ANLEITUNG
ZUR
LATEINISCHEN PALAEOGRAME
VON
W. WATTENBACH
PKOFESSOK IN BERLIN.
Dritte Auflage.
LEIPZIG
VERLAG VON S. HIRZEL.
MDCCCLXXVIII.
Druck von J. B. Hirsch fehl in Leipzig.
VORWORT.
Die autographirten Blätter, welche ich hier der Oeffentlichkeit über-
gebe, hatten ursprünglich eine solche Bestimmung nicht. Nur handschriftlich
vorhanden, dienten sie zur Unterstützung meiner Vorträge über lateinische
Paläographie, und waren lediglich aus dem Bedürfniss der Zeitersparung her-
vorgegangen. Autographirt wurden sie zuerst auf den Wunsch meiner Zu-
hörer im Jahre 1866, und ich würde sie schon damals dem Buchhandel über-
geben haben, wenn nicht die Zeit Verhältnisse es unmöglich gemacht hätten.
Nur eine kleine Anzahl von Exemplaren konnte ich dem Germanischen Mu-
seum zu Nürnberg zustellen; sie war im Anfang des Jahres 1869 erschöpft,
und da es an Nachfrage nicht fehlte, habe ich mich zu einer neuen Bearbeitung
entschlossen. Deutlich genug hat es sich herausgestellt, dass ein Bedürfniss
nach einem solchen Hülfsmittel vorhanden ist, und dass auch die Mangelhaftig-
keit dieses Versuches nicht abschreckend wirkte. Seit der ersten Veröffentlichung
desselben ist nun freilich durch mein Buch über das Schriftwesen im Mittelalter
(1871, zweite Auflage 1875) eine sehr nothwendige Ergänzung dazugekommen,
allein es fehlt noch immer die historische Entwickelung der Veränderungen
des ganzen Schriftcharakters, welche beim Vortrag durch Vorzeigung von
Proben sich mit Leichtigkeit anschaulich machen lässt; und wenn ich auch
jetzt in der Einleitung diesen Gegenstand etwas eingehender behandelt habe,
so musste ich mich doch auf einen kurzen Umriss beschränken und konnte
nur so viel bieten, als zum Verständniss der folgenden Blätter durchaus un-
entbehrlich ist. Am schmerzlichsten vermisste bisher der Anfänger auf diesem
Gebiete eine zweckmässig ausgewählte Folge von Schriftproben, deren er sich
zu seinen Studien bedienen konnte; diesem Bedürfniss aber ist jetzt abge-
holfen durch die Schrifttafeln zum Gebrauch bei Vorlesungen und zum Selbst-
unterricht herausgegeben von W. Arndt, Berlin 1874 u. 1878. Auf diese
beziehe ich mich vorzüglich, auch ohne immer die einzelnen Tafeln anzu-
führen. Von anderen nachgerade in zahlloser Menge vorhandenen Schrift-
proben führe ich die wichtigeren an, ohne jedoch hier nach Vollständigkeit
zu streben; ein jeder wird die ihm zugänglichen leicht einreihen können. In
Bezug auf die autographirten Blätter ist es vielleicht nicht überflüssig zu be-
merken, dass es keineswegs darauf abgesehen war, die erstaunliche Mannig-
faltigkeit der Schriftformen auch nur annähernd zu erschöpfen,, sondern nur
die wesentlichsten Formen hervorzuheben; auch kann, da alle Nachbildungen
aus freier Hand gezeichnet sind, auf vollständig genaue Uebereinstimmung
mit den Originalen kein Anspruch gemacht werden. Für diese dritte Aus-
gabe sind jene Blätter vollständig neu bearbeitet worden.
Berlin im Juni 1878.
W. Wattenbach.
Die Hauptgattungen lateinischer Schrift.
i
Capitalschrift.
Die Capitalschrift , welche den Steinschriften der Augusteischen Zeit
am meisten sich nähert, ist in einzelnen vollständigen Handschriften und
vielen Fragmenten uns erhalten. Reiche Beiträge haben die Palimpseste ge-
liefert. Noch haben D E M Q ihre Normalform, und nur ausnahmsweise
kommen Abweichungen von der gleichen Höhe aller Buchstaben vor.
Die zahlreich vorhandenen älteren Nachbildungen dieser Schriftgattung
haben, da sie auf Nachzeichnung beruhen, nicht die unbedingte Zuverlässigkeit,
welche nur photographisch zu erreichen ist. Es kommen daher, während
früher vorzüglich auf die Publicationen von A. Mai und Silvestre zu ver-
weisen war, jetzt vornehmlich in Betracht die Tafeln der Londoner Palaeo-
graphical Society und die systematische Sammlung: Exempla codicum
Latinorum litteris majusculis scriptorum. Ediderunt C. Zangemeister et
Gruil. Wattenbach. Pleidelb. 1876. Die photographische Aufnahme lässt
namentlich auch spätere Zuthaten, wie die Interpunctionen in einigen Hand-
schriften, als solche erkennen. Hervorzuheben ist noch die Schrift von
G. H. Pertz, Ueber ein Fragment des Livius (rect. Sallust) in den Abhand-
Wattenbach, Lat. Palaeogr. 3- Aufl. I
— 2 —
hingen der Berliner Akademie von 1847, mit dem Facsimile, welches wieder-
holt ist in Sallustii opera ed. Kritz, Vol. III. Die Schrift ist vorzüglich schön
und merkwürdig, eine photographische Aufnahme aber nicht mehr möglich.
Zu dieser Schriftgattung gehören auch die wenigen Fragmente lateinischer
Schrift in den Herculanensischen Papyrusrollen, doch nicht alle, und
gerade daraus sehen wir, dass schon so früh eine Einmischung von Cursiv-
formen und ein Uehergang zur Uncialform auch in Abschriften litterarischer
Werke stattgefunden hat. Der Zustand dieser Fragmente lässt aber nur eine
Nachzeichnung zu, und bei der Undeutlichkeit der Schriftzüge auf dem ver-
kohlten Papyrus ist zuverlässige Genauigkeit nicht zu erreichen. Die in den
Volumina Herculan. II facsimilierten Fragmente des Gedichts de hello Actiaco
und die Tafeln I— III der Exempla zeigen jedoch, dass durchweg die Formen
der Buchstaben sich weiter von der Normalform entfernen, als es in den Per-
gamenthandschriften der Fall ist. Die leichtere und flüchtigere Schrift auf
dem zarteren Material wird in dieser Richtung eingewirkt haben. Eine Nach-
bildung in Farben, aber wenig genau, ist im Museo Borbonico XVI, 25.
Schon hieraus ergiebt sich, wie unbegründet es ist, aus der grösseren
Reinheit der Schrift ein höheres Alter folgern zu wollen. Sie war eine ab-
sichtlich festgehaltene Kunstform, welche man für Prachthandschriften an-
wandte, nachdem schon lange auch andere Schriftgattungen üblich waren.
Merkwürdiger Weise scheinen alle Majuskelhandschriften des Vergil in Ca-
pitalschrift geschrieben zu sein. Unter diesen ist der berühmte Mediceo-Lau-
rentianus mit einer Unterschrift in Uncialen versehen, welche die Entstehung
der Handschrift erst in die Zeit Odoacar's setzen würde. Allein ein Blick
auf dieselbe (facs. Pal. Soc. pl. 86) lehrt, dass sie nicht ursprünglich zu dieser
Handschrift gehört, sondern nachträglich zugesetzt ist; vgl. Ribbeck, Prolegg.
critt. p. 223. Es widerspricht also auch diese Handschrift nicht dem allge-
meinen Satze, dass höheres Alter anzunehmen ist bei regelmässiger, aber
nicht gekünstelter und gleichsam gemalter Schrift, bei guter alter Orthogra-
phie und Abwesenheit von Interpunctionen und hervortretenden Initialen. In
jüngere Zeit, vielleicht des ausgehenden vierten Jahrhunderts, nicht, wie Pertz
meinte, in Augusteische , gehören hiernach die schedae Vaticanae cod. 3256
mit den dazu gehörigen Blättern der Berliner Bibliothek, facs. bei Pertz in
den Abhandlungen der Berl. Akad. 1863. Hier beginnt jede Seite mit einer
farbigen Initiale.
Die nachweisbar jüngsten Handschriften dieser Art sind der Pariser
Prudentius, vermuthlich gegen Ende des 6. Jahrh. sehr schön geschrieben
(Exempla t. 15. Pal. Soc. pl. 29. 30), und der Turiner Sedulius, in welchen
Capital- und Uncialschrift wechseln, wohl aus dem 7. Jahrhundert (Exempla
t. 16).
Diese Schriftgattung blieb im Gebrauch für Ueberschriften, Titel, Ini-
tialen; sie wurde in karolingischer Zeit künstlich hergestellt und der Normal-
form wieder mehr genähert; man schrieb so die ersten Seiten von Pracht-
handschriften, ja ganze Handschriften in genauer Nachbildung antiker Muster.
Vorzüglich beliebt war eine kleine zierliche Schrift, gewöhnlich capitalis
rustica genannt; sie findet sich in Saint Augustine's Psalter (Cott. Vesp.
A. 1. Pal. Soc. pl. 19), einer der ältesten Nachahmungen der von Augustin
nach Canterbury mitgebrachten Handschriften, wo die ersten Blätter so ge-
schrieben sind. Besonders merkwürdig ist der Utrechter Psalter, dreispaltig
in cap. rustica, mit Bildern, und eben deshalb älterer Vorlage genau nachge-
ahmt, um die Eintheilung des Raumes festzuhalten Die Bilder zeigen angel-
sächsischen Stil und sind sicher nicht älter als das neunte Jahrhundert, viel-
leicht erheblich jünger; s. die vollständige Autotypie (1873) und Proben in:
Reports addressed to the trustees (1874); Birch, The history, art and palaeo-
graphy of the Ms. styled the Utrecht Psalter (1876); Arntz, Beknopt histo-
risch overzigt over den oorsprong van het Quicunque, Utrecht 1874.
Handschriften dieser Gattung sind immer ohne Worttrennung; Inter-
punction wohl nur im Sedulius ursprünglich; in dem Herculan. Epos de bello
Actiaco sind die Worte durch Puncte getrennt.
— 4 —
II
Uncialschrift.
Völlig ausgebildet bestand Jahrhunderte lang neben der Capitalschrift
die zweite Kunstform der Uncialschrift, ein Wort, welches durch den neueren
Sprachgebrauch seine bestimmte Bedeutung erhalten hat, indem es die Schrift
bezeichnet, in welcher A D E M die jüngeren abgerundeten Formen haben,
und einzelne Buchstaben über und unter die Zeilen reichen. In den flüchtig
geschriebenen Wandschriften von Pompeji finden sich viele Anklänge, aber
noch nicht die Uncialform des M. Dagegen ist die Existenz dieser Schrift-
gattung in völlig ausgebildeter Gestalt im vierten Jahrhundert nicht zu be-
zweifeln. Zwar ist von dem durch Gr. Waitz in seiner Schrift: Ueber das
Leben und die Lehre des Ulfila (Hann. 1840) bekannt gemachten Cod. Paris.
Lat. 8907 nachgewiesen, dass die Randschrift in Cursive aus dem 5. Jahr-
hundert herrührt, aber der Text der Acten des Concils von Aquileja a. 381
in Unciale ist wahrscheinlich bald nachher geschrieben (Exempla t. 22). Dem
vierten Jahrhundert schreibt auch Th. Mommsen den Veroneser Palimpsest
des Livius zu, s. die Abhandlungen der Berliner Akademie von 1868 und:
Analecta Liviana. Ediderunt Th. Mommsen et Gr. Studemund. Lips. 1873, 4<>
mit photogr. Schriftproben. C. Zangemeister setzt den Palimpsest des Cic.
de rep. (Exempla t. 17) in das vierte Jahrhundert, und der Evangeliencodex
von Vercelli, welchen sehr alte Tradition dem Bischof Eusebius (f 371) zu-
schreibt (Exempla t. 20), kann recht wohl aus seiner Zeit sein. Vorzüglich
schön geschrieben und von noch fehlerloser Orthographie ist die von Th.
Mommsen in den Abhandlungen der Berliner Akademie mit Facs. heraus-
gegebene Zeitzer Ostertafel , welche bald nach 447 geschrieben sein muss
(Exempla t. 23). Die besonders sorgfältig interpungierte Evangelienharmonie,
welche Bischof Victor von Capua 546 gelesen hat, ist wahrscheinlich kurz
vorher auf dessen Befehl geschrieben worden, s. Codex Fuldensis, ed. E.
Ranke, Marb. et Lips. 1868. Exempla t. 34). Die Vermuthung eines hohen
5 —
Alters haben die vorhieronymianischen Ueber Setzungen der H. S. (Itala) für
sich, von welchen kürzlich verschiedene Fragmente von E. Ranke u. a.
veröffentlicht sind.
Diese Schrift lässt sich daher in ihrem geschichtlichen Verlauf ver-
folgen, und es konnte in den oben erwähnten Exempla eine Reihe von Proben
gegeben werden, deren Zeit wenigstens annäherungsweise bestimmt ist. Doch
ist schon vom 6. Jahrhundert an die Uncialschrift nicht mehr die allgemein
übliche, und namentlich die kirchlichen Handschriften kalligraphische Kunst-
werke, bei welchen zur Schätzung des Alters kaum ein Anhalt zu finden ist.
Dagegen ist in anderen Veränderung und Verfall sehr sichtbar, wie in den
oberen Schriften vieler Palimpseste und sonst. Zu den jüngsten Beispielen
gehören Prosperi chron. bald nach 584 geschrieben über Cicero's Verrinen
(Exempla t. 4); aus dem 7. Jahrhundert Fragm. Gregorii Turon. Lugd.
(Arndt, Schriftt. 4b, Exempla t. 45) und andere bei Silvestre; cod. Salmas.
Paris. 10318 der Anthologie (Exempla t. 46) mit Randbemerkungen in mero-
wingischer Schrift; Syn. Chalcedon. a. 451 über Fronto (Exempla t. 31); Legum
Langobardarum cod. Sangall. s. VII (Exempla t. 47. 48. Mon. Germ. Legg.
vol. IV farbig) und cod. Vercell. s. VIII (Exempla t. 50); cod. Trevir. a. 719
(Exempla t. 49); Greg. Dial. cod. Ambros. um 750 in Bobio geschrieben
(Pal. Soc. 121); das 754 geschriebene Evangeliar von Autun (Bibl. de l'Ecole
des chartes VI, 4, 217); Pauli D. Hist. Langob. fragm. Asis. s. G. Waitz
im Neuem Archiv I, 537, doch ohne Schriftprobe; cod. Vat. 5007 der Gesta
epp. Neapol. am Ende des 8. Jahrh. geschrieben, s. Mon. Germ. SS. Rerum
Langob. p. 399 u. tab. V.; cod. Lucensis der Gesta pontiflcum Romanorum
aus derselben Zeit, s. die Beschreibung von P. Ewald im Neuen Archiv III,
342. Diese kleine gedrängte geschäftsmässige Unciale ist von der kalligra-
phischen sehr verschieden; sie wechselt in derselben Handschrift mit anderen
Gattungen. Vorzüglich schöne Proben aus einer in solcher Weise gemischten
Handschrift giebt Leopold Delisle, Notice sur un manuscrit Merovingien
contenant des fragments d'Eugyppius, appartenant a M. Jules Desnoyers.
Paris 1875. 4°.
6 —
Von Abkürzungen kommt in der Uncialschrift nur eine kleine, genau
bestimmte Anzahl vor ; dass man in Manuscripten für den Handgebrauch deren
mehr gehabt habe und aus solchen Vorlagen sich die zahlreichen Fehler un-
serer Uncialcodices erklären lassen, sucht aus dem Wiener Livius M. Gitl-
bauer nachzuweisen: De codice Liviano vetustissimo Vindobonensi, Vind. 1876.
Von technischen Siglen erfüllt sind juristische Handschriften, namentlich der
Palimpsest des Gajus (Ausgabe von Studemund 1874. Exempla t. 24).
Diese vielleicht noch dem 5. Jahrhundert angehörige Handschrift zeigt uns auch
zuerst das Eindringen von Minuskelformen in die Uncialschrift. Die Buch-
staben b m r s sind es, welche zuerst aus der Cursive in die Bücherschrift
aufgenommen werden, später und seltener n. In der Florentiner Handschrift
der Pandecten, vermuthlich vom Ende des 6. Jahrhunderts, steht die Hand
eines Schreibers (manus XII) der Minuskel schon sehr nahe (Facs. nur in
Brencmannni hist. pandectarum a. 1772 ad. p. 155; anderer Hände in der
Ausg. von Th. Mommsen vol. II, nebst genauer Beschreibung in der Vor-
rede. Exempla t. 39).
Eine ähnliche Mischung zeigt um dieselbe Zeit die Hand des Bischofs
Victor von Capua in dem vorher schon angeführten Fulder Codex. Eine
sehr merkwürdige und alterthümliche Mischung findet sich in den Fragmenten
eines Griech. Lat. Glossars auf Papyrus bei Tychsen in den Commentatio-
nes Soc. Gott. vol. IV (1820) u. Th. Bernd im Rhein. Mus. f. Philol. V,
301 — 329 (1837). Ueber andere Handschriften aus diesem Jahrhundert, welche
schon nicht mehr als uncial bezeichnet werden können, s. unten § VI.
Als absichtlich festgehaltene oder neubelebte Kunstform müssen wir
die schöne Uncialschrift bezeichnen, welche aus den Schreibschulen der Irländer
und Angelsachsen hervorgegangen ist, und auch in karolingischer Zeit wieder
häufig angewandt wurde.
Bevor wir nun die weiteren Veränderungen der Schrift verfolgen,
müssen wir noch den Blick auf andere Schriftgattungen werfen, welche eben-
falls nicht ohne Einfluss auf die Gestaltung der Minuskel gewesen sind.
— 7 —
III
Tironische Noten.
Die altrömische Stenographie ist benannt nachTiro, dem Freigelasse-
nen des Cicero ; berichtet wird, dass schon Ennius sie erfunden, Tiro sie ver-
vollkommnet habe. Nach und nach ist der Notenvorrath weiter vermehrt
worden.
Die notae sind aus Buchstabentheilen zusammengesetzt, so sinnreich,
dass der Notar, der davon seinen Namen hat, sich nach dem System die
Wortzeichen selbst bilden konnte. Die Notare waren in der Anwendung der
Zeichen sehr geschickt und kamen unseren Stenographen gleich. Der Auf-
schwung der Stenographie in neuester Zeit hat auch auf die Noten wieder
grössere Aufmerksamkeit gelenkt.
Der erste Entzifferer war Carp entier in seinem Alphabetum Tironia-
num (1747 f.), worin er ein Formelbuch der k. Kanzlei aus Ludwigs des
Frommen Zeit (cod. Paris. 2718) herausgab; die Noten sind darin mit aus-
geschriebenen Worten gemischt. Es giebt aber auch Verzeichnisse , aus
welchen schon Trithemius Mittheilungen gemacht hat, dann hat Gruter
1603 eine grosse Sammlung veröffentlicht. U. F. Kopp hat 1817 in seiner
Palaeographia critica zuerst das Princip ihrer Zusammensetzung richtig er-
kannt und nachgewiesen, und ein analytisches Lexicon gegeben. Von neueren
Arbeiten ist hervorzuheben: Jules Tardif, Memoire sur les notes Tiro-
niennes, in den Memoires presentes par divers savants ä l'Academie des In-
scriptions, 2e serie, tome 3e , 1852. Eine Uebersicht giebt Th. Sickel, Die
Urkunden der Karolinger I, 326 — 339 (1867). Jetzt arbeitet auf diesem Ge-
biete vorzüglich W. Schmitz, der seine verschiedenen Untersuchungen zu-
sammengefasst hat in den Beiträgen zur Lat. Sprach- und Literaturkunde,
Leipzig 1877; nicht aufgenommen ist die Ausgabe der Madrider Noten in der
Zeitschrift Panstenographikon, und der Berner Noten als Beilage zum 3. und
4. "Heft dieser Zeitschrift. Ueber die Genfer Handschrift giebt A. Uhlemann
— '8 —
Nachricht im Literaturblatt (Beilage zum Correspondenzblatt des k. Steno-
graph. Instituts zu Dresden) 1878 N. 1.
Eine schöne grosse Probe von Isidors Origg. I c. 27 in Noten, eine
andere aus den westgoth. Gesetzen und Formeln, beide mit Worten in ge-
wöhnlicher Schrift gemischt, giebt A. Mai, Nova Coli. VI; eine andere Auctt.
class. V; Th. Sickel, Mon. graph. VIII, 10 eine Seite aus dem Lex. Tiron.
vom Anfang des 9. Jahrh. in Goetweih, welches wie das ältere Casseler, aus
Fulda zu stammen scheint; Silvestre eine Seite aus einer Wörtersammlung
s. X. und eine andere aus einem Psalter. Diese Psalter und andere Schriften
in Noten sind vielleicht Uebungstücke gewesen. Im Catal. des Bibl. des
Departements I, 234 ist ein Facs. des cod. Laudun. 444 eines Glossar. Gr.
Lat. mit Noten; C. W. Müller, De codicibus Virgilii im Ind. lectt. Bern. 1841
p. 7 u. spec. III giebt Nachricht von einem Virgilcommentar s. IX mit Noten
in den Scholien. Bei Champollion-Figeac, Chartes Latines VII c eine urkund-
liche Aufzeichnung in Noten.
Bemerkenswerth ist die Anwendung der Noten bei den Emendatoren
der Handschriften für ihre Bemerkungen, z. B. in dem oben S. 5 angeführten
merow. Codex ed. Delisle pl. 1 u. 5, Arndt, Tafel 5a. Häufig sind solche
Noten in den für Carls des Gr. Zeitgenossen Hildebald von Coeln abge-
schriebenen Büchern, und hierhin werden doch auch wohl die Randzeichen
des Cod. Flor, der Digesten gehören, s. Th. Mommsens Vorrede p. XXXVII.
Vgl. auch H. Hagen in Rhein. Mus. XXXIII (1877) S. 159 über die verkannte
Bemerkung in Noten 'non habet glossam' zu Dositheus' s^^rjvev/Liara.
Die Kenntniss dieser Noten war noch im neunten Jahrhundert den
Notaren völlig geläufig; unter Ludwig dem Deutschen jedoch verlor sich die
Kenntniss derselben im Ostfrankenreiche, während sie sich im Westreiche
noch etwas länger erhielt. Nur einige wenige Zeichen blieben als Abkürzungs-
zeichen im Gebrauch, oder hatten doch auf deren Gestaltung Einfluss. Um
1174 versuchte Johann von Tilbury in England, weil das alte System
zu verwickelt und schwierig und deshalb seit Jahrhunderten ganz vergessen
sei; in seiner 'ars notaria' ein neues aufzustellen ; aus dem Hauptzeichen 'nota'
— 9 —
und dem Hülfszeichen 'titula' bestehend , sollte es in 60 Tagen zu lernen
sein, so dass man so rasch schreiben wie sprechen könne. Er scheint aber
nie damit fertig geworden zu sein; s. Val. Rose im Hermes (1874) VIII,
303 — 326.
Cäsar schrieb, was nicht jeder verstehen sollte, so, dass er d für a
setzte u. s. f. immer den vierten Buchstaben (Suet. c. 46); Augustus setzte
b für a, für z aber aa (Suet. c. 88). Er machte also ein x für ein u; ob
jedoch diese Redensart davon oder von der Vertauschung der Zahlenwerthe
X und V herrührt, ist streitig, s. Germania XIII, 270; XIV, 215; XX, 8. —
Im Mittelalter begnügte man sich in der Regel damit, an die Stelle der Vo-
cale entweder verschieden zusammengestellte Punkte oder je den folgenden
Consonant zu setzen; bei unanständigen Worten verstärkte man die Deckung,
und schrieb für zerse (penis) zgrcg (Eccl. Colon, codd. p. 122). Im cod.
Harl. 3362 f. 47 ist an einer bedenklichen Stelle auch für die Consonanten
je der folgende gesetzt (Wright and Halliwell, Reil. ant. I, 91). Die Einfüh-
rung beider Arten schreibt Hrabanus Maurus (Operum ed. Col. 1626
Vol. VI; 334, Goldast SS. Alam. II, 93) dem h. Bonifatius zu. Sie finden
sich beide oft angewandt in Glossen und für die Auflösung von Räthseln,
wofür sonst auch Runen gebraucht wurden; auch einfach als Spielerei, nicht
selten in Unterschriften der Abschreiber. Der Pabst Benedict VIII unter-
schrieb Thfpfklbctxc, wo der letzte Buchstabe griechisch ist (Galetti del Pri-
micerio p. 249). Die Aufschrift BRCHKDKBCPNP BNSCXLFP blieb Ban-
dini I, 656 unverständlich. Eine Anleitung zu künstlicherer Buchstabenver-
tauschung aus England s. XV bei Wright and Halliwell II, 15. Verschiedene
Arten gemischt in Pertz' Archiv VII, 756, der Unterschrift des cod. legis
Alam. Monac. 4115, s. VIII. Ziffern statt der Vocale in Libri's Auctions-
Catalog (1859) S. 59 n. 248: Ciceronis Officia s. XIV. In Bonifatius' Briefen
sind griechische und irische Initialen gemischt; nicht alles ist erklärt, s. Jaffe,
Bibl. III, 12. 233. 244. 283. Die Geheimschrift der Hildegard v. Bingen
(Haupts Zeitschr. VI, 321) ist offenbar willkürlich erfunden. Auch griechische
Buchstaben, oft fehlerhaft, wurden in solcher Weise angewandt, z. B. von dem
Wattenbach, Lat. Palaeogr. 3. Aufl. 2
10 —
Kanzler Winitharius (s. H. Bresslau, Diplomata centum, Berol. 1872 p. 176),
und so konnte ans Missverständniss statt Godefridus gelesen werden Twaeti-
haoyc, s. J. Grimm's Kl. Sehr. II, 338.
Unenträthselt ist die aus gewöhnlichen Buchstaben bestehende Geheim-
schrift im Cod. Christ. 314 saec. X. (Pertz' Archiv XII, 274), von welcher
ich Abschrift habe, so wie die ähnlichen Zeichen Gerberts. Verschiedene
geheime Alphabete im Münchener cod. 18628 aus Tegernsee s. XI, wo auch
noch tironische Noten vorkommen, f. 95, und im Wiener 1761 s. XI. Eine
Geheimschrift erdachte sich Salimbene in seiner Gefangenschaft (Chron. ad
a. 1241 p. 58) und Benedict de Pileo (Festschrift d. Heidelb. Philologen vers.
1865 S. 102). Ueber die Geheimschrift Rudolfs IV. von Oesterreich s. Kürsch-
ner in den Mittheilungen der Centralcommission XVII, 71 — 80. Die Chiffern
eines alchimistischen Codex von 1426 habe ich im Anz. d. Germ. Mus. XVI,
265 erklärt, andere im Receptenbuch in München 444 f. 140. Alchymistische
Recepte im Archivio centrale in Florenz in einem Büchlein von dünnen Blei-
platten ; die Geheimschrift ist auf der letzten Seite erklärt. In dem vom Ger-
manischen Museum herausgegebenen Hausbuch sind hebräische Buchstaben
angewandt. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts werden Chiffern im diploma-
tischen Gebrauch schon häufiger und künstlicher, doch liegt es uns hier fern
darauf näher einzugehen; Geheimschrift der Mailänder Visconti im Wiener
cod. 2398 (Tabulae codd. II, 68).
IV
Altrömische Cursive.
Unter Cursive pflegt man eine Schrift zu verstehen, in welcher die
Buchstaben nicht mehr abgesondert neben einander stehen, sondern unter sich
in Verbindung gebracht und dadurch in ihrer Form bedeutend verändert sind.
Von stark veränderten Formen bieten uns schon die in Pompeji flüchtig an
die Wände gekritzelten Schriftzüge viele Beispiele, 15. die Inscriptiones parie-
tariae ed. Zangemeister, im Corpus Inscriptt. Latt. IV mit den sehr lehr-
reichen Tafeln über die veränderte Gestalt der einzelnen Buchstaben. Auch
die Inschriften der Catacomben in De Rossi's Eoma subterranea christiana
sind damit zu vergleichen. Aber weder hier noch in den Fragmenten Her-
culan. Papyrus ist eine fortlaufende Cursive. Davon sehen wir die Anfänge
auf einigen der 1875 in Pompeji im Hause des L. Caecilius Iucundus ent-
deckten 132 Triptyehen und Diptychen, beschrieben und soweit sie lesbar
sind, mit Facs. herausgegeben von Griulio de Petra, Le Tavolette cerate
di Pompei, Roma 1876, 4. (Atti della R. Accademia de' Lincei, 2. serie, 3. vol.)
Probe bei W. Arndt, Tafel 26. Einige von diesen zeigen grosse Aehnlichkeit
mit der Schrift der Wachstafeln, welche in Siebenbürger Bergwerken ge-
funden sind, Urkunden einer armen Provinzialbevölkerung aus dem zweiten
und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung; s. darüber Massmann, Li-
bellus aurarius sive tabulae ceratae et antiquissimae et unicae Romanae,
1840. 4., wo aus Inschriften die Formveränderung der einzelnen Buchstaben
mit vielen Beispielen belegt ist, und über die neueren Funde Detlefsen im
23. und 27. Bande der Sitzungsberichte der Wiener Akademie. Vollständig
gesammelt mit photogr. Facs. im CIL. III von Zangemeister. Dass
diese Schriftart auch förmlich in Schulen gelehrt wurde, beweisen die an
verschiedenen Orten gefundenen Backsteine mit Alphabeten und Vor-
schriften, s. Paur im 14. Band der Wiener Sitzungsberichte, Arn et h im
Jahrbuch der k. k. Centralcommission zu Erforschung der Baudenkmale,
Wien 1856, und Janssen, Musei Lugduno-Batavi Inscriptiones Graecae et
Latinae, Lugd. Bat. 1842.
Dieser Schrift verwandt, aber eigenthümlich ausgebildet ist die Schrift
der kaiserlichen Kanzlei, aus welcher sich Fragmente des 5. Jahrhunderts
in Aegypten erhalten haben. Darüber handelt Jaffe beiMommsen, Ueber
die Fragmente zweier lateinischer Kaiserrescripte, Jahrbücher des gemeinen
deutschen Rechts VI, 415; wo auch das Alphabet aus den Wachstafeln und
den Rescripten zusammengestellt ist. Nachbildungen geben Mass mann im
12 —
Libellus aurarius, N. de'Wailly in den Memoires de l'Institut XV, 1 pl.
I — III, und Champollion-Figeac, Chartes et Manuscrits sur Papyrus,
(Paris 1840) pl. 14. Die Schrift ist sehr gross, mit einem gewissen vor-
nehmen Charakter, und die Buchstaben sind wohl mit einander verbunden,
aber ihre Gestalt nicht wesentlich dadurch verändert.
Nicht direct hieraus hervorgegangen, und von sehr verschiedenem Cha-
rakter ist die alt römische Cursive, wie sie vermuthlich schon aus dem
vierten Jahrhundert vorliegt und in ihrer Entstehung aus der Unciale sich
beobachten lässt, in den Anweisungen für den Maler bei W. Schum, Das
Quedlinburger Fragment einer illustrirten Itala (Theologische Studien und
Kritiken 1876); ferner in den Scholien zum Juvenal (A. Mai, Auctt. class. III;
Exempla tab. 5), zum Terentius Bembinus (Exempla t. 8. 9), den Correcturen
zu Livii palimps. Taur. (Mommsen et Studemund, Analecta Liviana ad
p. 31). Jünger sind die Scholien zur Itala Fuldensis (E. Ranke, Fragmenta
versionis antehieronymianae, Marb. 1860 cum' Suppl. a 1868; Ex. t. 21), zum
Vergilius Med. (Ex. t. 10), zum Prudentius (Ex. t. 15) und die Randbemer-
kungen zum Prosper (Ex. t. 4). Aus der Mitte des 6. Jahrh. sind die Unter-
schriften des Victor ep. Capuanus bei E. Ranke, Novum Test, ex manuscr.
Victoris Capuani, Marb. 1868, und Ex. t. 34.
Völlig ausgebildete, fortlaufend geschriebene Cursive zeigt die Rand-
schrift des arianischen Bischofs Maximin bei Waitz in der oben S. 4 ange-
führten Schrift, vgl. Ex. t. 22, welche aber, wie Bessell nachgewiesen hat,
wegen Benutzung des Codex Theodosianus jünger als 438 sein muss. Für
die weite Verbreitung dieser Schriftart zeugt das griech.-lat. Glossar (Notices
et Extraits XVIII, 2, pl. 18; Arndt t. 27), welches vermuthlich aus Aegypten
stammt.
Wieder eine andere Schrift, gross und flüchtig, mit sehr mannig-
faltigen Buchstabenformen, die durch Verbindung mit einander stark ver-
ändert und verzogen sind, zeigen die Urkunden auf Papyrus, aus Ravenna,
Arezzo, Neapel, von 444 an. Das Hauptwerk darüber ist Marini, I Papiri
Diplomatici, Romae 1805 f. Zuerst bekannt wurde die sog. Charta plenariae
— 13 —
securitatis von 565 , anfangs irrig Testamenten Julii Caesaris genannt, fasc.
im Supplement zuMabillon's Diplomatik, auch bei Champollion-Figeac a.a.O.
feuilles 8 — 10; 1 — 7 eine Urk. von 552. Vorzüglich schön Massmann, Die
gothischen Urkunden in Neapel und Arezzo, Wien 1838. Pal. Soc. 2 u. 28
von 572. Diese Schreibart hat sich in Italien, wenn auch nicht unverändert,
doch in unmittelbarer Fortdauer, sehr lange erhalten, wovon Fumagalli,
Delle instituzioni diplomatiche , Vol. I, Silvestre und Sickel Proben aus
dem 8. und 9. Jahrhundert geben; am längsten in Unteritalien, wo endlich
Friedrich II das fast unleserlich gewordene Gekritzel der Notare verbot.
Vgl. die Schriftproben im Codex diplomaticus Cavensis I und II (Neapel
1873 u. 1875. 4.).
Auch zu Bücher Schriften wurde diese Cursive verwendet, zu Schriften,
welche erst damals neu verfasst wurden, wie die Gesta Pontificum Romano -
rum (s. Pertz im Archiv V, 70— 75, Facs. bei Scotti, Memoria supra un
codice palimpsesto, Neap. 4. s. a.) und grammatische Tractate; doch auch zu
Abschriften älterer Werke, wie der Josephus Ambros. auf Papyrus (Pal. Soc.
pl. 59), Valerii res gestae Alexandri über dem Turiner Cod. Theodosianus
(Exempla t. 25). In der Canonensammlung s. VI. medii sind die Daten so
geschrieben (Ex. 41), und bei L. De Ii sie, Notice sur un manuscrit Mero-
vingien contenant des fragments d'Eugyppius, appartenant k M. Jules Des-
noyers (Paris 1875, 4.) erscheint neben anderen Schriftgattungen auch diese
in den ausgezeichnet schönen Schriftproben.
Zu den echten Proben dieser Schrift gehört aber nicht das fabelhafte
sardinische Lobgedicht auf den König Ihaletus, obgleich die paläogra-
phische Fälschung weit besser als die Fabrikation des absurden Inhalts ge-
lungen ist. Die Prüfung der Pergamene di Arborea durch eine Com-
mission der Berliner Akademie, in welcher Jaffe die paläographische Unter-
suchung übernahm (Monatsbericht vom Januar 1870 S. 64 — 104), ist trotz
der noch immer erneuten Rettungsversuche für die Wissenschaft endgültig.
14
V
Die Nationalschriften.
Ueber diese Bezeichnung sind einst heftige Streitigkeiten geführt wor-
den. Man hat mit Recht die ursprüngliche Meinung Mabillon's zurückgewiesen,
welcher in diesen Schriften nationale Producte der verschiedenen Völker sah;
wohl aber kann man dennoch den Namen gebrauchen, indem allerdings diese
Schriftarten unter den Völkern, deren Namen sie führen, auf gemeinschaft-
licher Grundlage ausgebildet wurden. Diese Grundlage ist die römische Cur-
sive, verbunden mit Elementen der Uncialschrift , und es ist deshalb nicht
zu verwundern, wenn man in den verschiedenen Schriften oft der vollstän-
digsten Ueberein Stimmung in einzelnen Eigentümlichkeiten begegnet. Auch
ist deshalb eine ernstliche Beschäftigung mit der römischen Cursive, so selten
sie auch für praktische Zwecke uns entgegen tritt, dringend zu empfehlen,
weil dadurch allein ein sicheres und gründliches Verständniss der National-
schriften zu gewinnen ist, und auch die gewöhnliche Minuskel noch Nach-
wirkungen dieser Schreibarten enthält.
Als nämlich überall nach und nach wieder geordnetere Zustände ein-
traten, und auch wissenschaftliche Beschäftigung mit neuem Eifer getrieben
wurde, bildete man die ganz verwilderte Schrift, der unbequemen Majuskel-
schrift entsagend, wieder kalligraphisch aus, und so entstanden diese Spiel-
arten, welche durch das Uebergewicht des Frankenreiches und seiner Cultur,
und durch die grössere Einfachheit und Zweckmässigkeit der Minuskel immer
mehr beschränkt und endlich überwältigt wurden.
Ausgesondert habe ich von diesem Abschnitte die irische und angel-
sächsische Schrift, weil diese ohne Einwirkung der Cursive entstanden ist,
während dagegen die Schrift der päbstlichen Kanzlei als eine Abart der lan-
gobardischen betrachtet werden kann.
a. Langobardische Schrift.
Aus der verwilderten Schrift mit phantastischen Initialen verziert
(z. B. bei Mabillon S. 353) bildete sich im neunten Jahrhundert eine neue
— 15 —
Kunstform, welche besonders in Montecassino und La Cava sehr zierlich
entwickelt wurde und im elften Jahrhundert unter dem Abt Desiderius ihren
Höhepunkt erreichte, auch sehr reich mit Initialen und Bildern geschmückt
wurde. Prachtvolle Nachbildungen davon findet man bei Silvestre, in West-
wood's Palaeographia sacra pictoria, und ohne Farben auch bei Seroux d'Agin-
court; jetzt eine reiche Fülle schöner Proben in der Bibliotheca Casinensis,
und der Paleografia artistica di Montecassino (Longobardo-cassinese) 2. Heft
1877, 3. Heft 1878. Diese Schrift wurde nach und nach immer eckiger
(Lombard brise), oft geradezu gitterförmig und dadurch schwer zu lesen.
In der ältesten Zeit ist diese Schrift der merowingischen sehr ähnlich,
und es kann daher nicht auffallen, dass die Bezeichnung mancher Hand-
schriften unsicher und bei verschiedenen Autoren verschieden ist. Dazu gehört
der jetzt Bamberger Codex des Gregorius Turon. de cursu stellarum, etwa
s. VIII, facs. von G. F. Haase in einem Breslauer Programm von 1853; der
Veroneser Isidor s. VIII bei Sick el I, 2, Exempla t. 29. 30, der Münchener
Orosius bei Silvestre vol. III. Der Mailänder Isidor aus Bobio s. IX (Pal.
Soc. 92) zeigt, dass diese Gestaltung doch auch dem nördlichen Italien nicht
fremd war; wesentlich aber fand sie ihre Ausbildung in den langobardischen
Fürstenthümern Unteritaliens und hat auch davon ihren Namen.
Eine sehr kleine bewunderungswürdig gleichmässige , schöne Schrift
mit zierlichen bunten Initialen finden wir in der Bibel von La Cava s. IX,
von der Silvestre eine schöne Probe giebt (grössere Codex dipl. Cavensis
in App. Vol. L). Ueber die Handschrift mit ihren Randglossen gegen die
Arianer s. auch Ziegler, Bruchstücke einer vorhieron. Uebersetzung der
Petrusbriefe, Sitzungsber. der Münchener Akad. 1876 S. 654 ff. Eine kleine
Probe giebt auch Pertz im Archiv V, 452. Ebenda zu S. 14 ist die Unter-
schrift des Abtes Desiderius; seiner Zeit gehört auch die Handschrift des
Widukind (Mon. Germ. SS. III) und des Leo von Ostia (ib. VII. Arndt T. 32),
so wie das Registrum Johannis VIII papae, facs. bei Schafarik und Pa-
lacky, Aelteste Denkmäler der böhmischen Sprache, Abhandl. d. böhm. Ges.
d. Wiss. V. Folge 1. Band. Die schöne Probe aus dem Vat. 4222 des Augustin,
16 —
welche A. Mai, Nova Patrum Eibl. I tab. 12 giebt, setzt dieser in das neunte
bis zehnte Jahrhundert. Ich erwähne noch das schöne Facs. bei Ant. Rocchi,
II Ritmo Italiano di Montecassino del secolo X (1875), den Wiener Virgil
s. X bei Sickel IV, 7, den Bamberger Paulus Diac. bei Arndt T. 7.
Gegen das Ende des 13. Jahrhunderts verschwindet diese Schriftgattung.
In einem Inventar aus Montecassino von 1497 (bei Caravita, I co-
dici e le arti a Montecassino I, 389) werden Bücher in littera moderna
und in littera longobarda unterschieden. Sonst heisst diese Schrift auch
littera Beneventana, und mit demselben Namen bezeichnete man wohl auch
die ganz eigentümliche Schrift der päbstlichen Bullen (s. Marini, I Pa-
piri Diplomatici p. 226), doch ist diese eine ganz besondere Fortbildung der
römischen Kanzleischrift. Johannes X nennt sie 920 (Jaffe n. 2728) scripta
notaria. Diese Schrift, die wieder bedeutende Varietäten umfasst, blieb mit
dem alten Material, Papyrus, welches aber schon im 11. Jahrh. ausging, bis
in den Anfang des 12. Jahrhunderts üblich, obgleich die Gläubigen sie oft
nicht lesen konnten; cf. Chron. s. Huberti c. 25, Mon. Germ. SS. VIII, 585.
Facs. von Paschalis I a. 819 Jul. 11 (JarY6 1939) bei Gloria tav. 22; Bened.
III a. 855 Oct. 7 (Jaffe 2008) bei Champollion-Figeac, Chartes et Doc.
sur Papyrus, feuilles XL XII; Nicol. I a. 863 Apr. 28 (Jaffe 2049) bei Le-
tronne, Dipl. Meroving. pl. 48; Joh. VIII. a. 876 Oct. 15 (Jaffe 2280)
Champ. F. 1— IX; 877 Juni (J. 2335) f. X; Stephan V a. 891 Mai (J. 2664)
im sog. Apparatus Koppianus; Silv. II a. 999 Nov. (J. 2994) Bibl. de l'Ecole
des chartes XXXVII, 108; Joh. XVIII a. 1004 Oct. (J. 3015) u. unbestimmte
Fragmente bei Lupi, C. D. Bergom. I, 762 u. Marini Tab. I n. XL. LH;
Urban II a. 1097 Mart. 27 (J. 4255) Mab. Dipl. Suppl. in fine; 1098 Apr. 3
Mon. Graph. V, 4; Pasch. II a. 1104 Oct. 24 (J. 4463a) ib. V, 6; und
noch einige mangelhafte Proben bei Mab. und in Schannat's Vindiciae. In
manchen dieser Bullen sind nur noch geringe Reste der Kanzleischrift, oft nur
in dem A von Anno, wie bei Clem. II (J. 3151) in Sverges Tractates ed.
Rydberg. Auch von Alexander II ist im Berliner Archiv ein Privileg vom
13. Jan. 1063 (J. 3383). in gewöhnlicher Schrift; Nicol. II v. 25. Apr. 1061
17 —
bei Hickes, Thes. I, 177 hat die Schrift der kaiserlichen Kanzlei. Noch
unter Urban II und Paschalis II kommt beiderlei Schrift vor, dann ver-
schwindet die alte Kanzleischrift und räumt den Platz einer sehr zierlichen
und ungemein deutlichen Minuskel; von dieser sind vorzügliche Proben in
reicher Auswahl in Sickel's Monumenta Graphica.
Eine eigen thümliche , nur scheinbar altertümlich aussehende Schrift
ist die sogenannte littera Sancti Fe tri. Sie heisst auch scrittura bol-
latica, auch scrittura liegese, und soll nach Marini, Diplom atica Pon-
tificia (Romae 1841) durch Adrian VI in die Dataria apostolica eingeführt
sein; noch ein Breve Sixtus IV von 1484 bei Gloria tav. 28, 2 hat huma-
nistische Schrift; Breven von 1640 u. 1673 bei Merino t. 54 sind noch
erträglich, von vollendeter Hässlichkeit ein Breve von 1754 bei Chassant,
Paleographie des Chartes et des Manuscrits du 11. au 17. Siecle, pl. 9. Es
ist eine greuliche, verzerrte, schwer lesbare Schrift, welcher deshalb jetzt
gleich eine Abschrift beigelegt zu werden pflegt. Spanisch heisst sie letra
despedazada.
Während ein näheres Eingehen auf das schwierige Feld der älteren
päbstlichen Diplomatik hier unmöglich ist, will ich doch den einen Umstand
hervorheben, dass die gewöhnlich für eigenhändig gehaltenen Unterschriften
der Päbste und Cardinäle nur von ihren Schreibern herrühren; sie selbst
machten oder vollendeten nur das davor stehende Zeichen. Wer in einem
grösseren Archive dieselbe Unterschrift durch eine Reihe von Bullen verfolgt,
wird sich von der Wahrheit dieser Behauptung bald überzeugen; s. Das
Schriftwesen im Mittelalter (2. Ausg.) S. 391.
b. Westgothische Schrift.
In Spanien hat die Schrift eine der langobardischen sehr ähnliche
Ent Wickelung gewonnen, welche jedoch durch manche Eigenthümlichkeiten
sich unterscheidet. Das Hauptwerk darüber ist Merino, Escuela paleogra-
phica^ Madrid 1780 f. Daraus sind auch die Proben gewöhnlich genommen
Wattenbach, Lat. Palaeogr. 3. Aufl. 3
18
welche man in anderen Büchern findet; ein mangelhafter Auszug* ist von
Del gras, Compendio di Paleografia Espanola, Madrid 1857.
Auf der Synode von Leon soll 1096 unter Vorsitz des neuen Erz-
bischofs Bernhard von Toledo, eines Cluniacensers, und des Legaten Renerius
beschlossen sein -ut de cetero omnes scriptores omissa littera Toletana, quam
Gulfilas Gothorum episcopus adinvenit, Gallicis litteris uterentur'. Doch hat
man die Acten nicht, und Bernhards eigene Unterschrift unter einer Urkunde
von 1113 (Champollion-Figeac, Chartes Lat. Frang. etc. n. VI) ist west-
gothisch. Die Unterschrift scheint autograph zu sein, und sicher muss er die
Urkunde gesehen haben, welche in einer schönen und gut lesbaren west-
gothischen Schrift ausgestellt ist. Sie ist aber das letzte mir bekannte Beispiel.
Zu bemerken ist, dass Merino die Andalusische Bibel in Toledo (Mm.
V, 2. 3; Arndt t. 8) auf der Tafel als a. 708 bezeichnet, weil die Editoren
der Biblia Complutensis sie, die nach der Tradition dem Isidor von Sevilla
gehört haben sollte, älter als die Eroberung ansetzten; ebenso die beiden
Bibeln von Alcalä (läm. VI, 1. 2.) saec. VIII. Aus dem Text geht hervor,
dass alle drei aus dem 10. Jahrhundert sind.
Angeblich aus dem 6. Jahrhundert ist der Augustin de baptismo, wel-
cher als Autograph galt, bei Merino III, 1 (Arndt 8a); aus dem 8. der Wol-
fenbtitteler Prosper (Weissenb. 64), von welchem Walther im Lex. dipl.
tab. II eine Probe giebt, in noch wenig entwickelter Uebergangschrift.
Innerhalb der schon kalligraphisch ausgebildeten Schrift sind verschie-
dene Gattungen, welche sich wesentlich auf zwei zurückführen lassen. Me-
rino, welcher diese Schreibart überhaupt als 'Gothica redonda' bezeichnet,
unterscheidet Castilische und Andalusische; eine Linie von Cartagena über
Toledo nach Santiago bilde die Grenze: südlich davon brauchte man die
gedrängtere spitzigere Schrift, wie in der Andalusischen Bibel, die andere
in Castilien und Leon. Daneben hält sich eine andere hässliche und schwer
lesbare Schrift (Merino lam. IV), welche man als cursiv bezeichnen kann;
Anwendung derselben in Büchern ist nicht bekannt, ausgenommen in dem
Hieronymus Mer. III, 3, Arndt 8b, welcher aus dem 8. Jahrh. sein soll.
— 19 —
Westgothisches Alphabet in seinen verschiedenen Formen bei Merino
Mm. XVI , die sehr eigentümlichen Abkürzungen XIV. XV, die Zahlzei-
chen IX , 2.
Kalligraphisch schön mit feiner sauberer Schrift sind schon die codd.
Casin. 4. u. 19, welche zusammen gehören, mit Randglossen aus dem 8.
Jahrh,, s. Bibl. Casin. I, tab. III, 1. X, 1. Aus dem 8. Jahrh. soll das Sacra-
mentarium Gelionense der Pariser Bibliothek sein, aus welchem Graf Bas-
tard livr. 14 acht Tafeln giebt mit reichster Auswahl der phantastischen
Initialen aus Fischen und Vögeln; daraus Tymms u. Wyatt pl. 8. Ebenso
die Hs. in Alby 29, welche ich für westgothiseh halte, Facs. im Catal. des
Manuscrits des Departements I (1849) p. 487. Aus dem prachtvollen Mar-
tyrologium von 919 Pal. Soc. 95. Arndt tab. 29. Aus dem Pariser cod.
Fond latin 2855 von 951 eine Seite Silv. III; auch eine Urkunde von 1077.
Hs. von 1095 bei Arndt 8e aus Merino läm. 13. Aus der prachtvollen 1109
nach zwanzigjähriger Arbeit vollendeten Handschrift des Beatus super Apo-
cal. (Brit. Mus. 11,695) Westwood Palaeographia sacra pictoria farbig, Pal.
Soc. pl. 48. 49; Arndt t. 31. Schöne u. seltsame Initialen farbig bei Ba-
chelin-Deflo renne, Catalogue de livres rares, Paris 1878.
Jüngere Handschriften und Urkunden haben kaum noch schwache
Nachklänge westgothischer Formen.
c. Merowingische Schrift.
Diese Schrift ist nie zu kalligraphischer Durchbildung gelangt, weil
ihre eigentümliche Entwickelung durch die karolingische Reform abgeschnitten
wurde. Sie begegnet uns vorzüglich in Urkunden, aus welchen sie ja auch
hervorgegangen ist, wird aber da verkünstelt und verschnörkelt, die Buch-
staben sehr zusammengedrängt und deshalb oft schwer zu lesen. Auch Bücher
sind darin geschrieben, und hier erscheint diese Schrift oft neben entarteter
Uncialschrift , mit ihr gemischt und wechselnd. In Bezug auf den Sprach-
gebrauch ist zu bemerken, dass man merovingische Schrift entweder die
Schrift nennen kann, welche im merowing. Reiche gebräuchlich war, und
3*
— 20
innerhalb welcher viele Varietäten vorkommen, oder die Schrift welche mit
der merow. Urkundenschrift am meisten Verwandtschaft zeigt, wie z. B. Arndt
Taf. 11 (nach E. Ranke, Par palimpsestorum Wirceburg. Wien 1871). In
diesem Sinn gebraucht Mabillon das Wort, indem er Handschriften, welche
im merow. Reiche geschrieben sind, als langobardisch bezeichnet. Ich würde
es vorziehen, den aus Corbie stammenden Venantius Fortunatus (Mab. p. 353,
Arndt 6) als merowingisch zu bezeichnen. Vgl. damit den Codex canonum
Paris. 3836 Colb. 784 s. VIII (Pal. Soc. 8. 9) u. die Unterschrift des Evang.
v. Aütun von 754 (oben S. 5). Schöne Proben geben Silvestre und
Sickel, Graf Bastard, Champ ollion-Figeac in den Chartes et Manu-
scrits sur Papyrus, auch aus dem Avitus auf Papyrus die Etudes paleogra-
phiques et historiques sur le Papyrus du sixieme siecle, Greneve 1866, von
L. Delisle, A. Rilliet u. H. Bordier; 1 Seite Pal. Soc. 68. Besonders aus-
führlich behandelt, mit vielen vortrefflichen Proben, ist diese Schriftgattung
von Mabillon in seinem hierfür noch immer classischen Werke De Re Di-
plomatica, und von N. de Wailly in den Elements de Paleographie , Paris
1838. Verschiedene Schriftarten in derselben Handschrift in der S. 5 an-
geführten Notice von L. Delisle; auch Arndt T. 28. Für die Schrift der
merowingischen Urkunden ist noch vorzüglich anzuführen: Letronne, Di-
plomata et Chartae Merovingicae aetatis in archivo Franciae asservata, Paris
1848, wo alle erhaltenen Originale facsimilirt sind; zu vergleichen, da nicht
alle echt sind, mit dem später erschienenen Texte von Jules Tardif in
den Inventaires et documents publies par ordre de l'Empereur (Monuments
historiques), Paris 1866 mit 14 Tafeln in Fol. maj. als Serie II. Schöne
Nachbildungen von Urkunden des 8. Jahrhunderts giebt auch Kopp in sei-
nem Werk de Tachygraphia veterum: in der Kanzlei Karls des Grossen
hielt man mit geringer Veränderung an dem alten Brauche fest. Deshalb ist
auch hier schon das classische Werk Sickels über die Urkunden der Karo-
linger zu erwähnen, nebst den dazu gehörigen Schrifttafeln aus dem Nach-
lasse von U. F. von Kopp (Wien bei C. Gerold's Sohn 1871), worin 15
Tafeln nach karolingischen Diplomen von 753 bis 820, mit sämmtlichen
■ — 21 —
Kanzlerunterschriften, enthalten sind. Vgl. auch Herquet, Specimina diplo-
matum monasterio Fuldensi exhibitorum, Cassel 1867. Eine ausgesuchte Folge
in kleineren Bruchstücken bietet das Musee des Archives, Paris 1867, 4.
Urkunden von 680 u. 750 Pal. Soc. 119. 120.
VI
Halbuncialschrift.
Während aus der Cursive sich neue Schriftgattungen entwickelten, hielt
man doch zugleich auch an der überkommenen Uncialschrift für Bücher fest,
mischte diese aber häufig in zunehmendem Grade mit Formen, welche theils
aus der Cursive stammen, theils durch Degeneration in der Uncialschrift selbst
entstanden. Den Anfang dieser Bildung berührten wir schon oben bei der
Uncialschrift. Schon im sechsten Jahrhundert entstanden auf diese Weise
Handschriften, welche grosse Aehnlichkeit mit der späteren Minuskel haben,
und die man deshalb auch vorkarolingische Minuskel nennen kann. In
der eigentlichen Bücherschrift bestand ein specifischer Unterschied von der
Uncialschrift nicht, und man konnte deshalb auch ein Manuscript dieser Art
als Romana scriptura geschrieben bezeichnen, wie es im elften Jahrhun-
dert im Catalog der Bibliothek von Saint-Pere de Chartres geschah (Bibl. de
FEcole des chartes III, 5, 266), ein Ausdruck mit welchem sonst die reine
Uncialschrift im Gegensatz der Urkundenschrift gemeint ist, wie im Chron.
Fontanellense (Mon. Germ. II, 287 — 289). Halbuncial ist schon die gleich-
zeitige Fortsetzung der Fasti consulares von 487 bis 494 im Veroneser Pa-
limpsest (Exempla 30); ferner der 509 oder 510 geschriebene Hilarius, bei
Mabillon S. 355, Nouveau Traite III, 263, Ottley VI, 9. Ottley war durch
den antiken Charakter der Bilder in der von ihm behandelten Handschrift der
Aratea (Archaeologia XXVI) so erfüllt von dem Glauben, dass hier unmöglich
eine spätere Nachahmung vorliegen könne, dass er den vergeblichen Versuch
machte, die Existenz karolingischer Minuskel schon in antiker Zeit nachzu-
22
weisen. Konnte mm auch dieser Versuch nicht gelingen, so verdanken wir
ihm doch eine schöne Zusammenstellung von Schriftmustern, unter welchen
namentlich das aus dem Nouveau Traite III pl. 46 entlehnte von dem 517
in Verona geschriebenen Sulpicius Severus (per me Ursicinum lectorem eccl.
Veron. Agapito consule) die frühe Entstehung dieser alten halbuncialen Minuskel
mit einem dafür so seltenen urkundlichen Datum nachweist. Vgl. Exempla 32.
Dass die Unterschrift mit dem Texte erst später abgeschrieben sei, ist be-
hauptet, aber nicht wahrscheinlich. Dieselbe Schrift finden wir in dem Pabst-
catalog bis 523, fortgesetzt bis c. 530 aus Corbie (cod. Paris. 12097, Mab.
p. 357; Ex. 40) nebst der dazu gehörigen Canonensammlung (Ex. 41. 42);
in dem Cölner Pabstcatalog bis auf Agapit (535. 536), fortgesetzt bis auf
Gregor I (Ex. 37. 38), mit der wenig jüngeren Canonensammlung (Ex. 44).
Aehnlich mehrere Proben aus Veroneser Handschriften bei Sickel I, 2. III. 1.
IV, 2 und bei A. Mai, Nova Patrum Bibl. I Tab. 12 u. 13; auch die obere
Schrift über den gothischen Fragmenten bei A. Mai, Ulphilae Specimina, wie-
derholt in Aschbach's Geschichte der Westgothen ; in Berlin der Codex Theol.
Lat. fol. 354 von Gregor' s Moralien (Arndt 5). Auch den Gregor von Tours
(Arndt 13) kann man dahin rechnen.
Durch die karolingische Reform wurde diese Schreibart verdrängt,
aber noch lange finden wir ihre Ausläufer in den Handschriften der Volks-
rechte, welche von den damals noch schreibkundigen Laien geschrieben
wurden, und von der Einwirkung der Schule Alkuins nicht berührt waren.
So der überaus fehlervolle Papian (Arndt 14) und die Lex Romana Wisi-
gothorum (Arndt 15a).
VII
Irische Schrift.
Vom sechsten Jahrhundert an war Irland das Hauptland der Kalligra-
phie, und auch hier bildeten sich eigenthümliche Schriftgattungen aus, welche
aber von den früher erwähnten Nationalschriften unterschieden werden müssen,
— 23 —
weil sie nickt auf dem Boden der Cursive erwachsen sind. Die Bewohner
der Insel hiessen damals Scotti, und deshalb hat man später auch ihre eigen-
thümliche Schrift Scriptura Scottica genannt. Hauptwerke darüber sind:
Astle, The Origin and Progress of writing, 1783 und 1803, Westwood,
Palaeographia sacra pictoria, und Miniatures and Ornaments of Anglo-Saxon
and Irish manuscripts, 1868, mit ausserordentlich schönen farbigen Nach-
bildungen, F. Keller, Bilder und Schriftzüge in den irischen Manuscripten
der schweizerischen Bibliotheken, Mittheilungen der Antiquarischen Gesell-
schaft in Zürich, VII, 3. 1852. Verschiedene englische Prachtwerke, welche
in neuester Zeit erschienen sind, beschäftigen sich vorzüglich mit der Orna-
mentik, und sind auf dem Continent leider schwer zugänglich. Viele schöne
Proben, doch ohne Farben, giebt die Palaeographical Society. Vgl. F. W.
Unger, La Miniature Irlandaise, Revue Celtique I, 9 — 26. Hof mann in
den Sitzungsberichten d. Münch. Akademie 1871 S. 675.
Diese Irländer haben drei scharf unterschiedene Schriftgattungen, nämlich:
1. Uncialschrift, z. B. in S. Kilians Bibel und Columban's Missal;
2. eine grosse runde Halbuncialschrift, kalligraphisch ausgebildet, vor-
züglich zu liturgischen Büchern;
3. eine kleine spitzige Schrift, welche man als cursive bezeichnen
kann, die aber mit der altrömischen Cursive nicht verwandt ist. Diese hielt
sich länger als die anderen Gattungen, und blieb namentlich für irische Sprache
im Gebrauch. Eine fortlaufende Reihe von Proben bei Eug. 0 'Curry, Lectures
on the Manuscript Materials of ancient Irish History, Dublin 1861. Die letzte
ist seine eigene.
Ausserhalb unserer Aufgabe liegt die Geheimschrift Ogham, deren
Ursprung streitig ist.
Zu Ueberschriften und Anfangszeilen dienten Majuskelbuchstaben,
welche in seltsamer Weise, namentlich mit eckigen Formen anstatt der Run-
dungen, verzerrt wurden und auf den ersten Blick ganz unkenntlich sind.
Vorzüglich liebten aber die Iren den reichsten Farbenschmuck und verzierten
die Initialen und ganze Seiten mit der künstlichsten Verflechtung von Spiralen
24
und schmalen farbigen Bändern, von denen Giraldus Cambrensis sagt: 'Sin
autem ad perspicacius intuendum oculorum aciem invitaveris, et longe penitus
ad artis arcana transpenetraveris, tarn delicatas et subtiles, tarn actas et arctas,
tarn nodosas et vinculatim colligatas, tamque recentibus adhuc coloribus illu-
stratas notare poteris intricaturas , ut vere haec omnia angelica potius quam
humana diligentia iam asseveraveris esse composita.' Mindestens wurden die
grossen Buchstaben mit Reihen rother Punkte umgeben; ausser diesen aber
sind vorzüglich charakteristisch die mit Vorliebe überall angebrachten Köpfe
von Schlangen, Hunden und Vögeln. Während nun diese Ornamente oft
sehr geschmackvoll erscheinen, sind menschliche Figuren bis zur Caricatur
verzerrt; am besten gerathen aber sind die Gestalten in dem Book of Keils
in Dublin, welches dem h. Columbkill gehört haben soll und für das älteste
gilt, so dass wir wohl eine wachsende Entartung auf diesem Gebiete anzu-
nehmen haben, nachdem man anfänglich die aus der römischen Welt erhal-
tenen Vorbilder noch leidlich nachgeahmt hatte. Die Pal. Soc. giebt aus
dem Book of Keils, welches hier ins 7. Jahrh. gesetzt ist, die Tafeln 55 — 58.
88. 89; aus den Gospels of Mac Regol vom Anfang des 9. Jahrh. 90 u. 91.
Die Schottenmönche haben sich nun bekanntlich über den ganzen
Continent verbreitet, und theils Bücher mitgebracht, theils neue geschrieben;
daher stammt der Reichthum an solchen Schriften in der Schweiz, in Würz-
burg, in Frankreich und Italien, wo Luxeuil und Bobio Stiftungen irischer
Mönche waren. Sie haben auf die Ornamentation fränkischer, langobardischer,
westgothischer Handschriften den bedeutendsten Einfluss geübt, und auch in
Urkunden begegnen wir ihren Schriftzügen. In Fulda, wo ja Marianus
Scottus gelebt hat (über seine irischen Expectorationen s.Zeuss, Grammatica
Celtica I p. XXVIII n.), war diese Schrift noch im 1 1 . Jahrhundert ganz üblich,
im zwölften aber entschuldigt sich schon der Compilator der Traditionen, dass er
sie nicht recht lesen könne. Der Regensburger Marianus Scottus, ein be-
rühmter Kalligraph, hat 1019 den Wiener Codex 1247 sehr schön geschrieben,
aber in ganz gewöhnlicher fränkischer Minuskel. Eine irische Glosse über sei-
nem Namen zeigt dagegen auch irische Schriftzüge, s. Revue Celtique I, 263.
25 —
VIII
Angelsächsische Schrift.
Die Angelsachsen waren Schüler der Iren, hatten aber zugleich auch
andere Lehrmeister an den römischen Missionaren. Hier vereinigte sich die Ein-
wirkung der beiden hervorragendsten Kalligraphenschulen des Abendlandes.
Proben ihrer verschiedenen Schriftarten sind in Fülle zu finden bei Astle, in
den S. 22 angeführten Werken von Westwood, den Heften der Pal. Soc. und sonst
an vielen Orten. Von den Handschriften, welche Gregor der Grosse an S. Au-
gustin gesandt hat, ist vielleicht noch etwas übrig ; die Evangelien im Corpus
Christi College, Cambridge (S. Augustine's Gospels) in Uncialschrift erscheinen
nach Digby Wyatt auch in Verzierung und Bildern ganz antik, und
möchten wohl römische Arbeit sein (Pal. Soc. wo sie in die zweite Hälfte
des 7. Jahrh. gesetzt werden, pl. 33 der Text, 34 u. 44 die einzig erhaltenen
Bilder), während andere Handschriften sehr ähnlich erscheinen, aber doch
wieder durch die verdächtigen rothen Punkte und Schlangenköpfe irische
Einwirkung verrathen, und also in England entstanden sein werden. Auch
Urkunden angelsächsischer Könige sind in Uncialschrift geschrieben, s. das
Prachtwerk: Facsimiles of ancient charters in the British Museum I — III,
1873- 1877 in Folio, ungemein wichtig und reichhaltig für die Geschichte
der Schrift bis 995. In Lindisfarne, dem von Iren 634 in Northumberland
begründeten Bisthum, wirkte auch nach dem Obsiegen der Angelsachsen 664
die irische Schule fort; hier Hess Bischof Eadfrith (698—721) zum Andenken
an seinen Vorgänger Cuthbert das Durham book oder S. Cuthbert's Gospels
schreiben (jetzt Cotton Nero D. IV, s. Waagen, Kunstwerke in England
I, 134 f. Westwood, Astle pl. 14, Pal. Soc. 3—6 u. 22) in Halb uncialschrift,
zu welcher 950 eine angelsächsische Interlinearversion hinzugefügt wurde.
Illuminirt ist die prachtvolle Handschrift ganz in irischer Weise ; die Gestalten
sind sinnlos, die Ornamente aber ungemein reich und schön, die Farben vor-
trefflich. Hier ist auch Gold angewandt, welches den Irländern noch fehlte.
Wattenbach, Lat. Palaeogr. 3. Aufl. 4
2G
Die Angelsachsen lernten von den Römern auch die Purpurfärbung des Per-
gaments, oder wussten sich dieses kostbare Material zu verschaffen , und
waren bald hervorragende Meister in der Goldschrift, welche sie mit grosser
Vorliebe anwandten. So liess im 7. Jahrhundert Wilfrid von York die Evan-
gelien in Gold auf Purpur schreiben, welche für ein Weltwunder galten.
Auch die gewöhnliche Schrift lernten die Angelsachsen von den Iren,
haben ihr jedoch einen etwas veränderten Charakter gegeben; oft aber ist die
Herkunft zweifelhaft und auch der Name Scriptura Scottica umfasst
beides. Vielleicht von Bonifatius eigener Hand rühren die angelsächsischen
Glossen des S. 4 angeführten Codex Fuldensis her, in kleiner spitziger, von
Cursivformen erfüllter Schrift. In späteren Jahren bat sich Bonifatius eine
Abschrift der Propheten aus, die claris et absolutis litteris geschrieben war,
'quia caligantibus oculis minutas litteras ac connexas clare discernere non
possum'. Denn so verbessert E. Ranke in ep. 55 ed. Jaffe wohl richtig
für discere. Wie verkehrt, überflüssig und irreführend der übliche Gebrauch
besonderer Typen für angelsächsische Schrift ist, hat J. Grimm schon 1833
bemerkt, wiederholt Kl. Schriften V, 163.
Bald machten die Angelsachsen sich von der irischen Barbarei in
Bildern und Initialen los, und wenn auch die angelsächsischen Umrisszeich-
nungen mit ihren langen Gliedmaassen und fliegenden Gewändern sehr grottesk
sind, so lag doch darin der Keim zu einer eigenen, auf Naturbeobachtung
begründeten Entwickelung der Kunst. So in den Bildern zum Caedmon,
Archaeologia 24.
Die angelsächsischen Missionare brachten diese Schrift, vorzüglich
die Minuskel, wenn wir sie so nennen dürfen, in das fränkische Reich, wo
sie auf die Gestaltung der neuen fränkischen Minuskel eingewirkt hat und
etwa bis ins 11. Jahrhundert an vielen Orten geschrieben wurde. Von dem
vermuthlich 684 geschriebenen Epternacher Martyrol. mit Randbemerkungen
von Willibrord (Paris. Lat. 10,837) hat schon Papebroch eine Seite in Facs.
gegeben im Propylaeum Antiquarium (Acta SS. Apr. II). Verschiedene Proben
sind in den Mon. Germaniae, bei W. Arndt Taf. 9. 33 35.
— 27 —
Dagegen wirkte bald auch die fränkische Schreibkunst bedeutend auf
England ein, und die Schreibkünstler von Hyde Abbey oder New Minster
bei Winchester im zehnten Jahrhundert schrieben in karolingischer Minuskel,
wie auch ihre eigentümliche Ornamentik fremder Herkunft ist; ihr grösstes
Kunstwerk, Grodemans Meisterstück, ist das Benedictionale des Bischofs Ethel-
wold (963 — 984), beschrieben und mit vielen Nachbildungen herausgegeben
von John Grage, Archaeologia Vol. 24. In dem von Wulfwin mit dem
Beinamen Cada geschriebenen Psalter aus dem 1 1. Jahrhundert, welcher im
Besitz des Herzogs von Berry war und sich jetzt in Paris befindet (Lat.
Suppl. 333), ist in schmalen Columnen neben einander der lateinische Text
in schöner fränkischer Minuskel geschrieben, der angelsächsische in der
Schrift, welche immer mehr als dieser Sprache eigenthümlich betrachtet
wurde. Facs. bei Silvestre IV und in dem unvollendeten Prachtwerk des
Grafen Auguste Bastard, Librairie de Jean de France, duc de Berry.
Paris 1834.
Nach der Eroberung soll König Wilhelm I, wie Ingnlf von Croyland
berichtet, den modus scribendi Anglicus verboten und den modus Gallicus
eingeführt haben; doch ist das nicht wahr: es giebt von ihm Urkunden in
angelsächsischer Schrift und Münzen mit der Rune wen, s. Archaeologia 26,
256 und pl. I. Namentlich für englische Sprache erhielt sich die einheimische
Schrift, endlich jedoch blieb nur das eigenthümliche Zeichen für th übrig,
welches aber zuletzt unverstanden wie y geschrieben und gedruckt wurde.
Im 1 2. Jahrhundert erscheint die Schrift noch in voller Uebung in dem Psalter
Eadwines, der mit hohem Selbstgefühl von sich sagte:
Scriptorum princeps ego, nec obitura deinceps
Laus mea nec fama: qui sim mea littera clama.
Doch ist auch hier der lateinische Text des in drei Versionen ge-
schriebenen Psalters in fränkischer, schon völlig ausgebildeter Minuskel ge-
schrieben, nur die angelsächsische Interlinearversion in der Nationalschrift,
welche auf diese Bestimmung eingeschränkt erscheint. Facs. in Westwood's
Palaeographia sacra pictoria.
4*
28 —
IX
Die karolingische Minuskel.
Das Capitulare von 789 verordnet eap. 71 sorgfältige Correctur der
kirchlichen Bücher; sie sollen nur von erwachsenen Männern unter beson-
derer Aufsicht geschrieben werden. Zu der neu auflebenden Kritik des
Textes, welche sich namentlich auch auf Herstellung der ganz verwilderten
Orthographie und Interpunction richtete, trat die Pflege der Handschrift. Man
ist damals für Prachtstücke zur Uncialschrift zurückgekehrt, für den gewöhn-
lichen Gebrauch aber wurde eine Minuskel ausgebildet, die wesentlich eine
Reform der merowingischen Schrift unter Einfluss der alten Minuskel dar-
stellt. Sie ist zu eigenthümlich, als dass wir sie nicht auf einen bestimmten
Ausgangspunkt zurückführen müssten, und dieser kann kein anderer sein
als die berühmte Schule im Martinskloster zu Tours, welcher von 796 bis
804 Alcuin vorgestanden hat. Es hat freilich Jaffe dagegen eingewandt,
dass bei solcher Herkunft die Schrift einen vornehmlich angelsächsischen
Charakter haben müsste, allein dieser Grund scheint mir nicht stichhaltig zu
sein. Denn wenn in der Schreibschule zu Tours, deren grosse Thätigkeit
unzweifelhaft ist, ein anderer Schriftcharakter üblich gewesen wäre, so müsste
sich dieser doch wohl in den zahlreich erhaltenen Handschriften jener Zeit
noch nachweisen lassen. Es hatte aber auch die Schreibthätigkeit schon viel
früher begonnen, von 781 ist Godescalks berühmtes Evangeliar. Am Hofe
wurde fleissig geschrieben und in St. Wandrille errichtete 787 Abt Gervold
eine Schreibschule. An vielen Orten wird ähnliches geschehen sein. Per-
sönlich wird Alcuin hierauf wenig Einfluss geübt haben; ein Manuscript,
welches er an Arn schickte (Colon. CVI), zeigt viele verschiedene Hände
(Arndt Taf. 33. 34. 37—40). Aus St. Martin stammt der Berner Virgilcodex
165 in karol. Minuskel, s. C. W. Müller, De codd. Virgilii, tab. III, spec. III.
Minuskel und Kanzleischrift gemischt ist in dem Heidelb. Paulus D. s. die
Ausgabe von G. Waitz tab. IV. So blieben längere Zeit verschiedene Schreib-
weisen neben einander im Gebrauch; Alcuins Schüler aber verbreiteten sich
29 —
durch das ganze Frankenreicli und mit ihnen die neue Minuskel. Sie erinnert
bald mehr an merowingische Schrift, bald an die Halbuncialschrift, und nimmt
nicht selten auch angelsächsische Elemente auf; nach und nach hat sich aus
ihr die regelmässige gerade Minuskel entwickelt. Im Gegensatz zu dieser
ist die karolingische Schrift rundlicher, noch mehr mit cursiven Elementen
und einzelnen Uncialbuchstaben gemischt; die Worttrennung ist unvollkommen;
sehr charakteristisch für die ganze Erscheinung sind vorzüglich die keulen-
förmig nach oben verdickten Langstriche, welche ihr aus der merowingischen
Schrift noch lange blieben.
Proben dieser Schrift finden sich in den ersten Bänden der Monu-
menta Germaniae, in W. Grimm' s Altdeutschen Gesprächen, v. Karajan's
2 deutschen Sprachdenkmalen (Sitzungsberichte der Wiener Ak. 25, 324), im
Archiv der Wiener Ak. 27, Taf. 1 von Co z roh 's Hand (821 848), in F.
Kell er 's Ausgabe des Reichenauer Nekrologes (Mittheil, der Antiq. Ges. VI)
von 850, und sonst an vielen Orten; Regensburger von 821 u. 823, Pal.
Soc. 122 u. 123. Recht charakteristisch erscheint sie in den Handschriften,
welche der Probst Manno, unter Ludwig dem Stammler Vorsteher der Hof-
schule, nach der Mitte des Jahrhunderts schreiben Hess, und bei seinem Tode
der Abtei S. Eugendi (Saint-Oyan, später Saint-Claude genannt) vermachte;
s. das schöne Facs. von Pilinski, Bibl. de l'Ecole des chartes VI, 4, 218.
Das Sanctgaller Antiphonar cod. 359, angeblich von Hadrian an Karl ge-
schickt, ist wegen des Sanctgaller Charakters der Schrift augenscheinlich
eine Copie; es ist ganz facsimilirt in der Ausgabe von Lambillotte, Anti-
phonaire de S. Gregoire, Brüx. 1851, 4.
Wegen der Urkunden schrift, welche erst unter Ludwig dem Frommen
von der Reform berührt wurde, genügt es auf Sickel's schon angeführtes
Werk zu verweisen.
Neben der Arbeit für den täglichen Gebrauch war aber die Richtung
dieser Zeit auch ganz vorzüglich der Verfertigung von Prachtstücken zuge-
wandt, welche vielleicht niemals an Schönheit übertroffen sind. Purpurnes
Pergament, Gold und Silber, Capitalschrift, nach den besten alten Inschriften
30
sorgfältigst copirt, verschiedene Uncialformen, dazu Ornamente und Bilder nach
antiken und byzantinischen Mustern mit feinem Geschmack ausgewählt, alles
vereinigt sich, um wahrhaft staunenswerthe Kunstwerke herzustellen. Den
Höhepunkt erreichte diese Kunst unter Ludwig dem Frommen und Karl dem
Kahlen, nach welchem sie der wachsenden Nothder Zeit erlag. Eine ge-
nügende Vorstellung von ihrer Schönheit gewährt nur das grosse Prachtwerk
des Grafen Bastard, Peintures et ornemens des Mannscrits, classes dans
un ordre chronologique pour servir ä l'histoire des arts du dessin depuis le
4e siecle jusqu' ä la fin du 16e. Leider aber ist dieses im grössten Format
erschienene Werk unvollendet; 20 Lieferungen zu 8 Tafeln, jede 1800 francs
kostend, sind erschienen, ohne Text und ohne irgend ein System. Die spä-
teren Lieferungen enthalten merkwürdige Proben aus merowingischen , west-
gothischen, lombardischen; südfranzösischen Manuscripten. Ausser Westwood,
Silvestre, Libri in den Mon. inedits, der Pal. Society, erwähne ich Arneth,
Evangeliar Karls des Grossen in der Schatzkammer, im 13. Band der Denk-
schriften der Wiener Akademie, mit schönen Proben, und die ältere Abhandlung
von Sanftl über das Evangeliar von St. Emmeram (Ratisb. 1786), welches für
Karl den Kahlen geschrieben ist Jorand, Grammatographie du neuvieme siecle,
Paris 1837, giebt Alphabete aus einer Bibel Karls des Kahlen, welche in merk-
würdiger Weise den Einfluss und die Benutzung irischer Elemente zeigen.
Unter Karl dem Grossen ist die Nachahmung antiker Vorbilder durch-
aus überwiegend, und neben den kirchlichen Schriften verwandte man ähn-
lichen Fleiss auch auf profane Bücher. So ist im Vatican ein Terenz mit
Bildern, welche antike Vorlagen genau wiedergeben (ed. Cocquelines Romae
1767), ein anderer mit Federzeichnungen in Paris (Pal. Soc. 36) u. s. w.
Besonders merkwürdig aber sind die schon erwähnten Aratea, deren vorzüg-
lichste Handschrift (Harl. 647, s. Ottley in Archaeologia Vol. XXVI) den
Text in karolingischer Minuskel, die Sternbilder in täuschend antiker Weise
enthält, während im Cod. Cotton. Tib. B 5 die Bilder schon verändert, in
den Ornamenten irische Elemente, im Cod. Harl. 2506 aus dem elften Jahr-
hundert angelsächsische Umrisszeichnungen an die Stelle getreten sind.
31 —
Für das unerschöpflich reiche Feld der Ausschmückung der Hand-
schriften mit Bildern und verzierten Initialen ist vorzüglich Waagen sehr
thätig gewesen und hat zu weiterer Bearbeitung die Wege gewiesen. Sehr
empfehlenswert!! ist: The Art of Illuminating as practised in Europe from
the earliest times. Illustrated by Borders , Initial letters and Alphabets, se-
lected and chromolithographed by W. R. Tymms, with an Essay and In-
structions by M. Digby Wyatt, Architect. London 1860, 4. Während die
Abhandlung von Wyatt sehr lehrreich ist, gewähren die 100 Tafeln einen
guten Ueberblick über die successiven Moden und Methoden der Ornamentik.
Ueber das Prachtwerk der Sanctgaller Kalligraphie, das Psalterium aureum,
ist so eben in glänzender Ausstattung von dem Hist. Verein von St. Gallen
ein Werk erschienen, dessen lehrreicher Text von Rudolf Rahn die karo-
lingische Kalligraphie vielfach berührt, welche unter Abt Grimald (seit 841)
in St. Gallen Pflege fand und schöne Werk schuf. Die reiche, aber oft un-
verstandene, auf keinen eigenen Studien beruhende Farbenpracht dieser Zeit,
fremden Vorbildern nachstrebend, erinnert an die älteste, ebenfalls unter
fremder Einwirkung stehende Periode hellenischer Kunstgeschichte: keine
Fortbildung schloss sich daran ; und zunächst ist es nur die geschmackvolle
Ausschmückung der Initialen, in welcher die eigene Kunstthätigkeit Fort-
schritte zeigt.
X
Das Zeitalter der ausgebildeten Minuskel.
Die fränkische Schrift hat, wie wir schon gesehen haben, immer
weitere Ausbreitung gewonnen und ist endlich zur Alleinherrschaft gekommen.
Ihr Entwickelungsgang besteht darin, dass bis zum zwölften Jahrhundert sie
zu immer grösserer Regelmässigkeit vorschreitet. Jeder Buchstabe hat seine
bestimmte Form und steht unabhängig neben dem andern; die Striche sind
scharf und gerade, die Worte vollständig getrennt, Abkürzungen nur mässig
angewandt, die Interpunction sorgfältig. Es ist, mit einem Wort, die Schrift,
zu welcher im 15. Jahrhundert die Humanisten zurückkehrten, und welche
32 —
dann auch von den Buchdruckern nachgeahmt wurde, nachdem man zuerst die
allgemein übliche Mönchschrift als Vorbild der Lettern benutzt hatte. Da-
durch entstand der Gegensatz der sogenannten lateinischen Schrift zur deut-
schen, den man vorher nicht gekannt hatte.
Natürlicher Weise vollziehen sich die Veränderungen der Schrift nicht
vollkommen gleichmässig , und es lassen sich locale Verschiedenheiten unter-
scheiden; aber diese Abweichungen sind merkwürdig gering und der Ent-
wickelungsgang auch in grosser Entfernung sehr übereinstimmend. Freilich
darf man nicht mit zu grosser Zuversicht Altersbestimmungen aufstellen; es
schrieb auch damals ein alter Mönch anders als ein junger Scholar. Ein sehr
wichtiges Gesetz aber ist dieses, dass im Allgemeinen der Westen vor dem
durchschnittlichen Standpunkt um ein halbes Jahrhundert voraus ist, der Osten
um eben so viel zurückbleibt. Bethmann (Pertz' Archiv VIII, 69) fand
bei der Beschäftigung mit den Handschriften von Mont-Saint-Michel in der
Norman die, dass man geneigt sein würde; sie um 50 Jahre zu spät anzusetzen,
und eine Salzburger Handschrift, welche durch die Erwähnung des Gratian
der Mitte des zwölften Jahrhunderts zugewiesen wird, trägt ganz den Charakter
des elften. Auch stimmt diese Beobachtung mit den Ergebnissen der Kunst-
geschichte vollkommen überein. G. von Buchwald (Zeitschr. f. Schlesw.
Holst. Lauenb. Gesch. VII, 298) bemerkt, dass noch der Süden resp. Norden
mit dieser Bestimmung verbunden werden müsse.
Beispiele der ausgebildeten Minuskel bieten in vorzüglicher Güte und
wegen der genauen Zeitbestimmung besonders werthvoll, die Monumenta Ger-
maniae aus den Chroniken des Bernold, Ekkehard, Sigebert, des Annalista
Saxo, Donizo u. s. w. Urkundenschrift z. B. die Origines Guelficae. In dieser
Zeit ist der Unterschied zwischen Urkundenschrift und Bücherschrift sehr
gering und besteht fast nur in einigen unwesentlichen Schnörkeln.
Die Initialen sind oft sehr geschmackvoll verziert, und werden in vielen
Scriptorien mit hingebender Liebe, reicher Fülle der Phantasie und nicht ohne
Kunstsinn hergestellt. Für grössere Miniaturen verschwindet aber der unter
Karl erneute Einfluss antiker Muster ; nur hin und wieder, vorzüglich in Italien,
33 —
ist byzantinischer Einflnss merklich. Sonst erscheinen rohe Umrisszeichnungen,
die aber den Keim des bedeutenden Fortschritts enthalten, welcher im zwölften
Jahrhundert hervortritt. Eine schön ausgeführte Folge von Alphabeten in
Farbendruck, mit Schriftproben, vom 12. bis 16. Jahrhundert, bei Arnold
und Knoll, Sammlung von Initialen, I. Leipzig 1867, 4.
Gegen den Ausgang des zwölften Jahrhunderts beginnen an den früher
gerade abgeschnittenen untern Enden der Buchstaben starke Abschnittslinien
bemerklich zu werden, dann biegen sich die Striche selbst unten nach vorn
in die Höhe, und geben dadurch der ganzen Schrift ein verändertes Ansehen,
namentlich wird die Aehnlichkeit von n und u dadurch herbeigeführt. Man
schreibt viel mehr, und deshalb auch rascher und nachlässiger, die Dinte
wird schlechter. Die Bettelmönche ergiessen ihre Gelehrsamkeit in unge-
heuer umfänglichen Werken, zu welchen der Prior nicht geneigt ist das
theuere Pergament zu beschaffen, und daher wird von ihnen vorzüglich der
Gebrauch der Abkürzungen auf die Spitze getrieben. Uns erscheint diese
Aenderung als beginnende Entartung; aber damals zog man die moderne
Schrift der älteren vor, und libri de littera nova standen in Bologna höher
im Preise als libri de littera antiqua. Mancherlei Varietäten bildeten sich,
littera Boloniensis oder Lombarda, Aretina, Parisina, Anglicana etc.
Im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts wurde die Schrift immer eckiger
gestaltet und es bildet sich die gitterartige Schrift aus, welche man gothisch
oder Mönchschrift nennt. Ein schönes Beispiel davon gewährt der Liber
Regalis von Westminster bei Westwood, und die Statuts de l'ordre du St.
Esprit, institue a Naples en 1352 par Louis d'Anjou, ganz facsimilirt vom
Grafen Horace de Viel-Castel, Paris 1853. In den Verzierungen herr-
schen jetzt die im 13. Jahrhundert aufkommenden von abwechselnd rother
und blauer Farbe durchaus vor. Daneben beginnen die überaus reichen
Randverzierungen , bei welchen namentlich das Dornblattmuster beliebt ist,
von welchem man gegen das Ende des 15. Jahrhunderts übergeht zu der
Abbildung ganzer Pflanzen, Blumen und Früchte mit Käfern und. Schmetter-
lingen auf Goldgrund, wie in dem berühmten Gebetbuch der Anna von der
Wattenbach, Lat. Palaeogr. 3. Aufl.
— 34 —
Bretagne, welches in einem französischen Prachtwerk (Paris, L. Curmer, 1859,
gr. in -4.) vollständig reproducirt ist. Ein sehr schönes Werk dieser Kunst-
schule befindet sich im Bruckenthalischen Museum in Hermannstadt, merk-
würdig dadurch, dass die letzten Blätter mit Randverzierungen versehen, aber
nicht mehr beschrieben sind, weil der Text fertig war. Man sieht daraus,
dass die verzierten Blätter für elegante Andachtsbücher damals fabrikmässig
gearbeitet wurden, um den Text nachträglich einzuschreiben, worauf als dritte
Stufe die Ausmalung der Initialen folgte. Allein die Auszierung der Manu-
scripte fällt in dieser Zeit schon ganz der Kunstgeschichte anheim; man un-
terscheidet förmliche Schulen, wie die giotteske in Italien und die französisch-
niederländische der Künstler, welche für die Söhne des Königs Johann,
Karl V und seine Brüder, die unvergleichlich schönen Prachtwerke geschaffen
haben, von welchen Silvestre glänzende Proben giebt.
In der Schrift selbst gab es eine Menge verschiedener Arten, textus
quadratus und bastardus, nebst vielen Abarten, und fractura und notatura für
Urkundenschrift. Sehr interessant und lehrreich ist die ausführliche Anlei-
tung zur Bildung der einzelnen Buchstaben in notula simplex, d. h. in gewöhn-
licher Urkundenschrift, welche H. Palm im Anzeiger für Kunde der deut-
schen Vorzeit 1865 Nr. 2 u. 3 mitgetheilt hat. Kunstschreiber aber suchten
ihren Ruhm darin, die Schriftarten zu vervielfältigen und mit abenteuerlichen
Namen zu belegen. Herumziehende Schreiblehrer, wie Johann vamme Haghen
(Cod. Berolin. Lat. f. 384) stellten Ankündigungen mit einer Fülle verschie-
dener Proben aus, und von Leonhard Wagner, Mönch zu St. Ulrich und
Afra in Augsburg, der 1522 starb, wurde gerühmt, dass er über 70 Schrift-
arten verstanden habe zu machen. Während man nun als Bücherschrift einer-
seits die eckige Mönchschrift beibehielt, daneben doch gewöhnlich eine ein-
fachere und bequemere Schrift vorzog (ein hübsches Uebungstück ist das
ganz phototypirte Scriptum super Apocalypsim cum imaginibus, Pragae 1873,
4.), scheute man sich auch nicht vor der flüchtigsten, kaum kenntlichen Cur-
sive; die Humanisten aber restaurirten verständiger Weise die reine Minuskel
des zwölften Jahrhunderts.
INHALTSVERZEICHNIS^
Die Hauptgattungen lateinischer Schrift Seite
I. Oapitalschrift • . 1
II. Uncialschrift 4
III. Tironische Noten 7
IV. Altrömische Cursive 10
V. Die Nationalschriften 14
a. Langobardische Schrift 14
b. Westgothische Schrift 17
c. Merowingische Schrift 19
VI. Halbuncialschrift 21
VII. Irische Schrift 22
VIII. Angelsächsische Schrift 25
IX. Die karolingische Minuskel 28
X. Das Zeitalter der ausgebildeten Minuskel 31
Veränderungen der einzelnen Buchstaben 35
Von den Abkürzungen 56
1. Allgemeine Abkürzungszeichen 59
2. Conventionelle Zeichen für einzelne Wörter 62
3. Von den einzelnen Buchstaben 62
4. Abkürzungen durch Anfangsbuchstaben 67
5. Uebergeschriebene Buchstaben 68
6. Auslassungen in der Mitte 70
7. Weglassung der Endung 73
Worttrennung 76
Interpunctionen 78
Zahlen 84
Ziffern .86
Erklärung der in der Autographie gebrauchten Abkürzungen 90
NACHTRAE GE.
Zu S. 6 : Herr Dr. Gitlbauer hat seine Ansicht mit weiter ausgeführten und neuen Gründen vertheidigt
in seinem Aufsatz: Ein Wort über Madvigs p]mendationes Livianae.' Abdr. aus Heft 5 der
Zeitschrift für die österr. Gymnasien, Jahrgang 1858.
Zü S. 28: Es scheint doch sehr zweifelhaft zu sein, ob der cod. Colon. CVI wirklich der von Alcuin an
Arn geschickte ist, oder ob er nicht vielmehr eine gleichzeitige Abschrift ist.
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n\,&d4fay Cu*j^es^KrU&^ u^t-l* v^r^* h'crm^nt v^tifeicJit^nu^ ^ i&ir pJW vor.
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xbtfrr* 'Virrio^- v^r)ruMi^rv £<w£ $n*l¥ Undd- 4 *+■ auvci, v-tf ' JlUnj ouu^fytAfu. •
(ruuuny ^OLwviMi . J9i~n\iit\, iL- ütm^- "z^M^i-dl^ ^ffohA 4toJt~ daj ^OJ\nkA\i \U» &*Lj
\Ly> \xv}jAi% da/fit*
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ßcrvui^ eilt fodiup^Lisoh ou^y tn^id^UrUt^ JLU ^iLrLa^t^^* JeA^ iri*-l*- }h$.
cu^i tut, rUJvhß '(mw° dlßA- &&tj r^cit ^IcuJc^ f <^s ^ &w 4cw> tcls-'^loutf
4(knJt' ßfrhft- rtcfiHß ti friusmod , u . dock kojh ^J^ftk , <Aa** 2*fi A Uk*w Lv t H$ , A4 \x*K*wt:
narrtet Ufr, it* im. äi%. yipjJishn, füJJUri o^nL <lvtjl ^f^^alfi^. Ccriu4tujU^4n^- dfy Ji*nef
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iLsyxd fl&kl Z-Qulds ,JLkSi in, ULTÜTt XsisnfoJ*; *4*Mr JVociy iri^^cij^ iif ßf^^r^ru-U^1 J^^U^tCcn ,
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Coivr'. AuA^,ße-r S- ? drittel- : Co^rd^cjl törndigjOUAMi t du jiäJut- n\£Kit ßCuU^ J ddy ä^äl^a^y,.
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OxnMr t, (. ZjjujüissT^. IH- ^ (LmxL Z^cldk^n, Sfacikf (rwUAUi^k'j narf Haitis Irn ärt^^v.fjuh dur<£
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Vid-avCap. q.PiQ *.S"¥j -haxC du- rm-u^ qritcß. iTioduL ^axn(kff. ^in.ii^rnÄfi^ feiUn
SuAsfc u- doLftctUr. iv^ J6Ww ä/ft, tfntU. <Ur 'Xx.iU. JC<prunU~ S-U l^i XA n-u^ <te^/^ <reMx n
vvr, dcKJYisrv- fjzM^Cßtr f mwd (j^r^d^n *n XH- omuk cvn> Q-nju^r^. dir ^oi^&ndt^ ^llt •* XU "
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U. lUjUyrdxJ^fl^h^ fojfr (LoucC HMr^ dbrcdi jfTirSif'-^rc <AkA'«/4/>w- ^e^tic^wA
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