrömische Lyrik. (Rec.) [D. Magazin f. d. Litt
d. In- u. Ausl. 47.].
Äö&fet, Superint. in ftcitebera, SBertdjt üb. b. firdjt. u. flltl. 3uftÄnbe in b. ©emeinben
b. ermlanb. ennobaltf reifes . . . flaSbfl. Oftpr. 3ta3. u. $Berl.:3>r. (32 6. 8.)
ftäMer, $rof. Dr. SJlartin, b. 2öiffenfd>. b. firdtf. Sefere ü. b. e&ana. ©runbaTtitel au$
im Hbriffe baraeft. 2. oft. Soamatit. erlangen. 5>eicbert. (6. 217—460.) 3.—
b. S-Brief b. *|$aulu$ an b. ©alater in genauer ffitebetaabe feines ©ebanfenaangeS
bargefteflt . . . Untocrf.-Ikoar. ftaüe. (54 6. ar. 8.)
ÄoicFfretn. ganfreft'*, %, ©cfdjidjte Napoleon'* I. ¥lu$ b. ftranj. ü. (5. n. ©lümer.
(*inaeleitct t?. Slb. 6tabr. öeenbet beb. Dr. <E. *. Jraldfceim 2. moblf. »uSa.
in 7 8bcn. »b. I. (VI. 381 6. ßr. 8.) »b. II. (395 S.) »b. IV. (462 6.)
9flinben. 93run*. ä 3.—
Portrait« au« b. brfeb. 9tei*$faae. [tfeipj. 3fluftr. 3ta.] Rec. [Mitthlgn. a. d.
bist Litt. XII. Jahrg. 3. Hft.]
•frülenber, neuer u. alt. oft.- u. weftpr. a. b. 3- 1885. Jtaibg. Wartung.
Jtalenbre«, SilieS flrtchvjo 1885. Jifftt. »tcnUInber. (96 S. 8.)
Kammer, Dir. Prof. Dr. E., zur homerischen Worterklärong des Aristarchos. [Neue
Jahrbb. f. Philol. u. Pädag. 129. Bd. 8.1—12. 523—28.] Rec. [£it. ©entrfllbl. 4.
Philo). Rundschau. 49. 50. 51.]
Kant, Imm.*)
Äatolofl b. fluSftcflg. bieneutrirtM*. ©gftbc ... jutfaSba.. in$r. ».8.— 12. Sept. 1884,
nebft e. SBortoort üb. b. Stanb b. oftpreufe. tBienenjudjt. j?g4bq. ®räfe u. Unser.
(44 6. 8.) n. n. —20.
Kanffmann, Hugo, aus Graudenz, üb. Hartmanns lyrik. Leipz. Inaug.-Diss. Danzig,
Druck ▼. Edw. Gröning. (Leipzig, Pock.) (95 S. gr. 8.) 1.50.
Kauach, Oberl, Verzeichn. d. Abiturienten d. Elbinger Gyran. y. 1803—1881 nebst
Notizen Üb. ihre spät Lebensverhältnisse. Mit Benntzg. v. Vorarbeiten des
ehernal. Oberl. Anger. [Gymn.-Progr.] Elbing. (37 S. 4.)
Keroke, Ioannes (aus Kgsbg.), Pbilodemi de musica librorum quae exstant praeter
librum IV. edidit . . . Diss. inaug. Bonnensis. Lipsiae, typ. Teubneri. (3 Bl.
32 S. 8.)
Ketaynskl, Wojciech dr. Vitae et miracula sanetorum Poloniae patronorum Adalberti
et Stanidai. (Odbitka z IV tomu dziela Monumenta Poloniae histor. str.
206—438.) Lwöw, druk. im. Ossolinskich 1883. (238 S. 4.)
Miracula Venerabilis patris Prandotae, episcopi CracoYiensis. (Odbitka . . .
str. 439-500.) Ebd. 1884. (64 S. 4.)
Vita et miracula 8. Kyngae, ducissae Cracoviensis (Odbitka . . . str. 662—744).
Ebd. (84 S. 4.)
De pincerna ducis Poloniae a mortc liberato, Mors et Miracula b. Verneri,
' episcopi Plocensis, Translatio s. Floriani, Miracula b. Hedwigis, reginae Po-
loniae. (Odbitka . . . str. 745—769.) Ebd. (27 S. 4.)
*) Die Kant betreff. Litteratur folgt später in einer besondere Zusammenstellung,
500 Mittheilungea and Anhang.
K$trzyAski. Vita 8. Salomeae, retinae Haliciensis, auctore Stanislao FranciscaDo.
(Odbitka . . . str. 770-796.) Ebd. (30 S. 4.)
Jan Kanaparyusz, zakonnik wloski, czy Gaudenty, arcybiscup gnieznieiisri,
autorem najdawniejszego zywota s'w. Wojciecha. [Przewodnik naukowy i lit<*-.
pod redakcya, A. Krechowieckiego, zeszyt z stycznia 1884. Lw6w. str. 1—%.]
KUHng, Prof. Dr. W., Erweiterung de» Raumbegriffes. Mathem. Abbdlg. BraoD>-
berg, Huye. (21 S. 4.) 1.60.
Kirchhoff, G., Zur Theorie der Diffusion Ton Gasen durch e. poröse Wand. | Annita
d. Physik u. Chemie. N. P. Bd. 21. (257.) S. 563-575.] üeb. d. Form-
änderung, die e. fester elast Körper erfahrt, wenn er magnetisch od. dielec-
trisch polarisirt wird. [Sitzungsber. d. kg]* prenss. Akad. d. Wiss. zu Berlin
XL XII. S. 137—156. auch: Anualen d. Physik u. Chemie N. F. Bd.24. (M)
S. 52—74.] Ob. einige Anwendungen d. Theorie der Formänderung, welche
ein Körper erfährt, wenn er magnetisch oder dielektrisch poralisirt wird [Sitzunj.v
ber. d. Akad. d. Wiss. z. Berl. LI. S. 1155—1170.]
Kitt, Dr., De translationibus Taciteis. (63. Jahresber. d. kgl. Gyron.) Conitz, Gebaut.
(S. 3—32. 4.)
£ty, Giftet (Obererer in Xrier), ©runbjüfle ber 9Rora(pbUofop&ie o. €tanbpunt!e r»
ÖeflelsSHoien flanschen €pfiftn$ becirb. SBiffenfcbaftf. Silage 3. ^Rcal-@pmn.^rM
frier. (2 SBl., 31 6. flr. 8.)
Klebs. Fritsche, Dr., u. Prof. E. Kleb», e. Beitrag z. Pathol. d. Riesenwuchses. Elio.
n. pathol.- anatom. Untersnchgn. Mit 3 Taf. Leipzig, Vogel. (90 S.gr. 8.) 4-
Julius Cohnheim f. [Archiv f. experiment Pathol. u. Pharraak. XVIII, 3. 4.
8. I— X.l I)ie Umßeftdtfl. b. ÜHenfdjcnaefcblecbtä, tn&befonb. burdj Aranlbcis«
pvoceffe. [Horb u. ©üb. XXV1I1. 33b. 6. 241-254.]
JHcto, ©eorfl, lieber «lumenpfleae im Sinter. [SeutfAe 9tcoue.| !Ro*. 6. 191-1051
über d. Organisation u. d. systemat. Stellung d. Peridineen. [Biologische
Ccntralbl. hrsg. v. J. Rosenthal. 4. Bd. No. 23.] einige Bemerkgn. zu „Schmitz
Beiträge z. Kcnntniss d. Chrom atophoren" (Pringsheim's Jahrbb. XV. 1.) [Butar.
Ztg. 36.] e. klein. Beitrag z. Kenntniss d. Peridineen. [Ebd. No. 46. 47M*
Rec. [Ebd. No. 5.]
Klebs, R., Der Deckthon u. d. tbonigen Bildungen d. unteren Diluviums um Htü-
berg. [Jahrb. d. Kgl. Pr. Geol. L.-Anstalt f. 1883. S. 598—618.]
Älrifr, (Smil, (Pfarrer gu ßreujbura,, Oftpr.) ßreto. ©eifü. Sieber. Seipjia, fteifcna
Klapper, Prof. Dr. Alb., Ein paar Bemerkgn. z. d. Urtheil d. Josephus üb. Joh. d.
Täufer. [Ztschr. f. wisse nsch. Theo! 28. Jahrg. S. 1-20.]
Jtlofc, fiebr. 3W., Sie SHofen^ucbt. Anleitung f. Säten u. Siebter. 2. tlufl. SMnü.i
1885 (84) Slrt. (46 6. 16.) —50.
- ■ — Sie Dbftbaumjudtf u. b. Söebanbljj. b. 3i(tbäume u. Strauber nebft 2liÄ -
Slnlaae u. $fleae b. ©lumcnaartenS. 2.8lup. (5bb. 1885 (84). (31 S. ßt. 8.) -5C«.
Kobilinski, G. v., (Königsb. i. Pr.) Bemerkgn. z. Lat. Grammatik v. Ellendt-Sejffert.
[Ztschr. f. d. Gymn.-Wesen. N. F. 18. Jahrg. S. 432—440.]
Koch, John, Rec. [Engl. Studien. VIII.-Bd. S. 142-145. Dtscb. Litt-Z. No. 52.]
Köhler (Generalmaj. z. D.) üb. d. Conflict d. Stadt Danzig m. d. Krone Polen i. d
J. 1576 u. 1577. [61. Jahres-Ber. d. Schles. Gesellsch. f. vaterl. Cultur. BreJ.
S. 388—391.]
äottifl, »ob., Sie SJtoräenfrau b. «rüber ©rimm. [Sa&eim, 20. 3a&ra. &• &I
Giemen* Brentano. [(5bo. 9tr. 48.]
Jfönigrterget ... S. aemütblicfre; e.tfalenber a. b. 3.1885. 2Ro&ruitaen. SRautfnbcu
(108 6.) -30.
Kohl, Feld., Vorschläge z. Reform d. Schreibunterrichts in höh. Lehranstalten. ProgT.-
Abhdlg. Osterode Ostpr. (19 S. 4.)
Kosallina, Dr. phiL Gustaf (Halle), Bibliotheca philologica od. geordnete Uebersieh:
aller auf d. Gebiete d. class. Alterthsw. . . . neu erschien. Bücher. 36. Jahr?.
2 Hfte. (393 S. gr. 8.) Göttingen. Van de u ho eck u. Ruprecht 2.—
Karl Mtillenhoff. (Nekrolog.) [Beiträge z. künde d. Indogerm. sprachen bn?
v. A. Bezzenberger. Göttingen. 9. Bd. S. 135—150. (LitUraturverzeicfau
S. 144—150.)] flu* e. btf*. fiiterarWftoriter. [©renjboten. 45. 6. 267-S76.
Rec [Dtsche Littztg. 39. 41. Centralbl. f. Bibliothekswes. 1. Jahrg. S. 451—52.]
Altpreussieche Bibliographie 1884. 501
Kraffert Ree. [Philol. Rundschau. 3. 4. 8. 22. 26. 27. 32. 42.]
Knh, £. (Insterbnrg), Rec [Wochen 8 ehr. f. klass. Philol. 9. 19. 22.]
Jtroufe, OberL Dr. ©ottlieb, ftriebrid) b. ©r. u. b. btf*e $oefte. 6aü>. ©u*&bla. b.
©aifenbauf. (V, 120 6. ar. 8.) 2.—
Fried r. d. Gr. Stellung z. dtschen Litteratar u. zu d. dtseb. Dichtern. (Ber.
d. Kneipböfsch. Gymn.) Kgsbg. (16 S. 4.)
Kresia, Eug. Oskar (Arzt aus Danzig), Ceb. Tracheotomie nach Verletzungen. I.-D.
Würzburg. (30 S. 8.)
frctylift/ <fcr Scranfler unb Courier. (G. ©eitr. j. ©efd>. b. föabicaltemuv.) [Wotb u.
Süb. 93b. 30. 6. 88-108 ] 3*ier$ u. feine 3ett. [Gbb. $ecbt\]
^T(9fftf)# @. (Snflemeur), SBorfdjIäae 3. ßntn>idfß. e. Ofnpr. ManalfoftemS. [Kflsbfl. fianb*
u. forftroittMcb. 3tfl. 46.1
Krieg, Prof. Heinr., Corresponaenzblatt d. königl. stenogr. Instituts zu Dresden . . .
31. Jahrg. Dresden. Dietze. Hohle in Comm. 4. — Dazu als Beibl. : Echo
Ebd. 1.50. u. stenogr. Lesebibliothek . . • 1.50.
stenogr. Schreibheft m. Vorschriften ... l.Hft 11. Aufl. Ebd. (48 S. 8.) —60.
das GerichtsTerfassungsgesetz f. d. Dtsche Reich, nebst Einffthrgsgesetz . . .
2. Aufl. Ebd. (IV, 36 autogr. S. 16.) n. n. —75.
ärefta, Dr. gr., öilfgbu* f. b. iluterricbt tu b. ®efd>. an fröfc. XöaMerföulen. 2. Zty.
$. aUtttelalter. 5. Slufl. fcetbelbcra. äöeift. 1.—
Arna.tr, Dtctt. Sari 21., (Sbarafterbilber au« b. üftaturaefd). @in fiebr* u. Cefebudj m.
257 $arft(lan. aus b. 3 ffleid?. b. Statur ... Wü 203 «bbilbßn. S)an}tG 188f> (84.)
Art. (VIII, 372 S. flr. 8.) 3.- aeb. 4.—
9iaumlcbre f. $olf*fdmlen . . . ßbb. (20 6. 8.) —20.
©ef*. b. djriftl. ätrdp nebft 3fofc. : ba* cfcriftl. flirajenjafrr ... 4. SufL Gbb.
öfrtlina, (40 6. ar. 8.) —SO.
fiieberftraufe o. 2« u. 3ftimmtfl. ©c|Ä"ß- f. Scfculen. Ausg. B. 3. Sbifl. @bb.
3irt. (83 6. 8.) —50.
— Sdmlcboralbud) unt. befonb. SBerüdff. b. flemifät. (Sänaetdtöve. 3. 8. £pd. ffitebe.
(58 6. «r. 8.) aeb. baar 1.—
beutjtbeS Sefebu* f. 8olf$= u. »üwvfcbul 2 SEWe. ÄaSbfl. $on'$ SBerl.
(IV, 171 6. ar. 8.) —55. (VIII, 455 6.) 1.30.
beutfebe 6d)ularammarit f. SBoitä* u. ©üracrföul. Ausg. A. $anjia. 2lrt. (48 6.
ar. 8.) nn. —25. 2. 8u$fl. ßbenio.
Stealienbu* f. §8oK*f<btilen ... 5. nerb. $1. Wit 60 (einaebr.) Nbbtlb. 6bb.
(126 6. ar. 8.) aeb. -50. SluSa. f. etoana.. 6d?ul. Mit 61 &bb. (126 6.)
cart. —50. $u3a. f. fah>. 6d?ul. reb. x>. 3- ft. ^atotontffi. SRit 60 Slbb. dbb.
(126 6.) ßeb. —50.
Krueger, Paul. Corpus jur. civilis. Ed. stereot. III. Vol. II. Codex Iustinianua recogn.
P. Krueger. Berl. Weidmann. (XXX, 513 S. Lex. 8.) 6.— Scbreibpap. 9.—
Collectio libror. jur. antejustiniani. In usum scholarum. Edd. Paul. Krueger,
Tb. Mommsen, Guil. Studemund. Tom. 1. ibd. [Inh.:] Gai institotionea. Ad
codicis Veron3nsis apographum 8tndemundianum noris curia auetum. Iterum
edd. P. Krueger et Guil. Studemund. Insunt supplementa ad codicis Veronen-
sis apographum a Studemundo composita. (XXaIX, 206 S. 8.) 3. —
9tec. [Ärit. 38ierteljafrr*f4r. f. ©efetflieba. H. % $b. VII. $ft. 2.]
Kruse, Prov.-Schulr. Dr. K., Rec. [Ztschr. f. d. Gymn.-Wes. 38. Jahrg. S.22— 31. 85—94.]
Äübnaft, ftmtericbt., üb. b. tedjtl. Segr. b. tfapttafo [^eitrfioe 3. ©rläuterfl. b. btfa>.
sJ<ecbtd. 3. 5. 8. 3Mra. 6. 856—405.]
Äünjer, $rof. Dr. (ü«artentt).), JHec. [«öbag. Htcbfo. »b. XXVI. SRr. 5. 7.]
Kuhnert, Ernst, Statue u. Ort in ihr. Verhältnis bei d. Griechen. Eine archaol. Unter-
suchung. [Jahrbb. f. class. Philol. XIV. Supplementbd. 1. Hft. 8. 245—338.]
auch Sep.-Abdr.: Leipz. Teubner. (94 S. gr. 8. m. 1 Taf.) 2.—
Äunfee, Üuöv Silber auö b. $reugif(b. Sittauen. (SrinneraSblätt. an e. %o(t baö einft
§rofe unb mädjtifl »ar, bejf. (Sriftenj abet jefet nur nod? eine graae ber 3«t ift.
bftod. 2öil^. Söert^er« 8ert (V, 74 6. 8.) 1.—
£tttfa)ttt, fiebr. 3lleybr., Unedierte Horaz-Scholien de6 codex Parisinus Lat 7975 (y)
zum vierten Buch der Oden, den Epoden, dem Carmen saeculare u. d. ersten
Buch der Sauren. [$roor. b. ©pmn.] 2Uftt (59 6. 4.)
502 Miltheilungwi und Anhang,
Äittt, SBtrK. StaatSr., em. $rof. D. ftofc. öeinr., fit&rbu* b. peil. ®ef*. ©n ffle*
weifet 3. SerftanbniS b. aottl. $eifp(ano* na* fr. oefcfcirttl. entrokflft. 16. Ter». 3usji.
Jtaftba.. <Mfe. (X, 331 6. ar. 8.) 2.80.
Labahn, Gymn.-L. Dr., Observation criticae in Hesiodum. (Gymn.-Ber.) Schweiz.
(S. 3—10. 4°.)
LangendorfT, Prof. Dr. Ose, Studien Ob. Rhythmik u. Automatie d. Froschherzm
Mit Abbildgn. (133 S. gr. 8.) Einzelpr. 5.60. [Archiv f. Anat n. Physiol.
Physiol. Abth. Suppl.-Bd.] 4.60.
gefcmonu, $ft. Dr. &, $ajtoralbibliotbef. Sanimfa. t>. äafualreben, bearünb. ». £id»
mann, fortaef. u. br$a. n. . . . 6. Sto. ©otba, 6d)lö&mann. (369 6. 8.) AM
Lehmann, Hugo (Arzt, a. Tuchel), Ueb. die neuer. Antipyretica mit besond. Berück-
sichtigung d. Antipyrin. Inaug.-Diss. Berlin. (32 S. 8.)
Lenke, Elisabeth, ab. d. Burgberg v. Gross* Gardienen. [Verhandlungen d. Berliner
anthropol. Gesellsch. 8. 442 — 444.]
Lentz, F. L. (Kgsbg.), Zu Plutarchos. [Neue Jahrbuch, f. Pbilol. u. Pädag. 129. Ei
S. 282 -284.]
Lewald, Fanny, Stella. From the German by Beatrice Marshall. (Tauchnitz Genus
Authors.) 2 vols. pp. 576. 4 sh.
$er Seefrof. 3. HnfL Berlin. $anfe. (205 6. 8.) 1.50.
(£rmnerunoen. fcortenfe Gornu. [Söeftermann'S iüuftr. beutW* aRonatSbejk
29. te. 5. gotoe. $Bb. VII. S. 25-38.1
Leyden. Verbandlungen a. Congresses f. innere Medicin. 3. Congr. gehalt zu Berlin
21.— 24. Apnl 1884 . . . hrsg. v. Geh. Med.-R. Prof. Dr. E. Leyden u. Dr.
Emil Pfeiffer. Wiesbaden. Bergmann. (XX, 388 S. 8.) 8.—
Ueber Poliomyelitis und Neuritis. [Verbdlgn. d. 3. Öongr. f. innere Median
S. 92—125.] Ueb. spontane Peritonitis. [Dtsche rnedic. Wochenschr. Nr. 1T.|
Ueb. d. Sclerose der Coronar- Arterien u. d. davon abh&ng. Krankhlszusiändi.
[Ztschr. f. klin. Medicin. Bd. VII. S. 459—486. 539- 5S0.]
LleWsch, Th. (Kgsbg. i. Pr.), Bec. [Dtsche L.-Ztg. 49.]
Liebreich, Ose, u. Alex. Langgaard, DD., medic. Recept- Taschenbuch. (In 20 Lfgn-i
1. Lfe. Berlin. Fischer. (IV, 48 Ö. 8.) - 50.
SteberM», Muftrirte* ... 11. Sluff. Sporn, fiambed. (264 6. 16.)
Undemann, F. (Kgsbg. i. Pr.), Ueb. d. Darstellg. binärer Formen u. ihr. Co?arianta
durch geometr. Gebilde im Räume. [Mathern. Annalen. XXIII. Bd. S. lll — 142.J
LIpsohHz, R., Beiträge z. d. Kenntniss d. Bernouillischen Zahlen. [Journal f. d. reine
u. angew. Mathem. 96. Bd. S. 1—16. 4°.] Bemorkg. zu d. Abhdlg.: Unter-
suchgn. üb. d. Bestimmung v. Oberflächen mit Torgeschriebenem Ausdruck l
Linearelements. [Sitzgsber. d. k. preuss. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Hft. XXX.
u. XXXI. S. 649-650.] Sur une representation de la fonetion eiponeuüelfe
par un produit infini. [Comptes rendus hebdomad. des seances de FAcai
des sc. f. 99. p. 701—703.]
Ussaiier, Dr. (Danzig), Vortrag Üb. d. sagittale Schädelkrümmung. [Verhandlgn. i
Berl. Ges. f. Anthropol., Ethnol. u. Urgesch. S. 468—473.]
Seeiet (Dbeifonbe30Ct.*JR. in ÄaSbfl. t. $r.), £>. preufr. Snteißmraß$a,efe& 0. IL 3&ni
1874 etlaut. geipjtfl. mt u. So. (IV, 233 S. gr. 8.) 5.—
göbett, Dr. Mi*., üb. 2itauif*e Solfepoeftc. (8eü. g. $roflr. b. dtealfcbule Oppen^in.)
(29 6. 4.)
Sefflab, $fr. in SBraunSbera., Post festuin. 3meite 3>entf<t>rift ab. b. cixihq. ®fm«»k
»taunSberg . . . Xtt TOfc. aebr. 33etl. Xronrifcfcfc u. 6ofcn. cf. E». Gemmen. :>7.
Loevy, Iacobns (a. Orteisburg), Libri Kohelet veraio Arabica quam composuit Ibn-
Ghijath. Dias, inaug. Lips. Lugduni Bataror, (52 S. 8.)
Lohmeyer Rec. [Sit. Gentralbl. 9. 23. 46. 52.]
Lohrenz, J. F., neuester Situations-Plan ?. Danzig m. numerirt. Strassenverteichflia.
1 : 5000. Lith. qu. Fol. Danzig. Saunier. 2.— col. 3.—
— — kleiner Plan ▼. Danzig mit Berücksichtigung aller Neubanten entworfen . . •
1 : 20000. Ghromolith. qu. gr. 4*. Ebd. —50.
l**winsk!, Anton (Dt Krone), Zu Aeschylos Agam. t. 642 fgg. [Philologus. 43. BA
S. 707—709.]
Präsausaehreibeii. 503
Lüwich, Arth. (Prof. zu Kgsbg.), Aristarchs Homerische Textkritik nach den Frag-
menten d. Didymos dargest. o. beurtheilt. I. Tbl. Leipzig. Teobner. (VIII,
635 S. gr. 8.) 12.—
Ukowicz, Marceil v. (Blumfelde Westpr.), Beitrag z. Prognostik d. Glioma retinae.
l.-D. Halle. (30 S. 8.) £
Prelsaussehreibeii.
Das Preisausschreiben, das der „Evangelische Verein für geistliche und
Kirchenmusik der Provinzen Ost- und Westpreussen" auf Kirch enchöre für
2 Frauen- und 1 Mäunerstimme zu Neujahr rf. J. erlassen hat, ist nun zur Ent-
scheidung gekommen. Im Ganzen waren von etwa 400 Einsendern aus ganz Deutsch-
land, Oesterroich, der Schweiz, Italien und Amerika gegen 1200 Kompositionen zur
Konkurrenz gestellt. Dieselben wurden von 4er „Redaktionskommission" für die
Herstellung des gewünschten Kircheuchorbuches einer vorläufigen Sichtung nach Musik
und Texten unterzogen, nnd nach Ausmerzung der den Bedingungen der Konkurrenz
nicht genügenden Kompositionen in hektographischen Abzügen der „Preis richte r-
kommission" zur Entscheidung übersandt. Letztere, aus Vertrauensmännern des
Vereins und Beigeordneten der Konsistorien konstituiert, bestand aus den Herren
Domorganist Berneker- Königsberg, Musikdirektor Kuhlmann-Oldenburg, Musik-
direktor Mark u 11- Danzig, Professor Dr. Volckm er- Homburg, Musikdirektor Wal d -
bach-Pr. Eylau. Die Mitglieder der Preisrichterkommission gaben ihre Stimmen
aber die ihnen ohne Namen vorgelegten Kompositionen völlig unabhängig von ein-
ander ab. Durch die Majorität der abgegebenen Stimmen erhielt darnach den ersten
Preis (100 M.) die Komposition „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn", den
zweiten (50 M.) die Komposition „Herr, höre mein Gebet". Als Namen der Kom-
ponisten ergaben sich bei der durch den Vereinsvorstand unter Vorsitz des Herrn
Generalsuperintendentcn Dr. Oarus vollzogenen Eröffnung der Namensbillete für die
erstgenannte Komposition Pastor Gustav Kittan in Priessnitz bei Borna (König-
reich Sachsen), für die zweite Chordirektor Emil Jork in Neustadt in Ober-
achlesien. Die weiteren zu Prämien ausgesetzten 100 M. werden nach Fertigstellung
des in 2 — 3 Monaten im Verlage von F. W. Gadow & Sohn in Hildburghausen
erscheinenden „Kirchenchorbuches" als Honorare, speciell für diejenigen Ein-
sender, von denen mehrere Kompositionen Aufnahme finden, verwendet werden.
Bas „Kirchenchorbuch" wird aus den besten der eingehenden Konkurrenzarbeiten und
ans den dem Vereine sonst noch freundlichst von einer Anzahl von Komponisten zur
Verfügung gestellten Originalkompositionen durch die „Redaktionskommission" aus-
gearbeitet, welche besteht aus den in Königsberg ansässigen Herren Generalsuper-
intendent D. Carus, Superintendent Lic. Eilsberger, Konsistorialrat D. Hase,
Professor D. Jacoby , Universitäts-Musikdirektor Lau dien, Schlossorganist Völcker-
ling und Prof. Dr. Zimmer.
Durch eine von Sr. Excellenz dem Herrn Minister der geistliches je. Ange-
legenheiten huldvoll bewilligte Beihilfe ist der Verein in den Stand gesetzt, Ar fol-
gende neue Preisaufgabe vorläufig siebenhundert Mark — spätere etwaige
Erhöhung des Preises, bezw. Aussetzung eines zweiten Preises bleibt ausdrücklich
vorbehalten — anzubieten. Der Verein wüuscht
eine in allgemein verständlicher Form gehaltene wi*«e*«sWtL. Unter-
suchung der Geechichte und der Bedeutung der preueeinehen Tonschule.
Hittheilungoa and Anhing.
rientierung ülier den Gegenstand wird anf den im VeTltge im
lung in Königsberg erschienenen Vortrag von Prof. Dr. E. Zimmer,
lenliederdichter nnd Kirchen komponisten" [Altpr. Mtsschr. XXII.
sen.) Die Arbeit würde vor allem die zum Teil noch ganz Gli-
chen Schätze aus jener Zeit, namentlich die der Königlichen unJ
lek in Königsberg Angehörige Gotthold'sche Sammlung in w-
mr Konkurrem bestimmten Arbeiten müssen in deutscher Spraye
geschrieben sein nnd vollständig fertiggestellt bis mm 1. 01-
ei an die Verlagshandlang von Breitkopf & Hürtel in Leip-
len, ohne Nennung des Veifassornamcus, aber verseben mit eiomi
In den Namen des Verfassers einsculiessendes versiegeltes Um-
inte Schrift wird Eigentum dea Vereins, auf den also das Bei
U derselben im Original nnd in Uebcrsetzungeu übergeht. AuA
inten Einsendungen bleiben die eingereichten Handschriften im
der sich vorbehält, von denselben in Einzelheiten nach Gutbe-
machen mit Verscbweigung oder Angabe der Verfasser, j*W.
nicht ohne deren Bewilligung.
> (Pr.), Anfang Juli 1885.
Bittet
von Immanuel Kant's Briefwechsel wird seit langem von d»
« KOnigsberger KOnigL und Univcrsitats- Bibliothek Herrn fe
u —s.v»- i» u-.iieinscbaft mit. Oberlehrer Fr. Sintenis in Dorpat vorbereM
Dm aber eine wirklich möglichst .vollständige Sammlung herausgeben zu kBon«
ist eine t heil weise Mithülfe weiterer Kreise durchaus erforderlich. Es ergeht daher
an alle Besitzer von Briefen von oder an Kant die dringende Bitte, dieselben ih
Kenntnissnahrae an Herrn Dr. R. Reicke in Königsberg direct oder durch V<r-
mittlnng der nnterzeichneten Verlagsbuchhandlung einzusenden. Aueh die tiefst
Not« ist willkommen, ebenso Briefe von Kant's Zeitgenossen, in denen seiner er-
wähnt wird, da durch dieselben leicht sonst anerklärbare anderweitige BriefeteUei
aufgeklärt, die Chronologie, Absender oder Empfänger festgestellt werden Uno«.
Was in der Band des Einzelnen zusammenhanglos, unbedeutend erscheint, ist in
Vergleich mit anderem vorhandenen Material häufig von unschätzbarem Werth,
Bei der allgemeinen Verehrung, welche noch heute dem bahnbrechenden Geiste d«
Königsberg« Philosophen mit Recht gezollt wird, darf wol die vorstehende Bit»
eines allseitig bereiten Entgegenkommens gewärtig sein.
Hamburg, im September 1885.
Leopold Voss Verlagsbuchhandlung
Hamburg und Leipzig.
Literarische Anzeigen.
Im Verlage von Ferd. Beyer's Buchhandlung in Königsberg in Pr.
erschienen als Separat-Abdrückc der „Altpr. Monatsschrift":
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Heft 7 a. 8 erscheinen als Doppelheft Ende 060601161.
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Altpreussische
Mona
Heuen Preu^sischenTwinsial-Blätter
vierte Folge.
Herausgegeben
von
Rudolf Reicke und Ernst Wiehert.
Der Monatsschrift XXII. Band. Der Provinzialblätter LXXXVIII. Band,
Siebentes and achstes Heft.
October — December.
Königsberg in Fr.
Verlag von Ferd. Beyer' s Buchhandlung.
1885.
Inhalt.
I. Abhandlungen :
Verzeichniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden. Von
Carl Beckherrn 505—6*5
Nachträge zu Robertins Gedichten von Dr. L. H.Fischer in Berlin 606—617
Kants Copernicanismus auf die Begriffe Notwendigkeit und Freiheit
angewandt. Von Dr. Otto Kuttner in Coblenz 618— 600
Tannenberg. Von A. Hörn, Rechtsanwalt 637—64*
II. Kritiken und Referate:
Liv-, Est- und Curländisches Urkundenbuch. Begründet vou F. G.
v. Bunge, fortgesetzt von Hermann Hiidebrand. Bd. VIII. Von
M. Perlbach 649-651
Paul Schienther, Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie.
Von P 651-653
Alterthumsgesellschaft Prussia in Königsberg 1885 654 — 665
III. Mittheilungen und Anhang:
Universitäts-Chronik 1885 (Fortsetzung) 666—0^7
Altpreussische Bibliographie 1884 (Nachtrag, Fortsetzung u. Schluss) 667—6^2
Die Kant- Bibliographie des Jahres 1884. Zusammengestellt von
Rudolf Reicke 683-&*
I. Autoren-Register . . ' 689— ö*-'
IL Sach-Register 690— 6i'2
Titel und Inhalts-Verzeichniss für Band XXII.
Altpreussische Monatsschrift
neue Folge.
Her Neuen) Pr-ettssCseEteni P-PQvia?ial«8tItter
vierte Folge.
Herausgegeben von
Rud. Reicke und Ernst Wiehert.
Dieses zunächst den wichtigsten Interessen der Provinzen Ost- und Westpreusseii
dienende Organ, dessen Bedeutung aber auch weit über ihre Grenzen hinausrei« h;
und welches daher mit Recht wegen seiner werthvollen Beiträge zur Geschichte
und Landeskunde weiteren Kreisen empfohlen werden kann, erscheint jährlich in
4 Doppelheften zu je 8—12 Bogen gr. 8°. Der Pränumeratiouspreis betritt
"9 Reichsmark pro Jahrgang. Inserate werden die Petitzeile mit 20 Pf. berechnet.
Bestellungen nehmen alle Buchhandlungen und Postämter an.
Königsberg in Pr.
Ferd. Beyer's Buchhandlung.
FEB 25^
Verzeichiiiss der die Stadt Rastenburg betreffenden
Urkunden •
Von
Carl Beekherrn.
Das nachstehende Verzeichniss, die Zeit von der Gründung der
Stadt bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts umfassend, beschränkt sich
nicht auf die Urkunden im engeren Sinne, sondern enthält auch andere
für die Geschichte der Stadt wichtige oder in kulturgeschichtlicher Hin-
sicht interessante amtliche Schriftstücke. Sie werden sämmtlich, je
nach der Wichtigkeit oder nach der Beschaffenheit des vorliegenden
Materials, in mehr oder weniger ausführlichen Auszügen mitgetheilt.
Diese sind theils nach den Originalen angefertigt, welche in der Mehr-
zahl im königlichen Staatsarchiv zu Königsberg deponirt sind, theils
nach den Abschriften des Hausbuches des Amtes Bastenburg von 1585
(Hsb. 322), desselben von 1696 (Hsb. 327) und des Handfestenbuches
Nr. 124 (Hndfb. 124), sämmtlich ebendaselbst befindlich, ferner nach
den Abschriften des rothen Hausbuches der Stadt Bastenburg (B. Hsb.).
Eine kleine Anzahl enthält, leider in sehr knapper Form, Schaffer's
Chronik von Bastenburg (Manusc. auf der Stadtbibliothek zu Königs-
berg). Diesem haben zum Theil die Originale vorgelegen, zum Theil
aber nur die Abschriften der oben genannten Bücher, ausserdem aber
noch verschiedene Protokolle und Actenstücke z. B. das über die Unter-
suchung der kleinen Städte. Seine Nachrichten sind glaubwürdig, denn
in vielen Fällen, in denen er controllirt werden konnte, hat er sich
stets als zuverlässig erwiesen.
▲itpr. MonatMehrift Bd. XXIL Hft. 7 n. 8. 33
!
506 Verzeichniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden*
Viele von diesen Urkunden sind noch nicht gedruckt; um die
Sammlung aber möglichst zu vervollständigen, sind in dieselbe auch
bereits publicirte aus verschiedenen Werken aufgenommen, soweit diese
dem Verfasser bekannt und zugänglich waren. Namentlich haben Toppen'?
Acten der Ständetage einen ziemlich beträchtlichen Beitrag geliefert
In den Anmerkungen soll durch Verweisung auf die zu einander
in Beziehung stehenden Stücke die Orientirung erleichtert werden, und
ferner ist darin versucht worden, verschiedene dunkle Punkte aufzu-
klären. Zu diesem Zwecke konnten in einzelnen Fällen freilich nur
Hypothesen aufgestellt werden, aber auch diese werden einem etwaigen
späteren Bearbeiter der Geschichte der Stadt vielleicht zu weiteren
Forschungen Anregung geben.
1) 1343* Inventionis sancte crucis. Ludolf König, HM., stellt
die Handfeste für die Brüder Warpun, Weysnor, Meirune und
Bertold über 33 Hufen im Walde Queden aus.1)
Abschr. Hndfb. 124. — ') Aus einem Tbeile dieses Areals (23 Hufen) ist
Weischnuren entstanden, bei welchem das Hospital zu Bastenburg später
Besitzungen hatte. (Vergl. Altpr. Monatsschr. XVIII, 436.)
2) 1356* Jacobi. Johann Schindekop, Eomt. zu Balga, stellt
die Handfeste für das Dorf Bosenveld1) aus. Unter den Zeugen ge-
nannt: Margkwardt, Pfleger zu Bastenburg. f)
Abschr. Hndfb. 124. — f) Rosenort. s) Wird in Voigt's Namencodex schon
1354 als Pfleger zu Rastenburg aufgeführt
3) 1357 ♦ In die beati Martini episcopi et confessoris. Jo. Schinde-
kop, Eomt. zur Balge und Vogt von Natangen, beurkundet, „dass wir
usgegeben eyne stat, rastinburc genantu, von 102 Hufen. Diese
Stadt „vorlye wir dem erbern manne Heynrich Padeluch,1) scult-
heiß derselbin stat", zu kölmischen Bechten. Von den verliehenen Hufen
erhält der Schulz 8 Hufen frei und eine freie Hofstätte, die Kirche
„dem almechtigen gote czu lobe und dem heiligin heren sent Jörgen11
ebenso 4 Hufen9) und die Stadt als Gemeindeeigenthum 40 Hufen. Die
Besitzer der andern Hufen sollen jährlich von jeder Hufe eine halbe
Mark und zwei Huhner Zinsen, jedoch erst nach Ablauf der ersten
Von Carl Beckherrn. 507
15 Jahre. Jede Hofstätte in der Stadt soll 6 Ruthen lang und 4 Ruthen
breit sein und jeder als unabtrennbarer Besitz 3 Morgen von den vier-
zig Preihufen zugetheilt werden.3) Nach Ablauf von 6 Freijahren ist
jährlich von jedem Hofe 1 Vierdung zu zahlen. Die kleinen Gerichte,
von 4 Schilling und darunter, werden dem Schulzen für den ganzen
Umfang des Stadtgebietes übertragen, die grossen dagegen, über Hals
und Hand, nur in der Stadt selbst und in dem Baume, welcher sich
von dem nach Leunenburg führenden Thore auf 4 Seile, vor dem
Mühlen thore auf 1 Seil erstreckt. Die Bussen hiervon fallen zu
gleichen Theilen an den Schulzen, die Herrschaft und die Stadt Das
Gericht über die Preussen, welche unter den Ordensbrüdern desselben
Gebietes wohnen, in dem die Stadt liegt, behält sich der Orden vor;
kämen aber solche Preussen, welche unter den „Königen" oder unter
den Lehnleuten 4) wohnhaft sind oder andere Preussen von auswärts her
in den Bezirk der Stadt, verbrächen hier etwas und würden dabei er-
griffen, so soll diese der Schulz richten. Die Bussen von diesen Ge-
richten fallen gleichfalls zu gleichen Theilen an den Schulzen, die
Herrschaft und die Stadt. Zum Brauen sollen die Bürger sich nur
der Pfannen bedienen, welche von der Stadt dazu beschafft werden. Der
Zins von dem Kauf hause, der Badestube, den Brod-, Fleisch-, Fisch-
und Schuhbänken fällt zu gleichen Theilen an den Schulzen, die Herr-
schaft und die Stadt. Den Einwohnern wird freie Fischerei mit kleinem
Geräthe innerhalb der Grenzen in der Guber und den andern Gewässern
verliehen. Sobald die Stadt sich einigermaßen entwickelt haben wird,
soll eine vom Orden zu genehmigende Willkühr aufgestellt werden. Der
Zins, welcher von den Höfen der Neustadt fallen wird/) soll zu einem
Theile von der Stadt, zu zwei Theilen von der Herrschaft bezogen
werden. Für den Fall, dass in der Neustadt eine Badestube oder Brod-,
Fleisch-, Fisch- und Schuhbänke errichtet würden, soll der Zins davon
zu gleichen Theilen an den Schulzen, die Herrschaft und die Stadt ver-
teilt werden. Die Gerichtsbarkeit steht dem Schulzen in derselben
Weise zu, wie in der Altstadt. An den vierzig Freihufen sind die Ein-
wohner der Neustadt ebenso betheiligt, wie die der Altstadt. Der
Pfarrer erhält von jeder Hufe mit Ausnahme der vierzig Freihufen jährlich
33*
508 Verzeichnis* der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
1 Scheffel Boggen und 1 Scheffel Hafer. Wenn bei späterer Vermes-
sung des Landes sich Uebermaß herausstellen sollte, so soll die Stadt
solches nicht bezahlen, sondern nur den Zins davon entrichten. *) Zeugen:
Jobann von Orlemunde, Hauskomtur; Otto von Wilburt, Wald-
meister; Bruder Echard Brahe; Bruder Albrecht, der Herzog;
Heinrich von Cattenhoven, Pfleger zu Eilau; Marquart, Pfleger
zu Bastenburg; Beimar von Bode, Kompan; Bruder Heinrich von
Eranichsvelde; Peter, Kaplan.
Original auf Pergam. im Staatsarchiv zu Königsberg. Das Siegel des Kom-
turs zeigt ein Tbier, welches man für einen Wolf halten kann; die Unischrift
ist nicht mehr zn entziffern, — Altpr. Monatsschr. HI, 81. — ') Der in der
Gründnngsurknnde der Stadt Schippenbeil vom Jahre 1351 genannte Locator
führt aufiallenderweise dieselben Namen. Es war nicht zu ermitteln, ob dar-
unter eine und dieselbe Person zn suchen ist Das altprenssische Geschlecht
der Padeluch's war auch unter den Namen von Elditten und Schult-
heiß oder Scholtz in der Umgegend Bastenbargs ansässig. (S. v. Mülrer-
ötedt, N. Pr. Prov.-Bl. a. F. XI, 290.) — J) Im Anfange des 15. Jahrhunderts
befand sich die Kirche nicht im Besitz dieser 4 Hufen (s. Nr. 35.) nnd gegen
Ende desselben hatte sie deren nur zwei (s. Altpr. Monatsschr. XX, 266).
Ueber die Erbauung der Kirche ist Näheres daselbst S. 234 zu finden. —
s) Als Gemeindeeigenthum erhält die Stadt 40 Freihufen. Es liegt nun nahe,
anzunehmen, dass diese zur Gründang des in späteren Quellen (Nr. 160) er-
wähnten bei der Stadt gelegenen und dieser zugehörenden Dorfes» der nach-
herigen „Bauern Vorstadt", benutzt worden seien; das ist jedoch nicht der
Fall gewesen. Das grosse Zinsbuch von 1437 (citirt von L. Weber in Prcuss.
v. 500 J.) führt nämlich dieses Dorf mit 40 Zinshufen au£ Ferner befindet
sich darin die Angabe, dass die Stadt zu jener Zeit 26 ganze Häuser und
1 halbes in der Altstadt und 19 halbe in der Neustadt gezählt habe. Diese
kleine Anzahl wird man für den Anfang der Stadt nur wenig oder gar nicht
reduciren dürfen. Jedem (ganzen) Hause sollten nach der vorliegenden Ur-
kunde von den 40 Freihufen 3 Morgen (als Gartenland) zugetheilt werden;
es sind also von den 40 Freihufen ungefähr 3 Hufen hierauf in Abrechnung
zu bringen» ausserdem aber auch noch ca. */e Hufen auf die öffentlichen Plätze,
städtischen Gebäude, die Befestigung und die Strassen der Stadt, so dass das
auf den Freihufen angelegte Dorf nur ca. 36 Hufen enthalten haben konnte,
welche Zahl mit der des Zinsbuches nicht übereinstimmt Die 40 Zins- oder
Bauernhufen des Dorfes liegen also in den 50 Zinshufen der obigen Yer-
Bchreibung, welche sich nach Abzug der 4 Pfarrhufen, 8 Schulzen« und 40 Frei-
Von Carl Beckhemi. 5Q9
hufen von den überhaupt verliehenen 102 Hufen ergeben. Rechnet man die
Hafen des Dorfes von den 50 Zinshufen ab, so bleiben deren noch 10. Auf
einem kleinen Theile dieser letzteren, ca. % Hufe, sind die Höfe oder Häuser
der Stadt angelegt, jedes zu 24 DR.» an Ackerland kommen also davon zur
Vertheilung auf die Häuser ca. 95/e Hufen. Nach dieser Auseinandersetzung
ergiebt sich also, dass das Gemein deeigenth am nicht nur aus den in solcher
Eigenschaft in der Handfeste ausdrücklich erwähnten 40 Freihufen bestand,
sondern auch aus dem Dorfs mit seinen 40 Zinshufen, da dieses doch eben-
falls nur als Gemeindeeigenthum gedacht werden kann. Dass das Dorf aber
in der Handfeste nicht erwähnt und nach seiner besonderen Eigenschaft nicht
bezeichnet wird, darf nicht auffallen, weil in den alten Verschreibungen den
betheiligten Personen bekannte und selbstverständlich erscheinende Dinge sehr
häufig mit Stillschweigen Übergangen werden. So ist auch in der vorliegen-
den Handfeste der neben dem Ordenshause schon vor Ertheilung derselben
bestehenden andern Ansiedelung, aus welcher die Stadt selbst hervorgegangen,
nicht gedacht Diese Ansiedelung kann nicht einmal unbedeutend gewesen
sein, weil sie von den Chronisten, welche ihrer bei Gelegenheit der Zerstörung
durch die. Litauer in den Jahren 1345 und 1347 erwähnen, schon als Stadt
bezeichnet wird. (Vergl. auch Nr. 53, Anmerk. 2.) Als weitere Anzeige für
die Existenz des Dorfes schon vor der Ausfertigung der Handfeste der Stadt
ist noch die Abgrenzung des Bezirks anzuführen, in welchem dem Schulzen
der Stadt die grossen Gerichte zustanden. Dieser ist vor dem Leunenburger
Thore der Länge nach anf 4 Seile bemessen. Diese Abmessung trifft gerade
den Ausgang der später hier entstandenen Königsberger Vorstadt in die Bauern-
vorstadt, das ehemalige Dorf, welcher Umstand auf eine hier schon bei der
Gründung der Stadt bestehende Grenzmarke hindeutet. Vielleicht war das
Dorf eine ursprünglich preussische Niederlassung, in welcher neben späteren
deutschen Ansiedlern auch noch Preusien wohnten, über weicht nach Bestimmung
der obigen Urkunde dem Schulzen der Stadt die Gerichtsbarkeit nicht zu-
stand. Für diese Vermnthung spricht sogar der angebliche Name (s. weiter
unten) des Dorfes, „Rast". In einer Urkunde von 1421 (Nr. 42) wird näm-
lich in der weiteren Umgegend Bastenburgs ein Dorf Rastekay me erwähnt
(1563 Bastickeim geschrieben).*) Der erste Tb eil dieses Namens kann zwar
deutsch sein, ist aber wahrscheinlicher gleich dem zweiten preussitch, denn
nach Nesselmaon's Ansicht sind zusammengesetzte Namen, deren erster Theil
deutsch, der zweite preussisch ist, entweder späteren Ursprungs oder Ver-
*) Herzog Albrecht verschreibt 1563 dem Hans Lange zu Schippenbeil die
Dörfer Scharwerkeim (Scharkeim) und Ninickeim (Nohnkeim?) und die Freigüter
Dungene yn und Bastickeim, im Bastenburgiscben und Bartischen gelegen.
510 Verzeichnis« der die Stadt Rastenborg betreffenden Urkunden.
stümmelungen echter altpreussischer Wörter (vgl. N. Pr. Prov.-Bl. V, 9 u. 255).
Ist also der erste Theil des Namens ßastekayme preussisch, so ist dieses
höchst wahrscheinlich mit dem Namen Rast trotz seines deutschen Klanges
der Fall, wie ja auch z. B. der Name des Gates Windkeim (Windekajrmej
ein durchweg preussischer ist, in welchem keineswegs das deutsche Wort
Wind steckt
Als indirecter Beweis für die Existenz des Dorfes vor Ausfertigung der
Handfeste der Stadt kann ferner der Umstand gelten, dass über eine spätere
Anlegung alle urkundlichen und sonstigen Nachrichten fehlen, während doch
solche über die Gründung der beiden andern Stadtdörfer, Prangenau und
Bürgersdorf, vorhanden Bind. Auch darf die Nachricht Schaffens, dass vor
Gründung der Stadt hier schon ein Kirchdorf von 4 Pfarrhufen, 8 Schulzen-,
28 Bauern- und 12 Waldhufen mit Namen Bast gestanden haben soll, nicht
unbeachtet bleiben, denn der genannte Chronist kam am Ende des 17. Jahr-
hunderts nach Basteuburg, also zu einer Zeit, in welcher noch Ueberlieferungen
aus der Gründungszeit der Stadt vorhanden sein konnten. Beiläufig sei hier
noch bemerkt, dass, lässt man obige Nachricht gelten, die Herleitung des
Nameus des neben dem schon bestehenden Dorfe Bast erbauten Ordensbause*
Bastenburg eine ganz einfache und natürliche ist, während die von den alten
Geschichtschreibern und Chronisten versuchte, von Bast oder Buhe der Kriegs-
scharen des Ordens an diesem Orte auf den Beisen nach und aus Litauen,
eine durchaus gezwungene ist. Von derartig zusammengesetzten Ortsnamen,
welche in allen Bestandteilen der deutschen Sprache anzugehören scheinen,
deren erster Theil aber in Wirklichkeit der preussischen entnommen ist, sind
noch einige nachweisbar z. B. Lenzenburg, Angerburg, Biesenburg u. a.
Der Nutzen, welchen die Stadt aus dem Dorfe zog, wird erstens am
dem von diesem zu leistenden Scharwerk bestanden haben und zweitens in der
Differenz des Zinses, den sie von den Dorfhufen an den Orden zu entrichten
hatte und desjenigen, welchen sie selbst von dem Dorfe bezog. Die Böhe
desselben lässt sich einigermaßen nach dem Zinse bemessen, welchen andere
Zinsdörfer an den Orden zahlten. Es hatten z. B. von jeder Hufe zu zinsen:
Eisenberg (1308) 18 Scot, 4 Hühner,
Behfeld (1322) 18 „ 3 „
Grünau (1331) 14 „ 2 „
Höllenfürst (1332) 15 „ 2 „
Bauschenbach (1338) 15 „ 2 „
Neuendorf (1372) 16 „ 2 „
Mulack (1412) 18 „ 2 ,,
Nimmt man als Leistung des Bastenburger Dorfes an die Stadt den Geldzins
des benachbarten Neuendoif mit 16 Scot an, so stellt sich die Differenz
Von Carl Beckherro. 511
zwischen Einnahme und Abgabe ('/2 M. = 12 Scot) der Stadt auf 4 Scot für
die Hufe, also für das ganze Dorf auf 160 Scot. Diese sind nach ihrem
Silbergehalt = 100 M., nach ihrem wirklichen Werthe = 300 M. jetzigen Geldes.
4) Die Lehnleute sind die in der Umgegend der Stadt wohnenden Besit-
zer von Gütern kölmischen Eechtes. Ueber die „Könige" ist man noch nicht
ganz im Klaren; es werden aber wohl auf kleinem Gütern sitzende Freie von
edler altpreussischer Abkunft sein. (Vergl. Toppen, AUpr. Monatsschr. IV, 144
and v. Mülverstedt, N. Pr. Prov.-Bl. a. F. VII, 180, woselbst eine Anzahl
Ton preussischen Königen in den Gebieten von Elbing, Osterode und Marien-
burg und in den Kammerämtern Pr. Holland, Burdeyn, Liebstadt und Pomeen
namhaft gemacht wird.) — *) Die Erwähnung einer Neustadt schon in der
Gründungsurkunde der Stadt ist auffallend, und das um so mehr, als die-
selbe hier nicht als ein besonderes Gemeinwesen mit selbständiger Verwal-
tung erscheint. Die Neustädte, welche bei einigen grösseren Städten vor-
kommen, waren erst längere Zeit nach der Gründung der Mutterstädte aus
Vorstädten hervorgegangen, hatten ihren eigenen Rath und eigenes Gericht und
mitunter auch besondere Ländereien als Gemeindeeigenthum. Der vorliegende
Fall lässt sich nur so erklären, dass die erste, von den Chronisten schon
Stadt genannte Ansiedelung beim Ordenshause Bastenburg bald ein ziemlich
festes Gefüge als Gemeinwesen erlangt gehabt habe, neben welchem die spätere
Ansiedlang, die sogenannte Neustadt, nur als abgesonderter Theil Platz fand.
Als die Erhebung zur Stadt erfolgte, liess der Orden, vielleicht aus politischen
Rücksichten und in der Hoffnung auf eine baldige Vergrösserung der jüngeren
Ansiedelung, dieses Verhältniss bestehen, um dann die Entwickelung zu einem
selbständigen Gemeinwesen später durch besondere Dotationen und Ertheilung
von Privilegien zu befördern. Zur Selbständigkeit ist die Neustadt aber nie-
mals gelangt, weil die Anzahl ihrer Bewohner zu gering und deren Vermögens-
verhältnisse zu unbedeutend blieben. Die jetzt noch bestehende Bezeichnung
eines Theiles der Stadt als Neustadt war daher immer bedeutungslos; sie unter-
schied sich von der Altstadt nur dadurch, dass sie fast durchwog aus halben
Häusern bestand. — •) Diese Festsetzung der Handfeste ist schon im Jahre
1393 nicht mehr in Geltung gewesen, denn in diesem Jahre wird der Stadt
von dem Orden ein Uebermaß von vier Hufen verkauft (Nr. 25).
4) 1360» Heinrich von Kranichsfeld, Pflg. zuB.1) giebt den
Schuhmachern zu K. eine Handfeste Aber einen Schmeerbecher. *)
Schaffer, aus der SchubmacherwUlkühr von U65. — - f) R. steht hier und weiter
unten stets für Rastenburg. — *) Wahrscheinlich ein Kessel zum Schmelzen des
Fottes, welches die Schuhmacher zur Zubereitung des Leders gebrauchten, da
es damals in R. noch keine Gerber gegeben zu haben scheint. (Vergl. Nr. 191.)
512 Verieichnis8 der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
5) 1361* Kathedra Petri. Conrad von Wolfsdorf verschreibt
den Bauern zu Wolfsdorf 50 Hufen. Zeugen: Heinrich von Kra-
nichsfeld, Pflg. zu B., Budolph, Waldmeister zu B.1)
Ab sehr. Hndfb. 124. — ') Ein zweiter Waldmeister zu Bastenburg wird tob
Schaffer zum Jahre 1366 namhaft gemacht: Dietrich Roder.
6) 1361» Montag vor Lucä. Arnold von Burgein, Komi zu
Balga, verleiht dem Dietrich von Salza den Baum zwischen beiden
Flüssen1) bei der Mühle zu B. zu kölm. Rechten, frei von Zins und
Scharwerk. Zu diesem Baum soll er auch einen freien Fahrweg haben.
Zeugen: Heinrich vonGundelstein, Hauskomt.; Kuntze von Erlig-
heim, Pflg. zu B.; Graf Friedrich von Zollern, Kompan; Hein-
rich, Kaplan.
Abschr. R. Hsb. S. 49. — ') Guber und Müblenkanal. Der Raum, auf welchen
später das Hospital errichtet worden ist.
7) 1363* St. Hieronymi. Gottfried von der Linden, Korat. zu
Balga, bestätigt den Preussen Wissroyte, Hindrix, Stenebute und
Glaubote ihre Handfeste über 3 Hufen zu Einwangen. Zeuge:
Albrecht Herzog zu Sachsen, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
8) 1368* Fabiani und Sebastiani. Ulrich Fricke, Komi zu
Balga, verkauft der Stadt Schiffen bürg1) 9 Hufen Wald. Zeuge:
Budolph von Nuspinden, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124. — ') Schippenboil.
9) 1370* Johannis Bapt. Derselbe stellt eine Handfeste über
6 Hufen und die Mühle zu Pomenigk aus. Zeuge: Budolph von Nu-
splingen, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
10) 1371* Sonnabend vor Tiburtii. Derselbe stellt die Handfeste
für Bayselaugken1) aus. Zeuge: Albrecht Herzog zu Sachsen,
Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124. - f) Bäslack.
11) 1372» Lichtmess. Gottfried von der Linden, Komt. zu
Balga, stellt die Handfeste über Schönfliess aus. Zeuge: Albrecht
Herzog zu Sachsen, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
Von Carl ßeokherrn. 513
12) 1372» Sonnabend vor Barnabä. Derselbe stellt dem Jacob die
Handfeste aber Neuendorf ans. Die Einwohner sind verpflichtet, an
die Pfarre, bei welcher sie eingewidmet sind,1) jährlich von der Hufe
1 Scheffel Roggen und 1 Scheffel Hafer zu liefern. Zeuge: AI brecht
Herzog zu Sachsen, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124. — ') Rastenburg.
13) 1372* St. Barnabä. Derselbe verleiht den Bäckern zu B.
10 Brodbänke zu kölm. Rechten. Von jeder der Bänke soll jährlieh
an die Herrschaft, die Stadt und den Schulzen 1 Vierdung gezahlt
werden. Von auswärts darf kein Brod zum Verkauf in die Stadt ein-
geführt werden. Zeugen: Bruder von Einer, Hauskomt.; Albrecht
Herzog zu Sachsen, Pflg. zu R.; Bruder Lewe, Eompan.
Abschr. B. Hsb. S. 113.
14) 1373» Mittwoch nach St. Benedicti. Derselbe verleibt den
Fleischern zu R. 9 Fleischbänke zu kölm. Rechten. Von jeder der
Bänke soll jährlich an die Herrschaft, die Stadt und den Schulzen Vi II.
gezahlt werden. Von auswärts darf kein Fleisch zum Verkauf in die
Stadt eingeführt werden. Zeugen: Dietrich von Einer, Hauskomt;
Albrecht Herzog zu Sachsen, Pflg. zu R.; Bruder Lewe, Eompan;
Helmich, Kaplan.
Orig. im Staatsarch. zu Königsb.
15) 1374. Dienstag nach Jacobi. Elbing. Winrich von Knip-
ro de, HM., verleiht der Stadt R. 12 Hufen Waldes1) zu einem Hege-
walde frei zu kölm. Rechten. Zeugen: Wolfram von Baldersheim,
Grosskomtur; Rütticher von Einer, oberster Marschall; Ulrich
Fricke, oberster Spitler und Komtur zu Elbing; Conrad Zöllner,
oberster Trapier und Komt. zu Cbristburg; Schwieder von Pellant,
Tressler; Gottfried von der Linde, Komt. zu Balga; Nicolaus,
Kaplan; Kuntz von Liebenstein, Kompan.
Abschr. B. Hsb. 8. 33. — ') An der Grenz« von Eichmedien bei Bürgersdorf
gelegen. Diese Lage ergiebt sich ans Nr. 21 u. 31.
16) 1374* St. Clementis. Gottfried von der Linde, Komtur
zu Balga, erlaubt den Bürgern zu R. an der Stadtmauer innerhalb
der Stadt Häuser zu bauen zu kölm. Rechten. Dafür sollen sie an die
Herrschaft jährlich 3 Vierdung entrichten. Das, was die Stadt von diesen
514 Verseichniss der die Stadt Rastenbnrg betreffenden Urkunden.
Häusern an Zins mehr einnehmen wird, darf sie zu ihrem eigenen Nutzen
verwenden. Zeugen: Dietrich von Einer, Hauskomtur; Albrecht
Herzog zu Sachsen, Pflg. zu B.; Leue, Eompan; Helmich, Kaplan.
Abschr. R. Hab. 8. 23. — Altpr. Monatsschr. XX, 299.
17) 1376 d. 1. Juli. Der Bath der Stadt B., bestehend aus dem
Bürgermeister D. Wetz, dessen Kompan JoLBardin, den Bathleuten
Vunsig und Valcke und den Stadtkämmerern Gutke Schröter und
Nicol. Günther, giebt dem Gewerke der Schuhmacher eine Willkübr.
Scbaffer, nach dem Orig.
18) 1378* St. Johannis mit dem güldenen Muude. Bastenburg.
Winrich von Kniprode, HM., bestätigt der Stadt B. die 1357 von
Joh. Schindekop ausgestellte Handfeste (Nr. 3). Der Inhalt dieser Be-
stätigung ist mit dem der Handfeste fast gleichlautend, nur geschieht
der Freijahre keine Erwähnung. Zeugen: Eutticher von Einer, Gross-
komtur; Balduin von Frankenhöven, Tressler; Dietrich von Einer,
Komt. zu Balga; Nicolaus, Kaplan; Euntz von Liebenstein, Jo-
hann Schonveit, Eompane.
Abschr. R. Hsb. S. 8. — Voigt, Codex dipl. Prass. CXXX.
19) 1379» Maria Reinigung. Günther vom Hornstein, Komt
zu Brandenburg, stellt den Söhnen des Matthis Tolke von Mergklin-
gerode, Glauke, Matthis und Bertold eine Handfeste aus über
93 Hufen im Walde Milimedien.1) Zeuge: Hans Babe, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124. — l) Zwischen Dietrichsdorf, Friedeberg und Scböniu.
20) 1381» Circumcisionis Domiui. Albrecht Herzog zu Sachsen,
Komi zu Balga, verschreibt dem Santhunge 10 Hufen zu Schlangk-
lauken. Zeuge: Helfart von Saxenheim, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
21) 1383» St. Martini. Friedrich von Egloffstein, Komt zu
Balga, verleiht der Stadt B. 2 Hufen, welche an ihrem Hegewalde an
der Grenze von Eichmedien liegen,1) und welche sie von „unsern"
Preussen Sanse und Sangawe gekauft hat, frei zu kölm. Rechten.
Zeugen: Bruder Härder, Hausk.; Gottfried von der Knie, Pflg. zu
B.; Wilhelm von Witlich, Waldmeister zu iieunenburg; Kuntze
von Erlingheim, Kompan.
Orig. im Staatearch. iu KOnigsb. — ') Vergl. Nr. 15.
Von Carl Beckherrn. 515
22) 1385* St. Ambrosii. Derselbe stellt dem Nakayme eine
Handfeste aus über 3 Hufen zu Galbun, die „polleide" geworden.1)
Zeuge: Gottfried von der Eule, Pflg. zu R.
Abschr. Hudfb. 124.— ') Wegen Mangel an berechtigten Erben an den Orden
zurückgefallen.
23) 1385« St. Margarethä. Derselbe stellt eine Verschreibung fftr
Löwenstein aus. Zeuge: Gottfried von der Eule, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
24) 138« d. 29. Sept. Derselbe stellt eine Verschreibung für das Dorf
Stangenwalde1) aus. Zeuge: Gottfried von der Eule, Pflg. zu R.
Cod. dipl. Warm. Nr. 199. — l) Polechendorf.
25) 1393» Mittwoch nach Matthiä. Conrad von Eyburg, Eomt.
zu Balga, verkauft und verleiht der Stadt B. 4 Uebermaße, ') „die Da-
merau,*) beidenthalben dem Steige gelegen, als man gen Woplauken
gehet, zwischen der Budenburschen Gräntze*) und der Steuermarck4)
und des Baders Acker5) und dem Graben und Landwehren6) ge-
legen41, zu kölm. Rechten frei von Zins und Scharwerk. Zeugen: Johann
Egloffsteiner, Hauskomt.; Euntze von Erlbacb, Pflg. zu R.; Michel
Freudenberger, Kellermeister zu R.; Bruder Gerhard von Monken-
heim; Friedrich Graf von Zollern, Eompan; Peter, Eaplan.
Abschr. R. Hsb. S. 24 u. Hndfb. 124. — Beckherrn, Bastenbarg hist-topogr.
dargestellt. — Altpr. Monatsschr. XXI, 637. — ') Die Abschr. des Hndfb.
hat 1 Uebermaß. Schaffer giebt ca. 3 Hafen an. — *) Haaptcomplez des
jetzigen selbständigen Gates Charlottenberg nördlich vom Hofe. Noch in
den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts zeigte dieses Stack des Stadt-
gebietes den Character der ehemaligen Dameran. — *) Das Hndfb. hat
„bandinbische"; es ist wohl „brandenburgische" zu lesen und die Grenze der
Komturci Brandenbarg gemeint, welche sich »wischen Woplauken and Basten-
barg hinzog. — 4) Jetzt Stiermarkt, Ackerparzellen, welche sioh westlich
der Chaussee Rastenburg-Barten von der Windmühle bis Charlottenberg er»
strecken. — 5) Wahrscheinlich im sudlichen Zipfel des Gates Charlottenberg.
Die Erwähnung des Baders lässt auf das Vorhandensein einer Badestabe schon
zu dieser Zeit schliessen. (Vergl. Nr. 33.) — •) Ein Wall mit Graben und
davorliegendem Verhau, zum Schatz gegen die Einfalle der Litauer angelegt,
welcher den Östlichen Band der Dameran bildete und genau da lag, wo sich
heute die Grenze zwischen den Ländereien von Charlottenberg und Krau-
sendorf hinzieht (Vergl. Altpr. Monatsschr. XXI, 640.)
516 Veriefchniss der die 8Udt Bustenbnrg betreffenden Urkunden.
26) 1395. St: Katharina. Friedrich von Wallenrode, Komi
zu Rhein, verschreibt dem Hans Key mann genannt Fromholt 4 Hafen
Wald bei Lindenau. Zeuge: Heidecke, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
27) 1395* St. Thomä. Derselbe verleiht 2 Morgen zu Kalt-
wangen. Zeuge: Heidecke, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
28) 1395. St. Thomä. Derselbe verschreibt dem Hans Sparwio
4 Vi Hufen zu Plankmedien. Zeuge: Heidecke, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
29) 1399» Jacobi. Ulrich von Jungingen, Eomt. zu Balga,
verschreibt dem Hangke und Bittau 1 Haken zu Clusienen. Zeuge:
Michel Kuchenmeister, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
30) 1400» Mittfasten. Derselbe verschreibt dem Paul Juncker
4 Hufen im Felde Selbkaym. Zeuge: Michel Küchmeister, Pflg.
zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
31) 1402. Pfingsten. Derselbe beurkundet, dass Hermann Bar-
dyn, Bürgermeister,1) Peter Nicolay, sein Kompan, Nickel Holland
und Klaus Wulff Stadtkämmerer, Gottfried Girke, Rathmann der
Stadt B. für diese von Andreas Byman 6 Hufen gekauft haben, be-
stehend aus Acker, Busch, Wiese und Wald und gelegen im Felde von
Poplebisseyn,1) worüber Byman eine Verschreibung des Hochmeisters
hat, und verleiht sie der Stadt „zu demselben Rechte, Nutze und Frei-
heit, als sie ihre vierzehn Hüben, zu Bürgerdorf gelegen,1) haben,
zu Hilfe, dass sie sich bessern und desto baß in andern Diensten ge-
dienen mögen41. Die erfolgte Bezahlung wird bescheinigt. Zeugen:
Balduin Stoll, Hauskomt.; Michel Kochemeister, Pflg. zu R;
Kuntze von Bemychyngen, Pflg. zu Eilau; Merten Kemnother,
Kompan; Peter, Kaplan.
Orig. im Staatsarch. zu Xönigab. — ') Waide später wegen des im Jahre 1410
von ihm geleiteten Anfetandes, wobei das Schloss eingenommen wurde, hin-
gerichtet. (Script rer. Prosa.) — *) Bosemb. — •) Bürgerdorf wird hier
schon erwähnt, wahrend die Handfeste Ar dieses Dorf erst im Jahre 1438
Von Carl Beckherrn. 517
ausgefertigt worden ist (Nr. 77). Dieser Umstand in Verbindung mit dem
Namen „Börgerdorf legt die Vermuthung nahe, dass die Stadt den Entschluss
gefasßt habe, das hier 1374 und 1383 (Nr. 15 n. 21) erworbene Land» weichet
ursprünglich zur Anlegung eines Hegewaldes bestimmt war, als Ackerland zu
verwenden und hier den Bürgern Ackerhufen zuzutheilen, auf welchen diese
dann auch ihre Wirthschaftshöfe errichtet Itaben werden. Die mit der grossen
Entfernung verbundene Unbequemlichkeit ist dann vielleicht später die Ver-
anlassung gewesen, den Bürgern einen Theil der Hufen des bei der Stadt ge-
legenen Bauerndorfes einzuräumen (vergl. Nr. 160), und aus Bürgerdorf im
Jahre 1438 ein Bauerndorf zu machen. Die beabsichtigte Anlegung eines
Hegewaldes bei Bürgerdorf war durch die Erwerbungen von 1427 und 1429
(Nr. 55 u. 60) auch ausführbar geworden.
32) 1402 d. 30. Juni. Heilsberg. Heinrich, Bischof von Erm-
land, genehmigt einen Zinskauf seiner Schwester Adelheid. Zeuge:
Tiburtius Grabow, Vicar zu K.
Cod. dipl. Warm. Nr. 376.
33) 1404« St. Katharina. Johann Graf von Sayn, Komt. zu
Balga, verleiht dem Nicolaus Palefeld die Badestube zu B. frei
zu kölm. Rechten. „Davon sollen die Besitzer der Badstoben alljährlich
op ieclich Quatember zinsen und geben 3 Vierdunge", wovon ein Theil
der Stadt, ein Theil dem Schulzen und der dritte der Herrschaft zu-
fällt. Zeugen: Eberhard von Nyppenburg, H auskörnt; Willem
von Eparwiesecke, Pflg. zu B.; Martin Kempnacher, Kompan;
Jacob, Kaplan.
Abschr. B. Hab. S. 26.
34) 1407« Dienstag vor Mittfasten. Derselbe stellt eine Handfeste
über das Dorf zum Stalle aus. Zeuge: Kuntz von Busigk, Pflg. zu B.
Abfichr. Hndfb. 124.
35) 1407* Mittwoch nach Jacobi. Bartenstein« Ulrich von
Jungingen, HM., beurkundet, dass Herr Gonradt, Pfarrer zu B.,
14 Hufen Wildniss, bei Poblebissen gelegen, welche er früher für
4 Hufen Acker, vor der Stadt B. gelegen und ehemals der Widdern
zugehörig gewesen, von Andres Beimann eingetauscht gehabt, jetzt
an Mauritius gegen Zurückempfang der vier Kirchenhufen bei der
Stadt1) wieder abgetreten habe. Der HM. verleiht dem Mauritius die
oben erwähnten 14 Hufen frei von Dienst und Scharwerk zu kölm.
1
518 Veneiehnias der die Stadt Reitenbarg betreffenden Urkunden.
Rechten gegen einen jährlichen Zins von 3 M. and die Verpflichtung,
dem Pfarrer Conradt und seinen Amtsnachfolgern anstatt des Decems
jährlich 4 Schillinge zu entrichten. Wurde Mauritius aber Leute auf
diese Hufen setzen, so sollen diese dem Pfarrer zu K. Decem geben
„und thun gleich unsern andern deutschen Leuten44. Die 4 Hufen im
R. verleiht der HM. dem Pfarrer Conradt und seinen Amtsnachfolgern
so, wie sie ehemals zur Pfarrkirche gehört haben und ihm von Mauritius
fibergeben worden sind, frei von aller Beschwerniss.*) Zeugen: Conrad
von Lichtenstein, Grosskomt; Friedrich von Wallenrode, ober-
ster Marschall; Werner von Tachtrungen(P), oberster Spitler und
Eomt. zu Elbing; Burchard von Wobecke, oberster Trapier und
Eomt. zu Ghristburg; Arnold Gecken, Tressler; Graf Johann vod
Zein, Eomt. zu Balga; Marquart von Salzbach, Eomt. zu Branden-
burg; Graf Albrecht von Schwartzburg, Eomt. zu Danzig; Herr
Gerhard, Eaplan; Arnoldt von Baden und Bimmudt Brendell,
Eompane; Nicolaus und Gregorius, Schreiber.
Abschr. Hab. 322, foL 156. — ') Vergl. Nr. 3. — *) Vergl. Nr. 60 Aiim. 1.
36) 1408* Corporis Christi. Johann Graf von Sayn, Komt. zu
Balga, verschreibt dem Preussen San tele 1'A Hufen UebermaO zu
Wodungkeim. Zeuge: Euntz von Busecke, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
37) 1411* Friedrich Graf von Zolre, Eomt. zu Balga, ver-
schreibt dem Bittau zu Clausgeyn 1 Hufe daselbst. Zeuge: Jo-
bannes Spete, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
38) 1411* Matthäi. Derselbe verschreibt dem Girke 4 Hufen
im Felde Salbekeim. Zeuge: Johann Spette, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
39) 1412« Derselbe bestätigt einen Landaustausch zu Prassen.
Zeuge: Paul von Russdorff, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
40) 1413« Himmelfahrt. Derselbe verleiht dem Niclas Erause
als Schulzen das Dorf Mulagk. Die Einwohner sollen dem Pfarrer
deijenigen Pfarre, bei welcher sie eingewidmet sind, ') jährlich von jeder
Von Carl Beekherrn. 5ld
Hufe 1 Scheffel Boggen und 1 Scheffel Hafer geben. Zeuge: Faul
von Russdorf, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124. — ') Bastenburg.
41) 1418* Sonntag Judica. Ulrich Zeuge r, Eomt. zu Balga,
verkauft Stinte von Wodungkeim */» Hufe daselbst. Zeuge: Jo-
hann von Benhausen, Pflg. zu B.
Äbscbr. Hndfb. 124.
42) 1421* Visitationis. Bastenburg. Friedrich von Welsen-
dorf, Eomt. zu Rhein, beurkundet, dass Peter Nicolai zu B., Nico-
laus Struwe, Kaspar und Hans im Grunde von den Brüdern
Georg Lorentz und Hans Eüneck zu Bastekayme1) eine Hufe
Acker, bei Pleinen gelegen, zum Gebrauch für ihre Mühle bei Pome-
nigk gekauft haben.
Abschr. Hndfb. 124. — - ') Ezistirt nicht mehr unter diesem Namen.
43) 1423. Bartholomäi. Johann von Benhausen, Pflg. zu B.,
verkauft der Stadt Schiffenburg 22 Morgen Uebermaß.
Abschr. Hndfb. 124.
44) 1424. Himmelfahrt. Bastenburg. Derselbe verleiht dem
Andres Brunwortz „den Baum, begriffen zwischen beiden Flutrinnen
uff diesseit dem freien Wasser kenn dem Moltiche wertis, uff eine halbe
Buthe nach dem Wege von der Stadt Bastenburgu ]) zu kölra. Rechten
frei*) von Zins und Scharwerk. Durch etwaiges Ausbrechen des Mühlen-
dammes entstehender Schaden soll ihm nicht ersetzt werden. Zeugen:
Friedrich von Camentz, Kellermeister zu B.; Andres vonFlissen-
steten, Kellermeister zu Bhein; Jorge Brunwortz, Kaplan.
Origin. in der Lade des 8chnhmachergewerks in R. — Altpr. Monatsschr.
XXI, 676.— ') Der Baum zwischen der Strasse auf der Freiheit» demMflhlen-
kanal, dem ehemaligen Mühlenteiche und der Gaber. — *) Das Original hat
den merkwürdigen Ausdruck „vogelfrei".
45) 1424. Jacobi. Derselbe verschreibt 8 Morgen Uebermaß bei
Baumgarten. Zeugen: Friedrich von Camentz, Kellermeister zu
B.; Andreas von Flyssenstetten, Kellermeister zu Bhein; Herr
Jorge Brunwortz, Pfarrer zu Lamgarben, „mein Kaplan*.
Abseht. Hndfb. 124.
520 Verzeichnis* der die Stadt Raitenbarg betreffenden Urkunden.
46) 1435« Freitag nach beil. drei Könige. Derselbe verschreibt
den Freien Glaubot und Luban zu Mickelnick 9'A Morgen.
Abschr. Hab. 322.
47) 1425. Donnerstag nach Visit. Maria. Derselbe giebt dem Ge-
werk der Schneider zu ß. eine Willkuhr. Zeugen: Friedrich tod
Camentz, Kellermeister; Heidechen von Meylen, Pflg. zu Rhein;
Helfrich von Selboth, Kompan; Hans Prange, Bürgermeister zu
R.; Nicolaus Lenkener, dessen Kompan; Hans Nivorgalt, Hans
Neumann, Stadtkämmerer; Albrecht Hollandt, Albrecht Mer-
gental, Augustin Beyer, Peter Gumman.
Schiffer, nach dem Origin.
48) 1435« Maria Magdalena. Gerlach Merz, Pflg. zu R., con-
firmirt einen Kaufvertrag über 1 Hufe zu Pleinen. Zeugen: Volbrechi
Kellermeister zu R.; Johann Dadenberg, Kompan; Jobst, Kaplan.
Abscbr. Hsb. 322.
49) 1426» Reminiscere. Johann von Benhausen, Pflg. zu B.,
beurkundet, dass er von Merten Gluenstein 6 Hufen, am „Geberge"
gelegen, eingetauscht habe gegen 4 Hufen 5 Morgen zu Passey1) und
freie Holzung in der Heide zwischen Rössel und Baiselaucken.
Zeugen: Helfrich von Selboth, Pflg. zu Rhein; Heidenreich von
Meylen, Kellermeister zu R.; Andreas von Flissenstedteu, Kom-
pan; Niclas, Kaplan.
Abichr. Hab. 322. — () Straushöfen.
50) 1436 d. 10. März werden der Stadt R. vom Orden die 33 Hufen
verliehen, auf welchen später das Stadtdorf Bürgerwald (Prangenao)
gegründet wurde. (Vergl. Nr. 53.)
Diese wichtige Urkunde ist nicht mehr vorhanden, weder im Original, noch
in Abschrift Die obige dürftige Nachriebt findet sich in Schaffens Chronik
und ist von ihm entnommen dem Actenstück Über die Untersuchung der
kleinen Städte.
51) 1436« Maria Magdalena. Rastenburg. Johann von Ben-
husen, Pflg. zu R., verkauft dem Niclas Lenkener zu R. ein Malz-
haus, bei der Flutrinne vor der Stadt gelegen, ') und einen Platz, welcher
vorher de« Nicolaus Hirsberg gehört hat, zu kölm. Rechten, frei
von Zins und aller Beschwerniss. Zeugen: Helffrich von Selboth,
Von Carl Beckherra, 521
Pflg. zu Rhein; Andreas von Flissensteten, Kellermeister zu B.;
Niclas Gol..., Kaplan.
Origin. in der Lade des Schuhmachergewerks zu R. — Altpr. Mooatssohr.
XXI, 677. — ') Auf der Freiheit
52) 1436« Simonis u. Judä. Rastenburg. Derselbe verschreibt
den Einwohnern von Bayselaugken 1 Hufe 2 Morgen Wiese. Zeuge:
Andreas von Flyssenstetten, Kellermeister zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
53) 1436» Martini. Der Rath der Stadt R., vertreten durch
Nicolaus Lenkener, Bürgermeister, Peter Gumman, dessen Kom-
pan, Nyvorgalt, Albrecht Mergental, Albrecht Hollandt,
Rathleute, Augustin Beyer und Hans Neumann, Stadtkämmerer,
beurkundet, dass er mit Genehmigung des HM. Paul von Rassdorf und
des Pflegers zu R. Johann von Beenhusen „ausgegeben" habe an
Hannes Prange ein Dorf, genannt Bürgerwald1) von 33 Hafen zu
kölm. Rechten. Der Schulz erhält 3 Hufen frei mit den kleinen Ge-
richten von 4 Schilling und darunter und den dritten Theil von den
grossen Gerichten. Dafür soll er für die Stadt zu allen Heerfahrten
ein Pferd im Werthe von 8 M. halten.2) Die Besitzer der andern Hufen
erhalten 8 Freijahre und zinsen dann der Stadt jährlich von jeder Hufe
3 Vierdung und 2 Hühner.1) Ausserdem sollen sie für die Stadt von
jeder Hufe ein Viertel Holz aufsetzen, unschädlich ihrem Hegewalde;
wenn sie aber kein Holz haben, so wird der Rath bestimmen, was sie
dafür an Scharwerk zu leisten haben. Die Beuten, welche die Stadt
dort besitzt, behält sie sich vor, ebenso soll es ihr freistehen, auch
fernerhin solche anzulegen. Wer seine Besitzung verkaufen und aus
dem Dorfe fortziehen will, soll zuvor das Geld, welches die Stadt vor*
gestreckt hat, zurückzahlen.4)
Origin. im Staatsarchiv zu Königsberg. — Beckherrn, Rastenbarg S. 119. —
') Prangenau. (Vergl. Nr. 50.) — *) Hieraus geht hervor, dass die Stadt,
wenn auch in ihrer Handfeste nichts darüber bestimmt ist, verpflichtet war,
nicht nnr ihre eigenen Mauern zu vertheidigen, sondern dem Orden auch
Mannschaft zu den Kriegsreisen zu stellen und ferner, wie ans Nr. 77 zu er«
aehen'ist, zwei Pferde für den Warpenwagen. — 3) 3 Vierdung = 6,76 M.
jetzigen Geldes nach dem Silbergehalte, = 27 M. nach dem wirklichen Werthe;
▲Itpr. Mon*tts«hrift Bd. XXH. Hfl 7 n. 8. 34
522 Verzeichniss der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkunden.
der Geldzins von dem Dorfs betragt also 810 R. M. — *) Prangenao wurde
1657 an den Oberst von Groben verpfändet, 1663 aber für 3000 Gulden,
welche die Stadt hiezn von Pomian auf Wossau entlieh, wieder eiogelfct
Im Jahre 1680 wurde es abermals an Herrn von Dargowitz verpfändet und
von diesem 1703 an den Stadtkämmerer Hippel für 8000 Gulden cedirt.
Im Jahre 1704 gelangte es zur Subhastation. (Schaffer.)
54) 1426 am Tage der Einderlein in den weihnachtheiligen Tagen.
Barten. Paul von Bussdorf, HM., verleiht dem Hans Bebra
50 Hufen im Felde Görlitz, im Kammeramt Barten gelegen, f) frei zu
magdeburg. Rechten mit dem innerhalb der Grenzen gelegenen Seechen
Zechesdrien.*) Dazu freie Fischerei mit einer Fusswate und seeh>
Säcken in dem bei dem Gute gelegenen See Michen3) zu Tisches Noth-
durft. Leistungen: Ein redlicher Platendienst4) zu allen Geschreien,
Landwehren, Heerfahrten und Reisen, Bauen neuer Häuser, Brechen und
Bessern alter, jährlich ein Krampfund Wachs und 1 kölnischer oder
5 preussische Pfennige und von jedem Pfluge 1 Scheffel Weizen und
1 Scheffel Boggen.5) Zeugen: Merten Kempnether, Grosskomtur;
Helfrich vonDrahe, Eomt. zu Brandenburg; Heinrich von Plauen,
Pflg. zu Barten; Lorenz, Kaplan; Johann Behnhusen, Pflg. zuB.:
Johann Stockheim, Eompan; Henricus Nicolaus, Schreiber.
Abschr. IL Hsb. S. 27. — Beckherrn, Bastenbarg S. 116. — f) Dieses Gut
gelangte später in den Besitz der Stadt R; wann und auf welche Weise, Issst
Bich weder aus Urkunden noch aus Chroniken mit Sicherheit ermitteln. (Vergl
Nr. 156 u. 158.) — *) Unbekannt Dieser Name ist wahrscheinlich der h&nflg
vorkommende Seenamen Snsdroyen. — ') Moysee. — 4) Nach Ausweis der
Amt8rechnang pro 1698 ist der Platendienst später in Gestellung eines mit
4 Pferden bespannten Warpenwagens umgewandelt worden. — &) Das Pflog-
getreide kommt in keiner andern der alten Verschreibungen der Stadt tot.
Die Amtsrechnung pro 1698 enthält die Angabe, dass die Stadt, in deren
Besitz die Görlitz gelangt war, von altersher 1 Schelf. Weizen and 1 Scheff
Roggen Pfluggetreide zu entrichten gehabt habe. Toppen (ZinsTerfessnng
Preussens) nimmt den Pflug zu 4 Hufen an; danach wurde also das eben
genannte Maß an Pfluggetreide die Leistung eines beackerten Feldes tod
4 Hafen sein. Da die Görlitz nur aus Wald besteht, so sind diese kultiYirten
Hufen Tielleicht in dem jetzigen selbständigen Gute Görlitz zu suchen, welches
an den Wald Görlitz grenzt und früher zum Stadtgebiete gehört zu haben
scheint Die Abtretung dieses Theiles müsste schon vor 1625 erfolgt sein,
Von Carl Beckherrn. 523
denn eine Vermessung in diesem Jahre ergab als Eigenthum der Stadt in der
Görlitz nur ein Areal yon 44 Hufen 28 Morgen 113 QR., welche bei der
Veranlagung zar Contribution von 1674 (Nr. 197) auf 45 Hufen abgerundet
sind. Gegenwärtig enthält die Görlitz 44 Hufen.
Die Abgabe des Pfluggetreides ist übrigens später, zu unbekannter Zeit,
neben dem Geld- und dem Hnhnerzinse für säramtliche Zinshufen der Stadt
eingeführt worden. Die Amtsrechnung pro 1698 giobt das von der Stadt zu
entrichtende Pfluggetreide mit 10 Scheff. Weizen und 10 Schelf. Roggen an,
welche einem kaltivirten Areal von 40 Hufen entsprechen. Diese Zahl stimmt
ungefähr mit der Anzahl der zinspflichtigen Hafen der Stadt nach Abrech-
nung der Waldhufen des bei der Stadt gelegenen Dorfes.
55) 1427* Freitag vor Maria Reinigung. Rast ejn bürg. Paul
von Russdorf, HM., verleiht der Stadt R. für die fleissigen und
mannigfaltigen Dienste ihrer Einwohner 20 Hufen Wald1) zu einem
Hegewalde zu demselben Rechte, welches ihre Haupthandfeste enthält,
frei von Scharwerk, Diensten und bäuerlicher Arbeit gegen Entrichtung
des Recognitionszinses von 4 Pfund Wachs und 4 kölnischen oder
20 preussischen Pfennigen jährlich, „auf daß sie dieselbe Stadt desto
baß befestigen, zuforder endlicher Beständigkeit gedien und Uns und
Unserm Orden in zukommenden Zeiten desto kräftiglicher mögen ge-
dienen." Zeugen: Merten Eempnather, Grosskomtur; Lorentz,
Kaplan; Johann von Beenhusen, Pflg. zuR.; Johann Stogheym,
Johann Saßwitz, Eompan; Henricus Nicolaus, Schreiber.
Origin. im Staatsarch. zu Eönigsb. — ') Bei Bürgerdorf. Diese Lage ergiebt
sich aus Kr. 60.
56) 1427* Johann von Beenhusen, Pflg. zu R., verleiht an
mehrere Personen 30 Hufen bei Zondern.
Erwähnt: Weiss, Pr. Litauen und Masaren I.
57) 1428* Mittwoch nach Lätare. Barten. Paul von Russdorf,
HM., erneuert dem Niclas Preuß seine im Brande von Rössel ver-
loren gegangene Handfeste über Peterkeim. Zeuge: Johann von
Benhausen, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
58) 1428* Ostern. Der Rath der Stadt R., vertreten durch
Nicolaus Lenkener, Bürgermeister, Peter Gumman, seinen Eom-
pan, Augustin Beyer und Hans Neumann, Stadtkämmerer, Nyvor-
34*
524 Veneichnias der die Stadt Rastenbarg betreffenden Urkunden.
galt, Olbrecht Holland und Olbrecht Mergental, Rathleute,
giebt dem Fleischergewerk eine Willkühr.
Origin. im Staatsarch. zu Königsb.
59) 1128» Dienstag nach Martini. Johann von Benhaas en,
Pflg. zu R., verschreibt den Einwohnern von Neuendorf zur Aus-
gleichung yon Mindermaß 3 Hufen Waldes, gelegen an ihren beiden
Hufen bei dem Walde der Stadt R. Zeuge: Niclas Lenkener, Burger-
meister zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
60) 1429» Donnerstag vorGalli. Bastenburg. Derselbe verkauft
der Stadt R. 5* Hufen Wald, gelegen an der Grenze von Eichmedien
bei den vom HM. Faul von Russdorf der Stadt verliehenen 20 Hufen,
bei dem Hegewalde von Neuendorf und an den Grenzen von Burger-
dorf „zu solchem Rechte, als die Handfeste über die Stadt ausweiset.1'
Die erfolgte Bezahlung wird bescheinigt. !) Zeugen: Eckhard von Buch-
hain, Pflg. zu Rhein; Helfrich von Seelboth, Pflg. zu Lyck; An-
dreas von Fliesenstädten, Kellermeister zu R.; Nicolaus, Kaplan.
Origin. im Staatsarch. zu Königsb. — ') Die durch Urkunden bezeugten Er-
werbungen (Nr. 15, 21, 31, 55) bei Bürgerdorf schliessen hiermit ab. Sie
umfassen 45 Hufen. Eine Stelle in Schaffer's Chronik lässt aber ersehen, dass
das Areal der Bürgersdorfer Besitzung grosser gewesen sei. Es werden hier
nämlich die obigen Erwerbungen der Beihe nach einzeln aufgeführt, in diese
aber noch eine solche vom Jahre 1407 in folgender Weise eingeschaltet:
„Herr Pfarrer Conrad giebt seine 14 Hüben zu Poblebißen auch, (nämlich zu
den von der Stadt bei Bürgersdorf bereits erworbenen) auf dass er die 4 Hoben
wieder an die Kirch bringe". (Vergl. Nr. 35.) Das Areal der Bürgersdorfer
Besitzung der Stadt berechnet Schaffer auf 59 Hufen. Dieses Areal entspricht
ungefähr demjenigen, welches die jetzigen aus dieser ehemaligen Besitzung
der Stadt hervorgegangenen Ortschaften Gr. Bürgersdorf, El. Bürgersdorf,
Hinzenhof und der Bürgersdorfer Stadtwald einnehmen. Eine im Jahre 1642
ausgeführte Vermessung ergab zwar nur 55 Huf. 16 Morg. 136 QR. und eine
andere von 1647 für das Dorf 33 Huf. 13 Morg. 266 DB* und für den Wald
23 Huf. 2 Morg. 170 DB., im letzten Falle also im Ganzen ca. 57 Hufen;
diese Differenz kann aber wohl, wie obige Resultate zeigen, auf einer mangel-
haften Ausführung der damaligen Vermessungen beruhen. Durch die Urkunde
von 1407 (Nr. 35), auf welche Schaffer sich stützt, wird also nachgewiesen,
dass die 14 Hufen bei Poblebissen schon früher einen Theil des Stadtgebietes
Von Carl Beckherrn. 525
ausmachten und dieses durch die neue Verleihung der 4 Kirchenhufen eine
Vergrößerung erfahren hat. Aus den Nachrichten Schaffe r's geht auch her-
vor, dass die 14 Hufen hei Poblebissen auch fernerhin bei der Stadt gehlieben
sind, indem der gedachte Mauritius, welchem sie von Neuem verliehen wurden,
wohl als ein Bürger der Stadt anzusehen ist. Poblebissen jetzt Bosemb.
61) 1430» Dienstag nach Himmelfahrt. Bastenburg. Derselbe
verschreibt dem Andres von Salbkeim 2 Hufen zu seinen daselbst
gelegenen 4 Hufen. Zeuge: Andreas von Flißenstädten, Keller-
meister zu ß.
Abschr. Hsh. 322.
62) 1430» Pfingstabend. Rastenburg. Derselbe beurkundet, dass
er von Matthes Tolck, Bürger zu B., den diesem vom Komtur zu
Rhein Friedrich von Wilsdorf verliehenen Baum mit der Ziegel-
scheu ne des Hauses eingetauscht habe, da das Haus die Ziegelscheune
nicht entbehren könne. Matthes Tolck habe dafür erhalten einen Baum
von 24 Morgen, Acker, Wiese, Bruch und Gebüsch, gelegen an der
Woplauker Grenze1) zu kölm. Bechten frei von Zins und Scharwerk.
Zu diesem Baume soll er auch einen Fahrweg durch den Acker des
Hauses haben, welcher bei dem Graben2) von dem nach Schwarzstein
führenden Wege sich abzweigen soll. Zeuge: Eckhart von Buchhain,
Pflg. zu Bheiu; Helffrich von Selboth, Kompan; Andreas von
Flißenstädten, Kellermeister zu B.; Niclas, Kaplan.
Abschr. Hsh. 322, fol. 20. — *) Die Amtsrechnung pro 1698 bezeichnet das
Grundstück als ein heim Vorwerke Bastenburg nach Woplauken zu gelegenes.
Es grenzte wahrscheinlich an den Badersacker und wird später als der Hippeische
Bossgarten erwähnt, welcher den südl. Theil des jetzigen Gutes Charlotten-
berg ausmacht. — 2) Wahrscheinlich der Landwehrgrahen. (Vergl. Nr. 25.)
63) 1430* Der Bath der Stadt B., vertreten durch den Bürger-
meister Niclaus Lenkener, dessen Kompan Peter Gumman, die
Stadtkämmerer Augustin Beyer und Hans Neumann, den Schulzen
Hans Nievorgalt, die Bathleute Albrecht Mergental und Al-
brecht Hollandt und den Stadtschreiber Nicolaus Gabelnau, ver-
schreibt dem Hans Prange eine von den Zinshufen zu Prangen au.
Schaffer, nach dem Origin.
64) 1430* Dienstag vor Johannis Bapt. Bastenburg. Johann
von Benhausen, Pflg. zu B., stellt eine Krugverschreibung für Gel-
526 Verseichniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
wiscbk1) aus. Zeugen: Helfrich von Selboth, Kompan; Andreas
von Flyssenstetten, Kellermeister zu R.
Abschr. Hndfb. 124. — s) Gelbsch.
65) 1430» St. Clementis. Kastenburg. Derselbe verschreibt dem
Hangke von Wodunithen 13 Morgen daselbst. Zeugen: Helferich,
Kompan; Andreas von Flyssenstetten, Kellermeister zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
66) 1431» Purificationis. Bastenburg. Paul von Bussdorf,
HM., erneuert die Handfeste über Bockein. Zeuge: Johann von Ben-
hausen, Pflg. zu B.
Abschr. Hsb. 322, fol. 356.
67) 1431« Freitag vor Palmarum. Bastenburg. Johann von
Benhausen, Pflg. zu B., stellt die Handfeste für Kayskaym1) ans.
Zeuge: Andreas von Flyssenstetten, Kellermeister zu B.
Abschr. Hndfb. 124. — ') Gr. Köskeim.
68) 1431« Heil. Dreifaltigkeit. Der Bath der Stadt B., vertreten
durch den Bürgermeister Peter Gumman, dessen Kompan HansNj-
vorgalt, die Stadtkämmerer Augustin Beyer und Hans Neumann,
den Schulzen Olbrecht Hollandt, die Ratbleute Ol brecht Mergen-
tal und Matthis Scherff und den Stadtschreiber Nicolaus Gabel-
nau, giebt dem Bäckergewerk zu B. eine Willkühr.
Origin. im Staatsarch. zu Königsb.
69) 1433* Freitag vor Palmarum. Heytichen von Meylen,
Pflg. zu B., verschreibt den Falkenauern 2 Hufen. Zeugen: Albrecht
von Dornbach, Kompan; Heinrich Hartfust, Kellermeister zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
70) 1433* März. Bruder Johann, Guardian zu Welau, giebt
dem Gewerk der Bäcker zu B. die Zusicherung, alle Sonntage auf
dem Predigtstuhl für dasselbe bitten zu wollen und jährlich auf Pfingsten,
wenn das Gewerk dem Convent 1/2 Vierdung nach Welau schicken
würde, eine Vigilie und Andacht für solches zu halten und es aller
guten Werke des Convents theilhaftig zu machen.
Schaffer, nach dem Origin.
71) 1434 d. 26. Febr. Bezess des Ständetages zu Bastenburg.
Die Städte kündigen dem HM. ihre Beise nach Basel auf. Der EM.
Von Carl Beckherrn. 527
giebt ihnen Weisungen wegen ihrer Verbindung mit den Hansestädten,
verspricht, den Beifrieden mit Polen, welchen die Livländer anfechten,
nach Becht der Lande und Städte aufrecht zu erhalten. Ferner wird
gebandelt über einen Streit der Stadt Danzig mit dem dortigen Komtur,
den Pfundzoll, den Schaden einzelner Städte im letzten Kriege, die
Gesandtschaft nach Lübeck u. s. w. Vertreter der Städte: Von Gulm
Job ann Stercz, vonThornNiclas Gelen und Tidemann von Allen,
von Elbing Lucas Kybe und Jacob Steinbott, von Königsberg
Michel Matthis und Theoderich Pampow, von Danzig Albert
Huxer und Wilhelm Winterfeit.
Toppen, Acten der Ständetage I.
72) 1434* Gerlach Merz, Pflg. zu B., verschreibt 30 Hufen
zu Quicka.
Erwähnt: Weiss, Pr. Litauen u. Masaren I.
73) 1435» Derselbe verschreibt 20 Hufen zu Zudnochen.
Erwähnt: Weiss, Pr. Litauen u. Masaren I.
74) 1435« [Johann von Benhusen(?)] Pflg. zu E. verleiht der
Stadt R. „einen räumen Weg1) zwischen den Seen4) und dem Hause".
„Und her hot yn ouch eynen briff darober gegeben der unmöglich ist".
Script, rer. Pr. IV, 442. — !) Die Bahnhofsstrasse. — 2) Der Oberteich und
der ehemalige Mühlen teich.
75) 1435* Maria Magdalena. Bastenburg. Johann von Been-
husen, Pflg. zu B.t bestätigt einen Kaufvertrag zwischen Niclas
Strube und Kasper Tyle zu Pomenigk. Zeugen: Volbrecht,
Kellermeister zu £.; Johann Dadenberg, Kompan; Jobst, Kaplan.
Abschr. Hndfb. 124.
76) 1437» Gerlach Merz, Pflg. zu B., verschreibt 30 Hufen zu
Kynstokenbrast1).
Erwähnt: Weiss, Pr. Litauen u. Masuren I. — !) Gregorsdorf.
77) 1488» Jacobi. Der Bath der Stadt B., vertreten durch den
Bürgermeister Nicolaus Lenkener, dessen Kompan Matthis Scherff,
die Bathleute Johannes Paul und Nicolaus von Wenden und die
Stadtkämmerer Matthis Tolk und Hermann Sp&lder, beurkundet,
dass er mit Genehmigung des HM. Paul von Bussdorf und des
Pflegers zu R. Heydechin von Meylen ausgegeben habe an Hans
528 Veraeicbniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
Bewirstein ein Dorf, genannt Bürgerdorf1) von 32 Hufen zu kölro.
Rechten. Der Schulz erhält 2 Hufen frei mit den kleinen Gerichten
und dem dritten Theil von den grossen Gerichten. Dafür soll er für
die Stadt zu allen Heerfahrten ein Pferd im Werthe von sechs Mark
halten. Die Besitzer der andern Hufen erhalten 6 Freijahre und Zinsen
dann der Stadt jährlich von jeder Hufe 1/i M. und 2 Hühner3). „Aach
sollen sie der Stadt warpen mit zween gutten Sweyken zu allen Heer-
fahrten, wo ihrer die Stadt bedarf443). Die Beuten, welche die Stadt
dort besitzt, behält sie sich vor, auch soll es ihr freistehen, auch ferner-
hin solche in dem Hegewalde der dortigen Besitzer anzulegen. Wer
seine Besitzung verkaufen und aus dem Dorfe fortziehen will, soll zu-
vor das Geld, welches die Stadt vorgestreckt hat, zurückzahlen4).
Origin. im Staatsarchiv zu Königsberg. — Beckbern), Rastenburg S. 120. —
J) Vergl. Nr. 31 Anm. 3. — f) !/2 M. = 4,50 M. jetzigen Gelies nach dem
Silbergehalte = 18 M. nach dem wirklieben Werthe; der Geldzins des Dorfes
beträgt also 540 R. M. — 3) Vergl. Nr. 53 Anm. 2. — 4) Weiteres über
Bürgerdorf unter Nr. 204 u. 222.
78) 1438* Donnerstag nach Michaelis. Heitchen von Meyleu,
Pflg. zu B., verschreibt den Löwen steinern 2 Hufen 10 Morgen Wald,
zwischen Landskron, Kaltwangen und Dietrichsdorf gelegen.
Zeugen: Albrecht von Dornbach, Kompan; Heinrich Hartfust,
Kellermeister zu B.
Abscbr. Hsb. 322, fol. 262.
79) 1439« Montag nach Kathedra Petri. Bastenburg. Derselbe
verschreibt den Einwohnern von Mulack 6 Hufen Wald, an der Thur-
wange und bei Wilkendorf gelegen. Zeuge: Johann von Jünters-
berg, Kellermeister zu B.
Abscbr. Hndfb. 124.
80) 1439* Donnerstag nach Barnabä. Leunenburg. Derselbe
verschreibt dem Thomas und Leonhart Sparwin 20 Morgen Wiesen
bei Ghelwysk1). Zeugen: Hippenburgk, Kompan; Johann von
Güntersbergk, Kellermeister zu B.
AbBchr. Hndfb. 124. — f) Gelbs eh.
81) 1439« Bastenburg. Derselbe verleiht dem Matthes von
der Albe 2 Hufen Wald, an den fünf Hufen bei Beimannsdorf1)
Von Carl Beckherrn. 529
gelegen, seinem Dienste zu Hilfe zu solchem Rechte, wie es seine Hand-
feste ausweist. Bei späterer Vermessung soll er etwaiges Ueberraafl
behalten, Mindermaß ihm aber nicht ersetzt werden. Zeugen: Ostwald
Holtzappel, Pflg. zuLyck; Johann von Dobenbach, Pflg. zu Rhein;
Johann von Günthersberg, Kellermeister zu R.
Die Abschrift im R. Hdb. 8. 350 bat die Ueberechrift: „Handlest Aber der
Armen Wolle hinter Reimsdorf". Hiernach bilden diese beiden Hafen also
einen Bestandteil des jetzigen Gutes Wolka, des ehemaligen Hospital-
▼orwerks Jerusalem oder Wolla. — *) Reimsdorf.
82) 1440« Dienstag nach Mittfasten. Leunenburg. Derselbe ver-
schreibt den Einwohnern von Zandersdorf 2 Hufen zu Maysucken.
Zeugen: Heppenberg, Kompan; Johann von Güntersberg, Keller-
meister zu B.
Abschr. Hab. 322.
83) 1440. Derselbe verschreibt den Einwohnern von Mulack
eine 1 Seil breite Viehtrift von ihrer Grenze an, zwischen Prangenau
nnd Gyrdete's Grenzen, an dem Zcyngkreyn1) entlang bis an ihren
Wald. (Vergl. Nr. 90.)
Abschr. Hndfb. 124. — ') In der Ämtsrechnung pro 1698 Sackereyen genannt,
der früher bei Wolka gelegene und im Anfange dieses Jahrhunderts abge-
lassene See.
84) 1440« Derselbe verschreibt 30 Hufen zu Alt-Fastzen.
Erwähnt: Weiss, Pr. Litauen u. Masuren I.
85) 1410. Himmelfahrt. Elbing. Bürgermeister und Rathmänner
der Städte Bastenburg, Bartenstein, Friedland und Schippen-
beil untersiegeln den Bundesbrief vom 14. März 1440.
Toppen, Acten der Stände tage IL
86) 1440. Heitchenvon Meylen, Pflg. zu R., verschreibt einem
Freien zu Mickelnick 3 Hufen.
Amtsrecbnung pro 1698/99.
87) 1440+ St. Stephani. Rastenburg. Conrad von Erlichs-
hausen, HM., verschreibt dem Eunz Stange 9 Hufen Feld und
3 Hufen Damerau zu Gluenstein1) gegen Abtretung von 15 Hufen
zu Greselagk1). Zeuge: Heidechen von Meylen, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124. — ') Glubenstein. — s) Grieslack.
1
530 Veneicbnisi der die 8t*dt Battenberg betreffenden Urkunden.
88) 1441 d. 23. April. Marienburg. Bezess der Tagfahrt. Es
wird über die Formel des Huldigungseides, die Bestätigung der Privi-
legien und Abstellung der Beschwerden, insbesondere der kleinen Städte
verhandelt, desgl. auch über einen jährlich abzuhaltenden Richttag.
Vertreter der Stadt B. Nicolaus Lenkener und Hans Ny vorgalt.
Toppen, Acten der Standetage JL
89) 1442» Sonntag Quasimodogeniti. Bartenstein. Der Komtur
zu Balga berichtet dem HM.: Der Pfleger zu Basten bürg1) habe am
gestrigen Tage alle ehrbaren Leute des Bastenburgischen Gebietes und
die Bürger von Bastenburg und Schippenbeil zu Leunenburg
versammelt gehabt und ihnen daselbst die Antwort der übrigen Bitter,
Knechte und Städte des Balgischen Gebietes mitgetheilt9), welcher Alle
zugestimmt hätten.
Toppen, Acten der Ständetage IL — ') Heitchen von Merlen. — *) Diese
hatten erklärt, dass sie dem HM. in seinem Rechte beistehen wollten, und
dass sie des häufigen Reisens zu den Tagfahrten überhoben sein möchten, Ji
sie dem HM. und den Gebietigern zutrauten, dass diese für sie wohl ratben
würden. Auch hatten sie gebeten, dass ein gutes Regiment eingeführt würde.
90) 1442* St. Georg». Bastenburg. Heidichen von Meylen,
Pflg. zu B., verschreibt dem Hans Zappe 14 Morgen, gelegen am
Czockereyen und demFliess, welches von derThurwange herunter-
kommt, für Abtretung einer Viehtrift an die Mulacker. (Y ergl. Nr. 83.)
Abschr. Hndfb. 124.
91) 1443« Ulrich Zenger, Komtur zu Balga, verkauft dem
Wayke von Wodunithen 1/2 Hufe Uebermaß zu Wodungkeim.
Zeuge: Johann von Benhusen, Pflg. zu B.
Abschr. Hndfb. 124.
92) 1443« Montag nach Corporis Christi. Bartenstein. Der Komi
zu Balga berichtet dem HM., dass er mit den Städten Bastenburg,
Schippenbeil, Zinten und Heiligenbeil über „die Vergebung und
Verschreibung" verhandelt habe. Sie hätten sich dabei auf die grösseren
Städte des Hinterlandes bezogen, da keine gern die erste sein wolle.
Er habe diese und noch einige andere Städte auf nächsten Donnerstag
zu einer Tagfahrt nach Pr. Eilau berufen.
* Toppen, Acten der St&ndetage II.
Von Carl Beckherrn. 531
93) 1443 d. 13. Juli. Leunenburg. Der Pfleger zu Rasten-
burg1) berichtet dein HM. über seine Verhandlungen zu Leunenburg
mit den Amtseingesessenen wegen der Kriegsrüstungen *).
Toppen, Acten der Ständetage IL— ') Heinrich von Richtenberg. (?) —
*) Zur Abwehr .eines Angriffs, welchen der Herzog von Mecklenburg auf die
Neumark beabsichtigte.
94) 1446 d. 8. Juli. Beystern. Der Komtur zu Balga ertheilt
dem HM. den Bath, die Städte Bartenstein und Bastenburg und
die andern klein an Städte dazu zu bewegen, dass sie in Marienburg mit
den Marienburgern sich über die Angelegenheiten einigen möchten,
welche auf der von den Culmern angesetzten Tagfahrt zu Marienwerder
zur Sprache kommen sollten. Auch würde es rathsam sein, Nicolaus
Lenkener1) dorthin kommen zu lassen.
Toppen, Acten der Standetage IL — f) Bürgermeister zu B.
95) 1446 d. 14. Juli. Eilau. Der Eomt. zu Balga schreibt dem
HM., dass er, noch bevor er die Anweisung erhielt, „ap ich's künde
gefugen, das die stete meyns gebietes unde Bastenburg und die andern,
das ewir gnadq nicht dorinne vormereket wurde, uff disse czyth nicht
czum tage ken Marienwerder quemen", diese Städte in Eilau versammelt
und veranlasst gehabt, dem HM. zu schreiben, sie wurden sich gern
einstellen, wenn er eine Tagfahrt ansetzte. Da sie nun nach Marien-
werder geladen wären, hätten sie ihn um Bath gefragt; er habe ihnen
mit Hinweisung auf jenes Schreiben gerathen, daheim zu bleiben.
Toppen, Act. d. Standet IL
96) 1448 d. 18. u. 19. Febr. Bastenburg. Verzeichniss der
Personen, welche zu B. den ewigen Frieden beschworen haben.1)
Conrad von Erlichshausen, HM.; Nicolaus, Bischof von
Ermland; Eilian von Exdorf, oberst. Marschall; Gerlach Mercz,
Komt. zu Brandenburg; Erick, Pfleg, zu R.; Ludolf von Vesten-
berg, Pfleg, zu Tapiau; Albr. Beibenicz, Pfleg, zu Orteisburg;
Hans Heczel von Sessingen, Pfleg, zu Gerdauen; Heinrich Benff-
Hn von Bichtenberg, Koropan; Johann, Pfleg, zu Rhein; Paul
Wyn, Domprobst zu Königsberg; Nico laus, Domherr und Official zu
Königsberg; Hans von Köckeritz, Hauptm. zu Costrin; Lupolt
Swynshoupt, Pfleg, zu Schaken; Gottfr. von Meyenthal, Pferde-
632 VerieichoiBi der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
marschall zu Königsberg; Antonius vom Steyne, Pfleg, zu Grünhof:
Wilhelm Schotte, Haaskomt. zu Labiau; Kaspar Czolner, Haas-
komt. zuBalga; Heincze von Lichtensteyn, Kellermeister zu Balga.
Von erbaren Leuten aus dem Bastenburgischen Kammeramte: Wilhelm
von Scherffs, Otto von Scherffs, Gregor Preymog, Tibur-
tius von der Hoffen. Vom Rathe der Stadt Bastenburg: Johannes
Ny vorgalt, Bärgermeister; Nicolaus Lenkener, alter Bürgermeister;
Melchior, Kompan des Bärgermeisters; Niclas Gagar, Schulz:
Niclas von Wende, Stadtkämmerer; Hans Döring, dessen Kom-
pan; Hans Bardin, Bathmann. Von den Schoppen: Nicolaus
Hirczberg, Schoppen meister; Andres Gruneche, Erasmus Bel-
garth, Niclaus Glasouge, Jobannes Klingenberg, Hans Har-
denack, Michel Prange und Peter Herre. Ausserdem noch An-
gehörige der Gebiete Königsberg, Brandenburg und Balga.
Toppen, Act. der Ständet. III. — ') Der im Jahre 1435 zu Brzesc zwischen
dem Orden und Polen geschlossene Frieden sollte vertragsmässig alle zehn
Jahre von beiden Theilen von Neuem beschworen werden.
97) 1450 d. 20. April. Elbing. Verhandlung des HM. mit den
Ständen wegen der Huldigung. Unter den in der Versammlung ver-
tretenen Städten wird auch Bastenburg genannt.
Toppen, Act. d. Standet. III.
98) 1460« Wolfgang Sauer, Pflg. zu B. ertheilt dem Zinsdorfe
Gußepilke1) eine Handfeste über 66 Hufen.
Erw. Weiss, Pr. Lit. u. Mas. I. — *) Gutten.
99) 1451 d. 5. Sept. Marienwerder und Marienburg. Land
und Städte bitten, alle Mitglieder des Bundes, deren mehreren für dies-
mal die Besendung des Tages verboten war, zu einer Tagfahrt zu ver-
sammeln, um das Schreiben des Komischen Königs und der Kurfürsten
über die Ungesetzlichkeit des Bundes beantworten zu können. Der HM.
giebt widerstrebend seine Zustimmung. Unter den in der Versamm-
lung vertretenen Städten wird auch Bastenburg genannt.
Toppen, Act. d. Ständet 111.
100) 1451 d. 24. Sept. Elbing. Bezess der Tagfahrt. Die grossen
und kleinen Städte erneuern ihre Bundesgelübde. Land und Städte bitten
den HM. um Rath und Vertretung dem Komischen Könige gegenüber.
Von Carl Beckherrn. 53$
Der HM. räth ihnen, dem Schreiben des Römischen Königs und der
Kurfürsten Folge zu leisten und den Bund aufzulösen, und verspricht
ihnen Schutz gegen Gewalt und Unrecht. In den am 25. und 26. fort-
gesetzten Verhandlungen wird keine Einigung erzielt. Vertreter Raste n-
bnrgs: Johann Nyvorgalt und Melchior.
Toppen, Act. d. Ständet. III.
1C1) 1451 d. 21. Oct. Elbing. Rezess der Tagfahrt. Die kleinen
Städte verpflichten sich von Neuem, beim Bunde zu bleiben und er-
theilen den grossen Vollmacht, für sie zu handeln. Auch wünschen
sie, nicht so oft zu Tagfahrten berufen zu werden. Der HM. fragt an,
ob Land und Städte die von ihm entworfene Versicherungsschrift über
den zu gewährenden Schutz gegen Gewalt und unrecht annehmen wollen.
Die Stände wollen darüber auf einer bis spätestens Martini 1452 zu
Marien werder abzuhaltenden Tagfahrt berathen. Vertreter Rasten -
burgs: Melchior Gzimmermann und Niclas Glosow.
Toppen, Act. d. Ständet. III.
102) 1452» Freitag vor Johannis Bapt. Rastenburg. Wolf-
gang Sauer, Fflg. zu R., erneuert den Einwohnern des Dorfes Neu-
Wilkendorf ihre vom früheren Fflg. Joh. v. Benhausen ausgestellte
Handfeste. Zeugen: Jacob Becherer, Priesterbruder; Burgkart,
Pflg. zu Rhein; Kaspar von Holheim, Eompan; Ulrich von Otten-
berg, Kellermeister zu R. ; Hans von Kaysen, „mein44 Landkämmerer;
Johann Langerbein, „mein41 Kaplan.
Abschr. Ebb. 322.
103) 1452 d. 10. Sept. Rastenburg. Der Pfleger zu R.f) schreibt
dem HM: „Sundir dy burger zcu Rastenburgk sprochen alßo ge-
meynlich: Wir weiden, das got weide, das wir des bundes los weren
unde domethe nichts zcu thun hetten, wenne wir haben seyn keynen
nutz unde firomen, alleyn das unser arme stad dovon zcu muh unde
nff große czerunge und schaden ist gekomen".')
Toppen, Act. d. Ständet, in. — f) Wolfgang Saner. — *) Die Stadt hat
danach also schon vor dem Ausbräche des Krieges und vor den von den Chro-
nisten erwähnten Verlosten an Mannschaft nnd Material bei ihren Unterneh-
mungen gegen Tapian (1455), Bössei (1456) nnd gegen Samland (1461) durch
ihren Beitritt zum Bande bedeutende Unkosten nnd Verluste tu tragen gehabt
534 VereeichniM der die Stadt Raetenburg betreffenden Urkunden.
104) 1458 d. 30. Oct. Schreiben des HM. über die am Sonntage
nach Simonis et Judä erfolgte Entsendung des Pflegers zu R. Wolf-
gang Sauer an den Römischen König.
Toppen, Act d. Ständet III.
105) 1453 d. 25. Febr. Marien wer der. Rezess der Tagfahrt.
In Gegenwart der kleinen Städte erstatten die Sendeboten Bericht über
ihre Verrichtungen beim Kaiser. Ein Schoss für die Zwecke des
Bundes wird beschlossen, die Einsetzuug eines engeren Rathes zur Leitung
seiner Angelegenheiten, die Zusammenstellung der Beschwerden über
die Ordensregierung, die Prüfung der Klagen von Privatpersonen gegen
den Orden und eine Gesandtschaft nach Masovien werden angeregt
Vertreter Rastenburgs: Melchior, Niclos von Wenden, Frede-
landt, Niclos von der Stroe, Paul Becker.
TCppen, Act d. Ständet. III.
106) 1453 d. 13. März. Rastenburg. Der Pfleger zu R. l) schreib:
dem HM: Schippenbeil habe wegen des vom Bunde verlangtes
Schosses erklärt, dabei thun zu wollen, was die andern Städte thäten,
die erbaren Leute aber und die Rastenburger, sie hätten mit der
Sache nichts zu thun.2)
TOppen, Act d. Ständet III. — J) Wolfgang Sauer. — ') Dieses Wider-
streben gegen die Anforderungen des Bandes hatte die Stadt aber schon im
Jahre 1456 aufgegeben, denn sie zahlte nun an den Bund 1150 Golden.
(Schaffer.)
107) 1453 d. 10. Aug. Rezess der Städte aber den Ständetag zu
Oraudenz. Unter andern Beschwerden wird folgende Gewaltthat des
Pflegers zu R. Sauer zur Sprache gebracht. Der genannte Pfleger
hatte dreien Leuten befohlen, nach seinen Beuten in der Wildniss zu
sehen. Als er diese beim Fischen betraf, zwang er den einen, die
beiden andern aufzuhängen, worauf er jenen selbst so lange unter das
Wasser tauchte, bis er ertrunken war.
TOppen, Act. d. Ständet IV.
108) 1454 d. 22. Febr. Eibin g. Land und Städte berichten naeb
Thorn, dass unter andern Ordenshäusern auch das Haus Rastenbarg
in die Gewalt der Aufständischen gelangt sei.
Toppen, Act d. Ständet IV.
Von Carl Beekherra. 535
109) 1454 d. 12. April. Graudenz. Die kleinen Städte geneh-
migen die Verhandinngen wegen der Uebergabe des Landes an den
König von Polen und ermächtigen die grossen Städte, in ihrem Namen
zu untersiegeln. Vertreter Rastenburgs: NiclosGlaßaw und Nie-
los Molner.
TOppen, Act d. Standet. IV.
110) 1454 d. 19. Juni. Königsberg. Melchior Czimmer-
man, Bürgermeister zu R., untersiegelt im Namen der Stadt die
Huldigungsurkunde für den König Casimir von Polen.
Script rer. Pioss.
111) 1454 d. 13. Juli. Graudenz. Rezess der Tagfahrt. Eine
Steuerauflage wird beliebt, die Einkünfte des Landes werden den Städten
versetzt. Rasten bürg ist auf 400 M. eingeschätzt
Toppen, Act d. Standet IV.
112) 1456 d. 19. April. Tagfahrt zu Elbing. Auf derselben
werden Briefe der Städte Heilsberg, Schippenbeil, Rastenburg,
Bartenstein, Seeburg, Friedland und Guttstadt verlesen, worin
diese anzeigen, dass sie die Tagfahrt nicht beschicken können, weil
„sie vom finde halben mechtiglichen uff allen zeiten ummegeben und
alle straßen vorlegt werenu. Sie versprechen, Alles, was auf der Tag-
fahrt beschlossen werden würde, gutzuheissen.
Toppen, Act d. Standet IV.
113) 1456 am Dienstage zu Pfingsten. Rastenburg.1) Albrecht
Voith, Hauptmann zu Rastenburg,9) und die andern „Hofleute" da-
selbst befehlen den Dienstpflichtigen zu Paaris, Wolfs dorf, Glit-
tehnen, Dörings und Romsdorf, angesichts dieses Briefes die
Partei des Ordens zu ergreifen und sich bei ihnen einzufinden; Wenn
sie ausblieben, würde man ihnen „greifen zu Leib und zu Oute und
sie in die Grund bornenu. Der Brief soll bei Niemand zurückgehalten,
sondern in die andern Dörfer geschickt werden, damit Niemand zu
Schaden komme.
Origin. im Staatsarcb. zu Kftnigsb. — N. Pr. Prov.-Bl. 2. F. V, 035. — ') Der
Brief bat zwar im Datum Rastenburg, es kann aber damit nicht die Stadt
oder das Haus gemeint sein, welche erat 1461 wieder in die Gewalt des
Ordens gelangten (vergl. Nr. 114), sondern nur das Lager der Einschliesaunga-
536 Veraeichniw der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkauden.
trappen Tor der Stadt (rergl. Nr. 112). — *) Söldnerhauptmann des Ordens,
üeber seine Belohnung mit Leunenborg s. Altpr. Monafoschr. XVIII, 416.
114) 1461« Dienstag vor Martini. Königsberg. Ludwig von
Erlicbshausen, HM., gewährt in den nachstehenden Artikeln der
Stadt Bastenburg Verzeihung und Aufrechthaltung ihrer alten Privile-
gien, weil sie nach ihrem Abfalle vom Orden und Beitritt zum preus-
sischen Bunde „sich mit wollbedachtem Muthe und mit freiem
gutem Willen, ohne harten Bedräng14 dem Orden wieder unter-
worfen habe.1)
1. Alle während des Abfalles verübte Uebelthaten, Mord, Tod-
schlag, „Versäufung",8) Brand, Zerstörung von Häusern und Höfen, un-
befugte Zinserhebung, sollen für immer vergeben und vergessen sein.
2. Die Stadt und alle Landleute, welche sich in derselben auf-
halten und beim Orden bleiben wollen, sollen in allen ihren Privile-
gien, Freiheiten und Gerechtigkeiten erhalten werden.
3. Die Bärger und Landleute, welche bei dem Orden bleiben wollen,
haben Alles, was dem Orden an Gold, Silber, Kleinodien, Geld, Kircben-
und Hausgeräthe entwendet worden, „und noch vor Augen ist, heimlich,
verborgen oder offenbar", wieder abzuliefern. Diejenigen aber, welche
von dem Orden und aus der Stadt ziehen wollen, können dasselbe
behalten.
4. Jeder Einwohner der Stadt mag das, was er auf dem Lande
an ausstehenden Forderungen hat, als Geldschulden, Getreide und
Waaren einziehen mit Ausnahme derjenigen, welche er an den Orden,
dessen Bruder oder Hofleute hat.
5. Von seiten des Ordens werden „allerlei Güter, wie die benannt
werden mögen", die von den Bürgern und Landleuten dem Orden aus
Schlössern, Höfen, Dörfern, Mühlen und von Strassen genommen worden
sind, ebenso aller Zins und Erbgeld nicht reclamirt werden, mit Aus-
nahme dessen, „was noch vor Augen ist, gefunden wird und hernach-
mals gefunden werden mag und besonders, was im Anfange dieser
Kriege geschehen ist".
6« Allen denjenigen, welche unter dem Orden nicht bleiben wollen,
steht es frei, innerhalb dreier Monate fortzuziehen.
Von Carl Beckherrn. 537
7. Wenn diese Leute ihr Erbe und liegende Gründe innerhalb
dreier Monate verkaufen, soll ihnen ihr Erbgeld nicht zurückgehalten
werden.
8. „Wie sich alle diese Dinge und Betrübnisse verwehet haben
iü dem Beifrieden, den Wir mit dem Könige zu Polen hatten,3) oder
sonst mit andern Sachen und Verwirkungen, wie, wo oder wann sich
diese Dinge begeben haben, es sei mit Fahrung, Schätzung, Schelt-
wort, Todschlag, Bürgschaft, und wie sich's alles verlaufen hat, soll
alles todt, hingelegt und vergessen sein."
9. Der Orden wird während des Krieges die Stadt nicht verkaufen,
versetzen oder verpfänden.
10. Derselbe verspricht auch, die Stadt während des Krieges nicht
mit ausländischen Truppen zu belegen, sondern zur erforderlichen Be-
satzung nur Inländer zu verwenden.
11. Diejenigen Einwohner der Stadt, welche, vom Orden gefangen
und gegen mündliches oder schriftliches Gelöbniss freigelassen, wort-
brüchig gewesen sind, sollen deshalb nicht weiter verfolgt werden.
12. Wenn von Einwohnern der Stadt etwas an Zins oder Erb-
geld unrechtmässigerweise aufgehoben oder empfangen worden sein sollte,
so wird dem nicht weiter nachgeforscht werden. Alle sonstigen Ver-
günstigungen, welche der Orden andern sich ihm wieder unterwerfen-
den Städten gewährt, sollen auch Bastenburg zutheilwerden.
Zeugen: Ulrich von Rys^phoffen, Grosskomt.; Heinrich
Keuß von Plawen, oberst. Spitler und Komtur zu Elbing; Wilhelm
von Eppingen, Komt. zu Osterode; Hans Narwe, Hauptm. zu Bagnit
und Labiau; Werner Oberstoltz, Kirchenvogt auf Samland; Chri-
stoph Eylinger, alter Vogt der Neumark; Veith von Gich und
Heinrich Nothafft, Kompane; Johannes Winckeler, Doctor und
Kanzler; Augustinus und Ludovicus> Schreiber.
Origin. im Staatsarch. zu Königsb. — Beckherrn, Rastenburg S. 100. —
') Wie in dem ganzen Schriftstücke, so auch besonders in diesem Passus do-
kumentirt sich die Schwäche des Ordens, denn durch denselben soll das Ver-
halten der Stadt nur beschönigt werden; sie ergab sich in der That erst
nach einer längeren Einschliessung und nach der Zerstörung der Vorstadt
durch die Ordenstruppen. — 2) Bezieht sich auf die Ertrankang des Pflegers
Altpr. Itonauichrift Bd. XXII. Hft. 7 n. 8. 35
538 Vereeichniss der die Stadt Rasteaburg betreffenden Urkunden.
Wolfgang Sauer. Diese Gewalttbat dürfte durch Nr. 107 ihre Erklärung
finden. — 3) Am 13. Juli 1459 wurde zwischen dem Orden und dem Könige
von Polen ein Waffenstillstand abgeschlossen. Diesen hat von polnischer
Seite unterzeichnet Fritz Machwitz, Hauptmann zu Basten bürg und
Schippenbeil.
115) 1463* Dienstag vor Martini. Schadeck. Kasimir, König
von Polen, präsentirt den ehemaligen Pfarrer zu Rastenburg Jo-
hannes auf Wunsch der Stadt Elbing zum Pfarrer dieser Stadt.
Origin. im Stadtarchiv zu Elbing.
116) 1465 d. 14. Januar. Der Rath der Stadt R., vertreten durch
den Bürgermeister Melchior Zimmermann, den alten Burgermeister
Thomas Neumark, den Kompan des Bürgermeisters Niclaus Glau-
sow, die Stadtkämmerer Peter Herre und Hans Frank und den
Rathmann Hans Gruneche, giebt dem Gewerke der Schuhmacher
zu R. eine neue Willkühr.
Schaffer, nach dem Origin. Derselbe bringt daraus noch die Notiz, dass da3
Gewerk eine Kerze in der Kapelle zum heiligen Kreuz auf der Frei-
heit unterhalten habe. (Vergl. Nr. 186.)
117) 1467* Dienstag vor Neujahr. Königsberg. Ludwig von
Erlichshausen, HM., verschreibt auf Lebenszeit dem Niclas Glaß-
oge, Bürger zu R., wegen seiner dem Orden im Kriege geleisteten
Dienste1) das Dorf Bardinykayme2) und 6 Morgen Acker, die ehe-
mals einem Pfleger zu R. gehört haben, frei von allen Pflichten. Dazu
freie Fischerei im Gubersee.
Abschr. Hndfb. 5. — J) Hiernach scheint die Stadt, nachdem sie sich im
Jahre 1461 dem Orden wieder unterworfen, diesem in den letzten Kriegsjahren
noch Mannschaft gestellt zu haben. Allerdings kann sich die Belohnung des
Glaßoge auch auf Dienste anderer Art beziehen; vielleicht hatte er eifrig für
die Uebergabe der Stadt an den Orden gewirkt. — 2) Vergl. Nr. 122.
118) 1479 d. 6. Nov. Nicolaus, Bischof von Ermland, investirt
den vom Hauptm. zu K. Veit Feuchter, dem Pfarrer Kaspar Be-
deke, dem Bernd Weise und Christoph Scolin präsentirten
Andreas Schonewaldt in die Yicarie zum heil. Leichnam [an der
St. Georgenkirche] zu E.
Script rer. Warm. Investiti.
119) 1480* St. Andrea. Bastenburg. Georg Bamningk von
Von Carl Beckherrn. 539
Ramegk, Komt. zu Rhein, ertheilt der St. Jacobsbrüderschaft
zu K. ein Privilegium. Zeugen: Heinrich von Seben, Hauskomt.
zu Königsberg; Beinhart vom Berge, „unser" Kellermeister; die
erbaren und vesten Veit Feuchter, Hauptm. zu R.,1) Berendt
Leinbacher, Jorge Ertzstätter, Gregor Landvoyth; Casper
Betkc, Pfarrer; Thomas Neumargkt, Bürgermeister; Joseph von
der Phorie; Herten Colman, Schulz; Niclas Prange, Hans
Francke, Jacobus Hollandt, Niclas Bendel, Andreas Bern-
hart, Paul Dingwerth, Michel Tyle, Hans Hollandt, Greger
Staude, Äelterleute; Lanzenius, Stadtschreiber.
Origin. im Staatsarch. zu Königsb. — Die Abschrift im R. Hsb. hat die Ueber-
schrift: „Ein altes Privilegium, so die Schützenbrüder in der Gartenlade auff-
gehoben und au ff welches ihre Gartengesetze zum Theil sich gründen". Da-
nach hat also die St. Jacobsbrüderschaft zu der Schützengilde in Beziehung
gestanden und ist wahrscheinlich aus dieser hervorgegangen. Die Jahres-
zahl 1420 in der Abschrift ist falsch und nach der oben stehenden zu berich-
tigen. — ') Söldnerhauptmaun des Ordens. Der HM. bestätigt 1489 die an
Feuchter geschehene Verpfändung für rückständigen Sold von 800 M. der
Orte Glaubitten, Goddocken, Paßlack und Köskeim, (Altpreuss. Monats-
schrift XI, 271.)
120) 1481* Sonntag Jubilate. ßastenburg. Georg Ram-
ningk von Ramegk, Komt. zn Rhein, verschreibt dem Michel Tyle
3 Hufen zu Gr. Galbun. Zeuge: Veit Feuchter, Hauptm. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
121) 1481 d. 12. Mai. Nicolaus, Bischof von Ermland, inve-
stirt den vom HM. Martin Truchsess von Wetzhausen präsentirten
[samländischen Domherrn und Hauskaplan des HM.] Nicolaus Kreuder
als Pfarrer an der St. Georgenkirche zu R.
Script, rer. Warm. Tnvest.
122) 1481» Donnerstag vor Urbani. Die Stifter und Lehnherren
der neugestifteten Brüderschaft Unserer lieben Frauen zu R.
Veit Feuchter, Hauptmann zu R., und Christoph Scolin1) ver-
leihen und verschreiben dem Schulzen Peter Persigk, den Rathleuten
und der ganzen Gemeinde zu Neuendorf 6 Hufen zu Bardinckeim,')
neben Neuendorf gelegen, nach Inhalt ihrer Handfeste frei von Dienst
35*
540 Verzeichnis! der die Stadt Rasten barg betreffenden Urkunden.
und Schanverk. Die Gemeinde Neuendorf hat dafür der oben genann-
ten Brüderschaft jährlich UM. geringen Geldes zu entrichten.
Abschr. R. Hsb. S. 351. — Altpr. Monatsschr. XX, 296. — ■) Die Scolin
werden im Anfange des 15. Jahrhunderts in dem Verzeichnis der pro assi-
schen „Könige" des Kararoeramtes Pr. Holland aufgeführt (Vgl. Kr. 3, An-
nierk. 4.) — 2) Im Kirchenvisitationsrezcss von 1565 Bardiene n genannt.
Der Name steht jedenfalls in Beziehung zu dem der Familie Bardin, tuii
welcher einige Mitglieder in Aemtern der Stadt B. aufgeführt werdeu. Das
Dorf existirt nicht mehr.
123) 1482* Nicolaus, Bischof von Ermland, investirt den vom
Hauptm. zu K. präsentirten Marcus Eckard in die Vicarie des heil.
Laurentius [an der St. Georgenkirche] zu R.
Script, rer. Warm. Invest
124) 1484« Präsentationis Maria. Rastenburg. Martin Trucli-
ses, HM., verleiht dem Andreas Behm bl/2 Hufen zu Gr. Gal-
bun. Zeuge: Bernhart Droe, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
125) 1484 d. 27. Juli. Nicolaus, Bischof von Ermland, inve-
stirt den vom Hauptm. Veit Feuchter präsentirten Martin Sartoris
in die Vicarie der heil. Katharina an der St. Katharinenkirche in der
Vorstadt zu R.
Script, rer. Warm. Invest.
126) 1484 d. 15. Dez. Derselbe investirt den von der Wittwe des
Anselm von Tettau präsentirten Nicolaus Jawer in die Vicarie
Compassionis Mariae [an der St. Georgenkirche] zu R.
Script rer. Warm. Invest.
127) 1484 d. 15. Dez. Derselbe investirt den von Veit Feuch-
ter präsentirten Alexander Wilke in die Vicarie der Heiligen Nica-
sius, Sebastian, Rochus und Sylvester [an der St. Georgenkirche] zu R.
Script, rer. Warm. Invest.
128) 1485 im Juni. Derselbe investirt den von Veit Feuchter
präsentirten Georg Rusticus in die Vicarie zum heil. Kreuze [in der
Kapelle zum heil. Kreuze auf der Freiheit] zu R.
Script rer. Warm. Invest
129) 1485 die Veneris nonas mensis Septembris. In Castro Nostro
Heilsberg. Derselbe bestätigt der St. Jacobsbrüderschaft zu R.
Von Carl Reckherrn« 541
das ihr [vom Komt. zu Rhein Georg Ramningk von Ramegk] ertheilte
Privilegium !) unter Verwerfung einiger auf die zu veranstaltenden
Schmausereien sich beziehenden Artikel und unter Bewilligung eines
vierzigtägigen Ablasses für diejenigen, welche den Zwecken der Bruder-
schaft förderlich sein werden.
Abschr. (latciu.) R. Hsb. — Altpr. Monatsschr. XX, 294.— *) Vergl.Nr. 119.
130) i486 d. 1. Aug. Derselbe investirt den Lazarus Reymann
in die Vicarie zum heil. Geiste [im Hospital] zu R.
Script, rer. Warm. Invcst.
131) 1486 d. 7. Aug. Derselbe investirt den von Christoph
Scolin und den andern Aeltesten der Brüderschaft Unserer lieben
Frauen zu R. präsentirten Antonius Mil gedien in die Vicarie zum
heil. Leichnam [an der St.. Georgenkirche] zu R.
Script, rer. Warm. Invest.
132) 1488* Montag nach Francisci. Georg Truchses, Pflg. zu
R. verschreibt einen Krug zu Philippsdorf.
Abschr. Hndfb. 124.
133) 1488* Mittwoch nach Calixti. Derselbe giebt dem Gewerk
der Tuchmacher zu R. seine Rolle, worin der Walkmühle Erwäh-
nung geschieht. Zeugen: Faustin Weblinger, Kellermeister, Leon-
hard Auer; Martin Kolmann, Burgermeister, Thomas Tolcke,
Kompan, Nicolaus Serdel, Nicolaus Glasaug und Erdmann
Krause, Rathleute.
Schaffer, nach dem Origin. der Bolle von 1658.
134) 1488* Freitag nach Crispini. Rastenburg. Martin Truch-
ses, HM., verschreibt dem Martin Tile 3 Hufen zu Philippsdorf.
Zeuge: Georg Truchses, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
135) 1490* Bartholomäi. Georg Truchses, Pflg. zuR., erneuert
dem Bartholomäus Resenkirch die Verschreibung über den Krug
zu Kr öligkeim. Zeuge: Samson (?) Woblinger, Kellermeister zu R.
Abschr. Hsb. 322, fol. 461.
136) 1490» Der HM. [Hans von Tiefen] schreibt an den Bischof
von Ermland, Berndt Weise (Weße) habe ihn gebeten, ihm die Er-
542 Verseichniss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
laubniss des Bischofs auszuwirken, in der von ihm, Weise, in seinem
Dorfe1) erbauten Kirche Gottesdienst abhalten zu lassen. Einen Geist-
lichen habe er dazu schon gewonnen, und die kirchlichen Abgaben
werde er nach wie vor nach Rosenthal,*) wohin sein Dorf gehöre,
entrichten.
Script, rer. Warm. III, 405. — *) Blaustein. (Vergl. Nr. 140 Anraerk. 2.) —
2) Au die dortige Pfarrkirche. Diese wurde spater, wahrscheiulich bald nach
Einführung der Reformation, Filiale von Rasten bürg und ibt bald nach
1726 ganz eingegangen.
137) 1492* St. Elisabethä. Jordan von Berchenrode, Pflg.
zu R., giebt dem Müller Matzke zu Queden eine Handleste. Zeugen:
Franz von Hersei, Kellermeister zu R., Pachelcke, Landrichter im
Lötzenschen Gebiete, Jocosch Kinast, Bürgermeisters Koinpan zu R.
Abschr. Heb. 322, fol. 312.
138) 1493» Mittwoch nach Oculi. Schippenbeil. Hans von
Tieffen, HM., verschreibt dem Georg Zentern 6 Hufen zu Geda-
kaym1) und 3 Hufen zu Bayslaugken.8) Zeuge: Jordan von Berg-
rade, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124. — 0 Goddocken. — 2) Paßlack.
139) 1494» Dienstag nach Bartholomäi. Königsberg. Derselbe
verschreibt dem Georg Strauß 6 Hufen zu Padongen. Zeuge:
Jordan von Bergkrode, Pflg. zu R.
Abschr. Hndfb. 124.
140) 1496* Sonntag Reminiscere. Königsberg. Derselbe ver-
leiht dem Jocosch Kynast und dessen Schwester Katharina am
ihr Ansuchen 15 wüste Hufen, Grießlack genannt, bei Masyu1) im
Gebiete Barten gelegen, welche ehemals dem Hans Coerth (?) und
dessen Stiefsohn Kasper Bureken gehört haben, sich jetzt aber im
Besitze des Bernhart Wese3) befinden, und welche sie zu kaufen und
zu „umbewurtzelen" beabsichtigen, um sie dem Hospital zu R. zu
übergeben. Auch beabsichtigen die genannten Geschwister für das Hos-
pital ein neues Conventshaus 3) zu errichten. Die Verleihung geschieht
unter Befreiung von Diensten und Scharwerk und mit der Berechtigung,
im See Masyn mit Handwaten und Wurfangeln zu Tisches Nothdurft
zu fischen. Wenn die Hufen besetzt sein werden, sollen die Vor-
I
Von Carl Beckherrn. 543
steher des Hospitals die Gerichte über ihre Leute haben, Strassenge-
richte ausgenommen. Die Besitzer der Hufen sollen an Abgaben und
sonstigen Pflichten leisten, was vom ganzen Lande gefordert wird. Nach
dem Tode der Geschwister hat der Pfleger zu R. zwei Hospitalvor-
steher zu ernennen, einen aus der Stadt und einen vom Lande. Zeugen:
Wilhelm Graf zu Eisenberg, Grosskomt.; Erasmus von Reit-
zenstein, oberst. Marschall; Melchior Kechlar, oberst. Spitler und
Komt. zu Brandenburg; Heinrich ßeuß von Plauen, Trapier und
Komt. zu Balga; Jordan Bergenroda, Pflg. zuE.; Doctor Michel,
Kaplan und Domherr zu Königsberg; Hans Gabelentz und Hans
Colwitz^Kompane; Liborius und Albertus, Schreiber.
Abschr. R. Hsb. S. 274. — *) Masehnen. — s) Dieser ist jedenfalls iden-
tisch mit dem oben (Nr. 118, 136) erwähnten Bern dt Weise. Diesen beiden
Namensformen darf wohl noch eine dritte hinzugefügt werden, nämlich von
Wiese. Unter letzterer werden von Me ekel bürg Besitzer von Blaustein
aufgeführt, welches an G rieslack grenzt. — 3) Ein altes Hospitalgebäude ist
also schon vorhanden gewesen.
141) 1498* Wilhelm Graf zu Eisenberg, Grosskomt. und
Statthalter, verschreibt dem Jost Cresten die Fischerei im Scherff-
seben See. Zeuge: Hans von der Gabelentz, Pflg. zu R.
Abschr. Hridfb. 124.
142) 1499 d. 6. Dez. Kastenburg. Hans von der Gabelentz,
Pflg. zu R., meldet dem HM. Friedrich von Sachsen, dass er den
aus der Gefangenschaft entkommenen Danziger Rathsherrn Merten
Rawenwalt von Drengfurt, wohin er sich geflüchtet, nach dem
Schlosse zu R. geleitet habe, wo er besser aufgehoben sei. f)
Erwähnt in einem Schreiben des HM. von demselben Datum an den Rath zu
Danzig im Staatsarch. zu Königsb. — N. Pr. Prov.-Bl. a.F. V, 138.— *) Ra-
wenwalt war nebst dem Bürgermeister von Elbing Michel Bäcker auf der
Rückkehr von einer Tagfahrt zu Krakau von dem die Stadt Danzig befehden-
den Gregor Matern bei Graudenz gefangen genommen und dann zu den
mit Matern in Verbindung stehenden Grafen von Schlieben nach Ger-
da uen geführt worden. Es gelang beiden, von hier zu entspringen. Der
HM. Hess Rawenwalt über Brandenburg nach Braunsberg geleiten, um ihn
dort den Danzigern zu übergeben; Bäcker gelangte über Frauenburg nach
Elbing.
F
544 Vcrreichniss der die Stadt Rastenburg betreffend»
143) 1502. Kreuzesorhöhung. Rasteuburg,
zu Sachsen, HM., giebt den Falkenaueru eine Vers
„Paunir". (Panneye in der Amlsrechung pro 109;
Absdir. Hndfb. 121.
144) 1503. St. Galli. Derselbe bestätigt (
Grob- und Kleinscbraiede zu R.
Schaffer.
^ 145) 1504. Johannis Bapt. Hans von Brc
R., bestätigt einen Landkauf zu Lamgarben.
Abscbr. Hndfb. 124.
146) 1506. St. Francisco Rastenburg. I
Pfig. zu R. bestätigt einen Kaufvertrag über PaD:
Absehr. Heb. 322.
147) 1508. St. Thomä. Königsberg. Si
Grosskomt. und Regent, beurkundet, dass der P
you Hersei und die Schön fließer sieb mit K
Wilhelm von Schainberg, Ph"g. zu Harten,
Pflg. zu Sehesten, und Quirin Schlick, des Gr<
über die Heide Nimmergut, zwischen dem Bist
zendorf, ') Beaelagk,') Linde1) und der Heii
bürg gehört,1) gelegen, verglichen haben. Dem Kl
mit Vorbehalt der Holzung bei Braudungliick, 5
treten, für welche die Schön fließer sonst 5 M. nach
die Heide wird zur freien Mark gemacht.
Abschr. (fehlerhaft) in der Wallen rodtächen Biblioü
Altpr. Monatssclir. XI, 2T2. — 'j Putsch endor
») Beilige Linde. — ') Die beim Stadtd.irfe Prai
düngen, von denen jetzt keine Spur mehr vorhanden
148) 1511. Sonntag nach Matthiä. Rasten
urkundet, dass Rath und Gericht mit Consens der
Jacob Kinast, alten Bürgermeister, und desse:
ein Grundstück au der Guber, von einer Eiche bis
an den Stein an der Guber, verliehen haben. Zei
Vibitz, Kellermeister; Tewes Werner, Bürgermi
macher, dessen Kompan; Weißnickel und Pet
Von Carl Beckherrn. 545
nierer; Barth el Perschke, Stadtschulz; Martin Neumann, Hans
Vorheuer, Nickel David.
Schaffe r, nach dem Origin.
149) 1520 d. 9. März. Eastenburg. Der Stadtgebietiger zu R.
Melchior von Kettich meldet dem HM., dass der Probst der Heil.
Linde Nicolaus am Freitage zu R. gestorben sei.1) Er habe das
von demselben auf der Flucht mit nach B. gebrachte Kirchen- und
Hansgeräth in Gegenwart des Herrn Kotwitz versiegelt und bäte um
Anweisung, was damit weiter zu geschehen habe. [Ein Verzeichniss
des Geräthes ist beigefügt.]
Origin. im Staatearch. zu Königsb. — Zeitschr. f. d. Gesch. Erralands III, 56. —
!) HRher hatte der Probst sich beim Einfalle der Polen geflüchtet.
150) 1525« Der Hauptmann zu B. berichtet [an Herzog Albrecht?],
dass er zu dem bei Brandenburg zur Unterdrückung des Bauern-
aufruhrs sich sammelnden Heerhaufen mit einer Schaar von 36 reisi-
gen Pferden, 40 Bürgern und 8 Fussknechten gestossen sei.
Erw. N. Pr. Prov.-Bl. III, 38.
151) 1529 d. 1. März. Albrecht, Herzog in Preussen, erlässt
eine Verfügung an Bürgermeister und Rath zu R., wonach in der
St. Georgenkirche ein Kirchenkasten errichtet werden soll.
Abschr. R. Hsb. S. 63.
152) 1529 d. 15. Juni. Protokoll über die Musterung der Dienst-
pflichtigen bei Heidekrug. Unter den dort Gemusterten wird auf-
geführt der Hauptmann zu Eastenburg von Reppichau.
Rathsbuch im Staatsarcb. zu Königsb. — Erw. N. Pr. Prov.-Bl. 3, F. III, 44.
153) 1545 d. 12. Febr. Rastenburg. Die Kirchen visitations-
Commission unter dem Vorsitz des Bischofs von Pomesanien Dr. Paulus
Speratus und des Hauptmanns zu R. Wolff zu Heydeck vereinbart
mit Bürgermeister and Rath die Erhebung eines jährlichen Kirchen-
decems im Betrage von 70 M., welcher jedoch auf den Widerspruch
der Gemeinde auf 60 M. heruntergesetzt wird. Er soll von den Höfen,
Hufen, Morgen, Rauch und Geld, oder was sonst noch decemspflichtig
ist, erhoben und in Zukunft nicht erhöhet werden. Bürgermeister und
Rath besorgen die Repartirung auf Uübner, Gärtner, Instleute und
Gesinde. Die Kosten der baulichen Erhaltung der Kirchen, Widmen
546 Verzeichnis» der die Stadt Eisten barg betrelTer
und Schulen sind durch besondere Auflagen auf
aufzubringen. Kaiende, Läute- uud Taufgeld so
erhoben werden. Den Vormündern der Kinder de
stoph Gattenhofer soll angezeigt werdeu, dass
thal1) belegeneu 4 Kirchenhufen nunmehr der St
zum Besten zu YerpacUten seien.
Iti'zcss in der Begistratur d. St. Georgenkirche. —
154) 1553 d. 24. Nov. Königsberg. Herz
litirt das Schuhmachergewerfc zu K., welches nvei
etlicher Irer vorfarenn verbreebunge willenn" ') zi
licher Aemtcr unfähig geworden sei uud weist
Gewerk nunmehr in Schutz zu nehmen,
Origiu. in der Lade des Schubmachergewerks. —
8. 121. — ') Die herTO tragende Betheiligung bei dt
und bei der Ertränkung des Fliegars Wolfgang Saue
155) 1555 d. 6. Mai. Wolff Herr zu Hey.
bestätigt dem Schneidergewerk zu R. zwei Artike
Willkühr zusätzlich aufzunehmen beabsichtigt.
Oiigin. in der Lade des Scbneidergewerks.
156) 1555 d. 17. Juli. Königsberg. Herzo
der Stadt R. auf Bitte derselben das Gut Görlit
bisher besessen') und zu ihrer Viehtrift nicht £
zu kölm. Rechten. Dazu freie Fischerei in den z
Görlitz und auf dem im Amte Lötzen gelegenen gr
in letzterem jedoch mit der Bedingung, dass d
grossen Deiguhnsce in den kleinen Deigubc
werde. Die Nichterfüllung dieser Bedingung soll
rechtigung zur Folge haben. Auch soll die Stadt
Pfarrer der Stadt ein Gericht Fische unentgeltlich,
und Schuldienern gegen Bezahlung überlassen. n
Fischerei auf dem Seissersee'J und grossen Tau«
die Jagd.')
Absckr. R. Hsb. S. 30. — Beckherrn, Rastenburg S. 1
weiche Weise die Stadt in den Besitz der Görlitz gel
keine Dokumente und keine sonstigen Nachrichten i
Von Carl Beckherrn
hiefür keinen festen Anhalt, da die dort erwähnte
die Stadt „vor ungefähr dreizehn Jahren" sich s<
auch auf die vorliegende Verleihung beliehen kann. —
see. - 3) Nicht bekannt Vielleicht der tödliche?
sees oder der Taytasee. — ') Sierczesee. — *) '
künde auch die Leistungen nicht angiebt, so müssen i
jedoch nach den Angaben der Amtsrechnung pro
Schreibung for Ilana Hohra von 1420 (Nr. 54) gle
nur fraglich, ob jetzt schon die Umwandlung des
Stellung des Warpenwagens stattgefunden habe, unc
getreide- wegen der vermutheten Abtretung des li
Abgang zu bringen sei. (Vergl. Nr. 54 Anmerk. ,ri
157) 1565. ISei der Kirchen Visitation wird
nischc KircLe, welche unter der Scliule lieg
/.war bis an die Stadtmauer. Die Stadt zahlt 1
Ilezess in der Registratur der St. Georgenkirche.
158) 1566d. 27. Mai. Königsberg. Herzog
dem Andreas Packmohr das Dorf Salzbach i
gehörige Gütchen Riplauken mit 7 Hufen, da:
von 30 Hufen, Kl. Baum garten mit 37 Hufen, d
mit 25 Zins- und 19 Freihufen, dazu die grossei
ausgenommen die Strasseugericbte, zu Lehnrecl
erhält Andreas Packmohr als Ersatz für die vor ui
von Markgraf Albrecht ihm „verliehenen" und
aber noch nicht verschriebenen 50 Hufen im i
letzterer inzwischen, durch besondere Umstand'
Stadt Rastenburg verliehen, nachdem das Am
Packmohr verpfändet worden.
Abscbr. im Staat>arch. zu Künigsb. — ') Stettet
3> Görlitz (Vergl. Nr. 150).
159) 1571 d. 25. Juli. Königsberg. Herzog
ertbcilt dem Bastian Monzeck das Privilegiu
Kluges vor der Siadt li., vor welcher ein sol
bestanden, und zwar an dem nach Lötzen führen
Kruge werden ihm auch zwei im Dorfc Krause
welche er von einein Bauern gekauft hat, zu kc
548 Verzeichnis* der die Stadt R asten burg betreffenden Urkunden.
Er soll dafür nur Amtsbier schenken mit Ausnahme des von ihm seihst
von 1 Last Malz gebraueten Bieres, ausserdem jährlich 6 M. Zins zahlen
und verpflichtet sein, sich auf dem Hause und im Amte Rastenburg nach
Bedarf gebrauchen zu lassen. Zeugen: Hans Jacob Erbtruchseß
Freiherr zu Waldburg, Landhofmeister; Christoph vonKreytzen,
oberster Burggraf; Doctor Johann von Kreytzen, Kanzler; Joachim
Borcke, Obermarschall; Kaspar von Lehndorff, Hofmeister uud
Hauptm. zu Pr. Eilau; Melcher von , Ofcerkämmerer; Friedrich
von Hausen, Hauptm. zu R.; Kasper Dargiz, Obersecretär; Greger
Wagner, Kanzleischreiber.
Abschr. Hsb. 323, fol. £2. — f) Der nachherige Amtskrug. Einen zweiten
vor der Stadt gelegenen Krag auf der Freiheit erwähnt die Amtsrechnung
pro 1698.
160) 1571 d. 15. Oct. Rastenburg. Kirchenvisitation durch den
Bischof von Pomesanien Georg Venediger, den edlen und ehrenvesten
Kaspar Fasolt, den Hauptmann zu R. Friedrich von Hausen, den
herzoglichen Secretfir Balthasar Ganß und den Ofßcial Joseph Pau-
lini. Der von der Stadt aufgebrachte Decera beträgt 96 M. 25 j> und
vertheilt sich auf:
32 ganze Erbe k 48 JS
79 halbe „ ä 24 „
46 Buden in der Stadt ä, ... 15 „
36 „ „ „ Vorstadt k . . 15 „
27 Höfe vor der Stadt ä ... 9 „
48 Hufen ä, 18 „')
„Noch hat die Stadt Rastenburg, so bei der Stadt gelegen
in alles 102 Hüben,2) davon zu einem Dorfe geordnet 52 -Hüben. Von
denselben dem Pfarrherrn 4 Hüben und dem Dorfe 48 Hüben. Die
andern Hüben sind auf Morgenzahl auf die Häuser geleget.
Zu diesen 48 Hüben sind 5 Röche."3) Die zum Kirchspiele gehörenden
Ortschaften werden mit Angabe der Hufenzahl und der Röche (Haus-
haltungen) aufgeführt, darunter das Stadtdorf Bürg er dorf mit 31 Hufen
[excl. Waldhufen], 15 Röchen, 2 Gärtnern, das Stadtdorf Prangenau
mit 32 Hufen, 13 Röchen, 6 Gärtnern und 1 Hirten. [Die Görlitz ge-
Von Carl Beckherrn. 549
hörte zum Kirchspiel Schwarzstein.] Die 4 Kirchenhufen zu Alt-
Rosenthal, welche der Pfarrer zu Schwarzstein benutzt, sollen den
beiden Kaplänen zu E. übergeben werden. — Der Betrag des Decems,
welcher von den Instlcuten und dem Gesinde gezahlt wird, fällt sehr
ungleich aus. Die Besitzer von Pferden in der Stadt haben sich dazu
bereit erklärt, dem Pfarrer jährlich jeder ein Fuder Holz anzufahren. —
Das Brandweinschenken vor der Predigt soll verboten werden; Ueber-
treter, Wirth und Gäste, wird- der Kath bestrafen. — Da es schwer
hält, für die Schule Lehrer zu gewinnen, einigt sich, um diesem Uebel-
stande abzuhelfen, die Visitationscommission mit dem Kath und der
Gemeinde dahin, dass jedes ganze und halbe Haus, auch jede Bude in
der Stadt und Vorstadt jährlich 1 Groschen zur Beköstigung des Kantors
und des dritten Gesellen beisteuern solle. Zu der nach Berechnung
sich herausstellenden Summe von UM. wird der Kath noch 10 M.
und der gemeine Kasten 19 M. zuschiessen. Ausserdem verspricht der
Rath, demjenigen, welcher die beiden Lehrer beköstigen wird, einmal
jährlich an Fischtagen einen Kescher Fische zu verabfolgen.
Rezess in der Kegistrat. d. St. Georgenkirche. — ') Am Aufange des 18. Jahr-
hunderts waren nach Schaffens Angabe vorhanden: 34 ganze, 74 halbe Häuser,
49 Buden in der Stadt, 79 Buden in den Vorstädten, 9 Malzhäuser, 66 Woh-
nungen der Gärtner und 123 der Instleute. Die Anzahl der Einwohner lässt
sich für den Zeitraum von 1670 bis 1685 nach Proportion der Geborenen und
Gestorbenen auf 3500 bis 3800 berechnen, davon fast die Hälfte polnischer
Nationalität, hauptsächlich vertreten durch die Instleute und das Gesinde. Im
Jahre 1620 zählte die Stadt an Grundbesitzern:
Bürger in der Altstadt 69
„ „ „ Neustadt 43
112
Budener in der Stadt 42
„ auf der Freiheit 17
Vorstadter vor dem EOnigsb. Thor . . 31
Summa aller Grundbesitzer 202.
s) Das ganze in städtischem Besitz befindliche Gebiet (Gemeinde- und Privat-
eigenthum) erstreckte sich zu dieser Zeit über ca. 269 Hufen incl. 15 Hoa-
pitalnufen. — 8) Dieses Dorf, die nachherige „Bauernvorstadt", ist als
solches jedenfalls schon bei Gründung der Stadt dieser als ein Theil der Do-
tation von 102 Hufen verliehen worden, obgleich die Handfeste des Dorfes
550 Verzeichnis» der die Stadt Rasteuburg betreffenden Urkunden.
nicht besonders erwähnt. Dieses geht ausser den unter Nr. 3, Anmerk. ö,
dafür beigebrachten Gründen auch noch aus der von Seh äff er bezeugten Existenz
einer ehemals selbständigen, weil mit 4 Pfarrhufen ausgestatteten, Kirch?.
der St. Katharinenkirchc, in diesem Dorfe hervor. Bei der Gründung dir
St. Georgenkirche in der Stadt müssen diese Kirchenhufen an diese Übertrages
worden sein, da eine anderweitige Dotation der St. Georgenkirche nicht nad-
zuweisen ist. (Vergl. St. Georgenkirche, Altpr. Monatsscbr. XX, 263.) I*i.j
ehemalige Selbständigkeit der Kirche des Dorfes, der St. Katbarinenkirche,
wird sogar bewiesen durch den Umstand, dass für die bei derselben iku
Gottesdienst versehenden Geistlichen noch in der ersten Zeit nach der Defor-
mation der Pfarrertitel gebräuchlich war. So z. B. führte der 1549 gestorben*
Jobann Pauli oder Paulinus den Titel „Parochus zu St. Katharina und Archi-
diaconns zu St. Georg", welchen Schaffer auf dessen Epitaphium gelesen hat.
Zur Zeit Schaffer's ging ferner im Volke noch die Sage um Ton einem Klonte:
welches ehemals in der Nähe der St. Katharinenkirche gestanden haben sA
und dessen Stelle daselbst auch genau bezeichnet wurde. Da nun ein Klos •:
in Rastenburg niemals existirt hat, so nimmt der genannte Chrouist mit Reol t
an, dass diese Sage sich auf die ehemalige Pfarrwiddem des Dorfes beziehe
deren Ueberreste vielleicht noch lauge nach dem Kingehen der Pfarre an d<r
betreffenden Stelle sichtbar gewesen.
Von den übrigen 48 Hufen des Dorfes gehurten nach Schaffer 8 Hnf \
ursprünglich zum Schulzenamte, welches bei dem Uebergange des Dorfes ai.
die Stadt dem Schulzen derselben übergeben worden sein wird. Später hat daun
wohl die Stadt das Schulzenamt an sich gekauft und die 8 Hufen zu d«n
Bauernhufen geschlagen. Der Ankauf hat wahrscheinlich schon vor den
Jahre 1376 stattgefunden, denn in diesem wird bereits ein an der Spitze de:
Stadt stehender Bürgermeister erwähnt. Die Angabe des Rezesses, dass zj
den 48 Hufen des Dorfes 5 Wohnhäuser (Röche) gehören, dürfte so zu ver-
stehen sein,, dass im Jahre 1571 nur noch 5 wirkliche Bauernhöfe bestanden
haben. Da nun zu einem Bauernhofe aber nur 2, seltener 3 Hufen gehören,
so würde der übrige grössere Theil der Bauernhufen sich schon im Besitze
von Bürgern (der Hübener) befunden haben oder auch an solche seitens der
Stadt verpachtet gewesen sein (Vergl. Nr. 31 und 162). Diese, in der Stadt
wohnend, hatten ihre Wirthschaftshöfe theils in dem Dorfe, tlieils in den zi
Wirthschaftszwecken angelegten flöfen in der Gegend der jetzigen Wilhelms-
strasse und der Scheunenstrasse. Der vorstädtischen Bauern geschieht noch
zwischen 1638 und 1644 Erwähnung (s. Anhang II, Cap. XU, 5).
Ausser dem Dorfe mit seinen 52 Hufen lagen in dem nordwärts und
westwärts von der Stadt sich erstreckenden Hauptcomplex ihrer Ländereien
noch 50 Hufen, nämlich 10 Zins- und 40 Freihufen, deren letzterer grösserer
Von Carl Beckherm 551
Theil ursprünglich als Gemein de eigenthum ausgeworfen worden war. Diese
50 Hufen sind nunmehr nach Angabe des obigen Dokuments bereits sämmt-
lich, mit Ausnahme eines kleinen Theiles, auf die Häuser der Stadt und der
Vorstädte vertheilt worden; nach Proportion des auf die verschiedenen Grund-
stucke gelegten Decems wird sich diese Vertheilung ungefähr, wie folgt,
ergeben:
32 ganze Häuser .... ä 15 Morgen = 480 M.
79 halbe „ ...
46 Buden in der Stadt .
36 „ „ „ Vorstadt
27 HCfe vor der Stadt .
a
7 Vi
n
= 592V2
a
4
rt
= 184
a
4
t?
= 144
a
2
j»
= 54
71
M
I»
n
Sa. 14641/« H.
Wirkliche Anzahl der zu verteilenden Morgen 1500
Bleiben übrig rund 45 M.
Diese 45 Morgen sind auf die Befestigung, die Strassen, öffentlichen Plätze,
öffentlichen Gebäude der Stadt und der Vorstädte und die Wege ausserhalb
derselben in Anrechnung zu bringen.
Ein Vergleich mit der Angabe des grossen Zinsbuches von 1437 (vergl.
Nr. 3, An merk. 3) ergiebt, dass die Stadt trotz des fiberstandenen dreizehn-
jährigen und des polnischen Krieges, wie auch mehrerer Pestepidemien be-
deutend gewachsen ist; es haben sich die Häuser nicht nur innerhalb der
Stadtmauer vermehrt, auch ausserhalb derselben hat sich schon eine Vorstadt
gebildet, von der aus sich noch einzclno Höfe weiter in das Feld hinaus er-
strecken. Zur Ausstattung der Häuser mit Grundbesitz bat der bei der Gründung
der Stadt dazu bestimmte Rest der Zinshufen (ca. 9*/c H-) nicht mehr ausge-
reicht, es ist vielmehr auch schon der als Gemeindeeigenthum ausgeworfene
bedeutende Best der Freihufen in Privatbesitz übergegangen.
161) 1577 d. 20. Nov. Königsberg. Herzog Albrecht Friedrich
verschreibt zu kölm. Bechten dem Amtsschreiber zu ß. Heinrich
Weidenhammer ein preussisches Freigut von 3 Vi Hufen, bei Gr.
Galbunen gelegen, welches vorher dem Lorenz Packmohr gehört
hat, gegen ein Darlehen von 600 M.; dazu noch 3 im Dorfe Galbunen
gelegene Hufen, die er vom Pfarrer Dologovius zu Eosengarten für
210 M. gekauft hat, zu magdeb. Hechten; ferner einen wüsten Garten,
vor der Stadt ß. an der Brücke1) gelegen, über welche man nach dem
neuen Kruge2) oder der Vogelstange geht, frei zu kölm. ßechten.
Abschr. Hsb. 322. — !) Eine Brücke auf der Angerburger Vorstadt Über den
vom Oberteich herkommenden Kanal gelegt — *) Der Amtskrug.
552 Verzeichnis der die Stadt ßastenburg betreffenden Urkunden.
162) 1582 d. 22. Juni. ßastenburg. Die berzogl. Comraissarieu
Hans Kalckstein, Hauptmann zu R., Hans Cammerarius ul«1
Baltzer Schlubuth schlichten einige Streitigkeiten, welche hinsicht-
lich der Grenzen der Stadtländereien beim Bauernwalde mit dem be-
nachbarten Gute Borken, den Brüdern Thomas Bastian und Erhard
von Parthein gehörig, bestehen. Die Forderung der letzteren, die
Grenze ihres Gutes auf Kosten der Stadtländereien weiter vorzurücken,
wird, weil nicht genügend begründet, zurückgewiesen. Dagegen räumt
die Stadt aus Gutwilligkeit den von Parthein die Trift und Kuhweide
in dem Bauer- und Bürgerwalde ein, la) jedoch unbeschadet ihrer
eigenen Viehtrift. Damit dadurch kein Schaden entstehe, verpflichtet
sie sich, den Wald einzuzäunen. Hinsichtlich einer zweiten Forderung
der von Parthein, nämlich ihnen zu gestatten, von ihrem Territoriuii3
aus einen Damm nach dem Bauernwalde hin zu schütten, werden sie,
da der Wald nicht Gemeindeeigenthum ist, auf Verhandlungen mit den
betreffenden Bürgern verwiesen. ,b) Vertreter der Stadt: Thomas Grund,
Bürgermeister; Greger Waldau und Heinrich Weidenhammer,
Bathsverwandte ; Lorenz Grünau, Schöppenmeister; Stuhlmacher,
dessen Kompan ; der Gegenpartei: Baltzer Zeuger, Hauptm. zu L\ck.
und Georg Pröck. (Von der Regierung bestätigt Königsberg, deu
15. October 1585.)
Abschr. R. Hsb. S. 59. — !ab) Das jetzige Gut Tannenwalde (Rastenborgs-
walde) ca. 12 Hufen gross. Dieser Wald gehörte zu dem ehemaligen Bauern-
dorfe bei der Stadt Dass der Wald, so wie auch das Dorf sich damals schon
th eilweise im Besitze von Bürgern befunden habe, geht aus der Benennung
„Burger- und Bauernwald" und aus der Verhandlung mit den einzelnen
Bürgern hervor. (Vergl. Nr. 31, Anmerk. 3.) Als die Stadt das Areal er-
worben hatte, auf welchem sie bald darauf das Dorf Prangenau anlegte,
scheint sie den Bürgern einen Theil des dortigen Waldes (s. Nr. 53 und 147)
zugetheilt oder dieses wenigstens beabsichtigt zu haben, worauf der ursprüng-
liche Name Jones Dorfes, „Bürgerwald", hindeutet. Die Gründung dieses
Dorfes ist dann wohl die Veranlassung gewesen, die Bürger durch Ueber-
weisung yon Theil en des Bauernwaldes bei der Stadt, in dessen Nähe sie ja
auch bald darauf ihre Ackerhufen erhalten zu haben scheinen (vergl. Nr. 160,
Anmerk. 3), für das Aufgeben ihres dortigen Besitzthums zu entschädigen. —
Von dem Bürger- und Bauernwalde (Tannenwalde) hat die Stadt im Jahre !b27
Von Carl Beckherrn. 553
100 Morgen mit dum Stobbenteiche, an der nördlichen Grenze zwischen dem
nach Barten und dem nach Rosenthal führenden Wege gelegen, an Borken
abgetreten.
163) 1590 d. 29. Sept. Der ßath der Stadt R., bestehend aus
dem Bürgermeister Heinrich Weidenhammer, dessen Korapan Lo-
renz Dörffer, den Stadtkämmerern A. Sonnensluhl und Friedrich
Kretschmann, den.Räthleuten 6. Demiin, Heinrich Rose, Simon
Dörffer, Erdmann Koppenhagen und dem Stadtschreiber David
Reich, giebt dem Gewerk der Kürschner die Pundationsrolle.
Schaffer.
164) 1598 d. 12. Febr. Königsberg. Georg Friedrich, Mark-
graf zu Brandenburg, bestätigt die Willkuhr der Leinenweber zu R.
Abschr. R. Hsb. S. 252.
165) 1599. St. Andrea. Rasteuburg. Der Rath der Stadt R.,
vertreten durch Simon Dörffer, Bürgermeister, Friedrich Kretsch-
mann, Kompan, Andreas Sonnenstubl, Stadtkämmerer, Lorenz
Dörffer, dessen Kompan, Greger Demiin, Unterrichter, Heinrich
Rose, Kalkherr, Erdmann Koppenhagen, Ziegelherr, David Reich,
Stadtschreiber, revidirt und confirmirt die zur Zeit der Pest von dem
verstorbenen Bärgermeister Heinrich Weidenhammer im Jahre 1589
errichtete christliche Ordnung und Brüderschaft der Tagelöhner und
Arbeitsleute [auch die arme Gille (Gilde) genannt]. Hauptsächlich-
ster Zweck ist Sorge für ein anständiges Begräbniss der Mitglieder
und Unterstützung in Krankheitsfällen. Sie sind verpflichtet zum Läuten
der Glocken und zur Hilfe beim Löschen von Feuersbrünsten.
Origin. im Staatsar eh. zu Königsb. — Das Siegel hängt an einer braungelb,
violett, grün und weiss gefärbten seidenen Schnur in hölzerner Kapsel und
zeigt einen vor sieben Laubbäumen stehenden Bären. Die Umschrift lautet:
sttjHIum * «»Haft* * raflötWt *
Die ersten vier Buchstaben des Wortes sigillum sind deformiri Diese Defor-
mation bei denselben Buchstaben ist auch auf der Abbildung des Siegels
unter dem Bundesbriefe von 1448 bei Voßberg angedeutet. Es darf daraus
geschlossen werden, dass der mangelhafte Abdruck des Siegels auf einer Be-
schädigung des Siegelstempels an der betreffenden Stelle beruht hat, und
dass zu beiden Abdrücken ein und derselbe Stempel benutzt worden ist. Auch
die Anzahl und Form der Bäume stimmt auf beiden Siegeln überein. Da-
▲ltpr. IfonatMchrift Bd. XXII. Hit 7 u. 8. 36
554 VerEeichniss der die Stadt Bastenburg betreffenden Urkunden.
gegen aber zeigt die Abbildung des Siegels von 1448 statt des Bären von
1590 einen Eber. Dass das Thier auf dem Siegel von 1599 wirklich ein Bär
ist, geht unzweifelhaft aus der Form der Füsse hervor, welche den Sohlen-
gänger deutlich erkennen lässt; die zu lang und dünn gerathenen Unter*
schenke!, die zu Boden gesenkte Nase und der etwas gekrümmte Kücken
können jedoch wohl Veranlassung gewesen sein, dass der Zeichner des Siegel«
von 1448 einen Eber vor sich zu sehen geglaubt hat, welchem er, um ihn al>
solchen kenntlicher zu machen in seiner Zeichnung «in geringeltes Schwänz-
chen anhängte. Danach wird also das Wappenthier der Stadt seit Anbeginn
ein Bar gewesen sein und die bisher angenommene auffällige Veränderung in
Wirklichkeit nicht stattgefunden haben. Die Bemerkung über das Wappen
der Stadt in meiner bist, topogr. Darstellung Rastenburgs ist somit zu be-
richtigen. Eine tbatsächlich stattgefundene Abänderung des Wappens betrifft
die Bäume. Die sieben Laubbäume des alten Wappens haben sich in neuerer
Zeit in drei Fichtenbäume (Tanuen) verwandelt, zwischen denen der Bar ein-
geklemmt erscheint. Diese Umwandlung ist vielleicht bei der Neuanfertigung
der beiden Siegel der Stadt im Jahre 1628 während der Besetzung derselben
durch polnische Truppen vor sich gegangen.
166) 1606 d. 8. Oct. erhalten die Tischler zu ß. ihre Bolle.
Schaffer.
167) 1612 d. 15. Febr. Auf Ansuchen des Königs von England
ergeht an die Stadt R. ein kurfürstliches offenes Mandat, alle Exem-
plare eines Pasquills, welches Johann Starcovius in der Stadt ver-
breitet hatte, verschlossen und wohlverwahrt zur Vermeidung von Strafe
an die preussischen Oberräthe einzusenden.
Schaffer, nach dem Origin. Dieser bringt noch die Nachlicht, dass das Pas-
quill gegen die ganze schottische Nation gerichtet gewesen und Starcovios
laut Urtheil des Hofgerichts nach erfolgtem Öffentlichen Widerrufe im Jahre
1611 mit dem Schwerte hingerichtet worden sei.
168) 1612 d. 7. Nov. Die Kegierung ertheilt den Schirr- und
Rademachern zu B. ein Privilegium.
Schaffer.
169) 1614 d. 11. Febr. Königsberg. Johann Sigismund,
Markgraf zu Brandenburg, entscheidet einen Streit des Hauptmanns zu
R. mit der Stadt wegen des grossen Deiguhnsees dahin, dass das
Amt bei der Winterfischerei den Vorzug haben, der Hauptmann sonst
aber die Fischerei auf dem See unterlassen solle, da diese nach ihrem
Von Carl Beckherrn. 555
Privilegium (Nr. 156) der Stadt zustehe. Letztere solle aber stets da-
für sorgen, dass der Abfluss des grossen in den kleinen Deiguhnsee
nicht verstellt werde.
Abschr. Hsb. 322, fol. 23.
170) 1624 d. 13. Mai. Die Regierung bestätigt die Rolle der
Hutraacher zu R.
Schaffer, nach dem Origin.
171) 1624. d. 10. Juli. Die Regierung bestätigt die Hauptgewerks-
rolle der Städte Bartenstein, Friedland, Schippenbeil, Tilsit,
Kreuzburg, Gerdauen, Nordenburg, Insterburg, Rastenburg,
Angerburg und Ragnit.
Schaffer.
172) 1624 d. 19. Juli. Die Seiler zu R. und der andern 10 Städte
erhalten von der Regierung ihr Privilegium.
Schaffer.
173) 1627* Das Müllergewerk zu R. erhält eine Rolle.
Schaffer, nach dem Origin.
174) 1636 d. 28. Febr. Rastenburg. Schreiben des Königs von
Polen Wladislaus IV. an die preussischen Regimentsräthe. Es sind
dein Könige von den Bürgern und Handwerkern der Städte Rasten-
burg, Schippenbeil, Welau und Insterburg wiederholt Beschwer-
den zugegangen, dass sie in ihrem Brauwerk erheblich benachtheiligt
wurden, weil die Braugerechtigkeit auch einigen andern Bürgern er-
theilt worden wäre. Der König befiehlt daher, dass die Bürger und
Handwerker der alten Mälzenbräuerzunft in ihrer althergebrachten
Gewohnheit geschützt werden sollen. Wenn die Gegenpartei vermeinte,
dass ihr dadurch Unrecht geschehe, solle die Sache vor dem Hofge-
richte zum Austrage gebracht werden. [Vergl. Nr. 175—177, 179, 188.]
Abschr. It. Hsb. S. 99.
175) 1636 d. 30. April. Wilna. Derselbe ertheilt der alten
Mälzenbräuerzunft der Städte Rastenburg, Schippenbeil, We-
lau und Insterburg einen Schlitzbrief. Durch diesen sollen die nach
kölm. Rechte erbberechtigten Brauer der genannten Städte und deren
Patrone in den königlichen Schutz genommen werden gegen Gewalt-
tat, JJebergriflfe und Beeinträchtigung seitens aller Personen, namentlich
36*
556 Verzeichnisa der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
aber der Regimentsräthe des Herzoglhums Preussen, der Hauptleute
in den Städten und jedes Geliebtes des Herzogthums, und zwar auf
die Zeit von sechs Monaten. Auf alle Sacben des bürgerliehen Rechtes
soll dieser Schutz sich jedoch nicht erstrecken. Ihr Gewerbe sollen
die gedachten Brauer überall betreiben dürfen, dabei aber keine Ge-
legenheit zu Streitigkeiten geben und dieses Beneficium nicht miß-
brauchen. Jeder Klage gegenüber sind sie gehalten, si<-h vor dein
zuständigen Gerichte zu rechtfertigen. Leute, von denen sie Gewalt
fürchten, sollen sie der betreffenden Behörde anzeigen dürfen, ohne
dass ihre Person oder ihr Eigenthum geschädigt werden darf. Dieser
Schutzbrief soll durch den Ausrufer öffentlich bekannt gemacht werden.
Abschr. (latein.) R. Hsb. S. 87.
176) 1636 d. 30. Aug. Wilna. Derselbe befiehlt dem Hauptm.
zu B. Meinhard von Lehndorf, die Rastenburger Bürger bei ihrer
Beschäftigung, das Bier nach altem Gebrauche zu brauen, nicht zu be-
lästigen und sie nicht ohne rechtmässige Ursache mit Strafen zu be-
legen. Damit nicht gegen Recht und Billigkeit gehandelt werde und
es nicht schiene, als ob seine, des Königs, Schutzbriefe werthlos wären,
solle er sich aller Gewaltthätigkeit enthalten und durch den Fiscal auf
dem Rechtswege vor dem Gerichte gegen sie vorgehen.
Abschr. (latein.) B. Hsb. S. 88.
177) 1637« Feria quarta post Dominicam Reminiscere proxima.
Warschau. Derselbe publicirt das von ihm gefällte Urtheil in einer
Streitsache zwischen der Zunft der alten Brauer der Städte Rasten-
burg und Schippenbeil und den Kaufleuten und neuen Brauern
derselben Städte. Auf dringendes Ansuchen des Jacob Klein, Georg
Cerbach, Johann Rudell und der andern Kaufleute und neuen
Brauer seien die Aeltesten und die ganze Zunft der alten Brauer
vor den König und das Relationsgericht vorgeladen worden, um das
königliche Decret, betreffend die von den neuen Klägern eingeführte
Art des Brauens, wiederherzustellen. Zugleich hätten sie sich über-
zeugen sollen, dass es geboten sei, das gedachte Decret wieder zur
Geltung zu bringen und ein anderes, auf unrechtmässige Weise erlang-
tes, zu cassiren, ferner die vorliegende Sache zu restituiren und die
Von Carl Beckherrn. 557
neuen Kläger bei ihren Rechten, Privilegien und Gewohnheiten zu er-
halten. Während das königliche Decret, wider den Ungehorsam der
neuen Kläger erlassen, durch eine neue Verfügung der Herren Regen-
ten und durch von oben her erschlichene Bestätigung derselben un-
wirksam gemacht worden wäre, hätte der König die Vorgeladenen in
ihrem Rechte, ihren alten Gewohnheiten und ruhigen Besitz der Brauerei
beschützt gehabt. Ausserdem sei durch ihn verfugt gewesen, dass die-
selben neuen Kläger, um sie von Anstiftung weiterer Unruhen abzu-
halten, Caution für eine event. von ihnen an die Kirche zu Rastenburg
zu zahlende Strafe von 1000 Gulden ungar. und für die Gerichtskbsten
stellen sollten. Ferner hätte er verfugt gehabt, dass neue Streitig-
keiten von den Parteien an das preussische Hofgericht gebracht werden
sollten. Nachdem nun die neuen Kläger, vertreten durch ihren Bevoll-
mächtigten Matthias Popiel, und die Vorgeladenen, vertreten durch
den ihrigen, MartinSwigczynski, vor dem Relationsgerichte erschienen,
halten sie den Termin angefochten, und zwar die Vorgeladenen, indem
sie die Beweisführung über die Gesetzmässigkeit der Befugniss, das
Decret wider den Ungehorsam zu cassiren, verlangt hätten; die neuen
Klager aber, indem sie für die Nichtigkeit des gedachten Decretes an-
geführt hätten, dass in der in Rede stehendeu Sache weder ein ordent-
licher Prozess, noch ein Decret vorliege, sondern nur ein Rescript oder
eine einfache Verfügung, auf welche sich zu berufen nicht statthaft
sei. Auch hätten sie um Cassirung des wider den Ungehorsam erlangten
Decrets seiner Ungiltigkeit halber und um Aufrechthaltung der könig-
lichen Verordnung in Bezug auf das Recht gebeten. Er, der König,
bestimme daher nach Anhörung und Erwägung der Streitsachen der
Parteien, dass, da die neuen Kläger selbst den Rechtsweg verlassen
und sich an ein incompetentes Gericht gewandt hätten, die Parteien,
unter Aufhebung der Untersuchung über die Gesetzmässigkeit des mehr-
gedachten Decrets, zur Beschreitung des Rechtsweges an das preussi-
sche Hofgericht zu verweisen seien, jedoch unbeschadet der vertrags-
mässigen Appellation an das Relationsgericht. Inzwischen sollen jedoch
die Handwerker, die alten Brauer, bei dem von ihnen vor der
neuen bestrittenen Ordnung ausgeübten Gebrauche des Brauens erhalten
558 Verzeichniss der die Stadt Rastetiburg betreffenden Urkundeo. 7!
bleiben bis zur endgiltigen Entscheidung der Sache vor dem königlichen
Gerichte. Indem der König die alten Brauer sowohl für ihre Person,
als auch für ihr Eigenthum durch Androhung von Strafen in diesem
Decret in Schutz nimmt, überweist er zur Ausführung desselben die
vorliegende Sache nebst den Parteien dem identischen Uofgeriehte zu
einem sieben Wochen a dato anzusetzenden Termin.
Abschr. (latein.) R. Hsb. S. 89.
178) 1637 d. 22. April. Kastenburg. Der Kath der Stadt R.
bestätigt den Hübuern1) zu R. ihre im Jahre 1(536 aufgerichtet*
Willkühr. (S. Anhang I.)
Abschr. R. Hsb. S. 101. — !) Diejenigen Bärger, welche sich im Besitze des
grössten Theiles der Acker- und Waldhufen des bei der Stadt gelegenen ehe-
maligen Borfes befanden. (Vergl. Nr. 160).
179) 1638 d. 17. März. Rastenburg, in der Erzpriesterwidd^m.
In Gegenwart des Käthes und des Erzpriesters Priitorius wird von.
der neuen Zunft der Mälzenbrauer mit den Ge werken folgender
Vertrag abgeschlossen. Die Ge werke sollen bei ihrem althergebrach-
ten Rechte, alle drei uud sechs Wochen von ihren ganzen und halben
Häusern zu brauen, erhalten bleiben. Der neuen Zunft der Mälzeu-
bräuer dagegen wird, abgesehen von der ihnen zustehenden alther-
gebrachten Braugerechtigkeit und unter Voraussetzung der Zustimmung
der ganzen Gemeinde zugestanden, dass, nachdem in üblicher Weise
die Rathsvenvandteu, der Richter und Stadtsehreiber im Herbst die
erste Woche gebraut haben, alsdann in der nächsten Woche die neue
Zunft den Vorzug haben solle, dass diejenigen, welche zu dieser
Zeit mit den Vorbereitungen zum Brauen fertig sind, dann zunächst
vor allen Andern brauen dürfen. Wenn aber von ihnen das Brauen
in derselben Woche nicht beendet würde, dürften die von den
Gewerken neben ihnen brauen. Sonst aber das ganze Jahr hindurch
sollen Alle langüblichem Brauche nach ihre Zeit abwarten, bis nach
drei oder sechs Wochen an sie die Reihe kommt. Der zwischen beiden
Parteien schwebende Prozess (vergl. Nr. 177) soll lallen gelassen,
die entstandenen Kosten compensirt, Rolle und Privilegium der neuen
Zunft cassirt und eine neue Willkühr der Regierung zur Bestätigung
1
Von Carl Beckherrn. 559
vorgelegt werden! Auch soll, damit Niemand im Brauen behindert
weiden möchte, auf Kosten der Gemeinde eiue vierte Pfanne ange-
schafft werden. ')
Abschr. R. Hsb. S. 94. — ') Eine bedeutende Ausgabe, denn allein eine ein-
fache Reparatur einer Branpfanne kostote im Jahre 1680 2GI M. 10 Gr. =
ca. 522 M. nach jetzigem Wertlie, und die Anfertigung eines neuen Bodens
im Jahre 1704 920 Gulden = ca. 3526 M. (Schaffer.)
180) Zwischen 1638 und 1644 wird von Bürgermeister und Kath
der Stadt R. unter Mitwirkung des Gerichts und der Aelterleute der
Gewerke die Stadtwillkühr aufgestellt. [S. Anhang IL]
Abschr. R. Hsb. S. 292.
181) 1639 d. 15. Nov. Der Eath der Stadt R. bestätigt die
Willkflhr der Böttcher zu R.
Abschr. R. Hsb. S. 263.
182) 1642 d. 23. Juui. Derselbe bestätigt die Rolle der Glaser zu R.
Schaffer.
183) 1644 d. 30. Mai. Albrecht von Kainein, Hauptm. zu R.,
erlässt eine Verordnung, wonach kein Freischlächter in die Stadt kommen
darf. (Vom Kurfürsten bestätigt den 21. Juni 1645.)
Schaffer, nach dem Origin.
184) 1615 d. 21. Juui. Königsberg. Kurfürst Friedrich Wil-
helm bewilligt dem jedesmaligen Schützenkönige der Schützengilde
zu R.,1) „damit sie zu der edlen Büchsenschützenkunst desto mehr
exstimuliret werden möge" für ein Jahr Freiheit von Metze, Zeise und
Sehoss. Trifft die Königschaft Jemanden, der nur eine Bude oder gar
kein Grundeigentum besitzt, so soll derselbe berechtigt sein, diese
Vergünstigung zu seinem Vortheil auf andere zu übertragen.
Abschr. R. Hsb. S. 75. — ') Die Schützengilde soll von Winrich von Knip-
rode gestiftet worden sein. Diese Tradition ist zwar nicht verbürgt, die
Schützenkel te liefert aber den ziemlich sichern Beweis, dass diese und somit
auch die Schützengilde zur Zeit Winrichs schon bestanden haben muss. An
der Kette befindet sich nämlich ein Schild, auf welchem ein Schnabelschuh
cingravirt ist, und an welchem ausserdem noch ein kleiuer silberner Schnabel-
schuh mittels einer Oese angehäugt ist. Beide Schuhe zeigen eine schmale
nicht besonders lange Spitze. Dieie Form der mittelalterlichen Fussbekloidung
war bis ins 14. Jahrhundert hinein in der Mode; im Laufe desselben wurden
560 Verzeichnis! der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
die Spitzeu übermässig verlängert und nahmen dann im 15. Jahrh. die Fona
des Entenschnabels und des Bären fussos an. Wie noch gegenwältig kamen
auch damals die Moden von Westen her zu uns herüber, zunächst in die
grossen Städte, von denen aus sie sich allmählich übet die kleineren verbreiteten;
es bedurfte dazu jedoch eines viel längeren Zeitraumes. Die Mitte des
14. Jahrh., die Zeit Wiurichs, kann also als derjcuige Zeitpunkt angenommen
werden, in welchem in Bastenburg Schuhe von der auf dem Schilde daige-
stellten Form getragen wurden. Da das Schild keinen Namen tiägt, darf
man annehmen, dass es nicht von einer einzelnen Person, sondern von einer
Genossenschaft gestiftet worden sei, also dem Schuhmachergewerk. Diebes
wird in li. schon 1300 urkundlich erwähnt und erhält 1376 vom Rath seine
Willkühr. Ganz sicher beglaubigt ist das Bestehen der Scbüizengilde aber
erst im Jahre 1488 durch ein zweites Schild mit Wappen und der Umschrift:
»Uftto • gttf • c\p • riffußerg . Mi • f u • q» • gicifs • !«!!*• Jilf t (tf • tri -gniamflct-
mccctfiiixmi'
Ebenfalls noch aus der Ordenszeit btammen drei andere Schilder sämmtlich
mit ein und demselben Wappen und der Umschrift:
JACOP BEiF GNANNT WALEB DEVTZKE ORDENSHER.
ohne Datum. Jacob Beii genannt Walter (so bei Voigt) war von 14fcU — 1511
Pfleger zu Lötzeu.
185) 1645 im Juli. Die Käthe der Städte Schippenbeil, Auger-
burg'und Drengfurt confirmiren die Kolle der Glaser zu R.
Schaffer.
186) 1647 d. 8. Febr. Kastenburg. Die kurfürstl. Conimissarien
Heinrich Erbtruchses Freiherr zu Waldburg, Friedrich Wit-
tich, Fabian Kalau und Christoph Kupner heben die Zahlung
des Grundzinses auf, welcher im Jahre 1638 den Besitzern der auf der
Freiheit zu R. um die Kapelle zum heiligen Kreuz1) gelegenen
Grundstücke, wo auch die alte Ziegelscheune gestanden [des sogenannten
Schustergrundes] auferlegt worden; nach ihren alten Privilegien [Nr. 44
u. 51] seien sie zur Zahlung des Grundzinses nicht verpflichtet.
Abschr. Hsb. 322, fol. 542. — ') Vergl. Nr. llö. Von dieser Kapelle, welche
anf dem von Guber und Mühlenkaual umflossenen T heile der Freiheit, östlich
der Strasse gelegen haben muss und bald nach Einführung der Reformation
eingegangen zu sein scheint, war bisher nichts bekannt. In meinem Anfeafee
„Die St. Georgenkirche zu Kastenbuig" in der Ältpr. Monats^chr. XX, 233 SL
ist daher irrthümlich auf S. 244 der alte Kelch mit der Inschrift und auf
S, 266 die Vicarie zum heil. Kreuz der St. Katharinenkirche zugeschrieben
Von Carl Beckherrn. 5g J
*
worden, während sie nach den obigen Urkunden nur der Kapelle zum heil.
Kreuz angehört haben können.
Lucanns giebt in seinem handschriftlichen Werke „Preußens gegenwärtiger
und uralter Zustand" S. 578 an, dass ausser der St. Katharinenkirche noch
eine St. Barbarakirche in der Vorstadt zu ß. gestanden habe. Da dieser
Kirche aber weder in Urkunden, noch bei den Chronisten gedacht wird, sich
auch nicht die geringste Spur oder irgend eine mündliche Ueberlieferung da-
von erhalten hat, so itfuss diese Angabe auf einer Verwechselung mit der
Kapelle zum heil. Kreuze beruhen.
187) 1647 d. 23. Juli. Rastenburg. Die kurfürstlichen Haus-
haltungsvisitatoren Heinrich Erbtruchseß Freiherr zu Waldburg,
Friedrich Wittich und Fabian Kalau, Kammerverwandte, und
Christoph Kupner, Amtsschreiber zu Neuhausen, geben in einer
Streitsache zwischen dem Amte und der Stadt R., den Oberteich be-
treffend, ihre Entscheidung dahin ab, dass der genannte Teich der Stadt
zugehöre. Der Teich sei vor Zeiten von Herzog Alb recht gegen den
Tauch eise e von der Stadt eingetauscht worden, dieser Tausch aber
spater von Herzog Albrecht rückgängig gemacht, wie aus der Ver-
handlung vom 23. August 1557 hervorgehe. Der Umstand, dass die
Hauptleute zuweilen mit Bewilligung der Stadt in dem Teiche gefischt
hätten, könne das Eigentumsrecht des Amtes nicht begründen.
Abschr. R. Hsb. S. 51.
188) 1649 d. 16. Juni. Rastenburg. Harn pus, Bürgermeister
zu R., Interpret irt mit Beirath einiger Rathsherren den Vertrag der
neuen Mälzenbräuerzunft mit der alten Zunft der Gewerke
d. d. 17. März 1638 [Nr. 179] und legt die inzwischen wieder zwischen
beiden Parteien entstandenen Streitigkeiten bei. Nach der neuen Aus-
legung dos Wortlautes des Contracts sollen als Mitglieder der neuen
Zunft nur diejenigen Bürger gelten, welche mit den Handwerkern ehe-
mals den Prozess wegen des Brauwerks geführt haben, nicht aber die,
welche später in die Zunft aufgenommen worden sind. Danach werden
als wirkliche Mitglieder namentlich aufgeführt: Jacob Köper, Chri-
stoph Spiller, Frau Schöppmann Cerbach und Simon Lange. Zu
diesen sollen noch folgende Mitglieder des Rathes, welche als solche
gegenwärtig einen Vorzug beim Brauen geniessen, treten, wenn sie aus
562 Verzeichnis» der die ßtadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
ihrem Amte ausscheiden, Dämlich: Johann Reich, Thomas Hauen-
stein, Johann flintz und Thomas Dietloff. Die Wittwen der ge-
nannten Zunftgenossen sollen so lange, bis sie sich wieder verloben
oder verheirathen, des Prärogativs ihrer verstorbenen Ehemänner tlieil-
haftig bleiben, alle andern Erben aber davon ausgeschlossen sein. Diese
Auslegung des Contracts wird von beiden Parteien aeeeptirt (Dieser
neue Vertrag ist uuter dem 5. Nov. 1653 vom Amtshauptmann zu B.
Albrecht von Kainein vidimirt.)
Abschr. R. Hsb. S. 96. — (Noch zu vergl. Nr. 216, 218, 219, 223.)
189) 1649 d. 30. Sept. Rasten bürg. Der Rath der Stadt B.
beurkundet, dass Albrecht Ernst von und zum Egloffstein von
der Linie Bärenfels, Erbherr auf Warnikaym, Gudnicken zc. dem
armen Hospital zu B. ein Kapital von 500 Gulden poln. legirt hat, von
dessen Zinsen die Hospitaliten jährlich am Johannistage festlich gespeist
werden sollen. Der Bath wird als Curatorium der Stiftung eingesetzt.
Abschr. ß. Hsb. S. 84.
190) 1650 d. 16. Juli. Friedrich Wilhelm, Markgraf zu Bran-
denburg, ertheilt dem Andres Henffner zu Wilkendorf ein Krug-
privilegium. Darin wird Bezug genommen auf einen Bericht des Haupt-
manns zu Bastenburg Albrecht von Kainein.
Origin. in Privatbesitz zu Wilkendorf.
191) 1650 d. 28. Nov. Königsberg. Die kurfürstliche Regierung
ertheilt dem Schuh- und Pantoffelmachergewerk zu E. ein Pri-
vilegium. Darin wird einer im Besitze des Gewerks befindlichen Loh-
mühle gedacht; auch werden Vorschriften über dasStosseu der Gerber-
lohe gegeben.1)
Origin. im Staatsar eh. zu Königsb. — f) Die Schuhmacher haben also ia
dieser Zeit das Leder noch selbst zubereitet.
192) 1665 d. 29. Mai. Cöln a. d. Spree. Kurfürst Friedrich
Wilhelm befiehlt dem Hauptm. zuB. Georg Wilhelm von Kreytzen.
dass das den Burgern Bastenburgs ertheilte Privilegium, die Befreiung
des Schützenkönigs von der Accise betreffend [Nr. 184] aufrecht erhalten
werde. Es seieu mehrfach Klagen an ihn gelangt, dass die Schützen-
könige die Stadtaccise entrichten müssten.
Abschr. R. Hsb. S. 77.
Von Carl Beckherrn. 563
193) 1667 d. 28. Nov. Königsberg. Die kurfürstliche Regierung
bestätigt die Entscheidungen der von ihr eingesetzten Commissiön zur
Untersuchung uud Beilegung verschiedener zwischen Bürgermeister und
Ruth der Stadt K. einerseits und Gericht und Gemeinde andererseits
obwaltenden Streitigkeiten und der von beiden Parteien geführten Be-
schwerden. Mitglieder der Commissiön sind Georg Wilhelm von
Kreytzen, Andreas Bernhard von Königseck, Georg Döppner,
Daniel von Tettau, Batholomäus ßehm und Johann Dietrich
Kühne mann. Diese ermahnen im Namen des Kurfürsten den ßath,
(Ins Gericht und alle Beamte, ihr Amt mit Unparteilichkeit zu ver-
walten, jeden Rechtsuchenden geduldig zu hören und ihre Entscheidungen
nach des Landes Recht und Gewohnheiten und den abgeschlossenen
Verträgen abzugeben. Der Gemeinde in allen ihren Zünften wird ernstlich
anbefohlen, die Obrigkeit zu respectiren, zu den Berathungen und amt-
lichen Verhandlungen pünktlich zu erscheinen und ihre Anliegen der
vorgesetzten Behörde zu rechter Zeit und an rechtem Orte vorzutragen.
Den Zuwiderhandelnden wird eine fiskalische Strafe von 100 Gulden ingar.
angedroht. Auf die einzelnen Beschwerdepunkte und Streitobjecte ein-
gehend, entscheidet die Commissiön dann folgendermassen.
Den Festsetzungen der Transaction d. d. 18. Sept. 1665 zwischen
Rath, Gericht und Gemeinde, das Stadt- und Holzwesen betreffend, soll
genau nachgelebt werden. Der Bürgermeister und die betreffenden
Beamten werden angewiesen, sich beim Austluilen der Holzzettel jeder
Parteilichkeit zu enthalten. Durch Nachlässigkeit in der Verwaltung
oder Eigenmächtigkeit entstandener Schaden soll der Stadt von den be-
treffenden Beamten ersetzt werden. Der Bath soll kein Geraeinde-
eigenthum verpfänden oder gar verkaufen.1) Rector und Schulcollegen
dürfen nur mit Einwilligung der Gemeinde vocirt werden. Diejenigen,
welche ihren Amts- oder Bürgereid noch nicht geleistet haben, sollen
dazu angehalten werden, desgleichen zur Beibringung der Geburtsbriefe.
Der Rath hat bei der Wahl eines Bürgermeisters nur ein Votum. Die
Privilegien der Stadt sind den Bürgern alljährlich vorzulesen. Die
städtischen Gebäude und die Stadtbefestigung soll Bürgermeister und
Rath in gutem Zustande erhalten, auch über die der Stadt zugehörenden
564 Verreichniss der die Stadt Raatenburg betreffenden Urkunden.
Waffen, Feuerlöschgeräthe je. ein richtiges Inventarium führen. DU
Vertretung des Richters, wenn dieser verreist, hat nach dem im gauzt-L
Lande üblichen Gebrauche stattzufinden. Der Sehöppenmeister soll dir
Gewerke und Zünfte nicht seinem Gutdünken nach zu heimlichen Be-
ralhungen an ungewöhnlichen Orteu zusammenberufeu; etwaige Be-
schwerden sind an gehörigem Orte und zu gebührlicher Zeit vor den
Eath zu bringen. Personen, welche sich dem Rath gegenüber bei dessen
amtlichen Verrichtungen ungebührlich betragen, sollen bestraft werden.
Das Verlangen der Gemeinde, bei wichtigen Angelegenheiten um ihn-
Meinung befragt zu werden, ist berechtigt und dieser Beschwerdepunkt
durch das Versprechen des Käthes, in Zukunft danach zu handeln, er-
ledigt. Die Abhörung der Rechnungen hat nach den von der kürfürst-
lichen Regierung erlassenen Bestimmungen vom 25. Sept. 1652 statt-
zufinden. Alle Ausgaben sind mit Belägen zu versehen, bei der za
Kriegszeiten oft unvermeidlichen Unordnung soll jedoch billigendem
davon abgesehen werden. Die Pupillenherren haben die Vormünder
der Waisen zur Rechnunglegung anzuhalten.
Von Personennamen kommen in den Schriftstücken noch folgeudt
vor: Georg Heiligendörfer, Bürgermeister zu R., Christian Hani-
pus, dessen Kompan, Kaspar Friedrich Tiell, Martinas VogeL
Johann Reich, Georg Ohl, Simon Pohl, Rathmänner; Äeltermaun
des Tuchmachergewerks Lorenz Hampus, des Schuhmach erge werk?
Bartel Sittau, des Schneidergewerks Michael Görcke, des Bäcker-
gewerks Heinrich Schultz, des Schmiedegewerks Hans Freuden-
thal, des Kürschnergewerks Johann Aw, des Fleischergewerks Mi-
chael Werner; Christoph Schmitt, Gartenherr; Georg Speer,
Heinrich Gottschalk, Mathes Schwieder, Hans Albrecht Bür-
ger, Bürger zu R.; Westphal, Rector; Wilmsdorff, Oberstlieutenant
und Kommandant [ca. 1656J.
Abschr. K. Hsb. S. 121. — Sitzungsberichte der Prussia 1882/83 S. 11 i. -
') Der Rath wird von der Bürgerschaft beschuldigt, die Stadtdörfer Prangen^
und Bürgersdorf, die Görlitz, die Stadthufen und ein Malzhaus ohne Vor-
wissen der Gemeinde verpfändet zu haben.
194) 1669 d. 20.Febr. Königsberg. Kurfürst Friedrich Wil-
helm ertheilt den beiden Apothekern zu R. Heinrich Balthasar
Von Carl Beckherrn. 565
Billich und Reinhold Sahme auf deren Beschwerde, dass zum Nach-
theil ihrer Officinen auch von audern Leuten Medicamente zubereitet
und verkauft würden, ein Privilegium, wonach neben den beiden Apo-
thekern und den bereits vorhandenen Gewürzkrämern1) keine neuen
zugelassen werden sollen. Die Kegierung, so wie auch Bürgermeister
und Rath werden angewiesen, die Apotheker in ihrem Privilegium zu
schützen, dagegen dieselben aber auch anzuhalten, dass sie gute und
nicht zu theure Waaren liefern.
Origin. im Besitz des Apothekers Patsch. — %) 1704 d. 9. Januar ergeht ein
königl. Rescript, dass die zwei Gewurzkrämer zu R. jährlich 12 M. an die
Rentkammer zahlen sollen. (Schaffer.)
195) 1669 d. 13. März. Königsberg. Derselbe bestätigt die Rolle
des Schneidergewerks zu R. Das Gewerk soll nur aus 12 Meistern
bestehen, „weiln bey ietzigen noch wehrenden kümmerlichen Zeiten die
Leuthe und Einwohner sehr untergekommen, dahero sie fast wenig zu
ihrer Bekleidung können arbeiten lassen".
Origin. im Staatsarchiv zu Königsberg.
196) 1669 d. 24. Aug. Königsberg. Derselbe bestätigt die Pri-
vilegien der Stadt Lötzen. Der dortige Magistrat soll in zweifelhaften
Fällen Urtheil und Recht aus Kasten bürg holen.
v. Werner, gesammelte Nachrichten S. 94.
197) 1674 d. 8. Januar. Königsberg. Die kurfurstl. Kegierung
weist auf den Bericht des Amtshauptmanns, dass die Stadt R. nur 733
zur Contribution heranzuziehende „Hunderte" ') habe, den Kriegscommissar
Peter Kalau an, bis auf spätere Revision davon noch den dritten
Theil vorläufig abzusetzen. Für das von der Stadt in den verflossenen
Monaten zuviel Gezahlte sollen ihr an dem schuldigen Quantum monatlich
100 Gulden weniger angerechnet werden.
Abschr. R. Hsb. S. 56. — ') Die ausserordentlichen Abgaben (der Schoss)
wurden nach Hufen und Hunderten veranlagt, wobei jede hundert Mark Ver-
mögen in städtischem Grundbesitz einer Feldhufe gleichgeschätzt wurden. Seit
alter Zeit her hatte die Stadt den Scboss von 1067 Hufen und Hunderten,
später von 746 zu zahlen gehabt (vergl. Nr. 206); im Jahre 1657 war es je-
doch dem damaligen Bürgermeister Heiligen dörfer gelungen, eine Herab-
setzung auf 600 zu bewirken. Er war, wie Schaffer berichtet, zweimal
nach Königsberg gereist und hatte dort den einflussreichen Generalmajor
Grafen von Waldeck für diese Angelegenheit der Stadt zu interessiren
566 Verzeichniss der die Stadt Rastenbnrg betreffenden Urkunden.
gewusst, indem er ihm in deren Namen 3 Last Hafer im Werthe ton 315 M.
(630 M. heute) verehrte. Die nach dem obigen Schriftstücke inzwischen wi*!*:
eingetretene Erhöhung wird in einer Besserung der Besitz- und Yerntögeaa-
verhältnisse der Bürger der Stadt ihren Grund haben, auf welche unter andern
der Umstand hindeutet, dass zu dieser Zeit eine kostspielige Wasserkunst zun
grössten Theile aus Beisteuern der Bürger errichtet wurde, uud dass fenu-r
im Jahre 1670 die Regierung auch den Grundzins um 15 M. erhöht hatte.
Die städtischen Finanzen befanden sich allerdings in einem Zustande bederA-
lieber Zerrüttung. — Das R. Hsh. S. 52 weist die 733 Hunderte nach wie fol^t;
197 Hunderte von ganzen Häusern \
234 „ „ halben „ I bewohnt, unbewohnt
49 y4 „ „ Buden in der Stadt I und ganz wüst.
47V, „ „ „ „ „ Vorstadt*) )
6 „ „3 Malzhäusern
48 Feldhufen bei der Stadt**)
32
n
zu Prangcnau
32
n
„ Bürgersdorf***)
45
n
„ Görlitz
62A
n
„ Galbunen
12
n
„ Grießlack \
9
$t
„ Weischnuren 1
6
ff
„ Eatkeim \
dem Hospital gehörig f)
6
f»
„ Galbunen \
3
„ „ Mulack /
[underte und Hufen.
733 '/, F
Die gesammten
in i
städtischem Besitz befindlichen Lände reien incl. Hospital-
hufen umfassten
ca.
294 Hufen.
*) Hierunter 2 Hunderte vom Hospital.
**) Das ehemalige Bauerndorf.
***) Es ist auffallend und nicht zu erklären, dass bei diesem und einigen dir
andern Dörfer der Wald nicht in Anrechnung gebracht, was doch bei
Görlitz der Fall ist, desgleichen, dass hier uud bei Prangenau 1 Buk
weniger als der wirkliche Bestand angegeben ist.
t) Die Hospitalrechnung von 1617 führt die Ländercien folgendermassen au:'
10 Hufen zu Grießlack (excl. Wald, welcher damals also noch
5 Hufen umfasst haben muss)
4 „ „ Gudnick
9ya „ n Weischnuren
6 „ „ Eatkeim
4fA n n Reimsdorf
6 ,, „ Neuendorf
2 n n Jerusalem (Wolka).
Von Carl Beckherrn. 5g7
198) 1679 d. 10. Sept. Quartschen. Kurfürst Friedrich Wil-
helm bestätigt den zwischen dem Hauptmann zu B. Wilhelm von
Kreytzen und dem Kupferschmied Jacob Oertel zu B. im Jahre
1667 abgeschlossenen Contract über Anlegung eines Kupferhammers
bei der Neuen Mühle. Oertel erhält danach freies Bauholz und zahlt
jährlich 45 M. Zins.
Abseht. Hsb. 327, fol. 45.
199) 1683 d. 23. Mai. Lötzen. Das Amt zu Lötzen untersagt auf
die Beschwerde des Eichters zu E. Georg Helwing den Dorfschaften
Groß- und Klein-Stürlack, Bogatzen und Kronau die Fischerei
mit Kieppen auf dem Deiguhnsee, da diese Art der Fischerei ihnen
nach ihren Verschreibungen ') nicht zustehe. Der Woitek Kosack zu
Grzibowen sei durch den Eichter Helwing angewiesen worden, die
Uebertreter zur Anzeige zu bringen. Diesen würde eine Strafe von
50 Gulden auferlegt werden.
Abschr. B. Hsb. S. 230. — ') Groß Sturlack 1387, El. Stürlack 1407, Bo-
gatzko 1545, Kronau 1477, Grzibowen 1440.
200) 1696 d. 6. Juni. Königsberg. Kurfürst Friedrich III. be-
stätigt die Willkühr der Müller zu B. vom Jahre 1553 und 1627.
Abschr. R. Hsb. S. 235.
201) 1696 d. 4. Aug. Bastenburg. Christoph Alexander
von Bauschke, Hauptm. zu ß., bestätigt einen Kaufcontract zwischen
Augustin Wannovius und dem kurfürstl. Kornschreiber Christian
Biedel zu B. über einen auf der Freiheit beim kurfürstl. Malzhause
gelegenen Baumgarten.
Abschr. Hsb. 327.
202) 1696 d. 8. Sept. Königsberg. Kurfürst Friedrich III.
befiehlt dem Hauptm. zu B. zu verhindern, dass von einigen Bürgern,
welche auf der Freiheit Malzhäuser gemiethet haben, zum Nachtheil
Ein im Staatsarchiv befindliches Verzeichniss vom Jahre 1620 hat dagegen:
12 Hufen Acker, 3 Hafen Wald zu G rieslack.
4 „ zu Gudnicken
91/« » » Weischnnren
6 „ „ Eatkeim
4'A „ „ Reimsdorf
2 „ auf der Wolle (Wolka).
568 Verzeichnis» der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden*
der andern das Getreide aufgekauft werde, bevor es auf den Markt oder
auf den Platz vor dem Königsberger Thore gebracht worden.
Abschr. K. Hsb. S. 69.
2C3) 1697 d. 15. Oct. Cöln a. d. Spree. Derselbe eröffnet der
preussischen Regierung, dass der Magistrat der Stadt R. den von ihm
gegen die Regierung geführten Prozess wegen der Jagdgerechtigkeit
fallen gelassen, dagegen aber gebeten habe, der Stadt die Erlaubnis?
zum Schiessen von Hasen und Enten auf den Stadtfeldern zu ertheileu,
damit sie dann leichter die fremden Jäger zurückhalten und sich der
Wölfe erwehren könne. Diese Bitte könne jedoch nicht gewahrt werden.
Die Regierung habe daher dem Magistrat zu eröffnen, dass die Stadt
sich wie alle andern Städte, denen das Jagdrecht nicht ausdrücklich
verliehen, zu verhalten und der Büchsen sich nicht anders zu bedu-oea
habe, als auf Reisen oder beim Scheibensohiessen. ') Fremde Per-
sonen, welche auf den Ländereien der Stadt jagen, hetzen oder schiessen
und Aecker und Wiesen beschädigen würden, solle die Stadt dem
Oberforstmeister anzeigen, damit solche bestraft werden könnten. Luder-
stellen sollen auf dem Gebiete der Stadt künftig nicht mehr angelegt
werden,2) wenn der Magistrat es nicht besonders verlangte. Dieser
sei übrigens im Irrthum, wenn er glaube, dass die Wölfe durch die
Luderstellen aus der Feine herbeigelockt würden, da man ja nur an
solchen Orten dergleichen anlegte, an denen sich schon Wölfe in grosser
Anzahl vorfänden. Das Gesuch des Magistrats das Schiessen der Wolfe
zu gestatten, müsse ebenfalls abgelehnt werden.
Abschr. K. Hsb. S. 73. — l) Vergl. Nr. 156. Schon 1583 hatte Georg
Friedrich die Jagd bei 100 Ducaten Strafe verboten. (Schaffer.) — 2) Solches
war vom kurfurstl. Forsthanse Thurwangen aus bei Bürgersdorf geschehen.
204) 1698 [oder einige Jahre vorher]. Das Stadtdorf Bürger sdorf
„hat nunmehr Christian Biedel, Churfürstl. Kornschreiber allhier, durch
ausgeführtes Recht wegen gewisser Schuldforderung an sich gebracht". ')
Amtsrechnung pro 1698/99. — !) Dieses Dorf war inzwischen, im Jahre 1>53,
verpachtet gewesen, und zwar auf 6 Jahre an den Stadtkämmerer Hauen-
stein und den Rathsherrn Georg H eiligen dörfer, das erste Jahr för
450 M., hernach für 600 M. (Schaffer.) 1675 hatte es Georg Ohl gepach-
tet. (Weiteres über Börgersdorf unter Nr. 222).
/
Von Carl Reckberm. 569
205) 1698 d. 18. März. Königsberg. Kurfürst Friedrich III.
befiehlt dem Hauptm. zu Tapiau1), die unbefugte Salzhökerei auf der
Freiheit zu ß. zu unterdrücken.
Abschr. lt. Hsb. S. 70. — *) Die Hauptmannsstelle zu R. war vacant.
206) 1698» „Bericht der kurfürstl. Kegierung wie die Städte des
Herzogthums Preussen ehemals in Hunderten bestanden, worauf sie in
den Jahren 1673 und 1674 gesetzt und wie sie bei der neuen Revi-
sion 1698 veranschlagt worden sind." Danach lautet für Rastenburg
der alte Anschlag auf 1067, der von 1674 auf 733 und der neueste
auf 486 1/4 Hunderte.') [S. Anhang III.]
Abschr. R. Hsb. S. 53. — Schaffe r berichtet, dass bald nach der Veranlagung
von 1674 (s. Nr. 197) der Bürgermeister Rhode im Jahio 1675 nach Königs-
berg geieist sei, um eine abermalige Heruntersetzung für die Stadt zu be-
wirken, und ferner, dass 1692 die Stadt um ein Freijahr nachgesucht und ihre
Passivschulden auf 10000 Thlr. angegeben habe. Darauf sei eine Commissiou
in R. erschienen und habe bereits am 23. Oct. 1692 die oben angegebene Re-
duetion herbeigeführt;. — Die auffallende Differenz zwischen dem alten An-
schlage und dem von 1678/74 scheint nicht allein durch Verschlechterung der
Besitz- und Vermögens Verhältnisse der Stadt herbeigeführt zu sein; in einer
Notiz im R. Hsb. wird sie vielmehr so erklärt, dass in früherer Zeit «He
Bürger ihr Ansehen und ihren Credit dadurch zu heben suchten, dass sie,
um ihr Besitzthum möglichst gross uud werth?oll erscheinen zu lassen, bei
der Veranlagung alle schlechten Plätze und nicht eultivirbaren Grundstücke
angegeben hätten. Der Unterschied zwischen den beiden letzten Anschlägen
beruht zum Theil darauf, dass bei dem von 1698 die Hospitalländereien, von
denen die Stadt keinen unmittelbaren Gewinn hatte, nicht in Anrechnung ge-
bracht worden sind. Die Besitzungen des Hospitals bestehen zu dieser Zeit
nach der Amtsrechnung pro 1698/99 aus
12 Hufen Acker, 3 Hufen Wald zu G rieslack,*)
9y2 „ „ 4 „ „ zu Weischnuren,
3 „ „ zu Mulack,
6 „ „ „ Katkeim,
6 „ „ „ Wolka (Vorwerk, ist verpachtet).
Die 6 Hufen, welche das Hospital früher bei Galbunen beaass, sind jetzt an
zwei Fieio verkauft. — !) Die in städtischem Besitz befindlichen Ländereien
incl. Hospitalhufen betrag eu ca. 23S Hufen.
*) Die 12 Ackerhufen bei G rieslack sind laut Vertrag vom 20. Nov. 1784 zu
je 2 Hufen an 6 Besitzer vererbpachtet, die 3 Waldhufen jedoch im Be-
sitz des Hospitals verblieben. (Schmidt, Angerburg. Kreis S. 90.)
AJtpr. MoMUscbrift Bd. XXII. Hft. 7 u. 8. 37
570 Verzeichniss der die Stadt Bastenburg betreffenden Urkunden.
207) 1699 d. 15. Sept. Königsberg. Kurfürst Friedrich III.
ertheilt dem Gericht zu ß., welches auf eine Ermahnung des Amts-
hauptmanns, in einer Crimiualsache schleuniger zu verfahren, mit einem
Protest und Appellation geantwortet hatte, einen strengen Verweis.
Abschr. Hsb. 327, fol. 243.
208) 1699 d. 16. Sept. Königsberg. Derselbe ertheilt dem
Bürgermeister zu R. Heinrich Balthasar Billich einen Verweis
wegen Verletzung der Autorität des Amtshauptmanns und weil er einen
Rangstreit mit dem Amtsschreiber, anstatt an die Regierung, an das
Gericht gebracht hatte.
Abschr. Hsb. 327, fol. 243.
209) 1700 d. 8. Mai. Lötzen. De;- Hauptm. zu Lötzen A. von
Lesgewang untersagt den Dörfern, welche nicht berechtigt sind, auf
dem Deiguhnsee zu fischen, die Ausübung der freien Fischerei auf
demselben. Wollten sie die Sommerfischerei ausüben, so hätten sie sich
vorher bei der Frau Landrichter Ebert zu melden.1)
Abschr. R. Hsb. S. 230. — %) Diese hatte die Fischerei von der Stadt E.
gepachtet.
210) 1700 d. 19. Aug. Rhein. Die Erben des ehemaligen Amts-
schreibers zu Rhein Philipp Sande n cediren dem Stadtkämmerer
Melchior Hippel ihre Forderung an die Stadt R. im Betrage von
8000 M.1) Zeuge: Andreas Wilhelm Ovander, Schöppenmeister zufi.
Abschr. Hsb. 327, fol. 268. — ') Schaffer giebt an, dass die Forderung ur-
sprünglich 9000 M. betragen nnd Hippel dieselbe nachträglich noch im Inte-
resse der Stadt auf $650 M. heruntergebracht habe. Schon vorher war es
diesem gelungen, eine Schuldverschreibung der Stadt an den Kapitän Kegler
vom Jahre 1G55 über 500 Guld. und eine solche von 1657 über 1000 Gold,
für welche zusammen von Kegler (wahrscheinlich doch wegen rückständiger
Zinsen) 6393 M. verlangt wurden, für die Stadt für 1500 Guld. einzulösen.
Auch in verschiedenen andern Beziehungen hat Melchior Hippel jun. während
seiner mehrjährigen Amtsverwaltung als Stadtkämmerer und später als Bürger-
meister sich um das Wohl der Stadt sehr verdient gemacht, sogar unter Dar-
bringung peeuniärer Opfer. Nr. 211 lässt ersehen, dass seine Umsicht nnd
Gewandtheit auch seitens des Königs anerkannt wurde. Da noch einige andere
Mitglieder der Familie Hippel nicht nur in der Geschichte der Stadt ein«
Bolle gespielt, sondern auch in weiteren Kreisen sich einen Namen gemacht
Von Carl ßeckberrn. 571
haben, so dürften nachstehende genealogische Notizen über dieselbe bier am
Platze sein.
Melchior Hippel, Bathsherr und Schöppe zu B., geb. 1625, t 1677. Verm. m.
Barbara Hampus, geb. 1G28, f 1697. Kinder:
1) Melchior, Stadtkämmerer, später Bürgermeister zu B.f geb. 1657,
t 1729. Verm. m.
Elisabeth Bolandt, geb. 1665, t 1736. Kinder:
1. Katharina Elisabeth, geb. 1682, f 1684.
2. Christina, geb. 1684, t 1710 in Welau an der Pest. Verm. m.
N. N. Bernhardi.
3. Melchior, geb. 1686, t 1689.
4. Maria, geb. 1688, t 1689.
5. Christoph, Kaufm. in Breslau, geb. 1690, f 1735. (Legirt der
Stadt Kastenburg 1000 Thlr. Sein Portrait im Sitzungssaale des
Bathhauses.)
6. Melchior, geb. 1692, f 1704.
7. Katharina Elisabeth, geb. 1695, lebt noch 1735. Verm. mit
N. N. Czerwinski in Königsberg.
8. Georg, geb. 1697, t 1699.
9. Gottlieb, geb. 1700.
10. Barbara Loysa, geb. 1701, t 1726.
11. Christian, Kaufm. in B., geb. 1703, lebt noch 1736. (Eine ihn
botreffende Anekdote erzählt Pisanski in N. Preiiss. Proviuz.-
Bl. VIII, 41.) Verm. m.
Elisabeth von Seeren (Sehren), Tochter des Kaufm. v. S. in
Königsberg.
12. Friedrich, geb. 1705, t 1708.
13. Maria Johanna, geb. 1707, f 1727.
2) Gottlieb, Kaufm. in Königsberg. Kind:
1. Melchior, 1735 Bector in Gerdauen. Verm. m.
Eleonore Thimm, Tocht. d. Kantors Tb. in Bartenstein. Kinder:
1: Gotthard Friedrich, Kaplan in Gerdauen. Kind:
1) Gott lieb Theodor, Begierungspräsident in Brom-
berg, f 1843. (Verfasser des Aufrufs zum Befreiungs-
kriege: „An mein Volk".)
2: Theodor Gottlieb von H., Criminaldirector u. Bürger-
meister zu Königsberg, geb. 1741, f 1796. (Der bekannte
Schriftsteller.)
Von dem 1735 erwähnten Bürgermeister zu Johannisburg Stephan H. kann
das Verwandtschaftsverhältniss nicht angegeben werden.
37*
572 Verzeichnis» der die Stadt Rastenbarg betreffenden Urkunden.
211) 1701 d. 18. Juni. Königsberg. König Friedrich I. ent-
scheidet mittels Erlass an den Hauptmann zu R. Johann Georg von
Kalnein und den zu Barten Fabian von Knobelsdorf einen Streit
zwischen der Stadt R. und den Kirchenvorstehern zu Schwarzstein
betreffend Erhöhung des von der Stadt an die Kirche zu Schwarzstein
für Görlitz zu zahlenden Decems. Die Stadt habe von undenklichen
Zeiten her von den Einwohnern des genannten Besitzthums den Decem
an die Kirche zu Schwarzstein gezahlt, auch in eine Erhöhung desselben
auf 8 M. gewilligt. Da nun aber die Görlitz nur aus uncultivirten
Hufen bestehe, die Kirchenvorsteher auch nichts Anderes zur Begrün-
dung ihrer Forderung vorzubringen vermöchten, als das, was bei der
Kirchenvisitatiou von 1652 durch die Visitatoren festgesetzt worden sei,
so sei der Stadt eine abermalige Erhöhung nicht aufzubürden. Dagegen
habe sich die Stadt zu einem freiwilligen Beitrage zur Instandsetzung
der baufälligen Kirche erboten, wozu der Rathsverwandte Hippel
20 Gulden beisteuern wolle. Die in den Registern seit 1652 geführten
Reste sollen also getilgt und der freiwillige Beitrag von jeder Person
nach Verhältuiss des Vermögens aufgebracht werden. Auch soll bei
künftig vorkommenden Reparaturen an Kirchengebäuden neben dem
Oberkirchenvorsteher auch der Rathsverwandte Hippel jedesmal mit-
hinzugezogen werden, „dessen Dexterität bekannt sei".
Abschr. R. Hsb. S. 347.
212) 1702 d. 10. Juli. Königsberg. Derselbe bestätigt die Rolle
der Töpfer zu R.
Abschr. K. Hsb. S. 277.
213) 1702 d. 26.0ct. Potsdam. Derselbe bestätigt den mit dem
Müller Heinrich Kante 1 aus Drengfurt abgeschlossenen Kauf-
contract über die königlicho Haus mü hie auf der Freiheit zu R. Nach
demselben soll dem Kantel einfürallemal zur Reparatur der Mühle und
der Schleusen das nothwendige Holz unentgeltlich durch die Bauern
aus den Amtswaldungen angefahren werden. Er zahlt für die Mühle
500 Thaler, liefert jährlich ins Amt 10 Scheffel Weizen, 68 Scheffel
Reinkorn, 180 Scheffel Mengkorn, 330 Scheffel Malz und mästet jährlich
12 Schweine für das Amt Ferner hat er die Verpflichtung, für das
Voo Carl Beck her rn. 573
Amt, den Hauptmann, Amtsschreiber und Erzpriester unentgeltlich zu
mahlen. Mit dem Vorwerksvieh darf er 3 Kühe und 7 Schweine zur
Weide treiben. Die Fischerei auf dem Mühlteiche darf er nur zum
eigenen Bedarf ausüben.
Abschr. Hab. 327, fol. 342.
214) 1707 d. 16. Aug. Königsberg. Derselbe befiehlt dem Amts-
verweser zu R., über einen Excess Untersuchung anzustellen, welchen
der Kapitän Michael Küchmeister von Sternberg begangen, in-
dem er eines der Thore der Stadt Rastenburg, welche laut Verordnung
während des sonntäglichen Gottesdienstes geschlossen gewesen wären,
gewaltsam aufgebrochen hätte, worüber seitens des Magistrats Klage
geführt würde.
Abschr. R. Hsb. S. 65.
215) 1707 d. 9. Dec. Königsberg. Derselbe befiehlt demselben
auf dessen Bericht hin, dem Kapitän Michael Küchmeister von
Sternberg wegen des gewaltsamen Aufbrechens des Stadtthores einen
ernsten Verweis zu ertheilen, besonders weil sein Gut') so nahe bei der
Stadt liege, dass er sich zur rechten Zeit zur Kirche hätte einfinden
können. Dem Magistrat sei anzubefehlen, dass er die Stadthore erst
schliessen lasse, wenn zur Ablesung der Epistel das übliche Zeichen mit
der Klingel gegeben worden wäre. Auch sollten die an den Thoren
Wache haltenden Stadtdiener kein Trinkgeld von den Leuten erpressen.
Abschr. R. Hsb. S. 65. — ') Windkeim.
216) 1711 d. 25. Aug. Rastenburg. Der Amtshauptmanu W. S.
von der Groben erlässt Verwarnungen an 1. denRector der lateini-
schen Schule zu R. Jentiko, 2. den Collega quartus Dutke.
Ad 1. Anstatt den ihm untergebenen Lehrern mit gutem Beispiel
voranzugehen, verleite der Rector dieselben vielmehr durch sein häufiges
„Herumvagiren" ebenfalls zu Pflichtverletzungen. Er sei auch mehrere
Tage ohne V^rwissen des Schulinspectors „nebenst dem bösen Menschen,
dem Quarto", verreist gewesen. Dadurch würde nicht nur der Unter-
richt versäumt, sondern es wären auch viele „Scandala" in der Schule
und in der Kirche während des Gottesdienstes von den nicht beauf-
574 Verzeichnis« der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
sichtigten Schülern verübt worden. Da die bisherigen Ermahnungen
nicht gefruchtet hätten, würden bei nochmaliger Pflichtverletzung ernstere
Massregeln ergriffen werden.
Ad 2. „Es sollte wol einer von einem Gelahrten, ja von einem,
welcher sich vor einen Theologum ausgeben will, niemahlen die Ge-
danken machen können, daß so einer vors erste Gott aus den Augen
setzet, sich auf ein versoffenes und liederliches Leben leget, wodurch
er seinen Pflichten weder in dem Gotteshause, noch in der Schulen
bey der Jugend satisfaciret. Er gebe doch in sich und schäme sich,
daß er die ihm von Gott geschenkte dona schlecht achtet und selbige
durch das liederliche Leben verscherzet. — — — — — —
Er entsiune sich, wie vor kurzer Zeit sein bisheriges Comportement und
übel geführte? Leben, das öftere Wegreisen vor seinen Kopf, wodurch
die Kirche und Schularbeit versäumet, insonderheit Herr polnischer
Diaconus darüber Klage führet, v*on mir und dem Herrn Inspectore
Scholae ernstlich vermahnet worden. Wie hat er sich zu bessern ver-
sprochen!" Allein es bleibe Alles beim Alten, denn erst kürzlich sei
er wieder ohne Vorwissen seiner Vorgesetzten veneist gewesen. Dieses
sei die letzte Ermahnung; bei Fortsetzung seines bösen Lebenswandels
solle er ohne Weiteres von seinem Amte abgesetzt werden.
Abschr. in der Registratur der St. Georgen kirche. — Beckbern], Mitteilungen
S. 35.
217) 1719 d. 26. Apr. Königsberg. Die Regierung theilt dem
Commissariat, bestehend aus dem Präsidenten Graf zu Eulenburg
und den Käthen Gregory und Sommerfeld, die königl. Verordnung
vom 4. Dez. 1717 zur Nachachtung mit, nach welcher in den kleinen
Städten die Anzahl der Brauhäuser dadurch reducirt werden soll,
dass, wenn ein Mälzenbräuer sein Brauhaus verkaufen wolle, die übrigen
Mälzenbräuer es ankaufen möchten, um dann die daran haftende Brau-
gerechtigkeit eingehen zu lassen. Die Handwerker, welche eigene Brau-
häuser besitzen, wären allerdings in ruhigem Besitz und in ihrer Nahrung
zu belassen, jedoch solle kein Handwerker ein Brauhaus miethen, oder
falls er sein Handwerk fortsetzen wolle, erhandeln dürfen.
Abschr, R. Hsb. S. 391.
Von Carl ßeckherrn. 575
218) 1719 d. 4. Mai. Berlin. König Friedrich Wilhelm L
theilt dem General-Finanzdirectorium die Entscheidung des General-
Kriegscommissariats zur Nachachtung mit, betreffend die Errichtung eines
Kruges durch den Oberstlieutenant von Collrep auf seinem Gute
Weischnuren zum Nachtheil der Stadt B. Da nach dem Landtags-
rezess von 1618 den Städten zum Nachtheil kein Krug innerhalb einer
Meile von derselben angelegt werden dürfe, die Stadt ß. auch schon
mit vier guten Krügen verseben sei, so solle der von Collrep der Stadt
seinen neuerbauten Krug nicht zum Kaufe aufdringen, sondern ihn ent-
weder selbst behalten oder an Andere veikaufen. Der Besitzer solle die
Freiheit haben, Bier und Brandwein, welche aus der Stadt bezogen
wären, zu verschenken. Der von dem von Collrep offerirte Canon, um
die Braugerechtigkeit zu erlangen, könne, um die Gerechtsame der
Stadt nicht zu beeinträchtigen, nicht angenommen, ebensowenig der Stadt
auferlegt werden, da diese für die innehabende Braugerechtigkeit schon
die Accise entrichte. Dagegen könne der von Collrep von den Brauern,
welche den Krug mit Bier verlegten, von jeder Tonne 2 Gr. Lagergeld
erheben.
Abschr. R. Hsb. S. 369.
219) 1733 d. 15. Juni. Königsberg. Die Begierung erläutert
in einem Anschreiben an den Präsidenten und die Bäthe des Com-
missariats von Kainein, Cupner, von Viereck und Beyer eine
am 26. März a. c. erlassene königliche Verordnung, mittels welcher den
Handwerkern, die früher die Braugerechtigkeit gehabt, solche auch
wieder auf Lebenszeit zugestanden, nach ihrem Tode aber ihre Brau-
häuser aus der Bolle gestrichen werden sollen. Die hierait beabsich-
tigte Beducirung der Brauhäuser könnte nun leicht dadurch verzögert
werden, dass diese Handwerker ihre Brauhäuser an andere Handwerker
oder solche Bürger verkauften, welche kein Handwerk neben der Brauerei
betrieben. Die Begierung bestimmt daher, dass die Braugerechtigkeit
an einem in dem gedachten Falle verkauften Brauhause nur so lange
haften soll, als der Verkäufer lebt. Diese Klausel soll in die Kauf-
contracte aufgenommen werden.
Abschr. B. Hsb. S. 393.
j
576 Verzeichnis* der die 8tadt Rastenbarg betreffenden Urkanden.
220) 1722 d. 14. Dez. Basten bürg. Der Commissarius loci
W. Lohmeyer fordert von dem Magistrat zu R. eine Liste der Häuser,
welche dauernd die Braugerechtigkeit haben, sowie auch derjenigen,
welchen sie nur auf Lebenszeit des jetzigen Besitzers belassen ist, nach
dessen Tode aber aufzuhören hat.
Abschr. R. Hsb. S. 395.
221) 1724. Rastenburg. Kirchenvisitationsrezess. Der Erz-
priester Friedrich Seuberlich berichtet über die Revision der la-
teinischen Schule zu Rastenburg und bemerkt dabei, von dem vierten
Collegen Dreyer sei angezeigt worden, „daß er den Soff lieben solle,
in welchem Stück ihm die anwesende Gemeine ein sehr böses Zeugniß
giebet. Er wird deshalb ernstlich angeredet, vermag sich aber nicht
gänzlich zu Justitiaren, sondern gelobet an, sich davon in Zukunft zu
halten, welches sowol als auch ein geziemendes, friedfertiges Couiporte-
ment gegen den Rectorem ihm sub poena suspensionis ab officio in-
jungiret worden". Was das Brandweinausschenken in der Schule an-
betreffe, so wisse man hier nichts davon. Der Rector führt Beschwerde
über die Winkelschulen, welche meistens von Weibern, eine sogar von
der Tochter des Scharfrichters, gehalten würden. Das Halseisen sollen
die Geistlichen nicht mehr als Strafmittel anwenden, die Huren viel-
mehr von der weltlichen Obrigkeit mit Geldbußen belegt werden. Von
diesen fällt ein Theil an die Kirche und zwei Theile an die Kämmerei-
kasse.
Registr. des Magistrats zu Rastenburg.
222) J730 d. 3. Januar. Königsberg. Die Kriegs- und Donoänen-
kammer bestätigt den Kaufcontract des Magistrats der Stadt R. mit
dem Kaufmann daselbst Christian Hippel über das halbe Gnt
Bürgersdorf. Das Dorf hat früher in seinem ganzen Umfange der
Stadt gehört, ist dann aber „durch ein fatales Schicksal" derselben
vorloren gegangen und durch richterliches Urtheil den Maternschen
Erben zugesprochen worden. Der Successor in matrimonio des Matern,
Vice-Bürgermcister Riedel, hat das Gut in zwei Hälften verkauft,
die eine vor einigen Jahren an den Bürgermeister Melchior Hippel')
zuR., die andere vor kurzer Zeit an den Pfarrer zu Bäslack Stephan
Von Carl Beckherrn. 577
Neumann, von dem es an den Sohn des Bürgermeisters Hippel, den
Kaufmann zu R. Christian Hippel durch Kauf übergegangen ist.1)
Dieser verkauft seinen Antheil, IG Hufen nebst dem Walde, für
5215 Gulden 3 Gr. poln. an die Stadt ß. Geschehen zu Bürgers-
dorf d. 17. August 1729 in Gegenwart des Amtshauptmanns Grafen
E. von Schlieben, des Gerichtsschreibers Theodor Frölich, des
Burgermeisters Dr. med. Heinrich Bernhard Hübner, Eichters
Gottfried Heiligendörfer, Rathsverwandten Gottfried Ernst
Billich, Stadtältesten Christian Reich und Aeltermanns Michael
Dannowski.
Abschr. K. Hsb. S. 362. — ») S. Nr. 210, Anraerk. 1. — f) In dem Inventar
sind die 16 auf dem Gute vorhandenen Kühe aufgeführt, und zwar gleich
den edleo Pferden mit Angabe ihrer Namen: Regina, Rosa, Willka Pstra,
Kolodzeyka, Hanska, Bodzeck, Pstra gtowa, Pstra mata, Kusse Cize, Stump-
tawska, Rutta, Soscha, Anna, Maria, Viotka, Soffcka.
223) 1735 d. 6. Juni. Rastenburg. Bürgermeister und Rath
beurkunden, dass der verstorbene Kaufmann zu Breslau Christoph
Hippel in seinem am 19. Mai 1732 errichteten Testament seiner Vater-
stadt R. ein Legat von 1000 Thalern ausgesetzt habe. Nach der Be-
stimmung des Erblassers soll von den Zinsen k 6 Prozent jährlich ge-
zahlt werden: An den Rector der Schule 10 Thlr., an den Conrector
8 Thlr., dem Cantojr und dem Stadtmusikus zusammen 7 Thlr.,1) an
die beiden Hospitäler zusammen 5 Thlr., den drei Predigern zusammen
8 Thlr., den Predigerwittwen 5 Thlr., dem Bürgermeister 5 Thlr. Die
übrigen 12 Thlr. sollen bei Ablegung der Rechnung zu einer Collation
für den Magistrat und die Ael testen der Bürgerschaft verwendet werden.
Abschr. R. Hsb. S. 381. — A) Nach der Bestimmung des Testaments hat der
Rector an jedem Charfreitage für die ganze Bürgerschaft durch die Schüler
einen festlichen Actus zu veranstalten mit Dcclamationen in deutschen Versen
über das Leiden Jesu, verbunden mit einer durch Cantor und Stadtmusikus
aufzuführenden Trauermusik. Der Conrector soll an jedem 19. Mai der Bürger-
schaft „eine erbauliche Historie vorstellig machen" und Cantor und Stadt-
musikus „eine zierliche Musik".
224) 1750 d. 6. Aug. Berlin. König Friedrich IL ertheilt der
Stadt R. ein neues Braugerechtigkeitsprivilegium, nach welchem
578 VtriwchniM der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
der bisherige Unterschied zwischen perpetuellen und temporellen Brau-
häusern fortfallen, dagegen die perpetuirliche Braugerechtigkeit auf die
reducirte Anzahl von 107 von altersher die Braugerechtigkeit inne-
habenden Häusern [welche nach den Namen ihrer Besitzer aufgeführt
werden] ') übertragen werden soll. Die Braugerechtigkeit soll an diesen
Häusern als ein immerwährendes Real-Privilegium haften und das Brau-
gewerbe von ihren jeweiligen Besitzern nach Proportion des Unterschiedes
von ganzen, halben und Viertelbäusern darin betrieben werden.
Abs ehr. R. Hsb. S. 392. — !) S. Anhang IV. Vergl. die Angabe über die
Anzahl der Häuser unter Nr. 160.
225) 1J83 d. 7. Novbr. Bastenburg. Der Commissarius loci
von Kort z fleisch weist auf Verfügung der Kriegs- und Domänen-
kammer den Magistrat zu B. an, das Stück von der Mauer des abge-
brochenen Rathhauses, welches an das Haus des Bürgers Grube stösst,
stehen zu lassen; das Stück aber, welches an des Nadlers Schwartz
Haus stösst, soll der Stadtkämmerer sofort abbrechen lassen. „Damit
aber diese Sache nicht wieder so der alten Bastenburgischen Gewohn-
heit nach verschleppet werde", wird dem Magistrat befohlen, hiefür und
für die baldigste Ablegung der Rechnung Sorge zu tragen, wenn er sich
nicht einer empfindlichen Beahndung aussetzen wolle; denn es liege
grösstenteils an ihm, „dass hier Alles so schläfrig uud zum Nachtheil
der Kasse zugehe".
Registratur des Magistrats. — Beckherrn, Kastenburg S. 114.
Anhang.
I.
Willkühr der Hübner zu Bastenburg.
Wir Bürgermeister und Rath der kurfürstlichen Stadt Rastenburg fügen jeder-
männlichen zu vernehmen, wasraaßen Uns E. E. Gemeine der Hübner bei dieser Stadt
durch ihre gekohrenen Aelterleute eine in gewisse von allerseits Interessenten be-
liebte Artikel verfaßte Ordnung, wie sie es künftig zu allen Zeiten des Jahres im
Felde mit ihrem Ackerbau, Viehtriften, Zechen und sonderlich mit ihrem Hubenwalde
gehalten wissen wollen, einreichen lassen mit inständiger Bitte, nicht allein selbe
Artikel zu revidiren, sondern auch dieselben aus obrigkeitlichem Amte zu confirmiren
und zu bestätigen. Gleich wie Wir nun über alle gute Ordnungen bei dieser Stadt
ein wachendes Auge zu haben Uns verpflichtet befinden, also haben Wir diese Feld-
ordiiung der obbesagten Hübner vor gut, heilsam und nöthig befunden. Und lauten
deroselben verfaßte Articuli als hernach folget.
Verbesserte Willkühr E. E. Gemeine der Hübner zu Iiastenbarg,
zusammengetragen mit VoUwort und Belieben der ganzen Gemeinde
im Jahre 1C36.
1. Erstlich ist von E. E. Gemeinde beschlossen und beliebet, daß deroselben
von denen gekohrenen Aeltesten alle zwei Jahre wegen Einnahme und Ausgabe des
empfangenen Weidegeldes Rechnung gethan und alsdann die Kühr im Beisein E. E.
Kaths und ues Stadtschreibers, bei welcher sich alle Hübner, so dazu gehören, be-
finden sollen, vorgenommen und gewisse Aelterleute, welche solche Leute, so ihre
eigene ganze oder halbe, nicht aber gemiethete Hüben haben, sein müssen, erwählet,
auch die Willkühr jedesmal verlesen werden sollen.
2. Dieselben Aelterleute sollen nun allen Schaden, sowohl in der Gemeinde
Wäldern, als auch zu aller Zeit im Felde, bei ihrem Gewissen, so viel ihnen immer
möglich, verhüten und auf Alles gute und genaue Achtung geben, damit niemand
inuthwilliger Weise Schaden geschehe. Insonderheit aber sollen sie sich nicht unter-
stehen, Jemanden das geringste aus dem Hubenwalde*) ohne Vorbewust der ganzen
Gemeinde zu geben, also daß sie in keinerleiwege ihren eigenen, sondern den gemeinen
Nutzen zu suchen schuldig sein sollen.
*) Der Bürger- und Bauernwald bei dem jetzigen Gute Tannenwalde (Rasten-
burgswalde).
580 Verzeichnis» der die Stadt Rasten barg betreffenden Urkunden.
3. Wenn Kogelung*) vorgehet, soll solches durch die Aclterleute vorher der
ganzen Gemeinde, damit sich Jeder danach zu richten habe, angemeldet und in
Auakogeln nach der Hubenzahl Gleichheit gehalten auch aller bisher vorgegangene
gewöhnliche Unterschleif verhütet werden.
4. Soll ein jeder Hübner, so bald ihm solches durch die Aeltesten angekündet
wird, die Zäune bei den Gärten fertig machen. Thut er solches nicht, giebt er nach
der ersten Kündigung 10 Gr., nach der andern 20 Gr. und zum drittenmal 30 Gr.
und soll den daraus entstandenen Schaden gelten.
5. Gleichergestalt sollen auch die Rücken**) im Felde nach geschehener erst*-
Ankündigung fertig gemacht werden. Da Jemand dawid erhandelt, der soll nach d?r
ersten Besichtigung geben 3 f>, nach der andern 6 f> und zum drittenmal 9 p ro.i
jedem Loch und soll den Schaden dazubtißen. So soll auch ein Jeder schuldig sein.
sich bei Besichtigung der Rücken in Person einzustellen, oder aber einen gewinn
Hübner oder einen andern an seine Stelle abzuordnen bei Strafe von 10 Gr.
6. Wenn die Aclterleute die Gemeinde verbotten lassen und bleibt Jemand
ohne erhebliche Entschuldigung, die er dem Aeltermann anmelden soll, ans, der ver-
% büßt 6 Gr.
7. Der Aeltermann soll demjenigen, so zum erstenmal die Zeche***) zu hüka
schuldig, dieselbe durch deu jüngsten mit Zuschickung der Blaset) anmelden las&Q.
Wenn nun derselbe seine Nacht gehütet, soll er zu rechter Zeit dem Aeltermann die
Blase wiederbringen, der ihm dann andeuten wird, wem er die Wache weiter an-
sagen soll. Der hier widerbandelt büßet 10 Gr.
8. Wem nun die Zeche zu hüten also ordentlich angesaget worden und der-
selbe bliebe gänzlich aus und hütete gar nicht, es entstünde aber ein Schaden dar-
aus, derselbe soll den ganzen Schaden zu büßen ohne einige Ausflucht schuldig «in.
Entstünde aber ein großes Ungewitter, ehe und wann die Zeche gejaget wird, w
soll derjenige, dem die Zeche zu hüten gebühret, sich bei den Aelterleuten anmelden,
daß er die Zeche nicht hüten könne, damit jeder seine Pferde inachtnehme, bei Straf-1
von 20 Gr.
9. Daferne aber einer zwar in die Zeche gehet, in selbiger aber unfleißig h-
siehet, oder aber bei enstandenem Ungewitter davonläuft und entstehet also ein
Schaden daraus, der soll den halben Schaden gelten.
*) Wahrscheinlich Vertheilung des geschlagenen Holzes nach Maßgabe de:
Grösse des Besitzthums und durch Verloosung.
**) Zäune, bestehend aus starken, in gewissen Abständen in den Boden ^
grabenen Piählen. Diese sind mit Löchern versehen, durch welche starke Latten
oder Stangen geschoben werden.
***) Das Hüten der Pferde. Im 18. Jahrhundert hüteten die Bürger nicht mehr
selbst die Pferde; dieses besorgte ein von der Stadt argestellter Pferdehirt, welcher
der Zechner hiess.
t) Das Hirtenhorn.
Von Carl Beckherrn. 5g \
10. Derjenige, welchen die Ordnung, die Zeche zu hüten, trifft, soll dieselbe
zu rechter Zeit, nämlich sobald der Hirt vom Felde kommt,*) treiben und ehe
nicht nach Hause gehen, bis der Kuhhirt ins Feld kommt.**) Wer hierwider-
handelt büßt 10 Gr.
11. Es soll auch von demjenigen, so seine Pferde zur Zeche jaget, dem, so die
Zeche hütet jedesmal angekündiget werden, daß er nunmehr seine Pferde überant-
worte, damit sich Niemand mit Unwissenheit entschuldigen könne.
12. Wenn die Zeche zum erstenmal angesaget ist, sollen alle Hübner nach der
Ordnung, sie jagen ihre Pferde zur Zeche oder nicht, dieselbe zu hüten schuldig sein.
Wer aber zum andern Mal seine Pferde im Stall behält und nicht zur Zeche jagen
will, ist ferner zu hüten, nicht verbunden. Sonst ist bewilliget, daß ein jeder von
4 Pferden eine Nachtzeche hüten soll, und soll hiebei verboten sein, daß die Pferde
nicht beisammen in einem Winkel gehalten, sondern auf der Weide herumgehend ge-
lassen werden, damit an den Rücken kein Schaden geschehe, bei Strafe von 20 Gr.
13. So oft Jemand Brücken, Wege und Stege zu bessern von den Aelterleuten
angekündiget wird, und derselbe kommt nicht zur angemeldeten Zeit, der verbüßet
30 j>.
14. Wenn aber ein großer Schaden an Brücken, Wegen und Stegen vorfiele,
also daß Steinbrücken zu machen und dazu Scharwerk vonnöthen wäre, soll solches
von den Aelterleuten der Gemeinde angemeldet werden, und soll alsdann ein jeder
Hübner soviel Fuder, als ihm von der Hube zu fuhren angesaget worden, zu Ver-
fertigung der Steinbrücken zu führen schuldig sein. Bleibt aber einer muthwülig
aus, der verbüßet von jedem Fuder 6 Gr.; wer aber nicht einheimisch ist oder sich
genugsam entschuldigen läßt, der führet mit seinen Pferden zu anderer Zeit.
15. Würde Jemand aus der Zahl der Hübner, er sei, wer er wolle, im Hübener-
walde gesehen oder betroffen, daß er vom Stamm haue oder Holz führe, der giebt
ohne einige Widerrede von jedem Stamme 5 M. Strafe. Wer aber eine gemiethete
Hube innehat und wird im Walde vom Stamme hauend betroffen, giebt von jedem
Stamme 10 M.
16. Bei Einnahme des jährlichen Grundzinses sollen mehr nicht, als drei Tage
zugebracht werden. Derselbe aber, so sich innerhalb solcher drei Tage mit seinem
Zins und Pfluggetreide nicht einstellet, giebt 15 Gr. Strafe.
17. Im angehenden Vorjahr soll allemal ein jeder sein geltes***) Vieh von der
Stadt wegzutreiben schuldig sein. Wer hierwiderhandelt dessen Vieh soll gepfändet
werden und er von jedem Stück 10 j> Strafe geben.
18. Keiner soll dem Andern auf dem Seinigen, es sei auf Acker oder Wiesen,
zu nahe hauen und pflügen. Wer wissentlich hierwiderhandelt, und daß der Herr
selbsten ein Ursacher auch dessen genugsam überführet würde, wie auch nicht weniger
*) des Abends. **) des Morgens. ***) unfruchtbares.
582 Verzeichnis! der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkunden.
derjenige, so einen Rain auspflüget, derselbe soll unnachlässig vor jedesmal 13 M.
Strafe, jedoch E. E. Raths Strafe vorbehaltlich, erlegen.
19. Wer dem Andern muthwillig durch seine Wiesen oder Getreide fahren
würde, giebt jedes Mal 3 M. Strafe und verbüßet den Schaden.
20. Derjenige, so seines Nachbarn Stücke in Einführung seines Heues und Ge-
treides nothwendig durchhauen muß, soll sich bei den Aelterleuten anmelden, die es
dann demselben Nachbarn zu. wissen thun, damit er dasjenige, so abgehauen, weg-
führen lassen kann. Wer hierwiderhandelt giebt 10 Gr.
21. Niemand soll freistehen, auf seines Nachbarn Hube, wenn er auf den «einigen
fahren kann, die Länge weg zu fahren und ihme also auf einem fremden Grund eint-o
Weg zu machen. Wer hierüber betroffen wird giebt 3 M. Strafe.
22. Wer seinem Nachbaren seine Rücken aufzieht und solche nicht wieder, wk
sie vorhin gewesen, zumachet, giebt 3 M. Strafe.
23. Niemand soll auf den Anger oder sonst an ungewöhnliche Oerter seinen
Mist abladen, sondern denselben aisbaM auf den Acker oder auf einen Haufen in die
Trift zu führen schuldig sein bei Strafe von 30 Gr.
24. Es soll auch Niemand Mist auf die Brache zu führen erlaubet sein, es sej
ihme denn zuvor von den Aelterleuten angesaget worden. Wer hierwiderhandelt,
giebt 3 M. Strafe.
25. Wenn die Aelterleute Brache ausgeben, soll sich Niemand unterstehen, über
das ausgesteckte Zeichen überzupflügen. Wer hierwiderhandelt, giebt von jeder Ruth*
9 6 Strafe. Alten Drisch aber und Wege hat man jeder Zeit frei, zu stürzen, auch
allen Mist, so geführet worden, daselbst unterzupflügen.
26. Derjenige, so sein Vieh nicht vor den Hirten treibet, sondern zuschadm-
gehen und frei hüten läßt, derselbe soll vor jedes Mal, so oft er verbricht, und zu
jeder Zeit des Jahres 3 M. Strafe erlegen.
27. Diejenigen Bürger und Gärtner, so nicht Hüben haben, und ihre Schweine
frei gehen lassen, denen sollen die Schweine weggenommen und ins Hospital gegeben
werden. So soll auch jedem, der Schweine im Getreide, so da blühet oder reifet,
findet, solche zu erschießen erlaubt sein.
28. Wer im Äugst ins Feld fährt und hinter ihme ein überj ähriges Fohlen oder
ein ander ledig Pferd laufen läßt, giebt vor jedes Mal 1 M. Strafe.
29. Auch soll Keiner im Kornaugst mehr Pferde mit zu Felde nehmen, als die
er angespannt hat; soll auch die angespannten nicht auf seines Nachbars, sondern
auf das seinige zu zeudern*) verbunden sein bei Strafe von 1 M. Im Sommerfelde
aber soll gar kein Pferd ausgespannt werden bei Strafe von 3 M.
*) Die Pferde verhindern, frei umherzulaufen, indem man ihnen um einen Fuss
eine Leine schlingt, deren anderes Ende an einem in den Boden geschlagenen Pflock
befestigt wird.
Von Carl Beckherrn. 588
30. "Wer auf Drisch zwischen dem Getreide Pferde zu hüten oder zu zeydern sich
unterstehen würde, so es ein Hübner, der verbüßet 1 M.; ist es aber ein Vorstädter
oder ein Anderer, der büßet 3 M. und gelten beide den hieraus erwachsenen Schaden.
31. Wer Gras auf fremden Wiesen oder Drisch ausschneidet, giebt 3 M. Strafe.
Dafern sich aber Jemand unterstehen würde, fremde Wiesen auszuhauen, und es ein
Hübner, der giebt 6 M.; ist es aber ein Vorstädter oder ein Anderer der giebt
15 M. Strafe.
32. So Jemand sich böslichen unterstehen würde, im Felde Bücken und Pfahle
entzweizuhauen und wird hierüber betroffen oder dessen überwiesen, der soll unnach-
lässig mit 10 M. beleget werden.
33. Demnach auch bisanhero mannigfaltige Klagen geführet worden, daß etliche
der Hübner und Andere sich unterstehen, wenn ihre Pferde und Vieh in den Pfand-
stall vom Zechner wegen zugefugten Feldschadens eingejagt worden, dasselbe eigenes
Beliebens und wol noch mit Verübung einer und der andern Gewalt und Thätlich-
keit aus dem Pfandstall zu. nehmen, und aber solches zu großem Schaden der Ge-
meinde geschiehet, als soll ins Künftige derjenige, so sich solcher Thätlichkeit ohne
Erkeuntniß der Aelterleute oder £. £. Rathes unterstehen würde, da es der Herr
selbsten, solche mit 3 M., das Gesinde aber mit dem Thurm unablässig büßen.
34. Wann im Vorjahre das Sommerfeld meistentheils besäet,*) sollen die Aelter-
leute der Gemeinde anmelden lassen, daß Niemand sein Vieh oder Pferde in dasselbe
zu jagen, sich unterfangen soll. Wer hierwider gebricht, soll solches jedes Mal mit
1 M. verbüßen.
35. Wenn die Gemeinde zusammen ist und sich mit einem Trunk ergötzet,
soll Keiner dem Andern mit unterschiedenen höhnischen Worten und Geberden zu
Hader und Zank Ursache geben, sondern ein jeder sich aller Bescheidenheit, Glimpfs
und Ehrbarkeit gebrauchen auch sich jedes Mal, so oft er von dem Aeltermann be-
rufen wird, nüchtern einstellen bei Strafe von 30 Gr.
36. Wenn Hüben verkauft oder vermiethet werden, soll solches mit vorher-
gehendem Consens E. E. Raths allhie geschehen auch solches den Aelterleuten zuvor
angekündiget werden, und soll alsdann Käufer und Verkäufer jeder ein halbes Achtel Bier
nach alter Gewohnheit zu geben, schuldig sein. Wer hierwiederhandelt, büßet 30 Gr.
37. Ein Bürger oder Büdner, der nicht Acker hat, soll mehr nicht, als zwei
Kühe halten; die Schafe aber derjenigen, so nicht Hüben haben, sollen gänzlich
abgeschaffet sein.
*) Die Erwähnung des Sommerfeldes in diesem Artikel in Verbindung mit den
Bestimmungen der Artikel 24 und 25 beweist, dass bei der Beackerung der Dorf-
hufen das Betriebssystem der Dreifelderwirthschaft befolgt worden ist. Aus den Be-
stimmungen der zuletzt genannten beiden Artikel kann man auch schlieasen, dass
auch das Ackerland der Dorfhufen gemeinsames Besitzthum sämmtlicher Hübener ge-
wesen und alljährlich zur Beackerung neu ausgetheüt worden sei.
584 Verzeichnis« der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
38. Den Handwerksleuten in der Vorstadt soll über zwo Kühe zu halten nicht
zugelassen werden, von welchen sie 30 Gr. Weidegeld erlegen sollen. Ingleichea
sollen die Freigärtner keine Kühe halten, Hubengärtner aber halten auch nur eise
Kuh und geben 30 Gr. Vom Pferde in der Vorstadt soll 30 Gr. gegeben werden.
Und soll obbesagten Gärtnern und Vorsiädtern allen von den Aelterleuten das übrige
viele Vieh, dadurch der rechten Eigenthümer Vieh unterkommt und ihrae die Weid«
entzogen wird, zum ersten Mal bei Strafe von 1 M., zum andern Mal bei 2 M., zum
dritten Mal bei Wegnehmung und Verlust des Viehes abzuschaffen, angesaget und
über dieser Verordnung unveränderlich und stet gehalten werden.
39. Schließlichen ist von E. E. Gemeinde der Hübner bewilliget, daß den Aelter-
leuten alle hohe Feste und Fastnachten ein Fuder Holz aus dem Hübenerwalde zur
Ergötzlichkeit zu führen, vergünstiget, sie aber hergegen obligat sein sollen, alle
Einnahme der Strafen und Gefälle richtig nebenst der nothwendigen Ausgabe zu
verzeichnen und in Rechnung zu bringen auch über allen diesen Artikeln unablässig
zu halten und solche in gute Acht zu nehmen. Dahingegen aber soll ihnen von
einem jeden Hübner billiger Respect und Gehorsam geleistet und keine Widersetzlich-
keit gegen sie vorgenommen werden, bei Strafe nach Erkenntnis E. E. Gemeinde,
damit also Alles ordentlich unter der Gemeinde zugehen und ein jeder das Seine
ohne vorsätzlichen großen Schaden in Fried und Einigkeit genießen möge.
Dieses alles ist also von E. E. Gemeinde über allen vorhergesetzten Punkten
und Clausulen stet, fe3t und unverbrüchlich zu halten, einhellig beliebet und ge-
schlossen worden.
Geschehen Rastenburg am ersten Sonntag nach Trinitatis Anno 1636.
Confirmiren, bekräftigen und bestätigen demnach Wir Bürgermeister und Rath
der Churfürstl. Stadt Rastenburg obbeschriebenc Punkte in allem ihrem Begriff,
Inhalt und Clausulen kraft Unsers tragenden obrigkeitlichen Amtes des gänzlichen
Willens, daß dieselben hinfüro fest, stet und unverbrüchlich gehalten und die Ver-
brecher zur unablässigen Strafe von E. E. Rath und den bestätigten Aelterleuten
gezogen werden sollen, wonach sich jedermännlichen, der hieran interessiiet, zu richten.
Actum Rastenburg den 22. Aprilis Anni 1637.
n.
WillkUhr der Stadt Rastenburg.
Nachdem zu sonderlicher Beförderung christlichen Wandels und Wesens, Fort-
stellung gleichmäßigen Rechtens, zu Erhaltung Güter, Ordnung und Polizei hoch-
nöthig und dieser Stadt ganz dienstlich, daß eine gute Ordnung und willkührhches
Recht, wonach sich ein jeder Bürger, der Reiche sowohl als der Arme zu richten,
gestiftet und angeordnet werde, auch alle löbliche Satzungen und Ordnungen Gott,
Von Carl Beckherrn. 585
dem Allmächtigen, zu Ehren und der gemeinen Bürgerschaft zu aller Wohlfahrt ge-
reichen und gemeinet werden, so ist aus vorhergehendem wohlbedachtem Recht und
einhelligem Schluß E. E. Raths, Gerichts, Aeltestcn aller Werke und einer ganzen
Gemeinde*) diese Willkühr und Stadtordnung aufgerichtet und zusammengetragen.
Solle demnach ein jeder und alle diejenigen, die sich in dieser Stadt Rastenburg des
Bürgerrechts, Handels und Wandels gebrauchen wollen, diese Willkühr, wie dieselbe
nach Gelegenheit und Erheischung gegenwärtiger Zeit allenthalben in allen und
jeden ihrer Punkte und Clausulen enthalten, sich derselben gemäß und gehorsamb-
lichen bei Vermeidung der beigesetzten Strafe und Pön verhalten und nachleben
wie folget.
Cap. I.
Von gottfurclitigem Leben und Wandel.
Distinctio 1. 2. (Diese und die anderen auf kirchliche Verhältnisse bezüglichen
Artikel sind hier nicht aufgenommen, da sie schon in dem Aufsatze „Die St. Georgen-
kirche zu Rastenburg" in der Altpr. Monatschr. XX, 297 abgedruckt sind.)
Dist. 3. Würde auch Jemand in Collationibus, Bierzechen und anderswo von
Königl. Majestät in Polen oder aber Churrurstl. Durchl. allhier in Preußen, unserer
allergnädigsten Herrschaft und dem ganzen Churfurstl. Hause Brandenburg etwas
Uebles redcu hören und es nicht andeuten, soll willkührlich gestrafet werden.
Dist. 4 — 10 (s. Bemerkung unter 1).
Cap. U.
Von Examinibas in der Schulen.
Dist. 1. Wenn Examina in der Schulen gehalten werden und der Tag sowohl
die Stunde von Herrn Pfarrern und Schulmeistern angekündiget wird, sollen zween
Herren aus E. E. Raths und zween aus E. E. Gerichts Mitteln, wie auch die Kirchen-
väter und aus den Hauptziinften und Werken einer von denAeltesten dazu deputiret
werden. Dieselben sollen sich zu rechter Zeit in der Schulen eingestellen, solche
Examina mit anhören und ihren Hinterlassenen davon Relation thun.
Cap. in.
Vom Bürgerrecht, wie es damit soll gehalten und wem es soll
gegeben werden. Item von andern Stadtsachen.
Dist. 1. Wer sich allhier in der Stadt nähren will oder Haus und Hof auf-
halten, sein Handwerk oder Kaufmannschaft treiben, der soll seine Geburtsbriefe auch
*) Der Rath bestand aus: 1 Bürgermeister, 1 Vice-Bürgermeister und 6 Raths-
verwandten, worunter 2 Stadtkämmerer. Ihm war beigegeben 1 Stadtschreiber.
Das Gericht bestand aus: 1 Richter (vorübergehend auch 1 Unterrichter),
1 Schöppenmeister und 7 Gerichtsverwandten. Im Anfange des 18. Jahrhunderts
war ihm auch 1 Gerichtsschreiber beigegeben.
Die Gemeinde oder die dritte Ordnung bestand aus: 20 Vertretern der
Bürgerschaft, darunter je 2 Aelterleute der sieben Hauptgewerke.
Altpr. Monatsschrift Bd. XX IL Hft. 7 u. 8. 38
586 Verzeichnis» der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
ein Gezeugniß seines Verhaltens haben und das Bürgerrecht gewinnen, sonsten s»U
er nicht eingenommen noch gelitten werden.
Dist. 2. Ein jeder, so das Bürgen-echt gewinnet, soll den Erbeid Ihrer Künigl
Majestät und Churfürstl. Durchl. vor E. E. Rath stracks zu leisten schuldig sein.
Dist. 3. Welcher Bürger den angelobten Gehorsam und Pflichten nicht legtet,
demselben soll das Bürgerrecht, so er nach vorhergehender Erinnerung beharrbel»
fortfahren würde, wieder geleget, und Nahrung zu treiben nicht gestattet werden.
Dist. 4. Es soll keinem Juden oder Schotten alhier zu Hasten bürg alter Ge-
wohnheit nach das Bürgerrecht gegeben werden.
Dist. 5. Ingleichen soll Keinem das Bürgerrecht gegeben werden, der anders-
wo Bürger ist, er verzeihe sich denn dessen und ziehe mit der Wohnung anhero \ivA
thue die Pflichten einem andern Bürger gleich.
Dist. G. Es soll derjenige Bürger, so anderwohin aus der Stadt sich begieb.t,
sofern er das Bürgerrecht länger als ein Jahr behalten will, sich jahrlich bei E. E.
Rath anzugeben und desfalls abzufinden, schuldig sein.
Dist. 7. Wer auch allhier Bürger sein will, der soll sich nicht des Hauädnus
weder in der Stadt, noch auf dein Lande gebrauchen und umherfahren, noch Ku^chr*
halten, die solches seinetwegen andern Bürgern zum Vor fang thun, bei Strafe von ;> M.
Dist. 8. Die umbfahrenden Schotten sollen außerhalb des Jahrmarkts keicr
Waaren in der Stadt uud Vorstadt zu verkaufen Macht haben bei Verlust »]< r
Waaren, außer solchen Sachen, die man in der Stadt nicht haben könnte.
Dist. 9. u. 10. Die Willkühr soll jährlich auf dem Itathhause der ganzen Gemeind»*
verlesen, auch die Rechnung vor der Stadt Kühr E. E. Gemeinde abgeleget w«*rdeL.
Dist. 11. Ein jeder Bürger in oder außer der Stadt soll sein über- und Unter-
gewehr halten bei Strafe von 3 M.
Dist. 12. Auf Landtage und andere Stadt-Expeditiones sollen allewege zwri
abgeordnet werden, nämlich einer aus E. E. Raths Mittel und neben ihme der Herr
Stadtschreiber, auch, da wichtige Händel vorfielen, es der Stadt ehestens notificireit
und Raths erholen.*)
Cap. IV.
Von Hand Werksleuten insgemein.
Dist. 1. Tuchmacher, Gewandschneider, Krämer und alle Händler, so sich der
Ellen und des Gewichts gebrauchen, sollen gute vollkommene Ellen und Gewicht
haben auch nach altem Maß, Korn und Brauch ihre Waaren an Länge und Breite*
machen, welche dann nach Gelegenheit von den Aeltesten besichtiget werden sollen,
und da sie falsch und sunder an Rahmen befunden, sollen sie vermöge ihrer RahVii
in gebührliche Strafe genommen und die Strafe zum besten eingebracht werden.
*) Unter den kleinen Städten hatte Rastenburg auf den Landtagen das zweite
Votum und in Abwesenheit der Deputirten von Bartenstein den Vorsitz.
Von Carl Beckherrn. 587
Bist. 2. Goldschmiede und Kannengießer sollen auch recht Gewicht haben und
ihre Waaren nicht verfälschen bei hoher Strafe, wie zu Recht geordnet.
Dist. 3. Aus allen Werken sollen alle 14 Tage ihrer zween umhergehen, die
Waaren mit Fleiß besehen und einen jeden Werkbruder vermahnen, daß er seine
Waaren um einen billigen, ziemlichen Pfennig nach dem Einkauf gebe, auch niemals
vertheuere,. und da etwas Tadelhaffces befanden würde, dasselbige hinwegnehmen und
zum Aeltesten bringen, damit er möge in gebührliche Strafe genommen werden..
Dist. 4. Welche Werkbruder zu solcher Besichtigung verordnet werden und
sich säumig oder nachlässig erzeigen, dieselben sollen E. E. Werk mit Strafe ver-
fallen sein.
Dist. 5. Welcher Handwerksmann einer Bürgerschaft um Bezahlung nicht will
arbeiten, sonderlich die Schmiede, Rademacher, Schirrmacher, Böttcher und Leinen-
weber, der verbüßet E. E. Rath 3G J> und soD demnach arbeiten, und soll allzeit der
Bürger dem Landmann in der Arbeit vorgezogen werden.
Dist. 6. Die Handwerker sollen unter ihnen nichts Neues ordnen ohne der
Obrigkeit Wissen und Willen bei Strafe von 3 M.
Dist. 7. Wenn Jemand verwundet wird, soll dem verordneten Arzt der erste
Verband, damit er sich desto baß erhalten könne, gegönnet werden*); doch wofern
der Schade und die Gefahr so groß, daß der Arzt sich des Schadens mit Heften und
Schienen nicht unterstehen könnte und der Patient sich eines Schandmals oder sonsten
anderer Gefahr besorget, mag ein jeder zu Erhaltung seiner Gesundheit einen andern
Arzt oder Balbierer suchen und gleichwohl dem verordneten Arzt den ersten Ver-
band zahlen.
Cap. V.
Von den üfälzenbrftnern.
Dist. 1. Zu brauen soll jährlich um Bartholomäi oder noch früher, dafern am
Bier ein Mangel sich ereignen sollte, angefangen und auf den letzten März neuen
Kalenders geendiget werden. Da dann E. E. Rath, Stadtrichter und Stadtschreiber
die ersten Wochen sollen vorgehen und drei Wochen, dafern solches nicht ehe
ausgehen sollte, zum Verschenken haben sollen; die anderen Wochen aber die
neue Zunft.
Dist. 2. Derjenige, so seines eigenen Vortheils halber, ehe er vom ganzen
Hause 3 Wochen, vom halben 6 Wochen und vom Viertel-Hause 12 Wochen alt wird,
die Pfanne verschreiben läßt, soll büßen 3 M.
Dist. 3. Welcher Bürger sein eigen Haus hat, soll dasselbe nicht leer lassen
oder vermiethen, sondern selbst wenigstens Jahr und Tag besitzen, wenn er die Brau-
gerechtigkeit genießen will.
*) Der erste geprüfte Chirurg wurde 1676 von der Stadt angestellt, einStadt-
medicus wird schon 1652 erwähnt.
38*
588 Veraeichüißs der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
Dist. 4. Der Unmündigen Häuser sollen zu besserem Unterhalt der Unmündigen
und Erhaltung der Gebäude mit der Gerechtigkeit des Brauens bis zu ihrer Minder-
jährigkeit und nicht darüber aufs Höchste einem Bürger zu vermiethen frei stehen.
Dist. 5. Derjenige Bürger, so zwei oder mehr Häuser hat und nicht selb>t
besitzet, sondern einen Miethsmann darinnen hat und ziemliche Miethe empfängt,
die Aecker aber und das Brauwerk genießen will, soll mehr nicht, als jährlich vom
ganzen Hause zweimal und vom halben einmal zu brauen berechtigt sein.
Dist. 6. Sobald ein jeder abgebrauet, soll er die Brände vor der Thür aus-
löschen und nicht gestatten, daß glühende Kohlen oder Brände über die Gasse %*■-
tragen werden, und wenn in der Woche das letzte Bier gebrauet, die Pfanne aut
den Kirchhof wie gewöhnlich führen lassen bei Strafe von 30 j>.
Dist. 7. Kein fremdes Bier, Meth oder Brandwein wird verstattet, in die Stadt
einzuführen bei Strafe und Verlust des Getränkes.
Dist. 8. Es soll sich Niemand unterstehen Kesselbier*) zu brauen, auch die
Büdener und Yorstädter Brandwein zu brennen bei Verlust des Kessels und Grapen«.
Dist. 9. Es soll Keiner für einen Andern die Pfannen verschreiben, noch brauen
lassen außer um die Hälfte bei Strafe von IG M. von jedem.
Dist. 10. Diejenigen, so in der letzten Woche alt genug mit dem Pfannen-
verschreiben sind, aber von Aelteren abgestoßen werden und fertig Malz haben,
sollen die nachfolgende Woche zu brauen Macht haben, doch daß sie beim letzten
Pfannenverschreiben sich angeben und stracks versclireiben lassen; denjenigen aber,
so zur selbigen Zeit nicht verschreiben lassen, soll keineswegs zu brauen weiter ver-
gönnet werden.
Dist. 11. Wenn ein ganzes und ein halbes Haas gleich alt sind, soll das ganze
vor dem halben den Vorzug haben und nicht wie vor alters zu loosen verbunden sein.
Dist. 12. Es soll Keiner seine eigene Pfanne weder zum Meth noch Bierbraueu
halten bei Verlust der Pfanne.
Dist. 13. Es soll sich auch kein Bürger unterstehen, der Stadt zum Vorfang
außerhalb der Stadt, im Schloß oder sonsten zu brauen bei harter willkührlicher Strafe.
Cap. VI.
Biersehank.
Dist. 1. Ein jeder, der sich des Bierschanks gebrauchet, soll vollkommene und
geaichte Halbachtcl-Stofe und Halben halten auch volles Maß geben bei Strafe
von 1 M.
Dist. 2—4 (s. Bemerkung Cap. I. 1).
Dist. 5. Niemand soll außer der Stadt in der Vorstadt des Gästesetzens und
Bierschenkens sich gebrauchen außer beim Jahrmarkt zwei Tage bei Strafe von 10 M.
*) Das im eigenen gewöhnlichen Kessel ausser der Ordnung gebraute Bier.
Von Carl Beckherrn» 589
Dist. G. Es soll auch kein Bürger seinem Nachbarn zum Vorfang eines Andern
Bier in sein Haus tragen und verschenken lassen bei Strafe von 6 M.
Dist. 7. Niemand soll freistehen, sein Bier in fremden Häusern zu verschenken
bei Strafe von G M.
Cap. VH.
Vom Mälzen und Brauen.
Dist. 1. Die Mälzer sammt den Brauern sollen beeidigt und von E. E. Rath
hart. aiii»cinahn<,t werden, die Malze und Bier ihrem höchsten Vermögen nach auszu-
arbeiten, widrigenfalls sollen sie das Malz und Unkosten zahlen oder aber am Leibe,
da fern sie es verwahrlosen, gestrafet werden.
Dist. 2. Es sollen die Mälzer keinem fremden Manne außer dem vom Adel
Malz machen, sondern die Bürger unsäuuüich befördern. Welche dawider handeln,
verbüßen 1 M. 30 jS.
Bist. 3. Damit Parthiererei verhütet werde, soll Niemand bei etlichen Scheffeln
beizugießen vergönnet sein. Wer dawiderhandelt, verbüßet das Getreide oder Malz,
und der Mälzer 1 M. 30 f
Dist. 4. An Vieh soll der Mälzer nicht mehr als eine Kuh und zwei* Schweine
halten und das andere alles ihm verboten sein bei Verlust des Viehes.
Cap. VHI.
Von Instleiiteu und Gärtnern.
Diät. 1. Die Gärtner sind verbunden, von ihren Brodherren zu aller Arbeit
vor Anderen sich gehorsam gebrauchen zu lassen bei Strafe des Thunns.
Dist. 2. Imgleichen sollen sie auch andern Bürgern, wenn sie bei ihrer Herr-
schaft nichts zu thun haben, um gewisse Bezahlung nach E. E. Kaths Taxe und
Ordnung zu arbeiten schuldig sein bei Thurmstrafe.
Dist. 3. Würde aber Jemand von Kauf- Frei- und andern Gärtnern bei der
Stadt nicht arbeiten, sondern ohne Vorbcwust der Obrigkeit und ihrer Herrschaft
seinem Vortheil nach aufs Land laufen wollen, der soll zum ersten und andern Mal
mit Thurmstrafe beleget werden, zum dritten Male aber mit 6 M. Strafe verbüßen,
in Erwägung, daß sie sich und ihr Weib und Kind bei der Stadt erhalten und er-
nähren und freien Einkauf zu ilirer Nothdurft auf dem Markt haben.
Cap. IX.
Vom Viehhalten.
Dist. 1. Niemand soll seine Pferde los zur Tränke jagen und in der Stadt los
laufen lassen, sondern bei den Zäumen führen, bei Strafe von 15 j>, und soll der
Eintreibe!* hierauf gute Acht haben, solche Pferde eintreiben, und wer solche will
wieder haben, giebt ihm für jedes Stück 1 Gr.
Dist. 2. Es soll ein jeder sein Vieh vor den Hirten treiben und nicht selber
hüten lassen. Wer darwiderhandelt, büßet zum ersten Mal vom Stück 3 j>, zum
590 Verzeichnis« der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkunden.
andern 6 j$, zum dritten Mal soll ihm das Vieh eingejaget and nicht ehe ausgelassen
werden, er erlege denn Ton jedem Stück 1 M.
Dist. 3. Niemand soll seine Kühe, Schweine oder ander Vieh auf der Gas^
umhergehen lassen, sondern im Stall halten, daß es dem fremden Manne nicht Schaden
zufügen möge; wer hierwiderhandelt, dem soll das Vieh eingetrieben und dem £u>
treiber von jedem Stück 1 Gr. gegeben werden, auch daneben den Schaden gelten.
Wer aber über zwei oder dreimal sein Vieh und Schweine nicht einhalten würd«?.
dem soll es genommen und ins Hospital gegeben werden.*)
Dist. 4. Es soll keinem Instmann in und vor der Stadt, der kein Bürgerrecht
hat, Vieh zu halten gestattet sein bei Verlust des Viehes.
Dist. 5. Es soll kein Hübner und Bürger in und vor der Stadt Gämse halten.
Wer hierwiderhandelt, dem sollen die Gänse genommen und ins Hospital gegeben
werden.
Dist. 6. Es soll Niemand mehr Rauhfutter an Heu und Stroh als auf zwei
Nächte in die Stadt bringen bei Strafe von 3 M.
Dist. 7. Weil auch die Viehweide sehr knapp, und mancher mehr Vieh hat,
denn ihme gebühret und er halten kann, soll hinfüro das übrige Vieh abgeschattet
sein, und ein ganzes Haus 8 Kühe, ein halbes 4, ein Büdner an der Mauer zwo Kühe
und die Vorstädter eine Kuh, ohne welche, die Hüben haben, halten und zur Weide
vor den Hirten treiben lassen. Wer hierwiderhandeln wird, ist in E. E. Ratha
Strafe und soll gleichwohl das übrige abschaffen; das gelte Vieh aber soll an einen
andern Ort getrieben werden.
Dist. 8. Es soll auch Niemand Schweine allhier vor den Thüren mästen und
Sautröge halten bei Strafe von 3 M.
Dist. 9. Den Kauf- und Freigärtnern soll kein Vieh, ausgenommen zwei
Schweine, zu halten vergönnet werden.
Dist. 10. Würden Jemandes Schweine aus den Gärten oder sonsten gepfändet
und in 3 Tagen nicht ausgelöset, sollen sie ins Hospital gegeben werden; im Felde
aber werden sie ganz zum Schießen freigegeben.
*) Unter der Voraussetzung, dass die für die Strassenordnung gegebenen polizei-
lichen Vorschriften strenge gehandhabt wurden, darf man annehmen, dass die Stadt
damals einen ungleich günstigeren Eindruck in dieser Beziehung gemacht haben moss,
als in späterer Zeit; denn noch zu Ende der zwanziger Jahre unsers Jahrhunderts
waren die Strassen der Stadt die unbestrittenen Tummelplätze der oben genannten
Dickhäuter. Als einst darüber Klage geführt und dem Bürgermeister von gewisser
Seite angedeutet wurde, dass es zweck- und zeitgemäss sei, ein Verbot dagegen zu
erlassen, erwiderte das „fursichtige und wolweise" Stadtoberhaupt: Ein solches Ver-
bot könne in Rücksicht auf die Reinhaltung der Strassen nicht erlassen werden.
Die Erklärung dieses räthselhaften Ausspruchs findet man in der Anmerkung zu
Cap. XI, Dist. 3, wenn man sich zugleich der eigentümlichen Geschmacksrichtung
der erwähnten Thiere erinnert.
I
Von Carl Beckherrn. 591
Dist. 11. Das gelte Vieh soll auf alten Philippi Jacobi von der Stadt weg-
gebracht werden.
Dist. 12. Niemand soll sein Vieh, Pferde oder Schweine in den Stadtgraben
«rehen lassen bei 3 J> Strafe.
Dist. 13. Räudige Pferde sollen abgeschafft oder erschossen werden.
Cap. X.
Wie es im Felde und mit den Rücken soll gehalten werden.
Dist. 1. Weil die ganzen, halben und Viertel-Häuser tue Rücken im Roßgarten
auch .sonst in Feldern halten müssen, die Vor^t&dter und Büdner aber ihre Pferde
auch in den Roßgarten bringen, sollen sie hinfüro jährlich auf Jacobi 20 Gr. Weide-
geld dem Roßgartenherru ablegen und die Nachtzeche, wenn es an sie kommt, mit-
halten, von welcher Geldeinnahme die Roßgartenherren 14 Tage nach Jacobi E. E.
Kath sollen richtige Rechnung thun.
Dist. 2. Es soll ein jeder seine Rücken im Felde und Roßgarten an allen Orten
wie es ihme Ton dem Herrn Bürgermeister befohlen wird, fertig machen. Wer hier-
widerhandelt und bruchfällig wird, der büßet von jedem Loch 2 j>, und ob er sich
nicht daran kehren wollte und ferner nachlässig befunden würde, der büßet E. E.
Kath zum andern Mal 15 j>, und so oft er straffällig befunden wird, büßet er 30 6
wegen Ungehorsams nebst Erstattung alles Schadens, so durch solche bruchfällige
Rücken Jemand zugefügt worden.
Dist. 3. Niemand soll seinem Nachbarn die Rücken ausziehen und entwenden,
noch die seinen damit ausbessern. In Verbrechung soll derselbe arbitrarie von E. E.
Kath gestraft werden.
Dist. 4. Es soll Niemand dem Andern aus den Gärten Geköch oder Anderes
entwenden bei Thurrastrafe.
Dist. 5. Niemand soll einem Andern durch das Getreide oder Wiesen fahren
oder reiten und ihm dadurch Schaden zufügen bei 1 M. 30 f> Strafe.
Dist. (j. Es soll ein jeder Nachbar dem andern die Vorfluth auf den Aeckern,
Wiesen, Gärten und bei der Stadt allenthalben verschaffen und räumen bei 1 M.
Strafe. Die Hauptgraben aber in den Feldern sollen von gemeiner Contribution nach
erheischender Nothdurft ausgeworfen und zurecht gemacht werden.
Dist. 7. Niemand soll seinem Nachbarn das Gras weder auf den Wiesen noch
auf den Rainen abschneiden bei 3 M. Strafe.
Dist. 8. Es soll Niemand seine Pferde im besiieten Winter- und Sommerfeld,
weder des Tages noch Nachts zu hüten, nachgelassen sein bei 3 M. Strafe.
Dist. 9. Niemand soll seine Feldäcker berücken und Roß- oder andere Gärten
daraus machen, damit das Feld nicht enger wird, bei willkührhcher Strafe.
i
592 Verzeichnis* der die Stadt R.ntenburg betreffenden Urkunden.
Cap. XI.
Von Straßen uod Gassen.
DU*. 1. Es soll Niemand seine Wagen oder Schlitten des Sonntags. Feierta-
oder sonsten des Werkeltages, sowohl bei Abend als bei nachtschlafender Zeit aof
dem Markt oder den Gassen stehen, noch Hob oder Klotze vor der Thur Kwn
lassen bei 30 j> Strafe.
Dist. 2. Es soll jeder seinen Mist, sowohl vor den Thüren als hinter d<ru
Ställen, alle vierzehn Tage in und vor der Stadt ausführen; im Falle er aber solch-
nicht thun könnte, soll er denselben seinem Nachbarn oder einem andern gut.-o
Manne wegzuführen, vergönnen bei 30 jS Strafe. *)
Bist. 3. Es soll Niemand eine Kloake oder Heimlichkeit an der Gasse an-
bauen, noch denselben Unflath auf die Gasse gießen bei 3 M. Strafe.**)
Bist. 4. Es soll kein Schuster, Riemer noch Weißgerber Leder oder Sämi^h
in der Stadt gerben und waschen, noch das Wasser davon auf die Gasse giffr-n
bei 3 M. Strafe.
Bist. 5. Es soll auch kein Barbierer das Blut vom Aderlassen auf die Gas*
und Misthaufen gießen bei 3 M. Strafe.
Bist. 6. Kein Burger oder Fleischhauer der allhier in der Stadt wohnen oder
Vieh schlachten will, soll die Kotteln von geschlachtetem großem Vieh in der Stadt
ausschütten, noch reinmachen, sondern soll sie außerhalb an den See tragen und reü>
machen bei 3 M. Strafe.
Bist. 7. Niemand soll seine Leitern schrank über die Gasse setzen, sondern
rieht überende an der Rinne halten und anbinden.***) Wer hierwiderhandelt büßet
30 £
Bist. 8. Es sollen die Gassen zwischen den Höfen und Gärten nicht en^er
gemacht oder ganz verzäunet werden, sondern bei dem alten Raum und Grenzen
gelassen werden. Wer dawiderhandelt büßet 6 M.
Bist. 9. Es soll kein Holz oder Mist beim Stiernagel alias Kaakf) oder aut
*) Ber Bünger wurde in Gruben und Kasten aufgehoben, welche unmittelbar
an der Strasse, die Hauptstrassen nicht ausgenommen, lagen. Biese Einrichtung be-
stand noch am Ende der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts.
**) Auch die Abtritte ragten noch zu der in vorstehender Anmerkung ge-
dachten Zeit an den oberen Stockwerken einiger Häuser in die Strasse hinaus und
waren auch im Gebrauch. Burch diese merkwürdige Einrichtung wurden die mensch-
lichen Excremente unmittelbar auf die Strasse befördert.
***) Bie Verordnung wegen der Bachleitern deutet darauf hin, dass noch viele
Häuser mit Strohdächern versehen gewesen sind. (Vergl. Cap. XXH, 1.)
t) Ber Pranger, welcher noch im Anfange dieses Jahrhunderts in der ehe-
maligen Mauerstrasse zwischen den Brückenmauern vor dem hohen Thore stand.
„Ber grüne Bock", welcher 1660 am Rathhause befestigt und mit einem eisernen
Gitter umgeben wurde, hat vielleicht eine ähnliche Bestimmung gehabt.
Von Carl Beckherrn. 593
offener Straße in der Vorstadt abgeleget werden bei .Verlust des Holzes ins Hospital
und nach Inhalt der Hübnerwillkühr wegen des Mistes 1 Guld. Strafe.
Dist. 10. Asche und Gruß sollen außerhalb der Stadt gebracht werden bei
18 l Strafe.
Cap. XII.
Von Feuersbriiust.
Dist. 1. Anfänglich, so ein Feuer auskommt, welches doch Gott, der Allmäch-
tige, abwenden und die ganze Stadt sowohl männiglich gnädigst davor behüten wolle,
soll vor allen Dingen der Herr Bürgermeister nebst dem Stadtkämmerer und dem
Jüngsten aus E. E. Kaths Mittel der erste beim Feuer sein und die Leute antreiben
und das Feuer zu löschen fleißig ermahnen.
Dist. 2. Die Zimmerleute und Maurer sollen in Feuersnöthen mit Axt und
Mauerhacken stracks erscheinen und ihrem besten Vermögen nach retten helfen.
Dist. 3. Es soll auch E. E. Kath nebst den Aeltesten aus allen Werken gute
Achtung geben, daß aus allen Häusern der Bürgerschaft der Wirth selbst erscheine,
einen Eimer mit Wasser mitbringe und löschen helfe. So Jemand befunden würde,
der nickt aus seinem Hause persönlich erschiene, oder im Fall er nicht einheimisch
oder mit Krankheit befallen wäre, einen aus seinem Hause schicken würde, derselbe
soll 3 M. Strafe erlegen.
Dist. 4. Es soll auch E. E. Kath die Leitern, Feuerhaken, Schlitten und Wasser-
küfen allezeit fertig und an gewissen Orten halten, damit man solche in vorfallender
Feuersbrunst zur Hand haben könne.
Dist. 5. Es sollen die Bürgerschaft und die vorstädtischen Bauern zum fleißig-
sten helfen Wasser führen, ihre Pferde unsäumlich anspannen, die mit Wasser ge-
lullten Kufen mitbringen, und wer der erste zum Feuer kommt, soll 3 M., der andere
2 M., der dritte 1 Guld., der vierte 1 M. haben.
Dist. 6. E. E. Kath soll den Vorstädtem auch etliche Feuerleitern mit Rädern
und Haken fertigen lassen und an einem besondern Ort in Bereitschaft halten.
Dist. 7. Es soll auch bei einem jeden Hof in der Vorstadt eine Leiter ge-
halten werden.
Dist. 8. Es solleu die Vorstädter, gleich wie sie wollen, daß man aus der Stadt
ihnen in Feuersnoth zu Hilfe kommt, desgleichen auch der Stadt zu Hilfe kommen, und
würden die Vorstädter hierinnen nachlässig befunden, sollen sie solches büßen mit 6 M.
Dist. 9. Es soll auch ein jeder sein Gesinde und Gesellen fleißig ermahnen,
die Feuersbrunst bellen zu löschen, und wo sich die Handwerksleute und Gesellen
bierin fleißig erweisen, will sich E. E. Kath nach Gelegenheit der Brunst dankbar
erzeigen, und wo die Noth groß, ihnen ein Faß Bier oder ein mehre res geben.
Dist. 10. Es soll auch ein jeder Fuhrmann, welcher sich des Fuhrwerks be-
fleißigt, der erste bei der Wasserfuhr sein, helfen Wasser führen und uns&uralich sich
erzeigen bei 3 M. Strafe.
594 Verzeichnisa der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
Dibt. 11. Da auch der allmächtige, ewige Gott Jemand aus der Bürgerschaft
mit Feuer strafen und betrüben würde, soll ein jeder Nachbar dem andern, abge-
brannten zu Hilfe kommen, und soll ein ganzes Haus ein Stück Balkenholz, zwei
halbe Häuser ein Stück Balkenholz, vier Buden ein Stück Balkenholz, die Hübner
ein Stück Riegelholz*) von der Hube zu Hilfe geben, wie auch andere Materialien
und Kalk führen helfen. Wenn die Gefahr groß, und zwei, drei oder mehr Häuser
wegen des Feuers eingerissen werden müssen, sollen solche auf der Stadt Unkosten
wiederum erbauet werden.
Dist. 12. Es soll auch E. E. Rath ein Schock lederne Eimer fertig halten, da-
mit man sich derer in Feuersnöthcn gebrauchen und desto geschwinder zu Löschung
des Feuers Wasser damit schöpfen könne. Dieselben sollen auf dem Ivathhause in
Verwahrung gehalten werden.
Dist. 13. Welcher Bürger oder Einwohner in und vor der Stadt einen ledernen
Wassereimer, welchen E. E. Rath oder ein Bürger in Feucrsnöthen ausgegeben, nicht
wieder nach gelöschter Feuersbrunst an seinen gehörigen Ort und aufs Rathhaoä
bringet, sondern denselben behält und veruntreuet, der soll, wo er solches wissentlich
thäte, als ein treuloser Mann mit dem Thurm und Geldbuße nach Erkenntniß E. E.
Raths abgestrafet werden.
Dist. 14. Ein ganzes Haus soll drei, ein halbes zwei und eine Bude einen
ledernen Eimer in Bereitschaft halten bei 30 j> Strafe.
Dist. 15. Es soll auch ein jeder in und außer der Stadt an seinem Hanse auf
dem Dache die Leitern fertig halten; wer es nicht thuet, verbüßet 1 M.
Dist. 16. Es soll auch Keiner mit dem Flackerkiehn und Kohlen ans dem
Brauhause über die Gasse gehen, auch kein Licht in den Höfen gebrauchen bei
3 M. Buße.
Dist. 17. Es soll auch ein jeder in und vor der Stadt bei Tag und Nacht sein
Feuer wohl bewahren; wer das nicht thuet, verbüßet 6 M.
Dist. 18. Es soll Niemand Flachs innen und außen der Stadt treugen, brechen,
schwingen oder hecheln bei Lichte bei 3 M. Strafe.
Cap. XH1.
Von Gewandschneidern und Tuchmachern.
Dist. 1. Kein Gast, der Gewand herbringet, soll dasselbe außerhalb öffent-
lichen Jahrmarkts bei der Elle verschneiden bei Verlust des Gewandes.
*) Das Riegelholz deutet darauf hin, dass bei den freistehenden Wänden der
Fachwerkbau noch allgemeine Anwendung gefunden. Die aneinanderstoßenden Wände
sollten nach Cap. XXU, Dist. 3 massiv aufgeführt werden. Das erste ganz massige
Haus wurde im Jahre 1575 erbaut. Schaffer berichtet nämlich zu diesem Jahre:
„Weidenhammer hat das Steinhaus am Markt gebauet, da Herr Ovander innen wohnet
dergleichen keins in der Stadt ist, und dessen Possessores darnach eine lange Zeit
die Steinhauser deswegen genennet worden".
Von Carl Reckherrn. 595
Dist. 2. Es soll auch kein Gewandschneider außerhalb öffentlichen Jahrmarkts
fremdes preußisches Tuch schneiden bei willkührlicher Strafe.
Cap. XIV.
Von Schicht und Theiluiig.
Dist. 1. Es soll Niemand Schicht nnd Theilung thun ohne Vorbewust und
Beisein E. E. Kaths bei 3 M. Buße.
Cap. XV.
Vom Kaufen und Verkaufen]
Dist. 1. Keiner soll dem Andern in den Kauf treten; wer aber hierwider-
handeln wird, der soll E. E. Rath 30 j> verfallen sein, es wäre denn Sache, daß der,
so die Waaren erstlich bedungen, von dem Wagen abtrete.
Dist. 2. Außerhalb öffentlichen Jahrmarkts soll keinem fremden Handwerks-
oder Bauersmann in der Woche auf dein Markt einzukaufen oder einigen Kauf zu
machen gestattet werden bei Verlust der Waaren, so er gekauft. An den öffentlichen
Tagen aber soll dem Landmann nach eingezogenen Stadtfahnen nachgelassen sein,
zu seiner Nothdurft und Unterhalt allerlei Essensspeise einzukaufen.
Dist. 3. Welcher Mann o<ler Bürger einem fremden Manne oder Gast, der nicht
Bürger ist, in seinem Namen zu handeln und zu wandeln nachgiebet und also allerlei
Durchschleif der Bürgerschaft zum Vorfang dadurch einführet, der büßet 3 M., und
dem Gast, der also kuppelt, soll die Waare genommen werden.
Dist. 4. Keinem Bürger soll zu handeln und wandeln verboten sein, allein daß
gleichwohl ein jeder sich befleißige, daß er aufrichtig handele und keinen Aufsatz
noch Theuerung muthwilliger Weise der Stadt und Annuth zum Vorfang mache bei
1 M. Strafe.
Dist. 5. Es soll Niemand sich unterstehen, seinem Nachbarn zum Vorfang vor
das Thor zu laufen, allda Waaren einzukaufen, noch den Bauersmann oder Fisch-
fiihrer aufzuhalten, es sei an Getreide, Fischen und anderen Waaren, sondern soll
den Bauersmann und all die Waaren in die Stadt auf den offenen Markt kommen
lassen. Wer dawiderhandelt, büßet 3 M.
Dist. 6. Es soll auch ein jeder Bürger einen rechtmäßigen gcaichten Scheffel
erebrauchen und mit dem Scheffel, damit er einkauft, wieder ausmessen. Wer da-
widerhandelt, büßet 6 M.*)
*) Dass dieser Artikel sehr zeitgemäss war, geht aus der im Jahre 1629 vom
Krzpriester Prätorius gehaltenen Danksagungspredigt für die Befreiung von der
]>« »Inisehen Einquartierung hervor, in welcher er unter andern Sünden der Rasten-
Borger auch ihre Unredlichkeit aufführt, indem er sagt: „Etliche unter euch sind
gar ersoffen gewesen in der Ungerechtigkeit und im Geiz; mit unrechtem Maß und
falschem Gewicht haben sie sich nähren wollen; aber das unrechte Gut hat nicht
gedeihen wollen". Auch schon Henneberger berichtet darüber: „Da Adrian
von Bochsen Hauptmann allda war (um 1550), dauchte sie der Scheffel viel zu gering
596 Verzeichnis« der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
Dist. 7. Es soll sich keiu Vor&tädter unterstehen, Getreide auf den Vorkaof
zu kaufen bei 3 M. Strafe und Verlust des Getreides.
Dist. 8. An allerlei Yictualien soll sieh kein Bürger unterstehen, dieselbe
allein an sich zu ziehen, sondern seinem Nachbarn auf sein Begehren auch davon n
kaufen vergönnen bei 45 j> Strafe.
Dist. 9. Nachdem sieh auch die Instlcutc und Gärtner, so kein Bürgerrecht
haben, unterstehen, die Bürger auf dem Markt von allerlei Essensspeise abzusfofcn
und ohne Respect der Person sich durchzudrängen und also Theuerung zu machen,
als soll ihnen solches verboten und allererst, wann die Bürger ihre NothdurPt gekauft,
einzukaufen nachgelassen sein.
Dist. 10. Es soll Keinem in oder außer der Stadt einen Grund zu kaufen vw-
stattet werden, er habe denn zuvor das Bürgerrecht gewonnen.
Dist. 11. Fische sollen auf dem Markt fuder- oder wagen weise von Fremden
aufzukaufen und nachmals wieder zu verkaufen nicht verstattet werden bei Verlud
der Fische ins Hospital.
Cap. XVI.
Von den Bäckern und ihrem Brodbacken.
Dist. 1. Die Bäcker sollen alles Brod backen nachdem der Weitzen und da>
Korn gilt, also, daß der, so es kauft, vor sein Geld ein Genügen habe; und damit
es nicht zu klein gebacken werde, soll E. E. Rath und die Aelterleute der Bäcker
hierauf gute Achtung geben und, so oft es die Noth erfordert, besichtigen lassen.
Dist. 2. Werden die Bäcker aber wider diese Ordnung handeln, das Brod
nicht nach rechtmäßigem Gewicht backen, sondern ihren Nutzen suchen und die Ar-
muth sich dessen beschweren, worauf denn E. E. Rath gute Achtung geben und zwi-i
Personen dazu verordnen soll, so soll ihnen das Brod, wenn es nicht vollkommen
Gewicht hätte, genommen und ins Hospital gegeben wTerden.
Cap. XVII.
Von den Fleischhauern.
Dist. 1. Die Fleischhauer sollen wöchentlich umzech um einander gutes, ge-
sundes Vieh schlachten, doch kein geschlachtetes Vieh aufhauen, sie haben es denn
zuvor den dazu verordneten Herren angesaget, welche alsdann das Fleisch sowohl als
dessen Gewicht besichtigen und wardiren sollen, wie theuer das Pfund könne gegeben
werden; und soll E. E. Rath hierzu zweeu Herren verordnen.
Dist. 2. Ein jeder Fleischer soll recht Gewicht haben, und so das Gewicht von
den dazu verordneten Herrn oder Jemand anders falsch befunden würde, und man
sich dessen beschwerte, soll er E. E. Rath büßen 6 M.
sein, machten ihn größer, demnach auch die Metzen. Aber das Landvolk merkt's,
wollte nicht mehr allda zu Markte fahren, mußten von den Pawrcn auf dein Lan«ie
Getreide holen. Die maaßen ihnen mit ihren Paudeln zu, wie sie selbst wollten.
Den Scheffel mußten sie geringer machen, aber die Metze blieb damals."
Von Carl Beckherrn. 597
Dist. 3. Würde auch ein Scldächter das geschlachtete Fleisch theurer geben,
als es von den dazu verordneten Herren wardiret worden, dem soll das Fleisch ge-
nommen und ins Hospital gegeben werden; würde er aber ungesundes Vieh schlachten
und dessen überwiesen werden, büßet er 10 M.
Dist. 4. Hieneben sollen die Freischlächter dahin gehalten werden, daß sie,
wenn sie Fleisch zu Markt bringen, zugleich auch das Leder und Talg vom ge-
schlachteten Vieh mit zu Kauf bringen. Wer dawiderhandelt soll von E. E. Rath
arbitrarie gestrafet werden.*)
Dist. 5. Niemand soll Kälber, Schafe oder dergleichen Vieh znm Vorfang der
Fleischer einkaufen und wieder verkaufen an solche, die nicht Fleischer sind, es sei
denn, daß einer oder etliche zusammen sich selbst zu gut ein Stück Vieh kaufen und
vertheilen.
Cap. XVHI.
Von Einigkeit der Burger.
Dist. 1. Es soll ein jeder Bürger, wann es ihme angesaget wird, jährlichen nach
dem Schirm**) zu schießen und sich mit seinem Gewehr zu exerciren schuldig sein.***)
Dist. 2. Imgleichen soll ein jeder, der das Bürgerrecht gewinnt, zu Erhaltung
des Schießgartens einen Reichsthaler abzulegen schuldig sein, welchen die Schieß-
gartenherren zu empfangen und jährlichen zu verrechnen haben, t)
Dist. 3. Wann einem Bürger sein Gesinde entläuft oder was gestohlen wird,
soll der Stadtdiener mit den Stadtpferden vergönnet werden, nachzujagen.
Dist. 4. Wenn E. E. Gemeinde was zu deliberiren, soll solches auf dem Rath-
liau.se geschehen mit Zulaß E. E. Raths.
Cap. XIX.
Von Bornen und Röhrkasten.
Dist. 1. Es soll Niemand was Unreines an Koth, Unflath oder abgestorbenem
Aas, noch etwas anderes, so einem Menschen widerwärtig sein möchte, in die Grund-
börne werfen. Würde er aber hierwiderhandeln und man ihn dessen überzeugete, soll
er nach Gelegenheit der Verbrechung entweder mit dem Thurm oder nach Erkennt-
nis E. E. Raths gestrafet werden.
*) Die Freischlächterei wurde 1644 ganz unterdrückt. (Schaffer.)
**) Scheint hier die gewöhnliche feststehende Scheibe zu bedeuten. In Elbing
verstand man unter einem Schinne eine Zugscheibe. (Vergl. Fuchs, Gesch. Elbings.)
***) Im Jahre 1703 wurde eine Bürgerkompagnie neu formirt und vom Rath
ein Stadtkapitän, ein Lieutenant und ein Fähnrich aus der Zahl der Bürger ernannt.
Nachdem diese Kompagnie am 11. April 1704 zum erstenmal im Felde exercirt, hatte
sie bereits am 14. Mai bei Gelegenheit des Schützenfestes Parade vor dem zur In-
spicirung der Garnison in Rastenburg anwesenden Herzog von Holstein und wurde
am 8. Juli zusammen mit der Landmiliz vom General Aniheim gemustert. (Schaffer.)
t) Der Schiessgarten, welcher 1656 auf Befehl des Kommandanten der Stadt
abgebrochen worden war, wurde 1703 wieder neu aufgebaut. (Schaffer.)
59 8 Verseicbiiiss der die Stadt Rastenbarg betreffenden Urkunden.
Cap. XX.
Von der Nachtwache.
Dist. 1. Ein jeder Bürger, an welchem die Nachtwache ist und ihme zugesagt
wird, soll sich des Morgens frühe bei dem Wachherrn ansagen; wer das nicht thutt.
büßet 30 f.
Dist. 2. Jeder Bürger soll, wenn er des Morgens die Wache angesaget. *ii ?.
bei Sommerszeiten auf den Abend um D Uhr und bei Winterszeiten um 8 Uhr lt i
dem Wachherrn wiederum fein nüchtern eingest eilen und fleißig anhören, wie ihm-
die Wache anbefohlen wird. Im Falle er aber hierwiderhandeln und sich trunk-r.
einstellen würde, soll er bald mit demThurme gestrafet, die Nacht allda aussehla^n
oder in dessen Statt 30 ß Strafe ablegen.
Dist. 3. Ein jeder Bürger soll, wenn ihm die Stadtwache vom Wachherrn In-
fanten und er abgefertigt ist, gute Achtung auf die Thore und Pforten geben, dut
dieselben wohlzugcschlossen werden, fleißig umhergehen, den Wächter alle Stuinl» *;:
und in allen Gassen auf den Orten blasen und die Stunde ausrufen lassen, die K-.-
serei in den Gassen abschaffen und, zu Verhütung großes Unglücks, gute Achtm«?
aufs Feuer geben. Wann solches geschehen, sollen sie sich bei Sommerszeiten auf diiu
Markt vor dem Kathhause, des Winters aber in der Wachtbude wieder einstellen mvl
nicht in den Bierhäusern oder vor den Braupfannen finden lassen; wurde Jetnac!
dawiderhandeln und sich nachlässig erzeigen, der soll mit dem Thurm gestrau*
werden oder 30 j> büßen.
Dist. 4. Die Nachtwache soll bei Sommerszeiten des Abends von 9 Uhr bL> aul
den Morgen um 2 Uhr und bei Winterszeit des Abends um 8 Uhr bis 4 Uhr des
Morgens gehalten werden.
Dist. 5. Werden sich die Wächter nachlässig erzeigen oder trunken sein und
nicht fleißig blasen oder teuten, sollen es die Bürger, die in die Wache gehen drin
Herrn Bürgermeister unverholen anzeigen, damit sie zu gebührlicher Strafe könnt n
gezogen werden.
Dist. G. Ein jeder Bürger soll in eigener Person in die Wache gehen, oder
aber, da er Alters oder Leibesschwachheit halber, oder daß er verreiset wäre, selber
nicht gehen könnte, soll er einen andern Mitbürger, der E. E. Kath Bürgerschaft
angelobet, und nicht einen Tagelöhner, Gärtner, Dienst- oder Lehrjungen dam ver-
mögen und an sein Statt schicken, auch solches mit des Wachherrn Vorwissen thmi
bei 30 f> Strafe.
Cap. XXL
Von liegenden Gründen.
Dist. 1. Es soll Niemand einigerlei Gründe ohne Zulaß E. E. Raths kaufen
bei 3 M. Strafe.
Dist. 2. Wer liegende Gründe, Aecker oder Wiesen, versetzen will, soll es mit
Zulaß E. E. Kaths thun bei 3 M. Strafe.
Von Carl Beckherrn. 599
Dist. 3. Es sollen alle diejenigen, worüber £. E. Rath den Zulaß giebet, und
was bei E. E. Rath verhandelt wird an Kauf, Vertragen und Anderem, um mehrere
Glaubens willen und zu Verhütung vieles Gezänks solches durch den geschworenen
Stadtschreiber verschreiben oder in E. E. Raths Buch bringen lassen, wer solches
nicht thut, büßet 3 M.
Cap. xxn.
Von baulichem Wesen.
Dist. 1. Es soll hinführ o ein jeder, der da eine Statte bebauet, das Dach
nicht mit Stroh, sondern mit Dachsteinen decken lassen; auch wer ein altes Dach*
abreißet, es sei auf dem ganzen, halben oder vierten Theil des Daches, soll eben-
mäßig mit Dachsteinen zu decken schuldig sein bei 6 M. Strafe, und soll dennoch
gleichwohl das Strohdach wieder einreißen. Es soll aber E. E. Rath die Vorsorge
thun, daß in der Ziegelschcune um einen billigen Kauf Dachsteine zu bekommen
sein möchten.*)
Dist. 2. Niemand soll seinem Nachbarn das Licht verbauen noch benehmen,
auch nicht überhängende Pahrstubcn ausbauen oder Jemand an der Traufe hindern,
sondern die Vorflut zu halten schuldig sein. Wer hierwiderhandelt, der soll sein
Gebäude wieder einreißen und E. E. Rath nach Erkenntniß eine Geldbuße ablegen.
Dist. 3. Ein jeder Nachbar soll mit seinem Nachbarn eine Brandmauer und
Gegenwand zu halten schuldig sein**) und gleichen Mauerstein und Kalk schaffen.
Könnte aber der eine Nachbar Armuth halber nicht Ziegel noch Materialien schaffen
und der andere solches alles schaflen müßte, so soll ihme doch der arme Nachbar
weichen und den Grund auf seinen halben Theil seines Grundes in sein Haus
setzen lassen, und er oder seine Erben oder der Käufer, welcher das Haus kaufen
möchte, sich mit dem andern, der allerlei Materialien schaffen und die Unkosten
tragen müssen, darum vergleichen und vor den andern Schuldnern den Vorzug haben.
*) Die früher in der Provinz gebräuchliche sprichwörtliche Redensart: „Er
glüht wie Rastenburg" lässt darauf schliesscn, dass die Ersetzung der Strohdächer
durch Ziegeldächer sehr schnell vor sich gegangen ist. VonWerner erklärt nämlich
in seiner Geschichte der heil. Linde die Entstehung jener Redensart foldendermassen :
„Dicunt vulgo de nomine, cuius facies extra modum rubet: er glühet oder ist so roth
wie Rastenburg. Quod exinde ortum, quia haec urbs, dum reliquarum domus Stra-
mine teetae erant, lateritiis iam superbiebat tectis." Diese Erklärung trifft das Rich-
tige, während die von Pisanski versuchte ganz unbegründet ist. Dieser meint
nämlich, der zu den Dachziegeln verwendete Lehm ■ habe die Eigenschaft gehabt,
ihnen eine besonders lebhafte rothe und den Witterungseinflüssen widerstehende Farbe
zu verleihen.
**) Diese Vorschrift ist später nicht mehr beachtet worden, denn in der Kö-
nigsbjrger Vorstadt, deren Häuser meistens im 18. Jahrhundert neu errichtet worden
sind, werden viele derselben nur durch eine einfache Mauer, die Bodenräume oft nur
durch eine Bretterwand von einander geschieden.
600 Verzeichnisa der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkunden.
Biet. 4. Ein jedes halbe Haus soll hin für der seinen eigenen Feuerherd and
zum Dache sonderlich aufgeführten Schornstein haben und ins Förderlichste ins Wert
richten.*)
Dist. 5. Die, so an der Stadtmauer wohnen, sollen nicht durch die Löcher io
den Stadtgraben gießen oder schütten bei 1 Guld. poln. Strafe, und sollen ihnen <!:•
Thürchen nach der Stadtmauer zugeschlagen werden.
Dist. 6. Töpferöfen sollen binnen der Stadtmauer wie vor alters nicht ge-
litten werden.
Cap. XXIII.
Von leichtfertigem Doppelspiel. Gluckstöpfen und Kaufenspielen.
Dist. 1. (s. Bemerk, unter Cap. I, 1.)
Dist. 2. Sollte auch ein Spitzbube oder ein anderer Dieb ergriffen, von eiuda
Bürger angeklaget und rechtlichen verdammet werden, sollen die Unkosten von «Irr
ganzen Bürgerschaft contribuiret werden.
Cap. XXIV.
Von Einmahnung des Deeenia, Grundzinses, Hirten- und Waiehtriiokiits.
Dist. 1. (s. Bemerk, unter Cap. I, 1.)
Dist. 2. Imgleichen soll ein jeder Bürger und Einwohner in und vor der Stadt
seinen Grundzins jährlich, wenn man die Kathsglockc läuten und ihm ansagen wird,
aufa Rathhaus bringen. Welcher säumig befunden, der soll ausgepfändet werden
und 30 JS Strafe erlegen.
Dist. 3. Welcher Bürger und Einwohner in und vor der Stadt sein Hirten-
lohn und Wächtergeld alle Quartal, wann es ihm angesaget und die Kathsgloeli-
geläutet wird, nicht unsäumlich bringen würde, der verbüßet 30 |>.
w
Dist. 4. Welcher Bürger und Einwohner in und vor der Stadt, es sei Manu
oder Weib, sein Vieh, wenn man das Hirtenlohn einnimmt, verleugnen uud er de^n
Überführet würde, dem soll das Vieh genommen und ins Hospital gegeben werden.
Cap. XXV.
Von Holzungen.
Dist. 1. Niemand, er sei aus E. E. Raths Mittel, oder Gerichts Mittel, oder
aus der Gemeinde, soll sich unterstehen, ohne Kogelung**) in den Wald zu fahren
und weder stehendes, noch grobes Lagerholz zu hauen und zu führen; wer hier-
widerhandeln wird, büßet 3 M.
Dist. 2. Wenn ein Bürger was zu bauen hat, soll aus der Stadt Wäldern alter
Gewohnheit nach ihm an Bau- Binnen- und Schwellenholz zu Hilfe gegeben werden.
Dist. 3. Es soll E. E. Rath jährlich, so oft die Nothdurfb erfordert, au* der
Stadt Wäldern Kogelung halten.
*) Die Schornsteine fehlten noch im Anfange des 18. Jahrhunderts in vielen
Häusern. (Schaffer.)
**) S. Anmerk. zu Anhang I, 3.
Von Carl Beckherrn. 601
Dist. 4. Die Grenzen sollen alle drei Jahro aufs Wenigste besichtiget und ge-
riiurnet werden.
Dist. 5. {Sollte ein Bürger Stammholz im Walde hauen und darüber betroffen
werden, dem soll die Axt genommen und er der Obrigkeit angezeiget werden. Außer-
halb des Waldes auf der StralJe aber hat sich der Hofmann oder Waldknecht keiner
Thätlichkeit anzumaßen bei willkührlicher Strafe.
Dist. 6. Spar und Stobben soll der Bürgerschaft zu führen unverboten sein.
Diät. 7. Den Gärtnern soll keineswegs freistehen, fuderweise aus der Stadt
Wäldern Holz zu holen bei Strafe des Thurraes oder nach Beschaffenheit des Holzes
bei willkührlicher Strafe.
DLst. 8. (s. Bemerk, unter Cap, I, 1.)
Dist. 9. Die Hofleute und Waldknechte, so auf die Wälder bestellet sind, sollen
beeidiget genommen werden.
Cap. XXVI.
Von Zusammenkauften und Kulircn einer jeden Zunft.*)
Dist. 1. Es soll keine Zunft ihre Kühr oder Rechnung halten, es geschehe
denn mit Wissen und im Beisein £. E. Kaths.
Dist. 2. Es soll Niemand einschreiben oder das Meisterstück ihme zu machen
gestattet werden ohne Vorbewust und Beisein E. E. Raths.
*) Im Anfange des 18. Jahrh., wahrscheinlich auch schon früher waren die
Handwerker in 10 Gewerke und in eine wechselnde Anzahl von Zünften eingetheilt.
Die Aelterleutc der 7 ältesten Gewerke (Hauptgewcrke) waren Mitglieder der dritten
Ordnung (Gemeinde) der stadtischen Regierung und sollten in wichtigen Angelegen-
heiten zur Berathung und Beschlussfassung hinzugezogen werden. Es war Gebrauch,
dass die übrigen Bürger der Leichenbegängnisse halber sich bei einem der Gewerke als
sogenannte Beibrüder einschreiben Hessen. In Handwerkssachen hatten sie jedoch kein
Votum. Die Gewerke, denen das Prädicat „erbar" beigelegt wurde, waren folgende:
Die Schuhmacher, erwähnt 1360, privilegirt 1376. Die Bäcker, priv. 1372.
Die Fleischer, priv. 1373. Die Schneider, priv. 1425. Die Tuchmacher, priv. 1488.
Die Sehmiede, priv. 1503. Die Müller, priv. 1553. Die Kürschner, priv. 1590. Die
Seiler, priv. 1624. Die Glaser, priv. 1642.
Als Zünfte mit dem Prädicat „löblich" werden aufgeführt: Die Leinenweber,
priv. 1508. Die arme Gilde (Brüderschaft der Tagelöhner und Arbeitsleute) priv. 1599.
Die Tischler, priv. 1606. Die Schirr- und Rademacher, priv. 1612. Die Hutmacher,
priv. 1624. Die Mälzenbräuer, deren Bcgräbnissrolle von 1628 datirt. Die Böttcher,
priv. 1(539. Die Töpfer, priv. 1702.
Diesen ist noch anzuschliessen E. löbl. Collegium der Hübner, priv. 1637, und
die Apotheker und Gewürzkrämer, priv. 1669.
Die übrigen Handwerker und Professionsverwandte als Bader, Barbiere, Borten-
wirker, Buchbinder, Dreher, Schwarzfärber, Weiss- und Rothgerber, Goldschmiede,
Handschuhmacher, Kannengiesser, Knopfmacher, Kupferschmiede, Maler, Maurer,
Nadler, Presser, Riemer, Sattler, Schwertfegcr und Zimmerleute hatten grösstenteils
die GewerksTollen der Königsberger. (Schaffer.)
AJtpr. Monȟj8cbrift Bd. XXIL Hft 7 n. 8. 39
602 Verseichnisa der die Stadt Rotenburg betreffenden Urkunden.
Cap. XXVII.
Von Hochzeiten und unordentlichen Tänzen.
Dist. 1. 2. (s. Bemerk, unter Cap. I, 1,)
Cap. XXVIU.
Von Hökern.
Dist. 1. Wer in Hakenbuden wohnen will, soll haben rechtes Maß nnd Ge-
wicht; wer aber mit falschem Maß und Gewicht befunden wird, soll seine Strafe nicht
wissen. Es soll ihm auch hinfort das Hökern zu treiben nicht gestattet werden.
Dist. 2. Es sollen auch alle Höker sich befleißigen, daß sie nimmermehr ohne
Waaren sein und die Stadt mit genügsamen Waaren, so gut sie zu bekommen sind,
versehen bei Verlust des Hökorwerks.
Pro multiplici transgressione in quavis lege multiplicetur quoque muleta sive
poena.
in.
Bericht
wie die Städte ehemals in Hunderten bestanden, worauf sie Anno 1673 u. 1674
gesetzet und bei der neuen Revision Anno 1698, welche den 12. Aug. präoentirt,
abermals gestellet worden.
Anmerkung. Die eingeklammerten Zahlen geben für jede der drei Veranlagungen
die Stelle an, welche in der Reihe der 48 Städte jede derselben hinsichtlich
ihrer Leistungsfähigkeit einnimmt.
Alter
Anschlag
Anschlag
Namen der Städte.
von
von
Anschlag.
1673/1674.
1698.
In Samland.
Fischhausen . . . (20. 24. 13)
256
196 y2
277
Labiau ....
. (31. 37. 17)
157
124
242
Wehlau ....
(4. 10. 8)
797
400
4ioy*
Allenburg ....
. (40. 39. 34)
97
97
177 y2
Insterburg . . .
. (10. 8. 3)
587
587
665 V4
Tilsit
. (9. 4. 1)
695
695
1619 !A
Memel
. (1. 6. 2)
1090
600
1240
Goldapp ....
(46. 45. 32)
65
65
183
In Natangen.
Heiligenbeil . . . (24. 20. 9)
220
220
374 %
Zinten (38. 36. 21)
125
125
206V,
Friedland .... (8. 3. 11)
700
700
354%
Kreuzburg . . . (18. 38. 31)
267
120
187
Domnau .... (28. 26. 35)
167
167
163
Pr. JJylau ....
(34. 32. 30)
143'/2
1431/*
187
r
Von Carl Beckberrn.
603
Alter
Anschlag
Anschlag
Namen der Städte.
von
von
Anschlag.
i
1673/1674.
1698.
Landsberg . . .
(29. 30. 29)
164 Vi
150
188 Y,
Rastenburg . .
. (2. 2. 6)
1067
733
486 »/»
Schippenbeil . . .
(5. 9. 10)
778
536
371%
Bartenstein . .
(6. 1. 7)
767
746
437%
Barten
. (41. 41. 42)
78
78
ioo y2
Drengfurt . . .
. (19. 16. 18)
258
258
239
Gerdauen . . .
(32. 29. 25)
156
156
199
Nordenburg . .
. (45. 4(3. 3(5)
65
•65
144%
Angerburg . . .
. (42. 43. 23)
77
73
2033/4
Marggrabowa
. (39. 40. 37)
115
97
131
Lyck
(44. 44. 26)
72
72
197
Johannisburg . .
. (27. 25. 45)
170
170
92
Sensburg ....
. (21. 23. 46)
254
200
84
Lötzen ....
. (&5. 48. 47)
138
32
79V,
In Oberli
nud.
Pr. Holland . . .
. (3. 7. 5)
882
600
522
Mühlbausen . .
. (25. 21. 20)
208
208
208
Liebstadt . . .
. (26. 22. 33)
204
204
182 yf
Mohrungen . .
. (17. 17. 19)
267
257Vto
209 y,
Saalfeld . . .
. (13. 12. 15)
352
352
257 y,
Liebemühl . . .
(43. 42. 44)
76
76
95
Kiesenburg . . .
(11. 11. 12)
378
378
308
Bischofswerder . ,
(36. 33. 39)
137
137
123
Freistadt ....
. (30. 27. 38)
164
164
127 y,
Marien werder . .
(7. 5. 4)
728
683
5803/4
Garnsee ....
(33. 31. 43)
156
145 y,
98
Rosenberg . . .
. (— . 35. 41)
— .
130
104
Neidenburg . . .
(16. 14. 24)
285
285
200
Soldau
. (15. 13. 14)
316
316
262 y»
Osterode ....
(14. J5. 16)
347
284
250
Dtsch. Eylau . . .
. (37. 34. 40)
133
133
noy4
Hohenstein . . .
. (22. 18. 27)
246
246
i94ys
Gilgenburg . . .
(23. 19. 28)
231
231
1933/4
Orteisburg . .
. (47. 47. 48)
36
36
0*)
Passenheim . .
. (12. 28. 22)
365
157%
206
(Königsberg) . .
■ •••••
9000
—
—
Summa
—
12629V10
13475%
Signatum Eon
igsberg d. 11
Juli 1698.
27
Frie
drich.
*) Vielleicht wegen der grossen Brände, welche die Stadt 1669 und 1698 ver-
heert hatten.
39*
604 Verieichaiss der die Stadt Rastenburg betreffenden Urkunden.
Unter obigem Bericht findet sich im rothen Hausbache die nachstehende, wi-
es scheint in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. entworfene, Rangordnung der kkino
Städte des Herzogthums Preussen eingetragen.
Rang der kleinen Städte.
Dieselben haben insgesambt den Vorgang, wenn sie deputiret werden, Sir
denen Herrn Schöppenmeistern der Städte Königsberg, und folgen einander:
1. Bartenstein.
2. Rastenburg.
3. Friedland.
4. Wehlau.
5. Schippenbeil.
6. Pr. Holland.
7. Heiligenbeil,
8. Marienwerder.
9. Riesenburg.
10. Osterode.
11. Morungen.
12. Saalfeld.
13. Liebemühl.
14. Liebstadt.
15. Hohenstein.
16. Neidenburg.
17. Gilgenburg.
18. Passenheim.
19. Zinten.
20. Fischhausen.
21. Tilsit.
22. D. Eylau.
23. Pr. Eylau.
24. Bischofswerder.
25. Garnsee.
26. Freistadt.
27. Mühlhausen.
28. Soldau.
29. Domnau.
30. Kreuzburg.
31. Drengfurth.
32. Gerdauen.
33. Nordenburg.
34. Barten.
35. Lyck.
36. Allenburg.
37. Sensburg.
38. Memel.
39. Insterburg.
40. Goldapp.
41. Marggrabowa.
42. Angerburg.
43. Lätzen.
44. Johannisburg.
45. Labiau.
46. Kosenberg.
47. Landsberg.
48. Ortelsburg.
Nach der vorstehenden Veranlagung zur Contribution ist diese Rangordnung
augenscheinlich nicht aufgestellt, ebensowenig nach dem Alter der Städte ; es kCmnu-
also nur die damalige Einwohnerzahl massgebend gewesen sein. Daraus würde dann
ein sehr ungleiches Anwachsen der städtischen Bevölkerung in den letzten iwä-
hundert Jahren hervorgehen, welches sich am auffallendsten bei Tilsit, Menul.
Insterburg zeigt; denn während diese Städte jetzt zu den grossesten gehören, nehmen
sie in der obigen Rangordnung noch eine sehr tiefe Stelle ein.
IV.
Namen der Besitzer
der im Jahre 1750 prlvilegirten Brauhäuser.
Agricola, Wittw.
Bahr, Albr.
Bambam, Kasper.
Billich, Gottfr. Ernst.
Bladau, Wittw.
Böcker's Erben.1
Böcker, BarthoL
Buchholtz, Wittw.
Bürger, Wittw.
Von Carl Beckherrn.
605
Buttler.
(''rüger.
Cruse, Mich. Albr.
Daunowski, Joh.
— Wittw.
Prigalaki.
Falkenberg, Sam.
Fanck, Georg.
Fiverabend, Dan. Heinr.
Fischer, Christian.
— Friedr.
— Gottfr.
Frauck, Wittw.
Glaubith, Andr.
Grenda, Gottfr.
Groß, Pfarrer.*)
Guttke, Mart. (2).
Hampus, Andr.
— Dan.
— Gottfr.
— Wittw.
Heberlein.
Hciligendörffer, Gottfr.
Hcnnig, Mich. Gottl.
Hippel, Christian.
Hintzmann, Friedr.
Holldorf, Gottfr.
Horch, Wittw. (2).
Hübner, Heinr. Bcrnh. (2).
Janson.
Jenisch, Christian (2).
John, Joh.
Jonas sen.
— jun.
Eempa, Matthes.
Kempff, Christoph.
Kerstcin, Friedr. sen.
— jun.
Krintz, Joh. Rector.
Küßner, Mich. Wittw. (2).
— Wittw.
Lehmann, Zach.
Matern's Erben.
Meyer, Joh.
Möller, Carl.
Nemheim.
Neuraann's, Gottfr., Erben.
Ohm, Gottl. (2).
Petzel, Wittw.
Piamann.
Pontanus, Gottl.
Prcsting, Barthol.
— Joh.
— Wittw.
Raackau, Christian Friedr.
— Georg Heinr.
Reichert, Gottl.
— Mich.
Reichel, Heinr.
Richter, Mart. ,
Rohde, Christian.
— Jakob.
— Peter.
— Wittw.
Rose, Gottfr.
Schiffel.
Schultz, Jungfer.
Schwartz, Jakob.
Siercke, Christian.
— Mart.
Sockolowski.
Sperling, Friedr.
Stabenow, Georg Siegfr.
Strauch, Matthes.
Tennig, Friedr.
Thylo, Christoph.
Tiedtke, Mich.
Trascowius, Wittw.
Trautmann, Christ. Friedr.
Triedtwind, Wittw.
Uhlich.
Weiß, Jakob.
Wiedehopp (2).
Wolgemuth, Wittw.
Wollraann, Joh.
Wollschläger, Just. Friedr.
Zimmermann, Christian.
— Joh.
Die Kammerei (1).
Die Kirche (2).
*) WahrscheinHch ein emeritirter von auswärts zugezogener Pfarrer; in Arnoldt's
Verzeichniss ist er nicht als Rastenburgischer Geistlicher aufgeführt.
Nachtrage zu Robertiiis Gedichten.
Von
I>r. Ja. H. Fischer
in Berlin.
Im XII. Baude der Altpreussischen Monatsschrift (S. 27 — 50) hu'
Hermann Oesterley eine sorgfaltige Sammlung der Robertinsehei
Gedichte zugleich mit einem Lebensabriss des Dichters gegeben. D-
sich bei derartigen Zusammenstellungen immer nur eine relative Voll-
ständigkeit erreichen lässt, so ist es nicht zu verwundern, dass si,J
auch zu dieser Sammlung Nachträge als nötig erweisen.
An erster Stelle mag das kleine lateinische Gedicht, welches Oes teile;,
selbst in seiner Ausgabe der Gedichte Simon Dachs S. 723 mitteiL
erwähnt werden. Dasselbe steht bei der Altstimme des von Dach ver-
fassten, von Stobaeus componirten Gratulationscarmens auf Robertia.^
Rückkehr aus der Mark (Königsb. Univ.-Bibl. Pa 127, 4a (106) V.).
Ferner findet sich am Ende der 5. Stimme der geistlichen Lieder
von Eccard und Stobaeus nach einem lateinischen Gedicht Chr. Wilkaui
folgendes Gedicht Robertins:
Nim an, 0 guter Gott, was itzt zu deinen Ehren
(Weil du für Ehr erkennst, was vnser Schuldigkeit
Zu deinem Lobe thut) den Kirchen-dienst zu mehren
STOBAEI reicher Schatz in alle Welt aufsstrewt:
Wenn lue vnd anderswo die Christenheit wird singen,
Was Er, sein Meister auch vor Ihni, hie hat gemacht,
So lafs es, grosser Gott, in deinen Ohren klingen,
Vnd für des Preussen- Lands Dank-opffer seyn geacht.
Wir müssen zwar gefernt von andern Landen leben
In denen wärme herrscht; Vns deckt der rauhe Nort;
Nachträge zu Robertios Gedichten. Von Dr.. L. B. Fischer-Berlin. 607
Doch hastu vns gewolt ein andre Sonne geben
Der Seelen schönstes Liecht, das klare Gnaden -wort;
Vnd neben diesem Wort hastu vns mit verliehen
Dafs guter Künste brauch hie reichlich ist bokandt:
In denen haben wir vns etwas solt bemühen,
Dafs Sie zu deinem Lob auch würden angewandt.
Erhalte, lieber Gott, vns noch hinfort bey Friede,
Damit die grosse Gnad vnd wehrte Vater -Trew
Vns immer mehr und mehr zu manchem schönen Liede
Ein vorgelegter Zeug vnd steter Anlafs sey.
So werden sich alfsdann noch andre mehr befleissen,
Dafs ihre Danckbarkeit in aller Welt erschall,
Vnd jedermann gesteh, dafs in dem alten Preussen
Mehr geistlich singen sey, als sonsten überall.
Auch vnser höchster Ruhm, STOBAEVS, wird es binden
In solche süfse Weifs in solche Stimmen Kunst,
Dafs «ein Geistreicher Thon viel Hertzen wird anzünden
Vnd bringen manche Seel auff heisser Andacht Brunst.
„Der Teutsche Merkur vom Jahr 1779" enthält auf S. 110-113:
„Etliche noch ungedruckte Lieder von Preussischen Dichtem aus dem
Anfange des vorigen Jahrhunderts". Es sind dies Dachs „Komm,
Dorinde, lass uns eilen"1), ferner: „Keine Nacht, kein Tag vergehet"2),
an jener Stelle fälschlich Dach zugeschrieben, während es in Alberts
Arien C. V. M. unterzeichnet ist, und schliesslich „Frühlingslied von
Robert Roberthin". Dasselbe lautet:
Es kömmt in seiner Herrlichkeit
der holde Lenz hernieder,
und schenket seine Wonnezeit
dem Erdenkreise wieder;
Er malt die Wolken nüt Azur
mit Gold der Wolken Rande,
mit Regenbogen Thal und Flur,
mit Schmelz die Garten wände;
Er kleidet den entblöfsten Baum
deckt ihn mit einer Krone,
dafs unter seinem Schattenraum
das Volk der Vögel wohne.
Wie preiset ihrer Lieder Schall
die Wunder seiner Rechten,
die Lerch' am Tage, Nachtigall
in schauervollen Nächten!
') Vergl. meine Ausgabe der Gedichte des Königsberger Dichterkreises aus
Alberts Arien und Musikalischer Kürbshfttte (Halle, Niemeyer 1883) S. 130.
*) Vergl. ebenda & 13.
608
Nachtrüge zu Robertos Gedichten«
Die Fische scherzen in der Flut,
die Heerden auf der Weide,
es schwärmt der Bienen junge Brut
auf der beblühinten Haide.
Der Mensch allein, der .Schöpfung Haupt,
vergrabet sich in Sorgen,
ist immer seiner seihst beraubt,
lebt immer nur für morgen;
Ihn weckt Auroren* güldner Stral,
ihm lacht die Flur vergebens,
er wird, nach selbstgemachter Qual,
der Hencker seines Lebens,
Das ohnehin wie ein (iesieht
des Morgentraums entfliehet,
und vor ein schreckliches Gericht
ihn, den Verbrecher, ziehet.
Der Umstand, dass die beiden andern im „Teutschen Merkur" mit-
geteilten Gedichte nicht die Originale, sondern modernisirte Bearbei-
tungen sind, giebt der Vermutung Kaum, dass auch das vorstehende seine
ursprüngliche Gestalt verloren hat. Diese Vermutung hat 0. F. Gruppe
(Leben und Werke deutscher Dichter Bd. I. S. 598) zur Gewissheit er-
hoben, indem er nachwies, dass jenes Frühlingslied eine Bearbeitung
des in Alberts Arien IV, 12 komponirten Robertinschen Mailiedes ist.
Das Gedicht Kobertins ist aber selbst wieder eine Bearbeitung. Es
trägt ebenso wie ein zweites desselben Verfassers, das H. Albert eben-
falls in Musik gesetzt hat (Arien V, 11), die Unterschrift: Auss Dirck
Camphuysen Holländischem.
Dirk d. i. Diderik Rafael Kamphuyszen lebte von 1586—1627.
Er schrieb Wel-Rymens wet (Kunst gut zu reimen) und Stichtelyke
Rymen (geistliche Lieder) und führte als verfolgter Arminianer ein
herumschweifendes, wechselvolles Leben. Seine Gedichte verdienen eher
Aufmerksamkeit wegen des gottesfürchtigen, aber von. jeder kränklieben
Uebertreibung freien Sinnes, als wegen des in ihnen zum Ausdruck ge-
brachten poetischen Talents. Robertin, der wie mancher deutsche Ge-
lehrte jener Zeit auf seinen Reisen Holland besucht und ein Jahr dort
zugebracht hatte, hat vielleicht den Dichter selbst noch kennen ge-
lernt, sicher bei seiner ernsten und frommen Gesinnung gerade an diesen
Gedichten Gefallen gefunden, obgleich ihr Verfasser seinen Gegensatz
zu dem damals allgemein gefeierten Dan. Heinsius dem älteren aus-
zusprechen gewagt hatte.3)
3) Vergl. Jonckbloets Geschichte der Niederländischen Litt e rat ur fibersetzt von
Wilhelm Berg II, S. 344 ff.
Von Dr. L. H. Fischer - Berlin.
609
Dio beiden holländischen Gedichte sind in zweifacher Weise inter-
essant. Einmal geben sie ein weiteres Beispiel für den Einfluss der
niederländischen Litteratur auf die gelehrte deutsche Dichtung im
17. Jahrhundert, andrerseits lassen sie erkennen, in welcher Weise
Robertin seine Vorlagen benutzt hat. Sie mögen deshalb im Folgenden
einen Platz finden.
In der mir vorliegenden Ausgabe (D. R. Kamphuyzens Stichtelyke
Kymen, Geheel op Noten gebracht; en gestelt op sleutels om te zingen
en te speien op allerhande instrumenten ; mitfgaders vermeerdert met
eenige nieuwgecomponeerde wijzen Door M. Mathieu. De tweede Druk.
Te Rotterdam, By Izaak Naeranus, Boekverkoper op 't Steyger, Anno 1702.)
steht das erste der mitzuteilenden Gedichte auf S. 210 (es ist das letzte
von dem „Eerste Deel"), das zweite S. 691 ff., gegen Ende des
„Derde Deelu.
Ich gebe zuerst den in der alten Orthographie abgedruckten hollän-
dischen Text, dann eine möglichst getreue Übersetzung und schliesslich
die Bearbeitung Robertins.
I.
Niet nieuws onder de Zonne.
i.
Wat is't onvernoegde mensch,
Dat uw weiisch
^tadig na wat nieuws komt dryven?
Neora de heele weereld voor,
Loopze door:
*t Is de weer'ld en't zalze blyven.
2.
*t Geen men tegenwoordig ziet,
la geschied;
t Geen de tyd hier na zal bringen,
Is of na, of al geweest:
Op een leest
Schoeycn alle aardsche dingen.
3.
Bouwen, breken, krygen, slaan,
Doo'n, verraa'n,
Jachten, trachten, zoeken, wroeten;
Wat men hoort, beleeft, aanschouwt;
't Is al ond
Dat op aard ons zal ontmoeten.
4.
Nieuwe menschen voed en baart
Stccds de aard1,
Maar geen nieuw begeert' noch haken.
't Was als 't is, ent is als 't was:*
D' ouden pas
Houden al des weerelts zaken.
610
Nachträge zu Robertini Gedichten.
5.
D' eygen weg, die Cyrus trad,
Was ook 't päd
Van den grooten Alexander:
Daar na ging hem Cezar in:
Cezars zin
Is nn weder in een ander.
6.
Dus aanschoutm' in alle ding
Wisseling
Van begeert1 en zinne-buyden:
Nu zynz' hier; een ander jaar
Op een aar1:
Nu by dees, dan by die luyden.
7.
Dat in't grootf eerst is gespeurt,
't Zelve beurt
NaderhÄnd in't kleyn1 en läge:
Hier by stukken en ten deel,
Daar geheel;
Nu gestadig, dan by vlagen.
8.
Hier, door hstigheyd en kunst;
Daar, door gunst:
Nu met voorspoed; dan onspoedig:
Hier, met moeyt* en weder -Inst;
Daar, met rust:
Nu met vreeze, dan kloekmoedig.
9.
Zoo lang menschen menseben zvn,
ZaT er pyn,
Kamp, gevaar, en onlust wez<?n.
Zoek op aard geen Paradijs
Zyt gy wys;
Leeg' uw hart van hoop en vreeze.
10.
's Weerelds heyl en ongeval
Is een bal,
Daer me'e d'aardsche Insten speien:
Die ne'er valt, na d' Opper-hecr
't Zacht oft zeer
Onder menschen wil verdeeleo.
IL
Maysche Morgen-stoud.
l.
WAt is de Meester wys en goed,
Die alles heeft gebouwt,
En noch in wezen blyven doet,
Wat's menschen oog aanschouwt.
2.
Die's weerelds wyden ommering,
Noyt uytgewaakt, bewaakt;
En door gepaste wisseling
Het zoet noch zoeter maakt.
3.
Nn is de winter, dor en schraal,
Met al zyn onlust heen;
En d'aerde heeft voor deze maal
Haar lyden afgele'en.
4.
Dies is de tyd we'erom gekeert,
Waarin natuur verjonkt,
Haars milden Scheppers goedheyd eert.
En met zyn gaven pronkt.
5.
De Mey, wiens zoetheyt zoo verstTelt:
Dat zyn gedachtenis
In's menschen geest al vreugd venv. -
Eer hy voorhanden is;
6.
De Mey, het schoonste van het jaar.
Daar alles in verfraavt;
De lucht is zoet, de zon schynt kka?,
't Gewenschte windje waayt.
Von Dr. L. H. Fischer- Berlin.
611
7.
Het dauwtje in de koele nacht
Word over *t yeld verspreyd,
Waar door de heel Nature lacht,
En is vol dankbaarheyd.
8.
De aard ist met gehloemt geeiert,
Het Byken ga'ert zyn was,
Het Leeuwcrikje tiereliert,
En daalt op't nieuwe gras.
9.
Het bloempje dringt ten knoppe uyt,
't Geboomte ruygt van lof,
Het veetje scheert het klaver-kruyd
Graag van het veldje of.
10.
Elk dieitje heeft zyn vollen wensch,
En quel-begeert leyt stil;
Behalvcn in den dwazen mensch,
Door zyn verkeerden wil.
11.
De mensch, van wäre deugden leeg
En vol van zotte lust,
Hern zelv' en and'ren in de weeg,
Vennoord zyn eygen rust.
12.
Dit leven, 't welk alleen niet end,
Maar kort ook is van daur,
En licht van zclfs slaat tot eilend,
Maakt hy zieh dobbel zuur.
13.
't Vee word ontzielt; zyn eynd is snel,
En zyns doods pyn niet groot:
De mensch, door meenig ziel-gcquel,
Sterft meer dan eenc dood.
14.
Ach ! had de mensch (zoo waar zyn stand
Vol hart-en zürnen -vrengd)
Of zonder deugde, min verstand,
Üf by't verstand, meer deugd!
15.
Ach! waren alle menschen wys,
En wilden daar by wel!
De aard' waar haar cen Paradys,
Nu is ze meest een Hei!
Nichts Neues unter der Sonne.
1. Was ist's unzufriedener Mensch,
Dafs dein Wunsch
Stetig nach was Neuem mufs treiben?
Nimm die ganze Welt vor,
Geh sie durch,
Es ist die Welt und wird sie bleiben.
2. Was man gegenwartig sieht
Ist geschehen;
Was die Zeit hierauf bringen wird
Ist entweder gegenwärtig oder ist schon gewesen:
Auf einen Leisten
Sind alle irdischen Dinge zugeschnitten.
612 Nachtrüge in Robert ins Gedichten.
3. Bauen, abbrechen, kriegen, schlagen,
Töten, verraten,
Jagen, trachten, Buchen, sich mühen,
Was man hört, erlebt, anschaut,
Es ist alles alt,
Was auf Erden uns begegnen mag.
4. Neue Menschen nährt und gebärt
Stets die Erde,
, Aber weder neue Begierde noch neues Verlangen.
Es war, wie es ist, und es ist, wie es war:
Den alten Schritt
Halten ein alle Sachen der Welt.
5. Derselbe Weg, den Cyrus betrat,
War auch der Pfad
Des grofsen Alexander.
Danach betrat ihn Cäsar,
Cäsars Sinn
Ist nun wieder auf einen andern übergegangen.
6. So sieht man in allen Dingen
Wechsel
Von Begierde und Sinnentaumel,
Nun sind sie hierauf, ein ander Jahr
Auf ein anderes (gerichtet),
Nun bei diesen, dann bei jenen Leuten.
7. Das zuerst ist grofs angelegt,
Dasselbe geschieht
Darauf im Kleinen und Geringen :
Hier stückweise und zum Teil,
Dort ganz,
Nun beständig, dann stofsweise.
8. Hier durch List und Kunst;
Dort durch Gunst:
Jetzt mit Glück, dann unglücklich,
Hier mit Mühe und Widerwillen
Dort mit Buhe:
Jetzt mit Furcht, dann beherzt.
Von Dr. L. H. Fischer- Berlin. gl 3
9. So lang Menschen Menschen sind,
Wird Pein,
Kampf, Gefahr und Unruhe sein.
Such auf Erden kein Paradies,
Wenn du weise bist;
Mache ledig dein Herz von Hoffnung und Furcht.
10. Der Welt Heil und Unglück
Ist wie ein Ball,
Damit die irdischen Lüste spielen,
Der niederfällt, je nachdem der Oberherr
Es milde oder hart
Unter den Menschen verteilen will.
Morgenstunde im Mai.
1. Was ist der Meister weis1 und gut,
Der alles hat gebaut
Und noch bestehen bleiben läfet,
Was des Menschen Aug' anschaut.
2. Der der Welt weiten Umkreis
Nimmer müde bewacht
Und durch geziemende Abwechslung
Das Süfse noch süfser macht.
3. Nun ist der Winter dürr und kahl
Mit all seinem Leid dahin,
Und die Erde hat für dieses Mal
Ihr Leiden ausgelitten.
4. So ist die Zeit wiedergekommen,
In der Natur sich verjüngt,
Ihres milden Schöpfers Güte ehrt
Und mit seinen Gaben prunkt.
5. Der Mai, dessen Lieblichkeit soweit sich ausdehnt,
Dafs sein Gedächtnis
In des Menschen Geist schon Freud1 erweckt,
Bevor er da ist;
6. Der Mai, das Schönste des Jahres,
In dem alles sich verschont;
Die Luft ist lieblich, die Sonne scheint
Das erwünschte Windchen weht.
(JJ4 Nachträge eu Robertins Gedichten.
7. Der Tau (das Tauchen) in der kühlen Nacht
Wird über das Feld ausgebreitet,
Wodurch die ganze Natur lacht
Und voll Dankbarkeit ist.
8. Die Erde ist mit Blumen geziert,
Das Bienchen sammelt ein seinen Wachs,
Die kleine Lerche tiereliert
Und senkt sich ins neue Gras.
9. Das Blümlein dringt aus der Knospe heraus,
Die Bäume duften von Laub,
Das Vieh(chen) weidet das Kleekraut
Begierig von dem Fcldchen ab.
10. Jedes Tierlein hat seinen vollen Wunsch,
Und quälende Begierde liegt still,
Aufser in dem schwachen Menschen
Durch seinen verkehrten Willen.
11. Der Mensch, der wahren Tugend ledig
Und voll der thörichten Lust,
Sich selbst und andern in dem Weg
Mordet seine eigene Kühe,
12. Dies Leben, welches nicht nur ein Ende hat,
Sondern auch kurz von Dauer ist
Und leicht von selbst ins Elend fuhrt,
Macht er sich doppelt sauer.
13. Das Vieh wird entseelt, sein End ist schnell
Und seines Todes Pein nicht grofs,
Der Mensch durch manches Seelgequäl
Stirbt mehr denn einen Tod.
14. Ach hätte der Mensch, (so gewüs sein Stand
Voll Freude des Herzens und der Sinnen ist),
Entweder ohne Tugend weniger Verstand
Oder mit Verstand mehr Tugend.
15. Ach wären alle Menschen weise
Und wollten sich dabei wohl befinden,
Die Erde wäre für sich ein Paradies,
Nun ist sie meist eine Hölle!
Von Dr. L. H. Fischer- Berlin.
615
I. Albert Arien V, 11.
Salomo im Prediger am 1. v. 9. Nichts newes vnter der Sonne, je:
1. MEnsch wie kömpt es, dass dein Sinn
Immerhin
Sich auff Newheit lasset treiben?
Was die Welt erdencken kan,
Sieh es an!
Das ist Welt vnd wird Welt bleiben.
2. Was wir gegenwärtig sehn,
Ist geschehn,
Was die Nach-Zeit auff-kan bringen,
Ist jetzt oder war ja schon;
Ein Patron
Zeiget sich in allen Dingen.
3. Bawen, brechen; Fried vnd Streit;
Gunst vnd Neidt;
Heben, Stürzen; Fluchen, Segnen;
Was man höret, list und sieht,
Was geschieht,
Piiag auch ehmals zu begegnen.
4. Newer Menschen kommen viel
In das Spiel,
Doch darumb kein new begehren:
Was zuvorhin ward begunt,
Vnd jetzundt,
Wird sich noch gar offt verkehren.
5. Cyrus bahnte seinen Pfadt;
Nach Ihm trat1
In die Herrsch -sucht Alexander,
Diesem folgte Caesar nach,
Caesars Sach'
Hat zu dieser Zeit ein ander.
6. Witz vnd Falschheit, Raub vnd Mordt
Hie vnd dort,
Bald besonders, bald im Hauffeo,
Vor vnd nach, vnd auff vnd ab
Ist der Trab
Den die Welt wil immer lanffen.
7. Sie betreibet einerley
Mummerey,
So in Inflen alß in Kronen:
Wer geruhig, still vnd wol
Leben soll,
Muß des Gäuckel-Wercks gewohnen.
8. Woran sich der Füret ergetzt,
Wird zu letst
Von den Bauren nach-gemachet ;
Vnd was (wie man etwan meynt,)
Höfisch scheint,
Wird im Dorff hernach verlachet.
9. Siehstu nicht wie alles Tuhn
Dann als nun,
Nun alß dann, sich Wechsel -schichtet?
Hörst u nicht was so jetzt war
Vbers Jahr
Ander-weise zugerichtet?
10. Was bey einem pflag zu seyn,
Wird gemein;
Auss dem grossen wird das schlechte:
Ehre, Reichtumb, Standt, Gewalt,
Rollet bald
Von dem Herren zu dem Knechte.
11. Hie durch Fundeben, List vnd Kunst,
Dort durch Gunst:
Hie zu Vortheil, dort zu Schaden:
Hie mit Vnmuht vnd Verdruß,
Dort mit Muß1 ;
Hie anß Zorn, vnd dort auß Gnaden.
12. So lang Menschen Menschen seyn
Wird auch Pein,
Angst, Gefahr vnd Vnlust stehen.
Mercke doch den Grund -Betrug!
Bistu klug:
Alles gehet zum vergehen.
616 Nachtrüge i
13. Weltlich GlQck vnd Vngefall
Robcrlim Gediel
I Vnd der '
| Nach don
Aus dem Holländisi
Koben
IL Albert Arieii IV, ]
Mej-Lied. 0 curas homii
1. DEr Meister ist ja Lobens werth 8. Die Wi
Der alles hat gebauet, Der Wald
Vnd Vaterlich erhallt vnd nährt Des Hiim
Was vnser Aug' anschauet. Dem Erdi
2. Der diese Welt, so räum vnd breit, 9. Die Bi*
In treuer Hut bewachet, Das Honi
Vnd mit Abwechselung der Zeit Die Schw
Das Liebe lieber machet. Die Lercl
3. Von Winters Prost war alles kahl 10. Die Na
In Schnee vnd Ejfl begraben, Durch all
Noch hat die Erd' auch dieses mal Des allgei
Sich auß dem Leid erhaben. So gut sii
4. Die Zeit kömpt wieder zu vns an 11. Der wai
Die Berg vnd Thal beblühmet, Den Bäfli
Vnd hiemit, wie sie jmrner kan, DieHecrd
Des Schöpffers Mildheit rühmet. In diesem
5. Der Mcy, (der allen Sinnen pflegt 12. Ein jod
So manche Lust zu schencken, Sein Hert
Daß auch sein Nähme Freud' erregt Der Mens
So offt wir sein gedencken.) In wanck<
6. Der Mey, (das schönste Stück vom Jahr) 13. Der Mc
Hat sich schon lassen sehen; An einem
Die Lnfft ist rein, die Sonne klahr, Wirbt nu
Die linde Windclien wähen. Vnd tiidt
7. Der Thaw erfrischt den zarten Klee, 14. Sein Le
Der vnlengst war verfroren; Nicht lan
Die Fische gehn im Bach' vnd See Wil er m
Als wieder -new-gebohren. Auch übe
Von Dr. L. H. Fischer- Berlin. ßjf
15. Ein Vieh stirbt hin, vnd seine Noht
Scheint hierinn wol bequämet:
Der Mensch stirbt mehr als einen Todt,
Der sich zur Vnzeit grämet.
16. Er pralet immer auff Verstandt;
Ach, Hess1 Er den doch inercken,
Vnd machte seinen Ruhm bekant
In Tugend -gleichen Wercken!
17. Ach daß Er sich doch weisen ließ'
Auff GOTT sein Thun zu stellen !
Die Erde wehr' ein Paradieß,
Nun wird sie Ihm zur Hellen.
Auß Dirck Camphuysen, Holländischem
Robert Robertihn.
Wie man sieht, hat Kobertin die Form des holländischen Vorbildes
herüber genommen, mit der einen Abweichung, dass er in dem Mailiede
die zweite und vierte Zeile jeder Strophe um eine Senkung am Ende
vermehrt hat. Die Gedichte Bobertins sind in einzelnen Stellen wört-
liche Übersetzungen der holländischen Originale, im allgemeinen getreue
Nachbildungen; doch hat B., wie es scheint, in V, 11 Strophe 6, 7u. 8
hinzugefugt und in IV, 12 die achte Strophe des Originals zu drei
Strophen (8, 9 u. 10) erweitert. Einigemal ist die prägnante holländi-
sche Ausdrucks weise in der Bearbeitung verblasst und verflacht, z. B.
in I, Strophe 2 Zeile 5 u. 6, in Strophe 12 Zeile 4— 6; in II, Strophe 16
scheint mir Eobertin den Gedanken, welchen der holländische Dichter
durch Vergleichung von Mensch und Tier gewinnt, nicht scharf und
klar genug wiedergegeben zu haben. In I, Str. 3 Z. 4 hat der hollän-
dische Text: beleeft = erlebt, E. übersetzt: list. Ob hier ein Irrtum
Bobertins oder eine abweichende Lesart (beleest) in der von B. benutzten
Ausgabe angenommen werden muss, dürfte schwer zu entscheiden sein.
Altpr. Monatsschrift Bd. XXEL Hft 7 u. 8. 40
Kants Copernicanismns
auf die Begriffe Notwendigkeit und Freiheit angewandt.
Von
Dr. Otto Kuttner.
Fr. Harms hat sich in seiner Vorrede zu „Die Philosophie seit Kant"
sehr darüber ereifert, dass „es Mode geworden den ehrenhaften Königs-
berger Weisen irgendwie in Parallele zu stellen mit dem Sophisteu
Protagoras". Und doch ist diese Parallele zwischen Kant und Protagons,
die von Albert Lange datiert, und von Harms „albern" gescholten wird.
mehr als in einer Beziehung zutreffend. Das Protagoräische "Ai&Qwm
Ii&qov ndvrayv ist zum Motto wie geschaffen für die Copernicanische
Neuerung der Kritik der reinen Vernunft, welche Kant ankündigt in der
Vorrede derselben (Kirch mann S. 28): statt unsere Begriffe sich drehen
zu lassen um die Dinge, will er es einmal umgekehrt versuchen. Das
Resultat dieser Operation ist die „Erscheinungswelt" Kants.
Gegeben ist auch in unserem Motto das andere: dass, wie ein Maass
ohne Füllung nichts besagen will, Begriffe ohne Anschauungen leer sind.
Unsere Erkenntniss ist gebannt an den Boden der sinnlichen Erfahrung;
wo diese aufhört, da hört auch jene auf. Alle Gegenstände einer im
engeren Sinne sogenannten Metaphysik verfallen daher unerbittlich dem
Richterspruche der Kritik, wo es sich handelt um Erkenntniss. Aber
zugleich ist das viel misdeutete Wort aus der Vorrede zur zweiten
Auflage der Kritik d. r. V. bekannt : „Ich musste das Wissen aufheben,
„um zum Glauben Platz zu bekommen".1)
*) Kirchmann S. 36.
Kants Copernicanismus. Von Dr. Otto Kuttner. 619
Es ist aber nicht jedwedes Wissen, noch jedweder Glaube gemeint.
Aufgehoben werden soll aller Schein eines absoluten Wissens der im
Hexentanze der Begriffsromantik sich um sich selbst drehenden Vernunft.
„Die Lehre von der Sinnlichkeit ist die Lehre von den Noumenen
„im negativen Verstände".2)
Platz soll dafür dem praktischen Glauben geschafft werden an die
sittliche Würde dieser selben Vernunft.
Wieder gilt es, der Mensch ist das Maass aller Dinge!
Und wie ist hiefür Platz gemacht?
Es giebt gewisse einseitige Kantianer, welche sich also nennen,
ohne doch eigentlich ein Recht dazu zu haben. Diese sind froh, wenn
sie den kalten schneidigen Luftzug, der ihnen aus der Kritik d. r. V.
entgegen weht, und den sie nur unter schwachbrüstigem Hüsteln zu
ertragen vermochten, hinter sich haben, uin auf Kosten der Kritik der
praktischen Vernunft um so ungestörter schwärmen zu können. Indem
sie sich als Eichter aufwerfen in dem Streite der mit sich selbst pro-
cessirenden Vernunft, wissen sie es fertig zu bringen, halbpart zu
machen. Die Welt der Erscheinungen und die Welt der „Dinge an sich"
wird, die eine der theoretischen und die andere der praktischen Ver-
nunft zugeteilt, und beide werden dann knurrend und murrend über
ihrem Teile zur Euhe verwiesen.
Es mag manches Misverständliche aus der Kritik der praktischen
Vernunft und der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten 3) hierfür mit
scheinbarem Rechte können angeführt werden, manches auch in Wahr-
heit Kantscher Inconsequenz zuzuschreiben sein. Damit haben wir uns
nicht -zu beschäftigen, sondern damit, inwiefern der Wunsch Kants,
Platz zu bekommen für das, was er Glauben nennt, vereinbar ist mit
consequent durchgeführtem Kritieismus. 4)
2) Kirchmann S. 262.
*) Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Riga 1785. Kritik der praktischen
Vernunft. Riga 1788. Beide sind in der Philosophischen Bibliothek Kirchmann's
erschienen.
4) Die vortrefflichsten Winke hierüber finden sich in der transcendentalen
Methodenlehre, Kritik d. r. Vera. Kirchmann S. 553 ff.
40*
620 Kants Copernicanismus.
Wer sich nun aber in der Kritik d. r. V. den beherzigenswerthen
Vergleich in der Widerlegung des Beweises der Persönlichkeit der Seele
samrat seinen Consequenzen zu Gernüte geführt hat, der wird für eine
so bequeme Teilung auf Kant sich zu berufen, doch etwas verlernen
müssen. Hier ist er:6)
„Eine elastische Kugel, die auf eine gleiche in gerader Richtung
„stösst, teilt dieser ihre ganze Bewegung, mithin ihren ganzen Zu-
„stand . . . mit. Nehmet nun, nach der Analogie mit dergl. Körpern,
„Substanzen an, deren die eine der anderen Vorstellungen sammt
„deren Bewusstsein einflösste, so wird sich eine ganze Reihe derselben
„denken lassen, deren die erste ihren Zustand sammt dessen Be-
„wusstsein der zweiten, diese ihren eigenen Zustand sammt dem der
„vorigen Substanz der dritten, und diese ebenso die Zustände aller
„vorigen sammt ihrem eigenen und deren Bewusstsein mitteilte. Die
„letzte Substanz würde also aller Zustände der vor ihr veränderten
„Substanzen sich als ihrer eigenen bewusst sein, weil jene zusaoimi
„dem Bewusstsein in sie übertragen worden, und dem unerachtet
„würde sie doch nicht eben dieselbe Person in allen diesen Zuständen
„gewesen sein".
' Scheut sich hier Kant wohl im Mindesten die mechanischen Be-
wegungsgesetze auf das Zu -Stande -Kommen seelischen Lebens zu
übertragen ?
Und ist es nicht dasselbe in der ganzen Widerlegung der rationalen
Seelenlehre, die sich anheischig macht, die Seele als ein besonderes Etwas
darzutun, dasselbe auch mit der in der zweiten Auflage hinzugefügten
„Widerlegung des Idealismus"?8)
Gewiss wird hier nirgends mit dem Materialismus die Seele als
Wirkung materieller Ursachen behauptet, aber die Behauptung des
Gegenteils, die Behauptung der Selbständigkeit der Seele, wird, sofern
sie mit dem Ansprüche auf Beweisbarkeit auftritt, als ebenso unkritisch
zurückgewiesen.
*) Kirchmann, Kritik der reinen Vernunft S. 692 n. 93 Anm.
6) Die entere findet sich bei Kirchmann S. 682—720 (l. Aufl.) u. S. 823—344
(2. Aufl.); die zweite S. 235—38.
1
Von Dr. Otto Knttner. 621
Und dass hiermit in der That kein blosses Scheinmanöver ausge-
führt wird, sondern jener Protest ernstlich gemeint ist und zwar im
Sinne der oben angeführten Analogie, geht daraus hervor: dass Kant
ohne Scheu erklärt, es sei ganz unzweifelhaft, dass wenn wir alle die
physischen Kräfte und Ursachen genau kennten, die auf ein Individuum
von Aussen und Infcen einwirken, wir auch seine Handlungen voraus zu
bestimmen vermöchten.
Wir haben von der Freiheit noch kein Wort geredet, wissen noch
nicht, welches die Wege sind, die in der geraden Linie der Kritik
d. r. Vera, gelegen, geeignet sein könnten, dem praktischen Glauben
Platz zu verschaffen. Und bevor wir davon reden, stehen wir nicht an,
ein erlösendes Wort aus Kants Methodenlehre anzuführen, das auch für
den Verstocktesten ein Licht anzuzünden im Stande ist, und mehr Funken
schlägt, als die ganze Kritik der praktischen Vernunft, wie wir glauben.7)
„Ob aber die Vernunft selbst in diesen Handlungen, dadurch sie
„Gesetze vorschreibt, nicht wiederum durch anderweitige Einflüsse
„bestimmt sei, und das, was in Absicht auf sinnliche Antriebe Freiheit
„heisst, in Ansehung höherer und entfernterer, wirkender Ursachen,
„nicht wiederum Natur sein möge, das geht uns im Praktischen,
„da wir nur die Vernunft um die Vorschrift des Verhaltens
„zunächst befragen, nichts an, sondern ist eine bloss spekulative Frage,
„die wir, so lange unsere Absicht auf das Thun oder Lassen gerichtet
„ist, bei Seite setzen können. Wir erkennen also die praktische
„Freiheit durch Erfahrung als eine von den Naturursachen, nämlich
„eine Kausalität der Vernunft in Bestimmung des Willens".
Hier wird einerseits die Abhängigkeit des Freiheitsbewusstseins
vom Causalitätsgesetz der Natur erst hypothetisch und dann unbedingt
anerkannt — denn was Naturursache ist, ist auch zu gleicher Zeit
Naturwirkung — ; andererseits heisst es: dieser Gesichtspunkt sei gleich-
giltig, da es sich nur um die „Vorschrift des Verhaltens" handele und
nicht um die theoretische Einsicht, wie eine solche Vorschrift möglich sei.
7) Kritik d. r. Vera. Kirchmann S. 621.
622 Kant« Copernicanismaß,
Dann freilich scbeint es, als brauche ja gar kein besonderer Plah
geschafft zu werden für die Möglichkeit eines Glaubens an die prak-
tische Freiheit, wenn diese selbst eingereiht wird in die Reihe der
Natur-Ursachen und -Wirkungen, und von ihr nur dasselbe gilt, was
eben von den anderen auch. Aber es ist klar: in dieser Eigenschaft kann
sie gerade das nicht leisten, was sie leisten soll. Und die exceptionelle
Stellung, die ihr angewiesen wird als „Vorschrift des Verhaltens",
scheint doch auch eine exceptionelle Begründung zu verlangen. Sie
würde sonst durch ihren Gegensatz zu ihrem mütterlichen Roden, in
dem sie für unser Bewusstsein steht, gar zu leicht angesehen werden
nach Analogie der Sinnestäuschungen, die auch als solche ihre zu-
reichenden Gründe haben und deshalb als Empfindungsthatsachen müssen
angesehen werden, und dennoch uns als Täuschungen gelten gegenüber
einer realen Welt.
Nur freilich, dass auch hier, wie so oft, die scheinbare Exception,
die Regel nicht aufhebt, wie Kant Alles in Allem doch will, sondern
sie vielmehr zur Klarheit bringt.
Wir behaupten: der Platz, der dem praktischen Glauben geschafft
werden solle, könne nicht also geschafft werden, dass nun umgekehrt
als Täuschung und Schein die Erscheinungswelt behandelt und die
Idealität von Raum und Zeit dazu benutzt werde, um so zu thun, als
hätten wir uns an sie gar nicht zu kehren.
Wir sind ehrlich genug, zunächst die Stelle aus der Kritik d. r. V.
herzusetzen, die allerdings diese Wendung nimmt8):
„Hiewider könnt ihr aber eine transcendentale Hypothese auf-
bieten: dass alles Leben eigentlich nur intelligibel sei, den Zeit-
Veränderungen gar nicht unterworfen, und weder durch Geburt an-
gefangen noch durch den Tod beendigt werde, dass dieses Leben
„nichts als eine blosse Erscheinung, d. i. eine sinnliche Vorstellung
„von dem reinen geistigen Leben, und die ganze Siuneuwelt ein
„blosses Bild sei, welches unserer jetzigen Erkenntnissart vorschwebt
„und wie ein Traum au sich keine objektive Realität habe".
8) Kritik d. r. Vera. Kirchmann S. 605.
• V
Von Dr. Otto Kuttner. 623
Es ist möglich, dass Schopenhauer mit Behagen an solchen Stellen
geweilt hat und gemeint hier seinen ganzen Buddhismus wieder zu
finden; jedenfalls hat er aus allen seinen Illusionen herausfallen müssen,
wenn der lachende Philosoph, als der uns Kant hier erscheint, fortfährt:
wir wüssten zwar von All dergleichen nicht das Mindeste, könnten
nichts davon im Ernste behaupten, es könne All dieses nicht einmal
den Rang blosser Vernunft-Ideen, sondern nur den, ausgedachter Be-
griffe beanspruchen, aber die seien vielleicht einmal ganz zweckmässig
zur Abwehr eines zudringlichen Gegners — wie Platzpatronen zum
Srhreckschuss, fugen wir hinzu.
Im Ernste, mit dem wir es doch hier zu tun haben, werden wir
uns hüten, die Realität der Erscheinungswelt, die zu behaupten Kant
es sich so viel Muhe hat kosten lassen, durch dergleichen Lügen strafen
zu lassen.
Aber sehen wir doch einmal näher zu und fragen: was ist denn
dasjenige von dem, und was dasjenige, für das, die Bahn frei-
gemacht werden soll?
Jenes, so formulirt, wie es wohl zunächst in eines Jeden Bewusst-
sein liegt, ist doch die Notwendigkeit causalen Geschehens, dessen
geschlossene Reihe von Ursache und Wirkung, in continuirlicher Zeit-
folge sich darstellend, keinen Kaum zu lassen scheint für die Selbst-
ständigkeit sittlichen Handelns.
Und dieses ist das Bewusstsein der Freiheit, das sich für uns zu-
sammenschliesst mit dem Gedanken der Verantwortlichkeit unserer Hand-
lungen, welche gefährdet erscheint, sobald diese sollen begriffen werden
als physische Wirkungen, denen das Gepräge notwendigen Eintretens
ebenso aufgedrückt ist wie allen anderen.
Aber wo bekamen wir denn überhaupt den Gedanken einer Not-
wendigkeit her?
So viel steht uns fest: aus den Dingen können wir sie nicht her-
ausfiltrieren. Und so viel zum Zweiten: in der blossen Zeitfolge
ist sie auch nicht gelegen. Denn wir vermögen ganz deutlich diese
uls bloss subjektiv zu unterscheiden von der „Vorstellung einer not*
624 Kants Copernicaoismu«.
wendigen Verknüpfung der Wahrnehmungen", ja, es bleibt hier ein
gewisser Widerspruch für unser Bewusstsein hängen. Und während
wir zuerst Ursache und Wirkung nach der zeitlichen Analogie von
Anfang und Fortgang uns vorstellten: so kommen wir bei näherer
Ueberlegung zu dem Resultate: dass hier eben nur eine Analogie vor-
liegt, und beide vielmehr als zugleich vorhanden müssen gedacht werden,
und bei noch eingehenderer zu dem anderen, dass auch der Begriff
der Ursache und Wirkung in nicht unwesentlichen Punkten der Revi-
sion anheim falle.
Alle die Vorstellungen eines schöpferischen Entstehens und Ver-
gehens sind auszuschliessen und an ihre Stelle ist zu setzen 1) das
Axiom von dem unvermeidbaren und unverminderbaren Bestände der
Materie, 2) das von der Erhaltuug der e?nmal vorhandenen Kraftmenge
und 3) endlich das wichtige Gesetz, welches das zweite zugleich be-
gründet und modificirt, indem es dem Thatbestande von der Aus-
lösungsfahigkeit einer Kraft in die andere uud der anderen wieder in
die eine Ausdruck verleiht.
Kein Mensch aber wird die richtig verstandene Freiheit geleugnet
finden, wenn ich behaupte: die Bewegung des Armes sei als „lebendige
Kraft" ein Aequivalent für die Spannkraft des Empfindungsnerven im
Gehirn. Ich müsste denn den thörichten Wahn haben, mit dergl. die
Thatsache der Empfindung und des Willens selbst abgeleitet und sie
in ihrem Sein begreiflicher gemacht zu haben! Aber gerade, um diesen
Schein zu vermeiden, habe ich ja statt der missverständlichen Aus-
drücke: Ursache und Wirkung, von Aequivalenten gesprochen, die an
Wert und Ursprünglichkeit völlig parallel neben einander her gehen,
und deren Thatbestand ich darum um nichts mehr verständlich gemacht
habe, weil ich die zwischen ihnen aufgefundene Beziehung ausge-
drückt habe.
„Aber diese Beziehung ist eben eine notwendige" wirft man uns
ein. Und mit dieser Notwendigkeit wird im Handumdrehen wieder der
mythologische Sinn einer zwingenden Macht, die mit praedestinatorischer
Allge walt auf uns einwirkt, verbunden : und so wären wir denn glück-
lich wieder auf dem alten Flecke angelangt!
Von Dr. Otto Kuttner. 625
Sagen wir lieber: diese beiden Thatsachen sind durch die Vor-
stellung einer notwendigen Verknüpfung verbünden; es besteht eine
Nötigung für uns, sie, sobald wir sie kennen, zusammen zu denken,
deren Recht „objektive Notwendigkeit*4 genannt za werden, steht
und fällt mit dem Rechte des Bewussts eins, sie als solche zu
empfinden.
Und hier ist ein Punkt von entscheidender Wichtigkeit zu'
beachten, den wir schon einmal im Vorbeigehen streiften:
Es gilt einzusehen, dass es sich im causalen Urteile ganz und gar
nicht um dessen inhaltliche Richtigkeit handelt, sondern um die für
das jeweilige Bewusstsein vorhandene Nötigung handelt es sich,
die oft genug ohne jene anzutreffen ist. Allerwärts wo man von Wirkungen
auf falsche Ursachen zurückgeschlossen und von Ursachen auf falsche
Wirkungen geraten hat, ist jener Fall eingetreten.
Das bekannteste Beispiel: der Schluss aus der Thatsache von
Sonnenaufgang und -Untergang, um mich paradox auszudrücken, auf
die Bewegung der Sonne um die Erde! Von jener objektiven Notwen-
digkeit aber, die uns in der Regel vorschwebt, wenn wir von einer
geschlossenen Reihe von Gliedern reden, durch die keine Macht der
Welt durchbrechen könne, von ihr ist in einem harmlosen Erfahrungs-
urteil, das wir fällen, ganz und gar nicht die Rede. Oder wem schwebt
wohl solch ein fatalistischer Zwang vor, wenn er in der Mittags-
sonne die Wahrnehmung macht, dass dieser und jener Stein warm ge-
worden? Wir werden im Grossen und Ganzen die Wahrscheinlichkeit
für grösser halten, dass die Sonne den Stein erwärmt, als die andere,
dass er künstlich in einem Kessel erwärmt und hier ausgeworfen sei.
Aber es lässt sich ganz und gar nicht sagen: dass Letzteres ins Be-
reich der Unmöglichkeit gehöre. Und man ist glücklicher Weise nicht
so abergläubisch, im gegebenen Falle aus der Wahrscheinlichkeit, nach
der wir im Einzelneu entscheiden, einen bindenden Zwang der Sachen
zu machen, der über ihnen schwebte.
Allerdings würde es unrichtig sein, die Sache so darzustellen, als
ob die Vorstellung einer notwendigen Verknüpfung der Dinge
in uns erst entstünde durch die Wiederholungen des einzelnen Falles,
626 Knnts CopernicanismoB.
auf den wir Acht haben. Durch die Erfahrung allerdings müssen uns
die beiden Gegenstände gegeben werden, die wir in diese notwendige
Verknüpfung setzen, und dazu brauchen wir platterdings der Erfahrung
oder, um Missverständisse zu verhüten, der sinnlichen Wahrnehmung.
Ohne deren Hilfe können wir von keiner uns vorliegenden Er-
scheinung sagen: wie sie zu Stande gekommen ist, von keiner auch,
• was sie zu Stande bringen wird, sondern, sofern uns dies möglich ist,
ist es uns möglich, gestützt auf frühere Erfahrung, also durch ein^a
Analogie-Schluss. Und die Möglichkeit, dass wir in diesem Schluss-
verfahren fehl gehen, die Wirklichkeit, dass wir darin oft genug febl
gegangen siud, liegt nicht bloss vor, sondern wir sind uns dessen auch
sehr wohl bewusst.
Jedes Experiment des Naturforschers ist nur eine bescheidene
Frage an die Natur, die allerdings in bestimmter Form ruuss gestellt
sein. Und die Natur hat oft genug das „Ja" verweigert auf solche
Frage, und damit „Nein" geantwortet, als dass man sich über dif
Schranken, di'e unserer voraussagenden Erkenntniss gesetzt sind, hat
tauschen können.
Weit gefehlt also, dass wir von vorneherein aus der einen Er-
scheinung ihre Componenten vermöchten vorher zu bestimmen, oder
umgekehrt: so können wir nicht einmal mit Sicherheit aus einer Reihe
von ähnlichen Erfahrungstatsachen, die sich uns vorher dargeboten haben,
auf die Gleichheit der Folgen, aus der Gleichartigkeit der Wirkung
auf die der Ursache zurückschliessen.
Aber ob wohl wir nicht a priori zu sagen vermögen, welches die
zusammensetzenden Faktoren einer Erscheinung sind : so fordern wir doch,
dass es solche überhaupt giebt. Und diese allgemeine Forderung ist es,
di« sich charakterisiren lässt als die Vorstellung einer notwendigen
Verknüpfung. Sie stammt nicht aus der Erfahrung: sie wird vielmehr
durch Erfahrung eingeschränkt. Wenn wir bei unseren Ur-Elemeoten.
deren es jetzt einige GO giebt, in der Analyse angelangt sind, und
suchen unsere Forderung weiteren Zergliederns, d. h. weiteren Forschens
nach den obersten letzten Bestandteilen, aus denen jene selbst mögen
zusammengesetzt sein, auf sie auszudehnen, so wird uns bis jetzt jede
Von Dr. Otto Kuttner. 627
Antwort verweigert. Möglich: dass es früher oder später gelingt, von
diesen Ur-Stoffen einige als zusammengesetzte darzuthun und sie da-
mit abzuleiten aus solchen höherer Ordnuug, ebenso möglich auch:
dass die bis jetzt gefundenen Elemente wirklich als solche im vollen
Sinne des Wortes anzusehen sind.
Genug! in beiden Fallen setzt die Natur, sei es früher oder später,
unserem Forschungslriobe ein „Bis hierher" entgegen, und das wissen-
schaftliche Streben des unaufhaltsamen Rückschritts von Erscheinung
zu Erscheinung endigt schliesslich doch im Aether der Imagination.
Folgende Worte aus Kants Schrift „Ueber Formen und Princi-
pien der Sinnes- und Verstandes-welt" wissen den fraglichen Punkt
sehr scharf zu beleuchten:9)
Dass Alles im Universum nach einer Naturordnung geschieht, ist
ein sich auf dem subjektiven Grunde des Intellektes und nicht dem
objektiven stützendes Gewohnheitsgesetz, das uns nicht eigen ist in
Folge unserer ausgebreiteten Naturerkenntniss, oder weil wir die Un-
möglichkeit vom Uebernatürlichen beweisen könnten, sondern weil, wenn
wir von der Naturordnung abweichen, an einen Gebrauch des Intellek-
tes eben nicht mehr zu denken ist.
Mit anderen Worten: jene unverbrüchliche Naturordnung, die uns
in Augenblicken unklarer Sentimentalität als unentrinnbares Yerhängniss
erscheint, dem auch wir unterworfen sind, ist eine Forderung unseres
eigenen Verstandes, um Erkenntniss möglich zu machen. Dessen syno-
nyme Postulate sind Allgeraeinheit und Notwendigkeit, und er findet sie,
eben weil er sie vorausgesetzt hat. Oder wo in aller Welt offenbart
sich ein allgemeines Gesetz in seiner Nacktheit?
Nein! vielmehr die besondere Form ist es, die sich uns darbietet.
Und weit gefehlt, dass der Charakter der Gleichheit und Gemeinsam-
keit sich uns aufdrängt, wenn wir nur die Augen auftun: so ist seine
'■') Rosenkranz-Schubert Bd. I, S. 340: „Orania in universo fieri seeundura or-
»dinein naturae Ita autem statuirnus, non propterea, quod eventaum
»uiundanorura seeundum leges naturae communes, tarn aroplam possideamus cogni-
»tionem, aut supernaturalium nobis pateret vel impossibilitas, Tel minima possibilitas
»hypothetica, sed quia, si ab ordine naturae discesseris, intellectui nnllus plane
»usus esset, et temeraria citatio supernaturalium est pulrinar intellectos pigri".
628 Kante Copernicaniftinufl.
Bedeutung nur richtig zu würdigen mit der kritischen Einschränkung,
dass sie ein Verstandesprodukt ist und kein Naturprodukt — wenn es
letzteres gäbe losgelöst von ersterem.
.Gleichheit finden wir nicht in den Erscheinungen, sondern wir
filtrieren sie erst heraus. Man mag immerhin darüber reflektiren: wie
wir dazu kommen sollten, wenn sie nicht darin gelegen wäre. Genug!
dass in der unmittelbaren Erfahrung der sinnlichen Anschauung sich
uns nur eine Welt buntester, mannigfaltigster Verschiedenheit darbietet,
genug! dass die allgemeinsten Naturgesetze von Attraktion und Repul-
sion sich uns nur vermitteln durch ein so buntes Vielerlei von Er-
scheinungen, dass der exakte Forscher von heute sich vollständig dar-
über klar ist, dass er in jenen beiden nur verallgemeinernde Namen tu
sehen hat für den unendlichen Reichtum physikalischer Aeusseruugen.
Ja mehr als das! so hat man bereits angefangen, jenes Schema einer
Dualität von Kräften, die sich das Gleichgewicht halten, aufzugeben,
und auch die Aeusserungen der Schwere, der Cohäsion, des Chemismus,
die man bislang sich gewöhnt hatte als Erscheinungen der Attraktion*-
Kraft zu fassen, zusammen mit den repulsiven Äusserungen mechanischer
Druck- und Stoss-Bewegungen, aus letzteren zu erklären.
Nur dass man sich wohl hüte, aus dieser Aehnlichkeit, die maa
von Fall zu Fall aufsucht, eine uniforme Gleichheit zu machen, die man
nicht findet!
Und was hat denn nun aber die vielgenannte, viel gefürchtete und
viel als Schreckgespennst benutzte Unverbrüchlichheit oder Notwendig-
keit der Naturgesetze für eine andere Bedeutung, als ihre Einheit und
Allgemeinheit?
Mit dieser aber steht es doch wirklich sehr bedenklich, wenn man
sich nicht abspeisen lässt mit Büchnerscher Phraseologie. Denn ab-
gesehen davon, dass auch die verallgemeinernde Abstraktion nur er>t
zur Zweiheit der Elementar-Kräfte vorgeschritten ist, so wird der be-
sonnene Forscher den erkenntnisstheoretischen Anteil an dem
Zu-Stande-Kommen allgemeiner Gesetze nicht verkennen.
Aber da macht der metaphysische Schlummer erst aus jenen
Gattungsbegriffen Wesen für sich, die nach Art der Platonischen Ideen
Von Dr. Otto Kuttner. £29
in der Luft schweben, um alsdann diesen selbstgemachten Schreckge-
spenstern den Charakter der MoTqcc zu verleihen, die mit blinder All-
gewalt nicht allein über unserem äusseren Schicksale herrscht, sondern
deren Zwang sich auch geltend macht in unserem innern Leben.
Dem gegenüber hat einer unserer berühmtesten Naturforscher,
Helmholtz, eine Lanze eingelegt für die durch die Naturgesetze un-
widersprochene Existenz der Freiheit.
Jene Notwendigkeit also, die man erträumt, ist eine Fiktion, und
von ihr bleibt nur übrig: die Nötigung unseres Geistes, eine Verknüpfung
zwischen Wahrnehmungen vorzunehmen, sofern wir zusammenhängende
Erkenntniss wollen zu Wege bringen. Aber jener Begressus im Begreifen
des causalen Geschehens von Ursache zu Ursache ist in der empiri-
schen Forschung keineswegs einer, der ins Unendliche geht. Vielmehr
sehen wir, dass die Erfahrung gerade jenem Unendlichkeitstriebe sehr
handgreifliche Schranken entgegensetzt. Und es lässt sich nicht ein-
mal sagen, dass wir diese Schranken als Widersprüche empfänden zu
unserer Organisation. Somit ist selbst der Begriff der Nötigung, den
wir zur Bezeichnung des Unterschiedes von der fingirten Notwendig-
keit gebraucht haben, sehr wesentlich in seinem Herrschaftsgebiete ein-
geschränkt. Sie lässt sich zurückführen auf den Trieb unseres Geistes
zu erkennen: wo aber Erkenntniss möglich sein soll, da muss Zusammen-
hang sein. Und jene allgemeine Forderung eines Zusammenhanges,
die uns heisst, wo ein Glied gegeben ist in der Beihe der Erscheinungen,
ein weiteres vorauszusetzen, ist der einzige berechtigte Kern jener ver-
meintlich determinirenden Notwendigkeit, der wir uns nicht sollen ent-
ziehen können. Und sie selbst sinkt ins Beich der Schatten, wo wir
ihr ein Plätzchen gönnen wollen unter den übrigen luftigen Gebilden
der Phantasie, und von wo sie ihre Auferstehung feiern mag durch das
mächtige Schöpferwort des Dichters:
„Gelassen hingestützt auf Grazien und Mnsen
„EtnpfSngt er das Geschoss, das ihn bedr&ut,
„Mit freundlich dargebotenem Busen
„Vom sanften Bogen der Notwendigkeit" lö)
l0) Schillere Gedichte „Die Künstler". Cotta Bd. I, S. 62.
630 Kant« Copernicanismus .
Und hiermit hätte ja, so scheint es, die Freiheit Rechtsanspruch
auf Existenz nnd damit einen Platz erhalten, wo sie sich anbanen
kann, ungestört durch die inhaltslosen Drohungen der Notwendigkeits-
schwärmer!
Dem Guten ist der lähmende Stachel genommen: dass er in der
besten seiner Handlungen doch nur gemusst, nicht gekonnt habe, dem
Bösen die Entschuldigung der NichtVerantwortlichkeit für seine Thaten.
Und gewiss Letzteres ist unverbrüchlich wahr: Platz haben wir
bekommen für die Entwickelung der sittlichen Persönlichkeit und zwar
einen Platz, bei dessen Besitzergreifung sie nicht mehr auf Schritt
und Tritt den Vorwurf widerrechtlicher Usurpation braucht fürchten
zu müssen.
Was aber die Freiheit betrifft: ja, wenn sie nur nicht ein so in-
haltloses Etwas wäre, das seine Bedeutung erst erhält durch Beziehung
auf seinen Gegensatz, und das desshalb mit der Beseitigung dieses an
positivem Werthe verliert, was es an logischem Existenz-Rechte ge-
wonnen hat!
Mit anderen Worten: die übliche Art der Betrachtung, zufolge
deren die physische Welt der Notwendigkeit unterworfen gedacht wirJ
und die psychische, sofern sie sich sittlich bethätigen kann, als Reich
der freien Geister, ist schief und gänzlich unhaltbar.
Vielmehr liegt es in der Consequenz des Kantischen Gedankens
zu sagen: dass es sich in beiden Fällen nur um Bewusstseinsthat-
sachen handeln könne. Und der Reformator der deutschen Philosophie
sollte nach den Grundsätzen seiner Kritik hier ganz einstimmig sein
mit dem Reformator der deutschen Kirche, ") der es deutlich genug
ausgesprochen hat, dass er beide Begriffe aus dem Sprachgebrauche
wünschte entfernt zu wissen, weil Verwirrung erregend.
n) Vergl. Lnthere Schrift aas dem Jahre 1525: De servo arbitrio. „Freilich
„möchte ich, wir hätten ein anderes Wort als den Ausdruck Notwendigkeit, welche*
»an Zwang erinnert, and VorsteUangen herbeizieht» die mit dem Willen anTertrag-
„lich sind.
„Viel besser wäre es, das Wort freier Wille gar nicht za gebrauchen,"
Von Dr. Otto Kuttner. ß31
Wer kann es auch leugnen: dass wir das Wort „Freiheit" in der
verschiedensten Bedeutung gebrauchen, und dass nach diesem Sprach-
gebrauche das, was nach der einen Seite frei genannt wird, es nach
der anderen ganz und gar nicht zu sein braucht?
Ich will nicht erinnern an die vielbeliebte Kantische Wendung von
der Freiheit des Bratenwenders, oder an die spinozistische von der
Freiheit des Steines, der in seinem Falle nicht gehemmt ist.
Keflektiren wir auf die seelischen Erscheinungen: Sprechen wir
nicht ebenso gern von „freien" Trieben, wie von „blinden" Trieben,
ein Attribut, das den Notwendigkeitsfanatikern besonders geeignet er-
scheint zur Charakterisirung des Zwanges, der über uns schwebt?
Die Kenner des paulinischen Sprachgebrauchs erinnere ich auch
an die recht absichtlich gebrauchten Paradoxieen von der Freiheit von
Gott, die eine Knechtschaft der Sünde, und von der Knechtschaft Gottes,
die eine Freiheit von der Sünde sei.
Die Relativität und Negativität der Bedeutung liegt eben im Worte
selbst: frei wovon? so frage ich.
Der Körper ist frei im Falle, wenn er nicht unvorhergesehene und
unberechenbare Hemmungen oder Beschleunigungen erleidet.
Dahingegen ist er gebunden an die Schwerkraft der Erde, ge-
bunden an den Stoss der Anfangsgeschwindigkeit, gebunden in der
atmosphärischen Luft an sein eigenes Gewicht.
Von freier Entfaltung der Triebe sprechen wir: wo wir die Be-
schränkung durch fremden, von Aussen hinzutretenden. Zwang
ausschliessen wollen, von ihrer blinden Wirksamkeit, wo wir sie gegen-
überstellen dem sittlichen Faktor des zielbewussten Wollens, das sich
nur zu oft vor ihnen beugen muss, weil ja selbst aus ihnen entstanden.
Man hat geglaubt der Sache eine präcisere Wendung zu geben,
indem man die Freiheit als sehr wohl vereinbar, ja im Grunde als Eins
erklärte mit einer inneren organischen Determination, die nur
fremden Zwang und äussere Gewalt ausschliesst, nicht aber die
immanente Notwendigkeit, wie man es nannte.
Aber abgesehen von dem incorrekten Gegensatze des „Inneren11
und des „Aeusseren", den sich der Naturforscher mit Recht verbittet
632 Kants CoperoicanismUfl.
so braucht man ja auch nur auf die erstbesprochenen Erscheinungen
sein Augenmerk zu richten, um zu sehen, dass mit diesem Unterschiede
nichts gewonnen ist.
Niemand zweifelt, dass auch der im Falle freie, ungehemmte Körper
mechanisch wirkenden Kräften folgt; aber die Thatsache, dass wir
diese Kräfte übersehen, berechnen können, macht, dass wir ihn frei
nennen, sowie die umgekehrte Erscheinung unberechenbarer Hemmungen
uns zu dem umgekehrten Prädikament veranlasst.
Dasselbe ist es mit der Blindheit der Triebe, die uns als solche
erscheint im Gegensätze zur vorausbestimmenden Berechnung der Ver-
nunft, der sie sich nicht haben fugen wollen. Haben sie sich ihr ge-
fügt, so heisst das eine Bethätigung der sittlichen Freiheit.
Es ist ganz recht, wenn man uns einwirft: dass die sogenannte
Wahlfreiheit doch von der entgegengesetzten Reflexion ausgehe. Soll
sie doch gerade in der unberechenbaren Fähigkeit gut oder böse zu
handeln, bestehen. Und der nächste Wortsinn entscheidet sich unzweifel-
haft für diese Ableitung.
Hierdurch wird aber nur bestätigt, was wir vorher bemerkten, dass
das Wort sich eine eigentümliche Neuprägung seines Inhalts hat ge-
fallen lassen müssen, die fast auf das Gegenteil seiner ursprünglichen
Bedeutung hinausläuft.
Da hilft man sich denn in der philosophischen Sprache mit den
charakteristischen Zusätzen, einer „falsch verstandenen" und einer „richtig-
verstandenen" Freiheit, welche letztere mit der Notwendigkeit identisch
sein soll, natürlich wiederum mit der „richtig verstandenen".
Versucht man nun aber den Begriff der Freiheit seiner Relativität
zu entkleiden, die das Schillern zwischen den verschiedensten Bedeu-
tungen, dies alglatte Schweben und Schwanken von Einem zum Anderen,
diese Modifikationen und Graduationen und dies schliessliche Umschlagen
ins Gegenteil veranlasst, versucht man sich eine Freiheit in jedwedem
Sinne zu constmiren, so sieht man bald: dass nichts gewonnen ist,
aber Alles verloren im buchstäblichen Sinne. Denn man ist angekommen
bei der absoluten Leere und Inhaltlosigkeit des nihil privativum.
Von Dr. Otto Kuttner. 63$
Freilich wer das auch dem edelen Brutus gesagt hätte! Wie wurde
das Kepublikanerherz in Aufruhr gerathen sein! Indess: wir würden
uns lächerlich inachen, hielten wir es erst der Versicherung für be-
dürftig, dass die republikanische Freiheit der Körner mit ihrer eisernen
Disciplin gegen den Einzelnen keineswegs Freiheit in jedwedem Sinne
gewesen sei. Wir gehen weiter und behaupten, dass überhaupt die
Republiken der Alten von dem modernen Menschen als drückendste
Knechtschaft würden empfunden werden, weil das Wohl des Staates
Endzweck, das der Einzelnen nur Mittel dazu gewesen ist. Und bei den
demokratischen Parteien der Neuzeit ist es nicht sowohl die Freiheit
als die Gleichheit, die beansprucht, gefordert wird.
Wenn aber die republikanischen Naturen vom alten Caliber die
verlorene Freiheit beklagten, so beklagten sie, zu ihrer Ehre sei's ge-
sagt, nichts weniger als die schrankenlose Ungebundenheit, sondern den
Verlust der activen Teilnahme des Einzelnen am Staatsleben, den Ver-
lust der sittlichen Verantwortlichkeit des Bürgers für das Wohl des
Ganzen, die in den Alten frisch und kräftig gewesen und dort die
schönsten und edelsten Früchte gezeitigt hat, die aber natürlich nur
dort als wirksame Macht ins Dasein treten kann, wo der Bürger
Regierter und Regierender in Einem ist, und die aufhören muss, sobald
zwischen Beidem ein schroffer Gegensatz Fuss fasst, — der Verlust
dieses lebendigen und vorher stets wach erhaltenen Gefühls, unabtrenn-
bares Glied am Staatskörper zu sein, das war es, was die Brutus- Seelen
unter dem Namen der verlorenen Freiheit betrauerten.
Und wir pflegen zwar den Mund recht voll zu nehmen, wenn es
gilt, unsere Vaterlandsliebe ins rechte Licht zu setzen, werden es aber
wenn sich einige Wahrheitsliebe damit verbindet, nicht in Abrede stellen
können, dass die Vaterlandsliebe der Alten in ihrer grossartigen Er-
habenheit wie in ihrer abschreckenden Nichtachtung der Persönlichkeit
uns als ein vollständig Fremdes gegenübersteht.
Also auch hier ist es nicht die vage Freiheit, sondern das mit
positivem Inhalt erfüllte Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen
und die daraus erwachsende Verantwortlichkeit, welche als Wer th
empfunden '^rden.
▲Itpr. MotMUiohrift Bd. XXII. Hft. 7 a. 8. 41
634 Kants Copernicanismufl.
Und wo es gilt, eine sittliche Principien-Frage zu entscheiden, da
scheint es uns genug, auf diese beiden Faktoren das Augenmerk 7.11
richten, die mit derThatsache, dass sie empfunden werden, auch zu-
gleich für den Empfindenden das Bewusstsein der Verbindlichkeit
enthalten. Mit dem Nicht-Empfindenden aber streiten wir nicht wi>
wir überhaupt uns nicht einreden, voraussetzungslos beweisen zu können.
Dass aber auch die sittliche Freiheit eine solche primäre Bewusstseins-
thatsache sei, ist ein Irrthum, den schon Kant eingesehen. Denn er
stellt als erstes Datum der praktischen Vernunft den kategorischen
Imperativ, das Bewusstsein der Verpflichtung, hin und erst ak
Schluss hieraus behauptet er die Existenz der Freiheit, ein Schlitz
freilich, den er für stringent und äusserst wichtig hielt, den wir lü.
nicht zwingend und irrelevant halten, weil das drohende Schreckgespenst
der Notwendigkeit, des bindenden Zwanges seinen Nimbus in unsera
Augen verloren hat.
Unangefochten stimmen wir desshalb ein in den Kantsehen Pflicht-
Hymnus ") :
„Pflicht, du erhabener, grosser Name, der du nichts Beliebtes,
„was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern Unter-
werfung verlangst, doch auch nichts drohst, was natürliche Ab-
neigung im Gemüthe erregte und schreckte, um den Willen zu bewegen,
„sondern bloss ein Gesetz aufstellst, welches von selbst im Gemüthe
„Eingang findet, und doch sich selbst wider Willen Verehrung
„(wenngleich nicht immer Befolgung) erwirbt, vor dem alle Neigungen
„verstummen, wenn sie gleich ins Geheim ihm entgegen wirken:
„welches ist der deiner würdige Ursprung und wo findet man die
„Wurzel deiner edlen Abkunft, welche alle Verwandtschaft mit
„Neigungen stolz ausschlägt und von welcher Wurzel abzustammen
„die unnachlassliche Bedingung desjenigen Werthes ist, den sich
„Menschen allein geben können."
Unbedenklich setzen wir unser Ja und Amen! unter den berühm-
ten Anfang von Kants „Grundlegung zur Metaphysik der Sitten": ")
") Kritik der praktischen Vernunft Kirchmann S. 104.
") Kante Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Kirchmann S. 10.
Von Dr. Otto Kattner. 635
„Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch ausser der-
selben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte
„gehalten werden, als allein ein guter Wille".
Wohl! In der Welt der Sachen, die der Physiker vor Allem kennt,
giebt es keinen berechtigten Unterschied zwischen Gut nnd Böse! Aber
neben ihr, ja über ihr steht eine Welt der Ideale, die so wenig ein
wesenloser Schemen ist, dass sie es ist, die dem Leben des Menschen
seinen Inhalt giebt, sein eigentümliches Gepräge aufdrückt, sie auch,
die obzwar oft nur hinter den Coulissen spielend und deshalb thörichter
Weise gering geschätzt, mit um so grösserer Allgewalt uns beherrscht,
sie, die nicht bloss die Heroen der Religion getrieben zur Aufopferung
für Menschenwohl und Abwehr von Menschenwehe, sondern die noch
immer treibt jenen wie diesen, hier den begeisterten Religiösen und
dort den ernsten Jünger der Wissenschaft, die auch dem Physiker Mut
eingehaucht und Enthusiasmus, im Namen der Wahrheit und unter
ihren Fahnen seine Forschungen anzustellen. Hat sie doch oft genug
mit selbstloser Grossmut gerade die Vertreter des Materialismus sich
auserwählt zu ihrem Rüstzeug und ihnen den Idealismus uneigennützigsten
Wahrheitstriebes in die Seele gegossen. Mochten sie dann immerhin
im schlechtverstandenen Interesse ihrer Wissenschaft den mütterlichen
Boden verleugnen, der ihnen Kraft gegeben und Freudigkeit.
Denn wahrlich gerade der Wahrheitstrieb ist am wenigsten ein
blasser Gedanke. Würden wohl sonst die von ihm erfüllten Geister die
Bequemlichkeiten und sinnlichen Freuden des Daseins, Leib und Leben,
Gut und Blut oft so leichten Herzens drangegeben haben, um in seinem
Dienste Entbehrung und Ruhmlosigkeit für nichts zu achten ?
Und sie endlich ist es, diese Welt der Ideale, die nur des letzten
entscheidenden Wortes bedarf, um sich umzusetzen in die realste aller
Mächte, die ultima ratio rerum: ein Volk in Waffen!
Ein geistvoller Schriftsteller hat neulich geäussert:
„Der kategorische Imperativ hat die Schlachten des Befreiungs-
krieges geschlagen".
41*
636 *'
Und daran ist so viel jedenfi
ländischen Patriotismus und ohne
Unterdrücker, der sich im Volke
Scheidung, so schnell und gewalti;
Vertrauen wir dieser Macht <
als Besitzthum nachgerühmt wun
verlassen zn haben, vertrauen wir
Denn wenn nns auch die V
wir wüssten alle Geheimnisse in
der Erde, und hätten der liebende
wertschätzenden Achtung nicht fü
und Schönen, welche ein und die:
nach des Apostels Worten doch u
klingenden Schelle.
Tannenberg.
Von
A. Hörn,
Rechtsanwalt
Wer sich eines ruhigen und glücklichen Lebens in einem geordneten
Haus- oder Staatswesen erfreut, blickt mit Dankbarkeit auf diejenigen,
welche ihm diesen Frieden beschafft haben und erhalten. Fern liegt
uns das ungeahnte Unglück des Krieges früherer Jahrhunderte und
Niemand denkt in unsern glücklichen Zeiten an das schwere Missgeschick
dos Krieges, welches dereinst auf den Stätten unseres Glückes mit
Brand und Schwert, Verwüstung und Plünderung gelastet hat. Man
klagt noch und ist unzufrieden, will unbekanntes Besseres schaffen und
ahnt dabei nicht, um welchen Preis eine andere, vielleicht viel schlechtere
Ordnung der Dinge geschaffen werden kann. Da ist es wohlthätig,
dass uns Namen und Orte an die Vergangenheit erinnern. Selten giebt's
eine Gegend, wo dieser Ruf so deutlich laut und klar ertönt, als in
unserra ehemaligen Ordenslande, das dem Orden sein deutsches Funda-
ment, die Grundlage seines Lebens verdankt, ohne welchen zweifelsohne
der russische Doppelar bis zur Weichsel herrschen würde, in dessen
Schatten keine Cultur gedeiht.
Wir hatten im Sommer 1877 die herrliche Umgegend Osterodes
durchstrichen, die fast tausend Fuss hohe Kernsdorfer Höhe besucht
und eilten, von der Hitze des Tages erschöpft, in die erfrischende. Kühle
des Döhlauer Waldes und seiner Schluchten hinab, bis wir in eine Ebene
traten, deren compakter Lehmboden die üppigsten Roggen- und Weizen-
felder trug. Vor uns nach Osten begrenzte ein Streifen Waldes den
Horizont; näher vor uns lagen zerstreut mehrere kleinere Ortschaften,
638 Tannenberg.
links Frögeuau, rechts Seenien, in der Mitte ein kleines Kirchdorf: es
ist Tannenberg, jetzt ein Gut, daneben ein kleines Dörfchen mit einer
einfachen evangelischen Kirche.
Welche Erinnerungen ruft dieser Name hervor, welche Stätte <le>
Unheils haben wir betreten. Hier war es, als vor 467 Jahren die Blüthe
des Ordens erlag, wo seine Kraft gebrochen sein soll. Unwillkürlich
sucht man nach Spuren des Unheils, aber sie scheinen zu fehlen in dem
tiefen Frieden, in welchem die Landschaft ruht. Ist das die hölzern*»
katholische Kapelle, in welcher Jagello am Tage nach jenem verhänguiss-
vollen 15. Juli 1410 seinen Feldgottesdienst hielt, ist das der Kirchhof,
auf welchem die 51 Ordensfahnen aufgepflanzt im Winde zu seinen
Dankgebeten rauschten? Es ist dieselbe Stolle, wenn auch nicht das-
selbe Gotteshaus; da ist um die einfache erst in neuerer Zeit gebaute
evangelische Kirche herum der Kirchhof, in welchem eine grosse Zahl
erschlagener Ordensbrüder begraben ruht; aber kein Stein, kein Zeichen
verkündet es dem Wanderer. Nur in der Sakristei wird uns ein Brust-
harnisch, ein Paar recht schwerer langer Stiefel, eine grosse Keule und
eine Steinkugel gezeigt, letztere 8 Centimeter im Durchmesser, von
behauenem Schwerspat, vielleicht eine von denjenigen, welche der Orden
in dem Jahre vorher sich bei Labiau am Haffe aus den dort bei Rud-
lauken aufgehäuften Steinmassen hatte schlagen lassen. Vom Schlacht-
felde, welches von dem erhöhten Kirchhofe gut überblickt werden konnte
— es steht fest, dass der Generalstab des Ordens dort nicht postirt
gewesen ist — wussten die Leute nichts, bis sich der freundliche Lehrer
des Orts unserer annahm uud uns hinab zu der ehemaligen Kapelle
führte, welche der Orden bald darauf da, wo Ulrich von Jungingen
gefallen oder vor Jagello's Zelt gelegen, erbaute, um die Seelenmessen
für ihn zu halten, welche aber schon vier Jahre später von den Polen
wieder zerstört wurde.
Es war just der Tag und die Stunde der Schlacht, der 15. Juli,
Nachmittags 3 Uhr. Eine Hitze von mindestens 30 Gr. R. trieb den
Schweiss mit Gewalt durch die Poren nnd dem Wanderer im leichten
Sommerkleide kostete es Anstrengung, den Kilometer bäum- und strauch-
losen Weges bis zur ehemaligen Kapelle zurückzulegen. Zuletzt mussten
Von A. Hörn. 639
wir durch ein Getreidefeld oder doch auf dessen Kain klettern, um auf
den Hügel zu gelangen, der so viel Sorgen und Qualen deckt, alles in
wilder Unordnung, Steinziegel auf ihm zwischen dem wilden Brombeer-
strauch lagernd. Das ist kein Fundament, keine Kuine mehr, ein
wüster Haufen jener grossen rothen Ziegel, welche die Hintersassen der
Lehnsleute und Kölmer zu den Burgenbauten brannten und trugen, sie,
die nachher in Leibeigenschaft fielen, während die Söldner und unter-
nehmenden Deutschen den Lohn ihrer Kriegsdienste in Land empfingen
und im Landadel sich zu Herren des Landes machten. Einen dieser
schweren Ziegel trugen wir zum Andenken heim. Der wüste Hügel,
auf dem wir stehen, gewährt ebenso wie der Tannenberger Kirchhof
einen Uebei blick über die Gegeud und ich verniuthc, dass sich auf ihm
der Hochmeister in der Schlachtreihe mit der grossen Ordensfahne
postirt hatte, während dahinter nach Nordwest gegen Grünfelde die
Wiigenburg und das grosse Hochmeisterzelt gestanden hat, in welchem
die Gedanken der Schlacht zum Ausdruck gekommen sind.
Denn es war üblich, dass ein besonderes grosses Hochmeisterzelt
in den Krieg mitgeführt und im Lager aufgeschlagen wurde, in welchem
nicht bloss der Hochmeister und seine Grosswürdenträger, der Marschall,
der Trappier, der Spittler, sondern auch dieKomthure und vielleicht alle
angesehenen fremden Gäste und die eigentlichen Ordensritter schliefen.
Dort sind nach Norden gegen Frögenau die vielen Sümpfe und Torf-
brücher im Bücken der Ordensschlachtlinie, in denen viele Ritter mit
Koss und Mann versanken; dort gegen Tannenberg und Seemen die
kleinen Hügel, auf denen man die blanken Rüstungen der fliehenden
Kitter blitzen sah. Dort gegen Südosten vor Schönwalde und Ludwigsdorf
die Wälder, in denen die Polen Schatten, Stärkung und Deckung fanden.
Man .hat zwei Beschreibungen der Schlacht. Die eine von dem
Kiesenburger Offizial, dem sogen. Lindenblatt, der im Wesentlichen
Voigt Bd. 7 seiner preussischen Geschichte folgt, und eine zweite von
polnischer Seite von Dlugosz, dessen Vater die Schlacht mitgemacht hat.
Der Bericht des Letzteren ist klarer. Voigt hat auch einen Schlachten-
plan geliefert, dabei aber nicht die recht wesentlichen Höhenangaben
berücksichtigt. Man hat in der Generalstabskarte in nnsern Jahren
§40 Tannenberg.
eine genaue sachgemässe Zeichnung des Terrains gewonnen und es ge-
winnt durch dieselbe bei genauerer Berücksichtigung der Lokalität di?
Schlacht in manchen Beziehungen ein Bild, das von den üblichen
Schilderungen etwas abweicht und dieselben ergänzt.
Das Schlachtfeld.
Das Schlachtfeld hatte die Sichtung von Seemen auf Seewalde,
8 Kilometer breit Die eigentlichen Schlachtlinien waren nördlich und
südlich von einem etwa 4 Kilometer langen Streifen vom Grünfelder
Walde bis zum Wege von Tannenberg nach Faulen aufgestellt, von
welchem aus sich das Terrain sowohl nach Nordwest als nach Südost
erhebt; jeder Theil „jagte die Hügel (nach dieser Senke) herabu.
Nach Nordwest standen die Ordensritter in zwei Reihen über dem
731 Fuss hohen Hügel, auf dem der Merkstein steht und unfern von
dem Platze, wo die Kapelle später gebaut wurde.
Die Wagenburg und die Stein- und Lothgeschütze standen im
Kücken bei Grünfelde und jene bildete die Reserve. Der Orden hatte am
Abend vorher sein Lager in Frögenau aufgeschlagen und am Schlachten-
tage von da bis Grünfelde 2!/2 Kilometer zurückgelegt. Da um jene
Zeit Gerichtsverhandlungen um 6 Uhr Morgens begannen, so darf man
annehmen, dass man mindestens um diese Tageszeit aufgebrochen war.
Die Feinde dagegen hatten nach Zerstörung Gilgenburgs — wunder-
barer Weise fiel diese recht starke, zwischen zwei Seen gelegene Burg
ohne Weiteres in Feindeshand, gleich Neidenburg, das auf hohem Berg»?
liegt, — wo sie mehrere Tage gebrannt und geraubt, am Schlachten-
tage von Gilgenburg über Seemen, Ludwigsdorf bis an den Gr. Lauben-
schen See etwa 12 Kilometer zurückgelegt, also einen anstrengenden
Tagesmarsch, zumal bei der auf eine schwere Gewitternacht, folgenden
schwülen Hitze, die ich an dem Schlachtentage des Jahres 1877 auf
30 Gr. ß. fand, eine Temperatur, bei welcher dem völlig leicht Ge-
kleideten der Schweiss stromweise von der Stirn läuft.
Jagello nahm seinen Standpunkt am Laubensee, bestieg den Hügel
daneben zum Eecognosciren und gürtete (adelte) seine besten Krieger
in dem Wäldchen um denselben. Es ist dies das Wäldchen zwischen
Von A. Hörn. 641
Lauben und Ludwigsdorf. Der linke Flügel unter Marschall Zindram
— einem kleinen aber energischen Manne — lehnte sich an den Grün-
felder Wald bei dem jetzigen Gute Schönwäldchen.
Die Ordnung der Polen und Littauer, die sich nach anstrengendem
Morgenmarsche in den beiden Wäldchen erholen konnten, in drei
Schlachtenreihen hinter einander, kann nicht gut vor Mittag beendigt
gewesen sein und der Orden Hess ihnen dazu alle Zeit.
Inzwischen ordnete sich das Ordensheer vom frühen Morgen bis
Mittag in glühender Sonnenhitze; kein Baum, kein Strauch gewährte
Schatten. Mancher Ritter mag sich im Stillm unwillig gefragt haben,
warum zögert der Meister mit dem Zeichen zum Angriff?
Gegen Mitag sandte der Ordensmarschall Friedrich von Wallenrod,
ein jüngerer Bruder Conrads von Wallenrod, dessen Compan (Adjutant)
der in der Blüthe seiner Jahre stehende 45 Jahre alte Hochmeister
gewesen, und den Ulrich erst im Vorjahre zum Ordensraarschall und
daher zweiten Commandirenden gemacht hatte, — „ohne des Hoch-
meisters Beirath" die bekannten zwei Herolde ins Lager des feindlichen
Führers. Diesen entscheidenden herausfordernden Schritt „ohne Beirath"
des Oberfeldherrn zu thun, war kein Zeichen von guter Ordnung und
ein solcher stand ihm nur im Nothfalie frei. Der Ordensmarschall kam
aber damit offenbar der Mehrheit der kampfbereiten Ritter na,ch, die
ungeduldig auf den Schlachtbefehl harrten.
Es lag also eine Differenz zwischen dem Hochmeister und dem
Marschall, den beiden obersten Führern, vor und diese erklärt das lange
Hinausschieben des Angriffs. * Sie kann nur darin bestanden haben, dass
der Meister den Angriff vermeiden, die Partei des Marschalls ihn aber
ausführen wollte.
Wollte Ulrich von Jungingen den Angriff vermeiden, so geschah
das wohl nur im Interesse eines anderen Planes. Dieser Plan ist aus
dem Wege, den er nahm, erkennbar. Hätte er angreifen wollen, so
führte der nächste Weg von Löbau nach Gilgenburg über Ellgenau;
dass Jagello eben Gilgenburg plündert, wusste der Meister.
Er ging ihm nicht entgegen, sondern nordöstlich vorbei, zog nach
Frögenau, schlug das Lager dort auf und eilte dann südlich nach Grün-
642
Tannenberg.
felde. Er wollte ihm in die Flanke fallen, ihn von hinten fassen oder
von Polen, seiner Ruckzugslinie, abschneiden. Und das, sowie die Rolle
des Cunktators, war das Verständigere. Wozu alles auf eine Karte
setzen, wenn man aus langer Kriegserfahrung weiss, dass die grossen
und rohen Horden des Gegners nirht lange zusammengehalten werden
konnten. Als später Jagello an der Marienburg eine Säule fand, gegen
die er vergeblich anstürmte, mussten von selbst und ohne Schlacht erst
die Litlauer, dann auch die Polen abziehen. Sie versuchten gainkht
einen andern Strauss zu pflöcken, sondern zogen, wie in allen frühem
Fällen, nach mehrwöcheutlichem Plündern nach Hause. Durch eine
erfolgreiche Schlacht wurde der Zusammenhang des feindlichen Heeres
gestärkt. Das war Kitt für sie und die Schlacht lag daher iu ihrem
Interesse, während im Interesse des Ordens ihr Vermeiden lag. Das
muss der Hochmeister iu seinem Zelt dem versammelten Convent vor-
gehalten haben, darüber wurde den ganzen Vormittag dort debattirt,
aber man kam zu keinem Schluss.
Aber der Geist des Heeres, der drei Jahre später den Better der
Marienburg absetzte uud bis acht Jahre in Brandenburg gefangen hielt,
führte schon bei Tannenberg zur Katastrophe; das Heer zwingt den
Führer wider seinen Willen zur Schlacht.
Hätte der Meister diese gewollt, so wäre er in der Frische des
Morgens, als seine Vorposten etwa 7 Uhr früh bei Grünfelde auf den
Feind stiessen, ohne Weiteres auf diesen, bevor er sich in Schlacht-
ordnung gestellt, eingerannt und hätte ihn sicher über den Haufen ge-
worfen, wie es später in der Schlacht bei Konitz geschah. Andererseits
die Polen scheinen auch nicht eine Schlacht im Sinne gehabt zu haben.
Auch sie ziehen dem Orden nicht entgegen, sondern schieben ihre
Schaaren östlich bis an den See vou Gr. Lauben vorbei. Aufgefordert
nehmen sie die Schlacht an. Jagello war no«%h weniger Feldherr, als
Napoleon HL, aber mehr Diplomat. Der Kriegsratii beschloss, ihm bei
der Wagenburg, also am Gr. Lauben'schen See, wo er in Sicherheit
war, seinen Platz anzuweisen. Der Marschall Zindram kommandirt den
linken, der Littauerfürst Witold den rechten Flügel. Es werden drei
Glieder hintereinander erwähnt.
Von Ar Born. 64^
Ueber die Zahl der gegenüberstehenden Sireiter fehlt es an sichern
Angaben. Voigt, der in der von Schlosser so oft gegeisselten Art
den Herolden nach Lindenblatt eine lange Rede in den Mund legt, und
den Bericht mehr oratorisch als sachlich hält, giebt das Ordensheer
auf 83000, das der Gegner auf 163000 Mann an. Vom Ordensheer
sollen 57000 Mann Pussvolk und 26000 Reiter, vom Feinde 97000
Mann Fussvolk und 26000 Reiter gewesen sein, letzterer fährte 60
schwere Geschütze bei sich, der Orden soll an Artillerie dem Feinde
überlegen gewesen sein. Nach Dlugosz, dessen Vater die Schlacht mit-
gemacht hat, bestand das Polenheer aus 50 Fahnen, das Litthäuerheer
aus 40 Fahnen. Das Ordensheer soll 51 Fahnen gehabt haben» Nach
Dlugosz beträgt die Fahne etwa 200 Spiesse oder Ritter. Darnach be-
trug die Zahl dei kämpfenden Ritter etwa 10000 Manu auf Otdens-
seiten, die der Gegner etwa das Doppelte. Man rauss zunächst berück-
sichtigen, dass das Fussvolk fast garnicht gerechnet wurde. Dasselbe
war nicht zu einer Schlacht verwendbar, erst Kaiser Maximilian am
Ende des 15. Jahrhunderts fing — nach Weber — an, dasselbe zu
organisiren und zur Schlacht zu gebrauchen. Bis dahin wurde dasselbe
auf grossen Wagen, deren jeder etwa 40—50 Mann fasste, wahrscheinlich
zu Belagerungszwecken, zum Lagerbaucn und Fouragiren mitgefuhrt.
Dlugosz erwähnt, dass der Orden einen grossen unnützen Tross mit-
geführt, verschweigt aber, dass derjenige der Polen noch grösser war.
Die Ritter kämpften mit Lanze und Schwert. Jeder Ritter zog
mit 4 Pferden ins Feld, von denen er das stärkste, den Hengst, ritt,
das zweite seine Rüstung trug und als Reservepferd diente, das dritte
der Knappe uud. das vierte der Bogenschütze mit der Armbrust be-
nutzte. Diese 4 Pferde musste jeder beisammen haben. Alles dieses
bedingte eine lockere Aufstellung. Ueber das Detail derselben fehlt
jede Nachricht. Man muss wohl Folgendes annehmen.
Der Ritter stand selbstverständlich voran. Der Bogenschütze musste
eine freie Schusslinie haben und kann nur neben dem Ritter postirt
gewesen sein. Das Reservepferd und der Diener gehören dahinter. Diese
4 Pferde bilden die Glefe oder Glefenie. Das Schlachtross des Ritters
(Conventsheugst, gedacktes Pferd) war ebenso wie der Ritter (Platten-
ritter, weil er Platten trug) gepanzert mit Schuppen und Brustpanzer.
644 Tannenberg.
Die nächsthöhere Gliederung war die Rotte, welche der Komthur
(commendator) befehligte. Es gab damals etwa 30 Komthure. Di*
Ordensritter lebten in den Burgen zu 10 bis 60 zusammen und jeder
Komthur hatte mehrere Burgen in seinem Gebiet. Man darf die Ge-
sammtzahl der unter seinem Befehl stehenden Ordensritter auf 200
rechnen. Diese bildeten eine Rotte. Der Orden wird daher aus etwa
6000 kampffähigen Rittern bestanden haben. Rechnet man die Hälfte
als zurückgebliebene Burgbesatzung ab, so können „von den wütten
Mänteln" mindestens 3000 Ritter in die Schlacht gezogen sein. Dazu
kommen die dienstpflichtigen Kölmer und Freien des Bezirks, welche
sich der Rotte des betreffenden Komthurs, in dessen Bezirk sie wohn-
ten, naturgemäss anschlössen.
Nach den Ordensbüeheru gab es 774 köllmische uud magdeburgische
Dienste, 974 Schulzendienste und 2820 preussische und polnische Dienste,
zusammen 4568 Ritter, die nicht dem eigentlichen Ordensveibande an-
gehörten.
Es zogen in die Schlacht als Comthure 1) der Ordensmarsehall
von Wallenrod, der die kleine Ordensfahne mit dem schwarzen Kreuze
führte 2) der Obersttrappier Graf Albrecht von Schwarzenburg 3) der
Ordenstressler Thomas von Merheim 4) der Gomthnr von Graudenz
Wilhelm von Helfenstein 5) der Comthur von Althaus — Eberhard!
von Ippenburg 6) der Comthur der Engelsburg (etwa 1 Meile südlieh
von Graudenz gelegen) Burghard von Wobeske 7) der von Nessau Gött-
fried von Hatzfeld 8) der von Strassburg — Balduin Stahl 9) der von
Schlochau — Arnold von Baden 10) der von Osterode — Gamrad
von Pinzenau 11) der von Thorn Graf Johann von Sayn, welche sämmt-
lich nebst dem Hochmeister gefallen sind; ferner zogen mit, aber ent-
kamen durch die Flucht 12) der Oberspittler Werner von Tettingen
13) der Comthur von Danzig Johann von Schoenfeld, 14) der von Balga
Friedrich von Zollern, der Rest der Comthure war theils zurückgeblieben,
theils gefangen genommen.
Weber (Preussen vor 500 Jahren S. 661) wird die Zahl dieser
Kerntruppen annähernd richtig auf 5500 Mann oder 22000 Pferde be-
rechnet haben. Sie werden etwa in 30 Rotten k 200 Mann getheilt
Von A. Hörn. 645
worden sein. Sie schaarten sich theils um das grosse Ordensbanner
mit dem schwarz und goldenen Kreuze, unter dem der Hochmeister
das Centrum kommandirte und um die kleine Ordensfahne des Mar-
schalls auf dem linken Flügel. Dazu kamen die von den Landstädten
gestellten 500 Reiter unter Nicolaus von Renys roth weisser Fahne.
Der Herzog von Stettin war mit 100 Spiessen, der Herzog Conrad
von Oels ebenfalls mit 100 Spiessen Schlesier, welche unter der Fahne
des schwarzen Adlers kämpften; beide wurden gefangen genommen,
endlich kommen dazu etwa 1700 Spiess Söldner, welche der Orden auf
2 Monat Kriegsdienst engagirt hatte, unter den Rottenführern Nickel
Kottwitz — 395 Spiess, die Rotte Caspar Gersdorfs mit 386 Spiess,
die des Böhmischen Rottenführers Wenzel von Donayn (Dohna) 236 Spiess,
4 Meissner-Rotten mit 228 Spiess, Zenke Borsnitz Rotte 120 Spiess,
Georg Zeterers, Ronau's und anderer Rotten. Jede Rotte scheint unter
besonderer Fahne gefochten zu haben. Als Jagello am Tage darauf
Feldgottesdienst hielt, hatte mau 51 erbeutete Fahnen herum postirt,
welche im Winde rauschten.
Ueber die Feinde weiss man nur, dass der Litthauerfürst Witowt
den rechten, der tapfere, kleine, untergesetzte Marschall Zindram den
linken Flügel kommandirte, der König mit seiner Standarte in der
Wagenburg blieb, und dass sie in 3 Gliedern hintereinander aufge-
stellt waren.
Alles Fussvolk scheint beiderseits um die Wagenburg (inter curres
et castra) geschaart gewesen zu sein und mag wohl marodirt haben.
In der Schlacht selbst ist dasselbe activ nicht verwendet.
Die Schlachtmusik wurde durch Geschrei und Gesang gebildet
Der polnische Kriegsrath bestimmte, dass auf seinen Linien Niemand
blasen dürfe, ausser dem einzigen königlichen Hornisten. Das erste
Signal bedeutet „Aufstehen", das zweite „Satteln", das dritte „aus-
marschiren". Wenn man sich über die Bedeutung dieser Töne in dieser
Weise verständigte, so hatte man damals noch nicht besondere Signale,
sondern alle müssen gleich gewesen sein. Es ergiebt sich, dass Blaser
oder Trommler nicht vorhanden gewesen.
Die Schlacht beginnt mit beiderseitigem Kriegsgeschrei. Die Polen
646 Tannenberg.
singen die Nationalhymne and schwingen die Lanzen. Das Ordensbeer
singt, als es den Sieg verspürt, auf der ganzen Linie „Christ ist
erstanden" !
Die Artillerie griff effektiv in den Streit ein. Die Feinde sollen
60 Geschütze mit sich geführt haben und dass diese zum Theil recht
bedeutend gewesen sein müssen, ergiebt die im grossen Remter zn
Marienburg eingemauerte, etwa l1/* Fuss im Durchmesser fassende
Steinkugel, durch welche der Mittelpfeiler umgeschossen werden sollte.
Wie heute Preussen, so stand damals der Orden mit seiner Artillerie
der ganzen Welt voran. Ans den Kreuzzügen übertragen, war sie be-
reits 1346 in der Schlacht bei Crecy angewendet. Der Orden besass
1410 nach Toppen 74 Steinbüchsen und 99 Lothbüchsen. Man hatte
zwei Jahre vor der Schlacht eiue fieberhafte Thätigkeit auf die Ar-
tillerie gewendet u. a. 1408 zu Marienburg die grösste Kanone der
Zeit gegossen aus 232 Ctr. Kupfer, 34 Ctr. Zinn, 2V2 Ctr. Blei, 51 Ctr.
Schieneneisen (zu Ringsreifen); sie kostete 1500 Mark (nach Vossberg
ä 4y2 Rmk.) = 6500 Rmk heutigen Geldes. Sie bestand aus 2 Theilen
die aneinander geschroben wurden, das Kaliber betrug 52 Ctm., die
Steinkugel wog 3—4 Ctr. Ausserdem goss man eine Büchse Vellemauer
von 80 Ctr. Kupfer und 14 Va Ctr. Zinn, eine lange Büchse aus 81 Ctr.
Kupfer, eine kleine von 11 Ctr., 1408 zwei Mittelbüchsen von 9 Ctr.,
deren jede 1032 Skott kostete (k 50 Pf. = 170 Rmk.)
Man empfing im Ordeusheer den anrückenden Feind mit schwerem
Geschütz, dessen Donner sich bald auf der ganzen Schlachtlinie immer
weiter ausdehnte. „Weil indess das Geschoss von der Anhöhe gegen
die feindlichen Reihen keino besondere Wirkung zeigte, so schwieg es
auf des Meisters Befehl und es stürmten nun plötzlich die beiden Schlach-
tenreihen unter erneutem Schlachtrufe auf das ebene Blachfeld (von
den beiderseitigen Hügeln in die Ebene) hinab". (Voigt.)
Der linke Flügel unter Witowt wird geworfen, das erste Glied
drängt auf's zweite, dieses auf's dritte, der linke Flügel des Ordens-
heeres stürmt mit unüberwindlicher Gewalt an und stimmt das Siegeslied
„Christ ist erstanden4' an. Mit ihm das ganze Ordensheer, das auch
den Marschall Zindram etwas zurückgedrängt, so dass er theilweise in
Von A. Hom. 647
den Wald geworfen wurde. Der Hochmeister verstärkt seinen linken
Flügel und dieser verfolgt den Feind, plündert in der nahen Wagenburg
und viele Litthauer fliehen bis in ihre Heimat, den Verlust der Schlacht
verkündigend. Inzwischen hat Witowt seine Smolensker Russen gesammelt
und fällt mit ihnen dem Ordensheer, dessen linker Flügel zu weit vor-
geruckt gewesen zu sein scheint, in die Flanken und anscheinend diese
Kleinigkeit ändert die Situation. Die früheren Sieger kehren zurück,
lassen Beute und Gefangene frei, können aber die bereits verlorene
Situation nicht mehr retten. Witowt holt noch einen Statisten, den
König, aus der Wagenburg, dessen Erscheinen auf die Slaven ermunternd
wirkt. Ein Eitter wirft mit der Lanze nach ihm, vergeblich; der Ordens-
feldherr begeht die Thorheit, sein Leben preiszugeben; die Schlacht ist
verloren, man sieht überall die blanken Rüstungen der fliehenden Bitter.
Der eigentliche Qmnd der Katastrophe schwebt im Dunkel. Ohne
Frage wird sie zum grossen Theil in der Ermattung der Ritter liegen,
die einen halben Tag in der Sonnengluth stillgestanden, in der heissesten
Zeit von 12 bis 4 Uhr gekämpft haben, während die Polen in den
Wäldern, in die sie gedrängt wurden, neue Kraft sammeln konnten
und körperlich rüstiger sein mussten.
So war die Schlacht für den Orden verloren. Man hat sie viel-
fach als den Wendepunkt des Ordensschicksals betrachtet. Meines Er-
achtens ohne allen Grund. Die Menschenleben, welche die Schlacht
gekostet, wurden ersetzt durch die vielen neuen Ankömmlinge aus Deutsch-
land. Der Adel Deutschlands hat drei Jahrhundertelang, seine Söhne,
die er dort nicht placiren konnte, ins Ordensland geschickt und dort
als Ordensritter und Beamte placirt und hat nach der Schlacht bei
Tannenberg, diese bequeme Versorgungsstelle nicht ungenutzt gelassen.
Er ersetzte die Gefallenen reichlich und bis auf Markgraf Albrecht
herab ist ein Mangel an Rittern nicht empfunden worden. Anderer-
seits hat der Orden an Land oder Macht durch den Verlust der Schlacht
äusserst wenig eingebüsst, nur Szamaiten verlor er an Litthauen und
einige kleine Plätze. Jagello hat den Nutzen der Schlacht garnicht
ausgebeutet. Wäre ihm Heinrich von Plauen's beherzte Waffe nicht
in Marienburg entgegengetreten, so wäre es um die ganze Ordensherr-
ß48 Tannenberg. Von A. Hörn.
schaft auf einmal geschehen gewesen. So aber zog er ohne sonder-
lichen Gewinn ab.
Von einer moralischen Niederlage kann man doch nicht entfernt
reden. Der Orden hatte sich tapfer geröstet und recht wacker ge-
kämpft. Dass das Kriegsglück einmal gegen ihn entschieden, ist ibm
nicht als Schuld anzurechnen. Wie man von keinem Schachspieler,
keinem Anwalt erwartet, dass er alle Partien gewinnt, so kann man
einem Feldherrn nicht zumuthen, dass er aus allen Schlachten als
Sieger hervorgeht.
Bis auf Friedrich von Sachsen und Alb recht von Brandenburg herab,
hat dem Orden nichts so sehr geschadet, als der Verlust Marienburgs
und Pommerellens und diesen verdankt er nicht etwa den Folgen der
Schlacht von Tannenberg, sondern dem Landadel, der als Eidechsen-
ritter, vereint mit einigen verblendeten westpreussischen Städten für
die vielen ihnen erwiesenen Wohlthaten und ein überaus mildes Regi-
ment ihren Dank dadurch zollten, dass sie die Polen, den Erbfeind,
ins Land riefen und damit zur Annahme jener Rottenführer aus Deutsch-
land nöthigten, denen es nicht genügte, Abentheuer erlebt und gut ge-
lebt zu haben. Reiche Schätze wollten sie als Sold nach Hause bringen
und da der Orden sie nicht leisten konnte, unternahmen diese Schaaren
den Verkauf der Marienburg und Westpreussen an Polen.
Das allein brach die Kraft des Ordens, indem es ihm die Hälfte
seines Landbesitzes entzog und die ganze Organisation zerstörte. So-
wohl die Rechts- als die damit verbundenen Verwaltungsorgane ändern
sich von da ab mit dem Jahre 1466, und mussten nach einem Ueber-
gangsstadium in neue Bahnen geleitet weiden.
Kritiken und Referate*
Liv-, Est- and Curländisches Urkuiidenbuch. Begründet von F. G. v. Bunge,
im Auftrage der Baltischen Kitterschaften und Städte fortgesetzt von
Hermann Hildebrand. Band 8. 1429 Mai — 1435. 1884. Riga, Moskau.
Verlag von J. Deubner. Leipzig. E. F. Steinacker. 4°. XXX Vll, 688 S.
Dem siebenten Bande des grossen livländischen Quellenwerkes, über welchen
Referent im 19. Bande (1882) S. 130—132 dieser Monatsschrift berichtete, ist nach
Ablauf von vier Jahren der achte gefolgt, der das urkundliche Material zur Geschichte
der Ostseeprovinzen für weitere sieben Jahre erschKesst. Um 10 Bogen stärker als
sein Vorgänger bringt er 1041 Nummern, 584 in extenso, 457 im Regest (548 und 265
im 7. Bande), von denen 858 hier zum ersten Mal erscheinen und nur 183 bereits
vorher gedruckt waren. Als ausgiebigste Fundgrube erwies sich auch bei diesem
Bande das Rathsarchiv zu Reval, aus welchem mehr als die Hälfte aller Stücke,
562 Nummern stammen, den nächsten Platz nimmt das Königsberger Staatsarchiv
ein, welches 287 Nummern beigesteuert hat, der Rest von 192 Nummern wurde 36
verschiedenen baltischen und ausserbaltischen Sammlungen entlehnt, bei denen Preussen
nur noch durch das Danziger Stadtarchiv mit 22 Nummern vertreten ist.
Die bewährten Grundsätze der Edition und die musterhafte Einrichtung des
Bandes sind natürlich dieselben geblieben, wie im 7. Bande: dass dem Regest ein
etwas grösserer Spielraum eingeräumt ist, ergiebt die eben mitgetheilte Zahlenzu-
sammenstellung. Vom Jahre 1431 an berührt sich Hildebrand mit dem ersten Bande
der Hanserecesse G's. v. d. Ropp, weist aber meinen Vorschlag, das von diesem mit-
getheilte livländische Material durchweg nur in verkürzter Form zu bringen, im Vor-
wort mit der Bemerkung ab : „dem an reicherer Bücherquelle Sitzenden wird in diesem
Falle die Wiederholung entbehrlich dünken. Es war hierbei aber zunächst unseren
heimischen Verhältnissen Rechnung zn tragen, sodann der feststehende Plan innerhalb
gewisser Grenzen Vollständigkeit und Abgeschlossenheit zu erreichen, einzuhalten.
Die Recesse und Correspondenzen der livländischen Städtetage waren aus diesem
Zusammenhange dann unmöglich auszusondern".
Altpr. IfonatMehrift B<L ZXIL H/t. 7 u. 8. 42
650 Kritiken und Referate.
Dem Abdruck der Urkunden geht auch bei diesem Bande eine orientirende Ein-
leitung voran, welche ein klares, übersichtliches Bild der Hauptfragen, die während
der sieben Jahre 1429— 1435 Livland beschäftigten, giebt. Nach zwei Richtungen
bewegten sich während dieser Zeit die Bestrebungen des Ordensmeisters: in der
äusseren Politik war es der Versuch des Hochmeisters die polnisch-litauische Union
durch Unterstützung der litauischen Grossfürsten Witold und Swidrigail gegen die
Krone Polen zu sprengen, welcher von Livland energischer und consequenter ge-
fördert wurde, als von Preussen — im Innern währte der Streit mit den Landes-
bischöfen, speciell mit Riga und Oesel, der schon einen Theil des siebenten Bandes
füllte, nur durch vergebliche Friedensversuche unterbrochen, bis zum Landtage ron
Walk (4. December 1435) fort. Während für die polnisch-litauischen Verwickelungen
die Correspondenzen des Hochmeisters und des Inländischen Landmeisters mit den
litauischen Fürsten und die Schreiben dieser die Hauptquelle bilden, lernen wir den
Streit mit den Bischöfen hauptsächlich aus den Berichten der Ordensprocuratoren
in Rom, die schon vor 50 Jahren von Joh. Voigt in seinen „Stimmen aus Romu in
Raumers historischem Taschenbuch Bd. IV. benutzt worden sind, kennen. Es ist
freilich ein unerquickliches Bild, das uns aus diesen Papieren entgegen tritt: mit
Recht bezeichnet Hildebrand S. XXII. den Procurator Caspar Wandofen als einen
„lügenhaften in gleichem Masse zur Gewaltthat wie Tücke neigenden Ränkeschmied'4.
Ebensowenig wie in der äusseren Politik Polen gegenüber vermochte die schwächliche
Regierung Pauls von Russdorf in Rom trotz aller aufgewandten Mittel gegen die
Prälaten entscheidende Erfolge zu erzielen. Zwar starb im Juli 1432 in Rom des
Ordens gefährlichster Feind, der Bischof Christian Kubant von Oesel, aber schliess-
lich musste der Meister den Anspruch auf die Rückkehr des rigischen Capitels in
den deutschen Orden fallen lassen und der Landtag von Walk 1435 führte zu einem
Compromiss, das der Kirche mindestens nicht ungünstiger war als der Landesherr-
schaft. In demselben Monat schloss der Hochmeister mit Polen, Litauen den ewigen
Frieden von Brzesc, in welchem er seinen Plänen Litauen gegen Polen zu unter-
stützen für immer entsagte.
Anstatt wie bei der Besprechung des vorigen Bandes einige für Preussen wich-
tige Details hervorzuheben, kann Referent nicht umhin hier einen anderen, sehr der
Beachtung werthen Umstand zu betonen: es ist der Umfang, in welchem dem Her-
ausgeber das Königsberger Staatsarchiv offen gestanden hat. Von den 287 Nummern,
die er aus diesem Archiv mittheilt, waren 235 bereits von Hennig zu Anfang die»«
Jahrhunderts für die livländische Ritterschaft copirt, und nach diesen Copien in
Napiersky's Index corporis historici diplomatici Livoniae *c. mehr oder weniger genau
verzeichnet, weitere 18 Nummern hatten in Voigts preussischer Geschichte oder
anderen historischen Werken Erwähnung gefunden, ßodass der Gewinn des dem Her-
ausgeber vorher unbekannten Materials in Königsberg sich auf nur 34 Nummern be-
schränkt. Von jenen ritterschaftlichen Abschriften hat aber H. 24 nicht verglichen,
Paul Schlenther, Frao Gottsched und die bürgerliche Komödie. g51
4
weil die Originale von 21 zur Zeit seiner Anwesenheit im Königlichen Staatsarchiv
zu Königsberg (Sommer 1878) nicht aufgefunden werden konnten, bei drei weiteren
(n. 167. 246. 330.) „weil nicht Livland betreffend" ihm die Vorlegung verweigert ^
wurde. H. zieht in seinem Vorwort die erste Angabe, dass jene Nummern unauf-
findbar gewesen seien, deshalb in Zweifel, weil eine Nummer (208) kurz vor ihm
dem Dr. Prochaska, dem Herausgeber des Codex epistolaris Vitoldi vorgelegen hat.
Sein Zweifel an der Glaubwürdigkeit des dortigen Staatsarchivars scheint aber dem
Referenten unbegründet: es ist sehr wohl denkbar, dass jene Nummer 208 erst nach
der Benutzung durch Dr. Prochaska unauffindbar geworden, d. h. verlegt worden ist.
Referent hat mit n. 694 seines Pommerellischen Urkundenbuchs dieselbe Erfahrung
gemacht: die von mir Ostern 1879 collationirte Urkunde war Ostern 1880 im Königs-
berger Archiv nicht aufzufinden, deshalb fehlt in meinem Abdruck die 1879 von mir
nicht notirte Angabe der Siegelbefestigung. — „An eine erschöpfende Ausnutzung
der für die politische Geschichte Livlands unvergleichlich reichsten Fundgrube ist
bei dieser Lage der Dinge leider nicht entfernt zu denken" schliesst H. S. VI. seinen
Bericht über Königsberg. Wie sehr sticht dieses hier geschilderte Verfahren gegen
die Liberalität ab, mit welcher, seitdem H. von Sybel an der Spitze der preußischen
Archiwerwaltung steht, alle übrigen preussischen Staatsarchive wissenschaftlichen
Forschungen ungehindert geöffnet sind!
Halle a. S. M. Perlbach.
9r<m «ottftied im* Hie Mrgerlküe ÄnwuWc. Gin ffuitutbilb aus ber 3oj>f*
Seit Don *ßaui <5$lent$er. Berlin. «erlag t>on Söityelm gerft. 1886.
267 6.
Das vorliegende Buch, von einem Landsmanne — der Verf. ist Insterburger —
dem Andenken einer Landsmännin gewidmet, will, indem es eine Lücke unserer
literargeschichtlichen Kenntnis des vorigen Jahrhunderts auszufüllen sucht, zugleich
eine Schuld abtragen, auf die Mich. Bernays in seinem Gottsched-Artikel in der
Allgemeinen rdeutschen Biographie mit den Worten hingewiesen hat: „Gottsched's
geschickte Freundin wartet noch auf das Denkmal, das ihr gebührt". Zwar hat
Danzel in seinem grundlegenden Werke über Gottsched und seine Zeit (S. 270 ff.)
die literarischen Verdienste der Gottschedin neben denen ihres Gatten nicht unbe-
rücksichtigt gelassen und Bernays selbst würdigt in dem erwähnten Aufsatz ihre Be-
mühungen um die deutsche Literatur in zwar kurzen, aber trefflich zusammenfassenden
Worten. Doch hier wie dort erscheint sie eben nur als das, was sie ihrem Manne
zeitlebens gewesen ist, als die „werte Gehilfin" seiner Arbeiten. Auch Seh/s Buch
berücksichtigt nun zwar, wie billig, in erster Linie die Schriftstellerin in ihr; doch
darüber hinaus sucht er — und das macht uns das Buch besonders anziehend —
sie als Gattin, als Freundin, als Weib uns menschlich näher zu bringen. Er geht
42*
652 Kritiken und Referate.
von der Ansicht aus — und jeder, der die als Anlage beigefügten Auszuge aus ihren
Briefen gelesen, wird ihm beipflichten — „dass ihr weibliches Herz Besseres begehren
und bieten konnte, als einem herrschsüchtigen Buchgelehrten lebenslänglich Schreiber-
dienste zu leisten". An Feinheit des Geistes und Reichtum des inneren Lebens ihrem
Gatten weit überlegen, stellt sie ihm ihren Fleiss und ihre Fähigkeiten selbstlos zur
Verfügung — und was ist ihr Lohn? Nicht nur muss sie das Misgeschick ihres
Gatten teilen, mit ihm Enttäuschung und Erniedrigung in Fülle erfahren, auch
Kummer anderer und schlimmerer Art, Gram über die Untreue des Mannes, dem sie
ihr Leben geopfert, verbittern ihre letzten Lebensjahre. Kann ein vernichtenderes
Zeugnis gegen den Herausgeber der „moralischen Wochenschrift" gedacht werden
als die Worte, welche seine Frau von ihrem Sterbelager ihrer vertrauten Freundin
schreibt: „Fragen Sie nach der Ursache meiner Krankheit? Hier ist sie. Achtund-
zwanzig Jahre ununterbrochener Arbeit, Gram im Verborgenen und sechs Jahre lang
unzählige Thränen sonder Zeugen, die Gott allein hat fliessen sehen". So kann das
Bild dieses Lebens, das Seh. im ersten, „Frau Gottsched" betitelten Teil seines
Werkes mit warmer Anteilnahme an dem Schicksal seiner Heldin entworfen und mit
einer Fülle anziehenden Details ausgestattet hat, nicht anders als einen tragischen
Eindruck hinterlassen. Auf die vielseitige literarische Thatdgkeit der Gottschedin ist
in diesem biographischen Teil nur soweit eingegangen, als es der Rahmen eines
Lebens- und Charakterbildes zuliess. Demselben hat der Verfasser einen zweiten
umfangreicheren Teil folgen lassen, in welchem er die dem Lustspiel zugewandte
Thätigkeit der vielseitig angeregten Frau, sowohl Uebersetzungen wie Originale, einer
eingehenden Betrachtung unterzieht, indem er sie in den Zusammenhang einer Ge-
schichte der obersächsischen bürgerlichen Komödie überhaupt stellt. Wie er in der
Vorrede bemerkt, ist sein Bemühen dabei weniger auf Erforschung und Vermehrung
des literarhistorischen Materials als vielmehr auf ästhetische Beobachtungen gerichtet,
welche gerade für diese Epoche des Emporkämpfens von Wert seien. Wir können
dieses Bestreben nur gut heissen; ist doch die poetische Technik jener, unserer
klassischen Literaturperiode unmittelbar voraufgehenden Zeit ein fast noch ganz un-
bebautes Gebiet. Nach einem einleitenden Blick auf Gryphius wird Christian Weise,
der Zittauer Rektor, als eigentlicher Ahnherr des neueren deutschen Lustspiels hin-
gestellt; seine dramatische Technik, Ton und Sprache seiner Komödie, die er als
Erziehungsmittel auffasst, und die von dieser Auffassung geleitete Wahl des Stoffes
bei ihm finden ausführliche Besprechung. (I. Anfänge des bürgerlichen ProsalustspieL»
im mittleren Deutschland.) Die nächsten Kapitel (EL Die Regel vom Lustspiel
III. Der Kampf gegen den Harlekin. IV. Satire und Pasquill. V. Vers und Prost)
führen uns von Zittau nach Leipzig, von der Schaubühne als „politischen" zu der-
selben als „moralischen Anstalt". Vermittelt wird dieser Uebergang vom älteren
obersächsischen Lustspiel zum jüngeren nach des Verfassers Ansicht durch des un-
sauberen Picander-Henrici „Teutsche Schauspiele". Wir erfahren von Gottscheds
Paul Schienther, Frau Gottsched und die bürgerliche Komödie. £53
Lustspieltheorie, seinem vereinten Wirken mit der Nenberin, von ReuteVs des witzi-
gen Pasquillanten, Schelrauffskydichtung, von den Beziehungen zu Dresden und dem
Dresdener Hofpoeten König, endlich von dem zwischen Gottsched's Schülern Straube
und Schlegel unter seiner Acgide ausgefochtenen Streit, ob Vers oder Prosa im Lust-
spiele, und dem Siege der letzteren. Sehr dankenswerth ist es, dass hier, wie in den
späteren Abschnitten, die sich mit den Stucken der Gottschedin beschäftigen, der
Verfasser es nicht unterlässt, uns durch knappe und geschickte Analysen mit dem
Inhalt der besprochenen Stücke bekannt zu machen. Die beiden nächsten Kapitel
(VI. Eine Talentprobe. VII. Die Kunst der Verdeutschung) zeigen uns Frau Gott-
sched zunächst als Uebersetzerin oder richtiger Bearbeiterin französischer Stücke.
Denn „die Pietisterei im Fischbeinrocke oder die doctormässige Frau", eine Nach-
bildung von Bougeants „La femme docteur ou la theologie janseniste tombee en
quenouille" kennzeichnet sich schon äusserlich dadurch als Bearbeitung, dass Frau
Gottsched den Schauplatz von Paris nach Königsberg verlegt, statt des Jansenismus
den Pietismus und statt des Katholicismus ' die rationalistische Orthodoxie einsetzt.
Hier wie in der Bearbeitung des Moliere'schen „Misanthrop", die hinsichtlich der
Diktion eingehend mit dem Vorbild verglichen wird, ein Vergleich, der natürlich
nicht zu Gunsten der Uebersetzerin ausfallen kann, sehen wir sie durch Einruhrung
drastischer Motive und durch allerlei Kraftausdrücke und Gemeinplätze ihrem an
Hanswurst gewöhnten Publikum Konzessionen machen, die auf ihr weibliches Zart-
gefühl zuweilen ein recht bedenkliches Licht werfen. — Wie die „Pietisterei" sind
auch die drei Originallustspiele der Gottschedin, deren Besprechung die letzten Kapitel
(VHI. Die Einrichtung. IX. Der moralische Satz und seine Anwendung. X. Typus
und Charakter. XI. Der Knoten) gewidmet sind, moralische Tendenzstücke. Während
das erste, 1743 erschienene, die „ungleiche Heirath", den bettelstolzen Adel geisselt,
werden im dritten, dem „Testament" (1745), Edelmuth und Selbstsucht einander
gegenübergestellt; das dazwischenliegende, die „Hausfranzösinn", richtet sich gegen
die Unsitte französischer Gouvernantenerziehung, wobei das Hauptthema, die franzö-
sische Kindererziehung, mit dem Hauptthema des Holbergschen Jean de France, der
Sucht nach Frankreich zu reisen, verwoben wird.
Ein näheres Eingehen auf den reichhaltigen Inhalt des Sch.'sehen Buches
glauben wir uns um so eher versagen zu können, als die bei aller Gründlichkeit
flotte und fesselnde DarsteDungsweise des Verf. wohl geeignet scheint, ihm einen
weiteren Leserkreis als den rein fachmännischen zuzuführen. Als besonders dankens-
wert sei nur noch hervorgehoben, dass der Verf. durch dem Buche beigefügte, aus
verschiedenen Lebensperioden geschickt ausgewählte Briefauszüge uns schliesslich noch
die persönliche Bekanntschaft seiner Heldin zu vermitteln sucht.
P.
!
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654 Kritiken und Referate,
Alterthnusgesellschaft Prussia in Königsberg 1885.
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Sitzung vom 16. Januar 1885. Vortrag des Major Beckherrn: „Einige Be-
merkungen über das Ordenshaus Balga und seine Umgebung". Der Vor-
tragende versucht zunächst, indem er auf die Veränderungen eingeht, welche die
Küste Ostpreussens durch die Einwirkung verschiedener Naturkräfte in vorgeschicht-
licher Zeit erlitten hat, darzulegen, dass der Name des Ordenshauses Balga (ursprüng-
lich die Balge) nicht, wie bisher angenommen worden, von den Tiefen oder Balgen
auf der Frischen Nehrung und bei Lochstedt herzuleiten sei, sondern von einem
V4 Meile östlich von Balga gelegenen Kanal oder einer Balge, durch welche in vor-
geschichtlicher Zeit das Wasser des Haifes in die See ausströmte, als die Nehrung
noch nicht existirtc und das Haff nur aus dem nordwestlichen Theile bestand, welcher
gegen die See hin durch eine von Fischhausen über Pillau bis etwas über Balga
hinaus sich erstreckende Halbinsel abgeschlossen war. Eine zweite Bemerkung betraf
den Schneckenberg, auf welchem nach dem Berichte Dusburg's während der Kämpfe
bei Balga um das Jahr 1240 von den Ordensrittern eine Befestigung angelegt worden
sein soll. Dieser Bericht Dusburg'sist von neueren Forschern mehrfach angefochten
worden, hauptsächlich deshalb, weil er die Wiederholung des Berichtes über die Er-
bauung einer befestigten Mühle bei Hoppenbruch sein soll. Der Vortragende glaubt
dagegen aus taktischen Bücksichten annehmen zu dürfen, dass der Bericht Dusburg 's
nichts Ungereimtes enthalte, und dass die Ordensritter den gegebenen Terrainverhält-
nissen gemäß gar nicht anders handeln konnten, als wie es von Dusburg erzählt
wird, wenn man ihnen nicht alle militärische Umsicht absprechen will, welche sie
oft genug in den von ihnen geführten Kriegen bewiesen haben. Der Vortrag wurde
durch einige Kartenskizzen erläutert [vgl. Altpr. Mtsschr. XXII, 335—345].
Darauf folgte die Vorlesung eines Aufsatzes des Rittergutsbesitzers Blell-Tüngen
über die Keule der heidnischen Preussen. Nachdem der Verfasser ausgeführt
hat, dass die Preussen die Keule von den Gothen kennen gelernt und, weil sie an-
fänglich dieser Waffe sich vorzugsweise bedienten, wahrscheinlich von den Polen den
Namen Prutzen (von pröca, spr. Prutza) erhalten haben, geht er auf die Beschreibung
und die Herstellung dieser Waffe ein. Es gab zwei Arten derselben, die Wurfkeule,
welche entweder aus Stein oder aus Holz mit einer Füllung aus Blei hergestellt war,
und die Schlagkeule. An einem vor einigen Jahren bei Bothau gefundenen Exemplar
dieser letzteren versucht der Verfasser die Herstellungsweise zu erklären, welche in
der mehrere Jahre währenden besonderen Behandlung eines jungen Baumes bestand,
durch welche dem Wurzelende die meisten Säfte zugeführt wurden und dieses die
eigentümliche knorrige Form erhielt. Die in Bede stehende Keule, welche im
Prussiamuseum aufbewahrt wird, war vorgelegt und zur Vergleichung eine australische
Keule in Ruderform.
Alterthumsg esellach aft Prussia 188Ö. 655
Zu der prähistorischen Sammlung, Abtheilung Gräberfunde der Zeit von 700
bis 1000 n. Chr., schenkte Pfarrer Fuchs ein eisernes Schwert mit Parierstange
und Knauf, gefunden bei Ragnit. Für die Münzsammlung, Abtheilung der in Ost-
preussen gefundenen antiken Münzen, Studiosus Both eine abgeriebene römische
Kaisermtinze aus Bronze, gefunden auf dem Acker zu Dorbcn, Kreis Königsberg. Für
die Abtheilung altpreuss. Münzen Buchhändler Volkmann einen Elbinger Groschen
vom Jahre 1534. Für die Serie von Petschaften und Siegeln wurde ein messingnee
Petschaft aus dem 15. Jahrhundert erworben; dasselbe hat als Wappen einen Lanzen-
schaft mit zwei seitwärts aufsitzenden Pfeilenden und die Umschrift Ansgar von
•Schwinz. Zu der Abtheilung von Waffen des 16. Jahrhunderts schenkte Pfarrer
Fuchs einen Knappenhelm aus Eisen, gefunden bei Ragnit. Zu der Abtheilung von
Gegenständen des 18. Jahrhunderts wurden gekauft ein goldener Fingerring mit
Elfenbeinplatte, die die bildliche Darstellung eines Genius und einer Blumen windenden
Frau zeigt, in achteckiger Fassung mit echten Perlen, ferner eine silberne Schwamm-
dose mit eingelassenen Münzen und stark vergoldet. Zu der Abtheilung von Gegen-
ständen des 19. Jahrhunderts schenkte Frau Quedenfeldt einen grossen Zopfkamm
von Hörn, getragen um 1820. Gekauft wurde eine kleine Stutzuhr aus Marmor im
Geschmack des Empire.
[Ostpr. Ztg. v. 18. Febr. 1885. Nr. 41.]
Sitzung vom 20. Februar 1885. Professor D ehio hielt einen Vortrag über Epitaphe.
Er unterscheidet unter denselben 3 Hauptgattungen und zwar die auf dem Boden
liegenden Grabplatten, ferner die Tumben, die zur Bestattung der Bischöfe und
Fürsten dienten, für welche bei uns als vornehmstes Beispiel die Fürstengruft im
Dome dienen kann, und endlich die aufrechtstehenden Grabdenkmäler, am Ausgang
des Mittelalters beginnend, deren klassische Zeit erst ins 17. und 18. Jahrhundert
fällt. Im hohen Mittelalter gab es keine Epitaphe, sondern nur Gedenktafeln, wie
sie sich z. B. am Treppenaufgang des Domes zu Merseburg aus dem 13. Jahrhundert
finden. Der Begriff eines Epitaphs wird in späterer Zeit ein Grabesdenkmal nicht
über dem Grabe, sondern in räumlicher Entfernung von demselben, also ein Keno-
taph. — Die Grabplatte und die Tumba enthalten das Abbild des Todten selbst, diese
unterscheidet sich von ersterer durch ihre Höhe, wie sie das Sebaldus-Grab in Nürn-
berg, das Grab Ludwigs des Bayern in der Frauenkirche in München beispielsweise
hat. Steht das Grabdenkmal aber nicht frei, sondern ist mit einer Langseite an die
Wand gelehnt, so wird die über dem Grabe sich befindende Flachnische zur bild-
lichen Darstellung des Todten, symbolischer Figuren und Inschriften benutzt, wie
wir solche an der Ost-, Süd- und Nordwand des Chores unseres Königsberger Domes
finden. Aus der Flachnische entwickelt sich die Tafel, das zweite Motiv und diese
hat in der Renaissance- und Kococo-Zeit als Epitaph, ohne dass sie sich über oder
an dem Grabe befindet, die verschiedensten Gestalten angenommen. Ihr Material
ist Stein, Bronze oder Holz. Im letzteren Falle wurde sie bemalt oder trug Wappen-
£56 Kritiken and Referate.
Schilde als Todtenschilde, Waffen, ganze Rüstungen, Trauelfahnen. Dienen die Tafeln
nicht zur Darstellung von Portraits oder zum Aufhängen von geweihten Gegen-
ständen, so nehmen den grössten Theil derselben Inschriften ein, die in zierliche
Rahmen eingeschlossen sind, was besonders in der nordeuropäischen protestantischen
Kirche Sitte war. Im 19. Jahrhundert ist die Sitte der Epitaphe in den Kirchen
ausser Gebrauch gekommen, und an ihren Stellen werden Gedenktafeln an der Stätte
der Wirksamkeit desjenigen errichtet, dessen Andenken gefeiert werden sollte.
Der Vortragende geht dann auf die äussere Beschreibung einer Ehrentafel in
dem Prussia-Museum ein, die im gedruckten Katalog IV. Nr. 21 verzeichnet ist, vor-
gezeigt wird und bisher für ein Epitaph gehalten wurde.
Dr. Bujack setzt die Beschreibung in Bezug auf das Inschriftenmaterial und
ihren Zweck weiter fort. Derselbe hat die Inschriften genau kopirt, weil der Kultus-
minister von Gossler durch einen Erlass vom 13. Januar eine Photographie der
von ihm gesehenen Ehrentafel angeordnet hatte. Dr. Bujack erklärt dieselbe nach
der von ihm gewonnenen Ueberzeugung für eine Tafel zu Ehren und in Hoffnung
auf die Genesung des kranken Herzog Albrecht Friedrich aus dem Jahre 1584, in
welchem das strenge und feste Regiment des Gubernators von Preussen, des Herzogs
Georg Friedrich aus Ansbach, einen Theil der Stände zu einer Klage in Polen ver-
anlasst hatte. Der Beweis hierfür liegt in mehreren Punkten, von denen nur zwei
an dieser Stelle angeführt werden sollen. Auf der grossen Pergamenttafel dies*
Denkmals steht u. A. mit Bezug auf König Nebukadnezar: „Das vierte Kapitel Daniel*
ist ein trefflich Exempel wider die grausamen Wütheriche und Tyrannen", und das
Portrait in dem dreieckigen Aufsatz Über der Ehrentafel ist nach der von Professor
Dehio mit einem Gypsabguss einer Medaille auf Herzog Albrecht Friedrich im Ber-
liner Münzkabinet gemachten Vergleichung das Portrait des genannten Fürsten. In
den Sitzungsberichten der Gesellschaft wird die Erklärung der Ehrentafel für Herzog
Albrecht in ausfuhrlicher Bearbeitung durch Dr. Bujack erfolgen.
Zum Schlüsse der Sitzung wurden folgende Geschenke und Erwerbungen vor-
gelegt: Ein kleiner eiserner Radsporn zum Anschrauben, aus dem Beginn der neueren
Zeit, gekauft; Funde, bestehend in der Platte einer kleinen Sonnenuhr zum Reise-
gebrauch, einem eisernen Schlüssel aus der Renaissance-Zeit u. A., gemacht bei Erd-
arbeiten Neurossgärter Kirchenstrasse Nr. 1/2, geschenkt vom Fabrikanten L. Dost;
eine symbolische Figur des Friedens aus der Berliner Porzellan-Fabrik 18. JahrL,
gekauft; eine damastene Tischdecke aus dem Jahre 1779 mit bezüglichen Darstellungen
auf den Teschener Frieden, gekauft; ein St. Georgsorden und eine Denkmünze ans
den Freiheitskriegen, eine Dekoration eines verstorbenen Veteranen aus jener Zeit,
geschenkt von dessen Neffen; eine Narrenpritsche, Kölner Fastnachtsspiel in klein-
stem Format, geschenkt. — Zur Bibliothek schenkte Direktor Möller: Liedert: das
jubilirende Königsberg 1755, Pisanski: Vom Gregorius-Feste der Schulen 1786; kun-
gefasste Nachrichten von der Haberbergischen Kirche und drei pädagogische Abhand-
juij
Alterthumsgesellschaft Pruasia 1885. 657
langen aus dem Schluss des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts, und ferner zur
vergleichenden ethnographischen Abtheilung eine Opiumpfeife aus China.
[Ostpr. Ztg. v. 19. März 1885. Nr. 65. Beil.]
Sitzung vom 20. März 1885. Der Hauptlehrer Matthias hielt einen Vortrag
über den Vendel-Fund. Bei dem Dorfe Vendel in Schweden wurden 1881 elf
höchst interessante Gräber aus dem Eisenalter des Nordens aufgedeckt. Aus den
darin gemachten reichen und zum Theil kostbaren Funden geht unzweifelhaft hervor,
dass sie die Ueberreste alter nordischer Seekönige bergen. Mit Ausnahme von zweien
enthielten alle ein grosses spitzgebautes Boot, dessen Grösse und Form sich fast bei
allen aus einer grossen Anzahl in ihrer ursprünglichen Lage noch vorhandener Klink-
nägel erkennen liess. In diesen Booten lagen die Gerippe der Häuptlinge, umgeben
von denen verschiedener Thiere, welche bei der Beisetzung geopfert worden waren,
z. B. Pferde mit Nägeln in den Schädeln, Binder, Schafe, Säue, Hunde, Bergeule,
Kranich, Jagdfalke, Gans und Ente. An Waffen wurde gefunden: Eiserne Helme
mit Bronzebeschlägen, Kingpanzer, Schilde und Schildbuckel, Spiesse, Schwerter,
diese oft am Griff und Scheidenbeschlage sehr reich verziert mit Granaten oder
Email, Reitzeuge u. s. w., ferner an Geräthen: Glasgefässe, Wetzsteine, Scheeren,
Ketten, eine Art grosser dreizinkiger Gabeln, Messer, Bratspiesse, Kesselhaken,
Hämmer, Grapen von Eisen, Damenbrettsteine von Knochen, Kämme von Knochen,
eine kufische Münze von Silber (Jahr 914—943) u. dgl. m. Was die Bedeutung des
Fundes in hohem Grade vermehrt, ist der Umstand, dass die Gräber nicht aus einer
und derselben Zeit stammen, sondern nach und nach angelegt wurden, so dass
zwischen dem ältesten und dem jüngsten mindestens ein Jahrhundert liegt, denn
während erstere bis zum Schlüsse des mittleren Eisenalters zurückreichen, gehören
letztere der eigentlichen Vikinger Zeit an.
Hierauf legte Dr. Bujack sechs Stücke zweier grosser silberner Schalen vor,
die aus der Sammlung vaterländischer Alterthümer des Königlichen Staatsarchivs
dem Prussia-Museura zur Aufbewahrung übergeben sind. Die eine Schale ist glatt,
kantig, profilirt, nur mit einem Eierstab als Randverzierung versehen und nach einem
3434 Gramm schweren Stück von Baumeister Muttray in einer Zeichnung in natür-
licher Grösse konstruirt. Von der anderen war eine solche nicht möglich, dafür
bieten aber die erhaltenen Stücke bildliche Darstellungen und zwar Akanthusblätter
und eine Tigerjagd. Leider ist von dem Jäger nur ein Arm mit der Fackel, wohj
aber sein losspringender Hund erhalten, desgleichen der sich vertheidigende Tiger,
dessen aus dem Munde sprühender Geifer auch angedeutet ist, und ein zweiter noch
ruhig in seiner Höhle sitzender Tiger, vor welcher ein getödtetes Hufthier, wahr-
scheinlich ein Esel, liegt Diese bildliche Darstellung hebt sich durch eine Vergoldung
ab, welche auf eine schwarze Harzmasse aufgetragen ist, mit der die vertiefte Zeich-
nung ausgefüllt ward. Das Ehrenmitglied der Gesellschaft, Theodor Blell, schreibt
aus Wiesbaden, dass dergleichen verzierte Silberarbeiten noch heutigen Tages da-
g58 Kritiken und Beitrat*.
selbst am Schaufenster stehen, wie sie die beschriebene vergoldete Schale in ihres
Stücken zeigt, die in Hammersdorf, Kreis Braunsberg, gefunden, und nach Bleu'«
Annahme eine römische ist. Es erfolgt ferner die Vorlage einer farbigen Zeichnung
genannter Stücke für das nächste Vereinsheft und die eines kleinen schalenförmigen
Gefässes des Hildesheimer Silberfundes in Gyps wie ähnlicher antiker Darstellungen
aus Lindenschmit A. u. h. V., den memoires du Nord und Montelius, Desgleichen
werden in die Besprechung italische Glasgefässe aus Gräbern am Rhein, in Däne-
mark und in Schweden von dem Vortragenden autgenommen, aber auch die Funde
solcher in Ostpreussen hervorgehoben und ein solches, in Schotenform, in Popielnen,
Kreis Johannisburg, gefunden, vorgelegt. — Drittens stand auf der Tagesordnung
ein bronzener Halsschmuck aus Fürstenau, Kreis Rastenbürg. In Folge freundlicher
Aufforderung des Gutsbesitzers Nebelung in Fürstenau hatten Dr. Bujack und
Hauptlehrer Matthias mehrere Urnen daselbst ausgegraben; dieselbe ergaben
Schmuckgegenstände des älteren Eisenalters und zwar eine derselben 12 bronzene
Hängestücke mit Oese in Grösse eines Thalers und in Form eines sechsspeichigen
Rades. Aehnliche Zierstücke zu einem Halsschmuck wurden von dem Vortragenden
aus Waldhaus Görlitz, Kreis Rastenburg, und Wekelitz in Westpreussen vorgelegt
und von demselben die Verschiedenheit der bronzenen Halsringe in vorchristlicher
Zeit, im älteren und jüngeren Eisenalter nach Abbildungen des Professor Hey deck
besprochen. — Als Geschenke und Erwerbungen für das Prussia-Museum kommen
zur Vorlage eine grosse eiserne Preussische Medaille, geprägt in der Zeit von 1806— 1808,
geschenkt von Landgerichtsrath Lipski, einige Münzen neuerer Zeit, geschenkt tos
Hauptlehrer Matthias, ein „Publikandum" aus dem Jahre 1840, geschenkt vom
■
Gymnasiasten Ti essen, und ein persisches seidenes Tuch, das ein französischer Sol-
dat 1812 aus Moskau bis nach Stallupönen mitbrachte und dort sterbend zurücklief,
gekauft. Schliesslich wurden die beiden trefflich gelungenen Photographien aus dem
Atelier von Gottheil und Sohn vorgelegt, welche von der Widmungstafel mit dem
Gebete für die Genesung des kranken Herzogs Albrecht Friedrich auf Erlass des
Kultus-Ministeriums hergestellt wurden.
[Ostpr. Ztg. v. 12. April 1885. Nr. 85J
Sitzung vom 17. April 1885. Prof. A. Müller hielt „Ueber den Handel der
Araber nach dem Norden Europas" folgenden Vortrag: Die Produkte des
Ostens und Nordens, welche seit der Gründung des Chalifates von Bagdad (750 v. Chr.)
der stets zunehmende Luxus des mohammedanischen Mittelalters verlangte: — Ge-
würze und Kostbarkeiten Indiens, Seide aus China, Pelzwerk und Sklaven aus Ruß-
land — kamen grösstenteils auf den schon im Alterthum bekannten Seewegen und
Karawanenstrassen nach Persien und Babylonien. Eine Ausnahme bildet der Norden,
da das Schwarze Meer wegen der fortgesetzten Kriege zwischen den Byzantinern und
Arabern für die letzteren unzugänglich war, pflegten ihre Kaufleute seit dem 10. Jahr-
hundert über das Kaspische Meer bis zu der in der Nähe des jetzigen Astrachan
AHerthumsgesellachaft Prtusia 1885* 659
gelegenen Hauptstadt desChazarenreiches und von dort die Wolga hinauf bis zur
Hauptstadt der an dem Mittellaufe derselben noch sitzenden Bulgaren zu reisen.
Diese, ein betriebsames Volk, zogen zu ihren Märkten die Russen heran, d. h. die
in jener Zeit im westlichen Bussland herrschenden Skandinaven, die sogenannten
Waräger, die von dort die von den Mohammedanern begehrten Produkte des
Landes nach Bulgar brachten. Mit den Bussen standen ihrerseits die Schweden,
Dänen und Preussen in Handelsverbindung, indem sie Federn, Fischbein, Thran
u. A. nach den russischen Städten, besonders Nowgorod, einführten. Von allen
diesen Völkern besassen nur die Mohammedaner gemünztes Geld, mit dem sie in
Bulgar um so ausschliesslicher zahlten, als die Nordländer der Produkte der arabi-
schen und persischen Provinzen nicht bedurften. So ist das arabische Geld als einzig
bequemes Zahlungsmittel nach Bulgar, von dort nach Westrussland und von West-
russland nach der Südküste und den Inseln des Baltischen Meeres, sowie nach
Schweden in verhältnissmässig grossen Massen weitergewandert, und es ist nicht er-
staunlich, das8 noch heute zahlreiche und beträchtliche Funde solcher Münzen in
Kussland, Preussen, Pommern und den skandinavischen Ländern gemacht werden.
Da diese Münzen vielfach die einzigen, und immer sehr wichtigen Denkmäler der Ge-
schichte des mohammedanischen Orients aus der Zeit vom achten bis ins elfte Jahr-
hundert sind, so ist es im Interesse der Wissenschaft höchst wünschenswerth, dass
sie, wo sie gefunden werden, nicht verschleudert oder eingeschmolzen werden, sondern
zur Untersuchung an den Alterthumsverein Prussia oder das Königliche Münzkabinet
in Königsberg zur Prüfung gesandt werden, damit werthvolle Stücke angekauft und
für das wissenschaftliche Studium in den dafür bestehenden Sammlungen erhalten
werden können.
Hierauf beschrieb Major Beckherrn unter Vorlegung einer Zeichnung den
interessanten Schlossberg bei Jesziorken im Kreise Lötzen. Er liegt ganz isolirt
auf der moorigen Sohle eines Thaies und hat bei 80—90 Fuss Höhe eine ovale Grund-
fläche. Seine Abhänge haben eine Böschung von circa 45 Grad, sind also sehr steil
und sorgfältig geebnet und geglättet, daher sehr schwierig zu ersteigen. Seine Kuppe
ist mit einem an der inneren Seite meistens 10 Fuss hohen Wall umgeben. In dem
von diesem Walle eingeschlossenen Kessel erhebt sich bis zu 20 Fuss Höhe ein von
Süden nach Norden allmälig ansteigender Hügel, welcher den Baum des Kessels fast
ganz ausfüllt, so dass zwischen dem Walle und dem Hügel nur ein Graben übrig
bleibt. Der Wall ist an der südöstlichen Seite durchbrochen, und aus dieser Lücke
fuhrt am Abhänge ein schmaler Pfad in nordöstlicher Richtung hinunter. Er mündet
auf eine am östlichen Fusse des Berges sich hinziehende halbmondförmige Terrasse
aus, welche wahrscheinlich eine Art von Vorburg zur Unterbringung des Gesindes
und des Viehes, für welches oben kein Baum vorhanden war, getragen hat. Bedeu-
tende auf dem Berge befindliche Massen von Kohlen sind wahrscheinlich die Ueber-
reste der ehemals auf dem Berge errichtet gewesenen Holzbauten. Ausser einigen
660 Kritiken und Referate.
bronzenen Schmucksachen sind auch Scherben von thönernen, ohne Anwendung der
Drehscheibe gefertigten Gefassen gefanden worden, welche auf die Bewohnung de?
Berges in sehr alter Zeit hinweisen, (s. Altpr. Mtsschr. XXII, Hft. 5/6. S. 463—4*56.)
Danach folgte ein Bericht des Prof. Hey deck über eine Voruntersuchung d**
Schlossberges bei Sonnenberg, Kr. Braunsberg, welche er auf freundliche Aufforderw
des Landraths Oberg unternommen hatte.
Zum Schluss legte Dr. Bujack eingegangene Geschenke und Erwerbungen vor.
und zwar einen von Rittergutsbesitzer Hellbart auf Roschenen, Kr. Friedland, ge-
schenkten Hammer, daselbst gefunden, der erst roh zugehauen war, ein durchlochfcs
Beil aus Grünstein, gefunden bei Fischhausen; als Erwerbung: die Photographie eines
römischen Glases, gefunden in Elbing, als Geschenk des dortigen AltexthumsvereiD>
Übersandt von dem Vorsitzenden Oberlehrer Dr. Dorr; ein Siegelabdruck der Stadt
Wormditt als Geschenk und 2 Siegelabdrücke des heutigen deutschen Ordens au.*
Tyrol, geschenkt von Oberst Gregorovius in München; eine Zeichnung der ehe-
maligen BlelTschen Waffenhalle in Tangen von Buchhändler Volk mann, der gleich-
zeitig mehrere preussische Erinnerungsmedaillen und neun kleinere historische Ab-
handlungen als Geschenk beigefügt hatte, ferner eine Monographie über Tycho de Brahe
aus dem 17. Jahrhundert und das Album der Königsberger Universitäts-Feier Tom
Jahre 1844, geschenkt von Hauptlehrer Matthias. Endlich berichtete der Vor-
sitzende, dass Apotheker Kahle eine Steinfigur, die Abundantia, aus dem Giebel
seines Hauses in der Altstädtischen Langgasse aus dem 18. Jahrh. geschenkt hätte.
[Ostpr. Ztg. v. 21. Mai 1885. Beil. zu 116.]
Sitzung von 22. Mal 1885. Es wurde ein „Bericht über das Wappen der
OrdensBtadt Neidenburg" von Referendarius Georg Conrad vorgetragen.
Gregorovius beschreibt in seinem Werke „die Ordensstadt Neidenburg" das Wappen
folgendermaßen: Ein wilder Mann hält in der rechten Hand ein Schwert und in der
linken eine Weinrebe. Die Weinrebe in der Hand eines nackten Wilden sei kaum
ein Zeugniss dafür, dass der Orden besonders in diesen Landstrichen das Götter-
geschenk des Dionys einzubürgern vorgehabt habe, sie sei vielmehr ein Symbol der
Kultur überhaupt, und als solches erinnere sie uns an die grosse That jener muthigen
Ritter, welche die Keime der Kultur in die galindische Wildniss gepflanzt haben.
Da die noch vorhandenen Siegelstempel und Abdrücke von der obigen Beschreibung
nicht unerheblich abweichen, so erbat sich der Magistrat zu Neidenburg vom König!.
Münzkabinet ein Gutachten darüber, welches dahin lautete, dass man in einem solchen
Falle bei dem Fehlen urkundlicher Nachrichten auf die älteste Darstellung de>
Wappens zurückgehen müsse; als solche sei in dem vorliegenden Falle die nach-
stehende anzusehen. Zwischen zwei baumartigen Stauden (Weinstöcken?) steht ein in
der üblichen Weise tun den Kopf (ob auch um die Hüften, ist mindestens zweifelhaft >
mit Laub bekränzter sogen, wilder Mann, der in der rechten Hand ein Schwert, in
der linken eine heraldische Lilie hält und (was doch wohl mit dem räthselbaiten
AltertiramsgeseUsehaft Prasaia 1886. ßßl
Gegenstände zwischen den Füssen gemeint ist) auf einem Stück Erdreich steht. Das
Feld des Schildes möchte weiss oder silbern zu tingiren sein, der Mann, das Laub-
werk, der Basen und das Schwert ihre natürliche Farbe, die Lilie eine gelbe oder
goldene Tinktur erhalten. Die Deutung des Wappens durch einen Heraldiker in
München lautet der oben wiedergegebenen ähnlich: Der wilde Mann stehe in einem
der Kultur eröffneten Lande, was der Baumstumpf zwischen seinen Füssen nebst den
daneben grünenden Sträuchern darstellen solle. Das Schwert bedeute, dass das Land
erobert sei, wogegen die Lilie als Symbol der Kultur zu gelten habe. Hievon ab-
weichend ist die von Archivrath Philippi gegebene Auslegung: Der Mann stelle den
Führer einer Glevenie dar, darauf deute die Gleve in der linken und das Schwert in
der rechten Hand hin. Der Abdruck zeige auch eine Rüstung aus Fellen. Der
Schwanz des umgelegten Balges hänge zufällig zwischen den Beinen herab; auch die
Kopfbedeckung scheine aus Fell zu bestehen. Ein wilder Mann käme in den Wappen
erst seit dem 16. Jahrhundert vor. Uebrigens habe der Magistrat von Neidenburg
gar kein Recht ein neues Wappen der Stadt zu entwerfen, die Begutachtung und
Berechtigung ertheile im Namen der Regierung das Staatsarchiv.
Bei diesem Auseinandergehen der Ansichten entschied sich das zur Anschaffung
eines Wappens in Neidenburg zusammengetretene Contite* für die nachstehende, auch
zur Ausführung gekommene Darstellung: In silbernem Felde steht vor einem Baum-
stumpfe ein wilder Mann mit einem grünen Kranze um Haupt und Hüften, ein
Schwert in der rechten, eine heraldische goldene Lilie in der linken Hand haltend
und von beiden Seiten umgeben von jungen Eichenbäumen, die aus dem Erdreiche
hervorgewachsen sind.
Vorher hatte Hauptlehrer Matthias über einen Fund aus dem Steinalter
am Ladoga-See berichtet. Bei den Kanalarbeiten am Ladoga-See im Jahre 1882
stiess man in einer Sandschicht und darunterliegenden Torfschicht auf Menschen-
und Thierknochen nebst verschiedenen Artefacten, welche nach ihrer Beschaffenheit
dem Steinzeitalter zuzuschreiben sind. Die unter den Menschenknochen befindlichen
Schädel näherten sich dem Typus der Langschädel, wie solche auch in den Kurganen
des mittleren Russland gefunden werden. Die Artefacte waren aus Stein, Knochen,
Lehm und Holz gefertigt. Die Steinsachen sind entweder nur zugehauen oder ge-
schliffen. Von erster Art sind zu nennen Schraper von Hornstein, Kieselschiefer,
Lehmschiefer und Quarz, eine Pfeilspitze aus Hornstein und ein Messer aus demselben
Material. Die geschliffenen Sachen bestehen aus Meissein und Aexten. Entere aus
Lehmschiefer gefertigt, haben theils eine, theüß zwei Schneiden; unter ihnen befindet
sich auch ein Hohlmeissel. Die Aexte, aus Hornstein gefertigt, unterscheiden sich
von jenen nur durch ihre Grösse. Ferner wurden gefunden Hacken, Schleifsteine,
Messer, Pfriemen und Nadeln. Als Schmuck hat man verwendet kleine dünne Platten
von Schiefer mit Löchern. Die aus Knochen verfertigten Gegenstände sind zahl«
reicher. Hiervon sind zu nennen Nadeln, Pfrieme, Pfeilspitzen, Spiess- und Harpuu-
662 Kritiken nnd Referate.
spitzen und eine Axt aus Elchgeweih. Auch Schmucksachen aus diesem Material sind
vorhanden, nämlich eine roh geschnitzte Menschenfigur wie die eines Seehundes, ein
angeschliffener Bärenzahn, eben solche vom Wildschwein und andern Thieren. Von au*
Lehm gefertigten Gegenständen wurden eine Menge Scherben von Gefässen gefunden.
Dieses Material ist theils rein, theils gemischt mit Granitkörnern oder zerstossenen
Muschelschalen verwendet worden. Ein Prozent der Scherben hat Ornamente, an*
Vertiefungen und Strichen bestehend. Von Holzsachen ist die Hälfte eines aus einem
Baumstamme hergestellten Bootes zu erwähnen, 1,70 Meter lang, 0,65 Meter breit.
Es zeigt eine Art von Rippe, welche durch Stehenlassen des Holzes beim Aushöhlen
entstanden ist. Die gefundenen Thierknochen gehören an dem Seehund, Hirsch,
Rennthier, Elch, Auerochsen, Wildschwein, Biber, Hasen, Wasserratte, Bären, Zobel,
Marder, Iltis, Wolf, Hund und Fuchs. Die Vogelknochen gehören 15 Arten an, vrm
denen hervorzuheben sind: Adler, Singschwan, Auerhahn, Wildgans und Wildente.
Von Fischknochen sind zu nennen solche vom Wels, Zander und Quabbe. Von den
Hausthieren ist also nur der Hund vertreten, ein unzweifelhafter Beweis, das* das
Volk, welches hier wohnte, nur von der Jagd und Fücherei gelebt hat.
Für die Geschichte der beiden altpreussischen Adelsfamilien von Kreytzen
und von Lesgewang hatte Generalmajor v. Au er die Freundlichkeit, einen kleinen
Beitrag zu geben. Veranlassung dazu gaben zwei alte Erbschaftsstücke, die in den
Besitz der Gesellschaft gekommen waren. Das erste Stück ist eine Truhe vom Jahrv
1616 mit allen wohl erhaltenen 16 Wappen, von der Gesellschaft erworben und dann
restaurirt, das zweite, ein Taufzeug aus der Familie v. Lesgewang, Leinwand-, Seiden-
und Mullstickereien, aus dem Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts stam-
mend, mit welchen der Herr Kultusminister als einem in historischer und kunst-
gewerblicher Hinsicht werthvollen Taufzeuge das Prussia-Museum beschenkt hat
Als Geschenke und Erwerbungen gingen ferner dem Museum zu: ein bronzener
Schaftkelt mit halbkreisförmiger Schneide, gefunden in Spiegels, Kreis Rastenburg,
mehrere bronzene Stifte, von denen einer eine Barren ahnliche Form hat, gefunden
in Hülf, Kr. Pr. Friedland, beides geschenkt vom Majoratsbesitzer Grafen v. d. Gröben-
Gr. Schwansfeld; eine Urne mit Stehfl&che aus dem älteren Eisenalter, gefunden bei
Goldbach Kr. Wehlau, ein Feuersteinmesser aus Rügen, beides gekauft. — Zur Samm-
lung von Gegenständen des 17. bis 19. Jahrhunderts: ein silberner Brautbecher, ge-
nannt Dftcklein, eine Monstranz, eine kleine messingne Dose zu holländischem Tabak,
drei Schnupftabaksdosen mit Elfenbeineinlagen, von denen eine Friedrich den Gr. in
ganzer Figur zu Pferde, die andere ein selten schönes Portrait Friedrich Wilhelm» II.
trägt, sämmtlich gekauft; eine Schnupftabaksdose aus Schildpatt mit Silbereinlagen,
geschenkt von Frau Stock hausen. — Für die Bildermappen und die Bibliothek:
eine Photographie des Hauses in Neidenburg, in welchem Gregorovius, der Ehren-
bürger der Stadt Rom, geboren ist, aus dem Atelier von EL Schumacher, geschenkt
vom Referendarius Conrad; ein Publikandum gegen die Zigeuner aus dem Jahre
Alterfthumsgesellschaft Prussia 1885. 663
1726 und ein Lehrbrief, geschenkt vom Architekten Ballhorn, ein Stammbuch ans
der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, geschenkt vom Hauptlehrer Matthias.
Zur Münzsammlung schenkten Rittergutsbesitzer Georgsohn auf Rödersdorf polni-
sche Münzen aus dem Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts. Gekauft
wurde ein Thaler in Form einer Klippe von August dem Starken 1696, in Königs-
berg gefunden. Ferner schenkten Gerichtsdiener Hamann einen Achtzehner von
Friedrich II. 1763; Fräulein Stornowski eine Denkmünze auf die 25jährige Regie-
rung Friedrich Wilhelms ÜL; Rentier de Vry sen. eine Kossuthnote aus dem Jahre
1848; ein Geber, der nicht genannt sein will, eine silberne Schaumünze aus dem
Anfang des vorigen Jahrhunderts.
Hierauf konstituirte sich die Versammlung zur General- Versammlung, in welcher
der Kassenwart, Kaufm. Ballo, die Uebersicht der Einnahmen (1683,70 Mk.) und der
Ausgaben (1782,11 Mk.) nach den von den Kassenrevisoren, Stadtrath Warkentin
und Hauptmann Ephraim, für richtig befundenen Rechnungen vorlegte, und er-
theilte Decharge. Hierauf wurde Regierungsrath Singelmann, vortragender Rath
im landwirthschaftlichen Ministerium, zum Ehrenmrtgliede der Gesellschaft gewählt.
[Ostpr. Ztg. v. 18. Juni 1885. Nr. 139 (Beil.)]
Sitzung vom 19. Juni 1885. In der letzten Sitzung vor den Ferien beschrieb Dr. Bu-
jack ein Hügelgrab aus vorchristlicher Zeit in der Sadlower Forst, Revier Kekitten,
Kr. Rössel, und legte die aus demselben gemachten Funde vor. Die Aufdeckung führte
der Vortragende und Hauptlehrer Matthias aus und beschäftigte mehrere Tage
hindurch; denn es musste eine 10 m lange Grabkammer freigelegt werden. Dieselbe
zeigte sich zusammengesetzt aus einem ursprünglichen Bau und mindestens zwei An-
bauten. Die Beigaben zu den verbrannten Knochen und der Asche waren ausser-
ordentlich spärlich: sie bestanden in feinem Bronzedraht oder in Steinen, die, in die
Urnen gelegt, dieselben durch ihr Gewicht beschädigt hatten. So fest dieser Bau
der Grabkammer auch war, indem die ca. 1 m hohen Wände mit vierfachen Stütz-
steinen gesichert waren, konnten doch nicht viele Töpfe unversehrt gefunden, immer-
hin aber durch Erhaltung der Topfstücke ihr Profil und ihre Ornamente erkannt
werden. Die Boden waren meistens alle in Form eines Kugelabschnitts, der obere
Theil annähernd cylindrisch und auch die Deckel vertreten wie kleine Schalen.
Stud. Voss hielt einen Vortrag über die von ihm im Auftrage der Prussia im
Juni d. J. geleitete Aufdeckung eines Urnenfeldes in Gr. Thurwangen, Kr. Rasten-
burg, wozu Herr Rittergutsbesitzer Werner auf Wangotten sofort nach Kenntniss-
nahme von der Auffindung des Gräberfeldes freundlichst eingeladen hatte. — Der
Typus der Urnen, welche s&mmtlich auf einer Schicht Branderde standen, und auch
von Branderde zum grossen Theile umhüllt waren, ist derjenige jenem östlichen Theile
Ostpreussens, während des älteren Eisenalters eigentümliche. Auch die verhältniss-
mässig spärlichen Beigaben, hauptsächlich Bronze und im Feuer versilberte Bronze,
wenig Eisen, Perlen aus Glas, und Bernsteinschmuckgegenstände weisen ebenfalls
664 Kritiken und Referate.
auf die ersten Jahrhunderte n. Chr., in ihrer Art waren ea hauptsächlich Schmuck-
gegenstande, nnr eine sichelartige Säge aus Eisen, ein Spinnwirtel und ein eiserner
Pfriem deuteten auch auf die Beschäftigung der damaligen Bewohner, den Ackerbau
und das Handwerk hin, dagegen fehlten Waffen gänzlich. — Unter den Schmuck-
gegenständen war, wie auch sonst, die Pihula am meisten vertreten, der Form nach
als Kappen- sowohl wie auch als Armhrustfihula ; auch mehrere bronzene Ringe und
eine Menge Glasperlen, zum Theil mit Goldunterlage, wurden gefunden, sodann aber
eine sehr zierliche Ohrbommel aus Bernstein. Als interessant wäre noch das Auffinden
eines am nordöstlichen Ende des Gräberfeldes gelegenen Brandplatzes zu erwähnen,
auf dem sich auf einer Schicht hart gebrannten Lehms verstreut Scherben, thefl-
weise gemusterte, Asche, wenig Knochen, ein Stück geschmolzener Bronze und eine
eiserne Pincette fanden.
Drittens stand auf der Tagesordnung: der Wasianskische Bogenflügel, welchen
wohl schon vor mehreren Jahren Professor Zander dem Museum zum Geschenk ge-
macht hatte, aber erst in diesem Frühjahr Professor Hey deck durch hingebende
und angestrengte sachverständige Arbeit soweit völlig herstellte, dass er wie vor
50 Jahren wieder gespielt werden konnte. Professor Hey deck demonstrirte nun in
der Sitzung, wie er es in der Ausstellung auf dem Moskowiter-Saal zum Besten des
Kinderhortes mehrmals in der Woche gethan hatte, den Mechanismus und die Ton-
bildung des Instruments, welches seinen Namen von dem Bogen der Violine, hier
einem unendlichen Bogen, erhalten hat. Die Beschreibung des Bogenflügels von
Prof. Zander, welche in den Sitzungsberichten der Gesellschaft 1881—82 [Altpr.
Mts8chr. XX, 492—496] abgedruckt ist, zu Grunde legend, führte er aufs Genaueste
aus, welche Arbeiten als die grundlegenden der Mechanikus Garbrecht in technisch
geschulter Weise nach Wasianski's Angabe herstellte, und welche Verbesserungen
dann der Erfinder selbst in laienhafter Ausfuhrung anbrachte, um den Ton zu ver-
stärken oder zu verbessern. Wasianski's Freund, der grosse Philosoph Kant, hat
sich ja auch über den Klang dieses Instrumentes und die geeigneten Stücke zum
Vortrage auf demselben ausgesprochen.*) Der Versammlung wurden solche nicht
nur von Prof. Hey deck, sondern auch von Lehrer Kirbuss vorgetragen. Prof.
Hey deck sprach zum Schluss die Erwartung aus, dass der Ton sich noch voller
gestalten werde, wenn ein neuer unendlicher Bogen hergestellt sein wird, dessen
mühevolle Arbeit die Gemahlin eines der Mitglieder freundlichst Übernommen hat
Die vorgelegten Accessionen für das. Prussia-Museum waren: zur Abtheilung
von Steingeräthen 14 solcher Stücke aus Feuerstein von der Insel Rügen, sämmtlich
gekauft, von denen 5 als Messer, 1 als Keil, 3 als Meissel, 4 als Beile (undurchlochte)
dienten, ferner ein durchlochtes Beil, gefunden zu Kraussen, Kreis Königsberg; zur
Abtheilung von Gräberfunden der erBten Jahrhunderte nachchristlicher Zeit, 2 römische
*) Vgl. Wasianski, Kant in seinen letzten Lebensjahren S. 152.
AlterthumsgeselUchaft Prasma 1885. gg5
Bronzemünzen des Kaisers Hadrianus, gefunden zu Transsitten, Kreis Königsberg,
sämmtlich gekauft; zur Siegelsammlung schenkte Zahnarzt Dr. Behrent den Gyps-
ab druck eines Petschafts der Ordensstadt Neidenbnrg aus dem 14. Jahrhundert. Für
die ethnographische Abtheilung wurde ein echtarabisches Zaumzeug mit Zungenring
erworben und eine Reihe chinesischer Bilder von Commis Giesbrecht geschenkt.
Die Mappe mit Trachtenbildern erhielt eine Vermehrung durch 3 Blätter solcher
Darstellungen aus dem 16. Jahrhundert für Nürnberg. Zur Aufbewahrung im Mu-
seum übergab Regierungspräsident Studt einen schön ciselirten Apostellöffel mit
Inschrift und Wappen aus dem Jahre 1630 und dem Verse: Mit diesem leffel essen
Gott nie vorgessen. Die Serie von Gegenständen des 18. Jahrhunderts wurde ver-
mehrt durch Ankauf eines Weinglases mit dem Namenszug König Friedrich Wilhelm I.
Ebenfalls wurde erworben aus dem Anfang des genannten Jahrhunderts ein Keusch-
heitsgürtel und aus dem Schluss desselben wie aus dem Anfang unseres Jahrhunderte
Trachten von Hausfrauen des Bürgerstandes in ganzer Vollständigkeit, wie zwei
Artillerie-Uniformen aus dem Jahre 1807 sämmt Reithandschuhen, Sporen und Reit-
zeug. Ferner schenkte Fräulein von Bolschwing einen Fächer aus der Zeit der
französischen Revolution und ein kleines eisernes Kreuz mit geradlinigen Armen und
je einem silbernen Eichenblatt an den Endigungen, welches an einer Oese als Orden
von den Frauen derjenigen Offiziere getragen wurde, welche die Schlacht bei Leipzig
überstanden hatten. Auf einer kleinen Silberplatte im Schnittpunkt der vier Arme
ist eingravirt L (Louise) und 14. 16. 18. 19. Oktober 1813, und auf einem Plättchen
auf der andern Seite Germania. Ferner wurden vorgelegt die in dem Atelier von
Gottheil und Sohn angefertigten Vergrößerungen der Portraits des Oberlehrer
Gisevius in Tilsit und des Archivrath Meckelburg, der beiden verstorbenen Mit-
glieder der Gesellschaft, von denen der Erstere seine werthvollen Sammlungen dem
Prussia-Museum vermacht und der Letztere dasselbe mit 1500 Mk. beschenkt hatte,
und endlich das Momentbild, welches Seine Kaiserliche Hoheit den Kronprinzen den
4. Juni d. J. vor Eintritt in das Prussia-Museum darstellt, als Geschenk des Ateliers
Ton Gottheil und Sohn.
[Ostpr. Ztg. v. 13. Sept. 1885. Nr. 214. (Beil.)]
Altpr. Monatsschrift Bd. XX IL Hft. 7 u. 8. 43
Mittheilongen und Anhang.
Universitäts-Chronik 18S5.
(Fortsetzung.)
8. Oct. Phil. I.-D. v. Gualtharius Prell witz Tilsensis: De dialecto Thessalica. Got-
tingae. Ex officina Academica E. A. Huth. (2 Bl. u. 64 S. 8.)
10. Okt. Phil. I.-D. v. Richard Boening ans Ginthieden, Kreis Königsberg, Ostpr.:
Anatomie des Stammes der Berberitze. Kgsbg. i. Pr. Hartung'sche Buchdr.
(2 Bl. n. 36 S. 8.)
17. Okt. Phil. I.-D. v. Georg Reuter aus Gumbinnen in Ostpr.: Die Beyricbien der
obersilurischen Diluvialgeschiebe Ostpreussens. Berlin. Druck t. J. F. Starcke.
[Separat-Abdruck aus der Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft.
Hft 3. Bd. XXXVII. S. 62I-679J (63 S. 8.)
31. Okt. Phil. I.-D. v. Otto Schoendoerfirer Labiauensis: De genuina Catonis de
agricultura libri forma. Part. I. De syntaxi Catonis. Begimonti. Ex officina
Hartungiana. (2 Bl. u. 92 S. 8.)
2. Nov. Phil. I.-D. v. Benno Hecht (Borusso-Eylaviensis): Ueb. die Form der Lö-
sungen algebraisch auflösbarer Gleichungen von Primzahlgraden, insbesondere
vom fünften und siebenten Grade. Kgsbg. in Pr. Buchdr. von B. Leopold.
. (2 Bl. u. 35 S. 4.)
4. Nov. Phil. I.-D. y. Wilhelm Hutecker aus Girrehnen: Üb. den felschen Smerdis.
Kgsbg. i. Pr. Hartung'sche Buchdr. (76 S. 8.)
5. Nov. Phil. I.-D. y. Georg Meyer aus Griesen: Die Karier, eine ethnogr.-linguist
Untersuchg. Göttingen, Dr. d. Univ.- Buchdr. v. E. A. Huth. (2 BL u. 28 5. 8.)
11. Nov. Phil. I.-D. v. Maximilianus Seliger, Hannoveranus: De versibns Oeticü
sive Paeonicis poetarum Graecorum. Begimonti. Ex offic. Liedtkiana. (2 BL
u. 55 S. 8.)
14. Nov. Phil. I.-D. v. Theodor Sanio (a. Königsberg): Die Abbildung d. Aensseren
eines Kreisbogenpolygons auf eine Kreisfläche. Greifsw. Druck v. F. W. Kunike.
(46 S. u. 1 Taf. 8.)
25. Nov. Phil. I.-D. v. Theodor Müller (a. Pr. Holland), ordentl. Lehrer a. d. höh.
Bürgerschule zu Kgsbg. in Pr.: Die Senegal- u. oberen Nigerländer. Kgsbg.
Buchdr. v. R. Leupold. (52 S. 8.)
Nro. 113. Amtl. Verzeichn. d. Personals u. d. Studirenden ...id. Winter-Semest
1885/86. Kgsbg. Hartnngsche Buchdr. (36 S. 8.) [88 (7 theoi., 6 Jurist., si medk..
44 philos.) Doc., 4 Lect., 4 Sprach-* u. Exercitienmcistor ; 853 (240 theol., 108 Jurist, Wlmedk.,
264 philos.) imm&tr. Stud. u. 14 z. Hören d. Vorles. berecht.]
2. Dec. Phil. I.-D. v. Johannes Danker aus Swinemünde: Experimentelle Prüfung
der aus den Fresnel'schen Gesetzen der Doppelbrechung abgeleiteten Gesetze
der Totalreflexion. Stuttgart. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchh. (E. Koch.)
(2 Bl., S. 247— j90 „Separat-Abdr. aus d. Neuen Jahrbuch f. Mineralogie etc.
1885. Beil.-Bd. IV." u. 1 Bl. 8.)
8. Dec Phil. I.-D. v. Gotthold Hamilton aus Willkeim: Beitrage zur Kenntniss der
Struktur der Hydroxylaminderivate. Kgsbg. i. Pr. Ostpr. Ztgs.- u. VerL-Dr.
(2 Bl. u. 32 S. 8.)
Altprenssische Bibliographie 1884. gß7
12. Dec. Phil. I.-D. y. Paul Behrend aus Tilsit: Ueber die Einwirkung von Oial-
äther auf Hydroxy larain a. Aethoxylamin. Kgsbg. i. Pr. Hartangsche Bochdr.
(32 S. 8.)
17. Dec. Phil. I.-D. v. Max Abraham aas Elbing: Bau u. Entwickelungsgeschichte
der Wand verdick angen io den Samenoberhautzellen einiger Cruciferen. (Sep.-
Abdr. aus PringBheim's Jahrbüchern für wissenschaftl. Botanik. Band XVI.)
Berlin. Druck v. G. Bernstein. (48 S. 8.) ±
5
Altprenssische Bibliographie 1884«
(Nachtrag, Fortsetzung und Schluss.)
Caspary, Prof. J., üb. Dermatitis exfoliativa neonatorum. Vortr. geh. am 19. Not. 1883
im Verein f. wiss. Heilkde. [Vierteljahrsschrift f. Dermatol. u. Syphilis. N. F.
XL Jahrg. 1. u. 2. Hfl] üb. Prurigo. Vortr., geh. in d. Versmlg. ostpr. Aerzte
zu Kgsbg. in Pr. am 30. Juni 1884. [Ebd. 3. u. 4. Heft.] Zur Syphilis-Behdlg.
Vortr. [Dtsche raedic. Wochenschrift. Nr. 13.]
Dagilis, Lietuviszkas sziupinis, isz svetimu sanskoniu ant naudos broliams Lietuviams
pataisitas, laida I. Tilzeje. Otto v. Mauderode. (18 S. 8.)
Drazdauskis, Antanas, Giesmes svietiszkas ir szvcntas. 1814 in Wilna gedr., jetzt
wieder aufgelegt durch Joseph Miglovara. Tilsit, v. Mauderode.
En&8, Ernst (Dirschau), Tetrallylammonium- Quecksilberjodide als Producte der Ein-
wirkg. v. Allyljodid auf weiss. Präcipitat. Kostocker I.-D. Dirschau. (54 S. 8.)
Gebhard, Fritz (Gumbinnen), üb. Kephir, seine Bereitung u. therapeut. Verwerthang.
Würzburg. (23 S. 8.)
Goteblewftki, Eduard (Pr. Stargardt), üb. Diphtheritis bei Scharlach. I.-D. Würzburg.
(53 S. 8.)
Graeber, Ernst (Marienwerder), Historisches zur Entwicklung d. öffentl. Gesundheits-
pflege auf d. Gebiete der Fleischaahrung. Münchener I.-D. Leipzig. (30 S. 8.)
£aud*.ftatenber, (frmlänbijcber, f. 1885. 29. 3a(?rß. $r$fl. n. 3ul. $oty. HBraunSberg.
Supe. —50.
Kahsnitz, Carl (aus Lichtenhagen), üb. d. gleichzeitige Hineinsprechen in beide Ohren
als Mittel z. Entlaivung von Simulation einseitiger Taubheit. Würzburg 1883.
(26 S. 8.)
Magnus, Dr. A., Ein Fall v. vollstand, vorübergehend. Taubheit. [Archiv f. Ohren-
heilkunde. Leipzig. 20. Bd. S. 171—182.]
Mannhardt, W., Mythol. Forschungen a. d. Nachlasse hrsg. v. Hermann Patzig. Mit
Vorreden v. Karl Müllenhoff u. Wilh. Scherer. Strasburg. Trübner. (a. u. d.T.:)
Quellen n. Forschungen zur Sprach- u. Culturgescb. d. german. Volker. LI.
(XL, 382 S. gr. 8.) 9.— rf. &£ Jftrfr in: Ztschr. f. dtsch. Alterth. u. dtsche Litt.
N. F. XVII. Bd. Anzeiger XL S. 141—164.
©ebid)te. 2Hit e. Sebensffwe b. $td)terg. $anjiß 1881. Saunier. (XXXI, 152 S. 8.)
2. — fleh. 3. — Im Buchhandel seit 1884. cf. Aügem. Bibliogr. No. IL
9Rareinom£ft, 3-, ©e&. ginanjr., 2>ie beutfcbe ©eroerbfcOrbnuna f. b. $rari$ ... mit
Kommentar u. Slubanfl. 3. 2lufL Berlin. £ebmann. (XXII, 636 6. ßr. 8.) 10.—
b. aefefel. 33e[timmunaen betr. b. $enftomrunß b. unmittclb. Staatsbeamten . . .
2. SlufL Berlin. 2)eder. (XH, 154 6. ßr. 8.) 1.50.
GhraAnjungdbefte g. Kommentar b. btfd). Steitbfröeroerbeorbnß. 3. Sluff. 1. oft,
(VII, 55 6. ßr. 8.) 1.50. 2. £ft. (114 6. gr. 8.) 2.50. ^Berlin. Weimer.
Die preuBS. Staatslotterie vor d. Forum d. Landesvertretung. [Finanz-Archiv.
Ztschr. f. d. ges. Finanzwes. hrsg. v. G. Schanz. I. Jahrg. 2. Hft. S. 100—127.]
Marold, Dr. G. (Kgsbg i. Pr.), Der Ambrosiaster nach Inhalt u. Ursprung. [Ztschr.
f. wisaensch. Theol. 27. Jahrg. S. 415—470.]
Martttz, F. v. (Tübingen), Rec. [Dtsche Littztg. 27.]
Maschke, RicaHus (Bischofsburg), De magistratuum Romanorum jure jurando. Diss.
inaug. bist Berol. (32 S. 8.)
Matzat, Heinr., Rom. Chronologie. II. Bd. Rom. Zeittafeln v. 506—219 v. Chr. nebst
2 Nachträgen z. 1. Bde. Berlin. Weidmann. (VIII, 424 S. gr. 8.) 8.—
Rec. [Dtsche Littztg. Nr. 2. Piniol. Rundschan. No. 1.]
43»
668 Mittheilungen nnd Anhang.
Nerguet, H., Leiicon z. d. Schriften Cäsars u. seiner Fortsetzer m. Angabe sirnmtL
Stellen. Jena. Fischer. 1. Lfg. (144 S. Lex.-8.) 8.—
Lexicon zu d. Reden des Cicero . . . Jena. Mauke. IV. Bd. 19. — 30. Lfg.
(III, u. S. 649-106;").) ä 2.— cplt 189.—
Merkel, Prof. Fr., Anleitg. z. Muskelpräparation im Egsbgr. Präparirsaal. [Als Mac
gedr.] Kgsbg. Gräfe u. Urzcr. (2tt S. gr. 8.) baar nn. —60.
Kec. [Dtöche Littztg. 23.)
Meyer, d. öffentl. Impfungen im Kreise Heilsbefg i. J. 1884, ausgeführt m. animaler
Lymphe. [Vierteljahrsschr. f. gerichtl. Medic. N. F. Bd. XLI, 2.]
SRetyer, Oberlanbeäacricbter. öcrmann in sDtavienrc., 3nmien?eit ift, roenn e. Sennin j.
Sortfe&a. b. münbl. ©crbbla. anaefefet ift, ba$ im früberen Sermine ©erbanbdft
bejro. Seft^cftclltc 311 bcvütffidrtia. u. in b. $batbe|ianb b. Urtbeüä aufzunehmen?
[©eiträac j. GrWutera. b. btf*. iRcAt«. 3. Solae. 8. 3afera. 6. 707— 72a] D»
Entscheidung üb. d. Kosten d. Rechtsstreits. [Ztschr. f. dtsch. Civüprocess
Bd. VII. S. 281-327.]
Meyhoeffer, Ed. (aus Kurnehuen Ostpr.), üb. d. median. Bebandlg. d. Hürtengelenb-
entzündg. I.-D. Greifswalde. (32 S. 8.)
Michelson, Dr. Paul, Anomalieen des Haarwachsthums u. d. Haarfärbung. [ZiemsseaV
Handbuch d. speciell. Pathol. u. Therapie, XIV. Bd. 2. Hälfte. S. 89— 160.]
Ueb. Dujardin-Beametz's „Femme autographique" und Urticaria facticia im
Allgcra. [Berlin, klin. Wochenschrift. Nr. 6. 7.]
Miglovara, Joz., Rasztai. Pirmas plauksztas. Tilsit, v. Mauderode.
Minkowski, primäre Seitenstrangsklerose nach Lues. Aus d. medic. Klinik d. Prot
Naunjn in Kgsbtr. [Dtsch. Archiv f. klin. Medic. 34. Bd. 8. 433—42.]
Minkowski, Herrn., Memoire sur la theorie des forraes quadratiques a coemeients
entiers. Paris. (180 p. 4.) [Memoires prdsentes par divers savants ä PAcad.
des seien c. de Tlnstitut de France; extrait du t. 29.]
SWittfreUungett beS SSeftpr. Mrcbiteften* u. 3naenieut;©eretn$. oft. 1. Storni« 1882.
3ul. 6aucr. (46 6. av. 8.) oft. 2. 1883. £ft. 3. 1884. (13 u. 45 6.)
aKittoeuunaen ber litau. litterar. ®efeüf*aft. £ft. 8. (II, 2.) £eibelbera. SBinterl
Unto.;©u4bblß. (S. 57-131 ar. 8.) oft. 9. (II, 3.) (6. 133-170.)
JBföffct, Dr. 3., Xut öwene ber SBobnuna. [Sdjorer'ä Samtüenblatt. ©b. V. 5fr. 13.]
2ßa$ ift aefunbeä Stintoafier? [(Sbb. Dir. 15.]
3Roat, $tof. 21uß., Loci memoriales mr latein. Styntar auä $i$tern. II. Seil: Sjn-
taxis verbi. (SRealo.*$roflr.) Silftt. (74 6. 4.)
ÜRolbtnbauer, ©uftaa, 2)ie litcrar. ©ilbuna. b. beutfd). ©udfrWnblerS. ©n ©etrraa ni
bem, roa$ not tfcut. [$eutfd>e ©udräänblevSttabemie . . . fytfa- to. £erm. 2&tfc
ba4. 93b. I. S. 145—150. 209—215. 257—266. 321-328. 429—432.] Sfcutftfc
©üietlolieftionen in ibr. ©ebeuta.. f. fittteratur u. ©ucbbanbel. [dbb. ©. 164-71.
221—31. 271—91. 372—75. 385—401. 454-74. 519-41.] 3um Äapitel ber
©üäerauSftattuna. [GbD. 6.503—10. 589-99. 635—43.] Slleranber 3unß. ©«<
nefroloaifc&e Sfijje. [6. 609-15.] (Sine ©emerfuna. [©. 649—51.] Sflejanter
3una üb. fiitteratur je. [8. 688—90.] Unf. ÄoQcItionen. ©ne erneute ©errang.
[S. 698-714] 3um ©efcMuffe b. erften ©anbei.
$ipptl, üb. bie Gbe. W\t einleitn. u. Slnmerfunaen frftd- x>. ©uft. gRofoenbauer,
Wxt fciWei'S ©UbniS. (296 6. 16.) —40. Geb. —80. [9teciam'3 Unfoerjal«
©iblioftef. <Rr. 1959-60.1
&& ermann, ©efpräcbe mit ©oetbe. 9JKt ßmleita,. u. Sfamerf. br3fl. x>. ®uft. 3RoIben-
feauer. 3 ©be. (282, 251 u. 292 6. 16.) [<5bb. Kr. 2005—2010.]
SKolitor, Ä., 3n 3cinbe«lanb. 3. [64orer'3 gamilienblatt. 5. ©b. Kr. 13J
Monatsschrift, Altpreussische ... 21. Bd. 8 üfte. Kgsbg. (IV, 700 S. gr. 8. m. 4
C autogr. Taf.) 9.—
Müller, Prof. Dr. Aug., Ibn Abi Useibla hrsg. 2 Thle. Text u. krit Commentar.
Kgsbg. (Leipzig, Köhler's Antiqu.) (VIII, 727 u. LIV, 113 S. gr. &) baar 50.-
— — Rec. [Götting. gel. Anz. 24. Oesterr. Mopatsschr. f. d. Orient. X.Jahr?. 10.]
MQIIer, Conrad (Danzig), Bau d. Molen zur zweiten Hafeneinfahrt in Wilhelmshaven,
mit Zeichngn. auf Bl. 68—70 im Atlas. [Ztschr. f. Bauwesen. Jahrg. XXXIV.
Sp. 265—280.]
Müller, Dr. Frz. (Danzig), Rec. [Ztschr. f. d. Gymn.-Wesen. 38. Jahrg. 8. 36—41.]
Altpren wische Bibliographie 1884. 669
Müller, Max (Dt. Krone), Behdlg. d. Pleuritis exsudativa mit Ghlornatriam. I.-D.
Greifswalde. (49 S. 8.1
MUHer, Rad., Pbanerogamae, geordu. nach natürl. Familien m. besond. Berücks. der
bei Gumbinn. wild u. angebaut wachsend. Pflanzen. Zum Gebrauch f. Schüler.
Gambinnen. (38 S. 8.)
Mfllverstedt, Geh. Archivr. G. A. v., Wem und welcher Zeit gehört das Siegel des
Hinricus sacerdos de Ealant an? [Der Deutsche Herold. XV. Nr. 11. S. 152 — 56.]
Mitttrioh, Prof. Dr. AM Beobachtungs- Ergebnisse der v. d. forstl. Versuchsanstalt . . .
eingericbt forstl.-meteorol. Stationen hrsg. 10. Jahrg. 12 Nrn. (Bog.) gr. 8.
Berlin. Springers Verl. baar 2. —
©in neuer ©aumböbcnmeffer, confttuirt rom gorftmeifter Älau&ner in STOund&en.
[3eitfd)r. f. gorft* u. 3aabtoefen. 16. 3abrß. 7. oft.]
Nadrowski, R., ein Blick in Roms Vorzeit. Kultarhist. Skizze. Thorn. Dombrowski.
(22 S. 8.) —25.
Nagel, Kurt (aus Tilsit), Alexandre Hardjs Einfluss auf Pierre Corneille. I.-D. (Ausg.
u. Abb. aus d. Geb. d. roraau. Philol. Hft. XXVIII.) Marburg. (36 S. 8.)
Naunyn, Zur Lehre vom Fieber u. von d. Kaltwasserbehandlung. [Archiv f. experim.
Pathol. u. Pharmakol. XVHI. Hft. 1/2.]
Nerie. Trys Pamokslai apie gaspadoryste, del gaspadoriu sodieczin. Ragnit. Alban
u. Kibelka.
3teffe(manit, Sic. *ßreb. %, CutberS flatecbtem., f. Scfcule u. ßirc&e auSßefeßt. 8. Slufl.
Seipjtß. Mcicbarbt. (IV, 89 6. 8.) —40.
SReu&aur, Dr. fi. (Glbinß), 2)ie Säße üom etoißen %vtotn. Seipjiß. ©inricba'fcbe 93u#&.
(VII, 132 8. ßr. 8.) 3.60.
9?etimann, 2Imt£fler.-sJi. Garl, $a8 StufßebotSnerfabren bind) SSeifpiele t>eranf$aulicbt.
Berlin. SBeibmann. (VHI, 411 8. ar. 8.) 8.—
Netimann, Geb. Reg.-R. Prof. Dr. Carl, Geschichte Roms während d. T jrfalles der
Republik. 2. Bd. Von Sullas Tode bis z. Ausgange d. catilinarischen Ver-
schwörung. Aus sein. Nachlasse hrsg. v. Dr. G. Faltin. Breslau. Koebner.
(VIII, 312 S. gr. 8.) 7— (1. L. ^-)
Neumann, Carl, Vorlesungen üb. RiemannV orie d. Abel'schen Integrale. 2. Aufl.
Leipzig. Teubner. (XIV, 472 S. gr. 8.) -. —
Ueb. d. v. G. Cantor u. P. du Bois-Reymm^ üb. trigonometr. Reihen aufge-
stellten Sätze etc. [Berichte üb. d. Verhandln, d. kgl. sächs. Ges. d. Wiss.
zu Leipzig. Mathem.-phys. Cl. 1883. S. 18—34.] Ueb. e. neue u. einfache
Methode zur Untersuchung der Stetigkeit resp. Uustetigkeit mehrdeutiger
Functionen. [Ebd. S. 85—98.] Ueb. d. Verschwinden d. Thetafunctionen. [Ebd.
S. 99—122.]
Neumann, Prof. Dr. Franz, Vorlesgn. üb. mathem. Physik geh. an d. Univ. Kgsbg.
(3. Hfl) a. u. d. T.: Vorlesungen üb. elektr. Ströme . . . Hrsg. v. Prof. Dr.
K. Von der Mühll, Leipzig. (X, 308 S. gr. 8.) 9.60.
Nitechmann, Heinrich, Ein neuer polnisch. Dichter. (Josef Koscielski.) [Magaz. f. d.
Litt. d. In- u. Ausl. Nr. 4.] Die heutige Litteraturbewogung in Polen. [Ebd.
Nr. 21. 22.] Johann Kochanowski. Zum Gedächtniss s. 300jähr. Todestages.
[Ebd. Nr. 25.]
Obricatis, Ricardus, de per praepositionis latinae et cum casu coniunetae et cum
verbis nominibusque compositae usu, qualis obtinuerit ante Ciceronis aetatem.
I.-D. Kgsbg. (Beyer.) (60 S. 8.) 1.20.
Oehmke, Rieh, (lnsterburg), Tabes u. Syphilis. L-D. Würzburjg. (21 S. 8.)
Dlbenberß, ftrb., ftobann ©einrieb SPicbem. Sein £eben u. Sßirfen. 9tod? f. fcbriftl.
Kacblap u. b. 2)Uttblßn. b. 3amilie baraefteüt. I. 93b. £amburß. Slßentur b.
Stauben fcaufeS u. 30. 3flau!e Söbne. (XVI, 602 6. ßr. 8.) 9.—
Slätter, flteßenbe, au« b. Stauben £aufe ju &oxn bei Samburß. Oraan b. ßentral*
JluäjcbuffeS f. D. innere SMiffion ... 12 £fte. (2 93oß. ßr. 8.) ßbt>. baar 3.—
3>asu Beiblatt. 12 9frn. (93oß.) baar 1.20.
Ortmann, Paul, experimentelle Untersuchungen üb. centrale Keratitis. L-D. Kgsbg.
(Beyer.) (35 S. 8.) 1.—
Drtfc$ttft$*»enet<itri#, alpbabet., b. ÄreifeS SWobrunßen m. Sejeicfcnunß b. SlmtSbejirfe
. , . 2Hobnmßen. Sari*. (21 6. 4.) 1.25.
ß70 Mlttheilungen und Anhang.
Pancritlue, Paul, Beiträge z. Kenntniss der Flügelcntwicklg. bei d. Insecten. I.-D.
Kgsbg. (Nürmbcrger's Sort.) (37 S. gr. 8. m. 2 Steintaf.) 1.—
Panten, Dir. Dr., Danzigs Rückkehr unter Preussische Herrschaft im J. 1814. York.
[Ztschr. d. Weßtpr. Geschichtsvereins. Hfl. 13. Danzig. S. 91 — 112.]
Passarge, L., Sommerfahrten in Norwegen. Reiseerinnerungen, Natur- a. Coltar-
stadien. 2. Aufl. 2 Bde. Leipzig, Schlicke. (VI, 303 a. 325 S. gr. 8.) 10.-
$au>lcto3fi, ©ptlefer. 3- %, populäre Sanbeöfunbe ob. öanbbucfc b. ©eoan u. @cf<t-
b. $rop. SBMtpc. 2. Slufl. Sxmjig. £omann. (118 6. av. 8.) 1.75.
fietmattunbe ob. Seitfaben b. ©eoßt. u. Oef*. b. $rop. SBeftpr. 2. Slufl <Sbb.
(23 6. 8.) —35.
Perlbach, M.t Rec üb. Monumenta medii aevi historica res gestas Poloniae illostrantia.
VIII. [Götting. gel. Anzeig. Nr. 13. S. 527-530.] üb. Monumenta Poloniae
historica. T. IV. [Ebd. Nr. 23. & 924—937.] üb. Schirren, neue Quellen zur
Gesch. d. Untergangs livländ. Sclbstdgk. Bd. L (Dtöche Littztg. 13.]
PetersdorfT, Gvmn.-Dir. Dr. R., eine neue Hauptquelle des Q. Curtius Rufus, Bei-
träge z. Kritik d. Quellen f. d. Gesch. Alexanders d. Gr. Hannover. Hahn.
(III, 64 S. gr. 8.) 2 —
Petong, Dr. Rieh., Uebersichtskarte d. Alpengebietes für Schüler bearb. 1 : 500,000.
10 Bl. gr. Fol. Elberfeld, Fassbender. (Danzig. Homann in Comm.) 6.—
Pianka, fflefl.. u. ©eb. Webtet. Dr., ©eneraLSBericbt üb. b. üflebiainal* u. Sanität**
roefen im 9ieß.s©ej. 2ftarieMDerbcr f. b. 3» l802- SMariem». Äanterfcbe $ofbd)br.
(46 6. ßr. 8.)
Vierfott, $rof. Dr. 2B., Seitfabcn b. preufe. ®ef*i*te nebft cbtonoL u. ftatift. Tabellen.
7. Slufl. «Berlin, Reifer. (VI, 195 6. 8.) 1.-
SSrenten&of, ein ©ebüfe gnebriebö b. ©r. [SIuS aßen 3«te" «• Semben. 2. 3a&tfl.
6. 834—847.]
Plenio, Dr., Tracheotomie bei Diphtheritis. Aus d. chirurg. Univ.-Klinik z. Kgsbg.
in Pr. [Arch. f. klinische Chirurgie. 30. Bd. S. 753—780.]
Plew, J. (Strassburg i. E.), Rec. [Götting. gel. Anz. Nr. 5. Dtsche Littztg. 31. 42.]
Preiss, Dr. Hermann G. S., Grundriss d. Gesch. d. Musik z. Gebrauch bei Vorlesgn.
bearb. . . . Leipzig, Lincke. (VUI, 148 S. gr. 8.) 2.40.
3Me $ot$bammer Siefenaarbe. [tfßaba. "^artafebe 3ta. *Rr. 197. 198.]
Prellwitz, W. (Kgsbg.), Kypr. piva. [Beiträge z. Kunde d. indogerm. Sprachen hrsg.
v. Bezzenberger. IX. Bd. S. 172.]
Prengel, Th., Beiträge z. Tochterschulwesen d. Stadt Königsbg. Ostpr. (Beriebt üb.
d. höhere Privat-Töchterschule des Frl. Marie Lehmann.) Kgsbg. Kiewning.
(8. 1—8. 4°.)
SBeiträfle $ur ©ef<btd)te bcS SöcbterföultoefenS o. 6tabt %&bß. in $r. [8&bq.
ßartrtfcbe 3t«. *Rr. 116. 121.]
#ccufr toeü. $tr. JL £, bibl. ©eieb. m. 93erfitf}14tiöimß b. 3eitfoIöc ... 77. Slufl.
ÄaSbfl. Eon. (Vi, 276 6. 8.) —80.
$rcw0e u. ©eutföe, ber reblicbe. 8. Äalenber auf b. 3. 1884 ... 53. 3a&rg. 2Rey*
runflen, SRautenberg. 2Iu3ß. 1: 1.— 2: —76. 3: —40.
Preussen, Polen, Litauen etc.
Acta historica res gestas Poloniae illustrantia ab anno 1507 usque ad a. 1795.
Vol. VI. Acta regia Joannis III ad res anno 1683, imprimis in expeditione
Viennen 8i, gestas, illustrandas, edidit Francisc. Kluczycki. Cracoviae
1883. (XXXII, 704 S. gr. 8. m. 8 Taf. Facs.) 20.— Vol. VH. Acta quae
in Archivo ministerii rerum ezterarum Gallici ad Joannis III regnum
illustrandum speetant continens ab anno 1680 ad ann. 1683. Ibid. 1884.
(423 S.) 20.— (I— VII: 184.-)
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Archiv f. d. Gesch. Liv-, Est- u. Curlands . . • hrsg. v. C. Schirren. N. F.
Bd. X. a. u. d. T: Neue Quellen z. Gesch. d. Untergangs livländ. Selb-
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Reval. Kluge. (IX, 385 S. gr. 8.) 7.50.
Ateneum pismo naukowe i literackie . . . r. 1884. (4 Bde. 8.)
Altpreussische Bibliographie 1884. 671
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3. 39b. 2. oft. «Renal, fllufle. (S. 113—248 ar. 8.) 2.50.
f$erg(au$, Dr. geinr., ©pracbfcbafe ber Saffen. SBörterbd). b. plattbentfdj. 6fcrad&e
... 21. oft. Söerltn, Gifenfcbmibt. (3, ©b. 6. 1—80 ßr. 8.) 1.50.
Codex diplomaticus Silesiae. Hrsg. v. Verein f. Gesch. u. Alterth. Schlesiens.
7. Bd. 1. Thl. Bis zum J. 1250. 2. umgearb. u. verm. Aufl. a. n. d. T.:
Begesten z. schles. Gesch. Namens d. Vereins f. Gesch. u. Alth. Schles.
hrsg. v. Dr. G. Grünhagen ... 1. Theil . . . Nebst Register. Bresl. Max & Co.
(IV, 400 S. gr. 4.) 11.—
Contributlon an Folk-Lore. Chansons des bords da Ntämen tradnits par Adolphe
cVAvril. Paris. Ern. Leroux. 1883. (14 S. Lex.-8.)
Denkmäler, niederdeutsche; hrsg. v. Verein f. niederdeutsche Sprachforschung.
Bd. IV. Norden. Soltau. 5.— Inh. : Valentin u. Namelos. Die niederdtsche
Dichtung. Die hochdtsche Prosa. Die Bruchstücke d. mittel-niederländ.
Dichtg. Nebst Einleitg., Bibliogr. u. Analyse d. Romans Valentin u. Orson.
Von W. Seelmann. (LX, 138 S. gr. 8.)
©ornerb, % n., eine Dietfe burd) fiitaucn nacb Äurlanb u. SRiaa. [Unferc 3^it.
1884. oft. 1. 9. 10. I. 6. 60-80. II. S. 401—422. 530—554.]
Dzieduszycki, Dr. Isid., der Patriotismus in Polen in s. geschichtl. Entwickelg.
Krakau. Bartoszewicz. (Wien. Gerold & Co.) (VIII, 224 S. gr. 8.) 5.—
@i<j&orn, SelbftcrlebteS u, ^tacbcr^äblte^ auä b. &itn)icfeluna$ßefa)icbte GbftlanbS
u. b. ei)ft:n. [florbifdje iKunbfdjau. I. 2J
[©(<$.] 93aron A. y. — (£iulanb, Dtonbr. 1883.1 lieb. ba3 SBorfommen u. bie SBe*
fcbaffenbeit be3 ßlcbroilbeä in $teu&en. (Wacb ÜRittblan. b. OberförfterS 2lrt
in ybcnborft.) [ffaäba. lanb* u. forfttuirtbfcbaftl. 3ta. ftr. 10. 53eil. <2(u$
31. fcuao'3 3aßbacitunß.)] Sllbin ©ener, ©Ictymlfc in 3benI>orft. [Äfläbfl.
Öartafcbe 3ta. d. 16. Oct. SRr. 244.]
Estreicher, K., Bibliografia XIX w., tom X zesz. 1 i 2: Spis chronologiczny.
Krakow 1885 (84). (296 S. 8.)
Freund, Assess. Dr. Rieh., das lübische eheliche Güterrecht in ältester Zeit. Eine
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©en6e, Mubolf, Warienburg. fiift. JHoman. Berlin. $cubner. (VII, 291 S. 8.) 4.—
2>ie 9Marienbura, ibr Verfall u. ifjre s-ÖMeber&erftellun0. [Sonntaa3*23eü. h
SoffiM-m 3tfl. Wr. 13 J
Geschichtsblätter, Hcnsische. Hrsg. v. Verein f. Hansische Gesch. 12. Jahrg.
1883. Leipzig. Duncker & Humbio t (172 u. XXXI S. gr. 8. m. photogr.
Portr.) 4.60.
Gritzner, M., n. Ad. M. Hildebrandt, Wappenalbum d. gräfl. Famil. Dtschlands
u. Ocstereich-Ungarns. etc. (In 20—30 Lfgn. a 2.—) Lfg. 1 — 11. Leipzig.
T. 0. Weigel. (110 heliotvp. Taf. in. 21 Bl. Text gr. 4.)
©um&lottHCa, £., (Sin politifcbcr Abenteurer beä 16. Qabri?. 93eitr. 3. ®efc&. b.
öfterr. u. poln. ©ejtcbfln. (SUbrccbt 8a3ti, <Staro)t ü. 9ftarienburü.) [3tid?r.
f. allaem. ©efeb., Kultur*, CiL u. tfunftaefeb. ßft. 9. 6. 712—20.]
$artner, (£., Unter Dem febwarjen Jlteua. Jpijtor. Vornan. 2 23be. fieipa. SRei&ner.
(205 u. 228 6. 8) 6.—
$eüat, 4$., einige 53emerfan. üb. b. üBolfämebictn b. Gftcn. [Si&aSber. b. fiel, eftn.
©efeüfcb. *. $orpat. 501. ei&>*. $orpat 1884. 6. 107-124.]
Jahrbuch des Vereins f. niederdtsche Sprachforschung. Jahrg. 1883. IX. Norden.
öoltau. (III, 160 S. gr. 8. m. 1 Stahlstich-Portr.) 4.—
Jarochowskl, Eazim., Sprawa Kalksteina löTO— 72. Opowiadanie historycznc.
Wydanie wznowisne. Warszawa. Gebethner i Wolff. 1883. (132 S. gr. 8.)
Kade, Bein hold, De Brunonis Querfurtensis vita quinquo fratrum Poloniae nuper
reperta. Diss. inaug. Lips. 1883. (32 S. 8.)
ÄarpeleS, ©uft., bie SHabjiroillS. (*ine tfftor. eti^e. [s2Iu3 allen 3eiten u. Sanben.
2. 3abra. Sp. 459-472.]
Koch, Dr. Adolf, Hermann von Salza, Meist, d. Dtschcn Ord. (f 1239). Ein biogr.
Versuch. Leipzig. Duncker & Humblot. 1885(84). (X, 140 S. gr. 8.) 3.20.
lieber ben $>eufiien Orben u. feine öerufunft nach ^reufeen. Seibclbera.
Söinter. (31 6. ar. 8.) [cammlß. ü. §ßotträöen \)x*q. &. So. Srommel ut
grbr. $faff. XII. ©b. 10. fcft.] —60.
ß72 Mittbeilongen und Anhang.
Sbppen, gebor »., »ranbenburß in Slfrifa. (SWit 3fluftration: ÜRajor Otto grirtr.
ö. b. ©roeben. !Ra* e. Äupffti* *. 2lnbr. 6cbarff au« b. §. 1694.) [Steg
allen 3eiten u. Sanken. 3. 3afcrq. 6p. 329—44.]
Korrespondenzblatt des Vereins f. niederdeutsche Sprachforschung. VIII. Jahrg.
Hamburg. Norden. Soltau. No. 1—6. (96 S. 8.)
Krause, Oberl. Dr., Forschungen auf d. Gebiete d. deutsch-slawisch. Gesch. io
d. erst. Hälfte d. Mittelalters. Tbl. I. Zur Kritik des Cosmas v. Prag u.
d. ältest. Gesch. Böhmens. (Beil. z. XVIJI. Jahresber. d. Egl. Gymn.)
Schrimm. (22 S. 4.)
Secfenberß, Dr. $1, 9tadmd)ten über b. Orben ber SRittcr non 3>obrin in ^reufiau
[ffiofcnbf. b. 3obanniter:Orb.*«aUei Skanbenburo.. ftibrß. 25. Str. 34.]
Lehmann, F. W. Paul, das Küstengebiet Hinterpomroerns. Waodergn. u. Studien.
[Ztschr. d. Gesellsch. f. Erdkde. zu Berl. XIX. Bd. S. 3H2— 404.]
Lent, Adolf, der Aujrsburger Reichstag v. 1555 u. das Haus Brandenburg. Nach
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Leskien, Aug., der Ablaut der Wurzelsilben im Litauischen. Leipzig. Hircd
(192 8. hoch 4.) 7.— (Des IX. Bds. d. Abhdlgn. d. philol.-hist. Cl. I
k. sächs. Ges. d. Wiss. Nr. IV. S. 263—454.)
Ubri judiciales, antiquissimi, terrae Cracoviensis. Pars I, ab ann. 1374 — 139*1.
Editionem curavit Bolesl. Ulanowski. Krakau. (Friedlein.) (XXIII, 361 c
26 S. gr. 4. m. 6 Fcsm.-Taf.) 14.—
Llske, Xaw.f Akta grodzkie i ziemskie z czasöw Rzeczypospolitej polskiej z ir-
chiwum tak zwanego bernadyriskiego we L wo wie, w skutek fundaeyi sw.
p. Alexandra hr. Stadnickiego Wydzialu krajowego, tom X. Lwöw, Sey-
farth i Czajkowski. (VI, 542 S. 4°.) 7 zlr 60 cnt.
Löwenfeld, Raph., Lukasz Gornicki. Sein Leben u. seine Werke. Ein Beitrag
z. Gesch. d. Humanismus in Polen. Bresl. Koebner. (IX, 223 S. gr. 8.) 4.r>".
Maass, Wm., Schulwandkarte t. Est-, Liv- u. Kurlaud ... 4 Blatt. Lith. Imp.-FoL
Riga. Kymmel. 9.— auf Leinw. 14.—
Maurer, R., Stanislaus Ciolek, Vicekanzler v. Polen u. Bischof v. Posen. Brodv.
Real- u. Ober-Gymn. (28 S. 8.)
Mittheilungen aus d. Gebiete d. Gesch. Liv-, Est- u. Kurlands, hrsg. v. d. Ges.
f. Gesch. u. Altthskde d. Ostsee-Provinzen Russlands. 13. Bd. 3. Hft
Jubiläumsheft z. 6. Dec. 1884. Riga. Kymmel. (S. 245—452 gr. 8.) 4.35.
Mollerup, Dr. W., Daenemarks Beziehgo. zu Livlsnd v. Verkauf Estlands bis zer
Auflösung d. Ordenstaats. (1346 — 1561.) Mit Genehmigg. d. Verf. aas d.
Dan. übers, v. Woldemar Ruberg. Berl. Siemenroth. (VII, 171 S. gr. 8.) 3.tiü
Monatsschrift, Baltische, hrsg. v. Frdr. Bienemann. 31. Bd. (12 Hfte.) (1. Hft
88 S. Lex.-8.) Reval. Kluge in Comm. 20.—
Monumenta medii aevi historica res gestas Poloniae illustrantia. Tom. VIII.
Krakau 1883. (Friedlein.) (XXXVIII, 597 S. m. 4 Taf.) 20.—
Monumenta Poloniae historica: Pomniki dziejowe Polski, tom IV, wjdany nak-
ladem Akademii umiejetnosci w Krakowie . . . Lwöw. Gubrynowicz i Schmidt
(X, 99S S. 4.) 14 zlr.
SRoraqentfti, 2Ractci, ba$ £reu$errenfd?Io& in 2JtarienburQ beut unb bor fünf
bunbert Saferen. (Sin Vortrag in poln. €prad)e, geb. in b. €i|fl. b. j*
tedm. ©ef. in Sembera, am 4. Ü/tärj 1882. 3fn b. 3)tf*e. übertraft, turtfc.
9t. Sauer. (44 6. ar. 8. mit Situationen.) J2Jtittbeilunßen b. SBejrpr.
Slrcbitecten* u. 3nö«nieur»SBerein«. oft. III. $anaia. 1884.]
[Dfrfee.] 8m ^Blicf auf bie pbpftfaltf*. äSerbältniffe b. Oftfee (m. 93e*. auf Sldermann,
Beitrage J. Pbpfiwl. ©eoßr. ber Oftfee. öambß. 1883.) [®ata. 20. 3*^
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Przeglqd Polski pod rcdakcja, St. Tarnowskiego. 1884. Krakow.
Przewodnik naukowy i literacki, pod redakcya, Wl. Lozirizkiego 1884. Lwdw.
Puncta in judiciis terrestribus et castrensibus observanda anno 1544 conscripta.
Abbreviatio processus joridici anno 1641 confecta. Nunc primnm edita
opera Mich. Bobrzynski. Krakau 1882. (Friedlein.) [Aas: „Starodaw-
nvch prawa polskiego pomniköw" tom VII. zeszyt 2.] (8. 195—272. 4.) 4. —
atiefentüttl, 0. *>., Silber t>ou Der Ojtfee. @in »uafhio. in« gorfttemer 3benfrorft.
[Gartenlaube. 38.]
Rozprawy i sprawozdania z posiedzeri Wydzialu hißt-filoz. Akad. umiejetaoß'ci
t. XVII. Krakow. (406, XXIX S. gr. 8.)
e<t$, Dr. Stoß., Tic beutfdpe £eimat. i'anbicbaft u. SSolfstum. Tixt SlbbÜban. £aOe
a. 6., $cfcb. b. SBaifenbauf. 1885 (84.) (XII, 660 S. ar. 8.) 7.50.
Satter, gv $er tyreujuiebe Staatäratb u. feine iReacttoiruna. Unt. SJemifcfl. ar4i*
Dal. OueQ. SWt 18 21nlaaen. Berlin. $eubner. (IV, 142 6. an 8.) 2.50.
Sami88l0W9ky, E., Herberstein und seine bist.-geogr. Nachricht, üb. Bassland.
Mit angeführt. Materialien für e. hist.-geogr. Atlas Russlds. im 16. Jahr-
hundert. St. Petersbg. 8°. (russisch.)
«artovittd, (*., SBalbpot ü. ^affenfreim. Gpifcbe Sidtfa. fieipj. fiuete. (VI, 78 6. 8.) 2.—
&4jiemann, Stabtarcbtoar Dr. £l?eob., $te SKeformatton 2llt=£iölanb$. Soitr.
Sftenal. Älufle. (32 6. ßr. 8.) —80.
Dtufelanb, Wen u. Siülanb big in* 17. 3a!>r&. »erlin. ©rote. (6. 1—160
ar. 8. m. Slbbilb.) [Mgem. ®ejd}td)te in Sin^elbarfteUfln., Mß. t>. 20. Onden.
90. Slbtb.] 3.-
Die Vitalienbrüder u. ihre Bedeutung für Livland. [Balt Monatsschrift.
XXXI. Bd. S. 305-319.]
Stiller, $fr. 3ul., $ietro $aofo SBerßetio, e. römifefc. 3^0* für fiut&er. [ßnanß.
Äircben:3tvi. 9Rr. 5.]
«Bluter, Dr. &*., Ueb. b. SlbelSßefücbte ber SUnpefeg. [Stoiber, b. fiel, eftnif*.
©efettfd). ju $orpat 1883. 503. Sifea. 6. 141-44.]
Schmidt, Gouvern.-Revisor Hofr. J. H., Karte von £h6tland m. d. Kreis-, Poli-
zeidistricts- u. Guts- Grenzen, so wie den Plänen der Städte, neu umge-
arb. u. hrsg. 1: 210,000. 2. Aufl. 6 Bl. Lith. u. color. Imp.-Fol. Reval.
Kluge. 18.—
Schneider, Dr. Oskar, Naturwissenschftl. Beiträge z. Geogr. und Kulturgesch.
Dresd. Kaemmerer 1883. (4 Bl., 276 S.) S. 176-213: Zw Beatittnfatß.
Schottin, Ober!. Prof. Dr. Reinhold, die Slaven in Thüringen. Wissenscb. BeiL
z. Gymn.-Progr. Bautzen. (28 S. 4.)
®ifeunaöberid)fe ber ßelefert. eftnifd), ©efeüjcb. j. Sorpat. 1883. (Seift., ÄöMer in
ßomm.) (IV, 196 6. 8.) n. n. l.~
Sitzungsberichte der Gesellsch. f. Gesch. n. Altthskde. d. Ostseeprovinzen Buss-
lands aus d. J. 1 «77— 1881. Riga. (2 Bl., 186 S. gr. 8.)
Sfownik geograficzny Krölewstwa polskiego • . . Zeszyt 37—48. Warezawa.
(T. IV, 963 S. 4.)
«taatSratfr, ber, in $reu|en. Wund). 2Wß. 3tß. 108. 109.]
®tertt, 211fr., ein preufe. amnifter (u. 6cbrötter) ber SRefotmseit üb. b. Äapita
[Sie Nation. 1. $a&rß. 9tr. 24.1 „3Ba3 ift ein ©utSbejifcer ohne $p(i)ri
ßetoalt?" [@bb. 2. Qabtfl. ÜRr. 6.] Documents sur le premier empire.
t*mu3.
$oli|ei«
Revue
historique. Tome XXIV. p. 308—329. T. XXV. p. 82— 107. J
Szuio, Ueber die Ureinwohner zwisch. der Weichsel u. der Elbe. [Correspon-
denz-Blatt der dtsch. Ges. f. Anthropol., Ethnol. n. Drgesch. XV. Jaorg.
8. 132—143.]
Szymanowski, Osw. Korwin, Beiträge zur Gesch. d. Adels in Polen. Zürich.
Schulthess. (XI, 103 S. gr. 8.) 3.20.
Tuttle, Herbert, history of Prussia to the Accession of Frederic the Great
1134-1740. Boston.. Houghton, Mifflin & Co.
Urkundeibuoh, Hessisches. 1. Abth. Urkundenbuchd. Deutschordens- Bailei Hessen
v. Arthur Wyss. 2. Bd. Von 1300—1359. Leipz. Hirzel. (VI, 663 8.
gr. 8.) 14.— [Publicationen aus d. k. preuss. Staatsarchiven. 19. Bd.]
— — der Stadt Lübeck. Hrsg. von d. Vereine f. Lübeck. Gesch. u. Altthskde*
7, Tbl. 7-10 Lfg. Lübeck. Grautofc (8. 481-800 gr. 8.) a 3,—
674 Mittheilungen and Anhang.
Urfcundenbooh, liv-, est- u. curländisches, begründ. von F. 6. ▼. Bunge, im Auf-
trage d. balt. Ritterschaften und Städte fortges. von Herrn. HHdebrand.
8. Bd. 1429 Mai— 1435. Riga. Deubner. (XXXVII, 687 S. gr.4.) n.n.20.-
(1—8.: 184.-)
Mecklenburgisches, hrsg. v. d. Verein f. mecklenburg. Gesch. n. Altthskde.
t3. Bd. 1351—1355. Schwerin. Stiller. (XX, 715 S. gr. 4.) . 15.—
Setfenftebt, Dr. Crom., ©jtuforte ber %\\i (^ulenfpleael bcr fiittauer u. 3ametten a.
Sdjut 3oncfa fein ruffifcbe& (Sbcnbttb. ÜUlit Ortßinalf(bn?dnten, Stretcben a.
Saßen au3 b. föuffifcb., 3amait. u. Sit. 2pj. »emtfe** $erl. v (50 6. 8.) 1.-
sBumrbut ein Äulturbämon v ber $eutfcben, $Jenben, fittauer u. 3amaiten. 3Rü
Orißhialfctß. o. fiitauer u. Samaiten. 6bb. 1885(84.) (VI, 33 6. ar. 8.) 1.-
Ueb. das Kulturleben d. Zaroaiten (Litauer). [Correspondenz-Blatt <L dtseb.
Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgescb. XV. Jahrg. 4. 5.]
Verhandlungen der gel. estnisch. Ges. zu Dorpat 12. Bd. Dorpat (Leipzig. Köhler.)
(V, 133 S. gr. 8.) 3.50.
Vlrchow, ostpreuss. Prähistorie. [Verhandlungen d. Berlin. Ges. f. Anthrop.,
Ethnol. u. ürgesch. Sitzg. ▼. 20. Dec. 1884. 8. 560—564.1
Wendt, Dr. Georg, die Germanisierung der Länder östl. der Elbe. Teilt. 780 — 1137.
Beil. z. Progr. d. Ritt.-Akad. Liegnitz. (Reisner.) (91 S. 8.) baar 1.—
Wielocki, Wl., Przewodnik bibliograficzny . . . Rok VII. Krakow. Gebothner.
(XXIV, 252 S. gr. 8.)
Zinken, €., Bernstein in Oesterreich-Ungarn n. in Rumänien. [Corresp.-Blatt d.
dtsch. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. 15. Jahrg. No. 8.1
Prowe, Adolf (Thorn) der Buddhismus in Deutschland u. England. [D. Mag. f. i
Litt. d. In- u. Auel. Nr. 10.] John Morley u. d. freie Gedanke in <L angel-
sächsich. Welt. [Ebd. Nr. 25.]
Prowe, Leop. Nicolaus Coppernicus. 2. Bd. Urkunden. Berl., Weidmannn. (VI, 552 S.
gr. 8. m. 5 Facs.-Taf.) 15.— cplt: 39.—
^rnt, 6an3, Sranbenburß unb granfretdj 1688. [$iftorifAe6 $afd>enbu<fc, &r£a. *•
ftoureiibredjer. 6.golße. 4.3afcra. Seip$tfl. 93rodbau$ 1885 (84). 6. 249-286.]
2)er Unteraana be$ XempelbennotbenS. [4lu8 a&Vn Qeitcn u. l'anbcn. 2. 3afcra.
6. 1062—1075. 1143 -1163.] S)er preu&ifcbe „ÜRilitatrftaat''. [3citf*nft für
SlUßem. ©efd?., flultur*, Sitteratur* unb flunftßefcbicbte 1884. Stuttfl., Gotta.
6. 265— *82.] «Rec. HBlätt. f. lit. UntHtfl. 3Rr. 9. 12. 14. 18. 22. 28. 3eitM?r.
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E. Mühlbacher rec. H. Prutz, Malteser Urkund. u. Regest, z. Gesch. d. Tempel-
herren u. d. Johanniter. München 1883. [Mittheilgn. d. Instituts f. tteten.
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Sur les developpements de l'expression (1 — 2 cs-fa') — k. [Bulletin des
sciences mathem. et astron. 2e* se"rie. Tome VIII. p. 284—285.] Sur une
notation propre ä repr&enter certains developpements. [Comptes rendus heb-
domadaires des seances de 1' Acad. des sciences. T. XCVIII. Nr. 1. p. 39—41.]
8ur la de'terraination des orbites par trois observations. [T. XCIX. Nr. 16.
p. 643 — 646.] Addition ä une Note pre'cddente sur la dltermioation des or-
bites. [Nr. 17. p. 701.]
Radde, Dr. Gust., Ornis caucasica. (In 20 Lfgn.) Kassel. Fischer. 1. Lfg. (32 $.
hoch 4. m. 4 Chrom olith.) Subscr.-Pr. 2.— cplt. 40.— Ladenpr. 3.— cplt 60.—
Radtke, Adolf, Paritäts-Tabellen f. d. Getreide-Handel (Export, Spedition und ross.
Commission.) III. Aufl. Verl. v. Ose. Goede, Kgsbg. i. Pr. (o. J.) Debit f.
d. Buchhandel: Braun & Weber. (2 Bl. 92 S. 8.) baar n. 9.—
Räuber, Dr., froherer Assistenzarzt an d. Irrenanstalt Alienben? bei Wehlau, Ein Fall
von periodisch, wiederkehrender Baarveräuderg. bei e. Epileptiker, [Virchow's
Arcb. f. pathol. Anat. 97. Bd. 1. Hft. S. 50—83 m. Taf. IL]
9ta|m, «flbmg), 5)ie ©efebidpte be$ 5Kr*enflefcmabuclje$ in Oft« imb SGBeftpreu&en I. II.
[Ötoanael. ©emeinbeblatt. 41. 44.]
Rahnenfihrer, Carl, Ueb. einige iso- n. terephtalylhaltige Derivate d. Hydroxylamiiis
u. die Ueberfthrung der Isophtalsäure in Meta-, der Terephtalsäuie in Para-
phen jrlendiamiD. L-D. Kgsbg. (Beyer.) (36 S. 8.) 1.—
Altpreussiache Bibliographie 1884. 675
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richten. Nr. 2569. Sp. 5—8.]
^teforotbldtter. 5lu3 bem Äreife b. oftbeutfcfcen freien rcliatäf. ©emctnben. 6rSß.:
Zb. $rengel. 5. 3abrß. 12 5Rrn. ($.) flö$bß. »raun u. äBeber in Gontre.
balbj. baat 1.50.
Rehdans, Dr., glora b. nftcbften UmßCflenb StraSburaS . . . 2Biffenfc&. ©eil. 3. Öfter«
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II. »b. 10. $ft.] -80.
liefert Slbfleorbn., bliebe bei o. ©ebflc&tnifefeier f. Dr. Gbuarb Satter . . . im ©erlitte*
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©ementarfdmlc. 9Jon Set tau. 2>an*tfl. 8rt. (23 6. 8.) —50.
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©pmn.^roar. 2öeb(au. (24 6. 4°.)
e^nettet, Ueb. £efen u. 6d?reiben. Sortr. 3)ang. Saunier'* Sudft. (44 6. 8. m. 2 Zal)
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SebenS in ibrem (iinfluffc auf f. $effimi£mu£. [3tf*r. f. $Wof. u. Mlof.
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eäul'Strorbnitnafifilatt. iRebaction: $aul Optfe, Stonjik SBcrL Stanj. Hrt
e^ulblatt, preufe. . . . Ö.äabra, 52%rn. (a !AStoa. flt. 4.) Stanj. ilrt. toiettclj. 1.—
Schwarzlose, Friedr., Die perforirenden Schüsse der Lunge ohne Knochenverletzung.
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etfwertn, Sofepfrine ©rdfin, 3m SBecWet ber Seiten. Vornan, »erlin. ©ofofeferaibt.
(212 <S. 12°.) 1.— *
SeiUbenflrüfce. [6onntao>9Matt 5lr. 25-32.] $et £ew S»ajor. [ÄaSbö. $artaflfe
3tg. Mr. 211 ff.]
Seemann, Dr. 0. ©., üb. ben Urfpruno ber 6pra#e. (Sorfeoß.) fieipafo. griebtia).
(33 S. 8.) —50.
3)er ©eelencutt ofö Äeimform ber »eliafon. [3>ie Station. 1. 3a&rg. Sir. 27.]
6inb bie graßen: ©ort, greibeit u. Unfterblüteit »on Seffina beantwortet? [<&b.
5Rr. 31.] Aus d. Kindheit des Geistes. Leipzig. Friedrich. [Du Magazin £
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Cfettegaft, Dr. phil. öenrg, bie ffiertfebeftimmfl. b. ©etreibe* aU ©ebrauo)** u. ^anbete*
»aare. Sßerfucb h »uffteUfl. e. SBomtirnnflSfoftem* b. ÄötnerfriU&te. £abiktatum$*
febeift . . . SetpBiQ. god in 60mm. (75 6. 8. m. 2 8eU.) 1.50.
Setfegast, H., die deutsche Landwirthschaft v. kulturgeschichü. Standpunkt [Landw.
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•lerfe, <$u&en, ba8 Gnbe einer toeftflefcbtcbtl. Seßenbe. [$ie ©renjboten. 3far. 37.1 $ie=
motten bet lefcten Siebe öeinrid? £eine*$. |6<borer'3 gamüienblatt. 5.Sb. "Sr.14.
18. 21. 26. 28- 37. 41. 48. 6. ©b. Hr. 1. 2. 5. 20.] 3)ie $*effc b. Sinbf.
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Sieroka, Otto, zu Ciceros zweiter Philippica. [N. Jahrbücher f. Philo!, n. Padag.
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eteffeitbageit, £m\\, u. 2lufl. ffiefccl, DD., bie ÄfofterbibUotbef }u »orbeS&olm u. bie
©otioifer ©ibliotbef. $rei biblioßrapbifcbe Unterjucbunßen. Äiel. Uniüerf.:33ud?b-
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Der Gottorfer Codex der Notiüa Dignitatum. [Hermes. XIX. Bd. S. 458 -61.]
Die Entwickig. d. Landrechtsglosse d. Sachsenspiegels. IV. Die Tzerstediscfce
Glosse. [Sitzgsber. d. ksl. Akad. d. Wiss. CVI. Bd. S. 19?— 234.] auch separ.
(40 S.) -60. (I-IV. 2.80.) Sin ©ober iHanjo&ianu«. [ätfebr. b. ©efeüf*. f.
ScblcSro.sßolfteim£auenburß. ©efeb. 14. 99b. 6. 303— 312.J
•tetn&erg«G!irb3, ©enerabärat j. £. Dr. x>., bie alters* unb 3n*oliben4BerJt4ennt0.
SJorfcbläße ju ibr. SBernwflicbß. Serlin. tforttampf. (42 6. ar. 8.) —60. and?
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Stobaeus.
Fisoher, Dr. L. H., Joh. Stobaeus ein Mitglied d. Königsberger Dichterkreises.
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Ätobbe, 2luß., geftfpiel g. 75jäbr. 3ubelfeier b. ©rridjtß. b. berjoßl. SBraunfcbroeiaf*.
3nfant.*<Reßim. *Rr. 92 . . . 93taunf*». ©oerife & ju $utlifc. (56 6. 8.) 1.—
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etobbe, Otto, ßanbbucb b. beutf*. ^rfoatrecbts. 4. 93b. 1. u. 2. Stuft, »erlin. £erfc.
(VII, 548 6. ar. 8.) 10.- (1-4: 42.60.)
— — Ueb. die rechtliche Natur der allgem. ehelichen Gütergemeinschaft. Leipzig.
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Cfte&tfefi, beridbttßenbc ©emertunßen üb. b. ^tftor..fleoör. Unterricht. [9(&Uer f. ^
©cbulwefen. 1. 3abrß. Jlr. 9.]
etteblfe. ©oetbc'3 ©riefe. 21.-27. £fe. ©erlin. $em»el. (2. »b. 6. 481—543 «.
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Xaufte, ©eneralfupermt. <5mil, $raft. 2lu*leaß. b. $falmen ... 3. $ft. ($falm 51-75.)
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Telohtrt, Paul, de fbntibus Quintiliani rhetoricis. Diss. inaug. Kgsbg. (Beyer.)
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S(oma*, Dr. ©., bafi äßniß!. Oftfeebab Grana b. ÄßSbß. t. $r. 2. burd? Dr. 6<bubcrt
toeroollftänb. SufL m. 7 3Uu)tr. u. 5Bentfcber. Gran*. ©abe-Senvatt^ u. Äß*bg.
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15. Jahrg. S. 57—60.] Fände aas d. Kaukasus. [Ebd. S. 126—130.] Unter-
suchungen der Emails. [Ebd. S. 179—183.]
Poppen. Dr. gugo, üb. $araßuan aU Sanb für beutfcbe Solomfoiton. [©Iobui. 45. 93b.
ytt> 22.] Corsica. (Vortr. gehalt in d. geogr. Gesellsch. zu Hamburg.) [Mit-
tbeilungen d. Geogr. Gesellsch. in Hambg. Hft. I. S. 1 — 25»]
Tornter, Alfred (ans Gr. Lichtenau Westpr.), zur Behandig. septischer Processe nach
complicirten Fracturen. I.-D. Würzburg. (20 S. 8.)
Treiohel, A,, Drei Amtsschreiben aus d. Kirche zu Boreken. [Separat-Abdr. ans cL
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d. Berl. anthropolog. Gesellsch. 8. 66—70.1 Bericht üb. Prähistorische Fund-
stellen aus Westpreussen. [Ebd. S. 71 — 737) Bemerkgn. üb. Klucke u. nordi-
schen Botenstock. [Ebd. S. 74—77.] Beriebt üb. d. Schlossberg bei Tolkemit
in Westpr. [Ebd. S. 194J Ber. üb. e. Bargwall bei Paleschken u. üb. e. Erd-
fall bei Bowno. [Ebd. S. 319—323.] Mittheilgn. üb. Hochzeitsthaler. [Ebd.
S. 323 — 327.1 Ber. Üb. e. Oehsen-Ume von Wahlendorf n. Beschreibung des
Zamkowisko bei Gorrenczin. [Ebd. S. 383—384.] Hochzeitsgebrauche besond.
aus Westpr. [Ztschr. f. Ethnologie. XVI. Jahrg. S. 105—133.] ÜRadbtraoe ju
b. Steinfagen. [3tfd)r. b. biftor. SereinS f. b. 9Rea..s33ej. SRarientoerber. £ft. 13.
<een.s2lb*. 4 6. 8.)] Sie $u&iger <Rat&&2lr*h)aUen. [<lbb. (Sep.*3lbj. 45 & 8.)]
Trenck, Friedr. v. d.,
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Wing, 'ÜDtar, ^ringefpu Slmalia non Sreufien w. greiberr SJriebr. n. b. Zttnd. ©n
2eben3bilb. [2Beftermann3 iOuftr. bif*. 2Jlonat$befte. 29. 3a&ra. »b. 57.
6. 357—384. 2Rit $ortrat$J
UtUmtq, grbr., Sdjiüer als ©iftorttcr u. $MIofopb. SDttt einer bioar. SHue U.'$ d.
ffr. 81. Sanae. £r8a, *. Dr. 2Ror. Srafcb. Seipüifl. Meifcner. (XLVH, 270 ©.
flr. 8. mit $0rtr.) 8.— rec. v. S. F. in: Münch. AUgem. Zeug. Nr. 322. (Beil.)
P. Natotp in: Dtsch. L.-Z. 1885. Nr. 13. Smtl Grout m: Altpr. Monatsschr. XXL
S. 650—657. J. Minor in: Göttmg. gel Anz. 1885. Nr. 24.
Ulrich, Gust, Refraction and Papilla optica der Augen der Neugeborenen. I.-D.
Kgsbg. (Beyer.) (25 S. 8.) 1.—
Urkundenbuch, neues preußisches. Westpr. Theil. Hrsg. v, d. westpr. Geschieht*»
verein. II. Abtn. Urkund. d. Bisthüm., Kirchen u. Klöster. Bd. I. Urkdbch.
d. Bisth. Culm. Bearb. v. Dr. C. P. Woelky. Hft I. Danz. Bertling in Comm.
(VH, 280 S. gr. 4.) baar 10.—
Set janblungen b. 7. $rou.*ganbtage£ b. $ron. Oftpreufe. n. 27. äJldQ bt« 5. Styr. 1884.
Äfläbß. 2)ru<I v. @mü Mautenberß. 4°.
fiet$anb(ungen b. 7. SBeftpr. $ro».*2anbtaae3 vom 26. bis emföl. 31. 9Rdt| 1884
Sanaiß. flafemann.
Setfudjc, ctitifdje u. ni*t entifebc. 3$on Gfltnont. I-IV. (22, 15, 25, 100 6. ar. 8.)
Sandig, 2lrt. 1885 (84). 2.85.
»ettoalttttig$4Beti<5t be$ Ärei&2tu£fdmfie3 be* Sanbfr. flaäbß. in Oftpr. f
1883/84. flaSba. SRautenbera. (17 6. fol.)
Viehstand, der, der Gemeinden u. Gutsbezirke im Reg.-Bez. Kgsbg. [Aus: „Vieh-
stands-Lexikon."] Bearb. vom königl. statist Bureau in Berlin. Berl. Verl. cL
stat. Bur. (78 S.) 1.20.
im Reg.-Bez. Danzig. (25 S.) —40.
— — im Reg.-Bez. Gumbinnen. (70 8.) 1. —
— — im Reg.-Bez. Marien werder. (44 S.) — 80.
Viehstands-Lexikon f. d. Königr. Prenssen. Nachweisg. d. Viehstandes d. einzeln.
Gemeinden u. Gutsbezirke nach d. Aufnahme vom 10. Jan. 1883. 1. Hft.
Prov. Ostpreuss. Berlin. Statist. Bureau. (V, 149 8. Lex. 8.) 2.— 2. Hft.
Westpr. (V, 70 S.) 1.—
Voigt, G., Ueber die Lucretia-Fabel u. ihre literar. Verwandten. [Berichte üb. <L
Verhdlgn. d. k. sächs. Ges. d. Wiss. z. Leipz. S. 1—36.] Rec. [Dtsch. Litafe,
Nr. 21. 23.'
23.1
, oft« u,
Solttfalenber, oft« u, foeftpr,, auf b. 3. 1885 . . . Jt&Bba, Gattung. —75.
ßgO Mittheilungen and Anhang,
So(!*falen»er f. b. $rot>. Oftpr., SBeftpr., ... auf b. 3. 1885. 17. 3a&rg. 2Jcm
fiambecf. (68 «. 115 6.) —75.
«©IPSftfulfreunb, ber, brS«. t>. SRect. ©. SKülIer. 48. 3abrg. ÄaSba. 93on. (26 9lrn. 4.) 3.—
VottiMS. Dr. med. A., klinische Mittheilgn. (m. Taf. L Fig. 3.) FGraefe's Archiv f.
Ophthalmol. XXX. Jahrg. Abth. 8. S. 157—190.] Ein Fall von oeuritischer
Sehnervenatrophie mit eigenthQml. Anomalie der Venen anf der Papille bei-
derseits bei angeborn. Schadeldifformität und Epikrise [Elin. Monatshlätt.
für Angenheilk. 22. Jahrg. MaiJ Die entzündl. Affektionen der Orbita. [Sonder-
abdrücke d. Dtsch. Medizinal- Zeitg. 2l. Hft. (7 S. gr. 8.)] —20 Die heil-
sam. Wirkungen der Jequirity Ophthalmie. [Berl. klinische Wocbenschr. Nr. 17.]
»am, 31b., ftobertcb x>. 6tinBinvi. Jletroloa. [tirit. SBierteljabrSf**. f. (Sefefcaebfl. u-
9ie*t3». 9L g. »b. VII, 6. 161-180.]
Stall/ bte, im Oftpr. SanbnrirtMdj. Sentrafoeretn au 5lömfl$bera am 18. 2>ej. 1S83 u.
b. Äonferoattoen OftpreufeenS. ÄaSba.. Ditpr. 3tfl*brua*eret. (31 6. a.r. 8.)
»aleSrebe, 8., $onborf*$ SBa**3>cntinaI in Gifenacb. [jjfluftr. 3tfl. 83. 99b. Sir. 2155.]
Kleber, 31., Ontel Ottilie. flopeüe. [Äö$bfi- £artflf*e. 3»0- s-fa- 284—291.] SHarum
ber Pfarrer Stord) au« ferner feaut fubr. (Sine oftpr. ©efd>. Qfctfcb. 2ftonta*i*bL
Äasbß. Mflem. 3tfl. ^Rr. 296. tfiadjbr.) $Utpr. 3tfl. 296.] §Dic blonbe 9üifjtn-
SRopeüette. [$tfcb. 3Rontaa3bl. ftr. 7.1 Sein 2öeib. Dlopeflette. [Gbb. »r. 24.]
3unae ©>e. «Roüellette. [@bb. 9tr. 81.1
k ©et
»eil, iBern&., 2>aS fiebert 3efu. [3n 2 »benj 2. XufL 18 fifan. Serlin. £erfc.
(V1IL 556 ; IV, 630 6. ar. 8.) a 1.—
The life of Christ Translated by M. 0. Hope. VoL 3. 8° pp. 430. (Clark
Hamilton.) 10 sh. 6 $■
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Wefeebrodt, W., Griechische n. latein. Inschrift v. d. Untermosel. [Jahrbb. d. Ver-
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Zur lateinischen Epigraphik o. Grammatik. [Philologus 43. Bd. 8. 444 — 466l]
Weltaer, Pfr. Äug«» Musikalische Skizzen u. Studien; e. Beitrag z. Kultur- u. Musxk-
Seschichte. Hildburghausen. 1885 (84.) Gadow u. Sohn. (III, 176 8. &) 2.20.
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wendung für Volkskirchenkonzerte. [Halleluja. Organ f. d. geistl. Musik in
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Wermbter. H., Die Verfassg. f. d. Städte im Ordenslande Preussen, vornehm!, nach
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XIX. Jahrg. S. 317—351.1 Gesundheitspflege im Allgemeinen. . . . [Dtsch.
Vierteljahrsschrift f. öffenti. Gesundheitspflege. XVI. Bd. 8. 63-68.]
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»itfett, Grnfi, $ie »raut in Trauer. endWunß. Setpj. Meißner. (184 €. 8.) &-
Bon ber beutf*en 3torboft.2Rarl SÖier preufeif*e $iftorien. 1885 (84.) Gbb.
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Unit>erfal*»tbIiotbee. 3fr. 1850.] -20.
S)ie SBetenntniffe einer arm. Seele. Suftfp. in 1 SUifjug. (41 6. 16.) [JRedam'S
Untoerfal-SöibliotW. Str. 1885.] —20.
Sptoefterfpuf. Sin Sla^tftüd. [®att«ilaube 9fr. 52.] Zu RaaDschs hundert].
Geburtstage. [Das Mag. f. d. Litt. d. In- u. Auslandes. 53. Jahrg. Nr. 30.)
SRuttet unb Socbter. eine ltttauif*e ®ef4i4te. [Stfcb »unbfebau. iL Sar/tg.
1. $ft 6. 1—40.] 2>er ©ofrn feine* Sater«. [Ueber Sano u. SWeer. 26. Sa&tfl.
Sit. 82—39.] Bec. [Magas. f. d. Litt d. In- u. Auslds. Nr. 4J
ISiebemaittt, fianbeerat^ 91., Sie communale Serfaffg. u. SBermaltfl. b. $twinj Ofipr*
(kfUt 9laa)traa. Jtbnitfbfl. Wartung. (6. 255—369.)
Altpreussische Bibliographie 1884. ß81
Winicker, Fritz, (Graudenz), Stand der Lykurgischen Frage. (XVIII. Gynm-Ber.)
Graudenz. (S. 3—22. 4°.)
SBtnFtlmami, (Sb., ©efcfcicbte b. 2(naelfad)fen bis j. Sobe flöma. SlelfrebS. (III, 186 6. 8.)
[ftUflem. ©efdjidjte in Ginielbarfteüunaen . . . br*ß. t>. SBUb- Onden. 77. 2lbt&.
8erl. ©rote] Subfcript.^r. 3.—
Bischof Harduin von Cefalu u. 8. Prozess. Eine Episode a. d. Leben Kaiser
Friedrichs II. [Mitthlgn. d. Instituts f. Osten*. Geschieh tsforechg. I. Erg&nzgsbd.
S. 298—358.] Rec. [Götting. gel. Anzeigen Nr. 13. Dtsche L.-Z. Nr. 17.]
Wfeotzki, Dr. Emil, Die Classification der Meeresräume, e. Beitrag z. Gesch. d. Erd-
kunde. Progr. d. städt. Realgymn. (26 S. 4.) Stettin. Ostern 1883.
fRoitttma*anaetger, ßlbmaer, für 1884. ßlbina, 9Jteifcner. (104 6. or. 8.)
2Soif e, £Keä.s u. Scbulr., jroetmal 48 bibl. öiftorien f. eüana. (Slementarfcbulen. 63. 5IufU
sJReue neränb. u. netm. 93earbeita- £r$ß. u. fö. £nefrel. (IV, 176 S. 8.) —50.
54. 2lufl. Wit unoeranb. &u*a. 1885 (84.) (IV, 124 S. 8.) —35.
Wolf, Rudolf, Herder u. Karoline Flachsland. Gymn.-Progr.-Beil. Bartenstein, Kraemer.
(27 S. gr. 4.)
Wunderlich, Ose, Ober Wiedereinführung der Erbpacht. I.-D. Kgsbg. (Beyer.) Leipzig.
Fock. (74 S. gr. 8.) baar 1.20.
3abet, Quoen, fttterariiebe Streifte but* Dto&lanb. Berlin. 1885 (84). 5)eubner.
(V, 285 6. 8.) 3.50.
Rur ©efeb. ber re&olution. ©etoeaunaen in SRufelanb. [$ie Oeaenwart. Sb. XXV.
9Cr. 3.] Offenbar legte Oper. [@bb. 9lx. 13.1 g. 2H. $oftojera$ft. [<5bb. 9tr. 20.]
(öraf glbolf gm. p. Sdjenf. [$üeftermann« illuftr. btfdbe ÜJlonatebfte. 28. 3a&rß.
Januar, ob. 55. 6. 531—543.] ßenin 6*üdinß. (Sin littcrar. Porträt. [<Sbb.
Sluauft. 93b. 56. 6. 665-674.] (Sin beutfeber gotjeber u. (Srforftber b. Statten:
SBilbelm 6*ercr. [lieber fianb u. SJteer. 53. $b. 27. 3abra. 91t. lj $ortrat3
au« b. ruff. Siteratutleb. ffl. g. 3R. Softojentfti. [Unf. 3eit. 93b. II. 6. 332—46.]
<Dtoberne Siteratur. [3tf*rft. f. b. aebilbete äöelt. VI. )8b. 6. 303-808.] 3)rei
SBirtuofen. ßöuitr. 3t«. 82. 93b. 3Rr. 2122.] Slrma Sentrafc. [Gbb. 83. »b.
SRr. 2160.] Slnna ©rofier. [Gbb. 84. <Bb. 3for. 2167.] Bec. [«UUL f. litt. Unter*
Wt «Rr. 39. 40.]
3a$er, 3tertieruna.3'2lf[effor Dr., S)ie rotfce internationale. Serlin. £er&. (V, 193 6.
ar. 8.) 2.- 3. Siu?{. (V, 191 6. flr. 8.)
Zander, Prosector Dr. Eichard, Die frühest. Stadien der Nagelentwickelung u. ihre
Beziehungen zu den Digitalnerven. [Archiv f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1884.
S. 103—144 m. Taf. VI.] Neurologie. [Jahresberichte üb. d. Fortschritte d.
Anat. u. Physiol. XII. Bd. Lpzg. S. 175—230.]
Zeitschrift d. westpr. Geschichtsvereins. In zwanglosen Heften. Hft 11. Danzig.
(Bertling.) (106 S. gr. 8.) 1.50. Hft. 12. (VII, HOS.) 2.— Hft. 13.
(III, 112 S.) 1.50. (1-13: nn. 22.—)
Seitftfdft bes biftor. herein« f. b. Stea^e*. aJlarientoerbcr. £ft. 10—13. 3Rarien*
Werber. 6elbftoerl. (98; V, 293 ©. «r. 8.)
Seituttg, ÄQebfl. lanbs u. forfttüirtbfd). f. b. notböftl. 5)tfcb(b. £r$fl. Äreife. 20. ^abrg.
ÄaSbfl. Söe^cr in Gornm. (5*2 3Rrn. a V/t %. fol.) Vierte! j. 3.—
Zimmer, Lic Dr. Frdr., Epistelsprüche f. d. Kinder-Kirch enchor zu sonn- u. festt&el.
gottesdienstlich. Verwendung, . . • Hildburghausen. Gadow & Sohn. (VIII,
146 S. 8.) 1. -
SBünfcbe inbeauo. auf b. neue ©efanabueb. ßöSba.. [ßuan«. ©emeinbeblatt *Rr. 43.1
Eduard Greifs kleinere Kirchenkompositionen. [Halleluja. 5. Jahrg. Nr. 11.12.]
Introiten f. d. Pfingst- u. Trinitatiszeit [Ebd. 13.] Der erste Musikanten
rieht f. Kinder. [Ebd. 16.
b. neuteftamentlicben @reae
Zur Erwiderung. fEbd. 17.] Ueber 3iel u. 93detbobe
e. [@nang. Jiircben^tg. ÜRr. 3.]
Zippel, G., Rec, [Histor. Ztschrift. 15. Bd. S. 487—492.]
Zöppritz, Prof. Dr. Karl, Leitfaden der KartenentwurfBlehre. Für Studierende der
Erdkunde und deren Lehrer bearb. Mit Fig. im Text u. 1 lith. Tal Leipz.
Teubner. (VIII, 162 S. gr. 8.) 4.40.
Kaiser, Höhenmessungen. [Mittheilgn. d. afrikan. Gesellschaft IV, 2.] Mete-
orologische Beobachtgn. u. Höhenmessungen, berechnet Anhang zu: Josef
Menges, Ausflug in d. Somali-Land. [Petermanss Mitteilungen aus Just.
▲ltpr. MouAUfohrlft Bd. XXU. Hft. 7 a. S. 44
682 Mittheilangen und Anhang.
Perthes' geogr. Anstalt. 30. Bd. S. 411—412.] Die Wahl der Projektion
für Atlanten u. Handkarten. Ein Mahnwort an die Kartographen. (Hierzu
eine Karte, Taf. 1: Afrika 1: 40,000,000.) [Ztschrft d. Geselfech. f. Erd-
kunde zu Berlin. XIX. Bd. 6. 1—24.] Rec. [Verhau d lg n. d. Gesellsch. f.
Erdkunde zu Berlin. Bd. XI. Nr. 4 u. 5.]
8om, sJ$rof. Dr. $bil., 9teuc Eeiträfle jur fitbre uom SBunbeSftaat. [Hnnalen b. teil«
f*en Heim* 6. 453—483.] $er Staatsrat^ [$ie ©eaentoart. 26. »&. 6. 273—275.]
SRec. [Ärit. SBierteljabrsfdmft f. ©efefeöbfl. u. 9te*t$tuifienfa>. »b. VII. 6. 124— m
3)tf*e SttjtQ. 3tr. 7. 32. 36. 43.] •
Die Kant-Bibliographie des Jahres 1884
zusammengestellt von R. Belebe.
K&nt's, Imman., Kritik der reiuen Vernunft. Hrsg., ertönt, u. mit e. Lebensbeschreibg.
Kant's versehen von J. H. v. Kirchmann. 6. Aufl. (Kants sämmtL Werke.
I. Bd.) Heidelberg. Weiss' Verl. (VHI, 720 S. 8.) 2.40. geb. 3.10.
Critik of pure reason; second edition, translated, with notes and explanation
of terms, dj P. Haywood. (?)
— — Critique of Judgment by T. B. Veblen. [The Journal of speculai philosophj
Vol. XVHI. No. 3. July. p. 260—274.]
Gutachten. Geheimer Artikel zum ewigen Frieden. (Zweiter Zusatz zu seiner
f leichnamig. Schrift.} [Dr. F. Schmldt-Warneck, die Sociologie Fichte's. Berl.
'ottkammer & Mühlbrecht. Anhang. S. 205—208 gr. 8.]
Reflexionen Kants zur kritisch. Philosophie. Aus Kants handschriftl. Nachlass
hrsg. v. Benno Erdmann. II. Bd. Reflexionen Kants zur Kritik der reinen
Vernunft. Leipzig. Fues's Verl. (LV, 524 S. gr. 8.) 12.— (I, 1 u. II: 16.—)
Selbstanz. Vierteljahrsschrift f. wissensch, l*hilos. IX. Jahrg. 2. Hfl. S. 255 — 56*. —
Rec.: Nat.-Ztg. — G. Simmel in: Dt. L.-Z. 1885. Nr. 29.
Ein ungedrucktes Werk von Kant aus seinen letzten Lebensjahren. [Ueber-
gang von d. metaphys. Anfangsgrund, d. Naturw. zur Physik.] Als Hsc hrsg.
v. Rudolf Reicke. Fortsetzung. [Altpr. Monatschr. XXI. Bd. 8. 81 — 159.
309—387. 389—420. 533—620.]
lieber das nachgelassene Werk Kants. [Kgsbg. Hartungsche Ztg. v. 2. März 1884.
Nr. 53. 1. Beil. — Hamburg. Corresp. — Deutsch. Reichs- Anzeiger 51. — Theol.
Literaturbl. Nr. 11. — Protest. Kirchenztg. Nr. 14. — Max BtWtr, das nachgelassene
Kant-Msc. (Nebst: „Ein Blatt aus dem nachgelass. Kant-Manuscript." Facsimile nach
e. photogr. Aufnahme) in: Iüustr. Ztg. v. 2. Aug. 1884. Nr. 2144. & 120—122. —
P. tfErcole, un manoscriüo inedüo di E. Kant in; La FUosofia delle scuole Italiane.
Anno XVy Vol. XXIX. disp. II. Vgl. auch unten unter Qosub, Fischer u. Km*.
3wei ©ricfreliquien (ßampe au Äant d. d. ©raunfätoetfl b. 27. 3unt 94. Rani
an 6ampe d. d. ÄöniöSb. b. 16.3ul.94.) [Sof ftfcfce Rtq. ».2.00.1884. 9h. 461.
1. »eil. ÄßSbö. £artfl. 3tg. SRr. 233. «bb.*$lu$a.)J
Achelia, Tb. (Bremen), Bewusst und Unbewosst. [Philos. Monatshefte. XX. Bd.
S. 492—518.]
Ucb. b. SRaturto&üofopbie Der ©eßenroart. II. 3ur <5rlenntnifjtbeorie. [3eitfdbr. f.
$büof. u. pbtlof. Äritif. 84. «b. 6.41-78.] III. 3ur Gib«. [@bb. 6.193-214.]
Amador, La doctrina de Kant. [Revista contemporanea Novembre. Madrid.]
Balfour, Arthur James, Green's Mataphysics of Knowledge. [Mind. Nr. XXXHL
January. p. 73—92.]
»artf Ä. 2lbolf, bie ©runbprintföien ber Äantf*. ttfrS u. baS G&ttftenrum. SBiffenfdrftl.
9Beil.,j. $roar. b. (Stomn. ju Sorau. (28 6. 4.)
Beaussire, Emile, 1 indepenaance de la morale. [Revue philosophique. Tome XVHI.
p. 121—137.]
Benber, &, bie ©ubjtana als Sing an fub. ®n Seitraß *. reinen erkmttaifele&re.
[3tf*r. f. $bUof. u. tobUof. Sttit. 85. »>. 6. 257-292.1
Biedermann, Alois Em., christl. Dogmatik. I. Bd.: Der principielle TheiL 2., erw. Aufl.
Berl. Reimer. (XVI, 383 S. gr. 8.) 6.— rec. v. Kalla* in: Theol Lkztg. 1885. 9.
Kantbibliographie. Qg3
S3remiFet, £erm. (au8 SempUn), 3ur Sßerßleiefcunft ber Scbofeen&auerfcfcen mit b. Äantü
fcfren ßrfenntni&tbeorie. 3.=®. <&alle a. 6. (41 6. 8.)
Burger, D., Kant's Wijsbegeerte kortelijk vorklaard. Tweede verbeterde en vermeer-
derde uitgave. Araersfoort. A. M. Slothouwer. (20 S. 8.) f. 0,30.
Burman,eE. 0., om Kante kunskapslära. upsala. (92 S. gr. 8.) [Upsala Universitets-
Arsskrift 1884.]
Cantoni, Carlo, Emanuele Kant. Vol. III. La filosofia religiosa, la critica del giudizio,
e le dottrine minori. Milauo. Napoli. Pisa. Ulr. Hoepli. (436 S. 8.) L. 5. —
cf. Selbstbericht des Verf. in : Rendiconti del r. istituto Lombardo. Ser. II. Vol. X VII,
Jasc. XIII.
— — rec. Werner, Kant in Italien. [La Filosofia delle scuole Italiane. Vol. XXIX.
disp. 2.]
Kantiana. (Wallaco, Kant. Edinb. 1882; Weir, tbe critical philosopby of
Kant. Lond. 1881; Stirling, Text Book to Kant. Edinb. 1881. Werner,
Kant in Italien. Wien 1881.) [Cultura. Anno III. N. 12. (1. Juli 1884.)]
<Sa*9art, Otto, lieber Die (Inttbronutifl Der Wtofop&ie. [Die ©eflenmart. 5U&. XXV.
9tr. 15.] Ueb. Den ßnb^ed im 21U. [Gbb. *Rr. 30.]
Cesca, Dr. Giovanni, il nuovo realismo contemporaneo della teorica della conoscenza
in Germania ed Inghilterra. Studio critico. Verona, 1883. Drucker & Tcdeschi.
Storia e dottrina del Criticismo. Cenni. Padova. Verona. Drucker e Tedeschi.
(VIII, 260 S. 8.) L. 4. Selbstanz. in: Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. VIII. Jahrg.
S. 500. o— in: Dtsche Littztg. 1885. Nr. 1. — Bemard Pens in: Revue philos.
T. XX. Nr. 7. — Com. Hermann in: Zeilschr. f. PhU. u. philos. Eni. 87. Bd.
S. 93—94.
Chiappelli, Alessandro, Sul carattere formale del prineipio etico. Verona. Padova.
Drucker e Tedeschi. (34 S. 4.) rec. v. C. S.[chaarschmidtJ in: Fhüos. Monatshefte.
XXI. Bd. S. 417—418.
klaffen. 21. ($ainburp,), $aä roieberaufaefunbene Söerf Qmm. j?ant$. [3)ie ©renjboten.
5fr. 18. ob. I. 6. 218—221.] ©oetbe* naturttnffenfcbaftL Scbriften. (Goethes
Verhältnis zu Kant wird besond. berücksichtigt.) [@bb. Mr. 24. 93b. II. 6. 544—52.]
(£ine Uebeifefcunfl t>on ©OetM Sauft. (Besprechung e. demnäcJist bei Westermann
in Braunschweig erscheinenden (aber bis jetzt nicht erschienenen) anonym. Werks u. d. T.
„Sphinx locuta est", wonach Goethe durch den Einfluss Kants bestimmt u. sein Faust durch
die KriL d. r. V. zu erklären ist.) HSbb. 3ßr. 31—32. *öb. III. 6. 220—32. 267—75.]
Dewey, J., Kant and philosophic metbod. [The Journ. of spec. philos. Vol. XVIII. 2.J
Dieterich, Prof. Dr. Konr., die Kant1« che Philosophie in ihr. inneren Entwicklungs-
geschichte. I. Theil. Naturphilosophie u. Metaphysik. [2. (Tit.-) Ausg. von:
Kant u. Newton.] Freiburg i.Br. 1885(84). (X, 294 S. gr.8.) 3.50. — IL TU.
Psychologie u. Ethik. [2. (Tit.-) Ausg. von: Kant u. Rousseau.] (VI, 200 S.) 2.—
DominiciSy D.f Emanuele Kant per Carlo Cantoni. [Rivista di filosofia scientifica.
Giugno-Luglio.]
©re$er, Dr. @uflen, baS SBöefcn u. bic »ebeutunfl bcS efepticiSmitf. [3tfc6r. f. $&itof.
u. pbiloi. Ärit. 84. 23b. 6. 249-62.]
Drobi8Ch, M. W., Kant's Dinge au sich u. sein Erfahrungsbegriff. Eine üntersuchg.
Hamburg u. Leipzig. Leop. Voss. 1885 (84). (V, 53 S. gr. 8.) 2.— rec. von
K. Lasswitz in: Dtsche Litztg. 1885. Nr. 16. — v.[on] Sch.[ubert] S.[old$rnJ in: Lü.
Centralbl 1885. Nr. 23. — Mind. Nr. XXXVIII.
£u&0f, Dr. 3uliu*, ©eoen ben 6irom. ©efammclte 2Iuffäfce. 2. ($tt.r) 3lufL £anu
burfl. (1877) 1883. ©rüntnfl. (344 6. 8.) 6.— Ä 187—226: Wider die Grund-
anschauungen des philosophisch. Idealismus.
Du Bois-Reymond, Emil, üb. d. Grenzen des Naturerkennens. Die sieben Welträthsel.
2 Vorträge. Des lsten Vortr. 6., des 2ten Vortr. 2. Aufl. Leipzig. Veit & Co.
(111 S. gr. 8.) 2.-
Dunan, Charles, Essai sur les formes a priori de la sensibilite*. These. Paris. Germer
Baihiere et C'"- (227 S. gr.8.) angez. in: Mind. Nr. XXXVI. — Alexis Btxtnnd
in: Revue philos. T. XVIII. p. 469—75.
Engelmann, Max, Kritik der Kant'schen Lehre vom Ding an sich u. ihrer Praemissen
vom Standpunkt der heutigen Wissenschaft L-D. Halle. (Leipzig. Fock.)
(40 S. gr. 8.) baar 1.20.
44*
684 Mittheilungen und Anhang.
Erdmann, 6., Mittheilungen über Kaufs metaphysischen Standpunkt in der Zeit am
1774. [Philo*. Monatshefte. XX. Bd. S. 65—97.]
— — Tee. C. v. Nägeli, mechanisch physiolog. Theorie der Abstammungslehre . . .
München 1884. [Götting. gel. Anz. Nr. 14. S. 540— 557.] rec. Aug. Stadler,
Kants Theorie der Materie. Leipzig 1883. [Dtsche LZ. 1884. Nr. 48.]
Faye, Sur un theoreme de Kant relatit ä la Mecanique Celeste. [Comptes rendos
hebdomadaires des seances de l'Academie des sciences. T. XCVI1I. Nr. 16.
p. 948- 61. 4°.]
gfefcet, Garl 2lufl., *BbdofopMf*e Seitbeflriffe. Sfibinflpn. Saupp. (X, 296 6. ar. 8.) 4.-
rec. von L Weiss in: Philo*. Monatshefte. XX. Bd. S. 616—19. — Rad. Ltimeu
in: Dtsche LZ. 1884. Nr. 46. — v./onj Sekfubert/ Z.foldern] in: Liter. Centralbl.
1885. Nr. 1. — Die Grensboten. 1884. Nr. 46.
flftföer. Äuno, ©efdjidjtc ber neuern ^bilofopbie. 5. 93t). a. u. b. X.: 3- ©. Siebte u.
(eine ißorflänaer. 2. uerm. 11. remb. 2lufl. 9Ründ)en. ©afjermann. (XXVIII,
840 6. flr. 8.) 16.50.
L R. Äuno gifcberS 3)arftefluna be$ äSernunftfoftemS auf ber ©lunblage ber Sets
nunftfritit. [«eil. 3. 9Rün*encr SUlfl. 3Uv 1884. «Rr. 46.]
$aä 6treber* u. ©rünbertfcum in bet Literatur. 2$abemecum für fern, ^M'tor
Äraufe in ©amtura. [«eil. g. SRüncbener SlUa. 3t(V ^r. 148. 149. 6. 2169-72.
2185—87.] cf. Entgegnung von Dr. Albneht Knast. Ebd. Nr. 170. BeiL Replik
von KüttO Flschtr. Ebd. 172. Beil.
©urdiflefeb. u. erweitert. Slbbrud unt. bemf. Sit. 6tuttaart. Gorta'fdbe 8ud*bla.
(63 6. 8.) 1.— cf. Magaz. f. d. Litt. d. In- u. Auslas. 1884. Nr. 36. - Prof.
Dr. Schaidtl- Darmstadt, der neueste Streit üb. das nDing an sich" in: Dtsch. Litte-
raturbl. 7. Jahrg. Nr. 12. — Fuqualt tfEttOli, Kuno Fischer e il manascritto inedko
di Kant in: La fibsofia dette scuole Italiane. Vol. XXXI. disp. 1.
F(lügel), O(tto), rec. W. Wohlrabe, Kant's Lehre vom Gewissen, hist.-krit dargest
Gotha 1880. u. üb. Gewissen u. Gewissensbildung. Ebd. 1883. [Ztachr. f.
exakte Philos. XIII. Bd. S. 334—336.]
Fouillfa, Alfr., La Liberte et le de'terminisme. Deuxieme edit. entierement refondue
et tres augmentäe. Paris. Germer Bailiiere et Cie- (VIII, 367 S. gr. 8.) 7 fr. 50 c
rec. v. T. WhUtiket in: Mind. Nr. XXXIX. p. 448—51.
Srranfe, 3pbanneS, Utb. i'ohe'ä Cefore von ber ^bänomenalitAt beS Raumes, ^aflenfer
3.3). Erfurt. (M 6. or. 8.) (Ceipjifl, Scrf.) baar n. 1.20.
Fullerton, G. 8., the mathematical antinomies and their Solution. [The Journal of
specul. philosopby. Vol. XVILI. Nr. I.]
(SaStoife, #., bie Sranscenbentaiübilojopbie u. bie Qtyxl [3«tf(ir. f. $büof. u. pbilof.
ftrit. 85. $b. 6. 92—125]
Gerber, Gust., die Sprache u. das Erkennen. Berlin. Gärtner. (IV, 336 6. gr. 8.) 8.—
rec. v. Georg Slmmil in: Dtsche LZ. 1885. Nr. 8. — Mind. Nr. XXX VW.
©ßtiiTft, $uae, äuno gifcberS Kant. [$ie ©eflenroart. $0. XXVI. Sir. 33.]
Gottschick, J.t Kec. üb. Sommer, Hugo, üb. d. Wesen u. die Bedeute, d. mensch).
Freiheit u. deren moderne Widersacher. Berlin 1882. u. die Neugestaltung
unserer Weltansicht durch d. Erkenntniss der Idealität d. Baumes u. d. Zeit.
Berlin 1882. [Theoi. Literaturztg. 1884. Nr. 6.] Bec. üb. Pfleiderer, Otto,
Religionsphilosophie auf geschichtl. Grundlage. 2. Aufl. 1. Bd. Berlin 1883.
(Ebd. No. 24.]
Gorsoh, Herrn., Kants Lehre vom Ideal der rein. Vernunft. I.-D. Halle. (44 S. S.)
©wtberlet, Dr. Gonftanttn, ftaturp&ilotopbie. ffltonftar." 3*eifftnAfcbe Sucht. (X, 176 6.
ftr. 8.) 2.40.
Haberland, Maximil., Wie unterscheid, sich d. Methode der Mathematik von der der
Philosophie ? Wissenscbaftl. Beil. z. Progr. d. Rcalsch. Neustrelitz. (24 S. 4.)
(Jacoby.) —80.
Startmann, dfouarb d., ßant aU SSeßrünber ber mobernen Sleftbetif. [Siorb u. 6üb.
30. SBb. 6. 304—328.]
Hedge, F. H., Atheism in philosopby, and other Essays. Boston.
Heller, Prof. Aug. (in Budapest), Geschichte der Physik von Aristoteles bis auf die
neueste Zeit. 2 Bde. Bd. II: Von Descartes bis Robert Mayr. Statte. Enke.
(XV, 753 S. gr. 8.) 18.— Ä 428—441: Kant,
Kantbibliographie. 685
^ermann, tfonrab, neuere fcbilof. Literatur. (ShVc. üb. Sllbr.Äraufe, 3mm.Äant mibet
äuno Sifdjer. tfabr 1884. ftranj Staubinaet, 9teumena. a)armftabt 1884.
2iuft. fctabler, Jtant« Sbeorie Der Materie. Seitojia 1883. <S. tfaft, b. realift.
u. b. ibealift. ©elfanfifcaiwnfl. fieipjiß 1884. Silman $ef(b, bie fitofeen SBelf*
rätbfel. 2. v«öb. greibo. i. $r. 1884. u. a.) [»lätt. f. liter. Unterbaltunfl. 9ftr.33.]
Heymans, 6. (Leiden), Zurechnung u. Vergeltung. Eine psycholog.-ethische Unter-
suchung. 2. u. 3. Artikel. [Vierteljahrsschr. f. wisse nach. Philofi. YI1L Jahrg.
S. 95-111. 193—220.]
HUI, W., Kant's system of pbilosopby. [The American Qnarterly Review. Jan.]
Hodgson, Snadworth H., tbe metapbysical metbod in pbilosopby. [Mind. No. XXXIII.
p. 48—72.]
Hourison, G. H., Umriss von vier Vorträgen über Hume und Kant (Gehalten im
Juli 1883, am philos. Institut zn Concord, Mass.) 2ter, venu. Abdr. San
Francisco. Druck von Eosenthai u. Rösth. 1884. Dasselbe m englischer Heber-
Setzung in: Journal of speculatiue philos. Jan. 1885. S. 85—89.
3o&n, Obert. Dr., bie 6ubjettimtät be$ iHaumeS u. bie Slriome ber Geometrie. (ffiiffen*
fcbaftl. 2lb&bfa. j. 17. $roar. b. ftäbr. ©nmn.) $ramburfl. (20 6. 4.)
Jahn, Dr. Max (Leipz.), der Einfluss d. Kantischen Psychologie auf die Pädagogik
als Wissenschaft. [Neue Jahrbb. f. Philol. u. Fädag. 130. Bd. S. 404—27.
492—514.] Separatabdr. Leipzig. Frohberg 1885. (47 S. gr. 8.) 1.20.
Jafa, l'unita sintetica Kantiana e Tesigenza positivista. [Giornale Napoletano di fllo-
sophia e lettere, scienze morali e politisbe No. 28.]
Imbriani, Vittorio, £picedii del Kant Napoli XXX Gingno M. DCCC. LXXX1V.
(1 genitori di Paolo Emilio ii Inibnani distribuendo questo opnacoletto ad
amici e conoscenti commemorano il quarto anniversario della nascita del fig-
liuolo perduto abime il XXVI Ottobre M. DCCC. LXXXI.) (16 8. gr. 8.)
Esemplari cento fuori commercio.
3fenrro.be, $farr. G. $t).. 3um Problem be3 fmnf. ßrtennenS. [$beoL Qu<rrtalf*rift.
66. 3abr«. 6. 356—80.]
Katzer, Dr., rec. C. J. Jeppel, Kant's ontolog. Beweisversuche für d. Dasein Gottes.
Halle 1883. [Ztschr. f. exakte Pbilos. Bd. XIII. S. 329-333.]
.fteferjrein, Dr. §an$, ftoeb einmal bie „Söiberleßuna, be8 QbealiSmuS" in ber 2. 5lu*fl.
x>. JRfantg Ärit. b. r. SBft. [3tjcbr. f. $bilof. u. vbtlof. Ml 84. ©b. 6. 281—90.]
Kirchner, Frdr. (Berlin) rec. 0. Ca 8 pari, Herrn. Lotze in seiner Stellung zu der
durch Kant begiünd. neuest Gesch. d. Philos. Bresl. 1883. [Pbilos. Monats-
hefte. XX. Bd. S. 436—38.]
Koeber, Dr., Raphael, das philosophische System Eduard v. Hartmann's. Breslau.
Koebner. (X, 402 S. gr. 8.) 9.—
Koenig, Dr. Edmund (Dresden), Einige Gedanken für Kant's Aesthetik gegen Empiris-
mus u. Realismus. [Philos. Monatshefte. XX. Bd. 8, 233— 50. J
Ueb. b. 25ea,tiff ber Cbieftimtät bei Söolf u. ßambert mit ©egiebunfl auf Äant.
[3tfcbr. f. ^bilof. u. pbüof. flritif. 85. Üto. 6. 292—313.]
Krause, Albrecht, Immanuel Kant wider Kuno Fischer zum ersten Male mit Hülfe
des verloren gewesenen Kantischen Hauptwerkes: Vom Uebergang von der
Metaphysik zur Physik vertheidigt. Eine Ergänzung der Populären Darstellung
der Kritik der reinen Vernunft in d;r Lehre vom Gegenstand und Ding an
sich. Lahr. Schauen bürg. (XI, 128 S. gr. 8.) 3. — Vgl. Conr. Stmau in:
Bläu. f. liter. UnthaUg. 1884. 33. u. Theol Lüblatt. 22.— „Ein Streu um das Ding
an sich'4 in: Neue Evangel. Kirchenztg. Nr. 38. — v. Seh. S. «i; Lit. CentralbL 52.
Kreyenbflhl, J., rec. Adolf B olliger, Anti-Kant I. Bd. Basel 1882. [Philos. Monats-
hefte. XX. Bd. S. 128—134.]
Kuttner, Dr. Otto, Kantianismus und Realismus. [Jahrbücher f. potest Theologie.
X. Bd. 8. 353-367.1
Laaa, Ernst Idealismus und Positivismus. Eine kritische Auseinandersetzung. 3. Theil:
Idealistische u. positivistische Erkenntnisstheorie. Berlin. Weidmann. (IV, 704 S.
ZT. 8.) 16.— rec. v. Rithl in: Dtsche L-Z. 1885. Nr. 14.
Einige Bemerkungen zur Transcendentalphilosophie. [Strassburger Abhandlgn.
zur Philos. Eduard Zeller zn sm. 70. Geburtstage. Freiburg i. B. n. Tübing.
Akad. Verlagsbuchh. v. J. C. B. Mohr. S. 61—84. gr. &] rec. v. Rad. Actos
m: Dtsche. L-Z. 47. C. S.[chaarschmidtJ in: Philos. Monatshefte XXII, 178—79.
686 Mittheiloagen und Anhang.
I, Ernst, Ueb. teleologischen Kriticismus (geg. Windelband's „Präludien"). [Vlertel-
Jahrsschr. f. wiss. Philos. VIII. Jahrg. 5. 1—17,]
Soft, (f., feie realift. u. feie ifeealift. Söeltanfdjaunna, entroidelt an Aantö 3beaUiat res
Seit u. JKaum. 3LRit fe. $ortr. feer SBerf. in Sicbtbr. fieiptfu. ©rieben. (XX11I,
259 6. 8.) 5.— rer. v. fe*. fftoju in: DtorAe. £-£. /S6'4. 40. — CA. WfctA in:
Blatt, f. d. Bmfer. Gymnasialwcs. 20. Bd. 10. Hfl. — Cont. Bssmaan in: BlätL f.
IÜ. ünth. 33. Mind. Nr. XXXVII. — Dr. Baas JEraafer in: Ztschr. f. Phil. «.
philos. Krü. 87. Bd. S. 111—13.
Lehmann, Rudolf (Berlin), Ueb. die psycholog. Grundanschauung der Kantischen Kate-
gorienlehre. [Philos. Monatshfte. XX. Bd. S. 98—120.]
LesbazeillM, Paul, Le fondement dn savoir. These. Paris. Leop. Cerfc 1883.
(-41 S. gr. 8.)
Ltvy-Bruhl, L., V idle de responsabilite'. Paris Hachette et Cie. (XV, 251 S. gr. 8.)
rec. v. TL Wtbtr in: Dtsche. L-Z. 1885. Nr. 26.
Steftmamt, Otto, feie ftlimar feer äfcorieen. 6inc Unterfudmn« au£ feem Bernd) feer
aUaem. äöifienfd>aftSlebre. Slrafeburfl. Srübner. (X, 113 6. gr. &) 2.50. rw.
v. C 3(chaarschmidt) in: Philos. Monotshfle. XXI. Bd. S. 176—78.
Mac Gosh, James, a criticUm of the critical philosophy. New-York. Ch. Scribner s
Sons. (60 p. 12°.) rec. v. Fi. fnlbtttt in: Revue philos. T. XIX. p. 699— 7 OL —
Mind. Nr. XXXIX.
Mamianl, T., £. Kant per C. Cantoni. [La fiiosofia delle scnole Italiane Vol. XXX. disp. 2.]
Marfcull, Oberl. G., Ueb. Glauben u. Wissen, im Anschluss an Kants „Kritik der
reinen Vernunft". [Progr. Nr. 8. des Kgl. Gvmn.] Danzig. (16 8. ct. 4.)
Masaryk, Prof. Dr. Thomas Garrigue (Prag), David Hume's Skepsis und die Wahr-
scheinlichkeitsrechnung. Ein Beitrag zur Gesch. der Logik u. Philosophie.
Wien. Konegen. (16 8. gr. 8.) — £0.
Mchaglls, Dr. C. Tb., über Kants Zahlbegriff. (Progr. d. Charlotten-Schale.) Berlin.
Gärtner. (18 S. gr. 4.) 1.—
flRi^altfn, Dr. Otto, flanfä tfritif feer reinen Vernunft u. $erber« 3Metatritit. [3efc
fdjiift f. $Wof. u. pbilof. Jtittif. 84.33b. 6.1-41. 161-193. 85. Bfe. 6.1-29.]
Als Fortsetzung der in der Kont-Bibliogr. für 1883 erwähnten Inaug.-Diss.
Vtffcfter, ©nmnaftaUebr. Dr., Hfpdjoloajfcfee fragen. Seit. $. $ro&r. fe. ©pnuu Bu 6ee-
bauten t. 21. 6tenfea(. (25 6. 4.)
Montgomery, Edmund, the objeet of Knowledge. [Mind. Nr. XXXV. p. 349—383.]
Wfina, 6iamunfe (ffiien), 3ur pbüof. Literatur. (2Rit Bej. auf 3eüer, üb, Begriff n.
Beartnfeuna feer fittl. ©efefce. Berl. 1883.) [Müncb. »üa, 3tß. 5lr. 10Q.J
Ncuber, G jmnasiallehr., Kants transscendentale Ideen. I. Ihre erkenntnisstheoret. Ab-
leitung. [Jahresber. d. kgl. Gymn.] Essen. (8. 3—25. 4.)
ftpirt, Subtoia, »pfrortemen jur momjtifd). Wofopfcie. 2. (£it.O HuSfl. 3Rain$ (1877)
». 3abern. (XVIII, 132 6. 8.) 2.50.
(ftnleituna, u. Beßrfinfea.. einer monifrifd?. @rfcnntnijj*3$eorie. 2. (Sit.*) $u*a.
(Sbfe. (1877.) (XVI, 247 6. ar- 8.) 5.—
Penzig, Dr. Rudolf, Ein Wort vom Glauben an seine Verfechter und Verächter.
Kassel, Tb. Fischer. (XII, 320 S. 8.) 3.— s. besond. S. 167 ff. 192 ff.
Petch, Tilman, die grossen Welträthsel. Philosophie der Natur ... 2. Bd. Natur-
philosoph. Weltauffassung. Preiburg i. Br. (XI, 599 S. gr. 8.) 8.— (cplt. 20.-)
rec. Lü. Centralbl. 1884. Nr. 48.
Vfaff, $rof. Dr. ftrfer., feie (Sntroidluna, feer Söelt auf atomiftifeber ©runblaflc (ün
Beitraa. 3. ®?arafteriftit beS SDtateriali«niu«. ^eifeelber« 1883. SBiwtcr. (X, 241 3.
ar. 8.) 5. - rec. v. 0. Flipl in: Ztschr. f. exakte PhiL XIII. Bd. S. 431— tt-
VfWbercr, qjrof. Otto, SHelifliongpfeilofonbie auf flefcbidjtl. ©ntnfelaße. *. ilufl. 2. #t>.
a. u. fe. £: ©enetifcb^fpeEulatine 9ieligiondpbiloiop^ie. Berlin. 9teimer. (VIII,
676 6. ar. 8.) 9.— (cplt.: 18.—)
PlflMCher, O(lga), der Pessimismus in Vergangenheit n. Gegenwart. Geschichtliches
u. Kritisches. Heidelberg. Weiss. (XII, 355 S. gr. 8.) 7.20.
Vreffettfe, ©fem. p., feie Urfprflna.e. 3"^ ®efa>. u. flöfunß fee« Problem« feer erfennt.
nid, feer Jtotmoloriie, feer 51ntl?ropoIoflte u. fe. Ursprung* feer IDtoral, u. fe. $U\u
aion. Hutorirtrte fetfAe. ^uög. n. 6feuarfe gabariud. fealle a. fe. 6. $feffer.
(XX, 446 6. ttr. 8.) 6.75. rec. v. C S.[chaar8chmidtJ in: Philos. Monotshfle. XXI. B<L
S. 396-402.
Rantbibliographie. 687
Proach, die Pädagogik Kants. [Ztschr. f. d. Realschalwes. IX. Jahrg. 2. HftJ
Renouvier, 1' immortalite' conditionnelle au point de yue da par criticisme. [Criti-
que philosophiqae XIII. anne'e. Nr. 4. p. 49 — 60.1 Esquisse d'une Classifica-
tion systematique des doctrines pbilosophiques. [Supplement trimestriel de
la critique philos. La Critique religieuse. 6. annee. p. 63—%. 154—208.
252—304. 358-416. 7. anne'e. p. 51—96. 140—208. 237—304. 363—434.]
Riedel, Otto, die monadologischen Bestimmungen in Kants Lehre vom Ding an sich.
I.-D. Hamburg. Voss in Comm. (46 S. gr. 8.) 1.— rec. v. S. VoJhlagtr in:
Vierteljahrsschr. f. wiss. Philos. IX. Jahrg. S. 128—29.
9tofenfrrin, 21., 3ur $opulartfirunfl ÄantS. [2)ie ©eßenroart. 25. 98b. 9lt. 17.]
Rosmihl-Serbatl, Antonio, the Origin of Ideas. Trans! ated from the fifth Italian edit.
of the Nuovo Saggio sull1 origine delle idee. Vol. III. London: Kegan Paul,
Trench. (XVI, 442 S.) rec. v. J. Bum+Gibson in: Mind. Nr. XXXYIII.
Schaarechmidt, C, Zur Widerlegung des Determinismus. [Philos. Mouafehfte. XX. Bd.
S. 193—218.]
Ueber die Möglichkeit der Metaphysik (m. Bezug auf Volkelt's Antrittsrede.)
[Ebd. S. 398-407.]
rec. Kr oman, Dr. K., unsere Naturerkenntniss. Kopenhagen 1883. [Ebd.
S. 256—262.] rec. S eth, Andr., the derelopment from Kant to Hegel. Lond. 1882.
[Ebd. S. 412-14.]
Schiffer, Ludw., der Baum. Studie zu einer kineto-monistisch. Weltanschauung.
Wien. Konegen in Comm. (16. S. gr. 8.) —60.
Schlesinger, Prof. Josef (Wien), substantielle Wesenheit des Baumes und der Kraft
Motive für d. nothw. TJmgestaltg. der gegenwärt, zur wissenschaftl. Erklärung
der Naturerscheinungen dienenden Grundlagen. Wien 1885 (84). Holder in
Comm. (VIII, 52 S. gr. 8.) 1.20.
Schoel, Dr. Alb. (Prof. an der Kantonsschule in St. Gallen), Joh. Friedr. Herbart's
philosophische Lehre von der Beligion quellenmassig dargestellt; e. Beitrag
zur Beantwortung der religiösen Frage der Gegenwart. Dresden. Bleyl & Kaem-
raerer. (V, 254 S. gr. 8.) 5.—
Schubert-Soldern, Dr. Rieh, v., Grundlagen einer Erkenntnisstheorie. Leipz. Fues.
(IV, 349 S. gr. 8.) 7.20. Selbslam. m; Vierteljschr. f. wiss. Phil. IX. Jahrg.
S. 130-31. — Mind. Nr. XXXVUI.
Sidgwiok, Prof. Henry, the methods of ethics. 3. edit London Macmillan & Co.
(XXX, 505 S. gr. 8.) rec. v. ff. r. Güjtkt in: Vierteljschr. IX, 104— 1Z
Siebeck, H., Ueb. d. Verhältnis Ton Naturgesetz u. Sittengesetz (Akadem. Antritts-
vorlegg.) [Philos. Monatshfte. XX. Bd. S. 321—341.]
Ctommer, dugo, ©eroiffen u. mobeme Kultur. Berlin. Weimer. (IV, 143 6. dt. 8.) 3.—
Spir, A., gesammelte Schriften. Lfg. 3—16. Leipz. Findel. (1. Bd. XII, 161—416.
2. Bd. 322 S. 3. Bd. VI, 285 S. 4. Bd. IX, 226 S. gr. 8.) ä 1.—
Staudinger, Dr. Franz, Noumena. Die „transcendentalen" Grundgedanken und die
„Widerlegung des Idealismus". Darmstadt. Brill. (VIII, 144 8. gr. 8.) 4.—
rec. v. v.fonj SeL[ubertJ S.foldern] in: Lit. Centralbl. 1884. Nr. 32. M. lau in: Dt.
L-Z. 36. J. WiUt in: Philos. Monhfle. XX, 609—16. Com. ffemau in: Bläu. f.
liier. Unthltg. 33.— Thilo in: Ztschr.f. exaete Philos. XIII. Bd. S. 429— 31. Theol.
LitblaU. 1885. 9. Selbstanz. in Vierteljschr. f. wiss. Phü. VIII, 120.
rec. Neudecker, Geo., das Grandproblem d. Erkenntnistheorie. Nördlingen
1881. [Vierteljahrsschr. f. wissensch. Plplps. VIL Jahrg. S. 233—237.]
Stern, Dr. Albert, Ueber die Beziehungen Chr. irve's zu Kant nebst mehreren bis-
her ungedruckt. Briefen Kaufs, Feder's und Ganre's. Leipzig. Denicke's
Verl. (4 BL, 98 S. gr. 8.) 2.— rec. v. Com. Bouuuu in: Theol. LitblaU. Nr. 25.—
Die Grenzboten Nr. 35. — T.fonJ ScLfubertJ S.foldernJ in: Lit. Centralbl Nr. 43. —
C S.[chaarschmidl] in: Philos. Monatshefte XXI, 501—2. — J. Rthmki in: Dt.
L-Z. 44. — Schaidil in: Dtsch. LitblaU 41.
Stlrllng, Dr. J. Hutchinson, Kant has n o t answered Hume. [Mind. Vol. IX. p. 531—547.
X. p. 45—72.]
Stöhr, Ad£, Analyse der reinen Naturwissenschaft Kaufs. Wien. Toeplitz & Deu-
ticke. (VH, 71 S. gr. 8.) 1.60.
Stokes, George J., Going back to Kant [Mind. Vol. IX. p. 274—281.]
ggg Mittheirangen und Anhang.
Stuten, fierm., $>arfteüung u. flritif ber ©runbfäfce be* äRatmaltemuS. ©n Skitrao
gur 5k»abiö. u. (Srneueruna b. btfcb. ©eifteälebcn*. Samba. SeippeL (55 c.
flt. 8.) —75. rec. v. Max Rtlxhlt in: Theol. L-Z. 1885. Nr. 23.
TUMTY. Paul, Theorie de la conoaissance matheinatique. [iitevue philosophique.
T. XVIL p. 429-448.]
Thilo, Chr. A., Einige Beitrage zur Prüfung der theoretisch. Ansichten Kants.
gitschr. f. exakte Philos. Bd. XIH, ö. 245—75. 337—73.]
ec. üb. Vai binger, Kommentar z. Kaufs Krit. d. r. V. Bd. I. Stuttgart
1882. Paulsen, Versuch e. Entwickl^sgesch. d. Kantisch. Erkenntnistheorie.
Leipz. 1875. Biehl, d. philos. Kriticism. u. seine Bedeutg. f. d. posit Wi*-
sensch. I. Bd. Leipz. 1876. Cohen, Kaufs Begrün dg. der Ethik. Berl. IST 7.
[Ebd. S. 78—103.]
Tullooh, J., Modern theories in philosophy and religion. Edinburgh. Enthält u. u.:
Back to Kant; or Jmm. Kant and the Kaution revival.
Valhlnger, H., Zu Kants Widerlegung des Idealismus. fStrassbnrger Abhandlungta
zur Philosophie. Eduard Zeller zu seinem 70. Geburtstage. Freiburg i. B.
U. Tübingen. Mohr. S. 85 — 164.] rec. v. Ä. r. Lsdair in: Vierteljahrsschrijl f.
wies. PhU. IX, 123—26. Rüd. Eucktn in: Dtsche. L-Z. 1884. Nr. 47. Casaut ,V
Kosmos 1884. S. 148—154. Kim in: Schwab. Merkur 1884. Nr. 195 (ßJL
Vom der Wljk, de Tijdspiegel 1884.
Veyder Malbarg, Arthur Freihr. von, Ueb. die Einheit aller Kraft Eine Abhandig.
Wien. Selbstverl. (VI, 129 S. gr. 8.) 3.—
Botfeit, Dr. Äarl, b. Problem Dom Urfpruna. b. Vernunft u. feine Söfunfr (SRit Sfcnu
auf 91oire\ bie Sefcre flaut« u. b. Urfpruna b. SBermmft. 2Wainj 1882. [Wtüm
Mfl. 3ta. «eil. )u SRr. 303 u. 304.]
Volkelt, Johannes, üb. die Möglichkeit der Metaphysik. Antrittsrede, geh. sn Basel
am 23. Okt. 1883. Hamburg. Voss. (10 S. gr. 8.) 1.—
(Sin SBetompfev be* Gmpirtömuä. (2Jüt SBejuß auf Otto ßtebmann, bie JUimai
ber 3*eoriett. 6tra6b«. 1884. [$ie (Seoentoart. 93b. XXVI. 6. 71—73.1
Wijok, van der, de levensloop van een iersch denker (üb. d. Verhältniss Ton Berke-
ley zu Kant) im „Tijdspiegel" 1884.
WlmtollMUid, W. (Strassburg i. E.), Ueb. den teleologischen Kriticismus. Zur Abwehr
(geg. Prof. Laas' Gegenbemerkgn. zu Windelband's Präludien). [Philos. Mo-
natshefte. XX. Bd. 3. 161-69.]
Beitrage zur Lehre vom negativen Urtheil. fStrassburger Abhandlungen iur
Philos. Ed. Zeller zu sm. 70. Geburtstage. Freiburg i. Br. u. Tübing. Mohr.
8. 165—195.] rec. v. BtdUtr in: Philos. Monatshefte XXI, 435 ff.
fBittt, $rof. Dr. 3., ber ©efammtdjaratter üon Jtant h fiefore im Siebte t)on Äunc
tifdjet'3 neufter flritit betfelben. [3eitf*r. f. Wlof. u. rtilof. Äririt. 84. 3fc
>. 291—311.]
S&ottftfy, flaut unb baS ^rineip ber gr&altottß ber Arbeit. [$reujiif*e Sa&rMaVr.
52. SBb. 1883. 6. 513-514.1
Zeller, Eduard, Vorträge u. Abhandlungen. 3. Sammig. Leipzig. Fues. (VII, 285 S.
gr. 8.) 6.— Enth. S. 156—188: Ueb. das Kantische Moralprincip und den
Gegensatz formaler u. materialer Moralprincipien. — 189 — 224: Ueb. Betriff
u. Begründung der sittlich. Gesetze, vgl. oben unter Jttaz. — 225 — 285: Leb.
die Gründe unseres Glaubens an die Realität der Aussen weit.
ZtawermaJin, Bob., üb. Hume's empirische ßegründg. d. Moral. [Aus: „Sitiungsber.
d. k. Akad. d. Wiss."] Wien. Gerolde Sohn in Comm. (96 S. Lex.-a) 1-5&
(Sine neue äöenbuno. be* 9ieotantiam£mu$. |2)eutfd>e Bleöue üb. b. gefanuntc
nationale Seben b. ©an>. IX. 3afcra_. £ft. 3. 6. 254—257.]
I. Autoren-Register.
Baren, Otto van, Landgerichte-Präsident in Instcrburg. Der Zorn Friedrichs des
Grossen über Ostprcussen. Vortrag, gehalteu in der Alterthumsgesellschaft
za Instorburg am 20. Febr. 1885. 185—217.
Beckherrn, Carl, Major a. D. in Königsberg. Einige Bemerkungen über das Ordens-
hans Balga und seine Umgebung. 335—345.
— — Der Schlossberg bei Jesziorken. (Mit Croqais). 463—466.
Verzeichniss der die Stadt Rastenburg betreifenden Urkunden. 505—605.
Bergan, Rudolf, Professor in Nürnberg. Recension. 467—468.
Bezzenberger, Dr. Adalbert, Universit&ts-Professor in Königsberg. Recension. 346—352.
Bnjack, Dr. Georg, Gymnasialoberlehrer in Königsberg. Der preussische Landtag
von Königsberg im Jahre 1494. 472—485.
E . . . d. Der preussische Staatsrath und seine erste That im Jahre 1817. 122—157.
Fischer, Dr. L. EL, Gymnasiallehrer in Berlin. Nachtrage zu Kobertins Gedichten,
606-617.
Frischeier, H., Rector in Königsberg. Zur volkstümlichen Naturkunde. Beitrage
aus Ost- und Westpreussen. 218—334.
6. Recension. 352—353.
Höhlbaum, Dr. Konstantin, Stadtarchivar in Köln. Zur Rechtsgeschichte. Notiz aus
dem Kolner Stadtarchiv mitgetheilt. 492.
Hörn, A., Rechtsanwalt und Notar in Insterburg. Tannenberg. 637—648.
Jacoby, Leopold, in Cambridge, Massachusetts. Der Teufel im Flachs. Nach einer
Volkssage poetisch dargestellt 372—373.
Kuttner, Dr. Otto, Gymnasiallehrer in Coblenz, vorher in Neuhaldensleben. Die Be-
deutung der regulativen Ideen Kants: Die Atomistik. 59 — 75.
Kants Copernicanismu8 auf die Begriffe Notwendigkeit und Freiheit ange-
wandt 618—636.
Lohmeyer, Dr. Carl, Universitats-Professor in Königsberg. Verzeichnfes der in den
Programmen der höheren Lehranstalten Ostpreussens enthaltenen Abhand-
lungen zur Geschichte von Ost- und Westpreussen. 365—372.
P. Recension. 651—653.
Perlbach, Dr. Max, Bibliothekar in Halle. Recension. 649—651.
Petong, Dr. Richard, Realprogymnasiallehrer zu Dirachau a. D. Dio Gründung und
älteste Einrichtung der Stadt Dirschau. (Mit zwei eutogr. Karten.) 1—44.
690 H. Sach-Begister.
Reloke, Dr. Rudolf, Bibliothekar in Königsberg. Biographische Notizen über Thomas
Homer. 52—68.
Beitrag zur Kenntnis des Beligionszustandes in PreusBisch Litauen unter dem
Churfürsten Friedrich Wilhelm. 177—178. '
Ans Kant's Briefwechsel. Vortrag, gehalten an Kant's Gehaltstag den
22. April 1885 in der Kant- Gesellschaft zu Königsberg. Nebst einem Anhang.
enthaltend Briefe von Jac. Sigism. Beck an Kant nnd von Kant an Beck.
377-449.
Die Kant-Bibliographie des Jahres 1884. 682—688.
Rogge, Adolf, Pfarrer in Darkebmen. Die Gobotiner. 45—49.
Das Gebetbuch der KnrfÜrstin Anna von Brandenburg. 345—364.
Michael Burckhardt, der Nehrungspfarrer nnd seine Gemeinde. Ein Sittenbild
aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 450—462.
Stern, Dr. Alfred, Universitäts- Professor in Bein. Was ist ein Gutsbesitzer ohne
Polizeigewalt? 174—177.
Ungewitter, Otto, Gymnasial-Professor in Königsberg. De ratione componcndi canfo.
Autore Thoma Hornero Egrano. 50—52.
W., E. Becensiou. 161—162.
Witt, Carl, Gymnasial- Professor in Königsberg. Kant's Gedanken von den Bewohnern
der Gestirne. Vortrag, gehalten zum Besten des Vereins für die Erziehung
taubstummer Kinder. 76—90.
Zimmer, Lic. Dr. Friedrich, Universitäts- Professor in Königsberg. Königsberger
. Kirchenliederdichter und Kirchenkomponisten. Vortrag, gehalten am 16. Fe-
bruar 1885 im Saale des Landeshauses zu Königsberg in Pr. 91 — 121.
n. Sach-Begister.
Attertfaumsgesellftchaft Prussia in Königsberg 1883. 162-173. 1884. 353-361.
468—491. 1885. 654—665.
Attpreussfoche Bibliographie 1884. 179—184. 374—376. 494—503. 667—682.
Anna — Das Gebetbuch der Kurfürstin A. von Brandenburg. 354—364.
Balga — Einige Bemerkungen über das Ordenshaus B. und seine Umgebung. 335—344.
Beck — Aus Kant's Briefwechsel Vortrag. Nebst einem Anhang, enthaltend Brief«
von Jac. Sigism. B. an Kant und von Kant an B. 377—449.
Berichtigung. 376.
Bibliographie, altpreussische. 179—184. 374—376. 494—503. 667—682. Die Kant-B.
des Jahres 1884. 682—688.
Bitte. 504.
Braunsberg — Lyceum Hosianum in B. 179. 494.
Burokhardt — Michael B., der Nehrungspfarrer und seine Gemeinde. Ein Sitten-
bild aus der zwoiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 450—462.
Directum — Die Gründung und älteste Einrichtung der Stadt D. (Mit zwei autogr.
Karten.) 1—44.
% II. Baeh-Register. 691
Eingesandt. 184.
Friedrich — Der Zorn F.'s des Grossen über Ostpreussen. Vortrag. 185—217.
Gebetbuch — Das 6. der Karfürstin Anna von Brandenburg. 354—364.
Geschichte — Verzeichniss der in den Programmen der höheren Lehranstalten Ost-
preussens enthaltenen Abhandlongen zur G. von Ost- n. Westpreossen. 365—372.
Gesellschaft — Alterthums-G. Prussia in Königsberg 1883.162-173. 1884.353—364.
468-491. 1885. 654—665.
Gobotiner — Die G. 45—49.
Gründung — Die G. nnd älteste Einrichtung der Stadt Dirschau. (Mit zwei autogr.
Karten.) 1—44.
Gutsbesitzer — Was ist ein G. ohne Polizeigewalt? 174-177.
Homer — De ratione componendi cantns. Antore Thoraa H. Egrano. Nebst bio-
graphischen Notizen über Thomas H. 50—58.
Hosiamnn — Lyceum H. 179. 494.
Jesziörsken — Der Schlossberg bei J. (mit Croqnis). 463—466.
Kant — K— 's Gedanken von den Bewohnern der Gestirne. Vortrag. 76—90. Die
K.- Bibliographie des Jahres 1884. 682—688. Aus K— 's Briefwechsel. Vortrag.
Nebst einem Anbang, enthaltend Briefe von Jac Sigism. Beck an K. und
von K. an Beck. 377—449. K— 's Copernicanismns auf die Begriffe Not-
wendigkeit und Freiheit angewandt. 618—636. Die Bedeutung der regulativen
Ideen K-'s: Die Atomistik. 58—75.
Kirchenliederdichter — Königsberger K. und Kirchenkomponisten. Vortrag. 91—121.
Köln — Zur Rechtsgeschichte. Notiz aus dem K— er Stadtarchiv. 492.
Königsberg — Alterthumsgesellschaft Prussia in K. 1883. 162—173. 1884. 353—364.
468—491. 1885. 654—665. K— er Kirchenliederdichter und Kirchenkompo-
nisten. Vortrag. 91—121. Der preussische Landtag von K. im Jahre 1594.
472—485. Universitäts-Chronik 1884/*5. 178—179. 492—493. 666—667.
Landtag — Der preussische L. von Königsberg im Jahre 1594. 472 — 485.
Litauen — Beitrag zur Kenntniss des Religionszustandes iu Preussisch L. unter dem
Churfursten Friedrich Wilhelm. 177—178.
Lyceum Hosianum in Braunsberg. 179. 494.
Musik — Preisausschreiben des Evangelischen Vereins für geistliche und Kirchen-
M. der Provinzen Ost- und Westpreussen. 503—504.
Naturkunde — Zur volkstümlichen N. Beiträge aus Ost- und Westpreussen. 218—334.
Nehrung — Michael Burckhardt, der N— spfarrer und seine Gemeinde. Ein Sitten*
bild aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 450—462.
Ordenshaus — Einige Bemerkungen über das 0. Balga und seine Umgebung.
835-345.
Ostpreussen — Zur volkstümlichen Naturkunde. Beiträge aus 0. und Westpreussen.
218 — 334. Verzeichniss der in den Programmen der höheren Lehranstalten 0— s
enthaltenen Abhandlungen zur Geschichte von 0. und Westpreussen. 365 — 372.
Der Zorn Friedrichs des Grossen über 0. 185—217.
Polizeigewalt — Was ist ein Gutsbesitzer ohne P.? 174—177.
Preisausschreiben des evangelischen Vereins für geistliche und Kirchenmusik der
Provinzen Ost- und Westpreussen. 503—504.
Preussisch — Der p-e Landtag von Königsberg im Jahre 1594. 472-485. Der
p— e Staatsrath und seine erste That im Jahre 1817. 122—157.
692 H. Sach-Begister.
Prof raiMM — Verzeichnis der in den P— n der höheren Lehranstalten Ostpreussens
enthaltenen Abhandlungen znr Geschichte von Ost- and Westprenssen. 365—372.
Pmesfa — Altorthumsgesellschaft P. in Königsberg 1883. 162—178. 1884. 353-364.
468-491. 1885. 664-666.
Raateulwrg — Yerzeichniss der die Stadt R. betreffenden Urkunden. 505—605.
Recenelonen — Die Bau- nnd Eunstdenkinäler der Provinz Westprenssen. Heft IL
Der Landkreis Dam ig. 352—353. 467—468. Max Hobrecht, Von der
Ostgrenze. 161—162. Panl Schienther, Frau Gottsched nnd die K ver-
liehe Komödie. 651—653. Urkundenbuch, Liv-, Est- nnd Curländischee,
begründet von F. G. v. Bunge, fortgesetzt von Hermann Hildebrand. Bd. VIII.
649—651. Dr. Edra. Veckenatedt, Die Mythen, Sagen nnd Legenden der
Zamaiten (Litaner). 158— 160. # 346—352.
Rechtsneschichte — Znr R. Notiz ans dem Kölner Stadtarchiv. 492.
RetlflionszustaJid — Beitrag znr Kenntniss des R— es in Preussisch Litauen unter
dem Cburftirsten Friedrich Wilhelm. 177-178.
RobertiH — Nachträge zu B— s Gedichten. 606—617.
ScMoaebtrg — Der S. bei Jesziörken. (Mit Croqnis.) 463—466.
Staat8fath — Der preußische S. nnd seine erste That im Jahre 1817. 122—157.
Tannenbery. 637—648.
Tenfel — Der Teufel im Flachs. Nach einer Volkssage poetisch dargestellt von
Leopold Jacoby in Cambridge, Massachusetts. 372 — 373.
Untorsrttts-Chronik 1884/85. 178—179. 492—493. 666—667.
Urkunden — Verzeichnis der die Stadt Rastenburg betreffenden U. 505—605.
Verzeichniaa der in den Programmen der höheren Lehranstalten Ostpreussens ent-
haltenen Abhandlungen zur Geschichte von Ost- und Westpreussen. 365—372.
Volkaamae — Der Teufel im Flachs. Nach einer V. poetisch dargestellt 372—373.
Volkstümlich — Zur v— en Naturkunde. Beitrage aus Ost- und Westprenssen.
218-334.
Wettprenaaen — Verzeichniss der in den Programmen der höheren Lehranstalten
Ostpreussens enthaltenen Abhandlungen zur Geschichte von Ost- und W.
365—372.
Zorn — Der Z. Friedrichs des Grossen über Ostpreussen. Vortrag. 185—217.
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(A. u. d. T.: Kleine Romane aus der Völkerwanderung. Bd. III.)
VI, 630 S. 8. geh. 9 Mk., eleg. geb. 10 Mk.
Wie in **im „Kampf um Rom" den Untergang des Gothenreiches in Italien,
schildert der Verfasser hier den Untergang des Vandalenreiches in Afrika, jedoch,
den sehr verschiedenen, ja zum Theil entgegengesetzten Verhältnissen entsprechend,
in sehr verschiedener Weise der Darstellung, doch dem Kampf um Rom voll ebenbürtig.
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Heft 1 XL 2 des nenen ^XXTTT^ JaTiroraner« «r««h«iineii als