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unimtpof
Mickigm
Mnries^
» 8' 7
AKTES SCIENTIA VERITAS
Stanislav Przybyszewski
Androgyne
F. Fontane & Co.
1906
I
^ Androgyne
r
Von demselben Autor erschien in unserem
Verlage :
Znr Psychologie des Individaams
1. Chopin und Nietssobe
2. Ola Banston
*
Totenmesse f
Totentanz der Liebe
Satans Kinder
I
Synagoge des Satans
De proftindis (polnisch)
Epipsychidion >
TigiUen
t
Stanislaw Przybyszewski
Androgyne
Berlin
F. Fontane & Co.
Alle Rechte
besonders das der Übersetnuig
▼orbehalten
2:
^
•?
^
Es war späte Nacht, als er nach Hanse kam.
Er setzte sich an den Schreibtisch nnd sah
gedankenlos anf einen herrlichen Blnmenstranss
hin, der mit einem breiten roten Band nmwnnden
war.
Auf dem einen Ende stand in goldenen Buch-
staben ein mystischer, weiblicher Name.
Nichts weiter.
Und wieder empfand er diesen langen, flieder-
weichen Schauer, der ihn durchzuckte, als man
ihm diesen Strauss auf die Estrade hinaufreichte.
Man hat ihn ja mit Blumen beworfen, soviel
Kränze regneten nieder zu seinen Flissen — aber
dieser Strauss mit diesem roten Band und dem
mystischen Namen — wer mag ihn wohl hinauf-
geschickt haben?
Er wusste es nicht.
Als ob eine warme, kleine Hand^die seine er-
fasst — neinl nicht erfasst, — sich wollQstig ein-
schmeichelte, hineinküsste mit beissen Fingern ... ^,
Priybytitwtki, Androgynt. 1 ^'
A
— 2 —
^
^
1
Und sie, deren Name ihn so verwirrte . . .
Vielleicht hat sie die Blumen gekbsst, bevor
man sie ihm reichte, ihr Qesicht in das weiche
Blnmenbett eingew&hlt, bevor sie es zum Stranss
gewunden, das reiche Armgewinde von Blumen
an ihr Herz gedrückt und sich nackt und Inst- 1
keuchend über das Blumenlager gewälzt . . •
Und das Geblflte atmete noch den Duft ihres
EOrpers, zitterte noch das kauernde, heisse Lispeln
ihres Verlangens . . .
Sie liebte ihn ja, sie kannte ihn schon lange,
ganze Tage hat sie zitternd durchdacht, bevor
sie wagte, ihm diese Blumen zu schenken ...
Er wusste es, ganz genau wusste er es . . .
Er wusste sicher, dass sie ihn liebte, denn
solche Blumen schenken nur Mädchen, die lieben.
/
Er schloss die Augen und horchte.
Er sah riesige Märchenrosen, schwarze, blut-
dürstige, weisse, auf langen Stengeln sich wie-
gende Rosen. Sie verneigten sich, tief und tiefer,
sie richteten sich stolz empor, sie lockten und
lachten, trunken ihrer eigenen Pracht
Er sah Tuberosen, weiss wie Bethlehems-
steme, feinstrunkig mit bläulichem G^äder — er
sah ürbäume von weissen und roten Azaleen,
belastet und überlaclen von weichflaumiger Bldten-
pracht und herrlich anzuschauen wie reiche Ball-
kleider auf wundersamen Märchengestalten längst
verstorbener adliger Frauen, er sah Orchideen
auf heissgeöfiheten Lippen, lustheischenden, gif-
tigen Lippen und Lilien mit weitgebreitetem
Mutterschoss der keuschen Lüste und Narzissen
und Bienen, Begonien und Kamelien — eine ganze
Sintflut von berauschendem Farbengift, berücken-
dem saugenden Duft überströmte seine Seele.
Der weiche Maienduft des Flieders ergoss
— 4 —
sich in ihm mit der stillen; kindlich naiven Sere-
nade der Hirtenflöten in heissen Frühlingsnächten
— wie brünstige Triomphfanfare brauste das
gelle Purpur der Bösen, mit keuschen Armen
umfingen die Lilien sein Herz; Iflstem saugten
an ihm mit roten Zungen die Orchideen, in weissem
kalten Glanz tanzten um ihn die Tuberosen, wie
aphrodisisches Gift ergoss sich in ihm der be-
rückende Duft der Akazienblflten, geschwängert
von dem blitzheissen Sommergewitter, und alle
diese Düfte, kühl und weich wie reine Mädchen-
augen, unwissend ihres Geschlechts — heiss und
gierig wie die Arme einer rasenden Hetäre —
giftig und schreiend wie der Blick einer getrete-
nen Otter: dies alles ergoss sich in ihm, durch-
tränkte, durchsättigte ihn; ^r war berauscht,
machtlos; er fühlte, dass er kein Glied rühren
konnte, er unterschied nicht mehr die Eindrücke
voneinander, er sah keine Farben, fühlte den Duft
nicht mehr, alles wurde eins.
Aus der Tiefe blühte in ihm auf ein weites
Brachfeld, Ode; traurig, schwer gebreitet wie das
Stöhnen der Glocken in der Abenddämmerung
des Gründonnerstags — weit in der Feme blaute
ein glitzernder Streifen eines fernen Sees, still
gebettet von der schlaf schweren Hitze. des Mittags
— 5 —
— nur hie und da schoss empor der schlanke
Stengel einer Königskerze, als hätte sie die durch-
glühte Erdscholle aufgerissen und drohte nun mit
siegesmftchtiger Faust dem Himmel — nur hier
und da ein paar verkflmmerte Wachholderbflsche,
yerkrampft zu seltsamen Formen, als wftren sie
krank an dem Gift der Leichen, die hier einstens
die Erde gedüngt haben — nur hier und da an
den sandigen Gräbern träumten blaue Zichorien-
kOrbchen, sehnsüchtig auf den Sonnenuntergang
wartend, wenn sie die Blüten zusammenschliessen
und den Eirchhofszauber der Oden Heide schauernd
durchkosten dürften . . .
Dann wieder sah er Kreuzwege auf den Moor-
triften zwischen den Sümpfen und abschüssigen
Gräben. Die Stunde des Mitternachtsgraaens
naht, voll von schreckender Angst und Pein. Ab
und zu schiesst ein Irrlicht, behende wie ein G^
danke über die sumpfigen Wassertümpel, blitzt
auf ein stilles, geheimes Leuchten, hin und wie-
der bellt ein Hund auf im nahen Dorf, ein an-
derer antwortet ihm mit langgedehntem Winseln,
dann wieder der gelle Buf des Nachtwächter-
homes — und wieder Stille, Stille, die sich hin-
einschraubt, mählich und tief in die dunkelsten
Abgründe und alles aufsaugt, mein Heute und
— 6 —
mein Morgen, die den Schritt und jede Begnng
lahm legt and einen so unendlich einsam, so welt-
fern und daseinsfremd macht.
und in immer neuen Bildern erstand vor
seinen Angen sein ganzes Heimatland: ein rie-
siges Laken, zerrissen und zerfetzt in gr&ne
Gerstenlappen, in weissanfgeblflhte Heidekrant-
felder, goldene Boggenteppiche, blutrote Beete
peitschenschwerer Weizenähren: die ganze Erde
ist maitrunken, brünstig in ihrer Blfitenpracht,
ungeheuer in ihrer schöpferischen Baserei, in der
hochzeitlichen Majestät andächtiger Liebe — die
ganze Erde weit hinauf bis an die Umfriedung
der weissen Kirche auf der AnhOhe . . .
Breite Ströme von Olockenklängen gössen
sich in das flache Land hinab, ringsherum bran-
dete das Oewoge eines mächtigen EUrchenliedes
während der Prozession am Fronleichnamsfest;
zwischen dem schwarzen Gebüsch und dem dich-
ten Gehege schimmerten die weissen Kleider der
Mädchen, die zu Füssen des Priesters mit dem
Allerheiligsten Blumen streuten, es blauten die
langen BauemrOcke, gegürtelt mit breiten roten
Schals . . .
Er zuckte auf. Lechzte nach mehr Sehn-
sucht.
— 7 —
Unaufhörlich in wunderlichen Beigen: ein
Hochzeitsgang an einem Julitag — das breite
Schluchzen der Geigen, gefertigt aus der Lindea-
rinde, das heisere Stöhnen der Bässe, die von
dem Geld klappern, das der Bräutigam in ihr
Inneres geworfen hat — und ein jauchzendes
Geschrei, das in taktmässigen Abständen mit
schrillen Strahlen in die Luft hinauf schiesst :
Juchahei ! Dann wieder schleppt sich ein Trauer-
geleite im Spätherbst auf der regendurchweichten
Landstrasse. . . . Ein paar Mädchen tragen den
weissen Sarg eines Kindes — dann wieder ein
feierlicher Pilgerzug, der zu dem Wunderbild
eines Heiligen wallfahrtet — dann wieder * . . oh,
oh . . . ohne Ende, ohne Mass . . .
Langsam dunkelte es ihm in den Augen —
nur ein paar unklarer, abgerissener Bilder glitten
faul und zOgemd Aber sein Gehirn — die Seele
dämmerte, wiegte sich in weiches Träumen, erlosch,
bis sie sich plötzlich in einem mächtigen Lied
emporriss.
Der heimtückische Zauber, das berauschende
Gift der exotischen Blumen und das Paradies
der Heimatserde, das alles liess seine Seele er-
beben mit dem dröhnenden ehernen Schrittklang
von Rittern, die in Erz gegossen schienen, dass
— 8 —
die Erde unter ihrer siegesjauohzenden Schritt-
wacht erbebte, — dann fühlte er seine Seele auf-
tauen in den schluchzenden Klagen der Matter,
die ihre Erstgeburt verlor, sie ergrünte in dem
Myrtenkranz hochzeitlicher Lieder, sie raste in
trunkenem Tanz mit Jauchzen und Stampfen auf
dem Boden einer überfüllten Schenke, schoss hoch
empor mit wildem Schrei, wie die Blüte der
Königskerze auf dem sengend heissen Brachacker
— das ganze Lied ergoss sich in einem düsteren,
wilden Bett, vertrocknete, schnellte rückw&rts
zurück, um mftchtiger noch vorzustürmen und
sich endlos über das ganze Flachland zu er-
giessen . . .
Eine entsetzliche Macht packte ihn in ihre
Arme. Die Tollwut des Gewitters umkrallte ihn
mit dem Geächze der Verdammnis, warf ihn auf
die kochende Gischt eines abgründigen Malstroms,
wütete in ihm, heulte, krachte, schleuderte ihn
kreischend hin und her die steilen Felsen hinauf
wie ein Wrack — nur in der Tiefe, ganz in
der Tiefe des bodenlosen Trichters ein heller
Klang, der schwand und wieder auuflechtete,
sank unter und wieder auftauchte, wie der Wider-
schein eines blassen Sternes in dem schäumenden
Strudel dunkler Wogen.
— 9 —
Lange hat dieser belle Strahl mit der spritzen-
den Wasserflut, mit dem Gewitter aufgewühlter
Wogen gemngen, aber beharrlich ergoss er sich
in lange, schmale Streifen, tanzte über den Fluten
in zierlichen Schlangenwindungen, rollte sich zu-
sammen, schnellte dann wie eine aufgerollte Feder
langhin: über dem sturmgepeitschten Abgrund
verzweifelten Achzens und Ereischens, über dem
Strudel abgründiger Qual, dem Geheul nnd Ge-
schrei tollgewordener Gewitterbrunst flogen stille,
sehnsüchtige, weichgesponnene Lichtwellen; im-
mer breitere, immer stärkere Wellen der Beruhi-
gung und lichter Versagung, entzückter Gebete
umflngen den Sturm und das qualschreiende Ent-
setzen in heilige Mutterarme, pressten es an sich
in unendlicher Liebe, wiegten es in eine überirdische
Sehnsucht, in einen ohnmächtigen Verzückungs-
traum • • .
Da:
Ein Mädchengesicht tauchte auf: ein heller,
heiliger Klang in den schwarzen Sturmakkorden,
der helle Widerschein eines blassen Sternes in
dem schäumenden Gischt dunkler Wogen, — nie
früher hatte er es gesehen, aber er kannte es,
er kannte es gut, dies Mädchengesicht . . .
Er wachte auf : rieb sich die Augen, ging in
— lo-
dern Zimmer auf und ab, aber er konnte die Vi-
sion dieses Gesichtes nicht los werdra : halb Kind;
halb Weib.
Ja, ja — sie war es sicher. Sie liess ihm
den Blnmenstranss auf die Estrade reichen.
Er dachte nach, wober seine plötzliche G^
wissheit, dass sie es war.
Jemand Fremdes hat ihm die Blumen hinauf-
gereicht.
Und er dachte und grübelte . . .
Sie war also da, sie sass in der ersten Beihe
und leuchtete das dunkle Doppelgestim ihrer
Augen in seine Seele hinein, sie hat den Abglanz
in ihr zurftckgelassen. Damals, als die ganze
Welt vor meinen Augen in Nebelschwaden zer-
rann, als alles zusammenströmte in dem Orkan
des Gewitters, das unter meinen Fingern heulte,
hat die Macht der Sehnsucht den Abglanz ihrer
Augen in mir festgeklebt. ... Ich selbst habe
zu den Augen das Gesicht geformt, denn nur
dieses und kein anderes erglttht in dem Glanz
solcher Augen . . .
Und der Glanz umfing ihn von allen Seiten,
ergoss sich in sein Blut, durchströmte seine Adern,
ein heisser Schauer durchzuckte ihn — er zitterte
in unbekanntem Wonneschmerz.
— 11 —
— Denn vor der Stande der Erlösung ge-
schehen seltsame Zeichen und Wunder — flüsterte
er leise in sich hinein — die ganze Muttererde
ist in mir aufgewacht — das ganze Leben glitt
mit Blitzesschnelle über das Himmelsgewölbe
meiner Seele — die ganze Verzweiflungslust
meines Lebens breitete vor meinen Augen ihre
schweren wunden Fittige vom einem End' zum
anderen . . .
Blieb wieder stehen und starrte lange den
Blumenstrauss an und das breite rote Band mit
dem mystischen Namen . . .
Ja — sie ist rank und biegsam wie der
Stengel der Tuberose, und ihre Augen so rein,
wie die weissen Bethlehemssteme , die auf ihm
ruhten und sich träumerisch hin und her wieg-
ten .. .
Woher nur die Vision dieses Gesichtchens
— halb Eind, halb Weib?
Er dachte:
Das ist die geheime Stunde, bevor die Sonne
aufwacht.
Er sah lange durch das Fenster auf die
schneeigen Felder der Vorst&dte — in dem ers-
ten Morgenschauer blaute der Schnee — ein
Streifen heller Töne ergoss sich in Schlangen-
— 12 —
linien den Himmelsrand entlang, verschwand^
tauchte auf und umfing den Osten breiter und
breiter
Seit dieser Zeit stand unablässig vor seinen
Angen die Vision des zarten feinen Gesichts mit
dunklem Doppelgestim , das sein Licht in seine
Adern hineinschien — unablässig sah er die
schlanke Mädchengestalt, halb Weib, halb Kind,
einer Tuberose gleich, die zwei weisse Blüten,
zwei weisse Bethlehemsaugen auf ihrem Stengel
wiegte.
Ganze Stunden dachte er an sie und träum-
te. —
Immer und wieder tauchten vor seinen Augen
dieselben Bilder auf: In der Tiefe seiner Seele
verflochten sich unentwirrbar die Visionen seiner
Muttererde mit dem geheimen Reigen von Tönen
und Liedern, dem Duft der Blumen, dem dunklen
Gewitter und dem Abglanz blasser Sterne indem
Strudel wogender Meere.
Er verstand nicht den Zusammenhang —
gleichwohl — es kam ihm vor, dass sie seine
Muttererde in ihrer Frflhlingsbrunst sei — die
— 14 —
Blumen, die sie ihm geschenkt, das Eleid, ewig
neues und ewig dasselbe Kleid ihrer Seele, ewig-
liche Form ihres Seins — dass die Augen — ihre
Augen . . .
Absichtlich zerriss er die Flut seiner Ge-
danken, umfasste die Blumen, bewarf sich mit
ihnen, w&hlte in ihnen mit fiebrigen Händen und
trftumte und heischte nach ihr.
Schon hatte er sie in seine Arme gefasst,
warf sie auf seine Brust in kranker Lust und
kOsste sie — küsste . . .
Und zugleich beschloss er mit sich : er musste
sie finden — er musste!
Nur einen Strahl ihrer Augen erhaschen —
nur ein Aufleuchten — ein zuckendes Aufdftm-
mem ihrer Augen — und er wird sie erkennen
— ganz sicher wird er sie erkennen in einem
Sekundentausendstel des Aufblitzens ihrer Au-
gen . . .
Ganze Tage trieb er sich auf den Strassen
der Stadt hemm, ganze Stunden harrte er in den
Parkanlagen, rings um die Stadt. Tausende
von Menschen glitten an seinen Augen vorüber,
in jedem Mftdchengesicht glaubte er ihres zu er-
kennen, jeder Blick schien in seinen Adern die-
selbe Lust zu entfachen, mit der ihre Augen sein
— 15 —
Herz wundgebrannt hatten — aber vergebens;
immer dieselbe Entt&nscluing : das war nicht sie!
Und doch hOrte er manchmal in der Abend-
dämmerung dicht hinter sich Schritte, wie das
Schlagen unmhiger Vogelflttgiel, die bereit waren,
sich znr Flucht zu schwingen — manchmal sah
er ein blitzschnelles, verstohlenes Aufleuchten
eines dunklen Augenpaars, das aus unbekannt^i
Femen oder Nähen sich in seine Seele einsaugte
— einmal streifte ihn der Hauch einer weichen,
zärtlichen Hand, als er in dem Dunkel einer
Kirche stehen blieb und das heimliche kostbare
Gut der dämmrigen Abendgebete kostete, aber
als er sich umdrehte, als er das Dunkel mit sei-
nen Augen zu zeriEetzen suchte, verflog das Ge-
weht — nur ein zittriges Aufleuchten, nur ein
warmer Atem einer fiebernden Hand, und die
Nerven entlang das G^fQhl einer schlanken Tube-
rose mit zwei weissen Sternen.
Ein EOnig war er — ja ein König und ein
mächtiger Gebieter . . .
die kranke, qualvolle Lust schlafloser Nächte,
als er auf der Terrasse seines Palastes lag und
die üppige, sternenbesäete Himmelspracht an-
starrte!
Bings rankten sich tropische Efeugewinde;
— 16 —
aas dunklem Gebüsche blähten auf goldene Blüten-
quasten, wuchsen hoch empor Blumenkelche, die
noch kein menschliches Auge geschaut hatte:
Blumen mit Kelchen von der Form bronzener
Glocken, Blumen , umgeben von Blättern, die in
der Farbe von poliertem Gusseisen schimmerten
oder wie gerinnendes Messing blitzten, dann wie-
der Blumen mit fein behaartem Schoss, dem ewi-
gen Leben aufblühender Jungfrauen, Blumen, die
mit lebendigen, schauenden und wissenden Augen
einer üourtisane lachten, oder suchenden, verirrten
Augen von todesmüden Möwen und weissen Al-
batrossen. . . . Strünke und Stengel sah er wie
Lilien, die aus toten Herzen aufwuchsen oder
aus Erdäpfeln, den Totenschädeln vergleichbar.
Aus dem syphilitischen Bachen unglaublicher Or-
chideen streckten sich Zungen empor, mit purpur-
roten Fieberflecken besprenkelte Ungeheuer, die
herauszukriechen und das Gift über das umgebende
Blütenmeer zu verschleppen schienen.
Soweit das Auge reichte ungeheure, vorsint-
flutige, dunkle Kohlen wälder , umwunden, um-
strickt, verknäuelt zu einer unentwirrbaren Masse
durch Stränge und Stricke von Efeustämmen,
Lianen, Windenkraut und Klettengeflechte — und
all dieses Schmarotzergezücht rankte sich empor
— 17 —
an den verkohlten Farrenbftnmen^ den isanrischen
Palmstanden y den Kokos- nnd Brotb&umen, ver-
focht sie wie ein Korbgewinde , verankerte sie
nnlOsbar miteinander nnd von der HOhe der Ter-
rasse sah das ans wie ein nngehenerliches, ans
dem ürmagma heranfkriechendes Ottemnest.
Und in der stemenbrOnstigen, licbtw&tigen
Nacht in diesem abgründigen Fieber von ver-
krampften Formen, kranker Düfte, Farben, die
man in den Delirien des Opiumrausches sieht,
tr&nmte der König von ihr — ihr, der Einzigen,
kroch auf den tiefen weichen Teppichen, krallte
sich mit den Fingern an den Ffissen der Sessel
fest^ sog das Gift der nngehenerlichsten Blumen
and schrie nach ihr — .
Vergebens !
Bis endlich:
Er Hess die schönsten Jungfrauen zu sich
in seinen Palast befehlen, stellte sie in dem end-
losen Saal in zwei Reihen, die sich von dem
Throne bis in die Tiefe der Palastgftrten erstreck-
ten .. .
und angetan mit seiner unerhörten Jkönig-
lichen Pracht sass er lange auf seinem Thron,
vergrub das Gesicht in beide Hände und sah die
vor Erwartung und Hoffidung zitternden Jnng-
Prsybyistwiki, Aadrogyat. 2
— 18 —
frauen , von denen jede mit nnendlichem Glück
sich zn seiner Sklavin machen liesse.
Er sahy sah sie an nnd dachte:
Welche ist es?
Wie soll er sie anfflnden in dem Gewoge
von blonden, schwarzen, roten EOpfen?
Ist es die, deren Angen blitzten wie die
Beeren von Tollkrant, das an den Schnttgräben
wächst?
Oder die, aus deren sanften Augen ab nnd
zn der blutdürstige Blick eines gebändigten Ja»
guars berausschiesst ?
Jene da vielleicht, über deren Stirn ein
Blitz fliegt, der das Herz gebärt und sich
über das Gesicht mit unendlichem Leid er-
giesst ?
Die da, deren Arme herabhängen wie welke
Lilien oder jene, welche in den verführerischen
Händen die lüsternen Trauben ihres Leibes hält^
vielleicht die dort mit der gleissenden Biegsam-
keit einer Schlange, oder jene, die aus dem
Schoss einer Lotosblume aufgestiegen ist — und
jene — dort, weitab, wie aus einem Stemenkelch
aufgeblüht, aus dem Glanz des Mondlichtes ge-
boren?
Tiefer noch vergrub er das Gesicht in seine
— 19 —
Bände, schmerzlicher noch, denn er f&hlte, dass
e)r sie nicht finden wird — das Chaos von ver-
schwimmenden ineinander verfliessenden For-
men, Gesichter, Angen trübte die Seele des
Königs.
Er stieg die Stufen des Thrones hinunter
und die Reihen der Jungfrauen neigten sich wie
ein frisch aufgeblühtes, weisses Birkengehölz
ü^enn der Windstrom es umfliesst.
Wie köstliche Weizenähren in der sengenden
Mittagsglut, wenn plötzlich ein heisser Lufthauch
fiber sie fährt, neigten sich die Köpfe ; der ganze
Saal schien zu keuchen in gespannter Erwartung
und verhaltenem Atem der Hoffnung.
Dreimal schritt er die Reihen der schönsten
Jungfrauen seines Landes ab» langsam, immer
langsamer und trauriger, setzte sich wieder auf
seinen Thron, winkte mit der Hand — er blieb
allein.
Es dunkelle in dem Saal. Der König ver-
grub sich in seine Vei^weiflung, stemmte sein
Gesicht auf die krampfgeballten Fäuste und
brütete vor sich hin.
Da fühlte er plötzlich, wie sich jemand an
den Säulen entlangstahl, die das Gewölbe des
Saales stützen — jemand schlängelte sich durch
2*
— 20 —
das dämmernde Dunkel und hinter ihm ein Schimmer
von etwas Leuchtendem , wie das Licht eines
nackten Körpers.
Der König hob sein Haupt stolz empor —
denn noch kein Sterblicher wagte ihn in seinem
Verzweiflungsschmerz anzuschauen.
Er klatschte in die H&nde, und aus einer
unsichtbaren Lichtquelle ergoss sich in den Saal
ein kaltes metallenes Leuchten — und in diesem
Halbdunkel sah er, wie ein syrischer Sklaven-
händler an den Thron herankroch und hinter sich
ein nacktes Mädchen schleifte.
Ihre Arme umwanden Spangen — goldene
Schlangen, und mit goldenen Schlangen waren
die Knöchel umringelty und um die Lenden ein
goldener Gfirtel, dessen Schloss eine Lotosblume
bildetCi besetzt von kostbaren Steinen.
Der König sah sie erstaunt an.
Er sah nicht ihr Gesicht, denn sie ver-
schränkte vor ihm ihre Arme, er sah nur die
Gestalt, sah die schlanken, biegsamen Glieder
einer Tuberose mit zwei weissen Sternen hinter
den Lilien ihrer Arme.
Mit verhaltenem Atem sah der König auf
die seltsamen Zauber und Wunder des Mädchen-
körpers, er zitterte wie in Todesangst, dass ihm
— 21 —
der Traum nicht verfliegt — er sah sie, wie sie
sich hin und hemeigte, wie sie im Feuer zu
stehen schien aus Angst und Scham; ihre Haare
flössen fiber die weissen Lilien ihres Körpers
wie ein heisser Strom — und plötzlich kniete
sie nieder und sah zu ihm auf.
Sie, sie war es!
Mit beiden Händen griff er um die Lehnen
seines Thrones und zitternd flfisterte er:
Du hast mir die Blumen geschenkt?
Sie nickte . . .
Mit heissem Schrei streckte er ihr seine Hände
entgegen — alles verschwand . . .
Er rieb sich die Stirn . . .
Er war doch wach.
Ja ganz sicher, aber nur, um von neuem in
einen noch tieferen, noch wilderen Traum zu
verfallen.
Nun war er ein Magier, ttbergross und fiber-
mäehtig, ein Diener seines Herrn und ein Oott
zugleich . . .
Ja: ipse philosophus, magus, Dens et om-
nia . . .
Drei Tage und drei Nächte hat er sich für
seine Beschwörung vorbereitet. Drei Tage und
— 22 —
drei Nächte las er in heiligen Bfichem, entzifferte
die geheimen Bnnen nnd erbrach die sieben Siegel
der apokalyptisphen Weisheit. Er prägte seinem Ge-
dächtnis die furchtbaren Beschwörungsformeln eip,
die unbekannte Mächte ihm, seinem Machtspruch
dienstbar machten — drei Tage und drei Nächte
berauschte er sich an dem giftigen Dunst ge-
brauter Pflani^en nnd Wurzeln, die in der gehei-
men Johannisnacht blähen, bis er die Kraft in
sich fehlte, das Wachstum der Pflanzen beschleu-
nigen zu können, einen Strom in seinem Lauf auf-
halten, den Mutterschoss unfruchtbar zu machen,
ja selbst den Donner auf die Erde herabzube-
schwören.
Und in der Stunde des grossen Wunders
kleidete er sich an mit den kostbaren Kleidern
des Hochamtes, das einstens sein üryater Samyasa
verrichtete, sein Haar umwand er mit einer sieben-
mal geknoteten Binde, nahm das Schwert zur
Hand, zeichnete einen Kreis, schrieb in ihn ge-
heime Zeichen hinein, blieb in seiner Mitte stehen,
einem grossen Spiegel gegenfiber und sprach mit
lauter Stimme:
Astaroth, Astaroth!
Mutter der Liebe, die du mir das Herz mit
dem Gift des Verlangens und der Sehnsucht zer-
— 23 —
frissty das Feuer irrsinniger Qual in meinen Adern
ergossen hast — einzige Matter, die ans den
Saiten meiner Seele schmerzliches Stöhnen ver-
eitelter HofiEnongen und Schreie der Sehnsucht
reissesty du furchtbare Mutter, die du mich
auf dem hollischen Bett vergeblichen Bingens
streckst —
EIrbarme dich meiner 1
Astaroth, Astarothl
Du höllische Tochter der Lflge und des
Scheins, die du in meinen Nächten mir vor die
Augen die unsagbarste Lust und Verzfickung
xauberst, die du mir das Weib, das ich suche, in
die wilde Omarmung meiner Glieder wirfst und
sie meinen Leib lastschreiend umflechten lassest
— du furchtbare grausame Höllenmutter, die du
aus meinem Blut Macht und Leben saugst, um
mich wieder zu wecken zu neuer Qual und Ver-
zweiflung, —
£rbarme dich meiner I
Astaroth, Astaroth!
Mutter der Verkehrtheit, Beschtttzerin des
unfruchtbaren Schosses und unfruchtbarer Lflste,
die du mir in die Seele ein Verlangen eingeimpft
hast, das du nicht stillst, in mein Blut Träume
hineingeschienen, die nicht von dieser Welt sind.
— 24 —
mein Gehirn mit einer Brunst verkrampfst, die
meine Angen mit Irrsinn umflort —
ErhSre mich!
Und in einer unmenschlichen Willensan-
spannung bäumte sich sein Haar. Er zitterte
und erschauerte, als ob jedes Glied f&r sich
selbständig lebte. Es kam ihm vor, als gehe er
aus sich selbst heraus, als verkörpere er sich von
neuem draussen, ausserhalb seines Leibes, als
gestalte sich etwas, das aus seiner Seele aus
seinem mächtigsten Verlangen aus seiner qual-
vollsten Sehnsucht herausströmte.
Ein krachender Donner, als ob sich ein Erd-
körper vom Himmel losgerissen hätte und in den
Nichtsabgrund fiele — ein furchtbarer Sturm hat
alle Fesseln gerissen — ein höllisches Lachen,
Heulen, Kreischen wüteten in seinem Gehirn und
in grausigem Entsetzen sieht er um den Spiegel
herum einen Nebel kreisen und glänzen, sich for-
men, Gestalt annehmen, sieht ihn, wie er sich
rundet, Körper annimmt, zu atmen anfängt, blut-
strotzend, lebendig I
Eine Flut von Blitzen wogte schwer durch
den Saal, ein Donner krachte in den Spiegel, ein
Schrei und auf seinen Hals warf sich in wilder,
zügelloser Brunst die, die er so lange gesucht,
— 25 —
nach der er so lange geheischt nnd am deren
Willen er sein Heil verwirkt hat . . .
irre Nacht ungesättigter Last!
Er erschrak Ober diese Träume.
Er konnte sich nicht wiedererkennen. Die
Verkoppelnngen und Zusammenhänge in seiner
Seele haben sich losgelöst, die Verbindungsfäden
rissen ; nichts ging ihn jetzt mehr an, er lebte
nur in seinen kranken Träumen, und in den
Händen zerknitterte er das Band, mit dem der
längst verwelkte Strauss umbunden war.
Es schien ihm, als ob dieses Band etwas
von ihrem Wesen eingesaugt hätte. Er f&hlte,
dass es lebt. Wenn er es streichelte, war es, als
glitte seine Hand ihren SammetkSrper entlang,
küsste er es, sog er den Duft ihrer seidenen
Haare, und wand er es sich um seine Brust,
empfand er es, als hätten sich ihre Glieder um
seinen Körper gewunden . . .
Immer mächtiger schwoll in ihm die Sehn-
sucht und der Schmerz an. Er quälte sich in
ohnmächtigem Bingen. Die, die ihm den Strauss
— 27 —
geschenkt, wurde zu einem Vampir, der ihm alles
Blut aus den Adern sog.
und wieder irrte er auf leeren Strassen nnd
Plätzen, und wenn die Dämmerang kam, schlich
er sich in dnnkle Kirchen hinein, denn einmal
kam es ihm vor, als hätte sich eine weiche,
liebende, verlangende Hand mit sehnsüchtiger
Inbrunst in die seine geschoben. Er irrte zwischen
den Frtthlingsbäumen im Park, denn einmal hörte
6r Schritte hinter sich — ihre Schritte — wie
das Schlagen unruhiger, flugbereiter Flügel.
Stundenlang stand er in dem Fenster und bohrte
sich spähend in die Finsternis, denn einmal
schien es ihm, als sähe er ein Augenpaar —
ihre Augen — die mit heisser Sehnsucht die
seinigen suchten.
Bis endlich:
Schwer sank die Dämmerung herab. Zwischen
dem dunklen Geäst der Bäume blutete hier und
dort das unruhige Flackern des Gaslichts der
Laternen, auf und nieder wogte die Unruhe der
Stadt, und ein schwüles, unendlich trauriges
BrütM breitete sich über den finsteren Dächern
der Bäume.
Plötzlich erblickte er sie da, wo sich zwei
Alleen kreuzten.
— 28 —
Er wnsste, dass sie es ist.
Dieselben Augen, die sie ihm an jenem Abend
in die Seele eingebrannt hatte, dasselbe Gesicht,
denn nur ein solches Gesicht erstrahlt in dem
Olanz, der um diese Augen sich goss.
Er zuckte auf, blieb stehen und sie rührte
sich nicht vom Platz, erschrocken und verwirrt.
Ihre Blicke fingen sich auf und schwiegen.
Er wollte etwas sagen, aber kein Wort
würde er jetzt herauspressen können; er zitterte
am ganzen Leib und sie zitterte.
Plötzlich liess sie die Augen sinken, noch
einen Augenblick blieb sie stehen und ging
wankend an ihm vorüber.
Er erwachte.
Ging hinter ihr leise und vorsichtig. Er
schlich die Bäume entlang, ab und zu verbarg
er sich hinter breiten Stammen, denn er fürchtete,
sie könnte sich furchtsam umdrehen und auf-
horchen, ob er sie nicht verfolgt.
Er sah, wie ihr Schatten sich bei jeder La-
terne verlängerte dann wieder kürzer wurde und
ganz verschwand — ach! Nur ihren Schatten
von der Erde losreissen zu können, dachte er,
ihren Schatten — ihren Schatten . . .
Plötzlich richtete er sich auf mit jähem Ent-
— 29 —
scblnss. Sie erreichen, sie an die H&nde fassen
— ihr in die Angen sehen — lange, dnrchdringlich
bis tief auf den Gmnd, ihre H&nde in den seinen
zerknittern und sie fragen, nur das Eine: Dn
hast mir den Strauss geschenkt?
Aber plStzlich bog sie um und verschwand,
bevor er es vermochte, seinen Entschlnss auszn-
filhren.
Er starrte lange in das dunkle Haustor hin-
ein.
Eünen Augenblick schien es ihm, als ob sie
in dem dunklen Flur stehen bliebe, sich an die
Wand anlehnte, dass sie auf ihn wartet und ihn
mit ihren Augen ruft — das Weiss ihrer Hände
leuchtete auf, die Seide ihres Kleides rauschte,
jkber nein — er irrte sich.
Und er wollte todmflde nach Hause umkeh-
ren . . .
Eine schwere, unsagbar stille Trauer brei-
tete sich Aber seinem Hirn, ergoss sich im Her-
zen, sog sich ein in das feinste Oeftst seiner
Nerven.
Nie hat er noch diese Traurigkeit so quälend
empfunden.
Das Wunder war vollbracht.
Er liebt sie.
— 30 —
Und erschreckt fragte er sich : Das also ist
die Liebe?
Er setzte sich auf eine Bank nieder und
grübelte.
Und jäh scboss vor den Augen seiner Seele
ein heisser Strom von Franengestaltän, Frauen,
die er kannte, die er an sich presste und in wil^
der Blutfanfare eins mit ihnen wurde . . .
Die da, unergrandlich, geheimnisvoll mit dem
schillernden Glanz schwerer Seide — kauernd,
sprungbereit wie eine Pantherkatze —
Jene mit den süssen Taubenaugen und un-
flätigem Herzen, sanft wie eine Gazelle und gierig
wie ein Raubtier —
Oder jene, deren Leib so kühl war, wie der
einer Schlange, oder die Blätter der Wasserrose —
Die wieder schlank und herrlich, ihrer eigenen
Pracht trunken —
Oder jene mit den Formen eines göttlichen
Epheben, einer biegsamen Damaszenerklinge yer»
gleichbar . . .
Sie alle hat er besessen, aber keine ge^
liebt . . .
Er verliess sie ohne zu trauern und trauerte
nicht, wenn er verlassen wurde, und wenn er
seinen Lebensweg zurückblickte, sah er keina
— 31 —
gebrochene Blame am Band — kein gebrochener
nnd verwelkter Ast sagt ihm : hier hat ein Stnrm
gehaust.
Dies also jetzt ist die Liebe, flüsterte er.
Die Stunde des Wunders ist gekommen.
Jäh warf er aus seinem Oehim die lüsternen
Bilder brftustiger HiBtären und unschuldiger Täub-
eben, gehässig sah er nach den verschwindenden
nackten Leibern, dem Chaos lustschreiender Arme
und Beine, den ersterbenden, zuckenden Orgien
trunkener Sinne und mit kindlicher Andacht
flüsterte er leise vor sich hin :
Die Stunde des Wunders ist gekommen, die
Stunde des Wunders . . .
Und er grübelte — endlos . . .
Ja, er liebte sie.
Liebte sie, wie er einst den Lichtstrom ge-
liebt, der sich in der Nacht Ober das Meer ergoss.
Er sah deutlich den riesenhaften granitnen
Leuchtturm, den er lange bewohnt hat, hoch
oben auf der höchsten Felsspitze eines Vorge-
birges.
Und er entsann sich deutlich an die selt-
samen Formen des Felsens. Als ob eine himmel-
stürmende Woge plötzlich versteinerte in dem
Augenblick, als ihr spritzender, schaumgepeitschr
— 32 —
ter Bücken bersten sollte, nm sich in ein ab-
gründiges Wassertal zn stflrzen.
Und auf dem zerzansten, zerrissenen Kamm
der versteinerten HSUenhengst-Mähne scboss hocfa-
empor der granitne Tnrm.
Stundenlang sass er da oben an dem Herd
des elektrischen Lichtes, sah dnrch die riesen-
grossen Glasprismen der Laterne auf das ewig
nene Lichtwnnder da nnten auf dem Meer.
Er sah den Lichtstrom, wie einen Keil, der
sich Ober die Ränder goss in der weltenverlorenen,
stillen, dunklen Öde der Wasserflut in den Mond-
glanznäcbten.
Eine lichttrunkene Hand legte sich mit weichem
Glanz auf den Scboss der Geliebten, zerfloss auf
ihm, glitt auf und ab, wie verlangende, schwei-
gende Lippen auf der zitternden Brust des ge-
liebten Mftdchens irren.
Ganze Nächte sah er dieser unendlich weichen,
zitternden Liebkosung zu, dieses Gleiten und Lrren
dieser licbtdurchsättigten, traumbefangenen Hand.
Und wieder sah er, wie das Licht in die ge-
runzelte Flut goldene Fäden einwebte. Wie weit
das Auge reicht, nichts als das goldene Spinn-
gewebe feinster Spitzen in unermesslichem Reich-
tum und Pracht — das goldene Netz weitete sich
— 33 —
und weitete in immer grösseren Kreisen nnd im-
mer neue und reichere Fäden verstrickten, ver-
knftaeiten die Binge, verfädelten sie zu immer
kunstvolleren Maseben nnd es war, als ob der
Lenclittnrm lebendig wftrde, einer meerbeherr-
scbenden Göttin, welche die Schleppe von gol-
denen Spitzen ihres hochzeitlichen Brautkleides
ttber das Meer gebreitet hätte.
Dann sah er das Licht des Leuchtturmes, wie
es sich in verzweifeltem Mühen in das dunkle Nebel-
gewölk hineinfrass. Immer neue, immer schwerere
Nebelmassen fielen auf das Meer nieder, immer dunk-
ler fingen sich an zu verdichten, bis sie zu einer
schwarzen , undurchdringlichen Mauer wurden.
Diese Feste stürmte das Licht. Mit mächtigen
Keilen warf es sich in das schwarze Mauerwerk,
suchte es mit Biesenkrallen zu zerreissen, mit
neuen und mächtigeren Strömen zu durchbrechen,
vom Meeresgrund zu lösen, aber vergeblich.
Aber am tiefsten liebte er das Licht, wenn
es in wilden Sprüngen auf dem Meer raste und
einen wahnsinnigen Veitstanz auf den schäumen-
den Wellenkämmen aufführte. Wenn die Funda-
mente des Leuchtturms krachten, als wären sie
von einem Erdbeben erschüttert, wenn der rasende
Orkan ungeheure Wassermassen gegen die Prismen
PrsybyisAwiki, Androgyn«. 8
— 34 —
der Laterne warf — dann weinte er vor nn-
ermesslicher Liebe ttr das Licht.
So, ach so, war das Licht , das ihre Augen
in seine Seele ihm hineingeschienen haben.
Weich nnd kosend, wie die weisse, leuchtende
Hand, die der Schoss des Meeres streichelte, ver-
langend mit der Lnst schweigender Lippen, die
anf der keuschen M&dchenbrust irren — zitternd
und spielend in dem goldenen Spitzengewebe,
dem hochzeitlichen Kleide, das sich über das
Meer breitete, stürmisch nnd verzweifelt in dem
ohnmächtigen Bingen mit den schwarzen Nebel-
wolken, schmerzverkrampft in dem Kampf des
Lichtdrachen mit dem Loki des Meeres.
Und im selben Nu, in der Stunde des grossen
Wunders formte sich ihm die ganze Welt um.
Alle Formen und Gestalten kleideten sich in die
schlanke, biegsame Linienpracht ihres Körpers,
die ganze Sintflut von Farben, der ganze Licht-
ozean des Alls ergoss sich in einen dunklen,
heissen Glanz, der um ihre Augen kreiste, aus
dem unermesslichen Chaos von Tönen, Bewe-
gungen, Harmonien vom Flüssigen und Festen
blühte auf ein wundersames Lied, ein Lied, das
sie war — sie, die Einzige.
Dazu bat ihn die Erde geboren, dazu ihre
— 35 —
Oestalt in seine Seele eiDgezeichnet, damit sich
ihre eigenen Linien in der verkörpern, die er
snchte, sich in sie ergiessen wie eine seit Ewig-
keit vorbereitete Form?
Dazu ergoss sich in seine Angen das Wun-
der der Mondnächte über den Oden Brachfeldern
nnd der Lichtschmerz über dem Meer nnd der
jauchzende, zitternde Sonnenglanz über den mit-
taglichen Heimatsdächem — dazn brannten sich in
ihn hinein die Farben sonnverbrannter Steppen
ond giftiger Snmpfblnmen, damit nnr ihr Augen-
licht bis auf den Orund seiner Seele sich bohren
und dort sein Innerstes nnd Heiligstes aufwecken,
damit der Glanz ihrer Haare sich schmeichelnd
um seine Nerven legen, und der Ton ihres Kör-
pers ungeahnte, niegekannte Lust göttlicher Har-
monie auf seiner Seelenharfe spielen könnte?
und dazu ächzte und stöhnte seine Erde
diese unsäglich traurigen Klagen, dazu dröhnten
die Glocken bange Ahnungen, und auf dem Brach-
acker sang der Wind weltfremde Schmerzen in
den Takt der wogenden Weizenfelder, damit jede
Zuckung ihres Körpers, jede feine, biegsame Be-
wegungswelle mit der Form seiner Seele eins würde?
Er rieb sich die Stirn und konnte es nicht
fassen.
8*
— 36 —
Dazu lebte alles um ihn herum, dazu bildete
und erzog sich seine Seele, um die Form zu
schaffen, welche die Unbekannte ausfUlen sollte?
Er erhob sich und ging.
Ein stiller Triumph ergoss sich in seiner
Seele.
Er ging stolz mit hochaufgerichtetem Haupt,
ging wie ein Heerführer in dem Gefühl eines
unendlichen Machtbewusstseins. Trug er ja doch
eine Sonne in seiner Brust — das ganze All, die
tiefsten und geheimsten Rätsel des Alls.
Er ging still und gross, denn seine Seele
hat ihm ihre dunkelste Tiefe geoffenbart, liess
ihm die geheimsten Bunen, die in ihrer Binde
eingegraben waren, deuten und er ging hehr mit
dem Schatz der Sonne in seinem Inneren.
Ging immer schneller den steilen Pfad hin-
auf, aber er ging leicht, als w&re er durch eine
fremde Kraft getragen, bis er endlich eine An-
höhe erklomm.
Er sah in die Tiefe — dort unten in dem
Tal zu seinen Füssen — dies wogende Meer von
Dftchem, das in einem feinen Lichtdunst gebadet
schien — das war seine Stadt.
Und in der Feme hinter der Stadt ein Ge-
birgszug in gebogenen Linien, im Zickzack in
— 37 —
verbogenen Curven : ein wirres Mäanderschema von
Hflgeln, die sich nahmen, Anhöhen , jäh auf-
schreckenden Felszacken, schäumenden Wogen
vergleichbar, die aus der Tiefe des Horizontes hoch-
spritzten, schäumten, sich übereinander hoch-
törmten ; und alle Anhöhen waren mit Kastanien-
Wäldern bewachsen. Grüne Eastanienberge mit
einer Schneedecke von weisser Blütenpracht. Hei!
Wie flackerte das weisse Totenkerzenlicht der
Blflten auf dem grünen Damast, der von dem Himmel
sich bis in die Stadt hinunter zu giessen schien !
Und plötzlich breitete sich sein Herz in
einem niegekannten Machtgeffthl. Er wuchs in
den Himmel, er streckte seine Arme aus, ein
wildes Geschrei mühte sich in ihm hoch, um dem
Weltall die Sonne zu zeigen, die er in seinem
Herzen trug, er fühlte, dass er Licht ausstrahlte,
er ging wie von einer Lichtwoge umbraust> fühlte
dass er, über das Sein erhoben, seine Himmelfahrt
feiere.
Und wieder fiel er zusammen.
Sein Sinn schlug um.
Nach Hause!
Es wurde spät, die Laternen hat man aus-
gelöscht, und er ging in dem dämmrigen Halb-
dunkel der breitgeästeten Eastanienallee wie ia
— 38 —
einem tranmwirren Schlaf. Er ging und wosste
kaum, dass er geht.
Eline watende Sehnsucht zerfurchte tief seine
Seele, es kochte und brodelte in seinem Hirn.
Und doch trug er sie in sich, die Sonne, das
Weltall — dies alles barg sein Herz — wonach
sehnte er sich noch?
Er Iftchelte still vor sich hin.
Ihr Gesicht so seltsam hell und durchsichtig,
ihre Augen so gross und erschrocken, ihre Ge-
stalt so schlank und biegsam wie junges Schilf
im Frühlingswind . . .
Das Fieber zehrte an ihm.
Kam nach Hause und warf sich auf das
Sett . • •
Die Nacht erstarrte in der Luft. Die Nacht
versteinerte, kein Lichtstrahl könnte sich durch
das schwere, granitne NachtgewOlbe durchstehlen,
das mit einem massigen, schwarzen Begenbogen
über der Erde lagerte . . .
In der dunklen Nacht schrieen verzweiflungs-
voU grosse Blumen nach der Sonne, verkrampften
sich in qualvollem Leiden, richteten sich wieder
auf, schössen jäh empor wie in den Konvulsionen
der Starrsucht, warfen sich zur Erde in Chorea-
krämpfen, bogen sich spiralförmig wie in den
— 39 —
Delirien der Besessenheit und ganze Felder
weisser Narzissen starrten in sinnloser Verzweif-
long mit blutigen Augen vor sich hin.
Weisse Narzissen mit Augen , die brachen
und mit Blut abergingen, mit Blut, das auf den
Stengeln langsam niedertroff in grossen schweren
Tropfen.
Und aber dieser weissen Öde, gesprenkelt
von den roten Flecken blutiger Tr&nen, ragten
hoch empor zwei stolze, schlanke Stengel; zwei
weisse Sterne tanzten in der Luft, reckten sich
höher und höher, zerrissen mit trunkener Hoff-
nungslust das Dickicht des Dunkels, legten die
Köpfchen leise aneinander und ihre Augen ver-
flochten sich in dem Schweigen heiliger Ah-
nungen.
Er sah lange die einsamen Blumen, Iftchelte
leise und ging weiter.
Er arbeitete sich mOhsam durch ein Dickicht
von ungeheuerlichsten Blumen, die jegliches Gift,
jegliche Fäulnis der Erde in sich aufzusaugen
schienen.
Er irrte zwischen nassem Sumpfgestrflpp,
unter riesengrossen Nachtschattenbäumen, die in
violettener Trauer prangten, ging an ungeheuren
Tollkirschenhecken, überreich an schwerer, wie
— 40 —
gebeiztes Ebenholz glftnzenden Traubenlast, Bil*
sentarautgebflscben , die mit ihren schmutzigen
aschfarbenen Blüten mitternächtlichen Grans
schrieen, blasser Schirlingwald vertrat ihm den
Weg, an den Gr&ben schreckten ihn die vom
grauen Star überzogenen Augen des Stechapfels,
die hohen Standen des Tollkrauts schlugen ihm
ins Gesicht, es blendete ihn der Hahnenfuss, der
in der roten Glut des Almfeuers brannte.
Und tiefer und tiefer arbeitete er sich hin*
ein in dies schauerliche Giftreich, bis er plOtz*
lieh in tiefstem Schreck stehen blieb.
Von allen Seiten verengerte sich der Baum,
von weiter Feme schien er heranzurasen, machte
immer mehr den Platz um ihn enger und schmäler,
umringte ihn mit einer Mauer und er sah sich
plötzlich in einem geheimen Saal , von der Art
eines Tempels von Eleusis, wo seltsame Myste-
rien gefeiert wurden oder einem Geheimraum des
Isisheiligtums, wo die Priesterin ihren Hymen
dem gottgeweihten Bock, opferte, oder einer von
der Göttin Kali bewohnten, unterirdischen Grotte,
wo die Thuggs den Opfern von giftigen Schlangen
das Augenlicht aussaugen lassen — vielleicht
war er in einer verfallenen Katakombe, wo der
Satan mit der Bifurca seines Phallus seine 6e-
— 41 —
liebte in unmenschliclier Brunst verbluten liess,
oder einer Krypta einer mittelalterlichen Kapelle,
wo gottscb&nderische Priester auf dem nackten
Leib der Schlossherrin die schwarze Messe feier-
ten . • .
Erstaunt nnd schreckerf&llt sah er sich um.
Von der Wölbung hing eine Lampe herunter,
dichtbesetzt von Bubinen, menstruierenden Eiern
vergleichbar, faustgrossen Diamanten von dem
blassen Licht eines Ödems, kostbaren Steinen,
die wie Sarkomeklumpen an der Lampe hafteten,
Onyxe, Berylen, Chrysolithen — und durch das
giftige Wasser des kranken Edelgesteins ergoss
sich eine Flut von Licht verreckender Bubin-
sonnen durchglüht von dem grDnen Irrlicht-Golf-
strom der Smaragde.
Und in dem grausigen Zauber des Lichtes,
das einst vielleicht die fieberkranke Erde bei
ihrem Werden in die sinnlose Zeugungsbrunst
peitschte, da sie noch kochte und übersch&umte
von Feuer und Esse, erblickte er längs um die
Mauer ein seltsames Ornament, das das Gesims
bildete.
Ein und dasselbe weibliche Gesicht mit einem
immer neuen Ausdruck, immer neuer Trauer,
Yerzweiflung, Leidenschaft, Gier, Verlangen . . .
— 42 —
Das war ja ihr Glicht und das unendliche
Lied ihrer Seele, dachte er erstaunt
Er sah sie rein und unschuldig wie ein Kind
mit den Augen einer weissen Tuberose — still
wie der Abglanz blasser Sterne im dunklen Strom
— weich wie das Echo einer. Hirtenflöte in der
Frühlingsnacht, durchsättigt von dem berauschen-
den Fliederduft —
Dann wieder traurig und gramvoll, wie die
Blate einer schwarzen Böse in der erstickenden
Julihitze — (nur ab und zu entreisst sich aus der
Seele ein wilder Schrei, wie der geborstene Klang
eines Abeimächtigen Akkordes, der die sonnver-
brannten Graswogen der Steppe durchfurcht) —
Dann wieder j&h und verlangend, wie die
Biate des Mohns, die in der Wollust der Hingabe
erstirbt: als ob sich durch das iraumschwere,
lustheisse Weh von neuem eine Schlange gieriger,
heisser Töne, die Lustqual und Qier atmeteUi hin-
durchschl&nge.
Einmal sah er ihre Augen schwimmend in
dem Nebel des Bausches, dann wieder frech und
ausgelassen, als w&ren sie umfangen von dem
Gift des indischen Hanfes — in einem Gesicht
sah er ihren Mund wie die geöffnete Blüte einer
mystischen Böse, dann wieder aufjgeqnoUen in dem
— 43 —
Schrei eines geOffheten Orchideenkelches — stolz
und nDzug&nglich wie die Blttte einer Aglaophotis
und yerächtlich wie Löwenmaul . . .
Eüne endlose Beihe von Köpfen — eines nnd
desselben Kopfes — in allen Ausdrücken in ewig
neuem Wechsel nnd Yer&ndemng: eine unend-
liche Skala von Trauer von dem ersten Erzittern
der Sehnsucht bis hinab in den tiefen Strudel
irrsinniger Verzweiflung — das ganze endlose
Liebeslied von dem ersten Aufzucken des Her-
zens , der die Adern mit Blut überströmt durch
alle Liebesglut y durch alles unwissende, gierige
Verlangen bis hinab in die Hölle von Brunst,
die nie ges&ttigt, durch nichts gestillt werden
kann — der ganze Sturm des irrsinnigen Liebes-
erothismus von dem ersten Aufkeimen des Lust-
gedankens, der, einer giftigen Spinne gleich, das
Hirn umstrickt bis in jenes düstere, gellschreiende
qual&chzende Chaos hinab, wo die Seele sich selbst
verliert, zerbirst und in Scherben auseinander-
springt.
Und plötzlich: Alle diese Köpfe begannen
sich von der Wand loszulösen und wurden leben-
dig, sie fingen an sich zu formen und Gestalt
annehmen — Arme, wollüstige, wollustgespannte,
trunkene, schreiende Arme streckten sich ihm
— 44 —
entgegen, nackte Weibergestalten drangen aas
den Wänden heraus, stiegen zn ihm herab, war-
fen sich auf ihn, umwälzten ihn mit der Flut
gierigen, abgrundstiefe Lust versprechenden Lei-
bem — ein höllisches Lachen, Weinen, Ächzen^
Kreischen tobte in dem Saal, brach sich an den
tausend Ecken und Kanten des seltsamen Saals
— keuchende Arme schlangen sich um ihn, war-
fen ihn auf und nieder, er erstickte in der wahn-
sinnigen Fleischeshysterie in dem tollwütigen
Orgiasmus einer entfesselten HöUenbrunst. Bings
um ihn eine grausige Orgie von verflochtenen
Gliedern, die sich voneinander nicht losreissen
konnten in den schreienden Spasmen einer gräss-
lichen Kopulation, die entsetzlichsten Bilder der
widematfirlichen Unzucht rollten sich von seinen
Augen, es raste der wahnsinnige Sabbat von Blut
und Sperma.
Und in einem Nu verschwand alles.
Er sah sie aufs Kreuz gespannt in der gan-
zen Pracht ihrer Nacktheit. Um ihre Arme wan-
den sich goldene Schlangen, ihre Knöchel waren
umwunden von goldenen Schlangen und um ihre
Hüften ein breiter goldener Gürtel, den auf dem
Nabel eine Spange schloss, eine kostbare Lotos-
blume, funkelnd vom seltensten Edelgestein. Sie
— 45 —
sah ihn an mit halbgeschlossenen Angen — hin-
ter den langen Angenwimpem krochen hervor
l&steme Schlangen lockenden , schmeichelnden
Flfistems — sie wiegte sich woU&stig anf dem
Ereoz, ihr Schoss zackte, ihre Brüste streckten
sich ihm entgegen, heiss nnd sangend klang ihre
Stimme :
Erinnerst da dich, wie mein Vater mich nackt,
voll von Scham and Angst vor deinen Thron ge-
schleppt bat?
Denkst da noch, als dn auf dem Thron, zit-
ternd. Instschreiend sassest nnd nach mir deine
Arme strecktest?
Ich war rein wie eine Lotosblume, da sie
den Gott gebar — dn hast die heilige Lampe
meiner Seele zerschlagen, da hast aasgegossen
die Glnt, die in meinen Adern gefesselt war,
meine ^'eele hast dn mit dem Oift des Verlangens
und wilder Lnstträume zerfressen, am mich dann
kreozigen zu lassen.
Ihre Stimme gellte anf in kenchender Leiden-
schaft :
Erinnerst dn dich, als deine Eannchen gol-
dene Nägel in die weissen Lilienblflten meiner
Arme trieben — Blnt spritzte in heissen Strahlen
nnd ich habe dich gehöhnt, ich spie FlQche nnd
— 46 —
Yerwflnschnngen in dein Gesicht, ich biss deine
Seele mit dem Gift meiner Rache . . .
Komm 9 komm, da armer Sklave des Blates,
das dn in die Baserei des Irrsinns gepeitscht hast^
in meine ümarmnng, die dn nie gekostet hast
— komm in die Hölle nnd die Unzucht, die dn
in mir entfesselt hast — an hast mich gekreuzigt
nnd wälzest dich im Staub vor mir . . .
Kriech doch näher heran — näher noch!
Leck doch meine Füsse, dass sie sich krampfen
in der Fieberglnt deiner Lippen — oh — noch —
kräftiger, inbrünstiger nochl
Er kroch an sie heran . . .
Und ein grässlicher Schrei: 0, Astaroth^
Astaroth, Mutter der Hölle und der Unzucht!
Aber im selben Nu umgoss seine Stirn der
Atem, ein unendlich reiner, heiliger und keuscher
Atem von stillen Lilienhänden . . .
Er hatte Angst seine Augen aufzumachen —
er fürchtete, es sei wieder ein Traum — diesmal
ein heiliger Traum des Ewigen . . .
Spurlos verschwand der höllische Spuk und
Graus, er fühlte wie ihre Hand über seine Stime
strich, wie sie ab und zu mit stillen, keuschen Lippen
ihm die Augen schloss, und die Seide ihrer Haare
mit kosender Gnade über seine Arme sich ergoss.
— 47 —
Er f&hlte ihre Hand in der seinen , er sah
zwei Sterne ihrer Angen, die niegekannte Selig-
keit in sein Herz hineinleuchteten . . .
Ja, das ist sie — sie — die Todesstille, die
Eensche, die Heilige — die ist es, die ihm einst
den Blnmenstranss geschenkt hat . . .
Es war schon spät am Mittag, als er todmfide
und fieberkrank von dem Bett sich m&hsam auf-
raffte.
Warum meidet sie mich, warum flieht sie
vor mir! dachte er verzweifelt.
Seine Gedanken verwirrten sich, tausend
Pläne, tausend Beschlflsse kreuzten sich in seinem
Hirn und tausend Blitze glitten aber seine Seele,
bis er endlich erschöpft auf den Stuhl sank.
Nichts konnte er verstehen.
Er durchdachte seine ganze Qual, sein Basen
und Irrsinn, die er durchlitten, seit sie ihm die
Blumen geschenkt hat.
Der Schmerz stieg in ihm hoch und ein
wilder Hass.
Aufs Kreuz lasse ich sie anschlagen, ans
Kreuz! wiederholte er mit irrem Lächeln.
Er schloss die Augen und weidete sich an
der Todesangst seiner Sklavin:
— 49 —
In einem riesigen Palasthof, irgendwo in Sais
oder Ekbathana.
Bings standen seine Krieger in schwerer sil-
berner BOstnng and goldenen Hehnen — die
Schnppen ihrer Brustwehr funkelten im blenden-
den Glanz, und ihre Augen blitzten mit der blut-
dürstigen Gier wilder Baubtiere.
Dreimal erschollen die Trompeten: in den
Palasthof schleppten die Eunuchen die arme
Sklavin.
Sie war irre yor Todesangst, ihre Lippen
bluteten, sie keuchte TomAber, fiel rückwärts
hin, die schwarzen Sklaven packten sie an den
Armen und schleiften sie über die von der Son-
nenglut versengten Fliesen an den Fuss des Ereu-
Z6S • • •
Der König schloss die Augen und gab das
Zeichen.
Sie warfen sie hoch auf das Ebenholz des
Kreuzes, der Henker erfasste ihre Hände, ein
Sklave hielt sie fest um die Hüften, und man
hörte das Klopfen des Hammers ...
Aber im selben Augenblick brüllte der König
auf wie ein wildes Tier in der Tollwut
Er riss sie vom Kreuz herab, hielt sie wie
Prsjbyfstwfkl. Andro^ym«. 4
— 50 —
ein Kind in seinen Armen, Aber sein Kleid rann
das Blnt ans ihren Wunden, er kflsste die Wan-
den und trank das Blut — die Sklaven, die sie
anzurühren ivagten, liess er vierteilen, machte
ans ihr eine Gottheit und liess ihr Opfer brin-
gen . . •
Ja, ja . . . sie war sein Gott und sie sollte
von der ganzen Welt fussfäUig verehrt wer-
den • • •
Gott, wie er seine Sklavin liebte, er —
ihr untertänigster Sklave I
und warum sollte er sich so qu&len?
Er beschloss jetzt plötzlich, sie aus seinem
Herzen herauszureissen — nie mehr an sie den-
ken — die Blumen hinauswerfen und das rote
Band, das ihn immer so qualvoll an sie erin-
nerte . • •
Aber als die Dämmerung kam, lief er vor
das Haus, in dem sie ihm gestern verschwunden
war und wartete . . .
Endlich erblickte er sie, wie sie aus dem
Tor trat — sie sah rings um sich, aber ihn hat
sie nicht gesehen.
Er ging leise hinter ihr her.
Um sie nur nicht zu verscheuchen, dass sie ihm
— 51 —
nicht plötzlich ans den Angen yerschwände! Eaum
wagte er zu atmen.
Sie ging schnell, als ffthlte sie, dass jemand
hinter ihr sich leise schlich — immer schneller
— in der dämmrigen Allee heissblflhender Aka-
zienbänme flackerte der weisse Schein ihres Elei-
des wie ein Irrlicht zwischen den Bohrstanden
auf einem dunklen Sumpf.
Jetzt war er schon ganz sicher, dass er sie
aus seinen Augen verlieren wfirde, schnell trat er
an sie heran, halb bewusstlos und wusste kaum,
was er tat.
Sie blieb im tiefsten Schreck stehen und sah
ihn sprachlos an . . .
— Ich hatte Angst, Sie aus den Augen zu
yerlieren — sagte er endlich — Sie gingen so
schnell . . .
Er atmete schwer und schwieg.
Sie gingen langsam nebeneinander.
Er kam ins Gleichgewicht:
— Ich weiss nicht, wie ich es gewagt habe,
Sie aufzuhalten, aber in dem Augenblick, als ich
Ihnen den Weg vertrat, wusste ich nicht, was
mit mir geschieht . . .
Er schwieg eine Weile, dann sprach er schnell,
4»
— 62 —
kurz abgerissen, hastend nnd eindringlich , als ob
er sich nur die schwere Last yom Herzen endlich
abschattein wollte:
— Sie wissen nicht, wie ich Sie gesucht
habe. Tagelang irrte ich anf allen Strassen
hemm, in allen Kirchen, in den Gartenanlagen
nnd Alleen, um nur einen Blick Ton Ihnen zu er-
haschen — einen Blick nur, nein, nur seinen
fernsten Glanz, den geheimsten Atemzag Ton
Ihnen. — Ich kannte Sie nicht , nie früher habe
ich Sie gesehen, ich wnsste nur das eine, dass
ich Sie unter Millionen Ton Frauen finden
werde. Die, die mir den Blumenstrauss ge-
schenkt hat, die mir ihr Augenlicht in meine
Seele hineingektLsst hat, kann nur so aussehen
wie Sie.
Sie ging immer schneller und er flehte und
flasterte heiss:
— 0, wie ich dich liebe, du meine göttliche
Sklavin. Meine Erde bist du und mein Lied,
alles bist du, was in mir tief und rein ist . . .
Ich trage dich in mir wie eine heilige Sonne
— in dem Abgrund meiner Seele leuchtest du
wie der Abglanz eines mächtigen Sterns in dem
Sturm der Ozeane — deine Augen wie zwei
Tuberosensteme, und jede Nacht schlingst du um
— 6S —
mich die biegsamen Weiden&ste deiner Glie-
der .. .
Sie blieb zitternd stehen nnd liess den Kopf
tief sinken.
— Wie oft hielt ich dich in meinen Armen^
wie oft habe ich mit unendlicher Liebe dein
Gesicht gekost, wie oft deine Augen gekttsst,
dich auf meine Brust hochgeworfen und aus dei-
nen Lippen göttliche Lust gesogen!
Er fasste sie am Arm. Sie zitterte wie ein
Herz, das frisch aus der Brust gerissen wird.
— Sag mir doch ein Wort, nur ein Wort.
Ich weiss, dass du mich liebst, dass du mich
lieben musst, denn, wer solche Blumen schenkt,
der muss lieben.
Du wusstest gut, dass du dich selbst mir
schenktest, als du mir die Blumen gabst.
Wieder schwieg er, sah sie nur an toU flehen-
der Angst.
Sie antwortete nicht, entzog ihm ihre Hand
und ging still weiter.
— Sag doch nur ein Wort, flehte er. Wenn
du willst, werde ich nie mehr ein Wort an dich
richten — erlaub nur, dass ich dir von ferne
folge, dass ich ab und zu deinen Blick er-
hasche, dass ich deine Gestalt, die Musik deiner
— 54 —
Schritte^ die endlose Hannonie deiner Bewegungen
koste.
Eklanb es mir, du weisst nicht, wie ich
mich qa&le, was fOr wahnsinnige Träume mich
in Irrsinn peitschen — sag nur ein Wort —
sag wenigstens, dass ich von dir weggehen
soll • . .
Er Tei*wirrte sich immer mehr, stotterte,
stockte, qu91te sich unsagbar, verwickelte sich
und vergass, was er ihr sagen wollte.
Tränen flössen langsam über ihr Gesicht,
aber kein Aufzucken, keine Muskelbewegung
yerriet, dass sie weinte. Sie weinte still das
Blut ihres Herzens aus, sie weinte, wie eine
MSwe weint, die den Weg verloren hat, sich
schmerzlich zurtLcksehnt und — nicht zurftck-
kann.
Eine ganze Welt f&hlte er in sich krachend
zusammenfallen. Eine wftste, hoffnungslose Trauer
umfing sein Herz — er ging neben ihr wie in
der Stunde des Untergangs, da die Sonne auf
ewig verlischt, und die ewige Nacht sich aber
der Erde schauerlich wölbt.
Er ging, als ginge er an das Ende der
Welt, um sich hinüberrudern zu lassen an das
geheime Ufer schattenloser Bäume, erstorbener,
— 56 —
kalter Friedhofslnft, in der miböwegliche Vögel
mit leblos ausgebreiteten Fittichen mhten.
Etwas von ihm ergoss sich in sie hinein
— Tielleicht empfand sie dieselbe grenzenlose
Trauer, dasselbe Vorgefühl der ewigen Öde und
Stille des Todes, sie erschauerte, schob ihren
Arm unter den seinen und presste sich leise an
ihn . . •
— Ich habe Angst I flüsterte sie leise.
Sie sahen sich an im tiefsten Schreck. . . .
Der Atem stockte in ihrer Brust in der Er-
wartung eines Etwas, das mit dem Jfingsten-
gerichtschrecken fiber sie kommen sollte.
Und im Nu wälzte sich über seine Seele
mit einer grässlichen Flut yon Qualen sein
Golgatha der letzten Tage. Ein wilder Zorn
brandete in seinem EUm, er packte sie wütend
an den Händen, presste sie mit eisernem Druck
und schrie wütend :
— Ans Kreuz lasse ich dich schlagen ! Ans
Kreuz, ans Kreuz !
Sie stand einen Augenblick bebend vor Schreck,
zitterte wie Espenlaub, dann entwand sie sich
seiner wütenden Umarmung und lief im rasenden
Lauf dahin.
Er sah sie fliehen, aber die ganze Welt flng
— 66 —
an in seinen Angen zn kreisen, Blitze schössen
in das Dunkel hinab, eine Sonne stOrzte krachend
in die Tiefe . . .
Lantlos, als hätte ihn jemand mit unsicht-
barer Sense gestreckt, fiel er zn Boden ...
Es vergingen viele Tage nnd N&chte.
Er hatte sich eingeschlossen nnd liess nieman-
den zn 'sich ein.
Er hatte Angst anf die Strasse zn gehen,
denn er wnsste, dass er sie tiieffen würde and
er wnsste, dass anch sie ihn snche, dass sie
henunirre nnd ihn snche, wie er sie gesucht
hatte. —
und wenn es wieder dämmerte, nnd er aus-
gehen mnsste, dann schlich er langsam an den
Hftnsern nnd an Alleebäumen entlang. Jedes ge-
ringste Gtoräusch ängstigte ihn, der Widerhall
von fernen Schritten schreckte ihn hoch, dann
alles, was ihn umgab, eine ganze Welt von Ge-
danken und Erinnerungen, die ganze Welt hinter
ihm war sie.
Er wusste nicht, weswegen er sich so äng-
stigte. Erfühlte nur, dass, wenn er sie wieder-
träfe, sich etwas Fürchterliches ereignen müsse.
— 58 —
Und nie hat er sich nach ihr so gesehnt;
nie sich so geqo<.
Wenn die Welt taub wurde in unermess-
licher Stille , aus den Sternenkelchen die leise
Gnade des Lichtes aufblühte und sich nledergoss,
wenn zwischen dem Ge&st der Eastanienbäume
die Trauer des Mondes blutete — dann ach!
dann streckte er im verzweifelten Schrei die
Hftnde nach ihr, seine Seele erstarb im wilden
Krampf, und er kroch zu ihr, denn es war ihm,
als müssten die Entfernungen welchen und sie,
umstrOmt yon dem köstlichen Duft der herrlich-
sten Blumen, die er in seinen Träumen erlebte,
umkleidet yon dem überirdischen Zauber blauer
Himmelspracht werde zu ihm niedersteigen und
mit ihren leuchtenden Händen seine fieberkranke
Stirn pressen, ihn an sich ziehen und streicheln
und küssen . . .
Oder anders: sie werde über ihn nieder-
strömen mit der unfassbaren Onade der Stille und
Buhe, werde sich in ihm ergiessen mit dem Ver-
gessen und in seiner Seele das hohe Lied weisser
Träume anstimmen.
Anders noch: Sie wird über ihn kommen
mit dem gedämpften Widerhall femer Glocken,
die in seiner Seele ihm die grünen Teppiche sei-
— B9 —
ner Mattererde breiteten, das Herz ihm tranken
machen an dem Olanz herrlicher Eindheitserinne-
rnngen, als er noch aaf dem Schoss der Matter
die Wander träamte, die in der jangfränlichen
Brast scblommem, aaf das Lied horchte, das ihm
der heimatliche See in der gespenstigen Mitter-
nachtsstande sang and za den Vögeln hinaafsah,
die über den geheimnisvollen Orftbem regangslos
ihre schweren Flügel breiteten and in Gärten
hernmirrte, kostbar von schwarzen B&nmen, an
denen nngeheare Dolden von schweren goldenen
Blüten herabhingen.
Er sehnte sich nach ihr and er hatte sinn-
lose Angst, sie wiederznsehen.
Einmal glanbte er sie darch das Fenster za
sehen. Sie presste ihr Gesicht an die Scheibe
and sah ihn an mit Angen wie ein ersterbendes
Doppelgestim.
Das war ein Schmerz, der keine Kraft mehr
hatte anfzoschreien oder za stöhnen. Nnr ein
yeräscherter , sterbender Fenerscheit aaf dem
Herd. Nar das letzte Aafprasseln der Toten-
kerzen am Katafalk, von dem man bereits den
Sarg geborgen hat. Nor das letzte Aufatmen Tom
Wind, der aaf die Erde niederfiel and gebrochen
dorch die herbstlichen Stoppelfelder hinkeacht
- 60 -
Er sah hin im tiefsten Schreck^ wich zurück
— nur die Augen blieben schmerzlich haften an
dem durchsichtigen Gesicht und ihrem verenden-
den Doppelgestim. Er stützte sich zitternd an
der Wand, wie ein Totenlaken flog etwas an sei-
nen Augen vorüber — und alles verschwand plötz-
lich — mit unsagbarer Angst starrte er in die
tiefste Nacht der Vorstadt.
So vergingen Tage und Nächte.
Bis endlich der Schmerz brach und er die
kranke Sehnsucht überwältigte.
Er musste ihr nur noch etwas zum Abschied
sagen, sein letztes Lied herausschreien.
Als er auf die Estrade trat, sah er nieman-
den. Er fühlte nur den heissen Atem einer tau-
sendköpfigen Menge. In seinen Augen flimmerte
das grüne Licht riesiger Leuchter, eine Sekunde
lang erzitterte sein Gehirn mit dem Gedanken
an sie — er wollte hinsehen, wo sie sass, wo
sie sitzen musste, er fühlte ihren Blick flackernd
auf sich irren, aber plötzlich verschwamm alles
und eine unsagbare Buhe breitete sich in seiner
Seele aus.
Die Buhe und Stille vor der Schöpfung.
unter seinen Händen strömte ein übermensch-
licher Gtosang:
— 61 —
Er sass auf dem Gk)lgatha zu den Füssen
der anfis Kreuz gespannten Menschheit Wie ein
Orkan wftlzten sich ftber seine Seele Jahrhunderte
Ton Qualen und grftsslicher Martyrien, eine ganze
Ewigkeit Ton Verdammnisleiden, zuckender Schreie
nach Erlösung; höllischer Flüche und heulender
Krämpfe nach einer^ Sekunde von Glück. Das
ganze Leben des Seins feierte in seiner Seele eine
düstere Messe voll entsetzlichen Orauens —
So sass er zu Füssen des Kreuzes und starrte
in die finstere Nacht, über ihm die Sonne, mit
schwarzem Flor umhängt.
Er schlug mit rasender Faust gegen die
Himmelspforten, fluchte dem Schicksal, dass ihn
leben, sich in Not wälzen, sich mit Ekel und
Abscheu bespeien und tief in der Hölle ewig-
hungriger Dämone der Sinne yerfaulen Hess.
Ohnmächtige Wut der Bache heulte in sei-
nem Gehirn, ohnmächtiges Verlangen nach Ver-
geltung kocht in seinem Blut, und aus der hei-
seren Kehle riss sich ein grässlicher Schrei
heraus: Wo ist das Ende, und wo der Anfang?
Wo ist die Ursache, wo das Ziel?!
Er ging mit dem irren Stern auf der Stirn
und führt mit einer blutigen Fackel eine kranke,
entsetzte, vor Furcht bebende Menge hinter sich.
— 62 —
Durch das Dickicht der tiefsten Nacht arbeitet
er sich blnttLberstrOmt hindurch nnter allen ge-
spenstischen Schrecken hinab in die unterirdi-
schen Gänge, wo unbekannte, erträumte, dunkel
geahnte Schätze yerborgen liegen. Er geht voran,
stolz und unzugänglich, aber sein Herz zerwflhlt
die Angst und Verzweiflung : werde ich sie fin-
den können? Ich habe sie der Menge ver-
sprochen, — wie lange werde ich noch herum-
irren ?
und im Nu war er das Allsein, das in
Millionen von Sternen zerbarst, in Milliarden von
Getiergattungen sich verkörperte und wieder zn
einer Einheit in ihm wurde: eine Unendlichkeit
von Gefühlen, eine Unendlichkeit von Schöpfangen
und Erden.
Eine ungeheure Sonne trug er in seiner Brust,
ging, flog in die Höhe. Höher und höher, verlor
das Bewusstsein seiner Allmacht, seines Willens
und Seins — weisse Flügel bt'eitete er von einem
Pol zum anderen und schwebte in schwerem
Grübeln über der Welt.
Es brach der Zorn und der Schmerz des
Lebens — das Leiden erstarrte und die Sehnsucht,
denn in der Dämmerungsstunde schlief die Erde.
Und in der Tiefe wogen die Getreidefelder
— 63 —
in träumender Tmnkenkeit, und in der Tiefe
dämmert gespenstisch das Öde Brachgefilde , und
in der Tiefe schrecken anf dnnklen S&mpfen
flackernde Irrlichter — ach — in der Tiefe brei-
tet sich in dem schwarzen Abgrund des Sees der
Himmel und ans seinem Grund blühen herauf
blasse Sterne und weben auf der glatten Fläche
den stillen Zauber versunkener Kirchen . . .
Sehnsucht umfing schwer und drückend sein
Herz.
Und wieder schritt er dahin, er, der erdge-
borene Sohn, ging voran mit dem heiligen Olau-
ben, dass er die Erlösung bringt, aber mit tiefstem,
traurigsten, weltvergessenen Schmerz wusste er,
dass man ihn werde kreuzigen lassen . . .
Er schleppte sich seinen Todesweg hin mit
blutenden Füssen, blutiger Schweiss trat ihm auf
die Stirn und in seiner Brust ein Gehenna von
Qualen . . .
Er fühlte, dass er etwas auf den Armen trage,
er trug es andächtig und mit unendlicher Sorg-
samkeit — aber er sah niemanden . . .
Und plötzlich, etwas wie das Bauschen eines
Kleides im Zimmer — wie das Leuchten eines
heissen, verlangenden Augenpaars.
Er schrak hoch.
— 64 —
Nein, nein — das war kein Traum.
Kein Tranm mehr!
Sie war es, sie, leibhaftig sie!
Sie stand an der Wand und atmete tiel
Sie sahen sich an, erschreckt, stumm, zitternd.
— Ich bin zu dir gekommen, flOsterte sie —
ich bin gekommen, die Sehnsucht und das Ver*
langeu zerfrassen meine Seele.
Und sie sank in seine Arme.
Stunde gottestrunkenen Glflcks, Stande
des Wunders, in der zwei Seelen ineinander-
fliessen!
— Hast da Angst vor der Sttnde ? fragte er
sie beiss and zitternd.
— leb liebe die Sünde, ich liebe die Hölle
— mit dir — mit dir . . .
Und sie warf sieb in seine Arme besinnungs-
los — weltvergessen ...
und er spracb zu ibr:
— leb wusste nicbt, was Glück bedeutet,
jetzt weiss icb es.
Mit dir koste icb das Glück und beilige
nnerscböpflicbe Lust.
— Die Stunde des Wunders bat sieb erfüllt,
lacbte sie mit leisem, irren Läcbeln.
— Nie konnte icb ein Weib mit mir yer-
schmelzen, flüsterte er innig — du strOmst in
pTSj^jistwiki, Aadrofjut. 5
— Ge-
meinen Adern wie ein goldener Golf von Sonnen-
stanb.
— Die Stande des Wanders, die Stande des
Wanderst wiederholte sie leise in bebender Yer*
zückang.
Stilla
— Warnm weinst da? er erschrack.
Sie streichelte sein Haar, sie nahm sein
Gesicht in ihre kleinen Hände, presste sich noch
heftiger an ihn, nmfasste seinen Hals mit den
Armen and wieder irrten ihre weissen Finger in
seinem Haar.
— Waram weinst da?
— Vor OlflckI sie schlachtzte leise.
Und er nmflng sie mit zitternder, gottseliger
Liebe, flfisterte ihr die heissesten Worte za, an-
ablässig dieselben Worte in irren Sätzen, er
wiegte sie hin and her and wiegte, wie man ein
Eind in liebenden Armen beruhigt.
Sie weinte nicht mehr.
Sie pressten sich eng aneinander, wie sich
zwei Kinder im frischen Heaschober aneinander
schmiegen, wenn Ober ihnen ein wütendes Gewitter
rast and der Himmel schwere Blitze Aber die
Erde sät.
— Ist dir gat so?
- 67 -
— mein Geliebter, mein Einziger — an,
dn • . .
— Dein, dein! wiederholte er nnanfhOrlich.
— Jetzt bleiben wir immer zusammen? fragte
er mit tiefeter Angst.
Sie antwortete nicht, nur unablässig durch-
zuckten sie heisse Schauer . . .
— Ich werde den Kreuzweg antreten, —
ans Ereuz lasse ich mich nageln. — In der
Stunde des Wunders hat sich mein Leben er-
fiUit . . . Frag nicbt, nimm mich, press mich
noch fester in dich hinein — fester noch —
töte mich!
Langes, schwüles Schweigen,
und wieder sprach er zu ihr:
— Erinnerst du dich, wie ich dich in ftarcht-
baren Stttrmen durch den Urwald trug? Der
Himmel schien auf uns niederzustürzen — um
uns tanzten grfine Reifen von Blitzen, mächtige
Aste der Kokospalmen barsten mit dem Krachen
und Schreck einfallender Gewölbe und yerlegten
uns den Weg mit einer immer höher anwachsen-
den Hauer, ab und zu zerspaltete der Blitz einen
tausendjährigen Stamm, so dass die Scheite um
den Wurzelboden sich rings neigten und zu Boden
fielen wie riesige Blätter von dem Kelch einer
5^
— 68 —
welkenden Blume. Der Orkan warf uns hoch
und wieder zu Boden, wir stolperten, fielen,
schlugen uns wund an den Bftnmen, aber ich
riss mich wieder auf, fiel, kroch anf den Enieen
weiter, kletterte Aber die Haufen gebrochener
Aste, Aber die toten Leiber der Drb&ume, aber
ich ging, denn ich trug dich auf meinen Annen,
und das Gewitter des Verlangens, das in mir
tobte, war stärker als alle Gewitter, die jung-
fräuliche Urwälder vom Boden wegfegen.
Sie anwortete nichts.
— und erinnerst du dich, wie ich mit dir
floh durch den Brand lichterloh entzAndeter
Steppen? Der Wirbelwind des Feuers raste
hinter uns, wuchs mit grässlichen Säulen in den
Himmel hoch, wälzte sich auf der Steppe in un-
geheuerlichen StrOmen, und ich lief, lief in irr-
sinnigen SprAngen eines gehetzten Baubtiers mit
dir auf meinen Armen, ich flog Aber den yon
Hollenfeuer versengten Boden, und ich war stär-
ker als das Feuer, es erreichte uns nicht, denn
ich trug dich auf meinen Armen, und ein stär-
keres Feuer als das auf der Steppe wAtete in
meinen Adern.
Sie antwortete nichts.
— Erinnerst du dich als ein wahnsinniger
— 69 —
Haistrom nnsern Kahn erfasst hat? In einem
Augenblick warf er den Kahn bis auf den Grund
des grftsslichen Schlundes, erbrach ihn wieder
und stürzte jäh auf wie ein Holzstflck auf die
rasenden Wogen, wieder umfasste er ihn mit
seinem rasenden, wütenden Reifen und wieder
fiel der Kahn mit der SchneUe eines fallenden
Sternes in den grausigen Trichter herab und
wieder schoss er hinauf, wie ein Lavastein, den
ein kochender Vulkan hinausschleudert, und so
flog ich dreimal hinunter und dreimal wurde ich
wieder hochgeworfen auf die kochenden Strudel
des Stromes, bis endlich unser Kahn auf ein
stilleres Wasser fiel. Ich war stärker als der
Malstrom, denn ich fühlte wie du meinen
Körper umfasst hieltst, deinen Kopf fühlte ich
auf meiner Brust, und in mir selbst raste ein
Malstrom stärker als alle der Welt: Du — du
in mir — meine Liebe zu dir.
Sie antwortete nicht.
— Siehe ! Ich bin der erdgeborene Sohn, ich
bin der urewige Adam ; in meinem Herzen wütet
ein Sturm stärker als jener, der die mächtigsten
XJrbänme wie trockenes Schilf zerbricht — in
meinen Adern rast eine Feuersbrunst mächtiger
als jene, die die Grassteppen überströmt und ein
— 70 —
weit abgrOndiger Malstrom kocht in mir, als der,
der das grOsste Schiff za nichts zerreibt und
seinen Stanb anf dem Ornnd der Ozeane sät:
Liebst da mich?
— Dn bist stark, dn bist gross, da bist bber-
m&chtig.
— Das ist nicht das, was ich von dir hören
mag.
Nnn hOre:
Ich kann mich jederzeit znm König machen,
alle Völker zn unseren Fassen werfen, mich der
Erde bemächtigen, fiber Millionen von Sklaven
herrschen, ich kann dich ans Erenz nageln lassen
und dich wieder mit meiner Allmacht ins Leben
rufen — ich kann mich als der Sonnengott er-
klären — in heiligen Hainen wird man mir Altäre
bauen und Opfer bringen — ich kann vor deine
Augen alle Wunder und Paradiese aller Zeiten
und aller Erden zaubern — ich habe alle Schmer-
zen, alle Qualen der Menschheit erlebt, all ihre
Lust und Glfick, kann sie in die Hölle si&rzen
und sie wieder erlösen:
Liebst du mich?
— Du bist ein Gottl
— Es ist nicht das, was ich von dir hören
mag.
— 71 —
Hör also:
ÜDd wenn ich dich mit Instheischenden
Annen auf meine Brnst werfe, wenn dein Haar
sich wie eine Mähne str&nbt nnd da dich mit
den Lippen in mein Bint einsangst, wenn ich
dein Verlangen in einen Abgrund von Lust
peitsche, dass dir die Welt von den Angen ver-
schwindet, nnd die Ewigkeit in einer Sekunde
zerschmilzt, und du ohnmächtig auf mich fährst
wie eine yom Hagel gepeitschte Narzissenstaude —
Liebst du mich denn?
Sie lachte auf in seltsamer, irrer, uferloser
Lust, umfasste seinen EOrper, rieb die Seide
ihrer Haare an seiner Brust und sah ihm dann
lange, lange in die Augen; ergoss sich ganz in
seine Augen, es war ihm als ob sie sich ganz
bis auf den Grund seiner Seele gleiten liess, sich
heiss um sein Herz legte, sich in jede Pore ein-
sog — er hatte sie nicht mehr bei sich, sie war
in ihm, in seinem Blut, sie zerschmolz in ihm
in langen ewigkeitstrunkenen Schauem:
Ich liebe dich, ich liebe, liebe dich!
Er f&hlte im Traum, dass sie still and leise
ans seinen Armen glitt — dnrcb den Traum
fühlte er, dass ihm das Blut vom Herzen floss,.
etwas sich von seiner Seele löste —
Aber das war im Traum . . .
Er hOrte wie Augen in furchtbarer Qual
schrieen, dass sie im Feuer fieberkranker Sterne
aufzuckten, und dann plötzlich erloschen — noch
ein weltfernes Aufleuchten und dann eine entsetz*
liehe Stille des Dunkels —
Aber das war im Traum . . .
Er fühlte, als ob das unendlich feine Spinn-
gewebe yon seidenen Haaren über sein Gesicht
striche — hörte etwas wie ein leises Auftreten
scheuer Schritte —
Aber das war im Traum ...
Und plötzlich empfand er in sich eine furcht-
bare Nacht, eine Nacht die erstarrte, versteinerte
in der Luft, und er wusste, dass kein Strahl
— 73 —
sich mehr durch das finstere Eiesengewölbe der
Nacht durcharbeiten werde.
Er sprang yom Bette, suchte umher in Todes-
angst, aber sie war nicht mehr da.
Fflr einen Augenblick war er wie gelähmt,
ein grässlicher Schrecken schnürte ihm das Herz
zusammen, und wieder rafEte er sich auf und
begann sie zu suchen im wilden Entsetzen.
Die erste Frühsonne ergoss sich mit blauen
Lichtströmen in das Zimmer — er suchte, suchte
— er sah sie ja doch ganz deutlich vor sich, er
fasste sie ja schon an den Armen, er sah doch
tief in ihre Augen fibervoll von Glück und Selig-
keit, er kflsste ihr Haar:
Sie war nicht dal
Er wankte, setzte sich, stand wieder und
taumelte in das andere Zimmer hinein.
Auf seinem Schreibtisch ein Strauss roter
Mohnblumen auf einem weissen Papierblatt.
Er sah lange drauf hin — auf diesen Papier-
streifen und den roten Strauss, tastete mit den
Fingern, um sich zu vergewissern, ob er nicht
träume und endlich wurde er wach.
Er las:
Ich gehe weit — weit weg. Ich gehe in
das heilige Reich der Qual hinein, zu meinem
— 74 —
Kreuz zarack, auf das da mich genagelt hast.
Die Stunde des Wunders ist vollbracht Such
nicht nach mir — du wirst mich nicht finden.
Warte nicht auf mich — denn yergebens. Ich
gehe ohne dich^ aber ich werde nicht mehr allein
sein. Ich bin bei dir und mit dir für alle
Ewigkeit — und meine Seele wird traurig sein
bis ans Ende . . .
Er las nicht weiter. Zerknitterte das Papier,
schob von sich weg den roten Strauss — ging
auf und ab ohne ünterlass in dem Zimmer und
fiel endlich erschöpft auf das Fauteuil hin.
Über ihm das schwarze GewOlbe der Nacht
und in seinem Herzen Graus und Schrecken der
gespenstischen Stunden . . .
Als er erwachte war es schon gegen Abend.
Noch einmal las er ihren Brief durch und
wusstet dass die Stunde des Wunders sich erfüllt
hat und nimmer zurückkehren werde.
Jetzt wusste er, dass er sie nicht mehr finden
w&rde und auf sie nicht mehr zu warten brauchte.
Alles umsonst!
Er wusste das aUes mit einer Sicherheit, die
sein Gehirn mit glühenden Nadeln zerstach und
er empfand eine sinnlose Trauer und gleichzeitig
die helle, unsagbar heilige Majest&t des Todes.
— 75 —
Und mit hochaufgerichtetem Hanpt ging er
^eit hinter die Stadt — fernab.
Er ging hinter etwas, worin man ihm die
ganze Welt begraben hat, sein ganzes Glfick
verborgen, seine Vergangenheit und Zukunft
yersargt.
Er ging hinter jemandem her, der ihn fahrte,
ihn hinter sich schleppte und au ihm zerrte —
er wankte, strauchelte, ab und zu fiel er zu
Boden, aber wieder richtete er sich auf, denn
Jemand schleifte ihn mit Gewalt — und wenn er
fiel, wickelte sich eine grausame Hand um sein
Haar und riss ihn hoch.
Und dann ging er wieder in grossen, qual-
vollen Schritten wie jemand, der vor Schmerz
erstarrt war und grosse, steinerne Tränen in
seinem Herzen trägt.
Er sah nichts mehr, hörte nur das DrOhnen
seiner schweren Schritte, als wäre er eisenbe-
panzert, als fiele aber sein Gesicht ein schwerer
eherner Helm.
Er sah sich erstaunt um.
Er war ja ein grosser FOhrer, seinen dröhnen-
den Schritt hörte er tausendfach widerhallen, denn
ihm folgten tausende erzbeschlagene Bitter.
Er ging an der Spitze durch dunkle Wäl-
— 76 —
der und hinter ihm die Bitter mit blutroten
Fackeln.
Er empfand keinen Schmerz mehr, keine
Sehnsucht tr&bte ihm seine Seele, er hörte nur
unabl&ssig ihre Worte, die sie ihm Tages yorher
in der Stunde des Wunders gesagt hatte, als er
sie immer heftiger, mit immer grosserer Lust an
sich presste:
Heilig bist du mir, weil du mich in mir er-
zeugt, das dunkelste und nackendste Geheimnis
meiner Seele belauscht, alle ihre schauerlichen
Bätsei mir gedeutet hast. Glanz, Licht und Offen-
barung bist du mir — die Sonne, in deren Glut
mein Herz zei*schmolz.
Unablässig wiederholte er diese Worte.
Diese Worte wurden ihm zu ihren kleinen weissen
Händen, in die er sein Gesicht legte, und er
fühlte den Abdruck der tausendfältigen Ver-
kreuzung ihrer Handlinien auf seiner Haut.
Ihre Worte wurden ihm zu dem seidenen
Glanz ihres Körper — oh! mit welcher abgrttn-»
digen Lust schien er sich hinein in seine Brust^
wie weiss leuchtete ihr Körper an seiner dnnklen
Haut I
und jedes Woi*t lebte und zitterte, er hielt
es in seiner Hand, es schlug, es schlug . . . Er
— 77 —
f&hlte es in seinen Adern, wie es sich mit dem
Blntstrom zusammen in ihm ergoss — rings nm
sich hörte er es klopfen and sich nm ihn in
feurigen Bingen ergiessen.
Schwer lastete es aber seinem Herzen; ein
tauber Schrei würgte ihn:
Mutter der Barmherzigkeit!
Aber es gab kein Mitleid mit ihm.
und wieder brach der Schmerz und wieder
hOrte er ihre Worte, die sie ihm gesagt hatte in
der Stunde des Wunders, als ihre Augen ge-
spenstisch aufflammten und irr über dem Spiegel
seiner Seele flackerten:
Ein dunkles Verhängnis brütet schwer über
mir, und zu meinen Füssen Offiiet sich die
Helle und das Verderben. Meine Seele ver-
blutet an der Sehnsucht nach dem verlorenen
Paradies.
Er stand auf der Spitze eines himmelhoch
ragenden Felsen. Plötzlich berührte ihn ihre
kleine, weisse Hand, und er fiel von einer Spitze
aof die andere, zerfleischte seinen Körper an den
scharfen Zacken, glitt tiefer und tiefer die Gletscher
hinab, in einer tausendstel Sekunde flog vor seinen
Augen sein ganzes Leben vorüber — rettungslos
wälzte er sich wie eine Lawine in dunkle Höllen-
— 78 —
grftnde, bis er Wollust empfand, so zu stürzen,
sieb so an den Riffen zn zerfleischen.
Er f&blte ibre Hacbt, ibre Qnal nnd ihr ohn-
mächtiges Beginnen, denn eine andere, fremde
Kraft hat ihn durch sie in den Abgrund gestossen.
Und zum dritten Mal hörte er ihre Stimme,
aber diesmal in seinem Herzen : ein Schrei heisser
Finger, die in seinem Haar wühlten, flehende Um-
armung ihrer Arme, die keuchende Verzweiflung
ihres Körpers, der sich an dem seinen wundrieb:
„Ich gehe, ich gebe schon, such mich nicht
— die Stunde des Wunders ist vollbracht."
Es wurde finster vor seinen Augen, seine Beine
knickten ein, als wäre er von hinten in den Rficken
mit einem Speer getroffen und im Todesschrei fiel
er anf den Boden.
Wachte er wieder auf?
Ja er ritt auf einem wilden, schwarzen Hengst
fiber sonnenyerbrannte Steppen. Bings hat die
wütende Glut alles aufgefressen, alle Bäche nnd
jegliches Gewässer aufgesogen, nichts vor ihm,
nichts hinter ihm, nnr die rachsfichtige , weiss-
glfihende Sonne und ein Himmel, der in weissem
Brand sich verzehrte. Heisser, kochender Nebel,
das war die Luft, die er atmete, nnd die ver-
brannte Erde versengte seinen Hengst. Der Helm
— 79 —
brannte sich ihm mit feurigen Striemen in seine
Stirn nnd seine eherne Brflnne senkte seinen Leib.
Er ritt in ohnmächtiger Verzweiflung, denn
in seinen Armen erstarb vor Dnrst die» der er
sein eigenes Blnt zum Trinken geben möchte.
Langsamer nnd schwächer schleppte sich der
todesmflde Hengst hin, stolperte, fiel in die Knie,
raffte sich wieder anf, sein Hals hing herab, wie
ein angesägter Ast — jeden Augenblick, gleich,
sogleich, beim nächsten Schritt, wfirde er tot um-
fallen.
Und im Nn wieherte er glAcklich anf.
Denn plötzlich inmitten dieser Hölle, dieser
sengenden Olnt in Brand gesteckter Nebel eine
Wasserzisteme.
Und schon hob er sie hoch, nm sie anf den
Boden zu setzen, nnd ihre Stirn mit Wasser zn
benetzen, da plötzlich, als wflchse er ans der Erde
hoch, pflanzte sich ein schwarzer Eitter vor ihm
anf in einer flbermächtigen, gottgleichen Majestät,
nnd seine Stimme dröhnte wie der Enf der Jüng-
stengerichtstrompete :
Ich bin es, der die Grenze fflr jegliches Olttck
nnd jegliche Lnst dieser Erde setzt —
Ich bin es, der vor jedem Anfang war nnd jedes
Ende fiberdanem wird:
— 80 —
Gotty Satan, Schicksal!
Wieder zerrann das gespenstische Gesicht.
Er sah in die Tiefe hinab — dort nnten zn
seinen Füssen dies wogende Meer von Dftchem,
das den Schein vom elektrischen nnd Gaslicht
atmete, das war eine Stadt — ja — aber nicht
seine — eine fremde Stadt.
Nein! das war nicht seine Stadt!
und plötzlich sah er sie deutlich vor seinen
Augen, eine Stadt in seltsamen Felsen ausgehanen,
durchzogen von einem wirren Netz von Gräben, die
Stadt des Todes und der Öde, die einstens seine
Vorfahren ihm dem letzten Spross gebaut hatten.
Wieder empfand er eine grosse, heilige Sonne
in seiner Brust.
Dort in dieser Todesstadt wird er sie finden.
Dort — dort!
Sein Herz schwoll in unbekannter Macht, er
wuchs in den Himmel hinauf, streckte seine Arme
und sprach zu ihr:
Ich gehe zu dir, aber wozu soll ich dich
suchen, du durchkreist meine Adern, du bist der
Atem meiner Seele, der Drang meines Ver-
langens, der Zauber meiner Träume, du bist ich.
und wieder blickte er hinab auf die Stadt^
die ihm nun fremd ward.
— 81 —
Dort hat sich die Stande des Wunders er-
fftllt
Aber die Stadt war ihm fremd.
und wieder sprach er zu ihr und sich:
Do bist eine Sonne, die sich in mir ergossen
hat So oft ich will, wirst du vor mir stehen
nnd mein sein. Aber nicht hier. Ein grosseres
Wunder wird sich vollziehen dort, wo meine Stadt
die wilden Felsen erklimmt, wo der heilige Strom
tobt und rast in granitnen Abgründen und in unter-
irdische Felsen Kaskaden von Stalaktyten er-
frorenen Mondlichtes hinabwirft.
Über seinem Haupt ergl&nzte ein grosser,
grüner Stern, der ihn in das neue Syon führen
sollte, in das neue Jerusch-Halaim, den urewigen
Alkazar seiner Ahnen — dorthin, wo in dem ge-
heimen Zauber der Todesdämmerung sich noch
«in grosseres Wunder vollbringen sollte . . .
Prsybyai«waki, Aadrogjn«.
Er stand am Fenster des Alkazar und blickte
anf die seltsame Stadt hinab, die ihm seine Vor-
fahren vor Tausenden von Jahren erbaut hatten.
Es war Mondnacht und in dem gespensti-
schen Licht schreckten die Formen und Konturen
dieser Stadt, die sich in einer seltsam gebroche-
nen D&cherfläche zu seinen Fassen breitete.
Als hätte die Erde gebebt, das glatte, fel-
sige Terrain sich gebogen und gebrochen, die
mächtigen Felsmassen sich übereinander gescho-
ben, ineinander gekeilt, zu Pyramiden aufge-
türmt oder sich in gezackten Wellen ins Land er-
gossen.
Es sah aus wie eine Hiniatur-Gebirgskette,
die auf einem kleinen Platz zusammengedrängt
war mit tausend Spitzen, Tälern, Riffen, Abhän-
gen, jähen Schluchten und unerwarteten Aufrissen^
und hoch oben auf der äussersten Spitze breitete
sich ein mächtiges Felsenplateau, darauf stand die
herrliche Fürstenburg, der uralte Alkazar.
— 83 —
Er sah lange auf die Stadt dort unten. Er
sah tausend scharfe, schwarze, seltsam ineinander-
verschlungene Konturen der Strassen, die das rie-
sige Dachterrain zu einer absonderlichen Zeich-
nung f>en.
Diese ganze weisse Dftcherfläche sah aus wie
ein heiliges, geheimes Ornament, das ein Gewirr
von mystischen Arabesken bildete.
Und es war, als hätte die Hand eines ge-
waltigen Magiers in der weissen Oberfläche des
mächtigen Felsens heilige Bunen seines tiefsten
Wissens eingehauen.
Von der Hohe des Alkazar sah die Stadt
aus, als wäre sie nicht erbaut, sondern aus den
Aushöhlungen des Felsens gebildet
Breit lag die Stadt vor ihm, ein unermess-
liches Eatakombengrab , überragt von dem Al-
kazar, der stolz, ernst und streng mit schlanken
Türmen in den Himmel aufstrebte.
Ein Schauer überlief ihn, wenn er daran dachte,
einst in diese Katakomben herabsteigen zu müssen.
Er kannte alle Gässchen, alle Schlupfwinkel,
alle Strassen, ihr wirres Durcheinander, die Stel-
len, wo sie sich kreuzten, sich verflochten oder
in Blindsäcke mündeten, er wusste, dass er in
diesem Gewirr, diesem verstrickten Knäuel von
6*
— 84 —
Strassen sich nicht verlieren könnte, und doch
fühlte er einen geheimen Schreck, dass er in
diesem Labyrinth irren nnd nie wieder ans ihm
herauskommen konnte.
Und es gab niemanden, der ihm den Weg
weisen konnte, denn die Stadt war tot.
In unsagbarer Trauer sah er die Stadt an,
die ihm nur Schreck und Angst einjagte.
Und doch sollte sich hier ein grosses Wunder
vollbringen.
Hier sollte er aus sich gestalten, was der
Ton seines Gedankens war, die Äusserung seines
Gefühls, die Form seines Willens.
Hier sollte er — denn also hat ihm sein
Herz versprochen — die verlorene Geliebte wieder-
gewinnen — sie aus dem kostbaren Schatz seiner
geheimsten Schönheit, seines verstecktesten Seins
wiedergestalten.
Aber vergebens hat er gewartet, vergebens
seinen Willen in kranken Visionen angespannt —
alles vergebens.
Er vermochte nicht, sie aus sich selbst zu
formen.
Und wozu ihm diese herrlichen Alkazare,
wozu diese Wunder und Zauber, diese furchtbare
Totenstadt rings um ihn?
— 85 —
Jäh erfasste ihn ein entsetzliches Granen
vor diesem nngehenerlichen Mittemachtsspnk zn
seinen Füssen, nnd mit der ganzen Seele sehnte
er sich nach seiner Heimat zurück — nach der
Stadt in dem tiefen Tal, das in den Nächten das
kostbare Licht atmete, nach den dunklen Alleen,
auf denen er tagelang hemmirrte, als er sie suchte,
nach den dämmrigen Kirchen und den AnhOhen,
die sich über der Stadt in dunkelgrünen Stockwer-
ken aufbauten, und mit ihren Eastanienwäldem
sich in schwere Damastpracht in die Stadt ergossen.
und in majestätischen Wogen ergoss sich
der unsagbare Zauber dieser heiligen Erde, die
schweren Getreidefelder, die sich traumbefangen
hin und her wiegten, die Brachäcker, die in
heissen Sommernächten fieberten; der geheime, ge-
spenstische Graus der Irrlichter auf den dunklen
Sümpfen — ach! — und dieser Himmel, der sich
in der untiefe des Sees gebettet hat, aus dessen
Grund der Lichtzauber blasser Sterne aufblühte
und über dem stillen Antlitz des schlafenden
totenstillen Wassers die düstere Erinnerung an
versunkene Kirchen breitet
und wieder sah er auf die tote Stadt da
unten und auf den rasenden Strom, der die Stadt
in der Form eines heiligen Omega umtoste.
— 86 —
Tief in felsigen Schlnchten stürzte er sich
von einem Katarakte znm anderen, wälzte sich in
Wirbeln nnd Strudeln, warf hinab in nnermessliche
Or&nde schwere, rauchende, spritzende Wasser-
massen, schlenderte sie hoch empor an den spitzen,
stachelichten, felsigen Cleopatr^nadeln, die ans dem
Bett aufragten, drängte sie in die Spalten und
Bitzen der Biffe, die das granitne Ufergelände
zerfetzten, er kochte, heulte, schäumte, goss sich
mit Hollenhast in wilden Geysiren und Malstrom-
wirbeln.
Lange sah er hin mit einer seltsamen, leiden-
schaftlichen Ehrfurcht auf diesen heiligen Strom,
der eine ganze Bergkette zerrissen, ganze Stein-
pyramiden durchschnitten, sich Gänge und Schluch-
ten und unterirdische zahllose Korridore ausge-
graben hat.
In dem Mondlicht sah der Strom aus, als
wäre er aus geschmolzenen Mondstrahlen und
dort, wo er in unzählbaren Wasserfällen sich in
unterirdische im Granit ausgehöhlte Kanäle hin-
abstürzte, schien er Kaskaden gefrorener Stalak-
titen von kaltem Mondlicht zu werfen.
Mit kranker Lust horchte er auf das höhnische
Geheul irrsinniger Gefälle, denn das war die Musik
zu der Verzweiflungsmesse, die in seiner Seele
— 87 —
tobte — und er sah den gespenstischen, dftsteren
Olanz der Katarakte, denn in diesem trtlben Gräber-
licht der Verwesung und schimmligen Eupfergrflns
flackerten seine kranken Fieberträume.
Er hielt den Atem an, streckte sich in die
Hohe, breitete seine Arme ans und sog gierig das
gespenstische Wunder ein.
Entsetzt sah er sich ringsherum.
Es geschah etwas FOrchterliches!
Er war allein, von der ganzen Welt losge-
schnitten irgendwo in der Mitte eines Ozeans auf
einer Insel, die sich hoch Aber dem Meer auf
einem ungeheuren Basaltblock schwer nieder-
setzte.
Die ganze Insel war eigentlich nur ein an-
einandergewachsener , steiler Fels von Basalt-
säulen, ein in abertausend Ecken gebrochener
Vieleck, dessen Seitenwände steil ins Meer flössen,
gleich den hieratischen Falten auf den Gewän-
dern byzantinischer Heiligen.
Bings um die Insel sah er das Meer in der
Flut. Die Wellenberge keuchten atemlos hoch-
auf, warfen sich empor in wilder, zähnefletschen-
der Kraft und gössen sich über das Plateau der
Insel. Zwischen ihr und den felsigen Biffen, die
die Insel umkränzten, raste das Meer, drängte
— 88 —
sich mit höllischer Macht hineiiii ergoss sich in
ungeheuerlichen Ansätzen und Bncksprttngen, die
zum weissen Schaum zerschlagenen Wassermassen
fielen von oben herab in glitzernde Schneewol-
ken, und wurden wieder hochgeworfen, als hätte
sich ein unterirdischer Krater geöffnet, der dieses
Lava herausspie, diese spritzende, tollgewordene
Gischt.
Und es war für ihn eine nieempfundene Lust
diesen ungeheuerlichen Kampf der anein anderpral-
lenden Wasserwogen anzusehen. Von beiden Seiten
in dem Engpass zwischen der Insel und der langen
Felsbank rings im Kranze umher stauten sich im-
mer mächtige, in den Himmel wachsende Wasser-
massen — sie prallten in der Mitte wfitend an-
einander, wuchsen aneinander hoch, ohne sich zer-
schlagen zu können, umfassten sich wie ringende
Feuersäulen kochender Sonnen, warfen sich
nieder, sprangen wieder jäh hoch, barsten wie Pla-
netenringe, die sich von dem Mutterkorn los-
reissen wollen — aber schon ergossen sich von
der einen und der anderen Seite neue Wasser-
orkane, die das Meer vom Grund loszureissen
schienen.
An dem Horizont schwoll das Meer an in
wahnsinniger Macht, sein Schoss wölbte sich in
— 89 —
ongeheuerlicher Schwangerschaft in den Himmel
höher, noch — noch, noch hoher, der ganze Ozean
wölbte sich zn einer nnermesslichen Enppel über
seinem eigenen Gmnd, hoch über der Insel schwebte
das entsetzliche Wassergewölbe, aber jäh brach
die Kraft, die den Ozean von seinem Gmnd hoch-
hob. Die Wasserknppel barst nnd mit dem Krachen
nnd dem Donner einstürzender Welten fielen die
schweren Wasserwolken hinab, prallten vom
Boden noch einmal hoch, wälzten sich mit einer
Sintflnt über die Insel hinab — nnd es wnrde
Bnhe.
Aber nur anf einen Augenblick.
Plötzlich stand das Meer in Flammen.
Das war nicht mehr ein Meer, das waren
Wogen von geschmolzenem Metall, der kochende
Strudel flüssigen Gesteins.
Als wäre die ganze Erdoberfläche wieder
flüssig geworden, und raste in vorsintflutigen
Stürmen, in grässlichen Konvulsionen, Zuckungen
und Ghoreatänzen.
In das schwarze Himmelsgewölbe hinauf
Schossen unerhörte Fontänen von siedendem Metall,
zu Tälern gössen sich Ströme von kochenden Erzen,
besessene Gesteinsgolfe verkrampften sich mitein-
ander, Wassersierren wüteten in Weltenbränden
— 90 —
und Feaer-Niagaren schienen sich umgewälzt zu
haben und schreiende Orkane von Flammen in
den Himmelsabgrund zu speien.
Langsam erstarrte das kochende Meer. —
Wo vor kurzem noch die Wassermassen sich in
den Himmel türmten , sah er rings eine ver-
löschende Gebirgskette. In einem atmosphären-
losen Licht, das seine fressende Macht verloren
hat, sah er Aber dem Himmel mächtige Farren-
kräuter ihr vorsintflutliches Violett breiten, in den
Wolken verlorene, schwarze Stämme verkohlter
Palmen und Zypressen stanten wie ein toter
Säulenwald, mit stiller Lust bltlhten ungeheure
Lilienkelche auf, in das Blau der unermess-
liehen Neunfarenblätter frassen die giftigroten
Zungen von Orchideen und all das raste in dem
entfesselten Farbenorkan : Das Grün, das Violett,
Ultrapurpnr und überweisser Siedeglanz kämpften
miteinander — durch das ächzende Geschrei des
flüssigen Eisenrot wanden sich dunkle Fäden von
Gebirgsbächen , wie man sie von der weitesten
Feme sieht, auf den dunkelgrünen Teichen der
Neunfarenblätter krochen messingfarbene Stauden
in unglaublichen Spiralen von mytischen Schling-
pflanzen und in das tiefe Schwarz der verkohlten
Wälder spritzte die abgeschnellte, blitzhelle Feder
— 91 —
des verborgenen Giftes von Cnrarepflanzen , und
auf dem dnnklen See des Forpors wiegten weisse
Seerosen ihre tranmschweren H&npter.
Er schloss die Angen, er konnte nicht dies
rasende Tedenm des Farbenorgiasmns ertragen,
aber der Eindruck ergoss sich ihm bis in den
geheimen Knotenpunkt, wo sich alle Sinne dorch-
dringen, überströmte von neuem sein Gehirn, aber
diesmal mit einer grässlichen Symphonie von dröh-
nenden Blasinstrumenten, schmelzender Fagotte,
heulender Bässe, kreischender Geigen in der Ap-
plikatur, HOmer, die wie apokalyptische Bestien
heulten, Klarinetten, die wie Hollenhengste
wieherten:
Entsetzt prallte er zurttck und lief durch
eine lange Pilasterallee bis in die äusserste Tiefe
eines unermesslichen Saals und fiel erschöpft
auf einen Teppich, in dem er endlos zu ver-
«inken schien.
ünermessliche Seligkeit umfing sein Herz.
Mit nie gekannter Lust atmete er Buhe, Stille
und Gottgefdhl.
In dem weichen, d&mmrigen Halbdunkel eines
Lichtes, das die porphymen Säulen atmeten und
das von der dunklen Decke aus Zederbaumholz
strömte und sich mit dem bläulichen Glanz des
— 92 —
basaltenen Estrichs innig ineinanderschmiegte^
f&hlte er plötzlich den Augenblick des heiligen
Wunders nahen ...
Der Abend legte sich mählich um die Welt.
Das Bot der Porphyrsänlen ergoss sich in dem
dunklen Glanz des Ebenholzes; die heiligen Kühe
der Kapitale wurden zu ungestalteten Ungeheuern,
das Licht y das sich durch den engen Spalt der
Säulenallee hineinzwang, erblasste, wurde still,
zitterte und flackerte wie das Licht einer ver-
löschenden Fackel.
Und in dieser heiligen Stunde stand er auf
und langsam, erhobenen Hauptes, als trüge er
die Mitra eines Welteroberers durchmass er die
Säulenallee, blieb auf der granitnen Terrasse seines
Alkazars stehen, seine Seele hat sich vom EOrper
^eigelöst und breitete sich aus mit heiliger Gnade
%ber der Stadt und dem Ozean.
Und in der toten Stille der Eatakombenstadt
wusste er endlich, dass er ganz allein auf der
Welt sei, irgendwo auf einem millionen weiten,
weit entfernten Stern: er yergass, dass es noch
jemanden ausser ihm in dem ganzen Weltall gäbe.
— 94 —
Er war allein da, ganz allein!
Es dunkelte. Die Himmelswnnder erloschen^
und über die Erde breitete die Nacht den dunklen^
schweren Trauerflor.
Seine Seele zitterte und flatterte umher wie
ein Vogel vor dem Gewitter in rastloser Unruhe^
denn sie wusste, dass die Stunde nahe ist, da
sich die Untiefen OfFhen, da die Seele alle Ge-
heimnisse durchdringt und in die Pracht ihrer
eigenen Nacktheit schaut.
Und es war als ob sich der Baum von allen
Seiten verengte, nah und näher an ihn heran-
rückte, als ob die Linien und Konturen sich von
der Stadt loslösten, sich zu neuen Bildungen ent-
formten — das Dunkel schien sich noch zu ver-
tiefen, zu Körper und Gestalt zu werden, und
plötzlich barsten die schweren Vorhänge der Nacht
und es ward Licht, ein seltsames Licht : ein leuch-
tendes Atmen duftender Sommernächte, ein kalter,
gleichmässiger Abglanz verborgener Welten — es
ward ein Licht, das die Beflexe metallischer Spiegel
bilden — ein inneres Licht — das Licht der Seele
und des Weltalls.
Und in diesem lichtlosen Leuchten sah er,
wie sie ihm langsam entgegenschritt: Sie — Er
— Sie!
— 95 —
Sie ging zu ihm wie ein Licht, das sich in
dnnklen Nebelmassen yerirrt — als ob sie sich
in Mflhe und schwerem Bingen mit ihrer Licht-
gnade durch die schweren Nebellasten durch-
zwängte.
Sie ging wie das StOhnen der Glocken meilen-
weit geht über glitzernde Schneegefilde an frosti-
gen Winterabenden, und sie ging so leise wie die
D&mmerung, die die Gebirgskoppen Überrascht.
In die Schluchten und zerrissenen Biffe drän-
gen sich scharfe, lange Schattenkeile hinein, und
schmelzen ein das lichte, sehnsflchtige Violett zu
bleigrauem Blau — mit langen, spitzen Zungen
beissen sie sich in das Weiss des ewigen Schnees,
und langsam dfistem nach die kristallnen Funken,
ins Dunkel hflllen sich die Spitzen und die Pla-
teaus ein: still, ernst und feierlich giesst sich
das Schattenmeer hinab.
Und sie ging wie das weisse Leuchten der
Silberpappeln in dem Earfreitagzauber, furchtbar
und verzweifelt. Lrgendwo auf den schmerzer-
starrten Feldern pflanzte sich auf das Windsegel
und ächzt und heult und stöhnt, und zum Takt
schlagen aneinander die metallisch glänzenden,
weissen Blätter.
Er wich zurück.
— 96 —
Und durch den Sänlenwald ging näher und
näher an ihn heran das silberne Leuchten, der
stille Lichtschein, der die Vorhänge der Nebel
durchriss — eine Wellenbrandnng des Stöhnens
schwingender Glocken, die düstere Dämmerangs-
sehnsucht, die von den Anhöhen in das Tal strömte.
Immer tiefer wich er in die weiten Grfinde
seines Alkazars, fiel auf sein Gesicht und stam-
melte:
— Bist du endlich gekommen? Meine Seele
blutet und ihre Flügel sind zerfetzt — über Berge
und Meere bin ich hergekommen — mich tötet
der gespenstische Schrecken dieser Stadt, aber
hier harrte ich deiner, denn mein Herz sagte mir,
hier werde ich dich finden . . .
Totenblasse Stille rings um ihn . . . Elr
erschrak, dass er vielleicht nicht zu ihr spräche . . •
Er kreuzte seine Arme und flehte in inbrün-
stigem Flüstern:
Wer bist du?
Und durch seine Seele ging eine Stimme wie
das Aufleuchten eines schmerzlichen Lächelns,
wie eine blasse Lichtwelle, wie ein verrauchen-
der Atem eines in sich kauernden, andächtigen
Schweigens :
— Ich bin die geheimste Tiefe deiner Seele
— 97 —
— ich bin die Linie alles dessen, was du durch*
lebt hast, bin der Ton nnd die Farbe deiner
Trftnme nnd das Ziel deines Verlangens ; ich bin
das Blut, das immer von nenem deine Brnnst
sftttigt, dnrch mich nnd in mir bist du empfangen
— durch mich und in mir wird sich dein Sein
vollbringen . . .
Und durch den ungeheuren Saal hallte es
wider wie von dem Schluchzen des herbstlichen
Begens, es gl&nzte wie eine ungeweinte Träne in
einem schmerzverglasten Auge und um das Ge-
wölbe strömte die tiefe Klage:
— Denkst du noch an die Nacht, da ich
dein Gesicht in meinen H&nden hielt, da ich dich
mit meinen heissen Armen umfing, mein Haupt
auf deiner Brust ruhte und meine heissen Finger
in deinem Haar wfihlten?
Er zuckte auf vor Schmerz. Diese Stimme,
voll von Angst und Überirdischer Sehnsucht, voll
von bebenden Erinnerungen wuchs ihm in seine
Kehle hinein, staute das Blut in seinen Adern —
er wand sich vor etwas Unsichtbarem im Staub
nnd flehte:
— Oh, komm — komm ! So lange hab ich
auf dich gewartet hier in dieser gr&sslichen Kata-
kombenstadt, denn so hat mich meine Seele be-
Pvsjbjis«wiki, Aadrogya«. 7
— 98 —
tOrt, dass ich dich hier wiederfinden und dich
haben werde, so oft ich es will.
Wie dich fassen ? I Sieh, ich suche, ich spähe
nach dir, ich breite meine Arme aus — oh, komm,
oh, komm!
Und es war, als hätte jemand seine Knie
nmfasst, fiele ihm nm den Hals, schmiegte sich
an seine Brust in nie enden wollender Lost und
dem Schmerz ohnmächtiger Verzbckung.
Lässiges Schweigen goss sich um das Zeder-
getäfel der Decke und das gräne Syenit hinter
den porphymen Säulen . . .
Und er fählte, fllhlte ihre klein-kleine, weiche
Hand, sah sie in sich, wie sie sich über ihn beugte
und ihm zuflüsterte:
— So lange irrte ich herum, suchte und
wartete, ob deine Hand mich nicht aus dem
Nichts herausreissen , mich formen, gestalten
werde und mich zum Körper werden lasse . . •
Hörst du mich, o du Geliebter mein, f&hlst
du mich?
Ich bin von dir weggegangen, denn, wenn
du mich ansahst, in deine eigene Seele starrtest
— denn ich bin der Körper deiner Gedanken,
ich bin die Form und die Gestalt deiner Sehn-
sucht, der Ausdruck deines Fühlens und die
— 99 —
Bewegung deines Willens ... ich ging weg von
dlr^ denn ich war dein Verderben und dein
Tod . . .
Ich habe dich verlassen, aber heute flehe ich
dich aUy bitte ich dich und schreie : streck hinein
deine Hand in den Abgrund meines Nichts : mag
sie die Millionen von verwehten, zerrissenen, in
alle Winde ausgestreuten Tönen zu einem Akkord
meines Leibes f&gen, Millionen von Farbenflecken
zu einer Sonne giessen, die meinen Körper durch*
wärmen wird . • •
du mein Heiliger. Du mein Oottl So
lange irrte ich und suchte und schrie nach dir,
aber die Sturmorkane haben mein Flehen und
mein Stöhnen und meine Verzweiflung verweht —
und du hast mich nicht gehört . . .
Jetzt zittere ich nicht mehr, dass du zu-
grunde gehst — ich weiss, dass du, wenn du
in mich — in deine eigene Seele — schaust, zu-
grunde gehen mnsst, aber du willst doch nicht
ohne mich leben — reiss mich heraus aus mei-
nem Nichts oder komm zu mir — komm — oh !
komm!
Die Sehnsucht hat meine Seele irr und trflbe
gemacht, Schmerzensstflrme haben mein goldenes
Haar zerrauft, oh, fass die goldenen Strähnen,
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winde sie um deinen Arm, reiss mich heraus ans
diesem Abgrund: ein Paradies ist er mit dir zn-^
sammen, eine Hölle ohne dich!
Hörst dn mich ? Fohlst dn mich ?
und ein furchtbarer unermesslicher Schmerz
der Sehnsucht zuckte in wild^ Krampf durch
den Saal:
— du mein Lichtgeborener — ich habe
dich gerufen y ich habe mich gewälzt im Schrei
und verzweifelten Gebet nach dir, aber meine
Stimme verhallte und brachte das Erz deines
Herzens nicht zum Schwingen — ich umfasste
dich in zitternden Flutwellen des Lichts, meine
Lippen haben nach den deinen gelechzt, für dich
öffnete sich die mystische Böse meines Leibes,
aber dein Herz schwieg — ich kroch in deine
Tr&ume hinein, ich badete in ihrer Glut meinen
lustheischenden Schoss — aber, als du aufwach-
test, war der flberirdische Zauber meiner Beize
von dir gewichen ...
Und immer mächtiger schwoll die Sehnsucht
und das Verlangen ihrer Stimme an:
— Fass mich mit deinen Händen um die
Hflften, so, ach, so! Beiss mich an dich mit
deinen starken Armen, wirf mich hoch auf deine
Brust, dass sich mein Haar zur wilden Mähne
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sträubt in der sengenden Glut deines Geschlechts-
willens I
Sieh, sieh!
Ein banges, ein sflsses Erschauern . . .
Ich werde Körper!
F&hlst du das Pochen meiner Adern? Sengt
dich die Glut meines Verlangens?
Schrei auf, schrei himmelhoch auf, lass dei-
nen Willen, das ganze Sein erschauem, dass ich
werde!
Er schnellte auf, wuchs hoch, in ihm raste
ein Willensorkan und dreimal wiederholte^ sich
ein furchtbarer Schrei:
Werde! Wwde! Werde!
Vergebens ...
Ihre Stimme bOrte er wieder wie einen letz-
ten, verhauchenden Ton von Engelchdren:
— Vergebens: Komm mit mir! Diese Liebe
ist nicht von dieser Welt — komm, folge mir
dorthin : dort, ja dort werden wir eins sein, nicht
hier, nidit hier ...
Seine Seele yereinigte sich mit dem EOrper.
Tief, ganz tief in dem dnnklen Tal erlosch
die Stadt y die letzten Widerklänge stieben aus-
einander, nnr die Erinnerung an die grosse, an
die heilige Nacht breitete ihre Flügel Ober der
Stadt.
Er konnte nicht mehr unterscheiden, was
Tranm, was Wirklichkeit war — "wie ein weit-
fernes Echo, das irgendwo Aber den Erdenrand
hinaufzukommen schien, hOrte er das Tosen der
Wasserfälle, sah die ragenden goldenen Turm-
spitzen der Alkazare.
Er schloss die Augen:
Etwas wie der leise Flflgelschlag einer
Möwe:
Komm! Oh, komm!
Ein Leuchten wie von einem flflstemden^
tonlosen Blitz:
Eomml Oh, komm!
— 103 —
Etwas umfing sein Herz mit zarten, feinen
Händen, streichelte und küsste es:
Komm, ohy komm!
Ans seiner Seele riss sich ein schluchzender,
sehnender Schrei:
Ich gehe schon, ich gehe!
Und dort in der Tiefe die dunklen Easta-
nienalleen. Er glaubte zwischen den schwarzen
Bäumen ihie lichthelle Gestalt zu sehen.
Und dort in der Tiefe dämmrige, feuchte
Kirchen in denen die Sarkophage von Fürsten
und Königen brüteten. Noch fühlte er das Zittern
ihres Herzens, ihren heissen Atem, den Pulsschlag
ihrer Adern, der ihr Gesicht rot überströmte,
als er sie einmal in den dunklen Kreuzgängen
getroffen hatte.
Ach in der Tiefe — dort in der Stadt des
Wunders hat er sie in seineu Armen wie ein
Kind hin und her gewiegt, sie wieder jäh auf
seine Brust geworfen, und wieder behutsam ge-
bettet, und rings ergoss sich die goldene Flut
ihrer leuchtenden Haare.
Übers Kreuz warf er sich auf den Boden und
lag so lange, bis der Schmei'z in ihm brach, und
in seinem Herzen es still wurde mit einer Stille,
die vor der Schöpfung war.
— 104 —
Rahe, oh, Bube !
Die Meere waren gestorben, der Pnlsschlag
der Erde hörte auf, in den Himmel ragten ver-
kohlte Wipfel erstorbener Palmenbänme und mäch-
tiger Stämme von Farren, flb^r dem unermess-
lichen Oden Totengefllde der Eismeere lag ver-
streut die furchtbare Saat von Knochen vorsint-
flutiger Tiere • • •
Stille, taube Stille !
Mit erloschenen Strahlen verband sich der
Mond mit der Erde, und es gab keine Hand die
diesen toten Saiten einen Elang entreissen könnte
— mit breitem Schoss öffnete sich die Erde, aber
es gab kein Licht, das sie befruchten könnte —
in der atmospbärenlosen Unendlichkeit hängen
reglos entsetzliche Sterne wie kalte Globen aus
Messing, und die Sonne, kohlenschwarz, verreckt
aufgefressen von ihrem eigenen Feuer.
Und in dieser grässlichen Stille erhob
sich von neuem die Sehnsucht in ihm, eine un*
sagbare Sehnsucht nach der, die er einst be-
sessen, wieder verloren, die er aus der Mutter-
scholle seiner Seele wieder zum Leben aufer-
wecken, Blut seines Herzens in sie ergiessen
und seinen Willen ihr als Bückenmark geben
sollte . . .
— 105 —
Aqs seiner eigenen Adamsrippe sollte er sie
schaffen) aber er vermochte es nicht.
Mit ganzer Kraft selmte er sich nach der^.
die er hienieden nicht mehr schauen dnrfte. Die
Nacht des Wunders^ die er mit ihr durchkostet,
breitete sich zu einer Ewigkeit — eine Ewigkeit
lebte er mit ihr zusammen, eine Ewigkeit unend-
lichen Glflcks.
Und er sprach zu ihr:
ihr meine Augen —
so oft ergoss sich meine Seele in eure dunk-
len Untiefen, einem Sterne gleich, der in die
Abgrfinde der Ozeane sich herabstürzt —
noch einmal saugt auf meinen Gram und
meinen Schmerz — mag er in eurem Schlund
versinken wie ein Lichtstrom unsichtbarer Sterne
in den raumlosen Weiten der Unendlichkeit, —
ihr meine Augen!
du mein kostbarer Mund,
so oft irrte seine stumme Trauer auf mei-
ner Brust, biss sich seine Verzweiflung in mein
Fleisch, sein Zauber s&ttigte meine Seele mit
dem süssen Gift unsäglichen Verlangens — so
oft öffnete er sich zum keuchenden Liebesge-
flflster, zu unzüchtigen Schreien, zu wilden
Lästerungen, —
— 106 —
einmal noch öffne sich der wundersame Kelch,
einmal mag er noch seinen gespenstischen Zauber
in mich ergiessen,
dn mein kostbarer Mund!
dn mein geliebtes Hanpt,
so oft hab ich dich an meinem Herzen ge-
borgen, 80 oft sankst du an meine Schultern in
meiner wilden Umarmung , warfst dich zurftck,
versengt von der Glut meines Verlangens, fielst
ohnmächtig in zuckenden Liebesschauem auf die
Kissen —
einmal noch verbirg dich an meinem Schoss,
giess über mich die Sternenflut deiner Haare
du mein geliebtes Haupt, oh du goldener
Strom deines Reichtums!
In dem Tal zu seinen Füssen brütete die
schwarze Nacht — nur ein winziges licht
flackerte wie der letzte Funken einer verlöschen-
den Fackel.
Er verzweifelte nicht mehr. Denn er wusste,
dass er zu ihr gehe, mit ihr eins werde in dem
Ewigkeitsschoss, aus dem er und sie entstanden
sind.
Keine Verzweiflung mehr, nur eine kranke,
sinnlose Sehnsucht nach diesen Augen, die ihre
Sterne in die Abgründe seiner Seele mit solcher
— 107 —
Liebe im Schmerz eintauchten nnd nach den
Händen, die ihre Tansende von verhängnisvollen,
schicksalschweren Linien in sein Gesicht graben,
nach dem traurigen Lächeln, das mit brütender
Schwere sich um die Lippen legte • • .
Es geschehe!
Er nnd sie sollten zum ürschoss zur&ck-
kehren um zu einer heiligen Sonne zu werden.
Eins und unteilbar sollten sie werden,
und alle Geheimnisse nackt und gelöst mit
ihren Augen schauen
und in gottewiger Klarheit alle Ursachen
und Ziele durchdringen und sie leiten
und alle Erden und jegliches Sein beherr-
schen
in dem Gottgeftkhl: Er-Sie!
Androgyne !
Es umfloss ihn der Glanz ihrer feinen, weissen
Hände, ihn durchströmte der Duft ihres Körpers
und in seiner Seele jauchzte das verlangende,
lockende Geflüster:
Komm Geliebter, komm!
Und er ging mit einem gewaltigen Todes*
trinmph in seinem Herzen, dort wo im Mondes-
glanz der siebenarmige See schimmerte — ging