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Full text of "Am Reissbrete 9.1882"

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flfortißll Hitinetaily Cibrary 

Jtljara, Ne» flarb 


FROM THE 

BENNO LOEWY LIBRARY 


COLLECTED BY 

BENNO LOEWY 

1854-1919 

BEOUEATHEO TO CORNELL UNIVERSITY 


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(ßorttell Mnioeraity tibtary 

Jttjara. Nem flork 


FROM THE 

BENNO LOEWY LIBRARY 


COLLECTED BY 

BENNO LOEWY 

1854.1919 

BEQUEATHED TO CORNELL UNIVERSITY 


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3 1924 069 322 885 


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AM REISSBRETE. 


HANDSCHRIFTLICHE MITTHEILUNGEN 

AUS DEN 

UNABHÄNGIGEN LOGEN 


MINERVA ZU DEN DREI PALMEN IN LEIPZIG, 

BALDUIN ZUR LINDE IN LEIPZIG, ARCfflMEDEö ZU DEN DREI REISSBRETERN IN ALTENBURG, 
ARCfflMEDES ZUM EWIGEN BUNDE IN GERA 
UND KARL ZUM RAUTENKRANZ IN HILDBURGHAUSEN. 

FÜR 

BRR FREIMAURER-MEISTER 


HERAUSGEGEBEN VON 

BR OSWALD MARBACH. 


ORGAN DES FREIMAURERISCHEN CORRESPONDEN Z - BURE AU. 


NEUNTER JAHRGANG. 


LEIPZIG. 

VERLAG VON BR BRUNO ZECHEL. 

1882. 


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Lehrlingsloge : In Ordnung. No. 2. — Zeichen, Wort und Grif des Lehrlingsgrades. No. 3. 

— Das Wesen der Frmrei. No. 7. 

Gesellenloge: Humanität. No. 5. — Ansprache der neu beförderten Gesellen. No. 7. — 
Die Wanderung der Gesellen. No. 9. — Ansprache bei einer Gesellenbeförderung. No. 12. 

Meisterloge: Wie der Gedanke an den Tod zum Segensquell für unser Leben wird. No. 3. — 
Eine Meisterloge. (1.—3. Ansprache. Wandersprüche.) No. 4. — Heber das Verhältnis des Meister¬ 
grades zum Lehrlings- und Gesellengrade. No. 4. — Aus einer Meisterconferenz der Loge Balduin 
zur Linde. No. 10. 

Trauerloge: Die Ahnung des grossen Geheimnisses der Gottheit. No. 1. — Zum Schluss 
der Trauerloge. No. 1. — Memento mori. No. 8. 

Johannisfest : Es ist Hochmittag. No. 8. 

Schwestemfest : Das Geheimniss der Maurerei in Bezug auf die Schönheit. No. 11. — 
Bei Tafel am Schwesternfeste. No. 11. 

Engbund: Aus dem Engbunde der Loge Balduin zur Linde. Zur Geschichte der Loge 
Balduin zur Liude. No. 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. — Br W. F. Götz. Ein maurerisches Lebens¬ 
bild aus der Loge Balduin zur Linde. No. 12. 

Vermischtes: Antrittsrede des Br Oskar, Prinzen von Schweden als Mstr. v: St. No. 2. 3. 

— Dem Jugendfreunde. No. 2. — Aus der Väter Zeiten. (Der Maasstab. Das Senkblei. Bei der 
Aufnahme des Br P. in D.) No. 6. 9. — Uraltes — Ewigneues. (Der Wille Gottes. Lob Gottes. 
Segenslied.) No. 8. — Im Vorbereitungszimmer. No. 9. — Erklärung der fünf unabhängigen Logen 
in Bezug auf das Manifest der Brr Barthelmess und Genossen. No. 12. — An die ger. und vollk. 
Loge Karl August zu den drei Rosen im Orient Jena. No. 12. 

Aus dem Correspondenzbureau : No. 4. 9. 12. 

Anzeigen: No. 2. 3. 5. 6. 9. 10. 11. 12. 


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Januar 1882 


Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. . 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaramlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Frei maurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 8 Mark abonniren und erhalten ee dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgeuoramen, wenn sie in djrecter Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 


Inhalt: Die Ahnung des grossen Geheimnisses der Gottheit. — Zum Schlusae der Trauer¬ 
loge. — Zur Geschichte der L. B. z. L. 


Aus einer Trauerloge. 

Von Br Oswald Marbach. 

Die Ahnung des grossen Geheimnisses der 
Gottheit. 

Wenn ein Mensch geboren wird, so zeichnet 
er sich durch nichts aus vor anderen thierischen 
Kreaturen, als durch ganz besondere Hinfälligkeit 
und Schwäche. Er müsste alsbald zu Grunde 
gehen, wenn nicht zunächst die Liebe der Mutter 
sich seiner annähme und dann das Pflichtgefühl 
des Vaters für ihn sorgte, endlich aber in immer 
weiteren Kreisen die ihn umgebende menschliche 
Gesellschaft einen bildenden und fördernden Ein¬ 
fluss auf ihn ausübte. Je mehr diess der Fall 
ist, desto eher und desto auffälliger beginnt der 
Mensch von allen thierischen Kreaturen sich zu 
unterscheiden, indem er nicht mehr von den 
natürlichen Trieben und Leidenschaften sich be¬ 
herrschen lässt, sondern von Absichten, Plänen 
und Wünschen, welche über die Gegenwart hinaus 
der Zukunft zustreben; ja er setzt sich Ziele, 
von denen er weiss, dass sein eigenes zeitliches 
Leben nicht ausreichen wird um dieselben zu 
erringen. So wird der natürliche Mensch mehr 
und mehr ein geistiger Mensch und diese Um¬ 
bildung und Verwandlung ist der Vorgang, 
durch welchen das menschliche Dasein sich unter¬ 
scheidet von dem thierischen Dasein. Das Thier 
bildet während seines Daseins nur die Natür¬ 


lichkeit in sich aus, indem es seinen natürlichen 
Trieben und Leidenschaften rücksichtlos sich hin- 
giebt und von ihnen nur durch Zwang und 
äussere Gewalt sich abhalten lässt, aber auch 
nie dieselben willkürlich steigert, wie der Mensch 
thut, wenn er lasterhaft ist. Das Thier ist nie¬ 
mals lasterhaft. — Der geistige Mensch bildet 
sich aus, indem der Mensch nicht mehr nur 
sinnlich empfindet, sondern über die sinnlichen 
Empfindungen und Wahrnehmnngen denkt, von 
der Gegenwart auf die Vergangenheit zurück¬ 
blickt und in die Zukunft hinausschaut Das 
Denken macht den geistigen Menschen, indem 
es die Gegenwart einerseits mit der Vergangen¬ 
heit, anderseits mit der Zukunft in Zusammen¬ 
hang setzt, um Wirkungen und Ursachen zu 
entdecken. Das Denken kommt aber der Zu¬ 
kunft zu Gute, weil es den Menschen zum vor¬ 
bedachten Handeln geschickt macht. Indem 
der Mensch denkt, setzt er eine Gedankenwelt 
an die Stelle der sinnlichen Welt. Jene ist 
weder entstanden noch vergeht sie, während in 
dieser alles in ihr Enthaltene in einem ununter¬ 
brochenen Flusse des Entstehens und Vergehens 
ist. Darum hält der geistige (denkende) Mensch 
sich selbst auch für unentstanden und unver¬ 
gänglich , während der natürliche (sinnliche) 
Mensch vom Weibe geboren und ein Raub des 
Todes ist. Die geistige Welt, welche der den¬ 
kende Mensch der natürlichen Welt gegenüber 


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entdeckt, fasst er zusammen in der Vorstellung 
der Gottheit. Wie die sinnliche Welt aber in 
viele, ja unabsehbar viele Einzelheiten zerfällt, 
welche durch nichts zusammengehalten werden, 
als durch die Naturgesetze, so spaltet sich auch 
die Gottheit in unendlich viele Einzelheiten, 
welche durch nichts zusammengehalten werden, 
als durch den allen einwohnenden mit sich selbst 
einigen Gottes willen. Die Vorstellungen von der 
einen Weltorganismus darstellenden Gottheit, d. h. 
die sinnlich-natürlichen Bilder von der geistigen 
Welt, richten sich nach dem Grade der Ver¬ 
geistigung, zu welcher der natürliche Mensch in 
seinem Entwickelungsgange es gebracht hat; so 
dass man sagen kann: die religiösen Vorstel¬ 
lungen eines Volkes legen Zeugniss ab von 
dessen kulturgeschichtlicher Bedeutung. Je geist- 
würdiger diese Vorstellungen sind, desto höher 
steht auch die Kultur des Volkes, welches die¬ 
selben hegt, denn das Göttliche schwebt jedem 
Kulturvolke vor als Ziel, zu welchem zu streben 
die Aufgabe des Menschenlebens ist; und in 
jedem Kulturvolke legen die Einzelnen die gang¬ 
baren religiösen Vorstellungen sich ihrer indivi¬ 
duellen Bildung gemäss zurecht, reinigen sie von 
Unvollkommenheiton und deuten sie klarer und 
bestimmter durch eine gedankenvolle Weltauffas¬ 
sung, welche immer in der Forderung gipfelt, 
dass der Mensch bestimmt und berufen sei gott- 
ähnlich und unsterblichen Lebens theilhaft zu 
sein, weil er das Bedürfnis und dio Fähigkeit 
habe aus einer natürlichen Kreatur zu einem 
geistigen Einzelwesen zu werden. 

Was ich, me Brr, soeben zu Ihnen gesprochen 
habe, ist nicht etwa meine Ansicht, sondern 
lässt sich als die Ueberzeugung der höchstge¬ 
bildeten Geister aller Kulturvölker nachweisen, 
so z. B. der Propheten des jüdischen Volkes 
und der grossen Dichter des alten Kulturvolkes 
der Griechen, oder (wie sie selbst sich nannten) 
Hellenen. Mit Unrecht hat man den Hebräern 
ebenso wie den Hellenen nachgesagt, dass sie 
von der Einheit der Gottheit kein Bewusstsein 
gehabt, sondern eine Vielheit von unwürdigen 
Götzenbildern verehrt hätten. Das gilt für beide 
alte Kulturvölker nur insofern, als die mehr 
oder weniger rohen Menschen, welche zu ihnen 
gehörten, in abergläubische und unwürdige Vor¬ 


stellungen über die geistige Welt zu verfallen 
geneigt waren; aber wie die Propheten des alten 
Testaments gegen diese rohen Menschen und 
deren Abfall von dem alleinigen Gotte in nichts¬ 
würdige Abgötterei eiferten, so suchten die 
grossen Dichter der Hellenen ihr Volk zur Er- 
kenntniss der Einheit göttlichen Wesens zu er¬ 
heben und die heidnisch-abergläubischen Vor¬ 
stellungen zur Geistwürdigkeit. zu veredeln. Sie 
thaten dies in der Weise, dass sie die Vorstel¬ 
lungen über göttliches Wesen, welche sich im Volke 
allmählich in immer reinerer und klarerer Weise 
herausgebildet hatten, in Form einer Götter- 
geschichte aneinander reihten. Im ersten Buche 
der heiligen Schriften der Hebräer (im 1. B. Mose) 
wird eine Schöpfungsgeschichte gegeben, 
in welcher es heisst: zuerst seien Himmel und 
Erde geschaffen worden, aber sie waren wifste 
und leer, dann sei das Licht und mit ihm der 
Unterschied von Tag und Nacht, d. h. die Zeit 
und alles Zeitliche hervorgebracht worden, und 
endlich seien die Geschöpfe der Erde und unter 
diesen zuletzt der Mensch nach dem Ebenbilde 
Gottes, als zum Herrn der Erde und aller Krea¬ 
turen bestimmt, ins Dasein gerufen worden. Der 
Mensch wurde aber nicht ohne Weiteres in sein 
Herrscherthuin eingesetzt, sondern es erging an 
ihn die Aufforderung des Schöpfers die Erde 
sich unterthan zu machen. Anstatt einer Schöpf¬ 
ungsgeschichte geben dio griechischen Dichter 
eine Göttergeschichte, indem sie die Gottheit als 
ein Werdendes vorstellen. Die althebräische Vor¬ 
stellung der Gottheit ist würdiger als die alt- 
griechische, aber diese läuft doch auf dasselbe 
hinaus, welches nur dem noch schwachen Vor¬ 
stande zugänglich gemacht ist. Die noch nur 
ihren Sinnen vertrauenden Menschen meinen ja 
auch die Erde stehe still und die Sonne laufe 
am Himmelsgewölbe hin um sie zu beleuchten, 
während die zu Verstände gekommenen wissen, 
dass die Sonne feststehe und die Erde sich 
drehend sie umtanze und so des Wechsels von 
Tag und Nacht und der Jahreszeiten theilhaft 
werde. Die Göttergeschichte, welche die grie¬ 
chischen Dichter erzählten um die Menschen zu 
erziehen, d. h. zu vergeistigen, war folgende. 
Die ältesten Götter waren Himmel und Erde 
(Uranos und Gäa), und die rohen Naturmächte, 


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ein gewalttätiges Riesengeschlecht, die Titanen, 
waren ihre Kinder. Einer dieser Titanen war 
Kronos, welcher soinen Vater Uranos vom 
Herrscherthrone stürzte und sich selbst an dessen 
Stelle setzte. Kronos ist der Gott der Zeit, der 
in zutreffendster Weise dadurch charakterisirt 
wird, dass ihm nachgesagt wird, er habe alle 
seine Kinder gefressen. Aber auch der Herr¬ 
schaft des Kronos ward ein Ende gemacht 
durch einen jüngsten Titanen, den Kronos nicht 
zu verzehren und zu verdauen vermochte, durch 
Zeus, dessen Name „Leben“ bedeutet und der 
als Ursprung alles Lebendigen galt, namentlich 
als Vater der Götter und Menschen. Auch der 
Menschen! Aber Zeus war mit den Menschen 
nicht zufrieden, er wollte sie verderben, in den 
ewigen Tod stürzen. Als Zeus den Gott der 
Zeitlichkeit, Kronos, gestürzt, und damit an 
Stelle der blinden Gewalt, welche auf Vernich¬ 
tung alles lebendig sich regenden ausging, den 
Entschluss des lebendigen Willens gesetzt hatte, 
wurde er bei diesem Thun unterstützt von einem 
anderen Titanen, welcher Prometheus (d. h. zu 
deutsch: Vorbedacht) genannt wurde und der 
ein Freund der Menschen war, welche Zeus ver¬ 
worfen hatte. Prometheus wollte die Menschen 
retten vor dem Untergange. Er gab ihnen zu 
diesem Zwecke das himmlische Feuer, welches 
die Quelle des Lichtes und der Wärme ist, aber 
auch aller Künste und Wissenschaften. Brauchen 
wir doch heute noch das Licht als den symbo¬ 
lischen Ausdruck für alle Erkenntniss und er¬ 
kennen die Wärme als Grundbedingung alles 
höheren Lebens an. Der Zorn des Zeus, welcher 
die Menschen hatte verderben wollen, richtete 
nun sich gegen Prometheus, welcher göttlichen 
Geschlechts wie er selbst war, und welcher die 
Menschen auf den Weg des Strebens nach Gott¬ 
ähnlichkeit gebracht hatte. Der Dichter Aeschylos, 
welcher die tiefsinnige Fabel von Prometheus in 
einem grossen dramatischen Dichtwerke fünf¬ 
hundert Jahre vor Christus dargestellt hat, von 
dem sich noch ein wesentlicher Theil erhalten 
hat, führt uns vor, wie Prometheus zur Strafe 
für die begangene Frevelthat (die Verleihung des 
Feuers an die Menschen) am wüsten Meeres¬ 
strande an einer einsamen Felswand angeschmiedet 
wird, mit auseinander gespannten Armen und an¬ 


genagelten Füssen, und berichtet, was der ge¬ 
fesselte und gemarterte Wohltäter der Mensch¬ 
heit den Wogen, dem Meere und anderen gött¬ 
lichen Erscheinungen, sowie sich selber erzählt 
im Tone eines die fernste Zukunft wie die Ver¬ 
gangenheit vermöge seiner ewigen Bedeutung 
überschauenden Propheten, von dem Menschen¬ 
geschlechte, von sich selbst und von seinem 
jetzigen Widersacher Zeus, dem er doch selbst 
zur Herrschaft geholfen hat und den er auch in 
derselben zu halten entschlossen ist, denn er 
weiss, dass er einst, wenn auch erst nach einer 
alle Zeit umfassenden Qual, nämlich in Ewigkeit, 
mit ihm und daher auch mit der von ihm er¬ 
lösten Menschheit sich in Liebe versöhnen wird. 
Doch ich lasse mit den Worten des alten Dich¬ 
ters den Dulder Prometheus selbst sprechen. Er 
sagt von sich: 

— — — Die Menschen danken mir, 

Dass sie dem ewigen Tod entgangen sind. 

Ich nahm die Todesfurcht dem Menschen ab, 
Indem ich Lebens-Zuversicht ihm gab. 

Es ist der Mensch der Flamme mächtig worden; 
Er wird durch sie Erfinder aller Künste. — 

Der Menschen Dasein war ein träumrisch Brüten; 
Ich habe sie erweckt zu Geist und Leben. 

Ich klage nicht sie an; ich liebte sie, 

Weil ich gelehrig sie erfunden habe, 

Und ihnen wohlzuthun war meine Lust. — 

Sie hatten Augen, aber sahen nicht; 

Sie hatten Ohren, aber hörten nicht; 

Im wirren Taumel schwankten sie umher 
Und wussten nichts von Heim, von Haus und Herd, 
Ameisengleich in sonnenlosen Höhlen 
Verkrochen hausten sie bei Tag und Nacht. 

Sie wussten nicht, wann Winter wieder werde, 
Wann Lenz und Licht und Leben sich erneun, 
Wann Sommer Saaten, Herbst dann Ernten 

bringe — 

Gleichgültig quälten sie sich Tag für Tag; — 
Bis ich zu ihnen trat und hin sie wies 
Auf der Gestirne Auf- und Niedergang, 

Auf Sonn 1 und Mond und ihre Wiederkehr, 

Auf Zahl und Maass und aller Dinge Ordnung. 
Auch lehrt* ich Sprache sie und Schrift gebrauchen, 
Und übte die Erinnrungskraft in ihnen, 

Aus welcher geistiges Wesen sich erhebt. 


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Dann unterjochte ich den wilden Stier 

Und spannt* ihn vor den Pflug, auf dass der Mensch 

Beihülfe habe zu der schwersten Arbeit. 

Und vor den Wagen spannt’ ich stolze Rosse, 
Die gern gehorsam sich dem Zügel zeigen, 

Dem Reichthum dienstbar und dem Ueberfluss. 
Auch baut’ ich Schiffe mit geschwellten Segeln 
Weit über See zu fahren pfeilgeschwind. 

So wusst* ich Rath in allen Dingen wohl 
Für meine Menschen. — Wurden Menschen krank, 
So gab es keine Salbe, kein Getränk 
Und keine Speise, welche Heilung brachte; 

Sie kamen hilflos um — bis ich sie lehrte, 

Was gut und heilsam sei, und wie’s zu mischen, 
Um jeder bösen Krankheit Kraft zu brechen. 

Ja mehr noch: ich gewöhnte sie den Blick 
Der Zukunft zuzuwenden und zu schärfen. 

Ich lehrte unterscheiden Wahr und Falsch, 

Der Töne tief geheimen Sinn erkennen, 

Und sich zu rechte finden in der Welt 
Durch aller Dinge, aller Kreaturen 
Genaue Kenntniss nach Gestalt und Wesen, 
Zusammenhang von Ursach’ und von Wirkung, 
Feindschaft und Freundschaft, Kost und Lebens¬ 
weise. 

Auch lehrt ich sie des Himmels Wunder kennen: 
Wind, Regen, Schnee und Eis, auch Blitz und 

Donner, 

Sternschnuppen, Feuerkugeln, Nordscheinglanz, 
Mondwechsel, Finsternisse, Wandelsterne, — 
Was all die Zeichen zu bedeuten haben, 

Die Menschen sonst mit Angst und Zagen sahn. 
Und wieder: was des Menschen Herz erfreut: 
Die Schätze in der Erde Schooss verborgen, 
Wie Erze aller Art und Gold und Silber; 

Ich habe sie entdeckt und nachgewiesen, 

Wie sie gewonnen werden, wie behandelt. — 
Das Alles ist geschehn durch mich allein; 

Ich Prometheus, ich habe alle Kunst 

Und Wissenschaft den Menschen beigebracht.- 

Alles dessen, was Prometheus an den Men¬ 
schen und für dieselben gethan, rühmt er sich 
nicht in Stolz und Uebermuth, er verlangt auch 
dafür weder Dank noch Belohnung, und wenn 
er sich bitter über die ihm auferlegten Qualen 
beklagt, so geschieht diess doch nicht um den¬ 
selben sich zu entziehen, sondern um mit der 


Unvermeidlichkeit derselben sich zu trösten. Er 
spricht: 

— — — „Wehklag ich um heut, 

Wehklag ich um morgen, was kommen auch mag! 
Umsonst! Umsonst! Nie schau ich den Tag, 
Wo endet die quälende Trübsal.“ — — 

„Was red ich da: vor meinem Geiste liegt 
Die ganze Zukunft ausgebreitet da; 

Ich weiss voraus, was alles kommen muss. 

Was über mich verhängt geduldig tragen — 

Das ist das Loos, das mir beschieden ist, 

Ob ich nun klage oder nicht — gleichviel! — 
Ich machte menschlich Wesen Göttern gleich 
Und nahm damit der Menschheit Qual auf mich.“ 

Die Zuversicht des Dulders steht auf dem 
alten Spruche: „Gewalt erliegt und Weisheit 
siegt.“ In dieser Zuversicht hat er den Vater 
alles Lebens zum Herrscher gemacht, „hat die 
Menschen vom Untergange in ewigen Tod er¬ 
rettet und alle Qual der Zeitlichkeit auf sich 
genommen.“ Diese Qual hat da ein Ende, wo 
die Zeit ein Ende hat, das ist in Ewigkeit. Auf 
diese deutet Prometheus hin, wenn er sagt: 

„Ich werde wohl befreit; doch nur, nachdem 
Durch Noth und Elend ich gebrochen bin. 

Das was nothwendig — ändert keine List.“ 

Mit diesen Worten deutet der Dichter durch 
den Mund des Prometheus auf das heilige Ge- 
heimniss, welches in seinem Schoosse die Gewiss¬ 
heit der Unsterblichkeit verbirgt. Prometheus 
lehnt jedes nähere Eingehen auf dasselbe ab mit 
den Worten: 

„Lass ab! lass ab! — Es ist die Zeit noch nicht 
Erfüllt zu reden. Im verschlossnen Herzen 
Muss ich verwahren tief und treu das Wort — 
Dann werd’ ich einst erlöst aus Qual und Banden.“ 

Auf das Räthsel dieses heiligen Geheimnisses 
wirft aber der Dichter ein helles Licht, indem 
er den Prometheus einem unglücklichen Weibe, 
welche sich in’s Meer stürzen möchte um all 
ihrer Noth ein Ende zu machen, gegenüber 
sagen lässt: 

„Nein! — Sieh mich an: ich leb und werde leben 
Der Qual zum Trotze! Dir wie mir ist nicht 


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Der Tod beschieden als Erlöser. Nur 

Die Zeit und alles das, was zeitlich ist 

Wird Raub des Todes sein. Wir aber nicht!“ — 


5 


Das Weib, zu welchem Prometheus diese Worte 
spricht, ist nach der griechischen Sage, welcher 
der Dichter folgt, die Frau, aus deren Schoosse 
im Verlaufe der Zeit der Held hervorgehen soll, 
welcher der Herrschaft des Zeus ein Ende machen 
wird, wenn Zeus nicht sich selber besiegen und be¬ 
herrschen lernt. Auch (der griechische) Zeus, meint 
der Dichter, wird untergehen wie seine Vorgänger 
im Regimente der Welt. Es sind wunderbare 
Worte, mit denen der Dichter auf uralte Sagen 
hindeutet, welche die ältesten Kulturvölker als 
heilige Ueberlieferungen verehrten, wenn er den 
Prometheus sagen lässt: 

„Zeus selber zeugt den Helden, der ihn stürzt, 
Den Wunderthäter, der ein flammend Schwert 
In Händen trägt, das schärfer als der Blitz, 

Und der zum Kampfe ruft mit einer Stimme, 
Die rauher, lauter dröhnt als Donnerhall. — 
Und ist die Zeit erfüllt, so wird sich zeigen 
Der Unterschied von Freiheit und von Knecht¬ 
schaft.“ 

Als der Chor der Tragödie, vor welchem 
Prometheus diese verhängnissschweren Worte 
spricht, warnend auf den allgewaltigen Zeus und 
dessen ewige Rache hinweist, antwortet Pro¬ 
metheus : 

„Ja betet an und beugt euch vor dem Herrn; — 
Was geht denn mich der Gott der Rache an?! 
(Nichts scheut, wem nicht der Tod beschieden ist!) 
Ich lass ihn herrschen, wie es ihm gefällt; 
Vorüber geht die Zeit — dann isfs vorbei 
Mit aller Herrlichkeit — in Ewigkeit!“ — — 


Und das ist nicht etwa ein Ausruf der Ver¬ 
zweiflung, sondern der unerschütterlichen Ueber- 
zeugung von der Zuversicht unsterblichen Lebens, 
denn derselbe Prometheus hat das Bewusstsein, 
dass Zeus, der in der Zeit ihn leiden lässt, 
nach aller Zeit, also bei der Begegnung im 
Reiche der Ewigkeit, wo „Gewalt erliegt und 
Weisheit siegt,“ ihm liebevoll sich wieder ver¬ 
brüdern wird. Es wird sich erfüllen das Wort 
der Verheissung, welches der Dichter den Pro¬ 
metheus verkünden lässt: 


„Zeus Wille ist fest, ich weiss es, wie Fels, 

Ihm entsprudelt der Quell urewigen Rechts; — 
Einst bebet der Fels, sanft rauschet der Quell, 
Hold lächelnd naht der Versöhnte dereinst 
Dem Versöhnten in lauterster Liebe.“ 

In dem „milden Rauschen der Quelle urewigen 
Rechtes“ offenbart sich die Gottheit zum Heile alles 
Lebens; — wie der Prophet Elias, von welchem 
das alte Testament im I. Buche der Könige er¬ 
zählt, nach dem Sturme, der die Felsen zer¬ 
brach, nach dem Erdbeben und nach dem Feuer 
in dem „stillen sanften Sausen,“ welches nach¬ 
folgte, den Herrn erkannte, der sich ihm nahte; 

— und wie der frmrsche Dichter Goethe den 
Erzengel Michael im „Prolog im Himmel“ seiner 
Faust-Tragödie aussprechen lässt: 

„Und Stürme brausen um die Wette 
Vom Meer aufs Land, vom Land aufs Meer 
Und bilden wüthend eine Kette 
Der tiefsten Wirkung rings umher; 

Da flammt ein blitzendes Verheeren 
Dem Pfade vor des Donnerschlags; 

Doch deine Boten, Herr, verehren 
Das sanfte Wandeln deines Tags.“ 

Me Brr, die wir hier an den Gräbern unserer 
Brüder stehen, welche der Sturm des zeitlichen 
Daseins gebrochen und unseren Augen entführt hat, 
welche der Blitz mit der Wuth der Verzweiflung 
niedergeschmettert und zermalmt hat, welche alle 
versunken sind in den finstern Abgrund des 

Grabes, den die Erde vor ihnen aufgethan hat, 
wir wollen des Dulders Prometheus eingedenk 

sein, der bei Sturm, Blitz und Donner von der 
erbebenden Erde mitsammt dem Felsen, an 
welchen er geschmiedet worden, verschlungen 

ward und doch festhielt an der Zuversicht ewigen 
Lebens und Zeit und Welt überwindender Liebe, 

— wir wollen eingedenk sein des Propheten 

Elias, der im feurigen Wagen zum Himmel 

empor fuhr und im stillen, sanften Sausen den 
Herrn erkannte, dem er gedient hatte in der 
Zeit und auf der Erde mit hochaufloderndem 
Feuer-Eifer prophetischer Begeisterung, — und 
wir wollen endlich eingedenk sein jenes Faust, 
welcher der Menschheit ganzen Jammer auf sich 
nahm und an welchem sich der Gesang der Erz- 


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engcl erfüllte, weil „die ewige Liebe seiner sich 
annahm,“ also dass der Chorus mysticus schliess¬ 
lich solche Erfüllung, den Triumph der Ewigkeit 
über die Zeit verkündigt: 

„Alles Vergängliche 
Ist nur ein Gloichniss *, 

Das Unzulängliche 
Hier wird’s Ereigniss; 

Das Unbeschreibliche 
Hier ist’s gethan; 

Das Ewig-Weibliche 
Zieht uns hinan.“ 

Me Brr! erhebet eure Herzen an der Ahnung 
dos grossen Geheimnisses der Gottheit, welche 
die edlen Menschengeister aller Zeiten durch¬ 
weht und aufgerichtet hat zum Streben nach 
Vollkommenheit trotz aller Hinfälligkeit und 
Schwäche ihres irdischen Daseins, und gehet von 
hinnen voller Zuversicht vollkommenen Lichtes, 
versöhnender Liebe und unsterblichen Lebens! 


Zum Schlusso der Trauerloge. 

(In der Kette.) 

Bald bin ich nichts als eine Stimme noch; 

Ob aber weiter nichts, so bin ich doch! 

Dann that ich ab das Kleid, das mich gekränkt; 
Weil meine Freiheit lästig es beschränkt; 

Ich aber lebe, — ob kein Kind der Zeit, 
Vollbürger doch im Reich der Ewigkeit! — 
Durch’s Reich des Todes eine Stimme tönt, 

Die allen Todten in die Ohren dröhnt 
Um sie zu wecken mit Posaunenschall, — 

Und meine Stimme ist ihr Wiederhall! — 

Ein Wiederhall, der seiner selbst bewusst 
In Sehnsuchtpein und seliger Werdelust, — 

Der lebt und leibt, sowie sein Schöpfer lebt, 
Der ihn vom Staube Geist zu sein erhebt! — 
Mein Leib zerfällt, mein Name wird verwohn, 
Doch mich, die Stimme, wird die Welt verstehn, 
Die Welt der Geister, welche ewig leben 
Und aus der Finsterniss zum Lichte streben! 


Ans dem Engbund der Loge 
Balduin zur Linde. 

Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde. 

Von Br Fuchs. 

(Schluss zu No. 12 des vor. Jnhrg.) 

Ein schweres Ungewitter brach über die 
Grosse Landesloge oder vielmehr über ihren 
Grossmeister Br von Zinnendorf, denn der Gross¬ 
meister Herzog Ernst hatte bereits im December 
1776 den ersten Hammer niedergelegt, herein. 
Eine vom Capitel zu Stockholm ausgefertigte und 
vom Herzog von Südermannland so wie von 
sämmtlichen Grossoffizianten Unterzeichnete Acte, 
der Grossen Landesloge von den schwedischen 
Abgeordneten Brrn Oxenstierna und Plommenfield 
überbracht, erklärt: „dass das Patent zu einer 
Constitution, welches dem Br von Zinnendorf von 
dem Br Eklef gegeben wurde, ihm ohne Mit- 
Wissenschaft oder Einwilligung eines Einzigen 
dieses Capitels ertheilt ist. Da diesem Patente 
daher alle Gesetzmässigkeit fehlt und daher als 
nicht von uns gegeben und ohne alle Kraft be¬ 
trachtet wird, so stehen wir nicht an, — die be¬ 
sagte Constitution auszulöschen, aufzuheben und 
zu vernichten.“ 

In Bezug hierauf erliess die Grosse Landes- 
logo an ihre Töchterlogen ein Circular, d. d. 
2. September 1777, in welchem sie sagt: „Nach 
der Erklärung der schwedischen Brr ist es nur 
mehr als wahrscheinlich, dass dieselben die brüder¬ 
lichen Bande, welche zeither sie mit uns ver¬ 
einigten, zerrissen haben und mit der stricten 
Observanz in Bund und Freundschaft getreten, wie 
auch von den neuen Einrichtungen der wahren 
Frmrei abgegangen sind. Die schwedischen Brr 
widerrufen für sich und ihre übrige Brrschaft 
den von dem ältesten Br derselben ausgestellten 
Freiheitsbrief, ohne andere Ursachen anzuführen, 
als dass derselbe ohne Vorwissen der Brrschaft 
von dem ältesten Br allein ertheilt worden sei.“ 
„Die ununterbrochene Fortsetzung unserer Arbeiten 
ist ungeachtet jenes Widerrufs dennoch völlig 
gesetzmässig. Ueberdies bedürfen wir nun *der 
Hülfe der schwedischen Brr nicht mehr und 
können ihrer Anerkennung entbehren. Es ist 
nun mit unserer Verfassung dahin gediehen, dass 
wir uns lediglich auf Gott, auf die Lehre des 


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Ordens und auf unsere ältesten Brr zu verlassen 
brauchen.“ „Die hochwürdigen Logeumcister 
werden ersucht, den Brrn ihrer Loge bekannt 
zu machen, dass sie sich aller Gemeinschaft mit 
schwedischen Brrn und Logen zu enthalten, auch 
dergleichen Brr so wenig in ihren Logen zulassen, 
als selbst schwedische Logen zu besuchen haben 
würden.“ 

Der Befehl keinen Schweden zu den Arbeiten 
zuzulassen scheint mit grosser Härte vollzogen 
worden zu sein, so dass selbst den hülfsbedürftigen 
schwedischen Brrn Unterstützung versagt wurde. 
Darauf erliess die National - Mutterloge von 
Schweden eine „Erklärung, den Br Zinnendorf, 
erstes Mitglied der Grossen Nationalloge von 
Deutschland betreffend.“ Es heisst darin: „Be¬ 
sagter Zinnendorf, anstatt sein Unrecht zu er¬ 
kennen, durch seine Unterwerfung Duldung zu 
verdienen und sich die Zuneigung der hohen 
Brr zu erwerben, bläst im Gegentheilc mit mehr 
Muth als jemals das Feuer der Zwietracht und 
des Aufruhrs an, welches sein arglistiger, un¬ 
ruhiger und verdorbener Geist unter den deutschen 
Brrn entzündet. Er hat seine kühne Frechheit 
gar so weit getrieben, sich gegen die geheiligte 
Person unseres Grossmeisters aller Logen des 
Königreichs Schweden durch eine der schwärzesten 
und abscheulichsten Anschuldigungen zu ver¬ 
messen, als wenn ein Widerspruch in dem Ver¬ 
fahren von 1777 und in der Acte der Vertilgung 
des besagten Patents sei. Zu diesen Handlungen 
der Entweihung und des Abscheues fügte er noch 
die allerschändlichste, iudem er allen ihm an¬ 
hangenden Logen befahl, den Schweden jede 
Unterstützung zu versagen, welche alle guten 
Frmr einander zu leisten stillschweigend ver¬ 
bunden sind etc.“ 

Hierauf erliess die Grosse Landesloge keine 
Entgegnung; das Verbot jedoch ihre Logen allen 
übrigen Frmrn zu verschliessen, erhielt sie auf¬ 
recht. Durch diese Unduldsamkeit wurden viele 
Logen erbittert und fielen . von ihr ab. So die 
Loge „zum schwarzen Bär“ in IIa n no ver. Br 
Nöldeke sagt in der Geschichte dieser Loge: 
„Man wollte nicht einem Intoleranzsystem huldigen, 
welches für die Mrei in Hannover von den be¬ 
denklichsten Folgen hätte begleitet sein müssen.“ 


Die Brr Balduins suchten sich dem Geiste 
der Intoleranz auf eigene Faust zu entziehen. 
Sie hatten über den Besuch der Logen anderer 
Systeme mit den Schwesterlogen zu Altenburg 
und Gotha correspondirt, namentlich hatte man 
das Bedürfniss gefühlt, mit der Schwesterloge 
Minerva wieder in nähere maurerische Beziehungen 
zu treten. Die Anregung scheint vom Balduin 
ausgegangeu zu sein, Minerva schmollte längere 
Zeit, setzto sogar den Vermittelungsversuchen 
des Herzogs Ernst von Gotha, des General¬ 
visitators Brs Grafen von Brühl, den Bemühungen 
der Brr von Burgsdorff und von Hohenthal eine 
entschiedene Abweisung entgegen — endlich aber 
wurden die Differenzen ausgeglichen und als Br 
Du Bose am 7. Okt. 1778 in der Loge Minerva 
erschien, „sollte alles Vergangene der Vergessen¬ 
heit übergeben sein.“ Wenn nur die Grosse Lau- 
deslogo nicht wieder dazwischen getreten wäre! 
Nach deren Meinung hatte sich die Logo Balduin 
aufs neue schwer vorsündigt. Sie war zugleich 
mit der Loge zu Altenburg, zum Rautenkranz 
in Gotha und zum goldenen Apfel in Dresden 
mit der Provinzialloge von Schlesien in Breslau 
in nähere Verbindung getreten und hatte der 
Grossen Landeslogo Bedingungen gestellt, unter 
welchen die Logen mit ihr vereinigt bleiben 
wollten. Zu diesen gehörten : „1) dass sie die 
Provinzialloge von Schlesien als machthabend 
anerkenne Logen zu constituiren und nach den 
Gesetzen des Ordens zu regieren, und die bereits 
constituirten oder noch zu constituirenden als 
ächte St. Johannislogen anerkenne; 2) dass sie 
daher uusern sämmtlichen Brn den weiteren 
Eintritt in ihre St. Johannislogen ohne Ausnahme 
verstatten und von den unsrigen ein Gleiches zu 
erwarten haben solle; 3) dass bei der auf¬ 
hörenden Beziehung unserer abhänglichen Verbin¬ 
dung in höheren Graden, wovon bisher die 
Aufnehmungsdrittel bezahlt worden sind, deren 
fernere Entrichtung an die Grosse Landesloge 
auch natürlich wegfallen müsse; 4) wir uns zu 
keinen andern Abträgen an die Grosso Landes¬ 
loge von Deutschland verstehen als zu einem 
jährlichen Pauschquanto Armengelder vou allen 
mit uns besonders verbundenen Logen, auf so 
lange nämlich, als die Grosse Landesloge diesem 
Einverständniss mit uns überall nachkommen 


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wird; 5) auch dass sie uns völlig nach dem Fuss 
behandle, worauf sie selbst mit der Grossen Loge 
von England stehet; 6) dass darüber eine förm¬ 
liche Acte errichtet und von beiden Theilen 
vollzogen werde, endlich aber 7) die Hochw. 
Grosse Loge von Deutschland den noch ab¬ 
gängigen schriftlichen Unterricht, wie eineFrmr-St. 
Johannisloge zu errichten und was sonsten noch 
zu völliger Handlung dieser Grade fehlen möchte, 
uns treulich mittheile.“ 

Zur Erläuterung des 3. Punktes möge dienen, 
dass auch die Grosse Landesloge von Deutsch¬ 
land nach dem schwedischen System die 
Hochgrade hatte, welche jedoch die Loge Balduin 
nicht angenommen. Das ganze System besteht 
nämlich aus 9 Graden in 3 Abtheilungen, nämlich: 

1) die St. Johannislogo mit den 3 Gra¬ 
den: Lehrling, Gesell und Meister; 

2) die St. Andreas oder Schottenloge 
mit 2 Graden, dem Andreas-Lehrling und-Gesellen 
und dem Andreas-Meister; 

3) die Stewardsloge oder das Capitel 
mit 4 Graden; den Rittern vom Osten, den Rittern 
vom Westen, den St. Johannis-Vertrauten und den 
St. Andreas-Vertrauten. 

Ein zehnter Grad bestand aus den „höchst er¬ 
leuchteten Brn Architekten,“ denen die Regierung 
des Ordens anvertraut ist. An ihrer Spitze steht 
als Vicarius Salomonis der weiseste Ordensmeister, 
für Leitung der innern Angelegenheiten die 
höchste Instanz, wie der Grossmeister als 
Leiter der Grossloge für die Verwaltung. 

Ein scharfes Ermahnungsschreiben der Grossen 
Landesloge, in dem die Loge Balduin getadelt 
wird, dass sie sich in so strafbare Verbindung 
eingelassen und nun kategorisch fordert, diese 
wieder abzubrechen, auf 3 Punkte eine bestimmte 
Antwort zu geben, veranlasst den Balduin zu 
einer eben so kategorischen Antwort: 

1) „Man wolle der Hochwürdigen Grossen 
Landesloge in Ansehung ihrer Handlungen der 
drei ersteren Grade des Freimaurerordens respon¬ 
sable verbleiben; 

2) alljährlich zur grossen und gemeinen Armen¬ 
kasse 4 Louisd’or richtig und ordentlich abliefern 
und endlichen 

Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — 


3) nach getilgter Schuldenlast, ehender aber 
nicht, auch sodann die anverlangenden Eindrittheile 
Receptionsgelder abgeben.“ In Bezug auf den 
3. Punkt stützte man sich auf ein Versprechen 
des Br von Zinneudorf. „Was nun aber,“ so 
heisst es weiter, „den Zutritt der Mitglieder der 
stricten Observanz zu unsern Versammlungen und 
Arbeiten betrifft, so müssen wir allerdings ein¬ 
räumen, das wir auf brüderliches Ersuchen den 
Zutritt erlauben und verstauen, anerwogen unser 
Mstr v. St. als ein 36jährig erfahrener Mr all¬ 
zugenau mit den mrischen Pflichten und Ge¬ 
setzen in diesem Stücke bekannt ist, wir übrigens 
in unserer Loge mit lauter Brn der stricten 
Observanz umgeben sind und Tolerauz und brüder¬ 
lich freundschaftliches Behandeln unumgänglich 
nöthig machen. Im Uebrigen wolle sich die 
Hochwürdige Grosse Landesloge zur Erhaltung 
mrischen Ruhe und Friedens in Anbetracht un¬ 
serer kritischen Lage damit in mütterlicher Liebe 
benügen und ein Mebreres, als in unseren Kräften 
steht, nicht anverlangen.“ 

Es scheint jetzt auch wirklich einige Zeit 
Ruhe von aussen her eingetreten zu sein, aber 
desto mehr mochte es im Innern gähren. Br 
Du Bose legte nach 4jähriger Hammerführung 
„wegen seines hohen Alters, seiner Kränklichkeit 
und seiner vielen Geschäfte“ sein Amt nieder 
und der zeitherige deputirte Mstr. Br Dr. med. 
Börner trat 1780 an seine Stelle. Dieser scheint 
aber der Leitung nicht gewachsen gewesen zu 
sein, Zerwürfnisse über die Lokalgesetze der Loge 
(cf. nächsten Vortrag) veranlassten Du Bose und 
eine grössere Anzahl von Brrn zum Austritt aus 
der Loge; Br Börner gab den 1. Hammer 1781 
an die Grossloge zurück. Der Grossmeister 
Br von Zinnendorf ersuchte ihn den Hammer 
an Br Johann Samuel Benedict Schlegel zu 
übergeben; Br Schlegel wurde von den 10 übrig 
gebliebenen Brrn — wahrscheinlich war dies der 
ganze Bestand der Loge — zum Logenmeister 
zwar gewählt, aber die Loge suspendirte ihre 
Arbeiten bis auf Weiteres. 


Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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Februar1882 


9. Jahrg. Nr. 2. Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Beissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei (»rüde gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Co r respon d enz- Bn r eau’s. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgeuomraen, wenn sie in director Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Iusertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Dem Jugendfreunde. — In Ordnung. — Antrittsrede des Br Oscar, Prinzen von 
Schweden, als Meister vom Stuhle. — Anzeigen. 


Dem Jugendfreunde 

zum achtzigsten Geburtsfeste. 

Kommen wir zu hohen Jahren, 

Denken wir der Heimath gern, 

Wo wir jung und thöricht waren 
Und das Alter lag so fern. 

Hin zum schönsten Zauberstrande 
Trug uns damals Phantasie, 

Wie nach dem gelobten Lande 
Moses sah vom Sinai. 

Aber auch die Wirklichkeiten 
Waren lieblich anzuschaun — 
Paradioseslust bereiten 
Lächelnd allerliebste Fraun! 

Und im Kreise muntrer Zecher 
Hei wie lustig ging es her: 

„Schwinget hoch die vollen Becher — 
Was wir lieben! — trinket leer!“ 

Jeder brav in seiner Weise: 

Jungen voll Begeistrungsglut, 

Ernste Männer, edle Greise; 

Jeder galt für klug und gut. 

Freilich gabs auch Schwache, Schlechte, 
Doch die wurden ausgelacht?; — 

Nur der Tugend und dem Rechte 
Wurde Huldigung gebracht. 

Sittsam und bescheiden waren 
Alle Mädchen, tugendhaft 
Und in keiner Kunst erfahren 
Als in der, die Segen schafft. 


Stets in anmuthreichen Formen 
Ward Geselligkeit gepflegt, 

Weil nur nach der Schönheit Normen 
Frei und leicht der Geist sich regt. 

Wohlgewachsner schlanker Glieder 
Urgcsunde Harmonie 
Wogte züchtig auf und nieder 
Und der Tanz ward Poesie. — 

Ach, wo ist die Zeit geblieben! 

Alles dies war eitel Traum, 

Holde Täuschung ward vertrieben, 

Uebrig blieb ein Rest uns kaum. 

Alles scheint uns jetzt vcrdriesslich, 
Abgeschmackt und falsch und schlecht, 
Nichts gedeihlich, nichts erspriesslich, 

Frech zertreten Sitt und Recht. 

Jeder schlecht auf andre Weise: 

Bursche eigensüchtig dreist, 

Feige Männer, schwache Greise, 

Alle ohne Herz und Geist. 

Und nun gar — o weh! — die Weiber! 
Voll Begier und Unverstand 
Schmücken sie die üppigen Leiber 
Fratzenhaft mit eitel Tand. 

Aller Umgang ist verpestet, 

Rücksichtlos und ohne Halt; 

Was des Leibes Lüste mästet, 

Wird erzwungen mit Gewalt. 

Jeder tobt in wüster Weise, 

Denkt an Selbstbeherrschung nie, 

Doch gefällt sich im Beweise, 

Dass der Mensch entstammt dem Vieh. 


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Das sind heutige Zeitgenossen, 
Ach wie schofel ward die Welt! 
Wie die Jugend uns verflossen, 
Ward das Dasein uns vergällt! — 

Und da soll man gratuliren, 

Ward ein Freund uns achtzig Jahr, 
Besser wärs zu condoliren, 

Dass vorüber, was einst war! 

Doch das Beste ist: vergessen 
All die wandelbare Zeit 
Und allein gedenken dessen, 

Was besteht in Ewigkeit. 

Nur das Schöne, Gute, Wahre 
Bleibt sich selber immer gleich; 
Wann und wo sichs offenbare, 
Immer schaffts ein Himmelreich. 


Lass uns wie die Kinder werden, 
Treu in Lieb uns selber gleich, 

Und trotz Alter sammt Beschwerden 
Wird uns Welt zum Himmelreich! — 

Greisenalter heisst Erwachen 
Aus der Jugend Morgen-Traum; 

Doch die Augen aufzumachen 
Wagt noch matte Seele kaum. 

Tageslicht die Augen blendet, 

Und in selbstgeschaffne Nacht 
Gern der Seele Blick sich wendet, 

Bis der volle Tag erwacht. 

In Erinnerung versunken 
Bildert sie im D&mmerschein, 

Bis sie schauet wonnetrunken 
Dreist ins volle Licht hinein! — — 


Kinder tragens tief im Herzen 
Als des Geistes Feuerquell, 

Und der Jugend Weihnachtkerzen 
Brennen darum rein und hell; 

Weil noch nicht des Erdenlebens 
Schmutz getrübt die heilige Glut, 
Noch der Fluch gemeinen Strebens 
Nicht gelöscht Begeistrungsglut. 

Aber auch in alten Knaben 
Quillt der Born des Geistes noch; 
Ob verschüttet und vergraben, 

Lässt er leicht sich finden doch. 

Was uns Hoffnung einst gewesen, 
Sei uns jetzt Erinnerung; 

Und vom Alter schnell genesen 
Sind wir wieder frisch und jung. 

Alles was uns einst entzückte, 
Jedes reine hohe Glück, 

Was das Leben uns entrückte, 
Bringt Erinnerung zurück. 

Doch geklärt sind wilde Triebe, 
Ausgetobt hat Leidenschaft, 

Heilig rein ist unsre Liebe, 
Selbstgewiss des Geistes Kraft. 

Unsrer Jugend Phantasieen 
Werden Wahrheit, Wirklichkeit, 

Und von Weisheit wird verliehen 
Statt der Zeit uns Ewigkeit. 

Sieh: so sind wir neugeboren 
Nun zum Leben, das nicht stirbt; 
Was wir hielten für verloren, 

Unsre Seele neu erwirbt. 


So! — da hast Du meinen Segen, 
Jugendfreund, zum Jubeljahr: 

Bleibts beim Alten allerwegen, 

Bleiben jung wir immerdar! 

0. Marbach. 


In Ordnung. 

Vortrag des Brs Dietrich, Redner der Loge 
Archimedes au den 3 Reisabretern in Altenhnrg. 

In Ordnung, me Brr! Dieses Wort., mit wel¬ 
chem der ehrw. Mstr. v. St. am Anfänge jeder 
Loge die Brr zum Beginne der Arbeit mahnt, 
klingt es nicht wie der Kommandoruf eines Feld¬ 
herrn, der die Seinen sammelt und in Reih und 
Glied stellt, um sie dem Feinde entgegenzu¬ 
führen und in heisser Feldschlacht den Sieg zu 
erringen ? 

Aber nein, me Brr, nicht das ist der Sinn 
dieses Rufes in unserer stillen Bauhütte. Nicht 
zu Kampf und Streit führt uns der ehrw. Meister, 
wenn wir unter seiner Leitung uns hier ver¬ 
sammeln. Wohl wissen wir, dass wir der Feinde 
genug haben, welche uns verhöhnen und ver¬ 
lästern , welche uns zu hindern und zu hemmen 
suchen in unseren^ maurerischen Streben, in un¬ 
serer stillen Arbeit, die wir im Dienste unserer 
k. K. vollbringen. Wohl dürfen wir bei einem 
Blick auf die profane Welt singen und sagen: 
„Feinde ringsum!“ Es liebt ja die Welt das 
Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in 
den Staub zu ziehn. Aber ob wir auch die 


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Menge und die Bosheit unserer Feinde und 
Verleumder kennen, wir wollen nicht auf blut¬ 
gedüngten Schlachtfedern Siege über sie er¬ 
fechten, nicht auf Leichengefilden triumphiren. 
Nein, wir kämpfen mit Waffen des Geistes, 
unser Werk ist ein Friedenswork. Wir suchen 
zu triumphiren durch Gerechtigkeit, Wahrheit 
und Liebe. — 

Aber wenn uns dies gelingen soll, so gilt es, 
dass wir in uns und unter uns auf Ordnung 
halten und der Ruf des ehrw. Meisters: „In 
Ordnung, me Brr!“ soll uns eine Mahnung sein 
zu steter Achtsamkeit, Einigkeit und Beständigkeit. 

Kein gutes Werk, das wir Brr in gemein¬ 
samer Arbeit beginnen, würde gelingen, würde 
zum Segen für uns und Andere vollendet 
werden können, wenn uns die Ordnung nicht 
lehrte, eines Jeden Kräfte zu prüfen und ihm 
dann seine passende Stelle anzuweisen und so 
in den ganzen Organismus einzureihen, wenn 
sie uns nicht mahnte, erst zu wägen und dann 
zu wagen und zu rechter Zeit, am rechten Orte 
das Rechte zu thun. 

Heil’ge Ordnung, segensreiche 
Himmelstochter, die das Gleiche 
Frei und leicht und freudig bindet, 

Die der Städte Bau gegründet, 

Die herein vou den Gefilden 
Rief den ungeselligen Wilden, 

Eintrat in der Menschen Hütten, 

Sie gewöhnt zu sanften Sitten 
Und das Theuerste der Bande 
Wob, den Trieb zum Vaterlande! 

Ja Ordnung, Du Himmelstochter, walte segens¬ 
reich allezeit auch in unserer Mitte. Weise Du 
die Lehrlinge an, dass die erste Aufgabe des 
Maurers sei die Lücken und Risse des eigenen 
Herzens zu beseitigen, leite Du die Gesellen an 
den rohen Stein nach den Ordnungen und Ge¬ 
setzen der Geometrie kubisch zu gestalten, lehre 
Du die Meister den Maassstab recht zu ge¬ 
brauchen, damit die Zeichnung ihres Lebens ein 
schönes, harmonisches Ganze werde, welches Gott 
und Menschen erfreut. Du allein giebst uns die 
rechte Lust zu mrscher Arbeit, die rechte Liebe zu 
der k. K., deren Jünger wir sind, in Dir allein 
ruht die Bürgschaft, dass unser Streben kein 
eitles, unsere Arbeit keine vergebliche seil — 


Möge uns Allen der sich stets erneuende 
Ruf des ehrw. Meisters eine Mahnung sein zu 
steter Achtsamkeit, Einigkeit und Be¬ 
ständigkeit. 

Ja zu steter Achtsamkeit auf uns und auf 
die Aufgaben und Ziele der Loge. 

Denn wenn der ehrw. Meister mit einem 
Hammerschlage das Wort ausspricht: „In Ord¬ 
nung, me Brr!“ so sollen wir nicht meinen, 
dieser Aufforderung dadurch genügt zu haben, 
dass wir uns von unseren Sitzen erheben. Unsere 
Symbole und unser Ritual haben eine tiefere Be¬ 
deutung . und stellen höhere Anforderungen an 
uns, als es auf den ersten Augenblick erscheinen 
mag. Wir sollen dem Meisterrufe nicht bloss 
äusserlich, sondern vor Allem innerlich nach- 
kommen. Ordnen sollen wir unsere Gedanken 
und Empfindungen, damit wir entfernen Alles, 
was uns bei unserer mrschen Arbeit hiudern 
könnte, damit wir überwinden alle Lauheit und 
Gleichgiltigkeit, damit wir unser Denken, Fühlen 
und Wollen iu schöne Harmonio bringen, so dass 
jede Arbeitsloge uns eine neue Anregung werde, 
uns des Wesens und der Würde unserer k. K. 
bewusst zu werden und das hohe Ziel fest in’s 
Auge zu fassen, dem wir gemeinsam entgegen 
wandeln wollen. Und hinausklingen soll der 
Meisterruf: „In Ordnung, me Brr!“ auch in’s 
profane Leben, in unsere Häuser und unsere 
Herzen, damit wir nie vergessen, dass ein Jeder 
unter uns auch im profanen Leben mrsche 
Pflichten zu erfüllen habe, dass Keiner die 
Bahnen verlasse, auf denen wir als wahre 
Maurer wandeln sollen, die uns und der Loge 
zur Ehre gereichen, die Bahnen frommer Sitte 
und edler, reiner Tugend. 

„In Ordnung, me Brr!“ Das soll uns aber 
auch eine Mahnung sein, uns volle Klarheit zu 
verschaffen über Das, was die Loge sein will. 
Ist sie nur eine Stätte heiterer Geselligkeit, wo 
wir am Abend nach vollbrachtem Tagewerk eine 
Stunde der Erholung uns gönnen dürfen ? Me Brr, 
wer freute sich nicht der Stunden, wo er, mit 
Gleichgesinnten vereint, sein Herz öffnen und 
Rede und Gegenrede in Ernst und Scherz 
tauschen kann? Aber wenn die Loge nichts 
Anderes sein, nichts Anderes bieten wollte — 
was hätte sie dann voraus vor jedem anderen 


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gastlichen Hause, welches seine Pforten einladend 
den Erholungsbedürftigen öffnet? Oder soll sie 
ein Tempel der Freundschaft sein, wo Herzen 
sich finden und verbinden in treuer Freundes¬ 
liebe? Gewiss, sio orfüllt auch diese schöne 
Aufgabe und Heil dem, der im Bruderkreise 
auch ein Freundesherz fand. 

Holde Freundschaft, Trost des Lebens, 

Ohne Dich sucht man vergebens 
Auf der Erde wahres Glück, 

Doch an Deinem treuen Stabe 
Wandelt man getrost zum Grabe 
Durch des Lebens Missgeschick! 

Abor der Bund der Freundschaft kann auch 
in anderen Kreisen geschlossen werden. Die 
Loge muss noch andere und höhere Ziele haben. 

Oder will sie ihre Mitglieder zum Wohlthun 
auleiten, will sio unser Herz weich und weit und 
unsere Hand offen machen, um die Thränen der 
Betrübten zu trocknon, der Noth und Armuth 
zu steuern ? Eine hohe und edle Aufgabe, 
würdig der Anerkennung aller Guten; aber giebt 
es nicht auch genug audere Vereine, welche 
solches hohe Ziel sich gesteckt haben? Die 
Loge will doch noch etwas anderes sein. Sie 
will der Anfang des Menschheitsbundes sein, der 
in Liebe und Frieden dereinst alle Menschen 
umschlingen soll. Dieses Ideal will sie pflanzen 
und pflegen in den Herzen der Brr, für die Ver¬ 
wirklichung dieses Ideals will sie eintreten und 
wirken mit allen ihren Kräften. Von diesem 
Gedanken soll jede Logenarbeit gehoben und 
getragen werden, und mit dem Worte: „In Ord¬ 
nung, me Brr!“ will also der clirw. Meister uns 
zurufen: „Me Brr, wie Ihr jetzt äusserlich in 
Ordnung tretet, so ordnet auch Eure Gedanken, 
damit Ihr merket und verstehet den Sinn und 
die Bedeutung unserer Arbeit, damit Ihr von 
Neuem eino Anregung empfanget zu treuem 
Streben, damit Ihr nie im profanen Leben ver¬ 
gesset mit allen Euren Kräften zu wirken für 
unser mrsches Ideal !“ 

„In Ordnung, me Brr!“ Dieser Ruf mahnt 
aber auch zur Einigkeit. Es ist keine leichte 
Aufgabe, welche auf unseren Schultern ruht. 
Wahrlich leicht ist es nicht, dio Vorurtheile 
der profanen Welt zu überwinden, leicht ist es 
nicht, getrost vorwärts zu wandeln, wenn auch 


hin und wieder bittere Täuschung uns zu Thei 
wird, wenn wir statt Anerkennung unseres Stre- 
bens Verkennung ernten. Ja, wenn dabei ein 
Jeder vereinzelt stünde und nur auf die eigene 
Kraft angewiesen wäre — dann ade! du hehres 
Ideal der Maurerei, das uns wie ein heller 
Morgenstern stets entgegenleuchteto, mit seinem 
freundlichen Lichte uns mahnend, dass die 
Morgenröthe einer schöneren Zukunft dereinst 
anbreeben müsse! Dann ade! auch du unsere 
Loge, wo so oft unser Herz sich erwärmt fühlte 
und die Brust sich weitete im Bewusstsein, dass 
wir arbeiten im Dienste des a. B. d. W.! 
Bald würden deine Hallen verödet stehen, bald 
würde mau von dem, was unsero Seelen erfüllte 
und wofür unsere Herzen glühten, als von einer 
halbverschollenen Sage reden. 

Der Ruf: „In Ordnung, me Brr!* 4 mahnt 
uns tröstend, dass Keiner allein ist, dass zu 
seiner Rechten und Linken gleichgesinnte Brr 
stehen. In der Gemeinsamkeit und Einigkeit 
ruht unsere Stärke, ruht unsere Zukunft, ruht 
die Gewissheit unseres Sieges. Welch erhebendos 
Bewusstsein, dass wir als Maurer uns eins wissen, 
dass wir in geschlossenen Gliedern vorwärts wan¬ 
dern, dass Einer den Andern stärkt und stützt! 
0 lasst uns das Wort: „In Ordnung, me Brr!“ stets 
eine Erinnerung sein, dass unser Bruderbund, der 
über den ganzen Erdkreis verbreitet ist, von 
einem Bande der Liebe umschlungen vorwärts 
schreiten soll zu den Höhen wahrer Freiheit; 
lasst es uns eine Mahnung sein uns nicht in 
kleinlichen Sonderiuteressen zu zerspalten, son¬ 
dern das Eine im Auge zu behalten, was uns 
Allen heilig und theuer ist. Dem Einzelnen aber, 
der sich vielleicht zürnend von einem Br ab¬ 
wendete, oder grollend etwas wider einen Br im 
Herzen trägt, rufe ich zu: „In Ordnung, m Br! 44 
Gehe hin und versöhne dich mit deinem Br und so 
tritt wieder in unsere Mitte, das ist mrsche Ord¬ 
nung und darauf ruht der Segen des a. B. d. W.! 

„In Ordnung, me Brr!“ Das sei uns noch 
eine Mahnung zur Beständigkeit! Ja, me 
Brr, lasset uns nicht müde werden! 0 wie Mancher 
ist voll Hoffnung in unsere Bauhütte getreten, 
voll Eifers für Alles, was gut und schön ist und 
er fand nicht, was er gesucht, und zog sich 
enttäuscht zurück. Wie Mancher ward unmuthig, 


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weil er sich verletzt fühlte, wie Mancher müde 
und verdrossen, weil er die geträumten Früchte 
nicht schnell genug reifen sah. 

Aber Allen, die lass und matt, dio gleich- 
giltig und theilnahmlos wurden, gilt der Kom¬ 
mandoruf: „In Ordnung!“ Tritt wieder in Reih 
und Glied und lass nicht nach in deinem Streben! 
Der Maurer soll ja nicht um Dank und Lohn 
arbeiten, freiwillig soll er das Gute thun um 
des Guten willen. Der schönste Lohn ist der¬ 
jenige, den er in sich trägt, der da ruht in 
dem Bewusstsein im Dienste dos a. B. d. W. 
und im Dienste der Menschheit zu stehen und 
zu wirken. Das giebt Freudigkeit im Leben, 
das giebt ruhige Heiterkeit selbst im Angesichte 
des Todes! 

Wohlan, bald ist das Ziel erroicht, 

Wenn wir wetteifernd bauen, 

Wohlan, uns wird die Arbeit leicht 
Durch frommes Gottvertrauen, 

Und der Vollendung Kranz erringt 
Wer treu sein Tagewerk vollbringt! 


Antritts-Bede. 

Gehalten von dem Br Oscar, Prinzen (jetzt 
regierendem Könige) von Schweden und Norwegen, 
bei seiner Einführung als Meister vom Stuhl in der 
St. Eriks-Loge zu Stockholm im J. 1852. 

(Die nachstehende Rede ist einem soeben er¬ 
schienenen Werke: „Fest-Reden, gehalten in der 
Freimaurer St. Jo han n is - L oge St. Erik in 
Stockholm von Sr. Majestät dem Könige von 
Schweden und Norwegen Br Oscar IL, als 
einstigem h am m erführen den Meister wäh¬ 
rend derJahrc 18;>2— 1868. Oberhausen und Leipzig. 
Verlag von Br Ad. Spaannann. 1882.“ entnommen und 
möge dazu dienen die Brr auf dieses Schriftwerk aufmerk¬ 
sam zu machen. — Zu der hier mitgetheilten Rede giebt 
der Herausgeber folgende geschichtliche Erläuterung: 
„Als Prinz Oscar Fredrik, Herzog von Östergötland, 
nach dem Tode seines älteren Bruders Franz Gustaf 
Oscar, Herzogs von tpland (geboren 1827), im Herbst 
des Jahres 1852 die Leitung der St. Erik-Loge zu 
Stockholm als Hammerführender Meitter übernahm, 
regierte sein Vater, König Oscar I., der als Schirm¬ 
herr und Leiter aller Schwedischen Logen den Titel 
,Salomos Vikar 4 führte, währeud sein Vertreter,*der 
damalige Kronprinz Karl (spätere König Karl XV.), 
in der Schwedischen Maurerei den Titel als ,Salomos 
Prokurator 4 innehatte. Prinz Gustaf, der zweitgeborne 


Sohn des Königs Oscar I. war nicht allein von den 
Freimaurerbrüdorn, deren Hammerführender Meister er 
während dreier Jahre gewesen, sondern vom ganzep 
Schwedischen Volke wegen seiner körperlichen Schön¬ 
heit, Gradheit und Liebenswürdigkeit fast vergöttert; 
sein Tod rief in allen Schichten der Bevölkerung tiefe 
Trauer hervor. Er war ausserordentlich begabt und 
musikalisch hochgebildet; er erfreute die Brüder oft, 
nach vollbrachter Arbeit, mit seinen musikalischen 
Vorträgen und Prinz Oscar Fredrik war vollkommen 
in seinem Rechte, wenn er in seiner Antrittsrede als 
Wortführender Meister das Andenken seines dahin¬ 
geschiedenen Bruders in schwungvollster Weise feierte, 
denn er wussto, dass er überall und besonders im 
Kreise der Logenbrüder Wiederhall ftndon würde. Die 
Liebe zu dem hohen entschlafenen Meister gab sich 
auch in der Wahl seines Nachfolgers kund, indem 
diese einstimmig auf seinen Bruder, eben auf den Ver¬ 
fasser des vorliegenden Buches, den Prinzen Oscar 
Fredrik, fiel, den sämmtliche nach dem Schwedischen 
System arbeitende Logen, selbst nachdem der Prinz 
den Thron bestiegen hat, als den Schirm und Hort 
ihres Ordens betrachten.“ 

Hochgebornor Fürst! 
Schwedens und Norwegens Kronprinz! 
Salomos Prokurator! Ritter und Kommandeur 
des Rothen Kreuzes! 

Höchst Leuchtende! Ritter und Komman¬ 
deure des Rothen Kreuzes! 

Hoch Leuchtende! Ritter des Purpurbandes! 

Leuchtende! Höchst Leuchtende! Hoch 
Leuchtende! Hochwürdige und Auserwählto! 
Würdige! Fleissige und Arbeitsame! Frei¬ 
maurer Ritter und Brüder! 

Wenn wir in dieser Stunde und in diesem 
geheiligten Raume unsere Gedanken auf die 
entschwundene Zeit zurückschweifen lassen und 
auf die Wechsel der Ereignisse, dio Merkmale 
der Vergänglichkeit und des Todes, die sie im 
Gefolge führten, so wird sicherlich unser Gemüth 
zu Betrachtungen angeregt, die nicht allein ernster 
und tiefer sind, sondern auch erhabener als die, 
welche sonst der Mensch wohl fühlen mag, wenn 
er unter den alltäglichen Verhältnissen leicht¬ 
sinnig seinen Weg dahin oilt und nur der Minute, 
ihrer Genüsse, ihrer äusserlichen Bestrebungen 
und ungetrösteten Sorgen gedenkt. 

Der Mensch gleicht dann einem Wanderer 
mit verbundenen Augeu; denn er hat das Ge- 
heimniss des Lebens nicht verstanden; er hat 


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ebensowenig die Vergänglichkeit des Lebens in 
der Zeit erfasst, wie den Keim der Unsterb¬ 
lichkeit, welcher in demselben verborgen liegt 
und als Herbstsaat eines kommenden Lenzes 
harrt. Den Augen seiner Seele ist das ewige 
Licht noch nicht aufgegangen, er überlässt sich 
noch der Leitung des schimmernden Irrlichts der 
Welt; keine innere Stimme hat ihm die er¬ 
weckenden Worte zugerufen: 

„Sic transit gloria mundi!“ 

Uns Freimaurerbrüdern ertönte einmal diese 
Stimme; von unseren Augen ist einst die Binde 
gefallen 1 Das Licht ist angezündet in unserer 
Loge. Unser ist der Fehler, wenn wir nicht 
die Finsterniss vom Lichte zu unterscheiden 
wissen; unser ist der Fehler, wenn wir nicht 
sehen und verstehen, dass das Licht über die 
Finsterniss siegt, im Tode siegen und mit ewigem 
Glanze in dem erhellten Tempel strahlen wird, 
einem Tempel, von dem der unsrige ein schönes 
Sinnbild ist. 

Wenn wir die Wechselnde der entschwun¬ 
denen Tage betrachten, müssen wir sie also von 
diesem höhoren Lichte beleuchten lassen — sonst 
könnten sich unsere Sinne leicht in den dunkeln 
Wegen des Missnmths verirren, und wir ver¬ 
möchten nicht die Gewissheit in den Plänen des 
Dreifältigen Grossen Baumeisters zu erkennen. 
Uud gleichwohl müssen wir wissen und bedürfeu 
wir des festen Glaubens, dass die Hand, welche 
die Lothlinie hält, im ewigen Lichte waltet, wenn 
auch das Loth oftmals tief herab in Nebel und 
Finsterniss zu sinken scheint. 

So dachte wenigstens Er, der entschlafene 
Meister, der heute zum ersten Male fern von 
Seiner Logo weilt. Und wenn wir jetzt mit be¬ 
klommenem Herzen unsere Brüderkette um Sein 
zu frühes Grab schliessen — so möge die tröst¬ 
liche Gewissheit auch unsere Herzen durch¬ 
dringen: dass des ewigen Tempelmeisters all¬ 
sehendes Auge wacht, sowohl in der Abend¬ 
dämmerung wie im Morgengrauen, und dass sein 
Vaterherz das geschehen lässt, was dem Vater¬ 
auge am tauglichsten scheint zur Reife Seiner 
himmlischen Ernte! 

Nur drei Jahre sind seitdem entschwunden, 
dass innerhalb dieser Mauern, an diesem Platze 
zum Wortführenden-Meister der St. Eriks-Loge 


geweiht wurde: Seine Königliche Hoheit 
der Herzog von Upland, Prinz Franz 
Gustaf Oscar. 

Sicherlich nur Wenige unter Euch, meine 
Brüder, sind es, die diesem Freudenfeste nicht 
beigewohnt haben, und noch weniger ahntet Ihr 
wohl damals, dass mein Mund heute Seine Ver¬ 
wandlung verkünden und diese schwache Hand 
den Hammer ergreifen würde, den Seine wür¬ 
digere Hand im Tode zurückliess. Und donnoch 
ist es so geschehen! 

Er ist dahin! Der Tod trat an Sein Lager, 
‘wie eine nordische Mittsommernacht, wo das 
Licht sich nur bis zur Dämmerung abschwächt, 
breitete sich Verklärung über Sein fast schon 
brechendes Augo. Friedlich, wie Sein Lebens¬ 
strom schon von der Quello an dahin rann, ent¬ 
schwand vor unseren Blicken die letzte Furche 
in dem unbekannten und unergründlichen Ocean 
der Ewigkeit! Wir, die wir am Ufer zurück¬ 
blieben — wir besitzen nunmehr nur noch dio 
Erinnerung dessen, was Er uns auf Erden ge¬ 
wesen ist; und selbst diese hehre Erinnerung 
würde uns die Sehnsucht nach Ihm verbittern, 
wenn wir nicht die Gewissheit der ewigen 
Liebe besässen, die Ihn hier umgab, und die 
auch in Ewigkeit über Ihm wachen wird, wenn¬ 
schon Er unseren schwachen Augen entrückt ist 
— wenn wir nicht die Gewissheit besässen, die 
uns das Wort verkündet: „Selig sind die 
Gerechten und Friedfertigen, denn sie 
werden Gott schauen!“ — — Die Erin¬ 
nerung dessen, was Er war ?! — Saget, meine 
Brüder, werde ich es wohl heute nöthig haben, 
Sein schönes Bild vor Euren Blick zurückzu¬ 
rufen ? 0! ist dasselbe nicht Euren Herzen mit 

unauslöschlichen Zügen eingegraben ? Suchet dort 
das Bild eines edlen Mannes, eines treuen Frei¬ 
maurers — eines in Wahrheit „Höchst Er¬ 
leuchteten“ Meisters. Suchet dort das Ehrfurcht 
gebietendo Bild des Meisters, der von diesem 
Altar so oft die Sprache der Wahrheit und des 
Lichtes deutete — suchet die reine und edle 
Gestalt des Freundes, der in unserem vertrau¬ 
lichen Kreise, nach geschlossenen Arbeitsstunden, 
die Laute seiner schönen Stimme hören liess, 
und dessen mildes Wesen Gefühle der Freude, 
des Wohlbehagens, der Harmonie, die stets im 


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Gefolge der Guten sind, um sich verbreitete! 
Suchet dies vollendete Bild in Eurem Innern; 
und wenn es vollkommen klar geworden ist, 
dann werdet Ihr in Wahrheit den dahinge- 
schiedeneu Meister wiedererkennen, und Ihr 
werdet begreifen, dass Er reif war zu einer er¬ 
leuchteteren Loge berufen zu werden. Alle Lob¬ 
reden aus Menschenmunde über Seine Wanderung 
hier auf Erden müssen matt ausfallen, wie die 
Stimme, welche sie aussprechen. Sein un¬ 
verändertes liebliches Bild, treu bo- 
walirt in den dankbaren Brüderherzen: 
seht, das ist Sein schönstes Denkmalf 
Mögen wir Ihm dies stets bewahren, und das 
immer mehr verklärte Bild wird selbst über die 
Trauer Verklärung verbreiten. 

In Wahrheit, unsere Trauer ist tief, wie die 
Erinnerung an den Todton, so tief, dass wir fast 
versucht wären, uns ihr rtickhaltslos zu unter¬ 
werfen, und doch; — wir dürfen uns ihr nicht 
so ganz überlassen, dass wir dadurch untaug¬ 
lich würden zur Pflege des Berufes-, der uns 
übertragen ist, so lange wir in der Zeit wandeln. 

Freimaurer-Brüder! Wir betrauern Ihn am 
innigsten, und wir ehren Sein Gedächtniss am 
höchsten, wenn wir sein Werk weiter führen und 
in unserer Arbeit Ihm ähnlich zu werden suchen. 
Wer gedachte stärker als Er der abgelegten 
Gelübde des Freimaurers? Wer kannte besser 
als Er dessen hohes Register? Wer erfüllte 
treuer als Er des Freimaurers Pflichten? Er 
gab uns ein schönes Beispiel — das kann — 
das darf nicht fruchtlos bleiben. 

An Seinem kaum geschlossenen Grabe lasset 
uns in Einigkeit und brüderlichem Bunde 
uns fester Zusammenschlüssen. Lasset uns mit 
starken Kräften das schöne Werk des Freimaurers 
zu vollführen suchen, ein Jeder in seiner Statt 
möge seine Maurerkelle, sein Winkelmaass und 
sein Reissbret zur Vollendung des grossen 
Tempelbaues verwenden. 

Niemand von uns ist dazu zu gering! Es 
ist nur die Verzagtheit und Gleichgiltigkeit, 
welche uns zuflüstern, dass das Werk zu gross, 
zu hoch für unsere Kraft sei, und dass der 
Streit auch ohne uns durchgekämpft werden 
könne. — — — Höret nicht auf diese Stimme. 


„Der Heerführer allein gewinnt nicht die Schlacht, 
Die geschlossenen Glieder orstreiten ihm den Sieg.“ 

Ein Jeder hat seinen Antheil an der Arbeit 
nach Maassgabe der ihm vom Obermeister ver¬ 
liehenen Kraft und auch der ihm von Dem¬ 
selben auferlegten Pflicht nachzukommen. 

Aber — könnte Jemand fragen: Welches ist 
dieses Werk? — Ich antworte-ohne Zaudern, 
das grosse Werk heisst: Die Veredelung der 
Mens chheit! 

Dieses Losungswort haben so Viele sich zum 
Ziele ihres Strebcns gesetzt, und doch — haben 
so Wenige es von Erfolg gekrönt gesehen. 
Sie haben meist auf haltlosem Grunde gebaut, 
auf einem Grunde von Irrlehren und missver¬ 
standener Menschenliebe; sie haben sich 
durch Menschengunst oder Menschenfurcht miss¬ 
leiten lassen. Sie haben das Haus bauen wollen, 
ohne dass der Grösste Baumeister mit ihnen 
war, weder bei ihren Berechnungen noch bei 
ihrer Arbeit. Deshalb wurde ihr Werk auch 
nicht winkelrecht, und ihre Tempel, so prächtig 
sie auch oftmals erschienen, stürzten bei der 
ersten Erschütterung zusammen. 

Mit des Dreifalt Grossen Baumeisters 
Beistand hoffen wir, dass unsere Arbeit winkel¬ 
recht und dauerhaft sein werde; denn es ruht 
auf dem Felsengrunde der Wahrheit. 
Jahrhunderte hindurch ist der Tempel in den 
tobenden Stürmen der Welt aufrecht stehen ge¬ 
blieben und hat dem Feuer und dem Schwerte 
getrotzt. Gleich einem neuen Phönix hat er 
sich verschönert und veijüngt aus den Flammen 
erhoben, die man anzündete um seine Mauern 
zu vernichten. 

Viele meinen vielleicht, dass die Freimaurerei 
in unseren Tagen vor Gefahren und drohenden 
Angriffen sicher sei, dass der Tempelbau keiner 
unverdrossenen Arbeit und Pflege mehr bedürfe? 

-Mögen wir uns diesem Glauben nicht 

hingeben; möge Jeder an seinem Platze wach¬ 
sam sein, auf dass die Sturmwogen unserer 
ruhelosen Zeit fruchtlos sich an unserer festen 
Burg brechen! 

Es ist wenigstens unsere Pflicht zu wirken 
durch die wohlthätigen Beispiele einiger Brüder¬ 
liebe und des unerschütterlichen Glaubens, der 
Anbetung*und Ehrfurcht vor dem Heiligen, das 


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sich in der Zeit offenbart, der Liebe zu unserem 
Vaterlando, seinem Könige und seinen ruhm¬ 
reichen Erinnerungen, — der Achtung vor Ge¬ 
setz und Recht und der Anhänglichkeit an un¬ 
seren uralten und ehrwürdigen Orden. 

Lasset uns der Welt zeigen, von dem sie 
vielleicht glaubt, dass es nicht mehr vorhanden 
sei: einen Brüderbund, einen mächtigen und 
starken Brüderbund, der ihrer Achtung werth 
ist, dessen eng geschlossene Glieder sie nicht zu 
durchbrechen vermag, der eine Kette bildet, von 
der jedes Glied sich dem Dienste der Wahrheit 
und des Lichtes weiht, und mit Bewusstsein und 
Muth dafür zu kämpfen bereit ist! 

Lasset uns durch St an dh aftigkeit, Ilecht- 
schaffenheit und Barmherzigkeit sieg¬ 
reich die Prüfungen bestehen, die in so vielfäl¬ 
tigen Gestalten auf unserer Wanderung hier auf 
Erden uns entgegentreten! 

Auf Brüder! Zaudert nicht! Wer weiss, ob 
der kommende Tag uns gehört. Will nicht schon 
der Gedanke an unser erstes Eintreteu in diese 
Mauern uns gemahnen, uns nicht auf das Unge¬ 
wisse des morgigen Tages zu vertrösten? 

Lasset uns heute, während wir uns noch auf 
dem Wahlplatze des Lebens befinden, unserer 
Pflichten gedenken, unsere Anstrengungen ver¬ 
doppeln, dann — ja d a n n wirken wir am besten 
für das Werk des entschlafenen Wortführenden- 
Meisters, dann ehren wir am höchsten Sein 
theures und erhabenes Gedächtniss, dann wird 
Er ganz so, wie er es verdient, von uns be¬ 
trauert ! 

(Schluss folgt.) 


Verlag von Bruno Zechel in Leipzig. 

Deutsche Geistesheroen 

in ihrer Wirksamkeit 

auf dem Gebiete der Freimaurerei 

von 

Robert Fischer. 

8 Bogen 8°. Preis broch. M. 2.00. 


Scheitlin & Zoilikofer in 8t. Gallen. 

Soeben erschien: 



Die Freimaurerei. 

5. Aufl. Preis: 1 Mark. 

Inhalt: Vorwort. — I. Was heisst Frei¬ 
maurerei? — II. Was ist und was will der 
Froimaurorbund? — III. Wie verhält sich der 
Freiniaurerbund zu Staat und Kirche? — IV. Was 
haben die Freimaurer für Geheimnisse? — V. Wie 
ist der Freimaurerbund eingerichtet? — VI. Was 
thun die Freimaurer in ihren Versammlungen?— 

VII. Welchen Nutzen hat der Freiraaurerbund? — 

VIII. Wie ist der Freimaurerbund entstanden? — 

IX. Wasfür eine Geschichte hat der Freimaurer- 
bund? — X. Wie weit ist der Freimaurerbund 
verbreitet? — Nachwort. 

Edition franpaise au memo prix. 


Verlag von Bruno Zechel in Leipzig. 

Soeben ist erschienen und kann durch alle Brr 
Buchhändler, sowie direct von mir bezogen wordon: 

Liederbuch 

für Freimaurer-Logen. 

Durchgehend mit Melodien versehen. 

Herausgegobon von 

Br Rob. Fischer und Br Wilh. Tscliirch. 

10 Bogen 8°, Preis broch. M. 2.—. 
Partiepreise: 
bei 6 Exemplaren ä M. 1.50 
bei 12 Exemplaren ä M. 1.25. 

Vorstehendes von den Brr Herausgebern mit 
grosser Sorgfalt zusammengosteilte Liederbuch zeich¬ 
net sich vor allen andern Liederbüchern dadurch aus, 
dass sämmtlicho (141) Lieder mit den Melodien und 
auch theilweiser Begleitung versehen sind. Es dürfte 
sonach dieses neue Liederbuch geeignet sein, zur 
Hebung des gemeinschaftlichen Gesanges während 
der Arbeite- und Tafellogen wesentlich beizutragon 
und sei dasselbe daher den Logen, Maurerkränz¬ 
chen und Bruderveroinon behufs Einführung 
angelegentlich empfohlen. 


Verlag von Br Bruno Zechel Tn Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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März 1882, 


' V Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenveroaminlangen eines der drei Qrsde gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilangen in Angelegenheiten des Freimaarerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 


Inhalt: Wie der Gedanke an den Tod zum Segensquell für unser Leben wird. — Zeichen, 
Wort und Grif des Lehrlingsgrades. — Antrittsrede des Br Oscar, Prinzen Ton 
Schweden, als Meister ?om Stuhle. (Schluss.) — Aus dem Engbunde: Zur Geschichte 
der Loge B. z. L. — Anzeigen. 


W ie der Gedanke an den Tod znm 
Segensquell für unser Leben wird. 

Vorgetragen in der Loge Amalia zu Weimar am 
1. November 1881 von Br Putsche. 

Während der Drucklegung des nachfolgenden 
Logenvortrages trifft die erschütternde Nachricht von 
dem Heimgange des verehrungswürdigen und um die 
Frmrei hochverdienten Bruders Putsche, Meisters vom 
Stuhle der Loge Amalie, ein. Möge dem theuern 
Bruder zu theil geworden sein, was er selbst als 
grössten Segen gepriesen hat: „ein unverzagtes Herz 
beim letzten Scheiden.“ 

Me Brr! Der HI. Grad, in dem wir heute 
hier versammelt sind, ist vorzugsweise dem Ge¬ 
danken an den Tod geweiht, ein Gedanke, der 
auf den gewöhnlichen Menschen schmerzlich und 
beunruhigend, verstimmend und verdüsternd zu 
wirken pflegt und deshalb von Leichtlebigen und 
Lebenslustigen am liebsten gänzlich fern gehalten 
wird. Anders denkt und handelt der wahre 
Lebenskünstler, der echte Freimaurer. Er ruft 
in unserm Grade ihn ganz geflissentlich und 
wiederholt hervor durch die ernste Mahnung: 
Denk an den Tod! Und er thut wohl daran. 
Er weiss, dass der Gedanke an den Tod gleich 
einer bittern Arzenei wohlthätig auf sein ganzes 
Leben wirkt So möge denn auch heute diese 
Wahrheit der Gegenstand eingehender Betrachtung 
für uns sein, damit auch wir recht klar bewusst 


uns werden, wie der Gedanke an den Tod 
ein Segensquell für unser Leben wird. 
Dies wird er offenbar schon dadurch, dass er 
uns 1) zur Weisheit im Gebrauch der Zeit 
des Lebens mahnt Dass diese Weisheit nur 
allzuoft der Mehrzahl unseres Geschlechtes fehlt, 
diess ist die Klage des Dichters, wenn er ausruft ; 

Wie sicher lebt der Mensch, der Staub! 

Sein Leben ist ein fallend Laub, 

Und dennoch schmeichelt er sich gern 
Der Tag des Todes sei noch fern. 

Der Jüngling hofft des Greises Ziel, 

Der Mann noch seiner Jahre viel, 

Der Greis zu vielen noch ein Jahr 
Und keiner nimmt den Irrthum wahr. 

Eindringlich ruft in dieser Hinsicht dem sorg¬ 
losen Sterblichen ein anderer Dichter zu: 

Getäuscht von eitlen Kleinigkeiten 
Verlierst Du Deines Lebens Zweck, 
Verschiebst Dein Heil auf ferne Zeiten 
Und wirfst so sicher Jahre weg; 

Bist Du, o kühner Sterblicher, 

Des nächsten Augenblickes Herr? 

Wenn solche Sorglosigkeit und Sicherheit auch 
uns beschleichen will, da mahnt uns auf der 
Meisterstufe ernst und dringend der Gedanke an 
den Tod und warnt: 


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Es eilt der letzte von den Tagen, 

Die Du hier lebest, Mensch, herbei. 

Erkauf die Zeit, anstatt zu klagen, 

Sie sei zu kurz, gebrauch sie treu! 

Nimm mit erkenntlichem Gemüth 
Der nahen Stunde wahr! Sie flieht. 

Zu solcher Treue, solcher Lebensweisheit im 
Gebrauch der Zeit gehört aber nicht bloss die 
gewissenhafte Eintheilung derselben entsprechend 
unserem Symbol des vierundzwanzigzölligen Maas¬ 
stabes, nicht bloss die Verwendung derselben auf 
irdischen Erwerb, auf weltlichen Beruf, noch 
weniger das Jagen nach Schätzen, die man „in 
Hast gewinnt, bald schwelgerisch verzehrt, bald 
ruhelos bewacht und bald mit Fluch vermehrt.“ 
Zur echten Weisheit im Gebrauch der Lebenszeit 
gehört vor Allem ein rastloses Streben nach 
Selbsterkenntniss, Selbstüberwindung und Selbst¬ 
veredelung, wie unsere Kunst sie lehrt, ein 
fleissigcr Besuch von unsem Arbeitshallen, in 
denen lernend wir uns üben nicht bloss in unsrer 
Selbstvervollkommnung, vielmehr auch für der 
Brüder, der ganzen Menschheit Wohl am Tempel 
der Humanität zu bauen. Für diesen Bau lässt 
sich die Zeit recht gut „erkaufen,“ wenn wir nur 
ernstlich wollen, wenn wir uns nur weniger 
„durch eitle Kleinigkeiten täuschen,“ durch welt¬ 
liche Zerstreuungen und Freuden uns nicht ver¬ 
führen, durch Liebe zur Bequemlichkeit uns seltener 
abhalton lassen, wenn wir unsrer Maurerweihe 
eingedenk bleiben, auch wenn wir tiefgekränkt zu 
sein von Brrn wähnen, doch ihnen hier zu begegnen 
uns nicht scheuen. Wenn so wir treu geblieben 
dem Versprechen, das wir an Eides statt hier 
abgelegt, dann erfüllen wir auch die Mahnung 
unseres zweiten Meisterwandrungsspruchs: 
„Willst ruhig.und getrost Du einst von *hinnen 

scheiden, 

Bereite, rüste Dich mit Kraft dazu beizeiten!“ 
Dann wird der Gedanke an den Tod ein Segens¬ 
quell für unser Leben auch dadurch, dass er 
2) zum Scheiden aus dem Leben uns vorbereitend 
stärkt. Ja, wenn überhaupt Charakterstärke 
mit Seelenfrieden lohnt, so ist gewiss für uns 
ein solcher Lohn getrosten festen Muths in 
schweren Lbiden, ein unverzagtes Herz beim 
letzten Scheiden der grösste Segen, der uns 
werden kann. Wie aber können wir dazu uns 


besser stärken, als wenn der öftere Gedanke an 
den Tod uns mehr und mehr mit ihm befreundet, 
so dass er nicht als „grässliches Gerippe“ uns 
naht, vielmehr als holder Genius mit umgekehrter 
Fackel die Lippe des Sterbenden berührt mit 
seinem Kuss? Was kann beruhigender für uns 
am Schluss des Lebens sein, als wenn keine 
bittre Reue an unserm Herzen nagt, kein schwerer 
Vorwurf des Gewissens auf uns lastet, wenn wir 
vorsorglich unser Haus bestellt, wenn wir uns 
so stark „gerüstet,“ dass in der letzten Stunde 
unsres Lebens das in Erfüllung geht, was an 
des Meisters Grabe wir gebetet und gewünscht: 
„Dass, wann einst auch wir die Augen sehliessen, 
„Unser Scheiden ohne bittre Reu, 

„Ohne schweren Vorwurf im Gewissen 
„Eingang uns zum ew’gen Frieden sei.“ 

Zu jenem Gottesfrieden aber, der in Folge 
rechtzeitigen Gedankens an den Tod beim Scheiden 
aus dem Leben uns erfüllt, ist als ein Vorhor- 
geschmack des Himmels der Segen auch zu 
zählen, dass uns der nämliche Gedanke 3) das 
Leben schon hienieden verschönt und mild ver¬ 
klärt. Ja, was Geliert erst nach dem Tode, 
droben, uns in der Ewigkeit verheisst, das 
nimmt für uns den Anfang schon hienieden, 
wenn täglich wir des Todes eingedenk sind. Denn 
wenn der fromme Dichter jenes Liedes: „Nach 
einer Prüfung kurzer Tage erwartet uns die 
Ewigkeit“ uns hinweiset auf das hellere Licht, 
womit die Ewigkeit einst unsern Geistesblick 
verklärt und von der Ahnung einer vollkommeneren 
Welt beseligt hofft: 

Da werd* ich das im Licht erkennen, 

Was ich auf Erden dunkel sah, 

Das wunderbar und heilig nennen, 

Was unerforsehlich hier geschah; 

Da denkt mein Geist mit Preis und Dank 
Die Schickung im Zusammenhang! 
so wirft schon hier auf unser Erdeuleben der 
Gedanke an den Tod solch ein verschönernd, 
mildyerklärend Licht, indem er 

Unsern Blick und unser Streben 
Hinlenkt auf ein bessres Leben 
Und uns lehrt schon in der Zeit 
An dem Ewigen ergötzen, 

Hier den Werth der Dinge schätzen, 

Wie einst in der Ewigkeit 


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19 


Wie klein, wie eitel und wie nichtig erscheint 
uns dann im Hinblick auf die Ewigkeit so 
Vieles, was schwer und bang die Kinder dieser 
Welt beunruhigt und drückt! Wie hoch beseligt 
uns hienieden schon die Hoffnung auf eine nach 
unserem Tode sich immer besser gestaltende, 
vollkommenere Welt, zu deren Herbeiführung 
und Vorbereitung im Rath der Vorsehung so 
Manches dienen muss, was unserem beschränkten 
Blicke vielleicht zeitlebens unbegreiflich und un¬ 
vereinbar mit einer weisen Weltordnung erschien! 
Doch nicht die Zukunft bloss erscheint für unser 
Geistesauge in einem schöneren Licht bei dem 
Gedanken an den Tod verbunden mit dem Hin¬ 
blick auf eine ewige Fortentwickelung zur Voll¬ 
kommenheit, es wird sogar auch schon die 
Gegenwart durch den Gedanken an den Tod 
mit reinerem Glanz erleuchtet und verklärt. Wie 
wir beim Abschied von geliebten Menschen den 
Werth derselben doppelt tief empfinden, wie 
schöner nie die Heimath, nie weither uns das 
Vaterhaus erschien als damals, wo wir schieden, 
um fortzuziehn in weite Ferne, in eine uns noch 
unbekannte Welt: so zeigt* uns der Gedanke au 
den Tod und an das einstige Scheiden von so 
vielen unsrer Lieben auf das einstige, vielleicht 
recht baldige Verzichtenmüssen auf ihren Umgang 
und auf diese holde, freundliche Gewohnheit des 
Daseins und Wirkens erst recht hell und klar, 
welch* hohe Lebensgüter wir denn doch besitzen, 
wenn auch dafür so oft sich unser Auge trübt, 
und dass selbst diese sublunare von den Pessi¬ 
misten so oft geschmähte Welt mit allen ihren 
Unvollkommenheiten doch immer noch für uns 
ein hohes Gnadengeschenk des Himmels sei. 

Diese unser Leben schon hienieden ver¬ 
schönende Kraft des Gedankens an den Tod 
wird aber endlich auch in so fern offenbar, als 
dieser Gedanke zur Milde und Versöhnlichkeit 
uns stimmt. Ja, me Brr, beim Gedanken 
An jenes ernste, stille Geisterreich 
Da fühlt das strenge Herz sich mild und weich, 
So dass es Nachsicht und Verzeihung schenkt 
Auch Denen, die uns bitter einst gekränkt. 

Solch eine Milde und Versöhnlichkeit wirkt 
aber nicht allein wohlthätig und versöhnend 
auf die Schuldbewussten, sondern auch ver¬ 
schönend auf uns selbst und unser Leben ein, 


so dass, wie eine schöne Gegend, vom milden 
Licht der Abendröthe sanft beleuchtet, uns doppelt 
schön erscheint, so auch der Abend unseres 
Lebens dem Weich- und Mildgestimmten schöner 
sich verklärt, 

Wenn der Feindschaft wilde Stürme schweigen, 
Sich, wie Sterne hinter Wolken, zeigen 
Sanftmuth, Liebe und Versöhnlichkeit. 

Ja, das Leben, uns zur Hölle, wenn wir hassen, 
Wird zum Himmel, wenn wir liebend uns umfassen 
Und vergessen Groll und Bitterkeit. 

Zeichen, Wort und Grif des Lehr- 
Ungsgrades. 

Von Br J. Fr. Fuohs, Prot. Secretair der Loge 
Balduin zur Linde in Leipzig. 

Woran soll ich erkennen, dass Sie 
ein Freimaurer sind? heisst eine der ersten 
Fragen des Lehrlingskatechismus, und die Ant¬ 
wort lautet: An Zeichen, Wort und Grif. 
„Daran kann ich allenfalls erkennen, ob Jemand 
äusserlich dem Bunde angehört; den rechten 
Frmr erkenne ich vielmehr an seiner Gesinnung, 
seinem Wort, seiner That, überhaupt an seinem 
ganzen Wesen,“ sagte ein alter Frmr, und er 
hat recht. Aber auch jene Antwort hat ihre 
volle Berechtigung. Wie alles Aeussere in der 
Frmrei symbolisch ist, so sind auch Zeichen, 
Wort und Grif Symbole, die man nur recht ver¬ 
stehen muss. Ich will versuchen, — wenigstens 
nach einer Seite hin — in kurzen Zügen eine 
Deutung dieser Erkennungszeichen zu geben. 

Das Zeichen, die im rechten Winkel ge¬ 
öffnete, an den Hals gelegte Hand, sagt dir, dass 
du dich stets im rechten Winkel, d. h. in 
Uebereinstimmung mit deiner Pflicht gegen dich 
selbst, deinen Nächsten und deinen Gott befin¬ 
den sollst. — 

Gegen dich selbst. Die Frmrei ist „die 
Kunst die Herzen zu veredeln; das Herz aber 
wird in dem Grade edler, je mehr es sich aus 
der Gemeinheit des natürlichen Daseins in die 
ätherischen Regionen des geistigen Lebens empor¬ 
ringt,“ also je mehr es ein reines Herz wird. 
Und „selig sind, die reines Herzens sind, denn 
sie werden Gott schauen.“ Um aber zu wissen, 
dass dein Herz rein ist, musst du durch strenge 


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20 


Selbstprüfung mit den geheimsten Falten des¬ 
selben vertraut werden.. Der gegebene Prüfstein 
ist das Gewissen, das göttliche Gesetz in deinem 
Herzen. Das Gewissen schläft nicht, wenn du 
es nicht selbst auf kurze Zeit einschläferst, es 
sagt dir zu jeder Zeit, — gleichwie der rechte 
Winkel immer die grade Linie anzeigt *— ob 
die Regungen deines Herzens frei von böson 
Begierden, ob deine Worte wahr sind, ob deine 
That nicht von schnödem Eigennutz, von Ehr¬ 
sucht, von eitler Selbstgefälligkeit geleitet war. 
Solche Selbsterkenntniss ist der Weisheit Anfang. 
Und wenn du meinst, du könntest dein Herz 
nicht gegen die schlimmen Regungen verschliessen, 
ohne dein Zuthun und wider deinen Willen 
zögen sie ein, so denke an Luthers Mahnung: 
„Du kannst nicht hindern, dass die Vögel über 
deinem Haupte hinfliegen, wohl aber kannst du 
hindern, dass sie in deinen Haaren ein Nest 
bauen,“ an die Mahnung, dich selbst zu be¬ 
herrschen, in den Kampf einzutreten mit deinen 
Begierden und Leidenschaften und aus diesem 
Kampfe alsSieger hervorzugehen. Der rechte Mann 
kann, was er will, wenn er will, was er soll. 
Er weiss seine Begierden stets zu mässigen, seine 
Leidenschaften zu bezähmen, dass sie ihn nicht 
stören in dem, was er als edel und rechtschaffen 
erkannt; er kommt dem ihm vorgesteckten Ziele 
der Selbstveredelung immer näher und findet sich 
so im rechten Winkel zu sich selbst. — Zu 
dem Nächsten aber durch Erfüllung des könig¬ 
lichen Gebotes: „Du sollst deinen Nächsten lieben 
als dich selbst.“ Wer ist mein Nächster? ist so 
oft gefragt worden, und immer wird die Antwort 
lauten müssen: Jeder Mensch, der uns nahe 
steht, dass wir ihm dienen können, jeder Mensch 
ohne Unterschied des Standes, des Alters, der 
Religion, der bürgerlichen Verhältnisse und wie 
solche Aeusserlichkeiten sonst heissen mögen. 
Er ist ein Kind desselben Gottes, der auch dich 
erschaffen, er hat dieselben Kräfte und Anlagen 
wie du erhalten und ist zu gleichem hohem Ziele 
berufen. Freilich wird sich diese Liebe ver¬ 
schieden äussern, anders gegen den Greis als 
gegen das Kind, anders gegen den Freund als 
gegen den Fremden oder gar den Feind, anders 
gegen den Bruder, die Schwester, anders gegen 
den Vater oder die Gattin. Aber immer: Lieben 


wie dich selbst! Der Selbstsüchtige vermag 
diess nicht, weil er ausser sich nichts lieben kann; 
der den Geist dieses Gebots nicht versteht, er¬ 
schrickt vor demselben, weil ihm dessen Erfüllung 
unmöglich dünkt. Und doch fordert es nur an 
jedem Bruder das zu thun, was man von ihm in 
gleicher Lage wünschen würde. Und wenn diese 
Liebe zunächst auch nur eine schwache und eigen¬ 
nützige sein sollte, durch treue Uebung wird sie 
sich immer mehr zu einer gottähnlichen gestalten. 
Gott umfasst alle Menschen mit gleicher Liebe. 
So steht der Mensch auch schon im rechten 
Winkel zu seinem Gott. „Du sollst aber Gott 
über alles lieben.“ Gott ist ein Geist, deine 
Liebo muss daher frei von der Gewalt irdischer 
Einmischungen und Empfindungen, sie muss eine 
geistige sein. Diese reine Liebe aber ist das 
Verlangen der innigsten Vereinigung mit Gott 
und zeigt sich darin, dass man seine Gebote 
hält, göttlich denkt und göttlich lebt, immer mehr 
sich vergöttlicht. Und dabei erinnert die im 
rechten Winkel geöffnete, an den Hals gelegte 
Hand noch an den alten Freimaurereid: Ich will 
mir eher die Gurgel abschneiden lassen, ehe ich 
meinem Gelübde und meiner Pflicht untreu werde. 
„Das ist eine harte Rede, wer mag sie hören!“ 
Doch da tritt das zweite Erkennungssymbol, 
das Freimaurerwort, tröstend ein, das da 
lautet: Jakin! Der Herr wird dich auf¬ 
richten! Vermessen wäre es mit Hiob sagen 
zu wollen: „Mein Gewissen beisst mich nicht 
meines ganzen Lebens halber.“ Alle müssen 
vielmehr klagen über das eigne schwache Herz, 
„das trotzige und doch so verzagte Ding,“ das 
wohl Lust hat an Gottes Gesetz nach dem in¬ 
wendigen Menschen, aber immer in Widerstreit 
geräth mit des Fleisches Lust und gefangen wird 
in der Sünde Gesetz. In diesem fortwährenden 
Kampfe, bei dem der schwache Mensch so oft 
unterliegt, klagst du wohl — und der redlich 
nach Vollkommenheit Ringende thut es am meisten: 
Wer wird mich erlösen von der Macht der Sünde? 
Der Herr wird dich aufrichten! Hebe deine 
Augen auf zu ihm, „der in dem Schwachen mächtig 
ist, der dir deine Sünden vergiebt, und dein 
Leben vom Verderben erlöset und dich krönet 
mit Gnade und Barmherzigkeit.“ Unterwirf dich 
getrost seiner Leitung, habe ihn stets vor Augen 


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21 


und im Herzen, sprich mit jenem Frommen: „Was 
ich gewesen, decke zu; was ich sein will, regiere 
du,“ und es wird dir gelingen, das Gewand des 
Irrthums und der Sünde immer mehr abzustreifeu 
und dich dem ewigen Lichte zu nähern. — Ein 
Anderer klagt: All mein Sorgen und Schaffen ist 
eitel vergebliche Mühe. Ich habe meine ganze 
Kraft eingesetzt, ein Segen meiner Brüder zu sein: 
für meine Gutthaten erntete ich Undank, meine 
guten Rathschläge wurden nicht beachtet, meine 
Worte waren in den Wind geredet* — ich habe 
umsonst gelebt. So klagte auch einst Elias und 
hielt sich für den einzigen, der nicht von Jeho- 
vah abgefallen sei. Aber der Herr belehrte ihn, 
dass viele Tausende ihre Kniee nicht gebeugt 
vor den falschen Göttern, und an ihnen war des 
Propheten Arbeit nicht vergeblich gewesen. Und 
ist es nicht auch bei dir so, mein Br, der du 
^ so klagst? Kannst du denn wissen, ob deine 
Wohlthaten nicht hie und da einen dankbaren 
Boden gefunden, ob dein gutes Wort nicht in 
einem feinen guten Herzen aufbewahrt und be¬ 
wegt wird, im Stillen keimt und herrliche Frucht 
bringt, nur dass du sie nicht siehst. „Nimm deine 
Gabe und wirf sio ins Meer, sieht sie der Fisch 
nicht, sieht sie der Herr 1“ sagt der Perser. Und 
selbst wenn dir alles redlich Gewollte und Er¬ 
strebte misslungen wäre, — was aber niemals 
der Fall ist — so wird der Herr dir deinen 
Lohn geben nicht nach dem Erfolg, sondern nach 
deinem aufrichtigen Willen. Und Jakin! heisst 
es auch, wenn schwere Leiden dich drücken oder 
wenn du durch die dunkle Pforte des Todes 
gehen sollst: denn der gütige Gott legt dir nicht 
mehr auf, als du zu tragen vermagst, darum sei 
geduldig und harre sein, und der grosse Geist, 
der dir von seinem ewigen unsterblichen Geiste 
gegeben, lässt sein Werk nicht untergeben, wenn 
auch der Leib in Staub zerfällt. 

Und nun noch wenige Worte über das dritte 
Erkennungszeichen, den Grif. Rein nebensäch¬ 
lich ist, wie du die Hand des Bruders drückst, 
dem du dich zu erkennen geben willst, — du 
ergreifst aber die Bruderhand mit einem Herzen 
voll Bruderliebe. Wo der Druck der Hand sich 
bietet, da öffnet sich das Herz des Maurers, und 
fühlt sich als Kind desselben Vaters, der seine 
Kinder mit gleicher Liebe umfasst. Drückt Noth 


und Sorge den Bruder, der warme Druck deiner 
Hand giebt ihm Zeugniss, dass du herzlich theil 
nimmst an seinem Geschick und wo du kannst, 
greifst du ein, dass Noth und Sorge von ihm 
weicht Du ergreifst seine Hand, um mit ihm 
gemeinschaftlich den Weg der Rechtschaffenheit 
und Tugend zu wandeln, du willst ihm, er soll 
dir Stütze sein, und siehst du ihn vom rechten 
Pfade ab weichen, so lässest du ihn nicht gehen, 
mit sanfter Hand oder mit kräftigem Grif führst 
du ihn auf den rechten Weg zurück. Und siebest 
du ihn am Abgrund wandeln, so reissest du ihn 
mit Gewalt zurück und fragst nicht darnach, ob 
der Grif dir oder ihm Schmerzen macht. 

Sehet, meine Brr, so sind die maurerischen 
Erkennungszeichen nicht leere Formen, in ihnen 
wohnet Geist und Leben; lasset sie in uns immer 
lebendig bleiben, damit man uns als rechte Frmr 
erkenne! 


Antritts-Rede. 

Gehalten von dem Br Oscar, Prinzen (jetzt 
regierendem Könige) von Schweden und Norwegen, 
bei seiner Einführung als Meister vom Stuhl in der 

St. Eriks-Loge zu Stockholm i. J. 1852. 

(Schluss.) 

Ich beglückwünsche mich, dass ich an diesem 
Werke mit Euch theilnehmen kann, beseelt von 
der innigen Ueberzeugung, dass ein reiner Vor¬ 
satz, wenn auch nur von schwachen Kräften 
unterstützt, doch etwas in des Ewigen Waag¬ 
schale gilt. Ich fordere Euch auf: 

Brüder-Beamte! mir dabei Alle redlich boi¬ 
zustehen ! Ich lege Euch diese Ermahnung an’s 
Herz, um unseres Ordens willen — um der 
Ehrfurcht willen, die Ihr gewisslich den Manen 
meines Vorgängers widmet — um der Freund¬ 
schaft willen, mit welcher Er, als Er noch lebte, 
Euch umschloss, und die Ihr, ich bekenne es mit 
'Dank, so wohl verdientet und erwidertet. Auch 
an Euch: 

„Sämmtliche Brüder,“ richte ich diese meine 
brüderliche und herzliche Ermahnung; es ist die 
erste an Euch, aber auch die bedeutungs¬ 
vollste, die ich zu geben vermag: Betretet Seinen 
Weg! Arbeitet in Seinem Geiste fort! Arbeitet 
mit Eintracht auf das gemeinsame Ziel 


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hin, und Sein seliger Geist wird gewisslich nie¬ 
mals aufhören über der Loge zu wachen, deren 
Wohl Seinem Herzen, als es noch hier auf Erden 
schlug, so nahe lag! 

Und jetzt, Höchst Erleuchteter Prokurator 
Salomos, erbitte ich mir die Erlaubniss, mich an 
Dich wenden zu dürfen, mit dem Ausdruck meines 
unterthänigen und brüderlichen Dankes für das 
mir so theure Vertrauen, womit ich von Seiner 
Majestät dem Könige, dem Hohen Be¬ 
schützer des Ordens, dem Weisesten Vikarius 
Salomos und leitenden Meister dioser Provinz, 
beehrt worden bin, als Er in Gnaden die Wahl 
dieser Loge bestätigte; — ein Vertrauen, das in 
Wahrheit doppelt theuer ist durch die Erin¬ 
nerungen, die sich an moin Amt knüpfen, 
und durch die Pflichten, welche dieses Amt 
mir auferlegt. 

Ich danke Dir noch besonders für die Hin¬ 
gebung und dio brüderliche Freundschaft, die 
hierin einen erneuerten Ausdruck gefunden haben, 
— die mir stets theuer sein werden. 

Empfanget endlich, sämmtliche Würdige, 
Fleissige und Arbeitsame Brüder der St. Johannis- 
logo St. Erik, den Dank meines gerührten Her¬ 
zens für das Vertrauen, das Euro Wahl be¬ 
kundet. Es wäre unbescheiden von mir, diese 
Wahl anders als den Ausdruck Eures Wunsches 
äufzufassen, dadurch stets an den unersetzlichen 
Verlust, der die Loge betroffen hat, erinnert zu 
werden! 

Brüder! Seid überzeugt von meinem innigen 
und aufrichtigen Wunsche, meinen Beruf so auf¬ 
zufassen, dass meine Wirksamkeit Euch eine wür¬ 
dige Erinnerung an den in die Ewigkeit einge- 
gangenen Bruder sein soll, welcher vor mir mit so 
sicherer Hand diesen Hammer des Wortführenden- 
Meisters geführt hat! 

Der Dreifalt Grosso Baumeister, der Herr, 
der war, der ist und der Ewig sein wird, Er- 
schenke uns Allen in unserer Arbeit Seinen 
Frieden zur Einigkeit und zum Segen! 

Diese meine aufrichtige und brüderliche Denk¬ 
weise bekräftige ich auf uralte Freimaurerweise 
und als dieser St. Johannisloge Wortführender- 
Meister. 


Engbund der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

3. Vortrag des Br F. Fuchs. 

Ehe ich in der Geschichte der Loge Balduin 
und ihres Verhältnisses zur Grossen Landesloge 
fortfahre, werfe ich noch einen Rückblick auf die 
in den Lebensfadeu der Loge so tief einschnei¬ 
dende, ja fast den* Bestand derselben in Frage 
stellende Meisterwahl von 1780 und ihre dem- 
nächstigen Folgen. Br Du Bose hatte durch 
den Logensecretair Br Hoffmann in dem Ein¬ 
ladungscircular zur Wahllogo erklären lassen, 
dass er wegen herannahenden Alters, Kränklich¬ 
keit und überhäufter Geschäfte von einer Wieder- 
annahmo des ersten Hammers absehen müsse; 
der deputirte Mstr. Br Schlegel hatte auf dem 
Umlaufschreiben die Namen der sieben Brr 
Jeschko, Holst, Apel, Büchner, Hänel, Springsfeld 
und Matthesius ausgestrichen und dazu ge¬ 
schrieben : „Sind keine Mitglieder der Loge 
Balduin.“ Darüber wurde er vom Mstr. v. St. 
ernstlich zur Rede gesetzt, „dass er als depu- 
tirter Mstr. nicht das Recht habe, willkürliche 
Veränderungen in Logen angelegonheiten zu 
machen, sich auch nicht auf Schottische Frei¬ 
heiten, denen in dieser St. Johannisloge nie ein 
Recht eingeräumt worden sei, zu berufen; viel¬ 
mehr hätte er bei beigekommenen Bedenken sich 
mit ihm zu besprechen, statt auf so beleidigende 
Weise seine Anordnungen zu durchkreuzen, nach 
den Fundamentalgesetzcu der Loge seien zu der 
Meisterwahl auch die Brr des 3. Grades einzu¬ 
laden und nur durch Exclusion könne ihnen 
ein solches Recht genommen werden, übrigens 
auch die Meisterwahl kein Geheimniss, sondern 
eine öffentliche Angelegenheit der Loge sei, er 
werde daher am bestimmten Tage die Brr aller 
Grade einladen lassen, wogegen wohl Niemand 
etwas Gründliches einzuwenden haben werde.“ 
Hierauf erliess der deputirte Mstr. Br Schlegel ein 
noch von zwölf Brrn, dio er für seine Ansicht ge¬ 
wonnen, unterzoichnetes Schreiben an den Logen¬ 
meister, worin behauptet wird, „dass der deputirte 
Mstr. ein gutes Recht gehabt, die Namen der Brr 
durchzustreichen, da diese zwar Mitglieder des 
Ordens, aber nicht Mitglieder der Loge Balduin 
seien, indem von ihnen noch nicht um das Mit¬ 
gliedsrecht der Loge nachgesucht sei und sie 
die Mitglieds-Eintrittsgelder von 10—15 Thlr. 
noch nicht an die Logenkasse bezahlt hätten.“ 

In der Wahlloge am 9. März legte Br Du 
Bose den ersten Hammer nieder, entsagte aber 
auch zugleich der Mitgliedschaft der Loge Balduin. 
Die genannten sieben Brr zeigten gleichfalls ihr 
Ausscheiden an, indem sie eine schriftliche Er- 


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klärung zu Protokoll gaben, dass ihnen die 
grösste Ungerechtigkeit von Seiten der Brr Mstr 
widerfahre, dass man sie für unfähig der Theil- 
nahme an der Meisterwahl erkläre, da sie doch 
durch ihre Aufnahme unter Ablegung der feier¬ 
lichsten Verpflichtung die Mitgliedschaft der Loge 
erhalten hätten. Bei so gestalteten Sachen wollten 
sie sich ihrer Wahlstimmo freiwillig begeben, 
dagegen aber auch ihrer Kind- und Mitglied¬ 
schaft bei der Loge Balduin und aller Gemein¬ 
schaft mit derselben wohlbedächtig entsagen.“ 
Die sieben Brr beharrten trotz der Warnung 
des abgehenden Mstrs. vor so übereiltem Schritt 
bei ihrem Vorhaben, auch die Vorstellungen der 
Brr Hoffmann und Bracke erzielten kein anderes 
Resultat. An demselben Tage entsagten fünf 
Brr Mstr.: Du Bose jun., Rasco, Graf von Bille¬ 
witz, von Bentzmann und Stopp, „aus gegrün¬ 
deten beweglichen Ursachen feierlichst der Mit¬ 
gliedschaft und dahin einschlagenden Gemein 
schaft,“ reservirten sich aber, „theils «als Mit¬ 
stifter der Loge, theils als Brr Mstr. derselben, 
den auf jedes von ihnen kommenden Antheil 

am Fond und an den Meubles der Loge.“ 

Drei Brr Gesellen, Meysel, Lange und Heyne, 
meldeten vier Tage später ihr Ausscheiden, das¬ 
selbe motivirend: „die wenige Bruderliebe, die 
wir anitzo in der Loge Balduin zu finden 

glauben und es der Klugheit gemäss sei, an den 

vorgefallenen Widerwärtigkeiten keinen Antheil 
zu nehmen.“ Zwei andere auswärtige Brr, 
Richter und Freyberger, die gewöhnlich nur zur 
Messe nach Leipzig kamen, „entschlossen sich, 
der Mitgliedschaft gänzlich zu entsagen, weil 
die immerwährenden Unruhen und Streitigkeiten 
kein Ende haben.“ Auch der frühere Logen¬ 
meister Du Bose sen. beklagt sich in einem 
Briefe an seinen Nachfolger Br Börner bitter 
über denselben und die in der Loge verbliebenen 
Brr: „Sie haben den falschen Anschuldigungen 
Gehör gegeben und dieselben sogar ausgebreitet, 
als wenn ich und Br Rasco schuld an den Zer¬ 
würfnissen seien, während wir vielmehr zum 
Frieden und zur Eintracht gesprochen, als nieder¬ 
trächtige Kabalen gemacht wurden. Dass man 
mir endlich gar auf der Nase spielen will, ver¬ 
trägt nur die Niederträchtigkeit, deswegen habe 
ich mich von einer Loge losgemacht, wo es 
Leute giebt, die Alles nach ihrem Eigendünkel 
lenken wollen, denen es ein Spiel ist, die gröbsten 
Beleidigungen zu begehen“ und weist dann noch¬ 
mals nach, dass die betreffenden Brüder mit ihrer 
Auslegung der Mitgliedsrechte Unrecht gehabt. 

Der mit 12 Stimmen neugewählte Logenmeister 
Br Börner hatte die ganzen Vorgänge an die 
Grosse Landesloge nach Berlin berichtet und 
die betreffenden Briefe und Protokolle an die¬ 


selbe eingesendet. Auch an die Loge Minerva 
sendete man ein Schreiben mit Darstellung der 
Vorfälle und der Strafen, die man den einzelnen 
Brüdern auferlegte. 6 Brr Mstr sollten auf 
6 Monate suspendirt und wenn sie sich während¬ 
dem nicht eines Besseren besinnen, stärker be¬ 
straft, 4 andere Brr als Mitglieder Balduins • 
ausgestrichen werden u. s. w. Die Loge Minerva 
beschloss, „ein mit Freundschafts- und Mitleids¬ 
versicherungen angefülltos Antwortschreiben zu 
erlassen, übrigens den Vorgang in Rücksicht 
der sich vom Balduin separirten und daselbst 
suspendirten Brr zu ignoriren und selbigen den 
Eintritt bei uns nicht zu versagen.“ Br Börner 
beklagt sich in einem spätem Schreiben über 
die Zulassung der ausgetretenen Brr zu den „ 
Arbeiten Minerva’s, „er könne trotz der gütigen 
Einladung vor Austrag der Sache nicht in Mi¬ 
nerva erscheinen.“ Uebrigens erklärten sich die 
suspendirten oder ausgeschlossenen Brr in Bezug 
auf die ihnen schriftlich notificirten über sie 
verhängten Strafen sehr energisch und sprachen 
ihre Verwunderung aus, „wie man über sie, da 
sie schriftlich und auf das Förmlichste der Kind¬ 
schaft, Gemeinschaft und Mitgliedschaft der Loge 
Balduin entsagt, ein Urtheil fällen und ihnen 
eine Strafe auferlegen könne.“ 

Die Grosse Landesloge forderte Rechenschaft 
über die Vorgänge und als Deputirte Balduins 
erschienen am 20. März 1780 in Berlin vor 
einer Grosslogenconferenz die Brr Schlegel und 
Bracke. Nach den gepflogenen Verhandlungen 
wurden die Bevollmächtigten gefragt: „ob sie 
kraft ihrer Vollmacht zu Protokoll geben wollten, 
dass sie die gegebenen ungesetzmässigen Erklä¬ 
rungen Balduins widerriefen, diese seien in den 
drei Punkten enthalten: die Loge Balduin habe 
sich von der Grossen Landesloge trennen wollen 
(— es bezieht sich dies auf die mit Breslau 
gepflogenen Verhandlungen, auch hatten die Be¬ 
vollmächtigten mitgetheilt, „dass Br Du Bose 
früher, wiewohl vergeblich, wegen einer Constitution 
nach dem Haag geschrieben habe, weil er sich 
eingebildet, dass die Grosse Landeslogo die Loge 
Balduin kassiren wolle“ —); ferner hätte diese 
Logo erklärt, dass sie einen wechselseitigen Um¬ 
gang und Besuch mit der stricten Observanz 
pflegen wolle und endlich habe sie sich gewei¬ 
gert, die der Grossen Landesloge zukommenden 
Aufnahmedrittel zu bezahlen, die man ihr zwar 
bis zum 1. April dieses Jahres, aber nicht länger 
erlassen wolle.“ Die Bevollmächtigten versprachen 
in Bezug auf den 1. und 3. Punkt Widerruf 
und Gehorsam, „in Bezug auf den 2. Punkt 
glaubten sie aber weiter nichts versprechen zu 
können, als dass sie bei ihren Vollmachtgebern 
das Möglichste thun wollten, cs dahin zu bringon 


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24 


dass sie ebenfalls allen Umgang und wechsel¬ 
seitigen Besuch mit der strikten Observanz, wie 
sie es selbst zu tbun versprächen, entsagen 
möchten.“ In Bezug auf den streitigen Punkt, 
der das grosse Zerwürfniss zunächst hervor¬ 
gerufen, entschied die Grosse Landesloge, „dass 
die Bestimmung, die Mitgliedschaft der Loge 
werde erst durch Zahlung des Eintrittsgeldes 
erlangt, gegen die in der Freimaurerei ein¬ 
geführten Gesetze streite und daher künftig weg¬ 
fallen müsse; der Verstand der Sache ergebe, 
dass Br Du Bose recht gehabt.“ „Die Kasse 
und Möbel der Loge gehören denjenigen Brn zum 
gesetzraässigen Gebrauch, welche der Loge treu 
verblieben.“ Auf letztere Entscheidung wurden 
von dem früheren Sekretair der Loge die Ma¬ 
trikel, Protokolle und sonstigen Schriften aus¬ 
geantwortet ; an Kasse wird wohl nicht viel 
abzuliefern gewesen sein. 

Den 2. August 1781 gab auch Br Börner 
plötzlich sein Logenmeisteramt auf und meldete 
mit mehreren Brrn seinen Austritt aus der Loge an. 
Der Grossmeister Br von Zinnendorf veranlasste 
ihn, „den Hammer und Alles, was der Loge ge¬ 
höre, an die Brr Schlegel, Bracke und Johann Ernst 
Hoffmann gegen Empfangschein auszuliefern.“ 

An die Loge selbst wurde unter dem 20. August 
1781 ein Schreiben von der Grossloge gerichtet, 
in dem es heisst: „Hat die Grosse Loge der 
Freimaurer von Deutschland in Berlin Ursach 
gehabt, mit einer von ihr konstituirten arbeitenden 
Loge unzufrieden zu sein, so ist es gewiss die 
Loge Balduin zu Leipzig und hat eben gesagte 
Grosse Loge langen Kaltsinn in ihrem Thun 
gegen irgend eine dergleichen Logen bewiesen, 
so ist es nicht weniger gewiss gegen die Loge 
Balduin zu Leipzig geschehen.“ „Konnten fast 
alle Beamte und der grösste Theil der Mitglieder 
eher die Loge verlassen, als dass sie hätten der 
Ermahnung zur Sinnesänderung und der Rück¬ 
kehr zu ihren Pflichten Gehör geben sollen. 
Diese Verstösse und Weigerung der ermahnten 
Brr und die eigene Unthätigkeit ihres letzten 
Logenmeisters, die Unterlassung der Aufrecht¬ 
erhaltung derjenigen Verordnungen, welche er in 
geöffneter Loge nicht nur selbst angelobt, son¬ 
dern auch die Verpflichtung von allen versammelten 
Mitgliedern ordentlich verlangt und abgenommen, 
aber auf die durchgängige Erfüllung desselben 
im geringsten nicht gehalten, zogen denn endlich 
das nachdrückliche Handeln der in den alten 
Gesetzen des Freimaurerordens in solchem Fall 
verfügten Wegnahme der Konstitution und Akten 
nach sich, wozu die Grosse Loge von Berlin 
ihren Abgeordneten den Br von Ponickau zum 
Voraus bevollmächtigt hatte. Ohnerachtet dessen 
erklärt die Grosse Loge von Deutschland die 

Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. 


Loge Balduin zu Leipzig dennoch keineswegs 
für aufgehoben, vielmehr erkennt sie deren Existenz 
annocli in den überbliebenen lieben Brüdern und 
Mitgliedern derselben, namentlich den Brrn 
Schlegel, Bracke, Joh. Ernst Hoff¬ 
mann, Car oly, Hennig, Martens, Eck oldt, 
Pollmer, Schütze und Sintenis, wohlzu¬ 
verstehen, wenn sie nach ihrer letzthin wieder 
von neuem gegebenen Versicherung, im Glauben 
und der Liebe zu unserem alten und ehrwür¬ 
digen Orden gesetzmässig treu zu verbleiben auf 
Freimaurerwort und Gelübde annoch gedenken; und 
verfügt demgemäss vorläufig, dass der Br Johann 
Samuel Benedict Schlegel den von Br Börner 
in die Hände der Grossen Landesloge zurück¬ 
gegebenen Hammer einstweilen an sich nehme, 
die im Guten fortfahrenden Brr der Loge Balduin 
zu Leipzig versammle, und nach Bekanntmachung 
dieses Briefes besorgen möge, dass ein neuer 
Logenmeister erwählt und die Brr Beamten ge¬ 
wählt und bestätigt werden.“ (Schluss folgt.) 

Anzeige. 

Falls sich in einer Logen-Bibliothek 

Kloss No. 4058 Momoirs of the life of that leamed 
Antiquary Elias Ashmole Esq. — 
Publ. by Burmann, London 1717. 

„ „ 2482 Fludd, Tractatus apologeticus. Lei¬ 

den 1616. 

„ „ 2485 Eludd, Tractatus theologo-philo- 

sophicu8. Oppenheim 1617. 

„ „ 2617 Fludd, Summ um bonum. Frank¬ 

furt 1628 

befinden sollte, so bittet im Interesse einer maure- 
risch-wissenschaftlichen Arbeit um Benachrichtigung 
G. Hohl, Stuttgart, Feuerseoplatz 5b. 

Das erst Anfang Februar d. J. erschienene 

Liederbuch 

für Freimaurer-Logen. 

Durchgehend mit Melodien versehen. 

Herausgegoben von 

Br Robert Fischer und Br Wilhelm Tschirch 

Preis broch. M. 2.— 

hat sich einer ausserordentlich günstigen Aufnahme 
zu erfreuen gehabt und ist in den Orienten Augsburg, 
Bremen — Fr. Wilh. z. E.—, Glauchau, Hild¬ 
burghausen, Jena, Metz,Poscn, Poessneck, 
Reutlingen, Sackingen, Stralsund, Uelzen, 
Wriezen und Zittau bereits zur Einführung ge¬ 
langt, sodass die Auflage nahezu vergriffen ist und die 
zweite Auflage bereits im Druck sich befindet, 
die in allernächster Zeit zur Ausgabe gelangen wird. 

Die Partiepreise stellen sich bei Einführung, 
und zwar: 

bei 6 Exemplaren auf k M. 1.50, 
bei 12 Exemplaren auf k M. 1.25, 

und halte ich das mit so grossem Beifall aufgenom¬ 
mene Liederbuch den Logen, Maurorkränzchen 
und Bruder vereinen auch fernerhin angelegent¬ 
lich empfohlen. 

Leipzig, im März 1882. Bruno Zechel« 

- Drock von Br C. 0. Naumann in Leipzig. 


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9. Jahrg. Nr. 4. Am ßeissbrete. April 1882. 

Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversamralungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Baldoin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 


Inhalt: Eine Meisterbeförderung. — Ueber das Verhältnis des Meistergrades zn dem 
Lehrlings- und Gesellengrade. — Aus dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge 
Balduin zur Linde. — Aus dem frmn Correspondenz-Bureau. 


Eine Meisterbeförderung. 

Von Br Bobert Fischer in Gera. 

’ I. Erste Ansprache. 

Der Erde gehört unser Sein und Leben zu¬ 
nächst an; an sie sind wir gewiesen von Kind¬ 
heit an. Unbehilflich und unwissend mit Allem, 
was uns umgiebt, ist es geistige Nacht um uns. 
Nur allmählich dringen wir zum Licht der Er¬ 
kenntnis. Allerwärts kommt uns das Bild des 
Irdischen entgegen, und Werden und Vergehen, 
Leben und Tod sind die Begleiter auf unserer 
ganzen Pilgerfahrt hienieden. Nacht war es, als 
Sie zum ersten Mal den Tempel der Masonei 
betraten; Ihr Auge war verhüllt. Sie konnten, 
Sie sollten nach Anssen nicht, nur nach Innen 
schauen. Nacht ist es jetzt, wo Sie am Aus¬ 
gang Ihrer maurerischen Laufbahn stehen: und 
doch ist keine Binde vor Ihrem Auge. Das 
helle Licht, das bei Ihrer Gesellenbeförderung 
strahlte, ist verschwunden. — Der Erde ge¬ 
hören wir an, und ob auch die Sonne oft hell 
und freundlich leuchtet und des Menschen Geist 
strahlende Funken der Erkenntniss sprudelt, es 
bleibt für den Menschen doch Finsterniss auf 
Erden, und Niemand vermesse sich zu meinen, 
dass er die Weisheit eijagt habe und die Wahr¬ 
heit besitze. Was ist unser Leben gegen die 
Unendlichkeit der Zeit, was diese Erde gegen 
die Unermesslichkeit des Weltenranmes? Hast 


Du das je ordentlich bedacht, o Mensch 1 Haben 
auch Sie, mein Br, trotz der fröhlichen Wander¬ 
schaft Ihrer Gesellenreise, an deren Endpunkt 
sich erinnert, oder war die Freude nur und 
allein an Ihrer Seite? Nun, so wandern Sie 
nocli einmal hin, um sich recht innig und 
dauernd bewusst zu werden, dass der Erde 
man angehört, so lange man auf ihr wandelt! 

2. Wandersprüche. 

Gedenke an den Tod! 

1. Die Erde ist die Stätte des Todes; denn 
Alles auf ihr ist dem Tode geweiht. 

2. Der Tod ist die Frucht der Erde; denn alle 
irdische Saat ist vergänglich. 

3. Auf Erden reichen sich Tod und Leben die 
Hand; drum hoffen vom Tode wir auch das 
Leben. 

3. Zweite Ansprache. 

Der Erde gehören wir Menschen an! Dies 
trat Ihnen gewiss eindringlich genug auf Ihrer 
Wanderung vor die Seele. Aber wie dio Erde 
nur ein Theil ist des unendlichen Weltenraumes 
und zu ihm als nothwendiges Glied gehört, in 
ihm ihre Bestimmung erfüllt nach den weisen 
Gesetzen der Weltordnung, so ist auch der 
Mensch auf Erden nur zu einem Theile seines 
Daseins, und erhebt sich mit dem anderen zu 
seiner besseren Aufgabe. Freilich nur durch 


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Schmerzen des Todes gewinnt er das rechte 
Leben, nur in dem Untergange des alten Men¬ 
schen findet er den neuen. Darum sei ihm das 
Bild des Todes immer gegenwärtig! 

Und so wenden Sie sich um und schauen 
auf die Stätte, da unser irdisches Dasein seine 
Endschaft erreicht. Hier hört der Erdenmann 
auf; doch über Sarg und Grab beginnt seine 
Himmelskindscbaft. Um diese zu erreichen, 
müssen wir als Männer auf Erden wandeln und 
handeln. Zu solchen erzieht der Freimaurerbund 
die Seinigen, indem er sie zur Selbsterkenntniss 
und Selbstbeherrschung anweist; doch die Selbst¬ 
veredelung durch die ideale Pflichterfüllung macht 
den wahren Mann erst aus. Und diese kann 
Niemand erreichen, der nicht ruhig und klar 
das Ende seines irdischen Lebens immer vor 
Augen hat. Deshalb stehen Sie hier. Die Erde 
ist klein, doch der Himmel ist gross. Auf Erden 
können wir als Männer uns bewähren; für den 
Himmel werden wir immer Kinder bleiben. Wie 
man uns bettet als unschuldige Wesen in die 
Wiege der Kindheit, so bettet man uns zur 
Unschuld des Himmels dereinst ins Grab; aus 
Beiden werden wir erstehen zur Erkenntniss, 
dort der Erde und hier des Himmels. Aber die 
Pflicht nur führt uns zu Beiden; denn sie giebt 
uns die Unschuld der Tugend. Ihr müssen Sie 
getreu bleiben im Leben bis zum Tode, dann 
wird auch der irdische Tod zu neuem Leben 
geleiten 1 

Auf, ist es Ihnen Ernst aus einem Erdenmann 
zum Himmelskind sich aufzuschwingen durch die 
strengste Erfüllung ihrer Pflichten, so bestätigen 
sie diess durch ein deutliches Ja! — 

4. Dritte Ansprache. 

Sie haben vernommen schon, dass die Pflicht 
des Maurermeisters Brücke zwischen Tod und 
Leben ist und sie ihm nur allein das rechte Leben 
verschafft. So, mein Br, ist nur der ein rechter 
Frmr als solcher, der seinen maurerischen Pflich¬ 
ten stets gewissenhaft nachkommt. Sie haben 
uns schon einmal gelobt, was der Bund von 
seinen Mitgliedern auf den beiden untersten 
Stufen der Verbrüderung verlangt. Wir nehmen 
an, dass Sie dessen sich noch heute voll bewusst 
sind; erneuern Sie dieses Gelübde jetzt und fü¬ 


gen Sie dem noch hinzu, nicht nur die Geheim¬ 
nisse des Meistergrades so verborgen zu halten 
gegen Brr Gesellen und Lehrlinge, wie Profane, 
sondern auch sonst nach meisterlichen Eigen¬ 
schaften zu trachten und zu streben. — 

Mancherlei, mein Br, sind die Gefahren, denen 
der Mensch auf Erden ausgesetzt ist und die 
ihn abbringen können von seinem festen Vorsatze 
der Pflicht getreu zu bleiben. Wir Meister be¬ 
sitzen eine alte und ehrwürdige Legende, durch 
welche die rechte Standhaftigkeit in uns befestigt 
werden soll, allen Versuchungen zu widerstehen, 
selbst das Leben nicht zu achten, wenn es ofine 
Verletzung der Pflicht nicht erhalten werden kann, 
um als Meister zu bestehen und immer zu 
neuem Leben wieder erweckt zu werden. Wollen 
Sie jetzt diese Legende vernehmen! — 


lieber das Verhältnis 
des Meistergrades zu dem Lehr¬ 
lings- und Oesellengrade. 

Von Br Rahlenbeck, Mstr. v. St. der Loge zur 
Harmonie in Chemnitz. Aus dem Jahre 1825. 

Die drei Grade der Johannesmaurerei, wenn 
schon die Lehrlings-, Gesellen- und Meisterstufe 
unseren Handwerkszünften nachgebildet, unter¬ 
scheiden sich gleichwohl von diesen, ihrem gegen¬ 
seitigen Verhältnisse nach, auf sehr wichtige Weise. 
Der Handwerkslehrling hört mit seiner Losspre¬ 
chung auf, Lehrling zu sein; der Gesello ist nach 
seinem Meisterspruche nicht mehr Geselle. Er 
ist für immer der Lehrlingsarbeit entwachsen, 
der Meister arbeitet nicht mehr als Geselle. 
Die beiden niederen Stufen werden blos durch¬ 
laufen, um sich für die höhere zu befähigen. Das 
ist nicht der ausschliessliche Zweck unseres 
Lehrlings- und Gesellenstandes. Allerdings ist 
auch bei uns die niedere Stufe eine unentbehrliche 
Vorbereitung zur höheren, aber eine jede hat 
zugleich ihren bleibenden selbständigen Zweck; 
eine jede von beiden versinnbildet zugleich eine 
wesentliche Richtung des Menschenlebens, fasst 
einen Theil der Lebenskunst auf, der von nie¬ 
mandem ungestraft vernachlässigt wird. Wir 
bleiben daher fortwährend zugleich Lehrlinge 
und Gesellen, wenn wir die höchste der drei 


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Maurerweihen empfingen. Meister und Gesellen 
nehmen fortwährend an der Lehrlingsarbeit, die 
Meister fortwährend an der Arbeit der Gesellen 
Anthoil. Lassen Sie uns, me Brr, das Verhält- 
niss des Meistergrades zu den 'beiden niederen 
Stufen der Maurerei erforschen. So wie wir 
vorher (bei der Beförderung) fragten: wie ver¬ 
hält sich der Meistergrad zu den Aufgaben und 
Lebensansichten des ersten und zweiten Grades, 
so lassen Sie uns nunmehr noch die Frage auf¬ 
werfen ; was sind und bleiben diese beiden Grade 
für das eigentümliche Wesen und die beson¬ 
deren Verhältnisse und Zwecke des Meistergrades? 

Werfen wir zu dem Ende noch einen Blick 
auf die Seite des Menschenlebens, deren Sinn¬ 
bild unser Meistergrad ist, und daher abermals 
zuvörderst auf sein Vorbild, den Stand des 
Handwerksmeisters. 

Wohl ist es dem tüchtigen jungen Meister 
oin herrliches Gefühl, dass er nun selbst einer 
Werkstatt vorsteht, dass er dort nun selbst an- 
ordnet, er nicht mehr, wie bis dahin, gehorchen 
und nach eigenen, von ihm vielleicht oft für mangel¬ 
haft erkannten Angaben arbeiten darf. Er ist 
am lang ersehnten Ziele! Denn siehe, an man¬ 
chen seiner Werke bewährt sich die Richtigkeit 
und Schönheit der Ideen, die ihm einst als Ge¬ 
sellen sich aufdrangen und die er fremdem 
Willen zum schmerzlichen Opfer bringen musste. 
Im Gefühle des Gelingens schreitet er täglich 
rascher fort, immer tüchtiger, immer gesuchter 
wird seine Arbeit. Da fängt das gesegnete 
Wirken seiner Hände und seines Nachdenkens 
an, ihm einen kleinen Wohlstand zu begründen; 
er führt die Geliebte als Hausfrau heim an den 
eigenen Heerd. Sein Wort wird im Rathe der 
Meister beachtet; man wählt ihn zu einem der 
Vorstände, und Allen, ja sich selbst gilt er als 
ein glücklicher Mann. Aber unmerklich ver¬ 
liert zuerst das Gefühl der Unabhängigkeit und 
seiner Stellung als Vorgesetzter von seinem 
Reize. Schon fühlt er den Druck der Sorgen 
und Lasten, mit denen er dies so lang ersehnte 
Glück erkauft Nun endlich an der Stelle des 
früher von ihm beneideten Meisters fängt er 
selbst an den Lehrling und Gesellen zu be¬ 
neiden , der nach vollbrachten Arbeitsstunden 
ungestört der Erholung und dem Vergnügen sich 


hingeben kann, denn ihm folgt die Sorge nach 
in die Feierstunde. Das unbegrenzte Reich des 
Höffens, das vor den Blicken des Gesellen lag, 
schwindet täglich mehr zur armen, kargen Wirk¬ 
lichkeit zusammen, an eine enge Schranke um 
die andere stösst sein Fuss. Bekannt wird ihm 
das Maass seiner Kraft und nicht allem, was er 
beginnt, sieht er sich gewachsen. Viele der ge¬ 
hofften Erfolge verkümmert ihm ein Zufall, die 
Einwirkung ungünstiger Zeitverhältnisse, andere 
der üble Wille seiner Neidet, das Ungeschick, 
der Leichtsinn seiner Gehilfen. Mancher wohl- 
durchdachte, unfehlbar geschienene Plan schlägt 
fehl. Da finden die verkleinernden Stimmen 
brodneidischer Zunftgenossen bei dem wetter¬ 
wendischen Publikum Eingang und dieses wendet 
sich von ihm ab und der Mittelmässigkeit eines 
marktschreierischen Mitmeisters zu, mit welchem 
er, sich in einen Kampf mit gleichen Waffen 
einzulassen, sich zu gut dünkt. Mit geradem 
Sinn tadelt er offen die Missbräuche in seiner 
Innung und sucht die Mängel ihrer Verfassung 
abzustellen. Da hat er den ermüdenden, ja fast 
überall sieglosen Kampf mit der zähen Macht 
des ewig Gestrigen, mit der Gemeinheit, der es 
bei ihrem schlechten Besitze wohl ist und die 
ihn mit ihren rostigen Waffen ergrimmt ver- 
theidigt, zu bestehen. Daneben treffen ihn als 
Hausvater Schläge des Schicksals, Verluste, 
Krankheit der Seinen und Noth aller Art 
zieht bei ihm ein. Gestehen muss er sich es 
vielleicht und doch vor aller Welt verbergen, 
dass er in der Wahl der Gattin einen Fehlgriff 
that. Da wird sein Leben eine Reihe harter 
Kämpfe, schwerer Entbehrungen, lastender Sorgen. 
Gebrochen ist die freudige Kraft, die einst den 
Gesellen belebte; du erkennst jenen stolzkräftigen 
Jüngling in dieser ernsten, gebeugten Gestalt 
nicht mehr. Was ward aus diesem weiten, offenen 
Herzen voll Liebe und Vertrauen? Ein ängst¬ 
liches, überall zaghaft auftretendes Wesen, das 
nur noch in dem verdeckten Spiel der Klugheit 
sein Heil zu suchen wagt, überall nur mit der 
Nothdurft ringt und täglich mehr auf den aus¬ 
getretenen Pfad dürftiger Leistungen sich be¬ 
schränkt. — Das ist in den meisten Fällen die 
Geschichte des Meisters, der ach, mit ganz an¬ 
deren Hoffnungen in seinen Stand trat. 


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In der Natur der menschlichen Dinge liegt 
es leider, dass zu so unerfreulichen Resultaten 
der Stand des Handwerksmeisters führt. In der 
Natur der menschlichen Dinge liegt es, dass er 
auch in diesem Sinne meistens ein treues Bild 
des Meisterstandes im gesammten Menschenleben 
ist. Aehnlichem müssen wir daher — das 
Gegentheil nur könnte befremden — in dem 
Meisterstande der Maurerei begegnen. Und 
wirklich erinnert uns an die Schatten - und 
Nachtseiten des Lebens auf dem Punkte seiner 
grössten irdischen Entwickelung der Meistergrad 
der Freimaurerei, nicht blos durch die absicht¬ 
lich darauf hindeutenden Worte des Rituals, son¬ 
dern auch, und oft schmerzlich genug, durch die 
wirkliche Stellung und die Erfahrungen des Br 
Meisters. Wie beneidenswerth mag vielleicht 
manchem Br Lehrling und Gesellen, besonders 
in der einst allerdings vorübergegangenen Zeit 
eines regeren äusseren Lebens des Maurer¬ 
wesens, das Yerhältniss der Meister und vor 
allen der Logenbeamten erschienen sein. Wie 
schön dachten wir es uns damals, an der Spitze 
einer Loge zu stehen, Repräsentant der Gesetze 
zu sein, mit der Kraft der Rede die rein- 
menschliche Erhebung und Begeisterung der 
Brüder zu beschwingen! Und wenn nun in 
feierlicher Versammlung Alles sich ergriffen 
fühlte, und Aller Augen an den Lippen des ge¬ 
wichtig sprechenden Meisters hingen, wenn, von 
ihm herabgezaubert, der Funke der Begeisterung 
durch die Kette zuckte, wenn dann bei der 
Tafelloge die Liebe und Dankbarkeit der Brüder 
sich in Worten ergoss, und ihm das schöne 
Opfer reiner Anerkennung darbrachte, wie Man¬ 
cher von uns damaligen Lehrlingen und Gesellen 
wünschte nicht im Stillen — vielleicht nicht 
ohne allen Antheil der Eitelkeit — an der 
Stelle dieses Gefeierten zu sein. Wie schön 
muss es sein, so dachten wir, so wie unsere 
unterrichteten Meister das Ganze der Maurerei 
zu überblicken und die Resultate maurerischen For- 
schens aufmerksamen Hörern vorlegen zu können! 
Wie schön, in dieser idealsten aller menschlichen 
Verbindungen, wo die Störungen und Schwierig¬ 
keiten anderer geselligen Vereine von selbst ausge¬ 
schlossen bleiben müssen, einen Antheil an der 
stillen, friedlichen Leitung des Ganzen zu haben! 


Me Brr, wir wurden Meister, wir wurden 
Logenbeamte, und wahrlich nicht blos in dem 
durch die Worte des Rituals ausgesprochenen 
Sinne wurden wir an die Nachtseite der Maurerei 
geführt. Nicht i)los die ernsten düstern Feier¬ 
lichkeiten unserer Meisterweihe zeigten uns die 
schwarzen Schranken des Menschenlebens, die 
Vergänglichkeit, die Gebrechlichkeit alles Mensch¬ 
lichen. Schmerzlich berührt wurden wir von der 
nähern Einsicht in die Geschichte der Maurerei 
und ihrer Verwirrungen, des Systemwesens und 
der dadurch herbeigeführten Streitigkeiten, in die 
Mängel des Logenwesens, verletzt fühlten wir uns 
durch manche persönliche schmerzliche Erfah¬ 
rungen, durch die wenige Unterstützung, durch die 
Hindernisse, die unsere bestgemeinten Bemühungen 
fanden, durch das drückende Gefühl des be¬ 
schränkten Maasses der eigenen Kraft und Zeit, 
um neben einem vielleicht sehr zusammengesetzten 
Kreise anderweitiger heiligen Pflichten auch denen 
als Logenbeamter vollständig zu genügen, durch 
die mancherlei zum Theil kleinlichen, aber doch 
unumgänglichen Mühen und Sorgen der Logen¬ 
verwaltung, durch unverschuldete Verflechtung in 
Missverständnisse und Streitigkeiten, durch die 
oft gerade vermöge des Bruderverhältnisses pein¬ 
lich schwierige Behandlung verdriesslicher, ausser¬ 
dem vielleicht mit Leichtigkeit abzuthun gewesener 
Angelegenheiten, vor allem aber durch die Ueber- 
zeugung, dass, wie wir freilich schon im Voraus 
hätten ermessen können und sollen, so wie alle 
menschlichen Einrichtungen, auch diese nur für 
die reinsten, schönsten Zwecke berechnete Ver¬ 
bindung hinter dem Ideal so weit zurttckbleibe 
und in ihren Einzelheiten eine Menge leidiger 
Störungen und grell ansprechender Kleinigkeiten 
habe und haben müsse; durch das schmerzliche 
Gefühl, dass auch gute, einander sinn- und 
herzensverwandte Menschen sich doch immer nur 
bis auf einen gewissen Grad verstehen! Ver¬ 
zeihlich mag es sein, dass wir uns dann viel¬ 
leicht manchmal zu der Unbefangenheit des 
Lehrlings und Gesellen zurücksehnten. Aber 
Unrecht hatten wir jedenfalls, wenn jene Er¬ 
fahrungen uns gegen die Maurerei erkalteten, 
ja wenn sie uns sogar auch nur das Logenwesen 
verleideten. Denn kann es denn um Vieles 
anders und besser sein? Kann es in dem Vor- 


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bild des Menschenlebens viel anders als in diesem 
selbst sein? Wie sieht denn der Mann seine 
Jünglingshoffnnngen an das Leben befriedigt ? 
Was drängt sich Alles statt einer Verwirklichung 
dieser um ihn herum ? Und doch muss der 
Mann die Aufgaben des Lebens lösen, er kann, 
er darf sie nicht von sich weisen. Wollen, 
dürfen wir aber jenen schmerzlich täuschenden 
Hoffnungen zürnen? Sie sind es ja, welche als 
blosse Aeusserungen des allmächtigen, uns wie 
die ganze Natur beherrschenden Entwickelungs¬ 
dranges, uns von Stufe zu Stufe vorwärts treiben! 
Hoffnungen sind es, die uns noch jetzt vorwärts 
drängen, und die letzte grosse Hoffnung der 
Menschheit führt uns endlich aus diesem Leben. 
Aber wie ernst auch immer und mühselig die 
Meisterstufe des Lebens sei; mit dem unabseh¬ 
baren Gewirre ihrer Räthsel und einander drän¬ 
genden Aufgaben ist sie nun einmal unsere 
letzte und höchste hiesige Bestimmung. Die 
besondere Richtung aber, die wir auf dieser 
Stufe des Lebens erhalten, die Ansichten, die 
sich auf ihr in uns bilden, der innere Haushalt 
des Herzens, wie er sich hier gestaltet, der 
Schatz der Lebensweisheit, wie er hier uns noth 
thut, mit Einem Worte, die gesammte Lebens¬ 
praxis des gereiften Mannesalters, das ist’s was 
uns der Meistergrad symbolisch darstellen und 
durch diese Darstellung gewähren soll. Und es 
kann uns verwundern und schmerzen, wenn der 
Meisterstand in der Loge dem im Leben selbst 
so treu ähnlich ist? Doch wir haben früher 
betrachtet, me Brr, welchen reichen Schatz an 
echt menschlicher Weisheit dieser Grad in seinen 
einfachen ernsten Symbolen bewahrt, wie er uns 
zu dem ernsten Kampfe mit Kraft auszurüsten 
weiss, wie er die Räthsel des Lebens beleuchtet 
und ihre Lösung uns erleichtert. Wie nun aber 
dieser Grad nicht die gesammte Maurerei ist, 
wie erst alle drei Grade einander ergänzen und 
nur in ihrer Verbindung und Gesammtheit ein 
ganzes, treues, erschöpfendes und genügendes Bild 
des Lebens und der Lebenskunst gewähren ünd 
wie unser Knaben- und Jünglingsleben für un&r 
männliches Alter und dessen Zwecke und für 
unsere letzte ewige Bestimmung nicht verloren 
ist, so kann auch der Maurer durch eine aus¬ 
schliessliche Beachtung des Meistergrades zu 


einer völlig einseitigen Auffassung unserer Kunst 
so kann und muss der Mann zu einer ähnlichen 
Einseitigkeit in Erfassung des Lebens und daher 
zu verderblichen Verirrungen gezogen werden. 
Nur eine gleichraässig fortgesetzte Kunstübung 
aller drei Grade, eine Auffassung und Uebung 
derselben in ihrer nothwendigen Verbindung und 
gegenseitigen Ergänzung kann uns dagegen 
sichern; nur die beiden ersten Grade können 
die Berichtigung der Irrthümer und Missgriffe 
gewähren, zu welchen vorzugsweise die auf der 
Meisterstufe sich bildenden Ansichten und Eigen¬ 
tümlichkeiten des innern Lebenshaushalts unver¬ 
merkt uns hinziehen. Und hier stehen wir, 
me gelbtn Brr. Mitmeister, an den verderblichsten 
Giftquellen unseres Lebens. Lassen Sie uns 
ihren tiefsten Adern nachspüren. Offenen, red¬ 
lichen Bericht wollen wir uns geben darüber, 
wohin es uns geführt hat, dass wir als Meister 
lässig wurden in der Lehrlingsarbeit und dass 
wir uns der Gesellenarbeit entfremdeten! Lassen 
Sie uns ernst bedenken, wohin es uns vielleicht 
noch führen könnte! Beim Licht der umflorten 
Kerzen lassen Sie uns einmal den rohen und 
den glatt behauenen Stein in’s Auge fassen! 

Der Meisterstand des Lebens ist die Zeit der 
angestrengten selbständigen Thätigkeit für die 
Zwecke der Gesellschaft und für die eigene 
Subsistenz. Sehr leicht verlockt uns die Selb¬ 
ständigkeit unserer Lage zu einem grossen Ver¬ 
trauen in uns selbst. Wer hat, wie in unseren 
früheren untergeordneten Lagen, Beruf uns auf 
unsere Fehler aufmerksam zu machen ? Zu 
Vielem, ach zu dem Wichtigsten kommen wir 
nicht mehr, weil wir nicht Zeit haben, weil uns 
der Beruf, die Mannichfaltigkeit unserer Ver¬ 
hältnisse von Geschäft zu Geschäft, auch wohl 
wider unseren Willen, von Zerstreuung zu Zer¬ 
streuung ruft. Ach, und am ersten lässt man 
es da an demjenigen fehlen, was für den Augen¬ 
blick scheint unterbleiben zu können, an den 
ernsten Abrechnungen mit sich selbst, an dem, 
was freilich inmitten des steten Gewühles und 
Treibens, in welchem wir leben, am schwersten 
ist, an dem Sichsammeln, Zurückblicken, dem 
Prüfen unseres Herzensgrundes. Dabei vereinigt 
sich so Manches, uns über uns selbst in Täu¬ 
schung zu versetzen und darin zu erhalten! 


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Das Gefühl der steten Geschäftigkeit giobt uns 
eine gewisse Befriedigung, weil wir nicht Tasten, 
weil wir wirklich viel thun, auch wohl viel 
Nützliches und Gutes thun, während wir nichts 
Unrichtiges, nichts Ueberflüssiges gethan, nichts 
Nöthiges unterlassen haben. Unser Thätigkeits- 
drang fühlt sich befriedigt, und dieses Gefühl 
der Befriedigung geht in Selbstzufriedenheit 
über. Je wichtiger, je einflussreicher wir werden, 
destomehr beeifert man sich uns Angenehmes, 
und zunächst darüber, worüber Jeder es am 
liebsten hört, über uns selbst zu sagen. Je 
höher wir in der Gesellschaft stehen, desto feiner, 
desto weniger verletzend für die gewöhnliche 
conventionelle Bescheidenheit sagt man es uns, 
desto besser mundet uns die gefährliche Kost. 
Man sagt wohl, zum Theil sehr treffend, Nach¬ 
theiliges von uns, aber freilich, im Sinne der 
Verfeinerung, nicht uns selbst, sondern hinter 
unserem Rücken. Kommt es dann doch zu un¬ 
seren Ohreu, so werden wir in unserem gerechten 
Zorne über die augenscheinliche Uebertreibung 
und Bosheit im Urtheil geneigt, uns über das 
gute Theil Wahrheit darin zu verblenden, und 
die uns zunächst stehen, sind schwach und be¬ 
theiligt genug um uns darüber beruhigen zu 
helfen. Oder in der Eifersucht auf unsere 
bürgerliche Stellung glauben wir gar unsere Ehre 
angegriffen, werden empfindlich und schliessen 
freilich dann sogar dem Freunde den Mund, der 
die redliche Absicht hatte uns über uns selbst 
zu enttäuschen. 

Der Mann soll und muss wirken für die 
Zwecke der Gesellschaft und die seiner eigenen 
hiesigen Subsistenz und die Subsistenz der Sei- 
nigen, aber vergessen soll er nicht, dass diese 
Zwecke, so heilig sie als Berufspflichten des 
Bürgers und Hausvaters sind, doch immer den 
Zwecken unserer höchsten ewigen Bestimmung 
untergeordnet bleiben müssen. Schwer, und die 
eigenthümliche Aufgabe des Meisterstandes ist 
es, diese zarte Grenze zu treffen und immer 
festzuhalten. Der Geselle schweift gerne nach 
jenseits, der Meister bricht nach diesseits aus. 
Je weiter wir einst in der Uebertreibung der 
dem Gesellen eigenen Richtung gingen, je schmerz¬ 
licher die deshalb gemachten Erfahrungen waren, 
desto mehr verfallen wir jetzt in die umgekehrten 


Uebertreibungen. Wir leben unserem Berufe, wir 
leben den Pflichten des Hausvaters, aber so aus¬ 
schliesslich , dass daneben nichts Höheres mehr 
in uns Platz hat. Man kann auch zu sehr hier 
einbürgern, man kann den Himmel über der 
Erde vergessen. Es geschieht, wenn man über 
dem Treiben des Meisterstandes der heiteren, 
schönen, das Herz warm und weit erhaltenden 
Gesellenarbeit fremd wird. Mildern soll der 
Meistergrad des Lebens die Begeisterung des 
Gesellenstandes für das Schöne, das Edle (denn 
sie taugt in ihrer Unbegrenztheit nicht für das 
lieben), aber nicht austilgen. Wehe uns, wenn 
wir in einer einseitigen Auffassung der ernsten 
Pflichten unseres Berufs unser Herz dem Schönen, 
dem Erhabenen verschliessen. Wehe dem, der 
aus den Stürmen des Lebens, die uns den 
Meistergrad geben, nichts von der schönen Er¬ 
rungenschaft des Gesellen zu retten und sich zu 
erhalten wusste. Sonst setzt sich unvermerkt 
der kleinliche Schmutz des Eigennutzes an unsere 
Herzen au, wir werden Kleinigkeitskrämer und 
Pedanten, wir werden traurige, frostige Gestalten, 
die einsam und ungeliebt, ja verspottet und ge¬ 
hasst durcli's Leben ziehen, wir werden für 
andere ungeniessbar, man misstraut uns, verletzt 
uns, und der schwärzeste aller Dämonen zieht 
bei uns ein — der Menschenhass! 

Me gelbtn Brr, das Gelübde unseres Lehr¬ 
lingsgrades gilt für unsere ganze Laufbahn! 
Dessen strenge Erfüllung ist für die Meister 
am dringendsten, am schwersten. Und doch 
stehen eben wir dem ernsten Ziel des Lebens, 
dem offenen Grabe, am nächsten. Mit jedem 
Stundenschlag rückt der Zeitpunkt heran, wo 
unsere Rechnung geschlossen wird. Nehmen wir 
Spitzhammer und Zirkel zur Hand! Die Werk¬ 
zeuge der Lehrlinge und Gesellen thun auch uns, 
und zwar in einem höheren, dringenderen Sinne 
noth, seitdem uns die Meisterweihe wurde. Denn 
bald ist es Hochmitternacht. Drum lasst uns 
wirken, weil es Tag ist, damit am Lichte des 
ewigen Morgens unsere Baue gut erfunden werden! 


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Engband der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

3. Vortrag des Br F. F u c h s. 

(Zu No. 3 Schluss.) 

Es wurde darauf der Br Schlegel zum Logen¬ 
meister gewählt, man beschloss aber, die Wahl 
einstweilen geheim zu halten und die Arbeiten 
bis auf Weiteres einzustellen. 

Zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass eine 
grosse Anzahl von Brrn. mit dem Auftreten des 
von Berlin gesendeten Visitators von Ponickau 
nicht zufrieden war, die von diesem ertheilten 
Rügen mochten den Br Börner zur Niederlegung 
seines Amtes und mit ihm zugleich die Brr von 
Bielefeld, Oehme, Richter, Wolf, R osen- 
zweig, Bauer, Gabel, Krurabhaar, Mat¬ 
th es ius, San der sen. und Georg Friedrich 
Richter zum Austritt aus der Loge veranlasst 
haben. Diese zwölf Brr hatten sich über den 
Visitator von Ponickau und die Brr Schlegel 
und Bracke „wegen zu strengen Verfahrens, 
wodurch sie gleichsam zum Abgehen aus der 
Loge Balduin gezwungen worden seien,“ bei der 
Grossloge zu Berlin beschwert — das Schreiben 
findet sich nicht in den Acten, auch ist in den 
Protocollen nichts erwähnt; — aus einer an 
die Brr Schlegel und Bracke von der Grossloge 
gerichteten Resolution vom 4. Oktober 1780 
ergiebt sich, „dass die Grossloge ihren Bevoll¬ 
mächtigten völlig rechtfertigt, weil er nur aus¬ 
geführt, was ihm aufgegeben,“ — es mochte das 
namentlich wegen des Besuches der Loge Minerva 
sein, — „dass aber die Brr Schlegel und Bracke 
sich rechtfertigen sollten über das, was ihnen 
zur Last gelegt werde. Es werde ihnen aber 
schuld gegeben, sie hätten gerade die Communi- 
cation mit der ungesetzmässigen Loge Minerva 
zu den drei Palmen angefangen und sich dieser 
Communication nie ernstlich und kräftig wider¬ 
setzt und hätten bei ihrer Rückkunft aus Berlin, 
wo sie als Deputirte gewesen, gar nicht auf 
Aufhebung dieser Communication gedrungen, ob¬ 
wohl sie ihr zu jener Zeit in Berlin gegebenes 
Versprechen leicht hätten durchsetzen können. 
Sie hätten ferner die abgegangenen Brr zu dem 
gethanen Schritt inducirt, indem sie ihnen in 
Bezug auf die Communication gesagt: Wir wollen 
Alle Zusammenhalten, wollen sehen, wer uns 
was thun wird.“ 

Ob und wie diese Rechtfertigung geschehen, 
findet sich in den Acten nirgends verzeichnet. 

Die Grosse Landesloge schreibt hierauf unter 
dem 28. November 1782 „an die treugebliebenen 
Brüder der Loge Balduin“: „sie sei bereit, diese 


Loge wieder gesetzmässig in Arbeit zu setzen, 
Da aber die alte Constitution auf Brüder lautet, 
die mehrentheils alle untreu geworden, so kann 
dieselbe wohl füglich nicht weiter bestehen und 
wir haben daher beschlossen, der Loge eine neue 
Constitution ausfertigen zu lasseu. Angenehm 
wird es uns sein, wenn Sie, geliebte Brüder, 
bei dieser Gelegenheit selbst wünschen, den der 
Maurerei so wenig anpassenden Namen Balduin 
mit einem bessern, wozu wir Ihnen zum Stier, 
zum Walfisch oder zur Linde in Vorschlag bringen, 
zu vertauschen. Ihre Loge soll dabei keineswegs 
an ihrem Alter, Nummer in der Matrikel und 
Rango unter den Logen etwas verlieren, sondern 
alles dies soll ihr wie jetzt bleiben und wir er¬ 
warten daher darüber Ihre Erklärung, um sodann 
das weiter Nöthige zu verfügen.“ 

Unter dem 13. Februar 1783 klagt die 
Grosse Landesloge: „Ungern hat die Grosse 
Loge bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass Sie, 
geliebte Brüder, zu glauben scheinen, die Forde¬ 
rungen derselben eben nicht genau befolgen zu 
müssen. Sollte dies wirklich Ihre Gesinnung 
sein, so wäre es wohl besser, dass Sie gänzlich 
von vorhabender Wiederherstellung der dortigen 
Loge abständen, weil solche dann doch schwer 
von Bestand sein dürfte, indem die Grosse Loge 
durchaus pünktliche Befolgung ihrer Vorschriften 
fordert und davon nie abgeht.“ Es handelte 
sich darum, dass wohl widergesetzlich Abschriften 
von Fragebüchern angefertigt worden seien und 
die Loge Balduin hatte die darüber verlangte 
Auskunft nicht, oder wenigstens nicht vorschrifts- 
mässig ertheilt. Doch schon unter dem 12. März 
1783 wird der Loge „zur Linde“ — für diesen 
Namen hatten sich die Brr entschieden — die 
neue Constitution sammt 8 anderen Schriften 
über die verschiedenen Handlungen der drei 
Freimaurergrade ausgehändigt. — Die alte Loge 
„Balduin“ hatte ihre letzte Conferenz laut 
Protokoll den 20. September 1781 gehalten, die 
neu constituirte Loge „zur Linde“ — die Con¬ 
stitution lautet auf die Brr Schlegel, Bracke 
und Hoffmann — hielt ihre erste Arbeit den 
9. April 1783. 

Bereits unter dem 28. Juli 1783 verbietet 
die Grosse Loge zu Berlin ihren Töchterlogen den 
Besuch der Loge Royal-York und der von ihr 
gegründeten Logen: „sie sei zwar von England 
konstituirt, allein ihr Betragen gegen die Gr. 
Landesloge sei stets von der Art gewesen, dass 
sie keinen Umgang mit ihr halten könne, auch 
keine Mitglieder derselben bei sich zulasse.“ 
„Eben so habe nach dem Tode des Grossmeisters 
Br Peter Gogel die Gesetzmässigkeit der Loge 
TUnion zu Frankfurt a. M. und der von ihm 
gestifteten Logen aufgehört und es könnten deren 


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32 


Glieder nicht weiter zu den Logenversammlungen 
zugelassen werden.“ 

Interessant ist das Mitgliederverzeichniss der 
Loge „zur Linde,“ es findet sich in der Form 
in den Akten, wie es unter dem 17. Mai 1784 
an die Grosse Landesloge zu Berlin eingesendet 
wurde; es enthält den Bestand vom 25. Juli 1783. 
Es werden aufgeführt 9 Leipziger Mitglieder, 
darunter 5 Meister, welche sämmtlich Beamten¬ 
stellen bekleideten, 1 Geselle und 3 Lehrlinge; 
3 Ehrenmitglieder, 38 auswärtige Brüder, 2 die¬ 
nende Brüder und ein abwesender dienender Bruder. 

Mit der Loge zu den 3 Reissbretern in 
Altenburg war die Loge „zur Linde“ in Miss¬ 
helligkeiten gerathen, weil drei aus dem Leip¬ 
ziger Balduin abgegangene Brr Gesellen, Meysel, 
Lange und Heyne, in Altenburg Aufnahme ge¬ 
funden und zu Meistern befördert worden waren. 
Die Leipziger „Linde“ beschwerte sich über die 
Altenburger Schwester bei der Grossen Landesloge, 
und diese auf wiederholtes Drängen der „Linde,“ 
der sie unter dem 30. Sept 1784 vorhält: „ge¬ 
stehen müssen wir Ihnen, dass uns der Ton, wo¬ 
mit Sie stets Ihre Klagen vortragen, nie gefallen 
kann. Er verräth Erbitterung, die bei einem 
guten Maurer auch gegen die, die nicht wie sie 
sollten gegen ihn handeln, nie stattfinden muss; 
wir wollen auch nicht daran gedenken, dass Sie 
fast immer der Grossen Landesloge Vorwürfe 
machen zu wollen scheinen,“ erlässt unter dem 
25. November 1784 eine scharfe Epistel an die 
Altenburger Tochter, in der es unter Anderem 
heisst: „Die Grosse Landesloge hatte erklärt: 
es möchte diesen Brrn, Meysel, Lange und 
Heyne, ihr unüberlegtes Begehren stillschweigend 
gestattet, sämmtlichen Logen aber davon glimpf¬ 
liche Anzeige gemacht werden. Würden sie sich 
bald eines Anderen und Besseren besinnen, 
müssten sie nach den Gesetzen bei der Loge 
Balduin um Vergebung ansuchen, die ihnen dann 
auch mit der Ermahnung, sich künftig gesetz- 
mässiger zu verhalten, bewilligt werden könne. 
Wurde Ihnen, geliebte Brr, damals von dem 
Handeln der 3 Brüder Anzeige gemacht, wie 
konnten Sie jene Brüder aufnehmen und weiter 
befördern? — Dass Sie bei dieser Beförderung 
nicht wie Sie sollten gehandelt, werden Sie leicht 
selbst ermessen. — Unrecht handeln Sie, dass 
Sie die Brr, welche die Loge zu Leipzig ver¬ 
lassen, die die Loge „zur Linde“ deshalb aus 
ihren Listen gestrichen, dennoch immer zulassen. 
Unrecht dadurch, dass Sie Suchende aufnehmen, 
die in Leipzig wohnen, ohne einmal nach sel¬ 
bigen bei jenen Brn sich zu erkundigen, die 
doch gewiss bessere Nachricht von solchen 
Suchenden als Sie einziehen können. — Ob Sie 
darnach handeln und zur Aussöhnung mit den 

Verlag von Br*Brnno Zechel in Leipzig. 


Leipziger Brüdern die Hand bieten wollen, müssen 
wir Ihnen überlassen. Dass wir nach Pflicht 
den Umgang mit ungesetzmässigen Logen auf 
keine Weise und unter keiner Vorspiegelung ge¬ 
statten können, haben wir Ihnen bereits ge¬ 
schrieben. Wir erwarten nun spätestens binnen 
9 Wochen Ihre bestimmte Erklärung, ob Sie 
unseren Forderungen, die wir Ihnen letzthin be¬ 
kannt gegeben, genügen wollen, nach Verlauf 
dieser Frist sieht sich die Grosse Loge genöthigt, 
hierin nach den Gesetzen weiter zu verfahren.“ 
Ein Bruch mit Berlin von Seiten der Alten¬ 
burger Loge, die schon mehrere Differenzen mit 
der Grossen Landesloge gehabt, war die Folge. 
In der Geschichte dieser Loge heisst es: „Als 
die Grosse Landesloge in den zwischen der hie¬ 
sigen und der Loge zur Linde in Leipzig ent¬ 
standenen Irrungen parteiisch sich für jene Loge 
erklärte und unbedingte Unterwerfung unter ihre 
Aussprüche forderte, so fassten die Brr den 29. 
Januar 1785 einmüthig den Beschluss, die Ver¬ 
einigung mit der Grossen Landesloge ganz auf¬ 
zugeben und die Loge wieder in den Stand zu 
setzen, in welchem sie vor dieser Verbindung im 
Jahre 1775 bereits 33 Jahre vorher bestanden 
hatte. Sie nahm, nachdem sie ihre Selbstän¬ 
digkeit wieder errungen, den Namen Archimedes 
zu den drei Reissbretern an.“*) 

*) Geschichte der Loge Archimedes in Altenburg. 


Geschäftliche Mittheilungen 

aus dem 

Freimaurerischen Correspondenz-Bureau. 

Bei der Anfang d. M. erfolgten ersten diesjährigen 
Versendung gelangten nachstehend aufgeführte 16 Mit¬ 
glieder-Verzeichnisse und Legenschreiben zur Ver¬ 
keilung : 

Der St. Johannislogen in Altenburg (Veneich- 
niss und Veränderungen) — Aschers leben —Cleve 

— Coburg — Cottbus (200) — Gera (Archi- 
medes-Bericht) — Gpra (Heinrich 300) — Gr ei* (300) 

— Hannover (Ceder 200) — Kattowitz (214) — 
Kreuznach (280) — Neumünster — Schleswig 

— Thorn (300) und Tilsit. 

Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in 
eine/ geringeren Anzahl als der benöthigten 350 ein¬ 
sendeten, sind die Zahlen der zur Versendung gelang¬ 
ten Exemplare in () beigesetzt. 

Ihron Beitritt zu dem frmn Correspondenz-Bureau 
haben neuerdings erklärt 

die Loge Ditmarsia in Marne in Holstein 
die Loge Zur festen Barg in Krossen a. 0. 
der Verein Munificentia in Karlsbad in Böhmen 
die Loge An Erwins Dom in Strassbarg i. E. 
die Loge Harmonie za den drei Seeblftttern in 
Hermannstadt. 

Der Geschäftsführer des frmn Corresp.-Bureau. 

Bruno Zechel, 

Verlagsbuchhandlung in Leipzig. 

• Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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Mai 1882 


9. Jahrg. Nr. 5. 


Am Reissbrete. 


Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Bautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenveraammlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Oorrespond enz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligteu Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 8 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt - Inserate werden nnr aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Humanität. — Nach Osten! — Aus dem Engbunde: Geschichte der Loge Balduin 
*ur Linde. — Anzeigen. 


Humanität. 

Vorträg aus einer Gesellenloge der Loge zur Harmonie 
in Chemnitz. 

Me gel. Brr! Mögen auch vielleicht die drei 
Grade der Johannis-Freimaurerei sich nicht als 
eine Urform derselben nach weisen lassen, so 
gewähren sie doch ein so schönes und wahres 
Bild, eine Stufenfolge, in welcher der Mensch zur 
ächten Humanität fortschreitet, dass es ein Verlust 
für die Frmrei und ihre Wirksamkeit sein würde, 
wollte man sie anfgeben. 

Im Lehrlingsgrad wird bekanntlich die Auf¬ 
merksamkeit des Neuaufgenommenen zunächst 
und vorzüglich auf sich selbst gerichtet. Er 
wird dahin geleitet, seine geistigen Kräfte erkennen 
und unterscheiden, die Himmelsgabe, welche den 
Menschen über die Geschlechter der übrigen Ge¬ 
schöpfe erhebt und ihn zu ihrem Beherrscher macht 
— die Vernunft — würdigen und nach ihren 
Aussprüchen seine Gesinnungen und Handlungen 
bemessen und regeln zu lernen und immer mehr 
und mehr die Fesseln der Autorität, der Sinn¬ 
lichkeit, der Gewohnheit, der Geistesträgheit und 
der Vorurtheile von sich abzustreifen. Dies ist 
die Arbeit am rohen Stein, auf welche der 
Lehrling gewiesen wird. — Sind nun aber auch 
das Selbstbewusstsein seiner geistigen und 
körperlichen Kräfte und die Erkenntniss ihrer 
Würdigung, so wie alles dessen, was ihre freie 
Anwendung hemmt und erschwert, als die Grund¬ 
lage aller Humanität zu betrachten, so ist doch 


die wirkliche Ausbildung zur Humanität, 
einzig und allein in der geselligen Verbin¬ 
dung mit andern Menschen möglich — ja den 
Stoff selbst, an dessen Bearbeitung man die 
erlangte Humanität erkennt, bilden eben die 
geselligen Verhältnisse mit anderen Menschen, 
daher ein E i n s i e d 1 e r bei allem sittlichen Werthe 
und bei den edelsten Grundsätzen, so lange er 
Einsiedler bleibt, weder sich selbst noch Andere 
von seiner Humanität überzeugen kann, noch in 
derselben weiter fortzuschreiten vermag. 

Darum aber treten die Brr Lehrlinge,, bei 
ihrer Beförderung zum zweiten Grad, mit meh¬ 
reren Brrn in die Kette verschlungen, 
in den maurerischen Tempel, weil sie von nun 
an ihre weitere Ausbildung zur Humanität dem 
geselligen Brkreis verdanken, — in ihm 
die erlangte Humanität bewähren sollen. — Wenn 
nun aber der zweite Grad vorzugsweise der Aus¬ 
bildung zur Humanität gewidmet ist, so drängt 
sich wohl gerade bei der Arbeit in diesem Grade 
die Frage vor. allen andern auf: was denn 
eigentlich unter Humanität zu verstehen sei, und 
wie sich dieselbe äussere? 

Lassen Sie uns daher der Beantwortung 
dieser Frage unsre Aufmerksamkeit widmen! 

„Er ist ein sehr humaner Mann“ -- 
pflegt man im gewöhnlichen Leben von dem¬ 
jenigen zu sagen, der bei einem ruhigen und 
bescheidenen Benehmen Andere mit Wohlwollen 
und Freundlichkeit zu behandeln pflegt. — 


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34 


Allein hiermit ist der Begriff der Humanität 
dem Sinne nach nicht richtig gestellt, denn wenn 
wir von solcher Humanität sprechen, legen wir 
die Eigenschaft derselben stets immer in der 
bürgerlichen Gesellschaft — oder wenigstens im 
Verhältniss zu Anderen, Höhergestellten bei und 
nehmen den Maasstab dieser Humanität immer 
davon, wie Jemand die unter ihm Stehenden 
behandelt. So werden wir z. B. nicht sagen: 
„dieser Holzhacker — oder gar dieser Bett¬ 
ler — ist ein sehr humaner Mann— wohl aber 
rühmen wir die Humanität eines Fürsten gegen 
seine Umgebung, eines Gutsherrn und eines 
Fabrikbesitzers gegen seine Arbeiter u. s. w. 

Dass nun aber dieser Begriff der Humanität 
nicht genügen kann, wenn wir von einer Humanität 
sprechen deren Erweckung und Verbreitung die 
Frmrei sich zum Ziele ihrer Thätigkeit gesetzt 
hat — liegt wohl am Tage. 

Aus diesem Sprachgebrauch des gewöhn¬ 
lichen Lebens, lässt sich daher ein erschöpfender 
Begriff des Wortes Humanität nicht ableiten. 
Selbst der römische Sprachgebrauch des Wortes 
Humanitas, von welchem das Wort Humanität 
abstammt, erschöpft diesen Begriff nicht völlig. 
Zwar bezog sich die Humanitas der Römer auf 
alles, was dem Homo — dem Menschen — im 
Gegensatz zu dem Thiere — eigentümlich ist, 
und insbesondere auf menschliche Tugenden — 
auf menschliche Geistesbildung, allein schon der 
Umstand, dass bei ihnen die Sei ave rei als 
ein bestehender Rechtszustand betrachtet 
wurde, verbunden mit dem zur Tugend des Patrio¬ 
tismus gestempelten hochmüthigen Stolze, 
mit welchem der Römer auf alle andern Nationen 
herabblickte, hinderten ihn, den Begriff der 
Humanität in seiner vollen Klarheit und Reinheit 
aufzufassen. — Das Christenthum in seiner 
ursprünglichen Einfachheit machte zuerst die 
Menschheit mit der Idee bekannt, alle Menschen 
ohne Unterschied der Nation und des Standes 
als Geschwister, abstammend von der Gottheit 
als ihrem liebenden Vater, zu betrachten und zu 
lieben. 

Leider aber wurde diese wahrhaft göttliche 
Idee nur allzubald von denjenigen selbst, welche 
sich Christen nannten, verdunkelt und zum Theil 
gänzlich erstickt, indem sie, das zufällige ä u s s e r - 


liehe Gewand, womit das Christentum nach 
Maassgabe der klimatischen, volkstümlichen und 
anerzogenen Vorurteile bekleidet wurde — und 
werden musste — als das Christenthura 
selbst darstellend, diejenigen, welche ihr Christen¬ 
tum in ein anderes Gewand hüllten, als Ketzer, 
Abtrünnige, Gottesleugner und von Gott selbst 
Verworfene, verachteten und verfolgten. — Nur 
in den Bauhütten der alten Baucorporationen 
erhielt sich die christliche Idee der allgemeinen 
Bruderliebe noch in ihrer Reinheit, so wie über¬ 
haupt die Idee ächter Humanität, und als 
jene Baucorporationen schon längst in der euro¬ 
päischen Civilisation ihren Untergang gefunden 
hatten, erhielt sie sich bis auf den heutigen Tag 
in der Frmrei. 

Wenn der Mensch zum Bewusstsein seiner 
Doppelnatur gelangt ist, deren eine vergäng¬ 
liche an die Sinnen weit gekettet ist, ihre Ver¬ 
änderungen und ihren sichern Untergang theil t, — 
und deren andere, — als unvergänglich sich an¬ 
kündigend, einer ewigen Geisterwelt angehört, — 
wenn er die ewige Weltordnung in der Symbolik 
der ihn umgebenden sinnlichen Aussenwelt erkannt 
hat; — wenn die Idee einer ewigen göttlichen 
Weisheit, — eines Schöpfers des Weltalls, — 
eines Lenkers der Begebenheiten und Schicksale 
sich zum klaren Bewusstsein erhoben hat, — 
wenn das Gefühl seiner geistigen Verwandtschaft 
mit jener geistlichen Weisheit — mit Gott — 
in ihm erwacht ist, — wenn er seinen Willen 
als unterthan dem in seiner Brust laut und ver¬ 
nehmlich sich regenden Sittengesetz zu betrach¬ 
ten sich gedrungen fühlt, — wenn er Alle mit 
einem menschlichen Antlitze Versehenen als seine 
Brüder und Schwestern, als Kinder eines und 
desselben geistigen Wesens betrachtet und liebt, — 
ihre Schwächen und Gebrechen und selbst Ver¬ 
brechen nur als — Irrthümer betrachtet, die 
seiner Liebe keinen Abbruch thun und blos sein 
Bedauern erwecken können, — wenn er vertrauens¬ 
voll aufschauend zu der alleinigen göttlichen 
Weisheit, aus der auch er entsprossen, die Müh¬ 
seligkeiten und Leiden des irdischen Lebens mit 
Geduld erträgt, und wenn seine irdische Hülle 
bricht, einem neuen geistigen Wirkungskreis 
glaubensvoll entgegenschaut, die Gaben des Erden¬ 
lebens dankbar empfängt, und mit weiser Mässi- 


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35 


gung fröhlich gcniesst, — und froher noch 
Anderen gleichen Genuss gewährt, — dann ist 
Humanität in ihrem vollen Glanze vorhanden. 

Schon aus diesen Sätzen kann man abnehmen, 
auf welche Weise ächte Humanität sich im Leben 
äussert. Sie äussert sich durch gottvertrauende 
Religiosität des Geistes und Herzens, ohne das 
äusserliche Gewand seiner Religion eigen¬ 
sinnig als das einzig ächte zu betrachten oder 
anderen aufdringen zu wollen. — Die Frmrei 
soll daher vornehmlich ihre Jünger zur wahren 
Humanität heranbilden, und sie kann dies, denn 
vermöge ihrer rein und allgemein menschlichen 
und weltbürgerlichen Natur ist sie, wie Br 
Herder sagt: „das Auge und Herz der Mensch¬ 
heit/ 4 — Das, me gel. Brr, lassen Sie uns Alle 
mit Ernst festhalten und dazu gebe d. a. B. d. 
W. seinen Segen. 


Nach Osten! 

Vortrag des Br Dietrich, Redner der Loge Archimedes 
z. d. 3. Reissbretern in Altenburg. 

Nach Osten! Das muss die Losung jedes 
guten Maurers sein, denn der Osten ist ja die 
Heimath des Lichtes. Im Osten beginnt alltäglich 
die Sonne ihre leuchtende Bahn, auf welcher sie 
Licht, Leben und Segen spendend dahinwandelt. 
Im Osten ist uns auch alles geistige Licht auf¬ 
gegangen. Denn Alles, was schön, was gross 
und heilig ist im Geistesleben der Völker, hat 
ja seinen Ursprung im Osten genommen und von 
da seinen Weg zu uns fortgesetzt. 

Hier war die Wiege des Menschengeschlechtes, 
hier flammten die ersten Strahlen eines Kultur¬ 
lebens in der Menschheit auf. Noch reden die 
heiligen Gedichte und die uralten Bauten der 
Inder, noch die Pyramiden und Tempelruinen an 
den Ufern des wunderbaren, geheimnissvollen 
Nilstroms mit ihren Hieroglypheninschriften und 
Wandgemälden, noch die heitere Schönheit der 
Kunstwerke, die unter Hellas blauem Himmel 
aus Künstlerhänden hervorgingen, zu uns und 
mahnen uns daran, dass dort im Osten die helle 
Leuchte aufging, an welcher wir die Fackel 
unsrer Kunst und Wissenschaft angezündet haben. 
Und erinnert uns nicht die Bibel, das eine der 
drei grossen Lichter der Mrei, daran, dass uns 


vom Osten her das Licht religiöser Erkenntniss, 
das reine Licht der Wahrheit gekommen ist? 

Darum ist der Osten den Maurern ein heiliges 
Symbol. Im Osten unserer Halle ist der Altar 
errichtet, von dem aus die drei grossen Lichter 
der Mrei, die Bibel, das Winkelmass und der 
Zirkel uns leuchten. Der Mstr v. St. hat seinen 
Platz im Osten, denn wie die Sonne im Osten 
aufgeht und den Tag erleuchtet und regiert, so 
befindet sich allda der Mstr v. St. um die Loge 
zu eröffnen, zu erleuchten und zu regieren. 
Darum reden wir Maurer hoffend von dem 
„ewigen Osten/ 4 wo uns ein helleres Licht auf¬ 
gehen wird als uns im dunklen Erdenthale 
schimmerte. Und wenn wir uns zu stiller Arbeit 
im Meistersaale versammeln und hier dem Tode 
in seiner ernstesten Gestalt ins Auge schauen 
und beim Gedanken an die Vergänglichkeit alles 
Irdischen unsere Herzen von Trauer und Wehmuth 
bewegt fühlen, dann tröstet uns der Gedanke an 
den ewigen Osten, wo des Todes Schrecken über¬ 
wunden sind und das Licht ewigen Friedens und 
ewiger Freude erglänzt. 

Nach Osten! Das ist darum die rechte 
Meister - Losung. Nach Osten schaut entzückt 
unser Licht suchendes Auge, nach Osten tragen 
uns unseres Geistes Schwingen und der kühne 
Flug der Phantasie, nach Osten zieht uns unseres 
Herzens Sehnsucht und Verlangen, im Osten liegt 
das selige Ziel, dem wir entgegen pilgern. 

Lassen Sie mich, me Brr, in kurzen Worten 
eine Deutung geben des maurerischen Losungs¬ 
wortes: „Nach Osten! 44 

Der Morgen naht, die Schatten der Nacht 
beginnen zu weichen, ein kühler Morgenwind 
erhebt sich und weht über Berg und Thal, als ob 
er die Blumen und Gräser, die Bäume und 
Sträucher, die lieblichen Kinder der Natur aus 
ihren stillen Träumen aufwecken wollte, damit 
sie erwachen und ihre Häupter erheben und 
frohlockend begrüssen die Königin des Tages, die 
schöne, leuchtende Sonne. Und sie naht und 
sendet als Herolde voraus rosig glühende Wolken 
und nun hebt sie sich am Horizonte im Osten 
empor still und majestätisch wie ein grosses 
leuchtendes Gottesauge, das segnend hernieder¬ 
schaut auf die Welt. Und alle Schatten fliehen 
und alle Finsterniss weicht, neues Leben pulsirt 


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durch alle Wesen, in seliger Lust orglüht die 
Erde und die Vögel schwingen sich empor und 
jauchzen ihr Morgenlied der Sonue entgegen, die 
neues Licht und neues Leben bringt. — 

Me Brr, die aufgehende Sonne ist uns ein 
Symbol des Lichtes der Wahrheit. Wie die 
Natur sich dem Lichte der Sonne entgegensehnt 
und ihrQ Schönheit nur im Lichte der Sonne 
entfaltet, so sehnt sich des wahren Maurers Herz 
nach Licht, nach dem Lichte der Wahrheit, denn 
nur im Lichte der Wahrheit vermag sich die 
königliche Kunst zur vollen Blüte zu entfalten. 
Darum schauen wir gläubig hoffend nach Osten. 
Wir wissen zwar, dass die volle Wahrheit uns 
auf Erden nicht zu Theil wird, denn die Wahrheit 
ist allein in Gott und Gott ist die Wahrheit. 
Aber er, der allmächtige Baumeister der Welten, 
der Vater des Lichtes, den wir in Demuth an betend 
verehren, lässt uns nicht ganz im Dunkel. Wie 
die Sonne, wenn sie im Osten aufgeht, ihre er¬ 
leuchtenden Strahlen hernieder sendet zur Erde, 
so lässt der Allerhabene so manchen Strahl der 
Wahrheit in die redlich suchende und mutbvoll 
strebende Seele scheinen. 

Darum heisst unser Losungswort: „Nach 
Osten!“ Denn der gute und treue Maurer will 
nicht dahin wandeln in Finsterniss, er liebt das 
Licht und sucht das Licht, er liebt die Wahrheit 
und ringt nach ibp in redlichem Fleisse. Und 
darum, me Brr, „nach Osten.“ Lasst uns Augen 
und Herzen* dem Lichte zuwenden und sie öffnen, 
dass die göttliche Wahrheit immer mehr uns 
durchleuchte und läutere, das9 alle geistige und 
geistliche Finsternis immer mehr schwinde, dass 
unsere Herzen und unsere Logen Stätten des 
Lichtes werden und von hier aus das maurerische 
Licht in alle Welt dringe und im Glanze dieses 
Lichtes neues schönes Menschheitsleben allüberall 
keime und wachse und blühe. 

Wenn es aber unsere maurerische Aufgabe 
ist gegen die Lüge und Täuschung zu kämpfen 
und dieselbe zu überwinden, so lasst uns nicht 
vergessen, dass unsere erste Pflicht von uns 
erfordert, gegen uns selbst wahr zu sein. „Erkenne 
dich selbst!“ Diese Forderung leuchtet in dunkler 
Kammer dem Licht Suchenden in flammenden 
Zügen entgegen und mahnt ihn an die erste 
Pflicht des rechten Maurers sich selbst im Lichte 


der Wahrheit zu prüfen und die erkannten 
Fehler zu bekämpfen. Und wenn wir uns in 
unseren Bauhütten mit dem heiligen Brudernamen 
nennen, so soll uns dies eine Mahnung sein, als 
Brüder auch offen und wahr gegen einander zu 
sein, nichts zu hehlen und zu verbergen, nicht 
anders zu reden als wir denken. Des Maurers 
Wort soll, so lehrten uns die Väter, wahr sein 
und heilig wie ein Eid. 

„Nach Osten!“ Dies Losungswort will uns 
sagen: Suche immer redlich nach Klarheit 
über dich selbst; sei immer wahr gegen den 
Bruder; das Wort der Wahrheit, weiches brüder¬ 
liche Liebe mahnend oder lehrend zu dir redet, 
verschmähe nicht und wende dich nicht verletzt 
und gekränkt ab! Wer Wahrheit liebt, wird 
Wahrheit auch vertragen! 

Freilich ist dies nicht leicht, denn dazu ge¬ 
hört Ueberwindung der Selbstliebe und Selbst¬ 
genügsamkeit, welche mehr oder weniger in Jedem 
von uns steckt. Aber das eben ist die rechte 
Meisterarbeit. Sich selbst bekämpfen ist der 
schwerste Krieg, sich selbst besiegen ist der 
schönste Sieg! Wem dies gelang, der darf mit 
Fug und Recht in der Kette der Mstr stehen. 
Lasst uns darnach mit allen Kräften streben. 
Auf, me Brr Mstr, den Blick und Wandel nach 
Osten gerichtet, damit wir den Brr Lehrlingen 
und Gesellen voranschreiten und voranleuchten 
auf rechter Maurer bahn. — 

Die aufgebende Sonne ist uns aber auch ein 
Symbol der Schönheit! Wie sie selbst in ihrem 
Strahlenkränze in herrlicher Schönheit erscheint, 
so kann auch nur in ihrem Lichte die Schönheit 
gedeihen. Nach Osten, ihr Brr! Das mahnt uns 
daran, dass auch die Mrei die Schönheit nicht 
entbehren will und kann, dass sie dieselbe in 
ihren Dienst nehmen muss, um Auge und Ohr 
zu ergötzen, um Andacht zu wecken und zu 
fördern. Ist doch die Mrei selbst eine Kunst, 
die königliche Kunst. Wie die Tonkunst die 
einzelnen Töne gleich Perlen an einander reiht 
zur schönen Melodie und durch Harmonie und 
Rythmus das Kunstwerk vollendet, wie die Malerei 
die Farben zum lebensvollen Bilde vereinigt, wie 
die Sculptur und Architektur der spröden und 
starren Masse des Gesteins Leben einhaucht, so 
ist auch die Mrei eine Kunst Sie will das 


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37 


höchste Kunstwerk schaffen, sie will das Menschen¬ 
herz bilden und veredeln, sie will des Menschen 
Leben, sein Thun und Wirken, sein Handeln 
und Wandeln zu schöner Harmonie verklären. 
Darum ist uns Brn Meistern der vierundzwanzig- 
zöllige Maassstab in die Hand gegeben, damit 
wir jedes Werk richtig abmessen, ehe wir es 
auf das Reissbret bringen, so dass es den Ge¬ 
setzen der Schönheit entspreche und ein Kunst¬ 
werk sei, welches seinen Meister lobe Heil jedem 
Br, dem es gelang, solch untadeliges Kunstwerk 
echt roaurerischen Thuns und Handelns zu voll¬ 
enden ! 

Nach Osten lasst uns schauen, dorthin wo 
die Heimath aller Vollkommenheit ist, damit in 
unseren Werken ein wenn auch unvollkommener 
Abglanz ewiger Schönheit sich offenbare. 

Die aufgehende Sonne ist uns aber auch ein 
Symbol der Liebe. Wie die Sonne alle Dinge, 
grosse, wie geringe, gleicbmässig erleuchtet und 
erwärmt und über Gerechte und Ungerechte Licht 
und Segen ausströmt, so soll auch die echte Liebe 
überall hin ihre Gaben ausstreuen. Vor Allem 
des Meisters Pflicht ist es, der Sonne gleich in 
selbstloser Liebe Gutes zu tbun allein um des 
Guten willen ohne Erwartung eines Lohnes. 
Seelen, die in der Nacht der Trübsal trauern, 
mit dem Strahl der Liebe zu erleuchten und zu 
erfreuen, Herzen, welche durch des Lebens trübe 
Erfahrungen in ihrer Liebe erkaltet waren, wieder 
zu erwärmen, Liebe zu säen und Gutes zu thun, 
das ist des Meisters schönste Aufgabe. Und 
wie die Sonne überall Freude weckt, so dass 
frohleuchtende Blicke zu ihr aufschauen, so wandelt 
auch der echte Maurer segnend und gesegnet 
durchs Leben. Ein Segensstrom geht aus von 
seinem reinen, für das Wohl der Menschheit 
schlagenden Herzen. Durch sein treues, selbst¬ 
loses Wirken, seine hingebende Liebe erwirbt er 
sich Gegenliebe. Und wie der scheidenden Sonne 
dankbare Blicke folgen, so folgen auch ihm 
Segenswünsche nach, wenn er am Feierabend die 
Kelle niederlegt und zu höherer Arbeit in den 
ewigen Osten eingeht. 

Nach Osten! Lasst uns, ihr Brr Mstr, dieses 
Wort eine Mahnung sein zu schauen auf den 
allmächtigen Baumeister der Welten, der die Liebe 
ist und auch uns das Gebot der Liebe gegeben 


« 

hat; lasst uns wandeln auf dem Pfade reiner 
Gottes- und Menschenliebe, auf welchen unsere 
königliche Kunst uns leiten will. 

Die aufgehende Sonne sei uns auch ein Symbol 
der Unsterblichkeit. Denn ob sie auch am Abend 
von uns scheidet, so steigt sie doch jeden Morgen 
von Neuem wieder empor und wird so zu oinem 
Bilde unseres Glaubens und unserer Hoffnung. 
Wir glauben an Unsterblichkeit. Das ist das 
rechte Meisterstück des Maurers, wenn er des 
Todes Schmerz überwindet, wenn er auch in 
der letzten Stunde mit ruhiger Heiterkeit dom 
Tode ins Angesicht schaut in der fröhlichen und 
seligen Gewissheit, dass unser Weg durch Nacht 
zum Licht führt, durch des Todes Nacht zu dem- 
seligen Licht, das im ewigen Osten uns aufgeht. 

„Nach Osten!“ Dieses Losungswort möge uns 
allezeit daran erinnern, dass die Mrei uns etwas 
Anderes, etwas Höheres bieten will, als das all¬ 
tägliche Leben zu bieten vermag. Sie will unser 
Herz für ein hohes, heiliges Ideal begeistern, sie 
will uns lehren die rechte Freude zu empfinden 
an Allem, was schön, gut und heilig ist, sie will 
uns Kraft geben nach sittlicher Vollendung zu 
ringen, sie will uns befestigen in unserem Glauben, 
in unsrer Hoffnung und in unserer Liebe. 

Darum wohlan, me Brr! Lasst uns wandeln 
dön maurerischen Pfad! Er führt uns aufwärts 
über alles Gewöhnliche und Nichtige, aufwärts 
über alles Gemeine und Niedrige, er führt nach 
Osten! 


Engbund der Loge Balduin z. L., 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

4. Vortrag des Br F. Fuchs. 

Die Grosse Landesloge musste über den Ab¬ 
fall verschiedener Logon klagen, sie sagt in einem 
Schreiben an ihre Töchterlogen: „Zu einer Zeit, 
wo es fast so viel verschiedene sogenannte Sy¬ 
steme in der Freimaurerei, als Versammlungen 
unter dem Namen Logen giebf, welche alle, da 
sic der Duldung so sehr bedürfen, auch so sehr 
bemüht sind, die Duldung zu preisen und sie unter 
einem ihnen vortheilhaften, obschon nicht wahren 
Gesichtspunkt darzustellen; zu einer Zeit, wo 
einige Logen dadurch wirklich wankend und 
endlich abspenstig geworden sind“ — nach dem 
dem Schreiben beigefügten Logenverzeichnisse 


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38 


♦ 

hatten die Logen „zum Rautenkranz in Gotha, 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, zum 
schwarzen Bär in Hannover, zum heiligen Joseph 
in Wien, zum goldenen Rade zu Eberau in Un¬ 
garn, zur Freundschaft in Warasdin“ sich von 
der Grossen Landesloge getrennt — „glaubt die 
Grosse Landesloge es ihren Logen und Brüdern, 
sich selbst und dem Orden schuldig zu sein ihr 
auf Gesetze gegründetes Verfahren in seinem 
wahren Lichte darzustellen und alle mit ihr 
verbundenen Frmr liebreich zu ermahnen: auf 
dem rechten Wege unverrückt fortzufahren.“ Sie 
giebt nun eine lauge Deduction über den Begriff 
der Duldung, wie sie ihn verstehe und verstau 
den wissen wolle, über die Gesinnungen und 
Pflichten der echten Freimaurer und kommt zu 
dem Schluss: „eine genaue Befolgung der Ge¬ 
setze verlangen zu müssen, welche allein ver¬ 
mögen Ruhe und Frieden zu erhalten.“ „Die 
Grosse Landesloge hat verschiedene Logen lieber 
fahren lassen, als zugeben wollen, dass sie einen 
wechselseitigen Umgang mit Logen und Brüdern 
pflegten, welche sie nach ihrer Verfassung nicht 
als ächte Freimaurerlogen und Brüder annehmen 
zu können glaubt.“ 

Auch die „Linde“ scheint, wie früher der 
„Balduin,“ in dieser Hinsicht ein etwas weites 
Gewissen gehabt zu haben, denn immer und 
immer wieder erscheinen Brr der Minorva oder 
anderer Logen, die bei ihrem Eintritt durch 
Handschlag oder Handauflegen auf die Bibel 
sich verpflichteten, nichts von dem zu verrathen, 
was sie in der Loge sehen und hören würden. 
Doch auch die Grosse Landesloge war gezwungen, 
mildere Seiten aufzuziehen. 

Die Grosse Landesloge von Deutschland war 
in Misshelligkeiten mit der Grossen Loge von 
England, von der sie ihre Constitution erhalten, 
gerathen. Dio Grosse Loge zu London hatte 
der Berliner Schwester Vorstellungen gemacht 
über ihr abweisendes Verhalten gegen die Brr ande¬ 
rer Systeme und sie ermahnt, die Einigkeit unter 
den Freimaurern in Deutschland zu fördern. • In 
ihrer Rückantwort erklärt die Grosse Loge in 
Berlin: „dass man in London den Zustand der 
Freimaurerei in Deutschland gar nicht kenne. 
Denn woher die Nachrichten? Vermuthlich blos 
von dem Repräsentanten Br Gräfe, einem par¬ 
teiischen und selbst noch wenig unterrichteten 
Mann. Man wolle der Grossen Loge in London 
die Augen über den Zustand der deutschen Frei¬ 
maurerei öffnen und ein Bild vom Zustande des 
Ordens in Deutschland zeichnen.“ Das Bild ist 
kein sehr freundliches. Das Schreiben fährt fort: 
„Glaubt die oberste Grosse Loge in London nun 
noch aus ihrer Entfernung wirken zu können? 
. glaubt sie noch durch Ertheilung von Freibeits- 


briefen diese Parteien zu.vereinigen und auf den 
guten Weg zurück zu bringen? kann und darf sie 
jenen Sekten voll von Irrthümern und gar nicht 
geneigt auf den guten Weg zurück zu kehren 
ein gesetzmässiges Stehen bewilligen? Die Grosse 
Loge von London will die hier etablirte Gross¬ 
loge der Preussischen Staaten anerkennen, er¬ 
bietet sich ein gutes Vernehmen mit uns zu 
unterhalten und in diesem Sprengel alle unsere 
Operationen zu unterstützen. Das erste steht 
nicht in ihrerGewalt, das z w ei t e muss 
uns sehr gleichgiltig sein, das dritte ist 
im Grunde ungerecht und ohne allen 
Nutzen.“ — Die Grosse Loge zu London, die 
sich schon „über den unbrüderlichen Ton, der 
in allen Schreiben der Berliner Grossen Landes¬ 
loge herrsche, sowie über dio überall aus allen 
ihren Handlungen hervorleuchtende Intoleranz und 
Unbilligkeit beklagt hatte,“ spricht in einem 
Schreiben vom 22. April 1788 ihre Trennung 
von Berlin aus und sagt unter Anderem: „Die 
oberste Grosse Loge hatte gleichfalls Ursache 
mit der Grossen Logo zu Berlin missvergnügt 
zu sein wegen des Mangels an Aufmerksamkeit 
gegen einen der wesentlichsten Vertragsartikel, 
nämlich den des Beitrags zur allgemeinen Armen¬ 
kasse. Der brüderlichen Aufnahme und der 
ehrenvollen Begegnung zu erwähnen, welche die 
oberste Grosse Loge dem Bruder angedeihen 
Hess, welchen die Grosse Loge in Berlin zu ihrem 
Repräsentanten in England ausgewählt, ist kaum 
nöthig. — Wie war nun aber das Benehmen 
der Grossen Logo zu Berlin gegen unsern Re¬ 
präsentanten? Das völlige Gegentheil hat ihr 
Verfahren bezeichnet. Br Gräfe, einem rechtschaffe¬ 
nen kenntnissreicben Maurer, uneingenommen für 
irgend eine deutsche Maurersekte, ihm trugen 
wir auf, seinen besten Fleiss bei der Grossen 
Loge zu Berlin zur Beilegung der unter der 
deutschen Brüderschaft auf das Höchste gestie¬ 
genen Uneinigkeit zu verwenden. Diesen Repräsen¬ 
tanten verweigerte die Grosse Landesloge zu Berlin 
anzunehmen, beschimpfte ihn durch ihr Verfahren 
und beleidigte dadurch auf das Aeusserste die 

Würde der Grossen Loge.-Die Grosse 

Loge zog alle diese beleidigenden Verfahrungs- 
arten und die verschiedenen schon vorerwähnten 
Handlungen in Betrachtung. Die Erfahrung von 
13 Jahren, die während des Vertrags mit Berlin 
verflossen, hat sie belehrt, dass ihr Hauptzweck 
die Freimaurerei zu verbinden, die verschiedenen 
Sekten unter den deutschen Brüdern zu ver¬ 
einigen dadurch nicht erreicht werde, dass viel¬ 
mehr die Spaltungen in der Gesellschaft vermehrt, 
alle günstigen Aussichten aber gehemmt werden, 
so lange sie sich an den mit den Berlinischen 
Brüdern eingegangenen Vertrag bindet. Dahero 


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39 


wurde denn der Schloss gefasst: Die oberste 
Grosse Loge sollte ihre alte Herrschaft in Deutsch¬ 
land, allein die Preussischen Besitzungen aus¬ 
genommen , zurücknehmen. Dieser Rücknahme 
ihrer Gewalt aber ungeachtet wünscht die oberste 
Grosse Loge mit den Berlinischen Brüdern auf 
freundschaftlichem Fusse zu bleiben. Es ist 
immer ihr ernstliches Verlangen, die Verbreitung 
der Gesellschaft, die allgemeine Uebereinstimmung 
und die Verbindung ihrer Glieder zu befördern, 
und sie ist daher bereit zu constituiren und an¬ 
zuerkennen die Grosse Loge zu Berlin als eine 
Grosse Landesloge aller Preussischen Staaten 
und will sich anheischig machen, keine Loge 
innerhalb derselben zu constituiren. Dieser Ent¬ 
schluss ist ihres Dafürhaltens der zum Zweck 
der Maurerei passendste.“ 

„Der Name einer Grossen Loge von 
ganz Deutschland ist, wie die Erfahrung 
zeigt, beleidigend für den vornehmsten Theil der 
deutschen Maurer und die oberste Grosse Loge 
würde Mangel an Staatsklugheit verrathen, wenn 
sie einen solchen allgemeinen Richterstuhl auf¬ 
recht zu erhalten versuchen wollte.“ Die Grosse 
Landesloge zu Berlin sagt darauf in einem Cir¬ 
cular an ihre Töchterlogen: „Dass sie eben so 
wenig von dem Anerbieten der Grossen Loge zu 
London, sie als Grosse Loge der Preussischen 
Staaten zu constituiren, als von dem, sie in 
dieser Qualität anzuerkennen, Gebrauch 
macheii könne. Der Gewinn aus den Verträgen 
sei im Grunde blos auf Seiten der Grossen Loge 
zu London gewesen, die dadurch wiederum in 
Deutschland bekannt worden und lediglich durch 
das Benehmen der Grossen Loge von Deutsch¬ 
land eine Art von Ansehen in Deutschland er¬ 
halten habe. Die Grosse Loge zu Berlin wird 
sich dahero auch von nun an auf sich selbst 
verlassen, in ganz Deutschland, wenn sich Ge¬ 
legenheit darbietet, Logen errichten, auch keinen 
ihrer Brüder, der dazu befugt ist, verhindern, 
Logen auf dem ganzen Erdboden, in England, 
selbst in London zu erbauen, so lange die Grosse 
Loge in London fortfahren wird, wie bishero zu 
solchem willkürlichen Verfahren das Beispiel 
zu geben. Hierbei ist jedoch die Grosse Loge 
zu Berlin entschlossen, um die Spaltungen unter 
den Brüdern nicht zu vermehren, die Brüder 
von den Logen, welche von der Grossen Loge 
in London ihre Constitution erhalten, bei sich 
zuzulassen und auch ihren Brüdern den Besuch 
solcher Logen nacbzugeben, so lange nämlich 
die Grosse Loge zu London ein Gleiches thun 
wird.“ 

Der Bruch war geschehen, die Grosse Loge 
zu London constituirte Logen in Deutschland; 
die Grosse Landesloge zu Berlin mochte davon 


schmerzlich berührt sein, wenigstens war aber das 
Gute bewirkt worden, dass man sich genöthigt 
sah, in der früheren Strenge nachzulassen. Sie 
richtet unter dem 18. October 1788 an alle 
Brüder ihrer Töchterlogen, „welche Logenmeister, 
Deputirte und Aufseher gewesen und noch sind,“ 
ein Circular, in welchem sie sagt: „Geleitet 
durch unsere Gesetze, welche unser bisheriges 
Betragen genau und ganz bestimmt rechtfertigen; 
gebunden durch unsern Vergleich mit der 
Grossen Loge zu London und überzeugt, dass 
nur eine unwandelbare Festigkeit in den an¬ 
genommenen Grundsätzen zu dem vorgesteckten 
Ziele führen könne, wachten wir genau darüber, 
dass weder unsere Brüder eine ungesetzmässige 
Loge besuchten, noch die Mitglieder solcher 
Logen Zutritt bei uns hatten. Durch dieses 
Verfahren kamen wir in das Geschrei, dass wir 
unduldsam, hart und unbrüderlich dächten.“ — 
„Sollten wir nun beschlossen nachgebender zu 
werden und Brüder anderer sogenannter Systeme 
zuzulassen, auch ihre Logen zu besuchen, so 
kann dieser Beschluss nicht anders als gesetz- 
mässig genommen werden. Aus diesen Gründen 
ersuchen wir Sie, reiflich, kaltblütig und unpar¬ 
teiisch zu überlegen: 

1) Ob es rathsam sei wie bisher fortzu¬ 
fahren und keinen Bruder anderer sogenannter 
Systeme zuzulassen, noch eben so wenig ihre 
Logen zu besuchen, oder ob es besser sei nach¬ 
gebender zu werden und sowohl Brüdern anderer 
Systeme den Eintritt zu unsern Logen als auch 
unsern Brüdern den Besuch ihrer Logen zu 
gestatten. 

2) Welche Massregeln bei Gestattung des 
gegenseitigen Besuches zu ergreifen, damit diese 
Zulassung nicht gefährlich und wir nicht mit 
einem Haufen in keiner oder doch in einer von 
keinem Theil anerkannten Loge aufgenommener 
falsche Brüder und Schwärmer überschwemmt 
werden.“ 

Die Loge zur Linde, durch schlimme Erfah¬ 
rungen gewitzigt, sagt in ihrem Gutachten vom 
31. December 1788: „dass sie durch zwei De¬ 
putirte unserer Loge, da sie noch den Namen 
Balduin führte, dringende Vorstellung thun musste 
wegen Zulassung der Brr anderer Systeme, be¬ 
sonders derer, die sich stricte Observanz oder 
Vereinigte Logen nennen und sich nach ihrer 
Art und Vereinigung ebenfalls auf gesetzliche 
Constitution gründen und von welchen wir im 
Churfürstenthum Sachsen ganz umgehen und wo¬ 
von die grössten Männer unseres Vaterlandes 
Mitglieder sind; allein so gründlich auch unsere 
Deputation die Lage unserer Stadt und Landes 
und die unangenehmen Folgen, denen sich unsere 
Loge bei solcher Intoleranz ausgesetzt sähe, vor- 


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40 


stelleten, so ward dennoch denensolben in ver¬ 
sammelter Grosser Landesloge die Antwort ertheilt, 
dass eine solche Zulassung zu gestatten 
ganz und gar nicht in ihren Kräften 
stände, da selbe wider die heilig be¬ 
schworenen Gesetze stritte u. dgl. mehr. 
Unsere Loge musste daher diesem beipflichten 
und haben nach diesem jeden Lehrling eidlich 
verpflichtet nie eine Loge zu besuchen, von der 
er nicht weiss, ob sie gesetzmässig anerkannt 
sei. Wie können wir nun diejenigen von ihrem 
geleisteten Eide wieder lossprechen ? Wie können 
wir uns gegen diejenigen verhalten, die im Ueber- 
tretungsfalle von unsern Versammlungen aus¬ 
geschlossen in’s schwarze Buch geschrieben und 
als Meineidige in allen unsern Logen öffentlich 
bekannt gemacht worden ? — So gerne wir nach 
Billigkeit wünschen, dass eine allgemeine 
Vereinigung aller Freimaurer auf dem 
ganzen Erdboden stattfinden möchte und für 
unsere Umstände längst stattgefunden hätte, damit 
die Gerüchte unter den Profanen, wie Maurer 
gegen Maurer handeln und streiten, gänzlich 
vertilget würden: — so können wir dennoch aus 
angeführten Gründen über die vorgelegten Fragen 
nichts Bestimmtes sagen, sondern überlassen die 
Entscheidung der gegenwärtigen kritischen Sache 
denen orleuchteten Brüdern, die den Orden in 
seinem ganzen Umfang zu kennen sich rühmen 
dürfen und erwarten ganz geruhig, was die Grosse 
Landesloge beschliessen und uns alsdann mitzu- 
theilen für gut befinden wird.“ 

Die meisten Töchterlogen hatten sich aus¬ 
gesprochen, dass bei der gegenwärtigen Lage 
der Umstände ein Umgang mit den Logen anderer 
Systeme anzurathen nützlich und der freiipaure- 
rischen Absicht entsprechend sei. Nach Beschluss 
der Grossen Landesloge sollten von nun als ge- 
setzmässigo Logen anerkannt werden: 

1) „Alle von der Grossen Loge von England, 
Frankreich, Holland, Schweden, Russland, Oester¬ 
reich, Genf in und ausserhalb Deutschlands 
errichteten Logeu. 

2) Diejenigen vereinigten Logen in Deutsch¬ 
land, welche den Herzog Ferdinand von Braun¬ 
schweig für ihren Grossmeister erkennen und 
von ihm constituirt sind. 

3) Alle diejenigen Logen, welche von den 
sub 1 und 2 genannten Logen als gute Logen 
angesehen werden.“ 

Ausgeschlossen wurden dagegen die von der 
Grosseu Loge von Deutschland abgefallenen oder 
ausgeschlossenen Logen, die sogenannten zer¬ 
streuten Brüder, die Juden und die von der 
Loge Royal York constituirten Logen. In Bezug 
auf dio letzteren scheint sich die Loge zur Linde 


nicht an das Verbot gekehrt zu haben, indem 
man mit den Bauhütten dieses Systems corre- 
spondirte und deren Brüder zuliess. — Das 
Schreiben der Grossen Loge schliesst mit dem 
Wunsche, dass der Zweck dieser Beschlüsse kein 
anderer sei, „als die wahre Freimaurerei zu 
verbreiten, Irrthum und Schwärmerei zu ver¬ 
drängen und allen Betrügereien ein Ende zu 
machen, welche so vielfältig unter der Maske 
der Freimaurerei ausgeübt werden“ 

(Schluss folgt.) 

Soeben ist in meinem Verlage erschienen und 
kann durch alle Brr Buchhändler, sowie auch direct 
von mir bezogen werden: 

Asträa. 

Taschenbuch für Freimaurer 
auf das Jahr 1882. 

Herausgegeben 

von 

Br Robert Fischer. 

Neue Folge. — Erster Band. 

22 Bogen 8°. 

Preis M. 3.00. — Elegant gebunden M. 3.75. 

Die allgemeine Beliebtheit, deren sich die im 
Jahre 1870 eingegangene, aber auch heute noch in 
bestem Andenken stehende „Asträa“ zu erfreuen 
hatte, veranlasste mich, nach getroffenem Ueberoin- 
kominen mit dem früheren Verleger, das Unternehmen 
für meinen Verlag zu erwerben und nach Gewinnung 
einer Anzahl bewährter Mitarbeiter aus dem Kreise 
der Brüderschaft auf's Neue in’s Leben zu rufen. — 
Die Reichhaltigkeit des Inhaltes dürfte sich zu einer 
anregenden Lectüre für die gel. Brr ganz besonders 
eignen und hoffe ich, dass die „Asträa“ ihren alten 
Platz sich leicht wieder erringen und auch ferner, 
wie früher, in keiner maur. Bibliothek fehlen werde. 

Leipzig, Mai 1882. Bruno Zechel. 


Neu erschienen im Verlage von Eugen Grimm 
in Leipzig und zu beziehen durch jede Buch¬ 
handlung: 

Der Orden der Odd-Fellow’s, 

dessen Geschichte, Organisation und Wesen. 

Octav, gebunden 6 Mark. 

Inhalt: Ursprung — Namensanf&nge — der 
Orden in England — der Orden in Amerika — der 
Orden in Deutschland — Verzeichniss der Logen — 
Statistische Notizen — Organisation des Ordens — 
Wesen des Ordens. 


Karlsbad. 

Mihi ifl centia. Jeden Donnerstag Abend 
7 Uhr Vereinsversammlung im Kurhause (blaues 
Zimmer), zu welcher die etwa nach hier kommenden 
Brr freundlichst eingeladen werden. 

Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — 


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Juni 1882. 


Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu deu drei Beissbretem in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaramlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angeleg« nheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Baldniv zur Linde stehenden Institute betheiligteu Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine InsertionsgebQhr von 15 Pfennigen ffir die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Aus dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge Balduin mr Linde. — Aus der 
Väter Zeiten. — Anzeigen. 


Engbnnd der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

4. Vortrag des Br F. Fuchs. 

(Zu No. 5. Schluss.) 

Die Loge zum Compass in Gotha hatte 1791 
auch an die Linde ein Circular gerichtet: „Vor¬ 
schläge zur festem Knüpfung eines auf durch¬ 
gängige Gleichheit und Freiheit gegründeten 
Bundes zwischen allen deutschen Logen der sym¬ 
bolischen Grade unter dem Namen: Bund der 
deutschen Freimaurerei.“ Man entschied: „es 
sei billig, bevor die angezeigte Verbindung ab¬ 
geschlagen würde, solche zuerst genauer zu prüfen 
und die hierzu nöthigen angebotenen geheimen 
Papiere durch gewählte Betraute zu erlangen 
zu suchen, man könne sich dazu ohne Bedenken 
entsehliessen, weil man derowegen zu einer Ver¬ 
bindung keineswegs verpflichtet sei.“ Dass man 
die „geheimen Papiere“ erlangt, wurde in einer 
spätem Versammlung angezeigt, doch wird später 
diavon nichts wieder erwähnt.; das schöne Projekt 
scheint im Sande verlaufen zu sein. 

1792 lud man zum erstenmale durch ein 
gedrucktes Logenschreiben unter Beifügung 
der Logenliste auswärtige Logen zum Stiftungs¬ 
feste ein. Es heisst in demselben: „Wir wün¬ 
schen mit dem gefühlvollsten Herzen, dass der 
grosse Baumeister der Welten unsere Arbeiten mit 
erwünschtem Fortgang beglücke und dass unser 
aller gemeinschaftlicher Bau mit Weisheit, Schön¬ 
heit, Stärke angelegt, verherrlichet und gegründet 
werden möge, damit die Grenzen des beglückenden 
Reichs der Tugend immer mehr erweitert werden. 


Mit diesen Empfindungen des Geistes und Herzens 
bitten wir um Ihre brüderliche Einstimmung und 
Freundschaft und empfehlen unsere Loge ins¬ 
besondere Ihrer Liebe und Gewogenheit.“ 

Im Jahre 1792 beklagt sich die Grosse Landes¬ 
loge über die Linde wegen der unterlassenen 
Zahltzng der Armenboiträge — die Receptions- 
und Beförderungsdrittel hatte man ihr ohnedies 
auf unbestimmte Zeit erlassen — sie schreibt: 
„Da wir Ihnen auf Ihr Verlangen die gewöhn¬ 
lichen Aufnahme- and Beförderungsdrittel auf 
eine unbestimmte Zeit zum Beweis, wie gern 
wir Ihren Wünschen genügen, erliessen: so rech¬ 
neten wir um so zuverlässiger darauf, dass Sie 
desto richtiger die Armengelder abtragen würden. 
Diese Erwartung ist aber fehlgeschlagen und ob 
es gleich ungern geschieht, so können wir doch 
nicht umhin, Sie an Berichtigung der seit 1788 
inclusive rückständigen Armongelder zu erinnern.“ 
— Die Loge zur Linde sendete die rückstän¬ 
digen Beiträge umgehend ein, die Säumniss ent¬ 
schuldigend: „Die Lage unseres Ortes, da wir 
stets so häufigen Zuspruch von armen in der 
Welt umberirrendeu Maurerbrüdern haben, ver¬ 
ursacht, dass unsere Armenkasse stets erschöpft 
ist, und wer könnte auch wohl mit Maurergefühl 
das ängstliche Bitten und Flehen solcher un¬ 
glücklichen Menschen, worunter oft viele von 
Gebart und Stand sich befinden, ohne zum Mit¬ 
leid bewegt zu werden anhöreu und sie ohne 
tbätige Hilfe und Unterstützung abweisen? Stets 
trösteten wir uns, wenn wir unsern letzteu Thaler 
aus unserer Armenkasse an einen liotbleidenden 
Bruder verabreichten, damit, dass wir glaubten 
Wohlthun von Seiten des Ordens sei gleichviel 
und eben dieselbe Maurertugend, es geschehe 


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42 


an welchem Orte es sei. Wir sehen aber, dass 
eine Hoclnv. Grosse Landcsloge damit nicht ein¬ 
stimmig ist. Und da gegenwärtig seit der all¬ 
gemeinen Zulassung aller und jeder Maurer von 
andern Constitutionen auch dadurch die Zusprüche 
hilfsbedürftiger Brüder sich noch mehr vermein en, 
so sehen wir mit aufrichtigem Bedauern, dass 
wir in der Folge unsere Wohlthaten sehr ein¬ 
schränken, ja wohl manchen Armen unerhört 
von uns gehen lassen müssen.“ 

Sonst lebte die Linde mit der Grossen Landes¬ 
loge unter Br Schlegels Hammerführung in dem 
herzlichsten Einvernehmen. Die der Loge früher 
oft ertheilten Rügen, die einen guten Theil der 
in den Acten befindlichen Grosslogenschreiben 
ausfüllen, sind verschwunden und nur allgemeine 
Mittheilungen und die üblichen jährlich gesendeten 
Grosslogenlistcn sind an deren Stelle getreten. 

Ueberhaupt erfreuto sich die Linde nicht 
nur eines guten Rufes bei der Grossen Landes¬ 
loge, sondern wegen des in ihr herrschenden 
guten Geistes waren auch andere Bauhütten mit 
ihr in regen Verkehr getreten. 

In der Loge selbst hielt man auf strenge 
Ordnung; mehre Brüder, die sich ungebührlich 
gegen andere Brr gezeigt, oder sich sonst gegen 
die Logengesetze vergangen hatten, mussten die 
Loge auf kürzere oder längere Zeit decken und 
es wurde ihnen dies durch ein offizielles, mit 
dem grossen Logensiegel versehenes Schreiben 
eröffnet. So hatte der Oekonom der Loge, Br Tr., 
bei Tafel sehr ungebührliche Reden geführt, weil 
man einen von ihm vorgeschlagenen Candidaten 
nicht ballotiren wollte. Es wurde auf Bestrafung 
angetragen, der Logenmeister las die auf diesen 
Fall einschlagenden Gesetze vor, liess aber, um 
die Brr erst wieder zur Ruhe kommen zu lassen, 
erst sämmtliehe eingegangene Logenschreiben 
vortragen. Br Tr. wurde auf zwei volle Jahre 
excludirt, er sollte nicht eher zugelassen werden, 
bis er sich gebessert, Abbitte geleistet und die 
dienenden Brr für ihn gebeten. Dass aber kein 
Hass gegen ihn vorliege, gab man dadurch zu 
erkennen, dass er die Tafellogeu besorgen durfte. 

Die ihre Wirkungen überall hin erstreckende 
französische Revolution liess auch die Loge zur 
Linde nicht unberührt. „In einer sehr umständ¬ 
lichen Beschreibung alles des Unheils und Un¬ 
glücks, das bisher durch Missbrauch des Ordens 
durch die Jacobiner in Frankreich fast in der 
ganzen Welt entsponnen sei, suchte der Hochw. 
Grossmeister (so heisst es im Protokoll vom 
2. April 1794), die Nothwendigkeit darzustellen, 
bei Aufnahme neuer Candidaten eben sowohl, 
als bei Admittirung fremder sich meldender Brüder 
die höchste Vorsicht anzuwenden und machte 
hierauf der Loge folgenden Antrag: dass er hei 
jetzigen bedenklichen Zeiten, wo selbst Logen, 


die ihre Landesfürsten in ihrer Mitte wüssten, 
zu Verhütung alles etwaigen Nachtheils geschlossen 
worden wären, für schicklich und am besten 
hielte, wenn wir die Arbeiten, besonders die 
Aufnahme neuer Candidaten, auf eine unbestimmte 
Zeit gänzlich aussetzten und ohne alle Zulassung 
fremder Brüder blos in der Stille nöthigenfalls 
nebst der Feier unserer Stiftungs- und Johannis- 
feste etwaige Conferenz- oder Instructionslogen 
veranstalteten.“ Nach mehrfachen Debatten wmrde 
einstimmig beschlossen : 

1) „die Loge auf unbestimmte Zeit in solcher 
Weise zu schliessen, dass bis auf weitern Be¬ 
schluss keine neuen Candidaten aufgenommen 
und keine fremden Brüder in de!* Loge zu¬ 
gelassen werden sollten; 

2) den nächstfallenden Stiftungstag in aller 
Stille ohne Zulassung fremder Brr zu feiern; 

3) zur Vermeidung aller Kosten die Corre¬ 
spondenzen mit den Schwesterlogen zu suspen- 
direu und 

4) in Bezug auf die Logeuämter keine neue 
Wahl oder Besetzung vorzunehmen, sondern für 
jetzt alles im zeitherigen Bestände zu lassen 
und sich nur im eugsten Familienkreise zu ver¬ 
sammeln.“ 

Die äusseren Wirren übten ihren Rückschlag 
auf das Leben in der Loge. Maurcrische Ge¬ 
sinnung und maurerischer Geist scheinen hie 
uud da etwas stark in die Brüche gekommen 
zu sein. So heisst es: „Der Br Redner Schuffen- 
hauer sprach in einer sehr bündigen und mit 
brüderlichem Eifer abgehaltenen Rede über den 
in unserer Loge sich eingefundenen ganz un- 
lnaurerischen uud schändlichen Zwietrachtsgeist, 
führte namentlich an, dass die abscheuliche Ver¬ 
leumdung unter denen Brüdern so weit ginge, 
dass einige sich nicht geschämet hätten, den 
einen unserer ersten Brüder als einen Betrüger, 
deu andern als einen Trunkenbold, den dritten 
als eineu niedrigen Wollüstling, ihn selbst aber 
als einen Schmarotzer zu benennen; sagte, dass 
bei Fortdauer solcher Gesinnungen und Beneh¬ 
mungen unsere Loge eher dem Tartarus und der 
Hölle als einer Versammlung solcher Menschen 
gleichen würde, die den höchsten Grad mensch¬ 
licher Herzensgtite zu ihrem Endzwecke sich 
vorgesetzet sein lassen sollten und fügte hinzu, 
künftig nöthigenfalls die so schändlich sich be¬ 
nehmenden Brüder mit ihren völligen Machi¬ 
nationen uud aller Cabalenschmiederei, falls sie 
sich nicht bessern sollten, namentlich bekannt 
zu machen uud schloss mit dem Wunsche, die 
erste Reinigkeit, Eintracht und Unbescholtenheit 
der Mitglieder unserer Loge in ihrem alten voll¬ 
kommenen Glanze durchgängig hergestellt zu 
sehen.“ 


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43 


Auch der Logenmeister Br Schlegel war von 
dieser Verleumdung nicht verschont geblieben. 
Er klagt in offener Loge: „Er habe nicht ohne 
wirkliche Kränkung und innige Betrübniss von 
sicheren Händen vernehmen müssen, dass eine 
Gährung unter denen Brüdern und besonders 
eine Cabalenschmiederei wider ihn im Schwange 
gehe, dass es Brüder gäbe, die sich nicht schämten 
seine Amtsverwaltung in Tadel zu ziehen und 
nicht errötheten, ihn sogar so weit verdächtig 
zu machen, als wären die Logengelder bei ihm 
nichts weniger als in sichern Händen, dass man 
von Niederlegung oder Abnahme seines Amtes, 
von Erwählung eines deputirten Meisters spräche 
und dass man bereits Stimmen sammle zur Be¬ 
setzung der.Gi ossmeisterstelle, bei welcher künftig 
die Schlüssel der Logenkasse nicht allein, sondern 
in mehrerer Brüder Händen sein sollten. Ob er 
nun schon diese Aeusserungen, welche von Brrn 
herrührten, deren Charakter er kennen zu lernen 
bereits mehre Gelegenheit gehabt und die er 
namentlich zu bezeichnen im Stande sei, hingegen 
der Schonung halber solches nicht thun wolle, 
als nicht geschehen übergehen und verzeihend 
vergessen würde: so könne er doch nicht umhin 
sich jetzt darüber öffentlich zu beschweren.“ 

„Er forderte hierauf männiglich auf ihn 
einer Vernachlässigung seines Amtes oder nicht 
genügsamer Treue in Aufbewahrung der Logon- 
gelder zu überführen; er sei auch bereit vor 
denen, die es verlangen könnten, die ihm anver¬ 
trauten Logengelder aufzuzählen.“ 

Bei alledem scheint schon damals ein Un¬ 
gewitter über Br Schlegels Haupte geschwebt 
zu haben. Schon in der Wahlloge 1793 konnte 
er seine langjährigen, zuverlässigen und zu ihm 
stets treu stehenden Beamten, die Brr Hoffmann, 
Bracke und Richter, nicht wieder zur Annahme 
ihrer Beamtenstellen bewegen; auch mochte der 
Verdacht, „dass die Logengelder bei ihm nicht 
in sichern Händen seien,“ nicht ganz ohne Grund 
sein; die traurigen wirthschaftlichen Verhältnisse 
jener Zeit, in der Br Schlegel durch aufgenommene 
Capitalien sein Geschäft vergrössert hatte und 
deren Tragweite er wohl selber noch nicht ahnte, 
als er sich über die ihn betreffenden „Ver¬ 
leumdungen“ und „Cabalenschmiedereien“ in der 
Loge beklagte, brachen auch über ihn zusammen. 

In der nächsten auf diese stürmische Loge 
folgenden Arbeit empfahl der Grossmeister Br 
Schlegel „alle vorherigen Zwistigkeiten und Ereig¬ 
nisse weder zu erwähnen, noch ihrer zu gedenken, 
vielmehr diesen freudigen Tag — es war das 
18. Stiftungsfest der Loge— in aller wahrhaft brü¬ 
derlichen Eintracht zu verleben und knüpfte daran 
die besten Wünsche zu fernerer Fortdauer des 
bisherigen Flors unserer Loge.“ — Die Logen¬ 
versammlungen fielen l*/ 4 Jahr gänzlich aus, bei 


der Feier des Johannisfestes 1795 wurde der 
Wunsch ausgesprochen, die maurerischen Arbeiten 
wieder aufzunehmen, doch sie noch nicht öffentlich 
bekannt zu machen; man beschloss, „die jungen 
für ächte Maurerei empfänglichen Brüder zu be¬ 
fördern, aber für jetzt keine neuen Mitglieder in 
den Orden aufzunehmen, überhaupt die strengste 
Prüfung bei der Wahl eines neuen Mitgliedes zu 
beobachten.“ 1796 wurde von mehreren Brrn der 
Antrag gestellt, eine Neuwahl der Beamten, „die nun 
die drei Jahre unverändert auf ihren Plätzen ge¬ 
blieben wären“ vorzunehmen, der Antrag, die 
grosse Landesloge erst davon zu benachrichtigen, 
fand keine Unterstützung, „da dieses nicht unum¬ 
gänglich nöthig sei und schon in der Rücksicht 
nicht ganz erforderlich scheine, weil unsere Loge 
keineswegs als bishero gedeckt anzusehen sei, viel¬ 
mehr während dieser sogenannten Stillcstandszeit 
die Reception einiger Candidaten vorzunehmen 
kein Bedenken getragen habe.“ Die Grosse Lan¬ 
desloge war überhaupt mit dor Suspendirung der 
Arbeiten nicht einverstanden. Sie schreibt auf 
die desfalls an sie ergangene Anzeige: „Ihr Be¬ 
schluss, die Logenarbeiten bis auf bessere Zeiten 
einzustellen, ist für uns befremdend gewesen, weil 
andere Logen in Sachsen der politischen Beson¬ 
derheiten unerachtet fortarbeiten. Wir hoffen da¬ 
her um so mehr, dass die Gründe, welche Sie dazu 
# dennoch bewogen, hinreichend sein werden, diesen 
äusserst wichtigen Schritt bei Ihnen selbst völlig 
zu rechtfertigen, so wie wir herzlich wünschen, 
dass dieser Stillstand von keiner langen Dauer 
möge sein dürfen.“ 

In der nächsten Wahlloge, den 13. Mai 1796, 
wurde Br Schlegel, der bereits im Jahre vorher 
„seines schwachen Augenlichts und Kränklichkeit 
halber“ den Br Johann Gottlob Eckold als depu¬ 
tirten Meister an seine Seite gerufen hatte, wieder 
einstimmig zum Logenmeister gewählt. Er nahm 
das Amt nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt 
an, „dass er sich ausbedingen müsse, im Fall seine 
Kräfte dies ihm des längereu nicht gestatten würden, 
er das Amt auch nötigenfalls mitten im Jahre 
möge niederlegen dürfen.“ Dies geschah schon 
den 5. Sept. 1796. In dieser Loge erklärte Br 
Schlegel: „er habe es sich bei Uebernahme des 
Hammers als Bedingung Vorbehalten, denselben 
bei zunehmender Gesundheitsschwäche zu jeder Zeit 
niederlegen zu dürfen, jetzt gebe er den Hammer 
zurück, schon in der letzten Versammlung habe er 
die Armenkasse nebst den dazu gehörigen Büchern 
an den S. E. dep. Meister abgegeben, so wie 
er auch die übrigen der Loge gehörigen Sachen, 
als die Constitution, die Protokolle, die Briefe, 
Siegel, Matrikel, Gesetz, das schwarze Buch 
u. s. w. in die Hände des dep. Meisters und der 
beiden Aufseher Brr Küster und Voss niedergelegt 
habe. Daran erinnert, „dass er noch die von der 


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44 


Grossen Landesloge lautRescript erlassenen Recep- 
tionsantheile an 703 Thlr. zu übergeben habe,“ 
erwidert Br Schlegel: „man möge diesen Punkt 
nicht urgiren, die Brr sollten thun, als ob das 
Geld nach Berlin geschickt wäre, wohin es eigent¬ 
lich gohöre. Er habe 13 V* Jahre das beschwer¬ 
liche Amt des Meisters vom Stuhle verwaltet, 
ein Amt, das ihm Zeit, Mühe und Gesundheit 
gekostet. Dies erwähne er nicht, um Dank dafür 
zu fordern; er sei ohne seine Schuld unglücklich 
und bitte ihn nicht zu brandmarken. Er habe 
nie wider die Gesetze des Ordens gehandelt und 
die Brr stets zur Erfüllung ihrer Maurerpflichten 
ermuntert, dies solle auch sein letztes Geschäft 
als Grossmeister sein. Er rathe daher den Brrn 
des 1. Grades, den rauhen Stein, das Symbol 
des Lehrlings, nio aus den Augen zu lassen, 
den Brrn 2. Grades rathe er, sich bei den 7 
Haupttugenden stets der 7 Hauptlaster, welche 
einen Maurer schänden, zu erinnern, die Brr 
Meister bitte er, sich an die Hand hinter des Brs 
Rücken zu erinnern. — Er übergebe den Hammer 
auf den Rest dieses Jahres in die Hände des 
Brs, den er zur Führung desselben am würdigsten 
halte, in die Hände des dep. Mstrs Br Eckold.“ 
Derselbe übernahm denselben mit Zustimmung 
der Brr, „die er hauptsächlich zur vollkommensten 
Einigkeit, dom festen Grund einer Loge, er¬ 
mahnte.“ Es wurde vom Br Schlegel noch ein 
Revers verlangt, nach welchem der jetzige Mstr 
vom Stuhl Br Eckold nichts von jenen Geldern 
erhalten, welche der hochw. Br Schlegel noch 
allein an sich habe.“ Er verweigerte zwar die 
Unterschrift, „weil er als schottischer Meister 
nicht in einer Johannisloge, sondern nur von der 
Grossen Landesloge gerichtet werden könne.“ 
Doch auf die Vorstellungen des Br Eckold und 
der ihm wohlwollenden Meister, „dass keine, 
auch selbst die höchsten Grade, ihn berechtigten, 
das der Loge gehörige aber eigenmächtig in 
seinem Nutzen verwendete Geld vorzuenthalten, 
er vielmehr ganz den Wunsch der Brr verkenno, 
welche nicht einmal jetzt das Geld, sondern nur 
die mehrerwähnte Unterschrift verlangten, um 
die Loge und den Mstr vom Stuhl vor künftigen 
Nachfragen und Vorwürfen zu sichern“ — leistete 
er die Unterschrift und schied aus der Loge. — 
ln der nächsten Conferenzloge wurde der Beschluss 
gefasst: „man müsse den Br Schlegel also be¬ 
trachten, als habe er derer eingetretenen und 
mehrerwähnten Vorfälle wegen — Schlegel hatte 
fallirt — die Loge gedeckt und dieses zwar so 
lange, bis er sich darüber, dass er der Loge 
Unrecht gethan, durch das Gegentheil und die 
That selbst gerechtfertigt habe. Uebrigens warnte 
der Logenmeister „vor persönlichem Hass, indem 
er im Gegentheil die Brr bat, den Mantel der 
Liebe, auf welchen die leidende Menschheit und 


vorzüglich ein unglücklicher Br so gegründete 
Ansprüche hat, auch über diese Begebenheit zu 
decken.“ In einer spätem Loge rügt Br Eckold 
sehr ernstlich, „dass einige Brr in Rücksicht 
derer Vorfälle mit dem ehrw. Br Schlegel nicht 
reinen Mund gehalten und Profanen die ganze 
Geschichte noch dazu an einem öffentlichen Orte 
erzählt hätten.“ 

Die Logenprotokolle erwähuen für jetzt nichts 
weiter über diese leidige Sache. Das Bild des 
Br Schlegel schaut überhaupt als ein sehr freund¬ 
liches aus den Logenprotokolleu heraus. Seine 
Wiederwahl erfolgte stets einstimmig, seine Rath¬ 
schläge fanden bei den Brrn geneigtes Gehör, 
in seinem Urtheil war er mild, entstandene Zwistig¬ 
keiten wusste er geschickt zu schlichten, mit 
seinen Beamten wechselte er nur im Nothfall 
und es entwickelte sich die Loge unter 4 seiner 
Hammerführuug nach innen und aussen immer 
gedeihlicher. 

Auch die Beurtheilung, die sein Unglück bei 
den Brrn fand, war ganz in maurerischem Sinne 
und Geiste. Um so mehr muss man bedauern, 
dass Schlegels Falliment nach 8 Jahren unter 
der Hammerführung des Br Voss und ein Jahr 
später unter der des Br Plato noch einmal Staub 
aufwirbelte und zwar in einer Weise, die der 
Loge zur Linde nicht gerade zur Ehre gereicht. 
Den ersteren Fall anlangend, wollte die Mehrzahl 
der Brr der Linde die Brr Bracke und 
J. E. Ho ff mann für die Zahlung der durch 
Br Schlegel verlorenen 703 Thlr. verbindlich 
machen und zwar, „weil sie als Stifter der Loge 
deren Rechte hätten wahren sollen, Schlegels 
Verhältnisse gekannt hätten, auch Aeusserungen 
gethan haben sollten, dass sie für Deckung sorgen 
würden.“ Bei genauerer Untersuchung liess sich 
über die vermeintlichen Zusagen nichts Gewisses 
feststellon. Selbstverständlich lehnten die beiden 
Brr das Ansinnen ab, die Meisterschaft hielt 
dieselben zur Zahlung verpflichtet, diese suchten 
Hilfe bei der Grossloge, während die Loge zur 
Linde meinte, die Sache gehöre vor ihren Richter¬ 
stuhl. Recht wohlverdient ist die Abfertigung, 
welche der Loge zur Linde von der Gr. Landes¬ 
loge zu Theil wird, „ln Ansehung der Brr 
Bracke und Hoffmann wollen wir unsere Meinung 
so deutlich auseinander zu setzen suchen, dass 
hoffentlich die Sache hiermit abgethan sein wird. 
Wenn wir auch zugeben, dass die besondere 
ökonomische Einrichtung jeder Loge ihr selbst über¬ 
lassen werden muss, so können wir doch keines¬ 
wegs zugeben, dass im Falle ei lies Streites 
zwischen einer Loge und eines oder 
einiger ihrer Mitglieder die Entscheidung 
dieses Streites nicht vor den Richterstuhl der 
Grossen Landesloge gehörte, denn wer sollte hier 
Richter sein: die Logo ? dann wäre sie Richter 


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45 


in ihrer eigenen Sache, was gegen alle Billigkeit 
streitet; oder wollte die Loge zur Linde behaupten, 
dass sich die Sache zur Verhandlung vor öffent¬ 
lichen Tribunalen eignet? Gesetzt die Brr Bracke 
und Hoffmann weigern sich standhaft — und wir 
würden es ihnen sehr verdenken, wenn sie es nicht 
thnn — nicht allein die 703 Thlr. zu zahlen, son¬ 
dern auch im Geringsten anzuerkennen, dass sie 
jemals als schuldig dieselben zu zahlen angesehen 
werden könnten, was wird die Loge zur Linde mit 
diesen Brrn anfangen ? Die Brr Bracke und Hoff¬ 
mann appelliren an die Grosse Landesloge und 
wir wollen doch nicht hoffen, dass die Loge zur 
Linde sich weigern werde, diese Appellation an¬ 
zuerkennen. Um aber dieser verdriesslichen Sache 
mit einemmale ein Ende zu machen, so;erklärt 
die Hochw. Grosse Landesloge, dass, indem sie 
am 30. Mai 1789 die Summe von 703 Thlr., 
welche ihr die Loge zur Linde schuldig war, 
niederschlug, sie im geringsten nicht daran dachte; 
der Loge zur Linde ein Geschenk damit zu machen, 
sondern sie blos in den Stand setzen wollte, 
diese 703 Thlr. zu verschmerzen, da die Ver¬ 
hältnisse mit dem Br Schlegel der Hochw. Grossen 
Landesloge sehr wohl bekannt waren. Hätten 
wir der Loge zur Linde bei dieser Gelegenheit 
einen guten Rath zu ertheilep, so wäre es der, 
den Brrn Brackö und Hoffmann diese unsere 
Erklärung zu «ehreiben mit dem Beifügen, die 
Loge zur Linde habe daraus ersehen, dass sie 
aus Unwissenheit gefehlet und den Brrn Bracke 
und Hoffmann mehr zugcmuthet, als Sie ihnen 
hätte zumuthen sollen.“ 

Auf dieses Schreiben antwortet die Loge zur 
Linde unter dem 24. Aug. 1805: „So fest wir 
auch immer noch überzeugt sind, dass die Hochw. 
Grosse Landesloge, indem sie uns die ihr schul¬ 
digen Receptionsdrittheile im Jahre 1789 gütigst 
erljess, uns vielmehr die bei der Loge nöthigen 
Kosten zu bestreiten, nicht aber den durch Br 
Schlegel erlittenen Verlust zu verschmerzen in 
den Stand habe setzen wollen, da in diesem 
Jahre bekanntlich Br Schlegels ökonomische Um¬ 
stände ganz und gar noch nicht misslich, vielmehr 
damals noch so wenig bedenklich waren, dass 
ihm die Brr Hoffmann und Bracke aus ihren 
eigenen Mitteln ein Kapital von 2000 Thlrn. 
anzuvertrauen keinen Anstand nahmen; so ergiebt 
sich doch auf der andern Seite nach sorgfältiger 
Prüfung der Angelegenheit, dass wir von den 
Brrn Hoffmann und Bracke, ungeachtet sich 
dieselben als Stifter und Aufseher damals der 
Fahrlässigkeit in Absicht auf die Pflicht für das 
Beste der Ix>ge zu sorgen schuldig gemacht haben 
dürften, den Ersatz dieser durch Schlegel verloren 
gegangenen Gelder zu fordern kein vollkommen 
begründetes Recht haben, da die mündlichen 
Aeusserungen dieser erwähnten Brr, auf welche 


die Rechtmässigkeit dieser Forderung vorzüglich 
gegründet werden musste, viel zu unbestimmt 
sind. Wir haben die Brr Bracke und Hoffmann 
nicht nur gebeten Alles, was in dieser Angelegen¬ 
heit geschehen ist, zu vergessen, sondern auch 
unsrerseits versprochen, dessen was ihnen als 
Stifter bei dem Verlust jener Gelder mehr oder 
weniger zur Last gelegt werden könnte, durch¬ 
aus nicht weiter zu gedenken.“ 

Die Brr Hoffmann und Bracke hatten die 
Loge, die ihnen so schweres Unrecht gethan, 
gedeckt und derselben ihren Abgang angezeigt. 
Die Grosse Landesloge hatte ihnen jedoch ihre 
Entscheidung mitgetheilt und der Landesgross¬ 
meister von Castillon hatte in einem eigenhändigen 
Schreiben die Brr gebeten, sie möchten sich der 
Loge wieder nähern und bittet in einem vertrau¬ 
lichen Briefe den Logenmeister Plato ihnen 
die Sache nicht zu erschweren. Unter dem 
8. Dec. 1805 meldet Br Plato dem Landesgross¬ 
meister, „dass die beiden Brr wünschten, dass 
alle zwischen ihnen und der Loge zur Linde 
vorgefallenen Misshelligkeiten vergessen würden 
und sie bis an ihren Tod Mitglieder unserer Loge 
bleiben wollten.“ — Hiermit war diese leidige 
Geldangelegenheit endlich abgethan. Ueber den 
zweiten vorhin erwähnten Punkt will ich der 
Geschichte nicht vorgreifen. — 

Br Johann Gottlob Eckold, Stadt- 
chirurgus in Leipzig, war Logenmeistcr von 1796 
bis 1800. Er scheint ein Freund von Neuer¬ 
ungen gewesen zu sein, viele Einrichtungen wur¬ 
den mehrmals umgeändert. So beschloss man 
den 4. Nov. 1796, die regelmässigen Armen¬ 
kassenbeiträge an jährlich 2 Thlr. 4 Gr. aufzu¬ 
heben, „da jede bestimmte und auferlegte Abgabe 
sich für freie Maurer nicht schicke und auch der 
maurorischen Wohltbätigkeit Gesetze vorzuschrei¬ 
ben ordenswidrig erscheine, so dass jeder 
erzwungene und bestimmte Beitrag zur Erhaltung 
der Loge und der dienenden Brr, sowie der 
jährliche Armenbeitrag künftig wegfallen solle. 
Dass die leidende Armuth dabei nichts einbüsse, 
werde kein ächter Maurer mit der Tugend der 
Wohlthätigkeit im Herzen bezweifeln, er werde 
freudiger der Sprache des Herzens als der Stimme 
des Gesetzes folgen.“ Man hatte sich aber doch 
mit dieser Einrichtung getäuscht, denn schon 
1797 musste man die jährlichen Armenbeiträge 
wieder auf einen Thaler festsetzen, auch war 
man genöthigt mehrere Collecten für die Armen¬ 
kasse zu veranstalten. An die Wohlthätigkeit 
der Brr wurden überhaupt grosse Anforderungen 
gestellt und man muss wirklich erstaunen, wie 
man nicht müde wurde, immer und immer zu 
helfen. Ein Br Minerva’s, den auch seine Loge 
bereits sehr thätig unterstützt, wollte bei der 
Loge zur Lindo eine Anleihe gegen. Bürgschaft 


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46 


machen. Br Eckold erklärte in der Logenarbeit: 
„Die Logo könne kein Geld verborgen, aber man 
wolle ihm die heutige Armensammlung schenken. 
Diese betrug über 11 Thlr. Es scheint überhaupt 
oft vorgekommen zu sein, dass man bei der in 
der Armenkasse gewöhnlich herrschenden Ebbe 
für bestimmte dringende Zwecke oder besonders 
empfohlene Personen die Armensammlung, die 
dann gewöhnlich recht reichlich ausfiel, sofort 
verwendete. Der Br Wolf in Lausigk war in 
Jahresfrist zweimal abgebrannt. „Um ihn einiger- 
maassen zu unterstützen und ihm die Theilnahme 
derer Brüder zu bezeigen, beschloss die Loge, 
ihm 50 Thaler zu überschicken.“ Br Wolf hatte 
die Loge nicht um Unterstützung gebeten, nahm 
aber dieselbe dankbar an. Auf Anregung eines 
Brs wollte man dem von der Loge zu den 
3 Schwertern und wahren Freunden in Dresden 
unterhaltenen Erziehungsinstitut zu Friedrichstadt 
eine Beisteuer senden, sah aber auf Br Bracke’s 
Vorstellung davon ab, „man habe vor ungefähr 
zwanzig Jahren 40 Thaler für dieses Institut 
gesammelt und eingeschickt, cs wäre jedoch ge¬ 
dachte Summe, weil ermeldetes Institut entweder 
keiner weiteren Hilfe bedurfte oder aus auderen 
Ursachen von unserer Loge nicht annehmen wollte, 
remittirt worden, und es möchte jetzt das Ansehen 
haben, als wolle man unsere Wohlthaten ver¬ 
schleudern oder aufzudringen suchen.“ 

Br Eckold schlug in Bezug auf die Vertheflung 
der Armengelder vor: „weil man die für un¬ 
glückliche Bedürftige gesammelten Gelder oft an. 
die ohne Untersuchung vorgeschlagenen und von 
nun an in denen Armenlisten fortgeführten Armen 
jährlich vereinzelt habe, wodurch zwar die Bitten 
Vieler gewährt, aber nur wenig Elend gelindert 
worden sei, wolle man in Zukunft drei Brr der 
Loge bestimmen, welche das Elend angemessener 
untersuchen und unterstützen könnten.“ Dieser 
Vorschlag wurde einstimmig zum Beschluss er¬ 
hoben. Kurze Zeit darauf legte Br Köhler einen 
„kurzen Entwurf über die künftige zweckmässige 
Verwendung der Armengelder vor, worinnen er 
die Nothwendigkeit der Sache mit den triftigsten 
Gründen unterstützte und worin er Witt wen, 
Waisen, unverschuldete Arme und Kinder, deren 
Anlagen vielversprechend seien, ganz besonders 
der maurerischen Unterstützung empfahl, dabei 
aber auch nicht unterlassen solle, bei der grossen 
Zahl der Hilfsbedürftigen mit kleinen Gaben zu 
helfen.“ Er wurde gebeten,, seinen Entwurf weiter 
auszuarbeiten — die Protokolle erwähnen jedoch 
weiter nichts darüber. 

Eine andere Neuerung war, dass für jeden 
Aspiranten drei „Pathen* als Bürgen eintreten 
mussten, fanden sich diese nicht, oder waren sie 
nicht in der Loge zugegen, so konnte über den 
Suchenden nicht ballotirt werden. Die Ballotage, 


öfter auch die bereits angesetzte Rocoption, musste 
aus diesem Grunde ausgesetzt werden. 

Sodann ordnete Br Eckold an, „dass täglich 
zu einer bestimmten Stunde ein dienender Bruder 
sich bei ihm einfinde, um in seinem Auftrag die 
Logenangelegenheiten zu besorgen. Zu der dem 
dienenden Br ausser seinem jährlichen Gehalt 
deshalb zu verabreichenden Vergütung solle kein 
Br etwas aus eigenen Mitteln beitragen, es solle 
dieselbe der Logenkasse entnommen und deren 
Höhe von den Brrn bestimmt werden.“ Der 
Antrag wurde angenommen und die Gratification 
mit dem dienenden Br vereinbart. 

Weiter wurde bestimmt: „Um dieConferenzen 
vor den Logenarbeiten zu vermeiden, soll in je 
zwei Monaten eine Conferenz gehalten und der 
betreffende Tag der jährlichen Logonliste bei¬ 
gefügt werden. Zum Besten der auswärtigen 
Brr Mitglieder soll zu jeder Messe am 1. Mess¬ 
freitag eine Conferenz stattfinden.“ 

Wegen der ungünstigen Kassen Verhältnisse 
der Loge hatten auch bei Tafellogen der Mstr 
v. St. und die Brr Beamten ihr Couvert stets 
selbst bezahlt; jetzt wurde festgesetzt,, dass der 
Betrag des Couverts aus der Logenkasse gedeckt 
werden solle. „Zur Verringerung derer Unkosten 
soll die Tafel künftig nur aus zwei Gerichten 
bestehen und dafür Jeder 8 Groschen zahlen — 
die jedoch bald auf 10 Groschen erhöht wurden. 
— Uebrigens solle Jeder, welcher sein Bleiben 
im Umlauf angezeigt habe, diese 8 Groschen zu 
entrichten gehalten sein, auch wenn er nicht zur 
Tafel erschiene.“ — 1799 wurde auch der An¬ 
fang zu einem Logenfonds gemacht, indem der 
Schatzmeister, Br Latus, einen Stouerschein von 
500 Thaler aus dem Vermögen der Logenkasse 
ankaufte. 

1798 wurde auf Vorschlag einiger Brr be¬ 
schlossen, „eine Logenbibliothok zu etabli- 
ren“ und der Br 2. Aufseher ersucht, „die üeu 
erscheinenden maurerischen Schriften nach Güte 
und Inhalt zu prüfen und der Loge anzuzeigen.“ 

Besondere Sorge hatte man immer gehabt, 
ein passendes Logenlokal zu finden, die Arbeiten 
waren bald hier bald da abgehalten worden und 
man war froh, durch Br Eckold’s Vermittelung 
einen Contract mit der Schützengesellschaft über 
einen Saal im Ranstädter Schiessgraben abschliessen 
zu können. Br. Eckold theilt darüber in der 
Logenversammlung am 5. Juli 1798 mit, „dass 
er mit den Schützenhauptleuten den Contract in 
Rücksicht des Logensaales für ein jährliches Pacht¬ 
quantum von 80 Thalern abgeschlossen und zwar 
so, dass das Geld pränumerando halbjährig ent¬ 
richtet würde, so wie auch von beiden Seiten 
der Pacht halbjährig gekündigt werden müsse. 
Dafür solle der Loge der Saal den 1. und 3. 
Freitag jeden Monats, alle drei Freitage in jeder 


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Messe, sowie am Johannistag überlassen sein, 
auch solle es der Loge freistehen, einen belie¬ 
bigen andern Tag zu wählen, wenn ein Feiertag 
auf einen Logenfreitag falle.“ Bei alledem scheint 
das Logenlokal mancherlei Unbequemlichkeiten 
gehabt zu haben, denn Br Eckold pflog Ver¬ 
handlungen mit dem Stadtrathe, um einen passenden 
Saal in der alten Waage oder im Gewandhause 
zu erlangen, — doch vergeblich. Später kaufte 
Br Eckold vorbehältlich der Zustimmung der Brr 
für die Zwecke der Loge von Br Liebeskind 
das Hausgrundstück zum Goldenen Schiff auf der 
Fleischergasse für 26,700 Thaler, es scheiterte 
jedoch dieser Kauf an den Gegenvorstellungen 
des Br Bracke. „Es scheine zwar besagtes 
Grundstück des wohlfeilen Preises wegen vor- 
theilhaft zu sein, jedoch müssten hinsichtlich des 
darin für Logenzwecke vorzunehmenden Baues 
und der dazu nöthigen Actien sowie auch in 
Rücksicht, dass eine öffentliche Auberge in diesem 
Grundstücke sei, mancherlei Bedenklichkeiten und 
gegründete Ursachen eintreten, von diesem Kauf 
abzustehen.“ Eine Mehrheit von 2 / s der Stimmen 
gegen die Erwerbung des Grundstücks machte 
den Kauf rückgängig. 

Widerspruch konnte Br Eckold nicht gut 
vertragen, in seinen Entgegnungen wurde er leicht 
heftig und leidenschaftlich und er entfremdete 
sich dadureb die Horzon dor langjährigen frühem 
Beamten. Wohl mochte er seinen Fehler selbst 
fühlen; er bestimmte, damit die etwaigen Anträge 
nicht unvorbereitet an ihn kämen, „es solle Jeder, 
der etwas bei der Loge anzubringen hätte, dies 
schriftlich thun.“ Die Exclusion des Br Kretsch- 
mann — dessen Name seiner Zeit auch in wei¬ 
teren Maurerkreisen vielfach genannt wurde, soll 
jfetzt nicht weiter berührt werden — sein Logen¬ 
leben soll den Gegenstand eines späteren Vor¬ 
trags bilden. 

Aus der Väter Zeiten. 

(Fortsetzung zu No. 10 des vorigen Jahrganges.) 

Der Maas8tab. 

Der Maasstab ist dem Maurer viel, 

Wer wollte ihn vergessen? 

Er bringt uns näher hin ans Ziel, 

Wenn wir nur oftmals messen; 

Er zeigt uns alle Fehler an 
Und es giebt keinen braven Mann 
Der ihn nicht ehren sollte. 

Wer ohne Maass den Bau beginnt 
Der geht gar oftmals irre, 

Er bauet wie eiu kleines Kind 


Mit Karten, kahl und dürre. 

Drum Brüder, theilet Alles ein, 

Dann könnt ihr euch des Baues freun, 

Er wird gewiss gelingen. 

Wer seine Zeit zu messen weiss, 

Der wird sie nie verschwenden, 

Er wird mit ächtem Maurer-Flciss 
Sie nützen und beenden. 

Und wenn der Maasstab ihm entfällt 
So geht er hin in jene Welt 
Um seinen Lohn zu holen. 

Und wenn der ewige Meister fragt: 

Wie hast du dort gemessen? 

Ihm dann sein gut Gewissen sagt: 

Ich habe nichts vergessen — 

Dann spricht der Meister: komm herein 1 
Du sollst dich deines Werkes freun 
Im Tempel der Vollendung. 

0! dort im ew’gen Osten steht 
Ein Tempel hehr und helle: 

Das ist der Bau, der nie vergeht, 

Sind wir nur erst zur Stelle. 

Die Gottheit hat ihn selbst gebaut 
Und wer auf diesen Tempel schaut, 

Der lobt den grossen Meister. 

Drum mit dem Maasstab in der Haud 
Will ich mein Werk beginnen, 

Und dieses ewig theurc Pfand, 

Geh ich dereinst von hinnen, 

Noch halten, wenn am Meister-Thron 
Ich bitte um mein bischen Lohn, 

Das ich nicht ganz verdiente. 

* 

Das Senkblei. 

So simpel das Senkblei, so lehrt es doch auch, 
Es sei nicht entbehrlich zum Bauen; 

Drum folg* ich auch willig dem alten Gebrauch 
Und will es mir näher beschauen: 

Ob mir es der grösseste Meister geschenkt 
Und was man noch sonsten beim Senkbleie denkt. 

Man baue nur physisch ein Ilüttchen sich auf, 
So ist uns das Senkblei auch nötliig. 

Man weiss aus Erfahrung und täglichem Lauf 
Wenn Maurer arbeiten unlöthig, 

Wie’s Auge die Fehler des Maurers entdeckt, 
Wie bald uns der Einsturz der Mauer erschreckt. 


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Moralische Baue bestätigen auch, 

Was physische Baue uns zeigen, 

Sie haben zusammen den ähnlichen Brauch, 

Dass sie sich in Allem vergleichen; 

Denn ruht nicht das Senkblei an jeglichem Stein, 
So stürzen sie beide mit Schrecken bald ein. 

Drum nehm* ich das Senkblei mit Vorsicht zur 

Hand 

Und löthe mein Handeln "bedächtig, 

Das Senkblei zu brauchen sei Jedem bekannt, 

So stehet der Bau dann auch prächtig. 

Denn so wie die lothrechte Handlung besteht, 

So sieht man die schiefe, wie schnell sie vorgeht. 

Mein Innres steh lothrecht zu jeglicher Zeit, 

So wird auch mein Handeln bestehen, 

Wenn Schönheit und Stärke von Weisheit geleit’t 
Wie kann die wohl jemals vergehen? 

Sie stehet, wie’s Weltall in Ewigkeit steht, 

Das ebensowenig wie Gott selbst vergeht. 

Das ist nun das Senkblei, oft wenig geacht’t, 
Jedoch nur allein von den Schwachen. 

Der Kluge verehrt es mit allem Bedacht 
Und wird es stets treulich bewachen; 

Er lothet die Steine sehr streng und genau — 
So ist es auch mit dem moralischen Bau. 

-* 

Soeben ist in meinem Verlage erschienet und 
kann durch alle Brr Buchhändler, sowie auch direct 
von mir bezogen werden: 

Asträa. 

Taschenbuch für Freimaurer 
auf das Jahr 1882. 

Herausgogeben 

von 

Br Robert Fischer. 

Neue Folge. — Erster Band. 

22 Bogen 8°. 

Preis M. 3.00. — Elegant gebunden M. 3.15. 

Die allgemeine Beliebtheit, deren sich die im 
Jahre 1870 eingegangene, aber auch heute noch in 
bestem Andenken stehende „Asträa“ zu erfreuen 


hatte, veranlasst© mich, nach getroffenem Ueberoin- 
kommen mit dem früheren Verleger, das Unternehmen 
für meinen Verlag zu erwerben und nach Gewinnung 
einer Anzahl bewährter Mitarbeiter aus dem Kreise 
der Brüderschaft auf’s Neue in’s Leben zu rufen. — 
Die Reichhaltigkeit des Inhaltes dürfte sich zu einer 
anregendon Lectüre für die gel. Brr ganz besonders 
eignen und hoffe ich, dass dio „Asträa“ ihren alten 
Platz sich leicht wieder erringen und auch ferner, 
wie früher, in keiner maur. Bibliothek fohlen werde. 
Leipzig, Juni 1882. Bruno Zeehel. 

Nach drei Monaten bereits erschien die zweite 

Auflage von dem 

Liederbuch 

ftir Freimaurer-Logen. 

Durchgehend mit Melodien versehen. 
Horausgegeben von 

Br Robert Fischer und Br Wilhelm Tschirch. 

Preis M. 9.00. 

bei 6 Expl. k M. 1.50. — bei 19 Bxpl. k X. 1.95. 

Ausser in den bereits namhaft gemachten Logen 
und Kränzchen ist neuerdings obiges Liederbach 
noch eingeführt worden in den Orienten Bern — 
Giessen — Greiz — Halle a. 8. — Kirchberg i. S. 

— Landeshat I. Schl. — Lommatzsch — Meissen 

— Nenhaldensleben — Oberstein — Offenbaeh 
a. M. — Ohl au — Ostrowo — Reutlingen — 
Stargard i. P. - Strassburg i. E. und Suhl, so 
dass die Einführung nunmehr bereite in 26 Logen 
und 6 Kränzchen erfolgt ist. 

Ferner hat die Grosse Loge des Frei¬ 
maurer-Bundes zur Eintracht in Darm stadt 
das Liederbuch vorKurzem ihr en Töchter¬ 
logen offiziell zur Anschaff ung empfohlen. 

Allen betheiligten Logen, Kränzchen und ein¬ 
zelnen Brüdern spreche ich für dio freundliche Auf¬ 
nahme hierdurch meinen br Dank aus und halte das 
Liederbuch auch zu anderweiten Einführungen an¬ 
gelegentlich empfohlen. 

Leipzig, im Juni 1882. Brune Zeehel. 


Als Geschenk für Schwestern empfohlen: 

Lenz und Liebe. 

Johannisgruss 

für 

Schwestern, Bräute und Gattinnen 

von 

Oswald Marbach. 

Elegant gebunden 4 Mark 25 Pf. 

Zu beziehen direct vom Verleger sowie durch alle Brr Buchhändler, 


In Berücksichtigung der bevorstehenden Logenferien soll die No. 7 dieser 
Monatschrift (Juli 1882) erst Ende des Monats August ln Verbindung mit N®. 8 
aus gegeben werden. _ Der Herausgeber^ 

Hierzu eine Beilage von G. Siwinna in Kattowitz. 

*“ Vorlag von Br Bruno Zecbal in 1*4)ip z i g. — Druck von Br C. G. Naumann ln Leipzig. 


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Juli 1882 


9. Jahrg. Nr. 7. 


Am Reissbrete. 


Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Ärchimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Ärchimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für.Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise) Beiträge bringen, die in den Logenversatninlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Co rr es po n d e n z - B u reau’s. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legttimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann onter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt - Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine Insertionsgebfihr von 16 Pfennigen för die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Das Wesen der Freimaurerei. — Ansprache an neu beförderte Gesellen. — Aue 
dem Engbunde: Zur Geschichte der Loge Balduin tur Linde. 


Das Wesen der Freimaurerei. 

Instructions-Vortrag von Br F. Schuster, Mstr. v. St. 
der Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig. 

Wenn wir einen prüfenden Blick auf den all¬ 
mählichen Entwickelungsgang der Frmrei werfen, 
so finden wir, dass dieselbe innerhalb des uns 
geschichtlich vor Augen liegenden Zeitraumes 
von einander ziemlich verschiedene Phasen durch¬ 
gemacht hat. Es wird uns dieser Umstand deut¬ 
licher, wenn wir nicht von heute zu gestern und 
nicht innerhalb des Berichtes einer einzelnen 
Loge oder eines einzelnen Orientes die Erwägung 
darstellen, sondern das ganze grosse Arbeitsfeld 
des Bundes bei verschiedenen Volkss'tämraen und 
in grösseren Zwischenräumen mit einander ver¬ 
gleichen. 

Die Frmrei ist ein Kind und wir dürfen so¬ 
gar wohl sagen ein wohlgerathenes Kind der all¬ 
gemeinen menschlichen Bildung, und sie konnte 
darum auch nicht umhin sich den verschiedenen 
grade herrschenden Richtungen des mensch¬ 
lichen Bildungsganges anzuschHessen und von 
diesem nicht selten recht gewichtige und heil¬ 
same, mitunter aber auch auf falsche Wege ver¬ 
lockende Eindrücke anzunehmen. Beschränkten 
sich diese Eindrücke iu der Hauptsache auch 
meist auf die äussere Form des Bundes, so 
konnte es doch nicht ausbleiben, dass die Ge- 
sammtrichtung des Denkens und Empfindens eiuer 
gegebenen Zeit, sowie deren allgemeine Lebens¬ 
gewohnheiten und bedeutungsvolle Ereignisse sich 


auch dom inneren Geistesleben des Bundes mehr 
oder weniger maassgebend aufdrückten. 

Der Frmr der Gegenwart ist wohl vielfach 
ein ganz anderer als der ehrsame Werkraaurer 
des Mittelalters, der unter des Meisters Augen 
und nach seinem Plan in schwerer und ange¬ 
strengter Arbeit die Prachtbauten mit aufführen 
half, die wir noch heute austaunen. Der praktisch 
kalkulirende Amerikaner, der formenstrenge Eng¬ 
länder, der ritterlich romantisch heissblütige Ro¬ 
mane, der in die Tiefen des Gemüthslebens sich 
vorsenkende Deutsche, der ernste und strenge 
Nordländer, sie alle zeigen eine sehr verschieden¬ 
artige innere Auffassung und äussere Darstellung 
der Maurerarbeit. Selbst im gleichen Stamme 
und im gleichen Oriente mögen verschiedene 
Systeme sich in der Bundesarbeit charakteristisch 
unterscheiden. 

Dieser Umstand jedoch, weit davon entfernt 
die gute Sache zu beeinträchtigen, ist vielmehr 
ein Förderungsmittel für dieselbe und ein deut¬ 
licher Beweis des in ihr waltenden frischen 
Lebens, denn er thut ja dar, dass der Einzelne 
die Sache des Bundes in sein eigenes Geistes- 
lebeu wirklich aufgenommon hat und sie in der 
ihm eigentümlichen Weise verarbeitend als neues 
geistiges Zeugungsprodukt zur frischen, leben¬ 
digen Erscheinung bringt. 

Bei aller dieser Verschiedenheit ist aber doch 
ein Bestimmtes, Ausdauerndes im Bupde, das 
ihm von Anfang an eigen war, das ihm in allen 


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Entwickelungsstufen geblieben ist, das in allen 
Nationen, Systemen und Individuen gleichartig 
sich vorfindet und das der Brrschaffe für alle 
Zeiten und Verhältnisse bleiben muss, weil in 
ihm und durch dasselbe ein der ganzen gebil¬ 
deten, denkenden und fühlenden Menschheit ge¬ 
meinsames geistiges Bedürfniss Befriedigung und 
höheren Aufschwung findet. 

Wir wollen versuchen dieses Gemeinsame und 
Dauernde aufzufinden, das sich wie der oft er¬ 
wähnte rothe Faden durch das Ganze der Frmrei 
hindurchzieht, indem wir historisch prüfend einen 
Blick werfen auf drei äusserlich sehr von einander 
abweichende Entwickelungsphasen des Frmrbundes 
und das allen gemeinsame Streben nach einem 
gleichen Ziele. Wir stellen darum zunächst ein¬ 
fach die Frage: 

Was war und was ist die Frmrei? 
und antworten darauf: 

1) ein edles Handwerk, 

2) ein romantisches Geheimniss und 

3) ein Asyl reiner Menschlichkeit. 

Ob aus dem fernen Alterthum schon Be¬ 
ziehungen zu uns herüberreichen, wir können es 
wohl vermuthen, aber zu einer völligen Gewiss¬ 
heit vermögen wir nicht zu gelangen. Das aber 
steht historisch nachweisbar fest, dass unser 
jetziger Frmrbund in directer Folge von jenen 
ehrsamen, kunstsinnigen Baugenossenschaften des 
Mittelalters abstammt, deren erhabene Werke 
zum grossen Theil noch vor unseren Augen 
stehen. 

Das Kunstwerk spricht für den Künstler. Die 
vollendete That ist ihre eigene beste Erklärung. 
Ein Blick auf jene Bauten sagt mehr, als die 
längste Rede nachzuweisen vermag. Wer in 
Strassburgs Münster staunend verweilte, wer 
Meissen, Magdeburg, Erfurt, Cöln, Ulm und an¬ 
dere Kunststätten gesehen, wer durch Nürnbergs 
Strassen wandelte, der mag wohl sagen, dass er 
an ihren Werken sie erkennen lernte, der be¬ 
kennt freudig und laut, dass es ein edles Hand¬ 
werk, eine erhabene Kunst war, die solches zu 
schaffen vermochte. 

Zwar viel des Barbarischen, Rauhen und 
Unentwickelten wird uns aus jenen Zoiten be¬ 
richtet, aber es war dennoch eine grosse, reiche 
und gemüthvolle Zeit, jenes Mittelalter, dessen 


Werke mit so beredter Stimme noch heute zu 
uns sprechen. Die rauhe Schale barg einen 
edeln Keim. Ein starker, unerschütterlicher 
Glaube, ein fester Wille, vor allem eine eigen¬ 
tümliche, ungeheuchelte Frömmigkeit im Ge¬ 
wände romantisch begeisterten Schönheitsinnes 
beseelte die Männer, die, ausgestattet mit hoch- 
entwickelter , technisch-wissenschaftlicher Kennt- 
niss und Fertigkeit, vor unüberwindlich scheinen¬ 
den Schwierigkeiten nicht zurückweichend, durch 
Menschenalter hindurch dem fernen Ziele unab¬ 
lässig nachstrebten, das der Meister im Geiste 
geschaut, das aber erst der Enkel zu vollenden 
hoffen durfte. Klein und gering war der Ruhm, 
wohl auch der irdische Lohn des Einzelnen, der 
ein Leben lang Steine zu behauen und an ein¬ 
einander zu fügen berufen war, ohne des fer¬ 
tigen Werkes sich je erfreuen zu können. Aber 
der Gesammtheit der Corporation, allerdings erst 
in den Nachkommen, wurde Ruhm und Ehre zu 
theil. Das spätere Mittelalter war die Blütezeit 
der treuverbundenen Genossenschaften und die 
Zunft der Steinmetzen war eine der geeintesten 
und am festesten verbundenen. 

Ein edles Gebrauchthum aus Saft und Blut 
des Bundes entsprungen, d. h. von ihren täg¬ 
lichen Arbeiten, ihren Bauregeln sinnbildlich 
entnommen, verband die Brüder Steinmetzen in 
herzlicher und brüderlicher Treue, dass sie sich 
erkennen mochten auch im fernen Lande, wohin 
nach Maurerart sie zu wandern liebten, ferne 
Länder zu sehen, fremdes Gebrauchthum zu er¬ 
kennen und ehrenwerthe, lohnende Arbeit zu 
finden. Grundsätze der Wissenschaft, der Geo¬ 
metrie entnommen, von den Vätern ererbte 
Kunstgebräuche, mechanische, technische u. dergl. 
Fertigkeiten waren ihr Geheimniss, das sie als 
Wissende emporhob über die Menge gewöhn¬ 
licher Arbeiter und ihr Selbstgefühl gerecht 
steigerte. — Fürwahr ein schönes Geheimniss, 
ein edler Bund und ein grosses erhabenes Ziel! 
— Wir mögen uns darum mit Freuden rühmen 
von ihnen abzustamraen. Wollte Gott, dass wir 
es ihnen gleichthäten in gläubiger Frömmigkeit, 
in brüderlicher Anhänglichkeit und festem Willen! 

Aber nichts Aeussorliches ist bleibend auf 
Erden. Die Menschheit schreitet unaufhaltsam 
vor in Bildung und Erkenntniss, ob auch dem 


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einseitigen Urtheil der Zeit Verschlechterung und 
Rückschritt in mancher unvermeidlichen Durch- 
gangsperiode zeitweilig entgegen zu treten scheint. 
Die Rauhheiten und mit ihnen die Ursprünglich¬ 
keit des Mittelalters rundeten sich ab; die Sitten 
wurden feiner, wenn auch nicht reiner; die Er¬ 
kenn tniss nahm zu an Breite und wohl auch an 
Tiefe; die Äussere Anschauung des Menschheit¬ 
lebens wurde geregelter und gebildeter, aber 
auch schwächlicher und gezierter; die Corporation 
der Handwerksmaurer konnte ihre geheimen 
Kenntnisse und Eigentümlichkeiten nicht bergen 
vor der forschenden Kritik fortgeschrittener und 
verbreitender Wissenschaft. Darum wandelte sich 
die reale Werkbaugenossenschaft in idealer, all¬ 
gemein sittlicher Auffassung in eine Brüderschaft 
symbolischer Baukünstler, bestrebt, das Werk 
der Vorfahren geistig fortzusetzen und in Form 
des Geheimbundes zu höherer Fortbildung des 
Menschengeschlechts sinnig zu verwenden. 

So gestaltete sich denn aus dem edeln Hand¬ 
werk, der Zeitempfindung entsprechend, 
ein romantisches Geheimniss. 

Es war allerdings eine schwächliche Zeit, die 
wir so gern mit dem Spottnamen der Zopf- und 
Perückenzeit zu benennen pflegen. Mit der 
mittelalterlichen Rohheit schwand aber auch die 
mittelalterliche Kraft und eine übertriebene Fein¬ 
heit und Stutzerhaftigkeit der Form übertünchte 
nicht selten doch nnr die Rohheit der Empfin¬ 
dung. Pedantische Moral ging Hand in Hand 
mit raffinirter Unsittlichkeit. Das charakteristisch 
Nationale drohte sich aufzulöseu in einen huma¬ 
nistisch schwächlichen Kosmopolitismus. Anstatt 
der Gottesfurcht, Tugend, Ehre und gesunder 
Arbeitslust gewann die Mode die Herrschaft 
und das tonangehende Volk der Mode über¬ 
schwemmte die Welt mit seinem Witz, seiner 
Eleganz und seiner laxen Moral. Und doch lag 
ein Keim des Grossen und Bedeutenden in der 
Zeit, die wir so gern und scheinbar nicht ohne 
allen Grund eine Zeit der Erniedrigung unseres 
Volkes zu nennen gewohnt sind. 

Das Jahrhundert der Zöpfe und Perücken, 
der steifen Eleganz und unsittlichen Zerfahren¬ 
heit zeugte aber doch jene Heroen, die unser 
Volk im Reiche des Geistes als das erste und 
bahnbrechende hinstellten, während es im Be¬ 


reiche der Politik fast dem Zerfall entgegen zu 
gehen schien. Die Sturm- und Drangperiode 
der Geister, vom Denker Lessing begründet, von 
der riesig genialen Urkraft eines Göthe und 
Anderer aufgenommen und fortgeführt, ging wie 
ein gewaltiger Orkan durch das Land, reinigend, 
aufklärend und erfrischend. Sie vollendete den 
Sieg der Humanität über Unnatur und Vorurtheil 
und schuf eine unaustilgbare Freiheit der Geister, 
die auf Weisheit und Schönheit gegründet, der 
Stärke nimmer ermangeln wird, deren sie be¬ 
darf, um mit rastloser Energie das hohe Ziel zu 
erringen. 

Jene Knospen- und Blütezeit geistigen Lebens, 
die wir nicht mit Unrecht als den Frühling des 
deutschen Lebens bezeichnen, verfehlt nicht auch 
die Mrei, ein ursprünglich deutsches Kind vom 
schwesterlich verwandten England bis dahin vor* 
herrschend gehegt und neu gestaltet, als edles 
Samenkorn in sich aufzunehmen und für ihren 
Zweck der Menschenbildung und Veredelung eifrig 
zu verwenden. 

Nicht mehr Dome und Ritterburgen schufen 
reale Baugenossenschaften mit Hülfe geheimer 
Kenntniss und verborgen gehaltener Bauregel. 
Die fortschreitende Zeit duldete kein geometrisch- 
chemisch-physikalisches Geheimniss. Wohl war 
das Ritterschwert dem Galanteriedögen, der feder¬ 
umwallte Helm dem dreispitzigen Hut gewichen, 
aber es wehte doch ein ritterlich romantischer 
Zug durch jene Zeit, vielleicht als Nachklang 
vergangener Kraft, oder als Sehnsuchtsdrang nach 
nicht ganz geschwundener Volkstümlichkeit. Ge¬ 
heime Kenntniss, geheimer Bund, geheimes Ge¬ 
brauchthum bot einen gar wunderbaren Reiz, der 
mit poetischer Begeisterung die Gemüther er¬ 
füllte. Ob auch Schwärmerei und Irrthum, ja 
selbst Gaukelei und Betrug sich Bahn brachen 
in die geheimen Hallen, es war dennoch eine 
warm empfundene Poesie in jenem romantischen 
Ritterwesen, das die Form eines edeln mittel¬ 
alterlichen Ordens im harmlosen Spiel nach¬ 
ahmende Begeisterung und innige Anhänglichkeit 
orzeugte und trotz mancher Täuschung den reinen 
Zweck echt menschlicher Veredelung nicht aus 
dem Auge liess. 

Wir dürfen wohl sagen, das romantisch ritter¬ 
liche Geheimniss, das zu jener Zeit die Logen- 


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hallen bargen, hat doch viele Herzen beglückt, 
hat hoch gebildete und warm empfindende Männer 
zu edler That entflammt. — Irrthum, Unklar¬ 
heit, Schwärmerei, die wir hier finden, mögen 
wir prüfend erkennen und sorgfältig meiden, 
aber wir sollen uns nicht stolz uud absprechend 
über jene Zeit erheben, da sie doch als wichtige 
Durchgangsperiode und Entwickelungsstufe unserer 
k. K. zu betrachten ist. 

Die Ritterzeit war das Jünglingsalter der 
Mrei, da gährte es wunderbar auf und trieb 
sonderbar phantastische Blasen, aber es war 
Kraft und Saft und lebendige Begeisterung darin. 
Schon im Rittermantel war sie, was sie ist und 
stets bleiben muss, 

ein Asyl reiner Menschlichkeit. 

Es ist eine materialistische Zeit, in der wir 
jetzt leben, aber es ist doch viel des Grossen 
und Bedeutenden geschaffen worden, mehr fast 
und in kürzerer Frist, als iu jeder andern. Was 
in Handel und Gewerbe, Wissenschaft und Kunst 
und vor allem im Verkehr der Menschheit ge¬ 
leistet worden, es muss eben doch der gesunden 
Entwickelung, der Bildung und somit der Ver¬ 
vollkommnung und Veredelung der Menschheit 
dienstbar sein und darum auch von uns freudig 
anerkannt werden. Aber ein materialistischer 
Zug geht dennoch durch unsere Zeit, wir können 
dies nicht leugnen. Die Periode der Eisen¬ 
bahnen und Telegraphen treibt mit rastloser 
Eile von Erwerb zu Erwerb, von Genuss zu 
Genuss. Es ist schwer bei so fieberhafter Er¬ 
regtheit Frist und Ort zu ruhiger Sammlung des 
Innern zu finden, und doch waltet hier das 
eigentlich geistige Leben, das Werke für die 
Unendlichkeit schafft, während draussen in der 
Welt nur um das Vergängliche gekämpft wird. 
Des Leibes Nahrung und Nothdurft, die durch 
Arbeit im Leben erworben wird, ist wichtig und 
nothwendig, so dass wir ja auch den A. Mstr. 
d. W. darum bitten, doch hat dieselben Bedürf¬ 
nisse auch das Thier. Nur durch grössere Ge* 
Schicklichkeit im Erwerb, durch Ausnutzung 
fremder Kräfte, dürch Fortschritt in der Her¬ 
stellung und leider auch durch Habgier und 
Unersättlichkeit zeichnet sich der Mensch aus. 
Der Mensch, nach Gottes Ebenbildo geschaffen 
und zum geistigen Herrn der Schöpfung berufen, 


verfällt dennoch durch unablässiges Dichten und 
Trachten nach irdischem Mehrgewinn so leicht 
in Gefahr, in Selbstsucht verhärtet, in seinem 
Gemüthsleben zu veröden uud dem Mammon sich 
selbst zu opfern. 

Freudlos und leidlos ist dann solches Leben 
und darum öde, kalt und todt, denn ohne Mit¬ 
gefühl an unserer Mitmenschen Loos erstirbt 
das sonst so warme Seelenleben und erstarrt zu 
kalter Gleichgültigkeit. Theilnahme in Freude 
und Leid bietet die reinste Freude, die sich in 
höherer Entwickelung zur Liebe gestaltet. Die 
Liebe aber ist des Menschen höchstes Gut, das 
ihm den Himmel schon hier auf Erden erschliesst. 

Dieser Menschenliebe, dem Inbegriff und Brenn¬ 
punkt reiner Menschlichkeit, bauen wir eine Zu¬ 
fluchtsstätte. Wir bieten Trotz und Widerstaud 
dem alten Erbfeind, der Selbstsucht, obwohl wir 
schmerzlich gar wohl gewahren, wie oft es ihm 
dennoch gelingt uns von neuem zu umgarnen. 
Wir bemühen uns im Menschen den Menschen, 
im Bruder den Bruder zu lieben, ohne Furcht 
und ohne Hoffnung, und bestreben uns auch 
dieses schöne Gefühl allgemeiner Brüderlichkeit 
auf die ganze Menschheit zu übertragen, um da¬ 
durch alle Unebenheiten, die Religion und Politik 
nur zu eifrig schaffen, auszugleichen und so das 
ganze Erdenrund zu einem Lande der Freude 
und des Friedens zu gestalten, so dass immer 
mehr die Zeit herannahet, deren Ahnung unsere 
Herzen schon so oft hoch begeisterte uud wir 
mit Lust und Freude einstimmten in die hohe 
Prophetie : 

„Und es wird eine Heerde 
Und wird ein Hirte sein!“ 

Ansprache an neu beförderte 
Gesellen. 

Von Br Rob. Fischer in Gera. 

Ihre Beförderung zu der zweiten Stufe der 
Verbrüderung fällt auf die Feior des Johannis- 
festes und dieses in den Hochmittag des Jahres, 
da alles in schönster Blüte steht-, fürwahr ein 
passendes Symbol dessen, was Ihnen in dem 
Gesellengrade geboten wird. Der Schönheit hul¬ 
digt er, und um diese Ihnen recht eindringlich 
vor die Seele zu führen, traten Sie Ihren Umgang 


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mit offenen Augen an, wanderten in engver¬ 
schlungener Kette treuer Freunde und Licht¬ 
genossen und vernahmen den heiteren, aufmun- 
terndeu Gesang. Sie befinden sich, nachdem 
Selbsterkenntniss, Arbeit am rohen Stein, d. h. 
an Ihrem eigenen Ich Ihr Beruf als Lehrling 
gewesen, mitten im Leben, das der Selbstver¬ 
edelung gewidmet ist. Wie aber können Sie solche 
erlangen, wenn Sie nicht nach Edlem strebten, 
wenn Sie nicht an allem Schönen ein lebhafies 
Interesse nähmen, wie es in Natur, Kunst und 
Wissenschaft wahrnehmbar, im fröhlichen Gemüth 
und heiterem Herzen sich widerspiegelt? Wann 
aber zeigt sich alles am schönsten, so wie am 
Hochmittag des Jahres? Da ist die Gluth der 
Sonne am stärksten, da strahlt sie in ihrem 
herrlichsten Lichte und belebt alles in der weiten 
Natur. Und wann ist die Begeisterung für die 
Sache der Maurerei am höchsten, so wie am 
Johannistag, am Tage der Maurer, da das Be¬ 
wusstsein der Gemeinsamkeit unserer Interessen 
auf dem weiten Erdenrund in uns lebendig wird, 
wo wir uns Eins fühlen mit Allen, die da sich be¬ 
kennen zu unserem Altar der Wahrheit und sich 
sammeln mit uns um die 3 heiligen Kerzen. 

Ein Licht ist es, das uns heut allen leuchtet, 
das ewige Licht des Himmels, das die Erde 
erhellt; Ein Geist ist es, der in uns allen heut 
weht, der Geist der Liebe, der alle Creaturen 
ernährt; Eine Flamme ist es, die in unser aller 
Herzen loht, die Flamme der Begeisterung für 
ein hohes Ideal, dem unsere Kunst gewidmet ist. 
0, welch* herrlicher Gedanke, der so in Dinen 
bei Ihrer heutigen Beförderung auftaucht und 
sich Ihnen tief einprägen mag für Ihre ganze 
raaurerische Laufbahn, für welche Sie dereinst 
geboren wurden beim Empfang des maurerischen 
Lichtes und die nun sich Ihnen aufthut im 
schönsten Glanze. Wenn nichts Ihnen diesen 
heutigen Schritt zu einem erhebenden Moment 
stempeln sollte, so ist es diese Erwägung und 
dieser Gedanke. Blind würden Sie sein und 
noch mit der Binde der Unwissenheit versehen, 
wenn Sie nicht zu dieser Erkenntniss kommen 
sollten; Sie würden kalt stehen in dor Kette der 
Brüder, wenn nicht diese Gluth der Begeisterung 
Sie durchwehen sollte; Sie wären nicht würdig, 
diese Auszeichnung der Beförderung zum höheren 


Lichte zu erhalten, wenn nicht erneutes, frisches 
Leben in Ihnen pulsiren sollte, das Sie enger 
und inniger mit uns verbindet. 

Um diesen, wenn auch gerade an dem heutigen 
Tage noch besonders zur Betonung gelangenden 
Gedanken zum äusseren Ausdruck zu bringen, 
hat man vielfach für den Gesellengrad den 
flammenden Stern eingeführt als dessen haupt¬ 
sächlichstes Symbol, einen achteckigen Stern, von 
Flammen umgeben, in dessen Mitte ein Auge 
leuchtet und der Buchstabe G zu erkennen ist. 

Dieser flammende Stern ist das Sinnbild 
des ewigen Lichtes der Wahrheit, dessen Urquell 
der A. B. a W. ist; der regelrechte Stern ist 
das geordnete Leben des Menschen, auf welches 
das allsehende Auge Gottes herabschaut, und 
die Flammen deuten auf die Begeisterung, die 
den Menschen zu allem Guten, Wahren und 
Schönen erheben soll. 

0, so möge dieser flammende Stern Ihnen 
Leitstern sein durch die Nächte dieses Lebens, 
Sie mahnen an den Schutz von oben, dessen der 
Wanderer im Erdenthale bedarf und theilhaftig 
wird, wenn er die Wahrheit redlich sucht und 
das Gute ernstlich anstrebt! Er sei Ihnen das 
Ideal des Lebens, in dem Sie zur wahren Ver¬ 
edelung Ihrer selbst gelangen! Der Mensch ohne 
Ideal ist ein bedauernsweithes Geschöpf; der 
Mensch ohne höheres Streben gleicht dom ge¬ 
dankenlos dahin laufenden Thiere; der Mensch 
ohne den Eindruck und Einfluss des Schönen 
und Edlen lebt nur ein halbes, lebt kein wahr¬ 
haft menschliches Leben. Das soll Ihnen der 
Gesellengrad sagen, dazu will er Sie anhalton, 
darin bestärke Sie der Gedanke an den flammen¬ 
den Stern. 

Meine Brüder! Unsere k. K. und unser Bund 
wären längst dahin und ein Raub der flüchtigen, 
alles vernichtenden Zeit geworden, wenn nicht 
das Ideal sie aufrecht erhalten und über alle 
Strömungen hin weggeholfen hätte, die sie hinweg¬ 
zuspülen drohten, wenn nicht Brüder voll heiliger 
Begeisterung für sie gewirkt hätten. Und ob 
man auch heute über unseren Bund herfällt und 
ihn, selbst im eignen Innern, als eine unhaltbare 
Institution hinstellt, das unvergängliche Ideal 
des Wahren, Guten und Schönen, das unabhängig 
ist von allen zeitlichen Anschauungen, bewahrt 


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54 


der Freimaurerei ihren Bestand, wie man mit 
Recht von ihr sagen kann, dass sie war, ist und 
sein wird, so lange dem Menschen das Ideal 
nicht abhanden kommt. 

So erfassen Sie im Sonnenglanze des Hoch¬ 
mittags den Blüthenschmuck der Sommerwende, 
im Gluthenstrom der Reifezeit das Ideal der 
Freimaurerei und tragen Sie es in Ihrem Innern 
lebendig und hinaus ins Leben, dass es Früchte 
trage aller Orten, wo Sie stehen und schaffen! 

Du Flammenstem in hellem Licht, 

Daraus die ow’ge Wahrheit spricht, 

Sei Leitstern uns auf ird’scher Bahn 
Und führe du uns himmelan! 

Du Flammenstern mit deinem Aug’, 

Des höchsten Meisters Lebenshauch, 

Dir weih’n wir uns zu jeder Frist, 

Bis uns das ewige Leben fliesst! 

Du Flammenstern, in dunkler Nacht 
Bleibe bei uns mit deiner Pracht, 

Du Ideal der Maurerei, 

Erhalt’ vom Trug der Welt uns frei ! 

Du Flammenstern, dir sei goweiht 
Die edle Kunst in Ewigkeit, 

Und jedem Bruder leuchte du 
Bis zu des Grabes letzter Ruh! 


Engbund der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

5. Vortrag des Br F. Fuchs. 

Die Brr Bracke und Schuffcnhauer hatten 
schon öfter ihr Missfallen über die Neuerungen 
und Abweichungen von dem früheren Gebrauch¬ 
thum ausgesprochen. Br Bracke glaubte auch 
ein besonderes Recht dazu zu haben, weil er zu 
den Stiftern der Loge gehörte, früher Bürge für 
den jetzigen Logenmeister Eckold gewesen war 
und wohl auch, weil man auf sein gesundes, 
gerades Urtheil immer etwas gegeben hatte. 
Nun schien zu jener Zeit der Br Eckold mit 
einer Anzahl anderer Brr sich mit Vorliebe mit 
dem Hochgrad wesen zu beschäftigen und mancher¬ 
lei Neuerungen im Ritual bei Tafellogen und 
Logenarbeiten mochten zu dem Gerücht, das 
nicht blos unter den Brrn der Linde, sondern 
auch unter den Brrn Minervas verbreitet war, 
Veranlassung geben, man wolle in der Loge zur 
Linde dio Ilochgrado einführen. Die älteren 


Brr waren damit sehr unzufrieden, besonders da 
Br Eckold bei einer Gelegenheit, als von „hoch¬ 
erleuchteten Brrn“ gesprochen wurde, gesagt 
hatte: „er habe sich höhere Kenntnisse im Orden 
erworben, brauche aber nicht zu sagen woher? 
und von wem? und er sei dem Frager als einem 
blossen Johannisbruder Antwort zu geben nicht 
verpflichtet.“ Der alte ehrliche Br Bracke, der 
sonst vielleicht vorsichtiger gewesen wäre, be¬ 
nutzte die Gelegenheit, als Br Schuffenhauer 
höchst ungeschickt bei geschehener Umfrage in 
einer Lehrlingsloge wegen dieser Neuerungen den 
Meister interpellirte und sagte: „dass er von 
dieser Sache viel vernommen habe und sich nach 
seiner Pflicht verbunden halte, öffentlich zu sagen, 
dass einige sonst gute Brr dieser Loge von 
schändlichen Betrügern wären belogen und be¬ 
trogen worden, und der Grossmeister selber dazu 
Gelegenheit gegeben, dass solches geschehen wäre.“ 
Man muss die Erklärung Br EckokPs ganz in 
Ordnung finden, „dass sothane Fragen sich in 
keiner Lehrlingsloge geziemen und er hier kraft 
seines Amtes nicht verantwortlich sei; er müsse 
sich wundern, dass ein so alter und in der 
Maurerei so erfahren sein wollender Bruder, wie 
Br Bracke, sich solches gesetzwidrige Betragen 
zu schulden kommen lasse.“ Eine weitere Aus¬ 
einandersetzung wurde durch sofortigen Schluss 
dieser als „stürmisch“ bczcichneten Logo ab¬ 
geschnitten. Diese „stürmische Loge“ hatte aber 
ein trauriges Nachspiel. In der nächsten Logen¬ 
versammlung gaben sich zwar mehre Brr Mühe, 
den Vorgang in milderem Lichte darzustellen: 
„dio betreffenden Brr hätten den Logenmeister 
nicht constituiren wollen, sondern nur um eine 
Erklärung gebeten.“ Nach mehrfachen Verhand¬ 
lungen, trotz des von verschiedenen Seiten er¬ 
hobenen Widerspruchs, wurde vom Logenmeister 
„zu Aufrechtorhaltung und Handhabung der Ge¬ 
setze decretirt, dass Br Schuffenhauer nach § 17 
des Gesetzes auf 3 Monate excludirt sei, während 
dieser Zeit er seine Rechtfertigung darbrifigen 
und die begangene Gesetzwidrigkeit gut machen 
könne, und dass Br Bracke im Umlauf so lange 
nicht aufgeführt werden könne, bis er durch 
sein Bemühen die Ruhe der Brr so gut wieder 
hergestellt, als er solche durch Verletzung der 
Meisterwürde gestört habe.“ Dieser Entscheid 
wurdo den betreffenden Brrn durch ein mit dem 
grossen Logensiegol beglaubigtes Decret eröffnet. 
Da ihre Rechtfertigung vom Logenmeister nicht 
angenommen wurde, beschwerten sie sich über 
dessen Verfahren und das ihnen angethane Un¬ 
recht bei der Grossen Landesloge. Br Brackfe 
sagt in seiner ausführlichen Beschwerdeschrift, 
in der er das Verhalten des Br Eckold dar¬ 
legt : „Durch dieses Dccret bin ich nun von dem 
Logenmeister, nachdem ich meine Pflichten im 


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55 


Orden and aach als Stifter auf das getreulichste 
za erfüllen mich bestrebt habe, so gut wie aus¬ 
geschlossen und mein bis hierher mit so grosser 
Sorgfalt bewahrter guter Ruf und Name, welche 
ich höher als mein Leben geachtet, hat dadurch 
einen grossen Schandfleck erhalten. Mein Ge¬ 
wissen beruhigt mich, dass mir noch nie in Sinn 
gekommen ist, die Loge zur Linde auf irgend 
eine Art zu zerstören, sondern vielmehr immer 
gesucht habe, solche nach denen Gesetzen zu 
halten. Der Logenmeister selbst wird mir auf 
sein Gewissen bezeugen müssen, dass ich gewiss 
nie eine widrige Absicht in Logenangelegenheiten 
geäussert, sondern ihm immer zu derselben 
Bestem meine besten und redlichsten Meinungen 
werde mitgetheilt haben.“ (Dem Br Bracke, 
welcher als der letzte unter den Stiftern der 
Loge 1820 in d. e. 0. einging, wird bei seinem 
Scheiden nachgerühmt: „er habe sein ganzes 
Leben ächte Maurerei geübt und ihre Zwecke 
niemals aus den Augen gelassen.“) Die Gross¬ 
loge forderte den Br Eckold zweimal in Terminen 
von je 3 Wochen zur Verantwortung, „da er 
aber weder etwas zur Aufklärung der Sache noch 
zu seiner Vertheidigung that, so suspendirte ihn 
die Grosse Landesloge bis nach geschehener Ver¬ 
antwortung als Grossmeister“ und übertrug die 
Regierung der Loge dem 1. Aufseher Br Voss. 
Diese Suspension kam jedoch post festum, denn 
bereits in der Wahlloge 1800 hatte Br Eckold, 
der vielleicht ein ungünstiges Resultat aus diesem 
Streite ahnen mochte, trotzdem er wieder gegen 
zwei Stimmen zum Grossmeister gewählt war, 
aus „triftigen Gründen“ sein Amt niedergelegt 
und den 1. Hammer dem Br Voss übergeben. 

Unter Br Eckold’s Hammerführung wurde 
wieder einmal der Besuch der zum System 
Royal York gehörenden Logen, der in den letzten 
Jahren gestattet gewesen, verboten. Die Loge 
Royal York theilte sich in Berlin in 4 St. Jo¬ 
hannislogen; aus den Repräsentanten dieser und 
den früher gestifteten Töchterlogen bildete sich 
„unter dem Einfluss des geistreichen, gelehrten 
und für die Maurerei eifrigen Bruders Fessler 
zu Johannis 1798 eine eigene dirigirende Gross¬ 
loge unter dem Namen: Grosse Loge der Frei¬ 
maurer : Royal York zur Freundschaft. Die 
National-Mutterloge zu den 3 Weltkugeln blieb 
mit der neuen Grossloge in dem guten Vernehmen, 
welches bis dahin zwischen ihnen stattgefunden. 
Die Grosse Landesloge von Deutschland wollte 
aber die neue Schwester nicht als Grossloge 
anerkennen, woraus ein höchst beklagenswerther, 
selbst in der Aussenwelt viel Aufsehen erregender 
Streit entstand, der sogleich dazu führte, dass 
die erstero den Brüdern von Royal York ihre 
Pforten schloss und den Mitgliedern ihrer Logen 
untersagte, irgend eine der zu Royal York ge¬ 


hörenden Logen zu besuchen.“ Ein in den Acten 
der Linde befindliches 7 Bogen starkes Schrift¬ 
stück sucht in weitläufigen Deductionen das Ver¬ 
fahren der Grossen Landesloge zu rechtfertigen. 
Die Linde scheint sich an das Verbot nicht ge¬ 
kehrt zu haben, nicht einmal das ganze Schrift¬ 
stück wurde zur Kenntniss der Brüder gebracht; 
in einer Logen Versammlung wurde ein Theil des 
Schriftstücks vorgelesen, später kam man noch 
einmal darauf zurück, indem man den Beschluss 
fasste, „dass man zwar die Brr der Loge Royal 
York, aber nicht der von ihr constituirten Logen 
bei uns zulassen wolle, eine Ausnahme jedoch 
wolle man mit der Hohensteiner Loge machen, 
da solche in unserem Lande befindlich und viele 
unserer Brr mit ihr in genauer Connexion stehen 
und um Limitation bei der Grossen Landesloge 
nächstens ansuchen.“ 

Nachdem Br Eckold trotz seiner Wiederwahl 
zum Grossmeister resignirt hatte, übernahm Br 
Georg Voss, Buchhändler in Leipzig, die Regierung 
der Logo und stand an deren Spitze bis zum 
23. Sept. 1805. Er wurde stets einstimmig wieder 
gewählt; vor der Wahlloge 1804 bat er von 
seiner Wiederwahl seiner vielen Geschäfte wegen 
abzusehen; Br Eckold erhielt die Stimmenmehr¬ 
heit, doch Br Voss selbst und eine Anzahl der Brr 
bezweifelten die Legalität der Wahl, weil Eckold’s 
Zerwtirfniss mit der Gr Landesloge noch nicht 
gehoben war, und Br Voss wendete sich an die¬ 
selbe um Verhaltungsmaassregeln. Er schreibt: 
„Ich sehe kein anderes Mittel, als Ihre gütige 
liebevolle brüderliche Dazwischenkunft, um die 
wirklich bedeutenswerthe gute Linde im gehörigen 
thätigen kräftigen Gange zu erhalten und es 
dürfte in der That für einen unparteiischen Ab¬ 
geordneten kein unbelohntes Geschäft sein, die 
Gemtither zu beruhigen, zu vereinigen und Ein¬ 
tracht und Bruderliebe herzustellen. Wie sehr 
würde ich mich besonders freuen, wenn Brr wio 
Bracke, Eckold und mehre älteren Brr in das 
innige herzliche Verhältniss gesetzt werden könn¬ 
ten, welches meiner guten Loge so nöthig ist.“ 
In der Antwort heisst es: „Mit Leidwesen sehen 
wir, dass unter der Brüderschaft der Linde der 
Geist der Unzufriedenheit abermals eingekehrt zu 
sein scheint. — Was den Br Eckold betrifft, so 
können wir nach dem, was vor einigen Jahren 
vorgefallen, demselben nicht eher den Hammer als 
Logenmeister an vertrauen, bis dorselbe sein zu der 
Zeit begangenes Unrecht oinsehen und eingestehen 
wird; auch muss dieser Br auf seine vermeint¬ 
lichen hohen Grade Verzicht thun und versprechen, 
unsere Gesetze heilig zu halten und zu handha¬ 
ben.“ „Gern würden wir es sehen, wenn Sie die 
Logenmeisterstelle behielten, oder den hochw. Br 
Bracke zu deren Annahme bewegen könnten, der 
dann durch Ernennung eines ihm bekannten gu- 


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56 


ten thätigen Brs zum deputirten Meister sich ja 
die Arbeiten möglichst erleichtern könnte. Sollte 
aber gegen unsere Wünsche beides nicht geschehen 
können und können Sie die Wahl eines Gross¬ 
meisters nicht auf einen guten ßr lenken, den Sie 
zu diesem Amte fähig halten und mit gutem Ge¬ 
wissen der Grossen Landosloge vorschlagen können, 
so wissen wir kein anderes Mittel, als dass Sie 
vor der Hand die Loge zur Linde schliessen, Con¬ 
stitution und Acten so lange in Ihre Verwahrung 
nehmen, bis die Grosso Landesloge Zeit gewinnen 
kann, einen Deputirten zu beauftragen, um die 
Loge zur Linde wieder in die gesetzliche Ordnung 
zu bringen.“ Br Eckold wurde von der Loge 
aufgefordert, sich bei der Grossen Landesloge zu 
rechtfertigen, diese ging aber auf seine „sein sol¬ 
lende Vcrtheidigung“ gar nicht ein und Br Voss 
liess sich durch die Bitten der Brr bewegen den 
Hammer zu behalten, bis er ihn „bestimmt durch 
die Sorge der Selbsterhaltung und für seine 
Familie und wegen seiner sich täglich mehrenden 
profanen Geschäfte“ den 23. Sept. 1805 den Hän¬ 
den des deputirten Mstrs Br Plato übergab. — 
Schon unter dem 20. October 1798 war für die 
Preussischen Staaten ein „Edict wegen Verhütung 
und Bestrafung geheimer Verbindungen“ ergangen, 
welches auch der diesseitigen Loge, soweit es 
sich auf den Freimaurer-Orden bezog, zur Nach¬ 
achtung mitgetheilt war. Die hierher gehörigen 
Bestimmungen lauten im Wesentlichen, wie folgt: 
„Von den Freimaurer-Orden sind folgende drei 
Mutterlogen „zu den drei Weltkugeln, die Grosse 
Landesloge und die Loge Royal York de TAmitiö“ 
und die von ihnen gestifteten Töchterlogen tolerirt 
und sollen die Verbote auf diese nicht angewendet 
sein. Dahingegen soll jede andere Mutter- oder 
Tochterloge für verboten geachtet und unter kei¬ 
nerlei Bedingung geduldet werden. Den sämmt- 
lichen Mitgliedern der tolerirten Mutter- und 
Tochterlogen wird insbesondere die schon allgemein 
feststehende unauflösliche Unterthanenpflicht von 
neuem eingeschärft. Die Vorgesetzten der 3 Mut¬ 
terlogen haben alljährlich nicht blos die Liste 
aller Tochterlogen sondern auch aller Mitglieder 
nach Namen, Stand und Alter an den König einzu¬ 
reichen. Im Unterlassungsfälle wird eine Geldbusse 
von 200 Thlr. verwirkt und die Weigerung mit 
Verlust der Duldung bestraft. Es soll auch 
gedachten tolerirten Logen nicht gestattet werden, 
jemand vor erfülltem 25. Lebensjahre zum Mitgliede 
aufzunehmen. Eine jede Loge ist verbunden, der 
Polizeibehörde den Ort ihrer Versammlung anzu¬ 
zeigen und darf bei Verlust der Duldung ihren 
Mitgliedern nicht gestatten auser dem angezeigten 
Orte Zusammenkünfte zu halten, welche auf die 
Freimaurerei Bezug haben.“ 

In Sachsen erging unter dem 10. Oct. 1799 


ein ähnliches Rescript, und auch die Loge zur Linde 
war vom Stadtrath zu Leipzig aufgefordert worden, 
Auskunft über ihre Gesetze, Einrichtungen etc. zu 
geben. Br Voss gab im Aufträge der Loge unter 
dem 22. Sept. 1801 die verlangte Auskunft. 
„Ew.haben mir zu eröffnen geruhet, dass ver¬ 

möge gnädigsten Befehls Hochdieselben Auftrag 
hätten, über die hiesigen Freimaurerlogen genaue 
Erkundigung einzuziehen und dass die besondern 
höchsten Befehle vorzüglich dahin gingen: ein Ver¬ 
zeichniss der daran Antheil nehmenden Personen, 
einen Abdruck ihres bei der Correspondenz ge¬ 
führten Siegels und eine Abschrift von ihren 
Gesetzen einzusenden, auch hierbei mit in Erfah¬ 
rung zu bringen, ob die Mitglieder ein besonderes 
Abzeichen unter sich haben, ob sie durch wirkliche 
Eidesleistungen oder an Eidesstatt Bich verbindlich 
machen, auch wann, wo und auf welche Weise die 
Versammlungen gehalten zu werden pflegen. —Was 
nun die Beantwortung anbelangt, so bemerke ich 
zuvörderst, dass bereits ein Verzeichniss der Mit¬ 
glieder der Loge zur Linde so wie ein Abdruck des 
Logensiegels an die höchste Behörde eingesendet 
worden ist. Die Mitglieder tragen, wenn sie in 
der Loge versammelt sind, sonst aber nie, ein 
Abzeichen und dies besteht, wie längst bekannt, 
in einem Schurzfell von weissem Leder. Eigentliche 
Gesetze hat die Loge zur Linde nicht, aber 
gewisse angenommene Verbindlichkeiten, die jedem 
Mitgliede bei der Aufnahme mündlich bekannt 
gemacht werden und zu deren Innehaltung sich 
jedes neu aufgenommene Mitglied in einer konven¬ 
tionell angenommenen feierlichen Form anheischig 
machen muss. Abschriften von Gesetzen können 
daher nicht gegeben werden; so viel ist aber gewiss, 
dass Gottesfurcht und Religion, der feste Vorsatz 
ein guter Staatsbürger, Unterthan, Gatte, Vater 
zu sein, allgemeines Wohl zu verbreiten, Arme 
zu trösten, Nothdürftige zu unterstützen, Kranke 
zu erquicken etc. Grundzüge der Verbindlichkeiten 
eines Freimaurers sind. Die Loge hält ihre 
Versammlungen im hiesigen Schützenhause am 
Ranstädter Thore, die Versammlungstage sind 
nicht bestimmt, sondern es kommen die Mitglieder 
sobald es nöthig ist, zusammen und bleiben wie 
jede gesittete Gesellschaft in guter Ordnung bei 
einander, bis sie über dieses und jenes Gute sich 
vereinigt haben, worauf sie bisweilen noch gemein¬ 
schaftlich eine Abendmahlzeit geniessen. Ein 
Geheimniss des Ordens herrschet ganz allein in 
den Ideen derer, die keine Mitglieder davon sind 
und schädliche Grundsätze kann der Orden gar 
nicht haben, sonst würden seine Säle nicht offen 
stehen dürfen, um selbst Staatsminister, hohe und 
niedere Geistliche in ihre Mitte als Ordensglieder 
aufzunehmen.“ 

(Fortsetzung folgt.) 


Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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Am Reissbrete. August 1882. 

Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Beissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Bautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Märbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimnurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute beteiligten Logen Wird das Blatt anentgeltlich zngeschickt. Einzelne Bit Meister, welche 
ala solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zngeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Insertionsgebfthr von 15 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Memento mori. — St. Joban n isfest 1 oge in der Loge zum Globus. — Aus dem Eng¬ 
bunde: Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde. — Uraltes — Ewigneues. 


Memento mori. 

Beitrag zu einer Trauerloge 
von Br 0. Marbach. 

Nicht der Tod ist schwer und qualvoll, 
nicht das Sterben — der Eintritt des Todes —, 
sondern das irdische Leben, der Weg von der 
Wiege bis zum Grabe. Dieses Leben ist voller 
Mühsal und Draügsäl, Verzweiflung über Ver¬ 
gangenes und Sorge um Zukünftiges ; der Genoss 
beschränkt sich auf die Gegenwart, und diese 
zieht sich in Nichts zusammen zwischen Ver¬ 
gangenheit und Zukunft. Alles Glück des irdi¬ 
schen Daseins besteht nur in Erfüllung von 
Wünschen, die sich als thöricbt erweisen, und 
in Genüssen, die anstatt Begierden zu befriedigen, 
solche nur anregen. Kurz vorübergehende Rabe¬ 
pausen, in denen die Begierden zu Sehnsucht 
sich massigen und die Verzweiflung zu Hoffnung 
sich verklärt, sind das Beste, was das irdische 
Leben bietet. Die Qualen des zeitlichen Daseins 
mehren sich, je länger dasselbe währt; aber sie 
stampfen sich auch ab in demselben Verhältnisse. 
Die Begierden werden zu schwachen Gelüsten, 
die Verzweiflung verwelkt als Resignation; die 
Sorge schwindet in Gleichgültigkeit; Sehnsucht 
und Hoffnung werden zur Zuversicht unsterblichen 
Lebens, wenn sie nicht in einem träumerischen 
Zustande untergehen, der kaum noch den Namen 
des Lebens verdient. Man erkennt dies an, wenn 


man sagt: Das Alter führe den Menschen zur Kind¬ 
heit zurück. Der Greis hat mit dem Kinde die Be- 
dürfhisslosigkeit and die HiJfebedttrftigkeit gemein; 
aber auch die liebevolle Hingebung und das 
Vertrauen zu dem Vater, in dessen Hand sein 
Leben ruht; da aber der Greis nicht wie dtfs 
Kind in der Zeitlichkeit seinen Vater findet, äo 
sucht er ihn in der Ewigkeit. — 

Vor dem Tode des Menschen steigern sich 
in der Regel die Qualen des irdischen Daseins 
bis zur Unleidlichkeit; es ist dies das letzte Atrf- 
flackern des zeitlichen Lebenslichtes?; — man 
hält dasselbe für Todeskampf. Aber das Sterben 
ist kein Kampf, sondern der Friede nach den 
mehr oder weniger langen Kämpfen des Erdefi- 
lebens. Wenn dem Menschen nicht durch das, 
was wir Zufall oder Willkür nennen, ein jähes 
Ende bereitet ist (— vielleicht nur scheinbar! —), 
so tritt stets und deutlich im Sterben ein Zustand 
friedlicher Ruhe, ja glückseliger Befriedigung eiÄ, 
und so weit nicht durch die vofausgegangenCn 
Lebensqualen eine Verzerrung oder Zerstörung 
der Gesichtszüge stattgefunden hat, ist die Seflg 5 - 
keit des endlichen Friedens ausgegossen Über 
das Angesicht des Todten wie Verklärung, wie 
ein Anhauch urewiger Geistigkeit, die in der Tbat 
den Sieg davon getragen hat über die Qual 
der Leiblichkeit. Der irdische Tod ist die 
Wiedergeburt des Geistes ans der Zeit in die 
Ewigkeit! — 


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58 


Das Sterbebett eines guten Menschen, sagt 
man, umschweben die verklärten Gestalten derer, 
die er rechtschaffen geliebt hat auf Erden; — 
so wird die irdische Liebe zur himmlischen 

j 

Liebe, welche voller Zuversicht unvergänglichen 
Lebens ist. 


St. Johannis-Festloge 

den 23. Juni 1882 der Loge zum Globus im 
Orient Hamburg. 

Von Br Wilhelm Wolfers, Redner der Loge. 

Nach den Satzungen sämmtlicher auf der 
ganzen Erde verbreiteten Brr Freimaurer feiern 
auch wir, me Brr, heute das Johannisfest. 

Wir feiern den heutigen Tag als Gedenktag 
unseres Schutzpatrons St. Johannes, der in seiner 
strengen Redlichkeit als Vorbild wahrer Nächsten¬ 
liebe uns im Gedanken vorschweben soll. 

Durch seinen beständigen Zuruf „thuet Busse a 
bestrebte er sich seine Mitmenschen zur Selbst¬ 
erkenntnis aufzufordern und in diesem Sinne 
dürfen auch wir ihn als Apostel der Freimau¬ 
rerei, wie wir dieselbe auffassen sollen, unbedingt 
anerkennen. 

Es ist indess, me geliebten Brr, keineswegs 
meine Absicht den Johannistag zum Studium 
wissenschaftlich geschichtlicher Streitfragen zu 
benutzen, noch viel weniger über die verschie¬ 
densten Auffassungen, je nach den Erklärungen 
der nur durch Rituale und Symbole getrennten 
Systeme zu streiten, überlassen wir derartige 
Fragen gewiegteren Forschern oder aber einer 
andern Arbeitsloge, heute würde eine Auseinander¬ 
setzung über diesen Punkt uns entschieden zu 
weit von der Festarbeit entfernen. 

Wir haben auch keine Veranlassung am 
Freudentage der Brr Freimaurer darüber zu 
streiten, ob die Freimaurerei in ihrem jetzigen 
Bestände uns erst von England regenerirt über¬ 
kommen ist, oder ob auch sohon die urältesten 
Völker unserer bekannten Welt in ihren bevor¬ 
zugten Kreisen Kenntniss der königlichen Kunst 
und ihrer sittlich erhebenden Grundgedanken 
besassen oder nicht, genug, lassen Sie uns, me 
Brr, das Johannisfest im Sinne unseres Vorbildes 
in reinster Freude und mit den edelsten Vor 
Sätzen wahrer Humanität begehen. — — — 


Blicken Sie um sich, me Brr, so ist unser 
Kreis heute zur allgemeinen Freude bedeutend 
grösser als gewöhnlich, möge dieser verstärkte 
Besuch anspornend wirken und für die Folge 
gute Früchte tragen, möchte er die geln Brr 
veranlassen, durch recht fleissigen ferneren Be¬ 
such unserer Arbeiten zu zeigen, dass sie nicht 
etwa durch ihre Aufnahme nur Brr heissen, 
sondern auch in der That Brr sein wollen, ver¬ 
bunden mit uns gemeinschaftlich durch Bruder¬ 
liebe im Allgemeinen und durch den ernsten 
Willen, durch die Arbeit am rauhen Steine 
Selbstvervollkommnung anzustreben. 

Es ist Hochmittag! 

Durch den Hammerschlag unseres sehr ehrw. 
Mstrs hat die Festesfeier begonnen, Jeder soll 
mit offenem Gemtith und Herzen seinen Platz 
ausfüllen und ist, das bin ich überzeugt, auch 
mit diesem ernsten Vorsatze bei uns erschienen. 

Zeigen wir nicht allein hier, sondern auch 
im profanen Leben, dass wir die erhabenen 
Lehren unserer königlichen Kunst in vollster 
Bruder- und Menschenliebe erfasst haben und 
auch erfüllen wollen. 

Es ist Hochmittag! 

Die allliebende Hand des Schöpfers gab uns 
das Licht. Die Sonne steht im Mittag und giebt 
uns nicht allein Licht, auch Wärme. 

Wir, me Brr, empfingen in diesen geheiligten 
Räumen das geistige Licht der Maurerei, hier 
empfanden wir zuerst die wahre Wärme echter 
Bruderliebe, lassen Sie uns bestrebt sein dahin 
zu arbeiten unsern Mitmenschen das geistige 
Licht wahrer Erkenntniss zu bringen und Bruder- 
und Nächstenliebe mit innigster Wärme zu ver¬ 
breiten. 

Wir alle, me Brr, die wir heute zur Festes¬ 
feier vereinigt sind, fühlen die bei unserer Auf¬ 
nahme übernommene Verpflichtung das Werk 
reinster Menschenliebe zu üben und uns an den 
erhabenen Lehren unserer königlichen Kunst 
aufs Neue zu kräftigen. 

Wohl wird der Eine oder Andere durch die 
Sorgen des täglichen profanen Lebens zum Theil 
abgezogen; der göttliche Funke reinster Bruder¬ 
liebe, der in jeder Gestalt und Form heute an 
uns herantritt, wird aber durch die Festfeier das 
Gelübde aufs Neue kräftigen, für die Folge 


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bestrebt zu bleiben, selbst in den schwierigsten 
Lagen des Lebens nie ganz die Uebung des 
freimaurerischen Berufs der reinsten Bruder- und 
Nächstenliebe zu versäumen. Kräftigen Sie sich, 
me Brr, durch die Symbole der heutigen Fest¬ 
feier zu diesem schönen Vorsatz! 

Es ist Hochmittag! 

Wer wird wohl gefühllos bleiben beim An¬ 
blicke der draussen grade in diesem Jab re so 
besonders entwickelten Natur? Auch die Natur 
feiert ihren Hochmittag. Jeder Baum, jeder 
Strauch, jede Aehre und Blüte, jeder Käfer 
und Schmetterling preisen die väterliche Liebe 
des allmächtigen Baumeisters aller Welten, jedes 
Geschöpf stimmt an ein Loblied auf die unaus¬ 
sprechliche Liebe und Güte des Allvaters. 

Seine Liebe sorgt für alles Lebende, und dem 
^Menschen als dem Ebenbilde Gottes ist dies 
Alles in Liebe zur bescheidenen und vernunft- 
gemässen Benutzung übergeben. Auch wir blicken 
dankbar zum Geber allea Guten empor und er¬ 
kennen in der Natur die Bestimmung unserer 
göttlichen Mission durch Ausübung wahrer Bruder- 
und Menschenliebe die geeigneten Werkzeuge der 
göttlichen allgemeinen Liebe sein zu sollen.- 

Jeder von uns wird unzweifelhaft aus der 
Natur die Lehre ziehen, dass, sowie der Allvater 
das Füllhorn seiner Liebe über uns ausgiesst, 
wir auch in Dankbarkeit seinen Willen auszu¬ 
führen uüs bestreben müssen. Dazu giebt uns 
die Freimaurerei durch die Arbeit am rauhen 
Steine der Selbsterkenntniss die besten Mittel. 

-Auch wir selbst, me Brr, befinden uns 

im Hochmittag! 

Rosig erscheint uns im Vollbesitz der männ¬ 
lichen Kraft die Welt, gerne streben wir mit 
Freuden für das Wohlbefinden unserer selbst 
und unserer Angehörigen. Alle Vorsätze unsere 
aufgeschobenen maurerischen Pflichten später er¬ 
füllen zu wollen, liegen nicht in unserem Ermessen. 
Ein Hauch und unser letztes Stündlein hat ge¬ 
schlagen, dann sollen wir Rechenschaft ablegen; 
möchte die Wage der Gerechtigkeit für uns, 
me Brr, dann günstig stehen und wir das An¬ 
denken hinterlassen als wahre Maurer gelebt 
zu haben. — — 

Mögen die bei unserer Aufnahme erhaltenen 
Handschuhe fleckenlos sein, der Schurz den Fleiss 


und die Arbeit bekunden und die weisse Rose der 
Reinheit und Wahrheit unser Grab zieren dürfen. 


Wenn auch im profanen Leben Standes- und 
Ranges-, wohl auch Vermögens Verhältnisse in 
socialer Beziehung uns anscheinend trennen, ja 
sogar unter uns absolut ausgeschlossene con- 
fessionelle Unterschiede mitunter störend einzu¬ 
greifen drohen, bedenken wir, me Brr, dass 
wir Alle Kinder eines Vaters sind, der alle 
mit gleicher Liebe umfängt, streben wir daher 
bei Zeiten ihm nachzueifern. 

So wie die Natur und diese geheiligten 
Räume uns beständig an Bruderliebe und all¬ 
gemeine Liebe gemahnen, so lassen Sie uns, 
geliebte Brüder Freimaurer, bestrebt sein, die 
beute hier aufs Neue empfangenen Eindrücke 
ins profane Leben mitzunehmen zum Segen und 
Nutzen der Freimaurerei im Allgemeinen, zu 
unserer eigenen Befriedigung und aus Liebe zu 
dieser unserer geliebten, gerechten und voll¬ 
kommenen St. Johannis-Loge zum Globus! 


Engbund der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

6. Vortrag des Br F. Fuchs. 

Br Voss zeigte grosses Talent bei der 
Leitung der Loge. Genoss Br Eckold durch 
seine Wirksamkeit im profanen Leben und durch 
seinen durchaus ehrenhaften Charakter die Ach¬ 
tung der Brr und war es ihm dadurch mög¬ 
lich bei seinen freisinnigen Anschauungen auch 
tief einschneidende Maassregeln durchzusetzen 
und entstandene Misshelligkeiten, wenn auch nicht 
immer auszugleichon, so doch niederzuhalten: so 
wusste Br Voss durch Humanität und persön¬ 
liche Liebenswürdigkeit, sowie durch strenge Un~ 
Parteilichkeit die Herzen der Brr in hohem 
Grade zu gewinnen. „Mit seltener Klugheit 
wusste er entstandene Zwistigkeiten unter den 
Brn auf die schonendste Weise auszugleichen 
und nur selten war sein edles Bemühen ohne 
Erfolg. Dabei hielt er strenge auf die Befolgung 
der maurerischen Gesetze, rügte jegliche Ueber- 
tretung, doch so, dass seine Rüge die Herzen 
nicht erbitterte.“ Und das war zu jener Zeit 
keine leichte Aufgabe. Den 5. September 1800 
hielt er einen Vortrag „über die Glückselig¬ 
keit derjenigen Brr, welche vom zeitherigen 
Kriegsschauplätze entfernt in Vereinigung brüder- 


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60 


lieber Harmonie ihre Arbeiten ruhig fortsetzen 
können“ —; dieses Glück war der Loge zur 
Linde zeither zwar zu Theil geworden, aber 
desto heftiger war oft der kleine Krieg zwischen 
den einzelnen Brn entbrannt. Br Voss sähe den. 
Grand davon „in dem Mangel an maurerischen 
Kenntnissen, in der oft fehlenden Bescheidenheit 
der jüngeren Brr den älteren gegenüber und 
in der Nichterfüllung des Maurereides.“ Nach 
den jetzigen maurerischen Anschauungen ist es 
geradezu unbegreiflich, wie man die oft recht 
kleinlichen Zänkereien aus dem profanen Leben 
vor das Forum der Loge bringen konnte und 
es gehörte wirklich die sich immer gleichbleibende 
Herzensgüte eines Voss dazu, um dabei nicht 
missmuthig zu werden. Auch jetzt spukten wieder 
bei einigen Brn „die höhere Erleuchtung und 
die höheren Grade,“ die andere Brr nicht 
anerkennen wollten und als „erschlichen“ be¬ 
trachteten. Br Voss traf hier eine sehr weise 
Entscheidung. Er meinte: „wenn einzelne Brr 
wirklich höhere Grade und damit höhere Er¬ 
leuchtung besitzen sollten, so möge ihnen diese 
niemand streitig machen und es sei Sache solcher 
Brr sich den Beweis dafür zu verschaffen, 
um auch bei den in höheren Graden arbeitenden 
Logen Zugang zu erlangen: — bei der Loge 
zur Linde, die nur die drei Johannisgrado an¬ 
genommen, könne vqn höheren Graden keine 
Rede sein, hier haben dieselben keine Geltung 
und seien auch nicht zu erwähnen, noch sei viel 
weniger darüber zu streiten.“ Die Grosse Landes¬ 
loge war mit der Hammerführung des Br Voss 
vorzüglich zufrieden und es herrschte auch 
zwischen ihr und der Linde jetzt der schon so 
oft getrübte Friede. Wie die Loge zur Linde 
vom Zwiespalt und Hader im Kleinen, so war 
auch die Grosse Landesloge vom Parteihader 
der Zeit und den vielfach sich breit machenden 
reformatorischen Ideen in der Maurerei nicht 
unberührt geblieben; ihr Verhalten der Grossloge 
Royal York gegenüber war sehr gemissbilligt 
worden, mehre Töchterlogen, denen die strengen 
Maassnähmen der Mutterloge nicht zusagten, 
hatten ihre Verbindung mit ihr aufgehoben, 
unter ihnen die Loge zu den 3 Bergen in Frei¬ 
berg, von der der Grosssekretär Br Henne an 
die Linde berichtete: „ihr ehemaliger Logen¬ 
meister Meissner habe mit einem Theile der 
Brüderschaft dieser Loge ein System angenommen, 
nach welchem t man sie nicht mehr als Frei¬ 
maurer anerkennen könne.“ — Die Grossloge 
erliess unter dem 14. Juli 1802 an alle ihre 
Töchterlogen ein ernstes Mahnschreiben, auszu¬ 
harren bei der ächten wahren Maurerei. In 
demselben heisst es: „In diesen für die wahre 
Freimaurerei so bedenklichen Zeiten, wo so 
manche unberufene und unwissende Lehrer in 


derselben auftreten, wo sogenannte Aufklärung 
und Publicität ganz am Unrechten Orte gemiss- 
braucht werden, haben die ersten Beamten der 
Hochw. Grossen Landesloge lange bei sich an¬ 
gestanden, ob sie ferner stillschweigend und 
ausdauernd ihren festen Gang fortsetzen sollten, 
oder ob es gerathen sei, ein Wort der Er¬ 
mahnung und Aufmunterung, ein Wort der Be¬ 
lehrung und, wo es nöthig sein dürfte, der 
brüderlichen Zurechtweisung an die Logen ihres 
Sprengels ergehen zu lassen und ob dieses Wort 
auch ein Wort zu seiner Zeit sein werde. .. . 
Auf der einen Seite schien es unnöthig zu reden, 
wo Handlungen sprechen. Da weder die Grosse 
Landesloge noch die Brr in Berlin, welche diese 
Grosse Landesloge ausmachen, in ihrem Gange 
nie gewankt, nie von dem einmal betretenen 
guten Woge gewichou, müsse dieses hinlänglich 
sein, um alle wohlgesinnten, wahrheitliebenden 
Brr auf demselben Wege unerschütterlich zu er¬ 
halten. . . . Auf der andern Seite sehen wir, dass 
persönlicher und Logenbriefwechsel, grosse Ver¬ 
sprechungen von Aufschlüssen und Erklärungen, 
einschmeichelnde und mitunter verfängliche und 
treulose Zudringlichkeit, angewendet wurde, so 
dass wirklich das rastlose Bestreben der Gegner 
des Lichts nicht ohne Fortgang blieb. . . . Wir 
bedachten, dass es Schuldigkeit sei, dem Falle, 
den man vorhersieht, zuvorzukommen. . . . Wir 
ergreifen also den Zeitpunkt, um Worte der 
warnenden Liebe an Sie, gel. Brr, ergehen zu 
lassen. . . . Sonderbar ist unsere jetzige Lage in 
der Freimaurerei. Wir, die wir vor etlichen 
dreissig Jahren für Aufklärer in derselben, für 
Feinde alles Aberglaubens, aller Schwärmerei 
galten, auch wohl als solche verschrieen wurden, 
wir werden jetzt als Leute angeklagt, die licht¬ 
scheu am Alten kleben, die demselben mit blin¬ 
dem , übertriebenem Vertrauen zugethan sind. 
Wir werden angeklagt, als ob wir die uns an¬ 
vertrauten Akten unserer Grundsätze ungeachtet 
nicht unverändert beibehalten hätten, es wird 
gesagt, diese Akten wären nicht, wie wir es 
glaubten oder vorgäben, die wahren ursprüng¬ 
lichen Akten der Freimaurerei. . . . Prüfen Sie, 
aus welchen Quellen diese Bemühungen fliessen. 
Sind sie frei von Eigennutz, von Ruhmsucht, 
von Sucht sich als Reformator aufzuwerfen? Ist 
es reiner Eifer für das Wohl der Brüderschaft, 
für die Ausbreitung der Wahrheit? Und wenn 
es so wäre, an wen sollte man sich besser 
wenden als an die Grosse Landesloge selbst? . . . 
Ueberlegen Sie, dass Aufklärung und Publicität, 
so gut sie auch an sich sein mögen, doch ihre 
Grenze finden müssen, wenn erstere sich selbst 
zernichtend nicht wieder zur Dunkelheit und 
Verworrenheit führen, letztere aber nicht dadurch 
schaden soll, dass sie die Erreichung gewisser 


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— 61 — 


Zwecke erschwert, wo nicht unmöglich macht. .. • 
Ueberlegen Sie, wenn auch Verrätherei oder 
Leichtsinn einen Theil unserer Akten bekannter, 
als es wohl sein sollte, hatte werden lassen, es 
doch unmöglich ist, diese Akten aus dergleichen 
unvollständigen Bruchstücken richtig zu beur- 
tbeilen. Ueberlegen Sie, dass ebengedachte Akten 
weder von uns, noch wie es die Verleumdung 
gern glauben machen möchte, von dem seligen 
Br von Zmnendorf geschmiedet oder wenigstens 
verändert worden, sondern von guten Brn uns 
überliefert und von uns wiederum unsern Logen 
unverändert mitgetheilt sind. ... Sollten wir 
aber unsere Bemühungen, Wahrheit und Licht 
ungekränkt zu erhalten, verkannt und gemiss- 
deutet sehen, so werden wir uns mit dem Be¬ 
wusstsein unserer guten Absichten trösten und 
eingedenk sein, dass dieses Loos zu allen Zeiten 
die getroffen hat, die es sich angelegen sein 
liessen, die goldene Mittelstrasse zu gehen, die 
allein zum wahren Ziele bringen kann. u 

Wir haben diesen Mahnruf der Grossen 
Landesloge in grösserer Ausführlichkeit gegeben, 
weil er einmal ein allgemeines Bild der Frei¬ 
maurerei zu jener Zeit entrollt, die specifische 
Stellung der Grossen Landesloge in derselben 
kennzeichnet und ausserdem so manches zwischen 
den Zeilen lesen lässt. Ob er reiche Frucht 

getragen ?-Bei der Loge zur Linde scheint 

die Wirkung wenigstens nicht nachhaltig gewesen 
zu sein. 

Mit vielen Logen entwickelte sich unter Br 
Voss’ Leitung der Loge ein lebhafter Verkehr; 
Besuchende sammelten sich aus allen Himmels¬ 
gegenden, besonders zur Zeit der damals lange 
währenden Messen, für deren Dauer man das 
Logonlokal zum ausschliesslichen Gebrauch er- 
miethet hatte. Das Freundschaftsverhältniss mit 
der Schwesterloge Minerva wurde von beiden 
Seiten mit grosser Sorgfalt gepflegt, mit der 
Loge Apollo zu den -3 Akazien, die man als 
Winkeiloga „zur grünenden Eiche* 1 gemieden, 
trat man in gleich freundnachbarliche Beziehungen, 
als dieselbe 1805 eine Constitution von dem 
Provinzial -Grossmeister der unter der Grossen 
Loge zu London arbeitenden Niedersächsischen 
Logen Johann Philipp Beckmann durch den 
deput. Grossmeister Br Schröder erhalten hatte. 

Am Schlüsse des Jahrhunderts, den 31. De- 
cember 1800, feierte die Loge das erste 
Schwestemfest; von der dabei gesammelten Kol¬ 
lekte von 149 Thlr. 6 Gr. wurden allein 125 Thlr. 
an das hiesige neu entstandene Arbeitshaus für 
Freiwillige abgeliefert. Dieses war keineswegs 
eine Strafanstalt, sondern ein Institut, in welchem 
Töchtern wenig bemittelter Eltern nicht mir un¬ 
entgeltlich Unterricht in Handarbeiten ertheilt, 
sondern auch für die gelieferten Produkte an 


Strümpfen, Wäsche etc., wozu die Anstalt das 
Material lieferte, eine Vergütung gewährt wurde. 
Zugleich war damit eine Volksschule verbunden, 
die unter den städtischen Schulanstalten einen 
ehrenvollen Platz einnahm. Nur erst in neuerer 
Zeit, als der Unterricht in weiblichen Hand¬ 
arbeiten obligatorisch geworden war, wurde das 
Institut aufgehoben. Das Fest hatte gefallen 
und wurde zum nächsten Sylvester wiederholt — 
die Armensammlung ergab die erkleckliche Summe 
von 148 Thlr. 18 Gr. Das 25jährige Stiftungs¬ 
fest der Loge wurde am 1. Mai 1801 begangen 
und dabei „eine besondere Kantate“ aufgeführt. 
Auch hatte man 8 Tafellieder drucken lassen, 
von denen das letzte lautet: 

Brüder streckt nun die Gewehre, 

Unser Tagwerk ist gethan. 

0 wer doch vollendet wäre 
Und ein wirklich freier Mann! 

Tag und Nacht in Freud* und Schmerzen 
Such ein jeder es von Herzen, 

Geb* noch hier darauf sein Wort 
Und geh* dann in Frieden fort. 

Gute Nacht, und fröhlich Leben, 

Eh’ wir aus einander gehn! 

Gute Nacht! und Gott wird geben, 

Dass wir uns hier wieder sehn! 

Würde einer hingenommen, 

Sollt* er hier nicht wieder kommeii, 

Hätte Gott das so bedacht, 

Auch dem Bruder gute Nacht! 

Die letzte Zeit seiner Hammerführung wurde 
dem Br Voss vielfach verbittert. Die in diese Zeit 
fallenden Wirrnisse mit den Brn Bracke und 
Hoffmann, welche man zur Zahlung des der 
Loge durch Schlegel erwachsenen Deficits nöthigen 
wollte, sind bereits erwähnt. Ein ähnlicher 
Competenzstreit zwischen der Grossen Landes¬ 
loge und der Loge zur Linde war wegen Br 
Schuffenhauer, welcher sich schon früher einmal 
über den Logenmeister Eckold bei der Grossloge 
beschwert hatte, entstanden. Schuffenhauer war 
„wegen Sucht zu widersprechen, durch ernstliche 
Bemühungen Parteien zu formiren und den jungen 
Brn die wohlgemeinten Absichten der älteren 
Brr verdächtig zu machen und jene gegen diese 
aufzuwiegeln genöthigt worden die Loge zu 
decken, bis er das Vertrauen der Brr wieder 
erworben.“ Schuffenhauer stellte diese Be¬ 
schuldigungen in Abrede und verlangte Beweise 
für dieselben. Die von Br Schuffenhauer um 
Schutz augerufene Grossloge forderte ebenfalls 
„eine kurze, bestimmte und deutliche Beant¬ 
wortung der Anklage, indem es sonst ein Leichtes 
wäre joden noch so rechtschaffenen Br durch 
dergleichen allgemeine unbestimmte Beschul¬ 
digungen aus der Loge zu entfernen.“ Schuffen- 


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hauer hatte ferner behauptet, „seine Deckung 
sei nicht freiwillig geschehen, es sei auch nicht 
wahr, dass er an einem Logcntago im Ankleide¬ 
zimmer gesagt: er erscheine im Aufträge der 
Grossen Landesloge, sondern: er suche auf Ge- 
heiss der Grossen Landesloge seine Verthei- 
digung.“ Endlich sei Br Schuffenhauer „auf 
Grund der allgemeinen Stimmung der Brr gegen 
ihn excludirt worden, welche Stimmung Schuffen¬ 
hauer ebenfalls bezweifle,“ — es wurde der 
Loge nun aufgegeben, die vidimirte Abschrift 
der darauf bezüglichen Protokolle an die Grosse 
Landesloge einzusenden, was anfangs verweigert 
wurde, schliesslich aber doch geschah. „Aus 
dieser Darlegung der Sache“ — sagte die Grosse 
Landesloge — „ergiebt sich von selbst, dass 
Br Schuffenhauer berechtigt war und ist, gegen 
das Verfahren der Loge bei der Grossen Landes¬ 
loge zu appelliren, dass es deren Pflicht ist, die 
Appellation anzunehmen und sie das gegründete 
Recht hat die betreffenden Protokolle zu ver¬ 
langen, ohne dadurch der Gerechtigkeitliebe der 
Loge zur Linde im geringsten nahe zu treten.“ 
Nach Einsichtnahme der Protokolle erklärte die 
Grosse Landesloge, „dass die Loge zur Linde 
bei der Excludirung ihres ehemaligen Mitgliedes 
Schuffenhauer gesetzlich gehandelt habe und 
derselbe vom Orden gänzlich auszuschliessen sei, 
was ihm auch die Grosse Landesloge eröffnet 
habe.“ 

In einem unter dem 12. März 1805 an die 
Grosse Landesloge gerichteten Schreiben, von 
welchem der Entwurf sich in den Akten be¬ 
findet , wird borichtet, „dass ein gewisser Hof- 
und Justizrath von Brandt im Aufträge der Loge 
zu den 3 Degen und wahren Freunden in 
Dresden an sämmtliche Logen Sachsens die 
Aufforderung gerichtet habe, einen gemeinschaft¬ 
lichen grossen Verein zu bilden, um sich von 
dem Einfluss auswärtiger Grosslogen unabhängig 
zu machen und er habe dazu die Grundlinien 
vorgezeichnet.“ — Es waren dies die ersten 
Vorbereitungen zu der 1811 in’s Leben getretenen 
Grossen Landesloge von Sachsen. „Die Loge zur 
Linde habe dieser Aufforderung kein Gehör ge- 
gegeben, sei aber als die einzige Tochter der 
Grossen Landesloge von Deutschland in Sachsen 
in grosse Misshelligkeiten gerathen, denn nicht 
nur werde sie wegen dieser abgelehnten Con- 
föderation von der hiesigen Loge Minerva stolz 
und unmaurerisch behandelt und von derselben 
der Same der Zwietracht in die Herzen der Brr 
gestreut, auch die Altenburger Loge habe einen 
unerträglich stolzen, unfreundlichen und inhu¬ 
manen Ton in ihrem letzten Schreiben ange¬ 
nommen.“ (Die Loge zu Altenburg hatte bei 
Einweihung ihres neuen Logenhauses die von 
ihr gegründete Loge [zu Gera als Tochterloge 


proklamirt, worüber die Brr der Loge zur Linde, 
die sich bei der Feierlichkeit betheiligt, ihre 
Befremdung ausgesprochen hatten. Die Grosse 
Landesloge erklärt darauf die Loge zu Gera für 
ungesetzlich und verlangt von ihrer Tochterloge 
alle Verbindung mit den beiden Logen zu Alten¬ 
burg und Gera bis auf Weiteres einzustellen.) 
„Dieser Zustand sei auf die Dauer unbestehbar; 
solle die Loge zur Linde eine nachdrucksvolle 
Ueberlegenheit und Autorität gegen alle sie um¬ 
gebenden Schwesterlogen erhalten, so möge die 
Hochw. Grosse Landesloge die dringende Bitte 
erfüllen und ihre Tochter zur Linde zur Provinzial- 
Loge von Obersachsen sobald als möglich pro- 
klamiren.“ Das Schreiben scheint aber nicht 
abgegangen zu sein, wenigstens findet sich keine 
Antwort in den Akten; — doch scheint die 
Grosse Landesloge von dem Vorhaben Wind be¬ 
kommen zu haben, denn sie fordert das Proto¬ 
koll von der den 12. März 1805 gehaltenen 
Meisterkonferenz, erhält aber zur Antwort: „dies 
sei nicht möglich, denn es habe an diesem Tage 
keine Meisterkonferenz stattgefunden.“ 

Unter diesen ungünstigen Auspicien über¬ 
nahm der zeitherige dep. Mstr Br Carl Gott¬ 
lieb Plato, Direktor der Rathsfreischule zu 
Leipzig, den 23. September 1805 die Leitung 
der Loge und behielt dieselbe bis zur Wahlloge 
den 7. August 1807. Die Grossloge war mit 
dieser Wahl sehr zufrieden, der Grossmeister 
Br von Castilion sagt in einem an Br Plato ge¬ 
richteten Briefe: „Meine Theilnahme an Ihrer 
Ernennung zum Logenmeister ist um so auf¬ 
richtiger, als ich selbst ein Gelehrter und Logen¬ 
meister aus Erfahrung weiss, wie vorteilhaft 
die erste Eigenschaft auf die zweite einwirken 
kann und umgekehrt die zweite auf die erste. 
Unter allen Menschen, welche dem Staate dienen, 
im Staate leben und durch ihren Fleiss sich er¬ 
nähren, ist der Gelehrte am wenigsten gebunden, 
am meisten von Rücksichten frei und muss 
natürlicherweise auch am wirksamsten sein in 
einer Verbindung, wo nur die Stimme der Wahr¬ 
heit herrschen soll, die Mitglieder derselben in 
Ordnung, Liebe und Eintracht zu erhalten und 
zu einem Ziele zu lenken. Auf der andern 
Seite ist die Freimaurerei eine treffliche Schule 
der Menschenkenntniss, die dem Gelehrten, welcher 
nur unter seinen Büchern lebt, mehrentheils ab¬ 
geht.“ — 

Unter ihm erhielt die Loge zur Linde die 
dritte Constitution von der Grossen Landesloge 
zu Berlin. Man wollte den Namen des früheren 
unglücklichen Logonmeisters Schlegel, „dessen 
Andenken nicht nur für unsere Loge überhaupt 
nicht ehrenvoll sein kann, sondern das auch selbst 
auf jüngere und auf fremde Brr unmöglich einen 
vortheilhaften Eindruck machen kann,“ nicht 


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63 


mehr in der Stiftungsurkunde sehen. Man bat 
um eine neue Urkunde, ausgefertigt auf die 
Namen sämmtlicher damaligen Meister der Loge, 
aber unter Beibehaltung ihrer Matrikelnummer 
und unbeschadet des Alters derselben. Die 
Grosse Landesloge war bereit auf diesen Wunsch 
einzugehen, wenn sich sämmtliche. Brr Meister 
verpflichteten, einen ihnen vorgelegten Revers 
zu unterzeichnen und mit ihrem Siegel zu ver¬ 
sehen. Daran scheiterte jedoch das Verlangen 
die Namen sämmtlicher Meister in der Urkunde 
zu sehen. Wohl mochten schon einige Exem¬ 
plare des Reverses verdorben sein bei der vor¬ 
genommenen Unterschrift und Besiegelung, als 
man beschloss, die Urkunde nur auf die Namen 
der gegenwärtigen Beamten auszustellen. Sie 
wurde ausgefertigt unter „dem 4. Tag der 2. 
Woche des 1. Monats im Jahre der Freimaurerei 
5806 und im Jahre des Herrn 1806. u Nach 
diesem Revers „geloben wir für uns und unsere 
Nachfolger auf Freimaurer-Brudertreue und 
Glauben“ : 

„sowohl sämmtlichen in den uns vormals über¬ 
lieferten Handlungen der drei ersten Freimaurer¬ 
grade befindlichen, als auch der von der Grossen 
Landesloge zu Berlin besonders ertheilten oder 
noch gesetzmässig zu erlassenden Verordnungen 
schuldig, willig und unverbrüchlich jederzeit nach¬ 
zuleben ; 

von unserm Thun und Lassen auch, insoweit 
es die drei ersten Grade der Freimaurerei und 
was dazu gehört, gesetzmässig anbetrifft, bei der 
Grossen Landesloge zu Berlin pflichtmässig Rede 
und Antwort zu geben und derselben Zurecht¬ 
weisungen und Entscheidungen hierüber nicht 
weigern schuldig anzunehmen und zu befolgen; 

Constitution und Akten bis zu einer andern 
Verfügung unter drei verschiedenen Schlössern 
und Schlüsseln, wovon der Logenmeister den 
einen und die beiden Brr Aufseher die andern 
in Verwahrung haben, zu verwahren und Con¬ 
stitution und Akten unweigerlich zurück zu geben, 
sobald solche von der Hochw. Grossen Landes¬ 
loge von Deutschland zu Berlin sollten zurück 
verlangt worden, oder wir uns bestimmen möchten, 
gedachte Grosse Landesloge zu verlassen, und 
dieses ohne uns je zu erlauben eine Abschrift 
von diesen Akten zu nehmen oder nehmen zu 
lassen.“ 

Unter dem 19. Juli 1806 theilte die Grosse 
Landesloge mit, dass sie beschlossen habe, „mit 
der Loge Royal York wieder in ein brüderliches 
Verhältniss zu treten und sandte ihren Töchter¬ 
logen einen von den Brn Grossbeamten und 
mehren älteren Brn genehmigten unterrichtenden 
und erklärenden Aufsatz, der in einer Loge 
oder Versammlung, wozu einzig und allein die 
Mitglieder der Loge zur Linde mit Ausschluss 


aller Brr anderer Logen eingeladen und zugegen 
sein müssten, vom Logenmeister vorzulesen sei 
und dann bei den Logenakten eben so sorgfältig 
wie diese bewahrt werden müsse, damit nie eine 
Abschrift davon in andere Hände gerathen 
könne.“ Dieses geheimnissvolle Schriftstück ist 
jedoch in den Logenakten nicht zu finden, jeden¬ 
falls später mit der zurückgegebenen Constitution 
nach Berlin gegangen. 

Mit der Grossen Landesloge lebte die Linde 
unter Platos Hammerführung zwar in Frieden, 
aber die äusseren Verhältnisse waren traurig. 
Nach der unglücklichen Schlacht bei Jena war 
auch Leipzig von den Franzosen überschwemmt; 
das Logenlokal hatten französische Commissarien 
zu einer Schneiderwerkstatt für ihr Heer ein¬ 
gerichtet. Die Dekorationen der Loge verwahrte 
Br M. Regis, Diakonus zu St. Nikolai und da¬ 
mals Redner der Loge, in seiner Amtswohnung, 
die nur spärlich besuchten Logenversammlungen 
und Conferenzen wurden meist in Br Angermanns 
Hause abgehalten und man ging ernstlich damit 
um, die Logenarbeiten zu suspendiren. Zwar 
spross manche schöne Blüte maurerischer Wohl- 
thätigkeit in dieser traurigen Zeit, doch musste 
auch Br Plato klagen, „dass man nicht selten 
einen verderblichen Missbrauch wahrnehmen müsse, 
welchen nicht selten zudringliche Trägheit von 
der maurerischen Wohlthätigkeit mache.“ 

Die äusseren Verhältnisse übten ihren Rück¬ 
schlag auch auf die inneren der Loge aus. Hier 
wie dort Zank und Streit, Zwietracht und Par¬ 
teiung überall; cs scheint dem Br Plato die 
„Energie“ des Br Eckold und die „eigentüm¬ 
liche Herzlichkeit und Leidenschaftslosigkeit“ des 
Br Voss abgegangen zu sein, die zwieträchtigen 
Gemüther zu beherrschen und zu versöhnen. Die 
Logenberichte aus jener Zeit sind sehr dürftig, so 
dass man Manches zwischen den Zeilen lesen muss. 
Befremdlich aber ist, dass eine Anzahl Brr wegen 
geringfügiger Ursachen auf Zeit suspendirt wurden, 
noch befremdender, dass gerade die tüchtigsten 
Brr, wie Voss und Limburger, in der letzten Zeit 
von Platos Hammerführung die Loge deckten 
und nach Platos Abgang sofort die Deckung auf¬ 
hoben, ebenso muss man sich verwundern, dass 
Br Plato in der Wahlloge 1807 nur eine Stimme 
erhielt. 

Wenn eine spätere Erklärung, die gedruckt 
in die Maurerwelt hinaus ging, sagt, „dass Br 
Plato zu dem Geschäft eines Logenmeisters nicht 
geeignet sei, weil er die etwanigen Deliberationen 
ihren ruhigen Gang gehen zu lassen nicht Bedacht- 
samkeit genug habe, durch laut geäusserte Herrsch¬ 
sucht die Gemüther der Brr von sich entferne, 
nur seine Meinung als die einzig wahre, jede 
brüderliche Bemerkung oder Berichtigung aber 
als grundlosen Widerspruch ansehe, fremdartige 


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64 


Gegenstände mit dem Wesen der Maurerei zu 
verbinden suche und profane Ereignisse unter Bm 
in die Logenarbeiten zu verflechten bemüht sei,“ 
so mag das mehr oder weniger begründet gewesen 
sein, wenn man aber dem im profanen Leben 
hochgeachteten Mann „Lieblosigkeit“ vorwirft und 
ihn als einen „für die Loge immerhin gefährlichen 
Mann“ hinstellt, so mochte wohl die Erbitterung 
der Brr über die nach seinem Abgang als Logen¬ 
meister über die Loge hereingebrochenen Wirren, 
als deren nächste Veranlassung und treibende 
Kraft man ihn hauptsächlich ansah, ihr gut Theil 
dazu beitragen. 

Uraltes - Ewigneues. 

Aus meiner im Drucke befindlichen „Nach¬ 
dichtung derTragödien desAeschylos“ theile 
nachstehende Gesänge mit, welche beweisen, dass in 
der älteste» Zeit des Culturlebens der Monschheit (vor 
anderthalb tausend Jahren) dieselben sittlich religiösen 
Anschauungen Anerkennung und Aussprache gefunden 
haben, welche noch jetzt von allen edlen und reinen 
Geistern gehegt und gepflegt werden. 0. Marbach. 

Der Wille Gottes. 

Heil erwächst aus Gottes Rath, 

Ob der blinde Mensch ihn auch verkennet; 
Gottes Wille wird zur That, 

Nacht vergeht und heller Tag entbrennet. 

Will es Gott, so wird’s geschehn, 

Wird gelingen, wird zum Ziel gedeihen, 

Mag der Weg durch Nebel gehn, 

Ueber Schlünde und durch Wüsteneien. 

Nieder weht mit seinem Hauch 
Gott der Thoren stolze Wunderwerke, 

Und es wird verzehrt ihr Rauch 
Von der Flamme ewiger Gottesstärke. 

Ohne Schwert und ohne Schild 
Siegt der Herr, der thront im heiligen Lichte, 
Alles wird, wie Er gewillt: 

Doch was widerstrebt, das wird zunichte! — 

Lob Gottes. 

Lasst unsern Gott uns preisen, 

Ihn loben stets aufs Neu, 

Er mög an uns erweisen 

Sein Lieb und Vatertreu! 

Es rausche allzeit reich und hell 

Uns ewigen Heiles Gnadenquell! 


Mit seiner Allmacht Stärke 
Erschafft er seine Welt, 

Und seiner Weisheit Werke 
Sind, wie es ihm gefällt. 

Ja, sein ist Herrlichkeit und Pracht, 
Und was er denkt, das ist vollbracht! 

Segenslied. 

Du edles Volk, in Ehren 
Gedeihe allezeit: 

Nie möge dich versehren 
Krankheit und Herzeleid! 

Von Siegen schreit tu Siegen 
Im stets gerechten Streit; 

Nie sollst du unterliegen 
Vor Feindes Hass und Neid! 

Nie soll dein Land benetzen 
Der eignen Bürger Blut; 

Nie möge dich verletzen 
Der Frevel sündiger Glut! 

Auf deinen Hochaltären 
Soll brennen Opferbrand 
Vor andachtvollen Sehaaren 
Zu schirmen Stadt und Landl 

Stets soll in hohen Ehren 
Dein Herrscherstamm gedeihn, 

Und fröhlich sich vermehren 
In Glückes Sonnenschein! 

Stets bleibe Zwietracht ferne 
Und Bruder-Zwist und -Mord, 

Es sollen Friedenssterne 
Dir leuchten fort und fort! 

Gesegnet sollen werden 
Mit Frucht die Felder dein 
Und fröhlich deine Herden 
Auf grüner Trift gedeihn! 

Die Stadt soll wiederhallen 
Von froher Menschen Sang! 

Die Lieder sollen schallen 
Aus reinstem Herzensdrang! 


Verlag von Br Bruno Zechel in Leipaig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipaig. 


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Septbr. 1882 


9. Jahrg. Nr. 9. Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswal d Marbach. 

Das Blatt wird voreagsweise Beiträge bringen, die in den LogenTersam ml äugen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimanrerischen Correspondem-Burean’s. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zngeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine Insertionsgebfthr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 


Inhalt: Im Vorbereitungszimmer. — Die Wanderung der Gesellen. — Zur Geschichte der 
Loge Balduin zur Linde. — Aus der Väter Zeiten. — Aus dem Correspondens- 
Bure&u. — Anzeigen. 


Im Vorbereitungsziminer 

soll auf die Seelen der Aufzunehmenden und der 
Zubefördernden gewirkt werden, um sie empfäng¬ 
licher zu machen fQr die feierlichen Handlungen, 
welche im Arbeitsaale der Loge mit ihnen vor¬ 
genommen werden. Es geschieht dies im Allge¬ 
meinen durch Ansprachen des Vorbereitenden und 
durch Inschriften, die an den Wänden des Vor¬ 
bereitungszimmers angebracht sind. Die An¬ 
sprachen des Vorbereitenden haben das Bedenkliche, 
dass, wenn sie frei gehalten werden, nicht auf 
bestimmte bei jeder Vorbereitung sich wieder¬ 
holende Worte sich beschränken, sie leicht in schein¬ 
baren oder wirklichen Widerspruch mit dem 
gerathen können, was nachher im Arbeitsaale 
gesprochen wird. Dann können sie nur nach¬ 
theilig wirken. Aber auch wenn das nicht der Fall 
ist, so ist doch immer ihre Wirkung eine rasch 
vorübergehende und abhängig von der Stimmung, 
in welcher die, an welche sie gerichtet sind, 
eben sich befinden. In der Regel laufen diese 
Ansprachen darauf hinaus, dass schliesslich die 
Hörenden zum stillen Nachdenken über das 
Vernommene aufgefordert werden. Denselben 
Zweck: zum Nachdenken anzuregen, haben auch 
die an den Wänden des Vorbereitungszimmers 
angebrachten Inschriften. Sie werden unter Um¬ 
ständen wirksamer sich erweisen als die Ansprache 
des Vorbereitenden, besonders wenn dieser die 


Aufmerksamkeit auf sie hinlenkt und zum Nach¬ 
denken über ihre Bedeutung auffordert. Schon 
durch ihre lapidare Fassung regen sie an und, 
da sie nicht wie das gesprochene Wort rasch 
vorübergehen am Geiste des Lesenden, lassen sie 
diesem Zeit ihr Verständniss seiner persönlichen 
Eigenheit gemäss sich ins Bewusstsein zu bringen. 
Sind diese Inschriften, wie sich gehört, in allgemein 
verständlicher Redeweise gehalten, so sind sie 
um so mehr geeignet das Verständniss der sym¬ 
bolischen Darstellungsweise vorzubereiten, deren 
sich die Frmr bedienen um verwandte Gedanken 
nach der ganzen Fülle ihres Reichthums zu 
offenbaren. Es wird schwerlich eine deutsche 
Loge geben, welche nicht solche Inschriften besitzt, 
die an den Wänden des Vorbereitungszimmers 
aufgehängt werden, jenachdem Suchende für 
die Aufnahme, oder Lehrlinge für die Beförderung 
in den Gesellengrad, oder endlich Gesellen für 
die Beförderung in den Meistergrad vorbereitet 
werden sollen. Die Brr hangen, wie ich weiss, 
mit Pietät an diesen aus der Väter Zeiten über¬ 
lieferten Inschriften; aber diese sind, wenigstens 
die mir bekannten, darum, weil sie sich der zu 
der Väter Zeiten allgemein verständlichen Rede¬ 
weise bedienen, nicht aber der gegenwärtig 
gebräuchlichen Ausdrucksweise, jetzt minder an¬ 
sprechend und anregend, als sie einst waren. 
Die wahre Pietät soll sich auf den Inhalt, nicht 
auf die Form beziehen, sonst hindert sie jeden 


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geistigen Fortschritt. Man wird also die In¬ 
schriften zeitgemäss machen müssen, aber ja 
nicht, indem man sie verflacht, sondern indem 
man sie vertieft: was die Väter sagten in ihrer 
Weise, das sollen wir auszusprechen suchen in 
unserer Weise, um den Gedankeninhalt, welcher 
nicht von heute und gestern ist, sondern von 
Ewigkeit, so vollkommen als uns möglich und in 
für die Jetztlebenden verständlicher Weise zum 
Ausdrucke zu bringen, ln der Form haben wir 
ja doch wohl Fortschritte gemacht das bringt 
die Entwickelung der Menschheit mit sich. 
Aus diesem Bestreben sind die nachfolgenden 
Fassungen der Inschriften im Vorbereitungszimmer 
hervorgegangen. 

Im Lehrlingsgrade. 

1. Wen die Neugier hergeführt, der kehre 
um, denn er wird nicht befriedigt 
werden. — Wer der Eitelkeit huldigt, 
der fliehe von hinnen, bevor er gede- 
müthigt wird. — Wessen Herz Eigen¬ 
sucht hegt, der wende sich von uns, 
denn hier ist nicht zu finden, was er 
sucht. 

2. Ohne Furcht sei, wer hier eintritt, denn 
ernste Prüfungen stehen ihm bevor. — 
Ohne Hoffhung sei der Suchende, denn 
nicht um des Lohnes willen wird hier 
gearbeitet. — Ohne Ehrgeiz sei, wer 
weilen will in diesem Hause, denn hier 
verkehren nur Gleiche mit Gleichen. 

3. Wer reinen Herzens ist, den heissen 
wir willkommen. — Wer das Gute will, 
weil er seine Freude an ihm hat, den 
empfangen wir mit offenen Armen. — 
Wer nach Weisheit strebt, den machen 
wir zum Genossen unseres Friedens¬ 
bundes. 

Da wo die „dunkle Kammer“ noch in Gebrauch 
ist, dürften in derselben folgende Inschriften anzu¬ 
bringen sein: 

1. Lerne schweigen — lass deine Thaten 
für dich sprechen. 

2. Meide Vorurtheile — um deine Würde 
zu wahren. 

3. Gehorche der Vernunft — um deiner 
Freiheit dich zu freuen. 


Im Gesellengrade. 

1. Pflege der Freundschaft, welche aus 

dem gemeinsamen Streben nach sitt¬ 
licher Vollkommenheit hervorgeht, — 
auf der Duldsamkeit gegen Anders¬ 
denkende beruht, — zur Achtung 

menschlichen Wesens führt, als welches 
zur Gottähnlichkeit berufen und be¬ 
fähigt ist. 

2. Erbaue dich an den Werken der Kunst, 
welche alles Natürliche verklären und 
vergeistigen, — menschliches Dasein er¬ 
heitern und veredeln, — über die Zeit¬ 
lichkeit zur Ewigkeit erheben. 

3. Verbinde dich mit deinen Brüdern zur 
Wahrhaftigkeit gegen dich selbst und 
gegen Andere, — zur Linderung der 
Noth und Förderung des Wohler¬ 
gehens der Menschen, — zur Gewinnung 
schöpferischer Stärke im Vollbringen 
des Gotteswillens. 

Im Meistergrade. 

L Sohau in die Welt: es geht kein Sonnen¬ 
stäubchen verloren, — die irdischen 
Dinge wechseln nur die Gestalt, — aber 
die Gesetze, nach denen sie sich ver¬ 
ändern, sind ohne Wandel. 

2. Schau in dich selbst: deine Seele ist 
erfüllt mit untrüglichen Empfindungen 
und ewigen Gedanken; — wenn dein 
Leib sich auflöst in seine Bestandtheile, 
so hören darum deine wahren Empfin¬ 
dungen und Gedanken nicht auf; — 
in ihnen ist dir unsterbliches Leben 
beschieden. 

3. Schau auf den Schöpfer der Welt und 
deiner selbst: wird er das Sonnenstäub¬ 
chen erhalten und den Menschengeist 
verderben? — kann die Wirklichkeit 
etwas anderes sein als die Wahrheit ? — 
ist die Schönheit der Natur und des 
Geistes nicht eine Bürgschaft dafür, 
dass der Tod nur nichtiger Schein ist, 
welcher den Triumph des ewigen Lebens 
vor irdischen Augen verbirgt? 

Br 0. Marbach. 


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67 


Die Wanderung der Gesellen. 

Vortrag gehalten in der Loge Albert zur Eintracht im 
Orient Grimma von Br F. Nietzold. 

Wie die Natur iu der Dämmerung, im 
Morgen, im Mittag, in der Saat, in Blüte # und 
Frucht, im Kindes-, Jünglings- und Mannesalter 
mit ihrer Allen verständlichen Sprache das ewige 
Naturgesetz des Wachsens und Fortschreitens, 
des Ueberganges vom Kleinen und Schwachen zum 
Grössern und Siärkern, vom Mangelhaften zum 
Vollendeten, jene heilige Norm des Vollkommoner- 
werdens aus spricht, so deutet auch unsere k. K. 
mit dem symbolischen Namen des Lehrlings, 
Gesellen und Meisters die Fähigkeit und Würdig¬ 
keit der am grossen Bau Arbeitenden an und füljrt 
auf dieser Stufenleiter nach Oben zum Licht. 
Darum bewegen Gefühle der Erhebung einen 
Br Lehrling, wenn es ihm vergönnt ist, einen 
Schritt aufwärts thun und durch die Weihe zum 
Gesellen dem maurerischen Lichte sich nähern 
zu können. Doch er blickt auch zurück und 
fragt sich prüfend: War auch stets dein Herz 
geöffnet, wenn du in der geöffneten Loge sassest? 
Wenn die Lichter dir entgegenleuchteten, leuch¬ 
tete auch dein Eifer? Wenn vor dir aufgerollt 
lag der Bauriss, war auch stets das Buch deiner 
Seele aufgeschlagen? Wenn die Werkzeuge bereit 
waren, waren es auch deine Hände? Vermochte 
immer aus der symbolischen Höhe jener Säulen 
im Tempel Weisheit in dein Denken und Sinnen, 
Kraft und Nachdruck in dein Wollen und Streben y 
Sinn für wahre Anmuth in dein Gefühl hineinzu¬ 
dringen? Hast du mit Winkelmaass, Maasstab 
und Spitzhammer am rohen Stein des Herzens 
gearbeitet, dass er sich zum kubischen Stein 
herausgebildet hat und sich einfügen lässt in den 
grossen Tempel des Menschheitsbundes. Dann 
kommt wohl demBrLehrling der berechtigte Zweifel, 
ob sein Herz stark genug sei, den höheren Glanz 
des Lichtes zu ertragen, ob‘seine Kräfte den 
gesteigerten Anforderungen gewachsen seien, ob 
namentlich sein Herz weit und empfänglich genug 
sein werde alle, die am grossen Bau neben ihm 
arbeiten, umfassen zu können. Und vor seinen 
Geist führen die Genien der Erinnerung die 
ernsten und lieblichen Bilder und Erscheinungen 
jener Weihestunden, in denen er sich anreihete 


an die Bruderkette, sie lassen ihm die Empfin¬ 
dungen noch einmal durch das Herz zittern, 
deren stummer Ausdruck im feuchten Auge damals 
glänzte. Er denkt jener schönen Augenblicke, 
als er in der matterleuchteten Kammer der Selbst¬ 
beschauung sich hingab, als weiter die sein Auge 
verhüllende Binde fiel, als er das Licht erblickend 
schmerzlich zusammenzuckte, als er im Glanz 
der drei geweihten Lichter um sich und um den 
geweihten Altar herum Hand in Hand die Kette 
der Brüder schaute, aus deren Augen ihm mild 
die Flamme der Liebe leuchtete, als der Druck 
der Hand ihm zum ersten Male den Pulsschlag 
der Herzen, die Liebe der Brr empfinden Hess. 

Aehnliche feierliche Augenblicke erwarten den 
Br Lehrling jetzf wieder, ähnliche Empfindungen 
sollen wieder sein Herz erfüllen, eine neue Weihe 
soll er empfangen, die sich um so segensreicher 
an seinem Herzen erweisen wird, je inniger er 
von derselben ergriffen ist. Doch die Weihe¬ 
stunden der Aufnahme in den Bund sind ganz 
verschieden von denen der Beförderung zum 
Gesellen; dort ohne frme Bekleidung, ohne Geld 
und Gut, mit verbundenen Augen, hier mit offenen 
Augen im maurerischen Schurz, dort allein, dem 
Nachdenken und der Selbstbeschauung überlassen, 
hier in Gesellschaft voll Freude und Hoffnung, 
dort hilflos, von sorgsamen Händen beschützt, 
geleitet, seiner Bestimmung entgegengeführt, hier 
selbständig, mit Brn in eine Kette geschlungen, 
auf dem Wege der Wahrheit vorwärts schreitend; 
dort oft vou Gefahren erschreckt, hier von dem 
Gesang der Brr aufgemuntert, dort das Bild 
eines schwachen, hilflosen Neugebornen, umgeben 
von Gefahren und Schrecken unter dem Schutz 
treuer Eltern, hier das Bild des durch Erziehung, 
Fleiss, Erfahrung und Umgang gebildeten Mannes, 
der mit dem vollen Gefühl seiner Kraft in frisch 
geknüpften Verbindungen voll Hoffnung seine 
Laufbahn beginnt, die Beschwerden des Lebens 
kämpfend überwindet um .zur gleichmässigen 
Fassung seines Gemüths und zum Genüsse der 
Ruhe zu gelangen. 

Besonders dreierlei in der Gesellen¬ 
wanderung eigenartig, und diesem wollen wir 
unsere Anfmerksamkeit schenken. 

Sie ist 1. eine gemeinsame Wanderung 
in der Kette mit andern Brrn. 


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68 


Wie der Gesell zur Blütezeit der Baukunst 
im Mittelalter ein Wanderleben führte nach den 
verschiedenen Bauhütten Deutschlands, von den 
schneegekrönten Alpen des Südens in die sandigen 
Ebenen an den Küsten der Nord- und Ostsee, 
von den weinbepflanzten Bergen des Rheins bis 
an die grasreichen Ebenen der Donau zog, von 
Zürich nach Köln, von Strassburg nach Wien 
sich auf die Fahrt begab und in die Bauhütten 
und auf die Bauplätze, durch Wort, Zeichen, Gruss 
und Handschenk Zutritt erhielt, sich überall in 
der Kunst vervollkommnete, überall kunstgerechte 
Gesellenarbeit lieferte und endlich ein rechter 
Werkmeister wurde: so bleibt auch der Frei¬ 
maurergesell, nachdem er in der Werkstätte der 
Loge den rohen Stein als fleissiger Steinmetz 
prüfen und behauen gelernt hat, nicht in der 
Bauhütte, sondern tritt hinaus aus derselben in 
die reiche Welt, die vor ihm und um ihn sich 
ausbreitet, und sucht nun zu zeigen und zu be¬ 
währen, was er als Lehrling an frmn Lehren und 
Grundsätzen aufgenommen. Aber die Säule B., 
die ihm beim Verlassen des Tempels zur Rechten 
leuchtet und aus der ihm entgegentönt: „Der 
Herr wird dich stärken I w macht ihn bedenklich 
im allzugrossen Vertrauen auf seine eigene Kraft. 
Und gar bald lernt er fühlen, dass ihm noch 
viel an der Vollkommenheit in der Kunst fehlt, 
dass er noch kein rechtschaffenes Gesellenstück 
aufzuweisen vermag, er lernt erkennen, dass er 
in der Vereinzelung weder für sich selbst, noch 
für die Menschheit etwas zu leisten vermag. 
Darum tritt der Freimaurergesell mit anderen, 
die gleiches Streben nach Wahrheit, allem Guten 
und Edlen beseelt, in die Kette, Es strömt in 
sein Herz das geistige Blut der Brr, Ein Puls¬ 
schlag bewegt die Herzen Aller wie Ein Herz, 
die Bruderliebe durchläuft die Kette und schliesst 
die Herzen in einen Flamraenzirkel. Es ent¬ 
wickelt sich jene Blutfreundschaft, die in der 
Harmonie der Seelen festwurzelt. So in brüder¬ 
licher Vereinigung, Herz bei Herz, umschwebt 
von dem Genius der edelsten, freiesten Menschheit, 
verwandelt sich s^ine Schwäche in Stärke, 
schreitet er auf dem Wege der Wahrheit aufwärts, 
lernt er sein Herz zum glatten cubischen Stein 
vollenden, lernt er mit Nachdenken und Fleiss, 
Ruhe und Besonnenheit seine Arbeit treiben, 


durch Selbstprüfung, Selbstuntersuchung und Selbst- 
Überzeugung die Wahrheit fiuden, strengste 
Gerechtigkeit in seinem Betragen üben, gewissen¬ 
haft die Pflichten erfüllen, mit denen des Zirkels 
Arm ihn umgiebt, unparteiisch den Menschen 
na<fll seiner Würde richten und in unbeeinflusster 
Geradheit den Menschen beurtheilen. 

Dem Gesellen leuchtet auf seiner Wanderung 
aber ferner der flammende Stern. Am Abend, 
wenn finstere Schatten Stadt und Dorf, Felder 
und Gebirge umzogen haben, das laute Geräusch 
des Tages verstummt ist, gleichsam ausgestorben 
der weite Erdball wie ein Todter im dunkeln 
Grabe versunken ruht, und mit begeisternder 
Feierlichkeit die Nacht sich erhebt, sieht das 
Auge die fremden Welten, die ohne sichtbare 
Bewegung ihre ungeheuren Bahnen durchschreiten, 
jene unermesslichen Sphären, die in nimmer 
wankendem Schwünge mit Ruhe, Sicherheit und 
Stetigkeit ihre glanzumwobenen Wege gehen. 
Der menschliche Geist fühlt sich dann aus dem 
Staube in die Unendlichkeit gezogen; es legt 
sich der Sturm der wilden Leidenschaft in der 
Brust, des Menschen Thun und Lassen erscheint 
so nichtig, jeder Kummer, jede schwere Lebens¬ 
sorge, die das Herz beugte, so leicht. Die Wan¬ 
derung des Maurers im Erdenthale ist nicht 
immer vom hellen Sonnenschein begünstigt, sondern 
führt auch durch die Nächte .des Lebens. In 
dieser Welt liegt ja der Frühling so nahe dem 
Herbste, ist ja der Schritt aus den Blumengärten 
der Freude in die Eisfelder der Sorge und des 
Trübsinnes nur ein kleiner. Die Nächte des 
Lebens umhüllen den Wanderer, wenn die Lichter 
des Trostes und der Freude verlöschen, die 
Stützen der Hoffnung brechen, Menschen ihn 
treulos verlassen, der kalte Hauch des Todes über 
das Feld des eigenen Lebens geht, wenn das 
arme Herz hoffnungslos leidet, wenn das Auge 
in durchdringendem Schmerz die Thränen nicht 
zurückhalten kann; wenn die immer frische Wunde 
fort und fort blutet, wenn Menschen wort und 
Menschentrost das zuckende Herz nicht beruhigen, 
das verlorene Glück nicht wiederbringen können. 
0 dann winkt ihm auf dem umdunkelten Pfade, 
durch Sturm und Wetter in den Nächten des 
Jammers von Osten her der freundliche Stern 
der Maurerei. Dann fühlt sich^ der Unglückliche 


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69 


mit zauberischer Kraft belebt und mit doppeltem 
Mutbe gestärkt 1 Heilige Ahnungen durchbeben 
ihn, durch die Wüste seiner Verzweiflung fliegt 
wie Säuseln von Engelsflügeln das Wort des 
Trostes und der Erhebung, das Wort, welches 
unsere Lippe nur stammelt; wie feierliches 
Glockengeläute hallt in seiner Seele wieder: 
Der Herr wird dich stärken, ewig wie die Wahr¬ 
heit ist die ewige Liebe! Dann ruft er aus 
voller Brust: In Dir meine Kraft, in Dir mein 
Muth, in Dir mein Vertrauen! Und träte die 
ganze Natur jetzt aus ihren Fugen, er sieht deu 
Leitstern, an den er gewiesen ist und zittert nicht; 
müsste er durch Feuer und Fluthen wandeln, er 
blickt auf zu dem Stern und verzagt nicht; 
stellten sich ihm Phantome der Hölle entgegen 
und er stände erstarrt, ein Blick zu dem Sterne 
und die Furcht ist verschwunden 1 Und blickt 
er jetzt zurück? Der Weg ist ganz verändert, 
was Wüste war, ist jetzt ein Paradies, die Fluthen 
sind zerronnen, alle Stürme haben ausgetobt, in 
seinem Herzen ist der Himmel, der Himmel 
ringsumher! 

Ist die Wanderung des Gesellen beendigt, 
so wendet man den Wandernden mit dem Rücken 
gegen den Altar, mit dem Angesicht gegen Westen. 
Da steht der Pilger vor einem Spiegel, sein 
eigenes Angesicht schaut ihm entgegen und er 
schaut durch sein eigenes Auge bis in sein 
Innerstes betrachtend hinein, ob der rohe Stein 
des Herzens, geprüft nach Zirkel und Winkelraaass, 
sich zeige, rein von Fehlern und Mängeln, frei 
von Eitelkeit, Leichtsinn und Lüge. 

Dem an der Hand der Freimaurerei durchs 
Leben Wandernden kommt einst die Stunde, wo 
die Wanderung auf der schmalen Strecke zwischen 
Abend und Morgen zu Ende geht. Das Blut 
fängt dann an in den Adern zu stocken, das 
Herz schlägt matter und matter bis zum Stille¬ 
stehen, die Lebenswärme verschwindet und Todes¬ 
kälte greift um sich! Da wendet sich noch 
einmal der Blick zurück nach Westen. Wie 
weit liegen ihm da die fröhlichen Gastmähler, 
die glänzenden Ehrenstellungen, die kostbaren 
Gewänder, die Schmeicheleien der Anhänger, die 
Verbeugungen der Untergebenen, die gehäuften 
Schätze. Zerrissen ist vor dem Angesicht der künst¬ 
liche Schleier der Lüge, vom Angesicht fällt die 


Larve und vor ihm steht sein Innerstes in der 
Schönheit unsterblichen Lebens oder grinsend in 
der Hässlichkeit der Verwesung und des ewigen 
Todes. 0 wohl uns, liebe Brr, wenn dann auch 
uns zum Heil die Stimme des ewigen Meisters 
klingt: Du bist geprüft, Br Lehrling, blicke 
wieder gen Osten! Während dann der Leib tief 
unten in der kalten Erde unter Würmer gebettet 
wird, ist mit dem letzten Athemzuge die freige¬ 
wordene Seele in wunderbarem Schauen aus der 
gebrochenen Hülle hinaus in das ewige Leben 
gezogen. In die Abendglocken des diesseitigen 
Lebens mischen sieh nun die Morgenglocken des 
Jenseits, und die Seele, die unermesslichen Sphären 
d. e. 0. durchwallend, sinkt endlich nieder an 
den Stufen des Allerheiligsten und empfängt unter 
dem Hammerschlag des ewigen Weltenmeisters 
die Weihe einer höheren Vollendung. 


Engband der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

7. Vorlrag des Br F. Fuchs. 

Die Loge zur Linde mochte sich wohl nach 
einer kräftigen Leitung sehnen, als sie den 
7. August 1807 den Br Eckold aufs neue zum 
Mstr. v. St. wählte. Schon vor 3 Jahren hatte 
sie ihm, wie früher erwähnt, dieses Amt wieder 
anvertrauen wollen, doch war die Legalität seiner 
Wahl von einigen Brn wegen der noch nicht 
ausgeglichenen Differenzen mit der Grossen 
Landesloge angezweifelt worden. Diese hatte ihn 
wegen unterlassener Verantwortung 1800 als 
Logenmeister suspendirt. Br Eckold hatte die 
wider ihn vorgebrachten Beschuldigungen für zu 
geringfügig angesehen, um darüber ein Wort 
zu seiner Verteidigung zu verlieren, meinte 
auch, dass die Angelegenheit nicht vor den 
Richterstuhl der Grossen Landesloge gehöre, 
liess aber ein Schreiben zu seiner Rechtfertigung 
nach Berlin abgehen, als ihn die Brr darum 
baten. Die Grosse Landesloge, bei welcher Br 
Eckold nichts weniger ais persona grata gewesen 
zu sein scheint, hatte die „sein sollende Ver¬ 
teidigung“ gar nicht beachtet, sondern ad acta 
gelegt, mochte vielleicht auch eine Wiederwahl 
Eckolds gar nicht erwartet haben und war um 
so mehr erstaunt, als dieselbe vorschriftsmässig 
angezeigt wurde. 

In der Logo zur Linde pulsirte aber sofort 
ein frischeres Leben. Schon in der ersten Meister- 


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70 


conferenz zeigto Br Eckold an, „dass er ein 
rathendes Comit6 zu seiner Erleichterung aus 
den Brn wählen würde und machte die Bedin¬ 
gungen bekannt, unter welchen dieses Comit6 be¬ 
stehen sollte.“ Br Eckold meinte zwar: „zu seinen 
geheimen Conferenzen ziehen zu können, wen er 
wolle“, kam aber mit seiner Ansicht nicht durch; 
es wurde vielmehr ein aus folgenden Paragraphen 
bestehendes Regulativ für dieses Comit6 ent¬ 
worfen : 

1) „Wenn eine Anzahl erfahrener Meister 
erwählt werden soll, welche dem Logenmeister 
bei Deliberationen über Logenangelegenheiten 
zur Seite stehen sollen: so glaubt man darin 
einen Annäherungspuukt der gesammten Brr 
Mitglieder an den Logenmeister und dessen Be¬ 
amten gefunden zu haben. 

2) Dieses Comit6 ist als ein rathgebendes 
Corps zu betrachten, welchem sowohl über die 
Gerechtsame des Stuhls und der Logenbeamten als 
über die Gerechtsame der gesammten Loge und 
deren einzelnen Mitglieder in Beziehung der 
Einwirkung auf die Logen Cognition zusteht. 

3) Mit diesen Brn hätte nun der Logen¬ 
meister alle und jede wichtigen Logenangelegen¬ 
heiten zuvor zu prüfen und zu berathschlagen; 
sodann aber die Resultate dieser Beratschlagungen 
der Meisterloge oder der gesammten Loge, je 
nachdem sie der einen oder der andern eigen 
sind, zur ferneren Prüfung vorzutragen, von 
welcher dann solche entweder ohne Einschränkung 
oder mit Einschränkung angenommen werden 
und auf diese Weise gesetzliche Kraft erlangen 
oder zurückzuweisen sind. 

4) Die der Beratschlagung unterworfen sein 
könnenden Gegenstände dürften betreffen: a) die 
Gesetzgebung und zwar sowohl die Verbesserung 
derselben als auch neuere gesetzliche Logenein¬ 
richtungen, b) die Oekonomie der Loge, c) das 
Verhalten einzelner Individuen zu der Loge, 
d) die aus den Verbindungen mit andern Logen 
entspringenden Verhältnisse und e) das Ein¬ 
wirken profaner Umgebungen, in so fern sie auf 
Logen und Maurerei Einfluss haben. 

5) Von den Logenmeistern und den beiden 
Brn Aufsehern hängt die Wahl der zu diesem 
Cornit bestimmten Mitglieder ab, so wie es auch 
diesen überlassen ist, ob aus den übrigen Brn Be¬ 
amten Mitglieder dazu gewählt werden sollen. Die 
beiden Brr Aufseher sind jedoch jederzeit Mit¬ 
glieder dieses Comit, welches übrigens nie 
mehr als 13 Mitglieder in sich fassen darf. 
Nach Befinden der einzelnen Fälle kann jedoch 
der Logenmeister einen oder mehre Brr hin¬ 
zuziehen. 

6) Die Wahl selbst geschieht jährlich un¬ 
mittelbar nach vollzogener Beamtenwahl, wo 


dann entweder ganz neue Mitglieder bestimmt, 
oder die zeithengen zum Theil oder sämmtlich 
beibehalten werden. 

7) Jeder zu diesem Comit6 gewählte Br muss 
ein volles Jahr Mitglied desselben bleiben und 
kann innerhalb dieser Frist weder seine Ent¬ 
lassung fordern noch willkürlich entlassen werden. 

8) Strenge Verschwiegenheit.“ 

Es wurden weiter die Gehalte der dienenden 
Brr bestimmt und zwar auf jährlich 40 Thlr. 
festgesetzt — auch machte man die Vorarbeiten 
zur Ausstattung des neuen Logenlokals. Man 
hatte zu demselben die 3. Etage im Hötel de 
Prusse vom Br Beck um 200 Thlr. jährlich 
ermiethet, auch wurde der zum Hdtel gehörige 
Garten an Logen tagen den Brn zum alleinigen 
Gebrauch überlassen. Das neue Lokal wurde 
am 12. Dec. 1807 eingeweiht. Da mitten in 
diesen reformatorischen Bestrebungen kam wie 
ein Blitz aus heiterem Himmel das Verlangen der 
Grossen Landesloge, Constitution und Acten der 
Loge an die Brr Oehme und Lange abzuliefern. 
Diese Brr, denen später die Brr Plato, Dolz 
und Döring beigeordnet wurden, waren von der 
Grossen Landesloge als Commissarien mit Vollmacht 
zu dieser Forderung versehen worden. Wahr¬ 
scheinlich war man in Berlin über die Stimmung 
in der Leipziger Tochter nicht oder nicht recht 
unterrichtet und meinte, durch einen solchen 
Schreckschuss die Loge zu veranlassen, den Br 
Eckold als Logenmeister zu entfernen und einen, 
der Grossloge genehmeren Vorsitzenden an 
dessen Stelle zu bringen. Jedenfalls glaubte 
man, wenn man auch die Parteiungen in der 
Loge kennen mochte, dieselbe zu einem Pater 
peccavi bewegen und sie zum Gehorsam gegen 
die Grossloge, wie schon so verschiedene male 
geschehen, zurückführen zu können. Doch man 
hatte sich diesmal getäuscht. In zahlreichen 
Meisterconferenzen wurden die Verhältnisse aufs 
gründlichste erörtert und man kam zu dem Ent¬ 
schluss, sich von der Grossen Landesloge zu 
trennen und als selbständige Loge zu arbeiten. 
Ueber den Schritt der Trennung war schriftlich 
abgestimmt worden und jeder Br hatte sein 
Votum zu motiviren. Eine kleine Anzahl von 
11 Brn, die Commissarien an der Spitze, enthielt 
sich der Abstimmung oder achtete sich an die 
Befehle der Grossen Landesloge gebunden. Die 
Mehrzahl von 63 Brn stimmte aber unter den 
obwaltenden Umständen freudig für eine Tren¬ 
nung. Wir geben einige dieser Vota wörtlich 
wieder. 

„Br Eisfeld versichert allen Brn den 
thätigsten und kräftigsten Beistand zum an¬ 
gefangenen guten Werke und wenn dieses weder 
durch Leidenschaften noch durch Terrorismus 


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71 


gestört wird, so wird es unter dem Schutze 
des höchsten Baumeisters der Welt gedeihen.“ 

BrCnobloch wird „nach allen Kräften die 
Absicht der Loge zur Linde, welche so sehr 
seiner Ueberzeugung convenirt, befördern und 
sich mit möglichster Anstrengung der Erreichung 
des Zieles hingeben.“ 

Br R e g i s wird „in dem ächten Maurer- und 
Brudersinne, der allen Despotismus nicht nur 
ausser sich, sondern auch in sich immer mehr 
zu entkräften strebt, solchen Brn, wie sie hier 
sich aussprachen, gleichen Schritt zu halten 
suchen.“ 

Br. Körner: „Mein mit vielen Ordens¬ 
brüdern der Loge zur Linde längst empfundenes 
Schmerzgefühl über die uns angemuthete for- 
melleUnmündigkeit, in der wir freienMaurer 
zeither krampfhaft schmachteten, hat sich durch 
die letzten weisen Logenbeschlüsse, denen ich 
ohne allen Vorbehalt beitrete, in die innigste 
Freude verwandelt und ich bin den Hochw. Brn, 
welche sich vorurtheilsvollen Menschensatzungen 
kräftig entgegen setzten und hierdurch unsere 
längst erflehte Selbständigkeit gründeten, dank¬ 
pflichtig.“ 

„Br Limburger sen. bleibt bei denen ge¬ 
fassten Beschlüssen.“ 

Br Limburger jun. wird „bei den nun ein¬ 
getretenen Verhältnissen thätigeren Theil nehmen, 
als er bisher konnte“ u. s. w. 

Das Resultat dieser Conferenzen, Ab¬ 
stimmungen und Beschlüsse wurde der Grossen 
Landesloge unter dem 14. Nov. 1807 in nach¬ 
folgendem Schreiben mitgetheilt: 

„So unerwartet uns auch Ihr durch die Brr 
Lange und Oehme uns bekannt gewordenes Ver¬ 
langen sein musste, so wenig darf Sie unsere 
jetzige Erklärung befremden, vielmehr werden 
Sie solche als unumgänglich nöthige Folge be¬ 
trachten. Wir sind uns bis jetzt keiner un¬ 
maurerischen Handlung weder im Allgemeinen 
noch in besonderer Beziehung gegen Sie, Hochw. 
und Gel. Br, bewusst Es ist uns folglich völlig 
fremd, wodurch Sie bewogen werden konnten 
durch die Brr Lange und Oehme Acten und 
Constitution uns abfordern zu lassen, und sollten 
Sie in Hinsicht unserer Logenmeister- und Be¬ 
amtenwahl etwas zu erinnern gefunden haben, 
wie wir doch kaum glauben können, so würden 
wir diese Erinnerungen, wenn sie an uns auf 
dem gesetzlichen Wege gelangt wju-en, mit 
brüderlichsten Gesinnungen aufgenommen und 
mit maurerischer Herzlichkeit beantwortet haben, 
so wie wir auch jetzt mit wahrhafter Offenheit 
erklären: dass unsere Meister wähl unseren Herzen 
und unserer Ueberzeugung gemäss ist, auch 
unser Hochw. Br Plato selbst nicht unterlassen 


konnte, mit wenigstens scheinbarer brüderlicher 
Herzlichkeit und Rührung in offener Loge am 
Tage der Meisterwahl zu versichern, dass er 
keinen würdigeren Br als den Br Eckold 
kenne, welchem er zu seiner grössten Zu¬ 
friedenheit den Hammer anvertraue. Dagegen 
war es wohl unserem Hochw. Logenmeister nicht 
zu verargen, wenn er, die Würde des Stuhls im 
Auge, den Br Lange mit männlichem Ernst zu¬ 
rückwies, als er sich als Commissar der Hochw. 
Grossen Landesloge gerirto und Constitution und 
Acten, ohne dass er einen Grund dafür anzu¬ 
geben wusste, zurückforderte; ja man musste 
selbst die etwanigen Härten verzeihlich finden, 
da diese nur dem Aufträge und nicht der Person 
gelten konnten, auch jene Härten dem brüder¬ 
lich gesinnten Herzen unseres Hochw. Logen¬ 
meisters gar wehe thun mussten und er es nicht 
verabsäumt hat, dieses Gefühl in der Beamten- 
conferenz und in der darauf folgenden allge¬ 
meinen Conferenzloge laut werden zu lassen und 
die ohne Veranlassung intendirte Abforderung 
der Constitution und Acten verbunden mit Ihrer 
Erklärung: Sie würden die bewegenden Gründe 
ex post aufstellen, bekannt zu machen. Die 
Stimmung, welche bei don Brüdern dadurch her¬ 
vorgebracht wurd*, wird aus nachstehenden 
wörtlich aus den Protokollen gezogenen Verhand¬ 
lungen hervorgehen.“ 

(Fortsetzung folgt.) 


Aus der Väter Zeiten. 

(Fortsetzung zu No. 6 dieses Jahrganges.) 

Bei der Aufnahme des Br P. in D. 

Heil Dir! Bruder, Du bist aufgenommen 
In den Bund, wo man nach Wahrheit ringt, 

In den Bund, wo eines Menschen Thräne 
Tiefer in das Menschenherze dringt. 

Heil Dir! wenn vom Hochgefühl durchdrungen 
Deine Brust die reinsten Triebe fühlt, 

Wenn Du strebst nach hoher Menschenwürde, 
Die auf ihrer Brüder Wohlsein zielt. 

Heil Dir! wenn in diesem edlen Spiele 
Deine eigne Rolle Dich erhebt, 

Wenn beim Ende dieser ernsten Rolle 
Reiner Beifall auch Dein Herz belebt. 


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72 


Geschäftliche Mittheilungen 

aus dem 

Freimaurerischen Correspondenz-Bureau. 

Mitte vor. M. fand die iweite diesjährige Ver¬ 
sendung statt und gelangten dabei die bis Mitte 
September eingegangenen 189 Mitglieder-Verzeiehnisse 
und Logensehreiben zur Vertheilung: 

Der Grossen Prov.-Loge von Schlesien 
in Breslau — der Grossen Mutterloge des 
Eklektischen Freimaurerbundes in Frank¬ 
furt a/M. — sowie der St. Johannislogen in 
Aachen (300) — Altona — Annaberg — Arns- 
walde — Arolsen — Bautzen — Beeskow — 
Berlin (Schiff 140) — Bernburg — Bielefeld — 
Bonn — Brandenburg — Braunsberg — 
Bremen (Friedr. Wilh.) — Breslau (Friedrich — 
Vereinigte Loge) — Brieg — Bromberg — Bur. z- 
lau a/B. — Burg (120) —Calbea/S. — Cassel (300) 

— Celle — Chemnitz (Verzeichniss — Bericht 

— Verein zu Rath und That) — Claussthal und 
Zellerfeld — Coblenz — Colberg — Conitz 

— C ö s 1 i n (270) — Crossen a/0. — Culm-Schwetz 

— Cüstrin — Dan zi g(Einigkeit 300 — Eugenia 300) 

— Demmin — Dessau — Detmold (350) — 
Dortmund — Dresden (Apfel 300 — Säulen 240 

— Vereinte Loge) — Duisburg a/Rh. — Düssel¬ 
dorf — Eberswalde — Eilenburg — Eisenach 
(300) — Elberfeld — Emden — Emmerich a/Rh. 

— Erfurt — Erlangen (Libanon) — Essen — 
Flensburg — Frankfurt a/0. — Freiberg — 
M.-Gladbach-Rhey dt — Glatz — Gleiwitz — 
Gr.-Glogau (325) — Gnese* — Goldberg — 
Gollnow — Görlitz — Goslar — Gotha — 
Göttingen —Graudenz —Greifenhagen (300) 

— Grünberg i/Sohl. — Guben — Güstrow -n- 
Halberstadt (300) — Halle a/S. — Hamburg 
(Bruderkette 300 — Brudertreue) — Hameln — 
Hamm —Hanau — Hau uo ver (Bär —Pferd) — 
Harburg (300) — Havelberg — Heiligenstadt 

— Helmstedt — Hildesheim (Pforte — Tempel) 

— Hir*chberg (300) — Insterburg (200) — 
Iserlohn — Jülich — Königsberg i/Pr. (Kro¬ 
nen 250 — Verein. Loge 200) — Köln a/Rh. — 
Köthen — Kreuznach — Landeshut — Landa¬ 
be rg a/W. (325) — Langensalza — Laubin — 
Leer — Leipzig (Apollo — Balduin — Minerva) 

— Liegnitz — St. Louis (Erwin No. 121) — 
Lübben — Luckau (300) — Lüneburg (300) — 
Magdeburg (Ferdinand — Harpokrate*) — Marien- 
burg — Marienwerder—Marne —Meisseh (300) 

— Merseburg — Meseritz (300) — Metz — 
Minden —Mühlhausen i/Th. —Naumburg — 
Neisse (Lilien — Taube 200) — Neu-Ruppin — 
Neustettin — Nienburg — Nordhausen — 
Nürnberg (Joseph 300 — Pfeile 325) — Ohlau 

— Oppeln — Osnabrück — Osterode a/B. (300) 

— Ostrowo (250) — Pasewalk (325) — Perle¬ 
berg — Plauen — Posen — Poessneok — 
Potsdam (Teutonia) — Prenzlau — Quedlin¬ 
burg — Rastenburg — Ratibor — Rawitsch 

— Reichenbach i/Schl. (250) — Rendsburg (300) 

— Saarbrücken — Sagan — Salzwedel — 
Sangejrhausen (250) — Schmiedeberg i/Schl. — 
Schneeberg — Schwedt — Schwelm — Sie gen 

— Soldin — Solingen — Sorau — Soest — 
Sprottau (250) — Stade (112) — Pr. Stargardt 

— Stendal — Stettin (Anker — Zirkel 300) — 
Stolp — Stralsund — Strassburg i/E. (Erwin’s 


Dom — Herz (75) — Striegau — Tarnowitz (300) 

— Torgau —Trier —Uelzen —Weissenfels 

— Wesel — Wiesbaden — Wilhelmshaven 
- Wittstock — Wolmirstedt — Zeitz — 

Zerbst — Zielen zig (250) — Zittau und 
Zwickau. 

Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in 
einer geringeren Anzahl als der benöthigten 350 eiu- 
sendeteß, sind die Zahlen der zur Versendung gelangten 
Exemplare in () beigesetzt. 

Diejenigen Logen, die mit den Mitgliederbeiträgen 

— M. 9.00 für je 2 Jahr pränumerando zahlbar — 
noch im Rückstände sind, werden um baldgefallige 
Berichtigung der schuldenden Beträge ersucht. 

Der Geschäftsführer des frmn Corresp. - Bureau. 

Bruno Zechel, 

Verlagsbuchhandlung in Leipzig. 


Verlag ron Bruno Zeehel ln Leipzig. 

In meinem Verlage erscheinen demnächst und 
können durch alle Brr Buchhändler sowie auch direct 
von mir bezogen werden: 

Carug, J. Victor, Logen-Arbeiten, gehalten in der Loge 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, ca. 16 
Bogen 8°. Preis M. 5. —. 

Pilz, Carl. Der 6ei8t der Freimaurerei in Erzählungen, 
Biographien, Licht- und Schattenbildern, Abhand¬ 
lungen , Reden und Gedichten. 16 Bogen 8°. 
Preis M. 5. —. 

Kumpelt-Walther, Bruchsteine zum Bau. Zusammen- 
getrageu zum Gebrauche für Zünftige und Unzünftige. 
18 Biogen kl. 8°. Preis M. 4. — 

Schiffmann, G. A. Die Entstehung der Rittergrade 
in der französischen F reim au r er ei um die Mitte 
des XVIII. Jahrhunderts. Nach den ältesten fran¬ 
zösischen Schriften und Dokumenten bearbeitet, 
ca. 12 Bogen. 8°. Preis M. 3. —. 

Fischer, Robert. Der Meister-Katechismus. 7. Aufl. 
Preis 80 Pf. 

Bftttger, Dr. Heinrich. Das Urchristenthum. Aus 
dem Heiden- und Judenthum durch Christi Lehre, 
Leben, Wirken, 8terben und Auferstehen entwickelt 
und begründet. Aus den Urquellen bewiesen. 
12 Bogen. 8°. Preis M. 3. —. 

Vor einigen Monaten bereits erschienen: 
Fischer, Robert. Der Lehrlings-Katechismus. 14. Aufl. 

PreU M. 2. —. 

Fischer, Robert. Asträa. Taschenbuch für Frmr 
auf das Jahr 1882. Neue Folge. Erster Band. 
21 Bogen, kl. 8°. Preis M. 3. —. 

Fischer und Tschireh, Liederbuch für Freimaurer- 
Logen. Durchgehend mit Melodien versehen. Erste 
und zweite Auflage. 10 Bogen. 8°. Preis M. 2. —. 

Endlich sind durch Kauf in meinen Verlag öbergegangen: 
Xahlm&nn’s, August, sämmtliche Schriften. Nebst 
Mahlmann’s Biographie und Portrait. 3 Bde. kl. 8°. 
(Preis M. 4. 50.) Herabgesetzt auf nur M. 2. —. 
Mahlmann’s, August, sämmtliche Gedichte. Nebst 
Mahlmann’s Portrait. Min.-Ausg. eleg. geh. mit 
Goldschn^t. (Preis M. 4. 50.) Herabgesetst auf 
nur M. 1. 50. 

Kumpelt-Walther. Aus meiner Werkstätte. Bau¬ 
stücke, seiner Mutter-Loge gewidmet und auf deren 
Verlangen in Druck gegeben. Preis M. 5. —. 
Leipzig, 1. October 1882. Bruno Zechel. 


Hierzu eine Beilage der Kössling’schen Buchhandlung In Leipzig. 

Verlag von Br Bruno Zechel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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Octbr. 1882 


9.Jahrg. Nr. 10. Am Reissbrete. 

Handschriftliche Mitteilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Earl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversammlungen eines der drei Grade gehalten worden Bind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspondenz-Bureau's. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt.. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine Insertionsgebühr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 


Inhalt: Aus einer Meisterco nfer en z der unabhängigen Logo Balduin zur Linde in Leipzig 
am 11. November 1882. *— Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde. — Anzeige. 


Aus einer Meisterconferenz der 
unabhängigen Loge Balduin znr 
Linde in Leipzig 
am 11. November 1882. 

Vortrag des Mstrs. v. St. Br 0. Marbach. 

Von sechs angesehenen verschiedenen Logen 
angehörigen Brn ist an die Loge B. z. L. das 
folgende Schreiben ergangen: 

Frankfurt a. M., 13. August 1882. 

Vielgeliebte Brüder! 

In vielen Kreisen begegnet man der auf Erfahrung 
begründeten Anschauung, dass, um im Kulturleben der 
Menschheit einen dauernd segensreichen Einfluss zu 
gewinnen, die Freimaurerei einer klaren Darlegung 
ihrer Aufgaben, der Maurerbund einer inneren Er¬ 
neuerung bedarf. 

Es ist anerkannt, dass der Maurerbund das eng 
begrenzte konfessionelle Prinzip aufgeben muss, welches 
die wichtigsten Grundlagen eines Weltbundes, die Ge¬ 
wissensfreiheit und Allgemeinheit, untergräbt. 

Er muss sich den Einwirkungen des Zeitbewusstseins 
offen halten und sich dadurch mit neuer Kraft beleben, 
um solche wieder in die Gesellschaft auszuströmen. 

Denjenigen, welche die Geschichte unseres Bundes 
ohne Voreingenommenheit und aufmerksam verfolgen, 
wird eine solche Aufgabe nicht schwer: Wir müssen 
zurückkehren zu den alten Quellen der maurerischen 
Erkenntniss, die im Laufe der Zeit durch irrthümliche 
Auslegung oder absichtliche Fälschung getrübt worden 
sind. 

Den Versuch zu einer solchen Rückkehr und zu 
einer Neubelebung des Maurerbundes wollen wir durch 
umstehende Erklärung machen, in welcher wir unsere 
Ueberzeugung von Inhalt und Zweck unserer Kunst 
niederlegen. 

Wir bitten sie nunmehr, gel. Brr, diese unsere 
Erklärung zu prüfen und wenn Sie mit den darin 
niedergelegten Anschauungen einverstanden sind, uns 


Ihre Uebereiu8timraung, sowie etwaige Verbesserungs¬ 
vorschläge, unter der Adresse: Ernst Rosenberg, 
Neue Krame 2(3, Frankfurt am Main mitzutheilen. 

Wir behalten uns vor, weitere Schritte, welche wir 
in gesetzlicher Weise zur Erreichung unseres Zweckes 
dienlich erachten, mit Ihnen zu berathen und begrüssen 
Sie i. d. u. h. Z., 

als Ihre treuverbundenen Brüder: 

Dr. Richard Barthelmess, Mitglied der Loge z. d. 
3 Pfeilen, Nürnberg, 

Dr. A. Büchle,! Mitglieder d. L. Badenia z. Fortschritt 
W. A. Frick, J Baden-Baden, 

Gustav Maier, Mitgl. d. L. Carl z. d. 3 Ulmen, Ulm, 
Karl Paul, Mitgl. d. L. z. aufgeh.Licht,! 

Ernst Rosenberg, Mitgl. d. Loge z. | Frankfurt a.M. 
Frankfurter Adler, I 


In Erwägung, dass es nothwendig erscheint, 
die Freimaurerei mit der fortschreitenden Erkenntniss 
des Menschengeschlechtes in Einklang zu erhalten, um 
ihr eine dauernde Wirksamkeit in unserem Kulturleben 
zu sichern: 

in Erwägung, dass die alten Pflichten des 
Konstitutionsbuches der örossen Loge von England 
v. J. 1723, welche die Quelle und Grundlage der frei¬ 
maurerischen Gesetzgebung bilden, auf diesen Zweck 
hinweisen; 

•in Erwägung, dass die Alten Pflichten die Frei¬ 
maurer nur zu der Religion verpflichten, in welcher 
alle Menschen übereinstimmen: gute und treue Männer 
zu sein, oder Männer von Ehre und Rechtschaffenheit, 
durch was für Sekten oder Glaubensmeinungen sie 
auch sonst sich unterscheiden; 

in Erwägung, dass die Alten Pflichten unter¬ 
sagen, Privathandel und Streitigkeiten, am allerwenig¬ 
sten Streitigkeiten über Religion, Nationen oder Staats¬ 
verwaltung in die Räume der Loge zu bringen; 

in Erwägung, dass nach dem Inhalte der Alten 
Pflichten schon die Stifter des Freimaurerbundes — 
indem sie in einer Zeit der unbedingten Herrschaft des 
KonfessioDalismus das Prinzip der menschlichen Gleich¬ 
berechtigung aufstellen — den Humanismus als Grund¬ 
lage der Freimaurerei erkannt und gewollt haben; 

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in Erwägung endlich, dass nach den Alten 
Pflichten der Freimaurerbund Alles fern zu halten hat, 
was die Brüder scheidet, dass er vielmehr ein Mittel¬ 
punkt der Vereinigung sein soll, bekennen wir folgende: 

Allgemeine Grundsätze der Freimaurerei. 

I. 

Die Freimaurerei bezweckt, in einer zumeist den 
Gebräuchen der zu Bauhütten vereinigten Werkmaurer 
entlehnten Form, den Menschen geistig und sittlich zu 
veredeln und dadurch die Wohlfahrt der menschlichen 
Gesellschaft zu befördern. 

II. 

Die Freimaurerei steht auf der Grundlage des rein 
menschlichen Sittengesetzes und erstrebt die harmonische 
Gestaltung des Einzel-, wie des Gesamratlebens und 
die Verbreitung allgemeiner Menschenliebe. 

III. 

Der Freimaurerbund will die Zwecke und Grund¬ 
sätze der Freimaurerei zur Durchführung bringen durch 
geistige Arbeit innerhalb der Logen und durch Uebung 
und Beispiel ausserhalb derselben. 

IV. 

Der Freimaurerbund huldigt dem Grundsätze der 
Gewissens-, der Glaubens- und der Geistesfieibeit ; er 
verwirft jeden Zwang, welcher diese Freiheit bedroht 
und jede Verfolgung, die gegen Andersgläubige und 
Andersdenkende geübt wird. 

V. 

Der Freimaurerbund verlangt von den aufzunehmen¬ 
den Mitgliedern keinerlei Bekenntniss. Er verlangt nur, 
dass sie freie Männer von gutem Kufe und von solcher 
geistigen Bildung seien, wie sie die Ausübung des 
maurerischen Berufes voraussetzen muss, ohne Unter¬ 
schied des Standes, der Religion und der Kace. 

VI. * 

Der Freimaurerbund verlangt von seinen Mitgliedern 
die ernste Theilnahme an den grossen ethischen und 
sozialen Fragen im Sinne friedlicher Entwickelung. 
Die Loge selbst aber ist eine neutrale Stä‘te, in welcher 
zwar alle Fragen des Lebens und der Wissenschaft zu 
unbefangener Erörterung gelangen können und sollen, 
deren Schwelle aber die Leidenschaften des öffentlichen 
Lebens und der politischen und religiösen Parteikämpfc 
nicht überschreiten dürfen. 

VII. 

Der Freimaurerbund ist k*ine geheime Verbin¬ 
dung: seine Zwecke, Geschichte, Gesetzgebung und 
Statistik sind kein Geheimniss. Das von jedem Mit- 
gliede des Bundes abgelegte Gelübde der Verschwiegen¬ 
heit bezieht sich nur auf das innere Gebrauchthum und 
die Erkennungszeichen. 

Würdige und glbte Brr! Sic werden sich 
wohl der Ansicht nicht verschliessen können, 
dass der Schritt, welchen die genannten sechs 
Brr ohne Zweifel in bester Absicht gethan 
haben, darum weil er auf eine „Neubelebung 
des Frmrbundes“ ausgeht, welche sie für an 
der Zeit, ja für nothwendig halten, Beachtung, 
Erwägung und eine Beschlussfassung unserseits 
verlangt. Sowohl die Begründung als die Fas¬ 


sung der „Allgemeinen Grundsätze der Frei, 
maurerei“ ist von der Art, dass wohl kein 
Mitglied der Meisterschaft der L. B. z. L. etwas 
dagegen einzuwenden haben dürfte, denn in 
dieser unserer Loge ist, so weit das Bewusst¬ 
sein irgend eines von uns zurtickreicht, nie 
irgend etwas vorgekommen, welches mit den aus¬ 
gesprochenen Grundsätzen in Widerspruch stünde. 
Es scheint den sechs Brn vorzüglich daran ge¬ 
legen zu sein: „dass der Maurerbund das eng¬ 
begrenzte konfessionelle Princip aufgeben müsse,“ 
— nun wir haben in dieser Loge B. z. L. seit 
Mcnscliengedenken nie von den „aufzunehmenden 
Mitgliedern ein Bekenntniss verlangt.“ Wir haben 
immer nur verlangt, dass die Aufzunehmenden 
„freie Männer von gutem Rufe und von solcher 
geistigen Bildung seien, wie sie die Ausübung 
des frmn Berufes voraussetzen muss, ohne Unter¬ 
schied des Standes, der Religion und der Race,“ 
aber wir sind noch weiter gegangen, wir haben 
auch nach dem politischen Partei Standpunkt 
eben so wenig, wie nach den wissenschaftlichen 
Anschauungen des Suchenden gefragt. Wenn 
andere Logen in Deutschland und im Auslande 
die Aufnahme vom Glaubensbekenntnisse oder 
von der Menschenrace oder von politischen An¬ 
sichten abhängig gemacht haben, so haben wir 
dies mit Entschiedenheit ausdrücklich gemiss- 
billigt. Freilich aber sind wir nicht weiter ge¬ 
gangen, als dass wir gesagt haben, dass Brr, 
die dies thun, „die Kunst nicht recht verstehen“, 
und sind stets der Zuversicht gewesen, dass diese 
Brr schon mit der Zeit zum richtigen Verständ¬ 
nisse kommen würden, wie ja auch in dieser 
Loge und in jedem von uns das richtige Ver¬ 
ständnis erst allmählich zum klaren Bewusstsein 
gekommen ist. Die rechtschaffene Liebe muss 
immer geduldig sein, besonders aber die allge¬ 
meine Menschenliebe, die in den Logen gepflegt 
werden soll. Die sechs Brr, welche uns und 
gewiss auch den Mitgliedern anderer Logen ihr 
Manifest über die „Allgemeinen Grundsätze der 
Frmrei“ vorgelegt haben mit der Aufforderung 
der Prüfung und Zustimmung, scheinen von uns 
nur dadurch sich zu unterscheiden, dass sie nicht 
länger Geduld haben wollen mit solchen, welche 
nach ihrer Ueberzeugung die „Kunst nicht recht 
verstehen.“ Die sechs Brr halten eine „Neu- 


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75 


belebung“ des Frmrbundes für nöthig. Das Be- 
dürfniss nach Belebung wird sich wohl immer 
nöthig machen im Bunde und jede Loge hat 
gewiss dafür zu sorgen, dass dieses Bedürfnis 
befriedigt werde. Aber durch Manifeste kann 
das wohl kaum geschehen, sondern durch recht¬ 
schaffen frmrsches Denken, Reden und Handeln. 
Wir müssen uns namentlich hüten, dass wir 
nicht in todten Formalismus verfallen, nicht der 
Phrasenmacherei uns hingeben und nicht die 
Pflege des Genusslebens zur Logensache machen. 
Manifeste bessern nichts, wo eine Loge oder 
einzelne Brr auf solche Abwege gerathen sind. 
Doch es kann ein solches Manifest allerdings 
dazu beitragen, das, worauf es ankommt, in’s 
Bewusstsein zu bringen sowohl innerhalb als 
ausserhalb der Loge, und darum kann man ihm 
wohl beistimmen, wenn es nur nicht eine Ver¬ 
anlassung wird „die Brr zu scheiden, anstatt sie 
zu vereinigen.“ Aber gewiss würde dies der 
Fall sein, wenn die Absicht bestände, alle die¬ 
jenigen frmru Verbändo, welche ein religiöses 
„Bekenntnisse von den Aufzunehmenden ver¬ 
langen, für unfrmrsch zu erklären. Die „All¬ 
gemeinen Grundsätze der Frmrei“ werden aus¬ 
drücklich: „in Erwägung der Alten Pflichten 
der Frmr“ aufgestellt; so möge denn auch in 
Erwägung gezogen werden, dass die Alten Pflichten 
auch sagen: „Wenn ein Frmr die Kunst recht 
versteht, so wird er weder ein stumpfsinniger 
Gottesleugner (a stupid Atheist) noch ein irreli¬ 
giöser Wüstling (an irreligious Libertine) sein.“ 
Aus diesen Worten der Alten Pflichten haben 
viele Logen die Berechtigung abgeleitet an den 
Neuaufzunehmenden die Frage zu richten : 
„Glauben Sie an Gott und Unsterblichkeit?“ Es 
ist dies nicht gerechtfertigt, weil die Worte 
„wenn der Frmr die Kunst recht versteht“ 
nicht eine Bedingung der Aufnahme enthalten 
kann, weil ja jeder Aufzunehmende als solcher 
die Kunst noch nicht versteht, sondern erst 
lernen soll; vielmehr sprechen diese Worte die 
Ueberzeugung aus, dass jeder, welcher ein 
rechtschaffener Frmr geworden ist, kein Atheist 
und Libertin sein kann. Anderseits kann aber 
auch die Erklärung: „ich glaube an Gott und 
Unsterblichkeit“ nicht als ein Glaubensbekenntniss 
gelten. Denn weder das Wort „Gott,“ noch das 


Wort „Unsterblichkeit“ haben einen confessio- 
nellen Charakter, können vielmehr in jedem 
Glaubensbekenntnisse Platz finden, wo ihnen 
dann erst durch Zusätze ein confessioneller 
Charakter verliehen wird. Jene Erklärung hat 
nur die Bedeutung einer Versicherung, durch 
welche Missverständnissen vorgebeugt werden soll. 
Solche Versicherung ist jedoch überflüssig und 
mehr geeignet Missverständnisse unter den 
Bundesgenossen hervorzurufen als sie zu ver¬ 
hindern, und dürfte daher nicht zu provociren 
sein. Die Frmrei beruht, wie ihr Ursprung 
aus der Werkmaurerei beweist, auf der Ueber¬ 
zeugung vom Vorhandensein des Naturgesetzes, 
und, wie allgemein anerkannt ist, auf dem leben¬ 
digen Bewusstsein vom Vorhandensein des Sitten¬ 
gesetzes. Sie stellt dabei Naturgesetz und Sitten¬ 
gesetz in Analogie dergestalt, dass die Erkenntniss 
des Naturgesetzes als ein Mittel, wenn nicht der 
Erkenntniss des Sittengesetzes, so doch der Ver¬ 
ständigung über dasselbe gebraucht wird. Wie 
aber das Naturgesetz durch Nothwendigkeit zum 
Tode führt, so führt das Sittengesetz durch 
Freiheit zum Leben. Nun ist aber aus den gross- 
artigen Fortschritten, welche die Naturwissen¬ 
schaft in der Neuzeit gemacht hat, die Erkentniss 
hervorgegangen, dass der Tod, welcher aus dem 
Naturgesetze sich ergiebt, nur scheinbar Ver¬ 
nichtung, in Wahrheit aber nur ein Wechsel 
der Form sei, der sich in’s Unendliche wieder¬ 
holt. Diese Erkenntniss enthält die glän¬ 
zendste Rechtfertigung der Maxime der Frmrei 
Naturgesetz und Sittengesetz in Analogie auf¬ 
zufassen. Die Alten Pflichten der Frmr drücken 
die Anerkennung des Naturgesetzes in der Weise 
aus, dass sie sagen: ein Frmr, der die Kunst 
recht versteht, „kann kein Atheist sein“; und 
die Anerkennung des Sittengesetzes in der Weise, 
dass sie sagen: „ein Frmr kann kein sittenloser 
Wüstling sein“; sie sagen also dasselbe, was ein 
moderner Redeweise sich bedienender mit den 
Worten aussprechen würde, ein rechtschaffener 
Frmr müsse das Naturgesetz und das Sitten¬ 
gesetz und beider Uebereinstimmung anerkennen. 
Zeitgemäss würde demnach die Frage: „Glauben 
Sie an Gott und Unsterblichkeit“ so auszudrücken 
sein: „Erkennen Sie das Vorhandensein des 
Naturgesetzes und des Sittengesetzes an“? Denn 


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76 


wer diese Anerkennung nicht besitzt, der kann 
auch nicht zur Erkenntniss der Uebereinstim- 
mung des Sittengesetzes mit dem Naturgesetze 
gebracht werden, d. h. es kann aus ihm kein 
rechtschaffener Frmr werden. Indess wird wohl 
Niemand die Aufstellung dieser Frage empfehlen, 
weil ja kein Mensch, der Sinn und Verstand hat, 
an dem Vorhandensein des Naturgesetzes und 
des Sittengesetzes zweifeln kann. Käme ein 
Mensch zu irgend einem Mstr. v. St. einer 
Loge, welcher diesen um Aufnahme bäte, zu¬ 
gleich aber sagte: ich erkläre jedoch, dass ich 
weder ein Naturgesetz noch ein Sittengesetz 
anerkenne und für möglich halte; — jeder 
Logenmeister würde einen solchen Suchenden 
als Menschen ohne Sinn und Verstand ab¬ 
weisen, weil ihm eben „die nöthige Bildung 
fehlte, wie sie die Ausübung des frmn Berufes 
voraussetzen muss“. Nämlich wegen des Man¬ 
gels an sittlicher Bildung, welche das vorur- 
theilsvolle Absprechen über Natur- und Sitten¬ 
gesetz beweist; — die seientifische (gelehrte) 
Bildung kommt dabei nicht in Betracht. 
Die Frmrei ist ja keine Wissenschaft, sondern 
die Kunst des Umganges sittlich gebildeter 
Menschen mit Jedermann. Es giebt keine 
frme Lehre, sondern nur ein frmes Gebaren. 
Die Fanatiker des Unglaubens gehören eben so 
wenig in die Loge, wie die Fanatiker des 
Glaubens. Aber nicht wir schliessen sie von 
uns aus, sondern sie sich selbst; wenn wir sie 
abweisen, so geschieht dies nur um sie vor Un- 
befriedignng und Kränkung, uns aber vor 
Störung und Beleidigung zu bewahren. Man 
soll auch Keinem sagen, dass die Loge ihn 
nicht brauchen könne, sondern dass er die Loge 
nicht würde brauchen können, weil er in ihr 
nicht finden würde, was er in ihr suche. 

Aber man wird mir entgegenhalten: „Gott 
und Unsterblichkeit ist etwas anderes als Natur¬ 
gesetz und Sittengesetz!“ Ich frage dagegen: 
Was ist das Sittengesetz ohne Menschen und 
was. ist das Naturgesetz ohne Gott ? 

Das Naturgesetz und das Sittengesetz sind 
Abstractionen, welche ihre Verwirklichung, das 
erste in der sinnlichen Welt, das zweite in der 
übersinnlichen Welt, d. h. im Selbstbewusstsein 
der Menschheit finden. Die Erfahrung aber 


zeigt, dass die sinnliche Welt keinen Bestand 
hat, indem alle Dinge und Kreaturen entstehen 
und vergehen, und ebenso auch, dass die über¬ 
sinnliche Welt keinen Bestand hat, indem die 
Träger desselben, die Menschen, nicht nur 
gleich allen übrigen Kreaturen entstehen und 
vergehen, sondern es auch nie zur Vollkom¬ 
menheit in sittlicher Beziehung bringen. Aus 
dieser Erfahrung ist die Erkenntniss hervor¬ 
gegangen, dass ällo Wirklichkeit in Wahrheit 
im Werden begriffen ist. Dieses Werden der 
Wirklichkeit ist längst schon in Bezug auf die 
übersinnliche Welt als Entwiekelungsprocess er¬ 
kannt, der in der Veredelung menschlichen 
Wesens besteht. In Beziehung auf die sinnliche 
Welt ward zwar auch schon längst die Ahnung 
ausgesprochen, dass auch ihre Wirklichkeit auf 
einen Entwiekelungsprocess hinauslaufe, aber erst 
in der Neuzeit ist dies als Wahrheit erkanut 
und nachgewiesen worden. Will man sich von 
der in aller Zeit, d. h. in der Unendlichkeit 
vorgehenden Entwickelung der sich veredelnden 
Menschheit eine Vorstellung machen, so gelangt 
man zu der Idee der Unsterblichkeit des zur 
sittlichen Vollkommenheit sich entwickelnden 
Menschen; und ebenso führt die Erkenntniss 
von der Entwickelung der sinnlichen Welt zur 
Vorstellung des in dieser Entwickelung sich 
offenbarenden Gottes. Die Wissenschaft begnügt 
sich mit Abstractionen, weil sie weiss, dass sie 
noch nicht bei dem letzten Grunde aller Er¬ 
scheinungen angekommen ist; der lebendige 
Mensch kann aber durch sein Wissen weder 
seine physische noch psychische Existenz be¬ 
haupten : er wird durch eine Darlegung des 
Verdauungsprocesses nicht satt und kommt durch 
eine Tugendlehre nicht zqj: sittlichen That. Ob¬ 
schon er den letzten Grund seines Daseins nicht 
kennt, so ist er sich doch bewusst, dass er 
denselben in sich trägt und dass dieser Besitz 
die Bedingung seiner Existenz ist; und da er 
sich selbst als persönliches Wesen fühlt und 
weiss, so stellt er auch diesen letzten Grund 
aller Wirklichkeit und Wahrheit als persönliches 
Wesen sich vor und nennt dasselbe: Gott. Die 
Analogie zwischen Naturgesetz und Sittengesetz, 
von welcher die Frmr ausgehen, läuft darauf 
hinaus, dass die Unsterblichkeitsidee und die 


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77 


Gottesidee im innigsten Zusammenhänge stehen, 
oder wie es ahnungvoll längst ausgesprochen 
worden, dass der Mensch zur Gottähnlichkeit 
berufen ist, weil alles geistige Wesen in sich 
einig ist, wie mannigfaltig es auch in Raum und 
Zeit sich gestalten mag. — Wie hoch der 
Mensch auch gebildet sein mag, schliesslich 
kommt es für ihn immer darauf an seine Ge¬ 
danken in eine Vorstellung zusammenzufassen, 
sie durch Vorstellung sich deutlich zu machen. 
Die Vorstellung Mensch ist mit der Vorstellung 
Gott so innig verknüpft, dass nur wer sich 
selbst aufgiebt, Gott leugnen kann, und dass, 
wer Gott leugnet, an sich selbst verzweifelt. 
Wer die Existenz der menschlichen Individualität 
behauptet und die Ewigkeit des Sittengesetzes 
anerkennt, der hat damit auch die Existenz 
Gottes und die Unsterblichkeit anerkannt, — 
vielleicht ohne es zu wissen. Aber freilich 
braucht er Gott nicht als wundertätigen 
Kämpfer gegen das von ihm selbst erlassene 
Naturgesetz sich vorzustellen und die Unsterb¬ 
lichkeit des Menschen nicht im Essen und 
Trinken und in alledem zu suchen, dessen 
sterbliche Kreaturen als solche bedürftig sind. 
Wir Frmr stellen uns die Aufgabe „den Men¬ 
schen geistig und sittlich zu veredeln“; damit 
ist ausgesprochen, dass ein Frmr mit Erfolg 
und zu seiner eigenen und der Brr Befriedigung 
nur werden kann, wer den Menschen als ein 
geistiges und sittliches Wesen anerkennt, welches 
also eine andere Existenz als eine sterbliche 
hat, d. h. unsterblich ist. Und ist der Mensch 
der geistigen und sittlichen Veredelung fähig, 
so ist damit auch anerkannt, dass es ein 
geistiges W 7 esen geben muss, welches das in 
Vollkommenheit ist, was der Mensch in der 
Zeitlichkeit nur erst noch in Unvollkommenheit 
zu sein vermag, — zu dem der Mensch hin¬ 
strebt, — welches das gesuchte Ziel seiner’ 
Entwickelung, sein Ideal ist. Je nach dem 
Grade seiner. Entwickelung stellt sich der Mensch 
dieses vollkommene Wesen vor, und je nach dem 
Wege, auf dem er zu ihm hinzugelangen sucht, 
benennt er es dann wohl auch. Wir Frmr 
nennen dies Wesen den A. B. d. W., um aus¬ 
zudrücken, dass wir es suchen auf dem Wege 
der Naturerkenntniss, d. h. des Naturgesetzes, 


welches den in der Schöpfung sich offenbarenden 
Willen des Schöpfers uns erkennen lässt, und auf 
dem Wege der Selbsterkenntniss, welches den als 
geistiges Lebensbedürfniss dem Menschen einge¬ 
pflanzten Willen des Schöpfers als den sittlichen 
Willen des Menschen in’s Bewusstsein bringt. Wir 
sind aber weit davon entfernt den A. B. d. W. 
als unsern Gott den Göttern anderer Menschen 
gegenüberzustellen, sondern wir wollen mit dieser 
Bezeichnung alle gehässigen Streitigkeiten um 
die Vorstellungen, welche sich die Menschen 
über das geistige Wesen in seiner Vollkommen¬ 
heit machen, uns fern halten. Wir suchen 
Gott wie der Mathematiker thut, indem er eine 
noch unbekannte Grösse zu bestimmen sucht aus 
den Beziehungen derselben zu andern bekannten 
Grössen. So suchen wir Gott zu erkennen aus 
den Dingen und Kreaturon der Welt, wie sie 
sind und werden durch das Naturgesetz, und aus 
den Forderungen des Sittengesetzes, welche die 
in’s Bewusstsein gelangten geistigen Bedürfnisse 
aller denkenden Menschen sind, von jeher ge¬ 
wesen sind und in aller künftigen Zeit sein 
werden. Und wie der Mathematiker streiten wir 
mit Niemand, auch unter einander nicht, son¬ 
dern überlassen einem jeden zu sehen, wie weit 
er auf dem uns gemeinsamen Wege der Er¬ 
kenntnis zu kommen vermag. Im „Allgemeinen“ 
bleiben wir aber der Frage: „Glaubst Du an 
Gott?“ gegenüber bei dem stehen, was unser 
grosser Frmrdichter auf dieselbe geantwortet 
hat: „Wer darf ihn nennen, und wer bekennen: 
Ich glaub ihn ? Wer empfinden und sich unter¬ 
winden zu sagen: Ich glaub ihn nicht? Der 
Allumfasser, der Allerhalter fasst und erhält er 
nicht dich, mich, sich selbst? Wölbt sich der 
Himmel nicht da droben ? Liegt die Erde nicht 
hier unten fest ? Und steigen freundlich blin¬ 
kend ewige Sterne nicht herauf?“ — 

Aus den angeführten Gründen halte ich die 
Aufstellung „Allgemeiner Grundsätze der Frei¬ 
maurerei,“ wenn dieselben etwas anderes be¬ 
deuten und bezwecken, als dies: eine indivi¬ 
duelle Auffassung der Aufgabe der Frmrei zu 
sein, für ein der Kunst der Frmrei nicht ge- 
mässes Unternehmen, weil keino Kunst, und am 
allerwenigsten die Frmrei, durch Majoritäts¬ 
beschlüsse sich reguliren, sondern jede nur 


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durch Beispiel und Nachfolge sich ans- und 
fortbilden lässt. Da ich aber, wie schon gesagt, 
gegen die der Loge B. z. L. von den genannten 
sechs Brn vorgelegten „Allgemeinen Grundsätze“ 
nichts wesentliches einzuwenden habe, und da 
diese Brr von solchen, welche mit ihnen mehr 
oder weniger übereinstimmen, „Verbesserungs- 
Vorschläge“ zu erhalten wünschen, so stehe ich 
nicht an, denselben eine Redaction der „Allge¬ 
meinen Grundsätze“ vorzulegen, welche, wie ich 
wohl hoffen darf, den Ueberzeugungcn meiner 
Brr Meister in der Loge B. z. L., die mir nun¬ 
mehr 30 Jahre lang den ersten Hammer dieser 
Loge anvertraut haben, entsprechen wird, durch 
die aber weder meine Brr in dieser Loge, noch 
meine Brr Frmr in der Einen Allgemeinen Loge, 
zu welcher alle Frmr gehören, irgend wie ver¬ 
pflichtet werden sollen. Ich schliesse mich da¬ 
bei dem Wortlaute der Vorlage so eng als 
möglich an, und weiche nur ab um Missver¬ 
ständnisse zu vermeiden, Unklarheiten zu be¬ 
seitigen und einige Ergänzungen, die mir wün¬ 
schenswert!] erschienen, anzubringen. Die Gründe 
zu diesen Aenderungen liegen theils in dem, 
was ich soeben vorgetragen habe, theils erklären 
sie sich von selbst. 

Befragt, schlage ich folgende Fassung vor: 

Allgemeine Grundsätze der Freimaurerei. 

I. 

Die Freimaurerei bezweckt unter Anwendung von 
Formen, die ans den Gebräuchen der früher in Bau¬ 
hütten vereinigten und des Naturgesetzes als Bedingung 
der Kunst sich bewussten Werkmaurer hervorgegangen 
sind, den Menschen geistig und sittlich zu veredeln 
und dadurch die Wohlfahrt der menschlicher Gesell¬ 
schaft zu befördern. 

II. 

Die Freimaurerei steht auf der Grundlage des den 
geistigen Bedürfnissen des Menschen entsprechenden 
Sittengesetzes und erstrebt die sittliche Vervollkommnung 
des Einzel- und Gesammtlebens, so wie die Verbreitung 
allgemeiner Menschenliebe. 

III. 

Der Freimaurerbund will die Zwecke und Grund¬ 
sätze der Freimaurerei zur Durchführung bringen durch 
geistige Arbeit innerhalb der Logen und durch Uebung 
und Beispiel ausserhalb derselben. 

IV. 

Der Freimaurerbund huldigt dom Grundsätze der 
Gewissens-, der Glaubens- und der Geistesfreiheit; er 
verwirft jeden Zwang, welcher diese Freiheit bedroht, 


und jede Verfolgung, die gegen Andersgläubige und 
Andersdeukende geübt wird. 

V. 

Der Freimaurerbund verlangt von den Aufzunehmen¬ 
den keinerlei Bekenntniss. Er verlangt nur, dass sie 
freie Männer von gutem Rufe und von solcher geistigen 
Bildung seien, wie sic die Ausübung dos freimaurerischeu 
Berufes voraussetzen muss, ohne Unterschied der Race, 
des Standes und der religiösen und politischen Ansichten. 

VI. 

Der Freimaurerbund verlangt vun seinen Mitgliedern 
die ernste Theilnahmo an den grossen ethischen und 
sozialen Fragen im Sinne friedlicher Entwickelung. Die 
Loge selbst aber ist eine neutrale Stätte, in welcher 
zwar alle Fragen des Lebens und der Wisser schaft zu 
unbefangener Erörterung, wenn auch nicht zur Entschei¬ 
dung gelangen können und sollen, deren Schwelle aber 
die Leidenschaften des öffentlichen Lebens und der 
politischen und religiösen Parteikämpfe nicht über¬ 
schreiten dürfen. 

VII. 

Dor Freimaurerbund ist keine geheime Verbindung: 
seine Zwecke, Geschichte, Organisation und Statistik 
sind kein Geheimnis». Das von jedem Mitgliede des 
Bundes abgelegte Gelübde der Verschwiegenheit bezieht 
sich nur auf den persönlichen Verkehr der Mitglieder 
des Bundes mit einander, sowie auf die Gebräuche. 

Meine würdigen Brr, ich fordere nicht Sie 
auf für oder wider sich zu erklären weder in 
Bezug auf die uns zur Prüfung vorgelegte 
Fassung der „Allgemeinen Grundsätze der 
Frmrei“ noch auf dio von mir redigirte Fassung 
derselben. Wohl aber schlage ich Ihnen vor: 
im Namen der Loge B. z. L. eine Betheiligung 
an „weiteren Schritten zur Erreichung des an¬ 
gegebenen Zweckes“ mit der Bemerkung abzu¬ 
lehnen, dass die Loge Balduin zur Linde als 
eine unabhängige Freimaurerloge an einer Agi¬ 
tation, wie die welche beabsichtigt wird, nicht 
sich betheiligen könne, um nicht ihre eigene Un¬ 
abhängigkeit zu gofährden, obschon in ihr seit 
längor als einem Menschenalter wesentlich im Sinne 
der ausgesprochenen „Allgemeinen Grundsätze der 
Frmrei“ vorgegangen und namentlich von den 
Aufzunehmenden keinerlei Bekenntniss verlangt 
werde, indem bei jeder Aufuahmeloge nach Ein¬ 
führung des Suchenden als „freier Mann von 
gutem Rufe“ rituell auf die Frage des Mstrs 
v. St.: „welchem bürgerlichen Stande gehört der 
Suchende an und welcher Religionspartei?“ der 


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einführende II. Schaffner zu antworten hat: „Ich 
weiss es nicht, aber ein rechtschaffener Frmr 
und Meister unserer k. K., Br N. N., bürgt für 
den Suchenden, indem er versichert, dass der¬ 
selbe ein der Selbstbeherrschung fähiger und 
der Achtung aller Guten würdiger Mann sei.“ — 
Ueber diesen meineu Antrag eröffne ich die 
Discussion. 

Die versammelten Brr Meister er¬ 
klärten sich einstimmig für den Vor¬ 
schlag des Br Marbach. 


In derselben Conferenzloge kam auch der 
bekannte „Aufruf an die St. Johannis¬ 
logen Deutschlands,“ welcher von der Loge 
Karl August zu den drei Hosen in Jena 
ausgegangen ist, zur Berathung und Beschluss¬ 
fassung. Es wurde von Br 0. Marbach bean¬ 
tragt zu beschlossen: 

„Die Meisterschaft der Loge Balduin zur 
Linde, welche von dem „Aufrufe etc.“ Kennt- 
niss genommen, erkennt die Errichtung einer 
frmn Nationalloge, — einer allgemeinen deut¬ 
schen Grosslogo unter dem Protectorate Sr. K. 
K. Hoheit des Kronprinzen von Deutschland 
als ein wünschenswerthes und erstrebenswerthes 
Ziel aller deutschen Frmr an, ist auch überzeugt, 
dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn 
alle deutschen St. Johannis - Freimaurerlogen 
ohne Rücksicht auf die verschiedenen Systeme, 
Rituale und Grosslogenverbände, welche z. Z. 
noch in Deutschland vorhanden sind, zur Er¬ 
richtung einer solchen Grossloge sich entschliessen 
und wenn die in Deutschland bestehenden Gross¬ 
logen sowie die fünf unabhängigen Logen ihre 
bisherige Unabhängigkeit zu Gunsten einer All¬ 
gemeinen deutschen Grossloge aus Ueberzeugung 
freiwillig aufgeben; — sie hält aber nicht da¬ 
für, dass es rathsam und angemessen sei in der 
von der Loge zu Jena vorgeschlagenen Weise 
vorzugehen, um „die Einigung der deutschen 
Logen als maurerisches Nationalgeschenk zur 
Silbernen Hochzeit Sr. K. K. Hoheit darzu¬ 
bringen.“ — , Diesem Anträge gemäss 
wurde beschlossen gegen die von Jena 
ausgegangene Aufforderung sich ab¬ 
lehnend zu verhalten. 


Engband der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

7. Vortrag des Br F. Fuchs. 

(Fortsetzung aus No. 9.) 

„Nachdem unser Hochw. Logenmeister den 
Beamten und den übrigen Brn der Loge die 
im Auftrag Ihrer an unsern Hochw. Logen- 
meister gethanen Forderung den Ehrw. Brn 
Lange und Oehme Constitution und Acten ab¬ 
zuliefern, ohne die Bewegungsgründe anzugeben, 
bekannt gemacht hatte, entstand vor allen Dingen 
die Frage: Ist die Grosse Landesloge zu einem 
dergleichen Verfahren berechtigt? Die Antwort 
fiel unserer Constitution und den Gesetzen der 
Johannis-Maurerei gemäss, auch nach analogen 
Principien jeder profanen Verbindung und dem 
erhabenen Gutachten der gesunden Vernunft nach 
dahin aus: 

a) In Gemässheit unserer Constitution sind wir 
der Hochw. Grossen Landesloge für unsere Hand¬ 
lungen verantwortlich, sobald sie uns auf ge¬ 
setzliche Art auf dem gewöhnlichen Communi- 
cationswege zur Verantwortung zieht. Der 
Communicationsweg der Hochw. Gr. Landesloge 
ist jedoch durch den Grossmeister und die Be¬ 
amten unserer Loge. Gesetzlich ist dieser Weg 
aber 

b) auch nur dann, wenn die Klagopunkte vor¬ 
gelegt worden sind; denn schon das alltägliche 
Princip „audiatur et altera pars“ klingt in Aller 
Ohren und Niemand wird auf eine andere Art 
aburteln. Man muss also 

c) vor allen Dingen über das Factum im Reinen 
sein, ehe man züchtigt, man darf nie ab exe- 
cutiono anfangen. Einen solchen Prozess hat 
das bürgerliche Gesetz verboten, wie könnte 
diesem die Maurerei huldigen? Wie kann man 
die Zwangsmittel in Beschlag nehmen wollen, 
ehe man darüber einig ist, ob man ihrer bedarf? 

Obschon wir folglich, sobald wir über unser 
Benehmen legali modo, d. h. durch unsere Be¬ 
amten, gefragt werden, recht gern antworten 
wollten, so konnten wir doch nicht eher ant¬ 
worten, bis wir die Frage wussten; am wenigsten 
können wir uns bei dem Verfahren der Hochw. 
Grossen Landesloge beruhigen welche uns züchtigen, 
Constitution und Acten abnehmen will, ohne uns 
nur einen Irrthum angewinkt, weit weniger ein 
Vergehen bewiesen zu haben. 

Und können denn Commissarien überhaupt 
uns richten, können solche aus unserer Mitte 
gewählt werden und wenn dem so wäre, wie 
doch der Natur des einfachsten Verstandes zu¬ 
wider ist, können diese uns Constitution und 
Acten abfordern, ohne eigentlich selbst die Ver- 


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anlassung zu kennen ? Commissarien können und 
werden wir nicht anerkennen, denn wir haben 
der Hochw. Grossen Landesloge noch nie einen 
Beweis gegeben, dass wir uns ihr verantwortlich 
zu sein entbrechen, folglich kann sie solche nicht 
anders als wie zeither durch unsere Beamten 
fordern, auch ist dieses zweckmässig, denn diese 
können allein über das specielle Verhältniss 
einer Loge coguosciren. Auch können Brr 
unserer Loge nicht als Commissarien gelten, denn 
diese sind ja Theilnehmer unserer Handlungen. 
Wie kann ich über ein Factum entscheiden, 
wenn ich correus facti bin ? Dagegen spricht 
ja das Civilgesetz, wie kann der reine Geist der 
Maurerei dies dulden? Hieraus ergiebt sich denn 
unumwunden, dass Sie, Hochw. und Gel. Br 
nach den anspruchslosen Normen der Maurerei 
nicht verfahren sind, und dass ein solches Be¬ 
ginnen nicht einmal mit den Grundsätzen einer 
guten Staatsverfassung, weit weniger mit denen 
der Maurerei zu vereinigen ist, welche nicht 
Despotismus predigt, wie schon der Ausdruck 
„freier Maurer“ ausspricht, schwesterliche Ein¬ 
tracht verlangt und man daher einzig und allein 
den verderblichsten Inconsequenzen Preis gegeben 
wäre, sobald man dergleichen Grundsätzen hul¬ 
digen und ein solches Benehmen als rechtsgiltig 
auerkennen wolle. 

Aus allen diesen und nach den reiflichsten 
Erwägungen und sorgfältigster Prüfung der für 
oder gegen die Sache statt habenden Gründe 
ging das Resultat hervor, dass dem Geiste der 
Maurerei ein, Subordinationsverhältniss entgegen 
sei und nur schwesterliches Nebeneinanderstehen 
Platz ergreifen könne, dass wir aber die Recht¬ 
lichkeit eines solchen Verfahrens, welches uns 
sogar ohne zu hören condemniren und selbst 
deu einfachsten Principien des gemeinen Rechts 
entgegen handeln wollte, wenn es vor Ent¬ 
scheidung der Sache zu Zwangsmitteln schreitet, 
durchaus nicht dulden, vielmehr von diesem 
Augenblick zur Selbständigkeit übergehen, 
und es Ihrem eigenen Gefühl, ob Sie uns im 
schwesterlichen Verein neben sich sehen können, 
überlassen müssen, worauf wir dann nach vor¬ 
gängiger Vereinigung die Constitution Ihnen 
nicht vorenthalten werden. 

Sie werden finden, Hochw., Würdige u. Gel. 
Brr, dass wir Ihnen mit Offenheit und unge- 
schmtickt, dem Geiste der Maurerei getreu, unsere 
Meinung mitgetheilt haben; Sie selbst würden es 
uns verargen, wenn wir anders handeln wollten 
und werden es der erwachsenen Tochter billigen, 
wenn sie sich der zwecklosen Zuchtruthe der 
die Liebe verabsäumenden Mutter entzieht, ohne 
diesfalls die Hochachtung aus den Augen zu 


verlieren, mit welcher auch wir i. d. u. h. Z. 
verharren“ u. s. w. 

Einige Tage nach Abgang dieser Erklärung 
erschien folgendes vom 6. Nov. 1807 datirtes 
Schreiben der Grossen Landesloge. 

„In der Loge zur Linde haben seit ihrer 
Entstehung fast beständig Zank, Streit und Ver¬ 
druss geherrscht! Die mit Klagen aller Art 
angefüllten Acten bekunden solches nur zu sehr 
und dieser Missstand hat die Hochw. Grosse 
Landesloge von jeher um so mehr mit gerechtem 
Kummer erfüllt, jo mehr sie mit mütterlicher 
Sorgfalt bemüht gewesen, in dieser geliebten 
Tochterloge gesetzmässige Ordnung und echten 
maurerischen Sinn zu gründen und zu be¬ 
festigen. — Kaum hat aber die Hochw. Grosse 
Landesloge erwartet, was vor Kurzem geschehen 
ist, indem der Br Eckold zum Vorsitzenden 
Meister der Loge zur Linde gewählt worden, 
den die Grosse Landesloge in Rücksicht dessen, 
was vor mehren Jahren mit ihm vorgefallen 
ist, nicht als Logenmeister genehmigen kann. 
Gegen diesen Br wurden im Jahre 1800, als er 
in der Loge zur Linde den Hammer führte, ver¬ 
schiedene Klagen und Beschuldigungen wegen 
gesetzwidrigen Verfahrens im Logenmeisteramte 
angebracht. Diese wurden ihm zur Verantwortung 
und Rechtfertigung mitgetheilt; er Hess letztere 
aber vergeblich erwarten und die Hochw. Grosse 
Landesloge sah sich veranlasst, ihm das fernere 
Arbeiten in der Loge zu untersagen und die 
einstweilige Regierung derselben dem Hochw. Br 
Voss zu übertragen. 

Der Br Eckold gab bald nachher zwar eine 
Antwort, ging aber nicht nur nicht in die Sache ein, 
sondern war auch in seiner Schreibart der 
Achtung, die der Hochw. Grossen. Landesloge 
gebührt und der Verpflichtung von seinen Ar¬ 
beiten willig Rede und Antwort zu geben un- 
eingedenk.“ — 

(Fortsetzung folgt.) 


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Die Bekehrte. 

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Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beitrage bringen, die in den Logenversammlungeil eiues der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischen Correspond enz-Bureau’s. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Balduin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei steLen, 
und gegen eine Insertionsgebähr von 15 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 

Inhalt: Das Gehe im n iss der Maurerei in Bezug auf die Schönheit. — Bei Tafel am Schwestern¬ 
feste. — Zur Geschichte der Loge Balduin zur Linde.— Anzeigen. 


Das Geheimnis» der Maurerei in 
Bezug auf die Schönheit. 

Rede zum Schwesternfeste der Loge Balduin zur Linde 
von BrL. H. Hollaender, Prof, in Halle a/S. 

Hochverehrte Schwestern! 

Sie, die Sie heute hier versammelt sind 
um Theil zu nehmen an einem Feste, das ganz 
besonders Ihnen zu Ehren veranstaltet ist, Sie 
sind gewiss mit den mannigfaltigsten Hoffnungen 
und Erwartungen in diesen unseren Festsaal ge¬ 
treten. Sowohl Sie, die Sie schon öfters ein 
Schwesternfest besucht haben, und noch mehr 
Sie, die Sie heute zum ersten Male hier anwesend 
sind, Sie hat gewiss schon Alle die würdige 
Zurückhaltung Ihres Mannes in Bezug auf die 
Loge zu der Ueberzeugung geführt, dass wir uns 
hier mit verschiedenen ernsten Dingen beschäftigen 
— dass unsere Zusammenkünfte nicht bloss den 
Freuden der Tafel oder gar irgend einer Spielerei 
dienen, sondern dass sie getragen sind von den 
höchsten Gedanken, welche die Welt und die 
Menschheit bewegen. Nur Eines ist es, was 
gemischte Gefühle in Ihnen wach erhäit — es 
ist dies die Frage nach dem Geheimniss der 
Maurerei. 

Das Geheimniss der Maurerei! 

Wenn man dies nur mit wenigen Worten 
auseinandersetzen, mit wenigen Worten verständ¬ 
lich machen könnte. Wer es nicht in seinem 


Innern besitzt, dem wird man es nie verrathen 
können, und wem man es erst anvertrauen muss, 
der wird vor demselben stehen, wie der Jüngling 
vor dem verschleierten Bilde zu Sais. 

Das ist eben das grösste Geheimniss, dass 
es kein Geheimniss ist! 

Sie können schon, hochverehrte Schwestern, 
freimaurerische Ideen in allen solchen Büchern 
finden, die nicht bloss leichtfertigen Unterhaltungs¬ 
zwecken dienen; Sie finden sie in all* den Meister¬ 
werken unsrer deutschen Dichter und Schriftsteller, 
bei Lessing, Herder, Goethe, Schiller, Rtickert 
und vielen anderen, und Sie können von dem er¬ 
habenen Wesen der Maurerei vollständig durch¬ 
drungen sein, ohne es selbst auch nur zu ahnen. 

So wie Sie erst einmal in sich selber ein¬ 
kehren, so wie Sie Ihre Umgebung, die Natur 
ringsum, das menschliche Leben überhaupt in 
Ihre Betrachtung ziehen, müssen Sie zu maure¬ 
rischen Gedanken angeregt werden. 

Sie können es dann schon durch sich selber 
erfahren, dass das ganze menschliche Leben sich 
auf baut, und dass die Maureroi sich stützt auf 
drei Grundbedingungen, — dass der einfache Bau 
unserer Kunst begonnen werden muss mit Weisheit, 
dass er durchgeführt wird mit Stärke, und dass 
er geziert wird durch Schönheit. 

Die Schönheit ist das letzte und edelste 
Ziel unseres Lebens und Strebens, denn Schönheit 
ist der Lohn jeglicher Tugend. Für die Seele 


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existirt die Welt nur, um den Wunsch nach 
Schönheit zu erfüllen. 

Aber was ist Schönheit? 

Schönheit im weitesten und tiefsten Sinne 
ist der Ausdruck für alles Grosse, Wahre und 
Göttliche im Universum. Sie ist der Verkünder 
innerlicher, zeitlicher und ewiger Vollkommenheit. 
Die Schönheit ist nichts Gemachtes. Sie ist da 
und tritt unbewusst in die Erscheinung, sei es 
in sittlicher, sei es in körperlicher, sei es in 
ästhetischer Beziehung. 

Am deutlichsten wird jedoch das Wesen 
der Schönheit, wenn man sich ihre Eigenschaften, 
Kennzeichen oder Merkmale im Einzelnen klar 
zu machen sucht. 

Am ersten fesseln den Blick stets die Schön¬ 
heiten der Natur, und ihrem Eiidiuss entzieht 
sich wohl kaum selbst der roheste Mensch. 

Jeder empfindet die Schönheit des blauen 
Himmels, der sich über die lachende Landschaft 
wölbt; die Schönheit der aufblühenden Rose, 
deren Duft die Umgebung durchsetzt; die Schön¬ 
heit der blaugrünen glatten Meeresfläche, durch 
die man in eine bodenlose Tiefe blickt, und die 
erhabene Schönheit des zuckenden Blitzes, der 
in schwarzer Gewitternacht einen kurzen Moment 
das Dunkel durchbricht. 

Die höchste körperliche Schönheit zeigt die 
menschliche Gestalt, und vor Allem das Weib. 

Schön ist das jugendfrische, lebensfrohe 
Mädchen, desseu heiteres Lachen alle Welt be¬ 
zaubert, — schöner die Mutter mit dem Säugling 
an der Brust, — aber am schönsten die bejahrte 
Matrone, dereu Locken um so anmuthiger und 
verehrungswürdiger geworden, je weisser sie sich 
gefärbt haben. 

Jedes höhere Gefühl, jede ächt menschliche 
Empfindung ist schön! 

Schön ist die Liebe dankbarer Kinder zu 
ihren Eltern — schön und beseligend ist die 
Liebe der Gatten zu einander, — schön ist die 
Treue, die der Freund dem Freunde, der Bruder 
dem Bruder hält, aber namenlos schön ist die 
selbstlose Hingabe der Mutter, die ihrem Kinde 
nicht allein ihr eigen Fleisch und Blut, sondern 
ihr ganzes Dasein opfert. 

Schön ist die Hochachtung vor dem Bedeuten¬ 
den, vor dem wahrhaft Grossen! 


Schön ist der Mann, der Wissenschaft und 
Kunst vertieft und verbreitet, der neue Bahnen 
seinen Zeitgenossen geebnet, dessen Erfindungen 
und Entdeckungen der armen und leidenden 
Meuschheit zu Gute kommen und den Glanz 
unseres ideellen und materiellen Lebens erhöhen, 
aber noch viel schöner ist der, der sein Leben 
so kunstvoll gestaltet, der die Beziehungen zu 
seinen Nebenmenschen so veredelt hat, dass man 
von ihm sagen kann: „Nehmt Alles nur in 
Allem“ er ist ein Mann, er ist ein edler, ein 
guter Mensch. 

Schön und echt maurerisch ist die Duldung 
einer anderen Meinung, einer anderen religiösen 
Ueberzeugung, aber niedrig, gemein und verab¬ 
scheuungswürdig ist die zeternde Unduldsamheit 
jener Bonzen und Pfaffen, die noch heutzutage 
jeden anders Gläubigen mit Feuer und Schwert 
verfolgen würden, falls ihnen die Macht dazu 
verliehen wäre. 

Schön ist jede grosse That! Schön ist Jo¬ 
hannes lluss, der für seine Ueberzeugung auf 
dem Scheiterhaufen stirbt, — und schön ist der 
Tod fürs Vaterland! 

So unendlich verschieden tritt das Schöne 
in die Erscheinung, aber so viel wird Ihnen 
klar sein, dass das Schöne allein, dass die 
nackte, sinnliche Schönheit * weder für uns 
Maurer noch für irgend einen wahrhaft ge¬ 
bildeten Menschen das höchste Ideal sein kann. 

Nicht die Schönheit allein ist es, welche in 
uns die dauerndsten Empfindungen wach ruft 
und erhält. Schönheit ohne Anmuth ist ein 
prachtvoll gedeckter Tisch ohne Speisen, Schön¬ 
heit ohne Herz und Gemüth lässt die Seele 
nüchtern und schal, und „nach der griechischen 
Göttersage muss sich Juno, die herrliche Kö¬ 
nigin des Himmels, erst von der Venus den 
Gürtel der Anmuth entlehnen, wenn sie ihren 
Gatten Zeus auf dem Berge Ida bezaubern will.“ 
(Schiller.) 

Schönheit ohne geistigen, ohne seelischen 
Inhalt wirkt um so unangenehmer, je mehr man 
sich von dem ersten sinnlichen Eindruck hin- 
reissen liess. Dahingegen verklärt der geistige 
Ausdruck, ein treuherziger geiststrahlender Blick 
der Augen, ein mildes, ruhiges, sinniges Auf¬ 
treten, ein bescheidenes und doch energisches 


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83 


Wesen selbst das hässlichste Gesicht. Von der 
Sanfhnuth des Herzens wird es eine besondere 
Grazie erhalten, so dass cst geradezu schöner 
erscheint als jenes, das uns durch den Reiz der 
sinnlichen Erscheinung allein anzuregen im 
Stande ist. 

Nicht die junge freudenstrahlende Braut, 
nicht die zärtliche Mutter sind vollendet schön, — 
wirklich idealisch schön ist die Frau, die ihrem 
Manne in allen Lagen des Lehens stets als 
hilfreiche Gattin, ihren Kindern als brave Mutter 
sich zeigt, und in deren ganzen Wesen sich 
eine Reinheit der Empfindung und des Denkens, 
eine Eleganz der Bewegung und eine Schönheit 
des ganzen Seins abspiegelt. 

Wie oft wirken derartige Frauen durch ihr 
Auftreten, durch ihre blosse Erscheinung allein! 
„Wahre Königin ist nur des Weibes weibliche 
Schönheit, 

Wo sie sich zeige, sie herrscht, herrschet bloss, 
weil sie sich zeigt.“ (Schiller.) 

Und doch will man in der neuesten Zeit 
der Frau diesen ihren höchsten Zauber rauben, 
indem man in falscher materieller Geistes- und 
Verstandesrichtung sie hinauszudrängon sucht in 
die Welt, damit sie Theil nehme an den ge¬ 
fährlichen, Geist und Gemüth verödenden und 
anstrengenden Arbeiten des Mannes, für die ihre 
zartere, körperliche Konstitution überhaupt nicht 
geschaffen ist. So wie die Frau ihr eigenes 
Gebiet verlässt, so wie sie es verschmäht, durch 
ihre edle Weiblichkeit zu wirken, so wie sie ein- 
tritt in die rauhe Welt, die ausserhalb ihrer weib¬ 
lichen Arbeitssphäre liegt, schwinden alle ihre 
schönen Eigenschaften und verzerren sich geradezu 
in ihr Gegentheil. 

Abgesehen von der körperlich in die Er¬ 
scheinung tretenden Schönheit, die durch inneren 
Gehalt gehoben wird, und jenen idealen Schön¬ 
heiten, die unsern Geist und unser Gemüth er¬ 
heben, suchen und finden wir die Schönheit in 
Allem, was nothwendig, in allem Brauchbaren 
und in Allem, was seinen Zweck am besten 
erfüllt. 

Jede menschliche Thätigkeit ist schön, so¬ 
bald sie einen edlen Gedanken zur Unterlage 
hat und jede Arbeit ist schönen Lohnes werth, 
die unserem gewählten Berufe entspricht. Denn 


wir Alle sind zur Arbeit geboren, und nur in 
der Arbeit können wir jene Befriedigung finden, 
welche die Schönheit unserer Existenz bedingt. 

Die Zelle der Biene, die gerade aus so viel 
Wachs besteht, als sie zu ihrer Festigkeit be¬ 
darf — die Einrichtung einer Wirtschaft, eines 
Hauswesens, die sowohl den materiellen Mitteln, 
als auch dem Bedürfniss des Besitzers ent¬ 
spricht, — die nicht nach aussen hin mehr 
scheinen will, als sie wirklich ist, die sich als 
einfach und natürlich, und also als wahr reprä- 
sentirt, sie fallen alle unter den Begriff der 
Schönheit. 

Denn nur das Wahre ist auch wirklich 
schön, und nur in der Wahrheit entfaltet die 
Schönheit ihre Macht. 

Gemalte Wangen, aufgebauschte Kleider, 
erkünstelte Jugendlichkeit, überschwenglich süsse 
Redensarten sind Täuschungen, dio um so häss¬ 
licher erscheinen, je weiter sie von der Wahr¬ 
heit sich entfernen. 

Ebenso ist es mit den Anforderungen, die 
wir an architektonische Schönheit stellen. Die 
Villa des Emporkömmlings, die mit Säulen 
geziert ist, welche Nichts zu tragen haben, ist 
geradezu lächerlich und das einfache Haus, das 
mit äusseren Zierrathen überladen ist, die in 
keiner Beziehung stehen zum Zweck, den es er¬ 
füllen soll, — die prachtvollsten Bilder und 
Möbel im Zimmer sind unschön, wenn sic nur 
dem Schmuck und durchaus nicht einem gemüth- 
lichen Wohlbehagen dienen. 

Und die kunstvoll gesetzten und gedrechselten 
Phrasen eines sogenannten glänzenden Redners, 
wie können sie erwärmen und begeistern, wenn 
man fühlt, dass sie nicht dem Herzen entströmen, 
dass sie unwahr sind! 

Welche Wirkung erzeugt hingegen ein 
Redner selbst mit den einfachsten Worten, wenn 
diese seiner inneren Uebcrzeugung entsprechen 
und wenn sic im Einklänge stehen mit seinem 
ganzen Sein und Wirken. Denn nur das Wahre 
belebt, nur die Wahrheit überzeugt, und nur 
durch die Wahrheit bleibt die Schönheit für 
immer bestehen. 

Sie sehen, hochverehrte Schwestern, schon die 
Erörterung der Schönheit hebt uns aus dem All¬ 
täglichen, aus dem Gewöhnlichen, aus dem Ge- 


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84 


meinen und führt uns in Regionen, die weit ab¬ 
liegen von den Pfaden, die wir gewöhnlich im 
profanen Leben zu wandeln pflegen. 

Ob dies wohl auch ein Geheimniss der 
Maurerei ist! Ich habe es Ihnen bereits ver- 
rathen, und ich darf es wohl auch. Wir suchen 
vor Allem die moralische, die seelische Schön¬ 
heit und sollen sie in allen unseren Handlungen, 
in allen unseren Empfindungen, in unserem ganzen 
Leben bethätigen. 

Wir wissen, dass jeder Gedanke, jede 
menschliche Handlung, jedes menschliche Kunst¬ 
werk, überhaupt jede geistige Thätigkeit immer 
nur der Ausdruck sein kann der eigenen Ge¬ 
dankentiefe, der Ausdruck der sittlichen Voll¬ 
kommenheit, die wir erreicht haben. 

Mögen sich grobe und sinnliche Naturen 
noch so sehr mit allerlei Kostbarkeiten behängen, 
ihre gemeinen Gesichtszüge, die ihr Inneres ver- 
rathen, erscheinen dadurch nur um so gemeiner. 
Nur die edle Gesinnung,*die sich in allen Hand¬ 
lungen , im Denken und Empfinden offenbart, 
lässt den Menschen schön erscheinen. Ja noch 
mehr, schon das Suchen nach dem Schönen ver¬ 
leiht uns selber einen bestimmten Grad von 
Schönheit. 

Für jeden edlen Menschen und daher auch 
für den Maurer ist die Schönheit das am meisten 
Wünschcnswerthe. 

Was Weisheit erfunden, was Stärke ausge¬ 
führt, soll Schönheit krönen. Wir wollen uns 
an weiser Arbeit, an der energischen Ausführung 
derselben, aber vor Allem auch an ihrer Schön¬ 
heit erfreuen. Die Maurerei ist eine Kunst, 
eine königliche Kunst, und sie hat wie alle 
Künste als Endziel die Schönheit. Nur wer das 
Schöne empfindet, durchlebt ein reiches Leben. 

Aber nicht in der Loge allein arbeitet der 
Maurer zur Erreichung dieses Zieles. Die Loge 
ist nur seine Schule, hier lernt er, hier ent¬ 
wickeln sich in ihm, hier fühlt er sich durch¬ 
drungen von jenen Grundsätzen, in denen er 
leben und nach denen er handeln soll. Ob dies 
wohl ein Geheimniss zu sein braucht? Wie der 
Maurer sich für seinen Beruf voibereitet, und 
wie er ihn erfüllt, — wie er sich seinen häuslichen 
Heerd gründet und wie er ihn allmählich ver- 
grössort — wie er sich seine Braut wählt und 


schliesslich seine Gattin heimführt — wie er 
seine Kinder erzieht und wie er sich verhält 
seinen Nebenmenschen gegenüber — wie er sich 
selber bemüht abzustreifen alles Erkünstelte, 
alles Unwahre, alles Gemeine — in Jedem sucht 
er das Schöne und zeigt sich darin als echter 
Mensch, als Maurer. 

Indem er so das Schöne, das Wahre überall 
zu erreichen strebt, gelangt er zur Erkenntniss 
seiner Schwächen, er gelangt zur Milde, zur 
Duldung, zur Dernutb, zur Selbsterkenntniss, und 
hiermit zur ersten Stufe jener Glückseligkeit, 
die wir alle erstreben. 

Das ist eines der Geheimnisse der Maurerei 
und jeder denkende Mensch kann leicht auch 
alle anderen ergründen. 

Wer gewöhnt ist Einkehr in sich selbst zu 
halten, — je nach seiner Bildung und Erfahrung 
sich selbst Rechenschaft zu geben über sein 
eigenes Denken und Handeln, — über seiu 
Verhalten zu seinen Nebenmenschen, — über 
seine Stellung in der göttlichen Weltordnufig, — 
über seine Pflichten gegen Staat, Gemeinde und 
Familie, und wer in seinem Thun und Empfin¬ 
den sich nach den Gesetzen der ewigen Schönheit 
richtet, der ist bewusst oder unbewusst ein Maurer. 

Denn „die Freimaurerei ist nichts Will¬ 
kürliches, nichts Entbehrliches, sondern etwas 
Nothwendiges, das in dem Wesen des Menschen 
und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist. 44 
(Lessing). 

Sie ist sicherlich so alt als diese Gesell¬ 
schaft solber und muss mit dem Erwachen jeg¬ 
lichen Culturlebens entstanden sein, gleichsam als 
Gegensatz gegen Fanatismus uud Unduldsamkeit, 
sei es auf religiösem, sei es auf socialem Gebiete. 

So wie der Mensch nur den Menschen 
achtet, fragt er nicht nach seiner religiösen Ueber- 
zeugung, nach seiner socialen Stellung. 

Die Maurerei hat keine Formeln zur all¬ 
gemeinen Beglückung in dieser oder jener Welt, 
aber sie sieht in jedem Menschen das Werk 
seines Schöpfers und sucht jeden Einzelnen auf 
den Weg zu leiten, der zum Heile führt. 

Die Maurerei ist sicherlich mit dem 
Menschengeiste selbst geschaffen und darum 
göttlichen Ursprungs! 


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8ö 


Bel Tafel am Schwesternfeste. 

Mel.: Heil dem Manne, der den grünen Hain etc. von Kiefer. 
Chor: 

Heil dem Manne und dem Weibe Heil, 

Die in treuer Liebe gehn des Lebens Pfade! 
Fried und Freude ist ihr irdisch Theil 
Und ihr himmlisch Theil ist Gottes Gnade! 

Einzeln: 

Treue Liebe ist ein Himmelsstrahl, 

Der des Erdonlcbens bange Dunkelheiten 
Hellet auf, verzehret Notli und Qual 
Und durchglüht das Herz mit Seligkeiten! 

Drum der Manu soll leben, 

Dessen Liebestreben 
Schönstes Ziel errungen; 

Preis sei ihm gesungen! 

Chor: 

Heil dem Manne, dem ein reines Weib 
Willig Herz und Hand fürs Leben hat gegeben, 
Dem die Liebe nicht ein Zeitvertreib, 

Dem sie Gut und Blut und Geist und Leben! 

Einzeln: 

Selig ist das Weib, das einen Mann, 

Einen weisen, starken, edlen Mann gefunden, 
Der sie ehret und sie schützen kann 
Wie sich selbst in trüben Schicksalstunden! 
Drum die Frau soll leben, 

Deren Liebestreben 
Schönstes Ziel errungen; 

Preis sei ihr gesungen! 

Chor: 

Heil dem Weibe, dem ein edler Mann 
Freudig Herz uud Hand fürs Leben hat gegeben, 
Dem die Liebe, die sein Herz gewann, 

Alles: Gut und Blut und Geist und Leben! 

Einzeln: 

Glücklich in der Ehe heiligem Bund 

Sollen Menschenherzen eins durchs andre werden; 

Jedem von uns allen werde kund, 

Dass es einen Himmel giebt auf Erdeu! 

Gott, dem wir vertrauen, ' 

Auf dess Huld wir bauen, 

Wird aus reichen Händen 
Seinen Segen spenden! 


Chor: 

Heil dem Manne und dem Weibe Heil, 

Die in treuer Liebe gehn des Lebens Pfade! 
Fried und Freude ist ihr irdisch Theil 
Uud ihr himmlisch Theil ist Gottes Gnade! 

Br ü. Marbach. 


Engbund der Loge Balduin z. L. 

Zur Geschichte 

der Loge Balduin zur Linde. 

7. Vortrag des Br F. Fuchs. 

(Fortsetzung aus No. 10.) 

„Nach dieser Vorfallenheit, und da der Br 
Eckold seine Rechtfertigung auch in der Folge 
ganz auf sich hatte beruhen lassen, konnte die 
IIocliw. Grosse Landesloge die im Jahre 1804 
von neuem auf ihn gerichtete, ohnehin nicht 
völlig gesetzmässig geschehene Wahl zum Logcn- 
meister nicht gut heissen und erklärte sich ganz 
ausdrücklich dagegen, so wie über die späterhin 
eingekommene, aus Glimpf zurückgelegte söge- 
nannte Vertheidigung demselben. Diese acten- 
mässige Vorfalleuhoitcn können der Loge zur 
Linde nicht unbekannt sein und wenn der Br 
Eckold, der sich vorgedaebtermaassen gegen die 
Hochw. Grosse Landesloge vergangen und des 
Vertrauens unwürdig gemacht hat, jetzt demohn- 
geachtet wieder zum Logenmeister gewählt worden, 
so ist dieses eine rautliwilligo Beleidigung der 
Hochw. Grossen Landesloge. — Aus diesen 
Gründen haben wir den Hochw. Brn Oehme 
und Lange bereits unterm 4. Scpt d. J. den 
Auftrag ertlieilt: „mit Zuziehung der bisherigen 
ersten Logenbeamten, des Hochw. Br Plato 
und der Würd. Brr Aufseher Dolz und Döring 
die der Loge zur Linde in Leipzig verliehenen 
Acten und Constitution bis zur weiteren Ver¬ 
fügung in sichere Verwahrung zu nehmen und 
die Loge für geschlossen zu erklären,“ — — 
bei Ertheilung dieses Auftrags aber gedachten 
Brn wohlbedächtig aus Schonung und Achtung 
die Gründe dieser Maassregel nicht detailiren 
mögen. Da jedoch nach der Anzeige der Hochw. 
Brr Oehme und Lange die Auslieferung der 
Acten und Constitution, sofern nicht die Gründe¬ 
angegeben werden, verweigert werden will, so 
sind Grund und Ursache den säinmtlichen Brn Mit¬ 
gliedern der Loge zur Linde damit dargelegt. — 
Jetzt verlangen wir nun die baldige und willige 
Ausantwortung der Acten und Constitution an 
die ernannten Brr Commissarien, die Ihnen 
dieses Schreiben offen behändigen werden, aus¬ 
drücklich mit dem Bemerken, dass wir zwar 
keine äussern Zwangsmittel anwenden können, 
dass wir uns aber auf den von der Logo zur 


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86 


Linde nach dem Beschluss und Namens ihrer 
Mitglieder unterm 29. März 1806 ausgestellten 
Revers und des darin auf Freimaurer-Bruder- 
treue und Glauben gegebene Versprechen: „Die 
Constitution und Acten olmweigcrlich zurückzu¬ 
geben, sobald solche von der'Hochw. Grossen 
Landesloge zu Berlin sollten zurückverlangt 
werden“ mit allem Vertrauen stützen, weil ein 
solches Versprechen ohne Beschimpfung nicht uner¬ 
füllt gelassen werden kann. Erfüllen Sie daher, Gel. 
Brr, unser wohlbegründetes Verlangen und Ver¬ 
trauen! Wehe thut unsern Herzen dieser unver¬ 
meidliche Schritt, wir sind aber mit treuen maure- 
rischcn Gesinnungen Ihre treu verb. Brr“ u. s. w. 

Dieses Schreiben war von Berlin abgegangen, 
als man dort die Leipziger Erklärung noch nicht 
kannte. Unter dem 15. Januar 1808 sandte die 
Grosse Landesloge ein kurzes Schreiben „an die 
sich nennende selbständige Loge zur Linde in 
Leipzig,“ in dem es heisst: „Aus Ihrem Schreiben 
haben wir ersehen, dass die Loge zur Linde, 
die bisher unter Constitution der Hochw. Grossen 
Landesloge gesctzmässig bestanden und gearbeitet, 
sich nunmehr für selbständig erklärt hat. Da 
wir mit diesem Ausdruck keinen andern Begriff 
zu verbinden wissen, als dass die sich nunmehr 
für selbständig erklärende Loge weder einor Grossen 
Landeslogo noch Provinzialloge Hilfe zu ihren 
Arbeiten und Fortkommen bedürfe, so erwarten 
wir nun desto zuversichtlicher, dass die selb¬ 
ständige Loge, ihres heilig gegebenen schriftlichen 
Versprechens eingedenk, sich nicht länger weigern 
wird, der Grossen Landesloge Acten und Con¬ 
stitution wieder zurück zu schicken, welches wir 
binnen 14 Tagen ohnfehlbar gewärtigen. Gegeben 
in der Grossen Landesloge der Freimaurer zu 
Berlin, v. Castilion, Landesgrossmstr.“ 

Die Loge zur Linde schrieb hierauf zurück: 
„Sie haben nun unserm Verlangen Gnüge geleistet, 
und ob wir schon diese Gründe als ausreichend 
nicht betrachten können und dürfen, so wollen 
wir doch nach uuserm Versprechen die Consti¬ 
tution in die Hände eines von Ihnen selbst zu 
ernennenden Brs gegen Rückgabe des Reverses 
und beigehende von Ihnen zu vollziehende Quittung 
abzugeben erbütig sein und halten uns überzeugt, 
dass Sie diesen Weg als den unserm Verhältniss 
am angemessensten anerkennen werden und ver¬ 
bleiben unter diesen Voraussetzungen Ihre Sie 
heizlich liebenden Ordensbrr.“ 

Das Quittungsformular enthält die Empfangs¬ 
bescheinigung der zurückgesendeten Acten und 
der Constitution und eine Begebung aller An¬ 
sprüche an die Loge zur Linde. — Die Grossloge 
scheint jedoch jetzt allen Verkehr mit der Loge 
zur Linde abgebrochen zu haben, denn die be¬ 
treffenden Papiere bliebon in Verwahrung der 


hiesigen Loge, erst 1809 sendete sio Br Limburger 
sen, der nach des Logenmeisters Eckold Tode 
die Leitung der Loge nicht eher übernehmen 
wollte, als bis Constitution und Acten an die 
Berliner Grosslogc zurückgegeben seien, an den 
Landesgrossmeistcr vonCastillon mit einem Privat¬ 
schreiben ein; unter dem 30. Mai (1809) bescheinigt 
Br von Castilion ebenfalls privatim den Empfang. 

Mit Eifer ging die neue Loge an die Aus¬ 
arbeitung einer für die Bedürfnisse einer selb¬ 
ständigen Loge berechneten Constitution und des 
dazu gehörigen Rituals, zu dessen Vervollständi¬ 
gung man sich das Ritual der Loge Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg erbat. 

In einem Circular vom 20. April 1808 au 
die mit ihr correspondirenden Logen theilt die 
Loge zur Linde unter ausführlicher Darlegung 
der veranlassenden Gründe mit: 

1) „dass sie die maurerische Obergewalt der 
Grossen Landesloge nicht mehr anerkenne, 

2) blos den maurerischen Gesetzen und ihrer 
eigenen Verfassung Gehorsam angelobe, 

3) ihre Arbeiten auf die drei Johannisgrade ein¬ 
schränke, 

4) ihrem bisher bearbeiteten System treu bleiben, 

5) nicht untersuchen wolle, ob und welcher Loge 
das Recht Töchterlogen zu constituiren zu¬ 
stehe, übrigens aber 

6) mit allen Logen, die als gesctzmässig aner¬ 
kannt sind, ohne über Systemverhältnisse abzu- 
urtheilen, in Verbindung bleiben und treten 
wolle.“ 

Aber auch die Grosso Landesloge Hess unter dem 
15. Februar 1808 ein Circular an ihre Töchter¬ 
logen und die mit ihr correspondirenden Logen 
ergehen, worin sie den Abfall der Leipziger Loge 
anzeigt und die Veranlassung dazu ganz in der¬ 
selben Weise schildert, wie sie es in dem an 
die Logo zur Linde unter dem 6. Nov. 1807 
gerichteten Schreiben gethan, und es als ein 
besonders schweres Vergehen hinstellt, dass Con¬ 
stitution und Acten noch nicht zurückgeschickt 
seien. Es heisst dann weiter: „Wir lassen es 
an seinen Ort gestellt, welchen Begriff diese Loge 
mit der erwähnten Selbständigkeit, einer in der 
Frmei ganz neuen Eigenschaftv, erbinden möge, 
und überlassen sie gern ihrem Schicksal, wenn 
sie glaubt, weder einer Grossloge noch einer 
Provinziallogo zu ihren Arbeiten und zu ihrem 
Fortkommen zu bedürfen.“ — „Wir unsererseits 
können diejenigen unrechtmässigen Inhaber unserer 
Acten und Constitution und alle diejenigen, welche 
an deren Vorenthaltung Antheil genommen haben 
und noch nehmen (denn von sämmtlichen Mit¬ 
gliedern der gedachten Loge wollen wir es nicht 
annehmen) für nicht anders, als des ehrwürdigen 
Freiraaureinamens unwürdig erklären, die sich 


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selbständig nennende Loge zur Linde aber nicht 
anerkennen, sondern müssen sie für eine Winkel¬ 
loge erklären.“ 

„Dahingegen zeigen wir Ihnen an, dass die 
Brr Lange, Oehme, Dolz, Plato, Horn, Döring, 
Hesse, Kadelbach und Schneider, zu denen noch 
später die Brr Hofmann, Bracke und Richter 
getreten sind, die uns für jetzt bekannten treu 
gebliebenen Brr sind, dass wir vor der Hand 
nur diese Brr als diejenigen ausehen, welche die 
gesetzmässige von uns constituirte Loge zur Linde 
in Leipzig ausmachen und dass diese guten Brr 
sich nach unserer Anleitung bereits gesammelt, 
eine Beamtenwahl veranstaltet und zu unserm 
Beifall 

Br Lange zum Logeumstr, 

„ Oehmo zum deput. Mstr, 

„ Plato zum 1. Aufseher, 

„ Dolz zum 2. Aufseher, 

„ Horn zum Sekretair, 

„ Döring zum Redner, 

„ Kadelbach zum Schatzmeister und 
„ Hesse zum Ceremonienmeister 
der gesetzmässigen Loge zur Linde erwählt haben. 
Diese Brr empfehlen wir daher Ihrer Achtung, 
Liebe und Freundschaft um so mehr, da wie 
uns angezeigt wordon, die unächte Loge zur 
Linde sich hat beigehen lassen wollen, einige 
derselben zu excludiren. Nehmen Sie die Ver¬ 
sicherung u. s. w.“ 

Diese Exclusion war lt. Protokollbeschluss vom 
30. Nov. 1807 wirklich geschehen. Man batte 
die Ausgeschlossenen vor die Meisterconferenz zur 
Verantwortung geladen, sie waren aber nicht 
erschienen. Es gab sonach jetzt eine „unächte, 
sich selbständig nennende“ und eine „gesetzmässige 
ächte“ Loge zur Linde in Leipzig. Die letztere 
scheint jedoch nicht lange bestanden zu haben, 
denn mehrere Glieder derselben, wie Bracke, 
Hofmann, Dolz und Döring (letzterer wurde später 
sogar Logenmeister) kehrten wieder, zum Theil erst 
1819, zur alten Loge zurück, während die andern 
zu der Zeit entweder gestorben waren oder den 
Balduin nicht wieder aufsuchen mochten. Aber 
auch die sogenannte „selbständige“ Loge zur 
Linde bestand nicht lange als solche, sie suchte 
und erhielt 1809 ein Constitutionspatent durch 
den Provinzialgrossmeister der Grossen Loge zu 
London Br Beckmann zu Hamburg und Nieder¬ 
sachsen und nahm den Namen „Balduin zur 
Linde“ an. Doch diese weitere Entwickelung dar¬ 
zustellen, liegt jetzt nicht in meinem Plane; ich 
wollte zunächst nur die Geschichte der Loge 
während der Zeit ihrer Verbindung mit der Grossen 
Landesloge vorführen und ich habe dies mit 
möglichster Treue und Gewissenhaftigkeit auf 
Grund der im Archive der Loge Balduin zur Linde 


vorhandenen Acten zu thun versucht. — Einen 
kurzen Rückblick möchte ich aber noch auf die 
vielfachen Misshelligkeiten zwischen der Grossen 
Landesloge und ihrer Leipziger Tochter werfen. 
Die Klagen und Anschuldigungen sind gegenseitig, 
und es ist nicht zu verkennen, der Grund dazu liegt 
auch auf beiden Seiten. Bei einem tiefem Ein¬ 
dringen in die Verhältnisse erscheint aber manches 
anders und in milderem Lichte als bei blos ober¬ 
flächlicher Betrachtung derselben. Zunächst klingt 
in der Sprache vor 100 Jahren vieles härter 
und schroffer als es gemeiut war und aufgefasst 
wurde, da man in gleicher Sprache antwortete. 
Auch ist wohl kaum in Abrede zu stellen, dass 
die Grosse Landesloge ihren Töchterlogen gegen¬ 
über einen etwas hochfahrenden Ton anstimmte, 
über den nicht nur die hiesige, sondern auch viele 
andere Logen klagten; es mag auch dieser Um¬ 
stand in den Hochgraden, denen sämmtliche Gross¬ 
beamte angehörten, zum Theil seine Erklärung 
finden. Der Hauptgrund aber zu den vorge¬ 
kommenen Misshelligkeiten lag jedoch auf der 
einen Seite in der eigentümlichen Verfassung 
der Grosslogc und auf der andern Seite in den 
eigenthümlichen Verhältnissen derLeipzigerTochter. 

Als Fundamentalgesetz der Grossen Laudes¬ 
loge war proklamirt: „die unabänderliche wört¬ 
liche Beibehaltung und Befolgung der überliefer¬ 
ten Gesetze, Gebräuche und Gewohnheiten.“ Mit 
Recht konnte sie daher wohl sagen: „Vor 30 Jahren 
verschrie man uns als Aufklärer und jetzt schilt 
man uns lichtscheu und wir sind doch dieselben 
geblieben.“ Dieses starre Festhalten auch an 
den veraltetsten Formen, dieses fortwährende 
Hinweisen und Sichstützen auf die — so oft 
angezweifelte — Echtheit ihrer Acten, das damit 
verbundene Streben eine Suprematie über die 
Logen Deutschlands zu erlangen, wie sie die 
Grossloge von London in England besass, das 
Ergreifen jeglicher Gelegenheit, ihre Herrschaft 
zu erweitern und sie namentlich auch ihren 
Töchterlogen fühlen zu lassen; sowie endlich, 
wo es sich nur irgend thun liess, die Unterdrückung 
anderer Systeme und das Verbot mit solchen 
Logen und Brn in Verkehr zu treten. — Und 
dem gegenüber die Leipziger Tochterloge! Wohl 
mochten in der ersten Zeit ihres Bestehens un¬ 
ruhige Elemente, die schon der Minerva den 
Rücken gekehrt, leicht Anlass zur Unzufrieden¬ 
heit geben. Aber im Allgemeinen zählte die 
Leipziger Tochter in der blühenden Handels- und 
Universitätsstadt unter ihren Mitgliedern wohl 
mehr wissenschaftliche Capacitäten und intellec- 
tuelle Grössen, als irgend eine andere Tochter¬ 
loge. Der kosmopolitische Geist Leipzigs wollte 
sich am wenigsten iu die ihm angesonnene Zwangs¬ 
jacke stecken oder in seinen Angelegenheiten 


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bevormunden lassen. Und dazu die Stellung der 
Loge zu den sie umgebenden Logen anderer 
Systeme, von denen eine in Leipzig selbst domi- 
cilirte, die vielen zur Messe hier einkehrenden 
besuchenden Brr anderer maurerischen Arbeits¬ 
arten, mit denen keine Gemeinschaft gepflogen 
werden sollte, obschon das profane Leben täg¬ 
liche Berührungspunkte bot ! Fast alle Zwiespältig¬ 
keiten zwischen Mutter und Tochter gipfeln in 
zwei Dingen: Verkehr mit Logen und Brüdern 
anderer Systeme, den die Leipziger Tochter nicht 
vermeiden konnte und wollte, und Einmischung 
der Mutter in die inneren Angelegenheiten der 
Tochter, — hier wurde wohl von beiden Seiten 
die Grenze etwas weit gezogen. 

Das letzte Zerwürfniss, welches die Trennung 
von der Grossloge zur Folge hatte, lässt sich 
nur aus der Unkenntniss oder falschen Beur- 
theilung der Verhältnisse in der Leipziger Tochter- 
loge von Seiten der Grossloge erklären. War 
letzterer auch der Br Eckold wegen seiner bis¬ 
weilen rücksichtslosen Energie, seiner schneidigen 
oft sehr derben Sprache, seines fortwährenden 
Strebens nach Reformen und Neuerungen als 
Logenmeister nicht genehm, so war es doch 
wahrlich kein Grund, wegen einer fast gegen¬ 
standslosen Beschuldigung — man hatte bei 
ärgeren Vergehen ein Auge zugedrückt und sie 
ignorirt —, über welche sich Br Eckold, wie 
die Grosse Landesloge selbst zugesteht, übrigens 
zweimal zu rechtfertigen gesucht, seine Wahl 
zum Mstr vom Stuhl nicht anzuerkennen, deshalb 
die Constitution abzufordern uud die Loge 
schliessen zu wollen! 

Wäre der Grossen Landesloge bekannt gewesen, 
welche ungeheuchelte Achtung Br Eckold wegen 
seines ehrenwerthen Charakters und seiner Wirk¬ 
samkeit in maurerischen wie in profanen Kreisen 
genoss, so würde sie gegen einen solchen Br, 
wider den sie, wie aus allem hervorgeht, weiter 
nichts als die unterlassene Verantwortung aut 
die nichtigen Beschuldigungen vorzubringen wusste, 
nicht so verfahren sein. Jedenfalls meinte sie, 
oder sie mochte auch so berichtet sein, wie aus 
verschiedenen Andeutungen hervorgeht, die Brr 
der Loge zur Linde würden den neugewählten 
Mstr verlassen, die alten Beamten wieder in ihre 
Stellen setzen uud zum Gehorsam zurückkehren. 


Später scheint man in Berlin selbst froh gewesen 
zu sein, dass die Linde eine Constitution in 
Hamburg gesucht. Br von Castilion spricht dies 
nicht nur in einem Briefe an den Br Limburger, 
sondern auch gegen den Grossmeister Br Beck¬ 
mann in Hamburg aus ; sie trat von da an wieder 
in die Reihe der mit der Grossen Landesloge 
correspondirenden Logen und das brüderliche 
Verhältniss ist seitdem nicht mehr getrübt worden. 

Verlag von Bruno Zechel in Leipzig. 

Logen-Arbeiten 

gehalten 

in der Loge Minern zu den drei Palmen in Leipzig 

von 

J. Victor Carns, 

z. Z. Meister vom Stuhl. 

17 Bogen. 8. 

Preis M. 5.—, elegant gebunden M. 6.—. 

Bruchsteine zum Bau. 

Zu«nmmengetragen 

zum Gebrauche für Zünftige und Unzünftige 

von 

E. A. F. Kampelt gen. Emil Walther, 

z, Z. Meinter vom Stuhl der Loge zu den drei Schwertern und Aatr&a 
zur grünenden Kaute in Dreeden. 

18 Bogen, kl. 8. 

Preis M. 4. —, elegant gebunden M. 5. —. 

Die Entstehung der Rittergrade 

in der Freimaurerei 
um die Mitte des XVIII. Jahrhunderts. 

Nach den ältesten freimaurerischen Hand- und Druck¬ 
schriften bearbeitet 
von 

Br G. A. Schiffmann. 

12 Bogen. 8. 

Preis M. 3.—, elegant gebunden M. 4. —. 

Vorstehende Schriften haben soeben die Presse ver¬ 
lassen und können durch alle Brr Buchhändler, sowie 
auch direct von mir bezogen werden. 

Leipzig, 15. November 1882. Bruno Zechel. 


Die auswärtigen Brr Abonnenten, welche mit der Zahlung von 3 Mark 
für den laufenden Jahrgang noch ln Rückstand sind, bitte ich um gefällige Ein¬ 
sendung des Betrages — der Porto-Ersparniss wegen eventuell in Briefmarken — 
da durch Postnachnahme, die bei den Restanten mit No. 12 erfolgen müsste, 
unverkältnissmässig hohes Porto erwachsen würde. Br Bruno Zechel, 

Leipzig, November 1882. Verlagsbuchhandlung. 

Verlag von Br Bruno Z echel in Leipzig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipzig. 


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£££*■*»: Am ßeissbrete. 2=5.*» 

Handschriftliche Mittheilungen aus den unabhängigen Logen 
Minerva zu den drei Palmen in Leipzig, Balduin zur Linde in Leipzig, Archimedes 
zu den drei Reissbretern in Altenburg, Archimedes zum ewigen Bunde in Gera und 
Karl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

Für Brr Freimaurer-Meister herausgegeben von Br Oswald Marbach. 

Das Blatt wird vorzugsweise Beiträge bringen, die in den Logenversaminluugen eines der drei Grade gehalten worden sind, sowie 
geschäftliche Mittheilungen in Angelegenheiten des Freimaurerischeu Correspond enz-Bureau’s. Allen an diesem unter Leitung 
der Loge Baldnin zur Linde stehenden Institute betheiligten Logen wird das Blatt unentgeltlich zugeschickt. Einzelne Brr Meister, welche 
als solche sich legitimirt haben, können auf das allmonatlich erscheinende Blatt mit jährlich 3 Mark abonniren und erhalten es dann unter' 
ihrer Adresse frei durch die Post zugeschickt. — Inserate werden nur aufgenommen, wenn sie in directer Beziehung zur Frmrei stehen, 
und gegen eine Insertionsgeb&hr von 16 Pfennigen für die gespaltene Petit-Zeile. 

* Inhalt: Erklärung der fünf unabhängigen Logen in Bezug auf das Manifest der Brr 
Barthelmess und Genossen. — An die ger. und vollk. Loge Carl August zu den. drei 
Bosen imOrientJena. — Ansprache bei einer Gesellenbeförderung. — Br W. F. G ö t z. 
Ein maurerisches Lebensbild aus der Loge Balduin zur Linde. — Aus dem frmn 
Correspond enz-Bureau. — Anzeigen. 


Erklärung der fünf unabhängigen 
Logen in Bezog auf das Mani¬ 
fest der Brr Barthelmess und 
Genossen. 

Sechs Brr Frmr in Nürnberg, Baden-Baden, 
Ulm und Frankfurt a. M. haben ein vom 13. Au¬ 
gust 1882 datirtes Manifest an die deutschen 
Logen erlassen, in welchem sie in 7 Punkten 
zusammengefasste allgemeine Grundsätze der 
Frmrei aufstellen. Sie fordern zu Aeusserungen 
darüber auf und behalten sich vor, „zur Erreichung 
ihres Zwecks weitere Schritte zu thun, welche 
sie in gesetzlicher Weise für dienlich erachtend 

Als diesen Zweck bezeichnen sie „eine innere 
Erneuerung,“ „eine Neubelebung des Maurer¬ 
bandes.“ 

Als Mittel zur Erreichung des Zwecks sehen 
sie an die Rückkehr zu den alten, im Laufe der 
Zeiten irrthümlich oder absichtlich getrübten 
Quellen der maurerischen Erkenntniss und er¬ 
blicken offenbar in dem, als erstes Motiv in dem 
Begleitschreiben angeführten „eng begrenzten con- 
fessionellen Princip“ die wichtigste, ja wohl einzig 
sie zu ihrem Schritte veranlassende Trübung. 
Für diese letztere Auffassung sprechen sowohl 
die in unmittelbarem Anschlüsse hieran erwähnten 
„Einwirkungen des Zeitbewusstseins,“ welches 
dem ganzen Zusammenhänge nach nur als weitest¬ 


gehende Toleranz anfzufassen sein dürfte, als auch 
die in der ersten „Erwägung“ enthaltenen Worte, 
wonach die Frmrei „mit der fortschreitenden Er¬ 
kenntniss des Menschengeschlechts in Einklang 
zu erhalten sei, um ihr eine dauernde Wirksam¬ 
keit^ unserm Culturleben zu sichern.“ (— Es 
soll also ein Einklang mit der fortschreiten¬ 
den Erkenntniss der Menschheit durch 
Rückkehr zu den alten Quellen der maure¬ 
rischen Erkennntniss erreicht werden!—) 

Indem wir nun selbstverständlich den geliebten 
Brn die unbedingteste Berechtigung, ja Ver¬ 
pflichtung zugestehen, in sich oder ihren Logen 
eine Neubelebung anzustieben, wenn sie deren 
bedürfen, so protestiren wir doch einmal dagegen, 
dass sie diese Erneuerungsbedürftigkeit auf den 
ganzen Bund, also auch auf die vielen Logen 
übertragen zu dürfen glauben, welche weder von 
den allgemein für echt maurerisch anerkannten 
Grundsätzen abgewichen sind, noch eine Abnahme 
ihrer Lebenskraft, welche zu einer Neubelebung 
Veranlassung geben könnte, in ihrem Wirken wabr- 
nehmen lassen. Wir protestiren aber auch gegen 
die einseitige Heranziehung und irrthümliche Aus¬ 
legung der Alten Pflichten. 

Biese Alten Pflichten wollen nicht den „Hu¬ 
manismus“ als Grundlage der Frmrei aufstellen, 
sondern die „Humanität“ und Toleranz; sie wollen 
nicht confessionslose Mitglieder, sondern ver- 


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zichten nur auf die Gleichheit des Bekenntnisses 
aller Brr! Es leitet daher der V. Grundsatz 
irre und widerspricht den Alten Pflichten, wenn 
er aufstellt, dass der Bund von den Aufzunehmen¬ 
den keinerlei Bekenntniss verlange! Er verlangt 
wohl kein die Mitglieder als solche auszeichnendes, 
bei der Aufnahme abzulegendes Bekenntniss, aber 
er verlangt von ihnen als gottesgläubigen (no 
atheist), religiösen (no irreligious libertine), einer 
Confession (denomination) angehörigen Männern 
eine bestimmte religiöseUeberzeugung(persuasion). 
Bezeichnend ist hier die in den neueren Ausgaben 
des Constitutionsbuches enthaltene, sich dem Sinne 
nach ganz an die erste Ausgabe anschliessende 
Umschreibung, dass der Bund die Mitglieder 
lehrt, „die hohe Vortrefflichkeit desjenigen Glau¬ 
bens darzuthun, welchen sie bekennen,“ (of the 
faith they may profess). 

Wenn nun auch im II. Grundsatz das 
Sittengesetz als „rein menschlich“ bezeichnet wird, 
während es als Ausfluss der ewigen Naturgesetze 
gleich diesen ewig ist, also nicht menschlich sein 
kann, falls man nicht in einer abgeblassten Auf¬ 
fassung nur die mit der Culturentwickelung sich 
ändernden Beziehungen von Mensch zu Mensch 
damit bezeichnen will, wenn ferner die ausdrück¬ 
liche, imIV. Grundsatz enthaltene Verwahrung 
gegen einen die Gewissens- und Glaubensfreiheit 
bedrohenden Zwang und eine Verfolgung Anders¬ 
gläubiger und Andersdenkender kaum nöthig ist, 
da dieselbe eine selbstverständliche Folge des im 
I. Grundsatz bezeichneten Zwecks der Frmrei ist, 
die Menschen geistig und sittlich zu veredeln, 
sie in dieser augenfälligen Form aber nur zu 
leicht den Verdacht eines Hintergedankens zu er¬ 
wecken dient, so lässt sich gegen die noch übrigen 
Allgemeinen Grundsätze um so weniger etwas 
einwenden, ihre besondere Aufstellung erscheint 
aber auch deshalb um so weniger nothwendig, 
als sie in den Gesetzbüchern wohl aller Logen 
mit mehr oder weniger übereinstimmenden Worten, 
sicher in ganz übereinstimmendem Sinne enthalten, 
meist sogar in besonderen Paragraphen ausdrück¬ 
lich ausgesprochen sind. 

Wenn wir uns nun trotzdem nicht entschliessen 
können, uns zu den von den geliebten Brn auf¬ 
gestellten Grundsätzen zu bekennen, noch weniger 
deren allgemeine Annahme zu empfehlen, so hält 


uns davon die ganze Motivirung und die darin 
liegende Auffassung der Frmrei ab, nament¬ 
lich die in der ersten Erwägung ausgesprochene, 
oben schon erwähnte Ansicht, dass die Wirksam¬ 
keit der Frmrei Yon ihrem Einklänge mit der 
fortschreitenden Erkenntniss der Menschheit ab- 
hänge. So schön dies klingt, ist dabei doch über¬ 
sehen, dass die Wirksamkeit eines wesentlich 
sittlichwirkenwollenden Bundes nicht vom Wissen 
abhängen kann, dass aber umgekehrt die Er¬ 
kenntniss , welche doch nur von bestimmten 
Kreisen gefördert wird, ausserhalb derselben nur 
gar zu oft in zusammenhangloser und unver¬ 
standener Weise zu Folgerungen auf Gebieten 
benutzt wird, welche von ihr gar nicht oder nur 
sehr indirect berührt werden, welche aber doch 
von der grossen meist urtheilslosen oder vorur- 
theilsvollen Menge als unter'dem Einflüsse dieser 
Erkenntniss stehend angesehen werden. Das 
pflegt man dann „Zeitbewusstsein“ und „fort¬ 
schreitende Erkenntniss“ zu nennen. Wer sich 
mit den jeweiligen Richtungen der allgemeinen 
Geistesbewegung in Einklang setzt, kann keinen 
Einfluss auf sie üben *, wer mit dem Strome 
schwimmt, an dem können sich die Wogen nicht 
brechen. 

Unsere Zeit krankt an Glaubens- und Sitten- 
losigkeit. Was die Ursachen sind, würde hier 
zu untersuchen Zu weit führen. Die Folgen sind 
in der erschreckend weit um sich fressenden 
Zuchtlosigkeit des Herzens und Geistes offen¬ 
kundige Thatsachen. Soll die Existenz des 
Freiraaurerbundes als Culturmacht Sinn und Be^ 
deutung gewinnen, so ist dies nur zu erreichen, 
wenn er sich nicht dem allgemeinen Strome über¬ 
lässt, sondern als wellenbrechender Fels ihm zu 
widerstehen sucht, wo er in falsche Bahnen ge¬ 
leitet wird, wenn er, die Aufklärung zur weiteren 
Klärung dahin verweisend, wo sie hin gehört, 
in das Gebiet des Wissens, das allgemeine Ge¬ 
wissen vor Verflachung und Versumpfung zu 
schützen übernimmt. Er kann, als menschliche 
Einrichtung, sich nicht vermessen, der in der 
Brust jedes Menschen, wenn auch zuweilen leise, 
aber für jeden in sich selbst Einkehr haltenden 
doch vernehmlichen Gottesstimme eine bestimmte 
Form und Ausdrucksweise zu geben. Er soll 
aber die Ohren seiner Mitglieder für diese 


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91 


Stimmen empfänglich machen. Mit dem wieder¬ 
erwachenden oder lebendiger werdenden Gottes¬ 
bewusstsein ist dann auch die Wiederkehr der 
Empfindung und Aufmerksamkeit für das Sitten¬ 
gesetz gesichert. 

Nur in einer solchen Weise kann dem Frei¬ 
maurerbunde eine „Wirksamkeit in unserem Cultur- 
leben“ gewährleistet werden und nur in diesem 
Sinne hat er „der fortschreitenden Erkenntniss 
des Menschengeschlechts“ aufmerksam zu folgen, 
um jede, aus den mit ihrer Natur unverträglichen 
und daher zu krankhaften Erscheinungen führenden 
Fehlem oder irrthttmlichen Deutungen entstehende 
„Störung in der harmonischen Gestaltung des 
Einzel- wie des Gesammtlebens“ in wirksamer 
Weise durch eindringliche Berufung an das Herz 
und das Gewissen bekämpfen und mit Hülfe des 
Allm. Baumeisters a. W. beseitigen zu können. 

Leipzig, Altenburg, Gera und Hildburghausen, 
den 19. November 1882. 

Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig. 

J. Victor Carus, Mstr. y. St. 

Loge Archimedes zu den drei Reissbretern in 
Altenburg. 

E. Gabler I, Mstr. v. St. 

Loge Balduin zur Linde in Leipzig. 

0. Marbach, Mstr. v. St. 

Loge Archimedes zum ewigen Bunde in Gera. 

Theod. Fischer, Mstr. y. St. 

Loge Carl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 
C. Schneider II, Mstr. y. St. 


An die gerechte und vollkommene 
Loge Carl August zu den 3 Rosen 
im Orient Jena. 

Die fünf unabhängigen Logen Deutschlands 
begrüssen wie sämmtliche Logen das 25jährige 
Ehe-Jubiläum ihres Durchlauchtigsten Bruders, 
Sr. Kais. Königl. Hoheit des Kronprinzen des 
deutschen Reichs und von Preussen, als hohen 
Festtag und werden nicht zurückstehn, wenn es 
gilt, „dem Hohen Stellvertretenden Protector der 
deutschen Maurerei ein Zeichen der Hochachtung, 
der Liebe und Ergebenheit zu geben.“ Sie er¬ 
blicken auch, wie viele andere deutsche Logen 


in der Vereinigung sämmtlicher deutschen Johannis¬ 
logen zu einer einzigen Deutschen Grossen Na¬ 
tionalloge ein wünschenswerthes und zu erstreben¬ 
des Ziel. 

Da aber die zur Zeit bestehenden acht deut¬ 
schen Grosslogen durch die Gründung des Gross¬ 
logenbundes selbst schon die ersten Schritte zu 
einer engeren Verbindung gethan haben, welche 
in natürlicher Entwickelung zu weitergehender, 
auch formeller Einigung führen müssen, 

da denselben in Anerkennung dieses Vor¬ 
gehens nicht zuzumuthen ist, dass sie ohne Weiteres 
ihre Selbständigkeit, Unabhängigkeit und leitende 
Stellung aufgeben, 

da es endlich gegen die Loyalität und maure¬ 
rische Gesinnung der unter Grosslogen stehenden 
Johannislogen verstossen würde, über ihre Gross¬ 
logen hinweg deren Beseitigung und Ersetzung 
durch eine einzige allgemeine Grossloge zu be- 
schliessen, ein solcher Beschluss auch, falls er 
gefasst werden könnte, zu keinem Resultate führen 
würde, 

können die fünf unabhängigen Logen Deutsch¬ 
lands den Vorschlag der Loge Carl August zu 
den 3 Rosen im Orient von Jena, wenn derselbe 
auch den Wunsch vieler Brüder ausdrückt, doch 
nur als unausführbar ansehen und müssen sich ihm 
gegenüber, so lange die vorschlagende Loge nicht 
praktisch erreichbare Mittel zur Erfüllung jenes 
Wunsches angiebt, ablehnend verhalten. 

Leipzig, Altenburg, Gera, Hildburghausen, 
den 19. November 1882. 

Loge Minerva zu den drei Palmen in Leipzig. 

J. Victor Carus, Mstr. v. 8t. 

Loge Archimedes zu den drei Reissbretern in 
Altenburg. 

E. Gabler I, Mstr. y. St. 

Loge Balduin zur Linde in Leipzig. 

0. Marbach, Mstr. y. St. 

Loge Archimedes zum ewigen Bunde in Gera. 

Theod. Fischer, Mstr. y. St. 

Loge Carl zum Rautenkranz in Hildburghausen. 

C. Schneider II, Mstr. y. St 


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92 


Ansprache bei einer Gesellen- 
beförderung. 

Aus der Loge zur Harmonie in Chemnitz von Br C. W. 

Zeissig im Jahr 1840. 

Wenn in dem ernsten Momente der ersten 
Weihe des Freimaurers die Binde von seinen 
Augen fällt, erblickt er sich zwar auch schon 
umgeben von einem enggeschlossenen Bruder¬ 
kreise und fühlt sich diesem Bruderkreise ange¬ 
hörig; — allein dessenungeachtet kann er sich 
noch nicht als ein in geselliger Gemeinschaft 
selbständiges mitwirkendes Mitglied des Frmr- 
Vereins betrachten. Vielmehr hat er seine Auf¬ 
nahme in den Bruderkreis bloss als einen Ver¬ 
such anzusehen, ob er wirklich die Befähigung 
erlangen werde in Gemeinschaft mit seinen Brn 
Gesellen und Meistern den Bau kunstübend zu 
fördern. Noch erblickt er — hat er die Sym¬ 
bole seiner Aufnahme richtig aufgefasst, — in 
sich einen rohen Stein, welcher erst durch sorg¬ 
fältige Behauung in die Form eines kubischen 
Werkstücks gebracht werden muss, um einen 
wohlgeordneten Theil des ganzen Baues bilden 
zu können. — Immer geht die Tendenz der 
Weihe des ersten Grades hauptsächlich dahin: 
zur Selbstprüfung zu leiten, dadurch Selbster- 
kenntniss zu bewirken, und den ernsten Vorsatz 
herbeizuführen: alle durch diese Selbstprüfung 
und durch die dadurch erlangte Selbsterkenntniss 
an sich wahrgenommenen Unebenheiten der Leiden¬ 
schaft, der Neigung und des Wahnes abzuarbeiten 
und sich dadurch zu einem kubischen Bausteine 
umzubilden. Die Freimaurerlogen betrachten die 
Vollendung der Lehrzeit als die Zeit der Voll¬ 
endung der Arbeit am rohen Steine und nehmen 
an, dass der Beförderung suchende Lehrling sich 
nunmehr zu einem kubischen Steine in dem an¬ 
gegebenen Sinne .umgeformt habe. — Ist auch 
diese Annahme, — wie so manches Andere — 
nur eine symbolische, indem selbst der beste und 
edelste Mensch zu keinem Zeitpunkte seines 
Lebens sich rühmen kann und wird, dass er nun¬ 
mehr das Ziel seiner Veredelung erreicht habe, 
und aller weiteren Besserung seiner selbst über¬ 
hoben sein könne: — so deutet doch diese Sym¬ 
bolik dahin, dass der Mensch sich selbst geprüft, 
sich selbst erkannt und sich selbst vorbereitet 
haben müsse, wenn er als selbständig und har¬ 


monisch mitwirkendes Mitglied in eine rein mensch¬ 
liche Geselligkeit eintreten, und geschmückt mit 
dem Kranze echter Humanität, gemeinschaftlicher 
Thätigkeit sich erfreuen will. Es deutet diese 
symbolische Annahme dabin, dass der seine Lehr¬ 
zeit vollendet habende Lehrling wenigstens inso¬ 
weit von den Strahlen des Ideals der Frmrei 
sich erleuchtet und erwärmt fühlen müsse, um 
gern und frei sich in einem Kreise von Menschen 
zu bewegen, welche ohne Berücksichtigung der 
Verschiedenheit der Nationalität, des höhern oder 
niedern bürgerlichen Standes und Ranges, — 
der mehren oder mindern Ausstattung mit 
irdischen Glücksgütern, — der Art und Weise, 
wie der Mensch zur Gottinnigkeit — Religio¬ 
sität — gelangt, oder sie äusserlich darzustellen 
gewohnt ist, — ja selbst der höhern oder niedern 
Geistesklarheit oder Geistesgewandtheit und der 
mehren oder mindern wissenschaftlichen oder 
künstlerischen Ausbildung,-einander gegen¬ 

seitige Achtung und innige Bruderliebe widmen, 
und unter welchen eine höhere geistige, wissen¬ 
schaftliche, künstlerische oder mechanische Aus¬ 
bildung bloss dazu dient, dem also Bevorzugten 
denjenigen Wirkungskreis anzuweisen, in welchem 
er durch diese Gaben zur erhöhten Veredelung 
der Gesammtthätigkeit die Fülle seiner Kraft 
ganz und harmonisch zu entfalten vermag. — 

Alles dieses — wenigstens symbolisch — 
vorausgesetzt, erfolgt nun die zweite maurerische 
Weihe, — die Weihe zum Gesellengrade, — die 
Weihe zum Eintritt als selbstthätig und harmonisch 
mitwirkendes Mitglied in einem geselligen Huma¬ 
nitätsverein. — 

Denn so wie zeither die Selbstthätigkeit des 
Lehrlings nur auf sich selbst und auf die sinnige 
Beobachtung der neuen Welt beschränkt war, 
in welche er sich durch seine erste Weihe zum 
Frmr versetzt fühlte; — so erweitert sich nun 
diese Selbstthätigkeit durch seine zweite Weihe 
zur gesellig-harmonischen Mitwirkung. 

Nur dann aber kann das freie gesellige Zu¬ 
sammenwirken einer Genossenschaft mit den 
höchsten Zwecken der Menschheit vereinbar er¬ 
scheinen, wenn die Cultur der Humanität unter 
diesen Genossen einheimisch geworden ist, die 
Harmonie reiner Bruderliebe in ihren Gemüthern 
wieder tönt und die Strahlen der Gottheit durch 


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die Strahlen der Vernunft die Stätte ihres ge¬ 
selligen Waltens erleuchten. — Darum meine 
neu beförderten geliebten Brr Gesellen, wurde 
bei dieser zweiten Weihe Ihr Blick auf das 
Ideal der Schönheit, auf die das gesellige Leben 
veredelnde Kunst und auf die festeste Stütze ver¬ 
edelter Geselligkeit, auf die Freundschaft, ge¬ 
richtet, indem zugleich der flammende Stern, 
als das erhabene Symbol der Vernunft, — im 
höheren Sinne des Wortes, — welche allein dem 
Menschen seine göttliche Abkunft, — seine Ver¬ 
wandtschaft mit einer Geisterwelt und ein ewiges 
Dasein in fortschreitender Veredlung verbürgt, 
Ihren Schritten vorleuchtete. — 

Ueben Sie sich nun, meine Brr, in diesem 
geselligen Wirken, — schreiten Sie fort auf der 
Bahn, welche Ihnen durch Ihre Aufnahme in den 
Freimaurerbund geöffnet, welche durch Ihre zweite 
Weihe geebnet und mit den Kränzen der Huma¬ 
nität geschmückt worden ist! Und wenn Sie 
wirklich das waren und sind, für was wir Sie 
symbolisch betrachteten; — wenn Ihre weitere 
Beförderung — Ihre zweite Weihe — nicht bloss 
als eine zufällige äussere Form von Ihnen auf¬ 
genommen wurde: — so werden Sie vielleicht 
dereinst, nach einer dritten Weihe ernsterer Art, 
den ganzen Bauriss schauen, den Sie jetzt nur 
erst zu ahnen vermögen.- 


Engbund der Loge Balduin z. L. 

Br Wilhelm Friedrich Götz. 

Geb. 1785, gest. 1847. 

Ein maurerisches Lebensbild ans der Loge Balduin zur 
Linde in Leipzig. 

Von Br Fr, Fuchs. 

Bei einem eingehenden Studium der Geschichte 
der Loge Balduin zur Linde, wie sie aus den 
Jahrbüchern ihres reichen Archivs uns entgegen¬ 
tritt, verweilt man gern länger bei diesem oder 
jenem Namen eines Brs, am längsten bin ich 
aber von dem Namen des Brs gefesselt worden, 
der ein gut Theil der Logenacten selbst ge¬ 
schrieben, von dessen 36jähriger Maurerlaufbahn 
und 21 jähriger Führung des ersten Hammers der 
Loge die Logenprotokolle viel zu berichten 
wissen: — dessen Name überhaupt mit der ge¬ 
deihlichen Entwickelung der Loge nach innen und 


nach aussen auf das innigste verknüpft ist und 
der heute noch in seinen Söhnen unter uns einen 
herrlichen Klang hat: — ich meine den Br 
Wilhelm Friedrich Götz. Eine Anzahl 
unserer älteren Brr hat mit dem Ehrenmann noch 
von Angesicht zu Angesicht verkehrt und sein 
begeisterndes und werkthätiges Wirken mit eigenen 
Augen erschaut; — mir ist solches Glück nicht 
zu theil geworden, denn als ich in unsere Loge 
aufgenommen wurde, war er bereits seit einer 
Reihe von Jahren in den ewigen Osten einge¬ 
gangen. Wenn ich gleichwohl versuche ein Bild 
dieses alten Logenmeisters zu zeichnen, so darf 
ich doch hoffen, dass dasselbe ein wahrheitge¬ 
treues sein werde, da ich sämmtliches Material 
zur Darstellung seines Maurerlebens dem Logen- 
archive entnommen. Ehe ich aber zu seiner 
maurerischen Thätigkeit selbst übergehe, will ich 
vorerst das mittheilen, was ich über seinen Ent¬ 
wickelungsgang sowie über seine Thätigkeit *im 
profanen Leben vorgefunden. 

Wilhelm Friedrich Götz wurde den 
2. Januar 1785 zu Nürnberg geboren. Von den 
11 Kindern des dortigen Pfarrers an der St. 
Clarakirche, Andreas Götz, war er das 4. und 
der älteste Sohn. Unter den Augen seiner als 
äusserst sanft geschilderten Mutter durchlebte er 
die ersten Kindeijahre, während der streng recht¬ 
gläubige, biedere und fromme Vater den ersten 
Unterricht seines Erstgeborenen sehr zeitig in 
die Hand nahm, denn schon nach Vollendung 
des 3. Lebensjahres konnte der Knabe lesen. 
Seine weitere Ausbildung erhielt er auf dem 
Gymnasium seiner Vaterstadt, das er bis Prima 
durchlief. Eigene Neigung, wohl auch das Vor¬ 
bild seines Vaters zogen ihn zum Studium der 
Theologie; auf der Schule hatte er sich bereits 
vielfach im freien Sprechen und öffentlichen Auf¬ 
treten geübt, er hatte nämlich unter seinen Mit¬ 
schülern einen Kreis gebildet, in welchem sich 
die Mitglieder desselben im Disputiren und inr 
freien Vortrage übten, und unser Götz hatte be¬ 
reits hier sein schönes Talent der freien Rede, 
das zwar zunächst der Kanzel gelten sollte, herr¬ 
lich entwickelt. 

Nach dem Wunsche seines Vaters und ge¬ 
leitet von dem Einflüsse eines Onkels, der als 
Professor der Rechtswissenschaft an der kleinen 


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Nürnbergischen Universität Altdorf wirkte, be¬ 
stimmte er sich für die Jurisprudenz. Doch die 
Universität Altdorf wurde aufgehoben, der rechts¬ 
gelehrte Onkel schlug sein Domicil in Nürnberg 
auf und der junge Student kam als Privat¬ 
sekretär zu dem Wüitembergischen Gesandten 
in Regensburg, Freiherrn von Seckendorf, einem 
Freunde seines Vaters; hier hatte eu Gelegen¬ 
heit, die damals dort gehaltenen Vorlesungen 
über Rechtswissenschaft zu hören. Trotz seiner 
geringen pecuniären Mittel war der Aufenthalt 
in Regensburg für ihn ein sehr angenehmer und 
anregender; er wurde nicht nur in mehre an¬ 
gesehene Familien eingeführt und dort gern ge¬ 
sehen, auch in einer sogenannten literarischen 
Gesellschaft fand er für seine Lieblingsneigung 
sich in der freien Rede zu üben neue Nahrung — 
auch lernte er seine nachmalige Gattin Johanna 
Oppermann, die Schwester eines seiner Freunde, 
hier kennen. Um so schwerer wurde ihm nach 
zweijährigem Aufenthalt der Abschied von Regens¬ 
burg, als sein Vater ihm die schmerzliche Mit¬ 
theilung machte, dass er die zeither gewährten. 
Mittel ihm länger zu verabreichen ausser Stande 
sei und ihn zugleich auf das Anerbieten eines 
Schwagers hinwies, sich in dessen Geschäft als 
Kaufmann auszubilden, um so eher zu einer 
Selbständigkeit zu gelangen. Mit schwerem Herzen, 
aber mit frischem Muthe wurde der neue Lebens¬ 
plan aufgenommen; der zeitherige Student lebte 
sich bald in die neuen Verhältnisse ein, nach 
einiger Zeit vertraute man ihm den Reiseposten 
des Geschäfts, wodurch seine Welt- und Menscben- 
kenntniss wesentlich erweitert wurde. 1808 nahm 
er eine Stelle in einem Leipziger Geschäfte an, 
1810 gründete er mit einem Freunde am hiesigen 
Orte ein Compagniegeschäft und verehelichte sich 
mit seiuer oben genannten Braut. Doch wollte 
ihm bei diesem mit geringen Mitteln begonnenen 
Geschäft das Glück nicht blühen und er zog es 
vor die ihm angebotene Stelle eines Buch¬ 
halters bei der damals in Leipzig ins Leben 
tretenden Feuerversicherungsanstalt anzunehmen 
und half somit dieses zu grossem Aufschwung 
gelangte Institut begründen. Doch nur bis zum 
Jahre 1819 blieb er in dieser Stellung. Der 
Leipziger Stadtrath, der damals sein Handels¬ 
abgabenwesen umgestaltete und dem die tüchtige 


Geschäftsbildung und die bedeutende Arbeitskraft 
des Buchhalters Götz nicht unbekannt geblieben 
war, übertrug ihm die vortheilhafte Stellung eines 
Wagedirectors, die er von 1819—1834 verwaltete. 
Im letztgenannten Jahre trat Sachsen dem Zoll- 
verbande bei, das hiesige Abgabenwesen erfuhr 
dadurch eine abermalige Umgestaltung, und die 
Regierung ernannte unsern Götz, dessen zeit¬ 
herige Stellung durch die neuen Verhältnisse auf¬ 
gehoben wurde, in Anerkennung seiner Geschäfts¬ 
tüchtigkeit zum Königl. Oberzoll - und Mess¬ 
inspector, welches Amt er bis zu seinem 1847 
erfolgten Tode bekleidete. Als die Stadt Frank¬ 
furt a. M. sich dem Zollverein anschloss, wurde 
er von der Vorgesetzten Behörde dahin entsendet, 
um das Praktische des Zollgescbäfts dort einzu¬ 
richten und in Gang zu bringen. 

Sein Familienleben war ein glückliches und 
reicbgesegnetes. Er hatte die Freude, seine 
8 Kinder wohlgerathen heran wachsen zu sehen, 
nur seine älteste glücklich verheirathete Tochter 
ging ihm im Tode voran. 

Auf seinem vielgestaltigen Lebenspfade zeigte 
unser Götz bei einer unermüdeten Thätigkeit und 
einer Energie, die sich in dem für recht Er¬ 
kannten durch nichts abschrecken Hess, vor allem 
eine Herzensgüte und Menschenliebe, wie sie nur 
selten angetroffen wird. Dabei batte er die Gabe, 
durch Wort und Beispiel Herzen zu erwärmen 
und für edle Zwecke zu gewinnen und wurde 
dadurch zum Wohltbäter gar vieler Menschen. 

Doch das wird sich noch mehr heraussteilen, 
wenn ich nun zu meinem Hauptthema, der 
Schilderung seines Maurerlebens tibergehe. 

Das maurerische Licht hatte Br Götz in der 
Loge zu den 3 Pfeilen in seiner Vaterstadt Nürn¬ 
berg — an der er bis zum letzten Hauche seines 
Lebens mit inniger Liebe hing — im Jahre 1808 
erblickt. Von seiner Mutterloge sehr warm an 
den Balduin empfohlen, trat er 1811 als con- 
tribuables EhrenmitgHed in dieselbe ein. 
Der Wunsch der Loge noch inniger verbunden 
zu sein Hess ihn die wirkliche Mitgliedschaft 
im Balduin suchen, die ihm 1813 ertbeilt wurde. 
Bei seiner Aufnahme „schmeichelte man sich 
eine gute Acquisition an ihm gemacht zu haben“ 
und übertrug ihm sogleich das Amt eines corre- 
spondirenden Sekretärs, das er bis 1815 ver- 


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waltete. Er selber sagt über seine Aufnahme: 
„Als Sie mich vor zwei Jahren als Ehrenmitglied 
in diese Loge einführten, war es zweierlei, was 
mein ganzes Wesen beschäftigte; es waren die 
Empfindungen des lebhaftesten Dankes und der 
feste Vorsatz mich der erhaltenen Auszeichnung 
werth zu machen. Heute schlingt sich das Band, 
das mich zeither an diese Loge knüpfte, noch 
fester; es ist mein ernster Wille Ihres Zutrauens 
werth zu sein. Ich stehe freudig in Ihrer Mitte, 
denn mein Bewusstsein sagt mir, dass ich in 
meinem bisherigen Verhältnisse meine Pflicht 
redlich zu erfüllen bemüht war und dass ich die 
wirkliche Mitgliedschaft nur darum suchte, um 
noch ungehinderter thätig sein zu können. Und 
so bin ich denn aufs neue mit Ihnen verbunden 
zu gemeinschaftlicher Achtung der Wahrheit und 
zu gemeinschaftlicher Ausrottung dessen, was des 
Menschen hohem Berufe entgegen strebt. Lassen 
Sie uns wirken und nicht müde werden, denn 
ohne rastlose Thätigkeit mag kein gutes Werk 
gedeihen und nur wenn jeder redlich das Seine 
thut, kann unser Bau vollendet werden.“ 

Von seiner rastlosen Thätigkeit, die er so¬ 
fort nach seiner Aufnahme als wirkliches Mit¬ 
glied der Loge entwickelte, — man hatte ihn 
wie schon erwähnt zum correspondirenden Se¬ 
kretär ernannt — zeugen mehre wichtige Ver¬ 
handlungen, die er im Aufträge der Loge unter 
der Hammerführung des Br Jacob Bernhard 
Limburger fortführte oder begann, die er fast 
allein leitete, da man seinen weisen Rathschlägen 
gern und willig Gehör gab, und über die dick¬ 
leibige Actenstücke, meist von ihm selbst ge¬ 
schrieben, im Archiv der Loge sich vorfinden. 
Ich deute diese Verhandlungen hier nur an, da 
sie den Stoff zu weiteren ausführlichen Vorträgen 
über die betreffenden Angelegenheiten bieten 
sollen. 

Diese Verhandlungen betrafen zunächst den 
Beitritt der Loge Balduin zu der 1811 ins Leben 
getretenen Grossen Landesloge von Sachsen. 
Die anfänglich gemeinschaftlich mit den 3 Leipziger 
Logen deshalb gepflogenen Unterhandlungen batten 
zu keinem Resultat geführt und waren abge¬ 
brochen worden; durch Br Götz Vermittelung 
schloss aber die Loge Balduin zur Linde den 
12. September 1815 einen Separatvertrag mit 


der Grossen Landesloge von Sachsen ab, „nach 
welchem sie sich zwar dem Sächsischen Logen¬ 
bunde anschliesst, aber ihre zeitherige Constitution 
und ihr Ritual in Giltigkeit bleibt, sie sich über¬ 
haupt alle nur möglichen Freiheiten und Rechte 
wahrt.“ Das ziemlich lockere Verhältniss zur 
Grossen Landesloge bestand bis 1824; ein Sup 
plement zum Grund vertrage, das alle Bundeslogen 
unterzeichnet hatten, dem aber die Loge Balduin 
sich nicht unterwerfen zu dürfen glaubte, führte 
zur Lösung des Vertrags, ohne dass dieser 
Schritt das brüderliche Einvernehmen mit der 
Grossen Landesloge störte. 

Mit diesen Verhandlungen stand anfangs 
ein anderer Plan in innigster Verbindung: die 
Errichtung einer Grossen Loge im Orient 
Leipzig, „welche eine polizeiliche Aufsicht über 
die Maurerei im hiesigen Orient führen, dabei 
das gute Einvernehmen der hiesigen Logen unter 
einander und ihre Unabhängigkeit vom Einflüsse 
fremder maurerischer Behörden erhalten, übrigens 
aber ihre Thätigkeit auf den Orient Leipzig be¬ 
schränken und ausserhalb Leipzig keine Loge 
constituiren sollte.“ Aber auch diese Verhand¬ 
lungen kamen ins Stocken, theils durch die 
Gegenvorstellungen der Sächsischen Grossloge, 
theils durch eine sich gegen die Loge Minerva 
geltend machende Missstimmung, weil diese als 
die älteste eine Suprematie über die anderen be¬ 
anspruchte. Apollo trat zurück; Minerva und 
Balduin setzten die Verhandlungen fort und 
schlossen 1820 einen Vertrag, „nach welchem 
beide Logen, — um eine feste und treue Ver¬ 
einigung unter sich zu begründen, einen Ausschuss 
unter dem Namen ,Gesammtrath der vereinigten 
Logen Minerva zu den drei Palmen und Balduin 
zur Linde* einsetzten;“ eine Vereinigung, die 
jedoch nicht lauge bestanden zu haben scheint. — 
Anderweite Unterhandlungen wegen Mitbenutzung 
des der Loge Minerva eigentümlich gehörenden 
Hauses waren bis zum Abschlüsse des Contractes 
gediehen, als durch den Tod des Mstrs. v. St. 
der Loge Minerva Br Ehrhard die ganze Sache 
wieder rückgängig • wurde. 

Durch die weise Mässigung, mit der Br Götz 
bei diesen Verhandlungen die Rechte seiner Loge 
wahrnahm und für ihr Bestes eintrat, sowie 
durch verschiedene erspriessliche Arbeiten für 


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die Logenversammlungen waren die Brr auf ihn 
aufmerksam geworden; der Br Limburger er¬ 
nannte ihn 1815 zu seinem deputirten Mstr. und 
1816 wurde er zum Mstr. v. Stuhl der Loge 
gewählt, — schon von 1816 an war die Leitung 
der Loge in seinen Händen, da der fungirende 
Mstr. v. St., Br Limburger, einen grossen Theil 
des Jahres seiner geschäftlichen Verhältnisse wegen 
von Leipzig abwesend war. 

(Fortsetzung folgt.) 


Geschäftliche Mittheilungen 

aas dem 

Freimaurerischen Correspondenz-Bureau. 

Ende vor. M. fand die dritte — letzte — diesjährige 
Versendung statt und gelangten dabei die bis Mitte 
November eingegangenen 40 Mitglieder-Verzeichnisse 
und Logenschreiben zur Verkeilung: 

Der GrosslogezurSonneinBayreuth — der 
Freimaurer-Grossloge von Ungarn in Buda¬ 


pest — der Grossloge des Freimaurerbundes 
zur Eintracht in Darmstadt — der Grossen 
Loge von Hamburg — der Provinzial-Loge 
No. 2 in Göteborg(lO) — der Provinzial-Loge 
von Mecklenburg in Rostock, sowie der St. 
Johannislogen in Berlin (Pegase 300) — Bremen 
(Oelzweig) — Budapest (Galilei, Bericht) — 
Crefeld — Eckernförde — Eisleben — El¬ 
bing — Freiburg i. Schl. (300) — Gr.-Glogau 
(Wilhelm) — Greifswald (275) — Gumbinnen 
(320) — Hannover (Ceder 250) — Kattowitz 
(260) — Kiel — Königsberg i. N. — Lauen- 
burg i. P. — Lissa (250) — Löwenberg i. Schl. 

— Meiningen — Memel (200) — Mülheim a. R. 

— Münch enbcrnsdorf (300) — Münster i. W. — 
Oe 1 s (300) — Rudolstadt (200) — Schleswig — 
Sc h w e idn i tz (Eintracht — Herkules 300) Span¬ 
dau — Thorn — Triptis — Verden — Walden¬ 
burg i. Schl, und Wetzlar (270). 

Den Namen derjenigen Logen, die ihre Listen in 
einer geringeren Anzahl als der bcnothigten 350 ein¬ 
sendeten, sind die Zahlen der zur Versendung gelangten 
Exemplare in 0 beigesetzt. 

Der Geschäftsführer des frmn Corresp.-Bureau. 

Bruno Zechel, 

Verlagsbuchhandlung in Leipzig. 


Verlag von Bruno Zeehel in Leipzig. 


Logen-Arbeiten, 

gehalten 

in der Loge Minern zu den drei Palmen in Leipzig 

von 

J. Vletor Carus, 

*. Z. Meister vom Stuhl. 

17 Bogen. 8. 

Preis M. 5.—, elegant gebunden M. 6.—. 

Bruchsteine zum Bau. 

Zusammengetragen 

zum Gebrauche für Zünftige und Unzflnftige 

von 

E. A. F. Rumpelt gen. Emil Walther, 

x. Z. Meister vom Stahl der Loge xu den drei Schwertern nnd Astrüa 
xnr grünenden Kante in Dresden. 

18 Bogen, kl. 8. 

Preis M. 4. —, elegant gebunden M. 5. —. 


Sylvesterreden 

gehalten 

vor Freimaurern und deren Angehörigen 

von 

Oswald Marbach. 

Preis M. 2. —, gebunden M 3.—. 

Weihnachtsgeschenk für Schwestern! 

Lenz und Liebe. 

Johannisgru88 

rar 

Schwestern, Bräute und Gattinnen 

von 

Oswald N£a,x*t>a,oli. 

Elegant gebunden 4 Mark 25 Pf. 


Die Entstehung der Rittergrade 

in der Freimaurerei 

um die Mitte des XVHL Jahrhunderts. 

Nach den ältesten froimaurerischen Hand- und Druck¬ 
schriften bearbeitet 
' von 

Br G. A. Schiffmann. 

12 Bogen. 8. 

Preis M. 3. —, elegant gebunden M. 4. —. 


Oer Geist der Freimaurerei 

in 

Erzählungen, Biographien, Licht- nnd Schattenbildern, 
Abhandlungen, Reden and Gedichten 


von 

Carl Pilz, 

Redacteur der Freimaurer-Zeitung. 


16 Bogen. 8. 

Preis M. 5. —, elegant gebunden M. 6. —. 


Zu beziehen direct vom Verleger sowie durch aUe Brr Buchhändler. 

Verlag von Br Brnno Zechel in Leipsig. — Druck von Br C. G. Naumann in Leipsig. 


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