Skip to main content

Full text of "Anatolien: Wirtschaftsgeographie"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



"'"aTOI IFN 1 

i 

1 





// 6 2 .. 



ANATOLIEN 



Wirtschaftsgeographie 



• von 



Dr. Rudolf Fitzner 



• ^-»: :• 



•« 



-#-- 



« 



Berlin 

Hermann Paetel 

1902. 



,fSCr 






Inhalts -Verzeichnis. 

Seite 

I. Das Land i 

Lage I 

Bodenbau und Gewässer 2 

Klima 6 

Pflanzenwelt (> 

Tierleben 11 

IL Die Bewohner 15 

Ortschaften 28 

Volksdichte 29 

III. Das Wirtschaftsleben 3' 

Viehzucht 32 

Ackerbau 43 

Kolonisation 63 

Waldwirtschaft 65 

Bergbau 7a 

agd und Fischfang 84 

Industrie und Gewerbe 86 

IV. Der Verkehr ' 97 

Landverkehr 97 

Transporttiere 97 

Verkehrswege 97 

Eisenbahnen 103 

Seeverkehr 106 

Häfen 108 

Post und Telegraph 109 

V. Die Verwaltung 1 1 1 

Organisation der Verwaltung 1 1 1 

Provinzeinteilung 112 

Konsularvertretung 114 

Rechtspflege 115 

Sachregister 117 




I. Das Land. 



Lage. Kleinasien zwischen dem 36. und 42. Parallelkreise 
n. Br. und dem 26. und 41. Meridian östl. L. v, Greenw. ge- 
legen, besitzt die Gestalt eines Rechtecks, das sich als eine 
Landbrücke von dem mächtigen asiatischen Kontinent zu der 
vielgegliederten Südosthalbinsel Europas westwärts vor- 
schiebt. Im Norden vom Pontus, im Westen vom Ägäischen 
Meere und im Süden vom östlichen Mittelländischen Meer 
umrandet, besitzt Kleinasjen im Osten keine deutlich aus- 
gesprochene Grenzlinie gegen das Rergland von Armenien, 
das ein Zwischengebiet zwischen Kleinasien und dem Iranischen 
Hochlande darstellt. Die natürlichste Grenzscheide auf dieser 
Seite bildet eine Linie vom Golf von Iskanderun (Alexandret te) 
bis zur Mündung des Tschoruk, die zunächst dem Unterlauf 
des Djihun, weiter über Sis dem Längsthal des Göksu, den 
Längsfurchen des Balykly-tschai und des Kuru-tschai, dann 
von Pingan bis Erzingian dem westlichen Euphrat und 
schliesslich dem Lauf des Tschoruk von seiner Quelle bis 
zur Mündung in das Schwarze Meer folgt. 
/ Das Anatolien in diesem engeren Sinne, d. h. unter Aus- 

scheidung der das Bergland von Armenien und Kurdistan 
bildenden Provinzen Erserum, Mamuret-ül-Asis, Diarbekir, 
Bitlis und Wan, besitzt eine Oberfläche von 505 000 qkm, 
ist also fast so gross wie Frankreich. Die Entfernung Kap 
Baba -Halysquelle (West-Ost) beträgt 1050 km, diejenige 
Sinope— Kap Anamur (Nord-Süd) 720 km. 



L 



^tfi 



2 I. DAS LAND. 

Bodenbau und Gewässer. In seinem Gebirgsbau, seiner 
Pflanzen- und. Tierwelt wie auch seinen ethnologischen und 
geschichtlichen Verhältnissen besitzt Kleinasien innige Be- 
ziehungen zur Balkan-Halbinsel, von der es erst in geologisch 
junger Zeit durch den Einbruch der Ägäis abgetrennt 
worden ist, während es vom Iranischen Hochlande, mit dem 
es durch Landzusammenhang verbunden ist, besser g'e- 
schieden wird. 

An dem Aufbau des Landes haben archäische Gesteine 
einen bedeutenden Anteil. Während aber auf der Balkan- 
Halbinsel Granite vorherrschen, treten hier vornehmlich Gneise 
und Glimmerschiefer wie andere alte Schiefer, Chloritschiefer, 
Talkschiefer usw. gebirgsbildend auf. Sie finden sich vor- 
nehmlich am Westabfall der Halbinsel in den alten Land- 
schaften Bithynien, Phrygien, Mysien, Lydien, Karien und 
am Südrand der Pontischen Gebirge. Ein Teil dieser Schiefer, 
deren Alter schwer bestimmbar erscheint, gehört bereits dem 
paläozoischen Zeitalter an; am Bosporus ist Devon sicher 
nachgewiesen, und bei Eregli am Schwarzen Meer steht die 
produktive Steinkohlenformation an, die dort im Tagebau 
in ziemlich primitiver Weise ausgebeutet wird. 

Das mesozoische Gebirge ist fast ausschliesslich auf den 
Norden der Halbinsel beschränkt. Vereinzelten Trias- Vor- 
kommen (bei Balia Maden und bei Gebse am Golf von 
Ismid) gegenüber ist der Jura — ähnlich wie in den Alpen 
die mittlere Stufe — mehr entwickelt, am wichtigsten aber 
ist das Auftreten der oberen Kreide mit Rudisten. Diese 
in Gemeinschaft mit den Nummulitenkalken des Eocäns geben 
den Gebirgen vornehmlich den Charakter. 

Nach dem Eocän begann die Bildung der grossen Ge- 
birgsfalten, die im Miocän zum Abschluss gelangte. Hierauf 
fanden Bruchbildungen statt, die dem Lande seine heutige 
Gestalt durch Ausprägung der äusseren Umrisse verliehen. 
Die pontische Küste wird von parallelen Faltenzügen in doppelt 



nODENBAU. 



geschwungenem Bogen (dem bithynisch-paphlagonischen und 

dem pontJschen Bogen) begleitet; den Süden beherrscht der 
grosse Bogen des Taurus, der nach Süden konvex vor- 
springt. In West- Anatolien (Mysien, Lydien) findet eine 
Scharung, ein Zusammentreffen der aus verschiedenen 
Richtungen aufgestauten Gebirgsf alten, statt, da hier der in 
Virgation aufgelöste Pindus-Bogen in Nordost- Richtung über 
den Archipel streicht. 

An den Innenrändern der grossen FaltungsbÖgen sind 
aus Bruchünien zahlreiche Vulkane aufgestiegen, deren Ent- 
stehung wohl zum grössten Teil im mittleren Tertiär erfolgt 
ist. Bemerkenswert ist der mächtige Trachytwall des Ala- 
Dagh am Südrande des paphlagoni sehen Gebirgszuges und 
die gewaltige Eruptivmasse am Innenrande des östlichen 
Taurusflügels, aus welcher der Erdjias-Dagh (Mons Argäus) 
mit 4059 m als höchste Bergspitze Kleinasiens aufragt. 
Zahlreiche heisse Quellen, die in den Hruchspalten aufsteigen, 
sind die Zeichen einer schlummernden, aber noch nicht er- 
loschenen vulkanischen Thäiigkeit, wie andererseits die Erd- 
beben am Bosporus und im Wilayet Ai'din darauf hinweisen, 
dass die tektonischen Vorgänge, die der Halbinsel ihre gegen- 
wärtige Gestalt gegeben haben, noch nicht völlig zur Ruhe 
gekommen sind. 

In der jüngeren Tertiärzeit fanden Meeresablagerungen 
von teilweise bedeutender Mächtigkeit statt , die völlig 
horizontal über gefalteten Gebirgsteilen ausgebreitet sind; 
dann bildeten sich gewaltige Binnenseeen, deren Niederschläge 
weite Strecken — nach Tchihatcheff ein Drittel des ganzen 
Landes — ■ einnehmen, und als deren letzte Reste wir den 
flachen Tüs TschöUü und die Seefetzen am West- und Süd- 
rande der Lykaonischen Senke zu betrachten haben. In der 
Gegenwart linden Neubildungen und Landanreicherungen 
vornehmlich im Mündungsgebiet der Flüsse statt, die viel- 
fach emsig bestrebt sind, aus den dem Binnenlande entführten 



Schuttmassen ein Delta aufzubauen oder den Flachsaum 
alluvialer Bildungen am Gebirgsrande durch Anschwemmungen 
zu verbreitern. 

Kleinasien ist seinen Wesenszügen nach ein mulden- 
förmiges Hochland von 850 m mittlerer Meereshöhe, das 
im Norden und Süden von hohen Gebirgsmauern umrandet 
wird und sich allmählich nach Westen zum Agäischen Meere 
abdacht. Die Nordküste ist überaus schwach gegliedert; 
die pontischen Randgebirge, die in parallelen Zügen von 
West nach Ost streichen und in den Lasischen Alpen über 
3000 m aufsteigen, treten dicht an die Küste heran und geben 
nur Raum für einen schmalen Saum fruchtbaren Niederlandes. 
Die Südküste ist dagegen bei weitem reicher gegliedert. 
Zwei grosse flache Buchten mit einem breiten Gestade er- 
giebigen Kulturbodens öffnen sich hier: im Osten die Bucht 
von Tarsus, die nur durch einen kleinen Gebirgszug von der 
Bai von Iskanderun getrennt wird. Die Stadt Tarsus, nach 
der die Bucht benannt ist, lag im Altertum am Seihun, 
dessen grosse Schwemmmassen zugleich mit denen des Djihan 
ein weites Alluvial gebiet, die Kilikische Ebene, aufgebaut 
haben. Durch den breiten Landvorsprung Itsch-lli, in dem 
die Bergketten des Taurus, im Bulghur-Dagh 3500 m hoch, 
mit steilem Absturz sich dem Meere nähern und das Kap 
Anamur bilden, getrennt folgt im Westen die Bucht von 
Adalia, deren westliche Umrandung von den wilden, schroffen 
Gebirgmassen, die südlich das Kap Chelidonia in das Meer 
vorschieben, gebildet wird. 

Die fruchtbare, von der Natur herrlich ausgestattete 
Westküste, an der die Landschaften Karien, Lydien und 
Mysien teilhaben, ist eine typische Riasküste, d. h. eine 
Küste, die quer zur Streichrichtung der Gebirge steht, deren 
Querenden in das Meer hinausragen, während die Hohlformen 
zwischen den einzelnen Ketten infolge Senkung des Fest- 
landes bezw. Hebung des Meeresspiegels (positive Strand- 



FLÜSSE, 5 

Verschiebung) zum Teil vom Wasser ausgefüllt werden. So 
ist eine vielgestaltige, mannigfach gegliederte Küste ent- 
stunden mit vielen konkaven, oft tief in das Land ein- 
schneidenden Buchten, denen eine dichte Inselflur — bei dem 
Einbruch des Agäischen Meeres stehen gebliebene Land- 
schollen oder Gebirgsglieder, deren Gipfel noch über den 
Meeresspiegel aufragen — ■ vorgelagert ist. 

Hinter dieser Küste steigt das von einzelnen, im Durch- 
schnitt Sog m hohen Bergreihen durchzogene Land allmählich 
zur Hochebene empor, deren nordöstlicher Teil innerhalb 
des grossen Halysbogens in ein Faltenland übergeht, das 
im Südwesten mit einer Bruchlinie gegen die Lykaonische 
Senke absetzt. Das abflusslose Binnenland ist eine baumlose, 
sonnenverbrannte"" Sreppe, defen tiefsten Teil der grosse, 
seichte Salzsurapf Tüs Tschöllü (turk. Salzige Steppe oder 
Wüste) einnimmt. 

Die Flüsse im Süden der Halbinsel besitzen, da der 
Taurus, dem sie entspringen, sich der Küste oft bis auf kurze 
Kntfernung nähert, einen kurzen Lauf; nur das Strompaar 
Seihun und Djihan, die in einer Längsfurche zwischen Anti- 
taurus und Amanus fliessen, gewinnt eine gewisse Bedeutung. 
Grössere Flusssysteme treffen wir auf der Westabdachung: 
den Menderes-ischai (Mäander), den kürzeren Kytschyk 
Menderes (Cayster) und den Gedis-tschai (Hermus), dessen 
Mündung eine künstliche Ablenkung nach Westen erfahren 
hat, da seine Schwemmmassen den Hafen von Smyrna zu 
verschliessen drohten. Die Landschaft Mysien ist vorwiegend 
nach Norden abgedacht und wird durch den Susyghyrly- 
tschai und Adranos-tschai (Macestus und Rhyndacus der 
Alten) zum Marmara-Meer entwässert. 

Die bedeutendste Entwicklung zeigen die Stromsysteme 
der nördlichen Abdachung, die sämtlich dem Schwarzen 
Meer angehören. Der Sakaria (Sangarius) besitzt gleich 
seinem bedeutendsten, ihm von links zuströmenden Tributär, 



6 I. ÜAS LAND. 

dem Pursak (Thymbres), einen merkwürdigen, durch zahl 
reiche rechtwinkHge Umbiegungen gekennzeichneten Laa^l 
der durch die Bodenplastik des durchflossenen Gebietes be^ 
dingt wird, indem die Flüsse den Longitudinal rinnen zwischa 
den West- Ost streichenden Bergketten zu folgen suchtet 
falls sie nicht ein entgegenstehendes Hindernis während da 
Gebirgsbildung gezwungen hat, den bequemen Thalweg i 
verlassen und in eine Bergkette ein enges Durchbruchsthj 
einzusägen. 

Ahnlich gestaltet sind der Filias-su (Billaeus) und de^ 
lange Lauf des Halys oder Kysyl Irmak (roter Fluss), 
einen weit ausholenden Bogen nach Westen beschreibt, bevoi 
er in tief eingeschnittenen Schluchten die Kettenzüge da 
paphlagonischen Küstengebirges durchbricht. Die gleichen 
rechtwinkligen Umknickungen zeigt weiter östlich das Fluse 
System des Jeschil Irmak, des alten Iris, während defl 
Tschoruk in seinem ganzen Ober- und Mittellauf einer Längs- 1 
furche, nahezu parallel zur Meerküste, folgt. 

Kein Fluss Anatoliens ist auf weitere Strecken schifFbai 
denn alle besitzen ein sehr starkes Gefalle, vor allem di<j 
pontischen Ströme, die eine grosse Barre vor ihrem Unter« 
lauf zu durchbrechen haben; erst dann können einige V« 
ihnen für eine allerdings verschwindend kurze Strecke dei 
Verkehr dienstbar gemacht werden. 

Klima. Die Westabdachung und das Tiefland der Süd 
küste, das „anatolische Hufeisen'', haben ein reines Mittelmeei 
klima: heisse, trockene Sommer, deren hohe Temperatur an 
der Westküste dtu-ch fast ständig wehende Nordwinde (Etesiei 
der Alten) gemildert wird, während die im Windschatten der- 
selben liegenden südlichen Niederungen der vollen Sonnen- J 
glut ausgesetzt sind, welche aus Sümpfen und stehendei 
Gewässern fieber erregende Miasmen aufsteigen lässt. Di^ 
Regenzeit währt von November bis März oder April, 



KLIMA. 7 

einzelte Niederschläge erfolgen im Frühjahr und Herbst. Das 
Temperatur-Maximum wurde für Smyrna in 14 Beobachtungs- 
jahren zu 43,6", das Minimum zu — 9,1" ermittelt. 

Der Nordwesten und Norden stehen unter dem Einfluas 
les Schwarzen Meeres und des nahen russischea und sibirischen 
ebietes. Auf einen kurzen Frühling, der erst spät, im April, 
beginnt, folgt ein warmer, durch Nordwinde, die vom 
Schwarzen Meer her wehen, in seiner Temperatur gemilderter 
Sommer, dessen heissester Monat August ist, dann im Sep- 
tember ein langer, schöner Herbst mit klarem, heiterem 
Wetter, der erst um die Wintersonnenwende durch Regen- 
ßlle oder bei sinkender Temperatur durch Schneefälle unter- 
brochen wird. Der kurze Winter bringt oft empfindliche Kälte, 
die aber selten lange anhält und oft durch feuchtes, warmes 
Wetter, das die Südwinde herbeiführen, abgelöst wird. Der 
^itierungsumschlag ist dabei oft sehr unvermittelt. Die 
lalten Luftströme aus dem Inneren Russlands haben schon 
iederholt Teile des Schwarzen Meeres auch am Südrande 
desselben zum Gefrieren gebracht, und selbst der Bosporus 
ist wiederholt von einer Eisdecke geschlossen gewesen. An 
der pontischen Küste macht sich der Windschutz, den der 
ihe Gebirgswall des Kaukasus ausübt, dahin bemerkbar, 
Lss der Ostabschnitt sich eines milderen Winters und höherer 
',Nied erschlage als Paphlagonien und Bithynien erfreut. Die 
jähriiche Regenmenge beträgt für Trapezunt 875 mm, für 
Samsun dagegen 727 mm und für das mehr binnenwärts 
gelegene Mersiwan sogar nur 411 mm. 

Das innere Hochland hat trotz der grossen Küstennähe 

und der Halbinselnatur des Landes ein rein kontinentales 

-Klima mit grossen Extremen. Helssen, trockenen Sommern, 

denen alle Vegetation in Schlaf versinkt, stehen harte, 

alte, trübe Winter gegenüber, in denen das Thermometer 

iweilen auf —15" oder selbst — igö (in Amasia beobachtet) 

ikt. Die Niederschläge, Regen oder in den höher gelegenen 



1. DAS LAND, 



Strichen Schnee, fallen in den Frühjahrsmonaten; im Aprl 
und Mai, sehen noch im Juni treten Gewitter mit 
Regenschauern auf. Die Hochgebirge sind bis in den Sommei 
hinein verschneit, und die Pässe werden oft erst im Juli fSa 
einige Monate gangbar. Die untere Schneegrenze scheiCH 
im allgemeinen etwas höher zu liegen als in Europa i 
Amerika (Südhang des Argäus 3450 m, Lasische Alpa 
3250 m), doch kann sie durch besondere örtliche Verhältni 
tiefer gerückt werden. 

Genauere Messungen der Niederschläge aus dem Binnei 
lande fehlen, immerhin wissen wir, dass diese nicht reichlii^ 
sind; denn die mit Feuchtigkeit geladenen Wolken, die durtj 
Nord- und Südwinde herangeführt werden, werden bereis 
durch die nördlichen bczw. südlichen Randgebirge zum Ab) 
regnen gezwungen und erreichen das Binnenland nur not 
als relativ ziemlich trockene Luftströmungen, die bei 
Abstieg von den Gebirgskämmen wahrscheinlich oft einei 
Föhncharakter annehmen. Selbst die Westwinde, die freierei 
Kintritt in das Land finden und in das Innere eindringet 
sind hier schon meist trocken und bringen nur noch weni^ 
Regen. Ungeheure Wald Verwüstungen haben überdies sei 
dem Altertum das Gebiet noch trockener gemacht, als 1 
durch gegebene Naturverhältnisse bereits war. 

Die hygienischen Verhältnisse sind im allgemetnej 
recht günstig, vor allem auf dem Hochlande. Die Niedenmgi 
an der Küste und in den Flussthalern sind in den hdss 
Sommermonaten fieberreich. Besonders haben die Bewohnei 
der südlichen Landschaften darunter zu leiden und ilüchtej 
wenn irgend möglich in das kühlere, gesunde Bergland, 
ist z. B, Tarsus, eine Stadt von [6 — 18000 Einwohnern, 
Sommer halb verlassen. Selbst auf dem Hochlande fehl^ 
in versumpften Landstrichen die Fieber wälirend des Sommei 
nicht und sollen auch auf trockenem, felsigem Boden 
kommen. Die Fieberkeime werden anscheinend durch dej 



PFLANZENWELT. 



Westwind herbeigeführt, der wohl infizierte Mücken usw. in 
das Binnenland hineinweht. 



Mittlere Temperatui'. 





N. : Ö. ; 













Ort 


Bieite 


Länge, 


Januar 


April 


Juli 


Oktob. 


Jahr 


KüDsUDtinopel . 


40° o' 


38°59'| ~ 


4.8 


11.4 


33-1 16.11 


.3-8 


Brussa .... 


40 5 


39 I 1 305 


4.0 


12.4 


26.5 , 16.3 


15-8 


Smyrna . . . 


38 36 


27 IO| — 


7.5 


13K 


26.4 18,5 


■ 6.5 


Samsun . . . 


4. .8 


,6 2. 


8 


6., 


10.7 


22.7 16.7 


14.0 


Trapciunt . . 


41 I 


39 45 


30 


6.0 


11.4 


«.8 1 .7.2 


14.S 


Kaisarie . . . 


,1* 4.1 


37 43 


1095 


1.4 


14.9 


21. 1 16.7 


12.6 


Mersiwan . . . 


40 5< 


35 32 


ra.400 


3.3 


"■6 


23.6 


13.0 


12.5 



Regenmessangen ii 



Ort 


i 11 1 lli 1 IV V VI ] VU VHI IX X XI 


XII 


Jahr 


Skutari . 


78 63 


.C4i3. j^fi' 


49 ! 33 -"'S 


6s ' 10. 


laB 


7' 


8<4 


Smyrna . 


los 75 


8S ' 45 3= 


12 5 3* 


13 45 


108 


U3 


65D 


Samsun . 


80' 58 


74 -^ö 4S 


38 18* 3? 


54 ?ö 


U3 


*! 


7»7 


Trapezuot 


73' 4» 


72 ' 70 50 


67 44* 53 


77 1 65 


iq6 


1*4 


875 


Mer.siwai. 


H 27 


24 ' 5« «1 


. ..|,. 


44 39 


13 


3i 


411 



Pflanzenwelt. Von Bodenbau, Höhenlage und Klima 
abhängig zeigt die Pflanzendecke Anatoliens ein wechselndes 
Gepräge. Auf den Inseln des Archipels und in den Küsten- 
niederungen der westlichen Abdachung und des südlichen 
Vorlandes (Kilildsche Ebene und Pamphylien) herrscht die 
Mediterranflora, immergrüne Maquis mit Pistazien, Myrten, 
Crataegus, Erdbeerbäumen, Eichen, Lorbeer und Lentiscus- 
gebüsch, es ist der gesegnete Landstrich, in dem die 
Agrumen, Oliven, Feigen, Granaten, Quitten, Maulbeeren 
und die Weinrebe in üppigster Fülle gedeihen. Das pontische 
Küstengebiet östlich von Sinope zeigt ähnliche Wesenszüge, 



10 I. DAS LAKD. 

während die Olive aus noch nicht näher geklärten Gründen 
zwischen dem Bosporus und der Halysmündung nicht gedeiht. 

Diese immergrüne Vegetation reicht am Südabhange 
des lycischen Taurus bis zu einer Höhe von 450 m. im 
pontischen Küstengebirge bis zu einer solchen von ,100 m, 
doch steigt sie in geschützten Thalzügen bis zu einer Höhen- 
stufe von 600 m empor. Ihr folgt aufwärts bis 1 700 m im 
Norder die Region hochstämmigen Waldes, der sich aus 
verschiedenen Eichenarten, Ulmen, Linden, prächtigen Rot- 
buchen, in den höheren Lagen über 1350 m vornehmlich 
aus Fichten, ICiefern (Pinus Laricio, P. süvestrts}, Zedern und 
Tannen (Abies ciUcica), in den tieferen Lagen aus Kastanien, 
Platanen und Nussbäumen zusammensetzt und ein dichtes 
Unterholz, besonders viel Hasclnusssiräucher, birgt. Die 
Obstbäume, Apfel, Birnen und Kirschen, steigen bis 1200 m 
empor. 

Über 1800 m folgt im pontischen Randgebirge die 
alpine Vegetation, deren Charaktergewächse die kaukasische 
Alpenrose, Seidelbast, Schwarzdorn, Rosensträucher und 
Wachholder sind, und die in der Sommerzeit den anwohnenden 
Viehzüchtern eine reiche Weide bietet. Im kilikischen 
Taurus reicht dieses Weideland am Südabhang bis 240D m 
aufwärts, am nördlichen Gehänge sogar bis .a;oo m. 

Ausserordentlich günstige klimatische Verhältnisse lassen 
auf dem Südabhange des westlichen Taurus die obere Wald- 
grenze mit Juniperus foetidissima sogar bis 2400 m aufsteigen. 
Im kilikischen Taurus reicht die untere Waldregion mit 
Eichen und Fichten auf dem Südabhange bis 1400 m, die 
obere Waldregion, in der P. Laricio vorherrscht, bis 1500 m, 
und der Zedernwald bis 1800 m; auf dem Nordabhange 
nimmt die Waldregion die Stufe 1400 — 2100 m ein. 

Das innere Hochland birgt trotz einer scheinbaren Ein- 
tönigkeit eine mannigfaltige Pflanzenwelt. Acantholimon und _ 
Astragalus Tragacantha bilden neben den Gattungen Erysi 



TIERLEBEN. 11 

mum, Dianthus, Gypsophila, Silene, Hypericum, OnobrychU, 
Centaurea, Campanula, Convolvulus, Verbascum, Salvia u. a. 
die Charakterpflanzen des zentralen Hochsteppengebietes. 
Eine eigene Flora besitzen die Salzsteppen Lykaoniens und 
Galatiens, aus denen 13 Salsolaceen- Gattungen mit ^54 Arten 
bekannt geworden sind. 

Das Hochland erscheint öde und unfruchtbar, aber wo 
befruchtendes Mass den anscheinend sterilen Boden durch- 
dringt, da entfaltet sich reiches Pdatizenleben. In den Fluss- 
thälem und leicht bewässer baren Gebieten entstand ein 
lohnender Ackerbau, während das unberieselbare Land und 
die entwaldeten Berghänge den Wanderhirten mit ihren un- 
gezählten Herden überlassen blieben, 

Tierleben, Die kleinasiatische Fauna gehört der Mittel- 
ländischen Subregion der paläarktischen Region Wallace's an 
und besitzt im wesentlichen, mit wenigen Ausnahmen oder 
Örtlichen Abwandlungen, die jener eigenen Gattungen und 
Arten. Von den Säugetieren hat der Zoologe Danford 
eine Liste von 46 Arten aufgestellt, unter denen aber die 
Fledermäuse, Insektenfresser und Nager erst noch spärlich 
vertreten sind. 

Aus der Familie der Katzen kommt der Leopard noch 
vereinzelt in den südlichen und südwestlichen Küstengebieten 
vor, Löwe und Tiger, die im Altertum häufig waren, sind 
durch die fortschreitende F^ntwaldung und Entvölkerung des 
Landes weit nach Osten zurückgedrängt worden. In den 
Küstenwaldnngen ist die Wildkatze (F. catus) häufig, weiter 
werden Luchs, Fardina und Caracal genannt. Unter den 
wilden Hundearten nimmt der Wolf die erste Stelle ein, er 
ist im Innern sehr zahlreich und im Winter eine Plage der 
Herdenbesitzer; viele topographische Namen wie Kurt-Dagh, 
Kurtköi usw. weisen auf sein Vorkommen hin. Neben ihm 
weitverbreitet ist der Schakal, auch der Fuchs ist nicht 



1-2 



I. DAS LANU. 



selten, dagegen scheint die gestreifte Hyäne mehr auf t 
Gebiet von Smyrna und die südlichen Landschaften beschränlß 
zu sein, wenn sie auch vereinzelt an anderen Orten auftritt 
Von Mustelinen finden wir Dachs, Marder (M. vulgaris und 
M, sannatica) und Fischotter ziemlich häufig. In vielen Berg- 
wäldern lebt der braune Bär, an dessen Stelle im Osten des 
Landes die syrische Art tritt. 

Von Nagern ist der Hase im Randgebiet und auf der 
Hochlandsteppe, falls diese durch Buschbedeckung Schutz 
gewährt, recht häufig. Der Boden der Hochlandsregion ist 
vieler Orten durch die Bauten der für die Steppenfauna 
charakteristischen Suslik (Spermophylus xanthoprymnus) und 
der Hamster durchwühlt, und die öde Salzsteppe der 
Lykaonischen Senke wird durch die gewandte, schnelle 
Sandrennmaus ^Fsammomys obesus) belebt. In den Wäldern 
des Taurus und des Antitaurus tummelt sich das syrische 
Eichhörnchen {Sciurus syriacus), dagegen erscheint das Vor- 
kommen des Bibers noch fraglich. 

Das Rotwild ist durch Edelhirsch, Damhirsch und Reh 
vertreten, kommt aber in den Wäldern der Randzone und 
des Antitaurus nicht mehr gerade häufig vor. In den öst- 
lichen Steppengebieten lebt die schöne Gazella dorcas, und 
die Hochgebirge beherbergen die interessante Wildziege 
Capra ägagrus und den Mufflon (Ovis musimon), die Stamm- 
väter unserer heutigen Hausziege und des Hausschafes. In 
den Eichendickichten der Bergwaldungen haust das von den 
Moslemin verabscheute Wildschwein, das hier an Eicheln, 
Kastanien und Bucheneckern eine reichliche Mast findet, 
aber dennoch oft die Kulturen der benachbarten Bauern 
heimsucht und verwüstet. 

Wo Waldungen ihr schirmendes Dach ausbreiten, findet 
auch die lustige Schar gefiederter Sänger ihr trauliches 
Heim. Die anatolischen Bergwälder beherbergen fast alle 
unsere mitteleuropäischen Singvögel wie Nachtigal, Drossel, 



J 



TIERI.EBEN. 13 

Amsel, Grasmücke, Fink, Hänfling, Zeisig, Disteltink, Rot- 
kelchen, Steinschmätzer, Meise, Rotschwänzchen, Pieper und 
viele andere. Mit zierlichem Schwanzwippen hüpft die Bach- 
stelze am steinigen Uferrand, der Specht hämmert dröhnend 
an Haumstämmen, und der Kukuksrufs schallt laut durch 
den Wald. Über der Steppe steigen im Frühjahr riesige 
Scharen von Lerchen auf und baden unter hellem Jubel- 
gesang die Brust in der reinen, klaren Luft. 

Die Wasserbecken und Sumpfniederungen sind durch 
grosse Schwärme von Wat- und Schwimmvögeln belebt: 
wilde Gänse und Enten, Pelikane, Kraniche, Silberreiher, 
Purpurreiher und Nachtreiher, Wasserhühner, Kiebitze, 
Schnepfen usw. Der wahre Charakter vogel des Landes aber 
ist der Storch, der seit Alters in frommer Scheu geschont 
wird. Das weite Steppenland durchmisst die scheue Trappe. 

Von den Hühnervögeln finden sich neben unserem 
heimischen Rebhuhn das im Mittelmeer gebiet weit verbreitete 
Steinhuhn in den Bergen und das Sandhuhn (Pterocles are- 
narius) auf den Hochsteppen des Innern, beide in grossen 
Völkern. Im Hochgebirge des Ostens steigt das Riesen- oder 
Königshuhn (Megaloperdrix caspia) zu sehr bedeutenden 
Höhen auf, nach Radde am Ararat bis 5000 m. Die Wachtel 
besitzt augenscheinlich eine weite Verbreitung. Die Gebirgs- 
waldungen bergen Haselhühner, Auerhühner, Fasanen. — 
Tauben treten in grossen Schwärmen auf, werden aber überall 
nach altüberlieferter religiöser Tradition geschont. 

Sehr zahlreich ist das Raubzeug, das nirgendwo von 

Eingeborenen abgeschossen wird. Im Lande horsten 
""verschiedene Adlerarten: Königsadler, Goldadler, A. Mogilinik, 
Schreiadler, A. pennala, Seeadler, von Geiern der Lämmer- 
geier, der weissköpfige Geier und der ägyptische Aasgeier- 
Weitverbreitet sind Falken, von denen Danford 6 Arten be- 
obachtete, Habichte, Sperber, Weihen, Bussarde und Eulen. 




14 I. DAS LAND. 

Die Reptilien und Amphibien sind noch wenig durch- 
forscht; bemerkenswert ist das Vorkommen von Baum- 
schlangen (Dipsadiden), die sonst nur auf den Raum innerhalb 
der Wendekreise beschränkt sind, auf dem anatolischen 
Hochlande. 

Auch die Fischfauna ist erst wenig bekannt geworden. 
Die Flüsse und Süsswasserseeen sind sehr fischreich. In 
fast allen Hochlandflüssen kommt zahlreich eine schöne 
Forelle (S. Ausonii), die bis 15 Pfund schwer wird, vor. Der 
Halys ist reich an grossen Welsen. An der Küste wird der 
Thunfischfang im grossen betrieben, und der Bosporus ist 
wegen seines Fischreichtums berühmt. 

Die Insekten sind durch einen grossen Artenreichtum, 
besonders in den bereits eingehender durchforschten Ordnungen 
der Käfer und Schmetterlinge, von denen eine grössere An- 
zahl endemischer Spezies nachgewiesen wurde, ausgezeichnet. 



I 



II. Die Bewohner. 



Dem Beobachter treten in Analolien als Hauptbestand- 
teile neben zahlreichen numerisch schwächeren ethnischen 
Einschlägen die drei „Nationalitäten" Türken, Griechen 
und Armenier entgegen. 

Die letzteren sind am leichtesten erkennbar; wenn auch 
die Bewohner mancher Dörfer mosleminische Tracht und 
Sitte und die türkische Sprache freiwillig oder gezwungen 
angenommen haben, so bildet der weitaus grösste Teil der 
Armenier ein homogenes Element als Glieder des grossen 
armenischen Volkes, welches das armenische Hochland mit 
den beiden Siedelungsbrennpunkten um den Wan-See und 
am oberen Euphrat bewohnt und ein Eins in Körperbau, 
Sprache und Religion bildet. Die Armenier haben einen 
breiten und extrem hohen Schädel, der vielfach hinten ab- 
geflacht ist, und meist schwarze Haare. Die grosse, fleischige 
Nase giebt ihnen ein weiteres besonderes Kennzeichen. Sie 
besitzen eine eigene Schriftsprache und Litteratur; eine grosse 
Befähigung für das Erlernen fremder Sprachen verschafft 
vielen die ei nfluss reiche Stellung des Vermittlers zwischen 
den verschiedenen Bevölkerungselementen im amtlichen und 
geschäftlichen Verkehr. Die Mehrzahl gehört der armenisch- 
gregorianischen Kirche an und untersteht in religiöser Hin- 
sicht dem armenischen Patriarchen in Konstantinopel; ein 
kleinerer Bruchteil dieser Bevölkerung hat sich den Lehren 



16 



11. DIE BEWOHNEa*- 



der amerikanischen evangelischen Missionare oder der fran- 
zösischen Jesuiten angeschlossen. 

Ein lebhafter Wandertrieb und reger Geschäftssinn hat 
nicht nur zahlreiche Gemeinden dieses Volkes über 
das ganze türkische Reich verbreitet, sondern auch unter- 
nehmende Leute bis nach Westeuropa und Amerika geführt. 
Ein grosser Teil des armenischen Volkes widmet sich dem 
Ackerbau, eine sehr beträchtliche Zahl aber dem Handels- 
gewerbe, für das der Armenier eine hohe natürliche Bean- 
lagung besitzt, und hat vor allem in der Finanzvvelt des 
Orients eine starke Stellung erworben. Der moralische 
Charakter wird sehr verschieden beurteilt. Der Armenier 
gilt als nüchtern, sehr bescheiden in seinen Lebensansprüchen 
und sparsam, dagegen wird ihm der Hang zum Betrügen 
und zu unlauterer, oft unsauberer Geschäftsführung zum Vor- 
wurf gemacht. Das im Kern morsche Byzanz mit seiner 
planlosen Korruptions wir tschaft hat von jeher ein dankens- 
wertes Arbeitsfeld für armenische Geschäftsleute geboten, 
aber auch in den anatoJischen Landstädten und Dörfern haben 
armenische Händler und Gastwirte festen Fuss gefasst und 
vielfach das ehrliche, arbeitsame Landvolk durch Wucher- 
zinsen und Betrug bis auf das Blut ausgesogen. Es wäre 
irrig, die Armenier Verfolgungen der letzten Jahre als 
moslemlnische Christenhetze aufzufassen; die vom menschlichen 
Standpunkte aus tief bedauerlichen Vorgänge haben viel- 
mehr einen sozialen und politischen Beigeschmack. Denn die 
Arraenierfrage bietet für England und Russland, deren 
Emissäre eine ununterbrochene, verhängnisvolle Thätigkeit 
im Lande entfalten, ein willkommenes Mittel zur ständigen 
Beunruhigung der Hohen Pforte. Leider müssen aber ge- 
rade vielfach die harmlosen und unschuldigen Landbewohner 
mit ihrem Blut die Schuld ihrer verbrecherischen Stammes- 
genossen und fremden Hetzagenten sühnen. 

Das zweite Element, die Griechen, gewinnt in Anatolien 



GRIFXHER 17 

eine von Jahr zu Jahr steigende Ausbreitung und Bedeutung. 
Sie nehmen in dicht gescharter Masse die fruchtbaren Küsten- 
tänder des Südens und Westens, z. T. auch des Nordens 
ein und dringen langsam, aber stetig weiter in das Innere 
der Halbinsel vor. Die lange vernachlässigte eigene Sprache 
wird jetzt sorgfaltig gepflegt, und von den Gemeinden werden 
oft grosse Opfer gebracht, um einen griechischen Lehrer 
anstellen und so ihren Kindern einen guten Unterricht zuteil 
werden lassen zu können. Während in vielen Dörfern die 
ältere Generation nur des Türkischen mächtig ist, erwirbt 
die Jugend wieder den Gebrauch der nationalen Sprache. 
Diese ist dem Altgriechischen sehr ähnlich, aber in ihren 
Formen verkümmert. Die Landleute sprechen vielfach nur 
in Infinitiven und haben die Unsitte, fast allen Wörtern die 
Deminutivform „aki" anzuhängen, was der Sprache ein sehr 
kindliches Gepräge verleiht. Die grosse Mehrzahl gehört 
der anatolisch-orthodoxen Kirche an, an deren Spitze der 
ökumenische Patriarch in Konstantinopel, den eine ständige 
Synode von 12 Metropoliten umgiebt, steht. Diesem unter- 
stellt sind 75 Erzbischöfe mit a6 Bischöfen. Nur gering an 
Zahl sind die Unierten Griechen, die den Papst in Rom als 
ihr geistliches Haupt anerkennen. 

Unter der griechischen Bevölkerung Anatoliens lassen 
sich in somatischer Hinsicht in der Hauptsache zwei Typen 
unterscheiden. Der eine stimmt überein mit dem Typus der 
Griechen auf dem europäischen Fesdande und dem Archipel, 
wo er infolge insularer Abgeschlossenheit noch am reinsten 
erhalten geblieben ist und Anklang an den antiken Typus 
zeigt. Der andere Typus wird durch Vorwalten von extremen 
Kurzschädeln gekennzeichnet und weist auf eine kleinasiatische 
Urbevölkerung hin, die bereits vor der griechischen Koloni- 
sation im Lande ansässig war. 

Die heutige griechische Bevölkerung in Anatolien wird 
auf 1 300000 Seelen veranschlagt; diese Zahl dürfte aber bei 




18 n. DIE BEWOHNER. 

der grossen Fruchtbarkeit der Familien bald weit über- 
schritten sein. Die Griechen des Archipels sind durch die 
Lage ihrer Heimaterde auf das Meer hinausgewiesen, sie 
sind tüchtige Schiffer und Fischer geworden. Auf dem Fest- 
lande ist die grosse Mehrzahl im Ackerbau, Gewerbe und 
Handel beschäftigt. Der intelligente Grieche hat im Anbau 
der ertragreichen Südfrüchte und Weinreben, die er mit 
regem Eifer pflegt, eine ergiebige Erwerbsquelle gefunden, 
ebenso liegt der Seidenbau und die Seidenspinnerei zu einem 
grossen Teile in seinen Händen. Handwerke, die eine be- 
sondere Geschicklichkeit erfordern, werden in den Städten 
fast ausschliesslich von Griechen ausgeübt. Einen besonderen 
Einfluss in wirtschaftlicher Beziehung haben sie dadurch ge- 
wonnen, dass sie neben den Armeniern nicht nur den 
Provinzhandel, sondern auch den Grosshandel in den Küsten- 
städten beherrschen und in ihm grosse Vermögen ange- 
sammelt haben. 

Die Griechen sind betriebsam und sparsam, kommen 
aber, in den grösseren Städten wenigstens, häufig mit den 
Gesetzen in Konflikt; so waren die meisten der berüchtigten 
smyrniotischen Briganten Griechen. Im Innern, wo sie sich 
zumeist dem Ackerbau widmen, sind sie etwas schwerfälliger, 
aber auch dafür von höherer Moralität als an der Küste. 
Ihre Weiber sind gute Hausfrauen, jedoch eitel und putz- 
süchtig. Ein reger Gemeindesinn hält die Griechen fest zu- 
sammen und giebt ihnen dadurch eine besondere Stärke im 
Wirtschaftsleben. 

Als Türken werden im allgemeinen die Angehörigen 
der sesshaften mosleminischen Bevölkerung auf dem flachen 
Lande und in den Städten — unter Ausschluss der in jüngerer 
Zeit aus den Balkanländern und dem Kaukasus Zugewanderten 
— bezeichnet. Das Wort „Türk" ist im Orient ein Schmähwort, 
die Leute selbst nennen sich „Osmanli" und bringen in 
diesem Namen den Anspruch auf die Descendenz von den 



ANATOLISCHE LANDBEVÖLKERUNG. 19 

Begründern des heutigen türkischen Staatswesens zum Aus- 
druck. Diese Annahme ist jedoch unzutreffend; die sog. 
Türken stellen vielmehr eine Mischbevölkerung dar, in der 
nach den gründlichen anatomischen Untersuchungen v. Luschan's 
die Merkmale einer alten vorgriechischen Bevölkerung deut- 
lich zum Ausdruck kommen, während Hinweise auf eine 
mongolische Abstammung weit seltener, gewöhnlich nur 
individuell hervortreten. Wir wissen, dass im Altertum die 
Bevölkerung Kleinasiens aus den drei Hauptgruppen: 
Hethitern im Osten bis an das rechte Halysufer, Phrygiern 
im Quellgebiet von Sangarius, Macestus und Mäander und 
Lydiern auf der westlichen Abdachung bis zur Küste bestand. 
In Monumenten überlieferte bildliche Darstellungen ^dieser 
Bevölkerung zeigen deutlich den Typus, der in der heutigen 
anatolischen Landbevölkerung so häufig wiederkehrt und als 
armenoid (mit breitem und extremhohem Schädel und grosser, 
fleischiger Nase) bezeichnet wird. 

Diese Urbevölkerung, deren in Hieroglyphen geschriebene 
Schrift noch der Entzifferung harrt, besitzt nach Hommel 
innige Beziehungen zu den Pelaskern, Rhätiern, Ligurern, 
Etruskern und Iberern und bildete mit diesen Völkern den 
pelaskisch-alarodischen Sprachstamm. Die alte meso- 
potamische Kultur fand auf ihrem Zuge nach Westen eine 
Stätte der Pflege in Kleinasien, und von hier aus breiteten 
sich Götterkult und Wissenschaft, Nutzpflanzen und Haustiere 
in die Gestadeländer des Mittelmeeres aus. 

Kleinasien hat seit dem Eintritt in das Licht der Ge- 
schichte fast stets unter fremder Oberherrschaft gestanden, 
aber die Spuren der Nationen, in deren Händen einst die 
Macht lag, Assyrer, Perser, Römer und Byzantiner, sind 
nahezu verwischt. Erst durch die Seldschuken und die 
Osmanen, die jetzigen Herren, die im Jahre 1231 unter 
Ertoghrul ihren Eroberungszug nach Anatolien antraten, ist 
die alte, landeingesessene Bevölkerung nachhaltiger beein- 

2* 



20 II. DIE bbwohnp:r. 

flusst worden: denn sie hat von diesen den islamitischen 
Glauben und die türkische Sprache angenommen. Es dürfte 
demnach richtiger undzutrefFendcrsein, von einer an atoli sehen 
Landbevölkerung und nicht von kleinasiatischen Türken oder 
Osmanhs zu sprechen. Auf dem flachen Lande wird nicht 
das mit arabischen und persischen Worten und Floskeln ver- 
brämte Stambuliner oder Pforten ■ Türkisch, sondern das 
schlichtere Kaba Türkdje gesprochen. Lesen und Schreiben 
(mit arabischen Schriftzeichen, die für das Türkische durch- 
aus ungeeignet sbd) können nur wenige Gebildete, meist 
Geistliche, in kleinen Orten nur der Lehrer (Chodscha). 
Schriftliche Verträge sind daher UDgewöhnlich, alle geschäft- 
lichen Abmachungen werden auf Treue imd Glauben mündlich 
geschlossen und dann auch gehalten. 

Die Landbevölkerung beschäftigt sich auf dem Hoch- 
lande hauptsächlich mit Viehzucht (Ziege, Angoraziege, Schaf, 
Rind), dagegegen tritt der mit primitiven Gerätschaften be- 
triebene Ackerbau zurück; im Tieflande wird dagegen vor- 
nehmlich Ackerbau, daneben in beschränkterem Masse Vieh- 
zucht getrieben. In altüberlieferten Formen, Zeichnungen 
und Farben haben sich Zweige der keramischen und Textil- 
industrie im Lande erhalten; letztere, vor allem die Teppich- 
knüpferei, wird fast ausschliesslich als Hausindustrie von den 
Frauen geübt. 

Der anatolische Bauer ist nüchtern, arbeitsam und ehrlich. 
Diese guten Eigenschaften können ihn aber nicht davor be- 
wahren, dass er langsam in seinem Besitz zurückgedrängt 
wird. Eine grosse Schuld daran trägt die weitverbreitete 
Sitte der Vernichtung keimenden Lebens, da die Frauen es 
nicht lieben, zahlreiche Kinder aufzuziehen, dann die starke 
Rekruten ausheb ung und der Hadj, die Pilgerfahrt nach Mekka. 
Anatolien hat seit Alters her den türkischen Sultanen stets 
die besten Truppen geüefert, und anatolische Bauern sind es 
auch gewesen, welche jüngst die türkischen Siege in Thessalien 



1 



ANATOLISCHE LANDBEVOI.KF.KUNC. 



•21 



;rfochten haben. Selbst in Friedenszeit werden viele junge 
Leute der Heimat entrissen, in die sie nach 6— 8 jährigem 
Militärdienst aus Mangel an Mitteln nicht wieder zurück- 
kehren können. Schreckliche Verheerungen aber richtet 
der Hadj unter den Glaubens eifrigen an; allerlei Seuchen, 
Cholera, Syphilis und Fest, lassen alljährlich in Mekka etwa 
die Hälfte aller Pilgerer, der besten Elemente des Landes, 
elend zu Grunde gehen. Erst die neuere Zuwanderung der 
Muhadjir von der Balkan -Halbinsel und aus dem Kaukasus 
führt den Anatolicrn frisches Blut und neue Kraft zu. 

Die Moslemin wohnen in geschlossenen Gemeinden und 
haben auch in den Städten stets ein besonderes Stadtviertel 
inne. In Kleinasien treffen wir zwei Haustypen an, die durcli 
ihre Dachform unterschieden sind; mit flachem Dach und mit 
Giebeldach. Die erstere Form ist die ältere, sie findet sich 
schon auf den assyrischen Denkmälern dargestellt und ist in 
den lykischen und paphlagonischen Felsengräbern ausgeprägt. 
Wo irgend Holz vorhanden, werden die Häuser aus Baum- 
stämmen errichtet und mit einem flachen Dach versehen, 
das mit Lehm belegt und festgestampft oder gewalzt wird. 
Die andere Form, das Giebeldach, ist erst später eingeführt 
worden und besonders im pontischen Randgebirge in Gebrauch. 
Zc unterscheiden ist ferner in vielen Landstrichen des Hoch- 
landes das einstöckige Sommerhaus auf der Bergalm (Yaila) 
und das zweistöckige, fester gefügte Haus im Winterdorf 
(Kyschlak), bei dem sich die Wohnräume im oberen Stock- 
werk befinden, während das Erdgeschoss als Viehstall und 
Vorratsraum dient. Die Fenster sind nur in den seltensten 
Fällen durch Glasscheiben geschlossen ; das obere Stockwerk 
ist ähnlich wie bei den Häusern unserer Alpendörfer auf 
drei Seiten von einem off"enen Holzbalkon umschlossen, auf 
dem sich tagsüber das häusliche Leben abspielt. Wo Holz 
zum Häuserbau fehlt, werden niedrige, kleine Kastenhäuser 
aus Bruchsteinen und Lehm, die nur eine erbärmliche Unter- 



22 II- I^IE BEWOHNER. 

kunft bieten, gebaut. Die hervorragendsten Bauwerke des 
Landes, Moscheen, Medresen usw. mit gewahigen Kuppel- 
bauten in reicher Ornamentik und prächtiger Fayence- 
bekleidung, sind in der Seldschukenzeit von persischen und 
arabischen Baumeistern oder deren eingeborenen Schülern 
errichtet worden. 

Eine Sonderstellung unter der mosleminischen Land- 
bevölkerungnehmen die Sektirer: die Tachtadschi, Ansaryeh 
und Kysyl-Basch ein. Diese Sektirer zeigen, da sie ein ganz 
abgeschlossenes Dasein fuhren, die archaistischen Formen, 
die auf eine hethitische Abstammung hinweisen, in deutlicher 
erhaltenem Gepräge. Die Tachtadschi im lykischen Wald- 
gebirge sind uns durch v. Luschan's Forschungen näher 
bekannt geworden. Ihr Name ist türkisch und bedeutet 
Brettschneider nach ihrer Hauptthätigkeit in den grossen 
Waldungen ihrer Heimat, die sie für die Ausfuhr nach Syrien 
und Ägypten ausbeuten. Ausser in Lykien sind Tachtadschi 
ferner in der Kibyratis, Pamphylien und Kilikien sesshaft. 

Dem Namen nach sind sie Muhammedaner, stehen aber 
bei den Rechtgläubigen in übelem Ruf als Ketzer und un- 
moralische Menschen, ein Vorwurf, der sie zu unrecht trifft. 
Die Frauen haben eine freiere Stellung als bei den übrigen 
Moslemin, sie gehen unverschleiert und nehmen an den Mahl- 
zeiten des Mannes teil, ferner sind Geschwisterheiraten ge- 
stattet. Die Tachtadschi haben eine unüberwindliche Ab- 
neigung gegen den Genuss des Fleisches von Hasen und 
Truthühnern und entsetzen sich vor dem von den Türken 
vielgebrauchten Worte „scheitan" (Teufel). Auffällig ist, dass 
sie die Namen Omar, Bekir und Osman verabscheuen, dagegen 
werden bevorzugt Ahmed, Ali, Mehmed oder Mohammed 
und Hassan. In einer Art von Moschee verehren sie an- 
scheinend ein pfauartiges Gebilde aus Messing, in dem sie 
eine Darstellung des Teufels erblicken, und glauben an eine 
Seelenwanderung, bei der die Dämonen nach Wanderung 



SEKTIRER. 23 

durch viele Tierleiber — besonders Hasen und Truthühner, 
daher das Speiseverbot — zu guten Geistern werden. Die 
vier grossen Propheten des Islam Moses, David, Jesus und 
Mohammed betrachten sie nur als Inkarnation eines einzigen 
Wesens. 

Ihre geistlichen Führer sind die Baba und Dede, Zauberer, 
denen besondere Rechte z. B. freie Wahl unter den Weibern 
zustehen. Bei Begräbnissen treten eigene Sitten hervor, so 
glauben die Tachtadschi, dass die Sünden in einen Stock 
oder in einen Kleiderfetzen, die dann verbrannt werden, 
übergehen können. Daneben zeigen sich im bürgerlichen 
Leben zahlreiche kleine Eigentümlichkeiten, so führen die 
Tachtadschi das Trinkgefäss stets mit beiden Händen zum 
Munde, rasieren oder schneiden niemals das Haupthaar oder 
den Schnurrbart und lassen bei den Waschungen gleich den 
Schiiten das Wasser vom Ellenbogen zu den Fingerspitzen 
herabrieseln. 

In ihrer Tracht unterscheiden sie sich nicht von der 
umwohnenden anatolischen Landbevölkerung. Sie erbauen 
nur sehr selten Häuser, sondern wohnen meist in Zelten, die 
denen der Turkmenen (s. unten S. 26) gleichen und aus 
einem runden, reifrockartigen Gestell, das mit Filzplatten 
gedeckt wird, bestehen. Die Filzplatten werden aus ab- 
gesengten und ausgefallenen Rinderhaaren, die mit Erde 
vermengt in einem grossen Sack geknetet werden, hergestellt; 
feinere Filze, die als Teppiche und Schlafdecken dienen, 
werden durch einen besonderen Fachprozess gewonnen. Die 
Tachtadschi leben ganz abgeschlossen, sie fertigen alles, was 
sie gebrauchen, selbst an und steigen nur zum Verkauf ihrer 
Erzeugnisse in die Küstenstädte hernieder. 

Eine ähnliche Sonderstellung wie die Tachtadschi nehmen 
die Kysyl-Basch (d. h. Rotköpfe) in Anatolien ein, die 
verstreut im ganzen Lande leben, dichter geschart aber in 
den Wilayets Angora und Siwas wohnen. Auch in ihnen 



*i4 H, rXK IJKWOUNKK, 

haben wir rliiT (ilicdrT einer alten Sekte zu »ehen, dirr 
mancherlei Hcziehunjfen mit den 'r;M:htarlik*.hi henit/t, I>ic 
KyÄyl-Ba«ch l;tHfK!n ihre Frauen unverw.hleiert jfehen, trinken 
Wein und ennen Schweinefleinch, Sie heien n^ich TayW die 
aufjfehenrle und «»inkenrie S<>fine an, verehren da» Vt^Uf^r 
und Ixjten unrl if\}{tzrn an <\f.n Quellen f\f*r MÖMie, Ihre 
int erenftan tarnten Bräuche nind die chriMlichen Riten der Taufe 
und dcÄ AI>endmahK W(m den Türken werden die Kyt^yl* 
BaHch verachtet und ^eha«M*t, oft auch jfefürcfitet, in Wirk* 
lirhkeit »inrl eHmejHt harmlr^ne I/eute, Hirten umi Ackerhauer, 

Vau dritte Sekte int die (\i*r Annarieh, von denen %\rh 
eine An/.ahl in der kilikiH<:hen Ivhene befindet, während %ie 
fKm<»t an der »yriÄ<:hen Künte eine ^ri*f%f^rn Verbreitung \u^stV/A*.u. 
Alle dienir S<;kfen H<:heinen auf einen frühtzrt.n Zusammen* 
han(( hin/.uweiÄ/m, vielleicht wnd we abgeJ/Wt von den ^rtfiy^'.tt 
f)erf»iftchen Sektirern rxler Kejite einer alten f(r(m^:a uA\\(%i'f%4in 
('ti',m^^n¥tfhaU^ duz I{.rinnerunj(en i^nnn^iiH an da«» Chri^iten. 
tum l^fjwahrt, anrlererfteit* äuf^^rrlich ^lie \^hrt. de<» Klar« 
iinf(f:fUßmmf:n hat, je/lenfalln /.eijfen alle die*e FJemenf^, eine 
j(rr>HVT Hr;mr>^enität in ihrem K/irperlxtu C<»ie wnd alle HnuMy- 
<:#T|>halen) und wei«M;n keine merklichen IJnterftchie/le vr;ri der 
ül/ri^en anatoli<K:hen Landbev/Jlkerun^ auf. 

In jön^ferer Zeit hat eine I^eträchtliche Zuwanderung 
neuer ethnischer l'Jemente auÄ dem Kaukasus und der 
I^alkan-f falbin vJ statt/jefunden, hieft^rlbe I>#T^ann mit dem 
Vordringen KuHslands, rla» vr;n f8y> an die IJnttrwnrfurii/^ (\t*r 
Wsher unabhän^i|{^Tn krie;{eri<K;hen Kaukasus- V/'Jker in An* 
^riff ^nufrmmnn hatte, I5ev/nders na/:h der SMnrwf'rfurtir, 
ries h^zfnn ^rfߥ^.n Aufstand#:s unt#rr dem 'I v.herkesvTn- 
l'ürsten S<:hamyl im Jahre 1859 nahm die Auswanderung 
rier nv;hamme/Unis/.hen Ber/jbewr^Jiner einen ^r/Aft/?n I 'mfan;^ 
an. In ähnlicher Weise l>ej(ann na/;h dem let/,ten russivii' 
türkis<;h#;n Kriejje, rier dne An/,ahl türkivJier Prrn^in/en 
unt^tr christlirJie Herrschaft I/ra/;hte, eine starke AI/wanderunj{ 



JÜNCiKKK KINWANDKRKU. 25 

nu)slcminiscluT (irundbesitzcr nach Klcinjisicn, die die land- 
cii)^c8CSHc*n(! Bcvölkcrunjf vrrstJlrkten und dio l^nt Wickelung 
des Ackerbaues nicht unwesendich förderten. 

Die TvScherkeHsen, ch'e in der Heimat nach und nach 
von der russischen Hevölkerung assimiliert werden, haben 
ihr(» Eigentümlichkeiten in Kleinfisien ziemlich rein erhalten. 
Hemerkcmswert ist ihre feudal -aristokratische Verfassung, 
die ["'ürsten, Adlij^e und ferner richtijg^e Sklaven, die zumeist 
aus fremden vStämmen aufgenommen worden sind und stets 
im Knechtsverhältnis bleiben, unterscheidet. Die Tscherkessen 
vermischen sich nicht mit den übrigen Kleinasiaten und haben 
auch ihre alte Tracht, lange, faltige Röcke mit Patronen- 
taschen auf der l^rust und Pelzmützen, beibehalten. 

Die 'J\scherkess(m sind den übrigen AnatoHern geistig 
und kulturell überlegen, jedoch im Lande wenig gern 
g(!sehen, da ihr 1 lang zu ritterlichem Reiten und Rauben 
ihnen viele 1^'einde erweckt hat. Sie sind von vornehmem, 
stolzem C'harakter, gastlichem Wesen und haben die eigen- 
tümliche* Sitte erhalten, ihre Töchter in die Harems der 
reicIuMi Türken zu verkaufen, eine vSitte, die sich bereits seit 
Jahrhunderten (eingebürgert hat und vollständig in die N;itional- 
ai^schauung übergegangen ist. 

(ileichfalls von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind die 
uhadjir (IHüchtlinge) von der Balkan-Halbinsel, zumeist aus 
lulgarien, Rumelien, Bosnien und der Hercegovina stammend, 
für Anatolien geworden, da diese ICinwanderer eine reiche 
Erfahrung in rationeller betriebenem Ackerbau und vervoll- 
kommnetere landwirtschaftliche (ieräte in das Land brachten. 
Von der türkischen Rcgit^ung sind diese neuen ICinwanderer 
zwischen der älteren Bevölkerung angesiedelt worden und 
werden im Laufe der Zeit von dieser, mit der sie soviel Be- 
rührungspunkte haben, aufgesogen werden. 

Dieser, sesshaften Bevölkerung gegenüber stehen die 
^)m;idi<ierenden IClemente: Turkmenen, Kurden und 



haben wir die Glieder einer alten Sekte zu sehen, die 
mancherlei Beziehungen mit den Tachtadschi besitzt. Die 
Kysyl-Basch lassen ihre Frauen un verschleiert gehen, trinken 
Wein und essen Schweinefleisch. Sie beten nach Taylor die 
aufgehende und sinkende Sonne an, verehren das Feuer 
und beten und opfern an den Quellen der Flüsse. Ihre 
interessantesten Bräuche sind die christlichen Riten der Taufe 
und des Abendmahls. Von den Türken werden die Kysyl- 
Basch verachtet und gehasst, oft auch gefürchtet, in Wirk- 
lichkeit sind es meist harmlose Leute, Hirten und Ackerbauer. 

Ein dritte Sekte ist die der Ansarieh, von denen sich 
eine Anzahl in der kilikischen Ebene befindet, während sie 
sonst an der syrischen Küste eine grössere Verbreitung besitzen. 
Alle diese Sekten scheinen auf einen früheren Zusammen- 
hang hinzuweisen, vielleicht sind sie abgelöst von den grossen 
persischen Sektirern oder Reste einer alten grossen religiösen 
Gemeinschaft, die Erinnerungen einerseits an das Christen- 
tum bewahrt, andererseits äusserlich die Lehre des Islam 
angenommen hat. Jedenfalls zeigen alle diese Elemente eine 
grosse Homogenität in ihrem Körperbau (sie sind alle Brachy- 
cephalen) und weisen keine merklichen Unterschiede von der 
übrigen anatolischcn Landbevölkerung auf. 

In jüngerer Zeit hat eine beträchtliche Zuwanderung 
neuer ethnischer Elemente aus dem Kaukasus und der 
Balkan- Halbinsel stattgefunden. Dieselbe begann mit dem 
Vordringen Russlands, das von 1R30 an die Unterwerfung- der 
bisher unabhängigen kriegerischen Kaukasus -Völker in An- 
griff genommen hatte. Besonders nach der Niederwerfung 
des letzten grossen Aufstandes unter dem Tscherkessen- 
Fürsten Schamyl im Jahre 1859 nahm die Auswanderung 
der mohammedanischen Bergbewohner einen grossen Umfang 
an. In ähnlicher Weise begann nach dem letzten russisch- 
türkischen Kriege, der eine Anzahl türkischer Provinzen 
unter christliche Herrschaft brachte, eine starke Abwanderung 



JÜNGER]-: lilXWANDRRF.R. 25 

moslemini scher Grundbesitzer nach Kleinasien, die die land- 
eingesessene Bevölkerung verstärkten und die lintwickelung 
des Ackerbaues nicht unwesentlich förderten. 

Die Tscherkessen, die in der Heimat nach und nach 
von der russischen Bevölkerung assimiliert werden, haben 
ihre Eigentümlichkeiten in Kleinasien ziemlich rein erhallen. 
Bemerkenswert ist ihre feudal-aristokratische Verfassung, 
die Fürsten, Adlige und ferner richtige Sklaven, die zumeist 
aus fremden Stämmen aufgenommen worden sind und stets 
im Knechts Verhältnis bleiben, unterscheidet. Die Tscherkessen 
vermischen sich nicht mit den übrigen Kleinasiaten und haben 
auch ihre alte Tracht, lange, faltige Röcke mit Patronen- 
taschen auf der Brust und Pelzmützen, beibehalten. 

Die Tscherkessen sind den übrigen AnatoHern geistig 
und kulturell überlegen, jedoch im Lande wenig gern 
gesehen, da ihr Hang zu ritterlichem Reiten und Rauben 
ihnen viele Feinde erweckt hat. Sie sind von vornehmem, 
stolzem Charakter, gastlichem Wesen und haben die eigen- 
tümliche Sitte erhalten, ihre Töchter in die Harems der 
reichen Türken zu verkaufen, eine Sitte, die sich bereits seit 
Jahrhunderten eingebürgert hat und vollständig in die National- 
anschauung übergegangen ist. 

, Gleichfalls von hoher wirtschaftlicher Bedeutung sind die 
Muhadjir (Flüchdinge) von der Balkan-Halbinsel, zumeist aus 
Bulgarien, Rumelien, Bosnien und der Hercegovina stammend, 
für Anatolien geworden, da diese Einwanderer eine reiche 
Erfahrung in rationeller betriebenem Ackerbau und vervoU- 
/kommnetere landwirtschaftliche Geräte in das Land brachten. 
Von der türkischen Regierung sind diese neuen Einwanderer 
zwischen der älteren Bevölkerung angesiedelt worden und 
werden im Laufe der Zeit von dieser, mit der sie soviel Be- 
rührungspunkte haben, aufgesogen werden. 

Dieser;, sesshaften Bevölkerung gegenüber stehen die 
Elemente: Turkmenen, Kurden und 



Dieser;, sesshafte 
\^gmaji^erenden 



26 H. DIE BRWOHNKK. 

Yürüken. Die Turkmenen sind den Osmanli nahe ver- 
wandt und sprechen eine türkische Sprache. Sie treiben 
ausschliesslich Viehzucht und durchziehen das Land mit ihren 
Schafherden. Sie besitzen Zelte von runder Gestalt, die mit 
Filzplatten belegt bezw. eingedeckt werden. Geistig scheinen 
sie auf einer niedrigen Stufe zu stehen. Wichtiger als diese 
sind die Kurden, die xotpooü/ot des Altertums, die in 
dichterer Masse das armenische Hochland bewohnen, dann aber 
auch weiter westwärts nach Kleinasien vorgedrungen sind. 
Die Kurden sind eine unruhige, oft leicht zu Raub und 
Mord geneigte Bevölkerung, die bisher trotz aller Bemühungen 
der türkischen Behörden noch nicht sesshaft gemacht werden 
konnte. Ihnen ist zum grossen Teil die Schuld an der Ver- 
folgung der Armenier, mit denen sie in beständigem Streit 
liegen, zur Last zu legen. Unter sich sind die Kurden von grosser 
Redlichkeit und Gerechtigkeit, und es ist für den Fremden^ 
der sich taktvoll zu benehmen weiss, nicht schwer, mit ihnen 
in Frieden und Güte zu verkehren. vSie bekennen sich 
äusserlich zum Islam, folgen aber dessen Geboten sehr nach- 
lässig. Im Gegensatz zu den persischen Kurden, die durch- 
weg kurzschädlig sind, sind die auf türkischem Gebiet 
langschädlig, was auf einen verschiedenen Ursprung der 
beiden nur durch Sprache und Sitte verbundenen Gruppen 
schliessen lässt. Die dritte Gruppe der Yürüken besitzt Ly kien 
als eigentliche Heimat und hat sich von dort auf weiten Wander- 
zügen durch die Halbinsel verbreitet. Die Yürüken haben 
mittelgrosse Statur, brünetten Typus und sehr schmalen 
Schädel; sie wohnen in grossen, viereckigen Zelten, deren 
Decken aus dunklen Ziegenhaaren gewebt sind. Die Existenz 
aller dieser Nomadenstämme beruht auf einer extensiven 
Viehwirtschaft, welche den ehemaligen Waldreichtum in einer 
ganz schonungslosen Weise verwüstet hat. Ihr Fortbestehen 
kann nur eine Frage der Zeit sein, und sie werden nach dem 
Ausbau der Verkehrswege durch die Ausbreitung einer 



JUDEN — LEVANTINRR. 27 

intensiveren Kultur unfehlbar zurückgedrängt werden und 
schliesslich ganz verschwinden müssen. 

Als Bevölkerungsbestandteile untergeordneter Bedeutung 
seien hier noch genannt die Zigeuner, die in grösserer An- 
zahl auf ihren ruhelosen Fahrten auch Kleinasien durchziehen» 
die Neger, die vielfach auch noch in der Gegenwart aus 
Afrika als Sklaven eingeführt werden, und die Tataren 
aus der Krim, die vereinzelte kleine Kolonieen in den 
pontischen Küstenstädten bilden, wo sie zumeist als Fuhr- 
leute Beschäftigung finden. 

In fast allen grösseren Ortschaften, vor allem in den 
Küstenplätzen sind Juden ansässig, die sich hier wie auch 
in manchen anderen Teilen des Orientes neben dem Handels- 
betrieb auch verschiedenen Handwerken und Gewerben zu- 
gewendet haben. Ihrer Abstammung nach teilen sie sich in 
die aus Russland eingewanderten deutschen Juden und die 
aus Spanien und Portugal gekommenen Spaniolen. Beide 
sind durch Sprache und Kleidung verschieden und bilden 
besondere Gemeinden. 

Ausser den Europäern sind im Lande die sog. Levan- 
tin er, die aus einer Vermischung von Franken mit Asiaten 
entstanden und vielfach auf genuesische und venetianische 
1^'amilien zurückzuführen sind, ansässig. Sie geniessen keinen 
guten moralischen Ruf, sind leicht bestechlich und unzuverlässig. 
Trotzdem nehmen viele infolge ihrer grossen Sprachgewandt- 
heit mehr oder weniger einflussreiche Stellungen in der 
türkischen Verwaltung ein. 

Die italienische Sprache, die in einer mit vielen Fremd- 
worten verbrämten Abwandlung als Hngua franca Jahrhunderte 
hindurch das allgemein bräuchliche Verständigungsmittel in 
der Levante gewesen, ist in der Gegenwart fast ganz durch 
das Französische verdrängt worden. Seit der Erbauung der 
anatolischen Eisenbahn hat nunmehr aber auch deutsches 
Wesen und deutsche Sprache in Kleinasien Einzug gehalten. 



■28 



n. DIE BEWOHNER. 



Zahlreiche deutsche Beamte und Unternehmer sind an dieseitf^ 
grossen Kulturwerke beschäftigt, und die Fortführung der 
Bahn bis nach Bagdad und Basra lässt naturgemäss eine 
weitere Verstärkung des deutschen Elementes erwarten. 
Bemerkt sei noch, dass bereits seit den 50er Jahren mitten 
im Lande in Amasia eine kleine deutsche Kolonie besteht, 
die sich um das angesehene Handelshaus Krug gruppiert 
und in deren landwirtschaftlichen und industriellen Unter- 
nehmungen beschäftigt wird. 

Die Beweglichkeit der anatolischen Landbevölkerung ist 
ausserordentlich gross. Im Frühjahr nach der Bestellung 
der Acker ziehen vielfach ganze Dorfgemeinden mit dem 
Vieh hinauf in die Berge auf die kühlere Sommerweide, um 
erst zur Ernte wieder gen Thal zu steigen. Der Hadj und 
die Wallfahrten zu den Grabstätten berühmter Heiliger bringen 
alljährlich viele Tausende auf die Landstrasse, und das Reisen 
selbst der ärmsten Pilger wird durch eine gern geübte Gast- 
lichkeit, denn auch das kleinste Dorf bietet in einem Mussafir 
odasi dem Fremden ein Nachtlager, ganz wesentlich gefördert. 

Die grösseren Ortschaften erheben sich fast durchweg 
auf den Stadtstellen antiker Siedelungen, sie sind zumeist von 
Westen nach Osten in longitudinaler Richtung angeordnet 
und liegen an alten Heerstrassen, die in dieser durch den 
orographischen Bau der Halbinsel bedingten Richtung den 
leichtesten Eingang in das Land fanden. 

Die volkreichste und wirtschaftlich bedeutendste Stadt 
ist Smyrna an der hochwichtigen Stelle, wo die Kleinasicn 
von Ost nach West durchziehende alte Heerstrasse das 
Meer erreicht, mit einer Einwohnerschaft, die auf 155000 bis 
2 10 000 Seelen geschätzt wird. Alle anderen Städte Klein- 
asiens stehen dahinter weit zurück. 

Nach den vorliegenden Schätzungen gruppieren sich die 
anatolischen Städte wie folgt: 




SIEDELUNGEN — VOl.KSDICHTK, 



29 



50—82000 E.: Slyitari (S2), Brussa (76), Kaisarie (7-'). 

30—50000 E,: Adana (45), J^nia (44), Siwas (43). 
Ismid (40), Aidiii (36), Maghnisa (35 ), 
frapezunt ("35), Amasia (30). 

20—30000 E,: Tokad (30), Angpra (28), Nigde {25), 
Adaüa (25), Adabazar (24), Kassaba (23), 
Isbarta {22), Kjjjtahia (22), Alaschehr (22), 
Nasilli (21), Aiwaly (ao). 

10 — 20000 E.: Kyrkaghatsch, Mersiwao, Sile (20), 
Esldschehr (19), Söjiid (iS), Afiun Kara- 
hissar, Detiislü (17), Tarsus {16), Jüsgad, 
Kastamuni, Mughla, Tscharsch ambe, Gü- 
müsch-hadjiköi, Khangri {15), Berghama, 
Kastron, Siwrihissar, Tire ( 14), Balikesser, 
Mytilini(i3),Akhi5sar,Bm"nabad,Hadschin, 
Müas, Sokia, Tschorum (12}, Boli,Eskilib, 
Kaie Sultanie, Sarasun (11), Baghtsche- 
djlk, Bigha, Bll^ajik, Buldur, Eregh 
[Wil. Konia], Jerengüme, Menemen, Mer- 
sina, Newschehr, Pandenna, Safranboli, 
Sinob, Unie (10). 

Unter Zugrundelegung der Arealmessungen von Her- 
mann Wagner und der Bevölkerungsziffern von V. Cuinet 
erhalten wir für Anatolien eine Volksdichte von 17 7 auf 



1 qkm. Die grösste \ 1 1 iln liiiiiijji 1 lli ndll'i min^ 1 i^l ili 1 
Archipel mit 45,8, dabei Samos mit der hohen Ziffer 103,6, 
dann folgt das pontische Küstengebiet von Trapezunt mit 34 
und die Westabdachung im Wilayet Smyrna mit 25,7. Diesen 
schliessen sich an Kastamuni mit 20,3, Ismid mit ao, Bigha 
mit 19 und Khodawendikiar mit 17,6. Diesen peripherischen 
Gebieten gegenüber stehen die Binnenlandschaften an Volks- 
dichte nicht unerheblich zurück, da in ihnen die Steppen- 
natur des Landes für einen engeren Zusammenschluss der 



.30 



IL DIE BEWOHNER. 



Bevölkerung ungünstig wirkt; so finden wir Siwas mit 15,8, 
Angora mit 13 und Konia, das die ganze öde Lykaonische Senke 
einschliesst, mit nur 10,5 auf i qkm. Die Küstenprovinz 
Adana weist infolge der Ungastlichkeit des Taurus, der einen 
grossen Teil seines Gebietes einnimmt, die auffallend niedrige 
Dichte von 10,8 auf i qkm auf 

Areal, Bevölkerung, Volksdichte. 



Wilayet bez. Mütessariflik 



Areal 
qkm 



Bevölkerung 



auf 
I qkm 



Bezirk von Konstantinopel .... 

Ismid 

Khodawendikiar 

Bigha 

Archipel 

Samos . , • 

Aldin oder Smyrna 

Konia 

Angora 

Kastamuni 

Trapezunt 

Siwas 

Adana 

Anatolien .... 



ca. 



I 000 

II 200 

73800 

6800 

7 108 

468 

54000 

102 800 

67500 

49700 

30700 

62 800 

37 200 



ca. 100 000 

246 824 

I 300000 

129047 

325 866 

48500 

I 390 783 

1 088 100 

892 901 

I 009460 

I 047 700 

996 120 

402 439 



505 076 8 977 740 



ca. 100 

20 

17,6 

19 

45,8 

103,6 

25>7 
10,5 

20,3 

34 

15,8 

10,8 



17,7 



^P III. Das Wirtschaftsleben. 

Der wirtschaftliche Schwerpunkt ruht in Anatohen in 
der Bodennutzung durch den landwirtschaftlichen Betrieb; 
gegen diesen treten alle anderen Erwerbszweige ganz wesent- 
lich zurück. Manche Gewerbe haben auf alten Überlieferungen 
weiterbauend lokal eine relativ hohe Ausbildung erfahren, 
dagegen befindet sich die Industrie — von der Seidenspinnerei 
im Wilayet Khodawendikiar (Hrussa) und im Sandjak Ismid 
abgesehen — im Anfangsstadium der Entwickelung, oder es 
fehlen vielfach die ersten Ansätze dazu ganz. 

Im landwirtschaftlichen Betrieb überwiegt vielfach immer 
noch die extensive Viehwir tschaft, wenn auch in neuerer Zeit 
dank der Erschliessung ausgedehnter Landstriche durch ver- 
voUkommnetere \'erkehrsmittel und durch die Einwanderung 
der tüchtigen bosnischen und bulgarischen Muhadjir, der Acker- 
bau eine grössere Ausdehnung gewonnen und weite, bisher 
unbebaute Flächen unter den Pflug gebracht hat. Wenn 
man aber berük sichtigt, dass Kleinasien im Altertum eine 
der reichsten Kornkammern des römischen Kaiserreichs ge- 
wesen ist, so muss die Produktion der Gegenwart immer 
noch als recht geringfügig bezeichnet und eine stete Steigerung 
des Ernteertrages für die Zukunft erwartet und gefordert 
werden. Das von der Natur mit einem fruchtbaren Boden 
und einem für die Entfaltung der Vegetation günstigen Klima 
ausgestattete Land vermöchte leicht eine vier- bis fünffache 
Bevölkerung zu ernähren, wenn gewisse Vorbedingungen 



III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



durch eine durchgreifende Reorganisation der Verwaltung' 
— in erster Linie eine gerechte Verteilung und Erhebung der 
an sich nicht zu hohen Steuern — geschaffen würden. 

Die Viehzucht ist besonders auf dem Hochlande zu 
Hause, denn dort bieten sich ihr weite, fast unbegrenzte 
Weideflächen dar, weniger im Tieflande, wo eine intensivere 
Eiodennutzung das Weideland ganz bedeutend eingeengt hat. 
Der anatoUsche Hochlandbewohner hat von jeher eine starke 
Neigung zur Viehzucht besessen, werden doch die heutigen 
Hausformen von Schaf und Ziege auf kl ein asiatische Wild- 
rassen zurückgeführt, und diese Neigung hat unter der Herr- 
schaft der Osmanen, die als echtes Nomadenvolk von Osten 
in das Land gekommen sind, eine nachhaltige Förderung 
erfahren. Das Vorwiegen der Vi eh Wirtschaft ist aber dem 
kulturellen Fortschreiten des Landes nicht förderlich gewesen, 
sie hat den vorhandenen Hang zum ständigen oder zeit- 
weiligen Nomadenleben gefördert und dadurch ein Boden- 
ständigwerden der Bevölkerung mehr oder weniger hintan- 
gehalten, sie hat nach und nach die bebaute Fläche verringert 
und die grossen Waldbestände der Halbinsel in einer un- 
glaublichen Verblende theit vernichtet oder doch furchtbar 
verwüstet. 

Trotz des i. V. hohen Nutzens, den die Landbevölkerung- 
aus der Viehzucht zieht, wird doch der Haltung des Viehs 
die denkbar geringste Sorgfalt und Aufmerksamkeit zu- 
gewendet. Im Sommer findet das Vieh einen gut bestellten 
Tisch auf den Gebirgsweiden, nach der Rückkehr in das 
tiefer gelegene Winterdorf beginnt jedoch die Zeit der Not 
und Entbehrung. Ställe sind in den all er seltensten Fällen 
vorhanden, manchmal bieten grosse, im Kalkgestein aus- 
gewascheoe-Höblen-dnen willkommenen Schutz, der Regel 
■"Tiach wird das Vieh gegen Abend in offene Hürden getrieben, 
wo die Tiere dicht an einander gedrängt den Unbilden des 
rauhen Hochlandswinters schutzlos preisgegeben sind. Bei 



1 



J 



VIEHZrCHT - 



33 



inem Schnee wird dem Vieh etwas Strohhäcksel vorgeworfen, 
sonst wird dasselbe ohne alle weitere kräftige Nahrung ge- 
lassen. Die natürliche Folge davon ist, dass in harten 
Wintern viele Tiere an Erschöpfung eingehen und die Herden 
oft merklich gelichtet werden. Die Leistungen der Tiere i 
entsprechen ihrem Ernährungszustand: geringe Entfaltung i 
von Zugkraft mit wenig Ausdauer, fast keine Milch, Butter 
und Fleisch usw., sondern meist nur Haut und Knochen. 

Seiner Lage nach wäre Anatolien berufen, die Türkei 
und in erster Linie Konstantinopel mit Fleisch y.u versehen, 
statt dessen aber muss .de.r_.Bedar£-aas-"antterrn~LäadCTn ge- 
deckt werden. Die jährliche Einfuhr an SchlachtvieE^lmd" 
Butter in die Türkei beziffert sich auf 60 Millionen Piaster. 
Um die Vi eh wir tschaft AnatoUens zu heben und produktiver 
zu gestalten, muss der Anbau perennierender Futterpflanzen 
eingeführt werden, der den Tieren nach dem sommerlichen 
Weidegang ein kräftiges Winterfutter sichert. Die Kuitur- 
abteilung der Anatoüschen Eisenbahn- Gesellschaft ist durch 
den Anbau von Luzerne und Rotklee in dieser Richtung auf 
dem Hochlande bereits vorbildlich vorgegangen. 

Die in Anatolien gehaltenen und gezüchteten Haustiere 
sind: Zie^:,. Schaf, Rind,_ Büffel, Kamel, Pferd. Esel, Maul- 
jjerr Hund und Katze; als Nutzgetlügel werden gehalten: 
Haushuhn, Truthahn, Pfau, Tauben, Enten und Gänse. Be- 
sondere Wirtschaftszweige bilden die Bienenzucht und die 
Pflege des wertvollen Seidenschmetterlings. 

Die Ziege ist über die ganze Halbinsel verbreitet und 
findet bei ihrer grossen Anspruchslosigkeit überall die er- 
forderlichen Existenzbedingungen ; sie tritt in zwei Varietäten 
auf: als die dem Lande seit Alters eigentümUche, meist 
schwarz gefärbte Ziege und die wahrscheinlich durch die 
Osmanen von den Ufern des Oxus eingeführte Angoraziege, 
die meist wei^, seltener grau oder schwarz gefärbt ist und 
durch ein seidenweiches, glänzendes Vlicss, dessen Haare 



34 III. DAS WIRTSCHAKTSI.KBEN, 

12 — 30 cm Länge erreichen, ausgezeichnet wird. Während 
die schwarze Ziege überall vorkommt, ist die Angoraziege 
mehr auf die Mitte und den Osten des Landes beschränkt. 
Im Westen bilden nach Kannenberg etwa Boli, Eskischehir, 
Kiutaliia, Afmn Karahissar die Grenze, im Osten ist sie 
noch über Diarbekir hinaus und im Wilayct Wan zahlreich 
verbreitet, nach Südea erstreckt sie sich über die Sandjaks 
Afiun Karahissar, Konia und Kirschehir, im Norden bildet 
das pontische Randgebirge dicht nördlich von Boli, KasCamuni, 
Boyabad, Amasia, Siwas die Grenze; sie nimmt also den 
trockensten Raum Kleinasiens ein. Die beste Wolle kommt 
aus Beibazar, Tosia und Tschangri. 

Die Ziegen, deren Zahl auf g'/o Millionen, darunter 
2'/2 Millionen Angoraziegen, geschätzt wird, werden nur ein- 
mal im Jahre geschoren und liefern pro Kopf etwa 600 bis 
1200 gr Haare. Nur ein geringer 'i'eil der Produktion wird 
im Lande verarbeitet, die schwarzen Haare, die 4—5 Piaster 
die Oka werten, zum Weben von Zeltbahnen, die Mohair- 
oder Kämelwolle der Angoraziegen zur Herstellung feiner 
Webearbeiten (TiftikJ, eine Industrie, die sehr stark zurück- 
gegangen ist, die Hauptmeuge gelangt zur Ausfuhr. Der 
Ertrag der Mohairschur pflegt zwischen 43000 und 50000 Ballen 
zu schwanken. Im Jahre 1895 stellte er sich auf etwa 50000 
und 1S96 auf etwa 45000 Ballen. Da Mohair, abgesehen 
von den gröberen Erzeugnissen des Kaplandes, nur in Klein- 
asien produziert wird, und da die daraus gefertigten Artikel 
sehr der Mode unterworfen sind, so sind die Preise ausser- 
ordentlichen Schwankungen ausgesetz. Es wird angenommen, 
dass die Produzenten bei einem Preise von 16 Piaster Gold 
für I Oka, dem mittleren Werte früherer Jahre, gut bestehen 
können. Im Jahre iiJ95 war der niedrigste Preis 16, der 
höchste 37 Piaster Gold, Das Jahr 1896 begann mit 32 Piaster, 
im August ging der Preis auf 16 Piaster herunter und be- 
wegte sich dann zwischen 17 und 19 Piaster. Die Produkt ions- 



A 



ZIEGE — SCHAF. 35 

kosten stellen sich etwa auf 6 Piaster für die Oka, dazu 
kommen die Steuer von 3 Piaster (vor 1888 4V5 Piaster) für 
jede Ziege und i"/,, Ausfuhrzoll. 1893/94 bezifferte sich der 
Wert der Mohair- Ausfuhr auf 60421 112 Piaster. Daneben 
gelangen auch Ziegenfelle in namhafter Menge zum Versand. 

Das Schaf ist in Kleinasien durch das Fettschwanzschaf 
vertreten und bildet neben der Ziege den Hauptbestandteil 
der anatolischen Herden. Seine Zucht wird besonders auf 
den grossen Hochflächen des Innern betrieben; sehr rege 
Schafzüchter sind die Kurden, deren Erzeugnisse zumeist über 
Trapezunt zur Ausfuhr gelangen. Der Preis eines Mutter- 
schafes beträgt 40— 50 Piaster, dereines Bockes 70 --80 Piaster. 
Das anatolische Schaf wird nicht auf die Fleischproduktion 
gezüchtet, liefert aber in der Hauptsache die animalische Kost 
für die türkische Küche. In Angora kostet 1 Oka Lamm- 
fleisch 3 — 37s Piaster, Schöpsenfleisch 5 — 6 Piaster, Aus 
der Milch — ein Schaf giebt nur '/« — ^U Oka (0,16—0,96 1) 
— wird ein sehr beliebter Käse bereitet. 

Den Hauptnutzen der Schafzucht bietet die Woll- 
produktion, wobei ein Schaf etwa 1,3 kg Wolle im Durch- 
schnitt liefert. Die Schafe werden einmal oder zweimal im 
Jahre geschoren; im ersieren Falle liefern sie auf einmal 
1 Oka, im zweiten Falle jedesmal eine halbe Oka Wolle. 
Die zweimalige Schur ist aber deshalb vorteilhafter, weil die 
Wolle der zweiten Schur mit dem doppelten Preise bezahlt 
wird. Für anatohsche Wollen, die von Eskischehir, Angora, 
Konia, Josgat, Kaisarie auf den Markt in Konsiantinopel 
gebracht werden, wurde 1895/1896 durchschnittlich 5 bis 
ö'V-io Piaster Gold bezahlt. Ein nicht geringer Tel! der 
Wolle bleibt im Lande und wird in der einheimischen In- 
dustrie zur Fabrikation grober Tuche und Feze und für die 
Herstellung der sog. ..Smyrna- Teppiche" verwendet. — 
Recht bedeutend ist ferner die Ausfuhr von Schafleder, das 
verschiedentlich zur Anfertigung von unechtem Saffian dient. 



36 ni- I^AS WlRTSCHAFTvSLEBEN. 

Auf der anatolischen Eisenbahn kamen von Mohair und 
Schafwolle folgende Gewichtsmengen zur Verfrachtung: 

1895: 5698839 kg 

1896: 4438133 »1 

1897: 6855604 „ 

1898: 6730406 „ 
Gegen die Zucht von Ziege und Schaf tritt die des 
Rindes erheblich zurück. Die anatolische Rasse ist klein 
und verkümmert, sie liefert nur wenig Milch und besitzt eine 
geringe Zugkraft. Als Fleischproduzent kommt das Rind 
sehr wenig in Betracht, nur in Kirmer bei Kaisarie wird an 
der Luft getrocknetes Rindfleisch (bastirma) zubereitet und 
weithin versandt. Eine Rinderkuh, die im Durchschnitt 
350—400 Piaster kostet, giebt je nach der Fütterung i bis 
3 Oka Milch, aber auch dieses Quantum nur für die kurze 
Zeit von drei Monaten. Aus der Milch wird Butter in pri- 
mitiver Weise gewonnen und auch Käse bereitet; die Milch 
selbst wird in sauerem, gegohrenem Zustande (yogurt spr. 
yaurt) genossen und bildet einen Hauptbestandteil der Nahrung 
der anatolischen Landbevölkerung. Als Zugtiere werden die 
Rinder vor dem Pfluge oder vor dem schwerfalligen Holz- 
wagen, dessen Räder aus vollen Holzscheiben bestehen, ein- 
gespannt, können aber keine grosse Lasten bewegen. 

Kräftiger, leistungsfähiger und produktiver als das Rind 
ist der Büffel, wiewohl auch sie unter den schlechten Er- 
nährungsverhältnissen gelitten haben. Die Büffelkühe, die 
700 — 800 Piaster werten, geben acht Monate hindurch Milch,, 
anfangs 5 — 7, später noch 2V2 — 3 Oka. Ihr Fettgehalt soll 
doppelt so gross sein, als der der Milch von einer Rinder- 
kuh, dem entsprechend erhöht sich der Gewinn an Butter. 
Gewicht, Nahrungsbedürfnis und Arbeitsleistung des Büffels 
sind nach Kaerger ungefähr doppelt so gross als die des 
Ochsen. Er hat vor diesem den weiteren Vorzug, dass er, 
falls nur etwas Wasser vorhanden ist, in dem er sich baden 



lilND — KAMIil. — HFKWIl, ?!7 

Kann, Krankheiten weniger ausgesetzt ist als dieser und dass 
er 20—25 J^hre lang, der Ochse aber nur etwa 10 Jahre 
lang als Arbeitstier dienen kann. Der Preis des Büffels be- 
trägt 1000—1200 Piaster. 

Das Lasttier, das den Handelsverkehr zwischen den 
einzelnen Gegenden Kleinasiens, die noch nicht durch moderne 
Verkehrsmittel erschlossen worden sind, vermittelt, ist das 
Kamel. Gewöhnlich trifft man das einhöckerige Dromedar 
an, das in langen Karawanenzügen auf den alten Heerstrassen 
durch das Land zieht und oft selbst noch mit den Tarifen 
der Eisenbahnen in Wettbewerb tritt. Daneben findet sich 
auch ein Bastard zwischen Dromedar und Trampeltier, Tulü 
genannt, der nur einen Höcker hat, sonst aber dem Trampel- 
tiere gleicht. Diese Kreuzung, die von Armeniern, Turkmenen 
und Yürüken gezüchtet wird, erweist sich als sehr brauch- 
bares Lasttier im Winter bei Reisen durch Schnee und 
Schlamm, wo das Dromedar den Dienst versagt. 

Das Kamel trägt 3 — 4V3 Zentner Last und legt damit 
täglich 20 — 25 km zurück. Der Wert eines Kamels beträgt 
300—600 Mark, Wolle und Milch werden sehr geschätzt, 
auch das Fleisch wird gern gegessen, 

Das Pferd ist in AnatoHen Reit- und Lasttier. Der Typus 
des heutigen türkischen Pferdes, wie er sich in Kleinasien 
am ausgeprägtesten herausgebildet hat, ist nach Kannenberg 
das Erzeugnis einer Mischung von türkisch-turkmenischem 
mit persischem und arabischem Blut; von ersterem hat es 
die unedlen, eckigen Formen und den grossen Kopf be- 
halten, mit dem Perser hat es die hohen Beine und die 
Neigung zum Hirschhals gemein, mit dem Araber die steilen 
kleinen Hufe, den hohen Ansatz und die edle Haltung des 
langen, seidenhaarigen Schweifes; von allen dreien aber ver- 
vereinigt es in sich deren Haupttugenden: die Ausdauer und 
Genügsamkeit des alttürkischen mit dem lebhaften Tempera- 
ment des persischen und der Gelehrigkeit des arabischen Pf erdeg. 



38 lll- IJAS WIRTSCHAFTSLEBKN. 

Die Pferdezucht ist in Kleinasieti sehr zurücbgegangfi 
ein Ubelstand, den die türkische Kavallerie sehr empfindet. 
In einigen Landstrichen sind woh! noch grössere Pferde- 
besiände vorhanden, aber im allgemeinen herrscht Mangel 
an brauchbarem Material. Hierzu trägt auch viel bei, dass 
die Tiere zu jung in Gebrauch genommen, bei ungenügender 
Ernährung sehr angestrengt und schnell verbraucht werden. 
Der Preis für ein Reitpferd beträgt 120 — 200 Mark und 
darüber, der eines Lastpferdes 80 — 120 Mark; letztere tragen 
bis 4'/2 Zentner Gepäck oder Waren. Zur Bespannung von 
Wagen wird das Pferd ausserhalb der grösseren Städte nur 
überaus selten verwendet. Für Reisende ist es vorteilhaft, 
Füchse oder Rappen zu kaufen, da diese im Preise niedriger 
stehen als Schimmel und Braune. 

Der Esel ist im ganzen Lande das Lasttier des Klein- 
händlers, dessen Warenlasten es von Ort zu Ort trägt, und 
der treue Gehülfe des Ackerbauers, der diesem die Ackerr 
gerate zu den vom Dorfe oft weit entfernten Feldern hinaus- 
schleppt oder die Ernte heimbringen hilft. Sein geringer 
Anschaffungspreis von 100—120 Piastern und seine grosse 
Genügsamkeit im Lebensunterhalt ermögUchen es auch dem 
geringen Manne, sich seiner Hülfe zu bedienen. Eine be- 
sondere Rolle spielt der Esel als Führer der Kamelkarawanen, 
an deren Spitze er ein her sehr eitel, ein Zug, der durch den 
ganzen Orient geht. Wie in Nordafrika findet sich auch in 
Kleinasien neben der häufigeren grauen eine schwarze oder 
dunkelbraune Varietät. 

Neben dem Esel findet auch das Maultier, das aus 
einer Kreuzung von Pferdestute und Eselhengst hervorgeht, 
als Reit- und Lasttier Verwendung. Auch in Kleinasien ist 
die Maultierzucht, wie dies Eduard Hahn als allgemeine 
Regel aufstellt, lokalisiert und wird hauptsächlich Jn Paphla- 
gonien an der pontischen Küste ausgeübt. Das Maultier ist 
sehr ausdauernd und widerstandsfähig, gleich dem Kamel 



A 



HAL'SHLINO — GI-:l-"1.0CF,L. 



3!) 



wird es zu Karawanen vereinigt, um den HandeJsverkelu" in 
gebirgigen Gebieten zu vermitteln. Die Maultierlast beträgt 
durchschnittlich 3 Zentner. 

Der Haushund kommt in ICleinasien in einer grossen, 
starken Varietät von wolfsartigem Typus vor; er Ist ein 
treuer Wächter von Haus und Hof und beschirmt die seiner 
Obhut anvertrauten Herden mit gutem Erfolg gegen die 
Angriffe der Wölfe, Schakale und anderer Raubtiere, Seine 
Färbung ist gelblich bis hellbraun, das Gebiss ist sehr stark 
entwickelt. Besonders wild sind die riesigen Schäferhunde 
der Kurden. Europäischen Reisenden ist bei der Begegnung 
mit anatolischen Dorf- oder Schäferhunden die äusserste \'^or- 
sicht anzuraten. Die Tollwut soll unter den anatolischen 
Hunden ungemein selten sein. 

Hauskatzen werden in Anatolieti sehen gehalten; das 
Verbreitungsgebiet der sog. Angorakatze mit seidenweichem, 
langem Haar fällt in die Wilayets Wan und Erzerum. 

Als Nutzgeflügel werden Haushuhn, Truthahn, Pfau, 
Tauben, Enten und Gänse gezüchtet. Das Haushuhn bildet 
wie im ganzen Mittelmeergiebt neben dem Schaf die haupt- 
sächlichste Hleischnahrung und wird daher in jedem Haushalt 
gezogen. Im Innern sind die Preise sehr gering, nach Kannen- 
berg kostet I Huhn '/o — 2 Piaster (9 — 36 Pfg.), bis 20 Hier 
für I Piaster; i Pute 2 — ^5 Piaster. Pfauen werden auf 
grösseren Wirtschaften mehr zum Luxus gehalten. Die Tauben 
werden von Moslems und Christen in Kleinasien gehegt und 
geschont und gemessen seit dem .Altertum eine Art religiöser 
Verehrung. Bei manchen Moscheen sind besondere Futter- 
plätze für die Tauben vorhanden. Enten und Gänse werden 
gewöhnlich von den Moslems als unrein zum Genuss ver- 
schmäht, dagegen von den Griechen gern gegessen. In wasser- 
reichen Gegenden sind sie häufig anzutreffen. — Die Eier- 
ausfuhr auf der anatolischen Eisenbahn nach Konstantinopel 
betrug 1894: 744767, 1S95: 856072, 1896: 714562, 1S97: 



40 III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 

427970 und 1898: 430234 kg. Im Jahre 1897 wurde der 
Versand infolge einer unter dem Geflügel ausgebrochenen 
Epidemie erheblich verringert. 

Die Bienenzucht wird, da der Honig in der orientalischen 
Küche viel begehrt ist, recht lebhaft betrieben. Ausgezeichnet 
ist der schneeweisse Honig von Angora, wo die Bienenstöcke 
in langen und tiefen Zylindern von Weidengeflecht, die vorn 
mit Lehm geschlossen sind, bestehen. Der Honig kostet 
nach V. Flottwell im Innern: i Oka ohne Wachs 2V2 Piaster, 
mit Wachs 4 — 12 Piaster. Im ostpontischen Gebirge kommt 
giftiger Honig vor, dessen betäubende Wirkung schon die 
Truppen Xenophons bei ihrem Marsch zur Küste kennen 
lernten; nach Hamilton ist es der Honigseim aus den Blüten 
der Azalea Pontica, der diese Eigenschaft in sich birgt. 

Von sehr hoher wirtschaftlicher Bedeutung für Klein- 
asien ist die Zucht des Seidenschmetterlings, die im 
Wilayet Khodawendikiar (Brussa) und im Sandjak Ismid eine 
Stätte intensivster Pflege gefunden hat. Sie bedingt einen 
umfangreichen Anbau des Maulbeerbaumes, mit dessen Blättern 
die Raupen bis zu ihrer Einspinnung in die Kokons, was 
durchschnittlich 40 Tage währt, gefüttert werden müssen. 
Die günstigsten klimatischen Bedingungen hierfür bietet das 
Tiefland und die Abdachung zum Marmara-Meere, wo Brussa, 
Mudania, Demirtasch, Mihalitsch, Panderma, Gemlek, Jeniköi, 
Ismid, Biledjik, Söjüd, Göl-Basar, Lefke, Jenischehr und 
Inegöl die Hauptorte für die Seidenzucht sind. In jüngerer 
Zeit haben sich auch weiter im Innern des Landes ipehrere 
Orte der ertragreichen Seidenproduktion zugewendet; so 
Tarakly, Nallühan, Hendek, Safranboli, Tosia, Tscharschembe, 
Wesirköprü, Amasia u. a. 

Die Zucht wird je nach den Vermögens Verhältnissen in 
den eigenen Wohnräumen oder in besonderen Gebäuden 
veranstaltet. Neben französischem Samen kommt ganz über- 
wiegend einheimischer, die sogenannte weisse Bagdadrasse, 



SlilDENSCHMETTERLINt", 



41 



Verwendung, welche sich für das anatolische KJim.i 
weitaus am besten zu eignen scheint. Die Produktion von 
gelben Kokons ist dagegen gering und beträgt nur etwa 
10 V. H,, die von englischen und französischen Spitzenfabriken 
(Nottingham, Derby, Calais usw.) aufgekauft werden. Eine 
Unze Raupeneier (etwa 30 gr) ergiebt im Durchschnitt 35 kg 
Kokons, in guten Jahren im Mittel 45 kg und unter besonders 
günstigen Umständen in einzelnen Fällen bis 75 kg Kokons. 
Für die Ernährung der Raupen aus i gr Eier werden 40 bis 
50 Oka ('50—64 kg) Maulbeerbaiimblätter gerechnet, dabei 
wird gewöhnlich, um an Handarbeit zu sparen, der ganze 
Zweig in den Zuchtraum gelegt. Die Aufzucht der Seiden- 
raupen schliesst ein gewisses Risiko ein, da sie sehr von der 
Witterung abhängig ist, dieses Risiko ist für den kleinen 
Züchter bedeutender als für den kapitalkräftigen Gross- 
züchter, der durch geeignete Vorkehrungen wie Regulierung 
der Temperatur und Luftzirkulation vielen Schäden vor- 
beugen kann, denen der Kleinbesitzer völlig machtlos gegen- 
übersteht. Aus diesem Grunde haben schon mehrfach 
kapitalkräftigere Türken, Armenier und Griechen sich mit 
gutem Erfolge der Zucht zugewendet; sicher würde auch 
deutsches Kapital hier eine gute Anlage finden. 

Die Kokons werden in den grösseren Zuchtanstalten 
mittelst Dampf in besonderen Apparaten getötet und ge- 
trocknet, der Kleiozüchter trocknet sie dagegen an der Sonne 
oder am Ofen, wodurch die Qualität eine Einbusse erleidet 
und das Produkt auch nur einen geringeren Preis erzielt. 
Oft werden deshalb auch die frischen Kokons an die Besitzer 
der mit Dämpfungsapparaten ausgerüsteten Anstalten ver- 
kauft. Nach dem Trocknen werden die Kokons in weisse 
und gelbe, harte und weiche, fehlerlose und schlechte sortiert 
und dann in das Ausland (^Frankreich, Italien) ausgeführt 
oder in den eigenen Spinnereien weiter verarbeitet. Gewöhn- 
lich geben 11 kg Kokons 1 kg Rohseide, in guten Jahren 



42 



DAS ttTRTSCHAFTSLEBES. 



genügen für Erzeugung dieses Quantums lo'/s, nianchni3 
9'/4 — p'A "i'J selbst S'/a kg. Der Preis für das kg Kokons 
schwankt zwischen 2 und 3 Franken, je nach Güte und 
Jahrgang. 

Die lange als streng gehütetes Geheimnis in China ge- 
pflegte Zucht der Seidenraupe nahm kurz ^■or Beginn unserer 
Zeitrechnung ihren Weg nach M'esten über die uralte Kultur- 
oase Khotan in Zentralasien, wohin eine chinesische Prinzessin 
heimlich einige Eier gebracht haben soll. Von Serinda über- 
trugen dann im fahre 536 syrische Mönche die ersten Seiden- 
raupeneier und die Kenntnis der Zuchtpflege nach Byzanz, 
wo Kaiser Justinian in schlauer Berechnung die Seiden- 
produktion zu einem Staatsmonopol machte. Bis zur Ent- 
mckelung der Seidenerzeugung in den europäischen 
Ländern lieferte Vorderasien lange Zeit die Hauptmasse der 
Rohseide, die bis in die Mitte unseres Jahrhunderts auf den 
französischen und englisdien Märkten wegen ihrer vorzüg- 
lichen Qualität sehr begehrt war, trotzdem die Art der Zu- 
bereitung ziemlich primitiv geblieben war. 

Erst im Jahre 1845 wurde in Brussa, dem Hauptsitze 
der Seidenzucht, durch Tachdjian Effendi und dem schweize- 
rischen Fabrikanten E, Falkeisen die erste Seidenspinnerer 
mit Dampfbetrieb errichtet. Bald folgten weitere technische 
.\nlagen, und die Produktion nahm einen raschen Aufschwung. 
Weite Landstriche wurden mit Maulbeerbäumen bepflanzt, 
und das Wilayet Brussa lieferte einen Ertrag von 400000 kg 
Kokons, als im Jahre 1 856 die Muscardine, eine durch einen 
Pilz hervorgerufene Krankheit der Raupen, auch nach Klein- 
asien verschleppt wurde und hier wie in Iwropa grosse Ver- 
heerungen anrichtete, sodass die Seidenerzeugung in kurzer 
Frist um zwei Drittel gegen den früheren Betrag zurückging. 

Die verhängnisvollen Folgen dieser Seuche machten 
sich zwei Jahrzehnte hindurch in empfindlicher Weise fühlbar, 
bis schliesslich die Behandlung der Samen nach der Methode 



J 



SEIDEN SCHMETTERLING. 



i der die kranken Eier von den gesunden ge- 
schieden werden , eingeführt wurde , eine Massnahme, 
um die sich besonders der langjährige deutsche Konsul in 
Brussa Hermann Scholer ein grosses \''erdienst erworben 
hat. Nachdem durch das sog. Muharrem-Dekret (8./20. De- 
zember) 1S81 zur Sanierung der türkischen Finanzen der 
Conseil d' Administration de la Dette Pubhijue Ottomane 
eingesetzt und diesem u. a. auch die Einkünfte aus der Be- 
steuerung der Seidenproduktion zugewiesen worden waren, 
nahm die Zucht wieder eine lebhafte Entwickelung. Die ge- 
nannte Verwaltung war fortan auf das Eifrigste bestrebt, 
die Erträge zu steigern und diesen aussichtsvoUen Erwerbs- 
?:weig zu heben. In Brussa und Ismid wurden Fachschulen 
errichtet und ein jährlicher Wettbewerb für die Züchter ver- 
anstaltet, zu welchem Zweck die Dette Publique jährlich 
Preise im Betrag von 300 türk. Pfund (5600 Mark) aus- 
geworfen hat. 

^^ Die anatoliache Seidenproduktion bezifferte sich nach 

^■icm Gewicht der frischen Konkons: 

^^B ''^94 ^^f 4580000 kg 

^^L 1S95 << 3440000 „ 

^^^L 1896 „ 6046000 

^^K 1897 ., 4590000 ., 

^^B 1898 4500000 ^ 

^^m 1 S99 „ 8 350 000 „ 

^^B Davon kamen auf der Anatolischen Eisenbahn zur Be- 
^^■Srderung : i S94 : 25141t kg, i S95 : 310158 kg, 1 89Ö : 
248076 kg, 1897: 352^66 kg, 1S98: 263930 kg, die zumeist 
aus dem Produktionsgebiet von Büedjik und Lefke stammten. 
Die Hauptmasse der Ausfuhr gelangt über Mudania, den 
Hafen von Brussa, dann auch über Fanderma und Gemlek 
zur Verfrachtung, 

Der Ackerbau hat im Laufe der Jahrtausende kaum 
: nennenswerte Wandlung erfahren, sondern ist in den 



44 



, DAS WIRTSCHAKTSI.RBEN. 



alten Formen der Kultur erstarrt geblieben. Uralte Geräte 
haben sich in ihrer ursprüngUchen primitiven Gestalt erhalten, 
die bei dem konservativen Sinne der anatoüschen Land- 
bevölkerung von den Errungenschaften der westeuropäischen 
Technik bis in die Gegenwart gänzlich unberührt geblieben 
sind. Die Bearbeitung des Ackers erfolgt noch mit einem 
Pfluge, der von seinem antiken Vorbilde kaum merkliche 
Abänderungen zeigt, bis vor kurzem durchweg aus Holz ge- 
fertigt war und erst neuerdings mehrfach mit einer eisernen 
Pflugschar ausgerüstet ist. Mit diesem Gerät vermag der 
Landmann nicht, eine gerade, gleJchmässig tiefe Furche her- 
zustellen, den Acker daher auch nicht genügend für die 
Saat vorzubereiten. Ebenso ursprünglich ist das Verfahren 
beim Dreschen des Getreides, wozu noch die uralte Dresch- 
tafcl, die vom Persischen Meerbusen bis zur Atlantischen 
Küste von Marokko durch alle moslemini sehen Länder ver- 
breitet ist, benutzt wird. Die Dreschtafel oder der Dresch- 
schlitten besteht aus einer langen, schmalen, vorn schwach 
aufgebogenen, dicken Holzplatte, deren Unterseite mit hervor- 
ragenden Feuersteinsplittern oder Messern besetzt ist. Vor 
dieses Gerät wird ein Rind oder Büffel gespannt, die eine 
auf dem Schlitten stehende Person, die mit ihrer Körperlast 
das Gewicht des Dreschgerätes vermehrt, über das auf- 
geschichtete Getreide im Kreise lenkt. Die scharfen Stein- 
splitter oder Messer zerschneiden das Stroh in Häcksel oder 
lockern die Kornfrucht, die gleich auf der Tenne mit Wurf- 
schaufeln von der Spreu geschieden wird. 

Erst die Zuwanderung der Muhadjir, die in ihren alten 
Wohnsitzen auf der Balkan -Halbinsel und am Kaukasus so 
manche nützliche Neuerung bei ihren christlichen Nachbaren 
kennen gelernt haben, hat eine Belebung des landwirtschaft- 
lichen Betriebes gebracht, die sich in den Landstrichen, wo 
neue Dörfer entstanden sind, deutlich zu erkennen giebt. 
Mit regstem Eifer ist ferner die Verwaltung der Anatolischen 



J 



ACKERBAU. 45 

Eisenbahn bestrebt, die Landwirtschaft in den der Bahn- 
strecke benachbarten Gebieten zu heben und zu fördern, und 
hat zu diesem Zweck eine eigene Kulturabteilung, an deren 
Spitze ein für diese Aufgabe besonders befähigter Fachmann 
steht, errichtet. Mit wachsendem Erfolge ist diese Abteilung 
bereits seit mehreren Jahren bemüht, den anatolischen Bauern 
mit Rat und That an die Hand zu gehen. In erster Linie 
sucht sie die Schäden, die Missernten hervorrufen, kennen 
zu lernen und durch Belehrung der Bauern zu beseitigen^ 
ferner wirkt sie vorbildlich, indem sie Musterkulturen von 
solchen Gewächsen, deren Anbau für Klima und Boden ge- 
eignet ist und einen höheren Bodenertrag als der Körnerbau 
erzielt, anlegt und den Bauern Saatgut auf Kredit zur Ver- 
fügung stellt. Schliesslich ist sie bestrebt, die landwirtschaft- 
lichen Geräte zu vervollkommnen und die Landleute zu einer 
rationelleren Bodenbearbeitung hin überzuleiten. Hierzu ist 
seitens der Direktion mit der Firma H. F. Eckert in Berlin 
ein Vertrag abgeschlossen worden, nach welchem die Ver- 
waltung der anatolischen Bahn die Ackerbaugeräte gen. Firma 
in eine Art Kommission nimmt. Mit einer Mustersendung 
sind in den verschiedenen Gegenden des Hochlandes eine 
grössere Anzahl Pflugproben abgehalten worden, um den 
anatolischen Bauern die Leistungsfähigkeit dieser Geräte^ 
welche die hie und da vorhandenen englischen Fabrikate 
weit übertreffen, vor Augen zu führen. Die Bahnverwaltung 
ist übrigens noch einen Schritt weiter gegangen und hat 
beschlossen, den Bauern gleich dem Saatgetreide auch geeignete 
landwirtschaftliche Geräte*) zum Selbstkostenpreise auf Kredit 
zu überlassen, um so deren Einführung zu erleichtern. Auf 



*) Nach dem Urteil des Kulturinspektors Scheiblich eignen sich für 
die anatolischen Verhältnisse vorläufig die Marken SRW und CBL am 
besten, welche die einfachsten und billigsten sind, sich dem bisher ge- 
bräuchlichen Ackergerät in der Handbabung zunächst anschliessen und den 
Kräften der Gespanntiere entsprechen. 



46 



III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



diese Weise wird hier in dem so lange vernachlässigten 
Lande ein grosses Kulturwerk geschaffen, das bald reiche 
F'rüchte tragen und der deutschen Unternehmung zur Ehre 
gereichen wird! 

Die verschiedene Höhenlage des Landes bedingt eine 
Differenzierung der Wärme Verteilung, vor allem in den 
Wintermonaten, und übt dadurch gleichwie auf die natürliche 
Vegetationsdecke einen grossen Einfluss auf den Anbau der 
einzelnen Nutzpflanzen aus. Der Kultur des Hochlandes steht 
die des Tieflandes im mittelmeerischen und pontischen 
Küstengebiet gegenüber. Während jene durch alle jene 
Feldfrüchte, Gemüse und Obstarten, die allgemein auch in 
Mitteleuropa angebaut werden, z. T. dorthin erst von Klein- 
asien eingeführt worden sind, gekennzeichnet wird, umfasst 
diese die ertragreichen Kulturgewächse, die in der Gegenwaxt 
für das Mediterrangebiet typisch geworden sind und diesem 
vielfach ein besonderes landschaftliches Gepräge verliehen 
haben, das ihm vor dem bewussten schaffenden Eingriff des 
Menschen fremd war. An der Meeresküste ziehen sich 
melancholische, düster gefiirbte Olivenhaine viele Meilen weit 
ununterbrochen dahin; ihre knorrigen, grotesk gestalteten, 
oft hundertjährigen Stämme sind so weit von einander ge- 
pflanzt, dass Raum für manche Feldkultur bleibt, die mit 
jugendlichem Grün den Fuss des ehrwürdigen Schalten- 
spenders umdrängt. Wo menschliche Siedelungen sich er- 
heben, wird das Laubdach dichter, das Grün lichter, zwischen 
den Blättern leuchten goldgelbe Orangen und Zitronen her- 
vor, Reben mit schweren, saftstrotzenden Trauben schlingen 
sich von Baum zu Baum, und im Frühjahr entzückt eine 
schneeige Blütenpracht das Auge, wenn Milliarden weisser 
oder rosa angehauchter Knospen den duftenden Kelch öffnen. 

Unter den Getreidearten, die in Anatolien angebaut 
werden, nimmt der Weizen die erste Stelle ein, denn er ist 
neben der Milch das H au ptnahrungs mittel der anatolischen 




GETREIDE. 



47 



.ing und das wirtschaftlich bedeutsamste Er- 
zeugnis der weiten Hochlandsteppen. Im Tieflande erfolgt 
die Bestellung der Wintersaat im November, manchmal auch 
noch später, die der Sommersaat, die aber nur geringere 
Erträge liefert, im Februar. Auch auf dem Hochlande säumen 
die Bauern oft mit der Wintersaat bis tief in den Olctober 
hinein, was bei den gegen das Tiefland ungünstigeren klima- 
tischen Verhältnissen einen nachteiUgen Einfluss auf die 
Pflanzen ausübt und oft zu Fehlernten führt. Die späten, 
erst im Winter oder Frühjahr keimenden und zum Aufgang 
kommenden Herbstsaaten sind nach dem Bericht des Kultur- 
inspektors Scheiblich gegen die im Frühjahr regelmässig 
eintretenden langen Trockenzeiten weit weniger widerstands- 
fähig als die zeitig bestellten, die sich schon im Herbst zu 
normalen, kräftigen Pflanzen entwickelt haben und in ihrer 
Ausbildung weniger gefährdet sind, weil sie beim Eintritt der 
Dürre in ihrem Wachstum und der Samenbildung der Reife 
schon weit näher gerückt sind, als die der späteren Saaten. 
Ausserdem sind sie infolge ihres verhältnismässig grösseren 
und günstiger plazierten Wurzel Vermögens im stände, der 
Trockenheit viel besser widerstehen zu können. 

Weit weniger abhängig von diesen Bedingungen sind 
die Saaten auf bewässerbarem Boden, der sich in der Nähe 
der Ftussläufe findet und im Preise ganz wesentlich höher 
steht. Die Bewässerung wird, falls im Frühjahr der Regen 
ausbleibt, zweimal, etwa zu Anfang und gegen Mitte März, 
ausgeführt. Zu diesem Zweck dienen grosse Schöpfräder, 
die das Wasser aus dem durch niedrige Dämme aufgestauten 
Fluss heben und in die durch die Felder gezogenen Gräben 
leiten. 

Steht die Wintersaat im Frühjahr infolge grosser Trocken- 
heit sehr schlecht, so wird gewöhnlich im März noch eine 
Sommersaat bestellt, Die Ernte erfolgt im Tiefland im Mai 
und Juni, auf dem Hochland im Juli und August. Das 



48 in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 

Sommergetreide wird nur zwei Wochen später reif als das 
Wintergetreide. Nach den Berechnungen Kärgers giebt ein 
mit Weizen bestellter Donum im Mittel einen Reinertrag von 
I20 Piaster (22,20 Mark). 

Von allen Getreidearten kommt Weizen fast ausschliess- 
lich zur Ausfuhr, wenigstens bildet er die Hauptmasse des 
Getreides, das auf der Anatolischen Eisenbahn zur Ver- 
frachtung gelangt. Auf der Strecke Haidar Pascha— Angora 
wurden verladen Getreide aller Art: 

1891: 37389.128 kg 

1892: 29972609 „ 

1893- 51389866 „ 

1894: 23844078 „ 

1895: 27538818 „ 

1896: 105840378 ^ 

1897: 243567506 „ 

1898: 152 915 367 „ 

Die Zahlen geben ein deutliches Bild der überaus 
wechselnden Ernteerträge. Erfreulich bleibt die Thatsache, 
dass die unter den Pflug genommenen Flächen sich in den 
letzten 10 Jahren ständig vergrössert haben, nachdem den 
Bauern durch die Eisenbahn ein Mittel in die Hand gegeben 
worden ist, den Ertrag ihrer Felder auf den Markt zu bringen. 

Während Weizen für die eigene Ernährung und für die 
Ausfuhr gebaut wird, dient die Gerste vorwiegend zur 
Viehfütterung und ersetzt in der Levante wie in Nordafrika 
den Hafer. Da sie in grosser Menge für den Lokalkonsum 
verbraucht wird, so gelangt vor der Hand verhältnismässig 
weniger Gerste als Weizen zur Ausfuhr. Auf der Anatolischen 
Eisenbahn wurden immerhin 1896: 44027 und 1897: 
72 808 Tonnen verfrachtet, wovon ein erheblicher Teil als 
Lieferung für die türkische Militärverwaltung diente. Da die 
anatolische Gerste aber auch in Europa sehr gesucht ist und 
insbesondere in England leichten und gesicherten Absatz für 



dazu auf der Strecke 
Eskischehir-Konia : 

12 240464 kg 

50099636 „ 
106 773 471 „ 

45370812 „ 



- FUTTERP1--LANZEN. 



49 



: HerstelluDg von Malz zur Bierbrauerei findet, so gewinnt 
ihre Kultur immer mehr an Ausdehnung. 

Roggen und Hafer werden meist von den Muhadjir, 
aber nur in geringer Ausdehnung, angebaut, wichtiger da- 
gegen ist die Kultiu" des Maises, die besonders in den nörd- 
lichen und westlichen Küstenland Schäften wie in den Fluss- 
thälem die ihr zusagenden natürlichen Bedingungen findet. 
Der Mais dient frisch und getrocknet zur Ernährung von 
Mensch und Vieh. Die Türken geniessen ihn nur in ersterem 
Zustande, die Griechen, Muhadjir und Lasen mahlen ihn auch 
zu Mehl und backen Brot daraus. Gelegentlich wird auch 
ein leichtes, erfrischendes Bier aus Mais gebraut. Bei starker 
Düngung und Bewässerung soll im Tieflande der Ertrag des 
Maises ein erstaunlich hoher sein. 

\'on untergeordneter Bedeutung ist der Anbau ■\'on 
Hirse, Sorghum und Buchweizen, den die Türken 
„albanesische Hirse" nennen, grösseren Umfang besitzen da- 
gegen die Reiskuliuren in den Küstenebenen und den Fluss- 
thälern des Hochlandes, doch macht sich allgemein das 
Bestreben geltend, den Anbau wegen der damit verbundenen 
Fiebergefahr nach Möglichkeit einzuschränken. Der Reis 
wird fast ausschliesslich für den Konsum im Lande \er- 
wendet; ein sehr beliebtes Essen ist der Püaf, aber auch in 
anderer Zubereitung findet der Reis eine vielfältige Ver- 
wendung, 

Von Futterpflanzen kommen in Kleinasien Luzerne, 
Lupine, Esparsette und Klee vor, werden aber leider nicht 
entfernt in dem Masse gebaut, wie es eine rationelle Vieh- 
wirtschaft fordern müsste. Wo Futterpflanzen auf geeignetem 
Boden als Pferdefutter gebaut werden, wie z, B. in der Um- 
gebung von Eskischehir, geben sie meist reichlichen Ertrag. 
Die Luzerne soll dort 7 Jahre lang hintereinander tragen und 
ifcrlich 5—7 Schnitte liefern. 
► Eine grosse Zukunft besitzt in Anatolien die Kartoffel, 



56 



111 DAS WIKTSCHAKTSLKBliN. 



die gute Erträge liefert und in neuerer Zeit in steigendem 
Umfange angebaut wird. Die Marktpreise in Konstantinopel 
ermöglichen eine Rentabilität des Anbaus dieser Fruclit selbst 
bei langem Transportwege auf der Kisenbahn. Aus diesem 
Grunde sind von der Kulturabteilung der Anatolische« Bahnen 
Saatkartoffeln auf der Strecke von Akschehir nach Kenia 
verteilt worden, wo sich günstiger Boden für den Kartoffel- 
bau findet. Ein Probefeld bei Eskischehir ergab, trotzdem 
die Saatkartoffeln erst ziemlich spät (20. Mai) gesteckt werden 
kannten, doch noch eine Ernte von 1800 kg auf V4 Hektar, 
wobei die Qualität der geernteten Kartoffeln eine ganz vor- 
zügliche war. 

Als Gespinnstpflanzen werden Baumwolle, Lein und 
Hanf gezogen. Baumwolle wird vornehmlich in den heissen, 
leicht bewässerbaren Küstenlandschaften der Wilayets Adana 
und Smyrna, dann auch vereinzelt auf der Hochebene im 
Wilayet Angora und im Gebiet des Kysyl Irmak gebaut. 
Die Kilikische Ebene und die Flussthäler des Menderes, 
Gedis und Bakyr in den Kasas von Baindir, Kassaba, 
Akhissar und Kyrkaghatsch sind die Hauptproduktions- 
gebiete. Die Kultur der Baumwolle, die besonders seit dem 
amerikanischen Sezessionskriege Eingang gefunden hat, er- 
fordert eine sorgfaltigere Bearbeitung der Felder als der 
Getreidebau, liefert aber auch höhere Erträge. Die Saat 
erfolgt im März, die Ernte im Wilayet Adana im September, 
an der Westküste erst im Oktober. Ein Teil der Produktion 
wird im Lande selbst, in Aidin, Manissa, Kassaba, Kyrka- 
ghatsch u. a. O., wo sich Spinnereien befinden, verarbeitet. 
Haupt aus fuhrhafen ist Smyrna. Die Ausfuhr richtet sich 
vornehmlich nach England und Frankreich. Da die anatolische 
Baumwolle der amerikanischen z. T. qualitativ überlegen ist, 
so dürfte ihre Nutzbarmachung unserer heimischen Textil- 
industrie nachdrücklich empfohlen werden können. Der 
anatolische BaurawoUenbau ist einer erheblichen Ausdehnung 



I 



GESPINN^T- UND FARBPFLANZEN. ^ 51 

fähig und würde, in geeigneter Weise unterstützt und ge- 
fördert, für Deutschland von einer grossen wirtschaftlichen 
Bedeutung und ein achtenswerter Faktor in den Tarifs- 
Verhandlungen eines neuen deutsch-amerikanischen Handels- 
vertrages werden können. 

Der Anbau von Lein und Hanf besitzt mehr örtliche 
Bedeutung, doch gelangt auch Lein- und Hanfsaat ebenso 
wie Baumwollensamen (über Smyrna jährlich etwa 7000 Tonnen) 
zur Ausfuhr. 

Die seit dem Altertum geübte Textilindustrie hat zum 
Anbau mehrerer Farbpflanzen gefuhrt; am meisten werden 
Krapp, Safran und Kreuz- oder Gelbbeere kultiviert, doch 
ist deren Anbau zurückgegangen, seitdem die billigen, leicht 
löslichen Anilinfarben von Europa her Eingang gefunden 
haben. 

Die Ernte in Kreuzbeeren betrug im Jahre 1898 rund 
5500 Sack, davon gingen über Konstantinopel 500 Sack, über 
Samsun 2500 Sack, über Smyma 900 Sack und über Mersina 
1600 Sack. Die Verfrachtung erfolgte meist direkt nach 
europäischen Häfen. Da von den Färbereien und Kattun- 
druckereien mehr und mehr andere Farbstoffe verwendet 
werden, so hat die Nachfrage nach Kreuzbeeren sehr nach- 
gelassen und die Preise sind auf ein Drittel des Betrages 
herabgegangen, der erst bezahlt wurde; jetzt 1^/4 — 3 Piaster 
für I Oka, 

Eine grössere Wichtigkeit hat der Anbau der Narko- 
tica bewahrt, denn Tabak und Mohn, daneben auch indischer 
Hanf, werden an vielen Orten in beträchtlicher Ausdehnung 
gebaut. Nachdem die Mode des Tabakrauchens trotz aller 
anfanglichen Verbote auch im Orient Verbreitung gefunden 
hatte, begami man schliesslich das erst verpönte, dann all- 
gemein beliebte Gewächs für den eigeoeo Bedarf anzubauen. 
Das anatolische Tiefland erwies sich für diese Kultur als durch- 
aus geeignet, und sie entwickelte sich derart, dass Tabak in der 



■^■Nrtma 



^nm 



52 



in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



Gegenwart ein nennenswerter Ausfuhrartikel ist. Die Au 
saat erfolgt im Februar auf Mistbeete, von denen die Pflanze 
in Abständen von 80 bezw. 30 cm ausgepflanzt werden. D: 
Ernte erfolgt durch drei- bis viermalige Abblätterungei 
Die auf Fäden gezogenen Blätter werden auf Gestellen etw 
vier Wochen an der Sonne getrocknet. Der Ertrag ein< 
Donum ist 100—150 Oka, unter günstigen Verhältnisse 
200 — 250 Oka trockene Blätter. 

Der Gesamtertrag des Landes beläuft sich auf 10 000 oc 
bis 12000000 kg jährlich, mag aber sehr wohl in günstige 
Jahren auf 15000000 kg steigen. Um einen Überblick üb< 
die Verteilung der Produktion auf die einzelnen Bezirke 2 
geben, habe ich die in dem grossen Werke Cuinets verstreute 
Angaben über die Ernteerträge in den Jahren 1888 und 188 
ausgezogen und in nachstehender Tabelle vereinigt: 

Wilayet Trapezunt 

Smyrna . 

Siwas 
„ Brussa . 
Sandjak Ismid . . 
Wilayet Kastamuni 

Archipel 

Adana . 
Sandjak Bigha 
Wilayet Angora . 
„ Konia 

Insgesamt 

Weit voran steht das Wilayet Trapezunt. Die Kultu 
ist aber seit Errichtung der Regie zurückgegangen, und di 
Ausfuhr hat sich dem entsprechend vermindert; erst neuei 
dings zeigt sich wieder eine Hebung des Ertrages. Da 
Hauptproduktionsgebiet ist das Sandjak Samsun, in dem ir 
Jahre 1889 gegen 650000 batman (a 6 Oka = 7,7 kg 



9? 



r 



r> 



n 





1 


5 150000 kg 






. I 384 000 „ 






. I 365 000 „ 






862 000 „ 






610000 „ 






240 000 „ 






162 000 „ 






150000 „ 






88000 „ 






53000 „ 






16000 „ 






10080000 kg. 



d, h. rund 5 000 000 kg Tabak geerntet wurden. Von den 
9 Sorten, in die der Tabak gewöhnlich eingeteilt wird, dienen 
die 3 ersten mit 220000 batman (35 % der Gesamternte) für 
den russischen und europäischen Bedarf, die 4. ist Ottomanisches 
Monopol mit 130000 b. {20 "/o), die 5. gelangt mit 65 000 b. 
(m ",'||) nach Marseille zur Ausfuhr, die 6. mit 45000 b. 
(7 %) nach Ägypten, die 7. mit 65000 b. (10 "/(,) nach 
London, die 8. mit 45 000 b. (7 %) nach Bremen, die 9. end- 
lich mit 80000 b. (13 f'/n) wird in der Türkei selbst ver- 
Einer Mitteilung des Herrn Hauptmann Maercker ver- 
danke ich folgende Angaben: Die jährliche Produktion im 
KaimakamÜk Bafra beträgt 2000000 bis 3500000 kg; die 
Regie kauft davon 1 000 000 — i 500000 kg, die griechischen 
Kaufleutc, in deren Händen der Tabakhande! vornehraüch 
liegt, exportieren nach Alexandrien 200—250000 kg, nach 
Marseille (Französische Regie) 250 — 300 000 kg mittlerer 
Ware, nach Hamburg und Bremen 40 — 50 000 kg geringster 
Ware, nach Wien 40 000 kg bester Ware. Die Tabakpreise 
richten sich nach der Ernte. Für i batman wurden 1S92 
nur 27 Piaster, 1893 dagegen 54 — 55 Piaster gezahlt. Der 
beste Tabak Kleinasiens wird in Orendjik am Kysyl Irmak 
gebaut. 

Jeder Tabakballen wiegt 9 batman = 70 kg. Die Un- 
kosten vom Erzeugungsort bis an Bord des Schiffes betragen 
im Durchschnitt 10,60 Mk, für den Ballen, 

In dem Trapezunt benachbarten Wilayet Siwas wird 
gleichfalls eine erhebliche Menge Tabak produziert, die 
Hauptmasse liefert hier das Sandjak Tokat mit i 2S4000 kg, 
dann Amasia 77000 kg, der Anbau in den Sandjaks Siwas 
und Karahissar ist dagegen nur sehr unbedeutend. 

Das dritte Produkrionsgebiet ist das Wilayet Smyrna, 
in dem bis zu 2000000 kg geerntet werden; angebaut werden 
drei Sorten: Ayasoluk (Ephesus), Smyrna und Magnesia. 



5t 



JiAS WIRTSCHAFTSLKBKN'. 



Ersterer ist sehr nikottnreich und kann deshalb nicht un- 
vermischt geraucht werden, er dient meist zum Verschneiden 
der übrigen beiden Sorten, denen er mehr Aroma verleiht. 
Da diese Qualität stark für die Ausfuhr begehrt wird, so 
vergrössert sich ihr Anbau von Jahr zu Jahr. Die sog. Smyrna- 
Sorte wird nur um Pergamon, die Magnesia- Sorte im Sandjalc 
Sarukhan angebaut. Im Inlande wird der Tabak von Sarai'- 
Alti, der salpeterhaliig ist und deshalb ein eigenartiges Aroma 
besitzt, ganz besonders geschätzt. 

In dem benachbarten Sandjak Bigha werden jährlich 
200 — 240 ha mit Tabak bestellt, das Zentrum der Tabaks- 
produktion ist Tschan am Granicus. Im Wilayct Brussa 
findet die Hauptproduktion im Sandjak Karassi statt, wo in 
den Nah! es von Ivrindi, Fret, Balia und Gebsun gegen 
1000 ha mit Tabak bestellt werden. Der Ertrag erreicht 
oft 1 500000 kg. in der Qualität steht diesem der Tabak 
des Sandjaks Ismid nahe, wo um Ismid selbst, dann in der 
fruchtbaren Akova um Adabasar und bei Geiwe Tabak- 
kultur getrieben wird. Im Süden, im Wilayet Adana, treten 
Bulanik und Selinti als Brennpunkte der Tabaksproduktion 
hervor. 

In der Türkei sind seit 1883 die Einkünfte aus den» 
Tabakbau der „Regie coi'nteressee des tabacs de I'Empire 
Ottoman" übertragen. Nach den bestehenden Bestimmungen 
darf Jedermann Tabak bauen, darf ihn aber nicht freihändig' 
verkaufen oder selbst verbrauchen, sondern muss seinen 
Ernteertrag an die Regie zu einem von dieser bestimmten 
Preise überlassen. Da diese die Preise denkbar niedrig fest- 
setzt, so ist infolge dessen nicht nur der Tabakbau gegen 
früher zurückgegangen, sondern es hat sich in anbetracht 
des hohen Verkaufspreises der Regie ein Schmugglerweseo 
von einem ganz ungewöhnlichen Umfange herausgebildet, 
dem die Überwachungsorgane machtlos gegenüberstehen, 
Die Gelegenheit, besseren und billigeren Tabak, als es der^ 



der J 



TABAK - MOHN 55 

der Regie ist, vom Schmuggler zu kaufen, bietet sich leicht 
und wird stets gern benutzt. 

Auf der Anatolischen Eisenbahn werden erheblichö 
Mengen Tabak — jährlich i V2 bis 2 Millionen kg — befördert, 
Während der Tabak vorwiegend Tieflandskultur ist, 
wird dort wie auf dem Hochlande eine andere wirtschaftlich 
wichtige narkotische Pflanze, der Mohn, gezogen. Der An- 
bau erfordert eine sehr sorgfaltige Bereitung des Ackers, ist 
aber, zumal er ein zweifaches Produkt, Opium und Mohnsaati 
liefert, gewinnbringend. Die Aussaat erfolgt im Oktober 
oder spätestens Anfang November. Zur Gewinnung des 
Opiums werden die Mohnköpfe vor ihrer völligen Reife mit 
einem besonderen Instrument „djisghi" ringsherum einge- 
schnitten und der am nächsten Tage hervorquellende Milch- 
saft gesammelt. Dieser wird zusammengeknetet und in Mohn- 
blätter gehüllt in den Handel gebracht. In Smyrna, dem 
Hauptmarkte und Ausfuhrhafen für Opium, wird dieses in 
neuerer Zeit mehrfach durch Zusatz eines bedeutenden Prozent- 
satzes von Stärkemehl zum Schaden der europäischen Käufer 
verfälscht. 

Die Opiumernte betrug in der Türkei: 

1895: 7500 Kuflfen ä 50 — 60 kg 

1896: 4 — 5000 Kuffen 

1897; -7500 — 8500 Kuffen 

1898: 3^3500 Kuffen 

1899: 7000 Kuffen. 
Davon wird V4 i" Rumelien, ^4 in Anatolien erzeugt. Haupt- 
produktionsgebiete sind die Wilayets Smyrna und Brussa, in 
zweiter Linie Siwas und Konia. Im Wilayet Smyrna wird 
die beste Qualität in der weiteren Umgebung Smyrnas selbst 
hervorgebracht, eine zweite Qualität liefert das Sandjak 
Sarukhan, wo die Kasas Kirkaghatsch und Akhissar die 
besten Sorten erzeugen. Im Wilayet Brussa ist Afiun 
Karahissar (Opium-Schwarzburg) das Zentrum des Mohnbaus; 



S6 



DAS WIKTSCHAKTSLKBF.N. 



von 350 000 kg mittlerer Ernte in diesem Sandjak werden 
nahezu 145000 kg in der unmittelbaren Umgebung der 
Hauptstadt gebaut. Auch die Sandjaks Brussa, Kiutahia und 
Karassi liefern nennenswerte Erträge, das Wilayet insgesamt 
im Mittel 750000 kg Opium und Mohnsaat. Im Wilayet 
Siwas produzieren das Sandjak Siwas 3000 Oka. Tokat 
2500 Oka, Amasia 2500 Oka, zusammen 8000 Oka gleich 
10270 kg Opium und 200 000 Oka ^ 356000 kg Mohnsaat. 
In der Provinz Angora wurden nach Schäffer im Jahre 1S93 
etwa 22 200 Kilo geerntet. 

Vor der Erbauung der Anatolischeu Eisenbahn floss die 
gesamte Opiumernte Anatoliens nach Smyrna ab und gelangte 
von dort zur Verschiffung. In diesen Verhältnissen ist bereits 
eine Verschiebung dadurch eingetreteii, dass die Produktion 
eines grossen Teils der Wilayets Brussa, Siwas, Angora und 
Konia direkt nach Konstantinopel geführt wird. Es gelangten 



Bahn 7 



■ Verladung: 

1895: 102 782 I 

1396: 79531 

1897: 96545 

1S98: 50132 
— ^!;skischehir der StamiB 



dorthin auf dei 

1S91: 72 068 kg 
1892: 161 077 „ 
1893: 80772 „ 
1894: 58445 „ 
Davon führte die Strecke Konia— 
linie zu: 

.5: 68793 kg 
6: 33462 „ 
7: 66462 „ 
.8: 46616 „ 

Die Mohnsaat wird teils im Lande selbst zur Olgewinnuna 
benutzt, teils zur Ausfuhr gebracht, besonders nach Frank 
reich. Ein Donum liefert nach Kaerger 3 Oka Opiu 
5 Kile Mohnsaat, aus einem Kile Saat werden 5 — 6 Oka C 
geschlagen, die Rückstände an die Kühe verfüttert. Di^^ 
Preise für die letzte Ernte {1899) waren bedeutend niedriger' 
als im Vorjahr. Drogisten-Opium wurde mit 116 — 125 Gold- 



1S95: 
1S96: 
1897: 



J 



OPIUM — gemOsk. 



piastep(gegen 150 bis 160 Piaster im Jahre 1898), Tokat- 
Sile-Opium mit 125 bis 1J5 Goldpiaster für die Oka bezahlt- 
Gemüse wird, da die Orientalen grosse Liebhaber 
vegetabilischer Nahrung sind, aller Orten, wo es die natür- 
lichen Verhältnisse gestatten, in sehr bedeutendem Umfange 
angebaut. In Anatolien gedeihen alle jetzt in Mitteleuropa 
heimischen Gemüse; u. a. werden gezogen: verschiedene 
Kohlarten, Rüben, Radieschen, Zichorie, Spargel, Sellerie, 
Lattich, Eodivie, Borretsch, Rauke, C hon drille, Zwiebel, 
Knoblauch, Erbse, Kichererbse, Bohne, Saubohne, Linse, 
Gurke, Kürbis, Artischocke, Bamia, Eierpflanze, Tomate, 
Spinat, Sauerampfer, Rhabarber, Petersilie, Estragon, Saturei, 
roter Pfeffer, Kümmel, Safran, Anis, Wermut. 

Für die Verpflegung der Hauptstadt sind die intensiven 
Kulturen an der Riviera des Golfes von Ismid, um den 
Sabandja-See und in der Akova von grosser Wichtigkeit. 
Die Produktion dieser Gegenden an Gemüse ist infolge der 
starken Nachfrage und dank der günstigen geographischen 
Lage ausserordentlich gross. Die Anatolische Eisenbahn 
giebt dazu das Mittel an die Hand, die Erzeugnisse der Gärten 
und Felder schnell und damit frisch auf den Lebensmittel- 
markt von Konstantinopel zu bringen. Zu diesem Zweck 
lässt die Verwaltung nachts besondere Gemüse- und Obst- 
züge fahren, welche die Güter in eigens für die Auf- 
iiahmi? der grossen Körbe konstruierten Wagen sammeln und 
früh morgens nach Haidar I'aschar bringen. Diese Züge 
halten vielfach an bestimmten Punkten der freien Strecke, 
wo die Gärtner ihre Früchte unmittelbar in den Zug laden 
dürfen. 
■Auf der Stammlinie wurden nach Konstantinopel verfrachtet: 




662 299 kg 


■895 


2 104008 kg 


885 040 ., 


,80 


252S959 ,. 


905 7>7 .. 


,897 


1 915 164 „ 


91.' 469 . 


1S98 


.2.784. ,. 



58 



DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



Weitverbreitet ist ferner der Obstbau, doch ist 
Pflege, die den Fruchtbäumen zuteil wird, nicht sorgfältig 
genug, um durchweg gute Sorten zu erzielen. Höhenlage 
und Klima bedingen, dass das Tiefland vorwiegend Agrumen, 
Datteln (nur an der Südküste), Oliven, Pfirsiche, Aprikosen, 
Melonen, Mandeln, Pistazien, Feigen und Wein hervorbringt, 
während die übrigen Obstarten: Apfel, Birne, Quitte, Kirsche, 
Schlehe, Pflaume, Kornelkirsche, Hasel- und Walnuss dagegen 
mehr auf das Hochland beschränkt sind, wiewohl auch manche 
der letzteren in den tieferen Regionen kultiviert werden. 

Wirtschaftlich am wichtigsten ist der Anbau der Agrumen, 
des Olivenbaumes, der Feige und der Weinrebe. 

Die Kultur der Agrumen ist auf die Westabdachimg, 
den Archipel und die Südküste beschränkt, gezogen werden 
Orangen, Zitronen, Pommeranzen und ihre Abarten. Neuer- 
dings sind infolge des Auftretens einer der Phylloxera ähnlichen 
Krankheit die Erträge ganz ausserordentlich zurückgegangen; 
nur die Mandarinen blieben verschont. Bei weiterer Aus- 
breitung dieser verhängnisvollen Hpidemie, gegen die bisher 
ein Mittel noch nicht gefunden worden ist, erscheint die 
ganze Kultur dieser Frucht in Aoatolien gefährdet. 

Das gleiche Verbreitungsgebiet hält der Olivenbaum 
inne, der hier vorzüglich gedeiht und in grossen waldartigen 
Beständen die Küstenlandschaften und die Inseln bedeckt. 
Der Ertrag der Olivenpflanzungen ist relativ hoch; ein Baum 
liefert lo bis 15 Oka, bei reichlicher Düngung und sorg- 
faltiger Pflege selbst bis 40 Oka Oliven im Jahr, die durch- 
schnittlich einen Preis von i Piaster für die Oka erzielen. 
Die Oliven, deren Ernte in die Monate Oktober und November 
fällt, werden teils durch Einsalzen zum Genuss konserviert, 
teils zur Olgewinnung ausgepresst. Das hierbei angewendete 
Verfahren mit Hülfe von Handpressen ist ziemlich primitiv 
und nicht geeignet, die Ölfrucht in ergiebiger Weise auszu- 
nutzen. Europäischen Unternehmungen bietet sich hier durch 



J 



OLIVE — !-"EK;K. 



59 



Einführung; vollendeter technischer Einrichtungen und Anwen- 
dung des chemischen Extraktions Verfahrens ein weiter Spiel- 
raum. Die grossen Erfolge, welche die französischen Kapi- 
talisten und Industrielle auf diesem Gebiete in Algerien und 
Tunesien erzielt haben, sollte eine Anregung für deutsche 
Unternehmer bilden. Gegenwärtig beträgt die Olivenöl- 
produktion 30—40000000 kg, die zum grÖssten Teil über 
Smyma, Mudania und die Inselhäfen zur Ausfuhr gelangen. 
Fabrikation und Handel liegen fast ausschliesslich in griechi- 
schen Händen. 

In gleicher Weise besitzt die Feige eine grosse Wichtig- 
keit für die Ausfuhr der kleinasiatischen Westküste. Ihre 
Kultur erfordert geringe Mühe und Aufwendungen, ist aber 
dabei sehr gewinnbringend. Man unterscheidet die beiden 

I Hauptsorten Bardadschik und Lopia ; die ersteren, sehr süss, 
(teilen dem örtlichen Verbrauch, die letzteren gelangen zur 
l^usfuhr nach Europa. Unter ihnen werden der Qualität 
■ach wieder die Sorten Erbeyli, AVdin und Tschaili benannt. 
I Die Erbeyli stammen aus dem Sandjak Smyrna selbst 
Bon Ayasluk, Baladjik, Deirmendjik, Karabunar, Ornerbeyli 
a. a. 0„ die Ai'din aus dem Sandjak Aidin von Omurlu, 
Köschk, Sultan-Hissar, Xasilli, Aktsche, Bosdoghan usw. 
und die Tscha'ili von Bademie, Baliambol, Odemisch, Birghi 
im Sandjak Smyrna. Die Ernte (indet gegen Mitte August 
statt. Die Feigen werden nach mehrmaliger sorgfaltiger 
Auslese in Kisten verpackt und kommen in vier verschiedenen 
Verpackungen als Makarom, Yemekji, Lokum und Layers 
in den Handel. Der ausgeschiedene Rest liefert die Hordas 
(Fabrik feigen), die in Europa hauptsächlich zur Fabrikation 
des Feigenkaffees benutzt und vornehmlich nach Österreich 
portiert werden. 

In guten Jahren beträgt dieFeigenernte 60 — 65 000 Kamel- 

isten (die Last etwa 200 kg). Die Ernte des Jahres 189S 

■ nur gering infolge ungünstiger Witterung und brachte 



60 



ni. HAS WIRTSCHAKTSLKBEN. 



nicht mehr als i2 500 Lasten, die letzte Ernte stellte sid! 
dagegen wieder auf 45 — jo 000 Lasten. Die Preise betrugen 
für niedere Sorten 80 — too Piaster, für mittlere Sorten 100 
bis 1 10 Piaster, für gute Sorten 1 10^150 Piaster für das dz.; 
Hordas erzielten 45—46 Piaster. 

Wenn auch dem Moslem der Weingenuss durch die 
Satzungen des Koran verboten ist, so wird doch die Wein- 
rebe in ziemlich umfangreichem Masse in Anatolien angebaut. 
Sie liefert prächtige Trauben für den Landeskonsum, an der 
Westküste die vom europäischen Handel lebhaft begehrten 
Rosinen und in den Gebieten mit griechischer und armenischer 
Bevölkerung einen guten Landwein oder auch sog. Sudwein, 
(Samos usw.) wie auch aus den Trebern gewonnenen Brannt- 
wein, den Raky. Kleinasien, die Heimat der Weinrebe, 
ist eines der produktivsten Weiniänder trotz mo sie mini scher 
Herrschaft geblieben. Das Hauptproduktionsgebiet bilden 
die Wilayets Smyrna und Khodawendikiar (Brussa^ und die 
Inseln des Archipels, dann weiter die Rand land schaffen des 
Golfes von Ismid und des Bosporus, grosse Weinkulturen 
finden sich ferner im Stromgebiet des Kysyl Irmak östlich 
und nordwestlich von Angora und schliesslich auf dem für 
Weinbau so vorzüglich geeigneten vulkanischen Boden der 
Hänge des Erdjias Dagh. Auch Amasia, Tokat und Trapezunt 
produzieren einen geschätzten Wein. 

Von den 'l'ürken wird am meisten die sog. Tschausch- 
Rebe angebaut, die zwar vorzügliche Tafeltrauben liefert, 
aber für die Weinfabrikation nicht geeignet ist. Von den 
Armeniern werden daher meist andere Sorten angepflanzt. 
Von der Dette Publique, die von der Weinproduktion eine 
Abgabe von 15 '>/„ geniesst, hat der Weinbau eine lebhafte 
Förderung erfahren, so ist in ErenkÖi, unweit von Skutari, 
unter der Leitung des Deutschen Eckerlin eine Rebschule 
errichtet worden, die geeignete amerikanische Reben anschult 
und unentgeltlich Schnittlinge zum Pfropfen an die anatolischen 



J 



WEINBAU. 61 

Veinbauern abgiebt. Auch in Smyrna hat die Weingewinnung 
durch eine deutsche Handelsgesellschaft eine wesentliche 
Vervollkommnung erfahren. Der dort gewonnene Wein geht 
zum Teil nach Ungarn und dient daselbst zum Verschnitt des 
Tokayers usw. 

Kin sehr erheblicher Teil der Weinernte des Wilayets 
Smyrna wird für die Herstellung der Rosinen verwendet, 
die eine bevorzugte Stellung im Ausfuhrhandel Smyrnas 
einnehmen. Die Trauben werden, um etwaige Fäulnis zu 
verhindern, durch eine dünne Alkalilauge gezogen, getrocknet 
und dann in Bastkörben oder Säcken nach Smyrna gebracht. 
Die drei Hauptsorten des Handels sind die roten Eleme- 
Losinen, die schwarzen Rosinen und die Sultaninen. 
Der Ernteertrag der roten Eleme- Rosinen ergab: 
1S99 

Tschesme . , 60000 Kantar 52000 Kantar ä 100 kg 
Karaburun . . 40000 „ 32000 „ 

urla . , . . 38000 „ 45000 „ 

Preise für Vurla- Rosinen stellten sich im Jahre 1^99 
^uf 130 Piaster, die für Tschesme- Rosinen auf 165 Piaster. 
Die Ernte der schwarzen Rosinen, die nicht besonders 
gut ausgefallen war, wird auf 35 000 dz geschätzt. Die Preise 
für diese Sorte, die hauptsächlich nach Frankreich und 
Deutschland ausgeführt wird, betrugen 24 bis 34 Piaster 
für I dz. 

Von Sultaninen wurden 600000— 630000 Kantar bei der 
letzten Ernte eingebracht gegen 450000 K. im Jahre i8g8 
und 580000 K. im Jahre 1897. Gute Sorten erzielten 80 bis 
100 Franken, niedere Sorten 50—60 Franken für 100 kg 
fob Smyrna. Die Ausfuhr richtet sich in erster Linie nach 
England und dem europäischen Kontinent, an zweiter Stelle 
stehen die Vereinigten Staaten und Australien. 

L Ansctiluss an die Weinproduktion sei noch die Ge- 
sinnung des Mastix, des Harzes von Pistacia lentiscus, 



fll, DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



erwähnt, das für die Insel Chios eine gewisse Bedeutung 
besitzt. Das Harz wird in der Levante gern dem Wein und 
vor allem dem Rakyschnaps zugesetzt, daneben wird es von 
den orientalischen Frauen zur Erhaltung der Zähne viel ge- 
kaut. Die Ausfuhr ist sehr zurückgegangen, seitdem der 
Mastix in der europäischen Lackfabrikation keine Verwendung 
mehr findet, sie bezifferte sich 1895 auf 2400, 1896 auf 1900, 
1S97 auf 1600 und 1898 auf 1700 dz. Die Preise sind gegen 
früher auf '/n gesunken, 

Die vorstehenden Ausfuhrungen haben gezeigt, dass die 
Bodennutzung in Anatolien in den verschiedenen Zweigen 
des Betriebes fast durchweg reiche Erträge erzieh trotz un- 
zulänglicher Ackergeräte, trotz mangelhafter Kultur und 
unrationellen Wirtschaftsbetriebes. Es ersteht unwillkürlich 
die Frage: welche Entwickehmg vermag dieses Land zu 
nehmen, wenn es sich die technischen und wirtschaftlichen 
Errungenschaften der westeuropäischen Zivilisation zu eigen 
gemacht haben wird! 

Der Weg ist lang, ein dereinst hochkultiviertes Land 
nach jahrtausendjähriger Stagnation und Vernachlässigung 
wieder auf die gleiche Höhe zu heben; er ist aber nicht un- 
gangbar, das haben die überraschenden Erfolge gezeigt, 
welche die Franzosen unter ganz analogen Verhältnissen in 
einer kurzen Zeitspanne in der Regentschaft Tunis und die 
Österreicher in Bosnien und in der Hercegovina erzielt haben. 
Die Erschliessung Kleinasiens durch das vollendetste \'erkehrs- 
mittel der Gegenwart, die Eisenbahn, macht schnelle Fort- 
schritte, und schon greift der anatolische Bauer nach dem 
vervollkommneten Ackergerät, das ihm eine fremde Hand 
wohlwollend darreicht. Noch gilt es, den Gegensatz zwischen 
Orient und Occident, wie er lange in schroffer Form bestanden 
hat, zu überbrücken und die im Volke schlummernden guten 
Kräfte zu wecken. Dieses Vorhaben wird und muss gelingen, 
denn im anatolischen Landvolke steckt ein gesunder Kern, 



KOLONISATION. 



63 



und die alte hohe Mauer, die der Islam gegen Westen er- 
richtet hat, wird der alles nivellierende und in seinen Bann- 
kreis ziehende Verkehr langsam aber sicher niederlegen. 

Für Deutschland erwächst die Aufgabe, den bisher ge- 
wonnenen Vorsprung zu benutzen und Kleinasien in fried- 
lichem Wettbewerb, der wechselseitig die deutschen wie 
die türkischen Interessen fördert, immer enger und enger 
an sich zu gliedern, denn die Entwickelung unserer heimischen. 
Verhältnisse weist uns mit zwingender Notwendigkeit darauf 
hin, uns nicht nur aufnahmefähige Absatzgebiete für unsere 
Industrieerzeugnisse, sondern auch solche Gebiete in greif- 
barer Nähe zu sichern, die dank ihrer klimadschen Differen- 
zierung in der Lage sind, wichtige Bedarfsartikel zu liefern, 
die wir in der eigenen Heimat nicht zu erzeugen vermögen. 

Im letzten Jahrzehnt ist die Frage einer deutschen 
Kolonisation in Anatolien wiederholt zum Gegenstande 
Öffentlicher Erörterungen gemacht worden, aber trotz der 
immer und immer wieder von verschiedenen Seiten gegebenen 
Anregungen nicht aus dem papierenen Zustande der Vor- 
schläge und Erwägungen herausgetreten. 

Die Gründe dafür sind sowohl in den heimischen wie 
in den orientalischen Verhältnissen zu suchen. Einflussreiche 
Kreise unseres Grossgrundbesitzes, die schon in der Gegenwart 
empfindlich unter dem Mangel an Arbeitskräften leiden, be- 
fürchten von einem grossen Kolonisationsunternehmen in Ana- 
tolien einen fülilbaren Abfluss der Arbeiterbevölkerung vom 
flachen Lande und treten daher energisch gegen jede in 
dieser Richtung zielende Bestrebung auf. Das durch seine 
einflussreiche Stellung und grosse Erfahrung berufenste Organ 
für die erfolgreiche Durchführung eines umfangreichen 
Kolonisationsplanes, die Anatolische Eisenbahn -Gesellschaft, 
schreckt andererseits — und das ja nicht ohne Grund — 
vor der grossen moralischen und politischen Verantwortlich- 
keit, die ein solches Werk in sich einschliesst, zurück und 



<i4 Hl. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 

zieht es vor, auf dem eingeschlagenen Wege unbeirrtweitd 
zu schreiten und die Kräfte dem Ausbau des vorderasiatischeff 
Eisenbahnnetzes zu widmen. 

Und das mit Recht! Denn wer nur einigerm.issen einen 
Hinblick in die rechtlichen und politischen Zustände der 
Türkei, vor allen Dingen aber in die eigentümlichen ver- 
wickelten Verhältnisse des Grundbesitzes gewonnen hat, 
der wird den Gedanken einer deutschen Kolonisation in 
Anatolien weit von sich weisen. In der Gegenwart zumal 
hat die Türkei die deutlich ausgesprochene Tendenz, sich 
in ihrem Volkstum auf der Grundlage des Islam in Asien 
innerlich zu konsolidieren. Zu diesem Zwecke werden die 
im Auslande lebenden Glaubensgenossen mit allen Mitteln 
herangezogen und in den Provinzen der asiatischen Türkei 
angesiedelt. Unter diesen Umständen muss der Gedanke an 
eine fremdländische, nicht mosleminische Kolonisation in Klein- 
asien, die in Gegensatz zu jener nationalen Kolonisation treten 
und ein iraperium in imperio bilden würde, als Utopie be- 
zeichnet werden. 

Für den Fortschritt Deutschlands im Orient wurde i 
einen grossen Gewinn bedeuten, wenn endlich einmal ■ 
Propaganda für eine solche aussichtslose Kolonisation eaS 
gültig zum Schweigen gebracht würde; denn die Herren, difl 
in wohlgemeintem patriotischen Gefühl mit grossem Eifer, abep 
leider eben so geringer Sachkenntnis für die Kolonisation! 
ideen eintreten, ahnen nicht im entferntesten, wie schwer s 
dadurch gerade die deutschen Interessen in der TürkJ 
schädigen, Sie spielen unseren lieben pohtischen NachbarB 
die schon lange mit scheelen Augen auf unsere bisher t 
rungenen Erfolge blicken, leichtfertig scharfe Waffen in i 
Hand, die dazu dienen, das freundliche Einvernehmen Deutsd 
lands mit der Türkei zu trüben. Sobald ein derartiges Press 
erzeugnis erschienen ist, wird es eben von dieser freum 
nachbarlichen Seite schnellstens in türkischer l'bQrsetzunj 



WALDWIRTSCHAFT. 



65 



3ais übermittelt. Hierbei wird natürlich der traduttore 
gern zum traditore und — was sich textlich nicht hinein- 
schmuggeln lässt, wird dann durch einen mündlichen Kom- 
mentar ersetzt, — - Eine Einkehr und Umkehr unserer 
kolonialen Kreise an dieser Stelle würde den Dank aller 
derer finden, die wirklich deutsche Interessen in Kleinasien 
vertreten. 

Mannigfache Beziehungen zum landwirtschaftlichen Be- 
triebe besitzt die Waldwirtschaft. Wenn auch Anatolien 
(las Opfer einer verständnislosen Waldverwüstung geworden 
ist, so kommt der Waldnutzung doch immer noch eine ge- 
wisse, nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung zu. 
Beträchtliche Flächen, vor allem in den gebirgigen Teilen 
an der Peripherie der Halbinsel, sind noch mit hochstämmi- 
gen Wäldern bestanden, während allerdings die Binnenland- 
schaften ziemlich gründlich ihres Waldschmuckes entkleidet 
worden sind. 

Von Laubhölzern nehmen an der Waldbildung Anteil; 
Platanen und Edelkastanien, die vorwiegend auf das Tiefland, 
die unteren Berghänge und die Flussthäler beschränkt bleiben, 
verschiedene Eichenarten, Linden, Ulmen, Buchen, meist 
Rotbuchen, Eschen, Rosskastanien und Birken; Pappel 
und Weide sind die Charakterbäume des sonst waldlosen 
Hochlandes im Innern, Die höheren Lagen sind bestanden 
mit Tannen, Fichten, Kiefern — Föhre (Pinus silvestris) 
und Schwarzkiefer (Pinus laricio), die meist in dem mageren 
Nährboden verwitterten Serpentins wurzelt — Zedern und 
Wacholder. Im Küstengebiet treten Pinien und Zypressen 
mehr hervor. Eingesprengt in die Waldungen finden sich 
grosse Bestände von Walnuss bäumen, Lorbeer, Buchsbauni, 
Myrte, Knoppereichen {Quercus Aegüops); Hasel nussst au den 
und Rhododendren bilden ein fast undurchdringliches Unter- 
holz. Auf den Inseln finden sich die Kolophon liefernde 
Pisiacia terebinthus und im Südwesten und Süden der Halb- 



66 



111. DAS WIRTSCHAFTSLEBKN. 



itisel der wichtige Storaxbaum (Liquidarabar orieatalJs). 
dem Hochlande und in den Gebirgen gedeiht die wertvolle 
Traganthstaude. 

Durch besonderen Waldreichtum ist das Pontische Rand- 
gebirge ausgezeichnet. Im Wüayet Trapezunt stehen die 
waldreichen Kasas Trapezunt, Kerassunt und Sarasun an erster 
Stelle. Die Wälder der beiden crsteren Kasas bedecken 
eine Fläche von rund 4500 qkm und bestehen aus Eichen, 
Ulmen, Kastanien, Buchen, Fichten, Tannen, Birken, Kornel- 
kirschen und Buchsbaum. Im Gebiet von Samsun herrschen 
Eiche, Ulme, Ahorn, Platane, Esche, Buche, Birke, Kastanie, 
Fichte und Kornelkirsche. 

Im Wilayet Siwas finden wir grossere Bestände, haupt- 
sächlich im Norden, Nordosten und Nordwesten in den San- 
djaks Tokad, Amasia und Karahissar-Scharki; in den tieferen 
Lagen haben sehr starke Verwüstungen stattgefunden, sodass 
sich geschlossene Wälder eigentlich nur noch im Hochgebirge 
erhalten haben. In den Gebirgen des Sandjaks Amasia sind 
die Südhänge mit allen Arten von Nadelhölzern — mit Aus- 
nahme der Zeder — bedeckt, besonders steigen die Fichten 
bis zu den höchsten Spitzen empor; auf den von Nieder- 
schlägen mehr begünstigten Nordhängen herrschen Eiche und 
Buche vor. Ähnlich zusammengesetzt sind die Waldungen 
im Sandjak Tokad; in den Hochthälern treten hier an Stelle 
der Koniferen Eichen und Buchen, wilde Kirsch-, Apfel- und 
Birnbäume, tiefer folgen Nussbaumbestände, dann Kastatiien, 
Platanen und Zypressen. 

Einen erfreulich grossen Waldbestand besitzt das Wilayet 
Kastamuni, das alte Paphlagonien, in dem schätzungsweise 
18000 qkm Waldungen vorhanden sind, die ihre Erhaltung 
allerdings zumeist nur den ungünstigen Verkehrs Verhältnissen 
dieses Gebietes verdanken. F'ast alle Gebirge sind noch be- 
waldet, vor allem deckt den grossen Bergstock des Ala-Dagh 
ein riesiger, kaum berührter Forst. In den einzelnen San- 



L 



WALDWiKTSCHAFT. 67 

Jis setzen sich die Besiände etwa folgeodermassen zu- 
sammen: 

Kiangri: im Westen Kichen, Buchen, Kastanien, Ulmen, 

»Linden, Tannen; im Osten um die Stadt Kiangri fast 
ausschliesslich Fichten, Tannen und andere Nadel- 
hölzer, besonders Pinus silvestris, 
Kastamuni: Eichen, Buchen, Linden, Föhren und Schwarz- 
kiefern, 
Boli: Eichen, Ulmen, Kastanien, Buchen, Linden und 
Nadelhölzer. 
Sinope: Eichen, Buchen, Kastanien, Linden, Tannen, 
Föhren und Schwarzkiefern. 
Die günstige Verkehrslage dieses Sandjaks ermöglicht einen 
sehr lebhaften Holzhandel nach Konstant! nopel, Smyrna, 
Ägypten und Russland. 

Das Wilayet Angora besitzt nur geringere Wald bestände, 
der grösste Teil seines Areals ist völlig holzarm, dagegen 
ist das sich im Nordwesten anschliessende Sandjak Ismid 
wieder reich an schönen grossen Beständen von Eichen, 
Buchen, Fichten, Tannen und Nussbäumen, die eine ganz be- 
trächdiche Holzausfuhr ermöglichen. Die türkische Marine- 
Verwaltung beutet die grossen Wälder um Hendek für 
Schiffsbauzwecke aus und hat in dem nahen Ismid ein See- 
arsenal angelegt. 

Auch das Wilayet Khodawendikiar verfügt noch über 
ausgedehnte Waldungen; die Bestände der 5 Sandjaks sind: 
Brussa: 7171 qkm, im Osten Eichen, Weissbuchen, Ka- 
stanien, Ulmen, Fichten, Pistazien; im Westen Eichen, 
Kastanien, Ulmen, Weissbuchen, Fichten, Föhren, 
Schwarzkiefern, Tannen. 
Ertogrul: 4.14S qkm Eichen, Buchen, Kastanien, Weiss- 

buchen, Fichten und Tannen. 
Kjutahia: 5oo4qkm Eichen, Kastanien, Fichten undTannen. 



G8 



TU. DAS WlRTSrHAFTSLEBRN. 



Afiun Karahissar: 375 1 qkm Eichen, Fichten und Schwa 
kiefern. 

Karassi: 3371 qk.m Eichen, Buchen, Weissbuchen, Fichtt 
und Tannen. 

Für Bauzwecke dienen Eichen, Buchen, Fichten 
Tannen, als Brennholz werden die Nadelhölzer gcschlagei 
die zahlreichen Köhlereien verwenden Buchen, Eschen unJ 
Zweige des Nussbaums Als Gerbstoffe werden Ficht« 
und Eichenrinden geschält und ferner grosse Mengen vot 
Haselnüssen, Kastanien, Bucheneckern und Hichenknoppei 
(Vallonea) eingesammelt. 

Die Walddecke des Sandjaks Bigha wird auf 1969 qk 
angegeben, die grosse Küstennähe gestattet eine leichte Am 
beute. Die Eiche ist das herrschende Element, dann Fichte! 
und Tannen, weiterhin Buchen, Linden, Ulmen und Platanei 
0er grösste Wald ist der des Eschelik-Dagh mit 5; 

Die Wälder des Wilayets Smyrna sind vielfach sc! 
recht gelichtet; die Bestände der 5 Sandjaks sind: 

Smyrna: 1162 qkm Eichen, Pistazien, Aleppo - Kiefers 

Sarukhan: 703 qkm Eichen, AI eppo- Kiefern. 

Aidin: 534 qkm Eichen, Aleppo- Kiefern. 

Denislü: 1037 Q^m Eichen, Aleppo-Kiefern, Schwai 
kiefern, Wacholder. 

Mentesche: 2911 qkm Aleppo-Kiefern, Eichen, Pistaziq 
Schwarzkiefern, Zedern, Storaxbäume. 

Auf den Inseln des Archipels ist der Waldschmu<^ 
meist längst geschwunden. Rhodos besitzt noch einen NadeJ 
vvald von 507 qkm, der aus Fichten und Zypressen gebild^ 
wird: er ist aber ohne alle Pflege und wird forcgesetzt durcl 
die Feuer der Hirten zerstört. Auf den übrigen Inseln find« 
sich gewöhnlich nur niedriges, von den Ziegen zernagt^ 
Gebüsch von Lentiscus, Terebinthen, Myrten, Lorbeer, Er« 
beerbäumen usw., nur Mytilene besitzt noch einen klein*j 
Wald von aa qkm. 



- tl.ASELNL-SSK. 



Ö9 



Im VVilayet Konia haben sich nur in den südlichen Rand- 
gebirgen grössere Bestände von Kichen, Nussbäumcn, Fichten 
jind Tannen, die im Gebiet von Adalia in starkem Raubbau 

I abgetrieben werden, erhalten; der grösste Teil der Provinz 
llBt dagegen sehr holzarm. Schliesslich sind im Süden die 
igchwer' zugänglichen Teile des hohen Taurus im Wilayet 
lAdaOa noch mit ausgedehnten Waldungen bedeckt, Ihr 
■Areal beträgt etwa 4900 qkm, sie haben einen reichen Be- 
stand an Fichten, Tannen, verschiedenen Eichenarten, Zy- 
■pressen, Birken, Nussbäumen, Zedern u. s. W., werden aber, 
.wo die Verkehrsverhältnisse es nur irgend gestatten, rück- 
sichtslos ausgebeutet. 

Die Waldnutzung ist im türkischen Reiche noch durchaus 
ungeordnet, nur wenige Forsten stehen unter staatlicher 
Aufsicht, der ganze grosse Rest ist der verständnislosen 
LjWillkür der Landbevölkerung preisgegeben. Jedermann 
pann so viel Holz schlagen, wie ihm beliebt, wo und wann 
will; nur von dem zur Ausfuhr gelangenden Nutzholz 
Brird eine ziemlich hohe Abgabe erhoben. Der Holzkonsum 
Anatoliens ist recht bedeutend; denn die meisten Wohn- 
iäuser sind in waldigen Distrikten ausschliesslich aus Holz 
wbaut, dann dient Holz zur Feuerung und zur Herstellung 
■ meisten Geräte für Haushalt und Ac kerbe stellang. Den 
issten Schaden aber richten die Hirten an, die alljährlich 
ariele Geviertmeilen prächtigsten Waldbestandes nieder- 
brennen, um im kommenden Frühjahr eine fette Weide für 
phre Herden zu gewinnen. 

Ein wichtiges Nebenprodukt liefern die pon tischen 
■Wälder in den dort sehr zahlreichen Haselnüssen, die über 
'Trapezunt nach Triest, Marseille und Russland zur Ausfuhr 
gelangen. Man unterscheidet zwei Gattungen, die länglichen 
(Sivri) und die runden Früchte (Tumbul), die aber nur im 
■.Hauptproduktionsbezirk Kerassunt geschieden werden, im 
Tlbrigen Gebiet kommt die erstere Gattung seltener vor. 



7Ü II'. DAS WJRTSCHAFTSLEBKN. 

Die Haselnüsse werden meist von den Produzenten getrocknd 
hingegen von den Händlern ausgeschält und geschwefelt, 
um ihnen das im Handel übliche safranähnliche Gelb zu ver- 
leihen. In den Handel kommen nur geschwefelte Nüsse. 
Die Trapezunter Handelshäuser befassen sich nur mit dem 
Einkauf, der Verkauf erfolgt gewöhnlich in den Triester 
Depots, seltener in Marseille. Der Ernteertrag bezifferte 
sich 1S9S auf 21840000 kg und 1899 auf 14952000 kg; 
Kerassunt allein lieferte in beiden Jahren je 6 720000 kg. 

Ein anderes Produkt, <icr Gummitraganth, wurde 
früher viel in Deutschland und Frankreich in den Appretur- 
anstalten verwendet, ist dort aber jetzt meist durch das 
billigere Dextrin verdrängt worden. Ausgeführt wurden im 
Jahre 1S98 4713 Sack (der Sack durchschnittlich 70 bis 80 
Oka netto), davon über Konstantinopel .1313 Sack, über 
Smyrna 800 Sack und über Mersina 600 Sack. 

Das Sammeln und Zubereiten der Knoppern (Vallonea) 
beschäftigt gleichfalls zahlreiche Hände. Die Ernte findet 
in den Monaten Juli und August statt, die Hauptmasse der- 
selben fliesst in Smyrna zusammen und wird von dort ex- 
portiert. Im Wilayet Smyrna selbst werden im Durchschnitt 
565 000 000 kg im Werte von 16 Millionen Franken ein- 
gebracht. 

Bergbau. Die Kenntnis des geologischen Aufbaues der 
Halbinsel ist in der Gegenwart bei weitem noch nicht ge- 
nügend, um ein begründetes Urteil über die Mineralschätze 
des Landes aussprechen zu können, doch stellt nach Nau- 
mann ') die allgemeine geologische Beschaffenheit der Auf- 

•) Die wichli^le Quelle isl: Dr. El Weiss, Über Bergbaubetrieb und 
Mineralvorfcommnisse in der Törkei. Bern 1889. Ferner hal Prof. Edm. 
Naumann in seinem grossen Keisewerkc „Vom Eoldenen Hörn zu den 
Quellen des Euphral" S. 441—448 eine sehr iibersiclitliche Darstellung der 
Mineralschätze Anatolicns gegeben. Ich folge hier im wesentlichen diesen 
Darlegungen. 



- MEERSCHAUM. 



71 



Endung neuer Lagerstätten ein keineswegs ungünstiges Pro- 
gnostikon. Wenn auch weite Landstriche von Decken jüngerer 
sedimentärer Gesteine verhüllt werden, so steht das Urge- 
birge an vielen Orten, besonders in den peripherischen 
Landesteilen an, und an den Innenrändern der grossen Fal- 
tungsbögen ist, wie wir oben gesehen haben, vulkanisches 
Gestein in gewaltiger Menge emporgequollen; eine ein- 
gehende geologische Untersuchung dieser Gebiete hätte wahr- 
scheinlich Aussicht, wichtigere Erzlager nachweisen zu können. 

Eine besondere Eigenart der kleinasiatischen Halbinsel 
bietet das Vorkommen von Meerschaum, Pandermit und 
Chromeisen, die in au ss ergewöhn lieh grofsen Lagern auf- 
treten, wobei sich Meerschaum und Chromeisen an den weit 
verbreiteten Serpentin gebunden zeigen; ihre Entstehung 
kann mit grosser Wahrscheinlichkeit auf die gleichen geolo- 
gischen Vorgänge zurückgeführt werden. 

Der Meerschaum, kieselsaure Magnesia als Umbildungs- 
produkt aus Serpentin (kohlensaurer M.), besitzt in Anatolien 
eio grosses Verbreitungsgebiet, dessen Mittelpunkt die Stadt 
Eskischehir ist, in der sich der ganze Handel mit diesem 
Mineral konzentriert. Am Südrande des Pursak-Thales wird 
schon seit dem Altertum Meerschaum in einfachem Gruben- 
bau gewonnen, seitdem hat die Art der Förderung keine 
Verbesserung erfahren. Die Schächte sind bis 70 m tief, 
zur Einfahrt dienen in die Wände gehauene schmale Stufen, 

Unglücksfälle durch Absturz in die Tiefe oder durch 
Einbruch der nicht gestützten Gesteinsmassen sind unter der 
aus Abenteurern und Verbrechern bestehenden Arbeiter- 
schaft sehr häufig. 

Die Gruben sind Eigentum der Regierung, welche deren 
Betrieb an Unternehmer überlassen hat; die Einnahmen 
sollen sich auf die Summe von 2500 Pfund im Jahre be- 
schränken. Das rohe Material wird nach Eskischehir ge- 
bracht, dort in besonderen Werkstätten gereinigt, für 




73 



II!, riAS WIRTSCHAFTSLEBEN, 



den Versand bearbeitet und von den Händlern nach der 
Grösse sortiert. Die vier üblichen Sorten sind: Seralamy 
oder Lager, von denen 25 bis 40 Stück in eine Kiste von 
15 kg Nettogewicht gehen, Biribirtik oder Grossbaumwolle 
(loo bis 150 Stück), Pembeli oder Klein bäum wolle (200 bis 
250 Stück) und Dokme oder Kasten (450 bis 1500 Stück 
auf eine Kiste). Sodann wird das Mineral getrocknet, was 
grosse Vorsicht erfordert, geschnitten und poliert. 

Die einst sehr gewinnbringende Produktion hat viel ver- 
loren, seitdem der Gebrauch von Pfeifen und Zigarrenspitzen 
aus Meerschaum in Europa ausser Mode gekommen ist und 
Nordamerika, das früher ein grosser Abnehmer war, nicht 
nur die Einfuhr durch hohen Zoll erschwert hat, sondern 
auch in einer australischen Holzart ein dem Meerschaum 
ähnliches Surrogat gefunden hat. Die feineren Sorten werden 
gegenwärtig nach Frankreich und zum Teil nach Nord- 
amerika, die mitltleren nach Oesterreich-Ungarn und die ge- 
ringste Ware nach Deutschland ausgeführt, wo das kleine 
Dörfchen Ruhla im Thüringer Wald seit der Mitte des 
18. Jahrhunderts eine blühende Industrie in Rauchutensilien 
aus Meerschaum betreibt. 

Auf der Anatolischen Eisenbahn gelangt jetzt die ganze 
Produktion, die früher durch Kamelkarawanen nach Ismid 
transportiert wurde, zur Verfrachtung; dieselbe betrug: 

1892: 10463a kg 1896: 205273 kg ^ 

1893: 22449S „ 1S97: 19.1130 „ ■ 

1894: 256989 „ 189S: 183148 „ ^M 

1895: 186512 „ " 

An Bedeutung hinter dem Meerschaum zurück steht das 
Pandermit genannte Bormineral, das vor etwa 20 Jahren 
in den Provinzen Brussa und Bigha durch einen Zufall entdeckt 
wurde. Die wichtigste Fundstelle befindet sich bei Sultan- 
tschair im Sandjak Karassi und wird von der 18S7 ge- 
gründeten „Compagnie du borax", welche gegen 2 



PANDERMIT. — S'i EINI':OHLK\. 73 

beiter beschäftigt, ausgebeutet. Für ein anderes, bei Demir 
Kapu gelegenes Lager ist eine Konzession an Fuad Pascha 
erteilt worden. Die Grube von Sultantschair arbeitete an- 
fanglich mit sehr hohem Verdienst, da der europäische 
Konsum aber nur sehr gering ist (etwa 6000 Tonnen jährlich), 
so musste die Förderung bald eingeschränkt werden. 

In Begleitung seines Muttergesteins, des Serpentins, tritt 
der Chroraeisenstcin an zahlreichen Punkten Kleinasiens 
auf. Das wichtigste Lager ist wohl das von Prof. Naumann 
näher untersuchte Vorkommen von Daghardi im Süden des 
Bilhynischen Olymps. Der gesamte Lrzvorrat lasst sich 
auf rund 10 Millionen Tonnen veranschlagen, doch ist die 
Verkehrslage sehr ungünstig. Neuerdings ist der Transport 
durch Benutzung der Anatolischen Eisenbahn nicht un- 
wesentlich erleichtert worden, auf der im Jahre iSgS 
15874836 kg zur Verladung gelangten. Das Erz enthält 
50^ — 55 "/n Chromoxyd und wird vorwiegend nach Kngland 
verschifft. 

Im Wilayet Aidin wird bei Makri an der Siidküste 
^urch die Firma J. B. Paterson u. Cte. in Smyrna ein Lager 
ausgebeutet; die jährliche Produktion beträgt gegen 20000 
Tonnen Chromerz und 350 Tonnen Mangan. Weitere Lager 
befinden sich im Sandjak Isbarta, ferner im Gebirge bei 
Adalia, dann im Sandjak Bigha bei Bunarbaschi, Kemali, 
Demrek und Hissardschi, wie an vielen anderen Orten der 
Halbinsel, 

Von grösster Wichtigkeit für das Land wie überhaupt 
für die Türkei ist das Vorkommen von Steinkohlen an 
der pontischen Küsie. Die produktive Sieinkohlenformation 
tritt im Gebiet von Erekli zu Tage und begleitet die Küste 
in einem etwa ro km breiten Streifen, dessen Ostgrenze 
noch nicht sicher bekannt ist. Die Gruben, welche etwa 
120000 Tonnen im Jahre liefern, unterstehen dem türkischen 
Marineministerium. Der Abbau erfolgt in primitivster Weise 



74 



111 DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 






durch lvro;iten, denen die Regierung für den Kantar ge- 
förderter Kohle 3I/2 Piaster zahlt. Die meisten Gruben be- 
finden sich bei den Dörfern Koslu und Sungul-Dagh; der 
oberflächliche, unrationelle Betrieb hat gewöhnlich zur Folge, 
dass die Gruben bald ersaufen, worauf die Arbeit an einer 
anderen bequemeren Stelle wieder in Angriff genommen 
wird. Seit einigen Jahren sind mehrere kleinere Konzessioni 
an französische Unternehmer vergeben worden. 

Eine sorgfällige Bewirtschaftung dieser reichen N; 
schätze, deren örtliche Ausdehnung zur Zeit noch 
einmal festgestellt ist, würde zu einer grossen, sicheren Ein- 
nahmequelle für den türkischen Staatssäckel werden. Die 
Erweiterung des Eisenbahnnetzes und der sich steigernde 
Schiffsverkehr drängen mit zwingender Notwendigkeit darauf 
hin, dass hier gründlicher Wandel geschaffen wird. Diese 
grossen Kohlenflöze von Erekli haben einen um so höheren 
Wert, als die dort geförderte Kohle von guter Beschaffen- 
heit ist und der englischen Kohle an Heizkraft wenig 
nachsteht. 

Auch an anderen Stellen Anatoliens sind noch Kohlen- 
lager erschürft worden, doch handelt es sich dabei aus- 
schliesslich um tertiäre Braun kohle nfiöze. Bei Soma- werden 
für den Lokalbedarf der Fabriken von Soma, Kirkaghatsch, 
Kenik und Bergama jährlich etwa 1000 Tonnen Kohle ge- 
wonnen, im Kasa Milas ist eine weitere Konzession ver- 
liehen, und eine Grube des Kasa Sögüd liefert das Brenn- 
material für die Seidenspinnereien von Biledjik, Sögüd und 
Köplü. Femer ist das Vorkommen von Kohle im Wilayet 
Siwas etwa 60 km südwestlich von Tokad nachgewiesen 
worden. 

Von Erzen finden sich ausser dem vorerwähnten Chrom- 
eisen namentlich Blei, das durch einen gewissen Sil ber- 
gehalt veredelt ist, Kupfer und Mangan, daneben Arsen, 
Antimon, Wismut, Zink, 



BLEI. 75 

Silberhaltiges Blei wird an vielen Orten abgebaut, 
ein grosser Teil der Minen ist aber nach unregelmässigem 
Betriebe wieder aufgelassen worden. Im Wilayet Brussa 
wird die reiche Mine Hodscha Gümüsch seit 1882 von der 
.„Sodete Hellene des Usines de Laurium" ausgebeutet; die 
Gesellschaft, welche 400 Arbeiter beschäftigt, produziert 
jährlich etwa 4000 Tonnen Erze, die 40—50 % Blei und 
1800 — 2500 g Silber auf die Tonne enthalten. Im Sandjak 
Bigha Ist für das Vorkommen von Derindere, etwa 16 km 
von Lampsaki, einem englischen Syndikat eine Konzession 
erteilt worden. 

Die reichsten Ergebnisse lieferte bisher die staatliche 
Mine von Bulghar Dagh (im Wilayet Konia), die jährlich 
10 Oka Gold und 1500 Oka Silber brachte, und das be- 
nachbarte Bergwerk Bereketli Maaden. Diese beiden Minen 
hatten bisher erheblich unter der Ungunst der Verkehrs- 
verhältnisse zu leiden, sie werden nach dem erfolgten Ausbau 
der Anatolischen Eisenbahn sicher eine wesentliche Steigerung 
ihrer Produktion, die dann billig an die Küste gelangen 
kann, erfahren. 

Ein weiteres wichtiges Vorkommen wird im Wilayet 
Siwas bei Lidjessi durch die englische „Asia Minor Mining 
Company" abgebaut. Die jährliche Produktion beträgt 
1500 Tonnen Erze, die über Kerassunt nach England zur Ver- 
schiffung gelangen. Ausser Betrieb sind in diesem Wilayet 
die Minen von Gümüsch-Beli, Subah, Gümüsch-Hadjikiöi und 
Tavschan Dagh, die beiden letzteren im Sandjak Amasia. 
Auch die im Wilayet Angora belegenen staatlichen Minen 
von Ak-Dagh-Maaden, Denek-Maaden und Elma-Dagh sind 
nach kürzerem Betrieb wieder aufgelassen worden. Die 
Minengänge des ehemaligen grossen Staatsbergwerkes von 
Gümüschhane („Silberstadt") sind zum grössten Teil ersoffen; 
eine Privatgesellschaft hat zwar den Betrieb wieder aufge- 
nommen, jedoch keine nennenswerten Erfolge erzielt. 



.Vt) III, DAS WIKTSCllAKTSLEBEX, 

Kiipferbergbau wird in Klemasien bereits seit.' 
Altertum getrieben; berühmt ist das grosse Lager von 
Arghana Maaden nahe, den Tigrisquellen, das dort gewonnene 
■Schwarzkupfer wird durch mühseligen Kameltransport nach 
dem über 400 km entfernten Tokad gebracht und dort 
raffiniert. , In der Nähe dieser Stadt selbst ist ein reiches 
Lager von Kupferglanz erschürft worden, wird aber, soweit 
bis jetzt bekannt, noch nicht abgebaut Ferner finden sich 
zahlreiche alte Minen im Küstengebiet von Trapezunf, deren 
Betrieb aber meist wieder eingestellt worden ist; ebenso ist 
die staatliche Mine von Mualitsch im Wilayet Angora auf- 
gelassen worden. Vielversprechend scheinen die Minen von 
Kalabak bei Balikesri zu sein, doch ist über deren Betrieb 
z. Zt. nichts Näheres bekannt. 

Manganerze finden sich besonders im pontischen 
Küstengebiet. Im Wilayet Trapezunt ist einer russischen 
Gesellschaft die Konzession für die Mine von Sürmeneh ver- 
liehen, dagegen sind die Mine von Aptal westlich von Ke- 
rassunt und die von einem Griechen Kyriako Mavrides aus- 
gebeuteten Minen von Küdje, Kulpar, Ilit, Tschefuikiöi, Kara- 
dere und Ada Piki infolge ungünstiger Konjunktur aufge- 
lassen worden. 

Im Sandjak Ismid ist 1 1 km von Kurt Helen eine kleine 
Mine in Betrieb, und im Sandjak Bigha wurde das Vor- 
kommen von Mangan bei Ischiklar, Osman Tcpe, Tschamli, 
Köprü Baschi und Ras Burnu nachgewiesen. Im Wilayet 
Smyrna findet sich ein Vorkommen bei Makri, weitere Fund- 
orte sind im Wilayet Konia bei Adalia im Gebirge und im 
Sandjak Isbarta erschürft worden. 

Antimon wird in der Mine von Odemisch (Wilayet 
Smyrna), die jährlich gegen 1000 Tonnen fördert, und in 
Irvindi bei Balikesri gewonnen. Die Inseln Samos, 
und Imbros produzieren gleichfalls geringere Mengen. 



Samos, Ct^^_ 

J 



SC'HWEKEI.. - SAI.Z. 

Schwefel ist bei Kaie Sultanie (Bigha 
äen worden, 
und Wism 



) und bei Allakten 
sein Vorkommen 
ut aber nur von 



(Wilayet Smyrna) nachgi 
ist wie auch das von Ai 
untergeordneter Bedeutung. 

Ein Kleinasten eigentümliches Mineral ist Schmirgel, 
von dem jährlich. S^ looao Tonnen zur Ausfuhr gebracht 
werden. Die bedeutendsten Lager befinden sich in der Um- 
gebung von Smyrna: Karasu, Tyra, Ayassoluk, Sokia, 
Kuluk, Milasso und Kusch Adassi, daneben auch auf den Inseln 
Nikaria, Chios und dem griechischen Naxos. 

Das Land besitzt einen erfreulichen Reichtum an Salz, 
das auf verschiedene Art gewonnen wird: durch Abbau von 
Steinsalzlagern, durch Emsammeln der .Ausscheidungen aus 
Solquellen und abflusslo.sen Seebecken und durch Anlage 
von Meeressaünen, letztere nur an der Küste des Ägäischen 
und des Mittelmeeres. 

Die wichtigsten bekannten Steinsalzvorkommen liegen 
im Becken des Kysyl Irmak zu beiden Seiten des Stromes, 
der seinen antiken Namen Halys den ihm zufliessenden Aus- 
laugungen aus jenen I-agern verdankt. Auf seinem linken 
Ufer finden wir im Kasa Kotsch-Hissar des Wilayets Siwas 
das erst seit 1889 erschlossene Bergwerk von Tuz-Hissar 
(Salzburg), das anscheinend ziemlich reich ist, dann etwa 
35 km nordöstlich von Newschehir die ausserordentlich be- 
deutenden und ergiebigen Lager von Tuz-Kiöi (Salzdorf) 
oder Hadji Bektasch, deren Bänke bis zu 40 Fuss mächiig 
sind, die aber unregelmässig abgebaut werden. Die jähr- 
liche Produktion beträgt rund 1 850000 kg. Im Norden folgt 
das etwa 2 Stunden südöstlich von Tschangry gelegene 
grosse Salzbergwerk Maragasch oder Maghara bei dem Dorf 
Balibagh, das bereits seit dem frühen Mittelalter ausgebeutet 
wird und jährlich gegen 2500000 kg Salz liefert. Der Preis- 
OS ist 2^ Para. Das Hangende des Salzlagers, das 
in Maragasch aus je 6 Stunden in nördlicher, west- 



in. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



lieber und östlicher Richtung erstrecken soll, ist aa der Auf- 
schlussstelle rater Sandstein. Der Bergwerksbetrieb ist nach 
europäischem Muster eingerichtet. 

Die bedeutenderen Salzbergwerke auf der rechten Halys- 
seite sind Tepessi-delik, etwa 2 Stunden östlich von Kirsche- 
hir, wo die Lager in 40 bis 45 m Tiefe erschlossen sind, mit 
einer Jahresproduktion von 700000 kg, ferner Sekilo, halb- 
wegs zwischen Angora und Yüsgad am DeUdje Irmak, ein 
sehr reiches Lager, das erst oberflächlich abgebaut wird und 
jährlich über t oooooo kg liefert, und schliesslich das Berg- 
werk von TschayankiÖi, etwa 30 km nördlich von Sungurlu, 
das mit 250000 kg nur eine geringe Ausbeute giebt. 

In ursächlichem Zusammenhang mit diesen Steinsalz- 
lagern steht jedenfalls das Vorkommen einer Reihe von 
Solquellen, von denen ein grosser Teil zur Salzgewinnung 
ausgebeutet wird. Im WiJayet Siwas liefern die Solquellen 
von Tschakri, Djedid, Stargon, Stamo, Djirit, Djelleli, Fad- 
lum, Ischhane, Bingöl, Mardabasch, Jenidje, Tuz-Hissar (im 
Süden}, Pilidj, Bederli und Kinese jährlich 8 bis 10 Millionen 
Kilogramm Salz. Aus dem Wilayet Angora sind zu nennen 
die Solquellen von Aktsche Kuyulu (mit 600000 kg jähr- 
licher Produktion), Sarikaya (500000 kg), Djogul (500000 kg), 
Ali Baba (300000 kg) und Budjuk (250000 kg). Im Wilayet 
Kastamuni produzieren zwei Solquellen in der Umgebung 
von IsUelib 3 Millionen Kilogramm, die Quelle von Burga, 
etwa 25 km von Iskelib, 1 Million Kilogramm, die von Taitah 
150000 kg und die drei Borne von Yalu gegen 230000 kg. 
Daneben liefern auch die abflusslosen Binnenseeen in ihren 
sommerlichen Ausscheidungen am Rande der Becken eine 
reiche Salzernte. So werden aus dem grossen Tuz Tschöllü 
in der Nordostecke der Lykaonischen Senke, der vom Mai 
ab auszutroknen beginnt und gegen den Herbst hin eine 40 
bis 60 mm starke Salzdecke auskrystallisiert hat, über 
20 Millionen Kilogramm Salz mühelos gewonnen. In ahn- 



SOLQUELLEN. — SAL1NE^^ 



79 



eise werden die Salzsümpfe Suldan Saz und Tschibuk 
Saz am Fuss des Erdjias Dagh wie auch andere abflusslose 
Bionenbecken in beschränk lerer Weise ausgebeutet. 

Im gleichen Verfahren, wie dies im ganzen Mittelmeer- 
becken geschieht, wird auch an der Küste Kleinasiens Salz 
unmittelbar aus dem Meereswasser gewonnen. Dies ist jedoch 
DUr im Bereich des Mittelmeeres und der Agäis möglich, 
nicht dagegen im Schwarzen Meer, dessen Wasser durch die 
in das Becken sich ergiessenden grossen Ströme wie Donau, 
Dniepr, Don u, a. und durch reichliche Niederschläge wie 
auch zufolge einer geringeren Verdunstung zu stark ausge- 
süsst wird, An der Westküste der Halbinsel sind solche 
Salinen eingerichtet worden am Golf von Adramiti zu 
Behramkiöi, auf der Stadtstelle des antiken Assos, südlich 
von Aivadjik, mit einer Jahresproduktion von i'/a Millionen 
Kilogramm, und zu Aivali in dem durch die vorgelagerten 
Moskonisi geschützten Südwestwinkel des Golfs mit 2V2 Mil- 
lionen Kilogramm; ferner auf der Halbinsel Phokia und um 
den Golf von Tschandarli an 6 Punkten: Tschamalty mit 
45 Millionen Kilogramm, Adatepe mit iS Millionen Kilogramm, 
Panaya Burun und Aü-Agha mit je 3 Millionen Kilogramm, 
Tschandarli mit 5 Millionen Kilogramm und Kusch Adassi 
mit 200000 kg jährlicher Erzeugung; schliesslich am Golf 
von Mendelia bei Mentesche mit 2 Millionen Kilogramm. — 
Mytilene besitzt zwei Saunen bei Poüknitos und im Golf von 
Kalloni, in denen 2 Millionen Kilogramm Salz gewonnen 
werden; auch auf Lemnos befindet sich eine Einrichtung für 
Salzgewinnung. Die felsige Küste des anatolischen Süd- 
randes ist für die Anlage von Salinen wenig günstig, 
nur in den Strandlagunen, die dem durch die vereinte 
Thätigkeit des Strompaares Seihun und Djihan aufge- 
schütteten Schwemmlande Kilikiens eingebettet sind, wird 
eine Jahresausbeute von 3 bis 3'/2 Millionen Kilogramm See- 
salz erzielt. 



80 



1 WIR! SCHAFTSLEBEN. 



Das Vorkommen des für den menschlicben Hauf 
minder wichtigen Alaun ist von Bedeutung nur in der näheren 
Umgebung der Stadt Karahissar-Scharki im Wilayet Siwas, 
die danach auch den Namen Schabin Karahissar (Alaun- 
Schwarzburg) führt. Das anscheinend ausgedehnte Lager 
wird wenig abgebaut. 

Gyps findet sich an vielen Orten und ist besonders im 
Norden des Hochlandes verbreitet, auch Kaolin tritt hier 
und da auf. Die zum Entfetten der Schafwolle viel be- 
nutzte Walkerde steht im Wilayet Angora in mächtigen 
Ablagerungen an; ähnlich wie diese Erde wird der Seifen- 
stein zur Reinigung der Wäsche und im Bade allgemein 
benutzt und weithin verhandelt. Die im Alterlum und Mittel- 
alter wegen ihrer angeblichen Heilkraft berühmte lemnische 
Siegelerde (Terra sigillata) wird heute nur noch zur Her- 
stellung von gelbroten Farben und zum Schnitzen von kleinen 
Vasen benutzt. Die Produktion auf Lemnos ist nur gering, 

Baumaterialien liefern die Gebirge Kleinasiens in 
reichster Fülle. Der bevorzugte Baustein ist Kalk, der an 
dem geologischen Aufbau der Halbinsel vom Devon bis zum 
Tertiär den weitaus grössten Anteil hat, daneben Sandstdn, 
an manchen Orten auch Granit und Basalt. Auch der edelste 
Baustein, der Marmor, der schon für die Bauten und Skulp- 
turen des Altertums das Material geliefert hat, ist an vielen 
Orten in grossen Lagern vorhanden. Geradezu unerschöpf- 
liche Marmorbrüche besitzt die Insel Marmara, der das Ge- 
stein den Namen gegeben hat; sie werden in der Haupt- 
sache für Konstant inopel ausgebeutet, wo man den schönen 
weissen Baustein überall antrifft. Die phrygischen Marmor- 
brüche des alten Synnada in der Umgebung des heutigen 
Afiun- Karahissar sind in neuerer Zeit wieder in Betrieb ge- 
nommen worden; sie liefern einen weissen, buntgeaderteii 
Marmor, der im Altertum sehr geschätzt war. Nennenswerte 
Marmorbrüche befinden sich ferner auf den Inseln Chio3 



MARMtJR. — THERMEN. 



8! 



ferbig), Leros (weiss), Karpathos und Imbros. Bei Nigde im 
Wilayet Konia wird ein bunter Marmor (blau, schwarz und 
weiss) gebrochen, im Sandjak Tokad finden sich Lager von 
Cipolin; zahlreiche andere Fundstellen haben wegen der un- 

pSnstigen Transport Verhältnisse eine nur rein lokale Be- 

[eutuog. 

Wie schon an früherer Stelle (S. 3) ausgeführt, ist die 
kleinasiatische Halbinsel im geologischen Werdegang von 
zahlreichen Bruchlinien durchsetzt worden; in diesen tief 
niedersetzenden Spalten sind zahllose heisse Quellen 
emporgestiegen, die, dem Verlauf der grossen tektonischen 
Leitlinien folgend, in der Hauptsache longiiudinal von Westen 
nach Osten angeordnet sind. Auf seinem Wege in die Tiefe 
hat das Wasser seine Temperatur erhöht und dann beim 
Aufstieg mit verstärkter Lösungskraft zahlreiche mineralische 

I Beimengungen in sich aufgenommen. So sehen wir viele mit 
Eisen, Kochsalz, Schwefel oder Kohlensäure gesättigte Quellen 
Emp orsprudeln. 
■ Auf der Bithynischen Halbinsel geniessen die Mineral- 
iniellen von Tavschandjil und Daridja einen Ruf als heJl- 
fcäflige Wasser, und auf der anderen Seite des Golfes von 
Ismid steigen die bereits im Altertum benutzten, sehr stick- 
stoffreichen Schwefehhermen von Yalowa (i 60" C.) 
^auf. Ahnhche Thermen finden sich im Sandjak Ismid bei 
Kusilik, Tharakly, im llidjathal und in der Umgebung von 
^eiwe. 

Ausserordentlich reich an Thermen ist die von zahllosen 
Spalten durchsetzte westliche Abdachung der Halbinsel, vor 
allem der Norden, Am berühmtesten sind die heissen Schwefel- 
quellen von Brussa, welche die herrlich am Fuss des Mysischen 
Olymps gelegene Stadt zu einem viel besuchten Badeort 
gemacht haben. Die Kükürdli-Thermen haben eine Terape- 
jatur von 83,3", Bademli Baghische 84,4", Kara Mustafa 



82 lil. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 

53,8", Tschekirje 45* und Giöz-Ayasma 45".*» Die Qudle 
von Tschitli, etwa 60 km südöstlich von Brussa, zeigt einen 
namhaften Gehalt von doppeltkohlensaurem Natron (4,506 g 
auf I Liter), ihr Wasser (14") wird weithin verschickt. Ihr 
nahe steht die etwas wärmere (36*') Quelle von Bakmadja, 
während die am Fuss des Olymp entspringende Quelle voq 
Terdjc eisenhaltig ist. 

Aus dem im Südwesten sich anschliessenden Sandjak 
Karassi seien hier kurz genannt die Quellen von Yüanlar 
(Eisensulphat, Temperatur 60 0), Eftelet (40"), Hozludja (80"). 
SultantschaiV f6o"), Omerkiöi (3S"), Scheikhier, Günan (40"), 
Singherli, Seitun-adassi, kleine Insel vor der Stadt Erdek, 
Ludja (40''). Frenk (20 bis ^lo^J, Aktsche (bo% Yürük (45"), 
Hissar und Osmanlar. ^ Im Bezirk Bigha haben wir die aus 
Trachytfelsen hervorbrechenden, 38 bis 47,5" warmen Quellen 
des Ilidjathals und die mit einem starken Strahl aus dem 
Feisen schiessende Salzquelle bei dem Orte Tuzia; ibre 
Temperatur ist ausserordentlich hoch, fiie beträgt schon an 
der Oberfläche 85 bis 100", demnach mehr als die des 
grossen Geysirs auf Island. 

Auch im Wüayet A'idin steigen zahlreiche Thermen zur 
Oberfläche, so nördlich von Bergama, dem alten Pergamon, 
zwischen Kirkagatsch und Gelembe, bei Tscheschme (Schwefel 
und Salz 57 "), llidja, Kenik, Ayasmend, bei Sardes, Alaschehir, 
Ai'din, zwischen Scala Nuova und Sokia, bei Ortaksche, 
Dei'rmendjik, Khonas, Derekiöi, Pambuk Kalessi und Mugla. 
^ Besonders merkwürdig sind die Thermen von Pambuk- 
(auch Tarn buk-) Kalessi, nördlich von Denislü auf der rechten 



*) Analysen dieser guellen finden sich in Sillimans American Journal 
of Science 1831 Bd. Xli (durch I.awrem-e Smith); bei G risebach , Reise 
durch Rumelien und nach Brussa, Göningen 1841; Rigler, Die Türkei 
und ihre Bewohner, Wien 1852; v, Tsch ichalsche ff. Asie mineuie. 
Phya. lerr. Cap. VII; v. Fritsch, Acht Tage in Kleinaaien Min. Ver. f. 
Bidk. Halle 1883. 



- BERGGIi-SETZ. 



yferhöhe des Mäander über den Ruinen des alten Hiera- 
polis, deren starke Sinterbildungen die Berghänge in den 
bizarrsten Formen überkrustet haben. 

Im Innern des anaiolischen Hochlandes sehen wir die 
Punkte, an denen Thermen aufquellen, vorzugsweise randlich 
in Linien angeordner, während sie in der Mitte seltener auf- 
treten. Die wichtigeren sind im Wilayet Kastarauni die 
Quellen von Boli, Düsdje, 'I"schitak und Parli, im Wilayet 
Angora die Schwefeithermen von Tschorba Segh-Hanimam 
(46") und Kisildjilar (42,5*"), Beybasar, Japan-Hammam und 
Servil!, im Wilayet Siwas Soguk Thermik, Sidjak-Th., Uyuk- 
Th., Yilan!i-Th,, Khavza, Khawsna und Sulu-Serai beim alten 
Nikopolis. Nähere Untersuchungen aller dieser Quellen 
liegen noch nicht vor. 

Nachteilig wirkt auf die Entwickelung des Bergbaues 
in Kleinasien neben den ungünstigen Transportverhähnissen 
auch der Mangel an unternehmungslustigem Kapital, vor 
allen Dingen aber die Gesetzgebung, welche den Erwerb 
einer Minenkonzession namentlich für Europäer schwierig 
macht und in der Praxis gewöhnlich einen erheblichen Auf- 
wand von Bakschisch erfordert. Die Schürferlaubnis wird 
auf ein Jahr erteilt und kann auf ein weiteres Jahr verlängert 
werden, doch muss der Antragsteller sich zum vollen Ersatz 
für allen durch die Schürfarbeiten entstehenden Schaden 
verpflichten und einen zahlungsfähigen Bürgen stellen. Für 
die Ausfertigung einer Mi nenkon Zession selbst ist ein Jrade 
des Sultans erforderlich. Die Konzession für die meisten 
Erzbergwerke hat für 99 Jahre, für Pandermit und ähnliche 
Vorkommen für 60 Jahre Gültigkeit. — Sämtliche Bergwerke 
zahlen eine feste Grundsteuer von to Piaster für ein Hektar; 
ausserdem gelangen bei Verschiffung von Blei, Antimon, 
Kupfer u. s. w. 5 Prozent des Wertes als Abgabe an die 
Regierung und 1 Prozent Ausfuhrzoll zur Erhebung; Chrom- 
und Manganerze sowie Schmirgel zahlen 10 bis 20 Prozent 



. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN, 



Abgaben und i Prozent Ausfuhrzoll. Die meisten der 

in Betrieb befindlichen Bergwerke werden, soweit sie nicht 
im Besitz türkischer Unterthanen sich befinden, von englischen 
Unternehmern und Gesellschaften betrieben. Deutsches 
Kapital ist diesem Arbeitsfelde bisher leider noch gänzlit 
fern geblieben. 

Jagd und Fischerei, Die Jagd ist ein in Kleinasien 
vernachlässigter lirwerbszweig. Die anatolische Landbevölke- 
rung übt nicht häufig das Waidwerk aus, meist sind es 
Tscherkessen und Muhadjir, welche die Büchse führen, in 
den Küstenstrichen auch Griechen, die das besonders in den 
pontischen Randgebirgen häufige Wildschwein erlegen, das 
von den Moslemin aus rituellen Gründen verschmäht wird, 
Von den Hirten wird mancher Wolf zur Strecke gebracht, 
aber dies geschieht mehr in der Verteidigung der Schaf- 
herden gegen den gefürchteten Räuber als aus Jagdlust. 
Hier und da findet man noch bei reichen Grundbesitzern deo 
alten vornehmen Brauch, Jagdfalken zu halten, die man auf 
Hasen, Gazellen oder Federwild stossen lässt. Die best« 
Jagdzeit ist der Winter, der mit seinem Schneereichtui 
das Hochwild aus den schwer zugänglichen Bergwäldern 
die Thäler und Niederungen ziehen lässL 

Zu verwundern bleibt, dass das Hochwild Kleinasiensi 
Bären in fast allen Waldgebirgen und Leoparden, Mufflons 
und Wildziegen in den Bergschluchten und auf den Fels- 
schroffen des Taurus, noch nicht eine grössere Anziehungs- 
kraft auf europäische Nimrode ausgeübt hat. 

Die Jagd ist in der Türkei überall frei, doch wird ci*j 
auf ein Jahr gültiger Waffenschein gefordert, für den eil 
geringer Betrag (t^ Piaster = 2 '/^ Mark) zu erlegen ist 
Dagegen macht die Einführung von guten Waffen um 
Munition auf den Zollämtern oft grosse Schwierigkeiten. Eine| 
offizielle Schonzeit besteht vom i. März bis 30. August. 



les^^H 
icl^H 






JAGD l'Nn FISCHEREI, 



8J 



Auch die Fischerei in Flüssen und Seeen wird wenig 
beirieben, obwohl die anaiolisclien Gewässer schmackhafte 
Fische wie Kaqjfen, Hecht, Schleihe, Barbe, Barsch und 
Aale, meist in reicherFüUe beherbergen. In den Gebirgsbächen 
finden sich schöne Forellen, in den grossen Hochlandsströmen 
Wels und Stör, Aus dem Rogen des letzteren wird ein 
rötlicher, stark gesalzener Kaviar hergestellt, der in ge- 
presstem Zustande sich in der Hitze leichter hält als der 
empfindliche Astrachan-Kaviar, diesem aber auch an Wohl- 
geschmack nicht im entferntesten gleichkommt. 

Die Gewässer des Westens werden namentlich von 
Griechen abgefischt, und zwar oft in einer unverantwortlichen 
Raubfischerei, die schliesslich zu einer Vernichtung des ganzen 
Fischbestandes führen muss. Diese Aasfischer bedienen sich 
der Samen von Anamirta Cocculus Wight, der sogenannten 
Kokkelskörner, mit denen sie die Fische eines ganzen Bezirkes 
vergiften, so dass ihnen reiche Beute mühelos in die Hände 
fallt. Die Fischerei im Binnenlande ist frei, Abgaben werden 
nicht erhoben, auch sind die Süsswasserfische durch keine 
Schonzeit geschützt. 

Weit reger als im Binnenlande wird die Fischerei in den 
Küstengewässern betrieben; hier ist es fast ausschliess- 
lich die griechische, an den Küstenrändern ansässige Be- 
völkerung, die sich diesem Gewerbe widmet. In erster 
Linie werden neben zahlreichen Arten der für den täglichen 
Konsum bestimmten F'ische kleine Sardellen (tsyri) in grossen 
Mengen gefangen, die, auf Hürden in der Sonne getrocknet, 
einen namhaften Handelsartikel darstellen und als Fasten- 
speise auch vielfach nach Griechenland ausgeführt werden. 
Daneben spielt auch der ThunlJschfang im Sommer, wenn 
dieser grosse Fisch in stattlichen Scharen an den Küsten 
des Schwarzen und Agäischen Meeres entlang zieht, eine 
wichtige Rolle. Seit dem Altertum berühmte Fangplätze 
sind Kerassunt, Sinope und der Bosporus. — Gross ist ferner 



k 



111. n.\S WIKTSCHAFTSLERI'.N. 



der Reichtum des Meeres an Krustentieren (Hummerm 
Krabben) und Muscheln (Austern, Miesmuscheln u, a.)- 

Verschiedene Seefischarten geniessen bestimmte, nach 
den Monaten ivechselnde Schonzeiten; auch wird die See- 
fischerei zur Besteuerung herangezogen, neben geringeren 
persönlichen Abgaben der Fischer werden von den zu Markt 
gebrachten Seefischen 21 pCt, vom Verkaufswert erhoben. 

Einen besonderen Erwerbszweig bildet die Schwamm- 
fischerei, die von den Bewohnern einiger Inseln, wie Symi, 
Kalymnos, Halki, Kasteilorizo, Rhodos, und des festländischen 
Hafens Budrum geradezu monopolisiert worden ist. Sie er- 
fordert eine ganz besondere Ausrüstung der Fangfahrzeuge und 
eine spezielle Schulung der Mannschaft, die nur in langer Übung 
erreicht werden kann. Die kleinen, mit 4 bis 20 Mann be- 
setzten Boote werden von Patronen ausgerüstet, die ihrerseits 
wieder durch Beanspruchung von Vorschüssen in der Ab- 
hängigkeit der Schwammhändler stehen. Die meisten Fahr- 
zeuge arbeiten jetzt mit Hülfe von Taucherapparaten {Ska- 
phander), doch beschäftigen viele kleinere Unternehmer aber 
immer noch nackte Taucher, die sich mit einem Stein be- 
schwert in die Tiefe hinablassen und auf dem Meeresgrunde 
bis zu 2 Minuten verweilen. Unglücksfälle, wobei der Tod 
durch Ersticken oder durch Haifische herbeigeführt wird, 
sind in dem harten Gewerbe häufig. Die Raubfischerei mit 
dem Scharrnetz, durch das die Schwammgründe schwer ge- 
schädigt werden, ist jetzt von der Regierung verboten worden. 
Die Schwammfischerei wird in der Kleinen und Grossen 
Syrte, an den Küsten von Syrien, Karamanien, Kreta und 
Cypern sowie zwischen den Inseln des Archipels betrieben. 
Im Jahre 1S99 wurden über Smyrna 213393 ^S Schwämme 
im Werte von 748 290 Mark zum Versand gebracht. 

Industrie und Gewerbe. Wie schon eingangs ausgeführt, 
befindet sich die industrielle Bethätigung Kleinasiens noch in 
den ersten Stadien der Entwickelung, und nur wenige Zweige 



1 



INDUSTRIE L'ND GEWP:RBP;. — MÜLLERRi. §7 

haben eiae über die primitivsten Anfänge hinausreichende 
Förderung erfahren. Die Gründe hierfür sind darin zu 
suchen, dass einerseits die anatolische Bevölkerung fast aus- 
schliesslich sich dem landwirtschaftlichen Betriebe zuwendet 
und dass andererseits die Zollschranken zwischen den einzelnen 
Provinzen ganz ausserordentlich erschwerend auf die Ent- 
faltung und Lebensfähigkeit der einheimischen Industrie ein- 
wirken. Alle in einer türkischen Provinz hergestellten Waren 
unterliegen bei der Überführung in eine andere Provinz einem 
Binnenzoll von 8 pCt., während die aus dem Auslande in das 
türkische Reich eingeführten Waren gleichfalls nur einen 
einmaligen Eingangszoll von 8 pCl. zu erlegen haben und bei 
der Weiterversendung in die Provinz von allen weiteren 
Lasten befreit sind. Manchen industriellen Unternehmungen 
gelungen, auf dem Wege einer Konzession völlige 
.bgabenfreiheil für ihre Fabrikate zu erlangen; aber diese 
Konzessionen werden gewöhnlich nur für wenige Jahre er- 
teilt, und ihre Erneuerung ist mit sehr erheblichen Unkosten 
(Bakschisch) verknüpft. So finden denn alle derartige An- 
lagen nur ein beschränktes Absatzgebiet und haben sich 
iner mächtigen Auslandskonkurrenz zu erwehren, der gegen- 
iber sie nur schwer stand zu halten vermögen. 

Weitverbreitet sind dagegen die kleineu gewerbUchen 
Betriebe, die mit der Landwirtschaft auf das Engste ver- 
knüpft sind und für den allernächsien Lokalkonsum arbeiten. 
In erster Linie ist hier die Müllerei zu nennen. Wo ein 
Gewässer von den Bergen niederrauschc, da findet man 
sieber in der näheren oder weiteren Umgebung eines Dorfes 
ein oder mehrere niedere, kastenförmige Häuschen, aus 
Bruchsteinen rob erbaut, in der Thalrinne liegen. Gewöhnlich 
sind es oberschlächtige Wassermühlen, die gelegentlich auch 
durch ein einfaches Stauwerk die im Sommer leicht ver- 
^■«iegenden Wassermassen aufspeichern. Wo die Triebkraft 
^H^es Wassers fehlt, so an der Küste und auf den Hochflächen 



■Koi 

^ teilt 
(Ba 
lagi 

^nbe 



88 



. DAS WIRT.SCHAI'TSLKBKN, 



des Binnenlandes, wo jedoch fast stets eine lebhaftere Luft- 
zirkulation siattfiodet, werden Windmühlen benutzt. Auf 
Chios, Rhodos und anderen Inseln sind die Uferhöhen mit 
zahlreichen Bauten bedeckt, die aus der Ferne Wachtturmen 
ähneln, aber einem ungleich friedlicheren Zwecke dienen, 
Sie recken nicht wie die hollandischen Windmühlen ein ge- 
waltiges, weithin sichtbares Holzkreuz in die Luft, sondern 
die Triebwelle ist mit einem Strahlenbündel von Holzstäben 
versehen, zwischen denen als Windfänger Segelleine wand 
ausgespannt wird. Nur in der Nähe grosser Städte finden 
sich schon Mühleneinrichtungen mit Dampfbetrieb, wie auf 
Prinkipo bei Konstantinopel, in Ismid, Smyrna, Kenia i 
Adana. 

Manche andere mit der Landwirtschaft in naher B«h' 
Ziehung stehende Gewerbezweige sind bereits vorstehend an 
anderer Stelle genannt worden, so die Bereitung von ge- 
trocknetem Rindfleisch (Bastirma), die Seidengewinnung, die 
Weinkelterei und Schnapsbrennerei, die Ölbereitung aus 
Oliven u. a. — Die Verarbeitung von frischen Gemüsen zu 
Konserven findet fabrikmässig in Kartal am Golf von Ismid 
statt, wobei die nahe Hauptstadt ein gutes Absatzgebiet für 
die Produktion bildet. 

Die Holzindustrie steht in enger Abhängigkeit von 
dem grösseren oder geringeren Waldreichtum eines Ge- 
bietes. Manche Gegenden Kleinasiens verharren noch in der 
Gegenwart nahezu in einem eisenlosen Zeitalter; fast aller 
Hausrat ist aus Holz gefertigt, alle Bauten aus Holz auf- 
geführt, nur an wenigen Werkzeugen blinkt der wehrhafte 
Stahl. Ganz aus Holz sind auch die schwerfälligen, aber 
dauerhaften Wagen, deren aus einer vollen Holzscheibe ge- 
schnittenen Räder sich quieckend und schreiend um eine 
hölzerne Achse drehen. Die weiten Hochflächen des Innern 
sind schon seit dem Altertum holzarm; die Holzindustrie 
konnte sich daher nur in den waldreichen Küstengebirgen, 



HOLZINDISTRIK. — LKDKRlNUrSTKll': 



8H 



<äie vom Meere her leichter zugänghch sind, entwickehi. In 
den lykischen Bergea finden wir den eine eigenartige Sonder- 
stellung einnehmenden Stamm der Tachtadschi; sie sind, wie 
ihr Name sagt, „Hrettschneider". Zahlreiche Sägemühlen 
an der Süd- wie an der Nordküste der Haibinse! zerteilen 
die auf den Berghöhen gefällten und zu Thal geschleifter 
oder gelegentlich auch geflössten Stämme. Hier werden 
lach die Möbel, Eimer, Schüsseln, Becher und Löffel für 
Jen Hausbedarf geschnitzt. 

In allen Hafenplälzen wohnen einheimische Schiffsbau- 
heister, die irgendwo am Strande unter den einfachsten 
Verhältnissen eine Werft improvisieren, auf der sie brauch- 
lare Ruderboote (Kaiks) und seetüchtige Barken erbauen 
»der selbst gar für ein gedecktes Fahrzeug den Kiel strecken. 
tfit den gleichen Mitteln arbeitet die kaiserliche Werft in 
die für ihre Zwecke die herrlichen Waldungen um 
Pendek und Boli ausbeutet. 

Weit verbreitet über das ganze Bergland ist das Köhler- 
fewerbe, überall sieht man feine Rauchsäulen aus den 
RTäldern aufsteigen oder man trifft auf die kreisrunden 
len Flecke am Erdboden, die auf dort errichtet ge- 
Ifesene Meiler hindeuten; denn der Verbrauch an Holzkohle, 
auf Büffelwagen verfrachtet wird, ist in der Türkei 
isserordentlich gross. 

Neben den fertig geschnittenen Brettern und Latten von 
Nadelhölzern sind namentlich die Nussbaumstämme und 
-Stubben aus den pontischen Wäldern für den Export be- 
gehrt. 

Für die Lederindustrie bietet das Land mehrfache 
Vorbedingungen; denn die grossen Viehherden liefern an- 
sehnliche Mengen von Häuten, und die Wälder bieten als 
Gerbstoffe Eichen- und Tannenlohe wie auch die sehr gerb- 
stoffreichen Valioneen. Gefertigt werden aus den ver- 
schiedensten Ledersorten — darunter auch bunt gefärbtem 



90 



, DAS WIKTSCHAFTSLEBEN. 



Saffian — ■ alle Arten von Schuhwaren, von einfachen San- 
dalen und niederen weichen Pantoffeln bis zum hohen Reiter- 
stiefel, ferner Riemenzeug, Geschirr, Sättel, Taschen, Säbel- 
scheiden und andere Lederwaren. Zahlreiche Gerbereien 
befinden sich auf den Inseln Chios und Mytilene, in Smyrna, 
Aidin, Bergama, Uschak, Kjutahia, Siwas, Trapezunt und 
anderen Orten, während die türkische Heeresverwaltung eine 
staatliche Lederindustrie in Beikos am Bosporus ins Leben 
gerufen hat, die ausschliesslich für den He eres bedarf arbeitet. 
An Leder und Häuten gelangten aus den nach- 
stehenden Häfen und Provinzen zur Ausfuhr: 





Mark 


Jahr 




Mark Jahr 


Chios . , . 


■ 2 0400(" 


i8yy 


Siwiis-Wilaye 


. .-iS5 2«. tHo.) 


Aivali . . . 


. 836 Boo 


,899 


Angora . . 


■ 334300 1898 


Srayrra . . 


. 818500 


1899 


Mersina . . 


. 316600 1899 


TrapcEunt . 


. 691 300 


<S'}9 


Skala Nuova 


■ 112400 1899 


Mylilene , . 


607 ÖOO 


'8q7 


Rhodos . . 


3*5 000 .898 




Die Metallindustrie besitzt nur geringe Bedeutung, 
In Smyma und Trapezunt bestehen Eisengiessereien, die 
Handelseisen herstellen. Einen grossen Ruf im Lande ge- 
messen die Messerschmiede und Schwertfeger von Siwas; 
auch werden dort und in Trapezunt wie in anderen kleinerer» 
Städten dieser beiden Wilayets zierliche Arbeiten in Gold- 
und Süberfiligran ausgeführt. Kleine Werkstätten von 
Klempnern und Schlossern finden sich in allen grösseren 
Städten, von Grobschmieden auch auf dem Lande; die Huf- 
schmiede sind vielfach Zigeuner. Die kleinen geschlossenen, 
tellerartigen Hufeisen werden in neuerer Zeit mehrfach auch 
aus England und Belgien importiert. 

Die keramische Industrie hat ihr einstiges hohes 
Ansehen nahezu vollständig eingebüsst; die klassischen Formen 
der Thongefasse sind fast ganz verloren gegangen, und eine 
der H auptw er kst alten der Töpferei an den Dardanellen, von 
der Tschanak Kaie (Töpferschloss), die Hauptstadt des San- 





KERAMISCHE INDr.STRIR. — TEXTILINDUSTRIE. 



91 



djaks Bigha, ihren Namen führt, ist stark im Verfall, so dass 
bessere Stücke dort kaum noch hergestellt, sondern nur 
noch ordinäre Waren gefertigt werden. Für den lokalen 
Konsum in den einzelnen Provinzen sorgen kleine Töpfereien 
und Ziegeleien, die über das Land zerstreut sind, In Indjir- 
kiöi am Bosporus ist eine grosse Ziegelei nach europäischem 
Muster eingerichtet worden, die täglich 30000 Stück so- 
genannte Marseiller Ziegelsteine liefern kann. 

Manche Moscheen und Profanbauten besitzen noch einen 
kostbaren Schatz in den herrlichen Fayencen an ihren 
Wänden; diese sind meist in Kjutahia hergestellt worden, 
und „die alten Kjutahia -Fayencen werden heute von 
Sammlern und Museen fast mit Gold aufgewogen" (A. Körte). 
Die Kunst ist durch persische Meister aus dem Osten 
nach Kleinasien verpflanzt worden und hat in Kjutahia in 
alter Tradition sich bis zur Gegenwart im Schosse einiger 
weniger Familien erhalten. Von diesen werden im Klein- 
betriebe Krüge, Flaschen, Teller und Kacheln für ZJer- 
tischchen hergestellt, die sich zwar durch orientalischen 
Formenreichtum auszeichnen, jedoch gegen die alten Ar- 
beiten an Güte der Glasur etwas zurückstehen. 

Eine staatliche Porzellanfabrik besteht in Hereke, und 
in Pascha Bagtsche bei Konstantinopel ist eine Glasfabrik 
eingerichtet worden, die aber mit wechselndem Erfolg arbeitet. 

Die Meerschaumlager von Eskischehir haben eine be- 
scheidene Industrie ins Leben gerufen, die einfache Cigaretten- 
spitzen und Pfeifenköpfe ausschliesslich für den einheimischen 
Bedarf fertigt. 

Unter allen Industriezweigen nimmt im Orient seit alters 
her die Textilindustrie eine bevorzugte Stellung ein, und 
wenn auch billige europäische Fabrikate in Mengen auf den 
Markt gebracht werden, so können sie bei dem konser- 
vativen Sinn des Orientalen doch nicht die heimische Pro- 
dukt ion erdrücken. Diese liegt in den Händen der Frauen 



92 



II], DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



und Mädchen, die mit unendlicher Geduld und Hingabe für 
ihr Werk die von der eigenen Herde, vom eigenen Felde 
gewonnene Gespinstfaser in altüberlieferter Tradition, doch 
in einem steten Wechsel der Formen und Muster als Aus- 
druck persönlicher Empfindung und persönlichen Geschmacks 
zu schönen, kunstvollen und dabei dauerhaften Stücken 
zusammenfugen. Weberei, Wirkerei, Knüpfarbeit undStickereJ 
sind die wichtigsten Elemente dieser Industrie, 

Voran steht die Teppicherzeugung, die in neuerer 
Zeit, wenn auch ausschliesslich als Hausindustrie betrieben, 
zu einem wichtigen Erwerbszweige geworden ist, der in der 
Ausfuhrstatistik verschiedener Provinzen eine hervorragende 
Stellung einnimmt. Auch hier ist ein gewisser Rückschritt 
gegen frühere Leistungen nicht zu verkennen, aber dieser 
ist zum nicht geringen Teil veranlasst durch die rasch ge- 
steigerte Bedarfsfrage der Gegenwart, die den Arbeiterinnen 
nicht gestattet, eine so feine, gleich massige, aber deshalb 
eben ausserordentlich zeitraubende Arbeit zu verrichten und 
Leistungen hervorzubringen, die heute unerreicht dastehen. 
Durch die Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 wurde die 
Aufmerksamkeit Europas nach langer Zeit wieder auf die 
farbenprächtigen Teppiche des Orients gelenkt, und seitdem 
hat die Teppich fabrikation für den Export eine rasche Aus- 
dehnung gewonnen, eine Bewegung, die heute noch keines- 
wegs zum Abschluss gekommen ist, zumal gerade in der 
Gegenwart die technische Fertigkeit der Knüpfarbeit in 
manchen Landschaften erst eingeführt wird, um der armen 
Landbevölkerung einen lohnenden Nebenerwerb zu schaffen. 

Aber auch noch in einer anderen Richtung, nicht nur 
hinsichtlich der Vergröberung der Arbeit, drohte der euro- 
päische Einfluss eine verhängnisvolle Wirkung auszuüben. 
Man hatte die billigen, leicht zu handhabenden Anilinfarben 
kennen gelernt und sie schnell eingeführt. Glücklicherweise 
ist hier eine kräftige Reaktion nicht allzu lange ausgeblieben 



A 



TRPPICHERZKl'(;rN(;. 



' hütei 
Hbem 

i im : 



die Färber veranlasst, wieder zu den alten, be- 
vegetabilischen Farbstoffen zurückzukehren, die in 
gewissen, unvergleichlich schonen Abtönungen streng ge- 
hütetes Geheimnis einzelner Färberfamilien geblieben sind. 
Wenn auch die Teppich fabrikation fast über die ganze 
[albinsei verbreitet ist, so bilden doch Gördis, Kula und 
temirdji im Sandjak Sarukhan (Wüayei Smyrna) und Uschak 
Sandjak Kjutahia (Wilayet Brussa) einen westlichen, 
Kirschehir und Kaisarie im Wilayet Angora einen östUchen 
I^^Brennpunkt dieser Industrie. Keine der Städte macht äusser- 
^HEch den Eindruck eines Fabrikortes, und doch sind dort fast 
^^Baus bei Haus emsige Hände an der Arbeit, um den be- 
^B|>ebrten Artikel zu fertigen. Bei der anatoüschen Teppich- 
erzeugung ist eine zweifache Technik zu unterscheiden: 
Knüpfarbeit und Wirkarbeit. Letztere liefert die KÜim und 

I^umakh genannten Arten ; die weitaus meisten kleinasiatischen 
Veppiche, darunter auch die sogenannten Smyrna- Teppiche, 
lind durch Knüpfarbeit hergestellt. 
• In Uschak, das unter den westlichen Plätzen die stärkste 
Produktion aufweist, werden die sogenannten Sofrali gefertigt, 
grössere Stücke, deren Kette und Schuss aus der Wolle der 
|fettschwanzschafe besteht; sie sind gewöhnlich in fünf Farben: 
, grün, gelb, orange auf dunkel getöntem Grunde gehalten 
lud haben ihren Namen von der Rosette in der Mitte, die den 
Hatz für den Tisch (sofra) bezeichnen sollte. Die Sirali ge- 
tnnten Teppiche sind dagegen gestreift, wobei die Farben vio- 
ktt, schwarz, grün, rot, gelb und weiss mit einander wechseln. 
Gördis ist berühmt wegen seiner herrlichen alten Gebet- 
ppiche, aber auch die modernen Sedjades, die eine Grösse 
1,50 bis 2 m X ii^o m besitzen, zeichnen sich durch ein 
aehr dichtes Gewebe aus und sind den persischen Teppichen 
ähnlich. Die Kette ist aus Baumwolle, der Schuss aus ge- 

CiafwüUe; die Zeichnung weist einen reichen Wechsel 
s auf. Ahnlich sind die Teppiche von Demirdji 



94 



III. DAS WIRTSCHAFTSLEBEN. 



hergestellt, während Kula neben Sedjades auch Teppiche in 
den grössten Ausmassen liefert; die Kette ist hier aus Hanf 
gefertigt. Im allgemeinen gelten die Erzeugnisse der Provinz 
Sarukhan als besser und dauerhafter und sind daher auch 
teuerer als die Usc hak -Fabrikate. 

Von den Turkmenen im Wilayet Brussa und im Sandjak 
Bigha werden geschorene Teppiche, die Düscheme und 
Yürük, aus mit Ziegenhaaren vermischter Schafwolle herge- 
stellt; sie sind äusserst dauerhaft und von glänzendem Äussern. 

Die Produktion des Ostens lässt sich in vier Hauptgruppen 
teilen: 

I. Die Kirschehir-Teppiche, die in dieser Stadt und 
im' Nachbarorte Mandjur erzeugt werden. Die Industrie soll 
hier durch persische Gefangene eingeführt worden sein, jeden- 
falls lehnen sich diese Teppiche in Technik und Zeichnung 
eng an die persischen an, sind aber dicker im Gewebe. Zu 
ihrer Herstellung wird gewöhnlich reine Wolle benutzt, seltener 
wird dieser Baumwolle oder Angorawolle (Mohair) beigemischt; 
im letzteren Falle erhöht sich ihr Preis um etwa das Doppelte. 
Gefertigt werden Gebetteppiche (Sedjades oder Namaslik), 
etwa 1 X 2 ui gross, Yanhali, gegen 4V3 m lang und i'/^ m 
breit, die als Divandecken dienen, Yastik, kleinere Stücke 
zum Beziehen von Polst er kissen, und Hebe oder Satteltaschen, 
die in Europa auch unter dem Namen ,, Kameltaschen'- gehen 
und zum Beziehen von Sophas benutzt werden. 

a. Die Kurden -Teppiche, die von den auf den 
Hochflächen der Haimaneh und des Sandjaks Kaisarie 
nomadisierenden Kurdenstämmen gefertigt werden. Ihre 
Oberfläche ist uneben und unregelmässig; das gleiche Muster 
ist selten öfter als drei- oder viermal wiederholt, aus- 
genommen im Rande, der viel breiter und wirkungsvoller 
als bei den Kirschehir-Teppichen ist. 

3, Die Kilims werden gleichfalls von den Kurden her- 
gestellt. Die Zeichnung entsteht beim Wirken dadurch, dass 



J 



TEPPICHKRZKUCrNG. - WEBEREI. 



95 



: Reihe ausgelassen wird, während die Farbe wechselt. 
Die Art der Wirkarbelt verursacht, dass das Muster dieser 
Teppiche aus geraden Linien besieht, die hautTg im rechten 
Winkel gebrochen sind; dabei ordnet sich die Zeichnung 
symmetrisch um die Mittelhnie. 

4. Die Djidjims unterscheiden sich von den vorigen 
dadurch, dass ihre Fläche mit teils einfarbigen, teils in der 
Farbe wechselnden Mustern bestickt ist; häufig sind auch im 
Zickzack verlaufende Längslinien als Ornament angebracht. 

I Stücke sind a^,, bis 3'/2 m lang und etwa V:t n" breit. 
finden als Fenster- oder Thürvorhange Verwendung. 
Im Jahre 1899 gelangten Teppiche zur Ausfuhr 
ber Smyrna für 6 141 400 Mark 
IIS dem Wilayet Angora (1898) . „ 2448000 „ 
„ „ „ Siwas .... „ 261 600 „ 
, „ ., Adana .... „ 115000 „ 
Die Gesamtausfuhr dürfte 9 Millionen Mark reichlich Über- 
gen, Die Hauptausfuhrländer sind England, Frankreich, 
Vereinigten Staaten von Nordamerika, Österreich-Ungarn 
und Deutschland. 

Ganz allgemein verbreitet ist die Weberei, welche die 
verschiedenartigsten Stoffe für die Bekleidung und den Haus- 
halt anfertigt, nur die Faser wechselt je nach der Produktion 
der einzelnen Landstriche; Baumwolle, Schafwolle, Ziegenhaar, 
Mohair, Seide, Hanf oder Flachs gelangen zur Verarbeitung. 
Das Spinnen des Garns ist gewöhnlich Sache der Frauen, 
der einfache Webstuhl wird dagegen stets von Männern 
bedient, denen auch das Färben des Games obliegt. 

Die Leinenindustrie ist besonders im Norden verbreitet, 
so im Sandjak Ismid und um Rise im Wilayet Trapezunt, das 
im Jahre igoo für etwa i Million Mark Leinwand zur Aus- 
fuhr brachte. 

Die Seidenweberei hat ihren Mittelpunkt in Brussa, 
>en Fabrikate einen grossen Ruf geniessen; hier werden 



9t; 



III. DA.S wmTSCHAFTSLEBP:N. 



reinseidene Stoffe (sogenannte Brussaseide), Bänder, Schnüre, 
Troddeln und Litzen in verschiedenen Farben hergestellt, 
aber auch in geschmackvoller Weise die Seide mit anderen 
Gespinstfasern, mit Baumwolle und Flachs, oder auch mit 
Gold- oder Silberfäden verwoben. Biledjik liefert namentlich 
Seidensammete, in anderen Orten dieser Gegend werden ganz 
feine, durchsichtige Seidenstoffe erzeugt. Die kaiserliche 
Manufaktur inHerelve fertigt prächtige seidene Möbelstoffe, die 
aber um etwa 20 Prozent teurer als die gleichen europäischen 
Fabrikate verkauft werden. Die Jahresproduktion beträgt 
über eine halbe Million Mark; davon kommt nur gegen ein 
Fünftel in den öffentlichen Handel, der Rest dient privaten 
Zwecken des Grossherrn. 

In den Binnenprovinzen wird vorwiegend Wolle zu dauer- 
haften Geweben verarbeitet, während in den randlichen Land- 
schaften mehr die Baum Wollweberei vorherrscht, die be- 
sonders buntgestreifte Gewebe erzeugt. Das Garn wird im 
Hausbetrieb gesponnen oder auch — vorzugsweise aus Eng- 
land — eingeführt; in Smyrna, Adana und Tarsus bestehen 
europäisch eingerichtete Spinnereien mit je 5000 bis 6000 
Spindeln, deren jede 500 bis 600 Arbeiter, Männer und 
Frauen, beschäftigt und die gröberen Garnnummern herstellt. 
Die beiden ersteren sind mit Dampfbetrieb, die letztere wird 
durch die Wasserkraft des Tarsus Tschai betrieben. 

Die Verarbeitung von Mohair ist sehr zurückgegangen; 
jetzt bestehen nur noch einige Webereien in Istanos und Tosia. 
Dagegen werden in manchen Gegenden stärkere und dünnere 
Filze hergestellt, die oft mit schönen Goldstickereien geziert 
werden. Die Strumpfwirkerei wird namentlich in den 
Wilayets Siwas und Angora rege betrieben. In Karamursal 
am Südrande des Golfes von Ismid ist eine von Engländern 
geleitete Tuch- und Fezfabrik errichtet worden, die dch 
eines guten Absatzes bei der türkischen Bevölkerung erfreut. 





IV. Der Verkehr. 



Landverkehr. In einem Lande, dessen Bewohner den 
Wert der Zeit noch nicht einzuschätzen gelernt hatten, konnte 
der Verkehr sich lange Zeit der einfachsten Mittel bedienen. 
Jahrhunderte hindurch begnügte man sich, die Erzeugnisse 
des Bodens und des heimischen Gewerbefleisses in mühe- 
vollem, zeitraubendem Transport auf dem Rücken von Last- 
tieren zur Küste zu verfrachten und jn gleicher Weise von 
dort die über See gekommenen Bedarfsartikel, die Kleinasien 
nicht selbst hervorzubringen vermochte, in das Land hinein- 
zuführen. Erst die jüngste Zeit bahnte eine tiefgreifende 
Umwälzung an. 

Die bevorzugten Transporttiere sind seit Alters Maul- 
tiere und Kamele, die, zu grösseren oder kleineren Karawanen- 
zügen vereinigt, den Frachtverkehr auf weite Strecken hrn 
vermitteln, während Pferd und Esel vorwiegend dem Nah- 
verkehr dienen.*) Weniger allgemein blieb die Benutzung' 
von Wagen, plumpen, aber dauerhaften Fahrzeugen, die mit 
Rindern oder Büffeln bespannt und namentlich zum Trans- 
port von Getreide, Holz und Holzkohlen benutzt werden, 
aber in Rücksicht auf die schlechten Wege nur eine be- 
schränkte Verwendung finden können. 

Den Verkehrswegen ist in Kleinasien mit grösserer 
De utlichkeit als in vielen anderen Ländern die Richtung 

^*| Näheres über die Trnnsporltiere un.l deren Leistungen s. S, sft— 30. 



98 



[V. DER VERKEHR. 



durch die Bodenplaslik gewiesen. Alle grossen Strass« 
züge sind in longitudinaler Richtung von West nach Ost g^ 
richtet, und nur selten zwängt sich ein — in den seltensteol 
Fällen fahrbarer — Weg in meridionalem Sinne durch die 
hoch aufgerichteten Faltenzüge, die den Kern des Landes vom 
Küstensaum scheiden. Steil steigen am I'ontus die Gebirge 
über dem Meeresstrande auf, und am Südrande zieht der i 
gewaltige Wall des Taurus verkehrsfeindlich dicht am Meere 1 
hin. Nur wenige Passiibergänge ermöglichen eine Verbin-'j^ 
düng der Küste mit dem Innern, und auch diese werden all>^ 
jährlich Monate hindurch durch hohe Schneemassen gesperrt 
Nur die westliche Abdachung der Halbinsel öffnet in den ' 
breiten, zur Agäis niedersteigenden Flussthälern des Mäander, 
Cayster und Hermus dem Verkehr gastliche Pforten. Ohne 
grosse Mühe ersteigen hier die Strassen von der hafenreichcR ■ 
Küste her die binnenländische Hochtafel. fl 

Die alte Poststrasse der persischen Grosskönige, welclu» 
die Brennpunkte ihres Machtbereiches im Westen und Osten, 
Sardes mit Susa, verknüpfte und durch zahlreiche Relais- 
stationen eine ausserordentlich schnelle Beförderung ermög- 
lichte, stieg im Hermusiiiale aufwärts, erreichte das Binnen- j 
hochland zu Synnada und zog von hier in einem nach Nor^ 
den ausholenden Bogen über Pessinus, Gordium und Ancyra.l 
dem heutigen Angora, nach Comana Pontica, wo sie sich 
nach Südosten wendete, um in der Nähe der Halysquellen 
die Bergketten des Antitaurus zu überschreiten. Die öde, 
von räuberischen Nomadenstämmen bewohnte Lykaomsche 
Senke wurde vom Verkehr gemieden, die Strassen führten 
entweder im Norden, wie die Persers trasse, oder im Süden 
über Iconium um dieses Gebiet herum; bei Benutzung der 
letzteren, die besonders dem Verkehr mit Syrien diente, 
musste aber der Taurus in dem schwierigen Passübergange 
der Pylae Cüiciae überschritten werden. 

Unter den römischen Kaisern wurde das Land mit etnei 



VERKF.HRSWECE. 



dichten Net^ gepflasterter Fahrstrassen überspannt, deren 
Spuren noch in der Gegenwart an vielen Stellen nachgewiesen 
werden können, und die Flussübergänge wurden durch Brücken 
aus wuchtigen Quadersteinen gesichert. Als die Zügel der 
Macht den Uänden der entarteten Byzantiner zu entgleiten 
begannen, da wuchs die Unsicherheit im Lande, und die nicht 
geschützten und nicht gebesserten Strassen waren allmäh- 
lichem Verfall ausgesetzt, dem erst die kräftige Herrschaft 
der Seldschukenkaiser entgegentreten konnte. In dieser 
glanzreichen Zeit erwachte das von schweren Kriegsnöten 
heimgesuchte Land zu neuem Leben, Handel und Wandel 
-regten sich, eine eigene Kunst konnte sich entfalten. Per- 
Kische Haumeister wurden in das Land gerufen, sie schufen 
picht nur prächtige Sultanspaläste, sondern erbauten breite 
^Strassen, hochgewölbte Brücken und geräumige Karawan- 
elen als Stützpunkte des Verkehrs. 

Die folgenden Jahrhunderte zehrten vom kulturellen 
)e der Seldschuken, doch die lebende Generation darf 
l^ch rühmen, einen keineswegs gering zu veranschlagenden 
Anteil an dem Wiederausbau des kleinasiatischen Strassen- 
netzes genommen zu haben. Ist dieses auch nicht nach einem 
einheitlichen grossen Plane entworfen, und weisen seine ein- 
zelnen Teile erhebliche Unterschiede in dem Geschick der 
Anlage und der Sorgfalt der Ausführung auf, so muss doch 
anerkannt werden, dass hier in den letzten Jahrzehnten an 
vielen Punkten ein ansehnlich Stück Kulturarbeit geleistet 
worden Ist, Es giebt unter den türkischen Verwaltungs- 
beamten in den Provinzen nicht wenige, die von einem ehr- 
lichen Eifer beseelt sind, Wohlfahrt und Bildung in ihrem 
Bezirk mit allen verfügbaren Mitteln zu heben. Sie bauen 
Schulen und Strassen, graben Brunnen, legen Pflanzungen an 
und wachen streng über die Sicherheit für Gut und Leben; 
ae sind der Typus des unverdorbenen, ehrlichen Türken, 
r frei von religiösem Fanatismus ist, aber ernst den Satzungen 



100 



IV. DKR VKKKKHK. 



des Koran folgt und den Weg des Rechtes geht, unbeirrt, 
ob seine Thaten vor dem Throne laut gepriesen werden, 
oder ob tückische Intrigue ihn von seinem Posten drängt. 
Solche Männer sind nicht gar so selten in der Türkei, aber 
leider verwischt oft ein unwürdiger Nachfolger die Spuren 
seines Vorgängers im Amte; er lasst das begonnene Werk 
liegen und giebt es dem Verfall preis. So wird manchmal 
die Wohlthat zum Unsegen für das Land; die Schmelzwasser 
des Frühjahrs, die über den alten Naturweg machtlos hin- 
weg geglitten waren, zernagen jetzt die aufgeschüttete Kunst- 
strasse und zerteilen sie in zusammenhanglose Bruchstücke, 
die nun zu einem schwer zu überwindenden Verkehrshindernis 
werden, statt dem Verkehr zu dienen. 

Neben den Strassen, die von den Häfen am Ägäischen 
Meer, besonders von Smyrna aus, zum anatolischen Hoch- 
lande aufsteigen, haben namentlich zwei grosse Landstrassen, 
die am Bosporus zusammenliefen, lange Zeit hindurch eine 
besondere Wichtigkeit besessen: die Strassen nach Bagdad 
und Damaskus. Die erstere lief am Südrande der Rithyni- 
schen Halbinsel über Ismid, trat dann in die Senke von BoU- 
Gerede ein und führte über Tossia, Amasia und Tokad nach 
Siwas. von wo sie über den Antitaurus nach Malatia und 
schliesslich nach Mesopotamien niederstieg; eine südlichere 
Variante dieser Strasse ging über Taraklü-Beibasar- Angora- 
Yüsgad-Siwas. Die Strasse nach Damaskus zweigte sich von 
der ersteren schon wenige Meilen von Skutari ab, überschritt 
den Golf von Ismid an seiner schmälsten Stelle bei Dil 
Iskelessi und führte über Isnik (Nicaea), Biledjik, Jnönü, 
Kjutahia, Afiun Karahissar, Konia durch die Kilikischen Thore 
über den Tauriis nach Tarsus und von Iskanderun auf dem 
Beilanpass über den Amanus in das Orontesthal. Diesem 
Strassenzuge folgt heute auf eine lange Strecke der Südarm 
der Anatolischen Eisenbahn. Eine dritte grosse Verkehrs- 
ader führt von Trapezunt über Baiburt — Erserum — Bayasid 




VERKEHRSWEGE. — FAHRBARE VERBINDUNGEN. IQl 

zur persischen Grenze (594 km), sie soll als Chaussee fahrbar 
sein und wird im Jahre von etwa 50000 Reisenden begangen. 

Von den für den Verkehr wichtigen, meist fahrbaren 
Verbindungen seien noch folgende genannt: 

Im Wilayet Brussa: 

1. Brussa Mudania. 

2. „ — Gemlik. 

3. „ — Mihalitsch — Panderma — Balikesri - 
Edremid. 

4. Brussa -Adranos. 

5. „ — Biledjik. 

6. „ — Amegöl - Basardjik — Bosüyük — Jnönü — 
Kjutahia — Gedis — Uschak. 

7. Afiun Karahissar — Sandykly — Diner. 
Im Wilayet Smyrna: 

1. Smyrna — Burnabad — Magnesia. 

2. „ — Nif — Kassaba. 

3. „ — Tscheschme. 

4. Dikili — Magnesia. 

5. Menemen — Bergama. 

6. Salihli — Demirdji. 

7. Alaschehir — Eschme. 
Im Wilayet Konia: 

1. Konia — Afiun Karahissar. 

2. „ — Eregli — Gülek Boghas (Kilikische 
Thore) — Tarsus. 

3. Konia — Karaman — Selef ke. 

4. „ — Beischehir — Adalia. 

5. „ — Akserai — Newschehir — Kaisarie. 
Im Wilayet Angora: 

1 . Angora — Beibasar — Nallühan — Torbaly. 

2. „ — Kirschehir — Kaisarie. 

3. „ — Yüsgad — Siwas. 

4. „ — Sungurlu — Tschorum. 



102 IV. DER VERKEHR. 

5, Yüsgad — Kaisarie. 

6. Kaisarie — Nigde. 

Im Wilayet Kastamuni: 

1 . Kastamuni — Taschköprü. 

2. „ — Ineboli. 

3. „ — Tossia. 

4. „ — Djidde. 

5. „ — Kiangri. 

6. „ — Dadai — Aflani- Bartin. 

7. Boli — Düsdje — Akdje. 

8. Safranboli — Bartin — Amasra. 

9. Sinope — Boyabad. 
10. Boyabad —Amasia. 

Im Wilayet Siwas: 

1 . Siwas — Tokad — Amasia — Samsun. 

2. „ — Kharput. 

3. „ —Kaisarie. 

4. „ — Ordu. 

5. Tokad — Niksar — Unie. 

6. Karahissar — Kerassun t. 
Im Wilayet Trapezunt: 

1 . Trapezunt — Baiburt — Erserum — Bayasid. 

2. bis 5. Die Schlussstrecken der bei Siwas ge- 
nannten Strassen i, 4 bis 6, 

6. Samsun — Bafra. 
Im Wilayet Adana: 

1. Mersina — Tarsus — Adana. 

2 . Adana — Missis — Sis — Hadschin — Kaisarie. 

3. Mersina — Selefke (längs der Küste). 

4. Tarsus — Gülek Boghas, von w^o die Strassen nach 
Kaisarie, Nigde und Konia ausstrahlen. 

Wie in vielen erst in jüngerer Zeit dem Verkehr er- 
schlossenen Ländern hat die Entwickelung der Verkehrs- 
verhältnisse sich nicht stetig entwickeln können, sondern be- 



EISENBAHNEN. 



103 



das Gebiet sich mit einem gut ausgebildeten Netz von 
fahrbaren Strassen überziehen konnte, wurde schon ein 
neues, vervollkommnetes Verkehrsmittel eingeführt: die 
Eisenbahn. Die ersten Anfänge des Eisenbahn bau es rei- 
chen bis in das Jahr i S56 zurück, die Zeit des Krimkrieges, 
durch den England grossen politischen wie wirtschaftlichen 
Einfluss in der Türkei gewann. So waren es denn zunächst 
englische Gesellschaften, dte den Bau von drei Eisenbahn- 
h'nien auf der Halbinsel in Angriff nahmen, erst später trat 
franzosisches Kapital auf den Plan, und schliesslich war es 
dem deutschen Unternehmungsgeist vorbehalten, den Bau 
der wichtigsten Bahnlinien auszuführen. 

Das anatolische Eisenbahnnetz umfasst gegenwärtig fül- 
lende Linien: 

. Ottoman Smyrna and ATdin Railway Company. 
'Die Gesellschaft erhielt am 23. September 1856 die Kon- 
zession für den Bau der Linie Smyrna— ATdin, 130 km, die 
aber erst im Jahre 1S66 dem Verkehr übergeben werden 
konnte; 1879 wurde die Weiterführung der Linie bis Sarai- 
kiöi, 232 km, und die Seitenlinie Torbaly^Tire, 48 km, und 
18S8 der Ausbau der Bahn bis Diner, 376,5 km, sowie ver- 
schiedene Zweiglinien konzessioniert. Der Bau war im Sep- 
tember i8go vollendet. Die Konzession läuft bis zum Jahre 
1935, zu welchem Termin dem türkischen Staate das Rück- 
kaufsrecht zusteht. — Das Schienennetz besitzt jetzt folgende 
Ausdehnung: 

Hauptlinie Smyrna — Aidin — Diner . 

k Zweiglinie Paradis — Budja .... 
„ Kasamir — Seidykiöi . . 

„ Torbalü -Tire — Ödemisch . 

„ Baladjik — Sokia . . . 

„ Gondjeli — Denislü . , 

„ Sütledj — Tschivril . . 

l_ 



3;6,5 km 

2,4 .. 

1.6 , 

61,0 „ 

22.5 » 
9.6 , 

30.6 . 



IV. DER VERKEHR. 



Die Hauptlinie ■ 
den befahren. 



■ird - 



I den Personenzügen in lo Stun- 



2. Societe du Chemin de fer Ottoman Smyrne- 
Cassaba et Prolongements. Die Konzession für den Bau 

einer Eisenbahn von Smyrna nach Kassaba im Hermusthal 
wurde am 4. Juli 1S63 einer englischen Gesellschaft erteilt 
und bald darauf bis Alaschehir erweitert. Ferner wurden 
18S7 die Anschlussliuien Magnesia — Soma und Alaschehir — 
Uschak konzessioniert. Nachdem die Aktien und die Lei- 
tung dieser Bahn in französische Hände übergegangen waren, 
wurde die Hauptlinie zufolge der Konzession vom 22. Fe- 
bruar 1S93 im Jahre liSgö über Uschak hinaus bis Afiun 
Karahissar ausgebaut, — Die Linien dieser Gesellschaft um- 
fassen hiernach: 



Hauptlinie Smyrna — Kassaba— Uschak— 

Afiun Karahissar . . . 

Zweiglinie Smyrna — Burnabad . . . 

Magnesia -Soma .... 



msgesamt . 



> km. 



Personenzüge brauchen für die Strecke Smyrna- Ust 
(287 km) 1 2 ^4 Stunden, für die Strecke Uschak^ Afiun Kara- 
hissar (133 km) 5 Vi Stunden, die Reisenden müssen daher 
stets in Uschak übernachten; in Afiun Karahissar finden sie 
Anschluss an die Züge der Anatolischen Eisenbahn, 

2a. Die Linie Mudania — Brussa befindet sich jetzt im 
Besitz der gleichen Gesellschaft; sie wurde im Jahre 18S1 
durch die türkische Regierung als Schmalspurbahn (1,1 m) 
von 42 km Länge gebaut. Die Bahn blieb unbenutzt liegen 
und ging i8yi in den Besitz der genannten Finanzgruppe 
über, die jetzt die Konzession zur Weiterführung der Linie 
von Brussa über ATnegöl nach Tschitli erstrebt. — Fahrzeit 



^cbj^l 



: Vi Stunden. 



i 



KISENBAHNHN. 105 

^3. Compaguie du Chemin de l'er Mersi na— Tarsus— 
Adana. Die Konzession dieser Linie wurde iSS,i einer 
vorwiegend englischen Gesellschaft erteilt, die den He- 
trieb auf der nur 67 km langen, vollspurigen Eisenbahn 
im August 1886 eröffnete, — Die Fahrzeit betragt etwa 
2 Vs Stunden. 

4. Anatolische Eisenbahn - Gesellschaft (Socicie 
du Chemin de fer Ottoman dAnatolie), In der Absicht, ein 
grosses, die asiatische Türkei umspannendes EJsenbahnncts 
zu schaffen, hatte die ottomanische Regierung im Jahre 1871 
den Bau der Linie Haidar Pascha— fsmid (91,3 kml begonnen 
und diese Strecke am 1. August 1873 dem Verkehr über- 
geben. Zuerst vom Staate verwaltet, wurde die Bahn am 
27. März iSSo an eine Betriebsgesellschaft vermieiet. In- 
zwischen war das deutsche Kapital auf die Eisenbahnunter- 
nehmungen aufmerksam geworden, und durch Kaiserlichen 
Firman vom i. Oktober 188S wurde der Deutschen Bank 
der Betrieb der bestehenden Eisenbahn übertragen und die 
Konzession zur Weiterfiihrung dieser Linie über Eskischehir 
bis Angora (486 km) erteilt, Der Bau wurde am 11. Januar 
1889 begonnen und bis zum 31. Dezember 1892 vollendet. 
Nach diesem glänzenden Erfolg wurde der Gesellschaft am 
15. Februar 1893 die Konzession zum Bau der Anschluss- 
linien Angora- Kaisarie (410 km) und Eskischehir- Konia 
(434 km) erteilt und von dieser die letztere Strecke ausge- 
baut, die am 29. Juli 1896 dem Betrieb übergeben wurde. 
Schliesslich wurde das deutsche Werk gekrönt durch den 
Firman des Grossherrn vom 18. Januar 1902, welcher der 
deutschen Finanzgruppe die Konzession zur Weiter führung 
der Bahnlinie von Konia über Adana — Biredjik — Urfa — 
Mossul — Bagdad zum Persischen Meerbusen, eine Strecke von 
rund 2100 km, erteilte. Wenn auch der Ausführung des Baues 
vor der Hand noch mancherlei Schwierigkeiten finanzieller 
Natur entgegenstehen, so kann doch die bestimmte Erwartung 



10 



IV. IDER VF.KKEHK. 



ausgesprochen werden, dass dieses grosse Kulturwerk in 
absehbarer Zeit zur Vollendung gelangen wird. 

Der Bau der bereits vorhandenen Linien der deutschen 
Gesellschaft ist durch die Gewährung einer Kilometer- 
Garantie durch den türkischen Staat ermöglicht worden; 
diese Garantie beträgt für die Strecke Haidar Pascha — 
Ismid 10300 Fr,, für die übrigen Strecken 1 5 000 Fr. Brutto- 
Einnahroe pro Jahr und Kilometer, Sie wurde für die pro- 
jektierte Bagdad -Eisenbahn auf 15600 Fr. festgesetzt. 

In Betrieb befinden sich gegenwärtig folgende Streckens 
Hauptlinie Haidar Pascha — -Eskischehir 323,4 km 



Eskischehi 



Angora , 

Adabasar . 
Kjutahia 
insgesamt 



264,0 
4,-!3.7 " 



Zweig5inie Hamidie- 
Alayund 

1039,7 ^^■ 

Die Fahrzeit beträgt auf der Strecke Haidar Pascha" 
Eskischehir 13 i/.. Stunden, Eskischehir — Angora 9 Stunden 
und Eskischehir — Konia 15 Stunden. 

Fassen wir die seitens der verschiedenen Gesellschaften 
in Betrieb gesetzten Eisenbahnlinien zusammen, so erhalt« 
wir für Anatolien die nachstehende Summe: 

1. Smyrna — Ai'din-Eisenbahn . . 

2. Smyrna^ Kassaba-Eisenbahn . . 
2 a. Mudania — Brussa-Eisenbahn 

3. Mersina — Tarsus — Adana-Eisenbahn 



504,2 km 
520.0 „ 
42,0 „ 
67,0 „ 

4. Anatolische Eisenbahn '039i7 r> 

insgesamt . . 2172,9 km. 

Seeverkehr. Seit dem Altertum ist die Westküste der 

Halbinsel die vom Verkehr begünstigte gewesen, während 

das pontische Gestade und der Südrand unter der Ungunst 

der natürlichen Verhältnisse zu leiden hatten. Dort 



1 

ten 




SEEVERKEHR. — KÜSTENSCHIFFAHRT. 



107 






;hen und im Marmara-Meer eine Querküste mit zahlreichen 
Inseln und tief in das Land hineingreifenden Buchten, zu 
denen breite Flussthäler bequeme Zugangsstrassen bieten, 
hier zwei ausgedehnte Längsküsten, von schwer gangbaren 
Gebirgen begleitet, und beide nahezu hafenlos; diese Bedin- 
gungen geben leicht eine Erklärung, weshalb Smyrna und 
Konstantinopel zu den Brennpunkten des kleinasiatischen 
Verkehrs werden mussten, denen gegenüber Trapezunt an 
der Stelle, wo die grosse persische Karawanenstrasse das 
Meer erreicht, und Mersina am Fusse der Taurus- Übergänge 
rnur einen bescheidenen Rang einnehmen. 
I Die Küstenschiffahrt konnte sich am frühesten in 

der Agäis entfalten und hier die grösste Ausdehnung ge- 
winnen. Stets behielt der Schiffer Landraarken in Sicht, und 
die den ganzen Sommer hindurch wehenden Nordwinde 
sicherten einen regelmässigen Verkehr, während die hoch- 
bordigen Felsinseln einen sicheren LTnterschlupf vor den ge- 
fürchteten Südstürmen boten. In altüberlieferter Tradition 
ist der Seeverkehr an den Küsten Kleinasiens nahezu aus- 
schliesslich in den Händen der griechischen Bevölkerung 
gebh'eben, deren Sitze sich um das ganze anatolische Ge- 
stade ziehen und begreiflicherweise am Westrande die 
grösste Verdichtung finden. Dem Türken wird das Meer 
stets wesensfremd bleiben, dem Sohne der Steppe flösst es 
weder Furcht noch Liebe ein, während der Armenier da- 
gegen nur mit Zagen sein Leben dem schwanken Kiel an- 
vertraut. 

Neben den oft winzig kleinen Segelfahrzeugen, die unter 
kischer oder griechischer Flagge den Frachtverkehr zwi- 
schen den einzelnen Köstenplätzen vermitteln, fahren auch 
einheimische Dampfer regelmässige Linien oder fremde 
Dampfer laufen hier und dort einen Platz an, um Getreide, 
Holz, Kohlen oder Erz zu laden. Von den grossen Post- 
dampfern werden nur einige wichtige Punkte berührt. 



108 



IV. DER VERKEHR. 



Häfen. Nur Smyrna besitzt einen vollständig ausgebauten 
Hafen, Trapezunt und der Kohlenhafen Songuldagh sind 
gleichfalls durch Wellenbrecher geschützt, alle übrigen 
Küstenplätze haben mehr oder weniger offene Reeden und 
sind nur mit einfachen Ladebrücken, an denen die Lichter- 
fahrzeuge anlegen können, ausgestattet. Die wichtigen 
Küstenplätze*) sind: 

Häfen am Schwarzen Meer. 

Rise, Sürmene, Trapeziwt, Platana, Tireboü, Kerass\ 
Ordu, Fatisa, Ünie, Terme, Samsitii, SJnope, Ineboli, Djidt 
Amasra, Bartin, Songuldagh, Eregli, Indjirli, Kefkeöi 
Kirpe, Schile, 

Häfen am Marmara-Meer. 

Skutari, Kartal, Pendik, Ismid, Karamursal, 
Yalowa, Gemlik, Mudania, Panderma, Perama, Artaki, 
Marmara, Kara Biglia, Lampsaki, Tschanak Kaie (Dard: 
nellenj. 

Häfen am Agäischen Meer, 

Aktschai (Hafen für Edremid), ATwalük, Dikili, Phokia, 
Smyrna, Klazomenä (Hafen für Vurla), Tscheschme, Sigadjik, 
Scala Nuova, Kuluk (Hafen für Milas), Rudrum, Mar- 
maras, Makri. 

Inselhäfen des Archipels. 

Lemnos, Tenedos, Al.yiilene, Chios, Sanios, Pathmi 
Leros, Kalymnos, Kos, Rhodos, 

Häfen an der karamanischcn Küste. 

Kastellorizo, Kekova, Fineka-Bai, Adrasan, Adalia 
Alaya, Seünti, Chaladran, Anamur Kalessi, Kilindria, Tasch- 
Udja (Hafen für Selefke), Mersina, Yumurtalik, Castobal. 



\ 



*) Die von den Postdanipfern angelaufenen Häfen sind in ICursa 
stdtrifl, die von lokalen Dampferlinien reg-elmäsaig; angelaufenen PISt 
sind gesperrt gedruckt. 



DAMPrKULlNlFA', — POS']- l'ND TRI.EGRAl'U. 



lOi) 



Der Hafen von Smyrna hat nächst dem von KoQ- 
istantinopel den regsten Schiffsverkehr in der Levante; er 
l"wird von folgenden Dampferlinien regelmässig angelaufen: 

Deutsche: Deutsche Levante-Linie: A. C. de Frei- 
Itas & Co. 

Englische: Khedivial Mail Steamship & Graving Dock 
ICo.; Cunard-Line: Leyland-Line, Moss-Line; Papayanni-Line; 

■ Adam-Line; Talbot-Line; Cuppa Lambro Steamship Co. 
Französische: Messageries Maritimes; Faquet & Co. 
Griechische: Paaellinion; P, Pantaleon & Co. 
Italienische: Navigazione Generale Italiana. 
Niederländische: Königlich Niederländische Dampf- 

tchiffahrts- Gesellschaft. 

Osterreichische: Üsterreichisch-Ungarischer Lloyd. 

Ottomanische: Mahsuse-Co.; P. M. Kurdji; Hamidie- 
FCo. ; Hadji Daud Farku, 

Russische: Russische Dampfschi ffahrts- und Handels- 
r Gesellschaft. 

Das Schwarze Meer befahren folgende Dampferlinien, 
die regelmässig Trapezunt und zum Teil auch Kerassunt, 
^ Samsun und Ineboli anlaufen: 

Deutsche: Deutsche Levante-Linie. 

Französische: Messageries Maritimes; Paquet & Co. 

Griechische: PaneUinion. 

Italienische: Navigazione Generale Italiana. 

Osterreichische: Ost erreich! seh -Ungarischer Lloyd. 

Ottomanische: Mahsuse-Co.; P, M. Kurdji. 

Russische: Gagarin; Russische Dam pfschi ffahrts- und 
Handels-Gesellschaft. 

Post und Telegraph, In sämtlichen Verwaltungssitzen 
f befinden sich Post- und Telegraphenämter, deren Organisation 
Bin der letzten Zeit grosse Fortschritte gemacht hat. Die 

■ Postsendungen werden durch Dampfer oder Eisenbahn oder 
Kdurch reitende Postillone, denen eine Bedeckung beigegeben 



110 IV. DER VERKEHR. 

wird, befördert. Für die Benutzung des Telegraphen ist die 
türkische Sprache obligatorisch; nur eine beschränkte An- 
zahl von Amtern, meist in grossen Städten, nimmt auch Tele- 
gramme, die in einer fremden Schrift mit lateinischen Buch- 
staben geschrieben sind, zur Beförderung entgegen. Die 
Telegrammgebühr von Deutschland nach der Türkei beträgt 
45 Pfennig für das Wort von lo Buchstaben. 

In einzelnen Küstenplätzen sind ferner fremdstaatliche 
Postanstalten errichtet worden; Smyrna besitzt ein deutsches, 
ein englisches, ein französisches, ein österreichisches und ein 
russisches Postamt. 



V. Die Verwaltung. 



[Das hier betrachtete Gebiet umschliesst folgende Pro- 
:n und Bezirke: i. Die asiatischen Kasas des Wilayets 
der Hauptstadt Konstanänopely 2. das Sandjak Ismid, 3. das 
Wilayet Kkodawendikiar ^ 4. das Sandjak Bigka, 5. das 
Wilayet der Inselu des asiatischen Archipels, 6. das 
Wilayet A'idtn, 7. das Wilayet Konia, 8, das Wilayet Angora^ 
9. das Wilayet Kastamuni ^ 10, das Wilayet Tifabson 
(Trapesunt), 11. das Wilayet Äh'ßj, 12. das Wilayet ^(Ä7«a. 
Organisation der Verwaltung : Die W il ay e t s oder 
Provinzen sind in mehrere Sandjaks oder Regie rung;sbe?:irke 

Igeteüt, diese zerfallen in eine Anzahl von Kasas oder 
Kreisen, und von diesen letzteren sind häufig weitere be- 
sondere Unterbezirke (Nahies) abgegliedert. 
f An der Spitze der Provinz verwal tu ng steht ein Wali, der 
iUimittelbar dem Ministerium des Innern unterstellt ist. Der 
itrste Verwaltungsbeamte eines Sandjaks ist ein Mütessarif, 
der einer Kasa ein Kaimakam und der einer Nahie ein 
Mudir, die einander im Rang untergeordnet sind. Dem 
Wali zur Seite gestellt ist ein Verwaltungsrat, dem der 
Mektubdji (Generalsekretär), der Defterdar (Finanzdirektor), 
der Mohassebedji (Chef des Rechnungshofes), der Mufti, der 
Präsident des weltlichen Gerichts und eint' Anzahl von den 
»Gemeinden gewählte und durch den Wali bestätigte, an- 
gesehene Männer der Provinz als Mitglieder angehören. 



112 V. DIE VERWALTUNG. 

Ähnliche Ratskörper bestehen in den Hauptstädten der San- 
djaks, Kasas und Nahies. 

Provinzeinteilung : 

I. Wilayet Konstantinopel: 6 Kasas: Skutari, Prinzen- 
Inseln, Gebse, Kartal, Beikos, Schile. 

II. Sandjak Ismid: 5 Kasas: Ismid, Kandra, Adabasar^ 
Kara-Mursal, Geiwe. 

III. Wilayet Khodawendikiar: 5 Sandjaks, 28 Kasas. 

1. Brussa (Sitz des Wali): Brussa, Gemlik, Mihalitsch, 
Mudania, Kermasti, Adranos. 

2. EHhognil (Hauptstadt Biledjik): Biledjik, Sögüd, 
Amegöl, Jenischehir. 

3. KJMtahia: Kjutahia, Eskischehir, Uschak, Gedis, 
Simaw. 

4. Kara-Hissar- SaJiib: Afiun-Kara-Hissar, Bolawadin, 
Sanduchi, Asisie (Hauptort Muslidje). 

5. Karassi (Hauptstadt Balikesri): BalikCvSri, Aiwalük, 
Kemer, Edremid, Artaki, Günen, Panderma, Bigha- 
ditsch, Sindirghi. 

IV. Sandjak Bigha: 5 Kasas: Kale-Sultanie, Bigha^ 
Esine, Lampsaki, Aiwadjik. 

V. Wilayet der Inseln des Archipels: 4 Sandjaks^ 
18 Kasas. 

1. Rhodos: Rhodos, Symi, Kasos, Karpathos, Kastellorizo, 

2. Chio: Chio, Ipsara, Nikaria, Leros, Kalymnos, Kos. 

3. Mytilene : My tilene, Molivo, Plomari, Yunda (Moskonisi). 

4. Lemnos: Lembros, Imbros, Tenedos. 
ferner angegliedert: Sainos und Thasos. 

VI. Wilayet Aidin: 5 Sandjaks, 39 Kasas. 

T. Smyrfia: Smyrna (Sitz des Wali), Kusch- Adassi, 
Tscheschme, Odemisch, Wurla, Phokäa, Baindir, Me- 
nemen, Bergama, Siwri-Hissar, Tireh. 



PRÜViNZEINTEILUKG, 



113 



SarKcAafi: Maghnisa, Alaschehir, Kula, Ak-Hissar, 
Salihli , Gördia , Demirdji , Hschme, Kirk ■ Agatsch, 
Soma, Kassaba. 

3. A'iäin; Aidin, NasUi, Bosdoghan, Soke, Tschina. 

4. Meiüesche: Mughla, Milas, Makri, Budnim, Köidjigis, 
Marmaris. 

5. Denislü: Dcnislü, Dawas, Tschai, Bulwadin, Saraiköi, 
J^ara- Agatsch. 

VII. Wilayet Kooia: 5 Sandjaks, 30 Kasas. 

1. Konia: Konia, Akschehir, Beischehir, Seidischehir, 
Ilgun, Roskir, Karaman, Chadem, Eregli, Karabunar, 
Kotsch-Hissar. 

2. Nigde: Nigi]e, Newschehir,, Ürgüb, Akserai, Bor, 
Maaden, Arabissu. 

3. Burdur: Burdur, Tcfeni. 

4. Hamid- Ahad {Hauptort Isbarta): Hamid -Abad, 
Uluburla, Eghirdir, Karagatsch, Yalowatsch, 

5. Aäalia: Adalia, Elmalü, Alaya, Akseki, Kasch. 

VIII. Wilayet Angora: 5 Sandjaks, 2*1 Kasas. 

1. Aiigora: Angora, Tschibuk-Abad, Ayasch, Beybasar, 
Nallühan, Siwri-Hissar, Michallidjik (Hauptort Kapu- 
dak), Haimaneh (Hauptort Yapan), Yaban-Abad 
(Hauptort Tschorba), Kassaba-i-Bala (Hauptort 
Karaly), Sir-Kasassi (Hauptort Istanos), Kaledjik, 

2. Yüsgad: Yüsgad, Ak - Dagh Maaden, Bogaslajan. 

3. Ä(i««ir;>; Kaisarie, Indjesu,DeweUü(HauptortEwerek). 

4. Kirsckehir: Kirschehir. Keskin (Hauptort Maaden), 
Medjidie (Hauptort Boyalük), Awanos. 

5. Tschorum: Tschorum, Sungurlu, Iskelib, Osmandjik. 

IX. Wilayet Kastamuni: 4 Sandjaks, 2; Kasas. 

1. Kaslamum: Kastamuni, ineboli, Safranboli, Tossia, 
Aratscb, Taschköprü, Dadai, Djidde. 

2, Bali: Boli , Benderegli (Heraklea) , Bartin , Gönik, 
Gerede, Düsdje, Mudreni, Hamidie (Dewrek). 



V, DIE VERWALTUNG, 



3. Kiangri: Kiangri, Tscherkesch. 

4. Sinoh: Sinob (Sinope), Boyabad, Istifan. 

X. Wilayet Tirabsoo (Trapezunt): 4 Sandjaks, 22 KasaaJ 

1. Tirabson: Tirabson, Sürmeoe, Aksche-Abad, Wakß^ 
Kebir, Gerele, Tripoli, Kireson (KerassuntJ, Ordu. 

2. Samsun: Samsun, Fatisa, Ünie, Terme, Tschar-^J 
schembe, Bafira. 

3. Lasistan: Rise, Of, Atina, Hoppa (Kisse). 

4. Gümüschhane : Giimüschhane, Tonil, Scheiran, KelkitJ 

XI. Wilayet Siwas: 4 Sandjaks, 25 Kasas. 
\.' Siwas: Siwas, Kotschkiri, Diwrigi, Tunus, GörüitJ 

Derende, Halik, Yildis, Asisie. 

2. Tokad: Tokad, Erbaa, Süle, Niksar. 

3. Amasia: Amasia, Mersifun, WesirkÖprii, Giimüsch- 
Hadjikiöi, Ladik, Chausa, Medjid-ösö. 

4. Karahissar- Schar ki : Karahissar-Scharki, Haniidi^ 
Koiluhissar, Suschehir, Aludjera. 

XII. Wilayet Adana; 5 Sandjaks, 19 Kasas. 

1. Adana: Adana, Kara- Issalu. 

2. Mei-sina: Mersina, Tarsus. 

3. Tisch-lli: Selefke, Gülnar, Anamur, Krmenek, Mut. 

4. Kasan: Sis, Feke, Hadjin, Kars-Sulkadrie. 

5. Djebei-i'Bereket: Yarput, Osmanie, Islahie, Bulanik, 
Cliassa, Fayas. 

Deutsche Konsularvertretung. Die deutschen Interessen 
in der nördlichen Hälfte der Halbinsel werden durch das 
Kaiserlich deutsche General -Konsulat in Konstantinopel 
wahrgenommen; der Amts- und Jurisdiktionsbe^irk desselben 
umfasst in der asiatischen Türkei die Provinzen Khodawen- 
dikiar, Angora, Kastamuni, Siwas und Trapezunt sowie die 
zum Verwaltungsbezirk des Fräfekten von Konstantinopel 
gehörigen Distrikte in Kleinasien und die Insel Tenedos. 
Innerhalb dieses Amtsbezirkes befinden sich deutsche Vice- 



KONSU LA K VERTRETUNG. — RECHTSPFLEGE. 



115 



I 



koosulate in Amasia und Briissa, von tetzterem, dessen 
Bezirk die Provinz Khotlawendikiar bildet, ressortiert ferner 

Konsularagent in Balikesri. 

Der Amts- und Jurisdiktionsbezirk des Konsulats von 
Smyrna unischliesst den Westen und Süden Kleinasiens: 
"die Wilayets Aklin, Konia und die Inseln des Archipels. 
Vlceknnsulate auf Chios und Samos. 

Das Wilayet Adana mit einem Konsulat in Mersina ist 
dem Konsulat in Beirut lugeteilt. 

Nur die Konsulate zu Konstantinopel, Smyrna und Beirut 
sind mit Berufskonsuln besetzt, die übrigen werden von Wahl- 
konsuln verwaltet. Bei dem Wachstum der deutschen wirt- 
schaftlichen Interessen in Anatolien erscheint die Errichtung 
von Konsulaten in Eskischehir, dem Knotenpunkt des 
anatolischen Eisenbahnnetzes, und in Trapezunt, der Ein- 
gangspforte für ein grosses wichtiges Hinterland (Armenien 
und Persien), durchaus wünschenswert. 

Die Rechtspflege wird von geistlichen und weltlichen 
Gerichten [Scheriye und Bedayet] ausgeübt, erstere unter- 
stehen dem Seh ei kh-ül- Islam, letztere dem Justizminister. Das 
geistliche Gericht, das von einem Mufti oder Kadi präsidiert 
wird, ist für alle Fragen des mosleminischen Familien- und 
Erbrechtes sowie für Religionsangelegenheitcn der Moham- 
medaner zuständig, Dagegen gehören Sachen des Straf- 
rechtes und Zivilrechtes wie auch des Handelsrechtes vor 
die bezüghchen weltlichen Gerichte, die gleich den geist- 
lichen Gerichten an den Hauptorien der Verwaltungsbezirke 
(Wüayets, Sandjaks und Kasas) errichtet sind. Ausser diesen 
Gerichten I. Instanz bestehen in den Wilayet- Hauptstädten 
Appellations- und Schwurgerichte, die von einem Gerichts- 
präsidenten geleitet werden. Handelsgerichte sind an 
grösseren Verk ehr smittelp unkten vorhanden; dem Handels- 
P"ichter stehen vier gewählte angesehene Kaufleute des betr. 
izirkes als Beisitzer zur Seite. 



116 V. DIE VERWALTUNG. 

In allen Streitsachen zwischen fremden und türkischen 
Staatsangehörigen sind die ottomanischen Gerichte zuständig, 
doch kann nach den Kapitulationen die gerichtliche Verhand- 
lung nur unter dem Beisitz eines Delegierten (Dragomans) 
desjenigen Konsulats stattfinden, dem der fremde Staats- 
artgehörige untersteht 

In Streitfallen, bei denen beide Parteien Ausländer 
sind, treten die Konsulargerichte in Könstantinopel in 
Wirksamkeit; dieselben bestehen aus dem Konsul als Vor- 
sitzenden und zwei bez. vier aus den Gerichtseingesessenen 
des Konsulats erwählten Beisitzern. Die Kompetenz richtet 
sich nach der Staatsangehörigkeit des Beklagten. Berufungs- 
instanz für die Entscheidungen des deutschen Konsulargerichtes 
ist das Reichsgericht in Leipzig. Verbrechen werden von 
den Schwurgerichten des betr. Staates, denen der Inkulpat 
angehört, abgeurteilt. 



Sachregister. 



Seite 

Ackerbau 43 

Agrumen 58 

Alaun 80 

Angoraziege 34 

Ansarieh 24 

Antimon 76 

Armenier 15 

Arsen 77 

Bastirma 36 

Baumaterialien 80 

Baumwolle 50 

Baumwollweberei 96 

Bergbau 70 

Berggesetz 81 

Bewohner 15 

Bienenzucht 40 

Binnenzoll 87 

Blei 75 

Bodenbau 2 

Bodennutzung 62 

Braunkohle 74 

Buchweizen 49 

Büffel 36 

Chromeisenstein 73 

Deutsche 28 

Djidjims 95 

Dreschtafel • .... 44 

Düscheme 94 



Seite 

Eierausfuhr 39 

Bisenbahnen 103 

Eisengiessereien 90 

Ente 39 

Erze 74 

Esel 38 

Farbpflanzen 51 

Fayencen 91 

Feige 59 

Fezfabrik 96 

Filzfabrikation 96 

Fische 14 

Fischerei 82 

Flüsse 5 

Futterpflanzen 49 

Gans^ 39 

Gebetteppiche 93 

Gebirgsbau 2 

Gelbbeere 51 

Gemüse 57 

Geologischer Aufbau 2 

Gerste 48 

Gespinstpflanzen 50 

Gewerbe 86 

Glasfabrik 91 

Grenzscheide i 

Griechen 16 

Gummitraganth 70 

Gyps 80