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045196
flfortißll Hitinetaily Cibrary
Jtljara, Ne» flarb
FROM THE
BENNO LOEWY LIBRARY
COLLECTED BY
BENNO LOEWY
1854-1919
BEOUEATHEO TO CORNELL UNIVERSITY
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(ßorttell Mnioeraity tibtary
Jttjara. Nem flork
FROM THE
BENNO LOEWY LIBRARY
COLLECTED BY
BENNO LOEWY
1854.1919
BEQUEATHED TO CORNELL UNIVERSITY
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COMF1 ■ i ihnirAfiTL. __
3 1924 069 322 885
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AM REISSBRETE.
HANDSCHRIFTLICHE MITTHEILUNGEN
AUS DEN
UNABHÄNGIGEN LOGEN
MINERVA ZU DEN DREI PALMEN IN LEIPZIG,
BALDUIN ZUR LINDE IN LEIPZIG, ARCfflMEDEö ZU DEN DREI REISSBRETERN IN ALTENBURG,
ARCfflMEDES ZUM EWIGEN BUNDE IN GERA
UND KARL ZUM RAUTENKRANZ IN HILDBURGHAUSEN.
FÜR
BRR FREIMAURER-MEISTER
HERAUSGEGEBEN VON
BR OSWALD MARBACH.
ORGAN DES FREIMAURERISCHEN CORRESPONDEN Z - BURE AU.
NEUNTER JAHRGANG.
LEIPZIG.
VERLAG VON BR BRUNO ZECHEL.
1882.
C 0 ^ v - - -
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v. A - ' ■
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Lehrlingsloge : In Ordnung. No. 2. — Zeichen, Wort und Grif des Lehrlingsgrades. No. 3.
— Das Wesen der Frmrei. No. 7.
Gesellenloge: Humanität. No. 5. — Ansprache der neu beförderten Gesellen. No. 7. —
Die Wanderung der Gesellen. No. 9. — Ansprache bei einer Gesellenbeförderung. No. 12.
Meisterloge: Wie der Gedanke an den Tod zum Segensquell für unser Leben wird. No. 3. —
Eine Meisterloge. (1.—3. Ansprache. Wandersprüche.) No. 4. — Heber das Verhältnis des Meister¬
grades zum Lehrlings- und Gesellengrade. No. 4. — Aus einer Meisterconferenz der Loge Balduin
zur Linde. No. 10.
Trauerloge: Die Ahnung des grossen Geheimnisses der Gottheit. No. 1. — Zum Schluss
der Trauerloge. No. 1. — Memento mori. No. 8.
Johannisfest : Es ist Hochmittag. No. 8.
Schwestemfest : Das Geheimniss der Maurerei in Bezug auf die Schönheit. No. 11. —
Bei Tafel am Schwesternfeste. No. 11.
Engbund: Aus dem Engbunde der Loge Balduin zur Linde. Zur Geschichte der Loge
Balduin zur Liude. No. 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. — Br W. F. Götz. Ein maurerisches Lebens¬
bild aus der Loge Balduin zur Linde. No. 12.
Vermischtes: Antrittsrede des Br Oskar, Prinzen von Schweden als Mstr. v: St. No. 2. 3.
— Dem Jugendfreunde. No. 2. — Aus der Väter Zeiten. (Der Maasstab. Das Senkblei. Bei der
Aufnahme des Br P. in D.) No. 6. 9. — Uraltes — Ewigneues. (Der Wille Gottes. Lob Gottes.
Segenslied.) No. 8. — Im Vorbereitungszimmer. No. 9. — Erklärung der fünf unabhängigen Logen
in Bezug auf das Manifest der Brr Barthelmess und Genossen. No. 12. — An die ger. und vollk.
Loge Karl August zu den drei Rosen im Orient Jena. No. 12.
Aus dem Correspondenzbureau : No. 4. 9. 12.
Anzeigen: No. 2. 3. 5. 6. 9. 10. 11. 12.
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Januar 1882
Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. .
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaramlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Frei maurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 8 Mark abonniren und erhalten ee dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgeuoramen, wenn sie in djrecter Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Die Ahnung des grossen Geheimnisses der Gottheit. — Zum Schlusae der Trauer¬
loge. — Zur Geschichte der L. B. z. L.
Aus einer Trauerloge.
Von Br Oswald Marbach.
Die Ahnung des grossen Geheimnisses der
Gottheit.
Wenn ein Mensch geboren wird, so zeichnet
er sich durch nichts aus vor anderen thierischen
Kreaturen, als durch ganz besondere Hinfälligkeit
und Schwäche. Er müsste alsbald zu Grunde
gehen, wenn nicht zunächst die Liebe der Mutter
sich seiner annähme und dann das Pflichtgefühl
des Vaters für ihn sorgte, endlich aber in immer
weiteren Kreisen die ihn umgebende menschliche
Gesellschaft einen bildenden und fördernden Ein¬
fluss auf ihn ausübte. Je mehr diess der Fall
ist, desto eher und desto auffälliger beginnt der
Mensch von allen thierischen Kreaturen sich zu
unterscheiden, indem er nicht mehr von den
natürlichen Trieben und Leidenschaften sich be¬
herrschen lässt, sondern von Absichten, Plänen
und Wünschen, welche über die Gegenwart hinaus
der Zukunft zustreben; ja er setzt sich Ziele,
von denen er weiss, dass sein eigenes zeitliches
Leben nicht ausreichen wird um dieselben zu
erringen. So wird der natürliche Mensch mehr
und mehr ein geistiger Mensch und diese Um¬
bildung und Verwandlung ist der Vorgang,
durch welchen das menschliche Dasein sich unter¬
scheidet von dem thierischen Dasein. Das Thier
bildet während seines Daseins nur die Natür¬
lichkeit in sich aus, indem es seinen natürlichen
Trieben und Leidenschaften rücksichtlos sich hin-
giebt und von ihnen nur durch Zwang und
äussere Gewalt sich abhalten lässt, aber auch
nie dieselben willkürlich steigert, wie der Mensch
thut, wenn er lasterhaft ist. Das Thier ist nie¬
mals lasterhaft. — Der geistige Mensch bildet
sich aus, indem der Mensch nicht mehr nur
sinnlich empfindet, sondern über die sinnlichen
Empfindungen und Wahrnehmnngen denkt, von
der Gegenwart auf die Vergangenheit zurück¬
blickt und in die Zukunft hinausschaut Das
Denken macht den geistigen Menschen, indem
es die Gegenwart einerseits mit der Vergangen¬
heit, anderseits mit der Zukunft in Zusammen¬
hang setzt, um Wirkungen und Ursachen zu
entdecken. Das Denken kommt aber der Zu¬
kunft zu Gute, weil es den Menschen zum vor¬
bedachten Handeln geschickt macht. Indem
der Mensch denkt, setzt er eine Gedankenwelt
an die Stelle der sinnlichen Welt. Jene ist
weder entstanden noch vergeht sie, während in
dieser alles in ihr Enthaltene in einem ununter¬
brochenen Flusse des Entstehens und Vergehens
ist. Darum hält der geistige (denkende) Mensch
sich selbst auch für unentstanden und unver¬
gänglich , während der natürliche (sinnliche)
Mensch vom Weibe geboren und ein Raub des
Todes ist. Die geistige Welt, welche der den¬
kende Mensch der natürlichen Welt gegenüber
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entdeckt, fasst er zusammen in der Vorstellung
der Gottheit. Wie die sinnliche Welt aber in
viele, ja unabsehbar viele Einzelheiten zerfällt,
welche durch nichts zusammengehalten werden,
als durch die Naturgesetze, so spaltet sich auch
die Gottheit in unendlich viele Einzelheiten,
welche durch nichts zusammengehalten werden,
als durch den allen einwohnenden mit sich selbst
einigen Gottes willen. Die Vorstellungen von der
einen Weltorganismus darstellenden Gottheit, d. h.
die sinnlich-natürlichen Bilder von der geistigen
Welt, richten sich nach dem Grade der Ver¬
geistigung, zu welcher der natürliche Mensch in
seinem Entwickelungsgange es gebracht hat; so
dass man sagen kann: die religiösen Vorstel¬
lungen eines Volkes legen Zeugniss ab von
dessen kulturgeschichtlicher Bedeutung. Je geist-
würdiger diese Vorstellungen sind, desto höher
steht auch die Kultur des Volkes, welches die¬
selben hegt, denn das Göttliche schwebt jedem
Kulturvolke vor als Ziel, zu welchem zu streben
die Aufgabe des Menschenlebens ist; und in
jedem Kulturvolke legen die Einzelnen die gang¬
baren religiösen Vorstellungen sich ihrer indivi¬
duellen Bildung gemäss zurecht, reinigen sie von
Unvollkommenheiton und deuten sie klarer und
bestimmter durch eine gedankenvolle Weltauffas¬
sung, welche immer in der Forderung gipfelt,
dass der Mensch bestimmt und berufen sei gott-
ähnlich und unsterblichen Lebens theilhaft zu
sein, weil er das Bedürfnis und dio Fähigkeit
habe aus einer natürlichen Kreatur zu einem
geistigen Einzelwesen zu werden.
Was ich, me Brr, soeben zu Ihnen gesprochen
habe, ist nicht etwa meine Ansicht, sondern
lässt sich als die Ueberzeugung der höchstge¬
bildeten Geister aller Kulturvölker nachweisen,
so z. B. der Propheten des jüdischen Volkes
und der grossen Dichter des alten Kulturvolkes
der Griechen, oder (wie sie selbst sich nannten)
Hellenen. Mit Unrecht hat man den Hebräern
ebenso wie den Hellenen nachgesagt, dass sie
von der Einheit der Gottheit kein Bewusstsein
gehabt, sondern eine Vielheit von unwürdigen
Götzenbildern verehrt hätten. Das gilt für beide
alte Kulturvölker nur insofern, als die mehr
oder weniger rohen Menschen, welche zu ihnen
gehörten, in abergläubische und unwürdige Vor¬
stellungen über die geistige Welt zu verfallen
geneigt waren; aber wie die Propheten des alten
Testaments gegen diese rohen Menschen und
deren Abfall von dem alleinigen Gotte in nichts¬
würdige Abgötterei eiferten, so suchten die
grossen Dichter der Hellenen ihr Volk zur Er-
kenntniss der Einheit göttlichen Wesens zu er¬
heben und die heidnisch-abergläubischen Vor¬
stellungen zur Geistwürdigkeit. zu veredeln. Sie
thaten dies in der Weise, dass sie die Vorstel¬
lungen über göttliches Wesen, welche sich im Volke
allmählich in immer reinerer und klarerer Weise
herausgebildet hatten, in Form einer Götter-
geschichte aneinander reihten. Im ersten Buche
der heiligen Schriften der Hebräer (im 1. B. Mose)
wird eine Schöpfungsgeschichte gegeben,
in welcher es heisst: zuerst seien Himmel und
Erde geschaffen worden, aber sie waren wifste
und leer, dann sei das Licht und mit ihm der
Unterschied von Tag und Nacht, d. h. die Zeit
und alles Zeitliche hervorgebracht worden, und
endlich seien die Geschöpfe der Erde und unter
diesen zuletzt der Mensch nach dem Ebenbilde
Gottes, als zum Herrn der Erde und aller Krea¬
turen bestimmt, ins Dasein gerufen worden. Der
Mensch wurde aber nicht ohne Weiteres in sein
Herrscherthuin eingesetzt, sondern es erging an
ihn die Aufforderung des Schöpfers die Erde
sich unterthan zu machen. Anstatt einer Schöpf¬
ungsgeschichte geben dio griechischen Dichter
eine Göttergeschichte, indem sie die Gottheit als
ein Werdendes vorstellen. Die althebräische Vor¬
stellung der Gottheit ist würdiger als die alt-
griechische, aber diese läuft doch auf dasselbe
hinaus, welches nur dem noch schwachen Vor¬
stande zugänglich gemacht ist. Die noch nur
ihren Sinnen vertrauenden Menschen meinen ja
auch die Erde stehe still und die Sonne laufe
am Himmelsgewölbe hin um sie zu beleuchten,
während die zu Verstände gekommenen wissen,
dass die Sonne feststehe und die Erde sich
drehend sie umtanze und so des Wechsels von
Tag und Nacht und der Jahreszeiten theilhaft
werde. Die Göttergeschichte, welche die grie¬
chischen Dichter erzählten um die Menschen zu
erziehen, d. h. zu vergeistigen, war folgende.
Die ältesten Götter waren Himmel und Erde
(Uranos und Gäa), und die rohen Naturmächte,
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ein gewalttätiges Riesengeschlecht, die Titanen,
waren ihre Kinder. Einer dieser Titanen war
Kronos, welcher soinen Vater Uranos vom
Herrscherthrone stürzte und sich selbst an dessen
Stelle setzte. Kronos ist der Gott der Zeit, der
in zutreffendster Weise dadurch charakterisirt
wird, dass ihm nachgesagt wird, er habe alle
seine Kinder gefressen. Aber auch der Herr¬
schaft des Kronos ward ein Ende gemacht
durch einen jüngsten Titanen, den Kronos nicht
zu verzehren und zu verdauen vermochte, durch
Zeus, dessen Name „Leben“ bedeutet und der
als Ursprung alles Lebendigen galt, namentlich
als Vater der Götter und Menschen. Auch der
Menschen! Aber Zeus war mit den Menschen
nicht zufrieden, er wollte sie verderben, in den
ewigen Tod stürzen. Als Zeus den Gott der
Zeitlichkeit, Kronos, gestürzt, und damit an
Stelle der blinden Gewalt, welche auf Vernich¬
tung alles lebendig sich regenden ausging, den
Entschluss des lebendigen Willens gesetzt hatte,
wurde er bei diesem Thun unterstützt von einem
anderen Titanen, welcher Prometheus (d. h. zu
deutsch: Vorbedacht) genannt wurde und der
ein Freund der Menschen war, welche Zeus ver¬
worfen hatte. Prometheus wollte die Menschen
retten vor dem Untergange. Er gab ihnen zu
diesem Zwecke das himmlische Feuer, welches
die Quelle des Lichtes und der Wärme ist, aber
auch aller Künste und Wissenschaften. Brauchen
wir doch heute noch das Licht als den symbo¬
lischen Ausdruck für alle Erkenntniss und er¬
kennen die Wärme als Grundbedingung alles
höheren Lebens an. Der Zorn des Zeus, welcher
die Menschen hatte verderben wollen, richtete
nun sich gegen Prometheus, welcher göttlichen
Geschlechts wie er selbst war, und welcher die
Menschen auf den Weg des Strebens nach Gott¬
ähnlichkeit gebracht hatte. Der Dichter Aeschylos,
welcher die tiefsinnige Fabel von Prometheus in
einem grossen dramatischen Dichtwerke fünf¬
hundert Jahre vor Christus dargestellt hat, von
dem sich noch ein wesentlicher Theil erhalten
hat, führt uns vor, wie Prometheus zur Strafe
für die begangene Frevelthat (die Verleihung des
Feuers an die Menschen) am wüsten Meeres¬
strande an einer einsamen Felswand angeschmiedet
wird, mit auseinander gespannten Armen und an¬
genagelten Füssen, und berichtet, was der ge¬
fesselte und gemarterte Wohltäter der Mensch¬
heit den Wogen, dem Meere und anderen gött¬
lichen Erscheinungen, sowie sich selber erzählt
im Tone eines die fernste Zukunft wie die Ver¬
gangenheit vermöge seiner ewigen Bedeutung
überschauenden Propheten, von dem Menschen¬
geschlechte, von sich selbst und von seinem
jetzigen Widersacher Zeus, dem er doch selbst
zur Herrschaft geholfen hat und den er auch in
derselben zu halten entschlossen ist, denn er
weiss, dass er einst, wenn auch erst nach einer
alle Zeit umfassenden Qual, nämlich in Ewigkeit,
mit ihm und daher auch mit der von ihm er¬
lösten Menschheit sich in Liebe versöhnen wird.
Doch ich lasse mit den Worten des alten Dich¬
ters den Dulder Prometheus selbst sprechen. Er
sagt von sich:
— — — Die Menschen danken mir,
Dass sie dem ewigen Tod entgangen sind.
Ich nahm die Todesfurcht dem Menschen ab,
Indem ich Lebens-Zuversicht ihm gab.
Es ist der Mensch der Flamme mächtig worden;
Er wird durch sie Erfinder aller Künste. —
Der Menschen Dasein war ein träumrisch Brüten;
Ich habe sie erweckt zu Geist und Leben.
Ich klage nicht sie an; ich liebte sie,
Weil ich gelehrig sie erfunden habe,
Und ihnen wohlzuthun war meine Lust. —
Sie hatten Augen, aber sahen nicht;
Sie hatten Ohren, aber hörten nicht;
Im wirren Taumel schwankten sie umher
Und wussten nichts von Heim, von Haus und Herd,
Ameisengleich in sonnenlosen Höhlen
Verkrochen hausten sie bei Tag und Nacht.
Sie wussten nicht, wann Winter wieder werde,
Wann Lenz und Licht und Leben sich erneun,
Wann Sommer Saaten, Herbst dann Ernten
bringe —
Gleichgültig quälten sie sich Tag für Tag; —
Bis ich zu ihnen trat und hin sie wies
Auf der Gestirne Auf- und Niedergang,
Auf Sonn 1 und Mond und ihre Wiederkehr,
Auf Zahl und Maass und aller Dinge Ordnung.
Auch lehrt* ich Sprache sie und Schrift gebrauchen,
Und übte die Erinnrungskraft in ihnen,
Aus welcher geistiges Wesen sich erhebt.
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Dann unterjochte ich den wilden Stier
Und spannt* ihn vor den Pflug, auf dass der Mensch
Beihülfe habe zu der schwersten Arbeit.
Und vor den Wagen spannt’ ich stolze Rosse,
Die gern gehorsam sich dem Zügel zeigen,
Dem Reichthum dienstbar und dem Ueberfluss.
Auch baut’ ich Schiffe mit geschwellten Segeln
Weit über See zu fahren pfeilgeschwind.
So wusst* ich Rath in allen Dingen wohl
Für meine Menschen. — Wurden Menschen krank,
So gab es keine Salbe, kein Getränk
Und keine Speise, welche Heilung brachte;
Sie kamen hilflos um — bis ich sie lehrte,
Was gut und heilsam sei, und wie’s zu mischen,
Um jeder bösen Krankheit Kraft zu brechen.
Ja mehr noch: ich gewöhnte sie den Blick
Der Zukunft zuzuwenden und zu schärfen.
Ich lehrte unterscheiden Wahr und Falsch,
Der Töne tief geheimen Sinn erkennen,
Und sich zu rechte finden in der Welt
Durch aller Dinge, aller Kreaturen
Genaue Kenntniss nach Gestalt und Wesen,
Zusammenhang von Ursach’ und von Wirkung,
Feindschaft und Freundschaft, Kost und Lebens¬
weise.
Auch lehrt ich sie des Himmels Wunder kennen:
Wind, Regen, Schnee und Eis, auch Blitz und
Donner,
Sternschnuppen, Feuerkugeln, Nordscheinglanz,
Mondwechsel, Finsternisse, Wandelsterne, —
Was all die Zeichen zu bedeuten haben,
Die Menschen sonst mit Angst und Zagen sahn.
Und wieder: was des Menschen Herz erfreut:
Die Schätze in der Erde Schooss verborgen,
Wie Erze aller Art und Gold und Silber;
Ich habe sie entdeckt und nachgewiesen,
Wie sie gewonnen werden, wie behandelt. —
Das Alles ist geschehn durch mich allein;
Ich Prometheus, ich habe alle Kunst
Und Wissenschaft den Menschen beigebracht.-
Alles dessen, was Prometheus an den Men¬
schen und für dieselben gethan, rühmt er sich
nicht in Stolz und Uebermuth, er verlangt auch
dafür weder Dank noch Belohnung, und wenn
er sich bitter über die ihm auferlegten Qualen
beklagt, so geschieht diess doch nicht um den¬
selben sich zu entziehen, sondern um mit der
Unvermeidlichkeit derselben sich zu trösten. Er
spricht:
— — — „Wehklag ich um heut,
Wehklag ich um morgen, was kommen auch mag!
Umsonst! Umsonst! Nie schau ich den Tag,
Wo endet die quälende Trübsal.“ — —
„Was red ich da: vor meinem Geiste liegt
Die ganze Zukunft ausgebreitet da;
Ich weiss voraus, was alles kommen muss.
Was über mich verhängt geduldig tragen —
Das ist das Loos, das mir beschieden ist,
Ob ich nun klage oder nicht — gleichviel! —
Ich machte menschlich Wesen Göttern gleich
Und nahm damit der Menschheit Qual auf mich.“
Die Zuversicht des Dulders steht auf dem
alten Spruche: „Gewalt erliegt und Weisheit
siegt.“ In dieser Zuversicht hat er den Vater
alles Lebens zum Herrscher gemacht, „hat die
Menschen vom Untergange in ewigen Tod er¬
rettet und alle Qual der Zeitlichkeit auf sich
genommen.“ Diese Qual hat da ein Ende, wo
die Zeit ein Ende hat, das ist in Ewigkeit. Auf
diese deutet Prometheus hin, wenn er sagt:
„Ich werde wohl befreit; doch nur, nachdem
Durch Noth und Elend ich gebrochen bin.
Das was nothwendig — ändert keine List.“
Mit diesen Worten deutet der Dichter durch
den Mund des Prometheus auf das heilige Ge-
heimniss, welches in seinem Schoosse die Gewiss¬
heit der Unsterblichkeit verbirgt. Prometheus
lehnt jedes nähere Eingehen auf dasselbe ab mit
den Worten:
„Lass ab! lass ab! — Es ist die Zeit noch nicht
Erfüllt zu reden. Im verschlossnen Herzen
Muss ich verwahren tief und treu das Wort —
Dann werd’ ich einst erlöst aus Qual und Banden.“
Auf das Räthsel dieses heiligen Geheimnisses
wirft aber der Dichter ein helles Licht, indem
er den Prometheus einem unglücklichen Weibe,
welche sich in’s Meer stürzen möchte um all
ihrer Noth ein Ende zu machen, gegenüber
sagen lässt:
„Nein! — Sieh mich an: ich leb und werde leben
Der Qual zum Trotze! Dir wie mir ist nicht
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Der Tod beschieden als Erlöser. Nur
Die Zeit und alles das, was zeitlich ist
Wird Raub des Todes sein. Wir aber nicht!“ —
5
Das Weib, zu welchem Prometheus diese Worte
spricht, ist nach der griechischen Sage, welcher
der Dichter folgt, die Frau, aus deren Schoosse
im Verlaufe der Zeit der Held hervorgehen soll,
welcher der Herrschaft des Zeus ein Ende machen
wird, wenn Zeus nicht sich selber besiegen und be¬
herrschen lernt. Auch (der griechische) Zeus, meint
der Dichter, wird untergehen wie seine Vorgänger
im Regimente der Welt. Es sind wunderbare
Worte, mit denen der Dichter auf uralte Sagen
hindeutet, welche die ältesten Kulturvölker als
heilige Ueberlieferungen verehrten, wenn er den
Prometheus sagen lässt:
„Zeus selber zeugt den Helden, der ihn stürzt,
Den Wunderthäter, der ein flammend Schwert
In Händen trägt, das schärfer als der Blitz,
Und der zum Kampfe ruft mit einer Stimme,
Die rauher, lauter dröhnt als Donnerhall. —
Und ist die Zeit erfüllt, so wird sich zeigen
Der Unterschied von Freiheit und von Knecht¬
schaft.“
Als der Chor der Tragödie, vor welchem
Prometheus diese verhängnissschweren Worte
spricht, warnend auf den allgewaltigen Zeus und
dessen ewige Rache hinweist, antwortet Pro¬
metheus :
„Ja betet an und beugt euch vor dem Herrn; —
Was geht denn mich der Gott der Rache an?!
(Nichts scheut, wem nicht der Tod beschieden ist!)
Ich lass ihn herrschen, wie es ihm gefällt;
Vorüber geht die Zeit — dann isfs vorbei
Mit aller Herrlichkeit — in Ewigkeit!“ — —
Und das ist nicht etwa ein Ausruf der Ver¬
zweiflung, sondern der unerschütterlichen Ueber-
zeugung von der Zuversicht unsterblichen Lebens,
denn derselbe Prometheus hat das Bewusstsein,
dass Zeus, der in der Zeit ihn leiden lässt,
nach aller Zeit, also bei der Begegnung im
Reiche der Ewigkeit, wo „Gewalt erliegt und
Weisheit siegt,“ ihm liebevoll sich wieder ver¬
brüdern wird. Es wird sich erfüllen das Wort
der Verheissung, welches der Dichter den Pro¬
metheus verkünden lässt:
„Zeus Wille ist fest, ich weiss es, wie Fels,
Ihm entsprudelt der Quell urewigen Rechts; —
Einst bebet der Fels, sanft rauschet der Quell,
Hold lächelnd naht der Versöhnte dereinst
Dem Versöhnten in lauterster Liebe.“
In dem „milden Rauschen der Quelle urewigen
Rechtes“ offenbart sich die Gottheit zum Heile alles
Lebens; — wie der Prophet Elias, von welchem
das alte Testament im I. Buche der Könige er¬
zählt, nach dem Sturme, der die Felsen zer¬
brach, nach dem Erdbeben und nach dem Feuer
in dem „stillen sanften Sausen,“ welches nach¬
folgte, den Herrn erkannte, der sich ihm nahte;
— und wie der frmrsche Dichter Goethe den
Erzengel Michael im „Prolog im Himmel“ seiner
Faust-Tragödie aussprechen lässt:
„Und Stürme brausen um die Wette
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer
Und bilden wüthend eine Kette
Der tiefsten Wirkung rings umher;
Da flammt ein blitzendes Verheeren
Dem Pfade vor des Donnerschlags;
Doch deine Boten, Herr, verehren
Das sanfte Wandeln deines Tags.“
Me Brr, die wir hier an den Gräbern unserer
Brüder stehen, welche der Sturm des zeitlichen
Daseins gebrochen und unseren Augen entführt hat,
welche der Blitz mit der Wuth der Verzweiflung
niedergeschmettert und zermalmt hat, welche alle
versunken sind in den finstern Abgrund des
Grabes, den die Erde vor ihnen aufgethan hat,
wir wollen des Dulders Prometheus eingedenk
sein, der bei Sturm, Blitz und Donner von der
erbebenden Erde mitsammt dem Felsen, an
welchen er geschmiedet worden, verschlungen
ward und doch festhielt an der Zuversicht ewigen
Lebens und Zeit und Welt überwindender Liebe,
— wir wollen eingedenk sein des Propheten
Elias, der im feurigen Wagen zum Himmel
empor fuhr und im stillen, sanften Sausen den
Herrn erkannte, dem er gedient hatte in der
Zeit und auf der Erde mit hochaufloderndem
Feuer-Eifer prophetischer Begeisterung, — und
wir wollen endlich eingedenk sein jenes Faust,
welcher der Menschheit ganzen Jammer auf sich
nahm und an welchem sich der Gesang der Erz-
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engcl erfüllte, weil „die ewige Liebe seiner sich
annahm,“ also dass der Chorus mysticus schliess¬
lich solche Erfüllung, den Triumph der Ewigkeit
über die Zeit verkündigt:
„Alles Vergängliche
Ist nur ein Gloichniss *,
Das Unzulängliche
Hier wird’s Ereigniss;
Das Unbeschreibliche
Hier ist’s gethan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.“
Me Brr! erhebet eure Herzen an der Ahnung
dos grossen Geheimnisses der Gottheit, welche
die edlen Menschengeister aller Zeiten durch¬
weht und aufgerichtet hat zum Streben nach
Vollkommenheit trotz aller Hinfälligkeit und
Schwäche ihres irdischen Daseins, und gehet von
hinnen voller Zuversicht vollkommenen Lichtes,
versöhnender Liebe und unsterblichen Lebens!
Zum Schlusso der Trauerloge.
(In der Kette.)
Bald bin ich nichts als eine Stimme noch;
Ob aber weiter nichts, so bin ich doch!
Dann that ich ab das Kleid, das mich gekränkt;
Weil meine Freiheit lästig es beschränkt;
Ich aber lebe, — ob kein Kind der Zeit,
Vollbürger doch im Reich der Ewigkeit! —
Durch’s Reich des Todes eine Stimme tönt,
Die allen Todten in die Ohren dröhnt
Um sie zu wecken mit Posaunenschall, —
Und meine Stimme ist ihr Wiederhall! —
Ein Wiederhall, der seiner selbst bewusst
In Sehnsuchtpein und seliger Werdelust, —
Der lebt und leibt, sowie sein Schöpfer lebt,
Der ihn vom Staube Geist zu sein erhebt! —
Mein Leib zerfällt, mein Name wird verwohn,
Doch mich, die Stimme, wird die Welt verstehn,
Die Welt der Geister, welche ewig leben
Und aus der Finsterniss zum Lichte streben!
Ans dem Engbund der Loge
Balduin zur Linde.
Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde.
Von Br Fuchs.
(Schluss zu No. 12 des vor. Jnhrg.)
Ein schweres Ungewitter brach über die
Grosse Landesloge oder vielmehr über ihren
Grossmeister Br von Zinnendorf, denn der Gross¬
meister Herzog Ernst hatte bereits im December
1776 den ersten Hammer niedergelegt, herein.
Eine vom Capitel zu Stockholm ausgefertigte und
vom Herzog von Südermannland so wie von
sämmtlichen Grossoffizianten Unterzeichnete Acte,
der Grossen Landesloge von den schwedischen
Abgeordneten Brrn Oxenstierna und Plommenfield
überbracht, erklärt: „dass das Patent zu einer
Constitution, welches dem Br von Zinnendorf von
dem Br Eklef gegeben wurde, ihm ohne Mit-
Wissenschaft oder Einwilligung eines Einzigen
dieses Capitels ertheilt ist. Da diesem Patente
daher alle Gesetzmässigkeit fehlt und daher als
nicht von uns gegeben und ohne alle Kraft be¬
trachtet wird, so stehen wir nicht an, — die be¬
sagte Constitution auszulöschen, aufzuheben und
zu vernichten.“
In Bezug hierauf erliess die Grosse Landes-
logo an ihre Töchterlogen ein Circular, d. d.
2. September 1777, in welchem sie sagt: „Nach
der Erklärung der schwedischen Brr ist es nur
mehr als wahrscheinlich, dass dieselben die brüder¬
lichen Bande, welche zeither sie mit uns ver¬
einigten, zerrissen haben und mit der stricten
Observanz in Bund und Freundschaft getreten, wie
auch von den neuen Einrichtungen der wahren
Frmrei abgegangen sind. Die schwedischen Brr
widerrufen für sich und ihre übrige Brrschaft
den von dem ältesten Br derselben ausgestellten
Freiheitsbrief, ohne andere Ursachen anzuführen,
als dass derselbe ohne Vorwissen der Brrschaft
von dem ältesten Br allein ertheilt worden sei.“
„Die ununterbrochene Fortsetzung unserer Arbeiten
ist ungeachtet jenes Widerrufs dennoch völlig
gesetzmässig. Ueberdies bedürfen wir nun *der
Hülfe der schwedischen Brr nicht mehr und
können ihrer Anerkennung entbehren. Es ist
nun mit unserer Verfassung dahin gediehen, dass
wir uns lediglich auf Gott, auf die Lehre des
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Ordens und auf unsere ältesten Brr zu verlassen
brauchen.“ „Die hochwürdigen Logeumcister
werden ersucht, den Brrn ihrer Loge bekannt
zu machen, dass sie sich aller Gemeinschaft mit
schwedischen Brrn und Logen zu enthalten, auch
dergleichen Brr so wenig in ihren Logen zulassen,
als selbst schwedische Logen zu besuchen haben
würden.“
Der Befehl keinen Schweden zu den Arbeiten
zuzulassen scheint mit grosser Härte vollzogen
worden zu sein, so dass selbst den hülfsbedürftigen
schwedischen Brrn Unterstützung versagt wurde.
Darauf erliess die National - Mutterloge von
Schweden eine „Erklärung, den Br Zinnendorf,
erstes Mitglied der Grossen Nationalloge von
Deutschland betreffend.“ Es heisst darin: „Be¬
sagter Zinnendorf, anstatt sein Unrecht zu er¬
kennen, durch seine Unterwerfung Duldung zu
verdienen und sich die Zuneigung der hohen
Brr zu erwerben, bläst im Gegentheilc mit mehr
Muth als jemals das Feuer der Zwietracht und
des Aufruhrs an, welches sein arglistiger, un¬
ruhiger und verdorbener Geist unter den deutschen
Brrn entzündet. Er hat seine kühne Frechheit
gar so weit getrieben, sich gegen die geheiligte
Person unseres Grossmeisters aller Logen des
Königreichs Schweden durch eine der schwärzesten
und abscheulichsten Anschuldigungen zu ver¬
messen, als wenn ein Widerspruch in dem Ver¬
fahren von 1777 und in der Acte der Vertilgung
des besagten Patents sei. Zu diesen Handlungen
der Entweihung und des Abscheues fügte er noch
die allerschändlichste, iudem er allen ihm an¬
hangenden Logen befahl, den Schweden jede
Unterstützung zu versagen, welche alle guten
Frmr einander zu leisten stillschweigend ver¬
bunden sind etc.“
Hierauf erliess die Grosse Landesloge keine
Entgegnung; das Verbot jedoch ihre Logen allen
übrigen Frmrn zu verschliessen, erhielt sie auf¬
recht. Durch diese Unduldsamkeit wurden viele
Logen erbittert und fielen . von ihr ab. So die
Loge „zum schwarzen Bär“ in IIa n no ver. Br
Nöldeke sagt in der Geschichte dieser Loge:
„Man wollte nicht einem Intoleranzsystem huldigen,
welches für die Mrei in Hannover von den be¬
denklichsten Folgen hätte begleitet sein müssen.“
Die Brr Balduins suchten sich dem Geiste
der Intoleranz auf eigene Faust zu entziehen.
Sie hatten über den Besuch der Logen anderer
Systeme mit den Schwesterlogen zu Altenburg
und Gotha correspondirt, namentlich hatte man
das Bedürfniss gefühlt, mit der Schwesterloge
Minerva wieder in nähere maurerische Beziehungen
zu treten. Die Anregung scheint vom Balduin
ausgegangeu zu sein, Minerva schmollte längere
Zeit, setzto sogar den Vermittelungsversuchen
des Herzogs Ernst von Gotha, des General¬
visitators Brs Grafen von Brühl, den Bemühungen
der Brr von Burgsdorff und von Hohenthal eine
entschiedene Abweisung entgegen — endlich aber
wurden die Differenzen ausgeglichen und als Br
Du Bose am 7. Okt. 1778 in der Loge Minerva
erschien, „sollte alles Vergangene der Vergessen¬
heit übergeben sein.“ Wenn nur die Grosse Lau-
deslogo nicht wieder dazwischen getreten wäre!
Nach deren Meinung hatte sich die Logo Balduin
aufs neue schwer vorsündigt. Sie war zugleich
mit der Loge zu Altenburg, zum Rautenkranz
in Gotha und zum goldenen Apfel in Dresden
mit der Provinzialloge von Schlesien in Breslau
in nähere Verbindung getreten und hatte der
Grossen Landeslogo Bedingungen gestellt, unter
welchen die Logen mit ihr vereinigt bleiben
wollten. Zu diesen gehörten : „1) dass sie die
Provinzialloge von Schlesien als machthabend
anerkenne Logen zu constituiren und nach den
Gesetzen des Ordens zu regieren, und die bereits
constituirten oder noch zu constituirenden als
ächte St. Johannislogen anerkenne; 2) dass sie
daher uusern sämmtlichen Brn den weiteren
Eintritt in ihre St. Johannislogen ohne Ausnahme
verstatten und von den unsrigen ein Gleiches zu
erwarten haben solle; 3) dass bei der auf¬
hörenden Beziehung unserer abhänglichen Verbin¬
dung in höheren Graden, wovon bisher die
Aufnehmungsdrittel bezahlt worden sind, deren
fernere Entrichtung an die Grosse Landesloge
auch natürlich wegfallen müsse; 4) wir uns zu
keinen andern Abträgen an die Grosso Landes¬
loge von Deutschland verstehen als zu einem
jährlichen Pauschquanto Armengelder vou allen
mit uns besonders verbundenen Logen, auf so
lange nämlich, als die Grosse Landesloge diesem
Einverständniss mit uns überall nachkommen
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wird; 5) auch dass sie uns völlig nach dem Fuss
behandle, worauf sie selbst mit der Grossen Loge
von England stehet; 6) dass darüber eine förm¬
liche Acte errichtet und von beiden Theilen
vollzogen werde, endlich aber 7) die Hochw.
Grosse Loge von Deutschland den noch ab¬
gängigen schriftlichen Unterricht, wie eineFrmr-St.
Johannisloge zu errichten und was sonsten noch
zu völliger Handlung dieser Grade fehlen möchte,
uns treulich mittheile.“
Zur Erläuterung des 3. Punktes möge dienen,
dass auch die Grosse Landesloge von Deutsch¬
land nach dem schwedischen System die
Hochgrade hatte, welche jedoch die Loge Balduin
nicht angenommen. Das ganze System besteht
nämlich aus 9 Graden in 3 Abtheilungen, nämlich:
1) die St. Johannislogo mit den 3 Gra¬
den: Lehrling, Gesell und Meister;
2) die St. Andreas oder Schottenloge
mit 2 Graden, dem Andreas-Lehrling und-Gesellen
und dem Andreas-Meister;
3) die Stewardsloge oder das Capitel
mit 4 Graden; den Rittern vom Osten, den Rittern
vom Westen, den St. Johannis-Vertrauten und den
St. Andreas-Vertrauten.
Ein zehnter Grad bestand aus den „höchst er¬
leuchteten Brn Architekten,“ denen die Regierung
des Ordens anvertraut ist. An ihrer Spitze steht
als Vicarius Salomonis der weiseste Ordensmeister,
für Leitung der innern Angelegenheiten die
höchste Instanz, wie der Grossmeister als
Leiter der Grossloge für die Verwaltung.
Ein scharfes Ermahnungsschreiben der Grossen
Landesloge, in dem die Loge Balduin getadelt
wird, dass sie sich in so strafbare Verbindung
eingelassen und nun kategorisch fordert, diese
wieder abzubrechen, auf 3 Punkte eine bestimmte
Antwort zu geben, veranlasst den Balduin zu
einer eben so kategorischen Antwort:
1) „Man wolle der Hochwürdigen Grossen
Landesloge in Ansehung ihrer Handlungen der
drei ersteren Grade des Freimaurerordens respon¬
sable verbleiben;
2) alljährlich zur grossen und gemeinen Armen¬
kasse 4 Louisd’or richtig und ordentlich abliefern
und endlichen
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. —
3) nach getilgter Schuldenlast, ehender aber
nicht, auch sodann die anverlangenden Eindrittheile
Receptionsgelder abgeben.“ In Bezug auf den
3. Punkt stützte man sich auf ein Versprechen
des Br von Zinneudorf. „Was nun aber,“ so
heisst es weiter, „den Zutritt der Mitglieder der
stricten Observanz zu unsern Versammlungen und
Arbeiten betrifft, so müssen wir allerdings ein¬
räumen, das wir auf brüderliches Ersuchen den
Zutritt erlauben und verstauen, anerwogen unser
Mstr v. St. als ein 36jährig erfahrener Mr all¬
zugenau mit den mrischen Pflichten und Ge¬
setzen in diesem Stücke bekannt ist, wir übrigens
in unserer Loge mit lauter Brn der stricten
Observanz umgeben sind und Tolerauz und brüder¬
lich freundschaftliches Behandeln unumgänglich
nöthig machen. Im Uebrigen wolle sich die
Hochwürdige Grosse Landesloge zur Erhaltung
mrischen Ruhe und Friedens in Anbetracht un¬
serer kritischen Lage damit in mütterlicher Liebe
benügen und ein Mebreres, als in unseren Kräften
steht, nicht anverlangen.“
Es scheint jetzt auch wirklich einige Zeit
Ruhe von aussen her eingetreten zu sein, aber
desto mehr mochte es im Innern gähren. Br
Du Bose legte nach 4jähriger Hammerführung
„wegen seines hohen Alters, seiner Kränklichkeit
und seiner vielen Geschäfte“ sein Amt nieder
und der zeitherige deputirte Mstr. Br Dr. med.
Börner trat 1780 an seine Stelle. Dieser scheint
aber der Leitung nicht gewachsen gewesen zu
sein, Zerwürfnisse über die Lokalgesetze der Loge
(cf. nächsten Vortrag) veranlassten Du Bose und
eine grössere Anzahl von Brrn zum Austritt aus
der Loge; Br Börner gab den 1. Hammer 1781
an die Grossloge zurück. Der Grossmeister
Br von Zinnendorf ersuchte ihn den Hammer
an Br Johann Samuel Benedict Schlegel zu
übergeben; Br Schlegel wurde von den 10 übrig
gebliebenen Brrn — wahrscheinlich war dies der
ganze Bestand der Loge — zum Logenmeister
zwar gewählt, aber die Loge suspendirte ihre
Arbeiten bis auf Weiteres.
Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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Februar1882
9. Jahrg. Nr. 2. Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Beissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei (»rüde gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Co r respon d enz- Bn r eau’s. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgeuomraen, wenn sie in director Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Iusertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Dem Jugendfreunde. — In Ordnung. — Antrittsrede des Br Oscar, Prinzen von
Schweden, als Meister vom Stuhle. — Anzeigen.
Dem Jugendfreunde
zum achtzigsten Geburtsfeste.
Kommen wir zu hohen Jahren,
Denken wir der Heimath gern,
Wo wir jung und thöricht waren
Und das Alter lag so fern.
Hin zum schönsten Zauberstrande
Trug uns damals Phantasie,
Wie nach dem gelobten Lande
Moses sah vom Sinai.
Aber auch die Wirklichkeiten
Waren lieblich anzuschaun —
Paradioseslust bereiten
Lächelnd allerliebste Fraun!
Und im Kreise muntrer Zecher
Hei wie lustig ging es her:
„Schwinget hoch die vollen Becher —
Was wir lieben! — trinket leer!“
Jeder brav in seiner Weise:
Jungen voll Begeistrungsglut,
Ernste Männer, edle Greise;
Jeder galt für klug und gut.
Freilich gabs auch Schwache, Schlechte,
Doch die wurden ausgelacht?; —
Nur der Tugend und dem Rechte
Wurde Huldigung gebracht.
Sittsam und bescheiden waren
Alle Mädchen, tugendhaft
Und in keiner Kunst erfahren
Als in der, die Segen schafft.
Stets in anmuthreichen Formen
Ward Geselligkeit gepflegt,
Weil nur nach der Schönheit Normen
Frei und leicht der Geist sich regt.
Wohlgewachsner schlanker Glieder
Urgcsunde Harmonie
Wogte züchtig auf und nieder
Und der Tanz ward Poesie. —
Ach, wo ist die Zeit geblieben!
Alles dies war eitel Traum,
Holde Täuschung ward vertrieben,
Uebrig blieb ein Rest uns kaum.
Alles scheint uns jetzt vcrdriesslich,
Abgeschmackt und falsch und schlecht,
Nichts gedeihlich, nichts erspriesslich,
Frech zertreten Sitt und Recht.
Jeder schlecht auf andre Weise:
Bursche eigensüchtig dreist,
Feige Männer, schwache Greise,
Alle ohne Herz und Geist.
Und nun gar — o weh! — die Weiber!
Voll Begier und Unverstand
Schmücken sie die üppigen Leiber
Fratzenhaft mit eitel Tand.
Aller Umgang ist verpestet,
Rücksichtlos und ohne Halt;
Was des Leibes Lüste mästet,
Wird erzwungen mit Gewalt.
Jeder tobt in wüster Weise,
Denkt an Selbstbeherrschung nie,
Doch gefällt sich im Beweise,
Dass der Mensch entstammt dem Vieh.
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Das sind heutige Zeitgenossen,
Ach wie schofel ward die Welt!
Wie die Jugend uns verflossen,
Ward das Dasein uns vergällt! —
Und da soll man gratuliren,
Ward ein Freund uns achtzig Jahr,
Besser wärs zu condoliren,
Dass vorüber, was einst war!
Doch das Beste ist: vergessen
All die wandelbare Zeit
Und allein gedenken dessen,
Was besteht in Ewigkeit.
Nur das Schöne, Gute, Wahre
Bleibt sich selber immer gleich;
Wann und wo sichs offenbare,
Immer schaffts ein Himmelreich.
Lass uns wie die Kinder werden,
Treu in Lieb uns selber gleich,
Und trotz Alter sammt Beschwerden
Wird uns Welt zum Himmelreich! —
Greisenalter heisst Erwachen
Aus der Jugend Morgen-Traum;
Doch die Augen aufzumachen
Wagt noch matte Seele kaum.
Tageslicht die Augen blendet,
Und in selbstgeschaffne Nacht
Gern der Seele Blick sich wendet,
Bis der volle Tag erwacht.
In Erinnerung versunken
Bildert sie im D&mmerschein,
Bis sie schauet wonnetrunken
Dreist ins volle Licht hinein! — —
Kinder tragens tief im Herzen
Als des Geistes Feuerquell,
Und der Jugend Weihnachtkerzen
Brennen darum rein und hell;
Weil noch nicht des Erdenlebens
Schmutz getrübt die heilige Glut,
Noch der Fluch gemeinen Strebens
Nicht gelöscht Begeistrungsglut.
Aber auch in alten Knaben
Quillt der Born des Geistes noch;
Ob verschüttet und vergraben,
Lässt er leicht sich finden doch.
Was uns Hoffnung einst gewesen,
Sei uns jetzt Erinnerung;
Und vom Alter schnell genesen
Sind wir wieder frisch und jung.
Alles was uns einst entzückte,
Jedes reine hohe Glück,
Was das Leben uns entrückte,
Bringt Erinnerung zurück.
Doch geklärt sind wilde Triebe,
Ausgetobt hat Leidenschaft,
Heilig rein ist unsre Liebe,
Selbstgewiss des Geistes Kraft.
Unsrer Jugend Phantasieen
Werden Wahrheit, Wirklichkeit,
Und von Weisheit wird verliehen
Statt der Zeit uns Ewigkeit.
Sieh: so sind wir neugeboren
Nun zum Leben, das nicht stirbt;
Was wir hielten für verloren,
Unsre Seele neu erwirbt.
So! — da hast Du meinen Segen,
Jugendfreund, zum Jubeljahr:
Bleibts beim Alten allerwegen,
Bleiben jung wir immerdar!
0. Marbach.
In Ordnung.
Vortrag des Brs Dietrich, Redner der Loge
Archimedes au den 3 Reisabretern in Altenhnrg.
In Ordnung, me Brr! Dieses Wort., mit wel¬
chem der ehrw. Mstr. v. St. am Anfänge jeder
Loge die Brr zum Beginne der Arbeit mahnt,
klingt es nicht wie der Kommandoruf eines Feld¬
herrn, der die Seinen sammelt und in Reih und
Glied stellt, um sie dem Feinde entgegenzu¬
führen und in heisser Feldschlacht den Sieg zu
erringen ?
Aber nein, me Brr, nicht das ist der Sinn
dieses Rufes in unserer stillen Bauhütte. Nicht
zu Kampf und Streit führt uns der ehrw. Meister,
wenn wir unter seiner Leitung uns hier ver¬
sammeln. Wohl wissen wir, dass wir der Feinde
genug haben, welche uns verhöhnen und ver¬
lästern , welche uns zu hindern und zu hemmen
suchen in unseren^ maurerischen Streben, in un¬
serer stillen Arbeit, die wir im Dienste unserer
k. K. vollbringen. Wohl dürfen wir bei einem
Blick auf die profane Welt singen und sagen:
„Feinde ringsum!“ Es liebt ja die Welt das
Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in
den Staub zu ziehn. Aber ob wir auch die
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Menge und die Bosheit unserer Feinde und
Verleumder kennen, wir wollen nicht auf blut¬
gedüngten Schlachtfedern Siege über sie er¬
fechten, nicht auf Leichengefilden triumphiren.
Nein, wir kämpfen mit Waffen des Geistes,
unser Werk ist ein Friedenswork. Wir suchen
zu triumphiren durch Gerechtigkeit, Wahrheit
und Liebe. —
Aber wenn uns dies gelingen soll, so gilt es,
dass wir in uns und unter uns auf Ordnung
halten und der Ruf des ehrw. Meisters: „In
Ordnung, me Brr!“ soll uns eine Mahnung sein
zu steter Achtsamkeit, Einigkeit und Beständigkeit.
Kein gutes Werk, das wir Brr in gemein¬
samer Arbeit beginnen, würde gelingen, würde
zum Segen für uns und Andere vollendet
werden können, wenn uns die Ordnung nicht
lehrte, eines Jeden Kräfte zu prüfen und ihm
dann seine passende Stelle anzuweisen und so
in den ganzen Organismus einzureihen, wenn
sie uns nicht mahnte, erst zu wägen und dann
zu wagen und zu rechter Zeit, am rechten Orte
das Rechte zu thun.
Heil’ge Ordnung, segensreiche
Himmelstochter, die das Gleiche
Frei und leicht und freudig bindet,
Die der Städte Bau gegründet,
Die herein vou den Gefilden
Rief den ungeselligen Wilden,
Eintrat in der Menschen Hütten,
Sie gewöhnt zu sanften Sitten
Und das Theuerste der Bande
Wob, den Trieb zum Vaterlande!
Ja Ordnung, Du Himmelstochter, walte segens¬
reich allezeit auch in unserer Mitte. Weise Du
die Lehrlinge an, dass die erste Aufgabe des
Maurers sei die Lücken und Risse des eigenen
Herzens zu beseitigen, leite Du die Gesellen an
den rohen Stein nach den Ordnungen und Ge¬
setzen der Geometrie kubisch zu gestalten, lehre
Du die Meister den Maassstab recht zu ge¬
brauchen, damit die Zeichnung ihres Lebens ein
schönes, harmonisches Ganze werde, welches Gott
und Menschen erfreut. Du allein giebst uns die
rechte Lust zu mrscher Arbeit, die rechte Liebe zu
der k. K., deren Jünger wir sind, in Dir allein
ruht die Bürgschaft, dass unser Streben kein
eitles, unsere Arbeit keine vergebliche seil —
Möge uns Allen der sich stets erneuende
Ruf des ehrw. Meisters eine Mahnung sein zu
steter Achtsamkeit, Einigkeit und Be¬
ständigkeit.
Ja zu steter Achtsamkeit auf uns und auf
die Aufgaben und Ziele der Loge.
Denn wenn der ehrw. Meister mit einem
Hammerschlage das Wort ausspricht: „In Ord¬
nung, me Brr!“ so sollen wir nicht meinen,
dieser Aufforderung dadurch genügt zu haben,
dass wir uns von unseren Sitzen erheben. Unsere
Symbole und unser Ritual haben eine tiefere Be¬
deutung . und stellen höhere Anforderungen an
uns, als es auf den ersten Augenblick erscheinen
mag. Wir sollen dem Meisterrufe nicht bloss
äusserlich, sondern vor Allem innerlich nach-
kommen. Ordnen sollen wir unsere Gedanken
und Empfindungen, damit wir entfernen Alles,
was uns bei unserer mrschen Arbeit hiudern
könnte, damit wir überwinden alle Lauheit und
Gleichgiltigkeit, damit wir unser Denken, Fühlen
und Wollen iu schöne Harmonio bringen, so dass
jede Arbeitsloge uns eine neue Anregung werde,
uns des Wesens und der Würde unserer k. K.
bewusst zu werden und das hohe Ziel fest in’s
Auge zu fassen, dem wir gemeinsam entgegen
wandeln wollen. Und hinausklingen soll der
Meisterruf: „In Ordnung, me Brr!“ auch in’s
profane Leben, in unsere Häuser und unsere
Herzen, damit wir nie vergessen, dass ein Jeder
unter uns auch im profanen Leben mrsche
Pflichten zu erfüllen habe, dass Keiner die
Bahnen verlasse, auf denen wir als wahre
Maurer wandeln sollen, die uns und der Loge
zur Ehre gereichen, die Bahnen frommer Sitte
und edler, reiner Tugend.
„In Ordnung, me Brr!“ Das soll uns aber
auch eine Mahnung sein, uns volle Klarheit zu
verschaffen über Das, was die Loge sein will.
Ist sie nur eine Stätte heiterer Geselligkeit, wo
wir am Abend nach vollbrachtem Tagewerk eine
Stunde der Erholung uns gönnen dürfen ? Me Brr,
wer freute sich nicht der Stunden, wo er, mit
Gleichgesinnten vereint, sein Herz öffnen und
Rede und Gegenrede in Ernst und Scherz
tauschen kann? Aber wenn die Loge nichts
Anderes sein, nichts Anderes bieten wollte —
was hätte sie dann voraus vor jedem anderen
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gastlichen Hause, welches seine Pforten einladend
den Erholungsbedürftigen öffnet? Oder soll sie
ein Tempel der Freundschaft sein, wo Herzen
sich finden und verbinden in treuer Freundes¬
liebe? Gewiss, sio orfüllt auch diese schöne
Aufgabe und Heil dem, der im Bruderkreise
auch ein Freundesherz fand.
Holde Freundschaft, Trost des Lebens,
Ohne Dich sucht man vergebens
Auf der Erde wahres Glück,
Doch an Deinem treuen Stabe
Wandelt man getrost zum Grabe
Durch des Lebens Missgeschick!
Abor der Bund der Freundschaft kann auch
in anderen Kreisen geschlossen werden. Die
Loge muss noch andere und höhere Ziele haben.
Oder will sie ihre Mitglieder zum Wohlthun
auleiten, will sio unser Herz weich und weit und
unsere Hand offen machen, um die Thränen der
Betrübten zu trocknon, der Noth und Armuth
zu steuern ? Eine hohe und edle Aufgabe,
würdig der Anerkennung aller Guten; aber giebt
es nicht auch genug audere Vereine, welche
solches hohe Ziel sich gesteckt haben? Die
Loge will doch noch etwas anderes sein. Sie
will der Anfang des Menschheitsbundes sein, der
in Liebe und Frieden dereinst alle Menschen
umschlingen soll. Dieses Ideal will sie pflanzen
und pflegen in den Herzen der Brr, für die Ver¬
wirklichung dieses Ideals will sie eintreten und
wirken mit allen ihren Kräften. Von diesem
Gedanken soll jede Logenarbeit gehoben und
getragen werden, und mit dem Worte: „In Ord¬
nung, me Brr!“ will also der clirw. Meister uns
zurufen: „Me Brr, wie Ihr jetzt äusserlich in
Ordnung tretet, so ordnet auch Eure Gedanken,
damit Ihr merket und verstehet den Sinn und
die Bedeutung unserer Arbeit, damit Ihr von
Neuem eino Anregung empfanget zu treuem
Streben, damit Ihr nie im profanen Leben ver¬
gesset mit allen Euren Kräften zu wirken für
unser mrsches Ideal !“
„In Ordnung, me Brr!“ Dieser Ruf mahnt
aber auch zur Einigkeit. Es ist keine leichte
Aufgabe, welche auf unseren Schultern ruht.
Wahrlich leicht ist es nicht, dio Vorurtheile
der profanen Welt zu überwinden, leicht ist es
nicht, getrost vorwärts zu wandeln, wenn auch
hin und wieder bittere Täuschung uns zu Thei
wird, wenn wir statt Anerkennung unseres Stre-
bens Verkennung ernten. Ja, wenn dabei ein
Jeder vereinzelt stünde und nur auf die eigene
Kraft angewiesen wäre — dann ade! du hehres
Ideal der Maurerei, das uns wie ein heller
Morgenstern stets entgegenleuchteto, mit seinem
freundlichen Lichte uns mahnend, dass die
Morgenröthe einer schöneren Zukunft dereinst
anbreeben müsse! Dann ade! auch du unsere
Loge, wo so oft unser Herz sich erwärmt fühlte
und die Brust sich weitete im Bewusstsein, dass
wir arbeiten im Dienste des a. B. d. W.!
Bald würden deine Hallen verödet stehen, bald
würde mau von dem, was unsero Seelen erfüllte
und wofür unsere Herzen glühten, als von einer
halbverschollenen Sage reden.
Der Ruf: „In Ordnung, me Brr!* 4 mahnt
uns tröstend, dass Keiner allein ist, dass zu
seiner Rechten und Linken gleichgesinnte Brr
stehen. In der Gemeinsamkeit und Einigkeit
ruht unsere Stärke, ruht unsere Zukunft, ruht
die Gewissheit unseres Sieges. Welch erhebendos
Bewusstsein, dass wir als Maurer uns eins wissen,
dass wir in geschlossenen Gliedern vorwärts wan¬
dern, dass Einer den Andern stärkt und stützt!
0 lasst uns das Wort: „In Ordnung, me Brr!“ stets
eine Erinnerung sein, dass unser Bruderbund, der
über den ganzen Erdkreis verbreitet ist, von
einem Bande der Liebe umschlungen vorwärts
schreiten soll zu den Höhen wahrer Freiheit;
lasst es uns eine Mahnung sein uns nicht in
kleinlichen Sonderiuteressen zu zerspalten, son¬
dern das Eine im Auge zu behalten, was uns
Allen heilig und theuer ist. Dem Einzelnen aber,
der sich vielleicht zürnend von einem Br ab¬
wendete, oder grollend etwas wider einen Br im
Herzen trägt, rufe ich zu: „In Ordnung, m Br! 44
Gehe hin und versöhne dich mit deinem Br und so
tritt wieder in unsere Mitte, das ist mrsche Ord¬
nung und darauf ruht der Segen des a. B. d. W.!
„In Ordnung, me Brr!“ Das sei uns noch
eine Mahnung zur Beständigkeit! Ja, me
Brr, lasset uns nicht müde werden! 0 wie Mancher
ist voll Hoffnung in unsere Bauhütte getreten,
voll Eifers für Alles, was gut und schön ist und
er fand nicht, was er gesucht, und zog sich
enttäuscht zurück. Wie Mancher ward unmuthig,
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weil er sich verletzt fühlte, wie Mancher müde
und verdrossen, weil er die geträumten Früchte
nicht schnell genug reifen sah.
Aber Allen, die lass und matt, dio gleich-
giltig und theilnahmlos wurden, gilt der Kom¬
mandoruf: „In Ordnung!“ Tritt wieder in Reih
und Glied und lass nicht nach in deinem Streben!
Der Maurer soll ja nicht um Dank und Lohn
arbeiten, freiwillig soll er das Gute thun um
des Guten willen. Der schönste Lohn ist der¬
jenige, den er in sich trägt, der da ruht in
dem Bewusstsein im Dienste dos a. B. d. W.
und im Dienste der Menschheit zu stehen und
zu wirken. Das giebt Freudigkeit im Leben,
das giebt ruhige Heiterkeit selbst im Angesichte
des Todes!
Wohlan, bald ist das Ziel erroicht,
Wenn wir wetteifernd bauen,
Wohlan, uns wird die Arbeit leicht
Durch frommes Gottvertrauen,
Und der Vollendung Kranz erringt
Wer treu sein Tagewerk vollbringt!
Antritts-Bede.
Gehalten von dem Br Oscar, Prinzen (jetzt
regierendem Könige) von Schweden und Norwegen,
bei seiner Einführung als Meister vom Stuhl in der
St. Eriks-Loge zu Stockholm im J. 1852.
(Die nachstehende Rede ist einem soeben er¬
schienenen Werke: „Fest-Reden, gehalten in der
Freimaurer St. Jo han n is - L oge St. Erik in
Stockholm von Sr. Majestät dem Könige von
Schweden und Norwegen Br Oscar IL, als
einstigem h am m erführen den Meister wäh¬
rend derJahrc 18;>2— 1868. Oberhausen und Leipzig.
Verlag von Br Ad. Spaannann. 1882.“ entnommen und
möge dazu dienen die Brr auf dieses Schriftwerk aufmerk¬
sam zu machen. — Zu der hier mitgetheilten Rede giebt
der Herausgeber folgende geschichtliche Erläuterung:
„Als Prinz Oscar Fredrik, Herzog von Östergötland,
nach dem Tode seines älteren Bruders Franz Gustaf
Oscar, Herzogs von tpland (geboren 1827), im Herbst
des Jahres 1852 die Leitung der St. Erik-Loge zu
Stockholm als Hammerführender Meitter übernahm,
regierte sein Vater, König Oscar I., der als Schirm¬
herr und Leiter aller Schwedischen Logen den Titel
,Salomos Vikar 4 führte, währeud sein Vertreter,*der
damalige Kronprinz Karl (spätere König Karl XV.),
in der Schwedischen Maurerei den Titel als ,Salomos
Prokurator 4 innehatte. Prinz Gustaf, der zweitgeborne
Sohn des Königs Oscar I. war nicht allein von den
Freimaurerbrüdorn, deren Hammerführender Meister er
während dreier Jahre gewesen, sondern vom ganzep
Schwedischen Volke wegen seiner körperlichen Schön¬
heit, Gradheit und Liebenswürdigkeit fast vergöttert;
sein Tod rief in allen Schichten der Bevölkerung tiefe
Trauer hervor. Er war ausserordentlich begabt und
musikalisch hochgebildet; er erfreute die Brüder oft,
nach vollbrachter Arbeit, mit seinen musikalischen
Vorträgen und Prinz Oscar Fredrik war vollkommen
in seinem Rechte, wenn er in seiner Antrittsrede als
Wortführender Meister das Andenken seines dahin¬
geschiedenen Bruders in schwungvollster Weise feierte,
denn er wussto, dass er überall und besonders im
Kreise der Logenbrüder Wiederhall ftndon würde. Die
Liebe zu dem hohen entschlafenen Meister gab sich
auch in der Wahl seines Nachfolgers kund, indem
diese einstimmig auf seinen Bruder, eben auf den Ver¬
fasser des vorliegenden Buches, den Prinzen Oscar
Fredrik, fiel, den sämmtliche nach dem Schwedischen
System arbeitende Logen, selbst nachdem der Prinz
den Thron bestiegen hat, als den Schirm und Hort
ihres Ordens betrachten.“
Hochgebornor Fürst!
Schwedens und Norwegens Kronprinz!
Salomos Prokurator! Ritter und Kommandeur
des Rothen Kreuzes!
Höchst Leuchtende! Ritter und Komman¬
deure des Rothen Kreuzes!
Hoch Leuchtende! Ritter des Purpurbandes!
Leuchtende! Höchst Leuchtende! Hoch
Leuchtende! Hochwürdige und Auserwählto!
Würdige! Fleissige und Arbeitsame! Frei¬
maurer Ritter und Brüder!
Wenn wir in dieser Stunde und in diesem
geheiligten Raume unsere Gedanken auf die
entschwundene Zeit zurückschweifen lassen und
auf die Wechsel der Ereignisse, dio Merkmale
der Vergänglichkeit und des Todes, die sie im
Gefolge führten, so wird sicherlich unser Gemüth
zu Betrachtungen angeregt, die nicht allein ernster
und tiefer sind, sondern auch erhabener als die,
welche sonst der Mensch wohl fühlen mag, wenn
er unter den alltäglichen Verhältnissen leicht¬
sinnig seinen Weg dahin oilt und nur der Minute,
ihrer Genüsse, ihrer äusserlichen Bestrebungen
und ungetrösteten Sorgen gedenkt.
Der Mensch gleicht dann einem Wanderer
mit verbundenen Augeu; denn er hat das Ge-
heimniss des Lebens nicht verstanden; er hat
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ebensowenig die Vergänglichkeit des Lebens in
der Zeit erfasst, wie den Keim der Unsterb¬
lichkeit, welcher in demselben verborgen liegt
und als Herbstsaat eines kommenden Lenzes
harrt. Den Augen seiner Seele ist das ewige
Licht noch nicht aufgegangen, er überlässt sich
noch der Leitung des schimmernden Irrlichts der
Welt; keine innere Stimme hat ihm die er¬
weckenden Worte zugerufen:
„Sic transit gloria mundi!“
Uns Freimaurerbrüdern ertönte einmal diese
Stimme; von unseren Augen ist einst die Binde
gefallen 1 Das Licht ist angezündet in unserer
Loge. Unser ist der Fehler, wenn wir nicht
die Finsterniss vom Lichte zu unterscheiden
wissen; unser ist der Fehler, wenn wir nicht
sehen und verstehen, dass das Licht über die
Finsterniss siegt, im Tode siegen und mit ewigem
Glanze in dem erhellten Tempel strahlen wird,
einem Tempel, von dem der unsrige ein schönes
Sinnbild ist.
Wenn wir die Wechselnde der entschwun¬
denen Tage betrachten, müssen wir sie also von
diesem höhoren Lichte beleuchten lassen — sonst
könnten sich unsere Sinne leicht in den dunkeln
Wegen des Missnmths verirren, und wir ver¬
möchten nicht die Gewissheit in den Plänen des
Dreifältigen Grossen Baumeisters zu erkennen.
Uud gleichwohl müssen wir wissen und bedürfeu
wir des festen Glaubens, dass die Hand, welche
die Lothlinie hält, im ewigen Lichte waltet, wenn
auch das Loth oftmals tief herab in Nebel und
Finsterniss zu sinken scheint.
So dachte wenigstens Er, der entschlafene
Meister, der heute zum ersten Male fern von
Seiner Logo weilt. Und wenn wir jetzt mit be¬
klommenem Herzen unsere Brüderkette um Sein
zu frühes Grab schliessen — so möge die tröst¬
liche Gewissheit auch unsere Herzen durch¬
dringen: dass des ewigen Tempelmeisters all¬
sehendes Auge wacht, sowohl in der Abend¬
dämmerung wie im Morgengrauen, und dass sein
Vaterherz das geschehen lässt, was dem Vater¬
auge am tauglichsten scheint zur Reife Seiner
himmlischen Ernte!
Nur drei Jahre sind seitdem entschwunden,
dass innerhalb dieser Mauern, an diesem Platze
zum Wortführenden-Meister der St. Eriks-Loge
geweiht wurde: Seine Königliche Hoheit
der Herzog von Upland, Prinz Franz
Gustaf Oscar.
Sicherlich nur Wenige unter Euch, meine
Brüder, sind es, die diesem Freudenfeste nicht
beigewohnt haben, und noch weniger ahntet Ihr
wohl damals, dass mein Mund heute Seine Ver¬
wandlung verkünden und diese schwache Hand
den Hammer ergreifen würde, den Seine wür¬
digere Hand im Tode zurückliess. Und donnoch
ist es so geschehen!
Er ist dahin! Der Tod trat an Sein Lager,
‘wie eine nordische Mittsommernacht, wo das
Licht sich nur bis zur Dämmerung abschwächt,
breitete sich Verklärung über Sein fast schon
brechendes Augo. Friedlich, wie Sein Lebens¬
strom schon von der Quello an dahin rann, ent¬
schwand vor unseren Blicken die letzte Furche
in dem unbekannten und unergründlichen Ocean
der Ewigkeit! Wir, die wir am Ufer zurück¬
blieben — wir besitzen nunmehr nur noch dio
Erinnerung dessen, was Er uns auf Erden ge¬
wesen ist; und selbst diese hehre Erinnerung
würde uns die Sehnsucht nach Ihm verbittern,
wenn wir nicht die Gewissheit der ewigen
Liebe besässen, die Ihn hier umgab, und die
auch in Ewigkeit über Ihm wachen wird, wenn¬
schon Er unseren schwachen Augen entrückt ist
— wenn wir nicht die Gewissheit besässen, die
uns das Wort verkündet: „Selig sind die
Gerechten und Friedfertigen, denn sie
werden Gott schauen!“ — — Die Erin¬
nerung dessen, was Er war ?! — Saget, meine
Brüder, werde ich es wohl heute nöthig haben,
Sein schönes Bild vor Euren Blick zurückzu¬
rufen ? 0! ist dasselbe nicht Euren Herzen mit
unauslöschlichen Zügen eingegraben ? Suchet dort
das Bild eines edlen Mannes, eines treuen Frei¬
maurers — eines in Wahrheit „Höchst Er¬
leuchteten“ Meisters. Suchet dort das Ehrfurcht
gebietendo Bild des Meisters, der von diesem
Altar so oft die Sprache der Wahrheit und des
Lichtes deutete — suchet die reine und edle
Gestalt des Freundes, der in unserem vertrau¬
lichen Kreise, nach geschlossenen Arbeitsstunden,
die Laute seiner schönen Stimme hören liess,
und dessen mildes Wesen Gefühle der Freude,
des Wohlbehagens, der Harmonie, die stets im
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Gefolge der Guten sind, um sich verbreitete!
Suchet dies vollendete Bild in Eurem Innern;
und wenn es vollkommen klar geworden ist,
dann werdet Ihr in Wahrheit den dahinge-
schiedeneu Meister wiedererkennen, und Ihr
werdet begreifen, dass Er reif war zu einer er¬
leuchteteren Loge berufen zu werden. Alle Lob¬
reden aus Menschenmunde über Seine Wanderung
hier auf Erden müssen matt ausfallen, wie die
Stimme, welche sie aussprechen. Sein un¬
verändertes liebliches Bild, treu bo-
walirt in den dankbaren Brüderherzen:
seht, das ist Sein schönstes Denkmalf
Mögen wir Ihm dies stets bewahren, und das
immer mehr verklärte Bild wird selbst über die
Trauer Verklärung verbreiten.
In Wahrheit, unsere Trauer ist tief, wie die
Erinnerung an den Todton, so tief, dass wir fast
versucht wären, uns ihr rtickhaltslos zu unter¬
werfen, und doch; — wir dürfen uns ihr nicht
so ganz überlassen, dass wir dadurch untaug¬
lich würden zur Pflege des Berufes-, der uns
übertragen ist, so lange wir in der Zeit wandeln.
Freimaurer-Brüder! Wir betrauern Ihn am
innigsten, und wir ehren Sein Gedächtniss am
höchsten, wenn wir sein Werk weiter führen und
in unserer Arbeit Ihm ähnlich zu werden suchen.
Wer gedachte stärker als Er der abgelegten
Gelübde des Freimaurers? Wer kannte besser
als Er dessen hohes Register? Wer erfüllte
treuer als Er des Freimaurers Pflichten? Er
gab uns ein schönes Beispiel — das kann —
das darf nicht fruchtlos bleiben.
An Seinem kaum geschlossenen Grabe lasset
uns in Einigkeit und brüderlichem Bunde
uns fester Zusammenschlüssen. Lasset uns mit
starken Kräften das schöne Werk des Freimaurers
zu vollführen suchen, ein Jeder in seiner Statt
möge seine Maurerkelle, sein Winkelmaass und
sein Reissbret zur Vollendung des grossen
Tempelbaues verwenden.
Niemand von uns ist dazu zu gering! Es
ist nur die Verzagtheit und Gleichgiltigkeit,
welche uns zuflüstern, dass das Werk zu gross,
zu hoch für unsere Kraft sei, und dass der
Streit auch ohne uns durchgekämpft werden
könne. — — — Höret nicht auf diese Stimme.
„Der Heerführer allein gewinnt nicht die Schlacht,
Die geschlossenen Glieder orstreiten ihm den Sieg.“
Ein Jeder hat seinen Antheil an der Arbeit
nach Maassgabe der ihm vom Obermeister ver¬
liehenen Kraft und auch der ihm von Dem¬
selben auferlegten Pflicht nachzukommen.
Aber — könnte Jemand fragen: Welches ist
dieses Werk? — Ich antworte-ohne Zaudern,
das grosse Werk heisst: Die Veredelung der
Mens chheit!
Dieses Losungswort haben so Viele sich zum
Ziele ihres Strebcns gesetzt, und doch — haben
so Wenige es von Erfolg gekrönt gesehen.
Sie haben meist auf haltlosem Grunde gebaut,
auf einem Grunde von Irrlehren und missver¬
standener Menschenliebe; sie haben sich
durch Menschengunst oder Menschenfurcht miss¬
leiten lassen. Sie haben das Haus bauen wollen,
ohne dass der Grösste Baumeister mit ihnen
war, weder bei ihren Berechnungen noch bei
ihrer Arbeit. Deshalb wurde ihr Werk auch
nicht winkelrecht, und ihre Tempel, so prächtig
sie auch oftmals erschienen, stürzten bei der
ersten Erschütterung zusammen.
Mit des Dreifalt Grossen Baumeisters
Beistand hoffen wir, dass unsere Arbeit winkel¬
recht und dauerhaft sein werde; denn es ruht
auf dem Felsengrunde der Wahrheit.
Jahrhunderte hindurch ist der Tempel in den
tobenden Stürmen der Welt aufrecht stehen ge¬
blieben und hat dem Feuer und dem Schwerte
getrotzt. Gleich einem neuen Phönix hat er
sich verschönert und veijüngt aus den Flammen
erhoben, die man anzündete um seine Mauern
zu vernichten.
Viele meinen vielleicht, dass die Freimaurerei
in unseren Tagen vor Gefahren und drohenden
Angriffen sicher sei, dass der Tempelbau keiner
unverdrossenen Arbeit und Pflege mehr bedürfe?
-Mögen wir uns diesem Glauben nicht
hingeben; möge Jeder an seinem Platze wach¬
sam sein, auf dass die Sturmwogen unserer
ruhelosen Zeit fruchtlos sich an unserer festen
Burg brechen!
Es ist wenigstens unsere Pflicht zu wirken
durch die wohlthätigen Beispiele einiger Brüder¬
liebe und des unerschütterlichen Glaubens, der
Anbetung*und Ehrfurcht vor dem Heiligen, das
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sich in der Zeit offenbart, der Liebe zu unserem
Vaterlando, seinem Könige und seinen ruhm¬
reichen Erinnerungen, — der Achtung vor Ge¬
setz und Recht und der Anhänglichkeit an un¬
seren uralten und ehrwürdigen Orden.
Lasset uns der Welt zeigen, von dem sie
vielleicht glaubt, dass es nicht mehr vorhanden
sei: einen Brüderbund, einen mächtigen und
starken Brüderbund, der ihrer Achtung werth
ist, dessen eng geschlossene Glieder sie nicht zu
durchbrechen vermag, der eine Kette bildet, von
der jedes Glied sich dem Dienste der Wahrheit
und des Lichtes weiht, und mit Bewusstsein und
Muth dafür zu kämpfen bereit ist!
Lasset uns durch St an dh aftigkeit, Ilecht-
schaffenheit und Barmherzigkeit sieg¬
reich die Prüfungen bestehen, die in so vielfäl¬
tigen Gestalten auf unserer Wanderung hier auf
Erden uns entgegentreten!
Auf Brüder! Zaudert nicht! Wer weiss, ob
der kommende Tag uns gehört. Will nicht schon
der Gedanke an unser erstes Eintreteu in diese
Mauern uns gemahnen, uns nicht auf das Unge¬
wisse des morgigen Tages zu vertrösten?
Lasset uns heute, während wir uns noch auf
dem Wahlplatze des Lebens befinden, unserer
Pflichten gedenken, unsere Anstrengungen ver¬
doppeln, dann — ja d a n n wirken wir am besten
für das Werk des entschlafenen Wortführenden-
Meisters, dann ehren wir am höchsten Sein
theures und erhabenes Gedächtniss, dann wird
Er ganz so, wie er es verdient, von uns be¬
trauert !
(Schluss folgt.)
Verlag von Bruno Zechel in Leipzig.
Deutsche Geistesheroen
in ihrer Wirksamkeit
auf dem Gebiete der Freimaurerei
von
Robert Fischer.
8 Bogen 8°. Preis broch. M. 2.00.
Scheitlin & Zoilikofer in 8t. Gallen.
Soeben erschien:
Die Freimaurerei.
5. Aufl. Preis: 1 Mark.
Inhalt: Vorwort. — I. Was heisst Frei¬
maurerei? — II. Was ist und was will der
Froimaurorbund? — III. Wie verhält sich der
Freiniaurerbund zu Staat und Kirche? — IV. Was
haben die Freimaurer für Geheimnisse? — V. Wie
ist der Freimaurerbund eingerichtet? — VI. Was
thun die Freimaurer in ihren Versammlungen?—
VII. Welchen Nutzen hat der Freiraaurerbund? —
VIII. Wie ist der Freimaurerbund entstanden? —
IX. Wasfür eine Geschichte hat der Freimaurer-
bund? — X. Wie weit ist der Freimaurerbund
verbreitet? — Nachwort.
Edition franpaise au memo prix.
Verlag von Bruno Zechel in Leipzig.
Soeben ist erschienen und kann durch alle Brr
Buchhändler, sowie direct von mir bezogen wordon:
Liederbuch
für Freimaurer-Logen.
Durchgehend mit Melodien versehen.
Herausgegobon von
Br Rob. Fischer und Br Wilh. Tscliirch.
10 Bogen 8°, Preis broch. M. 2.—.
Partiepreise:
bei 6 Exemplaren ä M. 1.50
bei 12 Exemplaren ä M. 1.25.
Vorstehendes von den Brr Herausgebern mit
grosser Sorgfalt zusammengosteilte Liederbuch zeich¬
net sich vor allen andern Liederbüchern dadurch aus,
dass sämmtlicho (141) Lieder mit den Melodien und
auch theilweiser Begleitung versehen sind. Es dürfte
sonach dieses neue Liederbuch geeignet sein, zur
Hebung des gemeinschaftlichen Gesanges während
der Arbeite- und Tafellogen wesentlich beizutragon
und sei dasselbe daher den Logen, Maurerkränz¬
chen und Bruderveroinon behufs Einführung
angelegentlich empfohlen.
Verlag von Br Bruno Zechel Tn Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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März 1882,
' V Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenveroaminlangen eines der drei Qrsde gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilangen in Angelegenheiten des Freimaarerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Wie der Gedanke an den Tod zum Segensquell für unser Leben wird. — Zeichen,
Wort und Grif des Lehrlingsgrades. — Antrittsrede des Br Oscar, Prinzen Ton
Schweden, als Meister ?om Stuhle. (Schluss.) — Aus dem Engbunde: Zur Geschichte
der Loge B. z. L. — Anzeigen.
W ie der Gedanke an den Tod znm
Segensquell für unser Leben wird.
Vorgetragen in der Loge Amalia zu Weimar am
1. November 1881 von Br Putsche.
Während der Drucklegung des nachfolgenden
Logenvortrages trifft die erschütternde Nachricht von
dem Heimgange des verehrungswürdigen und um die
Frmrei hochverdienten Bruders Putsche, Meisters vom
Stuhle der Loge Amalie, ein. Möge dem theuern
Bruder zu theil geworden sein, was er selbst als
grössten Segen gepriesen hat: „ein unverzagtes Herz
beim letzten Scheiden.“
Me Brr! Der HI. Grad, in dem wir heute
hier versammelt sind, ist vorzugsweise dem Ge¬
danken an den Tod geweiht, ein Gedanke, der
auf den gewöhnlichen Menschen schmerzlich und
beunruhigend, verstimmend und verdüsternd zu
wirken pflegt und deshalb von Leichtlebigen und
Lebenslustigen am liebsten gänzlich fern gehalten
wird. Anders denkt und handelt der wahre
Lebenskünstler, der echte Freimaurer. Er ruft
in unserm Grade ihn ganz geflissentlich und
wiederholt hervor durch die ernste Mahnung:
Denk an den Tod! Und er thut wohl daran.
Er weiss, dass der Gedanke an den Tod gleich
einer bittern Arzenei wohlthätig auf sein ganzes
Leben wirkt So möge denn auch heute diese
Wahrheit der Gegenstand eingehender Betrachtung
für uns sein, damit auch wir recht klar bewusst
uns werden, wie der Gedanke an den Tod
ein Segensquell für unser Leben wird.
Dies wird er offenbar schon dadurch, dass er
uns 1) zur Weisheit im Gebrauch der Zeit
des Lebens mahnt Dass diese Weisheit nur
allzuoft der Mehrzahl unseres Geschlechtes fehlt,
diess ist die Klage des Dichters, wenn er ausruft ;
Wie sicher lebt der Mensch, der Staub!
Sein Leben ist ein fallend Laub,
Und dennoch schmeichelt er sich gern
Der Tag des Todes sei noch fern.
Der Jüngling hofft des Greises Ziel,
Der Mann noch seiner Jahre viel,
Der Greis zu vielen noch ein Jahr
Und keiner nimmt den Irrthum wahr.
Eindringlich ruft in dieser Hinsicht dem sorg¬
losen Sterblichen ein anderer Dichter zu:
Getäuscht von eitlen Kleinigkeiten
Verlierst Du Deines Lebens Zweck,
Verschiebst Dein Heil auf ferne Zeiten
Und wirfst so sicher Jahre weg;
Bist Du, o kühner Sterblicher,
Des nächsten Augenblickes Herr?
Wenn solche Sorglosigkeit und Sicherheit auch
uns beschleichen will, da mahnt uns auf der
Meisterstufe ernst und dringend der Gedanke an
den Tod und warnt:
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Es eilt der letzte von den Tagen,
Die Du hier lebest, Mensch, herbei.
Erkauf die Zeit, anstatt zu klagen,
Sie sei zu kurz, gebrauch sie treu!
Nimm mit erkenntlichem Gemüth
Der nahen Stunde wahr! Sie flieht.
Zu solcher Treue, solcher Lebensweisheit im
Gebrauch der Zeit gehört aber nicht bloss die
gewissenhafte Eintheilung derselben entsprechend
unserem Symbol des vierundzwanzigzölligen Maas¬
stabes, nicht bloss die Verwendung derselben auf
irdischen Erwerb, auf weltlichen Beruf, noch
weniger das Jagen nach Schätzen, die man „in
Hast gewinnt, bald schwelgerisch verzehrt, bald
ruhelos bewacht und bald mit Fluch vermehrt.“
Zur echten Weisheit im Gebrauch der Lebenszeit
gehört vor Allem ein rastloses Streben nach
Selbsterkenntniss, Selbstüberwindung und Selbst¬
veredelung, wie unsere Kunst sie lehrt, ein
fleissigcr Besuch von unsem Arbeitshallen, in
denen lernend wir uns üben nicht bloss in unsrer
Selbstvervollkommnung, vielmehr auch für der
Brüder, der ganzen Menschheit Wohl am Tempel
der Humanität zu bauen. Für diesen Bau lässt
sich die Zeit recht gut „erkaufen,“ wenn wir nur
ernstlich wollen, wenn wir uns nur weniger
„durch eitle Kleinigkeiten täuschen,“ durch welt¬
liche Zerstreuungen und Freuden uns nicht ver¬
führen, durch Liebe zur Bequemlichkeit uns seltener
abhalton lassen, wenn wir unsrer Maurerweihe
eingedenk bleiben, auch wenn wir tiefgekränkt zu
sein von Brrn wähnen, doch ihnen hier zu begegnen
uns nicht scheuen. Wenn so wir treu geblieben
dem Versprechen, das wir an Eides statt hier
abgelegt, dann erfüllen wir auch die Mahnung
unseres zweiten Meisterwandrungsspruchs:
„Willst ruhig.und getrost Du einst von *hinnen
scheiden,
Bereite, rüste Dich mit Kraft dazu beizeiten!“
Dann wird der Gedanke an den Tod ein Segens¬
quell für unser Leben auch dadurch, dass er
2) zum Scheiden aus dem Leben uns vorbereitend
stärkt. Ja, wenn überhaupt Charakterstärke
mit Seelenfrieden lohnt, so ist gewiss für uns
ein solcher Lohn getrosten festen Muths in
schweren Lbiden, ein unverzagtes Herz beim
letzten Scheiden der grösste Segen, der uns
werden kann. Wie aber können wir dazu uns
besser stärken, als wenn der öftere Gedanke an
den Tod uns mehr und mehr mit ihm befreundet,
so dass er nicht als „grässliches Gerippe“ uns
naht, vielmehr als holder Genius mit umgekehrter
Fackel die Lippe des Sterbenden berührt mit
seinem Kuss? Was kann beruhigender für uns
am Schluss des Lebens sein, als wenn keine
bittre Reue an unserm Herzen nagt, kein schwerer
Vorwurf des Gewissens auf uns lastet, wenn wir
vorsorglich unser Haus bestellt, wenn wir uns
so stark „gerüstet,“ dass in der letzten Stunde
unsres Lebens das in Erfüllung geht, was an
des Meisters Grabe wir gebetet und gewünscht:
„Dass, wann einst auch wir die Augen sehliessen,
„Unser Scheiden ohne bittre Reu,
„Ohne schweren Vorwurf im Gewissen
„Eingang uns zum ew’gen Frieden sei.“
Zu jenem Gottesfrieden aber, der in Folge
rechtzeitigen Gedankens an den Tod beim Scheiden
aus dem Leben uns erfüllt, ist als ein Vorhor-
geschmack des Himmels der Segen auch zu
zählen, dass uns der nämliche Gedanke 3) das
Leben schon hienieden verschönt und mild ver¬
klärt. Ja, was Geliert erst nach dem Tode,
droben, uns in der Ewigkeit verheisst, das
nimmt für uns den Anfang schon hienieden,
wenn täglich wir des Todes eingedenk sind. Denn
wenn der fromme Dichter jenes Liedes: „Nach
einer Prüfung kurzer Tage erwartet uns die
Ewigkeit“ uns hinweiset auf das hellere Licht,
womit die Ewigkeit einst unsern Geistesblick
verklärt und von der Ahnung einer vollkommeneren
Welt beseligt hofft:
Da werd* ich das im Licht erkennen,
Was ich auf Erden dunkel sah,
Das wunderbar und heilig nennen,
Was unerforsehlich hier geschah;
Da denkt mein Geist mit Preis und Dank
Die Schickung im Zusammenhang!
so wirft schon hier auf unser Erdeuleben der
Gedanke an den Tod solch ein verschönernd,
mildyerklärend Licht, indem er
Unsern Blick und unser Streben
Hinlenkt auf ein bessres Leben
Und uns lehrt schon in der Zeit
An dem Ewigen ergötzen,
Hier den Werth der Dinge schätzen,
Wie einst in der Ewigkeit
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Wie klein, wie eitel und wie nichtig erscheint
uns dann im Hinblick auf die Ewigkeit so
Vieles, was schwer und bang die Kinder dieser
Welt beunruhigt und drückt! Wie hoch beseligt
uns hienieden schon die Hoffnung auf eine nach
unserem Tode sich immer besser gestaltende,
vollkommenere Welt, zu deren Herbeiführung
und Vorbereitung im Rath der Vorsehung so
Manches dienen muss, was unserem beschränkten
Blicke vielleicht zeitlebens unbegreiflich und un¬
vereinbar mit einer weisen Weltordnung erschien!
Doch nicht die Zukunft bloss erscheint für unser
Geistesauge in einem schöneren Licht bei dem
Gedanken an den Tod verbunden mit dem Hin¬
blick auf eine ewige Fortentwickelung zur Voll¬
kommenheit, es wird sogar auch schon die
Gegenwart durch den Gedanken an den Tod
mit reinerem Glanz erleuchtet und verklärt. Wie
wir beim Abschied von geliebten Menschen den
Werth derselben doppelt tief empfinden, wie
schöner nie die Heimath, nie weither uns das
Vaterhaus erschien als damals, wo wir schieden,
um fortzuziehn in weite Ferne, in eine uns noch
unbekannte Welt: so zeigt* uns der Gedanke au
den Tod und an das einstige Scheiden von so
vielen unsrer Lieben auf das einstige, vielleicht
recht baldige Verzichtenmüssen auf ihren Umgang
und auf diese holde, freundliche Gewohnheit des
Daseins und Wirkens erst recht hell und klar,
welch* hohe Lebensgüter wir denn doch besitzen,
wenn auch dafür so oft sich unser Auge trübt,
und dass selbst diese sublunare von den Pessi¬
misten so oft geschmähte Welt mit allen ihren
Unvollkommenheiten doch immer noch für uns
ein hohes Gnadengeschenk des Himmels sei.
Diese unser Leben schon hienieden ver¬
schönende Kraft des Gedankens an den Tod
wird aber endlich auch in so fern offenbar, als
dieser Gedanke zur Milde und Versöhnlichkeit
uns stimmt. Ja, me Brr, beim Gedanken
An jenes ernste, stille Geisterreich
Da fühlt das strenge Herz sich mild und weich,
So dass es Nachsicht und Verzeihung schenkt
Auch Denen, die uns bitter einst gekränkt.
Solch eine Milde und Versöhnlichkeit wirkt
aber nicht allein wohlthätig und versöhnend
auf die Schuldbewussten, sondern auch ver¬
schönend auf uns selbst und unser Leben ein,
so dass, wie eine schöne Gegend, vom milden
Licht der Abendröthe sanft beleuchtet, uns doppelt
schön erscheint, so auch der Abend unseres
Lebens dem Weich- und Mildgestimmten schöner
sich verklärt,
Wenn der Feindschaft wilde Stürme schweigen,
Sich, wie Sterne hinter Wolken, zeigen
Sanftmuth, Liebe und Versöhnlichkeit.
Ja, das Leben, uns zur Hölle, wenn wir hassen,
Wird zum Himmel, wenn wir liebend uns umfassen
Und vergessen Groll und Bitterkeit.
Zeichen, Wort und Grif des Lehr-
Ungsgrades.
Von Br J. Fr. Fuohs, Prot. Secretair der Loge
Balduin zur Linde in Leipzig.
Woran soll ich erkennen, dass Sie
ein Freimaurer sind? heisst eine der ersten
Fragen des Lehrlingskatechismus, und die Ant¬
wort lautet: An Zeichen, Wort und Grif.
„Daran kann ich allenfalls erkennen, ob Jemand
äusserlich dem Bunde angehört; den rechten
Frmr erkenne ich vielmehr an seiner Gesinnung,
seinem Wort, seiner That, überhaupt an seinem
ganzen Wesen,“ sagte ein alter Frmr, und er
hat recht. Aber auch jene Antwort hat ihre
volle Berechtigung. Wie alles Aeussere in der
Frmrei symbolisch ist, so sind auch Zeichen,
Wort und Grif Symbole, die man nur recht ver¬
stehen muss. Ich will versuchen, — wenigstens
nach einer Seite hin — in kurzen Zügen eine
Deutung dieser Erkennungszeichen zu geben.
Das Zeichen, die im rechten Winkel ge¬
öffnete, an den Hals gelegte Hand, sagt dir, dass
du dich stets im rechten Winkel, d. h. in
Uebereinstimmung mit deiner Pflicht gegen dich
selbst, deinen Nächsten und deinen Gott befin¬
den sollst. —
Gegen dich selbst. Die Frmrei ist „die
Kunst die Herzen zu veredeln; das Herz aber
wird in dem Grade edler, je mehr es sich aus
der Gemeinheit des natürlichen Daseins in die
ätherischen Regionen des geistigen Lebens empor¬
ringt,“ also je mehr es ein reines Herz wird.
Und „selig sind, die reines Herzens sind, denn
sie werden Gott schauen.“ Um aber zu wissen,
dass dein Herz rein ist, musst du durch strenge
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Selbstprüfung mit den geheimsten Falten des¬
selben vertraut werden.. Der gegebene Prüfstein
ist das Gewissen, das göttliche Gesetz in deinem
Herzen. Das Gewissen schläft nicht, wenn du
es nicht selbst auf kurze Zeit einschläferst, es
sagt dir zu jeder Zeit, — gleichwie der rechte
Winkel immer die grade Linie anzeigt *— ob
die Regungen deines Herzens frei von böson
Begierden, ob deine Worte wahr sind, ob deine
That nicht von schnödem Eigennutz, von Ehr¬
sucht, von eitler Selbstgefälligkeit geleitet war.
Solche Selbsterkenntniss ist der Weisheit Anfang.
Und wenn du meinst, du könntest dein Herz
nicht gegen die schlimmen Regungen verschliessen,
ohne dein Zuthun und wider deinen Willen
zögen sie ein, so denke an Luthers Mahnung:
„Du kannst nicht hindern, dass die Vögel über
deinem Haupte hinfliegen, wohl aber kannst du
hindern, dass sie in deinen Haaren ein Nest
bauen,“ an die Mahnung, dich selbst zu be¬
herrschen, in den Kampf einzutreten mit deinen
Begierden und Leidenschaften und aus diesem
Kampfe alsSieger hervorzugehen. Der rechte Mann
kann, was er will, wenn er will, was er soll.
Er weiss seine Begierden stets zu mässigen, seine
Leidenschaften zu bezähmen, dass sie ihn nicht
stören in dem, was er als edel und rechtschaffen
erkannt; er kommt dem ihm vorgesteckten Ziele
der Selbstveredelung immer näher und findet sich
so im rechten Winkel zu sich selbst. — Zu
dem Nächsten aber durch Erfüllung des könig¬
lichen Gebotes: „Du sollst deinen Nächsten lieben
als dich selbst.“ Wer ist mein Nächster? ist so
oft gefragt worden, und immer wird die Antwort
lauten müssen: Jeder Mensch, der uns nahe
steht, dass wir ihm dienen können, jeder Mensch
ohne Unterschied des Standes, des Alters, der
Religion, der bürgerlichen Verhältnisse und wie
solche Aeusserlichkeiten sonst heissen mögen.
Er ist ein Kind desselben Gottes, der auch dich
erschaffen, er hat dieselben Kräfte und Anlagen
wie du erhalten und ist zu gleichem hohem Ziele
berufen. Freilich wird sich diese Liebe ver¬
schieden äussern, anders gegen den Greis als
gegen das Kind, anders gegen den Freund als
gegen den Fremden oder gar den Feind, anders
gegen den Bruder, die Schwester, anders gegen
den Vater oder die Gattin. Aber immer: Lieben
wie dich selbst! Der Selbstsüchtige vermag
diess nicht, weil er ausser sich nichts lieben kann;
der den Geist dieses Gebots nicht versteht, er¬
schrickt vor demselben, weil ihm dessen Erfüllung
unmöglich dünkt. Und doch fordert es nur an
jedem Bruder das zu thun, was man von ihm in
gleicher Lage wünschen würde. Und wenn diese
Liebe zunächst auch nur eine schwache und eigen¬
nützige sein sollte, durch treue Uebung wird sie
sich immer mehr zu einer gottähnlichen gestalten.
Gott umfasst alle Menschen mit gleicher Liebe.
So steht der Mensch auch schon im rechten
Winkel zu seinem Gott. „Du sollst aber Gott
über alles lieben.“ Gott ist ein Geist, deine
Liebo muss daher frei von der Gewalt irdischer
Einmischungen und Empfindungen, sie muss eine
geistige sein. Diese reine Liebe aber ist das
Verlangen der innigsten Vereinigung mit Gott
und zeigt sich darin, dass man seine Gebote
hält, göttlich denkt und göttlich lebt, immer mehr
sich vergöttlicht. Und dabei erinnert die im
rechten Winkel geöffnete, an den Hals gelegte
Hand noch an den alten Freimaurereid: Ich will
mir eher die Gurgel abschneiden lassen, ehe ich
meinem Gelübde und meiner Pflicht untreu werde.
„Das ist eine harte Rede, wer mag sie hören!“
Doch da tritt das zweite Erkennungssymbol,
das Freimaurerwort, tröstend ein, das da
lautet: Jakin! Der Herr wird dich auf¬
richten! Vermessen wäre es mit Hiob sagen
zu wollen: „Mein Gewissen beisst mich nicht
meines ganzen Lebens halber.“ Alle müssen
vielmehr klagen über das eigne schwache Herz,
„das trotzige und doch so verzagte Ding,“ das
wohl Lust hat an Gottes Gesetz nach dem in¬
wendigen Menschen, aber immer in Widerstreit
geräth mit des Fleisches Lust und gefangen wird
in der Sünde Gesetz. In diesem fortwährenden
Kampfe, bei dem der schwache Mensch so oft
unterliegt, klagst du wohl — und der redlich
nach Vollkommenheit Ringende thut es am meisten:
Wer wird mich erlösen von der Macht der Sünde?
Der Herr wird dich aufrichten! Hebe deine
Augen auf zu ihm, „der in dem Schwachen mächtig
ist, der dir deine Sünden vergiebt, und dein
Leben vom Verderben erlöset und dich krönet
mit Gnade und Barmherzigkeit.“ Unterwirf dich
getrost seiner Leitung, habe ihn stets vor Augen
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und im Herzen, sprich mit jenem Frommen: „Was
ich gewesen, decke zu; was ich sein will, regiere
du,“ und es wird dir gelingen, das Gewand des
Irrthums und der Sünde immer mehr abzustreifeu
und dich dem ewigen Lichte zu nähern. — Ein
Anderer klagt: All mein Sorgen und Schaffen ist
eitel vergebliche Mühe. Ich habe meine ganze
Kraft eingesetzt, ein Segen meiner Brüder zu sein:
für meine Gutthaten erntete ich Undank, meine
guten Rathschläge wurden nicht beachtet, meine
Worte waren in den Wind geredet* — ich habe
umsonst gelebt. So klagte auch einst Elias und
hielt sich für den einzigen, der nicht von Jeho-
vah abgefallen sei. Aber der Herr belehrte ihn,
dass viele Tausende ihre Kniee nicht gebeugt
vor den falschen Göttern, und an ihnen war des
Propheten Arbeit nicht vergeblich gewesen. Und
ist es nicht auch bei dir so, mein Br, der du
^ so klagst? Kannst du denn wissen, ob deine
Wohlthaten nicht hie und da einen dankbaren
Boden gefunden, ob dein gutes Wort nicht in
einem feinen guten Herzen aufbewahrt und be¬
wegt wird, im Stillen keimt und herrliche Frucht
bringt, nur dass du sie nicht siehst. „Nimm deine
Gabe und wirf sio ins Meer, sieht sie der Fisch
nicht, sieht sie der Herr 1“ sagt der Perser. Und
selbst wenn dir alles redlich Gewollte und Er¬
strebte misslungen wäre, — was aber niemals
der Fall ist — so wird der Herr dir deinen
Lohn geben nicht nach dem Erfolg, sondern nach
deinem aufrichtigen Willen. Und Jakin! heisst
es auch, wenn schwere Leiden dich drücken oder
wenn du durch die dunkle Pforte des Todes
gehen sollst: denn der gütige Gott legt dir nicht
mehr auf, als du zu tragen vermagst, darum sei
geduldig und harre sein, und der grosse Geist,
der dir von seinem ewigen unsterblichen Geiste
gegeben, lässt sein Werk nicht untergeben, wenn
auch der Leib in Staub zerfällt.
Und nun noch wenige Worte über das dritte
Erkennungszeichen, den Grif. Rein nebensäch¬
lich ist, wie du die Hand des Bruders drückst,
dem du dich zu erkennen geben willst, — du
ergreifst aber die Bruderhand mit einem Herzen
voll Bruderliebe. Wo der Druck der Hand sich
bietet, da öffnet sich das Herz des Maurers, und
fühlt sich als Kind desselben Vaters, der seine
Kinder mit gleicher Liebe umfasst. Drückt Noth
und Sorge den Bruder, der warme Druck deiner
Hand giebt ihm Zeugniss, dass du herzlich theil
nimmst an seinem Geschick und wo du kannst,
greifst du ein, dass Noth und Sorge von ihm
weicht Du ergreifst seine Hand, um mit ihm
gemeinschaftlich den Weg der Rechtschaffenheit
und Tugend zu wandeln, du willst ihm, er soll
dir Stütze sein, und siehst du ihn vom rechten
Pfade ab weichen, so lässest du ihn nicht gehen,
mit sanfter Hand oder mit kräftigem Grif führst
du ihn auf den rechten Weg zurück. Und siebest
du ihn am Abgrund wandeln, so reissest du ihn
mit Gewalt zurück und fragst nicht darnach, ob
der Grif dir oder ihm Schmerzen macht.
Sehet, meine Brr, so sind die maurerischen
Erkennungszeichen nicht leere Formen, in ihnen
wohnet Geist und Leben; lasset sie in uns immer
lebendig bleiben, damit man uns als rechte Frmr
erkenne!
Antritts-Rede.
Gehalten von dem Br Oscar, Prinzen (jetzt
regierendem Könige) von Schweden und Norwegen,
bei seiner Einführung als Meister vom Stuhl in der
St. Eriks-Loge zu Stockholm i. J. 1852.
(Schluss.)
Ich beglückwünsche mich, dass ich an diesem
Werke mit Euch theilnehmen kann, beseelt von
der innigen Ueberzeugung, dass ein reiner Vor¬
satz, wenn auch nur von schwachen Kräften
unterstützt, doch etwas in des Ewigen Waag¬
schale gilt. Ich fordere Euch auf:
Brüder-Beamte! mir dabei Alle redlich boi¬
zustehen ! Ich lege Euch diese Ermahnung an’s
Herz, um unseres Ordens willen — um der
Ehrfurcht willen, die Ihr gewisslich den Manen
meines Vorgängers widmet — um der Freund¬
schaft willen, mit welcher Er, als Er noch lebte,
Euch umschloss, und die Ihr, ich bekenne es mit
'Dank, so wohl verdientet und erwidertet. Auch
an Euch:
„Sämmtliche Brüder,“ richte ich diese meine
brüderliche und herzliche Ermahnung; es ist die
erste an Euch, aber auch die bedeutungs¬
vollste, die ich zu geben vermag: Betretet Seinen
Weg! Arbeitet in Seinem Geiste fort! Arbeitet
mit Eintracht auf das gemeinsame Ziel
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hin, und Sein seliger Geist wird gewisslich nie¬
mals aufhören über der Loge zu wachen, deren
Wohl Seinem Herzen, als es noch hier auf Erden
schlug, so nahe lag!
Und jetzt, Höchst Erleuchteter Prokurator
Salomos, erbitte ich mir die Erlaubniss, mich an
Dich wenden zu dürfen, mit dem Ausdruck meines
unterthänigen und brüderlichen Dankes für das
mir so theure Vertrauen, womit ich von Seiner
Majestät dem Könige, dem Hohen Be¬
schützer des Ordens, dem Weisesten Vikarius
Salomos und leitenden Meister dioser Provinz,
beehrt worden bin, als Er in Gnaden die Wahl
dieser Loge bestätigte; — ein Vertrauen, das in
Wahrheit doppelt theuer ist durch die Erin¬
nerungen, die sich an moin Amt knüpfen,
und durch die Pflichten, welche dieses Amt
mir auferlegt.
Ich danke Dir noch besonders für die Hin¬
gebung und dio brüderliche Freundschaft, die
hierin einen erneuerten Ausdruck gefunden haben,
— die mir stets theuer sein werden.
Empfanget endlich, sämmtliche Würdige,
Fleissige und Arbeitsame Brüder der St. Johannis-
logo St. Erik, den Dank meines gerührten Her¬
zens für das Vertrauen, das Euro Wahl be¬
kundet. Es wäre unbescheiden von mir, diese
Wahl anders als den Ausdruck Eures Wunsches
äufzufassen, dadurch stets an den unersetzlichen
Verlust, der die Loge betroffen hat, erinnert zu
werden!
Brüder! Seid überzeugt von meinem innigen
und aufrichtigen Wunsche, meinen Beruf so auf¬
zufassen, dass meine Wirksamkeit Euch eine wür¬
dige Erinnerung an den in die Ewigkeit einge-
gangenen Bruder sein soll, welcher vor mir mit so
sicherer Hand diesen Hammer des Wortführenden-
Meisters geführt hat!
Der Dreifalt Grosso Baumeister, der Herr,
der war, der ist und der Ewig sein wird, Er-
schenke uns Allen in unserer Arbeit Seinen
Frieden zur Einigkeit und zum Segen!
Diese meine aufrichtige und brüderliche Denk¬
weise bekräftige ich auf uralte Freimaurerweise
und als dieser St. Johannisloge Wortführender-
Meister.
Engbund der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
3. Vortrag des Br F. Fuchs.
Ehe ich in der Geschichte der Loge Balduin
und ihres Verhältnisses zur Grossen Landesloge
fortfahre, werfe ich noch einen Rückblick auf die
in den Lebensfadeu der Loge so tief einschnei¬
dende, ja fast den* Bestand derselben in Frage
stellende Meisterwahl von 1780 und ihre dem-
nächstigen Folgen. Br Du Bose hatte durch
den Logensecretair Br Hoffmann in dem Ein¬
ladungscircular zur Wahllogo erklären lassen,
dass er wegen herannahenden Alters, Kränklich¬
keit und überhäufter Geschäfte von einer Wieder-
annahmo des ersten Hammers absehen müsse;
der deputirte Mstr. Br Schlegel hatte auf dem
Umlaufschreiben die Namen der sieben Brr
Jeschko, Holst, Apel, Büchner, Hänel, Springsfeld
und Matthesius ausgestrichen und dazu ge¬
schrieben : „Sind keine Mitglieder der Loge
Balduin.“ Darüber wurde er vom Mstr. v. St.
ernstlich zur Rede gesetzt, „dass er als depu-
tirter Mstr. nicht das Recht habe, willkürliche
Veränderungen in Logen angelegonheiten zu
machen, sich auch nicht auf Schottische Frei¬
heiten, denen in dieser St. Johannisloge nie ein
Recht eingeräumt worden sei, zu berufen; viel¬
mehr hätte er bei beigekommenen Bedenken sich
mit ihm zu besprechen, statt auf so beleidigende
Weise seine Anordnungen zu durchkreuzen, nach
den Fundamentalgesetzcu der Loge seien zu der
Meisterwahl auch die Brr des 3. Grades einzu¬
laden und nur durch Exclusion könne ihnen
ein solches Recht genommen werden, übrigens
auch die Meisterwahl kein Geheimniss, sondern
eine öffentliche Angelegenheit der Loge sei, er
werde daher am bestimmten Tage die Brr aller
Grade einladen lassen, wogegen wohl Niemand
etwas Gründliches einzuwenden haben werde.“
Hierauf erliess der deputirte Mstr. Br Schlegel ein
noch von zwölf Brrn, dio er für seine Ansicht ge¬
wonnen, unterzoichnetes Schreiben an den Logen¬
meister, worin behauptet wird, „dass der deputirte
Mstr. ein gutes Recht gehabt, die Namen der Brr
durchzustreichen, da diese zwar Mitglieder des
Ordens, aber nicht Mitglieder der Loge Balduin
seien, indem von ihnen noch nicht um das Mit¬
gliedsrecht der Loge nachgesucht sei und sie
die Mitglieds-Eintrittsgelder von 10—15 Thlr.
noch nicht an die Logenkasse bezahlt hätten.“
In der Wahlloge am 9. März legte Br Du
Bose den ersten Hammer nieder, entsagte aber
auch zugleich der Mitgliedschaft der Loge Balduin.
Die genannten sieben Brr zeigten gleichfalls ihr
Ausscheiden an, indem sie eine schriftliche Er-
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klärung zu Protokoll gaben, dass ihnen die
grösste Ungerechtigkeit von Seiten der Brr Mstr
widerfahre, dass man sie für unfähig der Theil-
nahme an der Meisterwahl erkläre, da sie doch
durch ihre Aufnahme unter Ablegung der feier¬
lichsten Verpflichtung die Mitgliedschaft der Loge
erhalten hätten. Bei so gestalteten Sachen wollten
sie sich ihrer Wahlstimmo freiwillig begeben,
dagegen aber auch ihrer Kind- und Mitglied¬
schaft bei der Loge Balduin und aller Gemein¬
schaft mit derselben wohlbedächtig entsagen.“
Die sieben Brr beharrten trotz der Warnung
des abgehenden Mstrs. vor so übereiltem Schritt
bei ihrem Vorhaben, auch die Vorstellungen der
Brr Hoffmann und Bracke erzielten kein anderes
Resultat. An demselben Tage entsagten fünf
Brr Mstr.: Du Bose jun., Rasco, Graf von Bille¬
witz, von Bentzmann und Stopp, „aus gegrün¬
deten beweglichen Ursachen feierlichst der Mit¬
gliedschaft und dahin einschlagenden Gemein
schaft,“ reservirten sich aber, „theils «als Mit¬
stifter der Loge, theils als Brr Mstr. derselben,
den auf jedes von ihnen kommenden Antheil
am Fond und an den Meubles der Loge.“
Drei Brr Gesellen, Meysel, Lange und Heyne,
meldeten vier Tage später ihr Ausscheiden, das¬
selbe motivirend: „die wenige Bruderliebe, die
wir anitzo in der Loge Balduin zu finden
glauben und es der Klugheit gemäss sei, an den
vorgefallenen Widerwärtigkeiten keinen Antheil
zu nehmen.“ Zwei andere auswärtige Brr,
Richter und Freyberger, die gewöhnlich nur zur
Messe nach Leipzig kamen, „entschlossen sich,
der Mitgliedschaft gänzlich zu entsagen, weil
die immerwährenden Unruhen und Streitigkeiten
kein Ende haben.“ Auch der frühere Logen¬
meister Du Bose sen. beklagt sich in einem
Briefe an seinen Nachfolger Br Börner bitter
über denselben und die in der Loge verbliebenen
Brr: „Sie haben den falschen Anschuldigungen
Gehör gegeben und dieselben sogar ausgebreitet,
als wenn ich und Br Rasco schuld an den Zer¬
würfnissen seien, während wir vielmehr zum
Frieden und zur Eintracht gesprochen, als nieder¬
trächtige Kabalen gemacht wurden. Dass man
mir endlich gar auf der Nase spielen will, ver¬
trägt nur die Niederträchtigkeit, deswegen habe
ich mich von einer Loge losgemacht, wo es
Leute giebt, die Alles nach ihrem Eigendünkel
lenken wollen, denen es ein Spiel ist, die gröbsten
Beleidigungen zu begehen“ und weist dann noch¬
mals nach, dass die betreffenden Brüder mit ihrer
Auslegung der Mitgliedsrechte Unrecht gehabt.
Der mit 12 Stimmen neugewählte Logenmeister
Br Börner hatte die ganzen Vorgänge an die
Grosse Landesloge nach Berlin berichtet und
die betreffenden Briefe und Protokolle an die¬
selbe eingesendet. Auch an die Loge Minerva
sendete man ein Schreiben mit Darstellung der
Vorfälle und der Strafen, die man den einzelnen
Brüdern auferlegte. 6 Brr Mstr sollten auf
6 Monate suspendirt und wenn sie sich während¬
dem nicht eines Besseren besinnen, stärker be¬
straft, 4 andere Brr als Mitglieder Balduins •
ausgestrichen werden u. s. w. Die Loge Minerva
beschloss, „ein mit Freundschafts- und Mitleids¬
versicherungen angefülltos Antwortschreiben zu
erlassen, übrigens den Vorgang in Rücksicht
der sich vom Balduin separirten und daselbst
suspendirten Brr zu ignoriren und selbigen den
Eintritt bei uns nicht zu versagen.“ Br Börner
beklagt sich in einem spätem Schreiben über
die Zulassung der ausgetretenen Brr zu den „
Arbeiten Minerva’s, „er könne trotz der gütigen
Einladung vor Austrag der Sache nicht in Mi¬
nerva erscheinen.“ Uebrigens erklärten sich die
suspendirten oder ausgeschlossenen Brr in Bezug
auf die ihnen schriftlich notificirten über sie
verhängten Strafen sehr energisch und sprachen
ihre Verwunderung aus, „wie man über sie, da
sie schriftlich und auf das Förmlichste der Kind¬
schaft, Gemeinschaft und Mitgliedschaft der Loge
Balduin entsagt, ein Urtheil fällen und ihnen
eine Strafe auferlegen könne.“
Die Grosse Landesloge forderte Rechenschaft
über die Vorgänge und als Deputirte Balduins
erschienen am 20. März 1780 in Berlin vor
einer Grosslogenconferenz die Brr Schlegel und
Bracke. Nach den gepflogenen Verhandlungen
wurden die Bevollmächtigten gefragt: „ob sie
kraft ihrer Vollmacht zu Protokoll geben wollten,
dass sie die gegebenen ungesetzmässigen Erklä¬
rungen Balduins widerriefen, diese seien in den
drei Punkten enthalten: die Loge Balduin habe
sich von der Grossen Landesloge trennen wollen
(— es bezieht sich dies auf die mit Breslau
gepflogenen Verhandlungen, auch hatten die Be¬
vollmächtigten mitgetheilt, „dass Br Du Bose
früher, wiewohl vergeblich, wegen einer Constitution
nach dem Haag geschrieben habe, weil er sich
eingebildet, dass die Grosse Landeslogo die Loge
Balduin kassiren wolle“ —); ferner hätte diese
Logo erklärt, dass sie einen wechselseitigen Um¬
gang und Besuch mit der stricten Observanz
pflegen wolle und endlich habe sie sich gewei¬
gert, die der Grossen Landesloge zukommenden
Aufnahmedrittel zu bezahlen, die man ihr zwar
bis zum 1. April dieses Jahres, aber nicht länger
erlassen wolle.“ Die Bevollmächtigten versprachen
in Bezug auf den 1. und 3. Punkt Widerruf
und Gehorsam, „in Bezug auf den 2. Punkt
glaubten sie aber weiter nichts versprechen zu
können, als dass sie bei ihren Vollmachtgebern
das Möglichste thun wollten, cs dahin zu bringon
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dass sie ebenfalls allen Umgang und wechsel¬
seitigen Besuch mit der strikten Observanz, wie
sie es selbst zu tbun versprächen, entsagen
möchten.“ In Bezug auf den streitigen Punkt,
der das grosse Zerwürfniss zunächst hervor¬
gerufen, entschied die Grosse Landesloge, „dass
die Bestimmung, die Mitgliedschaft der Loge
werde erst durch Zahlung des Eintrittsgeldes
erlangt, gegen die in der Freimaurerei ein¬
geführten Gesetze streite und daher künftig weg¬
fallen müsse; der Verstand der Sache ergebe,
dass Br Du Bose recht gehabt.“ „Die Kasse
und Möbel der Loge gehören denjenigen Brn zum
gesetzraässigen Gebrauch, welche der Loge treu
verblieben.“ Auf letztere Entscheidung wurden
von dem früheren Sekretair der Loge die Ma¬
trikel, Protokolle und sonstigen Schriften aus¬
geantwortet ; an Kasse wird wohl nicht viel
abzuliefern gewesen sein.
Den 2. August 1781 gab auch Br Börner
plötzlich sein Logenmeisteramt auf und meldete
mit mehreren Brrn seinen Austritt aus der Loge an.
Der Grossmeister Br von Zinnendorf veranlasste
ihn, „den Hammer und Alles, was der Loge ge¬
höre, an die Brr Schlegel, Bracke und Johann Ernst
Hoffmann gegen Empfangschein auszuliefern.“
An die Loge selbst wurde unter dem 20. August
1781 ein Schreiben von der Grossloge gerichtet,
in dem es heisst: „Hat die Grosse Loge der
Freimaurer von Deutschland in Berlin Ursach
gehabt, mit einer von ihr konstituirten arbeitenden
Loge unzufrieden zu sein, so ist es gewiss die
Loge Balduin zu Leipzig und hat eben gesagte
Grosse Loge langen Kaltsinn in ihrem Thun
gegen irgend eine dergleichen Logen bewiesen,
so ist es nicht weniger gewiss gegen die Loge
Balduin zu Leipzig geschehen.“ „Konnten fast
alle Beamte und der grösste Theil der Mitglieder
eher die Loge verlassen, als dass sie hätten der
Ermahnung zur Sinnesänderung und der Rück¬
kehr zu ihren Pflichten Gehör geben sollen.
Diese Verstösse und Weigerung der ermahnten
Brr und die eigene Unthätigkeit ihres letzten
Logenmeisters, die Unterlassung der Aufrecht¬
erhaltung derjenigen Verordnungen, welche er in
geöffneter Loge nicht nur selbst angelobt, son¬
dern auch die Verpflichtung von allen versammelten
Mitgliedern ordentlich verlangt und abgenommen,
aber auf die durchgängige Erfüllung desselben
im geringsten nicht gehalten, zogen denn endlich
das nachdrückliche Handeln der in den alten
Gesetzen des Freimaurerordens in solchem Fall
verfügten Wegnahme der Konstitution und Akten
nach sich, wozu die Grosse Loge von Berlin
ihren Abgeordneten den Br von Ponickau zum
Voraus bevollmächtigt hatte. Ohnerachtet dessen
erklärt die Grosse Loge von Deutschland die
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig.
Loge Balduin zu Leipzig dennoch keineswegs
für aufgehoben, vielmehr erkennt sie deren Existenz
annocli in den überbliebenen lieben Brüdern und
Mitgliedern derselben, namentlich den Brrn
Schlegel, Bracke, Joh. Ernst Hoff¬
mann, Car oly, Hennig, Martens, Eck oldt,
Pollmer, Schütze und Sintenis, wohlzu¬
verstehen, wenn sie nach ihrer letzthin wieder
von neuem gegebenen Versicherung, im Glauben
und der Liebe zu unserem alten und ehrwür¬
digen Orden gesetzmässig treu zu verbleiben auf
Freimaurerwort und Gelübde annoch gedenken; und
verfügt demgemäss vorläufig, dass der Br Johann
Samuel Benedict Schlegel den von Br Börner
in die Hände der Grossen Landesloge zurück¬
gegebenen Hammer einstweilen an sich nehme,
die im Guten fortfahrenden Brr der Loge Balduin
zu Leipzig versammle, und nach Bekanntmachung
dieses Briefes besorgen möge, dass ein neuer
Logenmeister erwählt und die Brr Beamten ge¬
wählt und bestätigt werden.“ (Schluss folgt.)
Anzeige.
Falls sich in einer Logen-Bibliothek
Kloss No. 4058 Momoirs of the life of that leamed
Antiquary Elias Ashmole Esq. —
Publ. by Burmann, London 1717.
„ „ 2482 Fludd, Tractatus apologeticus. Lei¬
den 1616.
„ „ 2485 Eludd, Tractatus theologo-philo-
sophicu8. Oppenheim 1617.
„ „ 2617 Fludd, Summ um bonum. Frank¬
furt 1628
befinden sollte, so bittet im Interesse einer maure-
risch-wissenschaftlichen Arbeit um Benachrichtigung
G. Hohl, Stuttgart, Feuerseoplatz 5b.
Das erst Anfang Februar d. J. erschienene
Liederbuch
für Freimaurer-Logen.
Durchgehend mit Melodien versehen.
Herausgegoben von
Br Robert Fischer und Br Wilhelm Tschirch
Preis broch. M. 2.—
hat sich einer ausserordentlich günstigen Aufnahme
zu erfreuen gehabt und ist in den Orienten Augsburg,
Bremen — Fr. Wilh. z. E.—, Glauchau, Hild¬
burghausen, Jena, Metz,Poscn, Poessneck,
Reutlingen, Sackingen, Stralsund, Uelzen,
Wriezen und Zittau bereits zur Einführung ge¬
langt, sodass die Auflage nahezu vergriffen ist und die
zweite Auflage bereits im Druck sich befindet,
die in allernächster Zeit zur Ausgabe gelangen wird.
Die Partiepreise stellen sich bei Einführung,
und zwar:
bei 6 Exemplaren auf k M. 1.50,
bei 12 Exemplaren auf k M. 1.25,
und halte ich das mit so grossem Beifall aufgenom¬
mene Liederbuch den Logen, Maurorkränzchen
und Bruder vereinen auch fernerhin angelegent¬
lich empfohlen.
Leipzig, im März 1882. Bruno Zechel«
- Drock von Br C. 0. Naumann in Leipzig.
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9. Jahrg. Nr. 4. Am ßeissbrete. April 1882.
Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversamralungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Baldoin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Eine Meisterbeförderung. — Ueber das Verhältnis des Meistergrades zn dem
Lehrlings- und Gesellengrade. — Aus dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge
Balduin zur Linde. — Aus dem frmn Correspondenz-Bureau.
Eine Meisterbeförderung.
Von Br Bobert Fischer in Gera.
’ I. Erste Ansprache.
Der Erde gehört unser Sein und Leben zu¬
nächst an; an sie sind wir gewiesen von Kind¬
heit an. Unbehilflich und unwissend mit Allem,
was uns umgiebt, ist es geistige Nacht um uns.
Nur allmählich dringen wir zum Licht der Er¬
kenntnis. Allerwärts kommt uns das Bild des
Irdischen entgegen, und Werden und Vergehen,
Leben und Tod sind die Begleiter auf unserer
ganzen Pilgerfahrt hienieden. Nacht war es, als
Sie zum ersten Mal den Tempel der Masonei
betraten; Ihr Auge war verhüllt. Sie konnten,
Sie sollten nach Anssen nicht, nur nach Innen
schauen. Nacht ist es jetzt, wo Sie am Aus¬
gang Ihrer maurerischen Laufbahn stehen: und
doch ist keine Binde vor Ihrem Auge. Das
helle Licht, das bei Ihrer Gesellenbeförderung
strahlte, ist verschwunden. — Der Erde ge¬
hören wir an, und ob auch die Sonne oft hell
und freundlich leuchtet und des Menschen Geist
strahlende Funken der Erkenntniss sprudelt, es
bleibt für den Menschen doch Finsterniss auf
Erden, und Niemand vermesse sich zu meinen,
dass er die Weisheit eijagt habe und die Wahr¬
heit besitze. Was ist unser Leben gegen die
Unendlichkeit der Zeit, was diese Erde gegen
die Unermesslichkeit des Weltenranmes? Hast
Du das je ordentlich bedacht, o Mensch 1 Haben
auch Sie, mein Br, trotz der fröhlichen Wander¬
schaft Ihrer Gesellenreise, an deren Endpunkt
sich erinnert, oder war die Freude nur und
allein an Ihrer Seite? Nun, so wandern Sie
nocli einmal hin, um sich recht innig und
dauernd bewusst zu werden, dass der Erde
man angehört, so lange man auf ihr wandelt!
2. Wandersprüche.
Gedenke an den Tod!
1. Die Erde ist die Stätte des Todes; denn
Alles auf ihr ist dem Tode geweiht.
2. Der Tod ist die Frucht der Erde; denn alle
irdische Saat ist vergänglich.
3. Auf Erden reichen sich Tod und Leben die
Hand; drum hoffen vom Tode wir auch das
Leben.
3. Zweite Ansprache.
Der Erde gehören wir Menschen an! Dies
trat Ihnen gewiss eindringlich genug auf Ihrer
Wanderung vor die Seele. Aber wie dio Erde
nur ein Theil ist des unendlichen Weltenraumes
und zu ihm als nothwendiges Glied gehört, in
ihm ihre Bestimmung erfüllt nach den weisen
Gesetzen der Weltordnung, so ist auch der
Mensch auf Erden nur zu einem Theile seines
Daseins, und erhebt sich mit dem anderen zu
seiner besseren Aufgabe. Freilich nur durch
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Schmerzen des Todes gewinnt er das rechte
Leben, nur in dem Untergange des alten Men¬
schen findet er den neuen. Darum sei ihm das
Bild des Todes immer gegenwärtig!
Und so wenden Sie sich um und schauen
auf die Stätte, da unser irdisches Dasein seine
Endschaft erreicht. Hier hört der Erdenmann
auf; doch über Sarg und Grab beginnt seine
Himmelskindscbaft. Um diese zu erreichen,
müssen wir als Männer auf Erden wandeln und
handeln. Zu solchen erzieht der Freimaurerbund
die Seinigen, indem er sie zur Selbsterkenntniss
und Selbstbeherrschung anweist; doch die Selbst¬
veredelung durch die ideale Pflichterfüllung macht
den wahren Mann erst aus. Und diese kann
Niemand erreichen, der nicht ruhig und klar
das Ende seines irdischen Lebens immer vor
Augen hat. Deshalb stehen Sie hier. Die Erde
ist klein, doch der Himmel ist gross. Auf Erden
können wir als Männer uns bewähren; für den
Himmel werden wir immer Kinder bleiben. Wie
man uns bettet als unschuldige Wesen in die
Wiege der Kindheit, so bettet man uns zur
Unschuld des Himmels dereinst ins Grab; aus
Beiden werden wir erstehen zur Erkenntniss,
dort der Erde und hier des Himmels. Aber die
Pflicht nur führt uns zu Beiden; denn sie giebt
uns die Unschuld der Tugend. Ihr müssen Sie
getreu bleiben im Leben bis zum Tode, dann
wird auch der irdische Tod zu neuem Leben
geleiten 1
Auf, ist es Ihnen Ernst aus einem Erdenmann
zum Himmelskind sich aufzuschwingen durch die
strengste Erfüllung ihrer Pflichten, so bestätigen
sie diess durch ein deutliches Ja! —
4. Dritte Ansprache.
Sie haben vernommen schon, dass die Pflicht
des Maurermeisters Brücke zwischen Tod und
Leben ist und sie ihm nur allein das rechte Leben
verschafft. So, mein Br, ist nur der ein rechter
Frmr als solcher, der seinen maurerischen Pflich¬
ten stets gewissenhaft nachkommt. Sie haben
uns schon einmal gelobt, was der Bund von
seinen Mitgliedern auf den beiden untersten
Stufen der Verbrüderung verlangt. Wir nehmen
an, dass Sie dessen sich noch heute voll bewusst
sind; erneuern Sie dieses Gelübde jetzt und fü¬
gen Sie dem noch hinzu, nicht nur die Geheim¬
nisse des Meistergrades so verborgen zu halten
gegen Brr Gesellen und Lehrlinge, wie Profane,
sondern auch sonst nach meisterlichen Eigen¬
schaften zu trachten und zu streben. —
Mancherlei, mein Br, sind die Gefahren, denen
der Mensch auf Erden ausgesetzt ist und die
ihn abbringen können von seinem festen Vorsatze
der Pflicht getreu zu bleiben. Wir Meister be¬
sitzen eine alte und ehrwürdige Legende, durch
welche die rechte Standhaftigkeit in uns befestigt
werden soll, allen Versuchungen zu widerstehen,
selbst das Leben nicht zu achten, wenn es ofine
Verletzung der Pflicht nicht erhalten werden kann,
um als Meister zu bestehen und immer zu
neuem Leben wieder erweckt zu werden. Wollen
Sie jetzt diese Legende vernehmen! —
lieber das Verhältnis
des Meistergrades zu dem Lehr¬
lings- und Oesellengrade.
Von Br Rahlenbeck, Mstr. v. St. der Loge zur
Harmonie in Chemnitz. Aus dem Jahre 1825.
Die drei Grade der Johannesmaurerei, wenn
schon die Lehrlings-, Gesellen- und Meisterstufe
unseren Handwerkszünften nachgebildet, unter¬
scheiden sich gleichwohl von diesen, ihrem gegen¬
seitigen Verhältnisse nach, auf sehr wichtige Weise.
Der Handwerkslehrling hört mit seiner Losspre¬
chung auf, Lehrling zu sein; der Gesello ist nach
seinem Meisterspruche nicht mehr Geselle. Er
ist für immer der Lehrlingsarbeit entwachsen,
der Meister arbeitet nicht mehr als Geselle.
Die beiden niederen Stufen werden blos durch¬
laufen, um sich für die höhere zu befähigen. Das
ist nicht der ausschliessliche Zweck unseres
Lehrlings- und Gesellenstandes. Allerdings ist
auch bei uns die niedere Stufe eine unentbehrliche
Vorbereitung zur höheren, aber eine jede hat
zugleich ihren bleibenden selbständigen Zweck;
eine jede von beiden versinnbildet zugleich eine
wesentliche Richtung des Menschenlebens, fasst
einen Theil der Lebenskunst auf, der von nie¬
mandem ungestraft vernachlässigt wird. Wir
bleiben daher fortwährend zugleich Lehrlinge
und Gesellen, wenn wir die höchste der drei
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Maurerweihen empfingen. Meister und Gesellen
nehmen fortwährend an der Lehrlingsarbeit, die
Meister fortwährend an der Arbeit der Gesellen
Anthoil. Lassen Sie uns, me Brr, das Verhält-
niss des Meistergrades zu den 'beiden niederen
Stufen der Maurerei erforschen. So wie wir
vorher (bei der Beförderung) fragten: wie ver¬
hält sich der Meistergrad zu den Aufgaben und
Lebensansichten des ersten und zweiten Grades,
so lassen Sie uns nunmehr noch die Frage auf¬
werfen ; was sind und bleiben diese beiden Grade
für das eigentümliche Wesen und die beson¬
deren Verhältnisse und Zwecke des Meistergrades?
Werfen wir zu dem Ende noch einen Blick
auf die Seite des Menschenlebens, deren Sinn¬
bild unser Meistergrad ist, und daher abermals
zuvörderst auf sein Vorbild, den Stand des
Handwerksmeisters.
Wohl ist es dem tüchtigen jungen Meister
oin herrliches Gefühl, dass er nun selbst einer
Werkstatt vorsteht, dass er dort nun selbst an-
ordnet, er nicht mehr, wie bis dahin, gehorchen
und nach eigenen, von ihm vielleicht oft für mangel¬
haft erkannten Angaben arbeiten darf. Er ist
am lang ersehnten Ziele! Denn siehe, an man¬
chen seiner Werke bewährt sich die Richtigkeit
und Schönheit der Ideen, die ihm einst als Ge¬
sellen sich aufdrangen und die er fremdem
Willen zum schmerzlichen Opfer bringen musste.
Im Gefühle des Gelingens schreitet er täglich
rascher fort, immer tüchtiger, immer gesuchter
wird seine Arbeit. Da fängt das gesegnete
Wirken seiner Hände und seines Nachdenkens
an, ihm einen kleinen Wohlstand zu begründen;
er führt die Geliebte als Hausfrau heim an den
eigenen Heerd. Sein Wort wird im Rathe der
Meister beachtet; man wählt ihn zu einem der
Vorstände, und Allen, ja sich selbst gilt er als
ein glücklicher Mann. Aber unmerklich ver¬
liert zuerst das Gefühl der Unabhängigkeit und
seiner Stellung als Vorgesetzter von seinem
Reize. Schon fühlt er den Druck der Sorgen
und Lasten, mit denen er dies so lang ersehnte
Glück erkauft Nun endlich an der Stelle des
früher von ihm beneideten Meisters fängt er
selbst an den Lehrling und Gesellen zu be¬
neiden , der nach vollbrachten Arbeitsstunden
ungestört der Erholung und dem Vergnügen sich
hingeben kann, denn ihm folgt die Sorge nach
in die Feierstunde. Das unbegrenzte Reich des
Höffens, das vor den Blicken des Gesellen lag,
schwindet täglich mehr zur armen, kargen Wirk¬
lichkeit zusammen, an eine enge Schranke um
die andere stösst sein Fuss. Bekannt wird ihm
das Maass seiner Kraft und nicht allem, was er
beginnt, sieht er sich gewachsen. Viele der ge¬
hofften Erfolge verkümmert ihm ein Zufall, die
Einwirkung ungünstiger Zeitverhältnisse, andere
der üble Wille seiner Neidet, das Ungeschick,
der Leichtsinn seiner Gehilfen. Mancher wohl-
durchdachte, unfehlbar geschienene Plan schlägt
fehl. Da finden die verkleinernden Stimmen
brodneidischer Zunftgenossen bei dem wetter¬
wendischen Publikum Eingang und dieses wendet
sich von ihm ab und der Mittelmässigkeit eines
marktschreierischen Mitmeisters zu, mit welchem
er, sich in einen Kampf mit gleichen Waffen
einzulassen, sich zu gut dünkt. Mit geradem
Sinn tadelt er offen die Missbräuche in seiner
Innung und sucht die Mängel ihrer Verfassung
abzustellen. Da hat er den ermüdenden, ja fast
überall sieglosen Kampf mit der zähen Macht
des ewig Gestrigen, mit der Gemeinheit, der es
bei ihrem schlechten Besitze wohl ist und die
ihn mit ihren rostigen Waffen ergrimmt ver-
theidigt, zu bestehen. Daneben treffen ihn als
Hausvater Schläge des Schicksals, Verluste,
Krankheit der Seinen und Noth aller Art
zieht bei ihm ein. Gestehen muss er sich es
vielleicht und doch vor aller Welt verbergen,
dass er in der Wahl der Gattin einen Fehlgriff
that. Da wird sein Leben eine Reihe harter
Kämpfe, schwerer Entbehrungen, lastender Sorgen.
Gebrochen ist die freudige Kraft, die einst den
Gesellen belebte; du erkennst jenen stolzkräftigen
Jüngling in dieser ernsten, gebeugten Gestalt
nicht mehr. Was ward aus diesem weiten, offenen
Herzen voll Liebe und Vertrauen? Ein ängst¬
liches, überall zaghaft auftretendes Wesen, das
nur noch in dem verdeckten Spiel der Klugheit
sein Heil zu suchen wagt, überall nur mit der
Nothdurft ringt und täglich mehr auf den aus¬
getretenen Pfad dürftiger Leistungen sich be¬
schränkt. — Das ist in den meisten Fällen die
Geschichte des Meisters, der ach, mit ganz an¬
deren Hoffnungen in seinen Stand trat.
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28
In der Natur der menschlichen Dinge liegt
es leider, dass zu so unerfreulichen Resultaten
der Stand des Handwerksmeisters führt. In der
Natur der menschlichen Dinge liegt es, dass er
auch in diesem Sinne meistens ein treues Bild
des Meisterstandes im gesammten Menschenleben
ist. Aehnlichem müssen wir daher — das
Gegentheil nur könnte befremden — in dem
Meisterstande der Maurerei begegnen. Und
wirklich erinnert uns an die Schatten - und
Nachtseiten des Lebens auf dem Punkte seiner
grössten irdischen Entwickelung der Meistergrad
der Freimaurerei, nicht blos durch die absicht¬
lich darauf hindeutenden Worte des Rituals, son¬
dern auch, und oft schmerzlich genug, durch die
wirkliche Stellung und die Erfahrungen des Br
Meisters. Wie beneidenswerth mag vielleicht
manchem Br Lehrling und Gesellen, besonders
in der einst allerdings vorübergegangenen Zeit
eines regeren äusseren Lebens des Maurer¬
wesens, das Yerhältniss der Meister und vor
allen der Logenbeamten erschienen sein. Wie
schön dachten wir es uns damals, an der Spitze
einer Loge zu stehen, Repräsentant der Gesetze
zu sein, mit der Kraft der Rede die rein-
menschliche Erhebung und Begeisterung der
Brüder zu beschwingen! Und wenn nun in
feierlicher Versammlung Alles sich ergriffen
fühlte, und Aller Augen an den Lippen des ge¬
wichtig sprechenden Meisters hingen, wenn, von
ihm herabgezaubert, der Funke der Begeisterung
durch die Kette zuckte, wenn dann bei der
Tafelloge die Liebe und Dankbarkeit der Brüder
sich in Worten ergoss, und ihm das schöne
Opfer reiner Anerkennung darbrachte, wie Man¬
cher von uns damaligen Lehrlingen und Gesellen
wünschte nicht im Stillen — vielleicht nicht
ohne allen Antheil der Eitelkeit — an der
Stelle dieses Gefeierten zu sein. Wie schön
muss es sein, so dachten wir, so wie unsere
unterrichteten Meister das Ganze der Maurerei
zu überblicken und die Resultate maurerischen For-
schens aufmerksamen Hörern vorlegen zu können!
Wie schön, in dieser idealsten aller menschlichen
Verbindungen, wo die Störungen und Schwierig¬
keiten anderer geselligen Vereine von selbst ausge¬
schlossen bleiben müssen, einen Antheil an der
stillen, friedlichen Leitung des Ganzen zu haben!
Me Brr, wir wurden Meister, wir wurden
Logenbeamte, und wahrlich nicht blos in dem
durch die Worte des Rituals ausgesprochenen
Sinne wurden wir an die Nachtseite der Maurerei
geführt. Nicht i)los die ernsten düstern Feier¬
lichkeiten unserer Meisterweihe zeigten uns die
schwarzen Schranken des Menschenlebens, die
Vergänglichkeit, die Gebrechlichkeit alles Mensch¬
lichen. Schmerzlich berührt wurden wir von der
nähern Einsicht in die Geschichte der Maurerei
und ihrer Verwirrungen, des Systemwesens und
der dadurch herbeigeführten Streitigkeiten, in die
Mängel des Logenwesens, verletzt fühlten wir uns
durch manche persönliche schmerzliche Erfah¬
rungen, durch die wenige Unterstützung, durch die
Hindernisse, die unsere bestgemeinten Bemühungen
fanden, durch das drückende Gefühl des be¬
schränkten Maasses der eigenen Kraft und Zeit,
um neben einem vielleicht sehr zusammengesetzten
Kreise anderweitiger heiligen Pflichten auch denen
als Logenbeamter vollständig zu genügen, durch
die mancherlei zum Theil kleinlichen, aber doch
unumgänglichen Mühen und Sorgen der Logen¬
verwaltung, durch unverschuldete Verflechtung in
Missverständnisse und Streitigkeiten, durch die
oft gerade vermöge des Bruderverhältnisses pein¬
lich schwierige Behandlung verdriesslicher, ausser¬
dem vielleicht mit Leichtigkeit abzuthun gewesener
Angelegenheiten, vor allem aber durch die Ueber-
zeugung, dass, wie wir freilich schon im Voraus
hätten ermessen können und sollen, so wie alle
menschlichen Einrichtungen, auch diese nur für
die reinsten, schönsten Zwecke berechnete Ver¬
bindung hinter dem Ideal so weit zurttckbleibe
und in ihren Einzelheiten eine Menge leidiger
Störungen und grell ansprechender Kleinigkeiten
habe und haben müsse; durch das schmerzliche
Gefühl, dass auch gute, einander sinn- und
herzensverwandte Menschen sich doch immer nur
bis auf einen gewissen Grad verstehen! Ver¬
zeihlich mag es sein, dass wir uns dann viel¬
leicht manchmal zu der Unbefangenheit des
Lehrlings und Gesellen zurücksehnten. Aber
Unrecht hatten wir jedenfalls, wenn jene Er¬
fahrungen uns gegen die Maurerei erkalteten,
ja wenn sie uns sogar auch nur das Logenwesen
verleideten. Denn kann es denn um Vieles
anders und besser sein? Kann es in dem Vor-
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29
bild des Menschenlebens viel anders als in diesem
selbst sein? Wie sieht denn der Mann seine
Jünglingshoffnnngen an das Leben befriedigt ?
Was drängt sich Alles statt einer Verwirklichung
dieser um ihn herum ? Und doch muss der
Mann die Aufgaben des Lebens lösen, er kann,
er darf sie nicht von sich weisen. Wollen,
dürfen wir aber jenen schmerzlich täuschenden
Hoffnungen zürnen? Sie sind es ja, welche als
blosse Aeusserungen des allmächtigen, uns wie
die ganze Natur beherrschenden Entwickelungs¬
dranges, uns von Stufe zu Stufe vorwärts treiben!
Hoffnungen sind es, die uns noch jetzt vorwärts
drängen, und die letzte grosse Hoffnung der
Menschheit führt uns endlich aus diesem Leben.
Aber wie ernst auch immer und mühselig die
Meisterstufe des Lebens sei; mit dem unabseh¬
baren Gewirre ihrer Räthsel und einander drän¬
genden Aufgaben ist sie nun einmal unsere
letzte und höchste hiesige Bestimmung. Die
besondere Richtung aber, die wir auf dieser
Stufe des Lebens erhalten, die Ansichten, die
sich auf ihr in uns bilden, der innere Haushalt
des Herzens, wie er sich hier gestaltet, der
Schatz der Lebensweisheit, wie er hier uns noth
thut, mit Einem Worte, die gesammte Lebens¬
praxis des gereiften Mannesalters, das ist’s was
uns der Meistergrad symbolisch darstellen und
durch diese Darstellung gewähren soll. Und es
kann uns verwundern und schmerzen, wenn der
Meisterstand in der Loge dem im Leben selbst
so treu ähnlich ist? Doch wir haben früher
betrachtet, me Brr, welchen reichen Schatz an
echt menschlicher Weisheit dieser Grad in seinen
einfachen ernsten Symbolen bewahrt, wie er uns
zu dem ernsten Kampfe mit Kraft auszurüsten
weiss, wie er die Räthsel des Lebens beleuchtet
und ihre Lösung uns erleichtert. Wie nun aber
dieser Grad nicht die gesammte Maurerei ist,
wie erst alle drei Grade einander ergänzen und
nur in ihrer Verbindung und Gesammtheit ein
ganzes, treues, erschöpfendes und genügendes Bild
des Lebens und der Lebenskunst gewähren ünd
wie unser Knaben- und Jünglingsleben für un&r
männliches Alter und dessen Zwecke und für
unsere letzte ewige Bestimmung nicht verloren
ist, so kann auch der Maurer durch eine aus¬
schliessliche Beachtung des Meistergrades zu
einer völlig einseitigen Auffassung unserer Kunst
so kann und muss der Mann zu einer ähnlichen
Einseitigkeit in Erfassung des Lebens und daher
zu verderblichen Verirrungen gezogen werden.
Nur eine gleichraässig fortgesetzte Kunstübung
aller drei Grade, eine Auffassung und Uebung
derselben in ihrer nothwendigen Verbindung und
gegenseitigen Ergänzung kann uns dagegen
sichern; nur die beiden ersten Grade können
die Berichtigung der Irrthümer und Missgriffe
gewähren, zu welchen vorzugsweise die auf der
Meisterstufe sich bildenden Ansichten und Eigen¬
tümlichkeiten des innern Lebenshaushalts unver¬
merkt uns hinziehen. Und hier stehen wir,
me gelbtn Brr. Mitmeister, an den verderblichsten
Giftquellen unseres Lebens. Lassen Sie uns
ihren tiefsten Adern nachspüren. Offenen, red¬
lichen Bericht wollen wir uns geben darüber,
wohin es uns geführt hat, dass wir als Meister
lässig wurden in der Lehrlingsarbeit und dass
wir uns der Gesellenarbeit entfremdeten! Lassen
Sie uns ernst bedenken, wohin es uns vielleicht
noch führen könnte! Beim Licht der umflorten
Kerzen lassen Sie uns einmal den rohen und
den glatt behauenen Stein in’s Auge fassen!
Der Meisterstand des Lebens ist die Zeit der
angestrengten selbständigen Thätigkeit für die
Zwecke der Gesellschaft und für die eigene
Subsistenz. Sehr leicht verlockt uns die Selb¬
ständigkeit unserer Lage zu einem grossen Ver¬
trauen in uns selbst. Wer hat, wie in unseren
früheren untergeordneten Lagen, Beruf uns auf
unsere Fehler aufmerksam zu machen ? Zu
Vielem, ach zu dem Wichtigsten kommen wir
nicht mehr, weil wir nicht Zeit haben, weil uns
der Beruf, die Mannichfaltigkeit unserer Ver¬
hältnisse von Geschäft zu Geschäft, auch wohl
wider unseren Willen, von Zerstreuung zu Zer¬
streuung ruft. Ach, und am ersten lässt man
es da an demjenigen fehlen, was für den Augen¬
blick scheint unterbleiben zu können, an den
ernsten Abrechnungen mit sich selbst, an dem,
was freilich inmitten des steten Gewühles und
Treibens, in welchem wir leben, am schwersten
ist, an dem Sichsammeln, Zurückblicken, dem
Prüfen unseres Herzensgrundes. Dabei vereinigt
sich so Manches, uns über uns selbst in Täu¬
schung zu versetzen und darin zu erhalten!
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Das Gefühl der steten Geschäftigkeit giobt uns
eine gewisse Befriedigung, weil wir nicht Tasten,
weil wir wirklich viel thun, auch wohl viel
Nützliches und Gutes thun, während wir nichts
Unrichtiges, nichts Ueberflüssiges gethan, nichts
Nöthiges unterlassen haben. Unser Thätigkeits-
drang fühlt sich befriedigt, und dieses Gefühl
der Befriedigung geht in Selbstzufriedenheit
über. Je wichtiger, je einflussreicher wir werden,
destomehr beeifert man sich uns Angenehmes,
und zunächst darüber, worüber Jeder es am
liebsten hört, über uns selbst zu sagen. Je
höher wir in der Gesellschaft stehen, desto feiner,
desto weniger verletzend für die gewöhnliche
conventionelle Bescheidenheit sagt man es uns,
desto besser mundet uns die gefährliche Kost.
Man sagt wohl, zum Theil sehr treffend, Nach¬
theiliges von uns, aber freilich, im Sinne der
Verfeinerung, nicht uns selbst, sondern hinter
unserem Rücken. Kommt es dann doch zu un¬
seren Ohreu, so werden wir in unserem gerechten
Zorne über die augenscheinliche Uebertreibung
und Bosheit im Urtheil geneigt, uns über das
gute Theil Wahrheit darin zu verblenden, und
die uns zunächst stehen, sind schwach und be¬
theiligt genug um uns darüber beruhigen zu
helfen. Oder in der Eifersucht auf unsere
bürgerliche Stellung glauben wir gar unsere Ehre
angegriffen, werden empfindlich und schliessen
freilich dann sogar dem Freunde den Mund, der
die redliche Absicht hatte uns über uns selbst
zu enttäuschen.
Der Mann soll und muss wirken für die
Zwecke der Gesellschaft und die seiner eigenen
hiesigen Subsistenz und die Subsistenz der Sei-
nigen, aber vergessen soll er nicht, dass diese
Zwecke, so heilig sie als Berufspflichten des
Bürgers und Hausvaters sind, doch immer den
Zwecken unserer höchsten ewigen Bestimmung
untergeordnet bleiben müssen. Schwer, und die
eigenthümliche Aufgabe des Meisterstandes ist
es, diese zarte Grenze zu treffen und immer
festzuhalten. Der Geselle schweift gerne nach
jenseits, der Meister bricht nach diesseits aus.
Je weiter wir einst in der Uebertreibung der
dem Gesellen eigenen Richtung gingen, je schmerz¬
licher die deshalb gemachten Erfahrungen waren,
desto mehr verfallen wir jetzt in die umgekehrten
Uebertreibungen. Wir leben unserem Berufe, wir
leben den Pflichten des Hausvaters, aber so aus¬
schliesslich , dass daneben nichts Höheres mehr
in uns Platz hat. Man kann auch zu sehr hier
einbürgern, man kann den Himmel über der
Erde vergessen. Es geschieht, wenn man über
dem Treiben des Meisterstandes der heiteren,
schönen, das Herz warm und weit erhaltenden
Gesellenarbeit fremd wird. Mildern soll der
Meistergrad des Lebens die Begeisterung des
Gesellenstandes für das Schöne, das Edle (denn
sie taugt in ihrer Unbegrenztheit nicht für das
lieben), aber nicht austilgen. Wehe uns, wenn
wir in einer einseitigen Auffassung der ernsten
Pflichten unseres Berufs unser Herz dem Schönen,
dem Erhabenen verschliessen. Wehe dem, der
aus den Stürmen des Lebens, die uns den
Meistergrad geben, nichts von der schönen Er¬
rungenschaft des Gesellen zu retten und sich zu
erhalten wusste. Sonst setzt sich unvermerkt
der kleinliche Schmutz des Eigennutzes an unsere
Herzen au, wir werden Kleinigkeitskrämer und
Pedanten, wir werden traurige, frostige Gestalten,
die einsam und ungeliebt, ja verspottet und ge¬
hasst durcli's Leben ziehen, wir werden für
andere ungeniessbar, man misstraut uns, verletzt
uns, und der schwärzeste aller Dämonen zieht
bei uns ein — der Menschenhass!
Me gelbtn Brr, das Gelübde unseres Lehr¬
lingsgrades gilt für unsere ganze Laufbahn!
Dessen strenge Erfüllung ist für die Meister
am dringendsten, am schwersten. Und doch
stehen eben wir dem ernsten Ziel des Lebens,
dem offenen Grabe, am nächsten. Mit jedem
Stundenschlag rückt der Zeitpunkt heran, wo
unsere Rechnung geschlossen wird. Nehmen wir
Spitzhammer und Zirkel zur Hand! Die Werk¬
zeuge der Lehrlinge und Gesellen thun auch uns,
und zwar in einem höheren, dringenderen Sinne
noth, seitdem uns die Meisterweihe wurde. Denn
bald ist es Hochmitternacht. Drum lasst uns
wirken, weil es Tag ist, damit am Lichte des
ewigen Morgens unsere Baue gut erfunden werden!
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31
Engband der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
3. Vortrag des Br F. F u c h s.
(Zu No. 3 Schluss.)
Es wurde darauf der Br Schlegel zum Logen¬
meister gewählt, man beschloss aber, die Wahl
einstweilen geheim zu halten und die Arbeiten
bis auf Weiteres einzustellen.
Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass eine
grosse Anzahl von Brrn. mit dem Auftreten des
von Berlin gesendeten Visitators von Ponickau
nicht zufrieden war, die von diesem ertheilten
Rügen mochten den Br Börner zur Niederlegung
seines Amtes und mit ihm zugleich die Brr von
Bielefeld, Oehme, Richter, Wolf, R osen-
zweig, Bauer, Gabel, Krurabhaar, Mat¬
th es ius, San der sen. und Georg Friedrich
Richter zum Austritt aus der Loge veranlasst
haben. Diese zwölf Brr hatten sich über den
Visitator von Ponickau und die Brr Schlegel
und Bracke „wegen zu strengen Verfahrens,
wodurch sie gleichsam zum Abgehen aus der
Loge Balduin gezwungen worden seien,“ bei der
Grossloge zu Berlin beschwert — das Schreiben
findet sich nicht in den Acten, auch ist in den
Protocollen nichts erwähnt; — aus einer an
die Brr Schlegel und Bracke von der Grossloge
gerichteten Resolution vom 4. Oktober 1780
ergiebt sich, „dass die Grossloge ihren Bevoll¬
mächtigten völlig rechtfertigt, weil er nur aus¬
geführt, was ihm aufgegeben,“ — es mochte das
namentlich wegen des Besuches der Loge Minerva
sein, — „dass aber die Brr Schlegel und Bracke
sich rechtfertigen sollten über das, was ihnen
zur Last gelegt werde. Es werde ihnen aber
schuld gegeben, sie hätten gerade die Communi-
cation mit der ungesetzmässigen Loge Minerva
zu den drei Palmen angefangen und sich dieser
Communication nie ernstlich und kräftig wider¬
setzt und hätten bei ihrer Rückkunft aus Berlin,
wo sie als Deputirte gewesen, gar nicht auf
Aufhebung dieser Communication gedrungen, ob¬
wohl sie ihr zu jener Zeit in Berlin gegebenes
Versprechen leicht hätten durchsetzen können.
Sie hätten ferner die abgegangenen Brr zu dem
gethanen Schritt inducirt, indem sie ihnen in
Bezug auf die Communication gesagt: Wir wollen
Alle Zusammenhalten, wollen sehen, wer uns
was thun wird.“
Ob und wie diese Rechtfertigung geschehen,
findet sich in den Acten nirgends verzeichnet.
Die Grosse Landesloge schreibt hierauf unter
dem 28. November 1782 „an die treugebliebenen
Brüder der Loge Balduin“: „sie sei bereit, diese
Loge wieder gesetzmässig in Arbeit zu setzen,
Da aber die alte Constitution auf Brüder lautet,
die mehrentheils alle untreu geworden, so kann
dieselbe wohl füglich nicht weiter bestehen und
wir haben daher beschlossen, der Loge eine neue
Constitution ausfertigen zu lasseu. Angenehm
wird es uns sein, wenn Sie, geliebte Brüder,
bei dieser Gelegenheit selbst wünschen, den der
Maurerei so wenig anpassenden Namen Balduin
mit einem bessern, wozu wir Ihnen zum Stier,
zum Walfisch oder zur Linde in Vorschlag bringen,
zu vertauschen. Ihre Loge soll dabei keineswegs
an ihrem Alter, Nummer in der Matrikel und
Rango unter den Logen etwas verlieren, sondern
alles dies soll ihr wie jetzt bleiben und wir er¬
warten daher darüber Ihre Erklärung, um sodann
das weiter Nöthige zu verfügen.“
Unter dem 13. Februar 1783 klagt die
Grosse Landesloge: „Ungern hat die Grosse
Loge bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass Sie,
geliebte Brüder, zu glauben scheinen, die Forde¬
rungen derselben eben nicht genau befolgen zu
müssen. Sollte dies wirklich Ihre Gesinnung
sein, so wäre es wohl besser, dass Sie gänzlich
von vorhabender Wiederherstellung der dortigen
Loge abständen, weil solche dann doch schwer
von Bestand sein dürfte, indem die Grosse Loge
durchaus pünktliche Befolgung ihrer Vorschriften
fordert und davon nie abgeht.“ Es handelte
sich darum, dass wohl widergesetzlich Abschriften
von Fragebüchern angefertigt worden seien und
die Loge Balduin hatte die darüber verlangte
Auskunft nicht, oder wenigstens nicht vorschrifts-
mässig ertheilt. Doch schon unter dem 12. März
1783 wird der Loge „zur Linde“ — für diesen
Namen hatten sich die Brr entschieden — die
neue Constitution sammt 8 anderen Schriften
über die verschiedenen Handlungen der drei
Freimaurergrade ausgehändigt. — Die alte Loge
„Balduin“ hatte ihre letzte Conferenz laut
Protokoll den 20. September 1781 gehalten, die
neu constituirte Loge „zur Linde“ — die Con¬
stitution lautet auf die Brr Schlegel, Bracke
und Hoffmann — hielt ihre erste Arbeit den
9. April 1783.
Bereits unter dem 28. Juli 1783 verbietet
die Grosse Loge zu Berlin ihren Töchterlogen den
Besuch der Loge Royal-York und der von ihr
gegründeten Logen: „sie sei zwar von England
konstituirt, allein ihr Betragen gegen die Gr.
Landesloge sei stets von der Art gewesen, dass
sie keinen Umgang mit ihr halten könne, auch
keine Mitglieder derselben bei sich zulasse.“
„Eben so habe nach dem Tode des Grossmeisters
Br Peter Gogel die Gesetzmässigkeit der Loge
TUnion zu Frankfurt a. M. und der von ihm
gestifteten Logen aufgehört und es könnten deren
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32
Glieder nicht weiter zu den Logenversammlungen
zugelassen werden.“
Interessant ist das Mitgliederverzeichniss der
Loge „zur Linde,“ es findet sich in der Form
in den Akten, wie es unter dem 17. Mai 1784
an die Grosse Landesloge zu Berlin eingesendet
wurde; es enthält den Bestand vom 25. Juli 1783.
Es werden aufgeführt 9 Leipziger Mitglieder,
darunter 5 Meister, welche sämmtlich Beamten¬
stellen bekleideten, 1 Geselle und 3 Lehrlinge;
3 Ehrenmitglieder, 38 auswärtige Brüder, 2 die¬
nende Brüder und ein abwesender dienender Bruder.
Mit der Loge zu den 3 Reissbretern in
Altenburg war die Loge „zur Linde“ in Miss¬
helligkeiten gerathen, weil drei aus dem Leip¬
ziger Balduin abgegangene Brr Gesellen, Meysel,
Lange und Heyne, in Altenburg Aufnahme ge¬
funden und zu Meistern befördert worden waren.
Die Leipziger „Linde“ beschwerte sich über die
Altenburger Schwester bei der Grossen Landesloge,
und diese auf wiederholtes Drängen der „Linde,“
der sie unter dem 30. Sept 1784 vorhält: „ge¬
stehen müssen wir Ihnen, dass uns der Ton, wo¬
mit Sie stets Ihre Klagen vortragen, nie gefallen
kann. Er verräth Erbitterung, die bei einem
guten Maurer auch gegen die, die nicht wie sie
sollten gegen ihn handeln, nie stattfinden muss;
wir wollen auch nicht daran gedenken, dass Sie
fast immer der Grossen Landesloge Vorwürfe
machen zu wollen scheinen,“ erlässt unter dem
25. November 1784 eine scharfe Epistel an die
Altenburger Tochter, in der es unter Anderem
heisst: „Die Grosse Landesloge hatte erklärt:
es möchte diesen Brrn, Meysel, Lange und
Heyne, ihr unüberlegtes Begehren stillschweigend
gestattet, sämmtlichen Logen aber davon glimpf¬
liche Anzeige gemacht werden. Würden sie sich
bald eines Anderen und Besseren besinnen,
müssten sie nach den Gesetzen bei der Loge
Balduin um Vergebung ansuchen, die ihnen dann
auch mit der Ermahnung, sich künftig gesetz-
mässiger zu verhalten, bewilligt werden könne.
Wurde Ihnen, geliebte Brr, damals von dem
Handeln der 3 Brüder Anzeige gemacht, wie
konnten Sie jene Brüder aufnehmen und weiter
befördern? — Dass Sie bei dieser Beförderung
nicht wie Sie sollten gehandelt, werden Sie leicht
selbst ermessen. — Unrecht handeln Sie, dass
Sie die Brr, welche die Loge zu Leipzig ver¬
lassen, die die Loge „zur Linde“ deshalb aus
ihren Listen gestrichen, dennoch immer zulassen.
Unrecht dadurch, dass Sie Suchende aufnehmen,
die in Leipzig wohnen, ohne einmal nach sel¬
bigen bei jenen Brn sich zu erkundigen, die
doch gewiss bessere Nachricht von solchen
Suchenden als Sie einziehen können. — Ob Sie
darnach handeln und zur Aussöhnung mit den
Verlag von Br*Brnno Zechel in Leipzig.
Leipziger Brüdern die Hand bieten wollen, müssen
wir Ihnen überlassen. Dass wir nach Pflicht
den Umgang mit ungesetzmässigen Logen auf
keine Weise und unter keiner Vorspiegelung ge¬
statten können, haben wir Ihnen bereits ge¬
schrieben. Wir erwarten nun spätestens binnen
9 Wochen Ihre bestimmte Erklärung, ob Sie
unseren Forderungen, die wir Ihnen letzthin be¬
kannt gegeben, genügen wollen, nach Verlauf
dieser Frist sieht sich die Grosse Loge genöthigt,
hierin nach den Gesetzen weiter zu verfahren.“
Ein Bruch mit Berlin von Seiten der Alten¬
burger Loge, die schon mehrere Differenzen mit
der Grossen Landesloge gehabt, war die Folge.
In der Geschichte dieser Loge heisst es: „Als
die Grosse Landesloge in den zwischen der hie¬
sigen und der Loge zur Linde in Leipzig ent¬
standenen Irrungen parteiisch sich für jene Loge
erklärte und unbedingte Unterwerfung unter ihre
Aussprüche forderte, so fassten die Brr den 29.
Januar 1785 einmüthig den Beschluss, die Ver¬
einigung mit der Grossen Landesloge ganz auf¬
zugeben und die Loge wieder in den Stand zu
setzen, in welchem sie vor dieser Verbindung im
Jahre 1775 bereits 33 Jahre vorher bestanden
hatte. Sie nahm, nachdem sie ihre Selbstän¬
digkeit wieder errungen, den Namen Archimedes
zu den drei Reissbretern an.“*)
*) Geschichte der Loge Archimedes in Altenburg.
Geschäftliche Mittheilungen
aus dem
Freimaurerischen Correspondenz-Bureau.
Bei der Anfang d. M. erfolgten ersten diesjährigen
Versendung gelangten nachstehend aufgeführte 16 Mit¬
glieder-Verzeichnisse und Legenschreiben zur Ver¬
keilung :
Der St. Johannislogen in Altenburg (Veneich-
niss und Veränderungen) — Aschers leben —Cleve
— Coburg — Cottbus (200) — Gera (Archi-
medes-Bericht) — Gpra (Heinrich 300) — Gr ei* (300)
— Hannover (Ceder 200) — Kattowitz (214) —
Kreuznach (280) — Neumünster — Schleswig
— Thorn (300) und Tilsit.
Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in
eine/ geringeren Anzahl als der benöthigten 350 ein¬
sendeten, sind die Zahlen der zur Versendung gelang¬
ten Exemplare in () beigesetzt.
Ihron Beitritt zu dem frmn Correspondenz-Bureau
haben neuerdings erklärt
die Loge Ditmarsia in Marne in Holstein
die Loge Zur festen Barg in Krossen a. 0.
der Verein Munificentia in Karlsbad in Böhmen
die Loge An Erwins Dom in Strassbarg i. E.
die Loge Harmonie za den drei Seeblftttern in
Hermannstadt.
Der Geschäftsführer des frmn Corresp.-Bureau.
Bruno Zechel,
Verlagsbuchhandlung in Leipzig.
• Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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Mai 1882
9. Jahrg. Nr. 5.
Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Bautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenveraammlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Oorrespond enz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligteu Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 8 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt - Inserate werden nnr aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Humanität. — Nach Osten! — Aus dem Engbunde: Geschichte der Loge Balduin
*ur Linde. — Anzeigen.
Humanität.
Vorträg aus einer Gesellenloge der Loge zur Harmonie
in Chemnitz.
Me gel. Brr! Mögen auch vielleicht die drei
Grade der Johannis-Freimaurerei sich nicht als
eine Urform derselben nach weisen lassen, so
gewähren sie doch ein so schönes und wahres
Bild, eine Stufenfolge, in welcher der Mensch zur
ächten Humanität fortschreitet, dass es ein Verlust
für die Frmrei und ihre Wirksamkeit sein würde,
wollte man sie anfgeben.
Im Lehrlingsgrad wird bekanntlich die Auf¬
merksamkeit des Neuaufgenommenen zunächst
und vorzüglich auf sich selbst gerichtet. Er
wird dahin geleitet, seine geistigen Kräfte erkennen
und unterscheiden, die Himmelsgabe, welche den
Menschen über die Geschlechter der übrigen Ge¬
schöpfe erhebt und ihn zu ihrem Beherrscher macht
— die Vernunft — würdigen und nach ihren
Aussprüchen seine Gesinnungen und Handlungen
bemessen und regeln zu lernen und immer mehr
und mehr die Fesseln der Autorität, der Sinn¬
lichkeit, der Gewohnheit, der Geistesträgheit und
der Vorurtheile von sich abzustreifen. Dies ist
die Arbeit am rohen Stein, auf welche der
Lehrling gewiesen wird. — Sind nun aber auch
das Selbstbewusstsein seiner geistigen und
körperlichen Kräfte und die Erkenntniss ihrer
Würdigung, so wie alles dessen, was ihre freie
Anwendung hemmt und erschwert, als die Grund¬
lage aller Humanität zu betrachten, so ist doch
die wirkliche Ausbildung zur Humanität,
einzig und allein in der geselligen Verbin¬
dung mit andern Menschen möglich — ja den
Stoff selbst, an dessen Bearbeitung man die
erlangte Humanität erkennt, bilden eben die
geselligen Verhältnisse mit anderen Menschen,
daher ein E i n s i e d 1 e r bei allem sittlichen Werthe
und bei den edelsten Grundsätzen, so lange er
Einsiedler bleibt, weder sich selbst noch Andere
von seiner Humanität überzeugen kann, noch in
derselben weiter fortzuschreiten vermag.
Darum aber treten die Brr Lehrlinge,, bei
ihrer Beförderung zum zweiten Grad, mit meh¬
reren Brrn in die Kette verschlungen,
in den maurerischen Tempel, weil sie von nun
an ihre weitere Ausbildung zur Humanität dem
geselligen Brkreis verdanken, — in ihm
die erlangte Humanität bewähren sollen. — Wenn
nun aber der zweite Grad vorzugsweise der Aus¬
bildung zur Humanität gewidmet ist, so drängt
sich wohl gerade bei der Arbeit in diesem Grade
die Frage vor. allen andern auf: was denn
eigentlich unter Humanität zu verstehen sei, und
wie sich dieselbe äussere?
Lassen Sie uns daher der Beantwortung
dieser Frage unsre Aufmerksamkeit widmen!
„Er ist ein sehr humaner Mann“ --
pflegt man im gewöhnlichen Leben von dem¬
jenigen zu sagen, der bei einem ruhigen und
bescheidenen Benehmen Andere mit Wohlwollen
und Freundlichkeit zu behandeln pflegt. —
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34
Allein hiermit ist der Begriff der Humanität
dem Sinne nach nicht richtig gestellt, denn wenn
wir von solcher Humanität sprechen, legen wir
die Eigenschaft derselben stets immer in der
bürgerlichen Gesellschaft — oder wenigstens im
Verhältniss zu Anderen, Höhergestellten bei und
nehmen den Maasstab dieser Humanität immer
davon, wie Jemand die unter ihm Stehenden
behandelt. So werden wir z. B. nicht sagen:
„dieser Holzhacker — oder gar dieser Bett¬
ler — ist ein sehr humaner Mann— wohl aber
rühmen wir die Humanität eines Fürsten gegen
seine Umgebung, eines Gutsherrn und eines
Fabrikbesitzers gegen seine Arbeiter u. s. w.
Dass nun aber dieser Begriff der Humanität
nicht genügen kann, wenn wir von einer Humanität
sprechen deren Erweckung und Verbreitung die
Frmrei sich zum Ziele ihrer Thätigkeit gesetzt
hat — liegt wohl am Tage.
Aus diesem Sprachgebrauch des gewöhn¬
lichen Lebens, lässt sich daher ein erschöpfender
Begriff des Wortes Humanität nicht ableiten.
Selbst der römische Sprachgebrauch des Wortes
Humanitas, von welchem das Wort Humanität
abstammt, erschöpft diesen Begriff nicht völlig.
Zwar bezog sich die Humanitas der Römer auf
alles, was dem Homo — dem Menschen — im
Gegensatz zu dem Thiere — eigentümlich ist,
und insbesondere auf menschliche Tugenden —
auf menschliche Geistesbildung, allein schon der
Umstand, dass bei ihnen die Sei ave rei als
ein bestehender Rechtszustand betrachtet
wurde, verbunden mit dem zur Tugend des Patrio¬
tismus gestempelten hochmüthigen Stolze,
mit welchem der Römer auf alle andern Nationen
herabblickte, hinderten ihn, den Begriff der
Humanität in seiner vollen Klarheit und Reinheit
aufzufassen. — Das Christenthum in seiner
ursprünglichen Einfachheit machte zuerst die
Menschheit mit der Idee bekannt, alle Menschen
ohne Unterschied der Nation und des Standes
als Geschwister, abstammend von der Gottheit
als ihrem liebenden Vater, zu betrachten und zu
lieben.
Leider aber wurde diese wahrhaft göttliche
Idee nur allzubald von denjenigen selbst, welche
sich Christen nannten, verdunkelt und zum Theil
gänzlich erstickt, indem sie, das zufällige ä u s s e r -
liehe Gewand, womit das Christentum nach
Maassgabe der klimatischen, volkstümlichen und
anerzogenen Vorurteile bekleidet wurde — und
werden musste — als das Christenthura
selbst darstellend, diejenigen, welche ihr Christen¬
tum in ein anderes Gewand hüllten, als Ketzer,
Abtrünnige, Gottesleugner und von Gott selbst
Verworfene, verachteten und verfolgten. — Nur
in den Bauhütten der alten Baucorporationen
erhielt sich die christliche Idee der allgemeinen
Bruderliebe noch in ihrer Reinheit, so wie über¬
haupt die Idee ächter Humanität, und als
jene Baucorporationen schon längst in der euro¬
päischen Civilisation ihren Untergang gefunden
hatten, erhielt sie sich bis auf den heutigen Tag
in der Frmrei.
Wenn der Mensch zum Bewusstsein seiner
Doppelnatur gelangt ist, deren eine vergäng¬
liche an die Sinnen weit gekettet ist, ihre Ver¬
änderungen und ihren sichern Untergang theil t, —
und deren andere, — als unvergänglich sich an¬
kündigend, einer ewigen Geisterwelt angehört, —
wenn er die ewige Weltordnung in der Symbolik
der ihn umgebenden sinnlichen Aussenwelt erkannt
hat; — wenn die Idee einer ewigen göttlichen
Weisheit, — eines Schöpfers des Weltalls, —
eines Lenkers der Begebenheiten und Schicksale
sich zum klaren Bewusstsein erhoben hat, —
wenn das Gefühl seiner geistigen Verwandtschaft
mit jener geistlichen Weisheit — mit Gott —
in ihm erwacht ist, — wenn er seinen Willen
als unterthan dem in seiner Brust laut und ver¬
nehmlich sich regenden Sittengesetz zu betrach¬
ten sich gedrungen fühlt, — wenn er Alle mit
einem menschlichen Antlitze Versehenen als seine
Brüder und Schwestern, als Kinder eines und
desselben geistigen Wesens betrachtet und liebt, —
ihre Schwächen und Gebrechen und selbst Ver¬
brechen nur als — Irrthümer betrachtet, die
seiner Liebe keinen Abbruch thun und blos sein
Bedauern erwecken können, — wenn er vertrauens¬
voll aufschauend zu der alleinigen göttlichen
Weisheit, aus der auch er entsprossen, die Müh¬
seligkeiten und Leiden des irdischen Lebens mit
Geduld erträgt, und wenn seine irdische Hülle
bricht, einem neuen geistigen Wirkungskreis
glaubensvoll entgegenschaut, die Gaben des Erden¬
lebens dankbar empfängt, und mit weiser Mässi-
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35
gung fröhlich gcniesst, — und froher noch
Anderen gleichen Genuss gewährt, — dann ist
Humanität in ihrem vollen Glanze vorhanden.
Schon aus diesen Sätzen kann man abnehmen,
auf welche Weise ächte Humanität sich im Leben
äussert. Sie äussert sich durch gottvertrauende
Religiosität des Geistes und Herzens, ohne das
äusserliche Gewand seiner Religion eigen¬
sinnig als das einzig ächte zu betrachten oder
anderen aufdringen zu wollen. — Die Frmrei
soll daher vornehmlich ihre Jünger zur wahren
Humanität heranbilden, und sie kann dies, denn
vermöge ihrer rein und allgemein menschlichen
und weltbürgerlichen Natur ist sie, wie Br
Herder sagt: „das Auge und Herz der Mensch¬
heit/ 4 — Das, me gel. Brr, lassen Sie uns Alle
mit Ernst festhalten und dazu gebe d. a. B. d.
W. seinen Segen.
Nach Osten!
Vortrag des Br Dietrich, Redner der Loge Archimedes
z. d. 3. Reissbretern in Altenburg.
Nach Osten! Das muss die Losung jedes
guten Maurers sein, denn der Osten ist ja die
Heimath des Lichtes. Im Osten beginnt alltäglich
die Sonne ihre leuchtende Bahn, auf welcher sie
Licht, Leben und Segen spendend dahinwandelt.
Im Osten ist uns auch alles geistige Licht auf¬
gegangen. Denn Alles, was schön, was gross
und heilig ist im Geistesleben der Völker, hat
ja seinen Ursprung im Osten genommen und von
da seinen Weg zu uns fortgesetzt.
Hier war die Wiege des Menschengeschlechtes,
hier flammten die ersten Strahlen eines Kultur¬
lebens in der Menschheit auf. Noch reden die
heiligen Gedichte und die uralten Bauten der
Inder, noch die Pyramiden und Tempelruinen an
den Ufern des wunderbaren, geheimnissvollen
Nilstroms mit ihren Hieroglypheninschriften und
Wandgemälden, noch die heitere Schönheit der
Kunstwerke, die unter Hellas blauem Himmel
aus Künstlerhänden hervorgingen, zu uns und
mahnen uns daran, dass dort im Osten die helle
Leuchte aufging, an welcher wir die Fackel
unsrer Kunst und Wissenschaft angezündet haben.
Und erinnert uns nicht die Bibel, das eine der
drei grossen Lichter der Mrei, daran, dass uns
vom Osten her das Licht religiöser Erkenntniss,
das reine Licht der Wahrheit gekommen ist?
Darum ist der Osten den Maurern ein heiliges
Symbol. Im Osten unserer Halle ist der Altar
errichtet, von dem aus die drei grossen Lichter
der Mrei, die Bibel, das Winkelmass und der
Zirkel uns leuchten. Der Mstr v. St. hat seinen
Platz im Osten, denn wie die Sonne im Osten
aufgeht und den Tag erleuchtet und regiert, so
befindet sich allda der Mstr v. St. um die Loge
zu eröffnen, zu erleuchten und zu regieren.
Darum reden wir Maurer hoffend von dem
„ewigen Osten/ 4 wo uns ein helleres Licht auf¬
gehen wird als uns im dunklen Erdenthale
schimmerte. Und wenn wir uns zu stiller Arbeit
im Meistersaale versammeln und hier dem Tode
in seiner ernstesten Gestalt ins Auge schauen
und beim Gedanken an die Vergänglichkeit alles
Irdischen unsere Herzen von Trauer und Wehmuth
bewegt fühlen, dann tröstet uns der Gedanke an
den ewigen Osten, wo des Todes Schrecken über¬
wunden sind und das Licht ewigen Friedens und
ewiger Freude erglänzt.
Nach Osten! Das ist darum die rechte
Meister - Losung. Nach Osten schaut entzückt
unser Licht suchendes Auge, nach Osten tragen
uns unseres Geistes Schwingen und der kühne
Flug der Phantasie, nach Osten zieht uns unseres
Herzens Sehnsucht und Verlangen, im Osten liegt
das selige Ziel, dem wir entgegen pilgern.
Lassen Sie mich, me Brr, in kurzen Worten
eine Deutung geben des maurerischen Losungs¬
wortes: „Nach Osten! 44
Der Morgen naht, die Schatten der Nacht
beginnen zu weichen, ein kühler Morgenwind
erhebt sich und weht über Berg und Thal, als ob
er die Blumen und Gräser, die Bäume und
Sträucher, die lieblichen Kinder der Natur aus
ihren stillen Träumen aufwecken wollte, damit
sie erwachen und ihre Häupter erheben und
frohlockend begrüssen die Königin des Tages, die
schöne, leuchtende Sonne. Und sie naht und
sendet als Herolde voraus rosig glühende Wolken
und nun hebt sie sich am Horizonte im Osten
empor still und majestätisch wie ein grosses
leuchtendes Gottesauge, das segnend hernieder¬
schaut auf die Welt. Und alle Schatten fliehen
und alle Finsterniss weicht, neues Leben pulsirt
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durch alle Wesen, in seliger Lust orglüht die
Erde und die Vögel schwingen sich empor und
jauchzen ihr Morgenlied der Sonue entgegen, die
neues Licht und neues Leben bringt. —
Me Brr, die aufgehende Sonne ist uns ein
Symbol des Lichtes der Wahrheit. Wie die
Natur sich dem Lichte der Sonne entgegensehnt
und ihrQ Schönheit nur im Lichte der Sonne
entfaltet, so sehnt sich des wahren Maurers Herz
nach Licht, nach dem Lichte der Wahrheit, denn
nur im Lichte der Wahrheit vermag sich die
königliche Kunst zur vollen Blüte zu entfalten.
Darum schauen wir gläubig hoffend nach Osten.
Wir wissen zwar, dass die volle Wahrheit uns
auf Erden nicht zu Theil wird, denn die Wahrheit
ist allein in Gott und Gott ist die Wahrheit.
Aber er, der allmächtige Baumeister der Welten,
der Vater des Lichtes, den wir in Demuth an betend
verehren, lässt uns nicht ganz im Dunkel. Wie
die Sonne, wenn sie im Osten aufgeht, ihre er¬
leuchtenden Strahlen hernieder sendet zur Erde,
so lässt der Allerhabene so manchen Strahl der
Wahrheit in die redlich suchende und mutbvoll
strebende Seele scheinen.
Darum heisst unser Losungswort: „Nach
Osten!“ Denn der gute und treue Maurer will
nicht dahin wandeln in Finsterniss, er liebt das
Licht und sucht das Licht, er liebt die Wahrheit
und ringt nach ibp in redlichem Fleisse. Und
darum, me Brr, „nach Osten.“ Lasst uns Augen
und Herzen* dem Lichte zuwenden und sie öffnen,
dass die göttliche Wahrheit immer mehr uns
durchleuchte und läutere, das9 alle geistige und
geistliche Finsternis immer mehr schwinde, dass
unsere Herzen und unsere Logen Stätten des
Lichtes werden und von hier aus das maurerische
Licht in alle Welt dringe und im Glanze dieses
Lichtes neues schönes Menschheitsleben allüberall
keime und wachse und blühe.
Wenn es aber unsere maurerische Aufgabe
ist gegen die Lüge und Täuschung zu kämpfen
und dieselbe zu überwinden, so lasst uns nicht
vergessen, dass unsere erste Pflicht von uns
erfordert, gegen uns selbst wahr zu sein. „Erkenne
dich selbst!“ Diese Forderung leuchtet in dunkler
Kammer dem Licht Suchenden in flammenden
Zügen entgegen und mahnt ihn an die erste
Pflicht des rechten Maurers sich selbst im Lichte
der Wahrheit zu prüfen und die erkannten
Fehler zu bekämpfen. Und wenn wir uns in
unseren Bauhütten mit dem heiligen Brudernamen
nennen, so soll uns dies eine Mahnung sein, als
Brüder auch offen und wahr gegen einander zu
sein, nichts zu hehlen und zu verbergen, nicht
anders zu reden als wir denken. Des Maurers
Wort soll, so lehrten uns die Väter, wahr sein
und heilig wie ein Eid.
„Nach Osten!“ Dies Losungswort will uns
sagen: Suche immer redlich nach Klarheit
über dich selbst; sei immer wahr gegen den
Bruder; das Wort der Wahrheit, weiches brüder¬
liche Liebe mahnend oder lehrend zu dir redet,
verschmähe nicht und wende dich nicht verletzt
und gekränkt ab! Wer Wahrheit liebt, wird
Wahrheit auch vertragen!
Freilich ist dies nicht leicht, denn dazu ge¬
hört Ueberwindung der Selbstliebe und Selbst¬
genügsamkeit, welche mehr oder weniger in Jedem
von uns steckt. Aber das eben ist die rechte
Meisterarbeit. Sich selbst bekämpfen ist der
schwerste Krieg, sich selbst besiegen ist der
schönste Sieg! Wem dies gelang, der darf mit
Fug und Recht in der Kette der Mstr stehen.
Lasst uns darnach mit allen Kräften streben.
Auf, me Brr Mstr, den Blick und Wandel nach
Osten gerichtet, damit wir den Brr Lehrlingen
und Gesellen voranschreiten und voranleuchten
auf rechter Maurer bahn. —
Die aufgebende Sonne ist uns aber auch ein
Symbol der Schönheit! Wie sie selbst in ihrem
Strahlenkränze in herrlicher Schönheit erscheint,
so kann auch nur in ihrem Lichte die Schönheit
gedeihen. Nach Osten, ihr Brr! Das mahnt uns
daran, dass auch die Mrei die Schönheit nicht
entbehren will und kann, dass sie dieselbe in
ihren Dienst nehmen muss, um Auge und Ohr
zu ergötzen, um Andacht zu wecken und zu
fördern. Ist doch die Mrei selbst eine Kunst,
die königliche Kunst. Wie die Tonkunst die
einzelnen Töne gleich Perlen an einander reiht
zur schönen Melodie und durch Harmonie und
Rythmus das Kunstwerk vollendet, wie die Malerei
die Farben zum lebensvollen Bilde vereinigt, wie
die Sculptur und Architektur der spröden und
starren Masse des Gesteins Leben einhaucht, so
ist auch die Mrei eine Kunst Sie will das
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höchste Kunstwerk schaffen, sie will das Menschen¬
herz bilden und veredeln, sie will des Menschen
Leben, sein Thun und Wirken, sein Handeln
und Wandeln zu schöner Harmonie verklären.
Darum ist uns Brn Meistern der vierundzwanzig-
zöllige Maassstab in die Hand gegeben, damit
wir jedes Werk richtig abmessen, ehe wir es
auf das Reissbret bringen, so dass es den Ge¬
setzen der Schönheit entspreche und ein Kunst¬
werk sei, welches seinen Meister lobe Heil jedem
Br, dem es gelang, solch untadeliges Kunstwerk
echt roaurerischen Thuns und Handelns zu voll¬
enden !
Nach Osten lasst uns schauen, dorthin wo
die Heimath aller Vollkommenheit ist, damit in
unseren Werken ein wenn auch unvollkommener
Abglanz ewiger Schönheit sich offenbare.
Die aufgehende Sonne ist uns aber auch ein
Symbol der Liebe. Wie die Sonne alle Dinge,
grosse, wie geringe, gleicbmässig erleuchtet und
erwärmt und über Gerechte und Ungerechte Licht
und Segen ausströmt, so soll auch die echte Liebe
überall hin ihre Gaben ausstreuen. Vor Allem
des Meisters Pflicht ist es, der Sonne gleich in
selbstloser Liebe Gutes zu tbun allein um des
Guten willen ohne Erwartung eines Lohnes.
Seelen, die in der Nacht der Trübsal trauern,
mit dem Strahl der Liebe zu erleuchten und zu
erfreuen, Herzen, welche durch des Lebens trübe
Erfahrungen in ihrer Liebe erkaltet waren, wieder
zu erwärmen, Liebe zu säen und Gutes zu thun,
das ist des Meisters schönste Aufgabe. Und
wie die Sonne überall Freude weckt, so dass
frohleuchtende Blicke zu ihr aufschauen, so wandelt
auch der echte Maurer segnend und gesegnet
durchs Leben. Ein Segensstrom geht aus von
seinem reinen, für das Wohl der Menschheit
schlagenden Herzen. Durch sein treues, selbst¬
loses Wirken, seine hingebende Liebe erwirbt er
sich Gegenliebe. Und wie der scheidenden Sonne
dankbare Blicke folgen, so folgen auch ihm
Segenswünsche nach, wenn er am Feierabend die
Kelle niederlegt und zu höherer Arbeit in den
ewigen Osten eingeht.
Nach Osten! Lasst uns, ihr Brr Mstr, dieses
Wort eine Mahnung sein zu schauen auf den
allmächtigen Baumeister der Welten, der die Liebe
ist und auch uns das Gebot der Liebe gegeben
«
hat; lasst uns wandeln auf dem Pfade reiner
Gottes- und Menschenliebe, auf welchen unsere
königliche Kunst uns leiten will.
Die aufgehende Sonne sei uns auch ein Symbol
der Unsterblichkeit. Denn ob sie auch am Abend
von uns scheidet, so steigt sie doch jeden Morgen
von Neuem wieder empor und wird so zu oinem
Bilde unseres Glaubens und unserer Hoffnung.
Wir glauben an Unsterblichkeit. Das ist das
rechte Meisterstück des Maurers, wenn er des
Todes Schmerz überwindet, wenn er auch in
der letzten Stunde mit ruhiger Heiterkeit dom
Tode ins Angesicht schaut in der fröhlichen und
seligen Gewissheit, dass unser Weg durch Nacht
zum Licht führt, durch des Todes Nacht zu dem-
seligen Licht, das im ewigen Osten uns aufgeht.
„Nach Osten!“ Dieses Losungswort möge uns
allezeit daran erinnern, dass die Mrei uns etwas
Anderes, etwas Höheres bieten will, als das all¬
tägliche Leben zu bieten vermag. Sie will unser
Herz für ein hohes, heiliges Ideal begeistern, sie
will uns lehren die rechte Freude zu empfinden
an Allem, was schön, gut und heilig ist, sie will
uns Kraft geben nach sittlicher Vollendung zu
ringen, sie will uns befestigen in unserem Glauben,
in unsrer Hoffnung und in unserer Liebe.
Darum wohlan, me Brr! Lasst uns wandeln
dön maurerischen Pfad! Er führt uns aufwärts
über alles Gewöhnliche und Nichtige, aufwärts
über alles Gemeine und Niedrige, er führt nach
Osten!
Engbund der Loge Balduin z. L.,
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
4. Vortrag des Br F. Fuchs.
Die Grosse Landesloge musste über den Ab¬
fall verschiedener Logon klagen, sie sagt in einem
Schreiben an ihre Töchterlogen: „Zu einer Zeit,
wo es fast so viel verschiedene sogenannte Sy¬
steme in der Freimaurerei, als Versammlungen
unter dem Namen Logen giebf, welche alle, da
sic der Duldung so sehr bedürfen, auch so sehr
bemüht sind, die Duldung zu preisen und sie unter
einem ihnen vortheilhaften, obschon nicht wahren
Gesichtspunkt darzustellen; zu einer Zeit, wo
einige Logen dadurch wirklich wankend und
endlich abspenstig geworden sind“ — nach dem
dem Schreiben beigefügten Logenverzeichnisse
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38
♦
hatten die Logen „zum Rautenkranz in Gotha,
zu den drei Reissbretern in Altenburg, zum
schwarzen Bär in Hannover, zum heiligen Joseph
in Wien, zum goldenen Rade zu Eberau in Un¬
garn, zur Freundschaft in Warasdin“ sich von
der Grossen Landesloge getrennt — „glaubt die
Grosse Landesloge es ihren Logen und Brüdern,
sich selbst und dem Orden schuldig zu sein ihr
auf Gesetze gegründetes Verfahren in seinem
wahren Lichte darzustellen und alle mit ihr
verbundenen Frmr liebreich zu ermahnen: auf
dem rechten Wege unverrückt fortzufahren.“ Sie
giebt nun eine lauge Deduction über den Begriff
der Duldung, wie sie ihn verstehe und verstau
den wissen wolle, über die Gesinnungen und
Pflichten der echten Freimaurer und kommt zu
dem Schluss: „eine genaue Befolgung der Ge¬
setze verlangen zu müssen, welche allein ver¬
mögen Ruhe und Frieden zu erhalten.“ „Die
Grosse Landesloge hat verschiedene Logen lieber
fahren lassen, als zugeben wollen, dass sie einen
wechselseitigen Umgang mit Logen und Brüdern
pflegten, welche sie nach ihrer Verfassung nicht
als ächte Freimaurerlogen und Brüder annehmen
zu können glaubt.“
Auch die „Linde“ scheint, wie früher der
„Balduin,“ in dieser Hinsicht ein etwas weites
Gewissen gehabt zu haben, denn immer und
immer wieder erscheinen Brr der Minorva oder
anderer Logen, die bei ihrem Eintritt durch
Handschlag oder Handauflegen auf die Bibel
sich verpflichteten, nichts von dem zu verrathen,
was sie in der Loge sehen und hören würden.
Doch auch die Grosse Landesloge war gezwungen,
mildere Seiten aufzuziehen.
Die Grosse Landesloge von Deutschland war
in Misshelligkeiten mit der Grossen Loge von
England, von der sie ihre Constitution erhalten,
gerathen. Dio Grosse Loge zu London hatte
der Berliner Schwester Vorstellungen gemacht
über ihr abweisendes Verhalten gegen die Brr ande¬
rer Systeme und sie ermahnt, die Einigkeit unter
den Freimaurern in Deutschland zu fördern. • In
ihrer Rückantwort erklärt die Grosse Loge in
Berlin: „dass man in London den Zustand der
Freimaurerei in Deutschland gar nicht kenne.
Denn woher die Nachrichten? Vermuthlich blos
von dem Repräsentanten Br Gräfe, einem par¬
teiischen und selbst noch wenig unterrichteten
Mann. Man wolle der Grossen Loge in London
die Augen über den Zustand der deutschen Frei¬
maurerei öffnen und ein Bild vom Zustande des
Ordens in Deutschland zeichnen.“ Das Bild ist
kein sehr freundliches. Das Schreiben fährt fort:
„Glaubt die oberste Grosse Loge in London nun
noch aus ihrer Entfernung wirken zu können?
. glaubt sie noch durch Ertheilung von Freibeits-
briefen diese Parteien zu.vereinigen und auf den
guten Weg zurück zu bringen? kann und darf sie
jenen Sekten voll von Irrthümern und gar nicht
geneigt auf den guten Weg zurück zu kehren
ein gesetzmässiges Stehen bewilligen? Die Grosse
Loge von London will die hier etablirte Gross¬
loge der Preussischen Staaten anerkennen, er¬
bietet sich ein gutes Vernehmen mit uns zu
unterhalten und in diesem Sprengel alle unsere
Operationen zu unterstützen. Das erste steht
nicht in ihrerGewalt, das z w ei t e muss
uns sehr gleichgiltig sein, das dritte ist
im Grunde ungerecht und ohne allen
Nutzen.“ — Die Grosse Loge zu London, die
sich schon „über den unbrüderlichen Ton, der
in allen Schreiben der Berliner Grossen Landes¬
loge herrsche, sowie über dio überall aus allen
ihren Handlungen hervorleuchtende Intoleranz und
Unbilligkeit beklagt hatte,“ spricht in einem
Schreiben vom 22. April 1788 ihre Trennung
von Berlin aus und sagt unter Anderem: „Die
oberste Grosse Loge hatte gleichfalls Ursache
mit der Grossen Logo zu Berlin missvergnügt
zu sein wegen des Mangels an Aufmerksamkeit
gegen einen der wesentlichsten Vertragsartikel,
nämlich den des Beitrags zur allgemeinen Armen¬
kasse. Der brüderlichen Aufnahme und der
ehrenvollen Begegnung zu erwähnen, welche die
oberste Grosse Loge dem Bruder angedeihen
Hess, welchen die Grosse Loge in Berlin zu ihrem
Repräsentanten in England ausgewählt, ist kaum
nöthig. — Wie war nun aber das Benehmen
der Grossen Logo zu Berlin gegen unsern Re¬
präsentanten? Das völlige Gegentheil hat ihr
Verfahren bezeichnet. Br Gräfe, einem rechtschaffe¬
nen kenntnissreicben Maurer, uneingenommen für
irgend eine deutsche Maurersekte, ihm trugen
wir auf, seinen besten Fleiss bei der Grossen
Loge zu Berlin zur Beilegung der unter der
deutschen Brüderschaft auf das Höchste gestie¬
genen Uneinigkeit zu verwenden. Diesen Repräsen¬
tanten verweigerte die Grosse Landesloge zu Berlin
anzunehmen, beschimpfte ihn durch ihr Verfahren
und beleidigte dadurch auf das Aeusserste die
Würde der Grossen Loge.-Die Grosse
Loge zog alle diese beleidigenden Verfahrungs-
arten und die verschiedenen schon vorerwähnten
Handlungen in Betrachtung. Die Erfahrung von
13 Jahren, die während des Vertrags mit Berlin
verflossen, hat sie belehrt, dass ihr Hauptzweck
die Freimaurerei zu verbinden, die verschiedenen
Sekten unter den deutschen Brüdern zu ver¬
einigen dadurch nicht erreicht werde, dass viel¬
mehr die Spaltungen in der Gesellschaft vermehrt,
alle günstigen Aussichten aber gehemmt werden,
so lange sie sich an den mit den Berlinischen
Brüdern eingegangenen Vertrag bindet. Dahero
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wurde denn der Schloss gefasst: Die oberste
Grosse Loge sollte ihre alte Herrschaft in Deutsch¬
land, allein die Preussischen Besitzungen aus¬
genommen , zurücknehmen. Dieser Rücknahme
ihrer Gewalt aber ungeachtet wünscht die oberste
Grosse Loge mit den Berlinischen Brüdern auf
freundschaftlichem Fusse zu bleiben. Es ist
immer ihr ernstliches Verlangen, die Verbreitung
der Gesellschaft, die allgemeine Uebereinstimmung
und die Verbindung ihrer Glieder zu befördern,
und sie ist daher bereit zu constituiren und an¬
zuerkennen die Grosse Loge zu Berlin als eine
Grosse Landesloge aller Preussischen Staaten
und will sich anheischig machen, keine Loge
innerhalb derselben zu constituiren. Dieser Ent¬
schluss ist ihres Dafürhaltens der zum Zweck
der Maurerei passendste.“
„Der Name einer Grossen Loge von
ganz Deutschland ist, wie die Erfahrung
zeigt, beleidigend für den vornehmsten Theil der
deutschen Maurer und die oberste Grosse Loge
würde Mangel an Staatsklugheit verrathen, wenn
sie einen solchen allgemeinen Richterstuhl auf¬
recht zu erhalten versuchen wollte.“ Die Grosse
Landesloge zu Berlin sagt darauf in einem Cir¬
cular an ihre Töchterlogen: „Dass sie eben so
wenig von dem Anerbieten der Grossen Loge zu
London, sie als Grosse Loge der Preussischen
Staaten zu constituiren, als von dem, sie in
dieser Qualität anzuerkennen, Gebrauch
macheii könne. Der Gewinn aus den Verträgen
sei im Grunde blos auf Seiten der Grossen Loge
zu London gewesen, die dadurch wiederum in
Deutschland bekannt worden und lediglich durch
das Benehmen der Grossen Loge von Deutsch¬
land eine Art von Ansehen in Deutschland er¬
halten habe. Die Grosse Loge zu Berlin wird
sich dahero auch von nun an auf sich selbst
verlassen, in ganz Deutschland, wenn sich Ge¬
legenheit darbietet, Logen errichten, auch keinen
ihrer Brüder, der dazu befugt ist, verhindern,
Logen auf dem ganzen Erdboden, in England,
selbst in London zu erbauen, so lange die Grosse
Loge in London fortfahren wird, wie bishero zu
solchem willkürlichen Verfahren das Beispiel
zu geben. Hierbei ist jedoch die Grosse Loge
zu Berlin entschlossen, um die Spaltungen unter
den Brüdern nicht zu vermehren, die Brüder
von den Logen, welche von der Grossen Loge
in London ihre Constitution erhalten, bei sich
zuzulassen und auch ihren Brüdern den Besuch
solcher Logen nacbzugeben, so lange nämlich
die Grosse Loge zu London ein Gleiches thun
wird.“
Der Bruch war geschehen, die Grosse Loge
zu London constituirte Logen in Deutschland;
die Grosse Landesloge zu Berlin mochte davon
schmerzlich berührt sein, wenigstens war aber das
Gute bewirkt worden, dass man sich genöthigt
sah, in der früheren Strenge nachzulassen. Sie
richtet unter dem 18. October 1788 an alle
Brüder ihrer Töchterlogen, „welche Logenmeister,
Deputirte und Aufseher gewesen und noch sind,“
ein Circular, in welchem sie sagt: „Geleitet
durch unsere Gesetze, welche unser bisheriges
Betragen genau und ganz bestimmt rechtfertigen;
gebunden durch unsern Vergleich mit der
Grossen Loge zu London und überzeugt, dass
nur eine unwandelbare Festigkeit in den an¬
genommenen Grundsätzen zu dem vorgesteckten
Ziele führen könne, wachten wir genau darüber,
dass weder unsere Brüder eine ungesetzmässige
Loge besuchten, noch die Mitglieder solcher
Logen Zutritt bei uns hatten. Durch dieses
Verfahren kamen wir in das Geschrei, dass wir
unduldsam, hart und unbrüderlich dächten.“ —
„Sollten wir nun beschlossen nachgebender zu
werden und Brüder anderer sogenannter Systeme
zuzulassen, auch ihre Logen zu besuchen, so
kann dieser Beschluss nicht anders als gesetz-
mässig genommen werden. Aus diesen Gründen
ersuchen wir Sie, reiflich, kaltblütig und unpar¬
teiisch zu überlegen:
1) Ob es rathsam sei wie bisher fortzu¬
fahren und keinen Bruder anderer sogenannter
Systeme zuzulassen, noch eben so wenig ihre
Logen zu besuchen, oder ob es besser sei nach¬
gebender zu werden und sowohl Brüdern anderer
Systeme den Eintritt zu unsern Logen als auch
unsern Brüdern den Besuch ihrer Logen zu
gestatten.
2) Welche Massregeln bei Gestattung des
gegenseitigen Besuches zu ergreifen, damit diese
Zulassung nicht gefährlich und wir nicht mit
einem Haufen in keiner oder doch in einer von
keinem Theil anerkannten Loge aufgenommener
falsche Brüder und Schwärmer überschwemmt
werden.“
Die Loge zur Linde, durch schlimme Erfah¬
rungen gewitzigt, sagt in ihrem Gutachten vom
31. December 1788: „dass sie durch zwei De¬
putirte unserer Loge, da sie noch den Namen
Balduin führte, dringende Vorstellung thun musste
wegen Zulassung der Brr anderer Systeme, be¬
sonders derer, die sich stricte Observanz oder
Vereinigte Logen nennen und sich nach ihrer
Art und Vereinigung ebenfalls auf gesetzliche
Constitution gründen und von welchen wir im
Churfürstenthum Sachsen ganz umgehen und wo¬
von die grössten Männer unseres Vaterlandes
Mitglieder sind; allein so gründlich auch unsere
Deputation die Lage unserer Stadt und Landes
und die unangenehmen Folgen, denen sich unsere
Loge bei solcher Intoleranz ausgesetzt sähe, vor-
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stelleten, so ward dennoch denensolben in ver¬
sammelter Grosser Landesloge die Antwort ertheilt,
dass eine solche Zulassung zu gestatten
ganz und gar nicht in ihren Kräften
stände, da selbe wider die heilig be¬
schworenen Gesetze stritte u. dgl. mehr.
Unsere Loge musste daher diesem beipflichten
und haben nach diesem jeden Lehrling eidlich
verpflichtet nie eine Loge zu besuchen, von der
er nicht weiss, ob sie gesetzmässig anerkannt
sei. Wie können wir nun diejenigen von ihrem
geleisteten Eide wieder lossprechen ? Wie können
wir uns gegen diejenigen verhalten, die im Ueber-
tretungsfalle von unsern Versammlungen aus¬
geschlossen in’s schwarze Buch geschrieben und
als Meineidige in allen unsern Logen öffentlich
bekannt gemacht worden ? — So gerne wir nach
Billigkeit wünschen, dass eine allgemeine
Vereinigung aller Freimaurer auf dem
ganzen Erdboden stattfinden möchte und für
unsere Umstände längst stattgefunden hätte, damit
die Gerüchte unter den Profanen, wie Maurer
gegen Maurer handeln und streiten, gänzlich
vertilget würden: — so können wir dennoch aus
angeführten Gründen über die vorgelegten Fragen
nichts Bestimmtes sagen, sondern überlassen die
Entscheidung der gegenwärtigen kritischen Sache
denen orleuchteten Brüdern, die den Orden in
seinem ganzen Umfang zu kennen sich rühmen
dürfen und erwarten ganz geruhig, was die Grosse
Landesloge beschliessen und uns alsdann mitzu-
theilen für gut befinden wird.“
Die meisten Töchterlogen hatten sich aus¬
gesprochen, dass bei der gegenwärtigen Lage
der Umstände ein Umgang mit den Logen anderer
Systeme anzurathen nützlich und der freiipaure-
rischen Absicht entsprechend sei. Nach Beschluss
der Grossen Landesloge sollten von nun als ge-
setzmässigo Logen anerkannt werden:
1) „Alle von der Grossen Loge von England,
Frankreich, Holland, Schweden, Russland, Oester¬
reich, Genf in und ausserhalb Deutschlands
errichteten Logeu.
2) Diejenigen vereinigten Logen in Deutsch¬
land, welche den Herzog Ferdinand von Braun¬
schweig für ihren Grossmeister erkennen und
von ihm constituirt sind.
3) Alle diejenigen Logen, welche von den
sub 1 und 2 genannten Logen als gute Logen
angesehen werden.“
Ausgeschlossen wurden dagegen die von der
Grosseu Loge von Deutschland abgefallenen oder
ausgeschlossenen Logen, die sogenannten zer¬
streuten Brüder, die Juden und die von der
Loge Royal York constituirten Logen. In Bezug
auf dio letzteren scheint sich die Loge zur Linde
nicht an das Verbot gekehrt zu haben, indem
man mit den Bauhütten dieses Systems corre-
spondirte und deren Brüder zuliess. — Das
Schreiben der Grossen Loge schliesst mit dem
Wunsche, dass der Zweck dieser Beschlüsse kein
anderer sei, „als die wahre Freimaurerei zu
verbreiten, Irrthum und Schwärmerei zu ver¬
drängen und allen Betrügereien ein Ende zu
machen, welche so vielfältig unter der Maske
der Freimaurerei ausgeübt werden“
(Schluss folgt.)
Soeben ist in meinem Verlage erschienen und
kann durch alle Brr Buchhändler, sowie auch direct
von mir bezogen werden:
Asträa.
Taschenbuch für Freimaurer
auf das Jahr 1882.
Herausgegeben
von
Br Robert Fischer.
Neue Folge. — Erster Band.
22 Bogen 8°.
Preis M. 3.00. — Elegant gebunden M. 3.75.
Die allgemeine Beliebtheit, deren sich die im
Jahre 1870 eingegangene, aber auch heute noch in
bestem Andenken stehende „Asträa“ zu erfreuen
hatte, veranlasste mich, nach getroffenem Ueberoin-
kominen mit dem früheren Verleger, das Unternehmen
für meinen Verlag zu erwerben und nach Gewinnung
einer Anzahl bewährter Mitarbeiter aus dem Kreise
der Brüderschaft auf's Neue in’s Leben zu rufen. —
Die Reichhaltigkeit des Inhaltes dürfte sich zu einer
anregenden Lectüre für die gel. Brr ganz besonders
eignen und hoffe ich, dass die „Asträa“ ihren alten
Platz sich leicht wieder erringen und auch ferner,
wie früher, in keiner maur. Bibliothek fehlen werde.
Leipzig, Mai 1882. Bruno Zechel.
Neu erschienen im Verlage von Eugen Grimm
in Leipzig und zu beziehen durch jede Buch¬
handlung:
Der Orden der Odd-Fellow’s,
dessen Geschichte, Organisation und Wesen.
Octav, gebunden 6 Mark.
Inhalt: Ursprung — Namensanf&nge — der
Orden in England — der Orden in Amerika — der
Orden in Deutschland — Verzeichniss der Logen —
Statistische Notizen — Organisation des Ordens —
Wesen des Ordens.
Karlsbad.
Mihi ifl centia. Jeden Donnerstag Abend
7 Uhr Vereinsversammlung im Kurhause (blaues
Zimmer), zu welcher die etwa nach hier kommenden
Brr freundlichst eingeladen werden.
Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. —
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Juni 1882.
Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu deu drei Beissbretem in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaramlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angeleg« nheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Baldniv zur Linde stehenden Institute betheiligteu Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine InsertionsgebQhr von 15 Pfennigen ffir die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Aus dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge Balduin mr Linde. — Aus der
Väter Zeiten. — Anzeigen.
Engbnnd der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
4. Vortrag des Br F. Fuchs.
(Zu No. 5. Schluss.)
Die Loge zum Compass in Gotha hatte 1791
auch an die Linde ein Circular gerichtet: „Vor¬
schläge zur festem Knüpfung eines auf durch¬
gängige Gleichheit und Freiheit gegründeten
Bundes zwischen allen deutschen Logen der sym¬
bolischen Grade unter dem Namen: Bund der
deutschen Freimaurerei.“ Man entschied: „es
sei billig, bevor die angezeigte Verbindung ab¬
geschlagen würde, solche zuerst genauer zu prüfen
und die hierzu nöthigen angebotenen geheimen
Papiere durch gewählte Betraute zu erlangen
zu suchen, man könne sich dazu ohne Bedenken
entsehliessen, weil man derowegen zu einer Ver¬
bindung keineswegs verpflichtet sei.“ Dass man
die „geheimen Papiere“ erlangt, wurde in einer
spätem Versammlung angezeigt, doch wird später
diavon nichts wieder erwähnt.; das schöne Projekt
scheint im Sande verlaufen zu sein.
1792 lud man zum erstenmale durch ein
gedrucktes Logenschreiben unter Beifügung
der Logenliste auswärtige Logen zum Stiftungs¬
feste ein. Es heisst in demselben: „Wir wün¬
schen mit dem gefühlvollsten Herzen, dass der
grosse Baumeister der Welten unsere Arbeiten mit
erwünschtem Fortgang beglücke und dass unser
aller gemeinschaftlicher Bau mit Weisheit, Schön¬
heit, Stärke angelegt, verherrlichet und gegründet
werden möge, damit die Grenzen des beglückenden
Reichs der Tugend immer mehr erweitert werden.
Mit diesen Empfindungen des Geistes und Herzens
bitten wir um Ihre brüderliche Einstimmung und
Freundschaft und empfehlen unsere Loge ins¬
besondere Ihrer Liebe und Gewogenheit.“
Im Jahre 1792 beklagt sich die Grosse Landes¬
loge über die Linde wegen der unterlassenen
Zahltzng der Armenboiträge — die Receptions-
und Beförderungsdrittel hatte man ihr ohnedies
auf unbestimmte Zeit erlassen — sie schreibt:
„Da wir Ihnen auf Ihr Verlangen die gewöhn¬
lichen Aufnahme- and Beförderungsdrittel auf
eine unbestimmte Zeit zum Beweis, wie gern
wir Ihren Wünschen genügen, erliessen: so rech¬
neten wir um so zuverlässiger darauf, dass Sie
desto richtiger die Armengelder abtragen würden.
Diese Erwartung ist aber fehlgeschlagen und ob
es gleich ungern geschieht, so können wir doch
nicht umhin, Sie an Berichtigung der seit 1788
inclusive rückständigen Armongelder zu erinnern.“
— Die Loge zur Linde sendete die rückstän¬
digen Beiträge umgehend ein, die Säumniss ent¬
schuldigend: „Die Lage unseres Ortes, da wir
stets so häufigen Zuspruch von armen in der
Welt umberirrendeu Maurerbrüdern haben, ver¬
ursacht, dass unsere Armenkasse stets erschöpft
ist, und wer könnte auch wohl mit Maurergefühl
das ängstliche Bitten und Flehen solcher un¬
glücklichen Menschen, worunter oft viele von
Gebart und Stand sich befinden, ohne zum Mit¬
leid bewegt zu werden anhöreu und sie ohne
tbätige Hilfe und Unterstützung abweisen? Stets
trösteten wir uns, wenn wir unsern letzteu Thaler
aus unserer Armenkasse an einen liotbleidenden
Bruder verabreichten, damit, dass wir glaubten
Wohlthun von Seiten des Ordens sei gleichviel
und eben dieselbe Maurertugend, es geschehe
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an welchem Orte es sei. Wir sehen aber, dass
eine Hoclnv. Grosse Landcsloge damit nicht ein¬
stimmig ist. Und da gegenwärtig seit der all¬
gemeinen Zulassung aller und jeder Maurer von
andern Constitutionen auch dadurch die Zusprüche
hilfsbedürftiger Brüder sich noch mehr vermein en,
so sehen wir mit aufrichtigem Bedauern, dass
wir in der Folge unsere Wohlthaten sehr ein¬
schränken, ja wohl manchen Armen unerhört
von uns gehen lassen müssen.“
Sonst lebte die Linde mit der Grossen Landes¬
loge unter Br Schlegels Hammerführung in dem
herzlichsten Einvernehmen. Die der Loge früher
oft ertheilten Rügen, die einen guten Theil der
in den Acten befindlichen Grosslogenschreiben
ausfüllen, sind verschwunden und nur allgemeine
Mittheilungen und die üblichen jährlich gesendeten
Grosslogenlistcn sind an deren Stelle getreten.
Ueberhaupt erfreuto sich die Linde nicht
nur eines guten Rufes bei der Grossen Landes¬
loge, sondern wegen des in ihr herrschenden
guten Geistes waren auch andere Bauhütten mit
ihr in regen Verkehr getreten.
In der Loge selbst hielt man auf strenge
Ordnung; mehre Brüder, die sich ungebührlich
gegen andere Brr gezeigt, oder sich sonst gegen
die Logengesetze vergangen hatten, mussten die
Loge auf kürzere oder längere Zeit decken und
es wurde ihnen dies durch ein offizielles, mit
dem grossen Logensiegel versehenes Schreiben
eröffnet. So hatte der Oekonom der Loge, Br Tr.,
bei Tafel sehr ungebührliche Reden geführt, weil
man einen von ihm vorgeschlagenen Candidaten
nicht ballotiren wollte. Es wurde auf Bestrafung
angetragen, der Logenmeister las die auf diesen
Fall einschlagenden Gesetze vor, liess aber, um
die Brr erst wieder zur Ruhe kommen zu lassen,
erst sämmtliehe eingegangene Logenschreiben
vortragen. Br Tr. wurde auf zwei volle Jahre
excludirt, er sollte nicht eher zugelassen werden,
bis er sich gebessert, Abbitte geleistet und die
dienenden Brr für ihn gebeten. Dass aber kein
Hass gegen ihn vorliege, gab man dadurch zu
erkennen, dass er die Tafellogeu besorgen durfte.
Die ihre Wirkungen überall hin erstreckende
französische Revolution liess auch die Loge zur
Linde nicht unberührt. „In einer sehr umständ¬
lichen Beschreibung alles des Unheils und Un¬
glücks, das bisher durch Missbrauch des Ordens
durch die Jacobiner in Frankreich fast in der
ganzen Welt entsponnen sei, suchte der Hochw.
Grossmeister (so heisst es im Protokoll vom
2. April 1794), die Nothwendigkeit darzustellen,
bei Aufnahme neuer Candidaten eben sowohl,
als bei Admittirung fremder sich meldender Brüder
die höchste Vorsicht anzuwenden und machte
hierauf der Loge folgenden Antrag: dass er hei
jetzigen bedenklichen Zeiten, wo selbst Logen,
die ihre Landesfürsten in ihrer Mitte wüssten,
zu Verhütung alles etwaigen Nachtheils geschlossen
worden wären, für schicklich und am besten
hielte, wenn wir die Arbeiten, besonders die
Aufnahme neuer Candidaten, auf eine unbestimmte
Zeit gänzlich aussetzten und ohne alle Zulassung
fremder Brüder blos in der Stille nöthigenfalls
nebst der Feier unserer Stiftungs- und Johannis-
feste etwaige Conferenz- oder Instructionslogen
veranstalteten.“ Nach mehrfachen Debatten wmrde
einstimmig beschlossen :
1) „die Loge auf unbestimmte Zeit in solcher
Weise zu schliessen, dass bis auf weitern Be¬
schluss keine neuen Candidaten aufgenommen
und keine fremden Brüder in de!* Loge zu¬
gelassen werden sollten;
2) den nächstfallenden Stiftungstag in aller
Stille ohne Zulassung fremder Brr zu feiern;
3) zur Vermeidung aller Kosten die Corre¬
spondenzen mit den Schwesterlogen zu suspen-
direu und
4) in Bezug auf die Logeuämter keine neue
Wahl oder Besetzung vorzunehmen, sondern für
jetzt alles im zeitherigen Bestände zu lassen
und sich nur im eugsten Familienkreise zu ver¬
sammeln.“
Die äusseren Wirren übten ihren Rückschlag
auf das Leben in der Loge. Maurcrische Ge¬
sinnung und maurerischer Geist scheinen hie
uud da etwas stark in die Brüche gekommen
zu sein. So heisst es: „Der Br Redner Schuffen-
hauer sprach in einer sehr bündigen und mit
brüderlichem Eifer abgehaltenen Rede über den
in unserer Loge sich eingefundenen ganz un-
lnaurerischen uud schändlichen Zwietrachtsgeist,
führte namentlich an, dass die abscheuliche Ver¬
leumdung unter denen Brüdern so weit ginge,
dass einige sich nicht geschämet hätten, den
einen unserer ersten Brüder als einen Betrüger,
deu andern als einen Trunkenbold, den dritten
als eineu niedrigen Wollüstling, ihn selbst aber
als einen Schmarotzer zu benennen; sagte, dass
bei Fortdauer solcher Gesinnungen und Beneh¬
mungen unsere Loge eher dem Tartarus und der
Hölle als einer Versammlung solcher Menschen
gleichen würde, die den höchsten Grad mensch¬
licher Herzensgtite zu ihrem Endzwecke sich
vorgesetzet sein lassen sollten und fügte hinzu,
künftig nöthigenfalls die so schändlich sich be¬
nehmenden Brüder mit ihren völligen Machi¬
nationen uud aller Cabalenschmiederei, falls sie
sich nicht bessern sollten, namentlich bekannt
zu machen uud schloss mit dem Wunsche, die
erste Reinigkeit, Eintracht und Unbescholtenheit
der Mitglieder unserer Loge in ihrem alten voll¬
kommenen Glanze durchgängig hergestellt zu
sehen.“
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Auch der Logenmeister Br Schlegel war von
dieser Verleumdung nicht verschont geblieben.
Er klagt in offener Loge: „Er habe nicht ohne
wirkliche Kränkung und innige Betrübniss von
sicheren Händen vernehmen müssen, dass eine
Gährung unter denen Brüdern und besonders
eine Cabalenschmiederei wider ihn im Schwange
gehe, dass es Brüder gäbe, die sich nicht schämten
seine Amtsverwaltung in Tadel zu ziehen und
nicht errötheten, ihn sogar so weit verdächtig
zu machen, als wären die Logengelder bei ihm
nichts weniger als in sichern Händen, dass man
von Niederlegung oder Abnahme seines Amtes,
von Erwählung eines deputirten Meisters spräche
und dass man bereits Stimmen sammle zur Be¬
setzung der.Gi ossmeisterstelle, bei welcher künftig
die Schlüssel der Logenkasse nicht allein, sondern
in mehrerer Brüder Händen sein sollten. Ob er
nun schon diese Aeusserungen, welche von Brrn
herrührten, deren Charakter er kennen zu lernen
bereits mehre Gelegenheit gehabt und die er
namentlich zu bezeichnen im Stande sei, hingegen
der Schonung halber solches nicht thun wolle,
als nicht geschehen übergehen und verzeihend
vergessen würde: so könne er doch nicht umhin
sich jetzt darüber öffentlich zu beschweren.“
„Er forderte hierauf männiglich auf ihn
einer Vernachlässigung seines Amtes oder nicht
genügsamer Treue in Aufbewahrung der Logon-
gelder zu überführen; er sei auch bereit vor
denen, die es verlangen könnten, die ihm anver¬
trauten Logengelder aufzuzählen.“
Bei alledem scheint schon damals ein Un¬
gewitter über Br Schlegels Haupte geschwebt
zu haben. Schon in der Wahlloge 1793 konnte
er seine langjährigen, zuverlässigen und zu ihm
stets treu stehenden Beamten, die Brr Hoffmann,
Bracke und Richter, nicht wieder zur Annahme
ihrer Beamtenstellen bewegen; auch mochte der
Verdacht, „dass die Logengelder bei ihm nicht
in sichern Händen seien,“ nicht ganz ohne Grund
sein; die traurigen wirthschaftlichen Verhältnisse
jener Zeit, in der Br Schlegel durch aufgenommene
Capitalien sein Geschäft vergrössert hatte und
deren Tragweite er wohl selber noch nicht ahnte,
als er sich über die ihn betreffenden „Ver¬
leumdungen“ und „Cabalenschmiedereien“ in der
Loge beklagte, brachen auch über ihn zusammen.
In der nächsten auf diese stürmische Loge
folgenden Arbeit empfahl der Grossmeister Br
Schlegel „alle vorherigen Zwistigkeiten und Ereig¬
nisse weder zu erwähnen, noch ihrer zu gedenken,
vielmehr diesen freudigen Tag — es war das
18. Stiftungsfest der Loge— in aller wahrhaft brü¬
derlichen Eintracht zu verleben und knüpfte daran
die besten Wünsche zu fernerer Fortdauer des
bisherigen Flors unserer Loge.“ — Die Logen¬
versammlungen fielen l*/ 4 Jahr gänzlich aus, bei
der Feier des Johannisfestes 1795 wurde der
Wunsch ausgesprochen, die maurerischen Arbeiten
wieder aufzunehmen, doch sie noch nicht öffentlich
bekannt zu machen; man beschloss, „die jungen
für ächte Maurerei empfänglichen Brüder zu be¬
fördern, aber für jetzt keine neuen Mitglieder in
den Orden aufzunehmen, überhaupt die strengste
Prüfung bei der Wahl eines neuen Mitgliedes zu
beobachten.“ 1796 wurde von mehreren Brrn der
Antrag gestellt, eine Neuwahl der Beamten, „die nun
die drei Jahre unverändert auf ihren Plätzen ge¬
blieben wären“ vorzunehmen, der Antrag, die
grosse Landesloge erst davon zu benachrichtigen,
fand keine Unterstützung, „da dieses nicht unum¬
gänglich nöthig sei und schon in der Rücksicht
nicht ganz erforderlich scheine, weil unsere Loge
keineswegs als bishero gedeckt anzusehen sei, viel¬
mehr während dieser sogenannten Stillcstandszeit
die Reception einiger Candidaten vorzunehmen
kein Bedenken getragen habe.“ Die Grosse Lan¬
desloge war überhaupt mit dor Suspendirung der
Arbeiten nicht einverstanden. Sie schreibt auf
die desfalls an sie ergangene Anzeige: „Ihr Be¬
schluss, die Logenarbeiten bis auf bessere Zeiten
einzustellen, ist für uns befremdend gewesen, weil
andere Logen in Sachsen der politischen Beson¬
derheiten unerachtet fortarbeiten. Wir hoffen da¬
her um so mehr, dass die Gründe, welche Sie dazu
# dennoch bewogen, hinreichend sein werden, diesen
äusserst wichtigen Schritt bei Ihnen selbst völlig
zu rechtfertigen, so wie wir herzlich wünschen,
dass dieser Stillstand von keiner langen Dauer
möge sein dürfen.“
In der nächsten Wahlloge, den 13. Mai 1796,
wurde Br Schlegel, der bereits im Jahre vorher
„seines schwachen Augenlichts und Kränklichkeit
halber“ den Br Johann Gottlob Eckold als depu¬
tirten Meister an seine Seite gerufen hatte, wieder
einstimmig zum Logenmeister gewählt. Er nahm
das Amt nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt
an, „dass er sich ausbedingen müsse, im Fall seine
Kräfte dies ihm des längereu nicht gestatten würden,
er das Amt auch nötigenfalls mitten im Jahre
möge niederlegen dürfen.“ Dies geschah schon
den 5. Sept. 1796. In dieser Loge erklärte Br
Schlegel: „er habe es sich bei Uebernahme des
Hammers als Bedingung Vorbehalten, denselben
bei zunehmender Gesundheitsschwäche zu jeder Zeit
niederlegen zu dürfen, jetzt gebe er den Hammer
zurück, schon in der letzten Versammlung habe er
die Armenkasse nebst den dazu gehörigen Büchern
an den S. E. dep. Meister abgegeben, so wie
er auch die übrigen der Loge gehörigen Sachen,
als die Constitution, die Protokolle, die Briefe,
Siegel, Matrikel, Gesetz, das schwarze Buch
u. s. w. in die Hände des dep. Meisters und der
beiden Aufseher Brr Küster und Voss niedergelegt
habe. Daran erinnert, „dass er noch die von der
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Grossen Landesloge lautRescript erlassenen Recep-
tionsantheile an 703 Thlr. zu übergeben habe,“
erwidert Br Schlegel: „man möge diesen Punkt
nicht urgiren, die Brr sollten thun, als ob das
Geld nach Berlin geschickt wäre, wohin es eigent¬
lich gohöre. Er habe 13 V* Jahre das beschwer¬
liche Amt des Meisters vom Stuhle verwaltet,
ein Amt, das ihm Zeit, Mühe und Gesundheit
gekostet. Dies erwähne er nicht, um Dank dafür
zu fordern; er sei ohne seine Schuld unglücklich
und bitte ihn nicht zu brandmarken. Er habe
nie wider die Gesetze des Ordens gehandelt und
die Brr stets zur Erfüllung ihrer Maurerpflichten
ermuntert, dies solle auch sein letztes Geschäft
als Grossmeister sein. Er rathe daher den Brrn
des 1. Grades, den rauhen Stein, das Symbol
des Lehrlings, nio aus den Augen zu lassen,
den Brrn 2. Grades rathe er, sich bei den 7
Haupttugenden stets der 7 Hauptlaster, welche
einen Maurer schänden, zu erinnern, die Brr
Meister bitte er, sich an die Hand hinter des Brs
Rücken zu erinnern. — Er übergebe den Hammer
auf den Rest dieses Jahres in die Hände des
Brs, den er zur Führung desselben am würdigsten
halte, in die Hände des dep. Mstrs Br Eckold.“
Derselbe übernahm denselben mit Zustimmung
der Brr, „die er hauptsächlich zur vollkommensten
Einigkeit, dom festen Grund einer Loge, er¬
mahnte.“ Es wurde vom Br Schlegel noch ein
Revers verlangt, nach welchem der jetzige Mstr
vom Stuhl Br Eckold nichts von jenen Geldern
erhalten, welche der hochw. Br Schlegel noch
allein an sich habe.“ Er verweigerte zwar die
Unterschrift, „weil er als schottischer Meister
nicht in einer Johannisloge, sondern nur von der
Grossen Landesloge gerichtet werden könne.“
Doch auf die Vorstellungen des Br Eckold und
der ihm wohlwollenden Meister, „dass keine,
auch selbst die höchsten Grade, ihn berechtigten,
das der Loge gehörige aber eigenmächtig in
seinem Nutzen verwendete Geld vorzuenthalten,
er vielmehr ganz den Wunsch der Brr verkenno,
welche nicht einmal jetzt das Geld, sondern nur
die mehrerwähnte Unterschrift verlangten, um
die Loge und den Mstr vom Stuhl vor künftigen
Nachfragen und Vorwürfen zu sichern“ — leistete
er die Unterschrift und schied aus der Loge. —
ln der nächsten Conferenzloge wurde der Beschluss
gefasst: „man müsse den Br Schlegel also be¬
trachten, als habe er derer eingetretenen und
mehrerwähnten Vorfälle wegen — Schlegel hatte
fallirt — die Loge gedeckt und dieses zwar so
lange, bis er sich darüber, dass er der Loge
Unrecht gethan, durch das Gegentheil und die
That selbst gerechtfertigt habe. Uebrigens warnte
der Logenmeister „vor persönlichem Hass, indem
er im Gegentheil die Brr bat, den Mantel der
Liebe, auf welchen die leidende Menschheit und
vorzüglich ein unglücklicher Br so gegründete
Ansprüche hat, auch über diese Begebenheit zu
decken.“ In einer spätem Loge rügt Br Eckold
sehr ernstlich, „dass einige Brr in Rücksicht
derer Vorfälle mit dem ehrw. Br Schlegel nicht
reinen Mund gehalten und Profanen die ganze
Geschichte noch dazu an einem öffentlichen Orte
erzählt hätten.“
Die Logenprotokolle erwähuen für jetzt nichts
weiter über diese leidige Sache. Das Bild des
Br Schlegel schaut überhaupt als ein sehr freund¬
liches aus den Logenprotokolleu heraus. Seine
Wiederwahl erfolgte stets einstimmig, seine Rath¬
schläge fanden bei den Brrn geneigtes Gehör,
in seinem Urtheil war er mild, entstandene Zwistig¬
keiten wusste er geschickt zu schlichten, mit
seinen Beamten wechselte er nur im Nothfall
und es entwickelte sich die Loge unter 4 seiner
Hammerführuug nach innen und aussen immer
gedeihlicher.
Auch die Beurtheilung, die sein Unglück bei
den Brrn fand, war ganz in maurerischem Sinne
und Geiste. Um so mehr muss man bedauern,
dass Schlegels Falliment nach 8 Jahren unter
der Hammerführung des Br Voss und ein Jahr
später unter der des Br Plato noch einmal Staub
aufwirbelte und zwar in einer Weise, die der
Loge zur Linde nicht gerade zur Ehre gereicht.
Den ersteren Fall anlangend, wollte die Mehrzahl
der Brr der Linde die Brr Bracke und
J. E. Ho ff mann für die Zahlung der durch
Br Schlegel verlorenen 703 Thlr. verbindlich
machen und zwar, „weil sie als Stifter der Loge
deren Rechte hätten wahren sollen, Schlegels
Verhältnisse gekannt hätten, auch Aeusserungen
gethan haben sollten, dass sie für Deckung sorgen
würden.“ Bei genauerer Untersuchung liess sich
über die vermeintlichen Zusagen nichts Gewisses
feststellon. Selbstverständlich lehnten die beiden
Brr das Ansinnen ab, die Meisterschaft hielt
dieselben zur Zahlung verpflichtet, diese suchten
Hilfe bei der Grossloge, während die Loge zur
Linde meinte, die Sache gehöre vor ihren Richter¬
stuhl. Recht wohlverdient ist die Abfertigung,
welche der Loge zur Linde von der Gr. Landes¬
loge zu Theil wird, „ln Ansehung der Brr
Bracke und Hoffmann wollen wir unsere Meinung
so deutlich auseinander zu setzen suchen, dass
hoffentlich die Sache hiermit abgethan sein wird.
Wenn wir auch zugeben, dass die besondere
ökonomische Einrichtung jeder Loge ihr selbst über¬
lassen werden muss, so können wir doch keines¬
wegs zugeben, dass im Falle ei lies Streites
zwischen einer Loge und eines oder
einiger ihrer Mitglieder die Entscheidung
dieses Streites nicht vor den Richterstuhl der
Grossen Landesloge gehörte, denn wer sollte hier
Richter sein: die Logo ? dann wäre sie Richter
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in ihrer eigenen Sache, was gegen alle Billigkeit
streitet; oder wollte die Loge zur Linde behaupten,
dass sich die Sache zur Verhandlung vor öffent¬
lichen Tribunalen eignet? Gesetzt die Brr Bracke
und Hoffmann weigern sich standhaft — und wir
würden es ihnen sehr verdenken, wenn sie es nicht
thnn — nicht allein die 703 Thlr. zu zahlen, son¬
dern auch im Geringsten anzuerkennen, dass sie
jemals als schuldig dieselben zu zahlen angesehen
werden könnten, was wird die Loge zur Linde mit
diesen Brrn anfangen ? Die Brr Bracke und Hoff¬
mann appelliren an die Grosse Landesloge und
wir wollen doch nicht hoffen, dass die Loge zur
Linde sich weigern werde, diese Appellation an¬
zuerkennen. Um aber dieser verdriesslichen Sache
mit einemmale ein Ende zu machen, so;erklärt
die Hochw. Grosse Landesloge, dass, indem sie
am 30. Mai 1789 die Summe von 703 Thlr.,
welche ihr die Loge zur Linde schuldig war,
niederschlug, sie im geringsten nicht daran dachte;
der Loge zur Linde ein Geschenk damit zu machen,
sondern sie blos in den Stand setzen wollte,
diese 703 Thlr. zu verschmerzen, da die Ver¬
hältnisse mit dem Br Schlegel der Hochw. Grossen
Landesloge sehr wohl bekannt waren. Hätten
wir der Loge zur Linde bei dieser Gelegenheit
einen guten Rath zu ertheilep, so wäre es der,
den Brrn Brackö und Hoffmann diese unsere
Erklärung zu «ehreiben mit dem Beifügen, die
Loge zur Linde habe daraus ersehen, dass sie
aus Unwissenheit gefehlet und den Brrn Bracke
und Hoffmann mehr zugcmuthet, als Sie ihnen
hätte zumuthen sollen.“
Auf dieses Schreiben antwortet die Loge zur
Linde unter dem 24. Aug. 1805: „So fest wir
auch immer noch überzeugt sind, dass die Hochw.
Grosse Landesloge, indem sie uns die ihr schul¬
digen Receptionsdrittheile im Jahre 1789 gütigst
erljess, uns vielmehr die bei der Loge nöthigen
Kosten zu bestreiten, nicht aber den durch Br
Schlegel erlittenen Verlust zu verschmerzen in
den Stand habe setzen wollen, da in diesem
Jahre bekanntlich Br Schlegels ökonomische Um¬
stände ganz und gar noch nicht misslich, vielmehr
damals noch so wenig bedenklich waren, dass
ihm die Brr Hoffmann und Bracke aus ihren
eigenen Mitteln ein Kapital von 2000 Thlrn.
anzuvertrauen keinen Anstand nahmen; so ergiebt
sich doch auf der andern Seite nach sorgfältiger
Prüfung der Angelegenheit, dass wir von den
Brrn Hoffmann und Bracke, ungeachtet sich
dieselben als Stifter und Aufseher damals der
Fahrlässigkeit in Absicht auf die Pflicht für das
Beste der Ix>ge zu sorgen schuldig gemacht haben
dürften, den Ersatz dieser durch Schlegel verloren
gegangenen Gelder zu fordern kein vollkommen
begründetes Recht haben, da die mündlichen
Aeusserungen dieser erwähnten Brr, auf welche
die Rechtmässigkeit dieser Forderung vorzüglich
gegründet werden musste, viel zu unbestimmt
sind. Wir haben die Brr Bracke und Hoffmann
nicht nur gebeten Alles, was in dieser Angelegen¬
heit geschehen ist, zu vergessen, sondern auch
unsrerseits versprochen, dessen was ihnen als
Stifter bei dem Verlust jener Gelder mehr oder
weniger zur Last gelegt werden könnte, durch¬
aus nicht weiter zu gedenken.“
Die Brr Hoffmann und Bracke hatten die
Loge, die ihnen so schweres Unrecht gethan,
gedeckt und derselben ihren Abgang angezeigt.
Die Grosse Landesloge hatte ihnen jedoch ihre
Entscheidung mitgetheilt und der Landesgross¬
meister von Castillon hatte in einem eigenhändigen
Schreiben die Brr gebeten, sie möchten sich der
Loge wieder nähern und bittet in einem vertrau¬
lichen Briefe den Logenmeister Plato ihnen
die Sache nicht zu erschweren. Unter dem
8. Dec. 1805 meldet Br Plato dem Landesgross¬
meister, „dass die beiden Brr wünschten, dass
alle zwischen ihnen und der Loge zur Linde
vorgefallenen Misshelligkeiten vergessen würden
und sie bis an ihren Tod Mitglieder unserer Loge
bleiben wollten.“ — Hiermit war diese leidige
Geldangelegenheit endlich abgethan. Ueber den
zweiten vorhin erwähnten Punkt will ich der
Geschichte nicht vorgreifen. —
Br Johann Gottlob Eckold, Stadt-
chirurgus in Leipzig, war Logenmeistcr von 1796
bis 1800. Er scheint ein Freund von Neuer¬
ungen gewesen zu sein, viele Einrichtungen wur¬
den mehrmals umgeändert. So beschloss man
den 4. Nov. 1796, die regelmässigen Armen¬
kassenbeiträge an jährlich 2 Thlr. 4 Gr. aufzu¬
heben, „da jede bestimmte und auferlegte Abgabe
sich für freie Maurer nicht schicke und auch der
maurorischen Wohltbätigkeit Gesetze vorzuschrei¬
ben ordenswidrig erscheine, so dass jeder
erzwungene und bestimmte Beitrag zur Erhaltung
der Loge und der dienenden Brr, sowie der
jährliche Armenbeitrag künftig wegfallen solle.
Dass die leidende Armuth dabei nichts einbüsse,
werde kein ächter Maurer mit der Tugend der
Wohlthätigkeit im Herzen bezweifeln, er werde
freudiger der Sprache des Herzens als der Stimme
des Gesetzes folgen.“ Man hatte sich aber doch
mit dieser Einrichtung getäuscht, denn schon
1797 musste man die jährlichen Armenbeiträge
wieder auf einen Thaler festsetzen, auch war
man genöthigt mehrere Collecten für die Armen¬
kasse zu veranstalten. An die Wohlthätigkeit
der Brr wurden überhaupt grosse Anforderungen
gestellt und man muss wirklich erstaunen, wie
man nicht müde wurde, immer und immer zu
helfen. Ein Br Minerva’s, den auch seine Loge
bereits sehr thätig unterstützt, wollte bei der
Loge zur Lindo eine Anleihe gegen. Bürgschaft
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machen. Br Eckold erklärte in der Logenarbeit:
„Die Logo könne kein Geld verborgen, aber man
wolle ihm die heutige Armensammlung schenken.
Diese betrug über 11 Thlr. Es scheint überhaupt
oft vorgekommen zu sein, dass man bei der in
der Armenkasse gewöhnlich herrschenden Ebbe
für bestimmte dringende Zwecke oder besonders
empfohlene Personen die Armensammlung, die
dann gewöhnlich recht reichlich ausfiel, sofort
verwendete. Der Br Wolf in Lausigk war in
Jahresfrist zweimal abgebrannt. „Um ihn einiger-
maassen zu unterstützen und ihm die Theilnahme
derer Brüder zu bezeigen, beschloss die Loge,
ihm 50 Thaler zu überschicken.“ Br Wolf hatte
die Loge nicht um Unterstützung gebeten, nahm
aber dieselbe dankbar an. Auf Anregung eines
Brs wollte man dem von der Loge zu den
3 Schwertern und wahren Freunden in Dresden
unterhaltenen Erziehungsinstitut zu Friedrichstadt
eine Beisteuer senden, sah aber auf Br Bracke’s
Vorstellung davon ab, „man habe vor ungefähr
zwanzig Jahren 40 Thaler für dieses Institut
gesammelt und eingeschickt, cs wäre jedoch ge¬
dachte Summe, weil ermeldetes Institut entweder
keiner weiteren Hilfe bedurfte oder aus auderen
Ursachen von unserer Loge nicht annehmen wollte,
remittirt worden, und es möchte jetzt das Ansehen
haben, als wolle man unsere Wohlthaten ver¬
schleudern oder aufzudringen suchen.“
Br Eckold schlug in Bezug auf die Vertheflung
der Armengelder vor: „weil man die für un¬
glückliche Bedürftige gesammelten Gelder oft an.
die ohne Untersuchung vorgeschlagenen und von
nun an in denen Armenlisten fortgeführten Armen
jährlich vereinzelt habe, wodurch zwar die Bitten
Vieler gewährt, aber nur wenig Elend gelindert
worden sei, wolle man in Zukunft drei Brr der
Loge bestimmen, welche das Elend angemessener
untersuchen und unterstützen könnten.“ Dieser
Vorschlag wurde einstimmig zum Beschluss er¬
hoben. Kurze Zeit darauf legte Br Köhler einen
„kurzen Entwurf über die künftige zweckmässige
Verwendung der Armengelder vor, worinnen er
die Nothwendigkeit der Sache mit den triftigsten
Gründen unterstützte und worin er Witt wen,
Waisen, unverschuldete Arme und Kinder, deren
Anlagen vielversprechend seien, ganz besonders
der maurerischen Unterstützung empfahl, dabei
aber auch nicht unterlassen solle, bei der grossen
Zahl der Hilfsbedürftigen mit kleinen Gaben zu
helfen.“ Er wurde gebeten,, seinen Entwurf weiter
auszuarbeiten — die Protokolle erwähnen jedoch
weiter nichts darüber.
Eine andere Neuerung war, dass für jeden
Aspiranten drei „Pathen* als Bürgen eintreten
mussten, fanden sich diese nicht, oder waren sie
nicht in der Loge zugegen, so konnte über den
Suchenden nicht ballotirt werden. Die Ballotage,
öfter auch die bereits angesetzte Rocoption, musste
aus diesem Grunde ausgesetzt werden.
Sodann ordnete Br Eckold an, „dass täglich
zu einer bestimmten Stunde ein dienender Bruder
sich bei ihm einfinde, um in seinem Auftrag die
Logenangelegenheiten zu besorgen. Zu der dem
dienenden Br ausser seinem jährlichen Gehalt
deshalb zu verabreichenden Vergütung solle kein
Br etwas aus eigenen Mitteln beitragen, es solle
dieselbe der Logenkasse entnommen und deren
Höhe von den Brrn bestimmt werden.“ Der
Antrag wurde angenommen und die Gratification
mit dem dienenden Br vereinbart.
Weiter wurde bestimmt: „Um dieConferenzen
vor den Logenarbeiten zu vermeiden, soll in je
zwei Monaten eine Conferenz gehalten und der
betreffende Tag der jährlichen Logonliste bei¬
gefügt werden. Zum Besten der auswärtigen
Brr Mitglieder soll zu jeder Messe am 1. Mess¬
freitag eine Conferenz stattfinden.“
Wegen der ungünstigen Kassen Verhältnisse
der Loge hatten auch bei Tafellogen der Mstr
v. St. und die Brr Beamten ihr Couvert stets
selbst bezahlt; jetzt wurde festgesetzt,, dass der
Betrag des Couverts aus der Logenkasse gedeckt
werden solle. „Zur Verringerung derer Unkosten
soll die Tafel künftig nur aus zwei Gerichten
bestehen und dafür Jeder 8 Groschen zahlen —
die jedoch bald auf 10 Groschen erhöht wurden.
— Uebrigens solle Jeder, welcher sein Bleiben
im Umlauf angezeigt habe, diese 8 Groschen zu
entrichten gehalten sein, auch wenn er nicht zur
Tafel erschiene.“ — 1799 wurde auch der An¬
fang zu einem Logenfonds gemacht, indem der
Schatzmeister, Br Latus, einen Stouerschein von
500 Thaler aus dem Vermögen der Logenkasse
ankaufte.
1798 wurde auf Vorschlag einiger Brr be¬
schlossen, „eine Logenbibliothok zu etabli-
ren“ und der Br 2. Aufseher ersucht, „die üeu
erscheinenden maurerischen Schriften nach Güte
und Inhalt zu prüfen und der Loge anzuzeigen.“
Besondere Sorge hatte man immer gehabt,
ein passendes Logenlokal zu finden, die Arbeiten
waren bald hier bald da abgehalten worden und
man war froh, durch Br Eckold’s Vermittelung
einen Contract mit der Schützengesellschaft über
einen Saal im Ranstädter Schiessgraben abschliessen
zu können. Br. Eckold theilt darüber in der
Logenversammlung am 5. Juli 1798 mit, „dass
er mit den Schützenhauptleuten den Contract in
Rücksicht des Logensaales für ein jährliches Pacht¬
quantum von 80 Thalern abgeschlossen und zwar
so, dass das Geld pränumerando halbjährig ent¬
richtet würde, so wie auch von beiden Seiten
der Pacht halbjährig gekündigt werden müsse.
Dafür solle der Loge der Saal den 1. und 3.
Freitag jeden Monats, alle drei Freitage in jeder
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Messe, sowie am Johannistag überlassen sein,
auch solle es der Loge freistehen, einen belie¬
bigen andern Tag zu wählen, wenn ein Feiertag
auf einen Logenfreitag falle.“ Bei alledem scheint
das Logenlokal mancherlei Unbequemlichkeiten
gehabt zu haben, denn Br Eckold pflog Ver¬
handlungen mit dem Stadtrathe, um einen passenden
Saal in der alten Waage oder im Gewandhause
zu erlangen, — doch vergeblich. Später kaufte
Br Eckold vorbehältlich der Zustimmung der Brr
für die Zwecke der Loge von Br Liebeskind
das Hausgrundstück zum Goldenen Schiff auf der
Fleischergasse für 26,700 Thaler, es scheiterte
jedoch dieser Kauf an den Gegenvorstellungen
des Br Bracke. „Es scheine zwar besagtes
Grundstück des wohlfeilen Preises wegen vor-
theilhaft zu sein, jedoch müssten hinsichtlich des
darin für Logenzwecke vorzunehmenden Baues
und der dazu nöthigen Actien sowie auch in
Rücksicht, dass eine öffentliche Auberge in diesem
Grundstücke sei, mancherlei Bedenklichkeiten und
gegründete Ursachen eintreten, von diesem Kauf
abzustehen.“ Eine Mehrheit von 2 / s der Stimmen
gegen die Erwerbung des Grundstücks machte
den Kauf rückgängig.
Widerspruch konnte Br Eckold nicht gut
vertragen, in seinen Entgegnungen wurde er leicht
heftig und leidenschaftlich und er entfremdete
sich dadureb die Horzon dor langjährigen frühem
Beamten. Wohl mochte er seinen Fehler selbst
fühlen; er bestimmte, damit die etwaigen Anträge
nicht unvorbereitet an ihn kämen, „es solle Jeder,
der etwas bei der Loge anzubringen hätte, dies
schriftlich thun.“ Die Exclusion des Br Kretsch-
mann — dessen Name seiner Zeit auch in wei¬
teren Maurerkreisen vielfach genannt wurde, soll
jfetzt nicht weiter berührt werden — sein Logen¬
leben soll den Gegenstand eines späteren Vor¬
trags bilden.
Aus der Väter Zeiten.
(Fortsetzung zu No. 10 des vorigen Jahrganges.)
Der Maas8tab.
Der Maasstab ist dem Maurer viel,
Wer wollte ihn vergessen?
Er bringt uns näher hin ans Ziel,
Wenn wir nur oftmals messen;
Er zeigt uns alle Fehler an
Und es giebt keinen braven Mann
Der ihn nicht ehren sollte.
Wer ohne Maass den Bau beginnt
Der geht gar oftmals irre,
Er bauet wie eiu kleines Kind
Mit Karten, kahl und dürre.
Drum Brüder, theilet Alles ein,
Dann könnt ihr euch des Baues freun,
Er wird gewiss gelingen.
Wer seine Zeit zu messen weiss,
Der wird sie nie verschwenden,
Er wird mit ächtem Maurer-Flciss
Sie nützen und beenden.
Und wenn der Maasstab ihm entfällt
So geht er hin in jene Welt
Um seinen Lohn zu holen.
Und wenn der ewige Meister fragt:
Wie hast du dort gemessen?
Ihm dann sein gut Gewissen sagt:
Ich habe nichts vergessen —
Dann spricht der Meister: komm herein 1
Du sollst dich deines Werkes freun
Im Tempel der Vollendung.
0! dort im ew’gen Osten steht
Ein Tempel hehr und helle:
Das ist der Bau, der nie vergeht,
Sind wir nur erst zur Stelle.
Die Gottheit hat ihn selbst gebaut
Und wer auf diesen Tempel schaut,
Der lobt den grossen Meister.
Drum mit dem Maasstab in der Haud
Will ich mein Werk beginnen,
Und dieses ewig theurc Pfand,
Geh ich dereinst von hinnen,
Noch halten, wenn am Meister-Thron
Ich bitte um mein bischen Lohn,
Das ich nicht ganz verdiente.
*
Das Senkblei.
So simpel das Senkblei, so lehrt es doch auch,
Es sei nicht entbehrlich zum Bauen;
Drum folg* ich auch willig dem alten Gebrauch
Und will es mir näher beschauen:
Ob mir es der grösseste Meister geschenkt
Und was man noch sonsten beim Senkbleie denkt.
Man baue nur physisch ein Ilüttchen sich auf,
So ist uns das Senkblei auch nötliig.
Man weiss aus Erfahrung und täglichem Lauf
Wenn Maurer arbeiten unlöthig,
Wie’s Auge die Fehler des Maurers entdeckt,
Wie bald uns der Einsturz der Mauer erschreckt.
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Moralische Baue bestätigen auch,
Was physische Baue uns zeigen,
Sie haben zusammen den ähnlichen Brauch,
Dass sie sich in Allem vergleichen;
Denn ruht nicht das Senkblei an jeglichem Stein,
So stürzen sie beide mit Schrecken bald ein.
Drum nehm* ich das Senkblei mit Vorsicht zur
Hand
Und löthe mein Handeln "bedächtig,
Das Senkblei zu brauchen sei Jedem bekannt,
So stehet der Bau dann auch prächtig.
Denn so wie die lothrechte Handlung besteht,
So sieht man die schiefe, wie schnell sie vorgeht.
Mein Innres steh lothrecht zu jeglicher Zeit,
So wird auch mein Handeln bestehen,
Wenn Schönheit und Stärke von Weisheit geleit’t
Wie kann die wohl jemals vergehen?
Sie stehet, wie’s Weltall in Ewigkeit steht,
Das ebensowenig wie Gott selbst vergeht.
Das ist nun das Senkblei, oft wenig geacht’t,
Jedoch nur allein von den Schwachen.
Der Kluge verehrt es mit allem Bedacht
Und wird es stets treulich bewachen;
Er lothet die Steine sehr streng und genau —
So ist es auch mit dem moralischen Bau.
-*
Soeben ist in meinem Verlage erschienet und
kann durch alle Brr Buchhändler, sowie auch direct
von mir bezogen werden:
Asträa.
Taschenbuch für Freimaurer
auf das Jahr 1882.
Herausgogeben
von
Br Robert Fischer.
Neue Folge. — Erster Band.
22 Bogen 8°.
Preis M. 3.00. — Elegant gebunden M. 3.15.
Die allgemeine Beliebtheit, deren sich die im
Jahre 1870 eingegangene, aber auch heute noch in
bestem Andenken stehende „Asträa“ zu erfreuen
hatte, veranlasst© mich, nach getroffenem Ueberoin-
kommen mit dem früheren Verleger, das Unternehmen
für meinen Verlag zu erwerben und nach Gewinnung
einer Anzahl bewährter Mitarbeiter aus dem Kreise
der Brüderschaft auf’s Neue in’s Leben zu rufen. —
Die Reichhaltigkeit des Inhaltes dürfte sich zu einer
anregendon Lectüre für die gel. Brr ganz besonders
eignen und hoffe ich, dass dio „Asträa“ ihren alten
Platz sich leicht wieder erringen und auch ferner,
wie früher, in keiner maur. Bibliothek fohlen werde.
Leipzig, Juni 1882. Bruno Zeehel.
Nach drei Monaten bereits erschien die zweite
Auflage von dem
Liederbuch
ftir Freimaurer-Logen.
Durchgehend mit Melodien versehen.
Horausgegeben von
Br Robert Fischer und Br Wilhelm Tschirch.
Preis M. 9.00.
bei 6 Expl. k M. 1.50. — bei 19 Bxpl. k X. 1.95.
Ausser in den bereits namhaft gemachten Logen
und Kränzchen ist neuerdings obiges Liederbach
noch eingeführt worden in den Orienten Bern —
Giessen — Greiz — Halle a. 8. — Kirchberg i. S.
— Landeshat I. Schl. — Lommatzsch — Meissen
— Nenhaldensleben — Oberstein — Offenbaeh
a. M. — Ohl au — Ostrowo — Reutlingen —
Stargard i. P. - Strassburg i. E. und Suhl, so
dass die Einführung nunmehr bereite in 26 Logen
und 6 Kränzchen erfolgt ist.
Ferner hat die Grosse Loge des Frei¬
maurer-Bundes zur Eintracht in Darm stadt
das Liederbuch vorKurzem ihr en Töchter¬
logen offiziell zur Anschaff ung empfohlen.
Allen betheiligten Logen, Kränzchen und ein¬
zelnen Brüdern spreche ich für dio freundliche Auf¬
nahme hierdurch meinen br Dank aus und halte das
Liederbuch auch zu anderweiten Einführungen an¬
gelegentlich empfohlen.
Leipzig, im Juni 1882. Brune Zeehel.
Als Geschenk für Schwestern empfohlen:
Lenz und Liebe.
Johannisgruss
für
Schwestern, Bräute und Gattinnen
von
Oswald Marbach.
Elegant gebunden 4 Mark 25 Pf.
Zu beziehen direct vom Verleger sowie durch alle Brr Buchhändler,
In Berücksichtigung der bevorstehenden Logenferien soll die No. 7 dieser
Monatschrift (Juli 1882) erst Ende des Monats August ln Verbindung mit N®. 8
aus gegeben werden. _ Der Herausgeber^
Hierzu eine Beilage von G. Siwinna in Kattowitz.
*“ Vorlag von Br Bruno Zecbal in 1*4)ip z i g. — Druck von Br C. G. Naumann ln Leipzig.
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Juli 1882
9. Jahrg. Nr. 7.
Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Ärchimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Ärchimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für.Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise) Beiträge bringen, die in den Logenversatninlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Co rr es po n d e n z - B u reau’s. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legttimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann onter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt - Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen för die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Das Wesen der Freimaurerei. — Ansprache an neu beförderte Gesellen. — Aue
dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge Balduin tur Linde.
Das Wesen der Freimaurerei.
Instructions-Vortrag von Br F. Schuster, Mstr. v. St.
der Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig.
Wenn wir einen prüfenden Blick auf den all¬
mählichen Entwickelungsgang der Frmrei werfen,
so finden wir, dass dieselbe innerhalb des uns
geschichtlich vor Augen liegenden Zeitraumes
von einander ziemlich verschiedene Phasen durch¬
gemacht hat. Es wird uns dieser Umstand deut¬
licher, wenn wir nicht von heute zu gestern und
nicht innerhalb des Berichtes einer einzelnen
Loge oder eines einzelnen Orientes die Erwägung
darstellen, sondern das ganze grosse Arbeitsfeld
des Bundes bei verschiedenen Volkss'tämraen und
in grösseren Zwischenräumen mit einander ver¬
gleichen.
Die Frmrei ist ein Kind und wir dürfen so¬
gar wohl sagen ein wohlgerathenes Kind der all¬
gemeinen menschlichen Bildung, und sie konnte
darum auch nicht umhin sich den verschiedenen
grade herrschenden Richtungen des mensch¬
lichen Bildungsganges anzuschHessen und von
diesem nicht selten recht gewichtige und heil¬
same, mitunter aber auch auf falsche Wege ver¬
lockende Eindrücke anzunehmen. Beschränkten
sich diese Eindrücke iu der Hauptsache auch
meist auf die äussere Form des Bundes, so
konnte es doch nicht ausbleiben, dass die Ge-
sammtrichtung des Denkens und Empfindens eiuer
gegebenen Zeit, sowie deren allgemeine Lebens¬
gewohnheiten und bedeutungsvolle Ereignisse sich
auch dom inneren Geistesleben des Bundes mehr
oder weniger maassgebend aufdrückten.
Der Frmr der Gegenwart ist wohl vielfach
ein ganz anderer als der ehrsame Werkraaurer
des Mittelalters, der unter des Meisters Augen
und nach seinem Plan in schwerer und ange¬
strengter Arbeit die Prachtbauten mit aufführen
half, die wir noch heute austaunen. Der praktisch
kalkulirende Amerikaner, der formenstrenge Eng¬
länder, der ritterlich romantisch heissblütige Ro¬
mane, der in die Tiefen des Gemüthslebens sich
vorsenkende Deutsche, der ernste und strenge
Nordländer, sie alle zeigen eine sehr verschieden¬
artige innere Auffassung und äussere Darstellung
der Maurerarbeit. Selbst im gleichen Stamme
und im gleichen Oriente mögen verschiedene
Systeme sich in der Bundesarbeit charakteristisch
unterscheiden.
Dieser Umstand jedoch, weit davon entfernt
die gute Sache zu beeinträchtigen, ist vielmehr
ein Förderungsmittel für dieselbe und ein deut¬
licher Beweis des in ihr waltenden frischen
Lebens, denn er thut ja dar, dass der Einzelne
die Sache des Bundes in sein eigenes Geistes-
lebeu wirklich aufgenommon hat und sie in der
ihm eigentümlichen Weise verarbeitend als neues
geistiges Zeugungsprodukt zur frischen, leben¬
digen Erscheinung bringt.
Bei aller dieser Verschiedenheit ist aber doch
ein Bestimmtes, Ausdauerndes im Bupde, das
ihm von Anfang an eigen war, das ihm in allen
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Entwickelungsstufen geblieben ist, das in allen
Nationen, Systemen und Individuen gleichartig
sich vorfindet und das der Brrschaffe für alle
Zeiten und Verhältnisse bleiben muss, weil in
ihm und durch dasselbe ein der ganzen gebil¬
deten, denkenden und fühlenden Menschheit ge¬
meinsames geistiges Bedürfniss Befriedigung und
höheren Aufschwung findet.
Wir wollen versuchen dieses Gemeinsame und
Dauernde aufzufinden, das sich wie der oft er¬
wähnte rothe Faden durch das Ganze der Frmrei
hindurchzieht, indem wir historisch prüfend einen
Blick werfen auf drei äusserlich sehr von einander
abweichende Entwickelungsphasen des Frmrbundes
und das allen gemeinsame Streben nach einem
gleichen Ziele. Wir stellen darum zunächst ein¬
fach die Frage:
Was war und was ist die Frmrei?
und antworten darauf:
1) ein edles Handwerk,
2) ein romantisches Geheimniss und
3) ein Asyl reiner Menschlichkeit.
Ob aus dem fernen Alterthum schon Be¬
ziehungen zu uns herüberreichen, wir können es
wohl vermuthen, aber zu einer völligen Gewiss¬
heit vermögen wir nicht zu gelangen. Das aber
steht historisch nachweisbar fest, dass unser
jetziger Frmrbund in directer Folge von jenen
ehrsamen, kunstsinnigen Baugenossenschaften des
Mittelalters abstammt, deren erhabene Werke
zum grossen Theil noch vor unseren Augen
stehen.
Das Kunstwerk spricht für den Künstler. Die
vollendete That ist ihre eigene beste Erklärung.
Ein Blick auf jene Bauten sagt mehr, als die
längste Rede nachzuweisen vermag. Wer in
Strassburgs Münster staunend verweilte, wer
Meissen, Magdeburg, Erfurt, Cöln, Ulm und an¬
dere Kunststätten gesehen, wer durch Nürnbergs
Strassen wandelte, der mag wohl sagen, dass er
an ihren Werken sie erkennen lernte, der be¬
kennt freudig und laut, dass es ein edles Hand¬
werk, eine erhabene Kunst war, die solches zu
schaffen vermochte.
Zwar viel des Barbarischen, Rauhen und
Unentwickelten wird uns aus jenen Zoiten be¬
richtet, aber es war dennoch eine grosse, reiche
und gemüthvolle Zeit, jenes Mittelalter, dessen
Werke mit so beredter Stimme noch heute zu
uns sprechen. Die rauhe Schale barg einen
edeln Keim. Ein starker, unerschütterlicher
Glaube, ein fester Wille, vor allem eine eigen¬
tümliche, ungeheuchelte Frömmigkeit im Ge¬
wände romantisch begeisterten Schönheitsinnes
beseelte die Männer, die, ausgestattet mit hoch-
entwickelter , technisch-wissenschaftlicher Kennt-
niss und Fertigkeit, vor unüberwindlich scheinen¬
den Schwierigkeiten nicht zurückweichend, durch
Menschenalter hindurch dem fernen Ziele unab¬
lässig nachstrebten, das der Meister im Geiste
geschaut, das aber erst der Enkel zu vollenden
hoffen durfte. Klein und gering war der Ruhm,
wohl auch der irdische Lohn des Einzelnen, der
ein Leben lang Steine zu behauen und an ein¬
einander zu fügen berufen war, ohne des fer¬
tigen Werkes sich je erfreuen zu können. Aber
der Gesammtheit der Corporation, allerdings erst
in den Nachkommen, wurde Ruhm und Ehre zu
theil. Das spätere Mittelalter war die Blütezeit
der treuverbundenen Genossenschaften und die
Zunft der Steinmetzen war eine der geeintesten
und am festesten verbundenen.
Ein edles Gebrauchthum aus Saft und Blut
des Bundes entsprungen, d. h. von ihren täg¬
lichen Arbeiten, ihren Bauregeln sinnbildlich
entnommen, verband die Brüder Steinmetzen in
herzlicher und brüderlicher Treue, dass sie sich
erkennen mochten auch im fernen Lande, wohin
nach Maurerart sie zu wandern liebten, ferne
Länder zu sehen, fremdes Gebrauchthum zu er¬
kennen und ehrenwerthe, lohnende Arbeit zu
finden. Grundsätze der Wissenschaft, der Geo¬
metrie entnommen, von den Vätern ererbte
Kunstgebräuche, mechanische, technische u. dergl.
Fertigkeiten waren ihr Geheimniss, das sie als
Wissende emporhob über die Menge gewöhn¬
licher Arbeiter und ihr Selbstgefühl gerecht
steigerte. — Fürwahr ein schönes Geheimniss,
ein edler Bund und ein grosses erhabenes Ziel!
— Wir mögen uns darum mit Freuden rühmen
von ihnen abzustamraen. Wollte Gott, dass wir
es ihnen gleichthäten in gläubiger Frömmigkeit,
in brüderlicher Anhänglichkeit und festem Willen!
Aber nichts Aeussorliches ist bleibend auf
Erden. Die Menschheit schreitet unaufhaltsam
vor in Bildung und Erkenntniss, ob auch dem
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einseitigen Urtheil der Zeit Verschlechterung und
Rückschritt in mancher unvermeidlichen Durch-
gangsperiode zeitweilig entgegen zu treten scheint.
Die Rauhheiten und mit ihnen die Ursprünglich¬
keit des Mittelalters rundeten sich ab; die Sitten
wurden feiner, wenn auch nicht reiner; die Er¬
kenn tniss nahm zu an Breite und wohl auch an
Tiefe; die Äussere Anschauung des Menschheit¬
lebens wurde geregelter und gebildeter, aber
auch schwächlicher und gezierter; die Corporation
der Handwerksmaurer konnte ihre geheimen
Kenntnisse und Eigentümlichkeiten nicht bergen
vor der forschenden Kritik fortgeschrittener und
verbreitender Wissenschaft. Darum wandelte sich
die reale Werkbaugenossenschaft in idealer, all¬
gemein sittlicher Auffassung in eine Brüderschaft
symbolischer Baukünstler, bestrebt, das Werk
der Vorfahren geistig fortzusetzen und in Form
des Geheimbundes zu höherer Fortbildung des
Menschengeschlechts sinnig zu verwenden.
So gestaltete sich denn aus dem edeln Hand¬
werk, der Zeitempfindung entsprechend,
ein romantisches Geheimniss.
Es war allerdings eine schwächliche Zeit, die
wir so gern mit dem Spottnamen der Zopf- und
Perückenzeit zu benennen pflegen. Mit der
mittelalterlichen Rohheit schwand aber auch die
mittelalterliche Kraft und eine übertriebene Fein¬
heit und Stutzerhaftigkeit der Form übertünchte
nicht selten doch nnr die Rohheit der Empfin¬
dung. Pedantische Moral ging Hand in Hand
mit raffinirter Unsittlichkeit. Das charakteristisch
Nationale drohte sich aufzulöseu in einen huma¬
nistisch schwächlichen Kosmopolitismus. Anstatt
der Gottesfurcht, Tugend, Ehre und gesunder
Arbeitslust gewann die Mode die Herrschaft
und das tonangehende Volk der Mode über¬
schwemmte die Welt mit seinem Witz, seiner
Eleganz und seiner laxen Moral. Und doch lag
ein Keim des Grossen und Bedeutenden in der
Zeit, die wir so gern und scheinbar nicht ohne
allen Grund eine Zeit der Erniedrigung unseres
Volkes zu nennen gewohnt sind.
Das Jahrhundert der Zöpfe und Perücken,
der steifen Eleganz und unsittlichen Zerfahren¬
heit zeugte aber doch jene Heroen, die unser
Volk im Reiche des Geistes als das erste und
bahnbrechende hinstellten, während es im Be¬
reiche der Politik fast dem Zerfall entgegen zu
gehen schien. Die Sturm- und Drangperiode
der Geister, vom Denker Lessing begründet, von
der riesig genialen Urkraft eines Göthe und
Anderer aufgenommen und fortgeführt, ging wie
ein gewaltiger Orkan durch das Land, reinigend,
aufklärend und erfrischend. Sie vollendete den
Sieg der Humanität über Unnatur und Vorurtheil
und schuf eine unaustilgbare Freiheit der Geister,
die auf Weisheit und Schönheit gegründet, der
Stärke nimmer ermangeln wird, deren sie be¬
darf, um mit rastloser Energie das hohe Ziel zu
erringen.
Jene Knospen- und Blütezeit geistigen Lebens,
die wir nicht mit Unrecht als den Frühling des
deutschen Lebens bezeichnen, verfehlt nicht auch
die Mrei, ein ursprünglich deutsches Kind vom
schwesterlich verwandten England bis dahin vor*
herrschend gehegt und neu gestaltet, als edles
Samenkorn in sich aufzunehmen und für ihren
Zweck der Menschenbildung und Veredelung eifrig
zu verwenden.
Nicht mehr Dome und Ritterburgen schufen
reale Baugenossenschaften mit Hülfe geheimer
Kenntniss und verborgen gehaltener Bauregel.
Die fortschreitende Zeit duldete kein geometrisch-
chemisch-physikalisches Geheimniss. Wohl war
das Ritterschwert dem Galanteriedögen, der feder¬
umwallte Helm dem dreispitzigen Hut gewichen,
aber es wehte doch ein ritterlich romantischer
Zug durch jene Zeit, vielleicht als Nachklang
vergangener Kraft, oder als Sehnsuchtsdrang nach
nicht ganz geschwundener Volkstümlichkeit. Ge¬
heime Kenntniss, geheimer Bund, geheimes Ge¬
brauchthum bot einen gar wunderbaren Reiz, der
mit poetischer Begeisterung die Gemüther er¬
füllte. Ob auch Schwärmerei und Irrthum, ja
selbst Gaukelei und Betrug sich Bahn brachen
in die geheimen Hallen, es war dennoch eine
warm empfundene Poesie in jenem romantischen
Ritterwesen, das die Form eines edeln mittel¬
alterlichen Ordens im harmlosen Spiel nach¬
ahmende Begeisterung und innige Anhänglichkeit
orzeugte und trotz mancher Täuschung den reinen
Zweck echt menschlicher Veredelung nicht aus
dem Auge liess.
Wir dürfen wohl sagen, das romantisch ritter¬
liche Geheimniss, das zu jener Zeit die Logen-
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52
hallen bargen, hat doch viele Herzen beglückt,
hat hoch gebildete und warm empfindende Männer
zu edler That entflammt. — Irrthum, Unklar¬
heit, Schwärmerei, die wir hier finden, mögen
wir prüfend erkennen und sorgfältig meiden,
aber wir sollen uns nicht stolz uud absprechend
über jene Zeit erheben, da sie doch als wichtige
Durchgangsperiode und Entwickelungsstufe unserer
k. K. zu betrachten ist.
Die Ritterzeit war das Jünglingsalter der
Mrei, da gährte es wunderbar auf und trieb
sonderbar phantastische Blasen, aber es war
Kraft und Saft und lebendige Begeisterung darin.
Schon im Rittermantel war sie, was sie ist und
stets bleiben muss,
ein Asyl reiner Menschlichkeit.
Es ist eine materialistische Zeit, in der wir
jetzt leben, aber es ist doch viel des Grossen
und Bedeutenden geschaffen worden, mehr fast
und in kürzerer Frist, als iu jeder andern. Was
in Handel und Gewerbe, Wissenschaft und Kunst
und vor allem im Verkehr der Menschheit ge¬
leistet worden, es muss eben doch der gesunden
Entwickelung, der Bildung und somit der Ver¬
vollkommnung und Veredelung der Menschheit
dienstbar sein und darum auch von uns freudig
anerkannt werden. Aber ein materialistischer
Zug geht dennoch durch unsere Zeit, wir können
dies nicht leugnen. Die Periode der Eisen¬
bahnen und Telegraphen treibt mit rastloser
Eile von Erwerb zu Erwerb, von Genuss zu
Genuss. Es ist schwer bei so fieberhafter Er¬
regtheit Frist und Ort zu ruhiger Sammlung des
Innern zu finden, und doch waltet hier das
eigentlich geistige Leben, das Werke für die
Unendlichkeit schafft, während draussen in der
Welt nur um das Vergängliche gekämpft wird.
Des Leibes Nahrung und Nothdurft, die durch
Arbeit im Leben erworben wird, ist wichtig und
nothwendig, so dass wir ja auch den A. Mstr.
d. W. darum bitten, doch hat dieselben Bedürf¬
nisse auch das Thier. Nur durch grössere Ge*
Schicklichkeit im Erwerb, durch Ausnutzung
fremder Kräfte, dürch Fortschritt in der Her¬
stellung und leider auch durch Habgier und
Unersättlichkeit zeichnet sich der Mensch aus.
Der Mensch, nach Gottes Ebenbildo geschaffen
und zum geistigen Herrn der Schöpfung berufen,
verfällt dennoch durch unablässiges Dichten und
Trachten nach irdischem Mehrgewinn so leicht
in Gefahr, in Selbstsucht verhärtet, in seinem
Gemüthsleben zu veröden uud dem Mammon sich
selbst zu opfern.
Freudlos und leidlos ist dann solches Leben
und darum öde, kalt und todt, denn ohne Mit¬
gefühl an unserer Mitmenschen Loos erstirbt
das sonst so warme Seelenleben und erstarrt zu
kalter Gleichgültigkeit. Theilnahme in Freude
und Leid bietet die reinste Freude, die sich in
höherer Entwickelung zur Liebe gestaltet. Die
Liebe aber ist des Menschen höchstes Gut, das
ihm den Himmel schon hier auf Erden erschliesst.
Dieser Menschenliebe, dem Inbegriff und Brenn¬
punkt reiner Menschlichkeit, bauen wir eine Zu¬
fluchtsstätte. Wir bieten Trotz und Widerstaud
dem alten Erbfeind, der Selbstsucht, obwohl wir
schmerzlich gar wohl gewahren, wie oft es ihm
dennoch gelingt uns von neuem zu umgarnen.
Wir bemühen uns im Menschen den Menschen,
im Bruder den Bruder zu lieben, ohne Furcht
und ohne Hoffnung, und bestreben uns auch
dieses schöne Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit
auf die ganze Menschheit zu übertragen, um da¬
durch alle Unebenheiten, die Religion und Politik
nur zu eifrig schaffen, auszugleichen und so das
ganze Erdenrund zu einem Lande der Freude
und des Friedens zu gestalten, so dass immer
mehr die Zeit herannahet, deren Ahnung unsere
Herzen schon so oft hoch begeisterte uud wir
mit Lust und Freude einstimmten in die hohe
Prophetie :
„Und es wird eine Heerde
Und wird ein Hirte sein!“
Ansprache an neu beförderte
Gesellen.
Von Br Rob. Fischer in Gera.
Ihre Beförderung zu der zweiten Stufe der
Verbrüderung fällt auf die Feior des Johannis-
festes und dieses in den Hochmittag des Jahres,
da alles in schönster Blüte steht-, fürwahr ein
passendes Symbol dessen, was Ihnen in dem
Gesellengrade geboten wird. Der Schönheit hul¬
digt er, und um diese Ihnen recht eindringlich
vor die Seele zu führen, traten Sie Ihren Umgang
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mit offenen Augen an, wanderten in engver¬
schlungener Kette treuer Freunde und Licht¬
genossen und vernahmen den heiteren, aufmun-
terndeu Gesang. Sie befinden sich, nachdem
Selbsterkenntniss, Arbeit am rohen Stein, d. h.
an Ihrem eigenen Ich Ihr Beruf als Lehrling
gewesen, mitten im Leben, das der Selbstver¬
edelung gewidmet ist. Wie aber können Sie solche
erlangen, wenn Sie nicht nach Edlem strebten,
wenn Sie nicht an allem Schönen ein lebhafies
Interesse nähmen, wie es in Natur, Kunst und
Wissenschaft wahrnehmbar, im fröhlichen Gemüth
und heiterem Herzen sich widerspiegelt? Wann
aber zeigt sich alles am schönsten, so wie am
Hochmittag des Jahres? Da ist die Gluth der
Sonne am stärksten, da strahlt sie in ihrem
herrlichsten Lichte und belebt alles in der weiten
Natur. Und wann ist die Begeisterung für die
Sache der Maurerei am höchsten, so wie am
Johannistag, am Tage der Maurer, da das Be¬
wusstsein der Gemeinsamkeit unserer Interessen
auf dem weiten Erdenrund in uns lebendig wird,
wo wir uns Eins fühlen mit Allen, die da sich be¬
kennen zu unserem Altar der Wahrheit und sich
sammeln mit uns um die 3 heiligen Kerzen.
Ein Licht ist es, das uns heut allen leuchtet,
das ewige Licht des Himmels, das die Erde
erhellt; Ein Geist ist es, der in uns allen heut
weht, der Geist der Liebe, der alle Creaturen
ernährt; Eine Flamme ist es, die in unser aller
Herzen loht, die Flamme der Begeisterung für
ein hohes Ideal, dem unsere Kunst gewidmet ist.
0, welch* herrlicher Gedanke, der so in Dinen
bei Ihrer heutigen Beförderung auftaucht und
sich Ihnen tief einprägen mag für Ihre ganze
raaurerische Laufbahn, für welche Sie dereinst
geboren wurden beim Empfang des maurerischen
Lichtes und die nun sich Ihnen aufthut im
schönsten Glanze. Wenn nichts Ihnen diesen
heutigen Schritt zu einem erhebenden Moment
stempeln sollte, so ist es diese Erwägung und
dieser Gedanke. Blind würden Sie sein und
noch mit der Binde der Unwissenheit versehen,
wenn Sie nicht zu dieser Erkenntniss kommen
sollten; Sie würden kalt stehen in dor Kette der
Brüder, wenn nicht diese Gluth der Begeisterung
Sie durchwehen sollte; Sie wären nicht würdig,
diese Auszeichnung der Beförderung zum höheren
Lichte zu erhalten, wenn nicht erneutes, frisches
Leben in Ihnen pulsiren sollte, das Sie enger
und inniger mit uns verbindet.
Um diesen, wenn auch gerade an dem heutigen
Tage noch besonders zur Betonung gelangenden
Gedanken zum äusseren Ausdruck zu bringen,
hat man vielfach für den Gesellengrad den
flammenden Stern eingeführt als dessen haupt¬
sächlichstes Symbol, einen achteckigen Stern, von
Flammen umgeben, in dessen Mitte ein Auge
leuchtet und der Buchstabe G zu erkennen ist.
Dieser flammende Stern ist das Sinnbild
des ewigen Lichtes der Wahrheit, dessen Urquell
der A. B. a W. ist; der regelrechte Stern ist
das geordnete Leben des Menschen, auf welches
das allsehende Auge Gottes herabschaut, und
die Flammen deuten auf die Begeisterung, die
den Menschen zu allem Guten, Wahren und
Schönen erheben soll.
0, so möge dieser flammende Stern Ihnen
Leitstern sein durch die Nächte dieses Lebens,
Sie mahnen an den Schutz von oben, dessen der
Wanderer im Erdenthale bedarf und theilhaftig
wird, wenn er die Wahrheit redlich sucht und
das Gute ernstlich anstrebt! Er sei Ihnen das
Ideal des Lebens, in dem Sie zur wahren Ver¬
edelung Ihrer selbst gelangen! Der Mensch ohne
Ideal ist ein bedauernsweithes Geschöpf; der
Mensch ohne höheres Streben gleicht dom ge¬
dankenlos dahin laufenden Thiere; der Mensch
ohne den Eindruck und Einfluss des Schönen
und Edlen lebt nur ein halbes, lebt kein wahr¬
haft menschliches Leben. Das soll Ihnen der
Gesellengrad sagen, dazu will er Sie anhalton,
darin bestärke Sie der Gedanke an den flammen¬
den Stern.
Meine Brüder! Unsere k. K. und unser Bund
wären längst dahin und ein Raub der flüchtigen,
alles vernichtenden Zeit geworden, wenn nicht
das Ideal sie aufrecht erhalten und über alle
Strömungen hin weggeholfen hätte, die sie hinweg¬
zuspülen drohten, wenn nicht Brüder voll heiliger
Begeisterung für sie gewirkt hätten. Und ob
man auch heute über unseren Bund herfällt und
ihn, selbst im eignen Innern, als eine unhaltbare
Institution hinstellt, das unvergängliche Ideal
des Wahren, Guten und Schönen, das unabhängig
ist von allen zeitlichen Anschauungen, bewahrt
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der Freimaurerei ihren Bestand, wie man mit
Recht von ihr sagen kann, dass sie war, ist und
sein wird, so lange dem Menschen das Ideal
nicht abhanden kommt.
So erfassen Sie im Sonnenglanze des Hoch¬
mittags den Blüthenschmuck der Sommerwende,
im Gluthenstrom der Reifezeit das Ideal der
Freimaurerei und tragen Sie es in Ihrem Innern
lebendig und hinaus ins Leben, dass es Früchte
trage aller Orten, wo Sie stehen und schaffen!
Du Flammenstem in hellem Licht,
Daraus die ow’ge Wahrheit spricht,
Sei Leitstern uns auf ird’scher Bahn
Und führe du uns himmelan!
Du Flammenstern mit deinem Aug’,
Des höchsten Meisters Lebenshauch,
Dir weih’n wir uns zu jeder Frist,
Bis uns das ewige Leben fliesst!
Du Flammenstern, in dunkler Nacht
Bleibe bei uns mit deiner Pracht,
Du Ideal der Maurerei,
Erhalt’ vom Trug der Welt uns frei !
Du Flammenstern, dir sei goweiht
Die edle Kunst in Ewigkeit,
Und jedem Bruder leuchte du
Bis zu des Grabes letzter Ruh!
Engbund der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
5. Vortrag des Br F. Fuchs.
Die Brr Bracke und Schuffcnhauer hatten
schon öfter ihr Missfallen über die Neuerungen
und Abweichungen von dem früheren Gebrauch¬
thum ausgesprochen. Br Bracke glaubte auch
ein besonderes Recht dazu zu haben, weil er zu
den Stiftern der Loge gehörte, früher Bürge für
den jetzigen Logenmeister Eckold gewesen war
und wohl auch, weil man auf sein gesundes,
gerades Urtheil immer etwas gegeben hatte.
Nun schien zu jener Zeit der Br Eckold mit
einer Anzahl anderer Brr sich mit Vorliebe mit
dem Hochgrad wesen zu beschäftigen und mancher¬
lei Neuerungen im Ritual bei Tafellogen und
Logenarbeiten mochten zu dem Gerücht, das
nicht blos unter den Brrn der Linde, sondern
auch unter den Brrn Minervas verbreitet war,
Veranlassung geben, man wolle in der Loge zur
Linde dio Ilochgrado einführen. Die älteren
Brr waren damit sehr unzufrieden, besonders da
Br Eckold bei einer Gelegenheit, als von „hoch¬
erleuchteten Brrn“ gesprochen wurde, gesagt
hatte: „er habe sich höhere Kenntnisse im Orden
erworben, brauche aber nicht zu sagen woher?
und von wem? und er sei dem Frager als einem
blossen Johannisbruder Antwort zu geben nicht
verpflichtet.“ Der alte ehrliche Br Bracke, der
sonst vielleicht vorsichtiger gewesen wäre, be¬
nutzte die Gelegenheit, als Br Schuffenhauer
höchst ungeschickt bei geschehener Umfrage in
einer Lehrlingsloge wegen dieser Neuerungen den
Meister interpellirte und sagte: „dass er von
dieser Sache viel vernommen habe und sich nach
seiner Pflicht verbunden halte, öffentlich zu sagen,
dass einige sonst gute Brr dieser Loge von
schändlichen Betrügern wären belogen und be¬
trogen worden, und der Grossmeister selber dazu
Gelegenheit gegeben, dass solches geschehen wäre.“
Man muss die Erklärung Br EckokPs ganz in
Ordnung finden, „dass sothane Fragen sich in
keiner Lehrlingsloge geziemen und er hier kraft
seines Amtes nicht verantwortlich sei; er müsse
sich wundern, dass ein so alter und in der
Maurerei so erfahren sein wollender Bruder, wie
Br Bracke, sich solches gesetzwidrige Betragen
zu schulden kommen lasse.“ Eine weitere Aus¬
einandersetzung wurde durch sofortigen Schluss
dieser als „stürmisch“ bczcichneten Logo ab¬
geschnitten. Diese „stürmische Loge“ hatte aber
ein trauriges Nachspiel. In der nächsten Logen¬
versammlung gaben sich zwar mehre Brr Mühe,
den Vorgang in milderem Lichte darzustellen:
„dio betreffenden Brr hätten den Logenmeister
nicht constituiren wollen, sondern nur um eine
Erklärung gebeten.“ Nach mehrfachen Verhand¬
lungen, trotz des von verschiedenen Seiten er¬
hobenen Widerspruchs, wurde vom Logenmeister
„zu Aufrechtorhaltung und Handhabung der Ge¬
setze decretirt, dass Br Schuffenhauer nach § 17
des Gesetzes auf 3 Monate excludirt sei, während
dieser Zeit er seine Rechtfertigung darbrifigen
und die begangene Gesetzwidrigkeit gut machen
könne, und dass Br Bracke im Umlauf so lange
nicht aufgeführt werden könne, bis er durch
sein Bemühen die Ruhe der Brr so gut wieder
hergestellt, als er solche durch Verletzung der
Meisterwürde gestört habe.“ Dieser Entscheid
wurdo den betreffenden Brrn durch ein mit dem
grossen Logensiegol beglaubigtes Decret eröffnet.
Da ihre Rechtfertigung vom Logenmeister nicht
angenommen wurde, beschwerten sie sich über
dessen Verfahren und das ihnen angethane Un¬
recht bei der Grossen Landesloge. Br Brackfe
sagt in seiner ausführlichen Beschwerdeschrift,
in der er das Verhalten des Br Eckold dar¬
legt : „Durch dieses Dccret bin ich nun von dem
Logenmeister, nachdem ich meine Pflichten im
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Orden and aach als Stifter auf das getreulichste
za erfüllen mich bestrebt habe, so gut wie aus¬
geschlossen und mein bis hierher mit so grosser
Sorgfalt bewahrter guter Ruf und Name, welche
ich höher als mein Leben geachtet, hat dadurch
einen grossen Schandfleck erhalten. Mein Ge¬
wissen beruhigt mich, dass mir noch nie in Sinn
gekommen ist, die Loge zur Linde auf irgend
eine Art zu zerstören, sondern vielmehr immer
gesucht habe, solche nach denen Gesetzen zu
halten. Der Logenmeister selbst wird mir auf
sein Gewissen bezeugen müssen, dass ich gewiss
nie eine widrige Absicht in Logenangelegenheiten
geäussert, sondern ihm immer zu derselben
Bestem meine besten und redlichsten Meinungen
werde mitgetheilt haben.“ (Dem Br Bracke,
welcher als der letzte unter den Stiftern der
Loge 1820 in d. e. 0. einging, wird bei seinem
Scheiden nachgerühmt: „er habe sein ganzes
Leben ächte Maurerei geübt und ihre Zwecke
niemals aus den Augen gelassen.“) Die Gross¬
loge forderte den Br Eckold zweimal in Terminen
von je 3 Wochen zur Verantwortung, „da er
aber weder etwas zur Aufklärung der Sache noch
zu seiner Vertheidigung that, so suspendirte ihn
die Grosse Landesloge bis nach geschehener Ver¬
antwortung als Grossmeister“ und übertrug die
Regierung der Loge dem 1. Aufseher Br Voss.
Diese Suspension kam jedoch post festum, denn
bereits in der Wahlloge 1800 hatte Br Eckold,
der vielleicht ein ungünstiges Resultat aus diesem
Streite ahnen mochte, trotzdem er wieder gegen
zwei Stimmen zum Grossmeister gewählt war,
aus „triftigen Gründen“ sein Amt niedergelegt
und den 1. Hammer dem Br Voss übergeben.
Unter Br Eckold’s Hammerführung wurde
wieder einmal der Besuch der zum System
Royal York gehörenden Logen, der in den letzten
Jahren gestattet gewesen, verboten. Die Loge
Royal York theilte sich in Berlin in 4 St. Jo¬
hannislogen; aus den Repräsentanten dieser und
den früher gestifteten Töchterlogen bildete sich
„unter dem Einfluss des geistreichen, gelehrten
und für die Maurerei eifrigen Bruders Fessler
zu Johannis 1798 eine eigene dirigirende Gross¬
loge unter dem Namen: Grosse Loge der Frei¬
maurer : Royal York zur Freundschaft. Die
National-Mutterloge zu den 3 Weltkugeln blieb
mit der neuen Grossloge in dem guten Vernehmen,
welches bis dahin zwischen ihnen stattgefunden.
Die Grosse Landesloge von Deutschland wollte
aber die neue Schwester nicht als Grossloge
anerkennen, woraus ein höchst beklagenswerther,
selbst in der Aussenwelt viel Aufsehen erregender
Streit entstand, der sogleich dazu führte, dass
die erstero den Brüdern von Royal York ihre
Pforten schloss und den Mitgliedern ihrer Logen
untersagte, irgend eine der zu Royal York ge¬
hörenden Logen zu besuchen.“ Ein in den Acten
der Linde befindliches 7 Bogen starkes Schrift¬
stück sucht in weitläufigen Deductionen das Ver¬
fahren der Grossen Landesloge zu rechtfertigen.
Die Linde scheint sich an das Verbot nicht ge¬
kehrt zu haben, nicht einmal das ganze Schrift¬
stück wurde zur Kenntniss der Brüder gebracht;
in einer Logen Versammlung wurde ein Theil des
Schriftstücks vorgelesen, später kam man noch
einmal darauf zurück, indem man den Beschluss
fasste, „dass man zwar die Brr der Loge Royal
York, aber nicht der von ihr constituirten Logen
bei uns zulassen wolle, eine Ausnahme jedoch
wolle man mit der Hohensteiner Loge machen,
da solche in unserem Lande befindlich und viele
unserer Brr mit ihr in genauer Connexion stehen
und um Limitation bei der Grossen Landesloge
nächstens ansuchen.“
Nachdem Br Eckold trotz seiner Wiederwahl
zum Grossmeister resignirt hatte, übernahm Br
Georg Voss, Buchhändler in Leipzig, die Regierung
der Logo und stand an deren Spitze bis zum
23. Sept. 1805. Er wurde stets einstimmig wieder
gewählt; vor der Wahlloge 1804 bat er von
seiner Wiederwahl seiner vielen Geschäfte wegen
abzusehen; Br Eckold erhielt die Stimmenmehr¬
heit, doch Br Voss selbst und eine Anzahl der Brr
bezweifelten die Legalität der Wahl, weil Eckold’s
Zerwtirfniss mit der Gr Landesloge noch nicht
gehoben war, und Br Voss wendete sich an die¬
selbe um Verhaltungsmaassregeln. Er schreibt:
„Ich sehe kein anderes Mittel, als Ihre gütige
liebevolle brüderliche Dazwischenkunft, um die
wirklich bedeutenswerthe gute Linde im gehörigen
thätigen kräftigen Gange zu erhalten und es
dürfte in der That für einen unparteiischen Ab¬
geordneten kein unbelohntes Geschäft sein, die
Gemtither zu beruhigen, zu vereinigen und Ein¬
tracht und Bruderliebe herzustellen. Wie sehr
würde ich mich besonders freuen, wenn Brr wio
Bracke, Eckold und mehre älteren Brr in das
innige herzliche Verhältniss gesetzt werden könn¬
ten, welches meiner guten Loge so nöthig ist.“
In der Antwort heisst es: „Mit Leidwesen sehen
wir, dass unter der Brüderschaft der Linde der
Geist der Unzufriedenheit abermals eingekehrt zu
sein scheint. — Was den Br Eckold betrifft, so
können wir nach dem, was vor einigen Jahren
vorgefallen, demselben nicht eher den Hammer als
Logenmeister an vertrauen, bis dorselbe sein zu der
Zeit begangenes Unrecht oinsehen und eingestehen
wird; auch muss dieser Br auf seine vermeint¬
lichen hohen Grade Verzicht thun und versprechen,
unsere Gesetze heilig zu halten und zu handha¬
ben.“ „Gern würden wir es sehen, wenn Sie die
Logenmeisterstelle behielten, oder den hochw. Br
Bracke zu deren Annahme bewegen könnten, der
dann durch Ernennung eines ihm bekannten gu-
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ten thätigen Brs zum deputirten Meister sich ja
die Arbeiten möglichst erleichtern könnte. Sollte
aber gegen unsere Wünsche beides nicht geschehen
können und können Sie die Wahl eines Gross¬
meisters nicht auf einen guten ßr lenken, den Sie
zu diesem Amte fähig halten und mit gutem Ge¬
wissen der Grossen Landosloge vorschlagen können,
so wissen wir kein anderes Mittel, als dass Sie
vor der Hand die Loge zur Linde schliessen, Con¬
stitution und Acten so lange in Ihre Verwahrung
nehmen, bis die Grosso Landesloge Zeit gewinnen
kann, einen Deputirten zu beauftragen, um die
Loge zur Linde wieder in die gesetzliche Ordnung
zu bringen.“ Br Eckold wurde von der Loge
aufgefordert, sich bei der Grossen Landesloge zu
rechtfertigen, diese ging aber auf seine „sein sol¬
lende Vcrtheidigung“ gar nicht ein und Br Voss
liess sich durch die Bitten der Brr bewegen den
Hammer zu behalten, bis er ihn „bestimmt durch
die Sorge der Selbsterhaltung und für seine
Familie und wegen seiner sich täglich mehrenden
profanen Geschäfte“ den 23. Sept. 1805 den Hän¬
den des deputirten Mstrs Br Plato übergab. —
Schon unter dem 20. October 1798 war für die
Preussischen Staaten ein „Edict wegen Verhütung
und Bestrafung geheimer Verbindungen“ ergangen,
welches auch der diesseitigen Loge, soweit es
sich auf den Freimaurer-Orden bezog, zur Nach¬
achtung mitgetheilt war. Die hierher gehörigen
Bestimmungen lauten im Wesentlichen, wie folgt:
„Von den Freimaurer-Orden sind folgende drei
Mutterlogen „zu den drei Weltkugeln, die Grosse
Landesloge und die Loge Royal York de TAmitiö“
und die von ihnen gestifteten Töchterlogen tolerirt
und sollen die Verbote auf diese nicht angewendet
sein. Dahingegen soll jede andere Mutter- oder
Tochterloge für verboten geachtet und unter kei¬
nerlei Bedingung geduldet werden. Den sämmt-
lichen Mitgliedern der tolerirten Mutter- und
Tochterlogen wird insbesondere die schon allgemein
feststehende unauflösliche Unterthanenpflicht von
neuem eingeschärft. Die Vorgesetzten der 3 Mut¬
terlogen haben alljährlich nicht blos die Liste
aller Tochterlogen sondern auch aller Mitglieder
nach Namen, Stand und Alter an den König einzu¬
reichen. Im Unterlassungsfälle wird eine Geldbusse
von 200 Thlr. verwirkt und die Weigerung mit
Verlust der Duldung bestraft. Es soll auch
gedachten tolerirten Logen nicht gestattet werden,
jemand vor erfülltem 25. Lebensjahre zum Mitgliede
aufzunehmen. Eine jede Loge ist verbunden, der
Polizeibehörde den Ort ihrer Versammlung anzu¬
zeigen und darf bei Verlust der Duldung ihren
Mitgliedern nicht gestatten auser dem angezeigten
Orte Zusammenkünfte zu halten, welche auf die
Freimaurerei Bezug haben.“
In Sachsen erging unter dem 10. Oct. 1799
ein ähnliches Rescript, und auch die Loge zur Linde
war vom Stadtrath zu Leipzig aufgefordert worden,
Auskunft über ihre Gesetze, Einrichtungen etc. zu
geben. Br Voss gab im Aufträge der Loge unter
dem 22. Sept. 1801 die verlangte Auskunft.
„Ew.haben mir zu eröffnen geruhet, dass ver¬
möge gnädigsten Befehls Hochdieselben Auftrag
hätten, über die hiesigen Freimaurerlogen genaue
Erkundigung einzuziehen und dass die besondern
höchsten Befehle vorzüglich dahin gingen: ein Ver¬
zeichniss der daran Antheil nehmenden Personen,
einen Abdruck ihres bei der Correspondenz ge¬
führten Siegels und eine Abschrift von ihren
Gesetzen einzusenden, auch hierbei mit in Erfah¬
rung zu bringen, ob die Mitglieder ein besonderes
Abzeichen unter sich haben, ob sie durch wirkliche
Eidesleistungen oder an Eidesstatt Bich verbindlich
machen, auch wann, wo und auf welche Weise die
Versammlungen gehalten zu werden pflegen. —Was
nun die Beantwortung anbelangt, so bemerke ich
zuvörderst, dass bereits ein Verzeichniss der Mit¬
glieder der Loge zur Linde so wie ein Abdruck des
Logensiegels an die höchste Behörde eingesendet
worden ist. Die Mitglieder tragen, wenn sie in
der Loge versammelt sind, sonst aber nie, ein
Abzeichen und dies besteht, wie längst bekannt,
in einem Schurzfell von weissem Leder. Eigentliche
Gesetze hat die Loge zur Linde nicht, aber
gewisse angenommene Verbindlichkeiten, die jedem
Mitgliede bei der Aufnahme mündlich bekannt
gemacht werden und zu deren Innehaltung sich
jedes neu aufgenommene Mitglied in einer konven¬
tionell angenommenen feierlichen Form anheischig
machen muss. Abschriften von Gesetzen können
daher nicht gegeben werden; so viel ist aber gewiss,
dass Gottesfurcht und Religion, der feste Vorsatz
ein guter Staatsbürger, Unterthan, Gatte, Vater
zu sein, allgemeines Wohl zu verbreiten, Arme
zu trösten, Nothdürftige zu unterstützen, Kranke
zu erquicken etc. Grundzüge der Verbindlichkeiten
eines Freimaurers sind. Die Loge hält ihre
Versammlungen im hiesigen Schützenhause am
Ranstädter Thore, die Versammlungstage sind
nicht bestimmt, sondern es kommen die Mitglieder
sobald es nöthig ist, zusammen und bleiben wie
jede gesittete Gesellschaft in guter Ordnung bei
einander, bis sie über dieses und jenes Gute sich
vereinigt haben, worauf sie bisweilen noch gemein¬
schaftlich eine Abendmahlzeit geniessen. Ein
Geheimniss des Ordens herrschet ganz allein in
den Ideen derer, die keine Mitglieder davon sind
und schädliche Grundsätze kann der Orden gar
nicht haben, sonst würden seine Säle nicht offen
stehen dürfen, um selbst Staatsminister, hohe und
niedere Geistliche in ihre Mitte als Ordensglieder
aufzunehmen.“
(Fortsetzung folgt.)
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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Am Reissbrete. August 1882.
Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Beissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Bautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Märbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimnurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute beteiligten Logen Wird das Blatt anentgeltlich zngeschickt. Einzelne Bit Meister, welche
ala solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zngeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Insertionsgebfthr von 15 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Memento mori. — St. Joban n isfest 1 oge in der Loge zum Globus. — Aus dem Eng¬
bunde: Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde. — Uraltes — Ewigneues.
Memento mori.
Beitrag zu einer Trauerloge
von Br 0. Marbach.
Nicht der Tod ist schwer und qualvoll,
nicht das Sterben — der Eintritt des Todes —,
sondern das irdische Leben, der Weg von der
Wiege bis zum Grabe. Dieses Leben ist voller
Mühsal und Draügsäl, Verzweiflung über Ver¬
gangenes und Sorge um Zukünftiges ; der Genoss
beschränkt sich auf die Gegenwart, und diese
zieht sich in Nichts zusammen zwischen Ver¬
gangenheit und Zukunft. Alles Glück des irdi¬
schen Daseins besteht nur in Erfüllung von
Wünschen, die sich als thöricbt erweisen, und
in Genüssen, die anstatt Begierden zu befriedigen,
solche nur anregen. Kurz vorübergehende Rabe¬
pausen, in denen die Begierden zu Sehnsucht
sich massigen und die Verzweiflung zu Hoffnung
sich verklärt, sind das Beste, was das irdische
Leben bietet. Die Qualen des zeitlichen Daseins
mehren sich, je länger dasselbe währt; aber sie
stampfen sich auch ab in demselben Verhältnisse.
Die Begierden werden zu schwachen Gelüsten,
die Verzweiflung verwelkt als Resignation; die
Sorge schwindet in Gleichgültigkeit; Sehnsucht
und Hoffnung werden zur Zuversicht unsterblichen
Lebens, wenn sie nicht in einem träumerischen
Zustande untergehen, der kaum noch den Namen
des Lebens verdient. Man erkennt dies an, wenn
man sagt: Das Alter führe den Menschen zur Kind¬
heit zurück. Der Greis hat mit dem Kinde die Be-
dürfhisslosigkeit and die HiJfebedttrftigkeit gemein;
aber auch die liebevolle Hingebung und das
Vertrauen zu dem Vater, in dessen Hand sein
Leben ruht; da aber der Greis nicht wie dtfs
Kind in der Zeitlichkeit seinen Vater findet, äo
sucht er ihn in der Ewigkeit. —
Vor dem Tode des Menschen steigern sich
in der Regel die Qualen des irdischen Daseins
bis zur Unleidlichkeit; es ist dies das letzte Atrf-
flackern des zeitlichen Lebenslichtes?; — man
hält dasselbe für Todeskampf. Aber das Sterben
ist kein Kampf, sondern der Friede nach den
mehr oder weniger langen Kämpfen des Erdefi-
lebens. Wenn dem Menschen nicht durch das,
was wir Zufall oder Willkür nennen, ein jähes
Ende bereitet ist (— vielleicht nur scheinbar! —),
so tritt stets und deutlich im Sterben ein Zustand
friedlicher Ruhe, ja glückseliger Befriedigung eiÄ,
und so weit nicht durch die vofausgegangenCn
Lebensqualen eine Verzerrung oder Zerstörung
der Gesichtszüge stattgefunden hat, ist die Seflg 5 -
keit des endlichen Friedens ausgegossen Über
das Angesicht des Todten wie Verklärung, wie
ein Anhauch urewiger Geistigkeit, die in der Tbat
den Sieg davon getragen hat über die Qual
der Leiblichkeit. Der irdische Tod ist die
Wiedergeburt des Geistes ans der Zeit in die
Ewigkeit! —
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Das Sterbebett eines guten Menschen, sagt
man, umschweben die verklärten Gestalten derer,
die er rechtschaffen geliebt hat auf Erden; —
so wird die irdische Liebe zur himmlischen
j
Liebe, welche voller Zuversicht unvergänglichen
Lebens ist.
St. Johannis-Festloge
den 23. Juni 1882 der Loge zum Globus im
Orient Hamburg.
Von Br Wilhelm Wolfers, Redner der Loge.
Nach den Satzungen sämmtlicher auf der
ganzen Erde verbreiteten Brr Freimaurer feiern
auch wir, me Brr, heute das Johannisfest.
Wir feiern den heutigen Tag als Gedenktag
unseres Schutzpatrons St. Johannes, der in seiner
strengen Redlichkeit als Vorbild wahrer Nächsten¬
liebe uns im Gedanken vorschweben soll.
Durch seinen beständigen Zuruf „thuet Busse a
bestrebte er sich seine Mitmenschen zur Selbst¬
erkenntnis aufzufordern und in diesem Sinne
dürfen auch wir ihn als Apostel der Freimau¬
rerei, wie wir dieselbe auffassen sollen, unbedingt
anerkennen.
Es ist indess, me geliebten Brr, keineswegs
meine Absicht den Johannistag zum Studium
wissenschaftlich geschichtlicher Streitfragen zu
benutzen, noch viel weniger über die verschie¬
densten Auffassungen, je nach den Erklärungen
der nur durch Rituale und Symbole getrennten
Systeme zu streiten, überlassen wir derartige
Fragen gewiegteren Forschern oder aber einer
andern Arbeitsloge, heute würde eine Auseinander¬
setzung über diesen Punkt uns entschieden zu
weit von der Festarbeit entfernen.
Wir haben auch keine Veranlassung am
Freudentage der Brr Freimaurer darüber zu
streiten, ob die Freimaurerei in ihrem jetzigen
Bestände uns erst von England regenerirt über¬
kommen ist, oder ob auch sohon die urältesten
Völker unserer bekannten Welt in ihren bevor¬
zugten Kreisen Kenntniss der königlichen Kunst
und ihrer sittlich erhebenden Grundgedanken
besassen oder nicht, genug, lassen Sie uns, me
Brr, das Johannisfest im Sinne unseres Vorbildes
in reinster Freude und mit den edelsten Vor
Sätzen wahrer Humanität begehen. — — —
Blicken Sie um sich, me Brr, so ist unser
Kreis heute zur allgemeinen Freude bedeutend
grösser als gewöhnlich, möge dieser verstärkte
Besuch anspornend wirken und für die Folge
gute Früchte tragen, möchte er die geln Brr
veranlassen, durch recht fleissigen ferneren Be¬
such unserer Arbeiten zu zeigen, dass sie nicht
etwa durch ihre Aufnahme nur Brr heissen,
sondern auch in der That Brr sein wollen, ver¬
bunden mit uns gemeinschaftlich durch Bruder¬
liebe im Allgemeinen und durch den ernsten
Willen, durch die Arbeit am rauhen Steine
Selbstvervollkommnung anzustreben.
Es ist Hochmittag!
Durch den Hammerschlag unseres sehr ehrw.
Mstrs hat die Festesfeier begonnen, Jeder soll
mit offenem Gemtith und Herzen seinen Platz
ausfüllen und ist, das bin ich überzeugt, auch
mit diesem ernsten Vorsatze bei uns erschienen.
Zeigen wir nicht allein hier, sondern auch
im profanen Leben, dass wir die erhabenen
Lehren unserer königlichen Kunst in vollster
Bruder- und Menschenliebe erfasst haben und
auch erfüllen wollen.
Es ist Hochmittag!
Die allliebende Hand des Schöpfers gab uns
das Licht. Die Sonne steht im Mittag und giebt
uns nicht allein Licht, auch Wärme.
Wir, me Brr, empfingen in diesen geheiligten
Räumen das geistige Licht der Maurerei, hier
empfanden wir zuerst die wahre Wärme echter
Bruderliebe, lassen Sie uns bestrebt sein dahin
zu arbeiten unsern Mitmenschen das geistige
Licht wahrer Erkenntniss zu bringen und Bruder-
und Nächstenliebe mit innigster Wärme zu ver¬
breiten.
Wir alle, me Brr, die wir heute zur Festes¬
feier vereinigt sind, fühlen die bei unserer Auf¬
nahme übernommene Verpflichtung das Werk
reinster Menschenliebe zu üben und uns an den
erhabenen Lehren unserer königlichen Kunst
aufs Neue zu kräftigen.
Wohl wird der Eine oder Andere durch die
Sorgen des täglichen profanen Lebens zum Theil
abgezogen; der göttliche Funke reinster Bruder¬
liebe, der in jeder Gestalt und Form heute an
uns herantritt, wird aber durch die Festfeier das
Gelübde aufs Neue kräftigen, für die Folge
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bestrebt zu bleiben, selbst in den schwierigsten
Lagen des Lebens nie ganz die Uebung des
freimaurerischen Berufs der reinsten Bruder- und
Nächstenliebe zu versäumen. Kräftigen Sie sich,
me Brr, durch die Symbole der heutigen Fest¬
feier zu diesem schönen Vorsatz!
Es ist Hochmittag!
Wer wird wohl gefühllos bleiben beim An¬
blicke der draussen grade in diesem Jab re so
besonders entwickelten Natur? Auch die Natur
feiert ihren Hochmittag. Jeder Baum, jeder
Strauch, jede Aehre und Blüte, jeder Käfer
und Schmetterling preisen die väterliche Liebe
des allmächtigen Baumeisters aller Welten, jedes
Geschöpf stimmt an ein Loblied auf die unaus¬
sprechliche Liebe und Güte des Allvaters.
Seine Liebe sorgt für alles Lebende, und dem
^Menschen als dem Ebenbilde Gottes ist dies
Alles in Liebe zur bescheidenen und vernunft-
gemässen Benutzung übergeben. Auch wir blicken
dankbar zum Geber allea Guten empor und er¬
kennen in der Natur die Bestimmung unserer
göttlichen Mission durch Ausübung wahrer Bruder-
und Menschenliebe die geeigneten Werkzeuge der
göttlichen allgemeinen Liebe sein zu sollen.-
Jeder von uns wird unzweifelhaft aus der
Natur die Lehre ziehen, dass, sowie der Allvater
das Füllhorn seiner Liebe über uns ausgiesst,
wir auch in Dankbarkeit seinen Willen auszu¬
führen uüs bestreben müssen. Dazu giebt uns
die Freimaurerei durch die Arbeit am rauhen
Steine der Selbsterkenntniss die besten Mittel.
-Auch wir selbst, me Brr, befinden uns
im Hochmittag!
Rosig erscheint uns im Vollbesitz der männ¬
lichen Kraft die Welt, gerne streben wir mit
Freuden für das Wohlbefinden unserer selbst
und unserer Angehörigen. Alle Vorsätze unsere
aufgeschobenen maurerischen Pflichten später er¬
füllen zu wollen, liegen nicht in unserem Ermessen.
Ein Hauch und unser letztes Stündlein hat ge¬
schlagen, dann sollen wir Rechenschaft ablegen;
möchte die Wage der Gerechtigkeit für uns,
me Brr, dann günstig stehen und wir das An¬
denken hinterlassen als wahre Maurer gelebt
zu haben. — —
Mögen die bei unserer Aufnahme erhaltenen
Handschuhe fleckenlos sein, der Schurz den Fleiss
und die Arbeit bekunden und die weisse Rose der
Reinheit und Wahrheit unser Grab zieren dürfen.
Wenn auch im profanen Leben Standes- und
Ranges-, wohl auch Vermögens Verhältnisse in
socialer Beziehung uns anscheinend trennen, ja
sogar unter uns absolut ausgeschlossene con-
fessionelle Unterschiede mitunter störend einzu¬
greifen drohen, bedenken wir, me Brr, dass
wir Alle Kinder eines Vaters sind, der alle
mit gleicher Liebe umfängt, streben wir daher
bei Zeiten ihm nachzueifern.
So wie die Natur und diese geheiligten
Räume uns beständig an Bruderliebe und all¬
gemeine Liebe gemahnen, so lassen Sie uns,
geliebte Brüder Freimaurer, bestrebt sein, die
beute hier aufs Neue empfangenen Eindrücke
ins profane Leben mitzunehmen zum Segen und
Nutzen der Freimaurerei im Allgemeinen, zu
unserer eigenen Befriedigung und aus Liebe zu
dieser unserer geliebten, gerechten und voll¬
kommenen St. Johannis-Loge zum Globus!
Engbund der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
6. Vortrag des Br F. Fuchs.
Br Voss zeigte grosses Talent bei der
Leitung der Loge. Genoss Br Eckold durch
seine Wirksamkeit im profanen Leben und durch
seinen durchaus ehrenhaften Charakter die Ach¬
tung der Brr und war es ihm dadurch mög¬
lich bei seinen freisinnigen Anschauungen auch
tief einschneidende Maassregeln durchzusetzen
und entstandene Misshelligkeiten, wenn auch nicht
immer auszugleichon, so doch niederzuhalten: so
wusste Br Voss durch Humanität und persön¬
liche Liebenswürdigkeit, sowie durch strenge Un~
Parteilichkeit die Herzen der Brr in hohem
Grade zu gewinnen. „Mit seltener Klugheit
wusste er entstandene Zwistigkeiten unter den
Brn auf die schonendste Weise auszugleichen
und nur selten war sein edles Bemühen ohne
Erfolg. Dabei hielt er strenge auf die Befolgung
der maurerischen Gesetze, rügte jegliche Ueber-
tretung, doch so, dass seine Rüge die Herzen
nicht erbitterte.“ Und das war zu jener Zeit
keine leichte Aufgabe. Den 5. September 1800
hielt er einen Vortrag „über die Glückselig¬
keit derjenigen Brr, welche vom zeitherigen
Kriegsschauplätze entfernt in Vereinigung brüder-
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lieber Harmonie ihre Arbeiten ruhig fortsetzen
können“ —; dieses Glück war der Loge zur
Linde zeither zwar zu Theil geworden, aber
desto heftiger war oft der kleine Krieg zwischen
den einzelnen Brn entbrannt. Br Voss sähe den.
Grand davon „in dem Mangel an maurerischen
Kenntnissen, in der oft fehlenden Bescheidenheit
der jüngeren Brr den älteren gegenüber und
in der Nichterfüllung des Maurereides.“ Nach
den jetzigen maurerischen Anschauungen ist es
geradezu unbegreiflich, wie man die oft recht
kleinlichen Zänkereien aus dem profanen Leben
vor das Forum der Loge bringen konnte und
es gehörte wirklich die sich immer gleichbleibende
Herzensgüte eines Voss dazu, um dabei nicht
missmuthig zu werden. Auch jetzt spukten wieder
bei einigen Brn „die höhere Erleuchtung und
die höheren Grade,“ die andere Brr nicht
anerkennen wollten und als „erschlichen“ be¬
trachteten. Br Voss traf hier eine sehr weise
Entscheidung. Er meinte: „wenn einzelne Brr
wirklich höhere Grade und damit höhere Er¬
leuchtung besitzen sollten, so möge ihnen diese
niemand streitig machen und es sei Sache solcher
Brr sich den Beweis dafür zu verschaffen,
um auch bei den in höheren Graden arbeitenden
Logen Zugang zu erlangen: — bei der Loge
zur Linde, die nur die drei Johannisgrado an¬
genommen, könne vqn höheren Graden keine
Rede sein, hier haben dieselben keine Geltung
und seien auch nicht zu erwähnen, noch sei viel
weniger darüber zu streiten.“ Die Grosse Landes¬
loge war mit der Hammerführung des Br Voss
vorzüglich zufrieden und es herrschte auch
zwischen ihr und der Linde jetzt der schon so
oft getrübte Friede. Wie die Loge zur Linde
vom Zwiespalt und Hader im Kleinen, so war
auch die Grosse Landesloge vom Parteihader
der Zeit und den vielfach sich breit machenden
reformatorischen Ideen in der Maurerei nicht
unberührt geblieben; ihr Verhalten der Grossloge
Royal York gegenüber war sehr gemissbilligt
worden, mehre Töchterlogen, denen die strengen
Maassnähmen der Mutterloge nicht zusagten,
hatten ihre Verbindung mit ihr aufgehoben,
unter ihnen die Loge zu den 3 Bergen in Frei¬
berg, von der der Grosssekretär Br Henne an
die Linde berichtete: „ihr ehemaliger Logen¬
meister Meissner habe mit einem Theile der
Brüderschaft dieser Loge ein System angenommen,
nach welchem t man sie nicht mehr als Frei¬
maurer anerkennen könne.“ — Die Grossloge
erliess unter dem 14. Juli 1802 an alle ihre
Töchterlogen ein ernstes Mahnschreiben, auszu¬
harren bei der ächten wahren Maurerei. In
demselben heisst es: „In diesen für die wahre
Freimaurerei so bedenklichen Zeiten, wo so
manche unberufene und unwissende Lehrer in
derselben auftreten, wo sogenannte Aufklärung
und Publicität ganz am Unrechten Orte gemiss-
braucht werden, haben die ersten Beamten der
Hochw. Grossen Landesloge lange bei sich an¬
gestanden, ob sie ferner stillschweigend und
ausdauernd ihren festen Gang fortsetzen sollten,
oder ob es gerathen sei, ein Wort der Er¬
mahnung und Aufmunterung, ein Wort der Be¬
lehrung und, wo es nöthig sein dürfte, der
brüderlichen Zurechtweisung an die Logen ihres
Sprengels ergehen zu lassen und ob dieses Wort
auch ein Wort zu seiner Zeit sein werde. .. .
Auf der einen Seite schien es unnöthig zu reden,
wo Handlungen sprechen. Da weder die Grosse
Landesloge noch die Brr in Berlin, welche diese
Grosse Landesloge ausmachen, in ihrem Gange
nie gewankt, nie von dem einmal betretenen
guten Woge gewichou, müsse dieses hinlänglich
sein, um alle wohlgesinnten, wahrheitliebenden
Brr auf demselben Wege unerschütterlich zu er¬
halten. . . . Auf der andern Seite sehen wir, dass
persönlicher und Logenbriefwechsel, grosse Ver¬
sprechungen von Aufschlüssen und Erklärungen,
einschmeichelnde und mitunter verfängliche und
treulose Zudringlichkeit, angewendet wurde, so
dass wirklich das rastlose Bestreben der Gegner
des Lichts nicht ohne Fortgang blieb. . . . Wir
bedachten, dass es Schuldigkeit sei, dem Falle,
den man vorhersieht, zuvorzukommen. . . . Wir
ergreifen also den Zeitpunkt, um Worte der
warnenden Liebe an Sie, gel. Brr, ergehen zu
lassen. . . . Sonderbar ist unsere jetzige Lage in
der Freimaurerei. Wir, die wir vor etlichen
dreissig Jahren für Aufklärer in derselben, für
Feinde alles Aberglaubens, aller Schwärmerei
galten, auch wohl als solche verschrieen wurden,
wir werden jetzt als Leute angeklagt, die licht¬
scheu am Alten kleben, die demselben mit blin¬
dem , übertriebenem Vertrauen zugethan sind.
Wir werden angeklagt, als ob wir die uns an¬
vertrauten Akten unserer Grundsätze ungeachtet
nicht unverändert beibehalten hätten, es wird
gesagt, diese Akten wären nicht, wie wir es
glaubten oder vorgäben, die wahren ursprüng¬
lichen Akten der Freimaurerei. . . . Prüfen Sie,
aus welchen Quellen diese Bemühungen fliessen.
Sind sie frei von Eigennutz, von Ruhmsucht,
von Sucht sich als Reformator aufzuwerfen? Ist
es reiner Eifer für das Wohl der Brüderschaft,
für die Ausbreitung der Wahrheit? Und wenn
es so wäre, an wen sollte man sich besser
wenden als an die Grosse Landesloge selbst? . . .
Ueberlegen Sie, dass Aufklärung und Publicität,
so gut sie auch an sich sein mögen, doch ihre
Grenze finden müssen, wenn erstere sich selbst
zernichtend nicht wieder zur Dunkelheit und
Verworrenheit führen, letztere aber nicht dadurch
schaden soll, dass sie die Erreichung gewisser
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Zwecke erschwert, wo nicht unmöglich macht. .. •
Ueberlegen Sie, wenn auch Verrätherei oder
Leichtsinn einen Theil unserer Akten bekannter,
als es wohl sein sollte, hatte werden lassen, es
doch unmöglich ist, diese Akten aus dergleichen
unvollständigen Bruchstücken richtig zu beur-
tbeilen. Ueberlegen Sie, dass ebengedachte Akten
weder von uns, noch wie es die Verleumdung
gern glauben machen möchte, von dem seligen
Br von Zmnendorf geschmiedet oder wenigstens
verändert worden, sondern von guten Brn uns
überliefert und von uns wiederum unsern Logen
unverändert mitgetheilt sind. ... Sollten wir
aber unsere Bemühungen, Wahrheit und Licht
ungekränkt zu erhalten, verkannt und gemiss-
deutet sehen, so werden wir uns mit dem Be¬
wusstsein unserer guten Absichten trösten und
eingedenk sein, dass dieses Loos zu allen Zeiten
die getroffen hat, die es sich angelegen sein
liessen, die goldene Mittelstrasse zu gehen, die
allein zum wahren Ziele bringen kann. u
Wir haben diesen Mahnruf der Grossen
Landesloge in grösserer Ausführlichkeit gegeben,
weil er einmal ein allgemeines Bild der Frei¬
maurerei zu jener Zeit entrollt, die specifische
Stellung der Grossen Landesloge in derselben
kennzeichnet und ausserdem so manches zwischen
den Zeilen lesen lässt. Ob er reiche Frucht
getragen ?-Bei der Loge zur Linde scheint
die Wirkung wenigstens nicht nachhaltig gewesen
zu sein.
Mit vielen Logen entwickelte sich unter Br
Voss’ Leitung der Loge ein lebhafter Verkehr;
Besuchende sammelten sich aus allen Himmels¬
gegenden, besonders zur Zeit der damals lange
währenden Messen, für deren Dauer man das
Logonlokal zum ausschliesslichen Gebrauch er-
miethet hatte. Das Freundschaftsverhältniss mit
der Schwesterloge Minerva wurde von beiden
Seiten mit grosser Sorgfalt gepflegt, mit der
Loge Apollo zu den -3 Akazien, die man als
Winkeiloga „zur grünenden Eiche* 1 gemieden,
trat man in gleich freundnachbarliche Beziehungen,
als dieselbe 1805 eine Constitution von dem
Provinzial -Grossmeister der unter der Grossen
Loge zu London arbeitenden Niedersächsischen
Logen Johann Philipp Beckmann durch den
deput. Grossmeister Br Schröder erhalten hatte.
Am Schlüsse des Jahrhunderts, den 31. De-
cember 1800, feierte die Loge das erste
Schwestemfest; von der dabei gesammelten Kol¬
lekte von 149 Thlr. 6 Gr. wurden allein 125 Thlr.
an das hiesige neu entstandene Arbeitshaus für
Freiwillige abgeliefert. Dieses war keineswegs
eine Strafanstalt, sondern ein Institut, in welchem
Töchtern wenig bemittelter Eltern nicht mir un¬
entgeltlich Unterricht in Handarbeiten ertheilt,
sondern auch für die gelieferten Produkte an
Strümpfen, Wäsche etc., wozu die Anstalt das
Material lieferte, eine Vergütung gewährt wurde.
Zugleich war damit eine Volksschule verbunden,
die unter den städtischen Schulanstalten einen
ehrenvollen Platz einnahm. Nur erst in neuerer
Zeit, als der Unterricht in weiblichen Hand¬
arbeiten obligatorisch geworden war, wurde das
Institut aufgehoben. Das Fest hatte gefallen
und wurde zum nächsten Sylvester wiederholt —
die Armensammlung ergab die erkleckliche Summe
von 148 Thlr. 18 Gr. Das 25jährige Stiftungs¬
fest der Loge wurde am 1. Mai 1801 begangen
und dabei „eine besondere Kantate“ aufgeführt.
Auch hatte man 8 Tafellieder drucken lassen,
von denen das letzte lautet:
Brüder streckt nun die Gewehre,
Unser Tagwerk ist gethan.
0 wer doch vollendet wäre
Und ein wirklich freier Mann!
Tag und Nacht in Freud* und Schmerzen
Such ein jeder es von Herzen,
Geb* noch hier darauf sein Wort
Und geh* dann in Frieden fort.
Gute Nacht, und fröhlich Leben,
Eh’ wir aus einander gehn!
Gute Nacht! und Gott wird geben,
Dass wir uns hier wieder sehn!
Würde einer hingenommen,
Sollt* er hier nicht wieder kommeii,
Hätte Gott das so bedacht,
Auch dem Bruder gute Nacht!
Die letzte Zeit seiner Hammerführung wurde
dem Br Voss vielfach verbittert. Die in diese Zeit
fallenden Wirrnisse mit den Brn Bracke und
Hoffmann, welche man zur Zahlung des der
Loge durch Schlegel erwachsenen Deficits nöthigen
wollte, sind bereits erwähnt. Ein ähnlicher
Competenzstreit zwischen der Grossen Landes¬
loge und der Loge zur Linde war wegen Br
Schuffenhauer, welcher sich schon früher einmal
über den Logenmeister Eckold bei der Grossloge
beschwert hatte, entstanden. Schuffenhauer war
„wegen Sucht zu widersprechen, durch ernstliche
Bemühungen Parteien zu formiren und den jungen
Brn die wohlgemeinten Absichten der älteren
Brr verdächtig zu machen und jene gegen diese
aufzuwiegeln genöthigt worden die Loge zu
decken, bis er das Vertrauen der Brr wieder
erworben.“ Schuffenhauer stellte diese Be¬
schuldigungen in Abrede und verlangte Beweise
für dieselben. Die von Br Schuffenhauer um
Schutz augerufene Grossloge forderte ebenfalls
„eine kurze, bestimmte und deutliche Beant¬
wortung der Anklage, indem es sonst ein Leichtes
wäre joden noch so rechtschaffenen Br durch
dergleichen allgemeine unbestimmte Beschul¬
digungen aus der Loge zu entfernen.“ Schuffen-
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hauer hatte ferner behauptet, „seine Deckung
sei nicht freiwillig geschehen, es sei auch nicht
wahr, dass er an einem Logcntago im Ankleide¬
zimmer gesagt: er erscheine im Aufträge der
Grossen Landesloge, sondern: er suche auf Ge-
heiss der Grossen Landesloge seine Verthei-
digung.“ Endlich sei Br Schuffenhauer „auf
Grund der allgemeinen Stimmung der Brr gegen
ihn excludirt worden, welche Stimmung Schuffen¬
hauer ebenfalls bezweifle,“ — es wurde der
Loge nun aufgegeben, die vidimirte Abschrift
der darauf bezüglichen Protokolle an die Grosse
Landesloge einzusenden, was anfangs verweigert
wurde, schliesslich aber doch geschah. „Aus
dieser Darlegung der Sache“ — sagte die Grosse
Landesloge — „ergiebt sich von selbst, dass
Br Schuffenhauer berechtigt war und ist, gegen
das Verfahren der Loge bei der Grossen Landes¬
loge zu appelliren, dass es deren Pflicht ist, die
Appellation anzunehmen und sie das gegründete
Recht hat die betreffenden Protokolle zu ver¬
langen, ohne dadurch der Gerechtigkeitliebe der
Loge zur Linde im geringsten nahe zu treten.“
Nach Einsichtnahme der Protokolle erklärte die
Grosse Landesloge, „dass die Loge zur Linde
bei der Excludirung ihres ehemaligen Mitgliedes
Schuffenhauer gesetzlich gehandelt habe und
derselbe vom Orden gänzlich auszuschliessen sei,
was ihm auch die Grosse Landesloge eröffnet
habe.“
In einem unter dem 12. März 1805 an die
Grosse Landesloge gerichteten Schreiben, von
welchem der Entwurf sich in den Akten be¬
findet , wird borichtet, „dass ein gewisser Hof-
und Justizrath von Brandt im Aufträge der Loge
zu den 3 Degen und wahren Freunden in
Dresden an sämmtliche Logen Sachsens die
Aufforderung gerichtet habe, einen gemeinschaft¬
lichen grossen Verein zu bilden, um sich von
dem Einfluss auswärtiger Grosslogen unabhängig
zu machen und er habe dazu die Grundlinien
vorgezeichnet.“ — Es waren dies die ersten
Vorbereitungen zu der 1811 in’s Leben getretenen
Grossen Landesloge von Sachsen. „Die Loge zur
Linde habe dieser Aufforderung kein Gehör ge-
gegeben, sei aber als die einzige Tochter der
Grossen Landesloge von Deutschland in Sachsen
in grosse Misshelligkeiten gerathen, denn nicht
nur werde sie wegen dieser abgelehnten Con-
föderation von der hiesigen Loge Minerva stolz
und unmaurerisch behandelt und von derselben
der Same der Zwietracht in die Herzen der Brr
gestreut, auch die Altenburger Loge habe einen
unerträglich stolzen, unfreundlichen und inhu¬
manen Ton in ihrem letzten Schreiben ange¬
nommen.“ (Die Loge zu Altenburg hatte bei
Einweihung ihres neuen Logenhauses die von
ihr gegründete Loge [zu Gera als Tochterloge
proklamirt, worüber die Brr der Loge zur Linde,
die sich bei der Feierlichkeit betheiligt, ihre
Befremdung ausgesprochen hatten. Die Grosse
Landesloge erklärt darauf die Loge zu Gera für
ungesetzlich und verlangt von ihrer Tochterloge
alle Verbindung mit den beiden Logen zu Alten¬
burg und Gera bis auf Weiteres einzustellen.)
„Dieser Zustand sei auf die Dauer unbestehbar;
solle die Loge zur Linde eine nachdrucksvolle
Ueberlegenheit und Autorität gegen alle sie um¬
gebenden Schwesterlogen erhalten, so möge die
Hochw. Grosse Landesloge die dringende Bitte
erfüllen und ihre Tochter zur Linde zur Provinzial-
Loge von Obersachsen sobald als möglich pro-
klamiren.“ Das Schreiben scheint aber nicht
abgegangen zu sein, wenigstens findet sich keine
Antwort in den Akten; — doch scheint die
Grosse Landesloge von dem Vorhaben Wind be¬
kommen zu haben, denn sie fordert das Proto¬
koll von der den 12. März 1805 gehaltenen
Meisterkonferenz, erhält aber zur Antwort: „dies
sei nicht möglich, denn es habe an diesem Tage
keine Meisterkonferenz stattgefunden.“
Unter diesen ungünstigen Auspicien über¬
nahm der zeitherige dep. Mstr Br Carl Gott¬
lieb Plato, Direktor der Rathsfreischule zu
Leipzig, den 23. September 1805 die Leitung
der Loge und behielt dieselbe bis zur Wahlloge
den 7. August 1807. Die Grossloge war mit
dieser Wahl sehr zufrieden, der Grossmeister
Br von Castilion sagt in einem an Br Plato ge¬
richteten Briefe: „Meine Theilnahme an Ihrer
Ernennung zum Logenmeister ist um so auf¬
richtiger, als ich selbst ein Gelehrter und Logen¬
meister aus Erfahrung weiss, wie vorteilhaft
die erste Eigenschaft auf die zweite einwirken
kann und umgekehrt die zweite auf die erste.
Unter allen Menschen, welche dem Staate dienen,
im Staate leben und durch ihren Fleiss sich er¬
nähren, ist der Gelehrte am wenigsten gebunden,
am meisten von Rücksichten frei und muss
natürlicherweise auch am wirksamsten sein in
einer Verbindung, wo nur die Stimme der Wahr¬
heit herrschen soll, die Mitglieder derselben in
Ordnung, Liebe und Eintracht zu erhalten und
zu einem Ziele zu lenken. Auf der andern
Seite ist die Freimaurerei eine treffliche Schule
der Menschenkenntniss, die dem Gelehrten, welcher
nur unter seinen Büchern lebt, mehrentheils ab¬
geht.“ —
Unter ihm erhielt die Loge zur Linde die
dritte Constitution von der Grossen Landesloge
zu Berlin. Man wollte den Namen des früheren
unglücklichen Logonmeisters Schlegel, „dessen
Andenken nicht nur für unsere Loge überhaupt
nicht ehrenvoll sein kann, sondern das auch selbst
auf jüngere und auf fremde Brr unmöglich einen
vortheilhaften Eindruck machen kann,“ nicht
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mehr in der Stiftungsurkunde sehen. Man bat
um eine neue Urkunde, ausgefertigt auf die
Namen sämmtlicher damaligen Meister der Loge,
aber unter Beibehaltung ihrer Matrikelnummer
und unbeschadet des Alters derselben. Die
Grosse Landesloge war bereit auf diesen Wunsch
einzugehen, wenn sich sämmtliche. Brr Meister
verpflichteten, einen ihnen vorgelegten Revers
zu unterzeichnen und mit ihrem Siegel zu ver¬
sehen. Daran scheiterte jedoch das Verlangen
die Namen sämmtlicher Meister in der Urkunde
zu sehen. Wohl mochten schon einige Exem¬
plare des Reverses verdorben sein bei der vor¬
genommenen Unterschrift und Besiegelung, als
man beschloss, die Urkunde nur auf die Namen
der gegenwärtigen Beamten auszustellen. Sie
wurde ausgefertigt unter „dem 4. Tag der 2.
Woche des 1. Monats im Jahre der Freimaurerei
5806 und im Jahre des Herrn 1806. u Nach
diesem Revers „geloben wir für uns und unsere
Nachfolger auf Freimaurer-Brudertreue und
Glauben“ :
„sowohl sämmtlichen in den uns vormals über¬
lieferten Handlungen der drei ersten Freimaurer¬
grade befindlichen, als auch der von der Grossen
Landesloge zu Berlin besonders ertheilten oder
noch gesetzmässig zu erlassenden Verordnungen
schuldig, willig und unverbrüchlich jederzeit nach¬
zuleben ;
von unserm Thun und Lassen auch, insoweit
es die drei ersten Grade der Freimaurerei und
was dazu gehört, gesetzmässig anbetrifft, bei der
Grossen Landesloge zu Berlin pflichtmässig Rede
und Antwort zu geben und derselben Zurecht¬
weisungen und Entscheidungen hierüber nicht
weigern schuldig anzunehmen und zu befolgen;
Constitution und Akten bis zu einer andern
Verfügung unter drei verschiedenen Schlössern
und Schlüsseln, wovon der Logenmeister den
einen und die beiden Brr Aufseher die andern
in Verwahrung haben, zu verwahren und Con¬
stitution und Akten unweigerlich zurück zu geben,
sobald solche von der Hochw. Grossen Landes¬
loge von Deutschland zu Berlin sollten zurück
verlangt worden, oder wir uns bestimmen möchten,
gedachte Grosse Landesloge zu verlassen, und
dieses ohne uns je zu erlauben eine Abschrift
von diesen Akten zu nehmen oder nehmen zu
lassen.“
Unter dem 19. Juli 1806 theilte die Grosse
Landesloge mit, dass sie beschlossen habe, „mit
der Loge Royal York wieder in ein brüderliches
Verhältniss zu treten und sandte ihren Töchter¬
logen einen von den Brn Grossbeamten und
mehren älteren Brn genehmigten unterrichtenden
und erklärenden Aufsatz, der in einer Loge
oder Versammlung, wozu einzig und allein die
Mitglieder der Loge zur Linde mit Ausschluss
aller Brr anderer Logen eingeladen und zugegen
sein müssten, vom Logenmeister vorzulesen sei
und dann bei den Logenakten eben so sorgfältig
wie diese bewahrt werden müsse, damit nie eine
Abschrift davon in andere Hände gerathen
könne.“ Dieses geheimnissvolle Schriftstück ist
jedoch in den Logenakten nicht zu finden, jeden¬
falls später mit der zurückgegebenen Constitution
nach Berlin gegangen.
Mit der Grossen Landesloge lebte die Linde
unter Platos Hammerführung zwar in Frieden,
aber die äusseren Verhältnisse waren traurig.
Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena war
auch Leipzig von den Franzosen überschwemmt;
das Logenlokal hatten französische Commissarien
zu einer Schneiderwerkstatt für ihr Heer ein¬
gerichtet. Die Dekorationen der Loge verwahrte
Br M. Regis, Diakonus zu St. Nikolai und da¬
mals Redner der Loge, in seiner Amtswohnung,
die nur spärlich besuchten Logenversammlungen
und Conferenzen wurden meist in Br Angermanns
Hause abgehalten und man ging ernstlich damit
um, die Logenarbeiten zu suspendiren. Zwar
spross manche schöne Blüte maurerischer Wohl-
thätigkeit in dieser traurigen Zeit, doch musste
auch Br Plato klagen, „dass man nicht selten
einen verderblichen Missbrauch wahrnehmen müsse,
welchen nicht selten zudringliche Trägheit von
der maurerischen Wohlthätigkeit mache.“
Die äusseren Verhältnisse übten ihren Rück¬
schlag auch auf die inneren der Loge aus. Hier
wie dort Zank und Streit, Zwietracht und Par¬
teiung überall; cs scheint dem Br Plato die
„Energie“ des Br Eckold und die „eigentüm¬
liche Herzlichkeit und Leidenschaftslosigkeit“ des
Br Voss abgegangen zu sein, die zwieträchtigen
Gemüther zu beherrschen und zu versöhnen. Die
Logenberichte aus jener Zeit sind sehr dürftig, so
dass man Manches zwischen den Zeilen lesen muss.
Befremdlich aber ist, dass eine Anzahl Brr wegen
geringfügiger Ursachen auf Zeit suspendirt wurden,
noch befremdender, dass gerade die tüchtigsten
Brr, wie Voss und Limburger, in der letzten Zeit
von Platos Hammerführung die Loge deckten
und nach Platos Abgang sofort die Deckung auf¬
hoben, ebenso muss man sich verwundern, dass
Br Plato in der Wahlloge 1807 nur eine Stimme
erhielt.
Wenn eine spätere Erklärung, die gedruckt
in die Maurerwelt hinaus ging, sagt, „dass Br
Plato zu dem Geschäft eines Logenmeisters nicht
geeignet sei, weil er die etwanigen Deliberationen
ihren ruhigen Gang gehen zu lassen nicht Bedacht-
samkeit genug habe, durch laut geäusserte Herrsch¬
sucht die Gemüther der Brr von sich entferne,
nur seine Meinung als die einzig wahre, jede
brüderliche Bemerkung oder Berichtigung aber
als grundlosen Widerspruch ansehe, fremdartige
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Gegenstände mit dem Wesen der Maurerei zu
verbinden suche und profane Ereignisse unter Bm
in die Logenarbeiten zu verflechten bemüht sei,“
so mag das mehr oder weniger begründet gewesen
sein, wenn man aber dem im profanen Leben
hochgeachteten Mann „Lieblosigkeit“ vorwirft und
ihn als einen „für die Loge immerhin gefährlichen
Mann“ hinstellt, so mochte wohl die Erbitterung
der Brr über die nach seinem Abgang als Logen¬
meister über die Loge hereingebrochenen Wirren,
als deren nächste Veranlassung und treibende
Kraft man ihn hauptsächlich ansah, ihr gut Theil
dazu beitragen.
Uraltes - Ewigneues.
Aus meiner im Drucke befindlichen „Nach¬
dichtung derTragödien desAeschylos“ theile
nachstehende Gesänge mit, welche beweisen, dass in
der älteste» Zeit des Culturlebens der Monschheit (vor
anderthalb tausend Jahren) dieselben sittlich religiösen
Anschauungen Anerkennung und Aussprache gefunden
haben, welche noch jetzt von allen edlen und reinen
Geistern gehegt und gepflegt werden. 0. Marbach.
Der Wille Gottes.
Heil erwächst aus Gottes Rath,
Ob der blinde Mensch ihn auch verkennet;
Gottes Wille wird zur That,
Nacht vergeht und heller Tag entbrennet.
Will es Gott, so wird’s geschehn,
Wird gelingen, wird zum Ziel gedeihen,
Mag der Weg durch Nebel gehn,
Ueber Schlünde und durch Wüsteneien.
Nieder weht mit seinem Hauch
Gott der Thoren stolze Wunderwerke,
Und es wird verzehrt ihr Rauch
Von der Flamme ewiger Gottesstärke.
Ohne Schwert und ohne Schild
Siegt der Herr, der thront im heiligen Lichte,
Alles wird, wie Er gewillt:
Doch was widerstrebt, das wird zunichte! —
Lob Gottes.
Lasst unsern Gott uns preisen,
Ihn loben stets aufs Neu,
Er mög an uns erweisen
Sein Lieb und Vatertreu!
Es rausche allzeit reich und hell
Uns ewigen Heiles Gnadenquell!
Mit seiner Allmacht Stärke
Erschafft er seine Welt,
Und seiner Weisheit Werke
Sind, wie es ihm gefällt.
Ja, sein ist Herrlichkeit und Pracht,
Und was er denkt, das ist vollbracht!
Segenslied.
Du edles Volk, in Ehren
Gedeihe allezeit:
Nie möge dich versehren
Krankheit und Herzeleid!
Von Siegen schreit tu Siegen
Im stets gerechten Streit;
Nie sollst du unterliegen
Vor Feindes Hass und Neid!
Nie soll dein Land benetzen
Der eignen Bürger Blut;
Nie möge dich verletzen
Der Frevel sündiger Glut!
Auf deinen Hochaltären
Soll brennen Opferbrand
Vor andachtvollen Sehaaren
Zu schirmen Stadt und Landl
Stets soll in hohen Ehren
Dein Herrscherstamm gedeihn,
Und fröhlich sich vermehren
In Glückes Sonnenschein!
Stets bleibe Zwietracht ferne
Und Bruder-Zwist und -Mord,
Es sollen Friedenssterne
Dir leuchten fort und fort!
Gesegnet sollen werden
Mit Frucht die Felder dein
Und fröhlich deine Herden
Auf grüner Trift gedeihn!
Die Stadt soll wiederhallen
Von froher Menschen Sang!
Die Lieder sollen schallen
Aus reinstem Herzensdrang!
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipaig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipaig.
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Septbr. 1882
9. Jahrg. Nr. 9. Am Reissbrete.
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswal d Marbach.
Das Blatt wird voreagsweise Beiträge bringen, die in den LogenTersam ml äugen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimanrerischen Correspondem-Burean’s. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zngeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine Insertionsgebfthr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Im Vorbereitungszimmer. — Die Wanderung der Gesellen. — Zur Geschichte der
Loge Balduin zur Linde. — Aus der Väter Zeiten. — Aus dem Correspondens-
Bure&u. — Anzeigen.
Im Vorbereitungsziminer
soll auf die Seelen der Aufzunehmenden und der
Zubefördernden gewirkt werden, um sie empfäng¬
licher zu machen fQr die feierlichen Handlungen,
welche im Arbeitsaale der Loge mit ihnen vor¬
genommen werden. Es geschieht dies im Allge¬
meinen durch Ansprachen des Vorbereitenden und
durch Inschriften, die an den Wänden des Vor¬
bereitungszimmers angebracht sind. Die An¬
sprachen des Vorbereitenden haben das Bedenkliche,
dass, wenn sie frei gehalten werden, nicht auf
bestimmte bei jeder Vorbereitung sich wieder¬
holende Worte sich beschränken, sie leicht in schein¬
baren oder wirklichen Widerspruch mit dem
gerathen können, was nachher im Arbeitsaale
gesprochen wird. Dann können sie nur nach¬
theilig wirken. Aber auch wenn das nicht der Fall
ist, so ist doch immer ihre Wirkung eine rasch
vorübergehende und abhängig von der Stimmung,
in welcher die, an welche sie gerichtet sind,
eben sich befinden. In der Regel laufen diese
Ansprachen darauf hinaus, dass schliesslich die
Hörenden zum stillen Nachdenken über das
Vernommene aufgefordert werden. Denselben
Zweck: zum Nachdenken anzuregen, haben auch
die an den Wänden des Vorbereitungszimmers
angebrachten Inschriften. Sie werden unter Um¬
ständen wirksamer sich erweisen als die Ansprache
des Vorbereitenden, besonders wenn dieser die
Aufmerksamkeit auf sie hinlenkt und zum Nach¬
denken über ihre Bedeutung auffordert. Schon
durch ihre lapidare Fassung regen sie an und,
da sie nicht wie das gesprochene Wort rasch
vorübergehen am Geiste des Lesenden, lassen sie
diesem Zeit ihr Verständniss seiner persönlichen
Eigenheit gemäss sich ins Bewusstsein zu bringen.
Sind diese Inschriften, wie sich gehört, in allgemein
verständlicher Redeweise gehalten, so sind sie
um so mehr geeignet das Verständniss der sym¬
bolischen Darstellungsweise vorzubereiten, deren
sich die Frmr bedienen um verwandte Gedanken
nach der ganzen Fülle ihres Reichthums zu
offenbaren. Es wird schwerlich eine deutsche
Loge geben, welche nicht solche Inschriften besitzt,
die an den Wänden des Vorbereitungszimmers
aufgehängt werden, jenachdem Suchende für
die Aufnahme, oder Lehrlinge für die Beförderung
in den Gesellengrad, oder endlich Gesellen für
die Beförderung in den Meistergrad vorbereitet
werden sollen. Die Brr hangen, wie ich weiss,
mit Pietät an diesen aus der Väter Zeiten über¬
lieferten Inschriften; aber diese sind, wenigstens
die mir bekannten, darum, weil sie sich der zu
der Väter Zeiten allgemein verständlichen Rede¬
weise bedienen, nicht aber der gegenwärtig
gebräuchlichen Ausdrucksweise, jetzt minder an¬
sprechend und anregend, als sie einst waren.
Die wahre Pietät soll sich auf den Inhalt, nicht
auf die Form beziehen, sonst hindert sie jeden
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66
geistigen Fortschritt. Man wird also die In¬
schriften zeitgemäss machen müssen, aber ja
nicht, indem man sie verflacht, sondern indem
man sie vertieft: was die Väter sagten in ihrer
Weise, das sollen wir auszusprechen suchen in
unserer Weise, um den Gedankeninhalt, welcher
nicht von heute und gestern ist, sondern von
Ewigkeit, so vollkommen als uns möglich und in
für die Jetztlebenden verständlicher Weise zum
Ausdrucke zu bringen, ln der Form haben wir
ja doch wohl Fortschritte gemacht das bringt
die Entwickelung der Menschheit mit sich.
Aus diesem Bestreben sind die nachfolgenden
Fassungen der Inschriften im Vorbereitungszimmer
hervorgegangen.
Im Lehrlingsgrade.
1. Wen die Neugier hergeführt, der kehre
um, denn er wird nicht befriedigt
werden. — Wer der Eitelkeit huldigt,
der fliehe von hinnen, bevor er gede-
müthigt wird. — Wessen Herz Eigen¬
sucht hegt, der wende sich von uns,
denn hier ist nicht zu finden, was er
sucht.
2. Ohne Furcht sei, wer hier eintritt, denn
ernste Prüfungen stehen ihm bevor. —
Ohne Hoffhung sei der Suchende, denn
nicht um des Lohnes willen wird hier
gearbeitet. — Ohne Ehrgeiz sei, wer
weilen will in diesem Hause, denn hier
verkehren nur Gleiche mit Gleichen.
3. Wer reinen Herzens ist, den heissen
wir willkommen. — Wer das Gute will,
weil er seine Freude an ihm hat, den
empfangen wir mit offenen Armen. —
Wer nach Weisheit strebt, den machen
wir zum Genossen unseres Friedens¬
bundes.
Da wo die „dunkle Kammer“ noch in Gebrauch
ist, dürften in derselben folgende Inschriften anzu¬
bringen sein:
1. Lerne schweigen — lass deine Thaten
für dich sprechen.
2. Meide Vorurtheile — um deine Würde
zu wahren.
3. Gehorche der Vernunft — um deiner
Freiheit dich zu freuen.
Im Gesellengrade.
1. Pflege der Freundschaft, welche aus
dem gemeinsamen Streben nach sitt¬
licher Vollkommenheit hervorgeht, —
auf der Duldsamkeit gegen Anders¬
denkende beruht, — zur Achtung
menschlichen Wesens führt, als welches
zur Gottähnlichkeit berufen und be¬
fähigt ist.
2. Erbaue dich an den Werken der Kunst,
welche alles Natürliche verklären und
vergeistigen, — menschliches Dasein er¬
heitern und veredeln, — über die Zeit¬
lichkeit zur Ewigkeit erheben.
3. Verbinde dich mit deinen Brüdern zur
Wahrhaftigkeit gegen dich selbst und
gegen Andere, — zur Linderung der
Noth und Förderung des Wohler¬
gehens der Menschen, — zur Gewinnung
schöpferischer Stärke im Vollbringen
des Gotteswillens.
Im Meistergrade.
L Sohau in die Welt: es geht kein Sonnen¬
stäubchen verloren, — die irdischen
Dinge wechseln nur die Gestalt, — aber
die Gesetze, nach denen sie sich ver¬
ändern, sind ohne Wandel.
2. Schau in dich selbst: deine Seele ist
erfüllt mit untrüglichen Empfindungen
und ewigen Gedanken; — wenn dein
Leib sich auflöst in seine Bestandtheile,
so hören darum deine wahren Empfin¬
dungen und Gedanken nicht auf; —
in ihnen ist dir unsterbliches Leben
beschieden.
3. Schau auf den Schöpfer der Welt und
deiner selbst: wird er das Sonnenstäub¬
chen erhalten und den Menschengeist
verderben? — kann die Wirklichkeit
etwas anderes sein als die Wahrheit ? —
ist die Schönheit der Natur und des
Geistes nicht eine Bürgschaft dafür,
dass der Tod nur nichtiger Schein ist,
welcher den Triumph des ewigen Lebens
vor irdischen Augen verbirgt?
Br 0. Marbach.
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Die Wanderung der Gesellen.
Vortrag gehalten in der Loge Albert zur Eintracht im
Orient Grimma von Br F. Nietzold.
Wie die Natur iu der Dämmerung, im
Morgen, im Mittag, in der Saat, in Blüte # und
Frucht, im Kindes-, Jünglings- und Mannesalter
mit ihrer Allen verständlichen Sprache das ewige
Naturgesetz des Wachsens und Fortschreitens,
des Ueberganges vom Kleinen und Schwachen zum
Grössern und Siärkern, vom Mangelhaften zum
Vollendeten, jene heilige Norm des Vollkommoner-
werdens aus spricht, so deutet auch unsere k. K.
mit dem symbolischen Namen des Lehrlings,
Gesellen und Meisters die Fähigkeit und Würdig¬
keit der am grossen Bau Arbeitenden an und füljrt
auf dieser Stufenleiter nach Oben zum Licht.
Darum bewegen Gefühle der Erhebung einen
Br Lehrling, wenn es ihm vergönnt ist, einen
Schritt aufwärts thun und durch die Weihe zum
Gesellen dem maurerischen Lichte sich nähern
zu können. Doch er blickt auch zurück und
fragt sich prüfend: War auch stets dein Herz
geöffnet, wenn du in der geöffneten Loge sassest?
Wenn die Lichter dir entgegenleuchteten, leuch¬
tete auch dein Eifer? Wenn vor dir aufgerollt
lag der Bauriss, war auch stets das Buch deiner
Seele aufgeschlagen? Wenn die Werkzeuge bereit
waren, waren es auch deine Hände? Vermochte
immer aus der symbolischen Höhe jener Säulen
im Tempel Weisheit in dein Denken und Sinnen,
Kraft und Nachdruck in dein Wollen und Streben y
Sinn für wahre Anmuth in dein Gefühl hineinzu¬
dringen? Hast du mit Winkelmaass, Maasstab
und Spitzhammer am rohen Stein des Herzens
gearbeitet, dass er sich zum kubischen Stein
herausgebildet hat und sich einfügen lässt in den
grossen Tempel des Menschheitsbundes. Dann
kommt wohl demBrLehrling der berechtigte Zweifel,
ob sein Herz stark genug sei, den höheren Glanz
des Lichtes zu ertragen, ob‘seine Kräfte den
gesteigerten Anforderungen gewachsen seien, ob
namentlich sein Herz weit und empfänglich genug
sein werde alle, die am grossen Bau neben ihm
arbeiten, umfassen zu können. Und vor seinen
Geist führen die Genien der Erinnerung die
ernsten und lieblichen Bilder und Erscheinungen
jener Weihestunden, in denen er sich anreihete
an die Bruderkette, sie lassen ihm die Empfin¬
dungen noch einmal durch das Herz zittern,
deren stummer Ausdruck im feuchten Auge damals
glänzte. Er denkt jener schönen Augenblicke,
als er in der matterleuchteten Kammer der Selbst¬
beschauung sich hingab, als weiter die sein Auge
verhüllende Binde fiel, als er das Licht erblickend
schmerzlich zusammenzuckte, als er im Glanz
der drei geweihten Lichter um sich und um den
geweihten Altar herum Hand in Hand die Kette
der Brüder schaute, aus deren Augen ihm mild
die Flamme der Liebe leuchtete, als der Druck
der Hand ihm zum ersten Male den Pulsschlag
der Herzen, die Liebe der Brr empfinden Hess.
Aehnliche feierliche Augenblicke erwarten den
Br Lehrling jetzf wieder, ähnliche Empfindungen
sollen wieder sein Herz erfüllen, eine neue Weihe
soll er empfangen, die sich um so segensreicher
an seinem Herzen erweisen wird, je inniger er
von derselben ergriffen ist. Doch die Weihe¬
stunden der Aufnahme in den Bund sind ganz
verschieden von denen der Beförderung zum
Gesellen; dort ohne frme Bekleidung, ohne Geld
und Gut, mit verbundenen Augen, hier mit offenen
Augen im maurerischen Schurz, dort allein, dem
Nachdenken und der Selbstbeschauung überlassen,
hier in Gesellschaft voll Freude und Hoffnung,
dort hilflos, von sorgsamen Händen beschützt,
geleitet, seiner Bestimmung entgegengeführt, hier
selbständig, mit Brn in eine Kette geschlungen,
auf dem Wege der Wahrheit vorwärts schreitend;
dort oft vou Gefahren erschreckt, hier von dem
Gesang der Brr aufgemuntert, dort das Bild
eines schwachen, hilflosen Neugebornen, umgeben
von Gefahren und Schrecken unter dem Schutz
treuer Eltern, hier das Bild des durch Erziehung,
Fleiss, Erfahrung und Umgang gebildeten Mannes,
der mit dem vollen Gefühl seiner Kraft in frisch
geknüpften Verbindungen voll Hoffnung seine
Laufbahn beginnt, die Beschwerden des Lebens
kämpfend überwindet um .zur gleichmässigen
Fassung seines Gemüths und zum Genüsse der
Ruhe zu gelangen.
Besonders dreierlei in der Gesellen¬
wanderung eigenartig, und diesem wollen wir
unsere Anfmerksamkeit schenken.
Sie ist 1. eine gemeinsame Wanderung
in der Kette mit andern Brrn.
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Wie der Gesell zur Blütezeit der Baukunst
im Mittelalter ein Wanderleben führte nach den
verschiedenen Bauhütten Deutschlands, von den
schneegekrönten Alpen des Südens in die sandigen
Ebenen an den Küsten der Nord- und Ostsee,
von den weinbepflanzten Bergen des Rheins bis
an die grasreichen Ebenen der Donau zog, von
Zürich nach Köln, von Strassburg nach Wien
sich auf die Fahrt begab und in die Bauhütten
und auf die Bauplätze, durch Wort, Zeichen, Gruss
und Handschenk Zutritt erhielt, sich überall in
der Kunst vervollkommnete, überall kunstgerechte
Gesellenarbeit lieferte und endlich ein rechter
Werkmeister wurde: so bleibt auch der Frei¬
maurergesell, nachdem er in der Werkstätte der
Loge den rohen Stein als fleissiger Steinmetz
prüfen und behauen gelernt hat, nicht in der
Bauhütte, sondern tritt hinaus aus derselben in
die reiche Welt, die vor ihm und um ihn sich
ausbreitet, und sucht nun zu zeigen und zu be¬
währen, was er als Lehrling an frmn Lehren und
Grundsätzen aufgenommen. Aber die Säule B.,
die ihm beim Verlassen des Tempels zur Rechten
leuchtet und aus der ihm entgegentönt: „Der
Herr wird dich stärken I w macht ihn bedenklich
im allzugrossen Vertrauen auf seine eigene Kraft.
Und gar bald lernt er fühlen, dass ihm noch
viel an der Vollkommenheit in der Kunst fehlt,
dass er noch kein rechtschaffenes Gesellenstück
aufzuweisen vermag, er lernt erkennen, dass er
in der Vereinzelung weder für sich selbst, noch
für die Menschheit etwas zu leisten vermag.
Darum tritt der Freimaurergesell mit anderen,
die gleiches Streben nach Wahrheit, allem Guten
und Edlen beseelt, in die Kette, Es strömt in
sein Herz das geistige Blut der Brr, Ein Puls¬
schlag bewegt die Herzen Aller wie Ein Herz,
die Bruderliebe durchläuft die Kette und schliesst
die Herzen in einen Flamraenzirkel. Es ent¬
wickelt sich jene Blutfreundschaft, die in der
Harmonie der Seelen festwurzelt. So in brüder¬
licher Vereinigung, Herz bei Herz, umschwebt
von dem Genius der edelsten, freiesten Menschheit,
verwandelt sich s^ine Schwäche in Stärke,
schreitet er auf dem Wege der Wahrheit aufwärts,
lernt er sein Herz zum glatten cubischen Stein
vollenden, lernt er mit Nachdenken und Fleiss,
Ruhe und Besonnenheit seine Arbeit treiben,
durch Selbstprüfung, Selbstuntersuchung und Selbst-
Überzeugung die Wahrheit fiuden, strengste
Gerechtigkeit in seinem Betragen üben, gewissen¬
haft die Pflichten erfüllen, mit denen des Zirkels
Arm ihn umgiebt, unparteiisch den Menschen
na<fll seiner Würde richten und in unbeeinflusster
Geradheit den Menschen beurtheilen.
Dem Gesellen leuchtet auf seiner Wanderung
aber ferner der flammende Stern. Am Abend,
wenn finstere Schatten Stadt und Dorf, Felder
und Gebirge umzogen haben, das laute Geräusch
des Tages verstummt ist, gleichsam ausgestorben
der weite Erdball wie ein Todter im dunkeln
Grabe versunken ruht, und mit begeisternder
Feierlichkeit die Nacht sich erhebt, sieht das
Auge die fremden Welten, die ohne sichtbare
Bewegung ihre ungeheuren Bahnen durchschreiten,
jene unermesslichen Sphären, die in nimmer
wankendem Schwünge mit Ruhe, Sicherheit und
Stetigkeit ihre glanzumwobenen Wege gehen.
Der menschliche Geist fühlt sich dann aus dem
Staube in die Unendlichkeit gezogen; es legt
sich der Sturm der wilden Leidenschaft in der
Brust, des Menschen Thun und Lassen erscheint
so nichtig, jeder Kummer, jede schwere Lebens¬
sorge, die das Herz beugte, so leicht. Die Wan¬
derung des Maurers im Erdenthale ist nicht
immer vom hellen Sonnenschein begünstigt, sondern
führt auch durch die Nächte .des Lebens. In
dieser Welt liegt ja der Frühling so nahe dem
Herbste, ist ja der Schritt aus den Blumengärten
der Freude in die Eisfelder der Sorge und des
Trübsinnes nur ein kleiner. Die Nächte des
Lebens umhüllen den Wanderer, wenn die Lichter
des Trostes und der Freude verlöschen, die
Stützen der Hoffnung brechen, Menschen ihn
treulos verlassen, der kalte Hauch des Todes über
das Feld des eigenen Lebens geht, wenn das
arme Herz hoffnungslos leidet, wenn das Auge
in durchdringendem Schmerz die Thränen nicht
zurückhalten kann; wenn die immer frische Wunde
fort und fort blutet, wenn Menschen wort und
Menschentrost das zuckende Herz nicht beruhigen,
das verlorene Glück nicht wiederbringen können.
0 dann winkt ihm auf dem umdunkelten Pfade,
durch Sturm und Wetter in den Nächten des
Jammers von Osten her der freundliche Stern
der Maurerei. Dann fühlt sich^ der Unglückliche
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mit zauberischer Kraft belebt und mit doppeltem
Mutbe gestärkt 1 Heilige Ahnungen durchbeben
ihn, durch die Wüste seiner Verzweiflung fliegt
wie Säuseln von Engelsflügeln das Wort des
Trostes und der Erhebung, das Wort, welches
unsere Lippe nur stammelt; wie feierliches
Glockengeläute hallt in seiner Seele wieder:
Der Herr wird dich stärken, ewig wie die Wahr¬
heit ist die ewige Liebe! Dann ruft er aus
voller Brust: In Dir meine Kraft, in Dir mein
Muth, in Dir mein Vertrauen! Und träte die
ganze Natur jetzt aus ihren Fugen, er sieht deu
Leitstern, an den er gewiesen ist und zittert nicht;
müsste er durch Feuer und Fluthen wandeln, er
blickt auf zu dem Stern und verzagt nicht;
stellten sich ihm Phantome der Hölle entgegen
und er stände erstarrt, ein Blick zu dem Sterne
und die Furcht ist verschwunden 1 Und blickt
er jetzt zurück? Der Weg ist ganz verändert,
was Wüste war, ist jetzt ein Paradies, die Fluthen
sind zerronnen, alle Stürme haben ausgetobt, in
seinem Herzen ist der Himmel, der Himmel
ringsumher!
Ist die Wanderung des Gesellen beendigt,
so wendet man den Wandernden mit dem Rücken
gegen den Altar, mit dem Angesicht gegen Westen.
Da steht der Pilger vor einem Spiegel, sein
eigenes Angesicht schaut ihm entgegen und er
schaut durch sein eigenes Auge bis in sein
Innerstes betrachtend hinein, ob der rohe Stein
des Herzens, geprüft nach Zirkel und Winkelraaass,
sich zeige, rein von Fehlern und Mängeln, frei
von Eitelkeit, Leichtsinn und Lüge.
Dem an der Hand der Freimaurerei durchs
Leben Wandernden kommt einst die Stunde, wo
die Wanderung auf der schmalen Strecke zwischen
Abend und Morgen zu Ende geht. Das Blut
fängt dann an in den Adern zu stocken, das
Herz schlägt matter und matter bis zum Stille¬
stehen, die Lebenswärme verschwindet und Todes¬
kälte greift um sich! Da wendet sich noch
einmal der Blick zurück nach Westen. Wie
weit liegen ihm da die fröhlichen Gastmähler,
die glänzenden Ehrenstellungen, die kostbaren
Gewänder, die Schmeicheleien der Anhänger, die
Verbeugungen der Untergebenen, die gehäuften
Schätze. Zerrissen ist vor dem Angesicht der künst¬
liche Schleier der Lüge, vom Angesicht fällt die
Larve und vor ihm steht sein Innerstes in der
Schönheit unsterblichen Lebens oder grinsend in
der Hässlichkeit der Verwesung und des ewigen
Todes. 0 wohl uns, liebe Brr, wenn dann auch
uns zum Heil die Stimme des ewigen Meisters
klingt: Du bist geprüft, Br Lehrling, blicke
wieder gen Osten! Während dann der Leib tief
unten in der kalten Erde unter Würmer gebettet
wird, ist mit dem letzten Athemzuge die freige¬
wordene Seele in wunderbarem Schauen aus der
gebrochenen Hülle hinaus in das ewige Leben
gezogen. In die Abendglocken des diesseitigen
Lebens mischen sieh nun die Morgenglocken des
Jenseits, und die Seele, die unermesslichen Sphären
d. e. 0. durchwallend, sinkt endlich nieder an
den Stufen des Allerheiligsten und empfängt unter
dem Hammerschlag des ewigen Weltenmeisters
die Weihe einer höheren Vollendung.
Engband der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
7. Vorlrag des Br F. Fuchs.
Die Loge zur Linde mochte sich wohl nach
einer kräftigen Leitung sehnen, als sie den
7. August 1807 den Br Eckold aufs neue zum
Mstr. v. St. wählte. Schon vor 3 Jahren hatte
sie ihm, wie früher erwähnt, dieses Amt wieder
anvertrauen wollen, doch war die Legalität seiner
Wahl von einigen Brn wegen der noch nicht
ausgeglichenen Differenzen mit der Grossen
Landesloge angezweifelt worden. Diese hatte ihn
wegen unterlassener Verantwortung 1800 als
Logenmeister suspendirt. Br Eckold hatte die
wider ihn vorgebrachten Beschuldigungen für zu
geringfügig angesehen, um darüber ein Wort
zu seiner Verteidigung zu verlieren, meinte
auch, dass die Angelegenheit nicht vor den
Richterstuhl der Grossen Landesloge gehöre,
liess aber ein Schreiben zu seiner Rechtfertigung
nach Berlin abgehen, als ihn die Brr darum
baten. Die Grosse Landesloge, bei welcher Br
Eckold nichts weniger ais persona grata gewesen
zu sein scheint, hatte die „sein sollende Ver¬
teidigung“ gar nicht beachtet, sondern ad acta
gelegt, mochte vielleicht auch eine Wiederwahl
Eckolds gar nicht erwartet haben und war um
so mehr erstaunt, als dieselbe vorschriftsmässig
angezeigt wurde.
In der Logo zur Linde pulsirte aber sofort
ein frischeres Leben. Schon in der ersten Meister-
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70
conferenz zeigto Br Eckold an, „dass er ein
rathendes Comit6 zu seiner Erleichterung aus
den Brn wählen würde und machte die Bedin¬
gungen bekannt, unter welchen dieses Comit6 be¬
stehen sollte.“ Br Eckold meinte zwar: „zu seinen
geheimen Conferenzen ziehen zu können, wen er
wolle“, kam aber mit seiner Ansicht nicht durch;
es wurde vielmehr ein aus folgenden Paragraphen
bestehendes Regulativ für dieses Comit6 ent¬
worfen :
1) „Wenn eine Anzahl erfahrener Meister
erwählt werden soll, welche dem Logenmeister
bei Deliberationen über Logenangelegenheiten
zur Seite stehen sollen: so glaubt man darin
einen Annäherungspuukt der gesammten Brr
Mitglieder an den Logenmeister und dessen Be¬
amten gefunden zu haben.
2) Dieses Comit6 ist als ein rathgebendes
Corps zu betrachten, welchem sowohl über die
Gerechtsame des Stuhls und der Logenbeamten als
über die Gerechtsame der gesammten Loge und
deren einzelnen Mitglieder in Beziehung der
Einwirkung auf die Logen Cognition zusteht.
3) Mit diesen Brn hätte nun der Logen¬
meister alle und jede wichtigen Logenangelegen¬
heiten zuvor zu prüfen und zu berathschlagen;
sodann aber die Resultate dieser Beratschlagungen
der Meisterloge oder der gesammten Loge, je
nachdem sie der einen oder der andern eigen
sind, zur ferneren Prüfung vorzutragen, von
welcher dann solche entweder ohne Einschränkung
oder mit Einschränkung angenommen werden
und auf diese Weise gesetzliche Kraft erlangen
oder zurückzuweisen sind.
4) Die der Beratschlagung unterworfen sein
könnenden Gegenstände dürften betreffen: a) die
Gesetzgebung und zwar sowohl die Verbesserung
derselben als auch neuere gesetzliche Logenein¬
richtungen, b) die Oekonomie der Loge, c) das
Verhalten einzelner Individuen zu der Loge,
d) die aus den Verbindungen mit andern Logen
entspringenden Verhältnisse und e) das Ein¬
wirken profaner Umgebungen, in so fern sie auf
Logen und Maurerei Einfluss haben.
5) Von den Logenmeistern und den beiden
Brn Aufsehern hängt die Wahl der zu diesem
Cornit bestimmten Mitglieder ab, so wie es auch
diesen überlassen ist, ob aus den übrigen Brn Be¬
amten Mitglieder dazu gewählt werden sollen. Die
beiden Brr Aufseher sind jedoch jederzeit Mit¬
glieder dieses Comit, welches übrigens nie
mehr als 13 Mitglieder in sich fassen darf.
Nach Befinden der einzelnen Fälle kann jedoch
der Logenmeister einen oder mehre Brr hin¬
zuziehen.
6) Die Wahl selbst geschieht jährlich un¬
mittelbar nach vollzogener Beamtenwahl, wo
dann entweder ganz neue Mitglieder bestimmt,
oder die zeithengen zum Theil oder sämmtlich
beibehalten werden.
7) Jeder zu diesem Comit6 gewählte Br muss
ein volles Jahr Mitglied desselben bleiben und
kann innerhalb dieser Frist weder seine Ent¬
lassung fordern noch willkürlich entlassen werden.
8) Strenge Verschwiegenheit.“
Es wurden weiter die Gehalte der dienenden
Brr bestimmt und zwar auf jährlich 40 Thlr.
festgesetzt — auch machte man die Vorarbeiten
zur Ausstattung des neuen Logenlokals. Man
hatte zu demselben die 3. Etage im Hötel de
Prusse vom Br Beck um 200 Thlr. jährlich
ermiethet, auch wurde der zum Hdtel gehörige
Garten an Logen tagen den Brn zum alleinigen
Gebrauch überlassen. Das neue Lokal wurde
am 12. Dec. 1807 eingeweiht. Da mitten in
diesen reformatorischen Bestrebungen kam wie
ein Blitz aus heiterem Himmel das Verlangen der
Grossen Landesloge, Constitution und Acten der
Loge an die Brr Oehme und Lange abzuliefern.
Diese Brr, denen später die Brr Plato, Dolz
und Döring beigeordnet wurden, waren von der
Grossen Landesloge als Commissarien mit Vollmacht
zu dieser Forderung versehen worden. Wahr¬
scheinlich war man in Berlin über die Stimmung
in der Leipziger Tochter nicht oder nicht recht
unterrichtet und meinte, durch einen solchen
Schreckschuss die Loge zu veranlassen, den Br
Eckold als Logenmeister zu entfernen und einen,
der Grossloge genehmeren Vorsitzenden an
dessen Stelle zu bringen. Jedenfalls glaubte
man, wenn man auch die Parteiungen in der
Loge kennen mochte, dieselbe zu einem Pater
peccavi bewegen und sie zum Gehorsam gegen
die Grossloge, wie schon so verschiedene male
geschehen, zurückführen zu können. Doch man
hatte sich diesmal getäuscht. In zahlreichen
Meisterconferenzen wurden die Verhältnisse aufs
gründlichste erörtert und man kam zu dem Ent¬
schluss, sich von der Grossen Landesloge zu
trennen und als selbständige Loge zu arbeiten.
Ueber den Schritt der Trennung war schriftlich
abgestimmt worden und jeder Br hatte sein
Votum zu motiviren. Eine kleine Anzahl von
11 Brn, die Commissarien an der Spitze, enthielt
sich der Abstimmung oder achtete sich an die
Befehle der Grossen Landesloge gebunden. Die
Mehrzahl von 63 Brn stimmte aber unter den
obwaltenden Umständen freudig für eine Tren¬
nung. Wir geben einige dieser Vota wörtlich
wieder.
„Br Eisfeld versichert allen Brn den
thätigsten und kräftigsten Beistand zum an¬
gefangenen guten Werke und wenn dieses weder
durch Leidenschaften noch durch Terrorismus
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gestört wird, so wird es unter dem Schutze
des höchsten Baumeisters der Welt gedeihen.“
BrCnobloch wird „nach allen Kräften die
Absicht der Loge zur Linde, welche so sehr
seiner Ueberzeugung convenirt, befördern und
sich mit möglichster Anstrengung der Erreichung
des Zieles hingeben.“
Br R e g i s wird „in dem ächten Maurer- und
Brudersinne, der allen Despotismus nicht nur
ausser sich, sondern auch in sich immer mehr
zu entkräften strebt, solchen Brn, wie sie hier
sich aussprachen, gleichen Schritt zu halten
suchen.“
Br. Körner: „Mein mit vielen Ordens¬
brüdern der Loge zur Linde längst empfundenes
Schmerzgefühl über die uns angemuthete for-
melleUnmündigkeit, in der wir freienMaurer
zeither krampfhaft schmachteten, hat sich durch
die letzten weisen Logenbeschlüsse, denen ich
ohne allen Vorbehalt beitrete, in die innigste
Freude verwandelt und ich bin den Hochw. Brn,
welche sich vorurtheilsvollen Menschensatzungen
kräftig entgegen setzten und hierdurch unsere
längst erflehte Selbständigkeit gründeten, dank¬
pflichtig.“
„Br Limburger sen. bleibt bei denen ge¬
fassten Beschlüssen.“
Br Limburger jun. wird „bei den nun ein¬
getretenen Verhältnissen thätigeren Theil nehmen,
als er bisher konnte“ u. s. w.
Das Resultat dieser Conferenzen, Ab¬
stimmungen und Beschlüsse wurde der Grossen
Landesloge unter dem 14. Nov. 1807 in nach¬
folgendem Schreiben mitgetheilt:
„So unerwartet uns auch Ihr durch die Brr
Lange und Oehme uns bekannt gewordenes Ver¬
langen sein musste, so wenig darf Sie unsere
jetzige Erklärung befremden, vielmehr werden
Sie solche als unumgänglich nöthige Folge be¬
trachten. Wir sind uns bis jetzt keiner un¬
maurerischen Handlung weder im Allgemeinen
noch in besonderer Beziehung gegen Sie, Hochw.
und Gel. Br, bewusst Es ist uns folglich völlig
fremd, wodurch Sie bewogen werden konnten
durch die Brr Lange und Oehme Acten und
Constitution uns abfordern zu lassen, und sollten
Sie in Hinsicht unserer Logenmeister- und Be¬
amtenwahl etwas zu erinnern gefunden haben,
wie wir doch kaum glauben können, so würden
wir diese Erinnerungen, wenn sie an uns auf
dem gesetzlichen Wege gelangt wju-en, mit
brüderlichsten Gesinnungen aufgenommen und
mit maurerischer Herzlichkeit beantwortet haben,
so wie wir auch jetzt mit wahrhafter Offenheit
erklären: dass unsere Meister wähl unseren Herzen
und unserer Ueberzeugung gemäss ist, auch
unser Hochw. Br Plato selbst nicht unterlassen
konnte, mit wenigstens scheinbarer brüderlicher
Herzlichkeit und Rührung in offener Loge am
Tage der Meisterwahl zu versichern, dass er
keinen würdigeren Br als den Br Eckold
kenne, welchem er zu seiner grössten Zu¬
friedenheit den Hammer anvertraue. Dagegen
war es wohl unserem Hochw. Logenmeister nicht
zu verargen, wenn er, die Würde des Stuhls im
Auge, den Br Lange mit männlichem Ernst zu¬
rückwies, als er sich als Commissar der Hochw.
Grossen Landesloge gerirto und Constitution und
Acten, ohne dass er einen Grund dafür anzu¬
geben wusste, zurückforderte; ja man musste
selbst die etwanigen Härten verzeihlich finden,
da diese nur dem Aufträge und nicht der Person
gelten konnten, auch jene Härten dem brüder¬
lich gesinnten Herzen unseres Hochw. Logen¬
meisters gar wehe thun mussten und er es nicht
verabsäumt hat, dieses Gefühl in der Beamten-
conferenz und in der darauf folgenden allge¬
meinen Conferenzloge laut werden zu lassen und
die ohne Veranlassung intendirte Abforderung
der Constitution und Acten verbunden mit Ihrer
Erklärung: Sie würden die bewegenden Gründe
ex post aufstellen, bekannt zu machen. Die
Stimmung, welche bei don Brüdern dadurch her¬
vorgebracht wurd*, wird aus nachstehenden
wörtlich aus den Protokollen gezogenen Verhand¬
lungen hervorgehen.“
(Fortsetzung folgt.)
Aus der Väter Zeiten.
(Fortsetzung zu No. 6 dieses Jahrganges.)
Bei der Aufnahme des Br P. in D.
Heil Dir! Bruder, Du bist aufgenommen
In den Bund, wo man nach Wahrheit ringt,
In den Bund, wo eines Menschen Thräne
Tiefer in das Menschenherze dringt.
Heil Dir! wenn vom Hochgefühl durchdrungen
Deine Brust die reinsten Triebe fühlt,
Wenn Du strebst nach hoher Menschenwürde,
Die auf ihrer Brüder Wohlsein zielt.
Heil Dir! wenn in diesem edlen Spiele
Deine eigne Rolle Dich erhebt,
Wenn beim Ende dieser ernsten Rolle
Reiner Beifall auch Dein Herz belebt.
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72
Geschäftliche Mittheilungen
aus dem
Freimaurerischen Correspondenz-Bureau.
Mitte vor. M. fand die iweite diesjährige Ver¬
sendung statt und gelangten dabei die bis Mitte
September eingegangenen 189 Mitglieder-Verzeiehnisse
und Logensehreiben zur Vertheilung:
Der Grossen Prov.-Loge von Schlesien
in Breslau — der Grossen Mutterloge des
Eklektischen Freimaurerbundes in Frank¬
furt a/M. — sowie der St. Johannislogen in
Aachen (300) — Altona — Annaberg — Arns-
walde — Arolsen — Bautzen — Beeskow —
Berlin (Schiff 140) — Bernburg — Bielefeld —
Bonn — Brandenburg — Braunsberg —
Bremen (Friedr. Wilh.) — Breslau (Friedrich —
Vereinigte Loge) — Brieg — Bromberg — Bur. z-
lau a/B. — Burg (120) —Calbea/S. — Cassel (300)
— Celle — Chemnitz (Verzeichniss — Bericht
— Verein zu Rath und That) — Claussthal und
Zellerfeld — Coblenz — Colberg — Conitz
— C ö s 1 i n (270) — Crossen a/0. — Culm-Schwetz
— Cüstrin — Dan zi g(Einigkeit 300 — Eugenia 300)
— Demmin — Dessau — Detmold (350) —
Dortmund — Dresden (Apfel 300 — Säulen 240
— Vereinte Loge) — Duisburg a/Rh. — Düssel¬
dorf — Eberswalde — Eilenburg — Eisenach
(300) — Elberfeld — Emden — Emmerich a/Rh.
— Erfurt — Erlangen (Libanon) — Essen —
Flensburg — Frankfurt a/0. — Freiberg —
M.-Gladbach-Rhey dt — Glatz — Gleiwitz —
Gr.-Glogau (325) — Gnese* — Goldberg —
Gollnow — Görlitz — Goslar — Gotha —
Göttingen —Graudenz —Greifenhagen (300)
— Grünberg i/Sohl. — Guben — Güstrow -n-
Halberstadt (300) — Halle a/S. — Hamburg
(Bruderkette 300 — Brudertreue) — Hameln —
Hamm —Hanau — Hau uo ver (Bär —Pferd) —
Harburg (300) — Havelberg — Heiligenstadt
— Helmstedt — Hildesheim (Pforte — Tempel)
— Hir*chberg (300) — Insterburg (200) —
Iserlohn — Jülich — Königsberg i/Pr. (Kro¬
nen 250 — Verein. Loge 200) — Köln a/Rh. —
Köthen — Kreuznach — Landeshut — Landa¬
be rg a/W. (325) — Langensalza — Laubin —
Leer — Leipzig (Apollo — Balduin — Minerva)
— Liegnitz — St. Louis (Erwin No. 121) —
Lübben — Luckau (300) — Lüneburg (300) —
Magdeburg (Ferdinand — Harpokrate*) — Marien-
burg — Marienwerder—Marne —Meisseh (300)
— Merseburg — Meseritz (300) — Metz —
Minden —Mühlhausen i/Th. —Naumburg —
Neisse (Lilien — Taube 200) — Neu-Ruppin —
Neustettin — Nienburg — Nordhausen —
Nürnberg (Joseph 300 — Pfeile 325) — Ohlau
— Oppeln — Osnabrück — Osterode a/B. (300)
— Ostrowo (250) — Pasewalk (325) — Perle¬
berg — Plauen — Posen — Poessneok —
Potsdam (Teutonia) — Prenzlau — Quedlin¬
burg — Rastenburg — Ratibor — Rawitsch
— Reichenbach i/Schl. (250) — Rendsburg (300)
— Saarbrücken — Sagan — Salzwedel —
Sangejrhausen (250) — Schmiedeberg i/Schl. —
Schneeberg — Schwedt — Schwelm — Sie gen
— Soldin — Solingen — Sorau — Soest —
Sprottau (250) — Stade (112) — Pr. Stargardt
— Stendal — Stettin (Anker — Zirkel 300) —
Stolp — Stralsund — Strassburg i/E. (Erwin’s
Dom — Herz (75) — Striegau — Tarnowitz (300)
— Torgau —Trier —Uelzen —Weissenfels
— Wesel — Wiesbaden — Wilhelmshaven
- Wittstock — Wolmirstedt — Zeitz —
Zerbst — Zielen zig (250) — Zittau und
Zwickau.
Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in
einer geringeren Anzahl als der benöthigten 350 eiu-
sendeteß, sind die Zahlen der zur Versendung gelangten
Exemplare in () beigesetzt.
Diejenigen Logen, die mit den Mitgliederbeiträgen
— M. 9.00 für je 2 Jahr pränumerando zahlbar —
noch im Rückstände sind, werden um baldgefallige
Berichtigung der schuldenden Beträge ersucht.
Der Geschäftsführer des frmn Corresp. - Bureau.
Bruno Zechel,
Verlagsbuchhandlung in Leipzig.
Verlag ron Bruno Zeehel ln Leipzig.
In meinem Verlage erscheinen demnächst und
können durch alle Brr Buchhändler sowie auch direct
von mir bezogen werden:
Carug, J. Victor, Logen-Arbeiten, gehalten in der Loge
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, ca. 16
Bogen 8°. Preis M. 5. —.
Pilz, Carl. Der 6ei8t der Freimaurerei in Erzählungen,
Biographien, Licht- und Schattenbildern, Abhand¬
lungen , Reden und Gedichten. 16 Bogen 8°.
Preis M. 5. —.
Kumpelt-Walther, Bruchsteine zum Bau. Zusammen-
getrageu zum Gebrauche für Zünftige und Unzünftige.
18 Biogen kl. 8°. Preis M. 4. —
Schiffmann, G. A. Die Entstehung der Rittergrade
in der französischen F reim au r er ei um die Mitte
des XVIII. Jahrhunderts. Nach den ältesten fran¬
zösischen Schriften und Dokumenten bearbeitet,
ca. 12 Bogen. 8°. Preis M. 3. —.
Fischer, Robert. Der Meister-Katechismus. 7. Aufl.
Preis 80 Pf.
Bftttger, Dr. Heinrich. Das Urchristenthum. Aus
dem Heiden- und Judenthum durch Christi Lehre,
Leben, Wirken, 8terben und Auferstehen entwickelt
und begründet. Aus den Urquellen bewiesen.
12 Bogen. 8°. Preis M. 3. —.
Vor einigen Monaten bereits erschienen:
Fischer, Robert. Der Lehrlings-Katechismus. 14. Aufl.
PreU M. 2. —.
Fischer, Robert. Asträa. Taschenbuch für Frmr
auf das Jahr 1882. Neue Folge. Erster Band.
21 Bogen, kl. 8°. Preis M. 3. —.
Fischer und Tschireh, Liederbuch für Freimaurer-
Logen. Durchgehend mit Melodien versehen. Erste
und zweite Auflage. 10 Bogen. 8°. Preis M. 2. —.
Endlich sind durch Kauf in meinen Verlag öbergegangen:
Xahlm&nn’s, August, sämmtliche Schriften. Nebst
Mahlmann’s Biographie und Portrait. 3 Bde. kl. 8°.
(Preis M. 4. 50.) Herabgesetzt auf nur M. 2. —.
Mahlmann’s, August, sämmtliche Gedichte. Nebst
Mahlmann’s Portrait. Min.-Ausg. eleg. geh. mit
Goldschn^t. (Preis M. 4. 50.) Herabgesetst auf
nur M. 1. 50.
Kumpelt-Walther. Aus meiner Werkstätte. Bau¬
stücke, seiner Mutter-Loge gewidmet und auf deren
Verlangen in Druck gegeben. Preis M. 5. —.
Leipzig, 1. October 1882. Bruno Zechel.
Hierzu eine Beilage der Kössling’schen Buchhandlung In Leipzig.
Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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Octbr. 1882
9.Jahrg. Nr. 10. Am Reissbrete.
Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei Grade gehalten worden Bind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt.. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Aus einer Meisterco nfer en z der unabhängigen Logo Balduin zur Linde in Leipzig
am 11. November 1882. *— Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde. — Anzeige.
Aus einer Meisterconferenz der
unabhängigen Loge Balduin znr
Linde in Leipzig
am 11. November 1882.
Vortrag des Mstrs. v. St. Br 0. Marbach.
Von sechs angesehenen verschiedenen Logen
angehörigen Brn ist an die Loge B. z. L. das
folgende Schreiben ergangen:
Frankfurt a. M., 13. August 1882.
Vielgeliebte Brüder!
In vielen Kreisen begegnet man der auf Erfahrung
begründeten Anschauung, dass, um im Kulturleben der
Menschheit einen dauernd segensreichen Einfluss zu
gewinnen, die Freimaurerei einer klaren Darlegung
ihrer Aufgaben, der Maurerbund einer inneren Er¬
neuerung bedarf.
Es ist anerkannt, dass der Maurerbund das eng
begrenzte konfessionelle Prinzip aufgeben muss, welches
die wichtigsten Grundlagen eines Weltbundes, die Ge¬
wissensfreiheit und Allgemeinheit, untergräbt.
Er muss sich den Einwirkungen des Zeitbewusstseins
offen halten und sich dadurch mit neuer Kraft beleben,
um solche wieder in die Gesellschaft auszuströmen.
Denjenigen, welche die Geschichte unseres Bundes
ohne Voreingenommenheit und aufmerksam verfolgen,
wird eine solche Aufgabe nicht schwer: Wir müssen
zurückkehren zu den alten Quellen der maurerischen
Erkenntniss, die im Laufe der Zeit durch irrthümliche
Auslegung oder absichtliche Fälschung getrübt worden
sind.
Den Versuch zu einer solchen Rückkehr und zu
einer Neubelebung des Maurerbundes wollen wir durch
umstehende Erklärung machen, in welcher wir unsere
Ueberzeugung von Inhalt und Zweck unserer Kunst
niederlegen.
Wir bitten sie nunmehr, gel. Brr, diese unsere
Erklärung zu prüfen und wenn Sie mit den darin
niedergelegten Anschauungen einverstanden sind, uns
Ihre Uebereiu8timraung, sowie etwaige Verbesserungs¬
vorschläge, unter der Adresse: Ernst Rosenberg,
Neue Krame 2(3, Frankfurt am Main mitzutheilen.
Wir behalten uns vor, weitere Schritte, welche wir
in gesetzlicher Weise zur Erreichung unseres Zweckes
dienlich erachten, mit Ihnen zu berathen und begrüssen
Sie i. d. u. h. Z.,
als Ihre treuverbundenen Brüder:
Dr. Richard Barthelmess, Mitglied der Loge z. d.
3 Pfeilen, Nürnberg,
Dr. A. Büchle,! Mitglieder d. L. Badenia z. Fortschritt
W. A. Frick, J Baden-Baden,
Gustav Maier, Mitgl. d. L. Carl z. d. 3 Ulmen, Ulm,
Karl Paul, Mitgl. d. L. z. aufgeh.Licht,!
Ernst Rosenberg, Mitgl. d. Loge z. | Frankfurt a.M.
Frankfurter Adler, I
In Erwägung, dass es nothwendig erscheint,
die Freimaurerei mit der fortschreitenden Erkenntniss
des Menschengeschlechtes in Einklang zu erhalten, um
ihr eine dauernde Wirksamkeit in unserem Kulturleben
zu sichern:
in Erwägung, dass die alten Pflichten des
Konstitutionsbuches der örossen Loge von England
v. J. 1723, welche die Quelle und Grundlage der frei¬
maurerischen Gesetzgebung bilden, auf diesen Zweck
hinweisen;
•in Erwägung, dass die Alten Pflichten die Frei¬
maurer nur zu der Religion verpflichten, in welcher
alle Menschen übereinstimmen: gute und treue Männer
zu sein, oder Männer von Ehre und Rechtschaffenheit,
durch was für Sekten oder Glaubensmeinungen sie
auch sonst sich unterscheiden;
in Erwägung, dass die Alten Pflichten unter¬
sagen, Privathandel und Streitigkeiten, am allerwenig¬
sten Streitigkeiten über Religion, Nationen oder Staats¬
verwaltung in die Räume der Loge zu bringen;
in Erwägung, dass nach dem Inhalte der Alten
Pflichten schon die Stifter des Freimaurerbundes —
indem sie in einer Zeit der unbedingten Herrschaft des
KonfessioDalismus das Prinzip der menschlichen Gleich¬
berechtigung aufstellen — den Humanismus als Grund¬
lage der Freimaurerei erkannt und gewollt haben;
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74
in Erwägung endlich, dass nach den Alten
Pflichten der Freimaurerbund Alles fern zu halten hat,
was die Brüder scheidet, dass er vielmehr ein Mittel¬
punkt der Vereinigung sein soll, bekennen wir folgende:
Allgemeine Grundsätze der Freimaurerei.
I.
Die Freimaurerei bezweckt, in einer zumeist den
Gebräuchen der zu Bauhütten vereinigten Werkmaurer
entlehnten Form, den Menschen geistig und sittlich zu
veredeln und dadurch die Wohlfahrt der menschlichen
Gesellschaft zu befördern.
II.
Die Freimaurerei steht auf der Grundlage des rein
menschlichen Sittengesetzes und erstrebt die harmonische
Gestaltung des Einzel-, wie des Gesamratlebens und
die Verbreitung allgemeiner Menschenliebe.
III.
Der Freimaurerbund will die Zwecke und Grund¬
sätze der Freimaurerei zur Durchführung bringen durch
geistige Arbeit innerhalb der Logen und durch Uebung
und Beispiel ausserhalb derselben.
IV.
Der Freimaurerbund huldigt dem Grundsätze der
Gewissens-, der Glaubens- und der Geistesfieibeit ; er
verwirft jeden Zwang, welcher diese Freiheit bedroht
und jede Verfolgung, die gegen Andersgläubige und
Andersdenkende geübt wird.
V.
Der Freimaurerbund verlangt von den aufzunehmen¬
den Mitgliedern keinerlei Bekenntniss. Er verlangt nur,
dass sie freie Männer von gutem Kufe und von solcher
geistigen Bildung seien, wie sie die Ausübung des
maurerischen Berufes voraussetzen muss, ohne Unter¬
schied des Standes, der Religion und der Kace.
VI. *
Der Freimaurerbund verlangt von seinen Mitgliedern
die ernste Theilnahme an den grossen ethischen und
sozialen Fragen im Sinne friedlicher Entwickelung.
Die Loge selbst aber ist eine neutrale Stä‘te, in welcher
zwar alle Fragen des Lebens und der Wissenschaft zu
unbefangener Erörterung gelangen können und sollen,
deren Schwelle aber die Leidenschaften des öffentlichen
Lebens und der politischen und religiösen Parteikämpfc
nicht überschreiten dürfen.
VII.
Der Freimaurerbund ist k*ine geheime Verbin¬
dung: seine Zwecke, Geschichte, Gesetzgebung und
Statistik sind kein Geheimniss. Das von jedem Mit-
gliede des Bundes abgelegte Gelübde der Verschwiegen¬
heit bezieht sich nur auf das innere Gebrauchthum und
die Erkennungszeichen.
Würdige und glbte Brr! Sic werden sich
wohl der Ansicht nicht verschliessen können,
dass der Schritt, welchen die genannten sechs
Brr ohne Zweifel in bester Absicht gethan
haben, darum weil er auf eine „Neubelebung
des Frmrbundes“ ausgeht, welche sie für an
der Zeit, ja für nothwendig halten, Beachtung,
Erwägung und eine Beschlussfassung unserseits
verlangt. Sowohl die Begründung als die Fas¬
sung der „Allgemeinen Grundsätze der Frei,
maurerei“ ist von der Art, dass wohl kein
Mitglied der Meisterschaft der L. B. z. L. etwas
dagegen einzuwenden haben dürfte, denn in
dieser unserer Loge ist, so weit das Bewusst¬
sein irgend eines von uns zurtickreicht, nie
irgend etwas vorgekommen, welches mit den aus¬
gesprochenen Grundsätzen in Widerspruch stünde.
Es scheint den sechs Brn vorzüglich daran ge¬
legen zu sein: „dass der Maurerbund das eng¬
begrenzte konfessionelle Princip aufgeben müsse,“
— nun wir haben in dieser Loge B. z. L. seit
Mcnscliengedenken nie von den „aufzunehmenden
Mitgliedern ein Bekenntniss verlangt.“ Wir haben
immer nur verlangt, dass die Aufzunehmenden
„freie Männer von gutem Rufe und von solcher
geistigen Bildung seien, wie sie die Ausübung
des frmn Berufes voraussetzen muss, ohne Unter¬
schied des Standes, der Religion und der Race,“
aber wir sind noch weiter gegangen, wir haben
auch nach dem politischen Partei Standpunkt
eben so wenig, wie nach den wissenschaftlichen
Anschauungen des Suchenden gefragt. Wenn
andere Logen in Deutschland und im Auslande
die Aufnahme vom Glaubensbekenntnisse oder
von der Menschenrace oder von politischen An¬
sichten abhängig gemacht haben, so haben wir
dies mit Entschiedenheit ausdrücklich gemiss-
billigt. Freilich aber sind wir nicht weiter ge¬
gangen, als dass wir gesagt haben, dass Brr,
die dies thun, „die Kunst nicht recht verstehen“,
und sind stets der Zuversicht gewesen, dass diese
Brr schon mit der Zeit zum richtigen Verständ¬
nisse kommen würden, wie ja auch in dieser
Loge und in jedem von uns das richtige Ver¬
ständnis erst allmählich zum klaren Bewusstsein
gekommen ist. Die rechtschaffene Liebe muss
immer geduldig sein, besonders aber die allge¬
meine Menschenliebe, die in den Logen gepflegt
werden soll. Die sechs Brr, welche uns und
gewiss auch den Mitgliedern anderer Logen ihr
Manifest über die „Allgemeinen Grundsätze der
Frmrei“ vorgelegt haben mit der Aufforderung
der Prüfung und Zustimmung, scheinen von uns
nur dadurch sich zu unterscheiden, dass sie nicht
länger Geduld haben wollen mit solchen, welche
nach ihrer Ueberzeugung die „Kunst nicht recht
verstehen.“ Die sechs Brr halten eine „Neu-
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belebung“ des Frmrbundes für nöthig. Das Be-
dürfniss nach Belebung wird sich wohl immer
nöthig machen im Bunde und jede Loge hat
gewiss dafür zu sorgen, dass dieses Bedürfnis
befriedigt werde. Aber durch Manifeste kann
das wohl kaum geschehen, sondern durch recht¬
schaffen frmrsches Denken, Reden und Handeln.
Wir müssen uns namentlich hüten, dass wir
nicht in todten Formalismus verfallen, nicht der
Phrasenmacherei uns hingeben und nicht die
Pflege des Genusslebens zur Logensache machen.
Manifeste bessern nichts, wo eine Loge oder
einzelne Brr auf solche Abwege gerathen sind.
Doch es kann ein solches Manifest allerdings
dazu beitragen, das, worauf es ankommt, in’s
Bewusstsein zu bringen sowohl innerhalb als
ausserhalb der Loge, und darum kann man ihm
wohl beistimmen, wenn es nur nicht eine Ver¬
anlassung wird „die Brr zu scheiden, anstatt sie
zu vereinigen.“ Aber gewiss würde dies der
Fall sein, wenn die Absicht bestände, alle die¬
jenigen frmru Verbändo, welche ein religiöses
„Bekenntnisse von den Aufzunehmenden ver¬
langen, für unfrmrsch zu erklären. Die „All¬
gemeinen Grundsätze der Frmrei“ werden aus¬
drücklich: „in Erwägung der Alten Pflichten
der Frmr“ aufgestellt; so möge denn auch in
Erwägung gezogen werden, dass die Alten Pflichten
auch sagen: „Wenn ein Frmr die Kunst recht
versteht, so wird er weder ein stumpfsinniger
Gottesleugner (a stupid Atheist) noch ein irreli¬
giöser Wüstling (an irreligious Libertine) sein.“
Aus diesen Worten der Alten Pflichten haben
viele Logen die Berechtigung abgeleitet an den
Neuaufzunehmenden die Frage zu richten :
„Glauben Sie an Gott und Unsterblichkeit?“ Es
ist dies nicht gerechtfertigt, weil die Worte
„wenn der Frmr die Kunst recht versteht“
nicht eine Bedingung der Aufnahme enthalten
kann, weil ja jeder Aufzunehmende als solcher
die Kunst noch nicht versteht, sondern erst
lernen soll; vielmehr sprechen diese Worte die
Ueberzeugung aus, dass jeder, welcher ein
rechtschaffener Frmr geworden ist, kein Atheist
und Libertin sein kann. Anderseits kann aber
auch die Erklärung: „ich glaube an Gott und
Unsterblichkeit“ nicht als ein Glaubensbekenntniss
gelten. Denn weder das Wort „Gott,“ noch das
Wort „Unsterblichkeit“ haben einen confessio-
nellen Charakter, können vielmehr in jedem
Glaubensbekenntnisse Platz finden, wo ihnen
dann erst durch Zusätze ein confessioneller
Charakter verliehen wird. Jene Erklärung hat
nur die Bedeutung einer Versicherung, durch
welche Missverständnissen vorgebeugt werden soll.
Solche Versicherung ist jedoch überflüssig und
mehr geeignet Missverständnisse unter den
Bundesgenossen hervorzurufen als sie zu ver¬
hindern, und dürfte daher nicht zu provociren
sein. Die Frmrei beruht, wie ihr Ursprung
aus der Werkmaurerei beweist, auf der Ueber¬
zeugung vom Vorhandensein des Naturgesetzes,
und, wie allgemein anerkannt ist, auf dem leben¬
digen Bewusstsein vom Vorhandensein des Sitten¬
gesetzes. Sie stellt dabei Naturgesetz und Sitten¬
gesetz in Analogie dergestalt, dass die Erkenntniss
des Naturgesetzes als ein Mittel, wenn nicht der
Erkenntniss des Sittengesetzes, so doch der Ver¬
ständigung über dasselbe gebraucht wird. Wie
aber das Naturgesetz durch Nothwendigkeit zum
Tode führt, so führt das Sittengesetz durch
Freiheit zum Leben. Nun ist aber aus den gross-
artigen Fortschritten, welche die Naturwissen¬
schaft in der Neuzeit gemacht hat, die Erkentniss
hervorgegangen, dass der Tod, welcher aus dem
Naturgesetze sich ergiebt, nur scheinbar Ver¬
nichtung, in Wahrheit aber nur ein Wechsel
der Form sei, der sich in’s Unendliche wieder¬
holt. Diese Erkenntniss enthält die glän¬
zendste Rechtfertigung der Maxime der Frmrei
Naturgesetz und Sittengesetz in Analogie auf¬
zufassen. Die Alten Pflichten der Frmr drücken
die Anerkennung des Naturgesetzes in der Weise
aus, dass sie sagen: ein Frmr, der die Kunst
recht versteht, „kann kein Atheist sein“; und
die Anerkennung des Sittengesetzes in der Weise,
dass sie sagen: „ein Frmr kann kein sittenloser
Wüstling sein“; sie sagen also dasselbe, was ein
moderner Redeweise sich bedienender mit den
Worten aussprechen würde, ein rechtschaffener
Frmr müsse das Naturgesetz und das Sitten¬
gesetz und beider Uebereinstimmung anerkennen.
Zeitgemäss würde demnach die Frage: „Glauben
Sie an Gott und Unsterblichkeit“ so auszudrücken
sein: „Erkennen Sie das Vorhandensein des
Naturgesetzes und des Sittengesetzes an“? Denn
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wer diese Anerkennung nicht besitzt, der kann
auch nicht zur Erkenntniss der Uebereinstim-
mung des Sittengesetzes mit dem Naturgesetze
gebracht werden, d. h. es kann aus ihm kein
rechtschaffener Frmr werden. Indess wird wohl
Niemand die Aufstellung dieser Frage empfehlen,
weil ja kein Mensch, der Sinn und Verstand hat,
an dem Vorhandensein des Naturgesetzes und
des Sittengesetzes zweifeln kann. Käme ein
Mensch zu irgend einem Mstr. v. St. einer
Loge, welcher diesen um Aufnahme bäte, zu¬
gleich aber sagte: ich erkläre jedoch, dass ich
weder ein Naturgesetz noch ein Sittengesetz
anerkenne und für möglich halte; — jeder
Logenmeister würde einen solchen Suchenden
als Menschen ohne Sinn und Verstand ab¬
weisen, weil ihm eben „die nöthige Bildung
fehlte, wie sie die Ausübung des frmn Berufes
voraussetzen muss“. Nämlich wegen des Man¬
gels an sittlicher Bildung, welche das vorur-
theilsvolle Absprechen über Natur- und Sitten¬
gesetz beweist; — die seientifische (gelehrte)
Bildung kommt dabei nicht in Betracht.
Die Frmrei ist ja keine Wissenschaft, sondern
die Kunst des Umganges sittlich gebildeter
Menschen mit Jedermann. Es giebt keine
frme Lehre, sondern nur ein frmes Gebaren.
Die Fanatiker des Unglaubens gehören eben so
wenig in die Loge, wie die Fanatiker des
Glaubens. Aber nicht wir schliessen sie von
uns aus, sondern sie sich selbst; wenn wir sie
abweisen, so geschieht dies nur um sie vor Un-
befriedignng und Kränkung, uns aber vor
Störung und Beleidigung zu bewahren. Man
soll auch Keinem sagen, dass die Loge ihn
nicht brauchen könne, sondern dass er die Loge
nicht würde brauchen können, weil er in ihr
nicht finden würde, was er in ihr suche.
Aber man wird mir entgegenhalten: „Gott
und Unsterblichkeit ist etwas anderes als Natur¬
gesetz und Sittengesetz!“ Ich frage dagegen:
Was ist das Sittengesetz ohne Menschen und
was. ist das Naturgesetz ohne Gott ?
Das Naturgesetz und das Sittengesetz sind
Abstractionen, welche ihre Verwirklichung, das
erste in der sinnlichen Welt, das zweite in der
übersinnlichen Welt, d. h. im Selbstbewusstsein
der Menschheit finden. Die Erfahrung aber
zeigt, dass die sinnliche Welt keinen Bestand
hat, indem alle Dinge und Kreaturen entstehen
und vergehen, und ebenso auch, dass die über¬
sinnliche Welt keinen Bestand hat, indem die
Träger desselben, die Menschen, nicht nur
gleich allen übrigen Kreaturen entstehen und
vergehen, sondern es auch nie zur Vollkom¬
menheit in sittlicher Beziehung bringen. Aus
dieser Erfahrung ist die Erkenntniss hervor¬
gegangen, dass ällo Wirklichkeit in Wahrheit
im Werden begriffen ist. Dieses Werden der
Wirklichkeit ist längst schon in Bezug auf die
übersinnliche Welt als Entwiekelungsprocess er¬
kannt, der in der Veredelung menschlichen
Wesens besteht. In Beziehung auf die sinnliche
Welt ward zwar auch schon längst die Ahnung
ausgesprochen, dass auch ihre Wirklichkeit auf
einen Entwiekelungsprocess hinauslaufe, aber erst
in der Neuzeit ist dies als Wahrheit erkanut
und nachgewiesen worden. Will man sich von
der in aller Zeit, d. h. in der Unendlichkeit
vorgehenden Entwickelung der sich veredelnden
Menschheit eine Vorstellung machen, so gelangt
man zu der Idee der Unsterblichkeit des zur
sittlichen Vollkommenheit sich entwickelnden
Menschen; und ebenso führt die Erkenntniss
von der Entwickelung der sinnlichen Welt zur
Vorstellung des in dieser Entwickelung sich
offenbarenden Gottes. Die Wissenschaft begnügt
sich mit Abstractionen, weil sie weiss, dass sie
noch nicht bei dem letzten Grunde aller Er¬
scheinungen angekommen ist; der lebendige
Mensch kann aber durch sein Wissen weder
seine physische noch psychische Existenz be¬
haupten : er wird durch eine Darlegung des
Verdauungsprocesses nicht satt und kommt durch
eine Tugendlehre nicht zqj: sittlichen That. Ob¬
schon er den letzten Grund seines Daseins nicht
kennt, so ist er sich doch bewusst, dass er
denselben in sich trägt und dass dieser Besitz
die Bedingung seiner Existenz ist; und da er
sich selbst als persönliches Wesen fühlt und
weiss, so stellt er auch diesen letzten Grund
aller Wirklichkeit und Wahrheit als persönliches
Wesen sich vor und nennt dasselbe: Gott. Die
Analogie zwischen Naturgesetz und Sittengesetz,
von welcher die Frmr ausgehen, läuft darauf
hinaus, dass die Unsterblichkeitsidee und die
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Gottesidee im innigsten Zusammenhänge stehen,
oder wie es ahnungvoll längst ausgesprochen
worden, dass der Mensch zur Gottähnlichkeit
berufen ist, weil alles geistige Wesen in sich
einig ist, wie mannigfaltig es auch in Raum und
Zeit sich gestalten mag. — Wie hoch der
Mensch auch gebildet sein mag, schliesslich
kommt es für ihn immer darauf an seine Ge¬
danken in eine Vorstellung zusammenzufassen,
sie durch Vorstellung sich deutlich zu machen.
Die Vorstellung Mensch ist mit der Vorstellung
Gott so innig verknüpft, dass nur wer sich
selbst aufgiebt, Gott leugnen kann, und dass,
wer Gott leugnet, an sich selbst verzweifelt.
Wer die Existenz der menschlichen Individualität
behauptet und die Ewigkeit des Sittengesetzes
anerkennt, der hat damit auch die Existenz
Gottes und die Unsterblichkeit anerkannt, —
vielleicht ohne es zu wissen. Aber freilich
braucht er Gott nicht als wundertätigen
Kämpfer gegen das von ihm selbst erlassene
Naturgesetz sich vorzustellen und die Unsterb¬
lichkeit des Menschen nicht im Essen und
Trinken und in alledem zu suchen, dessen
sterbliche Kreaturen als solche bedürftig sind.
Wir Frmr stellen uns die Aufgabe „den Men¬
schen geistig und sittlich zu veredeln“; damit
ist ausgesprochen, dass ein Frmr mit Erfolg
und zu seiner eigenen und der Brr Befriedigung
nur werden kann, wer den Menschen als ein
geistiges und sittliches Wesen anerkennt, welches
also eine andere Existenz als eine sterbliche
hat, d. h. unsterblich ist. Und ist der Mensch
der geistigen und sittlichen Veredelung fähig,
so ist damit auch anerkannt, dass es ein
geistiges W 7 esen geben muss, welches das in
Vollkommenheit ist, was der Mensch in der
Zeitlichkeit nur erst noch in Unvollkommenheit
zu sein vermag, — zu dem der Mensch hin¬
strebt, — welches das gesuchte Ziel seiner’
Entwickelung, sein Ideal ist. Je nach dem
Grade seiner. Entwickelung stellt sich der Mensch
dieses vollkommene Wesen vor, und je nach dem
Wege, auf dem er zu ihm hinzugelangen sucht,
benennt er es dann wohl auch. Wir Frmr
nennen dies Wesen den A. B. d. W., um aus¬
zudrücken, dass wir es suchen auf dem Wege
der Naturerkenntniss, d. h. des Naturgesetzes,
welches den in der Schöpfung sich offenbarenden
Willen des Schöpfers uns erkennen lässt, und auf
dem Wege der Selbsterkenntniss, welches den als
geistiges Lebensbedürfniss dem Menschen einge¬
pflanzten Willen des Schöpfers als den sittlichen
Willen des Menschen in’s Bewusstsein bringt. Wir
sind aber weit davon entfernt den A. B. d. W.
als unsern Gott den Göttern anderer Menschen
gegenüberzustellen, sondern wir wollen mit dieser
Bezeichnung alle gehässigen Streitigkeiten um
die Vorstellungen, welche sich die Menschen
über das geistige Wesen in seiner Vollkommen¬
heit machen, uns fern halten. Wir suchen
Gott wie der Mathematiker thut, indem er eine
noch unbekannte Grösse zu bestimmen sucht aus
den Beziehungen derselben zu andern bekannten
Grössen. So suchen wir Gott zu erkennen aus
den Dingen und Kreaturon der Welt, wie sie
sind und werden durch das Naturgesetz, und aus
den Forderungen des Sittengesetzes, welche die
in’s Bewusstsein gelangten geistigen Bedürfnisse
aller denkenden Menschen sind, von jeher ge¬
wesen sind und in aller künftigen Zeit sein
werden. Und wie der Mathematiker streiten wir
mit Niemand, auch unter einander nicht, son¬
dern überlassen einem jeden zu sehen, wie weit
er auf dem uns gemeinsamen Wege der Er¬
kenntnis zu kommen vermag. Im „Allgemeinen“
bleiben wir aber der Frage: „Glaubst Du an
Gott?“ gegenüber bei dem stehen, was unser
grosser Frmrdichter auf dieselbe geantwortet
hat: „Wer darf ihn nennen, und wer bekennen:
Ich glaub ihn ? Wer empfinden und sich unter¬
winden zu sagen: Ich glaub ihn nicht? Der
Allumfasser, der Allerhalter fasst und erhält er
nicht dich, mich, sich selbst? Wölbt sich der
Himmel nicht da droben ? Liegt die Erde nicht
hier unten fest ? Und steigen freundlich blin¬
kend ewige Sterne nicht herauf?“ —
Aus den angeführten Gründen halte ich die
Aufstellung „Allgemeiner Grundsätze der Frei¬
maurerei,“ wenn dieselben etwas anderes be¬
deuten und bezwecken, als dies: eine indivi¬
duelle Auffassung der Aufgabe der Frmrei zu
sein, für ein der Kunst der Frmrei nicht ge-
mässes Unternehmen, weil keino Kunst, und am
allerwenigsten die Frmrei, durch Majoritäts¬
beschlüsse sich reguliren, sondern jede nur
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durch Beispiel und Nachfolge sich ans- und
fortbilden lässt. Da ich aber, wie schon gesagt,
gegen die der Loge B. z. L. von den genannten
sechs Brn vorgelegten „Allgemeinen Grundsätze“
nichts wesentliches einzuwenden habe, und da
diese Brr von solchen, welche mit ihnen mehr
oder weniger übereinstimmen, „Verbesserungs-
Vorschläge“ zu erhalten wünschen, so stehe ich
nicht an, denselben eine Redaction der „Allge¬
meinen Grundsätze“ vorzulegen, welche, wie ich
wohl hoffen darf, den Ueberzeugungcn meiner
Brr Meister in der Loge B. z. L., die mir nun¬
mehr 30 Jahre lang den ersten Hammer dieser
Loge anvertraut haben, entsprechen wird, durch
die aber weder meine Brr in dieser Loge, noch
meine Brr Frmr in der Einen Allgemeinen Loge,
zu welcher alle Frmr gehören, irgend wie ver¬
pflichtet werden sollen. Ich schliesse mich da¬
bei dem Wortlaute der Vorlage so eng als
möglich an, und weiche nur ab um Missver¬
ständnisse zu vermeiden, Unklarheiten zu be¬
seitigen und einige Ergänzungen, die mir wün¬
schenswert!] erschienen, anzubringen. Die Gründe
zu diesen Aenderungen liegen theils in dem,
was ich soeben vorgetragen habe, theils erklären
sie sich von selbst.
Befragt, schlage ich folgende Fassung vor:
Allgemeine Grundsätze der Freimaurerei.
I.
Die Freimaurerei bezweckt unter Anwendung von
Formen, die ans den Gebräuchen der früher in Bau¬
hütten vereinigten und des Naturgesetzes als Bedingung
der Kunst sich bewussten Werkmaurer hervorgegangen
sind, den Menschen geistig und sittlich zu veredeln
und dadurch die Wohlfahrt der menschlicher Gesell¬
schaft zu befördern.
II.
Die Freimaurerei steht auf der Grundlage des den
geistigen Bedürfnissen des Menschen entsprechenden
Sittengesetzes und erstrebt die sittliche Vervollkommnung
des Einzel- und Gesammtlebens, so wie die Verbreitung
allgemeiner Menschenliebe.
III.
Der Freimaurerbund will die Zwecke und Grund¬
sätze der Freimaurerei zur Durchführung bringen durch
geistige Arbeit innerhalb der Logen und durch Uebung
und Beispiel ausserhalb derselben.
IV.
Der Freimaurerbund huldigt dom Grundsätze der
Gewissens-, der Glaubens- und der Geistesfreiheit; er
verwirft jeden Zwang, welcher diese Freiheit bedroht,
und jede Verfolgung, die gegen Andersgläubige und
Andersdeukende geübt wird.
V.
Der Freimaurerbund verlangt von den Aufzunehmen¬
den keinerlei Bekenntniss. Er verlangt nur, dass sie
freie Männer von gutem Rufe und von solcher geistigen
Bildung seien, wie sic die Ausübung dos freimaurerischeu
Berufes voraussetzen muss, ohne Unterschied der Race,
des Standes und der religiösen und politischen Ansichten.
VI.
Der Freimaurerbund verlangt vun seinen Mitgliedern
die ernste Theilnahmo an den grossen ethischen und
sozialen Fragen im Sinne friedlicher Entwickelung. Die
Loge selbst aber ist eine neutrale Stätte, in welcher
zwar alle Fragen des Lebens und der Wisser schaft zu
unbefangener Erörterung, wenn auch nicht zur Entschei¬
dung gelangen können und sollen, deren Schwelle aber
die Leidenschaften des öffentlichen Lebens und der
politischen und religiösen Parteikämpfe nicht über¬
schreiten dürfen.
VII.
Dor Freimaurerbund ist keine geheime Verbindung:
seine Zwecke, Geschichte, Organisation und Statistik
sind kein Geheimnis». Das von jedem Mitgliede des
Bundes abgelegte Gelübde der Verschwiegenheit bezieht
sich nur auf den persönlichen Verkehr der Mitglieder
des Bundes mit einander, sowie auf die Gebräuche.
Meine würdigen Brr, ich fordere nicht Sie
auf für oder wider sich zu erklären weder in
Bezug auf die uns zur Prüfung vorgelegte
Fassung der „Allgemeinen Grundsätze der
Frmrei“ noch auf dio von mir redigirte Fassung
derselben. Wohl aber schlage ich Ihnen vor:
im Namen der Loge B. z. L. eine Betheiligung
an „weiteren Schritten zur Erreichung des an¬
gegebenen Zweckes“ mit der Bemerkung abzu¬
lehnen, dass die Loge Balduin zur Linde als
eine unabhängige Freimaurerloge an einer Agi¬
tation, wie die welche beabsichtigt wird, nicht
sich betheiligen könne, um nicht ihre eigene Un¬
abhängigkeit zu gofährden, obschon in ihr seit
längor als einem Menschenalter wesentlich im Sinne
der ausgesprochenen „Allgemeinen Grundsätze der
Frmrei“ vorgegangen und namentlich von den
Aufzunehmenden keinerlei Bekenntniss verlangt
werde, indem bei jeder Aufuahmeloge nach Ein¬
führung des Suchenden als „freier Mann von
gutem Rufe“ rituell auf die Frage des Mstrs
v. St.: „welchem bürgerlichen Stande gehört der
Suchende an und welcher Religionspartei?“ der
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79
einführende II. Schaffner zu antworten hat: „Ich
weiss es nicht, aber ein rechtschaffener Frmr
und Meister unserer k. K., Br N. N., bürgt für
den Suchenden, indem er versichert, dass der¬
selbe ein der Selbstbeherrschung fähiger und
der Achtung aller Guten würdiger Mann sei.“ —
Ueber diesen meineu Antrag eröffne ich die
Discussion.
Die versammelten Brr Meister er¬
klärten sich einstimmig für den Vor¬
schlag des Br Marbach.
In derselben Conferenzloge kam auch der
bekannte „Aufruf an die St. Johannis¬
logen Deutschlands,“ welcher von der Loge
Karl August zu den drei Hosen in Jena
ausgegangen ist, zur Berathung und Beschluss¬
fassung. Es wurde von Br 0. Marbach bean¬
tragt zu beschlossen:
„Die Meisterschaft der Loge Balduin zur
Linde, welche von dem „Aufrufe etc.“ Kennt-
niss genommen, erkennt die Errichtung einer
frmn Nationalloge, — einer allgemeinen deut¬
schen Grosslogo unter dem Protectorate Sr. K.
K. Hoheit des Kronprinzen von Deutschland
als ein wünschenswerthes und erstrebenswerthes
Ziel aller deutschen Frmr an, ist auch überzeugt,
dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn
alle deutschen St. Johannis - Freimaurerlogen
ohne Rücksicht auf die verschiedenen Systeme,
Rituale und Grosslogenverbände, welche z. Z.
noch in Deutschland vorhanden sind, zur Er¬
richtung einer solchen Grossloge sich entschliessen
und wenn die in Deutschland bestehenden Gross¬
logen sowie die fünf unabhängigen Logen ihre
bisherige Unabhängigkeit zu Gunsten einer All¬
gemeinen deutschen Grossloge aus Ueberzeugung
freiwillig aufgeben; — sie hält aber nicht da¬
für, dass es rathsam und angemessen sei in der
von der Loge zu Jena vorgeschlagenen Weise
vorzugehen, um „die Einigung der deutschen
Logen als maurerisches Nationalgeschenk zur
Silbernen Hochzeit Sr. K. K. Hoheit darzu¬
bringen.“ — , Diesem Anträge gemäss
wurde beschlossen gegen die von Jena
ausgegangene Aufforderung sich ab¬
lehnend zu verhalten.
Engband der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
7. Vortrag des Br F. Fuchs.
(Fortsetzung aus No. 9.)
„Nachdem unser Hochw. Logenmeister den
Beamten und den übrigen Brn der Loge die
im Auftrag Ihrer an unsern Hochw. Logen-
meister gethanen Forderung den Ehrw. Brn
Lange und Oehme Constitution und Acten ab¬
zuliefern, ohne die Bewegungsgründe anzugeben,
bekannt gemacht hatte, entstand vor allen Dingen
die Frage: Ist die Grosse Landesloge zu einem
dergleichen Verfahren berechtigt? Die Antwort
fiel unserer Constitution und den Gesetzen der
Johannis-Maurerei gemäss, auch nach analogen
Principien jeder profanen Verbindung und dem
erhabenen Gutachten der gesunden Vernunft nach
dahin aus:
a) In Gemässheit unserer Constitution sind wir
der Hochw. Grossen Landesloge für unsere Hand¬
lungen verantwortlich, sobald sie uns auf ge¬
setzliche Art auf dem gewöhnlichen Communi-
cationswege zur Verantwortung zieht. Der
Communicationsweg der Hochw. Gr. Landesloge
ist jedoch durch den Grossmeister und die Be¬
amten unserer Loge. Gesetzlich ist dieser Weg
aber
b) auch nur dann, wenn die Klagopunkte vor¬
gelegt worden sind; denn schon das alltägliche
Princip „audiatur et altera pars“ klingt in Aller
Ohren und Niemand wird auf eine andere Art
aburteln. Man muss also
c) vor allen Dingen über das Factum im Reinen
sein, ehe man züchtigt, man darf nie ab exe-
cutiono anfangen. Einen solchen Prozess hat
das bürgerliche Gesetz verboten, wie könnte
diesem die Maurerei huldigen? Wie kann man
die Zwangsmittel in Beschlag nehmen wollen,
ehe man darüber einig ist, ob man ihrer bedarf?
Obschon wir folglich, sobald wir über unser
Benehmen legali modo, d. h. durch unsere Be¬
amten, gefragt werden, recht gern antworten
wollten, so konnten wir doch nicht eher ant¬
worten, bis wir die Frage wussten; am wenigsten
können wir uns bei dem Verfahren der Hochw.
Grossen Landesloge beruhigen welche uns züchtigen,
Constitution und Acten abnehmen will, ohne uns
nur einen Irrthum angewinkt, weit weniger ein
Vergehen bewiesen zu haben.
Und können denn Commissarien überhaupt
uns richten, können solche aus unserer Mitte
gewählt werden und wenn dem so wäre, wie
doch der Natur des einfachsten Verstandes zu¬
wider ist, können diese uns Constitution und
Acten abfordern, ohne eigentlich selbst die Ver-
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anlassung zu kennen ? Commissarien können und
werden wir nicht anerkennen, denn wir haben
der Hochw. Grossen Landesloge noch nie einen
Beweis gegeben, dass wir uns ihr verantwortlich
zu sein entbrechen, folglich kann sie solche nicht
anders als wie zeither durch unsere Beamten
fordern, auch ist dieses zweckmässig, denn diese
können allein über das specielle Verhältniss
einer Loge coguosciren. Auch können Brr
unserer Loge nicht als Commissarien gelten, denn
diese sind ja Theilnehmer unserer Handlungen.
Wie kann ich über ein Factum entscheiden,
wenn ich correus facti bin ? Dagegen spricht
ja das Civilgesetz, wie kann der reine Geist der
Maurerei dies dulden? Hieraus ergiebt sich denn
unumwunden, dass Sie, Hochw. und Gel. Br
nach den anspruchslosen Normen der Maurerei
nicht verfahren sind, und dass ein solches Be¬
ginnen nicht einmal mit den Grundsätzen einer
guten Staatsverfassung, weit weniger mit denen
der Maurerei zu vereinigen ist, welche nicht
Despotismus predigt, wie schon der Ausdruck
„freier Maurer“ ausspricht, schwesterliche Ein¬
tracht verlangt und man daher einzig und allein
den verderblichsten Inconsequenzen Preis gegeben
wäre, sobald man dergleichen Grundsätzen hul¬
digen und ein solches Benehmen als rechtsgiltig
auerkennen wolle.
Aus allen diesen und nach den reiflichsten
Erwägungen und sorgfältigster Prüfung der für
oder gegen die Sache statt habenden Gründe
ging das Resultat hervor, dass dem Geiste der
Maurerei ein, Subordinationsverhältniss entgegen
sei und nur schwesterliches Nebeneinanderstehen
Platz ergreifen könne, dass wir aber die Recht¬
lichkeit eines solchen Verfahrens, welches uns
sogar ohne zu hören condemniren und selbst
deu einfachsten Principien des gemeinen Rechts
entgegen handeln wollte, wenn es vor Ent¬
scheidung der Sache zu Zwangsmitteln schreitet,
durchaus nicht dulden, vielmehr von diesem
Augenblick zur Selbständigkeit übergehen,
und es Ihrem eigenen Gefühl, ob Sie uns im
schwesterlichen Verein neben sich sehen können,
überlassen müssen, worauf wir dann nach vor¬
gängiger Vereinigung die Constitution Ihnen
nicht vorenthalten werden.
Sie werden finden, Hochw., Würdige u. Gel.
Brr, dass wir Ihnen mit Offenheit und unge-
schmtickt, dem Geiste der Maurerei getreu, unsere
Meinung mitgetheilt haben; Sie selbst würden es
uns verargen, wenn wir anders handeln wollten
und werden es der erwachsenen Tochter billigen,
wenn sie sich der zwecklosen Zuchtruthe der
die Liebe verabsäumenden Mutter entzieht, ohne
diesfalls die Hochachtung aus den Augen zu
verlieren, mit welcher auch wir i. d. u. h. Z.
verharren“ u. s. w.
Einige Tage nach Abgang dieser Erklärung
erschien folgendes vom 6. Nov. 1807 datirtes
Schreiben der Grossen Landesloge.
„In der Loge zur Linde haben seit ihrer
Entstehung fast beständig Zank, Streit und Ver¬
druss geherrscht! Die mit Klagen aller Art
angefüllten Acten bekunden solches nur zu sehr
und dieser Missstand hat die Hochw. Grosse
Landesloge von jeher um so mehr mit gerechtem
Kummer erfüllt, jo mehr sie mit mütterlicher
Sorgfalt bemüht gewesen, in dieser geliebten
Tochterloge gesetzmässige Ordnung und echten
maurerischen Sinn zu gründen und zu be¬
festigen. — Kaum hat aber die Hochw. Grosse
Landesloge erwartet, was vor Kurzem geschehen
ist, indem der Br Eckold zum Vorsitzenden
Meister der Loge zur Linde gewählt worden,
den die Grosse Landesloge in Rücksicht dessen,
was vor mehren Jahren mit ihm vorgefallen
ist, nicht als Logenmeister genehmigen kann.
Gegen diesen Br wurden im Jahre 1800, als er
in der Loge zur Linde den Hammer führte, ver¬
schiedene Klagen und Beschuldigungen wegen
gesetzwidrigen Verfahrens im Logenmeisteramte
angebracht. Diese wurden ihm zur Verantwortung
und Rechtfertigung mitgetheilt; er Hess letztere
aber vergeblich erwarten und die Hochw. Grosse
Landesloge sah sich veranlasst, ihm das fernere
Arbeiten in der Loge zu untersagen und die
einstweilige Regierung derselben dem Hochw. Br
Voss zu übertragen.
Der Br Eckold gab bald nachher zwar eine
Antwort, ging aber nicht nur nicht in die Sache ein,
sondern war auch in seiner Schreibart der
Achtung, die der Hochw. Grossen. Landesloge
gebührt und der Verpflichtung von seinen Ar¬
beiten willig Rede und Antwort zu geben un-
eingedenk.“ —
(Fortsetzung folgt.)
Für Clubabeude mit Schwestern!
Bei Br W. Sclftlimpert in MeiHSen erschien:
Die Bekehrte.
Tendenziöses Lustspiel zum Lesen mit vertheilten
Rollen von
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Verlag von.Br Brnoo Zechel in Leipzig. — Drock von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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9 .j ato ,K _,n. Am Reissbrete. N ° Tbr - i8ga -
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beitrage bringen, die in den Logenversammlungeil eiues der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspond enz-Bureau’s. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen,
und gegen eine Insertionsgebähr von 15 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
Inhalt: Das Gehe im n iss der Maurerei in Bezug auf die Schönheit. — Bei Tafel am Schwestern¬
feste. — Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde.— Anzeigen.
Das Geheimnis» der Maurerei in
Bezug auf die Schönheit.
Rede zum Schwesternfeste der Loge Balduin zur Linde
von BrL. H. Hollaender, Prof, in Halle a/S.
Hochverehrte Schwestern!
Sie, die Sie heute hier versammelt sind
um Theil zu nehmen an einem Feste, das ganz
besonders Ihnen zu Ehren veranstaltet ist, Sie
sind gewiss mit den mannigfaltigsten Hoffnungen
und Erwartungen in diesen unseren Festsaal ge¬
treten. Sowohl Sie, die Sie schon öfters ein
Schwesternfest besucht haben, und noch mehr
Sie, die Sie heute zum ersten Male hier anwesend
sind, Sie hat gewiss schon Alle die würdige
Zurückhaltung Ihres Mannes in Bezug auf die
Loge zu der Ueberzeugung geführt, dass wir uns
hier mit verschiedenen ernsten Dingen beschäftigen
— dass unsere Zusammenkünfte nicht bloss den
Freuden der Tafel oder gar irgend einer Spielerei
dienen, sondern dass sie getragen sind von den
höchsten Gedanken, welche die Welt und die
Menschheit bewegen. Nur Eines ist es, was
gemischte Gefühle in Ihnen wach erhäit — es
ist dies die Frage nach dem Geheimniss der
Maurerei.
Das Geheimniss der Maurerei!
Wenn man dies nur mit wenigen Worten
auseinandersetzen, mit wenigen Worten verständ¬
lich machen könnte. Wer es nicht in seinem
Innern besitzt, dem wird man es nie verrathen
können, und wem man es erst anvertrauen muss,
der wird vor demselben stehen, wie der Jüngling
vor dem verschleierten Bilde zu Sais.
Das ist eben das grösste Geheimniss, dass
es kein Geheimniss ist!
Sie können schon, hochverehrte Schwestern,
freimaurerische Ideen in allen solchen Büchern
finden, die nicht bloss leichtfertigen Unterhaltungs¬
zwecken dienen; Sie finden sie in all* den Meister¬
werken unsrer deutschen Dichter und Schriftsteller,
bei Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Rtickert
und vielen anderen, und Sie können von dem er¬
habenen Wesen der Maurerei vollständig durch¬
drungen sein, ohne es selbst auch nur zu ahnen.
So wie Sie erst einmal in sich selber ein¬
kehren, so wie Sie Ihre Umgebung, die Natur
ringsum, das menschliche Leben überhaupt in
Ihre Betrachtung ziehen, müssen Sie zu maure¬
rischen Gedanken angeregt werden.
Sie können es dann schon durch sich selber
erfahren, dass das ganze menschliche Leben sich
auf baut, und dass die Maureroi sich stützt auf
drei Grundbedingungen, — dass der einfache Bau
unserer Kunst begonnen werden muss mit Weisheit,
dass er durchgeführt wird mit Stärke, und dass
er geziert wird durch Schönheit.
Die Schönheit ist das letzte und edelste
Ziel unseres Lebens und Strebens, denn Schönheit
ist der Lohn jeglicher Tugend. Für die Seele
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existirt die Welt nur, um den Wunsch nach
Schönheit zu erfüllen.
Aber was ist Schönheit?
Schönheit im weitesten und tiefsten Sinne
ist der Ausdruck für alles Grosse, Wahre und
Göttliche im Universum. Sie ist der Verkünder
innerlicher, zeitlicher und ewiger Vollkommenheit.
Die Schönheit ist nichts Gemachtes. Sie ist da
und tritt unbewusst in die Erscheinung, sei es
in sittlicher, sei es in körperlicher, sei es in
ästhetischer Beziehung.
Am deutlichsten wird jedoch das Wesen
der Schönheit, wenn man sich ihre Eigenschaften,
Kennzeichen oder Merkmale im Einzelnen klar
zu machen sucht.
Am ersten fesseln den Blick stets die Schön¬
heiten der Natur, und ihrem Eiidiuss entzieht
sich wohl kaum selbst der roheste Mensch.
Jeder empfindet die Schönheit des blauen
Himmels, der sich über die lachende Landschaft
wölbt; die Schönheit der aufblühenden Rose,
deren Duft die Umgebung durchsetzt; die Schön¬
heit der blaugrünen glatten Meeresfläche, durch
die man in eine bodenlose Tiefe blickt, und die
erhabene Schönheit des zuckenden Blitzes, der
in schwarzer Gewitternacht einen kurzen Moment
das Dunkel durchbricht.
Die höchste körperliche Schönheit zeigt die
menschliche Gestalt, und vor Allem das Weib.
Schön ist das jugendfrische, lebensfrohe
Mädchen, desseu heiteres Lachen alle Welt be¬
zaubert, — schöner die Mutter mit dem Säugling
an der Brust, — aber am schönsten die bejahrte
Matrone, dereu Locken um so anmuthiger und
verehrungswürdiger geworden, je weisser sie sich
gefärbt haben.
Jedes höhere Gefühl, jede ächt menschliche
Empfindung ist schön!
Schön ist die Liebe dankbarer Kinder zu
ihren Eltern — schön und beseligend ist die
Liebe der Gatten zu einander, — schön ist die
Treue, die der Freund dem Freunde, der Bruder
dem Bruder hält, aber namenlos schön ist die
selbstlose Hingabe der Mutter, die ihrem Kinde
nicht allein ihr eigen Fleisch und Blut, sondern
ihr ganzes Dasein opfert.
Schön ist die Hochachtung vor dem Bedeuten¬
den, vor dem wahrhaft Grossen!
Schön ist der Mann, der Wissenschaft und
Kunst vertieft und verbreitet, der neue Bahnen
seinen Zeitgenossen geebnet, dessen Erfindungen
und Entdeckungen der armen und leidenden
Meuschheit zu Gute kommen und den Glanz
unseres ideellen und materiellen Lebens erhöhen,
aber noch viel schöner ist der, der sein Leben
so kunstvoll gestaltet, der die Beziehungen zu
seinen Nebenmenschen so veredelt hat, dass man
von ihm sagen kann: „Nehmt Alles nur in
Allem“ er ist ein Mann, er ist ein edler, ein
guter Mensch.
Schön und echt maurerisch ist die Duldung
einer anderen Meinung, einer anderen religiösen
Ueberzeugung, aber niedrig, gemein und verab¬
scheuungswürdig ist die zeternde Unduldsamheit
jener Bonzen und Pfaffen, die noch heutzutage
jeden anders Gläubigen mit Feuer und Schwert
verfolgen würden, falls ihnen die Macht dazu
verliehen wäre.
Schön ist jede grosse That! Schön ist Jo¬
hannes lluss, der für seine Ueberzeugung auf
dem Scheiterhaufen stirbt, — und schön ist der
Tod fürs Vaterland!
So unendlich verschieden tritt das Schöne
in die Erscheinung, aber so viel wird Ihnen
klar sein, dass das Schöne allein, dass die
nackte, sinnliche Schönheit * weder für uns
Maurer noch für irgend einen wahrhaft ge¬
bildeten Menschen das höchste Ideal sein kann.
Nicht die Schönheit allein ist es, welche in
uns die dauerndsten Empfindungen wach ruft
und erhält. Schönheit ohne Anmuth ist ein
prachtvoll gedeckter Tisch ohne Speisen, Schön¬
heit ohne Herz und Gemüth lässt die Seele
nüchtern und schal, und „nach der griechischen
Göttersage muss sich Juno, die herrliche Kö¬
nigin des Himmels, erst von der Venus den
Gürtel der Anmuth entlehnen, wenn sie ihren
Gatten Zeus auf dem Berge Ida bezaubern will.“
(Schiller.)
Schönheit ohne geistigen, ohne seelischen
Inhalt wirkt um so unangenehmer, je mehr man
sich von dem ersten sinnlichen Eindruck hin-
reissen liess. Dahingegen verklärt der geistige
Ausdruck, ein treuherziger geiststrahlender Blick
der Augen, ein mildes, ruhiges, sinniges Auf¬
treten, ein bescheidenes und doch energisches
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Wesen selbst das hässlichste Gesicht. Von der
Sanfhnuth des Herzens wird es eine besondere
Grazie erhalten, so dass cst geradezu schöner
erscheint als jenes, das uns durch den Reiz der
sinnlichen Erscheinung allein anzuregen im
Stande ist.
Nicht die junge freudenstrahlende Braut,
nicht die zärtliche Mutter sind vollendet schön, —
wirklich idealisch schön ist die Frau, die ihrem
Manne in allen Lagen des Lehens stets als
hilfreiche Gattin, ihren Kindern als brave Mutter
sich zeigt, und in deren ganzen Wesen sich
eine Reinheit der Empfindung und des Denkens,
eine Eleganz der Bewegung und eine Schönheit
des ganzen Seins abspiegelt.
Wie oft wirken derartige Frauen durch ihr
Auftreten, durch ihre blosse Erscheinung allein!
„Wahre Königin ist nur des Weibes weibliche
Schönheit,
Wo sie sich zeige, sie herrscht, herrschet bloss,
weil sie sich zeigt.“ (Schiller.)
Und doch will man in der neuesten Zeit
der Frau diesen ihren höchsten Zauber rauben,
indem man in falscher materieller Geistes- und
Verstandesrichtung sie hinauszudrängon sucht in
die Welt, damit sie Theil nehme an den ge¬
fährlichen, Geist und Gemüth verödenden und
anstrengenden Arbeiten des Mannes, für die ihre
zartere, körperliche Konstitution überhaupt nicht
geschaffen ist. So wie die Frau ihr eigenes
Gebiet verlässt, so wie sie es verschmäht, durch
ihre edle Weiblichkeit zu wirken, so wie sie ein-
tritt in die rauhe Welt, die ausserhalb ihrer weib¬
lichen Arbeitssphäre liegt, schwinden alle ihre
schönen Eigenschaften und verzerren sich geradezu
in ihr Gegentheil.
Abgesehen von der körperlich in die Er¬
scheinung tretenden Schönheit, die durch inneren
Gehalt gehoben wird, und jenen idealen Schön¬
heiten, die unsern Geist und unser Gemüth er¬
heben, suchen und finden wir die Schönheit in
Allem, was nothwendig, in allem Brauchbaren
und in Allem, was seinen Zweck am besten
erfüllt.
Jede menschliche Thätigkeit ist schön, so¬
bald sie einen edlen Gedanken zur Unterlage
hat und jede Arbeit ist schönen Lohnes werth,
die unserem gewählten Berufe entspricht. Denn
wir Alle sind zur Arbeit geboren, und nur in
der Arbeit können wir jene Befriedigung finden,
welche die Schönheit unserer Existenz bedingt.
Die Zelle der Biene, die gerade aus so viel
Wachs besteht, als sie zu ihrer Festigkeit be¬
darf — die Einrichtung einer Wirtschaft, eines
Hauswesens, die sowohl den materiellen Mitteln,
als auch dem Bedürfniss des Besitzers ent¬
spricht, — die nicht nach aussen hin mehr
scheinen will, als sie wirklich ist, die sich als
einfach und natürlich, und also als wahr reprä-
sentirt, sie fallen alle unter den Begriff der
Schönheit.
Denn nur das Wahre ist auch wirklich
schön, und nur in der Wahrheit entfaltet die
Schönheit ihre Macht.
Gemalte Wangen, aufgebauschte Kleider,
erkünstelte Jugendlichkeit, überschwenglich süsse
Redensarten sind Täuschungen, dio um so häss¬
licher erscheinen, je weiter sie von der Wahr¬
heit sich entfernen.
Ebenso ist es mit den Anforderungen, die
wir an architektonische Schönheit stellen. Die
Villa des Emporkömmlings, die mit Säulen
geziert ist, welche Nichts zu tragen haben, ist
geradezu lächerlich und das einfache Haus, das
mit äusseren Zierrathen überladen ist, die in
keiner Beziehung stehen zum Zweck, den es er¬
füllen soll, — die prachtvollsten Bilder und
Möbel im Zimmer sind unschön, wenn sic nur
dem Schmuck und durchaus nicht einem gemüth-
lichen Wohlbehagen dienen.
Und die kunstvoll gesetzten und gedrechselten
Phrasen eines sogenannten glänzenden Redners,
wie können sie erwärmen und begeistern, wenn
man fühlt, dass sie nicht dem Herzen entströmen,
dass sie unwahr sind!
Welche Wirkung erzeugt hingegen ein
Redner selbst mit den einfachsten Worten, wenn
diese seiner inneren Uebcrzeugung entsprechen
und wenn sic im Einklänge stehen mit seinem
ganzen Sein und Wirken. Denn nur das Wahre
belebt, nur die Wahrheit überzeugt, und nur
durch die Wahrheit bleibt die Schönheit für
immer bestehen.
Sie sehen, hochverehrte Schwestern, schon die
Erörterung der Schönheit hebt uns aus dem All¬
täglichen, aus dem Gewöhnlichen, aus dem Ge-
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84
meinen und führt uns in Regionen, die weit ab¬
liegen von den Pfaden, die wir gewöhnlich im
profanen Leben zu wandeln pflegen.
Ob dies wohl auch ein Geheimniss der
Maurerei ist! Ich habe es Ihnen bereits ver-
rathen, und ich darf es wohl auch. Wir suchen
vor Allem die moralische, die seelische Schön¬
heit und sollen sie in allen unseren Handlungen,
in allen unseren Empfindungen, in unserem ganzen
Leben bethätigen.
Wir wissen, dass jeder Gedanke, jede
menschliche Handlung, jedes menschliche Kunst¬
werk, überhaupt jede geistige Thätigkeit immer
nur der Ausdruck sein kann der eigenen Ge¬
dankentiefe, der Ausdruck der sittlichen Voll¬
kommenheit, die wir erreicht haben.
Mögen sich grobe und sinnliche Naturen
noch so sehr mit allerlei Kostbarkeiten behängen,
ihre gemeinen Gesichtszüge, die ihr Inneres ver-
rathen, erscheinen dadurch nur um so gemeiner.
Nur die edle Gesinnung,*die sich in allen Hand¬
lungen , im Denken und Empfinden offenbart,
lässt den Menschen schön erscheinen. Ja noch
mehr, schon das Suchen nach dem Schönen ver¬
leiht uns selber einen bestimmten Grad von
Schönheit.
Für jeden edlen Menschen und daher auch
für den Maurer ist die Schönheit das am meisten
Wünschcnswerthe.
Was Weisheit erfunden, was Stärke ausge¬
führt, soll Schönheit krönen. Wir wollen uns
an weiser Arbeit, an der energischen Ausführung
derselben, aber vor Allem auch an ihrer Schön¬
heit erfreuen. Die Maurerei ist eine Kunst,
eine königliche Kunst, und sie hat wie alle
Künste als Endziel die Schönheit. Nur wer das
Schöne empfindet, durchlebt ein reiches Leben.
Aber nicht in der Loge allein arbeitet der
Maurer zur Erreichung dieses Zieles. Die Loge
ist nur seine Schule, hier lernt er, hier ent¬
wickeln sich in ihm, hier fühlt er sich durch¬
drungen von jenen Grundsätzen, in denen er
leben und nach denen er handeln soll. Ob dies
wohl ein Geheimniss zu sein braucht? Wie der
Maurer sich für seinen Beruf voibereitet, und
wie er ihn erfüllt, — wie er sich seinen häuslichen
Heerd gründet und wie er ihn allmählich ver-
grössort — wie er sich seine Braut wählt und
schliesslich seine Gattin heimführt — wie er
seine Kinder erzieht und wie er sich verhält
seinen Nebenmenschen gegenüber — wie er sich
selber bemüht abzustreifen alles Erkünstelte,
alles Unwahre, alles Gemeine — in Jedem sucht
er das Schöne und zeigt sich darin als echter
Mensch, als Maurer.
Indem er so das Schöne, das Wahre überall
zu erreichen strebt, gelangt er zur Erkenntniss
seiner Schwächen, er gelangt zur Milde, zur
Duldung, zur Dernutb, zur Selbsterkenntniss, und
hiermit zur ersten Stufe jener Glückseligkeit,
die wir alle erstreben.
Das ist eines der Geheimnisse der Maurerei
und jeder denkende Mensch kann leicht auch
alle anderen ergründen.
Wer gewöhnt ist Einkehr in sich selbst zu
halten, — je nach seiner Bildung und Erfahrung
sich selbst Rechenschaft zu geben über sein
eigenes Denken und Handeln, — über seiu
Verhalten zu seinen Nebenmenschen, — über
seine Stellung in der göttlichen Weltordnufig, —
über seine Pflichten gegen Staat, Gemeinde und
Familie, und wer in seinem Thun und Empfin¬
den sich nach den Gesetzen der ewigen Schönheit
richtet, der ist bewusst oder unbewusst ein Maurer.
Denn „die Freimaurerei ist nichts Will¬
kürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas
Nothwendiges, das in dem Wesen des Menschen
und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist. 44
(Lessing).
Sie ist sicherlich so alt als diese Gesell¬
schaft solber und muss mit dem Erwachen jeg¬
lichen Culturlebens entstanden sein, gleichsam als
Gegensatz gegen Fanatismus uud Unduldsamkeit,
sei es auf religiösem, sei es auf socialem Gebiete.
So wie der Mensch nur den Menschen
achtet, fragt er nicht nach seiner religiösen Ueber-
zeugung, nach seiner socialen Stellung.
Die Maurerei hat keine Formeln zur all¬
gemeinen Beglückung in dieser oder jener Welt,
aber sie sieht in jedem Menschen das Werk
seines Schöpfers und sucht jeden Einzelnen auf
den Weg zu leiten, der zum Heile führt.
Die Maurerei ist sicherlich mit dem
Menschengeiste selbst geschaffen und darum
göttlichen Ursprungs!
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Bel Tafel am Schwesternfeste.
Mel.: Heil dem Manne, der den grünen Hain etc. von Kiefer.
Chor:
Heil dem Manne und dem Weibe Heil,
Die in treuer Liebe gehn des Lebens Pfade!
Fried und Freude ist ihr irdisch Theil
Und ihr himmlisch Theil ist Gottes Gnade!
Einzeln:
Treue Liebe ist ein Himmelsstrahl,
Der des Erdonlcbens bange Dunkelheiten
Hellet auf, verzehret Notli und Qual
Und durchglüht das Herz mit Seligkeiten!
Drum der Manu soll leben,
Dessen Liebestreben
Schönstes Ziel errungen;
Preis sei ihm gesungen!
Chor:
Heil dem Manne, dem ein reines Weib
Willig Herz und Hand fürs Leben hat gegeben,
Dem die Liebe nicht ein Zeitvertreib,
Dem sie Gut und Blut und Geist und Leben!
Einzeln:
Selig ist das Weib, das einen Mann,
Einen weisen, starken, edlen Mann gefunden,
Der sie ehret und sie schützen kann
Wie sich selbst in trüben Schicksalstunden!
Drum die Frau soll leben,
Deren Liebestreben
Schönstes Ziel errungen;
Preis sei ihr gesungen!
Chor:
Heil dem Weibe, dem ein edler Mann
Freudig Herz uud Hand fürs Leben hat gegeben,
Dem die Liebe, die sein Herz gewann,
Alles: Gut und Blut und Geist und Leben!
Einzeln:
Glücklich in der Ehe heiligem Bund
Sollen Menschenherzen eins durchs andre werden;
Jedem von uns allen werde kund,
Dass es einen Himmel giebt auf Erdeu!
Gott, dem wir vertrauen, '
Auf dess Huld wir bauen,
Wird aus reichen Händen
Seinen Segen spenden!
Chor:
Heil dem Manne und dem Weibe Heil,
Die in treuer Liebe gehn des Lebens Pfade!
Fried und Freude ist ihr irdisch Theil
Uud ihr himmlisch Theil ist Gottes Gnade!
Br ü. Marbach.
Engbund der Loge Balduin z. L.
Zur Geschichte
der Loge Balduin zur Linde.
7. Vortrag des Br F. Fuchs.
(Fortsetzung aus No. 10.)
„Nach dieser Vorfallenheit, und da der Br
Eckold seine Rechtfertigung auch in der Folge
ganz auf sich hatte beruhen lassen, konnte die
IIocliw. Grosse Landesloge die im Jahre 1804
von neuem auf ihn gerichtete, ohnehin nicht
völlig gesetzmässig geschehene Wahl zum Logcn-
meister nicht gut heissen und erklärte sich ganz
ausdrücklich dagegen, so wie über die späterhin
eingekommene, aus Glimpf zurückgelegte söge-
nannte Vertheidigung demselben. Diese acten-
mässige Vorfalleuhoitcn können der Loge zur
Linde nicht unbekannt sein und wenn der Br
Eckold, der sich vorgedaebtermaassen gegen die
Hochw. Grosse Landesloge vergangen und des
Vertrauens unwürdig gemacht hat, jetzt demohn-
geachtet wieder zum Logenmeister gewählt worden,
so ist dieses eine rautliwilligo Beleidigung der
Hochw. Grossen Landesloge. — Aus diesen
Gründen haben wir den Hochw. Brn Oehme
und Lange bereits unterm 4. Scpt d. J. den
Auftrag ertlieilt: „mit Zuziehung der bisherigen
ersten Logenbeamten, des Hochw. Br Plato
und der Würd. Brr Aufseher Dolz und Döring
die der Loge zur Linde in Leipzig verliehenen
Acten und Constitution bis zur weiteren Ver¬
fügung in sichere Verwahrung zu nehmen und
die Loge für geschlossen zu erklären,“ — —
bei Ertheilung dieses Auftrags aber gedachten
Brn wohlbedächtig aus Schonung und Achtung
die Gründe dieser Maassregel nicht detailiren
mögen. Da jedoch nach der Anzeige der Hochw.
Brr Oehme und Lange die Auslieferung der
Acten und Constitution, sofern nicht die Gründe¬
angegeben werden, verweigert werden will, so
sind Grund und Ursache den säinmtlichen Brn Mit¬
gliedern der Loge zur Linde damit dargelegt. —
Jetzt verlangen wir nun die baldige und willige
Ausantwortung der Acten und Constitution an
die ernannten Brr Commissarien, die Ihnen
dieses Schreiben offen behändigen werden, aus¬
drücklich mit dem Bemerken, dass wir zwar
keine äussern Zwangsmittel anwenden können,
dass wir uns aber auf den von der Logo zur
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Linde nach dem Beschluss und Namens ihrer
Mitglieder unterm 29. März 1806 ausgestellten
Revers und des darin auf Freimaurer-Bruder-
treue und Glauben gegebene Versprechen: „Die
Constitution und Acten olmweigcrlich zurückzu¬
geben, sobald solche von der'Hochw. Grossen
Landesloge zu Berlin sollten zurückverlangt
werden“ mit allem Vertrauen stützen, weil ein
solches Versprechen ohne Beschimpfung nicht uner¬
füllt gelassen werden kann. Erfüllen Sie daher, Gel.
Brr, unser wohlbegründetes Verlangen und Ver¬
trauen! Wehe thut unsern Herzen dieser unver¬
meidliche Schritt, wir sind aber mit treuen maure-
rischcn Gesinnungen Ihre treu verb. Brr“ u. s. w.
Dieses Schreiben war von Berlin abgegangen,
als man dort die Leipziger Erklärung noch nicht
kannte. Unter dem 15. Januar 1808 sandte die
Grosse Landesloge ein kurzes Schreiben „an die
sich nennende selbständige Loge zur Linde in
Leipzig,“ in dem es heisst: „Aus Ihrem Schreiben
haben wir ersehen, dass die Loge zur Linde,
die bisher unter Constitution der Hochw. Grossen
Landesloge gesctzmässig bestanden und gearbeitet,
sich nunmehr für selbständig erklärt hat. Da
wir mit diesem Ausdruck keinen andern Begriff
zu verbinden wissen, als dass die sich nunmehr
für selbständig erklärende Loge weder einor Grossen
Landeslogo noch Provinzialloge Hilfe zu ihren
Arbeiten und Fortkommen bedürfe, so erwarten
wir nun desto zuversichtlicher, dass die selb¬
ständige Loge, ihres heilig gegebenen schriftlichen
Versprechens eingedenk, sich nicht länger weigern
wird, der Grossen Landesloge Acten und Con¬
stitution wieder zurück zu schicken, welches wir
binnen 14 Tagen ohnfehlbar gewärtigen. Gegeben
in der Grossen Landesloge der Freimaurer zu
Berlin, v. Castilion, Landesgrossmstr.“
Die Loge zur Linde schrieb hierauf zurück:
„Sie haben nun unserm Verlangen Gnüge geleistet,
und ob wir schon diese Gründe als ausreichend
nicht betrachten können und dürfen, so wollen
wir doch nach uuserm Versprechen die Consti¬
tution in die Hände eines von Ihnen selbst zu
ernennenden Brs gegen Rückgabe des Reverses
und beigehende von Ihnen zu vollziehende Quittung
abzugeben erbütig sein und halten uns überzeugt,
dass Sie diesen Weg als den unserm Verhältniss
am angemessensten anerkennen werden und ver¬
bleiben unter diesen Voraussetzungen Ihre Sie
heizlich liebenden Ordensbrr.“
Das Quittungsformular enthält die Empfangs¬
bescheinigung der zurückgesendeten Acten und
der Constitution und eine Begebung aller An¬
sprüche an die Loge zur Linde. — Die Grossloge
scheint jedoch jetzt allen Verkehr mit der Loge
zur Linde abgebrochen zu haben, denn die be¬
treffenden Papiere bliebon in Verwahrung der
hiesigen Loge, erst 1809 sendete sio Br Limburger
sen, der nach des Logenmeisters Eckold Tode
die Leitung der Loge nicht eher übernehmen
wollte, als bis Constitution und Acten an die
Berliner Grosslogc zurückgegeben seien, an den
Landesgrossmeistcr vonCastillon mit einem Privat¬
schreiben ein; unter dem 30. Mai (1809) bescheinigt
Br von Castilion ebenfalls privatim den Empfang.
Mit Eifer ging die neue Loge an die Aus¬
arbeitung einer für die Bedürfnisse einer selb¬
ständigen Loge berechneten Constitution und des
dazu gehörigen Rituals, zu dessen Vervollständi¬
gung man sich das Ritual der Loge Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg erbat.
In einem Circular vom 20. April 1808 au
die mit ihr correspondirenden Logen theilt die
Loge zur Linde unter ausführlicher Darlegung
der veranlassenden Gründe mit:
1) „dass sie die maurerische Obergewalt der
Grossen Landesloge nicht mehr anerkenne,
2) blos den maurerischen Gesetzen und ihrer
eigenen Verfassung Gehorsam angelobe,
3) ihre Arbeiten auf die drei Johannisgrade ein¬
schränke,
4) ihrem bisher bearbeiteten System treu bleiben,
5) nicht untersuchen wolle, ob und welcher Loge
das Recht Töchterlogen zu constituiren zu¬
stehe, übrigens aber
6) mit allen Logen, die als gesctzmässig aner¬
kannt sind, ohne über Systemverhältnisse abzu-
urtheilen, in Verbindung bleiben und treten
wolle.“
Aber auch die Grosso Landesloge Hess unter dem
15. Februar 1808 ein Circular an ihre Töchter¬
logen und die mit ihr correspondirenden Logen
ergehen, worin sie den Abfall der Leipziger Loge
anzeigt und die Veranlassung dazu ganz in der¬
selben Weise schildert, wie sie es in dem an
die Logo zur Linde unter dem 6. Nov. 1807
gerichteten Schreiben gethan, und es als ein
besonders schweres Vergehen hinstellt, dass Con¬
stitution und Acten noch nicht zurückgeschickt
seien. Es heisst dann weiter: „Wir lassen es
an seinen Ort gestellt, welchen Begriff diese Loge
mit der erwähnten Selbständigkeit, einer in der
Frmei ganz neuen Eigenschaftv, erbinden möge,
und überlassen sie gern ihrem Schicksal, wenn
sie glaubt, weder einer Grossloge noch einer
Provinziallogo zu ihren Arbeiten und zu ihrem
Fortkommen zu bedürfen.“ — „Wir unsererseits
können diejenigen unrechtmässigen Inhaber unserer
Acten und Constitution und alle diejenigen, welche
an deren Vorenthaltung Antheil genommen haben
und noch nehmen (denn von sämmtlichen Mit¬
gliedern der gedachten Loge wollen wir es nicht
annehmen) für nicht anders, als des ehrwürdigen
Freiraaureinamens unwürdig erklären, die sich
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selbständig nennende Loge zur Linde aber nicht
anerkennen, sondern müssen sie für eine Winkel¬
loge erklären.“
„Dahingegen zeigen wir Ihnen an, dass die
Brr Lange, Oehme, Dolz, Plato, Horn, Döring,
Hesse, Kadelbach und Schneider, zu denen noch
später die Brr Hofmann, Bracke und Richter
getreten sind, die uns für jetzt bekannten treu
gebliebenen Brr sind, dass wir vor der Hand
nur diese Brr als diejenigen ausehen, welche die
gesetzmässige von uns constituirte Loge zur Linde
in Leipzig ausmachen und dass diese guten Brr
sich nach unserer Anleitung bereits gesammelt,
eine Beamtenwahl veranstaltet und zu unserm
Beifall
Br Lange zum Logeumstr,
„ Oehmo zum deput. Mstr,
„ Plato zum 1. Aufseher,
„ Dolz zum 2. Aufseher,
„ Horn zum Sekretair,
„ Döring zum Redner,
„ Kadelbach zum Schatzmeister und
„ Hesse zum Ceremonienmeister
der gesetzmässigen Loge zur Linde erwählt haben.
Diese Brr empfehlen wir daher Ihrer Achtung,
Liebe und Freundschaft um so mehr, da wie
uns angezeigt wordon, die unächte Loge zur
Linde sich hat beigehen lassen wollen, einige
derselben zu excludiren. Nehmen Sie die Ver¬
sicherung u. s. w.“
Diese Exclusion war lt. Protokollbeschluss vom
30. Nov. 1807 wirklich geschehen. Man batte
die Ausgeschlossenen vor die Meisterconferenz zur
Verantwortung geladen, sie waren aber nicht
erschienen. Es gab sonach jetzt eine „unächte,
sich selbständig nennende“ und eine „gesetzmässige
ächte“ Loge zur Linde in Leipzig. Die letztere
scheint jedoch nicht lange bestanden zu haben,
denn mehrere Glieder derselben, wie Bracke,
Hofmann, Dolz und Döring (letzterer wurde später
sogar Logenmeister) kehrten wieder, zum Theil erst
1819, zur alten Loge zurück, während die andern
zu der Zeit entweder gestorben waren oder den
Balduin nicht wieder aufsuchen mochten. Aber
auch die sogenannte „selbständige“ Loge zur
Linde bestand nicht lange als solche, sie suchte
und erhielt 1809 ein Constitutionspatent durch
den Provinzialgrossmeister der Grossen Loge zu
London Br Beckmann zu Hamburg und Nieder¬
sachsen und nahm den Namen „Balduin zur
Linde“ an. Doch diese weitere Entwickelung dar¬
zustellen, liegt jetzt nicht in meinem Plane; ich
wollte zunächst nur die Geschichte der Loge
während der Zeit ihrer Verbindung mit der Grossen
Landesloge vorführen und ich habe dies mit
möglichster Treue und Gewissenhaftigkeit auf
Grund der im Archive der Loge Balduin zur Linde
vorhandenen Acten zu thun versucht. — Einen
kurzen Rückblick möchte ich aber noch auf die
vielfachen Misshelligkeiten zwischen der Grossen
Landesloge und ihrer Leipziger Tochter werfen.
Die Klagen und Anschuldigungen sind gegenseitig,
und es ist nicht zu verkennen, der Grund dazu liegt
auch auf beiden Seiten. Bei einem tiefem Ein¬
dringen in die Verhältnisse erscheint aber manches
anders und in milderem Lichte als bei blos ober¬
flächlicher Betrachtung derselben. Zunächst klingt
in der Sprache vor 100 Jahren vieles härter
und schroffer als es gemeiut war und aufgefasst
wurde, da man in gleicher Sprache antwortete.
Auch ist wohl kaum in Abrede zu stellen, dass
die Grosse Landesloge ihren Töchterlogen gegen¬
über einen etwas hochfahrenden Ton anstimmte,
über den nicht nur die hiesige, sondern auch viele
andere Logen klagten; es mag auch dieser Um¬
stand in den Hochgraden, denen sämmtliche Gross¬
beamte angehörten, zum Theil seine Erklärung
finden. Der Hauptgrund aber zu den vorge¬
kommenen Misshelligkeiten lag jedoch auf der
einen Seite in der eigentümlichen Verfassung
der Grosslogc und auf der andern Seite in den
eigenthümlichen Verhältnissen derLeipzigerTochter.
Als Fundamentalgesetz der Grossen Laudes¬
loge war proklamirt: „die unabänderliche wört¬
liche Beibehaltung und Befolgung der überliefer¬
ten Gesetze, Gebräuche und Gewohnheiten.“ Mit
Recht konnte sie daher wohl sagen: „Vor 30 Jahren
verschrie man uns als Aufklärer und jetzt schilt
man uns lichtscheu und wir sind doch dieselben
geblieben.“ Dieses starre Festhalten auch an
den veraltetsten Formen, dieses fortwährende
Hinweisen und Sichstützen auf die — so oft
angezweifelte — Echtheit ihrer Acten, das damit
verbundene Streben eine Suprematie über die
Logen Deutschlands zu erlangen, wie sie die
Grossloge von London in England besass, das
Ergreifen jeglicher Gelegenheit, ihre Herrschaft
zu erweitern und sie namentlich auch ihren
Töchterlogen fühlen zu lassen; sowie endlich,
wo es sich nur irgend thun liess, die Unterdrückung
anderer Systeme und das Verbot mit solchen
Logen und Brn in Verkehr zu treten. — Und
dem gegenüber die Leipziger Tochterloge! Wohl
mochten in der ersten Zeit ihres Bestehens un¬
ruhige Elemente, die schon der Minerva den
Rücken gekehrt, leicht Anlass zur Unzufrieden¬
heit geben. Aber im Allgemeinen zählte die
Leipziger Tochter in der blühenden Handels- und
Universitätsstadt unter ihren Mitgliedern wohl
mehr wissenschaftliche Capacitäten und intellec-
tuelle Grössen, als irgend eine andere Tochter¬
loge. Der kosmopolitische Geist Leipzigs wollte
sich am wenigsten iu die ihm angesonnene Zwangs¬
jacke stecken oder in seinen Angelegenheiten
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bevormunden lassen. Und dazu die Stellung der
Loge zu den sie umgebenden Logen anderer
Systeme, von denen eine in Leipzig selbst domi-
cilirte, die vielen zur Messe hier einkehrenden
besuchenden Brr anderer maurerischen Arbeits¬
arten, mit denen keine Gemeinschaft gepflogen
werden sollte, obschon das profane Leben täg¬
liche Berührungspunkte bot ! Fast alle Zwiespältig¬
keiten zwischen Mutter und Tochter gipfeln in
zwei Dingen: Verkehr mit Logen und Brüdern
anderer Systeme, den die Leipziger Tochter nicht
vermeiden konnte und wollte, und Einmischung
der Mutter in die inneren Angelegenheiten der
Tochter, — hier wurde wohl von beiden Seiten
die Grenze etwas weit gezogen.
Das letzte Zerwürfniss, welches die Trennung
von der Grossloge zur Folge hatte, lässt sich
nur aus der Unkenntniss oder falschen Beur-
theilung der Verhältnisse in der Leipziger Tochter-
loge von Seiten der Grossloge erklären. War
letzterer auch der Br Eckold wegen seiner bis¬
weilen rücksichtslosen Energie, seiner schneidigen
oft sehr derben Sprache, seines fortwährenden
Strebens nach Reformen und Neuerungen als
Logenmeister nicht genehm, so war es doch
wahrlich kein Grund, wegen einer fast gegen¬
standslosen Beschuldigung — man hatte bei
ärgeren Vergehen ein Auge zugedrückt und sie
ignorirt —, über welche sich Br Eckold, wie
die Grosse Landesloge selbst zugesteht, übrigens
zweimal zu rechtfertigen gesucht, seine Wahl
zum Mstr vom Stuhl nicht anzuerkennen, deshalb
die Constitution abzufordern uud die Loge
schliessen zu wollen!
Wäre der Grossen Landesloge bekannt gewesen,
welche ungeheuchelte Achtung Br Eckold wegen
seines ehrenwerthen Charakters und seiner Wirk¬
samkeit in maurerischen wie in profanen Kreisen
genoss, so würde sie gegen einen solchen Br,
wider den sie, wie aus allem hervorgeht, weiter
nichts als die unterlassene Verantwortung aut
die nichtigen Beschuldigungen vorzubringen wusste,
nicht so verfahren sein. Jedenfalls meinte sie,
oder sie mochte auch so berichtet sein, wie aus
verschiedenen Andeutungen hervorgeht, die Brr
der Loge zur Linde würden den neugewählten
Mstr verlassen, die alten Beamten wieder in ihre
Stellen setzen uud zum Gehorsam zurückkehren.
Später scheint man in Berlin selbst froh gewesen
zu sein, dass die Linde eine Constitution in
Hamburg gesucht. Br von Castilion spricht dies
nicht nur in einem Briefe an den Br Limburger,
sondern auch gegen den Grossmeister Br Beck¬
mann in Hamburg aus ; sie trat von da an wieder
in die Reihe der mit der Grossen Landesloge
correspondirenden Logen und das brüderliche
Verhältniss ist seitdem nicht mehr getrübt worden.
Verlag von Bruno Zechel in Leipzig.
Logen-Arbeiten
gehalten
in der Loge Minern zu den drei Palmen in Leipzig
von
J. Victor Carns,
z. Z. Meister vom Stuhl.
17 Bogen. 8.
Preis M. 5.—, elegant gebunden M. 6.—.
Bruchsteine zum Bau.
Zu«nmmengetragen
zum Gebrauche für Zünftige und Unzünftige
von
E. A. F. Kampelt gen. Emil Walther,
z, Z. Meinter vom Stuhl der Loge zu den drei Schwertern und Aatr&a
zur grünenden Kaute in Dreeden.
18 Bogen, kl. 8.
Preis M. 4. —, elegant gebunden M. 5. —.
Die Entstehung der Rittergrade
in der Freimaurerei
um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts.
Nach den ältesten freimaurerischen Hand- und Druck¬
schriften bearbeitet
von
Br G. A. Schiffmann.
12 Bogen. 8.
Preis M. 3.—, elegant gebunden M. 4. —.
Vorstehende Schriften haben soeben die Presse ver¬
lassen und können durch alle Brr Buchhändler, sowie
auch direct von mir bezogen werden.
Leipzig, 15. November 1882. Bruno Zechel.
Die auswärtigen Brr Abonnenten, welche mit der Zahlung von 3 Mark
für den laufenden Jahrgang noch ln Rückstand sind, bitte ich um gefällige Ein¬
sendung des Betrages — der Porto-Ersparniss wegen eventuell in Briefmarken —
da durch Postnachnahme, die bei den Restanten mit No. 12 erfolgen müsste,
unverkältnissmässig hohes Porto erwachsen würde. Br Bruno Zechel,
Leipzig, November 1882. Verlagsbuchhandlung.
Verlag von Br Bruno Z echel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig.
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£££*■*»: Am ßeissbrete. 2=5.*»
Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach.
Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaminluugen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischeu Correspond enz-Bureau’s. Allen an diesem unter Leitung
der Loge Baldnin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter'
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen,
und gegen eine Insertionsgeb&hr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile.
* Inhalt: Erklärung der fünf unabhängigen Logen in Bezug auf das Manifest der Brr
Barthelmess und Genossen. — An die ger. und vollk. Loge Carl August zu den. drei
Bosen imOrientJena. — Ansprache bei einer Gesellenbeförderung. — Br W. F. G ö t z.
Ein maurerisches Lebensbild aus der Loge Balduin zur Linde. — Aus dem frmn
Correspond enz-Bureau. — Anzeigen.
Erklärung der fünf unabhängigen
Logen in Bezog auf das Mani¬
fest der Brr Barthelmess und
Genossen.
Sechs Brr Frmr in Nürnberg, Baden-Baden,
Ulm und Frankfurt a. M. haben ein vom 13. Au¬
gust 1882 datirtes Manifest an die deutschen
Logen erlassen, in welchem sie in 7 Punkten
zusammengefasste allgemeine Grundsätze der
Frmrei aufstellen. Sie fordern zu Aeusserungen
darüber auf und behalten sich vor, „zur Erreichung
ihres Zwecks weitere Schritte zu thun, welche
sie in gesetzlicher Weise für dienlich erachtend
Als diesen Zweck bezeichnen sie „eine innere
Erneuerung,“ „eine Neubelebung des Maurer¬
bandes.“
Als Mittel zur Erreichung des Zwecks sehen
sie an die Rückkehr zu den alten, im Laufe der
Zeiten irrthümlich oder absichtlich getrübten
Quellen der maurerischen Erkenntniss und er¬
blicken offenbar in dem, als erstes Motiv in dem
Begleitschreiben angeführten „eng begrenzten con-
fessionellen Princip“ die wichtigste, ja wohl einzig
sie zu ihrem Schritte veranlassende Trübung.
Für diese letztere Auffassung sprechen sowohl
die in unmittelbarem Anschlüsse hieran erwähnten
„Einwirkungen des Zeitbewusstseins,“ welches
dem ganzen Zusammenhänge nach nur als weitest¬
gehende Toleranz anfzufassen sein dürfte, als auch
die in der ersten „Erwägung“ enthaltenen Worte,
wonach die Frmrei „mit der fortschreitenden Er¬
kenntniss des Menschengeschlechts in Einklang
zu erhalten sei, um ihr eine dauernde Wirksam¬
keit^ unserm Culturleben zu sichern.“ (— Es
soll also ein Einklang mit der fortschreiten¬
den Erkenntniss der Menschheit durch
Rückkehr zu den alten Quellen der maure¬
rischen Erkennntniss erreicht werden!—)
Indem wir nun selbstverständlich den geliebten
Brn die unbedingteste Berechtigung, ja Ver¬
pflichtung zugestehen, in sich oder ihren Logen
eine Neubelebung anzustieben, wenn sie deren
bedürfen, so protestiren wir doch einmal dagegen,
dass sie diese Erneuerungsbedürftigkeit auf den
ganzen Bund, also auch auf die vielen Logen
übertragen zu dürfen glauben, welche weder von
den allgemein für echt maurerisch anerkannten
Grundsätzen abgewichen sind, noch eine Abnahme
ihrer Lebenskraft, welche zu einer Neubelebung
Veranlassung geben könnte, in ihrem Wirken wabr-
nehmen lassen. Wir protestiren aber auch gegen
die einseitige Heranziehung und irrthümliche Aus¬
legung der Alten Pflichten.
Biese Alten Pflichten wollen nicht den „Hu¬
manismus“ als Grundlage der Frmrei aufstellen,
sondern die „Humanität“ und Toleranz; sie wollen
nicht confessionslose Mitglieder, sondern ver-
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— 90
zichten nur auf die Gleichheit des Bekenntnisses
aller Brr! Es leitet daher der V. Grundsatz
irre und widerspricht den Alten Pflichten, wenn
er aufstellt, dass der Bund von den Aufzunehmen¬
den keinerlei Bekenntniss verlange! Er verlangt
wohl kein die Mitglieder als solche auszeichnendes,
bei der Aufnahme abzulegendes Bekenntniss, aber
er verlangt von ihnen als gottesgläubigen (no
atheist), religiösen (no irreligious libertine), einer
Confession (denomination) angehörigen Männern
eine bestimmte religiöseUeberzeugung(persuasion).
Bezeichnend ist hier die in den neueren Ausgaben
des Constitutionsbuches enthaltene, sich dem Sinne
nach ganz an die erste Ausgabe anschliessende
Umschreibung, dass der Bund die Mitglieder
lehrt, „die hohe Vortrefflichkeit desjenigen Glau¬
bens darzuthun, welchen sie bekennen,“ (of the
faith they may profess).
Wenn nun auch im II. Grundsatz das
Sittengesetz als „rein menschlich“ bezeichnet wird,
während es als Ausfluss der ewigen Naturgesetze
gleich diesen ewig ist, also nicht menschlich sein
kann, falls man nicht in einer abgeblassten Auf¬
fassung nur die mit der Culturentwickelung sich
ändernden Beziehungen von Mensch zu Mensch
damit bezeichnen will, wenn ferner die ausdrück¬
liche, imIV. Grundsatz enthaltene Verwahrung
gegen einen die Gewissens- und Glaubensfreiheit
bedrohenden Zwang und eine Verfolgung Anders¬
gläubiger und Andersdenkender kaum nöthig ist,
da dieselbe eine selbstverständliche Folge des im
I. Grundsatz bezeichneten Zwecks der Frmrei ist,
die Menschen geistig und sittlich zu veredeln,
sie in dieser augenfälligen Form aber nur zu
leicht den Verdacht eines Hintergedankens zu er¬
wecken dient, so lässt sich gegen die noch übrigen
Allgemeinen Grundsätze um so weniger etwas
einwenden, ihre besondere Aufstellung erscheint
aber auch deshalb um so weniger nothwendig,
als sie in den Gesetzbüchern wohl aller Logen
mit mehr oder weniger übereinstimmenden Worten,
sicher in ganz übereinstimmendem Sinne enthalten,
meist sogar in besonderen Paragraphen ausdrück¬
lich ausgesprochen sind.
Wenn wir uns nun trotzdem nicht entschliessen
können, uns zu den von den geliebten Brn auf¬
gestellten Grundsätzen zu bekennen, noch weniger
deren allgemeine Annahme zu empfehlen, so hält
uns davon die ganze Motivirung und die darin
liegende Auffassung der Frmrei ab, nament¬
lich die in der ersten Erwägung ausgesprochene,
oben schon erwähnte Ansicht, dass die Wirksam¬
keit der Frmrei Yon ihrem Einklänge mit der
fortschreitenden Erkenntniss der Menschheit ab-
hänge. So schön dies klingt, ist dabei doch über¬
sehen, dass die Wirksamkeit eines wesentlich
sittlichwirkenwollenden Bundes nicht vom Wissen
abhängen kann, dass aber umgekehrt die Er¬
kenntniss , welche doch nur von bestimmten
Kreisen gefördert wird, ausserhalb derselben nur
gar zu oft in zusammenhangloser und unver¬
standener Weise zu Folgerungen auf Gebieten
benutzt wird, welche von ihr gar nicht oder nur
sehr indirect berührt werden, welche aber doch
von der grossen meist urtheilslosen oder vorur-
theilsvollen Menge als unter'dem Einflüsse dieser
Erkenntniss stehend angesehen werden. Das
pflegt man dann „Zeitbewusstsein“ und „fort¬
schreitende Erkenntniss“ zu nennen. Wer sich
mit den jeweiligen Richtungen der allgemeinen
Geistesbewegung in Einklang setzt, kann keinen
Einfluss auf sie üben *, wer mit dem Strome
schwimmt, an dem können sich die Wogen nicht
brechen.
Unsere Zeit krankt an Glaubens- und Sitten-
losigkeit. Was die Ursachen sind, würde hier
zu untersuchen Zu weit führen. Die Folgen sind
in der erschreckend weit um sich fressenden
Zuchtlosigkeit des Herzens und Geistes offen¬
kundige Thatsachen. Soll die Existenz des
Freiraaurerbundes als Culturmacht Sinn und Be^
deutung gewinnen, so ist dies nur zu erreichen,
wenn er sich nicht dem allgemeinen Strome über¬
lässt, sondern als wellenbrechender Fels ihm zu
widerstehen sucht, wo er in falsche Bahnen ge¬
leitet wird, wenn er, die Aufklärung zur weiteren
Klärung dahin verweisend, wo sie hin gehört,
in das Gebiet des Wissens, das allgemeine Ge¬
wissen vor Verflachung und Versumpfung zu
schützen übernimmt. Er kann, als menschliche
Einrichtung, sich nicht vermessen, der in der
Brust jedes Menschen, wenn auch zuweilen leise,
aber für jeden in sich selbst Einkehr haltenden
doch vernehmlichen Gottesstimme eine bestimmte
Form und Ausdrucksweise zu geben. Er soll
aber die Ohren seiner Mitglieder für diese
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Stimmen empfänglich machen. Mit dem wieder¬
erwachenden oder lebendiger werdenden Gottes¬
bewusstsein ist dann auch die Wiederkehr der
Empfindung und Aufmerksamkeit für das Sitten¬
gesetz gesichert.
Nur in einer solchen Weise kann dem Frei¬
maurerbunde eine „Wirksamkeit in unserem Cultur-
leben“ gewährleistet werden und nur in diesem
Sinne hat er „der fortschreitenden Erkenntniss
des Menschengeschlechts“ aufmerksam zu folgen,
um jede, aus den mit ihrer Natur unverträglichen
und daher zu krankhaften Erscheinungen führenden
Fehlem oder irrthttmlichen Deutungen entstehende
„Störung in der harmonischen Gestaltung des
Einzel- wie des Gesammtlebens“ in wirksamer
Weise durch eindringliche Berufung an das Herz
und das Gewissen bekämpfen und mit Hülfe des
Allm. Baumeisters a. W. beseitigen zu können.
Leipzig, Altenburg, Gera und Hildburghausen,
den 19. November 1882.
Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig.
J. Victor Carus, Mstr. y. St.
Loge Archimedes zu den drei Reissbretern in
Altenburg.
E. Gabler I, Mstr. v. St.
Loge Balduin zur Linde in Leipzig.
0. Marbach, Mstr. v. St.
Loge Archimedes zum ewigen Bunde in Gera.
Theod. Fischer, Mstr. y. St.
Loge Carl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
C. Schneider II, Mstr. y. St.
An die gerechte und vollkommene
Loge Carl August zu den 3 Rosen
im Orient Jena.
Die fünf unabhängigen Logen Deutschlands
begrüssen wie sämmtliche Logen das 25jährige
Ehe-Jubiläum ihres Durchlauchtigsten Bruders,
Sr. Kais. Königl. Hoheit des Kronprinzen des
deutschen Reichs und von Preussen, als hohen
Festtag und werden nicht zurückstehn, wenn es
gilt, „dem Hohen Stellvertretenden Protector der
deutschen Maurerei ein Zeichen der Hochachtung,
der Liebe und Ergebenheit zu geben.“ Sie er¬
blicken auch, wie viele andere deutsche Logen
in der Vereinigung sämmtlicher deutschen Johannis¬
logen zu einer einzigen Deutschen Grossen Na¬
tionalloge ein wünschenswerthes und zu erstreben¬
des Ziel.
Da aber die zur Zeit bestehenden acht deut¬
schen Grosslogen durch die Gründung des Gross¬
logenbundes selbst schon die ersten Schritte zu
einer engeren Verbindung gethan haben, welche
in natürlicher Entwickelung zu weitergehender,
auch formeller Einigung führen müssen,
da denselben in Anerkennung dieses Vor¬
gehens nicht zuzumuthen ist, dass sie ohne Weiteres
ihre Selbständigkeit, Unabhängigkeit und leitende
Stellung aufgeben,
da es endlich gegen die Loyalität und maure¬
rische Gesinnung der unter Grosslogen stehenden
Johannislogen verstossen würde, über ihre Gross¬
logen hinweg deren Beseitigung und Ersetzung
durch eine einzige allgemeine Grossloge zu be-
schliessen, ein solcher Beschluss auch, falls er
gefasst werden könnte, zu keinem Resultate führen
würde,
können die fünf unabhängigen Logen Deutsch¬
lands den Vorschlag der Loge Carl August zu
den 3 Rosen im Orient von Jena, wenn derselbe
auch den Wunsch vieler Brüder ausdrückt, doch
nur als unausführbar ansehen und müssen sich ihm
gegenüber, so lange die vorschlagende Loge nicht
praktisch erreichbare Mittel zur Erfüllung jenes
Wunsches angiebt, ablehnend verhalten.
Leipzig, Altenburg, Gera, Hildburghausen,
den 19. November 1882.
Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig.
J. Victor Carus, Mstr. v. 8t.
Loge Archimedes zu den drei Reissbretern in
Altenburg.
E. Gabler I, Mstr. y. St.
Loge Balduin zur Linde in Leipzig.
0. Marbach, Mstr. y. St.
Loge Archimedes zum ewigen Bunde in Gera.
Theod. Fischer, Mstr. y. St.
Loge Carl zum Rautenkranz in Hildburghausen.
C. Schneider II, Mstr. y. St
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92
Ansprache bei einer Gesellen-
beförderung.
Aus der Loge zur Harmonie in Chemnitz von Br C. W.
Zeissig im Jahr 1840.
Wenn in dem ernsten Momente der ersten
Weihe des Freimaurers die Binde von seinen
Augen fällt, erblickt er sich zwar auch schon
umgeben von einem enggeschlossenen Bruder¬
kreise und fühlt sich diesem Bruderkreise ange¬
hörig; — allein dessenungeachtet kann er sich
noch nicht als ein in geselliger Gemeinschaft
selbständiges mitwirkendes Mitglied des Frmr-
Vereins betrachten. Vielmehr hat er seine Auf¬
nahme in den Bruderkreis bloss als einen Ver¬
such anzusehen, ob er wirklich die Befähigung
erlangen werde in Gemeinschaft mit seinen Brn
Gesellen und Meistern den Bau kunstübend zu
fördern. Noch erblickt er — hat er die Sym¬
bole seiner Aufnahme richtig aufgefasst, — in
sich einen rohen Stein, welcher erst durch sorg¬
fältige Behauung in die Form eines kubischen
Werkstücks gebracht werden muss, um einen
wohlgeordneten Theil des ganzen Baues bilden
zu können. — Immer geht die Tendenz der
Weihe des ersten Grades hauptsächlich dahin:
zur Selbstprüfung zu leiten, dadurch Selbster-
kenntniss zu bewirken, und den ernsten Vorsatz
herbeizuführen: alle durch diese Selbstprüfung
und durch die dadurch erlangte Selbsterkenntniss
an sich wahrgenommenen Unebenheiten der Leiden¬
schaft, der Neigung und des Wahnes abzuarbeiten
und sich dadurch zu einem kubischen Bausteine
umzubilden. Die Freimaurerlogen betrachten die
Vollendung der Lehrzeit als die Zeit der Voll¬
endung der Arbeit am rohen Steine und nehmen
an, dass der Beförderung suchende Lehrling sich
nunmehr zu einem kubischen Steine in dem an¬
gegebenen Sinne .umgeformt habe. — Ist auch
diese Annahme, — wie so manches Andere —
nur eine symbolische, indem selbst der beste und
edelste Mensch zu keinem Zeitpunkte seines
Lebens sich rühmen kann und wird, dass er nun¬
mehr das Ziel seiner Veredelung erreicht habe,
und aller weiteren Besserung seiner selbst über¬
hoben sein könne: — so deutet doch diese Sym¬
bolik dahin, dass der Mensch sich selbst geprüft,
sich selbst erkannt und sich selbst vorbereitet
haben müsse, wenn er als selbständig und har¬
monisch mitwirkendes Mitglied in eine rein mensch¬
liche Geselligkeit eintreten, und geschmückt mit
dem Kranze echter Humanität, gemeinschaftlicher
Thätigkeit sich erfreuen will. Es deutet diese
symbolische Annahme dabin, dass der seine Lehr¬
zeit vollendet habende Lehrling wenigstens inso¬
weit von den Strahlen des Ideals der Frmrei
sich erleuchtet und erwärmt fühlen müsse, um
gern und frei sich in einem Kreise von Menschen
zu bewegen, welche ohne Berücksichtigung der
Verschiedenheit der Nationalität, des höhern oder
niedern bürgerlichen Standes und Ranges, —
der mehren oder mindern Ausstattung mit
irdischen Glücksgütern, — der Art und Weise,
wie der Mensch zur Gottinnigkeit — Religio¬
sität — gelangt, oder sie äusserlich darzustellen
gewohnt ist, — ja selbst der höhern oder niedern
Geistesklarheit oder Geistesgewandtheit und der
mehren oder mindern wissenschaftlichen oder
künstlerischen Ausbildung,-einander gegen¬
seitige Achtung und innige Bruderliebe widmen,
und unter welchen eine höhere geistige, wissen¬
schaftliche, künstlerische oder mechanische Aus¬
bildung bloss dazu dient, dem also Bevorzugten
denjenigen Wirkungskreis anzuweisen, in welchem
er durch diese Gaben zur erhöhten Veredelung
der Gesammtthätigkeit die Fülle seiner Kraft
ganz und harmonisch zu entfalten vermag. —
Alles dieses — wenigstens symbolisch —
vorausgesetzt, erfolgt nun die zweite maurerische
Weihe, — die Weihe zum Gesellengrade, — die
Weihe zum Eintritt als selbstthätig und harmonisch
mitwirkendes Mitglied in einem geselligen Huma¬
nitätsverein. —
Denn so wie zeither die Selbstthätigkeit des
Lehrlings nur auf sich selbst und auf die sinnige
Beobachtung der neuen Welt beschränkt war,
in welche er sich durch seine erste Weihe zum
Frmr versetzt fühlte; — so erweitert sich nun
diese Selbstthätigkeit durch seine zweite Weihe
zur gesellig-harmonischen Mitwirkung.
Nur dann aber kann das freie gesellige Zu¬
sammenwirken einer Genossenschaft mit den
höchsten Zwecken der Menschheit vereinbar er¬
scheinen, wenn die Cultur der Humanität unter
diesen Genossen einheimisch geworden ist, die
Harmonie reiner Bruderliebe in ihren Gemüthern
wieder tönt und die Strahlen der Gottheit durch
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die Strahlen der Vernunft die Stätte ihres ge¬
selligen Waltens erleuchten. — Darum meine
neu beförderten geliebten Brr Gesellen, wurde
bei dieser zweiten Weihe Ihr Blick auf das
Ideal der Schönheit, auf die das gesellige Leben
veredelnde Kunst und auf die festeste Stütze ver¬
edelter Geselligkeit, auf die Freundschaft, ge¬
richtet, indem zugleich der flammende Stern,
als das erhabene Symbol der Vernunft, — im
höheren Sinne des Wortes, — welche allein dem
Menschen seine göttliche Abkunft, — seine Ver¬
wandtschaft mit einer Geisterwelt und ein ewiges
Dasein in fortschreitender Veredlung verbürgt,
Ihren Schritten vorleuchtete. —
Ueben Sie sich nun, meine Brr, in diesem
geselligen Wirken, — schreiten Sie fort auf der
Bahn, welche Ihnen durch Ihre Aufnahme in den
Freimaurerbund geöffnet, welche durch Ihre zweite
Weihe geebnet und mit den Kränzen der Huma¬
nität geschmückt worden ist! Und wenn Sie
wirklich das waren und sind, für was wir Sie
symbolisch betrachteten; — wenn Ihre weitere
Beförderung — Ihre zweite Weihe — nicht bloss
als eine zufällige äussere Form von Ihnen auf¬
genommen wurde: — so werden Sie vielleicht
dereinst, nach einer dritten Weihe ernsterer Art,
den ganzen Bauriss schauen, den Sie jetzt nur
erst zu ahnen vermögen.-
Engbund der Loge Balduin z. L.
Br Wilhelm Friedrich Götz.
Geb. 1785, gest. 1847.
Ein maurerisches Lebensbild ans der Loge Balduin zur
Linde in Leipzig.
Von Br Fr, Fuchs.
Bei einem eingehenden Studium der Geschichte
der Loge Balduin zur Linde, wie sie aus den
Jahrbüchern ihres reichen Archivs uns entgegen¬
tritt, verweilt man gern länger bei diesem oder
jenem Namen eines Brs, am längsten bin ich
aber von dem Namen des Brs gefesselt worden,
der ein gut Theil der Logenacten selbst ge¬
schrieben, von dessen 36jähriger Maurerlaufbahn
und 21 jähriger Führung des ersten Hammers der
Loge die Logenprotokolle viel zu berichten
wissen: — dessen Name überhaupt mit der ge¬
deihlichen Entwickelung der Loge nach innen und
nach aussen auf das innigste verknüpft ist und
der heute noch in seinen Söhnen unter uns einen
herrlichen Klang hat: — ich meine den Br
Wilhelm Friedrich Götz. Eine Anzahl
unserer älteren Brr hat mit dem Ehrenmann noch
von Angesicht zu Angesicht verkehrt und sein
begeisterndes und werkthätiges Wirken mit eigenen
Augen erschaut; — mir ist solches Glück nicht
zu theil geworden, denn als ich in unsere Loge
aufgenommen wurde, war er bereits seit einer
Reihe von Jahren in den ewigen Osten einge¬
gangen. Wenn ich gleichwohl versuche ein Bild
dieses alten Logenmeisters zu zeichnen, so darf
ich doch hoffen, dass dasselbe ein wahrheitge¬
treues sein werde, da ich sämmtliches Material
zur Darstellung seines Maurerlebens dem Logen-
archive entnommen. Ehe ich aber zu seiner
maurerischen Thätigkeit selbst übergehe, will ich
vorerst das mittheilen, was ich über seinen Ent¬
wickelungsgang sowie über seine Thätigkeit *im
profanen Leben vorgefunden.
Wilhelm Friedrich Götz wurde den
2. Januar 1785 zu Nürnberg geboren. Von den
11 Kindern des dortigen Pfarrers an der St.
Clarakirche, Andreas Götz, war er das 4. und
der älteste Sohn. Unter den Augen seiner als
äusserst sanft geschilderten Mutter durchlebte er
die ersten Kindeijahre, während der streng recht¬
gläubige, biedere und fromme Vater den ersten
Unterricht seines Erstgeborenen sehr zeitig in
die Hand nahm, denn schon nach Vollendung
des 3. Lebensjahres konnte der Knabe lesen.
Seine weitere Ausbildung erhielt er auf dem
Gymnasium seiner Vaterstadt, das er bis Prima
durchlief. Eigene Neigung, wohl auch das Vor¬
bild seines Vaters zogen ihn zum Studium der
Theologie; auf der Schule hatte er sich bereits
vielfach im freien Sprechen und öffentlichen Auf¬
treten geübt, er hatte nämlich unter seinen Mit¬
schülern einen Kreis gebildet, in welchem sich
die Mitglieder desselben im Disputiren und inr
freien Vortrage übten, und unser Götz hatte be¬
reits hier sein schönes Talent der freien Rede,
das zwar zunächst der Kanzel gelten sollte, herr¬
lich entwickelt.
Nach dem Wunsche seines Vaters und ge¬
leitet von dem Einflüsse eines Onkels, der als
Professor der Rechtswissenschaft an der kleinen
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Nürnbergischen Universität Altdorf wirkte, be¬
stimmte er sich für die Jurisprudenz. Doch die
Universität Altdorf wurde aufgehoben, der rechts¬
gelehrte Onkel schlug sein Domicil in Nürnberg
auf und der junge Student kam als Privat¬
sekretär zu dem Wüitembergischen Gesandten
in Regensburg, Freiherrn von Seckendorf, einem
Freunde seines Vaters; hier hatte eu Gelegen¬
heit, die damals dort gehaltenen Vorlesungen
über Rechtswissenschaft zu hören. Trotz seiner
geringen pecuniären Mittel war der Aufenthalt
in Regensburg für ihn ein sehr angenehmer und
anregender; er wurde nicht nur in mehre an¬
gesehene Familien eingeführt und dort gern ge¬
sehen, auch in einer sogenannten literarischen
Gesellschaft fand er für seine Lieblingsneigung
sich in der freien Rede zu üben neue Nahrung —
auch lernte er seine nachmalige Gattin Johanna
Oppermann, die Schwester eines seiner Freunde,
hier kennen. Um so schwerer wurde ihm nach
zweijährigem Aufenthalt der Abschied von Regens¬
burg, als sein Vater ihm die schmerzliche Mit¬
theilung machte, dass er die zeither gewährten.
Mittel ihm länger zu verabreichen ausser Stande
sei und ihn zugleich auf das Anerbieten eines
Schwagers hinwies, sich in dessen Geschäft als
Kaufmann auszubilden, um so eher zu einer
Selbständigkeit zu gelangen. Mit schwerem Herzen,
aber mit frischem Muthe wurde der neue Lebens¬
plan aufgenommen; der zeitherige Student lebte
sich bald in die neuen Verhältnisse ein, nach
einiger Zeit vertraute man ihm den Reiseposten
des Geschäfts, wodurch seine Welt- und Menscben-
kenntniss wesentlich erweitert wurde. 1808 nahm
er eine Stelle in einem Leipziger Geschäfte an,
1810 gründete er mit einem Freunde am hiesigen
Orte ein Compagniegeschäft und verehelichte sich
mit seiuer oben genannten Braut. Doch wollte
ihm bei diesem mit geringen Mitteln begonnenen
Geschäft das Glück nicht blühen und er zog es
vor die ihm angebotene Stelle eines Buch¬
halters bei der damals in Leipzig ins Leben
tretenden Feuerversicherungsanstalt anzunehmen
und half somit dieses zu grossem Aufschwung
gelangte Institut begründen. Doch nur bis zum
Jahre 1819 blieb er in dieser Stellung. Der
Leipziger Stadtrath, der damals sein Handels¬
abgabenwesen umgestaltete und dem die tüchtige
Geschäftsbildung und die bedeutende Arbeitskraft
des Buchhalters Götz nicht unbekannt geblieben
war, übertrug ihm die vortheilhafte Stellung eines
Wagedirectors, die er von 1819—1834 verwaltete.
Im letztgenannten Jahre trat Sachsen dem Zoll-
verbande bei, das hiesige Abgabenwesen erfuhr
dadurch eine abermalige Umgestaltung, und die
Regierung ernannte unsern Götz, dessen zeit¬
herige Stellung durch die neuen Verhältnisse auf¬
gehoben wurde, in Anerkennung seiner Geschäfts¬
tüchtigkeit zum Königl. Oberzoll - und Mess¬
inspector, welches Amt er bis zu seinem 1847
erfolgten Tode bekleidete. Als die Stadt Frank¬
furt a. M. sich dem Zollverein anschloss, wurde
er von der Vorgesetzten Behörde dahin entsendet,
um das Praktische des Zollgescbäfts dort einzu¬
richten und in Gang zu bringen.
Sein Familienleben war ein glückliches und
reicbgesegnetes. Er hatte die Freude, seine
8 Kinder wohlgerathen heran wachsen zu sehen,
nur seine älteste glücklich verheirathete Tochter
ging ihm im Tode voran.
Auf seinem vielgestaltigen Lebenspfade zeigte
unser Götz bei einer unermüdeten Thätigkeit und
einer Energie, die sich in dem für recht Er¬
kannten durch nichts abschrecken Hess, vor allem
eine Herzensgüte und Menschenliebe, wie sie nur
selten angetroffen wird. Dabei batte er die Gabe,
durch Wort und Beispiel Herzen zu erwärmen
und für edle Zwecke zu gewinnen und wurde
dadurch zum Wohltbäter gar vieler Menschen.
Doch das wird sich noch mehr heraussteilen,
wenn ich nun zu meinem Hauptthema, der
Schilderung seines Maurerlebens tibergehe.
Das maurerische Licht hatte Br Götz in der
Loge zu den 3 Pfeilen in seiner Vaterstadt Nürn¬
berg — an der er bis zum letzten Hauche seines
Lebens mit inniger Liebe hing — im Jahre 1808
erblickt. Von seiner Mutterloge sehr warm an
den Balduin empfohlen, trat er 1811 als con-
tribuables EhrenmitgHed in dieselbe ein.
Der Wunsch der Loge noch inniger verbunden
zu sein Hess ihn die wirkliche Mitgliedschaft
im Balduin suchen, die ihm 1813 ertbeilt wurde.
Bei seiner Aufnahme „schmeichelte man sich
eine gute Acquisition an ihm gemacht zu haben“
und übertrug ihm sogleich das Amt eines corre-
spondirenden Sekretärs, das er bis 1815 ver-
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waltete. Er selber sagt über seine Aufnahme:
„Als Sie mich vor zwei Jahren als Ehrenmitglied
in diese Loge einführten, war es zweierlei, was
mein ganzes Wesen beschäftigte; es waren die
Empfindungen des lebhaftesten Dankes und der
feste Vorsatz mich der erhaltenen Auszeichnung
werth zu machen. Heute schlingt sich das Band,
das mich zeither an diese Loge knüpfte, noch
fester; es ist mein ernster Wille Ihres Zutrauens
werth zu sein. Ich stehe freudig in Ihrer Mitte,
denn mein Bewusstsein sagt mir, dass ich in
meinem bisherigen Verhältnisse meine Pflicht
redlich zu erfüllen bemüht war und dass ich die
wirkliche Mitgliedschaft nur darum suchte, um
noch ungehinderter thätig sein zu können. Und
so bin ich denn aufs neue mit Ihnen verbunden
zu gemeinschaftlicher Achtung der Wahrheit und
zu gemeinschaftlicher Ausrottung dessen, was des
Menschen hohem Berufe entgegen strebt. Lassen
Sie uns wirken und nicht müde werden, denn
ohne rastlose Thätigkeit mag kein gutes Werk
gedeihen und nur wenn jeder redlich das Seine
thut, kann unser Bau vollendet werden.“
Von seiner rastlosen Thätigkeit, die er so¬
fort nach seiner Aufnahme als wirkliches Mit¬
glied der Loge entwickelte, — man hatte ihn
wie schon erwähnt zum correspondirenden Se¬
kretär ernannt — zeugen mehre wichtige Ver¬
handlungen, die er im Aufträge der Loge unter
der Hammerführung des Br Jacob Bernhard
Limburger fortführte oder begann, die er fast
allein leitete, da man seinen weisen Rathschlägen
gern und willig Gehör gab, und über die dick¬
leibige Actenstücke, meist von ihm selbst ge¬
schrieben, im Archiv der Loge sich vorfinden.
Ich deute diese Verhandlungen hier nur an, da
sie den Stoff zu weiteren ausführlichen Vorträgen
über die betreffenden Angelegenheiten bieten
sollen.
Diese Verhandlungen betrafen zunächst den
Beitritt der Loge Balduin zu der 1811 ins Leben
getretenen Grossen Landesloge von Sachsen.
Die anfänglich gemeinschaftlich mit den 3 Leipziger
Logen deshalb gepflogenen Unterhandlungen batten
zu keinem Resultat geführt und waren abge¬
brochen worden; durch Br Götz Vermittelung
schloss aber die Loge Balduin zur Linde den
12. September 1815 einen Separatvertrag mit
der Grossen Landesloge von Sachsen ab, „nach
welchem sie sich zwar dem Sächsischen Logen¬
bunde anschliesst, aber ihre zeitherige Constitution
und ihr Ritual in Giltigkeit bleibt, sie sich über¬
haupt alle nur möglichen Freiheiten und Rechte
wahrt.“ Das ziemlich lockere Verhältniss zur
Grossen Landesloge bestand bis 1824; ein Sup
plement zum Grund vertrage, das alle Bundeslogen
unterzeichnet hatten, dem aber die Loge Balduin
sich nicht unterwerfen zu dürfen glaubte, führte
zur Lösung des Vertrags, ohne dass dieser
Schritt das brüderliche Einvernehmen mit der
Grossen Landesloge störte.
Mit diesen Verhandlungen stand anfangs
ein anderer Plan in innigster Verbindung: die
Errichtung einer Grossen Loge im Orient
Leipzig, „welche eine polizeiliche Aufsicht über
die Maurerei im hiesigen Orient führen, dabei
das gute Einvernehmen der hiesigen Logen unter
einander und ihre Unabhängigkeit vom Einflüsse
fremder maurerischer Behörden erhalten, übrigens
aber ihre Thätigkeit auf den Orient Leipzig be¬
schränken und ausserhalb Leipzig keine Loge
constituiren sollte.“ Aber auch diese Verhand¬
lungen kamen ins Stocken, theils durch die
Gegenvorstellungen der Sächsischen Grossloge,
theils durch eine sich gegen die Loge Minerva
geltend machende Missstimmung, weil diese als
die älteste eine Suprematie über die anderen be¬
anspruchte. Apollo trat zurück; Minerva und
Balduin setzten die Verhandlungen fort und
schlossen 1820 einen Vertrag, „nach welchem
beide Logen, — um eine feste und treue Ver¬
einigung unter sich zu begründen, einen Ausschuss
unter dem Namen ,Gesammtrath der vereinigten
Logen Minerva zu den drei Palmen und Balduin
zur Linde* einsetzten;“ eine Vereinigung, die
jedoch nicht lauge bestanden zu haben scheint. —
Anderweite Unterhandlungen wegen Mitbenutzung
des der Loge Minerva eigentümlich gehörenden
Hauses waren bis zum Abschlüsse des Contractes
gediehen, als durch den Tod des Mstrs. v. St.
der Loge Minerva Br Ehrhard die ganze Sache
wieder rückgängig • wurde.
Durch die weise Mässigung, mit der Br Götz
bei diesen Verhandlungen die Rechte seiner Loge
wahrnahm und für ihr Bestes eintrat, sowie
durch verschiedene erspriessliche Arbeiten für
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die Logenversammlungen waren die Brr auf ihn
aufmerksam geworden; der Br Limburger er¬
nannte ihn 1815 zu seinem deputirten Mstr. und
1816 wurde er zum Mstr. v. Stuhl der Loge
gewählt, — schon von 1816 an war die Leitung
der Loge in seinen Händen, da der fungirende
Mstr. v. St., Br Limburger, einen grossen Theil
des Jahres seiner geschäftlichen Verhältnisse wegen
von Leipzig abwesend war.
(Fortsetzung folgt.)
Geschäftliche Mittheilungen
aas dem
Freimaurerischen Correspondenz-Bureau.
Ende vor. M. fand die dritte — letzte — diesjährige
Versendung statt und gelangten dabei die bis Mitte
November eingegangenen 40 Mitglieder-Verzeichnisse
und Logenschreiben zur Verkeilung:
Der GrosslogezurSonneinBayreuth — der
Freimaurer-Grossloge von Ungarn in Buda¬
pest — der Grossloge des Freimaurerbundes
zur Eintracht in Darmstadt — der Grossen
Loge von Hamburg — der Provinzial-Loge
No. 2 in Göteborg(lO) — der Provinzial-Loge
von Mecklenburg in Rostock, sowie der St.
Johannislogen in Berlin (Pegase 300) — Bremen
(Oelzweig) — Budapest (Galilei, Bericht) —
Crefeld — Eckernförde — Eisleben — El¬
bing — Freiburg i. Schl. (300) — Gr.-Glogau
(Wilhelm) — Greifswald (275) — Gumbinnen
(320) — Hannover (Ceder 250) — Kattowitz
(260) — Kiel — Königsberg i. N. — Lauen-
burg i. P. — Lissa (250) — Löwenberg i. Schl.
— Meiningen — Memel (200) — Mülheim a. R.
— Münch enbcrnsdorf (300) — Münster i. W. —
Oe 1 s (300) — Rudolstadt (200) — Schleswig —
Sc h w e idn i tz (Eintracht — Herkules 300) Span¬
dau — Thorn — Triptis — Verden — Walden¬
burg i. Schl, und Wetzlar (270).
Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in
einer geringeren Anzahl als der bcnothigten 350 ein¬
sendeten, sind die Zahlen der zur Versendung gelangten
Exemplare in 0 beigesetzt.
Der Geschäftsführer des frmn Corresp.-Bureau.
Bruno Zechel,
Verlagsbuchhandlung in Leipzig.
Verlag von Bruno Zeehel in Leipzig.
Logen-Arbeiten,
gehalten
in der Loge Minern zu den drei Palmen in Leipzig
von
J. Vletor Carus,
*. Z. Meister vom Stuhl.
17 Bogen. 8.
Preis M. 5.—, elegant gebunden M. 6.—.
Bruchsteine zum Bau.
Zusammengetragen
zum Gebrauche für Zünftige und Unzflnftige
von
E. A. F. Rumpelt gen. Emil Walther,
x. Z. Meister vom Stahl der Loge xu den drei Schwertern nnd Astrüa
xnr grünenden Kante in Dresden.
18 Bogen, kl. 8.
Preis M. 4. —, elegant gebunden M. 5. —.
Sylvesterreden
gehalten
vor Freimaurern und deren Angehörigen
von
Oswald Marbach.
Preis M. 2. —, gebunden M 3.—.
Weihnachtsgeschenk für Schwestern!
Lenz und Liebe.
Johannisgru88
rar
Schwestern, Bräute und Gattinnen
von
Oswald N£a,x*t>a,oli.
Elegant gebunden 4 Mark 25 Pf.
Die Entstehung der Rittergrade
in der Freimaurerei
um die Mitte des XVHL Jahrhunderts.
Nach den ältesten froimaurerischen Hand- und Druck¬
schriften bearbeitet
' von
Br G. A. Schiffmann.
12 Bogen. 8.
Preis M. 3. —, elegant gebunden M. 4. —.
Oer Geist der Freimaurerei
in
Erzählungen, Biographien, Licht- nnd Schattenbildern,
Abhandlungen, Reden and Gedichten
von
Carl Pilz,
Redacteur der Freimaurer-Zeitung.
16 Bogen. 8.
Preis M. 5. —, elegant gebunden M. 6. —.
Zu beziehen direct vom Verleger sowie durch aUe Brr Buchhändler.
Verlag von Br Brnno Zechel in Leipsig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipsig.
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