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Full text of "Annalen der Physik"

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Kcoll. 


ANNALEN 


DER 


PHYSIK  UND  CHEMIE 


NBUE     FOItOE. 

BAND  XXXVIII. 


ANNALEN 

DEB 

PHYSIK  UM)  CHEMIE 

noKOwDET  L'm  fobthtOhet  Dincn 

F.  i.  a  fltn,  L.  H.  «LBBIT,  J.  c  pmHMur. 
NEUE    70I>aX. 
BAND  XXXTIII. 

nRTKB   MITWIBKUNO 
WB    yH  YHl  If  ATJW1H  WW    ^^MmeLTJUTWATPr    Qf    JHWtr.TU 

H.  VON   MELMHOLTZ 


G.  WIEDEMANN. 


XBBST  8IIBIN  FiaUBBNTAnLN. 


LEIPZIG,  1889. 
TEBLAQ  VON  JOHANN  AHBR08IDS  BABTH. 


ANNALEN 


PHYSIK  UND  CHEMffi. 

raomDwnKT  i'aD  roirsirOn»  dusch 
F.  k.  a  fiUH,  L.  W.  aLBKT,  J.  G.  POMRimrF. 

TTETTE    FOIiaS. 
BAND  XXXriII. 


trHTBR   HITWIBKDNB 
DKR    PH YH llf  A  1AUf}\t  H M    QTEflTgTjT.aj^TT ATFT    Qf    BflRLDV 


H.  VON  HKLMHOLTZ 


G.  WIEDEMANN. 


NIB8T  aiBBSN  PltiUKENTAFILM. 


LEIPZIG,  1889. 
VBRLAG  TON  JOHANN  AHBROSIDH  BABTH. 


I  i    ' 


Inhalt. 


Neue  Folge.  *  Band  XXXVIII. 


Neuntes  Heft. 

Seil« 

I.    C.  Dieter! ci.    Calorimetrische  Unteraubhungen  1 

» 

Q.  J.  Elster  und  H.  Geitel.  Einige  Demonstrationsversuche 
zum  Nachweis  einseitiger  Electricitätsbeweguug  in  verdünn- 
ten Gasen  bei  Anwendung  glühender  Electroden     ....      27 

III.  J.  Elster  und  H.  Geitel.  Notiz  über  die  Zerstreuung  der, 
negativen  Electricität  durch  das  Sonnen-  und  Tageslicht  40 

IV.  £.  Cohn.    Die  Dielectricitätsconstante  des  Wassers    ...    i  42 
V.   F.  Braun.   Ueber  Deformationsströme.  (Dritte  Mittheilung)      53 

VI.   L.  Zehnder.    Ueber  Deformationsströme 68 

VII.  Th.  Des  Coudres.    Ueber  das  Verhalten  des  Lichtäthers 

bei  den  Bewegungen  der  Erde , ;   "7 1 

VIII.   H.  Kayser  und  C.  Bunge.     Ueber   die   im   galvanischen 

Lichtbogen  auftretenden  Baudenspectrcn  der  Kohle     ...      80 

IX.  V.  Klatt  und  Ph.  Lenard.  Ueber  die  Phosphorescenzen 
des  Kupfers,  Wismuths  und  Mangans  in  den  Erdalkali- 
sulfiden   90 

X.  B.  Walter.  Ueber  die  Brechungsexponenten  von  Salz- 
lösungen     107 

XI.  L.  Matthiesse n.  Experimentelle  Untersuchungen  über  das 
Thomson'sche  Gesetz  der  Wellenbewegung  auf  Flüssigkeiten 
unter  der  Wirkung  der  Schwere  und  Oohäsion 118 


▼1  Inhalt. 

Seite 

XII.   W.  Preyer.    Ueber  Combinationstöne ISl 

XnL   0.  Knöfler.    Ueber  ein  neues  DUatometer 186 

XIV.   H.  Am  brenn.    Notiz  über  die  Doppelbrechung  in  zähflfls- 

Bigem  Gammi 159 

GegehloJtsen  am   25.  Juli  1889, 


Zehntes  Heft. 

I.   A.  Winkelmann.     Die  Bestimmung  von  Dielectricitäts- 
constanten  mit  Hülfe  des  Telephons 161 

II.  Th.  Hom^n.    Ueber  die  Electricitätsleitnng  der  Gase    .    .    172 

m.  K.  E.  Koch.  Ueber  das  Spectram  der  Gase  bei  tiefen  Tem- 
peraturen    213 

IV.   £.  Cohn.     Die  Absorption   electrischer  Schwingungen   in 

Electrolyten 217 

V.   R.  Wesen donck.     Ueber  die  Artunterschiede  der  beiden 
Electricitäten 222 

VI.  C.  L.  Weber.  Bemerkungen  zu  der  Abhandlung  des  Hm. 
L.  Grunmach :  Ueber  das  galvanische  Leitungsvermögen  des 
starren  Quecksilbers 227 

VII.  J.  Frey b erg.  Bestimmung  der  Potentialdifferenzen,  welche 
zu  einer  Funkenbildung  in  Luft  zwischen  verschiedenen 
Electrodenarten  erforderlich  sind 281 

VIII.   O.  Schumann.    Ueber  eine  cydische  Aenderung  der  elec- 

trischen  Leitungsfähigkeit 256 

IX«   P.  Drude.    Ueber  die  Reflexion  des  Lichtes  an  Ralkspath    265 

X.   L.  Natanson.     Ueber   die   kinetische  Theorie  der  Disso- 

dationserscheinungen  in  Gasen 288 

XL  £.  van  der  Ven.  Das  Boyle-Mariotte'sche  G^esetz  für  Drucke 

unter  einer  Atmosphäre 302 

Xn.   Bekanntmachung  der  Physikalisch-technischen  Reichsanstalt 

über  die  Prüfung  electrischer  Messgeräthe 812 

Geschlossen  am  16,  August  1889. 

Elftes  Heft. 

I.   £.  Warburg.    Zur  Theorie  des  Volta^schen  Elements  und 
der  galvanischen  Polarisation  821 

n.   F.  Streintz.     Beiträge  zur  Theorie  des  Secundftrelements    844 

in.  C.  Fromme.  Ueber  das  Maximum  der  galvanischen  Pola- 
risation von  Piatinelectroden  in  Schwefelsäure 862 


Inhalt.  VII 

Stile 

IV.    O.  Lehmann.     Ueber  das  Wandern    der  Ionen   bei  ge- 

schmoUenem  und  festem  Jodsilber 390 

y.   W.  Giese.     Experimentelle   Beiträge  zur  Kenntniss   vom 

electrischen  Leitungsvermögen  der  Flammengase     ....    408 

VL   J.  Stefan.    Ueber  thermomagnetische  Motoren 427 

Vn.  J.  Stefan.     Ueber   die   Herstellung  intensiv   magnetischer 

Felder 440 

YUL  R.  Emden.  Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze  des  Hm.  Tarn- 
mann :  ,, Ueber  die  Gesetze  der  Dampfspannungen  wässeriger 
Salzlösungen  etc." 447 

IX.  G.  Weidmann.     Messungen  mit  dem  Abbe*schen  Dilato- 

meter 453 

X.  £.  Wie  de  mann.    Zum  zweiten  Hauptsatz  der  mechanischen 

Wärmetheorie 485 

XI.   E.  Wiedemann.     Ueber  Kathodo-  und  Photoluminescenz 

von  Gläsern 488 

Xn.   H.  Ebert    Zwei  Formen  von  Spectrographen 489 

XIII.   fl.  E.  J.  G.  du  Bois.  Eine  einfache  Modification  der  Poggen- 

dorff*schen  Spiegelablesung 494 

Xiy.    L.  Zehnder.    Bemerkung  zu    der  dritten  Mittheilung  des 

flm.  Braun:    „Ueber  Deformationsströme 496 

Geschlossen  am  15.  October  18S9. 


Zwölftes  Heft. 

I.   J.  Elster   u.  H.  Geitel.     Ueber  die   Entladung  negativ 
electrischer  Körper  durch  das  Sonnen-  und  Tageslicht    .    .    497 

II.   F.   Streintz.     Ueber  ein   Silber  -  Quecksiiberelement   und 

dessen  Beziehung  zur  Temperatur 514 

IIL  A.  Heydweiller.  Ueber  den  Durchgang  der  Electricität 
durch  Gase.  I.  Funkenentladungen  des  Inductoriums  in  nor- 
maler Luft 584 

IV.   F.  Himstedt.    Ueber  die  electromagnetische  Wirkung  der 

electrischen  Convection 560 

y.   W.  Voigt    Ueber  die  Beziehung  zwischen  den  beiden  Elasti- 

dtätsconstanten  isotroper  Körper 578 

VI.    R.  Geige  1.    Die  Frage  nach  der  Schwingungsrichtung  des 

polarisirten  Lichtes 587 

VIL    A.  Wüllner.    Ueber  den  aUmählichen  Uebergang  der  Gas- 

spectra  in  ihre  verschiedenen  Formen 619 


Vin  Inhalt. 

Seit« 

VIII.   O.  Tnmlirz.    Das  mechanische  Aeqaivalent  des  Lichtes    .    640 

IX.   K.  Natter  er.    Einige  Beobachtungen  über  den  Durchgang 

der  Electricitftt  durch  Gase  und  Dämpfe 663 

X.  A.  Franke.  Bemerkungen  zu  Hrn.  F.  Wächter's  Unter- 
suchungen über  die  Artunterschiede  der  positiven  und  nega- 
tiven Electricität 673 

XI.  E.  Fleischl  v.  Marxow.    Ueber  die  zweckmftssigste  Her- 
stellung monochromatischen  Lichtes 675 

XII.    L.  C.  Levoir.    Hagelkörner  aus  Kohle 676 

Berichtigungen 676 

Namenregister 677 

Oegehlossen  am  15,  November  J889, 


Nachweis  zn  den  Fignrentafeln. 


Taf.  I.  Dieterici,  Fig.  1.  —  Elster  und  Geitel,  Fig.  2—5.  — 
des  Coudres,  Fig.  6.  —  Rlatt  und  Lenard,  Fig.  7—8. 
—  Matthiessen,  Fig.  9.  —  Knöfler,  Fig.  10. 

Taf.  IL  Winkelmann,  Fig.  1.  —  Hom6n,  Fig.  2-6.  —  Koch, 
Fig.  7. 

Taf.  IIL  Freyberg,  Fig.  1—6.  —  Drude,  Fig.  7.  —  van  der  Ven, 
Fig.  8—9. 

Taf.  IV.  Warburg,  Fig.  1.  —  F.  Streintz,  Fig.  2.  -  Fromme, 
Fig.  3—4.  —  Lehmann,  Fig.  5-8.  —   Giese,  Fig.  9—11. 

Taf.  V.  Weidmann,  Fig.  1—4.  —  E.  Wiedemann,  Fig.  5.  — 
Ebert,  Fig.  6—7.  —  H.  E.  J.  G.  du  Bois,  Fig.  H. 

Taf.  VL  Elster  und  Geitel,  Fig.  1—2.  —  F.  Streintz,  Fig.3— 4.— 
Heydweillor.  Fig.  5—7.  —  Himstedt,  Fig.  8.  —  Geigel, 
Fig.  9—13. 

Taf.   VIL    Natter  er. 


1889.  ANNALEN  JS- 9, 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.  BAND  XXXVIII. 


I.    Calarimetrische  Untersuchungen; 
van  C.  Dieterici. 

Hierin  Taf.I   Flg.  1.) 


II.    Das  specifische   Volumen   des  bei  0^  gesättigten 

Wasserdampfes. 

1.  Die  allgemeine  Beziehung,  welche  für  die  gasförmigen 
Körper  zwischen  Druck,  Volumen  und  Temperatur  besteht, 
und  welche  im  Mariotte-Gay-Lussac'schen  Gesetze  zu- 
sammengefasst  ist,  gilt  mit  aller  Strenge  nur  für  ein  ideelles 
Gas.  Schon  die  sogenannten  permanenten  Gase  zeigen,  wie 
wir  aus  den  Versuchen  Regnault's,  Thomson's  und 
Joule's  wissen,  Abweichungen  von  jenem  Fundamental- 
gesetze. Indessen  sind  die  bei  diesen  Gasen  beobachteten 
Abweichungen  vom  vollkommenen  Gaszustande  so  geringe, 
dass  wir  sie  für  fast  alle  theoretischen  wie  experimentellen 
Untersuchungen  vernachlässigen  können  und  das  M.-G.-L.- 
Gesetz  für  dieselben  als  gültig  ansehen  dürfen.  Es  gilt  das 
aber  nicht  mehr  für  die  Dämpfe.  Allerdings  wissen  wir, 
dass  auch  diese,  solange  sie  nur  hinreichend  weit  über  ihre 
Sättigungstemperatur  überhitzt  sind,  jenes  Fundamentalgesetz 
befolgen,  aber  in  und  in  der  Nähe  der  Sättigungstemperatur 
treten  so  erhebliche  Abweichungen  auf,  dass  die  Anwend- 
barkeit des  M.-G.-L.-Gesetzes  aufhört.  Es  entsteht  daher 
die  Frage,  in  welchem  Sinne,  und  in  welcher  Grösse  zeigen 
sich  diese  Abweichungen,  sind  dieselben  constante  oder  von 
der  Temperatur  abhängige,  und  worin  ist  die  Ursache  der- 
selben zu  suchen? 

Die  bisher  vorliegenden  Untersuchungen  über  die  Dichte 
der  gesättigten  Dämpfe  geben  auf  diese  Fragen  nicht  genügen- 
den Aufschluss;  wohl  stimmen  sie  darin  überein,  dass  sie  die 
Dampfdichte  grösser  ergeben,  als  nach  dem  M.-G.-L.-Gesetze 

Ann.  d.  Phya.  o.  Chem.   N.  F.   XXXVIII.  1 


2  C.  DietericL 

zu  erwarten  ist,  aber  über  die  weiteren  Fragen  weichen  die- 
selben unter  sich  erheblich  ab. 

80  fand  Begnault,  dass  Wasserdampf,  welcher  zwischen 
Temperaturen  yon  30 — 55 ^gesättigt  war,  erst  dann  sich  wie 
ein  Yollkommenes  Gas  verhalte,  wenn  der  Druck  0,8,  also 
einen  constanten  Bruchtheil  von  der  jeder  Temperatur  ent- 
sprechenden Maximalspannung  beträgt.  Dagegen  fanden 
Fairbairn  und  Täte  die  Abweichung  des  Wasserdampfes 
vom  M.-G.-L.-6esetz  nicht  constant,  sondern  mit  der  Tem- 
peratur abnehmend,  sodass  bei  niederen  Temperaturen  die 
Dichte  nahezu  derjenigen  gleich  wurde,  welche  sich  aus  der 
Annahme  der  Avogadro'schen  Hypothese  berechnen  liess. 

Viel  allgemeiner  fasste  Herwig^)  das  Resultat  seiner 
Versuche,  welche  mit  verschiedenen  Substanzen  ausgeführt 
waren,  dahin  zusammen,  dass  die  Abweichung  des  gesättig- 
ten Dampfes  vom  M.-6.-L.-6esetze  bei  derselben  absoluteik 
Temperatur  &  für  die  Dämpfe  aller  Substanzen  gleich  sei, 
und  dass,  wenn  d  die  theoretische,  nach  Avogadro's  Hypo- 
these berechnete  Dampfdichte,  8  die  experimentell  gefundene 
bezeichnet,  beide  für  alle  Substanzen  durch  die  Gleichung: 

S^d.cV» 

verknüpft  sind,  worin  c  eine  Constante  bedeutet,  welche  nach 
seinen  Versuchen  den  Werth  0,0595  hat.  Auch  Wüllner 
und  Grotrian^  fanden  für  Dampf  bis  zu  zwei  Atmosphären 
Druck  diese  Relation,  wenn  auch  nicht  ganz  streng,  bestätigt, 
fanden  jedoch  für  verschiedene  Substanzen  verschiedene 
Werthe  der  Constante  c,  so  für  Wasser  c  =  0,0536.  Endlich 
lassen  sich  auch  die  neuesten  Beobachtungen  desHrn.Perot') 
durch  jene  Gleichung  darstellen,  nur  dass  nach  ihm  der 
Werth  der  Constante  c  für  Wasser  0,0527  ist. 

In  neuerer  Zeit  ist  nun  durch  die  Versuche  von  Kayser 
und  Bunsen  über  die  Verdichtung  von  Gasen  an  glatten 
Oberflächen,  dann  weiter  durch  die  Beobachtungen  von 
Warburg  und  Ihmori*)  und  einer  ganzen  Reihe  anderer 


1)  Herwig,  Pogg.  Ann.  187.  p.  19  u.  592.  1869. 

2)  Wüllner  u.  Grotrian,  Wied.  Ann.  11.  p.  545.  1880. 

3)  Perot,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (6)  13.  p.  145.  1888. 

4)  Warburg  u.  Ihmori,  Wied.  Ann.  27.  p.  481.  1886. 


Specifisches   Volumen  des   Wasserdampfes.  3 

Forscher  die  Aufmerksamkeit  der  Physiker  wieder  auf  die 
ErscheinuDg  der  Adsorption   von   Gasen  und  Dämpfen   an 
den  Oberflächen  gelenkt.     Zweifellos  muss   dieser  Vorgang 
auch  bei  den  zur  Ermittelung  der  Dichten  gesättigter  Dämpfe 
Angestellten  Versuchen  mit  in  Betracht  kommen  und  in  dem 
Sinne  wirken»  dass   er  die  Dichte  grösser  erscheinen  lässt, 
sb  man  nach  der  Avogadro'schen  Hypothese  erwarten  soll. 
In  welchem   Maasse  aber   die    Vaporhäsion   an   den   Wan- 
dungen die  bisherigen  Versuche  beeinflusst  hat,  darüber  fehlt 
ans  jeder  Anhalt;  denn  die  Methoden,  welche  bei  den  Unter- 
suchungen   über    die  Dampfdichte    in    Anwendung    kamen, 
waren  nicht  empfindlich  genug,  um  diesen  Einfluss  erkennen 
zu  können.    So  gibt  Hr.  WüUner  an,   dass  innerhalb  der 
Gtenauigkeitsgrenze  der  von  ihm  im  Verein  mit  Qrotrian 
ausgeführten  Versuche  eine  merkliche  Adhäsion  sich  nicht 
beobachten  liess. 

Im  Folgenden  sind  Versuche  mitgetheilt,  welche  sich  auf 
Dampfdichte  des  bei  0^  gesättigten  Wasserdampfes  beziehen. 
Für  Dämpfe  so  geringer  Dichte  liegen  bisher  keine 
directen  Beobachtungen  vor;  alle  früheren  Versuche  sind  bei 
höheren  Temperaturen  ausgeführt.  Und  doch  ist  es  in  mehr 
als  einer  Hinsicht  von  Wichtigkeit,  directes  Beobachtungs- 
material über  Dämpfe,  welche  bei  niederen  Temperaturen 
gesättigt  sind,  zu  besitzen.  Der  Zusammenhang  zwischen 
der  Dampfspannungserniedrigung  gelöster  Salze  und  der 
Lösungswärme,  der  Gefrierpunktserniedrigung  mit  Lösungs- 
wärme  und  Dampfspannung  und  eine  fieilie  damit  zusam- 
menhängender Fragen,  alle  diese  Beziehungen,  welche  die 
Theorie  schon  ergeben  hat,  lassen  sich  mit  der  Erfahrung 
erst  dann  vergleichen,  wenn  wir  directe  Beobachtungen  über 
das  specitische  Volumen  der  bei  niederen  Temperaturen  ge- 
sättigten Dämpfe  besitzen.  Die  Annahme,  welche  wir  in 
allen  theoretischen  Arbeiten  wiederfinden,  dass  die  bei  nied- 
rigen Temperaturen  gesättigten  Dämpfe  das  M.-G.-L.-Gesetz 
befolgen,  ist  experimentell  nie  direct  erwiesen. 

2.  Die  bisherigen  Methoden  zur  Ermittelung  des  spe- 
cifischen  Volumens  gesättigter  Dämpfe  lassen  sich  kurz  so 
charakterisiren,  dass  sie  entweder  das  Gewicht  Flüssigkeit 
zu  ermitteln  suchten,  welches  als  gesättigter  Dampf  ein  ge- 


4  C.  Dieterici. 

gebenes  Volumen  erfüllte,  oder  umgekehrt  das  Volumen 
bestimmten,  welches  eine  abgewogene  Menge  Flüssigkeit  in 
Form  von  gesättigtem  Dampf  einnahm.  In  beiden  Fällen 
basirt  die  Bestimmung  der  Dichte  auf  der  directen  Anwen- 
dung der  Wage.  Für  Dämpfe,  welche  bei  niederen  Tem- 
peraturen gesättigt  sind,  sind  diese  Methoden  nicht  anwend- 
bar, weil  die  Menge  Flüssigkeit,  welche  in  Dampfform  über- 
geht, wenn  man  nicht  das  Volumen  unbequem  gross  wählt, 
eine  zu  kleine  ist.  Nehmen  wir  an,  es  sei  ein  Volumen  ge- 
gegeben Yon  etwa  5  1;  es  handele  sich  darum,  die  Menge 
Wasser  zu  ermitteln,  welche  bei  0^  dieses  Volumen  als  ge- 
sättigter Dampf  erfüllt,  und  wir  verfahren,  wie  Hr.  Perot 
(1.  c),  indem  wir  jenes  Volumen  evacuiren,  dann  mit  einem 
kleinen  Wasserreservoir  in  Verbindung  setzen  und  nun  die 
Menge  Wassers,  welche  in  das  Vacuum  von  5  1  hinein  ver- 
dampft ist,  durch  die  Grewichtszunahme  einiger  Trocken- 
gefässe  bestimmen,  welche  mit  dem  Dampfraum  nachträglich 
in  Verbindung  gebracht  sind,  so  beruht  die  gesammte  Be- 
stimmung auf  der  geringen  Gewichtszunahme  der  Trocken- 
geßlsse.  Nimmt  man  die  Dichte  des  bei  0^  gesättigten 
Wasserdampfes  der  Avoga dro 'sehen  Hypothese  entsprechend 
an,  so  ergibt  sich,  dass  1  g  Wasser  in  diesem  Zustande  ein 
Volumen  von  etwa  205  1  hat.  Also  würden  etwa  25  mg 
Wasser  in  das  Volumen  von  5  1  hineingehen.  Diese  geringe 
Gewichtsmenge  müsste  durch  die  Differenz  der  Gewichte  der 
Trockengefässe  gemessen  werden,  eine  Messung,  welche,  wenn 
man  bedenkt,  dass  mit  den  letzteren  verschiedene  Mani- 
pulationen zwischen  beiden  Wägungen  vorgenommen  werden 
müssen,  kaum  auf  1  mg  sicher  ausgeführt  werden  kann. 

Ebenso  ungünstig,  wie  die  Perot'sche  Methode,  würde 
sich  die  Wüllner'sche  für  Dämpfe  geringer  Dichte  gestalten. 

In  einer  kürzlich  mitgetheilten  Arbeit^)  habe  ich  die 
Verdampfungswärme  des  Wassers  bei  0^  ermittelt;  als  Re- 
sultat der  Versuche  hatte  sich  ergeben,  dass  die  Wärme, 
welche  1  g  Wasser  von  0®  zur  Verdampfung  bei  dieser  Tem- 
peratur gebraucht,  gemessen  in  mittleren  Ualorien  596,80 
ist.     Die  Versuche,   welche  mit  dem   Eiscalorimeter  ausge- 


1)  C.  Dieterici,  Wied.  Ann.  87.  p.  494.  1889. 


Specißiches   Volumen  de»   JVasserdampJes,  5 

fthrt  waren,  jzeigten  eine  ausserordentlich  gute  Ueberein- 
stimmung,  sodass  der  Mittel werth  aller  Versuche  kaum  um 
0,1  Calorien  unsicher  ist.  Wenn  man  diese  Bestimmung 
benutzt,  um  die  Menge  Wasser,  welche  bei  0^  in  ein  Vacuum 
Ton  bekannter  Grösse  hineinverdampft,  nicht  direct  durch 
Wägungy  sondern  durch  die  zum  Verdampfen  noth wendige 
W&rme  zu  ermitteln,  so  muss  man  wegen  der  Grösse  der 
Yerdampfungsw&rme  zweifellos  zu  einer  Methode  kommen, 
welche  leistungsfähiger  als  die  bisher  angewendeten  ist  Um 
dies  zu  erkennen,  genügt  eine  kurze  Betrachtung: 

Das  Eiscalorimeter  gestattet,  wenn  es  sorgfältig  behan- 
delt wird,  mit  Sicherheit  noch  Wärmemengen  von  0,03  Ca- 
lorien zu  bestimmen,  und  diese  Sicherheit  gilt  auch  für  Ver- 
suche von  so  langer  Dauer^  wie  diejenigen  waren,  welche  ich 
in  der  ersten  Mittheilung  beschrieben  habe.  Nehmen  mr  nun 
das  schon  vorher  benutzte  Beispiel;  es  habe  das  Vacuum  ein 
Volumen  von  5  1,  also  verdampfen,  um  es  bei  0^  mit  gesät- 
tigtem Dampf  zu  füllen,  25  mg  Wasser.  Zum  Verdampfen 
dieser  Wassermenge  ist,  wenn  wir  die  Verdampfungs wärme 
rund  gleich  600  Calorien  nehmen  —  eine  Wärmemenge  von 
rund  15  Calorien  nothwendig.  Diese  Wärmemenge  ist  bei 
günstigsten  Umständen  auf  0,03  Calorien,  d.  h.  auf  0  2  Proc, 
sicher  messbar.  Und  demgemäss  ist  auch  die  Wassermenge 
mit  derselben  Sicherheit  messbar,  denn  der  Fehler,  mit  dem 
noch  das  Resultat  der  Verdampfungswärme  des  Wassers 
behaftet  ist,  ist  verschwindend  klein.  Bei  Anwendung  dieser 
Methode  ist  uns  also  die  Bestimmung  der  geringen  Wasser- 
menge von  25  mg  auf  0,2  Proc.  möglich,  wälirend  wir 
bei  directer  Wägung  kaum  4  Proc.  Sicherheit  erreichen 
können. 

Aus  dieser  Ueberlegung  geht  hervor,  dass,  wenn  man 
die  Versuche  in  der  Weise  ausführte,  dass  man  die  Wärme- 
menge, welche  zum  Verdampfen  gebraucht  wird,  der  Mes- 
sung unterwirft  und  aus  ihr  die  verdampfte  Flüssigkeits- 
menge berechnet,  man  zu  einer  Methode  gelangen  musste,  von 
der  man  sowohl  exactere  quantitative  Resultate,  als  auch 
Aufschluss  über  die  Adhäsionsvorgänge  erwarten  konnte, 
welche  sich  bei  den  bisherigen  Dichtigkeitsbestimmungen 
der  gesättigten  Dämpfe  der  Beobachtung  entzogen  hatten. 


6  C.  Dietericu 

8.  Die  Versuchsanordnang  war  dem  vorstehend  mitgetheü- 
ten  Plane  entsprechend  folgende  (vergl.  Fig.  1):  Zum  Messen  der 
Wärmemenge  diente  ein  Eiscalorimeter,  welches  ebenso  wie 
bei  den  früheren  Versuchen  behandelt  wurde;  die  Verände- 
rung des  Eismantels  wurde,  wie  dort,  nach  der  Schuller 
und  Wartha'schen  Methode  dadurch  beobachtet,  dass  man 
die  in  gleichen  Zeitintervallen  vor,  während  und  nach  den 
Versuchen  durch  die  Saugspitze  eingesogenen,  resp.  aus- 
gestossenen  Quecksilbermengen  mit  der  Wage  bestimmte. 
Das  innere  GTefäss  desselben  war  mit  Quecksilber  angefüllt^ 
in  welches  ebenso  wie  bei  den  Versuchen  über  die  Ver- 
dampfungswärme des  Wassers  ein  mit  beliebiger  Quantität 
Wasser  gefülltes  Platin-  oder  GMasröhrchen ,  welches  am 
unteren  Ende  zu  einem  kleinen  Kugelgefäss  sich  erweiterte, 
eingesenkt  war.  An  dieses  Verdampfungsröhrchen  war  am 
anderen  Ende  ein  Schliffstück  angeschmolzen,  welches  die 
Verbindung  mit  einem  längeren  Glasrohr  von  etwa  6  mm 
lichter  Weite  vermittelte.  Dieses  Bohr  führte  durch  die 
Eisumhüllungen,  mit  denen  das  Calorimeter  zum  Schutz 
gegen  Wärmezuleitungen  umgeben  war,  und  aus  dem  den 
ganzen  calorimetrischen  Apparat  umschliessenden  Eisspinde 
heraus,  bog  aussen  rechtwinklig  um  und  endete  in  einem 
Schliffstück,  welches  die  Verbindung  mit  dem  Dampfraum 
herstellte.  Der  Dampfraum  war  sowohl  in  Bezug  auf  Gestalt 
wie  auf  Material  verschiedenartig.  Zu  den  in  Tabelle  I 
und  II  enthaltenen  Versuchen  diente  eine  Glasröhre  von 
etwa  10  cm  Durchmesser  und  65  cm  Länge,  an  deren  beiden 
rund  zulaufenden  Enden  Glasröhren  von  etwa  6  mm  lichtem 
Durchmesser  angeblasen  waren,  welche  passend  gebogen  waren 
und  beiderseits  in  Schliffen  endeten.  Diese  engeren  Röhren 
trugen  kurz  nach  der  Ansatzstelle  an  den  Dampfi  aum  Hähne 
und  vermittelten  mit  Hülfe  der  Schliffe  an  ihren  Enden  die 
Verbindung  einerseits  mit  dem  vom  Verdampfungsröhrchen 
heraufitLhrenden  Glasrohre,  andererseits  mit  einem  mit  Phos- 
phorsäureanhydrid gefüllten  Gefässe,  an  welches  weiter, 
ebenfalls  durch  einen  Schliff  verbunden,  eine  Quecksilber- 
luftpumpe von  der  Töpler-Hagen'schen  Construction  an- 
setzte. Bei  den  Versuchen  der  Tabelle  III  und  IV  war 
der  röhrenförmige  Dampfraum   durch  Kugelballons  ersetzt, 


Spec^chei  Volumen  des   Wasserdampfes.  7 

in  welche  die  Zu-  und  Ableitungen  (vgl  Fig.  1)  durch 
einen  Schliff  mit  Quecksilberdichtung  eingeführt  waren;  dei 
Dimpfraum  war  stets  umgeben  von  einem  Bade  constanter 
Temperatur. 

Zur  Vorbereitung  der  Versuche  waren  folgende  Opera- 
tionen nöthig:   Das  Verdampfungsröhrchen  wurde  mit  2  bis 
3  g  Wasser  geftült  und   in  das  Calorimeter  eingesetzt  und 
dann  durch  das  Verbindungsrohr  mit  dem  Dampfraum  ver- 
banden, welcher  seinerseits  wieder  durch  das  Phosphorsäure- 
gefiLss  mit  der  Pumpe  zusammenhing.  Es  wurde  dann,  nach- 
dem schon  der  Dampfraum  unter  Anwendung  einer  gewöhn- 
lichen Stiefelluftpumpe  bis  auf  etwa  10  mm  Druck  evacuirt 
war,  die  Verdünnung  mit  Hülfe   der  Quecksilberluftpumpe 
weiter  getrieben,  w&hrend  beide  Hähne  offen  waren,  sowohl 
der  Hahn  I  zwischen  dem  Dampfraum  und  dem  Verdampfungs- 
röhrchen, als  auch  der  Hahn  II  zwischen  ersterem  und  dem 
Phosphors&uregefäss.  Wenn  man  bis  auf  4,5  mm  Hg  verdünnt 
hatte,  begann  Verdampfung,  welche  man  nach  etwa  zehn  Mi- 
nuten durch  Schliessen  des  Hahnes  I  unterbrach.   Dieses  Ver- 
dampfen diente  dazu,  sowohl  das  im  Verdampfungsrohre  ent- 
haltene Wasser  von   der  absorbirten  Luft   zu   befreien,    als 
auch  die  Luft  aus  dem  Verbindungsrohre  durch  den  nach- 
dräDgenden   Wasserdampf   herauszutreiben.     Während    nun 
EUhn  I  geschlossen,  Hahn  II  geöffnet  war,  wurde  der  Dampf- 
raum durch  fortgesetztes  Pumpen  vollständig  evacuirt,  und 
nachdem  das  erreicht  war,  zwei  bis  drei  Stunden  bei  geöff- 
netem Hahn  U,  geschlossenem  Hahn  I,  also  in  Verbindung 
mit  dem  Trockengefässe  ruhig  stehen  gelassen. 

Nun  erst  konnten  die  Versuche  beginnen,  welche  in  der 
Weise  ausgeführt  wurden,  dass  man  zunächst  die  Constanz 
des  Calorimeters  beobachtete  durch  Wägung  der  während 
der  zwei  bis  drei  Stunden  Zeit  des  Austrocknens  des  Dampf- 
raumes ausgestossenen,  resp.  eingesogenen  Quecksilber  menge. 
In  einem  gegebenen  Zeitmoment  wurde  dann  das  Queck- 
silbergefäss  an  der  Saugspitze  gewechselt,  Hahn  II  geschlossen 
und  Hahn  I  geöffnet;  jetzt  füllte  sich  der  Dampfraum  mit 
Wasserdampf,  und  es  ergab  sich,  dass  —  soweit  nicht  Con- 
densationen  in  Betracht  kamen  —  zwanzig  Minuten  genügten, 
um  den  Dampfraum  vollständig  mit  Wasserdampf  zu  erfüllen. 


8  C.  DietericL 

Nach  zwanzig  Minuten  wurde  dann,  ohne  an  der  Stellung 
der  Hähne  etwas  zu  ändern,  wiederum  das  Quecksilbergefäss 
an  der  Saugspitze  gewechselt  und  dies  nach  abermals  zwanzig 
Minuten  wiederholt.  Die  Beobachtungen  des  zweiten  und 
dritten,  eventuell  auch  vierten  und  fünften  Intervalls  von 
zwanzig  Minuten  dienten  dazu,  die  Beendigung  des  Ver- 
dampfungsprocesses  oder  aber  nachträgliche  Condensation  zu 
beobachten.  Erst  nachdem  man  durch  diese  Beobachtungen 
der  Beendigung  des  Processes  sicher  war,  wurde  Hahn  I 
geschlossen  und  Hahn  II  behufs  Wiederaustrocknens  des 
Dampfraumes  geöffnet,  indem  man  zugleich  wieder  die  Pumpe 
in  Thätigkeit  setzte.  Nach  zwei  bis  drei  Stunden  konnte 
dann  ein  zweiter  Versuch  dem  ersten  folgen;  es  ergab  sich, 
dass  diese  Zeit  zum  Austrocknen  genügte,  während  eine 
Stunde  nicht  ausreichte. 

Da  das  Verdampfungsröhrchen  mit  einem  ausreichenden 
Vorrath  von  Flüssigkeit  gefüllt  war,  das  Calorimeter  durch 
die  Eisumhüllungen,  das  dieselben  umgebende  Eisspind  und 
weiter  noch  durch  niedrige  Zimmertemperatur  geschützt  war^ 
endlich  alle  Schliffe  völlig  dicht  hielten,  so  konnte  man  tage- 
lang die  ganze  Vorrichtung  zusammengesetzt  stehen  lassen 
und  zu  beliebiger  Zeit  Versuche  ausführen. 

Bei  diesen  Versuchen  ist  es  nothwendig.  dass  die  Tem- 
peratur des  Calorimeters  die  niedrigste  ist,  welche  überhaupt 
in  dem  bei  geöffnetem  Hahne  I  dem  Dampfe  dargebotenen 
Baume  vorkommt. 

Der  Druck  des  Dampfes  ist  daher  derjenige  des  bei  0^ 
gesättigten  Wasserdampfes,  also  4,52  mm  nach  Magnus, 
4,60  mm  nach  Begnault,  4,63  mm  nach  Fischer;^)  diesen 
Druck  zu  variiren,  gestattet  die  Methode  zunächst  nicht  ;^ 
sie  gestattet  also  zunächst  nicht  eine  Controle  der  Anwen- 
dung des  Mariotte'schen  Gesetzes  auf  die  Dämpfe.  Da- 
gegen gestattet  sie  eine  Untersuchung  der  Gültigkeit  des 
Gay-Lussac'schen  Gesetzes;  denn  indem  man  bei  verschie- 
denen Temperaturen  des  den  Dampfraum  umgebenden  Bades 
Versuche  ausführt,  bestimmt  man  die  Dichte  des  zu  der  Tem- 
peratur des  Bades  überhitzten  Wasserdampfes,  welcher  eine 


1)  Fischer,  Wied.  Ann.  28.  p.  400.  1886. 


Specifisches  Volumen  des   WcLsserdampfei.  9 

Spannung  gleich  der  des  bei  0^  gesättigten  Dampfes  besitzt. 
Indem  man  die  Temperatur  des  Bades  immer  mehr  sinken 
&B8t  und  n&her  an  0^  wählt,  nähert  man  sich  der  SättiguDgs- 
temperatur;  bei  dieser  tritt  labiles  Oleichgewicht  ein,  sinkt 
die  Temperatur  noch  mehr,  so  findet  bei  geöffnetem  Hahn  I 
fortdauernde  Destillation  in  den  Dampfraum  hinein  statt. 

Die  Bedingung,  dass  die  Temperatur  des  Calorimeters 
£e  niedrigste  des  ganzen  Dampfraumes  sein  musste,  zog  es 
nach  sich,  dass  bei  den  folgenden  Versuchen  nicht  diejenige 
Sicherheit  erreicht  wurde,  welche  vom  als  erreichbar  hinge- 
stellt wurde.  Denn  da  der  ganze  Apparat  zusammengesetzt 
und  völlig  luftleer  längere  Zeit  stehen  blieb,  so  genügte  die 
geringe  Differenz  zwischen  der  Schmelztemperatur  des  un- 
reinen, das  Calorimeter  umgebenden  Eises  und  der  Calori- 
metertemperaturi  der  Schmelztemperatur  des  aus  reinem, 
destillirtem  Wasser  erzeugten  Eismantels,  um  in  der  Köhren- 
leitung,  welche  das  Verdampfungsröhrchen  mit  dem  Dampf- 
ranm  verband,  eine  fortdauernde  Destillation  aus  dem  Ver- 
dampfungsröhrchen nach  der  Stelle  hin  zu  veranlassen,  wo 
sie  die  aus  unreinem  Eise  gebildeten  Eisumhüllungen  durch- 
schnitt. Oeffnete  man  dann  den  Hahn  I,  so  wurde  nicht  die 
ganze  Dampfmenge  aus  dem  Wasser  im  Calorimeter  geliefert, 
sondern  ein  Theil  auch  von  jenen  in  der  ßöhrenleitung  con- 
densirten  Wassermengen.  Deshalb  musste  dafür  gesorgt  wer- 
den, dass  die  Köhrenleitung  sofort  nach  dem  Austritt  aus 
dem  Calorimeter  eine  höhere  Temperatur  als  0®  hatte.  Da- 
durch war  nun  rückwärts  wiederum  eine  geringe  Wärmezu- 
leitung durch  das  Verbindungsrohr  zum  Calorimeter  bedingt; 
diese  wurde  zwar  möglichst  dadurch  compensirt,  dass  man 
das  Niveau  der  aussen  an  die  Saugspitze  angesetzten  Queck- 
silbemäpfe  ein  wenig  erniedrigte  und  durch  diese  Druck- 
emiedrigung  ein  geringes  Gefrieren  im  Calorimeter  hervor- 
brachte, indessen  war  jene  Wärmezuleitung  variabel,  und 
daher  konnte  nicht  das  Calorimeter  zum  höchsten  Grade 
seiner  Genauigkeit  gebracht  werden.  Immerhin  war  dieselbe 
doch  noch  so  gross,  dass  Versuche,  welche  bei  gleicher  Tem- 
peratur des  Dampfraumes  ausgeführt  wurden,  selten  um  mehr 
mehr  als  1  Proc.  im  Maximum  voneinander  abwichen. 

Ein  zweiter  Umstand  trat  noch  der  Ausführung  der  Ver- 


10  C.  Dieter ici. 

suche  hindernd  entgegen.  Während  der  ganze  Apparat  zu- 
sammengesetzt und  luftleer  bei  geschlossenem  Hahne  I  län- 
gere Zeit  stehen  blieb,  gefror  das  Wasser  im  Verdampfungs- 
röhrchen  im  Calorimeter.  Der  Grund  ist  sofort  erkennbar: 
das  Wasser  im  Verdampfungsrohr  stand  nur  unter  dem 
Druck  von  4,6  mm  Hg,  hatte  also  wegen  der  Druckemiedri- 
gung  einen  Gefrierpunkt,  welcher  ein  wenig  höher  lag,  als 
der  des  umgebenden  Calorimetereises«  Diese  geringe  Tem- 
peraturdifferenz brachte  ein  langsames  Gefrieren  des  Wassers 
im  Verdampfungsrohr  hervor.  Aus  dieser  Schwierigkeit  half 
ich  mir  dadurch,  dass  ich  das  reine  Wasser  durch  eine  0,1- 
procentige  Kochsalzlösung  ersetzte. 

Nach  den  Beobachtungen  von  Wüllner  bringt  ein  G^ 
halt  von  0,1  g  Kochsalz  auf  100  g  Wasser  eine  Gefrierpunkts- 
emiedrigung  von  0,06^  C.  hervor;  diese  genügte,  um  die 
durch  die  Druckerniedrigung  hervorgebrachte  Gefrierpunkts- 
erhöhung mehr  als  auszugleichen.  Eine  merkliche  Dampf- 
spannungserniedrigung tritt  durch  diesen  geringen  Salzgehalt 
nicht  ein,  wie  aus  der  einfachen  Ueberlegung  folgt,  dass  bei 
—  0,06^  C.  die  Dampfspannung  über  der  Lösung  dieselbe  sein 
muss,  wie  über  dem  reinen  Eise.  Nach  den  theoretischen 
Berechnungen  von  Kirchhoff  und  anderen  und  den  directen 
Beobachtungen  von  Kamsay  und  Young  und  Fischer 
nimmt  die  Dampfspannung  des  Eises  von  0  bis  P  um  0,3  mm 
bis  0,4  mm  Hg  ab,  also  für  0,06*^  etwa  um  0,02  mm.  Diese 
Dampfspannungsdifferenz  würde  bei  —0,06^  bestehen,  bei  0® 
würde  nur  die  Differenz  der  Dampf spannungszunahmen  des 
reinen  Eises  und  der  Salzlösung  von  —0,06^  bis  0^  be- 
stehen bleiben. 

Auch  die  Berechnung  der  Menge  des  gebildeten  Dampfes 
erleidet  bei  Anwendung  dieser  schwachen  Lösung  keine  merk- 
liche Veränderung.  Denn  die  Betrachtung  eines  einfachen 
isotherm- reversiblen  Kreisprocesses  zeigt,  dass,  wenn  1,001  g 
der  Lösung  verdampft,  die  hierzu  verbrauchte  Wärmemenge 
gleich  sein  muss  der  negativ  genommenen  Conäensationswärme 
der  gebildeten  Dampfmenge  von  1  g  oder  der  Verdampfungs- 
wärme des  reinen  Wassers  diese  vermindert  um  die  Lösungs- 
wärme von  0,001  g  Salz  in  1  g  Wasser  bei  0^  Für  so 
schwache  Lösungen  liegen  leider  keine  directen  Beobachtun- 


Spectfisches  Vobimen  des  Wasserdampfes»  11 

gen  vor.  Nach  Hm.  Win  keim  an  n's^)  Beobachtungen  nimmt 
die  Lösungswärme  des  Kochsalzes  bei  0^  mit  der  Verdünnung 
erheblich  zu  und  erreicht  bei  eiuer  Lösung  1  g  Salz  in 
32,87  g  Wasser  den  Werth  27,1  CaL  Bei  noch  weiterer 
Verdünnung  wird  der  Werth  der  Lösungswärme  noch  steigen, 
muss  sich  aber  einem  Grenz  werth  nähern,  weil  von  einem 
gewissen  Grade  der  Verdünnung  an  bei  weiterer  Verdünnung 
keine  Wärmetönung  mehr  eintritt.  Die  Beobachtungen  von 
Winkelmann  zeigen  auch  schon,  dass  die  Curve,  welche 
die  Lösungswärme  in  ihrer  Abhängigkeit  von  der  Concen- 
tration  darstellt,  sich  asymptotisch  einem  Grenzwerthe 
nähert.  Nach  ihnen  werden  wir  für  stark  verdünnte  Lösun- 
gen die  Lösungswärme  f)ir  1  g  Kochsalz  in  Wasser  auf  etwa 
40  Cal.  veranschlagen  können.  Von  dieser  Wärmemenge 
würde  also  der  tausendste  Theil,  also  0,04  Cal.  von  der  Ver- 
dampfungswärme des  Wassers  abzuziehen  sein,  um  die  Ver- 
dampfungswärme für  soviel  Salzlösung  zu  ergeben,  dass  1  g 
Dampf  sich  bildet.  Man  erkennt,  dass  diese  Dififerenz  ver- 
schwindend klein  ist  und  die  Unsicherheit  des  Werthes  der 
Verdampf ungs wärme  des  reinen  Wassers  nicht  erreicht.  Ich 
habe  deshalb  den  nachfolgenden  Berechnungen  den  letzteren 
zu  Grunde  gelegt. 

Alle  folgenden  Versuche  sind  mit  dieser  0,1  procentigen 
Kochsalzlösung  ausgeführt;  durch  zeitweiliges  Erneuern  der 
Füllung  des  Verdampfungsröhrchens  wurde  dafür  gesorgt, 
dass  sich  die  Concentration  nicht  merklich  verändert. 

3.  In  der  folgenden  Tabelle  I  sind  die  Resultate  der 
ersten  Versuchsreihe  enthalten.  Zu  diesen  Versuchen  diente 
als  Dampfraum  eine  Röhre  von  etwa  10  cm  Durchmesser 
und  65  cm  Länge,  welche  auf  der  Glashütte  von  Schilling 
in  Gelberg  aus  Thüringer  Glas  geblasen  war.  Das  Volumen 
betrug  bei  0^  zwischen  den  Hähnen  I  und  II  5007,7  ccm, 
wie  eine  doppelt  ausgeführte  Volumenbestimmung  durch 
Wasserwägung  ergeben  hatte.  Die  Röhre  war  sorgfältig  mit 
Schwefelsäure,  Kalilauge  und  Alkohol  gereinigt,  jedoch  nicht 
mit  Wasser  ausgekocht,  sie  war  nach  dem  Zusammensetzen 
des  ganzen  Apparates   evacuirt.    Der  Druck   der  noch   im 


1)  Winkelmann,  Pogg.  Ann.  149.  p.  1.  1878. 


12  C.  Dieter ici. 

Apparat  enthaltenen  Luft  betrug  etwa  0,05  mm  bis  0,1  mm 
Hg;  dieser  Druck  konnte  berechnet  werden  aus  der  Grösse 
der  Luftblase,  zu  welcher  beim  Pumpen  die  in  der  Luft- 
pumpe noch  enthaltene  Luft  zusammengedrückt  wurde.  Die 
grosse  Annehmlichkeit,  diese  Drucke  schnell  aus  den  Volom- 
verhältnissen  der  Pumpe  berechnen  zu  können,  entschied  f&r 
die  Wahl  der  Quecksilberluftpumpe  nach  der  Töpler-Hagen'- 
schen  Construction. 

Li  der  ersten  Spalte  der  Tabelle  ist  die  Temperatur 
des  Wasserbades  angegeben,  welches  den  Dampfraum  um- 
gab, also  die  Temperatur  der  gebildeten  Wasserdämpfe,  deren 
Druck  stets  der  Sättigungsdruck  bei  0^  ist.  Es  folgt  dann  die 
Angabe  der  Quecksilbermengen  Hg  in  Milligrammen,  welche 
nach  Schliessen  des  Hahnes  II  und  Oeffhen  von  Hahn  I,  also 
nach  Einleitung  der  Dampf  bildung  infolge  der  im  Calorimeter 
entwickelten  Wärmeentziehung  aus  der  Saugspitze  in  zwei 
Intervallen  von  je  zwanzig  Minuten  austraten;  die  Beobach* 
tung  des  zweiten  Intervalls  bewies  die  Vollendung  der  Dampf- 
bildung. 

Unter  Anwendung  der  unter  Correction  angegebenen 
Quecksilbermengen,  welche  die  aus  den  Beobachtungen  der 
Constanz  des  Calorimeters  für  die  Versuchsdauer  sich  er- 
gebende kleine  Correction  enthält,  ist  die  Spalte  Hg  corri- 
girt  abgeleitet,  welche  die  beim  Versuche  ausgetretene  um 
die  kleine  Correction  veränderte  Quecksilbermenge  in  Milli- 
grammen enthält.  Diese  Quecksilbermengen  finden  sich  dann  für 
Versuche,  welche  bei  nahe  zusammenliegenden  Temperaturen 
ausgeführt  sind,  auf  gleiche  Mitteltemperatur  reducirt  in  der 
folgenden  Spalte  wieder.  Aus  den  Mittelwerthen  der  auf 
gleiche  Temperatur  reducirten  Beobachtungen  berechnet  sich 
durch  Division  mit  15,44  die  während  des  Versuchs  im 
Calorimeter  verbrauchte  Wärmemenge  gemessen  in  mittleren 
Calorien,  und  durch  weitere  Division  mit  596,8,  der  Ver- 
dampfungswärme des  Wassers,  daraus  die  verdampfte  Wasser- 
menge m  in  Grammen,  also  durch  Multiplication  mit  1000  die  in 
der  folgenden  Spalte  in  Milligrammen  gemessenen  verdampften 
Wassermengen  m.  Mit  Hülfe  des  bekannten  Volumens  V 
des  Dampfraumes  ist  die  für  die  angegebenen  Mitteltempe- 
raturen   sich    ergebende    Dampfdichte    dt   oder    die   in    der 


Specifisches  Volumen  des   Wasserdampfes, 


13 


Yolumeneinheit  (1000  com)  bei  jener  Temperatur  enthaltene 
Masse  angegeben.  Unter  der  Annahme,  dass  für  die  Dämpfe 
der  Temperaturausdehnungscoefficient  a  ^  V273  derselbe  ist, 
wie  der  der  permanenten  Qase,  ist  endlich  in  der  letzten  Spalte 
aus  den  Beobachtungen  die  Dampfdichte  bei  0^  berechnet, 
unter  der  Voraussetzung,  dass  das  Qay-Lussac'sche  Gesetz 
selbst  bis  zur  Sättigungstemperatur  giltig  sei. 


Tabelle  I. 

Dampfraum:  Röhre  aus  Thüringer  Glas.    Volumen  bei  O*'. 

Vq  =  5007,7  ccm. 


Hg  beob.  1   !S         .h           3  ^  "S      fe      ec 

^,=  ^.1000 

<5o  =  <^£(l+«'^ 

1     l.    '   2.   : 

ü    , 

s  5  r^  1 

0° 

278,5  13,9 

0 

0,30  262,5     0 

0 

1 

1        231,6     0 

-0,4' 

1,5 

225,4;    0 

-0,4  225,01:-  .0    225,0 

ry     224,li    0    -0,8  223,3/ r»"       223,3 

1,5"     224,1 

24,320 

4,8564 

4,8832 

2,0    224,T|    0    -1,3  223,4, 

223,0 

2,2     222,4    0 

-1,6  220,8 

220,5 

2,5  1  221,0     0 

+  1,1  222,1 

222,1  , 

2,7     220,3 1    0 

+  2,5  222,8 

2,50    223,0  ; 

2,7     220,71    0 

-0,6  220,1 

220,8 

2,8  i  222,8    0 

-1,2  221,6 

221,9 

2,9  '220,7     0    +0,2,220,9'             221,3  i 

i 

2,5°    221,73:24,063 

4,8049 

4,8445 

4,1     218,5     0    +1,2  219,7 

219,4 

1 

4,2     219,0     0    -0,6  218,4 

218,2 

1 

i 

1 

4,3  !  220,7     0    -0,7  220,0 

,440    219,9 
>  *'^       219,7 

1 

4,4     220,3     0 

-0,6  219,7 

1 

' 

4,4     220,4     0 

+  0,1  220,5 

220,5  ; 

1 

4,75j  219,7     0 

0      219,7 

220,0    ; 

■ 

4,4°     219,6  ,23,831 

1      4,7583 

4,8365 

7,6     216,7     0 

+  1,4  218,11.  .50  218,1 

1 

1 

7,7     217,81    0 

+  1,6  218,9|  ^'^^     218,9 

1 

7,65«  218,5  i  23,712 

4,7342 

4,8708 

9,9     216,s    0       0      216,81  1^0     216,75 
10,1     217,4     0    -0,7  216,7/^"       216,75! 

' 

10  <*     216,75123,522 

4.6960 

4,8747 

19,8,207,7     0       0      207,71  ,«0     207,7 
»      206,5     0        0      208,51             208,5 

19,8^  208,1     22,584 

4,5075 

4,8604 

1 

Mitte 

5I:     4,8617 

14  C  DietericL 

Aus  der  vorstebenden  Versuchsreihe  ergeben  sich  einige 
für  die  weitere  Untersuchung  wichtige  Folgerungen. 

Zunächst  zeigt  ein  Blick  auf  die  Spalte  der  auf  gleiche 
Mitteltemperaturen  reducirten  Beobachtungen,  dass  dieselben 
innerhalb  eines  Intervalles  von  rund  1  Proc.  der  zu  messen- 
den Grösse  zusammenliegen;  also  folgt:  die  Methode  der 
Untersuchung  gestattet,  eine  Wassermenge  von  etwa  24  mg 
mit  einer  solchen  Sicherheit  zu  bestimmen,  dass  mehrere 
unter  gleichen  Umständen  ausgeführte  Beobachtungen  um 
nicht  mehr  als  im  Maximum  um  1  Proc,  also  0,24  mg  dif- 
ferente  Resultate  ergeben.  Diese  Sicherheit  geht  weit  über 
diejenige  hinaus,  welche  man  erreichen  könnte,  wenn  man 
die  verdampfte  Wassermenge  direct  durch  Differenzwägung 
zu  bestimmen  versuchte.  Indessen  ist  es  schon  hier  auf- 
fallend, dass  das  Fehlerintervall  nur  bei  denjenigen  Tempe- 
raturen ein  so  grosses  ist,  welche  dem  Sättigungspunkt 
nahe  liegen,  während  bei  den  höheren  Temperaturen  die  Be- 
obachtungen viel  besser  untereinander  übereinstimmen  und 
der  vorn  als  erreichbar  hingestellten  Genauigkeit  nahe  kom- 
men. Es  lässt  dieser  Umstand  schon  hier  eine  andere  Ur- 
sache vermuthen,  welche  bei  Temperaturen,  welche  dem 
Sättigungspunkt  nahe  liegen,  die  Beobachtungen  beeinflusst. 

Ueber  die  Natur  der  bei  0^  gesättigten  Dämpfe  ergeben 
sich  folgende  Folgeruugen. 

Aus  der  Uebereinstimmung  der  unter  b^  angeführten 
Zahlen,  welche  die  aus  den  bei  höheren  Temperaturen  aus- 
geführten Beobachtungen  berechnete  Dampfdichte  bei  0^ 
darstellen,  schliessen  wir: 

1.  dass  der  Ausdehnungscoefficient  der  überhitzten  Dämpfe 
mit  der  Sicherheit,  welche  diese  Versuche  gestatten,  gleich 
^,^73,  also  gleich  dem  der  permanenten  Gase  gefunden  wird. 

2.  dass  dieser  Ausdehnungscoefficient  gültig  ist  bis  auf 
etwa  1,5^  an  den  Sättigungspunkt  heran. 

Aus  den  Beobachtungen  bei  Temperaturen  unter  1,5^ 
ist  die  Abweichung  vom  Gay -Lussac' sehen  Gesetze  er- 
kennbar, welche  die  Dämpfe  in  unmittelbarer  Nähe  des 
Sättigungspunktes  zeigen.  Nach  ihnen  könnte  man  schliessen, 
dass  die  Dichte   sehr   schnell  und   stark  zunimmt.     Bei  0^ 


Specifiscties  Volumen  des  IVasserdampfes, 


15 


zeigt  sich  auch  nach  dem  Versuche  noch  weitere  Conden- 
sation  in  dem  Dampfraume. 

Diese  Schlüsse  werden  aber  sofort  andere,  wenn  wir  die 
nächste,  in  Tabelle  II  enthaltene  Versuchsreihe  in  Betracht 
ziehen.  Die  in  dieser  Tabelle  enthaltenen  Versuche  sind 
mit  derselben  Röhre  als  Dampfraum  und  vollkommen  in 
derselben  Weise  ausgeführt,  wie  die  der  Tabelle  I,  nur  war 
der  Dampfraum  bis  zum  äussersten  Grade  der  erreichbaren 
Verdünnung  ausgepumpt,  sodass  bei  weiterem  Pumpen  das 
Quecksilber  hart  anschlug,  und  eine  Luftblase,  zu  der  die  in 
der  Kugel  der  Luftpumpe  etwa  noch  vorhandene  Luft  zu- 
sammengedrückt wurde,  überhaupt  nicht  mehr  wahrgenommen 
wurde;  der  Druck,  der  im  Dampfraum  noch  herrschte,  war 
kleiner  als  0,001  mm  Hg.  Die  einzelnen  Spalten  der  Ta- 
belle sind  leicht  verständlich:  unter  t  ist  die  Temperatur  des 
Dampfraumes,  unter  Hg  beobachtet  die  Quecksilbermengen, 
welche  nach  Schliessen  des  Hahnes  II  und  Oeffnen  des 
Hahnes  I  in  drei  Zeitintervallen  von  je  20  Minuten  aus 
der  Saugspitze  austraten,  unter  „Correction^'  die  Calorimeter- 
correction  für  die  ganze  Versuchsdauer  aufgeführt.  Eine 
weitere  Berechnung  ist  nicht  angeschlossen,  weil  die  qua- 
litativen Folgerungen  ebenso  gut  an  den  Versuchsdaten 
unmittelbar  erkannt  werden  können,  da  ja  die  Quecksilber- 
mengen den  verdampften  Wassermengen  direct  proportional 
und  rund  zehnmal  so  gross  sind. 

Tabelle  IL 
Ausgestossene  Quecksilbermengen.    Hg  beobachtet  in  Milligr. 


Temp. 

1. 

2. 

3. 

Correction 

0^ 

288,1 

25,5 

13,0 

0,0 

0,3 

274,2 

17,1 

9,9 

+0,5 

1,5 

242,4 

0,4 

0 

+0,6 

2,5 

233,0 

1,8 

0 

+0,6 

3,8 

232,4 

3,0 

0 

-1,4 

» 

232,7 

2,5 

1,3 

-M 

5,1 

228,3 

0,3 

0 

+0,1 

8,5 

221,9 

n 

0 

0 

Diese  Versuche  lassen  folgende  wichtige  Schlüsse  ziehen: 

Bei  der  Sättigungstemperatur  0^  zeigt  sich  eine  starke 

Condensation,  aber  eine  Condensation,  welche  in  dem  zweiten 


16  C  Dieterici, 

Intervall  (3)  von  20  Minuten  nach  dem  Versuch  wesentlich 
kleiner  ist,  als  im  ersten  (2)  und  daher  nicht  einer  constan- 
ten  Destillation  infolge  von  Temperaturdifferenz  zugeschrie- 
ben werden  kann.  Eben  dasselbe  zeigt  der  Versuch  bei 
0,3^  des  Dampfraumes.  Mit  zunehmender  Temperatur  wird 
diese  Condensation  kleiner  und  ist  bei  den  Versuchen  zwischen 
1,5  und  5^  im  allgemeinen  schon  nach  den  ersten  20  Minu- 
ten nach  dem  Versuche  (2)  vollendet  Bei  8,5^  zeigt  sich 
keine  nachträgliche  Condensation,  indessen  ist  die  Queck- 
silbermenge, welche  während  des  Versuches  ausgestossen  ist, 
wesentlich  grösser  als  diejenige,  welche  wir  nach  den  Ver- 
suchen der  Tabelle  I  für  dieselbe  Temperatur  erwarten 
müssen.  Demnach  müssen  wir  schliessen,  dass  auch  bei 
diesem  Versuche  dieselbe  Ursache  obwaltet,  wie  bei  den  vor- 
hergehenden, nur  ist  die  Condensation  schon  während  der 
Dauer  des  Versuches  beendet. 

Durchgängig  finden  wir  ferner  die  bei  den  Versuchen 
der  Tabelle  II  ausgestossenen  Quecksilbermengen,  also  auch 
die  verdampften  Wassermengen,  grösser,  als  die  den  gleichen 
Temperaturen  entsprechenden  der  Tabelle  I,  und  wollten  wir 
nach  diesen  Versuchen  den  Temperaturausdehnungscoefficient 
der  Wasserdämpfe  berechnen,  so  würden  wir  denselben 
wesentlich  grösser  als  den  der  permanenten  (rase  und  nicht 
constant,  sondern  mit  abnehmender  Temperatur  zunehmend 
linden. 

Die  Versuche  der  Tabelle  II  ergeben  also  vollkommen 
andere  Resultate  als  diejenigen  der  Tabelle  I;  während  wir 
bei  diesen  das  M.-G.-L.-Gesetz  bis  auf  1,5®  an  die  Sätti- 
gungstemperatur bestätigt  fanden,  ergeben  die  letzten  Ver- 
suche schon  8®  oberhalb  der  Sättigungstemperatur  starke 
Abweichungen. 

Die  beiden  Versuchsreihen  unterscheiden  sich  nur  da- 
durch, dass  bei  der  ersteren  noch  Luft  von  0,05  bis  0,1  mm 
Hg  Druck  im  Dampfraum  zurückgeblieben  war,  während  bei 
der  letzteren  die  Evacuirung  eine  vollständige  war.  Diese 
Verschiedenheit  der  Drucke  kann  offenbar  nicht  direct  die 
Differenz  der  Resultate  bedingt  haben,  denn  die  Anwesen- 
heit dieser  geringen  Luftmenge  kann  nach  dem  Dal  toni- 
schen Gesetze  nicht  auf  die  Menge  des  gebildeten  Dampfes 


Specifisches  Volumen  des  Wasser  dumpfes.  17 

von  Einfluss  sein,  wohl  aber  auf  die  Geschwindigkeit  der 
Dampfbildung.  Dass  aber  bei  den  Versuchen  der  Tab.  I 
die  Dampf  bildnng  ToUendet  war,  geht  daraus  heryor,  dass  in 
dem  zweiten  Intervall  von  zwanzig  Minuten  keine  weitere 
Wärmeentziehung  im  Calorimeter  beobachtet  werden  konnte. 

Das  Vorhandensein  der  geringen  Luftmeuge  im  Dampf- 
raum kann  aber  indirect  die  Verschiedenheit  der  Resultate 
herbeigeführt  haben.  Wir  wissen,  dass  Glasflächen,  welche 
in  Berührung  mit  einer  Atmosphäre  von  Wasserdampf  sind, 
selbst  dann  sich  mit  einer  Wasserhaut  überziehen,  wenn  der 
darüber  befindliche  Wasserdampf  überhitzt  ist,  und  die  aus- 
gedehnten Versuchsreihen  von  War  bürg  und  Ihmori  (1.  c.) 
lassen  sowohl  die  Dicke  der  Wasserhaut  als  auch  ihre  zeit- 
liche Ausbildung  erkennen.  Diese  Wasserhaut  haftet  mit 
grosser  Energie  an  den  Wandungen  fest  und  löst  sich  nur 
sehr  schwer  von  denselben  los,  wie  das  die  vielen  Versuche 
mit  Geissler'schen  Röhren  beweisen,  dagegen  bildet  sie 
sich  relativ  schnell  wieder.  Eussend  auf  diesen  Erfahrungen 
werden  wir  kaum  irre  gehen  in  der  Annahme,  dass  bei  den 
Versuchen  der  Tab.  I  die  Wasserhaut  während  des  Aus- 
trocknens des  Dampfraumes  sich  nicht  von  den  Wandungen 
losgelöst  hat,  während  sie  bei  der  zweiten  Versuchsreihe,  bei 
welcher  die  Evacuirung  vollständig  war,  ganz  oder  theilweise 
losgerissen  ist  und  sich  beim  Eintritt  des  Dampfes  in  den 
Dampfraum  neu  bildete.  Wir  haben  dann  also  die  nach- 
trägliche Verdampfung,  welche  bei  der  zweiten  Versuchsreihe 
im  zweiten  und  dritten  Intervall  von  zwanzig  Minuten  be- 
obachtet ist,  als  dadurch  bedingt  anzusehen,  dass  sich  diese 
Wasserhaut  neu  bildete.  Der  ganze  zeitliche  Verlauf  ihrer 
Bildung  stimmt  mit  den  Beobachtungen  von  War  bürg  und 
Ihmori  überein,  ebenso  wie  die  Beobachtung,  dass  die  Con- 
densation  wesentlich  vom  Grade  der  Ueberhitzung  abhängig 
ist,  sich  schnell  vollzieht  und  kleiner  ist,  wenn  die  Wasser- 
dämpfe Tom  Sättigungszustande  weit  entfernt  sind,  dagegen 
grösser  ist  und  entsprechend  länger  dauert  bei  grösserer  An- 
näherung an  den  Sättigungszustand. 

5.  Wenn  es  nun  weiter  sich  darum  handelt,  quantitativ 
die  Dichte  der  bei  0^  gesättigten  Wasserdämpfe  kennen  zu 
lernen,   so   wird   man  suchen  müssen,   die  Condensation   an 

Ann.  d.  Phy«.  a.  Chem.    N.  F.  XXXVIII.  2 


18 


C.  Dieterici. 


den  WanduDgen  möglichst  zu  Termeiden.  Dazu  ist  es  nach 
den  ErfahrungeD  der  Herren  Warburg  und  Ihmori  vor- 
theilhaft,  erstens  andere  Glaseorten  als  ThOringer  Glas  zu 
w&hleD,  zweitens  die  Oberfläche  durch  Abkochen  mit  Wasser 
alkaliarm  zu  machen,  und  drittens  erschien  es  nach  den  Er- 
fahrungen der  in  Tab.  I  und  II  mitgetheilteo  Versuche  zweck- 
mässig, die  Evacuirung  des  Damp&aumes  nicht  bis  zur  äusser- 
sten  Grenze  zu  treiben. 

In  den  folgenden  zwei  Tabellen  sind  die  Besultate  von 
Versuchen  wiedergegeben,  welche  auf  die  quantitative  Be- 
stimmung der  Dichte  der  bei  0"  gesättigten  Waaserdämpfe 
abzielten. 


Tabelle  in. 

Bundkolben  aus  grOnem  märkischen  Glas:   Volumen  bei  0" 
V.  =  5881,2  ccm. 


1 

AnHgeatoBaeae 

,  1         -g             Hg           i.  „^ 
o  S      M'y>     reducirt  auf  Mb 

«s    =  E       Mittel-     iS.s 

"  1  ,       S   1    tompemtur   S  "  e 

— i 

"i 

Qutcksilber- 

(   1    p 

menge  Hg  in  mg 

■  - 

^ 

1 

1     '   2   1  3  |4 

•.- 

^- 

■Un.H,- 

1 

~~ 

mm  H« 

j                          .1 

0»  1  0,0OB 

277,9 

6,2    4,3 

2,1 

-1,6 

288,8                             1 

-    ofii 

374,8 

4,fl'    Ö 

0 

+  11,5 

280,2 

-     0,1 

259,7 

7,6 

4,2 

0 

-5,1 

266,4  1               :^BS,4 

1 

0,12 

267,7 

5,4 

0 

0 

+  0,8 

263,9                  263,9  ■ 

0,15 

2S5,0 

7,0 

4,5 

0 

-3,15  263,4  ,               263,4  , 

0,15 

257,4 

7,0 

2,0 

ü 

+  0,8 

265,8  [               266,8  | 

— 

o,n 

251,8 

fl,2 

3,3 

0 

0 

264,3 

264,3 

O"      =264,76 

28,732 

4,8S64  4,8854 

a,3  1  0,02 

268,0 

0 

-1,0 

282,0  13,8«     =262,0 

28,433 

4,8341.  4,8933 

*,2 1  ;, 

262,7 

0 

— 1.* 

261,31  .  „,;o      261.3 

*,3 

" 

260,7 

0 

-0,3 

260,5  i 

'•-■'        360,6 
4,25»  =280,9 

28,313 

4,8136  4,8898 

7 

0,04 

259,5 

0 

0 

259,6 

7"      =259,5 

28,162 

4,7875'  4,8136 

9,4 

0,08 

259,6 

0 

-2,6 

256,11 

255,4 

1 

9,5 

258,9 

0 

-i;o 

257,9 

101»      267,3 

10,1 

0,04 

254,8 

3,5 

0 

-1.8 

256,5 

'"'■        256.5 

0,06 

253,9 

*,* 

0 

-2,2 

256,1 ) 

256,1 
10,1»  =.256,33 

27,818 

4,72861  4,9086 

20,8 

0,005 

246,8 

0 

0 

246.81 

246,8 

247;i 

a 

-0,7 

246,41                246,4 

1 

„ 

„ 

246,5 

0 

-0,3 

246,2 1|               246,2  i 

20,2'  =246,47 

26,745 

4,5449  4.904*1 

Mittel:    4,8992 


Spe^sehet  Volumen  de»   Watserdampfet. 

Tabelle  IV. 
Bondkolben  ans  schwerem  schlesischeti  Kaliglas. 
bei  0"  r„  =  6576,6  ccm. 


en 

Li 

e 

Hg 

to,¥ 

1 

1 

.  . 

Quecksilber-     ,  §  S 

menge  Hg  in  mg,  ^£ 

fff 

reducirt  auf 

Hittel- 

irSrl 

1 

1.     'S.  ;3.;4.°i 

3 

BmHr 

— " — 

" 

m.oUg 

0' 

0,000 

316,6 

14,6 

0,3 

0 

0 

0,05 

289,5 

4,3 

2,3 

0 

0 

0,08 

293,3 

5,3 

1,1 

0 

+  0,1 

0,1 

!!»0,2 

<,T 

0,3 

0 

+  2.1 

297,3 

297,3 

291,4 

5,6 

0,1 

0 

-1,3  295,7 

295,7 

n 

" 

269,8 

«,2 

0,4 

0 

0 

296,4 

296,4 

32,1718 

4,8919 

0"      =296,47 

4,8919 

5,6 

OJM» 

295,4 

0 

-4,3 

291,11 

291,1 

0,01 

283,6 

0 

-2,2 

291,4 

5,6°       291,4 

l- 

o;i 

235,T) 

57,3 

0 

~ 

-1,4  291,6) 

291,6 

31,6204 

4,8074 

5,8"   =291,87 

4,9098 

9,4 

0,01 

286,8 

0 

-0,3  |286,ö 

285,8 

10,0 

0.04 

285,2 

0 

— 

— 

0     i285,2 

•»"   S;? 

0,04 

285,3 

0 

-0,2  1295,1 

10,3 

0,01 

1  285,6 

0 

~ 

"" 

-0,3  |285,2 

1 

285,6 
10°        286,4 

80,9714 

4,7082 

4,SS74 

SD 

0,000 

,274,2 

0 

+0,0  27*,21 

274,2 

276,4 

-0,6  :275,N 

20,0'      275,8 

|«V 

0 

-0,1  275,0 

275,0 

! 

20»        275,0 

29,8439 

4,6368  ;  4,8958 

Ifittel: 

4,8«» 

Die  VersQche  sind  wie  die  der  Tab.  I  und  II  ansge- 
fahrt,  als  Dampfraam  dienten  Rundkolben,  in  deren  Hals  ein 
Glasrobr  eingeschlififen  war,  an  welches  die  Zu-  und  Ablei- 
tungen (s.  Fig.  1)  angeblasen  waren.  Der  zu  den  Versuchen 
der  Tab.  III  verwendete  Bundkolben  war  aus  grünem  mär- 
kischen Glase  Ton  Bohrbeck  in  Berlin,  der  zu  den  Ver- 
sBchen  der  Tab.  IV  dienende  aas  schwerem  scblesiBchen 
Kaliglas  von  Wannbmnn  und  Quilitz.  Beide  Ballons  waren 
vor  den  Versuchen  mit  Wasser  längere  Zeit  abgekocht,  ihre 
Volumina  sind  bei  den  Tabellen  angegeben.  Beide  Tabellen 
sind  ebenso  angeordnet,  wie  die  früheren,  nur  ist  neben  der 
Spalte  i  noch  eine  Spalte  eingeschoben,  in  welcher  unter  p 


1)  Bd  diesem  Tersnche  « 
10  Hinnten. 


s  Versehen«  das  erste  Zeit- 


20  C.  Dieterici. 

der  Quecksilberdruck  in  Millimetern  angegeben  ist,  welchen 
die  im  Dampfraum  noch  vorhandene  Luft  ausübte.  Diese 
Drucke  sind  ermittelt  aus  der  Grösse  der  Luftblase,  zu 
welcher  beim  letzten  Pumpenhub  die  in  der  Kugel  der 
Quecksilberpumpe  noch  vorhandene  Luft  zusammengepresst 
wurde. 

Die  in  den  vorstehenden  Tabellen  zusammengefassten 
Versuche  lassen  folgende  Schlüsse  ziehen. 

Bei  0^  und  sehr  hoher  Verdünnung  zeigt  sich  erhebliche 
Condensation;  dieselbe  erreicht  verhältnissmässig  schnell  ein 
Ende  und  ist  daher  nicht  einer  dauernden  Destillation  in- 
folge einer  TemperaturdifPerenz  zwischen  dem  Dampfraum 
und  dem  Calorimeter  zuzuschreiben,  sondern  kann  nur  von 
der  Condensation  an  den  Glaswandungen  herrühren;  dieselbe 
ist  wesentlich  kleiner,  als  bei  den  Versuchen  der  Tab.  III; 
es  zeigt  sich  also  die  Erfahrung  Warburg's  (1.  c.)  be- 
stätigt, dass  andere  Glassorten  als  Thüringer  Glas  verhält- 
nissmässig weniger  stark  condensiren,  und  dass  die  Fähigkeit, 
zu  condensiren,  durch  Abkochen  mit  Wasser  verringert  wird. 

In  dem  Maasse,  als  Luft  in  dem  Dampfraum  gelassen  wird, 
nimmt  die  Condensation  ab;  lässt  man  Luft  von  0,1  mm 
Spannung  und  mehr  in  dem  Dampfraum,  so  ist  allerdings  die 
Geschwindigkeit  des  Verdampfens  herabgesetzt,  und  daher 
der  Dampfraum  im  ersten  Intervall  von  20  Minuten  noch 
nicht  vollständig  mit  Dampf  erfüllt;  aber  die  gesammte  Menge 
verdampfter  Flüssigkeit  ist  constant  und  unabhängig  von 
dem  Drucke,  der  in  dem  Dampfraum  vorhandenen  Luft.  Die 
Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  zweifellos  die,  dass  das  Vor- 
handensein der  Luft  während  der  Zeit  des  Austrocknens  die 
auf  den  Wandungen  vorhandene  Wasserhaut,  welche  zudem 
noch  wegen  ihrer  geringen  Dicke  unter  einer  sehr  grossen 
Capillarspannung  steht,  nicht  verdampfen  lässt;  wird  nun  ein 
neuer  Versuch  ausgeführt,  so  sind  die  Wandungen  schon 
mit  derjenigen  Wassermenge,  welche  sie  condensiren  können, 
beladen,  und  wir  erhalten  daher  die  Dichte  des  gesättigten 
Wasserdampfes  frei  von  dem  störenden  Einflüsse  der  Wan- 
dungen. Die  unter  Anwendung  dieses  Kunstgriffs  ausge- 
führten Versuche  können  nicht  dieselbe  gute  Uebereinstim- 
mung  zeigen,  wie  die  bei  höheren  Temperaturen  angestellten, 


Spec^ches  Volumen  des  WasMerdampfes.  21 

weil  sie  erstens  längere  Zeit  in  Anspruch  nehmen,  und  daher 
die  calorimetrische  Unsicherheit  grösser  wird,  und  zweitens, 
weil  man  nicht  sicher  die  unveränderte  Beschaffenheit  der 
Wasserhaut  garantiren  kann. 

Dass  man  aber  bei  diesen  Versuchen  in  der  That  die 
Dichte  des  bei  0^  gesättigten  Wasserdampfes  frei  Ton  dem 
Einfluss  der  Gondensation  an  den  Wandungen  gemessen  hat, 
daf&r  sprechen  folgende  Punkte: 

1.  Die  bei  0^  und  Gegenwart  yon  Luft  ausgeführten 
Versuche  ergeben  constante  Resultate,  während  bei  ToUkom- 
mener  Eyacuirung  inconstante,  mit  zunehmender  Verdün- 
nung grösser  werdende  Wassermengen  verdampfen. 

2.  Die  bei  0^  erhaltenen  Zahlen  lassen  eine  Dichte  des 
bei  0^  gesättigten  Dampfes  berechnen,  welche  übereinstimmt 
mit  derjenigen,  welche  aus  den  bei  höheren  Temperaturen 
ausgeführten  Beobachtungen  unter  Anwendung  des  Gay- 
Lussac'schen  Gesetzes  berechnet  wird.  (Spalte  8q  der  Ta- 
beUen  HI  und  IV.) 

3.  Die  Mittel werthe  der  Dichte  8^  des  bei  0^  gesättig- 
ten Wasserdampfes  der  Versuchsreihen  III  und  IV  stimmen 
Tollkommen  miteinander  überein,  obgleich  verschiedene  Glas- 
sorten und  verschieden  grosse  Oberflächen  in  Anwendung 
kamen,  und  diese  Dichte  stimmt  auch  mit  derjenigen,  welche 
sich  aus  der  Versuchsreihe  I,  bei  welcher  die  Bedingungen 
am  ungünstigsten  waren,  hinreichend  gut  überein.  Die 
Grössen  der  Oberflächen  variirten  in  der  Weise,  dass  auf 
1  1  Volumen  bei  den  Versuchen  der  Tab.  I  460  qcm  Ober- 
fläche, bei  III  312  qcm  und  bei  IV  300  qcm  kamen. 

Als  Gesammtresultat  folgt  also: 

Der  bei  0^  gesättigte  Wasserdampf  befolgt,  wenn  man 
▼on  der  Condensation  an  den  Wandungen  absieht,  das  Gay- 
Lussac'sche  Gesetz  bis  zum  Sättigungspunkt. 

Die  Dichte  desselben  ergibt  sich 

aus  Versuchsreihe     I     Öq  =     4,8617  mg/cdm, 
»  „  III         =      4,8992      )) 

»  „  IV         =      4,8958      » 

also  im  Mittel:        ^o  =      4,8856  mg,cdm. 
Oder  das  spec.  Volumen  des  bei  0^ 

gesättigten  Wasserdampfcs  ist     Vq  =  204,680    mg'cdm. 


22  C.  DietericL 

Es  wäre  wohl  berechtigt,  bei  der  Berechnung  des  6e- 
sammtmittels  die  Versuche  der  Tab.  I  auszuschliessen,  denn 
bei  diesen  war  man  noch  nicht  aufmerksam  gewesen  auf  die 
Condensation  und  hatte  daher  auch  nicht  immer  die  Be- 
dingungen so  getroffen,  dass  dieselbe  vermieden  wurde.  Des- 
halb stimmen  auch  die  dortigen  Versuche  unter  sich  nicht 
so  gut  überein.  Ich  habe  aber  trotzdem  auch  diese  bei  der 
Berechnung  des  Gesammtmittels  hinzugezogen,  weil  es  ja 
möglich  wäre,  dass  sämmtliche  Beobachtungen  noch  durch 
eine  ihnen  allen  gemeinsame  Condensation  mit  einem  con- 
stauten  Fehler  behaftet  sind,  äo  unwahrscheinlich  dieser 
Fehler  ist,  so  ist  er  doch  nicht  vollkommen  ausgeschlossen, 
und  deshalb  will  ich  auch  die  Sicherheit  des  Gesammt- 
mittels  auf  nicht  mehr  als  0,5  Proc.  verbürgen. 

6.  Auch  bei  der  Annahme  dieses  Fehlers  des  Resul- 
tates geht  die  Sicherheit  desselben  weit  über  diejenige  hin- 
aus, welche  wir  für  die  Berechnung  des  specifischen  Volumens 
des  bei  0^  gesättigten  Wasserdampfes  aus  den  Spannungs- 
beobachtungen bei  dieser  Temperatur  in  Anspruch  nehmen 
können.  Wir  müssen  vielmehr  jetzt  umgekehrt  verfahren 
und  aus  dem  hier  gefundenen  specifischen  Volumen  den 
Druck  des  gesättigten  Wasserdampfes  bei  0^  berechnen» 
Diese  Berechnung  ist  berechtigt,  denn  mit  dem  Nachweis 
der  Gültigkeit  des  6ay-Lussac'schen  Gesetzes  bis  zur 
Sättigungstemperatur  ist  auch  zugleich  die  Gültigkeit  der 
Avogadro'schen  Hypothese  erwiesen.  Benutze  ich  zu  dieser 
Berechnung  das  Resultat  JoUy's,  dass  1  1  H  unter  45^ 
Breite  und  760  mm  Druck  bei  0^  0,089523  g  wiegt,  und 
nehme  ich  als  Moleculargewicht  HjO  =  17,9633,  so  er- 
gibt sich  als  Druck  der  bei  0^  gesättigten  Wasserdämpfe 
Pq  =  4,619  mm  Hg,  und  dieser  so  berechnete  Druck  hat  eben- 
falls nur  eine  Unsicherheit  von  etwa  0,5  Proc,  ist  also  weit 
sicherer,  als  durch  kathetometrische  Beobachtungen  wohl  je 
wird  erreicht  werden  können.  Magnus  fand  für  diesen 
Druck  ;?jj  =  4,525  mm.  Regnault  /?Q=4,60mm,  endlich 
Fischer  p^  =  4,63  mm. 

Demnach  können  wir  das  oben  gefundene  Resultat  auch 
80  aussprechen: 

Die  Dichte  des  bei   0^  gesättigten  Wasserdampfes  ist 


Specifiaches  Volumen  des   JVasierdamp/es,  23 

diejenige,  welche  sich  nach  Avogadro's  Hypothesen  theo- 
retisch berechnen  lässt.  Der  Druck  des  bei  0^  gesättigten 
Wasserdampfes  ist  p^  =  4,619  mm  Hg. 

Dies  Sesultat  entspricht  aber  demjenigen,  welches  aus 
der  H er wig'schen  Relation  zu  folgern  ist  Wie  schon  ein- 
gangs erwähnt,  besteht  nach  Herwig  zwischen  der  experi- 
mentell gefundenen  Dichte  d  der  gesättigten  Dämpfe  und 
der  theoretisch  nach  Avogadro's  Hypothese  berechneten  S 
die  Beziehung:  ^i^  g^. Y& , 

wo  19*  die  absolute  Temperatur  und  c  eine  Constante  be- 
deutet, welche  nach  ihm  den  Werth  c  =s  0,0595  hat,  nach 
Wüllner  undGrotrian  0,0536  und  nach  Hrn.  Perot  0,0527. 
Wenn  diese  Relation  den  wahren  Zusammenhang  dar- 
stellte, so  muss  es  eine  Temperatur  i?- ==  l/c^  geben,  für 
welche  die  theoretische  Dichte  S  gleich  der  experimentell 
gefundenen  d  wird;  oberhalb  dieser  Temperatur  müsste 
dy-  Sy  unterhalb  derselben  rf  <  ^  sein.  Nach  den  angege- 
benen Werth en  der  Constante  c  würde  sich  diese  Qrenz- 
temperatur  berechnen: 

nach  Herwig &  =  282,4  =  +  9,4«  Celsius 

jj     Wüllner  und    Grotrian         =  348,1  =  +75,1         » 
j,     Perot =360,0  =+87,0        „ 

Die  Kesultate  aller  dieser  Beobachter  ergeben  also 
bei  0^  eine  kleinere  Dichte  als  die  theoretische.  Diese 
Folgerung  ist  schon  für  sich  unwahrscheinlich,  die  grosse 
Differenz  zwischen  den  Resultaten  der  verschiedenen  Beob- 
achter bestärkt  uns  ausserdem  in  der  Vermuthung,  dass  bei 
jenen  Beobachtungen  die  Adhäsion  an  den  Wandungen  das 
Resultat  beeinflusst  hat,  sodass  wir  geneigt  sind,  auf  die 
Differenz  zwischen  dem  von  uns  gefundenen  Resultate  mit  den 
älteren  Beobachtungen  kein  wesentliches  Gewicht  zu  legen.^) 

1)  In  meiner  letzten  Mittheiluug  hatte  ich  auf  einen  Kreisprocess 
hingewiesen,  den  Hr.  Wüllner  in  seinem  Lehrbuch  3.  p.  719  und  20 
ausführt,  und  aus  dem  sich  die  Verdampfungswärme  des  Wassers  bei 
0**  =  588,98  ergab.  Die  Voraussetzung  jener  Berechnung,  dass  das 
M.-6.-L.-Gesetz  für  die  Dämpfe  gelte,  ist  jetzt  fUr  0^  allerdings  bewiesen, 
aber  nicht  fUr  höhere  Temperaturen,  Ich  verzichte  daher  auf  ein  näheres 
Eingehen  auf  jenen  Kreisprocess  um  so  mehr,  als  derselbe,  wie  auch 
Hr.  Wüllner  selbst  hervorhebt,  nur  durchgeführt  ist,  um  eine  untere 
Grenze  für  den  Werth  des  Wassers  festzulegen. 


24  C.  Dieterici. 

Wichtiger  sind  die  folgenden  Berechnungen,  zu  denen 
die  Bestimmung  des  specifischen  Volumens  der  bei  0^  ge- 
sättigten Wasserdämpfe  Veranlassung  gibt. 

Von  den  einzelnen  ti-rössen,  welche  in  die  bekannte 
Gleichung:  . 

zwischen  dem  mechanischen  Aequivalent  der  Wärme  «/,  der 
Verdampfungswärme  r,  dem  specifischen  Volumen  des  gesät- 
tigten Dampfes  t;,  der  Verdampfungstemperatur  &  und  der 
Spannungszunahme  der  gesättigten  Dämpfe  dpjd&  eingehen, 
kennen  wir: 

das  mechanische  Aequivalent  der  Wärme  für  die  mittlere 
Calorie: 

J  =  424,36 .  10«  g  cm*  sec-»  =  432,5  Qrammmeter 

in  mittlerer  Breite/) 
die  Verdampfungs wärme  bei  der  Verdampfungstemperatur: 

*o  =  273^ 
bezogen  auf  dieselbe  Wärmeeinheit: 

r^  =  596,8  Cal.«), 
endlich  t;^  das  specifische  Volumen  der  bei  i9-s=273^  gesättigten 
Wasserdämpfe:  v^  =  204,68  cdm'. 

Aus  diesen  Daten  folgt  die  Spannungszunahme  dpjd& 
bei  0^  =  0,3898  mm  Hg  für  1  ^  Temperaturzunahme. 

Broch  berechnet  für  0,1^  Temperaturzunahme  aus  den 
Regnaul  tischen  Spannungsbeobachtungen: 

dpld&  =  0,0330  mmHg. 

Die  obige  Gleichung  gilt  aber  auch  für  den  Uebergang 
aus  dem  festen  in  den  dampfförmigen  Zustand,  nur  haben 
wir  für  r^  einzusetzen  p^,  die  Verdampfungswärme  des  Eises 
bei  derselben  Temperatur,  und  für  dpld&  die  Spannungs- 
zunahme dnldtJ-  über  dem  Eise.    Da  nun  für  i^  =  273^^ 

Co  =  ^0  +  'o 
ist,  wo  Iq  die  Schmelzwärme  des  Eises  =  79,87  mittlerer  Ca- 

lorien  ist,  so  ergibt  sich  ebenso: 

dnld&=^0,S852mm  Hg 

für  1^  Temperaturzunahme. 


1)  Dieterici,  Wied.  Ann.  33.  p.  417.  1888. 

2)  Vorige  Milthciluug. 


Specyischet  Volumen  des  IVasserdampfet.  25 

Die  Differenz  beider  oder  die  Tangentendifferenz  der 
Dampfspannungscnnren  über  Eis  und  Wasser  im  Nullpunkt: 

dnld»  -  dpld»  =  0,0455  mm  Hg. 
stimmt  mit  dem  von  Fischer  (1.  c.)  aus   seinen  Beobach- 
tungen berechneten  Werthe  0,0465  überein. 

7.  Ich  möchte  diese  Arbeit  nicht  beschliessen,  ohne  noch 
auf  einige  Punkte  aufmerksam  zu  machen. 

Nach  den  Versuchen  der  Herren  Warburg  und  Ihmori 
haben  wir  die  Ursache  für  die  Gondensation  an  den  Wan- 
dungen in  dem  Gehalt  der  Oberfläche  an  Alkalien  zu  suchen. 
Die  an  der  Oberfläche  locker  gebundenen  Alkalien  lösen  sich 
nach  jener  Erklärungsweise,  erniedrigen  durch  Bildung  der 
Lösung  die  Dampfspannung  in  der  Nähe  der  Wandungen 
und  bringen  dadurch  die  Gondensation  hervor.  Die  Dicke 
der  condensirten  Schichten  ist  nach  jenen  Versuchen,  wenn 
die  Temperatur  mehr  als  1^  über  der  Sättigungstemperatur 
liegt,  etwa  1  bis  5 .  10~^  cm,  sie  steigt  bei  Annäherung  an  die 
Sättigungstemperatur  und  ist  bei  etwa  0,2^  über  derselben 
bis  zu  20 .  10~~^  beobachtet  Es  ist  von  Interesse,  eine  gleiche 
Berechnung  für  die  von  mir  beobachteten  Gondensationen 
anzustellen.  Ich  lege  für  diese  Berechnung  die  ersten  Ver- 
suche der  Tabellen  II,  III  und  IV  zu  Grunde  und  nehme 
den  Versuchsdaten  entsprechend  an,  dass  von  den  ausge- 
stossenen  Quecksilbermengen,  resp.  100,  15  und  35  mg  oder 
10,8,  1)6  und  3,8  mg  Wasser  auf  die  Gondensation  entfallen. 
Die  Oberflächen  boten  resp.  2300,  1830  und  2000  qcm  Fläche, 
also  berechnen  sich  die  Dicken  der  bei  der  Sättigungstem- 
peratur condensirten  Schichten  zu:  4. 10"^  cm  für  das  benutzte 
thüringer  Glas,  0,9 .  10"-*  cm  für  das  märkische  Glas  und  end- 
lich 2.10~*cm  für  das  Kaliglas. 

Diese  Dicken  sind  zwar  von  derselben  Grössenordnung, 
wie  die  von  den  genannten  Herren  beobachteten,  jedoch  im- 
merhin merklich  kleiner.  Diese  Differenz  ist  aber  nicht  von 
grosser  Bedeutung;  denn  jene  Versuche  selbst  zeigen  ja,  wie 
ausserordentlich  verschieden  sich  die  verschiedenen  Glas- 
sorten in  Bezug  auf  ihre  Fähigkeit,  zu  condensiren,  verhal- 
ten. Auffallend  ist  die  schnelle  Vollendung  der  Verdichtung 
an  der  Oberfläche,  und  dass  dieselbe  überhaupt  ein  Ende  er- 
reicht.   Diese  Thatsache  zwingt  uns  zu  der  Annahme,  dass 


26       C  DietericL   Specifisches  Volumen  des  WasserdampJesL 

selbst  in  so  dünnen  Schichten,  wie  sie  hier  beobachtet  mdy, 
schon  die  oberste  Lage  reines  Wasser  ist,  und  dass  die  in 
den  unteren  Lagen  gelösten  Alkalien  nicht  in  jene  oberen 
hinein  diffundiren  können;  denn  wenn  das  der  Fall  wäre^ 
hätte  sich  eine  dauernde  Condensation  ergeben  müssen,  weil 
ja  dann  auf  der  Oberfläche  eine  dauernde  Dampfspannungs- 
erniedrigung bestehen  würde.  Die  Condensation  findet  nach 
Hrn.  War  bürg  nicht  statt  an  Körpern,  welche  in  Wasser 
unlöslich  sind.  Ich  habe  bei  Vorversuchen,  welche  allerdings 
nicht  so  sicher  sind,  dass  ich  ein  endgültiges  Urtheil  darauf 
bauen  möchte,  keine  wesentliche  Veränderung  der  Conden- 
sation nach  einem  Versilbern  der  Glaswandungen  erkennen 
können.  Interessant  scheint  es  mir,  zu  untersuchen,  ob  ein 
Ueberziehen  derselben  mit  einer  Substanz,  an  der  das  flüssige 
Wasser  nicht  adhärirt,  also  etwa  mit  Paraffin,  von  wesent- 
licher Wirkung  ist.  Offenbar  ist  die  in  dieser  Arbeit  an^ 
gewendete  Methode  zum  Studium  dieser  Condensationsvor- 
gänge  ausserordentlich  geeignet,  weil  sie  geringe  Massen  mit 
grosser  Sicherheit  zu  messen  gestattet,  während  zugleich  die 
Oberfläche   beliebig  vergrössert  werden  kann. 

Sie  ist  aber  auch  zur  Entscheidung  weiterer  Fragen  ge- 
eignet. Zunächst  ist  in  der  vorliegenden  Arbeit  nur  geprüft 
die  Gültigkeit  des  Gay-Lussac' sehen  Gesetzes  für  die 
Dämpfe.  Es  bietet  keinerlei  Schwierigkeit,  auQh  das  Ma- 
riotte'sche  Gesetz  zu  prüfen,  indem  man  Salzlösungen  be- 
kannter Concentrationen  verdampfen  lässt.  Man  würde  dann 
ebenso,  wie  man  hier  selbst  ohne  völlige  Vermeidung  der 
Condensation  die  Dampfspannung  des  (nahezu)  reinen  Was- 
sers sicherer,  als  es  kathetometrisch  möglich  ist,  ermitteln 
konnte,  zu  einer  genauen  Kenntniss  der  Dampfspannung  über 
Salzlösungen  und  damit  zu  einer  sicheren  Kenntniss  des 
Gesetzes  von  der  molecularen  Dampfspannungserniedrigung 
verschiedener  gelöster  Salze  kommen  können. 

Der  Uebelstand  ist  aber  der,  dass  die  Methode  an  die 
Temperatur  0^  gebunden  ist;  meine  nächsten  Bemühungen 
sollen  darauf  ausgehen,  dieselbe  auch  auf  andere  Tempera- 
turen auszudehnen. 

Berlin,  phys.  Inst,  der  Univ. 


J.  EUier  u.  H,  GeiieL     Ekctricitätsbetcegunif  etc,  27 

II.    Einige  I}€nianstratiofi»ver»U€he  zum  Nachweis 

ehiseitiger   Electricttätshewegu/ng  in  verdünnten 

Gtisen  bei  Anwendung  glühender  Mectroden; 

van  J.  Ulster  und  JH.  GeiteU 

(Hleria  Taf.  I    Flg.  8— ft.) 


Die  nachfolgende  Mittbeilung  bezweckt  die  Angabe 
einiger  einfacher  Versuche  zum  Nachweis  gewisser  polarer 
Unterschiede,  die  sich  in  erhitzten  Gasen  gegenüber  dem 
Durchgänge  der  Electricität  herausstellen,  und  welche  im 
Zusammenhange  stehen  mit  der  beim  Contact  von  Grasen  und 
glühenden  Körpern  auftretenden  Electricitätsentwickelung. 

Durch  eine  Reihe  von  Experimentaluntersucbungen  ^) 
glauben  wir  die  Thatsache  festgestellt  zu  haben,  dass  Gase 
durch  den  Contact  mit  einem  glühenden  Körper  die  Fähig- 
keit annehmen,  in  sie  eingetauchte  Leiter  electrisch  zu  er- 
regen. Die  ivahere  Analyse  der  Erscheinung  führte  zu  der 
Vorstellung,  dass  die  beobachtete  Electrisirung  durch  das  Gas 
vermittelt  wird,  in  der  Weise,  dass  an  dem  glühenden  Körper 
die  Gastheilchen  sich  electrisch  laden,  während  in  diesem  das 
gleiche  und  dem  Vorzeichen  nach  entgegengesetzte  Quantum 
EUectricität  frei  wird.  Bei  Berührung  mit  einem  als  Elec- 
trode  dienenden  Leiter  geben  die  geladenen  Gastheilchen 
ihre  freie  Electricität  an  diesen  ab. 

Der  durch  die  Anwesenheit  des  glühenden  Körpers  be- 
dingte electriscbe  Zustand  des  Gases  konnte  durch  Messung 
der  auf  der  Electrode  erregten  freien  Spannung  mittelst  eines 
empfindlichen  (Quadrant-)  Electrometers  festgestellt  werden; 
nur  in  einem  Falle,  nämlich  beim  Anblasen  einer  in  Luft 
glühenden  PlatinoberÜäche,  war  die  auftretende  Spannung 
gross  genug  (150  Volt),  um  an  einem  gewöhnlichen  Gold- 
oder Aluminiumblattelectroskope  wahrgenommen  zu  werden. 

Indessen  fand  sich  noch  eine  zweite  Möglichkeit,  diesen 
electrischen  Zustand  des  Gases  zu  zeigen.  Dieselbe  beruhte  aul 
dem  in  einigen  Einzelfällen  seit  langer  Zeit  bekannten  unipola- 
ren Leitungsvermögen  erhitzter  Gase*),  d.  h.  der  Fähigkeit  der- 

1)  Vgl.  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  37.  p.  315.  1889. 

2)  Bezüglich  der  einschlägigen  Literatur  verweisen  wir  auf  unsere 
>&ttheilung:  Wied.  Ann.  26.  p.  1.  1885. 


28  J.  Elster  u.  H.  Gtitel 

selben,  unter  gewissen  Bedingungen  die  positive  oder  nega- 
tive Electricität  besonders  leicht  abzuleiten. 

Wir  glauben  den  allgemeinen  Satz  hinstellen  zu  können, 
dass  ein  durch  Contact  mit  einem  glühenden  Körper  positiv 
erregtes  Gas  vorwiegend  leicht  negative  Electricität  entladet, 
und  umgekehrt. 

Bis  jetzt  haben  wir  denselben  ausnahmslos  bestätigt  ge- 
funden und  möchten  im  Folgenden  unter  Zugrundelegung 
desselben  einige  der  in  den  genannten  Abhandlungen  beschrie- 
benen Versuche  in  einer  Form  darstellen,  welche  sie  für  Demon- 
strationszwecke geeignet  erscheinen  lässt 

§  2.  Bei  den  zu  beschreibenden  Versuchen  wurden 
ausschliesslich  Platindrähte  oder  Kohlenfäden  verwendet,  die 
durch  eine  Batterie  von  einigen  Zinkkohlen-Elementen  in 
Gluth  versetzt  werden  konnten.  Da  die  Electrisirung  der 
Gase  auch  bei  starker  Verdünnung  deutlich  auftritt  und  die 
zur  Erreichung  eines  gewissen  Glühzustandes  des  Drahtes 
erforderliche  Stromintensität  um  so  kleiner  wird,  je  ver- 
dünnter das  Gas  ist,  so  erscheint  es  vortheilhaft,  die  Ver- 
suche an  Gasen  vorzunehmen,  deren  Dichtigkeit  auf  einen 
sehr  geringen  Bruchtheil  der  normalen  verringert  ist.  Man 
erreicht  dies,  indem  man  den  zum  Glühen  bestimmten  Draht 
oder  Kohlenfaden  sammt  der  Electrode  in  einem  Glasreci- 
pienten  (nach  Art  einer  electrischen  Glühlampe)  anbringt; 
mittelst  einer  Quecksilberluftpumpe  kann  dem  Gasinhalt  jede 
beliebige  Dichtigkeit  innerhalb  der  wünschenswerthen  Grenzen 
gegeben  werden.  Ist  dieselbe  erreicht,  so  schmilzt  man  den 
Apparat  von  der  Pumpe  ab. 

So  hergestellte  Recipienten  erwiesen  sich  als  sehr  bequem 
zum  Gebrauch.  Die  Erhitzung  ist,  besonders  bei  Anwendung 
von  Kohlenfäden  und  Platindrähten  von  nur  0,2  mm  Stärke 
nicht  so  hoch,  dass  eine  Gefahr  des  Zerspringens  zu  be- 
fürchten wäre.  Unentbehrlich  sind  sie  zum  Nachweise  ge- 
wisser Erscheinungen,  die  wie  der  unten  beschriebene  Einfluss 
magnetischer  Kräfte  nur  bei  niederen  Gasdrucken  deutlich 
hervortreten. 

In  BetrelF  der  zu  verwendenden  Gase  ist  zu  bemerken, 
dass  es  in  erster  Linie  auf  das  Verhalten  von  verdünnter 
Luft,  O  und  H  ankommt;  bei  den  beiden  letzteren  Gasen 


Electricitätibewegung  in  verdünnten  Gasen,  29 

hat  man  die  Bequemlichkeit,  die  Becipienten  unmittelbar  an 
der  Pumpe  füllen  zu  können,  indem  man  Sauerstoff  aus  einem 
mit  KCIO3  gefüllten  angeschmolzenen  Glasrohre,  Wasserstoff 
aus  einem  mit  diesem  Gase  beladenen  Palladiumdraht,  durch 
Erhitzen  entwickelt.^) 

§  3.  Zu  den  Grundversuchen  werden  verwandt  die  Appa- 
rate Fig.  2  und  8  (^/^  der  natürlichen  Grosse).  Zwei  bei  C  und 
D  zu  Oesen  gebogene  Platindrähte  von  0,2  mm  Dicke  sind 
in  die  Wand  des  Becipienten  eingeschmolzen  und  bis  AB 
mit  Emailleglas  umhüllt,  bei  AB  ist  die  Verbindung  entweder 
(Fig.  2)  durch  den  freien  spiralförmig  gewundenen  Draht 
selbst  oder  durch  einen  Kohlenfaden  (Fig.  3)  von  4 — 8  Volt 
Klemmenspannung  gebildet  Pist  eine  als  Electrode  dienende 
Platinplatte,  die  durch  einen  bei  E  aus  dem  Recipienten 
heraustretenden,  im  Inneren  mit  blauem  Emailleglas  (letzte- 
res ist  in  den  Figuren  überall  schraffirt  gezeichnet)  umklei- 
deten Platindraht  mit  einem  Electroskope  in  Verbindung 
gesetzt  werden  kann.  X  und  Y  sind  Ansatzröhren,  durch 
deren  eine  der  Apparat  an  eine  Quecksilberlultpumpe  ange- 
schmolzen wird.  Apparat  Fig.  2  wird  mit  Luft  oder  Sauer- 
stoff, Apparat  Fig.  3  mit  Wasserstoff  unter  etwa  0,01  mm 
Druck  gefüllt.  So  vorgerichtet,  können  die  Recipienten  zum 
Nachweis  des  unipolaren  Leitungsvermögens  des  mit  dem 
glühenden  Körper  AB  m  Contact  befindlichen  Gases  ver- 
wendet werden.  Zu  dem  Zwecke  hat  man  nur  E  mit  einer 
Electricitätsquelle  zu  verbinden;  wir  verwandten  meist  eine 
grossplattige  Zamboni'sche  Säule  von  etwa  200  Volt  Span- 
nung oder  eine  Zink -Platin -Wasser -Batterie  von  200  Ele- 
menten (212  Volt  Spannung).  Zugleich  communicirt  E  durch 
einen  Leitungsdraht  mit  einem  Gold-  oder  Aluminiumblatt- 
electroskop,  zweckmässig  von  der  Form,  die  von  F.  Exner^) 
vorgeschlagen  ist.  Eine  PohPsche  Wippe,  deren  Queck- 
silbemäpfe  auf  Siegellackfüssen  ruhen,  ermöglicht  nach 
Belieben  den  einen  oder  anderen  Pol  der  Säule  mit  E  in 
Verbindung  zu  setzen,   während  der  andere  zur  Erde  abge- 


1)  Das  Verfahren  ist  des  näheren  auseinander  gesetzt  Wien.  Ber.  97, 
II«.  p.  1182.  Oct.  1888. 

2)  Ezner,  Wien.  Ber.  45.  IL  p.  1084.  1887. 


30  J.  EUter  u.  H.  Geitel 

leitet  ist;  durch  Herausheben  des  beweglichen  Theiles  der 
Wippe  kann  man  E  nach  ertheilter  Ladung  yon  der  Säule 
Tollständig  isoliren. 

Ladet  man  zunächst  P  in  dem  mit  Luft  oder  O  gefüll- 
ten Recipienten  (Fig.  2)  positiv,  während  AB  nicht  glüht, 
so  beobachtet  man  eine  gewisse,  der  vollen  Spannung  der 
Säule  entsprechende  Divergenz  der  Aluminiumblättchen. 
Lässt  man  dann  AB  bis  zur  Gelbgluth  erglühen,  so  bleibt 
die  Divergenz  ungeändert,  mag  man  selbst  die  Verbindung 
mit  dem  positiven  Pole  der  Säule  aufheben.  Ist  dagegen  P 
mit  dem  negativen  Pole  verbunden,  so  verschwindet  die 
Divergenz  der  Blatt chen  beim  Erglühen  des  Drahtes  völlig 
oder  nahezu  vollständig,  jedenfalls  tritt  ein  sofortiges  Zu- 
sammenfallen ein,  sobald  man  die  Verbindung  mit  dem  Pole 
der  Säule  unterbricht.  Hierdurch  ist  nachgewiesen,  dass  in 
verdünnter  Luft  oder  in  verdünntem  O  durch  einen  glühen- 
den Platindraht  negative  Electricität  leichter  fortgeführt  wird, 
als  positive,  oder  mit  anderen  Worten,  dass  den  genannten 
Gasen  bei  Gegenwart  eines  glühenden  Platindrahtes  ein  ne- 
gativ unipolares  Leitungsvermögen  zukommt 

Gerade  die  umgekehrte  Erscheinung  zeigt  der  einen 
Kohlenfaden  enthaltende,  mit  verdünntem  H  gefüllte  Apparat 
Fig.  8;  hier  behält  P  negative  Ladungen  bei,  während  posi- 
tive unmittelbar  beim  Erglühen  des  Kohlenfadens  abgeleitet 
werden.  Verdünntes  H  erhält  also  beim  Contact  mit  einem 
glühenden  Kohlenfaden  ein  positiv  unipolares  Leitungsver- 
mögen. (Dieser  Versuch  ist  schon  von  Hittorf^)  angestellt, 
allerdings  in  anderer  Form.) 

Vollkommen  deutlich,  wenn  auch  nicht  so  stark  hervor- 
tretend, zeigt  sich  die  gleiche  Erscheinung  an  einem  in  H 
glühenden  Platindrahte,  besonders  wenn  dem  Gase  eine  Spur 
Fettdämpfe  beigemischt  sind.  Da  letztere  infolge  der  leich- 
teren Verdampfting  des  Fettes  im  Vacuum  von  selbst  aus 
gefetteten  Hähnen  und  Schliffstücken  in  die  ßecipienten  ein- 
dringen, so  ist,  wie  wir  in  unserer  vorigen  Arbeit')  schon 
hervorhoben,  bei  Herstellung  von  solchen  Apparaten,  welche 


1)  Hittorf,  Wied.  Ann.  21,  p.  137.  1884. 

2)  J.  EUter  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  37.  p.  818.  1889. 


EkctricitäUbewegung  in  verdünnten  Gasen,  31 

die   Sauerstoff-   oder  Luftwirkung    rein    zeigen    sollen,    die 
Vermeidung  derartiger  Verbindungsstücke  dringend  geboten. 

Wir  bemerken,  dass  es  ein  einfaches  Mittel  gibt,  sich 
?on  der  richtigen  Beschaffenheit  der  Recipienten  zu  über- 
zeugen. Misst  man  nach  der  Yon  uns  a.  a.  O.  angegebenen 
Methode  die  durch  das  Erglühen  des  Drahtes  oder  Kohlen- 
fadens auf  P  entstehende  freie  Spannung  mittelst  des  Qua- 
drantelectrometers,  und  stellt  sich  dieselbe  positiv  oder 
negatiT  zu  etwa  1 — 2  Volt  oder  mehr  heraus,  so  kann  man 
mit  Sicherheit  ein  deutlich  unipolares  Leitungsvermögen  des 
(rases  erwarten,  und  zwar  ist  das  Zeichen  der  am  leichtesten 
entladenen  Electricität  dem  der  spontan  erregten  entgegen- 
gesetzt. 

In  unserer  letzten,  den  in  Bede  stehenden  Gegenstand 
betreffenden  Publlcation^)  hatten*  wir  auf  die  Möglichkeit  hin- 
gewiesen, die  von  Goldstein  und  Hittorf  beobachteten 
polaren  Unterschiede  beim  Durchgang  der  Electricität  durch 
verdünnte  Gase  bei  Anwendung  glühender  Electroden  mit 
der  von  uns  beobachteten  Electricitätserregung  in  Verbin- 
ilung  zu  bringen.  Hittor f)  und  Goldstein^)  hatten  be- 
kanntlich gefunden,  dass  bei  Verwendung  eines  glühenden 
Kohlenfadens  als  Electrode  ein  electrischer  Strom  durch  ein 
Vacnum  bei  weit  geringeren  Potentialdifferenzen  hindurchgeht, 
wenn  der  Faden  als  Kathode  dient,  als  im  entgegengesetzten 
Falle.  Nach  unseren  Beobachtungen^)  erregt  ein  weissglühen- 
der  Kohlenfaden  das  umgebende  Gas,  wenn  es  H  ist,  stark 
negativ;  auch  in  anderen  Gasen  ist  die  Electrisirung,  wenn 
auch  schwächer,  negativ  und  nähert  sich  mehr  und  mehr  der 
im  H  beobachteten  Intensität,  wenn  der  Faden  einige  Zeit 
geglüht  hat,  vermuthlich  infolge  der  Abgabe  von  Kohlen- 
wasserstoffen aus  dem  Inneren  desselben. 

Goldstein  ordnete  seinen  Versuch  in  der  Weise  an, 
dass  er  eine  electrische  Glühlampe,  in  welcher  eine  dem 
Kohlenfaden  gegenüberstehende  Electrode  eingeführt  war,  in 
den  Stromkreis  eines  Inductionsapparates  parallel  mit  einer 


1)  J.  Elster  n.  H.  Geitel,  1.  c.  p.  328. 

2)  Hittorf,  1.  c.  p.  136. 

8)  Goldstein,  Wied.  Ann.  24.  p.  83.  1885. 
4)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  1.  c.  p.  319. 


32  J.  Ekter  u.  H.  GeiteL 

durch  ein  Mikrometer  yeränderlichen  Funkenstrecke  in  freier 
Luft  einschaltete.  Durch  die  üblichen  Yorsichtsmaassregeln 
wurde  der  Schliessungsstrom  eliminirt.  G-lühte  der  Kohlen- 
faden nicht,  so  zog  bei  einem  gewissen  Abstände  der  Mikro- 
meterkugeln der  Strom  den  Weg  durch  diese  vor  und  ver- 
anlasste eine  lebhafte  Funkenfolge  zwischen  denselben,  wäh- 
rend die  Glühlampe  keine  Anzeichen  vom  Durchgange  der 
Electricität  aufwies.  Liess  man  nun  den  Kohlenfaden  als 
Kathode  weiss  glühen,  so  verschwand  die  Funkenstrecke  im 
Mikrometer,  und  der  Strom  ging  durch  das  Yacuum  der  Lampe. 
War  der  Faden  Anode,  so  trat  beim  Erglühen  derselben 
keine  Aenderung  des  Funkenstromes  auf;  der  Widerstand  des 
Yacuums  erfuhr  keine  Verminderung. 

Wir  haben  diesen  Versuch  an  Glühlampen  verschiedener 
Form  mit  Kohlenfäden  bis  8  Volt  Spannung  wiederholt  und 
Goldstein's  Ergebniss  bestätigt  gefunden.  Nur  ist  es  wesent- 
liche Bedingung,  bei  Verwendung  so  kleiner  Kohlenfäden 
den  Strom  des  Inductoriums  entsprechend  abzuschwächen, 
bei  grosser  Intensität  desselben  verwischt  sich  der  polare 
unterschied  mehr  und  mehr  und  tritt  gegen  den  Einfiuss  zu- 
fälliger ungleichartiger  Beschaffenheit  der  Electroden,  welche 
den  Durchgang  des  Stromes  in  der  einen  oder  anderen  Rich- 
tung schon  an  sich  begünstigen,  in  den  Hintergrund.  Alle- 
mal, wenn  der  Versuch  gelang,  zeigte  das  verdünnte  Gas  in 
der  Lampe  positiv  unipolares  Leitungsvermögen. 

War  unsere  Auffassung  dieses  Vorganges  die  richtige, 
so  musste  sich  bei  Verwendung  eines  glühenden  Platindrahtes 
in  O  oder  Luft  der  Sinn  der  Erscheinung  umkehren. 

Bei  Apparaten  folgender  Form  tritt  diese  Umkehrung 
mit  Sicherheit  auf. 

Fig.  4  stellt  einen  kreuzförmigen  Recipienten  dar.  In 
die  seitlich  angesetzten  Röhren  KK'  sind  nach  Art  der  Koh- 
lenfäden der  Glühlampen  zwei  spiralförmig  gewundene  Pla- 
tindrähte AB  und  A^B^  von  0,2  mm  Dicke  eingeschmolzen, 
die  bis  auf  die  freien  Spiralen  mit  Glas  umhüllt  sind,  sie 
münden  in  die  Oesen  CD  und  C^Dy  Durch  CD,  resp.  C^D^ 
wird  der  zum  Glühen  erforderliche  Strom  eingeleitet.  Die 
Platte  P  dient  dazu,  das  electrische  Verhalten  des  einge- 
schlossenen Gases    bei    glühendem   Drahte  AB    oder  A^B^ 


Electridtätabewegung  in  verdünnten  Gasen*  83 

mittelst  des  Electrometers  zu  prüfen;  sie  ist  für  den  eigent- 
lichen Yersnch  unwesentlich  und  kann  fortgelassen  werden« 
Der  Apparat  wird  an  der  Pumpe  mit  Luft  oder  O  gefüllt 
und  evacuirty  während  von  Zeit  zu  Zeit  der  Strom  des 
Briihmkorff  von  A  B  nach  A^  B^  hindurchgeleitet  wird.  Parallel 
mit  demselben  ist,  wie  in  G-oldstein's  Versuch,  ein  Funken- 
mikrometer in  den  Schliessungskreis  des  Inductoriums  einge- 
schaltet. Bei  fortgesetztem  Bvacuiren  nimmt,  wie  bekannt, 
der  Widerstand  der  Gasstrecke  ABA^B^  zuerst  ab,  dann 
wieder  zu,  während  zugleich  das  grüne  Kathodenlicht  sich 
entwickelt  Man  setzt  das  Evacuiren  so  lange  fort,  bis  im 
Tnnkenmikrometer  ein  bequem  einstellbarer  Abstand  der  Pol- 
spitzen erreicht  ist.  Lässt  man  nun  mittelst  einer  (zweck- 
mässig isolirten)  Batterie  von  zwei  Zinkkohlenelementen  A  B 
oder  A^B-^  glühen,  so  beobachtet  man  jetzt  die  ümkehrung 
des  von  Goldstein  beschriebenen  Phänomens,  ein  Glühen 
der  Kathode  ist  jetzt  ohne  Wirkung,  während  das  der  Anode 
ein  Verschwinden  des  Funkenstromes  im  Mikrometer  und 
das  Auftreten  des  Entladungslichtes  zwischen  A  B  und  A^  B^ 
verursacht.  Bedingung  ist  auch  hier  eine  der  Grösse  der 
glühenden  Oberfläche  angepasste  Intensität  des  Inductions- 
stromes. 

Bei  grösserem  Abstände  der  Electroden  tritt  die  Er- 
scheinung nicht  in  gleicher  Deutlichkeit  zu  Tage.  Obgleich 
bei  dem  Versuche  nur  eine  Electrode  zum  Glühen  gebracht 
wird,  ist  es  doch  zweckmässig,  wie  in  Fig.  4  die  Electroden 
so  einzurichten,  dass  die  eine  wie  die  andere  verwendet  wer- 
den kann,  man  vermeidet  dadurch  die  Ausbildung  von  Un- 
gleichartigkeiten  in  der  Oberflächenbeschaffenheit  derselben, 
durch  welche  schon  an  sich  polare  unterschiede  (Ventilwir- 
kungen) hervorgerufen  werden  können. 

Wie  oben  bemerkt,  kann  man  den  Recipienten  mit  ver- 
dünnter Luft  oder  O  füllen,  doch  dürfte  das  erstere  vorzu- 
ziehen sein.  Reiner  O  wird  nämlich  von  dem  glühenden 
Draht  bald  verzehrt,  sodass  der  Widerstand  der  Gasstrecke 
continuirlich  zunimmt  und  in  kurzer  Zeit  so  gross  wird, 
dass  die  sichtbare  Entladung  in  der  Röhre  überhaupt  ver- 
schwindet 

Stellt  man   sich   zwei  Apparate   der  Form  Fig.  4   her, 

Ann.  d.  Ptayi.  n.  Chtn.  N.  F.  XXXVIII.  3 


34  J.  EUter  u.  H.  GeUeL 

deren  einer  verdünnte  Luft,  deren  anderer  Wasserstoff  und 
an  Stelle  von  AB  und  AR  Kohlenfäden  enthält,  so  lässt 
sich  an  diesen  der  Goldstein'sche  Versuch  und  seine  ümkeh* 
rung  leicht  zeigen. 

§  6.  Auch  die  Veränderungen  in  dem  Leitungsvermögen 
der  erhitzten  Gase  im  magnetischen  Felde  sind  mittelst  de» 
Electroskopes  zum  Theil  bequem  nachzuweisen.  Wir  hatten 
gefunden,  dass  die  positive  Erregung  der  Luft  und  des  O  im 
magnetischen  Felde  zunimmt,  die  negative  des  H  im  allge* 
meinen  abnimmt.  Dabei  trat  in  letzterem  G-ase  eine  Ein- 
wirkung des  Magnets  auf  die  vom  glühenden  Drahte  sich 
abzweigenden  Partialströme  hervor.  Nahm  man  nämlich  an, 
dass  diese  nach  Art  der  Lichthülle  eines  electrischen  Funkens 
eine  electrodynamische  Ablenkung  erfahren,  so  Hess  sich  das 
Gesetz  so  aussprechen:  Eine  dem  convexen  Theile  der  ab- 
gelenkten Strombahn  gegenüber  gestellte  Electrode  ist  nega- 
tiv gegen  eine  dem  concaven  zugewandte.  Diese  Erschei- 
nung betrachteten  wir  als  dem  HalTschen  Phänomen 
analog. 

Die  Verstärkung  der  positiven  Erregung  in  O  oder  Luft 
durch  magnetische  Kräfte  ist,  da  schon  unter  normalen  Ver- 
hältnissen positive  Electricität  von  der  Electrodenplatte  E 
durch  den  glühenden  Draht  nicht  abgeleitet  wird,  begreif- 
licher Weise  electroskopisch  nicht  nachweisbar.  Dagegen 
ist  das  Verhalten  des  Wasserstoffs  ein  sehr  charakteristi- 
sches. 

Zu  den  hierher  gehörigen  Versuchen  benutzten  wir  den 
Recipienten  Fig.  5,  in  welchem  bei  ^i^  in  der  bekannten 
Weise  ein  gerader  Kohlenfaden  angebracht  war;  der  Apparat 
enthielt  verdünntes  H.  Derselbe  wurde  zwischen  den  Polen 
eines  Hufeisenelectromagnets  mittlerer  Grösse  *)  so  befestigt, 
dass  der  Kohlenfaden  AB  in  der  Aequatorialebene  lag. 
Stellte  man  sich  AB  in  der  Aequatorialebene  als  beweglich 
vor,  so  konnte  man  aus  dem  Ampere 'sehen  Gesetze  bei 
bestimmter  Stromesrichtung  zwischen  A  und  S,  sowie  bei 
bekannter   Polarität  des   Magnets   eine   zu   erwartende  Ab- 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wien.  Ber.  1.  c  p.  1286  u.  1289. 


EleciricääMeweffunff  in  verdünnten  Gasen,  35 

lenkung  des  Fadens  nach  oben  oder  unten,  d.  h.  der  Platte 
P  zu-  oder  abgewandt  erschliessen,  an  welcher  der  oben  an- 
gegebenen Vorstellung  gemäss  etwaige  von  A  B  sich  abzwei- 
gende Stromfaden  im  Gase  theilnehmen  mussten. 

Wir  beobachteten  nun  folgendes: 

War  der  Magnet  nicht  erregt  und  P  mit  positiver  Elec- 
tricität  geladen,  so  trat,  wie  bei  Apparat  Fig.  3  ein  Zusam- 
menfallen der  Bl&ttchen  des  Electroskops  ein,  sobald  AB 
glühend  gemacht  wurde.  Erregte  man  den  Magnetismus,  so 
ging  die  Entladung  langsamer  vor  sich,  sodass,  wenn  P 
dauernd  mit  dem  positiven  Pol  der  Säule  oder  Wasserbatterie 
Torbunden  blieb ,  in  jedem  Falle  noch  eine  meesbare  Diver- 
genz bestand.  Die  G-rösse  derselben  war  aber  wesentlich 
Terschieden,  je  nachdem  eine  Ablenkung  der  Stromf&den  nach 
oben  oder  nach  unten  zu  erwarten  stand.  Im  ersteren  Falle 
war  die  Divergenz  nur  klein,  im  anderen  dagegen  war  sie 
meist  so  groes,  dass  das  Electroskop  bei  Verwendung  einer 
Skvle  von  212  Volts  Spannung  zu  ihrer  Messung  nicht  aus- 
reichte, die  Blättchen  desselben  entluden  sich  durch  An- 
schlagen an  die  Metallwände.  Diesen  Selbstentladungen  ent- 
spricht eine  Spannung  von  ca.  200  Volts. 

Auch  Platindrähte  in  H  und  in  verdünnter,  mit  Fett- 
dämpfen gemischter  Luft  zeigen  dieselbe  Erscheinung.  Sie 
ermöglichen,  wie  beiläufig  bemerkt  sein  möge,  eine  instruc- 
tiye  Abänderung  des  Versuchs  in  der  Art,  dass  man  den 
glöhenden  Draht  in  der  Mitte  des  Recipienten  ausspannt 
und  demselben  oben  und  unten  je  eine  Electrodenplatte  P 
gegenüberstellt.  Bei  Stromwechsel  in  dem  Electromagnet 
oder  im  glühenden  Drahte  vertauschen  die  Platten  ihre 
Rolle. 

Eine  Messungsreihe  für  Kohlenfäden  und  Platindrähte 
ist  in  der  folgenden  Tabelle  angegeben: 

Tabelle. 

A.  Der  glühende  Körper  ist  eine  Platinspirale  von 
0^  mm  Drahtstärke  (Fig.  2).  Die  Platte  P  steht  dauernd 
mit  dem  positiven  Pole  einer  Z am boni' sehen  Säule  von  ca. 
180  Volts  Spannung  in  Verbindung.   Füllung  des  Apparates« 


36  J.  Ehler  u.  H.  GeiteL 

Luft  und  Fettdämpfe«    Druck  p=0,012  mm.    Datum:  19.  Ja- 
nuar 1889. 

1)  Diyeigenz  Spannung  in  Volts 
Ohne  Magnet         6,0  84 

Magnet  n ')  5,5  75 

Magnet  x  9,2  128 

2) 

Ohne  Magnet         6,2  88 

Magnet  n  6,2  88 

Magnet  x  12,2  159 

3) 

Ohne  Magnet         6,2  88 

Magnet  n  9,5  181 

Magnet  x  12,2  159 

B.  Der  glühende  Körper  ist  ein  weissglühender  gerader 
Kohlenfaden  (Fig.  5)  von  6  Volts  Klemmenspannung.  Die 
Platte  P  steht  dauernd  mit  dem  positiven  Pol  der  Zink- 
Platin- Wasserbatterie  von  212  Volts  Spannung  in  Verbindung. 
Füllung  des  Apparates:  H;  p» 0,009  mm.  Datum:  20.  April 
1889. 

4)  Divergenz  Spannung  in  Volts 

Ohne  Magnet  6,0  84 

Magnet  n  9,0  126 

Magnet  X       Maximum')  212 

5) 

Ohne  Magnet  5,9  82 

Magnet  n  10.0  186 

Magnet  x       Maximum  212 

6) 

Ohne  Magnet    6,9  101 

Magnet  n  13,5  168 

Magnet  x       Maximum  212 

Es  stellte  sich  demnach  heraus,  dass  bei  Ablenkung  der 
Stromf&den  nach  unten  P  sich  in  einem  fast  isolirenden 
Mittel  befindet,  während  bei  entgegengesetzter  Richtung 
derselben  das  Gas  eine  beträchtliche  Leitungsf&higkeit  be- 
wahrt. 


1 )  Bei  Magnet  U  würde  der  biegsam  gedachte  Draht,  resp.  Kohlen- 
faden sich  der  Electroden])latte  P  zu-,  bei  Magnet  x  von  ihr  abwenden. 

2)  Die  Aluminiumblättchen  schlagen  an  die  Wandimgen  den  Electro- 
flkops  an. 


Electriciiätsbategung  in  verdünnten  Gasen,  37 

Dabei  beobachteten  wir  häufig,  dass  die  Divergenz  in 
regelmässiger  Periode  auf  und  ab  schwankte,  und  zwar  wech- 
selte die  Länge  der  Periode  von  mehreren  Secunden  bis  zu 
Bmchtheilen  einer  solchen,  es  schien  uns,  als  ob  die  Schwin- 
gungsdauer mit  der  Länge  der  Recipienten  zusammen- 
hinge. 

Es  ist  zum  Gelingen  dieser  Versuche  erforderlich,  dass 
die  verwendeten  Drähte  oder  Eohlenräden  gerade  oder  Spi- 
ralen mit  geraden  Axen  sind,  bei  gekrümmten  laufen  die 
Partialströme  nicht  dem  Bogen  parallel,  sondern  bewegen 
sich  in  der  Bichtung  der  Sehne,  solche  Drähte  können  sich 
demnach  nicht  symmetrisch  in  der  Richtung  nach  oben  und 
unten  verhalten. 

§  6.  Die  im  Vorstehenden  gegebene  Beschreibung  der 
Versuche  ist  frei  von  jeder  Muthmassung  über  die  Natur 
der  in  den  erhitzten  Gasen  sich  yoUziehenden  Zustandsände- 
rungen.  Wir  haben  an  anderem  Orte^)  bemerkt,  dass  uns 
dieselben  eine  Stütze  der  von  A.  Schuster  vertretenen 
Theorie  der  Electricitätsleitung  in  Gasen  darzubieten  schei- 
nen, nach  welcher  jede  Electricitätsbewegung  in  einem  Gase 
an  eine  wenigstens  theilweise  Dissociation  der  Gasmolecüle 
gebunden  ist.  Unserer  Ansicht  nach  tritt  eine  solche  Dis- 
sociation an  der  Oberfläche  und  in  der  Nähe  des  glühenden 
Korpers  ein.  Das  denselben  umgebende  Medium  kann  auf- 
gefasst  werden  als  ein  Isolator,  der  von  einer  Anzahl  elec- 
trischer,  leitender,  beweglicher  Theilchen  durchsetzt  ist,  die 
unausgesetzt  von  der  Umgebung  des  glühenden  Körpers  aus- 
gehen; dasselbe  nähert  sich  mit  steigender  Temperatur  einem 
Zustande,  der  dem  der  gewöhnlichen  Electrolyte  zu  ver- 
gleichen ist,  nur  mit  dem  Unterschiede,  dass  Ionen  von  ge- 
wissem Vorzeichen  der  Ladung  (in  O  positiv  geladene,  in 
H   negativ  geladene)  der  Zahl  nach  überwiegen. 

Aus  dieser  Auffassung  erklärt  sich  die  Eigenschaft  des 
Sauerstoffs,  negative  Electricität,  die  des  Wasserstoffs,  posi- 
tive Electricität  bei  Gegenwart  eines  glühenden  Körpers 
vorwiegend  zu  entladen. 


1)  J.  Elster  u.  H.  Geitel,  Wied.  Ann.  1.  c.  p.  325. 


38  J.  Elster  u.  H.  Gtitel 

Es  ist  yerst&ndlich,  dass  bei  kleiner  Oberfläche  des 
glühenden  Körpers  die  Anzahl  freier  Ionen  sich  zur  Gon- 
vection  grosser  Electricil&tsmengen  als  unzureichend  er- 
weisen kann,  daher  die  Noth wendigkeit,  bei  dem  Gold- 
stein'schen  Versuche  die  Stromintensität  des  Buhmkorff  in 
gewissen,  von  der  Grösse  der  glühenden  Oberfläche  abhängi- 
gen Grenzen  zu  halten. 

Auch  das  Verhalten  des  Wasserstoffs  im  magnetischen 
Felde  erscheint  Ton  diesem  Standpunkte  aus  nicht  auffallend.^) 
Die  am  glühenden  Kohlenfaden  sich  abzweigenden  und  das 
Gas  durchsetzenden  Partialströme  erfahren,  wie  schon  das 
Verhalten  der  leuchtenden  Entladung  im  Vacuum  vermuthen 
lässt,  eine  electrodynamische  Einwirkung  ähnlich  wie  vom 
Strom  durchflossene  biegsame  Drähte.  Während  bei  diesen 
aber  ein  Gleichgewicht  zwischen  den  electrodynamischen  und 
elastischen  Kräften  eintritt,  ist  hier  ein  analoger  Zustand 
nicht  möglich. 

Die  electrodynamischen  Impulse,  welche  der  Magnet  auf 
die  den  Strom  yermittelnden  Gasmolecüle  ausübt,  finden 
keine  Gegenkraft,  infolge  dessen  müssen  die  Molecüle  diesem 
Antriebe  folgen  und  sich  in  der  Bichtung  der  electrischen 
Kraftlinien  senkrecht  zur  Stromesrichtung,  und  zwar  nach 
der  convexen  Seite  der  Stromlinien  hin  bewegen.  Sind  diese 
gegen  die  Platte  P  hin  convex,  so  muss  diese  von  einem 
Schwärm  negativ  geladener  Gastheilchen  getroffen  werden, 
sind  sie  gegen  dieselbe  concav,  so  werden  die  letzteren  nach 
dem  unteren  Theile  des  Recipienten  getrieben.  Wird  also 
P  durch  eine  Säule  von  aussen  positiv  geladen ,  so  nimmt 
bei  ersterer  Stellung  die  Spannung  ab,  bei  der  zweiten  er- 
reicht sie  das  Maximum.  Dass  im  ersteren  ITalle  die  Ent- 
ladung der  Platte  nicht  so  vollkommen  erfolgt,  als  wenn  der 
Magnet  überhaupt  nicht  in  Thätigkeit  ist,  dürfte  dadurch  zu 
erklären  sein,  dass  ja  auch  die  Oberfläche  der  Eloctrode  P, 
sobald  Electricität  durch  dieselbe  aus-  oder  eintritt,  eine 
Niveaufläche  darstellt.  Daher  werden  im  Moment  der  Er- 
regung des  Magnets  die  die  Stromleitung  vermittelnden  Gas- 


1)  Vgl.  unsere  Arbeit  in  den  Wien.  Ber.  1.  c.  p.  1261. 


ung  in  verdünnUn  Gasen.  89 

theilchen  einen  Antrieb  erfahreni   der  sie  seiüich  von  der 
Platte  abzudrängen  sucht 

Mit  den  im  Vorigen  beschriebenen  Apparaten^)  lassen 
«ich  demnach  folgende  Thatsachen  nachweisen: 

1)  Ein  in  yerdünntem  Sauerstoff  oder  in  verdünnter  Luft 
glfihender  Platindraht  entladet  negative  Electricität  leichter 
als  positive. 

2)  Ein  in  verdünntem  Wasserstoff  glühender  Platindraht 
oder  Kohlenfaden  entladet  positive  Electricität  leichter  als 
negative. 

3)  Ein  über  Luft  (oder  Sauerstoff)  dargestelltes  Vacuum 
«wird  vom  Strom  eines  Liductoriums  beim  Glühen  der  aus 
Platindraht  gebildeten  Lichtbülle  leichter  durchflössen  als 
bei  glühender  Kathode. 

4)  Im  Wasserstoff  kehrt  sich  die  Erscheinung  um,  am 
«ichersten  bei  Anwendung  von  Kohlenfilden. 

6)  Im  magnetischen  Felde  nimmt  die  unter  Nr.  2  an- 
gegebene Leitungsfähigkeit  des  verdünnten  Wasserstoffs  für 
positive  Electricität  ab. 

6)  Im  magnetischen  Felde  und  in  verdünntem  Wasser- 
stoff wird  eine  dem  glühenden  (geraden)  Drahte  oder  Kohlen- 
faden gegenüberstehende  positiv  geladene  Electrode  leichter 
entladen,  wenn  der  (biegsam  gedachte)  glühende  Draht  oder 
Faden  dem  Amp^re'schen  Gresetz  nach  sich  derselben  zu- 
wenden würde,  als  bei  umgekehrter  Stromesrichtung. 

Von  diesen  Erscheinungen  sind  die  unter  Nr.  2  und  4 
angeführten  aus  den  Arbeiten  Hittorf 's  und  Grold  stein' s 
bekannt. 

Wolfenbüttel,  im  Juni  1889. 


1)  Dieselben  worden  nach  unseren  Angaben  theils  von  Geissler's 
Nachfolger  in  Bonn,  theils  vom  Glastechniker  Müller- Uukel  in  Braun- 
schweig angefertigt. 


40  J.  Ehter  u.  H.  GeUd. 

m.    Notiz  Über    die  Zerstren/u/ng   der  negativen 

Ulectricitat  durch   das  Sonnen^  ti/nd  Tageslicht;: 

van  J.  Bister  wnd  H.  Oeitel. 


Im  Hinblick  auf  die  von  Arrhenius^)  aufgestellte 
Theorie  der  atmosphärischen  Electricität  haben  wir  kürzlich 
eine  Reihe  von  Versuchen  angestellt,  durch  welche  ermittelt 
werden  sollte,  ob  auch  dem  Sonnen-  oder  Tageslichte  die 
Eigenschaft  zukommt,  negativ  electrisirten  Körpern  ihre 
Ladung  allmählich  zu  entziehen.  Nur  M.  Hoor^  hat  bis- 
lang eine  derartige  Einwirkung  constatirt,  während  alle 
übrigen  Beobachter  unseres  Wissens  eine  solche  mit  Sicher- 
heit nicht  haben  auffinden  können.  Es  hat  uns  daher  sehr 
überrascht,  dass  nicht  nur  das  Sonnenlicht,  sondern  selbst 
das  zerstreute  Tageslicht  unter  geeigneten  Versuchsbeding- 
ungen einen  negativ  electrischen  Körper  in  kurzer  Zeit  ent- 
ladet. 

Stellt  man  nämlich  eine  Zinkschale  von  20  cm  Durch- 
messer isolirt  im  Freien  so  auf,  dass  dieselbe  dem  Einflüsse 
der  atmosphärischen  Electricität  entzogen  ist,  und  verbindet 
dieselbe  leitend  mit  einem  Quadrantelectrometer,  resp.  Ei- 
ner'sehen  Electroskope,  und  sorgt  durch  eine  geeignete  Vor- 
richtung dafür,  dass  die  Schale  beliebig  ganz  im  Dunkeln 
oder  im  Lichte  befindlich  gehalten  werden  kann,  so  lassen 
sich  leicht  folgende  Thatsachen  constatiren,  die  allerdings 
an  sich  bereits  aus  den  Versuchen  bei  künstlich  ultra- 
violetter Belichtung  bekannt  sind:  Die  trocken  mit  Smirgel 
abgeriebene  Schale  verliert  bei  Belichtung  mit  Sonnenlicht 
eine  negative  Ladung  von  ca.  300  Volts  in  60  See.  vollständig; 
eine  gleich  hohe  positive  Ladung  wird  gehalten.  Die  Zer- 
streuung von  —E  hört  auf,  sobald  die  Schale  sich  im  voll- 
kommen dunkeln  Baume  befindet;  sie  wird  bedeutend  ge- 
schwächt, wenn  die  Sonnenstrahlen  zuvor  durch  eine  Glasplatte 
hindurchgingen.  Dagegen  tritt  ein  sehr  lebhaftes  Zusammen- 
fallen der  Blättchen  des  Electroskopes  auch  ein,  wenn  die 
Schale  nur  vom  Lichte  des  blauen  Himmels  getroffen  wird. 

1)  Arrhenius,  Meteorol.  Ztschr.  5.  p.  297.  1888. 

2)  M.  Hoor,  Rep.  der  Phye.  26.  p.  105.  1889. 


Zerstreuung  der  negaiwen  ElectricitdL  41 

Wird  die  Schale  mit  heissem  oder  kaltem  Wasser  ge- 
füllt,  so  erlischt  die  Wirkang  ToUständig;  ebenso  wirkt  ein 
fenchtesy  über  dieselbe  gespanntes  Tuch. 

Durch  Belichtung  nimmt  die  frisch  abgesmirgelte  Platte 
eine  spontane  Ladung  von  +  2,6  Volts  an,  die  durch  Anblasen 
noch  gesteigert  werden  kann. 

Bedeutend  einfacher  gestalten  sich  diese  Versuche,  wenn 
die  zu  belichtenden  Metalle  in  Drahtform  direct  an  dem 
Knopfe  des ^xner 'sehen  Electroskopes  befestigt  werden. 
Wendet  man  frisch  geputzte  Drähte  an,  Aluminium,  Magne- 
sium oder  Zink,  so  ist  eine  dauernde  negative  Electrisirung 
des  Electroskops  im  Sonnenlichte  (im  Freien)  überhaupt 
nicht  möglich.  Dasselbe  wird  in  weniger  als  fünf  Secunden 
Tollständig  entladen.  Dabei  wirken  Drähte  von  Magnesium 
und  Aluminium  energischer  als  Zinkdrähte.  Bei  Verwendung 
der  ersteren  findet  selbst  unter  der  Einwirkung  des  zerstreu- 
ten, abendlichen  Tageslichtes  ein  merkliches  Zusammenfallen 
der  Blättchen  statt. 

Interessant  ist  auch,  dass  frisch  abgesmirgelte  Drähte 
der  genannten  Metalle  gerade  so  wirken,  als  sei  ein  glimmen- 
der Körper  an  dem  betreffenden  Electroskope  befestigt.  Be- 
gibt man  sich  mit  einem  derartig  hergerichteten  Electroskope 
auf  freies  Feld,  so  divergiren  die  Blättchen  bei  Verwendung 
frisch  geputzter  Drähte  mit  positiver  Electricität,  herrührend 
von  der  Influenz  der  Luftelectricität. 

In  allen  den  genannten  Fällen  ist  irgend  eine  abnorme 
Zerstreuung  positiver  Electricität  nicht  zu  constatiren. 

Die  Versuche  wurden  angestellt  von  Mitte  Mai  bis  Mitte 
Juni  dieses  Jahres. 

Wolfenbüttel,  im  Juni  1889. 


42  E.  Cohn. 

Y.   Die  IHelectHcitätscansUMnie  des  Wassers; 

van  M»  Cohn. 

(Aus  den  Sitsungsber.  der  BerL  Acad.  vom  16.  Mii  1889,  mit  einem 

Zusatu;  mitgetheilt  vom  Hm.  Verf.) 


Für  die  Dielectricitätsconstanten  (D.-O.)  einer  Anzahl 
von  Flüssigkeiten  haben  sich  aus  neueren  Untersuchungen^) 
Werthe  ergeben,  welche  aus  dem  G-rössengebiet,  —  etwa 
1  bis  5  —  dem  alle  früher  nach  zuverlässigen  Methoden  be- 
stimmten D.-C.  angehören,  in  auffälliger  Weise  neraustreten. 
Zu  ihnen  gehört  an  erster  Stelle  die  D.-C.  des  Wassers; 
sie  wurde  von  Arons  und  mir  zu  76,  von  Tereschin  zu 
84  bestimmt.  Diese  Zahlen  sind  mittelst  einer  Methode  ge- 
wonnen, welche  die  electrischen  Elräfte  zwischen  geladenen 
Leitern,  die  sich  in  der  fraglichen  Flüssigkeit  befinden,  ver- 
gleicht mit  den  Kräften,  die  sie  unter  gleichen  Umständen 
in  Luft  aufeinander  ausüben  würden.  Nach  den  Ergebnissen 
der  mannichfach  variirten  Versuche  wird  nicht  bezweifelt 
werden  können,  dass  hier  eine  charakteristische  Constante 
der  Flüssigkeit  bestimmt  wurde.  Es  konnte  aber  gegenüber 
dem  befremdend  hohen  Zahlenwerth  die  Frage  aufgeworfen 
werden,  ob  dieselbe  identisch  sei  mit  der  D.-C,  wie  sie  aus 
Capacitätsmessungen  definirt  wird,  oder  ob  etwa  in  der  ge- 
messenen Grösse  der  Eintiuss  einer  anderen,  bisher  nicht 
genügend  bekannten  Eigenschaft  des  Körpers  sich  geltend 
mache.  —  Ich  wünschte  deshalb,  die  Constante  auch  gemäss 
ihrer  ursprünglichen  —  F  a r  a  d  a y'schen — Definition  zu  messen. 

Bedingung  für  die  Lösbarkeit  der  Aufgabe.  —  Belaxationszeit. 

—  Resultat 

Für  einen  Leiter  der  Electricität,  wie  ihn  auch  das 
reinste  Wasser  thatsächlich  darstellt,  ist  die  einfache  Methode, 
nach  der  man  für  gute  Isolatoren  die  D.-C.  aus  Condensator- 
Ladungen  bestimmt,  nicht  anwendbar.  Wohl  aber  kann 
man  dieselbe  aus  der  Verfolgung  des  Ladungs Verlaufs  ab- 
ableiten. Derselbe  lässt  sich  nämlich  durch  Capacität  und 
Widerstand  des  „Wassercondensators"  darstellen,  sobald  man 


1)  Cohn  u.  Arons,   Wied.  Ann.   33.   p.  13.    18S8.     Tereschin, 
Wied.  Ann.  36.  p.  792.  1889. 


DielectricitäUcafuianie  des  fFoisers.  43 

nur  annimmt,  dass  auch  fbr  einen  Leiter  der  Blectricität 
eine  bestimmte  D.-C.  existirt,  und  dass  sich  Ladung  Gi Ver- 
schiebung") und  Leitung  in  der  von  Maxwell  angenomme- 
nen einfachsten  Weise  superponiren.  Dass  diese  Annahme 
berechtigt  ist,  wurde  fbr  einige  Flüssigkeiten  von  sehr 
schwachem,  aber  doch  messbarem  Leitangsvermögen  experi- 
mentell erwiesen.^)  —  Damit  diese  Methode  einer  gegebenen 
Substanz  gegenüber  anwendbar  sei,  darf  eine  für  die  Sub- 
stanz charakteristische  Zeitgrösse,  die  man  entsprechend 
ihrer  Bedeutung  als  ,,electrische  Relaxationszeit''  bezeichnen 
kann^,  zum  mindesten  nicht  wesentlich  kleiner  sein,  als  der 
kleinste  Zeittheil  des  Ladungsvorganges,  den  man  noch  zu 
messen  im  Stande  ist. 

Der  Werth  der  Relaxationszeit  für  eine  gegebene  Sub- 
stanz ist: 

(1)  y=7^  = 


^nX 


er, 


wenn  /a  ihre  D.-C,  l  ihr  Leitungsvermögen,  r  und  c  den 
Widerstand,  resp.  die  Oondensatorcapacität  zwischen  zwei 
beliebigen  Aequipotentialüächen  für  diese  Substanz  als  Zwi- 
schenmedium bezeichnen.  Die  erste  Form  der  Gleichung 
zeigt,  dass  T  thatsächlich  eine  Constante  des  Materials  — 
unabhängig  von  Form  und  gegenseitiger  Lage  der  Electro- 
denflächen  —  ist. 

Der  zu  verificirende  Werth  für  die  D.-C.  des  Wassers 
und  die  Angaben  über  das  niedrigste  erreichbare  Leitungs- 
vermögen  liessen  zum  voraus  erkennen,  dass  für  Wasser 
nur  ein  rohes  Resultat  von  der  ins  Auge  gefassten  Methode 
zu  erwarten  war.  Vgl.  p.  47.  Auch  ein  solches  erschien 
aus  dem  angeführten  Grunde  nicht  ohne  Werth. 

Die  Messungen  des  Ladungsverlaufs ^  über  die  im  Folgen- 
den berichtet  wird,  sind  in  völliger  Uebereinstimmung  mit  dem 
Resultat  der  früheren  Methode.  Sie  lassen  sich  am  besten 
darstellen  unter  der  Annahme  einer  D.-C,  die  nahe  gleich 
80  ist;  —  sie  schliessen,  —  wenn  man  den  weitesten  Spiel- 
raum lassen  will,  —  unzweideutig  jeden  Werth  unter  50  aus. 


1)  Cohn  u.  Arons,  Wied.  Ann.  28.  p.  454.  1SS6. 

2)  VgL  Wied.  Ann.  33.  p.  24  f.  1888  und  den  „Zusatz"  unten  p.52. 


44 


K  Ck>hn. 


—  Den  zuverlässigsten  Werth  wird  man  nicht  von  dieser, 
sondern  von  der  Methode  der  Kraftmessnng  zu  erwarten 
haben. 

Yersnchsanordnung  und  Apparate. 

In  nebenstehender  Fig.  1  ist  scbematisch  ein  Stromkreis 
dargestellt,  der  aus  einer  galvanischen  Batterie  E^  einem 
Widerstand  w  und  der  Wasserzelle  er  gebildet  ist;   neben 

die  letztere  ist  das  Quadrantelec- 
trometer  y  geschaltet.  —  {E  soll 
gleichzeitig  den  Werth  der  elec- 
tromotorischen  Kraft,  w  und  r 
sollen  die  Werthe  der  Wider- 
stände, c  und  /  der  Capaci täten 
bedeuten.)  Der  eine  Pol  von  E^ 
und  mit  ihm  die  eine  Electrode 
von  er  und  das  eine  Quadranten- 
paar von  /  sind  dauernd  zur  Erde 
abgeleitet;  mit  dem  abgeleiteten 
Punkt  ist  zunächst  auch  die  zweite 
Electrode  nebst  dem  zweiten  Quad« 
rantenpaar  durch  einen  Kurzschluss 
verbunden.  Letzterer  enthält  bei 
Durch  das  fallende  Pendel  eines 
Helmholtz'schen  Pendelunterbrechers  wird  derselbe  auf- 
geschlagen, und  die  Ladung  des  Electrometers  beginnt. 
Sie  wird  nach  wenigen  Milliontel  SecuDden  dadurch  beendet^ 
dass  das  Pendel  einen  zweiten  Contacthebel,  der  sich  bei  1/2 
betindet,  zurückwirft.  Der  Ausschlag  der  Electrometernadel 
misst  das  Potential  co,  zu  welchem  in  der  Zwischenzeit 
Electrometer  und  Wassercondensator  geladen  wurden. 

Diese  Versuchsanordnung  ist  derjenigen  ähnlich,  die 
in  dem  bereits  erwähnten  Aufsatz  ^)  beschrieben  ist;  auf 
letzteren  kann  bezüglich  aller  Einzelheiten,  insbesondere 
auch  einiger  nothwendigen  Vorsichtsmaassregeln  verwiesen 
werden.    Nur  ist  im  vorliegenden  Fall  die  Flüssigkeit  neben 

—  statt  hinter  —  das  Electrometer  geschaltet;  dies  war 
nothwendig,    damit    nicht    vor    Beginn     der    Ladung    die 


Fig.  1. 


?/,    einen    Contacthebel. 


l)  Wied.  Ann.  28.  p.  454.  1886. 


DielectricUätsconstante  des   Wassers.  46 

Wasserzelle    von  einem    constanten   Strom    durchsetzt  und 
polarisirt  würde.  ^) 

Im  übrigen  werden  folgende  Angaben  genügen:  der 
Widerstand  w  bestand  aus  einer  dünnen  Graphitschicht  auf 
Glas,  damit  die  Selbstinduction  des  Stromkreises  ohne  Ein- 
fluss  sei,  und  die  in  Betracht  kommenden  Capaci täten  aus- 
schliesslich der  Wasserzelle  und  dem  Electrometer  ange- 
hörten. Sein  Werth  betrug  rund  9000  S.-E.  —  E  bestand 
ans  4 — 7  Leclanche-Elementen.  —  Die  Wasserzelle  war  ge- 
bildet von  zwei  platinirten  Platinblechen  von  18  qcm  Fläche, 
die  sich  in  einem  ziemlich  weiten  Glasgefasse  gegenüber- 
standen. Der  mittlere  Abstand  betrug  in  den  drei  ersten 
Versuchsreihen  ungefähr  '/^  mm,  vor  der  letzten  Reihe  wur- 
den die  Platten  einander  soweit  genähert,  dass  der  Wider- 
stand bei  der  gleichen  Flüssigkeit  auf  rund  ^j^  seines  vorigen 
Werthes  sank  (und  folglich  die  Capacität  auf  ^2  stieg).  Dieses 
Widerstandsgeiäss  —  sowie  mehrere  andere ,  welche  zur 
Aichung  des  ersten  dienten  —  verdanke  ich  der  Freund- 
lichkeit von  Hrn.  Prof.  F.  Eohlrausch;  es  war  für  mich 
«ehr  werthvoU,  dass  das  Glas  dieses  Gefässes  von  destillir- 
tem  Wasser  auch  bei  längerem  Stehen  nicht  wahrnehmbar 
angegriffen  wurde.  So  war  es  möglich,  das  durch  sorg- 
samste Destillation  gewonnene  reine  Wasser  während  der 
ganzen  Versachsdauer  bei  dem  geforderten  sehr  geringen 
Leitungsvermögen  zu  erhalten.  Dasselbe  betrug  in  den  ver- 
schiedenen Versuchsreihen  1,4  bis  1,7.10""^^,  bezogen  auf 
Quecksilber.  —  Die  Zeiten  endlich,  welche  zwischen  dem 
Aufschlagen  der  beiden  Contacte  verfliessen,  werden  am  ge- 
theilten  Kopf  einer  Mikrometerschraube  abgelesen,  welche 
den  einen  Contact  zu  verschieben  gestattet.  Der  Zeitwerth 
eines  Theiles  ist  nach  früheren  Untersuchungen^): 

X  =  1,17  .  10-«  See. 
Diese  Grösse  gibt  zugleich  nach  allen  an  dem  Instrument 
gemachten  Erfahrungen  ungefähr  die  Grenze  an,  bis  zu  wel- 
cher infolge  unregelmässigen  Abschlagens  der  Contactstifte 

die  Zeitmessungen  unsicher  sein  mögen. 

^— — _— — ^-^— — ^—  * 

1)  Bezüglich  der  Polarisation,  die  der  Ladungsstrom  selbst  hervor- 
bringt, siehe  unten  den  Abschnitt  ««Polarisation  der  Electroden'^ 

2)  Wied.  Ann.  28.  p.  470. 


46  E.  Cohn. 

Berechnung  der  fieobachtnngen.    Controlversuche. 

Die  Ladungszeit,  in  der  sich  das  Potential  a>  herstellt, 
sei  t  Alle  Grössen  mögen  in  absolutem,  electrostatischem 
Maass  (cm,  g,  sec)  ausgedrückt  sein«  Man  leitet  danik 
leicht  ab: 


(2)  «=^-^11-^     ^^  +  '>,.  +  r 

Bezeichnet  Si  den  Bndwerth  von  co,  femer  r  die  La- 
dungszeit,  in  Mikrometertheilen  gemessen,  sodass  man  also  hat; 

(3)  E  ~^Sl,     t^xT, 

und  setzt  man  noch: 

(4)  X  log  vulg  ff  =  fl, 
so  kommt: 

(5)  :^^^  +  y)^^9j  wo: 

(6)  ?  = "—sr" 

Jede  Versuchsreihe  besteht  in  der  Aufsuchung  einer 
Anzahl  zusammengehöriger  Werthe  von  to  und  r,  die  man 
nacheinander  durch  Verstellen  der  Mikrometerschraube  er- 
hält; aus  ihnen  und  dem  constanten  £i  soll  sich  q  als  Con- 
stante  ergeben.  Sind  dann  noch  die  Widerstände  w  und  r 
gemessen,  so  berechnet  sich  aus  (5):c  +  /*  Sine  zweite 
Reihe,  bei  welcher  die  Zelle  entfernt,  also  c  a  0,  r  ==  oo  ist, 
liefert  in  gleicher  Weise  y\  dasselbe  ergab  sich  als  eine 
gegen  c  kleine  Grösse,  —  5,  resp.  2  Proc.  der  letzteren  in 
den  verschiedenen  Versuchsreihen.  —  So  erhält  man  c.  Da- 
raus lässt  sich  nun  die  D.-C.  auf  zwei  Wegen  finden.  Erstens 
kann  man  die  Zelle  mit  einer  Flüssigkeit  von  bekannter 
D.-C.  /ix  flillen  und  den  Versuch  —  mit  einem  geeigneten 
grösseren  w  —  wiederholen;  ergibt  sich  jetzt  die  Capacität 
Ca,  so  ist: 

(7)  A«£. 

Zweitens  aber  erhält  man  u  aus  c  mit  Hülfe  der  Gleichung  (1): 

(8)  ju  =  4nk.cr. 


Dielectricääticarutante  des   Wassers.  47 

Es  ist  dann  ausser  der  Relaxationszeit  cr^  welche  das  Er- 
gebniss  der  Pendelbeobachtungen  bildet,  noch  das  specifische 
LeitnngsTermögen  des  Wassers  zu  bestimmen;  —  d.  h.  neben 
dem  Widerstand  r,  den  das  destillirte  Wasser  im  Gefäss 
besitzt,  noch  der  Widerstand  einer  Flüssigkeit  Ton  bekann- 
tem Leitungsvermögen  im  gleichen  Geföss. 

Ich  habe  beide  Wege  eingeschlagen:  der  Widerstands- 
werth  der  Zelle  wurde  bestimmt  durch  Vermittelung  zweier 
anderer  Gefässe  Ton  jedesmal  steigendem  Widerstandswerth, 
deren  letztes  mit  einer  Kochsalzlösung  geaicht  wurde.  Als 
die  Flüssigkeit  x  der  Gleichung  (7)  diente  Xylol,  dessen 
D.-C.  nach  yerschiedenen  Methoden  zu  2,86  bis  2,37  sicher 
bestimmt  ist^)  Auf  diese  Weise  ergibt  sich  eine  Controle, 
die  zweckmässig  so  geführt  wird,  dass  man  aus  (7)  und  (8) 
die  Grösse  fi,  berechnet: 

und  das  Resultat  mit  dem  bereits  bekannten  Werth  yer- 
gleicht.  Es  fand  sich  so:  fi  =  2,40  in  genügender  Ueberein- 
Stimmung.  Dies  beweist,  dass  die  Ladungszeit  thatsächlich 
nur  durch  die  Capacität  (c  +  y)  bestimmt  wird,  —  dass  weder 
die  Selbstinduction,  noch  eine  fremde  Capacität  im  Strom- 
kreise sich  geltend  macht.  —  Ein  weiterer  Beweis  hierfür 
liegt  in  der  üebereinstimmung  der  Beobachtungen,  die  yer- 
schiedenen Capacitäten  des  Wassercondensators  entsprechen 
(s.  unten). 

Die  einzige  und  freilich  grosse  Unsicherheit  der  Methode 
wird  durch  die  Beobachtung  yon  r  herbeigeführt.  Die  Be- 
laxationszeit  für  Wasser  vom  Leitungsvermögen  1,4  bis 
1,7  .  lO"^®  (gegen  Quecksilber)  berechnet  sich  mit  /i  =»  80  zu 
3,9  Milliontel  Secunden.  Daraus  folgt,  dass  das  Zeitintervall, 
welches  für  die  Messungen  zur  VerfQgung  steht,  —  dasjenige 
nämlich,  in  welchem  a>  noch  messbar  von  seinem  Endwerth 
fl  Terschieden  ist,  —  ebenfalls  nur  wenige  Milliontel  Secun- 
den beträgt  Diesen  Grössen  gegenüber  ist  die  Unsicherheit 
der  Zeitmessung  eine  sehr  beträchtliche.  —  Es  sind  daher, 
um  ein  Urtheil  über  den  Werth  der  Versuchsergebnisse  zu 
ermöglichen,  in  der  folgenden  Tabelle  nicht  die  D.-C.  u  aus 


1)  Wied.  Ann.  38.  p.  30. 


48  E.  Cohn. 

den  Beobachtungsdaten  entwickelt,  sondern  umgekehrt  unter 
der  Annahme  fi  =  80  aus  (6)  die  Constanten  q,  und  aus 
diesen  mittelst  der  beobachteten  w  und  £i  nach  (6)  die 
Mikrometertheile  r  berechnet.  Subtrahirt  man  dieselben 
vom  Nullpunkte  der  Scala,  so  erhält  man  die  als  „berechnet'^ 
bezeichneten  Mikrometerablesungen  u,  denen  die  beobachte- 
ten gegenüber  gestellt  sind.  Das  specifische  Leitungsver- 
mögen des  Wassers  und  der  Widerstand  desselben  im  Ge- 
fässe  ist  den  einzelnen  Yeruchsreihen  beigef&gt;  in  Reihe  4 
ist  die  Capacität  2,4  mal  so  gross,  wie  in  den  früheren. 


Versuchsreihe  1. 

2. 

8. 

4. 

i/ii,^:  1,6.10  " 

1,7.10-'« 

1,4.10-'« 

1,4 .  10  -'« 

r/8.-E.    2600 

2500 

3000 

1800 

beob.   ber. 

beob.   ber. 

beob.   ber. 

beob.   ber. 

U     ' 

305  305,3 
3  3,7 
1    0,5 

299   298,5 

306  304,9 
4  3,8 
2  2,7 
0    0,3 

298   298,2 

305  304,5 
3  2,8 
1    1,1 

299   299,4 

309   309,0 
7     6,9 
5     5,5 
3     3,1 
1     0,8 

Diese  Darstellung  enthält  noch  eine  Willkürlichkeit:  Der 
Nullpunkt  der  Scala,  —  welcher  dem  gleichzeitigen  Auf- 
schlagen beider  Contacte  entspricht,  —  kann  nach  der  Natur 
der  Sache  nur  eingegrenzt  werden.  Frei  von  jeder  Willkür 
sind  dagegen  die  Differenzen  du  zwischen  den  aufeinander 
folgenden  berechneten  u.  Indem  man  dieselben  mit  den  be- 
obachteten vergleicht,  wird  man  die  gemachte  Annahme 
ju  B  80  nicht  im  Widerspruch  mit  den  Thatsachen  finden. 

Um  einen  schnellen  Ueberblick  über  die  Ergebnisse  einer 
anderen  Annahme  für  ju  zu  gewinnen,  hat  man  nur  zu  be- 
achten, dass  die  8u,  sofern  man  y  gegen  c  vernachlässigt, 
den  fi  einfach  proportional  sind.  —  Die  genaue  Ausrechnung 
ergibt,  dass  unter  der  Annahme:  /i  <  50  alle  berechneten  Su 
kleiner  als  die  beobachteten  ausfallen  würden. 

Zur  Beurtheilung  der  gewonnenen  Zahlen  mögen  noch 
folgende  Angaben  dienen:  Berechnet  man  fi  aus  den  vier 
Reihen  so,  dass  sich  jedesmal  das  Gesammtintervall  am 
Mikrometer  (6,  resp.  8  Scalentheile)  mit  den  Beobachtungen 
übereinstimmend  ergibt,  so  findet  sich: 

aus  Reibe:     1.  2.  3.  4. 

^1  =  71  95  94  74. 


DielectricitäUconstatäe  des   Wassers. 


49 


Rechnet  man  ebenso  mit  der  Summe  aller  Intenralle,  so  er- 
gibt sich:  fi  =  82. 

Handelt  es  sich  nur  darum,  nachzuweisen,  dass  die  D.-C. 
des  Wassers  diejenige  der  meisten  bisher  untersuchten  Kör- 
per weit  übersteigt,  so  ist  vielleicht  folgender  rein  qualita- 
tiyer  Versuch  am  überzeugendsten :  Man  ersetze  im  Wider- 
standsgefäss  das  Wasser  durch  Xylol;  man  schalte,  da  das 
letztere  ein  sehr  vollkommener  Isolator  ist,  neben  dasselbe 
einen  Graphitwiderstand,  welcher  dem  Widerstand  des  Wassers 
im  Gefässe  an  Grösse  gleich  ist.  Die  jetzige  Anordnung 
unterscheidet  sich  dann  von  der  früheren  nur  durch  die 
proportional  der  D.-C.  ver&nderte  üapacitat.  Der  Versuch 
ergibt  nun  Folgendes:  bei  einer  bestimmten  Stellung  des 
Mikrometers  ist  der  Electrometerausschlag  gleich  Null,  —  u^ 
wird  noch  vor  ti^  aufgeschlagen;  —  man  schiebt  die  Schraube 
um  einen  Sealentheil  vor :  das  £lectrometer  zeigt  jetzt  bereits 
denselben  Ausschlag,  den  es  bei  beliebig  grossen  La- 
dungszeiten erhält. 

Die  Polarisation  der  Electroden. 

Durch  den  Ladungsstrom,  welcher  die  PotentialdifiPerenz 
io  zwischen  den  Electroden  der  Wasserzelle  hervorbringt, 
werden  dieselben  polarisirt.  Es  soll  im  Folgenden  gezeigt 
werden,  dass  dieser  Umstand  ohne  Einfluss  auf  die  Mes- 
sungen ist.  Von  F.  Eohlrausch^)  ist  bewiesen  worden, 
dass     die     electromotorische 


Kraft  der  Polarisation  von 
Platinelectroden  in  verdünn- 
ter Schwefelsäure,  welche  durch 
kleine  Electricitätsm  engen 
hervorgebracht  wird,  den  letz- 
teren proportional  ist.  Der 
Vorgang  kann  daher  rechne- 
risch so  behandelt  werden,  als 
wenn  an  den  Grenzen  von 
Flüssigkeit  und  Electrode  je 
ein  Condensator  in  den  Strom- 
kreis eingeschaltet  wäre.   Die 


U 


w 


AAA/vVVV^ 


Fig.  2. 


1)  F.  Kohlrausch,  Pogg.  Ann.  U8.  p.  143.  1873. 

Abo.  d.  Phyi.  u.  Chtm.   N.  P.    XXXVIII. 


50  E.  Cohn. 

Capacität  dieses  fictiven  Doppelcondensators  ergibt  sich  aus 
den  Angaben  von  F.  Kohlrausch  zu  0,13  Mikrofarad  für 
jedes  Quadratmillimeter  einer  Electrode,  (beide  Electroden 
als  gleich  gross  vorausgesetzt).  Dies  gilt  für  blanke  Platin- 
electroden;  für  platinirte  würde  die  Zahl  viel  grösser  sein; 
gerade  deshalb  sind  platinirte  Electroden  von  F.  Kohl- 
rausch in  die  Widerstandsmessungen  eingeführt  worden. 
Es  soll  im  Folgenden  mit  der  obigen  Zahl,  die  ein  zu  un- 
günstiges Resultat  ergibt,  gerechnet  werden.  Die  Yersuchs- 
anordnung  würde  sich  jetzt,  (wenn  man  zur  Vereinfachung 
der  Rechnung  das  Electrometer  unterdrückt),  schematisch 
durch  Fig.  2  darstellen,  wo  2ä  die  beiden  neu  eingeführten 
Condensatoren  andeuten  soll.  Wenn,  wie  es  den  thatsäch- 
lichen  Verhältnissen  entspricht,  k  als  sehr  gross  gegen  c 
bebandelt  wird,  so  findet  man  für  a>  die  Gleichung: 

a>^E     :     11-^    '1  +  E    !^-ll-e 

Der  erste  Summand  ist  der  bisher  für  w  benutzte  Werth  (2). 
Bezüglich  des  zweiten  ist  zu  bemerken,  dass  T^  sich  mit  der 
angeführten  Zahl  von  F.  Kohlrausch  zu  rund  2  Secunden 
ergibt.  (In  Wahrheit  ist  es  noch  sehr  viel  grösser.)  Da- 
raus folgt,  dass  der  zweite  Summand  von  co  sich  während 
der  Dauer  der  untersuchten  Ladungsvorgänge  —  t  wenige 
Milliontel  Secunden,  —  nicht  zu  einer  messbaren  Grösse 
erhebt. 

Umgekehrt  hat  für  Zeiten  t,  welche  dem  zweiten  Glied 
einen  messbaren  Werth  ertheilen,  das  erste  bereits  seinen 
Constanten  Endwerth  erreicht.  Man  wird  deshalb  bei  der 
Untersuchung  der  Polarisation  durch  kurz  dauernde  Ströme 
von  der  hier  behandelten  Ladung  des  „Wassercondensators" 
eben  so  wenig  gestört,  wie  das  Umgekehrte  der  Fall  ist. 

Zusatz,  die  Relaxationszeit  betreffend. 

Die  Einführung  der  Relaxationszeit  scheint  mir  geeignet, 
die  Darstellung  electrischer  Vorgänge  zu  vereinfachen. 

Wenn   man   nach   dem  Vorgange   von  Ueaviside  und 


DieleetricUätscorutante  des   Wassers. 


51 


Hertz ^)  aas  den  Mazwell'scben  Differentialgleichungen, 
welche  f&r  das  Innere  eines  homogenen  und  isotropen  Kör- 
pers gelten,  die  Potentiale  entfernt,  so  lassen  sich  dieselben 
in  einer  Form  schreiben,  welche  nur  noch  mechanisch  defi- 
nirte  Grössen  ~  nämlich  Energiegrössen,  Zeiten  und  Längen 
—  hingegen  keine  Grössen  Ton  in  Wahrheit  unbekannter 
Dimension,  wie  Electricitätsmengen,  Dielectricitätsconstanten, 
Leitnngsvermögen  enthält.    Seien: 

E  mit  den  Componenten  XYZ   und: 


M 


?> 


» 


» 


LMN 


zwei  Vectoren  von  der  Bedeutung,  dass  E^  die  electrische, 
M'  die  magnetische  Energie  für  die  Volumeneinheit  darstellt, 
während  T  die  Relaxationszeit  und  V  eine  von  E  und  M 
unabhängige  Geschwindigkeit  bezeichnen.  Die  Coordinaten- 
axen  mögen  die  bei  Maxwell  Torausgesetzte  Anordnung 
(Rechtsschraubensystem)  haben.  Dann  lauten  die  erwähnten 
Gleichungen: 

dL 


(1) 


(2) 


T  + 


dt 

BM 

d't 

d 

dX 

dt 


"  [dt,        dz)^ 


^=  -  V 


ex 

dz 


ez 

dx 


/    "■  [dx  dvl' 

\dy        dzj' 

T^  dt  '^  ^  \dz        dxj' 

ZdZ__  irldM^  dL\ 
T'^  dt  ^      [dx        dyj' 


Man  erhält  T  unabhängig  von  V  aus  der  Beobachtung 
von  Vorgängen,  in  welchen  LMN  sich  als  die  Ableitungen 
einer  Potentialfunction  darstellen.  Durch  Auflösung  der 
Gleichungen  (2)  erweist  sich  dann  T  als  die  constante 
Zeit,  in  welcher  E  auf  1/e  seines  anfänglichen  Betrages  her- 
absinkt (Dieser  Vorgang  —  das  Erlöschen  der  electrischen 
Energie  —  hat  deshalb  den  regelmässigen,   nur   durch   die 


1)  fleaTiside,   Phil.  Mag.  (5)  27.  p.  29.  1889  (zuerst  in  Electrician 
1885);  Hertx,  Wied.  Ann.  23.  p.  100.  1884. 

4* 


52  E,  Cohn.     Diekctricitätsconstante  des   Wassers. 

Grösse  von  T  bedingten  Verlauf,  weil  er  von  Selbstindnc- 
tion  nicht  begleitet  ist;  denn  der  electrodynamisch  wirk» 
same  Gesammtstrom  ist  proportional  der  linken  Seite  von 
(2),  und  folglich  im  vorliegenden  Falle  gleich  Null).  —  So- 
weit Beobachtungen  der  angegebenen  Art  vorliegen,  haben 
sie  T  thatsächlich  als  Ck)nstante  ergeben. 

Das  Gleiche  dürfen  wir  von  V  nicht  behaupten,  sobald 
wir  das  Recht  in  Anspruch  nehmen,  unsere  Gleichungen  auch 
auf  die  Ausbreitung  von  Lichtwellen  anzuwenden.  V  ist 
dann  vielmehr  erfahrungsmässig  eine  Function  der  Schwin- 
gungszahl. 

Wenn  wir  V  gleichwohl  in  dem  üblichen  Sinn  als  „Con- 
stante  des  Mediums^'  bezeichnen,  so  bilden  nach  dem  Obigen 
V  und  T  die  beiden  einzigen  „inneren''  electrischen  Con- 
stanten des  Mediums:  dasselbe  ist,  solange  es  für  sich  allein 
gedacht  wird,  durch  sie  in  electrischer  Hinsicht  vollständig 
definirt.  Alle  übrigen  electrischen  Constanten  —  Dielectri- 
citätsconstante,  Leitungsvermögen,  Magnetisirungsconstante 
u.  s.  w.  ~  kommen  erst  in  Betracht,  sobald  mindestens  ein 
anderes  Medium  —  welches  auch  der  sogenannte  leere  Raum 
sein  kann  —  in  electrische  Beziehung  zu  dem  gegebenen 
tritt;  sie  können  nur  definirt  werden,  indem  man  ein  bestimm- 
tes Medium  als  Vergleichsobject  willkürlich  festsetzt.^) 

Der  BegriiF  der  Relaxationszeit  wird  daher  neben  dem 
der  „kritischen  Geschwindigkeit'^  in  die  Grundlagen  einer 
systematischen  Darstellung  der  Electricitätslehre  aufzuneh- 
men sein. 

Strassburg  i.  E. 


1)  Vorstehende  Sätze  sind  eine  Verallgemeinerung  dessen,  was  Hertz 
—  unter  Voraussetzung  einer  unendlich  grossen  Relaxationszeit  —  bezüg- 
lich der  Fortptianzungsgeschwindigkeit  ausgesprochen  hat.  (Wied.  Ann- 
28.  p.  102.  Ib84). 


F.  Braun.    Deformationssirdme.  63 

y.    lieber  JD^amuUionssMhne; 
ff&n  W^rdinan^  Braun. 

(Ans  den  Siftzungiber.  der  K.  PreiuB.  Aoad.  d.  Wim.  su  Berlin;    phys.- 
ma^L  CL  yom  6.  Juni  1889;    mit  einigen  Aendeningen  mitgetbeilt  vom 

Hm.  Verfc) 

(Dritte  Büttheilimg.) 


In  einer  ersten  Mittheilung  habe  ich  Ströme  beschrieben, 
welche  durch  Verlängerung  und  Verkürzung  von  Nickelspulen 
entstehen,  und  in  einer  zweiten  speciell  die  Frage  untersucht, 
ob  die  Ströme  aus  magnetelectrischer  InductioUi  insbesondere 
aus  Aenderungen  der  circularen  Magnetisirung  erklärbar  seien. 
Nachdem  es  mir  erst  vor  kurzem  möglich  war,  auf  die  Er- 
scheinungen zurückzukommen,  möchte  ich  mir  gestatten,  im 
Folgenden  1.  noch  einige  speciellere  Angaben  zu  machen 
zur  Erläuterung  früher  gegebener  Resultate;  2.  einige  Ver- 
suche anzuführen,  welche  die  früheren  Beobachtungen  erwei- 
tem und  zu  einer  Erklärung  der  Erscheinungen  führen, 
resp.  zeigen,  was  man  aus  den  Beobachtungen  schliessen 
darf. 

1.  Zunächst  sollen  einige  Zahlen  angeführt  werden  zum 
Beweise,  dass  der  Deformationsstrom,  wenn  auch  abhängig 
▼on  der  Stärke  der  permanenten  longitudinalen  Magnetisi- 
rung, doch  mit  derselben  nicht  in  so  engem  Zusammenhang 
steht,  dass  er  derselben  proportional  wäre,  resp.  mit  dem 
Sinn  derselben  sich  umkehrte. 

Nickelspulen  wurden  (zwischen  den  Polen  eines  Electro- 
magnetes)  theilweise  oder  ganz  ummagnetisirt,  ihr  perma- 
nentes magnetisches  Moment  bestimmt  und  der  Deforma- 
tionsstrom, welcher  stets  der  gleichen  Dilatation  entsprach, 
gemessen. 

Die  Spulen  sind,  wie  schon  früher  erwähnt,  selten  sym- 
metrisch magnetisirt;  dies  spricht  sich  in  den  unter  ;,Mo- 
mente'^  angeführten  Zahlen  aus;  die  eine  enthält  die  Ab- 
lenkung, wenn  der  Nordpol,  die  andere,  wenn  der  Südpol 
dem  abgelenkten  Magnete  zugekehrt  war.  Die  einzelnen 
Windungen  gaben  trotz  der  somit  vorhandenen  Folgepunkte 
wesentlich  gleiche  Ströme  bei  Deformation. 


54 


F.  Braun. 


Ni   17. 


Ni   16. 


Ni   18. 


Momente 

Dil-Str. 

+  80-  97 

+  86 

1-  13+     6») 
+     9—  ll'j 

+68 

-  21+  22*) 

+  51 

-  16+  U") 

+48 

—  66+  58 

-47 

+  140—188 

+75 

Momente 


{ 


+56—57 
+  18-14 
+  4-  0*) 
0-  8^ 
—40+86 
+84-78 


DiL-Str.        Momente 


+75 
+  67 

-85 

-42 

+  77 


+  48—  57 

-  69+  78 

-  57+  82 
+  187-125 


DiL-Str. 


+27 
-  9 
-80 
+52 


Die  Zahlen  zeigen,  dass  kein  durchgängiger  Parallelis* 
muB  zwischen  Magnetisirung  und  Deformationsstrom  besteht. 

Auch  in  Spulen  Ton  hartem  Eisendraht  habe  ich,  nach- 
dem es  mir  nun  möglich  war,  dieselben  stark  zu  magneti- 
siren,  Ströme  nachweisen  können,  welche  den  Deformations- 
strömen in  Nickel  zu  entsprechen  scheinen.  Sie  zeigen  aber 
lange  nicht  die  Intensität  der  in  Nickel  auftretenden  und 
auch  nicht  deren  Regelmässigkeit.  Eine  Dilatation,  welche 
einer  Compression  folgt,  verhält  sich  anders,  als  wenn  ihr 
eine  Dilatation  voranging.  Der  Sinn  des  Stromes  ist  also 
nicht,  wie  bei  Nickelspulen,  einfach  durch  die  Art  der  De- 
formation bestimmt,  sondern  hängt  auch  von  der  der  letzten 
Deformation  unmittelbar  vorhergegangenen  ab;   z.  B.  gab'): 


1.  Dilat 

-  5 

8.  Dilat. 

-5 

2.      » 

-  5 

1.  Compr. 

-5 

1.  Compr. 

-20 

1.  DUat 

+  5 

darauf   1.  Dilat. 

+  5 

2.      » 

-5 

2.      „ 

-  5 

3.      )i 

—5  u.  s.  w. 

3.  Zieht  man  eine  Spule  sehr  stark  in  die  Länge,  so 
rollt  sie  sich  gleichzeitig  auf.  Sie  wird  dabei  also  auch 
tordirt.  Ich  habe  früher  schon  des  weiteren  ausgeführt,  dass 
diese  Torsion,  wobei,  wie  G.  Wiedemann  zuerst  an  mag- 
netisirtem  Eisen  und  Stahl  gefunden  hat,  Ströme  entstehen 


1)  Vor  den  Messungen  des  Dilatationsstromes. 

2)  Nach  )»  n  »  » 

3)  Es  ist  dies  nicht  so  au&ufassen,  als  ob  qualitativ  stets  dieses 
Verhalten  auftreten  müsse.  Manche  Spulen  verhielten  sich  qualitativ 
ebenso  regelmässig  wie  Nickelspulen  und  gaben  Ströme,  welche,  bezogen 
auf  die  magnetische  Aze,  entgegengesetzt  den  in  Nickelspulen  erhaltenen 
liefen.  Bei  solchen  wird  sich  die  in  obigem  Beispiel  auch  qualitativ  her- 
austretende Eigenthümlichkeit  nur  in  quantitativer  Beziehung  geltend 
machen. 


DeformatUmsströme.  55 

(welche  ich  später^)  auch  bei  Nickel  beobachten  konnte), 
nicht  die  Erklärung  Ar  die  Ton  mir  als  Deformationsstrom 
bezeichnete  electrische  Bewegung  abgeben  kann.  Ich  habe 
mich  davon  nochmals  in  yerschiedener  Weise  überzeugt.  Eine 
sehr  einfache  Versuchsform  ist  die  folgende:  Einen  (ca.  3  mm) 
dicken  Nickeldraht  klemme  man  horizontal  mit  dem  einen 
Ende  in  einen  Schraubstock;  am  freien  Ende  befestige  man 
senkrecht  zur  Axe  des  Drahtes  einen  leichten  Feilkolben 
und  schalte  den  Draht  in  einen  Multiplicatorkreis.  Weder 
temporäres,  noch  permanentes  Verbiegen  des  Drahtes  in  einer 
Ebene  bringt,  wie  schon  früher  erwähnt,  einen  Strom  her- 
Tor.  Verbiegt  man  ihn  aber  erst  in  einer  Verticalebene 
und  zieht  dann  das  freie  Ende  in  horizontaler  Richtung 
(wie  durch  einen  unendlich  langen  Faden,  der  senkrecht 
zur  Ebene  des  Drahtes  steht),  so  entsteht  ein  Strom.  Man 
kann  so  aus  dem  Draht  das  Stück  einer  Rechts-  oder 
Linksspule  machen  und  die  früher  angegebenen  Resultate 
einfach  prüfen.  Bei  dieser  horizontalen  Verbiegung  wird 
der  Draht  auch  um  seine  eigene  Mittellinie  tordirt  Der 
Sinn  der  Torsion  ergibt  sich  direct  aus  der  Anschauung, 
er  macht  sich  auch  unmittelbar  durch  den  Druck,  welchen 
der  Feilkolben  auf  die  ihn  führende  Hand  ausübt,  bemerk- 
bar. Tordirt  man  nun,  während  das  Ende  des  Drahtes  im 
Räume  ruht,  in  demselben  Sinne  weiter,  so  entsteht  ein 
schwacher  Strom,  welcher  aber  stets  entgegengesetzt  zu  dem 
heim  Biegen  erhaltenen  war. 

Durch  diese  Torsion  tritt  aber  wieder  in  dem  freien 
Theile  des  Drahtes  eine,  wenn  auch  geringe,  Durchbiegung 
ein.  Es  schien  mir  wünschenswerth,  auch  diese  zu  vermeiden. 
Ich  ging  daher  wieder  üuf  die  reciproke  Erscheinung  zurück. 
Einen  über  3  m  langen,  geraden  Nickeldraht  hängte  ich,  mit 
einem  Gewicht  belastet,  vertical  auf  und  Hess  sein  unteres 
Ende  in  Quecksilber  tauchen.  Als  ich  dann  einen  Strom 
Ton  ±5  Amp.  hindurchschickte,  war  mit  Spiegel  und  Scala 
eine  Torsion  von  ±  4  Scalenth.  nachweisbar;  die  Vergrösse- 


\)  Vgl  F.  Brauu,  Wied.  Ann.  37.  p.  110.  Anm.  1881).  Die  Beob- 
acbtongen  über  den  zeitlicben  Einfluss  wurden  bei  späteren  Versuchen 
nicht  bestätigt. 


56  F.  Braun, 

rang  und  Entfernung  des  Femrohres  waren  der  Art  bemes- 
sen,  dass  ^/^^  Scalenth.  noch  mit  voller  Sicherheit  geschätzt 
werden  konnte.  Nun  wurde  der  Draht  zu  einer  Spule  ge- 
wickelt und  der  gleiche  Strom  hindurchgelassen.  Die  Spiegel- 
normale Terschob  sich  jetzt,  weder  in  einer  horizontalen, 
noch  in  einer  yerticalen  Ebene  um  ±0,1  Scalenth.,  d.  h.  nicht 
um  den  80.  Theil  des  vorher  gemessenen  Betrages. 

Versuche  zur  Erklärung  der  Erscheinungen. 

Aus  den  früher  ermittelten  Thatsachen  schloss  ich,  dass 
man  die  Fähigkeit;  Deformationsströme  zu  lieüem,  einstweilen 
als  eine  neue  Eigenschaft  des  Nickels,  wahrscheinlich  mag- 
netisirbarer  Metalle  überhaupt  ansehen  dürfe.  Entscheidend 
für  diese  Auffassung  war  das  charakteristisch  verschiedene 
Verhalten,  welches  Nickeldrähte  einerseits  und  durch  einen 
starken  Strom  circular  magnetisirte  Eisendrähte  andererseits 
bei  Aenderungen  der  Gestalt  und  Temperatur  zeigten.  Indem 
ich  nun  versuchte,  mir  nach  den  bisher  bekannten  Thatsachen 
eine  Vorstellung  über  die  mögliche  Ursache  der  Deformations- 
ströme zu  bilden  und  aus  dieser  Vorstellung  Consequenzen 
zu  ziehen,  deren  Prüfung  dem  Versuche  zugängUch  war, 
zeigten  sich  die  erwarteten  Folgerungen  nicht  erfüllt;  dies 
führte  mich  trotz  der  vielen  G-ründe,  welche  dagegen  spra- 
chen, immer  wieder  auf  die  Frage  zurück,  ob  es  nicht 
doch  möglich  sei,  aus  magnetischer  Induction  die  Ströme 
abzuleiten. 

4.  Es  schien  mir  denkbar,  dass  die  Beobachtungen  erklärt 
werden  könnten,  wenn  man  etwa  ausgeht  von  der  folgenden 
Versuchsanordnung:  Eine  Eisenspule  befinde  sich  in  einem 
magnetischen  Felde,  die  üylinderaxe  der  Spule  parallel  den 
Kraftlinien.  In  dieser  Axe  sei  ein  Kupferdraht  ausgespannt. 
Aendert  man  nun  die  Feldstärke  und  damit  die  Magneti- 
sirung  der  Eisenspule,  so  wird  in  dem  axialen  Draht  ein 
Inductionsstrom  auftreten.  Bezeichnet  man  diese  Aenderung 
der  Magnetisirung  als  einen  magnetischen  Strom  und  berück- 
sichtigt, dass  bewegte  Electricität  auf  Magnetismus  pondero- 
motorisch,  und  umgekehrt  bewegter  Magnetismus  auf  ruhende 
Körper  electromotorisch  wirken  muss,  so  ergibt  sich  die  Rich- 
tung des   entstehenden   Stromes   am   einfachsten.     Es   folgt 


DefarmatUmsströme.  57 

daas  unmittelbar  y  dass  bei  gleichnamiger  Aenderung  der 
Magnetieirang  eine  Bechtespule  und  eine  Linksspule  aue 
Eisen  entgegengesetzte  Wirkungen  hervorbringen  müssen. 
Bin  gerader,  dem  Enpferdraht  paralleler  Eüsendraht,  des- 
gleichen eine  Spirale^),  deren  Ebene  vom  Enpferdraht  senk- 
reeht  durchsetzt  wird,  würden  keinen  Strom  erzeugen. 

Nimmt  man  nun  an,  dass  durch  Form-  oder  Temperatur- 
ändernng  einer  Nickelspule  Aenderungen  ihres  freien  Mag- 
netismus eintreten,  d«  h.  dass  ein  magnetischer  Strom  dieselbe 
dnrchfliesst,  so  liegt  der  weitere  Gedanke  nahe,  dass  dieser 
von  einer  electromotorischen  Kraft  begleitet  sei,  welche 
(ebenso  wie  im  angezogenen  Versuche)  inducirt  wird  in  der 
Richtung  der  Ganghöhe  der  Schraube.  Je  nach  der  Gestalt 
der  letzteren  fällt  aber  eine  verschieden  grosse  Stromcom- 
ponente  in  die  Richtung  des  Drahtes,  und  nur  diese  kann 
am  Galvanometer  beobachtet  werden.  In  der  zur  Spulenaxe 
senkrechten  EUchtung  mag  eine  Kraft  vorhanden  sein  oder 
nicht  —  sie  kann  nicht  in  die  Erscheinung  treten. 

Mit  einer  derartigen  Vorstellung  würden  sich  die  frühe- 
ren Beobachtungen  erklären  lassen,  wenn  man  die  weitere 
Voraussetzung  macht,  dass  der  freie  Magnetismus  einer 
Spirale  sich  in  der  gleichen  Weise  ändert,  mag  dieselbe  nach 
rechts  oder  nach  links  aus  ihrer  Ebene  deformirt  werden. 

Fragt  man  aber,  welcher  Art  die  vorauszusetzenden 
Aenderungen  der  Magnetisirung  sein  müssten,  so  überzeugt 
man  sich  leicht  vom  Folgenden:  Ist  der  Querschnitt  (in  con- 
centrischen  Kreisen)  homogen  in  Bezug  auf  Magnetisirung, 
oder  existirt  in  ihm  wenigstens  ein  Durchmesser,  der  den 
Querschnitt  in  zwei  magnetisch  symmetrische  Hälften  theilt 
(wie  man  bei  einer  Spirale  doch  anzunehmen  hat),  so  müssen 
alle  Inductionswirkungen  der  verlangten  Art,  welche  nach 
irgend  einer  Linie  im  Querschnitt  möglich  sind,  über  einen 
ganzen  Querschnitt  integrirt,  sich  aufheben. 

Damit  fällt  ein  derartiger  Erklärungsversuch  in  sich 
zusammen.  Auch  erhielt  ich  in  Uebereinstimmung  mit  die- 
sem theoretischen  Resultate  bei  Versuchen,   eine   nach   der 

1)  Ich  will  im  Folgenden  immer  streng  unterscheiden  zwischen  Spirale 
and  Spule.  Der  Draht  einer  Spirale  liegt  in  einer  Ebene,  der  einer  Spule 
bildet  eine  Schraubenlinie. 


58  F.  Braun. 

Ebene  eines  Querschnittes  gerichtete  electromotorische  Kraft 
nachzuweisen,  nur  negative  Resultate,  und  zwar  unter  Be- 
dingungen, wo  nach  der  Schätzung  aus  den  sonstigen  Wir- 
kungen ein  positiver  Ausfall  wäre  zu  erwarten  gewesen. 

5.  Als  die  einzige  Möglichkeit  der  Zurückffthrung  auf 
Induction  blieb  also  doch  nur  die  circulare  Magnetisirung, 
welche  ich  auf  Grund  früherer  Versuche  glaubte  zurückweisen 
zu  müssen.  Die  früheren  Schlüsse  beruhten  auf  der  An- 
nahme, dass  circulare  Magnetisirung  sich  in  Eisen  und  Nickel 
wenigstens  qualitativ  gleich  verhalten  würden.  Will  man 
dies  nicht  annehmen,  so  kommt  man  zu  sonderbaren  Folge- 
rungen; z.  B.  1.  Leitet  man  durch  eine  Eisenspule  einen 
Strom  von  4  Amp. /qmm,  so  erhält  man  nachher  bei  den 
ersten  Deformationen  starke  „ Erschütterungsströme '^^);  in 
Nickel  konnte  ich  solche  früher  nicht  nachweisen;  ich  habe 
jetzt  sogar  nach  dem  Durchgang  eines  Stromes  von40  Amp./qmm 
(der  nur  ganz  kurze  Zeit  diese  Intensität  haben  darf,  weil 
der  Draht  sonst  glühend  wird)  kein  dem  des  Eisens  analoges 
Verhalten  beobachtet.  Und  doch  müsste  man  aus  der  That- 
sache,  dass  eine  Nickelspule  sich  durch  einen  Strom,  je  nach 
dessen  Richtung,  verlängert  oder  verkürzt,  auf  eine  temporäre 
Aenderung  der  circularen  Magnetisirung  schliessen.  2.  Es 
ist  bekannt,  wie  ausserordentlich  stark  in  Eisenröhren  die 
circulare  Magnetisirbarkeit  abnimmt,  wenn  irgend  eine  Unter- 
brechung der  Continuität  vorliegt.  Herwig^  hat  in  Röhren^ 
welche  er  eist  als  Ganzes  untersuchte  und  dann,  nachdem 
sie  durch  plötzlich  ins  Gefrieren  gebrachtes  Wasser  der 
Länge  nach  aufgeschlitzt  waren,  eine  Abnahme  der  circularen 
Magnetisirbarkeit  auf  Vao  ^®s  früheren  Werthes  beobachtet» 
Dieselbe  steigerte  sich  auch  nur  unwesentlich,  nachdem  der 
entstandene  Schlitz  mit  Eisenblech  ausgefüllt  war.  Im  Gegen- 
satz dazu  zeigten  mit  Naht  gezogene  Nickelröhren  Wirkun- 

1)  Man  kann  bei  Eisenspulen  leicht  zeigen,  dass  die  Geschwindigkeit 
der  Deformation  für  die  Aenderung  der  Magnetisirung  mindestens  nur 
untergeordnete  Bedeutung  hat;  es  handelt  sich  wesentlich  darum,  dass 
die  Volumelemente  elastische  Deformationen  durchgemacht  haben.  Der 
Name  „Erschütterungsströme'*,  den  ich.  als  eingebürgert,  beibehalten 
habr,  ist  eigentlich  nicht  ganz  bezeichnend. 

2i  Herwig,  Pogg.  Ann.  151.  p.  451.  1875. 


ßrfarmationsstrÖme.  59 

gen,  welche  nicht  etwa  aafiFallend  kleiner  waren  als  die  Ton 
Dr&hten  ungef&hr  gleichen  Gewichtes.  Auch  im  folgenden 
gelegentlich  angestellten  Versuch  spricht  sich  ein  ähnliches 
Verhalten  ans.  Gewisse  Ueberlegungen  veranlassten  mich, 
zu  prüfen,  wie  sich  eine  Nickelspule  verhalten  möchte,  wenn 
man  von  dem  ursprünglich  kreisförmigen  Querschnitt  des 
Drahtes  allmählich  von  der  einen  Seite  aus  mehr  und  mehr 
wegnähme,  sodass  schliesslich  die  eine  Kreishälfte  ganz  weg- 
falle. Dies  gelang  ohne  störenden  mechanischen  Eingriff  gut 
auf  electrolytischem  Wege.  Nach  Analogie  zum  Herwig'- 
sehen  Versuche  wäre  zwar  nicht  gefordert,  aber  doch  wohl 
wahrscheinlich,  dass  die  circulare  Magnetisirung  und  damit 
der  Deformationsstrom  wesentlich  rascher  abnehme  als  der 
Querschnitt  des  Drahtes.  Dies  fand  aber  nicht  statt,  viel- 
mehr war  derselbe  immer  angenähert  proportional  dem  Quer- 
schnitt selber,  auch  nachdem  reichlich  die  Hälfte  des  8  mm 
dicken  Drahtes  entfernt  war. 

Will  man  die  in  Nickel  beobachteten  Ströme  aus  circu- 
larer  Magnetisirung  erklären,  so  wird  man  also  gleichzeitig 
ein  ungewohnt  stabiles  Verhalten  derselben  in  diesem  Metall 
voraussetzen  müssen.^)  Mag  dies  auch  unerwartet  sein,  so 
ist  es  doch  denkbar  und  ein  entscheidender  Versuch  nöthig. 
Einen  solchen  konnte  ich  erst  anstellen,  nachdem  mir  durch 
das  liebenswürdige  Entgegenkommen  der  Schwerter  Werke 
Nickelröhren  zur  Verfügung  gestellt  waren.  Ich  bekam 
solche  von.  etwa  1  mm  Wandstärke,  5  mm  innerem  Durch- 
messer und  1,10  m  Länge.  Sie  waren  nicht  ohne  Naht  ge- 
zogen, sondern  mit  Messing  hartgelöthet,  ein  Umstand,  der 
freilich  für  Erzeugung  circularer  Magnetisirung  nicht  günstig 
schien. 

In  eine  Röhre  wurde  ein  übersponnener,  4  mm  dicker 
Eupferdraht  isolirt  eingeschoben  und  dann  eine  Spule  daraus 
gewickelt.  In  der  Nickelröhre  traten  bei  Deformationen  die 
früher  beschriebenen  Ströme  auf;  genau  in  der  gleichen 
Richtung  und  nahezu  auch  in  der  gleichen  Stärke  entstanden 
aber  auch  solche  im  Eupferdraht.  Dieser  Versuch  scheint 
beweisend  dafür,  dass  die  Deformationsströme  doch  nur  die 

1)  Ich  glaubte  daher,  die  im  vorhergehenden  Paragraphen  besproche- 
nen Gredanken  zu  einer  Erklärung  wenigstens  kurz  berühren  zu  sollen. 


60  F.  Braun. 

Folge  einer  Induction  durch  Aenderung  der  drcularen  Mag- 
netisirung  sind. 

Um  des  Resultates  sicher  zu  sein,  wurde  die  anfangs  als 
Bechtsspule  gewickelte  Röhre  in  eine  Spirale  verwandelt, 
sodass  nach  Belieben  aus  ihr  eine  conische  Rechts-  oder 
Linksspule  gebildet  werden  konnte.  Die  Spirale  zeigte  die 
früher  erwähnten  Ströme;  die  gleichen  entstanden  auch  im 
Kupferdraht. 

In  einem  zweiten  Rohr  wurde  die  ursprüngliche  Magne- 
tisirung  (alle  besassen  am  gezogenen  Ende  einen  Südpol)  noch 
künstlich  verstärkt  und  dann  aus  ihm  eine  Spirale  gebildet; 
in  dem  Inneren  des  Rohres  war  ein  dünner  übersponnener 
Kupferdraht  angebracht;  ein  Neusilberdraht  war  an  denselben 
gelöthet.  Die  beiden  zusammengelötheten  Drähte  waren  in 
einen  Multiplicatorkreis  eingeschaltet.  Je  nach  Belieben 
konnte  in  das  Rohr  der  Kupfer-  oder  der  Neusilberdraht 
gezogen  werden.  Bei  der  gleichen  Deformation  entstanden 
wesentlich  gleiche  Ausschläge  im  Multiplicator,  mochte  der 
eine  oder  der  andere  Draht  sich  im  Rohr  befinden.  Auf 
grosse  Genauigkeit  kann  der  Versuch  zwar  keinen  Anspruch 
erheben;  immerhin  wird  durch  denselben  im  höchsten  Maasse 
unwahrscheinlich,  dass  dem  Material  des  Drahtes,  in  weU 
chem  der  Strom  entsteht,  noch  ein  specifischer  Einfluss  zu- 
komme. 

Die  Drähte  bewegen  sich  bei  diesen  Versuchen  in  einem 
seine  Stärke  ändernden  magnetischen  Felde.  Dadurch  können 
zwar,  wie  ich  schon  in  meiner  früheren  Mittheilung  zeigte, 
die  Ströme  nicht  entstehen.  Der  Sicherheit  halber  habe  ich 
aber  umgekehrt  einen  dicken  Nickeldraht  in  ein  dünnwan- 
diges Messingrohr  eingebettet;  bei  Deformation  entstanden 
im  Nickel  Ströme;  aus  dem  Messingrohr  konnten  keine  ab- 
geleitet werden. 

Sieht  man  nach  diesen  Versuchen  als  bewiesen  an,  dass 
die  Deformationsströme  durch  Aenderungen  der  circularen 
Magnetisirung  hervorgerufen  werden,  so  ergibt  sich  aus  dem 
früher  Mitgetheilten  auch  der  Sinn  der  Aenderung;  z.  B.  in 
einer  Rechtsspule  müssten  bei  Contraction  die  Molecular- 
magnete  mit  ihren  Nordpolen,  gesehen  vom  Nordpol  des 
Drahtes  aus,  eine  Drehung  ausführen  entgegen  dem  Sinn  des 


Deformailoniströme,  61 

Uhrzeigers  (oder  in  markirterer  Form:  nähert  man  die  Ge- 
stalt einer  Spirale  der  einer  Linksspule,  so  ordnen  sich  ur- 
sprünglich der  Drahtaxe  parallele  Molecularmagnete  zu  einer 
Rechtsspule  an  —  und  umgekehrt.  Zusammendrücken  einer 
Bechtsspule  wird  dabei  betrachtet  als  Annähern  an  eine 
Linksspule  etc.). 

6.  Wenn  so  die  Deformationsströme  den  Sinn  festlegen, 
in  dem  sich  die  circulare  Magnetisirung  ändert,  so  handelt 
es  sich  weiter  darum,  zu  prüfen,  ob  mit  den  hieraus  fliessen- 
den Folgerungen  auch  die  anderen  Thatsachen,  nämlich  die 
Erwfirmungsströme,  in  Einklang  zu  bringen  sind.  Man  wird 
auch  diese  aus  Aenderungen  der  Magnetisirung  erklären 
müssen,  geräth  aber  dabei  auf  Schwierigkeiten;  z.  B.  es  war 
beobachtet:  Wickelt  man  eine  Rechtsspule  in  eine  Links- 
spule lun,  so  ändert  sich  gleichzeitig  mit  dem  Sinn  des  Dila- 
tationsstromes auch  der  des  Erwärmungsstromes.  Daraus 
folgt,  dass  in  einem  geraden  Draht  durch  Temperaturände- 
rang  gar  kein  Strom  entstehen  dürfte.  Nun  kann  man  aber 
einen  geraden  Draht  so  herstellen,  dass  er  oöenbar  circulare 
Magnetisirung  besitzen  muss.  Nämlich,  man  mache  aus  einer 
conischen  Rechtsspule  (durch  die  Form  einer  ebenen  Spirale 
hindurch)  eine  conische  Linksspule,  so  entsteht  fortwährend 
Strom  in  der  gleichen  Richtung,  d.  h.  es  ändert  sich  fort- 
während die  circulare  Magnetisirung  in  demselben  Sinn. 
Setzt  man  voraus,  dass  in  dem  Drahte,  wenn  er  eine  lang- 
gestreckte Rechtsspule  bildet,  d.  h.  nahezu  gerade  ist,  keine 
ader  nur  geringe  circulare  Magnetisirung  Yorhanden  sei,  so 
müsste  eine  solche  existiren,  wenn  er  in  eine  langgezogene 
Linksspule  verwandelt  wäre  (und  umgekehrt),  folglich  sollte 
er  dann  auch  Erwärmungsstrom  liefern. 

Oder:  man  nehme  eine  Spirale  und  drücke  sie  in  die 
Gestalt  einer  conischen  Rechtsspule;  erwärmt,  muss  sie  nun 
Strom  liefern,  und  Strom  in  entgegengesetzter  Richtung,  wenn 
man  sie  in  eine  conische  Linksspule  verwandelt  hat  Folg- 
lich darf  sie  als  Spirale  keinen  Strom  geben.  Ich  habe  die- 
sen SchlusSy  dessen  Prüfung  mir  früher,  namentlich  wegen 
der  Störungen  durch  eintretenden  Thermostrom  nicht  genügend 
gelungen  war,  jetzt  an  einer  grösseren  Anzahl  von  Spiralen 
sehr    befriedigend    bestätigen    können.     Es    empfiehlt    sich, 


62  F.  Braun. 

einen  Multiplicator  mit  kurz  schwingender  und  gut  gedämpf- 
ter Magnetnadel  zu  benutzen,  wenn  seine  Empfindlichkeit  auch 
nicht  sehr  gross  ist  (Wiede  mann 'sehe  Bussole  mit  nicht 
astasirter  Nadel). 

Der  Draht  in  Spiralform  muss,  wie  aus  den  Deforma- 
tionsströmen folgt,  circulare  Magnetisirung  besitzen,  und  doch 
liefert  er  durch  Aenderung  der  Temperatur  keinen  Strom. 
Wie  lösen  sich  die  Widersprüche?  Ist  es  denkbar,  dass  die 
ganze  Vorgeschichte  eines  Drahtes  (z.  B.  Drillungen,  welche 
er  erfahren  hat,  und  welche  die  circulare  Magnetisirung  än- 
dern werden)  bekannt  sein  muss,  um  über  seinen  Erwärmungs- 
strom etwas  Sicheres  aussagen  zu  können?  Dagegen  spricht 
die  Regelmässigkeit  der  Erscheinungen. 

Es  schien  nöthig,  vom  jetzt  gewonnenen  Standpunkte  aus 
die  Versuche  nochmals  aufzunehmen.  Ich  habe  daher  eine 
ebene  Spirale,  welche  in  dieser  Form  nur  einen  sehr  schwa- 
chen, als  conische  Spule  aber  einen  starken  Erwärmungs- 
strom gab,  zu  einem  geraden  Draht  ausgezogen;  hätte  er  in 
der  ersten  Gestalt  keine  circulare  Magnetisirung  besessen,  so 
musste  er  nun  gerade  gestreckt  eine  circulare  Componente 
haben.  Aus  dem  geraden  Drahte  wurde  eine  Spule  gewickelt 
und  erwärmt;  sie  hätte  dabei  einen  starken  Strom  geben 
sollen,  sie  gab  aber  einen  schwachen. 

Der  Draht  wurde  nun  wieder  gerade  gereckt,  etwa 
4  X  360^  permanent  um  seine  Axe  tordirt,  zu  einer  Spule 
gewickelt  und  wieder  erwärmt  —  es  zeigte  sich  auch  jetzt 
nur  ein  schwacher  Erwärmungsstrom.  Wieder  ausgereckt, 
um  10  X  360®  entgegen  der  früheren  Richtung  permanent 
tordirt  und  zu  einer  Spule  gewickelt,  gab  er  beim  Erwärmen 
das  gleiche  Resultat.  In  eine  Spirale  verwandelt,  verhielt  er 
sich  ebenso;  als  diese  zu  einer  conischen  Spule  durchgedrückt 
war,   folgte  aber  der  Erwärmungsstrom  wieder  der  RegeL 

Auch  eine  Aenderung  in  der  Windungsweite  der  Spule 
war  ohne  Einfluss.  Solche  negative  Resultate  führten  end- 
lich zu  der  Annahme,  dass  die  Gestalt  allein  gar  nicht  ent- 
scheidend sei  für  den  Erwärmungsstrom,  dass  vielmehr  eine 
Spule,  welche  in  ihrer  permanenten  Gestalt  belassen  wird, 
bei  Temperaturänderung  keinen  oder  nur  einen  schwachen 
Strom  liefere,  und  dass  die  Bedingung  wenigstens  für  Auf- 


Deformatiansströme,  63 

treten  yon  relativ  starken  Erwärmungsströmen  darin  bestehe, 
dass  sie  temporär  deformirt  sei,  sich  also  in  einem  Spannungs- 
zustand  befinde.  Dann  sollte,  wie  aus  anderen  Thatsachen 
za  Bchliessen,  eine  temporär  verlängerte  Spule  Strom  in  einer 
Richtung,  eine  temporär  zusammengedrückte  Strom  in  der 
entgegengesetzten  Bichtung  liefern  können. 

Die  früheren  Beobachtungen,  wonach  der  Erwärmungs- 
strom  stets  dem  Dilatationsstrom  gleichgerichtet  war,  bezogen 
neb  zwar  meist  auf  nicht  absichtlich  gestreckte  Spulen;  es 
konnte  aber  der  Umstand  mit  untergelaufen  sein,  dass  man 
die  dünndrahtigen  Spulen,  ohne  es  zu  wollen,  oder  um  sie 
besser  gegen  Deformation  beim  Eintauchen  zu  schützen,  etwas 
gespannt  hatte.  Nach  der  Art  der  Befestigung  war  dies  mög- 
Ucberweise  auch  da  vorgekommen,  wo  man  glaubte,  sie  in 
natürlicher  Länge  einzutauchen. 

Zur  Prüfung  wurde  eine  Spule  aus  dickerem  Drahte  her- 
gestellt; bei  einer  solchen  ist  wegen  ihrer  grösseren  Feder- 
kraft leichter  zu  beurtheilen,  welches  ihre  permanente  Grestalt 
ist.  Sie  war  11  cm  laug;  möglichst  bei  der  normalen  Länge 
Ton  25^  auf  125^  erwärmt,  gab  sie  einen  schwachen,  dem 
Dilatationsstrom  gleichgerichteten  Strom  von  etwa  — 2  bis 
~  4  Scalenth.;  um  3  cm  verlängert  —  15  Scalenth.;  um  3  cm 
verkürzt  -|-  8  Scalenth. 

Eine  in  ihrer  permanenten  Gestalt  ebene  Spirale  (Nr.  V; 
cfr.p.65),  welche  beim  Erwärmen  nur  schwachen  Strom  lieferte, 
gab  temporär  rechts  conisch  deformirt  einen  starken  Strom.  Als 
man  ihr  diese  conische  Gestalt  als  eine  permanente  aufgezwun- 
gen hatte,  zeigte  sie  bei  Temperaturänderung  in  dieser  Form 
keinen  merklichen  Strom  mehr;  nun  aber  in  eine  temporär 
ebene  verwandelt,  gab  sie  Strom  nach  einer  Richtung,  stär- 
keren, wenn  sie  temporär  zu  einer  Linksspule  gemacht  war; 
entgegengesetzten,  als  sie  temporär  in  eine  Rechtsspule  ge- 
drückt wurde,  welche  spitzer  war,  als  ihre  permanente 
Gestalt 

Den  einfachsten  Ausdruck  für  die  Richtung  der  Erwär- 
mungsströme  wird  man  finden,  wenn  man  sie  wieder  mit  den 
Deformationsströmen  in  Beziehung  setzt.  Für  die  letzteren 
bleibt  die  frühere  Regel  ungeändert;  betreCFs  der  Erwärmungs- 
ströme  aber  muss  man  sagen:  Temperatursteigerung  bringt  den- 


64  F.  Braun. 

selben  Effect  hervor,  wie  diejenige  Deformation,  welche  die 
Spule  ans  ihrer  permanenten  Gestalt  in  die  jeweilige  tempo- 
räre überf&hrt. 

Ob  in  der  permanenten  Gestalt  bei  Temperataränderung 
gar  kein  Strom  auftritt,  oder  ob  derselbe  für  eine  temporäre 
Gestalt  verschwindet,  welche  der  permanenten  nur  nahe  liegt, 
will  ich  unentschieden  lassen. 

Stellt  man  die  Thatsachen  zusammen,  so  überzeugt  man 
sich,  dass  man  die  Erwärmungsströme  nicht  wohl  erklären 
kann  aus  der  Vorstellung,  die  Magnetisirung  überhaupt  (und 
damit  auch  die  circulare  Componente  derselben)  vermindere 
sich  durch  Temperatursteigerung.  Man  wird  vielmehr  sagen 
müssen:  durch  die  Deformation  ändert  sich  die  circulare 
Magnetisirung;  Erwärmen  einer  temporär  deformirten  Spule 
ändert  die  circulare  Magnetisirung  noch  weiter  im  gleichen 
Sinne. 

7.  Mag  man  sich  zur  Erläuterung  der  Thatsachen  nun 
die  Vorstellungen,  wie  eine  solche  Aenderung  der  circularen 
Magnetisirung  zu  Stande  kommen  mag  (etwa  aus  Drehungen 
der  Molecularmagnete),  mehr  oder  weniger  speciell  ausbilden, 
unabhängig  davon  ist  der  Schluss  aus  den  Thatsachen,  dass 
die  gesammte  Electricitätsmenge,  welche  man  aus  einer  Spule 
ableiten  kann  (wenigstens  sofern  dieselbe  durch  ein  ballisti- 
sches Galvanometer  gemessen  wird),  wenn  man  sie  Temperatur- 
und  Gestaltsänderungen  unterwirft,  verschieden  wird  je  nach 
deren  Reihenfolge. 

Es  sei  z.  B.  eine  in  ihrer  permanenten  Gestalt  ebene 
Spirale  gegeben.  Deformirt  man  sie  bei  der  Temperatur  t, 
so  entsteht  ein  gewisser  Stromimpuls  (1);  ein  gleichsinniger 
(2),  wenn  sie  nunmehr  auf  T  erwärmt  wird.  Erwärmt  man 
sie  aber  erst  auf  T,  so  entsteht  kein  oder  ein  schwacher 
Strom;  wird  sie  nachher  bei  T  deformirt,  so  entsteht  jeden* 
falls  ein  schwächerer  Strom  (3),  als  bei  der  Temperatur  t 
Durch  fortwährend  sich  folgende  Kreisprocesse  könnte  man 
also  eine  resultirende  Strömung  in  einer  Richtung  erhalten. 

Es  schien  mir  von  Interesse,  diesen  Schluss  zu  prüfen. 
Eine  Spirale  gab  z.  B.  (/=  25^;   T«  125«): 


DefarmationiMtröme*  65 

Strommeiige    (1)     »  +  12  Strommenge    (3)     ■  +  10 

I»  (SQ     »  + 16  Di£Eerens    -  + 18 

Smnme    >■  +  28 

In  anderen  FftUen  habe  ich  die  Spirale  wirklich  den 
Kreisprocess  durchlaufen  lassen;  es  w&re  möglich,  ja  es 
aehien  sogar  wahrscheinlich,  dass  eine  erste  Abkühlung  in 
der  jetit  wieder  erlangten  permanenten  Oestalt  noch  eine 
Electricit&tsmenge  frei  mache,  welche  bei  einer  zweiten,  drit- 
ten n.  8.  w.  Abkühlung  nicht  mehr  entsteht  Dies  fand  aber 
nicht  statt;  z.  6.: 


Spirml«  Y 

SpintolY 

Defonnirt  bei  ^     ... 

.     +14 

+  11 

firwinnt  von  ^  bis  T     . 

.     +17 

+    7 

Zorückdefonnirt  bei  T  . 

.   -11 

-  10 

Abgekahlt  anf  ^    .    .    . 

0 

+    1 

Summe 

a  4.20 

+    9 

Auch  wenn  man  t  und  T  vertauscht,  ergeben  sich  gleiche 
Besultate;  z.  B.: 

Spinü«  V 

Defbrmirt  bei   T     .    .  .  +  18 

Abgekühlt  von  T  auf  ^  .  -  80 

Zurfickdeformirt  bei  ^  .  -  22 

Erwftrmt  auf  2*    .    .    .  .  -    2 

Summe     =  —  36 

E^leine  Ausschläge  bleiben  oft  bei  der  letzten  Tem- 
peratoränderung,  weil  man  nicht  immer  genau  die  Anfangs- 
gestalt wieder  trifft.  Diese  wiederholen  sich  aber  dann  auch 
bei  einem  zweiten  und  dritten  Erwärmen  der  nicht  weiter 
deformirten  Spirale. 

Die  Spiralen  bestanden  aus  etwa  2  m  Draht  von  2  mm 
Stärke;  /  lag  zwischen  25  und  40 ^  T  zwischen  120  und  140^. 

Der  Versuch  konnte  oft  hintereinander  mit  dem  gleichen 
Ergebniss  wiederholt  werden. 

Dass  der  Ausfall  desselben  nicht  durch  zufällig  getrof- 
fene Temperaturen  bedingt  ist,  geht  zur  Genüge  daraus  her- 
Tor,  dass  eine  Spule,  welche  in  einem  Metallrohr  bis  zu 
etwa  200^  allmählich  erhitzt  wurde,  dabei  eine  stetige  Ab- 
nahme der  Stromintensität  für  die  gleiche  Deformation 
zeigte.  Bei  210^  war  der  Strom  nahezu  die  Hälfte  des  bei 
20^  erhaltenen. 

8.  Mit  dem  Unterschied  zwischen  temporär  und  per- 
manent   deformirtem    Nickel    scheinen    in    einem    gewissen 

Abu.  d.  Pbyi.  n.  Chma.  N.  F.  XXXYIII.  5 


66  F.  Braun. 

Parallelismus  endlich  die  Widerstandsänderungen  za  stehen, 
welche  Nickel  bei  Deformation  zeigt.  Ich  habe  früher  an- 
gegeben, dass  durch  Dilatation  der  Widerstand  einer  Spule 
sich  um  ungefähr  0,3  Proc.  erhöhe.  Als  ich  diese  Beobach- 
tungen wieder  aufnahm  und  etwas  ausf&hrlicher  verfolgtei 
fand  ich,  dass  weder  sehr  hart  gezogene,  noch  auch  sehr 
stark  magnetisirte  Drähte  besonders  grosse  Aenderungen 
zeigten.  Weitere  Versuche  belehrten  mich,  dass  die  Wider- 
standsänderung gerade  bei  weichen  Drähten  am  erheblich- 
sten ist.  Die  Spulen  können  dabei  aber  doch  noch  hinrei- 
chende Federkraft  besitzen,  um  nach  Ausziehen  um  etwa 
die  Hälfte  ihrer  Länge  wieder  merklich  in  ihre  ursprüng- 
liche G-estalt  zurückzukehren,  und  starke  Deformationsströme 
dabei  liefern.  Solche  Spulen  gaben  bei  jeder  temporären 
Deformation  aus  der  permanenten  Gestalt  (Ausdehnen,  Zu- 
sammendrücken, Zusammenrollen,  Auseinanderrollen)  Zu- 
nahme des  Widerstandes.  Die  permanente  Gestalt  wäre 
also  diejenige,  bei  welcher  der  Widerstand  ein  Minimum  ist 
—  Führt  man  die  Spule  in  eine  neue  permanente  Gestalt 
über,  so  hat  der  Widerstand  in  ihr  wieder  ein  relatives 
Minimum.  Ich  habe  aber  nicht  verfolgt,  wie  sich  der  Wider* 
stand  beim  Uebergang  aus  einer  permanenten  Gestalt  in 
eine  andere  permanente  ändert.  Die  Grösse  der  temporären 
Zunahme  zeigte  sich  in  Uebereinstimmung  mit  den  früher 
gefundenen  Werthen. 

9.  Wenn  man  nach  den  im  Vorstehenden  mitgetheilten 
Thatsachen  kaum  noch  bezweifeln  kann,  dass  die  beschrie- 
benen Erscheinungen  bedingt  sind  durch  circulare  Magne- 
tisirung,  so  nöthigen  dieselben  andererseits  doch  zur  Annahme 
einer  so  unerwartet  eigenartigen  Stabilität  derselben  im  Nickel 
und  führen  zu  einem  so  auffallenden  Unterschied  im  Ver- 
halten dieses  Metalles  gegenüber  dem  des  Eisens,  dass  man, 
ohne  im  Besitz  des  entscheidenden  Versuches  zu  sein,  eher 
denken  musste,  man  habe  eine  wesentlich  neue  Eigenschaft 
vor  sich  als  ein  so  verschiedenes  Verhalten  zweier  sich  sonst 
so  nahe  stehender  Stoffe. 


Ich  füge  dem  Vorigen  noch  wenige  Worte  hinzu.     Der 
Gedanke,  die  Erscheinungen  durch  Torsionsströme  zu  erklä- 


Deformationsttröme.  67 

reiiy  liegt  nahe.    In  der  That  glaubt  Hr.  Zehnder^),  dass 
man  sie  auf  die  beim  Aasziehen  einer  Spule  entstehende 
Tomon  dee  Drahtes  um  seine  Mittellinie  zuriickfiihren  könne. 
Mqh  entstehen  die  Ströme  aber  auch,  wenn  man  die  Spule 
eo  auszieht  y  dass  eine  Torsion  der  Enden  unmöglich  wird. 
£ine  Torsion  des  Drahtes  könnte  also  nur  in  der  Weise  ein- 
treteni    dass   dieselbe  vom    einen  Ende  bis  zur  Mitte  des 
Drahtes  hin  zunimmt  und  you  da  bis  zum  anderen  Ende 
wieder  abnimmt  Dadurch  müssten  aber  in  beiden  Spulenhälf- 
ten entgegengesetzt  gerichtete  Ströme  entstehen,  wenn  die  Rich- 
tung der  letzteren  überhaupt  mit  einer  bestimmten  Rich- 
tung (mag  dieselbe  eine  magnetische,  mechanische  oder  sonst 
wie  sein)  in  der  Drahtaxe  einsinnig  verbunden  ist.  So  lassen 
sich   die  Erscheinungen  also  nicht  erklären.     Man  könnte 
aber  denken,  dass  es  nicht  auf  die  Verschiebung,  sondern  auf 
die  elastische  Kraft  ankomme,  mit  anderen  Worten,  dass  es 
genügOi  weim  im  Drahte  nur  das  Bestreben  zur  Torsion  vor- 
handen wäre.  Um  dies  zu  prüfen,  habe  ich  die  in  der  zwei- 
ten und  dritten  Mittheilung  angegebenen  Versuche  angestellt, 
welche  zeigen,  dass  auch  eine  derartige  in  Betracht  kommende 
Wirkung  nicht  exisirt  Das  sind  die  Gründe,  aus  denen  die 
Torsionsströme   für   mich   ohne  Belang   waren.    Sie   hätten 
mich  höchstens  zu  Analogieschlüssen  führen  können.  —  Wenn 
nun  durch  die  vorstehende  Arbeit  nachgewiesen  ist,  dass  die 
Deformationsströme  doch  auf  die  gleiche  Ursache  zurückkom- 
men, wie  die  Torsionsströme,  so  war  der  Beweis  dafür,  soweit 
ich  sehe,  nur  auf  dem  angegebenen  Wege*)  zu  führen. 

Ist  somit  Torsion  in  dem  gewöhnlichen  Sinne  als  die 
Ursache  der  Ströme  ausgeschlossen,  so  lässt  sich  anderer- 
seits nicht  verkennen,  dass  die  elastischen  Aenderungen  in 
einer  Spirale,  welche  man  auszieht,  mit  den  die  Torsion  eines 
geraden  Drahtes  begleitenden  eins  gemeinschaftlich  haben, 
dass  sie  nämlich  nur  mit  geringen  Volumänderungen    ver- 


1)  Zehnder,  Sitsungsber.  d.  WOrzb.  med.  Gks.  Juni  1889.  s.  die 
folgende  Abhandlung. 

2)  Die  Richtigkeit  der  von  G.  Wiedemann  für  die  Torsionsströme 
gegebenen  £rkläning  folgt  aus  einem  analogen  Versuche  mit  einem 
geraden  Nickelrohr,  welches  man  tordirt,  und  in  welchem  sich  ein 
coazialer  isolirter  Kupferdraht  befindet. 


K« 


68  F.  Braun. 

banden  sind.  Wirken  die  elastischen  Venchiebiingen  bei 
einem  geraden  Drahte  sowohl  als  bei  einer  Spole  in  der 
gleichen  Weise,  so  müsste  man  —  woran  ich  nicht  zweifle  — 
anch  weitere  Analogien  der  Torsions-  nnd  DeformationsstrOme^ 
besonders  bei  Eisen,  eine  Abhängigkeit  von  der  St&rke  der 
Magnetisirung  erhalten.  —  Je  nach  deren  Ghrösse  mag  aneh 
das  §  2  erwähnte  Verhalten  qualitativ  oder  nor  quantitativ  her- 
vortreten. Dass  die  Deformationen  von  der  bezeichneten  Art 
sind,  lehrt  der  folgende  Versuch:  Wenn  man  eine  MessingrOhre 
zu  einer  Spule  rollt,  an  sie  ein  engeres  Qlasrohr  ankittet  und  die 
Bohre  mit  Wasser  füllt,  so  erkennt  man,  dass  beim  Zusam- 
mendrücken der  Spule  eine  sehr  geringe  Verkleinerung  des 
Hohlraumes  eintritt.  Aufrollen  bewirkt  dagegen  eine  sehr 
beträchtliche  Volumzunahme  (Fallen  der  Kuppe),  Zusammen- 
rollen eine  starke  Volumabnahme. 

Was  die  Richtung  der  Deformationsströme  betrifft,  so 
glaubt  Hr.  Zehnder,  sie  sei  lediglich  durch  die  Richtung 
der  Magnetisirung  bestimmt.  Einer  Regel  in  dieser  unbe- 
schränkten Form  kann  ich  nach  meinen  Erfahrungen  nicht 
beistimmen.  Sie  gilt,  wie  ich  angegeben  habe,  unzweifelhaft 
für  die  Grenzf&Ue,  d.  h.  wenn  eine  gewisse  Magnetisirung 
überschritten  ist;  bei  schwachen  Magnetisirungen  lässt  sich 
aber  der  Effect  häufig  nicht  nach  derselben  bestimmen. 


VI.    Veber  Deformatiansströnief  von  L.  Zehnder. 

(Aus  den  Sitzungsber.  der  Würzburger  ph7s.-med.  Ges.;  mitgetheilt 

vom  Hm.  Verf.) 


Hr.  G.  Wiedemann  berichtet  in  seiner  Lehre  von  der 
Electricität^)  über  die  von  ihm  beobachtete  Erscheinung,  dass 
ein  Magnet  sich  tordirt,  wenn  ein  electrischer  Strom  in  der 
Richtung  seiner  Axe  durch  denselben  geleitet  wird.  Aehn- 
liehe  Versuche  wurden  von  den  Herren  Villari^  und  Gore*) 
ausgeführt.  Hr.  Knott*)  fand,  dass  diese  Torsion  bei  Nickel- 

13  G.  Wiedemann,  Electr.  3.  p.  689.  1883. 

2)  Villari,   Nuov.  Cim.  27.;   Pogg.  Ann.  137.  p.  569.  1869. 

3)  Gore,  Proc.  Roy.  Soc.  22.  p.  57.  1874. 

4)  Knott,  Proc.  Roy.  Soc.  Edinb.  1882-1888.  p.  225. 


Deformationutrdme.  69 

drahten  grösser  und  entgegengesetzt  sei  als  bei  Eisen.  Viel 
froher  wurde  die  umgekehrte  Erscheinung  von  Hm.  Mat- 
tencci^)  entdeckt,  welcher  magnetisirte  Eisen-  und  Stahl- 
stftbe  tordirte  und  dadurch  in  den  Stäben  selbst  electrische 
StrBme  erhielt  Hr.  Ewing^  wiederholte  und  erweiterte 
diese  Versuche  mit  weichen  Eisendrilhten.  In  jüngster  Zeit 
erschienen  zwei  Arbeiten  von  Hrn.  Braun *)  über  Ströme, 
welche  er  beim  Ausziehen  und  Zusammendrücken  von  Nickel- 
nnd  Eisenspulen  in  denselben  beobachtet  hat,  und  welchen 
er  den  Namen  „Deformationsströme^  beilegt 

Wiewohl  Hr.  Braun  bei  der  Torsion  von  Nickeldrähten 
anfiLnglich  keine,  dann  später  schwache  Ströme  bekam,  von 
denen  er  bemerkt,  dass  dieselben  für  die  Deutung  der  von 
ihm  beschriebenen  Erscheinungen  ohne  Belang  seien,  hielt 
ich  namentlich  mit  Bücksicht  auf  die  oben  erwähnten  Kno ti- 
schen Versuche  eine  Untersuchung  des  electrischen  Verhal- 
tens von  magnetisirten  Nickeldrähten,  die  einer  Torsion 
unterworfen  werden,  nicht  für  aussichtslos.  Die  Ergebnisse 
dieser  Untersuchung  gestatte  ich  mir  in  kurzen  Zügen  mit- 
zutheilen. 

Aus  vielen,  unter  häufig  geänderten  Bedingungen  ange- 
stellten Versuchen  ergab  sich  folgendes  Resultat: 

Ertheilt  man  in  irgend  einer  Weise  einem  gestreckten  Nickel* 
drahte  eine  normale  schwache  oder  kräftige  permanente  Magneti' 
sbrung  und  tordirt  den  in  der  Ost- Westrichtung  horizontal  aus- 
gespannten  Drahty  sodass  die  Parallelen  der  Drahtaxe  in  Rechts- 
Schraubenlinien  übergehen  ^  so  erhält  man  in  dem  Draht  einen 
electrischen  Strom  in  der  Richtung  vom  Südpol  zum  Nordpol; 
und  umgekehrt  bei  Detorsion,  resp,  entgegengesetzter  Torsion, 
Weiche  und  durch  Ziehen  im  Ziebeisen  gehärtete  Drähte 
verhalten  sich  in  Bezug  auf  die  Stromrichtung  gleich,  da- 
gegen sind  die  Stromstärken,  den  verschiedenen  magnetischen 
Momenten  entsprechend,  verschieden.  Auch  nimmt  bei  wei- 
chen  Drähten    nach   wiederholter   Torsion   die   Stromstärke 


1)  Matteucci,  Ann.  de  chim.  et  de  phjs.  (3)  58.  p.  885.  1858. 

2)  Ewing,  Proc.  Roy.  8oc.  36.  p.  117.  1884. 

3)  Braan,  Wied.  Ann.  37.  p.  97.  1889.    Dieselben  wurden  vor  etwa 
einem  Jahre  der  k.  Academie  der  Wissensch.  in  Berlin  vorgelegt. 


70  L.  SSehnder. 

und  gleichzeitig  das  magnetische  Moment  rascher  ab,  als  bei 
harten  Drähten. 

Wickelt  man  einen  solchen  der  Länge  nach  magneti- 
sirten  Nickeldraht  zu  einer  Spule  und  sorgt  daf&r,  dass  bei 
dieser  Deformation  die  Längsmagnetisirung  möglichst  wenig 
geändert  wird,  so  erhält  man  durch  Ausziehen  und  Compri- 
miren  derselben  die  von  Hm.  Braun  beschriebenen  StrOme. 
Da  nun  beim  Dehnen  oder  Oomprimiren  einer  Spule  in  der 
Bichtung  ihrer  Axe  der  Draht  eine  Torsion  um  seine  Mittel- 
linie erleidet,  so  liegt  die  Vermuthung  nahe,  dass  die  von' 
mir  gefundenen  Torsionsströme  und  die  Braun'schen  De- 
formationsströme eine  und  dieselbe  Ursache  haben.  Vielleicht 
sind  die  letzteren  sogar  identisch  mit  den  TorsionsstrOmen» 
Wenn  man  wenigstens  die  Richtung  der  Deformations-  und 
Torsionsströme  miteinander  vergleicht,  so  überzeugt  man 
sich  leicht,  dass  die  Deformationsströme  sehr  wohl  Torsions- 
ströme sein  können.  Auch  ihre  Stärke  ist  —  soweit  die 
vorläufigen  Beobachtungen  einen  Schluss  gestatten  —  nicht 
so  verschieden,  dass  man  in  dieser  Verschiedenheit  einen 
Grund  gegen  die  obige  Anschauung  erblicken  könnte. 

Es  kommt  noch  hinzu,  dass  ich  bis  jetzt  nicht  die  lieber» 
Zeugung  habe  gewinnen  können,  dass  das  öftere  Ziehen  eines 
Nickeldrahtes  durch  ein  Zieheisen  die  nothwendige  Vor- 
bedingung sei,  um  eine  wirksame  Spule  herzustellen,  wie 
Hr.  Braun  namentlich  in  seiner  ersten  Mittheilung  anzu- 
nehmen scheint.  Die  Richtung,  in  welcher  der  Draht  durch 
das  Eisen  geht,  halte  ich  für  gleichgültig,  dagegen  für  maass- 
gebend  die  Lage  der  Pole,  welche  der  Draht  beim  Durch- 
gange durch  das  stets  magnetische  Eisen  erhält.  Als  Beleg 
für  diese  Ansicht  führe  ich  folgende  Versuche  an: 

Das  von  mir  benutzte  zwischen  Holzbacken  eingespannte 
Zieheisen  wurde  unter  dem  Einflüsse  der  Erde  magnetisch» 
Nachdem  durch  dasselbe  ein  Draht  zu  wiederholten  malen  ge- 
zogen war,  lag  am  oberen  Ende  desselben  stets  ein  Südpol,  am 
unteren  stets  ein  Nordpol;  durch  Umdrehen  des  Eisens  konn- 
ten die  Pole  im  Eisen  gewechselt  werden.  Ich  zog  nun  mit 
Messingklemmen  angefasste  Drähte  durch  die  oberen  Löcher, 
kehrte  dann  das  Eisen  um  und  zog  durch  dieselben  jetzt 
unten  gelegenen  Löcher  andere  Drähte;  bei  den  ersteren  fiel,. 


DeformatiofUitröme.  71 

wie  bei  Hm.  Braun,  Sfldpol  und  Zagende  zusammen,  bei 
den  letzteren  dagegen  lag  der  Südpol  am  zuletzt  durdi 
das  läsen  gegangenen  Drahtende.  Diese  Dr&hte  wurdän 
ohne  weitere  Magnetisimng  auf  Torsionsströme  untersucht 
und  dann  zu  Spulen  gewickelt  Dabei  ergab  sich,  dass  die 
aus  den  ersten  Drähten  gewickelten  Spulen  Deformations- 
strOme  in  der  von  Hm.  Braun  angegebenen  Richtung  er- 
zeugten, dass  dagegen  aus  den  zweiten  Drähten  gewickelte 
Bechtsspulen  beim  Ausziehen  Deformationsströme  ergaben, 
die  nicht  mehr  gegen  die  Zugrichtung  flössen,  wie  es  nach 
der  Braun*schen  Regel  hätte  sein  müssen,  sondern  umge- 
kehrt. Auch  war  es  leicht  möglich,  gezogene  Drähte  umzu- 
magnetisiren  und  damit  die  Richtung  der  Ströme  umzukehren. 
Nach  meinen  Versuchen  hängt  somit  die  Stromrichtung  nicht 
Ton  der  Zugrichtung,  sondern  lediglich  von  der  Lage  der 
auftretenden  Magnetpole  ab. 

Phys.  Inst  der  Univ.  Wtirzburg,  19.  Juni  1889. 


VII.     Veber  das  Verhalten  des  LichUithers 

hei  den  Bewegungen  der  Erde; 

van  Th»  Des  Coudres. 

(Hierin  Taf.  1   Flg.  6.) 


Genau  in  der  Mitte  zwischen  zwei  ganz  gleichen  und 
mit  einem  Galvanometer  zu  einem  Stromkreise  verbundenen 
Inductionsrollen  B  und  C  von  entgegengesetzter  Wickelung 
befinde  sich  eine  primäre  Spirale  A,  Solange  das  System 
ruht,  werden  sich  die  durch  Umkehrungen  des  primären 
Stromes  A  in  B  und  C  geweckten  electromotorischen  Kräfte 
in  ihrer  Wirkung  auf  die  Nadel  des  Galvanometers  aufheben. 
Wir  denken  nun  die  drei  Drahtkreise  etwa  infolge  des  Fort- 
rückens der  Erde  im  Welträume  mit  der  Geschwindigkeit  v 
in  der  Richtung  von  B  nach  C  bewegt  und  setzen  dabei  das 
umgebende  Medium  als  absolut  ruhend  voraus.  Beträgt  dann 
die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  electrodynamischer  Induc- 
tionswirkungen  in  diesem  Medium   F,  so  wird  die  Wirkung 


72  Th.  DeM  Omdres. 

(bei  kleinen  Dimensionen  der  Bollen  gegen  die  Abstftnde  wenig- 
stens und  in  erster  Ann&hemng)  derselbe  sein,  als  ob  die  Bolle 
BumvIV  des  wahren  Abstandes  nfther  an  die  Mittelrolle  her« 
angerückt  w&re,  C  sich  um  ebensoviel  von  ihr  entfernt  h&tte. 
Lassen  wir  durch  Drehung  des  Systems  um  180^  die  Be- 
wegung in  der  Bichtung  von  C  nach  B  erfolgeui  so  würden 
im  Qegentheil  die  in  C  inducirten  Ströme  die  Oberhand 
erhalten  gegenüber  den  entgegengerichteten  Inductionsströ- 
meuy  welche  von  B  ausgehen. 

Der  Versuch  y  die  astronomischen  Bewegungen  der  Erde 
in  der  angegebenen  Weise  mit  einer  Inductionswage  that- 
sächlich  bemerkbar  zu  machen,  sollte  für  den  Fall  eines 
positiven  Ergebnisses  die  schon  oft  ^)  experimentell  und  theo- 
retisch in  Angriff  genommene  Frage  entscheiden  |  inwieweit 
der  sogenannte  Licbt&ther  an  den  Bewegungen  der  ponde- 
rabelen  Massen  des  Erdkörpers  Antheil  nimmt.  Einige  mit 
allerdings  unpassend  gewählten  Mitteln  (Telephon,  Disjunctor) 
angestellte  Vorversnche  machten  jedoch  ein  negatives  Besul- 
tat  sehr  wahrscheinlich,  und  eine  weitere  Verfolgung  des  Gegen- 
standes wurde  schon  fast  aufgegeben,  als  die  Abhandlung  des 
Hm.  Hertz*)  über  die  Ausbreitungsgeschwindigkeit  der  eleo- 
trodynamischen  Wirkungen  erschien.  War  die  bei  unserem  Ex- 
perimente gemachte  Grundvoraussetzung,  dass  sich  electro- 
dynamische  Induction  mit  einer  von  der  Lichtgeschwindigkeit 
nicht  sehr  verschiedenen  Geschwindigkeit  fortpflanze,  bislang 
eine  unbewiesene  Hypothese  gewesen,  so  erhoben  die  Hertz'« 
sehen  Experimente  dieselbe  zur  Thatsache.  Dadurch  gewann 
auch  ein  negativer  Ausfall  unseres  Versuchs  einiges  Interesse, 
und  ein  möglichst  exacter  Nachweis,  bis  zu  welcher  unteren 
Grenze  unbedingt  keine  Wirkung  eintritt,  erschien  wün- 
schenswerth. 

Bei  der  praktischen  Ausführung  der  angegebenen  Ver- 
suchsidee  empfahl   es    sich   zunächst,   den   primären    Strom 

1)  ZuBammenfassendeUebersichten  geben  besonders Retteler,A8troiL 
Undulationstheorie,  Bonn  1878;  Mascart,  Ann.  de  Töcole  norm.  (2)  !• 
p.  157.  8.  p.363.  1871—1874;  A.Lorentz,  Arcb.N^erl.  21.  p.  103.  1887. 

Die  jüngste  Arbeit  über  unseren  Gegenstand  ist  von  Micbelson 
und  Morlej,  Sill.  Joum.  34.  p.  333.  1887.  Hingewiesen  sei  noch  auf 
Maxweli's  Artikel  „Ether"  in  der  EncycL  Britt. 

2)  Hertz,  Wied.  Ann.  34.  p.  551.  1888. 


VerkaUen  des  Liehiaihen  bei  den  Bewegungen  der  Erde.     73 

durch  die  Seitenspiralen  B  und  C  gehen  zu  lassen  und  die 
mittlere  Spirale  A  als  secund&re  Spirale  mit  dem  Galvano* 
meter  zu  einem  Stromkreise  zu  schliessen.  Es  brauchte  in 
dieeem  Falle  das  Galvanometer  nicht  so  weit  entfernt  zu 
werden,  um  dem  directen  Einflüsse  des  prim&ren  Stromes 
entzc^^en  zu  sein.  Auch  der  Bereich,  in  welchem  etwaige 
Saenmaesen  einen  störenden  Einfluss  auf  das  magnetische 
Feld  in  der  N&he  der  secundären  Kreise  ausübten,  wurde 
dadurch  wesentlich  verkleinert  Die  Yersuchsanordnung  ist 
ans  der  schematischen  Zeichnung  Tai  I  Fig.  6  ersichtlich. 
Die  linke  Seite  ist  als  verticaler  Schnitt,  die  rechte  als 
GmndriBS  zu  verstehen. 

Sowohl  die  prim&ren  Hauptrollen  B  und  C  als  die  secun- 
dire  Bolle  Ä  sind  runde  Scheiben  von  40,5  cm  Durchmesser  und 
3^  cm  Dicke  aus  altem  Eichenholze.  Der  Canal  fCLr  die  Draht- 
windungen ist  2,3  cm  breit  und  so  tief,  dass  der  Radius  der  un- 
tersten  Drahtlage  14,5  cm,  derjenige  der  äussersten  19,5  cm  be- 
trägt. A  ist  mit  900  Windungen  0,75mm  starken  seideumsponne- 
nen Kupferdrahtes  bewickelt  Die  primären  Spulen  tragen 
je  140  Umgänge  von  2  mm  dickem,  gut  isolirtem  Drahte, 
um  eine  möglichst  unveränderliche  relative  Lage  der  drei 
Sollen  zu  sichern,  waren  durchbohrte  Holzklötzchen  zwischen 
den  Bollen  eingeschaltet^  welche  dieselben  in  den  gewünsch- 
ten Abständen  hielten.  Die  Rollen  und  die  dazwischen  be- 
findlichen Klötzchen  wurden  sodann  aneinander  gepresst 
mittelst  hölzerner  Muttern,  die  auf  drei  durch  die  Rollen 
und  die  Holzklötzchen  durchgeführte  Holzstäbe  aufzuschrau- 
ben waren,  in  der  Weise,  wie  es  die  Figur  zeigt.  Bei  den 
definitiven  Messungen  betrug  der  Abstand  der  Scheiben- 
mitten 15,9  cm.  Ein  genaueres  Ausgleichen  der  Inductions- 
wirkungen  der  Seitenrollen  auf  die  Mittelrolle  konnte  natür- 
lich so  nicht  erzielt  werden.  Es  befand  sich  vielmehr  zunächst 
im  primären  Stromkreise  noch  die  Hülfsrolle  E  von  30  Win- 
dungen 2  mm  starken  Drahtes.  Derselbe  war  in  1  cm  breiten 
Lagen  von  6,2  cm  mittlerem  Radius  aufgewunden.  Auch  die 
HülfsroUe  ist  mit  den  grossen  Scheiben  verscbraubt,  und 
durch  zwischenschiebbare  dünne  Foumirbrettscheibchen  f 
konnte  ihr  Abstand  von  der  Rolle  C  millimeterweise  geän- 
dert werden.    Hierdurch  Hessen  sich  die  von  beiden  Seiten 


74  Th.  Des  Coudres. 

auf  die  Scheibe  A  ausgeübten  Inductionskr&fte  auf  wenig- 
stens 1:8000  ihres  Einzelbetrages  gleich  machen.  Die  wei- 
tere  Ausgleichung  geschah  mit  der  CompensationsroUe  D. 
Von  denselben  Dimensionen  wie  die  Rolle  Ej  aber  mit 
400  Windungen  0J5  mm  dicken  Drahtes  bewickelt,  war 
sie  mit  einer  Schraubenmutter  direct  an  die  Scheibe  B 
angepressi  Durch  diese  Bolle  E  wird  nur  ein  zu  beiden 
Seiten  des  Widerstandes  W  abgezweigter  kleiner  Theil  des 
Hauptstromes  geleitet.  Die  Stärke  des  Stromzweiges  kann 
mittelst  eines  in  seine  Bahn  eingeschalteten  Stöpselrheosta- 
ten  auf  das  genaueste  so  abgeglichen  werden,  dass  sich  bei 
Commutation  des  primären  Gesammtstromes  die  electromo- 
torischen  Kräfte  der  Induction  in  A  aufheben.  Der  Wider- 
stand W  betrug  0,2055  und  war  aus  zwölf  parallel  geschal- 
teten nackten  Neusilberdrähten  von  je  0,91  cm  Länge  her^ 
gestellt.  Sie  sollten  möglichst  wenig  durch  den  Strom  erwärmt 
werden.  Ausserdem  war  es  zum  Erzielen  einer  Strom- 
theilung  in  constantem  Verhältniss  geboten,  den  Strom  schon 
längere  Zeit  vor  einer  Versuchsreihe  circuliren  zu  lassen 
und  ihn  während  der  Messungen  nicht  dauernd  zu  unter- 
brechen, sondern  nur  rasch  zu  commutiren. 

Es  galt  weiter,  ein  leichtes,  möglichst  erschütterungs- 
freies Drehen  der  Inductionswage  um  eine  verticale  Axe  zu 
ermöglichen.  Das  ganze  System  ruhte  zu  dem  Ende  auf  einem 
sehr  starken  Grundbrett.  Von  diesem  gingen  Stricke  in 
die  Höhe,  welche,  erst  durch  einen  rechteckigen  Rahmen  ge- 
führt, sich  dann  zu  einem  Stricke  vereinigten.  Mittelst 
dieses  Strickes  konnte  der  ganze  ßollenapparat  durch  ein* 
faches  Verstellen  eines  hölzernen  Hebels  gehoben  und  schwe- 
bend erhalten,  und  ebenso  einfach  nach  erfolgter  Drehung 
wieder  zu  festem  Stande  auf  seine  Filzunterlage  nieder- 
gelassen werden. 

Zur  Messung  der  Inductionsströme  diente  ein  Thom- 
son'sches  Zweinadelgalvanometer  von  Carpentier  mit  vier 
Rollen  von  5  Ohm  Widerstand.  Es  wurde  die  Multipli- 
ciitionsmethode  angewandt.  Durch  Entfernung  des  dämpfen- 
den Glimmerblättchens  Hess  sich  die  ballistische  Empfind- 
lichkeit bei  1  Secunde  Schwingungsdauer  für  Stromstösse  von 
0,0225  Mikrocoulomb  auf  10  mm  Maximalausschlag  steigern. 


Verhalten  des  Uehtäihers  bei  den  Bewegungen  der  Erde.     75 

(nach  beiden  Seiten  zusammen),  wenn  der  Scalenabstand 
2|85  m  betrag.  Es  lehrten  das  Bestimmungen  mit  einem 
kleinen  Erdinducton  Das  Potential  einer  der  grossen  pri- 
mären Bollen  auf  die  secundftre  berechnet  sich  bei  15,9  cm 
Abstand  der  Mittelebenen  aus  den  Dimensionen  zu  117 .  lO'^  cm« 
Der  Widerstand  des  secundären  Kreises  betrug  im  ganzen 
45,8  Ohm,  und  in  der  That  gab  die  Commutation  eines 
Stromes  von  10  Mikroamperes  in  der  primären  Rolle  B 
durch  Multiplication  eine  Galvanometerschwingungsweite  von 
10  mm  (erster  Ausschlag  2  mm)  im  secundären  Ejreise. 

Sämmtliche  in  der  Figur  der  Uebersichtlichkeit  halben 
parallel  nebeneinander  gezeichneten  Drähte  waren  in  Wirk- 
lichkeit umeinander  gedreht  und  so  geführt,  dass  keinerlei 
Femwirkung  von  ihnen  ausging.  Der  Abstand  des  Galva- 
nometers von  den  Bollen  betrug  17  m.  Selbst  bei  einer 
Stärke  des  primären  Stromes  von  5  Amperes  war  in  keiner 
Stellung  eine  Spur  directer  Wirkung  auf  das  Galvanometer 
vorhanden.  Aus  dem  Bereiche  der  Kugel  von  2  m  Badius 
um  das  Bollensystem  waren  jegliche  Eisentheile  (z.  B.  Nägel) 
entfernt. 

Was  nun  die  Art  und  Weise  der  Beobachtung  angeht, 
so  wurde  an  dem  Bollensysteme  und  seiner  Umgebung  wäh- 
rend einer  Versuchsreihe  durchaus  nichts  geändert,  und  die 
Grösse,  um  deren  Ermittelung  bei  verschiedenen  Orien- 
tirungen  der  Inductionswage  es  sich  handelte,  war  derjenige 
Bheostaten widerstand  R^^  bei  welchem  die  Bichtung  des 
Galvanometerausschlags  in  Bezug  auf  die  Bichtung  der  Com- 
mutatorbewegung  das  Zeichen  wechselte.  Da  bei  Schwin- 
gungsweiten unter  2  mm  das  Umlegen  des  Commutators  im 
richtigen  Momente  schwierig  wird,  so  war  Rq  durch  Inter- 
polation, resp.  Extrapolation  zu  bestimmen.  Es  wurden  zwei 
Nachbarwiderstände  von  Rq  so  gewählt,  dass  die  ihnen  ent- 
sprechenden maximalen  Ausschläge  y  mehrere  Millimeter 
betrugen.  Bis  zu  10  mm  Ausschlag  war  die  Constanz  der 
Schwingungsweite  durch  50  Commutationen  immer  erreicht. 
Das  Interpolationsverfahren  gab  zugleich  eine  fortlaufende 
Controle  der  Empfindlichkeit. 

Aus  den  für  zwei  Bichtungen,  z.  B.  Ost  und  West, 
gefundenen   Werthen    von    Rq    in    Ohm    folgte    dann    der 


76 


Th.Dei  Caudret. 


Bruchiheil,  um  welchen  sich  der  InductionscoSfficient  jeder 
der  grossen  prixn&ren  Scheiben  auf  die  second&re  Bolle  in* 
folge  der  Drehung  von  Ost  nach  West  ge&ndert  hatte: 

'""^Slr  *  ^^W  ^  ^«206  X  0,881 . 

Es  ist  0y2065  der  Widerstand  der  Brückenleitung  fF  in 
Ohm;  8,88  der  Widerstand  der  CompensatorroUe  mit  Zu« 
leitungen,  0,8314  ist  das  experimentell  bestimmte  Verhftltniss 
der  Inductionscog£Gicienten  M{D  auf  A):M{B  auf  A). 

Gleich  die  ersten  Vorversuche  zeigten,  dass  sowohl  bei 
ruhig  stehenden  Bollen,  als  besonders  wenn  dieselben  bei 
der  n&mlichen  Orientirung  ab  und  zu  gehoben  und  wieder  auf* 
gesetzt  wurden,  erhebliche  Aenderungen  von  Rq  mit  der  Zeit 
statt  hatten.  Auf  die  muthmasslichen  Gründe  dieser  Beob* 
achtungsstörungen  sei  nicht  weiter  eingegangen.  Jeden&Us 
zeigten  dieselben  im  allgemeinen  eine  gewisse  St&tigkeit,  und 
in  diesem  Falle  konnte  ihr  Einfluss  durch  längere  Beihen 
in  möglichst  kurzen  Intervallen  aufeinander  folgender  Mes- 
sungen bedeutend  abgeschwächt  werden.  Als  Beispiel  sei 
eine  beliebige  Versuchsreihe  aus  dem  Beobachtungshefte 
herausgegriffen. 

7.  Juli.    Stromstärke  2,3  Amp.    Bolle  D  im  selben  Sinne 

wie  B  wirkend.     Mittag. 


Zeit  der 
Beobachtung 


Bichtong  der 
Bolle  D  nach 


W  49' 

—  52 

—  55 

—  57 
8 
2 


12 


W 
0 
W 


270 
275 

270 
270 
275 


Bo 


+  7 
-  3,5 
+  6 
+  15 
+  15 
+  7,5 


273,3 
278,8 


f 


Die  Bollen  erschüttert. 


18 

W 

20 

— 

23 

0 

24 

^— 

26 

— 

28 

— 

30 

— 

32 

— 

35 

w 

36 

— ^ 

39 

0 

265 

-  4 

260 

+  8,5 

— 

+  10,5 

265 

-  2,5 

262 

+  8,5 

263 

+  9,5 

265 

+  6 

269 

-  3 

-  2 

+  8 

265 

— 

+  14 

280 

263,3 
264 


267,7 
267,4 


VerhaUen  de$  Lichtäiken  bei  den  Bewegungen  der  Erde.     77 


Zeit  der 

1  Bichtmur  der 

^r 

^ 

Bedhaelitnng  BdUeDnach 

r 

^ 

12^  41' 
—    42 

0 

270 
276 

+  6 

—  4 

1    278 

—     45 

W 

— 

-  5 

278,8 

—  47 

—  49 

0 

270 

—  4 
+  8 

1     278^ 

—    52 

W 

— 

+11 

—    54 

— 

276 

+  8 

—  56 

—  58 

^^^ 

280 
275 

-  3 

+  7 

1    278,5 

—    60 

0 

— 

+  10 

280 

1      2 

w 

— 

+  8 

279 

—      5 

0 

— 

+  12 

281 

—      7 

w 

— 

+  11 

280 

Mittel  Yon  28;  in  der  Westrichtang  JS^^  »  274,4 

9»  n      n    n      n    OltrichtODg       •^(O)  '^  278,9. 

Von  den   übrigen  Messungsreihen   mögen    die  Mittel- 
werthe  für  R^  folgen« 


0 


W 


N 


S 


4.  Juni  Mittag 

5.  Jani  Mittag 

^^  Abend 
\(J^  Abend 
Mittag 
Mittag 
Mittemacht 
Mittag 
4^  Nachmittag 
6    Abend 
10   Abend 
11^  Abend 
6^  Abend 

Daraus  berechnet 
sich  z.  B.: 


6.  Jimi 

7.  Juni 

7.  JaH 


14.  JuU 

15.  JnU 


} 


814 

204 

270 

588 

486 

885 

437 

273,9 

441 

476 

1380 
1195 


810 

208 

270 

548 

487 

886 

438 

274,4 

435 

478,6 

1880 
1210 


804,5 

196 

265 


830 


304 
194 
261 


330 


367,1 
1195 


865,1 
1240 


SO 

MW 

471,5 

474 

8W 

NO 

1480 

1500 

<^M(Ort.we.t)      0,30.10-« 
„      „      -0,44.10-«. 


am  Mittag 
Mitternacht 

Während  einer  kurzen  Beobachtungsreihe  gestattete  es 
der  Zufall,  mit  unverzweigtem  Strome  zu  arbeiten. 

15.  Juli.  Mittags. 
Ry  =  cx).    Empfindl.  1  mm  =  0,88 .  10-«  M[Aj  B). 


0 


SO 


S 


SW      W     NW 


N 


NO 


Schwingungsweite    ;  +6,5 


MiBÄ)  -  MiBC) 


+2 


+5,72+1,76 


-4 
-3,5 


+4 


+  5,5 

+  4 


+  1 
-1,5 


+  6 


0 


+?;s2+^8l 


-3.52;  .350  +*M 

MiBA)            I  •  "■■  •  "'"   -3,081  +  ^'^''  +3,52 

dmO-W)  (i3f(S0-NW)     rf  Jf(S-N)     <iJl£(SW-NO) 

+0,77.10-«  +0,88.10-«       -1,43.10-«      -1,14.10-«. 


78  7%.  Des  Coudres. 

Dass  die  Einstellangen  in  der  Nordsüdrichtnng  immer 
im  selben  Sinne  von  denen  in  der  Ostwestrichtung  abwei- 
chen, aber  ohne  bei  Drehung  um  180^  das  Zeichen  zu  wech- 
seln,  mag  seinen  Grund  in  dem  magnetischen  Einflüsse  einer 
gusseisernen  Säule  gehabt  haben^  welche  sich  ein  Stockwerk 
tiefer  nach  Süden  zu  von  unserem  Bollensysteme  befand. 
Im  übrigen  ist  aus  den  mitgetheilten  Zahlen  zu  schliessen, 
dass  die  Induction  einer  der  primären  Scheiben  auf  die  Mittel- 
scheibe bei  einer  Drehung  um  180^  sich  wohl  nur  um  weniger 
als  ein  Milliontel  ihres  Betrages  geändert  haben  kann. 

Was  folgt  daraus  ftir  die  relative  Bewegung  der  Erde 
gegen  den  Lichtäther  an  ihrer  Oberfläche?  Sei  q  die  Ge- 
schwindigkeit, mit  welcher  sich  zwei  coaxiale  Inductionskreise 
in  Richtung  ihrer  Verbindungslinie  gegen  das  umgebende 
Medium  bewegen  —  die  Lichtgeschwindigkeit  als  Einheit  an- 
genommen.— Es  wird  alsdann  die  Aenderung  desInductionscoBf- 
ficienten  des  primären  auf  den  secundären  Kreis,  wenn  9  in  —7 
übergeht  mit  Vernachlässigung  der  Glieder  höherer  Ordnung 
2qjy(cos€  cos  &lr)  ds  ds'  betragen,  wo  1^  der  Winkel  ist, 
welchen  die  Verbindungslinie  von  ds  und  ds'  mit  der  Axe  bildet. 
Bezeichnet  b  den  Abstand  der  koaxialen  Drahtkreise  —  die 

Radien  gleich  eins  gesetzt  —  dann  reducirt  sich  das  Doppel- 
st 

integral  auf  Jf{co% e . blr^)dsds'=^2nJcosq)l{l+b*l2  —  cosy) d(p 

«  2;i»  ([2  +  i^] / 1/4  +  ^2  -  b).    Wir  entnehmen  M  aus  Max- 
well's  Tabelle^)  und  erhalten  so  für  unseren  Apparat: 

Nun  beträgt  aber  die  Geschwindigkeit  der  Erde  um  die  Sonne 
10-*,  die  Geschwindigkeit  Leipzigs  infolge  der  Rotation  etwa 
0,98 .  lO""*.  Wenn  der  in  der  Einleitung  auseinandergesetzte  Ge- 
sichtspunkt richtig  ist  %  und  unser  Versuch  gleichsam  aufgefasst 
werden  kann  als  die  Uebersetzung  eines  1852  von  Fizeau  für 
strahlende  Wärme  vorgeschlagenen  Versuches')  ins  electrodyna- 

1)  Maxwell,  Lehrb.  d.  Elect  u.  d.  Magn.  2.  p.  609. 

2)  Wenn  insonderheit  die  Anwendung  der  Neumann*8chen  Form  des 
elcctrodynamiBchen  Elementargesetzes  auf  unsere  Vcrsuchsanordnung  statt- 
haft ist,  was  wohl  nahe  liegt,  aber  beim  heutigen  Stande  unserer  Kennt- 
nisse nicht  ohne  weiteres  behauptet  werden  kann.  Wir  kennen  zu  wenig 
die  Vorgänge  im  stromdurchflossenen  Leiter. 

3)  Fizeau,  Pogg.  Ann.  29.  p.  652.  1833. 


Verhauen  des  LichtaiherM  bei  den  Bewegungen  der  Erde.     79 

mische^  so  folgt  also  aus  unseren  Zahlen^  dass  die  relative  Be- 
wegung des  Lichtäthers  zur  Erde  weniger  als  1/200  der  Oe- 
schwindigkeit  der  Erde  in  ihrer  Bahn  um  die  Sonne  beträgt. 
Auch  bei  der  Rotationsbewegung  der  Erde  um  ihre  Axe  muss 
der  Aether  wenigstens  zum  Theil  mitgenommen  werden. 

Dieses  Besultat  steht  im  Einklänge  mit  dem  Ergebniss 
desMichelson'schen  Versuches  über  die  relative  gegenseitige 
Bewegung  von  Erde  und  Lichtäther.  ^).  Es  spricht  dem- 
gemäss  f&r  die  Grundannahme  bei  der  Stokes'schen  Aberra- 
tionstheorie, dass  der  Aether  an  der  Erdoberfläche  relativ 
ruht  Auf  die  Schwierigkeiten  bei  Durchführung  dieser  Hy- 
pothese macht  besonders  Loren tz*)  aufmerksam.  Von  Spe- 
colationen,  wie  unser  Beobachtungsresultat  mit  anderweitigen 
Thatsachen  und  auf  denselben  fussenden  Anschauungen  in 
Einklang  zu  bringen  wäre,  mag  jedoch  abgesehen  werden. 
Eine  Wiederholung  der  Versuche  zu  einer  anderen  Jahres- 
xeif)  wird  sich  nur  empfehlen,  wenn  es  gelingen  sollte  (etwa 
dordi  Eingiessen  der  ganzen  Inductionswage  in  Pech),  die 
Versuchsfehler  noch  wesentlich  zu  verringern. 

Die  Herren  Michelson  und  Morley  sprechen  die 
Hoffnung  aus,  es  möchte  sich  vielleicht  in  freier  Luft  auf 
hohen  exponirten  Berggipfeln  eher  eine  relative  Bewegung 
des  Aethers  nachweisen  lassen.  Die  Annahme  ist  wohl 
wenig  wahrscheinlich.  Gäbe  es  indessen  thatsächlicb  irdische 
Höhen  9  bei  denen  eine  namhafte  Bewegung  des  Aethers 
g^en  die  festen  Theile  bestünde,  so  möchte  ich  folgenden 
Versuch  vorschlagen.  Man  bringt  eine  Marke  auf  der  Berg- 
spitze, (das  heisst  im  Bereiche  der  Aetherbewegung),  mit- 
telst eines  am  Fusse  fest  aufgestellten  Fernrohres  zur  Coin- 
cidenz  mit  einem  festen  Punkte  im  Thale  (etwa  dem  Faden- 
kreuzschnittpunkte); es  würden  dann,  mag  die  Aetherbewe- 
gung ein  Geschwindigkeitspotential  haben  oder  nicht,  im 
Laufe  von  24  Stunden  aberrationsartige  Verschiebungen  der 
Marke  zu  erwarten  sein. 

Phys.  Inst,  der  Univ.  Leipzig,  im  Juli  1889. 

1)  Michelson,  Beibl.  5.  p.  790  u.  12.  p.  469.  1888. 

2)  Lorentz,  Arch.  NeerL  21.  p.  112.  1887. 

3)  Wo  der  Winkel  zwiBchen  der  Richtung  der  Erdbewegung  in  ihrer 
Bahn  und  der  Bewegungsrichtung  des  Sonnensystems  sich  geändert  hat. 


80  JET.  Kayter  u.  C.  Runge. 

VIII.    Veher  die  im  galvanischen  Lichtbogen 

auftretenden  Btxndenepectren  der  Kohle; 

von  H.  Kayser  und  C.  JEtunge. 

(Mitgetheilt  von  den  Herren  Verfassern  nach  den  AbhandL  der  BerL 

Academie  1889.) 


§  1.  Wenn  man  im  galyanischen  Lichtbogen  zwischen 
Kohlenstäben  Elemente  oder  deren  Salze  yerdampft,  um  ihre 
Spectra  zu  untersuchen,  so  legt  sich  fast  stets  über  das  Me- 
tallspectrum eine  Reihe  von  Banden,  welche  oft  in  sehr  stö- 
render Weise  die  Messung  des  Linienspectrums  erschweren« 
Jedenfalls  ist  man  gezwungen,  sich  eine  genaue  Kenntniss 
dieser  Banden  zu  verschaffen,  um  nicht  Metalllinien  zu  über- 
sehen. 

Dies  war  für  uns  die  erste  Veranlassung,  uns  eingehen- 
der mit  den  Banden  zu  beschäftigen;  bald  aber  traten  noch 
weitere  Umstände  hinzu,  die  unser  Interesse  erhöhten:  die 
Structur  der  Banden  ist  eine  höchst  eigenthümliche  und 
fast  bei  jeder  eine  andere.  Dabei  ist  die  Lagerung  der  Linien 
in  Tielen  Fällen  so  regelmässig,  dass  man  sich  leicht  veran- 
lasst fühlt,  den  gesetzmässigen  Zusammenhang  zu  suchen. 
Auch  der  Ursprung  der  Banden  ist  noch  eine  offene  Frage; 
trotzdem  über  kein  anderes  Element  so  viele  Untersuchungen 
ausgeführt  sind,  wie  über  Kohle,  herrschen  über  kein  anderes 
noch  so  viele  Zweifel.  Endlich  ist  von  hervorragendem  In- 
teresse das  Auftreten  dieser  Banden  in  ausserirdischen  Spectren, 
bei  Kometen  und  bei  der  Sonne. 

§  2.  Ausser  dem  Linienspectrum  wird  der  Kohle  heute 
allgemein  mit  Ausnahme  von  französischen  Spectroskopisten 
ein  Bandenspectrum  zugeschrieben,  welches  Flammenspectrum 
oder  Swan'sches  Spectrum  genannt  wird.  Es  wurde  früher, 
namentlich  durch  Angström  und  Thalen  und  durch  Li- 
ve in  g  und  De  war  dem  Kohlenwasserstoff  zugeschrieben. 
Dasselbe  besteht  aus  fünf  zusammengesetzten  Banden,  deren 
Wellenlängen  nach  Angström  und  Thal6n  und  nach  Watts 
sind:  6187-5954;  5633—5425;  5164—5082;  4736-4677; 
4  81 — 4232.^)   Ausser  diesen  Banden  sind  im  Kohlenbogen- 

1)  Die  Wellenlängen  sind  hier  wie  im  Folgenden,  wenn  nichts  aus- 
drücklich bemerkt  ist,  in  Angst  römischen  Einheiten  10— ^mm  angegeben. 


Bwiidmupectrum  der  Kohle,  81 

licht  noch  weitere  im  Blau,  Violett  und  UltraTiolett  vorhan- 
den,  welche  sehr  h&ufig  neben  den  obigen  f&nf  auftreten.  Sie 
werden  namentlich  TonLiveing  und  De  war  dem  Cyan  zu- 
geschrieben,  w&hrend  andere,  z.  B.  Lockyer  und  H.  W. 
VogeP)  sie  f&r  ein  höherer  Temperatur  angehörendes  zwei- 
tes Bandenspectrum  der  Kohle  selbst  halten.  Auch  der  eine 
Ton  uns  hat  diese  Ansicht  vertreten.  *)  Die  Wellenlängen 
der  Banden  sind  nach  Liveing  und  Dewar:  4600 — 4500; 
4220-4150;  8884—8850;  8590—3550;  8370—8350. 

Unsere  Untersuchung  bezieht  sich  auf  diese  Bandeu, 
welche  wir  als  Kohlenbanden  und  als  Cyanbanden  bezeichneo, 
ohne  mit  letzterem  ein  entschiedenes  Crtheil  über  den  Ur- 
sprang aussprechen  zu  wollen.  Im  galvanischen  Lichtbogen 
treten  beide  Arten  von  Banden  sehr  intensiv  auf;  nur  von 
der  letzten  Cjanbande  bei  3370  haben  wir  niemals  die  ge- 
ringste Spur  wahrnehmen  können,  sodass  wir  ihre  Existenz 
im  Kohlenbogen  bezweifeln  müssen.  Beobachtet  man  die 
sichtbaren  Banden,  während  die  Lampe  brennt,  so  sieht  man 
ein  eigenthümliches  Schwanken  der  Intensität  der  beiden 
Bandenarten:  bald  sind  die  Kohlenbanden,  bald  die  Cyan- 
banden heller;  letzteres  ist  namentlich  der  Fall,  wenn  der 
Bogen  zischt.  Diese  Erscheinung  kann  zu  der  Ansicht  ver- 
leiten, dass  man  es  in  der  That  mit  Banden  derselben  Sub- 
stanz zu  thun  hat,  wobei  je  nach  der  Temperatur  die  einen 
oder  die  anderen  die  Oberhand  haben.') 

§  3.  Unsere  Messungen  sind  sämmtlich  an  photogra- 
phischen Aufnahmen  gemacht  worden.  Wir  benutzten  ein 
Bowland'sches  Concavgitter  von  vorzüglicher  Qualität;  der 
Krümmungsradius  beträgt  etwa  3620  mm;  es  besitzt  568 
Linien  pro  Millimeter,  im  ganzen  etwa  57700.  Die  Aufstellung 
▼ar  die  bekannte  nach  Bowland's  Angabe.  Die  Aufnah- 
men  geschahen   in   den   ersten   vier  Ordnungen;   zum  Theil 


1)  H.  W.  Vogel,  Verh.  d.  phys.  Ges.  zu  Berlin.  7.  p.  58.  1888. 

2)  H.  Kay 8 er,  Lehrb.  d.  Spectralanaljse  p.  249. 

3)  Ausser  den  angegebenen  Banden  sind  im  gelben  und  rothen  Theil 
des  Spectrums  noch  unzählige  Linien  vorhanden;  dort  liegen  auch  einige 
Banden,  die  nach  der  Seite  der  kurzen  Wellen  ihre  Kante  haben,  und 
welche  H.  W.  Vogel  für  die  wahren  Cyanbanden  ansieht  Diesen  Theil 
haben  wir,  als  nicht  genügend  photographirbar,  nicht  näher  untersucht 

▲an.  d.  Pbyt.  o.  Chetn.   N.  F.  XXXVIII.  6 


82  H.  KayHT  u.  C.  Runge. 

wordOy  um  das  Zusammenfallen  der  yersohiedenen  Ordnungen 
zu  beseitigen,  vor  den  Spalt  ein  Prisma  mit  gerader  Durchsicht 
gestellt,  sodass  der  Spalt  nur  von  der  gewünschten  Farbe  ge- 
troffen wurde.  Wir  haben  wieder  hauptsächlich  Platten  von 
J.  Gae dicke  in  Berlin  benutzt;  ftbr  den  grünen  und  gelben 
Theil  Eosinsilberplatten  von  Perutz  in  München  und  selbst 
hergestellte  Azalinplatten.  Entwickelt  wurde  nur  mit  Bjdro- 
chinon. 

Zur  Bestimmung  der  Wellenlängen  haben  wir  bei  einem 
Theil  der  Platten  über  das  Kohlenspectrum  das  Eisenspectrum 
photographirt.  Aus  den  bekannten  Wellenlängen  einer  An- 
zahl (10 — 20)  über  die  ganze  Platte  vertheilter  Eisenlinien 
wurde  der  Maassstab  solcher  Platten  mittelst  der  Methode 
der  kleinsten  Quadrate  ermittelt  und  dann  für  eine  gleiche 
Anzahl  möglichst  scharfer  und  isolirter  Kohlenlinien  die 
Wellenlänge  berechnet.^)  Mit  Hülfe  dieser  Linien  wurden 
dann  in  gleicher  Weise  die  ohne  Eisen  photographirten  Koh- 
lenbanden ausgewerthet.  Die  Messung  der  Platten  wurde  mit 
der  früher  beschriebenen  Theilmaschine  ausgeführt. 

§  4.  Die  Banden  kehren  sämmtlich  ihre  hellste  Kante 
dem  rothen  Ende  des  Spectrums  zu ;  jede  Bande  besitzt  meh- 
rere Kanten,  3  bis  7,  die  nach  dem  violetten  Ende  zu  schwä- 
cher werden.  Von  jeder  Kante  geht  eine  Linienreihe  mit 
wachsendem  Abstand  und  abnehmender  Intensität  aus;  wo 
diese  Reihen  aufhören,  lässt  sich  nicht  sagen;  bei  genügender 
Exposition  kann  man  jedenfalls  die  von  der  ersten  Kante  jeder 
Bande  ausgehende  Keihe  bis  zum  Beginn  der  nächsten  Bande 
verfolgen,  sodass  keine  Stelle  des  Spectrums  von  etwa  A=620fi|Db 
bis  As 340  ^jii  frei  von  Kohlenlinien  ist;  es  sind  demnach 
sicher  über  10000  vorhanden. 

Die  Structur  der  einzelnen  Banden  ist  verschieden  und 
für  jede  charakteristisch.  Von  der  ersten  Kante  aus  sind 
meist  Doppellinien  oder  auch  Triplets  vorhanden,  welche  bei 
abnehmender  Wellenlänge  zum  Theil  zu  einer  Linie  ver- 
schmelzen. Der  Abstand  zwischen  je  zwei  Linien  einer  Reihe 
nimmt  von  der  Kante  an  zu  von  einem  sehr  kleinen,  ein-  bis 
drei   hundertstel   Angström' sehe  Einheiten    betragenden 


1)  Vgl  Kayser  o.  Runge,  Abhaadl.  der  Bari.  Acad.  p.  22.  1888. 


Bandempeetrum  der  KoUe.  88 

Werthe;  er  erreicht  ein  Maximum,  bleibt  eine  Zeit  lang  con- 
stant  und  seheint  dann  rasch  abzunehmen.  Durch  das  Ueber- 
ainanderfifillen  der  von  den  yerschiedenen  Kanten  ausgehen- 
den Beihen  wird  das  Bild  sehr  complicirt,  sodass  es  äusserst 
schwierig  ist,  die  Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  Linien 
zar  Beihe  herauszufinden.  —  Eine  n&here  Besprechung  der 
Banden  ist  ohne  Tafeln^)  nicht  möglich. 

§  5.  Es  ist  schon  bemerkt,  dass  wir  Yon  der  Ansicht 
ansgingen,  die  Cyanbanden  seien  in  Wahrheit  Eohlenbanden. 
Durch  einige  zu  erwähnende  Versuche  sind  wir  aber  veran- 
lasst worden,  diese  Ansicht  fallen  zu  lassen.  Wir  glauben 
aber  allerdings  selbst  nicht,  dass  die  Frage  dadurch  entschie- 
den sei;  sie  ist  viel  zu  schwierig,  wie  man  aus  der  darüber 
in  Menge  yorhandenen  Literatur  ersieht,  welche  mit  grösster 
Gewissenhaftigkeit  angestellte  und  doch  zu  entgegengesetzten 
Besultaten  ftüirende  Versuche  beschreibt,  als  dass  auf  so 
einfachem  Wege  eine  Entscheidung  getroffen  werden  könnte. 

Die  Cyanbanden  zeigen  sich  häufig  in  Geissl  er 'sehen 
Röhren,  auch  wenn  möglichst  sorgfältig  jede  Spur  yon  Stick- 
stoff ausgeschlossen  ist,  und  daraus  hat  man  oft  geschlossen, 
die  Banden  könnten  nur  dem  Kohlenstoff  selbst  angehören. 
Aber  Liyeing  und  De  war  wenden  gegen  diesen  Schluss 
mit  Becht  ein,  dass  es  bekanntlich  fast  unmöglich  sei,  ein 
Gras  ganz  zu  beseitigen;  von  den  Glaswänden,  aus  den  Elec- 
troden  entwickeln  sich  immer  wieder  G-ase,  und  Spuren  von 
Stickstoff  sollen  genügen,  das  Eohlenstoff-Stickstoffspectrum 
herrorzurufen.  Demnach  wird  kein  Versuch  beweisend  für 
die  Kohlennatur  der  Banden  sein,  bei  welchem  trotz  ver- 
meintlicher Ausschliessung  des  Stickstoffs  die  Cyanbanden 
auftreten.  Dagegen  scheint  uns  der  umgekehrte  Versuch, 
bei  welchem  bei  Abwesenheit  von  Stickstoff  die  Cyanbanden 
Ter  schwinden,  beweisend  sein  zu  können  für  die  Zugehörig- 
keit dieser  Banden  zu  einer  Kohlen- Stickstoffverbindung. 

Einen  solchen  Versuch  haben  wir  in  folgender  Weise  aus- 
geführt: wir  haben  einen  Block  von  Betortenkohle  mit  zwei 
sich  senkrecht  in  der  Mitte  des  Blocks  kreuzenden  Bohrun- 
gen versehen.    Durch  die  eine  Bohrung  wurden  die  Kohlen 


1)  Siehe  Kayser  u.  Bunge,  Abhandl.  der  Berl.  Acad.  1889. 

6* 


84  EL  Kajf$er  u.  C  Rtmge. 

des  Lichtbogens  isolirt  eingeftlfarty  sodass  sie  gerade  in  der 
Mitte  des  Blocks  das  Licht  erasengten,  welches ,  durch  den 
dritten  Ereozarm  anstretend,  auf  den  Spalt  fiel.  Durch  den 
vierten  Ereuxarm  endlich  konnte  dem  Bogenlicht  ein  Otts- 
ström  zugeführt  werden.  Dtest  man  nun  einen  kiftftigen 
Strom  von  Eohlens&ure  (aus  einer  Flasche  mit  flüssiger 
Kohlensäure)  zuströmen,  so  sieht  man  sehr  schön  die  Cyan» 
bände  X  =  422  (Aft,  rerblassen  und  nach  kurzer  Zeit  ganz  ver- 
schwinden. Sobald  man  den  tStisstrom  absperrt,  ist  sie  wie- 
der da,  und  so  kann  man  sie  beliebig  verschwinden  und  ent- 
stehen lassen  durch  Oeffhen  und  Schliessen  des  Hahnes» 
Dies  wird  sich  benutzen  lassen,  um  bei  Photographie  der 
ultravioletten  Elementenspectren  die  vieles  verdeckenden  Cyan- 
banden  zu  beseitigen.  W&hrend  die  Cyanbande  verschwindet^ 
bleiben  die  Eohlenbanden  ganz  unverändert  oder  gewinnen 
vielleicht  etwas  an  Helligkeit. 

G-egen  die  Beweiskraft  dieses  Versuches  liesse  sich  viel- 
leicht noch  einwenden,  dass  durch  den  starken  Gkustrom  eine 
so  bedeutende  Temperaturemiedrigung  im  Eohlenbogen  her- 
Torgebracht  werde,  dass  die  höherer  Temperatur  entsprechen- 
den Banden  verschwinden.  Wir  haben  daher  einen  noch 
stärkeren  Luftstrom  durchgeblasen:  derselbe  lässt  in  sehr 
auffallender  Weise  die  Cyanbande  heller  werden,  was  sich 
durch  den  reichlich  zugefährten  Stickstoff  leicht  erklärt 

Wir  sehen  nicht,  wie  diese  Versuche  sich  anders  er- 
klären lassen,  als  durch  die  Annahme,  dass  die  betreffenden 
Banden  wirklich  einer  Kohlen-Stickstoff^erbindung  ange- 
hören. 

§  6.  Zu  der  Annahme,  das  Cyanspectrum  gehöre  in  Wahr- 
heit dem  Kohlenstoff  an,  waren  wir  früher  hauptsächlich  auch 
durch  den  Umstand  geführt  worden,  dass  es  in  ausserirdischen 
Lichtquellen  auftritt. 

Die  Kometen  zeigen  bekanntlich  meist  einige  Banden, 
welche  nach  den  wenig  genauen  Messungen  mit  den  Kohlen- 
banden coincidiren  und  stets  mit  diesen  identificirt  worden 
sind,  nur  dass  man  früher  diese  Banden  dem  Kohlenwasser- 
stoff zuschrieb.  Von  dem  Kometen  II  des  Jahres  1881  hat 
Huggins  eine  Spectralphotographie  erhalten,  welche  die 
Cyanbanden  zeigt,  und  zwar  die  Banden  bei  422  und  888. 


BatuUnipeeirum  der  Kokk.  85 

Noch  viel  aa£EaUender  ist  indessen  das  Vorkommen  der 
Cjranbandan  im  Sonnenspectnun.  Lockyer^)  sprach  zuerst 
aos,  dass  sich  unter  den  Fraunhofer' sehen  Linien  die 
Binde  422 ^/lA  finda  Locky er  sieht  dieselbe  für  eine  Koh- 
lenbande  an,  und  da  ihm  ein  Bandenspectrum  bei  der  Tem- 
pezator  der  Sonne  unwahrscheinlich  schien,  glaubte  er,  die 
Hjpothese  aufstellen  zu  müssen,  eine  Hülle  yon  Eohlendampf 
umgebe  in  weiterer  Entfernung  die  Sonne.  Später  Äusserten 
Liyeing  und  Dewar^,  die  Banden  359  und  337 /i/iA  seien 
im  Sonnenspectrum  vorhanden.  Endlich  haben  Trowbridge 
und  Hutchins')  angegeben,  die  Bande  388  im  Sonnenspec- 
trum gefanden  zu  haben. 

Da  aber  Beweise  der  Zahlenangaben  für  die  Identität 
der  Kohlenbanden  mit  Fr aunho fernsehen  Linien  bisher  nie 
pablicirt  worden  sind,  so  haben  wir  die  Cyanbande  388  in 
der  vierten  Ordnung  unseres  CHtters  neben  das  Sonnenspec- 
tnun photographirt. 

Die  Identität  der  Liniengruppen  ist  wohl  nicht  zu  be- 
zweifeln; namentlich  bei  den  ersten  Kanten  ist  jede  Kohlen- 
linie im  Sonnenspectrum  vertreten.  Weiterhin  werden  die 
Kohlenlinien  immer  weniger  intensiv,  und  diese  schwächeren 
Linien  sind  in  der  Sonne  nicht  mehr  zu  sehen.  In  dem 
Bowland'schen  Sonnenatlas  tritt  diese  Bande  ebenfalls  deut- 
lich hervor,  und  die  dort  abgelesenen  Wellenlängen  stimmen 
bis  auf  die  bei  der  Ablesung  zu  erreichende  Genauigkeit  mit 
den  von  uns  gemessenen  überein. 

Die  Cyanbande  388  fjLu  ist  bei  weitem  die  stärkste  aller 
Cyanbanden;  es  wäre  daher  nicht  wunderbar,  wenn  sie  allein 
im  Sonnenspectrum  zu  finden  wäre.  Es  scheinen  aber  auch 
die  Banden  bei  359  f^/x  und  bei  422 /iu  im  Rowland^schen 
Sonnenatlas  sichtbar  zu  sein;  wenn  auch  viel  schwächer. 
Ueber  die  Anwesenheit  der  Kohlenbauden  im  Sonnenspectrum 
kann  man  nach  Bowland^s  Atlas  nicht  entscheiden,  aus- 
genommen die  Bande  bei  616  [jlju,  deren  Hauptlinien  in  ihrer 
charakteristischen  Gruppirung  auf  dem  neuerdings  veröffent- 


1)  Lockjer,  Proc.  Roy.  Soc.  27.  p.  409.  1878. 

2)  Liveing  n.  Dewar,  Proc.  Roy.  Soc.  80.  p.  152.  1880. 

3)  Trowbridge  u.  Ilutchins,    Proc.  of  the  Amer.  Ac.  33,  p.  10, 
und  Amer.  Journ.  of  Sc.  34«  p.  345.  1887. 


86  SL  Kayser  u.  C  Runge. 

lichten  zweiten  Rowland'schen  Sonnenatlas,  wenn  auch  sehr 
schwach  und  ein  wenig  verwaschen,  so  doch  deutlich  genug 
auftreten,  um  ihre  Identität  sehr  wahrscheinlich  zu  machen. 

Wir  haben  somit  die  merkwürdige  Thatsache,  dass  in 
der  Sonne  nicht  nur  ein  Bandenspectrum  existirt,  sondern 
das  Spectrum  einer  Verbindung,  welche  schon  bei  einigen 
Tausend  Grad  dissociirt  wird,  was  sich  mit  den  üblichen 
Annahmen  über  die  hohe  Temperatur  der  Sonne  schwer  ver- 
einen l&sst  Andererseits  ist  das  Eohlensto£fmolecül,  wie  die 
Veränderlichkeit  der  Atomw&rme  zeigt,  ein  variables  Gebilde^ 
und  es  wäre  möglich,  dass  noch  bei  sehr  hoher  Temperatur 
eine  Eohlen-Stickstofihrerbindung  existirt,  welche  wir  nicht 
kennen,  deren  Spectrum  die  Cyanbanden  sind.  Mit  diesem 
Namen  soll  ja  selbstverständlich  nicht  gesagt  sein,  dass  die 
Banden  wirklich  dem  Cyangase  angehören.  Lockyer's  Hy- 
pothese über  den  Ort,  wo  diese  N- Verbindung  sich  finden 
soll,  hebt  die  Schwierigkeit  keineswegs,  sondern  setzt  nur 
eine  andere  an  ihre  Stelle;  denn  durch  welche  Kräfte  soll 
das  schwerere  Gyangas  sich  über  dem  Wasserstofi  befinden, 
welchen  man  sonst  in  Verbindung  mit  anderen  hypothetischen 
Stoffen  in  der  äussersten  Schicht  der  Sonnenatmosphäre 
annimmt? 

§  7.  Die  Bande  bei  3883  zeigt  eine  so  regelmässige 
Lagerung  der  Linien,  dass  sich  der  Gedanke  sofort  aufdrängt, 
das  Gesetz,  nach  dem  sie  gelagert  seien,  müsse  sich  finden 
lassen.  Die  Wellenlängen  aller  Linien  sind  so  genau  be- 
stimmt —  bis  auf  etwa  0,04!  ihrer  Grösse  — ,  dass  hier  wohl 
zum  ersten  mal  die  Möglichkeit  vorliegt,  genauer  ein  Gesetz 
auf  seine  Richtigkeit  zu  prüfen. 

Von  Hrn.  Deslandres  sind  Gesetze  angegeben  wor- 
den \  nach  welchen  die  Linien  der  Bandenspectren  von  Stick- 
stoff, Kohle,  Kohlenoxyd,  Gyan  und  Jod  näherungsweise  an- 
geordnet sein  sollen.    Diese  Gesetze  sind: 

1)  Jede  Bande  bestehe  aus  einer  oder  mehreren  „iden- 
tischen^' Serien,  d.  h.  man  erhält  die  Schwingungszahlen  der 
Linien  jeder  Serie  der  Bande,  wenn  man  zu  den  Schwin- 
gungszahlen der  Linien  einer  Serie  eine  Constante  hinzufügt 


1)  Deslandres,  Compt  rend.  108.  p.375.  1886;  104.  p.  972.  1887. 


Bandetupectrum  der  Kohle.  87 

2)  Innerhalb  einer  Serie  bilden  die  Differenzen  von  je 
zwei  aufeinander  folgenden  Schwingnngszahlen  eine  arith- 
metische Progression;  gibt  man  der  Kante  die  Ordnungs- 
zahl 0,  und  den  folgenden  Linien  der  Reihe  nach  die  Ord- 
nungszahlen ly  2,  3  . . .,  so  sei  die  Schwingungszahl  der  nten 
Ldnie  gegeben  durch  1  /A«  =  a  +  bn\  wo  a  die  Schwingungs- 
zahl  der  Kante,  b  die  Differenz  zwischen  der  Schwingungszahl 
der  ersten  Linie  und  der  der  Kante  ist 

3)  Die  yerschiedenen  Banden  desselben  Spectrums  seien 
80  Terbunden,  dass  die  ersten,  zweiten  u.  s.  w.  Kanten  aller 
Banden  einer  Gleichung  yon  ähnlicher  Form  folgen,  wie  die 
Gleichung  einer  Serie:  1/A  =  ^  +  Sn  +  C?*',  wo  ^  S,  C 
Constanten  sind,  und  f&r  n  aufeinander  folgende  Werthe  der 
Zahlenreihe  einzusetzen  sind. 

Wir  haben  diese  Angaben  an  unseren  Messungen  auf 
ihre  Sichtigkeit  geprüft,  aber  sie  nur  in  verschiedenem  Grade 
angenähert  richtig  gefunden. 

Das  erste  Gesetz  lässt  sich  an  der  Bande  bei  3883 
prüfen;  sie  besteht  vermuthlich  aus  fünf  Serien,  die  sich 
übereinander  lagern.  Von  diesen  haben  wir  die  drei  ersten 
herausgesucht. 

Es  zeigt  sich,  dass  die  Schwingungszahlen  der  zweiten 
Serie  merklich  dichter  folgen,  als  die  der  ersten  Serie,  die 
Schwingungszahlen  der  dritten  Serie  wieder  dichter,  als  die 
der  zweiten,  während  sie  nach  Deslandres  die  gleiche  Ver- 
theilung  zeigen  sollten.  Der  Unterschied  der  Schwingungs- 
zahlen der  0.  und  50.  Linie  nimmt  von  der  ersten  zur  dritten 
Serie  um  etwa  15  Proc.  ab. 

Eine  bessere  Uebereinstimmung  haben  wir  bei  dem  zwei- 
ten Gesetz  von  Deslandres:  1/^  =  a  +  in*  gefunden.  Die 
ersten  60  bis  70  Linien  jeder  Serie  sind  durch  diese  Formel 
darstellbar  mit  etwa  der  Beobachtungsgenauigkeit.  Verfolgt 
man  indessen  die  Linien  noch  weiter  —  und  wir  haben 
die  erste  Serie  bis  zur  168.  Linie  mit  Sicherheit  erkennen 
können  — ,  so  weichen  die  beobachteten  Werthe  bald  sehr 
stark  von  den  berechneten  ab.  Diese  Abweichungen  der 
Formel  kann  man  durch  Hinzufügung  weiterer  Glieder  cor- 
rigiren,  welche  höhere  Potenzen  von  n  enthalten.  Führt  man 
so  zu  den  zwei  Constanten  der  Deslandres 'sehen  Formel 


88  IL  Kayser  tc  C.  Runge. 

noch  drei  weitere  Constanten  ein,  so  kann  man  wieder  eine 
hinreichende  üebereinstimmnng  mit  den  beobachteten  Wer- 
then  erreichen.  Dabei  scheint  es  anf  eins  herauszukommen, 
ob  man  nur  Glieder  mit  geraden  Potenzen  von  n  oder  auch 
solche  mit  ungeraden  hinzunimmt.  Durch  die  hinzutretenden 
Constanten  verliert  die  Formel  an  Werth  einmal,  weil  sie 
weniger  einfach  wird,  und  zweitens,  weil  mit  jeder  neuen 
Constante  die  alten  zwischen  immer  weiteren  Grenzen  schwan- 
ken können,  ohne  die  Werthe  der  Formel  erheblich  zu 
ändern. 

Zwei  weitere  Mängel  dieser  Formel  sind  die  folgenden. 
Für  die  letzten  Linien,  etwa  von  n  s  160  an,  genügt  die 
Formel  doch  noch  nicht,  es  tritt  eine  entschiedene  Abwei- 
chung der  berechneten  Werthe  von  den  beobachteten  hervor, 
zu  deren  Beseitigung  man  noch  ein  Glied  mit  einer  weiteren 
Constante  einführen  müsste.  Ein  zweiter  auffallender  Um- 
stand macht  sich  am  Anfang  der  Serie  bemerklich:  es  treten 
hier  nämlich  im  Gange  der  Serie  eine  Anzahl  von  Linien- 
paaren auf,  von  denen  die  weniger  brechbare  erbeblich  stärker 
ist    Die  Formel  gibt  aber  jedesmal  die  schwächere  Linie. 

Die  Doppellinien  am  Anfang  einer  Serie  kommen  mehr- 
fach vor.  Sie  finden  sich  auch  bei  der  zweiten  und  dritten 
Serie  der  Bande  388  /i,a,  bei  der  ersten  Serie  der  Bande  bei 
422  juu  und  auch  bei  den  Gruppen  A  und  B  des  Sonnen- 
spectrums.  Liveing  und  Dewar  bemerken  daher  mit  Recht, 
dass  dies  eine  charakteristische  Erscheinung  vieler  Ban- 
den sei.^) 

Wir  haben  uns  bemüht,  eine  bessere  Formel  zu  finden, 
welche  bei  weniger  Constanten  dieselbe  Uebereinstimmung 
mit  den  Beobachtungen  gibt,  wie  die  ganze  Function  fünften 
Grades  von  n. 

Der  Ausdruck: 

i.  =a  +  Ä(?<=»»8in(rfw2), 

schliesst  sich  mit  vier  Constanten  ebenso  gut  an.  für  die 
letzten  Linien  sogar  besser.  Wir  glauben  aber,  dass  auch 
in  dieser  Formel,   trotz  ihrer  bemerkenswerthen  Ueberein- 


1)  Liveing  u.  Dewar,  Phil.  Trans.  179,  1888. 


BandeMpedrum  der  Kokk. 


89 


stimmimgy  da8  wahre  Gesetz  nicht  entdeckt  ist  Dasselbe 
wird  sich  wohl  nur  aus  theoretischen  Betrachtungen  folgern 
lassen,  und  dann  werden  unsere  Messungen  zur  Prüfung  des- 
selben dienen  können. 

Nach  dem  dritten  Gesetz  von  Deslandres  soll  man 
aus  den  Kanten  dreier  Banden  die  Kanten  der  anderen 
Banden  berechnen  können.  Wir  finden  auf  diese  Weise 
durch  Rechnung  aus  unseren  Beobachtungen  der  drei  Cyan- 
banden  bei  422,  388,  359/iiju,  dass  die  ersten,  zweiten  und 
dritten  Kanten  anderer  Cyanbanden  liegen  sollen  bei: 


ber. 

beob. 

Beobachter 

ber. 

beob. 

Beobachter 

4595,97 
4571,80 
4551,41 

4600 
4574 
4550 

Watts 

3340,17 
3333,71 
8880,56 

8870 
8850 

Liveing 
o.  Dewar 

Ebenso  finden  wir  durch  Rechnung  aus  unseren  Beob« 
achtongen  der  Kohlenbanden  bei  563,  516,  414fifi: 


ber. 

beob. 

Beobachter 

ber. 

beob. 

Beobachter 

6148,32 
6085,46 

6178 
6119 

Axigström 
u.  Thal^n 

4349,00 
4340,09 

4381,93 
4371,31 

Kayser 
u.  Ruuge 

Danach  muss  man  zugeben,  dass  in  Deslandres'  drittem 
Gesetz  eine  Annäherung  an  die  wirkliche  Vertheilung  der 
Banden  enthalten  ist  Aber  auch  aus  dieser  angenäherten 
Form,  welche  ja  Deslandres  bei  allen  untersuchten  Ban- 
denspectren  bestätigt  hat,  kann  man  schon  den  wichtigen 
Schluss  ziehen,  dass  die  beiden  Arten  von  Bandea  wirklich 
80  zusammengehören,  wie  wir  sie  zusammeugestellt  haben, 
dass  also  speciell  die  Bande  438  ufi  eine  Kohlenbande,  keine 
Cyanbande  ist.  Liveing  und  Dewar  haben  sie  früher  zu 
Cyan  gerechnet,  später  aber  ^)  ihre  Ansicht  geändert.  H.  W. 
Vogel  rechnet  sie  noch  zu  den  Cyanbanden. 

§  8.  Die  Wellenlängen  der  Kanten  sind  nach  unseren 
Messungen,  wenn  den  Z)-Linien  die  Wellenlängen  zu  Grunde 
gelegt  werden:  Z^^  =  5890,125,  Z)2=  5896,080: 


1)  Liveing  u.  Dewar,  Proc.  Roy.  Soc.  84.  p.  418.  1883. 


90 


V.  Klaä  tf.  Fh.  Lenard. 


L  Kohlenbanden. 


Zweite  Bande 

Dritte  Bande 

Vierte  Bande 

Fünfte  Bande 

1.  Kante 

2.  ,f 

3.            19 

4.        )) 

5635,43 
5585,50 
5540,86 

n. 

5165,80 
5129,86 

Cyanban 

4787,18 
4715,81 
4697,57 
4684,94 

den. 

4881,93 
4871,81 
4365,01 

Zweite  Bande 

Dritte  Bande  Vierte  Bande 

1.  Kante 

2.  V 

3.  99 

4.  99 

5.  » 

6.  )» 

Hanno 

4216,12 
4197,24 
4180,98 
4167,77 
4156,17 
4152,88 

ver,  im  Ju 

3883,55 
8871,54 
8861,86 
3855,06 

ni  1889. 

8590,48 
8585,95 
8584,06 

IX.    lieber  die  JPhosphorescenxen 
des  Kupfers,    Wismuths   v/nd   Mangans  in   den 

ErdaikalisiUfiden; 
van  Virgil  Klatt  und  Philipp  Lenard. 


(Hier»  Taf.  1   Flg.  7-8.) 


1.  Es  ist  bekannt,  dass  die  phosphorescirenden  Sulfide 
der  Erdalkalien  unter  allen  anderen  ähnlichen  Körpern  das 
längste  helle  Nachleuchten  besitzen.  Die  Bereitungsweisen 
solcher  Phosphore  wurden  ausführlich  von  Ed.  BecquereP) 
und  Förster^  angegeben,  und  ersterer  studirte  auch  ihre 
Eigenschaften. 

Nach  diesen  Vorschriften  hatten  wir  vor  Jahren  begon- 
nen, Versuche  über  Bereitung  phosphorescirender  Sulfide  zu 
machen.  Wir  verwendeten  dabei,  wie  die  Genannten,  lange 
Zeit  hindurch  Kalk-,  Strontian-  und  Barytminerale  und  auch 
käufliche  Salze  als  Ausgangsmateriale,  und  führten  diese 
auf  den  verschiedenen  möglichen  Wegen  —  immer,  wie  es 


1)  £d.  Becquerel,  La  lumi^re.  1.  p.  214  u.  f.  1867. 

2)  Förster,  Pogg.  Ann.  183«  p.  94  u.  228.  1868. 


Pkotphoreseenz.  91 

nöüiig  ist,  bei  hoher  Temperatur  —  in  die  Sulfide  über, 
welche  dann  in  vielen  Fällen  phosphorescirten.  Der  Erfolg 
—  und  dann  auch  die  Farbe  —  hing  selbst  bei  durchaus 
identischer  Bereitungsweise  ganz  von  der  Herkunft  der  ver- 
wendeten, anscheinend  gleichen  Kalk-,  Baryt-  oder  Stron- 
tianverbindungen  ab;  also  von  Umständen,  die  man  nicht 
kannte. 

Wir  wollen  hier  mittheilen,  was  wir  bezüglich  derselben 
bisher  feststellen  konnten,  und  uns  hauptsächlich  auf  die 
Kalkphosphore  beschränken. 

2.  Man  schrieb  den  Haupteinfluss  auf  die  Helligkeit 
und  Farbe  der  Phosphorescenz  solcher  Sulfide  deren  physi- 
kalischer Structur  zu,  welche  sich  jedoch  genauer  üontrole 
entzieht,  und  daher  nicht  immer  wieder  in  genau  derselben 
Weise  herstellbar  ist;  —  so  erklärte  man  sich^)  die  Unbestimmt- 
heit der  Lichtemission. 

Wir  führen  als  Beispiele  hierzu  einige  bei  unseren  nach 
Becquerel  angestellten  Mineralversuehen  gemachte  Beobach- 
tungen an;  sie  werden  in  dem  später  Folgenden  ihre  einfache 
Erklärung  finden.  Klare  Doppelspathkrystalle,  fein  pulverisirt 
und  mit  Schwefel  geglüht,  gaben  einen  schwach  grün  leuch- 
tenden Phosphor.  Wurde  der  Doppelspath  in  Salzsäure  gelöst, 
mit  kohlensaurem  Ammoniak  wieder  ausgefällt  und  gut  ge- 
waschen, so  erhielten  wir  beim  Grlühen  mit  Schwefel  eine  oran- 
ge gelb  leuchtende  Masse,  während  die  Lösung  desSpathes  in 
Salpetersäure  unter  sonst  gleicher  Behandlung  grünlich- 
gelbe Phosphorescenz  lieferte.  Sehr  reine  farblose  Aragonit- 
krystalle  (bei  welchen  man  nun  wieder  andere  physikalische 
Structur  annehmen  konnte,  als  bei  den  kohlensauren  Kalken 
der  drei  vorhergehenden  Versuche)  gaben  auf  keine  Weise, 
in  Sulfid  übergeführt,  bemerkenswerthe  Phosphorescenz. 

Im  allgemeinen  lag  die  Phosphorescenzfarbe  der  aus  ver- 
schiedenen Kalken  auf  verschiedenen  Wegen  dargestellten 
Sulfide  in  den  Nuancen  zwischen  bläulichgrün  und  gelblich- 
grün bis  gelb;  andere  Farben  waren  selten  und  höchst  un- 
sicher zu  erzielen.  Wir  waren  indessen  im  Stande,  diese 
Phosphorescenzen  durch  erneutes  Glühen  mit  verschiedenen 

1)  Vgl.  Becquerel,  1.  c.  p.  214  u.  f.  u.  Lommel,  Wied.  Anu.  30« 
p.  474.  18S7. 


92  V.  KlaU  tu  Ph.  Lenard. 

Zusätzen  nicht  nur  noch  bedeutend  heller  su  machen,  son- 
dern auch  ihre  Farbe  abzuändern.  Im  weiteren  wird  von 
diesen  Zusätzen  noch  die  Bede  sein,  wir  führen  hier  nur 
eine  der  Begelmässigkeiten  an,  die  wir  bezüglich  ihrer  Wir- 
kung bei  den  Veruchen  mit  Ealkleuchtsteinen  bemerkt  hatten. 
War  nämlich  die  Phosphorescenz  des  Schwefelcalciums  ohne 
Zusatz  grün  mit  gelblicher  Nuance,  so  konnte  sie  durch 
erneutes  Glühen  mit  Zusatz  von  irgend  einem  Chlorid 
(K,  Na,  NH^,  Ca,  Sr,  Ba)  in  Orange  übergeführt  werden. 
War  sie  dagegen  grün  mit  bläulicher  Nuance,  so  wurde  sie 
durch  Zusatz  eines  Chlorides  Bosa  bis  Purpur  oder  Lavendel- 
violett  Man  sieht,  dass  grüne  Phosphorescenz  durch  Glühen 
mit  den  Chloriden  zum  Verschwinden  gebracht  werden  konnte. 
Durch  Zusätze  von  schwefelsauren,  schwefligsauren,  unter- 
schwefligsauren  oder  phosphorsauren  Salzen  wurde  sie  da- 
gegen verstärkt  Die  mit  Chloridzusätzen  erhaltene  violette 
Phosphorescenz  ist  nicht  identisch  mit  der  blauvioletten  der 
Balmain'schen  Leuchtfarbe,  die  später  im  Handel  erschien, 
obgleich  dieselbe  auch  ein  Ealkphosphor  ist  u.  s.  w.;  wir  konn- 
ten ein  solches  Blauviolett  mit  keinem  Ealkmineral  erhalten. 
3.  Die  Berücksichtigung  der  physikalischen  Structur  der 
Sulfide  lieferte  uns  keinen  einzigen  sicheren  Anhaltspunkt 
zu  einem  Zusammenhang  mit  der  Lichtemission,  und  wir 
erhielten  einen  solchen  erst,  als  wir  auf  die  chemische  Zu- 
sammensetzung des  verwandten  Materials  aufmerksamer  wur- 
den. Obgleich  wir  nämlich  oft  aus  Materialien,  die  man  für 
sehr  rein  halten  musste,  ziemlich  helle  Phosphore  darstellen 
konnten,  fiel  es  doch  auf,  dass  es  nicht  die  reinsten  Sub- 
stanzen waren,  welche  die  hellste  Phosphorescenz  lieferten. 
Wir  begannen  daher,  einige  der  Minerale,  die  besonders 
helle  Leuchtsteine  ergaben,  chemisch  zu  prüfen.  Ein  ska- 
lenoedrischer  Kalkspath,  der,  auf  verschiedenen  Wegen  in  das 
Sulfid  verwandelt,  sich  durch  besonders  helle,  grüne  Phos- 
phorescenz auszeichnete,  ergab  bei  der  Analyse  unter  sehr 
kleinen  Spuren  anderer  Metalle  auch  eine  Spur  Kupfer. 
Möglicherweise  hatte  dies  die  grüne  Phosphorescenz  verur- 
sacht Wir  fällten  daher  aus  einer  grösseren  Menge  Kalk 
die  Metalle  aus  und  stellten  aus  dem  so  gereinigten  Kalk 
wie   vorher  Schwefelcalcium   dar.     Nun   phosphorescirte  es 


Photphartscenz.  98 

nur  sehr  achwach.  Dieselbe  Beinigang  wiederholten  wir  mit 
anderen  Materialien,  und  in  keinem  Falle  waren  nach  der- 
selben die  hellen  Phosphorescenien  wieder  m  erhalten.  In  der 
Annahme,  dass  die  grQne  Phosphorescenz  unseres  skaleno6d- 
rischen  Kalkes  durch  das  in  ihm  hauptsächlich  enthaltene 
Kupfer  bedingt  sei,  best&rkte  uns  die  damals  yeröffentlichte 
Untersuchung  der  Bai main 'sehen  Leuchtfarbe  durch  Ver- 
neuily  welcher  fand^),  dass  deren  blaue  Phosphorescenz 
durch  kleine  Mengen  Wismuth  im  Schwefelcalcium  bedingt 
werde. 

Wir  schlugen  nun  den  entgegengesetzten  Weg  ein  und 
gingen  Ton  vorher  besonders  gereinigtem  Kalk  aus,  um  ihn 
unter  Zusatz  verschiedener  Metallyerbindungen  in  Sulfid  zu 
verwandeln  und  dabei  ergaben  sich  ausser  Wismuth  auch 
Kupfer  und  Mangan  als  in  hohem  Grade  im  Schwefelcalcium 
Phosphorescenz  erregende  Metalle. 

Wir  reinigten  uns  den  zu  diesen  Versuchen  mit  Metall- 
zusätzen nöthigen  Kalk,  indem  wir  eine  Lösung  von  sal- 
petersaurem Kalk  (Carraramarmor  oder  Kalkspath  in  Sal- 
petersäure gelöst,  sodass  ein  Theil  ungelöst  zurückblieb,  und 
filtrirt)  mit  einer  kleinen  Menge  Schwefelammon  versetzten, 
filtrirten,  die  Lösung  auskochten  und  kochend  (damit  der 
Niederschlag  möglichst  fein  zertheilt  sei)  mit  kohlensaurem 
Ammoniak  ausfällten.  Der  gewaschene  kohlensaure  Kalk 
wurde  zu  Oxyd  gebrannt,  weil  die  Umwandlung  von  Oxyd 
zu  Sulfid  beim  Glühen  mit  Schwefel  leichter  und  vollstän- 
diger vor  sich  geht  als  von  Carbonat.  Das  so  erhaltene 
Sulfid  gab,  wie  schon  gesagt,  bei  wiederholten  Controlver- 
sachen  (ohne  Metallzusätze)  auch  mit  Zusatz  von  unter- 
schwefiigsaurem  oder  phosphorsaurem  Natron  geglüht,  nur 
ganz  schwaches  Leuchten;  wenn  es  nach  Belichtung  am 
Sonnenlicht  rasch  in  das  dunkle  Zimmer  zurückgezogen 
wurde;  war  die  Farbe  unterscheidbar,  so  war  sie  ein  schwaches 
Grün.«) 


1)  Verneuil,  Compt  rend.  103.  p.  600.  1886. 

2)  Vgl.  Verneuil,  Compt  rend.  104.  p.501.  1887,  der  bei  der  Dar- 
Btellang  des  Wismuthphosphors  auch  von  gereiDigtem  Kalk  ausging  und 
auch  die  Wirkung  verschiedener  Zusätze  studirte.  Ebenso  vgl.  £d.  Bec- 
querel.  Compt.  rend.  107.  p.  892.  1888. 


94  V.  EJaä  u.  Ph.  Lenard. 

Die  Quantitäten  von  Metallen,  welche  nöthig  sind,  um 
jene  schwache  Phosphorescens  sehr  hell  werden  zu  lassen, 
sind,  wie  man  sehen  wird,  so  gering,  dass  ihnen  gegenüber 
die  meisten  chemischen  Trennungsmethoden  äusserst  unvoll- 
kommen erscheinen,  und  es  ist  daher  sehr  schwer,  direct  zu 
untersuchen,  ob  vollkommen  reines  Schwefelcalcium  überhaupt 
phosphorescirt.  Aus  demselben  G-runde  gaben  uns  auch 
sorgfältig  ausgeführte  Analysen^)  von  Materialen,  welche 
gewisse  Phosphorescenzen  besonders  schön  zeigten,  nicht 
immer  brauchbare  Anhaltspunkte  über  die  Metallspuren, 
welche  hier  etwa  wirksam  waren.  Bei  solchen  Analysen  wurde 
derart  verfahren,  dass  aus  der  Lösung  der  zu  untersuchen- 
den Substanz,  ebenso  aus  der  von  den  Schwefelwasserstoff- 
metallen und  von  den  Schwefelammoniummetallen  befreiten 
Lösung  Schwefelcalcium  dargestellt  wurde  und  die  Phospho- 
rescenzspectren  dieser  drei  Präparate  miteinander  verglichen 
wurden.  Es  zeigte  sich  dann  (bei  Anwendung  eines  langsam 
rotirenden  Phosphoroskopes),  dass  durch  das  Ausfällen  der 
einzelnen  Metallgruppen  eine  oder  die  andere  der  Banden 
im  Spectrum  schwächer  geworden  war,  und  es  war  daraus 
zu  schliessen,  dass  die  betreffende  Bande  zu  einem  Metalle 
der  betreffenden  Gruppe  gehörte.  Zum  yoUkommenen  Ver- 
schwinden waren  die  Banden  durch  die  Ausfällungen  nicht 
zu  bringen,  es  blieb  immer  eine  stärkere  Bande  im  Blau- 
grün und  mitunter  noch  eine  schwächere  im  Orange  übrig; 
sie  erschienen  schwach  im  Phosphoroskop,  stark  jedoch  im 
Bereiche  der  Kathodenstrahlen  in  evacuirten  Röhren.  Nun 
wird  von  diesen  Banden  die  erste,  blaugrüne,  durch  Kupfer, 
die  zweite,  im  Orange,  durch  Mangan  ausserordentlich  ver- 
stärkt, wie  unsere  mitzutheilenden  Versuche  zeigen,  sodass 
sich  ihr  Auftreten  in  unserem  gereinigten  Kalksulfide  durch 
das  Vorhandensein  der  Spuren  dieser  Metalle  erklärt,  welche 
der  gewöhnlichen  chemischen  Analyse  entgehen;  und  kein 
Hinderniss  ist  vorhanden,  anzunehmen,  dass  die  Phosphores- 
cenz  dieser  Leuchtsteine  ebenso  wenig  dem  Schwefelcalcium 
zuzuschreiben  ist,  als  z.  B.  die  Fluorescenz  einer  Eosinlösung 
dem  lösenden  Alkohol. 


1)  Wir  verdanken  die  Ausführung  solcher  Analysen  Hm.  Dr.  0. 
Pavel  in  Heidelberg. 


Phosphorescenz.  96 

Ausf&hrliche  Untersuchungen  über  andere  phosphores- 
cirende  Substanzen  mit  ähnlichen  Ergebnissen  verdanken  wir 
Lecoq  de  Boisbaudran.  Er  brachte  eine  Reihe  nicht  oder 
nur  schwach  phosphorescirender,  sehr  reiner  Garbonate  und 
Sulfate  durch  Zusatz  kleiner  Mengen  von  Mangan  oder  Wis- 
muth  zu  heller  Phosphorescenz;  ebenso  Calciumoxyd  durch 
Kupfer  u.  s.  £^)  Auch  hat  Lecoq  in  einer  sehr  soi^^- 
tigen  Untersuchung  gefunden,  dass  die  rothe  Phosphorescenz 
der  Thonerde  nicht  dem  reinen  Aluminiumozydy  sondern  den 
Torhandenen  Spuren  von  Chromoxyd  entstammt.^  Je  mehr 
er  die  Thonerde  reinigte ,  desto  mehr  verschwand  die  Phos- 
phorescenz. In  welch'  geringer  Menge  das  Chrom  schon 
wirksam  ist,  kann  man  daraus  entnehmen,  dass  Lecoq,  als 
er  die  Lösung  der  sehr  reinen  Thonerde  einige  Tage  in 
böhmischem  G-las  stehen  liess,  er  aus  derselben  schon  wieder 
Thonerde  mit  schwach  rother  Phosphorescenz  erhielt.  Es 
muss  indessen  hinzugefügt  werden,  dass  es  Grookes,  der 
sich,  wie  bekannt,  seit  langer  Zeit  mit  solchen  Untersuchungen 
beschäftigt,  nicht  gelang,  durch  Reinigung  der  Thonerde  deren 
rothe  Phosphorescenz  auch  nur  zum  Abnehmen  zu  bringen.^ 
—  Das  Leuchten  der  phosphorescirenden  Sulfate,  Carbonate 
und  Oxyde  dauert  unvergleichlich  viel  kürzer  als  das  der 
Erdalkalisulfide. 

4.  Wir  begnügten  uns  bei  unseren  Versuchen  mit 
Schwefelerdalkalien  mit  dem  Grade  der  Reinheit,  den  wir 
durch  die  erwähnte  analytische  Behandlung  erhielten.  Denn 
um  zu  constatiren,  ob  ein  zugesetztes  Metall  wirksam  sei 
oder  nicht,  benutzten  wir  blos  die  einfache  Beobachtung  nach 
Zurückziehen  des  belichteten  Präparates  in  das  dunkle  Zimmer, 
und  dabei  resultirten  in  der  That  so  helle  Fhosphorescenzen, 
dass  dagegen  die  des  gereinigten  Schwefelcalciums  ganz  zu 
vernachlässigen  war. 

Folgendes  sind  die  Ergebnisse  der  Versuche  mit  Metall- 


1)  Lecoq  de  Boisbandran,  Gomptrend.  103.  p.468  u.  629.  1886; 
104.  p.  1680.  1887;  105.  p.  45,  206  u.  1228.  1887;  106.  p.  452,  1886, 
1708  u.  1781.  1888. 

2)  Lecoq  de  BoisbaudraD,  Gompt.rend.  103.  p.ll07.  1886;  104. 
p.  380,  478,  554  tu  824.  1887. 

8)  Grookes,  Natare.  39.  p.  542.  1889. 


96  V.  Oaa  u.  Fh.  Lenard. 

zns&tzeiiy  welche  ausserordentlich  hell  und  anhaltend  nach- 
leuchtende  Phosphore  lieferten.  Dieselben  besitzen  im  Ver- 
gleich mit  den  aus  Substanzen  von  zuf&lliger  Zusammen- 
setzung (Mineralien)  erhaltenen  reinere  und  gesättigtere  Far- 
ben und  sind  immer  wieder  in  derselben  Beschaffenheit  her- 
stellbar. 

Kupfer  in  Schwefelcalcium.  Blaugrüne  Phosphor- 
escenz.  Im  Spectrum  eine  breite  Bande  mit  dem  Maximum 
i  SB  611.10-^  mm  (etwa  b^j^  F.).  Schon  ein  Eupferzusatz* 
äquivalent  mit  Viooooo  ^^^  ^^  ^  Theil  angewandtes  OaO 
gibt  sehr  helle  Phosphorescenz.  (Bei  dieser  grossen  Empfind- 
lichkeit darf  es  nicht  Terwundern,  dass  die  Bande  des  Kupfers 
auch  in  dem  gereinigten  Materiale  erschien.)  Fügt  man 
mehr  und  mehr  Kupfer  hinzu,  so  nimmt  die  Intensität  der 
Phosphorescenz  wieder  ab;  Vioooo  ^^^  geben  noch  eine 
weisse,  gut  leuchtende  Masse;  grosse  Kupferzusätze  machen 
das  Sulfid  missfarbig  und  wenig  leuchtend.  Es  war  eine  all- 
gemein immer  wiederkehrende  Beobachtung,  dass  schmutzig 
weiss  gefärbte  Massen  unter  keinen  Umständen  gut  phos- 
phorescirten;  die  hellstleuchtenden  Präparate  waren  meist 
fast  weiss,  und  besassen  nur  eine  zarte  Färbung,  die  hier 
beim  Kupfer-Kalk-Phosphor  eine  sehr  schwach  hellbläulich- 
grüne  ist. 

Es  ist  jedoch  das  Vorhandensein  gewisser  Zusätze  nöthig, 
um  die  Phosphorescenz  des  Kupfers  nach  Belichtung  an  der 
Sonne^  selbst  im  Phosphoroskop  (etwa  Ysoo  Secunden  nach 
der  Belichtung)  hell  erscheinen  zu  lassen;  ohne  diese  Zusätze 
wurde  sie  nur  durch  die  Kathodenstrahlen  stark  erregt  Als 
sehr  passende  Zusätze  fanden  wir  für  Kupfer-Kalk-Leucht- 
steine 0,1  schwefelsaures  Natron  oder,  fast  ebenso  gut  wir- 
kend, unterschwefligsaures,  schwefligsaures  oder  phosphor- 
saures Natron  (NaHgPOJ.  Die  Mengenangaben  beziehen 
sich  immer  auf  einen  Gewichtstheil  angewandten  E^alk.  Durch 
diese  Zusätze  wird  der  Ort  des  Maximums  im  Phosphores- 
cenzspectrum  nicht  geändert,  nur  dessen  Intensität  sehr 
vermehrt 

Wir  wollen  hier  als  ein  Beispiel  auch  für  die  übrigen  Phos- 
phore die  Bereitungsweise  eines  solchen  Kupferleuchtsteins  ge- 
nauer angeben.  Eine  Portion  (3  g)  des  gereinigten  Kalkes  wurde 


FkaqAareseenz.  97 

mit  etwa  Vs  Volumen  Scbwefelblumen  verrieben  und  hierzu, 
in  etwas  Alkohol  yertheilt,  die  abgemessene  Menge  der 
Kupferlösung  gesetzt;  sie  war  hier,  wie  auch  bei  den  anderen 
Metallen,  eine  salpetersaure.  Das  breiige  Gemenge  wurde 
in  einen  Porzellantiegel  eingetragen,  bedeckt  und  über  der 
Bunsenflamme  so  lange  erhitzt,  bis  die  Beaction  vollendet 
und  der  überflüssige  Schwefel  abgehrannt,  also  die  Masse 
weiss  geworden  war.  Sie  ist  nun  leicht  zerreiblich  und  kann 
mit  einem  der  erwähnten  Zus&tze  vermengt  werden,  worauf 
sie  noch  eine  Zeit  lang  stärker  geglüht  wird,  was  wir  im 
Platintiegel  und  Hemp ersehen  Ofen  ausführten  (Dauer 
hier  etwa  20  Minuten).  Es  ist  das  schliessliche  Erhitzen  zu 
starker  Rothgluth  nöthig,  um  die  Phosphorescenzen  sich  hell 
entwickeln  zu  lassen;  dasselbe  darf  jedoch  auch  nicht  zu  lange 
fortgesetzt  werden,  da  sonst  das  Calciumsulfid  schwefelärmer 
wird.  (Dagegen  hilft  erneutes  Glühen  mit  Schwefel,  was 
auch  durch  Liegen  an  der  Luft  verdorbene  Leuchtsteine 
wieder  herstellt)  Nach  dem  Glühen  mit  dem  Zusatz  ist 
die  Masse  härter  und  mehr  oder  weniger  zusammenge- 
backen. 

Sowie  aber  die  angegebenen  Zusätze  die  Phosphorescenz 
des  Kupfers  sehr  befördern,  so  gibt  es  auch  andere,  welche  sie 
vernichten,  und  dies  thun  die  Chloride  (der  Alkalien  und  Erd- 
alkalien).  Glüht  man  einen  Kupferleuchtstein  mit  Zusatz  von 
(^orammon  z.  B.,  so  verliert  er  den  grössten  Theil  der  Phos- 
phorescenz. Dies  rührt  sehr  wahrscheinlich  davon  her,  dass 
die  geringen  Spuren  von  Kupfer  sich  als  Chlorid  verflüch- 
tigen. Wir  bemerkten  öfters  beim  Erhitzen  von  Kupfer- 
leuchtsteinen  mit  Chloriden,  dass  die  oberen  Partbien  im 
Tiegel  die  grüne  Phosphorescenz  schon  verloren  hatten,  wäh- 
rend sie  die  unteren  noch  besassen,  und  dass  erst  lange  an- 
haltendes Glühen  die  grüne  Phosphorescenz  ganz  zum  Ver- 
schwinden brachte. 

Wir  reihen  hieran  gleich  zwei  andere  Phosphorescenzen 
des  Kupfers:  im  Strontium-  und  Bariumsulfid. 

Kupfer  in  Schwefelstrontium.  Phosphorescenz  in- 
tensiv gelbgrün  mit  einem  Maximum  bei  A  »  537  .  10~^  mm 
[D^I^E).  Da  die  Umsetzung  in  das  Sulfid  bei  Strontium 
mit  mehr  Energie  erfolgt,  als  bei  Calcium,  gingen  wir  vom 

Aon.  d.  Phyi.  o.  Chemie.  N.  F.  XXXVIII.  7 


98  V.  KlaU  u.  Pk.  LenarcL 

Garbonate  aus.  ^/leooo  ^^  8^^  f^^  Besultate  (die  Mengen 
auf  ein  Theil  Strontiumcarbonat  bezogen).  Mehr  Kupfer  lästt 
die  Masse  grau  werden  und  nur  schwach  leuchten.  Als  sehr 
wirksamen  Zusatz  verwandten  wir  Fluorcalcium  (farblose 
Flussspathkrystalle),  etwa  0,03  Theile.  Die  Strontium-Kupfer- 
leuchtsteine sind  mehr  gelbgrün  gefärbt,  als  die  Kalk-Kupfer- 
phosphore.  Chloride  yermindem  auch  hier  beim  Glühen  die 
grüne  Kupferphosphorescenz  sehr,  eben  dasselbe  thun  alle 
versuchten  Bromide,  Jodide,  auch  Cyankalium.  Es  blieb 
jedoch,  nachdem  bei  hinreichend  starkem  und  langem  Er- 
hitzen das  Grün  verschwunden  war,  ein  schwaches  Blau 
übrig,  dessen  Ursprung  wir  noch  nicht  verfolgen  konnten. 

Kupfer  in  Schwefelbarium.  Phosphorescenz  intensiv 
tiefroth.  Bothe  Bande  mit  dem  Maximum  Xseiö.lO"^^  mm 
(C Ve  ^)«  Auch  hier  gingen  wir  vom  Carbonat  aus.  Die  In- 
tensität der  Phosphorescenz  nahm  zu,  bis  wir  Visooo  ^^  ^^' 
gesetzt  hatten,  aber  selbst  die  dreifache  Menge  gab  noch 
stark  leuchtende  Massen,  deren  Farbe  ein  desto  tieferes  Gelb- 
roth ist,  je  mehr  Kupfer  sie  enthalten;  diese  Phosphore 
leuchten  selbst  dann  noch,  wenn  die  Farbe  eine  br&unliche 
ist.  0,05  schwefelsaures  Kali  oder  Natron,  ebenso  0,08  Fluor- 
calcium erwiesen  sich  als  sehr  gute  Zusätze,  ohne  welche  auch 
hier  die  Phosphorescenz  verhältnissmässig  nur  schwach  ist. 
Chloride  lassen  die  Kupferphosphorescenz  verschwinden;  statt 
der  rothen  Phosphorescenz  erscheint  dann  eine  gelbe.  Wir 
konnten  jedoch  noch  nicht  entscheiden,  welchem  ausser  dem 
Kupfer  hier  noch  etwa  vorhandenen  Metalle  sie  zukommt; 
die  Reinigung  des  Bariums  und  auch  des  Strontiums  scheint 
schwieriger  zu  sein,  als  die  des  Calciums. 

Wismuth  in  Schwefelcalcium.  Blaue  Phosphore- 
scenz. Im  Spectrum  eine  Bande  mit  dem  Maximum  bei 
A  s=  455 .  10~' mm  (ca.  F^/^qG),  ausserdem  eine  zweite,  mit 
der  des  Kupfers  übereinstimmende  Bande  mehr  oder  weniger 
hell  zu  sehen,  die  indessen  kurz  nach  Aufhören  der  Belich- 
tung verschwindet,  während  die  erstere  lange  anhält.  (Dass 
die  Kupferbande  erscheint,  war  zu  erwarten,  da  sie  auch 
unser  Kalk  ohne  Wismuthzugabe  schon  zeigte.)  Ein  Zu- 
satz von  salpetersaurem  Wismuth,  äquivalent  mit  "/loooo 
-B^^s»  S&b  <ias  Maximum  der  Wirkung,  und  es  ist  also  hier 


Fhotphorescenz.  99 

die  fiimpfindlidhkeit  bedeatend  geringer,  als  bei  Kupfer.  Auch 
die  Fhoephoresceni  des  Wiemuths  erscheint  nur  sehr  schwach 
ebne  passenden  Zusatz ,  selbst  im  Bereich  der  Kathoden- 
Strahlen.  Hat  man  zu  dem  Gemenge  des  Kalkes  und 
Sehwefisls  Wismuth  zugesetzt  und  durch  Glühen  in  Schwefel- 
calcinm  yerwandelt,  so  ist  die  Masse  graulich  und  demzufolge 
helle  Pbosphorescenz  auch  nicht  zu  erwarten.  Setzt  man  nun 
etwa  0,1  Theil  schwefligsaures  Natron  zu  und  glüht  wieder 
{etwa  40  Minuten  im  Hempelofen),  so  erhält  die  Masse  eine 
hell  schwefelgelbe  Farbe  (noch  heiss  ist  sie  tief  gelb  gef&rbt) 
und  zeigt  die  tief  blaue,  dem  Wismuth  eigenthümliche  Pbos- 
phorescenz. Dieselbe  ist  so  stark,  dass  dieser  Phosphor,  an 
das  helle  Tageslicht  gebracht,  alsbald  seine  gelbe  Farbe  zu 
Terlieren  scheint,  indem  sie  durch  das  blaue  Phosphorescenz- 
licht  zu  grauweiss  erg&nzt  wird.  Bewegt  man  das  Pulver, 
so  kommen  unbelichtete  Theile  an  die  Oberfläche,  welche 
wieder  eine  Zeit  lang  gelb  erscheinen.  Die  B  almain 'sehe 
Leuchtfarbe  ist,  wie  schon  vor  uns  VerneuiP)  gefunden 
hatte,  mit  dessen  Resultaten  die  unserigen  übereinstimmen, 
auch  ein  Wismuth-Kalkphosphor.  Grössere  Mengen  Wis- 
muth geben  nur  graue  Massen,  die  nicht  leuchten.  Wie 
schwefligsaures  Natron  wirken  auch  unterschwefligsaures, 
schwefelsaures  und  phosphorsaures  Natron  als  gute  Zusätze, 
und  dieselben  können  auch  schon  vor  dem  ersten  Glühen 
zugesetzt  werden.  Chloride  vernichten  auch  die  Wismuth- 
phosphorescenz,  was  durch  die  Flüchtigkeit  des  Wismuth- 
chlorids  erklärlich  ist. 

Mangan  in  Schwefelcalcium.  Gelbe  Pbosphorescenz. 
Das  Spectrum  besteht  aus  einer  sehr  hellen  Bande  im  Roth 
und  Gelb,  deren  Maximum  bei  X  ^  6\\. IQ-^  mvi  {C^j^D) 
liegt,  ausserdem  ist  auch  hier  die  Kupferbande  schwach  sicht- 
bar, verschwindet  jedoch  im  Nachleuchten  sehr  rasch,  sodass 
blos  die  helle  Manganbande  allein  zurückbleibt.  Mangan 
kann  in  ziemlich  grossen  Mengen  zugesetzt  werden,  ohne 
dass  die  Pbosphorescenz  darunter  leidet  Sie  nimmt  an  In- 
tensität zu,  bis  zu  einem  Gehalt  an  MnO  von  ^^^o-  (Statt 
Manganonitrat  versuchten  wir  auch,   Sulfat,   Chlorid,   auch 


1)  Yerneuil,  L  o. 


100  V.  Klatt  u.  Fh.  Lenard 

übermangansaures  Kali  zuzusetzen,  die  Phosphorescenz  war 
immer  dieselbe.  ^))  Auch  die  Manganphosphore  bedürfen  eines 
Zusatzes,  um  intensiv  zu  leuchten.  Wir  verwandten  0,2  Thle» 
schwefelsaures  Eali;  fest  ebensogut  wirkt  unterschwefligsaurea 
Natron.  Zusätze  von  Chloriden  schaden  der  Manganpbot- 
phorescenz  nicht,  was  mit  der  geringen  Flüchtigkeit  des 
Manganchlorides  im  Vergleich  zum  Kupfer  und  Wismuth* 
Chlorid  in  Uebereinstimmung  ist;  sie  lassen  die  Mangan* 
phosphorescenz  nur  noch  gesättigter  orangegelb  erscheinen^ 
indem  sie  den  Torhandenen  Rest  Ton  grüner  Kupferphospho- 
rescenz  entfernen.  Die  Farbe  der  Manganphosphore  ist  fest 
ganz  rein  weiss. 

5.  Nun  lässt  sich  leicht  alles  das  erklären,  was  von  den 
Mineralphosphoren  erwähnt  wurde.  Jenachdem  deren  Phos- 
phorescenz vorherrschend  gelb  oder  grün  war,  zeigten  alle 
Spectren,  die  wir  untersuchten,  hauptsächlich  stark  die  Man- 
gan- oder  die  Eupferbande,  ausserdem  häufig  eine  neue  vio- 
lette Bande  bei  A  =  417  .  10-«mm  (G  Vs  H).  (Sie  liegt  also  weit 
mehr  nach^Vioiett,  als  die  Wismuthbande,  welche  wir  in  keinem 
Mineralphosphor  fanden.  —  Wismuth  ist  also  in  den  Kalk- 
mineralien nicht  so  allgemein  verbreitet,  wie  Kupfer  und 
Mangan.  Einmal  erhielten  wir  aus  einem  kohlensauren  Kalke, 
der  einer  chemischen  Fräparatensammlung  entstammte,  einen 
Phosphor,  der  beide  Banden  gab,  die  Wismuthbande  und  die 
violette).  Durch  Glühen  mit  Chloriden  musste  das  Kupfer 
verflüchtigt  werden,  also  die  grüne  Phosphorescenz  verschwin- 
den, wie  es  auch  der  Fall  war;  jetzt  konnten  die  Phos- 
phorescenzen  etwa  anderer  noch  vorhandener  wirksamer  Me- 
talle zum  Vorschein  kommen.  War  die  Phosphorescenz  schon 
vor  dem  Chloridzusatz  gelblichgrün,  so  war  ausser  Kupfer 
Mangan  vorhanden,  und  es  blieb  nach  Entfernung  des  erste- 
ren  blos  die  gelbe  Phosphorescenz  des  letzteren  zurück.  War 
das  Leuchten  vor  dem  Zusatz  bläulichgrün,  so  verwandelte 
es  sich,  wie  oben  angegeben,  nach  Entfernen  des  Kupfers 
in  ein  Purpur  oder  Rosa.    Diese  Phosphorescenz  erklärt  sich 


1)  Ed.  Becquerel,  Lalumi^rel.  p.  280,  machte  schon  die  Beobach- 
tung, dass  Braunsteinzusätze  die  gelbe  Phosphorescenz  der  Kalklencht» 
steine  begünstigen. 


PkoiphorBicenz.  101 

durch  keines  der  drei  wirksam  gefandenen  Metalle.  Die 
Untersadmiig  der  Speotren  mehrerer  solcher  Präparate  zeigte 
uuner  ausser  der  Maaganbande  noch  die  erwfthnte  violette 
Bude  (meist  auch  schwadi  die  Kapferbande).  Diese  violette 
Bande  gehört  demnach  sehr  wahrscheinlich  einem  wie  Mangan 
und  Kupfer  im  Mineralreich  sehr  verbreiteten  Metall  mit 
sehwerftUchtigem  Chloride  an.  Wir  konnten  noch  nicht  fest- 
stellen, welches  es  ist,  und  nennen  es  einstweilen  ^.  Es  würde, 
wenn  allein  im  Schwefelcalcium  enthalten ,  demselben  eine 
rein  Tiolette  Phosphorescenz  geben.  Interessant  ist  das  er- 
wähnte Verhalten  des  Doppelspathes,  der,  unmittelbar  mit 
Schwefel  geglttht,  grüne  (Knpfer-)Pho8phorescenz,  in  Salzsäure 
gelöst  und  wieder  ausgefällt  und  gut  gewaschen  jedoch  die 
gelbe  (Mangan-)Phosphorescenz  gab  —  ein  Verhalten ,  das 
wir  bei  allen  ähnlich  behandelten  Ealkmineralien  ebenfalls 
beobachteten.  ^)  Es  hat  also  Lösen  in  Salzsäure  und  Wieder* 
ausflQlen  und  Waschen  dieselbe  Wirkung,  wie  ein  Chlorid* 
Zusatz,  und  sie  erklärt  sich  aus  dem  festen  Anhaften  von 
Salzen  aus  der  Lösung  an  dem  ausfallenden  kohlensauren 
Kalke.  Diese  Salze  wirken  dann  als  Zusätze.  Ganz  ahn* 
Uch  verhält  sich  kohlensaures  Strontium,  welches  aus  sals- 
saarer  Lösung  gefällt,  auch  die  grüngelbe  Phosphorescenz 
des  Kupfers  viel  schwächer  gibt,  als  aus  salpetersaurer 
Lösung.  Auch  von  phosphorsaurem  Natron,  welches  wir  der 
ursprünglichen  Lösung  beimengten,  haben  wir  uns  über- 
zeugt, dass  es  beim  Ausfällen  in  genügender  Menge  festgehal- 
ten vrird,  um  seine  Wirkung  als  Zusatz  auszuüben.  Daraus 
folgt,  dass  es  kaum  möglich  ist,  einen  Phosphor  ohne  Zusatz 
darzustellen,  und  es  ist  daher  wahrscheinlich,  dass  die  ver- 
hältnissmässig  schwachen  Phosphorescenzen,  die  wir  bei  den 
ohne  Zusätze  bereiteten  Kupfer-,  Wismuth-  und  Mangan- 
leuchtsteinen beobachteten,  auch  nur  durch  kleine  Quanti- 
ttten  an  dem  Kalke  haftender  Salze  ermöglicht  wurden. 

1)  VgL  auch  £d.  Becqaerel,  La  lumiöre  1.  p.  224,  wo  ähnliche 
Besnhmta  angegeben  sind.  —  Aus  isländischem  Späth  wurden  von  allen 
Beob«ditem  gute  gelbe  Leuchtsteine  erhalten,  derselbe  enthält  also  immer 
«ne  Spar  Muigan  und  ausserordentlich  viel  weniger  Kupfer.  Diese  Fol- 
gerung bestätigen  die  Versuche  von  Ed.  Becquerel,  Compt.  rend.  103. 
p.  1098.  1886,  welche  zeigen,  dass  nur  manganhaltiger  kohlensaurer  Kalk 
wie  Doppelspath  phosphorescirt. 


102  V.  KlaU  u.  Ph.  Lenard. 

6.  Ueber  die  Beobachtung  der  Phosphorescenzspectreii. 
wollen  wir  Folgendes  bemerken:  Sie  geschah  auf  drei  ver» 
schiedenen  Wegen:  1.  Bei  £!rregang  der  Phosphorescenz  in 
sehr  verdünnten  B&umen  durch  Eathodenstrahlen;  2.  bei  Er» 
regung  durch  Sonnenlicht  im  Phosphoroskop;  8.  nach  der 
LommeTschen  Methode^);  dies  jedoch  seltener. 

Die  Erregung  durch  Eathodenstrahlen,  wie  sie  Crooke» 
h&ufig  anwandte,  ist  eins  der  yortrefflichsten  Mittel,  um 
ausserordentlich  helles  Leuchten  zu  erhalten,  und  das  Spec- 
trum daher  in  allen  Einzelheiten  mit  Leichtigkeit  beobachtea 
zu  können.  Sie  hat  den  grossen  Yortheil,  alles  falsche,  nicht 
von  der  zu  untersuchenden  Substanz  ausgestrahlte  Licht 
gänzlich  zu  vermeiden.  Das  Einschmelzen  der  Präparate  ia 
e  mit  passenden  Electroden  versehene  Bohre  und  das  Eva- 
cuiren  derselben  ist  allerdings  mit  einigen  Umständlichkeiten 
verknüpft  Wir  konnten  die  Operationen  jedoch  auf  folgende 
Weise  verhältnissmässig  sehr  rasch  und  einfach  ausfahren. 

Die  Bohre  hatte  die  Form  der  Fig.  7 ;  man  sieht  daran 
die  Electroden  a,  b  ring-  oder  plattenförmig  und  an  ziemlich 
langen  Stielen  eingeschmolzen,  damit  die  zum  Springen  ge» 
neigten  Stellen  möglichst  weit  weg  von  dem  Orte  0  entfernt 
seien,  wo  die  zu  untersuchende  Substanz  auf  einem  Glimmer- 
blatte tnn  liegt.  Der  den  Eathodenstrahlen  auszusetzende 
Theil  der  Bohre  kann  dann  während  des  Evacuirens  ohne 
Gefahr  stark  erhitzt  werden,  wodurch  die  beim  Durchgehen 
der  Entladungen  eintretende  Gasabgabe  rasch  so  weit  zu 
Ende  gebracht  wird,  dass  die  Beobachtung  vom  Glimm- 
lichte nicht  mehr  gestört  wird.  Auch  ist  die  Probe  0  vor- 
her ausgeglüht  worden.  Der  Glimmer  phosphorescirt  in  den 
Eathodenstrahlen  nicht  und  befreit  uns  so  von  der  störenden 
Glasphosphorescenz.  Die  Biegung  c  der  nach  der  Pumpe 
führenden  Bohre  verhindert  das  Herabfallen  von  Stückchen 
des  eingeschlossenen  Präparates  in  dieselbe;  durch  r  kann 
Luft  eingelassen  werden.  Wir  schmolzen  die  Bohre  nach 
Einfüllen  des  Phosphors  bei  de  nicht  ab,  sondern  verkitteten 
sie  durch  Auflegen  einer  warmen,  mit  Siegellack  überzogenen 
Glasplatte,  nachdem  zuvor  der  hohle,  allseitig  geschlossene 


1)  Lommel,  Wied.  Ann.  20.  p.  856.  1888. 


Phoipkoretcenz.  108 

Glaskörper  GG  emgeBchoben  worden  war,  welcher  die  Ka^ 
thodenetrahlen  vom  Siegellack  abhält.  Dies  ist  nöthig,  denn 
jede  Spur  eines  derartigen  zersetzbaren  Körpers  verursacht 
im  Bereiche  der  Eathodenstrahlen  stundenlang  anhaltende 
Abgabe  Ton  Gras,  welche  selbst  bei  fortarbeitender  Pumpe 
ein  genügend  hohes  Vacuum  nicht  erreichen  lässt.  Gewöhn- 
Uch  betrog  der  Druck  der  nicht  verdichtbaren  Gase  in  der 
Bohre  bei  der  Beobachtung  einige  Milliontel  Millimeter.  Die 
Siegellackdichtung  hält  fast  immer  24  Stunden  vollkommen 
dicht.  Die  Bohre  läuft  nach  der  Pumpe  hin  in  das  Bot- 
tomley'sche  Verbindungsstück  B  aus.^)  Dieses  Stück,  dessen 
Vortheile  ganz  unschätzbar  sind,  erlaubt  es,  die  evacuirte 
Röhre  zu  jeder  beliebigen  Zeit  von  der  Pumpe  abzunehmen 
oder  wieder  anzusetzen,  ohne  dass  dabei  weder  in  die  Bohre, 
noch  in  die  Pumpe  Luft  kommt. 

Zum  Evacuiren  setzten  wir  den  Schliff  s  dieses  Stückes 
zunächst  mit  Eautschukdichtung  in  den  Trichter  T  des  Ap- 
parates Fig.  8  ein,  der  dann  mit  Quecksilber  vollgefüllt 
wurde.  Der  kleine  Apparat  ist  mit  einer  Wasserluftpumpe 
verbanden;  die  Kugel  K  dient  zur  Aufnahme  herunterfallen- 
den Quecksilbers.  Die  W asser luftpumpe  befreit  so  die  Bohre 
in  wenigen  Minuten  von  dem  grossten  Theil  der  Luft.  Ist 
dies  geschehen,  so  schliesst  man  den  Hahn  H  und  nimmt  die 
Röhre  vrieder  ab,  wobei  das  Quecksilber  aus  dem  Trichter  T 
in  den  Baum  unterhalb  $  bis  zum  Hahn  und  hinauf  bis  zum 
Schwimmer/  des  Verbindungsstückes  (s.  Fig.  7)  durch  den 
Atmosphärendruck  gepresst  wird,  den  Schwimmer  hebt  und 
seinen  Schliff  dicht  abschliesst.  Die  Bohre  kann  nun  an  das 
zu  B  passende  Schliffstück  der  Quecksilberluftpumpe  (in  den 
Figuren  nicht  gezeichnet)  gesetzt  werden,  wo  dann  das  Va- 
cuum leicht  vervollständigt  wird.  Die  angewandte  Pumpe  war 
eine  SprengeTsche  mit  den  Verbesserungen  von  Gimming- 
ham  und  Bottomiey. 

Die  Phosphorescenz  der  Kupfer-,  Wismuth-  und  Mangan- 
phosphore  in  solchen  evacuirten  Bohren  ist  so  intensiv,  dass 
sie  das  Auge  blendet  und  den  Beobachtungsraum  beträchtlich 
erhellt.     Die  Lage  der  Maxima  der  Banden  dieses  Phospho- 


1)  Bottomiey,  Proc  Boy.  Soc.  40.  p.  249.  1886. 


104  V.  Klatt  u.  Ph.  Lenard. 

rescenzlichtes  wurde  immer  an  der  Scala  eines  Bnnsen'schen 
Spectralapparates  abgelesen,  deren  Angaben  dann  in  Wellen- 
längen verwandelt  werden  konnten.  Wurden  die  Entladungen 
unterbrochen,  so  konnte  man  das  Spectrum  des  lange  an- 
dauernden Nachleuchtens  yerfolgen,  was  bei  Beobachtung  mit 
dem  Phosphoroskop  durch  Verlangsamen  der  Botationsge- 
schwindigkeit,  resp.  Anhalten  desselben  geschah.  Zur  Be- 
lichtung der  Proben  im  Phosphoroskop  diente  mit  einer  Linse 
concentrirtes  Sonnenlicht;  der  Spalt  des  Spectroskops  befand 
sich  dicht  am  Phosphoroskope. 

Die  aus  gereinigtem  Ealke  mit  Metallzusätzen  darge- 
stellten Phosphore  zeigten  wenig  Unterschied  in  der  Farbe 
der  Phosphorescenz  während  und  nach  den  Entladungen. 
Die  intensive  Phosphorescenz  des  Eupfer-Ealkleuchtsteins 
erschien  dem  Auge  blau,  fast  weiss  und  erst  nach  Aufhören 
der  Entladungen  blaugrün  wie  im  Phosphoroskop.  Der 
Wismuth-Ealkphosphor  leuchtete  während  der  Entladungen 
weniger  rein  blau  —  etwas  grünlicher  —  als  nachher,  was 
daher  kommt,  dass,  wie  schon  oben  erwähnt,  auch  die  blau* 
grüne  Eupferbande  erschien,  aber  im  Nachleuchten  ver- 
schwand, wobei  die  Farbe  der  im  Phorphoroskop  zu  beobach- 
tenden gleich  wurde.  Beim  Manganphosphor  war  die  Phos- 
phorescenzfarbe  unter  allen  Umständen  die  gleiche. 

Eigenthümlich  war  das  Verhalten  mehrerer  aus  Mine- 
ralien bereiteten  Phosphore,  indem  deren  Phosphorescenzfarbe 
unmittelbar  nach  Aufhören  der  Entladung  auf  kurze  Zeit  in 
ein  intensives  Feuerroth  umschlug,  welches  dann  alsbald 
wieder  einer  anderen  Farbe  Platz  machte,  die  meist  der  im 
Moment  der  Entladung  selbst  zu  beobachtenden  ähnlich  war. 
Ein  bewegter  Spiegel  trennte  diese  drei  zeitlich  verschiedenen 
Stadien  der  Phosphorescenz  sehr  schön  und  schloss  auch 
Augentäuschung  durch  Contrast  vollkommen  aus.  Alle  Phos* 
phore,  die  diese  Eigenthümlichkeit  aufwiesen,  hatten  im 
Spectrum  sehr  intensiv  die  gelbrothe  Manganbande,  daneben 
noch  die  Kupfer-  und  ^-Bande.  Im  Momente  der  Entladung 
erscheint  fiir  das  Auge  die  Mischfarbe  dieser  Banden  (z.  B. 
in  einem  Falle  als  Purpur).  Wenn  nun  gleich  nach  Auf- 
hören der  Erregung  das  Phosphorescenzlicht  in  Feuerroth 
übergeht,  so  folgt  daraus,  dass  die  gelbrothe  (Mangan-)  Phos- 


FhoMphoreMcenz.  106 

piiaretceiis  sich  eine  karze  Zeit  lang  ziemlich  hell  erhält, 
wihrend  die  echwftcheren  Banden  des  Kupfers  und  des  ^  rasch 
abUingen«  Dass  die  letzten  Reste  der  Phosphorescenz  nicht 
mehr  roth,  sondern  zumeist  bläulich  erscheinen,  erklärt  sich 
wahracheinlich  aus  der  Eigenthümlichkeit  des  Auges,  für 
schwache  Lichter  im  Roth  viel  unempfindlicher  zu  sein  als 
im  Blaa.^)  Erwähnenswerth  ist  es,  dass  auch  auf  die  be« 
kannte  grüne  Phosphorescenz  des  Natronglases  und  Uran- 
giaaes  unmittelbar  nach  Verlauf  der  erregenden  Entladung 
ein  helles  rothes  Aufleuchten  des  Glases  folgt  Man  sieht 
die  Erscheinung  leicht,  wenn  man  die  Augen  rasch  nach- 
«tnander  öfinet  und  schliesst,  während  die  Entladungen  durch 
ein  solehes  Rohr  gehen.    Flintglas  leuchtet  einfarbig  (blau). 

7«  Lommel  hatte  nach  seiner  Methode  eine  Reihe  von 
Kalkphosphoren  untersucht,  die  in  den  verschiedensten  Far* 
ben  leuchteten;  ihre  Zusammensetzung  war  unbekannt  Wir 
können  leicht  seine  Resultate')  mit  den  unserigen  vergleichen. 
Er  fand  im  Phosphorescenzlichte  aller  Kalkphosphore  nur 
drei  Banden  in  wechselnder  Intensität,  sodass  auch  zwei  der- 
selben ganz  fehlen  konnten.  Diese  drei  Banden  stimmen,  so 
genau  man  es  erwarten  kann,  mit  den  drei  Banden  des 
Mangans,  Kupfers  und  Wismuths,  wie  wir  sie  beobachtet 
haben I  überein;  die  vierte  Bande  (des  ^  im  Violett  konnte 
natürlich  nach  Lommel's  Methode  nicht  wahrgenommen 
werden. 

Die  Bestimmung  der  Wellenlänge  des  Maximums  einer 
Bande  durch  Spectralbeobachtung  mit  dem  Auge  ist  eine 
mindestens  schwierige  Aufgabe.  Das  Auge  bestimmt  leicht 
den  Ort  der  grössten  Intensität,  dieses  fällt  aber  bei  einer 
breiten  Bande  nicht  mit  dem  Maximum  der  ausgestrahlten 
Energie  zusammen,  wie  bei  einer  scharf  begrenzten  Spectral- 
linie.  Es  ist  nämlich  die  Intensität  für  das  Auge  eine  für 
jede  Wellenlänge  verschiedene  Function  der  Energie  der 
Strahlung.  Sie  ist  bei  gleicher  Energie  am  grössten  im  mitt- 
leren Theile  des  Spectrums,  für  den  das  Auge  am  empfind- 
lichsten  ist,  und   nimmt   nach  beiden  Enden  hin  ab  bis  zu 


1)  VgL  V.  Heimholt«,  Physiol.  Optik  1.  Aufl.  p.  317  u.  f.  1867. 

2)  Lommel,  Wied.  Ann.  30.  p.  478.  1887. 


106  V.  KlaU  u.  F/l  Lenard. 

Null.  Daraus  folgt,  dass  das  Intensitätsmaximam  einer  Bande 
sich  immer  näher  diesem  Orte  grösster  Empfindlichkeit  be- 
finden wird,  als  das  Energiemaximum  derselben.  Banden  also 
an  den  Enden  des  sichtbaren  Spectrums  werden  immer  gegen 
die  Mitte  hin  verschoben  wahrgenommen  werden,  und  nur 
eine  Bande,  deren  Maximum  an  der  Stelle  liegt,  wo  das 
Auge  am  empfindlichsten  ist,  würde  an  ihrem  wahren  Orte 
erscheinen.  Die  Verschiebung  ist  um  so  grösser,  je  weniger 
scharf  die  Begrenzung  der  Bande;  sie  hängt  aber  auch 
von  der  Intensität  ab  und  wird  kleiner  wenn  diese  wächst. 
Wir  fanden,  dass  die  gelbrothe  Manganbande,  die  wir 
hierfür  besonders  prüften,  umsomehr  gegen  das  rothe  Ende 
des  Spectrums  wandert,  je  grösser  die  Intensität  des  Lich- 
tes ist  (je  weiter  der  Spalt  —  natürlich  innerhalb  der 
G-renzen,  in  denen  man  Fraunhofer' sehe  Linien  sieht  — , 
je  rascher  das  Phosphoroskop  rotirt,  je  mehr  Elemente  man 
für  die  Erregung  der  InductionsroUe  bei  Beobachtung  mit 
Kathodenstrahlen  anwendet).  Ganz  ähnlich  verhielt  sich  die 
violette  ^- Bande,  welche  bei  zunehmender  Intensität  mehr 
nach  dem  violetten  Ende  ging.  Wir  betrachteten  daher  den 
wahren  Ort  des  Maximums  einer  Bande  als  einen  Grenz- 
werth,  dem  sich  das  Intensitätsmaximum  umsomehr  nähert^ 
je  mehr  Licht  vorhanden  ist.  Daher  kommt  es  wahrschein- 
lich, dass  unsere  Banden  weiter  nach  den  Enden  des  Spec- 
trums liegen,  als  die  entsprechenden  von  Lommel  beob- 
achteten, wie  die  nachfolgende  Tabelle  zeigt.  Noch  eine 
andere  Veranlassung  zur  scheinbaren  Verschiebung  solcher 
Banden  muss  eintreten,  wenn  sich  zwei  derselben  theilweise 
übereinander  lagern.  Die  Summation  der  Intensitäten  hat 
dann  in  bestimmten  Fällen  zur  Folge,  dass  sich  die  Maxima 
der  zwei  Banden  scheinbar  nähern. 

Banden  der  Schwefelcalciumphosphore. 


Wellenlängen 
der  Maxima  der  Banden,  beob.  von 

Lommel         Klattu.Lenard 

Wirksames 
Metall 

584 .  10-«mm     ;     611 .  10"«  mm 
517        7,                  511         „ 
462        u             '    455        1, 
-                         1     417         » 

1 
1 

Mn 
Cu 
Bi 

C 

imoiphoreicenz.  107 

8.  Zun  Schlüsse  stellen  wir  knrz  zusammen ,  was  wir 
ans  den  mitgetheilten  Versuchen,  durch  die  zum  Theil  die 
Resultate  Anderer  bestätigt  werden,  gefolgert  haben: 

1.  Die  stark  leuchtenden  Ealkphosphore  sind  Gemenge  aus 
drei  wesentlichen  Bestandtheilen:  1)  Schwefelcalcium,  2)  dem 
wirksamen  Metalle  und  8)  einem  dritten  Körper,  der  allein  im 
Schwefelcalcinm  nicht  wirksam  ist  —  Beines  Schwefelcalcium 
phosphorescirt  sehr  wahrscheinlich  gar  nicht. 

2.  Als  wirksame  Metalle  erklären  Mangan,  Kupfer, 
Wismuth  und  ein  viertes  noch  unbekanntes  alle  in  den  Spec- 
tren  Ton  Kalkphosphoren  yorkommende  Banden.  Jedem 
dieser  Metalle  entspricht  eine  Bande,  deren  Ort  unveitoder- 
lich  ist.  —  Schon  ausserordentlich  geringe  Mengen  der  Me- 
talle sind  wirksam;  die  Intensität  der  Pbosphorescenz  nimmt 
mit  der  Quantität  derselben  anfangs  zu,  dann  wieder  bis  zu 
Null  ab.  Die  Quantitäten,  welche  das  Maximum  der  Wirkung 
geben,  sind  sehr  gering. 

3.  Die  als  dritter  Bestandtheil  von  uns  angewandten 
Zusätze  sind  farblose  Salze  und  sämmtlich  in  den  bei  Be- 
reitung der  Phosphore  angewandten  Temperaturen  schmelz- 
bar. Sie  überziehen  daher  die  Oberfläche  des  Schwefelcal- 
ciums,  wobei  die  Masse  zusammensintert  und  das  wirksame 
Metall  eine  zarte  Färbung  erzeugt,  welche  für  die  Pbos- 
phorescenz wesentlich  ist 

Pressburg  und  Heidelberg,  im  Juni  1889. 


X.    lieber  die  Brechungseocpimenten  von 
SaZzlösti/ngen;   vmi  B.  Walter. 


Seit  den  Untersuchungen  La ndolt's^)  ist  man  gewohnt, 
die  Brechung  des  Lichtes  in  einem  Körper  als  so  eng  mit 
der  Constitution  desselben  verbunden  zu  erachten,  dass  seit- 
dem dieses  Gebiet  der  Optik  für  eine  rein  physikalische 
Betrachtung  so  gut  wie  verschlossen  schien  und  deshalb  auch 


1)  Landolt,  Pogg.  Ann.    117.  p.  853.   1862;    122.   p.  545.    1864; 
123.  p.  595.  1864. 


108  B.  WaUer. 

nur  noch  von  chemischer  Seite  aus  in  Angriff  genommen 
worden  ist  Schon  Landolt  selbst  jedoch  führt  in  der 
letzten  seiner  Abhandlangen  gelegentlich  eine  Thatsache  an, 
welche  geeignet  ist,  die  ganze  Aufmerksamkeit  der  Physiker 
auf  sich  zu  lenken,  die  Thatsache  nämlich,  dass  die  Glieder 
der  Fettsäurenreihe  bei  ihrem  Siedepunkte  nahezu  denselben 
Brechungsexponenten  besitzen.  Es  liegt  mithin  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  es  für  Stoffe  derselben  Art  nur  der 
Schaffung  analoger  Existenzbedingungen  bedarf,  um  auch  von 
allen  nahezu  dieselbe  Lichtbrechung  iu  erlangen. 

Die  einfachste  Art,  gleichartige  Zustände  für  eine  Reihe 
von  Körpern  herbeizuführen,  ist  die  Auflösung  derselben 
in  einer  Flüssigkeit;  und  die  Erwartung,  hierbei  mit  chemisch 
verschiedenen  Substanzen  optisch  doch  dieselbe  Wirkung  zu 
erzielen ,  erfüllt  sich  in  der  That  f&r  eine  Reihe  von  Salzen. 
Eine  bestimmte  Molecülzahl  NaCl,  z.  B.  in  Wasser  gelost^  ertheilt 
nämlich  diesem  fast  genau  denselben  Brechungsexponenten  wie  die 
gleiche  Molecülzahl  KCl,  NH^Cl,  KNO3,  NaNO,,  NH.NO,, 
KClOj,  KCjHjOg  u.  s.  w. 

Der  experimentelle  Nachweis  dieses  Factums  lässt  sich 
mit  Leichtigkeit  schon  aus  dem  bisher  yorliegenden  Unter- 
suchungsmaterial der  verschiedensten  Beobachter  führen. 
Dabei  stellt  sich  dann  aber  auch  noch  eine  zweite,  höchst 
bemerkenswerthe  Thatsache  heraus.  Der  Brechungsexponent 
der  Lösungen  aller  oben  genannten  Salze  und  noch  vieler 
anderer  wächst  nämlich  einfach  proportional  dem  Salzgehalte, 
während  bekanntlich  sowohl  Beer  und  Krem  er s,  wie  auch 
Börner,  die  sich  hauptsächlich  mit  dieser  Frage  beschäftig- 
ten^), eine  solche  einfache  Beziehung  nicht  gefunden  haben. 
Es  lag  dies  aber  nur  daran,  dass  diese  Forscher  den  Pro- 
centgehalt ihrer  Lösungen  stets  auf  100  Gewichtstheile 
Wasser,  statt  auf  100  Gewichtstheile  Lösung  bezogen,  denn, 
wie  die  folgenden  Tabellen  zeigen  werden,  ergibt  sich  nach 
Vornahme  der  entsprechenden  Umrechnungen  das  Propor- 
tionalitätsgesetz ebenso  gut  aus  ihren  Beobachtungen,   wie 


1)  Beer  u.  Rrcmers,  Pogg.  Ann.  101«  p.  138.  1851.  Börner, 
Ueber  die  Brechungsyerhältnisse  einiger  Salzlösungen.  Dissert  Mar- 
burg 1869. 


Brechung9€xp<mmlm  van  Salzlosungeru  109 

«IS  denen  von  Hofmann^)  und  von  y.  d.  Willigen*),  und 
auch  endlich  ans  einigen  kürzUch  von  mir  selbst  gemachten. 

Für  die  Lösimgen  mancher  Salzgmppen  freilich  findet 
diese  Proportionalitftt  nicht  statt  Es  sind  dies  namentlich 
solche  der  Schwermetalle ,  femer  aber  auch  die  Chloride, 
Bronide  nnd  Jodide  der  Brden,  sowie  auch  die  Bromide 
und  Jodide  der  Alkalien.  Diese  zeigen  Tielmehr  s&mmtlich 
mit  zunehmender  Concentration  eine  allmählich  immer  grösser 
werdende  Znahme  des  Brechungsexponenten;  die  Wirkung 
des  Molecüls  in  den  verdünnten  Lösungen  ist  jedoch  auch 
hier  wieder,  soviel  wenigstens  bisher  übersehen  werden  kann, 
bei  allen  Salzen  derselben  Gruppe  nahezu  dieselbe. 

In  den  folgenden  Tabellen  ist  zum  Beleg  des  Obigen 
Ar  einige  der  wichtigeren  Salzgruppen  das  Beobachtungs- 
mi^rial  zusammengestellt  £!s  enthält  darin  die  erste  Ver- 
ticalreihe  abgekürzt  den  Namen  des  Beobachters  (B.  und  K 
«Beer  und  Kremers,  Br.  »Börner,  Hl»  Hofmann, 
V.  d.  W.  =svan  der  Willigen,  Wl.  s=  Walter),  die  zweite 
den  Procentgehalt  p  (Gewichtstheile  wasserfreies  Salz  in 
100  Oewichtstheilen  der  Lösung),  die  dritte  den  Brechungs- 
exponenten n  für  die  links  danebeu  stehende  Concentration, 
die  vierte  die  Grösse  {n  —  n^jp  ^  Jn'ip  (n^  Brechungs- 
exponent  des  Wassers),  welche  also  die  mittlere  Zunahme 
des  Brechungsexponenten  für  1  Proc.  Salzzunahme  ergibt 
und  in  Zukunft  als  Refractionsincrement  bezeichnet  werden 
solL  In  der  letzten  Reihe  endlich  ist  das  Mittel  aus  den 
verschiedenen  Werthen  von  Jnfp  mit  dem  zehnten  Theil 
des  Moleculargewichtes  des  betreffenden  Salzes  multiplicirt 
und  damit  die  Vergrösserung  des  Brechungsexponenten  des 
Wassers  durch  ein  Grammmolecül  Salz  in  1000  g  Lösung 
gewonnen  (Fettgedruckte  Zahl).  Diese  Grösse  werde  ich  der 
Kürze  wegen  die  Molecularrefraction  dieses  Salzes  nennen. 

Die  Beobachtungstemperatur  lag  bei  Hof  mann  zwischen 
12  und  15^  C,  bei  Beer  und  Kremers  zwischen  15  und  17^ 
bei  mir  zwischen  15  und  20®,  bei  v.d.  Willigen  (nur  NaN03) 
war  sie  23®,  Börner's  Beobachtungen  endlich  wurden  nach 
dessen  Interpolationsformeln  auf  15®  C.  reducirt.    Das  an- 

1)  Hofmann,  Pogg.  Ann.  183.  p.  575.  1868. 

2)  V.  d.  Willigen,   Mus^  Teyler   2.  p.222.  1869  u.  8.  p.  15.  1870. 


110 


B.  Walier. 


gewandte  Licht  war  bei  Hofmann  das  rothe  Lithiumlicht, 
dessen  Brechungsexponent  f&r  Wasser  (n^)  mit  1,88164  an- 
gegeben ist.  Beer  und  Kremers  sprechen  nur  Ton  rothem 
Licht  und  geben  n^^  1,8820,  bei  Bfirner  und  t.  d.  Willi- 
gen, die  f&r  mehrere  Wellenlängen  beobachteten,  wurden 
nur  die  Messungen  für  die  Fraunhofer 'sehe  C»  Linie  in 
Bücksicht  gezogen  und  bei  Born  er  (15^)  nach  Wüllner's 
LiterpolationsformeP)  fi^  «  1,88167,  bei  t.  d.  Willigen  (280) 
nach  dessen  eigener  Angabe  n^  =  1,88086  berechnet.  Meine 
Beobachtungen  endlich  beziehen  sich  auf  die  Fraunhofer'- 
sehe  J9-Iiinie,  und  es  wurde,  je  nach  der  Temperatur,  n^  mit 
1,3388  bis  1,8335  berechnet. 

Die  Unterschiede,  welche  durch  diese  kleinen  Verschie- 
denheiten der  Temperatur  und  der  Wellenlänge  entstehen, 
fallen  hier,  wo  es  ja  nur  auf  die  Grösse  n  —  n^  ankommt, 
kaum  ins  Gewicht;  denn  die  letztere  ist  natürlich  lange 
nicht  in  dem  Maasse  von  jenen  Grössen  abhängig,  wie  n 
und  Uq  selbst. 

Voran  sind  die  beiden  wichtigsten  Gruppen  gestellt, 
deren  erste  die  Alkalisalze  einbasischer,  und  deren  zweite 
solche  zweibasischer  Säuren  enthält.  In  der  letzteren  beträgt 
die  Molecularrefraction  (fettgedruckte  Zahl)  gerade  das  Dop- 
pelte von  der  der  ersteren,  was  ohne  Zweifel  auf  gewisse 
regelmässige  Unterschiede  in  der  Molecularaggregation  hin- 
deutet Es  wird  nämlich  später  noch  eine  dritte  Gruppe 
aufgeführt  werden,  bei  der  die  Molecularrefraction  nahezu 
das  Dreifache  von  der  der  ersten  Gruppe  beträgt. 

L  Gruppe. 
Salze  mit  einfacher  Molecularrefraction. 

1.    KCL 


Beobachter 


Anjp 


Jnjp.  MI  10 


Hf. 


1,567 
3,219 
6,151 


1,88868 
1,88594 
1,83991 


0,00138 
0,00137 
0,00136 


Br. 


9,09 

1,34448 

0,00141 

16,67 

1,35490 

0,00139 

28,08 

1,36888 

0,00139 

0,001  374 . 7,45 
=  0,01025 


B.  u.  K. 


23,66 


1,3646 


0,00187 


1)  Wtillner,  Pogg.  Ann.  133.  p.  16,  Tab.  V.  1868. 


Breehungtexponenten  von  SablSmngen. 


111 


2.    NaCL 

BcolMcliter 

P 

n 

Jnlp 

Jnlp.MjlO 

H£ 

2,740 
5,868 
8,270 

1,33688 
1,84098 
1,34625 

0,00175 
0,00175 
0,00178 

Br. 

9,09 
16,66 
23,06 

1,84808 
1,86128 
1,87300 

0,00180 
0,00178 
0,00179 

0,00177 . 5,85 
«  0,01086 

B.  n.  K. 

15,0 
26,1 

1,8581 
1,8786 

0,00174 
0,00178 

Br. 


9,09 
16,67 
23,08 


8.    NH«G1. 

1,84926 
1,86339 
1,87558 

4.    liCl. 


0,00198 
0,00190 
0,00190 


5.    KNO,. 


0,00191 . 5,85 
-  0,01022 


WL 

4,20 

8,76 
20,8 
33,0 

1,8426 
1,8517 
1,8762 
1,4049 

0,00217 
0,00208 
0,00210 
0,00216 

B.  u.  K. 

24,5 
41,0 

1,3844 
1.4212 

0,00214 
0,00217 

0,00214 . 4,25 
B  0,00910 


Br. 

9,09 
16,67 
23,08 

1,34104 
1,34816 
1,35455 

0,00103 
0,00099 
0,00099 

0,00100 .  10,1 
»  0,01010 

6.    NaNO,.») 

▼.  d.  W. 

16,86 
33,89 
44,85 

1,34976 
1,36975 
1,38283 

0,00112 
0,00115 
0,00117 

0,00115 . 8,5 
»  0,00978 

7.    NH,NO,. 

WL 

0,78 
8,33 

23,4 

51,1 

1,3845 
1,3444 
1,3637 
1,4010 

0,00129 
0,00131 
0,00129 
0,00130 

0,00180 . 8,0 
=  0,01040 

8.    LdNO,. 

WL 

(Dl«  L5fiiBf«n 

Wtrai  ftlTM 

ftbtniiMri) 

4,01 
6,42 
12,2 
21,5 
35,5 
52,8 

1,3384 
1,3414 
1,8489 
1,3618 
1,3822 
1,4105 

0,00122 
0,00123 
0,00127 
0,00129 
0,00137 
0,00147 

0,00181 . 6,9 
»  0,00904 

9.    KClOg. 

WL 

1 

2,9 
5,7 
6,08 

1,3361 
1,3386 
1,3387 

0,00090 
0,00089 
0,00086 

0,00088 .  12,25 
»  0,1078 

1)  Der  etwas  zu  niedrige  Werth  der  Molecularrefraction  dieses  Salzes 
erklärt  sich  vollkommen  durch  die  höhere  Beobachtongstemperatur  (23^. 


la    NsGK>.. 

Beobachter 

P 

j       Anlp 

J«//>.  Jtf/10 

Wl. 

4.4 
10,* 
26,6 
36,8 

t,338ü        1      Ü,Ü01U4 
1,3436             0,00098 
1,3600             0,00104 
1,3721        1      0,00108 

0,00108  .  10,65 

n.    CHfCOOK. 
1,8414       I     0,00118 
1,8584  0,00116 

1,3862       I     0,00119 

12.    CH.GOONa. 

1,3417  I  0,00187 
I,346S  :  0,00136 
1,3506  ;  0,00137 
1,8648  0,00142 
1,3781      0,00148 


IL  Gruppe. 

Salze  mit  doppelter  Molecularrefraction. 

1.    K,SO.. 


Jn/p       I      Jn/p.jK/10 


9,09 
16,66 
23,06 


8,91 
20,9 
48,3 


6,1 
21,1 
50,4 


1,33380  0,00123 
1,33636  0,00125 
1.33935   I   0,00124 

2.  NaiSO,. 

1,33486  1  0,00151 

1,33823  I  0,00161 

1,34264  I  0,00162 

l,34b59  i  0,00151" 

1,35344  0,00149 

l,3e694  I  0,00149 

3.  (NH,),SO,. 

1,3408  i  0,00157 
1,3473  0,00156 
1,3656  '  0,00154 
1,3983      0,00150 

4.  LiiSO,. 
1,3401  '■     0,00168 
1,3456      0,00167 
1,3642      0,00168 
1,3630   :  0,00168 

6.  K,CO,. 
1,3355    I   0,00167 
1,3421      0,00168 
1,3698      0,00167 
1,4180   I   0,00167 


Brtchungsexpanenten  von  Salzlösungen. 


HS 


6.    Na,CO,. 


Beobachter 

P 

n 

Anlp 

Jnlp.MjlO 

- 

Br. 

9,09 
16,67 
28,08 

1,86167 
1,36786 
1,88062 

0,00220 
0,00217 
0,00212 

0,00216 .  10,6 
»  0,02290 

WL 


2,10 
8,12 
18,3 
25,6 


7.    K^CjO^. 


1,8865 
1,8449 
1,3522 
1,3696 


0,00148 
0,00140 
0,00141 
0,00144 


0,00141 .  16,6 
»  0,02841 


Die  vorstehenden  Tabellen  bedürfen  kaum  einer  Bemer- 
kung, denn  mit  Aasnahme  der  Lithiumsalzlösungen,  deren 
Lichtbrechung  durch  fremde  Beimengungen  ganz  ausser- 
ordentlich beeinträchtigt  wird,  und  die  daher  noch  einer 
sorgfältigeren  Untersuchung  bedürfen,  finden  sich  nur  noch 
solche  Differenzen,  die  durchaus  innerhalb  der  Grenze  der 
Beobachtnngsfehler  liegen.  In  der  Reihe  der  Refractions- 
incremente  {Anjp)  nämlich  beträgt  die  grösste  Abweichung 
Tom  Mittelwerthe  vier  Einheiten  in  der  fünften  Decimale, 
nnd  dass  solche  Differenzen  wirklich  als  Beobachtungsfehler 
anzusprechen  sind,  beweist  eben  die  obige  Zusammenstellung 
Ton  Beobachtungen  verschiedener  Forscher  für  dasselbe  Salz. 
Aus  der  Tabelle  für  NaCl  z.  B.,  wo  Beer  und  Kremers 
einerseits  und  Born  er  andererseits  für  nahezu  denselben 
Procentgehalt  (16  Proc.)  beobachtet  haben,  differiren  nämlich 
die  aus  ihren  Messungen  berechneten  Werthe  von  Anjp 
gleichfalls  um  vier  Einheiten  in  derselben  Decimale. 

Für  die  Werthe  der  Molecularrefraction  [/tnlp.MjlO) 
zeigen  allerdings  beide  Gruppen  übereinstimmend,  dass  die 
Salze  der  kohlenstoffhaltigen  Säuren  dafür  eine  etwas  grössere 
Zahl  als  die  übrigen  ergeben;  im  grossen  und  ganzen  kann 
man  aber  jedenfalls  sagen,  dass  in  den  Lösungen  sämmtlicher 
Salze  der  beiden  aufgeführten  Gruppen  die  Verzögerung  der 
Lichtgeschwindigkeit  sowohl  von  der  chemischen  Zusammen- 
setzung, als  auch  von  der  physikalischen  Beschaffenheit,  vor 
allem  auch  der  Schwere  des  Salzmolecüls  so  gut  wie  unabhängig 
ist,  und  dass  es  nur  auf  die  Zahl  der  in  einer  bestimmten 
Gewichtsmenge  der  Lösung  vorhandenen  Molecüle  ankommt, 
der  nämlich   die  Lichtverzögerung   einfach   proportional  ist 


Ann.  d.  Phyt.  o.  Chem.  N.  F.  XIXVIU. 


8 


114  B.  fVaUer. 

Ja  man  kann  sogar,  wie  dies  thatsächlich  bereits  von  Hof- 
mann  geihan  wurde ,  Molecüle  verschiedener  Salze  in  die« 
selbe  Lösung  bringen  und  erhält  dabei  "dieselbe  Lichtver- 
zögerungy  als  wenn  man  von  irgend  einem  dieser  Salze  allein 
die  gleiche  Molecülzahl  verwendet  h&tte.  Die  Molecüle  einer 
solchen  Salzgruppe  sind  demnach  in  optischer  Hinsicht  so 
gut  wie  gleichwerthig. 

Es  sind  dies  Thatsachen,  die,  abgesehen  von  ihre  Bedeu- 
tung fOr  die  Theorie  der  Lichtbrechung,  auch  zur  Unter- 
suchung des  Molecularzustandes  in  Lösungen  äusserst  geeignet 
erscheinen,  wie  dies  sogleich  beim  Kupferchlorid  gezeigt  wer- 
den wird;  und  diese  Methode  hat  ausserdem  noch  vor  der 
sonst  ganz  ähnlichen  Coppet-Baoult'schen  Elrstarrungs- 
methode  den  doppelten  Vorzug,  dass  man  hier  nicht  an  be- 
stimmte Temperaturen  gebunden  ist  und  somit  auch  etwaige, 
bei  Temperaturwechsel  sich  vollziehende  Molecularverände- 
rungen  untersuchen  kann,  und  dass  sich  andererseits  hier 
nicht  jene  merkwürdigen  Ausnahmen  zeigen,  wie  sie  bei  den 
Gefrierpunktsbestimmungen  so  zahlreich  auftreten,  Ausnah- 
men, die  theils  noch  gar  nicht  (z.  B.  beim  NH^NO,),  theils 
nur  durch  Annahme  von  Hydratbildung  (z.  B.  beim  KjCO)) 
erklärt  werden  konnten. 

Es  muss  hier  vielmehr  hervorgehoben  werden  ^  dass,  bei 
den  oben  angeführten  Salzen  wenigstens,  die  aus  den  Brechungs* 
Verhältnissen  ihrer  Losungen  sich  ergebenden  Zahlenwerthe  gegen 
jegliche  Hydratbildung  derselben  sprechen.  Auch  mit  dem 
specifischen  Gewichte,  und  somit  also  auch  dem  spe- 
cifischen  Volumen  und  der  Molecularcontraction  jener  Lö- 
sungen lassen  sich  dieselben  in  keine  Beziehung  bringen, 
weshalb  überhaupt  die  Angabe  des  specifischen  Gewichts 
unterlassen  ist,  das  man  sich  ja  übrigens  nach  den  bekann- 
ten Gerlach'schen  Tabellen  leicht  aus  dem  Procentgehalte 
berechnen  kann. 

Als  letzte  Gruppe  sind  noch  die  Brechungsexponenten 
einiger  Salzlösungen  zusammengestellt,  deren  Molecularrefrac- 
tion  in  ihren  verdünnten  Lösungen  fast  genau  das  Dreifache 
von  derjenigen  der  Kochsalzgruppe  beträgt,  und  von  denen 
besonders  das  Kupferchlorid  wichtig  ist.  Wie  bekannt^  hat 
man  nämlich  schon  seit  langem  aus  der  Thatsache,  dass  die 


Brechunffsexponenten  von  SahlSsungen.  116 

Terdünnten  Losungen  desselben  im  dnrchgelassenen  Lichte 
blau,  die  concentrirteren  dagegen  grün  erscheineni  auf  einen 
Terscbiedenartigen  Molecularzustand  in  beiden  geschlossen. 
Diese  Vermuihung  bestätigt  sich  durch  die  nachfolgende 
Tabelle  der  Brechungsexponenten  dieses  Salzes  nicht  blos 
Tollkommen,  sondern  wir  können  daraus  sogar  noch  die  wei- 
teren Schlüsse  ziehen,  dass  in  den  verdünnten  Lösungen  bis 
zu  ungefähr  1 1  Proc.  Salzgehalt  die  Moleculargruppirung  des 
Kupferchlorids  überall  die  gleiche  ist,  dass  aber  in  den  con- 
centrirteren Lösungen  eine  allmählich  immer  mehr  um  sich 
greifende  Veränderung,  und  zwar  wahrscheinlich  eine  Compli- 
cirung  des  molecularen  Baues  vor  sich  geht,  und  dass  endlich 
ein  solch  complicirteres  Molecül  eine  grössere  Lichtver- 
zögerung  bewirkt,  als  die  sie  zusammensetzenden  Theilmole- 
cüle  zusammengenommen.  Dies  alles  folgt  schon  aus  den 
Werthen  des  Refractionsincrementes  dnjp  für  die  verschie- 
denen Concentrationen;  der  Werth  der  Molecularrefraction 
(Jn/p.MllO)j  so  wie  er  sich  aus  dem  constanten  Befrac- 
tionsincrement  der  verdünnteren  Lösungen  berechnet,  beweist 
aber  femer  noch,  dass  das  Kupferchlorid  sich  hier  in  seinem 
normalen  Zustande,  und  zwar  in  einer  ähnlichen  Molecular- 
gruppirung befindet,  wie  auch  die  übrigen  Salze  der  nach- 
stehenden Gruppe,  von  denen  übrigens  noch  mehrere,  beson- 
ders das  Kupfemitrat,  eine  mit  fortschreitender  Verdünnung 
Hand  in  Hand  gehende  allmähliche  Veränderung  der  mole- 
cularen Zusammensetzung  aufweisen. 

Die  Brechungsexponenten  in  den  folgenden  Tabellen 
gelten  für  15^  C.  und  beziehen  sich  bei  den  ersten  fünf 
Salzen  auf  die  Fraunhofer'sche  Linie  &,  deren  Brechungs- 
exponent für  Wasser  sich  mit  1,3359  ergab,  bei  den  letzteren 
dreien  dagegen  wieder  auf  D.  Die  Beobachtungen  sind 
sämmtlich  von  mir.     (Folgt  die  Tabelle,  s.  nächste  S.) 

Die  vorstehenden  Messungen  machen  keineswegs  den 
Anspruch,  den  höchsten  Grad  der  erreichbaren  Genauigkeit 
zu  besitzen;  sie  sind  aber  jedenfalls  hinreichend,  um  darzuthun, 
dass  wir  es  auch  in  dieser  Gruppe  mit  durchaus  gesetzmässi- 
gen  Beziehungen  zu  thun  haben.  Mit  der  grössten  Sorgfalt 
hingegen  sind  die  Beobachtungen  beim  Kupferchlorid  gemacht^ 
deren  theoretische  Ergebnisse  bereits  oben  erörtert  wurden. 

8* 


in.  Gruppe. 
Salze  mit  dreifacher  Molecnlarrefractio 


p 

n 

Jnlp 

4nip.3£ll0 

1,81 

1,3401 

0,00232 

1 

2,52 

1,3417 

0,00230 

1      0,00231.13,4 

5,n 

i,a47e 

D,002S2 

-  0,03095 

10,52 

1,3601 

0,00230 

t 

11,08 

1,3618 

0,00234 

12,76 

1,S6T1 

0,00244 

15,87 

1,8766 

0,00266 

19,0 

1,3865 

0,00266 

2fl,l 

1,4116 

0,00283 

Bl,« 

1,4283 

0,00290 

88,2 

1,4549 

0,00311 

2,45 
6,40 
10,8 


1,3405 
1,3480 
1,3663 
1,3681 

1,3395 
1,3696 
1,3797 
1,4025 


0,00189 

0,00192 

8.  ZdSO.. 

0,00192 

0,00190 

'        0,00196 

0,00204 

*.  FeSO,. 

I        0,00203 


>  0,08021 


1,3400 
1.S469 
1,3539 
1,3631 


1,33ÖI 

i.34s:i 

1,3567 
1,8792 


1,3389 
1,2457 
1,3639 


5.  CufNO,!,. 
I   0,00177 

I  0,00188 
0,00180 
I  0,00183 
0,00189 
!  0,00203 
I  0,00220 
I   0,00223 

6.  Pb(NO,),. 

0,00115 

I   0,00116 

0,00126 

0,00141 

7.  BaiNO,li 

0,00120 
I   0,00117 

8.  SrCNOj),. 

0,0013s 

0,00136 

,   0.OO140 

I   0.00147 


BrechungtexponenUn  von  Salzlösungen.  117 

Noch  charakteristiBcher  fast  als  dieses  Salz  verhält  sieh 
das  im  übrigen  einer  anderen  Gruppe  angehörende  rothe 
Blntlaugensalz.  Die  Befractionsincremente  der  verschiedenen 
Ooncentrationen  desselben  beweisen  n&mlich,  dass  es  in  den 
Lösungen  unter  4  Proc.  Salzgehalt  beim  Verdünnen  einen 
ganz  ausserordentlich  schnellen  Molecularzerfall  erleidet;  und 
dies  wird  durch  die  Absorptionsspectra  der  bezüglichen  Ver- 
dünnungen in  jeder  Hinsicht  bestätigt  In  den  concentrir- 
teren  Lösungen  n&mlich  zeig^  dasselbe  neben  einem  scharf 
abgegrenzten  Kemschatten  einen  sich  unmittelbar  daran 
lagernden,  nach  der  hellen  Seite  zu  sich  allmählich  verlieren- 
den Halbschatten.  Dieser  letztere  verschwindet  beim  Ver- 
dünnen unter  4  Proc.  Salzgehalt  in  auffällig  rascher  Weise, 
ein  Beweis,  dass  auch  die  Ursache  desselben,  die  compli- 
drtere  Moleculargruppirung,  in  schneller  Abnahme  begriffen 
ist.  Es  sind  dies  also  genau  dieselben  Verhältnisse,  wie  ich 
sie  kürzlich  beim  Fluoresceln,  Magdalaroth  und  Kupfer- 
chlorid eingehend  dargelegt  habe.^) 

Schliesslich  habe  ich  nun  auch  noch  die  Brechungs- 
exponenten f&r  die  Lösungen  des  Fluorescelns  selbst  bestimmt, 
aus  deren  Fluorescenzerscheinungen  ich  a..  a.  O.  nachweisen 
konnte,  dass  dieses  Salz  in  seinen  concentrirten  Lösungen 
bis  zu  etwa  2  Proc  Salzgehalt  in  Gestalt  von  nicht  fluores- 
cirendon  Molecülgruppen  existirt,  die  bei  grösserer  Ver- 
dünnung nach  und  nach  in  stark  fluorescirende  „Einzelmole- 
cüle''  zerfallen,  bis  bei  etwa  0,02  Proc.  Salzgehalt  dieser 
Zerfall  vollständig  beendet  ist,  und  nun  eine  weitere  Ver- 
dünnung nichts  anderes  bewirkt  als  ein  Auseinanderziehen 
der  Einzelmolecüle  innerhalb  des  Lösungsmittels.  Es  war  nun 
offenbar  die  Frage  von  Interesse,  ob  in  den  nicht  fluoresciren- 
den  Ooncentrationen  zwischen  2  und  40  Proc.  Salzgehalt  die 
Molecüle  ihre  Gruppirung  noch  wechseln  oder  nicht.  Die 
Messung  der  Brechungsexponenten,  die  hier  nach  der  Methode 
der  totalen  Reflexion  geschehen  musste,  entschied  unzwei- 
deutig in  letzterem  Sinne;  denn  die  Refractionsincremente 
jener  Fluorescelnlösungen  erwiesen  sich  innerhalb  der  ge- 
nannten Grenzen  dem  Procentgehalte  vollständig  proportional. 


1)  B.  Walter,  Wied.  Ann.  36.  p.  526  ff.  1889. 


118  L.  Maähiessen. 

£8  ist  also  damit  in  Verbindung  mit  den  sich  ans  den 
Fluorescenzerscheinungen  ergebenden  Folgerangen  nachge- 
wiesen,  dass  das  Fluoresceln  in  wässeriger  L&sung  in  zwei 
gänzlich  verschiedenen  Molecularzuständen  za  existiren  rer- 
mag,  Ton  denen  jeder  innerhalb  ausgedehnter  Concentrations» 
grenzen  ToUkommen  stationär  ist  Die  näheren  Unterschiede 
beider  Zustände  lassen  sich  jedoch  durch  Messung  der 
Brechungsexponenten  leider  nicht  mehr  feststellen,  da  der 
Einfluss,  welchen  ein  Salzgehalt  von  0,02  Proc.  auf  den 
Brechungsexponenten  des  Lösungsmittels  ausübt,  natürlich 
längst  innerhalb  der  G-renze  der  Beobachtungsfehler  liegt. 

Hamburg,  phys.  Staatslaboratorium,  Juni  1889. 


XI.   JEacperimenteUe  Untersuchiingen  Über  das 

Thamson^sche    Gesetz    der    WeUenbewegu/ng    atif 

Müseigkeiteti  unter   der    WirJtu/ng   der   Schwere 

und  Cohäsion;   von  Ludwig  Matthiesaen 

in  Rostock. 

(Hierin  Taf.  I   Fig.  0.) 


In  mehreren  Briefen  an  Tait^)  hat  William  Thomson 
aus  hydrokinetischen  Betrachtungen  eine  theoretische  Formel 
für  die  Beziehung  der  Geschwindigkeit  von  Flüssigkeitswellen 
zu  ihrer  Breite  unter  der  gemeinsamen  Wirkung  der  Schwere 
und  specifischen  Cohäsion  deducirt.  Damach  ist  für  hin- 
reichend  tiefe  Oefässe: 


»3^ 


;i       .    2; 


'^  -2^^  +  T^' 
wo  g  die  Gravitationsconstante  und  r  die  specifische  Cohä- 
sion der  Flüssigkeit  bezeichnet.^ 

W.  Thomson  hat  diese  Formel  speciell  auf  Wasser- 
wellen angewendet,  und  zwar  bei  Einführung  der  Cohäsions- 
constante  T  nach  Gay-Lussac  in  cmg: 

t^'  =  981,4  [^  +  0,074  ?f ) ,     T^Tg^  OfiUg. 


1)  Thomson,  Phil.  Mag.  (4)  42.  p.  875.  1871. 

2)  Matthiessen,  Wied.  Ann.  82.  p.  626.  1887. 


Wellenbewegung  auf  flüssigkeiten.  119 

einfache  Gesetz  entbehrte  jedoch  bis  jetzt  einer 
genauen  experimentellen  Bestätigung  innerhalb  möglichst 
weiter  Grenzen  und  verdient  um  so  mehr  eine  besondere 
Beachtung,  als  es  dazu  dienen  kann,  auf  eine  einfache  Art 
mit  grosser  Sicherheit  die  specifische  Coh&sion  yerschiedener 
Flüssigkeiten  zu  bestimmen,  wie  in  der  y erliegenden  Mit- 
theilung gezeigt  werden  soll. 

Das  Thomson'sche  Gesetz  besteht  aus  zwei  gesonderten 
Theilen,  von  denen  der  erste  für  Wellen  IL  Ordnung^)  gilt, 
welche  eine  grössere  Breite  als  ungefähr  10  cm  und  eine  Ge- 
schwindigkeit Ton  mehr  als  40  cm  haben,  der  zweite  Theil 
f&r  Wellen  III.  Ordnung,  welche  (f&r  Wasser)  eine  geringere 
Breite  als  0,3  cm  und  eine  Geschwindigkeit  von  mehr  als  40  cm 
haben.  Die  vollständige  Gleichung  erstreckt  sich  auf  das 
dazwischen  liegende  Gebiet. 

Wird  die  Anzahl  der  Molecularschwingungen  per  Secunde 
durch  n  ausgedrückt,  so  ist  also  fQr  Wellen  II.  Ordnung 
ausserhalb  des  angegebenen  Bereiches: 

nA*/«  =8 1/^  =«  const., 

und  für  Wellen  III.  Ordnung*): 

n  A' «  =  y2nT  =  yJngT  =  const. 

Die  Wasserwellen  der  Breite  von  0,3  cm  bis  10  cm  bil- 
den sich  unter  der  gemeinsamen  Wirkung  der  Schwere  und 
Cohäsion.  Bezüglich  dieses  Intervalls  entging  es  W.  Thom- 
son nicht,  dass  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  innerhalb 
desselben  ein  Minimum  erreichen  müsse  bei  den  simultanen 

Werthen: 

Vq  =  23,1  cm,    Ao  =  1,71  cm,    n^  =  13,6. 

Die  Genauigkeit  dieser  Werthe  bestätigten  ihm  eigne 
Versuche*    Für  das  Minimum  von  v  ist  allgemein: 


«o  =  r 


A,-2;r|/i-  =  2;ryT, 

Offenbar  hat  nun  die  Thomson 'sehe  Gleichung  für  ein 
gegebenes  v  zwei  reelle  Werthe  von  A,  nämlich: 

1)  Nach  Scott  Russers  Bezeicbnung. 

2)  Lord  Rayleigh,  PhU.  Mag.  (5)  16.  p.  50.  1883. 


120  L,  Matädeueii. 

also  einen  grösseren  und  einen  kleineren,  welche  bei  dem 
Minimum  v^  ineinander  übergehen,  sodass  dieser  kritische 
Punkt  als  die  natürliche  Grenze  der  Wellen  II.  und  III.  Ord- 
nung betrachtet  werden  kann. 

W.  Thomson  machte  die  interessante  Beobachtung, 
dass  wenn  ein  schmales  Object,  z.  B.  ein  dünner,  senkrechter 
Stab  oder  eine  belastete  Angelschnur,  durch  die  ebene 
Niveaufläche  eines  stillen  Gewässers  gezogen  wird  mit  einer 
Geschwindigkeit,  welche  grösser  als  23,1  cm  per  Secunde  ist, 
beide  Wurzelwerthe  \  und  7^  zur  Erscheinung  kommen. 
Vor  dem  bewegten  Objecte  treten  Wellen  oder  Bippungen 
auf,  deren  Breite  dem  kleinsten  Wurzelwerthe  \  entspricht, 
hinter  demselben  Wellen,  deren  Breite  dem  grössten  Wurzel- 
werthe \  entspricht.  Dabei  laufen  die  vorderen  Bippungen 
beiderseits  der  Schnur  in  hyperbelähnlichen  Aesten  nach  hin- 
ten aus  (Fig.  9).  Sie  liegen  im  Scheitel  um  so  dichter,  A, 
ist  um  so  kleiner,  und  \  um  so  grösser,  je  grösser  v  ist,  und 
die  Curven  sind  auch  um  so  stärker  gebogen.  Nähert  v  sich 
seinem  Minimum  v^,  so  treten  die  Bippungen  am  Scheitel 
weiter  auseinander,  A,  wächst,  \  nimmt  ab,  und  die  hyperbel- 
ähnlichen Curven  werden  breiter,  sodass  ihre  Schaar  fast 
senkrecht  zur  Bewegungsaxe  stehende  gerade  Linien  werden. 

W.  Thomson  hat  seine  diesbezüglichen  Beobachtungen 
und  Messungen  auf  dem  Sound  of  Mull  beschrieben  und  ist 
dabei  auf  ein  gleichzeitiges  Auftreten  der  Minimalwerthe  auf- 
merksam geworden.  Es  zeigte  sich  nämlich,  dass  die  Seiten- 
äste der  Bippungen  in  ihrem  Verlaufe  in  eine  Schaar  von 
Parallelen  übergehen,  welche  mit  der  Bewegungsaxe  einen 
Winkel  u  bilden,  der  von  t;  abhängig  ist,  und  dass  diese  pa- 
rallelen Wellenzüge  die  Breite  ^.^  und  die  Geschwindigkeit 
t;^=  23,1  cm  haben. 

Wie  W.Thomson  bemerkt,  hatte  bereits  früher  Scott 
Bus  seil  beobachtet,  dass  die  Geschwindigkeit  dieser  schrä- 
gen Wellen  21,5  cm  betrage.  Da  t?sina  =  t;,  ist,  so  ergab 
sich  aus  den  Messungen  von  v  und  u  ein  Werth  von  v«,  der 
für  verschiedene  v  immer  auf  den  constanten  Werth  r,=23,l  cm 


Wellenbewegung  auf  Flüssigkeiten.  121 

SS  v^  führte.  Directe  Messungen  von  i^  und  A,  scheinen  dabei 
nicht  Torgenommen  zu  sein. 

Lord  Bayleigh  hat  am  Schlüsse  seiner  oben  citirten 
Abhandlung  in  Aussicht  gestellt ,  die  allgemeine  Q-ültigkeit 
des  Thomson' sehen  Gesetzes  experimentell  nachzuweisen. 
Da  dies  meines  Wissens  bis  jetzt  unterblieb,  so  habe  ich  mich 
bemüht,  geeignete  Messungsmethoden  zur  Prüfung  desselben 
aufzusuchen  und  anzuwenden,  insbesondere  für  Wellen  der 
TIT.  Ordnung.  Meine  früheren  Methoden^)  beruhten  im 
wesentlichen  auf  der  Anwendung  schwingender  Gefässe  oder 
horizontal  eingeklemmter  Platten;  nur  in  einigen  Fällen 
wurden  die  Bippungen  durch  Stimmgabeln  oder  auf  aus- 
fliessenden Flüssigkeitsstrahlen  erregt.  Bei  der  ersten  Me- 
thode war  ich  in  der  Folge,  you  der  Ansicht  Faradaj's  ab- 
weichend,  von  der  Voraussetzung  ausgegangen,  dass  die 
Schwingungen  einer  Platte  und  der  darauf  befindlichen 
Flüssigkeit  isoperiodisch  oder  isochron  seien.  Lord  Bay- 
leigh hat  1888  diese  Meinung  sowohl  analytisch  als  experi- 
mentell widerlegt,  indem  er  aus  seinen  Beobachtungen  fol- 
gert, dass  die  Ansicht  Faraday's  zutreffend  sei,  und  die 
Flüssigkeitswellen  nur  die  halbe  Schwingungszahl  von  der  des 
Gefässes  oder  der  Platte  besitze,  dass  also  n^'^j^N  sei. 
Lord  Bayleigh  beobachtete  in  einem  speciellen  Fall  von 
einer  schwingenden  Platte  (iV=31)  folgende  simultane  Werthe 
für  eine  Wasserschicht  von  geringer  Dicke: 

l  =  0,85  cm,    n  ==  15,5,    v  =  13,7  cm. 

Da  dieser  Werth  von  v  beträchtlich  unter  dem  Minimum 
r^ SS 23,1  cm  liegt,  so  leuchtet  ein,  dass  bei  dienen  Versuchen 
die  Erscheinung  von  der  Beibung  in  sehr  störender  Weise 
beeinflusst  wird,  wenn  nicht  etwa  dennoch  n  =  31  zu  setzen 
wäre,  was  der  Thomson'schen  Formel  nahezu  entsprechen 
würde.  Deswegen  habe  ich  nunmehr  von  der  Anwendung 
schwingender  Platten  gänzlich  Abstand  genommen  und  aus- 
schliesslich Stimmgabeln  benutzt,  mittelst  deren  Wellen  auf 
ruhenden,  beliebig  tiefen  Flüssigkeiten  erregt  wurden.  Um 
das  Gesetz  in  möghchst  weitem  Umfange  zu  prüfen,  Hess  ich 


1)  L.  Matthiessen,   Pogg.   Ann.    131.   p.  107.  1868;   141.  p.  375. 
1870. 


122  L.  Matthiesien. 

mir  eine  Anzahl  von  Stimmgabeln  sehr  verschiedener  Ton- 
höhe von  Hm.  Appunn  in  Hanau  anfertigen,  woneben  ich 
zugleich  fftnf  vorzügliche  Vocalstimmgabeln  von  KGnig  in 
Paris  verwenden  konnte.  Nach  ihrer  Tonhöhe  geordnet,  waren 
es  folgende  16,  von  denen  die  Tonhöhen  der  vier  ersteren 
mittelst  eines  registrirenden  Kymographen  des  hiesigen  phy- 
siologischen Instituts  von  Hrn.  Marineingenieur  Riess  sehr 
genau  bestimmt  wurden: 

jy»8,4,   16,4,   36,9,   64,7,   128,   229,   256,   820, 
384,   458,   512,   916,  1024,  1882,  2048,  8664. 

Heftet  man  an  die  Zinken  einer  Stimmgabel  zwei  kurze 
Stäbchen  mit  etwas  Wachs,  taucht  diese  etwa  2  mm  tief  in 
die  Flüssigkeit  ein  und  bringt  die  an  einem  festen  Stative 
befestigten  Stimmgabeln  durch  einen  Hammer  von  Filz  oder 
Kork  zum  Tönen,  so  entstehen  auf  der  Niveaufläche  zwei 
fortschreitende  Kreiswellensy steme  und  zwischen  den  Zinken 
ein  System  hyperbolischer  Rippungen.  Da  unsere  Methode 
Gelegenheit  bietet,  Augenblicksbilder  von  den  ersteren  oder 
den  primären  Systemen  zu  fixiren,  so  können  beide,  sowohl 
die  Augenblicksbilder,  als  die  Interferenzbilder,  verwendet 
werden,  um  die  zu  einer  Schwingungszahl  N  zugehörigen 
Wellenbreiten  A  zu  messen  und  daraus  v  zu  berechnen. 

Um  nun  bezüglich  dieser  Beobachtungsmethode  den  über 
die  Isoperiodicität  der  Schwingungen  der  erregenden  festen 
Körper  und  der  Flüssigkeit  etwa  erhobenen  Einwänden  von 
vornherein  zu  begegnen,  wurde  eine  Prüfung  angestellt  zur 
Erledigung  der  Frage,  ob  bei  dieser  Art  des  Experimentirens 
die  Molecüle  der  Flüssigkeit  eine  gleiche  Schwingungsdauer 
¥ne  die  Gabel  haben  oder  nicht?  Hierzu  benutzte  ich  die 
Beobachtung  von  Lissajous  über  die  Wanderung  der  In- 
terferenzlinien zwischen  den  Spitzen  zweier  Stimmgabeln  von 
den  Tonhöhen  N  und  iV^,  welche  zählbare  Stösse  geben. 
Für  diesen  Fall  habe  ich  in  der  oben  citirten  Abhandlung^) 
analytisch  den  Werth  der  Geschwindigkeit  des  Wandems: 


1)  L.  Matthiessen,  Wied.  Ann.  32.  p.  681.  1887.  Die  Formel  stimmt 
mit  der  von  Rayieigh  gefundenen  völlig  überein  mid  beruht  die  Bdar- 
ginalnote  „In  seiner  Formel  fehlt  der  Factor  2  ti^S  auf  einem  Irrthum 
meinerseits. 


Wellenbewegung  auf  FSusigheiten.  128 


«'"iTi:^"-"») 


hergeleitet,  wo  X  und  X^  die  Wellenbreiten,  n  und  n^  die 
Schwingongszahlen  der  Molecüle  bezeichnen.  Es  müssen 
demnadi  an  einem  festen  Punkte  der  erregten  Niveauflftche 
zwischen  den  Zinken  ebensoviele  Rippungen  von  der  Breite 
XXyj{},^jL^  vorüberwandem,  als  die  beiden  Gabeln  Stösse  geben, 
d.  h*  n  —  n^. 

Zar  experimentellen  Prüfung  wurden  zwei  Stimmgabeln, 
deren  Tonhöhen  durch  den  Kymographen  sehr  genau  i^«  36,94 
und  N^  8  37,27  gemessen  waren ,  verwendet.  Es  war  also 
N^—N^Qfiü.  Die  Beobachtung  der  an  einer  fixirten  Stelle 
Torüber  wandernden  Rippungen  ergab  mit  grosser  Genauig- 
keit 0,385  pro  Secunde,  also  Uy^^n^  0,385.  Daraus  folgt 
nun  n^  N  und  n^^  N^,  Wäre  nämlich  n  =  }iV,  n^  =  |iVj, 
80  würde  sein  müssen  w^\.XX^I(X  +  X^.{N  —  N^\  d.h.  es 
würde  während  zweier  Stösse  jedesmal  nur  eine  Rippung 
Torüber  wandern,  was  aber  nicht  der  Fall  ist  Wir  sind 
demnach  yon  den  Schwierigkeiten,  welche  sich  für  schwin- 
gende Gefässe  ergeben,  bei  unserer  Art  des  Ezperimentirens 
ganz  unabhängig;  die  Schwingungen  der  Gabeln  und  der 
Molecüle  sind  völlig  isoperiodisch. 

Zur  Messung  von  Xj  welches  aus  n  auch  v  ergibt,  wurden 
zwei  Methoden  benutzt,  und  zwar: 

1)  die  Beobachtung  der  stehenden  Interferenzlinien; 

2)  die  Beobachtung  der  Augenblicksbilder  der  fortschrei- 
tenden primären  Wellen. 

Die  Methode  der  Beobachtung  der  primären  Wellenzüge 
ist  auch  Ton  Rayleigh  benutzt  worden  bei  Wellen^  welche 
nach  seiner  Angabe  eine  Geschwindigkeit  von  etwa  14  cm 
pro  Secunde  hatten,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  er  mit 
Hülfe  von  bewegten  Objecten  der  Bewegung  mit  dem  Auge 
folgte.  Diese  Methode  versagt  aber  vollständig  ihren  Dienst, 
wenn  z.  B.  Wasserwellen  III.  Ordnung  eine  Geschwindigkeit 
von  50  cm  erreichen,  was  eintritt,  wenn  die  Wellenbreite  X 
weniger  als  2  mm  beträgt  Die  von  mir  angewandte  Methode 
gestattet  noch,  weit  über  diese  Grenze  hinaus  zu  gehen,  und 
zwar  bei  Quecksilber  bis  zu  t;s=80cm  bei  Wellenbreiten,  die 
mikroskopisch  sind  und  weniger  als  0,4  mm  betragen. 


124  L.  Matthies$en, 

Erste  Beobachtungsmethode.  Hierzu  wurden  an 
die  beiden  Zinken  Stifte  mit  etwas  Wachs  befestigt,  wobei 
die  Höhe  der  Stimmgabel  sich  nicht  merklich  ändert,  wenn 
ihre  Mensuren  hinreichend  stark  und  mindestens  6  mm  dick 
sind.  War  die  Stimmgabel  zum  Tönen  gebracht,  so  wurde 
eine  möglichst  grosse  Anzahl  der  Interferenzlinien  zwischen 
den  beiden  Spitzen  eines  feinen  Zirkels  direct  gez&hlt.  Die 
Knoten  und  Bäuche  heben  sich  durch  die  Spiegelwirkung 
gekrümmter  Flächen  als  dunkle  und  helle  Linien  ab.  Die 
Zirkelspitzen  vnirden  auf  zwei  beliebige  dunkle  Linien  fixirt 
und  die  Anzahl  der  zwischen  ihnen  liegenden  dunklen  Linien 
genau  gezählt.  Ist  d  der  Abstand  der  beiden  Zirkelspitzen, 
m  die  Zahl  der  Linien  zwischen  denselben,  so  ist: 

Die  Stellung  der  Marken,  also  der  Abstand  d  wurde 
möglichst  oft  gewechselt  Da  bei  hohen  Tönen  die  Linien 
sehr  dicht  aneinander  liegen,  so  wächst  die  Schwierigkeit  der 
Zählung,  besonders  bei  undurchsichtigen  Flüssigkeiten.  Ist 
die  Flüssigkeit  krystallhell  durchsichtig,  so  projicirt  sich  bei 
directem  Sonnenlichte  durch  die  Linsenwirkung  gekrümmter 
Flächen  das  Schattenbild  deutlich  auf  dem  weissen  Grunde 
des  Porzellangefässes,  wo  es  leichter  zu  messen  ist.  Die 
meisten  Messungen  wurden  jedoch  direct  auf  der  Oberfläche 
angestellt. 

Zweite  Beobachtungsmethode.  Hierbei  wird  nur 
die  eine  Zinke  mit  einem  Stift  versehen,  welcher  bei  der 
Schwingung  der  Gabel  ein  fortschreitendes  Kreiswellensjstem 
erzeugt.  Um  hiervon  Augenblicksbilder  zu  erhalten,  müssen 
die  äusseren  Wangen  der  Zinken  eben  und  fein  polirt  sein, 
worin  die  auf  der  Niveaufläche  oder  auf  dem  Gefässgrunde 
befindlichen  Bippungen  in  der  Richtung  von  oben  her  wahr« 
genommen  werden.  Diese  Augenblicksbilder  coincidiren,  wenn 
die  Zinken  ihre  äussersten  Deviationen  erreichen;  man  er- 
blickt also  das  Kreiswellenbild  dauernd  und  fixirt  Das 
Kreiswellensystem  wird  wegen  der  schnellen  Fortbewegung 
direct  nicht  wahrgenommen,  sondern  nur  in  den  Momenten, 
wo  die  spiegelnde  Gabel  ruht  und  wieder  umkehrt,  was  zwei« 
oial  während  einer  ganzen  Schwingung  geschieht.    Da  nun 


WtUenbewtgting  auf  FSisiigkeiien.  125 

nach  jeder  einfiEushen  Schwingung  das  System  um  eine  halbe 
.Wellenbreite  fortschreitet^  so  müsste,  genau  genommen,  die 
Zahl  der  hellen  und  dunklen  Linien  oder  die  Zahl  der  Wei- 
len verdoppelt  erscheinen.  Da  aber  die  Neigung  des  Spiegels 
gegen  die  Blicklinien  in  den  beiden  äussersten  Deviationen 
der  Zinken  sich  ein  wenig  ändert,  so  liegen  die  beiden  Augen- 
blicksbilder  nicht  mitten  zwischeneinander,  sondern  verschie- 
ben sich  radial,  wobei  die  dunkeln  Linien  sich  einander  bis 
zur  Colncidenz  nfthem,  sodass  man  nur  die  Hälfte  erblickt 
Die  Trennung  zweier  aufeinander  folgenden  AugeDblicksbilder 
während  einer  ganzen  Schwingung  beobachtete  ich  nur  bei 
sehr  starken  Schwingungen  der  grossen,  60  cm  langen  Stimm- 
gabel (N  s  8,4).  Befestigt  man  an  jede  Zinke  einen  Stift, 
80  erscheint  in  klaren  Flüssigkeiten  auf  weissem  Gefässgrunde 
als  Schattenbild  sehr  schön  das  bekannte  Weber 'sehe  Augen- 
blicksbild ^)  ohne  die  hyperbolischen  Interferenzlinien. 

Wenn  die  Fltlssigkeit  undurchsichtig  ist  und  eine  totale 
Reflexion  an  der  Oberfläche  gibt,  wie  Quecksilber,  so  beob- 
achtet man  an  der  Seite,  von  welcher  Sonnenlicht  einfällt. 
Die  beiden  Spitzen  eines  Zirkels  werden  auf  zwei  beliebige 
und  möglichst  weit  voneinander  entfernte  dunkle  Linien  un- 
mittelbar über  der  ^iveaufläche  in  radialer  Richtung  flxirt 
and  die  Zahl  der  dazwischen  liegenden  Linien  gezählt,  was 
bei  dieser  Methode  um  so  bequemer  ist,  da  die  Linien  die 
doppelte  Distanz  haben,  wie  die  Interferenzlinien.  Die  ge- 
suchte Wellenbreite  ist: 

Ist  die  Flüssigkeit  krystallhell  durchsichtig,  so  kann  man 
auch  ein  Porzellangefäss  mit  flachem  Boden  benutzen,  auf 
welchen  sich  infolge  der  Linsenwirkung  der  Wellenberge  und 
Thäler  die  Augenblicksbilder  in  concentrischen  hellen  und 
dunklen  Bingen  projiciren.  Die  Beobachtung  des  Spiegel- 
bildes von  dem  Grunde  in  der  Zinke  geschieht  dann  von  der 
entgegengesetzten  Seite  der  Lichtseite  her.  Obgleich  die 
Oberfläche  der  Flüssigkeit  geriffelt  ist,  wodurch  vieles  von 
dem  Schattenbilde  des  Gefässgrundes  austretende  Licht  zer- 
streut wird,   so   genügen  doch  bei  starker  Beleuchtung  die 

\)  Weber,  Wied.  Ann.  32.  p.  635  u.  Fig.  8.  1887. 


126  L.  Matthiessen. 

horizontalen  Tangentialebenen  der  Bergrücken  und  Thal- 
sohlen der  Wellen,  um  ein  scharfes  Bild  des  Grundes  durch- 
zulassen. Der  Umstand,  dass  auch  die  Stifte  (Nadeln)  gewellt 
erscheinen,  führte  mich  zuerst  zu  dieser  Methode  der  Beob- 
achtung von  Augenblicksbildern  der  primären  Wellen. 

Ehe  ich  zur  Mittheilung  der  Messungsresultate  übergehe, 
welche  in  überraschender  Weise  die  Gültigkeit  des  Thom- 
son'sehen  Gesetzes  für  die  Wellen  IIL  Ordnung  bestätigen 
und  ebenso  die  speciüsche  Cohäsion  verschiedener  Flüssig- 
keiten ergeben,  muss  ich  auf  einen  wichtigen  Umstand  hin- 
weisen, der  bei  den  Messungen  nicht  unbeachtet  gelassen 
werden  darf.  Was  nämlich  das  von  W.  Thomson  bei 
seinen  Versuchen  auf  dem  Sound  of  Mull  beobachtete  Wel- 
lenbild (Fig.  9)  anbetrifft,  so  dürfte  ihm  kaum  entgangen  sein, 
dass  die  erste  oder  die  beiden  ersten  Wellen  vor  der  Angel- 
schnur eine  merklich  grössere  Breite  haben,  als  die  voran- 
gehenden. Dies  hat  offenbar  seinen  Grund  darin,  dass  die 
Flüssigkeit  in  diesem  Bereiche  in  der  Richtung  der  Wellen- 
bewegung fortgeschoben  wird,  also  eine  verminderte  Ge- 
schwindigkeit der  Welle  und  damit  eine  grössere  Breite  X 
ergeben  muss.  Auch  bei  den  Versuchen  mit  Stimmgabeln 
ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  in  der  Umgebung  der  Stifte 
Strömungen  entstehen,  welche  v  verkleinern,  weshalb  man 
die  ohnehin  bewegten  Spitzen  als  Marken  nicht  benutzen 
darf,  abgesehen  davon,  dass  nach  den  Principien  der  Inter- 
ferenzlehre der  Abstand  der  ersten  Knotenlinie  vom  Vibra- 
tionscentrum zwischen  0  und  |A  schwankt.  Eine  ähnliche 
Fehlerquelle  zeigt  sich  bei  der  Methode  der  Messung  der 
Rippungen  in  schmalen  Rinnen  oder  auf  horizontal  aus- 
fliessenden Flüssigkeitsstrahlen.  ^)  Wenn  man  mit  einem  sehr 
dünnen  Objecte,  z.  B.  einer  Nähnadel,  einen  Ausflussstrahl 
in  der  Nähe  der  Oeffnung  berührt,  so  wird  die  Constante 
der  Formel: 

welche  für  feine  Kräuselungen  oder  Wellen  III.  Ordnung  gilt, 
grösser  als  bei  den  Versuchen  mit  der  Stimmgabel  auf  einer 
ruhenden  Wasserfläche.    Beispielsweise  wurden  von  mir  bei 

1)  L   Matthiessen,  Pogg.  Ann.  141.  p.  885.  1870. 


Wellenbewegung  auf  Flüssigheiten.  127 

der  AosfluaBgeschwindigkeit  üaB72cin  sechs  Wellen  auf  1  cm 
gemessen,  also  X » 0,167  cm;  die  relative  Geschwindigkeit 
dieser  Wellen  betr&gt  aber  nur  52  cm«  Daraus  geht  hervor, 
dass  in  der  N&he  der  Oefinung  die  Geschwindigkeit  des 
cylindrischen  Ausflussstrahles  in  seiner  Mantelfläche  durch 
Beibang  und  Adh&sion  eine  Verzögerung  erleidet,  die  somit 
gemessen  werden  kann;  f&r  die  Versuche  an  Ausflussstrahlen 
l&sst  sich  die  Thomson 'sehe  Formel  noch  transformiren. 
Es  ist: 

d.h.  die  Wellenbreite  der  Druckhöhe  umgekehrt  proportional. 
Während  demnach  die  Formel  Ült  hX  den  Werth  0,232  ergibt, 
liefert  die  Messung  den  Werth  hX^  =  0,440.  Ist  nun  v  die 
totale  Ausflussgeschwindigkeit  des  Strahles,  v^  die  seiner 
Mantelfläche  vor  der  Oefinung,  X  und  X^  die  zugehörige 
Wellenbreite,  so  ist  ftLr  den  concreten  Fall: 

hX  ^  0,232,  hX^  =  0,440, 

Äi :  A  «  1,90. 
Daraus  folgt  weiter: 

v^X==^2ngT=v^^X^, 

oder:  ^^^^_^,         ,^^,,^0,72.. 

Ausgedehnte  Messungen  über  diese  Verzögerung  an  ver- 
schiedenen Stellen  in  der  Mantelfläche  ausfliessender  Flüs- 
sigkeitsstrahlen sind  vonHrn.Dr.  Ahrendt  im  physikalischen 
Institute  ausgeführt  und  publicirt.^) 

Ich  gehe  zu  den  Messungen  selbst  über.  Zunächst  wurde 
mit  Hülfe  der  Stimmgabel  iV&=  128  bis  1024  durch  eine  grosse 
Anzahl  von  Einzelmessungen  die  Constante: 


nX*f*=^  V2ngT=y 2nT 

bestimmt  und  daraus  die  specifische  Cohäsion  T  berechnet. 
In  den  folgenden  Tabellen  sind  die  beobachteten  Werthe  X 
mit  den  aus  den  Formeln: 

^'-98M  2^ -981,4.^-0 


1)  Ahrendt,  £xner*s  Repert.  d.  Phjs.  24.  p.  318.  1888. 


128 


L,  MatUiiessen. 


berechneten  X  und  v  zusammengestellt,    füne  besondere  Co- 
lumne  gibt  auch  den  mittleren  Fehler  der  Beobachtungen. 


/-l/V;^!»;-^" 


einer  Messung  an.  Die  cubische  Gleichung  gilt  fbr  Werthe 
von  N  ■■  8,4  bis  229 ;  ftir  grOssere  Werthe  von  N  die  Glei- 
chung: 


Ä»  = 


2n.  981,4  T 


Die  cubische  Gleichung  liefert  nur  einen  reellen,  posi* 
tiven  Wurzelwerth  und  lässt  sich  am  einfachsten  goniometrisch 
auflösen  auf  folgende  Art.    Man  gibt  ihr  die  Form: 

(1)  +  4.W(i)  -  98i;Ä^i  =  (i)  +  /^  (i)  -  ?  =  0^ 

setzt:  tg  a  =  |^;i  ]/zh'r        *«^ ^  "  ^^^ ' 

dann  ist: 

Sämmtliche  Messungen  wurden   bei   einer  Temperatur  von 
15_20<^  C.  ausgeführt. 

Quecksilber. 
y~2nT  =  15,02;         r=  0,0366. 


n 


ber. 


beob. 


AI 


ber. 


/ 


8,4 
16,12 
16,4 
86,9 
64,7 
128 

OOq 

256 

320 

384 

458 

512 

910» 
1024 
1882 
2048 


2,664  cm 

1,202  ,, 

1,182  ,, 

0,590  » 

0,391  n 

0,243  ,j 

0,164  „ 

0,151  ,1 

0.130  7, 

0,115  M 

0,102  ,, 

0,095  M 

0,064  » 

0,060  ., 

0,041  ., 

0,088  )) 


2,606  cm 

1,133  „ 

0,544  yy 

0,363  ,y 

0,233  ,y 

0,161  „ 

0,151  >, 

0,130  „ 

0.115  )) 

0;i02  „ 

0,095  „ 

0,066  ,, 

0,061  „ 

0,036  ;, 


—0,058  cm 

-0,049  » 

-0,046  ,» 

-0,028  » 

-0,010  » 

—0,008  » 

0,000  » 

0,000  j, 

0,000  j, 

0,000  » 

0,000  7) 

+0,002  ,) 

+  0,001  M 

-0,005  » 


22,38  cm 

19.38  » 

19.39  „ 
21,77  » 
25,30  » 
31,10  „ 
87,56  » 
88,66  '» 
41,60  » 
44,ir,  „ 
46,72  „ 
48,64  <) 
58,62  ), 
61,44  » 
74,38  „ 
77,82  „ 


0,108  cm 


0,025 
0,008 
0,014 
0,003 
0,003 
0,007 
0,004 
0,001 
0,008 
0,002 
0,004 
0,003 


Für  den  kritischen  Punkt  ist: 

Vq  =  19,38  cm,        Ao  =  1,202  cm. 


71.  =  16,12. 


WiUa^tKtgvng  mtf  FSiuiyluütH. 

Destillirtes  Wasser  {bei  16—20°  C.) 
V^«T-21^6,        r=.  0,074. 


. 

bw. 

beob. 

AI 

»ber. 

/ 

M 

B,9Mcm 

2,878  cm 

-0,081  cm 

24,8t  cm 

0,104  cm 

28,10  „ 

IM 

1,421  „ 

1,878  „ 

-0,042  „ 

23,80  1, 

0,086« 

86,» 

0,786  „ 

0,697  ,. 

-0,038  ,. 

0,014  „ 

M,t 

0,490  „ 

-0,017  ,. 

31,70  >i 

0,006« 

188 

0,297  „ 

0,299» 

+0,002» 

38,02» 

0,018  « 

0^807« 

0,808» 

+0,001  „ 

47,40  » 

0,004» 

SS6 

0,1«  „ 

0,196  „ 

+0,004  „ 

48,90  » 

0,OOT„ 

0,164  » 

0,156« 

-0,008» 

52,64» 

0,006» 

-0,004  » 

66,06  » 

0,004« 

468 

0,180  „ 

0;i80„ 

0,000  ,. 

69,64  » 

o;ooe„ 

-0,008  „ 

61,44  » 

816 

0,082  „ 

0,083  n 

+0,001  » 

75,11  „ 

1024 

0,076  n 

0,068  n 

-0,008  » 

77,82  » 

1832 

0,061  „ 

98  43» 

2048 

0,048  ,1 

— 

— 

08,30  „ 

- 

F&r  den  kritiBchen  Funkt  ist: 

V  B  23,10  cm,        Ap  =  1,709  cm, 


Absoluter  Alkohol  (99  Proc.) 
Y2^  =.  15,02,         r-  0,0366. 


/ 

8,4 

S,eä4cm 

2,658  cm 

-0,006  cm 

22,38  cm 

0,052  cm 

16,18 

1,202  „ 

19,38  ,, 

16,4 

1,134  » 

—0,048  „ 

19,39  „ 

0,031  1, 

36,9 

0,580  „ 

0,571   ,, 

-0,019  ., 

21,77  „ 

0,012  „ 

64,7 

U,89l  „ 

0,384  „ 

-0,007  ,, 

25,30  ,. 

0,007  „ 

128 

0,243  ,, 

0,233  „ 

-0,010  » 

31,10  „ 

0,002  „ 

229 

0,134  „ 

0,163  .. 

-0,001  » 

37,56  „ 

0,001  » 

258 

0,151  „ 

0,150  ,, 

-0,001  „ 

38,66  „ 

0,002» 

320 

0,130  .. 

0,132  ,. 

+  0,002  „ 

41,60  „ 

0,000  ,1 

0,115  ,. 

0,108  ., 

-0,007  „ 

44,16  „ 

458 

0,102  „ 

0,103  „ 

+  0,001  » 

46,72  » 

0,002  » 

512 

0,Ü95  ,. 

48,64  „ 

916 

0,064  ,1 

B8;62  ,, 

1024 

0,060  „ 

— 

— 

61,44  ,. 

— 

FQt  den  kritischen  Punkt  ist: 

r^  =  19,38  cm,        X^  =  1,2 

Abu  i.  nj*.  o.  ChHB.  N,  V.  XXXTur. 


ISO         L.  Matthiatftu    Weümb«wegung  auf  FtLurigkeitm, 

Abeolnter  ScbwefeUther  (bei  12°  C.) 
Yiiü  -  13,68,        T -  0,0302. 


l 

äl 

„ber.    !         f 

b«r. 

beob. 

8,4 

2,603  cm 

2,600  cm 

-0,003  cm 

21,86  cm 

0,106  cm 

IM 

1,126  „ 

1,019  „ 

-0,047  „ 

13,48  „ 

0,009  » 

16,91 

1,092  „ 

18,47  „ 

36.9 

0.566  ,, 

0,636  ", 

-0,020  „ 

20.53  „ 

0,008« 

6*,7 

0,367  ,, 

0,357  ,. 

-0,010  n 

28,74  ,. 

0,007« 

128 

0,22fi  .> 

0,222  ,. 

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229 

0,153  i> 

0,152  „ 

-0,001  ,. 

35,04  n 

0,002« 

258 

0,142  „ 

0,142  •) 

0,000.. 

36,35  „ 

0,001  « 

320 

0,128  „ 

0,128  „ 

+  0,001  „ 

39,04  „ 

0,007  « 

364 

0,108  H 

0,108  ,. 

0,000  ., 

41,47  n 

0.001  ,. 

468 

0,096  ,, 

0,096  „ 

0,000  „ 

43.97  „ 

0,001  n 

512 

0,089  ,, 

0,092  „ 

+0,003  „ 

45,57  „ 

0,000  « 

916 

0,061  „ 

0,063  „ 

+0,002  „ 

55,88  „ 

1024 

0,056  ,. 

67,84  „ 

FOr  den  kritischen  Funkt  ist: 

« 

„=.18,47  cm,         ;i„- 1,092  cm, 

Rg  ~  16,91. 

Schwefelkohlenstoff  (bei 

12"  C.) 

^^2^  =  14,36,         T -  0,0334. 

^ 

AI 

V  ber. 

f 

ber. 

beob. 

8,4 

2,634  cm 

2,617  cm 

-0,017  cm 

22,12  cm 

_ 

16,4 

1,155  >. 

1,105  „ 

-0,060  ,, 

18,94  „ 

0,01Bem 

16,49 

1,148  „ 

18,94  „ 

36,9 

0,574  ., 

0,581  „ 

-0,043  „ 

21,18  „ 

0,009  „ 

64,7 

0,379  „ 

0,358  ., 

-0,028  „ 

24,54  ., 

0,011    T. 

128 

0,236  X 

0,230  ,. 

-0,008  1) 

30,18  „ 

0,004  ,, 

229 

0,158  » 

0,156  „ 

-0,002  „ 

36,18  i. 

0,001  « 

256 

0,146  ., 

0,144  „ 

-0,002  „ 

37,50  „ 

0,008  „ 

320 

0,126  ,. 

0,128  ,. 

+0,002  „ 

40,42  „ 

0,001  .. 

384 

0,U2  » 

0,112  „ 

0,000  „ 

42,93  „ 

0,003  „ 

4&S 

0,099  >. 

0,106  „ 

+0,007  „ 

46,52  „ 

0,006  « 

512 

0,092  „ 

0,094  „ 

+  0,002  „ 

47,26  « 

0,001  » 

916 

0,063  ,. 

67,34  „ 

1024 

0,058  » 

59,49  „ 

Für  den 

kritischen  Punkt  ist: 

V 

,  =  18,94  c 

m,        A„  = 

1,148  cm, 

««  =  16 

49. 

Die  vorliegenden  Messungen  ergeben,  dass  die  von 
Thomson  aufgestellte  Formel  das  allgemeine  Qeseti  der 
regulären 'Wellenbewegung  auf  Flüssigkeiten  sehr  genau  dar* 
stellt  und  nur  in  der  Nähe  des  kritischen  Punktes  bei  einer 
durchschnittlichen  Welleabreite  von  13  mm  und  einer  Mini- 
malgesch windigkeit  von  20  cm  eine  kleine  positive  Abwei- 
chung von  0,5  mm  ergibt. 


Wi  Prejfer.     Chmbmatiafutone.  131 

X£L   Veber  {JambinoHonstOne;  vcn  W.  JPreyer. 

(Am  den  YeiliaiidL  der  Plgn.  Qm.  la  Beriin  vom  8.  Februar  1888; 

mitgetbeilt  vom  Hn.  Verf.) 


Ans  früheren  Untersachungen^)  über  die  Bedingongeiiy 
welche  f&r  die  Hörbarkeit  der  Differenztöne  und  Summa- 
tionttöne  nothwendig  sind,  hatte  sich  ergeben,  dass  es  mit- 
telst  der  empfindlichsten  Stimmgabeln  und  Resonatoren  nicht 
gelingt^  sie  objectiT  nachzuweisen.  Es  war  bisher  überhaupt 
nicht  dargethan,  dass  solche  Töne  aosserhalb  des  Ohres  ent- 
stehen. Dagegen  ÜEind  ich,  dass  im  Ohre  der  Differenzton 
erster  Ordnung  mit  einer  an  dasselbe  angelegten  Stimmgabel 
Ton  ±  2  Schwingungen  Unterschied  auch  dann  noch  Schwebun- 
gen gibt,  wenn  die  beiden  erzeugenden  objectiven  Töne  eben 
erloschen  sind,  und  dass  ein  vorher  an  das  Ohr  applicirter 
Resonator  von  der  Schwingungszahl  des  Differenztones  mit 
einer  solchen  Gabel  in  der  Luft  Stösse  gibt  Daraus  folgt, 
dass  dieselbe  Luftmasse  im  Resonator,  welche,  vom  Ohre 
getrennt,  nicht  durch  den  Differenzton  zum  Mittönen  ge- 
bracht werden  kann*),  unmittelbar  vom  Ohre  aus  in  Mit- 
schwingungen versetzt  wird,  falls  der  Differenzton  darin  hör- 
bar ist. 

Irgend  ein  Theil  des  Ohres,  das  Trommelfell  oder  die 
Gehörknöchelchen,  oder  auch  ein  Theil  des  inneren  Ohres, 
muss  demnach  die  Entstehung  des  Differenztones  ermöglichen. 
Welcher  Theil?  Das  l&sst  sich  am  unversehrten  Ohr  nicht 
leicht  ermitteln.  Ich  überzeugte  mich  zwar,  dass  der  Ver- 
schluss des  äusseren  Gehörganges  mit  dem  Finger  oder  mit 
Watte  die  Wahrnehmung  des  Differenztones  unmöglich  macht, 
auch  wenn  die  beiden  prim&ren  Töne  deutlich  hörbar  blei- 
ben, aber  dabei  wird  nothwendig  die  Intensität  derselben 
erheblich  geschwächt  Man  könnte  also  einwenden,  der  Com- 
tnnationston  käme  wegen  zu  geringer  Intensität  der  erzeu- 
genden Töne  nicht  zu  Stande.  Doch  ist  es  bemerkenswerth, 
dass  er  auch  bei  den  lautesten  Pfeifen  nicht  wie  deren 
Grundtöne  durch  Kopfleitung  zur  Perception  kommt     Es 


1)  W.  Prejer,  Akustische  Untersuchungen.    Jena  1879. 

2)  Dieses  bestätigt  auch  Bosanquet,  Phil.  Mag.  June  1881.  p.  480. 

9* 


182  fr.  Preyer. 

lag  deshalb  nahe,  den  Entstehnngsort  des  Differenztones  in 
dem  Trommelfell  und  in  der  Paukenhfthle  zu  suchen,  dagegen 
das  innere  Ohr  als  Entstehungsort  auszuschliessen,  weil  da- 
hin die  Wellenzüge  beider  primären  T6ne  auch  bei  yer- 
schlossenem  Gehftrgang  gelangen  und  doch  kein  Combina- 
tionston  gehOrt  wird. 

Die  Untersuchung  eines  intelligenten  sechzehnjährigen 
Jünglings  mit  angeborener  Atresie  beider  Ohren,  dem  un- 
zweifelhaft beiderseits  das  Trommelfell  fehlte,  der  aber 
sämmtliche  Stimmgabeltöne  von  dem  Subcontra-C  bis  zum 
achtgestrichenen  a  sicher  erkannte  und  Englisch  und  Deutsch 
sprach,  lieferte  mir  das  unzweideutige  Resultat,  dass  er  keine 
Combinationstöne  hörte. ^)  Schwebungen  vermochte  er  zu  hören, 
solange  sie  nicht  frequent  waren,  Differenztöne  aber  unter 
keinen  Umständen.  Ich  schloss  hieraus,  dass  die  letzteren 
im  inneren  Ohre  nicht  entstehen  können,  sondern  im  Trom- 
melfell  entstehen,  welches  bei  angeborener  Atresie  des  Ohres 
fehlt  *),  und  suchte  nun  an  solchen  Individuen,  welche  grössere 
und  kleinere  Defecte  des  Trommelfells  auf  einer  Seite,  auf 
der  anderen  aber  ein  normales  Ohr  haben,  die  Hörbarkeit 
der  Differenztöne  festzustellen. 

Das  sehr  günstige  Material,  intelligente  musikalische 
und  unmusikalische  Patienten  und  Patientinnen,  hat  mir 
Hr.  Prof.  Trautmann  hier  zur  Verfügung  gestellt,  und  ich 
spreche  ihm  dafür  und  für  sein  Entgegenkommen  bei  den 
Versuchen  auch  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank  aus. 

Es  ergab  sieb  für  alle  Fälle  mit  Defecten,  bei  denen 
die  Luft  von  der  Mundhöhle  aus  durchströmen  konnte,  dass 
zweifellos  keine  Combinationstöne  gehört  vnirden,  während 
das  gesunde  Ohr  der  anderen  Seite  verschlossen  blieb.  Dieses 
für  sich  liess  jedesmal  die  Wahrnehmung  des  ersten  Diffe- 
renzstones zu  Stande  kommen.  Dabei  bandelt  es  sich,  wie 
ich  ausdrücklich  hervorhebe,  nur  um  reine  Fälle,  wobei  der 
Entzündungsprocess  völlig  abgelaufen  war,   und  die  beiden 


1)  Ich  theilte  diese  Thatsache  Ende  1887  Hrn.  Prof.  Kessel  mit 
Gorrespondenzblätter  des  allgemeinen  ärztlichen  Vereins  von  Thüringen. 
17.  Jahrg.   p.  279.    Section  fiir  Heilkunde.    Sitzung  vom   19.  Jan.  1888. 

2)  Joöl,  Arch.  f.  AugenheUk.  27.  p.  82.   1888. 


133 

primären  TBne  aach  durch  das  Ohr  mit  dem  defecten  Trom- 
melfell aehr  deutlich  gehftrt  wurden. 

Es  ist  somit,  bewiesen,  dass  die  DifferenztSne  im  Trom- 
melfell entstehen.  Ich  konnte  aber  auch  nachweisen,  dass 
sie  daselbst  nicht  ausschliesslich  entstehen. 

Dass  n&mlich  das  normale  Trommelfell  nicht  unersetz- 
lich ist,  wird  durch  Fftlle  bewiesen,  in  denen  der  Defect 
durch  Wucherung  yemarbt  ist  In  einem  Falle  derart,  wo 
der  etwa  zwei  Drittel  der  Oberfläche  betragende  Defect  durch 
nengebildetes  Gewebe  wieder  geschlossen  war,  wurde  der 
Differenzton  gehört  Hr.  Trautmann  träufelte  nun  einige 
Tropfen  Wasser  in  den  äusseren  Gehörgang  derjenigen, 
welche  mit  perforirtem  Trommelfell  den  Differenzton  nicht 
hörten.  Jetzt  konnten  sie  ihn  wahrnehmen.  Also  genügte 
schon  der  firsatz  des  fehlenden  Stückes  durch  eine  dünne 
Wasserscheibe,  um  das  Zustandekommen  des  Differenztones 
sa  ennöglicheh.  Ebensoviel  Wasser  im  gesunden  Ohr  hin- 
dert die  Wahrnehmung  der  Combinationstöne  mittelst  des- 
selben nicht 

Durch  diese  Thatsachen  ist  also  bewiesen,  dass  auch 
andere  empfindliche  (belastete)  Membranen  als  das  Trommel- 
fell für  die  Erzeugung  des  ersten  Differenztones  geeignet 
sind,  und  es  ist  nur  noch  eine  technische  Frage,  wie  solche 
ausserhalb  des  Ohres  herzustellen  sein  werden.^) 


1)  Erst  nach  Büttheilung  der  vorstehenden  Versuche  an  die  physi- 
OesellBchaft  wurde  ich  darauf  aufmerksam  gemacht ,  dass  ein 
beaehtenswerther  Versuch  die  Combinationstöne  mittelst  des  Mikrophons 
hörbar  zu  machen,  bereits  vorliegt  Hr.  0.  Lummer  (Verhandl.  der  phys. 
Gea.  7.  Juli  1886,  p.  66)  verwendete  dazu  einen  Resonator,  dessen  eine 
Oeffiniing  mit  einer  dflnnen  Eautschukmembran  verschlossen  war  und 
mittelst  eines  Mikrophons  mit  einem  Telephon  in  Verbindung  stand.  Lei- 
der sind  die  auf  diese  Weise  objectiv  hörbar  gemachten  Töne  nur  aus 
dem  Harmonium  erhalten  worden,  wo  die  Tonquellen  nicht  getrennt 
sind.  Ich  habe  stets  ausser  den  starken  Klängen  der  Harmoniumzungen 
mit  ihren  vielen  Obertönen  zur  Erzeugung  der  Combinationstöne  erster 
Ordnung  stark  schwingende  Stimmgabeln  und  Pfeifen  verwendet.  Doch 
ist  nun  kaum  noch  zu  bezweifeln,  dass  die  Differenztöne  auch  dann  mit- 
telst des  Mikrophonresonators  objectiv  dargestellt  werden  können,  da 
durch  die  Hörbarkeit  derselben  mittelst  der  Wasserschicht  im  perforirten 
Trommelfell  ihre  ObjectivitÄt  erwiesen  ist. 


184  fF.  Preyer. 

Was  die  SommationstSne  betrifft,  so  war  es  mir  schon 
im  Jahre  1869  aufgefaUen,  als  ich  sie  in  meinen  Vorlesungen 
demonstriren  wollte,  dass  ich  sie  nur  hOrte,  wenn  ausser  den 
zwei  prim&ren  Tönen  auch  deren  ObertSne  deutlich  hOrbar 
waren.  Bei  .hohen  Tönen  (mit  wenigen  oder  schwachen 
Obertönen)  hörte  ich  überhaupt  keinen  Summationston.  Ich 
theilte  diese  Beobachtungen  dem  Akustiker  G.Appunn  in 
Hanau  mit,  von  dem  ich  wusste,  dass  er  ein  Torzüglich  ge- 
schultes Ohr  hatte  und  zugleich  die  Arbeiten  des  Herrn 
y.  Helmholtz,  welcher  1856  diese  Tone  entdeckte,  kannte» 
Er  schrieb  mir  darauf  sehr  ausftlhrlich,  meine  Beobachtung 
h&tte  er  auch  gemacht,  er  höre  Summationstöne  nur  in 
mittleren  und  tieferen  Lagen,  schon  in  der  zwei-  und  drei- 
gestrichenen Octave  könne  er  trotz  der  angestrengtesten 
Aufmerksamkeit  keinen  Summationston  hören;  dagegen  hörte 
er,  wie  ich,  die  Differenztöne  gerade  bei  hohen  Tönen  sehr 
deutlich,  die  Summationstöne  nur  bei  tiefen  Tönen  deutlich^ 
oft  deutlicher  als  die  Differenztöne.  Er  meinte  damals,  man 
könne  sie  nur  bei  Tönen  mit  vielen  starken  Obertönen 
wahrnehmen,  und  zwar  seien  sie  die  Differenztöne  solcher,  z.  B» 
bei  c^s  128  und  Cr^s  192  sei  der  laute  Summationston 

820  =  5. 192  -  5. 128  =  960  -  640. 

Dieselbe  Auffassung  vertrat,  ohne  von  dem  Appunn^- 
sehen  Manuscript  vom  December  1869  etwas  zu  wissen^ 
Hr.  R.  König  in  Paris  1876,  welcher  meinte,  wo  viele 
Obertöne  seien,  könnten  diese  ausreichen,  allemal  die  Sum- 
mationstöne dadurch  zu  erklären,  dass  sich  immer  zwei  Ober- 
töne finden  mit  einer  Differenz,  die  der  Schwingungszahl  des 
Summationstones  gleich  ist.  Ich  habe  jedoch  die  Hypothese 
vollständig  widerlegt,  derzufolge  die  Summationstöne  hier^ 
durch  allein  zu  Stande  kommen  sollen,  durch  den  Nachweis» 
dass  man  Summationstöne  hört,  wo  so  hohe  Obertöne,  wie 
sie  verlangt  werden,  gänzlich  fehlen. 

Für  jedes  beliebige  Tonpaar  ist  zwar  allemal: 
(I)  (m5  —  n(i)  SS  a  +  5, 

aber  in  vielen  Fällen  auch  bei  kleinstem  m  und  n  das  Theil- 
tönepaar  mh  und  na  zu  hoch  oder  zu  schwach,  um  hörbar 
zu  sein,  während  doch  der  Summationston  deutlich  ist.  Voll« 
ends  gilt  dieses  für    den  von  Hrn.  König  allein  angenom- 


CombmaiiontiSne,  186 

« 

menen  Fall,  wo  m  «m.    Dagegen  kommt  für  jedes  beliebige 

Tonpaar  ausnahmslos  in  Betracht,  die  von  mir  (L  c.)  zuerst 

ermittelte  und  näher  begründete  Relation: 

(II)  nb  —  [(«  -  l)i  ~  a]  -  a  +  i, 

wo  gleichüalls  n  die  Ordnungszahl  des  Theiltones,  weil  hier 

nur  der  erste  Oberton  zur  Erklärung  des  Summationstones 

erforderlich  ist: 

2&-(&-.a)«*(a  +  &). 

Die  Verstärkung  des  Summationstones  in  tiefen  Lagen  er- 
klärt sich  einfach  nach  (II)  durch  die  wiederholte  Bethei- 
ligimg  der  Obertöne  des  b. 

Solange  man  sich    nun    auf  Interyalle    innerhalb  der 
OetaTe  beschränkt,  kommen  andere  Verstärkungen  des  Sum- 
mationstones nicht  vor.    Wenn  aber  b  >2a  wird,  dann  ist, 
wie  ich  finde,  noch  der  Difierenzton  dritter  Ordnung: 
(in)         (nb  -  (n  -  l)a)  -  [(n  -  1)5  -  na]  «  a  +  * 

zu  berücksichtigen,  d.  h.  im  Falle  man  sich  auf  das  erste 
Obertönepaar  beschränkt,  nur  der  Ton: 

(2ft~a)-(5-2a)-(a  +  5), 
wo  die  einzelnen  Glieder  hörbar  sind. 

Da  es  früher  weder  mir  noch  anderen  gelang,  die  Sum- 
mationstöne  zu  hören,  wenn  nicht  die  ersten  Obertöne  sehr 
deutlich  zugleich  hörbar  waren,  lag  es  nahe,  die  Summations- 
töne  nach  (II)  und  (III)  als  Differenztöne  aufzufassen. 

Da  aber  der  Helmholtz'schen  Theorie  der  Combina- 
tionstöne  zufolge  die  Summationstöne  auf  einer  objectiven 
Addition  der  Schwingungen  beruhen  müssen,  so  bemühte 
ich  mich  aufs  neue,  und  zwar  an  Stimmgabeln,  deren 
harmonische  Obertöne  durch  Eautschukringe  gedämpft,  und 
welche  doch  zum  starken  Tönen  gebracht  waren,  die 
Summationstöne  wahrzunehmen.  Bei  dem  Gabelpaar  von 
192  und  256  ganzen  Schwingungen  wurde  in  der  That  der 
Summationston  448,  auch  wenn  beide  Gabeln  gedämpft 
waren,  noch  deutlich  gehört.  Dass  ausserdem  von  einem 
Beobachter  der  Ton  384,  also  2a,  gehört  wurde,  kann 
die  Schlussfolgerung  zu  Gunsten  der  objectiven  Existenz  des 
Summationstons  nicht  beeinträchtigen.  Denn  der  erwähnten 
Theorie  zufolge  müssen  die  Obertöne  2b  und  2a  neben 
{b  —  a)  und  (b  +  a)  mit   geringer  Intensität  entstehen.    Es 


136  O.  Knöjter. 

wnrden  auch  die  T6ne  64  und  320  deutlich  gehört,  was  yer- 
stftndlich  ist,  da  6  —  a  «^  64  und  26  —  a  «^  320,  abgesehen 
davon,  dass  auch  Sa  —  26  ■■  320. 

Da  es  sich  bei  diesen  Versuchen  um  schwierige  Wahr- 
nehmungen mit  äusserster  Anspannung  der  Aufinerksamkeit 
handelt,  so  ersuchte  ich  die  Herren  Appunn  in  Hanau  (den 
Sohn  und  den  Enkel  des  obengenannten  verstorbenen  Gr. 
Appunn),  welche  ein  sehr  geübtes  und  feines  GehOr  haben, 
meine  Beobachtungen  zu  wiederholen.  Sie  bestätigten  die- 
selben schiesslich  durchaus. 

Das  gesammte  Ergebniss  der  Untersuchung  steht  somit 
im  besten  Einklang  mit  der  Theorie  des  Hm.  v.  Helmholtz, 
und  es  ist  endlich  der  objective  Nachweis  der  Combinations- 
tOne  in  den  schwierigeren  Fällen  geliefert,  in  welchen  zwei 
ganz  getrennte  Stimmgabeln  vorhanden  und  schon  die  ersten 
Obertöne  jeder  einzelnen  Gabel  auch  für  das  geübteste  Ohr 
durchweg  unhörbar  oder  schwächer  sind,  als  die  Differenz- 
töne  erster  und  zweiter  Ordnung  und  als  der  Summationston* 


XIII.    Ueber  ein  neues  DUatameter ; 
van  Oskar  Knöfler. 

(Auszug  aus  der  Inauguraldissertation,  bearbeitet  vom  Hm.  Verf.) 

(Hierza  Taf.  I   Fig.  10.) 


Alle  chemischen  und  physikalischen  Processe  sind  mit  Yo- 
lumenänderungen  verbunden,  die  zum  eingehenden  Studium 
sowohl  der  Anfangs-  und  Endzustände  als  auch  der  Zwischen- 
zustände benutzt  werden  können. 

Man  kann  derartige  Volumenänderungen  in  zweierlei  Weise 
bestimmen,  entweder  ermittelt  man  das  specifische  Gewicht  zu 
verschiedenen  Zeiten,  oder  man  verfolgt  mittelst  eines  Dila- 
tometers  die  Veränderungen  eines  bestimmten  Anfangsvolumens. 
Da  die  letztere  Art  der  Beobachtung  ohne  weiteres  die  ge- 
suchte Grösse  gibt  und  zugleich,  wie  weiter  gezeigt  werden 
soll,  die  genauere  ist,  so  ist  dieselbe,  wo  irgend  möglich,  in 
Anwendung  zu  bringen. 

Dilatometer  sind   bekanntlich  weite  Gefasse,  mit  denen 


DOaiometer.  1S7 

em  Capillarrohr  yerbunden  ist,  an  welchem  man  eintretende 
DilatatioDen  oder  Contractionen  abliest.  Die  auf  die  Volumen- 
dnheit  bezogene  Grösse  derselben  berechnet  sich  aus  dem 
Volumen  des  G^filsses  und  dem  des  Capillarrohres.  Statt  dass 
man  die  Flttssig^it,  deren  Ausdehnung  man  bestimmen  wiU, 
selbst  bis  in  die  Capillare  hineinragen  l&sst,  schliesst  man  besser 
dieselbe  mit  Quecksilber  ab.  Die  Verschiebungen  des  in  die 
Capillare  reichenden  Endes  desselben  dienen  dann  zur  Messung. 

Bisher  hat  man  das  Dilatometer  üast  ausschliesslich  zur 
Bestimmung  der  durch  Temperaturwechsel  bedingten  Volumen- 
lüiiderangen  benutzt,  die  durch  einÜBushe  Ausdehnung,  Aggre- 
gatszostandsänderungen  und  chemische  Umlagerungenahervor- 
gemfen  werden.  Auf  letztere  hat  zuerst  wohl  Eilhard 
Wiedemann  bei  Untersuchung  verschiedener  wasserhaltiger 
Sake  das  Dilatometer  >)  angewendet,  später  dann  Van  t' Ho  ff, 
Beicher  u.  a. 

Die  bei  der  Einwirkung  mehrerer  Körper  —  zunächst 
Flüssigkeiten  —  aufeinander  stattfindenden  Volumenänderungen 
sind  nur  wenig  im  Dilatometer  verfolgt  worden.  Versuche  in 
dieser  Bichtung  sind  mit  einem  freilich  noch  unvoUkommeneu 
Apparat  von  Guthrie^  angestellt  worden. 

Auf  Veranlassung  des  Herrn  Professor  Eilhard  Wiede- 
mann habe  ich  das  Dilatometer  zum  Studium  der  bei  Lösungs- 
vorgängen imd  chemischen  Processen  auftretenden  Volumen- 
änderungen verwendbar  zu  machen  gesucht.  Es  gelang  mir, 
einen  passenden  Apparat  zu  construiren  und  ihm  durch  suc- 
cessive  Verbesserung  eine  solche  Form  zu  geben,  dass  seine 
Behandlung  eine  äusserst  bequeme  ist,  und  die  damit  erzielten 
Resultate  sehr  genaue  sind. 

Ich  erlaube  mir,  denselben  in  Folgendem  zu  beschreiben, 
sowie  eine  Reihe  Versuche  mit  demselben  mitzutheilen. 

Beschreibung  des  Apparates. 

Die  Haupttheile  des  Apparates  sind  (s.  Figur)  zwei  Gefässe 
A  und  B  und  die  Messcapillare  S  (theilweise  abgebrochen 
gezeichnet).     A  und  B  stehen  miteinander  in  doppelter  Com- 


1)  £.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  17.  p.  561.   1882. 

2)  F.  Guthrie,  PhiL  Mag.  (5)  18.  p.  495.  1884. 


188  O.  Knafler. 

monication;  einmal  direct  durch  den  Hahn  a  und  dann  durch 
das  Eohr  mrij  welches  durch  den  Hahn  b  verschliessbar  ist 
Die  Lfingsazen  der  Hähne  liegen  nicht,  wie  es  die  Figur  zeigte 
in  der  Ebene  des  Apparates,  sondern  sie  stehen  senkrecht  auf 
derselben.  Das  Eohr  mn  mündet  in  das  B  mit  der  Hess- 
capillare  <&'  verbindende  Kohr  p,  sodass,  auch  wenn  der  Hahn  a 
geschlossen  —  b  offen  ist  — ,  sowohl  A  als  B  mit  der  Hess- 
capillare  in  Verbindung  stehen.  Dieselbe  ist  mit  p  und  dem 
Apparate  selbst  bei  s  durch  einen  Schliff  verbunden  und  letzterer 
noch  mit  einem  Hahne/  versehen,  vor  welchem  T förmig  nach 
oben  sich  noch  ein  Capillarstttck  mit  Hahn  e  und  angeblasener 
Kugel  E  abzweigt.^) 

In  B  mündet  femer  das  Capillarrohr  r  mit  dem  Hahn  e^ 
in  A  das  Capillarrohr  t  mit  dem  Hahn  d.  Während  r  an  £ 
fest  angeblasen  ist,  lässt  sich  t  von  A  mittelst  des  in  den 
Tubulus  von  A  sich  einsetzenden  Schliffes  trennen.  Oberhalb 
der  Hähne  lassen  sich  an  r  und  t  Kugeltrichter  mittelst 
Schläuchen  anfügen;  eine  feste  Verbindung  durch  Anschmelzen 
würde  die  Reinigung  von  C  und  D  erschweren. 

Die  Dimensionen  des  verwendeten  Apparates  waren  so 
gewählt,  dass  A  ca.  100  ccm,  B  ca.  50  ccm  fasste;  ein  Milli- 
meter des  Capillarrohres  hatte  1,169  cmm  Inhalt,  seine  Ge- 
sammtlänge  betrug  etwa  1  m.  Unter  der  Capillare  S  war  ein 
in  Millimeter  getheilter  Maassstab  befestigt  und  dieselbe  in 
Bezug  auf  denselben  calibrirt  —  sie  war  so  gut  wie  vollkommen 
cylindrisch.  An  der  von  dem  Haupttheile  des  Apparates  ab- 
gewandten Seite  ist  an  die  Messcapillare  noch  ein  Schliff  a 
angeschmolzen,  welcher  eine  leicht  zu  lösende  Verbindung  der 
Capillare  mit  einer  DrechseTschen  Flasche  i^  bildet  Letz- 
tere ist  ihrerseits  noch  mit  einer  kleinen  Handluftpimipe  ver- 
bunden. 

An  den  Griff  des  Hahnes  a  ist  ein  kleiner  Holzarm  be- 
festigt, um  denselben  leicht  von  oben  handhaben  zu  können. 

Der  ganze  Apparat  bis  zum  Schliff  S  wird  auf  einem 
Brette  mit  Querleisten  (um  das  Ziehen  zu  verhindern)  und  ent- 
sprechenden Ausschnitten  für  die  Hähne  und  Gefösse  befestigt. 


1)  Die  Glasapparate  wurden  in  vorzüglichster  Weise  von  Hm.  Glas- 
künstler Götze  in  Leipzig  angefertigt. 


Däatometer.  139 

die  Schliffe  werden  zur  Sicherheit  mit  Gommibändem  zu- 
sammengehalten, wozu  die  Glasansätze  hh  dienen,  und  ebenso 
die  HShne  mit  Gummibändern  fest  angedrückt. 

Das  Fetten  der  Hähne  und  Schliffe  geschah  in  den  meisten 
FUlen  mit  gewöhnlichem  Hahnfett  (Talg  mit  Wachs),  in  den 
Fällen,  wo  mit  Aetzalkalien  gearbeitet  wurde,  mit  einem  Gemisch 
aus  2  Theflen  Vaseline  und  1  Theil  unvulcanisirtem  Kautschuk 
(bei  ca.  150^  zusammengeschmolzen). 

Zur  Fettung  des  Tubulusschliffes  von  A  empfiehlt  es  sich, 
immer  das  letztere  Gemisch  anzuwenden,  da  man  dann  den 
Schliff  /  vollkommen  fest  eindrehen  kann. 

Im  allgemeinen  scheint  gewöhnliches  Fett  länger  dicht 
zu  halten  als  das  Yaseline-Kautschukgemisch;  jedoch  hat  dieses 
den  Vorzug,  auch  bei  Temperaturen,  bei  denen  ersteres  schmilzt, 
noch  dicht  zu  halten. 

Ausführung  der  Versuche.  Der  Gung  der  Versuche 
ist  im  wesentlichen  folgender: 

Man  ftült  den  Apparat  erst  ganz  mit  Quecksilber,  f&hrt, 
während  flahn  a  geschlossen  ist,  durch  /  in  ^,  durch  r  in  B 
die  Versuchsflüssigkeiten  ein,  liest  den  Stand  des  Quecksilbers 
in  der  Messcapillare  ab  und  bewirkt  durch  Oeffnen  des  Hahnes 
a  die  Mischung  der  Flüssigkeiten,  die  Volumenänderung  an 
der  Capillare  S  beobachtend. 

Die  Füllung  des  ganzen  Apparates  mit  Quecksilber  ge- 
schieht, da  in  den  Capillarröhren  leicht  Luftbläschen  hängen 
bleiben,  am  besten  so,  dass  man,  während  die  Hähne  c,  e,  f 
geschlossen,  a,  b,  d  offen  sind,  durch  t  den  Apparat  vollkommen 
eyacuirt  und  dann  durch  E,  resp.  e  Quecksilber  zufliessen^ässt, 
bis  der  ganze  Apparat  gefüllt  ist  Um  das  Mitreissen  yon 
Luflbläschen  zu  vermeiden,  schliesst  man  e  vor  jeder  Neu- 
füllung  von  E.  Sind  B  und  A  gefüllt,  so  öffnet  man  c  und  d^ 
nachdem  man  C  und  D  aufgesetzt  hat,  bis  das  Quecksilber 
eben  in  die  Kugeln  eintritt,  und  schliesst  dann  c  und  d.  Durch 
Oeflfeen  von  f  füllt  man  auch  die  Capillare  S  mit  Quecksilber, 
schliesst  e  und  entfernt  etwa  über  6  hinausgetretenes  Queck- 
silber nach  dem  Lösen  des  Schliffes. 

Um  die  Versuchsflüssigkeiten  einzuführen,  verbindet  man 
die  leere  Flasche  F  durch  a  mit  dem  Apparate. 

Der  Hahn  a  wird  dann  geschlossen,  ebenso/,  d  wird  ge- 


140  O.  Knößer. 

öffnet  (wenn  man  A  zuerst  füllen  will),  F  evacuirt  und  in  D 
etwa  Vio  ^^^  mehr  yon  der  ersten  Flüssigkeit  gebracht,  als 
man  anwenden  will  Oeffnet  man^  so  wird  Quecksilber  nach 
F  gesaugt,  und  .in  A  tritt  dafür  die  Yersuchsflüssigkeit  ein. 
Wenn  diese  eingeführt  ist,  wobei  man  sorgfältig  darauf  zu 
achten  hat,  dass  zuletzt  keine  Luftbläschen  mitgerissen  werden, 
schliesst  man  /,  stellt  in  F  wieder  gewöhnlichen  Druck  her, 
löst  6  und  lässt  das  im  abgenommenen  Theile  noch  befindliche 
Quecksilber  nach  F  fliessen.  Aus  dem  Gewicht  des  in  F  be- 
findlichen Quecksilbers  ergibt  sich  durch  Division  durch  das 
specifische  Gewicht  des  Quecksilbers  bei  der  herrschenden 
Temperatur  das  Volumen  der  angewandten  Lösung  sehr  genau. 
Jetzt  schliesst  man  r/,  öffnet  e,  evacuirt  F  nach  dem  fint- 
leeren wieder  und  füllt  B  in  derselben  Weise  mit  der  in  C 
einzugiessenden  zweiten  Flüssigkeit  wie  vorher  A.  Das  an- 
gewandte Volumen  ergibt  sich  ebenso  aus  dem  Gewicht  des 
abgeflossenen  Quecksilbers.  Die  Flüssigkeitsmengen  wählt  man 
so,  dass  Ä  höchstens  zu  ^/^  bis  ^/j,  B  höchstens  zu  ^j^  mit 
Versuchsfiüssigkeit  erfüllt  ist  Bei  grossen  Volumenänderungen, 
wo  es  zur  Erzielung  genauer  Resultate  sehr  darauf  ankommt, 
dass  die  Flüssigkeitsvolumina,  die  in  Beaction  treten,  genau 
die  bestimmten  sind,  muss  man  noch  dafür  Sorge  tragen,  dass 
die  Wandungen  von  B  schon  vorher  mit  der  dort  einzuführen- 
den Flüssigkeit  benetzt  sind.  Um  noch  den  in  den  Capillaren  r 
und  t  befindlichen  (schon  mit  gemessenen)  Theil  der  Flüssig- 
keit nach  Bj  resp.  A  zu  bringen,  verdrängt  man  denselben  mit 
Quecksilber,  indem  man  F  evacuirt,  in  D  und  E  etwas  Queck- 
silbe%giesst,  /  öffnet,  während  c  noch  offen  ist;  wenn  dann 
r  ganz  mit  Quecksilber  gefüllt  ist,  schliesst  man  c  und  öffnet 
d,  bis  auch  alle  Flüssigkeit  aus  t  nach  A  gedrängt  ist.  Nun 
schliesst  man  auch  d  und  bringt  den  ganzen  am  Brett  be- 
festigten Apparattheil ,  soweit  als  durch  die  punktii-te  Hori- 
zontallinie angegeben  ist,  in  ein  Wasserbad.  Als  solches  diente 
ein  grosses  Gefäss,  ein  eiserner  Topf  von  14  1  Inhalt,  der,  um 
den  Einfluss  der  äusseren  Temperatur  möglichst  zu  be- 
schränken, mit  Filz  umwickelt  wurde.  Ein  durch  einen  Aspira- 
tor  erzeugter  Luftstrom  mischte  die  Flüssigkeit  in  dem  Topfe 
fortwährend  durch,  sodass  in  dem  ganzen  Wasserbade  dieselbe 
Temperatur   herrschte.     Dieselbe   wurde   durch   ein   Thermo- 


DikUometer.  141 

meter,  das  in  Vao^  ^*  getheilt  war  und  0,01^  C.  zu  schätzen 
gestattete  9  gemessen. 

Bei  der  Ausführung  des  Versuches  selbst  bringt  man 
zunächst  den  Quecksilberfaden  in  der  Capillare  an  eine  passende 
Stelle.  Dies  geschieht  dadurch,  dass  man  an  E  einen  Schlauch 
ansetzt  und,  während  e  und  /  geöffiiet  sind,  und  in  F  Atmo- 
sphärendruck herrscht,  ansaugt.  Je  nachdem  Contractionen 
oder  Dilatationen  auftreten  werden,  stellt  man  das  Quecksilber 
in  der  Capillare  nahe  dem  Ende  oder  dem  AnÜEOig  der  Scala, 
in  zweifelhaften  Fällen  ungefiilir  in  die  Mitte  derselben.  Wenn 
Temperaturausgleichung  stattgefunden  hat,  und  sich  der  Stand 
des  Thermometers  im  Bade  und  des  Quecksilbers  in  der  Ga- 
pülare  nicht  mehr  ändern,  liest  man  beide  ab. 

Oeffhet  man  jetzt  den  Hahn  o,  was  durch  den  langen  an 
ihm  angebrachten  Holzarm  geschehen  kann,  ohne  dass  man 
das  Wasser  mit  der  Hand  erwärmt,  so  fliesst  sofort  Queck- 
sflber  aus  A  durch  h  nach  B  und  treibt  alle  in  B  enthaltene 
Flüssigkeit  durch  a  nach  A,  ausser  der  an  den  Wandungen 
Ton  B  haftenden  kleinen  Menge,  auf  die  schon  bei  der  Messung 
des  verwendeten  Volumens  Rücksicht  genommen  wurde.  Durch 
schwache  Bewegung  des  ganzen  Apparates  lassen  sich  die 
Flüssigkeiten  sehr  leicht  vollkommen  mischen;  dies  wird  durch 
das  Quecksilber,  welches  dabei  Wellen  schlägt^  sehr  befördert 
Das  Mischen  erfolgt  um  so  leichter,  je  grösser  der  Durch- 
messer von  A  ist;  deshalb  macht  man  A  im  Verhältniss  zur 
Hohe  sehr  weit.  Die  bei  der  Mischung  auftretenden  Volumen- 
änderungen lassen  sich  direct  an  der  Capillare  verfolgen  und 
ihrer  Grösse  nach  bestimmen.  In  der  Regel  werden  dieselben 
mit  einer  Wärmeentwickelung,  resp.  -bindung  verknüpft  sein; 
man  muss  daher,  auch  wenn  die  Reaction  sofort  vollständig 
verläuft,  einige  Zeit  warten,  bis  sich  der  Stand  in  der  Mess- 
capillare  nicht  mehr  ändert.  Auch  hierbei  ist  die  Gegenwart 
des  Quecksilbers  von  grossem  Vortheil,  dasselbe  vermittelt  den 
Temperaturausgleich  in  kurzer  Zeit.  Nachdem  Constanz  ein- 
getreten ist,  liest  man  wieder  den  Stand  in  der  Capillare  und 
am  Thermometer  ab. 

Bei  der  Anwendung  der  Methode  ist  es  von  grösster 
Wichtigkeit,  dass  die  Temperatur  der  untersuchten  Lösungen 
und  des  als  Hülfsüüssigkeit  dienenden  Quecksilbers  am  Anfang 


142  O.  Knofler. 

und  Ende  dieselbe  ist,  resp.  dass  die  Volumina  auf  gleiche  Tem- 
peratur reducirt  werden,  da  das  Dilatometer  selbst  ein  sehr 
empfindliches  Thermometer  ist;  0,1  ^  Erwärmung  bewirkte  eine 
Verschiebung  in  der  Capillare  um  2  mm. 

Handelt  es  sich  darum,  zu  ermitteln,  welche  Volumen- 
änderungen eintreten,  wenn  man  eine  bestimmte  Flüssigkeit 
wiederholt  mit  neuen  Mengen  einer  zweiten  mischt,  so  bringt 
man  die  erstere  anfänglich  nach  A  und  kann  nach  der  jedes- 
maligen Ablesung,  und  nachdem  a  wieder  geschlossen  worden, 
eine  neue  Menge  der  zweiten  Flüssigkeit  nach  B  bringen  und 
so  fort 

Bei  der  Reinigung  des  Apparates  ist  es  im  allgemeinen 
nicht  nöthig,  ihn  Tollkommen  zu  entleeren,  sondern  es  genügt, 
wenn  man  B  zunächst  mit  der  Flüssigkeit  ausspült,  die  es  beim 
folgenden  Versuche  au&ehmen  soll,  und  nur  A  vollkommen 
reinigt.  Das  Ausspülen  von  B  geschieht  ganz  analog  wie  beim 
Versuch  selbst,  man  fCQlt  es  bei  geschlossenem  Hahn  a  und 
treibt  den  Inhalt  dann  durch  Oefinen  von  a  nach  A.  um  A 
wieder  zum  neuen  Versuche  vorzubereiten,  schliesst  man  hier- 
auf a,  nimmt  das  Bohr  t  ab  imd  entfernt  das  über  dem  Queck- 
silber in  A  stehende  Gremisch  durch  Absaugen  oder  Abschläm- 
men mit  reinem  Wasser.  Genügt  dies  nicht,  sitzt  an  den 
Gefässwänden  etwa  Niederschlag  u.  s.  w.,  so  wird  derselbe  durch 
geeignete,  Quecksilber  nicht  angreifende  Lösungsmittel  entfernt 
und  auch  mit  Wasser  gut  nachgespült.  Für  manche  Fälle, 
z.  B.  beim  Ausfallen  von  Niederschlägen,  ist  es,  wie  eine  ein- 
fache Rechnung  zeigt,  fast  belanglos,  ob  die  Wandungen  des 
oberen  Gefässes  mit  Wasser  benetzt  sind  oder  nicht.  Man 
flillt  dann  A  nach  dem  Reinigen  mit  reinem  Wasser,  ver- 
drängt dieses  durch  Quecksilber,  welches  man  durch  Ee  ein- 
fliessen  lässt  oder  direct  durch  den  Tubulus  von  A  eingiesst, 
saugt  wieder  soviel  Quecksilber  aus  A  heraus,  dass  der  Tubulus- 
schliff  frei  ist,  und  setzt  nach  dem  Trocknen  und  Neufetten 
der  geschliflFenen  Stellen  das  ebenfalls  gereinigte  Rohr  t  zu- 
nächst ohne  D  auf  Durch  Oeflfhen  von  e  und  d  füllt  man  A 
vollkommen  und  drängt  die  letzten  kleinen  Mengen  Wassers 
durch  t  hinaus,  ebenso  die  in  r  etwa  befindliche  Flüssigkeit 
durch  OeflFnen  von  c.  Hierauf  setzt  man  auch  C  und  D  wieder 
auf  und  verfährt  weiter  wie  zuerst* 


DüatomeUr.  148 

Viel&ch  ist  aber  das  Trocknen  von  A  unerlässlich.  Zu 
dem  Ende  entleert  man  A  so  weit,  dass  das  Quecksilber  wenig 
über  dem  Hahn  a  steht  —  der  Hahn  b  wird  vorher  geschlossen 
—  und  spült  nach  dem  Reinigen  mit  Alkohol  und  Aether  aus. 
Alle  diese  Operationen  geschehen  am  bequemsten  durch  den 
Tabnlns  von  A\  man  leitet  nun  Luft  durch  A^  bis  der  Aether- 
dampf  yeijagt  ist,  setzt  t  auf,  evacuirt  mehrmals  und  zuletzt 
vollkommen,  um,  nachdem  C  wieder  geöffnet,  durch  Ee  mit 
Quecksilber  wie  fiüher  zu  ftillen.  £&  ist  noch  zu  beachten, 
dassy  wenn  z.  B.  a  und  b  geschlossen  sind,  e  oder /geöffnet  wer- 
den müssen,  damit  nicht  durch  Ausdehnung  des  Quecksilbers  der 
Apparat  gesprengt  wird.  Wird  es  nöthig,  auch  B  zu  trocknen, 
80  entleert  man  am  besten  den  Apparat  ganz.  Man  muss 
dann  nach  dem  Beinigen  mit  Alkohol  und  Aether  alle  Hähne 
und  Schliffe  neu  fetten,  was  bei  vielem  Gebrauch  des  Appa- 
rates ohnehin  öfter  geschehen  muss. 


Discussion  der  Methode.  Abgesehen  von  den  später 
folgenden  experimentellen  Belegen  für  die  Brauchbarkeit  der 
beschriebenen  dilatometrischen  Methode  kann  man  sich  schon 
durch  Erwägung  der  möglichen  Fehlerquellen  von  der  mit  der- 
selben erreichbaren  Genauigkeit  eine  Vorstellung  machen. 
Yorausgesetzt,  dass  man  die  sogleich  zu  besprechenden  Grenzen 
der  Ajiwendbarkeit  der  Methode  nicht  überschreitet,  sind  nur 
Fehler  in  zwei  Richtungen  möglich,  und  zwar  bei  der  Bestim- 
mung der  angewandten  Volumina  und  der  der  eingetretenen 
Dilatation. 

Im  Durchschnitt  ist  die  Grösse  der  Summe  der  beiden 
verwendeten  Volumina  mindestens  auf  0,02  ccm  sicher,  die 
Messung  des  Volumens,  also  wenn  man  z.  B.  50  ccm  hatte 
—  der  Apparat  gestattet,  in  der  beschriebenen  Grösse  mit 
mehr  als  100  ccm  zu  arbeiten  — ,  auf  0,04  Proc.  richtig.  Da 
die  Dilatationen  meist  nur  Zehntelprocente  und  höchstens  bis  etwa 
2  Proc.  betragen,  so  würden  die  Volumenbestimmungen  dem- 
nach das  Resultat  um  0,004  bis  höchstens  0,080  Proc.  fehler- 
haft machen  können. 

In  höherem  Maasse,  und  zwar  mit  ihrer  ganzen  Grösse, 
fallen  Fehler  bei  der  Bestimmung  der  eingetretenen  Dilatation 
ins  Gewicht      Diese    kann    man    durch   passende  Wahl   des 


144  O.  Knäfler. 

Durchmessers  der  Capillare  verringern.  Die  Capillare  indess 
enger  als  ^/^  bis  ^/^  mm  zu  wählen  j  ist  nicht  thonlich  j  indem, 
wenigstens  bei  Contractionen ,  Geüahr  des  Zerreissens  des 
Quecksilberfadens  eintritt,  und  ausserdem  der  Einfluss  der 
Temperaturschwankungen  unverhältnissmässig  gross  wird. 

Die  gefundene  Dilatation  ist  nur  dann  die  wahre,  wenn 
das  ganze  Dilatometer  keine  Temperaturänderung  eiÜEÜu^n  hat, 
sonst  muss  man  entsprechende  Correctionen  anbringen  sowohl 
und  Tor  allem  für  die  im  Wasserbad  befindlichen  Theile,  als 
auch  für  die  in  der  Luft  sich  befindenden. 

Die  einzige  Möglichkeit,  wie  die  beobachtete  Dilatation 
—  abgesehen  von  nachstehend  besprochenen  AusnahmefäUeUi 
wo  Nebenreactionen  auftreten  —  noch  fehlerhaft  werden  könntOi 
ist  die,  dass  sich  das  Volumen  der  Gefässe  durch  äussere  Ein- 
flüsse ändert.  Dies  ist  bei  der  gewählten  Dicke  von  mindestens 
^/,  mm  Wandstärke  nur  noch  durch  den  in  den  Tubulus  von 
A  einzusetzenden  Stopfen  t  möglich.  Man  hat  daher  Sorge  zu 
tragen,  dass  derselbe  fest  sitzt  und  während  des  Versuchs 
nicht  gelockert  wird.  Wegen  seines  verhältnissmässig  grossen 
Durchmessers  ist  eine  geringe  Verschiebung  in  yerticaler  Bich- 
tung  von  bedeutendem  Einfluss  auf  den  Stand  des  Quecksilbers 
in  der  Messcapillare. 

So  vielseitig  die  Anwendbarkeit  der  dilatometrischen  Me- 
thode in  der  angefahrten  Form  ist,  ist  sie  doch  nicht  un- 
begrenzt In  erster  Linie  sind  solche  Flüssigkeiten  von  den 
Versuchen  auszuschliessen,  die  das  Quecksilber  angreifen,  resp. 
durch  Umsetzung  solche  Körper  liefern  können:  Salpetersäure, 
Edelmetalllösungen,  die  Chloride  derjenigen  Metalle,  die  auch 
Chlorüre  bilden,  u.  a.  Femer  ist  die  Methode  nicht  brauch- 
bar, sobald  die  geringsten  Mengen  Gase  entstehen,  sei  es 
durch  chemische  Reactionen,  sei  es  dadurch,  dass  das  Gemisch 
der  VersuchslösuDgen  von  einem  in  diesen  enthaltenen  Gase, 
etwa  Luft,  weniger  zu  lösen  vermag  als  die  Lösungen  flir  sich 
allein.  Aus  dem  letzten  Grunde  empfiehlt  es  sich  auch,  die 
Versuchsflüssigkeiten  soweit  als  möglich  luftfrei  zu  verwenden. 
Für  höhere  Temperaturen  ist  die  Methode  nur  so  lange  brauch- 
bar, als  das  zum  Schmieren  der  Hähne  verwendete  Material 
dicht  hält;  dasselbe  gilt  für  Flüssigkeiten,  welche  das  Hahnfett 
bei  gewöhnlicher  Temperatur  lösen.    Li  einzelnen  Fällen  der 


Dilatometer,  145 

letzteren  Art  bewährte  sich  eine  concentrirte  Lösung  von  Zucker 
IB  wasserhaltigem  Glycerin. 

Dicgenigen  Volumenänderungen ,  welche  sich  yollziehen, 
ohne  dass  feste  Körper  abgeschieden  werden,  können  natür- 
lich auch  durch  specifische  Gewichtsbestinmiungen  erschlossen 
werden,  es  lässt  sich  aber  zeigen,  dass  die  aus  den  letzteren 
erhaltenen  Resultate  an  Genauigkeit  hinter  denen  zurück- 
stdien  müssen,  welche  die  dilatometrische  Methode  liefert,  indem 
alle  kleinen  Fehler,  welche  bei  der  Bestimmung  der  specifischen 
Gewichte  gemacht  werden,  die  zu  ermittelnde  Dilatation  pro- 
centisch  in  viel  höherem  Maasse  fehlerhaft  machen. 

Wenn  man  z.  B.  eine  Kochsalzlösung  vom  specifischen 
Gewicht  1,1  mit  ^/,q  ihres  Volumens  Wasser  verdünnt,  so  ist 
das  resultirende  Volumen  kleiner  als  die  Summe  der  an- 
gewandten Volumina,  es  tritt  eine  Contraction  von  etwa  1  /2000 
ein.  Im  Dilatometer  lässt  sich  dieselbe  mindestens  auf  ^j^^ 
ihres  Werthes,  also  auf  0,0^2  =  0,002  Proc.  bestimmen;  da- 
gegen würde  die  specifische  Gewichtsmethode  höchstens  die 
fierte  Decimale  genau  liefern,  entsprechend  0,010  Proc.  des 
Gesammtvolumens  =  20  Proc.  der  Contraction;  ein  Fehler 
von  einem  halben  Zehntel  Procent  in  der  specifischen  Gre- 
wichtsbestimmung  würde  überhaupt  keine  Dilatation  mehr 
finden  lassen. 

Wie  schwierig  es  ist,  mittelst  der  specifischen  Gewichts- 
methode die  Dilatationen  zu  finden,  ergibt  sich  auch  aus 
zahlreichen  vorhandenen,  vielfach  sehr  sorgfältigen  Bestim- 
mungen der  specifischen  Gewichte  von  wässerigen  Salz- 
lösungen. Stellt  man  an  der  Hand  der  besten  derselben  den 
Gang  der  Contraction  als  Function  des  Wassergehaltes  der 
Lösung  graphisch  dar,  so  zeigen  die  betreflfenden  Curven  viel- 
fache Unregelmässigkeiten.  Schon  a  priori  muss  man  Regel- 
mässigkeiten in  dem  einen  oder  anderen  Sinne  erwarten;  den 
directen  Beweis  dafür,  dass  solche  vorhanden  sind,  liefern  die 
mit  dem  Dilatometer  erhaltenen  Zahlen  (s.  u.),  welche  ein 
stetiges  und  regelmässiges  Absteigen  der  Curven  zeigen. 

Nun  sind  allerdings  die  Volumenänderungen  beim  Ver- 
düimen  von  Salzlösungen  sehr  kleine,  bis  etwa  0,2  Proc.  des 
Volumens;  bei  chemischen  Reactionen  wie  Neutralisationen  u.  s.  w. 
können   sie   bis   etwa  2  Proc.  des   Volumens   betragen,   dann 

ADD.  d.  Pb7i.  u   Cham.   N.  F.    XXXVIII.  10 


146  O.  Knofler. 

liefert  auch  die  specifische  Gewichtsmethode  Zahlen ,  die  bis 
auf  1  Proc.  ihres  Werthes  sicher  sein  können.  Entsprechend 
erhöht  sich  aber  auch  die  Genauigkeit  der  dilatometrischen 
Methode. 

Sollen  femer  allgemeine  Beziehungen  abgeleitet  werden, 
80  muss  man  stets  die  Volumina  und  nicht  die  specifischen 
Gewichte  in  Betracht  ziehen,  bestimmt  man  daher  letztere,  so 
bedarf  es  noch  einer  Umrechnung,  während  die  vorliegende 
Methode  die  gesuchten  Grössen  direct  liefert 

Scheiden  sich  bei  der  eintretenden  Reaction  Niederschläge 
aus,  so  ist  die  specifische  Gewichtsmethode  nicht  mehr  direct 
brauchbar.  Nur  fiir  Niederschläge,  die  sich  beim  Trocknen 
weder  chemisch  noch  physikalisch  verändern,  könnte  man  durch 
Sonderbestimmung  des  specifischen  Gewichtes  des  getrockneten 
Körpers  auf  umständlichem  Wege  Zahlen  finden,  die  aber, 
wie  alle  specifischen  Gewichtsbestimmungen  fein  vertheilter 
fester  Körper,  wenig  genau  werden  würden,  üeberdies  ver- 
ändern sich,  wie  dies  theilweise  bekannt  ist  und  theilweise 
aus  noch  zu  besprechenden  Versuchen  hervorgeht,  die  meisten 
Niederschläge  entweder  schon  nach  der  Fällung  oder  beim 
Trocknen.  Dann  ist  die  specifische  Gewichtsmethode  unbrauch- 
bar. Hier  bildet  die  dilatometrische  Methode  das  einzige 
Mittel  zum  Studium  der  Volumenänderungen.  In  solchen 
Fällen,  wie  bei  allen  langsam  verlaufenden  chemischen  oder 
physikalischen  Processen,  treten  die  Vortheile  der  dilatomet- 
rischen Methode  noch  ganz  besonders  hervor.  Die  specifische 
Gewichtsmethode  setzt  stets  voraus,  dass  während  der  Be- 
stimmung keine  Zustandsänderungen  eintreten,  und  bietet  keine 
Möglichkeit,  solche  eventuell  direct  zu  erkennen;  die  dilato- 
metnsche  Methode  hingegen  gestattet  nicht  nur  dies  mit 
Leichtigkeit,  sondern  ist  auch  das  bequemste  Mittel,  erstere 
mit  Bezug  auf  die  Zeit  ununterbrochen  zu  verfolgen  und  ihrer 
Grösse  nach  auf  das  genaueste  zu  bestimmen.  Die  Methode 
ist  eine  quaUtativ-quantitative  und  daher  auch  zum  Nachweis 
von  physikaUschen  oder  chemischen  Veränderungen  vorzüglich 
geeignet.  Unter  den  später  angeführten  Versuchen  finden  sich 
verschiedene  Beispiele,  wo  derartige  Processe,  die  bisher  theils 
noch  nicht  beobachtet,  theils  ihrer  Natur  nach  nicht  erklärt 
waren,  erkannt  wurden. 


DOaiometer.  147 

Anwendung  des  Dilatometers.  Aus  dem  Vorstehen- 
den ergeben  sich  folgende  Arten  der  Anwendung  des  beschrie« 
benen  Apparates: 

1.  Zur  Untersuchung  der  Ehrscheinungen ,  welche  beim 
Mischen  von  Flüssigkeiten  auftreten,  die  nicht  chemisch  auf 
einander  wirken. 

2.  Zur  üntersuchimg  der  Yolumenänderungen  beim  Mischen 
Ton  Flüssigkeiten^  die  chemisch  auf  einander  wirken,  z.  B.  sich 
neutralisiren,  Niederschläge  ausscheiden  u.  s.  w. 

3.  Zur  Erkennung  (Nachweis),  Bestimmung  und  Yer- 
folgong  des  zeitUchen  Verlaufes  von  physikalischen  oder  che- 
mischen Processen,  welche  nach  Vollendung  der  ersten  Ein- 
wirkung beim  Mischen  von  Flüssigkeiten  auftreten  (Be- 
stimmang  yon  Beactionsgeschwindigkeiten  und  Af&nitäts- 
grössen  u.  &  w.). 

In  Folgendem  ist  eine  Beihe  von  Versuchen  zusammen- 
gestellt, welche  dazu  dienen  sollen,  die  Anwendbarkeit,  resp« 
Brauchbarkeit  des  Dilatometers  für  die  genannten  Zwecke  zu 
zeigen. 

Versncbe. 

Bestimmung  der  Volumenänderungen  beim  Mischen  verschie- 
dener Lösungen  mit  wechselnden  Mengen  Wasser. 

Die  Bildung  eines  Gemisches  zweier  homogener  Flüssig- 
keiten ist  stets  mit  Volumenänderungen  verbunden.  Dass  die 
dilatometrische  Methode  zur  Untersuchung  derselben  sehr 
brauchbar  ist,  zeigen  die  folgenden  Versuche.  Dieselben 
erstrecken  sich  auf  wässerige  Lösungen  von  festen  und  gas- 
formigen Körpern.  Die  Beispiele  mit  festen  Körpern  be- 
ziehen sich  auf  verschiedene  Salze  und  zwei  CoUoide. 

Man  hätte  bei  den  Versuchen  mit  Salzen  auch  die  Vo- 
lumenänderungen beim  Lösen  von  festen  Körpern  direct  be- 
stimmen können,  und  in  der  That  wurden  einige  Bestimmungen 
ausgeführt;  aus  unten  zu  erörternden  Giünden  wurde  aber  für 
die  angegebenen  Vei*suche  von  concentrirten  Lösungen  aus- 
gegangen. Beim  Ausgang  vom  festen  Salz  brachte  man 
dasselbe  (NaCl)  in  gewogener  Menge  durch  den  Tubulus  von 
Aj  das  theilweise  von  Quecksilber  entleeii;  war,  setzte  t  auf 
und  evacuirte  bei  geschlossenen  Hähnen  a,  c,  /?,/  vollkommen. 

10* 


148  O.  KfOfler. 

Beim  Oeffneti  von  e  erfüllte  das  Quecksilber  das  Gtefltos  A 
yoilkommen,  das  Salz  so  vollkommen  durchdringend ,  das» 
jedenfalls  alle  Foren  desselben  erfüllt  waren.  Nach  B  brachte 
man  bei  geschlossenem  a  das  Wasser  und  leitete  den  Frocess 
ähnlich  ein  wie  bei  Verwendung  zweier  Flüssigkeiten  durch 
Oeffiien  von  a.  In  dem  Maasse,  ak  sich  das  Salz  Idste^ 
trat  eine  bedeutende  Contraction  ein.  Die  Methode  wurde 
aber  hierfür  verlassen  trnd  die  erste  Contraction  aus  dem  genau 
bestimmten  specifischen  Gewichte  einer  concentrirten  Losung 
berechnet  Der  Grund  liegt  darin,  dass  die  Lösung,  da  zur 
Erzielung  einer  concentrirten  Lösung  nur  ein  kleiner  üeber* 
schuss  an  Wasser  verwendet  wurde ,  sehr  langsam  vor  sich 
ging,  umsomehr  als  das  Salz  immer  unten  auf  dem  Queck» 
Silber  lag.  Beschleunigung  durch  Erwärmen  war  ausgeschlossen^ 
und  beim  Versuch,  diese  durch  Umschwenken  herbeizuführen^ 
blieben  Salztheile  an  der  Gefässwand  hängen,  wurden  theil- 
weise  vom  Quecksilber  bedeckt  und  so  dem  lösenden  Einflüsse 
des  Wassers  ganz  entzogen. 

Bei  den  folgenden  Versuchen  wurde  die  concentrirte  Salz- 
lösung in  A  gebracht^  in  B  wiederholt  verschiedene  Mengen 
luftfreies  Wasser,  bis  A  ziemlich  geflillt  war,  oder  die  Dila- 
tationen nur  noch  einige  Millimeter  betrugen.  Die  Art  der 
Berechnung  der  Resultate  soll  an  einem  Beispiel  gezeigt  werden» 

Folgendes  diene  zunächst  zur  Erklärung  der  Tabelle: 
Columne  a  enthält  die  in  A  eingebrachte  Menge  der  Salzlösung 

in  ccm, 
b  die  darin  enthaltene  Menge  wasserfreien  Salzes  in  g^ 
c  die  anfangs  vorhandene  und  jedesmal  zugesetzte  Menge 

Wasser  in  g 
d  das  jedesmal  vorhandene  Gesammtwasser  in  g, 
e  die   auf   1  g   wasserfreies   Salz   kommende   Wasser- 
menge in  g, 
/  die  Zahl  der  auf  1  Moleciil  wasserfreies  Salz  kommen- 
den Molecüle  Wasser, 
g  die  Differenzen  der  letzteren, 
h  die  beobachtete  Volumenänderung  in  cmm, 
I  das  Volumen  des  angewandten  Salzes  in  cmm,  unter 
der  Voraussetzung,  dass  das  Volumen  des  Wassers 
beim  Lösungsvorgang  und  Verdünnen  unverändert 


iy 

17 
71 
11 


Dilaiome^. 


149 


bliebe;  di«  zur  Bereobaiug  des  ersten  VolamenB 
anceDOnuneoen    speoifischen    Gewichte  sind   bei 
jedem  Salze  besonders  angegeben, 
<;;olii]nite  i  die    ans    h   abgeleiteten    (scheiobaien)   Molecnlar- 
Tolnnina  des  Salzes, 
„        l  die  Däffennzen  dieser  Molecalarrolumiiia, 
„      «die  Differenzen  der  (scheinbares)  Molecnlarroluinina 
proMolecül  Wasser  innerhalb  eines  jeden  InteiraUs, 
also  l/ff.    Diese  Zahlen  sind  gleichbedeutoid  mit 
den  I^erentiolqootieQtsn  des  Molecularrolamens 
nach  der  Zahl  der  MolecOle  Wasser. 
Die  angegsbeaeD  apedfischen  Gewichte  wurden  mit  einm 
nnd  demselben  Fyknometer  bei  gaian  17,5"  C.  bestimmt  und 
tat  Wasser  von  17,5»  C.  berechnet 

Chlor  nat  rinnt. 
Hb  wnrde  eine  Lösung  von  17,343  g  chemisch  reinem  Chlor- 

oatiimu  in  51,060  g  Wasser  hergestellt  und  deren  speciGsches 

Gewicht  =  1,1950  gefanden. 

1  ccm  der  Lösung  enthielt  sonach  Jg^J*  NacT'' 

Das  qsecifiscbe  Gewicht  des  festen  Salzes  ist  **  2,10  an- 


L" 

.  ,   .  1  ,,  ,  , 

/ 

s      *        • 

L^^^ 

1  — 

3,93a;    -    1    -    '   - 

^T" 

-         -     :  1873,0 

27,86^- 

_ 

2  tt,9e 

3,933  11,580  11,580'  2,94 

9,57 

9,57      -     !  1389.0 

20,66  7,20 

0,7518 

3    - 

-    ■    2,493  14,073i  3,6S 

11,69 

2,oe!  -28,0;  1381,0 

20,26,0,40 

0,19U 

4     — 

2,390  IS,4S3|  4,I«'lS,eO 

1.97;— 19,9|  1341,1 

19,95;o,31 

0,1574 

6,    - 

6,101,21,564   B,4e.n,8l 

4.21 

-43,3  1297,8 

19.30 

0,65 

0,1540 

e!  - 

5,097 1  26,661 !  6,78,22,03;  4,22 

-83,3  1264,5:18,81 

0,49,0,1161 

'1  - 

6,121'  31,783   8,07;3e,27l  4,24 

—27.4  1237,l;18,41 

0,40;  0,0944 

*  - 

5,15e;  36,9*41  e,35!30,60.  4,33 

-22,8  1214,3'l8,0e 

0,35  0,0809 

»1  - 

4,891  41,8a5,I0,fi0,34,57i  3,87 
7,893  49,728,12,65  41,10    6,43 
7,612l  57,840  I4.59'47,40'  B,30 

—  18,7  11 95,«:  17,78 

0,28  0,0705 

101  — 

-22,2  1173,4  17,46 

0,32  0,0498 

iii  — 

-18,7  1154,7  17,18 

0,28'  0,0444 

ISi    — 

10,124.' 67,464  17,14155,76    8,36 

—  19,4  1135,316,89 

0,29, 0,0347 

13     — 

~ 

14,:5T'  S2,221120,99 

67,95 

11,19 

-22,8  1112,5 

16,74 

0,15 

0,0180 

In  analoger  Weise  wui'den  untersucht  und  berechnet: 
Chlorbalium,   Chlorammonium,    schwefelsaures    Natriam, 
schwefelsaures  Magnesium,  Ammoniak,  Zucker,  Caramel. 


160 


O.  KwiJU,. 


Bei  allen  diesen  Sabatanzen  zeigt  dch,  dass,  wenn  man 
die  in  Cotomne  k  berechneten  scheinbaren  Molecularrolumina 
als  Functionen  der  unter/ angegebenen  Zahl  MolecUle  Wasser 
pro  Molecül  Substanz  graphisch  darstellt,  die  resnltirenden 
Gurren  sehr  regelmässig  verlaufen.  Selbst  die  aus  den  in  m 
gegebenen  Differenzen  der  scheinbaren  Molecnlarvolomina  pro 
MolecOl  Wasser  als  Functionen  des  Qesanimtwaasergehaltes 
dargestellten  Corven  der  Differentialquotienten  sind  so  regel- 
mässig, wie  man  es  nur  erwarten  kann. 

Statt  der  vollsUlndigen  Tabellen  sollen  fUr  die  genannten 
7  Substanzen  nur  die  aus  den  Differentialqnotientencurreu 
durch  graphische  Interpolation  erhaltenen  Werthe  von  &  zu  6, 
resp.  10  zu  10  MoL  Wasser  gegeben  werden: 


Mol. 
H,0 

NaCl 

KCl 

NH^a 

Na,SO. 

MgSO, 

NH, 

Zucker 

Cuunel 

5 
10 
15 

o.ni 

- 

0,106 

- 

£ 

^ 

£ 

20 

o,isa 

0,120 

0,072 

25 

0,100 

0,083 

0,054 

30 

0,083 

0,060 

0,040 

0,350 

0,083 

0,095 

0.05t 

35 

0,089 

0,042 

0,030 

0,290 

0,045 

0,085 

0,046 

40 

0,053 

0,039 

0,019 

0,225 

0,015 

0.075 

0,041 

Ah 

0,046 

0,036 

0,016 

0,189 

0,008 

0,065 

0,03S 

60 

0,040 

0,033 

0,014 

0.153 

0,003 

0,055 

0,031 

60 

0.027 

ö,OIS 

OjllÜ 

0,04S 

0,021 

70 

0,020 

0,019 

0,096 

0,037 

0,016 

BO 

0,01S 

0,OT4 

0,030 

0,011 

BO        - 

0,013 

0,250 

0,064 

0,024 

0,009 

100   '■    — 

0,010 

o,na 

0,054 

0,018 

0,007 

150    1    — 

0,009 

0,033 

0,011 

0,003 

200    1     — 

0,004 

0,027 

0,007 

0,002 

soo 

- 

- 

0,022 

- 

- 

0,003 

- 

Die  Zahlen  Air  die  einzelnen  Substanzen  zeigen  eine  sehr 
regelmässige  Abnahme,  trotzdem  sie  von  eventuellen  Fehlem 
bei  der  Ablesung  in  sehr  viel  höherem  Maasse  beeinflusst 
werden  als  die  Contractionen  selbst.  Die  Unterschiede  zwischen 
den  Zahlen  iDr  verschiedene  Substanzen  rühren  von  der  grossen 
Verschiedenheit  der  Moleculargewichte  her. 

Zucker  und  Caramel  waren  mit  gewählt  worden  zum  Ver- 
gleich des  Verhaltens  der  Lösung  eines  Krystalloides  mit  der 
eines  Oolloides;  sie  zeigten  beide  Contraction  beim  VerdOnnen, 
die  in  der  Tabelle  zusammengestellten  Zahlen  zeigen  annähernd 
gleichartige  Abnahme.     Es  ist  also  zwischen  dem  Veriialten 


Däatometer.  161 

des  CoUoides  und  Kiystalloides  kein  Unterschied  zu  bemerken. 
Sie  sind  yerschieden  gross ,  weil  das  Molecularvolumen  des 
wasserfreien  Caramek  gleich  dem  des  Zuckers  angenommen  ist 

Colloides  £isenoxydhydrat 

Es  wurde  auch  die  Lösungsdilatation  eines  unorganischen 
Colloides  untersucht  oder  yielmehr  die  beim  Ausscheiden 
desselben  aus  der  Lösung  auftretende  Volumenänderung.  Eine 
durch  Dialyse  erhaltene  wässerige  Eisenoxydhydratlösung  wurde 
im  Dilatometer  durch  Chlorkaliumlösung  zum  Gerinnen  ge- 
bracht   Die  Eisenlösung  enthielt  in  1  ccm  ^f^^]l  ^  ?*^   und 

^  0,0342  g  FejOg 

hatte  das  specifische  Gewicht  1,0295.  Je  15,0  ccm  derselben 
wurden  mit  10  ccm  einer  0,938  g  KCl  enthaltenden  Lösung 
gefällt  Die  beobachteten  Dilatationen  waren  a)  12,0,  b)  13,3 
cmm.  Davon  sind  je  13  cmm  fiir  die  durch  Verdünnung  der 
Chlorkaliumlösung  mit  den  entstehenden  ca.  14,5  g  Wasser 
bedingte  Contraction,  deren  Grösse  aus  obigen  Versuchen  mit 
Chlorkalium  berechnet  werden  kann,  abzuziehen.  Es  ergibt 
sich  daraus  das  eigenthümliche  Resultat,  dass  das  gelöste  Eisen- 
hydroxyd in  der  Lösung  scheinbar  gar  kein  Volumen  ein- 
nimmt. Es  wäre  von  Interesse,  auch  andere  CoUoide  in  ähn- 
licher Weise  zu  untersuchen,  umsomehr  als  derartige  Versuche 
bisher  nicht  angestellt  worden  sind. 

Volumenänderungen  bei  ohemisohen  Reaotionen. 

Von  chemischen  Processen  wurden  im  Dilatometer  verfolgt 
11 )  Mischung  von  Salzlösungen,  b)  Neutralisationen,  c)  Fällungen. 

a)  Mischung  von  Salzlösungen. 

Einige  angestellte  Mischungsversuche  mit  Salzlösungen 
sollen  hier  mit  angefUhrt  werden,  obsclion  dabei  vielleicht  theil- 
weise  nur  physikalische  Processe  stattfinden. 

1.  Schwefelsaures  Natron  und  Chlomatrium: 

10,0  com  einer  2,975  g  NaCl  enthaltenden  Lösung  wurden 
dreimal  mit  je  20,75  ccm,  enthaltend  je  1,805  g  =  V4  Molecül 
NajSO^  (in  Bezug  auf  die  angewandte  NaCl- Menge)  einer 
Lösung  von  Natriumsidlat  gemischt  und  beobachtet  eine  Con- 
traction von  a)  17,3  cmm,  b)  3,5  cmm,  c)  1,5  cmm. 

2.  Chlomatrium  und  Chlorkalium: 

Fast    gesättigte    Chlorkalium-     und     Chloniatriumlösung 


152  O.  Knäfler. 

worden  zasammengebracht.  15  ccm  der  3J0  g  KCl  enthalten- 
den einen  Lösung  wurden  zweimal  mit  je  12  ccm  der  anderen  ge- 
mischt,  es  traten  Contractionen  von  a)  8,4  cmm,  b)  2,9  cmm  au£ 

3.  Schwefelsaure  Magnesia  und  Natriumsulfat 

lOyO  ccm  einer  sehr  concentrirten  Bittersalzlösung,  2,756  g 
MgS04  enthaltend,  gaben  beim  Mischen  mit  je  18,75  ccm 
NatriumsulfatlösuDg  (je  1,63  g  Na^SO^  oder  Vs  Molecül  pro 
Molecül  MgSO^  enthaltend)  eine  Contraction  von  a)  71,6  cmm, 
b)  15,6  cmm,  c)  2,9  cmm. 

4.  Schwefelsaures  Natron  und  ühorkalium. 

10,0  ccm  der  oben  (2)  benutzten  Chlorkaliumlösung  (2,467  g 
KCl  enthaltend)  wurden  dreimal  mit  je  16,4  ccm  der  Natrium- 
sulfatlösung -  je  1,09  Molecül  Na^SO^  pro  Molecül  NaCl  - 
gemischt,  es  wurde  eine  geringe  Dilatation  beobachtet  von 
a)  +0,2  cmm,  b)  +  0,6  cmm,  c)  4- 1,2  cmm. 

Es  zeigt  sich  aus  den  Versuchen,  dass  selbst  bei  Salzlösungen, 
die  nicht  chemisch  aufeinander  wirken,  nicht  unbeträchtUche 
Yolumenänderungen  auftreten,  wie  dies  schon  vielfach  beob- 
achtet wurde.  Zur  Erklärung  der  Erscheinung  nimmt  man 
an,  dass  sich  die  Salze  im  Verhältniss  ihrer  Verwandtschaft 
zimi  Wasser  in  dieses  theilen,  wenn  nicht  Doppelsalzbildungen 
eintreten,  was  z.  B.  bei  3.  wohl  der  Fall  sein  wird.  Dass  bei 
4.  eine  geringe  Dilatation  auftritt,  lässt  sich  durch  die  par- 
tielle Umsetzung  in  K^SOj  und  NaCl,  die  auch  anderweitig 
nachgewiesen  ist,  erklären. 

b)  Neutralisationen. 

Neutralisationsversuche  wurden  mit  zwei  Säuren  einerseits 
und  drei  Basen  andererseits  angestellt.    Die  Säuren  waren: 

verdünnte  Salzsäure         1  ^"^^^^   ^'^^^   ''''™^^'   ^'  ^'  ^'^^^ 
j.,     ^    a  1      i.  1  ..       r  (rrammäquivalente  baure  im  Liter 
verdünnte  öchwefelsaure  .    ,^     , 

*  enthaltend. 

Die  Basen  waren  Kali-,  Natron-  und  Ammoniaklösung  von 
genau  dem  entsprechenden  Titer,  also  1,189  normal. 

Zur  Herstellung  der  Säurelösungen  dienten  die  reinen 
Handelsproducte,  zur  Herstellung  der  Kalilösung  das  mit  Al- 
kohol gereinigte  Kali  des  Handels,  zur  Hei^stellung  der  Natron- 
lauge aus  metallischem  Natrium  hergestelltes  Aetznatron,  das 
Ammoniak  wurde  vorher  frisch  über  Kalk  destillirt 


Düaiometer, 


163 


Ganz  kohlensäorefrei  waren  die  Lösungen  ohne  Anwendung 
Ton  Barythydrat  nicht  zu  erhalten.  Der  Gtehalt  der  Säuren 
war  mittele  abgewogener  grösserer  Mengen  chemisch  reinen 
wasserfreien  Natriumcarbonats  titrimetrisch  (Methylorange  als 
Indicator)  genau  bestimmt 

In  dem  Verhältnisse,  wie  sie  sich  neutralisiren,  wurden 
nun  Säure  und  Basis  in  das  Dilatometer  gebracht,  und  zwar 
80  y  dass  die  der  Berechnung  zu  Grunde  gelegte  Säure  in  das 
obere  G^fäss  gebracht  wurde,  die  Lauge  in  das  imtere.  Um 
sicher  zu  sein,  dass  alle  Säure  neutralisirt  werde  und  zur 
sicheren  Verhütung  von  eventueller  Kohlensäureentwickelung 
wurde  stets  ein  kleiner  Ueberschuss  an  Basis  angewendet 
Wegen  der  bedeutenden  Wärmeentwickelung  bei  der  Neutra- 
lisation trat  immer  erst  nach  10  —  20  Minuten  Constanz  des 
Volumens  ein. 

Folgende  Tabelle  enthält  die  Resultate  der  sechs  möglichen 
Gombinationen;  jeder  Versuch  wurde  doppelt  ausgeführt. 


e 

I 


I  ocm 


a 
«> 


e< 


ootn 


com 


< 


S| 


5I1I 

^1?  i 


S^  > 


Ha+KOH 

HCl+NaOH 

HCa+NHj 

H,S04+K0H 

H,SO^+NaOH 


a 
h 

a 
h 

a 
h 

a 
h 


a 
h 


39,23 
19,98 

19,49 
39,29 

24,98 
24,89 

19,62 
89,42 

19,6? 
19,2^ 

19,01 
39,22 


39,92 
20,18 

19,94 
39,61 

25,10 
25,10 

19,92 
39,83 

19,90 
19,40 

19,40 
39,70 


0,69 
0,20 

0,50 
0,82 

0,17 
0,21 

0,80 
0,41 

0,21 
0,17 

0,39 
0,48 


+  989,7  i  +20,15 
+478,6    +20,20 


+454,2 
+914,9 

—188,6 
—191,0 

+293,6 
+  587,0 

+279,4 
+272,9 


+  19,60 
+  19,59 

—  6,37 

—  6,44 

+  12,59 
+  12,52 

+  11,98 
+  11,98 


—315,9    —14,10 
—668,4!  —14,15 


+  20,18  j  +19,52 

I 

+  19,60:  +19  24 

I 
—  6,40    —  6,57 

+  25,10  !  +23,86 

+  23,86    +22,9 

—28,26    —28,70 


Die  Tabelle  zeigt  zunächst  die  gute  üebereinstimmung  der 
Versuche  imtereinander;  sie  lässt  aber  auch  die  Üeberein- 
stimmung mit  den  Besultaten  Ostwald's  erkennen,  der  auf 
dem  Wege  der  specifischen  Gewichtsbestimmung  Versuche  über 
die  Volumenänderungen  bei  der  Neutralisation  ausführte.^) 

Die   Zahlen   Ostwald's  sind   in  der  letzten  Rubrik  der 


1)  Vergl.  Ostwald,  Joiirn.  f.  prakt.  Chem.  18.  p.  853.  1878. 


154 


O.  Knöfler. 


Tabelle  angeführt.  Ihrer  Grösse  nach  weichen  sie  allerdings 
von  den  hier  gefundenen  etwas  ab,  dies  erklärt  sich  jedoch 
daraus,  dass  Ostwald  mit  Normallösungen,  also  anderen  Con- 
centrationen  arbeitete. 

Zur  Ableitung  allgemeiner  Beziehungen  berechnete  Ost- 
wald  die  Differenzen  der  Dilatationen  pro  Gramm-Aequivalent 
Basis  für  dieselbe  Säure  und  fand,  dass  diese  Zahlen  für  je 
dieselben  beiden  Basen  annähernd  gleich  gross  sind,  welches 
auch  die  verwendete  Säure  war.  Die  gleiche  Regelmässig- 
keit ergeben  die  oben  gefundenen  "Werthe,  wie  folgende  üeber- 
sicht  zeigt: 


KaU 

Natron 

'  Kali— Ammoniak . 

Natron— Ammoniak 

i 

Oitwftld 

Knöfler 

Ofltwald 

Knöfler    | 

Ottwftld     1     Knöfler 

Salzsäure    .    . 
Schwefelsäure 

'     0,28 
,     0,42 

0,58 
0,62 

26,09 
26,25 

1 
26,58    , 

26,68    • 

i 

25,81 
25,83 

26,00 
26,06 

c)  Ausfällung  von  Niederschlägen. 

Das  Dilatometer  gestattet  auch,  Volumenänderungen  bei 
solchen  Reactionen  zu  bestimmen,  wo  wegen  der  eintretenden 
Ausscheidung  von  Niederschlägen  die  specifische  Grewichts- 
methode  nicht  mehr  verwendbar  ist.  Solche  Volumenänderungen 
wurden  bei  einigen  unlöslichen  Erdalkalisalzen  (BaS04,  BaCO,, 
BaCrO,,  SrCOg,  CaCOg)  und  Kupferoxydhydrat  (Cu(0H)2)  ge- 
messen. Die  Erdalkali-,  resp.  Kupferlösung  wurde  in  das 
obere  Gefäss  des  Apparates  gebracht,  die  des  entsprechenden 
Fällungsmittels  in  kleinem  Ueberschuss  in  das  untere.  Kupfer- 
hydroxyd wurde  je  zweimal  aus  Chlorid-  und  Sulfatlösung 
gefällt.    Die  venvendeten  Lösungen  waren: 


y3 


Normalchlorbariumlösung 


1 ,0328  Nonnalchlorstrontiumlösung 

1.046  Normalchlorcalciumlösung 

Normalkupfercliloridlösung 

Normalkupfersulfatlösung 

0,992  Normalnatronlauge 

Nomialnatriumcarbonatlösung 

Normalnatriumsulfatlösung 

1,468  Normalkaliumchromatlösung 


(Unter  Normallösung  ist 
dem  gewöhnlichen  Ge- 
brauche entsprechend  eine 
solche  verstanden,  die 
pro  Liter  ein  Gramm- 
Aequivalent  enthält)  Die 
Resultate  zeigt  folgende 
Tabelle: 


Däatometer. 

155 

,    Üeber- 

MetaU- 
löflung 

mittel 

!  8chu88  des 

FäilUDffS- 

mitte^ 

Dilat. 

Dilat 
pro 

ccm 

ccm 

ciniii 

Molecül 

ccm 

1 
1 

BftSO.   l 

'      14,87 

10,20 

0,28 

+  208 

'     42,6 

MJUiijy^^     \ 

14,49 

10,24 

0,58 

+  205 

42,4 

BaCO.  i 

17,13 

12,65 

0,62 

+  287 

50,4 

ANIV/\/g     i 

19,85 

14,35 

1,12 

+  337 

50,9 

BaCiO^ 

19,90 

9,50 

0,40 

+  211 

31,9 

SrCO. 

19,85 

21,0 

0,67 

+485 

48,4 

ÖA\yV/g 

19,85 

21,0 

0,67 

+  481 

48,8 

13,86 

15,40 

1,10 

+  352 

47,8 

CaCO, 

10,64 

12,43 

1,29 

+281 

47,3 

19,80 

22,50 

1,78 

+  492 

47,5 

a  f 

19,88 

23,16 

2,68 

+486 

49,2 

Ca(OH),  *^  ^"^ 
aus  G11SO4  1 

10,00 

14,32 

4,18 

+  245 

49,0 

11,24 

12,41 

1,60 

+  250 

44,4 

9,14 

10,30 

1,51 

+204 

44,6 

Aus  den  Zahlen  ergibt  sich,  dass  die  Moleculardilatationen 
sich  in  Bezug  auf  ihre  Grösse  sehr  nahe  kommen,  aber  doch 
nicht  übereinstimmen,  die  Dilatationen  für  denselben  Nieder- 
schlag aus  denselben  Lösungen  zeigen  sehr  gute  üeberein- 
stimmung,  dagegen  ergibt  sich  z.  B.  für  Kupferoxydhydrat,  je 
nachdem  es  aus  Chlorid  oder  Sulfat  gefällt  ist,  eine  verschie- 
dene Zahl.  Der  nachweisbar  geringe  Einfluss  des  über- 
schüssigen Fällungsmittels  wurde  hierbei  nicht  in  Rechnung 
gezogen. 

Stellt  man  sich  den  Vorgang  z.  B.  bei  der  Fällung  von 
BaSO^  schematisch  auf,  so  findet  man,  dass  man  auch  das 
Volumen  des  Niederschlags  bestimmen  kann,  es  ist: 

VoL(BaCU + mHgO) + VoLcNaaSO^ + nH^O)  =  Vol.(BaSO,) 

+ Volumen[NaCl + (m + n)H20]. 

Die  Daten  der  linken  Seite  sind  alle  direct  gegeben  oder  be- 
rechenbar, das  Volumen  der  entstehenden  Chlomatriumlösung 
(rechts)  aber  auch,  denn  das  Gewicht  des  gebildeten  Chlor- 
natriums lässt  sich  berechnen,  das  zur  Lösung  desselben  vor- 
handene Wasser  ebenso  (=  m  +  n),  und  man  kann  aus  diesen 
beiden  Daten  nach  den  fiüheren  Bestimmungen  aus  den  Ta- 
bellen das  gesuchte  Volumen  der  Salzlösung  finden  und  durch 
Subtraction  dieser  Grösse  vom  angewandten  Volumen  das  des 
Niederschlags.     Man  könnte  so  also  specifische  Gewichte  von 


156  O.  Knofler. 

Niederschlägen  in  der  Lösung  selbst  bestimmen;  eine  grosse 
Genauigkeit  ist  allerdings  nicht  zu  erwarten,  weil  der  Werth 
das  Volumen  des  Niederschlags  von  vier  einzeln  zu  bestimmen- 
den Grössen  abhängt:  den  beiden  angewandten  Volumen,  dem 
resultirenden  der  Salzlösung  und   der  gefundenen  Dilatation. 

Verwendung  des  ApparateB8urCk>n8tatirung  der  Veränderungen 

der  Niedersohlftge  nach  dem  Fällen. 

Wir  sehen  im  Laufe  der  Zeit  bei  einer  grossen  Anzahl 
von  Niederschlägen  Veränderungen  erfolgen,  über  deren  Natur 
wir  wenig  wissen,  da  uns  die  chemische  Analyse  zur  Ent- 
scheidung solcher  Fragen  gewöhnlich  im  Stiche  lässt,  indem 
sich  die  Niederschläge  dann  auch  beim  Abfiltriren  u.  s.  w. 
schon  zersetzen.  Hier  gestattet  die  dilatometrische  Methode 
oft  eine  sichere  Entscheidung.  Findet  ein  Uebergang  von 
einer  Modification  in  die  andere  statt,  so  wird,  da  die  zweite 
die  stabilere  sein  muss,  nach  bisherigen  Beobachtungen,  eine 
Contraction  eintreten.  Im  anderen  Falle  könnte  höchstens 
Wasserabspaltung  oder  anderweitige  chemische  Zersetzung  er- 
folgen, die  eine  Dilatation  nach  sich  ziehen  muss. 

Als  interessantes  Beispiel  hierfür  wurde  zunächst  kohlen- 
saurer Kalk  untersucht.  Wenn  man  kohlensauren  Kalk  bei 
ca.  17^  im  Dilatometer  fällt,  so  beobachtet  man,  dass  das 
Volumen  eine  Zeit  lang,  10—15  Minuten,  immer  noch  zu- 
nimmt, während  die  Fällungen  mit  Barium-  und  Strontium- 
carbonat  in  dieser  Zeit  schon  beendet  sind.  Damit  stimmt 
auch  das  Aussehen  der  Niederschläge  tiberein.  Letztere  fallen 
sehr  schnell  krystallinisch  nieder,  wähi^end  Calciumcarbonat 
viel  langsamer  ebenso  krystallinisch  wird.  In  der  Annahme, 
dass  sich  hier  erst  wasserhaltiger  amorpher  Niederschlag  ab- 
scheidet, der  sich  aber  schnell  zersetzt,  versuchte  man,  durch 
Fällen  bei  0^  das  Hydrat  möglichst  unzersetzt  zu  erhalten,  der 
Versuch  gelang.  Nach  der  Mischung  und  ersten  Dilatation 
vergrösserte  sich  das  Volumen  bei  0'^  nur  noch  sehr  wenig; 
als  man  es  aber  auf  17"  erwärmte,  trat  eine  grössere  Dilatation 
auf  als  der  Temperaturerhöhung  entsprach,  und  beim  Wieder- 
abkühlen auf  0®  wurde  der  alte  Stand  bei  weitem  nicht  wieder 
erreicht,  es  hatte  also  eine  dauernde  Dilatation  stattgefunden. 
Folgendes  sind  die  Zahlen  von  2  Versuchen: 


Dilatometer.  167 

8te«d  DMh 

BMhlOMIn.       dem  Erw.  Zen.  Dll»- 

Btaud,  oaeh     raf  17*  und  tofk»  pro 

damMbchea    wiedw    Ab-  Z«n0tzanfft-       Moltefll 

btiO»         kfkhlen  »nfO»  dilatetlon          CaCO. 

19,8  ccm  1,082a  Normal-CaC],-Lö8. 
+22,5ccmNoniial.Na,CO,-Lö«iDg        ^"^^'^         ^^^'^  +*^'^  •*"*'^* 

15,0  ccm  Zweifmch-Nonnal-CaCL-Lö8. 
32,00ccmNonnal.Na.CO..L(teimg  ^^^»^         «^5,0  +63,0  +4,20 

Ganz  entsprechend  war  auch  das  Aussehen  des  Niederschlags. 
Bei  0®  erschien  er  amorph  wie  Thonerde  und  erfüllte  —  vo- 
luminös —  das  ganze  Gefäss.  In  dem  Maasse,  wie  das  Dila- 
tometer  eine  Umsetzung  anzeigte ,  wurde  er  krystallinisch  und 
fiel  nieder.  Ware  der  amorphe  Niederschlag  ein  amorpher 
wasserfreier  kohlensaurer  Kalk,  so  könnte  der  Uebergang 
desselben  in  die  krystallinische  nach  allen  bisherigen  Beob- 
achtungen dichtere  Modification  nur  eine  Contraction  bedingen, 
die  dabei  auftretende  Dilatation  macht  es  daher  unzweifelhaft, 
dass  in  dem  amorphen  Niederschlag  ein  hydratisirtes  Carbonat 
vorliegt ,  eine  Thatsache,  die  bisher  vermutfaet  wurde,  aber 
wohl  noch  nicht  bewiesen  war. 

Beim  Fällen  der  Haloidsalze  des  Bleis,  einer  Reaction, 
die  man  für  sehr  einfach  und  glatt  verlaufend  hält,  zeigt  das 
Dilatometer,  dass  der  Process  ziemlich  complicirt  sein  muss; 
es  findet  nicht  nur,  lange  nachdem  die  Temperaturausgleichung 
stattgefunden  hat,  eine  langsame  aber  stetige  Volumen- 
zunahme  statt,  sondern  neue  Mengen  Fällungsmittel  gaben, 
nachdem  schon  mehr  als  die  zum  Ausfällen  nöthigen  Mengen 
Haloidsalz  (Kalisalz)  zugesetzt  waren,  noch  grosse  Dilatationen. 
Aus  zahlreichen  Versuchen  mit  Chlor-,  Brom-  und  Jodblei, 
bei  denen  es  indess  nicht  gelungen  ist,  irgend  welche  Regel- 
mässigkeiten aufzufinden,  folgt,  dass  hier  noch  nicht  studirte 
chemische  Nebenreactionen  stattfinden  müssen;  rein  physikali- 
scher Natur  können  diese  deshalb  nicht  sein,  weil  sie  von  einer 
Dilatation  begleitet  sind,  und  stabilere  Formen  als  die  dich- 
teren nur  unter  Contraction  entstehen. 

Verwendung  des  Dilatometers  zur  Bestimmung  von 
Beaotionsgesohwindigkeiten. 

Man  hat,  besonders  zur  Ermittelung  von  Affinitätsgrössen, 
die  Geschwindigkeiten  verschiedener  ßeactionen  bestimmt.  Ein 
in  dieser  Beziehung  viel  bearbeitetes  Beispiel  ist  die  Inversion 
des  Rohrzuckers  durch  verschiedene  Säuren.    Der  dabei  ver- 


158  O.  Knö/ler. 

laufende  chemische  Process  besteht  bekanntlich  in  einer  Wasser- 
aufiiahme  des  Bohrzuckers  und  Spaltung  des  Productes  in  zwei 
Zuckerarten,  Dextrose  und  Lävulose,  entsprechend  der  folgen- 
den Gleichung: 

C'i2H220ii  +  H3O  =  CgHijOg+CgHjgOg. 

Die  Säure  tritt  also  nicht  direct  in  Eeaction.  Bisher  hat 
man  den  Grad  der  Zersetzung  durch  Polarisation  bestimmt. 
Das  Verfahren  ist  aber  sehr  mühsam  und  bietet  besondere 
Schwierigkeit,  weil  während  der  doch  1—2  Minuten  dauernden 
Messung  der  Process  schon  weiter  geht  und  eventuell  Störungen 
erleidet,  auch  gibt  die  eintretende  Volumenänderung  einen 
Fehler  in  der  Bestimmung,  der  bis  über  P/^  betragen  kann, 
indem  dadurch  die  in  der  Yolumeneinheitlösung  enthaltene 
Substanzmenge  sich  ändert. 

Diese  Volumenänderung  bietet  nun  ein  sehr  geeignetes 
Mittel  zur  Verfolgung  des  Grades  der  Inversion  in  jedem  Zeit- 
momente ohne  Störung  des  Processes  und  bei  beliebiger 
Temperatur. 

Da  bei  dem  Processe  Wasser  gebunden  wird,  war  eine 
Contraction  zu  erwarten,  deren  Grösse  ein  Maass  für  den  Grad 
der  Zersetzung  bilden  könnte.  Die  angestellten  Versuche  haben 
beides  bestätigt.  Dieselben  wurden  so  ausgeführt,  dass  in  das 
obere  Gefäss  des  Dilatometers  die  Rohrzuckerlösung  gebracht 
wm'de,  in  das  untere  die  zur  Invertirung  dienende  verdünnte 
Säure.  Nachdem  der  Temperaturausgleich  stattgefunden  hatte, 
wurden  die  Lösungen  durch  OeflFnen  des  Hahnes  a  (s.  Figur) 
und  leises  Schwenken  des  Apparates  gemischt  und  in  Zeit- 
räumen von  5  bis  25  Minuten  die  Temperatur  des  Bades  und 
der  Stand  in  der  Capillai'e  beobachtet  und  letztere  auf  die 
Anfangstemperatur  reducirt.  Da  die  specielle  Verfolgung  der 
Reactionsgeschwindigkeit  ihrer  absoluten  Grösse  nach  und  in 
ihrer  Abhängigkeit  von  Temperatur,  Concentration,  Säure- 
menge und  Inversionsvermögen  zu  weit  geführt  hatte,  wur- 
den nur  Versuche  mit  Salzsäure  gemacht;  ein  regelmässiger 
Verlauf  der  Gescliwindigkeitscurven  bildet  den  Beweis  für 
die  Brauchbarkeit  des  Dilatometers  zu  diesen  Zwecken. 

Ein  kleiner  üebelstand  der  Dilatometormethode  liegt  bei 
dieser  Messung  darin,  dass  zunächst  eine  Mischungscontraction 
der  beiden  Lösungen  auftritt,  nach  deren  in  wenigen  Minuten 


Düatometer.  159 

erfolgten  Beendigung  man  erst  an  der  Capillare  die  eigentliche 
Beaction  verfolgen  kann. 

In  derselben  Weise  wie  die  Inversion  des  Bohrzuckers 
lassen  sich  andere  allmählich  vor  sich  gehenden  Beactionen, 
z.   B.   auch   Esterificationen   mit  dem  Dilatometer  verfolgen. 

Die  vorstehenden  Versuche  haben  die  vielfache  Anwen« 
dungsiähigkeit  der  beschriebenen  dilatometrischen  Methode  ge- 
zeigt und  einzelne  neue  Thatsachen,  z.  B.  dass  das  frisch 
gefällte  amorphe  Calciumcarbonat  ein  Hydrat  ist,  bewiesen. 
Dieselbe  wird  ein  bequemes  Mittel  bieten,  neben  den  Wärme- 
tönongen  die  Volumenänderungen  in  Bücksicht  zu  bestimmen. 

Zum  Schlüsse  sei  es  mir  vergönnt,  Hm.  Professor  Dr.  Eil- 
hard  Wiedemann  f(ir  die  reiche  Anregung  zu  der  Arbeit, 
sowie  die  Unterstützung,  welche  er  mir  bei  derselben  zu  Theil 
werden  liess,  meinen  aufrichtigen  Dank  auszusprechen. 

Erlangen,  Physikalisches  Institut. 


XIV.    Notiz  Über  die  Doppelbrechung 
in  zähflilsHgem  Crtimmi;   von  H.  Ambronn. 


Gewisse  Gummisorten,  zu  denen  insbesondere  das  Gummi 
der  Kirschbäume  gehört,  haben,  wie  von  V.  v.  Ebner^)  zu- 
erst gezeigt  wurde,  die  merkwürdige  Eigenschaft,  dass  sie  im 
gewöhnlichen  Zustande  auf  Zug  und  Druck  optisch  umgekehrt 
wie  Glas  reagiren,  während  andere  Gummiarten,  z.  B.  das  ara- 
bische, bei  Spannungen  das  normale  optische  Verhalten  zeigen. 
Diese  optischen  Eigenthümlichkeiten  versuchte  ich')  durch  die 
Annahme  einer  micellaren  Structur  im  Sinne  Nägeli's  zu  er- 
klären; ich  konnte  eine  Beihe  Versuche  anführen,  die  entschie- 
den für  das  Vorhandensein  sehr  kleiner,  optisch  und  räumlich 
anisotroper  Theilchen  sprechen,  welche  infolge  von  Spannungen 
aus  ihrer  Lage  rücken  und  einer  gleichsinnigen  Orientirung 
zustreben.  Man  könnte  demnach  erwarten,  dass  man  bei  geeig- 
neter Mischung  zweier  sich  optisch  entgegengesetzt  verhal- 
tenden Gummiarten  z.  B.  des  arabischen  Gummis  und  des- 
jenigen der  Kirschbäume  eine  Masse  erhalten  würde,  die  bei 
Zug  und  Druck  neutral  bleibt.     Ich  habe  jene   Erwartung 

1)  V.  V.  Ebner,  Untersuchungen  über  die  Ursachen  der  Anisotropie 
organischer  Substanzen.    Leipzig  1882.   p.  28. 

2)  Ambronn,  das  optische  Verhalten  und  die  Structur  des  Kirsch- 
gumtnis.    Ber.  d.  deutschen  botan.  Ges.,  7.  p.  103  f.  1889. 


160     H.  Ainbronn.  Doppelbrechung  in  zähflüssiffem  Gummi. 

bestätigt  gefunden.  Aus  zähflüssigem  Gummi  lassen  sich 
bekanntlich  leicht  Fäden  ziehen;  diese  Fäden  sind  stark 
doppelbrechend,  und  zwar  bei  Eirschgummi  in  Bezug  auf  die 
Längsrichtung  negativ,  bei  arabischem  Gummi  dagegen  positiv. 

Mischt  man  nun  im  dünnflüssigen  Zustande  die  beiden 
Colloide  und  lässt  dann  wieder  bis  zu  dem  Grade  der  Con- 
sistenz  eintrocknen,  bei  welchem  sich  bequem  Fäden  aus  der 
Masse  ziehen  lassen,  so  kann  man  je  nach  dem  Mischungs- 
verhältnisse —  über  welches  ich  genauere  quantitative  An- 
gaben zur  Zeit  noch  nicht  machen  kann  —  alle  Abstufungen 
im  Grade  und  im  Sinne  der  Doppelbrechung  und  natürlich 
auch  ganz  neutrale  Fäden  herstellen. 

Eundt^)  und  de  Metz^  haben  in  coUoidalen  Flüssig- 
keiten durch  schnelle  Bewegung  Doppelbrechung  erhalten, 
aber  stets  in  demselben  Sinne  wie  bei  Glas.  Beide  Forscher 
haben  jedoch  nur  solche  Colloide  benutzt,  die  auch  im  stark 
gequollenen  Zustande  in  gleichem  Sinne  reagiren.  Es  ist 
nun  wohl  zu  erwarten,  dass  jene  Gruppe  von  Gummiarten, 
denen  das  Eirschgummi  angehört,  auch  m  dünnflüssigen  Lö- 
sungen bei  sehr  schneller  Rotation  sich  optisch  entgegen- 
gesetzt verhält.  Leider  konnte  ich  bisher  derartige  Ver- 
suche nicht  ausführen,  doch  glaube  ich,  aus  den  Eigenschaf- 
ten der  zähflüssigen  Substanzen  mit  Sicherheit  auf  das 
Resultat  schliessen  zu  dürfen.  Es  wäre  dann  femer  mög- 
lich, dünnflüssige  Mischungen  herzustellen,  welche  bei  sehr 
schneller  Rotation  gleichfalls  alle  Abstufungen  im  Sinne  und 
Grade  der  Doppelbrechung  zeigen  müssten.  Es  wäre  wohl 
auch  denkbar,  dass  bei  Mischungen,  die  dem  neutralen  Zu- 
stande nahe  kommen,  nicht  blos  der  Grad,  sondern  auch  der 
Sinn  der  Doppelbrechung  von  der  Schnelligkeit  der  Bewegung 
abhinge.  Auch  der  Wassergehalt  dürfte  hierfür  nicht  be- 
langlos sein;  ich  schliesse  dieses  Letztere  aus  dem  umstände, 
dass  bis  zur  kautschukartigen  Consistenz  eingetrocknete  La- 
mellen einer  Mischung,  aus  welcher  im  zähflüssigen  Zustande 
neutrale  Fäden  hergestellt  werden  konnten,  bei  Spannungen 
nicht  mehr  neutral  blieben,  sondern  wiederum  starke  Doppel- 
brechung im  Sinne  des  arabischen  Gummis  ergaben. 

1)  Kundt,  Wied.  Ann.  13.  p.  110.  1881. 

2)  de  Metz,  Wied.  Ann.  35.  p.  497.  1888. 


Druck  Ton  Metzger  k  Wittig  in  Leipzig. 


1889.  ANNALEN  JfilO. 

DER  PHYSIK  uro  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.    BAND  XXXVIII. 


I.    Die  Bestimmung  van  Dielectricitätscanstanten 

mit  Hülfe  des  Telephons^); 
van  A.  Winkelmann. 

iHieriB  Taf.  II  FI9.  1.) 


Bei  Gelegenheit  von  Versuchen,  die  für  einen  hier  nicht 
näher  anzugebenden  Zweck  ausgeführt  wurden,  fiel  mir  die 
ausserordentliche  Empfindlichkeit  auf,  durch  welche  das 
Telephon  wechselnde  electrische  Ladungen  von  Metallplatten 
selbst  in  grossen  Entfernungen  von  den  letzteren  anzeigte. 
Diese  Thatsache  führte  zu  dem  Gedanken,  das  Telephon 
zur  Bestimmung  von  Dielectricitätsconstanten  zu  verwerthen 
und  insbesondere  zu  untersuchen,  ob  sich  auf  diesem  Wege 
ebenfalls  die  grossen  Werthe  ergeben,  welche  in  neuerer 
Zeit  für  einige  Flüssigkeiten  gefunden  wurden.^ 

Im  Folgenden  wird  zuerst  der  Apparat  und  die  Unter- 
Buchungsmethode  (§  1)  beschrieben,  dann  werden  die  Beob- 
achtungen an  festen  Körpern  (§  2)  mitgetheilt,  welche  dazu 
dienen  sollten,  über  die  Brauchbarkeit  der  Methode  ein 
Urtheil  zu  gewinnen  und  verschieden  zusammengesetzte  Gläser 
zu  prüfen;  endlich  folgt  die  Untersuchung  der  Flüssigkeiten 
(§  3),  welche  zeigt,  dass  auch  die  vorliegende  Methode  in 
Uebereinstimmung  mit  Cohn  und  Arons  für  den  Aethyl- 
alkohol  einen  sehr  grossen  Werth  für  die  Dielectricitäts- 
constante  liefert. 

§  1.    Beschreibung  des  Apparates  und  der  Methode. 

Der  Apparat  besteht  aus  drei  kreisförmigen  Messing- 
platten  i\,  P^  und    q   (Fig.  1),     Die  Platten  F^   und  P^, 

1)  Im  Auszüge  in  der  Sitzung  der  med.-uaturw.  Gesellschaft  in  Jena 
vom  31.  Mai  1889  mitgetheilt. 

2)  Cohn  u.  Arons,  Wied.  Ann.  33.  p.  21.  1888,   fanden  z.  B.  für 
Aethjlalkohol  den  Werth  26,5. 

ADD.  d.  Phys.  n.  Cbero.  N.  F.    XXXVIII.  H 


162  A.   Winhelmann. 

von  gleicher  Grösse,  haben  einen  Durchmesser  von  19  cm^ 
die  Platte  Q  einen  solchen  von  10  cm;  die  Dicke  der  drei 
Platten  ist  0,58  cm.  Die  Platte  Q  wird  von  den  Holzsäulen 
S^y  S^  getragen,  indem  dünne  Messingansätze  der  Platten 
in  kleine  Cy linder  von  Ebonit  münden,  welch'  letztere  auf 
den  Säulen  aufliegen.  Mit  den  Platten  P^  und  P^  sind  die 
Messingdrähte  a^  und  a^  verbunden,  welche  durch  die  Holz- 
säulen s^  und  s^  getragen  werden;  diese  Holzsäulen  sind  auf 
den  Schlitten  A^  und  A^  befestigt;  letztere  sind  auf  der 
Schiene  BC  verschiebbar.  Die  Schiene  hat  eine  Länge  von 
50  cm  und  trägt  auf  der  Mitte  eine  Theilung  von  30  cm  in 
Millimetern,  welche  so  angebracht  ist,  dass  der  Theilstrich 
15  nahezu  in  der  Mitte  der  Schiene  sich  befindet.  Die 
Schlitten  Ay^  und  A^  tragen  in  kleinen  Ausschnitten  zwei 
Nonien,  welche  die  Stellung  der  Schlitten  bis  auf  0,1  mm 
direkt  abzulesen  gestatten  und  noch  0,05  mm  sicher  schätzen 
lassen,  um  die  drei  Platten  einander  parallel  zu  stellen, 
sind  die  nöthigen  Schrauben  an  den  Schlitten  angebracht, 
femer  ist  die  mittlere  Platte  Q  um  eine  horizontale  Axe 
drehbar  und  die  Säule  S^  in  dem  Boden  der  Fussplatte 
etwas  verschiebbar. 

Die  Methode  der  Untersuchung  war  folgende.  Mit  der 
mittleren  Platte  Q  wird  das  eine  Ende  eines  secundären 
Stromkreises  eines  kleinen  Inductionsapparates,  welcher  im 
Nebenzimmer  aufgestellt  ist,  verbunden,  während  das  andere 
Ende  dieses  Kreises  zur  Erde  abgeleitet  ist  Hierdurch  wird 
die  Platte  Q  entsprechend  den  Unterbrechungen  des  Induc- 
tionsapparates geladen  und  entladen,  und  diese  Ladungen 
wirken  influenzirend  auf  die  Platten  P^  und  Py  Verbindet 
man  mit  a^  das  eine  Ende  des  Telephondrahtes,  während 
das  andere  Ende  frei  in  der  Luft  schwebt  oder  zur  Erde 
abgeleitet  ist,  so  hört  man  im  Telephon  die  einzelnen  La- 
dungen und  Entladungen.  Der  Ton  wird  um  so  stärker,  je 
näher  die  Platte  P^  an  Q  heranrückt,  aber  auch  in  der 
grössten  Entfernung,  welche  der  Apparat  gestattet,  ist  der 
Ton  noch  sehr  deutlich.  Es  ist  indessen  gar  nicht  nöthig, 
das  eine  Ende  des  Telephon drahtes  mit  einer  der  Platten  P 
zu  verbinden,  um  im  Telephen  den  Ton  zu  hören;  es  genügt 
hierzu  schon,  dass  das  eine  Ende  des  Telephondrahtes  zur  Erde 


Diekctricüätsconstariten.  168 

abgeleitet  sei^  und  dass  das  andere  Ende  in  nicht  zu  grosser 
Entfernung  vom  Apparat  frei  in  der  Luft  schwebt;  selbst  in 
Abständen  Ton  1,5  m  ist  dann  im  Telephon  der  Ton  noch 
wahrzunehmen.  Ich  führe  dies  nur  an,  um  auf  die  grosse 
Empfindlichkeit  des  Telephons  für  Ladungsschwankungen 
hinzuweisen. 

Verbindet  man  nun  das  eine  Telephonende  mit  64,  das 
andere  mit  o,«  so  wird  der  Ton  im  Telephon  ein  Minimum, 
wenn  beide  Platten  P  eine  gleich  starke  Einwirkung  von  Q 
aus  erfahren.  Der  Ton  im  Telephon  yerschwindet  nicht 
vollkommen,  es  Iftsst  sich  aber  auf  das  Minimum  durch  Ver- 
schiebung einer  der  beiden  Platten  P  gut  einstellen;  diese 
Einstellung  ist  um  so  schärfer  und  sicherer,  je  näher  beide 
Platten  bei  Q  stehen. 

Nachdem  durch  mehrfache  Einstellungen  die  Stelle  für 
das  Tonminimum  ermittelt  ist,  wird  eine  dielectrische  Platte 
oder  Fllissigkeitsschicht  zwischen  Q  und  eine  der  beiden 
Platten  P  gebracht  Es  wird  hierdurch  der  Ton  im  Tele- 
phon wieder  hörbar,  und  es  muss  eine  der  beiden  Platten 
um  eine  bestimmte  Strecke  verschoben  werden,  damit  der 
Ton  von  neuem  verschwindet.  Für  die  Genauigkeit  ist  es 
vortheilhaft,  diejenige  Platte  zu  verschieben,  durch  deren 
Annäherung  an  Q  der  Ton  zum  Verschwinden  gebracht 
wird. 

Ist  die  Dicke  der  Luftschicht  zwischen  Q  und  P^^  resp. 
P^  ohne  dielectrische  Zwischenschicht  a,  die  Dicke  des 
Dielectricums  ^,  die  Dielectricitätsconstante  desselben  Z), 
und  wird  die  Platte  P  von  der  ersten  Stellung  aus  um  x 
verschoben,  damit  der  Ton  von  neuem  verschwinde,  so 
hat  man: 
(1)  a— ar=Ba—^+-g. 

Daher : 

Diese   Formel  ist  in   vollkommener   Uebereinstimmung 
mit  der  Formel,  durch  welche  Gordon ^)  die  Dielectricitäts- 


IjGordon,   Mascart,  Statische  Electricität ,   übersetzt  von  Wal- 
lentin.  Wien  1885.  1.  p.  894.    Wiedcmann,  Galv.  8.  Aufl.  2.  p.  89. 

11* 


164  A»   fVinkelmann. 

constanten  bestimmt  hat.  Gordon  benutzte  aber  fünf 
Platten  und  ein  Electrometer,  während  in  der  eben  be- 
schriebenen Methode  nur  drei  Platten  und  ein  Telephon 
Verwendung  finden. 

In  der  obigen  Gleichung  (1)  ist  die  Dicke  der  Luft- 
schicht vor  Einführung  des  Dielectricums  auf  beiden  Seiten 
der  Platte  Q  gleich  a  gesetzt;  man  könnte  deshalb  die  Stel- 
lung der  beiden  Platten  vor  Einführung  des  Dielectricums 
ohne  Versuche  ermitteln.  Indessen  ist  es  doch  vortheilhaft, 
die  Stellung  durch  Versuche  festzustellen,  weil,  wenn  die 
Symmetrie  der  Anordnung  auf  beiden  Seiten  von  Q  nicht 
ganz  vollkommen  ist,  das  Tonminimum  nicht  genau  dann 
auftritt,  wenn  die  beiden  Abstände  gleich  sind.  Für  die  Ablei- 
tung der  obigen  Gleichung  ist  eine  kleine  Unsymmetrie  nicht 
von  Belang,  weil  in  jedem  Fall  die  beiden  Grössen,  welche 
an  erster  Stelle  auf  beiden  Seiten  der  Gleichung  (1)  stehen, 
electrisch  gleichwerthig  sind. 


2.    Feste   Körper. 

Als  Beispiel  werde  die  Beobachtung  bei  einer  Glasplatte 
angeführt,  deren  Dicke  3,07  mm  war. 

Die  Versuche  wurden  begonnen  mit  eingeschalteter  Glas- 
platte zwischen  F^  und  Q. 

Der  Nonius  von  Pj  zeigte  101,00  mm. 

Der  Nonius  von  F^  zeigte  im  Mittel  von  sechs  Ein- 
stellungen : 

181,95  182,00  ] 

2,00  00  \  Mittel  181,99. 

2,00  00  J 

Die  ersten  drei  Werthe  ergaben  sich,  wenn  man  von 
links  aus  den  Schlitten  bis  zum  Verschwinden  des  Tones 
verschob,  die  letzten  drei  Werthe,  wenn  man  den  Schlitten 
von  rechts  aus  annäherte. 

Dann  wurde  die  Glasplatte  fortgenommen,  der  Nonius 
der  Platte  F^  auf  181,99  eingestellt  und  nun  die  Platte  jP, 
bis  zum  Verschwinden  des  Tones  verschoben;  es  ergab  sich: 

103,60  108,65  ] 

55  65  \  Mittel  108,61. 

60  05  J 

Es  ist  daher    x  =  103,61  -  101,00  =  2,61 

d  =      3,07 ;  D  =  6,67. 


Dielectricitätsconstanten. 


165 


In  der  folgenden  Tabelle  ist  eine  Reihe  von  Dielectri- 
citätsconstanten mitgetheilt,  welche  in  der  angegebenen  Weise 
für  einige  feste  Körper  gefunden  wurden.  Die  Dicke  der 
Platten,  deren  Durchmesser  mindestens  21  cm  betrug,  oder, 
wenn  sie  quadratisch  angewandt  wurden,  deren  Seite  gleich 
21  cm  war,  wurde  mit  einem  Dickenmesser,  dessen  Angaben 
bis  auf  0,03  mm  genau  war,  an  verschiedenen  Stellen  ermit- 
telt; ausserdem  wurde  durch  zwei  FühlhebeL  die  Dicke  in 
der  Mitte  der  Platte  mit  derjenigen  am  Rande  verglichen. 

Tabelle  I. 


Substanz 


Dicke 

d 
in  mm 


Verschie- 
bung 

X 

in  mm 


Gks 
(Spiegelglaa) 


3,07 


n 


2,61 
2,58 


Dielec- 

tricitäts- 

const. 

D 


6,67 
6,26 


Mittel- 
werth 

von 

D 


Dielectridtätsconfitanten 
nach  anderen 
Beobachtern 


tiAct    iMO    Wällner«) 
^'^^    l6,83    SchiUer«) 


Glas 

(Spiegelglas) 


6,96 


6,00 
6,08 


7,25 
7,90 


7,67 


Glas 

26,23 

22,56 

7,16 

1 

(enthftlt  kein 

22,56 

7,16 

Blei) 

22,45 
22,53 

22,58 

6,94 
7,09 

7,18 

7,11 

• 

Glas 

21,46 

18,37 

6,94 

6,57  bis  10,1  Hopkinson") 
8,0  bis  3,1  Gordon*) 

(enthält 

18,65 

7,64 

45  Procent 

18,50 

7,25 

7,44 

Bleioxyd) 

18,67 

7,69 

18,66 

7,67 

1 

3,15  Boltzmann^) 

Ebonit 

4,90 

3,10 

2,72 
2,72 

2,72 

3,48            »        •) 
2,56  WüUner») 

8,10 

2,28  Gordon  *) 

2,13 

2,21  Schiller») 

Paraffin 

4,90 

2,13 

2,13 

2,32  Boltzmann*) 
2,32            )»        «) 

» 

2,13 

2,13 

1,96  Wüllner 

8,20 

4,50 

A     ÄO 

2,22 

2,21 

2,29  Hopkinson') 
1,99  Gordon*) 

j> 

4,48 

2yZ\) 

1,68  bis  1,89  Schiller») 

1)  Wüllner,  Experimentalphysik.  4.  Aufl.  4.  p.  333. 

2)  Schiller,  Pogg.  Ann.  152.  p.  535.  1874. 

3)  Hopkinson,  s.  Mascart,  Statische  Electricität,  übersetzt  v.  Wal- 
lentin.    Wien  1855.  1.  p.  890. 

4)  Gordon,  s.  Mascart,   1.  c.  1.  p.  894. 

5)  Boltxmann,  Wien.  Ber.  II.  Abth.  67.  p.  17.  Iö73. 

6)  Boltzmaun,  Wien.  Ber.  II.  Abth.  70.  p.339.  1875. 


166 


A.  Winkelmann, 


Substanz 

Dicke 

d 
in  mm 

Verschie- 
bung 

X 

in  mm 

Dielec- 

tricitäts- 

const 

B 

Mittel- 
werth 

von 

B 

Dielectricitätsconstanten 

nach  anderen 

Beobachtern 

Schellack 

4,90 
9,65 

8,35 
6,43 
6,51 

3,16 
3,00 
8,08 

3,16 
8,04 

2,95  bis  3,73  Wülluer») 
2,74  Gordon«) 

Die  vorliegenden  Zahlen  zeigen  eine  genügende  Ueber- 
einstimmung  unter  sich,  sobald  sicher  die  gleiche  Substanz 
vorliegt.  Beim  Paraffin  und  beim  Schellack  wurden  zuerst 
die  dickeren  Platten  untersucht,  alsdann  diese  abgedreht  und 
bei  einer  geringeren  Dicke  geprüft.  Die  Differenzen  in  den 
Mittelwerthen  werden  durch  kleine  Beobachtungsfehler  erklärt. 

Um  den  Einfluss  der  Zusammensetzung  des  Glases  auf 
die  Grösse  der  Dielectricitätsconstanten  zu  untersuchen, 
wurden  zwei  Gläser  benutzt,  von  denen  das  eine  45  Proc. 
Bleioxyd  enthielt,  während  das  andere  ohne  Blei  war.^  Der 
Unterschied  der  gefundenen  Dielectricitätsconstanten  ist  nur 
gering;  es  ergaben  sich  die  Werthe  7,44  und  7,11.  Bei  dieser 
kleinen  Differenz  schien  es  nicht  lohnend,  noch  weitere  Glas- 
sorten zu  prüfen. 

Die  benutzte  Methode  gibt,  wie  die  Formel  (U)  unmittel- 
bar erkennen  lässt,  um  so  genauere  Werthe,  je  kleiner  die 
Dielectricitätsconstante  der  untersuchten  Substanz  ist,  wenn, 
wie  es  thatsächlich  der  Fall  war,  die  Sicherheit  der  Einstel- 
lung nicht  von  der  Dielectricitätsconstante  selbst  abhängig 
ist.  Setzt  man  z.  B.  in  jedem  Falle  eine  Schichtdicke 
^=5  mm  voraus,  und  nimmt  man  einen  Einstellungsfehler 
von  0,04  mm  an,  so  bedingt  dieser  bei  einer  Dielectricitäts- 
constante =  2  nur  einen- Fehler  von  1,6  Proc,  bei  einer 
Dielectricitätsconstante  «  30  dagegen  einen  solchen  von 
27,2  Proc.    Die  folgende  Tabelle  gibt  eine  kleine  Uebersicht. 


1)  Wüllner,  Experimentalphysik.  4.  Aufl.  4«  p.  333. 

2)  Qordon,  s.  Mascart,  Statische  Electricität,  übersetzt  von  Wal- 
lentin.   Wien  1885.  1.  p.  894. 

3)  Die  Benutzung  der  beiden  Gläser,  welche  später  zu  Femrohr- 
rohrobjectiven  verwendet  sind,  verdanke  ich  der  Güte  des  Hrn.  Dr.  Schott 
in  Jena. 


Dielectricitätsconstanten,  167 

Schichtdicke  d  ^b  mm. 

£influ8s  eines  Fehlers  von  0,04  mm  in  x  auf 
DielectrlcitittoonsUiito  D 

D  absolut  in  Procenten 

2  0,082  1,6 

5  0,204  4,0 

10  0,882  8,2 

20  8,48  17,2 

80  8,16  27,2 

Würde  der  Einstellungsfehler  unabhängig  von  der  Dicke 
der  eingeschalteten  Substanz  sein,  so  würde  die  Anwendung 
einer  grossen  Schichtdicke  für  die  Genauigkeit  der  Bestim- 
mung Yortheilhaft  sein,  wie  ebenfalls  die  Gleichung  (U)  direct 
zeigt  Diese  Unabhängigkeit  besteht  aber  nicht.  Bezeichnet 
man  die  Tonstärke  mit  i,  die  Entfernung  einer  der  äusseren 
Platten  P  von  der  mittleren  Platte  Q  mit  «,  so  ist  di\ds 
um  so  kleiner  in  der  Nähe  des  Tonminimums,  je  grösser  s 
ist.  Je  dicker  aber  die  eingeschaltete  Substanz  ist,  um  so 
grösser  wird  nothwendig  auch  b  sein,  und  daher  ist  dann 
di\d9  kleiner  als  bei  Anwendung  einer  dünneren  Platte. 
Dieses  Resultat  wird  durch  die  Beobachtung  direct  bestätigt: 
bestimmt  man  das  Tonminimum  des  Telephons,  indem  man 
Ton  rechts  und  von  links  aus  einstellt,  so  wird  die  Differenz 
dieser  Einstellungen  um  so  grösser,  je  grösser  unter  sonst 
gleichen  Umständen  die  Dicke  der  eingeschalteten  Substanz  ist. 

Wie  die  Formel  für  D  zeigt,  ist  die  Dicke  a  der  Luft- 
schicht, welche  zwischen  je  zwei  Metallplatten  vor  dem  Ein- 
schalten der  untersuchten  Substanz  vorhanden  ist,  ohne 
Einfluss  auf  das  Endresultat.  Diese  Forderung  wird  inner- 
halb nicht  zu  weiter  Grenzen  bestätigt.  Nimmt  man  aber 
die  Entfernung  a  sehr  gross,  so  tritt  einerseits,  wie  schon 
erwähnt,  eine  grössere  Unsicherheit  in  der  Einstellung  auf, 
und  andererseits  ist  die  Bedingung,  unter  welcher  die  Glei- 
chung (1)  gültig  ist,  dass  nämlich  die  Schichtdicke  klein 
gegenüber  dem  Durchmesser  der  Platten  sei,  nicht  mehr 
erf&Ut;  man  darf  daher  in  diesem  Falle  eine  Unabhängigkeit 
Yon  der  Grösse  a  nicht  mehr  erwarten.  Ferner  wird,  falls 
die  Luftschicht  a  nur  wenig  grösser  als  die  Dicke  d  der 
später  einzuschaltenden  Substanz  ist,  letztere  beim  Einsetzen 
zwischen  die  Platten  nothwendig  sehr  nahe  an  die  mittlere 
Platte,  welche   starke   Ladungen   erhält,   herangerückt  und 


168  A.   Winkelmann. 

hierdurch  —  wahrscheinlich  durch  directen  Uebergang  der 
Electricität  —  eine  Abweichung  veranlasst.  Trotz  der  an- 
gegebenen Grenzen  gibt  es  einen  hinreichend  grossen  Be- 
reich, in  welchem  D  unabhängig  von  der  Dicke  der  Luft- 
schicht sich  ergibt  und  die  so  gefundenen  Werthe  sind  in 
die  Tabelle  I  aufgenommen. 

Es  ist  schon  von  verschiedenen  Seiten  hervorgehoben, 
dass  die  G-rosse  der  Dielectricit&tsconstanten  eine  Function 
der  Ladungsdauer  des  Dielectricums  ist  und  mit  abnehmen- 
der Ladungsdauer  selbst  abnimmt;  nur  bei  ,, vollkommenen*' 
Isolatoren  scheint  die  Dielectricit&tsconstante  von  der  La- 
dungsdauer nahezu  unabhängig  zu  sein.  Nach  Bo mich  und 
Nowak^)  ergab  Glas  bei  altemirender  Ladung  (etwa  ein 
Ladungswechsel  pro  Secunde)  für  die  Dielectricitätsconstante 
den  Werth  7,5,  bei  dauernder  Ladung  den  zwanzigmal  grösse- 
ren Werth  159.  Schiller^)  erhielt  f&r  weisses  Spiegelglas 
bei  einer  Ladungszeit  von  0,0^859  See.  den  Werth  5,78,  bei 
einer  Ladungszeit  von  etwa  7x0  ^^^  V26  ^^^*  ^^^  Werth  6,34. 
Nach  Curie^  nimmt  die  Dielectricit&tsconstante  mit  wach- 
sender Ladungszeit  bei  amorphen  Körpern  (Glas,  Ebonit) 
bedeutend  zu;  bei  einigen  Erystallen  (Quarz,  Ealkspath)  ist 
dagegen  der  Einfluss  der  Ladungszeit  sehr  gering.  —  Ich 
hatte  die  Absicht,  den  Einfluss  der  Ladungszeit  ebenfalls 
zu  untersuchen  und  konnte  bis  zu  3000  Unterbrechungen  in 
der  Secunde  heraufgehen.  Die  Tonstärke  des  Telephons  war 
aber,  wahrscheinlich  infolge  etwas  ungleichmässiger  Berüh- 
rungen bei  Anwendung  eines  Schleifcontactes,  nicht  so  con- 
stant,  um  eine  hinreichende  Genauigkeit  bei  der  Einstellung 
zu  erzielen.  Deshalb  musste  ich  zunächst  von  einer  weite- 
ren Verfolgung  des  Gegenstandes  nach  dieser  Richtung  ab- 
sehen und  bemerke  nur  noch,  dass  in  den  mitgetheilten  Ver- 
suchen die  Ladungsdauer  etwa  V340  Secunde  war. 

§  3.    Flüssigkeiten. 

Nachdem  durch  die  vorhergehenden  Versuche  an  festen 
Körpern  die  Brauchbarkeit  der  Methode  sich  gezeigt  hatte, 

1)  Korn  ich  u.  Nowak,  Wien.  Ber.  II.  Abth.  70.  p.  406.  1875. 

2)  Schiller,  Pogg.  Ann.  162.  p.  535.  1874. 

3)  Curie,  Beibl.  12.  p.  858.  1888. 


DielectricitaUconstanten,  169 

wurde  eine  Reihe  Yon  Flüssigkeiten  untersucht.  Es  wurden 
hierzu  Glaströge  von  quadratischer  Form  mit  21  cm  Seite 
verwandt;  die  Glasscheiben,  deren  Dicke  zwischen  1,15  und 
1,85  mm  yariirte,  wurden  durch  drei  Glasstreifen  von  7  mm 
Breite,  denen  sorgfältig  die  gleiche  Dicke  gegeben  war,  ge- 
trennt und  mit  einem  Kitt  von  Zinkoxyd  und  Wasserglas 
befestigt;  man  erhielt  so  einen  parallelepipedischen  Kasten. 
Die  Dicke  der  in  dem  Kasten  eingeschlossenen  Luftschicht 
wurde  dadurch  ermittelt,  dass  man  zuerst  die  Dicke  der 
Glasscheiben  und  darauf  die  Dicke  des  Kastens  an  ver- 
schiedenen Stellen  ermittelte;  die  Differenz  liefert  alsdann 
die  Dicke  der  Luftschicht. 

Bei  den  Versuchen  wurde  der  leere  Kasten  zwischen 
die  Platte  Q  und  eine  der  Platten  P  des  Apparates  gestellt 
und  dann  das  Tonminimum  des  Telephons  ermittelt;  darauf 
wurde,  ohne  sonst  etwas  an  dem  Apparate  zu  ändern,  der 
oben  offene  Glaskasten  mit  der  zu  untersuchenden  Flüssig- 
keit gefällt  Um  das  Tonminimum  des  Telephons  wieder 
herzustellen,  war  eine  Verschiebung  einer  der  beiden  Platten 
P  erforderlich,  deren  Grösse  gemessen  wurde.  Die  Berech- 
nung der  Dielectricitätsconstanten  geschieht  in  derselben 
Weise  wie  bei  den  festen  Körpern. 

Die  Dielectricitätsconstanten  der  Flüssigkeiten,  welche 
in  der  gegebenen  "Art  ermittelt  wurden,  waren  nicht  unbe- 
trächtlich grösser,  als  die  Werthe,  welche  von  anderen  Be- 
obachtern angegeben  sind,  und  zwar  zeigte  sich  diese  Diffe- 
renz bei  allen  Flüssigkeiten  ohne  Ausnahme.  Daher  lag  die 
Vermuthung  nahe,  dass  bei  allen  Flüssigkeiten  der  gleiche 
Umstand  die  Vergrösserung  der  gesuchten  Werthe  herbei- 
führe. Dieser  Umstand  wurde  in  der  Durchbiegung  der 
Glasplatten  gefunden,  welche  den  Kasten  zusammensetzen; 
es  wird  hierdurch  die  Dicke  der  Flüssigkeitsschicht  grösser 
als  bei  nicht  gefülltem  Kasten  die  Dicke  der  Luftschicht  ist. 
Wenn  man  bedenkt,  dass,  wie  aus  den  Dimensionen  sich 
ergibt,  durch  Einfüllen  einer  Flüssigkeit  von  der  Dichtigkeit 
Eins  in  das  Innere  des  Kastens,  ein  Druck  von  4  kg  auf 
eine  Wand  von  400  qcm  Fläche  sich  herstellt,  so  ist  eine 
beträchtliche  Durchbiegung  der  Seitenwände  nicht  auffallend. 

Diese  Durchbiegung  wurde  direct  mittelst  Anlegen  von 


170 


A,   Winkelmann. 


zwei  empfindlichen  Fiihlhebeln(yergrös8erung  gleich  26)  gemes- 
sen, indem  die  Stellung  dieser  Fiihlhebel  einmal  bei  leerem,  dann 

bei  gefülltem  Qlastrog  bestimmt  wur- 
de. Entsprechend  der  mittleren  Platte 
Q  des  Apparates  gegenüber  dem  Glas- 
trog wurde  die  Vermehrung  der  Dicke 
des  Glastroges  infolge  des  Einf&Uens 
an  fünf  Stellen  a,  b,  c,  d,  e  (s.  Figur) 
gemessen;  die  vier  letzten  Punkte 
liegen  auf  einem  Kreise,  dessen  Mittel- 
punkt a  ist,  und  dessen  Durchmesser 
gleich  dem  Durchmesser  der  Platte 
Q  ist. 
Die  Vermehrung  der  Dicke  betrug  bei  Einfüllung  von 
Terpentinöl,  dessen  specifisches  Gewicht  0,87  war: 

bei  a  h  c  d  e 

mm     0,241      0,206      0,158      0,142      0,145. 

Die  Dicke  der  Glasscheiben  war  1,85,  resp.  1,22  mm. 

Aus  den  angegebenen  Werthen  ist  die  Vermehrung  der 
Schichtdicke  derjenigen  Flüssigkeitsmasse  zu  berechnen, 
welche  der  Platte  Q  des  Apparates  gegenüber  liegt.  Um 
die  mittlere  Schichtdicke  zu  erhalten,  kann  man  mit  genügen- 
der Genauigkeit  annehmen,  die  Vermehrung  bestehe  in  einem 
Cylinder  von  der  Höhe  m  ==  {b+c+d+e)IA  und  einer  Kugel- 
kappe von  der  Höhe  {a^m).  Nach  den  obigen  Zahlen  ist 
m  s  0,161  mm  und  verwandelt  man  die  Kugelkappe  in  einen 
Cylinder  mit  gleicher  Grundfläche,  so  wird  die  Cylinderhöhe 
»  0,027  mm.  Die  mittlere  Vermehrung  der  Schichtdicke  ist 
daher  0,161  +  0,027  =  0,188  mm. 

Bei  dem  zweiten  Kasten,  welcher  dünnere  Glasplatten 
besass,  ist  die  Vermehrung  der  Schichtdicke  noch  bedeuten- 
der ;  dieselbe  betrug  0,282  mm  bei  Einfüllung  mit  Terpentinöl. 

Um  fbr  andere  Flüssigkeiten  die  Vermehrung  der  Schicht- 
dicke zu  erhalten,  wurden  keine  neuen  Messungen  ausgeführt, 
sondern  dieselbe  nach  der  Formel: 

berechnet.    Hier  bedeutet  S^  die  Vermehrung  der  Schicht- 
dicke für  eine  Flüssigkeit  vom  specifischen  Gewicht  s^\   S,^ 


Diekctricitätsconstanten» 


171 


und  «,  stellen  die   entsprechenden  Grössen  für  eine  zweite 
f  Ifilssigkeit  dar. 

In  der  folgenden  Tabelle  sind  die  erhaltenen  Werthe 
zusammengestellt;  die  angegebene  Schichtdicke  der  Flüssig- 
keit ist  bereits  corrigirt 


T 

abelle 

II. 

Schicht-  Venchie- 
Fl&»igkeit    *"J«       •"^ 
'  in  mm     in  mm 

;                                r 

Dielec- 

tricitäts- 

const 

D 

Mittel- 

werth 

von 

D 

Dielectricitfttsconstanten 

nach  anderen 

Beobachtern 

Bensol 

5,258 

2,912 

3,18 
3,14 
1,66 

2,47 

2,48 
2,33 

2,43 

2,20  SüowO 
2,836  Palaz«) 

Petroleum 

5,240 

2,885 

2,88 
1,49 

2,22 
2,07 

2,14 

2.10  Hopkinson») 
2,04  bia  2,07  SUow ») 

2.11  Wflllner*) 

2,04  Cohn  und  Arons'^) 

Terpentinöl      5,258 
1    2,912 

2,89 
1,60 

2,22 
2,22 

2,22 

2,22  Öilow  0 
2,26  Wüllner*) 

Aethylalko- 
hol 

5,240 

2,885 

»1 

5,00 

5,043 

2,80 

2,78 

21,8 
26,6 
33,9 
27,5 

27,4 

26,5  Cohn  und  Arons^) 

Eine  Vergleichung  der  gefundenen  Werthe  untereinander 
zeigt  eine  genügende  Uebereinstimmung;  selbst  die  Unter- 
schiede beim  Alkohol,  die  procentisch  einen  bedeutenden 
Betrag  erreichen,  werden  durch  kleine  Beobachtungsfehler 
erklärt,  wie  sich  am  deutlichsten  aus  den  beiden  letzten 
Werthen  ergibt  Die  Differenz  in  der  Einstellung  beträgt 
hier  nur  0,02  mm,  und  diese  Grösse  hat  in  der  Dielectri- 
citätsconstante  eine  Aenderung  von  83,9  auf  27,5  zur  Folge. 
Die  durch  die  Yorliegende  Methode  erreichbare  Genauigkeit 
ist,  wie  schon  erwähnt  wurde,  bei  grossen  Dielectricitäts- 
constanten  nur  gering;  der  mittlere  Fehler  in  dem  Resultat 
des  Alkohols  beträgt  10  Proc. 

Vergleicht  man  die  Mittelwerthe  der  gefundenen  Dielec- 


1)  Silow,  Pogg.  Ann.  156.  p.  389.  1875. 

2)  Palaz,  Beibl.  11.  p.  259.  1887. 

3)  HopkinBon,  Beibl.  6.  p.  113.  1882. 

4)  WüUner,  Experimentalphysik.  4.  Aufl.  4.  p.  333. 

5)  Cohn  u.  Arons,  Wied.  Ann.  33.  p.  21.  1888. 


172  Th.  Homen. 

tricitätsconstanten  mit  den  Besultaten  anderer  Beobachter, 
so  zeigt  sich  auch  hier  eine  hinreichende  Uebereinstimmung; 
insbesondere  wird  der  grosse  Werth,  welcher  von  Cohn  und 
Arons  f&r  die  Dielectricitätsconstante  des  Aethylalkohols 
ermittelt  wurde ,  auch  hier  gefunden.  Da  nach  der  Natur 
der  hier  angewandten  Methode  die  Unsicherheit  des  Resul- 
tates gleichzeitig  mit  wachsender  Dielectricitätsconstante  zu- 
nimmt, so  ist  die  von  Cohn  und  Arons  benutzte  Methode 
zur  Bestimmung  hoher  Dielectricitätsconstanten  unzweifelhaft 
der  ersteren  bezüglich  der  Schärfe  der  Bestimmung  weit 
überlegen;  trotzdem  scheint  es  nicht  ohne  Interesse,  das  von 
Cohn  und  Arons  gefundene  Resultat  des  grossen  Werthes 
für  Alkohol  nach  einer  ganz  anderen  Methode  bestätigt  zu 
sehen.  Der  nahen  Uebereinstimmung  des  hier  gefundenen 
Mittelwerthes  mit  dem  der  älteren  Beobachtung  ist  hierbei 
aus  den  schon  angegebenen  Gründen  eine  Bedeutung  nicht 
beizulegen. 

Jena,  August  1889. 


IL    TJeher  die  Mectricitätsleitung  der  Gase; 

von  Theodor  Homen. 

(Auszug  einer  ebengenannten  AbhandluDg  Pars  III   in  Acta  Sodetatifl 

Scientiarum  Fennicae,  17.  1S88.) 

(Hierin  Taf.  II  Fly.  S-6.) 


Der  Zweck  vorliegender  Untersuchung  ist,  den  Wider- 
stand eines  Gases  bei  continuirlichem  Durchgange  der  Elec- 
tricität  zu  erforschen,  vor  allem  zu  untersuchen^  ob  und  wie, 
in  welchen  Einheiten  dieser  Widerstand  gemessen  werden 
kann.  . 

In  einer  früheren  Abhandlung^)  ist  gezeigt,  dass  bei 
Leitung  der  Electricität  durch  verdünnte  Luft  der  Wider- 
stand im  Lufträume  in  zwei  Theile  getheilt  werden  kann, 
von  welchen  der  eine  Theil  dem  Abstände  zwischen  den 
Electroden  proportional,  der  andere  von  demselben  unab- 
hängig ist.    Der  erstere  Theil  wurde  dem  Widerstände  des 


1)  Hom^n,  Wied.  Ann.  26,  p.  55.  1885. 


Ekctricüätsleüung  der  Gase,  173 

Gases  selbst,  der  letztere  dem  speciell  von  Hittorf^)  und 
Edlund')  untersuchten  Uebergangswiderstand  an  den  Elec- 
troden  zugeschrieben.  Ich  fand,  dass  der  Luftwiderstand 
dem  Drucke  proportional  ist,  dass  aber  der  Uebergangs- 
widerstand an  den  Electroden  bei  grosser  Verdünnung  mit 
dieser  schnell  wächst. 

Die  erwähnten  Versuche  wurden  mit  Anwendung  von 
Inductionsströmen  ausgeführt.  Wenn  bei  zwei  verschiedenen 
Drucken  die  öalyanometerausschläge  des  durchgehenden 
Stromes  für  zwei  gewisse  Schlagweiten  gleich  waren  und 
nun  eine  Verlängerung  der  Schlagweite  bei  diesen  Drucken 
mit  resp.  a  und  b  Längeneinheiten  ganz  dieselbe  Herab- 
setzung der  Stromstärke  verursachte,  so  wurden  die  Wider- 
stände der  Luftsäulen  a  und  b  bei  den  beiden  Drucken  ein- 
ander gleich  gesetzt.  Auf  diese  Weise  von  Druck  zu  Druck 
fortgehend  y  konnte  der  Widerstand  bei  den  verschiedenen 
Drucken  verglichen  und  in  willkürlicher  Einheit  gemessen 
werden.  Ich  hoffte  jetzt  mit  Anwendung  von  galvanischen 
Strömen,  wo  die  Stromstärke  dauernd  constant  ist,  diese 
Verhältnisse  näher  studiren  und  den  Gaswiderstand  rational 
messen  zu  können. 

Eine  Debersicht  der  Eniladungsversuche  mit  galvani- 
schen Strömen  von  Gassiot^),  Varley*),  Hittorf^),  War- 
ren de  la  Kue  und  Hugo  Müller^)  ist  in  meiner  aus- 
führlichen Abhandlung:  „Ucber  die  Electricitätsleitung  der 
Gase"^),  gegeben.  Daselbst  ist  auch  dargelegt,  wie  Hittorf 
und  Hertz  ^  nachgewiesen  haben,   dass,   wenn  der  Wider- 


\)  Hittorf,   Pogg.  Ann.    130.   p.  1   u.   197.    1869;   Wied.   Ann.    7. 
p.  553.  1879. 

2)  Edlund,  K.  Sv.  Vet.  Akad.  Handl.  20.  p.  3.  1882;    Wied.  Ann. 
15.  p.  514.  1882. 

3)  Gassiot,  Phil.  Trans.  lOl,  p.  32.  1844;  Pogg.  Ann.  119.  p.  131. 
1863. 

4)  Varley,  Proc  Roy.  Soc.  17.  p.  236.  1871. 

5)  Hittorf,  Wied.  Ann.  7.    p.  553.  1879;    20.  p.  705.  1884  u.  21. 
p.  90.  1884. 

6)  Warren  de  la  Bue  u.  Hugo  Müller,  Phil.  Trans.  169.  p.  155. 
1878;  171.  p.  65.  1879. 

7)  Tb.  Hom^n,  Acta  Soc.  Sc.  Fennicae.  16«  p.  25.  1886. 

8)  Hertas,  Wied.  Ann.  19.  p.  782.  1883. 


174  Th.  Homeru 

stand  in  der  Leitungsbahn  nicht  allzu  gross  ist,  die  Ent- 
ladung einer  grossen  gahanischen  Säule  durch  eine  Geiss» 
1er 'sehe  Bohre  wirklich  continuirlich  ist.  Weiter  zeigte  sich 
bei  den  obenerwähnten  Untersuchungen  von  Varley,  Hit- 
torf, Warren  de  la  Rue  und  Hugo  Müller  die  Potential- 
difPerenz  zwischen  den  Electroden  einer  Geissler'schen 
Bohre,  durch  welche  der  galvanische  Strom  geleitet  wurde^ 
constant,  von  der  Stärke  des  Stromes  unabhängig.  Dies 
wollte  ich  näher  prüfen  und  sowohl  den  Uebergangswider- 
stand  an  den  Electroden,  als  den  Gaswiderstand  selbst,  beide 
voneinander  wohl  getrennt,  bei  verschiedenen  Drucken  unter- 
suchen und  messen. 

§  1.    BeschreibuDg  der  Apparate. 

Als  Electricitätsquelle  diente  eine  galvanische  Batterie 
von  1456  Bunsen'schen  Ghromsäureelementen.  Diese  waren 
auf  sieben  grossen  hölzernen  Gestellen  zu  14  Tauchbatterien 
aufgestellt.  Die  Gef&sse  (aus  Glas)  zur  Aufnahme  der  Lö- 
sung waren  25  cm  hoch  und  von  etwas  über  5  cm  innerem 
Durchmesser.  Die  Eohlenplatten,  aus  möglichst  fester  Betör- 
tenkohle  geschliffen,  waren  10,5  cm  lang,  2  cm  breit,  die 
Zinkplatten,  gut  amalgamirt,  zum  grössten  Theil  aber  mit 
Paraffin  überzogen,  10  cm  lang. 

Die  Kohlen  und  Zinke  je  zweier  aufeinander  folgender 
Elemente  waren  mit  ca.  12  cm  langen  Kupferstreifen  anein- 
ander gelöthet  (die  Enden  der  Kohlenplatten  waren  galva- 
nisch verkupfert)  und  über  horizontale  Glasröhren  gehängt, 
welche  wie  die  Sprossen  einer  Leiter  in  einen  hölzernen 
Bahmen  eingepasst  waren.  Dieser  Bahmen  konnte  mit  einer 
Hebelvorrichtung  gehoben  und  gesenkt,  die  Platten  also 
schnell  und  bequem  in  die  Säure  getaucht  oder  aus  dersel- 
ben gehoben  werden.  Zu  jedem  Bahmen  gehörten  104 
(=  13  X  8)  Elemente.  Die  Isolation  war  bei  der  erwähnten 
Vorrichtung  sehr  vollständig.  Die  Glasröhren  und  Kupfer- 
streifen, sowie  der  untere  Theil  der  Aussenseite  der  Gefässe 
waren  mit  Asphaltlack  gefirnisst.  Die  Batteriegestelle  hatten 
Glasfiisse.  Alles  Glas  war  Kaliglas.  Alle  Contacte  wurden 
durch  Quecksilber  in  Ebonitnäpfchen  vermittelt. 

Bei  der  Anwendung  zeigte  sich,  dass  die  Batterie  sehr 


ElectricüäUleitung  der  Gase,  176 

gut  functionirte.  Trotz  vieler  Benutzung  ist  die  electromo- 
torische  Kraft  kaum  vermindert.  Sie  beträgt  etwa  2  Volt 
in  jedem  Element,  wird  jedoch  bei  längerer  ununterbrochener 
Anwendung  ein  wenig  vermindert  Ein  von  der  Kleinheit  der 
Zinkoberfläche  herrührender  Nachtheil  bei  den  Elementen 
ist,  dass  der  Widerstand  nach  längerem  Gebrauch  sehr  gross 
wird.  Dies  war  jedoch  bei  meinen  Versuchen,  wo  immer 
grosse  Bheostatenwiderstände  angewandt  wurden,  von  kleiner 
Bedeutung. 

In  den  Entladungsröhren  aus  Glas,  1,6  cm  im  Durch- 
messer, wollte  ich  den  Abstand  zwischen  den  Electroden  ver- 
ändern können^  ohne  den  Druck  des  Gases  zu  verändern. 
Bei  früheren  Untersuchungen^)  hatte  ich  dies  dadurch  er- 
reicht, dass  die  drahtförmigen  Electroden  durch  zwei  an  den 
Enden  der  Bohre,  zwischen  zwei  Korken  liegende  Oel- 
litnme  in  die  Röhre  eingeschoben  werden  konnten.  Jetzt 
wollte  ich  das  Oel  vermeiden.  Ich  hatte  daher  (s.  Fig.  2), 
die  Anode  {a)  mit  einem  spiralförmigen,  übersponnenen,  wei- 
chen Kupferdraht  (&)  verbunden,  durch  welchen  der  Strom 
eingeleitet  wurde.  Um  die  Anode  war  ein  cylindrisches 
Ebonitstückchen  {d)  von  einem  etwas  kleineren  Durchmesser 
als  der  innere  Durchmesser  der  Röhre  angebracht  In 
die  Oberfläche  des  Ebonitcylinders  war  ein  weiches  Eisen- 
stück versenkt.  Wenn  die  Seite  mit  dem  Eisenstück  nach 
oben  gerichtet  war,  konnte  mit  einem  Hufeisenmagnet 
der  ganze  Cylinder  mit  der  Anode  von  aussen  hin  und  her 
geschoben  werden,  ohne  dass  man  den  Luftdruck  im  minde- 
sten veränderte.  An  zweien  an  die  Röhre  angeklebten  Papier- 
scalen  konnte  der  Abstand  zwischen  den  Electroden  genau 
abgelesen  werden.  Aus  später  angegebenen  Gründen  wurden 
zwei  Entladungsröhren  mit  ungleichen  Electroden  gleichzeitig 
in  Verbindung  mit  der  Luftpumpe  gesetzt.  In  der  einen 
bestanden  die  Electroden  aus  Aluminiumdraht,  dessen  vor- 
derer Theil  spiralförmig  zu  einer  Scheibe  (a  und  c)  aufge- 
rollt war.  Der  hintere,  gerade  Theil  des  Electrodendrahtes 
war  von  einem  feinen  Glasrohr  umgeben,   sodass  die  Elec- 


1)  Hom^n,   Elektriska  motstandet  hos  förtunnad   luft.    Helsingfors 
1883;  Wied.  Ann.  26«  p.  55.  1885. 


176  TU.  Homtn. 

tricität  ausschliesslich  von  dem  plattenfonnigen,  vorderen 
Theil  der  Electroden  ausströmte.  In  dem  zweiten  Rohr  be- 
standen die  Electroden  aus  zum  grössten  Theil  von  umhüllen- 
den Glasröhren  bedeckten,  0,7  mm  dicken  Platindrähten. 
Nur  1  mm  der  Drahtenden  war  unbedeckt 

Die  Luftpumpe  war  eine  Töpler'sche  Quecksilber- 
pumpe von  Bessel-Hagen'scher  Construction. ^)  Hähne 
wurden  nicht  angewandt  Um  Luft  oder  ein  anderes  Gras  in 
die  Pumpe  einfahren  zu  können,  war  eine  von  Bessel- 
Hagen  in  oben  citirter  Abhandlung  beschriebene  specielle 
Vorrichtung  mit  der  Rohrleitung  verbunden.  Drucke  unter 
1,8  mm  in  der  Pumpe  konnten  auf  die  von  Bessel-Hagen 
angegebene  Weise  sehr  genau  bestimmt  werden.  Höhere 
Drucke  wurden  durch  Ablesen  des  Quecksilberstandes  in 
dem  barometerähnlichen ,  7,8  mm  weiten  Schenkelrohr  der 
oben  erwähnten  Gaseinführungsvorrichtung  bestimmt 

Als  Rheostatenwiderstand  wurde  eine  Lösung  von  ein 
Theil  Cadmiumjodid  in  zehn  Theilen  Amylalkohol  ange- 
wandt Dieselbe  wird  von  Hittorf)  besonders  empfohlen, 
wenn  es  sich  darum  handelt,  sehr  grosse  Widerstände  her- 
vorzubringen. Auch  ich  fand  die  Lösung  ganz  vortrefflich. 
Ich  gebrauchte  fünf  Glasröhren,  welche  im  Folgenden  mit 
I,  II,  III,  IV  und  V  bezeichnet  werden,  von  etwa  S5  cm 
Länge  und  resp.  28,1,  18,1;  11,0,  7,1  und  4,6  mm  Dorch- 
messer.  Als  Electroden  dienten  Cadmiumplatten  von  beinahe 
demselben  Durchmesser  wie  die  Röhren.  Der  Widerstand 
in  den  Röhren  betrug  bei  den  unten  beschriebenen  Ver- 
suchen etwa  192000;  472000,  1240000;  4  320000  und 
10370000  0hm. 

Um  die  Continuirlicbkcit  des  Stromes  zu  prüfen,  konnte 
ein  Telephon  in  die  Leitung  in  unmittelbarer  Nähe  der  Ent- 
ladungsröhre eingeführt  werden. 


1)  BeBsel-Uagen,  Wied.  Ann.  12«  p.  425.  lt<Sl. 

2)  Hittorf,  Pogg.  Ann.  106.  p.  554.  1859. 


Electricitätsleituriff  der  Gase,  177 

§  2.    Anordnung  der  Versuche. 

Bei  der  Untersuchung  galt  es  zunächst  die  Potential- 
differenz zwischen  den  Electroden  der  Entladungsröhre  bei 
dorchgehendem  galvanischen  Strome  zu  bestimmen. 

Dies  war  bei  früheren  Versuchen^)  so  geschehen,  dass 
die  SUlrke  des  durchgehenden  Stromes  (2),  der  Widerstand 
in  der  Leitung  ausserhalb  der  Entladungsröhre  [R)  und  die 
electromotorische  Kraft  der  Batterie  [E)  gemessen  wurden 
und  so  die  Potentialdifferenz  zwischen  den  Electroden  (r) 
nach  der  Formel  i^{E—r)IR  oder  r^E^iR  berechnet. 

Bei  den  hier  unten  beschriebenen  Versuchen^)  wollte 
ich  die  Potentialdifferenz  zwischen  den  Electroden  der  Ent- 
ladungsrohre bestimmen  können,  ohne  den  Widerstand  und 
die  electromotorische  Kraft  der  Batterie,  welche  schwer  zu 
messen  sind,  bestimmen  zu  brauchen. 

Dies  gelang  mir  auf  folgende  Weise  durch  Benutzung 
derselben  Methode,  welche  in  dem  Voltmeter  zur  Anwen- 
dung kommt  Die  Quecksilbernäpfchen,  von  welchen  die 
EUectrodendrähte  in  die  Entladungsröhren  hineingingen,  wur- 
den durch  eine  Brücke  von  sehr  grossem  bekannten  Wider- 
stände w  miteinander  verbunden  und  die  Stärke  s  des  Zweig- 
stromes in  der  Brücke  beobachtet.  Die  gesuchte  Potential- 
differenz r  zwischen  den  Electroden,  den  Endpunkten  dieser 
Brücke,  ist  also  gleich  ws. 

In  die  Brücke  wurde  auf  jeder  Seite  eines  Galvano- 
meters ein  grosser  Widerstand,  ein  Rohr  mit  der  früher  be- 
schriebenen Lösung  von  Cadmiumjodid  eingeschaltet.  Die  Boh- 
ren waren  gegen  1  m  lang,  5  mm  weit,  und  der  Widerstand 
betrug  in  beiden  zusammen  26  000  000  Ohm.  Das  Galvanometer 
mit  Glockenmagnet  und  grosser  Dämpfung  hatte  30000 
Drahtwindungen,  war  aber  mit  einem  Nebenschluss  versehen, 
wodurch  die  Empfindlichkeit  vermindert  werden  konnte. 

Die  Intensität  2  des  Stromes  in  der  Entladungsröhre 
ist  gleich  der  Stärke  des  unverzweigten  Stromes  weniger 
der   Stärke   s    des    Zweigstromes    in    der    Brücke.     In    die 

1)  Uoinen,  Abth.  1  und  11  moiuer  oben  erwähnten  Publicatioucu  Li 
Acta  Soc.  Sc.  Fennicae.  16.  u.  17.  1886. 

2)  Homen,  Abtb.  III  der  erwähnten  Publieationen. 

Aan.  d.  Phy».  o.  Cbem.    N.  F.   XXXVIII,  12 


178  Th.  Homen. 

unverzweigte  Leitung  war  ein  Galvanometer  eingeschaltet 
Auch  dieses  hatte  einen  Glockenmagnet  und  grosse  Dämpfung. 
Die  Drahtwindungen  waren  aber  nur  200,  und  bei  stärkeren 
StrOmen  musste  noch  eine  Brücke  vor  dem  Galvanometer 
angewandt  werden. 

Auf  Grund  der  grossen  Dämpfung  in  den  Galvano- 
metern stellten  sich  die  Nadeln  bei  Veränderung  der  Strom- 
stärke sehr  schnell  in  die  neue  Ruhelage  ein.  Hierdurch 
konnte  die  Stromstärke  beinahe  sofort  nach  der  Schliessung 
des  Stromes  gemessen  werden ,  was,  um  eine  durch  einen 
dauernden  Strom  verursachte  starke  Erhitzung  des  Gases 
und  der  Electroden  zu  vermeiden,  bisweilen  nothwendig  war. 
Nur  hierdurch  konnten  die  Beobachtungen  auch  bei  höheren 
Drucken  ausgeführt  werden.  Weiter  konnte  die  Stromstärke  in 
dem  Falle,  dass  Schwankungen  derselben  eintraten, /in  jedem 
einzelnen  Augenblicke  gemessen  werden. 

Die  Bohren  mit  den  Scalen  waren  auf  demselben  Stativ 
so  gestellt,  dass  man,  ohne  den  Kopf  zu  bewegen,  mit  dem 
einen  Auge  in  den  einen,  mit  dem  anderen  in  den  anderen 
hineinblicken  konnte.  Die  Beobachtungen  der  beiden  Ströme 
(in  der  unverzweigten  Leitung  und  in  der  Brücke  zwischen 
den  Electroden)  konnten  also  von  einem  Beobachter  sehr 
bequem  so  gut  wie  gleichzeitig  gemacht  werden. 

Alle  Ausschläge  f&r  Stromstärke  wurden  auf  Amperes 
(10-^Amp.)  reducirt.  Die  Beductionszahl  wurde  durch  Ver- 
suche mit  einem  Normaldaniell  bestimmt.  Der  Einfluss  der 
Stromwindungen  in  dem  einen  Galvanometer  auf  die  Aus- 
schläge des  anderen  war  sehr  klein  und  stieg  höchstens  bis  auf 
0,3  Scalentheile.    Correctionen  bierfür  sind  doch  eingeführt 

§  3.    Beobachtungsresultate. 

Es  wurden  bei  verschiedenen  Drucken  mit  den  beiden 
Entladungsröhren  Beobachtungsreihen  gemacht,  in  welchen 
sowohl  der  Abstand  zwischen  den  Electroden,  als  auch  die 
Intensität  des  Entladungsstromes  variirt  wurde;  jenes  um 
den  Luftwiderstand  vom  Uebergangswiderstande  an  den 
Electroden  trennen  zu  können,  dieses  um  zu  prüfen,  ob  die 
PotentialdiflFerenz  zwischen  den  Electroden  constant  ist,  oder 
ob  und  wie  sie  mit  der  Stromstärke  wächst    Die  Stromstärke 


ElectricitäUileitung  der  Gase^ 


179 


wurde  sowohl  durch  Veränderung  der  electromotorischen  Kraft, 
der  Zahl  der  Elemente  der  Batterie,  als  auch  durch  Veränderung 
des  Bheostatenwiderstandes  in  der  unverzweigten  Leitung 
Tariirt  Auf  diese  Weise  wurden  Versuche  bei  0,090, 
0,125,  0,30,  1,73,  6,0,  11,6,  20,7,  40,7  und  80,9  mm  Druck 
gemacht 

Bei  den  drei  niedrigsten  Drucken  wurden  die  Beobach- 
tungen wiederholt  Die  Mittel  derselben  sind  in  den  Tabellen 
angef&hrt  Bei  den  übrigen  Drucken  wurden  der  Controle 
wegen  nur  einzelne  von  den  Beobachtungen  wiederholt,  welche 
jedoch  mit  denen  der  ersten  Beobachtungsreihe  gut  über- 
einstimmen. Bei  diesen  Drucken  sind  die  hintereinander 
gemachten  Beobachtungen  unverändert  in  den  Tabellen  an- 
gef&hrt Die  Ordnung  der  Beobachtungen  war  die,  dass 
bei  einer  gewissen,  zuerst  bei  der  kleinsten  Zahl  der  Elemente, 
die  Beobachtungen  für  verschiedene  Abstände  zwischen  den 
Elementen  angestellt  wurden,  dann  die  Zahl  der  Elemente 
vergröBsert,  diese  Reihe  wiederholt  wurde  und  so  weiter. 

In  den  Tabellen  bezeichnet  i  die  Stromstärke  in  der 
Entladungsröhre  in  10~'  Amperes,  r  die  Potentialdifferenz 
zwischen  den  Electroden  in  Volts. 


Spannkraft  der  Luft    0,088—0,092  mm. 

Aluminiumelectroden. 


Zahl 

\  Rheoet- 

4( 

sm 

10 

cm 

16 

cm 

der 

,  Wider- 
stand 

Abst  zw. 

d.  Eiectr. 

Abst  EW. 

d.  Eiectr. 
r 

Abst.  zw. 

• 

% 

d.  Eiectr. 

Elem. 

• 

r 

• 

t 

!       r 

1 

7.104 

II 

46 

1882 

35 

1287 

0 

^_ 

d.l04 

» 

95 

1443 

89 

1446 

71 

1459 

9.104 

n 

164 

1607 

138 

1620 

118 

1620 

10.104 

n 

218 

1755 

206 

1760 

188 

1768 

11.104 

» 

306 

1893 

280 

1906 

265 

1911 

12.104 

77 

450 

2025 

420 

2041 

400 

2046 

w 

I 

640 

2116 
Platinele 

615 
ctroden. 

2122 

570 

2130 

12.104 

II 

37 

2231 

31 

2231 

24 

2239 

r» 

I 

41 

2246 

34 

2241 

32 

2244 

12 


Spaookrafi  der  Lul't  0,125  mm. 
AlamiDinmelectrodeii. 


i 

m 

10  cm 

le 

cm 

d.Electr.Ab8t.«w 

Elen.  1    Btud 

i 

i 

r 

•■ 

r 

II 

^^ 

907 

60 

918 

40 

920 

6.104 

146 

1063 

IIB 

1076 

106 

1082 

224 

lan 

211 

1217 

190 

1230 

327 

1325 

304 

1347 

278 

1365 

9.104 

430 

1490 

40S 

1495 

380 

1503 

&53 

1622 

622 

1635 

500 

1635 

11.104 

678 

1739 

650 

1755 

620 

176ä 

842 

1S6T 

SOS 

1B72 

765 

1S9D 

i' 

1052 

2049 

1010 

2059 

988 

2070 

12 .  104 

IV 

80 

1872 

26 

11 . 104 

II 

44 

2054 

40 

12.104 

II 

55 

2249 

40 

12.104 

I 

55 

2273 

50 

PUlioelectrodei). 

1903 
2054 
2257 
2278 


1924 
2067 
2282 


Spannkraft  der  Lnft  0,30  mm. 

AlumiDiumcl  ectroden. 


fi 

104 

7 

11)4 

H 

104 

•1 

101 

1(1 

104 

104 

V2 

101 

Zahl 

Rbeost.- 

4 
Abst.  i»- 

m             '            10 
d.E1ectr.  Abstiw 

1            16 

cm 
a.Electr. 

Eiern. 

atand 

.■ 

582 

i 

»■ 

II 

292 

204 

640 

_ 

5.104 

610 

637 

618 

681 

343 

744 

6.  104 

95S 

(;76 

825 

728 

709 

785 

1280 

707 

1180 

759 

1064 

824 

8.104 

1590 

73« 

1504 

T8U 

1930 

759 

1802 

80J 

1705 

»89 

10.104 

2295 

7B0 

2170 

S32 

2067 

894 

5608 

809 

2485 

855 

2361 

918 

12.104 

2910 

835 

2773 

bSi 

2671 

941 

910 

4360 

954 

4"25 

1009 

1-2.104 

5800 

970 

5580 

1014 

52S0 

1076 

Platinelecirodcu. 

894     ■ 

_ 

„ 

1069     ' 

66 

1087 

1264 

67 

1269 

9->,7 

1443 

1586 

118,2 

1612 

1TÜ3 

132 

1786 

1342 

ito    ■ 

IH55 

211H 

1S7 

2129 

107,5       1625 


B^eciricitätsleitany  der  Gase, 


181 


4.104 
6.104 
7.104 
8.104 
12.101 


Spannkraft  der  Luft   1,73  mm. 
Aluminiamelectroden. 


Zahl 

Rlieost.- 

4  cm 

10 

cm 

16 

cm 

der 

Wider. 
stand 

Abst  zw. 

d.E]ectr. 

Abst  zw. 

d.Electr. 

Abst.  zw. 

d.£lectr. 

Eiern. 

• 

t 

r 

• 

1 

r 

• 

t 

r 

4.104 

II 

490 

494 

^^^ 

^^_ 

,„_ 

5.104 

n 

920 

494 

530 

689 

— 

— 

6.104 

" 

1350 

494 

955 

694 

— 

— > 

7.104 

1796 

489 

1370 

689 

760 

978 

8.104 

2204 

484 

1768 

689 

1114 

988 

9.104 

2600 

486 

2176 

681 

1484 

1006 

10.104 

2996 

486 

2537 

728 

1834 

1006 

11.104 

8339 

491 

2874 

715 

2109 

1014 

12.104 

8749 

491 

3232 

715 

2583 

1006 

8.104 

4793 

497 

8778 

723 

2570 

1009 

10.104 

6536 

491 

5390 

731 

4202 

1009 

12 .  104 

8168 

499 

6917 

759 

5730 

1011 

4.104 

II 

5.104 

» 

6.104 

»> 

7.1ü4 

f» 

8.104 

)» 

9.104 

n 

10.104 

»> 

11.104 

» 

12.104 

n 

II 
I 


803 
435 

655 

790 

1017 

1425 

1382 


380 
1215 
1615 
1858 


Platinelectroden  a. 


785 
897 

112S 
1212 
1310 
1310 
1508 


Platinelectroden  b. 


46 

725 

^ 

166 

853 

— 

289 

959 

131 

385 

1099 

234 

540 

1217 

830 

665 

1321 

441 

795 

1427 

574 

909 

1544 

655 

1037 

1685 

760 

1017 
1162 
1310 
1451 
1550 
1674 
1807 


546 

— 

546 

835 

749 

567 

— 

— 

577 

1507 

772 

<— 

5047 

1048 

1031 


975 


Bei  den  zwei  niedrigsten  Drucken  wächst,  wie  ersicht- 
lich, in  beiden  Höbren  die  Potentialdifferenz  r  zwischen  den 
Electroden  stark  mit  dem  Entladungsstrom  f,  kaum  merk- 
bar dagegen  mit  dem  Abstände  zwischen  den  Electroden. 
Bei  den  zwei  höheren  Drucken  wächst  r  immer  weniger  mit 
der  Stromstärke,  im  Rohr  mit  den  Aluminiumelectroden  ist 
sie  schon  bei  1,73  mm  Druck  beinahe  constant,  wächst  da- 
gegen mehr  mit  der  Schlagweite.  Dies  beobachtet  man  am 
besten  bei  der  graphischen  Darstellung  der  Kesultate  Fig.  3. 
Daraus  ersieht  man  auch,  wie  der  Widerstand  im  Bohre 
mit  den  Platinelectroden  viel  grösser  ist  als  im  Bohre  mit 
den  Aluminiumelectroden. 


182  Th.  Homen. 

Die  Licbterscheinangen  waren  bei  diesen,  wie  bei  den 
folgenden  höheren  Drucken  sehr  intensiv,  sogar  am  hellen 
Tage  sehr  deutlich.  Sie  zeigten  die  Gestalt  einer  soge- 
nannten Glimmentladung,  bestanden  also  aus  einem  von  der 
Kathode  ausstrahlenden  allmählich  schwächer  werdenden 
Kathodenlichte  und  einem  hellleuchtenden,  schön  geschich- 
teten röthlichen  positiven  Lichte.  Zwischen  ihnen  war  der 
dunkle  Raum.  Bei  den  zwei  niedrigsten  Drucken  hatte  das 
Kathodenlicht  eine  Ausdehnung  von  etwa  12  cm,  bei  den 
zwei  höheren  von  nur  etwa  4  und  1  cm.  Das  positive  Licht 
dagegen  erstreckte  sich  viel  weiter,  näher  an  die  Kathode 
bei  den  höheren  Drucken,  als  bei  den  niedrigsten.  Ferner 
zieht  sich  bei  diesen  vier  Drucken  das  positive  Licht  weiter 
von  der  Kathode  zurück  ^  wenn  die  Stromstärke  verwässert  wird. 
Dagegen  behält  das  positive  Licht  seinen  Platz  unverändert, 
wenn  die  Anode  vorwärts  oder  rückwärts  geschoben  wird. 
Das  positive  Licht  folgt  also  nicht  mit,  wenn  die  Anode  von 
der  Kathode  z.  B.  entfernt  wird,  (es  treten  nur  neue  Schich- 
ten an  der  Anode  hervor)  rückt  vielmehr  näher  an  die  Ka- 
thode in  dem  Maasse,  als  die  Stromstärke  hierbei  vermindert 
wird. 

Bei  dem  Druck  von  1,73  mm  ist  eine  Eigenthümlichkeit 
zu  erwähnen.  Im  Rohre  mit  den  Platinelectroden  zeigten 
sich  zwei  deutlich  verschiedene  Formen  des  negativen  Lich- 
tes, welche  verschiedenen  Werthen  des  Uebergangswider- 
standes  entsprechen.  Bei  der  gewöhnlichen  Form,  welche 
den  Beobachtungen  in  der  Tabelle  a  entspricht,  war  die  Ka- 
thodenspitze von  einer  kleinen  Lichtkugel  umgeben,  bei  der 
anderen  Form,  welche  den  Beobachtungen  in  der  Tabelle  b 
entspricht,  hatte  das  negative  Licht  eine  viel  grössere  Aus- 
dehnung. Es  erfüllte  die  ganze  Röhrenweite  und  streckte 
sich  ungefähr  2  cm  hinter  die  Kathode  und  ein  wenig  auf 
die  Vorderseite  derselben.  Als  dieses  Licht  auftrat,  war 
der  Widerstand  gleich  dem  im  Rohre  mit  den  Aluminium- 
electroden. 

Alles  dies  gilt  von  den  Lichterscheinungen  bei  continuir- 
lichem  Strome.  Wenn  die  Entladung  intermittirend  war, 
was  bei  Anwendung  der  grossen  Rheostatenwiderstände  V 
oder  IV  der  Fall  eintreten  konnte,  und  wobei  das  Telephon 


Electricitätsleitung  der  Gase. 


183 


tönte,  waren  die  Lichterscheinungen  unruhiger,  veränder- 
licher und  Ton  äusseren  Verhältnissen  sehr  abhängig.  Wenn 
man  z.  B.  den  Finger  der  Höhre  näherte,  veränderte  sich 
das  Licht  bedeutend,  während  bei  continuirlichem  Strome 
das  Licht  ganz  unempfindlich  für  das  Annähern  eines  Lei- 
ters war. 

Spannkraft  der  Luft   6,0  mm. 
AluminiumelectrodeiL 


Zahl 

der 

£lem. 


Bheo8t-;        1  c™ 
Wider-  ^**"'' *^' *•  **•^• 

stand 


5.104 

n 

1207 

6.104 

» 

— 

7.104 

n 

2068 

8.104 

n 

— 

9.104 

n 

— 

10 .  104 

n 

8191 

11.104 

>» 

^.a 

12.104 

»> 

8968 

10.104 

I 

— 

12.104 

»> 

8754 

825 

828 

880 

828 
885 


4  cm 

Abit  sw.  d.  ElMtr. 


896 
1888 
1805 
2205 
2548 
2890 

8285 
3672 
6420 
8030 


10  cm 
Abtt  zw.  d.  Eleotr. 


16  cm 

Abit  iw.  d.  £I««tr. 


460 
460 
460 
463 
447 
458 

476 
466 
484 
486 


1018 
1868 
1739 
2052 


2185 

2478 
3681 


809 
811 

882 
829 


1004 
1082 
1058 


5804   1058 


906   1204 
0  i  — 


1056  !  1485 

1330  i  1550 

0  •  — 


2586 


1656 


Platinelectroden. 


Zahl 

Rheost- 

4  cm 

10  cm 

16 

cm 

der 

Wider- 

£lem. 

stand 

• 

t 

1 

r 

• 

r 

• 

r 

4.104 

U 

280 

546 

^^ 

,  , 

j,  1^ 

^_^ 

5.104 

n 

495 

676 

175 

848 

— 

6.104 

)) 

730 

764 

248 

954 

— 

— 

7.104 

» 

908 

842 

436 
[722 

1050 
1134 

160 

1214 

8.104 

n 

1150 

910 

•     •     •     • 

480 

•     •     • 

1253 

324 

1352 

9.104 

n 

1338 

970 

892 

1214 

452 

1458 

n 

1562 

1066 

flll8 
l       800 

1290 

1427 

10. 104 

520 

1560 

11.104 

» 

1758 

1147 

975 

1474 

580 

1768 

12.104 

w 

1937 

1261 

1100 

1615 

562 

1980 

» 

I 

7456 

619 

2150 

1755 

770 

2080 

Die  Potentialdifferenz  r  ist,  wie  ersichtlich,  constant  im 
Rohre  mit  den  Aluminiumelectroden,  sie  nimmt  zu  bei  dem 
mit  Platinelectroden  mit  der  Stromstärke  und  wächst  dabei 
und  den  folgenden  höheren  Drucken  immer  mehr  mit  der 
Schlagweite. 


184  Th.  Homen. 

Die  Lichterscheinungen  bilden  bei  diesem  Druck  eine  Ueber- 
gangsform  zu  denen  bei  den  höheren  Spannungen  ^  wo  das 
positive  Licht  j  vom  Abstände  zuischen  den  Electroden  unabhängig y 
nur  bei  grosser  Stromstärke  auftritt.  Hier  trat  das  Licht  nur 
bei  grösseren  Schlagweiten,  sowie  bei  den  niedrigeren  Drucken, 
für  diese  Schlagweiten  aber  nur  bei  grösserer  Stromstärke, 
als  bei  den  höheren  Spannungen  auf.  Die  punktirte  Linie 
in  den  obigen  Tabellen  bezeichnet,  bei  welcher  Stromstärke  das 
positive  Licht  aufzutreten  begann.  Der  Widerstand  im 
Entladungsrohr  nahm  dabei  bedeutend  zu,  wie  aus  den  Be- 
obachtungen ersichtlich  ist. 

Im  Rohre  mit  den  Platinelectroden  konnte  bei  10  cm 
Schlagweite  das  positive  Licht  bei  derselben  Zahl  der  Ele- 
mente bisweilen  auftreten,  bisweilen  nicht.  Die  beim  Auf- 
treten des  positiven  Lichtes  erhaltenen  Beobachtungen  sind 
in  der  Tabelle  ein  wenig  rechts  von  der  Reibe  geschrieben. 

Das  positive  Licht  hatte  ganz  dasselbe  Aussehen  in 
beiden  Röhren,  war  ungeschichtet,  leuchtete  hell  und  erfüllte 
die  ganze  Weite  der  Röhre.  Im  Rohre  mit  Platinelectroden 
behielt  die  scharf  begrenzte  Vorderfläche  des  Lichtes  ziem- 
lich constant  einen  Abstand  von  5  bis  5,5  cm  von  der 
Kathode.  Im  Rohre  mit  Aluminiumelectroden,  wo  die  Strom- 
stärke grösser  war,  konnte  man,  im  Gegensatz  zu  den  Yer- 
liältnissen  bei  den  niedrigeren  Drucken,  beobachten,  dass  sich 
das  positive  Licht  bei  Vergrosserung  der  Stromstärke  bis  näher 
an  die  Kathode  erstreckte.  Von  ungefähr  7  cm  bei  kleinerer 
Stromstärke  verminderte  sich  der  Abstand  zwischen  der  Ka- 
thode und  dem  positiven  Lichte  zu  nur  4  cm  bei  grösserer 
Stromstärke.  Der  Grund  zu  diesen  Verhältnissen  liegt  wohl 
darin,  dass  bei  den  niedrigeren  Drucken  das  Kathodenlicht 
stark  ausgebildet  ist,  bei  wachsender  Stromstärke  sich  mit 
Gewalt  ausdehnt  und  das  positive  Licht  zurücktreibt,  wäh- 
rend bei  den  höheren  das  Kathodenlicht  ganz  klein  ist,  wo- 
durch bei  wachsender  Stromstärke  das  positive  Licht  sich 
frei  ausdehnen  kann. 

Schon  bei  diesem  Druck,  und  noch  mehr  bei  den  höhe- 
ren, musste  man,  um  eine  Entladung  überhaupt  hervorzu- 
bringen, den  Abstand  zwischen  den  Electroden  zuerst  ziem- 
lich klein  nehmen  und  dann^  nachdem   die  Entladung  sich 


ElectricitäüUüung  der  Gase. 


185 

eiDgesetzt  hatte,  die  Anode  mit  dem  Hufeisenmagnet  schnell 
aof  den  gewünschten  Abstand  Ton  der  Eathode  stellen. 
Auch  aaf  diese  "Weise  erlischt  indess  die  EntladuDg,  beson- 
ders in  der  fiöbre  mit  Alumininmelectroden,  schon  ehe  die- 
jenige Scblagweite  erreicht  wird,  für  welche  die  Potential- 
differenz  im  Entladangsrobr  soviel  Tolts,  wie  die  electromo- 
torische  Kraft  der  Batterie  beträgt  Es  wird  also,  nicht  nur 
um  eine  Entladung  einzuleiten,  sondern  auch  um  sie  an- 
dauern KU  lassen,  eine  «jtwas  grössere  electromotorische 
Kraft,  als  die  theoretisch  nothwendige,  erforderlich  sein. 

Spannkraft  der  Luft   11,6  mm. 
Alamimamelectroden. 


1  cm  Abat 

4cmAbet.|,,„Al„, 
^J     ;zw.d.Electr. 

10cm  Abel. 

13cm  Abat. 

der    1 
Eleni.  1 

Wider- 
aUnd 

EW.  d. 

Electr. 

zw.  d. 
Electr. 

zw.  d. 
Electr. 

•    1    •• 

»        r 

*    1   '■ 

6.10* 

IT 

1410  1  400 

_ 

7.104 

1  1802  1  998 

1932    637        ~ 

S.104 

1  2188  ,  398 

1612   655,     975 

1001 

9.10* 

!  2572  1  S98 

11)58  1  650;    1328 

1<H)1 

10.104 

2S22    406 

239t!655      1620 

HVh 

11.104 

13236    «8 

2707    655'    1927 

1017 

12191352    -    .    - 

12.104 

'3623    411 

3061    683      2306 

lllHf) 

187011433    —        — 

10.104^ 

1 

j  6335  '  408 

5037  ,  666  ;      - 

Ig.l04j 

A 

7896  i  408 

6741    663 1    4965 

1014 

3146.14331490    1791 

>. 

27000   655  1  19051 

1006 

11167  1485 

288s 

1890 

PUtioelectrodc  d  . 


7«hl 

Hheo«.- 

■Und 

i    '  r\     i     1  r 

---r|T| . 

□em. 

i 

'\  ' 

r 

3.104 

II    Tl4o!41ll     _    _      _ 

_  ■_    — 

4.104        .,       i  ö72]4B3i     262  585      - 

S.IO«        n       '■■  B455I5      500627,     190    806'     — 

8.104        ,.        1147  556      759  725      398,897      - 

S.104I       >.       |1728;642!   1Ö1H861'     800 10li3      43C 

1MK4 

10. 104'       ,,        23d5!720,   18869491  1227, 1290'     763 

1451] 

375 

1B54  102  1794 

12.104        ..        3048  767!  2478  9981  1774  1344    1147 

1890,343  2064 

" 

I 

—   |  — ;   6168  655 

3160 

1511    1703 

18S0 

988 

2002  438  2135 

5L'C0  646  l;j963l  9SS  10753  14^9.^^  15  2074  720  22(i5 


Die  Potentialdifferenz  ist  zwischen  den  Alumininmelectro- 
den coDstant,  zwischen  den  Platineiectroden  mit  der  Strom- 
stärke zunehmend. 


186 


TA.  Homen. 


Der  neue,  bei  diesen  und  den  höheren  Drucken  ange- 
wandte Widerstand  A  bestand  aus  fünf  Neusilberdrähten 
und  betrug  37400  Ohm. 

Die  Lichterscheinung  war  ziemlich  gleich  der  bei  6,0  mm 
Druck,  nur  dass  das  positive  Licht  erst  bei  noch  grösserer 
Stromstärke  auftrat,  als  der  Widerstand  A  angewandt  wurde. 
Es  war  ungeschichtet,  erf&llte  die  ganze  Weite  der  Röhren 
und  näherte  sich  in  beiden  Röhren  bei  zunehmender  Strom- 
stärke der  Kathode  von  4  und  6  bis  zu  2  cm  Entfernung. 
Bei  18  cm  Schlagweite  trat  bei  der  Aluminiumanode  eine 
1  cm  lange,  bei  der  Platinanode  eine  3  cm  lange  Säule  des 
positiven  Lichtes  auf.  Die  punktirte  Linie  in  den  Tabellen 
bezeichnet,  wie  früher,  bei  welcher  Stromstärke  das  positive 
Licht  aufzutreten  begann. 

Spannkraft  der  Luft  20,7  mm. 
Aluminiumelectroden. 


Zahl 
der 

Rheost- 
Wider- 

1 cm 
Abftt  nr.  d.  Eleetr. 

4  cm 

Abstsw.d.ElMtr. 

7  cm 

Abitur.  dEleotr. 

10  cm 
Abfli  1«.  d.  Bleotr. 

Elem. 

stand 

• 

r 

• 

t 

r 

• 

t 

r 

• 

r 

7.104 

8.104 

9.104 

10 .  104 

11.104 

12 .  104 

13 .  104 

14 .  104 
10 .  104 
12.104 
14 .  104 

II 
Ä 

1985 
2440 
3004 
3422 
3868 
4296 
4670 
5237 
7915 
9908 
11749 

485 
480 
500 
502 
490 
480 
502 
480 
495 
495 
517 

1392 
1850 
2290 
2770 
3177 
3628 
4041 
5323 
7534 
9595 

940 
962 
957 
957 
982 
980 
980 
980 
937 
920 

— 

1015 
1407 
1844 
2135 
2515 

4186 
6095 

1505 
1537 
1537 
1550 
1562 

1540 
1505 

1080 
2736 

2212 
2142 

» 

1 
1 

32268 

800 

24942  * 

1417 

10050 

2030 

Platinelectroden. 


Zahl  d.  Rheost.- 

1  cm           4  cm              7  cm 

10  cm 

13  cm 

Elem.  Widerst. 

t      1    r         »      1    r 

%          r 

• 

r 

i    1     r 

4.104 

II 

554  550 

1 

^^ 

j 

„_ 

6.104 

1490  550 

368 1002      —        — 

— 

1 

— 

8.104 

2330  547 

1256  1007       205    1455 

— 

-~ 

10.104 

'* 

3305  535 

2217    982,      800   1607 

— 

— 

— 

_— 

12.104 

4199  535 

3128    992'    1673    1587 

347 

2137 

—  1    — 

14.104 

5020  522 

3910    992     2511    1555 

1030 

2180    175   2572 

12.104 

\ 

9740  495 

7220   955     4320    1502 

— 

1  ■ 

41.104 

»> 

12000  445 

10030!  955 

'    6970 '1370 

3085 

2058 

180 

2652 

.35000.  640  25000  ,  1097  \  4465    2250  ;  126    2607 


ElectricitäUleitung  der  Gase, 


lö7 


Die  Potentialdifferenz  r  zwischen  den  Electroden  ist 
constant  und  gleich  in  beiden  Röhren. 

Der  Widerstand  in  den  Eheoatatenröhren  I^  U,  III, 
IV  und  y  betmg  bei  diesen  und  den  folgenden  Versuchen 
166000,  430000,  1060000,  4180000  und  8  690000  Ohm, 
und  in  der  Brücke  zwischen  den  Electroden  zusammen 
25000000  Ohm.  Der  Widerstand  A  betrug  wie  früher 
37000  Ohm. 

Das  positive  Licht  trat  nur  bei  allergrÖsster  Stromstärke  aufy 
bei  den  Versuchen  mit  dem  Widerstände  A.  Es  erstreckte 
sich  in  beiden  Röhren  bis  1  oder  1,5  cm  Abstand  von  der 
Kathode,  erlosch  aber,  wenn  bei  Vergrösserung  der  Schlag- 
weite die  Stromstärke  zu  klein  wurde,  im  Rohre  mit  Alu- 
miniumelectroden,  also  bei  ungefähr  10,5  cm  Schlag  weite  und 
9000  X  10"*  Ampfere  Stromstärke,  im  Rohre  mit  Platin- 
electroden  schon  zwischen  7  und  10  cm  Schlagweite  bei  etwa 
10000  X  10-^  Ampere.  Bei  10  cm  Schlagweite  zwischen  den 
Aluminiumelectroden  und  7  cm  zwischen  den  Platinelectro- 
den  war  das  positive  Licht  in  der  Mitte  abgebrochen,  sodass 
es  aus  zwei  gleichen  Theilen  oder  Schichten  bestand.  Bei 
kleinerer  Schlagweite  erfüllte  das  positive  Licht  die  ganze 
Röhrenweite. 

Wenn  das  eigentliche  positive  Licht  nicht  erschien,  waren 
beide  Electroden  mit  dünnen  Lichthüllen  bedeckt. 

Spannkraft  der  Luft   40,7  mm. 

Aluminiumelectroden. 


Zahl    Rheost- 
der      Wider- 
Elem.     stand 


1  cm  Abst  2  cm  Abst.  3  cm  Abst  4  cm  Abst. 


zw.  d. 
Electr. 


sw.  d. 

Electr. 


zw.  d. 
Electr. 


zw.  d. 
Electr. 


6  cm  Abst. 
zw.  d. 
Electr. 


9.104 
10.104 
11.104 
12.104 
13.104 
14.104 
»> 

»» 


n 

» 

n 
»> 
>i 
I 


2545  590   — 
3050  ,  592  2337 
8600!  580  I  — 
4112  I  597  3472 
4510' 602  I  — 
48851575  4265 


865  i  17421173'  — 


800 

808 


11240  610  100101788 


—  !  1419 


2835il093 


3608 
8580 


1095 
1070 


2084 
2420 
2883 
7120 


1483 
1405 
1430 
1403'  1510  2005 


1335,  8765 


1975 


30000  875  27000' 1085  115000  1750 


18S 


TU.  Homtn, 
Platinelectroden. 


Zahl 
der 

Rheost- 

Wider- 

stand 

1< 
Abst  zw. 

un            '            4  cm 

d.£lectr.!Ab8t.  zw.  d.£lectr. 

1 

Abst  zw. 

sm 
d.£lectr. 

Eiern. 

• 

r 

r 

• 

t 

r 

6.104 

II 

1059 

612 

„__ 

— 

^^^ 

7.104 

1508 

702 

— 

— 

— 

— 

8.104 

2100 

660 

259 

1495 

— 

— 

9.104 

2582 

660 

529 

1527 

— 

10 .  104 

3012 

660 

1045 

1482 

— 

— 

11.104 

8420 

675 

1505 

1495 

— 

— 

12 .  104 

3780 

675 

2162 

1890 

115 

2227 

13 .  104 

4160 

725 

2440 

1450 

386 

2350 

14 .  104 

4610 

730 

2870 

1475 

785 

2850 

» 

Ä 

11400 

700 

6860 

1855 

1740 
8520 

2375 

» 

80500 

850 

2442 

Die  PoteDtialdifferenz  r  ist  constant  und  gleich  in  beiden 
Röhren. 

Dass  bei  diesem  wie  bei  dem  folgenden  80,9  mm  hohem 
Druck  die  Beobachtungsreihen  nicht  so  regelmässig  sind,  wie 
bei  den  niedrigeren  Drucken,  kann  zum  Tbeil  auf  der  grösse- 
ren Erhitzung  des  Gases  bei  der  Entladung  beruhen,  zum 
Theil  auch  darauf,  dass  Fehler  bei  der  Einstellung  der  Elec- 
troden  bei  diesen  Drucken,  wo  der  Widerstand  einer  1  mm 
langen  Luftsäule  schon  bedeutend  ist^  auf  die  Resultate 
einwirken  können. 

Die  LichterscheinuQg  war  ganz  gleich  der  bei  20,7  mm 
Druck,  mit  Ausnahme,  dass  das  positive  Licht  nicht  die 
ganze  Röhrenweite  erfüllte.  Bei  6  und  7  cm  Schlagweite 
war  es  in  zwei  Theile  getheilt,  erlosch  aber  im  Rohr  mit 
Platinelectroden  bei  7  cm  Schlagweite.  Für  1  cm  Schlag- 
weite wurden  hier,  wie  bei  20,7  mm  Druck,  keine  Versuche 
mit  Anwendung  des  Widerstandes  A  gemacht.  Schon  bei 
4  cm  Schlagweite  wurde  nämlich  die  Erhitzung  des  Gases 
so  stark,  dass  die  auf  die  Aussenseite  der  Röhren  ange- 
klebten Scalenpapierstreifen  bei  Andauern  des  Stromes  ver- 
sengt wurden.  Bei  1  cm  Schlagweite  würde  die  Stromstärke 
und  Erhitzung  noch  grösser  werden. 


ElectricUätskifung  der  Gase, 


189 


Spannkraft  der  Luft   80,9  mm. 
Alaminiamelectroden. 


Zmhl    Bheost- 
dcr      Wider- 
£lein.     stand 


0,2  cm 
Amt  zw. 
d.  Electr. 


1 em  2  cm 

Abst  zw.  ,  Abst  zw. 
d.  Electr.     d.  Electr. 


8  cm 
Abst.  zw. 
d.  Electr. 


4  cm 
Abst  zw. 
d.  Electr. 


9.104 
10.104 
11.104 
12.104 
18.104 
14.104 
10.104 
12.104 
14.104 

6.104 

8.104 
10.104 

12.104 
14.104 


II 

» 

n 
n 
» 
I 
n 

Ä 

» 
n 

n 
n 


2754 

457  1 

3271 

440 

3685 

410 

4150 

405 

4552 

452 

4985 

450 

7900 

417 

9640 

422 

11880 

400  ; 

__  1 

_ 

— 

2960  717 

8878  740 

8970  710 

4389  740 

6806  787 

8480  665 

10890  I  698 

9120  662 


2480 
8050 
8505 
4730 
6878 
8200 


—       —     16800   645 
25800   405   21900  i  640 


—  487 


.27500 :  612 
83700  600 


6960 
16900 


1135 
1090 
1075 
1115 
1115 
1075 


1110 
1000 


2046 
2578 


6360 


1520'  — 
1490   — 


1435 


1850 


4244  1870 


22800  925 
29210'  875 


8210 


15800  '1332 
23800' 1200 


9800 
17700 


1697 
1610 


Platinelectroden. 


8.104 

II 

2095  555 

— 

— 

— 

— 

10.104 

n 

3030  553 

2458 

812   1150  1850 

8,8 

1825 

— 

— 

12.104 

n 

3944  503 

3250 

812  .  2282  1262 

1205 

1625 

— 

— 

14.104 

»» 

4720  485 

4133 

755   3330  1105 

23T2 

1542 

—  .  — 

10.104 

I 

7080  1  535 

6450 

675   4550  1065 

31 

1850 

_^   ___ 

12.104 

« 

9517  450 

8670  ;  673 

6320  1030 

4127 

1445 

1450  1975 

14.104 

>i 

110251475 

9820  723 

7980  1050 

6080  1420 

4150  1862 

6.104 

A 

12700 !  487 

8280  •'  670 

;  7150  1058 

8.104 

»» 

21400  370 

16700  645 

1 
10400  900 

10.104 

22100  553 

16700  875 

'6200  1473 
19300  1105 

12.104 

30500  413  ,26000  737 

8620  1725 

U.lOi 

„ 

—   — 

—— 

32000  650 

1052 

13800 

1647 

Die  Potentialdififerenz  r  ist  constant  und  gleich  in  beiden 
Röhren. 

Das  positive  Licht  trat  bei  diesem  wie  bei  den  vorher- 
gehenden Drucken  nur  bei  der  grössten  Stromstärke  hervor, 
bildete  aber  hier  eine  Lichtsäule  von  kleinerem,  ungefähr 
0,5  cm  grossem  Durchmesser.  Der  Abstand  zwischen  der  Ka- 
thode und  diesem  Lichte  betrug  in  beiden  Röhren  0,5  bis 
1  cm.  Bei  4  cm  Schlagweite  hatte  die  positive  Lichtsäule 
eine  Verengerung  auf  der  Mitte,  bestand  also  aus  zwei  zu- 
sammenfliessenden  Theilen. 


190  TL  Homen. 

§  4.    Der  Luftwiderstand. 

Für  Berechnung  der  Werthe  des  Luftwiderstandes  und 
des  Uebergangswiderstandes  an  den  Electroden  aus  den  an- 
gefahrten Beobachtungen  haben  wir  dieselben^)  graphisch 
verzeichnet  Der  Uebersicht  wegen  sind  einige  von  diesen  Be- 
obachtungsreihen, nämlich  die  bei  0,125;  0,30;  1,73;  11,6  und 
20,7  mm  Druck  auch  hier  in  kleinerem  Maassstab  wiederge- 
geben. Die  Abscissen  bezeichnen  die  Stromstärke  in  10"^  Am- 
pere, die  Ordinaten  die  PotentialdifiPerenz  zwischen  den  Elec- 
troden der  Entladungsröhre  in  Volt  Die  Zahl  neben  jeder 
Curve  gibt  den  Abstand  zwischen  den  Electroden  an.  Die 
Curven  zeigen  also,  wie  bei  verschiedenem  Abstände  zwischen 
den  Electroden  die  Potentialdifferenz  zwischen  diesen  mit 
der  Stromstärke  variirt  Die  Curven,  welche  sich,  auf  die 
Versuche  mit  den  Aluminiumelectroden  beziehen,  sind  voll, 
die  für  die  Versuche  mit  den  Flatinelectroden  gebrochen 
gezeichnet. 

Die  Curven  verlaufen  sehr  regelmässig,  beinahe  ganz 
ohne  Schwankungen,  sodass  die  Kesultate  bestimmt  und  zu- 
verlässig sind.     Wir  tinden  also: 

1)  dass  für  beide  Electrodenpaare  die  Curven  bei  den 
höheren  Drucken  horizontal  und  in  grosser  Entfernung  von 
einander  laufen,  bei  den  niedrigeren  dagegen  mehr  und  mehr 
schief  aufsteigend  und  zusammen, 

2)  dass  aber  bei  jedem  Druck  die  Curven,  sei  es,  dass 
sie  horizontal  oder  schief  sind,  doch  immer  einander  parallel 
laufen.*) 

Der  verticale  Abstand  zwischen  den  Curven  gibt  nun 
an,  um  wieviel  die  Potentialdifferenz  zwischen  den  Electroden 
der  Entladungsröhre  bei  Vergrösserung  der  Schlagweite  wächst 
Bei  den  höheren  Drucken  wächst  also  diese  Potentialdiffe- 
renz rasch  bei  Vergrösserung  der  Schlagweite,  bei  den 
niedrigsten  sehr  wenig.    Dies  zeigt,   dass   bei  den  höheren 


1)  Homen,  Acta  Soc.  Sc.  Fenn.  17.  1888. 

2)  Dass  bei  6,0  und  1 1,6  mm  Druck  die  Curven  für  die  grösseren 
Schlagwcitcn  bei  gewisser  Stromstärke  eine  Discontinuitftt,  eine  plötsliche 
Steigung  zeigen,  beruht  darauf,  dass  das  positive  Licht  bei  dieser  Strom- 
stärke plötzlich  auftritt,  und  der  Widerstand  dabei  wächst  Danach 
laufen  die  Curven  wieder  in  der  vorigen  Richtung. 


Electricitätakitung  der  Gase,  191 

Spannungen  der  Widerstand  der  Luftsäule  selbst,  welcher 
mit  der  Länge  der  Luftsäule  wachsen  muss,  überwiegt,  dass 
bei  den  niedrigsten  dagegen  ein  von  der  Länge  der  Luft- 
säule unabhängiger  Uebergangswiderstand  an  den  Electroden 
herTortritt,  während  der  Luftwiderstand  selbst  nur  ganz  klein 
ist  und  mit  der  Verdünnung  immer  kleiner  und  kleiner  wird. 
Da  nun  aber  bei  jedem  Druck  die  verschiedenen  Curven 
einander  parallel  sind,  der  verticale  Abstand  zwischen  den- 
selben also  überall,  für  jeden  Werth  der  Abscisse,  der  Strom- 
stärke, derselbe,  so  folgt,  dass  der  Zuwachs  der  Potential- 
differenz im  Entladungsrohr  bei  Vergrösserung  der  Schlag- 
weite constant,  yon  der  Stromstärke  unabhängig  ist.  Die 
I^fiemiutld^erenz  zweier  Querschnitte  der  Luftsäule  ist  also  con- 
stanij  van  der  Stromstärke  unabhängig. 

Auch  Hittorf  ^)  fand,  wenn  ein  stetiger  Strom  durch 
eine  Geissler'sche  Röhre  geleitet  wurde,  die  Spannungs- 
differenz zweier  Querschnitte  des  positiven  Lichtes  constant, 
von  der  Stromstärke  unabhängig;  die  Ladung  eines  Conden- 
sators,  dessen  Belege  mit  zwei  Aluminiumdrähten  verbun- 
den waren,  welche  durch  die  Wände  der  Entladungsröhre 
in  das  positive  Licht  hineinragten,  war  nämlich  constant 
Das  Licht  übt  indessen  in  dieser  Beziehung  keinen  Einfluss 
aus;  auch  bei  Entladung  ohne  Licht  oder  im  dunklen  Haume 
zwischen  dem  positiven  und  negativen  Lichte  ist,  wie  oben 
gezeigt,  die  Potentialdifferenz  zweier  Querschnitte  der  Gas- 
säule constant.  Und  nach  meiner  Ansicht  ist  gerade  der  Wider- 
stand  bei  Entladung  ohne  Licht  oder  der  Widerstand  im  Theile  der 
Entladungsbahn y  wo  kein  Licht  auftritt,  als  der  normale  Wider- 
stand des  Gases  zu  bezeichnen.  Und  dieser  Widerstand  muss,  weil 
die  Potentialdifferenz  zweier  Querschnitte  der  Gassäule  constant 
ist,  in  derselben  Einlieit  wie  die  electromotorische  Kraft  gemessen 
werden. 

Man  könnte  allerdings  sagen,  wie  Hittorf  in  Bezug  auf 
das  positive  Licht  schreibt:  „Wollte  man  für  den  positiven 
Theil  der  Gasstrecke  bei  den  verschiedenen  Stromstärken 
die  Länge  eines  Drahtes  substituiren ,  ohne  dass  die  Inten- 
sität des  Stromes  eine  Aenderung  erfährt,  so  müsste  dieselbe 


1)  Hittorf,  Wied.  Ann.  20,  p.  705.  1884. 


192  Th.  Bornen. 

letzterer  umgekehrt  proportional  genommen  werden.  Wir 
können  daher  auch  sagen:  Das  Lcitnngsvermögen  der  posi- 
tiven Gasstrecke  nimmt  proportional  der  Stromstärke  zu'^ 
Man  erhält  also  bei  Durchgang  der  Electricität  dnrch  Grase, 
wenn  man  von  dem  Uebergangswiderstande  an  den  Elec- 
troden  absieht,  statt  der  Ohm'schen  Formel  die  Formel 
i=3^/(Ä  +  r/i),  wo  r/i  den  Gaswiderstand  und  B  den  Wider- 
stand der  übrigen  Leitung  bezeichnen.  Diese  Formel  ist 
aber  mit  der  einfacheren  i=^{E'-r)IB  identisch,  nach  wel- 
cher der  electrische  Widerstand  der  Gase  in  derselben  Ein- 
heit wie  die  electromotorische  Kraft  zu  messen  ist.  Nur 
bei  einer  derartigen  Messung  kann  der  Gaswiderstand  durch 
eine  constante  Zahl  ohne  Zusammenhang  mit  etwas  anderem 
angegeben  werden.  Die  andere  oben  besprochene  Auffassungs- 
weise ist  auch  dadurch  unhaltbar,  dass  bei  kleiner  electro- 
motorischer  Kraft  gar  kein  Strom  durch  das  Gas  geht, 
dass  es  also  dann  keinen  Rheostatenwiderstand  gibt,  welcher 
für  den  Gaswiderstand  substituirt  werden  kann. 

Den  Namen  Widerstand  möchte  man  wohl  der  letzten 
Formel  gemäss  vermeiden  und  statt  dessen  von  einer  electro- 
motorischen  Gegenkraft  der  Gase  sprechen.  Wir  behalten 
dennoch  den  Namen  Widerstand  bei,  davon  dem  Widerstände, 
den  die  Luft  gegen  die  Fortpflanzung  der  Electricität  leistet, 
die  Rede  ist,  und  da  der  ganze  Widerstand  der  Luft  in  der- 
selben Einheit  gemessen  werden  kann.  Dies  scheint  uns  am 
einfachsten  und  bequemsten  zu  sein,  ohne  Anlass  zu  einem 
Miss  verstau  dniss  zu  geben. 

Ehe  wir  zur  quantitativen  Bestimmung  des  Luftwider- 
standes übergehen,  müssen  wir  noch  einige  Versuche  erwähnen, 
welche  sich  ebenfalls  auf  die  Electricitätsleitung  der  Gase 
beziehen.  In  letzter  Zeit  haben  Schuster^}  und  Arrhe- 
nius^)  wie  früher  Hittorf^)  gefunden,  dass  wenn  eine  pri- 
märe Entladung  durch  ein  stark  verdünntes  Gas  geht,  die 
zum  Phosphorescirca  gebrachten  Theile  des  Gases  in  der 
Nähe  von  den  Electroden,  besonders  die  von  der  Kathoden- 


1)  Schuster,  Proc.  Roy.  Soc.  42.  p.  371.   1887. 

2)  Arrhenius,  Wied.  Ann.  32.  p.  545.  Ib87. 

3)  llittorf,  Wied.  Ann.  7.  p.  614.  1879. 


EleciricitäUkUung  der  Gase,  193 

Strahlung  getroffenen  Theile,  sich  bisweilen  als  Leiter  auch 
gegen  kleine  electromotorische  Kräfte  verhalten.  Der  ent- 
standene secnndäre  Strom  kann  unter  gewissen  Umständen 
der  erregenden  electromotorischen  Kraft  proportional  sein 
wie  bei  festen  Leitern.  Schuster  und  Arrhenius  nehmen 
an,  dass  die  die  lichtähnliche  Strahlung  von  den  Electroden 
die  Ionen  der  Gasmolecüle  in  solche  Vibrationen  setzt,  dass 
das  Gtas  electrolytisch  leitend  wird. 

Auch  durch  Beleuchtung  mit  gewöhnlichem  Lichte  wird 
nach  Hertz  ^)  durch  Einwirkung  der  ultravioletten  Strahlen 
die  Leitungsfähigkeit  der  Luft  bei  gewöhnlichem  Drucke  ein 
wenig  vermehrt.  Die  Entladung  eines  Inductoriums  geschah 
leichter,  wenn  die  Electroden  und  die  Funkenstrecke  von 
ultravioletten  Strahlen  getroffen  wurde,  als  ohne  Belichtung. 
E.  Wiedemann  und  H.  Ebert^  fanden  indess  bei  Fort- 
setzung der  Hertz'schen  Versuche  mit  Anwendung  von 
statischer  Electricität,  dass  die  blosse  Belichtung  der  Luft- 
strecke f&r  sich  zwischen  den  Electroden  keinen  Einfluss  hat. 
Ebenso  wurde  bei  Belichtung  der  positiven  Electrode  nie 
eine  Veränderung  der  Entladung  bemerkt.  Wenn  aber  die 
negative  Electrodenkugel  belichtet  wurde,  geschahen  die  Ent- 
ladungen regelmässiger  und  erfolgten  schneller  aufeinander, 
als  es  ohne  Belichtung  der  Fall  war.  Diese  Einwirkung  ist 
bei  einem  gewissen  mittleren  Drucke  (von  ca.  300 — 400  mm 
Quecksilber  bei  Luft,  200 — 300  mm  bei  Wasserstoff)  am 
stärksten,  bei  höheren  Drucken  wird  sie  geringer;  noch 
schneller  verhindert  sich  ihre  Intensität  bei  abnehmenden 
Drucken.  Bei  Drucken  unter  50  mm  war  kein  Einfluss  der 
Belichtung  zu  bemerken. 

Arrhenius  wiederum  hat  gefunden^),  dass  bei  Drucken 
zwischen  0,6  und  16,0  mm  eine  Säule  von  38  Clark'schen 
Elementen  einen  (sehr  schwachen)  Strom  zwischen  zwei 
Platinspitzen  hervorbrachte,  wenn  die  mit  einer  durchsich- 
tigen Quarzplatte  geschlossene  Entladungsröhre  durch  einen 
electrischen  Funken  ausserhalb  der  Platte  beleuchtet  wurde, 


1)  Hertz,  Wied.  Ann.  31.  p.  983.  1887. 

2)  E.  Wiedemann  u.  H.  Ebert,  Wied.  Ann.  38.  p.  241.  1888. 

3)  Arrhenius,  Wied.  Ann.  33.  p.  638.  1888. 

▲im.  d.  Pbyt.  o.  Chtm.  N.  F.  XXXVIII.  13 


194  Th.  Homen. 

sonst  aber  nicht.  Arrhenius  meint,  dass  hierdurch  dar- 
gelegt ist,  dass  die  Luft  durch  Belichtung  leitend  werden 
kann.  Die  scheinbare  Yergrösserung  der  Leitungsf&higkeit 
beruht  indess  wahrscheinlich  wie  E.  Wiedemann  und 
H.  Ebert  bei  ihren  Versuchen  fanden,  auch  hier  ausschliess- 
lich auf  einer  Verminderung  des  grossen  Uebergangswider^ 
Standes  an  der  Kathode.  Der  Widerstand  in  der  nur 
1,4  mm  langen  Luftsäule  zwischen  den  Platinspitzen  bei  den 
Versuchen  von  Arrhenius  ist  nämlich  auch  ohne  Belich- 
tung ziemlich  klein,  liegt  bei  den  angeführten  Drucken,  nach 
den  von  uns  gefundenen,  unten  angeführten  Werthen  des 
Luftwiderstandes  bei  Entladung  ohne  Licht,  zwischen  etwa 
2 und 21  Volts,  und  die  electromotorische Kraft  der  38 Clark'- 
sehen  Elemente  war  etwa  55  Volts.  Ein  entscheidender  Be- 
weis, dass  Belichtung  den  Luftwiderstand  yermindert,  ist 
also  noch  nicht  gegeben. 

Dass  dagegen,  wie  oben  beschrieben,  die  Kathodenstrah- 
lung auf  die  Leitungsfähigkeit  der  Gase  einwirkt  und  die- 
selbe vermehrt,  darauf  deuten  auch  einige  von  unseren 
Versuchen,  wovon  im  Folgenden  mehr.  Diese  eigenthüm- 
lichen  Verhältnisse  in  der  Nähe  der  Kathode  wirken  jedoch 
nicht  auf  die  Resultate  unserer  Versuche  über  die  Elec- 
tricitätsleitung  der  Gase  in  gewohnlichem  unbeleuchteten 
Zustande  und  im  positiven  Lichte  ein  und  machen  vielmehr 
besondere  Bestimmungen  nothwendig. 

*  §  5.    Bestimmung  des  Luftwiderstandes. 

Bei  Bestimmung  des  Gaswiderstandes  muss  man  die 
Lichterscheinungen  in  der  Entladungsröhre  in  Betracht  ziehen, 
denn  das  Licht  wirkt  auf  die  Grösse  des  Widerstandes 
ein.  Deswegen  wurden,  um  den  Widerstand  in  den  verschie- 
denen Theilen  der  Entladungsbahn  zu  vergleichen,  und  auch, 
um  zu  controliren,  wie  genau  und  präcis  der  Widerstand 
mit  der  Schlagweite  wächst,  bei  Drucken  über  1  mm  Versuche 
angestellt,  wobei  die  Schlag  weite  immer  nur  um  1  cm  ver- 
grössert  wurde.  Bei  0,30  mm  Druck  wurden  Beobachtungen 
bei  Schlagweiten,  welche  mit  immer  3  cm  voneinander  diffe- 
riren.  angestellt. 

Aus  diesen   Beobachtungen,  wie  aus  den  in  §  S  ange- 


Electricitätsleitung  der  Gase.  195 

führten,  geht  hervor ,  dass  bei  Drucken  unter  11,6  mm,  be- 
sonders bei  6,0  mm  Druck,  der  Widerstandszuwachs  im 
EnÜadungsrohr  bei  Yergrösserung  der  Schlagweite,  der  Luft- 
widerstand selbst  also,  grösser  im  positiven  Lichte  als  in  dem 
dunklen  Räume  ist  Wie  es  sich  bei  den  höheren  Drucken 
verh&lt,  ist  dagegen  schwerer  zu  entscheiden,  denn  das  posi- 
tive Licht  tritt  bei  diesen  Drucken  nur  bei  so  grosser  Strom- 
stärke auf,  dass  die  grosse  Erhitzung  des  Gases  und  der 
Electroden  die  Sache  verwickelt  Dies  Verhältniss,  dass  bei 
Drucken  über  6  mm  das  positive  Licht,  worin  hier  die 
ganze  Lichterscheinung  beinahe  besteht,  erst  bei  ziemlich 
grosser  Stromstärke  hervortritt,  erinnere  ich  mich  nicht, 
firüher  in  der  Literatur  so  bestimmt  erwähnt  gesehen  zu  haben. 
Dass  bei  20,7,  40,7  und  80,9  mm  Druck  (siehe  §  3)  der  Wider- 
stand im  Entladungsrohr  nicht  grösser,  oft  ein  wenig  kleiner 
ist,  wenn  das  positive  Licht  auftritt,  als  ohne  Licht,  beruht 
also  wahrscheinlich  auf  der  Erhitzung  bei  den  starken  Strö- 
men. Möglich  ist  auch,  dass  bei  diesen  Drucken  die  Ent- 
ladung ohne  Licht  nicht  in  so  enger  Bahn  geschieht,  als 
wenn  das  positive  Licht  auftritt,  dass  also,  wenn  auch  die  ge- 
messene Stromstärke,  wie  bei  80,9  mm  Druck  einmal  beobachtet 
wurde,  in  beiden  Fällen  gleich  ist,  die  Stärke  des  Stromes 
durch  die  Einheit  des  Querschnittes,  die  Stromdichte  also 
in  der  leuchtenden  Entladungsbahn  grösser  ist,  als  bei  dunkler 
Entladung.  Durch  die  infolge  der  grösseren  Stromdichte 
entstehende  grössere  Erwärmung  und  Verdünnung  des  Gases 
wird  dann  der  Widerstand  im  positiven  Lichte  vermindert 
und  dem  Widerstände  bei  Entladung  ohne  Licht  gleich. 
lieber  die  Verhältnisse  im  Kathodenlichte,  welches  jedoch 
nur  bei  den  Drucken  unter  1  mm  eine  grössere  Ausdehnung 
hat,  ist  schwerer  auf  Grund  der  vorliegenden  Versuche  zu 
entscheiden  und  liegt  auch  nicht  direct  im  Plan  dieser  Ab- 
handlung. 

Wenn  wir  aber  den  Widerstand  in  Theilen  der  Ent- 
ladungsbahn, wo  das  Licht  überall  dasselbe  ist,  oder  wo  kein 
Licht  auftritt,  näher  vergleichen,  finden  wir  aus  den  soeben 
erwähnten,  wie  schon  aus  den  in  §  3  angeführten  Beobach- 
tungen, da88  der  yViderstand  im  Entladung srolir  bei  unverändertem 
Lichte   um    gleiche.    Grössen    icächst,    wenn  die    Schlagweite    um 


io* 


196 


Th.  Homen. 


gleiche  Grossen  vermehrt  wird.  Der  Widerstand  in  einer  Luft- 
sduUy  wo  das  Licht  überall  dasselbe  ist,  oder  wo  kein  Ucht  auf- 
tritt,  ist  also  der  Länge  der  Säule  proportional. 

Aus  den  in  §  3  angegebenen,  in  hinreichender  Grösse 
graphisch  verzeichneten  Beobachtungen  (für  0,80  und  1,78  mm 
Druck  mit  Yerwerthung  der  Zahlen  der  soeben  er^^Lhn- 
ten  Versuchsreihen)  haben  wir  den  Widerstand  einer  1  cm 
langen  Luftsäule  und  auch  den  üebergangswiderstand  an  den 
Electroden  berechnet.  Der  verticale  Abstand  zwischen  den 
parallelen  Curven,  welcher  den  Widerstandszuwachs  (in  Volts) 
bei  Vergrösserung  der  Schlagweite  angibt,  wird  also  durch 
die  entsprechende  8chlagweitedifferenz  diyidirt,  wodurch  der 
Widerstand  der  Längeneinheit  der  Gassäule,  einer  1  cm 
langen  Luftsäule,  erhalten  wird.  Für  die  drei  niedrigsten 
Drucke,  wo  besonders  die  Curven  der  Versuche  mit  den 
Platinelectroden  steil  aufwärts  steigen,  werden  hierbei  diese 
Gurren  in  anderer  Scala  aufgetragen;  die  Abscissen  sind 
20  mal  so  gross  wie  auf  den  übrigen  Tafeln. 

Wir  haben  auf  diese  Weise  folgende  Werthe  des  Luft- 
widerstandes im  dunklen  Räume  (ohne  Licht)  und  im  posi« 
tiven  Lichte  gefunden.  Wo  die  Zahlen  eingeklammert  sind, 
sind  die  Bestimmungen  weniger  zuverlässig  oder  bei  den 
höchsten  Drucken  nur  durch  Vergleichung  des  ganzen 
Widerstandes  im  Entladungsrohr  bei  Entladung  ohne  Licht 
mit  dem  Widerstände  beim  Auftreten  des  positiven  Lichtes 
erhalten. 


Widerstand  einer  1  cm  langen  Luftsäule. 


1 

■ 

" 

In  der  Röhre  mit 

Druck       1 

Aluminiumelectroden 

Platinelectroden 

1 
mm 

Ohne  Licht  '  Im  pos.  Lichte 
(4)  Volt    1             5  Volt 

Ohne  Licht 

Im  pos.  Lichte 

0,090 

(3)  Volt 

0,125 

>> 

(6) 

V 

7     „ 

12      » 

0,30 

»» 

10 

11 

12     1, 

18      » 

1,73 

V 

32 

>» 

50     „ 

^0      » 

6,0 

» 

60 

71 

103     11 

63  Volt 

114       „ 

11,6 

11 

125 

» 

(140)    ,, 

125     „ 

20,7 

11 

185 

V 

(185)    11 

180     » 

40,7 

^^ 

230 

)1 

(280)    „ 

285      ,, 

80,9 

si 

380 

» 

(880)    ,, 

380      „ 

Electricitätsleiiung  der  Gase,  197 

Bei  Betrachtung  der  obigen  Tabelle  finden  wir  erstens, 
da$$  der  Luftwiderstand ,  ausser  bei  den  allerniedrigsten 
Drucken,  derselbe  in  der  Rohre  mit  FlaÜn-^  wie  in  der  mit 
Abaniniumelectroden  ist,  welcher  Umstand  die  Zuverlässigkeit 
und  die  Allgemeingültigkeit  der  Resultate  vermehrt.  Dies 
zeigt  nämlich,  dass  die  bei  Bestimmung  des  Luftwiderstandes 
gemachte  Voraussetzung,  dass  die  Zunahme  des  Widerstan- 
des im  Entladungsrohr  bei  Yergrösserung  der  Schlagweite 
ausschliesslich  auf  einem  Zuwachse  des  Luftwiderstandes 
(nicht  auf  einer  Veränderung  des  Uebergangswiderstandes 
an  den  Electroden)  beruht,  richtig  ist.  Denn  es  ist  kaum 
denkbar,  dass,  wenn  dieser  Widerstandszuwachs  zum  Theil 
auf  einem  Zuwachse  des  Uebergangswiderstandes  an  den 
Electroden  beruhte,  die  Zunahmen  zweier  so  ungleicher 
örössen  wie  die  Uebergangswiderstände  an  den  Aluminium- 
und  den  kleinen  Platinelectroden  einander  gleich  wären.  — 
Auch  bei  den  niedrigsten  Drucken  sind  die  Differenzen  zwi- 
schen den  erhaltenen  Werthen  des  Luftwiderstandes,  wie 
auch  diese  Werthe  selbst,  so  ausserordentlich  klein  im  Ver- 
gleich mit  den  grossen  Werthen  des  Uebergangswiderstandes 
an  den  Electroden  (siehe  §  6),  dass  dies  nur  ein  weiterer 
Beweis  dafilr  ist,  dass  der  Uebergangswiderstand  unabhängig 
vom  Abstände  zwischen  den  Electroden  ist,  dass  also  die 
bei  den  übrigen  Drucken  erhaltenen  Werthe  auf  den  Luft- 
widerstand wirklich  die  Grösse  dieses  Widerstandes  angeben. 
Auch  bei  den  •  niedrigsten  Drucken  dürften  die  im  Rohre 
mit  Alumini umelectr öden  erhaltenen  Werthe  annähernd  rich- 
tig sein. 

Weiter  sehen  wir,  wie  schon  erwähnt,  dass  der  Wider- 
stand  bei  Drucken  unter  20  mm,  besonders  bei  6,0  und  1,73  mm 
Druck  j  viel  grösser  im  positiven  Lichte  als  in  dem  dunklen 
Räume  ist 

Wenn  das  Licht  nicht  eine  von  den  Electroden  aus- 
gehende Strahlung  ist,  sondern  in  den  Gasen  selbst  bei 
Durchgang  der  Electricität  entsteht,  wie  es  mit  dem  posi- 
tiven Lichte  der  Fall  zu  sein  scheint,  muss  man  auch  er- 
warten, dass  der  Widerstand  beim  Auftreten  des  Lichtes 
vergrössert  wird.  Die  Arbeit,  welche  zum  Hervorbringen 
des  Lichtes  gebraucht  wird,  und  wozu  die  nöthige  Energie 


198  Th.  Homeru 

von  dem  electrischen  Strome  geliefert  wird,  vermehrt  natür- 
lich die  Arbeit,  welche  der  Strom  bei  Ueberwinden  des 
Widerstandes  verrichtet,  vermehrt  also  den  gemessenen  Wider- 
stand.   Dies  ist  bei  Druck  zwischen  1  und  20  mm  der  Fall 

Dass  bei  den  niedrigsten  Drucken  unter  1  mm  der  Wider- 
stand im  positiven  Lichte  kaum  oder  nur  unbedeutend  grösser 
als  im  dunklen  Räume  ist,  zeigt  vielleicht,  dass  das  Licht 
bei  diesen  Drucken  eine  nur  kleine  Arbeit  verbraucht.  Mög- 
lich ist  auch,  dass  dasselbe  von  der  Anwesenheit  der  Elec- 
troden  bedingt  oder  beeinflusst  wird.  Schwerer  ist  dann  zu 
erklären,  warum  bei  den  höchsten  Drucken  der  Widerstand 
im  positiven  Lichte  nicht  grösser  erscheint,  als  bei  Entladung 
ohne  Licht.  Wahrscheinlich  ist  jedoch,  wie  oben  angenommen, 
dass  der  Entladungsstrom  beim  Auftreten  des  positiven 
Lichtes  in  engerer  Bahn  verläuft,  als  bei  dunkler  Entla- 
dung, und  dass  die  hierauf  beruhende  grössere  Erwärmung 
der  Entladungsbahn  den  Widerstand  vermindert. 

Das  negative  Kathodenlicht  ist  dagegen  eine  Strahlung 
von  der  Kathode,  welche  indess  nur  bei  den  Drucken  unter 
1  mm  eine  grössere  Ausdehnung  hat  Die  Eigenthümlich- 
keiten  des  Leitungs Vermögens  des  Kathodenlichtes  sind  schon 
in  §  3,  und  werden  weiter  bei  den  Controlversuchen  in  §  7 
behandelt  werden. 

Was  den  Einfiuss  der  Erwärmung  des  Gases  bei  durch- 
gehendem Strome  betrifft,  so  übt  dieselbe  bei  massiger  Strom- 
stärke keinen  bedeutenden  Einfluss  aus.  Bei  Yergrösserung 
der  Stromstärke  wird  nämlich  der  Widerstand  der  Luft,  wie 
aus  dem  Parallelismus  der  Widerstandscurven  ersichtlich, 
kaum  oder  ganz  wenig  vermindert.  Obgleich  bei  starker  Er- 
hitzung der  Widerstand  bedeutend  vermindert  wird,  so  übt 
eine  massige  Temperaturerhöhung  auf  den  Widerstand  bei 
den  Gasen  direct  vielleicht  keinen  Einfluss  aus,  denn  die 
kleine  Convergenz  der  Curven  bei  wachsender  Stromstärke 
kann  vollständig  von  einer  Widerstandsverminderung  infolge 
der  die  Erwärmung  begleitenden  Ausdehnung  und  Verdün- 
nung des  Gases  verursacht  werden.  In  einer  früheren  Ab- 
handlung^) habe  ich  weiter  gezeigt,  dass  der  Gaswiderstand 


1)  Hom^n,  Wied.  Ann.  26.  p.  55.  1SS5. 


EUctricüätsleitung  der  Gase,  199 

Ton  der  Durchschnittsfläche  der  Entladungsbahn  unabhängig 
oder  nur  wenig  abhängig  ist.  Die  im  vorigen  Paragraphen 
angeführten  fFiderstandswertlie  gelten  also  für  jede  Luftsäule  von 
t  em  Länge. 

Im  Anfange  des  §  2  wurde  gesagt,  dass  bei  einer  früheren 
Gelegenheit  Entladungsversuche  mit  continuirlichen  Strömen 
nach  einer  etwas  anderen  Methode  von  mir  gemacht  wurden. 
Hier  kann  yielleicht  erwähnt  werden,  dass  die  dabei  erhal- 
tenen Resultate  und  Widerstandswerthe  mit  den  oben  an- 
gefahrten ganz  übereinstimmen.  Nur  bei  dem  niedrigsten 
Drucke  (die  Versuche  wurden  bei  Drucken  zwischen  0,089 
und  10,8  mm  angestellt)  ist  der  Werth  des  Luftwiderstandes 
etwas  grösser  als  hier. 

In  Betreff  der  Aenderungen  des  Luftwiderstandes  mit  dem 
Drucke  sehen  wir,  dass  der  Widerstand  der  Luft  mit  zu- 
nehmendem Drucke  wächst,  weniger  aber  als  proportional 
mit  letzterem.  Wäre  die  Abweichung  von  der  Proportio- 
nalität sehr  klein,  so  könnte  man  glauben,  dass  dieselbe  auf 
Beobachtungsfehlern  oder  störenden  Einflüssen  beruhte.  Die- 
selbe ist  aber  zu  gross,  um  dies  zu  gestatten,  und  man  muss 
also  als  nachgewiesen  ansehen,  dass  der  Widerstand  der  Luft 
mit  dem  Drucke  wächst,  langsamer  aber  als  letzterem  pro- 
portional. 

Mit  der  Frage  der  Abhängigkeit  des  Luftwiderstandes 
von  dem  Drucke  hängt  die  Frage  der  Leitungsfähigkeit  des 
Yacuums  zusammen,  also  die  Frage,  ob  der  Luftwiderstand 
bei  immer  fortgesetzter  Verdünnung  stetig  abnimmt  und 
sich  dem  Grenzwerthe  Null  nähert.  Die  oben  erhaltenen 
Resultate,  wie  auch  die  soeben  citirten  Untersuchungen  von 
mir^)  deuten  darauf  hin,  dass  der  Widerstand  eines  Gases 
bei  immer  fortgesetzter  Verdünnung  sich  vermindert;  sie 
stehen  in  allen  Fällen  nicht  im  Widerspruche  zu  der  von 
Edlund^,  wie  auch  von  anderen  Forschern  gemachten 
Annahme,  dass  das  Vacuum  an  sich  ein  guter  Leiter  ist. 
Hittorf^)   fand  freilich,   dass  bei  Drucken  unten  0,022  mm 


1)  Honen,  1.  c.  p.  55. 

2)  Edlund,  K.  Sv.  Vet.  Akad.  Handlingar.  10.  p.  30.  1881;    VVied. 
Ann.  15.  p.  514.   1882. 

3j  Hittorf,  1.  c.  p.  733. 


200  Th.  Homen. 

die  Potentialdifferenz  zweier  Querschnitte  des  positiven  Lieh» 
tes  bei  fortgesetztem  Auspumpen  des  Gases  verhältniss- 
mässig  wenig  abnahm  und  .einem  gewissen  endlichen  Grenz- 
werthe  sich  zu  nähern  schien.  Die  Bestimmung  dieser  nie- 
drigen Drucke  war  jedoch,  wie  Hittorf  zugibt,  sehr  un- 
sicher. (Die  Bestimmung  geschah  unter  der  bei  grosser 
Verdünnung  nicht  berechtigten  Annahme,  dass  der  Druck 
bei  jedesmaligem  Auspumpen  um  denselben  Bruchtheil  (0,71) 
seines  vorigen  Werthes  reducirt  wird.)  Wahrscheinlich  ver- 
minderte sich  der  Druck  viel  langsamer  als  angegeben  und 
sank  nicht  unter  ein  gewisses  Minimum,  eben  wie  die 
Potentialdifferenz  des  positiven  Lichtes  sich  einem  Grenz« 
werthe  näherte,  welcher  wahrscheinlich  diesem  Druckminimum 
entsprach.  In  allen  Fällen  war  Quecksilberdampf  in  den 
Röhren  vorhanden,  sodass  die  Verdünnung  nicht  weiter  ge- 
trieben werden  konnte. 

Auf  andere  Weise  sucht  FoeppP)  zu  beweisen,  dass 
das  Vacuum  nicht  ein  Leiter  sein  kann.  Zwei  Spiralen  aus 
Glasröhren  bildeten  nebst  geraden  Verbindungsstücken  einen 
„geschlossenen,  homogenen  Vacuumstromkreis".  Es  wurden 
keine  Electroden  angewandt,  sondern  die  Electricitätserregung 
durch  Induction  hervorgebracht.  Um  die  eine  Spirale  war 
nämlich  eine  Kupferdrahtspirale  gewickelt,  in  welcher  ein 
inducirender  Strom  circulirte.  Die  andere  Spirale  war  in 
zwölf  Windungen  wie  der  Leitungsdraht  eines  Galvanometers 
um  einen  frei  schwingenden  Magnetspiegel  gewickelt.  Mit 
einer  Töpler'schen  Quecksilberluftpumpe  wurde  die  ganze 
Rohrleitung  evacuirt.  Bei  Drucken  „von  einigen  Centimetern 
Quecksilbersäule  an  bis  zu  den  niedrigst  erreichbaren"  konnte 
kein  messbarer  Inductionsstrom  in  der  Rohrleitung  her- 
vorgebracht werden.  Hieraus  und  aus  dem  Ausbleiben  je- 
der Lichterscheinung  in  der  Rohrleitung  zieht  Foeppl  den 
Schluss,  dass  das  Vacuum  nicht  ein  Leiter  sein  kann. 
Ein  solcher  Schluss  ist  indess  nicht  berechtigt.  Von  der 
Unempfindlichkeit  des  Strommessungsapparates ,  besonders 
bei  kurz  dauernden  Inductionsströmen,  abgesehen,  war  näm- 
lich die  Luftleitung  sehr  lang.     Diese  nicht  direct  angege- 


1)  Foeppl,  Wied.  Ann.  :^3.  p.  504.  1S8S. 


EUctricitätskitung  der  Gase.  201 

bene  lAnge  lässt  sich  za  mindestens  13  m  berechnen.  Der 
«ach  nicht  näher  angegebene  Luftdruck  aber  möchte  bei 
diesen  langen  Bohrcomplezen  mit  so  sehr  ausgedehnten 
Wandflächen,  und  weil  nach  der  Angabe  eine  sichtbare  Luft- 
perle an  den  Wänden  des  Auslassrohres  der  Pumpe  hängen 
blieb  und  nicht  weiter  ausgetrieben  werden  konnte,  nicht 
allzu  niedrig  sein.  Bei  0,09  mm  Druck,  dem  niedrigsten  bei 
meinen  Versuchen,  ist  indess  der  Widerstand  einer  13  m  langen 
Luftsäule  noch  etwa  5200  (»  1800  x  4)  Volt,  bei  Drucken 
Ton  einigen  Centimetern  über  viele  Hunderttausend.  Ganz 
natfirlich  also,  dass  bei  den  Foeppl'schen  Versuchen,  wo 
das  Maximum  der  in  der  Luftleitung  inducirten  electromo- 
torischen  Kraft  „freilich  nur  der  Grössenordnung  nach^'  zu 
270  Volt  berechnet  wurde,  kein  Strom  hervorgebracht  wer- 
den konnte.  Diese  Versuche  müssten  also  bis  zu  ganz  ex- 
tremen, wohl  nicht  erreichbaren  Verdünnungen  geführt  wer- 
den, um  etwas  zu  beweisen.  Uebrigens  wären  solche  Ver- 
suche wie  die  Foeppl'schen,  nur  dann  für  das  Nichtlei ten 
des  Vacuums  mehr  beweisend,  wenn  bei  gewissen  Drucken 
ein  Inductionsstrom  aufträte,  bei  grösserer  Verdünnung  da- 
gegen aufhörte  hindurchzugehen. 

Das  Ausbleiben  jeder  Lichterscheinung  ist  für  das  Nicht- 
leiten  des  Vacuums  ebenso  wenig  beweisend,  denn  es  ist 
keineswegs  gesagt,  dass  das  vor  den  Electroden  oder  bei 
grosser  Stromstärke  auftretende  Licht  in  den  Qeissler'- 
schen  Röhren  auch  bei  einem  Strome  durch  Gas  ohne  Electro- 
den auftreten  soll.  Uebrigens  hat  Hittorf  ^),  wie  Foeppl  in 
einer  späteren  Abhandlung^)  zugibt,  sowie  SundelP)  und 
Melander^)  mit  Anwendung  von  statischer  Electricität  Licht- 
erscheinungen  in  G  eis  sl  er 'sehen  Röhren  durch  Induction 
hervorgebracht.  Die  Frage  über  die  Leitungstähigkeit 
des  Vacuums  muss  also  als  eine  noch  offene  angesehen 
werden. 

Fassen  wir  schliesslich  die  erhaltenen  Resultate  über 
den   Luftwiderstand    zusammen,    so    will  ich  zuerst   bemer- 


1)  Hittorf,  Wied.  Ann.  21.  p.  188.  1884. 

2)  Foeppl,  Wied.  Ann.  34.  p.  222.  1888. 

3)  Sundeil,  Acta  See.  Sc.  Feun.  15.  p.  203.  1885. 

4)  Melander,  Finska  Vet.  8oc.  Förh.  29.  1887. 


202  Th.  Homen. 

ken,  dass  dieselben  nur  durch  Anwendung  von  stetigen  gal- 
vanischen Strömen  erzielt  werden  konnten.  Bei  diesen  Strö- 
men können  nämlich  die  Verhältnisse  während  des  Durch- 
ganges der  Electricität  durch  das  Gas  studirt  werden 
und  zeigen  während  dieses  Durchganges,  im  Gegensatze  zu 
den  Verhältnissen  bei  den  Inductionsströmen,  eine  dauernde 
Stabilität,  sodass  sie  genau  beobachtet  und  gemessen  werden 
können. 

Viele  Forscher,  von  den  Versuchen  mit  statischer  Elec- 
tricität  ausgehend,  sind  der  Ansicht,  dass  man  nicht  Ton 
einem  eigentlichen  Leitungswiderstande  bei  den  Gasen 
sprechen  kann,  sondern  dass  man  nur  zu  bestimmen  hat^ 
eine  wie  grosse  Potentialdifferenz  zwischen  den  Electro- 
den  in  verschiedenen  Fällen  noth wendig  ist,  um  eine  Ent- 
ladung überhaupt  zu  Stande  zu  bringen.  Aus  den  hier 
oben  beschriebenen  Versuchen  geht  aber  nach  unserer  Mei- 
nung hervor, 

1)  dass  man  auch  bei  den  Gasen  von  einer  Electricitätslei- 
tung  sprechen  kann, 

2)  dass  aber  der  Leitungswiderstand  der  Lvft  und  wahr- 
scheinlich aller  Gase  in  einer  Einheit  von  denselben  Dimensionen 
wie  die  electroynotorische  Kraft  zu  messen  ist, 

3)  dass  die  oben  angeführten  y  in  VoÜs  gemessenen  fVerHie 
des  Luftwiderstandes  den  Leitungswiderstand  einer  1  cm  langen 
Luftsäule  bei  den  betreffenden  Drucken  wirklich  angeben,  und 

4)  dass  der  Luftwiderstand  mit  der  Dichte  der  Luft  wächst^ 
langsamer  aber  als  derselben  proportional, 

§  6.    Uebergangswiderstand  an  den  Electroden. 

Wenn  man  mit  Hülfe  der  erhaltenen  Werthe  auf  den 
Luftwiderstand  aus  den  gemachten  Beobachtungen  den  Werth 
{tq)  der  Potentialdifferenz  zwischen  den  Electroden  bei  0  cm 
Schlag  weite  extrapolirt,  so  gibt  die  Grösse  r^  den  Werth 
des  Uebergangswiderstandes  an  den  Electroden  an.  Wie 
man  aus  der  schiefen  Lage  der  Curven  ersieht,  wächst  der 
Uebergaügswiderstand  mit  der  Stromstärke,  an  den  Platin- 
electroden  von  11,6  mm  Druck  an  abwärts,  an  den  Aluminium- 


ElectricüätsUitung  der  Gase.  203 

electroden  bei  Drucken  unter  0,8  mm.  Der  Uebergangswider- 
stand  r  kann  also  als  eine  Function: 

Tq  =  a  +  Ä«  +  ci*  '{'  dp  +  — 

von  der  Stromstärke  i  betrachtet  werden,  wo  a^h^  c^d.,., 
von  der  Beschaffenheit  der  Electroden  und  des  Gases  ab- 
hängige Constanten  sind.  Wenn  nun  die  Grösse  r^  in  Volts 
gemessen  ist,  so  bezeichnet  der  Coefficient  a  in  der  obigen 
Gleichung  Volt  und  b  Ohm  (wenn  i  in  Amperes  angegeben 
ist).  Die  CoSfficienten  c,  d,.,  haben  andere  Dimensionen 
als  alle  früher  bekannten  Einheiten.  Wenn  indessen  die 
Widerstandscurven  ziemlich  geradlinig  laufen,  kann  man  den 
Uebergangswiderstand  r^  annähernd  als  eine  lineare  Function: 

von  der  Stromstärke  t  bezeichnen. 

Bei  Druck  über  1  mm  laufen,  wenn  man  die  gra- 
phische Darlegung  der  Resultate  beachtet,  die  ausgezogenen 
Curven  so  geradlinig,  dass  man  der  obigen  linearen  Glei- 
chung volle  Gültigkeit  anerkennen  muss.  Dass  bei  grosser 
Stromstärke  die  Curven,  besonders  für  die  Versuche  mit 
den  Platinelectroden,  eine  Biegung  nach  unten  zeigen,  be- 
ruht ohne  Zweifel  nur  auf  der  bei  wachsender  Strom- 
stärke eintretenden  starken  Erhitzung  der  Electroden,  wo- 
durch, wie  schon  früher  erwähnt,  der  Uebergangswiderstand 
vermindert  wird.  Dies  widerspricht  also  nicht  der  Gültig- 
keit der  erwähnten  Formel  und  begrenzt  nur  die  Anwendung 
derselben  in  den  Fällen,  wo  die  Erhitzung  der  Electroden 
nicht  allzu  gross  ist. 

Bei  den  niedrigsten  Drucken  (unter  0,30  mm)  laufen  die 
Curven  für  die  Platinelectroden  unregelmässiger,  und  die 
Curven  für  die  Aluminiumelectroden  zeigen  eine  Krümmung. 
Ob  diese  Krümmung  auch  nur  auf  der  Erhitzung  der  Elec- 
troden beruht,  oder  anderweitig  begründet  ist,  ist  schwer 
zu  entscheiden.  Und  wenn  auch  nur  die  Erhitzung  der 
Electroden  diese  Krümmung  verursacht,  so  ist  dieselbe  doch 
mit  dem  Durchgange  der  Electricität  so  unzertrennlich  ver- 
bunden, dass  eine  Formel,  welche  sich  besser  an  die  Tota- 
lität des  Phänomens  schlösse,  als  die  obige  lineare  Glei- 
chung, hier  vielleicht  vorzuziehen  wäre.    Wir  haben  indess 


204  Th.  Homen. 

der  Einfachheit  wegen  die  lineare  Grleichnng  r^ss  a  +  bi 
auch  bei  den  niedrigsten  Drucken  beibehalten.  Bei  den 
höheren  Drucken,  und  filr  Aluminiumelectroden  schon  bei 
1,73  mm  Druck,  ist  jedoch  der  in  Ohm  gemessene  Theil  des 
Uebergangswiderstandes  gleich  Null,  und  der  ganze  Wider- 
stand im  Entladungsrohr  folglich  in  Volt  zu  messen. 

Bei  der  Extrapolation  des  Werthes  der  r^  f&r  Bestim- 
mung der  Grössen  a  und  b  wird  der  Widerstand  im  nega- 
tiven Lichte  im  Entladungsrohr  gleich  demselben  im  dunk- 
len Baume  gesetzt  Der  hierbei  begangene  Fehler  wird  nicht 
gross,  denn  bei  niedrigen  Drucken  ist  der  Gaswiderstand 
überhaupt  sehr  klein,  besonders  im  Vergleich  mit  dem  lieber- 
gangswiderstande  an  den  Electroden,  und  bei  höheren  Drucken 
ist  die  Ausdehnung  des  negativen  Lichtes  sehr  klein.  Auf 
den  Tafeln  ist  die  gerade,  mit  0  cm  bezeichnete  Linie  aus- 
gezogen, welche  die  Werthe  von  r^  angibt,  woraus  a  und  b 
berechnet  sind.  Wir  finden  so  die  folgenden  Werthe  für 
den  Uebergangswiderstand. 

Uebergangswiderstand  an  den  Electroden. 


Druck 

AluminiumelectrodeD 

.. ..    1 

Platinelectroden 

0,090  mm 

1150  Volt 

,  +  2  200  000  Ohm 

0,125    » 

»00 

+  1  500  000 

„      1 

13«0  Volt  +  14  700  CüO  Ohm 

0,30      >> 

540 

+       92  000 

650 

+ 

6  800  000     u 

1,73      » 

360 

+         0 

380 

+ 

860  000    i> 

6,0           iy 

270 

+         0 

260 

+ 

370  000    » 

11,6        » 

280 

+         0 

265 

+ 

136  000    V 

20,7        „ 

310 

+         0 

'*       1 

370 

+ 

0            » 

40,7         „ 

320 

+         0 

420 

+ 

()             » 

80,1)        » 

350 

+         0 

430 

+ 

0             „ 

Bei  Vergleichung  des  Uebergiingswiderstandes  an  den 
verschiedenen  Electroden  finden  wir,  dass  bei  den  höheren 
Drucken,  über  20  rnntj  der  UebergangswiderstaTid  ziemlich  der^ 
selbe  an  den  beiden  Electrodenpaaren ,  an  den  scheibenförmigen  von 
Aluminium  und  den  kleinen  Drahtspitzen  von  Platin,  ist  Ich  will 
dieses  Verhältniss  auch  darum  hervorheben,  weil  bei  Ver- 
suchen mit  statischer  Electricität  verschiedene  Electroden, 
wie  z.  B.  Spitze  und  Kugeln,  sehr  verschiedene  Eigenschaften 
zeigen. 

Einen  Unterschied  beobachtet  man  jedoch  zwischen  den 


Eleetricitätsleitung  der  Gase,  205 

beiden  Electrocleiipaaren  auch  bei  den  höheren  Drucken,  näm- 
lich, dass  bei  den  Piatinelectroden  kaum  eine  grössere  elec- 
tromotorische  Kraft,  als  die  theoretisch  nothwendige,  erfor- 
derlich ist,  um  den  Strom  hindurchzutreiben  (nachdem  die 
Entladung  einmal  eingeleitet  ist),  während  bei  den  Alumi- 
niumelectroden  die  electromotorische  Kraft  mit  einigen  Hun- 
dert Volts  den  Widerstand  im  Entladungsrohr  übertreffen 
musSy  um  den  Strom  durchtreiben  zu  können.  Weiter  be- 
ginnt die  Entladung  viel  leichter  zwischen  den  kleinen  Pia- 
tinelectroden, als  zwischen  denen  von  Aluminium,  wo,  um 
die  Entladung  einzuleiten,  die  Schlagweite  zuerst  sehr  klein 
genommen  werden  muss  und  dann  erst,  nachdem  die  Ent- 
ladung einmal  durchgeht,  rergrössert  werden  kann.  Viele 
Ton  der  Beschaffenheit  der  Electroden  abhängige  Verhält- 
nisse, welche  während  des  Durchganges  der  Electricität  keinen 
Einflnss  mehr  haben,  schienen  also  bei  der  ersten  Einleitung 
der  Entladung  störend  aufzutreten.  Dies  gibt  auch  die 
Erklärung,  warum  bei  den  Versuchen  mit  statischer  Elec- 
tricität, wo  es  sich  nur  darum  handelt,  eine  Entladung  über- 
haupt hervorzubringen,  die  Form  und  Beschaffenheit  der 
Electroden  einen  so  grossen  Einfluss  ausüben. 

Bei  Drucken  unter  10  mm  ist  der  Uebergangswiderstand^  be- 
sonders der  in  Ohm  gemessene  Theil  desselben ,  viel  grosser  an 
den  kleinen  JPlatinelectroden  als  an  denselben   von  Aluminium. 

An  beiden  Elech'odenpaaren ,  mehr  noch  bei  den  J^latinelec- 
trodenj  wächst  der  Uebergangswiderstand  von  einem  Minimum 
zwischen  5  und  11  mm  Druck  stark  mit  der  Verdünnung  und 
auch  ein  wenig  mit  zunehmendem  Druck,  Bei  fortgesetzter 
Verdünnung  konnte  bei  0,05  mm  Luftdruck  in  der  Ent- 
ladungsröhre kein  Strom  mit  den  1456  Elementen  unserer 
Chromsäurebatterie  herrorgebracht  werden.  Dass,  wie  yiele 
Forscher  es  gefunden  haben,  auch  bei  Entladungsversuchen 
mit  statischer  Electricität,  wo  natürlich  vielmal  grössere 
Spannungen  als  mit  einer  galvanischen  Batterie  erreicht  wer- 
den können,  bei  hinreichender,  sehr  grosser  Verdünnung 
keine  Entladung  hervorgebracht  werden  kann,  beruht  ganz 
gewiss  nur  darauf,  dass  der  Uebergangswiderstand  an  den 
Electroden  bei  abnehmendem  Drucke  immer  wächst  und 
schliesslich  bei  hinreichender  Verdünnung  so  grosse  Werthe 


206  2%.  Homen. 

erreicht,  dass  keine  Entladung  möglich  ist.  Dies  Aufhören 
jeder  Entladung  durch  eine  Gei  ssler 'sehe  Röhre  bei  hin- 
reichender Verdünnung  braucht  also,  in  üebereinstimmung 
mit  dem  Resultate  des  vorigen  Capitels,  keineswegs  auf  ein 
Nichtleiten  des  Vacuums  zu  deuten,  sondern  kann  ausschliess- 
lich auf  dem  grossen  Zuwachse  des  üebergangswiderstandes 
an  den  Electroden  bei  zunehmender  Verdünnung  beruhen, 
wie  dies  zuerst  vonHittorf^)  undEdlund^)  behauptet  und 
nachgewiesen  ist. 

Hier  ist  noch  zu  erwähnen,  dass  die  Electrodenflächen 
bei  meinen  oben  beschriebenen  Versuchen  klein  oder  von 
solcher  Form  waren,  dass  das  negative  Licht  nicht  Ge- 
legenheit hatte,  sich  über  grössere  Flächen  auszubreiten. 
Bei  langen  Electrodendrähten  breitet  sich  bei  zunehmen- 
der Stromstärke  und  auch  bei  zunehmender  Verdünnung  das 
negative  Licht  über  immer  grössere  Flächen  aus,  und  hier- 
bei hält  sich  die  Potentialdifferenz  der  Electroden,  wie 
Hittorf •)  und  Warburg*)  gezeigt  haben,  sowohl  bei  Ver- 
grösserung  der  Stromstärke  als  auch  bei  zunehmen  der  Ver- 
dünnung ziemlich  constant.  Doch  wurden,  besonders  bei 
den  Versuchen  Warburg's,  die  Stromintensität  und  der 
Luftdruck  innerhalb  nur  ziemlich  enger  Grenzen  variirt 
Dass  die  Ausbreitung  des  negativen  Lichtes  den  mit  wach- 
sender Stromstärke  sonst  eintretenden  Zuwachs  der  Poten- 
tialdifferenz der  Electroden  vermindert,  habe  auch  ich  bei 
den  Platinelectroden  bei  1,73  mm  Druck  beobachtet.  Die 
Potentialdifferenz  der  Electroden  nahm  nämlich  in  der  Regel 
mit  der  Stromstärke  zu;  wenn  aber,  was  bei  diesem  Druck 
bisweilen  geschah,  das  negative  Licht  sich  hinter  die  Ka- 
thodenspitze erstreckte,  so  zeigte  sich,  wie  aus  den  Be- 
obachtungen ersichtlich,  die  Potentialdifferenz  von  der  Strom- 
stärke ziemlich  unabhängig,  und  der  Uebergangswiderstand 
gleich  dem  an  den  Aluminiumelectroden. 

Wie  früher  gesagt,   ist   bei  jedem  Druck   ein  Theil  des 


1)  Hittorf,  Pogg.  Ann.  13tt,  p.  1  u.  197.  1869. 

2)  Edlund,  K.  Sv.  Vet  Akad.  Ilandlingar.  19.  p.  30.  1881;    Wied. 
Ann.  15.  p.  514.  1882. 

3j  Ilittorf,  Wied.  Ann.  21.  p.  90.  1884. 
4)  Warburg,  Wied.  Ann.  31.  p.  545.  1887. 


EkciricUätsleitiing  der  Gase.  207 

Uebergangswiderstandes  an  den  Electroden,  bei  den  höheren 
Drucken  der  ganze  Widerstand ,  in  Volts  zu  messen.  Dass 
bei  der  Gasentladung  wirklich  eine  electromotorische  Gegen- 
kraft auftritt,  welche  unter  gewissen  Umständen  zu  einem 
Strpme  Anlass  geben  kann,  hat  Edlund^)  gezeigt.  Der 
Uebergangswiderstand  ist  dabei  wohl  zum  Theil  als  eine 
electromotorische  Gegenkraft  aufzufassen. 

§7.    Controlversuclic. 

Der  Gontrole  wegen  wurden  noch  einige  Versuche  in 
der  Weise  angestellt,  dass  die  beiden  Entladungsröhren 
hintereinander  in  die  Leitung  eingefügt  wurden,  und  die 
Potentialdifferenz  zwischen  den  äussersten  der  Electroden, 
die  Summe  der  Widerstände  in  den  Röhren  also,  bestimmt 
wurde.  Die  Abstände  zwischen  den  Electroden  der  beiden 
Röhren  wurden  in  der  Weise  variirt,  dass  die  Summe  der- 
selben bei  jeder  Versuchsreihe  constant  war.  Bei  Drucken 
unter  1  mm  konnten  diese  Versuche  nicht  durchgeführt  wer- 
den, denn  da  die  Röhren  in  Verbindung  sowohl  miteinander, 
als  mit  der  Luftpumpe  waren,  so  ging  der  Strom  von  der 
Kathode,  welche  in  Verbindung  mit  dem  Batteriepole  war, 
direct  zu  der  Anode  der  anderen  Röhre,  welche  in  Verbin- 
dung mit  dem  positiven  Pole  der  Batterie  war.  Auch  bei 
1,73  mm  Druck  wurden  keine  Versuche  gemacht;  bei  6,0, 
11,6  und  20,7  mm  Druck  wurden  dagegen  folgende  Resultate 
erhalten.  In  der  mit  AI  bezeichneten  Columne  ist  die  Schlag- 
weite zwischen  den  Aluminiumelectroden,  in  Columne  Pt  die 
Schlagweite  zwischen  den  Platinelectroden  angegeben;  2  be- 
zeichnet wie  früher  die  Intensität  des  Stromes  durch  die 
Entladungsröhren  in  10~*  Amperes,  und  r  die  Summe  der 
Widerstände  in  den  Entladungsröhren  in  Volts.  In  der 
letzten  Columne  sind  die  aus  den  Tabellen  der  vorigen  Para- 
graphen für  die  betreffende  Stromstärke  berechneten  Werthe 
dieser  Summe  angegeben.  Das  Auftreten  des  positiven 
Lichtes  ist  mit  p.  L.  bezeichnet. 


1)  Edlund,  Pogg.  Ann.  134.  p.  250  u.  337.  1S68;  139.  p.  353.  1870. 


208 


Th,  Uomen, 


Druck  =  6,0  mm. 
(12  X  104  Elemente;   RheostateDwiderstand  I.) 


■1 
Die  negativen  Pole  der  Batterie  verbunden  mit  der 

AI. 

Pt. 

Aluminiumkathode 

PI 

• 

atinkathode 

1               r       1        r 

r       i        r 

!' 

1  (berechn.) , 

! 

(beraebn.) 

1  cm 

7  cm 

I     1880 

1773          1710    ' 

1     1910 

1771 

1720 

2   11 

6   11 

i'     1900 

1773          1720    ' 

:     1920 

1765 

1780 

3    11 

5    11 

,     1970 

1758     ,     1745     , 

1980     '     1755 

1760 

4    11 

4   11 

,    1960         1758 

1740    : 

1980     ;     1758 

1750 

5    V 

8    11 

1940          1760 

1735     , 

1970     i     1765 

1745 

6    V 

2    11 

1     1920         1768 

1780 

1900 

1768 

1720 

7    „ 

1    11 

,     1780          1799 

1670    ! 

,     1830 

1789 

1690 

1  cm 

13  cm 

710         2002  p.L.  2025 

„^ 

_^ 

_^ 

4    11 

10  11 

,    1370         1872 

1860 

— 

— 

10   11 

4    11 

1030          1937 

1830 

1 

— 

13    „ 

1    11 

1      — 

— 

— 

— 

— 

Druck  s=  11,6  mm. 
(14  X  104  Elemente;  Rheostaten widerstand  IL) 


,   Die  n 

egativen 

Pole  der  Batterie  verbunden  mit  der 

AI. 

Pt. 

AU 

1 

iminiumk 
r 

athode 

Platinkathode 

• 

t 

1        r 

• 

1 

!       r 

1  (berechn.) 

j  (bereehn.) 

1  cm  1 

9  cm 

1470 

2119 

1995     ' 

1420 

2182 

1990 

2    „     i 

8    ,,     ' 

1580 

2070 

2010 

— 

■— 

^— 

8    11     1 

7    ,, 

1660 

2041 

2020     1 

1      — 

^ 

^_ 

4  »  ! 

6    11    i 

1650 

2041 

2020    ! 

— 

..— 

5   „ 

5    V    : 

1680 

2028 

,     2025    i 

1640 

2044 

2020 

6    11 

4    11     ' 

1«60 

'     2028 

;    2020   ; 

— 

— 

_ 

i    11 

8    *. 

1710 

1     2012 

'     2030 

— 

^_ 

8   11 

2    11 

1660 

,     2028 

.     2020 

— 

^— 

9   ,1 

1    11 

1540 

2080 

1     2010 

1560 

2070 

2010 

Druck  =  20,7  mm. 
(14  X  104  Elemente;   Rheostatenwiderstand  I.) 


AI. 

1 
Pt. 

1; 

Die  negativen  Pole  der  I 
Aluminiumkathode 

.*_  -.  j_      ''       [.-    ^   _ 

.  (berecbn.) 
3230         2010     i     1975 
3270          2000     '        11 
3340          1987     1        ,, 
3330          1985     1        11 
3340     ,     19S5             „ 
3280          1995             11 

latteric  v( 

PL 

. 

irbunden  mit  der 
atinkathode 

r               r 

1  cm 

2  ,, 

3  ,, 

4  11 

5  11 

6  11     1 

6  cm 

5   11 

4   11    1 

3  ,r  ; 

1 "  i 

1    11 

3020 
1    3000 

3030 
1    3350 
;     21)90 
1     2940 

2050 
2050 
2050 
1985 
2050 
2060 

(bereehn.) 
1975 

Electficitätsleitung  der  Gase.  20ft 

Die  oben  erhaltenen  Werthe  für  die  Summe  der  Wider- 
stände  in   den  Entladungsröhren  stimmen,   wie   ersichtlich, 
mit  den  auf  Grund  der  früheren  Beobachtungen   berechne- 
ten  gut   überein.     (Hier    muss    vielleicht    erwähnt    werden, 
dass  eine  Einwirkung  des  Lichtes  in  der  einen  Röhre   auf 
den  Widerstand  in  der  anderen  unmöglich   war,   denn    die 
Glaswände  der  Röhren  sind,  wie  zuletzt  Hertz  ^)  gefunden, 
vollkommen  undurchlässig  für  die  in  dieser  Beziehung  wirk- 
samen ultravioletten  Strahlen.)     Ganz  unverändert  sind  die 
Widerstandssummen  während  der  Versuche  indess  nicht.  Wenn 
die  Schlagweite  in  der  einen  Röhre  klein  genommen  wird, 
zeigt   sich   bei   6,0   und    11,6  mm   Druck    eine   kleine   Ver- 
grösser ung    der    Widerstandssumme.      Djr    Widerstand    in 
der  Röhre,  wo  die  Schlagweite  verkleinert  wird,  nimmt  also 
nicht  um  ebensoviel  ab,  wie  der  Widerstand  in  der  anderen  bei 
gleicher  Vergrösserung  d«r  Schlagweite  zunimmt.   Entweder 
wächst  also  der  Uebergangs widerstand  an  der  Anode,  wenn 
diese    in    die   Nähe   der   Kathode    kommt,    (schon   ehe   sie 
in  das  Kathodenlicht,  welches  bei  diesen  Drucken  eine  g.mz 
kleine  Ausdehnung  hat,   eintritt)    oder  der  Widerstand   ist 
am   nächsten    vor    dem    Kathodenlichte    ein   wenig   kleiner 
als    im    übrigen    Theile    des    dunklen    Raumes.      Dasselbo 
geht   auch   aus   den   Beobachtungen    in  §  3    hervor..     Man 
kann    also    die    Möglichkeit    einer   von    der   Kathode    aus- 
gehenden,  den  Widerstand   vermindernden   Strahlung  nicht 
ausschliessen,  welche   weiter  in  den  dunklen  Raum  als  das 
sichtbare  Kathodenlicht  eindringt  und  ihre  Wirkung  bei  den 
erwähnten  Drucken  etwa  2  cm  vor  die  Kathode  erstreckt. 
Von    dieser  Kathodenstrahlung   ist   schon   früher   (§  4)   ge- 
sprochen.    Möglich   ist    auch,   dass   dieselbe   eiae   der   Ur- 
sachen ist,  dass,   nachdem  die  Eatladung   einmal   angefan- 
gen, die  zum  Durchtreiben  der  Electricität   nöthige  Poten- 
tialdifferenz zwischen  den  Electroden  nicht  so  gross  zu  sein 
braucht,  wie  zur  ersten  Einleitung  der  Entladung.     Weiter 
werden  wahrscheinlich,  obgleich  die  Wirkung  der  erwähnten 
Strahlung  hier  ganz  klein  ist,   die  im  vorigen  Paragraphen 
angegebenen  Werthe  für  den  Uebergangswiderstand  an  den 


1)  Hertz,  Wied.  Ann.  31.  p.  983.  1887. 

Ann.  d.  Phy$.  u.  Chemie.  N.  F.  XXXVIII.  14 


210  Th.  Homen. 

Electroden  ein  wenig  zu  klein.  Bei  Extrapolation  des  Werthes 
r^  (der  Widerstand  bei  0  cm  Schis  g weite)  wird  n&mlich  der 
Widerstand  in  und  vor  dem  Eathodenlicht  zu  gross  ge- 
nommen. 

Von  den  besprochenen  Veränderungen  abgesehen,  ist 
die  Summe  der  Widerstände  in  den  beiden  Röhren,  wenn 
die  Summe  der  Schlag  weite  unverändert  bleibt,  sehr  constant. 
Der  Widerstand  einer  Luftsäule  ist  also  derselbe,  sei  eSf  dass  die 
Säule  zwischen  den  einen  oder  den  anderen  Electroden  einge^ 
schaltet  ist.  Dies  bekräftigt  also,  dass  der  IVider stand  der 
Luft  in  §  5  richtig  berechnet  ist  und  an  und  für  sich,  ohne  Zu" 
sammenhang  mit  etwas  anderem,  angegeben  werden  kann.  Nur 
die  Lichterscheinungen  wirken,  wie  oben  gezeigt,  auf  den  Gas- 
widerstand ein  und  sind  bei  Bestimmung  desselben  zu  beachten. 


Ohne  mich  auf  eine  Discussion  der  verschiedenen  elec- 
trischen  Theorien  einzulassen,  will  ich  auf  Grund  der  ge- 
machten Untersuchungen  einige  Gesichtspunkte  in  Bezug 
auf  die  Frage  der  Fortpflanzung  der  Electricität  und  des 
galvanischen  Widerstandes  der  Gase  und  der  festen  Leiter 
hervorheben.  Besonders  soll  die  von  Edlund^)  aufgestellte 
unitarische  Theorie  beachtet  werden. 

Alle  Physiker  stimmen  darin  überein,  dass  sie  ein  oder 
mehrere  electrische  Fluida  von  extremer  Beweglichkeit  voraus- 
setzen. Nach  der  Theorie  E  dl  und 's  bildet,  wie  bekannt,  der 
Lichtäther  dieses  Fluidum.  Die  Electricität  eines  Körpers 
besteht  in  einem  Ueberschuss  oder  Mangel  an  Aether  relativ 
die  Umgebung;  der  galvanische  Strom  in  einer  translatori- 
schen Bewegung  des  freien  Aethers  in  dem  Leiter.  Der 
galvanische  Widerstand  wird  als  ein  Gegendruck  (contrepres- 
sioD)  gegen  den  in  Bewegung  gesetzten  Aether  aufgefasst 
Weil  nun  der  Widerstand  der  festen  Leiter  dem  Querschnitt 
derselben  umgekehrt  proportional  ist,  findet  Edlund  den 
allgemeinen  dynamischen  Frincipien  gemäss,  ohne  dem  Aether 
einige  neue  Eigenschaften  zuzuschreiben,  oder  andere,  wie 
z.  B.  Trägheit,  zu  versagen,  dass  der  Widerstand  in  den 
festen  und  flüssigen   Leitern   der  Stromstärke   proportional 

1)  Edlund,  K.  Sv.  Akad.  Handl.  12.  1873. 


EkctrkitaUleitung  der  Gase,  211 

ist  Den  Widerstand  bei  der  Stromstärke  Eins  nennt  E  d  1  u  n  d 
den  Haapt widerstand  (r^sistance  principale)  und  leitet  so 
das  Ohm'sche  Gesetz  i^EjR  ab,  wo  t  die  Stromstärke,  E 
die  electromotorische  Kraft  und  R  den  Hauptwiderstand 
in  der  Leitung  bezeichnen.  Bei  den  Gasen,  wo  der  Wider- 
stand nicht  von  dem  Querschnitt  der  Entladungsbahn  ab- 
hängig ist,  nimmt  Edlund  an^),  dass  der  Widerstand 
constant,  von  der  Stromstärke  unabhängig  sei,  und  leitet  so 
die  Formel  i^{E^r)IR  ab,  wo  i,  E  und  R  dieselbe  Bedeu- 
tung wie  oben  haben,  r  aber  den  Gaswiderstand  bezeichnet. 

In  dieser  Weise  ist  leicht  zu  erklären,  warum  bei  den 
festen  Leitern,  wo  der  Widerstand  bei  unendlich  kleiner 
Stromstärke  unendlich  klein  wird,  auch  die  kleinste  electro- 
motorische Kraft  im  Stande  ist,  einen  Strom  hervorzubringen, 
während  bei  den  Gasen,  wo  der  Widerstand  als  constant 
angenommen  wird,  die  electromotorische  Kraft  eine  gewisse 
Stärke  erreichen  muss,  um  diesen  Widerstand  überwinden 
und  einen  Strom  durchtreiben  zu  können. 

Bei  der  Stromverzweigung  verhalten  sich  nach  den  Kirch- 
hoff  sehen  Gesetzen  die  Intensitäten  der  Zweigströme  zu 
einander  umgekehrt  wie  die  Widerstände  der  Zweige  (die 
Haupt  widerstände  nach  Edlund).  Sind  also  R  und  kR 
die  Widerstände  der  Zweige,  so  sind  ki  und  i  die  Strom- 
intensitäten in  denselben.  Die  galvanischen  Widerstände 
werden  also  nach  Edlund  gleich  kixR  und  ixkR  oder 
in  den  beiden  Zweigen  einander  gleich. 

Diese  Auffassung  gibt  eine  natürliche  Erklärung  der 
Verhältnisse  bei  der  Stromverzweigung.  Der  Strom  theilt  sich 
so,  dass  der  Widerstand  in  den  beiden  Zweigen  gleich  wird. 
Wäre  dagegen  der  Widerstand  constant,  so  ist  schwer  zu 
fassen,  warum  nicht  die  ganze  Electricitätsmenge  durch  den 
Zweig  strömt,  wo  der  Widerstand  kleiner  ist.  Dies  ist  auch 
unter  analogen  Verhältnissen  bei  den  Gasen  der  Fall,  wo 
nach  Edlund's  Annahme  die  Widerstände  constant  sind. 

Bei  den  in  dieser  Abhandlung  beschriebenen  Versuchen 
hatte  ich  eine  Zweigleitung,  in  dem  einen  Zweige  aber  einen 
Gasraum,  die  Entladungsröhre,  in  dem  anderen,  in  der  Brücke 


1)  Edlund,  Bibang  tili  K.  Sv.  Vet.  Akad.  Handl.  0.  1881. 

14* 


212  TA.  Homen. 

zwischen  den  Electroden,  einen  gewöhnlichen  Bheostaten- 
widerstand,  die  Oadmiumjodidröhren ,  eingeschaltet  (Die 
Polarisation  in  der  Cadmiumjodidlösung  kommt  hier  nicht 
in  Betracht.) 

Angenommen  nun,  dass  der  Widerstand  (A*)  des  Gases 
constant,  der  Widerstand  in  der  Brücke  dagegen  der  Strom*« 
stärke  {s)  proportional,  also  gleich  sR  ist,  so  muss,  wenn  das 
Frincip  der  Gleichheit  der  Widerstände  der  Zweige  aufrecht 
gehalten  werden  soll,  der  Strom  sich  so  zwischen  den  beiden 
Zweigen  theilen,  dass  die  Widerstände  sR  und  K  einander 
gleich  werden  oder,  wenn  dies  nicht  möglich,  der  Strom 
ausschliesslich  durch  den  Zweig  gehen,  wo  der  Widerstand 
kleiner  ist.  Bei  schwacher  Stromstärke,  wobei  der  galva- 
nische Widerstand  sR  m  der  Brücke  kleiner  ist,  als  der 
constante  Widerstand  K  der  Entladungsröhre,  muss  also  der 
ganze  Strom  durch  die  Brücke  gehen.  Wenn  aber,  bei  Ver- 
grösserung  der  Zahl  der  Elemente,  die  Stromstärke  s  in  der 
Brücke  so  wächst,  dass  sR  =  K  wird,  muss  der  Strom  an- 
fangen, auch  durch  die  Entladungsröhre  zu  gehen,  und  wenn 
dann  die  electromotorische  Kraft  der  Batterie  noch  mehr 
verstärkt  wird,  kann  der  Strom  nur  im  Entladungsrohr, 
nicht  aber  in  der  Brücke  wachsen,  wo  der  Widerstand  sR 
seinen  Maximalwerth  K  schon  erreicht  hat. 

Gerade  so  verhält  es  sich  bei  meinen  Versuchen.  Bei 
kleiner  Stromstärke  geht  der  Strom  ausschliesslich  durch 
die  Brücke  zwischen  den  Electroden.  Bei  wachsender  elec- 
tromotorischer  Kraft  fängt  aber  der  Strom  an,  auch  durch 
die  Entladungsröhre  zu  gehen,  und  wenn  dann  die  Zahl  der 
Elemente  noch  mehr  vergrössert  wird,  wächst  der  Strom 
ausschliesslich  in  der  Entladungsröhre,  gar  nicht  aber  in 
der  Brücke.  Bei  den  Drucken  1,73,  6,0  und  11,6  mm  z.B., 
wo  weder  der  Uebergangswiderstand,  noch  die  Erwärmung 
des  Gases  störend  einwirken,  ist  also,  nachdem  die  Ent- 
ladung begonnen  hat,  die  Stromstärke  in  der  Brücke  bei 
Yergrösserung  der  Zahl  der  Elemente  möglichst  constant 
Während  z.  B.  bei  4  cm  Schlagweite  bei  11,6  mm  Druck  die 
Stromstärke  in  der  Entladungsröhre  zu  1000,  2000,  10000 
und  27000  X  10-«  Ampere  wächst,  bleibt  die  Stromstärke  in 
der  Brücke  constant  zwischen  25,0  und  25,5  X  10^  Ampere. 


*  EUctricitätsleitiing  der  Gase,  213 

Die  Resultate  dieser  Untersuchungen  stehen  also  in 
Yollem  Einklänge  zu  der  Annahme,  durch  welche  sie  selbst 
auch  in  der  natürlichsten  Weise  erklärt  werden,  dass  der 
Leitongswiderstand  der  Gase  constant,  der  Widerstand  der 
festen  Leiter  dagegen  der  Stromstärke  proportional  ist. 

Helsingfors,  im  Juni  1889. 

Erklärang  zu  Figar  2  —  6. 

Die  Abscissen  bezeichnen  die  Stärke  des  durch  die  Entladungsröhre 
gehenden  Stromes  in  10~^  Amp<^re. 

Die  Ordinalen  die  Potentialdifierenz  zwischen  den  Electroden  der 
Entladungsrohre  in  Volt. 

Die  Curven,  welche  sich  auf  die  Versuche  mit  den  Aluminiumelec- 
troden  beziehen,  sind  voll  ausgezogen,  diejenigen  für  die  Versuche  mit 
den  Platinelectroden  unterbrochen  gezeichnet. 

Die  Zahl  neben  jeder  Curve  gibt  den  Abstand  zwischen  den  Elec- 
troden bei  den  entsprechenden  Versuchen  an. 


III.    lieber  das   Spectntni  der   Gase  bei  Hefen 
Temperaturen}   von  K.  i?.  Koch. 

(Hierzu  Taf.  II    Flg.  7.) 


Da  bekanntlich  das  Spectrum  der  Gase  in  hohem  Grade 
Yon  der  Temperatur  derselben  abhängt,  so  schien  es  mir 
von  Interesse  zu  sein,  zu  untersuchen,  welchen  Einfluss  es 
auf  ein  Gasspectrum  habe,  wenn  man  das  Gas  auf  —80  bis 
100^  C  abkühlte.  Es  schien  mir  diese  Untersuchung  beson- 
ders wichtig  in  Bezug  auf  die  Beziehung  des  Spectrums  des 
Polarlichtes  zu  dem  der  Luft  zu  sein.  Es  tritt  nämlich  im 
Spectrum  des  Polarlichtes  ausser  jenen  Linien,  welche  mit 
Linien  der  Luft,  resp.  des  Stickstoffs  zusammenzufallen 
scheinen,  regelmässig  bei  allen  Erscheinungen  eine  Linie  im 
Gelbgrün  auf  {X  ■=  557),  welche  bis  vor  kurzer  Zeit  noch 
nicht  im  Luftspectrum  beobachtet  war;  erst  in  neuester  Zeit 
hat  Hr.  Wüllner^)  in  einem  weiten  Bohr  mit  Längsdurch- 
sicht im  Stickstoff-,  resp.  Luftspectrum  eine  Linie  beobach- 
tet und   gemessen,   die   mit  der   grüngelben   Polarlichtlinie 

1)  Wüllner,  Ber.  d.  Berl.  Acad.  1889. 


214  K.  R.  Koch. 

dieselbe  Wellenlänge  hat.  Es  zeichnen  sich  jedoch  weder 
diese  gelbgrüne  Linie,  noch  die  übrigen,  den  Polarlichtlinien 
entsprechenden  Linien  des  Stickstoffs,  resp.  der  Luft,  auch 
wenn  man  sie  unter  den  verschiedensten  Umständen  des 
Druckes,  der  Weite  der  Röhren  oder  der  Art  der  Entladung 
beobachtet,  durch  besondere  Helligkeit  vor  den  übrigen 
Linien  und  Banden  des  so  überaus  reichen  Bandenspectrums 
der  Luft  aus.  Man  kann  also  nicht  etwa  annehmen ,  man 
hätte  das  Folarlichtspectrum  als  ein  Luftspectrum  zu  betrach- 
ten, in  welchem  wegen  der  grossen  Entfernung  der  Erschei- 
nung und  der  dadurch  hervorgerufenen  Abnahme  der  Hei- 
ligkeit  nur  die  Intensitätsmaxima  übrig  geblieben  wären. 
Da  nun  die  Entladungen,  welche  das  Polarlicht  erzengen, 
bei  sehr  tiefer  äusserer  Temperatur  stattfinden,  so  schien  es 
nicht  ausgeschlossen  zu  sein,  dass  möglichenfalls  die  Hellig- 
keitsvertheilung  im  Spectram  eines  mit  verdünnter  Luft  ge- 
füllten weiten  Rohres  bei  einer  entsprechend  tiefen  Temperatur 
eine  derartige  würde,  dass  die  den  Polarlichtlinien  entsprechen- 
den Linien  sich  durch  besondere  Intensität  auszeichneten. 

Mehrfach  wiederholte  Versuche  zeigten  jedoch ,  dass  sich  bis 
zu  Temperaturen  von  —100^  C,  die  Spectra  der  Gase  nicht  ändern. 

Da  sich  das  Entladungsrohr  auf  dieser  tiefen  Tempe- 
ratur natürlich  nur  sehr  kurze  Zeit  halten  lässt,  weil  durch 
die  Entladung  selber  eine  starke  Erwärmung  eintritt,  so 
konnte  nicht  an  eine  Ausmessung  des  Spectrums  gedacht 
werden,  sondern  es  musste  nach  einer  Methode  gesucht  wer- 
den, die  auf  den  ersten  Blick  zu  entscheiden  gestattete,  ob 
eine  Aenderung  stattgefunden  habe  oder  nicht.  Dies  lässt 
sich  dadurch  erreichen,  dass  man  sich  zwei  in  Länge  und 
Weite  identische  Röhren  herstellt,  davon  die  eine  mit  einer 
entsprechenden  Kältemischung  umgibt  und  dann  das  eine 
Rohr  direct,  das  andere  mit  dem  am  Spalt  angebrachten 
Vergleichsprisma  beobachtet,  wenn  gleichzeitig  die  Entladun- 
gen desselben  Inductoriums  durch  dieselben  hindurchgehen. 
Hierbei  müssen  die  Längsaxen  der  Röhren,  da  immer  solche 
mit  Längsdurchsicht  benutzt  wurden,  entsprechend  dem  Winkel 
des  Prismas  genau  einen  Winkel  von  60^  einschliessen;  beide 
Spectra  haben  jedoch  wegen  des  Durchganges  durch  das  Prisma 
eine  ungleiche  Intensität,  und  da  beide  Röhren  miteinander,  mit 


Spectrum  der  Gase  bei  tiefen  Temperaturen.  215 

der  Queckailberlaftpumpe  und  mit  dem  Gasentwickelungsappa- 
rat  zusammengeblasen  sind,  so  lässt  sich  eine  genaue  Aufstellung 
unter  einem  Winkel  von  60^  ebenfalls  nur  schwierig  bowerkstel- 
ligen.  Bequemer  ist  es,  das  eine  Rohr  in  horizontaler  Stel- 
lung zu  lassen y  das  andere  genau  vertical  zu  stellen,  dann 
das  horizontale  vermittelst  des  Vergleichsprismas,  das  ver- 
ticale  durch  ein  rechtwinkliges  Reflexionsprisma  zu  betrach- 
ten, welches  unter  demselben  angebracht  ist;  diese  Einrich- 
tung lässt  sich  leichter  treffen  und  bietet  den  Yortheil,  dass 
beide  Spectra  unter  sonst  gleichen  Bedingungen  dieselbe 
Intensit&t  besitzen,  weil  bei  beiden  das  Licht  vor  seinem 
Eintritt  in  den  Spalt  eine  Reflexion  in  einem  Prisma  erlitten 
hat  Um  die  Stellung  der  Röhren  etwas  corrigiren  zu  können, 
waren  sie  durch  lange,  federnde,  ü-fSrmige  Glasröhren  mit- 
einander, der  Pumpe  und  dem  Gasentwickel ungsapparat  ver- 
bunden. Selbstverständlich  waren  alle  Hähne  und  Kautschuk- 
verbindungen vermieden.  Das  verticale  Rohr  {A)^  Fig.  7,  war 
umgeben  von  einem  weiteren  Rohr  By  dass  die  Eältemischung 
aufnahm,  dieses  Rohr  umgab  ein  drittes  C,  das  trockene, 
verdünnte  Luft  enthielt,  als  Schutz  der  Eältemischung. 
Als  Eältemischung  wurde  eine  breiartige  Mischung  von  fester 
Eohlensäure^)  und  abgekühltem  Aetber  benutzt.  Diese  wurde 
in  den  Trichter  bei  D  eingefüllt,  bei  E  war  eine  Verbindung 
mit  einer  schnell  wirkenden  Luftpumpe  hergestellt;  wirkte 
dieselbe,  so  wurde  die  Eältemischung  leicht  durch  D  hin- 
durchgezogen und  fiel  in  das  Rohr  B  hinab;  alsdann  wurde 
D  durch  einen  mit  Stöpsel  versehenen  Eautschukpfropfen 
verschlossen  und  hierauf  weiter  evacuirt.  Ein  in  B  befind- 
liches Thermoelement  (Platin  und  Palladium)  erlaubte  die 
Temperatur  zu  beobachten. 

Bei  der  ersten  Versuchsreihe  war  das  Thermoelement 
im  Inneren  des  Spectralrohres  A  selbst  angebracht;  es  zeigte 
sich,  dass  das  Minimum  der  Temperatur  erreicht  war,  wenn 
sich  die  Eältemischung  ca.  3  bis  5  Minuten  im  Rohre  B 
befand.     Bei  den  späteren  Versuchen   wurde   das   Thermo - 

1)  Die  flüssige  Kohlensäure  befand  sich  in  einer  eisernen  Flasche^ 
die  mit  einem  bis  nahe  auf  den  Boden  reichenden  Rohr  (nach  Art  der 
bekannten  Sjphonflaschen)  versehen  war;  auf  diese  Weise  konnte  dieselbe, 
in  aufrechter  Stellung  in  Kältemischung  von  Eis  und  Kochsalz  stehend, 
benutzt  werden. 


216     K.  R.  Koch,  Spectrum  der  Gase  bei  tiefen  Temperaturen. 

element  direct  in  die  EältemischuDg  in  B  eingeführt,  weil 
durch  dasselbe  das  fiohr  A  verkürzt  und  verengert  würde, 
und  deshalb  die  beiden  Spectralröhren  nicht  mehr  dieselbe 
Weite  und  Länge  hatten,  mithin  auch  die  Spectren  nicht 
identisch  waren.  Als  Electricitätsquelle  diente  ein  grosses 
Euhmkorff'sches  Inductorium,  durch  dessen  primäre  Spirale 
ein  Zweigstrom  einer  Dynamomaschine  ging;  durch  passende 
Widerstände  in  den  Zweigen  konnte  die  Stromstärke  auf 
die  richtige  Grösse  regulirt  werden. 

Untersucht  wurden  Luft,  Sauerstoff  und  Wasserstoff. 
Die  letzteren  Gase  wurden  electrolytisch  hergestellt  und  in 
den  Apparat  eingeführt  vermittelst  der  von  Cornu^)  beschrie* 
benen  Vorrichtung.  Da  das  Luftspectrum  mit  dem  des 
Stickstoffs  identisch  ist,  so  erschien  es  nicht  nothwendig,  die 
Entladungen  ausser  in  Luft  auch  noch  im  Stickstoff  zu 
untersuchen.  Waren  die  Gase  rein,  also  frei  von  Kohle, 
Wasser-  und  Quecksilberdampf,  so  zeigte  sich  bei  der  Ab- 
kühlung durchaus  keine  Veränderung  des  Spectrums.  War 
der  Wasser-  und  Quecksilberdampf  nicht  beseitigt,  so  ver- 
schwanden die  Linien,  die  von  ihnen  herrührten,  im  erkalte- 
ten Rohr  vollständig  und  traten  erst  nach  längerem  Durch- 
gang der  Entladungen  wieder  auf. 

Auch  das  Luftspectrum  verändert  sich  also  in  keiner 
Weise  bei  dieser  tiefen  Temperatur  der  Umgebung. 

Da  nun  nach  glaubwürdigen  Berichten  das  Polarlicht-, 
ohne  eine  Aenderung  des  Spectrums  zu  zeigen,  häufig  in 
tiefen  Hegionen  gesehen  worden  ist,  in  denen  die  Temperatur 
keinesfalls  tiefer  gewesen  ist,  als  wie  in  dem  abgekühlten 
Rohre  meines  Apparates  bei  Beginn  der  Entladungen,  so 
erscheint  die  am  ALfange  dieser  Mittheilung  aufgesteUte 
Vermuthung,  dass  wir  im  Polarlichtspectrum  ein  durch  die 
tiefe  Temperatur  der  Umgebung  modificirtes  Luftspectrum 
vor  uns  haben,  nicht  haltbar  zu  sein.  Es  müssen  mithin, 
wenn  das  Polarlichtspectrum  ein  Luftspectrum  ist,  andere 
uns  unbekannte  Bedingungen  vorhanden  sein,  welche  diese 
Veränderung  des  Luftspectrums  bewirken. 

Aachen,  Phy s.  Inst.  d.  k.  Techn .  Hochschule,  25.  Juni  1 889. 

1)  Cornu,  Journ.  de  Phys.  (2)  5.  p.  100.  18S6. 


E.  Cohn.   Eiectriscke  Schwingungen  in  Electrolyten,        217 

IV. .  Die  Absorption  electrlscher  Schwingungen 
in  Electrolyten;  von  E.  Colin. 

(Aus  den  Nachr.  d.  Kgl.  Gos.  d.  Wiss.  zu  Göttingen,  Nr.  15,  1889; 

mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


Aus  der  Thatsache,  dass  in  Electrolyten  Electricität  sich 
nur  gleichzeitig  mit  träger  Masse  bewegt,  ist  oft  gefolgert 
worden,  dass  für  diese  Leiter  das  Ohm 'sehe,  und  somit  das 
Joule^Bche  Gesetz  nicht  allgemein  gelten  könne,  dass  yiel- 
mehr  Abweichungen  auftreten  müssten,  sobald  nur  die  elec- 
trischen  Kräfte  hinreichend  schnell  Grösse  oder  Richtung 
wechselten.  Alle  Bemühungen  jedoch,  solche  Abweichungen 
experimentell  nachzuweisen,  haben  lediglich  zu  negativen  Er- 
gebnissen geführt. 

Zunächst  hat  F.  Kohlrausch  bewiesen,  dass  mit  Strö- 
men, die  ihre  Richtung  einige  hundertmal  in  der  Secunde 
wechseln,  Widerstandsmessungen  von  grösster  Genauigkeit 
ausgeführt  werden  können.  —  Ich  selbst  konnte  dann  zeigen^), 
dass  der  Widerstand  zweier  Lösungen  von  Schwefelsäure 
und  Kupfersulfat  bei  25000  Stromwechseln  in  der  Secunde 
noch  derselbe  war,  wie  bei  beliebig  langsamem  Wechsel. 
Durch  eine  kürzlich  veröflFentlichte  Untersuchung  von  J.  J. 
Thomson*)  ist  die  Grenze  noch  sehr  viel  weiter  vor- 
geschoben worden.  Er  mass  die  Absorption  electrischer 
Wellen  von  100  bis  200  Millionen  Schwingungen  in  der 
Secunde  durch  Electrolyte  und  konnte  daraus  Widerstands - 
werthe  für  die  letzteren  ableiten,  die  mit  den  für  stationäre 
Ströme  gefundenen  übereinstimmten. 

Stellt  man  sich  aber  auf  den  Boden  der  electromagne- 
tischen  Lichttheorie,  so  kann  man  Schwingungszahlen  an- 
geben, für  welche  der  Widerstand  nicht  mehr  jenen  constan- 
ten  Werth  bat:  diejenigen  der  sichtbaren  Strahlen.  —  Der 
Widerspruch,  der  zwischen  dem  Leitungsvermögen  der  Elec- 
trolyte und  ihrer  Durchsichtigkeit  besteht,  ist  bereits  her- 
vorgehoben, als  zum  ersten  mal  die  Identität  von  electrischen 


1)  E.  Cohn,  Wied.  Ann.  21.  p.  667.  1884. 

2)  J.  J.  Thomson,  Proc.  Roy.  Soc.  45.  p.  269.  1889. 


218  E.  Cohn, 

Wellen  und  Lichtwellen  behauptet  wurde. ^)  Er  drängt  sich 
um  80  störender  auf,  seit  Dank  Hertz*  Entdeckungen,  diese 
Identität  sich  nicht  mehr  als  das  Ergebniss  mathematischer 
Entwickelungen,  sondern  als  Gegenstand  unmittelbarster  An- 
schauung darstellt 

Wo  die  Thatsache  erwähnt  wird,  dass  ein  Electrolyt  dem 
Ohm'schen  Gesetz  a)  folgt,  —  resp.  b)  widerspricht,  findet 
sich  häufig  die  Bemerkung,  dass  die  Zeit  einer  Schwingungs- 
periode cl)  sehr  gross,  —  resp.  b)  sehr  klein  sein  müsse  gegen 
die  Dauer  gewisser  molecularer  Vorgänge  im  Electrolyten.^ 
Es  scheint  jedoch  bisher  nicht  bemerkt  zu  sein,  dass  seit 
langer  Zeit  Beobachtungsdaten  vorliegen,  aus  denen  sich  die 
Grenze  für  die  Gültigkeit  des  Ohm'schen  Gesetzes  ableiten 
lässt  —  Diese  Ableitung  soll  im  Folgenden  gegeben  werden. 
Sie  zeigt,  dass  einerseits  in  J.  J.  Thomson's  Beobachtungen 
ein  constanter  Widerstandswerth  zu  erwarten  war,  —  und 
dass  andererseits  gegenüber  Lichtschwingungen  ein  solqj^er 
nicht  zu  erwarten  ist.  —  Die  einzige  Voraussetzung  der 
Bechnung  ist  die  Annahme  der  unbedingten  GuUigkeii  des 
Faraday^ sehen  Gesetzes.^  —  Im  übrigen  fusst  sie  auf  den 
Werthen,  die  F.  Kohl  rausch  für  die  molecularen  Leitungs- 
vermögen,  und  Hittorf  für  die  Ueberführungszahlen  der 
Electrolyte  gefunden  hat.  —  Irgendwelche  Molecularhypo« 
thesen  liegen  der  Rechnung  nicht  zu  Grunde. 

Sei  in  einem  Funkt  des  Electrolyten  R  die  electrische 
Intensität  (auf  die  Electricitätsmenge  Eins  wirkende  Kraft), 
a  die  Stromdichte  ^),  dann  wird  im  Volumenelement  Eins  in 
der  Zeit  dt  von  electrischen  Kräften  die  Arbeit  Bcdt  ge- 
leistet. Dieselbe  wird  theils  in  JouleVhe  Wärme  {dQ) 
umgesetzt,  theils  zur  Vermehrung  der  Energie  geordneter 
Bewegung  der  Ionen  {de)  verwandt.  —  Also: 

Ra.dt^dQ  +  de. 
Ist  B  periodisch  nach  der  Zeit,  so  gilt  dasselbe  von  e,  wäh- 

1)  Maxwell,  Phil.  Trans.  1865.  p.  504. 

2)  8.  zu  a)  F.  Kohlrausch,  Wied.  Ann.  26.  p.  169.  1885;  —  zu  6) 
Maxwell,  1.  c. 

3)  Unten  Gleichung  (2)  und  (4). 

4)  Alle  Grössen  seien  in  absolutem  Manss,  cm-g-see,  gemessen. 


£lectrische  Schwingungen  in  Electrolyten.  219 

rend  Q  unbegrenzt  mit  der  Zeit  wächst  Summirt  man  folg- 
lich f&r  genügend  lange  Zeit,  so  wird: 

(1)  Q^/Radt. 

0 

Enthält  der  Werth   des  Integrals   periodische   Glieder,  so 
fallen  auch  diese  ausser  Betracht 

Bdzeichnen  u^  und  u,  die  Geschwindigkeiten  der  beiden 
Ionen,  ti  die  Anzahl  von  Grammäquivalenten,  die  nach 
dem  Faraday'schen  Gesetz  mit  der  Electricitätsmenge  Eins 
wandert,  N  die  Anzahl  von  Grammäquivalenten  des  Elec- 
trolyten im  Volumen  Eins,  welche  an  der  Electrolyse  theil- 
nimmt^),  so  ist  die  Summe  von  Grammäquivalenten  beider 
Ionen,  die  in  der  Zeit  Eins  einen  Querschnitt  Eins  senk* 
recht  zur  Strömungsrichtung  in  entgegengesetzter  Richtung 
kreuzen: 

(2)  iV(ttl+tl,)  =  ^.<T. 

Also: 


(3) 


Q=Qi  +  e„     wo: 

0  0 


Sei  F^  die  mechanische  Kraft  electrischen  Ursprungs,  die 
auf  die  Masse  Eins  des  ersten  Ions  wirkt,  und  bezeichne  A^ 
das  Aequivalentgewicht  desselben,  so  ist: 

(4)  R^f3A,.F,. 

Vj  ist  als  Function  von  F^  darzustellen.  Die  Differential- 
gleichung, welche  zwischen  beiden  besteht,  folgt  aus  der  Be- 
trachtung eines  Specialfalls: 

B  (und  folglich  F^)  sei  constant;  dann  erreicht  erfah- 
rungsmässig  (und  zwar  in  unmessbar  kurzer  Zeit)  u^  einen 
stationären  Endwerth  27^,  der  der  beschleunigenden  Kraft  F^ 
proportional  ist;  damit  dies  der  Fall  sei,  muss  die  Bewegung 


1)  Dieselbe  ist  in  der  numerischen  Ausrechnung  gleich  der  Anzahl  A" 
von  Grammäquivalenten  gesetzt,  die  im  Volumen  Eins  enthalten  ist.  In 
neuerer  Zeit  hat  man  wahrscheinlich  gemacht,  dass  beide  Zahlen  nur  in 
sehr  verdünnten  Liösungen  identisch  sind,  während  im  allgemeinen  iV'<  A^' 
ist.  Fär  die  hier  gezogenen  Schlüsse  ist  der  Unterschied  zwischen  bei- 
den Annahmen  ohne  Bedeutung. 


220  E.  Cohn. 

einen  Widerstand  iinden,  welcher  der  Geschwindigkeit  u^ 
proportional  ist.  D.  h.  die  Beschleunigung  des  Ions  ist  all- 
gemein: 

(5)  ^  =  ir_^, 

^  '  dt  *        a^ 

WO  öj  eine  Constante.  Der  Werth  derselben  ergibt  sich 
ebenfalls  aus  dem  Specialfall.  Sei  nämlich  F^  constant,  so 
folgt: 

(6)  u,  =  a,F,{\-e    "") 

und  folglich:  U^  =  a^.F^,  oder: 

.-.  __  ^1  __    lonengesch windigkeit  im  stationären  Strom 

^  '  ^  ~"  -Fj  ""  beschleunigende  Kraft  electrischen  Ursprungs 

a^  drückt  sich  durch  electrische  Grössen  in  folgender  Weise 
aus.    Sei:  U=^  U^+  U^ 

die  Summe  der  beiden  stationären  lonengesch  windigkeiten; 
72]   und  n^  die  Ueberführungszahlen,  wo: 

(8)  n, +W3  =  1, 

und  2S  der  stationäre  Werth  von  er,  dann  ist: 

(9)  U^=n^U    und    :Sf]  ^Nü. 
Aus  (4),  (9)  und  (7)  folgt: 

oder,  wenn  das  speciüsche  Leitungsvermögen  für  stationären 
Strom  mit  k  bezeichnet  wird: 

(10)  a^=.'?!'»\^.ii. 

Nachdem  uns  die  Betrachtung  der  stationären  Strömung 
die  Form  der  reibungsartigen  mechanischen  Kraft  und  die 
Grösse  der  auftretenden  Constante  geliefert  hat,  wenden  wir 
die  allgemeine  Gleichung  (5)  auf  den  Fall  periodischer  Ströme 
an.     Sei: 

(11)  Ä  =  P.sini/^, 

so  wird  die  Lösung  von  (5)  (unter  Benutzung  von  (4)  und  (10)); 


Mj  =  Sj  sin  1/^  +  Cj  cos  vt'\-D^e     \  wo: 
Folglich  nach  (3): 


Ekctrische  Schwingungen  in  Electrobften.  221 


t 
Qi  «  —JP sin vt{B^  sin vt  +  C^co%vt  +  D^e    **') dt, 


0 


oder  mit  Fortlassung  der  verschwindenden  und  periodischen 
Glieder: 

Ebenso  erhält  man  Q^'  ^^^  folglich: 

Solange  (öjv)*  und  (ö^v)^  gegen  Eins  verschwinden,  ist 
wegen  (8)  der  Ausdruck  in  der  Klammer  gleich  Eins,  und 
Q  erhält  den  von  der  Schwingungszahl  unabhängigen  Werth, 
der  sich  ohne  Berücksichtigung  der  Trägheit  der  bewegten 
Massen  ergibt,  und  welcher  dem  Ohm' sehen  Gesetz  ent- 
spricht. Sobald  aber  die  Schwingungszahl  vfn  über  die  be- 
zeichnete Grenze  wächst,  sinkt  Q  unter  diesen  Werth;  — 
die  hindurchgesandte  Energie  wird  in  geringerem  Grade 
absorbirt 

Bei  F.  Kohlrausch  ^)  finden  sich  die  Grössen  Ija  für 
eine  grosse  Anzahl  von  Ionen  aus  Leitungsvermögen,  Wan- 
derungszahl und  Aequivalentgewicht  gemäss  Gleichung  (10) 
berechnet,  und  (in  der  letzten  Spalte  der  Tabelle  XIV,  p.  206) 
in  einer  auf  Gravitationsmaass  gegründeten  Einheit  zusam- 
mengestellt. Sie  werden  auf  absolutes  Maass  (sec"^)  zurück- 
geführt durch  Multiplication  mit  98 .  10^  *)  —  Danach  liegen 
die  Grössen  a  in  dem  Intervall: 

10-15  bis  10-13  See. 

In  Thomson's  Versuchen  stieg  v  bis  zu  6 .  10**  sec-i. 
Die  Zahlen  (avf  waren  folglich  gegen  Eins  verschwindende 
Grössen,  und  es  war  zu  erwarten,  dass  die  Joule' sehe 
Wärme  den  gleichen  Betrag  wie  für  stationäre  Ströme 
habe  würde,  —  wie  es  auch  die  Beobachtung  ergab. 


1)  F.  Kohlrausch,  Wied.  Ann.  6.  p.  1.  18T9. 

2)  Die  specifischen  Leitungsvermögen  sind  von  F.  Kohl  rausch  aus 
Beobachtungen  mit  langsamen  Wechselströmen  abgeleitet;  dass  aber  die 
Ergebnisse  identisch  sind  mit  den  aus  stationären  Strömen  erhaltenen, 
ist  von  Kohlrausch  selbst  und  anderen  nachgewiesen. 


222  K.   IVesendonck. 

Für  das  sichtbare  Spectram  sind  die  Grössen  v  von  der 
Ordnung  10^*  sec^.  £&  ist  folglich  anzunehmen,  dass  durch 
die  Trägheit  der  bewegten  Massen  die  Absorption  der  Strah- 
lung unter  den  aus  stationären  Zuständen  abgeleiteten  Be- 
trag  herabgedrückt  werde.  —  Man  darf  aber  nicht  erwarten, 
aus  der  Gleichung  (13)  fCLr  diesen  Fall  numerisch  richtige 
Werthe  zu  erhalten.  Die  Widerstände ,  welche  sich  der 
lonenbewegung  entgegenstellen,  und  die  in  der  obigen  Dar- 
stellung ihr  Maass  in  der  Constante  1/a  finden,  werden  wir 
thatsächlich  nicht  als  gleichmässig  wirkend  ansehen  dürfen. 
Dieselben  werden  yielmehr,  nach  den  Anschauungen,  die 
man  sich  über  Molecularbewegungen  gebildet  hat,  schnell 
und  unregelmässig  wechseln.  Solange  die  Zeiten,  aus  denen 
wir  einen  genügend  angenäherten  Mittelwerth  ziehen  können^ 
sehr  klein  sind  gegen  die  Periode  des  Strom  wechseis,  wird 
nur  dieser  constante  Mittelwerth  in  Betracht  kommen,  — 
und  diesen  haben  wir  aus  der  Beobachtung  stationärer  Zu- 
stände bestimmt  und  unserer  Rechnung  zu  Grunde  gelegt» 
—  Sobald  man  die  Erscheinungen  der  „auswählenden  Ab- 
sorption^^ erklären  will,  wird  man  die  zeitlichen  Abweichungen 
von  diesem  Mittelwerth  in  Betracht  ziehen,  d.  h.  Hypothesen 
über  die  molecularen  Vorgänge  im  Electrolyten  machen 
müssen.  —  Der  Werth  der  vorstehenden  Ableitung  liegt 
meines  Erachtens  darin,  dass  sie  von  solchen  Hypothesen 
frei  ist. 

Strassburg  i.  E.,  Juni  1889. 


V.    Ueber  die  Artunterschiede 
der  beiden  Electridtüten ;   van  K.  Wesendonck. 


Die  im  3.  Hefte  des  37.  Bandes  p.  463 — 481  erschienene 
Abhandlung  des  Hrn.  Wächter  gibt  mir  zu  einigen  Be- 
merkungen Veranlassung,  die  ich  im  Folgenden  mitzutheilen 
mir  erlaube. 

Aehnliche  Experimente,  wie  sie  hier  Hr.  Wächter  be- 
schreibt,  sind  zum  Theil  von  mir  bereits  vor  einiger  Zeit 


Artuniersehiede  der  Electricitäten.  223 

angeBtellt  worden.  Zunächst  sei  auf  meine  Versuche  ^)  über 
Funken  in  Flüssigkeiten  hingewiesen,  die  ich,  durch  Hrn. 
Doubrava's  Angaben  veranlasst,  anstellte  mit  demselben 
firfolge,  wie  fir.  Wächter,  soweit  sie  die  Durchbohrung 
einer  Karte  unter  einer  Flüssigkeit  betreffen.  Dagegen 
konnte  ich  die  Umkehrung  der  LuUin'schen  Versuche  bei 
mit  Flüssigkeit  gleichmässig  bestrichenen  Karten  in  einigen 
Fällen  bestätigen.  Auch  erhielt  ich,  wie  Hr.  Holtz  bereits 
früher  gefunden,  deutlich  polar  verschiedene  Lichterschei- 
nungen an  untergetauchten  Electroden.  Die  von  Hm.  Holtz 
angeführte,  von  Hm.  Wächter  ebenfalls  bestätigte  grössere 
Länge  des  Funkens  bei  positiver  Spitze  hatte  sich  mir  des- 
gleichen gezeigt,  und  ich  konnte  weiter^  die  Bildung  dersel- 
ben unter  merklich  kleinerer  Spannung  constatiren,  als  dies 
bei  negativ  geladener  Spitze  der  Fall  gewesen. 

Bei  Funken  in  Luft  zwischen  gleichen  wie  ungleichen 
£lectroden,  welche  nicht  von  Büschel-  oder  Glimmlicht  be- 
gleitet waren,  konnte  ich  keine  polaren  Spannungsdifferen- 
zen zu  constatiren^,  also  auch  kein  verschiedenes  Verhal- 
ten der  Electrometer  gegenüber  den  beiden  Electricitäten. 
Neuerdings  hat  Paschen^)  ebenfalls  das  positive  und 
negative  Funkenpotential  gleich  gefunden.  Ferner  sind  die 
unter  solchen  Umständen^  entladenen  Electricitätsmengen 
gleich  gross.  Die  geringere  Spannung  an  dem  mit  dem 
Beibzeuge  einer  Heibelectrisirmaschine  verbundenen  Con- 
ductor  ist  schon  vor  längerer  Zeit  (1853)  von  Biess^),  wie 
mir  scheint,  einwurfsfrei  erklärt  worden. 

Bei  Influenzmaschinen  konnte  ich  (wie  Baille)  auch 
keine  entschiedene  polare  Differenz  beobachten,  wenn  beide 
Pole  isolirt  waren,  keine  Büschel-   oder  Glimmentladungen 


1)  Wesendonck,  Wied.  Ann.  30.  p.  47.  1887. 

2)  Wesendonck,  Naturw.  Rundschau   Nr.  37.   Extrabeilage.    1887. 

3)  Wesendonck,   Wied.   Ann.  30.  p.  43.  1887;   31,  p.  303  u.  319. 
1887.    Beibl.  13.  p.  196.  1889. 

4)  Paschen,  Wied.  Ann.  37.  p.  76.  1889. 

5)  Wesendonck,  Naturw.  Rundsch.  1.  c.  p.  301. 

6)  Riess,  Reibungselectricität.    1.   p.  276.   §  278   (siehe  auch  §  282 
desselben  Werkes.) 


224  K,   Wesendonck 

zwischen  den  Electroden  auftraten,  und  sonst  Electricitäts- 
verluste   möglichst  vermieden   waren.     Eine   gewisse   Span- 
nuDgsdi£ferenz  kann  übrigens  leicht  schon   durch   die  Ver- 
schiedenheit des   Spitzenlichtes,  das  so  auffallend   zwischen 
den  Scheiben  und  Kämmen  der  Maschine  sich  zeigt,  einge- 
führt werden.    Wenn  auch  nur  der  Rhythmus^)  in  der  Zu- 
fuhr der  Electricität  zu  den  Electroden  dabei  geändert  wird, 
kann  bei  einigermassen  merklichen  Stromschwankungen  des 
Electrometers ,    welches   ja    eine   Art    Mittelwerth    anzeigt, 
etwas  verschiedene  Einstellungen  annehmen.    Bai  Isolirnng 
nur  einer  Electrode  und  Ableitung  der  anderen  ist  es  wohl 
möglich,  dass,  wenn  erstere  negativ  ist,  also  das  Spitzenlicht 
an  der  Scheibe  positiv,  die  Spannung  einen  kleineren  Betrag 
annimmt,   als  bei  positiver  isolirter   Electrode.     Denn   die 
Spannung  einer  Electrode  steigt  so  lange  an,  als  noch  ent- 
gegengesetzte Electricität  aus  den  Spitzen  zur  Scheibe  über- 
gehen kann.    Wenn  positive  Electricität  auszutreten  hat,  so 
kann  der  Gleichgewichtszustand  bei  etwas  geringerem  Potential 
ceteris  paribus  eintreten,  weil  die  positive  Electricität  einer 
grösseren  Spannungsdifferenz   zwischen  Scheibe   und  Spitze 
zum  Austreten  bedarf.   Es  lässt  sich  aber  schwer  sagen,  wie 
weit  man  von  einem  ceteris  paribus  bei  der  gegenseitigen 
Beeinflussung  der  Vorgänge  an   einer  Influenzmaschine  im 
strengen  Sinne  sprechen  darf,  und  ich  bin  nicht  im  Stande, 
den  Einfluss   der  Verschiedenheiten  des  Spitzenlichtes,   der 
übrigens  auch  recht  variabel  sein  dürfte,   genau   anzugeben 
für  den  bei  den  Influenzmaschinen   realisirten  Fall.     Meine 
Versuche  haben  mir,   wie  gesagt,   keinerlei  ausgesprochene 
polare  Diflerenz   ergeben.     Wohl   aber   könnte   eine   solche 
durch  das  absolute  Electrometer  des  Hrn.  Wächter  hinein- 
gebracht worden  sein,  wenn  nämlich  an  der  isolirten  Platte 
desselben  ein   Glimmen-)  eintritt.     Dann   würde   eben    eine 

1)  Bekanntlich  ist  der  Strom,  den  eine  Influenzmaschine  liefert,  wobl 
stets  etwas  dlscontinuirlich  oder  inconstant,  s.  Wiedemann,  Electr.  2. 
p.  23H. 

2)  Es  ist  hier  unter  Glimmen  jedes  ruhige,  senkrecht  zur  Elcctroden- 
oberfliiche  weniger  au:^gedehnte  Licht  gemeint,  nicht  speciell  etwa  das 
Glimmen,  wie  es  z,  B.  Lehmann  dofinirt.  (Vgl.  p.  476  Zeile  10 —12  von 
oben.) 


Artunterseliiedß  der  Electricitäten.  223 

grössere  Menge  negativer  Electricität  nach  bekannten  Ge- 
setzen zu  dem  abgeleiteten  Schutzring ,  resp.  sonstigen  mit 
der  Erde  verbundenen  Theilen  übergehen  und  so  ein  niede- 
reres negatives  Potential  zur  Folge  haben ,  als  bei  positiver 
Ladang.  Ferner  würde  durch  das  bei  kleinen  Spannungen 
sich  schon  zeigende  negative  Glimmen  die  Funkenbildung 
erleichtert  werden,  während  das  viel  geringere  oder  gar  nicht 
vorhandene  positive  Leuchten  unter  solchen  Umständen  von 
weniger  oder  keinem  Einfluss  sein  kann.  So  erklärte  sich 
denn  das  p.  468—470  beschriebene  von  dem  Hm.  Verfasser 
übrigens  selbst  als  etwas  unsicher  angegebene  Experiment. 

Bei  dem  darauf  folgenden  Versuch  dürften  dagegen 
Büschel-,  resp.  Glimmlichtbildungen  und  deren  Wirkungen 
an  der  ganz  kleinen  der  Platte  gegenüberstehenden  Kugel 
den  Unterschied  erklären.^)  Ich  habe  in  ähnlichen  Fällen 
mit  dem  Galvanometer  keinen  polaren  Unterschied  in  den 
entladenen  Mengen,  selbst  nicht  bei  der  Oombination  Spitze- 
Platte  gefunden.^  Auch  der  von  Jaumann  neuerdings 
hervorgehobene  Einfluss  der  Potentialschwankungen')  ist  nach 
bei  anderer  Gelegenheit  angestellten  Versuchen  nicht  von 
Einfluss  auf  meine  Spannungsmessungen  gewesen.  Die 
Deformationen  des  Dielectricums,  die  bekanntlich  bei  der 
Ladung  von  Leitern  eintreten,  mögen  bei  schnellem  Span- 
nungswechsel ein  Lostrennen  der  absorbirten,  den  Leitern 
anliegenden  Schichten  des  Gases  bewirken  und  so  die  Bil- 
dung einer  Leuchterscheinung  herbeiführen,  die  ihrerseits 
wieder  den  Funken  einleitet  Bei  langsamer  Ladung  würde 
dagegen  ein  solches  Losreissen  adsorbirter  Gasschichten 
nicht  oder  weniger  stark  ei  folgen,  da  sich  dieselben  alsdann 
nur  allmählich  deformiren,  wobei  sie  bekanntlich  einem  Zer- 
and  Abreissen  weniger  ausgesetzt  sind. 

Ich  bin  natürlich  weit  entfernt  von  dem  Glauben,  hier- 
mit alle  Artunterschiede,  die  sich  der  Beobachtung  darbie- 


1)  Fraglich  wäre  auch,  ob  nicht  bei  dein  Spiraldraht  des  Riess'- 
schen  Luftthermometers  Gasentladungen  zwischen  den  Windungen  über- 
gehen können. 

2)  Siehe  die  Mittheilung  in  der  Natunv.  Runddch.  u.  Beibl.  13% 
p.  194.  1889. 

3)  Jaumann,  Wien.  Ber.  97.  II.  Ablh.  p.  765.  1888. 

Ann.  d.  Phj«.  u.  Chem,  .N.  P.   XXXVIII.  15 


226  K.   Wesendonck. 

ten,  erklären  zu  können.  Aber  es  will  mir  doch  scheinen, 
als  ob  besagte  Differenzen  sich  jedenfalls  wesentlich  auf  die 
Büschel-  und  Glimmentladungen  und  dergL  beschr&nkeni 
resp.  durch  deren  Auftreten  im  Vereine  mit  anderen  Vor- 
gängen diese  letzteren  als  scheinbar  polar  verschiedene  er- 
scheinen lassen.  Nach  neueren  Untersuchungen  hängt  das 
Funkenpotential  wesentlich  von  der  Zahl  der  Molecüle  in 
der  Funkenstrecke  ab,  der  Einfluss  der  Oontactwirkongen 
zwischen  Gas  und  Eiectrode  verschwindet  dagegen,  während 
er  bei  der  Bildung  von  Büscheln  und  Glimmen  eine  bedeu- 
tende Rolle  spielt.  Ich  hoffe,  demnächst  hierauf  zurück- 
kommen zu  können  bei  der  Beschreibung  von  Versuchen 
über  Spitzenausstreuung.  Die  eben  dargelegte  Auffassung 
bestätigt,  wie  mir  scheint,  folgender  leicht  anzustellende 
Versuch.  Der  eine  Pol  eines  grösseren  Inductoriums  wurde 
mit  einem  isolirt  aufgestellten  Metallstäbchen  verbunden, 
dessen  unteres  Ende  eine  Messingkugel  trug.  Der  andere 
Fol  communicirte  mit  einer  zur  Gasleitung  abgeleiteten 
Messingplatte.  Unter  gewöhnlichen  Umständen  war  die  Fun- 
kenbildung nahe  gleich ,  mochte  die  Kugel  für  den  Oeff- 
nungsstrom  Anode  oder  Kathode  sein,  im  letzteren  Falle 
schien  sie  eine  Spur  leichter  eintreten  zu  können.  Ueberzog 
man  nun  den  vorderen,  der  Platte  zugewendeten  Theil  mit 
sogenanntem  Broncelack,  den  man  vor  den  Versuchen  an- 
trocknen liessy  so  zeigte  sich  stark  entwickeltes  negatives 
Licht  an  der  Kugel,  und  die  Funkenbildung  war  bei  negativer 
Ladung  sehr  erleichtert.  Bei  der  Anode  zeigte  sich  kein 
solcher  Effect,  aber  auch  kein  Glimmen  oder  Büschel.  Das 
Lackiren  begünstigt  in  hohem  Grade  das  Auftreten  nega- 
tiver BüscheP),  wovon  man  sich  leicht  bei  einer  Influenz- 
maschine überzeugen  kann.  Entfernt  man  z.  B.  von  der 
Anode  einer  solchen  die  Kugel,  so  hat  man  unter  gewöhn- 
lichen Umständen  an  dem  zugespitzten  positiven  Pol  einen 
schönen  Büschel,  die  Kathodenkugel  ist  dagegen  dunkel  oder 
mit  einem  Lichtschimmer  überzogen.  Ist  letztere  aber  lackirt, 
so  glimmt  die  Anodenspitze  nur,  an  der  negativ  electrisirten 

1)  Aehuliches   fand  Lehmann   bei   befetteten   Stäben.     Molecular- 
physik.  2.  p.  302. 


Artunterschiede  der  Electricitäten.  227 

Kugel  zeigen  sich  ein  oder  mehrere  Büschel.  Wurde  die 
Kugel  bei  dem  Versuche  mit  dem  Inductorium  abgeschraubt, 
sodass  jetzt  das  blosse  Ende  des  Stäbchens  der  Platte  gegen- 
überstand, so  bildeten  sich  bei  einer  gewissen  Entfernung, 
wenn  jenes  Ende  Anode  war,  ein  oder  mehrere  lange  Büschel- 
lichtstrahlen, innerhalb  welcher  bei  weiterer  Annäherung  an 
die  Platte  Funken  aufbraten,  lauge  bevor  die  negative  Elec- 
tridtJLt  ceteris  paribus  solche  erzeugen  konnte.  Auch  gab 
bald  der  eine,  bald  der  andere  Büschelstrahl  zu  dem  Funken 
Veranlassung,  sodass  dieser  unruhig  hin  und  her  flackerte, 
im  Gegensatze  zu  negativen  Funken.  Das  Stäbchen  mit 
oder  ohne  Kugel  blieb  bei  diesen  Versuchen  stets  mit  dem- 
selben Pole  des  Indnctoriums  in  Verbindung,  und  man  com- 
mutirte  den  primären  Strom. 


VI.    Bemerktmgen  zu  der  Abhandlung 
des  Bm.  X.  Orunmdch:    Ueber  das  galvanische 
'7j        IjeUungsvermöffen  des  starren  Quecksilbers^); 
^  van  C.  X.   Weber. '^ 

%  -   - 

Gegen  das  von  mir  eingeschlagene  Verfahren,  den  Tem- 
peraturcoefficienten  des  galvanischen  Leitungswiderstandes  zu 
bestimmen,  werden  in  der  oben  angeführten  Abhandlung  Ein- 
wände erhoben.  Ich  erlaube  mir,  dieselben  mit  folgender 
Begründung  zurückzuweisen:  Das  von  mir  benutzte  Rech- 
nungsverfahren  gestattet  eine  einfache  geometrische  Inter- 
pretation. Es  sei  der  Verlauf  des  Widerstandes  in  seiner 
Abhängigkeit  von  der  Temperatur  dargestellt  durch  eine 
Curve,  deren  Abscissenaxe  die  Temperaturscala  ist ;  so  wer- 
den zwei  Punkte  der  Ourve,  entsprechend  den  Temperaturen 
t  und  T  durch  eine  Gerade  verbunden;  deren  Gleichung  ist 
sowohl    durch    die    Form     ^=Const.  [\  +  uT)    als    auch 


1)  L.  Grunmach,   Wied.  Ann.    87.   p.  508.    1889.     Vgl.  auch  25. 
p.  245.  1885;  35.  p.  764.  1888;  36.  p.  587.  1889. 

2)  Nach  nunmehr  erfolgter  Keplik  und  Duplik  erachtet  die  Kedactlou 
in  üblicher  Weise  diese  Polemik  hiermit  als  abgeschlossen.  Die  Red. 

15* 


228  C.  L.   Weher. 

durch  w  =s  Const.  (1  +  at)  ausgedrückt;  man  bestimmt  die 
Neigung  dieser  Geraden  gegen  die  Abscissenaxe^  indem  man 
die  unbekannte  Constante  eliminirt.  Die  Tangente  dieses 
Neigungswinkels  betrachte  ich  als  TemperaturcoSfficient 
zwischen  den  Temperaturen  t  und  T,  —  Man  kann  die  beiden 
Punkte  beliebig  nahe  zusammenrücken  lassen,  dann  wird  die 
fragliche  Gerade  eine  Tangente  an  die  Widerstandscnrre. 
Wiederholt  man  dies  Verfahren  für  eine  grössere  Anzahl 
von  Punktpaaren,  so  erhält  man  die  Neigung  der  Curye  an 
den  verschiedenen  Stellen  ihres  Verlaufs,  somit  jede  vorhan- 
dene Veränderlichkeit  des  Temperaturco&fficienten  mit  der 
Temperatur.  Dieses  Verfahren  ist  das  allgemein  gebräuch- 
liche und  offenbar  von  jeder  willkürlichen  Voraussetzung  frei. 
Praktisch  wird  man  die  einzelnen  Punktpaare  nicht  in  un- 
endlich kleinen  Abständen  wählen  können;  man  bestimmt 
daher  thatsächlich  eine  Schaar  von  Sehnen  an  die  Curre, 
statt  einer  Schaar  von  Tangenten. 

Die  von  Hrn.  Grün  mach  vorgezogene  Methode  ist 
factisch  blos  eine  abkürzende  Annäherung  an  dieses  vom 
geometrischen  und  physikalischen  Standpunkte  aus  allein 
richtige  Verfahren,  welche  Annäherung  ihre  volle  Berech- 
tigung hat,  solange  sprungweise  Aenderungen  ausgeschlossen 
sind;  nur  unter  dieser  Voraussetzung  wird  sie  in  der  Metro- 
logie gebraucht.  Treten  Unstetigkeiten  ein,  wie  z.  B.  bei 
Aenderung  des  Aggregatzustandes,  so  kann  sie  wohl  in  einem 
einzelnen  Fall  dazu  dienen,  sich  ein  ungeßlhres  Bild  vom 
Verlauf  der  Vorgänge  zu  verschaffen^);  sie  wird  aber  nie 
allgemein  vergleichbare  Werthe  liefern,  worauf  schon  W. 
V.  Siemens  bei  ihrem  Gebrauch  ausdrücklich  aufmerksam 
macht.  ^  Im  vorliegenden  Falle  ist  aber  letztere  Forderung 
unabweisbar,  da  es  sich  darum  handelt,  die  Richtigkeit  der 
Clausius'schen  Vermuthung  zu  prüfen. 

Es  ist  leicht,  zu  zeigen,  dass  die  von  Um.  Grün  mach 
vertheidigte  Methode,  wenn  sie  kritiklos  angewandt  wird,  zu 

1 )  In  <Ue^^em  Sinne  habi^  ich  :mch  ihre  gelegentliche  Anwendunf? 
(hirch  \V.  V.  Sit'mcns,   Popg.  Ann.  11;).  p.  100.  1861,  aufgefa.4.st. 

'2)  1.  f.  p.  101  steht  nämlich:  „...doch  fehlt  einem  polohcn  Ver- 
i;leiche  «lie  Itufimmtc  GrumVanf,  tla  das  Quecksilber  bei  0*  flüssig 
ist .  .  .  t'tc.*' 


LttitungMüermögen  des  Quecksilbers.  229 

irrigen  Resultaten  führen  muss.  Man  denke  sich  z.  B.  die 
Aufgabe  gestellt:  den  thermischen  Ausdehnungscoefficienten 
des  Aetherdampfes  etwa  bei  100^  zu  untersuchen.  Zu  wel- 
chem Resultat  würde  man  kommen,  wenn  man  die  dem  Tem- 
peraturintervall  von  1^,  etwa  zwischen  99  und  100^  ent- 
sprechende Volumenänderung  dividiren  wollte  durch  das 
Volumen,  welches  dieselbe  Dampfmenge  in  flüssigem  Zustande 
als  Aether  bei  etwa  0^  einnimmt. 

Die  neuen  Messungen  des  Hrn.  Grunmach  liefern  den 
strickten  Nachweis,  dass  meine  Einwände  gegen  seine  frühe- 
ren Resultate  vollständig  begründet  waren.  ^)  Der  von  mir 
in  erster  Linie  angezweifelte  Betrag  der  Widerstandsände- 
mng  beim  Schmelzen  erfährt  durch  die  wiederholte  Messung 
eine  Correctur  von  1,5  auf  2,5;  d.  h.  um  mehr  als  60  Proc. 
der  in  Frage  gestellten  Grösse.  Dieser  enormen  Abwei- 
chung, welche  zwei  Versuchsreihen  desselben  Beobachters 
in  ihren  Mittelwerthen  aufweisen,  steht  gegenüber  eine  Ueber- 
einstimmung  bis  auf  '/^  Proc.  in  den  Besultaten  von  Cail- 
letet  und  Bouty  einerseits  und  von  mir  andererseits,  wie 
sie  sich  aus  den  Zahlen  4,08  und  4,11  berechnet.^) 

Offenbar  ist  die  von  mir  vermuthete  Fehlerquelle  bei 
den  neuen  Versuchen  des  Hrn.  Grunmach  weniger  wirk- 
sam gewesen,  daher  hat  sich  auch  das  Besultat  dem  unseren 
erheblich  genähert.  Das  gleiche  gilt  von  den  Temperatur- 
coef&cienten.  Ich  habe  mir  erlaubt,  auch  die  neuen  Resul- 
tate theilweise  umzurechnen,  und  aus  der  ersten  Beobach- 
tungsreihe folgende  Mittelwerthe  der  Temperaturen  und  der 
dem  Widerstand  proportionalen  Zahlen  gebildet: 

Temperatar  50,5  48,5  46,25  44,5         42,37        41,25 

X  Coii^^l  I     ^»26829      0,26934      0,27185      0,27416     0,27771     0,27983. 

Nach  dem  gewöhnlich  benutzten  Verfahren  berechnen 
sich  hieraus  durch  Combination  von  (1)  mit  (4),  (2j  mit  (5)  etc. 
die  Temperaturcoefficienten: 

0,0031        0,0038        0,0046  Mittel:     0,0038. 

1)  Vgl.  auch  La  liimiere  öl^ctrique.  »HO.  p.  530.  ISS^. 

2)  C.  L.  Weber,  Wied.  Ann.  36.  p.  589.  1S89. 


230       C.  L.   Weber.     Leitungsvermögen  des  (Quecksilbers, 
Ebenso  finde  ich  aus  der  zweiten  Reihe: 


Temperatur  80,63  70,29  59,20  49,28  42,28 

Widerstand  x  Gonst.    0,82911      0,38851       0,34869       0,36039      0,86999 

Hieraus  die  Tempe-  f  zw.  80  u.  70<>      70  u.  60«      60  u.  50»      49  a.  42« 
raturcoiifficienten     \  0,0023  0,0023  0,0028  0,0032. 

Wie  man  sieht ,  sind  die  so  berechneten  Temperatur- 
co^fficienten  gar  nicht  so  sehr  weit  von  dem  bekannten 
Werth  1/273  =0,0037  entfernt;  zum  mindesten  sind  sie  schon 
alle  von  derselben  Grössenordnung,  während  die  in  der 
früheren  Untersuchung  angegebenen  zwischen  4 .  10-^  und 
23 .  10~^  geschwankt  hatten.  Ich  glaube,  dass  man  schon 
bei  Betrachtung  dieser  neu  berechneten  Zahlen,  unter  Be- 
rücksichtigung der  Schwierigkeit  der  Versuche,  es  für  wahr- 
scheinlich halten  wird,  dass  das  Quecksilber  sich  den  anderen 
Metallen  anschliesst.  Wenn  man  zugibt,  dass  die  obigen 
Zahlen  noch  einiger  Verbesserung  Tdhig  sind,  dann  würde 
die  ganze  Meinungsverschiedenheit  zwischen  Hm.  Grun- 
mach  und  mir  schliesslich  hinauskommen  auf  eine  verschie- 
dene Berechnung  und  Auslegung  von  Versuchsergebnissen, 
die  im  wesentlichen  gar  nicht  so  sehr  verschieden  sind. 

Würde  man  sich  der  von  mir  gewählten  Berechnungs- 
weise und  Auffassung  anschliessen,  so  würde  aus  den  Ver- 
suchen von  Cailletet  und  Bouty  und  von  mir  mit  Sicher- 
heit, aus  denen  des  Hrn.  Grunmach  wenigstens  mit  Wahr- 
scheinlichkeit zu  folgern  sein ,  dass  die  von  Clausius 
ausgesprochene  Verrauthung  auch  für  das  Quecksilber  Gel- 
tung hat,  in  Uebereinstimmung  mit  der  von  W.  v.  Siemens 
im  Jahre  1861  geäusserten  Ansicht.  Würde  man  der  Auf- 
fassung des  Hrn.  Grunmach  folgen,  so  wäre  jene  Ansicht 
des  Hrn.  W.  v.  Siemens  als  nicht  bestätigt  zu  erachten. 

München,  Pliys.  Inst.  d.  k.  techn.  Hochschule. 


•/.  Freyberg.    Bestimmung  der  Funkenpotehtlale,         231 

VII.    Bestimmung  der  Potentialdifferenzeii, 
welche  zt€  einer  Funkenbildung  in  Luft  zwischen 
verschiedenen  Electrodenarten  erforderlich  sintl; 

van  J.  Freyberg. 

(HleriM  Taf.  III    rig.  1—6.) 


Einleitung. 

Von  den  bereits  vorliegenden  Untersuchungen  über  den 
Gtegenstand  dieser  Arbeit  sind  die  älteren  ausnahmslos  mit 
dem  absoluten  Electrometer  von  Thomson,  diejenigen  aus 
neaerer  Zeit  mehrfach  mit  einem  geaichten  R ig hi' sehen 
Reflexionselectrometer  ausgeführt  worden.  ^)  Die  Ergebnisse 
dieser  Arbeiten  weichen  nicht  unerheblich  voneinander  ab.^) 

Die  vorliegende  Ezperimentaluntersuchung  hatte  den 
Zweck,  durch  anderweitige  Versuche  nach  einem  von  dem 
früher  angewendeten  verschiedenen  Verfahren  eine  neue  Be- 
stimmung derPotentialwerthe  vorzunehmen,  und  zwar  für  Fun- 
kenentladungen zwischen  verschiedenen  Electrodenpaaren  und 
fftr  Schlagweiten,  wie  solche  mit  den  gewöhnlichen  experi- 
mentellen Hülfsmitteln  erreicht  werden.  Das  Ziel  der  Arbeit 
bildete  in  der  Hauptsache  die  Aufstellung  einer  Tabelle,  aus 
welcher  für  eine  bestimmte  Schlagweite  zwischen  Electroden 
von  gebräuchlicher  Form  und  Dimension  die  zur  Entstehung 
eines  Funkens  erforderliche  Potentialdifferenz  direct  entnom- 
men werden  kann.  Der  Nutzen  einer  solchen  möglichst  voll- 
ständigen und  zuverlässigen  Zahlenzusammenstellung  liegt 
auf  der  Hand. 

Meinem  hochverehrten  Lehrer  und  Vorgesetzten,  Hrn. 
Geh.  Hofrath  Prof.  Dr.  A.  Toepler,  auf  dessen  Wunsch 
ich  diese  Ezperimentaluntersuchung  ausführte,  bleibe  ich  für 


1)  Wiedemann's  Lehre  von  der  £lectricität  enthält  eine  kritische 
Zosammenstellang  dieser  Untersuchungen  Im  Bd.  IV,  p.  649  und  in  dun 
Nachträgen  auf  p.  1273  u.  1839.  An  Arbeiten,  die  nach  Abschluss  (Juni 
1888)  der  vorliegenden  erschienen,  sind  noch  zu  erwähnen:  Lieb  ig, 
Phil.  Mag.  (5)  24.  p.  106.  1887.  Jaumann,  Wien.  Ber.  IL  Abth.  97. 
p.  765.  1888.    Paschen,  Wied.  Ann.  37.  p.  69.  1889. 

2)  Eine  Erklärung  hierfür  enthält  die  bereits  citirte  Arbeit  von 
G.  Jaumann. 


232  •/.  Freyberg, 

die  hierbei,  wie  in  der  ganzen  Zeit  unseres  Zusammenarbei- 
tens  empfangene  Anregung  und  Förderung  zu  grossem  Danke 
verpflichtet. 

I.   Die  Methode  der  Bestimmung. 

Stehen  zwei  isolirte  Electroden  mit  den  Belegungen  eines 
Condensators  mit  grosser  Oberfläche  in  Verbindung,  so  kann 
die  auf  den  Electroden  durch  eine  entsprechende  Condensator* 
ladung  erzeugte  und  zu  einem  Funken  Anlass  gebende  Po- 
tentialdi£ferenz  V^  —  V^  als  proportional  mit  der  electrischen 
Ladungsmenge  angesehen,  ihr  Werth  demnach  aus  der  Kennt- 
niss  der  Ladung  Q  und  der  Condensatorcapacität  x  nach 
der  Beziehung: 

indirect  hergeleitet  werden.  Die  Grössen  Q  und  x  lassen 
sich  experimentell  nach  verschiedenen  Methoden  ermitteln; 
in  der  vorliegenden  Arbeit  ist  dies  auf  galvanischem  Wege 
geschehen. 

P.  Riess  und  insbesondere  A.  v.  Oettingen  haben  be- 
wiesen, dass  mit  Hülfe  eines  Galvanometers  die  Ladung  einet 
Condensators  bestimmt  werden  kann,  wie  auch  der  Schlies- 
sungsbogen  beschaffen,  welcher  Art  also  die  Entladung  anch 
sein  mag.  Ein  zu  solchen  Bestimmungen  geeignetes  Gal- 
vanometer muss  einmal  hinreichend  isolirte  Windungen  be- 
sitzen, sodass  ein  TJebergang  der  Electricität  zwischen  den* 
selben  ausgeschlossen  ist,  sodann  muss  es  eine  genügend 
grosse  SchwinguDgsdauer  haben,  damit  die  Dauer  der  vor- 
kommenden Entladungen  ohne  Einfluss,  und  ein  sicheres 
Ablesen  der  Ausschläge  überhaupt  möglich  ist  Mit  geeig- 
neten Windungen  versehene  ballistische  Galvanometer  eignen 
sich  hiernach  besonders  zu  dergleichen  Messungen. 

Bedeutet  für  ein  gedämpftes  Galvanometer: 

C  den  Keductionsfactor, 

T  die  Schwingungsdauer, 

K  das  natürliche  logarithmiscfae  Decrement, 

8  das  Dämpfungsverhältniss, 

u  den  Ausschlag  der  Magnetnadel,  welcher  bei  der  Ent- 
ladung einer  Electricitätsmenge  Q  beobachtet  wird  (gemessen 


Bestimmung  der  Funkenpotentiale,  233 

als  Scalenausschlag  n,  getbeilt  durch  den  doppelten  Scalen- 
abstand  a). 

—  KctXg  — 

Bei  einer  Dämpfung  von  wenigen  Procenten  kann  mit  ge- 
nügender Genauigkeit  gesetzt  werden: 

r,    CT(.  ^  x\      cTyr 

Die  Absolutbestimmung  der  Electricitätsmenge  Q  setzt  also 
ausser  der  Beobachtung  des  Ausschlages  a  die  experimen- 
telle Bestimmung  der  für  das  benutzte  Galvanometer  gelten- 
den Constanten  C,  T  und  S  voraus.  Man  erhält  die  Elec- 
tricitätsmenge in  Coulombs,  wenn  man  den  Reductionsfactor 
in  Amperes  und  die  Schwingungsdauer  in  Secunden  misst. 
Nach  Zusammenfassung  der  Constanten  in  obiger  Formel 
ergibt  sich  die  f&r  Messung  verschiedener  Electricitätsmengen 
vermittelst  desselben  Instruments  bequeme  Form: 

wobei  in  der  Constanten  k  der  Scalenabstand  a  in  derselben 
Einheit  wie  der  Scalenausschlag  n  einzuführen  ist. 

Auf  eine  derartige  Absolutbestimmung  einer  Electrici- 
tätsmenge kommt  es  auch  bei  der  zur  Auswerthung  der 
Condensatorcapacität  x  verwendeten  Methode  hinaus.  Die 
Ermittelung  der  gesuchten  Potentialdifferenzen  geschieht  so- 
mit nach  einer  galvanometrischen  Methode. 

Von  der  gesammten,  einem  Condensator  bei  dessen  La- 
dung zugefiihrten  Electricitätsmenge  verschwindet  infolge  der 
Absorptions-  und  Leitungsfähigkeit  des  Dielectricums  ein 
Theil  zeitweilig  oder  dauernd.  Der  andere  Theil  der  Ladung 
bewirkt  die  zu  einer  Funkenbildung  zwischen  bestimmten 
Electroden  erforderliche  Potentialdifferenz  der  Condensator- 
belege.  Nur  diese  letztere  Menge,  die  im  Augenblick  der 
Funkenentladung  „disponible  Ladung"  Q  ist  zu  messen.^) 
Dieselbe  setzt  sich  zusammen  aus  der  im  Funken  übergehen- 
den Menge  y,    und   der  Grösse   des   unmittelbar   nach   der 


1)  R.  KohlrauBch,  Pogg.  Ann.  91.  p.  64.  1854. 


234  •/.  Freyberg. 

Funkenentladang  im  Condensator  enthaltenen  y^Entladungs- 
rückstandes*'  q^ .  —  Aus  verschiedenen  Gründen  erfolgte  die 
Messung  von  q^  und  q^  in  zwei  getrennten  Schliessungskreisen 
durch  je  ein  Gralvanometer,  also  in  ähnlicher  Weise ,  wie 
A.  V.  Oettingen  bei  der  von  ihm  unternommenen  Prüfung 
des  Schlag  weiten  gesetzes  verfuhr.^) 

Die  beiden  Schliessungskreise  wurden,  den  mir  zur  Ver- 
fügung stehenden  Galyanometern  entsprechend,  geeignet  her- 
gestellt. Die  im  Funken  übergehende  Menge  ^^  sollte  gering 
sein;  der  Eintritt  der  Funkenentladung  und  damit  der  Be- 
ginn der  Ablenkung  des  im  ersten  Schliessungsbogen  ein- 
geschalteten Galvanometers  sollte  nur  das  Signal  zu  der 
möglichst  rasch  darauf  folgenden  Entladung  des  grösseren 
Antheiles  q^  geben.  Da  nun  die  Schlagweite  von  der  Be- 
schaffenheit des  Schliessungsbogens  nicht  beeinflusst  wird, 
und  die  Einwirkung  auf  das  Galvanometer  nur  von  der  ent- 
ladenen Electricitätsmenge  abhängt,  so  konnte  obigen  An- 
forderungen leicht  genügt  werden.  Durch  Einschaltung  eines 
beträchtlichen  Flüssigkeitswiderstandes  in  den  Funkenent- 
ladungskreis wurde  die  Menge  q^  möglichst  vergrössert;  zur 
Messung  des  kleinen  Antheils  q^  fand  das  empfindlichere  der 
beiden  Galvanometer  Verwendung. 

In  dem  Umstände,  dass  die  Messung  von  q^  und  9, 
nicht  gleichzeitig  im  Augenblick  der  Funkenbildung  vorge- 
nommen wird,  liegt  ein  Mangel  der  Methode.  In  der  zwischen 
dem  Auftreten  des  Funkens  und  der  Entladung  von  q^  ver- 
streichenden Zeit  verschwindet  durch  Rückstandsbildung  ein 
gewisser  Theil  von  q.,  und  geht  für  dessen  Messung  verloren, 
weshalb  der  Ausschlag  n.^  etwas  zu  klein  ausfallen  wird. 
Die  Grösse  des  verlorenen  Antheils  hängt  ausser  von  der 
verstrichenen  Zeit  vornehmlich  von  der  Beschaffenheit  der 
Versuchsbatterie  ab;  derselbe  kann  experimentell  bestimmt 
werden,  um  durch  eine  Correction  den  richtigen  Werth  von 
iu  herleiten  zu  können.  Bei  vielfach  wiederholter  Ausfüh- 
rung der  Entladungsbeobachtungen  lässt  sich  der  Einflusa 
des  erwähnten  Mangels  durch  rasches  Operiren  —  das  bei 
der  Verwendung  von  zwei  Galvanometern,  die  beide  aus  der 

1)  A.  V.  Oettingen,  Pogg.  Ann.  Jubelbd.  p.  275.  1874. 


Bestimmung  der  himkenpotentiale.  235 

Ruhelage  abgelenkt  werden,  möglich  ist  —  bis  auf  ein  Mini- 
mum bringen,  sodass  im  Hinblick  auf  die  bei  Messung  sta- 
tischer Electricitätsmengen  auftretenden  Schwankungen  von 
einer  Correction  der  Ausschläge  n^  zumeist  abgesehen  wer- 
den kann. 

Aus  den  nach  der  erläuterten  Methode  bestimmten 
Electricit&tsmengen : 

und  der  nach  bekanntem  Verfahren*)  ermittelten  Capacität 
X  der  Versuchsbatterie  ist  dann  die  einer  bestimmten  Schlag- 
weite entsprechende  PotentialdiflFerenz  zu  berechnen. 

IL  Versa chsanordnuDg  zur  Messung  von  Electricitätsmengen. 

Die  allgemeine  Versuchsanordnung  hierzu  zeigt  schema- 
tisch Fig.  1.  Es  bedeutet  darin  B  den  Condensator,  und 
zwar  eine  Leydener  Batterie,  deren  Belegungen  durch  zwei 
Schliessungskreise  untereinander  verbunden  sind.  In  dem 
einen  derselben  war  ein  Punkenmikrometer  Fj  ein  Wider- 
stand W^  und  ein  Galvanometer  G^ ,  im  anderen  eine  Ent- 
ladevorrichtung E  und  gleichfalls  ein  grosser  Widerstand  W^ 
und  ein  Galvanometer  G^  eingeschaltet.  Die  Versuchsbatterie 
war  vor  Bestrahlung  durch  Licht  geschützt  und  verblieb 
während  der  ganzen  Benutzungszeit  am  nämlichen  Aufstel- 
lungsorte. Die  isolirte  innere  Belegung  stand  mit  dem  einen 
Pol  P  einer  Electrisirraaschine  M  in  Verbindung.  Durch 
einen  dazwischen  geschalteten  Fallapparat  U  war  die  Mög- 
lichkeit gegeben,  den  die  Batterie  ladenden  Maschinenstrom 
sofort  unterbrechen  zu  können,  wodurch  dann  gleichzeitig 
die  Maschine  in  sich  geschlossen  wurde. 

Auf  vorzügliche  Isolation  der  ganzen  Aufstellung,  ins- 
besondere der  bis  zu  den  Galvanometern  führenden  Theile 
der  Entladungskreise  war  besondere  Sorgfalt  verwendet  wor- 
den. Es  war  im  Dunkeln  keine  electrische  Ausstrahlung 
wahrnehmbar,  als  die  Versuchsbatterie  zu  den  höchsten  vor- 
kommenden Potentialen  geladen  wurde. 

Ueber  die  in  der  Versuchsaufstellung  verwendeten  Hülfs- 
apparate  sei  Folgendes  bemerkt. 


1)  Siehe  F.  Kohl  rausch 's  Leitfaden  der  prakt.  Phys.   Art.  86. 


236  ./.  Freybery. 

I 

Die  Versuchsbatterie.  Dieselbe  war  eine  neue  i 
Form  Leydener  Batterien  nnd  in  der  nachfolgend  beschrie- 
benen Weise  nach  Angabe  von  Prof.  Toepler  bereits  im 
Jahre  1880  angefertigt  worden.  Fig.  2  gibt  von  einer  solchen 
Toepler'schen  Schachtel-  oder  Cylinderbatterie  ein 
Bild.  Dieselbe  besteht  gewöhnlich  aus  acht  ineinander  stehen- 
den cylindrischen  Glasgefässen  von  gleicher  Höhe,  aber  ab- 
nehmendem Durchmesser.  Jedes  einzelne  dieser  Batterie- 
gläser ist  wie  eine  gewöhnliche  Leydener  Flasche  mit  Stan- 
niol belegt.  Bei  der  Zusammensetzung  einer  solchen  Bat- 
terie kommt  die  innere  Belegung  eines  Batterieglases  mit 
der  äusseren  des  nächst  engeren  durch  die  Bodenbeiegang 
in  Berührung.  Auf  diese  Weise  entstehen  zusammenhängende 
Belegflächen,  welche  durch  altemirende  Verbindung  aufein- 
anderfolgender Belege  zu  zwei  Gruppen  vereinigt  werden« 
Drähte  mit  gut  isolirender  Hülle  zwischen  aufeinanderfol- 
gende Batteriegläser  eingeführt,  vermitteln  den  Contact  unter 
den  zu  einer  Gruppe  gehörigen  Belegen,  und  zwar  empfiehlt 
es  sich,  diese  Drähte  an  ihren  unteren  Enden  zur  Erzielnng 
einer  zuverlässigen  Berührung  mit  federnden  Blechstreifen, 
oder  besser  noch  mit  Pinseln  aus  silberumsponnenen  Fäden, 
die  bis  auf  die  Flaschenböden  reichen,  zu  versehen.  Die 
oberen  Enden  zusammengehöriger  Zuleitungsdrähte  werden 
etwas  über  den  Flaschenrändern  durch  Zusammendrehen 
verbunden  und  mit  kugelförmigen  Oonductoren  passend  ab- 
geschlossen. Letztere  gestatten,  durch  Ansatzstücke  and 
Klemmschrauben  eine  bequeme  Verbindung  der  beiden  Bat- 
teriebelegungen mit  Zuleitungen  von  aussen  her.  Die  inein- 
andergesetzten  Batteriegläser  stehen  in  einem  hölzernen 
Untersatz,  dessen  innerer,  mit  Stanniol  belegter  Boden  Con- 
tact mit  einer  aussen  befindlichen  Klemmschraube  besitzt 

Diese  Art  Leydener  Batterie  hat  den  grossen  Vortheü, 
dass  sie  bei  verhältnissmässig  beträchtlicher  Capacität  nur 
sehr  wenig  Baum  beansprucht,  daher  auch  vor  Bestaubung 
leicht  zu  bewahren  ist.  —  Wie  nebenbei  bemerkt  sein  mag,  hat 
eine  solche  Schachtelbatterie  eine  etwas  kleinere  Capacit&t 
als  bei  einer  Hintereinanderschaltung  in  der  gewöhnlichen 
Weise. 

Bei   der   hier    benutzten   Schachtelbatterie    besass    das 


Bestimmung  der  Fvnkenpotentiale.  237 

weiteste  Olas  20  cm,  das  engste  10  cm  Durchmesser;  die 
Höhe  der  Belegungen  betrug  40  cm  bei  einer  Gesammthöbe 
der  Gläser  von  ca.  60  cm.  Dieser  Condensator  hat  1,7  qm 
einseitige  Belegung  und  bedeckt ,  im  zugehörigen  Untersatz 
stehend,  weniger  als  7^^  qm  Boden  fläche.  Das  Gewicht  der 
Batterie  betrug  13  kg.  Derartige  Toepler'sche  Schachtel- 
batterien werden  in  dem  mechanischen  Institute  von  0.  Leu- 
ner  am  Polytechnikum  in  Dresden  hergestellt. 

Die  SpiegelgaWanometer  G^  und  G^.  Das  im 
Fnnkenentladungskreise  verwendete  Galvanometer  G^  war 
ein  Instrument  alter  Gonstruction ,  fast  ungedämpft.  Nach 
Verwendung  eines  Multiplicators  mit  geeigneten  Windungen 
von  insgesammt  6,5  Ohm  Widerstand  und  Anbringung  einer 
achwachen  Luftdämpfung  nach  Toepler'schem  System  wurde 
das  Galvanometer  recht  brauchbar.  Die  Luftdämpfung  zeigte 
sich  über  Erwarten  constant  und  genügend  für  die  beab- 
sichtigte Verwendung.  G^  war  Wie  de  mann 'scher  Oon- 
stmction.  Die  Galvanometerrollen  waren  in  einfacher  Weise 
geeignet  hergestellt  worden.  Auf  hölzernen  Führungsschlit- 
ten befestigte  Elementengläser  mittlerer  Grösse  waren  aussen 
und  innen  mit  je  einer  Windungslage  von  0,7  mm  starkem 
Kupferdraht  versehen  worden.  Letzterer  besass  eine  Kau- 
tschukhüUe  und  war  ausserdem  in  Paraftin  eingebettet.  Der 
Widerstand  einer  Rolle  betrug  1,2  Ohm. 

Für  die  Constanten  der  Galvanometer  fand  sich  im 
Mittel: 

Reduetionsfactor  C,  =«  0,00137  Amp.        C,  =  0,0116  Amp. 

Schwingtmgsdaucr  2\  =  7,04        See.  1\  =  4,45      See. 

Dämpfungsverhältnsis     (^^  =  1,225  ^3  =  1,313. 

Der  Abstand  zwischen  Spiegel  und  Scala  betrug  je 
1800  mm;  die  Ablesung  der  Ausschläge  fand  vom  nämlichen 
Standpunkte  des  Beobachters  aus  statt.  Aus  den  vorstehen- 
den Zahlen  ergibt  sich:   ä^  =  94 .  lO"»  und  k^  =  523. 10-"^. 

Das  Funkenmikrometer  /^gestattete,  die  Schlagweite 
bis  auf  Vio  ™™  ^^  messen.  Um  auch  die  kleinste  einzu- 
stellende Punkenstrecke  —  das  war  1  mm  —  wenigstens  bis 
auf  1  Proc.  zuverlässig  messen  zu  können,  wurde  ein  Mikro- 
skop mit  Mikrometer  verwendet.  Bei  Einstellung  der  Schlag- 
weiten wurde  die  Berührung  der  Electroden  stets  mit  Hülfe 


238  J.  Freyberg. 

von  Galvanoskop  und  Element  electrisch  constatirt.  Die 
verwendeten  Electroden  waren  messingene  Kugeln ,  Spitzen 
und  Platten.  Kleine  Kugeln  und  die  Spitzen  sassen  an 
entsprechend  dünnen  Zuleitungen. 

Die  Widerstände.  D-förmig  gebogene  Bohren  mit 
Wasser  oder  verdünnter  Kupfervitriollösung  gefüllt,  bildeten 
die  Flüssigkeitswiderstände  W^  und  W^^  deren  Grösse  30000, 
bezw.  3000  Ohms  betrug.  Durch  die  Einschaltung  dieser 
Widerstände  wurde  eine  zweckmässige  Vertheilung  der  Elec- 
tricitätsmengen  q^  und  q^  erreicht,  und  die  Gefahr  einer 
Durchdringung  der  Galvanometerwindungen,  der  Veränderung 
des  Nadelmagnetismus,  wie  der  Corrosion  der  Electroden 
durch  die  Entladungsfunken  am  Funkenmesser,  beseitigt 

Zu  der  Entladevorrichtung  E  hatte  ein  Riess'scher 
Entlader,  als  Dnterbrechungsapparat  27  eine  alte  Cuth« 
bertson'sche  Wage  Verwendung  gefunden.  Beide  Vorrich- 
tungen konnten  vom  Sitze  des  Beobachters  aus  gehandhabt 
werden. 

Die  Electricitätsquelle.  Die  Ladung  der  Versuchs- 
batterie wurde  durch  eine  Toep  1er' sehe  Influenzmaschine 
mit  zwanzig  rotirenden  Scheiben  bewirkt  Diese  Maschine 
wurde  durch  einen  kleinen  Wassermotor  (von  Schmid  in 
Zürich)  bewegt  Die  Regulirung  der  dem  Motor  in  einem  ge- 
wöhnlichen Druckschlauch  zufiiessenden  Wassermenge  konnte 
vom  Sitze  des  Beobachters  aus  leicht  bewirkt  und  somit  ein 
sehr  gleichmässiger  Gang  der  Influenzmaschine  erzielt  werden» 

Zur  Ausführung  der  Beobachtungen  vorliegender  Arbeit 
ist  diese  Maschine  in  Summa  ungefähr  60  Stunden  ohne  jede 
Betriebsstörung  benutzt  worden. 

Unter  Benutzung  der  vorbeschriebenen  Versuchsauf- 
Stellung  gestaltete  sich  der  Gang  der  Entladungsbeobach- 
tungen folgendermassen.  Nach  Einstellung  der  Schlagweite 
am  Funkenmesser  wurde  durch  den  Wassermotor  die  Influenz- 
maschine in  gleichmässige  Rotation  versetzt,  alsdann  die 
Verbindung  zwischen  der  ladenden  Maschine  und  der  inneren 
Batteriebelegung  hergestellt  und  im  Augenblicke  der  Funken- 
bildung zwischen  den  Electroden  unterbrochen.  Nach  Ab* 
lesung  des  Ausschlags  n^  wurde  sogleich  durch  Abziehen  der 
Fallvorrichtung   E  der   Entladungsrückstaud   q^   durch    das 


Bestimmung  der  Funkenpotentiale,  289 

Oalvanometer  G^  entladen  und  der  Ausschlag  n^  bestimmt. 
Der  metallische  Contact  bei  der  Entladung  von  q^  währte 
nur  ganz  kurze  Zeit,  um  nur  q^^  nicht  auch  die  als ,, wieder- 
auftretender Rückstand'^  aus  dem  Dielectricum  kommende 
Ladungsmenge  zu  messen.  Die  zwischen  dem  Auftreten  des 
Funkens  und  der  Entladung  von  q^  verstrichene  Zeit  betrug 
durchschnittlich  7  Secunden. 

Nach  Einstellung  der  Galvanometer  in  ihre  Ruhelage 
konnte  zu  einer  Wiederholung  der  Beobachtung  geschritten 
werden. 

Beobachtungen. 

Dieselben  beziehen  sich  im  wesentlichen  auf  Messungen 
von  EUectricitätsmengen  unter  Verwendung  der  vorbeschrie- 
benen Yersuchsanordnung.  Vorangestellt  sind  die  zur  Ca- 
pacitätsauswerthung  der  verwendeten  Leydener  Batterie  noth- 
wendigen  Daten.  Zahlreiche  Beobachtungen,  welche  ausgeführt 
waren,  um  über  die  Güte  und  Verwendbarkeit  der  Versuchs- 
batterie Aufschluss  zu  erhalten,  namentlich  hinsichtlich  der 
Isolations-  und  Rückstandsverhältnisse,  sind  hier  ganz  weg- 
gelassen worden.  Desgleichen  wurde  von  der  Wiedergabe 
verschiedener  Hülfsbeobachtungen,  wie  der  einfachen  Be- 
stimmung von  Reductionsfactoren  mit  dem  Silbervoltameter, 
der  fortgesetzten  Controle  dieser  Werthe  durch  ihre  Ver- 
gleichung,  der  Prüfung  der  Proportionalität  zwischen  La- 
dungsmenge und  Potentialdifferenz  bei  der  Capacitätsbestim- 
mung  u.  a.  m.,  abgesehen. 

Sämmtliche  Beobachtungen  wurden  während  der  Winter- 
semester 1886/87  und  1887/88  im  physikalischen  Laboratorium 
des  König].  Polytechnikums  zu  Dresden  ausgeführt,  und  zwar 
in  einem  Räume  desselben,  welcher  recht  gleichmässig  warm 
erhalten  werden  konnte,  dessen  Luft  jedoch  etwas  über  nor- 
mal trocken  war.  • 

III.    Capacität  der  Versuchsbatterie. 

Die  wahre  Capacität  eines  Condensators  ist  das  Ver- 
hältniss  seiner  disponiblen  Ladung  zur  Potentialdifferenz  der 
Belegungen.  Dieser  hier  in  Betracht  kommende  Werth,  der 
also  die  Capacität  mit  Ausschluss  des  Rückstandes  misst, 


^40  •/.  Freybenf. 

kann  somit  durch  Messung  der  in  einem  Stromstoss  ab« 
fliessenden  Electricitätsmenge  unter  gleichzeitiger  BestimmaDg 
der  herrschenden  Potentialdifferenz  erhalten  werden.  Der- 
artige Capacitätsbestimmungen  werden  unter  Zuhülfenabme 
«iner  galvanischen  Kette  von  bekannter  electromotorischer 
Kraft  j?  vermittelst  des  Galvanometers  ausgeführt.  Zu  diesem 
Zwecke  wurden  die  Belege  der  Versuchsbatterie  B  durch 
zwei  Schliessungskreise,  welche  bezw.  die  ladende  Kette  oder 
das  Galvanometer  enthielten,  derart  verbunden,  dass  nach 
erfolgter  Ladung  die  disponible  Menge  Q  sogleich  durch  das 
Galvanometer  entladen  werden  konnte.  Die  gesuchte  Capa- 
cität  X  ergibt  sich  alsdann  nach  der  Beziehung  x  =  Q/£  in 
Farads,  wenn  Q  nach  einer  der  Formeln  auf  p.  233  in  Cou- 
lombs und  E  in  Volts  gemessen  wird.  —  Die  Gültigkeit  der 
Proportionalität  zwischen  der  Ladungsmenge  und  der  Poten- 
tialdifferenz wurde  für  die  benutzte  Schachtelbatterie  bis  zu 
J)0  Volts  erwiesen. 

Bestimmungen  und  einfache  Controlen  des  üapacit&ts- 
werthes  nach  dieser  Methode  wurden  bei  der  Wichtigkeit 
desselben  während  der  Benutzungszeit  ausgeführt. 

Zur  Ladung  von  B  wurde  stets  eine  grössere  Anzahl 
(gewöhnlich  vierzig  Stück)  DanielPsche  Elemente  verwendet, 
welche  nach  den  von  Kittler  gegebenen  Vorschriften  zu- 
sammengesetzt waren.  Die  electromotorische  Kraft  der  la- 
denden Kette  wurde  mit  einem  Sie  mens' sehen  Torsionsgal- 
vanometer  gemessen.  Das  zur  Beobachtung  des  Ausschlages 
bei  Entladung  der  Batterie  dienende  Galvanometer  besass 
ein  astatisches  System  und  einen  Multiplicator  mit  160C0 
Windungen  in  füif  getrennten  Lagen,  die  in  beliebiger  Schal- 
tung verwendet  werden  konnten.  Um  dieses  Instrument  zu 
charakterisiren,  gebe  ich  die  Mittel  aus  der  mehrfachen  Be- 
stimmung der  Constanten: 

Reductionsfjutor  C  -  VJ% ,  lü~'  Amp. 

Scbwinj;iuig.s(iiiu(r  T  ■■=■  1(»,6  Seciimlrn. 

Dämpfung8\ci'hältiiii5i}    ö  =  1,308. 

Der  Reductionsfactor  wurde  vermittelst  des  Silbervolta- 
DieterSy  die  ScliwiDguDgsdauer  mit  Hülfe  eines  Fuesa'- 
sehen  Ohronographen  bestimmt.  Die  Messung  des  Galvano- 
meterausschlags bei  Entladung  der  Batterie  geschah  selbst* 


'Beitimmuvg  der  Funkenpotentiale.  241 

Terständlich  unter  Commutation  des  EDÜaduDgsstromes.  Zur 
Herbeif&hrung  einer  gewissen  Grleichmässigkeit  wurde  die 
Ladnngsdauer  auf  drei  volle  Minuten  bemessen,  die  Ent- 
ladung aber  in  sehr  kurzer  Zeit  vorgenommen. 

Fand  in  dieser  Weise  die  Ladung  der  Schachtelbatterie 
mit  vierzig  Danieirschen  Elementen  statt,  so  bewirkte  die 
im  ersten  Stromstoss  abfliessende  Blectricitätsmenge  einen 
mittleren  Ausschlag  von  75,3  mm  an  der  in  3080  mm  Abstand 
vom  Spiegel  stehenden  Scala.  Mit  Hülfe  der  angegebenen 
Galvanometerconstanten  rechnet  sich  alsdann: 

Q«  219. 10-»  Coulomb. 

Drei  vollständige,  im  Laufe  der  Benutzung  der  Batterie 
ansgef&hrte  Capacitätsbestimmungen  ergaben: 

X«  517.10"^^  Farad 
475. 
481. 

X  =  491 .  10~^®  Farad  =  44  200  electroatat.  Cap.-EiLh. 

IV.    Entladungsmenge    und    Schlagweite    zwischen 

verschiedenen  Electrodcn. 

Zu  diesen  Entladungsbeobachtungen  fand  die  im  Ab- 
schnitt II  beschriebene  Anordnung  (p.  235)  Verwendung. 
Die  Versuchsbatterie  wurde  dabei  stets  positiv  geladen  und 
ihre  äussere  Belegung  dauernd  mit  der  Erde  verbunden. 
Am  Funkenmesser  fanden  stets  zwei  congruente  Electroden 
Verwendung.  Die  zwischen  einem  solchen  Electrodenpaare 
herzustellende  Schlagweite  wurde,  von  0,1  cm  beginnend,  so- 
weit wie  thunlich  vergrössert,  und  zwar  vielfach  bis  eine 
Selbstentladung  der  Batterie  über  deren  20  cm  breiten,  un- 
belegten Rand  hinweg  auszubrechen  drohte.  Durch  einige 
Vorversuche  war  die  hierzu  erforderliche  Fotentialdififerenz 
angenähert  zu  45000  Volts  bestimmt  worden.  Die  sämmt- 
lichen  bei  den  Entladungsbeobachtungen  erzielten  Fotential- 
differenzen  halten  sich  unter  dieser  Grenze,  da  Selbstent- 
ladungen der  Batterie  möglichst  vermieden  wurden.  Nach 
einer  solchen  lag  immerhin  die  Möglichkeit  vor,  dass  durch 
den  dabei  auftretenden  Funken  eine  Schmelzung  an  den  Gon- 
tactstellen  zwischen  den  Stanniolbelegungen  und  Zuleitungs- 
drähten,   und   somit  eine  Aenderung   der  Batteriecapacität 

Ann.  <L  Phys.  o.  Chem.   N.  F.    XXIVIII.  16 


242 


•/.  Freyherg. 


stattgefunden  haben  konnte,  was  alsdann  jedesmal  eine  Con- 
trole  der  Capacität  erforderte« 

Alle  bei  den  Messungen  eingetretenen  Eatladungen  waren 
zufolge  der  Beschaffenheit  des  Schliessungsbogens  verzögert 

Die  Berechnung  (vgl.  p.  283,  235  und  237)  der  entladenen 
Electricitätsmengen  in  Coulombs  aus  den  in  Millimetern  ge- 
messenen, event.  reducirten  Scalenausschl&gen  n^  und  n,  er- 
folgte nach  der  Formel: 

Q  =  yi  +  y,  «94.10-^. «1  +  523  .  lO-» . n^. 

Die  Entladungsmenge  Q  wurde  für  jedes  Electrodenpaar 
und  jede  erreichte  Schlagweite  aus  mehreren  Beobachtungs- 
sätzen mit  je  sechs  Einzelbeobachtungen  hergeleitet  Diese 
Bestimmungen  verlaufen  je  nach  der  am  Funkenmesser  ver- 
wendeten Electrodengattung  verschieden. 

a)  Kugeln.  —  Dieselben  waren  sorgfältig  aus  Messing 
abgedreht  und  sehr  gut  polirt  worden.  Nur  nach  mehr- 
maligen Entladungen  grosser  Electricitätsmengen  war  an  den 
Electroden  ein  Einfluss  des  verzögerten  Entladungsfunkens 
bemerkbar ;  alsdann  wurden  frische  Stellen  der  Kugeln  einan- 
der gegenübergestellt  Angewendet  wurden  überhaupt  Kugel- 
electroden  von  sechs  verschiedenen  Grössen,  und  zwar  von 
0;5,  0,75,  1,  2,  4  und  6  cm  Durchmesser. 

Einen  aus  der  grossen  Anzahl  willkürlich  herausge- 
griffenen Beobachtungssatz  gibt  die  Tabelle  1  wieder.  Die- 
selbe enthält  in  den  ersten  beiden  Columnen  die  reducirten 
Galvanometerausschläge  in  Millimetern,  sodann  die  daraus 
berechneten  Electricitätsmengen  in  Coulombs  mit  10^  multip- 
licirt 

Tabelle  1. 

Kugeln  von  2  cm  Durchm.  Schlagweite  =  0,7  cm. 


Scalenausschlag 

Electricitätsmenge 

»1 

»1 

;  10'. y,      10». 9,       10'.  Q 

1 

125,0 

180,5 

'     1175 

9440 

10615 

78,0 

199,0 

733 

10408 

11141 

178,9 

180,2 

1681 

9425 

11106 

191,8 

174,7 

1803 

913T 

10940 

183,6 

175,8 

1726 

9194 

10920 

184,8 

179,2 

1732 

9372 

11105 

Mittel:  10971 


Bestimmung  der  Funkenpoientiak. 


243 


Die  Scalenausschläge  n^  und  n,  lassen  zur  Genüge  die 
[{tretenden  Schwankungen,  wie  solche  bei  Versuchen  mit 
itiscber  Electricität  immer  Yorkommen,  erkennen.  Yer- 
ilasst  durch  verschiedene  Umstände  und  Zufälligkeiten,  geht 
ti  der  Entladung  in  der  Funkenstrecke  etwas  mehr  oder 
)niger  über,  demzufolge  auch  der  andere  Entladungsbetrag  q^ 
rschieden  gross  ausfällt.  Die  gesammte  Entladungsmenge 
wird  dennoch  angenähert  constant.  Im  Yorliegenden  Be- 
lacbtungssatze  macht  die  grösste  Abweichung  der  einzelnen 
'erthe  für  10^  Q  von  ihrem  Mittel  Vso  desselben  aus.  Um 
esen  Betrag  schwanken  die  Einzelwerthe  von  Q  bei  allen 
rischen  Kugelelectroden  normal  verlaufenden  Entladungs- 
tobachtungen. Die  Mittel  aus  verschiedenen  solchen  Be- 
lachtungssätzen  stimmen  natürlich  besser  überein.  So  er- 
,ben  z.  B.  vier,  mit  Kugeln  von  6  cm  Durchmesser  bei  0,1  cm 
hlagweite  angestellte  Beobachtungssätze  für  10^.  Q  die 
'erthe: 

2212,    2198,    2260,    2240,    Gesammtmittel:  2226. 

Die  grösste  Abweichung  der  einzelnen  Mittel  vom  ge- 
mmten  beträgt  hiernach  IV2  Froc.  des  letzteren. 

Tabelle  2. 

Kugeln  TOD  6  cm  Durchm.  Schlagweite  =  0,5  cm 


ScalenauBschlag 

Electricitätsmenge 

n. 

n. 

W  .  q^      10^ .  y,   10^ .  Q 

829,4 

93,7 

8096    4901 

7997 

848,5 

93,2 

'    8276  '  4874 

8150 

844,0 

91,2 

8234 

4770 

8003 

149,5 

118,5 

1405 

6198 

7608 

150,9 

114,0 

1418 

5966 

7381 

166,2 

114,0 

1562 

5966 

7524 

188,8 

120,1 

;  1258 

6281 

7589 

Einige  mal  trat  während  eines  Beobachtungssatzes  ohne 
.nächst  erkennbare  Ursache  eine  Anomalie  ein.  Es  änder- 
n  sich  plötzlich  die  Ausschläge  n^  und  n^  weit  über  die 
^wohnlich  vorkommenden  Schwankungen  hinaus,  blieben 
sdann  aber  in  derselben  Weise  constant  wie  vorher.  Ta- 
ille 2  zeigt  einen  solchen  Beobachtungssatz,  in  dem  nach 
)r  dritten  Entladung  eine  derartige  sprungweise  Aenderung 
ntrat.    Es  wird  die  im  Funken  übergehende  Menge  nur 

16* 


244 


J.  Freyberg. 


etwa  halb  so  gross  als  vorher;  die  andere  Theilmenge  q^ 
wird  zwar  etwas  grösser  als  zuvor,  doch  erreicht  die  Ge- 
sammtsumme  Q  nicht  die  Höhe  wie  bei  den  drei  ersten 
Versuchen.  Die  Entladung  fand  demnach  zuletzt  bei  einem 
niedrigeren  Potential  statt,  was  durch  Anflug  von  Staub  oder 
Fasern,  welche  als  Spitzen  wirkten,  verursacht  sein  konnte. 
Dergleichen  Beobachtungssätze  haben  keine  weitere  Ver- 
werthung  gefunden.  Nach  dem  Eintritt  einer  solchen  Ab- 
weichung wurden  die  Electroden  abgenommen  und  nach  sorg- 
fältigem Reinigen  zu  neuen  Versuchen  verwendet,  die  alsdann 
wieder  regelmässig  vor  sich  gingen.  —  Dem  gesammten  Ver- 
lauf der  Entladungsbeobachtungen  fär  alle  erreichten  Schlag- 
weiten bei  Benutzung  eines  und  desselben  Electrodenpaares 
lässt  die  Tabelle  3  erkennen,  und  zwar  fQr  zwei  verschieden 
grosse  Eugelpaare. 


Ta 

belle 

3. 

Schlag- 

Kugel 

n  von  ] 

l  cm  Durchmesser 

Kugeln  von  < 

l  cm  Durchmesser 

weite 

in  cm 

Scalenausschl. 

Elec  tricitätsmenge 

Scaleoausschl. 

Electricitfttsmeoge 

_  d 

»1 
39,2 

36,7 

;io«.y,'io^^ 

!l0«.Q 

"i 

1 

10»y, 

\0\q^ 

ilO^.Q 

0,1 

1    37 

192 

!     229 

30,8 

37,0 

i    29 

194 

223 

0,2 

129,0 

66,1 

121 

346 

467 

54,0 

64,2 

51 

336 

387 

0,3 

91,2 

93,3  1 

86 

488 

574 

85,2 

83,1  ; 

80 

i     435 

515 

0,4 

84,0 

116,0  1 

79 

607 

686 

200,6 

83,6  . 

189 

438 

!     626 

0,5 

119,4 

136,3 

112 

713 

825 

232,4 

110,2 

218 

587 

805 

0,6 

136,5 

156,2 

128 

817 

945 

204,5 

143,5 

192 

751 

943 

0,7 

131,1 

173,4 

123 

907 

1030 

225,2 

171,5 

212 

897 

1109 

0,8 

274,8 

168,5 

258 

881 

1140 

352,5 

180,8  ! 

331 

946 

1277 

0,9 

279,3 

185,4  1 

263 

970 

1232 

415,4 

195,5 

390 

1022 

1413 

1,0 

140,8 

216,6 

132 

1133 

1265 

502,8 

206,4  . 

473 

1079 

1552 

1,1 

158,5 

219,8 

149 

1150 

1299 

435,0 

280,3  , 

408 

1204 

1613 

1,2 

124,5 

236,8 

117 

1238 

1855 

400,3 

253,6 

376 

1326 

1703 

1,3 

111,8 

244,2 

105 

1277 

1882 

327,5 

286,0  1 

308 

1496 

1804 

1,4 

94,8 

250,7 

89 

1311 

1400 

461,6 

305,4 

434 

1597 

2031 

1,5 

59,8 

266,5 

56 

1894 

1450 

1,6 

52,1 

280,3 

49 

1466 

1515 

1,7 

52,1 

300,0 

49 

1569 

1618 

1,8 

44,4 

316,4  ! 

42 

1655 

1697 

1 

2,0 

33,2 

326,0 

81      1705 

1736 

2,2 

32,4  , 

332,1 

30  '  1737 

1767 

' 

1 

2,4 

31,0 

343,5 

.    29 

1797 

1826 

Vorstehende  Versuchsreihen  lassen  ein  verschiedenes 
Verhalten  erkennen,  das  aus  ihrer  graphischen  Darstellung 
in  den  Figuren  3  und  4  besonders  hervortritt.  Für  die 
kleineren   Kugelelectroden   (bis   zu   einem  Durchmesser  von 


Bestimmung  der  Funkenpotentiale,  245 

etwa  1,5  cm)  gestaltet  sich  bei  dem  gegebenen  Schliessungs- 
kreise  im  grossen  und  ganzen  folgendermassen:  Mit  wachsen- 
der Schlagweite  wird  die  im  Funken  übergehende  Menge  q^ 
anfangs  gleichfalls  grösser,  nimmt  aber  nach  Erreichung 
eines  Maximal werthes  erst  rasch,  dann  langsam  ab,  während 
der  Entladungsrückstand  q^  fortgesetzt  anwächst.  Die  Ge- 
sammtmenge  Q  zeigt  daher  bei  kleinen  Kugeln  für  kleine 
Schlagweiten  ein  rascheres  Anwachsen,  als  für  grössere  Fun- 
kenstrecken. 

Bei  Kugelelectroden  von  grösserem  Durchmesser  zeigen 
beide  Electricitätsmengen  q^  und  q^  mit  zunehmender  Schlag- 
weite ein  fortgesetztes,  verschieden  schnelles  Anwachsen,  und 
zwar  derart,  dass  die  resultirende  Summe  Q  von  der  Pro- 
portionalität mit  der  Schlagweite  nicht  gar  zu  sehr  abweicht. 

Ein  ähnliches  Verhalten,  wie  es  vorstehend  für  zwei 
Electrodenpaare  erkannt  wurde,  zeigen  auch  die  übrigen 
zwischen  Kugeln  anderer  Grösse  angestellten  Entladungs- 
versuche. Von  diesen  gibt  die  Tabelle  4  (p.  246)  als  End- 
ergebniss  den  Werth  10^.  Q  für  jede  erreichte  Funkenlänge 
und  jedes  benutzte  Kugelpaar.  —  Aus  dieser  Zusammenstel- 
lung ist  das  verschieden  rasche  Wachsthum  von  Q  für  die 
einzelnen  Kugelpaare  ersichtlich.  Eine  einfache  Proportio- 
nalität zwischen  Schlag  weite  und  disponibler  Ladung  besteht 
im  allgemeinen  nicht.  Die  graphische  Deutung  der  gegebe- 
nen Zahlen  —  die  Schlagweiten  als  Abscissen,  die  Electri- 
citätsmengen als  Ordinaten  aufgetragen  —  ergibt  Curven, 
die  mit  Hyperbelzweigen  etwas  Aehnlichkeit  haben,  keines- 
wegs aber  mit  solchen  identificirt  werden  können.  Für  ganz 
grosse  Electroden  nähern  sich  diese  Curven  mehr  und  mehr 
einer  Geraden.  Fasst  man  ferner  eine  Horizontalreihe  der 
Tab.  4  ins  Auge,  so  zeigt  sich,  dass  es  für  jede  Funken- 
strecke ein  Paar  Kugelelectroden  gibt,  für  welches  die  Ent- 
ladungsmenge Q  ein  Maximum  wird,  und  zwar  kommt  das- 
selbe bei  zunehmender  Schlagweite  für  immer  grösser  wer- 
dende Kugeln  zu  Stande,  wie  J.  B.  Baille  zuerst  zeigte. 

An  dieser  Stelle  mag  noch  Erwähnung  finden,  dass  vor 
Ausführung  der  soeben  wiedergegebenen  Entladungsbeobach- 
tongen  etliche  Versuchsreihen  angestellt  wurden,  bei  welchen 
die  innere  Batteriebelegung  abwechselnd  positive  oder  nega- 


i 


6 

J. 

Freyberg, 

» 

Tabelle  4. 

t 

Kugeln. 

Schlag- 

] 

Blectricitätsmenge  10*.  Q  in 

Coulombs 

weite 

Kugeldurchmesser  in  cm 

in  cm 

0,50 

0,75     1,0 

2,0 

4,0 

6,0 

0,1 

248 

„^ 

229 

224 

228 

0,2 

421 

478 

467 

427 

411 

887 

0,3 

547 

616 

574 

567 

549 

515 

0,4 

665 

691      686 

707 

699 

626 

0,5 

748 

814 

825 

837 

817 

805 

0,6 

814 

904      945 

955 

986 

948 

o\i 

880 

976 

1030 

1106 

1188 

1109 

0,8 

902 

1027 

1140 

1209 

1268 

1277 

0,9 

946 

1044 

1232 

1887 

1867 

1413 

1,0 

967 

1087 

1265 

1426 

1467 

1552 

1,1 

973 

1127 

1299 

1518 

1566 

1618 

1,2 

1048 

1216 

1355 

1604 

1680 

1708 

1,3 

1082 

1267 

1882 

— 

— 

1804 

1,4 

1105 

1286 

1400 

—^ 

— 

2081 

1,5 

1182 

1886 

1450 

— 

— 

— 

1,8 

1144 

1890 

1515 

— 

— 

— 

1,8 

1169 

1404 

1697 

— 

— 

— 

2,0 

1206 

1480 

1786 

— 

— 

2,2 

1261 

1448 

1767 

"^ 

— 

2,4 

1805 

1476 

1826 

— 

2,6 

1846 

1497 

— 

— 

— 

^^^ 

2,8 

1870 

1514 

— 

— 

8,0 

1898 

1580 

— 



— 

3,5 

1482 

1566 

■^ 

— ^ 

— 

— 

4,0 

1458 

1591      — 

— 

— 

4,5 

1467 

1642      - 

— 

5,0 

1507 

1678 

— 

— 

1   ~~ 

— 

tive  Ladung  erhielt.  Es  schien  geboten,  zunächst  festzu- 
stellen,  ob  unter  sonst  gleichen  Umständen  die  Art  der 
Batterieladung  einen  quantitativen  Unterschied  bedingt  Zur 
experimentellen  Entscheidung  der  angeregten  Frage  diente 
die  auf  p.  235  beschriebene  Versuchsanordnung,  nur  war 
zwischen  der  ladenden  Maschine  M  und  dem  Unterbrechungs- 
apparat U  noch  ein  geeigneter  Stromwender  eingeschaltet 
worden.  Aus  mehrfachen  Versuchsreihen,  bei  welchen  Kugel- 
paare verschiedener  Grösse  Verwendung  fanden,  konnte  ein 
quantitativ  verschiedenes  Verhalten  der  Electricitäten  nicht 
entscheidend  gefolgert  werden.  Die  sich  ergebenden  Unter- 
schiede liegen  innerhalb  der  bei  den  einzelnen  Beobachtungs- 
sätzen vorkommenden  db  Schwankungen.  Nur  die  mit  klei- 
nen Kugeln  von  0,75  cm  Durchmesser  bei  0,5,  1  und  2  cm 


Bestimmung  der  Funkevpotentiale, 


247 


Fankenstrecke  angestellten  Entladungen  verliefen  im  gleichen 
Sinne,  und  zwar  sagen  sie  aus,  dass  bei  einer  positiven  La- 
dung eine  grössere  Electricitfttsmenge  zu  einer  Fankenent- 
ladung  erforderlich  ist,  als  bei  einer  negativen.  Dasselbe 
Ergebniss  fand  bereits  Belli  bei  Verwendung  ungleicher 
Kugelelectroden. 

Wie  schon  zu  Anfang  dieses  Abschnitts  erwähnt  wurde, 
erhielt  die  innere  Belegung  der  Versuchsbatterie  bei  allen 
späterhin  zur  Bestimmung  der  Potentiale  dienenden  Mes« 
sungen  von  Q  eine  positive  Ladung. 

b)  Platten.  —  Von  allen  Electrodenarten  sind  Platten 
zuerst  und  am  häufigsten  benutzt  worden,  um  die  zu  einer 
Funkenbildung  zwischen  denselben  nöthige  PotentialdifiFerenz 
zu  ermitteln.  Mit  kreisförmigen,  an  ihrer  Peripherie  mit 
einem  Wulst  versehenen  messingenen  Platten  von  10  cm 
Durchmesser  wurden  einige  Beobachtungssätze  ausgeführt, 
um  die  schon  vorhandenen  Resultate  anderer  Beobachter 
mit  den  nach  der  galvanometrischen  Methode  erzielten  spä- 
terhin vergleichen  zu  können. 

Tabelle  5. 

•  Platten. 


Schlagw. 

ScalenauBschlag 

Electricitätsmenge 

in  cm 

Wl 

w. 

I0^.q, 

10«.  q, 
176 

lü«.Q 

0,1 

39,3 

i      33,7 

37 

213 

0,2 

40,5 

63,5 

38 

332 

370 

0,3 

78,9 

86,0 

74 

450 

524 

0,4 

127,9 

!    105,3 

120 

551 

671 

0,5 

160,6 

1    124,1 

151 

649 

800 

0,6 

201,0 

142,8 

189 

747 

936 

0,8 

179,6 

197.4 

169 

1032 

1201 

1,0 

141,2 

245,0 

133 

1 

1281 

1414 

Tabelle  5  zeigt  das  Ergebniss  dieser  Messungen.  Dem- 
nach verhalten  sich  Platten  ganz  ähnlich  wie  Kugeln  von 
sehr  grossem  Durchmesser.  Die  Beobachtungen  verlaufen 
aber  weit  regelmässiger,  als  bei  Verwendung  von  Kugeln. 
Die  Werthe  von  Q  schwanken  nur  bis  zu  ±  Vso*  ^'  Mac- 
farlane  wies  bereits  bei  seinen  ersten,  im  Jahre  1877  aus- 
geführten PotentialbestimmuDgen  auf  diesen  Umstand  hin. 


248 


•/.  Freybery. 


c)  Spitzen.  —  Zu  Entladungsversachen,  bei  denen  es 
darauf  ankommt,  die  Electricität  möglichst  in  Funkten  zu 
concentriren,  wie  z.  B.  bei  Durchbohrung  Ton  isolirenden 
Materialien,  bei  Erzeugung  eines  Funkenstromes  in  Flüssig- 
keiten u.  8.  w.  werden  spitzenförmige  Electroden  an  der 
Unterbrechungsstelle  des  Schliessungsbogens  angewendet. 

Warren  de  laRue  und  Müller  haben  bei  ihren  Ver- 
suchen über  die  Funkenbildung  vermittelst  der  grossen  Bat- 
terie von  Chlorsilberelementen  bereits  den  Einfluss  von  Spitzen 

—  allerdings  in  sehr  engen  Grenzen  für  die  Funkenstrecke 

—  untersucht.  Diese  Beobachter  halten  Spitzen  von  der 
Form  eines  Paraboloides  am  geeignetsten  zur  Erzielung 
grosser  Schlagweiten. 

Anschliessend  an  die  Entladungen  zwischen  immer  kleiner 
werdenden  Kugelelectroden  wurden  auch  Spitzen  als  Elec- 
troden benutzt,  um  gewissermassen  den  Grenzfall  zu  haben. 
Die  Electroden  waren  kleine,  spitze  Botationskegel  von  1  cm 
Höhe  und  0,5  cm  Durchmesser  der  Bodenfläche,  welche  durch 
eine  angedrehte  Halbkugel  abgerundet  war.  Das  Material 
zu  den  Spitzen  war  wieder  Messing.  —  Die  Entladungsver- 
suche wurden  ganz  wie  früher  ausgeführt.  Bald  nach  dem 
Beginn  der  Yersuchsbatterie  war  im  Dunkeln  Glimmlicht 
an   den   Spitzen   bemerkbar,   bis   bald   darauf  'mit   schwach 


Tabelle   6. 

Spitzen. 

Schlagw. 

Scalenausschlag 

Elec  tricitätsm  enge 

in  cm 

wi  ^ 

«» 

lo^(?. ' 

\0\q. 

10*.  Q 

0,1 

25,1 

30,4 

24 

159 

183 

0,2 

49,8 

35,1 

47 

184 

230 

0,3 

37,7 

43,2 

35 

226 

261 

0,4 

44,8 

47,9 

42 

251 

293 

0,5 

51,9 

49,7 

49 

260 

809 

0,6 

59,1 

53,7 

56 

281 

336 

0,8 

49,8 

66,8 

47 

349 

896 

1,0 

40,8 

73,5 

38 

384 

423 

1,5 

30,1 

88,0 

28 

460 

489 

2,0 

22,5 

91,1 

21 

476 

!      498 

2,5 

20,0 

95,7 

19 

501 

520 

3,0 

17,6 

102,4 

17 

536 

1      552 

3,5 

17,0 

107,5 

16 

562 

578 

4,0 

15,6 

111,9 

15 

585 

600 

4,5 

14,0 

116,3 

18 

608 

621     . 

5,0 

11,9 

120,5 

11 

680 

j      641 

Bestimmung  der  Fujikenpotentiale.  249 

zischendem  Geräusche  eine  Eunkenentladung  vor  sich  ging. 
die  eine  Ablenkung  des  Galyanometers  G^  hervorbrachte. 
Alsbald  wurde  dann  die  Batterie  durch  das  Galvanometer 
G^  vollends  entladen.  Die  Tabelle  6  zeigt  das  Ergebniss 
der  Versuche.     (VgL  Fig.  5.) 

Es  ist  die  im  Funken  übergehende  Menge  g^  immer 
sehr  klein;  dieselbe  wächst  anfangs  mit  zunehmender  Schlag- 
weite und  nimmt  dann  allmählich  wieder  ab,  während  der 
Entladungsrückstand  q^  fortgesetzt,  späterhin  freilich  sehr 
wenig,  anwächst  Die  Gesammtmenge  steigt  demnach  erst 
rasch,  später  aber  nur  langsam.  Der  Verlauf  von  Q  hat 
Aehnlichkeit  mit  einer  Parabel,  deren  Axe  mit  der  Abscis- 
senaxe,  auf  welcher  die  Schlagseiten  aufzutragen  wären^ 
zusammenfällt. 

Aus  den  Zahlen  der  Tab.  6  und  besonders  aus  den 
Diagrammen  in  Fig.  5  ist  ein  unerwarteter,  ziemlich  regel- 
mässiger Verlauf  der  Beobachtungen  ersichtlich.  Wie  aus 
einem  der  Beobachtungssätze  (Tabelle  7)  hervorgeht,  weichen 
die  einzelnen  Werthe  von  Q  vom  angegebenen  Mittel  nur 
wenig  mehr  als  1  Proc.  ab.  Die  Mittel  aus  derartigen 
Mitteln  (wie  in  Tab.  6  Col.  6)  sind  bis  auf  V^o  ^^^^^  Werthes 

sicher. 

Tabelle  7. 

8  p  i  t z  e  u.    Schlagweite  ss  2,0  cm. 


Scalenausschiag 

«i       i       »2 

22,5      i      92,1 

21,7           90,6 

23,3 

90,0 

22,4 

91,8 

22,5 

91,1 

Eiectricitätsmeuge 
10".  ^1   I    10^92    '    10^  Q 

212  '  4817  I      5029 

204  I  4788  '      4942 

219  .  4707  4926 

211  4801  5012 


212      !      4765  ,1      4977 
V.    Die  resultirenden  Potentialdifferenzen. 

Das  Ergebniss  des  vorigen  Abschnitts  —  zahlenmässig 
wiedergegeben  in  den  Tabellen  4,  5  und  6  —  gestatten  mit 
dem  des  Abschnitts  III  ohne  weiteres  die  Berechnung  der 
gewünschten  Potentialdifferenzen  V^  Qjx  in  Volts.  Die 
Tabelle  8  enthält  das  durch  die  vorliegende  Untersuchung 
angestrebte  Ziel;  sie  gibt  die  zu  einer  Funkenbildung  in 
Luft   zwischen   den   zumeist   verwendeten  Electrodenformen 


250 


•/.  Freyberg. 


erforderliche  Fotentialdifferenz  in  Volts  für  Schlagweiten  bis 
zu  5  cm. 

Tabelle  8. 


Schlag- 



Potential  in  V 
Kugein 

OltB 

weite 

in 

Spitzen 

Durchmesser  in  cm 

1      1      1 

Platten 

cm 

0,50 

i  0,75 

1,0 

2,0 

4,0 

6,0 

0,1 

3720 

5050 

«__ 

4660 

4560 

^__ 

4530 

4840 

0,2 

4700 

8600 

9700 

9500 

'  8700 

8400 

7900 

7500 

0,3 

5300 

11100 

12500 

11700 

11600 

11200 

10500 

lOTOO 

0,4 

6000 

13500 

14100 

14000 

14400 

14200 

12800 

18700 

0,5 

6300 

15100 

16C00 

16800 

17000 

16600 

16400 

16300 

0,6 

6900 

16600 

18400 

19300 

19500 

20100 

19200 

19100 

0,7 

— 

17900 

19900 

21000 

22500 

23200 

22600 

— 

0,8 

8100 

18400 

20900 

232(^0 

24600 

25800 

26000 

24500 

0,9 

— 

19300 

21300 

25100 

27200 

27800 

28&00 

— 

1,0 

8600 

19500 

22100 

25800 

29C00 

29900 

31600 

28800 

i,i 

— 

19800 

23000 

26400 

30900 

31900 

32800 

— 

1,2 

— 

21400 

24800 

27900 

82700 

34200 

35000 

— 

1,3 

— 

22000 

25800 

28200 

— 

36700 

1,4 

— 

22500 

26200 

28500 

— 

— 

41400 

— 

1,5 

9900 

23100 

27200 

29500 

— 

— 

— 

1,6 

— 

23200 

28800 

30900 

— 

— 

1,8 

— 

23800 

28600 

34600 

— 

— 

2,0 

lOlOO 

24600 

29100 

35400 



— 

— 

2,2 

— 

25700 

29500 

36000 

— 

— 

— 

2,4 

— 

26600 

30000 

37200 

— 

— 

2,6 

— 

27400 

30500 

^^^ 

— 

— 

— 

2,8 

— 

27900 

30800 

— 

— 

— 

— 

3,0 

11200 

28400 

31200 

— 

— 

— 

— 

— 

3,5 

11800 

29200 

31900 

— 

— 

__ 

— 

— 

4,0 

12200 

29600 

32400  ■ 

— 

— 

— 

— 

4,5 

12700 

29900 

3350* 

— 

— 

— 

— 

5,0 

13100 

30700  i 

34100 

— 

— 

— 

Die  grösste  gemessene  Potentialdifferenz  beträgt  41400 
Volts;  dieselbe  war  zur  Bildung  eines  1,4  cm  langen  Fun- 
kens zwischen  den  Kugeln  von  6  cm  Durchmesser  nothwen- 
dig.  Die  Electricitätsmenge,  welche  zur  Erreichung  so  hoher 
Spannungen  der  Versuchsbatterie  zuzuführen  war,  —  die  hier 
immerhin  nur  wenig  mehr  als  1/500  Coulomb  betrug  — 
machte  sich  vor  Eintritt  der  FunkenentladuDg  durch  bedenk« 
liches  Knistern  in  der  Batterie  und  im  Dunkeln  wahrzuneh« 
mende  Lichterscheinungen  bemerkbar;  es  war  bei  diesen 
Versuchen  selbstverständlich  grosse  Vorsicht  geboten.  Mit 
Hülfe  der  benutzten  zwanzigscheibigen  Influenzmaschine  ▼on 
Toepler  wären  leicht  noch  höhere  Potentialdifferenzen  zu 


Battmnatng  der  Funkenpoteatiale,  261 

erzielen  gewesen,  hätte  dies  die  Beschaffenheit  der  Versuchs- 
batterie gestattet.  Wie  bereita  erwähnt,  entlnd  sich  die  Bat- 
terie bei  etwas  höherem  Potential  Ober  den  unbelegten  Band 
deraelben.  Blasen  enthaltende  Batteriegläser  können  hierbei 
dorchschlagen  werden. 

Mit  recht  dickwandigen,  nicht  hoch  belegten  Lejdeoer 
Flaschen  lassen  sich  Fnnkeotladnngen  tod  noch  grosserer 
Potential differenz  erzielen  und  messen,  wovon  ich  mich  nach- 
tAglicb  durch  etliche  Versuche  mit  Flaschen  von  5  mm 
Wandstärke  nnd  passender  Belegung  überzeugte. 

Tabelle  9. 


Schlag. 

Po 

tential 

weite 

Kugch. 

in 

SpiricD 

I> 

er  in  cm 

Platten 

cm 

0,60 

0.75 

__•/_ 

2,0 

4,0 

6,0 

0,1 

li,4 

16,8 

~ 

15,5 

15,2 

_ 

16,1 

14,5 

0,2 

1S,6 

28,6 

32,5 

81,7 

39,0 

27,9 

36,2 

25,1 

0,8 

17,7 

37,3 

41,8 

38,9 

38,5 

a7,s 

34,9 

M56 

0,4 

19,9 

45,2 

46,9 

46,8 

48,0 

47,5 

42,5 

45,6 

0,5 

21.0 

B(l,5 

55,3 

56,0 

56,8 

55,5 

54,7 

54,S 

0,8 

22,8 

55,3 

61,4 

64,2 

64,fl 

•^6,9 

6J,0 

63,5 

0,7 

59,8 

66,3 

69,9 

75,1 

77,2 

75,3 

0,ö 

26,9 

ei,2 

69,1 

77,4 

82,1 

88,1 

86,7 

81,6 

0,9 

64,2 

70,9 

83,7 

90,8 

92,8 

95,9 

',0 

28,9 

65,0 

7a,a 

85,9 

96,8 

99,5 

106.4 

96,0 

1.1 

66,1 

76,5 

88,2 

103,1 

106.3 

109,5 

1,3 

71,2 

82,6 

92,0 

108,9 

114,1 

116,7 

1,3 

73,5 

86,0 

93,8 

122,4 

',* 

75,0 

87,3 

95,1 

187.9 

1,5 

3.1,2 

76,9 

90,7 

S8,4 

1,8 

77,7 

94,4 

1029 

1,B 

79.3 

95,S 

115,3 

2,0 

33,8 

81,9 

97,1 

117,9 

3% 

B5,S 

98,3 

120,0 

2,* 

88,6 

100,-1 

123,9 

2,6 

81,4 

101,8 

2,8 

93,0 

102,7 

3,0 

37.5 

94,8 

103,9 

3,5 

3B,3 

97.2 

106,3 

4.0 

40,7 

B8,e 

108,0 

4,5 

42,2 

99,6 

111,5 

5,0 

43,5 

102,3 

ii;i,s 

— 

— 

- 

- 

— 

Um  die  Zahlen  der  Tab.  8  bequemer  und  zugleich  mit 
den  durch  die  Messungen  anderer  Beobachter  vermittelst  des 
absoluten  Electrometers  erhaltenen  direct  vergleichbar  zu 
machen,  sind  dieselben  in  electrostatische  absolute  Einheiten 


252  J.  Freyberg. 

des  (C.-G.'S.)-System8  umgerechnet  worden,  und  zwar  durch 
die  Division  Q/SOOx,  nicht  aus  den  bereits  abgerundeten 
Werthen  der  Tab.  8,   (vgl.  Tab.  9.) 

Die  Zahlen  in  den  Tabellen  8  und  9  lehren,  dass  für 
alle  Electrodenarten  das  Potential  mit  wachsender  Schlag- 
weite in  ganz  verschiedenem  Maasse  zunimmt.  Man  erkennt 
jedoch  durchweg,  dass  bei  Vergrösserung  der  Schlagweite 
um  einen  bestimmten  Werth  bei  kleinen  Funkenstrecken  ein 
grösserer  Potentialzuwachs  erforderlich  ist,  als  bei  grosseren. 
Bei  grösseren  Funkenstrecken  wird  diese  Zunahme  mehr 
oder  weniger  constant.  In  Fig.  6  ist  der  Verlauf  der  Foten- 
tialwerthe  für  etliche  charakteristische  Electroden  wieder- 
gegeben. Die  Abscissen  bedeuten  die  Funkenlängen,  die 
Ordinaten  die  zugehörigen  Potentialwerthe. 

Was  zunächst  die  für  vollkommene  Spitzen  erhaltene 
Curve  anbelangt,  so  ist  deren  Aehnlichkeit  mit  einem  Para- 
belzweig nicht  zu  verkennen.  Die  Potentialwerthe  wachsen 
hier  nur  anfangs  wesentlich  mit  der  Schlagweite  und  errei- 
chen selbst  für  die  grössten  Schlagweiten  verhältnissm&ssig 
kleine  Werthe.  Warren  de  la  Rue  und  H.  Müller  fanden 
bereits,  dass  für  parabolische  Spitzen  die  Schlagweite  nahezu 
proportional  mit  dem  Quadrate  der  Potentialdifferenz  zunimmt. 

Die  Potentialdifferenzen  für  den  Funkenübergang  zwi- 
schen Kugeln  zeigen  zunächst  auffallend  den  Einfluss  des 
Kugeldurchmessers  und  lassen  ferner  die  Eigenschaft  er- 
kennen, dass  es  für  jede  Schlagweite  ein  Kugelpaar  bestimm- 
ter Grösse  gibt,  für  welches  das  Potential  ein  Maximum 
wird.  Das  Maximum  rückt  mit  zunehmender  Schlagweite 
von  links  nach  rechts.  Dementsprechend  schneiden  sich  die 
Curven  für  die  verschiedenen  Kugelelectroden.  Fig.  6  zeigt 
den  Verlauf  der  F- Werthe  für  drei  Kugelpaare;  mit  wachsen- 
dem Kugeldurchmesser  nähern  sich  die  Curven  einer  Ge- 
raden. So  lässt  sich  z.  B.  die  für  die  6  cm-Kugeln  erhaltene 
Curve  mit  einer  aus  der  Tabelle  10  erkennbaren  Annäherung 
durch  die  Gerade: 

F=  92,7.  f/  + 8,1 
ersetzen. 


Bestimmung   der  Fvnkenpotentiale, 


25a 


Tabelle  10. 

Kugeln  von  6  cm  D. 


Schlagw. 

PotentiÄl   V 

Schlagw. 

Potential   V 

lo  cm 
d 

beobacht 

berechnet 

in  cm 
d 

beobacht. 

;  berechnet 

0,1 

15,1               17,4 

0,8 

86,7 

82,3 

0,2 

26,2        i        26,6 

0.9 

95,9        1       91,5 

0,3 

34,9               35,9 

1,0 

105,4        i      100,8 

0,4 

42,5 

45,2 

1,1 

109,5 

110,1 

0,5 

54,7 

54,5 

1,2 

116,7 

119,3 

0,6 

P4,0 

63,7 

1,3 

122,4 

128,5 

0,7 

75,3 

73,0 

1,4 

137,9 

137,8 

Die  Herren  F oster  und  Pryson^),  welche  mit  einem 
absoluten  Electrometer  dergleichen  Potentialbestimmungen 
unter  Verwendung  von  Messingkugeln  von  nur  1,35  cm  Durch- 
messer vorgenommen  haben,  stellen  ihre  Versuchsergebnisse 
durch  eine  Gerade  mit  der  Gleichung: 

r  =•  102. rf+ 7,07  dar. 

Für  die  bei  Benutzung  von  Platten  erzielten  Potential- 
werthe  gilt  dasselbe,  was  für  Kugelelectroden  von  grossem 
Durchmesser  ausgesagt  worden  ist.  In  wie  weit  man  berech- 
tigt  ist,  die  beobachteten  K-Werthe  durch  eine  lineare  oder 
quadratische  Relation  wiederzugeben,  lässt  sich  aus  der  Ta- 
belle 11  entnehmen.  Diese  empirischen  Gleichungen  haben 
natürlich  keine  Bedeutung  und  einen  geringen  Werth. 

Tabelle  11. 
Platten. 


Schlagw. 

d 

in  cm 


beobachtet 


Potential   V 
berechnet  nach  der  Formel: 


K=00.ft8.d  +  7,e7 


V  r=  82,08 .  V'd^  +  0.387« .  d 


0,1 

14,5 

0,2 

25,1 

0,3 

35,6 

0,4 

45,6 

0,5 

54,3 

0,6 

63,5 

0.8 

81,6 

1,0 

96,0 

16,8 
25,9 
35,0 
44,1 
53,2 
«2,3 
80,5 
98,6 


18,1 
28,1 
37,3 
46,1 
54.7 
63,2 
80,0 
96,7 


1)  FoBter  u.  Pryson,  Phya.  Soc.  Chem.  News  49.  p.  114.  1884. 


254  J.  Freyberg. 

Genauigkeit  der  Bestimmungen. 
Aus  der  Beziehung   /'=  Q/x  folgt: 

r  -  Q 
In  dem  relativen  Fehler  von  V  Bummiren  eich  einfach 
die  relativen  Fehler  der  Bntladungemenge  Q  und  der  Capa- 
cit&t  X.  Die  Unsicherheit  des  ersten  Werthes  beträgt  1  bis 
2  Proc,  die  des  letzteren  5  Froc.  (s.  p.  241),  also  kann  die 
der  K-Werthe  auf  6—7  Proc.  steigen. 


cbiedei 


r  BeobBcbter. 


VI.  Vergleichung  der  Sesult 

Soweit  mir  bekannt  wurde,  waren  es  Macfarlane  und 
nach  ihm  Bsille,  welche  zuerst  ausführlich  den  E^nfluss  der 
Electroden  auf  das  explosive  Potential  zahlenmässig  fest- 
zustellen suchten.  Andere  Beobachter  haben  nur  gelegent- 
lich zu  einem  weiteren  Verfolg  ihrer  Untersuchungen  etliche 
solche  Bestimmungen  gemacht  Unl&ngst  hat  noch  Herr 
Paschen  filr  drei  Paar  kleine  Kugelelectroden  die  Messungen 
wiederholt,  und  zwar  unter  Verwendung  eines  geaichtenBighi- 
Beben  Reäezionselectrometers. 


Tabelle 

12 

literu 

Schlag- 

für KiLgelu  V 

ora  Durclim.: 

weite 

" 

m 

„ri, 

tiqlncke')    Fnrbarg 

""'"' 

0,1 

15,3 

14,0 

ie,i   1   15,5 

14,8 

15,2 

14,8 

15,1 

26,8 

27,1 

21,8    ,    31,7 

26,4 

2e,o 

25,6 

0,3 

37,3 

S6,8 

3»,S 

38,9 

37,S 

aH,5 

36,1 

0,4 

45.5 

49,4 

46,6 

4«,7 

48,0 

45,0 

49;5 

0,5 

54,7 

56,0 

60,1 

56,0 

56,4 

54,7 

0,6 

65,2 

C<,5 

69,4 

«4,2 

68,6 

64,9 

65,2 

64,0 

O.T 

vi% 

70,1 

78,9 

75,1 

0,8 

77,6 

77,S 

— 

77,4 

83,9 

aa.i 

88,0 

ee,7 

80,1 

90,8 

«7,4 

85,8 

1,0 

83.1 

86,0 

8ä,i) 

— 

H6,H 

llB,fl 

1)  Baille,  Ann.  de  chim.  et  de  phya.  [5].  2ä.  p.  631.  16S1 

2)  BiChat  n.  Blouaiot.    Electricien  vom  4.  Aug.  1886. 
3]  PaschCD,  Wied.  Ann.  ST.  p.  69.  1889. 

41  Quincke,  Wied.  Ann.  19.  p.  562.  1883. 


Bestimmung  der  Fvnkenpotentiale. 


255 


Tabelle  12  gibt  eine  Zu^mmenstellung  der  bis  jetzt  er- 
zielten Potentialwerthe  für  drei  verschiedene  Eugelpaare  und 
Schlagweiten  bis  zu  1  cm.  Die  Zahlen  weichen  zum  Theil 
nicht  unbetriLchtlich  Toneinander  ab.  Immerhin  zeigen  die 
durch  die  galvanometrische  Bestimmuugs weise  der  vorliegen- 
den Untersuchung  gewonnenen  Zahlen  mit  den  bekannten 
electrometrisch  erhaltenen  keine  grösseren  Abweichungen, 
als  diese  untereinander  erkennen  lassen.  Au£fallend  war  nur. 
dass  fQr  kleine  Schlagweiten  die  von  mir  gefundenen  Werthe 
fast  ausnahmslos  grösser  ausgefallen  sind  als  bei  anderen 
Beobachtern,  von  diesen  E.  Mascart^)  allein  ausgenommen, 
welcher  für  Kugeln  von  2,2  cm  Durchmesser  bei  der  Schlag- 
weite rf  =  0,1  cm  F  =  18,3  und  bei  d  =  0,5  cm  F  =  89,1  fand. 

Nach  den  unlängst  bekannt  gewordenen  Untersuchungen 
von  Jan  mann  (1.  c.)  sind  die  Abweichungen  der  Resultate 
verschiedener  Beobachter  im  allgemeinen  erklärt.  Dieselben 
haben  ihren  Grund  in  den  verschiedenen  Yersuchsanord- 
nungen,  welche  mehr  oder  weniger  geeignet  waren,  die  Schwan- 
kungen der  benutzten  Stromquelle  (gewöhnlich  eine  Influenz- 
maschine) zu  dämpfen.  £ine  nähere  kritische  Betrachtung 
der  vorliegenden  Zahlen  lässt  sich  nicht  durchführen,  da 
Angaben  über  die  Absolutgrösse  der  Capacität  der  von  den 
verschiedenen  Beobachtern  verwendeten  Condensatoren  fehlen. 

Tabelle  13. 

Platten. 


Schlag- 

Poten 

tial  V 

weite  d 

Mac- 
f arlane  •) 

Warren   ' 

in  cm 

Baille») 

delaRue'j 
u.  Müller 

Freyberg 

0,1 

11,69 

14,67 

14,42 

14,48 

0,2 

19,05 

25,51 

25,26 

25,13 

0,3 

26,06 

35,35 

34,56 

35,57 

0,4 

32,93 

44,77 

— 

45,55 

0,5 

89,75 

54,47 

— 

54,31 

0,6 

46,52 

63,82 

— 

63,53 

0,8 

60,02 

84,86 

— 

81,55 

1,0 

73,48 

105,49 

— 

9J,00 

1)  Mascart,  Trait^  d'61ectricit6  statique  2.  p.  87  u.  93.  1876. 

2)  Macfarlane,  Phil.  Mag.  [5]  10.  p.  394.  1880. 

3)  Baille,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  [5]  25.  p.  531.  1882. 

4)  Warren  de  la  Bue  u.  Müller,  Proc.  Roy.  öoc.  36.  p.  151.  1884. 


256  O,  Schumann. 

Eine  Zusaiumen  Stellung  der  für  Platten  vorliegenden 
Resultate  gibt  Tabelle  13.  Die  Uebereinstimmung  ist  hier 
im  allgemeinen  eine  bessere  als  bei  Kugeln;  nur  Macfarlane's 
Werthe  sind  durchweg  wesentlich  kleiner  ausgefallen. 

Zu  einer  Vergleichung  herbeizuziehende  Potentialbestim- 
mungen bei  Entladungen  zwischen  Tollkommenen  Spitzen 
liegen  meines  Wissens  nicht  vor. 


VIII.    TJeber  eine  cyclische  Aendening  der 

electrischen  Leitungsfähigkeit; 

von  Otto  Schumann. 


Erste  Mittheilung. 

Schon  seit  längerer  Zeit  ist  es  bekannt,  dass  magnetische 
Körper  unter  dem  Einfluss  der  verschiedensten  Kräfte  cycli- 
sche Aenderungen  ihres  Magnetismus  zeigen.  Bei  electrischen 
Leitungswiderständen  ist  jedoch  ein  solcher  Einfluss  bis  jetzt 
nicht  beobachtet  worden.  Verfasser  dieses  hat  nun,  angeregt 
durch  Hrn.  Prof.  Braun  und  durch  die  Arbeiten  dessel- 
ben über  „Deformationsströme"  ^),  Widerstandsmessungen  an 
Nickelspiralen  ausgeführt  und  hier  beim  Ausziehen  und  Zu- 
sammenlassen der  Spiralen  stark  ausgesprochene  cyclische 
x\enderungen  des  electrischen  Leitungswiderstandes  gefunden. 

Es  waren  vier  Nickelspiralen,  zwei  harte  und  zwei  weiche, 
von  je  4  m  Länge  und  0,4  S.-E.  Widerstand  gemeinsam  in 
ein  grosses  Gefäss  mit  Petroleum  gesenkt  worden,  das  mit 
einem  Rührapparat  versehen  war.  Die  vier  Spiralen  bilde- 
ten die  vier  Seiten  einer  Wh  eats  tone 'sehen  Brücke  und 
waren  gemäss  dieser  Methode  mit  Galvanometer,  Accumu- 
lator  und  untereinander  verbunden.  Die  Verbindungen  waren 
alle  durch  Löthungen  hergestellt  zur  Vermeidung  der  Con- 
taciänderungen,  welche  bei  Benutzung  von  Klemmschrauben 
nicht  zu  umgehen  sind.  Alle  diese  Verbindungen  lagen 
ebenfalls   unter   Petroleum,  sodass   aus   demselben   nur   die 

1)  Braun,    Sitziingsber.  d.  k.  pr.  Akad.  d.  W.  1888.  p.  507;    1889. 
p.  S05  u.  959. 


Cyclische  Aenderung  der  electrischen  Leitujigsfahigkeit.     257 

Leitungsdrähte  zum  Galvanometer  und  Accumulator  heraus- 
ragten. Auf  diese  Weise  und  durch  Benutzung  nur  momen- 
taner Stromschlüsse  bei  den  Ablenkungsbeobachtungen  war 
es  möglich,  sowohl  sämmtliche  Contact&nderungen  als  auch 
den  Einfluss  aller  Temperaturänderungen  vollständig  zu  ent- 
fernen. Zur  Messung  des  Widerstandes  waren  die  beiden 
Enden  der  einen  harten  Spirale  mit  einem  Widerstandskasten 
als  Nebenschluss  verbunden.  In  demselben  mussten,  um  den 
Ausschlag  Null  im  Galvanometer  zu  erzielen,  etwa  30  S.-E. 
eingeschaltet  werden;  die  Empfindlichkeit  betrug  etwa  0,1  S.-E. 
des  Kastens,  entsprechend  etwa  OjOgl  S.-E.  im  Widerstände 
der  Spirale,  sodass  also  eine  Temperaturänderung  im  Kasten 
selbst  ohne  jeden  Einfluss  auf  das  Resultat  sein  musste. 

Die  Nickelspiralen  waren  jede  über  eine  Glasröhre  ge- 
schoben, welche  das  untere  Ende  der  Spirale  fest  gegen  den 
Boden  des  Gefässes  presste.  An  die  oberen  Enden  waren 
dicke  Kupferdrähte  gelöthet,  mit  denen  man  im  Stande  war, 
die  Spiralen  auszuziehen  und  wieder  zusammen  zu  lassen. 
Um  fQr  die  verschiedenen  Auszüge  einen  genau  wieder  zu 
erreichenden  Stand  zu  erhalten,  waren  in  Entfernungen  von 
6,9  und  13,8  cm  über  der  Ruhelage  der  Spirale  feste  Halter 
angebracht,  über  welche  der  oben  erwähnte  umgebogene 
Kupferdraht  geschoben  werden  konnte.  Alle  Spiralen  waren 
während  der  Beobachtung  oben  und  unten  festgeklemmt,  so- 
dass eine  Aenderung  ihrer  Lagen  nicht  eintreten  konnte. 

Die  Untersuchung  auf  cyclische  Aenderungen  geschah 
nun  in  folgender  Weise:  Zuerst  wurde  der  Widerstand  in  der 
Ruhelage  bestimmt,  dann  wurde  die  Spirale  um  6,9  cm  aus- 
gezogen, festgelegt  und  der  Ausschlag  im  Galvanometer  durch 
entsprechende  Ein-  oder  Ausschaltung  von  Widerständen  im 
Kasten  auf  Null  gebracht,  darauf  die  Spirale  schnell  ausgezogen 
auf  13,8  cm  und  sofort  wieder  zusammengelassen  bis  6,9  cm, 
abermals  festgelegt  und  der  Widerstand  bestimmt.  Dann 
schliesslich  wurde  die  Spirale  bis  zur  Nulllage  zusammen- 
gelassen und  nochmals  der  Widerstand  gemessen. 

Auf  diese  Weise  wurde  zunächst  eine  weiche  Nickel- 
spirale (Spirale  I)  untersucht.  Dieselbe  war  nach  der  einen 
Seite  verbunden  mit  der  anderen  weichen  Spirale  (Spirale  II), 
diese  dann  mit  der  ersten  harten  (Spirale  III),  diese  wieder 

Ann.  d.  Phyi.  u.  Chem.  N.  F.  XXXVIII.  17 


258  O.  Schumann. 

mit  der  zweiten  harten  (Spirale  IV),  welche  dann  schliesslich 
wieder  mit  Spirale  I  verlöthet  war.  In  Spirale  IV  befand 
sich  als  Nebenschluss  der  Widerstandskasten,  sodass  für  die 
Nulllage  des  Galvanometers  nahezu  das  Verhältniss  galt: 

IV-   ' 

II  ~     III     ' 

wo  fV  den  Widerstand  im  Kasten  bedeutet.  Die  Wider- 
stände II,  III,  IV  sind  während  der  Untersuchung  der  Spi- 
rale I  unveränderlich,  mithin  entspricht  einer  Vergrösserung 
von   W  auch  eine  Vergrösserung  von  I. 

Die   folgende  Tabelle   gibt  die  mit  Spirale  I  in  sechs 
Beobachtungsreihen  erhaltenen  Resultate: 

Lage       I  II         III        IV         V         VI 


0 

28,0 

28,1 

28,0 

28,0 

27,8 

27,9 

6,9 

33,9 

33,9 

33,7 

33,7 

33,6 

33,4 

6,9 

34,6 

34,7 

34,3 

34,3 

34,4 

34,2 

0 

2S,l 

28,2 

28,0 

27,8 

27,9 

27,8 

Zunächst  zeigen  die  Zahlen,  dass  eine  ziemlich  grosse 
Aenderung  des  Widerstandes  eintritt,  sobald  die  Spirale  aus- 
gezogen wird.  Dieselbe  beträgt  im  Mittel  5,7,  was  einer 
Widerstandszunahme  um  nahezu  0,0060  S.-E.  entspricht. 

Während  ferner  der  Widerstand  in  der  Nulllage  Abwei- 
chungen nach  beiden  Richtungen  zeigt,  die  im  Maximum  0,2 
betragen,  verändert  sich  der  Widerstand  in  der  Lage  6,9 
stets  nach  der  gleichen  Richtung  zwischen  den  Grenzen  0,6 
und  0,8,  im  Mittel  um  0,7.  Es  entspricht  dies  einer  Wider- 
standszunahme um  0,036  S.-E. 

Der  Widerstand  ausgezogener  und  zusammengelassener  weicher 
Nickelspiralen  verändert  sich  während  dieser  Operation  mithin  in  cycli- 
scher  Weise,  und  zwar  ist  der  Widerstand  beim  Zusammenlassen 
der   ausgezogenen  Spiralen  grösser  als  heim  Ausziehen  derselben. 

Es  war  nun  zunächst  nothwendig,  diese  Aenderung  auf 
ihre  Constanz  zu  prüfen;  dazu  wurde  die  Spirale  mehrmals 
hintereinander  von  6,9  auf  13,8  cm  ausgezogen  und  wieder  zu- 
sammengelassen. Es  zeigten  sich  hierbei  keine  weiteren  Aende- 
rungen;  war  vielmehr  das  Galvanometer  nach  dem  ersten  Aus- 
zuge auf  Null  eingestellt,  so  ergaben  die  weiteren  Auszüge  der 
Spirale  keinerlei  Ablenkungen.  Ebenso  erwiesen  sich  die  Wider- 
standsänderungen unabhängig  von  der  Grösse  des  zweiten 


Ct/cUsche  Aenderung  der  electrischen  Leituuf/sßikigkeit     250 

Auszuges,  sobald  nur  die  Elasticitätsgrenze  der  Spirale  nicht 
aberschritten  und  eine  gewisse  untere  Grenze  erreicht  wurde. 
Dieselbe  Constanz  des  Widerstandes  zeigte  sich  auch  in  allen 
Fällen  bei  längerem  Stehenlassen  (24  Stunden  und  darüber) 
der  Spiralen  in  ausgezogenem  Zustande,  sodass  obige  Wider- 
stände  wohl  als  dauernde  bezeichnet  werden  dürfen.  Eine 
Veränderung  von  Stromstärke  und  Stromrichtung  erwies  sich 
ebenfalls  als  ohne  Einfiuss. 

Wird  die  Elasticitätsgrenze  beim  Ausziehen  überschritten, 
d.  h.  kommt  die  Spirale  nach  dem  Ausziehen  nicht  mehr  auf 
die  gleiche  Nulllage  zurück,  so  verschwinden  sämmtliche  obige 
Begelmässigkeiten,  und  in  der  Anfangslage  ist  vor  und  nach 
dem  Ausziehen  nicht  mehr  der  gleiche  Widerstand  vorhan- 
den; stellt  man  jetzt  wieder  auf  die  neue  Ruhelage  ein, 
so  erhält  man  sehr  nahe  wieder  den  früheren  Widerstand. 
Die  hierbei  auftretenden  Unterschiede  sind  weit  geringer  als 
die  beobachteten  cyclischen  Aenderungen,  selbst  bei  grösse- 
ren, 4  cm  betragenden,  dauernden  Formveränderungen. 

Es  hat  sich  also  gezeigt,  dass  die  Aenderungen  des  Haider- 
Standes j  welche  eine  weiche  Nickelspirale  durch  Ausziehen  erleidet, 
bedeutend  grosser  sind,  wenn  die  Formveränderung  die  Elasticitäts- 
grenze nicht  übersteigt,  als  für  eine  entsprechende  bleibende  Form- 
veränderung der  Spirale. 

Dieselbe  Spirale  1  wurde  nun  in  vier  neuen  Stellungen 
untersucht,  und  zwar  in  den  Entfernungen  0,  4,  8  und  12  cm 
von  der  Ruhelage.  Die  folgende  Tabelle  gibt  in  drei  Reihen 
die  Resultate  in  Mittelwerthen  von  je  drei  Beobachtungen: 


Uge 

I 

11 

111 

Diff. 

S.-E. 

0 

27,0 

27,9 

28,0 

— 



4 

29,5 

— 

29,6 

1,6 

0,0010 

8 

— 

35,3 

35,2 

5,6 

(»,0054 

12 

39,8 

39,8 

39,8 

4,6 

0,U033 

8 

35,9 

35,8 

4,0 

0,0028 

4 

80,3 

— - 

30,3 

5,5 

0,0051 

0 

27,9 

28,0 

28,0 

2,3 

0,0027 

In  Reihe  I  ist  die  Lage  8  und  in  Reihe  II  die  Lage  4  über- 
schlagen, in  der  Beobachtungsreihe  III  sind  alle  Lagen  ein- 
geschaltet worden.  Die  Gleichheit  der  Zahlen  in  den  drei 
Reihen  gibt  einen  neuen  Beweis  dafür,  dass  die  Art  des  Aus- 
zuges ohne  Einfluss  auf  die  Widerstände  ist. 

17* 


260 


O,  Schumann. 


Die  letzte  Columne  gibt  die  Widerstandsänderung  beim 
Ausziehen  und  Zusammenlassen  der  Spirale  von  4  zu  4  cm 
in  S.-E.  Es  zeigt  sich,  dass  diese  Aenderungen  in  beiden 
Fällen  zuerst  wachsen  und  dann  wieder  abnehmen.  Eine 
diese  Aenderungen  darstellende  Curve  würde  mithin  einen 
Wendepunkt  besitzen. 

Die  cyclischen  Aenderungen  zeigen  sich  ebenfalls  deut- 
lich ausgesprochen.  Sie  betragen  für  die  Lagen  4  und  8 
entsprechend  0,75  und  0,6  oder  in  S.-E.  0,038  und  0,035. 
Trägt   man  alles  in  ein  Coordinatensystem,  so  erhält  man 

zwei  sich  bei  0  und  12  be- 
rührende Curven,  die  sonst 
nebeneinander  herlaufen  und 
keine  weiteren  gemeinsamen 
Punkte  besitzen. 

Die  nebenstehende  Zeich- 
nung gibt  die  ungefähre  Ge- 
stalt  dieser  Curven.     Wie 
man    sieht,    zeigt    dieselbe 
viele  Aehnlichkeit  mit  den 
von  G.  Wiedemann^)  und 
vonNagaoka*)  gefundenen 
Curven ,    che    die    Veränderungen    des    Magnetismus    eines 
Nickeldrahtes   darstellen,   der   tordirt   oder  longitudinal   ge- 
spannt wird. 

Es  war  nun  anzunehmen,  dass  auch  beim  Zusammen- 
drücken der  Spirale  ähnliche  Widerstandsänderungen  sich 
ergeben  würden.  Der  Versuch  zeigte  auch  eine  deutliche 
Zunahme  des  Widerstandes,  wie  die  folgenden  Zahlen  zeigen. 

Lage        W.        Diff.        S.-E. 

0^         27,9  —  — 

-3,2        2^»,5  1,6         0,0019 

Der  Widerstand  steigt  also  etwas  stärker  als  beim  Aus- 
ziehen der  Spirale.  Das  Minimum  des  Widerstandes  liegt 
in  der  Ruhelage.  Ikne  cyclische  Aenderung  konnte  bis  jetzt 
nicht  beobachtet  werden,   weil  beim  Zusammendrücken  die 


9   jo   n    n 


1)  G.  Wiedemann,  VVied.  Ann.  37.  Taf.  III.  1SS9. 
1;  Nagaoka.  Pliil.  Mag.   i5;  27.  p.  117.  1SS9. 


Q/clisrhe  Aenderung  der  electrischen  Leitung sfähifjkeit.     261 

Elasticit&tsgrenze  viel  früher  wie  beim  Ausziehen  erreicht 
wurde.  Weitere  Versuche  hierüber  gedenke  ich  in  nächster 
Zeit  auszuführen. 

Um  jetzt  weiter  den  Einfluss  der  Natur  des  Nickel- 
drahtes auf  diese  Widerstandsänderungen  zu  prüfen,  wurde 
zunächst  die  zweite  weiche  Nickelspirale  (Spirale  II)  in  der 
gleichen  Weise  untersucht.  Es  wurden  hierbei  folgende 
Zahlen  gefunden: 


Lage 

W. 

Diff. 

8.-E. 

0 

28,4 

— 



4 

27.0 

1.4 

0,001b 

8 

23,7 

3,3 

0.0052 

4 

26,3 

2,6 

0,0042 

0 

28,3 

2,0 

0,0027 

-3,2 

26,8 

l,ö 

0,0020 

Dieselben  zeigen,  dass  die  Widerstandsänderungen  die  glei- 
chen sind  wie  bei  Spirale  I.  Die  cyclische  Aenderung  be- 
trägt bei  Lage  4  in  S.-E.  0,0010. 

Etwas  anders  gestalten  sich  die  Zahlen,  wenn  man  eine 
harte  Spirale  (Spirale  III)  in  gleicher  Weise  untersucht.  Die 
folgende  Tabelle  gibt  die  mit  ihr  erhaltenen  Resultate. 


Lage 

W. 

W. 

Lage      W. 

w. 

0 

27,7 

27,7 

8           — 

— 

4 

28,0 

27,9 

4        27,85 

27,7 

8 

28,1 

0        27,7 

27,6 

12 

— 

28,4 

Die  Widerstandsänderungen  sind  hier  sehr  gering,  zwischen 
0  und  12  nur  0,0009  S.-E.  gegen  0,0106  S.-E.  bei  Spirale  I. 
Ebenso  sind  die  cyclischen  Aenderungen  sehr  gering,  aber 
immerhin  deutlich  und  in  gleicher  Richtung  hervortretend. 

Um  nun  Beziehungen  zwischen  den  beobachteten  Wider- 
standsänderungen und  anderen  physikalischen  Eigenschaften 
zu  finden,  lag  es  zunächst  nahe,  an  den  Magnetismus  als 
Ursache  zu  denken.  Es  wurden  deshalb  die  freien  Magne- 
tismen für  die  verschiedenen  Auszugslagen  der  Spiralen  be- 
stimmt. Hierzu  wurde  zuerst  die  Spirale  I  verwendet.  Die- 
selbe wurde  von  den  übrigen  abgetrennt  und  in  ost-westlicher 
Lage  ihre  auf  einen  kleinen  Glockenmagnet  hervorgebrach- 
ten Ablenkungen  beobachtet.  Berechnet  wurde  die  Grösse 
II I H  nach  der  Formel: 


262  O.  Schumann. 

Aus  einer  Reihe  von  Beobachtungen  mit  verschiedenem  r 
ergab  sich  im  Mittel  iflr  fi/H  bei  der  unausgezogenen  Spi- 
rale I  3,1  (cm 2)  und  bei  der  um  7,2  cm  ausgezogenen  Spirale 
4,9  (cm«). 

Die  longitudinale  Componente  des  freien  Magnetismus 
steigt  also  mit  dem  Ausziehen  der  Spirale.  Wird  nun  die 
Spirale  noch  weiter  ausgezogen  und  dann  gleich  wieder  auf 
7,2  zurückgelassen,  so  steigt  die  Grösse  ju/H  auf  5,1;  also 
auch  hier  kommt  die  cyclische  Aenderung  des  Magnetismus 
deutlich  zum  Vorschein. 

Eine,  gleiche  Untersuchung  wurde  auch  mit  Spirale  II 
angestellt.  In  der  Ruhelage  war /Lt/jff=  4,0,  und  bei  der  um 
7,9  cm  ausgezogenen  Spirale  stieg  diese  Grösse  auf  5,8. 
Eine  grössere  Reihe  von  Beobachtungen  über  cyclische  Aen- 
derungen  des  freien  Magnetismus  ergab  folgende  Mittelwerthe: 

Ruhelage  4,1  (cin*J 

Ausgezogen  um  3,8  cm  4,9    » 

11  11     7,9    11  5,8    11 

Zurück  auf  3,8    ,,  5,2    „ 

Ruhelage  4,1    " 

Die  cyclischen  Aenderungen  des  Magnetismus  verlaufen 
also  ganz  ähnlich  wie  die  Widerstandsänderungen,  Auch 
G.  Wiedemann^)  findet  bei  Detorsion  von  Nickeldrähten 
die  grösseren  Werthe  des  Magnetismus. 

Da  nun  bei  beiden  Spiralen  den  Widerstandsänderungen 
ganz  analoge  Aenderungen  des  freien  Magnetismus  auftreten, 
so  lag  es  nahe,  zu  vermuthen,  dass  die  eine  die  Ursache  der 
anderen  sei,  dass  also  eine  Aenderung  des  Magnetismus  eine 
Aenderung  des  Widerstandes  bedinge. 

Zur  Prüfung  dieser  Vermuthung  wurde  Spirale  I  mag- 
netisirt,  vermittelst  einer  Rolle  aus  dickem  Kupferdraht, 
durch  welche  mehrmals  kurze  Zeit  ein  Strom  von  120  Amp. 
geschickt  wurde.  Die  Grösse  ju///  ergab  sich  nach  der 
Magnetisirung  zu  12,1  in  der  Ruhelage  und  ausgezogen  um 
7,2  cm   zu    12,5.     Eine   cyclische    Aenderung    konnte   nicht 

li  Wie  de  mann,  Galv.  3.  p.  39  J. 

2)  G.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  :57,  p.  376.  1S89. 


Ci/clische  Aenderuny  der  electrischea  Leituntjrfähigkeit     2G3 

mehr  beobachtet  werden.  Die  starken  Aenderungen  des 
freien  Magnetismus  beim  Ausziehen  der  Spirale  waren  also 
nach  dem  Magnetisiren  nicht  mehr  vorhanden,  und  man 
rousste  deshalb  schliessen,  dass  jetzt  auch  die  Widerstands- 
änderungen zum  grössten  Theil  verschwunden  sein  würden. 
Deshalb  wurde  die  magnetisirte  Spirale  wieder  mit  den  drei 
anderen  verbunden  und  in  Petroleum  gesteckt.  Die  Beobach- 
tung der  Widerstände  ergab  jetzt  die  folgenden  Zahlen:*) 


Lage 

W. 

Diff. 

S.-E. 

0 

25,4 

— 

4 

26,8 

1,4 

0.<X>20G 

s 

32.0 

5/2 

0,()06U»> 

12 

36,0 

4,0 

0,00347 

S 

32,5 

3,5 

0,00299 

4 

27,:» 

5,0 

0,00559 

0 

25,4 

2,1 

0,0  »301 

Die  Widerstandsänderungen  sind  also  nahezu  die  gleichen 
wie  bei  der  unmagnetischen  Spirale  I,  ebenso  zeigen  die 
cyclischen  Widerstandsänderungen  keine  besonderen  Abwei- 
chungen gegen  früher.  Dieselben  sind  jetzt  bei  den  Stellungen 
4  und  8,  resp.  0,039  und  Qfi^b  S.-E. 

Die  magnetisirte  Spirale  verhält  sich  also  ebenso  wie 
die  nicht  magnetisirte. 

Um  schliesslich  noch  zu  prüfen,  ob  die  Magoetisirung 
auch  absolut  keinen  Einfiuss  auf  den  Widerstand  der  Spirale 
ausübte,  wurde  die  Spirale  II  mit  der  MagnetisirungsroUe 
umgeben,  und  während  der  ganze  Apparat  sich  in  vollstän- 
diger Ruhe  unter  Petroleum  befand,  ein  Strom  von  70  Am- 
peres durch  die  Rolle  geschickt.  Die  Grösse  ju///  stieg  da- 
durch von  4,1  auf  4,9,  also  entsprechend  einem  Auszug  von 
4  cm.  Der  Widerstand  ff''  war  vor  der  Magnetisirung  24,1, 
nach  derselben  24,5.  Es  wurde  also  eine  kleine  Zunahme 
beobachtet  um  0,03?  S.-E.  Diese  Aenderung  ist  jedoch  zur 
Erklärung  der  obigen  Widerstandsänderungen  nicht  aus- 
reichend, da  statt  derselben  eine  solche  von  0,0018  ent- 
sprechend  einem  Auszuge  von  4  cm  hätte  eintreten  müssen. 


1)  Die  Widerstände  sind  durchgängig  etwas  kleiner  wie  tViiher,  w^'il 
beim  Auseinandernehmen  und  Wied^'r/usamincnsctzen  ^un  kleines  Stück 
der  Spirale  I  verloren  ging. 


264  O,  Schumann. 

Auch  sonst  verhielt  sich  die  Spirale  ganz  wie  vor  der  Mag- 
netisirung. 

Man  darf  hieraus  wohl  den  Schluss  ziehen,  dass  die 
directe  Ursache  der  beobachteten  Widerstandsänderungen  in 
dem  freien  Magnetismus  (wenigsten  in  der  longitudinalen 
Componente  desselben)  nicht  zu  suchen  ist.  Es  bleibt  jedoch 
der  auffallende  Parallelismus  zwischen  Leitungswiderstand 
und  magnetischem  Verhalten  in  vielen  Fällen  bestehen,  und 
es  wird  einer  weiteren  Untersuchung  bedürfen,  um  zu  ent- 
scheiden, ob  nicht  beide  Eigenschaften  doch  in  irgend  einem 
Zusammenhang  miteinander  stehen. 

Besonders  naheliegend  ist  es  nun  weiter,  an  eine  Be- 
ziehung zwischen  der  elastischen  Spannung  und  den  be- 
obachteten Widerstandsänderungen  zu  denken,  besonders  da 
die  letzteren  nur  innerhalb  der  Elasticitätsgrenze  der  Spirale 
auftreten.  Es  wurde  deshalb  Spirale  I  an  dem  einen  Ende 
aufgehängt  und  das  andere  Ende  nacheinander  mit  zwei  ver- 
schiedenen Gewichten  belastet  und  diese  nacheinander  wieder 
entfernt.  Auf  einem  nebenstehenden  Maassstabe  konnten 
die  Lagen  des  unteren  Endes  der  Spirale  abgelesen  werden. 
Es  ergaben  sich  die  folgenden  Lagen: 

Lagen     22,08     19,32     16,t>0     19,28    22,03 
Belastung  125  gr 

Man  sieht  auch  nicht  die  geringste  Andeutung  einer  cycli- 
schen  Aenderung,  die,  wenn  sie  derjenigen  des  Widerstandes 
entsprechen  würde,  etwa  1.6  cm  betragen  müsste.  Es  ist 
mithin  auch  keine  directe  Beziehung  des  Widerstandes  zu 
der  elastischen  Spannung  vorhanden. 

Es  muss  also  einer  weiteren  Untersuchung  vorbehalten 
bleiben,  Aufschlüsse  über  derartige  Widerstandsänderungen 
zu  geben.  Ich  gedenke,  diese,  wie  mir  scheint,  sehr  inte- 
ressanten Verhältnisse  weiter  zu  verfolgen,  und  beabsichtige, 
besonders  die  Einflüsse  des  Magnetismus,  dann  die  der  Wärme, 
des  Windungszustandes  und  der  Molecularbeschaffenheit  von 
Nickeldrähten  auf  den  electrischen  Leitungswiderstand  der- 
selben bei  Biegung  und  Torsion  näher  zu  untersuchen  und 
dann  die  Beobachtungen  auf  andere  magnetische  und  un- 
magnetische  Metalle  und  Metalllegirungen  auszudehnen. 


CyclUche  Aendernnr/  der  electrischen  Leitunr/sfähiffkeit     265 

Fasse  ich  noch  einmal  kurz  die  Hauptresultate  der  vor- 
liegenden Arbeit  zusammen,  so  ergibt  sich  das  Folgende: 

1.  Der  electrische  Leitungswiderstand  nach  und  nach  aus- 
gezogener und  nach  und  nach  wieder  zusammengelassener 
Nickelspiralen  ändert  sich  in  cyclischer  Weise,  und  zwar  ist 
der  Widerstand  beim  Zusammenlassen  der  ausgezogenen 
Spiralen  grösser,  als  beim  Ausziehen  derselben.  Die  Unter- 
schiede betragen  bis  ^/^  Proc.  des  Widerstandes  der  Spirale. 
Diese  Thatsache  tritt  jedoch  nur  ein,  wenn  die  Elasticitäts- 
grenze  der  Spirale  beim  Ausziehen  nicht  überschritten  wird. 

2.  Das  Widerstandsminimum  fällt  stets  mit  der  Ruhe- 
lage der  Spirale  zusammen.  Ausziehen  sowohl  wie  Zusam- 
mendrücken der  nicht  gespannten  Spirale  vermehrt  den 
Widerstand. 

3.  Die  Widerstandsänderungen,  welche  durch  gleich  grosse 
bleibende  Formveränderungen  entstehen,  sind  verschwindend, 
klein  gegen  die  oben  beschriebenen. 

4.  Die  longitudinale  Componente  des  freien  Magnetismus 
der  Spirale  sowohl  wie  die  elastische  Spannung  sind  nicht 
als  die  directen  Ursachen  der  beobachteten  Widerstands- 
änderungen zu  betrachten. 

Phys.  Inst,  der  Univ.  Tübingen,  August  1889, 


IX.   Veher  die  Reflexion  des  Lichtes  ein  Kalksixith: 

von  P.  Drude. 

(Ilieria  Taf.  111    Flg.  7.) 


Die  kürzlich  von  Hrn.  K.  E.  F.  Schmidt  mitgetheilten 
Beobachtungen^)  über  die  Reflexion  polarisirten  Lichtes  an 
Kalkspath  haben  mich  veranlasst,  die  früher  ^  von  mir 
hierüber  angestellten  Untersuchungen   wieder   aufzunehmen. 

Ich  habe  angegeben"'),  dass  ich  an  einer  frischen  Spalt- 
fläche von  Ealkspath  eine  relative  Maximalverzögerung  der 
beiden  parallel  und  senkrecht  zur  Einfallsebene  polarisirten 

1)  k.  E.  F.  Schmidt,  Wied.  Anu.  37.  p.  353.  18ö9. 

2)  P.  Drude,  Wied.  Anu.  8C.  p.  532.  ISSi». 
:\)  P.  Drude,  1.  c.  p.  542. 


266  P.  Drude. 

Componenten  des  reflectirten  Lichtes  nur  in  dem  Betrage 
von  0,0168  Wellenlängen  hätte  beobachten  können.  Die  Be- 
obachtungen sind  damals  nicht  ausführlicher  mitgetheilt,  weil 
sich  das  Interesse  nur  an  die  Kleinheit  der  relativen  Ver- 
zögerung A  überhaupt,  nicht  an  dessen  numerischen  Werthe 
knüpfte. 

Ich  gebe  jetzt  neu  angestellte  Beobachtungen  ausführ- 
lieh  an,  weil  Hr.  Schmidt  von  den  meinigen  gänzlich  ab- 
weichende Resultate  erlangt  hat. 

Im  voraus  will  ich  bemerken,  dass  ich  mein  früheres 
Resultat  durchaus  bestätigt  gefunden  habe. 

Ich  habe  nur  an  Spaltflächen  beobachtet,  während  Hr. 
Schmidt  auch  polirte  Flächen  benutzt  hat.  Letztere  sind 
von  ihm  mit  dem  Wernicke'schen  Gelatineverfahren  so  lange 
behandelt,  bis  dass  der  Haupteinfallswinkel  mit  dem  berech- 
neten Polarisationswinkel  zusammenfiel.  Dass  dieses  aber 
kein  Kriterium  für  die  Reinheit  einer  Fläche  ist,  ist  von 
Hm.  Voigt  ^)  schon  früher  unter  Annahme  einer  homogenen, 
später  von  mir 2)  für  eine  beliebige  Oberflächenschicht  ge- 
zeigt. Frühere  directe  Versuche  von  mir^)  beweisen,  dass 
man  die  Wirkung  der  Politur  durch  das  Gelatineverfahren 
nicht  völlig  beseitigen  kann. 

Allgemeine  Betrachtungen  über  die  elliptische  Polarisation 
des  von  durchniehtigen  Krystallen   reflectirten  Lichtes. 

Ich  möchte  zunächst  einige  allgemeine  Bemerkungen 
über  die  Reflexion  an  krystallinischen  durchsichtigen  Medien 
machen,  die  so  eine  Ergänzung  zu  den  Auseinandersetzungen 
des  Hrn.  Volkmann*)  über  diesen  Gegenstand  bilden  sollen. 

Bezeichnen  JE",  und  Ep  die  Amplituden  des  senkrecht 
und  parallel  zur  Einfallsebene  polarisirten  einfallenden  Lich- 
tes, haben  i?,  und  Rp  die  analoge  Bedeutung  für  das  reflec- 
tirte  Licht,  so  liefern  die  Lichttheorieen,  nach  denen  auch 
das  reflectirte  Licht  stets  linear  polarisirt  ist,  wenn  dies  für 
das  einfallende  stattfindet,  die  Gleichung: 

li  W.  Voigt,  Wied.  Ann.  81.  p.  S26.  188T. 
2.  P.  Drude,  Wied.  Ann.  80.  p.  876.  18S9. 
81  P.  Drude,  1.  c.  p.  582. 
4i  P.  Volkmann,  AVied.  Ann.  31.  p.  719.  1SS8. 


Reflexion  an  Kalkspatli,  267 

B,       M.E^  +  m.Ej, 

worin  -Af,  Nj  m,  n  Functionen  des  Einfallswinkels  y  und 
der  Orientirung  des  Spiegels  sind.  Für  gewisse  Lagen  ^)  des 
letzteren,  sowie  für  isotrope  Körper  sind  wi  =  n  =  0. 

Die  Theorieen  verlangen  ferner  bei  Wachsen  des  y  von 
0  auf  In  für  i?«//2p  einen  Zeichen wesel,  der  sich  vollzieht 
bei  einem  Einfallswinkel  q\  für  den  i?,  durch  Null  hiudurch- 
geht.  Dieser  Zeichenwechsel  von  Rg  kann  als  eine  sprung- 
weise  Aenderung  der  Phase  des  senkrecht  zur  Einfallsebene 
polarisirten  Lichtes  von  0  auf  n  gedeutet  werden. 

Der  Winkel  rp   bestimmt  sich  aus  der  Gleichung: 

(2)  M.E.  +  m.Ep^O. 

Man  erkennt,  dass,  falls  m  nicht  Null  ist,  y'  vom  Azi- 
muth  des  einfallenden  Lichtes  abhängig  ist,  und  dass  auch 
andererseits  zu  jedem  beliebigen  Einfallswinkel  ein  zugehö- 
riges EgIEp  gefunden  werden  kann,  welches  Ä,  zu  Null 
macht. 

Es  werden  nun  eventuell  Abweichungen  zwischen  den 
aus  der  Theorie  gezogenen  Schlüssen  und  den  Beobachtungen 
bestehen. 

lieber  diese  Abweichungen  lässt  sich,  auch  wenn  man 
sich  nicht  auf  den  Boden  einer  bestimmten  Theorie  zu  ihrer  Er- 
klärung stellt^  Folgendes  sagen: 

1)  Nach  Analogie  der  bei  isotropen  Medien  beobachte- 
ten Erscheinungen  wird  sich  die  Phase  des  senkrecht  zur 
Einfallsebene  polarisirten  reflectirten  Lichtes  allmählich  von 
0  auf  n  ändern,  und  zwar  innerhalb  eines  Bereiches  des  Ein- 
fallswinkels, der  den  nach  Gleichung  (2)  definirten  Winkel 
if\  d.  h.  den  Winkel,  für  welchen  unter  normalen-)  Verhält- 
nissen Rg  verschwinden  musste,  einschliesst.  —  Aus  dem 
oben  über  (['  Gesagten  erhellt,  dass  sich  bei  hrystallinischen 
Medien  die  elliptische  Polarisation  um  jeden  Einfallswinkel  lagern 

1)  Diese  Lagen  treten  ein,  wenn  eine  optische  Symnietrieaxo  in  die 
Spiegelnormale,  eine  zweite  in  die  Einfallsebene  fällt,  oder  wenn  bei  ein- 
axigen  Krystallcn   der  Hauptschnitt  mit  der  Einfallsebene  identisch  ist. 

2i  Unter  normal  .sind  diejenigen  Verhältnisse  verstandon,  die  die 
Theorie  bei  der  Ableitung:  d<T  Formell  (1)  voraussetzt. 


268  P.  Drude. 

kann.     Ich  werde  unten  Beobachtungen    angeben,   die    dies 
bestätigen. 

Hinsichtlich  des  Verhaltens  der  Amplitude  i?«  de^ senk- 
recht zur  Einfallsebene  polarisirten  reflectirten  Lichtes  kann 
die  Abweichung  von  der  Theorie  eintreten ,  dass  sie  für 
keinen  Einfallswinkel  verschwindet  und  für  den  Winkel  (f\ 
für  den  sie  nach  Gleichung  (2)  verschwinden  sollte,  sich  von 
Null  immer  noch  um  einen  kleinen  Werth  d  unterscheidet. 
—  Ueber  die  Beziehungen  zwischen  d  und  der  Phasenver- 
zögerung kann  man  nur  das  sagen,  dass  letztere  existiren 
muss^),  falls  8  von  Null  verschieden  ist,  aber  nicht  umge- 
kehrt. 

2)  Nach  Analogie  der  bei  isotropen  Medien  beobach- 
teten Erscheinungen  wird  das  parallel  der  Einfallsebene  pola- 
risirte  reflectirte  Licht  eine  merkbare  Abweichung  von  dem 
seitens  der  Theorie  verlangten  Verhalten  hinsichtlich  Ampli- 
tude und  Phase  nicht  zeigen. 

3)  Das  Verhalten  von  Ä,/Äj,,  sowie  der  relativen  Pha- 
senverzögerung A  des  senkrecht  zur  Einfallsebene  polarisir- 
ten Lichtes  gegen  das  in  derselben  polarisirte  ergibt  sich 
nach  dem  obigen  von  selbst.  Bei  streifender  Incidenz  muss 
J  Null  sein,  denn  man  kann  dann  ohne  Aenderung  der  Er- 
scheinungen die  reflectirende  Fläche  ganz  fortnehmen,  bei 
senkrechter  Incidenz  muss  J  sich  von  n  um  einen  Werth 
unterscheiden,  der  von  höherer  Ordnung  kleiner  ist,  als  die 
für  SRp*)  gültige  absolute  Phasenverzögerung.  Denn  für  7^=  0 
kann  9ip  von  9},  hinsichtlich  Phase  und  Amplitude  nur  um 
eine  Grösse  abweichen,  die  von  der  Ordnung  der  Differenz 
der  Brechungsexponenten  des  Krystalls  ist.^) 

1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  3«.  p.  535.  1889. 

2)  91  bedeutet  hier  eine  Abkürzung  für  das  parallel  der  Eiufalls- 
ebene  polarisirte  reflectirte  Licht.  Diese  Abkürzung  ist  im  Folgenden 
öfter  gebrauclit. 

3)  Es  ist  auffallend,  dass  Hr.  Schmidt  gefunden  hat  (1.  c.  p.  366), 
dass  J  beim  Uebcrgang  von  senkrechter  zu  streifender  Incidenz  nicht 
mehr  die  Wertbc  von  0  bis  \l  durchliefe.  Ich  kann  hierfür  weder  in 
der  Sc  hm  id  tischen  Arbeit  eine  auf  ein  Experiment  gegründete  Angabe 
finden,  noch  ist  es  denkbar,  wenigstens  nicht  solange  die  absolute  Pha- 
senverzögerung von  9{^,  unter  die  Grenze  des  Messbaren  fällt,  eine  solche 
Erscheinung  constatiren  zu  köimen. 


Reflexion  an  Kalkspath.  269 

Ueber  die  genannten  Abweichungen  zwischen  ursprüng- 
licher Theorie  und  Erfahrung  lässt  sich  noch  weiteres  sagen, 
trenn  man  zu  ihrer  Erklärung  die  Vorstellung  einer  natürlichen 
oder  künstlichen  Oberflächen-  oder  Uebergangsschicht  benutzt  Ich 
will  hier  die  diesbezüglichen  Formeln  nicht  angeben,  sondern 
hoffe,  an  einer  anderen  Stelle  ausführlicher  darauf  zurück- 
kommen zu  können.  Ich  will  hier  nur  bemerken,  dass  die 
Methode,  wie  ich  sie  bei  isotropen  Körpern  angewandt  habe, 
sich  auch  auf  krjstallinische  ausdehnen  lässt.  und  ich  auf 
diesem  Wege  die  Formeln  für  die  allgemeinste  krystallini- 
sehe  Oberflächenschicht,  die  denkbar  ist,  d.  h.  falls  die  Bre- 
chungsexponenten und  die  Lage  der  optischen  Axen  eine 
beliebige  continuirliche  oder  discontinuirliche  Function  der 
Dicke  der  Schicht  sind,  aufgestellt  habe. 

Selbst  in  diesem  allgemeinsten  Falle  erhält  man  analog 
wie  bei  isotropen  Körpern  für  durchsichtige  Medien  das 
Besultat,  dass  die  Phase  von  9{«  eine  Verzögerung  erleidet, 
die  in  der  Nähe  des  Einfallswinkels  (p^  für  den  beim  Fehlen 
der  Oberflächenschicht  die  Amplitude  von  9},  verschwinden 
würde,  merkbar  wird  und  für  q>'  selbst  den  Werth  \X  er- 
reicht^), dass  die  Amplitude  von  9t«  selbst  bei  Einfallswin- 
keln, in  denen  schon  eine  Verzögerung  der  Phase  merklich 
ist,  von  der  Oberflächenschicht  nicht  beeinflusst  wird;  nur 
für  den  Winkel  y'  selbst  oder  in  seiner  nächsten  Umgebung 
hat  die  Amplitude  von  91,  nicht  den  Werth  Null,  sondern 
einen  kleinen  Betrag  ö,  den  die  Theorie  mit  der  auftreten- 
den Phasenverzögerung  durch  eine  Relation  verbindet 

Es  kann  aber  eintreten,  dass  für  die  Beobachtungen  (> 
unmerklich  klein,  während  die  Phasenverzögerung  wohl 
merkbar  ist.-) 

Für  das  in  der  Einfallsebene  polarisirte  Licht  9tp  erhält 
man  das  Resultat,  dass,  falls  man  gewisse  Azimuthe  des  ein- 

1)  Nach  dieser  Theorie  bestätigt  sich  daher  die  Volkmann'sche 
(1.  c.  p.  725)  VermuthuDg,  dass  bei  Krystallen  der  Grad  von  erreichbarer 
Polarisation  dorch  Reflexion  ein  höherer  sei,  als  bei  isotropen  Medien,  nicht. 

2)  Dieser  Punkt  machte  es  schwierig,  die  von  der  Theorie  geliefert« 
Relation  zwischen  ö  und  J  an  Beobachtungen  zu  prüfen.  Bei  den  bin 
jetzt  angestellten  Beobaclitungon  ist  entweder  8  gar  nicht  bestimmt  oder 
zu  ungenau. 


270  P.  Drude. 

fallenden  Lichtes  ausschliesst,  für  die  Ep  sehr  klein  ist,  dann 
die  Phase  von  ^p  theoretisch  zwar  eine  Verzögerung  erleidet, 
die  jedoch  stets  so  klein  ist,  dass  sie  durch  Beobachtungen 
nicht  zu  constatiren  sein  wird.  Die  Amplitude  Rp  wird 
durch  die  Oberflächenschicht  nicht  beeinflusst. 

Schliesst  man  dagegen  nicht  aus,  dass  Ep  auch  sehr 
kleine  Werthe  annehmen  könne^  so  kann  man  für  ^p  ab- 
weichend von  dem  für  isotrope  Medien  gültigen  Verhalten, 
den  Schluss  ziehen,  dass  es  sich  analog  wie  91»  verhält,  und 
dass  der  Einfluss  der  Oberflächenschicht  sich  in  der  Um- 
gebung eines  Winkels  cp"  geltend  macht,  für  den  bei  Fehlen 
der  Schicht  die  Amplitude  Rp  verschwinden  müsste.  Dieselbe 
hat  dann  aber  für  alle  EiDfallswinkel  sehr  kleine  Werthe, 
sodass  auch  in  diesem  Falle  der  Einfluss  der  Oberflächen- 
schicht auf  ^p  experimentell  kaum  zu  ermitteln  wäre. 

Das  Verhalten  von  RJRp  ergibt  sich  aus  dem  Vor- 
stehenden von  selbst.  Nur  für  sehr  kleine  Ep  können  com- 
plicirte  Verhältnisse  eintreten,  die  aber  hier,  als  von  prak- 
tisch geringem  Interesse,  übergangen  werden  mögen. 

Wir  sehen,  dass  sich  das  Gebiet  der  elliptischen  Pola- 
risation um  alle  EiDfallswinkel  lagern  kann.  Wenn  man 
einen  Kry stall  auf  die  elliptische  Polarisation,  die  durch 
Keflexion  linear  polarisirt  einfallenden  Lichtes  entsteht, 
untersuchen  will,  so  handelt  es  sich  darum,  die  Bedingungen 
so  zu  wählen,  dass  die  elliptische  Polarisation  möglichst  gut 
messbar  wird.  Wir  wollen  sehen,  welcher  Einfallswinkel  rp' 
sich  hierfür  am  besten  eignet.  ^) 

Zur  Beurtheilung  der  Grösse  der  elliptischen  Polari- 
sation kommt  es  darauf  an,  die  relative  Verzögerung  J  für 
zwei  Einfallswinkel  zu  messen,  die  dem  Winkel  cp'  von  zwei 
Seiten  möglichst  nahe  kommen. 

Die  Annäherung  lässt  sich  um  so  vollständiger  errei- 
chen, je  grösser  Bg  ist.   Zeigt  die  Beobachtung,  dass  R,  auch 


1)  q>'  ist  im  Folgenden  nicht  als  der  Winkel  defiuirt,  für  den  die 
Amplitude  von  It^  tbatsächlich  verschwindet,  sondern  als  der  Winkel, 
für  den  sie  im  normalen  Falle  verschwinden  müsste.  q'  ist  einfach 
durch  die  Gleichung  (2)  als  Function  des  Aziniuths  des  einfallenden 
Lichtes  und  der  Orientirung  des  Krystalls  gegeben. 


Reflexion  an  Kalkspat h.  271 

für  den  Winkel  (p'  sich  noch  merklich  von  Null  unter- 
scheidet, 80  kann  man  ii  für  <f  ^  tp'  selbst  messen.  Ist  dies 
nicht  der  Fall,  so  kommt  es  auf  die  starke  Aenderung  von 
Bg  mit  tp  an.  Bei  der  Beurtheilung  der  Abhängigkeit  der 
Amplituden  vom  Einfallswinkel  kann  man  mit  grosser  An- 
näherung die  Gleichung  (l)  benutzen,  die  mit  voller  Strenge 
eyentuell  nicht  mehr  gültig  ist.  Man  sieht,  dass  es  so  auf 
das  Verhalten  der  Functionen  dMjdg},  dm/d^p  ankommt. 
Man  könnte  daher  denjenigen  unter  den  Winkeln  fp'  ftür  den 
geeignetsten  halten,  q>Q,  für  den  die  Aenderung  von  B,  mit  ff 
ein  Maximum  ist.  Es  wäre  dann  für  eine  bestimmte  Orien- 
tirung  eines  krystallinischen  Spiegels  dieser  Werth  cpj  und 
ein  zugehöriges  Azimuth  des  einfallenden  Lichtes  bestimmt, 
denn  zu  der  Gleichung  (2)  käme  noch: 

und  (2)  und  (3)  lassen  y^'  und  EJEp  bestimmen. 

Indess  empfiehlt  es  sich  noch  mehr,  in  der  Nähe  eines 
anderen  Winkels  qp'  Beobachtungen  für  ^  anzustellen.  Der 
Compensator,  mit  welchem  J  gemessen  wird,  gestattet  näm- 
lich die  genauesten  Einstellungen,  falls  B,=^Bp  ist.  Ich 
habe  daher  schon  bei  den  früheren  Beobachtungen  ^)  an 
isotropen  Medien  den  Analysator  auf  diese  Bedingung  fest 
eingestellt  gelassen  und  den  Polarisator  auf  Dunkelheit  ge- 
dreht, d.  h.  das  Azimutli  des  einfallenden  Lichtes  so  gewählt, 
dass  stets  B,  =  Bp  war. 

Unter  diesen  Bedingungen  erhält  man  für  jede  Orien- 
tirung  der  Krystallfläche  nur  einen  Winkel  <jp'  (er  möge  mit 
<p  bezeichnet  werden)  und  ein  zugehöriges  Azimuth  EgjEj, 
des  einfallenden  Lichtes. 

Die  Bedeutung  von  y  und  E^fEp  ist  die,  dass  unter 
ihnen  überhaupt  kein  Licht  reflectirt  würde ,  falls  die  elliptische 
Polarisation  fehlte j  d,  h,  die  Gleichung  (I)  strenge  Gültigkeit 
besässe, 

Sie  lassen  sich  bestimmen  aus  den  Gleichungen: 

(4)  M,E,+  m.Ep  =  Q,         n.  E.  +  N.Ep  =^0. 


\)  P.  Drude,  Gott.  Nachr.  11,  p.  275.  1888.    Wied.  Aiid.  3(>.  p.  532. 
1S89. 


i 


272  P.  Drude. 

Die  Definition  von  ^  lässt  sich  auch  direct  auf  isotrope 
Körper  und  die  Fälle,  wo  m^n^O  sind,  übertragen.  Da  N 
nicht  verschwinden  kann,  so  erhält  man  in  diesen  Fällen: 

:^  =  0,      Af  =  0. 

Letztere  Grleichung  liefert  den  Polarisationswinkel. 

Der  so  definirte  Winkel  (p  scheint  in  praxi  mit  tp^  nahe 
zusammenzufallen. 

Diese  Betrachtungen  unterscheiden  sich  von  denen  des 
Hrn.  Volk  mann  dadurch,  dass  sie  nur  an  das  reflectirte 
Licht  anknüpfen  und  nicht  an  das  durchgehende.  Dass  dies 
berechtigt  ist,  erkennt  man  nicht  nur  auf  Grund  der  Vor- 
stellung einer  Oberflächenschicht,  sondern  auch  ohne  sich 
eine  bestimmte  Erklärung  über  das  Zustandekommen  der 
elliptischen  Polarisation  zu  machen.  Es  muss  für  die  Er- 
scheinungen der  elliptischen  Polarisation  gleichgültig  sein, 
wieviel  durchgehende  Wellen  zu  Stande  kommen,  es  entsteht 
in  jedem  Falle  nur  eine  reflectirte  Welle. 

Hr.  Schmidt^)  behauptet,  dass,  wenn  man  nicht  im 
uniradialen  Azimuth,  d.  h.  bei  demjenigen  Äzimuth  des  ein- 
fallenden Lichtes,  für  das  nur  eine  gebrochene  Welle  zu 
Stande  kommt,  beobachte,  durch  eine  Superposition  der 
Wirkungen  der  extraordinären  und  ordinären  Welle  auf  das 
reflectirte  Licht  die  Erscheinung  der  elliptischen  Polarisation 
verdeckt  werde.  —  Dem  gegenüber  muss  ich  sagen,  dass  dies 
nur  für  gewisse  specielle  Orientirungen  der  Krystallfläche 
und  bestimmte  Azimuthe  des  einfallenden  Lichtes  denkbar 
sei,  und  zwar  dann,  wenn  in  dem  uniradialen  Azimuth, 
welches  der  ordinären  Welle  entspricht,  positive  elliptische 
Polarisation  auftrete,  dagegen  in  dem  Azimuth,  welches  der 
extraordinären  Welle  entspricht,  negative,  und  wenn  das 
Azimuth  des  einfallenden  Lichtes  so  gewählt  ist,  dass  der 
Einfluss  der  beiden  Wellen  gleich  stark  wird. 

Nun  ist  aber  an  Spaltflächen  auch  von  Hrn.  Schmidt 
nur  positive  Ellipticität  beobachtet,  ich  habe  ferner  für  die 
verschiedensten  Orientirungen  der  reflectirenden  Fläche  nur 
äusserst  kleine  und  positive  Ellipticität  erhalten,  und  ausser- 
dem habe  ich  stets  bei  jeder  Lage  der  Fläche  das  Azimuth 

1)  K.  E.  F.  Schmidt,  1.  c.  p.  369. 


Reflexion  an  Kalkspath.  273 

des  einfallenden  Lichtes  geändert,  ohne  dass  sich  ein  Ein- 
flass  auf  die  Grösse  der  Yerzögemng  J  merkbar  gemacht 
h&tte. 

Demnach  möchte  wohl  die  Behauptung  des  Hm.  Schmidt 
hinfUlig  sein.  —  Um  jedoch  noch  eventuellen  Einwänden 
▼orzubeugen,  habe  ich  eine  Beobachtungsreihe  unter  densel- 
ben Bedingungen  wie  Hr.  Schmidt,  d.  h.  in  uniradialem 
Azimuth,  angestellt.    Ich  theile  sie  unten  mit. 

BeobachtungeD. 

Die  Beobachtungsmethode  ist  dieselbe,  die  ich  früher 
bei  durchsichtigen  Medien  anwandte.  Ich  verweise  daher 
betreffs  der  Apparate  auf  die  frühere  Beschreibung.^) 

Ich  will  hier  nur  hervorheben,  dass  die  besondere  Con- 
struction  des  Oompensators,  mit  welchem  die  relative  Ver- 
zögerung J  gemessen  wurde,  die  Anwendung  eines  auf 
Parallelstrahlen  eingestellten  Femrohrs  erlaubte,  und  dass 
ich  ferner  mit  Sonnenlicht  ohne  Abblenduug  durch  rothe 
Gläser  beobachtete.  Beide  Punkte  lassen  eine  grosse  Hel- 
ligkeit zu,  sodass  die  Genauigkeit  der  Einstellungen  eine 
höhere  war,  als  die  von  Hm.  Schmidt  erreichte.*)  —  Dass 
mit  weissem  Licht  genau  einzustellen  möglfch  war,  lag  daran, 
dass  die  auftretende  Verzögerung  sehr  klein  war,  sodass  der 
Compensator  stets  in  der  Nähe  seines  Nullpunktes  stand, 
welcher  sich  für  alle  Farben  gleich  verhält. 

In  betreff  dieses  Nullpunktes  sei  noch  bemerkt,  dass  er 
sich  etwas  verschob  ^,  wenn  die  Lichtstrahlen  unsymmetrisch 
die  Femrohre  durchsetzten.  Dies  war  bei  den  Beobach- 
tungen öfter  der  Fall.  Das  Sonnenlicht  fiel  nämlich  ohne 
Anwendung  einer  Sammellinse  auf  die  ca.  1,5  mm  Durch- 
messer haltende  kreisrunde  Oeffnung  des  CoUimatorrohres. 
Dies  hat  einen  doppelten  Vortheil:  einmal  sah  man  das  Bild 
der  Oeffnung  auf  der  Krystallfläche  projicirt,  und  man  konnte 
so  in  allen  Orientirungen  der  Fläche  dieselbe  Stelle  als 
Spiegel  benutzen.    Ausserdem  kann  man  infolge  der  Elein- 


1)  P.  Drude,  Wied.  Ann.  34.  p.  489.  1888. 

2)  K.  £.  F.  Schmidt,  1.  c.  p.  362  Anm.  1. 

3)  cf.  P.  Drude,  1.  c.  p.  513. 

Ann.  d.  Phjt.  a.  Chna.  N.  F.  XZXTIII.  18 


274  R  Drude. 

heit  der  reflectirenden  Stelle  (ca.  2  qmm)  sich  dieselbe  auf 
der  Spaltfläche  auBSucheni  und  dies  ist  bei  Medien,  die,  wie 
der  Kalkspath,  nur  in  kleinen  Ausdehnungen  wirklich  gute 
Spaltflächen  aufweisen^  durchaus  nöthig.  Es  wurden  zu  den 
Beobachtungen  stets  Stellen  benutzt,  die  ein  sehr  gutes 
reflectirtes  Oeffhungsbild  ohne  jeden  diffusen  Lichtschein 
aufwiesen. 

Es  wäre  ja  auch  leicht  möglich  gewesen,  die  Licht- 
strahlen stets  central  durch  Collimator  und  Fernrohr  zu  leiten, 
indess  ist  die  genaue  Kenntniss  des  Nullpunktes  des  Com- 
pensators  hier  gar  nicht  erforderlich.  Bei  sogenannter  posi- 
sitiver  elliptischer  Polarisation  muss  nämlich  fär  Einfalls- 
winkel, die  kleiner  als  tp  sind,  bei  dem  von  mir  benutzten 
Apparate  der  Compensator  eine  Zahl  aufweisen,  die  über  dem 
Nullpunkte  liegt,  für  Einfallswinkel,  die  grösser  als  (p  sind, 
eine  unter  ihm  liegende  Zahl,  immer  vorausgesetzt,  dass 
man  den  Compensator  in  den  dem  Nullpunkt  möglichst  be- 
nachbarten Lagen  benutzt. 

Es  kommt  nun  bei  Beurtheilung  der  Grösse  der  EUip- 
ticität  nur  auf  die  Differenz  in  den  auf  beiden  Seiten  Ton  q* 
beobachteten  Einstellungen  an.  Es  ist  demgemäss  in  der  Be- 
rechnung der  Beobachtungen  so  verfahren,  dass  als  Null- 
punkt das  Mittel  aus  den  beiden  Compensatoreinstellungen 
genommen  ist,  die  sich  für  zwei  um  1^  oder  mehr  nach  der 
positiven  und  negativen  Seite  von  (p  abweichende  Einfalls- 
winkel ergeben.  Der  so  berechnete  Nullpunkt  weicht  von 
dem  direct  beobachteten  (36,11)  meistens  nur  um  ca.  zwei 
Trommeltheile  (36,13  bis  36,09)  ab.^)  17,84  Umdrehungen 
des  Compensators  entsprechen  der  Verzögerung  einer  Wellen- 
länge (für  Natriumlicht). 


1)  Ich  konnte  es  durch  stark  seitliche  Abblenduug  erreichen,  dass 
sich  der  Nullpunkt  um  14  Trommeltheile  verschob.  Dies  scheint  viel- 
leicht eine  Erklärung  dafür  zu  liefern,  dass  »ich,  wie  ich  früher  angab 
(Wied.  Ann.  :U.  p.  494.  188S)  der  Nullpunkt  bei  Aenderung  der  Stellung 
de.<  Analysators  und  Polarisators  verschob.  Jedenfalls  ist  eine  Erklärung 
durch  eine  prismatische  Gestalt  der  Nicols,  wie  sie  Hr.  Schmidt  gibt 
(1.  c.  p.  361,  Anm.  1),  nicht  zulässig,  da  der  schwarze  Streifen  stets  auf 
das  Fadenkreuz  eingestellt  wurde,  und  sich  die  Lage  des  ersteren  nicht 
änderte,  auch  wenn  man  den  Collimator  um  Winkel  verschob,  die  die 
Ablenkung  der  Nicols  weit  überstiegen. 


Reflexion  an  Kalhspath,  275 

Die  Spaltflächen  wurden  auf  ein  Liebisch'sches  Total* 
refleotometer  mit  abgenommenem  totalreflectirendem  Prisma 
gesetzt  Es  konnte  so  leicht  das  Azimuth  des  Hauptschnittes 
gegen  die  Einüallsebene  bestimmt  werden.  Die  Orientirung 
der  Fl&che  erforderte  allerdings  immerhin  einige  Zeit»  sodass 
mindestens  8  Minuten  nach  der  Spaltung  Terstrichen  sind, 
beTor  Einstellungen  gemacht  wurden. 

Betreffs  des  Sinnes  der  Kreistheilungen  Ton  Polarisator 
{P)j  Analysator  (A)  und  Refleotometer  [T)  sei  bemerkt,  dass, 
falls  man  A  mit  P  zur  Deckung  bringen  könnte  (d.  h.  fUr 
^  a«  0)  und  T  so  gestellt  wurde ,  dass  der  an  ihm  haftende 
Spiegel  das  von  P  herrührende  Licht  nach  A  reflectirt,  dann 
alle  drei  Theilungen  in  demselben  Sinne  verlaufen.  Für 
P  »  420  43'  ist  £,  =::  0,  f&r  ^  »  48021'  ist  R. »  0.  Es  möge 
mit  09  das  Azimuth  des  Hauptschnittes  der  Elalkspathfläche 
gegen  die  Einfallsebene  bezeichnet  werden,  und  zwar  sei 
Ol  SB  Qo,  wenn  die  stumpfe  Ecke  des  Bhombo^ders  nach  dem 
CoUimator  zu  liegt.  Zeigt  der  (feste)  Nonius  an  T  für  diese 
Stellung  den  Werth  T^y  so  soll  er  für  das  Azimuth  (o  den 
Werth  Tq  +  (0  zeigen.  —  Das  sei  hier  bemerkt,  um  später 
die  gegenseitigen  Lagen  der  Azimuthe  unzweideutig  erkennen 
zu  lassen. 

Die  Beobachtungen  wurden  in  der  Weise  angestellt, 
dass  der  Analysator  so  gedreht  wurde,  dass  /Z«  a  R^  war 
{A  =a  30  2r  Stellung  I),  dann  wurde  Compensator  (C)  und 
Polarisator  [P)  auf  Dunkelheit  gedreht.  Sodann  wurde 
R,^  -^R^  gemacht  {Ä  =  98o  21',  Stellung  11)  und  wieder  C 
und  P  auf  Dunkelheit  eingestellt.  Ist  Pi=Pn,  so  kann 
man  A  beliebig  drehen,  es  bleibt  stets  dunkel,  da  überhaupt 
kein  Licht  reflectirt  wird,  (p  ist  in  diesem  Falle  identisch 
mit  (f'. 

Weicht  (f  von  cp  um  einen  kleinen  Winkel  ab,  so  müs- 
sen Pf  und  Pjj  verschieden  sein,  und  zwar  müssen  deren 
Differenzen  von  annähernd  gleicher  Qrösse,  jedoch  entgegen- 
gesetztem Zeichen  sein  für  zwei  Winkel  9?,  die  von  cp  um 
gleich  viel  nach  beiden  Seiten  abweichen,  die  Summe  Pj+Pfj 
muss  constant  bleiben.  Dieselbe  variirt  dagegen  mit  w. 
Pur  Q>  =  0  verhält  sich  der  Krystall  hinsichtlich  der  Reflexion 
wie  ein  isotroper  Körper,  es  ist  m  =  n  =  0.  In  diesem  Falle 

18* 


27« 


P.  Drude. 


muss  also  (/V  + -P//)  /  42^  43'  sein.  Aas  den  Beobachtungen 
folgen  meist  um  einige  Minuten  höhere  Werthe  Ton  Pj  +  Pn^ 
es  mag  dies  daran  liegen,  dass  OoUimator  und  Femrohr  an 
langen  Armen  angeschraubt  werden,  sodass  sich  die  früher 
bestimmten  Normalstellungen  um  diesen  Betrag  geändert 
haben  können.  Eine  neue  directe  Festlegung  derselben  ist 
unterblieben,  da  hier  die  Einstellungen  des  Polarisators  nur 
dazu  dienen  sollen,  den  Werth  Ton  (p  zu  ermitteln. 

Ich  theile  hier  die  Resultate  der  Beobachtungen  an 
einigen  Flächen  mit;  dieselben  sind  ca.  10 — 15  Minuten 
nach  der  Spaltung  vorgenommen,  bei  Fläche  F  nach  etwa 
IV2  Stunden.  Die  Ziffern  I  und  II  beziehen  sich  auf  die 
oben  erwähnten  beiden  Analysatorstellungen.  P  ist  das 
Mittel  von  meist  zweimaligen,  C  meist  yiermaligen  Einstel- 
lungen. Letztere  weichen  im  allgemeinen  um  höchstens  acht 
Trommeltheile,  d.  h.  um  0,0045  A  voneinander  ab.  J  ist  in 
Wellenlängen  angegeben.  Für  andere  als  die  in  den  Ta- 
bellen angeführten  Einfallswinkel  ergab  sich  J  als  nicht 
merkbar  von  0,  resp.  0,5  verschieden. 


Tabelle  I. 

Frische  Fläche  A. 
a)n=0. 


9 


56<>  30'  I 
57   0  I 


57  30 


58   0 


58  30 


I 
II 

I 
II 

I 
II 

I 
II 

I 
II 


44'»  26' 

41  43 

43  41 

42  24 

42  58 

43  2 

42  6 

43  51 

41  24 

44  82 


36,24 
36,22 

36,50 
36,40 


}  0,5-0, 


006 


1  0,5-0, 


018 


l 

I 

35,91    \ 
85,91    I 

36,04    \ 
36,01    I 


+0,012 


+0,006 


Jt^zioH  tat  Kqlkspath. 


277 


Tabelh 

5  n. 

Frische  Fläche  F.    q}  b: 

0. 

P 

c 

A 

56«  30' 

1 

I 
II 

44»  12' 
41     22 

36,19 
86,14 

1 

0,5—0,007 

57      0 

1 

I 
II 

43    26 
42     12 

36,45 
36,45 

1  . 
1  1 
1  1, 

0,5—0,023 

57    30 

• 

I 
II 

42    42 
42    50 

1  1 

1  j 

— 

58      0 

< 

I 
II 

42  4 

43  31 

35,65 
35,66 

+0,022 

58    30 

1; 

I 
II 

41     24 
44     20 

Tabelle 

35,91 
35,92 

IIL 

1 
1  \ 

+0,007 

Frische  Fläche  -E    w  =  -  90«. 

[Für  ö  =  OS    <p-  57*,     C  =«  36,40.] 


<3P 

P 

46<»  52' 
43     46 

C 

36,24 
36,26 

1 

A 

59<'     0' 

1 

w 

0,5—0,006 

59    30 

i 

46      4 
44    38 

36,51 
36,39 

0,6—0,017 

60      0 

1 
1 

11 

45     18 
45     10 



60    30 

1 

1  1 

44     16 
46     14 

35,72 
35,82 

+  0,021 

61       0 

1 

^^  ■ 

43     30 

47       0 

Tabelle 

36,00 
36,03 

IV. 

+0,006 

Frische  Fläche 

B.      6>  =  < 

0. 

V 

1 

P 

c 

A 

570  0' 

) 

1 

I 
II 

430  43' 
42       4 

36,43 
36,46 

\ 
\ 

0,5—0,015 

58     0 

1 

I 
11 

42  2 

43  32 

36,06 
86,06 

\ 
\ 

+  0,007 

278 


R  Drude. 


Es  folgen  jetzt  einige  Beobachtungen  an  älteren  Flächen. 
A  ist  zwei  Tage  ruhig  in  der  Stellung  belassen,  in  der  es 
frisch  beobachtet  war,  und  gab  dann  folgende  Werthe: 

Tabelle  V, 
Alte  Fläche  A.    co^O. 


9> 


hV    C 


58    30 


{ 


I 

n 

I 
II 


48»  42' 
42    25 


41 
44 


27 
82 


86,90 
36,76 

35,84 
35,86 


039 


)  0,5-0, 
l      +0,016 


Ich  theile  die  Compensatoreinstellungen  für  A  ausführ- 
lich hier  mit.  Die  erste  Hälfte  bezieht  sich  auf  Stellung  I, 
die  zweite  auf  II,  sie  sind  durch  —  getrennt. 


(f,  =  57^ 


Frisch:     36,49;     36,52;  —  36,47;     36,34. 
Alt:  36,89;    36,91;  —  36,78;    36,74. 


-RQOQA'    Frisch:    36,07;    35,99;    36,06;  —  36,03;    36,01;     86,00. 
<p-.0ödu.^^.  35  gg.     g5^^2;  —85,86;     35,87. 

Es  ist  also  wenn  auch  ein  geringes  Anwachsen  der 
Ellipticität  mit  der  Zeit  constatirt. 

Ich  lasse  noch  die  Beobachtungen  an  zwei  zwei  Tage 
alten  Flächen  C  und  D  folgen.  Bei  D  war  gesehen,  dass 
es  nach  dem  Spalten  durch  Näherung  des  Fingers  sich  mit 
einem  Wasserhäutchen  bedeckt  hatte,  das  allerdings  sofort 
darauf  verdunstete. 

Tabelle  VI. 


Fläche  C,    w  =  0. 


Fläche  n,    G)  =  0. 


r^TO 


57 


58 


(       1 
\      11 

I       I 


43°  46' 
42     14 

42  12 

43  42 


36,62  1^  j, ^  ^oq 

36,74  ("»»— "»"'^» 

35,48  ^      innQQ 

35,53  .(     +"'"^^ 


43®  22' 
42     10 

42  0 

43  32 


C      j  J 

I  0,5—0,084 


36,84 
36,80 


ll'S  ]  +°'"'* 


Im  Folgenden  ist  eine  Beobachtungsreihe  enthalten,  die 
an  der  Fläche  F  unter  denselben  Bedingungen,  wie  sie  Hr. 
Schmidt  an  einer  Spaltfläche  festgelegt  hat,  erhalten  sind.') 


1)  K.  E.  F.  Schmidt,  I.  c.  p.  364.  Tabelle  IV. 


Reflexion  an  Kalkspath. 


279 


Es  sind  zu  dem  Zweck  an  einem  durchsichtigen  Spaltstück 
für  o>  s  4^  42^  ^)  die  uniradialen  Aximuthe  f&r  die  extra- 
ordinären Wellen  experimentell  ermittelt,  dann  wurde  das 
Spaltstück  fortgenommen  und  durch  F  ersetit  Die  Beob- 
achtungen sind  dicht  den  f&r  /*  bei  a> »  0  angestellten  Tor- 
hergegangen.  Unter  J'  sind  die  Werthe  angeführty  wie  sie 
Hr.  Schmidt  beobachtet  hat. 


T 

'abe 

lle  VU. 

Frische  Fläche  F. 

(0  = 

'.  4<>  42' 

.    Extraordinftre  Welle. 

V 

. 

d 

P 

1 

A 

A' 

54« 

50' 

310 

43' 

55* 

18' 

36,10 

0,5—0,002 

0,5-0,02 

56 

20 

41 

82 

55 

53 

36,11 

0,5-0,008 

0,5-0,07 

56 

50 

44 

40 

56 

21 

36,14 

0,5-0,004 

0,5—0,11 

57 

20 

47 

28 

56 

25 

— 

M       M 

0,5—0,26 

57 

50 

50 

36 

56 

47 

35,74 

+0,018 

+0,12 

58 

50 

56 

3 

57 

9 

35,98 

+0,004 

+  0,04 

60 

50 

66 

9 

57 

51 

36,02 

+0,002 

+  0,02 

Zur  Beurtheilung  der  Genauigkeit  der  Oompensatorein- 
stellungen  theile  ich  sie  hier  vollständig  mit: 


9 
ff 


54* 
56 
56 
57 

58 
60 


50': 
20: 
50: 
50: 
50  : 
50: 


36,08 
36,25 
36,21 
35,75 
35,96 
36,04 


86,11 
36,05 
86,14 
35,84 
35,93 
36,00 


36,11- 

36,11- 

36,16- 

■35,88- 
36,00  - 
36,02- 


36,11. 

36,04. 

36,09- 

35,62- 

35,96. 

36,02. 


36,13  -  36,1 1  -  36,17  —  86,10. 
35,75—35,71  —35,60  -  35,77. 


Aus  den  obigen  Tabellen  folgt,  dass  die  Anordnung  des 
Experiments,  wie  sie  Hr.  Schmidt  getroffen  hat,  für  die 
Compensatoreinstellung  nicht  sehr  günstig  war;  denn  es  ist 
Rg  stets  sehr  klein  gegen  Rp.  co  hätte  noch  kleiner  gewählt 
werden  müssen. 

Ich  theile  im  Folgenden  die  Resultate  mit,  welche  ich 
an  einer  Fläche  G  in  verschiedenen  Azimuthen  (o  erhalten 
habe.  Die  Fläche  G  zeigte,  da  sie  nicht  ganz  frisch  war^ 
eine  verhältnissmässig  starke  elliptische  Polarisation,  wenig- 
stens eine  von  der  Grrösse  der  bei  den  alten  Flächen  A^C^D 


\\  In  der  citirten  Arbeit  steht  4^72'.    Es  ist  dies  als  Druckfehler 
aDgeaehen.    £s  kommt  aber  auf  die  genaue  Grösse  von  (ü  gar  nicht  an. 


280 


P.  Drude. 


erhaltenen.  Sie  hatte  aber  den  Vorzug,  der  bei  Kalkspath 
sehr  schwer  zu  erreichen  ist,  dass  in  allen  Azimuthen  scharfe 
Bild^  erhalten  wurden,  wenigstens  bei  Anwendung  von  Sonnen- 
licht, d.  h.  bei  Benutzung  einer  kleinen  spiegelnden  Stelle.  Ich 
bemerke,  dass  fOr  einige  Azimuthe,  nämlich  bei  denjenigen 
der  Tabelle,  für  die  nur  bei  drei  Einfallswinkeln  beobachtet 
ist,  nicht  Sonnenlicht,  sondern  das  Licht  eines  im  Linne- 
mann'schen  Knallgasbrenner  glühenden  Zirkonerdepräpara- 
tes  benutzt  wurde,  da  die  Sonne  selten  schien.  In  diesem 
Falle  ist  eine  grössere  Stelle  als  Spiegel  benutzt,  die  Bilder 
waren  nicht  scharf,  die  Ellipticität  daher  auch  etwas  grösser. 
Ich  komme  darauf  weiter  unten  zurück. 

Tabelle  VIII. 

Fläche  Q. 


(O 


<p 


9> 


56,5<> 

57,0 

57,5 

58,0 

58,5 

59,0 

59,5 

60,0 

60,5 

61,0 


0« 
42*  58' 
57     22 


'D 


D 


+  0,431  +2,V 
—      -0,6 
-0,43    -3,3 


42<>  29' 
57     45 


42<>  30' 
58     36 


^D     \      -^D    \ 


'D 


D 


-0,7 


0  I 


+  0,25,  +3,5<> 
+0,38  I  +2,2 
+  0,3 
-1,2 
-2,7 


-0,51 
.i-0,25 


-in 

43"  42' 

5d    81 

Cv 

Pd 

+  0,39 


-0,39 


+  3,6^ 
+  0,2 
-3,2 


0) 


T 


56,5« 

57,0 

57,5 

58,0 

58,5 

59,0 

59,5 

60,0 

60,5 

61,0 


45»  19' 
60      0 


'D 


D 


+  0,22:  +3,2« 
+  0,54!  +1,7 
.  -0,1 
-0,49    — l,fs 
-0,22    -8,4 


—  V   7j 

46<>  38' 
59     37 


—   ^  71 

46«  30' 
58    45 


'D 


'D 


-0.38    -8,2 


-0,23  '  -4,0 


45*» 
57 


6' 
50 


'D 


■  +0,23 

1 

+  3,50  ' 

+  0,39  1  +2,3    , 

+  3,5«, 

+  0,6    , 

-0,7     1 

+  0,4 

-0,42 

-*AT 

+  0,18 
+  0,36 


-0,37 
-0,17 


D 


+  3,7» 

+  2,3 

+0,6 

-0,3 
o  1 

-3,5 


Reflexion  an  Kalkspath. 


281 


(Fortsetzung  der  Tabelle  VIII.) 


6» 

1 

n 

1 

* 

1% 

i         i 

n 

^s 

42» 

56' 

40<>  42' 

89« 

15' 

39^ 

24 

—              1 

'       57 

22 

57     45 

58 

45 

59 

SO 

V 

Cz, 

Pd 

1             '             ' 
1.     ^^        ^^    1 

Cx> 

^D 

>» 

Pd 

56,6<> 

+0,17    +8,6® 

1 

! 

57,0       ' 

1 
1 

,  +0,28 

+  2,3 

1 

1 

57,5 

-0,3<> 

— 

+  0,5 

, 

68,0 

-0,6 

1 

58,5 

-0,38    -2,2 

1    — 

+0,6* 

+0,31 

+3,0^ 

59,0 

-0,16    -3,7    , 

59,5 

1 

i 

+0,0 

60,0 

60,5 

\ 

1 

-0,81 

-8,3 

61,0 

i. 

1 

M 

i 

n 

i       840  50' 

39« 

50' 

Ps 

40<> 

24' 

40    52        1 

48« 

24 

7> 

60 
'     Cd 

i 

0 

59     55        ! 

58 

25 

1 

1 

Od 

Pd 

t 

56,50 

57,0 

I 

1 

1 

57,5 

1 

1 

+  0,18 

+  2,70 

58,0 

1 

+  0,69 

+  1,4 

58.5 

1 

1 

-0,3 

59,0 

+  0,27 

+  3,0^' 

-0,55 

-1,6 

59,5 

: +0,65  j +1,5  ; 

-0,17 

-3,5 

60,0 

-•-    1-0,3 

60,5 

1,-0,65    -1,9 

61,0 

,  -0,17 

-3,5'^ 

-0,27 

-3,6 

1 

In  der  Tabelle  bedeutet  Fs  das  Mittel  aus  \[Pi  +  Pn) 
für  constantes  w  und  variables  y.  Unter  P^  ist  die  Difie- 
renz  Pi  —  Pn  verstanden,  unter  Q,  die  Differenz  zwischen 
der  beobachteten  Compensatoreinstellung  und  dem  Nullpunkt. 
(7p  ist  das  Mittel  aus  je  vier  Beobachtungen,  tp  ist  aus  den 
Beobachtungen  für  P^  interpolirt,  nämlich  als  derjenige  Ein- 
fallswinkel qp,  für  den  JP^  verschwinden  muss.  Wo  in  der 
Rubrik  f&r  C^  ein  Strich  steht,  bedeutet  das,  dass  es  nicht 
möglich  war,  den  Compensator  einzustellen,  da  das  Bild  bei 
Drehung  der  Schraube  desselben  gleichmässig  dunkel  blieb. 

Ich  theile  schliesslich  noch  zwei  Beobachtungsreihen 
mit,  die  zeigen  sollen,  dass  man  durch  Variation  des  Azi- 
muths  e  des  einfallenden  Lichtes  es   erreichen   kann,   dass 


282 


P.  Drude. 


sich  die  elliptische  Polarisation  um  die  yerschiedensten 
Winkel  lagert. 

Die  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  die  Fläche  G^  im 
Azimuth  cu  »  —  00^.  In  den  Torigen  Tabellen  lagerte  sich 
die  elliptische  Polarisation  für  diesen  Fall  um  9  =  60^. 

Es  ist  nun  auch  f&r  (p^hV^  und  q>  ^  50^  der  Analy- 
sator A  auf  48^  2r  eingestellt,  d.  \l  B^^Q  gemacht,  und 
dann  die  zugehörigen  Stellungen  des  Polarisators,  in  denen 
Dunkelheit  eintrat,  ermittelt. 

Tabelle  IX. 
Fläche  G.    w  =  -  90». 


9 

Ä 

P 

C 

86,72 
85,53 

J 

580 
59 
60  , 

510  28' 
48  21 
45   4 

170  13' 
17  13 
17  13 

0,5—0,033 
+0,033 

450  . 
50 

55  1 

490  48' 
48  21 
47  16 

3240  ü' 
824   0 
824   0 

36,42 
35,53 

0,5—0,025 

___ 

+  0,025 

Man  sieht,  wie  für  kleinere  Winkel  <p  (50^)  J?,  weit 
schwächer  varürt,  als  in  der  Nähe  von  ff,  und  dass  sich  die 
elliptische  Polarisation  um  jeden  Einfallswinkel  lagern  kann. 
Die  von  Hrn.  Schmidt  gemachte  Beobachtung^)  der  Ab- 
hängigkeit des  elliptischen  Polarisationsgebietes  vom  Azi- 
muth (D  hat  daher  ohne  Angabe  des  Azimuths  des  einfallen- 
den Lichtes  keine  Bedeutung. 

Discussion  der  Beobachtungen. 

Die  Tabellen  zeigen  deutlich,  dass  bei  der  Reflexion 
linear  polarisirten  Lichtes  an  Ealkspathspaltflächen  ellip- 
tische Polarisation  zwar  vorhanden  ist,  dass  sie  aber  ausser- 
ordentlich klein  ist  im  Vergleich  mit  der  an  polirten  Flächen 
beobachteten.  Dieselbe  wächst  mit  der  Zeit,  wenn  auch  nur 
langsam,  aber  durchaus  merkbar.  Das  früher  gefundene 
Resultat,  dass  ich  an  Kalkspath  nur  eine  Maximalverzöge* 
rung  von  0,0168  P.  beobachtet  habe,  ist  an  frischen  Flächen 
hier  bestätigt.  Ich  brauche  daher  die  früher  infolge  dieser  Bf- 
obachtungen  ausgesprochenen  Sätze  nicht  zu  ändern. 


1)  Schmidt,  1.  c.  p.  370. 


Reflexion  an  Kalkspatk.  283 

Ausserdem  zeigen  die  Tabellen,  dass  R,  für  einen  be- 
stimmten Einfallswinkel  (p  nicht  merklich  Ton  Null  abweicht. 
Für  Ol »  0  ist  er  identisch  mit  dem  aus  der  Formel  (2)  be- 
rechneten 57^  22^,  für  andere  Azimuthe  ist  die  Berechnung 
unterblieben. 

Die  Abhängigkeit  der  Erscheinungen  Tom  Azimuth  (o 
zeigt  die  Tabelle  VIII.  Die  elliptische  Polarisation  knüpft 
sich  nur  an  den  Winkel  qp,  wie  die  Theorie  Terlangt.  Sie 
ist  femer  stets  positiv.  Ich  will  bemerken ,  dass  durch  die 
Tabelle  YIII  nur  Lagerung  und  Sinn  der  EUipticität  gege- 
ben werden  soll,  die  numerischen  Werthe  Ton  J  sind  bei 
ihrer  Kleinheit,  und  da  in  yerschiedenen  Azimuthen  zum 
Theil  mit  Sonnen-,  zum  Theil  mit  Zirkonlicht  beobachtet 
ist,  nicht  genau  genug,  um  durch  sie  irgend  welche  Fragen 
über  die  Constitution  einer  eventuellen  Oberflächenschicht, 
z.  B.  ob  sie  isotrop  oder  anisotrop  sei,  entscheiden  zu  wollen. 

Die  Tabelle  VIII  zeigt  ferner,  dass  (p  symmetrisch  um 
die  Azimuthe  (a^O^  und  (0=  90^  liegt  Setzt  man  Ep/Eg^  tg  f, 
so  sieht  man,  dass  «  =  0  ist  für  oo  «  0  und  <d  ^  n,  da  dann 
der  Polarisator  fast  in  der  Lage  steht,  in  welcher  jE'j»  =  0 
(cf.  p.  275).  6  hat  gleich  grosse,  aber  entgegengesetzte  Werthe 
für  Azimuthe  (o,  die  symmetrisch  zum  Hauptschnitt  liegen. 

Um  eine  deutliche  Anschauung  von  diesen  Verhältnissen 
zu  gewinnen,  ist  eine  Figur  (Fig.  7)  gezeichnet.  Die  Werthe  von 
€  sind  von  dem  Kreise  € »  0  zu  beiden  Seiten  längs  der  Ra- 
dien aufgetragen,  ebenso  die  Werthe  von  <p  von  einem 
Kreise,  der  dem  Werth  qp  =  58,7^  —  dem  Mittelwerth  — 
entspricht. 

Ich  bin  überzeugt,  dass  sich  die  so  experimentell  ge- 
fundenen Ergebnisse  auch  durch  analytische  Discussion  aus 
der  Formel  (1)  ableiten  lassen  werden.  Diese  Berechnung 
ist  aber  als  aus  dem  Rahmen  des  hier  zu  Behandelnden 
fallend,  unterblieben. 

Tabelle  VII  lässt  den  Unterschied  zwischen  den  Beob- 
achtungen des  Hrn.  Schmidt  und  meinen  deutlich  hervor- 
treten. Hrn.  Schmidt  ist  es  sogar  gelungen,  für  den  Winkel 
ff  selbst  den  Compensator  einzustellen,  was  für  eine  gewisse 
Grösse  von  A«  spricht.  Leider  lässt  sich  dieselbe  nicht  aus 
den  Schmidt'schen  Beobachtungen  entnehmen,  da  die  An- 


284  P.  Drude. 

gaben  über  die  Analysatorstellungen  fehlen,  aber  schon  der 
Umstand,  dass  es  bei  allen  Spaltflächen  möglich  war,  den 
den  Gompensator  für  qp  n  ^'  einzustellen,  l&sst  erkennen, 
ein  wie  grosser  Unterschied  zwischen  den  Schmidt'schen 
und  meinen  Resultaten  besteht. 

Die  Erklärung  dieses  Unterschiedes  ist  yielleicht  in 
Folgendem  zu  suchen: 

Hr.  Schmidt  gibt  an^),  dass  infolge  der  mangelhaft 
reflectirenden  Fachen  die  Streifen  im  üompensator  ver- 
waschen waren,  und  infolge  dessen  die  Einstellung  schwierig, 
dass  ferner  nur  ein  kleiner  Flächentheil  bei  Abbiendung  des 
übrigen  benutzt  werden  konnte,  der  von  faserigen  Bezügen 
frei  war. 

Ich  hebe  dem  gegenüber  hervor,  dass  bei  den  von  mir 
bei  Sonnenlicht  angestellten  Beobachtungen  die  refiectirten 
Bilder  tadellos  scharf  und  ohne  jeden  diffusen  Lichtschein 
waren.  Es  ist  dies  bei  Kalkspath  schwer  zu  erreichen,  vor- 
züglich im  Azimuth  (d  ^  90^,  da  meist  kleine  Riefen  parallel 
dem  Hauptschnitt  verlaufen,  welche  das  Bild  hauptsächlich 
stören,  wenn  sie  senkrecht  zur  Einfallsebene  liegen.  —  Ich 
habe  beobachtet,  dass,  wenn  obige  Versuchsbedingungen  nicht 
erfüllt  waren,  dann  stärkere  elliptische  Polarisation  auftrat. 
So  wurden  bei  der  Fläche  /*  für  (0  =  90^  und  9>  =  62^  30' 
Compensatoreinstellungen  gefunden,  deren  Mittel  35,23  war, 
d.  h.  bei  einem  Winkel,  der  sich  um  2^  von  (p  entfernte, 
eine  Verzögerung  von  0,05  A. 

Bei  einer  anderen  Fläche,  welche,  wie  eine  Besichtigung 
mit  dem  Mikroskop  ergab,  sehr  viele  kleine  Riefen  hatte, 
zeigte  sich  eine  elliptische  Polarisation  von  erheblicher  Grösse, 
sowohl  für  0)  =  0,  als  cü  =  90^,  beidemal  in  positivem  Sinne. 
Es  verschwand  €  für  keinen  Einfallswinkel,  sondern  hatte 
die  Minimalgrösse  2^  12'.  Ich  möchte  aber  nicht  entschieden 
behaupten,  dass  die  Riefen  allein  diese  starke  EUipticität 
hervorgerufen  hätten,  da  die  Fläche  matt  aussah,  und  ich 
nicht  mehr  constatiren  konnte,  ob  sie  durch  Spaltung  frisch 
hergestellt  war.  Jahre  alte  Flächen  zeigen  immer  sehr 
starke  elliptische  Reflexion. 


1)  Schmidt,  l.  c.  p.  357  u.  361. 


Reflexion  an  KaVcspath,  265 

Dass  Beugnngserscheinungen  den  Werth  von  A  auch 
beim  direct  reflectirten  Bild  beeinflussen,  habe  ich  durch 
monatelange  Beobachtung  an  Metallen  genugsam  constatiren 
können.  Daher  ist  auch  eine  Abbiendung  durch  Schirme^ 
wenn  die  benutzte  Fläche  sehr  klein  ist,  hier  gef&hrlich,  und 
die  Anordnung  ist  besser  so  zu  treffen,  dass,  wie  ich  ver- 
fuhr, eine  kleine  Stelle  ohne  abblendende  Schirme  benutzt 
wird. 

Es  können  aber  die  Störungen  des  reflectirten  Bildes 
nicht  nur  durch  die  Beschaffenheit  der  Oberfläche  herYor<> 
gerufen  werden,  sondern  auch  durch  Reflexion  an  inneren 
Sprungflächen  oder  an  der  Hinterfläche.  Es  sind  zu  meinen 
Beobachtungen  nur  Ealkspathstückchen  benutzt,  die  frei  von 
inneren  Sprüngen  waren  und  so  dick  im  Yerhältniss  zum 
Querschnitt,  dass  das  von  der  Rückfläche  reflectirte  Bild 
nicht  zur  Yorderfläche  gelangen  konnte. 

Ich  bemerke,  dass,  selbst  wenn  man  die  Rückfläche 
schwärzt,  immer  noch  so  viel  Licht  von  ihr  reflectirt  wird, 
dass  es  bei  (p  ^^  das  von  der  Yorderfläche  reflectirte  weit 
überstrahlt  Ich  habe  deshalb  nach  Aufsuchung  der  un- 
iradialen Azimuthe  an  einem  dünnen  Spaltstück  dasselbe  zu 
den  Beobachtungen  wieder  durch  ein  dickes  ersetzt  Ob 
diese  Yorsicht  von  Hrn.  Schmidt  ebenfalls  angewandt  ist, 
kann  ich  aus  seinen  Angaben  nicht  ersehen. 

An  einer  fünf  Tage  alten  unberührten  Spaltfläche,  welche 
eine  Dicke  von  ca.  5  mm  hatte,  und  wo  das  reflectirte  Bild 
nicht  frei  von  etwas  diffusem  Lichte  war,  welches  von  der 
Rückfläche  herrühren  konnte,  wurde  für  o)  =  0  und  ^  =  57^ 
constatirt  J  =  0,5  —  0,05  A,  für  y  =  58^:  i4  =  +  0,04  A,  eine 
Yerzögerung,  die  zwar  immer  noch  klein,  aber  schon  erheb- 
lich grösser  als  die  unter  normalen  Bedingungen  erhaltene  ist 

Es  war  stets  constatirt,  dass,  sowie  durch  die  Einstel- 
lungen im  Oeffnungsbild  ein  völlig  schwarzer  Streifen  mit 
rothen  und  blauen  Rändern  erschien,  sehr  kleine  Yerzöge- 
rungen  auftreten,  sowie  dagegen  sich  nicht  völlige  Dunkel- 
heit erzeugen  liess,  d.  h.  das  reflectirte  Licht  nicht  einen 
einheitlichen  Schwingungszustand  hatte,  die  Yeraögerungen 
wuchsen.  —  Ich  habe  allerdings  solche  von  der  Grösse,  wie 


286  P.  Drude. 

sie  Hr.  Schmidt  gefanden  hat,  nur  an  der  einen  matten 
Fläche  (cf.  p.284)  constatiren  können. 

Infolge  der  von  Hrn.  Schmidt  beobachteten  starken 
elliptischen  Polarisation  ist  es  erklärlich,  dass  eine  Aende- 
rong  mit  der  Zeit  nicht  merkbar  war.  Denn  eine  durch 
wahrscheinlich  secundäre  Einflüsse  hervorgerufene  starke 
elliptische  Polarisation  muss  eine  kleine  Aenderung  der 
natürlichen  Polarisation  verdecken. 

Das  Besultat  der  hier  angegebenen  Beobachtungen  ist, 
dass  frische  Kalkspathspaltstücke  eine  ausserordentlich  kleine 
elliptische  Polarisation  besitzen.  Ob  man  mit  demselben 
Bechte,  wie  vom  Menilit  und  Alaun,  von  einem  gänzlichen 
Fehlen  derselben  reden  kann,  will  ich  nicht  entscheiden,  da 
in  den  diesbezüglichen  Beobachtungen  Jamin's  nähere  An- 
gaben fehlen.  Ich  will  noch  bemerken,  dass  man  selbst  die 
bei  frischen  Spaltstücken  auftretende  geringe  elliptische  Pola- 
risation noch  nicht  einer  rein  natürlichen  Oberflächenschicht 
zuzuschreiben  gezwungen  ist,  d.  h.  dass  man  bei  festen 
Körpern,  die  frei  von  irgend  welchen,  ihre  Oberfläche  ver- 
ändernden Einflüssen  sind,  annehmen  müsste,  dass  der  Bre- 
chungsexponent im  Inneren  ein  anderer  als  an  der  Ober- 
fläche ist,  z.  B.  continuirlich  durch  dazwischenliegende 
Werthe  von  den  Werthen  im  Inneren  zu  den  in  Luft  statt- 
findenden überginge.  Denn  z.  B.  Wasser-  und  Kohlensäure- 
gehalt der  Luft  können  die  Oberfläche  verändern,  wie  das 
allmähliche  Wachsen  der  elliptischen  Polarisation  andeutet. 
Ich  halte  vielmehr  an  der  früheren  Ansicht  fest,  dass  eine 
natürliche  Oberflächenschicht  von  festen  Körpern  optisch  noch 
7iicht  nachgewiesen  istj  und  diese  bei  reiner  Oberfläche  annähernd 
keine  elliptische  Polarisation  zeigen, 

Nachtrag. 

Ich  benutze  die  Grelegenheit,  auf  einige  von  Hrn.  Schmidt 
in  der  citirten  Arbeit  gemachten  Einwürfe  gegen  meine  frü- 
heren Beobachtungen  an  Steinsalz  Etwas  zu  erwidern. 

Die  oben  erwähnten  anerkannten  Mängel  der  Spaltbar- 
keit des  Kalkspaths  zeigt  das  Steinsalz  nicht.  Es  ist  bei 
Steinsalz  ein  leichtes,  dicke  Spaltstücke  zu  erhalten,  die 
tadellose  Bilder  liefern.     Dieses,   sowie  der  Punkt,   dass  es 


Reflexion  an  Kalkspath,  287 

für  die  ersten  Versuche  wünschenswerth  ist,  isotrope  Körper 
zu  behandeln^  da  sich  die  Verhältnisse  für  das  Aadmuth  des 
einfallenden  Lichtes  dort  am  einfeu^hsten  gestalten,  lassen  die 
Wahl  des  Steinsalzes  zu  diesen  Versuchen  nicht  als  unglück- 
lich erscheinen.  Wenn  Steinsalz  trotz  der  hygroskopischen 
Eigenschaft  kleine  elliptische  Polarisation  zeigt,  so  ist  da- 
raus eher  ein  Beweis  für,  als  einer  gegen  die  Behauptung 
zu  ersehen,  dass  sie  bei  frischen  Spaltflächen  fast  ganz  fehlt. 
—  Gegenüber  der  Schmidt'schen  Behauptung,  dass  der 
Brechungsexponent  des  Steinsalzes  so  klein  sei,  dass  sich 
nach  Jamin's  Gesetz  nur  eine  kleine  elliptische  Polarisation 
erwarten  lasse,  sage  ich  nur,  dass  die  meisten  Crownglas- 
sorten,  bei  denen  stets  eine  starke  Ellipticität  constatirt  ist, 
Brechungsexponenten  haben,  die  kleiner  als  die  des  Stein- 
salzes sind.  Ausserdem  ist  das  Jamin'sche  Gesetz  der  Ab- 
hängigkeit der  elliptischen  Polarisation  polirter  Körper  vom 
Brechungsindex  nur  als  eine  Annäherung  zu  betrachten,  wie 
ein  Blick  auf  die  Jamin'sche  Tabelle  lehrt.  Ich  erwähne 
nur,  dass  der  kritische  Brechungsexponent,  für  den  die 
elliptische  Polarisation  verschwinden  soll,  das  Mittel  aus 
1,428  und  1,482  ist,  und  dass  Diopsid  vom  Exponenten  1,378 
deutliche  positive  Ellipticität  gezeigt  hat  Hr.  Schmidt 
hat  selbst  die  Ausnahmen  davon  an  Kalkspath  beobachtet, 
denn  unter  gewissen  Orientirungen  wird  der  kritische  Bre- 
chungsexponent 1,46  fast  erreicht,  ohne  dass  die  Ellipticität 
nach  Hrn.  Schmidt  bedeutend  kleiner  geworden  ist. 

Zum  Schluss  möchte  ich  bemerken,  dass  der  Diamant, 
der  in  seinem  eigenen  Staube  geschliflFen  wird,  nicht,  wie 
Hr.  Schmidt  meint,  von  verunreinigenden  Einflüssen  bei 
der  Politur  frei  ist  und  durch  seine  starke  Ellipticität  ein 
Beispiel  gegen  das  hier  Behauptete  abgeben  kann.  Denn 
das  Diamantpulver  wird  nicht  trocken  angewandt,  und  selbst 
wenn  das  der  Fall  wäre,  so  zeigen  meine  früheren^)  Beob- 
achtungen an  Spaltflächen,  wie  leicht  die  Körper  schon  durch 
sogenanntes  Abputzen  verunreinigt  werden. 

Göttingen,  Phys.  Inst.,  den  17.  Juli  1889. 

1)  P.  Drude,    Gott.   Nachr.    11.    p.  281.    1888.     Wied.    Ann.    36. 
p.  540.  1888. 


288  L.  NatansoTU 

X.    Veber  die  Mnetische  Theorie 

der  IHssociiMtitmserschei/n/ungen  in  Ckisen; 

van  Ladislaus  Natanson. 


Bekanntlich  ist  das  Problem  der  Dissociation  gasförmiger 
Körper  nach  der  thermodynamischen  Methode  von  verschie- 
denen Forschem  mit  Erfolg  behandelt  worden.  Versucht 
man,  die  kinetische  Theorie  darauf  anzuwenden,  so  findet 
man,  dass  es  schwierig  ist,  eine  Rechnung  durchzuführen, 
ohne  gewisse  Annahmen  über  die  Yerbindungsweise  der 
Atome  in  G-asmolecülen  zu  Grunde  zu  legen.  Danach  muss 
die  erste  Aufgabe  der  Theorie  darin  bestehen,  derartige,  mit 
der  Erfahrung  verträgliche,  anderweits  aber  möglichst  allge- 
meine Annahmen  festzustellen.  Da  dieser  Gegenstand  nicht 
genügend  klarzuliegen  scheint,  so  erlaube  ich  mir,  einen  ein- 
fachen Fall  einer  näheren  Betrachtung  zu  unterziehen. 

§  1.  Im  Baume  v  sind  N^  freie  Atome  und  N^  zwei- 
atomige Molecüle  enthalten;  sämmtliche  Atome  sind  gleich- 
artig. Die  gesammte  Anzahl  derselben  ist  N^  N^  +  2N^* 
Ist  die  Masse  eines  Atoms  m,  so  ist  miNT  die  Gasmasse;  in 
der  Folge  setze  ich  voraus,  dass  wir  es  immer  mit  der  Massen- 
einheit zu  thun  haben.  Das  Problem,  welches  man  gewöhn- 
lich betrachtete,  ging  dahin,  dass  Yerhältniss  N^jN  (den  Dis- 
sociationsgrad)  als  Function  des  Druckes  und  der  Temperatur 
zu  bestimmen;  und  zum  Ziele  gelangte  man  etwa  auf  folgen- 
dem Wege. 

Mit  p^  und  p^  seien  die  Partialdrucke  der  beiden  Gase 
(des  molecularen  und  des  atomigen),  mit  p  der  Totaldruck, 
mit  t  die  allgemeine  Temperatur,  mit  E^  und  E^  die  Mittel- 
werthe  der  kinetischen  Energie  eines  freien  Atoms  und  des 
Schwerpunktes  eines  Molecüls  bezeichnet.  Vom  Dissociations- 
vorgange  abgesehen,  sollen  beide  Gase  vollkommene  Gase 
sein.    Danach  setzen  wir: 

(A)  \p^^  =  N^E^\        \P2^^Nt^t\        P=Pi+Pi' 

Dem  Maxweir  sehen  Satze  zufolge  setzen  wir  weiter 
E^  ^  E2,  und  wir  benutzen  die  Grösse  dieser  Energie  als 
Temperaturmaass,  indem  wir  annehmen: 

(B)  E^^  E^^  ;./, 


Disiociation  in  Gasen,  289 

worin  X  eine  Constante  bedeutet.  Aus  (A)  nnd  (B)  wird 
gefunden: 

(1)  lpv^(N,  +  N,)Xt. 

Nun  fbhren  wir  die  Bedingung  für  den  Gleichgewichts- 
zustand ein.  Dieser  wird  erreicht,  wenn  die  Anzahl  der 
während  einer  Zeitperiode  zerfallenden  Molecüle  der  Anzahl 
der  in  derselben  Zeitperiode  sich  neu  bildenden  Molecüle 
gleich  geworden  ist.  Diese  Gleichheit  wird,  wie  in  den  bis- 
herigen Theorien^)  gefunden  wird,  durch: 

(0  -^'>  =  N, 

ausgedrückt,  und  somit  stellt  (C)  die  Bedingung  für  das 
Gleichgewicht  vor.  Hierin  ist/(/)  eine  Temperaturfunction, 
deren  Beschaffenheit  es  noch  nicht  gelungen  ist  zu  entdecken, 
wie  mir  scheint,  weder  auf  kinetischem,  noch  auf  thermo- 
dynamischem  Wege.    Aus  (1)  und  (C)  folgt  weiter: 

^^^  ^""'e/ro-Vj*    -    6/(0 y* 

wenn  mit  q  der  Dissociationsgrad  bezeichnet  wird.  Ist  d  die 
Dichte  des  theil weise  dissociirten  Gases,  die  dem  Grade  y 
entspricht,  ist  d  die  Dichte  des  vollständig  dissociirten  Kör- 
pers, und  gilt  die  Gl.  (1),  so  ist: 

und  daher  nimmt  (2)  die  Form  an: 

, .,  d  (d  -  ö)  2Xi 

W  ^='«(2<J-dV^  ^  =  "3/(0^ 

die  ich  kurz  als  „Gibbs'sche  Gleichung'^  bezeichnen  will. 

§  2.  Durch  verschiedene  Versuche  wird  die  Gibbs'sche 
Gleichung  bestätigt,  unter  anderen  durch  die  an  der  Unter- 


1)  Zu  den  kinetischen  oder  theil wei»e  kinetischen  Theorien  gehören 
diejenigem  von:  van  der  Waals,  Verslagen  en  Mededeelingen  d.  kon. 
Ak.  d.  Wet.  (2)  15.  p.  199.  1880;  Boltzmann,  Wied.  Ann.  22.  p.  39. 
1884  u.  J.  J.  Thomson,  Phil.  Mag.  (5)  18.  p.  288.  1884.  Auf  dieselben 
hier  einzugehen  ist  nicht  möglich;  ich  bemerke  nur,  dass  gewisse  Schlüsse, 
die  ich  in  §  3  anführe,  schon  von  Hm.  Thomson  ausgesprochen  worden 
sind.  Mit  den  Rechnungen  Hm.  Thomson^s  kann  ich  mich  übrigens 
nicht  einverstanden  erklären. 

Ann.  d.  Phyt.  u.  Chera.    N.  F.  XXXVIII.  19 


290  L.  Natanson. 

Salpetersäure^)  ausgeführten  Beobachtungen.  Da  wir  jetzt 
die  Function  a  unbestimmt  lassen  wollen,  so  können  wir  die 
Gleichung  in  der  Weise  prüfen,  dass  wir  den  Ausdruck 
p{2S  --  d)*l{d  —  d)  =  «*,  der  für  jede  Isotherme  constant 
sein  soll,  berechnen.  Aus  unseren  Daten  überzeugt  man  sich, 
dass  sich  die  Grösse  von  a  auf  den  Isothermen  ziemlich  un- 
bedeutend änderte  Natürlich  ist  die  Constanz  vollkommener, 
wenn  wir  (bei  den  Isothermen  E,  F,  H,  J  1.  c.)  den  Ausdruck 
p{28  —  d)*l{d'-'  St)  berechnen,  worin  St^S  eine  neue  Iso- 
thermenconstante  bedeutet^)  Ob  diese  Grenzwerthe  der 
NOg-Dichte  den  Grenzdichten  des  Chlor-  und  Bromgases 
ähnlich  sind,  (die  jedoch  nicht  für  ;?  «  0,  sondern  bei  Atmo- 
spbftrendrucke  gefunden  werden),  wie  Ostwald  meint');  ob 
die  constatirten  Abweichungen  von  der  Gibbs' sehen  Glei- 
chung gänzlich  oder  theilweise  der  Unvollkommenheit  des 
Gases  zuzuschreiben  sind^)^  —  scheint  mir  zu  entscheiden 
schwierig  zu  sein,  da  dafür  eine  sichere  Basis  fehlt.  Es  genügt 
uns,  für  das  Folgende  zu  wissen,  dass  die  Gib bs'sche  Glei- 
chung (mit  unbestimmt  gelassener  f{t))  mit  den  Versuchen 
der  Hauptsache  nach  jedenfalls  übereinstimmt. 

§  3.  Zwei  Atome  treffen  zusammen  und  bilden  ein 
Molecül,  welches  eine  Zeit  r  fortdauert.  Es  wird  gefragt, 
wie  oft  dies  in  einer  gegebenen  Gasmenge  während  der  Zeit- 
einheit vorkommen  muss.  Die  Zeitdauer  r  mag  von  gewissen 
Variabelen  x,  y, . .  .  abhängen,  die  wir  nicht  zu  specificiren 
brauchen;  und  es  mögen  in  der  Zeiteinheit: 

(1)  Z(p  [x,  yy  ,  .  ,)dxdy  ,  ,  , 

Zusammenstösse  zwischen  den  Atomen  so   geschehen,   dass 
die  Variabelen  zwischen  den  Grenzen: 

(2)  X  und  X  +  dx\        y  und  y  +  dy 

liegen.     Nehmen   wir   an,   dass   x,  y,  ...  überhaupt  Werthe 
haben  können,  die  zwischen  den  Grenzen: 

1)  Ed.  u.  Lad.  Natanson,  Wicd.  Ann.  24.  p.  454.  1885  u.  27. 
p.  606.  1886. 

2)  Vgl.  p.  617  der  II.  Abhandlung. 

3)  Ostwald,  Lehrbuch  d.  allg.  Chemie  2.  p.  699.  1887. 

4)  Ostwald,  Lehrbuch  d.  allg.  Chemie  2.  p.  734.  1887;  Planck, 
Wied.  Ann.  32.  p.  484.  1887;  J.J.Thomson,  Applicationa  of  Dynamics 
to  Physies  and  Chemiatry,  Lond?n  1S88.  p.  200. 


DUsoeiation  in  Gasen,  291 

(3)  JTo  ^d  a^;       y^  und  y^ 

liegen,  und  dass  Z  die  G-esammtzahl  der  in  der  Zeiteinheit 
zwischen  den  Atomen  stattfindenden  StOsse  vorstellt,  sodass: 

*i  Vi 

(4)  f  f  ..  .  fp{x,y,...)dxdy  .  ..'T»  1. 

Nehmen  wir  noch  weiter  an,  ein  Zusammenstoss  zweier 
Atome,  der  zur  ülasse  (2)  gehört,  habe  die  Bildung  eines 
Molecttls  zur  Folge,  falls  x,y,...  zwischen: 

(5)  lo  ™d  li;      ^0  ^°d  ^f,  ... 

liegen.  (Jedes  dieser  Gebiete  kann  auch  in  weitere  einzelne 
zerfallen.)    Bezeichnen  wir: 

(6)  ff  .  .  .  qp  (j?,  y,  .  .  .)dxdy  . .  .  =  cj, 

80  können  wir  sagen,  dass  in  der  Zeiteinheit  wZ  Molecttle 
entstehen,  und  m  das  Verhftltniss  der  Anzahl  associirender  Zu- 
sammenstösse  zur  gesammten  Anzahl  bezeichnet  Setzen  wir 
nun  voraus,  der  Dissociationszustand  sei  bereits  derjenige  des 
Gleichgewichtes.    Während  der  Zeit  r  werden: 

(7)  tZ(p  (Xj  yj  .  ,  .)dxdy  ,  ,  . 

Molecüle  der  Classe  (2)  gebildet,  und  sie  werden  sämmtlich 
einen  Zeitraum  r,  oder  einen  nur  unendlich  wenig  abwei- 
chenden Zeitraum  dauern  müssen.  Deshalb  werden  gleich- 
zeitig so  viele  Molecüle  der  Classe  (2)  bestehen,  wie  durch 
(7)  angegeben  wird.^) 

Daher  ist  die  Gesammtzahl  iV^  der  bestehenden  Molecülo 
gleich: 

iVj  =  Z  f  f  ,.,T  ff  (j\ y  ,,.)dx dy . . . 

%x    Vi 

(8)  {                        I   f  ...T  <p{x,  V .  ..)dxdy ,, . 
^zaZ^----       —  —     --     =s  (fj  Z  & » 

j  J  . . ,  (f  (Xj  i/j . .  .)dT  dl/ . . . 

1)  Der  hier  benutzte  Satz:  „es  bestehen  gleichzeitig  so  viele  Mole- 
cüle, die  zu  einer  gegebenen  Classe  gehören,  wie  viele  sich  während  der 
Existenzdauer  der  >ßlecüle  bilden**  (falls  die  Existenzdauer  för  sämmt- 
liehe  Molectile  der  Classe  gleich  ist)  findet  öfters  Anwendung  in  der 
kinetischen  Tlieorie.    Vgl.  VVied.  Auu.  33.  p.  688.  1888. 

19* 


292  L.  Natanson. 

wenn  &  den  Mittelwerth  des  Zeitraumes  bedeutet,  während 
dessen  ein  Molecül  erhalten  bleibt. 

Die  Bedingungen  dafür,  dass  ein  Molecül  entstehe,  wenn 
zwei  Atome  zusammentreffen,  werden,  je  nach  den  über  die 
gegenseitige  Einwirkung  der  Atome  angenommenen  Voraus- 
setzungen, sehr  verschieden  sein.  Als  Hypothese  {a)  wollen 
wir  jede  Annahme  bezeichnen,  woraus  sich  in  Bezug  auf  den 
Verlauf  eines  Zusammenstosses  zweier  Atome  zwei  entgegen- 
gesetzte Fälle  ergeben:  entweder  ist  der  Zusammenstoss  ein 
„associirender^^  (die  Bewegung  der  Atome  wird  in  eine  sta- 
tionäre umgewandelt,  ein  Molecül  wird  gebildet),  oder  ein 
„normaler''  (die  Atome  gehen  sogleich  und  von  selbst  aus- 
einander), wie  solche  von  den  Molecülen  gewöhnlicher  Gase 
beständig  ausgeführt  werden.  Mit  dieser  Hypothese  (a)  müssen 
wir  natürlich  zugleich  annehmen,  dass  ein  Molecül,  wel- 
ches einmal  entstanden  ist,  nicht  von  selbst  zerfallen  kann, 
dass  dies  nur  durch  äussere  Einwirkung  geschehen  kann. 
Als  Hypothese  {ß)  wollen  wir  dagegen  jede  Annahme  be- 
zeichnen, wonach  der  obige  unterschied  fehlt:  zwei  zusammen- 
treffende Atome  gehen  immer  über  kurz  oder  lang  von  selbst 
auseinander;  es  kann  nur  der  Zeitraum,  während  dessen  sie 
ein  System  bilden,  je  nach  den  Umständen  der  Begegnung 
verschieden  gross  ausfallen.  Alsdann  ist  zwischen  einem 
Zusammenstosse  und  der  Bildung  eines  Molecüls  keine  scharfe 
Grenze  vorhanden:  während  der  Zeitdauer  des  Zusammen- 
stosses bilden  eben  die  Atome  ein  Molecül.  Dann  ist 
jeder  Zusammenstoss  ein  associirender,  jedes  Molecül  muss 
eine  gewisse  Zeit  existiren  und  dann  von  selbst  zerfallen. 

Um  beiden  Annahmen  Bechnung  zu  tragen,  betrachten 
wir  einen  neuen  Mittelwerth  von  r,  nämlich  d,  den  wir 
folgendermaassen  definiren: 


/  I  , . ,  i  q^Xfi/j . , .)  d.T  dy , . . 

(9)  ^  =  ';-;,  -    — 

/  l . ,  .(f  ix  ^y, ...)  drdy  . . , 
(10)  0  =  m&. 

Gl.  (10)  wird  gefunden,  wenn  man  sich  der  Definition  von 
10   erinnert    und    dabei    Gl-    (4),    sowie    den    Umstand    be- 


Dis90ciation  in  Gasen.  293 

achtet,  dass  ausserhalb  1^  und  g^,  ijq  und  i;^  u.  s.  w.  die 
Grösse  r  verschwindet^  weshalb  man: 

«1  Vi  li  Vi 

(1 1)  r  r. . .  r  y  (or,  y, . . .)  (fa:  rfy . . .  =s  r  r. . .  r  (jp  (a:,  y, . . .)  rfx  rfy . . . 

setzen  dar£    Aus  (10)  ergibt  sich: 

(12)  N^^Z.d. 

Es  ist  in  der  Annahme  (/?) :  d  ^ß-  und  c}  =  1 ;  in  der  An- 
nahme {a)  ist  d  <&,  weil  bei  der  Bildung  von  &  alle  that- 
sächlich  gebildete  Molecüle,  bei  der  Bildung  von  d  dagegen 
sämmtliche  Zusammenstösse  in  Rechnung  kommen,  auch  die 
normalen,  die  zur  Summe  der  r  Null  liefern. 

Ein  Atom  soll  im  Mittel  C  Stösse  mit  anderen  Atomen 
in  der  Zeiteinheit  ausführen.  Setzen  wir  CT=sl,  so  wird 
T  angenähert^)  die  Zeit  vorstellen,  die  zwischen  aufeinander- 
folgenden Zusammenstössen  im  Mittel  vergeht  Andererseits 
wird  Z=s  N^CI2  sein,  und  daher: 

\^^)  -ji  =  ra  7p  =  ~2r~ ' 

In  der  Annahme  (a)  ist  &  die  mittlere  Zeitdauer,  während 
welcher  die  Molecüle  bestehen,  und  T/t?  die  Zeit,  während 
welcher  ein  freigewordenes  Atom  im  Mittel  frei  bleibt.  In 
der  Annahme  (ß)  dagegen  hat  6  die  erste  und  T  die  zweite 
Bedeutung.  Jedenfalls  können  wir  aus  dieser  Gleichung  d/T 
oder  cif&l  T leicht  berechnen,  da  2NJN^  gleich  2(rf- S)j{2d-d) 
ist.   So  ist  z.  B.  für  N^O^  nach  den  in  § 2  citirten  Versuchen:*) 


1)  Im  Räume  v  seien  N  gleiche  Molecüle  vorhanden,  deren  Ge- 
schwindigkeiten nach  dem  Maxwell'schen  Gesetze  (mit  dem  Modulus  a) 
vertheilt  sind.  Ist  R  die  den  Zusammenstoss  charakterisirende  Entfernung, 
und  führt  ein  Molecül,  welches  mit  einer  gegebenen  Geschwindigkeit  sich 
bewegt,  B  Stösse  in  der  Zeiteinheit  aus,  so  ist  der  Mittelwerth  der  zwi- 
schen aufeinanderfolgenden  St^ssen  vergehenden  Zeit  gleich: 

\Bj  n      ^  R^  a        '         jS  R^  a^ 

C       B      21/271-^^«  NR^n 

Vgl.  Tait,  Trans,  of  the  Roy.  Soc.  of  Edinburgh.  33.  p.  74.  1886. 

2)  Für  Untersalpetersäure  und  für  andere  diesociirbare  Gase  ist  die 
absolute  Grösse  von  T  unbekannt.    Es  lässt  sich  indessen  vermuthen,  dass 


294  L,  Natamon, 

iBotherme  DA  v  -  26,80 mm    .    .    .    BIT-  0,096 


(+49,70  0.)   \        497,75  1,069 

Isotherme  JS.  j  p  =  49,65  mm  .    .    .    ßjT  =  0,058 

(+73,7<>C.)  \         633,27  0,396 

Isothcnne  F,  j  p  ^  11,73  mm  .    .    .    ö/  T  =  0,016 

(+99,8«C.)  \        732.51  0,139 

Isotherme  H  \  p  =  35,99  mm  .    .    .    0/  T  =  0,011 

( + 129,90  ^C)  \        550,29  0,023 


Wir  können  C  bei  constanter  Temperatur  N^iv  proportional 
setzen.  Schreiben  wir  C«  iVjt/'(^)/v,  so  ist  Z=  iVj*t/;(<)/2r 
und  nach  (12) 

(14)  N.^^^'y^. 

Wir  haben  also  die  Bedingung  (C),  §  1,  erhalten,  indessen 
nur  dann,  wenn  d  nur  von  der  Temperatur  und  nicht  vom 
Drucke  oder  Volumen  abhängig  ist.  Nimmt  man  nun  an, 
dass  der  Verlauf  eines  Zusammenstosses  von  deren  Häufig- 
keit nicht  beeinflusst  wird,  so  sehe  ich  nicht  ein,  wie  diese 
auf  d  bezügliche  Bedingung  mit  der  Annahme  (a)  zu  ver- 
einigen ist  Alsdann  wäre  ja  d  vom  Volumen  in  derselben 
Weise  abhängig,  wie  es  die  Zeitperiode  ist,  die  zwischen 
aufeinanderfolgenden  Stössen  eines  Molecüls  vergeht.  Aus 
obiger  Tabelle,  oder  aus  der  Gib bs' sehen  Gleichung,  wenn 
wir  dieselbe  als  Ausdruck  der  Versuche  ansehen,  folgt  ebenso, 
dass  m&lT  auf  einer  Isotherme  stark  veränderlich  ist,  und 
zwar  N^/v  proportional  sein  muss,  daher  m&  constant  und 
auch  &  constant  sein  muss,  da  ^  von  v  abhängig  nicht  ge- 
dacht werden  kann. 

Man  kann  diese  Schlussfolgerung  noch  in  folgende  Form 
bringen.  Es  sollen  in  der  Zeiteinheit  iV^^/'j  (^)/t;  neue  Mole- 
cüle  sich  bilden.  Es  geschehen  nämlich  in  der  Zeitein- 
heit iVj*CjV^/i7  Zusammenstösse  zweier  Atome,  deshalb  ist 
F^  (t)  =  fjj  Cj  V  i,  worin  Cj  ein  constanter  Factor  ist.  Ebenso 
berechnen  wir,  wie  viele  Molecüle  in  der  Zeiteinheit  zer- 
fallen, wenn  (a)  richtig  wäre.  Es  kommen  zwischen  Mole- 
cülen    einerseits   und   Molecülen    oder  Atomen    andererseits 

sie  nU'ht  wesentlich  von  der  Länge  derselben  Zeitperiode  in  Sauerstoff, 
Stickstoff,  Stickoxyd  z.  B.  abweichen  kann.  Danach  werden  wir  wohl 
die  Grössenordnung  richtig  treffen,  wenn  wir  sagen,  dass  in  den  citirten 
Versuchen  die  mittlere  Existenzdauer  der  X.^O^-Molecüle  zwischen  10— i^ 
und  10— K^Sec.  enthalten  war. 


Disiociation  in  Gasen,  295 

\^N^^c^V^t+ N^N^c^^'^t'\lv  ZusammenBiösse  in  der  Zeitein- 
heit zu  Stande.  Bezeichnen  wiederum  tm^  und  m^^  die  Pro- 
cents&tze  der  dissociirendeu  unter  den  entsprechenden  B&mmt- 
lichen  Zusammenstössen,  und  nehmen  ¥rir  an,  dasB  m^  und 
29^3  vom  Volumen  unabhängig  sind,  sodass  m^c^Vl=^  F^{t) 

und  £3^2^12  V^  =  -^12(0  ^8^>  so  ^^^  di^  in  §  1  besprochene  Be- 
dingung des  Gleichgewichtszustandes  folgenden  Ausdruck: 

N,^F,  (t)  =  N,^F,  (ti  +  N,  N,  F,,  (t), 

was  von  (C),  §  1,  gänzlich  verschieden  ist. 

§  4.  Mit  der  Annahme  {u)  ist,  wie  ich  glaube,  auch  die 
Gleichung  (B),  §  1,  unvereinbar,  und  zwar  aus  dem  Grunde, 
dass  alsdann  der  Maxwell' sehe  Satz  seine  Geltung  verliert. 
Den  wirklichen  Inhalt  dieses  Satzes  kann  man  folgender- 
maassen  ausdrücken:  sind  zwei  Gase  gemischt,  deren  mittlere 
kinetische  Energien  verschieden  waren,  so  findet  ein  Energie- 
austausch statt,  bis  der  unterschied  verschwunden.^) 

Gehen  zwei  zusammentreffende  Atome  eine  Verbindung 
ein,  so  vertheilt  sich  deren  Energie  in  die  Schwerpunktsbe- 
wegung und  die  relative  Bewegung.  Die  entstehenden  Mole- 
cQle  haben  daher  einen  bestimmten  Mittelwerth  der  kine- 
tischen Energie  der  Schwerpunktsbewegung,  den  wir  Mole- 
cularbewegung  nennen  werden. 

Nun  sind  zwei  Fälle  möglich:  I)  Entweder  ist  die 
Molecularenergie  gleich  beim  Entstehen  der  Molecüle  der- 
jenigen der  freien  Atome  gleich;  so  ist  es  z.  B.,  wenn  sich 
in  unvollkommenen  Gasen  Aggregate  bilden,  wie  ich  dies 
schon  früher  auseinandergesetzt  habe.  *)  Dann  sind  E^^  und  E^ 
gleich,  weil  dies  aus  den  Gesetzen  der  Zusammenstösse  der 
Atome  folgt,  und  nicht  deshalb,  dass  sie  sich,  dem  Max- 
well'sehen  Satze  zufolge,  ausgeglichen  haben.  II)  Ist  im 
Gegentheil  die  Energie  der  entstehenden  Molecüle  von  der- 
jenigen der  freien  Atome  verschieden,  so  wird,  nach  dem 
Maxwell'schen  Satze,  ein  Energieaustausch  zwischen  Mole- 
cülen  und  Atomen  entstehen;  jedes  Molecül  wird  seine  Ge- 
schwindigkeit dem  Max weir sehen  Satze  anzupassen  suchen. 


1)  Tait,  Trans,  of  the  Roy.  Soc.  of  Edinbirgh,  38.  p.  82.  1886.  Vgl. 
Wied.  Ann.  34.  p.  970.  1888. 

2)  L.  Natanson,  Wied.  Ann.  33.  p.  687  ff.  1S88. 


296  L.  Natansoru 

Dieser  Vorgang  geschieht  während  der  Zusammenstösse  des 
Molecüls;  erst  nach  einigen  Zusammenstössen  wird  das 
Molecül  sich  dem  Maxwell' sehen  Satze  mit  einiger  An- 
näherung fügen.  Dauert  das  Molecül  nicht  länger,  als 
die  Zeit,  die  zur  erwähnten  ,,Anpassung''  erforderlich  ist, 
beträgt,  oder  sogar  kürzer,  so  kann  die  Anpassung  immer 
nur  theil weise  geschehen,  und  nur  ein  Theil  des  Energie- 
unterschiedes wird  ausgeglichen.  Es  kann  sich  also  ein 
stationärer  Zustand  einstellen,  worin  das  Verhältniss  der 
molecularen  und  atomigen  Energie  einen  Werth  hat,  welcher 
zwischen  der  Einheit  und  demjenigen  zu  liegen  hat,  welches 
zwischen  der  Energie  der  entstehenden  Molecüle  und  der- 
jenigen der  Atome  bestand. 

Nun  glaube  ich  beweisen  zu  können,  dass  der  Fall  (I) 
unter  der  Annahme  {ß\  §  3,  stattfindet,  während  der  Fall  (II) 
der  Annahme  (c^),  §  3,  entspricht.  Nehmen  wir  an,  cc  sei 
die  wahrscheinlichste  Geschwindigkeit  der  Atome,  sodass 
jmc3f-  =  JE'j.  Die  Geschwindigkeit  der  fortschreitenden  Be- 
wegung eines  Molecüls,  welches  von  zweien  zusammentreffen- 
den Atomen  gebildet  wird,  sei  F,  und  diese  wollen  wir  als 
eine  der  unabhängigen  Variabein  des  Zusammenstosses  zweier 
Atome  wählen.  Nach  den  in  §  3  der  Abhandlung:  „üeber  die 
kinetische  Theorie  unvollkommener  Gase**  (1.  c.)  gegebenen 
Sätzen  kommen  in  der  Zeiteinheit: 

(1)  -'^—^  V^e-^''''-'x{x,?/,..,)dVdxdf/... 

Zusammenstösse  zwischen  Atomen  vor,  bei  welchen  die  Ge- 
schwindigkeit des  Schwerpunktes  beider  zwischen  V  und 
V+dV  enthalten  ist,  und  die  übrigen  Variabein  zwischen 
gewissen  unendlich  nahen  Grenzen,  die  wir  nicht  zu  speci- 
ficiren  brauchen,  liegen.  In  (1)  ist  wie  früher  iV^  die  Anzahl 
Atome,  V  das  Volumen^  R^  die  charakteristische  Entfernung 
für  den  Zusammenstoss  zweier  Atome.  Nehmen  wir  an,  in 
jedem  Zusammenstösse  der  Classe  (1)  werde  ein  Molecül  ge- 
bildet. (In  der  Hypothese  (ß)  ist  dies  immer  der  Fall;  in 
derjenigen  (a)  müssen  x,  i/  , .,  gewissen  Bedingungen  genügen.) 
Gleichzeitig  sind  also: 

"  '       *   T  V^  e-' ^'''  «' /  (.7-, }/,  ,..)d  Vdx  dij  . . . 


Dissoeiaiion  in  Gasen.  297 

Molecüle  der  betrachteten  Olasse,  deren  Zeitdauer  r  beträgt, 
Torhanden.  Der  Mittelwerth  V^  für  sämmtliche  Molecüle 
ist  danach: 


00 


ITi-.? . 

'^  ~~       00  J 

fff. . .  r  r«  e-2FV^  (^^  y,.,,)drdxdy.,, 

0 

die  Grenzen  der  auf  x^y^ .,.  bezüglichen  Integrationen  sind 

^o»*i5yo>yi;---  '^^  ^«r  Hypothese  (/9),  und  |o>  Sn  ^o^i;---  '^^ 
der  Hypothese  (a).  In  der  ersten  Hypothese  (/?)  ist  t  von  F 
unabhängig,  dagegen  ist  in  der  zweiten  r  an  die  zwischen 
den  Zusammenstössen  vergehende  Zeit,  deshalb  auch  an  F, 
gebunden.  Danach  erhalten  wir,  wenn  wir(^  zu  Grunde  legen: 

(4)       F«  =  i  a* ;        daher:        (5)      j^g  =  m  F«  =  j  ma«  =  JF^. 

Nehmen  wir  (a)  dagegen  an,  so  haben  wir  t  mit  i  T  zu 
ersetzen,  wenn  T  die  Zeit  bedeutet,  die  zwischen  aufeinander- 
folgenden Zusammenstössen  eines  Molecüls  vergeht,  dessen 
Geschwindigkeit  F  ist;  und  z  +  1  die  Nummer  des  Zusam- 
menstosses  angibt,  welcher  das  Molecül  zum  Zerfall  bringt, 
vorausgesetzt,  dass  als  erster  Zusammenstoss  des  Molecüls 
derjenige  betrachtet  wird,  während  dessen  das  Molecül  ent- 
standen ist.  Wir  können  annehmen,  r  hänge  von  V  nur 
durch  Vermittelung  von  T  ab,  und  i  sei  durch  x,  y,  • . .  be- 
stimmt.    Alsdann  ist: 

0» 

(6)  F*=^-        - 

0 

Da  nun  weiter  die  Beziehung: 

0  0 

a>  OD 

4  J  o  V  4   / 

0  u 

bei  beliebigem  T  stattfindet,  und  T  für  F=0  endlich,  für 
F=oo  gleich  Null  sein  muss,  wie  aus  der  Bedeutung  von 
T  hervorgeht,  so  findet  man: 


298  Zr.  Naianson. 

(7)  T«  =  |«*(l  +  -|-)     und     £'2  =  JSi(l  +  |),  worin: 


(8)  e« 


0  ^^ 


0 

Man  sieht  ein,  dass  €  negativ  ist,  und  deshalb  ist  in  der 
Hypothese  (a)  F*  <  faS  JE;  <  JE^.  Wir  setzen  E^^  ^E^ 
und  suchen  nun  ju  zu  berechnen. 

§  5.  Zum  Zweck  einer  ersten  Annäherung  mag  dazu 
folgendes  Verfahren  dienen.  £in  Molecül,  welches  mit  der 
Geschwindigkeit  V  sich  bewegt,  soll  By  Atome  und  B^  Mo- 
lecüle  in  der  Zeiteinheit  treffen,  sodass  By  +  B^=^  \jT.  Einst- 
weilen nehmen  wir  an,  dass  unter  den  Molecülen  das  Max- 
well'sche  Gesetz  mit  dem  Geschwindigkeitsmodulus  ß  herrsche 
(was  nicht  streng  ist),  und  dass  ß^fjiu*l2.  Wir  haben  als- 
dann (es  ist  V  SS  1  gesetzt): 

V/a 

(1)  B,^  N,  i?,3«  Vn  \ue-  >^/-'  +  '^'f^-l-'f  ^x'  dx\ , 

0 

V/ß 

(2)  B,  =  N,R*yn \ß e-  ''/-''  +  ^"  ^ ^"/ ^ " rf*] , 

0 

worin  R^^  und  R^  die  charakteristischen  Radii  für  Zusam- 
menstösse  des  Molecüls  mit  einem  Atom,  resp.  einem  Mole- 
cül  bezeichnen.  Um  c  zu  berechnen,  führen  wir  in  beide 
Integrale  (8),  §  4,  Mittelwerthe  B^  und  B^  anstatt  veränder- 
licher B^  und  B^  ein.    Als  Mittelwerthe  führen  wir  ein: 

(3)  Bi  =  Jyjß,  F»  e-  'V^r'  dV=2N,  Ä,,*  Vn  (J^'+ß^) , 

0 

OD 

W     -^2  =  rfM>„/^-i  ^''^-''''•''dV=  2N,  Ä,n  2,-7/9, 

0 

und  erhalten: 

(o)  f  = \   '_!.     _i-  ,  worm: 


oc 


V/u 


(6)*/j=iV,/?j,2y;rJj^p-»^«>  /2--^^jJe-'V/.r    K^t?-«^"' -VF 


(»  0 


Disiociation  in  Gauen.  299 

0  '  0 

gesetzt  sind.  Indem  wir  nun  die  identische  Gleichung,  die 
aus  dem  Ausführen  der  DiflFerentiation  d[V^e'^yy'^'F[V)'\jdV 

Via 

entsteht,  auf  den  Fall  F{V)  ^fe-*''dx^  und  auf  denjenigen 

F{V)^ f  e-'dx  anwenden,  werden  wir  J^  und  J^  leicht 
ausrechnen  können.    £s  ist: 

^'^      •'-^^^•«"^^^         (9)     •^.»f^^^^'v^i- 
Daraus,  und  aus  (3)  und  (4)  ergibt  sich: 

(10)  €=--^_..-   "^  ^^''_- 

Vs  (2  +  /i)  N,  Ä„«  +  Ve^  A',  Ä,« 

und  dies  muss,  wie  aus  der  Definition  von  pi  folgt  (§  4),  gleich 
3  (1  —  ju)  sein.  Wir  hätten  danach  eine  Gleichung,  aus 
welcher  /i  berechnet  werden  kann.  Da  das  Ergebniss  der 
Rechnung  complicirt  ist,  so  wollen  wir  uns  darauf  beschrän- 
ken, zwei  extreme  Fälle  zu  berechnen.  Man  kann  beweisen, 
dass  das  Minimum  von  /n  dem  Falle  iV^  «a  0,  das  Maximum 
von  /i  dem  Falle  N^=^Q  entspricht.    Nun  lautet  die  Gl.  (10) 

im  ersten  Falle: 

18^(1 +  ^)(1-^)2=1; 

und  im  zweiten:      27  (2  +  ^)  (1  —  u^  =  1; 

woraus  sich  0,805  und  0,886  als  Grenzen  fUr  ^  ergeben. 

Diese  Rechnung  wollen  wir  folgendermaassen  prüfen.  Die 
Wahrscheinlichkeit  einer  zwischen  V  und  V+  dV  liegenden 
Geschwindigkeit  ist  nach  §  4  für  ein  Molecül  gleich: 

(11)  i— - — -  ■■ 

0 

Da  (5i  +  Äg)  T  =  1  ist,  so  wird : 


OD 


(12)      ß.  +  5,=  «;f-.    worin    J  =  P^'J^^;- dV . 

Setzen  wir  hierin  K,  =  0,  so  ergibt  sich  der  Werth  von 
5^,  und  zwar  auf  folgende   Weise.     Es  sei  J^   der  Werth 


800  L,  Natanson. 

von    J,    wenn    iVg  =  0    angenommen    wird.      Man    beweist 
leicht,  dass: 

(13)  J. "—-  f -'L'!*^ 

0      xe-'  +  (2*«  +  1)  /    e 


/.-"i. 


Ü 


ist.  Genau  in  derselben  Weise,  wie  Hr.  Olark  die  in  der 
citirten  Abhandlung  des  Hm.  Tait  angeführte  Tabelle  be- 
rechnet hat,  habe  ich  als  Zahlenwerth  des  in  (13)  vorkom- 
menden Integrals: 

0,060  502  2 

gefunden.  Daraus  folgt  £,  a  4,2706  iNT^iZj,'^)  w&hrend  wir 
früher  (wie  aus  Gl.  (3)  folgt,  worin  jU=s  0,886  zu  setzen  ist,  da 
iV,=0  angenommen  wurde)  für  B^  den  Werth  4,2584  iVjÄjj^a 
hatten.  In  ähnlicher  Weise  könnte  man  B^  berechnen.  Man 
sieht,  dass  die  frühere  Methode  ziemlich  correcte  Resultate 
lieferte. 

Zur  Berechnung  von  ^  bietet  sich  noch  ein  anderer 
Weg,  den  ich  wieder  für  den  Fall  iV, «  0  ausführen  will 
Alsdann  lässt  sich  aus  (6),  §  4,  folgendes  herleiten: 


OD 


(14)  V--=\ 


n^  0 


0 


-*'■•/'=  rfr 


Der  Nenner  ist  gleich  «/p  ist  also  bekannt.    Setzt  man 
V  —  axj  so  kommt: 

X 

j-r-*' +  f2ar*  -  1)  f  e-'' dx 

(15)  jy,  •  ö^  = —^x '  daraus: 


0 

X 
00 


(16)    !-  =  ;>_- 


3    — 2x- 


1  + 


0  v'  J 

0  0 


dx 


DUsoeiation  in  Gasen.  301 

Nach  der  Clark' sehen  Methode  habe  ich  für  das  Inte- 
gral (16)  den  Zahlenwerth  0,088 139  gefunden,  woraus: 

F»  =  0,67776  u^ 

sich  ergibt,  w&hrend  die  frühere  Rechnung,  worin  pL  a  0,886 
zu  nehmen  ist,  den  Werth  lieferte: 

T2^^a*^  0,66450  uK 

Diese  Rechnung  noch  auf  den  Fall  N^=aO  auszudehnen, 
habe  ich  unterlassen.  Wir  können  schliessen,  dass,  wenn  /i 
das  Yerhältniss  der  Energie  der  entstehenden  Molecüle  zu 
der  Atomenergie  vorstellt,  fi  zwischen  ^/g  und  ®/g  stets  ent- 
halten bleibt,  und  dass  das  schliesslich  bestehende  Yerhält- 
niss beider  Energien,  welches  sich  in  stationärer  Weise 
erhält,  zwischen  fi  und  1  liegt 

§  6.  Das  eben  behandelte  Problem  scheint  mir  ein  über 
die  Dissociationsfrage  reichendes  Interesse  zu  bieten.  Wenn 
die  Mittelwerthe  der  kinetischen  Energie  eines  Molecüls 
und  eines  Atoms  verschieden  sind  und  nicht  einmal  in 
constantem  Verhältnisse  untereinander  stehen,  so  lässt  sich 
schwer  entscheiden,  welchen  Mittelwerth  man  als  Tempe- 
raturmaass  anzusehen  hat  Wie  schon  bei  der  Behandlung 
unvollkommener  Grase  ^)  zeigt  es  sich  hier  abermals,  dass  man 
in  der  kinetischen  Wärmetheorie  weit  davon  entfernt  ist, 
eine  allgemeine  Definition  der  Temperatur  zu  besitzen;  die 
übliche  ist  nur  auf  vollkommene  Gase  anwendbar. 

§  7.  Da  also  die  Annahme  {a)  bei  den  eigentlichen  Dis- 
sociationsvorgängen  (Dissociation  des  Joddampfes,  der  Unter- 
salpetersäure u.  s.  w.)  mit  der  Erfahrung  nicht  übereinzustim- 
men scheint  und  nur  auf  Zersetzungsvorgänge  anwendbar 
wäre,  die  zu  den  Umsetzungen  gehören  (Dissociation  des 
Jodwasserstofifes),  so  hätte  man  vorauszusetzen,  dass  Jod- 
atome, NOg- Gruppen  u.  s.  w.  sich  nur  vorübergehend  zu 
Molecülen  verbinden.    Da  nun  wahrscheinlich  alle  Gase  unter 


1)  L.  Natanson,  Wied.  Ann.  88.  p.  693.  1888.  Ich  habe  damals 
versucht y  den  Beweis  zu  fähren,  dass  die  Energie  der  „freien"  Molecüle 
als  Temperaturniaass  anzusehen  ist.  In  einer  Abhandlung,  die  ich  nur 
aus  einem  Auszuge  kenne,  (Proc.  of  the  Roy.  Soc.  of  Edinburgh  16. 
p.  69.  1889)  gelangt  Hr.  Tait  durch  ganz  andere  Betrachtungen  zu  einem 
ähnlichen  Schlusfie. 


302  E.  van  der   Ven. 

entsprechenden  Umständen  sich  dissociiren  können,  so  müssten 
wir  diese  Annahme  ganz  allgemein  auf  alle  Gtismolecüle  aus- 
dehnen. Alsdann  haben  wir  für  derartige  Qase,  wie  z.  B. 
Sauerstoff,  Wasserstoff  u.  s.  w.  bei  gewöhnlichen  Tempera- 
turen die  weitere  Annahme  zu  machen,  dass  darin  6 IT  sehr 
gross  und  sehr  wenig  Tariabel  ist,  da  sonst  freie  Atome  in 
diesen  Q-asen  in  unmöglicher  Anzahl  vorkommen  müssten. 
Nach  den  heutigen  Erfahrungen  über  Atomgewichte  und 
Gasdichten  muss  angenommen  werden,  dass  in  diesen  Fällen 
d  weit  grösser  ist,  als  500  T. 


XI.   Das  Boyle-  Mariott^sche  Gesetz  für  I>rucke 

unter  einer  Atmasphüre; 
von  E.  van  der  Ven  in  Haarlevn. 

(Hierin  Tftf.  III   Plg.  8-0.) 


Bereits  im  Jahre  1873  hatte  Siljeström^)  beobachtet, 
dass  bei  niederem  Drucke  als  eine  Atmosphäre  das  Product 
PV  aus  Druck  und  Volumen  stets  zunehme,  dass  es  sich 
also  umgekehrt  verhalte,  als  nach  Regnault  bei  höheren 
Drucken. 

Mendelejeff  und  Kirpitschoff)  dagegen  fanden  nach 
einer  leider  nur  sehr  unvollständig  mifgetheilten  Arbeit 
gerade  das  entgegengesetzte.  Indess  konnte  Am agat^)  diese 
Resultate  nicht  bestätigen. 

Neuerdings  hat  Bohr*)  gefunden,  dass  bei  einer  Tem- 
peratur zwischen  11  und  14^  C.  der  Sauerstoff  von  dem 
Boyle-Mariotte'schen  Gesetze  abweicht;  auch  später  noch 
Fuchs ^),  dass  für  Luft  das  Product  PV  mit  abnehmendem 
Drucke  zunächst  etwas  zu-,  dann  abnimmt. 


1)  Siljeström,  Anhang  Svenska  Vet.  Acad.  Handl.  2.  187S.  Pogg. 
Ann.  151  •  p.  451.  u.  573.  1874. 

2)  Mendelejeff  u.  Kirpitschoff,  Bull,  de  St  Petereb.  19.  p.  478. 
1874. 

3)  Amagat,  Compt.  rend.  82.  p.  914.  1876. 

4)  Bohr,  Wied.  Ann.  27.  p.  459.  1886. 
.'))  Fuchs,  Wied.  Ann.  35.  p.  430.  18S8. 


Boyk'schei  Gtietz  für  kleine  Drucke,  303 

£«8  schien  mir  hiernach  angezeigt,  die  Frage  noch  ein- 
mal aufzunehmen.  Ich  glaubte  nach  der  Methode  Ton  Sil- 
jeström,  mit  Tollkommeneren  Hülfsmittel  und  unter  Vermei- 
dung von  Fehlerquellen,  sicherere  Besultate  erzielen  zu 
können.  ^) 

Bei  der  Methode  von  Siljeström  wird  ein  constantes 
Volumen  Luft  K,  Ton  constanter  Temperatur  (0^  C.)  und 
bekannter  Spannung  P  mit  einem  ebenso  unveränderlichen 
Volumen  V  von  derselben  Temperatur  und  sehr  niedriger 
Spannung  /^  verbunden.  Nach  der  Vereinigung  beider  Vo- 
lumina wird  die  resultirende  Spannung  P'  gemessen. 

Werden  diese  Grössen  in  die  auf  dem  Boyle-Mariotte- 
schen  Gesetz  beruhende  Gleichung  eingeführt,  so  muss,  wenn 
jenes  Gesetz  allgemein  gültig  wird,  welchen  Werth  man  P 
auch  geben  möge,  V jV  immer  denselben  Werth  haben. 
Verändert  sich  dahingegen  V'jVj  dann  wird  man,  weil  nun 
auch  der  Gang  der  Veränderung  von  ( F  +  V')l  V  bekannt 
wird,  die  Art  der  Abweichungen  bestimmen  können. 

Bei  den  Versuchen  von  Siljeström  hat  das  Steigen 
und  Sinken  des  Quecksilbers  in  dem  mit  den  Cylindern 
verbundenen  Schenkeln  des  Manometers  weniger  Einäuss 
auf  die  Constanz  der  Volumina  und  damit  auf  das  Re- 
sultat der  Berechnungen,  als  die  wahrscheinlichen  Fehler  der 
Beobachtung.  Eben  dasselbe  gilt  auch  von  den  Folgen  der 
Zusammenpressung,  welche  die  eisernen  Cy linder,  deren 
Wanddicke  zwischen  4,8  und  6,6  mm  wechselte,  unter  dem 
Einflüsse  eines  Druckes  von  einer  Atmosphäre  haben  können. 

Die  Constanz  der  Temperatur  der  Luft  in  den  ganz 
von  Eise  umgebenen  Cylindern  selbst  ist  zweifellos.  Aber 
eine  Fehlerquelle  könnte  dadurch  verursacht  sein,  dass  in 
einem  grossen  Theil  der  Röhre,  welche  die  Cy  linder  mit- 
einander und  mit  dem  Manometer  verbinden  und  auch  in 
dem  nicht  mit  Quecksilber  gefällten  Theile  des  Manometers 
selbst,  die  Luft  den  Temperaturveränderungen  der  Umgebung 
ausgesetzt  war. 

Sehr  unvollkommen  war  die  Bestimmung  der  Spannungen. 

1)  Die  ausfährlichen  Beobachtangen  und  BerechnuDgen  werden  in 
einer  später  erscheinenden  Lieferung  des  Archive»  duMus^e  Teyler  mit- 
getheilt. 


304  E.  van  der   Ven. 

Die  Mittel,  worüber  Silje  ström  bei  der  Ablesung  des  Ma- 
nometers yerf&gte,  erlaubten  ihm  nur,  mit  ziemlicher  Sicher* 
heit  Zehntelmillimeter  zu  sch&tzen  ^)  und  von  dem  Barometer 
wird  nur  gesagt,  dass  es  mit  beweglicher  Scala  und  Nonien 
zum  Ablesen  versehen  war.')  Danach  ist  es  mir  unerklärlich, 
wie  Silje  ström  die  Werthe  jeder  einzelnen  wahrgenommenen 
Spannung  in  Tausendstel -Millimeter  angeben  konnte.  Die 
zweite  und  dritte  Decimale  sollen  dann  entstanden  sein  aus 
der  Correction  fOr  Scalenvertheilung ,  Temperatur&nde- 
rungen  u.  s.  w.,  welche,  der  Versicherung  des  Verf.  nach, 
mit  Genauigkeit  angebracht  sind.  Aber  diese  Ziffern  haben 
keine  Bedeutung,  wenn  der  bei  den  Beobachtungen  selbst 
begangene  Fehler  schon  in  der  ersten  Decimale  liegen  kann. 
Unter  den  40  Resultaten  directer  Beobachtung,  welche  sich 
auf  Spannungen  von  18 — 7  mm  beziehen,  sind  schon  acht, 
welche  in  der  ersten  Decimale  vom  Mittel  abweichen,  das 
Spannungen  von  759  bis  352  mm  liefert. 

Auch  die  Art,  wie  Siljeström  die  Beobachtungen  bei 
geringeren  Spannungen  von  den  Fehlern  abhängig  macht, 
welche  den  bei  höheren  Spannungen  eingestellten  anhaften, 
ist  nicht  zu  billigen.  Die  beiden  Cylinder  A  und  B  sind 
beim  Anfange  jeder  Beobachtungsreihe  mit  trockener  Luft 
von  1  Atmosphäre  Spannung  geftillt.  Nachdem  die  Ver- 
bindung zwischen  beiden  abgeschlossen  ist,  wird  die  Luft  aus 
B  so  weit  wie  möglich  entfernt,  die  Verbindung  mit  A  wieder 
hergestellt  und  die  resultirende  Spannung  gemessen.  Mit 
Luft  von  dieser  letzten  Spannung  fängt  man  die  zweite  Be- 
obachtung an:  wieder  wird  die  Verbindung  zwischen  A  und 
B  abgeschlossen,  B  so  weit  wie  möglich  leer  gepumpt,  die 
Verbindung  wieder  hergestellt  und  die  resultirende  Spannung 
bestimmt.  Die  dritte  Beobachtung  fängt  mit  Luft  von  dieser 
letzten  Spannung  an,  und  „so  fährt  man  fort  von  Verdünnung 
zu  Verdünnung,  solange  die  Umstände  es  gestatten.*'^ 

Es  ist  klar,  dass  auf  diese  Weise  jede  folgende  Beobach- 
tung Yon  allen  Fehlern  ihrer  Vorläuferinnen  abhängt 


1)  Siljeström,  Pogg.  Ann.  151.  p.  576.  1874. 

2)  Siljeström,  I.  c.  p.  575. 

3j  Siljeström,  Pogg.  Ann.  151.  p.  452. 


Boyle^sches  Gesetz  Jur  kleine  Drucke»  305 

Da  ich  wünschte,  die  erwähnten  und  noch  einige  andere 
Fehlerquellen  zu  vermeiden,  wurde  der  Apparat  auf  die  fol- 
gende Weise  eingerichtet 

Zwei  eiserne  Cylinder,  A  und  B  (Fig.  8),  von  6  mm  Wand- 
dicke wurden  durch  ein  starkes,  eisernes,  mit  Hahn  versehe- 
nes Bohr  miteinander  verbunden.  Der  Cylinder  A  kann 
ausserdem  mittels  des  Hahnes  b  verbunden  werden  mit  einem 
Trockenapparat,  der  Cylinder  B  mittels  des  Hahnes  c  mit 
der  Luftpumpe.  Beide  Cylinder  wurden,  eng  passend  in 
messingene,  auf  drei  soliden  Füsschen  ruhende  Hülsen,  in 
ein  Wasserbad  von  Zink  gesetzt,  dessen  oberer  Rand  1  cm 
höher  lag  als  das  die  beiden  Cylinder  verbindende  Rohr, 
und  dessen  Yorderwand  aus  Glas  gefertigt  ist  Der  ganze 
Apparat  wurde  mit  einem  festen  hölzernen,  miteinander 
kreuzenden  Stützlatten  E  und  F  versehenen  Fussgestelle 
auf  die  Eichenholzplatte  eines  Tisches  festgeschraubt,  der 
auf  einem  der  einzeln  fundirten  und  von  dem  Boden  ganz 
isolirten  Pfeiler  im  Laboratorium  steht  und  auch  das  Ka- 
thetometer  trug. 

In  dem  Boden  des  Cylinders  B  ist  ein  Manometer  be- 
festigt, bestehend  aus  einem  Rohre  von  9  mm  Durchmesser, 
welches  ich  selbst  mit  der  grössten  Sorgfalt  verfertigt  habe. 
Es  befindet  sich  in  einem  zinknen  Kasten,  dessen  Hinter- 
wand aus  einer  Platte  von  Milchglas  besteht,  worauf  die 
Projection  des  Meniscus  sich  deutlich  abzeichnet  Die  Vor- 
derwand ist  ein  dickes,  vollkommen  ebenes  Spiegelglas,  an 
welches  das  Manometer  und  ein  in  0,5^  C.  getheiltes  Thermo- 
meter gestellt  war. 

In  dem  Boden  des  Bades  ist,  wo  das  Manometer  hin- 
durchgeht, eine  kegelförmige  Oeffnung  angebracht,  welche 
das  Manometerrohr  umgibt.  Jenachdem  das  zerstossene  Eis, 
womit  das  Bad  während  der  Experimente  bis  an  den  Rand 
geftillt  ist,  schmilzt,  fliesst  Wasser  von  0^  C.  dem  mit  Cylin- 
der B  verbundenen  Schenkel  des  Manometers  entlang  in  den 
Zinkkasten,  woraus  es  mittelst  eines  Hahnes  wegüiessen  kann. 
Zwar  würde  es  am  besten  sein,  auf  diese  Weise  den  Inhalt 
des  Cylinders,  den  des  mit  Luft  gefüllten  Theiles  des  Mano- 
meters und  das  Quecksilber  stets  auf  0^  zu  halten.  Indess 
beeinträchtigt  das   niederströmende  Wasser   die   Sicherheit, 

Ima.  d.  PbTfl.  u.  Chtm.   N.  F.  XXXVIIL  20 


306  K  van  der   Ven. 

womit  mAn  den  Meniscus  fixirt,  zu  sehr.  Besser  erschien  es, 
den  Theil  des  Bohres,  worauf  bei  der  Messung  das  Fem- 
rohr gerichtet  war,  auf  constanter,  wenig  von  0  ^  verschiedener 
Temperatur  zu  halten.  Dazu  wurden  drei  Wände  und  der 
Boden  des  Kastens  dick  mit  Wolle  bekleidet.  In  die  Wände 
wurden  kleine  Oeffnungen  gemacht,  wodurch  die  wollene  Hülle 
fortwährend  feucht  erhalten  wurde.  Auf  diese  Weise  gelang 
es  mir,  die  Temperatur  des  Bades,  worin  der  mit  Quecksilber 
gefüllte  Theil  des  Manometers  eingesenkt  war,  während  der 
Beobachtungen  zwischen  sehr  engen  Q-renzen  zu  erhalten, 
während  es,  wo  nöthig,  mittelst  des  Hahnes  auf  constanter 
Höhe  gehalten  wurde. 

Die  Höhe  der  Quecksilbersäulen  wurde  gemessen  mittelst 
eines  Kathetometers.  Ein  Theil  des  in  100  Theile  getheilten 
Kopfes  der  Mikrometerschraube  entspricht  0,005  mm  auf  dem 
Nonius  der  Meterscala.  Da  solch  ein  Theil  1  mm  lang  ist, 
kann  man  mit  einer  Loupe  0,001  mm  sehr  gut  schätzen.  Im 
Gesichtsfelde  des  siebenmal  vergrössernden  Fernrohrs  war 
ein  Draht  ausgespannt,  welchen  ich  bei  jeder  Beobachtung 
mit  der  Kuppe  des  Meniscus  in  Berührung  brachte  und 
seinen  Rand  bedecken  liess.  Das  Thermometer  des  Katheto- 
meters wurde  Tor  und  nach  jeder  Beobachtung  abgelesen. 

Nachdem  bei  jeder  Beobachtung  der  ganze  Apparat  mit 
trockener  und  von  Kohlensäure  befreiter  Luft  und  das  Bad 
mit  Eis  gefüllt  ist,  werden: 

\)  b  und  c  geschlossen,  und  wenn  die  Luft  in  den  Oylin- 
dern  sich  nicht  mehr  abkühlt,  der  Unterschied  in  Höhe  P 
zwischen  d  und  e  gemessen; 

2)  a  geschlossen,  c  geöffnet  und  die  Luft  aus  B  so  weit 
entfernt,  dass  sie  eine  vorher  gewählte,  niedrige  Spannung  P* 
hat,  welche,  nachdem  c  wieder  geschlossen  wird,  genau  ge- 
messen wird; 

3)  a  geöffnet  und  die  durch  die  Verbindung  von  A  und 
B  entstandene  Spannung  F"  bestimmt. 

Hiermit  ist  eine  Beobachtung  abgeschlossen.  Um  die 
folgende  vorzubereiten,  öffnet  man  b  und  lässt  langsam  Luft 
aus  dem  Trockenapparat  in  A  hineinströmen,  bis  die  Span- 
nung in  beiden  Oylindern  wieder  ungefähr  derjenigen  gleich 
ist,  womit  man  die  vorige  Beobachtung  angefangen  hat 


BoyUicheM  Gesetz  für  kleine  Drucke.  307 

Auf  diese  Weise  kann  man  die  Zahl  der  voneinander 
völlig  unabhängigen  Beobachtungen  mit  Luft  von  einer  be- 
stimmten Spannung  nach  Gefallen  vornehmen«  Verbindet  man 
eine  dieser  Reihen,  worin  von  verschiedenen  Spannungen 
aasgegangen  ist,  miteinander,  dann  muss  dadurch  eine  Ver- 
änderung in  PVj  wenn  diese  besteht,  hervortreten. 

Bei  vier  Versuchsreihen,  welche  zwischen  dem  28.  Mai 
und  19.  Juni  ausgef&hrt  wurden,  bin  ich  von  den  folgenden 
Drucken  ausgegangen: 

1)  P«  248,      2)  P=  62,      3)  P=  31,      4)  P^  16  mm. 

Von  den  vier  Beihen  bestehen  die  drei  ersten  aus  20, 
die  letzte  aus  18  Einzelbeobachtungen.  Jede  dieser  Beihen 
liefert  also  ebenso  viele  Combinationen  von  P,  P'  und  P\ 

Es  sei  V  das  Volumen  des  üy linders  Aj  vermehrt  um 
den  Baum,  welchen  &,  g  und  h  einschliessen,  V  das  Volumen 
des  Cylinders  By  vermehrt  um  den  Inhalt  der  in/  und  c 
begrenzten  Bohre  und  um  den  Theil  des  Manometerrohres, 
das  von  dem  Nullpunkte  jenes  Bohres  begrenzt  wird,  Si  und 
b"  den  Inhalt  des  Theiles  jenes  Bohres,  wobei  das  Queck- 
silber bei  dem  Bestimmen  von  P*  und  P"  unter  jenen  Null- 
punkt sinkt 

Gilt  dann  das  Boyle-Mariotte'sche  Gesetz  unbedingt, 
80  muss  die  Gleichung: 

(K+  r  +  5")P'^VP+{V'+ö')P' 
für  alle  Werthe  von  P  und  P'  gelten. 

Aus  ihr  folgt: 

V  _^P-P'       d'P'—d'F'     1 
"p  —  p" —P'  ""      p"_p''       'y' 

Setzen  wir  jetzt  in  den  ersten  Term  des  zweiten  Gliedes 
für  -P,  P  und  P"  die  aus  den  vier  Beihen  gefundenen  Werthe 
ein,  so  wird: 

1)  Eeihe:  5^7>'=  1>029  ±  0,0,3  (kleinst  gef.  Werth  1,025,  grösst.  1,032), 

2)  ^^  »        =  1,052  ±  0,0,9  (      n  »        ,,       1,043,       n       1,059), 

3)  M  »        =  1,065  ±  0,0,9  (      „  »        »»      1,057,       »       1,073), 

4)  ,,  V        =  1,080  ±0,0,12(      „  »        »       1,068,        >i      1,090). 

Wir  haben  also  für  Spannungen  von  ungefähr: 

20* 


für  F 

fUr  P" 

3,8  mm 
8,4    » 

8,9     )y 

8,6    )) 

62,1  mm 
15,8    „ 

9.6  1) 

5.7  „ 

308  E,  van  der  Ven. 

V 
248  mm  .  .  .  ^  =  1,029  -  J     ±  0,0,3, 

62  1,  .  .  .  „  «  1,052-  J'  ±0,0,9, 
31  „  .  .  .  „  =  1,065  -  J"  ±  0,0,9, 
16    »    .  .  .    w    =  1,080  -  J'"±  0,0,12, 

worin  /l,  A'  u.  s.  w.  den  noch  nicht  beobachteten  yer&nder- 
liehen  Term  yorstellen. 

Die  Länge  des  in  diesem  Term  vorkommenden  Theiles 
des  Manometerrohres  betrug: 

bei  den  Beobachtungen  au8  der  1.  Reihe    .    . 

}?        )»  »  n        n     2.        )f  .     . 

M  »  »>  »>  »»         8.  »  .        . 

n       »  »»  Yf       VI     4.       »>        •     . 

Ist  also  i  der  Inhalt  eines  Theiles  des  Bohres,  der  1  mm 
lang  ist,  dann  haben  wir: 

.        62,1x124,2-8,8x6,6    j^  .,  _  15,8x31,6-8,4x6,8     i_ 

^  ""  124,2  -  6,6  '  F  '  31,er—  6,8  '  F  ' 

..._  9,6  X  19,2-8,9  X  7,8   j^  .,„      5,7  X  11,4-8,6  x  7,2     i_ 

^    ""  19,2  -  7,8  '  F  '        ^    "^  11,4  -  7,2  '  F  ' 

Der  innere  Durchmesser  des  Rohres  beträgt  im  Durch- 
schnitt 9  mm,  der  des  Cylinders  Ä  ist  92  mm  und  seine  innere 
Höhe  215  mm. 

Wir  haben  also: 

T  ^  14  290Ö0Ö"  "  ^f^M'> 

ein  Werth,  welcher  sicher  nicht  unter  dem  wirklichen  liegt, 
weil  bei  der  Berechnung  von  V  das  ganze  Bohr  hgh  ausser 
Betrachtung  geblieben  ist. 

Die  Correctionen,  welche  an  V  \V  anzubringen  sind, 
sind  also: 

0,028,      0,038,      0,036    und    0,034. 

Da  die  drei  letzten  schon  innerhalb  die  Grenzen  der 
wahrscheinlichen  Fehler  der  Beobachtungen  fallen,  haben  wir: 

F'/F=  1,026,        1,052,        1,065,        1,080, 
oder      (F+F')/F  =  2,026,        2,052,        2,065,        2,080. 

Die  Zunahme  des  Volumens  also,  von  der  wir  wissen, 
dass  sie  immer  dieselbe  war,  scheint  veränderlich,  wenn  wir 
sie  dem  Boyle-Mariotte'schen  Gesetz  nach  aus  den  über- 
einstimmenden Spannungen  ableiten. 

Nennen  wir  für  Luft  von  ungefähr  248  mm  Spannung 
VP^  1,  dann  folgt  aus  unseren  Beobachtungen: 


Boyk'sc/ies  Gesetz  für  kleine  Drucke.  809 

für  Luft  von  ODgefähr  62  mm  Spannung    iT»  0,9878, 
n       n         V  17  31     »  V  PF  =0,9811, 

>»      M        »»  n         16    „  „  PF  =0,9740. 

Diesen  Werthen  entspricht  die  Gleichung : 

FV  =  0,9473  +  0,22  log  5, 

worin  S  die  ursprüngliche  Spannung  in  Millimetern  ist. 
G&lte  sie  allgemein,  so  würde  für  JPV^O  «=-  10-*».  Bei 
dieser  sich  der  Null  nähernden  Spannung  müsste  also  die 
Luft  das  Vermögen,  sich  ohne  Erwärmung  auszudehnen,  ver- 
lieren. 

£s  ist  nicht  meine  Absicht,  aus  meinen  vier  Beobach- 
tungsreihen  solche  weittragende  Beziehungen  ableiten  zu 
wollen.  Aus  denselben  folgt  nur  innerhalb  der  Beobach- 
tnngsgrenzen: 

fVird  das  Volumen  von  Luft  von  niedriger  Spannung  in 
einem  geschlossenen  Räume  verdoppelt^  so  verhali  sie  sich,  als  ob 
ihre  Elasticität  mit  der  Spannung  abnähme. 

Ob  dies  wirklich  der  Fall  ist,  oder  ob  diese  Erscheinung 
einer  anderen  Ursache  zugeschrieben  werden  soll,  will  ich 
vor  der  Hand  übergehen,  indess  noch  einiges  über  die  Cor- 
rection  mittheilen,  welche  an  den  ursprünglichen  Beobach- 
tungen für  unseren  Zweck  anzubringen  sind. 

Vor  allem  sei  bemerkt,  dass  nicht  corrigirt  ist  für  die 
Zusammenpressung,  welche  die  6  mm  dicken  eisernen  Wände 
der  Oylinder  unter  dem  Drucke  von  noch  nicht  einer  Atmo- 
sphäre erleiden.  In  dem  Ausdrucke  für  V'j  V  kommt  ihre 
Wirkung,  wie  oben  die  von  ö'  und  <J",  nur  vor  als  Function 
von  V  und  hat  demzufolge  nur  Einfluss  auf  Decimalen,  welche 
ausser  unserer  Betrachtung  liegen. 

Damit  man  beurtheilen  könne,  inwieweit  die  wahrgenom- 
menen Spannungen  F,  P'  und  1*"  innerhalb  der  Grenzen 
vom  Mangel  an  Constanz  der  Temperatur  des  Manometers 
und  des  Kathetometers  beeinäusst  würden,  wurde  aus  jeder 
einzelnen  Bestimmung  die  Lage  des  Nullpunktes  des  Mano- 
meters abgeleitet.  Auf  diese  Weise  lieferte  jede  Reihe  etwa 
zwanzig  Bestimmungen  dieses  Punktes  aus  Werthen  von  F, 
weitere  zwanzig  aus  Werthen  von  F  und  zwanzig  aus 
Werthen  von  F\ 

Nun  ist  der  Einfluss  von  Temperaturveränderungen  der 


810  E.  van  der   VetL 

Scala  auf  die  scheinbare  Lage  dieses  Panktes  und  von  denen 
des  Quecksilbers  auf  seine  wahre  Lage  weit  grösser  als  ihr 
Einfluss  auf  die  Werthe  Ton  F  n.  s.  w.  selbst,  da  der  letzte 
dem  Unterschiede,  der  erste  der  halben  Summe  ihrer  Aen- 
derungen  in  der  Länge  proportional  ist,  welche  die  beiden 
Quecksilbersäulen  während  der  Beobachtungen  eines  Tages 
erfahren.     Aus  den  Beobachtungen  folgt: 

1.  Dass  die  Lage  jenes  Punktes  in  Bezug  auf  die  Ter- 
schiedenen  gemessenen  Werthe  von  P,  P"  und  P^'  auf  voll- 
kommen die  nämliche  Weise  sich  ändert,  als  übereinstim- 
mend  mit  der  einer  anderen  Wege  entlang  bestimmten 
conischen  Form  des  Rohres. 

2.  Dass  der  wahrscheinliche  Fehler  der  genannten  Be- 
stimmungen in  den  verschiedenen  Reihen  zwischen  ±0,003 
und  ±0,007  mm  liegt,  ein  Werth,  welcher  die  Summen  der 
bei  der  Einstellung  des  Femrohrs  und  der  Ablesung  des  Schrau- 
benkopfes gemachten  wahrscheinlichen  Fehler  nicht  übersteigt. 

Danach  wurden  die  zu  einer  Reihe  gehörenden  Werthe 
von  P  u.  s.  w.  als  wie  bei  constanter  Temperatur  erhalten 
angesehen. 

Von  der  grössten  Wichtigkeit  ist  eine  sorgftltige  Be- 
trachtung der  Depressionen^  welche  die  Oberflächenspannung 
in  den  Menisken  verursacht. 

Das  Manometer  war  nicht  vollkommen  cylindrisch.  Stieg 
die  Quecksilbersäule  im  geschlossenen  Schenkel  jedesmal 
10  mm,  so  sank  die  im  geöffneten  Schenkel  jedesmal  um 
10,45  mm.  Die  Durchmesser  zweier  an  beiden  Seiten  auf 
5  mm  innerhalb  der  Menisken  liegenden  Durchschnitte  des 
Rohres  verhalten  sich  also  wie  yTÖ4,5 :  10,  die  Durchschnitte 
in  den  auf  350  mm  voneinander  entfernten  Menisken  selbst 
wie  10,3 :  10  vom  geschlossenen  Ende  an  gerechnet. 

Dabei  übertraf  die  Höhe  des  Meniscus  im  geschlossenen 
Schenkel,  in  dem  die  Erweiterung  aufwärts  gekehrt  war, 
stets  die  im  geöffneten ;  das  Verhältniss  zwischen  beiden 
Höhen  war  im  Durchschnitt  wie  1,8:1. 

Bei  diesem  constanten  Verhältniss  der  Durchmesser  im 
Meniscus  und  bei  diesem  constanten  Unterschiede  ihrer 
Höhen  war  der  Betrag  der  Correctionen,  welche  der  Depres- 
sion wegen  bei  P,  P'  und  P"  angebracht  werden  mussten, 


BoyU?sches  Gesetz  für  kleine  Drucke,  311 

für  alle  dieae  Grössen  die  nämliche^  und  wohl  —  der  Tabelle 
Yon  Delcros  nach  —  gleich  ±0,14  mm;  auf  den  Werth 
von  (P-P")/(P"-P')  hatten  sie  somit  keinen  Einfluss. 

Der  constante  Unterschied  in  den  Höhen  der  Menisken 
besteht  nur  dann,  wenn  bei  jeder  Messung  das  Quecksilber 
Yor  der  letzten  Einstellung  sich  in  derselben  Richtung  durch 
das  Rohr  bewegt. 

Bei  den  Messungen,  welche  sich  auf  P  beziehen,  bewegt 
es  sich,  weil  man  Luft  hineinlässt,  vom  geöffneten  nach  dem 
geschlossenen  Ende,  und  dies  ist  auch  der  Fall,  wenn  man 
JP"  bestimmen  will,  weil  dann  immer  durch  Zusammenfügung 
der  Cylinder  die  Spannung  zunimmt 

Nur  wenn  man  R  bestimmen  will,  bewegt  sich  das 
Quecksilber  in  entgegengesetzter  Richtung,  da  dabei  die  Luft 
evacuirt  wird«  Aber  dies  kann  man  immer  dadurch  ver- 
hüten, dass  man  die  Verdünnung  einige  Millimeter  zu  weit 
fortsetzt  und  nachher  plötzlich  etwas  Luft  einlässt  Diese 
Methode  ist  besonders  zu  empfehlen,  wenn  man  sich  der 
äussersten  Grenze  der  Leistungsfähigkeit  der  Luftpumpe 
nähert,  weil  man  beim  Differentialbarometer  in  diesem  Fall 
der  Gefahr  nicht  immer  entgehen  kann,  dass  die  Beobach- 
tungen aufeinander  folgen,  wie  z.  B.: 

Geschlossener  Schenkel  |  Geöffiieter  Schenkel 

Gipfel  235,24  \  Höhe  des  Meniscus  '  Gipfel  221,88  {  Höhe  des  Meniscus 
Rand    233,88  |  1,36  i  Rand    220,74  |  1,14 

Gipfel  281,64  1  Höhe  des  Meniscus  1  Gipfel  225,56  1  Höhe  des  Meniscus 
Band    230,66  j  0,98  '  Rand    224,08  |  1,48 

Die  Ursache  dieser  plötzlichen  Veränderung  ist  klar. 
Wenn  man  im  Augenblicke,  wo  die  Pumpe  an  der  Grenze 
ihrer  Leistungsfähigkeit  angelangt  ist,  das  Pumpen  fortsetzt, 
und  der  Unterschied  der  dann  von  aussen  auf  die  Queck- 
silbersäule wirkenden  Kräfte  nicht  ausreicht,  um  die  Rei- 
bung in  dem  zweimal  gebogenen  Bohre  zu  überwinden,  so 
addirt  er  sich  zu  den  molecularen  Kräften,  und  zuerst  ent- 
steht eine  Formyeränderung;  das  an  der  Pumpenseite  lie- 
gende Ende  wird  convex,  das  davon  abgewendete  abgeplattet. 
Man  kann  so  leicht,  wenn  die  Pumpe  diese  Grenze  erreicht 
hat,  durch  langsames  Pumpen  der  Randwinkel  im  geschlos- 
senen Schenkel  bis  90®  steigern. 

Haarlem,  5.  August  1839. 


312  Physikalisch'tecjinisdie  ReichsanstalL 

XIL    Bekanntmadiung  der  Physikalisch" 
technischen  Meic/isanstcUt  ttbef*  die  Prüfung 

electrisclier  Messgeräthe. 

(Aus  der  Zeitschrift  für  Instmmentenkunde,  1889,  JulL) 


A.   Bestimmungen. 
(Centralblatt  für  das  deuteche  Reich,  1889,  Nr.  23,  p.  810.) 

Die  zweite  (technische)  Abtheilung  der  Physikalisch- 
technischen Reichsanstalt  übernimmt  die  Prüfung  der  zeitigen 
Werthe  von  electrischen  Widerständen  und  Normalelementen, 
sowie  der  Angaben  von  Strommessern  und  Spannungsmes* 
Sern  für  Q-leichstrom.  Es  bleibt  der  Reichsanstalt  yorbehal- 
ten,  vor  der  Zulassung  zur  Prüfung  eine  Untersuchung  der 
Brauchbarkeit  und  Dauerhaftigkeit  dieser  Geräthe  eintreten 
zu  lassen. 

Untersuchungen  anderer  als  der  oben  genannten  elec- 
trischen Geräthe  und  Einrichtungen  übernimmt  die  Reichs- 
anstalt, soweit  nach  ihrem  Ermessen  ein  allgemeines  tech- 
nisches oder  wissenschaftliches  Interesse  dabei  vorliegt.  Ueber 
den  Umfang  und  die  Ausführung  solcher  Untersuchungen 
findet  eine  besondere  Vereinbarung  mit  den  Betheiligten  statt. 

Die  Prüfung  electrischer  Messgeräthe  wird  nach  Maass- 
gabe folgender  Bestimmungen  ausgeführt  und  kann  auf  Ver- 
langen mit  einer  Beglaubigung  verbunden  werden.  Der  Er- 
lass  von  Bestimmungen  über  die  Prüfung  hier  nicht  genann- 
ter Messgeräthe  wird  vorbehalten. 

I.    Widerstände. 

§  1.  Die  Beglaubigung  ist  vorbehaltlich  der  Bestim- 
mungen im  §  3  Abs.  3  und  §  5  nur  zulässig  für  Einzel- 
widerstände und  Widerstandssätze  aus  Platinsilber,  Neusilber 
und  ähnlichen  Legirungen,  deren  Leitungsfähigkeit  durch  die 
Temperatur  erheblich  grössere  Veränderungen  als  die  der 
vorgenannten  Materialien  nicht  erfährt.  Widerstände  aus 
Graphit,  Kohle  und  Electrolyten  sind  von  der  Beglaubigung 
ausgeschlossen. 

§  2.  Die  Einrichtung  der  zur  Beglaubigung  zuzulaasen- 
den  Widerstände  soll  folgenden  Anforderungen  genügen: 


Prüfung  electrischer  Mestfferäfhe.  813 

1.  Die  Anlage  soll  hinreichende  Sicherheit  und  Unver- 
änderlichkeit  der  Werthe  gewährleisten. 

2.  Theile,  deren  Beschädigung  oder  willkürliche  Yerän- 
deriing  leicht  möglich  und  schwer  wahrnehmbar  ist,  sollen 
in  einem  festen,  bei  der  Einreichung  abnehmbaren  Gehäuse 
eingeschlossen  sein,  welches  Einrichtungen  für  Aufnahme  der 
durch  die  Eeichsanstalt  anzubringenden  Sicherheitsverschlüsse 
trägt 

3.  Auf  jedem  Messgeräth  soll  eine  Q-eschäftsnummer 
und  eine  Geschäftsfirma  Termerkt  sein;  die  letztere  kann 
durch  ein  amtlich  eingetragenes  Fabrikzeichen  ersetzt  werden. 

4.  Der  Werth  des  Widerstandes  soll  unter  Beifügung 
der  Bezeichnung  Ohm  in  dieser  Weise  auf  dem  Messgeräth 
unzweideutig  angegeben  sein;  auf  Widerstandssätzen  ist  die 
vorgenannte  Bezeichnung  nur  einmal  erforderlich. 

§  3.  Je  nach  dem  Antrage  der  Betheiligten  werden  die 
Widerstände  als  Gebrauchswiderstände  oder  als  Fräcisions- 
widerstände  geprüft  und  beglaubigt,  und  zwar  werden  be- 
glaubigt: 

1.  als  Gebrauchswiderstände  solche  Widerstände,  deren 
Abweichung  von  den  Normalen  der  Reichsanstalt  bei  +15 
Grad  des  hunderttheiligen  Thermometers  ±0,005  des  Soll- 
werthes  nicht  überschreitet, 

2.  als  Präcisionswiderstände  solche  Widerstände,  welche 
bei  der  auf  ihnen  verzeichneten  Temperatur  von  den  Nor- 
malen der  Reichsanstalt  um  nicht  mehr  als  ±0,001  des  Soll- 
werthes  abweichen. 

Bei  Widerstandssätzen  sollen  diese  Fehlergrenzen  sowohl 
von  jedem  einzelnen  Widerstand  als  von  beliebigen  Zusam- 
menfassungen mehrerer  Widerstände  eingehalten  werden. 

Die  Angabe  der  Temperatur  auf  Präcisionswiderständen 
hat  durch  den  Verfertiger  zu  erfolgen.  Nur  bei  Glasröhren 
mit  Quecksilberfüllung,  deren  Beglaubigung  als  Präcisions- 
widerstände statthaft  ist,  übernimmt  die  Reichsanstalt  auf 
Wunsch  der  Betheiligten  die  Anbringung  dieser  sowie  der 
nach  §  2  Nr.  4  erforderlichen  Bezeichnungen. 

Die  Prüfung  von  Gebrauchswiderständen  erfolgt  durch 
Yergleichung  bei  mittlerer  Zimmertemperatur,  diejenige  von 


814  Phyaihalisch'technUche  ReiehsanstaU. 

Fräcisionswiderst&iiden  bei  zwei  yerschiedenen,  passend  ge- 
wählten  Temperaturen. 

§  4.  Die  Beglaubigung  geschieht  durch  Aufbringen 
eines  Stempels  und  einer  Prüfungsnummer  in  der  Nähe  der 
Angabe  des  Widerstandswerthes ,  durch  Anlegung  von  Sicher- 
heitsverschlüssen  am  Ghehäuse,  sowie  durch  Ausfertigung 
eines  Beglaubigungsscheins.  Bei  Widerstandss&tzen  wird  der 
Stempel  in  die  Nähe  eines  der  mittleren  unter  den  angege- 
benen Widerstandswerthen  gesetzt  Die  Stempel  und  die 
Verschltlsse  zeigen  das  Bild  des  Reichsadlers  und  die  Jahres- 
zahl der  Prüfung.  Bei  dem  Stempel  für  Präcisionswider- 
stände  tritt  ein  fünfstrahliger  Stern  hinzu. 

Der  den  gestempelten  Widerständen  beigegebene  Be- 
glaubigungsschein bekundet  bei  Gebrauchswiderständen  ihre 
Abweichung  von  den  Normalen  der  Reichsanstalt  bis  auf 
db  0,001,  für  Präcisionswiderstände  bei  zwei  Temperaturen 
bis  auf  wenigstens  ±0,031  ihres  Sollwerthes,  doch  wird  bei 
kleineren  Widerständen  die  Angabe  der  Abweichungen  bis 
zu  0,05 1  Ohm  geführt  Hierbei  ist  anzugeben,  dass  das  Ohm 
zu  1,06  Siemens-Einheiten  berechnet  ist. 

§  5.  Widerstände  aus  starken  Kupferseilen;  welche  den 
Bestimmungen  unter  §2  Nr.  1,  8,  4  genügen,  können  aus- 
nahmsweise zur  Prüfung  zugelassen  werden.  Ein  solcher 
Widerstand  wird  bei  der  auf  demselben  angegebenen  Tem- 
peratur oder,  falls  eine  derartige  Angabe  fehlt,  bei  -|-15 
Grad  mit  den  Normalen  der  Reichsanstalt  verglichen  und, 
wenn  die  Abweichungen  ±0,01  des  SoUwerthes  nicht  über- 
schreiten, an  den  Abzweigungsstellen  gestempelt  In  der 
beigegebenen  Prüfungsbescheinigung  wird  die  Einhaltung 
der  Fehlergrenzen  bekundet  und  das  Gewicht  des  Wider- 
standes aufgeführt 

II.    Normalelemente. 

§  6.  Bis  auf  weiteres  werden  zur  Prüfung  und  Beglau- 
bigung nur  Normalelemente  nach  Latimer  Olark  mit  der 
Bezeichnung  als  solche  zugelassen,  sofern  deren  Einrichtung 
ein  Umkehren  gestattet,  ohne  dass  das  Zink  mit  dem  Queck- 
silber in  Berührung  kommt.  Auch  sollen  die  Anforderungen 
unter  §  2  Nr.  1  bis  3  erfüllt  sein.     Etwaige  mit  den  Nor- 


Prüfung  eleclrischer  MessgeräAe,  315 

malelementen  fest  verbundene  Thermometer  müssen  vor  ihrer 
Einfügung  der  Beichsanstalt  zur  Prüfung  vorgelegen  haben 
und  deren  Prüfungsstempel  tragen. 

§  7.  Die  Prüfung  eines  Normalelements  erfolgt  durch 
Vergleichung  mit  den  Normalen  der  Reichsanstalt;  ist  die 
Abweichung  nicht  grösser  als  ±0,001  Voltj  so  wird  das  Ele- 
ment unter  sinngemässer  Anwendung  der  Bestimmungen 
unter  §  4  Abs.  1  gestempelt  und  in  dem  beigegebenen  Be- 
glaubigungsschein die  Einhaltung  der  vorstehenden  Fehler- 
grenze bekundet 

IIL    Strommesser  und  Spannnngsmesser. 

Zur  Prüfung  und  Beglaubigung  zugelassen  werden  bis 
auf  weiteres  Strommesser  für  Stromstärken  bis  zu  1000  Am- 
pere  und  Spannungsmesser  für  Spannungen  bis  zu  300  Volty 
sofern  dieselben  den  Anforderungen  unter  §  2  Nr.  1  bis  3 
genügen,  und  sofern  auf  ihnen  die  Werthe  der  Seal  entheile 
unter  Beifügung  der  Bezeichnung  Ampere,  resp.  Volt  in  die- 
sen Einheiten  unzweideutig  vermerkt  sind. 

Auf  Messgeräthen,  deren  verbürgte  Anwendung  auf  einen 
Theil  der  vorhandenen  Scala  eingeschränkt  werden  soll,  sind 
die  Grenzen  ihres  Anwendungsgebietes  anzugeben  in  der  Form : 

,, Strommesser  richtig  von bis  ...  .  Ampere^^,  resp. 

„Spannungsm esser  richtig  von bis  ...  .  VoU^\  Hier- 
bei soll  das  Anwendungsgebiet  wenigstens  10  Scaleninter- 
valle  umfassen. 

§  9.  Die  Prüfung  eines  Strommessers  oder  eines  Span- 
nungsmessers erfolgt  durch  Vergleichung  mit  den  Normalen 
der  Beichsanstalt  an  wenigstens  drei  Scalenstellen,  und  zwar 
bei  steigender  sowie  bei  fallender  Stromstärke,  resp.  Spannung. 

Bei  der  Prüfung  von  Spannungsmessem,  welche  nach 
unzweideutiger  Aufschrift  nur  mit  kurzer  oder  nur  mit  lang- 
dauernder Einschaltung  gebraucht  werden  sollen,  wird  die 
Dauer  der  Einschaltung  dementsprechend  bemessen,  und  zwar 
im  ersten  Falle  auf  höchstens  eine  Minute,  im  anderen  Falle 
auf  wenigstens  eine  Stunde.  Fehlt  eine  Angabe  der  Ein- 
schaltungsdauer, für  welche  ein  Spannungsmesser  bestimmt 
ist,  so  sollen  die  Fehlergrenzen  für  kurze  und  für  dauernde 
Einschaltung  eingehalten  werden. 


316  Physikalisch'Uchnische  Reichsanstalt. 

§  10.  Die  Beglaubigung  erfolgt  bei  Messger&then  ohne 
Beschränkung  des  Anwendungsgebietes,  wenn  die  gefundenen 
Fehler  entweder  nicht  über  ±0,2  der  die  Prüfungsstelle  ent- 
haltenden, resp.  ihr  benachbarten  Scalenintervalle  oder  nicht 
über  ±0,01  des  Sollwerthes  hinausgehen;  bei  Ger&then  mit 
beschränkter  Anwendung  der  Scala  (§  8  Abs.  2)  soll  der 
Fehler  innerhalb  des  Anwendungsgebietes  ±0,01  des  Soll- 
werthes  nicht  übersteigen. 

Die  Stempelung  eines  Strommessers  oder  eines  Span- 
nungsmessers geschieht  nach  Maassgabe  der  Bestimmungen 
unter  §  4  Absatz  1;  der  Stempel  erhält  seinen  Platz  nahe 
der  Mitte  des  Anwendungsgebietes  der  Scala.  Dem  gestem- 
pelten Messgeräth  wird  ein  Beglaubigungsschein  beigegeben, 
welcher  die  gefundenen  Fehler  bekundet. 

IV.    Gebühren. 

§  11.    Es  werden  erhoben: 

1.  für  die  Prüfung  und  Stempelung 

a)  eines  einzelnen  Gebrauchswiderstandes  eine 
Gebühr  von 2,00  M. 

b)  eines  Satzes  von  Gebrauchs  widerständen  eine 

Grundgebühr  von 2,00  ?? 

sowie  für  jede  einzelne  Abtheilung  eine  Zu- 
satzgebühr von  je 0,50  ?? 

c)  von  Präcisionswiderständen  das  Vierfache 
der  Sätze  a,  resp.  b 

d)  eines  Quecksilberwiderstandes  eine  Gebühr 

von 12,00  r 

2.  für  die  Prüfung  und  Stempelung  eines  Normal- 

elements eine  Gebühr  von 1,50  ?• 

3.  für  die  Prüfung  und  Stempelung 

a)  eines  Strommessers  unter  300  Amp,   oder 
eines  Spannungsmessers  nach  Prüfung  an 

drei  Scalenstellen  eine  Gebühr  von  .     .     .      3,00  ?? 
für  Prüfung  jeder  weiteren  Stelle       .     .    .      0,20  ?• 

b)  eines  Strommessers  von  300  bis  ausschliesslich 
600  Amp,  das  Anderthalbfache  der  Sätze  zu  a, 

c)  eines  Strommessers  von  600  bis  1000  Amp, 
das  Doppelte  der  Sätze  zu  a. 


Prüfung  ekctnscher  Messgeräthe.  817 

4.  für  nachträgliches  Aufbringen  der  vorgeschrie- 

benen Bezeichnungen 0,50  M. 

5.  filr  die  Prüfung  von  Messger&then^  deren  Stem- 

pelang sich  als  unzulässig  erweist,  Gebüh- 
ren nach  Maassgabe  der  aufgewendeten 
Arbeit,  und  zwar  für  die  Stunde  ....  1,50  n 
werden  die  gefundenen  Fehler  dem  Bethei- 
ligten mitgetheilt,  so  erfolgt  die  Ansetzung 
der  Gebühren  wie  bei  gestempelten  Geräthen. 

6.  f&r  Untersuchung  der  Brauchbarkeit  und  Dauer- 

haftigkeit von  electrischen  Apparaten  und 
Einrichtungen  (vgl.  Einleitung)  Gebühren 
ebenfalls  nach  Maassgabe  der  aufgewende- 
Arbeit,  jedoch  für  die  Stunde 8,00  n 

Charlottenburg,  den  24.  Mai  18S9. 

Physikalisch-technische  Reichsanstalt, 
von  Helmholtz. 


B.     Erläuterungen  zu  vorstehenden  Bestimmungen. 

Zu  den  Aufgaben  der  Physikalisch -Technischen  Beichs- 
anstalt  gehört  es,  electrische  Messgeräthe  für  technische 
Zwecke  zu  prüfen  und  auf  Antrag  der  Betheiligen  geeigneten 
Falls  mit  einer  amtlichen  Beglaubigung  zu  versehen.  Die 
letztere  soll  nicht  nur  die  Richtigkeit  der  Geräthe  zur  Zeit 
der  Prüfung,  sondern  auch  in  gewissen  Grenzen  die  Unver- 
änderlichkeit  ihrer  Angaben  gewährleisten.  Die  Beglaubigung 
musste  daher  vorläufig  auf  diejenigen  wenigen  Gattungen 
von  Messgeräthen  beschränkt  werden,  über  welche  bereits 
vielseitige  und  längere  Erfahrungen  vorliegen.  Es  ist  aber 
in  Aussicht  genommen,  später  noch  weitere  Arten  von  Mess- 
geräthen in  den  Bereich  dieser  Prüfungen  zu  ziehen.  Na- 
mentlich sind  in  dieser  Beziehung  Condensatoren ,  sowie 
Strom-  und  Spannungsmesser  für  Wechselstrom  ins  Auge 
gefasst.  Stromzeitmesser  (Electricitätszähler)  werden  vor- 
läufig noch  nicht  gestempelt,  weil  bei  den  bisher  gebräuch- 
lichen Formen  ein  amtlicher  Verschluss  nicht  angebracht 
werden  kann.    Sobald  dies  ermöglicht  ist,  wird  die  Zulassung 


318  Physikalisck'technische  Reichsanstalt, 

dieser    für    das    electrische    Gewerbe    besonders    wichtigen 
Apparate  zar  Stempelung  in  Erwägung  gezogen  werden. 

Für  jede  besondere  Form  eines  Messger&thes  ist  zunächst 
die  Dauerhaftigkeit  und  Sicherheit  seiner  Anzeigen  zu  unter- 
suchen. Sollen  daher  Messgeräthe  einer  bestimmten,  bis 
dahin  noch  nicht  zur  Beglaubigung  zugelassenen  Form  von 
der  Beichsanstalt  geprüft  und  beglaubigt  werden,  so  ist  der- 
selben zunächst  ein  auf  Vornahme  der  Voruntersuchung  ge- 
richteter Antrag  unter  Beifügung  eines  oder  mehrerer  der- 
artiger Instrumente  einzuliefern.  Unter  Umständen  werden 
hierbei  auch  Apparate,  deren  Zulässigkeit  für  schwächere 
Stromstärken  bereits  anerkannt  ist,  einer  neuen  Prüfung  zu 
unterziehen  sein,  wenn  sie  für  weit  höhere  Stromstärken  ge- 
braucht werden  sollen. 

Ausserdem  übernimmt  die  Beichsanstalt  auch  die  Prü- 
fung von  solchen  Messgeräthen,  welche  Torläufig  zur  Stem- 
pelung nicht  zugelassen  werden.  Andere  electrische  Geräthe 
und  Einrichtungen  werden  auf  Wunsch  der  Betheiligten 
untersucht,  sobald  ein  allgemeines  Interesse  dabei  vorliegt 

Die  Prüfung  erfolgt  in  allen  Fällen  durch  Vergleichung 
mit  den  Normalen  der  Beichsanstalt.  Ueber  die  Einrichtung 
derselben,  sowie  über  die  Ausführung  der  Prüfungen  wird 
demnächst  in  der  Zeitschrift  für  Instrumentenkunde,  sowie 
in  electrischen  Fachblättern  ausführlicher  berichtet  werden. 
Die  Richtigkeit  der  Widerstandsnormale  der  Reichsanstalt 
wird  durch  Vergleichung  mit  den  Copien  der  Normale  anderer 
Staaten  und  der  von  hervorragenden  Physikern  hergestellten 
Widerstandseinheiten  gesichert. 

Die  Reichsanstalt  wird  bestrebt  sein,  die  Abfertigung 
der  zur  Prüfung  eingereichten  Messgeräthe  in  der  Regel  in 
spätestens  drei  Wochen,  vom  Tage  des  Einganges  an  ge- 
rechnet, zu  bewirken;  nur  die  Abfertigung  von  Präcisions- 
widerständen  und  von  solchen  Strom-  und  Spannungsmessem, 
bei  welchen  eine  Aenderung  der  Angaben  mit  der  Zeit  zu 
befürchten  ist,  wird  im  allgemeinen  eine  Frist  von  zwei  Mo- 
naten erfordern. 

Zu  I. 

Die  Anforderungen  an  die  zur  Stempelung  zuzulassenden 
Widerstände  schliessen  Gleitdrahtbrücken  und  ähnliche  Ein- 


Prüfung  ekctrischer  MessperäiAe,  319 

xichtungen  aus,  weil  die  Angaben  derselben  sich  für  einige 
Dauer  nicht  hinreichend  verbürgen  lassen.  Bezüglich  der 
Sicherheit  und  Un?eränderlichkeit  ist  insbesondere  auf  starke 
Zuleitungen  und  sichere  Verbindung  der  Widerttandsdrähte 
mit  den  Zuleitungen  zu  sehen. 

Bei  Pr&cisionswiderständen  darf  nach  Erwärmung  auf 
50^  eine  Aenderung  des  Widerstandes  um  0,0^5  seines 
Sollwerthes  nicht  eintreten.  Die  Drähte  sollen  so  befestigt 
sein,  dass  sie  bei  dem  Gebrauche  keinen  Verbiegungen  aus- 
gesetzt sind.  Auch  ist  es  rathsam,  Bollen  von  möglichst 
grossem  Durchmesser  zu  verwenden  und  überhaupt  bei  dem 
Wickeln  des  Drahtes  erhebliche  Gestaltsänderungen  desselben 
zu  vermeiden.  Die  Wickelung  ist  derartig  anzuordnen,  dass 
der  Draht  die  Wärme  schnell  an  die  Umgebung  abgeben 
kann.  Endlich  empfiehlt  es  sich,  Vorkehrungen  zur  Ein- 
fügung von  Thermometern  in  das  Innere  der  Fräcisions- 
widerstände  vorzusehen,  um  die  Ermittelung  der  Drahttem- 
peratur zu  erleichtem. 

Zu  IL 

Das  Quecksilbersulfat- Element  nach  Latimer  Clark 
ist  bis  jetzt  das  einzige  Normalelement,  welches  in  einer  zur 
Versendung  geeigneten  Form  hergestellt  wird.  Es  ist  nicht 
ausgeschlossen,  die  Beglaubigung  später  noch  auf  andere 
Normalelemente  auszudehnen. 

Zu  lU. 

Das  Zeigerwerk  der  Strom*  und  Spannungsmesser  darf 
durch  Erschütterungen  infolge  des  Transports  oder  plötz- 
licher Einschaltung  des  Stromes  keine  nachtheiligen  Ver- 
änderungen erfahren;  auch  sollen  die  Messgeräthe  durch 
äussere  magnetische  Kräfte  von  massiger  Stärke,  wie  solche 
im  Betriebe  nicht  leicht  zu  vermeiden  sind,  in  erheblichem 
Grade  nicht  beeinflusst  werden. 

Als  Einstellung  des  Messgerähts  für  eine  bestimmte 
Stromstärke  oder  Spannung  gilt  in  der  Regel  diejenige  Lage 
des  Zeigers,  auf  welcher  derselbe  ohne  Beeinflussung  seiner 
Schwingungen  seitens  des  Beobachters  zur  Ruhe  kommt. 
Nur  auf  ausdrückliches  Verlangen  des  Betheiligten  wird  als 
Einstellung  diejenige  Lage  des  Zeigers  angenommen,  in  wel- 
cher  derselbe   zurückbleibt,   wenn    man  ihn  mit  der  Hand 


320     PhysMechn.  Reichsanstalt,  Prüfung  electr.  Messgeräfhe. 

hemmt  und  ihn  so  sich  langsam  aufwärts  oder  abw&rts  über 
die  Scala  bewegen  lässt;  in  solchem  Falle  wird  aber  dem 
Beglaubigungsschein  ein  bezüglicher  Vermerk  eingefügt 

Bei  Spannungsmessern  erfolgt  die  auf  wenigstens  eine 
Stunde  ausgedehnte  Einschaltung  mit  der  mittleren  Spannung 
des  Anwendungsgebietes,  sofern  ein  solches  auf  der  Scala  ab- 
gegrenzt ist;  anderenfalls  erfolgt  die  dauernde  Einschaltung 
mit  derjenigen  Spannung,  bei  welcher  das  Messgeräth  die 
grösste  Empfindlichkeit  besitzt,  oder  falls  ein  grösseres  Ge- 
biet gleicher  Empfindlichkeit  vorhanden  ist,  mit  der  mittleren 
Spannung  desselben.  Im  Beglaubigungsschein  wird  ange- 
geben, mit  welcher  Spannung  die  langdauernde  Einschaltung 
erfolgt  ist.  Beantragt  der  Betheiligte  die  letztere  für  mehr 
als  eise  Spannung,  oder  wird  ein  solches  Verfahren  seitens 
der  Reichsanstalt  für  erforderlich  erachtet,  so  werden  für 
diese  Mühewaltungen  besondere  Gebühren  erhoben. 

Strom-  und  Spannungsmesser,  welche  in  ein  plombirbarea 
Gehäuse  nicht  eingeschlossen  werden  können,  werden  nach 
der  Vorschrift  in  §  8,  bezw.  §  2  Nr.  2  nicht  gestempelt.  Die 
meisten  derartigen  Messgeräthe,  z.  B.  die  bisher  gebräuch- 
lichen Torsionsdynamometer  und  Torsionsgalvanometer,  haben 
ihren  Charakter  als  Laboratoriumsinstrumente  im  wesent- 
lichen bewahrt.  Wer  mit  solchen  Geräthen  arbeitet,  wird 
in  der  Regel  mit  electrischen  Messungen  soweit  vertraut  sein, 
dass  er  die  Prüfung  ihrer  Angaben  mittelst  Widerstände  und 
Normalelemente  oder  Silber-,  bezw.  Kupfervoltameter  selbst 
ausführen  kann.  Wird  indessen  die  Untersuchung  eines 
solchen  Geräthes  gemäss  Abs.  2  der  Einleitung  von  der 
Reichsanstalt  gewünscht,  so  wird  sie  nach  besonderer  Ver- 
einbarung mit  den  Betheiligten  übernommen  werden. 

Zu  IV. 

Soweit  die  Gebühren  nach  der  aufgewendeten  Zeit  be- 
rechnet werden,  ist  für  laufende  Prüfungen,  welche  von  tech- 
nischen Hülfsarbeitern  unter  Aufsicht  ausgeführt  werden 
können,  ein  geringerer  Satz,  dagegen  für  Arbeiten,  welche 
von  wissenschaftlichen  Beamten  der  Reichsanstalt  zu  erle- 
digen sind,  ein  höherer  Satz  für  die  Stunde  zu  Grunde  ge- 
legt worden. 

Drnek  Ton  M etiler  &  Witttr  in  Leipttg. 


1889.  ANNALE  N  Mit 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.  BAND  XXXVIIL 


I.    Zur  Tlieorie  des  Volta^sch^n  Elements  und  der 

galvaniacJien  Folartsation ; 
von  E.  Warburg. 

(HIersB  Taf.  IT   Fig.  1.) 


§  1.  Volta'sche  Elemente  sind  inconstant  nicht  nur 
sofern  sie  Strom  liefernd  polarisirt  werden,  sondern  auch 
sofern  die  electromotorische  Kraft  des  offenen  Elements  mit 
der  Zeit  veränderlich  ist.  Zahlreiche  Beobachtungen  über 
das  letztere  Verhalten  sind  neuerdings  von  Damien^)  ver- 
öffentlicht worden,  welcher  verschiedene  Volta'sche  Ele- 
mente stromlos  aufbewahrte  und  die  Veränderung  ihrer  elec- 
tromotorischen  Kraft  160  Tage  hindurch  verfolgte. 

Nachdem  ich  für  verschiedene  Fälle  als  Ursache  dieser 
Veränderung  die  in  den  Elementen  absorbirte  atmosphäri- 
sche Luft  durch  den  Versuch  nachgewiesen  hatte,  beschloss 
ich,  deren  EinÜuss  unter  möglichst  einfachen  Verhältnissen 
systematisch  zu  untersuchen.  Ich  construirte  und  unter- 
suchte dazu  Elemente  aus  zwei  gleichen  metallischen  Elec- 
troden  in  einem  Electrolyten ,  dessen  Luftgehalt  an  den 
beiden  gleichen  Electroden  ein  verschiedener  war,  Elemente, 
welche  ich  Luftelemente  nennen  will.  Dabei  ergab  sich 
dann,  dass  die  Theorie  dieser  Luftelemente  in  einer  Be- 
ziehung steht  zu  der  Theorie  des  Volta'schen  Elements 
und  seiner  Polarisirbarkeit. 

§  2.  Die  Einrichtung  der  Luftelemente  zeigt  Taf.  IV  Fig.  1. 
Der  Kolben  K  wird  in  passender  Lage  durch  B  mit  dem 
Electrolyten  gefüllt,  B  zugeschmolzen  und  A  an  eine  Kör- 
ting'sche  Wasserstrahlluftpumpe  angesetzt.  Man  kocht  die 
Flüssigkeit  in  K  gut  aus,  wobei  sie  sich,  unter  dem  in  der 
Wasserluftpumpe  vorhandenen  kleinen  Druck  stehend,  nur 


1)  B.  C.  Damien,   Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (6)   6.   p.  289.  1885. 

Aad.  d.  Phyt.  Q.  Chemie.  N.  F.  XXXVIII.  21 


322  E.    Warburg. 

wenig  erwärmt,  und  schmilzt  bei  A  ab.  Hierauf  bringt  man 
den  Apparat  in  die  Lage  der  Fig.  1 ,  giesst  so  die  Flüssig- 
keit in  das  Rohr  CDE,  welches  bei  £,,  E^  Electroden  aus 
dem  gleichen  Metall  enthält,  und  kocht  noch  einmal  im 
Yacuum,  besonders  bei  E^  und  E^  aus,  um  das  an  den  Glas- 
wänden und  den  Electroden  haftende  G-as  zu  entfernen. 
Oeffnet  man  jetzt  bei  A,  so  ist  die  in  den  Kolben  K  ge- 
langte Luft,  sowie  die  Luft  bei  A  durch  die  60  cm  hohe 
Flüssigkeitsschicht  CE  von  den  Electroden  abgesperrt  und 
kann  nur  durch  den  sehr  langsamen  Diffusionsprocess  nach 
E  gelangen.  Auch  war  am  zehnten  Tage,  nachdem  bei  A 
geöffnet  worden,  noch  kein  Anzeichen  dafür  vorhanden,  dass 
Luft  nach  E  gelangt  wäre. 

Man  richtet  einen  dem  beschriebenen  Apparat  genau 
gleichen  her,  aus  welchem  man  aber  die  atmosphärische  Luft 
nicht  entfernt.  Die  beiden  Apparate  werden  an  den  Stellen 
AA'  durch  einen  mit  dem  angewandten  Electrolyten  geftlllten 
Glasheber  verbunden,  und  man  kann  nun  die  electrische 
Differenz  zwischen  den  Yacuumelectroden  E^,  E^  einerseits 
und  den  Luftelectroden  E^\  E^  andererseits  messen.  Zwei 
Electroden  wurden  in  jedem  Apparat  angewandt,  um  den 
Einfluss  zufälliger  Ungleichheiten  kennen  zu  lernen. 

§  3.  Als  Electroden  in  E  wurden  Zn,  Cu,  Hg,  Ag,  Pt 
benutzt.  In  alle  Apparate  waren  bei  E  0,54  mm  dicke  Pla- 
tindrähte eingeschmolzen,  welche  auf  3  mm  Länge  frei  in 
den  Electrolyten  hineinragten,  Hg-Electroden  wurden  er- 
halten, indem  auf  die  Platindrähte  etwas  destillirtes,  zuweilen 
noch  anderweitig  (§  7)  gereinigtes  Hg  gegossen  wurde.  Die 
anderen  Metalle  wurden  auf  den  Platindrähten  langsam  elec- 
trolytisch  niedergeschlagen,  ein  bei  C  eingeschmolzener  Plä- 
tindraht  diente  dabei  als  Anode.  Das  Zinkbad  wurde  be- 
reitet, indem  291  g  ZnSO^  THgO  zum  halben  Liter  gelöst 
und  326  g  Na2S04  hinzugegeben  wurden.^)  Kupfer  wurde 
aus  concentrirter  CuSO^- Lösung  ausgefällt,  das  Silberbad 
war  das  Roseleur'sche^)  in  etwas  höherer  Concentration, 
enthielt   nämlich   auf  0,5  1  destillirten   Wassers   20  g  KON 


l;  S.  J.  Gubkio,  Dissert.  aus  dem  Berliner  Institut.  Freiburg  18S6. 
2)  Schaechl.  Galvanostegie.    Wien  1886.    p.  185. 


VoÜcCsches  Element  und  Fölarisation,  323 

und  12y4  g  AgCN.    Alle  Niederschläge  waren  compact,  das 
Silber  polirbar. 

§  4.  Die  electromotorische  Kraft  der  Luftelemente 
wurde  bestimmt,  indem  ein  Condensator  zu  ihrer  Potential- 
differenz geladen  und  durch  ein  Thomson'sches  Galvano- 
meter entladen  wurde.  Für  die  gewöhnlich  benutzte  Capa- 
cität  Yon  1  Mikrofarad  entsprach  der  Ausschlag  von  1  Sca- 
lentheil  etwa  7i4oo  Volts.  Als  Normalelement  diente  dabei 
das  y.  Helmholtz'sche  Calomelelement.  Die  Zinkchlorid- 
lösung enthielt  86,15  ZnCl^  (käußich)  im  Liter.  Die  elec- 
tromotorische Kraft  dieses  Elements  fand  ich  durch  das 
Silbervoltameter  ^)  mittelst  einer  Batterie  von  144  solchen 
Elementen  zu  1,072  Volts  bei  20^  Da  Hr.  Czapski«)  fttr 
dieselbe  den  Werth  1,089  gibt,  so  veranlasste  ich  Hrn. 
Dr.  Wolff,  das  Calomelelement  mit  dem  Clarkelement  zu 
vergleichen;  dabei  ergab  sich  durch  Benutzung  des  Ray- 
leigh'schen  Clarkwerthes  das  Calomel  =  1,074  Volts.  Die 
Bestimmung  Czapski's  fusst  auf  dem  Werth,  welchen  Hr. 
Fr.  Weber^)  für  das  von  ihm  benutzte  Normaldaniell  ge- 
geben hat;  das  System  der  Weber'schen  Messungen  liefert 
aber,  wie  schon  Hr.  Czapski  hervorhebt,  für  das  Verhält- 
niss  S.-E./Ohm  einen  zu  grossen  Werth,  nämlich  0,957  anstatt 
0,943  (=1/1,06).  Nun  findet  sich  in  Hrn.  Fr.  Weber's 
Abhandlung  eine  Angabe  über  die  electromotorische  Kraft 
seines  Normaldaniell,  welche  von  jenem  Verhältniss  unab- 
hängig ist  und  nur  auf  einer  absoluten  Strommessung  fusst, 
die  Angabe  nämlich,  dass  sein  Normaldaniell  =11,451  Siem. 
X  Weber  =  1,1451  Siem.  x  Ampere  ist.*)  Setzt  man  hierin 
für  das  Verhältniss  S.-E./Ohm  0,943  statt  0,957,  so  erhält 
man  für  das  Normaldaniell  1,080  Volts  statt  1,096  und  indem 
nach  Czapski  Calomel /  Normaldan.  =  0,9942  ist,  für  das 
Calomel  1,074  Volts  anstatt  1,089,  übereinstimmend  mit  den 
Freiburger  Messungen.    Als  Mittel  setze  ich  1  Calomel  =  1,074 


1)  S.  darüber  E.  Warburg,  Wied.  Ann.  31.  p.  845.  1887. 

2)  S.  Czapski,  Wied.  Ann.  21.  p.  220.  1884. 

8)  Fr.   Weber,    Absolute    electromagnetische    und    calorimetrische 
Messungen.    Zürich  1877.  p.  49. 

4)  Fr.  Weber,  1.  c.  p.  49. 

21* 


324  E.   Warburg. 

Volts  y  übrigens  differiren  verschiedene  Calomels  unter  sich 
in  der  dritten  Decimale.  Die  electromotorischen  Elräfte  sind 
im  Folgenden  stets  in  Millivolts  angegeben. 

§  5.  Was  zunächst  das  allgemeine  Verhalten  der  Luft- 
elemente anlangt,  so  zeigte  sich  die  Vacuumelectrode  stets 
electropositiv  oder,  wie  ich  zu  sagen  vorziehe,  anodisch  ^) 
gegen  die  Luftelectrode.  Bei  Luftelementen,  deren  Ejraft  an 
sich  klein  ist,  nämlich  nur  einige  Millivolts  beträgt,  findet 
man  zuweilen,  obwohl  selten,  das  umgekehrte  Verhalten; 
dies  liegt  dann  stets  an  einer  ursprünglichen  Ungleichheit 
der  Electroden,  stets  wird  eine  Electrode  durch  Entfernung 
der  Luft  aus  ihrer  Umgebung  anodischer,  als  sie  war.^ 

§  6.  Die  electromotorische  Kraft  ändert  sich  weiter 
etwas  mit  der  Zeit,  indem  sie  mit  der  Zeit  zuweilen  grösser, 
zuweilen  kleiner  wird.  So  fand  sich  die  electromotorische 
Kraft  in  Millivolts  zu  verschiedenen  Zeiten  nach  dem  An- 
setzen der  Elemente  für: 

Hg  in  MgSO«    nach  5  Stunden   116,    nach  22  Stunden  134 
?>  »  ?»      »        »>  106,        »      ?>        5>  96 


(anderes  Element) 

Hg  in  KCl         nach 

1 

.2 

?> 

2, 

>» 

24 

» 

4 

»           ?»             » 

?> 

» 

1, 

» 

» 

?> 

2 

(anderes  Element) 

Ug  in  HCl 

5 

;> 

3, 

j> 

» 

» 

2 

,,   in  KNOs 

1 

?> 

120, 

j> 

j» 

?» 

138 

Sämmtliche  Lösungen  in  vorstehenden  Angaben  enthiel- 
ten 0,05  g-aeq.  der  gelösten  Substanz  im  Liter,  also  z.  B. 
6,14  g  MgSO^.THgü,   3,72  g  KCl,  waren  also  ziemlich  ver- 


1)  Man  pflegt  zu  sagen,  das  Zink  sei  im  Volt  ansehen  Element  elec- 
tropositiv gegen  Kupfer,  ursprünglich  wohl  wegen  der  relativen  Stellung 
von  Zink  gegen  Kupfer  in  der  Vol tauschen  Spann ungsreihe,  hauptsäch- 
lich weil  in  dem  arbeitenden  Element  Zink  die  Anode  ist.  Zuweilen 
nennt  man  umgekehrt  den  Zinkpol  den  negativen,  weil  in  dem  offenen 
Element  das  Zink  negatives  Potential  relativ  zum  Kupfer  zeigt  Um 
Zweideutigkeiten  zu  vermeiden,  scheint  es  mir  daher  zweckmässig,  zu 
bagen,  Zink  verhalte  sich  im  Vol tauschen  Element  anodisch  gegen 
Kupfer,  und  dieses  verhalte  sich  kathodisch  gegen  Zink.  Diese  Bezeich- 
nung wird  im  Folgenden  gebraucht. 

2)  Dieses  Resultat  wurde  bereits  von  Viard  durch  Beobachtungen 
an  Luftelementen  etwas  anderer  Construction  festgestellt.  (Ann.  de  chim» 
et  de  phys.  (3)  36.  p.  129.  1852.) 


VoUd'sches  Element  und  Polarisation.  325 

dünnt.  Nach  24  Standen  blieb  die  Kraft,  durch  einige  Tage 
hin  beobachtet,  in  der  Regel  ziemlich  constant;  bei  einer 
concentrirten  MgSO^-Lösung  indess,  welche  3,25  g-aeq.  im 
Liiter  enthielt,  wuchs  sie  bis  zum  sechsten  Tage,  betrug 
nämlich: 

nach  24  Stunden  2  x  24  Stunden,  4  x  24  Stunden.  6  x  24  Stunden 
n     41        yy  61  yy  68  m  88  MilUvolts 

nnd  behielt  diesen  Werth  in  den  folgenden  Tagen. 

§  7.  Luftelemente,  in  welchen  Electroden  aus  demsel- 
ben Metall  in  demselben  Electrolyten  stehen,  zeigen  oft  mehr 
oder  weniger  verschiedene  electroinotorische  Kraft,  wobei 
zuweilen  die  Ursache  des  verschiedenen  Verhaltens  bestimmt 
nachgewiesen  werden  kann.  So  ergab  sich  für  Kupfer  in 
einer  Lösung  von  MgClj,  welche  0,05  g-aeq.  im  Liter  ent- 
hielt, die  Kraft  des  Luftelements  =  101.  Als  nach  24  Stun- 
den die  Flüssigkeit  des  Vacuumapparates,  welcher  hier  Appa- 
rat I  heissen  mag,  mit  Luft  durch  Schütteln  im  Kolben  K 
gesättigt  wurde,  giug  die  Kraft  nicht  —  wie  der  Regel  nach 
—  bald  auf  0,  sondern  blieb  auf  57  stehen ;  dabei  waren  die 
Electroden  des  Apparates  II,  welche  längere  Zeit  als  Luft- 
electroden  gedient  hatten,  schwärzlich  geworden,  während  die 
Electroden  des  Apparates  I  röthlich  geblieben  waren.  Als 
nunmehr  Apparat  II  zum  Yacuumapparat  gemacht  wurde, 
verhielten  sich  die  Electroden  in  II  normaler  Weise  ano- 
disch gegen  die  Electroden  des  mit  Luft  gesättigten  Appa- 
rates I,  aber  die  Kraft  betrug  nur  36.  Es  überwiegt  also 
der  Einfluss  des  in  dem  Electrolyten  gelösten  Sauerstoffs,  aber 
der  auf  der  Electrode  als  Oxyd  fixirte  wirkt  in  demselben 
Sinne,  wie  jener. 

Ebenso  ergab  sich  in  KgSO^-Lösung,  welche  0,60  g-aeq. 
im  Liter  enthielt,  die  Kraft  des  Luftelements  für  Zink  80 
oder  59,  für  Kupfer  60  oder  36,  jenachdem  frische  oder 
stärker  oxydirte  Electroden  verwandt  wurden. 

In  anderen  Fällen  konnte  bei  gleich  bereiteten  Elemen- 
ten die  Ursache  der  Verschiedenheit  der  beobachteten  Kräfte 
nicht  bestimmt  nachgewiesen  werden.  Z.  B.  ergab  sich  für 
Hg  in  MgSO^-Lösung  (0,05  g-aeq.  im  Liter)  die  Kraft  des 
Luftelementes  in  fünf  verschiedenen  Zellen,  indem  jedesmal 
ungefähr  24  Stunden  nach  dem  Ansetzen  beobachtet  wurde: 


826 


E.   JVarburg, 


134,  96,  211,  190,  199.  In  dem  letzteren  Fall  war  destillir- 
teSy  nach  der  Destillation  mit  concentrirter  HNO,  behandel- 
tes Hg  verwandt  worden:  25  com  destillirtes  Hg  wurden 
dabei  mit  10  ccm  HNO3  übergössen  und  mit  der  gebildeten 
salpetersauren  Hg-Lösung  19  Stunden  geschüttelt.  Die  bei- 
den Electroden  Ey^  und  f,,  sowie  E^  und  E^'  eines  und 
desselben  Apparates  differirten  in  der  Regel  nur  wenig;  die 
angegebenen  Werthe  sind  immer  die  Mittel  aus  den  yon  den 
beiden  Electrodenpaaren  gelieferten  Werthen. 

§  8.  Wenn  nun  auch  nach  dem  Vorstehenden  die  Kraft 
eines  bestimmten  Luftelementes  in  ziemlich  weiten  Grenzen 
▼ariirt,  so  hat  sich  doch  eine  Reihe  bestimmter  Gesetz- 
mässigkeiten ergeben,  von  denen  ich  einen  Theil  zunächst 
zusammenstelle. 

1.  Luftelemente,  deren  Electrolyt  ein  Salz  der  Elec- 
troden ist,  zeigen  eine  sehr  kleine  Kraft,  welche  sich  der 
Null  um  so  mehr  nähert,  je  concentrirter  die  angewandte 
Salzlösung  ist,  so  fand  sich  für: 


Zn  in  SO4 


» 


ZnCL 


Cu  in  CuSO^ 


Hg  in  HgNO, 
Hg  in  Hg-8ulfat 


»        ?> 


» 


Ag  in  AgNOj 


»    » 


» 


Pt  in  PtCl^     ungefiüir  V/,    „ 
(käuflich  »/,o  Sol.) 


0,05  g-aeq.  im  Liter  die  Kraft    18 

0,50 

0,63 

0,022 

0,218 

2,18 

0,05 

Spur 

0,012 

0,05 

0,5 


7» 


0 
2 
7 
5 
2 
0 
2 
2 
11 
0 
0 


§  9.    2.  Luftelemente  aus  Hg  in  Chloriden  zeigen  eine 
sehr  kleine  Kraft,  nämlich: 


Hg  in          KCl 

3 

24  Stimden  nach  dem  Ansetzen 

II    „          NaCl 

3 

42 

jj 

>i               11 

M    M         MgCL 
„    ',        NH4CI 

5 

24 

'» 

)i               )i 

%        3 

7 

j» 

»1               n 

,,    „   NaCl  +  B 

lCI    3 

24 

» 

II               II 

>i    ?>          HCl 

2 

24 

n 

»1               ?i 

8ämmtliche  Lösungen  enthielten  0,05  g-aeq.  des  ange- 
wandten Salzes  im  Liter. 

§  10.    3.  Luftelemente  aus  Hg  in  Sulfaten  zeigen  eine 
verhältnissmässig  hohe  Kraft,  nämlich: 


Hg  in  CUÖO4 

.     82 

r?      "j     Z11SO4 

.     76 

•?      •*     rljoO^ 

.     55 

Voltasches  Element  und  Polarisation.  327 

Hg  in  MgSO«  ...  158 
77  ?>  NajS04  ...  86 
M    >i   (NH4),S0,     .      74 

Sämmtliche  Lösungen  enthielten  wieder  0,06  g-aeq.  des 
angewandten  Salzes  im  Liter;  die  Elemente  wurden  ungefähr 
24  Stunden  nach  dem  Ansetzen  beobachtet,  die  gegebenen 
Zahlen  sind  Mittelwerthe,  hergeleitet  aus  Beobachtungen  an 
verschiedenen,  gewöhnlich  zwei  Luftelementen. 

§  11.  Da  die  in  den  letzten  drei  Paragraphen  ange- 
führten Gesetzmässigkeiten  mich  zu  der  Erklärung  des  Ver- 
haltens der  Luftelemente  geführt  haben,  so  will  ich  diese 
Erklärung  auch  hier  an  diesen  Gesetzmässigkeiten  entwickeln. 

Die  Luftelemente  sind  eine  besondere  Art  des  Groy er- 
sehen Gaselements,  das  active  Gas  in  ihnen  ist  Luft  oder, 
wie  von  vomherein  wahrscheinlich,  Sauerstoff.  Ueber  die 
Ursache  der  electromotorischen  Kraft  der  Gaselemente  scheint 
ziemlich  allgemein  eine  Ansicht  zu  herrschen,  welche  von 
G.  Wiedemann  ^)  so  ausgesprochen  wird:  „Der  Sitz  der 
electromotorischen  Kraft  ist  an  der  Berührungsstelle  der 
mit  Gas  beladenen  Metallplatte  und  der  Flüssigkeit.  Diese 
Platten  verhalten  sich  dann  ganz  wie  andere  Metallplatten.''  ^ 

Es  scheint  indessen  von  vornherein  eine  andere  Erklä- 
rungsweise nicht  ausgeschlossen,  obgleich  dieselbe  meines 
Wissens  bisher  nie  in  Betracht  gezogen  wurde.  Das  in  der 
Flüssigkeit  gelöste  oder  in  den  Metallplatten  occludirte  Gas 
könnte  an  der  Grenze  zwischen  Metall  und  Flüssigkeit  einem 
chemischen  Process  unterliegen,  durch  welchen  das  Gas  als 
solches  verschwände  und  der  Electrolyt  chemisch  verändert 

1)  G.  Wiedemann,  Galv.  1.  p.  296.  1882. 

2)  Wollte  mau,  wie  ich  dies  zuerst  versachte,  nach  dieser  Auffas- 
songsweise  das  Verhalten  der  Luftelemente  erklären,  so  könnte  man  die 
Annahme  machen  —  welche  in  einzelnen  Fällen  von  vornherein  nicht 
unmöglich  scheint  — ,  dass  durch  den  electrolTtischen  Vorgang  Sauerstoff 
von  dem  grösseren  Sättigungsdruck  an  der  Kathode  {pi)  zu  dem  kleineren 
an  der  Anode  (/?,)  übertragen  werde.  Hieraus  ergibt  sich  dann  noch  nach 
den  Prindpien  der  mechanischen  Wärmetheorie  (.1.  W.  Gibbs,  Trans. 
Conn.  Acad.  3.  p.  510.  1878)  eine  dem  absoluten  Werth  nach  berechen- 
bare electromotorische  Kraft,  welche  mit  log  p^  pj  proportional  ist.  In- 
dessen hat  sich  diese  Erklärung  durch  die  Erfahrung  nicht  bestätigt. 


328  E.   Warburg. 

würde.  Nach  dieser  Auffassungsweise  würden  gleiche  Metall- 
platten in  verschiedenen  Electrolyten  stehen. 

Ich  will  zunächst  zeigen,  dass  diese  Erklärung  f&r  die 
Luftelemente  wirklich  zutrifft.  Das  Erklärungsprindp  ist 
kurz  gesagt  dieses,  dass  in  dem  lufthaltigen  Electrolyten 
etwas  von  dem  Metall  der  Electroden  als  Metallsalz  in  Lö- 
sung geht,  und  zwar  um  so  mehr,  je  grösser  der  Luftgehalt. 
Es  geht  also  an  der  Luftelectrode  mehr  Metall,  als  an  der 
Vacuumelectrode  in  Lösung,  der  Strom  des  Elements  ist  ein 
Concentrationsstrom,  für  welchen  die  Luftelectrode  die  Ka- 
thode ist. 

Betrachten  wir  also  z.  B.  das  Luftelement,  welches  aus 
Hg-Electroden  in  MgSO^-Lösung  gebildet  ist.  In  welcher 
Verbindung  das  Hg  in  Lösung  vorhanden  ist,  habe  ich  nicht 
entscheiden  können ;  ich  will  sie  der  Kürze  halber  durch  Hg,  SO4 
bezeichnen.  Die  Constitution  des  betrachteten  Luftelements 
können  wir  dann  schematisch  so  darstellen: 

wo  y  >  X. 

§  12.  Die  experimentellen  Belege  für  die  Richtigkeit 
dieser  Erklärung  sind  folgende. 

In  einer  ^j^'lAiQviL9i.%Q\ie  wurden  10  ccm  von  dem  be- 
nutzten destillirten  Hg  mit  V4 1  der  benutzten  MgS04-Lösung 
(0,05  g-aeq.  im  Liter)  58  Stunden  lang  geschüttelt;  dazu  wurde 
eine  Schüttelvorrichtung  von  Muencke  benutzt,  welche  durch 
einen  kleinen  Wassermotor  getrieben  wird.  Nach  30  Stunden 
fing  auf  der  Hg-Oberfläche  ein  schwärzlicher  Körper  an,  sich 
zu  zeigen  (wahrscheinlich  HggO);  schon  nach  17  Stunden 
zeigte  in  der  abfiltrirten,  völlig  klaren  Flüssigkeit  HgS- Wasser 
gelöstes  Metall  an,  die  Intensität  der  Reaction  nahm  mit  der 
Zeit  stetig  zu,  nach  58  Stunden  wurde  ein  schwacher,  zuerst 
gelblicher,  dann  schwärzlicher  Niederschlag  erhalten.  Durch 
Yergleichung  mit  einer  Flüssigkeit  von  bekanntem  Hg-Gehalt 
wurde  ermittelt,  dass  nach  58  stündigem  Schütteln  die  Flüs- 
sigkeit ungefähr  0,076  g  Hg  im  Liter  enthielt,  also  0,019  g  Hg 
aufgenommen  hatte. 

Aehnliche  Resultate  wurden  bei  Benutzung  von  Hg  er- 


VoÜa^sches  Element  und  Polarisation,  829 

halten,  welches  nach  der  Destillation  in  der  §  7  beschriebenen 
Weise  mit  HNO3  göreinigt  worden  war. 

Sodann  wurde  der  Versuch  mit  möglichst  luftfrei  ge- 
machter Flüssigkeit  unter  Luftabschluss  wiederholt,  nämlich 
im  Vacuum  der  Wasserluftpumpe  ausgekochte  Flüssigkeit. 
während  sie  sich  noch  in  demselben  Vacuum  befand,  in  die 
^/j-Literäasche  gegossen,  sodass  diese  fast  ganz  gefüllt  war; 
dann  die  Flasche  mit  Kork  und  Kautschukkitt  luftdicht  Ter- 
schlössen.  Nach  17  stündigem  Schütteln  wurde  in  dem  Filtrat 
mit  HjS  keine  Reaction  erhalten,  auch  nicht,  als  dasselbe 
auf  dem  Wasserbade  auf  7;  seines  Volumens  eingeengt  wor- 
den war. 

Durch  diese  Versuche  ist  bewiesen,  dass  Hg  sich  in  dem 
lufthaltigen  Electrolyten  nach  Maassgabe  seines  Luftgehalts 
löst^),  und  dass  an  der  Luftelectrode  speciell  des  Hg— MgSO^- 
Luftelements  vielmal  mehr  Hg,  als  an  der  Vacuumelectrodt* 
in  Lösung  sich  befindet;  auch  von  letzterer  wird  etwas  Hg 
in  Lösung  gegangen  sein,  weil  die  Flüssigkeit  an  ihr  nicht 
ganz  von  Sauerstoff  frei  ist.  Die  Concentration  der  Hg-Lösung 
an  einer  £lectrode  wird  dabei  von  der  gelösten  Menge  und 
der  Diffusibilität  der  gebildeten  Hg-Lösung  abhängig  sein. 

§  13.  Weiter  wurden  0,050  g  HgSOj  in  ^/^  1  der  be- 
nutzten MgS04  -  Lösung  gebracht  (0,05  g-aeq.  im  Liter  ,  ein 
Apparat  I  wurde  mit  der  entstandenen,  durch  Filtration  von 
dem  gebildeten  Turbith  befreiten  schwachen  Hg-Lösung,  ein 
Apparat  II  mit  der  reinen  MgSO^-Lösung  gefüllt,  die  Flüs- 
sigkeiten wurden  nicht  von  Luft  befreit.  Die  Electroden 
von  I  erwiesen  sich  gegen  die  von  II  kathodisch,  die  electro- 
motorische  Kraft  zwischen  beiden  betrug  bald  nach  dem 
Ansetzen  71,  nach  3— 24  Stunden  54.  Erwähnt  mag  werden, 
dass  die  Electroden  von  I,  auch  wenn  dieser  Apparat  eva- 
cuirt  war,  sich  gegen  die  von  II  kathodisch  erwiesen,  dass 
aber  die  electromotorische  Kraft  dann  nur  19  betrug. 


1)  £b  ist  für  den  vorliegenden  Zweck  nicht  nöthig,  auf  den  chemi- 
schen Process  n&her  einzugehen,  welclier  sich  an  der  Grenze  zwischen 
Metall  und  Electrolyt  bei  Gegenwart  von  Luft  abspielt  und  von  Schön- 
bein (Pogg.  Ann.  112.  287  u.  445.  1861  und  Traube  iBer.  ehem.  Ges. 
15.  p.  1.  1882;  18.  1877.  1885)  genauer  untersucht  ist. 


330  E.   Warburg. 

§  14.  Die  Theorie  der  GoncentrationsstrSme  verdankt 
man  Hrn.  v.  Helmholtz.^)  Der  hier  vorliegende  Fall  ist 
zwar  ein  etwas  anderer,  als  der  von  Hm.  v.  Helmholtz 
behandelte,  da  ausser  dem  an  beiden  Eiectroden  in  verschie- 
dener Concentration  vorhandenen  Electrolyten  noch  ein  an- 
derer, an  beiden  Blectroden  in  gleicher  Concentration  vor- 
handener, nämlich  das  ursprüngliche  Salz  des  Luftelements, 
gegenwärtig  ist.  Allein  die  Theorie  lässt  sich  auf  diesen 
Fall  anwenden,  wenn  man  die  Quecksilberlösung  so  verdünnt 
annimmt,  dass  kein  merklicher  Theil  des  Stroms  durch  sie  hin- 
durchgeht, und  berücksichtigt,  dass  das  Kation  des  im  Luft- 
element ursprünglich  vorhandenen  Salzes  das  Metall  der 
Electrode  aus  der  Lösung  ausfällt.  Das  Element  ist  dann  um- 
kehrbar, und  ich  finde  seine  electromotorische  Kraft,  wenn 
die  Hg-Lösung  hinreichend  verdünnt  ist: 

V  =  0,0538 .  A  .  A  .  log ,,  ^-  Volts,  ^ 

WO  ^  die  absolute  Temperatur,  19*0  die  des  Gefrierpunktes^ 
%o  die  Werthigkeit  des  in  Betracht  kommenden  Säureradicals 
bedeutet;  die  Concentration  des  aus  den  Eiectroden  gebilde- 
ten Salzes  entspricht  an  der  Kathode  und  Anode  bezüglich 
m^  und  m,  mit  derselben  Wassermasse  verbundenen  Gramm- 
molecülen.    Ist  &  ^  &q^  m?  =  2,  so  wird  für: 

mi/m3=10,     100,     1000, 

ü  =  27,      54,         81  Millivolts. 

Bei  Ableitung  der  vorstehenden  Formel  wurde  ange- 
nommen, dass  eine  Dissociation  der  Hg-Salzmolecüle  nicht 
statt  hat  Ist,  wie  dies  nach  den  neueren  Untersuchungen, 
besonders  von  Arrhenius,  wirklich  zutrifft,  theilweise  Dis- 
sociation vorhanden,  so  wird  die  electromotorische  Kraft  V 


1)  H.  V.  Helmholtz,  Berl.  Monateber.  26.  Nov.  1877;  Wied.  Ann. 
:i.  p.  201.  1878.    S.  auch  Berl.  Ber.  1882.  p.  425. 

2)  Dies  ergibt  sich  am  leichtesten  durch  Benutzung  des  Plane  kuschen 
Ausdrucks  für  die  Energie  und  Entropie  verdünnter  Lösungen  (Wied. 
Ann.  32«  p.  462.  1887).  Mit  der  Uebertragung  von  Salz  von  der  Ka- 
thode zur  Anode  ist  nach  diesem  Ausdruck  keine  Aenderung  der  Energie, 
sondern  nur  eine  Vermehrung  der  Entropie  S  verbunden,  und  man  hat 
nach  W.  Gibbs  F=  &,dSlde,  wo  &  die  absolute  Temperatur,  e  die 
durcli  das  Element  gegangene  Elcctricitätsmenge  bedeutet 


Volta^sclies  Eiement  und  Polarisation»  831 

grösser;  ist  im  Grenzfall  die  Dissociation  vollständig  und 
zerfällt  dabei  ein  Hg-Salzmolecül  in  k  Ionen,  so  ist  der  obige 
Werth  von   V  mit  k  zu  multipliciren. 

Schliesst  man  das  Luftelement,  so  werden  durch  den 
Strom  die  Concentrationen  an  den  Electroden  ausgeglichen. 
Die  Electricitätsmenge,  welche  dabei  das  Element  im  denk- 
bar günstigsten  Fall,  d.  h.  bei  Ausschluss  schädlicher  Dif- 
fusion liefern  kann,  oder  die  Capacität  des  Luftelements  ist 
mit  der  Differenz  der  an  beiden  Electroden  gelösten  Metall- 
inengen  proportional,  also  sehr  klein,  wenn  nur  sehr  wenig 
Metall  in  Lösung  gegangen  ist;  dabei  kann  die  mit  log  m^lm^ 
«proportionale  electromotorische  Kraft  des  offenen  Elements 
einen  sehr  beträchtlichen  Werth  annehmen. 

§  15.  Nach  der  gegebenen  Theorie  erklären  sich  nun 
die  in  §  8 — 10  zusammengestellten  Gesetzmässigkeiten  in  ein- 
facher Weise. 

Ist  erstens  der  ursprüngliche  Electrolyt  des  Luftelements 
ein  Salz  der  Electroden,  steht  also  z.  B.  Zink  in  Zinksulfat, 
so  wird  durch  die  immerhin  geringfügige  Auflösung  der  Luft- 
electrode  die  Concentration  des  Zinksulfats  an  ihr  nur  um 
einen  sehr  geringen  Bruchtheil  des  ursprünglich  schon  vor- 
handenen Werthes  vermehrt  werden,  m^jm^  von  1,  die  elec- 
tromotorische Kraft  von  0  nur  wenig  verschieden  sein;  je 
grösser  dabei  die  Concentration  der  Zinksulfatlösung  ist,  mit 
welcher  das  Luftelement  ursprünglich  beschickt  war,  desto 
mehr  wird  die  electromotorische  Kraft  desselben  sich  der 
Null  nähern« 

§  16.  Besteht  weiter  das  Luftelement  aus  Hg  in  einem 
Chlorid,  z.  B.  KCl  oder  HCl,  so  kann  an  den  Electroden  Hg 
höchstens  spurenweise  in  Lösung  bestehen,  da  etwa  gebildetes 
Sublimat  in  Berührung  mit  metallischem  Hg  zu  unlöslichem 
Calomel  wird.  In  der  That  ergab  der  Schüttelversuch  des 
§  12,  mit  HCl- Lösung,  welche  0,05  g-aeq.  im  Liter  enthielt, 
bei  Gegenwart  von  Luft  angestellt,  nach  60  stündigem  Schüt- 
teln reichliche  Calomelbildung,  aber  in  der  abfiitrirten  Lö- 
sung konnte  Hg  durch  HgS  nicht  nachgewiesen  werden.  Um 
die  kleine,  an  den  entsprechenden  Luftelementen  beobach- 
tete  electromotorische  Kraft   von   einigen   Millivolts   zu   er- 


332  E.  Warhurg. 

klären y   nehme  ich  an,   dass  doch  eine  Spur  Hg  in  Lösung 
geht. 

Im  übrigen  kann  die  gegebene  Theorie  für  diesen  Fall 
durch  weitere  Versuche  geprüft  werden.  Zunächst  wurde 
eine  Lösung  von  KCl  bereitet,  welche  0,5  g-aeq.  KCl  im  Liter 
enthielt,  und  in  V2  ^  dieser  Flüssigkeit  0,015  g  Sublimat  ge- 
löst. Die  Flüssigkeit  gab,  entsprechend  dem  höheren  Hg- 
Gehalt,  mit  H^S  eine  merklich  stärkere  Beaction,  als  die 
HgS04  haltige  Flüssigkeit  des  §  13.  Ein  Apparat  I  wurde 
mit  der  sublimathaltigen,  ein  Apparat  II  mit  reiner  KCl- 
Lösung  gefüllt;  das  Hg  in  I  erwies  sich  nur  sehr  schwach 
kathodisch  gegen  das  Hg  in  II,  die  electromotorische  Kraft 
betrug  nur  2;  dabei  wurde  in  I  das  gebildete  Calomel  auf 
dem  Hg  sichtbar. 

Da  weiter  ein  Chlorid  wie  MgCl2  mit  HgSO^  Sublimat 
bildet,  welches  in  Berührung  mit  metallischem  Hg  zu  unlös- 
lichem Calomel  wird,  so  war  zu  erwarten,  dass  die  grosse 
electromotorische  Kraft  168  des  aus  Hg  und  MgS04  gebil- 
deten Luftelements  (§  10)  durch  Zusatz  von  MgClg  auf  einen 
sehr  kleinen  Werth  reducirt  werde. 

In  der  That  ergab  ein  Luftelement  aus  Hg  in  einer 
Lösung  von  MgSO^+MgClg,  welche  je  0,05  g-aeq.  dieser  Salze 
im  Liter  enthielt,  die  electromotorische  Kraft  4. 

§  17.  Endlich  wird  der  in  §  6 — 7  beschriebene  Einfluss 
der  Zeit  und  der  Electrodenobertiäche  verständlich.  Erstens 
werden  die  gelösten  Mengen  mit  der  Zeit  zunehmen,  wobei 
iWj/rwg  zu-  oder  abnehmen  kann;  zweitens  wird  an  einer  rei- 
nen Hg-Oberfiäche  mehr  Metall  gelöst  werden,  als  an  einer 
fettigen,  an  einer  oxydirten  Cu-  oder  Zinküäche  eine  andere 
Metallmenge,  als  an  einer  metallischen. 

§  18.  Unter  den  Sulfaten  zeigt  nach  §  10  HgSO^  die 
kleinste  Straft  im  Luftelement.  Dies  fällt  zunächst  auf,  da 
zu  erwarten  ist,  dass  in  verdünnter  H2SO4  mehr  Hg  in  Lö- 
sung geht,  als  in  den  Lösungen  der  neutralen  Salze  dieser 
Säure.  In  der  That  ergab  der  Schüttel versuch  des  §  12, 
mit  HgSO^-Lösung,  welche  0,05  g-aeq.  im  Liter  enthielt,  bei 
Gegenwart  von  Luft  angestellt,  dass  nach  63  stündigem  Schüt- 
teln diese  Flüssigkeit  einen  ungleich  höheren  Hg-Gehalt  auf- 
wies, als  die  MgSO^-Lösung  unter  gleichen  Umständen. 


Voltä'sches  Ekmetä  und  Polarisation.  333 

Als  aber  derselbe  Versuch  mit  möglichst  luftfrei  ge- 
machter H2S04-Lösung  unter  Luftabschluss  angestellt  wurde, 
ergab  sich  hier  ebenfalls  ein  wenn  auch  verhältnissmässig 
schwacher  Niederschlag  mit  H^S,  während  im  Fall  der  MgSO^- 
Lösung  nach  §  12  keine  Spur  eines  solchen  unter  diesen 
Umständen  bemerkt  werden  konnte.  Es  sind  also  im  Luft- 
element Hg,  verdünnte  H2SO4  m^  und  m^  beide  verhältniss- 
mässig  gross,  m^jm^  aber  ist  hier  kleiner,  als  bei  den  neu- 
tralen Sulfaten. 

§  19.  Betrachten  wir  jetzt  eine  Zersetzungszelle,  welche 
aus  Hg  als  Electroden  und  H^SO^-Lösung  mit  gleichem  Luft- 
gehalt an  beiden  Electroden  besteht.  Wirkt  auf  diese  Zelle 
eine  electromotorische  Kraft,  so  wird  die  Zelle  polarisirt; 
die  Polarisation  der  Kathode  schreibt  man  gewöhnlich  einer 
electromotorischen  Wirkung  des  Wasserstoffgases  zu,  welches 
durch  den  Strom  an  der  Kathode  frei  gemacht  wird. 

Nun  befindet  sich  nach  dem  Vorhergehenden  an  beiden 
Electroden  etwas  Hg  in  Lösung,  das  Schema  der  Zelle  ist 
das  in  §  11  gegebene,  wenn  für  MgSO^  HjSO^  und  x=^y 
gesetzt  wird.  Diese  Thatsache  führt  zu  der  Folgerung,  dass 
jedenfalls  ein  Theil  der  Polarisation  auf  einer  anderen  Ur- 
sache beruht.  Wir  wollen  auch  hier  wieder  die  Hg-Lösung 
so  verdünnt  annehmen,  dass  an  den  Electroden  der  Strom 
merklich  nur  durch  H2SO4  fliesst,  also  an  der  Kathode  pri- 
mär H,  abscheidet.  Dieser  Hg  wird  nun  Hg  ausfällen,  wo- 
durch die  Hg-Lösung  an  der  Kathode  verdünnter,  mithin  die 
letztere  anodischer  gemacht  wird.  An  der  Anode  hingegen 
wird  das  frei  werdende  SO4  neues  HgSO^  bilden,  die  Hg-Lö- 
sung an  der  Anode  dadurch  concentrirter,  die  letztere  katho- 
discher gemacht  werden:  ein  Theil  des  Polarisationsstromes 
ist  daher  jedenfalls  ein  Concentrationsstrom. 

§  20.  Wollte  man  die  ganze  Polarisation  durch  die  vom 
Strom  hervorgebrachten  Concentrationsänderungen  erklären, 
so  könnte  man  etwa  folgende  Ueberlegungen  anstellen. 

Beicht  die  electromotorische  Kraft,  welche  auf  die  Zelle 
wirkt,  nicht  hin,  um  dauernde  H^-Entwickelung  zu  bewirken, 
so  wird  Hg  an  der  Kathode  ausgefällt  werden,  bis  die  von 
dem  Concentrationsverhältniss  an  den  Electroden  herrührende 


334  E.   Warburg. 

electromotorische  Gegenkraft  der  äusseren  electromotoiischen 
Kraft  gleich  geworden  ist. 

Der  Yerdünnungsgrad  der  Hg-Lösung  an  der  Kathode, 
für  welchen  dauernde  Wasserstoffentwickelung  eintreten  muss. 
liesse  sich  dann  aus  dem  Satz  von  der  Vermehrung  der  En- 
tropie nach  Planck^)  folgendermassen  berechnen. 

Ein  heterogenes  System  sei  bestimmt  durch  die  chemische 
Zusammensetzung  der  dasselbe  bildenden  Körper,  den  im 
ganzen  System  gleich  angenommenen  hydrostatischen  Druck  p 
und  die  überall  gleiche,  absolute  Temperatur  &.  Dann  ist 
nach  Planck^  die  Richtung  eines  Processes,  der  im  System 
von  selber  eintritt,  immer  derartig,  dass  die  von  der  Aen- 
derung  der  chemischen  Zusammensetzung  herrührende  Ver- 
mehrung der  Function  <I^  >  0  ist,  wo: 


0 


.^(s-^-^ 


S  Entropie,  U  Energie,  V  Volumen  bedeutet,  und  das 
^-Zeichen  sich  auf  die  verschiedenen,  das  heterogene  System 
bildenden,  homogenen  Körper  bezieht. 

Der  durch  den  Strom  primär  ausgeschiedene  Wasserstoff 
wird  daher  nur  Hg  ausfällen  können,  wenn  mit  diesem  Vor- 
gang eine  Vergrösserung  der  Function  <b  verknüpft  ist.  Das 
System,  um  das  es  sich  handelt,  ist  nach  Planck  symbolisch 
zu  bezeichnen  durch: 

nHj  +  n/HgO,     n2'H3SÜ„     <HgSO„     <H, +  n"Hg, 

besteht  also  aus  drei  homogenen  Körpern,  nämlich  n  Mole- 
cülen  Hg,  n'  Molecülen  Hg  —  wo  es  auf  die  Zahlen  n,  n" 
nicht  ankommt  —  und  einer  Lösung  zusammengesetzt  aus 
n/  Mol.  HgO,  n/  Mol.  HjSO^  etc. 

Nimmt  man  die  Lösung  hinreichend  verdünnt  an,  so  ist 
nach  Planck'): 

*  =  n.(f  +  n/(y/-  log  C/)  +  V(7V-  log  C/)  +  ...  +  w".y", 

wo  die  Wertbe  (p  von  den  Zahlen  n  unabhängig  sind  und: 

C/=  -— ^v'^-  -  '      C.;=  -.---''^-.^—     etc. 


1)  M.  IManck,  Wiod.  Ami.  32.  p.  4<?2.  li^8T. 

2)  M.  Planck,  1.  c.  p.  469. 

3)  Planck.  1.  c.  p.  469. 


VoUJschei  Element  und  Polarisation,  335 

Die  Beaction,  deren  Möglichkeit  zu  untersachen  ist,  und 
welche  durch  die  Gleichung: 

-  H3  -  HgSO,  +  H3SO,  +  Hg  =  0 

ausgedrückt  wird,  kann  nach  dem  Entropiesatz  nur  ein- 
treten, wenn: 

WO  1/ =s  —  1,  i'2  =  +  ^y  •'3'—  ■"  1>  1;"=  +  1,  alle  übrigen  v 
0  sind;  oder  mit  Benutzung  des  Werthes  <I^,  wenn: 

C ' 
log  -?r>(r  -  (f2  -  (f" 

>K, 

WO  K  von  den  n  unabhängig  ist.  Mit  abnehmender  Con- 
centration  der  Hg-Lösung  nähert  sich  Q'  der  Null,  die  linke 
Seite  —  CO:  ist  daher  die  durch  die  Gleichung: 

log-^K  =  ür 

bestimmte  Concentration  C^  erreicht,  so  wird  an  Stelle  der 
Hg -Ausfällung  fortschreitende  Entwicklung  gasförmigen 
WasserstoflFs  eintreten. 

§  21.  Ich  ziehe  es  indessen  vor,  bei  derjenigen  Folge- 
rung stehen  zu  bleiben^  welche  aus  den  Thatsachen  mit  Sicher- 
heit abgeleitet  werden  kann,  dass  nämlich  ein  Theil  des 
Polarisationsstroms  ein  Concentrationsstrom  ist.  Die  Grösse 
dieses  Theiles  bleibt  zunächst  unbestimmt,  dagegen  können 
einige  Polarisationserscheinungen  auf  die  durch  den  Strom 
bewirkten  Concentrationsänderungen  bezogen  werden. 

Vergleichen  wir  zunächst  die  Polarisation  des  kathodi- 
schen Hg*s,  wenn  es  in  verdünnter  HgSO^  oder  in  verdünnter 
HCl  steht.  Da  im  ersten  Falle  verhältnissmässig  viel  (§  18), 
im  zweiten  Falle  verhältnissmässig  wenig  Hg  (§  16)  in  Lö- 
sung vorhanden  ist,  so  sollte  die  Capacität  der  Polarisation 
im  ersten  Falle  grösser,  als  im  zweiten  sein;  d.  h.  wenn  man 
aus  der  polarisirten  Hg-Kathode  und  nicht  polarisirtem  Hg 
ein  Element  bildet,  so  sollte  dieses  im  F'alle  der  H^SO^  eine 
grössere  Electricitätsmenge  liefern  können,  als  im  Falle  der 
HOL  Dies  habe  ich  durch  den  Versuch  bestätigt  gefunden. 
In   den   Kreis   von   10  Bunsen   wurden   zwei  Apparate   der 


336  E.  Warburg. 

benutzten  Art  hintereinander  geschaltet,  sodass  der  Strom 
an  den  Platindrähten  bei  C  ein-  und  an  den  Hg-Electro- 
den  E^  austrat;  dabei  fand  sichtbare  Wasserstoffentwickelung 
an  den  Electroden  E^  statt.  Von  den  beiden  Apparaten  ent- 
hielt der  eine  verdünnte  H3SO4,  der  andere  verdünnte  HCl 
(0,05  g-aeq.  im  Liter). 

Nachdem  der  Strom  ^j^  Stunde  gewirkt  hatte,  wurden 
die  Zellen  aus  dem  Ereis  der  polarisirenden  Batterie  aus- 
geschaltet und  die  electromotorische  Kraft  zwischen  den 
polarisirten  Electroden  E^  und  den  nicht  polarisirten  Elec- 
troden Ey^  bestimmt}  dabei  wurde  0^1  Mikrof.  zuerst  zweimal 
durch  die  HCl-Zelle,  dann  zweimal  durch  die  HgSO^-Zelley 
dann  wieder  zweimal  durch  die  HCl-Zelle  u.  s.  f.  geladen. 
Es  ergab  sich: 

Für  HCl  150134  118103  7155  3128  1616 

.f    H,S04  557  542  542  542         519  526         494  494         494  487 

Während  also  die  electromotorische  Kraft  der  Polari- 
sation für  HCl  von  150  auf  16,  also  um  90  Proc.  fiel,  sank 
sie  flir  HjSG^  von  557  auf  487,  also  nur  um  13  Proc. 

§  22.  Mit  der  Polarisation  des  kathodischen  Queck- 
silbers wächst  nach  Hrn.  Lippmann^)  die  Capillaritätscon- 
stante  für  die  Trennungsfläche  zwischen  Hg  und  dem  Elec- 
trolyten  bis  zu  einem  Maximalwerth  an.  Zum  Theil  rührt 
dies  daher,  dass  durch  die  Polarisation  die  Hg-Lösung  an 
der  Kathode  verdünnter  gemacht  wird,  indem  dort  nasciren- 
der  Wasserstoff  Quecksilber  ausfällt.  Der  Versuch  zeigt 
nämlich,  dass  die  Capillaritätsconstante  zwischen  Hg  und 
einer  Salzlösung,  wenn  man  zu  dieser  Hg-Lösung  derselben 
Säure  hinzusetzt,  vermindert  wird.  Ich  benutzte  ein  nicht 
sehr  empfindliches  Lippmann'sches  Capillarelectrometer  und 
beobachtete  die  Einstellung  des  Meniscus,  je  nachdem  reine 
oder  schwach  Hg -haltige  Salzlösung  benutzt  wurde;  stets 
zeigte  sich  durch  Zusatz  von  Hg-Lösung  die  Capillaritäts- 
constante verringert,  die  Einstellung  des  Meniscus  änderte 
sich  dabei  um  ungefähr  vier  Scalentheile  im  Mikroskop.   Es 


1)  G.  Lippmann,  Pogg.  Ann.  149.  p.  546.  1873;  Ann.  de  chim.  et 
de  phys.  (5)  5.  p.  494.  1875. 


Volta'sches  Element  und  Polarisation.  387 

wurden  Lösungen  von  MgSO^  und  KNO3  benutzt,  welche 
0,05  g-aeq.  im  Liter  enthielten;  zu  100  ccm  Lösung  wurden 
bezüglich  1,025  g  HgS04  ^°^  ^  S  Hs^O,  gefügt,  im  ersten 
Falle  wieder  die  Lösung  von  dem  gebildeten  Turpeth  befreit 
Umgekehrt  nimmt  nach  Lippmann^)  die  Capillardepres- 
sion  des  Quecksilbers  in  einem  Bohr,  welches  verdünnte 
Schwefelsäure  enthält,  zu  durch  Beimengung  einer  Spur  von 
HCl  oder  NaCL  Der  Grund  ist  nach  dem  Obigen  zum 
Theil,  dass  die  genannten  Substanzen  mit  der  am  Meniscus 
entstandenen  HgS04-Lösung  Sublimat  bilden,  welches  in  Be- 
rfüirung  mit  metallischem  Hg  zu  unlöslichem  Calomel  wird, 
dass  also  die  Flüssigkeit  am  Meniscus  von  gelöstem  Hg 
befreit  wird. 

§  23.  Dass  eine  alte  Hg-Oberfläche  sich  gegen  eine 
frische  in  einer  Salzlösung  kathodisch  verhält,  beruht  nach 
dem  Obigen  zum  Theil  auf  der  mit  der  Zeit  zunehmenden 
Bildung  von  Hg-Lösung  an  der  alten  Oberfläche  unter  Wir- 
kung des  in  der  Lösung  absorbirten  atmosphärischen  Sauer- 
Stoffes. 

Zinkamalgam  hingegen  verhält  sich  electromotorisch  wie 
Zink,  und  an  einer  Oberfläche  von  Zinkamalgam  kann  sich 
nur  Zinklösung  bilden,  da  Hg  durch  Zn  ausgefällt  wird;  eine 
nennenswerthe  electrische  Differenz  zwischen  einer  frischen 
und  alten  Fläche  von  Zinkamalgam  in  Zinksulfat  kann  also 
nach  §  8  durch  den  fraglichen  Lösungsprocess  nicht  ent- 
stehen. In  der  That  fand  Fe  Hat')  die  electromotorische 
Ejraft  zwischen  einer  ruhenden  —  alten  —  und  einer  tropfen- 
den —  frischen  —  Fläche  von  Zinkamalgam  in  Zinksulfat 
nahe  gleich  Null,  nämlich  gleich  2  Millivolts.  Wurde  aber 
das  Zinkamalgam  hier  durch  Hg  ersetzt,  so  ergab  sich  die 
Kraft  520  Millivolts. 

§  24.  Aehnlich  wie  Hg  verhalten  sich  in  den  Luftele- 
menten Zn  und  Cu,  nur  fällt  hier  die  exceptionelle  Stellung 
der  Chloride  fort,  da  die  Chloride  des  Zinks  und  des  Kupfers 
in  Wasser  löslich  sind.  So  fand  ich  die  electromotorische 
Kraft  der  Luftelemente: 


1)  G.  Lippmann,  Ann.  de  cbim.  et  de  phys.  (5)  12«  p.  226.  1879. 

2)  Pellat,  Compt  rend.  108.  p.  667.  1889. 

Aon.  d.  Phy«.  u.  Chem.  N.  7.  XXXVIII.  22 


8S8 


E»  Wqtöut^» 


Zn  in  Ml 


n     n 
Ca   » 


57 

105 

88 


Oain  M 

n     n 


u 

43 


Alle  Losungen  enthielten  0,05  g-aeq.  im  Liter,  die  Ele- 
mente wurden  24  Stunden  nach  dem  Ansetzen  beobachtet. 

Wenn  auch  diese  Zahlen  das  Verhalten  ziemlich  frischer 
Zn-  und  Cu- Flächen  in  den  Luftelementen  einigermassen 
diarakterisiren,  so  ist  ihnen  nach  dem  im  §  7  G-esagten  eine 
scharfe  Bedeutung  doch  nicht  beizumessen,  da,  besonders  f&r 
Cu  gleiche  Beschaffenheit  der  Metalloberfi&che  in  den  yer- 
schiedenen  F&Uen  nicht  vorausgesetzt  werden  darf. 

§  25.  Wird  die  Bichtigkeit  der  §  11  gegebenen  Er- 
klärung für  Hg  durch  die  §  12 — 16  gemachten  Auseinander- 
setzungen als  bewiesen  erachtet,  so  wird  sie  auch  für  Cu  und 
Zn  zugegeben  werden.  Das  Volt a'sche  Element  Zn  |  MgSO^ |  Cu 
ist  daher  in  Wahrheit: 

Zn  I  MgSO^ + X  ZnSO^  |  MgSO^  |  MgSO^ + y  CuSO^  |  Cu . 

Wird  das  Element  geschlossen,  so  wird  an  der  Kathode 
Cu  aus  CuSO^  ausgef&Ut,  an  der  Anode  Zink  gelOst,  wo- 
durch die  Cu-Lösung  an  der  Kathode  verdünnter,  die  Zink- 
lösung an  der  Anode  concentrirter,  mithin  die  Kathode 
anodischer,  die  Anode  kathodischer  wird.  Hierauf  beruht 
jedenfalls  zum  Theil  die  Polarisation  des  Volta'schen  Ele- 
mentes. Zu  erwähnen  ist,  dass  hiemach,  wenn  man  wieder 
die  Cu-  und  Zn-Lösung  sehr  verdOnnt  gegen  die  MgSO^-Lö- 
sung  annimmt,  das  Element  zu  den  umkehrbaren  gehört; 
gleichwohl  lässt  sich  die  electromotorische  Kraft  aus  der 
Theorie  nicht  berechnen,  da  die  Concentration  der  Zn-  und 
Cu-Lösung  an  den  Electroden  nicht  bekannt  ist 

§  26.  Für  das  Volta'sche  Element  Zn  |  Wasser  |  Cu  sind 
die  Luftelemente  aus  Zn  und  Cu  in  Wasser  von  Literesse. 
Ich  fand  die  Kraft  der  Luftelemente  aus: 

Cu  in  destillirtem  Wasser 81 

Zn   V  y,  ,1       104 

Hg  »  t)  ))       110 


Bei  diesen  Versuchen  brauchte  1  Mikrof.  etwa  100"  zur 
merklich  vollständigen  Ladung. 


VoUa!$chei  EUmmU  und  Polaruation.  389 

4  27.  Aus  den  Besnltaten  des  §  8  —  9  folgt,  dass  der 
Binfluss  der  atmosphftrischen  Laft  anf  das  Helmholtz'Bche 
Calomelelement  sehr  gering  ist.  In  der  That  fand  ich  die 
^edremotorieche  Kraft  des  Luftelementee: 

Hg  m  ZnCl,  0,S8  g-teq.  im  Liter 2,4 

Hg  mit  Calomd  in  ZnCl,  0,68  g-aeq.  im  Liter  .  1,2 
Zn  in  ZnCl,  0,68  g-aeq.  im  Liter 2,0 

Durch  die  in  der  ZnCl^-Lösung  absorbirte  Luft  werden 
also  Hg-  und  Zn-Pol  beide  um  niJiesa  gleich  viel  kathodi- 
scher; die  eleotromotorische  Kraft  wird  durch  die  Gegenwart 
der  Luft  kaum  um  1  Millivolt  geändert 

§  28.  Die  §  11  gegebene  Theorie  der  Luftelemente 
beruht  im  wesentlichen  auf  der  Annahme,  dass  sich  in  dem 
lufthaltigen  Electrolyten  etwas  von  dem  Metall  der  Electro- 
den  zu  einem  Metallsalz  löst,  und  zwar  um  so  mehr,  je  grösser 
der  Luftgehalt  des  Electrolyten  ist  Diese  Annahme,  welche 
ftkr  den  Fall  des  Quecksilbers  experimentell  erwiesen  wurde, 
könnte  fbr  den  FiJl  edler  Metalle,  wie  Silber  und  besonders 
Fiatin,  auf  Widerspruch  stossen.  Gleichwohl  ist  das  Ver- 
halten der  Luftelemente  aus  diesen  Metallen  jener  Annahme 
nicht  ungünstig. 

Luftelemente  aus  Ag  und  Pt  zeigen  nämlich  zwar  eine 
eleotromotorische  Kraft  von  demselben  Sinne  und  derselben 
Grössenordnung  wie  Luftelemente  aus  unedlen  Metallen,  aber 
eine  viel  kleinere  Capacität  Während  so  durch  ein  Luft- 
elemeni  aus  Zink  bis  zu  80  Mikrof.  zur  Potentialdifferenz 
des  Elementes  geladen  werden  konnten,  ohne  dass  eine  Ab- 
nahme der  electromotorischen  Kraft  sich  zeigte,  wurde  eine 
solche  Abnahme  bei  gleicher  Electrodenoberfläche  ftLr  den 
Fall  des  Silbers  und  Platins  nach  der  Ladung  von  1  Mikro£ 
schon  merklich,  nach  der  Ladung  von  10  Mikro£  bedeutend. 
Z.  B.  fand  sich  die  eleotromotorische  Kraft  des  Luftelementes 
aus  Ag  in  KNOj-Lösung  (0,05  g-aeq.  im  Liter): 

EntM  Zwtilii 

EleotrodtnpMff 

Nach  Ladung  von  1  Mikrof.  181  155 

n  n  n     2         n  118  155 

»>  n  »     8         >»  —  149 

»  »>  n    1        V  78  108 


22 


• 


340  E.  Warlmrg. 

Die  £lectrodenoberfläche  war  bei  diesen  Silberelementen 
nahezu  von  derselben  GrOsse,  wie  bei  den  Zinkelementen  und 
betrug  ungefähr  0,12  qcm. 

Ebenso  fand  sich  für  Pt  in  ENOs-Lösung  (0,05  g-aeq.  im 
Liter) : 


IntM          ZwtMtt 

EleetrodaniMUff 

Nach  Ladong  von  1  Mikrof. 

89               18 

>i            n           n     2        n 

26              18 

n            9t           »     8        w 

18                9 

n  n  if     S        V  4  .  2 

Die  Electrodenoberfläche  war  hier  ungef&hr  halb  so  gross, 
wie  im  vorigen  Falle,  betrug  nämlich  etwa  0,05  qcm. 

In  gleicher  Weise  ergab  sich  für  Ag  in  MgSO^  (0,05 
g-aeq.  im  Liter): 

BntM  Zw«itM 

ElaetrodtnpMir 

Nach  Ladung  von  1  Mikrof.  86  63 

)»  »  iy    2       19  71  57 

>i  »  »>    3       »)  59  — 

})  u  11    8       ))  85  32 

Die  Electrodenoberfläche  war  hier  etwas  kleiner,  als  bei 
den  vorher  erwähnten  Silberelementen. 

Endlich  fand  sich  für  Pt  in  MgSO^  (0,05  g-aeq.  im  Liter) 
0,05  qcm  Electrodenoberfläche: 


BntM          ZwdtM 

Eleotrodenpaar 

Nach  Ladung  von  1  Mikrof. 

78               56 

))           11          11    2       11 

56              89 

11           11          11    3       }) 

41               29 

11  11  11    8       11  14  10 

§  29.  Um  nun  die  äusserst  kleinen  Electricitätsmengen, 
welche  nach  diesen  Beobachtungen  Luftelemente  aus  Ag  und 
Pt  nur  liefern  können,  zu  erklären,  braucht  man  nur  sehr 
wenig  Metall  in  Lösung  anzunehmen.  Nach  den  mitgetheilten 
Beobachtungen  bringt  nämlich  beim  Silberelement  von  0,12  qcm 
Oberfläche  der  Durchgang  derjenigen  Electricitätsmenge, 
welche  1  Mikrof.  zu  0,1  Volt  ladet  schon  eine  merkliche 
Schwächung  der  electromotorischen  Kraft  hervor.  Jene  Elec- 
tricitätsmenge scheidet  aber  0,11/10®  mg  Silber  aus;  die 
lOOfache  Silbermenge  entspräche  erst  einer  Silberschicht  von 
8,7 .  10-«  mm  Dicke. 

Trotz  der  geringen  Menge  in  Lösung  befindlichen  Me- 
talles ist  aber  die  electromotorische  Kraft  der  fraglichen 
Luftelemente   nicht  unbeträchtlich,   da  jene  Kraft  von  dem 


VoUcfschei  Element  und  Polarisation.  S41 

VerhBltniss,  nicht  Yon  dem  absoluten  Werth  der  Concentra« 
tionen  an  den  Electroden  abhängt  (§  14). 

§  80.  Schliesslich  mag  in  demselben  Zusammenhange  er- 
wähnt werden  y  dass  aus  dem  Satz  von  der  Vermehrung  der 
Entropie  jedenfalls  die  Möglichkeit  der  Lösung  der  Metalle  Ag, 
Pt  gefolgert  werden  kann.  Aus  diesem  Satz  ergibt  sich  näm- 
lich, dass  wenn  ein  Körper  A  mit  einer  Lösung  verschiedener 
Substanzen  in  Berührung,  und  eine  chemische  Beaction  denk- 
bar ist,  bei  welcher  A  und  Bestandtheile  der  Lösung  sich  zu 
einem  neuen,  wieder  löslichen  Körper  umsetzen:  dann  beim 
Yöllig  stabilen  Gleichgewichtszustand  diese  Beaction  an  end- 
lichen Substanzmengen  erfolgt  ist  Dies  folgt  aus  Planck's 
Werth  der  Function  (P  (§  20)  für  verdtlnnte  Lösungen,  sofern 
dieser  Werth  die  Terme  von  der  Form  —  n .  log  C  enthält 
Beim  stabilen  Gleichgewicht  ist  also  von  allen  löslichen  Kör- 
pern, deren  Bildung  denkbar  ist,  eine  unter  Umständen  zwar 
sehr  kleine,  aber  immerhin  endliche  Menge  in  Lösung  vor- 
handen. Natürlich  folgt  hieraus  nur,  dass  jeder  lösHche 
Körper  sich  bilden  kann,  nicht  dass  er  sich  bilden  muss. 

Ich  möchte  indessen  ausdrücklich  hervorheben,  dass  das 
Wesentliche  unserer  Erklärung  der  Luftelemente  auch  in 
einem  Falle  bestehen  bliebe,  in  welchem  sich  an  den  Elec- 
troden aus  dem  atmosphärischen  Sauerstoff  und  dem  Elec- 
trolyten  ein  neuer  electrolytischer  Körper  bildete,  und  zwar 
an  den  beiden  Electroden,  entsprechend  dem  verschiedenen 
Luftgehalt  an  ihnen,  in  verschiedener  Menge. 

§  31.  Im  Folgenden  verzeichne  ich  einige  Beobachtun- 
gen über  Luftelemente  aus  Ag  und  Pt  in  verschiedenen 
Lösungen.  Die  angegebenen  electromotorischen  Kräfte  wur- 
den sämmtlich  erhalten,  indem  nach  längerer  Ruhe  1  Mikrofl 
zur  Potentialdifferenz  des  Elementes  geladen  wurde.  Sämmt- 
liche  Lösungen  enthielten  0,05  g-aeq.  der  gelösten  Substanz 
im  Liter.  Da  verschiedene  Electroden  aus  demselben  Metall 
sich  hier  im  allgemeinen  noch  verschiedener,  als  bei  den 
unedlen  Metallen  verhielten,  so  wurde  nicht  das  Mittel  aus 
den  an  verschiedenen  Electroden  gemachten  Beobachtungen 
genommen,  sondern  die  Kräfte,  wie  sie  die  einzelnen  Elec- 
trodenpaare  miteinander  lieferten,  verzeichnet  Grösstentheils 


842  R  Warbwrg. 

worden  zwei  Apparatenpaare  benntzt,  also  an  yier  Electxo* 
denpaaren  I — ^IV  beobachtet 

Silber. 

Zeit  nach  dem     Electromot  Kraft 
Ansetm        I      11      m      IV 


Ag  in  MgRO« 

1  stunde 

75 

— 

— 

— 

»    > 

i         n 

6  Standen 

166 

— 

— 

— 

»>    j 

9              99 

72 

>» 

86 

68 

— 

— . 

n     1 

:ii% 

7 
6 

n 

24 
57 

7 
54 

155 

181 

»     > 

f           1t 

84 

n 

88 

78 

175 

188 

n     t 

,  KNO,+Ka 

5 

n 

2 

5 

15 

42 

»     i 

>          w             >» 

48 

II 

— 

26 

17 

48 

Entsprechend  der  geringen  Löslichkeit  des  Chlorsilbers 
ist  die  electromotorische  Kraft  des  Luftelementes  aus  Silber 
in  Ohloriden  klein.  Da  weiter  KCl  aus  AgNO,  Ag  ansf&llt, 
wird  die  Kraft  des  aus  Ag  und  E^O,  gebildeten  Lnftele- 
mentes  durch  Zusatz  von  KCl  erheblich  verkleinert. 

Platin. 
Zeit  nach  dem       Electromot  Kraft 


Ansetien 

I 

n 

in 

IV 

Pt 

in  Wasser 

24  Stunden 

47 

^ 

60 

58 

» 

»        >» 

48 

11 

66 

— 

— 

62 

» 

»  MgCl, 

12 

11 

18 

— 

27 

42 

ii 

»       11 

36 

n 

36 

18 

26 

50 

»> 

»  MgS04 

6 

11 

40 

— 

78 

56 

>» 

11       11 

24 

11 

47 

— 

98 

— 

» 

11  KNO, 

6 

11 

34 

— 

39 

18 

» 

11       11 

24 

11 

79 

.— 

45 

29 

» 

,,  KN0,+KC1 

48 

11 

26 

— 

43 

52 

IJ 

11             11                19 

72 

11 

29 

— 

57 

73 

» 

11  HjSO^ 

24 

11 

— 

— 

20 

14 

»> 

11       11 

48 

11 

— 

— 

18 

15 

§  32.  Es  wäre  mit  Rücksicht  auf  die  gegebene  Theorie 
der  Luftelemente  von  grossem  Interesse  gewesen,  Electroden 
aus  reiner  Kohle  zu  untersuchen.  Indessen  hat  Beetz ^), 
welcher  auf  die  Reinigung  der  Kohlen  grosse  Mühe  ver- 
wandte,  aus  seinen  Versuchen  gefolgert ,  dass  die  von  ihm 
benutzte  Kohle  trotz  aller  Reinigung  noch  Metalloxyde  ein- 
gemischt enthielt.  Ich  habe  daher  von  der  Herstellung  rei- 
ner Kohle  vorläufig  Abstand  genommen.') 


1)  W.  Beetz,  Wied.  Ann.  6.  p.  13.  1878. 

2)  Fa herrsche  Stifte  sind  ihres  Eisengehalts  wegen  völlig  unbrauchbar. 


VoUdichei  Element  und  Polarisation.  8i8 

§  83.  Betrachten  wir  jetzt  schlieeslich  den  yielfeich  onter- 
Buchten  Fall  der  Polarisation  des  Platins  in  yerdünnter 
Schwefelsäure  9  so  stelle  ich  mir  yor,  dass  vor  der  Polarisa- 
tion an  beiden  Electroden  eine  geringe  Menge  Platin  sich 
in  Lösung  befindet ,  dass  durch  den  Strom  an  der  Kathode 
Pt  ausgefällt,  an  der  Anode  neues  Pt  in  Lösung  gebracht 
wird,  und  dass  ein  Theil  der  Polarisation  auf  der  so  ent- 
standenen Concentrationsdifferenz  der  Platinlösung  an  den 
Electroden  beruht  Dieser  Theil  kann  erheblich  grösser  sein, 
als  die  electromotorische  Kraft  des  aus  Platin  und  verdünn- 
ter Schwefelsäure  gebildeten  Luftelements  (0,01 — 0,02  Volts), 
da  durch  die  Wasserstoffentwicklung  an  der  Kathode  die 
Verdünnung  der  Platinlösung  viel  weiter  getrieben  werden 
kann,  als  durch  die  Entfernung  der  Luft  mittelst  der  Wasser- 
luftpumpe, und  das  nascirende  SO^  an  der  Anode  viel  stär- 
ker lösend  wirken  kann,  als  der  atmosphärische  Sauerstoff.  — 
Entsprechend  kann  die  Wirkung  des  Wasserstoffs  am  Platin 
in  dem  G-rove'schen  G-aselement  zum  Theil  auf  der  bekann- 
ten Thatsache  beruhen,  dass  der  Tom  Platin  occludirte 
Wasserstoff  die  reducirenden  Eigenschaften  des  nascirenden 
Wasserstoffs  besitzt^)  und  daher  gelöstes  Platin  ebenso  aus- 
fällen wird,  wie  der  durch  den  electrischen  Strom  ent- 
wickelte. 

§  34.  Ich  habe  mich  in  diesem  Aufsatz  bemüht,  zu 
zeigen,  dass  für  die  Theorie  des  Volta'schen  Elements  und 
seiner  Polarisirbarkeit  eine  Thatsache,  welche  man  bisher 
nicht  hinreichend  beachtet  zu  haben  scheint,  von  Bedeutung 
ist;  die  Thatsache  nämlich,  dass  sich  in  dem  sauerstoffhal- 
tigen Electrolyten  etwas  von  dem  Metall  der  Electroden 
löst,  und  zwar  um  so  mehr,  je  mehr  Sauerstoff  gegen- 
wärtig ist. 

Die  metallischen  Electroden  eines  Volta'schen  Elements 
sind  daher  von  einer  schwachen  Salzlösung  ihres  eigenen 
Metalls  umhüllt,  mit  deren  Concentration  die  electromoto- 
rische Kraft  an  einer  Electrode  sich  ändert. 

Bewirkt  man  daher  in  dem  einfachsten  Fall  einer  Zer- 


1)  Gladstone  u.  Tribe,  Chera.  Soc.  Joarn.  Trans.  1878.  p.806,  bei 
A.  Wright,  Phil.  Mag.  (5)  11.  p.  182.  1878. 


844  F.  Streintz. 

setzungszelle  aus  zwei  gleichen  metallischen  Electroden  in 
einem  Electrolyten,  dass  jene  Lösung  an  der  einen  Electrode 
concentrirter  als  an  der  anderen  ist,  so  entsteht  eine  elec- 
tromotorische  Ejraft  in  der  Richtung  Ton  der  verdünnteren 
Lösung  durch  den  Ejlectrolyten  zur  concentrirteren.  Dies 
wird  erreicht,  wenn  man,  wie  beim  Luftelement,  den  Sauerstoff- 
gehalt an  einer  Electrode  durch  Auspumpen  und  Auskochen 
verringert;  es  wird  in  noch  höherem  Grade  erreicht,  wenn 
man  einen  electrischen  Strom  durch  die  Zelle  schickt.  Ein 
Theil  der  galvanischen  Polarisation  beruht  daher  jedenfSEills 
auf  dieser  Ursache,  die  Grösse  dieses  Theiles  konnte  nicht 
ermittelt,  dagegen  konnten  verschiedene  Polarisationserschei- 
nungen auf  ihn  bezogen  werden. 

Freiburg  i.  Bad.,  den  28.  Sept  1889. 


II.   Beiträge  zu/r  JJiearie  des  Secu/ndärelementea; 

van  Franz  Streintz. 

(Hierin  Tat  IV   Fig.  2.) 

(Erste  Mittheilung.) 


Die  grosse  Verbreitung,  welche  die  aus  Blei  gebildeten 
Secundärelemente  in  den  letzten  Jahren  sowohl  im  Labora- 
torium als  in  der  Technik  gefunden,  gab  einer  Reihe  von 
Physikern  und  Electrotechnikern  Veranlassung,  sich  ein- 
gehend mit  den  Erscheinungen  zu  befassen,  welche  bei  der 
Ladung  und  Entladung  derartiger  Elemente  auftreten.  Die 
einschlägigen  Untersuchungen  können  in  zwei  Gruppen  ge- 
schieden werden;  die  eine  Gruppe  dient  der  Feststellung  der 
electroly tischen  Vorgänge  im  Elemente,  die  andere  bezweckt 
die  Ermittelung  des  Nutzeffectes  an  den  zahlreichen  Typen 
desselben. 

So  einfach  die  electrolytischen  Vorgänge  auf  den  ersten 
Blick  wohl  erscheinen  mögen,  so  sind  dieselben  nichts  weniger 
als  vollständig  erkannt  anzusehen.  Unterscheidet  doch  S. 
Thompson^)  fünf  verschiedene  Anschauungen,  welche  einen 

1)  S.  Thompson,    vgl.  Hoppe,  Die  Accumulatoren.    Berlin,  1888. 
p.  156. 


Theorie  de$  Seeunddrelementei.  845 

geringeren  oder  grösseren  Anspruch  auf  Wahrscheinlichkeit 
erheben.  Die  Discrepanz  ergibt  sich  zum  Theil  aus  der 
wechselnden  Rolle,  welche  dem  Bleisulfat  zugeschrieben  wird; 
zum  Theil  jedoch  differiren  die  Anschauungen  dadurch, 
dass  jeder  einzelnen  im  Elemente  thätigen  Platte  verschie- 
dene Veränderungen  durch  die  Ionen  zugedacht  werden. 
Daraus  ergibt  sich  die  Noth wendigkeit ,  jede  der  beiden 
Platten  getrennt  zu  untersuchen.  Ein  derartiger  Versuch 
wurde  vor  drei  Jahren  unternommen^)  und  führte  zu  dem 
Ergebnisse ;  dass  die  mit  Weisser stoff  versehene  PUäU  als  Ur» 
heberin  des  Verfalles  der  electromotarischen  Kraft  des  Elementes 
anzusehen  ist.  Die  Erscheinung  wurde  an  kleinen,  nach 
Plante's  Angabe  formirten  Bleiplatten  beobachtet.  Hä- 
berlein^)  bezweifelt  die  allgemeine  Gültigkeit  der  Behaup- 
tung, ,,da  auch  der  Fall  eintreten  könne,  dass  die  positive 
Electrode  so  sehr  desoxydirt  ist,  um  ihrerseits  den  Abfall 
der  Klemmenspannung  herbeizuführen^  verzichtet  aber  hier- 
für einen  Beweis  zu  liefern.  Hoppe')  entdeckt,  dass  die 
Bedingung  für  eine  Entladung  des  Elementes  nach  dem  von 
Aulinger  und  mir  angegebenen  Schema  fehle,  nämlich  die 
positive  Electrode,  was  auf  einem  Missverständnisse  der  Ver- 
suchsanordnung beruht.  Damit  aber  ?rird  auch  die  weitere 
Kritik,  welche  Hr.  Hoppe  den  Versuchen  angedeihen  lässt, 
hinfällig.  In  einer  brieflichen  Mittheilung,  welche  ich  Hm. 
Hoppe  verdanke,  wird  als  neues  Argument  gegen  die  Ver- 
suche angeführt,  dass  bei  hinlänglich  grossem  Widerstände 
stattfindende  Entladungen  sich  von  den  kurzen  Entladungen, 
wie  sie  ausgeführt  wurden,  wesentlich  unterscheiden  können. 
Die  Berechtigung  dieses  Einwandes  steht  ausser  Zweifel 
und  bot  mir  die  unmittelbare  Veranlassung,  die  Unter- 
suchung über  die  Thätigkeit  jeder  einzelnen  Platte  im  Secun- 
därelemente  in  etwas  vergrössertem  Maassstabe  wieder  auf- 
zunehmen. 

Die  Versuche  wurden  anfänglich  mit  Hülfe  der  electro- 
magnetisch  angeregten  Stimmgabel  angestellt,  doch  war  dafür 
gesorgt,  dass  das  untersuchte  Element  sowohl  bei  der  Ladung 

1)  Streintz  u.  Aulinger,  Wied.  Ann.  27.  p.  178.  1886. 

2)  Häberlein,  Wied.  Ann.  31.  p.  398.  1887. 

3)  Hoppe,  1.  c,  p.  155. 


346  F.  Sireintz. 

als  bei  der  EnÜadung  für  gewöhnlich  dauernd  gesohlossen 
blieb.  Erst  wenn  die  Potentialdifferenzen  zwischen  dem 
amalgamirten  Zink  und  der  positiven  Platte,  bezw.  der  nega-^ 
tiven  Platte,  P  und  p  bestimmt  werden  sollten,  trat  die 
Stimmgabel  in  Thätigkeit.  Dabei  stellte  es  sich  heraus,  dass 
die  Potentialdifferenzen  innerhalb  jener  Grenzen,  über  welche 
sich  die  Untersuchung  erstreckte,  kaum  verändert  wurden, 
ob  nun  diese  Messungen  bei  periodisch  unterbrochenem  oder  bei 
dauernd  geschlossenem  Stromkreise  ausgeführt  worden  waren» 
Dadurch  war  ich  in  die  Lage  versetzt,  die  viel  bequemere,  von 
Fuchs ^)  angegebene  Methode  in  Anwendung  zu  bringen» 
Figur  2  gibt  ein  Schema  dieser  Anordnung:  zur  Bestim- 
mung der  Potentialdifferenzen  P  und  p^  welche  je  nach  Stel- 
lung der  Wippe  fV  erhalten  wurden,  diente  ein  empfind» 
liches  Galvanometer  G,  das  mit  einem  Bheostatenwiderstande 
von  0,5.10®  Ohms  verbunden  war.  Ein  in  diese  Leitung 
geschaltetes  Normalelement  von  Clark,  dessen  electromo- 
torische  Kraft  nach  Lord  Bayleigh^: 

1,485(1  -.0,0377(^-15)) 
beträgt,  erzeugte  eine  dauernde  Ablenkung  von  etwa  150 
Theilstrichen  einer  in  der  Entfernung  von  2,5  m  vom  Spiegel 
aufgestellten  Scala.  Eine  Umschaltevorrichtung  ermöglichte 
es,  die  Aichung  des  Instruments  jederzeit  vorzunehmen.  Die 
amalgamirte  Zinkplatte  Z  befand  sich  abweichend  von  den 
früheren  Versuchen  in  einem  mit  verdünnter  Schwefelsäure 
in  demselben  Mischungsverhältnisse  wie  im  Secundärelemente 
gefüllten  Becher.  Mit  derselben  Flüssigkeit  war  das  Heber- 
rohr H  gefüllt.  Zur  Ladung  wurde  entweder  der  Strom 
einer  Dynamomaschine  oder  von  Secundärelementen  ver- 
wendet. Jenachdem  das  Element  S  geladen  oder  entladen 
werden  sollte,  waren  die  Näpfchen  a  und  d,  b  und  c,  oder 
a  und  b  miteinander  verbunden.  Die  Stromstärke  konnte 
am  Galvanometer  J,  welches  gelegentlich  durch  ein  Ampere- 
meter nach  Eohlrausch  ersetzt  wurde,  abgelesen  werden. 
Q  endlich  bezeichnet  einen  Stöpseletalon  im  Gesammtwider- 
stande  von  1000  S.-E. 


1)  Fuchs,  Pogg.  Ann.  156.  p.  156.  1875. 

2)  Lord  Rayleigh,  Phil.  Trans,  of  the  Roy.  Soc.   1886.  p.  799. 


) 


Theorie  des  Seeundärekmentes.  847 

Ich  gehe  nun  daran,  die  Vennche  in  derselben  Reihen- 
folge mitzutheilen,  in  welcher  sie  ausgefbhrt  wurden. 

1.    Entladung  und  Ladung  von  Elementen 
nach  Farbaky-Schenek. 

Die  Elemente  sind  aus  der  Fabrik  G-etz  &  Odendall 
in  Wien  bezogen  und  stehen  seit  etwa  zwei  Jahren  im  hie- 
sigen Laboratorium  in  Verwendung.  Ein  Element  hat  ein 
Gesammtgewicht  von  27  kg,  besteht  aus  3  positiven  und  4  nega- 
tiven Platten  von  26,5  x  146  qcm  Fl&che  und  ist  mit  verdünnter 
Schwefelsäure  (1:3)  gefüllt.  Prof.  v.  Walt enhofen^)  unter- 
zog diese  Accumulatoren  der  Untersuchung  in  Bezug  auf 
ihre  Güteverhältnisse. 

Das  Element  mit  der  Fabriknummer  604  wurde  mit 
einem  Strome  von  15  Ampere,  welchen  die  Dynamomaschine 
lieferte,  geladen  und  erhielt  120  Amp&re-Stunden.  Es  er- 
gaben sich  als  Potentialdifferenzen  P  und  p^  bei  offenem 
Elemente,  fünf  Stunden,  nachdem  die  Ladung  unterbrochen 
war: 

P«  2,557  F,      p  =  0,381  F,      £«  P-p  =  2,176  V. 

Nun  wurde  das  Element  in  einem  Stromkreise,  dessen  Ge- 
sammtwiderstand  3,5  Ohms  betrug,  entladen.  Die  Poten- 
tialdifferenzen betrugen: 


P 

P 

£ 

29.  Juni  1889. 

5*^  nachm. 

2,552 

0,388 

2,169 

F 

(unmittelbar  naoh  StromieblaM) 

b^  10» 

2,542 

0,382 

5    20 

2,539 

0,384 

5    30 

2,589 

0,384 

6    30 

2,587 

0,388 

7     30 

2,587 

0,388 

SO.  JunL 

11*»  vorm. 

2,522 

0,389 

2,188 

V 

6    nachm. 

2,520 

0,390 

1.  Juli. 

9    vorm. 

2,499 

0,897 

2,102 

V 

12    nachts 

2,496 

0,394 

2.     „ 

8    vorm. 

2,495 

0,397 

2,098 

V 

7    abends 

2,496 

0,401 

Der  Strom  7^  5°*  abends  unterbrochen. 

3.  Juli.  Derselbe  8^  20™  vorm.  von  neuem  geschlossen. 

8»»  30»  vorm.        2,500  0,402  2,098   V 

7     12    abends      2,496  0,401 

unterbrochen  7^  15»  abends. 


1)  V.  Waltcnhofen,  Zeitschr.  f.  Electrot  4.  p.  242.  1886. 


348 


F.  Streintz. 


4.  Juli  1889  geBchloBsen  ^  vorm.    P  p 

8^  20»  Torm.        2,505  0,408 

6    —    abends      2,498  0,409 

unterbrochen  6*^  5"  abenda. 


2,097 


5. 


9> 


geschlossen 
8^  — «  vorm. 
2    16    nachm. 


26 
86 
87 
88 
89 
40 
41 
48 
45 
55 


7  50  vorm. 
2,498 
2,492 
2,500 
2,504 

2,504 


2,504 
2,518 


0,416 
0,428 
1,006 
1,706 
1,959 
2,068 
2,120 
2,157 
2,186 
2,215 
2,247 
2,324 


2,082   V 


0,194   F 


Die  Veränderungen  von  P  und  p  bestätigen  also  auf 
das  neue,  dass  es  nicht  die  positive,  sondern  die  negative 
Platte  ist,  welche  den  Verfall  der  electromotorischen  Kraft 
bewirkt  Der  bei  der  Entladung  entwickelte  Sauerstoff  hat 
das  metallische  Blei  an  der  Oberfläche  zuerst  in  Oxyd,  dann 
in  Superoxyd  verwandelt.  Eine  andere  Erklärung  für  das 
bedeutende  Anwachsen  von  p  bis  zu  2,8  Volts  dürfte  kaum 
gefunden  werden.  Es  ist  mithin  der  Beweis  erbracht,  dass 
auch  eine  bei  sehr  geringer  Stromdichte  vorgenommene 
Entladung  zu  analogen  Ergebnissen  führt;  die  Vergrösserung 
der  Oberfläche  der  negativen  Platte  war  noch  nicht  hinrei- 
chend, dieselbe  vor  dem  Verfalle  zu  bewahren.  Auf  diesen 
letzteren  Punkt  werde  ich  übrigens  im  Laufe  der  Unter- 
suchung noch  zurückkommen. 

Das  Element  Nr.  642  hatte  gleichfalls  120  Ampere- 
Stunden  Ladung  erhalten.  Nachdem  es  zwei  Tage  nach 
beendeter  Ladung  sich  selbst  überlassen  worden  war,  fanden 
sich  bei  geöffnetem  Stromkreise  die  Potentialdifferenzen: 

P  p  E 

7.  Juli  vorm.      2,487  0,396  2,091   V 

Die  Entladung  erfolgte  nunmehr  zuerst  bei  veränder- 
licher Stromstärke  und  ergab: 

J 
3  Ampere 


^ 

»1 

5 

jf 

7 

yy 

17,5 

V 

Der  Strom  geöffiiet:    2,482 


p 

P 

E 

2,466 

0,421 

2,045   F 

2,460 

0,425 

2,035 

2,458 

0,426 

2,032 

2,455 

0,431 

2,024 

2,443 

0,455 

1,988 

2,482 

0,408 

2,074 

Theorie  des  Seeundärelementes.  849 

Hierauf  wurde  die  Entladung  des  Elements  bei  con- 
stantem  Widerstände  fortgesetzt  und  lieferte  das  nachstehende 
Besultat: 

7.  JoH.    121"  80»  nachm.        4  Amp.  2,464  0,425  2,089  V 

(nnmittaibsr  nach  8«liliiii) 

7*"  80"  abends        4     »  2,456  0,442 

(8^  abendfl  geöffiiet) 

8.  JulL  (10^  80^  yonn.  geschloesen) 

lO^"  40"  vonn.         4  Amp.         2,461  0,487  2,024  V 

4    50    nachm.       4     n  2,459  0,459 

(5*^  nachm.  geöffnet) 

9.  JulL  (10^  85"  vorm.  geschlossen) 

10»»  50"  vorm  4  Amp.  2,456  0,472  1,984  V 

11    80        n  8,8    19  2,458  0,489 

11  50        Ti  8,8    „  2,451  0,501 

12  —  mitt  8,8  ,,  2,452  0,510 
12  10  nachm.  8,8  n  2,448  0,524 
12  25  j,  8,7  »  2,449  0,577 
12  85  »  3,6  »  2,446  0,605 
n  40  n  8,6  n  —  0,648 
»  45  I,  —  »  —  0,720 
n  46  )i  —  i>  —  0,765 
n     48         n              8,2     n                —  0,886 

12^  50"  nachm.      8,1    n  —  0,941 

»     51        »  3,0    „  —  0,981 

»»     53        „  3,0    )>  —  0,989 

»>     55        »  2,9    9)  —  1,021 

n     56        n  —    »  2,442  1,050 

>f     57         n  —     n  —  1,315 

1»»     1"      „  2,1     „  —  1,420 

4        "  2,0    7,  —  1,519 

7         »  1,5     „  —  1,624 

9        »  1,0    »  —  1,679 


n 


»>  12  „  —  w  —  1,760 

M  15  »  —  >j  —  1,848 

n  18  ,,  —  ,,  2,456  1,921     0,585  V 

»  20  »  —  »  —  1,979 

2^  20"  )>  —  V  2,466  2,326 

Es  soll  hier  darauf  aufmerksam  gemacht  werden,  dass  die 
Werthe  von  P  nicht  vollständig  unveränderlich  sind.  Sie 
nehmen  zuerst  mit  dem  Fortschreiten  der  Entladung  ab, 
um  sich  bei  eingetretener  Erschöpfung  des  Elementes  wieder 
zu  erholen. 

Zur  Bestimmung  der  PotentialdiflFerenzen  P'  und  p' 
während  der  Ladung  wurde  das  Element  von  neuem  mit  der 
Dynamomaschine  bei  einer  Stromstärke  von  15  Amp.  ver- 
bunden.   Es  ergaben  sich  die  nachstehenden  Werthe: 


J 

P' 

P' 

X' 

ehm. 

15  Amp. 

2,588 

0,880 

2,tti  r 

ychnL 

99 
99 
99 

99         99 
99         99 
99         »9 
99         99 

2,588 
2,644 
2,696 
2,690 

0,865 
0,871 
0,898 
0,402 

2,288  r 

850  F. 


18.  JnlL     8*"  45*   nachm. 
(vimJttolbar  ueh  8t 
4h  20- 

5  20 

6  20 

7  — 

Der  Strom  wurde  unterbrochen,  nachdem  das  Element 
eine  Ladung  von  60  Amp6re-Stunden  erhalten  hatte.  Am 
nächsten  Morgen  (8^  25°^)  wurde  die  Ladung  bei  etwas 
grösserer  Intensit&t  fortgesetzt. 

J  P'        p  E' 

14.  JulL       9*"  vorm.         17  Amp.         2,782         0,402  2,830  V 

10  99  99      99  2,795  0,400  2,895 

11  99  99      99  2,845  0,390  2,455 

Das  Element  hatte  eine  weitere  Ladung  von  56  Ampöre- 
Stunden  erhalten;  am  n&chsten  Tage  wurde  so  lange  weiter 
geladen,  bis  lebhafte  Gasentwickelung  an  beiden  Electroden 
eingetreten  war.  Die  zu  dieser  Zeit  beobachteten  Potential- 
differenzen waren: 

J  P'  p  JS' 

15.  JolL      18*"  mittags.    17  Amp.         2,857         0,392         2,465  V 

Die  Werthe  von  P*  nehmen  bei  der  Ladung  allm&hlich 
zu,  jene  von  p'  verändern  sich  nur  wenig  in  den  ersten 
Stunden  nach  Stromschluss,  um  später  auf  ziemlich  constan- 
tem  Niveau  zu  bleiben.  Die  negative  Platte  verhielt  sich 
stets  electronegativ  gegen  Zink,  die  Wasserstoffpolarisation 
des  Bleies^)  wurde  nicht  erreicht;  es  erfolgte  dies  auch 
nicht,  als  die  Stromstärke  ungefähr  verdoppelt  worden  war. 
Bei  30  Amperes  kehrte  sich  nämlich  p'  nicht  um,  sondern 
ergab  0,819  V  in  demselben  Sinne  wie  vorher. 

2.    Abhängigkeit  der  Potentialdifferenzen  von  der 

Stromdichte. 

Die  für  praktische  Zwecke  ausgeführten  Secundärelemeote 
gestatten  wegen  der  grossen  Oberfläche  der  Platten  nicht, 
die  Stromdichte  über  eine  gewisse  Grenze  hinaus  zu  steigern. 


1)  Streintz  u.  Aulinger.  1.  c.  p.  180. 


Theorie  du  Secundärelemenies.  361 

Ss  erschien  daher  wünschenswerih,  die  Versuche  mit  kleinen 
Electroden  fortzusetsen.  Ferner  hielt  ich  es  von  Nutzen, 
die  w&hrend  der  Ladung  entwickelten  freien  Oase  messen  lu 
können.  Diesen  beiden  Bedingungen  wurde  durch  folgende 
Anordnung  Rechnung  getragen. 

Aus  je  einer  positiyen  und  einer  negativen  Platte  eines 
Elements  von  Faure-Sellon-Volckmar  (ELPower  Storage 
Comp.)  wurden  Stücke  geschnitten,  welche  aus  3x2  Maschen 
des  quadratischen  Gitters  bestanden  und  eine  Fl&che  von 
2,15  X  1,46  qcm  bedeckten.  Die  positive  Electrode  hatte 
eine  Dicke  von  0,329  cm,  ein  Gewicht  von  6,926  g,  die  nega- 
tive Electrode  eine  Dicke  von  0,221  cm,  ein  Gewicht  von 
5,329  g.  An  die  Platte  wurden  steife  Kupferdrähte  gelöthet, 
welche  gleich  wie  die  metallischen  Schnitt-  und  Löthstellen 
einen  Ueberzug  von  Schellackfirniss  erhielten.  Die  Electro- 
den waren  in  einem  Hofmann'schen  Voltameter,  welches 
gewöhnlich  zur  Analyse  der  Salzsäure  dient,  derartig  be- 
festigt, dass  sie  in  jenen  Raum  der  Messröhren  zu  stehen 
kamen,  welcher  in  der  Verlängerung  des  verbindenden  Quer- 
rohrs gelegen  war.  Damit  wurde  erreicht,  dass  die  Strom- 
dichte  an  den  verschiedenen  Stellen  der  Electroden  keinen 
Aenderungen  unterlag.^)  Als  Electrolyt  stand  wieder  eine 
Mischung  von  einem  Volumen  Schwefelsäure  und  drei  Volumen 
Wasser  in  Verwendung.  Das  Voltameter  befand  sich  in 
einem  Stromkreise,  in  welchen  drei  Secundärelemente  (Far- 
baky-Schenek)  geschaltet  waren.  Nach  anderthalbstün- 
diger  Ladung  bei  einem  Widerstände  (»aal50S.-E.  er- 
gaben sich: 

J  r  p'  E 

0,02540  Amp.  2,572  0,830  2,242. 

Nun  wurde  die  Ladung  fortgesetzt  und  dabei  g  variirt. 
Nach  jeder  Aendernng  des  Widerstandes  verstrichen  5  Minu- 
ten bis  zur  Beobachtung  bei  der  veränderten  Stromstärke. 


1)  Ich  unterliess  es,  die  Stromdichte  (J.cm~*)  irgendwo  im  Laufe 
der  üntersuchang  ziflfeminäBsig  anzugeben,  weil  ich  die  Ansicht  Tertrete, 
dass  sich  jene  hei  der  Unkenntniss,  welche  man  über  die  Ausdehnung 
der  wirksamen  Oberfläche  besitzt,  gar  nicht  exact  bestimmen  lässt  Der 
neuerlich  in  die  Technik  eingeführte  Ausdruck  ,,Stromdichte  pro  Massen- 
einheit" ist  sinnwidrig. 


S62 


F.  Streitäz. 

9 

P' 

1 
P 

E' 

1,000  S-E. 

2,488 

0,402 

2,081 

700 

» 

2,489 

0,898 

2,096 

500 

}9 

2,508 

0,388 

2,115 

800 

>l 

2,528 

0,866 

2,162 

200 

W 

2,551 

0,864 

2,187 

*150 

n 

2,570 

0,880 

2,240 

100 

» 

2,602 

0,288 

2,814 

80 

n 

2,704 

0,259 

2,445 

50 

n 

2,722 

0,181 

2,541 

40 

n 

2J64 

0,181 

2,688 

•150 

n 

2,574 

0.821 

2,258 

80 

V 

2,886 

0,061 

20 

n 

2,953 

-0,062 

10 

n 

3,174 

-0,327 

Aus  der  Tabelle  geht  hervor:  Mit  wachsender  Strom- 
dichte  nimmt  P'  erst  allmählich,  dann  rascher  zu;  die  Werihe 
von  p  hingegen  sind  in  ähnlicher  Abnahme  begriffen,  gehen 
bei  einem  Widerstände,  welcher  zwischen  20  und  30  S.-K 
gelegen  ist,  durch  Null,  um  bei  noch  geringerem  Wider- 
stände ihr  Zeichen  zu  wechseln.  Es  verhält  sich  somit  die 
Platte,  an  welcher  der  Wasserstoff  abgeschieden  war,  zuerst 
electronegativ,  dann  neutral  und  schliesslich  electropositiv 
gegen  amalgamirtes  Zink.  In  der  wiederholt  angeführten 
Untersuchung  wurde  nach  derselben  Methode  zwischen  metal- 
lischem, mit  Wasserstoff  bedecktem  Blei  and  Zink  in  Zinksulüat 
eine  Potentialdifferenz  —0,26  V.  gefunden.  Der  Widerstand  im 
Stromkreise  war  damals  nicht  bestimmt  worden.  Der  £iin- 
fluss,  welchen  derselbe  bei  der  Ladung  eines  Secundärelements 
äussert,  ist  aber  ein  sehr  bedeutender  und  lässt  sich  erklären, 
wenn  man  annimmt,  dass  nur  ein  Theil  der  abgeschiedenen 
Gase  chemisch  gebunden  werden,  während  der  andere  Theil  in 
seiner  ursprünglichen  Form  die  Platten  bedeckt,  um  sich  dann 
von  ihnen  loszureissen«  Je  grösser  die  Stromdichtigkeit,  desto 
lebhaftere  Gasentwickelung  tritt  auf.  Die  Bedeckung  der 
Electroden  mit  Gasen  verursacht  ein  Steigen  von  i^,  ein 
Sinken  von  p\  da  sich  an  denselben  die  freie  Gaspolarisation 
bemerkbar  macht.  Dass  die  Gasentwickelung  bei  vergrösser- 
ter  Intensität  eine  viel  kräftigere  ist,  als  dies  durch  die 
Vergrösserung  dieser  allein  erklärt  würde,  zeigten  Versuchs- 
reihen, während  welchen  g  ungeändert  blieb.  So  betrugen  in 
einem   Voltameter,    welches    nach    vollständiger    Entladung 


Theorie  des  Secundärelemenies.  853 

durch  drei  Secund&relemente  bei  p  ■■  80  Ton  neuem  geladen 
wurde,  die  entwickelten  G-asmengen  nach  8^: 

20,8  ccm  an  der  Anode, 
44,8    9j     n      n   Kathode, 

während  sie  sich  in  einem  gleicher  Behandlung  unterworfe- 
nem Voltameter  bei  ^  s  50  nach  5*^  auf: 

11,0  ccm  an  der  Anode, 

33,0    »     »      ji   Kathode  beliefen. 

Da  der  Widerstand  des  Voltameters  sehr  gering  war, 
80  kann  annähernd  angenommen  werden,  dass  das  Voltameter 
in  beiden  F&Uen  dieselbe  Electricitfttsmenge  erhalten  hatte. 
DaTon  war  im  ersten  Falle  ein  viel  grösserer  Antheil  zur 
freien  Gasentwickelung  verbraucht  worden,  als  im  zweiten 
Falle.  Weil  aber  die  aufsteigenden  Gase  keinen  Beitrag 
fOr  die  Ladung  des  Elementes  liefern  können,  so  ergibt  sich, 
dass  die  Dissipation  der  Energie  bei  geringerem  Widerstände 
eine  bedeutendere  ist,  wie  bei  grösserem. 

Aus  den  angeführten  Zahlen  ist  femer  ersichtlich,  dass 
sich  das  Verh&ltniss  der  beiden  Ionen  zu  einander  ändert. 
Ich  muss  vorläufig  darauf  verzichten,  auf  diese  Erscheinung 
näher  einzugehen,  da  dieselbe  ziemlich  verwickelter  Natur 
zu  sein  scheint,  und  ihre  Verfolgung  auch  äusserst  zeitrau- 
bend ist 

Ich  kehre  zur  Discussion  der  Werthe  P"  und  p'  zurück. 
Man  wird  finden,  dass  die  Grösse  E'  für  das  Intervall  von 
(>  =  30  bis  ^  =  10  in  der  Tabelle  nicht  berechnet  ist  Es 
geschah  dies  nicht  ohne  Absicht.  Innerhalb  dieses  Inter- 
yalles  gelang  es  nämlich  nicht  mehr,  gut  übereinstimmende 
Werthe  zu  erhalten,  wenn  an  Stelle  der  Fuchs 'sehen 
Methode  die  Stimmgabel  in  Function  trat.  Es  ist  bei  der 
Eigenthümlichkeit  dieser  Methode  eben  denkbar,  dass  die 
Werthe  von  P'  und  p'  in  diesem  Intervall  eine  wenn  auch 
geringe  Beeinflussung  durch  das  Potentialgefälle  zwischen 
den  Electroden  und  den  dieselben  umspülenden  Flüssigkeits- 
schichten erleiden.  Ich  bemerke  femer,  dass  die  Ladung 
des  Voltameters  nach  Beendigung  der  Beobachtungen  bei 
veränderlichem  Widerstände  mit  dem  ursprünglichen  Wider- 
stände {q  =  150)   fortgesetzt  wurde.    P"  nahm   dabei   stetig 

ADD.  d.  Pbj«.  XL  Chem.  N.  F.    XXXVIII.  28 


854  F.  Sireiniz. 

SU,  w&hrend  p'  kaum  einer  weiteren  Aenderung  unterlag. 
So  verhielten  sich  nach  SVsBtündiger  fortgesetzter  Ladang: 

^  P'  p'  M' 

150  S.-E.  2,758  0,828  2,480 

und  nach  einer  weiteren  Stunde: 

150  S.-K     2,755     0,328     2,482 

Um  die  Abhängigkeit  der  Potentialdifferenzen  P  und  p 
von  der  Stromstärke  bei  der  Entladung  nachzuweisen,  wurde 
das  vorher  langsam  entladene  Voltameter  mit  drei  Secundftr- 
elementen  bei  g  =  800  S.-E.  durch  16  Stunden  geladen.  Die 
Beobachtungen  während  der  Entladung  erfolgten  erst,  nach- 
dem das  Voltameter  über  eine  Stunde  bei  demselben  Wider- 
stände in  sich  geschlossen  war.  Diese  Einrichtung  musste 
getroffen  werden,  damit  keine  Störung  durch  eine  etwa 
vorhandene  Sauerstoffpolarisation  verursacht  werde. ^)  In  der 
nachstehenden  Tabelle  sind  die  Werthe  von  p  und  P  flir 
verschiedene  Stromstärken,  gegeben  durch  die  Widerstände  ^, 
verzeichnet.  Wie  vorher,  wurde  auch  hier  von  Zeit  zu  Zeit 
auf  die  ursprüngliche  Stromstärke  zurückgegangen,  und  das 
Intervall  von  5  Minuten  von  der  Einschaltung  des  neuen 
Widerstandes  bis  zur  Beobachtung  bei  demselben  eingehalten. 


Q 

J 

P 

P 

E 

CO 

— 

2,529 

0,440 

2,089 

♦SOG 

0,00708 

2,495 

0,488 

2,007 

1,000 

— 

2,528 

0,459 

2,069 

700 

— 

2,523 

0.462 

2,061 

500 

— 

2,515 

0,472 

2,048 

*300 

— 

2,500 

0,486 

2,014 

200 

— 

2,494 

0,493 

2,001 

150 

— 

2,472 

0,507 

1,965 

100 

— 

2,459 

0,580 

1,929 

80 

— 

2,438 

0,542 

1,896 

50 

— 

2,402 

0,578 

1,824 

*300 

— 

2,497 

0,482 

2,015 

40 

2,399 

0,610 

1,789 

30 

— 

2,891 

0,618 

1,778 

20 

— 

2,347 

0,651 

1,696 

10 

— 

2,171 

0,847 

1,324 

Bei  der  Entladung  tritt  also  die  entgegengesetzte  Er- 
scheinung auf,  wie  bei  der  Ladung.  Die  Werthe  von  P 
nehmen  zuerst  allmählich,  bei  grösserer  Intensität  stärker 
ab,  jene  von  p  nehmen  in  conformer  Weise  zu.    Die  Erklä- 

1)  Streintz  u.  Aalinger,  1.  c.  p.  186. 


Theorie  dei  Secundärelementes.  865 

tttng  f&r  die  Abnahme  von  P  ergibt  sich  aus  demselben 
Prineip  ine  bei  der  Ladung,  n&mlich  aus  dem  Verhalten 
der  freien  QttLse  an  der  Oberfläche  der  Electrode.    Bei  der 
Depolarisation  wird  an  der  Anode  Wasserstoff  entwickelt, 
welcher  zum  Theil  das  Superozyd  reducirt,  zum  Theil  aber 
gasförmig  bleibt.    Je  grOsser  die  Stromdichte,  desto  grösser 
der  letztere  Antheil.    Das  Vorhandensein  von  freiem  Wasser- 
stoff aber  muss  P  herabdrücken ,  und  dies  natürlich  um  so 
stärker,   je    lebhafter    sich    die    Gasentwickelung    gestaltet. 
Schwieriger  ist  es,   die  Erscheinungen  an  der  Kathode  zu 
erklären.     Man  könnte  auch  hier  dem    frei    aufsteigenden 
Sauerstoff  eine  Stelle  anweisen;  es  ist  aber  damit  nicht  mög- 
lich, den  bei  der  Entladung  aller  Zellen  stattfindenden  Vor- 
gang aufzuhellen,  dass  sich  p  bei  geringer  Stromdichte  so 
lange  auf  dem   constanten  Niveau  von  0,4  oder  0,5  Volts 
erhält,  bis  durch  dessen  endliches  Ansteigen  die  Erschöpfung 
des   Elements   eintritt.     Es   wurde   schon   damals  die  Ver- 
muthung  ausgesprochen,  dass  „der  Wasserstoff,  nachdem  er 
die  gründliche  Reinigung   der   Platte   vollzogen,  auch   den 
Zweck  zu  erfüllen  scheine,  den  bei  der  Depolarisation  sich 
bildenden  Sauerstoff  von  dem  Angriff  auf  das  Blei,  solange 
als  sein  Vorrath  reicht,  abzuhalten.^    Es  fehlte  aber  an  Be- 
legen idafür,  dem  Blei  direct  ein  Occlusions vermögen  zuzu- 
schreiben.   War  doch  die  Untersuchung,  welche  Gladstone 
und  Tribe^)  darauf  angestellt  hatten,  von  einem  negativen 
Resultat  begleitet  gewesen.  Nach  dem  Folgenden  aber  scheint 
es  mir  kaum  zweifelhaft,  dass  schwammiges  Blei  die  Fähig- 
keit, Wasserstoff  aufzusaugen,  sogar  in  hervorragendem  Grade 
besitze.     Wenn  man  ein  vollständig  geladenes  Voltameter 
längere  Zeit  geöffnet  stehen  lässt,  so  sieht  man,   dass   die 
entwickelte  Gasmenge  an  der  Kathode  zugenommen,  wäh- 
rend jene    an    der   Anode  unverändert  geblieben  ist.     Ja 
man   ist  im  Stande,  mit    freiem  Auge    den  Gasstrom  zu 
beobachten,  welcher  von  der  negativen  Electrode  aufsteigt. 
Um  die  Menge  des  bei  offenem  Stromkreise  an  der  Kathode 
aufsteigenden  Gases  kennen  zu  lernen,  wurde  das  noch  nicht 


1)  Qladstone  u.  Tribe,  Die  ehem.  Theorie  der  Secundärbatterien, 
deutsch  von  Reichen bach.  p.  54.  1884. 

28* 


I» 
n 


856  F.  Streintz. 

gänzlich  entladene  Yoltameter  durch  drei  Elemente  bei  ge- 
ringer Stromdichte  {q  »  600)  abends  geschlossen.  Am  näch- 
sten Tage,  der  Strom  hatte  durch  22 Vs  Stunden  gedauert, 
betrugen  die  abgeschiedenen  Gasmengen: 

12,0  ccm  an  der  Anode, 

27,2    n     n     jj    Kathode. 
Nun  wurde  der  Strom  —  31.  Juli  6^  abends  —  geö£Ehet   Es 
ergaben  sich  zu  den  folgenden  Zeiten  nachstehende  Zahlen: 

81.  Juü  7    -    sDenos  |  g^^^    ^^    Kathode 

1    A  ««<*«•«    11  «/.««     J  12,2    n    Anode 

1.  Augast    11    -    vonn.    |  g^'g    ^^    Ksitode 

A    RA    «o.»it«n   i  12,2    ff    Anode 
„       „  4    60    nachm.  j  g^'^    ^^    Kathode 

o  11  w/*««     i  keine  weitere  Aenderung  an  der  Anode 

2.  „  11    -    vonn.    |  88,6  ccm  Kathode 

8.  »»  11  —        ff  88,8    »1 

ff  77  6  10  nachm.  41,0    » 

4.  „  6  —        ff  47,2 

6.  ff  10  —  Yonn.  62,6 

6.  ff  10  —        ff  69,6 

ff  ff  6  —  nachm«  61,6    ff 

Die  von  der  Electrode  im  Zeiträume  von  sechs  Tagen 
nach  erfolgtem  Oeffnen  des  Ladungsstromes  abgegebene  Gas- 
menge beträgt  mithin  34,4  ccm.  Das  Volumen  der  negativen 
Platte  war  zu  0,7  ccm  bestimmt  worden.  Es  wurde  somit 
vom  Blei  in  dieser  Zeit  das  49  fache  seines  Volumens  an 
Gas  abgegeben.  Dieses  Gas  verbrannte  vollkommen  ruhig; 
es  war  offenbar  reiner  Wasserstoff.  Durch  eine  sogenannte 
Localaction  —  wie  etwa  bei  Zink  in  verdünnter  Schwefel- 
säure —  wird  die  Abscheidung  von  Wasserstoff,  ein  Vor- 
gang, der  unter  Bildung  von  Bleisulfat  erfolgen  müsste,  nicht 
zu  erklären  sein.  Der  Anlass  zu  einer  kräftigen  Localaction, 
das  Bleisuperoxyd,  fehlte  nach  der  gründlichen  Reinigung, 
welcher  die  Electrode  durch  ihre  lange  dauernde  Polarisirung 
unterworfen  gewesen.  Es  hätte  überdies  die  Bildung  des 
unlöslichen  weissen  Bleisulfates  dem  Auge  kaum  entgehen 
können.  Die  Electrode  hatte  ihr  Ansehen  aber  nicht  ver- 
ändert. Man  wird  also  zur  Annahme  schreiten  müssen,  dass 
schwammiges  Blei  die  Eigenschaft  mit  Palladium  theile,  Wasser- 
stoff in  grösseren  Mengen  zu  occludiren.  Allein  nicht  nur 
die  Fähigkeit,  das  Gas  aufzusaugen,  sondern  auch  das  auf- 


Theorie  des  Seeundärelementei.  857 

gesaugte  zum  Theile  wieder  abzugeben,  tbeilen  die  beiden 
MetaUe.  Es  muss  also,  wie  seinerzeit  von  Palladium  be- 
hauptet wurde  ^),  der  unmittelbar  aus  der  Verbindung  in 
Atomen  scheidende  und  darum  electrisch  energischere  Was- 
serstoff von  Bleischwamm  in  grösserer  Menge  absorbirt  wer- 
den, als  der  nicht  unmittelbar  abgeschiedene. 

Nach  diesem  Excurse  kann  auf  die  Discussion  der  für 
p  bei  verschiedenen  Stromdichten  gefundenen  Werthe  zurück- 
gegangen werden«  Der  langsam  aus  der  Electrode  fliessende 
Wasserstoffstrom  wird  bei  der  Depolarisation  sich  mit  dem 
entwickelten  Sauerstoff  zu  Wasser  verbinden  und  damit  die 
Ozydirung  des  Metalles  verhüten.  Dies  gilt  natürlich  nur 
80  lange,  als  der  erscheinende  Wasserstoff  im  allgemeinen  nicht 
weniger  als  das  doppelte  Volumen  des  entwickelten  Sauersto£b 
einnimmt.  Bei  langsamen  Entladungen  wird  mithin  die 
Potentialdifferenz  p  gleich  jener  sein,  welche  dem  metalli- 
schen Blei  zu  Zink  zukommt.  Werden  aber  die  Entladungen 
bei  grösserer  Dichte  vorgenommen,  dann  wird  die  Electrode 
durch  den  überschüssigen  Sauerstoff  in  Oxyd  verwandelt  und 
somit  ein  Steigen  von  p  bewirkt.  Die  Potentialdifferenz 
zwischen  Bleioxyd  und  Zink  wurde  in  der  öfters  angeführten 
Untersuchung  zu  0,75 — 0,77  Volts  gefunden.  Es  muss  dem- 
nach p  je  nach  der  Stromstärke  in  den  beiläufigen  Grenzen 
0,4  und  0,8  V.  gelegen  sein.  Dies  ist,  wie  aus  der  Tabelle 
ersichtlich,  auch  der  Fall.  Die  Annahme  schliesst  jedoch 
nicht  aus,  dass  ein  Theil  von  Sauerstoff  in  G-asform  aufsteige; 
dadurch  würde  zwar  p  einen  noch  höheren  Werth  erhalten, 
allein  eine  zu  frühzeitige  Superoxydirung  verhindert  werden. 

Bei  der  Bestimmung  des  Nutzeffects  eines  Secundär- 
elements  wird  man  der  Eigenschaft  des  schwammigen  Bleies, 
Wasserstoff  zu  occludiren  und  denselben  wieder  allmählich 
abzugeben,  Kechnung  tragen  müssen.  Die  Stromdichten  bei 
der  Ladung  und  bei  der  Entladung,  ferner  die  Zeit,  welche 
zwischen  Ladung  und  Entladung  verfliesst,  werden  ganz  be- 
sonders berücksichtigt  werden  müssen.  Ich  bin  vorläufig 
ausser  Stande,  auf  diese  Fragen  näher  einzugehen;  allein 
soviel  ergibt  sich  zunächst  aus  den  angeführten  Versuchen, 

1)  F.  Streintz,  Wied.  Ann.  17.  p.850.  1882,  vergl.  auch  M.Thoma, 
Zeitschr.  f.  phys.  Chem.  8.  p.  69.  1889. 


368  F.  Strmtx. 

dass  die  Potentialdifforenzen  P"  und  p'  sich  von  den  Poten* 
tialdifferenzen  P  und  p  moffUehst  wenig  voneinander  unierschei" 
den  dürfen.  Dieses  Ziel  erreichen,  heisst  die  freie  Gbisent* 
wickelang  auf  das  geringste  Maass  beschränken.^)  Diese 
Forderung  kann  auch  dahin  ausgesprochen  werden,  dass  das 
Secund&relement  einem  reversiblen  Processe  unterworfen 
werden  muss.  EIm  ist  die  Aufgabe  der  Praxis,  dieser  idealen 
Bedingung  so  yollst&ndig  als  möglich  Rechnung  lu  tragen. 

8.    Die  Sückstandsbildung. 

Die  Ursache  der  schon  von  Plant6  gekannten  Erschei- 
nung, dass  ein  yollst&ndig  entladenes  Secundärelement,  wenn 
es  durch  l&ngere  Zeit  offen  gestanden,  war,  wieder  einen 
Strom  zu  liefern  im  Stande  ist,  Iftsst  sich  gleichfalls  durch 
die  Methode  der  getrennten  Untersuchung  der  Platten  er- 
kennen. Von  den  verschiedenen  Versuchen,  die  darauf  an- 
gestellt wurden,  sollen  nur  jene  mitgetheilt  werden,  welche 
mit  den  Farbaky-Schenek-Elementen  erhalten  wurden. 

Das  Element  604  besass  bei  seiner  gänzlichen  Erschöpfung 

(vgl  Tabelle  p.  848)  die  Potentialdifferenzen: 

P    2,618,  p    2,824. 

Nun  wurde  das  Element   geöffnet     Drei  Stunden  danach 

ÜAnden  sich  bei  geöfihetem  Kreise: 

P    2,619,  p    0,704. 

Das  Element  604  zeigte  nach  seiner  Entladung  (vgl  Tabelle 

p.  849): 

P    2,466,  p    2,326, 

und  drei  Stunden  nach  Oeffnen  des  Stromkreises: 

P    2,482,  p    0,440. 

Im  ersten  Fall  nahm  die  negative  Platte  ungefähr  die 
dem  Oxyd,  im  zweiten  die  dem  reinen  Blei  zugewiesene 
Stellung  in  der  Spannungsreihe  an.  Es  ist  durchaus  nicht 
nöthig,  den  Elementen  so  lange  Zeit  zur  Erholung  zu  ge- 
währen. Schon  kurz  nach  Unterbrechung  des  Stromkreises 
fällt  p  bedeutend.  Auch  Hr.  Häberlein^)  hat  die  Bück- 
standsbildung   beobachtet   und    wurde    auf  die   etwas    selt- 

1)  Vgl  die  analogen  Resultate,  zu  welchen  Häberlein  (L  c  p.  418 £) 
gelangt  ist 

2)  Häberlein,  L  c.  p.  405. 


Theorie  de9  SecundärelemefUei.  869 

same  Behauptung  gef&hrt,  dass  bei  dem  Abfalle  der  Strom- 
•tfake  nur  die  Elemmentpannung,  nicht  aber  die  electromo- 
torisohe  Kraft  den  jähen  Abfall  zeige.  Die  electromotorische 
Kraft  des  geöfiheten  Elements  ist  eben  nicht  dieselbe  wie 
die  des  geschlossenen.  Ohne  die  Untersuchung  über  die 
RUckstandsbildung  als  eine  abgeschlossene  zu  bezeichneui 
kann  ich  doch  behaupten ,  dass  sich  dieselbe  durch  die  Be- 
ziehungen zwischen  Blei  und  Wasserstoff  erklftren  l&sst  Das 
Anwachsen  von  p  bei  Erschöpfung  des  Elements  bis  zu  dem 
hohen  Werthe  von  2  Volts  und  darüber  hinaus  ist  der  Bil- 
dung von  Oxyd  und  Superoxyd  zuzuschreiben.  Wird  der  Strom- 
kreis unterbrochen,  so  dringen  die  im  Inneren  der  Electrode 
noch  befindlichen  Wasserstoffmolecüle  an  die  Oberfläche  und 
wirken  reducirend  auf  sie  ein.  Die  Electrode  wird  zunächst 
Ton  Superoxyd  befreit,  und  p  muss  noth wendigerweise  sinken 
auf  den  Werth,  welcher  dem  Oxyd  entspricht.  Je  nach  dem 
Yorrath  an  Wasserstoff  wird  dann  die  Reduction  ihren  Fort- 
gang nehmen  und  ihr  Ende  gefunden  haben,  wenn  p  auf  den 
nrsprünglichen  (metallischen)  Werth  zurückgekehrt  ist. 

Die  beiden  angeführten  Beispiele  zeigen,  dass  auch  die 
Rückstandsbildung  wesentlich  von  der  Dichte  des  depolari- 
sirenden  Stromes  beeinflusst  wird.  Offenbar  war  nach  der 
vorangegangenen  langsamen  Entladung  des  Elements  604  der 
Wasserstoffvorrath  mehr  erschöpft,  als  im  rascher  entladenen 
Element  642.  Der  Gesammtrückstand  eines  Elements  wird 
also  mit  der  Stromdichte,  bei  welcher  entladen  wurde,  zu- 
nehmen. Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  unter  einer 
gewissen  Grenze  der  Dichte  der  Rückstand  auf  ein  Minimum 
herabsinkt. 

Man  wird  jedoch  bei  Beobachtung  des  Kückstandes  auch 
die  Zeit,  welche  zwischen  Ladung  und  Entladung  verfliesst 
berücksichtigen  müssen.  ' 

4.    Entladungen  von  Zellen  mit  drei  Platten. 

Eine  positive  und  zwei  negative  Platten  (Typus  Faure- 
Sellon-V olckmar),  von  denen  jede  aus  5x5  Maschen  des 
Gitters  bestand  und  eine  Fläche  von  12,96  qcm  bedeckte, 
wurden  mittelst  dreier  Secundärelemente  derart  geladen,  dass 
die  negativen  Platten  nebeneinander  geschaltet  waren.     Der 


880  F.  Streiniz. 

in  die  Leitang  geschaltete  Widerstand  betrag  60  S.-E.,  die 
Ladung  dauerte  17  Stunden.  Unmittelbar  nach  Unter- 
brechung des  primären  Stroms  zeigte  die  Superoxydplatte 
gegen  die  eine  negative  Platte,  ich  will  sie  mit  A  bezeichnen^ 
eine  Potentialdifferenz  von  2,252  Y.,  während  sich  die  beiden 
negativen  Platten  A  und  B  vollständig  indifferent  gegenein- 
ander verhielten.  Nun  wurde  die  positive  Platte  mit  A  allein 
durch  einen  Widerstand  von  50  S.-E.  verbunden.  Nach 
ungefiLhr  acht  Stunden  trat  die  Erschöpfung  von  A  ein. 
Sodann  trat  an  die  Stelle  von  A  die  negative  Platte  B  bei 
einem  Widerstände  von  30  S.-K  in  Verbindung  mit  der 
positiven  Platte.  Man  erhielt  einen  Strom,  welcher  beiläufig 
fünf  Stunden  anhielt.  Auch  diesmal  war  es  die  negative 
Platte,  welche  den  Dienst  versagte.  Die  Potentialdifferenzen 
P  erfuhren  in  dieser  zweiten  Periode  gleichfalls  keine  Ver- 
änderung, welche  ausserhalb  der  bekannten  Grenzen  gelegen 
gewesen  wäre.  Hierauf  wurde  die  Platte  A  neuerdings  mit 
Ladung  versehen  und  der  unverändert  belassenen  positiven 
Platte  gegenüber  gestellt  (2.  August  11^  45"^  vorm.)  Dabei 
ergab  sich: 


^  =  50  S.-E.                                    J                  P 

P 

E 

2.  Aug.     11»»  50"  vorm.        0,038  Amp.      2,512 

0,479 

2,033  r 

8    25    nachm.         i^        »           2,510 

0,498 

2,017 

5     15          »              1»        »           2,442 

0,480 

1,954 

5    45          »               )»        n           2,418 

0,490 

1,928 

6     10          n           0,036    ,,           2,380 

0,490 

1,890 

Die  Entladung  wurde  fortgesetzt  bei 

^  SS  80  S.-E. 

6»»  20"  nachm.      0,055  Amp.      2,800 

0.504 

1,796  r 

6     47           „           0,051     »           2,123 

0,502 

1,621 

7     15          „           0,047    „           2,007 

0,496 

1,511 

7»»  20"  abends  geöflFnet. 

8.  Aug.                           10    50    vorm.  geschlossen. 

unmittelbar:           0,056  Amp.      2,430 

0,405 

2,025   V 

11»»  10"  vorm.         0,042    i»           1,826 

0,500 

1,826 

11     80          „                        »           1,717 

0,502 

1,215 

11     50          ,»           0,082    „           1,711 

0,505 

1,206 

12h  _m  mittags  geöflFnet. 

4    80   nachm.  geschlossen: 

unmittelbar:          0,054  Amp.      2,352 

0,512 

1,840  r 

5»»  40"  nachm.          jy        ,y          1,418 

0,515 

0,908 

6     10          II           0,026     II           1,815 

0,518 

0,797 

7—11               V        it           1,149 

0,515 

0,634 

7     80          1,           0,019      „           1,085 

0,516 

0,569 

T%eorie  des  Secundärelementes.  861 

Ich  hoffe^  durch  diesen  Yersach  die  Haltlosigkeit  jener 
Annahme  erwiesen  zu  haben,  nach  welcher  es  bei  den  be- 
kannten Typen  des  Secnnd&relements  jemals  die  positive 
Platte  gewesen  sei,  welche  den  Verfall  desselben  herbei- 
ffthrte. 

Die  positive  Platte  besitzt  im  Vergleiche  zar  negativen 
eine  Dauerhaftigkeit,  welche  als  eine  ausserordentliche  zu 
bezeichnen  ist.  Auch  ist  die  Charakteristik  bei  beginnender 
Erschöpfung  der  Superoxydplatte  eine  völlig  andere,  als  bei 
der  gewöhnlichen  Entladung.  Man  kann  ohne  Uebertreibung 
sagen,  dass  P  zu  gleicher  Abnahme  ebenso  viel  Stunden  be- 
darf, als  p  Minuten  zu  entsprechender  Zunahme.  Von  einem 
y,Abfall''  der  electromotorischen  Kraft  kann  daher  hier  gar 
nicht  gesprochen  werden. 

Die  positive  Platte  liefert,  wie  aus  den  Zahlen,  welche 
„unmittelbar'^  nach  Stromschluss  gefunden  wurden,  ersicht- 
lich wird,  einen  Rückstand,  der  wahrscheinlich  seine  Erklä- 
rung in  der  durch  die  Unterbrechung  des  depolarisirenden 
Stromes  erfolgten  Sistirung  der  Wasserstoffentwickelung 
finden  dürfte. 

Die  nächste  Frage,  welche  sich  aufdrängt,  ist  nun  zweifel- 
los die: 

In  welcher  Weise  hat  man  das  Verbältniss  der  Ober- 
flächen beider  Platten  im  Secundärelement  zu  gestalten, 
damit  die  positive  Electrode  besser  ausgenutzt  werden  kann? 

Häberlein^)  schliesst  aus  den  von  Aulinger  und  mir 
angestellten  Versuchen:  „Es  würde  sich  einfach  die  prak- 
tische Folgerung  ergeben,  dass  man  die  wirksame  Oberfläche 
der  negativen  Electrode  im  Vergleich  zu  der  der  positiven 
vergrössert;  dies  lässt  sich  aber  in  der  That  durch  eine 
zweckmässige  Formirung  erreichen,  ohne  dass  das  Bleigewicht 
des  Accumulators  wesentlich  erhöht  wird.'^ 

Den  Beweis  hierfür  erbringt  Häberl ein  nicht;  derselbe 
wird  auch  nicht  so  einfach  zu  erbringen  sein,  weil  einerseits 
erst  festgestellt  werden  muss,  ob  die  erschöpfte  Superoxyd- 
platte nicht  zu  ihrer  Widerhersteilung  einen  unverhältniss- 
mässig   grösseren  Aufwand   von   Energie   beansprucht,   und 


1)  Häberlein,  1.  c.  p.  415. 


862  C.  Fromme. 

weil  andererseits  die  Yergrösserung  der  negativen  Platte 
auch  eine  Verminderung  der  Stromdichte  an  derselben  nach 
sich  ziehty  welche  nach  den  obigen  Ausf&hrungen  sowohl  bei 
der  Ladung  als  bei  der  Entladung  der  Zelle  von  einschnei* 
dender  Wirkung  sein  kann. 

Phys.  Inst,  der  Univ.  Graz,  im  Augnst  1889. 


m.    Veher  das  Mtixtmutn  der  galvanischen  Pola^ 
risatian  van  JPlatinelectroden  in  Schwefelsüure ; 

von   Carl  Fromme. 

(BUria  Taf.  IT   Flg.  S-4.) 
Zweite  Abhandlung: 

Versuche  mit  platinirten  Platinelectroden. 


In  einer  früheren  Mittheilung  ^)  habe  ich  Versuche  zur 
Bestimmung  des  Maximums  der  galvanischen  Polarisation 
von  blanken  Platinelectroden  in  Schwefelsäure  verschiedener 
Concentration  beschrieben.  Dabei  besassen  die  Electroden 
eine  Fläche  entweder  von  1  qcm  (grosse  Electroden) ,  oder 
von  0,008  qcm  (kleine  Electroden).  War  die  Kathode  klein, 
so  trat  stets  eine  Schwärzung  derselben  durch  Bildung  von 
Platinschwarz  ein,  war  sie  dagegen  gross,  so  wurde  eine 
Aenderung  in  der  Farbe  ihrer  Oberfläche  nicht  beobachtet. 

Die  im  Folgenden  mitzutheilenden  Versuche  zeigen, 
welchen  Einfluss  eine  bei  Beginn  der  Versuche  schon  vor- 
handene starke  Platinirung  der  Anode  oder  der  Kathode 
auf  den  Maximalwerth  der  galvanischen  Polarisation  in 
Schwefelsäure  verschiedenen  Procentgehaltes  ausübt. 

Die  Electroden  besassen  bei  dieser  Untersuchung  eine 
Fläche  von  1  qcm  (grosse  Electroden)  oder  von  15  qcm  (sehr 
grosse  Electroden).  Es  wurden  jedesmal  vier  Beobachtungs- 
reihen angestellt:  1)  mit  blanker  Anode  und  blanker  Ka- 
thode \^Ah  +  Ki\j  2)  mit  platinirter  Anode  und  platinirter 
Kathode  [^, +Ap],  3)  mit  blanker  Anode  und  platinirter 
Kathode  \^Ah-\'Kp]^  und  4)  mit  platinirter  Anode  und  blan- 
ker Kathode   \^Ap  +  K^] .    Hieraus  lassen   sich  je  zwei  von- 

1)  C.  Fromme,  Wied.  Ann.  33.  p.  80.  1888. 


Polarisation  von  JPlatin  in  Schwefebäure.  868 

einander  unabhängige  Wertbe  fbr  den  Einfluss  der  Plati- 
nimng  der  Anode  und  der  Kathode  anf  das  Polarisations- 
TnaTimnm  ableiten. 

Bei  den  Versuchen  mit  blanker  Kathode  wurde  be- 
sondere Sorgfalt  auf  die  Erkennung  einer  Färbung  der 
Kathode  verwandt  und  eine  solche  in  der  That  auch  gefun- 
deui  zwar  nicht  nach  einer  einzelnen  Beobachtung,  wohl  aber, 
nachdem  mehrere  Beobachtungen  aufeinander  gefolgt ,  also 
der  Strom  eine  längere  Zeit  durchgegangen  war.  Dies 
stimmt  mit  dem  Eesultat  von  Poggendorff  ^),  welcher  auch 
an  grösseren  Kathodenflächen  Platinschwarz  fand,  überein. 
Der  meist  ausserordentlich  zarte  und  schwer  erkennbare 
Anflug  der  Kathode  verschwand  in  Königswasser  sehr  schnell, 
sein  Einfluss  aber  auf  die  Grösse  des  Polarisationswerthes 
ist,  wie  das  Folgende  zeigen  wird,  unter  Umständen  dennoch 
ein  sehr  bedeutender.  Einige  merkwürdige  Divergenzen  in 
den  früher  publicirten  Versuchen  erklären  sich  vollkommen 
durch  die  Annahme,  dass  ein  Anflug  von  Platinschwarz  im 
einen  Fall  vorhanden  gewesen  sei,  im  anderen  nicht.  Auch 
Verschiedenheiten  in  Grösse  und  Verlauf  der  Polarisation 
zwischen  den  jetzigen  und  den  früheren  Versuchen  finden 
ihre  Erklärung  in  einer  damals  nicht  hinreichend  blanken 
Beschaffenheit  der  Kathode. 

Zu  den  Versuchen  dienten  die  früheren  Schwefelsäure- 
mischungen; eine  Neubestimmung  der  specifischen  Gewichte 
ergab  ihre  Concentration  meist  etwas  geändert,  wie  in  An- 
betracht ihres  vielfachen  Gebrauchs  wohl  erklärlich.  Es 
wurde  ausschliesslich  das  cylindrische  Voltameter  benutzt. 
Von  vier  gleich  grossen  Electroden  blieben  zwei  blank,  zwei 
wurden  platinirt.  Das  aus  der  Electrolyse  von  verdünnter 
Platinchloridlösung,  welche  mit  Salzsäure  versetzt  war,  ge- 
wonnene Platinschwarz  bedeckte  die  Electroden  in  dicker 
Schicht.  Von  den  beiden  blanken,  wie  von  den  beiden  pla- 
tinirten  Electroden  diente  die  eine  nur  als  Anode,  die  andere 
nur  als  Kathode.  Vorsicht  ist  nöthig  beim  Gebrauch  einer 
platinirten  Anode,  da  dieselbe  von  dem  Process  der  Plati- 
nirung  her  U  enthält,  wodurch  leicht  zu  kleine  Polarisa- 
tionswerthe  resultiren. 


1)  Poggendorff,  Pogg.  Ann.  61.  p.  605.  1844. 


864  C  Fromme. 

In  der  ersten  Mittheilnog  faabe  ich  die  PolariBation  in 
Daniells  angegeben;  ein  Kittler'sclies  Element,  jedoch  mit 
Thondiaphragma,  diente  als  Normalelement.  Kach  Kittler 
Türde  die  electromotorische  Kraft  desselben  ca.  1,1  Volts 
sein.  Dieser  Werth  ist  indessen  zn  klein,  sp&ter  tod  mir 
aoegef&hrte  Aicbungen  des  GalTanometers  mit  dem  Silber- 
and dem  Kapfervoltameter  führen  auf  eine  electromotorische 
Kraft  des  Elements  von  1,22  Yolts. 

Dasa  sie  in  der  That  grösser  als  1,1  Volts  angenommen 
werden  maas,  geht  aach  daraus  berror,  dasa  die  electromo- 
torische Kraft  eines  BunBsn'schen  Salpetersäureelements 
nnr  I,5mal  grösser  ^a  die  des  Daniells  gefunden  wurde, 
während  man  fDr  starke  Salpetersäure  bestimmt  1,7  erwarten 
darf. 

Bei  den  folgenden  Versuchen  wurde  das  GhilTanometer 
b&ufig  mit  dem  Silber-  oder  Kupfervoltameter  geaicht,  die 
WideraUUide  in  Ohms  umgerechnet  und  die  Folarisations- 
wertbe  sodann  in  Volts  gefunden. 

Ueber  die  Methode  etc.  gelten  alle  einleitenden  Bemer- 
kungen der  ersten  Abhandlung. 


Vers 


che  mit  Electroden  von  1  qcm  Gröise. 


a)  Die  Polarisation  p  des  Voltameters,  —  Die 
Tabelle  I  gibt  die  mit  der  I.  Reihe  von  Säuren  (cf.  die 
1.  Abb.)  erhaltenen  p  in  Volts. 


Tabelle  L 

(cf.  Taf  IV 

Fig.  3.) 

Pro- 

BoBcbaffenheit der  Electroden. 

saure 

cent. 

1. 

2. 

. 

4. 

5. 

gebalt 

A  +  -Ki 

^,  +  X, 

-** 

^A'P 

-Jp+i^. 

^b  +  ^h 

II  1    0,4 

2,67 

(2,09) 

1,62 

2,10 

2,00 

5,36 

8,58 

III  !    1,2 

2,52 

(2,11) 

1,79 

2,14 

2,13 

2,04 

2,82 

IV 

S,0 

2:00 

(2,30) 

1,81 

2,16 

2:11 

S,09 

2,64 

V 

2,8 

2,98 

(2,^*) 

I,S2 

2,15 

,    2,13 

2,16 

3,04 

VI 

U 

2,59 

2,'57' 

1,62 

2.40 

(2;in 

2,01 

8;e4 

VII 

*,* 

2,68 

2,63 

1,79 

2,43 

2,37 

l,fl* 

2,72 

VUI 

6,0 

2,66 

2,64 

1,81 

2,42 

i    2,35 

2,03 

8,90 

IX 

^,^ 

2,69 

2,77 

1,81 

2,42 

2,35 

2,11 

2,93 

X 

11,5 

3,0* 

3,08 

1,81 

2,48 

,    2,41 

2,45 

8,00 

XI 

Ufi 

3,01 

8,01 

1,83 

2,48 

'    2,41 

2,42 

2,8!> 

XII 

19,6 

3,02 

2,98 

1.84 

842 

2,38 

8,43 

2,96 

XUI 

«,6 

sloa 

i,H 

1,83 

2,45 

8,40 

2;09 

alsö 

Pülaräation  von  PtaÜn  iit  SekieefeUäare. 


TortaaUoDg  der  TilMUe 

I.) 

Pro- 

BeBcbaflenheit dar  Electroden. 

Saure 

ceo  t- 

1. 

2. 

3. 

4. 

5. 

gehalt 

'*»  +  -r» 

-*>+«> 

A+Ä, 

''p+-Si 

J.  +  JT» 

XIV 

31,7 

3,08 

3,01 

1,82 

2,47 

2,45 

2,18 

2,91 

XV 

37.1 

2,82 

2,78 

1,89 

2,48 

2,48 

2,11 

2,90 

XVI  '  43,7 

2.90 

2,76 

1,93 

2158 

2,64 

2,08 

2,94 

XVU  ,  46,8 

a,76 

2,76 

1,94 

2,61 

2,57 

2,06 

2,81 

XVm      50,6 

2,83 

2,82 

1,98 

2,67 

2,63 

2,10 

2,90 

XIX  1  53,1 

2,86 

2,90 

1,99 

2,75 

2,69 

2,08 

2)95 

XX       57,0 

2,93 

2,96 

1,99 

2,80 

2,78 

2,09 

8,05 

XXI     60,5 

2,94 

2,96 

2,01 

2,84 

280 

2:09 

3;02 

XXU      65,4 

2,92 

2,84 

2,04 

2,85 

2,81 

2,10 

3,02 

^ 

[ittel 

A 

3 

1,87 

2,45 

2,14 

2,87 

Wir  betrachten  zunächst  jede  der  Torstehendea  Beoh- 
achtungsreihen  ftlr  sich  allein. 

Die  üeberainstimmung  zwischen  den  beiden  Reihen 
unter  1]  mit  blanker  Anode  und  blanker  Kathode  ist  gut  bis 
anf  die  Beobachtungen  bei  II — V,  wo  die  Werthe  der  zwei- 
ten Keihe  aufAllig  kleiner  als  die  der  ersten  sind.  Die 
Ursache  des  Cnterechiedes  wurde  darin  erkannt,  dass  die 
Electroden  tot  Beginn  der  ersten  Reihe  in  Königswasser 
gereinigt  waren,  nicht  aber  vor  Beginn  der  zweiten,  obwohl 
sie  vorher  bei  einer  grösseren  Zahl  von  Messungen  benatzt 
waren.  Dann  aber  findet  man  die  Kathode  mit  einem 
biftanlichen  Anfing  bedeckt,  der  nur  in  Königswasser  toII- 
stftndig  zu  entfernen  ist  und  aus  fein  zertheiltem  Fiatin 
besteht. 

Benutzt  man  eine  solche  Kathode  in  geringen  Concen- 
trationen,  so  findet  man  Polarisationswerthe ,  welche  sich 
kaum  unterscheiden  Ton  den  bei  dicker  Flatinirung  der  Ka- 
thode resultirenden. 

Dies  wurde  noch  dnrch  folgende  Versuche  bestätigt. 
Nach  Ablauf  der  zweiten  Reihe  mit  A^  +  Ki.  wurde  der  An- 
flug  der  Kathode  wieder  nicht  entfernt  und  dann  nochmals 
die  Polarisation  in  den  Säuren  II — VI  und  X  bestimmt. 
Ks  ergab  sich: 

Sfiure       II         m         IV  V  VI         X         IV 

p      2,07       2,15        2,15       2,18       2,27       3,08       2,91. 

Die  vier  ersten  dieser  Werthe  decken  sich  mit  den  ent- 
sprechenden bei  Ab  +  Kp  gefundenen.  Bei  VI  war  die  Stromr 


366  C.  Fromme. 

stärke  noch  in  der  Abnahme  begriffen ,  sodass  bei  längerem 
Durchgang  des  Stromes  p  >  2,27  gefunden  wäre.  Bei  X 
nahm  die  Stromstärke  während  sehr  langer  Zeit  ab,  und  es 
ergab  sich  schliesslich  ein  Werth  von  p,  welcher  mit  den 
bei  Ah  +  Kh  gefundenen  völlig  übereinstimmt.  Nunmehr 
erschien  aber  auch  die  Farbe  der  Kathode  wieder  fast  weiss, 
der  Anflug  von  Platinschwarz  war  also  wahrscheinlich  durch 
die  lebhafte  Gasentwickelung  mechanisch  entfernt.  Die  ver- 
änderte Beschaffenheit  der  Oberfläche  zeig^  dann  auch  die 
nun  folgende  Beobachtung  mit  lY,  welche  das  hohe,  einer 
blanken  Kathode  entsprechende  p  »  2,91  lieferte. 

Wir  erkennen  demnach,  dass  ein  schwacher  Anflug  von 
Platinschwarz  an  der  Kathode  die  Polarisation  erheblich 
herabsetzt,  sobald  die  Schwefelsäure  weniger  als  dreiprocentig 
ist  Hieraus  erklären  sich  wohl  die  schwankenden  Werthe 
der  Polarisation,  welche  in  den  früher  veröffentlichten  Ver- 
suchen bei  kleinen  Concentrationen  auftraten.  Bei  der  gra- 
phischen Darstellung,  bei  Bildung  der  Mittel  werthe  und  in 
den  nun  folgenden  Tabellen  bleiben  die  eingeklammerten 
Werthe  der  Tabelle  I  unberücksichtigt. 

Sind  also  1)  beide  Electroden  blank  y  so  nimmt  die  Pola- 
risation mit  wachsender  Concentration  zuerst  sehr  rasch  zu 
und  erreicht  ein  Maximum  von  etwa  3  Volts  bei  2,5  Proc, 
nimmt  aber  dann  ebenfalls  rasch  wieder  ab  bis  zu  einem 
Minimum  von  etwa  2,6  Volts  bei  3,5  Proc.  Darauf  steigt 
p  wieder  an  und  erreicht  —  nachdem  es  vielleicht  durch 
ein  Maximum  und  Minimum  auch  bei  5  und  6  Proc.  hin- 
durchgegangen —  ein  weiteres  hohes  Maximum  von  etwas 
über  3  Volts  bei  11,5  Proc.  Auf  diesem  hohen  Werthe 
bleibt  p  bis  zu  32-procentiger  Säure;  von  da  an  nimmt  es 
rasch  bis  etwa  2,8  Volts  ab,  um  zwischen  47  und  60  Proc. 
nochmals  zuzunehmen  bis  auf  nahe  3  Volts.  Bei  weiterem 
Wachsen  der  Concentration  bis  65  Proc.  nimmt  p  vielleicht 
wieder  ein  wenig  ab. 

Sind  2)  beide  Electroden  plaiinirtj  so  nimmt  mit  wachsen- 
der Concentration  die  Polarisation  anfänglich  zu,  bleibt 
schon  von  1,2  Proc.  an  bis  32  Proc.  constant  mit  einem 
Mittel  werth  p  =  1,815  und  nimmt  endlich  bis  65  Proc.  der 


Polarisation  von  Platin  in  Sckwefebäure.  867 

C<mc6Dtratioxi  etwa  proportional  bis  auf  einen  Werth  von 
p  ma  2,04  Volts  zu. 

Für  den  Fall  8)  einer  blanken  Anode  und  einer  platinirten 
Kathode  liegen  zwei  Beobachtungsreihen  vor,  welche  in  ihrem 
Verlaufe  ToUkommen  übereinstimmen.  Nur  ergibt  die  zweite 
fatt  durchweg  etwas  kleinere  p. 

Die  Polarisation  nimmt  von  0,4  bis  1,2  Proc.  ein  wenig 
zu,  bleibt  von  1,2  bis  etwa  8  Froc.  constant  auf  2,14  Volts, 
nimmt  dann  plötzlich  um  0,25  Volts  zu^),  um  auf  dem  er- 
reichten höheren  Werth  Ton  2,39  Volts  bis  7,4  Proc.  constant 
zu  bleiben.  Kun  folgt  bis  12,6  Proc.  eine  Zunahme  von  0,06 
Volts  und  bis  19,6  Proc.  wieder  eine  Abnahme  etwa  im 
gleichen  Betrag.  Von  da  an  wächst  p  stetig,  bis  37  Proc. 
ziemlich  langsam,  bis  65  Proc.  rascher  und  von  da  an  wieder 
langsamer  bis  zu  einem  Werth  von  p  »  2,83  Volts.  ^ 

Ist  4)  die  Anode  plaänirt  und  die  Kathode  blankj  so  zeigt  p 
nach  einer  anfänglichen  Abnahme  eine  Zunahme  bis  zu  einem 
Maximum  von  2,16  Volts,  welches  bei  2,8  Proc.  liegt  Es  nimmt 
p  dann  ab  bis  zu  einem  Minimum  von  1,9  Volts  bei  4  Proc, 
um  wieder  zuzunehmen  und  bei  11,5  Proc.  ein  Maximum  in 
der  flöhe  von  2,43  Volts  zu  erreichen,  welches  sich  bis 
20  Proc.  erstreckt  Dann  fällt  p  plötzlich  bis  auf  2,09  Volts 
ab,  erreicht  bei  31,7  Proc  nochmals  ein  Maximum  von  2,18 
Volts,  fällt  wieder  bis  auf  2,11  Volts  bei  37  Proc  und  bleibt 
fortan  mit  dem  Mittelwerth  p  =  2,09  V.  constant 

Tabelle  I  gibt  endlich  noch  eine  dritte  Beobachtungsreihe 
mitAh+Kh,  In  der  Ausführung  unterscheidet  sich  dieselbe  von 
den  beiden  ersten  dadurch,  dass  die  Kathode  nicht  nur  bei  Be- 
ginn der  Beihe,  sondern  bei  jedem  Wechsel  der  Säure  eine 
Zeit  lang  in  Königswasser  getaucht  und  dadurch  während 
der  ganzen  Versuchsreihe  vollkommen  blank  erhalten  wurde. 
Auch  in  dieser  Reihe  nimmt  p  mit  wachsender  Concentration 


1)  In  der  zweiten  Beobachtongsreihe  tritt  diese  plötsliche  Zunahme 
ent  ein  wenig  später  ein.  Bei  Bildung  der  Tab.  II  ist  der  Werth  j»  8  2,11 
aber  unberücksichtigt  geblieben,  weil  er  dem  Verlaufe  der  p  in  den 
Beihen  1,  2  und  4  nicht  entspricht. 

2)  Die  Werthe  dieser  Reihe  stimmen  ziemlich  gut  Überein  mit  den 
in  der  I.  Abh.  in  Tab.  II  aufgeführten.  Hieraus  folgt,  dass  damals  die 
Kathode  nicht  vollkommen  blank  gewesen  sein  muss. 


868  C.  Fromme. 

bis  zu  einem  Maximum  von  etwa  3  V.  bei  etwa  2,6  FiföiS. 
zoj  f&llt  rasch  wieder  bis  zu  einem  Minimum  von  2,6  Y.  bei 
Sy4  Proc.  und  erreicht  ein  zweites  Maidmum  von  8  V.  bei 
11,5  Proc.  Jetzt  folgen  bis  53,7  Proc  Schwankungen  zwischen 
2,81  und  2,96  Y.,  und  bei  den  höchsten  Concentrationen 
wieder  ein  Ansteigen  über  8  Y.  Das  absolute  Minimum, 
welches  in  den  beiden  ersten  Yersuchsreihen  bei  46,8  Proc 
lag,  liegt  auch  jetzt  bei  der  gleichen  Concentration.  TJeber* 
einstimmung  zwischen  dieser  und  den  ersten  Reihen  ist  also 
in  der  Hauptsache  vorhanden  —  nur  zwischen  11  und  31 
Proc.  zeigt  die  neue  Eeihe  Schwankungen,  welche  früher 
nicht  beobachtet  wurden  — ,  während  freilich  die  Einzel* 
werthe  einige  male  grössere  Differenzen  aufweisen.  Der 
Mittelwerth  2,87  Y.  ist  um  0,04  Y.  grösser  als  das  Mittel 
aus  den  beiden  ersten  Reihen. 

Wir  gelangen  somit  zu  dem  Resultat,  dass  bei  fortge- 
setztem Blankhalten  der  Kathode  der  Yerlauf  von  p  mit 
der  Concentration  kaum  ein  anderer  ist,  und  nur  die  Werthe 
▼on  p  im  allgemeinen  etwas  grösser  ausfallen,  als  wenn  die 
Kathode  nur  beim  Beginn  der  Yersuchsreihe  in  Königs- 
wasser gereinigt  war. 

Aus  Tabelle  I  erhalten  wir  den  Einfluss,  welchen  die- 
Platinirung  einer  Electrode  auf  den  Polarisationswerth  aus- 
übt, wenn  wir  den  Unterschied  der  ;?  in  1  und  3,  4  und  2> 
sowie  in  1  und  4,  3  und  2  bilden.  Diese  vier  Differenz>- 
reihen,  sowie  die  Mittel  aus  je  zwei  zusammengehörigen  gibt 
Tabelle  II  (auf  der  folgenden  Seite). 


Die  Tabelle  II  lehrt,  um  wieviel  die  Polarisation  eines 
Yoltameters  mit  blanken  Platinelectroden  abnimmt,  wenik 
man  die  Kathode  oder  die  Anode  platinirt  Die  beiden 
unabhängig  voneinander  erhaltenen  Werthe,  welche  den  Ein- 
fluss der  Platinirung  einer  Electrode  angeben,  differiren 
meist  wenig  voneinander,  und  in  den  E&Uen,  in  welchea 
grosse  Differenzen  auftreten,  ist  die  Ursache  derselben  meist 
sofort  erkennbar:  Es  tritt  in  der  einen  Reihe  ein  Maximum 
von  p  schon  bei  einer  etwas  kleineren  Concentration  ein,, 
als  in  der  anderen;  oder  es  f&llt  p  vom.  Maximum  verschie- 
den rasch  in  den  beiden  Reihen  ab.. 


Polaritation  von  I^atm  in  Sckicefebäurt, 
Tabelle  U. 


Sanre 

Prooent- 

1—3. 

4-2. 

1-4, 

3-2. 

Mitt«l 

gehalt 

js-.--*; 

S^-X^ 

-*>--'. 

A-^, 

Jg*-^ 

A-^ 

U 

0,4 

0,32 

0,74 

0,01 

0,4S 

0,58 

0,22 

ra 

1,2 

39 

2& 

48 

34 

92 

41 

IV 

2,0 

86 

28 

90 

32 

67 

61 

V 

2,8 

85 

S4 

88 

32 

60 

57 

VI 

3,* 

18 

19 

57 

58 

18 

67 

vu 

i,* 

26 

15 

72 

61 

20 

66 

vni 

«,0 

27 

22 

63 

57 

24 

69 

IX 

"J.* 

35 

80 

68 

57 

32 

59 

X 

11,5 

82 

64 

61 

63 

68 

«2 

XI 

14,5 

67 

59 

59 

61 

68 

60 

xn 

19^6 

59 

59 

56 

ft6 

BQ 

58 

XIII 

236 

56 

26 

89 

59 

41 

74 

XIV 

817 

58 

36 

86 

64 

47 

75 

XV 

371 

B2 

22 

69 

59 

27 

«4 

XVI 

49,1 

27 

15 

75 

68 

21 

69 

XVII 

46,e 

17 

12 

70 

65 

14 

«7 

XVIÜ 

50,6 

17 

12 

72 

67 

14 

69 

XIX 

hB,l 

16 

09 

80 

78 

12 

76 

XX 

57,0 

16 

10 

86 

80 

13 

83 

XXI 

G0,5 

i       13 

12 

86 

81 

12 

xxn 

65,4 

1      06 

06 

78 

7» 

05 

78 

Mittel 

0,39 

0,27 

0,69 

0,58 

0,83 

0,6S 

Wir  entnehmeii  der  Tabelle  folgende  Resnltate: 
Platiairung  der  Kathode  setzt  die  PolarisatioD  in  Schwe- 
felsäure geriogerer  ConcentratioD  meist  erheblich  her&b,  von 
etwa  20  Froc.  an  aber  wird  der  Einfluss  der  Platinirung 
der  Kathode  stetig  kleiner  nnd  beträgt  bei  den  hfichsten 
Concentrationen  nur  etwa  0,1  V.  Platinirung  der  Anode 
dagegen  verringert  die  Polarisation  in  verdünnter  Schwefel- 
Sänre  weniger  als  in  concentrirterer. 

In  den  meisten  Säuren  nimmt  die  Polarisation  infolge 
Platinirung  der  Anode  viel  mehr  ab,  als  durch  Platinirung 
der  Kathode,  wie  ancb  die  am  Fuss  der  Tabelle  II  stehen- 
den Mittelwerthe  zeigen,  nach  denen  durchschnittlich  Ki,—Kf 
kaum  mehr  als  die  Hälfte  von  Ai,  —  Af  beträgt.  Die  eben 
ausgesprochenen  Resultate  ergeben  sich  auch  bei  blosser 
Betrachtung  der  nach  Tabelle  I  gezeichneten  Curren  (Fig.  8), 
Bei  höheren  Concentrationen  (von  40  Proc  an)  läuft  die 
Curve  für  Ah  +  K^  zunächst  derjenigen  fllr  ^^  +  Äi,  wäh- 
rend weit  tiefer  als  diese  die  beiden  Curven  Ar  Af\-K, 
und  Jp+Ki  zusammenlaufen.    Bei  mehr  als  40  Proc.  ändet 

lau.  d.  Pbji.  D.  Chdii.   K.  F.    SXIVIII.  H 


870 


C  Fromme, 


also  eine  Scheidung  der  Curren  nach  der  Beschaffenheit  der 
Anode  statt,  nicht  nach  der  der  Kathode,  flöhe  Polarisationa- 
werthe  treten  in  concentrirten  Säuren  nur  dann  auf,  wenn 
die  Anode  blank  ist;  die  Beschaffenheit  der  Kathode  ist 
von  geringem  Einfluss.  Die  unregelmässigsten  unter  den 
vier  Curven  sind  die  auf  eine  blanke  Kathode  bezüglichen, 
und  zwar  finden  sich  die  Schwankungen  grösstentheils  bei 
kleinen  Concentrationen  (bis  etwa  35  Proc.)  Sobald  die 
Kathode  platinirt  wird,  fallen  die  Schwankungen  fast  ganz  weg. 
Diese  Sätze  gehen  noch  deutlicher  aus  den  Beobach- 
tungen mit  der  zweiten  Reihe  von  Schwefelsäuremischungen 
hervor.  Tabelle  III  enthält  die  in  diesen  gefundenen  Polari- 
sationswerthe  p  in  Volts,  sowie  die  vier  Differenzreihen  und 
deren  Mittel.  In  den  Reihen  mit  Ah  +  Ki  und  Ap+Kj, 
wurde  die  Kathode  bei  jedem  Wechsel  der  Säure  in  Königs- 
wasser gereinigt. 

Tabelle  III.    (Cf.  Taf.  IV  Fig.  4.) 


V 

i^^ 

Beschaffenheit  d.  Electrod.' 

1 

u 

1. 

2. 

3. 

4. 

1-3. 

4 — 2 

1-4. 

3-2. 

Mittel 

«99 

|& 

^.+^.. 

A  -^K 
p      i' 

h       f, 

1^  +lfj 

_  """: 

:    ^r 

-A 
1- 

1  '>   r 

1 

1 
0,3 

2,61 

1,73 

2,02 

2,05 

0,59 

0,32 

0,56 

0,29 

0,45 

0,42 

2 

0,9 

3,08 

1,79 

2,11 

2,70  i 

97 

91 

38 

32 

1  94 

85 

3 

1,1 

2,56 

1,82 

2,15 

2,06 

41 

24 

50 

33 

32 

41 

4 

1,9 

2,81 

1,86 

2,18 

2,26 

63 

40 

55 

32 

51 

43 

5 

2,6 

2,57 

1,83 

2,19 

2,09 

38 

26 

48 

36 

;  32 

42 

6 

3,4 

2,62 

1,86 

2,15 

2,19 

47 

33 

43 

29 

40 

36 

^ 
i 

4,7 

2,83 

1,86 

2,15 

2,37 

68 

51 

46 

29 

59 

37 

8 

6,0 

2,75 

1,89 

2,19 

2,42  1 

56 

53 

33 

30 

54 

81 

9 

:  6,6 

2,61 

1,90 

2,15 

2,27 

46 

37 

34 

25 

41 

29 

10 

10,6 

2,56 

1,88 

2,26 

2,16 

30 

28 

40 

38 

!  29 

39 

11 

15,2 

2,75 

1,88 

2,35 

2,20 

40 

32 

55 

47 

36 

51 

12 

17,4  1 

2,56 

1,88 

2,32 

2,13 

24 

25 

43 

44 

24 

43 

13 

23,5 

2,54 

1,88 

2,40 

2,11  ' 

14 

23 

43 

52 

18 

47 

14 

33,1 

2,64 

1,92 

2,43 

2,16 

21 

24 

48 

51 

22 

49 

15 

40,3  , 

2,62 

1,94 

2,51 

2,15 

11 

21 

47 

57 

16 

52 

16 

47,0 

2,64 

1,94 

2,59 

2,15 

05 

21 

49 

65 

13 

57 

17 

49,7 

2,67 

1,94 

2,64 

2,16 

03 

22 

51 

70 

12 

60 

18 

53,5 ; 

2,77 

1,9>< 

2,74 

2,13 

03 

15 

64 

76 

09 

70 

19 

57,5 

2,88 

1,99 

2,80 

2,16 

08 

17 

72 

81 

12 

76 

20 

68,6 

2,93 

2,00 

2,86 

2,19  , 

07 

19 

1  74 

86 

13 

80 

Mittel    !   2,70      1,89  ;  2,36      2,20  '^  0,34    0,31    i  0,48    0,47      0,32    iO,47 

Aus  Tabelle  III  und  ihrer  graphischen  Darstellung  folgt: 
Sind  beide  Electroden  blank,  so  zeigt  die  Polarisation  bei 


Polarisation  von  Platin  in  Schwefelsäure,  371 

den  kleineren  Concentrationen  beträchtliche  Unterschiede: 
Ss  liegen  Maxima  bei  0,9,  1,9,  4,7  und  15,2  Proc,  und  es 
schwankt  p  in  dem  Interrall  0—20  Proc.  zwischen  2,56  und 
3,08  y.  Erst  von  20  Proc.  an  tritt  eine  fast  continuirliche 
Zunahme  von  p  mit  wachsender  Concentration  ein,  es  wächst 
p  von  2,5  bis  2,9  V.^) 

Sind  beide  Electroden  platinirt,  so  ist  die  Polarisation 
erheblich  kleiner,  sie  nimmt  bis  6  Proc  von  1,73  auf  1,89  Y. 
zu,  bleibt  dann  bis  30  Proc.  constant  und  nimmt  endlich 
bis  auf  2  V.  bei  64  Proc.  zu.  Alle  Werthe  von  p  zwischen 
6  und  64  Proc.  liegen  in  den  Grenzen  1,88 — 2,00  V. 

Ist  nur  die  Kathode  plcUinirt,  die  Anode  aber  blank,  so 
bleibt  p  nach  einer  anfänglichen  kleinen  Zunahme  von  1,1 
bis  6,6  Proc.  in  den  Grenzen  2.15  und  2,19  V.  constant  und 
nimmt  darauf  bis  15  Proc.  rasch  und  von  da  an  langsamer 
bis  auf  fast  2,9  Y.  zu. 

Bei  platinirter  Anode  und  blanker  Kathode  treten  in  den 
verdünnten  Säuren  wieder  starke  Schwankungen  auf:  es 
liegen  Maxima  bei  0,9,  1,9,  6,0  und  15,2  Proc,  Minima  bei 
1,1,  2,6,  10,6  und  20  Proc,  also  an  den  nämlichen  Stellen, 
wo  solche  bei  Ab+Ki,  gefunden  wurden.  Yen  20  Proc  an 
bleibt  p  zwischen  den  Grenzen  2,11  und  2,19  Y.  constant. 

Kh  —  Kp  führt  bei  den  kleinen  Concentrationen  Schwan- 
kungen aus,  deren  Maxima  und  Minima  sich  mit  denen 
decken,  welclie  in  den  Polarisationswerthen  für  Ab+Ki  und 
Ap+Ki,  auftraten.  In  den  verdünnten  Säuren  ist  Kb  —  I^ 
gross,  in  den  concentrirten  klein,  es  geht  also  eine  Abnahme 
von  Ki  —  Kp  mit  zunehmender  Concentration  neben  den 
Schwankungen  der  Werthe  her. 

Die  Werthe  von  Ab  —  Ap  sind  in  den  verdünnten  Säuren 
(bis  8  Proc.)  zum  grössten  Theil  kleiner  als  die  von  Kb  —  Kp 
und  nehmen  ein  wenig  ab,  von  8  Proc  an  aber  sind  sie 
grösser,  als  die  von  Kb  —  Kp  und  nehmen  mit  zunehmender 
Concentration  zu.     In   verdünnter  Schwefelsäure   wird   also 


1]  Die  in  der  I.  Abb.  Tab.  V  mitgetheilte  Reihe  stimmt  mit  dieser 
bei  den  Concentrationen  von  6,4—65  Proc.  ziemlich  gut  überein,  gibt 
dagegen  bei  den  kleinen  Concentrationen  erheblich  geringere  Werthe. 
Der  Grund  hierfür  liegt  ohne  Zweifel  in  einer  früher  nicht  vollkommen 
blanken  Beschaft'enheit  der  Kathode. 

24* 


372  C.  Fromme. 

durch  Platinirung  der  Kathode  die  Polarisatioii  etwas  stärker 
▼ermindert,  als  dnrch  Platinirung  der  Anodei  in  concentrir- 
terer  dagegen  erweist  sich  die  Platinirung  der  Anode  tod 
erheblich  grösserem  Einfluss. 

und  die  Platinirung  der  Electroden  setzt  nicht  nur  die 
Polarisation  herab,  sie  beseitigt  auch  die  starke  Abhängige 
keit  der  Polarisation  von  der  Concentration  der  Schwefel- 
säure, welche  bei  blanker  Beschaffenheit  der  Electroden  be- 
steht Denn  die  Mazima  und  Minima,  welche  bei  Ai  +  Ky. 
und  kleinen  Concentrationen  (0 — 20  Proc.)  auftreten,  finden 
sich  zwar  auch  bei  Ap+Ki,j  werden  also  durch  Platinirung 
der  Anode  nicht  beseitigt  Sie  verschwinden  dagegen,  sobald 
man  die  Kathode  platinirt,  sodass  also  ihre  Ursache  in  der 
blanken  Beschaffenheit  der  Kathode  gesucht  werden  muss. 

Andererseits  findet  sich  das  starke  Ansteigen  der  Pola^ 
risation  in  höheren  Concentrationen  (schon  von  8  Proc.  an 
sowohl  bei  blanker,  als  bei  platinirter  Kathode;  es  verschwin- 
det aber  ganz  oder  fast  ganz,  sobald  man  die  Anode  platinirt, 
sodass  der  Grund  fdr  die  hohen  Polarisationswerthe  in  den 
concentrirten  Säuren  in  der  blanken  Beschaffenheit  der  Anode 
zu  suchen  ist 

Vergleichen  wir  nun  die  aus  Tab.  III  gezogenen  Folge- 
rungen mit  denen  aus  den  Tabellen  I  und  II,  so  finden  wir 
in  der  Hauptsache  vollkommene  Uebereinstimmung,  während 
sich  in  den  Einzelheiten  manche  Differenzen  zeigen.  Da  die 
Concentrationen  in  den  beiden  Säurereihen  nicht  viel  ver* 
schieden  sind,  so  können  wir  zunächst  die  Mittelwerthe  in 
den  beiden  Beihen  miteinander  vergleichen.  Die  der  zweiten 
Säurereihe  zeigen  gegenüber  der  I.  Reihe  Unterschiede  von 
-  0,13  (resp.  -  0,17),  +  0,02,  -  0,09,  +  0,06.  Derselbe  ist 
also  am  grössten  für  beiderseits  blanke,  und  am  kleinsten 
für  beiderseits  platinirte  Electroden.  Auf  die  Grösse  der 
Polarisation  platinirter  Electroden  übt  demnach  die  Bereitung 
der  Säure  einen  verschwindenden,  auf  die  Polarisation  blanker 
einen  nicht  unbeträchtlichen  Einfluss  aus.  Diese  grössere 
oder  geringere  Uebereinstimmung  tritt  nicht  nur  in  den 
Mittel-,  sondern  auch  in  den  Einzelwerthen  hervor:  Während 
die  Uebereinstimmung  zwischen  den  Reihen  mit  Ah  +  K^  fast 
durchweg  gering  genannt  werden  muss,  ist  sie  dagegen  zwi- 


Polarisation  von  Platin  m  Schwefelsäure.  373 

sehen  den  beiden  Reihen  mit  Ap  +  Kp  Überall  befriedigend. 
Die  auf  gleiche  Conoentration  bezogenen  Werthe  fQr  ^  +  i£^ 
stimmen  gut  überein  von  0  bis  8  Proc.  and  von  15  bis  65  Proc^ 
wogegen  die  für  Jp  +  Kj,  erst  von  25  Proc.  an  nahe  gleich 
werden. 

Während  in  der  I.  Säurenreihe  die  Polarisation  durch 
Platinirung  der  Kathode  im  Mittel  um  0,33  Y.f  der  Anode 
im  Mittel  um  0,63  V.  herabgesetzt  wurde,  sind  die  entspre- 
chenden Werthe  in  der  2.  Säurenreihe  0,32  und  0,47  Y.  Die 
Verschiedenheit  der  Werthe  0,63  und  0,47  V.  für  Ah  —  Ap 
wird  aber  dadurch  herbeigeführt,  dass  die  Versuche  mit 
blanker  Anode  in  der  zweiten  Säurenreihe  geringere  Polari- 
sations werthe  als  in  der  ersten  lieferten,  während  mit  pla- 
tinirter  Anode  umgekehrt  in  der  zweiten  Säurenreihe  grössere 
Werthe  erhalten  werden. 

b)  Das  Anwachsen  der  Polarisation  bis  zum 
Maxim alw er th.  —  Die  Zunahme  der  Polarisation  mit  der 
Dauer  der  Stromschliessung  lässt  sich  nach  der  Abnahme 
der  Stromstärke  beurtheilen,  wenn  man  sehr  constante  Ele- 
mente anwendet  und  im  übrigen  annehmen  darf,  dass  die 
durch  den  Stromdurchgang  verursachten  Aenderungen  des 
Widerstandes  der  Schliessung  und  besonders  des  Voltameters 
nur  sehr  klein  sind. 

Wir  können  uns  jedoch  auf  die  wohl  als  richtig  zuzu- 
gebende Annahme  beschränken,  dass  diese  Aenderungen 
innerhalb  eines  begrenzten  Concentrationsgebietes  etwa  die 
gleichen  sind,  und  wollen  nun  auf  Grund  dieser  Annahme 
das  Anwachsen  der  Polarisation  bis  zum  Maximum  in  den 
einzelnen  Concentrationen  miteinander  vergleichen.  Es  Hess 
sich  die  Abnahme  der  Stromstärke  verfolgen  von  1  See.  nach 
Stromschluss  an,  weil  dann  der  erste  Ausschlag  des  Galvano- 
meters stattfand.  Man  beobachtete  diesen  und  weiter  die 
Einsteilung  vom  Aufhören  der  Schwingungen  (nach  4—5  See.) 
an  jede  Minute.  Der  erste  Ausschlag,  vermindert  um  die 
schliessliche  constante  Ablenkung  und  um  diejenige  Grösse, 
um  welche  erster  Ausschlag  und  erste  Einstellung  sich  bei 
ausgeschaltetem  Voltameter  unterscheiden  (beiläufig  15  Sca- 
lentheile),  liefert  dann  ein  Maass  für  die  Zunahme  der  Pola- 
risation von  der  ersten  Secunde  nach  Stromschluss  an. 


374 


C  Fromme. 


So  ist  die  Tab.  V  berechnety  während  Tab.  IV  die  Strom- 
at&rkeabnahme  erst  Ton  5  See  an  nach  Stromschluss  enthUt, 
weil  der  erste  Ausschlag  sehr  h&ofig  nicht  beobachtet  war. 
Ans  beiden  Tabellen  ergeben  sich  jedoch  die  n&mlichen  Fol- 
gerungen.   (Siehe  Tab.  lY  und  Y.) 

Aus  den  Tabellen  IV  und  Y  geht  zunächst  eine  grosse 
Yerschiedenheit  in  den  Werthen  der  Stromstärkeabnahme 
bei  den  rier  Combinationen  von  Electroden  herror:  Die 
Werthe  sind  am  grössten  bei  beiderseits  Uanken,  am  klein- 
sten bei  beiderseits  platinirten  Electroden,  mit  anderen  Worten : 
platinirte  Electroden  befinden  sich  dem  Maximum  ihrer  Po- 
larisation kurze  Zeit  nach  Stromschluss  sehr  nahe,  wäh- 
rend   blanke   Electroden    noch    weit    davon    entfernt    sind» 

Tabelle  lY. 

Abnahme')  der  StroBistärke*)  in  SeslentlieUen. 
L  Reihe  yon  Staren. 


Säure 


I  Pro* 
i  Cent-  ' 


1. 


2. 


3. 


4.      i  1—3.4— 2.  .3— 2.) 


gehalt^^+^^,^p+-^^^+-ffl,^p+-ff^    ^k--^. 


^»-^p 


II 

0,4 

± 

-26 

—  2 

± 

III 

1,2 

22 

2 

-19 

20 

41 

18 

-21 

2 

IV 

2,0 

40 

2 

-  5 

31 

45 

29 

-  7 

9 

V 

2,8 

130 

4 

-  2 

41 

132 

37 

-   6 

89 

VI 

8,4 

100 

5 

29 

31 

71 

26 

24 

69 

VII 

4,4 

57 

13 

12 

27 

45 

14 

-   1 

30 

VIII 

6,0 

50 

10 

17 

34 

33 

24 

7 

16 

IX 

7,4 

64 

6 

1       14 

37 

50 

31 

8 

27 

X 

11,5 

114 

3 

'        11 

88 

103 

85 

8 

26 

XI 

14,5 

.      54 

6 

28 

32 

26 

26 

22 

22 

XII 

19,6 

1      56 

4 

28 

21 

28 

17 

24 

35 

XIII 

28,6 

58 

4 

27 

30 

31 

26 

23 

28 

XIV 

31,7 

73 

5 

35 

51 

38 

46 

30 

22 

XV 

37,1    1 

50 

8 

43 

29 

7 

21 

85 

21 

XVI 

43,7 

:        74 

6 

59 

25 

15 

W) 

53 

4» 

XVII 

46,8 

86 

6 

66 

20  '• 

16 

60 

64 

XVIII 

50,6    ^ 

99 

5 

76 

29 

23 

24 

71 

70 

XIX 

53,7 

100 

5 

79 

17 

21 

12 

74 

83 

XX 

57,0 

100 

5 

74 

26 

26 

21 

69 

74 

XXI 

60,5 

95 

6 

66 

16 

29 

10 

,     60 

7» 

XXII 

65,4 

61 

!        7 

41 

8 

20  . 

1 

1     84 

53 

1)  Eane  Zunahme  ist  durch  ein   vorgesetztes  —  bezeichnet,    ±  be- 
deutet zuerst  Abnahme,  dann  Zunahme. 

2)  Die  constante  Ablenkung  beträgt  immer  etwa  400  Scalentheile. 


Polarisation  von  JPlatin  in  Schwefelsäure, 


376 


Tabelle  V. 

AbDahme  der  Stromstärke  in  Scalentheilen.  ^) 
2.  Beihe  vom  Säuren. 


Säore 

Pro- 
cent- 

1 
1. 

2. 

3. 

4. 

1-3. 4-2. 

3—2. 

1-4. 

gehiOt^ 

^J>-^^1 

A^  +  K^Aj,+K^A^  +  K^ 

l^^'^P 

A-^P 

1 

0,3 

—  16 

53 

^_ 

._ 

2 

0,9 

41 

6 

— 

84 

+ 

78 

— 

-43 

8 

1»1 

19 

5 

-11 

48   1 

80 

43 

-16 

-29 

4 

1,9 
2,6 

60 

47 

8 
9 

0 
3 

63   ! 

60 
44 

55 
57 

-  8 

-  6 

-  3 

5 

66 

..19 

6 

3,4 
6,0 

40 

68 

8 
9 

5 

68 
77 
93 

35 
72 

60 
68 

-  3 

-28 

7 

112 

4 

-  9 

8 

76 

80 

-17 

9 

6,6 

97 

19 

4 

77 

93 

58 

-15 

20 

10 

10,6 
15,2 

91 
106 

18 
20 

27 
30 

68  ; 

64 
76 

50 

49 

9 

23 

11 

69 

10  '     37 

12 

17,4 
23,5 
33,1  1 

76 

80 

17 
18 
17 

26 

54 

58 
67 

50 
40 

37 
40 
50 

9  ,  22 

13 

135 
33 

22 

14 

73 

16  1   7 

15 

40,3 

!   84 

17 

45 

58   ' 

39 

41 

28   26 

16 

47,0 

90 

16 

63 

54 

27 

38 

47   36 

17 

49,7 
53,5 
57,5 

97 

.  103 

115 

19 
17 

77 
85 
92 

60 

20 
18 

41 
42 

58   37 

1 

18 

59 
49 

68   44 

19 

80 

23  1  — 

!  66 

20 

1  63,6 

102 

18 

80 

52 

1  22 

34 

62 

50 

Nur  dann  ist  auch  bei  platinirten  Electroden  die  Strom- 
stärkeabnahme gross,  wenn  sie  längere  Zeit  nicht  polarisirt 
waren  (Tab.  V.  Säuren  1,  8,  19). 

Aber  auch  in  diesem  Falle  vergingen  nur  wenige  Minuten 
bis  zur  Erreichung  des  Maximalwerthes  der  Polarisation, 
wogegen  bei  blanken  Electroden  ^/g — 1  Stunde  Stromdurch- 
ganges nöthig  war.  Der  Grund  für  diese  Verschiedenheit 
wird  in  der  rascher  erfolgenden  Sättigung  platinirter  Elec- 
troden mit  den  electrolytischen  Gasen  liegen. 

Die  kleine  Abnahme  der  Stromstärke  bei  Ap  +  Kp  wird 
zum  grössten  Theil  dadurch  zu  erklären  sein,  dass  die 
platinirten  Electroden  von  den  vorhergegangenen  Beobach- 
tungen her  noch  so  stark  mit  Gas  beladen  waren,  dass  ihre 
Polarisation  schon  mit  Beginn  der  neuen  Beobachtung  fast 

1)  Es  gelten  die  gleichen  Bemerkungen  wie  zu  Tab.  IV.  Eine  län- 
gere Unterbrechung  der  Beobachtung  (von  mehreren  Stunden  oder  einem 
oder  mehreren  Tagen)  ist  durch  einen  untergesetzten  Strich  —  gekenn- 
zeichnet. 


376  C,  Fromme. 

auf  dem  Maximum  sich  befand.  Die  Richtigkeit  dieser  Er- 
klärung ergibt  sich  aus  dem  Auftreten  einer  grossen  Abnahme 
der  Stromstärke  nach  längerer  Unterbrechung  der  Beobach- 
tungen. Dann  waren  eben  die  Electroden  nicht  mehr  mit  Gas 
gesättigt,  das  vom  Strome  neu  ausgeschiedene  Gas  ^)  floss  deshalb 
zuerst  rasch  nach  dem  Inneren  der  Kathode  ab,  und  die  Pola- 
risation war  daher  zunächst  klein  und  die  Stromstärke  gross. 

Man  darf  daher  allein  aus  der  Vergleichung  der  Strom- 
stärkeabnahmen bei  Ah  +  Kh  und  bei  Ap  +  Kp  nicht  den 
Schluss  ziehen,  dass  grössten  Polarisationswerthen  (bei 
Ah  +  Kh)  auch  grösste  Stromstärkeabnahmen,  kleinsten  Po- 
larisationswerthen (bei  Ap  +  Kj^  auch  kleinste  Stromstärke- 
abnahmen entsprechen,  d.  h.  dass  eine  kleine  Polarisation 
rasch,  eine  grosse  langsam  ihr  Maximum  erreicht.  Wohl 
aber  ergibt  sich  dieser  Schluss  aus  der  Vergleichung  der  der 
gleichen  Electrodencombination  entsprechenden  Reihen  in 
Tab.  I  und  lY  und  in  Tab.  IQ  und  V.  Denn  mit  geringen 
Ausnahmen  liegt  bei  den  Säuren  mit  einem  Maximum  der 
Polarisation  auch  ein  Maximum  der  Stromstärkeabnahme, 
d.  h.  je  grösser  der  erreichbare  Werth  der  Polarisation  ist, 
desto  weiter  ist  sie  in  den  ersten  Secunden  nach  Stromschluss 
noch  von  demselben  entfernt;  oder  anders  ausgedrückt:  die 
Unterschiede  der  Polarisationswerthe  in  den  einzelnen  Con- 
centrationen  bilden  sich  erst  bei  längerem  Durchgang  des 
Stromes  aus. 

Dieser  Zusammenhang  zwischen  dem  Maximum  der  Po- 
larisation und  der  Grösse  der  Stromstärkeabnahme  geht  auch 
aus  der  Betrachtung  der  DiflFerenzwerthe  in  den  Tabellen  IV 
und  V  hervor:  Sowie  durch  Platinirung  der  Kathode  die  Pola- 
risation hauptsächlich  in  den  verdünnten  Säuren,  durch  Plati- 
nirung der  Anode  häuptsächlich  in  den  coneentrirteren  herab- 
gesetzt wird,  so  wird  auch  die  Stromstärkeabnahme  in  den  ver- 
dünnteren  Säuren  vorzugsweise  kleiner  nach  Platinirung  der 
Kathode ,  in  den  coneentrirteren  nach  Platinirung  der  Anode. 

1)  Es  handelt  sich,  wie  aus  den  Beobachtungen  mit  A  '\-K^  (Säuren  5, 
11,  18)  und  A^  + K  (iSäuren  7,  13)  hervorgeht,  fast  ausschliesslich  um 
den  H  an  der  Kathode.  Derselbe  wird  anfangs  vollständig  occludirt, 
während  zugleich  die  Stromstärke  rapid  abnimmt.  Das  schliessliche  Er- 
scheinen von  freiem  H  bringt  aber  keine  nennenswerthe  Abnahme  der 
Stromstärke,  d.  h.  Zunahme  der  Polarisation  mehr  hervor. 


Polarüation  von  Plali«  in  Schwe/ehäure. 


377 


c)  Die  Abb&Dgigkeit  der  Pol&risatioD  von  der 
8t&rke  des  polarisirenden  Stromes.  —  Da  jedegmal  bei 
acht  Terschiedeoen  Stromstärken,  sowobl  mit  eingeschaltetem, 
ab  mit  ausgeschaltetem  Voltameter  beobachtet  varde,  so 
liess  sich  aus  den  vier  hieraus  abgeleiteten  Wertheo  von 
E~p  und  von  E  (cf.  die  1.  Abb.)  ein  Urtheil  über  die  Ab- 
hängigkeit der  Polarisation  von  der  Stromstärke  gewinnen. 
Ea  wurde,  wenn  —  was  immer  dar  Fall  war  —  E  sich 
als  merklich  coostant  in  seinen  vier  WertheD  erwies,  der 
Unterschied  derjenigen  beiden  Werthe  von  p  genommen, 
welche  aus  der  Conibioation  der  Beoltachtungen  1  und  5  und 
4  und  8  resultirten.  *)  Diese  Differenz,  ausgedruckt  in  Pro- 
centen  des  ans  den  vier  Combinationen  sich  ergebenden  Mittel- 
werthes,  ist  in  den  folgenden  beiden  Tabellen  entlialten. 


AbDahme  v 


Tabelle  VI. 
(iii  Proc.)  mit  sbDehmender  Strooutlike. 
I.  B«ihe  von  Säuieu. 


Sftore 

Proc- 

Geball 

1. 

2. 

A^ 

3, 

5. 

U 

0,* 

0 

0 

-1,0 

V^ 

1-1,0 

0 

0 

ra 

1.3 

0 

0,7     1 

0.2 

0 

'     0 

0.7 

0 

IV 

2,0 

0 

1,0 

-0.9 

0 

(     0 

0,8 

0 

V 

2,8 

0 

1,0 

-0,4 

0 

1.0 

9 

VI 

ii 

0,4 

-o!4 

0 

1,& 

il 

0 

vn 

*.i 

0,5 

0,4 

0 

'     1,0 

0 

0,9 

0 

VIII 

6,0 

1,0 

1,0 

0,3 

1    0.9 

!     0,5 

0,3 

0,6 

IX 

1,< 

2,0 

1-1 

1,0 

0 

0,B 

0,6 

1.8 

X 

116 

1,8 

1.4 

0,4 

0 

0 

oj 

0 

XI 

14,5 

-1,1 

1,0 

0 

0,B 

1     0,4 

0 

0^ 

XII 

19,6 

1,6 

0,9 

0 

0 

'     0 

0,4 

0,B 

XIII 

23,6 

1,0 

1,1 

0 

0 

0 

0 

o;6 

XIV 

31  ,T 

1.1 

0,8 

0 

0 

1  •* 

0,9 

0,* 

XV 

37,1 

0,4 

1-2 

0,7 

0 

0,8 

0 

l.I 

XVI 

43,1 

1,B 

1.2 

0 

0,5 

1     0,8 

0.8 

1,0 

XVII 

46,8 

t.3 

1,6 

0 

1,8 

1    i'ä 

0,6 

1,3 

xvin 

50,6 

1,5 

1.4 

1,6 

2,0 

1,5 

0 

l!» 

XIX 

53,7 

1,6 

1,4 

0,7 

0,7 

1,5 

0,4 

1,5 

XX 

57,0 

1,2 

1,6 

1,5 

10 

1     ^<1 

0,8 

a,o 

XXI 

60,J 

0,9 

1,2 

1,0 

1,2 

1.1 

0 

2,0 

XXIJ 

65,4 

0,5 

l.S 

0,B 

1.5 

!    0 

0 

1.4 

Mittel 


1,0 


1,0 


0,3 


0,5 


0.5 


0,8 


1)  Die  Strom slfirkcn  bri  den  Beobachtungen  1  und  B  standen  durch- 
eehnittlich  im  Verhftltnise  10:7,  die  mittlere  Stromstärke  der  Beobach- 
tungen 1  und  5  hatte  zu  dem  Mittel  von  4  und  f  darehachnittlich  daa 
Verhältnis«  9:8.     Im  Mittel  war  die  Stromstttrke  0,25  Ampere. 


378 


C  Fromme, 


Tabelle  Vn. 

Annahme  von  p  (in  Proc)  mit  abnehmender  Stromstärke. 

IL  Beiiie  von  Säuren. 


Sänre 

Procent- 

1. 

2. 

8. 

4. 

gehalt 

A  +  -ffb 

^,+  ^ 

^6  +  ^p 

^+Jei 

1 

0,8 

0 

0 

-0,7 

-1,6 

2 

0,9 

0,7 

0 

0 

1,6 

8 

1,1 

0,5 

0 

0 

0 

4 

1,9 

0,7 

0 

0 

0,4 

5 

2,6 

0,5 

0 

0 

0,6 

e 

8,4 

8,2 

0 

0 

1,1 

7 

^»•^     i 

1,7 

0,6 

0 

0 

8 

6,0 

0,9 

0 

0 

0,8 

9 

6,6 

0 

0 

0 

0 

10 

10,6 

0 

0 

0 

0,7 

11 

15,2 

0 

0 

0 

0 

12 

17,4 

0,9 

0 

0 

0 

13 

23,5 

1,2 

0 

0 

0,6 

14 

33,1 

0,5 

0,5 

0 

0 

15 

40,8 

1,7 

0,6 

0 

0,5 

16 

47,0 

1,7 

1,0 

0 

0 

17 

49,7 

1,1 

0,4 

0 

0 

18 

53,5 

2,4 

0 

1,4 

0 

19 

57,5 

0,9 

0,5 

0,5 

0 

20 

63,6 

1,2 

0,3 

1,5 

0 

Mittel 

0,9 

0,2 

0,1 

0,2 

Kein  Zeichen  vor  der  Zahl  bedeutet,  dass  p  mit  ab* 
nehmender  Stromstärke  abnimmt,  das  —Zeichen,  dass  es 
zunimmt,  0  bedeutet  Constanz  von  p. 

Aus  Tab.  VI  geht  hervor,  dass,  wenn  beide  Electroden 
blank  sind,  mit  Ausnahme  der  verdünntesten  Säuren  immer 
eine  merkliche  Abnahme  von  p  mit  abnehmender  Stromstarke 
stattfindet.  Platinirt  man  nur  die  Kathode,  so  wird  die  Ab* 
nähme  von  p  in  den  niederen  Concentrationen  kleiner,  wäh- 
rend sie  in  den  höchsten  ungeändert  bleibt.  Bei  Platinirung 
allein  der  Anode  bleibt  umgekehrt  die  Abnahme  von  p  in 
den  niederen  Concentrationen  gross  und  wird  in  den  höheren 
klein.  Hiemach  müsste  nach  Platinirung  beider  Electroden 
die  Abnahme  von  p  mit  abnehmender  Stromstärke  in  allen 
Säuren  klein  sein.  Das  ist  mit  Ausnahme  der  höchsten 
Concentrationen  in  der  That  der  Fall;  bei  vier  sehr  ver- 
dünnten Säuren  zeigt  sich  statt  der  vorherigen  Abnahme  von 
p  jetzt  eine  Zunahme. 

Die   gleichen  Schlüsse  lassen   sich   auch   aus  Tab.  VII 


Polarisation  von  Fiatin  in  SehwefeUdure.  879 

ziehen,  doch  ist  hier  die  Abnahme  der  Polarisation  mit  der 
Stromstärke  im  allgemeinen  kleiner. 

Die  Polarisation  nimmt  also  gewöhnlich  mit  abnehmen- 
der Stromstärke  ab,  am  meisten  und  ziemlich  in  allen  Con- 
Centrationen  bei  blanken  Electroden.  Die  Abnahme  wird 
geringer  sowohl  nach  Platinirung  der  Kathode  als  nach  Pla- 
tinirung  der  Anode,  im  ersteren  Fall  besonders  bei  kleinen, 
im  letzteren  vorzugsweise  bei  grossen  Concentrationen. 

Wir  gelangen  also  auch  hier  zu  dem  in  den  vorher- 
gehenden Abschnitten  schon  ausgesprochenen  Gesetz,  dass 
sich  der  Einfluss  einer  Platinirung  der  Kathode  mehr  in 
kleinen,  einer  Platinirung  der  Anode  besonders  in  grossen 
Concentrationen  äussert. 

d)  Der  Widerstand  des  Voltameters.  —  Bei  der 
Beurtheilung  der  folgenden  Widerstandswerthe  ist  zu  berück- 
sichtigen, dass  die  Temperatur  des  Voltameters  und  der  Ab- 
stand der  Electroden  zwar  nach  Möglichkeit  constant  gehalten 
wurden,  aber  —  weil  es  mir  in  allererster  Linie  nur  auf  die 
Untersuchung  der  Polarisation  ankam  —  nicht  so  genau, 
wie  es  zur  präcisen  Bestimmung  des  Widerstands  nöthig  ge- 
wesen wäre. 

Indessen  wird  man  erkennen,  dass  unter  gleichen  Ver- 
hältnissen wiederholte  Beobachtungen  dennoch  hinreichend 
miteinander  übereinstimmen,  um  das  Ziehen  einiger  nicht 
unwichtiger  Folgerungen  zu  rechtfertigen. 

Die  Tabellen  VIII  und  IX  enthalten  die  Voltameter- 
widerstände  in  S.-E.,  welche  zugleich  mit  den  in  den 
Tabellen  I  und  III  enthaltenen  Polarisationswerthen  beob- 
achtet wurden.  Die  Bezeichnung  der  einzelnen  Beobachtungs- 
reihen  ist  die  gleiche  wie  dort.  Ein  constanter  Abstand  der 
Electroden  wurde  nur  in  jeder  Reihe  eingehalten,  während 
er  von  der  einen  zur  anderen  Schwankungen  unterlag,  sodass 
ein  Einzelwerth  in  einer  Reihe  mit  dem  correspondirenden 
einer  anderen  absolut  nicht  vergleichbar  ist.  Es  kommt  auch 
vornehmlich  nur  auf  Bestimmung  der  Abhängigkeit  des 
Widerstands  von  der  Concentration  an.  In  Tab.  IX  habe 
ich  eine  annähernde  Vergleichbarkeit  der  Werthe  in  den 
verschiedenen  Reihen  miteinander  dadurch  hergestellt,  dass 
ich  den  Widerstand  in  Säure  1)  überall  =  100  setzte. 


Tabelle  YIII.    Der  Widerstand  des  Voltameters. 
I.  Beihe  Ton  Sloren. 


Pro-  ' 
gebalt! 


-ij-t-Jj     \\^,  +  ^,\      ■^b  +  ^r       ^p-^^t 


2,8   [i    4,5S  ,     4,77 


XI  I  U,b        1,3Ö 


46,10 
9,22 
5,17 
3,60 


XIII 

2s,e 

XIV 

;ii,7 

XV 

:^7,i 

XVI 

43,7 

xvn 

XVIII 

fiO,« 

XIX 

XX 

fiin 

XXI 

TO,S 

sxn 

«5,* 

3,11 

2.21 
1,74 

2,05 

1,57 

l,fi4 

1,26     ! 

1.55 

1,3-t 

0,S9 

I,1H 

0,H1 

l.it* 

1,00    ; 

1,IS 

0,92    ] 

1,411 

1,«4 

0,86 

0,8S 

l.flO 

0,81 

1,60 

1,16     , 

1,77 

1,43     ' 

10,71 

86.20 

34,64 

8,75 

ll.Tfi 

5,87 

5,43 

7,01 

3,75 

8,39 

4,50 

2,ft3 

2,H1 

5,50 

2,23 

2,04 

2,79 

1,85 

2,1* 

1,4» 

1,87 

1,1h 

0,98 

1,44 

1,00 

0,95 

1.21 

Ü,K7 

0,88 

1,01 

(l,H4 

0,83 

0,H« 

0,»B 

1,10 

1,01 

1,03 

0,94 

1,B0 

1,05 

1,44 

i,a7 

1,81 

1,22 

1,23 

1,3H 

1,18 

i,a5 

1.25 

1,54     ! 

1,5« 

1,41 

1,81 

Der  Widen 
It.  Reibe 


Btand  dt 
Säuren. 


s  Voltameters. 


i  Proccnt- 
gebdt 


100,00  100,00      I     100,00 

36,00  88.71  37,22 

32,31 


12,SS 
10,28 
8,78 


83.93 
17,45 
13,10 


17,41 

12,98 
10,22 
8,35 


100,00 
38,44 
39,75 
17.04 


]■       7,10')         eis; 

'.  VOR  !,.!•( 


5,67 
5,62 
5,30 

5,29 


Polarisation  von  Platin  in  Schwefelsäure» 


381 


Aus  den  Tabellen  VIII  und  IX  folgt,  dass  bei  jeder 
Combination  von  Electroden  der  Widerstand  des  Yoltameters 
mit  zunehmender  Concentration  der  Schwefels&ure  zuerst  ab- 
nimmty  um  nach  Erreichung  eines  Minimums  im  allgemeinen 
wieder  eine  Zunahme  zu  erfahren.  Die  Lage  des  Minimums 
Iftsst  sich  wegen  der  geringen  Genauigkeit,  mit  welcher  die 
meist  kleinen  Widerstände  bestimmt  werden  konnten,  nur 
ann&hernd  erkennen;  das  Mittel  aus  den  beiden  Concentra- 
tionen,  zwischen  welchen  der  Widerstand  um  eine  constante 
Grösse  schwankt,  hat  jedoch  folgende  Werthe: 


I.  Beihe 

von  Säuren. 

Beschaffenheit 
der  ElectrodeD 

^i+^i 

^,  +  jr. 

A  +  -^ 

^p  +  ^6 

^b  +  ^fffc 

Mittel 

Procentgehalt 

25,6 

30,6 

36,3 

25,6*25,6 

33,2 

80,3 

29,6 

n.  Beihe  von  Säuren. 


Beschaffenheit 
der  Electroden 

A,  +  K,     A^  +  Z^ 

A^  +  Z^      A^  +  K, 

Mittel 

Procentgehalt 

33,1              38,1 

25,2 

86.7 

82,0 

Das  Minimum  des  Voltameterwiderstands  hat  also  bei 
beiden  Säurereihen  im  Mittel  die  gleiche  Lage,  wie  das 
Minimum  des  Leitungswiderstands  der  Schwefelsäure.  Es 
gilt  jedoch  als  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  Beschaffen- 
heit der  Electroden  insofern  einen  Einfluss  auf  die  Lage  des 
Minimums  ausübt,  als  es  bei  blanker  Anode  auf  etwas  klei- 
nere, bei  platinirter  Anode  auf  etwas  grössere  Concentra- 
tionen  fällt. 

Besonders  unbestimmt  ist  die  Lage  des  Minimums  in 
der  L  Reihe  der  Säuren  bei  Jp  +  Kp  und  Ap  +  Ki„  wo  die 
Widerstands  werthe  von  19,6 — 53,7  Proc,  resp.  von  19,6  bis 
46,8  Proc.  annähernd  constant  ausfallen,  um  danach  conti- 
nuirlich  zu  wachsen.  Gegenüber  diesem,  bei  platinirter 
Anode  beobachteten  Verhalten  ist  das  Minimum  bei  blanker 
Anode  enger  begrenzt,  und  es  nimmt  der  Widerstand  nach 
demselben  sofort  stark  zu.  Plötzlich  wird  er  aber  wieder 
etwa  constant  und  wächst  erst  bei  den  höchsten  Concentra- 
tionen  von  neuem. 


382 


C,  Fromme, 


Diese  Periode  ungefährer.  Constanz,  in  welcher  mit 
einer  einzigen  Ausnahme  noch  ein  Minimum  auftritt  ^  hat 
folgende  Lage: 

I.  Beihe  von  Säuren. 


Beschaffen 

heit  der 

Electroden 

1.                 1                 3. 

1 

5. 

Periode  un- 
gefährer 
Const.  b.  % 

46,8-00,5 

46,8—60,5 

46,8—90,5  46,8—60,5 

43,7—57,0 

Minimum  in 

d.  Periode 

bei% 

57,0 

57,0 

53,7 

57,0 

— 

n.  Reihe  von  Säuren. 


Beschaffenheit  der 
Electroden 


Periode  ungefährer  Con 
stanz  bei  % 


58,5—57,5  I  49,7—57,5 


Minimum  in  dieser  Periode 
bei  0,0 


57,5 


58,5 


Die  Lage  der  Periode  etwa  constanter  Widerstands- 
werthe,  sowie  des  in  ihr  noch  erkennbaren  Minimums  ist  also 
überall  die  gleiche. 

Wir  gelangen  demnach  zu  dem  Resultat,  dass  durch 
eine  blanke  Beschaffenheit  der  Anode  bei  höheren  Concen- 
trationen  eine  erhebliche  Abweichung  des  Voltameterwider- 
stands  von  dem  Widerstaüdsgesetz  der  Schwefelsäure  herbei- 
geführt wird. 

Während  so  der  Voltameterwiderstand  nach  Ueberschrei- 
tung  des  absoluten  Minimums  bei  blanker  Anode  bis  zu 
Säure  von  etwa  57  Proc.  grösser  als  bei  platinirter  Anode 
ausfällt,  so  übt  dagegen  die  Beschaffenheit  der  Kathode 
nirgends  einen  deutlich  erkennbaren  Einfluss  weder  auf  den 
Verlauf,  noch  auf  die  Grösse  des  Widerstandes  aus. 

Der  Periode  nahe  constanter  Werthe  bei  blanker  Anode 
und  etwa  47 — BOprocentiger  Säure  liegt  aber  ohne  Zweifel 
die  gleiche  Ursache  zu  Grunde,  wie  der  plötzlichen  Wieder- 
abnahme der  Widerstandswerthe,  über  deren  Auftreten  bei 


Polarisation  von  Platin  in  Schwefelsäure.  383 

einer  sehr  kleinen  blanken  Anode  und  in  etwa  den  gleichen 
üoncentrationen  in  der  ersten  Mittheilung  schon  berichtet 
worden  ist. 

IL    Versuche  mit  Electroden  von  15  qcm  G-rösse. 

Nachdem  die  vorhergehend  beschriebenen  Versuche  er- 
geben hatten,  dass  die  Polarisation  blanker  Electroden  so- 
wohl mit  der  Concentration  der  Säure  in  hohem  Grade  ver- 
änderlich ist,  als  auch  mit  der  Bereitung  der  Säure  nicht 
unerheblich  variirt,  während  platinirte  Electroden  eine  von 
der  CoDcentration  sehr  wenig  abhängige  und  in  beiden  Säure- 
reihen merklich  gleiche  Polarisation  zeigen,  so  lag  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  auch  blanke  Electroden  die  einfacheren 
Erscheinungen  platinirter  liefern  könnten,  wenn  man  ihnen 
nur  eine  Oberfläche  gäbe,  die  der  gewiss  sehr  grossen  wirk- 
samen Oberfläche  platinirter  Electroden  näher  käme.  Es 
wurden  daher  blanke  Electroden  (Ah  +  Kj,)  von  15  qcm  Fläche 
in  beiden  Säurereihen  untersucht.  In  der  Folge  wurden 
jedoch  auch  Versuche  mit  Ap  +  Kp,  Ap  +  Kb  und  Ab+Kp 
hieran  angeschlossen. 

Die  Stromstärke,  welche  bei  den  Beobachtungen  mit  den 
1  qcm  grossen  Electroden  durchschnittlich  0,25  Amp.  betragen 
hatte,  wurde  jetzt  auf  durchschnittlich  0,76  Amp.  gesteigert. 
Die  Stromdichtigkeit  betrug  also  trotzdem  jetzt  nur  ^/^  der 
früheren.  Ihr  einen  höheren  Werth  zu  geben,  war  um  des- 
willen nicht  möglich,  weil  sonst  die  Empfindlichkeit  des 
Galvanometers  noch  mehr,  als  schon  geschehen,  hätte  ver- 
mindert werden  müssen,  und  da  p  aus  den  beiden  Glei- 
chungen E  —  p=:c.a  und  E ^  c,ß  zu  p  =  c(ß  —  a)  berech- 
net wird,  bei  abnehmender  Empfindlichkeit,  also  zunehmen- 
dem c  die  DiÖ'erenz  ß  —  a  allzu  klein  ausgefallen  und  mit 
zu  grossem  Fehler  behaftet  gewesen  wäre. 

Der  aus  den  kleineren  Werthen  von  ß  —  a  resultirende 
grössere  Fehler  in  ß—  a  und  in  p  lässt  die  im  Folgenden 
mitzutheilenden  Polarisationswerthe  zu  weitergehenden  Schlüs- 
sen nicht  geeignet  erscheinen.  Ein  zweiter  Grund  für  die 
geringere  Zuverlässigkeit  dieser  Beobachtungen  liegt  ferner 
darin,  dass  bei  stärkeren  Strömen  die  electromotorische  Elraft 
der   Elemente   weniger   constant  ist,    und    daher   auch   die 


S84 


C  fromme. 


Gleichheit  der  Werthe  tob  E  in  £—p  '"ca  und  iü  E=  e .  ß 
weniger  gesichert  erscheint 

Aus  diesen  GrOnden  ist  dem  Auftreten  kleiner  Wider- 
spruche zwischen  den  Beobachtungen  mit  den  1  qcm  grossen 
and  mit  den  15  qcm  grossen  Electroden  keine  Bedeutung 
beizumessen. 

Die  Tabellen  X  und  XI  enthalten  die  Polarisations- 
wertbe  itkr  die  beiden  Säarereihen.  Die  Widerst&nde  dea 
Voltameters  waren  so  klein  and  desl^b,  sowie  aus  dem  letzt- 
genannten Qrande,  mit  so  grossem  Fehler  behaftet,  daas  ich 
auf  ihre  Mittbeilung  ganz  verzichten  kann. 

Die  blanke  Kathode  wurde  vor  Beginn  einer  Versuchs- 
reihe in  Königswasser  gereinigt.  Nur  bei  den  in  zweiter 
Stelle  stehenden  VerBuchen  unter  Ai  +  Ki  in  Tab.  XI  wurde 
die  Kathode  bei  jedem  Wechsel  der  Säure  in  Königswasser 
von  etwa  gebildetem  Platinschwaiz  gereinigt 


Tabelle  X. 
L  Beihe  von  Slnran. 


^^||       Polarisation 

Säure   sl  i!    1.    1    2.     1    3.     ■    4. 

— 



1—3. 

4-2. 

1—4 

3-2. 

Mittel 

£  S'p.+^'V'^. 

Ä^+K^  A^+E^ 

''r 

K  ^ 

-*.- 

-A 

K~^r 

\-\ 

U 

0,4  ;l  2,53 

1,97 

2,20      1,81 

0.39 

-0,16, 

0,72 

0,23 

0,08 

0,47 

m 

1,2 

2,43 

1,06 

2,23 

a,oi 

20 

0( 

42 

28 

13 

35 

IV 

2,0 

2,48 

1,95 

2,24 

2,07 

24 

41 

29 

18 

35 

V 

2.8 

2.52 

1,92 

2.26 

2,17 

26 

35 

34 

25 

34 

VI 

3,4 

2.63 

1,96 

2,16 

2,17 

67 

21 

66 

20 

44 

43 

VII 

*.< 

2,92 

1,96 

2,30 

2.22 

62 

26 

70 

34 

41 

5S 

VIII 

6,0 

2,63 

1.82 

2,25 

2,28 

44 

37 

4.H 

41 

40 

IX 

1-* 

3,72  •  1,82 

2:20 

2,16 

47 

34 

66 

43 

40 

49 

X 

11,5 

2.SÖ 

1,92 

2,32 

2,26 

66 

34 

62 

40 

45 

51 

XI 

14,5 

'^,89 

1,99 

2,30 

2,21 

59 

2S 

68 

31 

40 

49 

XII 

19,6 

2,88 

1,96 

2139 

2,24 

49 

64 

43 

38 

53 

XIII 

23,8 

2,83 

1,99 

2.28 

2.29 

55 

64 

29 

42 

41 

XIV 

31.7 

2,89 

1,99 

2;33 

2,22 

56 

67 

34 

39 

50 

XV 

37,1 

2,51 

1,92 

2,33 

2.11 

18 

IG 

40 

41 

18 

40 

XVI 

43,7 

2.73 

1.93  1  2,50 

2,20 

'     23 

27 

53 

57 

25 

56 

XVII 

46,8 

2,75 

2,00  1  2,43 

2,21 

32 

21 

54 

43 

26 

48 

XVIU 

50,6 

2,81 

1.97  1  2,43 

2.13 

38 

68 

46 

27 

S7 

XIX 

53,7 

2:80 

2,04      2,45 

2,22 

35 

58 

41 

26 

49 

XX 

57,0 

2,81 

1,87  i  2,77 

2,20 

04 

61 

90 

18 

75 

XXI 

60,5 

2,88 

1,97  (  2,71 

2,20 

n 

68 

74 

20 

71 

XXTT 

65,4 

2,94 

1,99  1  2,84 

2,18 

10 

10 

76 

85 

14 

80 

Mittel     |l  2,T5  !  1,94  j  2,37   I  2,17  ||o,37  |    0,22|i0,58    |0,43    |0,29    |  0,50 


Polaritation  von  Fiatin  in  SchwtfeUäare. 


Tabelle  XI. 
II.  Beihe  von  SüareD. 


~ 

S~ 

Po 

aria 

»tion 





^ — 



I 

|i 

1. 

2. 

3. 

S. 

1-3. 

4—2. 

1-4. 

3—2. 

Mittel 

s 

J^+Jj 

V, 

^t+^f 

V^^ 

i- 

x^ 

A- 

A^ 

'r'f 

t£^ 

l 

^ 

2,69 
2,55 

2,62 

1,8. 

2,14 

U 

0,48 

0,B6 

TZ 

0,33 

zr 

0,29 

2 

0,9 

2,78 
2,51 

2,62 

1,90 

2,12 

2,43 

60 

53 

19 

22 

61 

80 

3 

M 

2,23 

2,30 

2,26 

1,B4 

2,11 

2,87 

15 

53 

-11 

27 

34 

OB 

4 

1,9 

2,38 
2,32 

2,35 

1,78 

2,01 

2,38 

94 

60 

-03 

28 

47 

10 

5 

2,6 

2,26 
2,24 

2,24 

1,87 

2,08 

2,38 

16 

61 

-14 

21 

33 

OB 

" 

V 

2,29 
2,26 

2,27 

1,83 

2,13 

2,27 

» 

44 

0 

SO 

29 

IB 

7 

M 

2,31 

2,49 

2,40 

1,89 

2,08 

2,14 

32 

25 

26 

19 

2B 

22 

8 

«,0 

2,42 

1,83 

2,29 

2,19 

13 

36 

23 

46 

24 

84 

9 

e,e 

2,48 

1,82 

2;34 

2,06 

14 

24 

42 

52 

19 

47 

10 

10,6 

2,88 

1,93 

2,22 

2,09 

16 

16 

29 

89 

16 

29 

11 

li,3 

2,48 

1,88 

2,23 

2,12 

26 

24 

36 

35 

24 

36 

12 

n,4 

2,4S 

1.94 

2,30 

2,12 

16 

18 

34 

36 

17 

36 

18 

23,5 

2,48 

1,97 

3,32 

1,94 

16 

-03 

54 

35 

06 

44 

14 

33,1 

2,53 

1.91 

2,28 

2,00 

25 

09 

58 

37 

17 

46 

15 

40;3 

2^7 

2.01 

2,34 

1,98 

23 

-03 

59 

33 

10 

46 

16 

47,0 

2,68 

1,98 

2,38 

2,01 

25 

03 

62 

40 

11 

61 

n 

48,1 

2,56 

1,99 

2,31 

1,96 

25 

-03 

60 

32 

46 

18 

B9,5 

2,b5 

S,03 

alsi 

i;99 

18 

-04 

56 

34 

07 

46 

19 

!,<!> 

2,63 

1,98 

2,48 

■2.04 

15 

06 

59 

50 

10 

54 

20 

63.6 

2,70 

3,U1 

2,66 

1!,07 

04 

06 

63 

65 

05 

64 

Hl 

ttel 

2. 

8 

1,91 

2,28 

2,14 

0,22 

0,28 

0,84 

0,35 

0,22 

0,84 

Aus  Tabelle  X  schliessen  wir: 

Sind  beide  Eleciroäen  blank,  80  liegen  Minima  der  Pola- 
rieatioD  bei  1,2,  6,0,  37,1  Proc,  Maxima  bei  3,4—4,4,  11,5 
biB  31,7  Proc.  Von  37,1—65,4  Proc.  nimmt  die  Polarisation 
zu.  Dieser  Verlauf  iat  also  im  ganzen  mit  dem  früher  (Tab.  I) 
gefundenen  übereinstimmend.  Der  Mittelwerth  2,75  V.  ist 
um  0,08  V.  kleiner,  als  der  frühere. 

Wenn  beide  Electroden  platinirt  lind,  so  erscheint  die  Po- 
larisation unabhängig  von  der  Concentration,  das  frUher  be- 
obachtete, mit  37,1  Proc.  beginnende  schwache  Anwachsen 
der  Polarisation  ist  nicht  zu  erkennen. 

Der  Mittelwerth  1,94  V.  ist  um  0,07  V.  grösser  als  der 
frühere. 

Ami.  d.  Phjl.  D.  CbHO.  N.  F.  UXVIII.  26 


386  C.  Fromme. 

Ist  die  Anode  blank  und  die  KcUhode  plaänirt,  so  liegen 
die  kleinsten  FolarisatioDSwertlie  bei  den  kleinsten  Concen- 
trationen,  der  Uebergang  zu  grösseren  Werthen  findet  aber 
nicht  plötzlich  statt,  wie  früher  gefunden  war. 

Ziemlich  regelmässiges  Ansteigen  von  p  beginnt  bei 
23,6  Proc.  (früher  bei  19,6  Proc).  Grössere  Werthe  treten 
aus  der  Reihe  der  umgebenden  heraus  bei  11,5 — 19,6  Proc. 
(früher  bei  1 1,6—14,5  Proc).  Der  Mittelwerth  2,37  V.  ist  gegen 
den  früheren  um  0,08  V.  kleiner. 

Bei  plaünirter  Anode  und  blanker  Kathode  bleibt  die  Pola- 
risation merklich  constant,  nur  bei  den  zwei  kleinsten  Con- 
centrationen  ist;>  erheblich  kleiner,  als  der  Mittelwerth  2,1  TV., 
der  um  0,03  V.  grösser,  als  der  frühere  ist.  Damals  wichen 
bei  den  kleineren  Concentrationen  einzelne  p  stärker  vom 
Mittelwerth  ab,  und  erst  von  23,6  Proc.  an  begann  die  üon- 
stanz  der  Werthe. 

Zwischen  den  beiden  Werthreihen  für  Ki,  —  K^,  ebenso 
natürlich  zwischen  denen  für  Ah  —  A^  zeigen  sich  grössere 
Divergenzen,  namentlich  bei  denjenigen  Concentrationen,  bei 
welchen  A^  +  Ky,  ein  Maximum  besitzt,  nämlich  bei  3,4  bis 
4,4  Proc.  und  bei  11,5 — 31,7  Proc.  Dasselbe  zeigte  sich  auch 
in  Tab.  II.  Es  hat  diese  Erscheinung  ihren  Grund  darin, 
dass  die  Polarisation  bei  A^  +  K^  den  Maximis,  welche  bei 
Ab+Ki  auftreten,  nicht  überall  folgt.  Von  den  Mittel  werthen 
für  Kb—Kp  stimmt  der  eine  mit  dem  früher  gefundenen  fast 
vollkommen  überein,  während  der  andere,  kleinere,  dem  frühe- 
ren nachsteht.  Die  Mittelwerthe  für  Ab—Ap  sind  jetzt  beide 
kleiner,  als  die  früheren. 

Dass  durch  Platinirung  der  Anode  die  Polarisation  mehr 
vermindert  wird,  als  durch  Platinirung  der  Kathode,  tritt 
von  37,1  Proc.  an  (früher  von  23,6  Proc.  an)  stärker  hervor. 
Der  Einfluss  einer  Platinirung  der  Kathode  auf  die  Grösse 
der  Polarisation  nimmt  auch  jetzt  von  87,1  Proc.  an  merk- 
lich ab.  Der  Einfluss  der  Platinirung  der  Anode  variirt 
wenig  bei  den  verschiedenen  Concentrationen,  nur  bei  1,2 
bis  2,8  Proc.  ist  er  erheblich  kleiner  und  am  grössten  von 
57,0 — 65,4  Proc,  wo  auch  früher  die  grössten  Werthe  von 
Ab  —  Ap  lagen. 


Polarisation  von  Ftaün  in  Schwefelsäure.  887 

*  In  der  2.  Reihe  der  Säuren  ergaben  sich  folgende  £e- 
sultate: 

Sind  beide  Electroden  blanh^  so  scheint  ein  Maximum  von 
p  bei  OyS — 0,9  Froc.  zu  liegen;  dann  folgt  ein  Minimum  bei 
1|1  Froc,  ein  Maximum  bei  1,9  Froc,  ein  Minimum  bei  2,6 
bis  3,4  Froc.  Die  Folarisation  nähert  sich  dann  einem 
Maximum  bei  6,6  Froc,  bleibt  bis  23,5  Froc.  ziemlich  con- 
stant  und  steigt  wieder  langsam  an. 

Alle  Werthe  mit  Ausnahme  des  ersten  sind  kleiner  als 
die  früheren,  namentlich  bei  den  Concentrationen  von  0,9  bis 
6,0  Froc.  Der  Mittel  wer  th  ist  um  0,22  V.  kleiner.  Sonst 
ist  der  Verlauf  von  p  im  wesentlichen  dem  früher  gefundenen 
gleich. 

Bei  platinirten  Electroden  ist  zwischen  0,3  und  15,2  Froc 
die  Folarisation  meist  kleiner,  von  17,4 — 63,6  Froc  aber 
durchweg  grösser,  als  das  Mittel  1,91  V.,  welches  um  0,02  V. 
grösser  als  das  frühere  ist.  Demnach  findet,  conform  dem 
früheren  Resultat,  eine  kleine  Zunahme  von  p  mit  wachsen- 
der Concentration  statt. 

Ist  die  Anode  blank  und  die  Kathode  platinirij  so  bleibt 
die  Folarisation  von  0,3 — 4,7  Froc  ziemlich  constant  und 
klein  (im  Mittel  2,10  V.),  dann  wächst  sie  ziemlich  regel- 
mässig an.  Dieser  Verlauf  entspricht  dem  in  Tab.  III  ge- 
fundenen, nur  erstreckte  sich  damals  die  Feriode  der  Con- 
stanz  von  0,8  —  6,6  Froc.  Das  Mittel  von  2,26  V.  ist  um 
0,10  V.  kleiner  als  das  frühere. 

Bei  platinirter  Anode  und  blanker  Kathode  bleibt  die  Fo- 
larisation von  0,3 — 2,6  Froc  constant,  dann  nimmt  sie  bis 
6,6  Froc  ab,  um  bis  63,6  Froc  wieder  annähernd  constant 
zu  sein.  Früher  erstreckte  sich  die  Feriode  constanter 
Werthe  von  10,6  —  63,6  Froc,  während  von  0,3—6,6  Froc 
die  Folarisation  durchschnittlich  zwar  auch  grösser  war,  als 
bei  den  höheren  Concentrationen,  aber  dabei  stark  schwankte. 
Das  Mittel  2,14  V.  ist  um  0,06  V.  kleiner,  als  das  der  frühe- 
ren Beobachtungen. 

Zwischen  den  beiden  Reihen  von  Ai,  —  Ap  (sowie  zwischen 
denen  vonÄi— ifp)  herrscht  theilweise  geringe  üebereinstim- 
mung.  Die  Mittelwerthe  sind  jedoch  einander  gleich.  In 
den   kleineren  Concentrationen   wird   durch  Flatinirung  der 

25* 


388  C  Fromme. 

Kathode  die  Polarisation  fit&rker  herabgesetzt,  als  durch 
Platinirung  der  Anode ,  in  den  grösseren  Concentrationen 
▼erhSlt  es  sich  umgekehrt  Das  Besnltat  ist  durchaus  in 
XTebereinstimmung  mit  dem  bei  1  qcm  grossen  Elöctroden 
gefundenen,  doch  sind  die  Mittel werthe  von  Ki  —  Kp,  sowie 
▼on  Ab  —  Ap  kleiner  als  die  früheren. 


Sowohl  die  Versuche  mit  den  15  qcm,  als  auch  die  mit 
den  1  qcm  grossen  Electroden  ergeben  das  Verhältniss 
{Ah "  Ap)l{Kh  —  Kp)  in  der  I.  Reihe  der  S&uren  grösser  ala 
in  der  IL  Reihe.  Durch  Platinirung  beider  Electroden  wird 
die  Polarisation  durchschnittlich  vermindert : 

bei    1  qcm  grossen  Elec-fin  der  'I.  Säarenreihe  um  0,38+0,68»  0,06  V., 
troden  )  »    n    II.  >»  n    0,82+0,47=0,79    w 

bei  15  qcm  gprossen  Elec-fin  der   L  Säarenreihe  um  0,29 +0,50=: 0,79  y.^ 
troden  )  >»    n    II.  v  y,    0,22+ 0,84  =»  0,56  >» 

Der  Unterschied  zwischen  den  Polarisationsabnahmen  in 
den  beiden  Säurereihen,  welcher  resp.  0,17  und  0,23  Y.  be- 
trägt, liegt  also  vorzugsweise  in  den  Werthen  von  Ai,  —  A,. 
Er  entsteht  aber  nicht  etwa  dadurch,  dass  in  der  I.  Reihe 
der  Säuren  die  höheren  Concentrationen,  bei  denen  Ai  -^  Ap. 
die  grössten  Werthe  besitzt,  stärker  vertreten  wären,  als  in 
der  II.  Reihe.  Es  sind  vielmehr  nahe  alle  Werthe  von 
Ah  —  Ap  in  der  I.  Reihe  grösser,  als  in  der  IL  Reihe.  Da 
nun,  sobald  nur  die  Anode  platinirt  war,  das  Ueberwiegen 
der  Polarisation  in  der  I.  Reihe  fast  ganz  aufhörte,  resp.  bei 
den  ersten  Versuchen  dann  sogar  die  Polarisation  in  der 
II.  Reihe  überwog,  so  folgt  schliesslich,  dass  die  Unterschiede 
der  Polarisation  in  den  beiden  Säurereihen  vorzugsweise  durch 
das  Verhalten  der  blanken  Anode  begründet  sind,  welche  in 
der  I.  Reihe  stärker,  als  in  der  IL  polarisirt  wird.  Welche 
Eigenschaft  der  Säuren  dies  bewirkt,  ist  freilich  nicht  zu 
entscheiden. 

Vergrösserte  man  die  Electrodenfläche  auf  das  löfache^ 
so  erfolgte  eine  Abnahme  der  Polarisation  in  der  I.  Reihe 
der  Säuren  bei  Ah-\-Kh  (0,08),  Ai+Kp  (0,08),  in  der  IL  Reihe 
der  Säuren  bei  Ah+Kh  (0,22),  Ah+Kp  (0,10),  Ap+JSh  (0,06), 
dagegen  nahm  die  Polarisation  zu  in  der  I.  Reihe  der  Säuren 


Polarisation  von  Platin  in  Schwefelsäure.  389 

bei  A,+  Kp'{Qfil),  A^  +  Kh  (0,03)  und  in  4er  IL  Reihe  der 
Sftoren  bei  Jp  +  K^  (0,02). 

Es  tritt  demnach  mit  Zunahme  Aex  Electrodenfl&che 
überwiegend ,  der  Zahl  der  Fälle  und  ^em  Betrage  nach,  eine 
Abnahme  der  Polarisation  ein,  und  wenn  eine  solche  statt- 
findet, so  ist  regelmässig  eine  der  Electroden  oder  beide  blank. 

Somit  ergibt  sich  das  Resultat,  dass  durch  Vergrösse- 
mng  der  Electrodenfläche,  resp.,  da  bei  den  letzten  Versuchen 
die  Stromdichte  kleiner  war,  durch  Verkleinerung  der 
Stromdichte  auf  ^/^  die  Polarisation  blaijiker  Electroden  eiqe 
Abnahme  erfährt,  während  diejenige  platinirter  im  Gegen- 
theil  ein  wenig  zunimmt. 

Die  Vermuthung  aber,  es  könne  möglich  sein,  durch 
Vergrösserung  der  Electrodenfläche  auf  das  löf|i.che  bei 
blanken  Electroden  die  kleinen  Polarisationswerthe  plati- 
nirter EUectroden,  sowie  die  geringe  Abhängigkeit  derselben 
von  der  Concentration  zu  erhalten,  hat  keine  Bestätigung 
gefunden,  sodass  der  Unterschied  in  dem  Verhalten  plati- 
nirter und  blanker  Electroden  wohl  noch  einen  anderen 
Grund,  als  die  yerschiedene  Grösse  der  wirksamen  Fläche 
haben  muss. 

Ein  solcher  Hesse  sich  in  der  ungleichen  Leichtigkeit 
der  Gasentbindung  an  blanker  und  platinirter  Electrode 
finden.  Nach  meinen  Beobachtungen  übt  aber  auch  die 
Concentration  der  Schwefelsäure  einen  Einfluss  auf  die  Gas- 
entbindung aus. 

Zunächst  sind  die  aufsteigenden  Gasblasen  von  40  Froc 
an  auffällig  grösser,  als  bei  kleinen  Concentration en.  Das 
beobachtet  man  gleichmässig  an  blanker  und  platinirter 
Anode  und  Kathode.  In  den  verdünnten  Säuren  entwickeln 
sich  nicht  nur  an  platinirter  Anode  und  Kathode,  sondern 
auch  an  blanker  Anode  durchaus  nur  kleine  Gasbläschen. 
Dagegen  ist  eine  blanke  Kathode,  besonders  wenn  sie  zuvor 
in  Königswasser  gereinigt  war,  in  allen  Cpncentrationen  zwi- 
schen 0— SOProc.  in  den  ersten  Minuten  des  Stromdurchganges 
mit  ausserordentlich  grossen  Gasblasen  bedeckt.  Diese,  neben 
welchen  anfangs  nur  wenige  kleine  aufsteigen,  verschwinden 
in  einigen  Concentrationen  bei  längerem  Stromdurchgang, 
und  es   steigt   schliesslich  ein  continuirlicher  Strom   kleiner 


390  C.  Fromme. 

Bl&schen  auf,  wie  er  an  der  Anode  von  Anüang  an  be* 
stand. 

In  anderen  Concentrationen  aber  bleiben  die  grossen 
Blasen  an  der  Kathode  stets  in  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl. Besonders  deutlich  war  das  in  der  I.  Reihe  bei  den 
S&uren  X — ^XIV,  wenn  ausser  der  Kathode  auch  die  Anode 
blank  war,  und  bei  den  S&uren  X — XII,  wenn  der  blanken 
Kathode  eine  platinirte  Anode  gegenüberstand. 

In  diesen  S&uren  beobachtete  man  aber  auch  hohe  Po- 
larisationswerthe,  deren  Ursache  nach  dem  früheren  zudem 
in  der  blanken  Bescha£Eenheit  der  Kathode  liegt. 

Es  wäre  also  möglich,  dass  die  andauernd  grossen  &as- 
blasen  an  blanker  Kathode  und  die  gleichzeitigen  hohen 
Polarisationswerthe  in  einem  gewissen  Zusammenhang  stehen. 

Was  nun  den  Unterschied  zwischen  der  Polarisation 
einer  blanken  und  einer  platinirten  Electrode  betrifft,  so 
glaube  ich  denselben  zum  einen  Theil  erklären  zu  können 
auf  Grund  der  Anschauungen,  welche  Hr.  H.  v.  Helmholtz^) 
in  seinen  Arbeiten  über  die  ^^Thermodynamik  chemischer 
Vorgänge^  entwickelt  hat.  Nach  denselben  ist  die  G^rösse 
der  Polarisation  ganz  wesentlich  bedingt  durch  den  G-asgehalt 
der  den  Electroden  anliegenden  Flüssigkeitsschichten,  sie 
nimmt  einen  um  so  höheren  Werth  an,  in  je  gasreicherer 
Flüssigkeit  die  Ausscheidung  der  Ionen  erfolgt.  Nun  ist  aber 
kein  Zweifel,  dass  sich  Gasblasen  leichter  an  platinirtem 
Platin,  als  an  blankem  bilden,  und  da  durch  Blasenbildung 
der  Gasgehalt  der  Flüssigkeit  an  der  Electrode  vermindert 
wird,  so  wird  auch  gemäss  den  Sätzen  der  Thermodynamik 
die  electromotorische  Kraft  der  Polarisation  an  platinirtem 
Platin  kleiner  sein  als  an  blankem. 

Die  Beobachtungen  bestätigen  dies  auch  durchweg,  so- 
wohl für  die  Kathode,  als  für  die  Anode.  Doch  zeigen  sie 
weiter,  dass  der  vermindernde  Einfluss  der  Platinirung  an 
der  Anode  und  der  Kathode,  sowie  in  den  einzelnen  Concen* 
trationen  von  verschiedener  Grösse  ist. 

Die  Platinirung  der  Kathode  setzt  die  Polarisation  am 


1)  H.  V.  Helmholtz,    BerL    Monatsber.  1882.  p.  22— 89.   825—886; 
1883.  p.  647—65;  1887.  p.  749. 


Polarisation  von  Fiatin  in  Schwefelsäure,  391 

stärksten  in  den  verdünnten  Säuren  herab ,  in  den  concen- 
trirteren  —  etwa  von  40  Proc.  an  —  erreicht  ihr  Einfluss 
nur  wenig  mehr  als  0,1  Volt. 

Dies  erklärt  sich  dadurch,  dass  in  den  höheren  Concen- 
trationen  die  Blasenbildung  an  blanker  und  platinirter  Ka- 
thode nicht  mehr  sehr  verschieden  war.  Es  erschienen  an 
der  blanken  Kathode  keine  ausnehmend  grossen  Blasen  mehr, 
und  wenn  auch  alle  grösser,  als  in  den  verdünnten  Säuren 
waren,  so  trat  das  gleiche  Wachsthum  der  Blasen  doch  auch 
an  der  platinirten  Fläche  ein. 

Das  gleiche  Wachsen  der  Blasengrösse  in  den  concen- 
trirteren  Säuren  wurde  nun  auch  an  der  Anode,  mochte  sie 
blank  oder  platinirt  sein,  beobachtet,  aber  trotz  des  scheinbar 
geringen  Unterschiedes  in  der  Blasenbildung  an  blanker  und 
platinirter  Fläche  verminderte  die  Platinirung  die  Polarisa- 
tion der  Anode  mit  wachsender  Concentration  in  zunehmen- 
dem Maasse. 

Der  Grund  für  diese  Zunahme  von  Ai,  —  Ap,  welche  fast 
ausschliesslich  durch  die  Zunahme  der  Polarisation  der  blan- 
ken Anode  hervorgerufen  wurde,  liegt,  wie  ich  glaube,  in  der 
Bildung  secundärer  Producte,  etwa  von  Ueberschwefelsäure 
und  Wasserstoffsuperoxyd  um  die  blanke  Anode.  Eine  solche 
Bildung  tritt  nur  ein,  wenn  die  Voraussetzung  grosser  Strom- 
dichte, also  —  bei  gegebener  Stromstärke  —  kleiner  Fläche 
zutrifft,  und  scheint  mir  deshalb  bei  der  grossen  wirksamen 
Fläche  einer  platinirten  Anode  ausgeschlossen.  Dazu  kommt, 
dass  die  immerhin  etwas  lebhaftere  Blasenbildung  an  der 
platinirten  Fläche  einer  Anhäufung  secundärer  Producte  ent- 
gegenwirkt. 

Auf  grössere  Schwierigkeiten  stösst  man  bei  dem  Ver- 
suche, die  starke  Veränderlichkeit  der  Polarisation  mit  der 
Concentration  in  den  verdünnten  Säuren  zu  erklären.  Sie 
aus  etwaigen  Constitutionsverschiedenheiten  der  Schwefel- 
säuremischungen  abzuleiten,  dürfte  deshalb  nicht  angehen, 
weil  sie  bei  Benutzung  platinirter  Electroden  {Ap  +  Kp)^  ja 
schon  bei  nur  platinirter  Kathode  fehlt. 

Die  Ursache  wird  also  in  gewissen  Eigenthümlichkeiten 
der  Gasentwickelung  an  blanker  Kathode  gesucht  werden 
müssen. 


392  C.  Fromme. 

Hr.  H.  y.  Helmholtz  hat  in  der  letzten  der  oben 
dtirten  Arbeiten^)  die  kleinste  electromotorische  Kraft  be- 
stimmt, welche  bei  gegebenem  Druck  des  über  verdünnter 
Schwefelsäure  stehenden  EnaUgases  neues  Gas  zu  entwickeln 
vermag.  Bei  einem  Druck  von  10  mm  Wasser  fand  er  die* 
selbe  zu  1,64  Volts  und  bei  742  mm  Quecksilber  zu  1,77  Volts. 

Mit  anderen  Worten  bedeutet  das  letztere  Resultat,  dass 
die  Polarisation  blanker  Flatindrähte  in  verdünnter  Schwefel- 
säure gleich  1,77  Volts  ist,  wenn  die  Gase  H  und  0  in  den 
den  Electroden  anliegenden  Flüssigkeitsschichten  in  der  dem 
atmosphärischen  Drucke  entsprechenden  Dichte  enthalten 
sind.  Nun  ergeben  sich  aus  meinen  Versuchen  mit  platinirter 
Anode  und  Kathode  für  die  Polarisation  folgende  Mittel- 
werthe  (cf.  die  Tabellen): 

1,87,  1,89,  1,94,  1,91,  also  durchschnittlich  1,90  Volts. 

Berücksichtigt  man  dagegen  nur  das  grosse  G-ebiet  der 
kleineren  Concentrationen,  in  welchem  die  Polarisation  merk- 
lich constant  war,  so  folgen  die  Mittel  werthe: 

Concentration  Polarisation 

1,2  — 31,7  Proc.  (Tabelle      I)  1,81 

0,9  —  83,1     »  (      »T       III)  1.86 

1,2  —  43,7     ,,  (      »         X)  1,93 

0,9  —  33,1     „  (      ,1        XI)  1,88 

Das  Mittel  für  1  qcm  grosse  Electroden  ist  dann  1,83  V. 
und  für  15  qcm  grosse  1,90  V.;  der  erstere  Werth  ist  jeden- 
falls der  genauere.  Die  Polarisation  platinirter  Platinelec- 
troden  bei  starken  polarisirenden  Kräften  ist  demnach  nur 
um  kaum  0,1  V.  grösser,  als  der  von  Hrn.  v.  Helmholtz 
ermittelte  Grenzwerth,  während  die  Polarisation  blanker 
Platinelectroden  bis  1  Volt  grösser  ausfällt. 

Die  Erklärung  hierfür  ergibt  sich  aus  der  leichten  Bla- 
senbildung an  platinirten  Flächen,  welche  die  Dichte  der 
electrolytisch  ausgeschiedenen  Gase  in  den  Grenzschichten 
auf  einen  hohen  Werth  nicht  gelangen  lässt. 


Die  oben  mitgetheilten  Versuche  über  den  Einfluss  der 
Stromstärke  auf  die  Polarisation  haben  bereits  ergeben,  dass 

1)  Auch  unter  dem  Titel:  ,, Weitere  Untersuchungen,  die  Electroljse 
des  Wassers  betreffend,"  in  Wied.  Ann.  34,  p.  737.  1888. 


Polarisation  von  Fiatin  in  Schwefelsäure.  393 

die  Polarisation  blanker  Electroden  bei  den  zur  Verwendung 
gekommenen  Stromstlürken  sich  noch  nicht  auf  ihrem  Maxi- 
malwerth  befindet  Auch  ist  in  der  ersten  Abhandlung 
namentlich  für  eine  blanke  Anode  schon  bewiesen  worden, 
dass  durch  Vergrösserung  der  Stromdichte,  hervorgebracht 
durch  erhebliche  Verkleinerung  der  Electrodenfläche ,  die 
Polarisation  noch  bedeutend  gesteigert  werden  kann,  sodass 
die  oben  mitgetheilten  Polarisationswerthe  blanker  Electro- 
den bei  weitem  nicht  als  die  eigentlichen  Maxima  gelten 
können.  In  einer  folgenden  Abhandlung  werde  ich  auf  die 
Abhängigkeit  der  Polarisation  von  der  Stromdichte  nochmals 
zurückkommen  und  beweisen,  dass  selbst  bei  platinirter  Elec- 
trode  die  Polarisation  in  merklicher  Weise  von  der  Strom« 
dichte  abhängig  ist.  Demnach  sind  alle  bis  jetzt  mitgetheilten 
Polarisationswerthe  im  strengen  Sinne  des  Wortes  keine 
Polarisationsmaxima  für  die  angegebene  (blanke  oder  plati- 
nirte)  Beschaffenheit  der  Electroden. 


Ich  stelle  zum  Schluss  die  hauptsächlichsten  Resultate 
der  Arbeit  zusammen: 

1.  Ein  blankes  Platinblech  bedeckt  sich  als  Kathode 
in  verdünnter  Schwefelsäure  mit  einem  Anflug  von  Platin- 
schwarz, welcher  die  Polarisation  in  Säure  von  weniger  als 
3  Proc.  um  0,9  Volts  zu  erniedrigen  vermag.  Demnach  ist 
es,  streng  genommen,  unmöglich,  das  Polarisationsmaximum 
in  sehr  verdünnter  Schwefelsäure  für  eine  blanke  Kathode 
2u  bestimmen. 

2.  Reichliche  electrolytische  Abscheidung  von  Platin- 
flchwarz  aus  Platinchloridlösung  an  der  Kathode  vermindert 
die  Polarisation  nicht  stärker,  solange  nur  die  Concentration 
der  Schwefelsäure  klein  bleibt.  Dagegen  ist  sie  in  etwas 
concentrirterer  Säure  (mehr  als  3  Proc.)  von  grösserer  Wir- 
kung, als  die  schwache  freiwillige  Platinirung. 

3.  Die  Abnahme,  welche  die  Polarisation  durch  Be- 
deckung der  Kathode  mit  einer  dicken  Schicht  von  Platin« 
schwarz  erfährt,  ist  am  grössten  —  bis  zu  0,9  V.  —  in  den 
verdünntesten  Säuren  und  beträgt  in  den  concentrirteren  (von 
50  —  65  Proc.)  nur  0,1  V. 


394  C.  Fromme. 

4.  Die  Flatinirung  der  Anode  vermindert  umgekehrt 
die  Polarisation  in  den  concentrirteren  S&uren  st&rker  als  in 
den  yerdünnteren,  derart  dass,  während  in  den  letzteren  die 
Polarisation  blanker  Electroden  etwas  mehr  abnimmt  infolge 
Flatinirung  der  Kathode,  in  Säure  von  etwa  60  Proc.  die 
Flatinirung  der  Anode  einen  ganz  erheblich  (bis  siebenmal) 
grösseren  Einfluss  ausübt. 

5.  Die  Polarisation  eines  Yoltameters  mit  blanken  Elec- 
troden ändert  sich  mit  der  Concentration  in  sehr  complicirter 
Weise.  Maxima  und  Minima  liegen  häufig  sehr  nahe  bei 
einander.  Hohe  Werthe  von  nahe  oder  etwas  mehr  als 
3  Volts  finden  sich  sowohl  bei  kleiner,  als  bei  grosser  Con» 
centration. 

6.  Platinirt  man  aber  die  Kathode,  so  verschwinden  die 
Maxima  und  Minima  fast  vollständig,  und  es  nimmt  die  an- 
fänglich blos  2,1  Volts  betragende  Polarisation  mit  wachsender 
Concentration  ziemlich  regelmässig  bis  auf  2,8 — 2,9  Volts  bei 
65  Proc.  zu. 

7.  Platinirt  man  dagegen  die  Anode,  so  verschwinden 
zwar  die  Maxima  und  Minima  in  den  stark  verdünnten  Säuren 
nicht,  aber  es  bleibt  nun  die  Polarisation  in  den  concentrir- 
teren Säuren  (von  20—25  Proc.  an)  constant  und  klein. 

8.  Den  regelmässigsten  und  von  der  Concentration  am 
wenigsten  abhängigen  Verlauf,  sowie  nach  3.  und  4.  die 
kleinsten  Werthe  der  Polarisation  erhält  man  nach  Flatini- 
rung beider  Electroden. 

9.  Die  hohe  Polarisation  blanker  Electroden  gegenüber 
der  kleinen  platinirter  Electroden  ist  daher,  wenn  die  Säure 
von  geringer  Concentration,  zum  etwas  grösseren  Theil  aus 
der  blanken  BeschaiFenheit  der  Kathode,  und  das  Auftreten 
der  Maxima  und  Minima  allein  aus  dieser  zu  erklären.  Da- 
gegen fallen  die  hohen  Werthe  in  den  concentrirteren  Säuren 
fast  allein  der  blanken  Beschaffenheit  der  Anode  zur  Last. 

Die  Erklärung  dieser  Verhältnisse  ergibt  sich  aus  der 
leichteren  Bildung  von  Gasblasen  an  platinirter  als  an  blan- 
ker Electrode  namentlich  in  den  verdünnteren  Säuren,  sowie 
aus  der  Bildung  und  Ansammlung  secundärer  Producta 
(Ueberschwefelsäure  und  Wasserstoffsuperoxyd)  an  blanker 
Anode  in  concentrirteren  Säuren. 


Polarisation  von  Platin  in  Schwefelsäure.  395 

10.  Die  einfachen  Verhältnisse  platinirier  Electroden 
und  die  kleinen  Polarisationswerthe  derselben  zeigen  blanke 
Electroden  auch  nach  erheblicher  Yergrösserung  ihrer  Fläche 
nicht. 

11.  Die  Polarisation  blanker  Electroden  varürt  etwas 
mit  der  Bereitung  der  Schwefelsäuremischungen,  diejenige 
platinirter  ist  davon  unabhängig. 

12.  Während  bis  zur  Erreichung  des  Maximums  der 
Polarisation  an  blanken  Electroden  häufig  ^s  —  ^  Stunde 
vergeht,  werden  platinirte  Electroden  immer  sehr  schnell  bis 
zum  Maximum  polarisirt. 

In  den  verdünnteren  Säuren  ist  es  die  blanke  Kathode, 
in  den  concentrirteren  die  blanke  Anode,  welche  das  Maxi- 
mum ihrer  Polarisation  am  langsamsten  erreicht.  Je  grösser 
das  Maximum,  desto  weiter  ist  die  Polarisation  kurze  Zeit 
nach  Stromschluss  im  allgemeinen  noch  von  demselben  ent- 
fernt. 

13.  Die  Polarisation  nimmt  im  allgemeinen  mit  abneh- 
mender Stromstärke  ab,  am  meisten  bei  blanken  Electroden. 
Platinirung  der  Kathode  bewirkt,  dass  die  Polarisation  in 
den  verdünnteren,  Platinirung  der  Anode,  dass  sie  in  den 
concentrirteren  Säuren  von  der  Stromstärke  unabhängiger 
ist.     Die  Erklärung  hierfür  ergibt  sich  leicht  aus  9. 

14.  Das  Minimum  des  Voltameterwiderstandes  liegt  etwa 
bei  der  gleichen  Concentration,  bei  welcher  das  Leitungsvermögen 
der  Schwefelsäure  sein  Maximum  hat.  Ist  die  Anode  blank, 
so  fällt  in  die  Periode  der  Zunahme  des  Widerstandes  nach 
Ueberschreitung  des  Minimums  noch  eine  Periode  der  Con- 
stanz  oder  schwacher  Abnahme,  die  ungefähr  bei  den  glei- 
chen Concentrationen  liegt,  wie  die  Periode  kleinster  Wider- 
stände bei  sehr  kleiner  Anode,  über  welche  in  der  I.  Abhand- 
lung berichtet  worden  ist. 

15.  Die  Polarisation  platinirter  Electroden  ist  nur 
höchstens  0,1  V.  grösser,  als  die  kleinste  electromotorische 
Kraft,  welche  an  blanken  Platindrähten  unter  dem  Drucke 
des  Knallgases  von  1  Atm.  neues  Gas  zu  entwickeln  vermag. 

Giessen,   MatL-Phys.  Inst,  der  Univ.,   10.  Aug.  1889. 


396  O.  Lehmann. 

lY.    Ueber  das  Wandern  der  Ionen 
bei  geschmoUfenem  und  festem  JodsUber; 

van  O.  Lehmann. 

(Hlenm  Ttf.  IV   rig.  6—8.) 


In  einer  firüheren  Mittheilnng^)  habe  ich  eine  Vorrich- 
tung  angegeben,  welche  gestattet,  die  Electrolyse  von  ge- 
schmolzenen Salzen  mikroskopisch  zu  beobachten,  und  einige 
eigenthümliche  Erscheinungen  näher  beschrieben,  welche 
speciell  bei  der  Electrolyse  von  Jodsilber  wahrgenommen 
wurden.  Jene  ältere  Vorrichtung  hatte  noch  den  Mangel, 
dass  der  Beobachter  allzusehr  von  den  aufsteigenden  heissen 
Flammengasen  belästigt  wurde,  und  ich  habe  sie  deshalb 
neuerdings  insofern  abgeändert,  dass  die  Flamme  nicht  mehr 
frei,  sondern  durch  eine  innen  mit  einer  dicken  Lage  von 
Asbest  ausgekleidete  Messingröhre  dem  Präparat  zugeführt 
wird,  und  ein  flacher,  breiter  Wasserschirm,  welcher  analog 
dem  früher  beschriebenen  construirt  ist  und  unmittelbar  über 
dem  das  Objectiv  schützenden  angebracht  wird,  die  aufstei- 
genden Flammengase  ablenkt  und  so  sehr  abkühlt,  dass  sie 
weder  dem  Beobachter  lästig  werden,  noch  auch  den  Tubus 
merklich  erhitzen  können. 

Mit  dieser  so  abgeänderten  Vorrichtung  habe  ich  neuer- 
dings die  früheren  Beobachtungen  bei  Jodsilber  wiederholt 
und  war  in  der  Lage,  sie  in  einigen  Punkten  vervollständi- 
gen und  verbessern  zu  können. 

Das  wesentlichste  Resultat  der  früheren  Versuche  war, 
dass  bei  der  Electrolyse  des  festen  Jodsilbers  nur  das  Silber 
wandert  (in  der  Richtung  des  positiven  Stromes)  ähnlich  wie 
es  bereits  War  bürg  für  das  Natrium  bei  der  Electrolyse 
des  festen  Glases  festgestellt  hatte.  Auch  die  neuen  Beob- 
achtungen bestätigen  dieses  Resultat  und  lassen  verschiedene 
andere  Eigenthümlichkeiten  als  nothwendige  Consequenzen 
desselben  erscheinen. 

1.  Fall.  Es  befinde  sich  ein  Silberkry stall  ringsum  dicht 
eingeschlossen  in  regulärkrystallisirtem  Jodsilber.  Der- 
selbe sei  als  Molecularaggregat  in  Fig.  5«  dargestellt  durch 

1)  0.  Lehmann,  Wied.  Ann.  24.  p.  18.  1885. 


Wandern  der  Ionen  von  Jodsilber,  397 

die  dichtgedrängten  Atome  in  der  Mitte,  während  die  bei- 
den Molecülreihen  rechts  und  links  die  Jodsilbermasse  be- 
deuten mögen.  Lässt  man  den  Strom  so  lange  hindurch« 
gehen,  bis  ein  Silberatom  sich  gerade  um  einen  Molecülab- 
stand  im  Jodsilber  verschoben  hat,  und  zwar  die  positiv^ 
Electricität  von  links  nach  rechts ,  so  hat  sich,  wie  Fig.  5b 
zeigt,  links  das  Silberatom  5  vom  Jodsilber  abgelöst  und  an 
den  Silberkry stall  angesetzt,  während  letzterer  rechts  ein 
Atom  abgegeben  und  sich  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach 
um  einen  Atomabstand  im  Sinne  des  Pfeils  verschoben  hat. 
Von  festem  (regulär  krystallisirtem)  Jodsilber  dicht  um- 
schlossene Silberkrystalle  müssen  sich  also  im  Sinne  des 
positiven  Stromes  (relativ  zu  der  festen  Masse  scheinbar  stehen 
bleibend)  verschieben,  oder  es  muss,  falls  man  sie  daran 
hindert,  das  Jodsilber  so  deformirt  werden,  wie  es  einem 
Drucke  von  dem  negativen  Ende  der  Silberkrystalle  und 
einem  Zuge  von  dem  positiven  entspricht. 

Beides  wird  durch  die  Beobachtung  bestätigt,  wenn  man 
ein  Silbertheilchen  in  geschmolzenes  Jodsilber  einbringt, 
dieses  in  der  regulären  Modification  erstarren  lässt  und  dann 
den  Strom  durchsendet. 

2.  Fall.  Ein  Jodsilberkrystall  befinde  sich  inmitten 
eines  Schmelzflusses  von  Jodsilber,  und  durch  letzteren 
werde  der  Strom  hindurchgeleitet  Die  Wanderung  der  Ionen 
muss  nun  stattfinden,  wie  in  Fig.  6  dargestellt  ist,  wenn  wir 
annehmen,  dass  in  geschmolzenem  Jodsilber  beide  Ionen 
wandern,  und  zwar  Jod  rascher  als  Silber,  und  dass  die 
Mol^cularabstände  im  festen  Jodsilber  geringer  seien  (in  der 
Figur  =  0  gesetzt)  als  im  flüssigen.  Dabei  ist  aber  zweierlei 
bemerkenswertb. 

Die  Wanderung  der  Ionen  kann  (gleiches  Leitungsver- 
mögen vorausgesetzt,  wie  es  nach  den  Messungen  von  W. 
Kohlrausch  bei  Jodsilber  thatsächlich  der  Fall  ist)  nur 
dann  ungestört  vor  sich  gehen,  wenn  die  Geschwindigkeit, 
mit  welcher  sich  die  Silberatome  im  Krystall  bewegen,  die- 
selbe ist,  wie  diejenige,  mit  welcher  sie  im  Schmelzfluss  fort- 
wandern, denn  anderenfalls  würde  auf  der  einen  Seite  ein 
leerer  Raum,  auf  der  anderen  Seite  Verdichtung,  somit  Strö- 
mung  der   Flüssigkeit    um    den   Krystall  herum    eintreten. 


398  O.  Lehmann. 

Femer  kann  der  Krystall  nicht  unverändert  in  seiner  Lage 
bleiben,  sondern  er  muss  mit  gleicher  Geschwindigkeit ,  mit 
welcher  sich  die  Silberatome  bewegen,  und  in  gleicher  Bich- 
tung  in  der  Flüssigkeit  scheinbar  fortkriechen,  wobei  indessen 
tfeine  Silberatome  fortwährend  wechseln,  und  nur  die  im 
Inneren  enthaltenen  Jodatome  ihre  Plätze  unverändert  bei- 
behalten. 

Die  Beobachtungen  lehren  in  der  That,  dass  ein  solches 
Fortkriechen  der  Jodsilberkrystalle  in  dem  Schmelzfluss  ohne 
Strömungserscheinungen  im  letzteren  stattfindet  und  zwar  ist 
die  Bichtung  gerade  die  entgegengesetzte  wie  diejenige,  in 
welcher  in  die  Erystallmasse  eingeschlossene  oder  in  der  Flüs- 
sigkeit vertheilte  SilberkrystäUchen  fortkriechen,  d.  h.  sie 
bewegen  sich  wie  die  Silberatome  in  der  Bichtung  des  posi- 
tiven Stromes  der  Kathode  zu.  Solange  die  Krystalle  durch 
homogene  Stromfelder  wandern,  d.  h.  durch  Gebiete,  in  wel« 
eben  die  electrischen  Stromlinien  gleichmässig  vertheilte 
gerade  Linien  sind,  bleibt  die  Form  derselben  unverändert 
erhalten,  da  aber,  wo  das  Stromfeld  unhomogen  wird,  also 
die  Stromdichte  sich  ändert,  erleidet  sie  diesen  Aenderungen 
entsprechende  Verzerrungen,  indem  diejenigen  Theile  der 
Oberfläche,  welche  von  dichtgedrängten  Stromlinien  geschnit- 
ten werden,  rasch  voranschreiten,  diejenigen,  an  welchen 
geringe  Stromdichte  herrscht,  langsam.  So  wird  leicht  die 
Täuschung  hervorgerufen,  als  ob  eine  mechanische  Defor- 
mation der  Krystalle  in  der  Bichtung  der  Kraftlinien  statt- 
finde, wie  ich  es  selbst  in  meiner  früheren^)  Mittheilung  an- 
genommen hatte.  Bei  sorgfältiger  Untersuchung  kann  man 
sich  indess  leicht  überzeugen,  dass  bei  diesen  Bewegungen 
und  Formänderungen  der  Jodsilberkrystalle  nicht  die  min- 
deste mechanische  Kraft  mitwirkt,  da  selbst  eine  Luftblase, 
welche  hindernd  in  den  Weg  tritt,  nicht  fortgeschoben  oder 
gedrückt,  sondern  von  den  Krystallen  umflossen  wird,  aber 
ohne  die  geringste  Bewegung  der  umgebenden  Flüssigkeit. 
Es  gilt  dies  auch  dann,  wenn  die  ganze  Masse  erstarrt  ist, 
bis  auf  äusserst  dünne  Schichten  von  (unreinem  und  darum 
leichter  schmelzbarem)  Schmelzfluss  in  den  Fugen  zwischen 
den  einzelnen  Krystallen. 

1)  0.  Lehmann,  1.  c.  p.  27. 


^'andern  der  Ionen  van  Jodsilber,  399 

Hält  man  die  Temperatur  auf  solcher  Höhe,  dass  nicht 
die  ganze  Masse  erstarrt  ist,  sondern  nur  vereinzelte  Ery- 
stalle,  welche  ähnlich  wie  Salmiakskelette  geformt  sind,  im 
Schmelzfluss  da  und  dort  vertheilt  sind,  so  gewährt  das 
Wandern  derselben,  das  scheinbare  Ausstrecken  und  Platt- 
drücken in  der  Nähe  von  Hindernissen  (insbesondere  Luft- 
blasen) einen  ungemein  überraschenden  Anblick,  namentlich 
für  denjenigen,  der  gewohnt  ist,  das  Wachsthum  der  Kry- 
stalle  unter  gewöhnlichen  Umständen  zu  verfolgen. 

In  Fig.  7  habe  ich  versucht,  eine  Darstellung  der  Er- 
scheinung zu  geben,  wie  sie  sich  gestaltet,  wenn  nahezu 
die  ganze  Masse  erstarrt  ist.  Die  Figur  ist  mittelst  eines 
Abbe'schen  Zeichenprismas  direct  nach  der  Natur  gezeich- 
net, doch  ist  es  selbstverständlich  nicht  wohl  möglich,  auf 
diesem  Wege  alle  feinen  Details  genau  zum  Ausdruck  zu 
bringen.  In  Fig.  8,  welche  ebenfalls  mittelst  des  Zeichen- 
prismas aufgenommen  ist,  sind  gleichzeitig  die  Grenzen  der 
einzelnen  Krystallindividuen  vor  der  Verschiebung  und  punk- 
tirt  nach  der  Verschiebung  gezeichnet,  nachdem  für  einen 
Moment  ein  sehr  schwacher  Strom  durch  das  Präparat  hin- 
durchgegangen war.  Durch  Umkehrung  der  Stromrichtung 
konnte  man  leicht  die  Krystalle  wieder  in  ihre  anfängliche 
Lage  zurückbringen. 

Zu  beiden  Figuren  muss  noch  eine  Bemerkung  gemacht 
werden  bezüglich  der  eigenthümlichen  Verhältnisse  am  lin- 
ken Rande,  wo  die  Jodsilbermasse  an  die  bereits  in  der 
früheren  Abhandlung  erwähnte,  fast  farblose  (nur  schwach 
gelbliche)  Flüssigkeit  angrenzt,  welche  ohne  Rücksicht  auf 
ihre  nähere  Zusammensetzung  kurz  Jodsilberlösung  genannt 
werden  soll.  Bei  Fig.  7  sieht  man  dort  feine  Jodsilber- 
skelette in  die  Jodsilberlösung  hineinragen,  bei  Fig.  8  sind 
es  abgerundete,  nasenförmige  Vorsprünge,  deren  Längsrich- 
tung mit  der  Richtung  der  Elraftlinien  übereinstimmt,  ent- 
sprechend den  Formen,  welche  bei  einem  vorhergehenden 
Versuch  die  Oberfläche  der  geschmolzenen  Jodsilbermasse 
unter  Einfluss  des  Stromes  angenommen  hatte.  Die  dunkel 
gefärbte  Flüssigkeit  zwischen  dieser  Randzone  und  der  Haupt- 
masse des  .lodsilbers  ist  noch  nicht  erstarrter  Schmelzfluss. 
Die  Anwesenheit   desselben   erklärt  sich  dadurch,   dass   da- 


400  O.  Lehmann. 

selbst  infolge  eines  vorhergegangenen  Yersnchs  die  Tempe- 
ratur noch  etwas  erhöht  und  die  Zusammensetzung  der 
Masse,  wie  im  folgenden  Paragraphen  n&her  ausgefOhrt  wird, 
ge&ndert  war.^) 

3.  FalL  Es  befinde  sich  ein  Jodsilberkrystall  in- 
mitten von  Jodsilberlösung. 

Durch  rasch  wiederholte  Aenderung  der  Stromrichtung 
kann  man  leicht  bewirken,  dass  die  feinen  Jodsilberdendriten 
am  linken  Rande  des  in  Fig.  7  dargestellten  Fr&parates  ler- 
stört  werden,  und  nur  noch  einzelne  Reste  derselben  in  der 
farblosen  Flüssigkeit  schwimmen.  Sind  dieselben  nicht  allza 
klein,  so  wachsen  sie  am  positiven  Ende  und  schmelzen  am 
negativen  ab.  Sehr  kleine  schmelzen  rasch  zu  einem  Tropfen 
zusammen. 

Das  Wachsen  erklärt  sich  dadurch ,  dass  infolge  der 
Electrolyse  des  Jodsilberkrystalls  sich  aus  dem  positiven 
Ende  desselben  Silberfäden  herausschieben  müssen,  ähnlich 
wie  aus  einer  mit  einer  metallischen  Electrode  in  Berührung 
stehenden  Jodsilbermasse,  dass  aber  diese  Silberdendriten  in 
diesem  Falle,  wo  die  Electrode  nicht  metallisch,  sondern 
selbst  Electrolyt  ist,  nicht  erhalten  bleiben,  sondern  sich  so- 
fort mit  dem  aus  dem  letzteren  sich  ausscheidenden  Jod  wie- 
der zu  Jodsilber  verbinden. 

Das  Abschmelzen  erklärt  sich  vielleicht  zum  Theil  durch 
die  Temperaturerhöhung  infolge  des  Fe  liier 'sehen  Fhäno- 
mens,  hauptsächlich  aber  dürfte  es  auf  eine  Aenderung  der 
Zusammensetzung  der  Jodsilbermasse  zurückzuführen  sein, 
welche  im  folgenden  Paragraphen  besprochen  wird.^ 

4.  Fall.  Ein  Jodsilbertropfen  sei  isolirt  mitten  in 
Jodsilberlösung. 


1)  Weit  bequemer  als  bei  reinem  Jodsilber  kann  man  die  scheinbare 
Deformation  des  Jodsilberkrystalle  beobachten  bei  einer  Lösung  von  Jod- 
silber in  geschmolzenem  Jodzink,  in  welcher  sich  vereinzelte  Jodsilber- 
skelette ausgeschieden  haben. 

2)  Auch  die  in  der  vorigen  Anmerkung  erwähnte  Verschiebung  der 
Jodsilberkrystalle  in  einer  Lösung  in  geschmolzenem  Jodzink,  wo  das 
Abschmelzen  nicht  eintritt,  zeigt,  dass  hier  besondere  Verhältnisse  ob- 
walten. Sie  lässt  femer  erkennen,  dass  die  Wanderung  der  Ionen 
in  dieser  Lösung  ebenso  erfolgt,  wie  im  Schmelzfluss,  und 
umgekehrt.  Vielleicht  lässt  sich  dieser  Satz  allgemein  aussprechen. 


Wandern  der  Ionen  von  Jodsilber,  401 

Ist  der  Tropfen  nur  klein,  so  zeigt  sich  kein  merklicher 
Einfluss  des  Stromes,  insbesondere  auch  keine  Verschiebung 
des  Tropfens  analog  dem  Wandern  der  Jodsilberkrystalle.  ^) 

Grössere  Tropfen  gerathen  in  lebhafte  Bewegung,  indem 
sich  an  dem  positiven  Theile  der  Oberfläche  gerundete  oder 
je  nach  der  Beschaffenheit  des  einzelnen  Zwischenraumes 
zwischen  Deckglas  und  Objectivträger  zackige  Hervorragun- 
gen bilden,  wie  beim  linken  Rande  von  Fig.  8,  und  zwar 
schon  bei  sehr  geringer  Stromintensität.  Bei  Umkehr  des 
Stromes  ziehen  sich  dieselben  sofort  wieder  zurück,  und  die 
Oberfläche  glättet  sich.  Man  kann  dieses  Verhalten  in  Pa- 
rallele stellen  zu  dem  Verhalten  des  Quecksilbers  in  ver- 
dünnter Schwefelsäure  und  kurz  so  beschreiben:  An  der 
Eintrittsstelle  des  positiven  Stromes  wird  das  Jodsilber  in 
den  capillaren  Baum  hineingezogen,  an  der  anderen  Seite  er- 
leidet es  capillare  Depression. 

Diese  Aenderungen  der  Oberflächenspannung  sind  zurück- 
zuführen auf  eine  Aenderung  der  chemischen  Zusammen- 
setzung, welche  sich  durch  Aenderung  der  Färbung  und  des 
Erstarrungspunktes  kund  gibt.  An  der  Eintrittsstelle  des 
negativen  Stromes  färbt  sich  der  Schmelzfluss  dunkelgelb  bis 
braunroth,  an  der  Eintrittsstelle  des  positiven  wird  er  um- 
gekehrt blassgelb  bis  farblos,  und  bei  stärkeren  Strömen 
scheiden  sich  daselbst  farblose  Krystalle  aus.  An  der  erste- 
ren  Seite  erhöht  sich  der  Erstarrungspunkt  etwas,  indem, 
wenn  die  Temperatur  vor  Durchgang  des  Stromes  wenig 
unter  dem  Schmelzpunkt  lag,  sofort  beim  Durchgang  des 
Stromes  Erstarrung  eintritt,  an  der  anderen  Seite  wird  er 
umgekehrt  erniedrigt,  sodass  die  Masse,  selbst  wenn  sie  be- 
reits fest  war,  wieder  zum  Schmelzen  kommt,  wie  dies  be- 
reits in  den  beiden  vorhergehenden  Paragraphen  angedeutet 
wurde. 

Da    die    chemische   Zusammensetzung    der   „Jodsilber- 

1)  Da  ähnliches  auch  für  durch  Jodzink  verunreinigten  Schmelzfluss 
gilt,  öo  verhalten  sich  vielleicht  allgemein  Tropfen  der  Lösung  eines 
Stoffes  in  einer  anderen  Lösung  desselben  Stoffes  in  ähnlicher  Weise  in- 
different und  ebenso  mischbare  hintereinander  geschichtete  Lr»sungen  des- 
öclbcn  Stoffes. 

Ann.  (1.  Phys.  u.  Chem.   N.  F.   XXXVIII.  •>,• 


402         O.  Lehmann,     Wandern  der  Ionen  von  Jodsüber. 

lösung"   nicht  bekannt  ist,    entziehen   sich   diese  Vorgänge 
näherer  Erklärung. 

5.  Fall.  Festes  Glas  als  Scheidewand  beiderseits  an 
geschmolzenes  «Todsilber  angränzend.  ( Electrolytische 
Durchbohrung  von  Glas). 

Man  kann  diesen  Fall  leicht  realisiren,  wenn  man  das 
Präparat  soweit  erhitzt,  dass  Objectträger  und  Deckglas 
erweichen,  und  sie  dann  in  der  Mittellinie  zwischen  beiden 
Electroden  mittelst  einer  Präparirnadel  zusammendrückt,  so 
dass  sie  dort  miteinander  verschmelzen,  und  nun  die  die  Platin- 
electroden  umgebenden  Jodsilbermassen  durch  die  Löthstelle 
vollständig  voneinander  geschieden  sind  und  hinsichtlich  der 
Electrolyse  des  Glases  selbst  als  Electroden  dienen.^) 

Macht  man  die  Stromintensität  genügend  gross  und  kehrt 
fortwährend  die  Richtung  des  Stromes  um,  so  sieht  man  an 
den  beiden  Seiten  der  Löthstelle  im  Glase  kleine  Aushöh- 
lungen entstehen,  in  welche  das  geschmolzene  Jodsilber  sich 
hineinzieht,  und  ebenso  die  aus  letzterem  sich  ausscheiden- 
den Silberdendriten.  Letztere  wachsen  jenseits  an  der  Ka- 
thode bis  dicht  an  das  Glas  vor  und  ziehen  sich  an  der 
Anode  infolge  von  Auflösung  wieder  zurück,  doch  erscheinen 
sie  nicht  schön  kryst^llisirt,  wie  das  reine  Silber,  sondern 
schwammig,  vielleicht  infolge  von  Aufnahme  von  Natrium 
aus  dem  Glase.  Allmählich  schreitet  die  Corrosion  des  Gla- 
ses immer  weiter  vor,  an  der  dünnsten  Stelle  immer  schneller, 
bis  sich  schliesslich  die  Aushöhlungen  von  beiden  Seiten  her 
erreichen,  und  so  das  Glas  auf  electrolytischem  Wege  durch- 
bohrt ist.  Auf  ähnliche  Weise  dürften  bei  Anwendung  hoch- 
gespannter Wechselströme,  zuweilen  auch  bei  technischen 
Anlagen  nach  einiger  Zeit  Zerstörungen  der  Isolationen  her- 
vorgebracht werden. 

Karlsruhe,  den  29.  August  1889. 

1)  Als  Stromquelle  benutzte    ich  eine  Batterie  von  im  Maximum  36 
Accumulatoren-Zollon. 


IV.  Giese.     Flammengase,  403 

V.    Experimentelle  Beiträge  zur  Kenntniss  vom 
electrischen  Leitungsvermögen  der  Flammengase  ^) ; 

van  W.  Oieae. 

(Hiersn  Taf.  IV   FI9.  9—11.) 


IX.    Trennung  der  Ionen  im  clectrischen  Felde. 

66)  Stellt  man  neben  einer  electrisirten  Flamme  einen 
Conductor  in  solcher  Entfernung  auf,  dass  er  von  den  Flammen- 
gasen nicht  direet  getroffen  werden  kann,  so  wird  er  dennoch 
mit  der  Electricität  der  Flamme  geladen.    Die  ruhende  Luft 


1)  In  meiner  älteren  Arbeit  über  die  Flammengase  (Wied.  Ann.  17« 
p.  1,  236,  519.  1882)  ist  eine  Anzahl  Fehler  stehen  geblieben,  da  ich 
leider  durch  eine  weitere  Reise  verhindert  war,  selbst  die  Correcturen 
zu  lesen.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  die  wesentlichsten  derselben 
zu  corrigiren,  da  in  der  vorstehenden  Fortsetzung  dieser  Arbeit  wieder- 
holt auf  die  Veröffentlichung  vom  Jahre  1882  Bezug  genommen  worden 
ist.    Es  ist  zu  lesen: 

P.     7  Zeile    7  des  Textes:  dk  statt  dX. 

))     8     ))       7  von  unten:  ergibt  statt  gibt. 

11   11     ii     15:  Glaskugel  statt  GaskugeL 

,,    16      »        2:    F  statt   Fj. 

ibid.      jy     11  des  Textes: /^  verschwindet  an  statt /q  an. 

ibid.  vorletzte  Fonnel:  —  statt  + . 

P.  21  Zeile    3  von  unten:  an  statt  von. 

V  22      V       3:  für  die  Gefässe  statt  f^r  Gefässe. 
ibid.       j,      23:  JiJK  nur  von  statt  ^K  von. 

11    24      )}      12:  der  Isolirring  statt  die  Isolirung. 
ibid.      ,,       23.  10000  statt  1000. 
F.  27,  zweite  Tafel,  letzte  Zahl:  60,1  statt  80,1. 
>»    29  Zeile  4  des  Textos:  tg  statt  i^. 
»    30     >j      3    »  »     :  feine  statt  freie. 

V  32      „     5    »  »  und  Tafel:  t/  statt  i^'. 
»    34  Tafel,  dritte  Zahl:  100,4  statt  104,4. 

11   38  Zeile  9  des  Textes  von  unten:    den  ganzen  Apparat   statt 

den  Apparat. 
:,    40      „11:  50  statt  9,44. 

ibid.    Tafel:  5 -geladen  statt  G- geladen. 

ibid.      ibid.:  S.-E.  statt  6" 2. 
P.     41  Tafol:  Juni  statt  Januar. 
M   240  Tafel,  Spalte  Q,  dritte  Zahl:   1,12  statt  1,15. 
??    241,  im  Kopfe  der  beiden  ersten  Tafeln :  D^  statt  B. 
jj    248,  Ucberschrift  der  Tafel:  ^-geladen  statt  J?'- geladen. 
„    253.  Zeile  U  von  unten:  90  statt  900. 

26* 


404  JV.  Giese. 

in  der  Umgebung  der  Flamme  wird  also  leitend.  Am  Schluss 
meiner  ersten  Arbeit  ^)  über  das  Leitungsvennögen  der  Flammen- 
gase habe  ich  diese  Erscheinung  darauf  zurückgeführt,  dass 
Ionen,  welche  mit  der  Electricität  der  Flanmie  beladen  sind, 
in  Bichtung  der  Kraftlinien  aus  der  Flamme  in  die  i-uhende 
Luft  übergehen  und  in  ihr  weiter  wandern,  bis  sie  auf  den 
Conductor  treffen  und  an  diesen  ihre  Electricität  abgeben. 

lieber  die  Eigenschaften  der  Ionen  und  die  Bolle,  welche 
sie  bei  jeglicher  Ai*t  von  Electricitätsleitung  spielen,  habe  ich 
dann  vor  kurzem  eine  Abhandlung*)  veröffentlicht,  auf  die  ich 
im  Folgenden  öfters  Bezug  nehmen  werde. 

Der  Baum  in  der  Umgebung  einer  electrisirten  Flamme 
hat  mit  anderen  Electricitätsleitem  das  gemein,  dass  die  Lei- 
tung durch  Ionen  vermittelt  wird,  während  aber  in  den  Elec- 
trolyten  und  Metallen^)  positive  und  negative  Ionen  im  all- 
gemeinen in  gleicher  Anzahl  vorhanden  sind,  finden  sich  in 
der  Umgebung  der  Flamme  nur  Ionen,  deren  Ladung  mit 
jener  der  Flamme  gleichnamig  ist  Denn  wäre  z.  B.  die  Flamme 
positiv  geladen,  so  würde  das  Potential  in  der  Bichtung  von 
der  Flamme  fort  abnehmen,  also  nur  positiv  geladene  Ionen 
in  dieser  Bichtung  wandern  können,  die  negativen  aber  gegen 
die  Brenneröffnung  gedrängt  imd  dort  in  positive  verwandelt 
werden,  soweit  sie  nicht  in  der  Säule  der  aufeteigenden  Fiam- 
mengasc  mechanisch  mit  fortgeflihi-t  werden. 

Es  besteht  nun  die  Function  eines  Ions  bei  dem  Ueber- 

P.  254,  Tafel,  erster  TheU,  dritte  Spalte:    A-^io  statt  D^-K^^^. 

Die  Zahlen   der  Spalten   haben   dem   entsprechend   negatives 

Vorzeichen  statt  des  positiven. 
17   255,  Zeile  7:  nach  statt  noch. 

1,   521,  Spalte  Q  der  ersten  Tafel:  die  erste  Zahl  0,72  ist  zu  streichen, 
ibid.  Spalte  D^_  der  i>.  Tafel,  fünfte  Zahl:  335  statt  325. 
P.  522  Tafel  vom  5.  Dec,  Spalte  Jt'/Je,  vierte  Zahl:  2,03  statt  2,05. 
?j    530,  Zeile  6  von  unten:  6^  statt  J. 
,,   536,  im  2.  u.  3.  Theil  der  Tafel  (Kopf):  Pt  geladen  durch  «statt 

G  geladen  durch. 
•j    537  Zeile    2  des  Textes  von  unten:  dennoch  statt  demnach. 
??   538     V      16    ??         j>         »        jy     :   engsten  statt  ersten. 
»    545      •?       18  von  unten:  M  statt  B. 
li  Giose,  Wicd.  Ann.  17.  p.  542.  1882. 

2)  Giese,  Wied.  Ann.  lil.  p.  576.  1889. 

3)  Giesc,  1.  c.  p.  589. 


Flammenyase,  405 

gange  der  Eloctricität  iu  eine  feste  Electrode  nach  den  Aus- 
führungen in  meiner  letzten  Arbeit^)  darin,  dass  es  beim 
Znsammenstoss  mit  einem  entgegengesetzt  geladenen  Ion  der 
Electrode  diesem  seine  Ladung  mittheilt  und  daf&r  die  ent- 
gegengesetzt auihimmt,  oder  darin,  dass  es  sich  mit  einem 
entgegengesetzt  geladenen  Ion  der  Electrode  zu  einem  neutralen 
Molecül  vereinigt  und  dadurch  ein  gleichnamiges  Ion  der  Elec- 
trode überzählig  macht.  Aus  einem  Raum,  der  wie  die  ruhende 
Luft  in  der  Umgebung  einer  positiv  geladeneu  Flamme  nur 
positive  Ionen  enthält,  kann  in  eine  feste  Electrode  nur  posi- 
tive Electricität  übergehen,  denn  die  Molecüle  sind  nicht  elec- 
trisirbar,  und  die  positive  Ladung  des  einzelnen  Ion  ist  eine 
unveränderliche  Grösse,  welche  wohl  durch  Austausch  in  eine 
gleich  grosse  negative  Ladung  verwandelt,  nicht  aber  durch 
Berührung  mit  festen  Körpern  beliebig  vermehrt  oder  ver- 
mindert werden  kann.  Der  Uebergang  von  negativer  Electri- 
citi'it  aus  der  Luft  in  die  Electrode  ist  eben  nur  möglich,  wenn 
negative  Ionen  in  der  Luft  vorhanden  sind,  und  diese  fehlen 
in  der  Umgebung  einer  positiv  geladenen  Flamme.  Wir  finden 
also,  dass  sich  aus  der  Hypothese,  welche  ich  über  das  Lei- 
tungsvermö^eii  der  Flamraengasse  in  meiner  ersten  Arbeit  ge- 
macht habe,  und  aus  den  theoretisclien  Anschauungen,  die  ich 
neuerdings  entwickelt  habe,  der  Scliluss  ergibt,  dass  aus  dem 
Raum  in  der  Umgebung  einer  positiv  geladenen  Flamme  an 
eine  feste  Electrode  keine  negative  Electricität  abgegeben 
werden  kann,  wenn  auch  die  Electrode  positiver  als  ihre 
näc^hste  Umgebung  ist.  Umgekehrt  wiirde  es  natürlich  für 
eine  negativ  geladene  Flamme  sein. 

Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  ist  es,  eine  Reihe  von 
A'ersuchen  mitzutlieilen ,  welche  diese  Folgerungen  und  damit 
die  ihnen  zu  Grunde  liegenden  theoretischen  Annahmen  durch- 
aus bestätigen. 

Betrachtungen,  die  mit  den  vorstehenden  sehr  viel  Ver- 
wandtes haben,  sind  von  Elster  und  Geitel  angestellt  wor- 
den.-) Doch  nehmen  sie,  soviel  ich  sehen  kann,  nicht  an,  dass 
die  Ltulung  dos  einzelnen  Ion  der  absoluten  Grösse  nach  un- 
veriintlerlich  sei.    Die  Einseitigkeit  des  Leitungsvermögens  wird 

1)  G'H'^e,  WM.  Ann.  37.  p.  588.  605. 

2)  Kister  u.  Gritcl,  Wien.  Bcr.  97.  2.  Abth.  p.  1257.  1888. 


406  fV.  Giese. 

aber  erst  durch  diese  Annahme  verständlich,  denn  wenn  ein 
positiv  geladenes  Ion  sich  in  Berührung  mit  der  Electrode 
noch  positiver  laden  könnte,  oder  wenn  auch  nur  ungeladene 
Ionen  vorkommen  könnten,  so  wären  solche  Ionen  ja  eben  so 
gut  wie  negativ  geladene  im  Stande,  zur  Ueberitihrung  nega- 
tiver Electricität  an  die  Electrode  zu  dienen. 

67)  Ich  schicke  zunächst  einige  allgemeine  Bemerkungen 
über  die  bei  den  Versuchen  benutzten  Hülfsmittel  voraus. 

Die  Versuche  erstreckten  sich  über  den  Zeitraum  vom 
November  1887  bis  zum  JuU  dieses  Jahres.  Bei  den  ersten 
Versuchen,  die  noch  im  physikalischen  Institut  der  hiesigen 
Universität  ausgeführt  wurden,  diente  ein  Quadrantelectrometer 
vereinfachter  Construction  von  Bich.  Voss  in  Berlin  als  Mess- 
instrument. Bei  den  späteren  Versuchen  vom  Juni  1888  an 
in  meinem  Privatlaboratorium  bediente  ich  mich  anfangs  eines 
Goldblattelectrometers  imd  seit  December  1888  eines  Thom- 
son'schen  absoluten  Electrometers  von  J.  White  in  Glasgow. 
Da  die  Empfindlichkeit  und  Zuverlässigkeit  dieser  Apparate 
sehr  verschieden  war,  so  werde  ich  im  Folgenden  bei  jeder 
einzelnen  Beobachtungsreihe  die  Empfindlichkeit  des  benutzten 
Electrometers  angeben. 

68)  Zur  Herstellung  von  Potentialen  von  variabler,  aber 
bekannter  Grösse  benutzte  ich  einen  Stromkreis,  bestehend  aus 
zwei  Zink -Kohle -Elementen  und  10000  S.-E.  Widerstand. 
Eig.  9  zeigt  die  Anordnung  des  Ganzen:  Der  Strom  der  beiden 
Elemente  B  geht,  je  nach  der  Lage  der  Wippe  Aj  entweder 
durch  die  Widerstandsrolle  C  von  10000  S.-E.  Widerstand, 
oder  durch  den  Commutator  D,  Im  letzteren  Falle  vrird  er 
weiter  durch  die  beiden  Sie  mens 'sehen  Stöpselrheostaten  £ 
und  F  von  je  10  000  S.-E.  geleitet,  die  stets  so  gestöpselt 
werden ,  dass  die  Summe  der  eingeschalteten  Widei*stände 
10  000  S.E.  ausmacht.  Da  der  Punkt  G  des  Kastens  E  zur 
Erde  abgeleitet  ist,  so  ist  das  Potential  im  Punkte  //  pro- 
portional der  Anzald  der  zwischen  G  und  H  eingeschalteten 
S.-E.,  solange  die  Stromstärke  constant  bleibt. 

Um  das  Letztere  zu  erzielen,  bleibt  der  Strom  stets  bei 
unverändertem  Widerstand  von  10  000  S.-E.  geschlossen,  dabei 
werden  aber  die  Rollen  der  Kästen  E  und  K  wenn  der  Strom- 
kreis nicht  gerade  zu  den  Beobachtungen  benutzt  wird,  durch 


Flammengase. 


407 


die  Rolle  C  ersetzt,  um  die  genau  justirten  Widerstände  der 
Kästen  zu  schonen.  Nachdem  ich  nämlich  den  Stromkreis  in 
der  geschilderten  Weise,  aber  ohne  die  EoUe  C,  etwa  3  Jahre 
laug  benutzt  hatte,  zeigte  sich,  dass  durch  den  Tag  und  Nacht 
andauernden  Strom  die  Justirung  der  Kollen  sehr  erheblich 
beeinträchtigt  war:  Die  beiden  £.ollen  von  je  5000  S.-E.  z.  B., 
welche  anfangs  fast  genau  miteinander  übereingestimmt  hatten, 
waren  nun  um  20,5  S.-E.  verschieden. 

Die  Elemente  B  bestehen  aus  Zink  und  Kohle  in  fünf- 
procentigei-  Salniiaklösung.  Die  Kohle  ist  hydraulisch  aus 
Kohlen-  und  Braunstcdnstückeu  gepresst  und  dann  geglüht. 
Einen  merklichen  Vorrath  an  Sauerstoff  dürfte  hiernach  die 
Kohlenplatte  kaum  noch  enthalten,  sie  ist  aber  doch  schwerer 
polarisirbar  als  Retortenkohle,  vermuthlich  weil  sie  poröser 
ist  Die  Elemente^)  sind  oben  geschlossen,  sodass  keine  Ver- 
dunstung stattfindet  AugenblickUch  benutze  ich  zwei  Ele- 
mente, die  am  28.  April  1888  angesetzt  worden  sind.  Sie 
arbeiten  seitdem  ununterbrochen,  die  Lösung  ist  weder  er- 
neuert, noch  nachgefüllt  worden.  Die  Zinkplatten  haben  sich 
nach  und  nach  mit  einer  Krystallschicht  bedeckt,  und  daher 
hat  die  Stromintensität  allmählich  etwas  abgenommen.  Um 
die  Potentialdifferenz  von  einem  Normaldaniell  hervorzu- 
bringen, mussten  zwischen  die  Punkte  G  und  H  (Fig.  9)  ge- 
schaltet werden: 


am  6.  Juni  1888  4221,2  S.-E. 

16.  Juni  1888.  4232,5     » 

18.  Januar  1889  4355        ,, 

29.  Januar  1889  4342,5 


» 


17.  Februar  1889     4347,7 


)) 

?» 


am  23.  Februar  1889  4351,2  S.-E. 

),       8.  Juli  1889  4321        » 

,1     21.  Juli  1889  4316,2    » 

9.  August  1889  4311,2     n 


>} 


AVie  man  sieht,  sind  die  Schwankungen  der  Strominten- 
sität so  gering,  dass  man  die  einer  S.-E.  entsprechende 
Potentialdifferenz  bis  auf  ßruchtheile  eines  Procents  genau 
kennt,  selbst  wenn  man  eine  Vergleichung  mit  dem  Normal- 
element nur  etwa  wöchentlich  einmal  vornimmt. 

Der  ganze  Stromkreis  mit  allem  Zubehör,  den  ich  im 
Folgenden  kurz  als  Compensator  bezeichnen  werde,  ist  auf 
einem  kleinen  Isolirtischchen  aufgestellt,  sodass  er  bequem 
an  jede  beliebige  Stelle  des  Laboratoriums  getragen  und  in 


1)  Von  Keiscr  &  Schmidt  in  Berlin  gclictVrt. 


408  H:  Giese. 

jede  beliebige  Apparatcombination  eingeschaltet  werden  kann, 
ohne  dass  der  Strom  auch  nur  einen  Augenblick  unterbrochen 
zu  werden  braucht. 

69)  Als  Normaldaniells  benutze  ich  noch  immer  die  in 
meiner  i&rbeit  über  Rückstandsbildung  beschriebenen  Ele- 
mente. Die  beiden,  welche  bei  der  vorliegenden  Arbeit  ver- 
wendet wurden,  und  deren  Mittelwerth  ich  als  die  electro- 
motorische  Ejraft  eines  Daniells  bezeichne,  sind  am  25.  Februar 
1879  und  am  27.  Februar  1881  zusammengesetzt  worden. 

70)  Die  ersten  Versuche,  um  die  Einseitigkeit  des  Lei- 
tungsvermögens in  der  Umgebung  einer  geladenen  Flamme 
nachzuweisen,  stellte  ich  in  der  folgenden  Form  an:  In  der 
Axe  eines  aiif  Glasflüssen  stehenden  Weissblechcvlinders  iS 
von  9,93  cm  innerem  Durchmesser  und  64,05  cm  Höhe,  der 
sich  oben  bis  zu  5,45  cm  verjüngte  (Fig.  10),  brannte  eine  19 
bis  23  cm  hohe  leuchtende  Gasflamme  Fl  aus  einem  Brenner 
mit  kreisrunder  OeiFnung  von  1  mm  Durchmesser.  SeitUch 
war  ein  Loch  von  etwa  1  cm  Durchmesser  in  den  Cylinder 
gebohrt  und  durch  dieses  ein  isolirter,  1  mm  dicker  Kupferdraht 
geführt,  der  im  Lmern  zu  einem  Binge  R  von  7,39  cm  Durch- 
messer umgebogen  war,  sodass  er,  coaxial  mit  dem  Cylinder 
aufgestellt,  von  diesem  überall  etwa  1,27  cm  entfernt  war. 

Mit  diesem  Apparat  wurden  die  folgenden  Versuche  an- 
gestellt. 

Erster  Fall:  Wurde  die  Flamme  durch  eine  Batterie  von 
beispielsweise  30  kleinen  L  e  c  1  a  n  c  h  e  -  Elementen  ^)  geladen, 
während  der  Cylinder  S  zur  Erde  abgeleitet  und  der  King  B 
mit  dem  Electrometer  verbunden  war,  so  lud  sich  dieses  so 
schnell,  dass  die  Scala  sofort  verschwand,  nachdem  B  und  das 
Electrometer  von  der  Erdleitung  gelöst  worden  waren.  Es 
musste  ein  Condensator  von  beträchtlicher  Capacität  (0,1  Mikro- 
farad) hinzugeschaltet  werden,  um  die  Ablenkungen  des  Electro- 
meters  auf  eine  messbare  Grösse  herunterzudrücken. 

71)  Zweiter  Fall:  Wurde  ausser  der  Flamme  auch  der 
Weissblechschornstein  i9 durch  die  30  Elemente  geladen,  so  wurde 
dadurch  die  Ladung  des  Ringes  und  Electronieters  l)edeutcnd 


1)  Di«'  bcmitztt'H  Elemmte  sind  von  drr  Wit'd.  Aim.  17.  p.  21.  läS2 
b«':<chrivl)«'n<*u  Form. 


Flammengase,  409 

verlangsamt.  Sie  sank  auf  Vio  ^^'^  Vso  ^"^^  selbst  auf  noch 
geringere  Bruchtheile  derjenigen,  welche  auftrat,  wenn  nur  die 
Flamme  geladen  Mrurde. 

Verhielte  sich  die  im  Schornstein  neben  der  Flamme  auf- 
steigende Luft  wie  ein  gewöhnlicher  homogener  Leiter,  so 
müsste  gerade  das  Gegentheil  stattfinden,  die  Einströmung  in 
den  Bing,  der,  anfangs  wenigstens ,  das  Potential  Null  besitzt, 
müsste  erheblich  zunehmen,  wenn  ausser  der  Flamme  auch 
der  Schornstein  geladen  wird,  da  ja  das  Potential  des  Ringes 
jetzt  von  dem  seiner  Umgebung  stärker  abweicht  Statt  dessen 
finden  wir  eine  beträchtliche  Abnahme  der  Einströmung,  weil 
die  Luft  im  Schornstein  nicht  an  und  für  sich  leitend  ist  Viel- 
mehr wandern  die  leitenden  ßestandtheile ,  die  Ionen,  aus  der 
Flamme  in  die  Luft  nur  in  dem  Maasse  hinein,  wie  ein  Po- 
tentialgefälle an  der  Oberfläche  der  Flamme  vorhanden  ist, 
das  sie  dazu  veranlasst.^)  Dies  Potentialgefälle  ist  offenbar 
viel  stärker,  wenn  zwischen  der  Flamme  imd  dem  Schornstein 
die  Potentialdifferenz  von  30  Elementen  besteht,  und  deshalb 
ist  in  diesem  Falle  das  Leitungsvermögen  der  Luft  •  so  viel 
grösser,  dass  die  Einströmung  in  den  Ring  stärker  ausfällt, 
obgleich  sein  Potential  viel  weniger  von  dem  seiner  Umgebung 
abweicht,  als  bei  gleichfalls  geladenem  Schornstein. 

72)  Dritter  Fall:  Wurde  der  Brenner  zur  Erde  abgeleitet 
der  Schornstein  aber  durch  30  Elemente  geladen,  so  strömte 
in  den  zuvor  zur  Erde  abgeleitet  gewesenen  Ring  nur  eine  ganz 
geringe  Electricitätsmcnge  ein,  Bruchtheile  von  einem  Tau- 
sendstel derjenigen  Mengen,  die  einströmen,  wenn  die  Flamme 
geladen  und  der  Schornstein  abgeleitet  ist 

Hier  tritt  also  die  Einseitigkeit  des  Leitungsverraögens 
deutlich  in  die  Erscheinung:  das  Leitungsvermögen  der  auf- 
steigenden Luft  muss  imgefaln*  das  gleiche  sein,  wenn  die  Flamme 
positiv  geladen,  der  Schornstein  abgeleitet  ist,  und  wenn  die 
Flamme  abgeleitet,  der  Schornstein  negativ  geladen  ist    Den- 

1)  Uass  auch  durch  Diffusion  Ionen  in  di«;  Luft  neben  der  Flammr 
gehingen  können,  .soll  nicht  in  Abrede  gestellt  werden.  Es  würde  das 
aber  sehr  langsam  von  statten  geh(;n,  würde  sich  auch  auf  positive  und 
negativ«*  Tonen  in  gleicher  Weise  erstrecken,  und  diese  würden  sich 
zum  grossen  Theil  alsbald  zu  neutralen  Molccülen  vereinigen,  also  elec- 
triseli  unwirksam  werden. 


410  W.  Giese. 

noch  ist  die  Einströmung  in  den  Bing  sehr  verschieden,  im 
ersten  Falle  ladet  er  sich  sehr  stark  positiv,  im  zweiten  Falle, 
trotz  des  dicht  anliegenden  negativ  geladenen  Schornsteins, 
kaum  merklich  negativ.  Die  Erklärung  ist  in  dem  Umstände 
zu  suchen,  dass  in  beiden  Fällen  last  nur  positive  Ionen  vor- 
handen sind,  die  an  den  Bing  keine  negative  Electricität  ab- 
geben können,  mag  er  auch  noch  so  positiv  gegen  seine  Um- 
gebung sein. 

Zugleich  zeigen  aber  die  Versuche,  dass  einzelne  negative 
Ionen  dennoch  bis  an  den  Bing  gelanget.  Dafür  sind  zwei 
Ursachen  denkbar:  Einmal  könnten  einzelne  besonders  be- 
günstigte negative  Ionen  durch  Diffusion  bis  an  Stellen  ge- 
langen, von  denen  aus  das  Potentialgefälle  ihre  weitere  Wan- 
derung gegen  den  Bing  hin  begünstigt  Soweit  sie  nicht  unter- 
wegs zu  neutralen  Molecülen  gebunden  werden,  könnten  sie 
dann  an  den  Bing  gelangen  und  ihn  negativ  laden.  Zweitens 
ist,  wenn  Flammen  im  Zimmer  brennen,  überhaupt  die  ganze 
Luft  mit  Ionen  beiderlei  Vorzeichens  geschwängert.  ^)  Sie  be- 
sitzt daher  an  und  für  sich  ein  gewisses  Leituugsvermögen,  das 
neben  dem  durch  directe  Wanderung  der  Ionen  von  der  Flamme 
zum  Schornstein  erzeugten  bestehen  kann. 

73)  Ich  theile  zur  Erläuterung  des  Vorstehenden  einige 
Versuche  ausführlicher  mit.  In  allen  anzuführenden  Fällen  ist 
in  der  Weise  beobachtet  worden,  dass  der  mit  dem  Electro- 
meter  verbundene  Bing  im  allgemeinen  zur  Erde  abgeleitet 
war  und  nur  für  eine  bestimmte  Zeit  mit  dem  Electromcter 
zusammen  isolirt  wurde.  Am  Schluss  der  Zeit  (l  bis  3  Mi- 
nuten) wurde  die  angesammelte  Ladung  am  Electrometer  ab- 
gelesen. Da  sie  in  allen  Fällen  klein  gegen  die  zur  Ladung 
der  anderen  Äpparattbeile  benutzton  electromo torischen  Kräfte 
blieb,  so  können  die  mitgetheilten  Zahlen  als  ein  angenähertes 
Maass  für  die  Einströmung  in  den  zur  Erde  abgeleiteten  Bing 
dienen. 

2.  December  1887.  Es  wurde  abwechselnd  Fi  (Flamme) 
geladen,  S  (Schornstein)  abgeleitet,  oder  S  geladen,  Fl  abge- 
leitet. Die  Ladung  erfolgte  durch  eine  Batterie  von  56  kleinen 
Elementen   =  61,76  Dan.     In  den  Rubriken  „Fl  geladen"  und 

1)  Giese,  Wied.  Auu.  17.  p.  530.  ls«2. 


Flamnitriffase.  411 

j,S  geladen'^  sind  iu  Compensatoreinheiten  E  die  Potentiale 
verzeichnet,  bis  zu  denen  sich  das  mit  R  (Ring)  und  einem 
Glimmercondensator  Mo,i  von  0,1  Mikrofarad  Capacität  ver- 
bundene Electrometer  je  in  einer  Minute  lud  oder  geladen 
haben  würde.  Wenn  S  geladen  wurde,  war  nämlich  die  Ein- 
strömung so  gering,  dass  ich  Jfo,i  entfernen  musste,  um  mess- 
bare Ablenkungen  zu  erhalten.  Die  filr  diesen  Fall  mitge- 
theilten  Zahlen  sind  aus  den  wirklich  beobachteten  Potentialen 
durch  Multiplication  mit  dem  Verhältniss  (0,001 152)  der  in 
Betracht  kommenden  Capacitäten  gebildet.  Auch  wurde, 
wenn  S  geladen  war,  erst  nach  3  Minuten  die  am  Electro- 
meter erzeugte  Ladung  abgelesen  und  dann  durch  Division 
mit  3  auf  1  Minute  reducirt. 

Empfindlichkeit  1  Sealentheil  =  56,3  E. 

1  Daniell  =  4216,5  E. 

Negative  Ladung  \  Positive  Ladung 

i^^  geladen  ^' geladen  I        Q        ;' F/ geladen  i  iS  geladen  |        Q 

- 1669  E.    -0.221  E.  ■  0,000  132  '    + 1350  E.  |  +0,255  E. ,  0,000  189 

1635       .         346                   212  1402                170       !            121 

1578       '         247                   157  1327       '         310                  234 

1580       I         277       ,            174  '        1390       ,         220                   158 

1623                373                   230  1367                190                   139 

Mittel    0,000  181  Mittel    0^000  168 

Unter  Q  sind  die  Quotienten  der  Einströmung  bei  gela- 
dener Flanmie  und  bei  geladenem  Schornstein  aufgeführt  Für 
geringere  electromotorische  E^räfte,  als  die  hier  zur  Ladung 
benutzten,  wurden  die  Quotienten  Q  etwas  grösser  gefunden, 
z.  B.  gleich  i)fi^^bb  bei  30  Elementen.  Die  Einseitigkeit 
scheint  also  um  so  ausgeprägter  aufzutreten,  je  grössere  La- 
dungen der  Flamme  oder  dem  Schornstein  mitgetheilt  werden. 

2.  December  1887.  Die  Flamme  wurde  stets  durch  die 
56  Elemente  geladen,  S  abwechselnd  zur  Erde  abgeleitet  oder 
gleichfalls  geladen.  Im  zweiten  Falle  wurde  mit  dem  Electro- 
meter ein  Glimmercondensator  A/o,oi  von  0,01  Mikrofarad  ver- 
bunden, im  ersten  iV/o.!-  Die  Zahlen  der  Tafel  sind  auf  das 
Leitersystem  Electrometer  +  R  +  Mo,i  und  1  Minute  Ladungs- 
dauer reducirt.  Das  Verhältniss  der  Capacitäten  war  hier 
Electrometer  +  R  +  Afo,oi  =  0,1007  (Electrometer  +  Ä  +  3/ü,i) 


412 


H\  Giese, 


1  Scalentheil  =  58,2  E. 


Negative  Ladung 
S'Erde    1  5  geladen  1        Q 


Positive  Ladung 
>S-Erde    1  5  geladen  I 


Q 


1624 
1589 
1583 
1664 
1583 


-123 

0,0757 

+  1469 

+  46 

0,0313 

105 

661 

1       1464 

44 

301 

139 

878 

1       1435 

48 

334 

126 

757 

!       1455 

55 

378 

137 

865 

1444 

50 

346 

Mittel    0,0784 


Mittel    0,0334 


Nach  anderen  Versuchsreihen  fällt  Q  noch  kleiner  aus, 
wenn  kleinere  electromotorische  Ejräfte  benutzt  werden,  um 
die  Flamme  und  den  Schornstein  zu  laden. 

74)  Wenn  der  Schornstein  abgeleitet,  und  die  Flamme 
durch  Batterien  von  verschiedener  electromotorischer  Kraft 
geladen  wird,  so  wächst  die  Einströmung  in  den  King  sehr  viel 
schneller,  als  die  zur  Ladimg  der  Flamme  benutzten  electro- 
motorischen  Kräfte ,  wie  z.  B,  die  folgende  Beobachtungs- 
reihe zeigt. 

4.  December  1887.  S  abgeleitet,  Fl  abwechselnd  durch 
80  und  56  Elemente  geladen.  Electromotorische  Kraft  der 
beiden  Batterien  35,055  und  61,725  Daniells,  Quotient  1,717. 
Die  in  der  Tafel  aufgeführten  Ladungen  nahm  das  Electro- 
lueter  je  nach  einer  Minute  an,  wenn  es  mit  einem  Glimmer- 
condensator  von  0,02  Mikrofarad  verbunden  war. 

1  Scalentheil   =  52,0  E.;        1  Daniel!  =  4221  E. 


Flamme 

)  po9iti\'  geladen 

Flamme  negativ  geladen 

30  Elem. 

56  Elom. 

Q 

3,188 

30  Elem. 
-3234  E. 

56  Elem.  :         Q 

+  2398  E. 

+  7646  E. 

-9668  E.        2,980 

2425 

7«67 

244 

3216 

9726             3,024 

2J03 

7SS3 

438 

3179 

9757             3,0fi0 

2452 

7054 

244 

3171» 

101)92             3,175 

2'M\ 

7896 

417 

:i:{29 

0928             2,082 

Mittel 

3,HU6 

Mittel  "3,048 

Mau  sieht,  dass  der  Quotient  Q  der  Einströmungen  selir 
viel  j^rösscr  ist,  als  jener  der  electromotorischen  Kräfte.  Bei 
einer  anderen  Versuchsreihe,  bei  der  die  Flamme  abwechselnd 
durch  10  und  30  Elemente  geladen  wurde,  und  das  A^'erhält- 
niss  der  electromotorischen  Kräfte  gleich  3,024  war.  fand  ich 


JB  lammengase.  413 

bei  positiver  Ladung  der  Flamme  Q  =  42,3  und  bei  negativer 
gar  Q  =  148,4. 

Andere  Beobachtungsreihen  habe  ich  nach  der  in  meiner 
ersten  Arbeit  über  die  Plammengase  befolgten  Methode  ^)  unter 
Beuutzimg  von  Glaswiderständen  angestellt  Sie  bestätigen 
durchaus  das,  was  aus  den  bisher  angeführten  Reihen  zu  ent- 
nehmen ist;  ich  theile  sie  daher  hier  nicht  erst  mit 

75)  Wir  sahen  in  §  72,  dass  in  den  auf  dem  Potential 
Null  gehaltenen  Ring,  wenn  die  Flamme  zur  Erde  abgeleitet 
und  der  Schornstein  geladen  ist,  so  gut  wie  gar  keine  Elec- 
tricität  einströmt.  Es  wurde  daraus  gefolgert,  dass  das  Lei- 
tungsvermögen  der  Luft  im  Schornstein  ein  einseitiges  sei. 
Gegen  diesen  Schluss  kann  eingewendet  werden,  dass  die  That- 
sache  sich  auch  erklären  liesse,  wenn  man  annähme,  dass  das 
Potential  in  dem  Räume  zwischen  Flamme  und  Schornstein, 
wenn  der  Ring  nicht  vorhanden  wäre,  in  der  Weise  verliefe, 
dass  es  sich  von  der  Flamme  gegen  den  Schornstein  hin  an- 
fangs, bis  in  die  Nähe  des  Ringes,  sehr  wenig  änderte,  und 
dass  der  Abfall  der  Function  erst  unmittelbar  an  der  Wand 
des  Schornsteins  stattfände.  Dann  würde  in  unserem  Versuche 
die  Einströmung  in  den  Ring  vom  Potential  Null  nur  deshalb 
so  gering  ausfallen,  weil  sein  Potential  sich  ausserordentlich 
wenig  von  dem  natürlichen*)  seiner  Umgebung  unterscheidet. 
Nun  ist  freilich  ein  solcher  Verlauf  der  Potentialfunction  ausser- 
ordentlich unwahrscheinlich,  denn  er  würde  die  Anhäufung 
starker  Electricitätsmengen  in  unmittelbarster  Nachbarschaft 
des  Schornsteins  und  andererseits  vollständiges  Fehlen  freier 
Electricität  in  dem  ganzen  übrigen  Raum  erfordern.  Lnmer- 
hin  aber  scliien  es  nöthig,  die  Frage  einer  experimentellen 
Prüfung  zu  unterziehen. 

76)  Ich  schaltete  zwischen  den  Schornstein  und  die  Flamme 
eine  Batterie  von  100  kleinen  Leclanch^-Elementen  und  be- 
stimmte in  der  üblichen  Weise  die  Einströmung  in  den  mit  dem 
Electrometer  verbundenen,  zuvor  zur  Erde  abgeleiteten  Ring, 

1)  Giese,  Wied.  Ann.  17.  p.  19.  1882. 

2)  Als  natürliches  Potential  bezeichne  ich  dasjenige,  das  für  einen 
l'unkt  im  Inneren  des  Schornsteines  gelten  würde,  wenn  der  Bing  nicht 
vorhand<*ii  oder  doch  nicht  künstlich  auf  ein  willkürliches  Potential  ge- 
bracht wäre. 


414  ^.  Giese. 

während  irgend  ein  bestimmter  Punkt  im  Inneren  der  Batterie 
mit  der  Erde  verbunden  wurde.  Die  Stärke  der  Einströmung 
hängt  natürlich  davon  ab,  welcher  Punkt  der  Batterie  abge- 
leitet ist:  Wird  z.  B.  der  Kupferpol  mit  der  Flamme,  der 
Zinkpol  mit  dem  Schornstein  verbunden,  so  wissen  vrir  nach 
den  oben  mitgetheilten  Versuchen  bereits,  dass  der  ßing  sich 
sehr  stark  positiv  laden  müsste,  wenn  der  Zinkpol  abgeleitet 
würde,  sehr  schwach  negativ  aber,  wenn  der  Kupferpol  mit  der 
Erde  verbimden  wäre.  Verlegt  man  nun  die  Ableitungsstelle, 
von  letzterem  Pole  angefangen,  schrittweise  um  je  10  Elemente 
weiter  gegen  den  Zinkpol  hin,  so  wird  das  natürliche  Potential 
um  den  Ring,  der  seinerseits  stets  das  Potential  Null  behält, 
mit  jedem  Schritt  um  den  Betrag  von  10  Elementen  positiver, 
die  Fotentialdifferenz  zwischen  ihm  und  seiner  nächsten  Um- 
gebung ändert  sich  also  um  bekannte  Beträge.  Wäre  das 
Leitungsvermögen  der  Luft  von  gewöhnlicher  Art,  d.  h.  beid- 
seitig, so  müssten  gleichen  Aenderungen  dieser  Potentialdiffe- 
renz auch  gleiche  Aenderungen  der  Einströmung  in  den  Bing 
entsprechen;  zum  mindesten  näherungsweise.  Denn  es  ist  zu 
berücksichtigen,  dass,  wie  wir  schon  wissen  (§  71),  das  Leitungs- 
vermögen vom  Potentialgefälle  in  der  Umgebung  der  Flamme 
abhängt,  und  dass  daher  auch  der  Potentialunterschied  zwischen 
Flamme  und  Ring  einen  gewissen  Einfluss  auf  das  Leitungs- 
vermögen haben  muss.  Doch  kann  dieser  Einfluss  nur  gering 
sein,  solange  die  Potentialdifferenz  zwischen  Schornstein  und 
Flamme  ungeändert  bleibt. 

Ganz  anders  wird  sich  die  Sache  verhalten,  wenn  die  be- 
hauptete Einseitigkeit  des  Leitungsvermögens  besteht:  Dann 
wird  die  Einstreuung  in  den  Ring  so  lange  sehr  gering  blei- 
ben, als  sein  Potential  zwischen  dem  der  Flamme  und  dem 
natürlichen  seiner  nächsten  Umgebung  liegt,  und  solange  diese 
Bedingung  erfüllt  bleibt,  werden  Aenderungen  in  der  abgelei- 
teten Stelle  der  Batterie  auch  nur  geringe  Aenderungen  in 
der  Einströmung  hervorrufen.  Sobald  aber  das  Potential  des 
Ringes  zwischen  dem  seiner  Umgebung  und  dem  des  Schorn- 
steins liegt,  d.  h.  sobald  das  Potential  ein  solches  geworden 
ist,  dass  es  Einströmung  jener  Electricität  verlangt,  mit  der 
die  Ionen  beladen  sind,  wird  eine  lebhafte  Electricitätsauf- 
nahme   stattfinden   müssen,   und    diese    wird   im   grossen   und 


Flammengnse,  415 

ganzen    proportional    den    Aenderungen    des    Potentials    ver- 
laufen. 

77)  Danach  haben  wir  also  ganz  verschiedenen  Verlauf 
der  Einströmung  beim  Vorschieben  des  abgeleiteten  Punktes 
in  der  Batterie  von  dem  mit  der  Flamme  verbundenen  Pol 
zum  anderen  zu  erwarten,  je  nachdem  das  Leitungsvermögen 
einseitig  oder  beidseitig  ist.  Der  Versuch  entscheidet  durch- 
aus zu  Gunsten  der  einseitigen  Leitung.  Ich  führe  eine  ße- 
obachtungsreihe  an. 

1.  October  1888.  Alle  Beobachtungen  sind  auf  1  Minute 
Ladungsdauer  und  auf  das  System  Electrometer  +jß+Aro,oi  re- 
ducirt.  Goldblattelectrometer,  1  Sealentheil  =  827  E\  elec- 
tromotorische  Kraft  der  Batterie  =  483  650  E. 


-S-Zinkpol,  i^/-Kupferpol 

Ä-Kupferpol, 

i?7-Zinkpol 

Fl-R                 J 

FL-  R 

J 

0  EU.     1       -50^ 

'           0  Ell.    ! 

-\1E 

+  50                    +33 

'      -50 

66 

60                    1468 

60            i 

1633 

70                    7195 

70 

7401 

so                  18318 

1          80            ' 

19228 

90             ,     30704 

90 

33907 

100                  45361             1 

1         100            i 

51191 

Unter  Fl^  R  sind  die  Potentialdiflferenzen  zwischen  der 
Flamme  und  dem  Ringe,  unter  J  die  Ladungen  des  Electro- 
meters  aufgeführt.  Man  sieht,  dass  die  Einströmung  sehr  ge- 
ring bleibt,  solange  zwischen  die  Flamme  und  den  Ring  we- 
niger als  50  Elemente  geschaltet  sind,  dass  sie  erst  bei  60 
Elementen  merklich  zunimmt,  und  dass  erst  bei  mehr  als 
70  Elementen  angenähert  Proportionalität  zwischen  den  Aen- 
derungen des  Potentials  und  der  Einströmung  eintritt. 

In  Fig.  1 1  sind  die  PotentialdiflFerenzen  Fl—  R  als  Ab- 
scissen,  die  beobachteten  Einströmungen  als  Ordinaten  aufge- 
tragen. Um  die  beiden  Curven  besser  auseinander  halten  zu 
können,  sind  die  Ordinaten  derjenigen  für  negative  Ladung  der 
Flamme  überall  um  10000  E  vergrössert  dargestellt 

Was  den  mittleren,  stärker  gekrümmten  Theil  der  Curven 
betriflft,  so  dürfte  ihr  Verlauf  an  dieser  Stelle  wohl  folgender- 
massen  zu  erklären  sein:  Die  Flamme  in  dem  engen  Schorn- 
stein brennt  nicht  ruhig,   sie   flackert  ein  wenig  hin  und  her. 


410  IV.  Giese. 

und  demgemäss  ist  auch  das  Potential  im  Inneren  des  Schorn- 
steins nie  völlig  constant.  Ist  nun  z.  B.  die  Flamme  positiv- 
geladen  und  der  Schornstein  negativ,  der  Sing  aber  nahezu 
auf  dem  Potential  seiner  Umgebung ,  so  nimmt  er,  eben  weil 
die  Leitung  einseitig  ist,  verhältnissmässig  leicht  positive  Elec- 
tricität  auf,  wenn  auch  nur  ein  einzelner  Punkt  für  kurze  Zeit 
negativ  gegen  seine  Umgebung  ist.  Er  kann  aber  die  einmal 
erhaltene  positive  Electricität  nachher  nur  sehr  schwer  wieder 
abgeben,  wenn  er  auch  lange  Zeit  positiv  gegen  seine  Um- 
gebung ist  So  konmit  es,  dass  der  horizontale  und  der  schnell 
ansteigende  Zweig  der  Curven  nicht  plötzUch  ineinander  über- 
gehen, sondern  durch  ein  stärker  gekrümmtes  Stück  verbunden 
sind,  flh'  welches  der  Hing  noch  Ladungen  vom  Vorzeichen  der 
Flamme  aufnimmt,  die  aber  nicht  mehr  seiner  mittleren  Ab- 
weichung vom  Potential  der  Umgebung  entspringen,  sondern 
zufälligen  imd  schnell  vorübergehenden  Abweichungen  einzehier 
Theile  des  Ringes. 

Die  Curven  weisen,  wenn  man  ihren  Verlauf  in  dieser  Art 
interpretirt,  darauf  hin,  dass  das  mittlere  natürliche  Potential 
am  Orte  des  Ringes  etwa  um  60 — 70  Elemente  von  dem  der 
Flamme  verschieden  ist. 

78)  Um  eine  genauere  Bestimmung  des  natüi'lichen  Po- 
tentials am  Oite  des  Ringes  zu  erhalten,  wurde  ein  Tropf- 
apparat angewendet.  Nachdem  der  Ring  entfernt  war,  wui-de 
durch  die  Oeffhung  im  Schornstein  eine  hoiizontale  gläserne 
Capillarröhre  eingeführt,  die  au  ihrem  Ende  vertical  umge- 
bogen war.  Aus  ihrer  Oeflfnung  floss  ein  Strahl  einprocentiger 
Zinkvitriollr)sung  senkrecht  herab,  der  27  mm  unter  dem  hori- 
zontalen Theil  der  Rubre  in  Tropfen  zerfiel.  In  das  Becher- 
glas, aus  dem  die  Zinkvitriollösung  der  Röhre  zuHoss,  tauchte 
eine  Zinkelectrode,  die  mit  dem  Electrometer  verbunden  war. 
Es  wiu'de  nun,  ^vie  bei  den  Versuchen  des  vorigen  Paragraphen, 
eine  Batterie  zwischen  den  Schornstein  und  die  Flamme  ge- 
schaltet und  der  Punkt  der  Batterie  aufgesucht,  der  abgeleitet 
werden  musste,  damit  der  Tropfapparat  das  Potential  Null 
anzeigte. 

Zunächst  ergab  sich,  dass  das  Potential  des  Ortes,  wo 
der  Strahl  in  Tropfen  zerlUUt,  sehr  inconstant  ist,  wie  das 
auch    schon   oben   angenommen   werden  musste.     Von   einer 


Flammengase,  417 

festen  EiustelluDg  des  Electrometers  war  nicht  die  Eede.  Es 
wurde  deshalb  ein  Glimniercondensator  von  0,01  Mikrofarad 
zum  Electrometer  geschaltet  und  die  Grösse  der  Ladung  be- 
stimmt, die  das  so  gebildete  System  Ton  Leitern  durch  den 
Tiopfapparat  je  in  einer  Minute  aufaahm,  wenn  ein  bestimm- 
ter Punkt  der  Batterie  zur  Erde  abgeleitet  wurde.  Dieser 
Punkt  wurde  so  gewählt,  dass  einmal  eine  positive,  dann  eine 
negative  Ladung  im  Electrometer  angesammelt  wurde,  und 
daraus  durch  Interpolation  der  Punkt  berechnet,  für  den  das 
Potential  Null  gebUeben  sein  würde. 

So  wurden  die  folgenden  Zahlen  ermittelt: 
Strahl- Ende  25  mm  über  der  Brenneröffnung,  10  mm  von 
der  Schomsteinwandung   entfernt.    Das  Potential   des  Tropf- 
apparates ist  Null,  wenn  geladen  wird: 

FL  durch  +33,1      oder      —32,3  Elemente, 

6'        »       ~  6,9 +  7,7 

zusammen  40  Elemente. 

Strahl-Ende  75  mm  über  der  Brenneröffnung,  10  mm  vom 
Schornstein  entfernt.  Das  Potential  ist  Null,  wenn  geladen 
wird: 

Fl  durch  +31,6  -29,8     +46,5  —45,1     +76,6  —74,5  Elemente, 
0'        »       -  8,4   +10,2     -13,5   +14,9     -23,4   +25,5         ,» 

zusammen    40  60  100  » 

Strahl-Ende  75  mm  über  der  Brenneröffnung,  13  mm  vom 
Schornstein  entfernt.  Das  Potential  ist  Null,  wenn  geladen 
wird    : 

Fl  durch  +27,3  —25,1     +39,2  —37,4     +62,8  —62,6  Elemente, 
6'        „       -12,7  +14,9     -20,8  +22,6     -37,2   +37,4  y, 

zusammen     40  60  100  «* 

Die  electromotorische  Kraft  der  benutzten  Batterien  war 
bei  den  beiden  ersten  Gruppen  gleich  45,09  Dan.;  67,48  D.; 
111,76  D.;  bei  der  letzten  Gruppe  gleich  45,20  D.;  67,45  D. 
und  111,82  D. 

Bei  den  Versuchen  des  vorigen  Paragraphen  lag  der  Bing 
72  mm  über  der  Brenneröffnung  und  hatte  12,7  mm  Abstand 
von  der  Schornsteinwand,  seine  Lage  war  nahezu  dieselbe,  wie 
die  des  Strahlendes  in  der  letzten  Beobachtungsreihe.  Dem 
entsprechend  linden  wir  auch  die  Potentialdifferenz  zwischen 
der  Flamme  und  dem  Strahl-Ende  innerhalb  der  Grenzen  lie- 

Ann.  d.  l'lo>.  u.  Chem.    N.  F.    XXX VIII.  27 


418  W.  Giese. 

gend,  welche  sich  aus  den  Versuchen  des  vorigen  Paragraphen 
dafür  ergeben  hatten. 

Jedenfalls  beweisen  beide  Versuchsarten  übereinstimmend, 
dass  zwischen  dem  Orte  des  Binges  und  der  Flamme  eine  er- 
hebliche Potentialdifferenz  besteht ,  wenn  eine  solche  zwischen 
der  Flamme  und  dem  Schornstein  künstlich  erzeugt  wird. 

79)  Hiemach  lässt  sich  der  §  75  besprochene  Einwand 
gegen  die  ursprüngliche  Versuchsanordnung  nicht  aufrecht  er- 
halten. Um  aber  ganz  sicher  zu  gehen,  habe  ich  schliesslich 
den  Versuch  noch  in  einer  Weise  abgeändert,  gegen  die  ein 
ähnlicher  Einwand  überhaupt  nicht  mehr  erhoben  werden  kann. 
An  Stelle  des  Schornsteins  setzte  ich  einen  Cylinder  A  aus 
Drahtgeweben  von  10  cm  Durchmesser  und  48,6  cm  fiöhe.  Der 
Drahtring  Ry  für  den  die  Einströmung  untersucht  werden  sollte, 
lag  jetzt  ausserhalb  des  Cylinders,  diesen  umfassend  ^  er  hatte 
12  cm  Durchmesser.  Die  Flamme  brannte  in  der  Äxe  des 
Cylinders,  der  Ring  war  meist  in  einer  solchen  Höhe  ange- 
bracht, dass  er  etwa  mit  der  Mitte  der  Flamme  abschnitt. 

Bei  dieser  Anordnung  kann  das  Potential  des  Ringes  auf 
die  Flamme  und  das  der  Flamme  auf  den  Ring  keine  Wirkung 
mehr  ausüben,  da  ja  zwischen  beiden  der  Gewebecy linder  als 
Schirm  steht  Sein  Gewebe  war  aus  0,4  mm  dickem  Draht 
gefertigt,  die  einzelnen  Drähte  hatten,  von  Axe  zu  Axc  gemes- 
sen, 1,41  mm  Abstand.  Die  lichte  Weite  der  (piadratischen 
Maschen  betrug  also  etwa  1  mm. 

Es  ergab  sich  nun,  dass  an  dem  zuvor  zur  Erde  abgelei- 
teten Ringe  eine  starke  Einströmung  vom  Vorzeichen  der 
Flamme  auftritt,  wenn  diese  geladen  wird,  und  zugleich  das 
Potential  des  Cylinders  A  zwischen  dem  des  Ringes  und  dem 
der  Flamme  liegt,  d.  h.  wenn  von  der  Flamme  bis  zum  Ringe 
hin  das  Potentialgefälle  überall  gleiche  Richtung  hat,  dass  aber 
die  Einströmung  verschwindet  oder  wenigstens  sehr  gering  wird, 
wenn  das  Potential  des  Cylinders  nicht  mehr  zwischen  dem 
des  Ringes  und  dem  der  Flamme  liegt,  d.  h.  wenn  das  von 
innen  nach  aussen  gerechnete  Potentialgefälle  bei  A  sein  A^or- 
zeichen  wechselt  oder  an  irgend  einer  Stelle  Null  ist. 

80)  Das  ist  nun  genau,  was  nach  den  entwickelten  theo- 
retischen Anschauungen  erwartet  werden  muss.  Sind  z.  B.  der 
Cylinder  A  und  die  Flamme  positiv  geladen,  die  Flamme  aber 


Flammengaste,  419 

stärker,  so  wandern  die  positiven  Ionen,  und  nur  diese ^),  von 
der  Flamme  zu  niedrigeren  Potentialen;  sie  gelangen  so  zu- 
nächst bis  nach  Aj  auch  bis  in  die  Maschen  des  Gewebes,  und 
von  dort,  weil  nach  aussen  hin  das  Potential  weiter  fällty  weiter 
bis  an  den  Ring,  an  dem  sie  die  der  Nachbarschaft  des  positiv 
geladenen  Gewebecylindei-s  entsprechende  Einströmung  positiver 
Electricität  vermitteln. 

Wird  aber  z.  ß.  nur  A  positiv  geladen,  die  Flamme  zur 
Erde  abgeleitet,  so  werden  von  dieser  nur  die  negativen  Ionen 
nach  A  wandern.  Hier  angelangt,  finden  sie  sich  an  einer 
Stelle,  an  der  das  Potential  einen  Maximalwerth  hat,  an  der 
sie  also  festgehalten  werden.  Electrische  Kräfte,  die  sie  weiter 
nach  aussen  führten,  sind  nicht  vorhanden,  im  Gegentheil, 
soweit  etwa  das  eine  oder  andere  Ion  auf  die  Aussenseite  von 
A  gelangen  sollte,  würde  es  sofort  in  den  Bereich  von  Kräften 
treten,  die  es  nach  A  zurückzuführen  streben.  Die  weitere 
Wanderung  nacn  aussen  könnte  nur  von  positiven  Ionen  an- 
getreten werden,  und  diese  fehlen  eben  in  der  Umgebung  von 
Aj  wie  in  dem  ganzen  ßaume  zwischen  A  und  der  Flamme« 
Es  gelangen  also  überhaupt  keine  Ionen  bis  nach  /?,  und 
darum  kann  sich  am  Ringe  die  der  Nachbarschaft  des  positiv 
geladenen  Cylinders  entsprechende  Einströmung  nicht  zeigen. 

Ganz  allgemein:  Wenn  das  Potentialgefälle,  von  innen 
nach  aussen  gerechnet,  bei  A  sein  Zeichen  wechselt,  können 
keine  Ionen  in  den  Raum  ausserhalb  von  A  gelangen,  es  kann 
hier  also  kein  Leitungsvermögen  auftreten. 

81)  Ich  führe  einige  Versuchsreihen  an.  Bei  allen  war 
zu  dem  Ringe  und  dem  Electrometer  noch  der  Conden- 
sator  Mo,KM  geschaltet;  die  Ladungsdauer  betrug  meist  eine 
Minute  oder  wurde  auf  diese  Zeit  reducirt.  Die  unter  J  auf- 
geführten Zahlen  bedeuten  die  in  einer  Minute  durch  die  Ein- 
strömung erzeugten  Potentiale.  Die  Brenneröfinung  lag  100  mm, 
der  Ring  205  mm  höher  als  die  Uhterkante  von  A. 

21.  .lanuar  1889.  A  durch  50  Elemente,  Fl  durch  0  bis 
100  Elemente  geladen.  Fl — A  und  A  —  H  bedeuten  die  Po- 
tentiaidifferenzen  zwischen  der  Flamme  und  Aj  resp.  zwischen 
A  und  dem  Ringe. 

1)  Sofern  wir  die  Diffusion  ausser  Betracht  lasseu. 

27* 


420 


fV.  Giese. 


1  Scalentheü  =  18,66  E.      1  Dan.  =  4358  E. 


—55,8  Dan. 

-55, 

83,5          1 

»» 

11,1 

1) 

0,0 

» 

+  55,4           ' 

» 

4  Dan.  -8611  E. 

1833 

171 

2 

3 


+  55)4  Dan. 
38,1 
11,0 
0,0 

-55,8 


+  55,8  Dan. 


+  2738  E. 

897 

5 

3 

4 


Nun  wurde  weiter  Fl  durch  50,  A  durch  0  bis  100  Ele- 
mente geladen. 


Fl-Ä 


A—R 


Fl-A 


A-E 


—  55,4  Dan. 

0,0  Dan 

33,1 

-22,3 

11,0 

44,4 

0,0 

55,4 

+  55,8 

111,2 

OK 
479 
113 

2 

6 


-55,4Dan.l  +  lll,2Dan. 

0,0  55,8 

+  11,1  44,7 

33,5  22,3 


55,8 


0,0 


+  6E. 

2 

4 
301 

0 


Bei  allen  Beobachtungen  der  ersten  Reihe  haben  wir  die- 
selbe PotentialdiflFerenz  zwischen  A  und  Ä,  die  Einströmung 
fällt  aber  sehr  verschieden,  je  nach  dem  Potential  der  Flamme 
aus;  sie  besteht  nur,  soweit  das  Potentialgefälle  innerhalb  und 
ausserhalb  von  A  das  gleiche  Vorzeichen  hat.  Ist  Fl — A 
gleich  Null  oder  von  entgegengesetztem  Vorzeichen  wie  A — Ä, 
so  verschwindet  die  Einströmung  fast  vollständig.  Umgekehrt 
ist  beim  letzten  Versuche  der  ersten  Halbreihe  und  beim 
ersten  der  zweiten  die  Potentialdiiferenz  /  /  —  A=  +  55,4  Dan. 
die  gleiche,  auch  A — R  ist  dem  absoluten  Betrage  nach  in 
beiden  Fällen  fast  gleich  und  nur  dem  Vorzeichen  nach  unter- 
schieden, dennoch  lallt  die  Einströmung  sehr  verschieden  aus. 
In  dem  Falle,  wo  Fl  —  A  und  A  —  R  gleiches  Vorzeichen 
haben,  finden  wü*  eine  kräftige  positive  Einströmung  in  den 
Bing,  es  sind  also  positive  Ionen  in  reichlicher  Menge  um  A 
und  zwischen  A  und  R  vorhanden.  Im  anderen  Falle,  wo  die 
PotentialdiflFerenzen  entgegengesetztes  Vorzeichen  haben,  ver- 
schwindet die  Einströmung,  die  jetzt  negativ  sein  müsste,  so 
gut  wie  ganz,  es  fehlen  also  der  Luft  um  A  diejenigen  Be- 
standtheile,  die  fähig  wären,  negative  Electricität  an  einen 
festen  Körper  zu  übertragen,  d.  h.  die  negativen  Ionen. 

Die  gleichen  Folgerungen  lassen  sich  an  die  zweite  Beob- 
achtungsreihe knüpfen. 


Flmnmenffase, 


421 


Um  zu  zeigen,  wie  die  Electricitätseinströmung  in  den 
King  verläuft,  wenn  die  Potentialdifferenz  zwischen  ihm  und 
der  Flamme  constant  ist,  A  aber  verschiedene,  in  dem  Zwi- 
schengebiet liegende  Potentiale  hat,  führe  ich  noch  die  folgende 
Beobachtungsreihe  an. 

22.  Januar  1889.     Fl  stets  durch  100  Elemente  geladen. 
1  Sealentheil  =  18,66  E.     1  Dan.  =  4359  E. 


Fl  -  A 

A-R 

J 

FI--A 

A-B 

J 

-111,1  Dan. 

0,0  Dan. 

-   IE.  , 

'    0,0  Dan. 

+  lll,lDan. 

+   4E. 

88,8 

-22,3 

3476 

+22,3 

88,8 

514 

66,7 

44,4 

4162 

44.4 

66,7 

1862 

55.7 

55,4 

3531 

;   55,4 

55,7 

!   2575 

44,7 

66,4 

2397 

■   66,4 

44,7 

3122 

22,2 

88,1) 

828 

,   88,9 

22,2 

1   2574 

0,0 

111,1 

6 

111,1 

0,0 

3 

Es  ist  zu  den  in  diesem  Paragraphen  angeführten  Beob- 
achtungen noch  zu  bemerken,  dass  bei  ihnen  besondere  Vor- 
kehrungen getroffen  waren,  um  den  Bing  gegen  Influenzwir- 
kungen der  electrisirten  Gase,  welche  über  dem  Apparate 
aufstiegen  und  sich  im  Zimmer  vertlieilten,  zu  schützen.  Erstens 
wurde  diesen  Gasen  ihre  Electricität  möglichst  entzogen,  indem 
über  A  ein  zur  Erde  abgeleitetes,  ringförmig  gebogenes  Mes- 
singrohr aufgestellt  wurde,  aus  dem  12  Gasfläramchen  brannten. 
Zweitens  wurde  der  ganze  Apparat  mit  Ausnahme  des  eben 
erwähnten  Messingrohres  in  ein  zur  Erde  abgeleitetes  Gehäuse 
von  Drahtgewebe  eingeschlossen,  das  30  cm  breit,  70  cm  lang 
und  65  cm  hoch  war.  Bei  den  im  Folgenden  sogleich  anzu- 
führenden Versuchen  waren  diese  Vorsichtsmaassregeln  noch 
nicht  angewendet. 

82)  Die  Versuchsreihen  des  vorigen  Paragraphen  zeigen, 
dass  die  Einströmung  in  den  Ring  so  gut  wie  ganz  verschwin- 
det, wenn  zwischen  dem  Ringe  und  A  oder  zwischen  A  und 
der  Flamme  keine  Potentialdifferenz  besteht,  weil  in  diesem 
Falle  keine  electrischen  Kräfte  vorhanden  sind,  um  die  Ionen 
durch  den  Raum  zwischen  A  und  dem  Ringe  oder  zwischen 
der  Flamme  und  A  zu  führen.  Es  gelangen  in  jedem  dieser 
Fälle  nur  so  viele  Ionen  an  den  Ring,  als  dahin  durch  Dif- 
fusion oder  durch  die  allgemeine  Luftbewegung  im  Zimmer 
geführt  werden.     Im  Gegensatze  zu  diesem,  wie  die  Versuche 


422 


fV.  Giese, 


zeigen,  sehr  unbedeutenden  Rest  von  Leitung,  der  durch  mecha- 
nische Vorgänge  vermittelt  wird,  werde  ich  als  unmittelbare 
Leitung  oder  Einströmung  diejenige  bezeichnen,  welche  durch 
die  direct  unter  Einwirkung  des  Potentialgefillles  von  der 
Flamme  zum  Ringe  gewanderten  Ionen  verursacht  wird. 

Eine  nähere  Untersuchung  ergibt  nun,  dass  die  unmittel- 
bare Einströmung  in  den  Ring  erst  beginnt,  wenn  die  Poten- 
tialdifferenz zwischen  der  Flamme  und  A  eine  gewisse  untere 
Grenze  überachreitet.  Es  verräth  sich  das  schon  in  den  beiden 
Beobachtungsreihen  vom  21.  Januar  1889,  bei  denen  die  Ein- 
strömung für  die  Potentialdifferenz  Fl — A  =^  +  II  Dan.  (d.  h. 
10  Elemente)  fast  Null  war,  obgleich  A — B  sehr  beträchtliche 
positive  Werthe  hatte. 

Die  folgende  Versuchsreihe  veranschaulicht  dies  noch 
besser.  Bei  ihr  war  an  Stelle  des  Ringes  ein  Cylinder  B  von 
Drahtgewebe  gesetzt,  12  cm  im  Durchmesser  und  16,7  cm  hoch. 
Seine  Unterkante  lag  12,7  cm  höher,  die  Brenneröffnung  9,2  cm 
höher,  als  die  Unterkante  des  Gewebscylinders  A. 

16.  October  1888.  Die  Ladungen  J  sind  auf  eine  Minute 
reducirt,  es  war  kein  Condensator  zum  Electrometer  geschaltet. 
Goldblattelectrometer:  1  Sealentheil  =  619  E. 


A  —  B  =   +60  Elemente 

A  — 

5  = 

-  60  Elemente 

Fl-A                     J 

Fl- 

A 

J 

-  20  Elemente  +  32ö0  E. 

+  20  Elemente 

3188  E. 

0           3621 

ü 

3621 

+  2           3497 

-  2 

3745 

4           3621 

4 

4364 

6           3590 

6 

l.'<217 

8           4766 

8 

56081 

10           15877 

12          67595 

Man  sieht,  wie  die  Einströmuiifr  bis  zu  Potentialdifferenzen 
FI — A  von  +8  und  —  4  Elementen  sehr  schwach  und»  fast 
genau  so  gross,  wie  flir  di(^  Potentialdiflerenz  Null  bleibt,  dass 
also  hier  keine  directe  Einwirkung  des  Potentials  der  Flamme 
auf  die  Vorgänge  bei  B  vorhanden  ist,  dass  dagegen  die  un- 
mittelbare Leitung  plötzlich  zwischen  Potentialdifferenzen  von 
+  8  und  +10  oder  —4  und  —6  Elementen  einsetzt. 

83)  Weiter  ergab  sich,  dass  die  kleinste  Potentiiildiffe- 
renz,  welche  zwischen  der  Flamme  und  A  bestehen  muss,  um 


Flammengoie. 


423 


die  unmittelbare  Leitung  zu  ei-zeugen,  desto  grösser  wird,  je 
niedriger  der  Bing  gestellt  ist.  Bei  der  folgenden  Beobach- 
tungsreihe  bedeutet  J  die  Einströmung  in  einen  niedrigen  Blech- 
cy linder  C  von  2,5  cm  Höhe  und  12  cm  Durchmesser,  der  A 
umgab  und  so  angebracht  war,  dass  seine  Höhe  leicht  ver- 
ändert werden  konnte.  H  bedeutet  den  Höhenunterschied 
zwischen  der  Unterkante  des  Ringes  und  der  Brenneröffnung. 

22.  October  1888.    Es  ist  kein  Condensator  zum  Electro- 
meter  geschaltet.    Goldblattelectrometer,  1  Sealentheil  =490E. 

.4 —C=- 80  Elemente 


^  —  C  =  +  80  Elemente 


Ä=  Ocm 


4  cm 


8  cm 


12  cm 


16  cm 


22  cm 


30  cm 


Fl  —  A 

+  14Elem. 
15 
16 

+  11 
12 
13 

+  10 
11 

+  9 
10 

+  8 
9 


+ 
+ 


7 

8 

5 
6 
7 

8 


J 

+  2744 
3969 
58S1 

+  3381 
3773 
9408 

+  4459 
10094 

+  4508 
9898 

+  3626 
10192 

+  3528 
10780 

+  2254 

1911 

4165 

10192 


FL—A 

-10  Elem. 
11 

-  7 
8 
9 

-  6 

7 

-  5 
6 

-  4 
5 

-  4 
5 


4 
5 


-3871 
5194 

-2597 

8600 

17493 

-2499 
8011 

-3479 
6664 

-2303 
7276 

-3185 
11662 

-3185 
11172 


Daraus  würden  sich  etwa  die  folgenden  Potentialdiflferenzen 
für  den  Eintritt  der  unmittelbaren  Leitung  ergeben: 

H  Fl  positiv.  FL  negativ. 

0  cm  +16  Elemente     —11  Elemente 

4  12,5  7,5 

8  10,5  6,5 

12  9,5  5,5 

16  8,5  4,5 

22  7,5  4,5 

30  7  4,5 

Wurde  der  Ring  noch  höher  als  30  cm  über  der  Brenner- 
öiVnuug  aufgestellt,  so  bekamen  die  Einströmungserscheinimgeik 
einen  unregelmässigen  Charakter,  vermuthlich  weil  in  dieser 
Höhe  die  Säule  der  aufsteigenden  Gase  schon  anfängt,  sich  in^ 


424  fV.  Giese. 

Wirbel  aufzulösen.  Lag  der  Ring  unterhalb  der  Brenner- 
öffnung, so  liess  sich  eine  scharfe  Grenze  fär  das  Einsetzen 
der  unmittelbaren  Leitung  nicht  mehr  erkennen,  auch  hier 
wurden  die  Erscheinungen  unregelmässiger  als  in  dem  Gebiet 
zwischen  //  =  0  und  //  =  30  cm. 

84)  Die  Luft  wird  durch  die  Flamme,  wie  durch  jeden 
Gas-  oder  Flüssigkeitsstrahl  angesogen,  sie  strömt  der  Flamme 
von  allen  Seiten  durch  die  Maschen  des  Gewebecylinders  zu 
und  vereinigt  sich  mit  ihr  in  dessen  Axe  zu  einer  aufsteigenden 
G^ssäule,  deren  Durchmesser  nach  oben  hin  mehr  und  mehr 
zunimmt  Die  Luft  zwischen  der  aufsteigenden  Säule  und  A 
bewegt  sich  also  gerade  entgegengesetzt,  wie  die  nach  A  wan- 
dernden Ionen,  diese  werden  daher  erst  dann  nach  A  gelangen 
können,  wenn  die  electrischen  Kräfte  ausreichend  sind,  ihnen 
für  ruhende  Luft  eine  mittlere  Geschwindigkeit  in  der  Richtung 
von  der  Flamme  fort  mitzutheilen,  welche  jene  der  zufliessen- 
den  Luft  eben  übersteigt.  Wie  gross  die  hierzu  erforderlichen 
Potentialdifferenzen  sind,  zeigen  die  eben  angeführten  Beobach- 
tungen. 

Dass  diese  Potentialdifferenzen  in  höheren  Lagen  kleiner 
sind,  dürfte  einen  doppelten  Grund  haben.  Erstens  vermindert 
sich  nach  oben  hin  die  ansaugende  Kraft  der  Flamme,  so  dass 
die  Luft  hier  langsamer  zufliesst,  zweitens  aber  ist  die  ganze 
aufsteigende  Luftsäule  mit  der  Electricität  der  FLimme  ge- 
laden, das  Potentialgefalle  wird  also  in  der  Luftschicht  zwischen 
der  Säule  und  dem  Cylinder  A  dort  am  grössten  sein,  wo  die 
Säule  am  dicksten  ist,  d.  h.  oben. 

85)  Die  mitgetheilten  Thatsachen  werfen  ein  neues  Licht 
auf  einen  Punkt  meiner  ersten  Arbeit,  der  bisher  nicht  in  l)o- 
friedigender  Weise  aufgeklärt  werden  konnte.  Durch  Versuche 
wies  ich  damals  nach,  dass  im  allgemeinen  das  Leitungsver 
mögen  der  Flammengase  durch  den  Vorgang  der  Stromleitung 
selbst  vermindert  werde,  zugleich  musste  ich  aber  auch  einen 
Fall  anführen,  in  dem  das  Entgegengesetzte^)  eintrat.  Im 
Innern  eines  geräumigen  Blechcy linders,  der  oben  mit  einem 
Deckel  von  Drahtgewebe  versehen  war,  so  dass  die  Flammen- 

1)  Giesc,  Wicd.  Ann.  17.  p.  524.  Is82. 


flammengase,  425 

gase  durch  dieses  hindurchstreichen  konnten,  brannte  eine 
Bunsenflamme.  Etwa  40  cm  über  dem  Gewebedeckel  wurde 
das  Leitungsvermögen  der  aufsteigenden  Gktse  untersucht  Dazu 
stellte  ich  zwei  weitere  Gewebedeckel  einander  gegenüber  und 
bestimmte  die  Electricitätsaufoahme  durch  den  unteren  von 
ihnen,  wenn  der  obere  geladen  war.  Dabei  ergab  sich,  dass 
die  Leitung  zwischen  den  beiden  oberen  Deckeln  grösser  aus- 
fiel, wenn  zwischen  der  Flamme  und  dem  Blechcylinder  ein 
Strom  überging,  kleiner,  wenn  kein  Strom  bestand.  Diese 
Thatsache  vermochte  ich  damals  nicht  befriedigend  zu  erklären. 

Jetzt  ergibt  sich  die  Erklärung  von  selbst.  Ist  z.  B.  der 
Brenner  positiv  geladen,  der  Blechcylinder  abgeleitet,  so  füllt 
sich  der  Raum  zwischen  Cylinder  und  Flamme  mit  positiven 
Ionen,  während  die  negativen,  soweit  sie  nicht  gegen  den  Brenner 
hingedrängt  und  dort  mit  entgegengesetzter  Electricität  ge- 
ladpn  werden,  sich  in  den  in  der  Mitte  aufsteigenden  Gasen 
vorfinden.  Die  Wirkung  der  zwischen  Flamme  und  Cylinder 
hergestellten  Potentialdifferenz  äussert  sich  also  in  einer  räum- 
lichen Trennung  der  positiven  von  den  negativen  Ionen,  und 
sobald  diese  einmal  eingetreten  ist,  wird  die  Wiedervereinigung 
der  entgegengesetzt  geladenen  Ionen  zu  neutralen,  nicht  leiten- 
den Molecülen  natürlich  schwerer  stattfinden,  als  wenn  beide 
innerhalb  der  nicht  electrisirten  Flammensäule  gemeinsam  em- 
porsteigen. Da  nun  jede  Wiedervereinigung  von  Ionen  zu 
Molecülen  eine  Veimindening  des  Leitungsverniögens  bedeutet, 
und  umgekehrt  alles,  was  die  Bildung  von  Molecülen  verhin- 
dert, die  Leitung  verbessert,  so  erscheint  an  dem  oberen  Deckel- 
paar(^  das  Leitungsvermögen  grösser,  wenn  zwischen  der  Flamme 
und  dem  Cylinder  eine  Potentialdifferenz  besteht 

86)  Eine  andere  auffallende  Erscheinung,  welche  die  in 
meiner  ersten  Arbeit  mitgetheilten  Versuche  ergaben,  war  die, 
dass  zwei  über  der  Flamme  aufgestellte  Deckel  von  Draht- 
gewebe sich  in  Bezug  auf  das  Ohm 'sehe  Gesetz  ganz  ver- 
schieden verhielten.  Wurde  der  untere  geladen  und  die  Ein- 
strömung in  den  oberen  gemessen,  so  fiel  diese  fiir  grössere 
electromotorische  Kräfte  relativ  zu  klein  aus  (Abweichung  im 
negativen  Sinne),  wurde  aber  der  obere  Deckel  geladen  und 
die  Einstrctoung  in  den  unteren  Deckel  gemessen,  so  fielen 
für  grössere  electromotorische  Kräfte  die  Einströmungen  rela- 


42ü  h.  Giese. 

tiv  zu  gross  aus  (Abweichung  im  positiven  Sinne).  Die  Ab- 
weichungen im  negativen  Sinne  liessen  sich  leicht  aus  der 
direct  nachweisbaren  Verminderung  des  Leitungsvermögens 
durch  den  Vorgang  der  Stromleitung  selbst  erklären.  Die 
Abweichimgen  des  unteren  Deckels  im  positiven  Sinne  aber 
bereiteten  mir  damals  Schwierigkeiten,  die  sich  jetzt  gleichfalls 
heben  lassen. 

Wir  haben  ims  nämlich  vorzustellen,  dass  die  ganze  Luft- 
masse im  Lmern  des  Apparates  bei  den  soeben  angeführten 
Versuchen  in  aufsteigender  Bewegung  begriffen  war.  Die 
äusseren,  langsam  aufsteigenden  Theile  bestehen  dabei  aus  ge- 
wöhnlicher, nicht  leitender  Zimmerluft,  die  centralen,  schnell 
aufsteigenden  aus  den  leitenden  Flamiuengasen,  die  unter  jedem 
der  Deckel  aufgestaut  werden,  sich  daher  unter  dem  oberen 
Deckel  etwas  weiter  nach  aussen  ausbreiten,  als  unter  dem 
unteren.^)  Es  gibt  also  eine  gewisse  Zone,  wo  unter  Theilen 
des  oberen  Deckels,  die  von  den  Flammengasen  umspült  sind, 
solche  des  unteren  liegen,  die  nur  von  nicht  leitender,  langsam 
aufsteigender  Zimmerluft  getroffen  werden,  an  denen  also  für 
kleine  Potentialdifferenzen  der  Deckel  keine  Einströmung  statt- 
finden kann.  Wird  aber  der  obere  Deckel  stärker  mid  stärker 
geladen,  sagen  wir  positiv,  so  gelangen  wir  schliesslich  an  einen 
Punkt,  wo  die  electromotorische  Kraft  ausreicht,  die  positiven 
Ionen  dieser  Zone  aus  den  Flamiuengasen  in  die  aufsteigende 
nicht  leitende  Luft  imd  bis  an  den  unteren  Deckel  zu  treiben. 
Diese  Wirkung  wächst  schneller,  als  die  Potentialdiflerenz  der 
Deckel,  gerade  so,  wie  wir  in  §  74  gesehen  haben,  dass  die 
Electricitätsaut'nahme  durch  den  im  Schornstein  aufgestellten 
Ring  sehr  viel  schneller  als  die  Potentiale  der  Flamme  wächst. 
Koch  zutreffender  ist  vielleicht  die  Analogie  mit  den  Versuchen 
des  §  82:  Sobald  dort  die  directe  Leitung  eintritt,  wächst  sie 
sehr  viel  schneller,  als  die  Potentialdifferenzen  zwischen  der 
Flamme  und  dem  Cylinder  A, 

Wenn  diese  Erklärung  richtig  ist,  so  müssen  die  Abwei- 
chungen im  positiven  Sinne  um  so  schwächer  werden,  je  mehr 
die  Flammenga^ie  schon  vor  ihrem  Antritt  an  das  DeckelpaiU' 
andt^-weitig  aufgestaut  und  mit  der  indifferenten  Luft  in  den 

1)  Giese,  Wied.  Aim.  17.  p.  34.  I.s82. 


Fiammengase.  427 

Aussentheilen  dos  Apparates  gemischt  worden  sind.  Und  in 
der  That  zeigen  die  §§  48  und  49  der  ersten  Arbeit  mitge- 
tlieilten  Versuche,  dass  die  Erscheinung  weniger  ausgeprägt 
auftritt,  wenn  die  Flammengase  vorher  schon  durch  drei  an- 
dere Deckel  gestrichen  sind.  Sie  kann  in  diesem  Falle  fttr 
stärkere  Ströme  sogar  in  ihr  Gegeutheil  umschlagen,  so  dass 
auch  für  den  unteren  Deckel  Abweichungen  im  negativen  Sinne 
auftreten,  wenn  die  Ströme  nur  stark  genug  gewählt  werden. 
Diese  Umkehr  der  Erscheinung  wird  erklärlich,  wenn  wir  be- 
rücksichtigen, dass  die  Flammengase,  welche  den  oberen  Deckel 
in  seinen  äussersten  überhaupt  noch  getroflfenen  Theilen  um- 
spülen, vorher  durch  den  Ilaum  zwischen  beiden  Deckeln  ge- 
stiegen sind,  und  dass  sich  daher  schliesslich  auch  hier  einmal 
die  Verminderung  des  Leitungsvermögens,  die  mit  jeder  Strom- 
leitung verbunden  ist,  in  einer  Verminderung  der  Anzahl  der 
noch  fUr  die  Rückwanderung  zum  unteren  Deckel  verfügbaren 
Ionen  äussern  muss. 

Berlin,  13.  August  1889. 


VI.    lieber  therttiainagnetiHche  Motoren; 

von  J.  Stefan. 

(Aus  den  Sitzungsber.  d.  kais.  Acad.   d.  Wiss.  in  Wien,   math.-naturw. 
Cl.,   Bd.  97.   Abth.  IIa.  vom  19.  Jan.  18S8;  mitgetheUt  vom  Hrn.  Verf.) 


In  der  Abhandlung^):  „Ueber  die  Gesetze  der  electro- 
dy Damischen  Induction",  habe  ich  darauf  hingewiesen,  dass 
die  Eigenschaft  des  Eisens,  in  höherer  Temperatur  seine 
Magnetisirbarkeit  zu  verlieren,  zur  Herstellung  eines  Motors 
benutzt  werden  könne.  Wird  ein  Eisenkörper  von  einem 
Magnete  aus  der  Ferne  angezogen,  so  kann  die  dieser  An- 
ziehung entsprechende  Arbeit  gewonnen  werden.  Erwärmt 
man  den  Eisenkörper  nach  seiner  Annäherung  an  den  Magnet 
so  weit,  bis  er  seinen  Magnetismus  verliert,  so  kann  derselbe 
nun  ohne  Aufwand  von  Arbeit  vom  Magnete  entfernt  wer- 
den.    Kühlt  man  ihn   dann   wieder  auf  seine  ursprüngliche 

1)  J.  Stefan,  Wien.  Ber.  (2)  64.  p.  219.  1871. 


428  J.  Sttfun, 

Temperatur  ab,  so  wird  er  neuerdings  vom  Magnete  ange- 
zogen u.  s.  f. 

Ein  solcher  thermomagnetischer  Motor  ist  im  abgelau- 
fenen Jahre  von  Edison  ausgeführt  worden.  Ein  mit  zwei 
Bunsen' sehen  Brennern  geheizter  Apparat  gab  eine  Ar- 
beitsleistung von  1,67  mkg  in  der  Secunde.  Es  sind  auch 
schon  früher  Versuche  gemacht  worden,  dieses  Princip  zur 
Anschauung  zu  bringen. 

In  Nr.  38  des  Jahrganges  1887  der  Zeitschrift  „La  Lu- 
miere  electrique'S  welche  eine  Beschreibung  des  Edison'- 
schen  Motors  enthält,  wird  auf  p.  554  angeführt,  dass 
E.  J.  Houston  und  Elihu  Thomson^)  einen  Apparat  con- 
struirt  haben,  in  welchem  eine  zwischen  den  Polen  eines 
Magnetes  angebrachte  Eisenscheibe  in  einem  Punkte  ausser^ 
halb  der  Verbindungslinie  der  Pole  erhitzt  wird  und  in  Ro- 
tation geräth.  Einen  ähnlichen  Apparat  hat  Schwedoff ^) 
angegeben.  Derselbe  besteht  aus  einem  horizontalen  Eisen- 
ringe, der  um  eine  verticale  Axe  drehbar  ist.  Wird  dem- 
selben von  der  Seite  ein  Magnetpol  genähert  und  die  eine 
Hälfte  des  Ringes  erwärmt,  so  tritt  eine  Rotation  des 
Ringes  ein. 

Ich  habe  ebenfalls  derartige  Versuche  gemacht,  doch 
scheiterten  dieselben  an  der  Schwierigkeit,  die  verwendeten 
Eisenbleche  genügend  rasch  in  die  hellrothe  Gluth  zu  bringen. 
Die  Abhandlung  von  Berson^)  über  den  EinÜuss  der  Tem- 
peratur auf  die  Magnetisirung  veranlasste  mich,  die  Versuche 
statt  mit  Eisenblechen  mit  solchen  aus  Nickel  auszuführen. 
Dieses  Metall  hat  die  Eigenschaft,  dass  seine  Magnetisirbar- 
keit  bis  zu  einer  Temperatur  von  220®  sehr  langsam  ansteigt, 
dann  erst  langsam,  bald  aber  sehr  rasch  abnimmt,  so  dass  es 
bei  einer  Temperatur  von  330^  schon  als  vollständig  un- 
magnetisch sich  erweist.  Ich  habe  zwei  Apparate  zusammen- 
gestellt, welche  die  Aufgabe,  das  in  Rede  stehende  Princip 
zu  demonstriren,  zu  einem  sehr  leicht  ausführbaren  Schul- 
experimente machen.     Ich   habe  diese  Apparate  in  der  che- 

1)  E.  J.  Houston  u.  Elihu  Thomson,  Jouni.  of  thc  Franklin  Inst. 
1879.  p.  39. 

2)  Schwedoff,  Journ.  de  phys.  (2)  5.  p.  362.  1S86. 

3)  Berson,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (6)  8.   p.  433.  1886. 


Thermo  magnetische  Motoren,  429 

misch  physikalischen  Gesellschaft  am  1.  Februar  1887  vorge- 
zeigt und  will  hier  dieselben  kurz  beschreiben. 

Das  thermomagnetische  Pendel,  An  einem  dünnwandigen 
Messingrühr  von  4  mm  Durchmesser  ist  ein  Streifen  aus 
Nickelblech  von  16  cm  Länge,  16  mm  Breite  und  0,2  mm 
Dicke  als  Pendellinse  angebracht.  Der  Blechstreifen  bildet 
einen  Kreisbogen;  der  Mittelpunkt  desselben  liegt  in  der 
Pendelaxe.  Die  Pendelstange  geht  durch  die  Mitte  des 
Bogens.  Um  bei  massiger  Länge  des  Pendels  eine  grössere 
8chwingungsdauer  zu  erhalten  und  auch,  um  diese  verän- 
dern zu  können,  reicht  die  Pendelstange  auch  über  die 
Axe  hinauf  und  trägt  hier  ein  verschiebbares  Grewicht. 

In  der  Ruhelage  befindet  sich  die  Mitte  des  Blech- 
streifens zwischen  oder  etwas  über  den  beiden  Schenkeln 
eines  kleinen  hufeisenförmigen  Stahl magnetes.  Beide  Hälften 
des  Bleches  werden  in  das  magnetische  Feld  zwischen  den 
beiden  Schenkeln  mit  gleichen  Kräften  gezogen.  Wird  das 
Nickelblech  etwas  ausser  der  Mitte  durch  eine  untergestellte 
Weingeistlampe  erwärmt,  so  erhebt  sich  der  Bogen,  indem 
die  erhitzten  Theile  desselben  durch  die  kälteren  aus  dem 
Felde  zwischen  den  Polen  verdangt  werden.  Die  Erhebung 
geht  so  lange  fort,  bis  die  Wirkung  der  Schwere  über  den 
magnetischen  Zug  auf  den  noch  nicht  erhitzten  Rest  des 
Bleches  das  Uebergewicht  erhält.  Das  Pendel  sinkt  dann 
gegen  die  Ruhelage  zurück,  und  nach  einigen  unregelmässigen 
Bewegungen  beibt  das  Pendel  dauernd  in  Schwingung.  Wird 
die  Weingeistlarape  weggenommen,  so  kommt  das  Pendel 
nach  einigen  Schwingungen  in  Ruhe,  da  der  Magnet  eine 
sehr  bedeutende  Dämpfung  auf  das  bewegte  Nickelblech 
ausübt. 

Wählt  man  ein  dickeres  Blech  als  Pendellinse,  so  ist  es 
gut,  dasselbe  vorzuwärmen,  mit  einer  Gasliamme  kann  man 
dann  Schwingungen  von  sehr  grossen  Amplituden  dauernd 
erhalten. 

Die  Drehung  des  Pendels  geschieht  zwischen  Spitzen, 
und  ist  der  Apparat  so  eingerichtet,  dass  er  auch  als  Wage 
benutzt  werden  kann,  um  zu  zeigen,  dass  die  Kraft,  mit  wel- 
cher ein  Nickelstreifen  zwischen  die  Pole  des  Magnetes  j^e- 
zogen  wird,  von  der  Temperatur  abhängig  ist. 


430  J.  Stefan. 

Dan  thermomagnetische  Rad.  Ersetzt  man  den  Nickel- 
bogen des  Pendels  durch  einen  Blecbstreifen,  welcher  einen 
vollen  Kreis  umspannt,  sodass  der  Mittelpunkt  desselben 
und  auch  der  Schwerpunkt  des  ganzen  Körpers  in  die 
Drehungsaxe  fällt,  so  kommt  dieses  Nickelrad  in  eine  con- 
tinuirliche  Rotation,  sobald  dasselbe  auf  der  einen  Seite  der 
Mittellinie  des  magnetischen  Feldes  erwärmt  wird.  Zur  Br- 
zielung  einer  grösseren  Rotationsgeschwindigkeit,  eine  Um- 
drehung in  der  Secunde  und  auch  noch  mehr,  ist  es  zweck- 
dienlich, die  Wärmezufuhr  zu  verstärken  und  statt  der  Wein- 
geistlampe einen  Oasbrenner  zu  verwenden,  der  etwa  zwei 
nebeneinander  brennende  kleine  Flammen  liefert.  In  einem 
nach  diesem  Principe  ausgeführten  Apparate,  der  sehr  gut 
functionirt,  ist  ein  Blech  von  2,7  cm  Breite  und  0,3  mm  Dicke 
verwendet.  Der  Durchmesser  des  Rades  beträgt  16  cm,  die 
Speichen  desselben  sind  dünne  Messingröhren.  Ich  habe 
später  beide  Apparate  auch  mit  Eisen  statt  mit  Nickel  con- 
struirt,  das  Eisen  jedoch  nicht  in  Blechform,  sondern  in 
Streifen,  welche  aus  einem  Drahtnetz  geschnitten  wurden, 
verwendet. 

In  der  citirten  Abhandlung  habe  ich  bemerkt,  dass  zur 
Erwärmung  des  magnetischen  Eisens  in  der  Nähe  des  Mag- 
netes mehr  Wärme  erforderlich  ist,  als  dem  vom  Magnete 
entfernten  Eisen  bei  der  Abkühlung  auf  seine  ursprüngliche 
Temperatur  entzogen  werden  kann,  weil  sonst  der  bei  dem 
beschriebenen  Processe  gewonnenen  Arbeit  kein  Aequivalent 
von  verbrauchter  anderer  Energie  gegenüber  stände.  Diese 
Bemerkung  ist  später  von  Wassmuth^)  dahin  formulirt 
worden,  dass  die  specitische  Wärme  des  magnetischen  Eisens 
grösser  ist  als  jene  des  unmagnetischen.  Diese  Formulirung 
ist  nicht  correct,  es  kann  nur  von  der  specilischen  Wärme 
eines  Eisenkörpers  in  einem  magnetischen  Felde  und  ausser- 
halb eines  solchen  die  Rede  sein.  Auch  in  der  correcteren 
Fassung  ist  der  Satz  nicht  allgemein  richtig,  lloberdies  bat 
Wassmuth  bei  der  Berechnung  der  specilischen  Wärme  die 
gewonnene  mechanische  Arbeit  der  zur  Magnetisirung  des 
Eisens    nothwendigen     gleich     angenommen,     und    so    eine 


1)  Wassmuth,  Wien.  Ber.  (2)  H5.  p.  997.  1882. 


Thermoma gnetische  Motoren.  481 

ganz  andere  Grösse  als  die  in  Rede  stehende  berechnet  Da 
das  Resultat  dieser  Rechnung  in  letzter  Zeit  auch  bei  der 
Discussion  der  Leistungsfähigkeit  eines  thermomagnetischen 
Motors  benutzt  worden  ist  und  zu  einer  enormen  Unter- 
schätzung derselben  geführt  hat,  so  halte  ich  es  für  passend, 
hier  auf  die  theoretische  Seite  der  Frage  einzugehen. 

Der  Einfachheit  wegen  sollen  einige  Voraussetzungen, 
welche  die  Rechnungen  bedeutend  abkürzen,  gemacht  werden. 
Das  magnetische  Feld  soll  das  eines  unveränderlichen  Mag- 
netes sein.  Das  im  Felde  bewegte  Eisenstück  soll  so  klein 
sein,  dass  die  Intensität  des  Feldes  innerhalb  desselben  als 
nach  Richtung  und  Grösse  constant  angenommen  werden 
kann.  Die  Bewegung  des  Eisens  soll  eine  progressive  in 
gerader  Linie  sein,  und  dabei  die  magnetisirende  Kraft  im 
Körper  immer  dieselbe  Richtung  behalten,  nur  die  Intensität 
der  Kraft  P  soll  sich  verändern.  Unter  dem  Einfluss  dieser 
Kraft  hat  das  Eisen  ein  magnetisches  Moment  wi,  dessen 
Richtung  mit  jener  der  Kraft  P  zusammenfallen  soll.  Das 
Potential  des  magnetischen  Feldes  auf  den  Eisenkörper  ist 
dann  —mP,  und  letzterer  erfährt  im  Felde  einen  Zug  m  (dPfda), 
diesem  entspricht  eine  Arbeit  m{dPlda)daf  wenn  da  das 
Element  des  vom  Körper  zurückgelegten  Weges  in  der  Rich- 
tung des  Zuges  bedeutet. 

Führt  man  mit  dem  Eisenkörper  einen  vollständigen 
Kreisprocess  durch,  so  fordert  der  Satz  der  Erhaltung  der 
Energie,  dass  die  dem  Körper  während  des  Processes  zu- 
geführte Wärme  der  gewonnenen  mechanischen  Arbeit  äqui- 
valent sei.  Bezeichnet  man  für  ein  Element  des  Kreispro- 
cesses  die  zugeführte  Wärme  mit  dQ,  die  gewonnene  Arbeit 
mit  dA,  so  muss  dQ-^dA  ein  vollständiges  Differential 
einer  Function  jener  Variablen  sein,  durch  welche  sich  der 
Zustand  des  Eisenkörpers  bestimmen  lässt.  Diese  Variablen 
sollen  die  absolute  Temperatur  T  des  Körpers  und  die  In- 
tensität P  des  Feldes  an  dem  Orte,  in  welchem  sich  der 
Körper  befindet,  sein.  Durch  letztere  ist,  weil  P  an  dem- 
selben Orte  dos  Raumes  immer  denselben  Werth  behält,  bei 
dem  vorausgesetzten  einfachen  Falle  der  Bewegung  auch  die 
Lage  des  Körpers  bestimmt.     Es  muss  also,  da: 


432  J.  Stefan. 

dP 
dA^  m-,    da  durch  mdP 
da 

dargestellt  werden  kann: 

(1)  dQ-mdP^dU 

sein,  unter  U  eine  Function  von  P  und  T  verstanden.    Was 
den  Ausdruck  von  dQ  anbelangt,  so  kann  man: 

(2)  dQ^adT+ßdP 

setzen,  und  die  Forderung,  dass  dQ  —  mdP  ein  vollständiges 
Differential  sein  muss,  führt  zu  der  Relation: 

.n.  da         dß  dm 

Von  der  Wärmeentwickelung  durch  Inductionsströme,, 
welche  bei  der  Bewegung  des  Eisens  in  diesem,  im  Magnete 
und  in  anderen  Leitern  entstehen,  soll  abgesehen  werden 
Sie  kann  auch  durch  Verlangsamung  der  Bewegung  beliebig 
klein  gemacht  werden.  Bezüglich  des  Eisens  soll  voraus- 
gesetzt werden,  dass  bei  derselben  Temperatur  einem  gege- 
benen Werthe  von  P  nur  ein  bestimmter  Werth  vi  ent- 
spricht. Dann  ist  der  ausgeführte  Kreisprocess  auch  um- 
kehrbar und  auf  den  Ausdruck  (2)  der  zweite  Hauptsatz  der 
mechanischen  Wärmelehre,  nach  welchem  der  Quotient  von 
dQ  und  T  ein  vollständiges  Differential  sein  muss,  anwend- 
bar.    Daraus  ergibt  sich  die  Relation: 

{i\  ^  _  ^  _  ji 

^'  dP'^  dT       T' 

Aus  (3)  und  (4)  erhält  man: 

(5)  ß='^Sl- 

Für  einen  adiabatischen  Vorgang,  d.  i.  für  dQ  =  0,  gibt 
die  Gleichung  (2)  mit  (5)  die  Temperaturänderung: 

(6)  dT==-^p^dP, 

auf  welche  als  eine  nothwendige  Consequenz  der  beiden  ther- 
niodynamischen  Hauptsätze  zuerst  W.  Thomson^)  aufmerk- 
sam gemacht  hat. 

Setzt  man  in  (3)  den  Werth  von  ß  aus  (5)  ein,  so  erhält 
man  zur  Bestimmung  von  a  die  Gleichung: 

li  W.  Thomson,  Phil.  Mag.  lö)  5.   p.  25.  Iö78. 


Thermomagnetische  Motoren.  483 

aus  der  hervorgeht,  dass  a  von  P  UDabhängig  ist,  wenn  m 
bei  gleichbleibender  magnetisirender  Kraft  mit  der  Tempe- 
ratur in  linearer  Weise  sich  ändert.  Im  allgemeinen  aber 
gibt  die  Gleichung  (7): 

p 

(8)  «  -  «„  =  /r  J>  dP. 

0 

Nimmt  man  die  Masse  des  Eisenkörpers  =  1  an,  so  be- 
deutet a  die  specifische  Wärme  dieses  Eisenkörpers  im 
magnetischen  Felde  von  der  Intensität  P,  a^  jene  im  Felde 
von  der  Intensität  Null,  d.  i.  die  gewöhnliche  specifische 
Wärme  des  Eisens. 

Es  ist  a  als  die  specifische  Wärme  dieses  Eisenkörpers 
und  nicht  als  die  des  Eisens  bezeichnet  worden.  Da  bei 
denselben  Werthen  von  T  und  P  das  magnetische  Moment 
m  von  der  Form  des  Körpers  abhängig  ist,  so  ist  dies  auch 
bezüglich  a  der  Fall. 

Wird  der  Eisenkörper  ohne  Mittheilung  oder  Ableitung 
von  Wärme  aus  dem  Felde  Null  in  das  Feld  P  gezogen,  so 
ändert  sich,  der  Formel  (6)  entsprechend,  seine  Temperatur. 
Soll  die  Anziehung  bei  constanter  Temperatur  stattfinden, 
so  muss  dem  Körper  eine  Wärmemenge: 

p  p  p 

jßdF^JT%dF^T^%i'mdF, 

0  U  ü 

oder,  wenn  man  das  letzte  Integral  in  dieser  Gleichung,  wel- 
ches die  bei  diesem  Vorgänge  gewonnene  Arbeit  bedeutet, 
mit  L  bezeichnet,  die  Wärmemenge  T{dLldT)  zugeführt 
werden.  Wenn  L  mit  steigender  Temperatur  abnimmt,  ist 
dieser  Ausdruck  negativ,  d.  h.  es  muss  dem  Körper  Wärme 
entzogen  werden,  und  stellt: 

Mr__  77  dL 

dT 

die  bei  der  Annäherung  des  Eisens  an  den  Magnet  gewon- 
nene Wärme  dar. 

Unter   derselben   Voraussetzung,   dass    T  während   der 

Änii.  d.  Phjg.  Q.  Chemie.  N.  F.  XXXVIII.  28 


434  J.  Stefan. 

Bewegung  des  Eisenkörpers  constant  erhalten  werde ,  kann 
man  die  Formel  (8)  in: 

_-  rpd^L  _   d  IrpdL       ^\ 
^  -  ^0  -  ^  rfyt  -  ^2-^^  ~dt  ""  ^j ' 

oder  in:  «  —  cz^  = dT~ 

transformiren.  Wird  der  Körper  im  Felde  P  von  T^  auf  T^ 
erwärmt,  so  ist  dazu  mehr  Wärme  nöthig,  als  zur  gleichen 
Temperaturerhöhung  ausserhalb  des  Feldes  und  dieser  Mehr- 
betrag von  Wärme  ist  bestimmt  durch : 

(9)  f[a^a,)dT^  ^o  +  ^o  -  ^i-A. 

worin  W^^  Lq  und  W^j  L^  dieselbe  Bedeutung  für  die  Tem- 
peraturen Tq  und  7\  haben,  welche  W  und  L  für  die  Tem- 
peratur T  besitzen. 

Geschieht  die  Annäherung  des  Eisenkörpers  an  den 
Magnet  bei  einer  Temperatur  T^,  bei  welcher  sich  die  Mag- 
netisirbarkeit  des  Eisens  nur  wenig  ändert,  so  ist  W^  sehr 
klein.  Entfernt  man  das  Eisen  von  dem  Magnet  bei  einer 
Temperatur  7\,  bei  welcher  das  Eisen  nahezu  unmagnetisch 
und  sowohl  L^  als  auch  W^  sehr  klein  ist,  so  bedeutet  dann 
Lq  die  bei  dem  ganzen  Processe  gewonnene  Arbeit,  welcher 
der  berechnete  Aufwand  von  Wärme  äquivalent  ist. 

Was  die  bei  diesem  Vorgange  gewonnene  Arbeit  Lq 
anbetriflft,  so  ist  dieselbe  ebenso  gross  wie  jene,  welche  man 
mit  einem  electromagnetischen  Motor  von  gleicher  Feldstärke 
und  mit  demselben  Eisenkörper  erzielt,  sobald  man  nach 
der  Anziehung  des  Körpers  den  magnetisirenden  Strom 
unterbricht  und  den  Körper  wieder  vom  Electromagnet  ent- 
fernt. In  Wirklichkeit  ist  die  Arbeit  des  thermomagneti- 
schen  Motors  noch  grösser,  weil  bei  ihm  die  schädliche 
Wirkung  eines  remanenten  Magnetismus  beim  Wegziehen 
des  Körpers  nicht  vorhanden  ist. 

In  dem  besonderen  Falle,  dass  m  eine  lineare  Function 
von  T  ist,  wird  a^a^.  Die  Gleichung  (9)  gibt  dann  die 
gewonnene  Arbeit: 

/  _  /   ^  iv  ^  ly 


Thermoma^netische  Motoren,  435 

Die  Wärmemenge,  welche  dem  Eisenkörper  beim  Weg- 
ziehen aus  dem  magnetischen  Felde  zugeführt  werden  muss, 
damit  er  die  Temperatur  T,  beibehält,  ist  grösser  als  die 
beim  Einführen  in  das  Feld  gewonnene,  der  Ueberschuss 
bildet  das  Äequivalent  der  gewonnenen  Arbeit. 

Geschieht  die  Bewegung  des  Eisens  in  das  Feld  und 
aus  dem  Felde  ohne  Abfuhr  oder  Zufuhr  von  Wärme,  so 
erwärmt  sich  das  Eisen  bei  der  Bewegung  in  das  Feld  von 
Tq  auf  Tj,  wird  es  darauf  im  Felde  weiter  auf  T^  erwärmt, 
dann  aus  dem  Felde  weggezogen,  so  kühlt  es  sich  auf  T, 
ab  und  wird  durch  weitere  Abkühlung  auf  T^  in  seinen 
ursprünglichen  Zustand  gebracht.     Die  Wärmemenge: 

J  udT  -  ^adT 

bildet  das  Aequivalent  der  gewonnenen  Arbeit.  Die  Be- 
ziehung zwischen  T^  und  T^  und  zwischen  T^  und  T,,  liefert 
die  Gleichung  (6). 

Setzt  man  z.  B.: 

m  =  h  -  cT, 

worin  h  und  c  nur  von  P  abhängig  sind,  so  hat  man: 

y-   =  cdP. 

u  ist  von  7* abhängig.   Nimmt  man  es  constant  an,  so  folgt: 

p 

0 

Bezeichnet  man  die  zweite  Seite  dieser  Gleichung  mit  A, 
so  kann  man:  T^  ==  T^^ 

schreiben,  und  in  gleicher  Weise  folgt: 

und  man  kann  die  gewonnene  Arbeit  nun  durch  einen  Aus- 
druck darstellen,  der  nur  die  als  gegeben  zu  betrachtenden 
Temperaturen  Tq  und  T^  enthält.  Von  der  Grösse  h  ist 
diese  Arbeit  gar  nicht  abhängig. 

Die  Gleichung  (1),  welche  die  Anwendung  des  ersten 
Hauptsatzes  der  mechanischen  Wärmetheorie  auf  das  Problem 
eines  thermomagnetischen  Motors  darstellt,   ist  speciell  mit 

28* 


436  ,/.  Sttfan. 

Rücksicht  auf  dieses  Problem  abgeleitet  worden.  Ihre  Gil- 
tigkeit  ist  jedoch  nicht  auf  diesen  Fall  beschränkt,  sie  er- 
streckt sich  auch  noch  auf  Fälle  ganz  anderer  ^rt. 

Zunächst  muss  hervorgehoben  werden,  dass  die  Glei- 
chung auch  in  andere  Formen  gebracht  werden  kann.  Von 
dem  Ausdrucke  dQ—mdP  der  Gleichung: 

(I)  dQ-^mdP^dü 

wird  nur  die  Eigenschaft  benutzt,  dass  er  ein  vollständiges 
DiflFerential  einer  Function  der  Variablen  P  und  T  bildet. 
Diese  Eigenschaft  hat  aber  auch  jeder  andere  Ausdruck, 
welcher  aus  dem  angeführten  durch  Hinzufügung  des  voll- 
ständigen Differentials  einer  beliebigen  Function  dieser 
Variablen  gebildet  wird.  So  z.  B.  kann  man  statt  von  (1) 
auch  von  der ^  Gleichung: 
(10)  dQ  +  d[mP)  -  mdP  =  dlTy 

welche  man  kürzer  auch  durch: 

(II)  dQ  +  Pdm  =  dü' 
darstellen  kann,  ausgehen. 

Die  Gleichung  (10)  kann  man  auch  durch  eine  unmittel- 
bare Betrachtung  gewinnen.  Den  Gesetzen  der  magnetischen 
Kräfte  oder,  genauer  gesagt,  den  Formeln,  welche  wir  bei 
der  Berechnung  magnetischer  Vorgänge  anwenden,  ent- 
sprechend ist  ein  Magnet  als  Träger  eines  Vorrathes  von 
Energie  zu  betrachten.  Zieht  der  Magnet  ein  Eisenstück 
an,  so  vermindert  sich  dieser  Vorrath  um  den  absoluten 
Betrag  des  Potentials  des  Magnets  auf  die  freien  magneti- 
schen Massen  des  Eisens,  für  welches  Potential  die  Rech- 
nung einen  negativen  Werth,  in  dem  hier  behandelten  Falle 
—  mP,  liefert  Dieser  Energieverminderung  stehen  als  Aequi- 
valent  gegenüber:  1.  Eine  Vermehrung  der  magnetischen 
Energie,  welche  durch  das  Potential  der  freien  magnetischen 
Massen  des  Eisens  auf  sich  selbst  gemessen  wird.  2.  Die 
zur  üeberwindung  der  inneren  Kräfte  im  Eisen,  welche  sich 
seiner  Magnetisirung  entgegenstellen,  aufgewendete  Arbeit. 
3.  Die  von  dem  Eisenkörper  gewonnene  lebendige  Kraft 
oder  die  von  ihm  abgegebene  mechanische  Arbeit.  Da  letz- 
tere für  eine  kleine  Verschiebung  durch  mdP  gegeben  ist, 
so  beträgt  der  gleichzeitige  Zuwachs  der  inneren  Energie 
des  Eisens  d{mP)  —  mdP.     Wird  zugleich  dem  Eisenkörper 


Thermo magiietisciie  Motoren.  437 

die  Wärmemenge  dQ  zugeführt,  so  beträgt  die  Zunahme 
seiner  inneren  Energie  dQ  +  d(mP)  —  mdP,  wenn  m  durch 
die  eintretende  Temperaturzunahme  nicht  geändert  wird. 
Ist  aber  m  von  der  Temperatur  abhängig  und  wird  unter 
d[mP)  nicht  blos  die  Aenderung  von  mP  durch  die  Aende- 
rung  der  Lage  des  Eisens,  sondern  wie  in  der  Gleichung 
(10)  das  totale  Differential  nach  P  und  nach  T  verstanden, 
so  ist  damit  zugleich  die  Annahme  gemacht,  dass  jede 
Variation  eines  magnetischen  Potentials,  mag  sie  durch  mag- 
netische Kräfte  oder  durch  Wärme  erfolgt  sein,  eine  äqui- 
valente Variation  von  Energie  bedeutet. 

Hiermit  ist  auch  die  Bedeutung  der  Function  U'  als 
der  inneren  Energie  des  Eisenkörpers  dargelegt  Die  Func- 
tion U  in  der  Gleichung  (1)  kann  man  als  die  innere  Ener- 
gie des  aus  dem  Magnet  und  dem  Eisenkörper  bestehenden 
Systems  bezeichnen,  da  man  U=^  U'—  mP  +  C  setzen  kann, 
worin  C  eine  Constante  ist  und  als  die  innere  Energie  des  als 
unveränderlich  vorausgesetzten  Magnets  aufgefasst  werden  darf. 

Wird  die  Gleichung  (10)  in  die  einfachere  Form  (11) 
gebracht,  so  bedeutet  darin  Pdm  die  Arbeit,  welche  die 
magnetische  Kraft  P  bei  der  Vergrösserung  des  magneti- 
schen Momentes  m  um  dm  leistet,  stellt  also  das  Element 
der  Magnetisirungsarbeit  dar.  Auch  Gleichung  (11)  lässt 
sich  unmittelbar  ableiten,  wenn  man  von  vornherein  Pdm 
als  jenen  Theil  der  vom  Eisenkörper  aufgenommenen  Energie 
definirt,  welcher  zur  Veränderung  seines  inneren  Zustandes 
diont. 

Diese  Definition  ist  von  Wichtigkeit,  weil  sie  sofort  die 
Giltigkeit  der  Gleichung  (11)  und  somit  auch  der  Gleichung 
(1)  für  den  Fall  eines  veränderlichen  magnetischen  Feldes, 
z.  B.  des  Feldes  eines  electrischen  Stromes  gibt,  für  welchen 
Fall  die  der  Ableitung  der  Gleichung  (1)  zu  Grunde  gelegte 
Schlusswcisc  nicht  anwendbar  ist.  Es  ist  vielleicht  nicht 
überflüssig,  diesen  Fall  noch  besonders  zu  betrachten. 

Die  Wirkung  eines  geschlossenen  Stromleiters  auf  einen 
Magnet  oder  Eisenkörper  ist  ebenfalls  durch  ein  Potential, 
welches  das  electromagnetische  genannt  wird,  bestimmt. 
Handelt  es  sich  um  statische  Verhältnisse,  so  kann  die 
Wirkung  eines  solchen  Leiters  auch  durch   die  eines  Mag- 


438  «7.  Stefan. 

nets  ersetzt  werden.  Für  dynamische  Vorgänge  ist  dies 
nicht  der  Fall,  weil  bei  solchen  die  Intensität  des  Stromes 
veränderlich  und  von  der  Geschwindigkeit  abhängig  ist,  mit 
der  sich  die  Vorgänge  abspielen.  Das  electromagnetische 
Potential  hat  auch  nicht,  wie  das  magnetische,  bei  einem 
positiven  Werthe  die  Bedeutung  eines  Vorrathes  von  Energie, 
wohl  aber  kann  es  zur  Berechnung  der  Energieverwand- 
lungen, welche  jede  electromagnetische  Action  begleiten,  ver- 
wendet werden. 

Die  Intensität  des  Stromes  soll  mit  J  bezeichnet  wer- 
den. Das  Potential  desselben  auf  das  Eisenstück  vom  Moment 
m  kann  durch  ??jJF  ausgedrückt  werden,  worin  V  nur  von 
der  relativen  Lage  des  Eisenstückes  und  des  Stromleiters 
abhängig  ist.  Aendem  sich  infolge  der  Stromwirkung  m 
und  F,  so  entsteht  im  Stromleiter  eine  dem  Strome  J  ent- 
gegengesetzte electromo torische  Kraft  von  der  Grösse  d  [m  V)ldt, 
unter  dt  das  Zeitelement  verstanden  und  es  verschwindet  in 
der  Leitung  während  der  Zeit  dt  eine  electrische  Energie 
im  Betrage  von: 

jl(^dt=^Jd{mV). 

Ein  Theil  dieser  Energie,  und  zwar  der  Theil  mJdVj 
verwandelt  sich  in  mechanische  Arbeit,  der  Rest  vergrössert 
die  innere  Energie  des  Eisenkörpers.  Die  Gleichung  (10) 
erhält  also  jetzt  die  Form: 

(12)  dQ  +  Jd{m  V)  -  mJd  V^dü\ 

Dabei  ist  wieder  vorausgesetzt,  dass  die  durch  eine  Ver- 
änderung von  m  V  bestimmte  inducirte  electromotorisclie  Kraft 
immer  dieselbe  bleibt,  auf  welche  Art  immer  diese  Verände- 
rung entstanden  ist.     Die  Gleichung   (12)   reducirt  sich  auf: 

(13)  dQ  +  JVdm^dU' 

welche  mit  (11)  identisch  ist,  da  JF  dieselbe  Bedeutung  hat, 
wie  P,  Man  kommt  aber  von  (12)  auch  auf  die  Gleichung 
(1),  wenn  man  auf  beiden  Seiten  der  ersteren  ^d{mJV) 
hinzufügt.  Man  gelangt  aber  zu  einer  Gleichung,  welche  mit 
den  Gesetzen  der  elcctromagnetischen  Induction  nicht  im 
Einklänge  steht,  wenn  man  in  derselben  Weise,  wie  bei  der 
ursprünglichen  Ableitung  der  Gleichung  (1)  schliessend,  die 


Thermomagnetische  Motoren,  439 

Differenz  der  zugeführten  Wärme  und  der  gewonnenen  Arbeit 
als  ein  vollständiges  Differential  betrachtet. 

Da  das  Moment  m  von  J  und  V  nur  in  der  Art  ab- 
hängig ist,  als  diese  zwei  Grössen  in  JV  vereinigt  sind,  so 
folgt  aus  der  Gleichung  (13),  dass  man  auch  in  dem  Falle, 
dass  J  und  V  unabhängig  von  einander  veränderlich  sind,  die 
zugeführte  Wärme  nur  als  Function  von  zwei  Variabein, 
nämlich  von  T  und  JF=  F  zu  betrachten  hat. 

Nachträglicher  Zusatz. 

Die  Formel  (6)  für  die  bei  der  Magnetisirung  eintretende 
Temperaturänderung  ist  auch  von  Wassmuth  und  von 
Warburg  abgeleitet  worden.  Sie  wurde  mit  den  Versuchen 
in  Verbindung  gebracht,  welche  über  die  Wärmeentwickelung 
im  Eisen  bei  periodisch  wiederholten  Magnetisirungen  und 
Entmagnetisirungen  desselben  angestellt  worden  sind.  Die 
durch  die  Formel  (6)  bestimmte  Temperaturänderung  hat 
jedoch,  wie  schon  Warburg  bemerkt  hat,  auf  die  bei  sol- 
chen Versuchen  beobachtete  keinen  messbaren  Einfluss,  weil 
die  bei  aufsteigender  magnetisirender  Kraft  eintretende  durch 
die  entgegengesetzte  bei  abfallender  Kraft  nahezu  aufge- 
hoben wird.  Die  von  Wassmuth^)  behauptete  Ueberein- 
stimmung  der  Formel  (6)  mit  den  Versuchen  von  Herwig^) 
beruht  auf  der  unzulässigen  Voraussetzung,  dass  die  Tem- 
peraturänderung bei  steigender  wie  bei  fallender  Kraft  in 
demselben  Sinne  erfolgt.  Die  Quellen  der  bei  solchen  Ver- 
suchen beobachteten  Wärme  sind  in  der  Abhandlung  von 
War  bürg  und  Hönig^)  dargelegt  und  eingehend  discutirt. 

Aus  diesem  Anlass  entwickelte  sich  noch  eine  Contro- 
verse  über  die  Form,  in  welcher  der  erste  Hauptsatz  der 
mechanischen  Wärmetheorie  auf  magnetische  Vorgänge  an- 
zuwenden ist.  Während  Warburg  bei  der  Entwickelung 
der  Formel  (6)  von  der  Gleichung  (1)  ausging,  benutzte 
Wassmuth  die  Gleichung  (11)  und  vertheidigte  seinen  Vor- 
gang als  den  richtigen,  worauf  Warburg*)  die  Gültigkeit 

1)  Wassmuth,  Wien.  Ber.  89.  (2)  p.  104.  1884. 

2)  Herwig,  Wied.  Ann.  4.  p.  177.  1878. 

3)  Warburg  u.  flönig,  Wied.  Ann.  20.  p.  814.  1883. 

4)  Warburg,  Wien.  Ber.  96.  (2)  p.  1256,  1887. 


440  J.  Stefan. 

der  Gleichung  (1)  an  einem  besonderen  Falle  demonstrirte. 
Bei  dieser  Controverse  ist  übersehen  worden,  dass  beide 
Gleichungen  zu  derselben  Formel  führten  und  dies  thun 
mussten,  weil  ihre  Ansätze  nur  um  ein  completes  Differential 
von  einander  verschieden  sind. 


VII.  Ueber  die  Herstellung  intensiver  fniignetischer 

Felder;   von  J.  Stefan. 

(Aus  den  Sitzungbber.  d.  kais.  Acad.  d.  Wiss.  in  Wien,  math.-naturw. 
Bd.  97.  Abth.  IIa.  vom  9.  Febr.  1888;  mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


Es  sei  ein  Electromagnet  gegeben,  ähnlich  jenem  von 
Ruhm  kor  ff.  Zwei  Eisency  linder  mit  gemeinschaftlicher 
Axe  stehen  einander  gegenüber.  Das  zu  betrachtende  mag- 
netische Feld  liegt  zwischen  den  Endflächen  dieser  Eisen- 
kerne. Es  soll  vorausgesetzt  werden,  dass  diese  bis  zum 
Maximum  magnetisirt  sind,  sodass  die  Axen  aller  Elementar- 
magnete parallel  der  Cylinderaxe  gerichtet  sind.  Sind  die 
Endflächen  eben  und  auf  der  Axe  senkrecht,  so  stehen  die 
Elementarmagnete  auf  den  Endflächen  senkrecht  auf,  und  die 
Wirkung  der  Eisenkerne  ist  so  beschaffen,  als  wären  ihre 
Endflächen  mit  magnetischen  Massen  von  der  gleichförmigen 
Dichte  u,  die  eine  positiv,  die  andere  negativ,  belegt,  n  be- 
deutet das  Maximum  des  magnetischen  Momentes,  welches 
die  Volumeneinheit  Eisen  annehmen  kann. 

Im  Mittelpunkte  der  die  beiden  Polflächen  verbindenden 
Axe  üben  die  Eisenkerne  auf  die  Einheit  der  magnetischen 
Masse  eine  Kraft  aus,  deren  Grösse  durch: 

(1)  H=Anu[l-^j^:^- 

gegeben  ist.  Darin  bedeutet  2a  die  Entfernung  der  beiden 
Polflächen,  r  den  Radius  der  Eisenkerne.  Ist  letzterer  gross 
gegen  ö,  so  kann  H=47iu  gesetzt  werden.  Nimmt  man 
Iti=  1700  absoluten  Einheiten  an^),  so  wird  //  =  21360  Ein- 
heiten.    Die  Intensität  des  magnetischen  Feldes  im  Mittel- 

1)  Fromme,  Wied.  Ann.  33.  p.  286.  1888. 


Intensive  magnetische  Felder.  441 

punkte  desselben  wird  noch  grOsser  sein,  da  zu  //  auch  die 
Wirkung  der  magnetisirenden  Stromspirale  hinzukommt. 
Diese  ist  im  Vergleich  zu  H  gewöhnlich  nicht  gross.  Sie 
ist  =4  TT«/,  wenn  J  die  auf  ein  Centimeter  der  Axe  ent- 
fallende Strommenge  bedeutet;  für  J=  1000  Ampfere  oder 
=  100  absoluten  Einheiten  beträgt  dieselbe  1256. 

Die  Wirkung,  welche  die  Eisenkerne  im  Mittelpunkte 
des  Feldes  ausüben,  kann  ohne  Beschränkung  der  axialen 
Ausdehnung  des  letzteren  verstärkt  werden,  wenn  man  ihren 
Endflächen  eine  andere  Gestalt  gibt.  Diese  Verstärkung 
erreicht  den  grössten  Werth,  wenn  man  den  Enden  der  Eisen- 
kerne die  Form  von  abgestutzten  Kegeln  gibt,  derart,  dass 
die  Erzeugungslinien  der  beiden  Kegelflächen  durch  den 
Mittelpunkt  des  Feldes  gehen  und  mit  seiner  Axe  einen 
Winkel  von  54^  44'  oder,  genau  gesagt,  einen  Winkel  bilden, 
dessen  Tangente  =  y2  ist. 

Zu  dieser  Regel  fuhrt  folgende  einfache  Betrachtung. 
Ein  sehr  dünner  Ring  von  der  Masse  m  und  dem  Radius  A, 
dessen  Mittelpunkt  in  einer  Axe  OX  liegt  und  von  O  um 
die  Strecke  x  entfernt  ist,  dessen  Ebene  auf  dieser  Axe 
senkrecht  steht,  übt  nach  dem  Newton'schen  Gesetze  auf 
die  Masseneinheit  in  O  mit  einer  Kraft,  deren  Richtung  in 
die  Axe  OX  fällt,  deren  Grösse  durch: 

bestimmt  ist.  Diese  Kraft  erhält  ihren  grössten  Werth, 
wenn  man  x  so  wählt,  dass  h^  =  2x\  oder  dass  die  Tangente 
des  Winkels,  welchen  der  von  O  zu  einem  Punkte  der  Ring- 
linie gezogene  Radiusvector  mit  der  Axe  bildet,  «  y2  ist. 

Wenn  die  in  der  angegebenen  Weise  construirten  Kegel- 
flächen die  Endflächen  der  Eisenkerne  schneiden,  so  ist  es 
Yortheilhaft,  die  magnetischen  Massen,  welche  ausserhalb  der 
Kegelflächen  liegen,  in  diese  zu  verlegen.  Dies  geschieht, 
wenn  die  ausserhalb  der  Kegelflächen  liegenden  Eisenmassen 
weggenommen  werden.  Solche  in  Kegel  auslaufende  Eisen- 
kerne geben  nur  für  ein  Feld  von  bestimmter  Länge  das 
Maximum  der  Wirkung.  Soll  ein  und  derselbe  Electromag- 
net  für  verschieden  lange  Felder  in  derselben  Weise  dienen, 
so  kann  man  die  Einrichtung  wohl  so  treffen,  dass  man  die 


442  «7.  Stefan. 

Eisenkerne  in  ebenen  Flächen  abschliesst  und  diese  mit 
kegelförmigen  Ansätzen  oder  Ankern  von  der  Torgeschriebe- 
nen  Form  belegt  Man  könnte  sagen,  dass  solche  Anker 
wie  ein  System  von  Sammellinsen  wirken,  durch  welches  ein 
cylindrisches  Büschel  von  parallelen  Kraftlinien  in  ein  eben- 
solches Büschel  von  kleinerem  Querschnitt  zusammengedrängt 
wird. 

Die  Grösse  der  magnetischen  Kraft  im  Mittelpunkte 
des  Feldes  ist  leicht  zu  berechnen.  Sie  setzt  sich  aus  zwei 
Theilen  zusammen.  Der  erste  Theil  rührt  her  von  den 
ebenen  Endflächen  der  Kegel,  welche  dem  Mittelpunkte  zu- 
gekehrt sind.  Er  folgt  aus  der  Formel  (1),  wenn  man  in 
derselben  r  =  rty2  setzt    Sein  Werth  ist  also: 


iA  =  4«,(i-V) 


Den  zweiten  Theil  der  Kraft  liefern  die  freien  magne- 
tischen Massen  auf  den  beiden  Kegelflächen.  Die  Dichte 
dieser  Massen  ist  gleich  dem  Producte  aus  fi  und  dem  Cosi- 
nus des  Winkels,  den  die  Normale  zur  Kegelfläche  mit  der 
Richtung  der  Magnetisirung  bildet.  Der  Cosinus  dieses 
Winkels  ist  gleich  dem  Sinus  des  Winkels  a,  welchen  die 
Erzeugende  der  Kegelfläche  mit  der  Axe  bildet.  Bezeichnet 
man  mit  u  die  Entfernung  eines  Punktes  der  Kegelfläche 
vom  Mittelpunkte  des  Feldes,  beschreibt  mit  usina  als 
Radius  einen  Kreis  und  lässt  u  um  du  wachsen,  so  erhält 
man  einen  ringförmigen  Streifen,  auf  welchem  die  Masse 
27ifjL  sin^audu  sich  beflndet.  Setzt  man  diesen  Ausdruck 
für  in  in  die  Formel  (2)  und  führt  x  =  u  cos«  ein,  so  erhält 
man  für  die  Kraft,  welche  dieser  Streifen  in  O  ausübt, 
271  fx  sin^ a  cos  a {du/u).  Der  Ausdruck  ist  zu  integriren  von 
u  =  Uq  bis  7t  =  u^  und  dann  doppelt  zu  nehmen.     Es  ist: 


Man  erhält: 


u  r 

?/     = u     =  -,    - 

•*         cos  n  '  1         ßiii  a 


17         4  •    o  1       r  cos  u 

//  =  4inu  sin-a  cos«  log      .  - 

^  °  a  sin  « 


T.  .  V2  1 

Da:  sina=    .  ,      cos«  =  — -> 


so  folgt: 


V3 '  V3 


Intensive  mtzgnetische  Felder.  443 


(3)  .¥,  =  4;r|ii.-^-log    ^ 


3  V3         a  V2 

Beide  Theile  H^  und  H^  zusammen  geben  die  Kraft: 

oder: 

(4)  H^  4nfi  (o,2893  +  0,8863  Log  ^) , 

worin  mit  Log  der  gewöhnliche  Logarithmus  bezeichnet  ist. 
Für  r  =  10a  erhält  man  //=  1,1756. 4;i:/i,  während  die 
Formel  (1)  für  diesen  Fall  H^OfiAn^  liefert. 

Für  r  =  20a  wird  //=  1,442 .4;ra  und  für  ebene  Pol- 
flächen H=^{),dbA7tfjL. 

Die  Formel  (4)  kann  auch  benutzt  werden  zur  Bestim- 
mung des  Verhältnisses  von  r  zu  a,  welches  einem  vorge- 
schriebenen Werthe  von  H  entspricht  Soll  z.  B.  H^Snu 
werden,  so  ist  r  =  85a  zu  nehmen.  Die  Formel  gibt  die 
Möglichkeit  der  Steigerung  von  //  bis  zu  unendlich  grossen 
Werthen  zu.  In  praktischer  Hinsicht  hat  dies  jedoch  wenig 
zu  bedeuten,  weil  bei  dem  langsamen  Wachsen  der  Loga- 
rithmen im  Vergleich  zu  jenem  der  Zahlen  sehr  bald  Con- 
structionsbedingungen  sich  ergeben,  die  unausführbar  werden. 

Für  die  Vornahme  von  Maassbestimmungen  in  einem 
magnetischen  Felde  ist  es  meistens  von  Wichtigkeit,  dass 
dasselbe  von  einem  homogenen  Felde  nur  wenig  abweiche. 
Handelt  es  sich  nur  um  eine  kleine  Strecke  im  mittleren 
Theile  des  Feldes,  so  kann  zur  Beurtheilung  dieser  Abwei- 
chung der  Werth  dienen,  welchen  der  zweite  Differential- 
quotient der  Kraft  nach  der  Richtung  der  Axe  für  den 
Mittelpunkt  derselben  annimmt. 

Für  den  Fall  ebener  Polflächen  erhält  man: 

Mit  wachsendem  r  nähert  sich  der  Ausdruck  dem  Werthe 
Null. 

Für  das  Feld  zwischen  den  kegelförmigen  Polen  besteht 
der  zu  berechnende  zweite  Differentialquotient  der  Kraft, 
sowie  diese  aus  zwei  Theilen.  Der  erste  Theil,  der  den 
ebenen   Endflächen  der  beiden  Kegel  entspricht,   folgt   aus 


444  J.  Stefan. 

der  vorigen  Formel,  wenn  man  in  ihr  r^  =  2a*  setzt.  Der 
zweite  Theil  folgt  aus  dem  Ausdruck  für  die  Kraft,  welche 
die  Massenbelegungen  der  beiden  Kegelflächen  auf  einen  um 
X  vom  Mittelpunkte  entfernten  und  auf  der  Axe  liegenden 
Punkt  ausüben.    Dieser  Ausdruck  ist: 

//=  Ana  sin««[p,log  J  +  ^[^  -  ^,) 


+  ^'~(^«-;^)  +  --]' 


worin  Pj,  P,,  Pg, . . .  Kugelfunctionen  von  cos  a  bedeuten. 
Beide  Theile  zusammengenommen  geben: 

welcher  Ausdruck  mit  wachsendem  r  nicht  gegen  Null  con- 
vergirt,  sondern  gegen  eine  endliche  Grenze.  In  dieser  Hin- 
sicht ist  das  Feld  zwischen  den  kegelförmigen  Polen  weniger 
günstig,  als  jenes  zwischen  flachen  Polen. 

Handelt  es  sich  um  die  Benutzung  der  ganzen  Länge 
des  Feldes,  so  ist  zur  Beurtheilung  desselben  die  Kenntniss 
der  Kraft  an  den  Enden  desselben  wichtig.  Sind  die  Polflächen 
eben,  so  ist  die  Kraft  H'  am  Ende  der  Axe,  d.  h.  in  einem 
Punkte  des  Feldes,  der  unendlich  nahe  an  der  Polfläche  liegt, 
bestimmt  durch: 

sodass: 

wird.     Diese  Differenz   convergirt   bei    wachsendem  r  gegen 
Null.    Für  r  =  10«  z.  B.  beträgt  sie  0,0014.4 >Ta  =  0,0016  Ä 
Für  die  Differenz  der  Kräfte  am  Ende  und  in  der  Mitte 
eines  Feldes  zwischen  kegelförmigen  Polen  findet  man: 

(7)  H'  -11=  'infjL  [0,040  +  0,257  ^,]  +  0,036  ^' 

Für  r=  lOa  erhält  man  /i'- //=  0,04 8.4 ;ri[i  =  0,036 //, 
für  r=20a  wird  /i' - J^=  0,04 14. 4 >T/i= 0,030/7.  Mit  wach- 
Sender  Verstärkung  des  Feldes  wird  seine  Abweichung  von 
einem  homogenen  geringer.  Man  sieht  jedoch,  dass  diese 
auch   für   massigere  Werthe  von  r  nicht  so  gross   ist,   dass 


Intensive  magnetische  Felder,  445 

man  deshalb  den  Vortheil  der  grösseren  Intensität,  welchen 
die  kegelförmigen  Pole  gewähren,  aufzugeben  brauchte. 

Die  Zahl  0,040  in  der  Formel  (7)  ist  die  Differenz  zweier 
Zahlen  0,169  und  0,129.  Die  erstere  entspricht  der  Zu- 
nahme, welche  der  von  den  ebenen  Theilen  der  Eisenkerne 
herrührende  Antheil  der  Kraft  am  Ende  der  Axe  erfährt. 
Die  zweite  Zahl  entspricht  einer  Abnahme  der  Kraft,  welche 
von  den  magnetischen  Massen  auf  den  Kegelflächen  ausge- 
übt wird.  Für  diese  letztere  Kraft  H^  allein  ist  statt  der 
Formel  (7)  die  Formel: 

(8)     «;  -  H^  =  4;riu  (-  0,129  +  0,257  ^  +  0,036 ^  +  •  •  •) 

anzuwenden. 

Für  gewisse  optische  Untersuchungen  ist  es  nothwendig, 
die  Eisenkerne  des  Electromagnets  zu  durchbohren.  Eine 
solche  Bohrung  hat  immer  eine  sehr  bedeutende  Deformation 
des  magnetischen  Feldes  zur  Folge.  Ist  der  Durchmesser 
der  Bohrung  klein  gegen  die  Länge  des  Feldes,  so  ist  die 
Abschwächung  der  Kraft,  welche  die  Bohrung  verursacht,  in 
der  Mitte  des  Feldes  nur  klein,  hingegen  beträgt  sie  am  Ende 
des  Feldes  2n^i  mehr  derjenigen  Grösse,  um  welche  die 
Kraft  der  ausserhalb  der  Endebene  befindlichen  magnetischen 
Massen  im  Endpunkte  der  Axe  kleiner  ist  als  im  Mittel- 
punkte. Die  Verminderung  der  Kraft  im  Mittelpunkte  ist 
durch: 

,9)  ^„-4,.(.-^=?=,) 

bestimmt,  wenn  r^  den  Radius  der  Bohrung  bedeutet.    Für 
den  Endpunkt  ist  die  Verminderung: 

(10,  J'=-i„,(,-.^^^^. 

Der  Abfall  der  Kraft  wird  erst  in  der  Nähe  des  Endes 
der  Axe  bedeutend.  Ist  z.  B.  der  Durchmesser  der  Bohrung 
gleich  dem  fünften  Theile  der  Länge  des  Feldes,  also  a=5ro, 
so  beträgt  die  Verminderung  der  Kraft  im  Mittelpunkte  des 
Feldes  0,0194. 4;r.£i,  am  Ende  des  ersten,  zweiten,  dritten, 
vierten  und  letzten  Fünftels  ist  dieselbe  ==  4;ra  multiplicirt 
mit  den  Zahlen  0,0217,  0,0307,  0,0566,  0,1495,  0,5025.  Dieses 
Beispiel  zeigt,   dass  bei  Electromagneten  mit  durchbohrten 


446  J.  Stefan. 

Eisenkernen  nur  ein  beschränkter  Theil  des  magnetischen 
Feldes  zu  genauen  Messungen  sich  eignet. 

Bei  Eisenkernen  mit  ebenen  Polflächen  brächst  die  mag- 
netische Kraft  im  Mittelpunkte  der  Axe,  wenn  die  Eisen- 
kerne immer  mehr  einander  genähert  werden,  bis  zum  Maxi- 
mum ^TtpL.  Sind  die  Eisenkerne  durchbohrt,  so  gilt  dies 
nicht  mehr.  Es  gibt  dann  eine  bestimmte  Distanz  der  Pol- 
flachen,  bei  welcher  der  Mittelpunkt  des  magnetischen  Feldes 
das  Maximum  der  Intensität  erhält,  welches  Maximum  aber 
kleiner  ist  als  Anyi. 

Der  Ausdruck  für  die  Kraft  im  Mittelpunkte  des  Feldes 
kann  auf  die  Form: 


gebracht  werden.  Sind  der  Radius  r  der  Eisenkerne  und 
der  Radius  r^  der  Bohrung  gegeben,  so  wird  H  ein  Maximum, 
wenn  man  a  so  wählt,  dass  die  Gleichung: 


r-o«  r« 


erfüllt  wird.     Setzt  man  rlr^^  »,  so  findet  man  zur  Bestim- 
mung von  a  die  Gleichung: 

(11)  «2=V 


2    n^'  +  1 


n 


z.  B.  für  n  =  10,  wird  a-  =  3,82  r^S  a  =  1,95  r,^.  Man  wird 
also  ein  sehr  günstiges  Resultat  erzielen,  wenn  man  a  =  2rQ 
wählt.  Für  die  Intensität  des  Feldes  in  der  Mitte,  welche 
durch  11+  /t  bestimmt  ist,  findet  man  aus  den  Formeln  (1), 
(6)  und  (9)  den  Werth  0,698.4;r]M,  für  die  Intensität  am 
Ende  des  Feldes  findet  man  aus  (1),  (6)  und  (9)  H' +  A' 
=  0.299 .  4;r^i.  Für  kegelförmige  Eisenkerne  findet  man 
unter  der  Voraussetzung  derselben  Länge  des  magnetischen 
Feldes  und  derselben  Radien  //+ J  =  0,803  .  4/Tju  und 
//'+ J'=  0,444. 4;rjM,  es  ist  also  nicht  nur  die  Intensität  in 
der  Mitte  grösser,  sondern  auch  der  Abfall  derselben  gegen 
das  Ende  kleiner,  als  bei  ebenen  Polflächen. 

Wenn  die  Länge  des  magnetischen  Feldes  kleiner  ge- 
wählt werden  darf  als  der  Durchmesser  der  Bohrung,  wie  es 
ja  bei  den  Versuchen  über  die  Drehung  der  Polarisations- 


Intensive  inagnetische  Felder,  447 

ebene  des  Lichtes  in  dünnen  Metallschichten,  welche  in  das 
magnetische  Feld  gebracht  werden,  der  Fall  ist,  so  kann 
man  die  kegelförmigen  Eisenkerne  auch  so  construiren,  dass 
an  den  zugekehrten  Enden  derselben  gar  keine  ebenen  End- 
flächen übrig  bleiben.  Man  wird  so  eine  grössere  Intensität 
des  Feldes  erzielen.  Zur  Berechnung  der  magnetischen  Kraft 
in  der  Mitte  des  Feldes  ist  dann  statt  der  Formel  (4)  die 
Formel  (3),  welche  die  Gestalt: 

//2  =  4.T|U-  ~log-  =  4;riM.0,8863Log- 


0  '0 


annimmt,  zu  verwenden.    Zur  Bestimmung  der  Kraft  H^'  am 
Ende  des  Feldes  dient  die  Formel  (8). 


VIII.    Bemerkungen  zu  dem  Aufsatze 
des  Hm.  Tammann :  „  lieber  die  Gesetze  der  Dampf- 
spannungen wässeriger  Salzlösungen  etc.^^^); 

von  -B.  Emden. 

Hr.  Tammann  hat  Einwendungen  gemacht,  sowohl 
gegen  die  in  meiner  Arbeit:-  „Ueber  die  Dampfspannungen 
der  Salzlösungen"  2)  beschriebene  Versuchsweise,  als  auch 
gegen  das  durch  meine  Messungen  bestätigte  B ab o' sehe 
Gesetz.  Er  hat  aus  den  von  mir  gegebenen  Formeln  die 
Dampfspannungsverminderungen  von  Salzlösungen  bei  100^ 
berechnet,  mit  den  von  ihm  gefundenen  Werthen  verglichen 
und  gefunden,  dass  sie  durchschnittlich  einige  Millimeter 
grösser  ausgefallen  sind.  Den  Grund  hierfür  sucht  er  in 
Folgendem.  Hr.  Tammann  hatte  nachgewiesen^),  dass  Flüs- 
sigkeiten, denen  geringe  Mengen  anderer  flüchtiger  Substanzen 
beigemengt  sind,  nach  einer  Verkleinerung  oder  Vergrösse- 
rung  des  Dampfraumes  Dampfspannungsänderungen  zeigten, 
und  dass  eine  gewisse  Zeit  erforderlich  war,  bis  die  Dampf- 
spannung ihren  normalen  Werth  wieder  erreicht  hatte.    Doch 

1)  l'ammann,  Wied.  Ann.   8ß.  p.  692.  18f9. 

2)  Emden,  Wied.  Ann.  31.  p.  145.  1887. 

3)  Tammann,  Wied.  Ann.  32.  p.  684.  U87. 


448  Ä.  Emden. 

zeigte  sieb  schon  hier,  wenn  Wasser  das  Lösungsmittel  war, 
und  auch  bei  einigen  anderen  Lösungsmitteln,  nach  einer 
Dilatation  nach  1 — 2  Minuten  keine  merkliche  Aenderung  der 
D  ampfspannung  mehr.  Diese  Verhältnisse  überträgt  Hr.  T  a m  - 
mann  direct  auf  Salzlösungen.  Bei  meinen  Versuchen  be- 
trug, was  in  meiner  Arbeit  nicht  besonders  erwähnt  ist,  die 
Zeit  zwischen  einer  Dilatation  und  deren  Ablesung  2 — 8 
Minuten.  Diese  Zeit  hält  Hr.  T  am  mann  für  zu  kurz  und 
sucht  hierin  den  Grund  für  die  Verschiedenheit  unserer 
Messungen.  Hierzu  ist  zu  bemerken:  Ist  eine  Flüssigkeit 
durch  flüchtige  Beimengungen  verunreinigt,  so  müssen  nach 
Compressionen  und  Dilatationen  Aenderungen  der  Dampf- 
spannungen vorkommen;  die  Gründe  hierfür  sind  von  Hrn. 
T am  mann  angegeben  worden.  Diese  Verhältnisse  lassen 
sich  aber  nicht  ohne  weiteres  auf  Salzlösungen  übertragen, 
denn  die  Beimengungen  des  Wassers  sind  hier,  weil  Salze, 
nicht  flüchtig.  Zwar  wird  auch  hier  nach  einer  Verkleine- 
rung des  Dampfraumes  eine  Aenderung  der  Dampfspannung 
vorkommen  müssen,  da  sich  hierbei  an  den  Manometer- 
wandungen reines  Wasser  niederschlägt.  Bei  einer  Ver- 
grösserung  des  Dampfraumes  ist  aber  ein  Grund  für  ein 
Nachwachsen  der  Dampfspannung  nicht  einzusehen.  Es  wer- 
den eben  nur  die  durch  die  betrefi'ende  Temperatur  gegebene 
Anzahl  Wassermolecüle  die  Flüssigkeit  verlassen,  und  der 
Dampf  wird  keine  andere  Zusammensetzung  zeigen,  als  eben 
reiner  Wasserdampf  hat.  Die  Flüssigkeit  wird  sich  zwar 
etwas  abkühlen,  allein  Hr.  T  am  mann  gibt  selbst  zu,  dass 
bei  meinen  Manometern  sich  diese  Temperaturänderungen 
schon  nach  einer  Minute  ausgeglichen  haben  werden.  In 
der  Flüssigkeit  werden  auch  kleine  Concentrationsstörungen 
vorkommen,  da  sich  der  Dampf  hauptsächlich  in  den  Parthien 
an  der  Oberfläche  entwickelt.  Allein  auch  diese  Concen- 
trationsstörungen müssen  sich  in  meinen  Manometern,  die 
durch  die  Rührvorrichtung  ziemlich  stark  geschüttelt  wurden, 
nach  zwei  Minuten  vollständig  ausgeglichen  haben.  Auch 
sind  die  in  Dampfform  weggehenden  Mengen  Wasser  im 
Verhältniss  zur  zurückbleibenden  Masse  so  gering,  dass 
Dampfspannungsänderungen  dadurch  schwerlich  nachweisbar 
sind.     Und    schliesslich   beruhen    die    Dampfspannungsände- 


Dampfspannungen  von  Salzlösungen.  449 

rungen  in  der  oben  erwähnten  Arbeit  des  Hrn.  Tarn  mann 
ja  nicht  in  kleiner  Concentrationsverschiedenheit  der  Flüssig- 
keit, sondern  darin,  dass  während  der  Dilatation  auch  flüch- 
tige Substanzen  in  nicht  controlirbarer  Menge  in  den  Dampf 
übergehen,  und  dann  Dampf  und  Flüssigkeit  in  ihrer  Zu- 
sammensetzung nicht  übereinstimmen.  Thatsächlich  konnte 
ich  in  meinen  Manometern  nach  2 — 3  Minuten  auch  keine 
Aenderung  der  Dampfspannung  mehr  wahrnehmen.  Ich  be- 
merkte in  meiner  Arbeit  ausdrücklich^):  „Selbstverständlich 
geschah  die  Ablesung  nur  dann,  wenn  das  Quecksilber  einen 
unveränderlichen  Stand  einhielt.  Bei  höheren  Temperaturen 
gab  dies  eine  empfindlichere  Probe  auf  die  Constanz  der 
Temperatur,  als  sie  die  Beobachtung  der  Thermometer  ge- 
währt." Der  von  Hrn.  Tammann  angegebene  Umstand 
kann  also  nicht  der  Grund  für  die  Verschiedenheit  unserer 
Messungen  sein.  Dies  geht  auch  aus  folgendem  hervor.  Die 
von  Hrn.  Tammann  vermuthete  Fehlerquelle  würde  Fehler 
geben,  die  immer  nach  der  gleichen  Seite  hin  liegen.  Nun 
untersuchte  ich  aber  Salzlösungen,  die  nach  den  Messungen 
des  Hrn.  Tammann  nach  verschiedenen  Seiten  hin  vom 
Babo'schen  Gesetze  abweichen.  Hätte  jene  Fehlerquelle  ge- 
wirkt und  für  die  einen  Salze  diese  Abweichungen  aufgehoben, 
so  müsste  sie  dieselbe  für  die  anderen  gerade  verstärkt  haben. 
Die  von  mir  untersuchten  Lösungen  zeigen  ausnahmslos  ein 
Verhalten,  wie  es  das  Babo'sche  Gesetz  fordert. 

Hr.  Tammann  behauptet  ferner,  dass  Abweichungen 
unserer  Messungen  nur  in  höheren  Temperaturen  vorkommen, 
während  dieselben  in  den  niederen  Temperaturen  überein- 
stimmen sollten.  Nun  betragen  allerdings  diese  Abweichungen 
in  niederen  Temperaturen  öfters  nur  einige  Zehntel  Milli- 
meter. Aber  in  diesen  Temperaturen  sind  die  Dampfspan- 
nungen so  viel  kleiner,  dass  diese  Abweichungen,  procentisch 
gerechnet,  hier  weit  beträchtlicher  sind,  als  in  höheren  Tem- 
peraturen. Eine  Uebereinstimmung  unserer  Messungen  in 
niederen  Temperaturen  findet  also  nicht  statt,  im  Gegentheil 
sind  die  Differenzen  hier  besonders  beträchtlich. 

Hr.  Tammann   schreibt   ferner,   ich  hätte  ihm  vorge- 

1)  Emden,  Wied.  Ann.  31.  p.  155.  1887. 

Ann.  (1.  Phyg.  u.  Cham.  N.  F.  XXXVIII.  29 


450  B,  Emden, 

worfeD)  seine  Messungen  unmittelbar  nach  einer  Compression 
angestellt  zu  haben.  In  meiher  Arbeit  steht  indess  kein 
Satz,  der  diesen  Vorwurf  enthält.  Hingegen  bespricht 
Hr.  Tarn  mann  keine  der  Fehlerquellen,  auf  die  ich  auf- 
merksam machte. 

Vergleiche  ich,  wie  es  Hr.  T  am  mann  gethan  hat,  die 
vorhandenen  Arbeiten  über  das  B ab o' sehe  Gesetz,  so  komme 
ich  zu  einem  dem  seinen  entgegengesetzten  Resultate. 

Gegen  das  ß ab o' sehe  Gesetz  sprechen  vor  allem  die 
Arbeiten  von  Wüllner,  Pauchon  und  Tammann,  doch 
erfolgen  bei  diesen  verschiedenen  Beobachtern  die  Abwei- 
chungen vom  Babo' sehen  Gesetz  bei  ein  und  demselben 
Salze  öfters  gerade  nach  entgegengesetzter  Richtung,  sodass 
aus  diesen  Abweichungen  eher  der  Schluss  gezogen  werden 
kann,  dass  sie  wohl  Beobachtungsfehlern  zuzuschreiben  sind, 
was  besonders  für  Pauchon^)  gelten  dürfte,  wo  alle  Abwei- 
chungen denselben  Sinn  zeigen.  Die  Zahlen  von  Nicol-) 
können  beinahe  ebensogut  für  wie  gegen  das  Gesetz  sprechen; 
die  Art  und  Weise,  wie  Nicol  seine  Zahlen  berechnet,  steht 
in  keinem  Verhältniss  zur  Genauigkeit  der  Methode.  An 
NaCl-Lösungen  endlich  hat  R.  v.  Helmhol tz^)  bei  niederen 
Temperaturen  Messungen  vorgenommen  und  Abweichungen 
vom  Gesetze  constatirt,  doch  sagt  er  selbst,  dass  es  ihm 
mehr  um  die  Erprobung  der  Methode,  als  um  absolut 
richtige  Zahlen  zu  thun  war,  und  er  deshalb  die  Calibrirung 
seiner  Thermometer,  Manometer  etc.  unterliess.  Werden  in 
niederen  Temperaturen  die  Angaben  der  Thermometer  nur 
um  wenige  Hundertstel  Grade  geändert,  so  ändert  sich  u 
bedeutend. 

Abgesehen  von  meinen  Messungen,  welche  das  Babo'- 
sehe  Gesetz  durchgehends  innerhalb  der  Beobachtungsfehler 
bestätigen,  stehen  damit  im  Einklang  die  Messungen,  die 
Wüllner*)  in  einer  späteren  Arbeit  an  Lösungen  von  Salz- 
gemischen vornahm,  auch  wenn  die  Salze  einzeln  nach  seiner 
früheren  Arbeit  Abweichungen  im  selben   Sinne  bevrirkten. 

1)  Pauclion,  Compt.  rend.  ^9.  p.  18.  1879. 

2)  Nicol.  I'hil.  Mag.  22.  p.  ,">02.    1886. 

8)  R.  V.  Helmholtz,  Wiod.  Ann.  27.  p.  5G8.    18S6. 
4i  Wüllner,  Pog^i^.  Ann.  105.  p.  85.  185>. 


Dampfspannungen  von  Salzlösungen,  451 

Nur  das  Gemisch  NaCl  +  Na^SO^  macht  eine  Ausnahme, 
um  so  merkwürdiger,  als  auch  nach  Wüllner  die  Salze  ein- 
zeln dem  Gesetze  folgen.  An  CaCU-Lösungen  hat  Bremer^) 
das  B ab 0 'sehe  Gesetz  ebenfalls  bestätigt  gefunden;  nur  in 
niederen  Temperaturen  machen  sich  Abweichungen  geltend, 
die  aber,  wie  Bremer  selbst  sehr  richtig  bemerkt,  durch 
die  in  niederen  Temperaturen  sich  besonders  stark  geltend 
machenden  unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  erklärt  wer- 
den. Es  sei  hier  noch  bemerkt,  dass  nach  einer  ganz  neuen, 
sehr  genauen  Methode  Walker*)  solche  Messungen  in  nie- 
deren Temperaturen  vornahm;  die  von  ihm  gefundenen  u 
stimmen  genügend  mit  dem  ju  überein,  das  ich  durch  das 
ganze  Temperaturintervall  constant  fand.  Wie  für  Salz- 
lösungen, so  gilt  nach  Raoult^)  das  Babo'sche  Gesetz  auch 
für  Lösungen  nicht  flüchtiger  Stoße  in  Aether  (nur  bei  einer 
Lösung  zeigten  sich  kleine  Abweichungen).  Daraus  ist  nun 
wohl  der  Schluss  zu  ziehen,  dass  das  Babo'sche  Gesetz  keine 
grobe  Annäherungsregel  ist,  wie  Hr.  Tammann  sagt,  son- 
dern ein  allgemeines  Naturgesetz,  dem  für  die  Dampfdrucke 
der  Lösungen  eine  ähnliche  Bedeutung  zukommt,  wie  dem 
Mariotte 'sehen  Gesetz  für  die  Gase.  Wie  die  kinetische 
Gastheorie  das  Mario tte'sche  Gesetz  für  ideale  Gase  for- 
dert, so  kann  das  Babo'sche  Gesetz  für  ideale  Lösungen  her- 
geleitet werden  aus  den  Betrachtungen,  welche  van'tHoff*) 
über  den  osmotischen  Druck  angestellt  hat,  als  auch  aus  denen, 
die  Planck^)  seinen  Arbeiten:  „Ueber  das  Princip  der  Ver- 
mehrung der  Entropie"  zu  Grunde  legt.  Wie  die  Gase  vom 
Mariotte'schen  Gesetz,  so  können  die  Lösungen  auch  vom 
Babo'schen  Gesetz  abweichen,  aber  diese  Abweichungen  sind 
keinesfalls  so  gross,  wie  sie  Hr.  Tammann  gefunden  hat, 
sondern  werden  durch  die  bei  Dampfspannungsmessungen 
unvermeidlichen  Beobachtungsfehler  verdeckt. 

1)  Bremer.  Rcc.  d.  trav.  chim.  des  Pays-Bw.  6.  p.  122.  1887. 

2)  Walker,  Zoitschr.  f.  phys.  Chem.  2.  p.  602.  1888. 

3)  Kaoult,  Compt.  rend.  103,  p.  1125.  1886;  Zeitschr.  f.  phys.  Chem. 
2.  p.  353.  1S88. 

4)  Vaii'tHoff,   Zeitsch.  f.  phys.  Chem.  1.  p.  481.  1^37. 

5)  Planck,  Wied.  Ann.  30.  p.  562.  1887;  31.  p.  189.  IböT:  32.  p.  462. 
1887. 

2'.»* 


452  R,  Emden, 

Gegen  die  Gültigkeit  des  Babo' sehen  Gesetzes  werden 
von  Hrn.  Tammann  die  Kirchhoff'schen  Formeln  ange- 
führt, die  eine  Beziehung  ergeben  zwischen  Yerdünnungs- 
wärme  und  Dampfspannung  der  Salzlösungen.  Nun  hat  aber 
bereits  Duhem^)  Bedenken  gegen  die  Richtigkeit  dieser 
Formeln  geltend  gemacht;  und  die  von  Arons^)  aus  diesen 
Formeln  unter  Zugrundelegung  der  Will  In  er 'sehen  Zahlen 
berechneten  Verdünnungswärmen  sind  mit  den  wirklich  be- 
obachteten absolut  nicht  vergleichbar.  Aber  selbst  wenn 
diese  Formeln  richtig  sein  sollten,  so  können  doch  die  da- 
durch erforderlichen  Abweichungen  vom  Babo 'sehen  Gesetz 
so  klein  sein,  dass  sie  durch  Beobachtungsfehler  verdeckt 
werden.  Auch  ist  möglich,  dass,  wie  die  NaCl-Lösungen, 
auch  die  anderen  Salzlösungen  in  höheren  Temperaturen  das 
Vorzeichen  ihrer  Verdüunungswärmen  ändern,  sodass  auch 
ju  abwechselnd  ab-  und  zunehmen  müsste.  Diese  Verände- 
rungen von  II  müssten  dann  aber  erst  recht  schwer  nach- 
weisbai  sein. 

Wie  bequem  und  genau  man  mit  dem  Babo'schen  Ge- 
setze rechnen  kann,  möchte  ich  nur  an  einem  Beispiele 
zeigen  und  dafür  sogar  die  Zahlen  des  Hrn.  Tammann  an- 
wenden. Es  haben  Guldberg  und  auch  Kolä.£ek  die  Be- 
ziehung abgeleitet: 

10^  =  1,045  a.  772, 

wo  t  die  Gefriertemperatur  der  Salzlösung,  772  die  Menge 
Salz  auf  100  Theile  Wasser  bedeutet,  n  beobachtet  bei  der 
Temperatur  des  Gefrierpunktes.  Nun  ist  aber  nach  dem 
Babo'schen  Gesetz  ju  unabhängig  von  der  Temperatur,  kann 
also  z.  B.  auch  aus  Siedepunktsbestimmung  entnommen  wer- 
den. Alle  Sätze,  die  für  die  Gefriertemperatur  i  in  Bezug 
auf  ihre  Abhängigkeit  von  den  Concentrationen,  Molecular- 
gewicht  etc.  gelten,  sind  also  ohne  weiteres  auf  den  Coefü- 
cienten  u  übertragbar.  Dann  hat  R.  v.  Helmholtz^)  die 
beobachteten  Gefriertemperaturen  den  nach  dieser  For- 
mel berechneten  hier  eine  grosse  Anzahl  von  Salzlösungen 

1)  Duhem,  Compt  rend.  104,  p.  6h3.  ISbT. 

2)  Arons,  Wied.  Ann.   25.   p.  408.  1885. 

3)  R.  V.  Hi'lmholtz,  Wied.  Ann.  30.  p.  401.  1887. 


Dampf spannuji ff en  von  Salzlösungen,  453 

gegenüber  gestellt  und  dabei  fi  den  Messungen  von  Tam- 
mann  in  niederen  Temperaturen  entnommen ,  dabei  aber 
angegeben  durch  <  oder  >,  ob  jti  nach  Tammann  zu-  oder 
abnimmt.  Nun  zeigte  es  sich  aber  fast  ausnahmslos,  dass 
bei  <  der  berechnete  Gefrierpunkt  zu  hoch,  bei  >  aber  zu 
tief  ausgefallen  ist,  was  auch  R.  v.  Helmholtz  nicht  ent- 
gangen ist.  Im  Gegensatz  zu  den  Speculationen,  die  der- 
selbe an  dies  auffällige  Verhalten  knüpft,  erklärt  sich  die 
Sache  überaus  einfach.  Die  Zahlenwerthe  u  des  Herrn 
Tammann  sind  in  höheren  Temperaturen,  wo  die  Beob- 
achtungsfehler sich,  procentisch  gerechnet,  weniger  stark 
geltend  machen ,  genauer  als  in  niederen  Temperaturen. 
Hätte  R.  V.  Helmholtz  diese  richtigem  Werthe  benutzt 
und  unter  Anwendung  des  Babo 'sehen  Gesetzes  gerechnet, 
so  würde  er  eine  sehr  befriedigende  Uebereinstimmung  er- 
halten haben. 

Da  das  Babo'sche  Gesetz  gilt,  so  ist  es  also  ohne 
weiteres  möglich,  aus  dem  Siedepunkt  einer  nicht  zu  con- 
centrirten  Salzlösung  ihren  Gefrierpunkt,  und  umgekehrt,  zu 
berechnen. 


IX.    Messitngen  mit  dem  Abbe^8clken  Dilatanieter ; 

i^on  G.  Weidmann. 

(Hlcr/n  T»f.  V    Fif.  1-4.) 

I.  Die  Kenntniss  der  Ausdehnungscoefficienten  der  ver- 
schiedensten Glasarten,  namentlich  der  neueren  optischen  und 
Thermometergläser  ist  für  die  praktische  Optik  und  Ther- 
mometrie  von  nicht  geringem  Interesse.  Gelegentlich  einer 
Untersuchung  über  die  elastische  und  thermische  Nachwir- 
kung ^)  habe  ich  auch  die  Ausdehnungscoefficienten  von  drei 
Therraometergläsern  angegeben.  Die  Bestimmung  geschah 
mit  dem  Weinhold'schen  Apparat.  Die  Genauigkeit  der 
Resultate  war  eine  relativ  geringe,  da  die  Fehler  bis  zu 
4  Proc.  betragen  konnten. 

Hr.  Prof.  Abbe  hat  an  einem  im  Jahre  1884  von  ihm  con- 

1)  Ct.  Weidmann,  Wied.  Ann.  29,  p.  214.  188«. 


454  6r.   Weidmann, 

struirten  Dilatometer  nachFizeau'schemPrincip  wesentliche 
Yeränderusgen  angebracht,  sowohl  in  Bezug  auf  die  Beobach- 
tung, als  auch  auf  die  Auswerthung  der  Beobachtungsresul- 
tate. Mittelst  eines  mit  diesen  Verbesserungen  ausgestatte- 
ten provisorischen  Apparates  habe  ich  es  auf  Veranlassung 
meines  hochverehrten  Lehrers,  Hrn.  Prof.  Abbe,  unter- 
nommen, die  Bestimmung  der  Ausdehnungscoefficienten  einiger 
neueren  Glasarten  des  glastechnischen  Laboratoriums  zu  Jena 
auszuführen.  Durch  die  Versuche  sollte  zugleich  ein  Anhalt 
gewonnen  werden  für  einen  nach  dem  vorliegendem  Muster 
zu  bauenden  definitiven  Apparat.  Ich  möchte  es  nicht  unter- 
lassen, auch  an  dieser  Stelle  meinem  hochverehrten  Lehrer 
meinen  herzlichsten  und  aufrichtigsten  Dank  zu  sagen  sowohl 
für  die  freundliche  Ueberlassung  des  Apparates,  als  auch 
für  die  mir  zu  Theil  gewordenen  ßathschläge. 

IL    Princip  der  Beobachtungsmethode. 

Das  Princip,  auf  dem  die  Beobachtung  der  Ausdehnungs- 
coefficienten  beruht,  ist  das  zuerst  von  Fizeau^)  benutzte, 
das  in  neuerer  Zeit  auch  bei  dem  internationalen  Mess- 
bureau zu  BreteuiP)  Eingang  gefunden  hat.  Es  ist  kurz 
folgendes. 

Denken  wir  uns  irgendwie  Interferenzcurven  gleicher 
Dicke  erzeugt,  wie  etwa  bei  dem  Phänomen  der  Newton'schen 
Ringe,  die  ja  zu  dieser  Classe  von  Interferenzcurven  gehören, 
durch  Anwendung  einer  Glasplatte,  auf  der  eine  Planconvex- 
linse  von  sehr  schwacher  Krümmung  ruht,  so  beträgt  der 
Gangunterschied  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden  dunk- 
len Curven  A/4  der  angewandten  Lichtart,  für  Natriumlicht 
z.  B.  0,032944  mm.  Tritt  eine  gegenseitige  Verschiebung  der 
Flächen  ein,  an  denen  die  Interferenz  auftritt,  so  wird  auch 
das  ganze  System  der  Interferenzcurven  dieser  Verschiebung 
folgen.  Aendert  sich  etwa  der  Abstand  der  beiden  Flächen 
an  einer  Stelle,  an  der  Dunkelheit  herrscht,  um  A/4  des  be- 
nutzten Lichtes,   so  wird  jetzt  diese  Stelle  hell  erscheinen. 

1}  Fizeau,  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  (4)  2,  p.  143.  1864;  8,  p.  335. 
1866. 

2)  Benoit,  Mem.  et  travaux  du  Bureau  International  des  Poids  et 
Meeures.  1.  C.  isSl. 


Abbe'sches  DUatometer,  455 

Die  Beobachtung  von  Interferenzcurven,  resp.  die  Beobach- 
tung ihrer  Verschiebung  gibt  demnach  ein  Mittel  zur  Schätzung, 
eventuell  Messung  von  Längenänderungen.  Da  nun  unter 
geeigneten  Verhältnissen  das  Auge  leicht  den  zehnten  Theil 
des  Abstandes  zweier  aufeinander  folgender  dunkler  oder 
heller  Streifen  schätzen  kann,  so  kann  man  Distanzände- 
rungen zwischen  zwei  Flächen,  die  nur  0,0^3  mm  —  bei 
Messungen  reducirt  sich  dies  sogar  auf  0,0^3  mm  —  bei  An- 
wendung von  Na-Licht  betragen,  dem  Auge  sichtbar  machen, 
Aenderungen,  die  nach  gewöhnlichen  Messmethoden  unmerk- 
lich sind. 

III.    Fizeau'.sche  Anordnungsweise. 

Um  dieses  Frincip  zu  Ausdehnungsbestimmungen  anzu- 
wenden, traf  Fizeau  folgende  Anordnung,  mit  der  sich  auch 
die  des  internationalen  Messbureaus  vollkommen  deckt. 

Die  zu  untersuchende  Substanz,  10 — 15  mm  lang,  mit 
zwei  nahezu  parallelen,  schwach  gekrümmten,  polirten  Flächen, 
ruht  auf  dem  Tischchen  eines  metallenen  Dreifusses,  dessen 
Füsse  aus  drei  feinen  Schrauben  bestehen,  die  das  Tischchen 
nahe  dem  Umfange  durchsetzen  und  an  beiden  Seiten  in 
stumpfe  Spitzen  enden.  Auf  den  oberen  drei  Spitzen  liegt, 
nur  durch  eine  dünne  Luftschicht,  deren  Dicke  durch  die 
Schrauben  regulirt  werden  kann,  von  der  Substanz  ge- 
trennt, eine  Glasplatte.  Dieser  Interferenzapparat  wird  mit 
sireng  monochromatischem  parallelen  Licht,  das  senkrecht  auf 
das  Tischchen  aufiäUt,  beleuchtet.  Durch  Reflexion  des 
Lichtes  an  der  unteren  Seite  der  Deckplatte  und  der  oberen 
der  Substanz  werden  in  der  oberen  Luftschicht  Interferenz- 
curven  gleicher  Dicke  entstehen,  und  zwar  je  nach  der 
Beschaflenheit  der  beiden  Flächen  Streifen,  Ringe  oder 
unregelmässige  Curven,  deren  Abstand  bei  sonst  gleicher 
Anordnung  von  der  Wellenlänge  abhängt.  Auf  der  unteren, 
der  Substanz  zugewandten  Seite  der  Deckplatte  ist  eine 
Reihe  regelmässig  angeordneter  Fixpunkte  —  bei  Fizeau 
10,  bei  Benoit25 —  eingravirt,  die  zugleich  mit  den  Inter- 
ferenzcurven  sichtbar  sind  und  zur  Bestimmung  der  Lage  des 
Interferenzsystems  dienen.  Erfährt  der  gesammte  Interferenz- 
apparat  eine  Temperaturänderung,   so   wird  sich  im  allge- 


456  G.   Weidmann, 

meinen  die  Dicke  der  Luftschicht  zwischen  Deckplatte  und 
Substanz  ändern,  und  damit  eine  Verschiebung  des  Inter- 
ferenzsystems eintreten.  Bei  einer  Temperaturerhöhung  wird 
die  Ausdehnung  der  Schrauben  des  Metalldreifusses  die  Dicke 
der  Luftschicht  zu  vergrössern,  die  Ausdehnung  der  Substanz 
aber  die  Dicke  zu  verkleinem  streben.  Der  Gesammteffect 
ist  also  eine  Differenzwirkung.  Dehnt  sich  z.  B.  die  Sub- 
stanz stärker  als  das  Metall  aus,  so  wird  die  Luftdicke 
geringer;  das  System  der  Interferenzcurven  wird,  wenn  die 
obere  Fläche  der  Substanz  schwach  convex  ist,  nach  aussen 
wandern.  Hat  man  die  Lage  des  Interferenzsystems  bei 
einer  Temperatur  gegenüber  den  festen  Marken  der  Deck- 
platte durch  Schätzen  bestimmt,  wiederholt  man  diese  Be- 
stimmung nach  der  Temperaturänderung,  wenn  der  Zustand 
wieder  stationär  geworden,  hat  man  ferner  während  der 
ganzen  Dauer  der  Temperaturänderung  beobachtet,  wieviel 
ganze  Interferenzcurven  durch  einen  Fixpunkt  gewandert 
sind,  so  hat  man  damit  überhaupt  die  Fransenverschiebung 
ermittelt. 

Ist  /  diese  Fransenverschiebung,  X  die  Wellenlänge  des 
benutzten  Lichtes  im  Vacuum,  so  ist  /(A/2)  gleich  der 
scheinbaren  Ausdehnung  der  Substanz  für  die  Temperatur- 
änderung t'—  t.  Es  ist  dann,  wenn  L  die  Länge  der  Sub- 
stanz, e  die  Luftdicke,  E  die  wirksame  Schraubenlänge,  also 
E  =  €  +  L,  wenn  ferner 
a  den  Ausdehnungscoefticienten  der  Substanz 
ß    ??  ••  V  Schrauben  des  Tischchens 

bezeichnet: 

"2-  2"  ^ 

I  f        ~^ 

oder:  atjr '  ==  i? ' ß^^rf  ±  f-_f'p/ 

2^2 

Gemäss  der  Verschiedenheit  der  Brechungsquotienten 
der  Luft  bei  verschiedenen  Temperaturen  muss  f  noch  eine 
Correction  erhalten. 

Ist  /  die  beobachtete,  F  die  wahre  Fransenverschiebung, 
n  und  n  die  den  Temperaturen  t  und  t'  entsprechenden  In- 
dices  der  Luft,  so  folgt: 


Ahhe^sches  Dilatometer.  457 


oder  vermöge  des  Biot-Arago'schen  Gesetzes: 


--  (W  -  7?  )  =  6» 


/        (1  + J^J760J  -^•^'' 


WO  H  der  Barometerstand,  5  der  Ausdehnungscoefficient  der 
Luft  ist. 

y  hat  im  ungünstigsten  Falle,  bei  H=:  735  mm  ^i  =  100® 
den  Werth  0,03. 

Aus  den  gegebenen  Grössen  l  und  ß,  ferner  den  beob- 
achteten t\  t,  Ly  E  und  /  erhält  man  somit  den  gesuchten 
Ausdehnungscoefficienten  a. 

Dieselbe  Anordnung  dient  auch  zur  Ermittelung  der 
sogenannten  Constanten  des  Dilatometers,  der  Ausdehnung 
des  Metalldreifusses,  d.  h.  der  Bestimmung  von  ß.  Man 
bringt  die  Interferenz  bei  sehr  hohem  Gangunterschied  her- 
vor durch  Reflexion  an  der  unteren  Seite  der  Deckplatte 
und  der  gut  polirten  oberen  Seite  des  Tischchens  und  beob- 
achtet wieder  die  Fransenverschiebung  für  eine  bestimmte 
Temperaturänderung  t'—t 

Auf  eine  detaillirte  Beschreibung  des  Fize au 'sehen 
Dilatometers,  der  Anordnung  zur  Temperaturänderung,  Mes- 
sung der  einzelnen  Längen,  will  ich  nicht  weiter  eingehen; 
nur  noch  einmal  kurz  das  Wesentliche  der  Fizeau'schen 
Beobachtungsmethode  zusammenfassen. 

F  i  z  e  a  u  verwandte  beliebig  angeordnete  Interferenz- 
curven,  zu  deren  Erzeugung  die  Bedingung  5^r^^  jnono- 
chromatischen  Lichtes  erfüllt  sein  musste.  Von  der  Erfül- 
lung dieser  Bedingung  war  eine  mehr  oder  weniger  scharfe 
Beobachtung  der  Streifenverschiebung  und  damit  der  Be- 
stimmung des  Coefficienten  abhängig.  Denn  nichtmonochro- 
matisches Licht  ergibt  ja  bei  der  Fize aussehen  Anordnung 
genau  wie  bei  dem  Newton' sehen  Phänomen  zu  gleicher 
Zeit  die  Interferenzsysteme,  die  den  in  der  Flamme  enthal- 
tenen Wellenlängen  entsprechen,  nebeneinander,  und  die 
dunklen  und  hellen  Streifen  sind  nicht  mehr  deutlich  unter- 
schieden. Fizeau  war  deshalb  auf  Na-Licht  beschränkt,  da 
ja  in  jeder  anderen  Flammenfärbung  Na  mehr  oder  weniger 
mit  auftritt,  und  damit  war  für  Interferenzen  mit  hohen  Gang- 


458  G,    Weidmann. 

unterschieden y  für  deren  Entstehung  nur  schwach  gefärbte 
Flammen  anwendbar  sind,  die  Beobachtung  ziemlich  erschwert. 
Eine  weitere  Erschwerung  liegt  in  der  Bestimmung  der  An- 
zahl der  durch  eine  bestimmte  Marke  der  Deckplatte  ge- 
wanderten Interferenzfransen.  Um  die  ganzen  Multipla  für 
eine  gewisse  Temperaturvariation  zu  erhalten,  musste  während 
der  ganzen  Dauer  des  Versuchs  bis  zum  Eintritt  des  stationären 
Zustandes  beobachtet  werden.  Da  nun  ein  stationärer  Zustand 
bei  der  schlechten  Wärmeleitung  der  Luft,  zum  Theil  auch 
der  untersuchten  Substanzen,  kaum  vor  2**  eintritt,  das  Wan- 
dern der  Fransen  also  im  allgemeinen  langsam  vor  sich  geht, 
so  ist  diese  Art  der  Beobachtung  ziemlich  ermüdend.  Zu- 
dem auch  kann  man  sich  leicht  um  eine  ganze  Fransenver- 
schiebung irren.  Ferner  geschieht  die  Ermittelung  der  Bruch- 
theile  einer  Fransenverschiebung  durch  Schätzen  der  Lage 
der  Fransen  gegen  feste  Marken,  diese  Schätzung  bei  An- 
fangs- und  Endtemperatur  ausgeführt.  Um  eine  genügende 
Genauigkeit  zu  erhalten,  hat  Fizeau  die  Lage  der  Fransen 
nicht  gegen  eine,  sondern  gegen  10,  Hr.  Benoit  sogar  gegen 
25  feste  Marken  ermittelt.  Eine  solche  Schätzung  ist  aber, 
abgesehen  von  der  ihr  anhaftenden  Unsicherheit,  ausser- 
ordentlich zeitraubend. 

Alle  diese  Schwierigkeiten  hat  Hr.  Prof.  Abbe  bei 
seinem  Apparat  vermieden.  Er  hat  eine  Reihe  wesentlicher 
Verbesserungen  an  dem  Dilatometer  angebracht,  die  die 
Beobachtung  ungemein  erleichtern  und  gleichwohl  noch  eine 
grössere  Sicherheit  und  Genauigkeit  der  Resultate  ergeben. 
Diese  Verbesserungen  mögen  auseinandergesetzt  werden. 

IV.     Charakteristische  Merkmale  der  Abbe'schen  Methode 
zum  Unterschied  von  der  Fizeau'scheu. 

Die  Verbesserungen  beziehen  sich  auf  Erzeugung  mono- 
chromatischen  Lichtes  und  Ermittelung  der  einer  gewissen  Tem" 
peraturdifferenz  entsprechenden  Streifenverschiebung  durch  mikro" 
metrische  Messung. 

A.  Statt  einfachen  homogenen  Lichtes  wird  spectro- 
skopisch  zerlegtes  Licht  verwandt,  um  streng  monochroma- 
tisches Licht  aus  Lichtquellen  erhalten  zu  können,  welche 
an   sich   nicht  monochromatisch  sind;   ferner  aber   zu   dem 


AbbtPscIies  Dilatometer,  459 

Zweck,  Lichtarten  verschiedener  Länge  gleichzeitig  anwen- 
den zu  können  und  dadurch  zugleich  auf  einfache  Weise  zu 
ermöglichen,  dass  man  an  demselben  Objecte  successive  die 
Interferenzen  mit  Lichtarten  von  verschiedener  Wellenlänge 
beobachten  kann.  Aus  diesen  successiven  Beobachtungen 
kann  man  dann  indirect  die  ganzen  Multipla  der  Streifenbreite 
bestimmen,  welche  beim  U ebergang  von  einer  Temperatur 
zur  anderen  an  einer  Marke  vorbeigewandert  sind. 

Auf  die  Art,  wie  diese  Verbesserung  technisch  ausgeführt, 
sowie  auf  die  Berechnung  der  ganzen  Multipla  werden  wir 
genau  in  V,  B  und  VII,  C  eingehen. 

B.  Zur  Beobachtung  dienen  nicht  mehr  beliebige  Inter- 
ferenzen, sondern  annähernd  geradlinige  und  äquidistante 
Interferenzcurven  von  regulirbarem  Abstand  und  regulirbarer 
Richtung,  zu  dem  Zwecke,  die  Verschiebung  der  Interferen- 
zen gegen  eine  feste  Marke,  die  Fizeau  durch  Schätzung 
fand,  nun  mikrometrisch  messen  zu  können. 

Ueber  die  Bedingungen,  die  zur  Erzeugung  geradliniger 
und  äquidistanter  Streifen  erfüllt  werden  müssen,  sowie  über 
die  Art  der  Messung  wird  V,  C  und  E,  sowie  VII,  C  näher 
Aufschluss  geben. 

V.    Bescbreibuug  des  Abbe'schen  Dilatoineters  und  seiner 

Theile. 

Das  Vorstehende  gibt  das  Schema,  nach  welchem  der 
Apparat  anzuordnen  ist. 

Fig.  1  stellt  bis  auf  das  kleine  Beobachtungsfernrohr 
einen  verticalen  Durchschnitt  des  Dilatometers  dar.  Das 
Beobachtungsfernrohr  mit  der  Drehvorrichtung  ist  gezeichnet, 
wie  es  sich  von  vorn  gesehen  darstellt. 

Fig.  2  gibt  einen  horizontalen  Durchschnitt  der  Mess- 
vorrichtung mit  CoUimatorfernrohr. 

Fig.  3  stellt  den  Apparat  von  oben  gesehen  dar.  Die 
Construction  desselben  ist  nun  des  näheren  folgende. 

A.  Allgemeines.  Auf  einem  gusseisernen  Träger  A, 
der  an  der  Wand  in  Manneshöhe  befestigt  ist,  ruht  eine 
eiserne  30  cm  lange,  5  cm  breite  Schiene  jS,  die  den  Apparat 
—  das  Spectroskop  mit  der  Messvorrichtung  und  die  Büchse 
mit  dem  Interferenzapparat  —  trägt.     An  der  Schiene  sind 


460  G.   Weidmann, 

zwei  Arme  CC  befestigt,  die  an  dem  oberen  Ende  mit  La- 
gern D^  versehen  sind,  in  denen  sich  das  Spectroskopfem« 
röhr  D  vermittelst  einer  Gabel  a  in  verticaler  Richtung  nach 
oben  oder  unten  drehen  kann.  Die  Schraube  E  hält  das 
Fernrohr  in  einer  bestimmten  Höhe,  der  Doppelarm  FF  dient 
zur  Führung  des  Fernrohrs. 

In  einer  kreisförmigen  Oeffnung  G  von  20  mm  Durch- 
messer der  Schiene  sitzt  zunächst  ein  kurzes  Messingrohr  Hj 
in  dieses  ist  nach  unten  hin  ein  längeres  Porzellanrohr  T 
eingekittet,  das  wieder  einen  Messingtubus  mit  der  sich  an- 
schliessenden messingenen  Büchse  K  trägt.  In  der  Büchse 
steht  dann  auf  dem  Deckel  derselben  der  Interferenzapparat 
Zr.  Das  Porzellanrohr  musste  eingefügt  werden  zur  Ein- 
schränkung der  Wärmeableitung  bei  höheren  Temperaturen. 
Um  das  Eindringen  kalter  Luft  in  die  Büchse  zu  verhindern, 
ist  sie  nach  oben  hin  durch  eine  planparallele  Glasplatte  M 
abgeschlossen.  Der  Deckel  N  der  Büchse  ist  in  diese  gut 
eingeschliffen  und  wird  durch  ein  Ueberwurfstück  mit  Schraube 
gehalten. 

Der  Prismensatz  des  Spectroskops  besteht  aus  zwei  nahe 
congruenten  Prismen  FiF^^  ^^®  vollständig  symmetrisch  zur 
Drehaxe  D^  des  Fernrohrs  liegen.  Ihre  Kanten  liegen  hori- 
zontal und  senkrecht  zur  Fernrobraxe.  Jedes  der  Prismen 
ist  in  einer  messingenen  Fassung  befestigt.  P^  steckt  auf 
dem  Fernrohr,  unmittelbar  hinter  dessen  Objectiv  O  und 
wird  also  mit  dem  Fernrohr  um  D^  gedreht.  1\  steckt  auf 
dem  messingenen  Tubus  H  auf,  ist  also  nicht  um  die  Dreh- 
axe D^  drehbar.  Beide  Prismen  können  aber  mit  ihren 
Fassungen  zum  Zwecke  der  Justirung  des  Dilatometers ,  jP^ 
in  einer  Verticalebene,  P,,  in  einer  Horizontalebene,  in  den 
Tuben,  auf  denen  sie  aufgesteckt  werden,  gedreht  werden. 

B.  Spectroskop.  Es  besteht  aus  dem  Prismensatz  P^  P^ 
und  dem  Collimatorfernrohr  D.  Dieses  letztere  ist  aus  einem 
achromatischen  Fernrohrobjectiv  O  von  circa  300  mm  Brenn- 
weite und  einer  zur  Beobachtung  und  Einstellung  des  Spec- 
trums dienenden  Lupe  /  zusammengesetzt.  Für  Beobachtung 
der  Interenzstreifen  wird  diese  Lupe  durch  ein  kleines  Fern- 
rohr /j  ersetzt,  dessen  Ocular  wieder  jene  Lupe  ist. 

Die  Wirkung   des  Spectroskops   ergibt  sich   leicht   aus 


Aöbe^sches  Dilatometer,  461 

dem  gezeichneten  ätrahlengang.  In  der  Focalebene  des  Ob- 
jectivs  O  nämlich  sitzt  ein  kreisförmiges  Diaphragma  c/^  (Fig.  2), 
dessen  eine  Hälfte  durch  ein  kleines  total  reflectirendes 
Prisma  p  verdeckt  ist.  Das  Prisma  beleuchtet  diese  ver- 
deckte Hälfte  mit  Licht  aller  in  der  ausserhalb  des  Appa- 
rates stehenden  Flamme  oder  Geissler'schen  Röhre  ver- 
tretenen Wellenlängen.  Diese  verdeckte  Hälfte  kann  also 
als  Lichtquelle  angesehen  werden.  Das  Objectiv  O  sendet 
dieses  Licht  als  paralleles  auf  die  Prismen;  diese  besorgen 
die  spectroskopische  Zerlegung,  erzeugen  also  das  Spectrum 
und  bringen  ausserdem  eine  Ablenkung  des  Lichtstrahls 
hervor,  die  für  Na-Licht  ungefähr  90®  beträgt.  Liegt  also 
das  CoUimatorfernrohr  horizontal,  so  wird  jetzt  das  Na-Licht 
senkrecht  nach  unten  auf  den  in  der  Büchse  befindlichen 
Interferenzapparat  geworfen.  Wäre  nun  an  Stelle  des  Inter- 
ferenzapparates zunächst  nur  eine  reflectirende  Fläche  vor- 
handen, so  würde  das  senkrecht  aufifallende  Na-Licht,  senk- 
recht reflectirt,  denselben  Weg  rückwärts  machen,  und  es 
würde  somit  jetzt  in  der  freien  Hälfte  des  Diaphragmas 
das  Bild  der  anderen,  Licht  aussendenden  erscheinen.  Dieses 
Bild  wird  mit  der  Lupe  betrachtet.  Jede  andere  Farbe  wird 
aber  dann  mehr  oder  weniger  abgelenkt  wie  Natrium  ver- 
möge der  Ausbreitung  des  Spectrums.  Li-Licht  z.  B.  wird 
schwächer  abgelenkt;  gelangt  also  bei  der  betrachteten  Lage 
des  Fernrohrs  nicht  genau  senkrecht  nach  unten.  Es  trifft 
die  horizontale  spiegelnde  Fläche  unter  schiefer  Incidenz  und 
wird  also  nach  der  Reflexion  an  jener  in  der  Brennebene 
des  Objectivs  ein  Bild  erzeugen,  welches  nicht  mehr  in  der 
freien  Hälfte  des  Diaphragmas  auftritt,  also  unsichtbar  bleibt. 
Dasselbe  tritt  für  Licht  kleinerer  Wellenlänge  ein.  Auch 
dieses  ist  für  die  betrachtete  Fernrohrstellung  unwirksam. 

Durch  diese  Anordnung  ist  also  eine  einzelne  Farbe  aus 
dem  Spectrum  (für  den  betrachteten  Fall  Na)  abgesondert 
Diese  Absonderung  ist  aber  abhängig  von  der  Grösse  der 
Dispersion  der  Prismen  und  von  dem  Durchmesser  der  an- 
gewendeten Diaphragmenöfifnung.  Die  Gläser  sind  so  gewählt, 
dass  Na— Li  oder  Na— Th  oder  Hg  gelb— Hg  grün  auch  bei 
einer  Diaphragmenöfl'nung  von  6 — 7  mm  noch  vollständig  ge- 
trennt erscheinen. 


\ 


462  G.    Weidmann, 

Soll  eine  andere  Farbe  reflectirt  werden,  so  ist  wie 
bei  jedem  Spectrometer  das  Fernrohr  zu  drehen,  für  Licht 
grösserer  Wellenlänge  nach  oben,  kleinerer  Wellenlange  nach 
unten.  Tritt  an  Stelle  der  angenommenen  reflectirenden 
Fläche  der  Interferenzapparat,  so  werden  jetzt,  nachdem 
noch  die  Lupe  entfernt  ist,  dem  Auge  durch  den  freien 
Theil  des  Diaphragmas  die  Interferenzcurven  gleicher  Dicke 
erscheinen.  Besser  noch,  als  mit  blossem  Auge,  beobachtet 
man  die  Interferenzen  mit  dem  kleinen  Fernrohr  l^. 

Durch  die  ganze  spectroskopische  Anordnung  ist  also 
Folgendes  erreicht:  Wir  haben  streng  monochromatisches 
Licht  aus  Lichtquellen,  die  an  sich  gar  nicht  monochromatisch 
zu  sein  brauchen.  Durch  die  spectroskopische  Zerlegung  ist 
eine  Isolirung  der  den  einzelnen  in  der  Flamme  vertretenen 
Wellenlängen  entsprechenden  Interferenzsysteme  erreicht  durch 
Ablenkung  des  ganzen  Spectrums  bis  auf  eine  helle  Linie,  Durch 
eine  Drehung  des  Spectroskops  um  die  Axe  kann  man 
successive  auf  die  verschiedenen  hellen  Linien  des  Spectrums 
und  damit  auf  die  ihnen  entsprechenden  Interferenzsysteme 
übergehen. 

C.  Interferenzapparat.  Der  Interfrenzapparat  L 
besteht  aus  dem  metallenen  Dreifuss  t,  der  zu  untersuchen- 
den Substanz  s  und  der  Deckplatte  g.  Der  Dreifuss  ist  aus 
sehr  langsam  gekühlten  Stahl  hergestellt,  das  Tischchen  des- 
selben ist  zum  Zwecke  absoluter  Beobachtungen  auf  der 
einen  Seite  gut  polirt;  —  auf  der  anderen  Seite  trägt  es  auf 
einem  kleinen  Ring  drei  vorspringende  Knöpfchen  k.  Drei 
eine  Schrauben  (t,  die  das  Tischchen  nahe  dem  Umfang, 
symmetrisch  angeordnet,  durchsetzen,  sind  an  den  Enden 
schwach  zugespitzt.  Die  Länge  der  Schrauben  beträgt  30  mm, 
der  Durchmesser  des  Tischchens  36  mm. 

Die  zu  untersuchenden  Körper  s  werden  auf  cylindrische 
Form  gebracht,  mit  nahezu  parallelen  Flächen,  von  15  mm 
Durchmesser  und  circa  10  mm  Länge.  Die  eine  Fläche  ist 
sehr  gut  plan  geschliffen  und  polirt,  die  andere  auch  gut  plane 
Fläche  hat  in  der  Mitte  einen  schwach  concaven  Ausschliff, 
der  schwarz  gefärbt  ist.  um  die  Reflexion  an  dieser  Stelle 
zu  vermeiden. 

Die   Deckplatte  g   endlich    ist    eine    schwach   keilfbnmge 


Abhe*sches  Dilutometer,  463 

cylindrische  Glasplatte,  circa  4  mm  dick,  40  mm  Durchmesse]*, 
mit  einem  kleinen  Silberscheibchen  g  (Fig.  1)  in  der  Mitte 
der  einen  Fläche,  das  als  Marke  zur  Bestimmung  der  Lage 
des  Interferenzsystems  dient.  Die  Seite  mit  dem  Silber- 
scheibchen  ist  ebenfalls  sehr  gut  plan  geschliffen  und  polirt. 
Das  Silberscheibchen  wird  erzeugt,  indem  zuerst  die  ganze 
Fläche  versilbert  und  dann  das  Silber  bis  auf  einen  Kreis 
von  0,75  bis  1  mm  Durchmesser  in  der  Mitte  weggenommen 
wird. 

Nehmen  wir  an,  der  Interferenzapparat  sei  justirt(VI,  A), 
also  bei  relativen  Messungen  der  zu  untersuchende  Körper 
mit  der  gut  planen,  polirten  Fläche  nach  oben,  auf  die  drei 
vorspringenden  Knöpfchen  des  Tischchens  aufgelegt;  auf  die 
Schrauben  die  Deckplatte,  mit  der  gut  {flauen  Fläche  und 
dem  Silberscheibchen  nach  unten,  gelegt,  sodass  zwischen  Kör- 
per und  Platte  eine  Luftschicht  von  geringer  Dicke  (bei 
sämmtlichen  Messungen  nicht  über  0,2  mm,  meist  nur  we- 
nige Hundertstel)  vorhanden  ist.  Diese  Luftschicht  wird  dann 
vermöge  der  planen  Beschaffenheit  der  sie  begrenzenden 
Flächen  im  aUgemeinen  ein  Luftkeil,  im  speciellen  eine  plan- 
parallele Schicht  sein.  Denken  wir  uns  ferner,  der  Beleuch- 
tungsapparat sende  Licht  in  der  V,  B,  resp.  D  beschriebe- 
nen Weise  auf  das  Tischchen,  z.  B.  Na-Licht.  Vermöge  der 
schwach  keilförmigen  Form  der  Deckplatte  wird  das  an  der 
oberen  Seite  derselben  retiectirte  Licht  gar  nicht  zugleich 
mit  dem  an  den  anderen  Flächen  reflectirten  in  den  offenen 
Theil  des  Diaphragmas  gelangen,  sondern  seitlich  abgelenkt 
werden,  also  vom  Diaphragma  verdeckt  bleiben.  Es  gelangen 
nur  die  an  der  unteren  Fläche  der  Deckplatte  und  der  oberen 
des  Körpers  reflectirten  Strahlen,  also  das  hierdurch  erzeugte 
Interferenzsystem  in  die  freie  Hälfte  des  Diaphragmas.  Die 
Strahlen,  die  auf  das  Silberscheibchen  fallen,  werden  an 
diesem  sofort  reiiectirt,  gelangen  gar  nicht  in  den  Luftkeil, 
und  es  wird  dann  in  der  Mitte  des  Gesichtsfeldes  des  klei- 
nen Beobachtungsfernrohrs  eine  kreisförmige  helle  Marke 
zugleich  mit  dem  Interferenzsystem  erscheinen.  Dieses  In- 
terferenzsystem wird  sich  ferner  vermöge  des  Lnftkeils  und 
der  genau  planen  Beschaffenheit  der  den  Luftkeil  bestimmen- 
den Flächen  als  geradlinige  und  äquidistante  Streifen  darstellen, 


464  G.    Weidmann, 

deren  Abstand  nur  von  der  Grösse  des  durch  die  Schrauben 
regulirbaren  Luftkeils  abhängt.  (Vergl.  Fig.  II  p.  466). 

Die  Bedingung  der  genau  planen  Oberfläche  des  zu  un- 
tersuchenden Körpers  kann  zuweilen  nicht  oder  nur  schwer  er- 
füllt werden.  Aber  ohne  Eintrag  der  Genauigkeit  genügt  es  in 
diesem  Falle,  den  Körper  mit  einem  gut  planen  Zusatzstück, 
etwa  einer  dünnen  Quarzplatte,  zu  versehen  und  den  Luft- 
keil dann  zwischen  dem  Quarz  und  der  Deckplatte  herzu- 
stellen. Die  Versuche,  die  Hr.  Prof.  Abbe  auch  in  dieser 
Weise  angestellt,  zeigten  die  gleiche  Sicherheit  in  den  Re- 
sultaten. 

Durch  die  besondere  Beschaffenheit  der  Oberflächen  des 
Körpers  und  der  Deckplatte  gelingt  es  also,  annähernd  gerad- 
linige und  äquidistante  Streifen  herzustellen,  deren  Abstand 
durch  die  Schrauben  regulirt  werden  kann,  ebenso  wie  deren 
Richtung,  da  ja  die  Streifen  stets  parallel  der  Kante  des 
Luftkeils  verlaufen. 

D.  Beleuchtungsapparat.  In  dem  grössten  Theil 
der  von  mir  angestellten  Versuche  kamen  nur  Na-,  Li-  Th- 
Licht  zur  Verwendung,  mit  den  auf  Luft  bezogenen  Wellen- 
längen: 

Li  670,5 .  10-«,    Na  589,2 .  IQ-«,     Th  534,8 .  10-«. 

Da  aber  Th-Salze  äusserst  flüchtig,  deren  Dämpfe  auch 
schädlich  sind,  ferner  die  Li-Flamme  nicht  immer  gleich  intensiv 
brannte,  so  wurde  in  dem  letzten  Theile  der  Untersuchung 
nur  noch  das  Licht  der  Geissl  er 'sehen  Röhren,  und  zwar 
H  und  Hg-Röhren  benutzt.  Die  Wellenlängen  der  benutzten 
Linien  sind: 

H„  656,2.10-«,    Hg  577,8.10-«,    Hg«  546,1 .  10-«. 

Hg  kam  in  Wasserstofl"röhren  zur  Anwendung. 

In  Bezug  auf  Na  und  Hg  ist  noch  zu  bemerken,  dass 
beides  Doppellinien  sind.  Die  Dispersion  der  Prismen  war 
genügend,  um  die  verschiedenen  Farbencomplexe,  also  Roth, 
Gelb,  Grün  voneinander  zu  isoliren,  nicht  aber,  um  auch  die 
Doppellinien  zu  trennen.  Es  musste  deshalb  bei  der  Ein- 
stellung des  Interferenzapparates  (VII,  A.)  Rücksicht  auf  die 
dichromatische  Eigenschaft  beider  Linien  genommen  werden. 
In  dem  zu  bauenden  definitiven  Apparat  wird  aber  beabsich- 


Abbe^sches  Düatometer.  465 

tigt,  auch  diese  Doppellinien  zu  trennen.  Es  gelingt  dies 
durch  Einfügen  eines  Prisinas  a  vision  directe  zwischen  den 
Prismen  P^  und  F,y. 

Die  Plamraenfärbung  mit  Na,  Li,  Th  geschah  auf  fol- 
gende Weise.  Kleine  Ringe  aus  feinem  Eisendraht  wurden 
mit  den  Salzen  (hei  Na  und  Li  in  Lösung,  Th  in  fester  Form) 
gut  getränkt  und  dann  auf  einen  regulirbaren  Bunsenbrenner 
vor  das  Dilatometer  gebracht.  Diese  Ringe  gaben  für  län- 
gere Zeit  ziemlich  constante  intensive  Beleuchtung.  Vor- 
versuche hatten  gezeigt,  dass  sich  Salzperlen,  wie  sie  sonst 
zur  Plammenfärbung  üblich  sind,  zu  wenig  bewährten.  Das 
Licht  fiel  nun  senkreclit  auf  das  kleine  totalrefiectirende 
Prisma  p  vor  der  einen  Hälfte  des  Diaphragmas  des  Colli- 
matorfernrohrs  D  und  beleuchtete  diese  verdeckte  Hälfte. 

Hr.  Ebert  beschreibt  in  seiner  Abhandlung:  „lieber  die 
Abhängigkeit  der  Wellenlänge  des  Lichtes  von  seiner  In- 
tensität^'^), wo  er  einen  ganz  ähnlichen  Gegenstand  in  ähn- 
licher Gesammtiinordnung  behandelt,  eine  Reihe  von  Arten 
der  Flammenfärbung,  die  sich  auch  hier  als  zweckmässig 
würden  erwiesen  haben.  Da  aber  die  Ebert'sche  Ausfüh- 
rung der  Flammenfärbung  immerhin  einigermassen  compli- 
cirt  ist,  so  konnte  von  ihrer  Anwendung  abgesehen  werden, 
da  ja  auch  die  Färbung  mittelst  Eisendrahtring  genügte. 

Die  Geissler* sehen  Röhren  waren  von  Hm.  Haack 
in  Jena  hergestellt,  und  zwar  in  einer  neuen,  durchaus  em- 
pfehlenswerthen  Form,  wie  sie  bereits  auch  seit  längerer 
Zeit  in  der  optischen  Werkstätte 
von  Carl  Zeiss  in  Jena  zur  Ver- 
wendung gelangen.  Zwei  weitere 
verticale  Röhren  sind  durch  eine 
enge  horizontale  Capillare  verbun- 
den. Der  Inductionsstrom  bringt 
durch   zwei  Aluminiumspiralen  den  ^     * 

H,  resp.  Hg-Dampf  zum  Leuchten. 

Die  Capillare  wird  vermöge  ihres  engen  Querschnitts  in  sehr 
intensivem  Licht  erscheinen,  das  durch  eine  Linse  dann  auf 
das  totalreflectirende  Prisma  p  geworfen  wird. 

1)  Ebert,  Wied.  Ann.  82.  p.  337.  1887. 

Aun.  d.  rhjs.  a.  Cb«m.   N.  F.  XX.XVIII.  80 


Von  dem  Prisma  p  gellt  das  Liebt  in  der  unter  B.  be- 
schriebenen Weise  weiter. 

B.  Vorrichtung  zum  MeBsen  der  Streifenbreite. 
Ist  der  Interferenzapparat  in  der  BUcbse  gut  eingestellt  und 
mit  UQlfe  des  Spectroskops  mit  monochromatischem  Licht 
beleuchtet,  so  erscheint  dem  blossen  oder  besser  dem  mit 
dem  kleinen  Fernrohr  i,  bewaffneten  Auge  eine  Beihe  ab- 
wechselnd dunkler  und  heller  (je  nach  der  Wellenlänge  rother, 
golber,  grüner)  geradliniger  und 
aquidistanter  Streifen.  {Vgl.  Fig.II.) 
Der  Luftkeil  ist  so  regulirt,  dass 
ungefiihr  7  bis  8  dunkle  Streifes 
siebtbar  wird.  In  der  Mitte  dieses 
Systems  von  Interferenzen  ist  zu- 
gleich mit  diesen  das  leuchtende 
Silberscheibchen  A^  sichtbar.  Ist 
"*  nun   der    Apparat    mit  einer  Vor- 

Fig,  II.  richtung  versehen,  die  gestattet,  das 

Beobachtungsfernrobr  bei  sonstiger 
Un Veränderlichkeit  aller  anderen  Theile  um  eine  verticale 
Axe  zu  drehen,  so  kann  mau,  wenn  das  Streifensystem 
parallel  der  Collimatorfernrobruxe  liegt,  wie  hei  den  Ver- 
suchen, successive  mit  dem  Beobachtungsfornrohr  von  einem 
8reifen  zum  anderen,  von  rechts  nach  links  und  umgekehrt 
gehen. 

Fig.  2  gibt  einen  horizontalen  Durchschnitt  dieser  Dreh - 
Vorrichtung.  Innerlialb  des  kleinen  Fernrohrs  /,,  zwischen 
Objectiv  und  Oculiir  ist  ein  (jlat^plättchen  rf,  mit  einer  klei- 
nen schwarzen  Marke  in,  etwa  0,5  mm  breit,  2  mm  lang,  an- 
gebracht. Dn.s  Plüttchen  liegt  so,  dass  m  zugleich  mit  dem 
Silbersclieibchen  Ai/  und  dem  Fransensystem  scharf  erscheint. 
Durch  die  Schraube  E'  kann  man  das  Fernrohr  /,  um  Z>, 
drehen.  Die  Gegenfeder  E^  presat  die  Platte  mit  dem  Fern- 
rohr fest  gegen  die  Schraube  E'  an.  Man  kann  also  die 
Marke  successive  auf  die  einzelnen  hellen,  rcsp.  dunklen 
Streifen,  sowie  auf  die  Mitte  des  Silberscheihcbens  einstellen. 
An  der  Mikrometerschraube  E'  —  dieselbe  trägt  eine  Thei- 
lung  von  0— lUO  von  5  zu  5  Tiieilen,  von  denen  Fünftel  mit 


Abbe^sche»  Dilatometer,  467 

Sicherheit  abgelesen  werden  —  gegen  den  festen  Arm  a 
kann  man  die  successiven  Einstellungen  ablesen.  Bei  den 
Beobachtungen  wurde  die  Marke  stets  auf  die  Mitte  der 
hellen  Streifen  eingestellt^  da  das  Auge  deutlicher  die  G-leich- 
heit  eines  hellen  Saumes  zu  beiden  Seiten  der  Marke,  als  bei 
Einstellung  auf  die  dunklen  Streifen  die  Gleichheit  eines 
dunklen  Saumes  erkennen  kann.  < 

Das  Verfahren  der  Messung  der  Streifenbreite,  sowie 
des  Abstandes  des  Silberscheibchens  von  dem  Schwerpunkt 
des  Streifensystems  behandelt  VII,  B. 

VI.    Justirung  des  Dilatometer». 

Die  Operationen,  die  zur  Vorbereitung  der  wirklichen 
Beobachtungen  nöthig  sind,  erstrecken  sich: 

A.  auf  die  Regulirung  des  Interferenzapparates  in  Hin- 
sicht auf  Lage  und  Grösse  des  Lufbkeils; 

B.  auf  die  Justirung  des  Spectroskops  in  Hinsicht  auf 
Stellung  des  Collimatorfernrohres  und  der  Prismen. 

A.  In  Bezug  auf  die  Begulirung  des  Interferenzappa- 
rates möge  Folgendes  mitgetheilt  werden.  Durch  Einstellung 
der  drei  Schrauben  des  eisernen  Dreifusses,  auf  dem  der  zu 
untersuchende  Körper  ruht,  bringt  man  zunächst  die  obere 
Fläche  des  Körpers  zum  Contact  mit  einer  auf  die  Schrauben- 
spitzen aufgelegten  Planplatte.  Durch  Drehen  der  Schrauben 
entfernt  man  dann  diese  Platte  von  Substanz,  sodass  zwischen 
ihnen  sich  eine  dünne  Luftschicht  gebildet  hat,  und  ersetzt  nun 
diese  Platte  durch  die  Deckplatte,  mit  dem  Silberscheibchen 
nach  dem  Körper  zu  gerichtet.  Bei  Anwendung  von  Na-Licht 
ist  nur  Acht  zu  haben,  dass  der  Abstand  der  Deckplatte 
und  des  Körpers,  d.  h.  die  Luftdicke,  sich  nicht  einem  Mul- 
tiplum  von  500  JA  nähert,  damit  sich  nicht  die  von  der  Dop- 
pellinie des  Na  herrührenden  Interferensysteme  aulheben. 
Eine  gleiche  Bemerkung  gilt  für  die  Beobachtung  mit  der 
gelben  Hg-Linie.  Von  der  Erfüllung  dieser  Bedingung  über- 
zeugt man  sich  leicht  durch  eine  Messung  der  Luftdicke  mit 
dem  Dickenmesser  (VII,  E.). 

Die  weitere  Einstellung  des  Interferenzapparates  geschieht 

80* 


468  G.  Weidmann. 

mit  dem  Hülfsapparat  Fig.  4.  An  einem  Stative  ist  ein  ge- 
wöhnliches Spectroskopfernrohr  vertical  befestigt.  Die  Ein- 
richtung desselben,  die  mit  der  in  VB  beschriebenen  fast 
identisch,  ergibt  sich  zur  Genüge  aus  der  Zeichnung.  Nur 
ist  hier  in  der  Focalebene  des  Objectivs  nicht  die  eine  Hälfte 
eines  Diaphragmas,  sondern  nur  ein  verstellbarer  Spalt  s 
leuchtend.  Wird  der  Interferenzapparat  mit  Hülfe  dieses 
Fernrohres  beleuchtet,  so  erscheinen  im  freien  Theile  des 
Diaphragmas  zugleich  drei  Bilder  des  Spaltes  ^  die  mit  der 
Lupe  l  betrachtet  werden,  entstanden  durch  Reflexion  an  der 
oberen  (a)  und  unteren  (ä)  Seite  der  Deckplatte,  sowie  an 
der  oberen  Fläche  des  Körpers  (c).  Die  Entstehung  des 
Bildes  an  der  unteren  Körperfläche  ist  ja  durch  die  schwach 
^ concave  Form  (bezüglich  Schwär- 
zung)  gehindert.     Es   wurde    bei 


V 


-c 


-a- 


sämmtlichen  Versuchen  der  Luft- 
keil  so  regulirt,  dass  die  drei 
Bilder  die  Lage  Fig.  III  hatten. 
Die  Kanten  des  Glas-  und  Luft- 
keils sind  dann  parallel,  .fe  nach- 
dem h  und  c  mehr  oder  weni- 
r;     ~  '     ger  übereinander  lagern,  hat  der 

Luftkeil  einen  kleineren  oder 
grösseren  Winkel,  und  ist  damit  der  Abstand  zweier  aufein- 
ander folgender  Interferenzstreifen  grösser  oder  geringer. 
Der  Abstand  wurde  so  gewählt,  dass  er  für  Na-Licht  nahe 
doppelt  so  breit  wie  die  kleine  Marke  m  des  Beobachtungs- 
fernrohres war. 

Die  Regulirung  des  Interferenzapparates  ist  damit  be- 
endet; man  bringt  das  Tischchen  in  die  Büchse ,  sodass  die 
Kante  des  Luftkeils  parallel  mit  der  Collimatorfernrohr- 
axe  liegt. 

Durch  diese  Regulirung  ist  die  Lage  des  Luftkeils  voll- 
kommen bestimmt.  Man  hat  nur  noch  zu  berücksichtigen, 
dass  das  Fernrohr  umkehrt.  Tritt  dann  durch  eine  Tem- 
peraturvariation eine  Wanderung  des  Streifensystems  ein,  so 
genügt  eine  Beobachtung  des  Sinnes  der  Wanderung,  um  zu 
wissen,  ob  die  Luftdicke  wächst  oder  abnimmt,  ob  sich  also 
der  Körper  schwächer  oder  stärker  als  das  Tischchen  ausdehnt 


Ahbe^sches  DUatometer.  469 

B.  Der  zweite  Theil  der  Justirung  bezieht  sich  auf 
das  8pectroskop.  Dasselbe  ist  nach  Regulirung  des  Inter- 
ferenzapparates  so  zu  stellen,  dass  für  die  gewünschte 
Wellenlänge  das  Interferenzsystem  im  kleinen  Beobachtungs- 
fernrohr gut  sichtbar  ist.  Zur  Eegulirung  und  Controle  der 
Beleuchtung  entfernt  man  zunächst  Prisma  F^  (Fig.  1),  sieht 
durch  das  Objectiv  O  des  Fernrohres  D  nach  dem  Dia- 
phragma, genauer  nach  der  durch  das  totalreäectirende 
Prisma  p  verdeckten  Hälfte,  hin  und  stellt  die  Licht  gebende 
Flamme  oder  Geissler'sche  Bohre  so,  dass  diese  Diaphrag- 
menhälfte im  ganzen  Umfange  der  Objectivöffnung  hell  er- 
leuchtet erscheint.  Es  wird  nun  das  kleine  Fernrohr  l^  durch 
die  Lupe  l  ersetzt,  Prisma  P^  wieder  auf  den  Tubus  von  D 
aufgesteckt,  die  Kanten  beider  Prismen  nahezu  senkrecht  zur 
Femrohraxe  gedreht  und  das  Collimatorfemrohr  gehoben, 
resp.  gesenkt  und  zugleich  Prisma  P,  in  der  Verticalebene 
gedreht,  bis  in  der  freien  Diaphragmenhälfte  das  Bild  oder 
wenigstens  ein  Theil  desselben,  der  anderen  leuchtenden  Hälfte 
erscheint.  Durch  die  Schraube  E  wird  das  Fernrohr  in  dieser 
Lage  fixirt.  Beim  Drehen  des  Prismas  P^  vrerden  successive 
drei  Bilder  erscheinen,  je  nachdem  das  Licht  an  der  oberen 
und  unteren  Seite  der  Deckplatte  oder  der  oberen  Fläche 
des  Körpers  reflectirt  wird.  Die  beiden  letzten  Bilder  werden 
mehr  oder  weniger  zusammenfallen.  Man  stellt  Prisma  und 
Fernrohr  so,  dass  gerade  das  durch  Beflexion  an  der  unteren 
Fläche  der  Dekplatte  entstandene  Bild  die  freie  Hälfte  des 
kreisförmigen  Diaphragmas  ausfüllt.  Wird  jetzt  die  Lupe  / 
wieder  durch  das  Fernrohr  l^  ersetzt,  so  sieht  das  Auge  die 
auf  p.  466  skizzirte  Erscheinung. 

Will  man  bei  der  Beobachtung  von  Licht  einer  Wellen- 
länge zu  dem  anderer  Wellenlänge  übergehen,  so  ist  nur 
der  Flamme  die  betreffende  Färbung  zu  ertheilen,  resp. 
die  entsprechende  (ieissler'scbe  Röhre  vor  das  total  reilec- 
tirende  Prisma  zu  bringen  und  das  Collimatorfemrohr  so 
weit  zu  heben  oder  zu  senken,  bis  wieder  die  Streifen  er- 
scheinen. Da  die  Grösse  dieser  Hebung  oder  Senkung  durch 
Versuche  bestimmt  ist,  bietet  dieser  Uebergang  von  einer 
Farbe  zur  anderen  keine  Schwierigkeit. 

Damit    sind    sämmtliche    Vorbereitungsoperationen    be- 


470  G.  Weidmann. 

endet,  und  die  Beobachtung  kann  beginnen.  Zu  dem  Ver- 
fahren, das  bei  der  Beobachtung  einzuschlagen,  wenden  wir 
uns  jetzt. 

VII.    Verfahren  bei  der  Messung  und  Vcrworthung  der 

Messuugsresultate. 

Die  Beobachtung  zerfällt  in  mehrere  Theile.  Es  ist 
zunächst: 

A.  Temperaturbestimmung  bei  Beginn  und  Ende  des 
Versuches,  sowie  die  dazwischen  verlaufende  Temperatur- 
variation vorzunehmen; 

B.  die  Streifenbreite,  sowie  der  Abstand  des  Schwer- 
punktes des  Interferenzsystems  vom  Silberscheibchen  für  jede 
Temperatur  zu  ermitteln  und  dies 

C.  zum  Zwecke  der  Bestimmung  der  Bruchtheile  und 
Berechnung  der  ganzen  Multipla  der  Streifenbreite,  die  bei 
Uebergang  von  einer  Temperatur  zu  einer  anderen  an  der 
festen  Marke,  dem  Silberscheibchen,  vorbeigewandert  sind  und 

D.  eventuell  zur  Berechnung  der  absoluten  Lufbdicke. 

E.  Schliesslich  sind  zur  Berechnung  der  gesuchten  Aus- 
dehnungscoefficienten  noch  einige  Längenmessungen  erfor- 
derlich. 

A.  Ist  der  Apparat  justirt,  so  ist  dem  Interferenz- 
apparate die  gewünschte  Temperatur  zu  ertheilen.  Bei  Be- 
ginn der  Versuche  wurden  nur  mittlere  Ausdehnungscoefti- 
cienten  der  Substanzen  bestimmt,  also  nur  bei  0^  und 
Siedetemperatur  des  Wassers  beobachtet.  Dazu  wurde  die 
Büchse,  die  den  Interferenzapparat  enthält,  ungefähr  bis  zum 
Beginn  des  Porzellanrohres  einmal  mit  einem  doppelwandi- 
gen  Holzkübel  mit  fein  gestossenem  Eis  umgebeo,  im  anderen 
Falle  in  einem  doppel wandigen  Siedegefäss,  dessen  Wasser- 
niveau durch  Verbindung  mit  einer  Mari otte'schen  Flasche 
auf  constanter  Höhe  gehalten  wurde,  mit  Dämpfen  sieden- 
den Wassers. 

Das  Dilatometcr,  das  bei  den  Versuchen  zur  Verfügung 
stand,  war  als  provisorischer  Apparat  nicht  eben  sehr  fest 
gebaut,  und  kleine  Erschütterungen  waren  im  Stande,  an 
dem  Interferenzapparate  Verschiebungen  eintreten  zu  lassen. 
Bei  dem  häufigen  Wechsel  von  Eis-  und  Siedegefäss  traten 


Abbt^sches  Dilatometer,  471 

denn  auch  zuweilen  solche  Erschütterungen  ein;  die  Beob- 
achtungen waren  dann  unbrauchbar.  In  der  Folge  wurde 
deshalb  von  der  Anwendung  der  Eis-  und  Siedegefässe  ab- 
gesehen und  die  Beobachtungen  bei  zwischen  0  und  100^ 
liegenden  Temperaturen  ausgeführt,  nachdem  bereits  durch 
Vorversuche  der  mittlere  Ausdehnungscoefficient  ermittelt 
war.  Der  Apparat  wurde,  wieder  etwa  bis  zum  Porcellan- 
rohr,  in  ein  grosses  doppel wandiges  Messinggefäss  gesetzt, 
dessen  äusserer  und  innerer  Cylinder  mit  Wasser  voll« 
ständig  gefüllt  war.  Der  äussere  Cylinder  war  bis  auf  eine 
kleine  Oeffnung  im  Deckel,  in  der  eine  Glasröhre  als  Ther- 
mometer steckte,  geschlossen;  in  der  Wandung  aber  für  die 
Tempera turregulirung  ein  D'Arsonval' scher  Thermostat 
eingelöthet.  Der  Thermostat  functionirte  so  gut,  dass  das 
Thermometer  im  inneren  Cylinder,  dessen  Temperatur  bei 
stationärem  Zustande  kaum  mehr  als  0,1 — 0,2^  von  der  des 
Interferenzapparates  abweicht,  nie  grössere  Schwankungen 
als  0,15^  ganze  Stunden  hindurch  zeigte.  Dies  war  aber  hin- 
reichend für  die  Beobachtungen,  da  der  provisorische  Apparat 
für  diese  Temperaturschwankungen  nicht  hinreichend  em- 
pfindlich war. 

Zunächst  wurde  bei  stationärem  Zustande  das  Inter- 
ferenzsystem auf  die  in  VII,  B.  angegebene  Art  bei  Zimmer- 
temperatur (4 — 15^  C.)  beobachtet,  dann  wurde  dem  G-efäss 
mit  dem  Thermostaten  die  gewünschte  Temperatur  ertheilt 
und  der  Thermostat  hierauf  in  Function  gesetzt.  Nach  Ein- 
tritt des  stationären  Zustandes  (etwa  nach  drei  Stunden) 
geschah  wieder  die  Ablesung.  Die  Beobachtungen  wurden 
in  der  Regel  bei  Zimmertemperatur,  bei  einigen  zwischen 
diesen  und  80^  liegenden  Temperaturen  und  bei  80^  selbst 
angestellt  und  der  Controle  wegen  rückwärts  die  Messungen 
wiederholt. 

B.  Es  ist  die  einer  bestimmten  Temperaturvariation 
t'  —  t  entsprechende  Temperaturverschiebung  /  zu  ermitteln. 
Die  Bruchtheile  der  Fransenbreite  ergeben  sich  direct  als 
Differenz  der  durch  Beobachtung  erhaltenen  Abstände  des 
Silberscheibchens  gegenüber  dem  Schwerpunkt  der  Inter- 
ferenzen; die  ganzen  Multipla  werden  mittelst  einer  Tabelle 
aus  den  Ablesungen  berechnet.    Bei  einer  bestimmten  Tcm- 


472  G.   Weidmann. 

peratur  nach  Eintritt  des  stationären  Zustandes  beobachtet 
man  das  Interferenzsystem  so:  Man  stellt  die  Marke  im 
Beobachtungsfernrohr  successive  auf  die  Mitte  von  fünf  hellen 
Streifen  des  Systems  {a^  a^  a^  a^  a^  vgl.  Fig.  II  p.  466),  sowie  auf 
die  Mitte  des  Silberscheibchens  a^  ein  und  notirt  die  diesen 
Einstellungen  entsprechenden  Zahlen  der  Mikrometerschraube. 
Der  Controle  wegen  wird  die  Ablesung  rückwärts  wiederholt. 
Die  fünf  aufeinander  folgenden  Streifen  wurden  so  gewählt, 
dass  das  Silberscheibchen  sich  zwischen  dem  dritten  und 
vierten  Streifen  befand.  Die  Unsicherheit  der  Einstellung 
war  gering.  Mehrere  aufeinander  folgende  Einstellungen  auf 
das  Silberscheibchen  wichen  z.  6.  nie  mehr  als  ±0,01  Schrau- 
benumdrehungen ab. 

Aus  den  gemachten  Ablesungen  hat  man  direct  den 
mittleren  Werth  des  Streifenabstandes,  gemessen  in  der  will- 
kürlichen Einheit  der  Schraubenumgänge,  sowie  den  Abstand 
des  Silberscheibchens  von  dem  nächst  vorangehenden  oder 
folgenden  hellen  Streifen  oder  damit  den  Abstand  von  Schwer- 
punkt des  Interferenzsystems  und  Silberscheibchens,  diesen 
Abstand  als  Bruchtheil  der  Streifenbreite. 

Die  Ablesungen  erfolgen  für  mindestens  zwei  Lichtarten; 
zur  Controle  j  sowie  zur  Berechnung  von  absoluter  Luftdicke 
ist  noch  die  Ablesung  für  eine  dritte  Lichtart  nöthig,  z.  B. 
Na,  Li,  Th  oder  H,  Hg,  Hg.  Die  erste  Lichtart  wird  am 
Schlüsse  nochmals  beobachtet,  um  zu  constatiren,  dass  wäh- 
rend der  Dauer  der  Ablesung  (insgesammt  vielleicht  10  m) 
keine  Verschiebung  des  Interferenzapparates  eingetreten  ist. 
Folgendes  Beispiel  diene  zur  Erläuterung: 

Quarz,  parallel  der  Axe  geschnitten.  8.  Januar  1888. 
9  Uhr  vormittags. 

( =  8,530  Q 
Na  Li  Th  Na 

a^  0,09    10  0,10    12  0,20    10  ü,tM)    95 

a^  0,«2    80  0,85    87  0,80    74  0,70    70 

a,  1,59    53  1,60    (>2  l,4f)    38  2,42    38 

(flo)    1(901   (90)     2(00)   (Ol)     1(80)   (77)     2(76)   (76) 

a^  2,30    27  2,44    46  2,08    03  3,12    12 

a^  3,05    02  3,25    28  2,72    70  3,92    88 

Die  Zahlen  in  den  Verticalcolumnen  geben  die  Stellung 
der  Mikrometerschraube  bei  Coincidenz  von  Marke  und  einem 


Abbe'sches  Düatometer.  473 

hellen  Streifen  (a,  .  . .  a^)^  resp.  dem  Silberscheibchen  (a^). 
Die  Zahl  der  ganzen  Schraubenumdrehungen  wird  nach  der 
Messung  ergänzt,  da  bei  sämmtlichen  Versuchen  der  Ab- 
stand zweier  Streifen  für  Na -Licht  nie  1,00  Umdrehung 
überstieg. 

Aus  den  Ablesungen  ergibt  sich  der  mittlere  Werth  des 
Streifenabstandes  gleich: 

jf?5^^i  +  ^':^<j;    also  für  Na  0,74,  Li  0,79,  Th  0,64; 

die  mittlere  Entfernung  des  Silberscheibchens  aber  von  dem 
zunächst  vorangehenden  hellen  Streifen  stellt  sich  dar  durch: 

Somit  der  Abstand  des  Schwerpunktes  der  Streifen  vom 
Silberscheibchen  gemessen  als  Bruchtheil  der  Streifenbreite: 

für    Na  =  J;f,  =  0,46,     Li  =  g^  =  0,44,    Th  =  ?g  =  0,59. 

Bei  einer  nun  eintretenden  Temperaturvariation  werden 
im  allgemeinen  die  Interferenzstreifen  über  das  Gesichtsfeld 
wandern,  während  das  Silberscheibchen  seine  Stellung  bei- 
behält, wenn  nicht  äussere  Erschütterungen  auf  den  Inter- 
ferenzapparat wirken.  Nach  Eintritt  des  stationären  Zustandes 
wird  die  Marke  gegenüber  dem  Fransensystem  eine  andere 
Lage  einnehmen,  wenn  nicht  gerade  eine  ganze  Anzahl  von 
Streifen  über  die  Marke  gewandert  sind.  Diese  neue  Lage 
wird  wiederum  für  mindestens  zwei  Lichtarten  ^  deren  Beobach- 
funff  aber  auch  zur  Ermittelung  der  Fransenverschiebung  ausreicht^ 
bestimmt. 

C.  Aus  den  Einzelbeobachtungen  für  jede  Temperatur  wird 
die  Streifenverschiebung  beim  Uebergange  von  einer  Tempera- 
tur zur  anderen  auf  Grund  folgender  Ueberlegung  rechnerisch 
ermittelt.  Durch  die  Keguhrung  des  Interferenzapparates 
ist  die  Lage  des  Luftkeils  und  damit  zugleich  bestimmt,  zu 
welchen  Stellen  der  Luftschicht  Drehungen  der  Mikrometer- 
schraube im  Sinne  des  Uhrzeigers  führen.  Nehmen  wir  an 
zu  Stellen  grösserer  Dicke.  Dann  ist  für  eine  bestimmte 
Temperatur  die  Dicke  der  Luftschicht  gerade  unter  dem 
Silberscheibchen  für  Licht  einer  bestimmten  Wellenlänge: 


474  G,   Weidmann, 

c/  =  (m  +  J  +  a)  — , 

wo  m  eine  ganze  Zahl,  a  der  Abstand  von  Marke  und 
Schwerpunkt  der  Streifen  bedeutet  Diese  Gleichung  gilt 
für  jede  Temperatur  t  und  Wellenlänge  X,    Also  etwa: 

bei  t^       d^  =  Kl  +  J  +  cf^i  )-i-  =  (woa  +  J  +  cz^a)  y' 

„     ^3       dt  =  (wiM+  J  +  a<.  i)  y  =  (w,,  2+  f  +  «i^«.  2)  Y  • 

Ist  mit  hinreichender  Genauigkeit  die  Wellenlänge  ge- 
geben, 80  resultirt  leicht  aus  diesen  Gleichungen  die  Dif- 
ferenz Ad  =  dt-^  d^  der  Luftdicken  bei  den  verschiedenen 
Temperaturen,  d.  h.  aber,  wir  erhalten  die  gewünschte  Strei- 
fenverschiebung /. 

Es  ist:  Ad  =  dt—  d^^ 

X  X 

=  T  {^ti  —  moi  +  an  +  «oi)  =  —  ('"«—'^'03  +  ^n  —  am). 


•v^ 


A^  A3  sind  gegebene  Grössen ,  a^  a^  beobachtet.  Man 
kann  nun  entweder  für  jeden  einzelnen  Fall  die  Lösungen 
«1  713  der  diophantischen  Gleichung  finden.  Praktischer  ist 
es,  durch  Anfertigung  einer  Tabelle  diese  Werthe  rein  mecha- 
nisch aufzusuchen.  Jene  Gleichung,  etwas  umgeformt,  führt 
direct  auf  die  Einrichtung  dieser  Tabelle. 

Es  kommt: 

/-  (w^  +  «i)  =  W2  +  c^a,       oder  wenn    /  =  /£, : 

''h^'i  ~  'h  =  ^2  ~~  ^i/'i  ~  ^'i>  ^^^  ^'1  ^^^^^  <  !• 
Wir  fertigen  also  eine  Tabelle  an,  in  deren  einer  Co- 
lumne  die  ganzen  Zahlen  n^  (etwa  von  0  bis  30);  in  deren 
zweiter  Columne  die  zugehörigen  ji^^i^  stehen;  für  jeden  ein- 
zelnen concreten  Fall  sind  dann  die  Werthe  n^^^  zu  mar- 
kiren,  deren  Decimalstelle  bis  auf  eine  geringe  Abweichung, 
bei  den  vorliegenden  Versuchen  etwa  bis  auf  ±  0,04  mit  der 
Decimalzahl  c^  übereinstimmen.  Das  zu  n^n^  gehörige  n^ 
ist  dann  die  gesuchte  ganze  Zahl  n^ .  Im  Wesen  der  dio- 
phantischen Gleichungen  ist  es  aber  begründet,  dass  wir 
nicht  eine  Zahl  Wj,  sondern  unendlich  viele  Werthsysteme  n^iu 
erhalten,  die  der  vorgegebenen  Gleichung  genügen.  Es  wird 
sich  aus  der  unten  folgenden  Tabelle  ergeben,   dass  bei  Na 


Abbe^sches  Düatometer. 


475 


und  Li   immer   zwei  Zahlen  n,    dieser  Mannigfaltigkeit  die 
Differenz  8,  resp.  9  zeigen;  also: 

n^'  =  «j  +  8,       nj"  «  Hj  +  16,       n/"  =  n^  +  25    etc. 


n 


u 


Welche  Zahl  »^  n/ ist  die  der  Wirklichkeit  ent- 
sprechende? 

Ad  ^  dt  —  d^  gibt  die  Differenz  der  Ausdehnungen  von 
Stahl  und  Substanz.  Der  mittlere  AusdehnungscoSfficient 
von  Stahl  ist  ca.  108. 10-^  für  ^'— /=100®.  Die  grösste 
bei  den  Versuchen  benutzte  Temperaturdifferenz  würde  sich 
also  bei  10  mm  Stahl  —  die  gewöhnlich  benutzte  Länge  — 
um  höchstens  30.  Uw^  verlängern.  Andererseits  beträgt  der 
lineare  Ausdehnungscoefdcient  der  Glassorten  nach  allen 
vorliegenden  Beobachtungen  nicht  mehr  als  120.10-^  und 
nicht  weniger  als  50.10—^.  Daraus  folgt,  dass  «^  zwischen 
—4  und  +18  liegen  muss.  Zur  Bestimmung  des  Vorzeichens 
genügt  bei  Kenntniss  der  Lage  des  Luftkeils  nur  eine  kurze 
Beobachtung,  in  welchem  Sinne  beim  Erwärmen  die  Fransen 
wandern.  Ist  die3  Vorzeichen  negativ,  so  muss  n^  zwischen 
0  und  —4  liegen.  Es  ist  also  damit  ti^  vollkommen  bestimmt; 
im  anderen  Falle  liegt  n,  zwischen  0  und  18;  da  sind  im 
ungünstigsten  Falle  drei  Werthe  möglich;  eine  neue  Beob- 
achtung der  Ausdehnung  für  die  Temperaturdifferenz  t'  —  t 
=  40  —  50"  ergibt  dann  aber,  welcher  der  drei  Werthe  zu 
wählen  ist. 

Da  bei  Beginn  der  Versuche  Na-,  Li-,  Th-Licht  ver- 
wendet wurde,  möge  jetzt  die  Tabelle  für: 

X,         Na        0,000  589  2        /^  o^or. 


r\ 

A, 

Li 

0,000  670  2 

w,v  -  w . 

folgen 

• 

I.  N 

a  —  Li. 

Wl 

^ii^X 

"i 

.,    ^if'i 

.... 

1 

II 

ll 

«i/ii 

1 

1  _  _ 

^f'i 

{) 

0,00 

s 

7,03 

,  16  ! 

14,06  '  25 

1  21,97 

33 

29,00 

1 

0,86 

9 

7,91 

17 

14,94  !  26 

1  22,85 

•  34 

29,88 

»2 

1,7(5 

'  10 

8,79 

'  18 

15,82   27 

28,72  • 

1  35 

30,75 

3  ; 

2,64 

,  11 

9,67 

,  19 

16,69  ;  28 

i  24,60  ! 

1  36 

31,63 

4 

H,51 

12 

10,54 

'  20 

17,57   29 

:  25,48  ; 

37 

32,51 

.') 

4,:so 

1  la 

11,42 

21 

18,45   30 

26,36 

38 

33,:<9 

♦> 

5,27 

14 

12,30 

,1  -^    ' 

19,33  ;  31 

27,24 

39 

34,27 

7 

«,15 

15 

13,18 

''  23  , 

20,21  ,  32 

1  28,12 

40 

35,15 

8 

7,n;i 

'  16 

14,06 

„  24  ' 
.1  25  ! 

21,08  i'  33 
21,97  |i 

28,99  ■ 

1 

1  41 

i 

36,03 
etc. 

476  G.   Weidmann. 

In  derselben  Weise  fertigt  man  die  Tabelle  für  die  Com- 
bination  zweier  beliebig  anderer  Lichtarten  an. 

Folgendes  Beispiel  möge  den  Gebrauch  der  Tabelle  er- 
läutern.   Es  wurde  beobachtet: 

15.  Sept.  1889.    Quarz,  senkrecht  zur  Axe  geschnitten. 
Für  t  =  0^  ofoi  =  0,25,        «02  =  ^»36» 

,f    ^==99,97,         an  ==0,76,         cf«  =  0,69, 

wo  1  sich  auf  Na,  2  auf  Li  bezieht 
Demnach: 

cci  =  cfn  —  obi  =  +  0,51 ,  cti  =  (Xt2  —  of 03  =  +  0,33. 

cc^  (£2  haben  die  richtigen  Vorzeichen ,  da  beobachtet 
wurde,  dass  sich  Stahl  mehr  ausdehnt,  als  Quarz.     Also: 

niltii-na=:  ofg-  c^jlij  =  0,33-0,51 .0,88  =-0,12  =+0,88  =  c^. 

Aus  obiger  Tabelle  entnehmen  wir  also  alle  n^,  denen 
n^fi^  entsprechen,  deren  Decimalstelle  bis  auf  ±0,04  c^  nahe 
komme,  d.h.  zwischen: 

0,84    und    0,92 
liegen.    Es  resultiren  für  n^  die  Zahlen: 

1,    9,    26,    34 

Da  nun  Quarz  in  Richtung  der  Axe  eine  Ausdehnung 
von  ca.  80.10-'  hat,  so  folgt: 

nj=  +9,         »2=  WiiU^  —  Ci=  7,91  +  0,12  =  8. 

Demnach,  da: 

Ad=dt--d^^  (wj  +  Of J  2  =  {n.  +  «2)  Y  ' 

Jrf  =  9,51  -'  =  9,51  /ii  i^  =  8,36  v    (berechnet). 

Beobachtet  wurde  aber: 

Jri  =  9,51^j       und      8,33-^'» 

im  Mittel  also:  s^^r,K       ^K 

•V^  J  =/  2  • 

In  gleicher  Weise  ist  für  jede  einzelne  Beobachtung  zu 
verfahren.  Es  genügt  also  im  Frincip  zur  Berechnung  der 
durch  das  Silbertheilchen  gewanderten  Fransenbreite  die 
Beobachtung  des  Interferenzsystems  mit  nur  zwei  verschie- 
denen Lichtarten  und  Benutzung  einer  Tabelle. 

Im  Falle  praktisch  nur   Beobachtungen   mit  zwei  Licht- 


Ahbi?$ches  Düatometer.  All 

arten  ausgeführt  werden  können,  empfiehlt  es  sich,  wenigstens 
Lichtarten  von  wenig  dififerenten  Weilenlängen  zu  nehmen. 
In  dem  Falle  Na  —  Li  liegen  zwischen  0  und  30  bereits  drei, 
resp.  vier  Werthe  71^,  die  der  Gleichung  genügen  können, 
von  denen  aber  nur  ein  Werth  der  Wirklichkeit  entspricht. 
Würde  man  z.  B.  Ug  grün  und  gelb  als  Lichtquelle  benutzt 
haben,  so  ergibt  sich  aus  einer  hierfür  berechneten  Tabelle, 
dass  zwischen  0  und  30  nur  zwei  Werthe  liegen.  Die  Dif- 
ferenz zwischen  zwei  solchen  Werthen  beträgt  hier  schon  18, 
während  sie  für  Na  —  Li  ja  nur  8,  resp.  9  betrug. 

D.  In  praktischer  Ausführung  wird  man  gut  thun,  so- 
weit dies  ohne  Schwierigkeit  möglich  ist,  die  Beobachtung 
auf  drei  verschiedene  Lichtarten  auszudehnen;  einmal  der 
Controle  wegen,  und  dann  aucli,  was  eventuell  von  Wichtig- 
keit sein  kann,  zur  Berechnung  der  absoluten  Luftdicke  e 
für  eine  bestimmte  Temperatur.  Bei  Beobachtung  mit  drei 
Lichtarten  ist  die  Kenntniss  der  Lage  des  Luftkeils  ebenso 
wenig,  wie  Kenntniss  des  Vorzeichens  der  durch  das  Silber- 
scheibchen  gewanderten  Streifenbreiten  nöthig.  Dieses  Vor- 
zeichen ergibt  die  Rechnung  selbst.  Zur  Erläuterung  diene 
das  auf  p.  476  mitgetheilte  Beispiel. 

Es  war  für  Na,  Th,  Li  beobachtet: 

für   <  =  0«,  «01=0,25,       «02  =  0,36,       «03  =  0,37, 

V     ^=99,07«,      an  =  0,76,       a,2  =  0,69,       «,3  =  0,85, 

also  ist: 

(Zj  =;=  0,51,       cf.  =  0,33,       «3  =  0,48. 

An  Stelle  der  einen  Gleichung  p.  476  «li^ii  — «2  =  «!— «1)^1 
treten  jetzt  zwei: 

2)     ^  ^i  -  W3  ==  «3  -  «1^3  =  Cg, 
wo:       /i3  =  J»  =  ijj  =  1,1015,       c,  =  0,12,      c^  =  0,13, 

dabei  können  aber  c^  und  Cg  sowohl  ±  sein,  da  ja  die 
Lage  des  Luftkeils  als  nicht  bekannt  vorausgesetzt  wird, 
und  demnach  in  den  Grundgleichungen: 

a  sowohl  positiv  als  negativ  sein  kann. 


478  G.   Weidmann. 

Berechnen  wir  jetzt  eine  zweite  Tabelle  für  jU2=  1,1015, 
80  ergibt  sich: 

I.    Ci  =  +  0,12,  also  für  0,08  -  0,16, 
Ca=  +0,13,     „      ,,    0,09-0,17. 

Na  —  Li       »1  -  7,     24,     32,     40,     48,     57,     65,     73,      90 

Na-Th     ni=l,      11.     21,     31,     41,     51,     61,     70,     80,      90 

IT.     Cj  =  -  0,12  =  4,88,  also  für  0,84  -  0,92, 
c,  =  -  0,13  =  4,87,     „      V    0,83  -  0,9L 

Na—  Li       n,  ==  1,       »,     26,     34,     42 

Na  —  Th     «1  =  9,     28,     38,     48 

Nur  solche  Werthe  n^  genügen  den  Gleichungen  (1)  und 
(2),  die  beiden  Werthsystemen  Na — Li  und  Na— Th  gemein 
sind;  also  in  diesem  Beispiel: 

iij  =  9,        Wj  =  90. 

Da  nun  n^  zwischen  0  und  30  liegen  muss,  so  kommt  also: 

n^  =  +  9,        ^1  =  -  0,12,        ^,  =  -  0,13. 

Ausser  der  Zahl  9,  resp.  90  würde  es  natürlich  auch 
hier  wieder  eine  einfach  unendliche  Mannigfaltigkeit  von 
ganzen  Zahlen  n^  geben,  die  beide  Gleichungen  (1)  und  (2) 
zugleich  erfüllen.  Diese  Mannigfaltigkeit  ist  bei  Benutzung 
von  Na  ,  Li-,  Th-Licht  dadurch  charakterisirt,  dass  die  Dif- 
ferenz zweier  aufeinander  folgender  Zahlen  90  beträgt. 

Die  Differenz  der  Luftdicken  resultirt  dann  wie  auf 
p.  474  durch: 

^  9,51  ]^    =  HM  ]^   =  10,47  2*    l)ercchnet, 

=  9,51  ^^  ;      8,33  2*  ;      10,52  j    beobachtet. 

Also  Mittelwerth  der  beobachteten  Grössen  9,51  JAj. 
In  gleicher  Weise  verfährt  man  bei  Berechnung  der  ab- 
soluten Luftdicke.     Aus: 

^0  =  Kl  + 1  +  ^^01)  2  =  (^'02  +  J  +  ^02)  i  =  (%'s  + 1  +  «03)  t' 

resultiren   auch   hier   wieder  zur  Berechnung   von   ji^^   zwei 
diophantische  Gleichungen: 


AbMschett  Dilatometer.  479 

»Ol  ^1  -  »»03  =        0-0^»  +  ^0%  -  ."l  «Ol  =  ^1» 

Woi/^3  -  »«OS  =   -  ^»05  -  «03  ~  Cfoi^2  ==  ^> 

WO  auch  hier  /ij  =  0,8787,  Mg  =  1,1015. 

Für  das  Beispiel  p.  476  würde  resultiren,  da: 

f^,j  =  0,46,     ^03  =  0,44,    «03  =  0  59, 
Ci  =  0,ll,       C2  =  0,03. 

Ist  auch  hier  wieder  c^  c^  mit  einem  Fehler  ±  0,04  be- 
haftet, so  hat  man  demnach  solche  n^  ^^  i^  ju,  in  den  Tabellen 
zu  suchen,  deren  Decimalstellen  zwischen  0,07 — 0,15,  resp. 
0,99—0,07  liegen.     Es  sind  dies  die  Werthe: 

Na— Li  Woi  =  7  24  32  40    57  65  73  90 ...  . 
Na— Th  Woi  ^  0  10  20  30  40    50  69  79 ...  . 

Beiden  Gleichungen  genügt  also  der  Werth  n^^  =  40 
oder  da  zwei  Wq^  um  99  dififeriren: 

40     139     238 

Da  aus  einer  directen  Längenmessung  (die  ja  nur  bis 
auf  circa  0,008  mm  genau  zu  sein  braucht): 

r/.  =  0,036  mm  =  122  7> 

gefunden  wurde,  so  ist  7/01  =  ^'^^  ^'^^  richtige  Zahl. 
Die  Dicke  (Iq  kommt  dann: 

,/,,  =  (139  +  0,5  +  0,46)  \]  =  139,96  ^»  =  122,98  ^;  =  154,16  ^  . 

.rf  ^  A  A 

Beobachtet  wurde: 

(l„  =  13»,9G  -}  ,  122,94  t' ,  154,09  i'  • 

A  A  A 

Ist  somit  für  jede  einzelne  Temperatur  die  absolute 
Luftdicke  ermittelt,  so  ergibt  die  Differenz  je  zweier  ausser 
der  Anzahl  der  gewanderten  Interferenzstreifen  noch  den 
Sinn  des  Wanderns.  Man  weiss  sofort,  welche  Ausdehnung 
überwiegt,  die  des  Körpers  oder  Tischchens.  Auf  die  abso- 
luten Dicken  zurückzugehen,  ist  praktisch  aber  noch  deshalb 
von  Vortheil,  weil  die  absolute  Dicke  in  die  Gleichung  für 
den  Ausdehnungscoefficienten  selbst  eingeht. 

Doch  möge  hier  nochmals  hervorgehoben  werden,  dass 
principiell  zur  Ermittelung  der  einem  gewissen  Tempernturüber- 
gang  entsprechenden  Streifenverschiebung  die  Beobachtung  mit  nur 
zwei  verschiedenen  Lichtarten  y  also  die  Benutzung  einer  Tabelle 
ausreicht. 


480  G.   Weidmann. 

E.  Nach  p.  456  wurde  die  Gleichung  für  die  Ausdeh- 
nung in  folgender  Forin  erhalten: 

a  L  +  e'       2     =t  ^'  +  ^  Zr  +  e  ' 

Hat  man  entweder  durch  absolute  Messungen,  oder  in- 
dem man  auf  einem  Normalkörper  zurückgeht  (wie  in  der 
vorliegenden  Untersuchung)  die  Constante  des  Dilatometers, 
d.  h.  den  Ausdehnungscoefficienten  ß,  zugleich  auch  in  seiner 
Abhängigkeit  von  der  Temperatur  ermittelt,  so  fehlt  zur  Be- 
rechnung von  Uf  des  gesuchten  Ausdehnungscoefficienten,  jetzt 
nur  noch  die  Kenntniss  der  Längen  />,  L  +  e  oder,  wenn  e 
rechnerisch  ermittelt,  nur  L. 

Fizeau  machte  die  Längenmessungen  durch  ein  Brun« 
ner'sches  Hebelsphärometer,  welches  Zehntausendstel  eines 
Millimeters  angab.  Das  Internationale  Messbureau  bedient 
sich  des  sogenannten  Wild'schen  Sphärometers.  Auch  dieses 
stand  für  die  Messungen  zur  Verfügung;  aus  mehreren  Grün- 
den wurde  aber  von  seiner  Benutzung  abgesehen,  vielmehr 
wurde  ein  von  Hrn.  Prof.  Abbe  construirter  mikroskopischer 
Dickenmesser  benutzt,  der  Tausendstelmilliraeter  abzulesen 
gestattete.  Eine  detaillirte  Beschreibung  desselben  soll  in 
der  Zeitschrift  für  Instrumentenkunde  erscheinen.  Die  Län- 
gen wurden  sicher  bis  auf  0,002  mm  gemessen.  Bei  einer 
Streifenverschiebung  von  /=  10,  Temperaturdiflferenz  100" 
und  /.  =  10  mm  macht  sich  die  Unsicherheit  der  Längen- 
messung 0,02  mm  erst  in  der  9.  Stelle  des  Ausdehnungscoeffi- 
cienten um  6  Einheiten  geltend. 

Wir  haben  damit  die  Beschreibung  des  Apparates,  seiner 
Theile  und  deren  Wirkungsweise,  die  Darstellung  der  Beob- 
achtungsmethode und  Berechnungsweise  der  durch  Beobach- 
tung ermittelten  Daten  beendet  und  können  zu  den  Beob- 
achtungsresultaten übergehen. 

VIII.   Beobachtungaresultate. 

Die  Beobachtungen  hatten  einmal  den  Zweck  einer  vor- 
läufigen üonstantenbestimmung  des  Apparates,  des  Ausdeh- 
nungscoefficienten des  MetalldreifusseS;  sowie  dessen  Ab- 
hängigkeit von  der  Temperatur;  dann  selten  auf  Grund  dieser 


Ablnfsches  Däatameter.  481 

Resultate  die  Ausdehnan^scoefficienten  einiger  neuerer  opti- 
scher Gläser  untersucht  werden. 

A.  Die  Bestimmung  der  Constanten  war,  wie  alle  Be- 
stimmungen, eine  relative.  Zu  absoluten  Messungen  ist  der 
Apparat  ohne  einige  Abänderungen  nicht  besonders  geeignet. 
Alle  Messungen  wurden  deshalb  auf  einen  Normalkörper  be- 
zogen, einen  Körper,  von  dem  zu  erwarten,  dass  er  stets  in 
derselben  Qualität  zu  erlangen.  Ein  solcher  Körper  ist 
Quarz.  Für  Quarz  hat  Fizeau  eine  Reihe  von  Ausdehnungs- 
bestimmungen gemacht,  einmal  in  Richtung  der  Axe,  dann 
senkrecht  dazu.  Er  gibt  ferner  die  Temperaturcoefficienten 
der  Ausdehnungscoefficienten  an.  Diese  von  Fizeau  gefun- 
denen Werthe  wurden  der  ganzen  Beobachtung  zu  Grunde 
gelegt. 

Es  wurde  eine  grosse  Anzahl  von  Beobachtungen  mit 
Quarz  senkrecht  und  parallel  der  Axe  geschnitten  angestellt. 
Auf  die  Einzelbeobachtung  gehe  ich  hier  nicht  ein,  ich  theile 
nur  die  Mittelwerthe  aller  Beobachtungen  mit. 

Die  Ausdehnungscoefficienten  des  Quarzes  sind  nach 
Fizeau: 

I.  Ausdehnung  in  Richtung  der  Axe: 

cc,o=    781.10-«,    Ja  =  l,77.10-l^ 

II.  Ausdehnung  parallel  der  Axe: 

a^Q  =  1419 .  10-«,     Ja  =  2,38 .  10-^^ 
sodass  also :  »<  =  cr^  +  (^  —  40)  A  a. 

Der  mittlere  Ausdehnungscoöfficient  zwischen  0®  und 
100^  C,  /Sgo,  der  Schrauben  des  Metalltischchens  wurde  da- 
nach als  Mittelwerth  einer  grösseren  Reihe  von  Beobachtun- 
gen ermittelt. 

a)  Mit  Hülfe  von  Quarz  senkrecht  zur  Axe  geschnitten: 

zu  /S5o=  1079,8.10-«, 

b)  mit  Hülfe  von  Quarz  parallel  der  Axe  geschnitten: 

zu  /9ßo=  1080.10-8. 
Der  Mittelwerth  einer  grossen  Reihe  von  Beobachtungen, 
sowohl   mittelst  Quarz  senkrecht  als  parallel   der  Axe   ge- 
schnitten, die  zu  verschiedenen  Zeiten  innerhalb  zweier  Jahre 
angestellt  wurden,  ergab  sich  ferner: 

/S,o  =  1069,6 .  10-«,    Jß  =  0,96 .  lO-^«, 

Aiin.  d.  PhjB.  u.  Chem.  N.  F.  XXXVlll.  31 


482  G.   Weidmann. 

Werthe,  die  mit  /Jg^  bis  auf  weniger  als  ^/,q  Proc.  Überein- 
stimmen. 

B.  Die  zur  Untersuchung  gelangten  Glassorten  waren: 

1)  Glas  0,55.  Jenaisches  Silicat-Crownglas  vom  Brechungs- 
index nQ=  1,516, 

2)  Glas  0,118.    Jenaisches  Silicat-Flinglas  n<,=  1,613, 

3)  Weiches  Thüringer  Glas  von  Greiner  und  Friedrichs, 

4)  Glas  458.  Aluminium-Boratglas         71^=1,518,  |  ^>ti 

5)  428.  Blei. Boratglas  Wo=  1,573, 1 ||l 

6)  645^  Blei -Boratglas  w^,= 1,573,  |  IJ^ 

7)  373.  Magnesium- Phosphatglas  no=  1,504, '^  «" 
endlich  noch  8)  Fluorit. 

Bezüglich  Glas  428  und  645^,  die  bei  nahezu  gleichem 
Brechungsquotienten  sehr  grosse  Verschiedenheit  in  den  Aus- 
dehnungsco^fficienten  zeigten,  sei  noch  folgende  Notiz  über 
die  Zusammensetzung  derselben  beigefügt: 

PbO  Al^Os  B.O,  ZnO 

428      32  12  56  Proc.  —      etc. 

645b     18  12  55  12  Proc. 

Da  hiernach  auch  die  Zusammensetzung  beider  Gläser 
bis  auf  circa  15  Proc.  die  gleiche  ist,  so  erscheint  es  eigent- 
lich auffallend,  dass  sie  beide,  wie  unten  mitgetheilt,  so  ver- 
schiedene Ausdehnungscoefticienten  haben. 

Die  auf  Grund  der  sub  VIII.  A.  mitgetheilten  Werthe 
ernnttolten  Ausdehuungscoöfficienten  waren: 


Glaa  U,55 

«40=    867.10-« 

A 

u 

=  1,8.10    »0 

0,118 

731  .10,, 

0,8.  10  M 

4:')8 

560.  10  „ 

1,1  .10  » 

428 

538.10  m 

1,4.  10  M 

645»» 

«,o=-    480.10» 

37:{ 

«,„,=    6:>0.1ü» 

Fhüriu^er  GIiis 

«4„  -   yas .  10 ,, 

1.2.  10  ., 

Tluorit 

«5.,  -  P.i.'U.lO» 

^y 

izeau  fand  n^ 

3  1911  .10    «). 

IX.    S  eh  1  u  » s b  e  t  r  a  cl)  t  u  n  g. 

Alle  wesentlichen  Punkte  sind  damit  erörtert.  Ks  ist 
vielleicht  nicht  uninteressant,  zum  Schluss  noch  mitzutheilen, 
in  welcher  Weise  Hr.  Prof.  Abbe,  zum  Tlieil  auf  Grund 
der  angestellten  Versuche,  an  dem  neu  zu  bauenden  Dila- 
tometer  noch  Veränderungen,  meist  technischer  Natur,  an- 
bringen will,  die  insofern  Verbesserungen  bedeuten,  als  mit 


Abbifsehes  Dilatometer.  488 

ihnen  die  Empfindlichkeit  des  Apparates  wesentlich  erhöht 
wird. 

Zunächst  soll  der  Apparat  stabiler  gebaut  werden,  um 
die  in  den  Versuchen  oft  aufgetretenen  störenden  äusseren 
Flinflüsse  möglichst  zu  beseitigen.  Um  femer  zu  erreichen, 
dass  der  Interferenzapparat  die  Temperatur  der  Umgebung 
so  vollkommen  und  rasch  wie  möglich  annimmt,  soll  die 
Büchse,  in  der  er  sich  befindet,  nicht  mehr  aus  Messing, 
sondern  aus  Kupfer,  wegen  seiner  besseren  Leitungsfähigkeit 
hergestellt  werden;  zugleich  auch  soll  der  Abschluss  der 
Büchse  nach  oben  hin  ein  besserer  werden,  indem  ausser 
der  planparallelen  Platte  (Fig.  1  M.)  noch  ein  Metallver- 
schluss  angebracht  wird,  der  sich  vermittelst  eines  Hebels 
nur  momentan  zur  Beobachtung  der  Interferenzen  öffnet. 
In  dem  Hohlraum  der  Büchse  soll  ferner  ein  feingetheiltes 
Thermometer  zur  genauen  Temperaturbestimmung  Platz 
finden.  Wie  auf  p.  471  mitgetheilt,  wurde  bei  den  vorliegen- 
den Versuchen  die  Temperatur  des  Interferenzapparates  als 
identisch  mit  der  des  inneren  Cylinders  des  den  Apparat 
umgebenden  Gefässes  angenommen.  Eine  Abweichung  bis 
zu  0,1  —  0,2^  kann  leicht  stattfinden.  Bei  einem  empfind- 
lichen Apparat  und  bei  Messungen,  bei  denen  die  grösste 
Genauigkeit  erreicht  werden  soll,  kann  diese  Abweichung 
schon  im  Resultate  einen  merklichen  Fehler  verursachen. 

Namentlich  zum  Zwecke  absoluter  Messungen,  für  welche 
der  vorliegende  provisorische  Apparat  nur  wenig  geeignet  war, 
wird,  wie  bereits  p.  465  mitgetheilt,  die  Dispersion  der  Prismen 
durch  ein  einzuschiebendes  Prisma  mit  gerader  Durchsicht 
so  stark  erhöht,  dass  die  gelbe  Hg-Doppellinio  getrennt  er- 
scheint. Bei  Beobachtung  mit  hellen  Linien  von  grösserem 
Abstand  voneinander  würde  dieses  Hülisprisma  wieder  zu 
entfernen  sein.  Zur  Beobachtung  würden  dann  die  ausser- 
ordentlich intensiv  grünen  und  die  beiden  Hg-Linien  benutzt. 
Bei  Anwendung  von  Hg  hat  man  den  erheblichen  Vortheil, 
auch  bei  grosser  Intensität  der  Lichtquelle  bis  zu  sehr  hohen 
GangunterschieJen  gehen  zu  können,  ohne  dass  ein  Ver- 
schwinden der  Interferenzstreifen  infolge  von  Inhomogenität 
der  Lichtquelle  eintritt. 

Endlich  soll  noch   eine  Vereinfachung   der  Regulirung 

Ol  « 


484  G.  fFeidmann.   Abbe^sches  Dilatometer. 

dadurch  herbeigeführt  werden,  dass  der  Hülfsapparat  (Fig.  4), 
der  zur  EinstelluDg  des  Interferenztischchens  dient,  mit  dem 
Dilatometer  fest  verbunden  wird.  Bei  dem  vorliegenden 
Apparat  musste  man  nach  der  Regulirung  des  Tischchens 
dieses  mit  dem  Deckel  der  Büchse  in  die  Höhe  heben  und 
behutsam  in  die  Büchse  einsetzen.  Oft  wurde  dabei  die 
Einstellung  wieder  geändert.  Der  Deckel  der  Büchse  soll 
jetzt  durch  einen  Arm  direct  von  dem  Hülfsapparat  in  die 
Büchse  geschoben  werden. 

Mit  diesen  Veränderungen  wird  das  Abbe'sche  Dilato- 
meter ein  ausserordentlich  empfindlicher,  aber  zugleich  auch 
leicht  zu  handhabender  Apparat  sein.  Es  wird  dann  leicht 
gelingen,  erstens  die  Temperaturen  bis  auf  0,01^  C.  zu  mes- 
sen, zweitens  die  Streifenverschiebung  bis  auf  0,01  der 
Streifenbreite  sicher  zu  stellen.  Drittens  aber  auch  bezüg- 
lich der  Längenmessungen,  bei  denen  ja  mit  Rücksicht  auf 
die  in  VII,  D  angegebene  Berechnung  der  Luftdicke  nur 
die  Länge  der  zu  untersuchenden  Substanz  in  Betracht 
kommt,  kann  man  auf  Grund  der  mitgetheilten  Betrach- 
tungen eine  Genauigkeit  erlangen,  wie  sie  auch  den  höchst- 
gestellten Anforderungen  genügen  wird.  Die  Körper  sind 
ja  nahezu  planparallele  Cylinder  von  ungefähr  10  mm  Länge. 
Man  kann  leicht  diesen  Körpern  die  Form  von  Glaskeilen 
mit  nur  äusserst  geringem  Winkel  ertheilen.  Die  Brauch- 
barkeit wird  damit  in  keiner  Weise  gehindert.  Beleuchtet 
man  nun  diese  Körper  ganz  in  derselben  Weise,  wie  den 
ganzen  Interferenzapparat  mit  streng  monocbromatischem 
Licht,  so  wird  man  auch  hier  Interferenzen,  allerdings  bei 
sehr  hohem  Gangunterschied  (10  mm,  ca.  30000  /.„a/2)  wahr- 
nehmen. Durch  successive  Beleuchtung  mit  den  beiden 
gelben  und  der  grünen  Hg-Linie  kann  man  auch  hier  die 
Lage  der  Streifen  gegen  eine  kleine  auf  der  Oherfiäche  be- 
findliche spiegelnde  Marke  bestimmen.  Da  die  Länge  des 
Körpers  bis  auf  über  0,003  mm,  also  ca.  10  Aua/2  bekannt 
ist,  zwei  den  Gleichungen  (1)  und  (2)  p.  477  genügende  ganze 
Zahlen,  aber  um  ca.  100  differiren,  so  hat  man  damit  die 
Länge  in  jeder  gewünschten  Genauigkeit. 

Jena,  Phys.  Inst.,  im  März  1889. 


E,   Wiedemamu     Mechanische   fVärmetheorie,  485 

X.    Zvtn  zweiten  Hauptsatz  der  niechunischen 
Wämietheorie;   van  Eilhard  Wiedemann. 

In  einer  Abhandlung:  ,yZur  Mechanik  des  Leuchtens^^  ^), 
habe  ich  die  Erscheinung  der  Luminescenz,  d.  h.  der  Pro- 
cesse;  bei  denen  das  normale  Verhältniss  zwischen  trans- 
latorischer und  intramolecularer  Bewegung  nicht  vorhanden 
ist,  genauer  besprochen  und  gezeigt,  dass  diese  Erscheinung 
viel  verbreiteter  ist,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  Im  An- 
schluss  an  die  Einführung  des  Begriffes  der  Luminescenz- 
temperatur  habe  ich  folgende  Bemerkung  gemacht:  Die  den 
Ableitungen  des  zweiten  Hauptsatzes  zu  Grunde  liegende  An- 
nahme, dass  Wärme  nicht  ohne  Arbeit  von  einem  Körper 
niederer  Temperatur  zu  einem  solchen  höherer  übergehen 
kann,  muss  entsprechend  den  obigen  Ausführungen  anders 
gefasst  werden,  indem  bei  Auftreten  von  Luyinescenzer- 
scheinungen  sehr  wohl  ein  solcher  Uebergang  stattfinden 
kann.  Ich  erlaube  mir  nun,  eine  andere  Fassung  des  Glau- 
sius'schen  Principes  mitzutheilen,  welche  auch  die  Lumines- 
cenzphänomene  mit  berücksichtigt. 

Es  geht  stets  dann  Energie,  die  einer  bestimmten  Schwin- 
gungsdauer entspricht,  durch  Strahlung  von  einem  Körper 
zu  einem  anderen  über,  wenn  bei  dem  ersten  Körper  das 
Verhältniss  zwischen  Emission  und  Absorption  für  diese 
Strahlengattung  grösser  ist  als  bei  dem  zweiten.  Es  geht 
stets  dann  Energie,  die  einer  bestimmten  intramolecuiaren 
Bewegung  entspricht,  bei  der  Berührung  oder  Mischung 
von  einem  Körper  auf  einen  zweiten  über,  wenn  das 
Verhältniss  der  intramolecuiaren  Energie,  die  bei  dem  Zu- 
sammenstossen  der  Molecüle  in  translatorische  Bewegung 
umgewandelt  wird,  zu  der  translatorischen,  die  in  intramole- 
culare  verwandelt  wird,  bei  dem  ersten  Körper  grösser  ist, 
als  bei  dem  zweiten.  Endlich  findet  ein  Energieübergang 
statt,  wenn  die  Energie  der  translatorischen  Bewegung  der 
Molecüle  des  ersten  Körpers  selbst  grösser  ist  als  die  des 
zweiten. 

Aus  diesen  Bestimmungen  erhalten  wir  auch  eine  scharfe 


1)  E.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  37.  p.  177.  1889. 


486  E.  WUdemann. 

Definition  für  die  Luminescenztemperatur  selbst.  Die  Lu- 
minescenztemperatur  ist  für  irgend  eine  Strahlung  oder 
sonstige  intramoleculare  Bewegung  diejenige  Temperatur, 
auf  die  ein  nicht  luminescirender  Körper  gebracht  wer- 
den muss,  damit  für  diese  Bewegung  zwischen  ihm  und 
dem  luminescirenden  Körper  Gleichgewicht  besteht.  Es 
ist  klar,  dass  der  zweite  Hauptsatz  der  mechanischen 
Wärmetheorie,  der  sich  auf  das  Clausius'sche  Princip 
gründet,  in  all  den  Fällen,  die  wir  eben  betrachtet  haben, 
nicht  in  der  Form  fdQjT^Q  angewendet  werden  darf, 
sondern  entsprechend  dem  Ausdruck  y^/Q/ T<  0. 

Es  sei  mir  gestattet,  zunächst  den  ersten  der  obigen 
Sätze  an  einigen  Beispielen  zu  erläutern. 

Wir  erregen  Kalkspath  von  der  Temperatur  von  0® 
durch  den  Einäuss  des  Lichtes  zum  Phosphoresciren ,  er 
leuchtet  dann  hellroth.  Wir  bringen  denselben  in  eine  Pla- 
tinhohlkugel von  einer  höheren  Temperatur,  etwa  von  1^. 
Die  Platinkugel  sei  vollkommen  evacuirt,  sodass  jeder  Con- 
vectionsstrom  und  jede  Leitung  fortfällt.  Für  die  infrarothen, 
von  dem  Platin  ausgehenden  Strahlen  gilt  der  Clausius'sche 
Satz  in  seiner  alten  Form;  da  aber  der  Kalkspath  für  diese 
Strahlen  diatherman  ist,  so  erwärmen  sie  ihn  nicht;  event. 
könnten  wir  auch  zwischen  Platin  und  Kalkspath  eine  für 
die  Wärmestrahlen  adiathermane,  für  die  sichtbaren  Strahlen 
aber  durchlässige  Hülle  von  0^  stellen.  Die  von  dem  Kalk- 
spath ausgehenden  rothen  Strahlen  werden  von  dem  Platin 
absorbirt,  und  dieses  wird  dadurch  erwärmt;  es  ist  also  Wärme 
von  einem  kälteren  zu  einem  wärmeren  Körper  übergegangen 
ohne  eine  gleichzeitige  Arbeitsleistung. 

Mit  Luminescenzphänomenen  haben  wir  es  aber  auch  bei 
vielen  Flammen  zu  thun;  es  geht  dies  einmal  aus  den  Ver- 
suchen von  Herrn  W.  V.  Siemens^),  weiter  aber  aus  denen 
von  Herrn  Ebert^)  hervor,  der  nachwies,  dass,  wenn  man 
Flammen  durch  Kohlensäurezufuhr  entlichtet  und  dadurch 
bedeutend  abkühlt,  bei  ca.  500^  die  Emission  im  Ultraviolett 
fast   vollkommen   dieselbe   ist  wie   bei   der  durch  Luftzufuhr 


n  W.  V.  Siemens,  Wied.  Ann.  IH.  p.  311.  18«3. 

2)  II.  Ebert,  8itzung»ber.  d.  Phys.-med.  ISoc.  Erlangen.    Juli  1889. 


Meckanisciie  fVärmetheorie.  487 

entlichteten  Flamme  von  1000  ^  Denken  wir  uns  eine  solche 
Flamme  in  einem  Platincylinder  von  700^  brennend,  dessen 
Emission  im  Ultraviolett  noch  gering  ist,  und  schalten  wir 
einen  Körper  dazwischen,  der  alle  sichtbaren  Strahlen  ab- 
fängt und  nur  die  ultravioletten  durchlässt,  so  werden  wieder 
ultraviolette  Strahlen  von  der  Flamme  zum  Platin  übergehen, 
die   von   demselben  absorbirt  werden  und  dasselbe  erhitzen. 

Wenn  wir  nicht  allein  den  üebergang  der  Energie  von 
den  luminescirenden  Körpern  zum  Platin  etc.  ins  Auge 
fassen,  sondern  auch  noch  die  die  Luminescenz  erregende 
Energiequelle  in  den  Kreis  der  Betrachtung  einführen,  so 
gilt,  wie  in  vielen  Fällen  ohne  weiteres  zu  sehen  ist,  der 
Clausius'sche  Satz  in  seiner  alten  Form;  es  ist  der  lumi- 
nescirende  Körper  gleichsam  nur  ein  Zwischenglied,  das  den 
Üebergang  von  Energie  eines  heisseren  Körpers  zu  einem 
kälteren  übermittelt,  ein  Zwischenglied,  das  aber  kälter  im 
gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  ist  als  die  beiden  End- 
glieder. 

Den  kohlensauren  Kalk  haben  wir  durch  Strahlen  der 
Sonne  erregt,  die  einer  wesentlich  höheren  Temperatur  ent- 
sprechen,  als  sie  das  Platinblech  besitzt.  Der  üebergang 
findet  also  in  der  Weise  statt,  dass  die  von  der  Sonne  aus- 
gegangene Energie  als  Schwingungen  in  den  Molecülen  des 
kohlensauren  Kalkes  erhalten  bleibt. 

Ich  setze  dabei  zunächst  voraus,  dass  wir  es  beim  Cal- 
ciumcarbonat mit  Photoluminescenz  zu  thun  haben.  Wäre 
es  eine  Chcmilumincscenz,  so  könnten  wir  statt  des  Calcium- 
carbonats in  ganz  derselben  Weise  das  Urannitrat  oder 
irgend  einen  anderen  Körper  unseren  Betrachtungen  zu 
Grunde  legen. 

Bei  der  Chemiluminescenz  wird  bei  den  Zusammen- 
stössen  der  Molecüle  die  aufgespeicherte  potentielle  Energie 
in  kinetische  umgesetzt,  der  gleichfalls  eine  sehr  hohe  Tem- 
peratur entspricht. 

Erlangen,  im  Juli  1889, 


I. ; 


488  E.   Wiedemann. 

XI.    lieber  Katfiodo-  und  Photolutni/nescenz   t^on 
Gläsern;   von  Eilhard  Wiedemann. 

(Hiersa  Taf.  T   Ftg.  6.) 


In  der  Abhandlung:  „Zur  Mechanik  des  Leuchtens'^ ^), 
habe  ich  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  das  Luminescenz- 
licht  nach  Intensität  und  Farbe  in  hohem  Grade  von  der 
Art  der  Erregung  abhängig  ist  Ich  erlaube  mir,  hierfür 
einige  Beispiele  mitzutheilen. 

Herr  Schott  in  Jena  war  so  gütig,  mir  zu  Zwecken 
anderer  Untersuchungen  eine  grosse  Zahl  von  Glassorten 
zur  Verfügung  zu  stellen.  Ich  habe  dieselben  einmal  im 
Fhosphoroskop  auf  Photoluminescenz  und  dann  unter  dem 
Einfluss  der  Kathodenstrahlen  auf  Kathodoluminescenz  ge- 
prüft. Zu  den  ersteren  Versuchen  diente  das  früher  be- 
schriebene Fhosphoroskop  2),  zu  den  letzteren  der  Apparat 
Fig.  5.  A  ist  ein  birnenförmiges  Glasgefäss,  in  welches  die 
beiden  plattenförmigen  Electroden  a  und  b  eingeschmolzen  sind, 
und  das  durch  das  Rohr  B  mit  dem  Hahn  h  mit  der  Queck- 
silberpumpe communicirt.  In  den  Schliff  C  passt  der  Griff- 
stopfen Z>,  an  dem  nach  innen  ein  Glasstab  c  angeschmolzen 
war,  der  fast  durch  das  ganze  Gefäss  hindurchragt.  Auf 
den  Glasstab  lassen  sich  Messinghülsen  schieben,  auf  die 
kleine,  mit  vier  Löchern  versehene  Metallblättchen  m  und  n 
aufgelöthet  sind.  Durch  dünne  Drähte  wurden  auf  diese  die 
zu  untersuchenden  Substanzen  aufgebunden  und  die  zwei 
Stücke  so  gestellt,  dass  sie  den  Electrodenblechen  «  und  b 
gegenüberstanden;  dann  wurde  der  ganze  Apparat  evacuirt 
und  abwechselnd  die  eine  and  die  andere  Flattc  zur  Kathode 
gemacht.  Dabei  ergaben  sich  folgende  Resultate:  Borat-, 
schwere  Silicatfiintgläser,  sowie  Fhosphatgläser  photolumi- 
nesciren  nicht  und  kathodoluminesciren  nur  schwach.  Die 
Crowngläser  zeigen  im  Fhosphoroskop  ein  schön  grünes 
Licht,  das  unter  dem  Einfluss  der  Kathodenstrahlon  erregte 
ist  zeisiggrün;  die  bleihaltigen  Flintgläser  und  einige  ganz 
wonige   Crowngläser,   sowie  Glas   von  schwer  schmelzbaren 

1)  E.  Wit'demann,  Wied.  Ann.  87.  p.  177.  1889. 

2)  E.  Wiedemann,  Wied.  Ann.  34.  p.  450.  1888. 


Kaihodo'  und  Photolumineticeiiz,  489 

Verbrennungsröhren  zeigen  im  Phosphoroskop  eine  schön 
grüne  Phosphorescenz.  In  den  Katliodenstrahlen  leuchten 
sie  meist  sehr  schön  blau,  senden  also  unter  deren  Einfluss 
Strahlen  von  einer  weit  grösseren  Brechbarkeit  aus,  als  unter 
dem  Einfluss  der  Lichtstrahlen.  Die  Versuche  sollen  an 
den  reinen  Silicaten,  Phosphaten  und  Boruten  fortgesetzt 
werden.  Vor  allem  soll  ein  Glas  gesucht  werden,  das  sich 
blasen  lässt  und  unter  dem  Einfluss  der  Kathodenstrahlen 
eine  möglichst  schwache  Phosphorescenz  zeigt,  denn  das  an 
den  Wandungen  der  Gefässe  aus  gewöhnlichem  Glas  auftre- 
tende grüne  Kathodoluminescenzlicht  ist  bei  Beobachtung  der 
analogen  Erscheinungen  an  anderen  Substanzen  äusserst  stö- 
rend, besonders  wenn  es  sich  um  eine  Spcctraluntersuchung 
der  letzteren  handelt. 

Erlangen,  im  Juli  1889. 


XII.    Zwei  Formeil  i^an  Spectrographen ; 
van  Hermann  Bhert. 

(Hterii  Tftf.  Y    rig.  6—7.) 


Bei  der  grossen  Vervollkommnung  der  photographischen 
Technik,  die  für  alle  Theile  des  Spectrums  Platten  von  hoher 
Empfindlichkeit  zur  Verfügung  stellt,  gewinnt  die  Methode 
der  directen  photographischen  Aufzeichnung  unter  Zuhülfe- 
nahme  der  Gitter  bei  allen  spectroskopischen  Arbeiten  immer 
mehr  und  mehr  Bedeutung.  Verbindet  man  ein  ebenes  Gitter 
mit  Linsen  und  Hohlspiegeln  von  grosser  Brennweite  zu  einem 
Spectrographen,  so  erhält  man  Spectra  von  sehr  grosser  Länge 
und  kann  die  einzelnen  Theile  derselben  direct  auch  in 
grösserem  Maassstabe  aufnehmen.  Bei  der  Oonstruction  sol- 
cher grösserer  Spectrographen  muss  man  aber  die  Zahl  der 
brechenden  oder  spiegelnden  Flächen  möglichst  vermin- 
dern, um  dem  Ganzen  eine  möglichst  compendiöse  Form 
zu  geben.  Ich  glaube,  dies  bei  den  im  Folgenden  be- 
schriebenen Formen  erreicht  zu  haben.  Bei  der  einen  Form 
kommt  ausser  dem  Spalt  und  dem  Fachgitter  nur  noch  eine 
Quarzlinse,  bei  der  anderen  nur  Booh  ein  HohlBpiegel  zur 


490  H.  Ebert. 

Verwendung.  Je  länger  nmn  die  Brennweite  der  Linse,  resp. 
des  Hohlspiegels  w&hlt,  um  so  genauer  treffen  die  bei  der 
Construction  gemachten  Voraussetzungen  über  den  Gang  der 
Strahlen  zu. 

1.    Spectrograph  mit  einer  Quarzlinse.    (Fig.  6.) 

Die  von  dem  Spalt  S  ausgehenden  Strahlen  fallen  auf 
die  Quarzlinse  Q  von  140  cm  Brennweite  und  7  cm  freier 
Oeffnung  und  werden  durch  dieselbe  parallel  gemacht.  Die 
Quarzlinse  ruht  auf  einem  Schlitten,  der  in  der  Schwalben- 
schwanzführung F^F^  gleitet  Durch  die  Triebstange  -ff  wird 
durch  Drehen  an  dem  Kopfe  K  die  Linse  in  die  Brennweiten- 
entfernung der  aufzunehmenden  Strahlengruppe  gebracht. 

Die  die  Quarzlinse  verlassenden  parallelen  Strahlen  fallen 
auf  das  ebene  Spiegelgitter  G  von  3V3  X  4^2  cm  getheilter 
Fläche;  die  Linien  des  Gitters  verlaufen  parallel  zur  Spalt- 
richtung« Das  Gitter  löst  das  auffallende  Lichtbündel  so 
auf,  dass  die  nach  den  verschiedenen  Richtungen  hin  reflec- 
tirten  Strahlenbündel  für  eine  bestimmte  Wellenlänge  im  Spec- 
trum derselben  Ordnung  unter  sich  parallel  sind.  Eine  Reihe 
dieser  Strahlen  fällt  abermals  auf  die  Quarzlinse  Q  und  wird 
durch  diese  in  der  Spaltebene  zu  einem  scharfen  Bilde  ver- 
einigt, wo  ihre  Aufzeichnung  auf  die  empfindliche  Platte  erfolgt. 

Um  der  Reihe  nach  alle  Theile  der  Spectren  der  ver- 
schiedenen Ordnungen  (ich  konnte  bei  der  hier  getroffenen 
Anordnung  bis  zu  solchen  fünfter  Ordnung  aufsteigen)  durch 
die  Linse  führen  zu  können,  ist  das  Gitter  G  auf  der  Dreh- 
scheibe S  aufgestellt,  und  zwar  so,  dass  seine  Vorderfläche 
gerade  durch  die  Drehungsaxe  geht.  Zur  genauen  Einstel- 
lung dienen  die  drei  Fussschrauben  s^^  s.,,  s^.  Die  Scheibe  S 
wird  mittelst  des  auf  ihrer  Unterseite  befestigten  Zahn- 
rades Z,  der  Schraube  ohne  Ende  T  und  der  Stange  R  durch 
Drehen  an  der  Plügelschraube  F  bewegt. 

Das  Ganze  ist  in  einen  länglichen  lichtdichten  und 
innen  geschwärzten  Kasten  eingeschlossen.  Um  die  Gitter- 
stellung zu  bezeichnen,  ist  auf  der  Scheibe  S  ein  Rahmen 
befestigt,  der  auf  seiner  über  das  Gitter  hinweggehenden 
Querleiste  genau  in  der  Drehungsaxe  der  Scheibe  einen 
cylindrischen  Stab  trägt    Dieser  geht  lichtdicht  durch  den 


Speetrographen,  491 

Deckel  des  Kastens  und  trägt  auf  seinem  äusseren  Ende  den 
Zeiger  J,  der  über  einer  Theilung  spielt.  Dieselbe  ist  so 
eingerichtet,  dass  der  Zeiger  die  Wellenlänge  der  Strahlungen 
anzeigt,  welche  gerade  durch  die  Mitte  der  Linse  gebeugt 
werden  und  demnach  gegen  den  Spalt  hin  zurückgehen.  Da 
bei  den  Spectren  höherer  Ordnung  ein  immer  complicirteres 
Uebereinandergreifen  der  einzelnen  Spectra  eintritt,  sind  die 
Wellenlängen  längs  fünf  Kreisbögen  aufgetragen,  deren  Ra- 
dius von  innen  nach  aussen  wächst,  und  von  denen  jeder  das 
Spectrum  einer  bestimmten  Ordnung  repräsentirt. 

Die  Vorderwand  ist  unmittelbar  unter  dem  Spalte  von 
einer   länglichen  Oeffnung  O  durchbrochen,   in   welcher   die 
matte   Glasplatte   oder   die   Casette    mit  der   empfindlichen 
Platte   eingesetzt   und  durch  die  Vorreiber  L^  und  L^  fest 
gehalten  wird.    Ich  benutzte  eine  Plattengrösse  von  21x3  cm 

Dass  Spalt  und  Fixirscheibe  auf  derselben  Seite  des 
Apparates  und  so  nahe  aneinander  liegen,  stört  bei  der  Ein 
Stellung  nicht,  wenn  man  die  Lichtquelle  durch  eine  Quarz- 
linse auf  den  Spalt  projicirt  und  entweder  etwas  von  dei 
Seite  her  auf  die  matte  Glasplatte  blickt,  oder  über  die 
selbe  ein  gebrochenes  Ablesefernrohr  hinführt.  Man  sieht  dann 
alle  Theile  der  sichtbaren  Spectra  sehr  gut  und  kann  durch 
Drehen  an  der  Schraube  K  scharf  einstellen.  Zu  gewissen 
Zwecken  empfiehlt  es  sich,  einen  unter  45^  gegen  die  Vor- 
derseite des  Apparates  geneigten  Spiegel  vor  dem  Spalte  zu 
befestigen  und  die  Lichtquelle  seitlich  aufzustellen,  z.  B. 
wenn  man  den  Apparat  zu  directen  Ocularbeobachtungen 
benutzen  will,  wobei  bei  O  eine  das  Ocular  tragende  Platte 
eingesetzt  wird. 

Mit  diesem  Apparate  habe  ich  auf  Obernetter'schen 
Emulsionsplatten  das  ultraviolette  Spectrum  zweiter  Ordnung 
des  Kohle-  und  Eisenbogens  in  fünf  Secunden,  das  Spectrum 
erster  Ordnung  in  drei  Secunden  mit  allen  Einzelheiten  er- 
halten. Dabei  stand  mir  ein  sehr  schönes,  Hm.  Professor 
E.  Wiedemann  gehöriges  Gitter  zur  Verfügung. 

An  der  Vorder-  und  Rückfläche  der  Linse  wird  ein  Theil 
der  auffallenden  Strahlen  refiectirt  und  gelangt  als  difi'user 
Lichtschein  auf  die  Platte.  Dieser  an  sich  geringe  reflectirte 
Antheil  der  gesammten  einfallenden  Lichtmenge  vertheilt  sich 


492  H.  EberL 

iDdessen  in  der  Entfernung  der  Platte  von  der  Linse  über 
eine  grosse  Fläche,  während  die  von  dem  Gitter  durch  die 
Linse  geworfenen  Strahlen  der  einzelnen  Linien  auf  einen 
relativ  sehr  geringen  Raum  zusammengedrängt  werden.  Da- 
her stört  das  an  der  Linse  reflectirte  Licht,  namentlich  bei 
kurzen  Expositionszeiten,  nicht.  Die  geringste  Wirkung  des 
retlectirten  Lichtes  erhält  man,  wenn  man  eine  concavconvexe 
Quarzlinse  anwendet,  welche  ihre  relativ  stark  gekrümmte 
convexe  Seite  dem  Spalte  und  der  Platte  zukehrt,  weil  dann 
das  reflectirte  Strahlcnbündel  am  weitesten  zerstreut  wird. 

2.   Spectrograph  mit  einem  Hohlspiegel.    (Fig.  7.) 

Bei  der  Benutzung  des  ebenen  Spiegelgitters  zur  Zu- 
sammenstellung eines  grossen  Spectralapparates  erhöht  man 
die  Leistungsfähigkeit  dieses  Uülfsmittels,  wenn  man  die  An- 
wendung von  Linsen  vermeidet;  denn  einmal  macht  man  sich 
frei  von  der  Absorption  des  Linsenmateriales,  andererseits 
umgeht  man  die  Schwierigkeiten,  welche  durch  die  chroma- 
tische Abweichung  der  brechenden  Medien  bei  der  Hand- 
habung des  Spectrographen  verursacht  werden.  Man  hat  sich 
daher  ausschliesslich  der  Verwendung  von  Reflexionen  an 
Hohlspiegeln  zugewendet.  Hr.  W.  de  Abney  hat  einen 
Spectrographen  mit  einem  ebenen  Gitter  und  zwei  Spiegeln 
construirt.  Indessen  ist  es  möglich,  einen  sehr  wirksamen 
Spectrographen  schon  aus  einem  Hohlspiegel,  der  mit  dem 
Spiegelgitter  verbunden  ist,  zu  construiren,  und  zwar  in  fol- 
gender Weise  ^)  (Fig.  7): 

Das  von  dem  Spalte  S  kommende  Licht  fällt  auf  den 
Hohlspiegel  H,  der,  um  die  Brennweite  von  S  entfernt,  in 
dem  das  Ganze  einschliessenden  Kasten  K  befestigt  ist.  Der 
von  mir  verwendete  Spiegel  hat  120  cm  Brennweite  und  15  cm 
Durchmesser.  Die  von  dem  Spiegel  //  reiiectirten  parallelen 
Strahlen  gelangen  auf  das  ebene  Gitter  G  und  werden  hier 
gebeugt.  Eine  Reilie  der  unter  sich  parallelen  gebeugten 
Strahlen  bestimmter  Wellenlängen  fallen  so  auf  den  Hohl- 
spiegel, dass  sie  in  Punkten  der  Platte  P  wieder  vereinigt 
werden.  Hier  entsteht  demnach  ein  reelles,  scharfes  Spectral- 

1)  Eine  der  hier  bcdchriebeDeu  ähnliche  Conßtruction  ist  von  Um.  F. 
Lippich  in  der  Zeitschr.  f.  lustrumeiitcnk.  4.  p.  1— 8.  1884  vorgeschlagen 
worden. 


Spectrographen.  498 

bild.  Bei  P  wird  die  Fixirscheibe,  resp.  die  Cassette  mit 
der  empfindlichen  Platte  eingesetzt;  G  ist  ebenso  wie  in 
Fig.  6  aufgestellt  und  durch  Drehen  an  der  Axe  der  Dreh- 
scheibe zu  bewegen.  Eine  der  vorhin  beschriebenen  analoge 
Theilung  zeigt  an,  welche  Wellenlängen  und  welche  Spectra 
sich  gerade  in  der  Mitte  der  photographischen  Platte  befinden. 
P,  G  und  5  sind  durch  die  vorspringenden  Schirme  L^  und  L^ 
vor  Nebenlicht  geschützt. 

Diese  Spectrographen,  bei  denen  die  Zahl  der  Bestand- 
theile  auf  ein  Minimum  herabgesetzt  ist,  können  ausser  zu 
directen  Oculaibeobachtungen  verwendet  werden: 

a)  zur  photographischen  Aufnahme  aller  Theile  des  Spec- 
trums. Schliesst  man  die  Spaltöffnung  des  zweiten  Apparates 
durch  eine  aufgekittete  Quarzplatte  luftdicht  ab,  so  kann 
man,  da  der  Apparat  leicht  so  hergestellt  werden  kann,  dass 
er  überall  hermetisch  schliesst,  ihn  auspumpen  und  sich  da- 
durch auch  von  der  Absorption  durch  die  Luft  frei  machen. 
Dieses  Arbeiten  im  evacuirten  Räume  empfiehlt  sich  bei 
Verwendung  von  Hohlspiegeln  von  sehr  grosser  Brennweite, 
b)  zur  Demonstration  der  Spectra.  Schiebt  man  an  Stelle  der 
Platte  die  matte  Glasplatte  in  den  Cassettenrahmen,  so  erblickt 
man  auf  derselben  die  Linien,  bei  meinen  Apparaten  z.  B. 
schon  im  Spectrum  erster  Ordnung  die  Z>-Linien  des  Sonnen- 
spectrums  Millimeter  weit  getrennt.  Ersetzt  man  die  Fixir- 
scheibe  dur(^)i  eine  Uranglasplatte,  so  kann  man  auch  die  Aus- 
dehnung des  ultravioletten  Spectrums  einem  weiteren  Kreise 
zeigen,  c)  uls  Illuminator.  Man  bringt  an  Stelle  der  Platte  eine 
Spaltvorrichtung  an,  blendet  durch  diese  eine  beliebige  Linie 
aus  dem  Spectrum  heraus  und  ^'erwendet  das  homogene  Licht 
derselben  zur  Beleuchtung  irgend  eines  anderen  Apparates. 
Dabei  ist  die  compendiöse  Gestalt  der  Apparate,  die  in  einer 
einfachen  Röhre  Platz  finden,  sowie  bei  der  Anordnung  2  der 
Umstand  von  wesentlichem  Vortheil,  dass  sich  beim  Ueber- 
gang  von  einer  Linie  zu  irgend  einer  anderen  die  Focusirung 
nicht  ändert. 

Die  beschriebenen  Apparate  wurden  in  ausgezeichneter 
Weise  von  dem  Mechaniker  des  hiesigen  physikalischen  In- 
stituts, Hrn.  J.  G.  Böhner,  ausgeführt. 

Erlangen,  Phys.  Inst,  der  üniv^  August  1889. 


494  H.  R  J.  G.  du  Bois. 

XIIL   Ei/ne  einfeiche  Modiflcation 

der  Paggendorff^  8chen  SpiegelaMesung ; 

Noti»  von  H.  E.  J.  G.  du  Bois  aus  Htxug. 

(Hleri«  Tftf.  Y   Fig.  8.) 


Anlässlich  der  Aufgabe,  eine  grosse  Anzahl  kleiner  Ana- 
Ijsatorrotationen  genau  und  rasch  zu  bestimmen,  verfiel  ich  vor 
einiger  Zeit  auf  eine  Abänderung  der  gewöhnlichen  Poggen- 
dorf fischen  Methode  der  Winkelmessuug.  Da  diese  sich  in 
ähnlichen  Fällen  auch  sonst  als  praktisch  erweisen  dürfte,  folgt 
hier  ihre  Beschreibung,  welche  meines  Wissens  bisher  nirgends 
gegeben  wurde.  ^) 

Fig.  8  ist  ein  Schema  der  gewöhnlichen  horizontalen  Auf- 
stellung, wo  A  die  Scala,  F'  das  Fernrohr,  S^  den  drehbaren 
Spiegel  bedeuten.  Bei  der  modificirten  Methode  kommt  nun 
zunächst  an  Stelle  des  Fernrohrs  das  virtuelle  Bild  eines  sol- 
chen in  F  aufgestellten  in  Bezug  auf  einen  festen  Spiegel  S^, 
OflFenbar  ist  dies  auf  die  Art  der  Winkelberechnung  ohne  Ein- 
fluss,  ebensowenig  wie  ein  nunmehr  Weiter-  oder  Näherrücken 
von  F  in  Richtung  seiner  Axe;  es  kann  z.  B.  wie  in  der  Figur 
nach  Fj,  ganz  nahe  an  ^2  rücken;  der  Spiegel  könnte  sogar 
justirbar  am  Fernrohr  befestigt  werden. 

Ebensogut  lassen  sich  Rotationen  um  horizontale  oder 
gar  geneigte  Axen  messen,  dazu  braucht  man  sich  blos  S^  mit 
A  um  die  Linie  S^F'  gedreht  zu  denken,  bis  die  Scala  ^  der 
Rotationsebene  parallel  liegt.  Durch  Drehen  von  F^  mit  S^ 
um  dieselbe  Linie  kann  man  auch  dem  Femrohr  jede  beliebige 

1)    Erst  ganz  kürzlich  hat  Hr.  Piltschikoff,  Joiirn.   de  phya.  (2) 
H.  p.  330.  1889,  eine,  siuiirck'h«'  Vfrallgemoinerung   d^r    Poggendorff- 
schen  Methode  inath('inati.sch  beschritjben;   inwi<'fern  diese  sich  praktisch 
bewahrte,    ist   »lort   nicht   zu    ersehen.      Neben    dem    üblichen  drehbaren 
Spiegel  ist  dab(ü  auch  ein  zweiter  fester  eingeführt;  btMile  müssen  von  der 
Grötjse    des   zu   benutz(^nden  Sealengebiets  sein,   sodass  die  Abänderung 
hauptsächlich  für  empfindliche  Nullmethoden  anwendbar  ist,  wie  das  der 
Verf.  sitlbst  angibt.     Meine  Modifieirung  ist  von  jener,  was  Einrichtung 
und  Zweck  betrifft,  ganz  verschiedt?n.     Eine   ebenfalls  zur  Beobachtung 
kleinster  AVinkeldifterenzen,  speciell  bei  Nullmethoden,  dienende  Anord- 
nung wurde  neuerdings  von  Hrn.  Leonhard  Weber  angegeben,  worauf 
llr.  Geh.-Rath  G.  Wiedemann  mich  aufmerksam  zu  machen  die  Güte 
hatte.    Sie  beruht  auf  dem  Princip  der  vielfachen  Bilder  eines  Winkel- 
spiegeis. 


Poggendorff^sche  Spiegelabkmng.  495 

Stellung  geben;  eine  ungefähr  horizontale  ist  natürlich  meistens 
die  bequemste.  S^  muss  offenbar  etwas  über  der  Bildebene 
liegen  y  damit  die  Mitte  der  Scala  nicht  bedeckt  werde.  Die 
zu  den  Theilstrichen  der  Scala  senkrechte  Dimension  beider 
möglichst  ebener  Spiegel  muss  bei  dieser  Einrichtung  min- 
destens gleich  dem  Objectivdurchmesser  sein,  soll  das  Auf- 
lösungsvermögen des  Femrohrs  F^  völlig  zur  Geltung  kommen. 
Die  den  Theilstrichen  parallele  Dimension  der  Spiegel  sowie 
des  Objectivdiaphragmas  muss  im  Interesse  eines  scharfen 
Scalenbildes  durch  Abblenden  verringert  werden,  soweit  die 
Helligkeit  des  Bildes  dies  zulässt.^)  Folgende  Umstände  sind 
noch  hervorzuheben: 

1)  Das  Femrohr  ist  nicht  an  den  Platz  der  Scala  ge- 
bunden, sondern  kann  aufgestellt  werden,  wo  es  am  bequem- 
sten steht 

2)  Namentlich  kann  es  ganz  nahe  an  die  Spiegel  gebracht 
werden,  sodass  sämmtliche,  wie  in  der  Figur,  auf  einem  Pfeiler 
Platz  finden.  Diese  Anordnung  hatte  ich  für  meinen  Zweck 
gewählt;  ein  und  derselbe  Beobachter  kann  dabei  den  Analy- 
sator einstellen  und  zugleich  dessen  Azimuth  im  Fernrohr 
genau  ablesen. 

3)  Bei  letzterer  Aufstellung  erwächst  femer  der  Vortheil, 
dass  der  optische  Abstand,  Scala- Objectiv,  nicht  wesentlich 
grösser  als  die  Scalendistanz  AS^  ist,  statt  das  doppelte  zu 
betragen.  Man  kann  deshalb  bei  gegebenem  Femrohr  die 
Scala  doppelt  so  weit  als  gewöhnlich  aufstellen.  Beispiels- 
weise kann  man  die  Scalendistanz  5,157  m  machen;  ein  Sealen- 
theil (mm)  entspricht  dann  V3'  Drehung  von  S\.  Mit  einem 
gewöhnlichen,  18 fach  vergrössemden  Femrohre  mit  Objectiv 
von  3,5  cm  kann  man  dann  nocli  Zehntelmillimeter,  also  2" 
mit  Leichtigkeit  schätzen. 

4)  Dies  würde  sonst  einen  wcrthvollen  Theilkreis  von  min- 
destens 40  cm  Durchmesser  erfordern,  dessen  Noniusablesung 
anstrengender  wäre  und  langsamer  erfolgen  würde,  als  in  der 
oben  beschriebenen  Weise. 

Pliys.  Inst.  d.  Univ.  Strassburg,  25.  Sept.  1889. 
1)  Nach  Mascart  et  Joubert,  Eleotr.  et  Magnet  2.  p.  18.  1886. 


496  IL  Zehnder,     Deformationsströme. 

XIV.    Bemerkung  zu  der  dritten^  Mittheilung  des 
Hm.  Braun:    „Ueber  JDeformationsstr&me^^ ; 

van  L.  Zehnder. 


In  einem  Nachtrage  zu  seiner  dritten  Mittheilung  über 
Deformationsströme ^)  sagt  Hr.  Braun:  „In  der  That  glaubt 
Hr.  Zehnder,  dass  man  sie**  (die  Braun'schen  Deformations- 
ströme) „auf  die  beim  Ausziehen  einer  Spule  entstehende  Tor- 
sion des  Drahtes  um  seine  Mittellinie  zurückführen  könne. 
Nun  entstehen  die  Ströme  aber  auch,  wenn  man  die  Spule  so 
auszieht,  dass  eine  Torsion  der  Enden  unmöglich  wird.  Eine 
Torsion  des  Drahtes  könnte  also  nur  in  der  Weise  eintreten, 
dass  dieselbe  vom  einen  Ende  bis  zur  Mitte  des  Drahtes  hin 
zunimmt  und  von  da  bis  zum  anderen  Ende  wieder  abnimmt. 
Dadurch  müsstenaber  in  beiden  Spulenhälften  entgegengesetzt 
gerichtete  Ströme  entstehen,  wenn  die  Richtung  der  letz- 
teren überhaupt  mit  einer  bestimmten  Richtung  (mag  dieselbe 
eine  magnetische,  mechanische  oder  sonst  wie  sein)  in  der  Draht- 
axe  einsinnig  verbunden  ist.  So  lassen  sich  die  Erscheinungen 
also  nicht  erklären.'^  Es  ist  wohl  keine  andere  Deutung  dieser 
Angaben  von  Hrn.  Braun  möglich,  als  dass  er  bei  dem  er- 
wähnten Versuche  die  Drahtenden,  an  welchen  er  die  Spulen 
auszog,  so  festklemmte,  dass  keine  andere  Bewegung  dieser 
Enden  als  eine  Verschiebung  in  der  Richtung  der  Spulenaxe 
erfolgen  konnte.  In  diesem  Falle  wird  aber  der  Draht  beim 
Ausziehen  der  Spule  nicht  in  der  von  Hrn.  Braun  angegebenen 
Weise  tordirt ;  derselbe  erleidet  vielmehr  durchweg  eine  Tor- 
sion im  gleichartigen  Sinne  um  seine  Mittellinie,  vom  einen 
festgeklemmten  Ende  bis  zum  anderen.  Von  der  Richtigkeit 
des  letzteren  üi)erzeugt  man  sich  in  verschiedener  Weise,  am 
leichtesten  wohl  dadurch,  dass  man  eine  Spule,  mit  der  erwähn- 
ten Festhaltung  ihrer  Enden,  mehr  und  mehr  auszieht:  zuletzt 
erhält  man  aus  derselben  einen  gestreckten  Draht,  welcher 
durch  dieses  Ausziehen  so  oft  um  360^  tordirt  worden  ist, 
als  vorher  die  Spule  Windungen  zählte.  Ich  kann  also 
Hrn.  Braun's  Hauptargument  gegen  meine  Vermuthung 
einer  Identität  der  Deformations-  und  der  Torsionsströme 
nicht  gelten  lassen. 

Phys.  Inst,  der  Univ.  Würzburg,  17.  Oct.   1889. 

1)  Braun,  Wied.  Ann.  :J8,  p.  67.  18b0. 


Druck  Yon  Metzger  &  Wittib  in  Leipzig. 


1889.  A  N  N  Ä  L  E  ^^  M  12. 

DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

NEUE  FOLGE.    BAND  XXXVIII. 


I.    Ueber  tlie  Entladung  negativ  electnischer 

Körper   durch    das    Sminen-    und   Tageslicht; 

ron  Julius  Elster  uml  Hans  Gettel. 

(llierBo  Tmf.  YI   FIf.  1-3.) 

§  1.  In  einer  vor  kurzem  in  diesen  Annalen  publicirten 
Notiz  ^)  über  die  Zerstreuung  negativer  Electricität  durch 
das  Sonnen-  und  Tageslicht  haben  wir  mitgetheilt,  dass  die 
durch  die  grundlegenden  Arbeiten  von  Hertz,  Hall  wachs, 
Righi  u.  a.  für  das  electrische  Bogen-  und  Funkenlicht 
nachgewiesene  Eigenschaft,  negative  Electricität  von  der 
Oberfläche  electrisirter  Körper  fortzuführen,  auch  dem  Son- 
nen- und  Tageslicht  bei  Verwendung  bestimmter  Metall- 
oberflächen zukommt.  Dieses  Ergebniss  stand  im  Wider- 
spruch mit  den  Resultaten  fast  sämmtlicher  Beobachter, 
welche  das  Sonnenlicht  auf  ein  derartiges  Verhalten  prüften. 
Wir  glaubten  daher  auch  unser  positives  Resultat  durch 
den  Umstand  erklären  zu  müssen,  dass  die  letzten  Tage  des 
Monat  Mai  und  der  Anfang  des  Juni  so  überaus  klaren 
Himmel  brachten,  und  es  schien  uns  durchaus  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  zu  anderen  Zeiten  des  Jahres  die  Erschei- 
nung nicht  zu  beobachten  sein  würde. 

Dies  Bedenken  veranlasste  uns,  unsere  Beobachtungen 
in  der  oben  erwähnten  Notiz  bekannt  zu  geben,  um  Gelegen- 
heit zu  bieten,  die  von  uns  angedeuteten  Versuche  noch 
vor  dem  Beginne  des  Winters  zu  wiederholen. 

Die  gehegte  Befürchtung  in  Bezug  auf  das  Erlöschen 
der  Erscheinung  mit  niederem  Stande  der  Sonne  ist  jedoch 
grundlos  gewesen;   bei   Verwendung   geeigneter  [Stoße   zeigt 

1)  Elster  u.  Geitel,  Wicd.  Ann.  38«  p.  40.  1888. 

Ann.  d.  Pbyi.  n.  Ctatm.   N.  F.   XXXVIII.  it. 


498  J.  Elster  u,  H.  Geitel 

sich  dieselbe  schon  im  zerstreuten  Tageslichte  mit  vollkom- 
mener Deutlichkeit. 

Der  Zweck  der  vorliegenden  Mittheilung  ist  einmal,  die 
in  jener  Notiz  ausgesprochenen  Behauptungen  zahlenmässig 
zu  belegen,  ferner  einige  wesentliche  Ergänzungen  dazu  zu 
liefern  und  schliesslich  Demonstrationsversuche  anzugeben, 
welche  die  Entladung  durch  Sonnenlicht  vor  einem  grösse- 
ren Zuhörerkreise  zu  zeigen  gestatten. 

Ueberblickt  man  die  unseren  Gegenstand  betreffende 
Litteratur,  so  findet  sich,  dass  nur  M.  Uoor^)  die  Frage, 
ob  Sonnenlicht  wirksam  ist,  bejaht,  indem  es  ihm  gelang,  in 
reflectirtem  Sonnenlicht  eine  Abnahme  der  anfänglichen,  nega- 
tiven Ladung  von  6  bis  7  Proc.  pro  Minute  nachzuweisen. 
Hoor  gibt  an,  dass  er  mit  Kupfer-,  Zink-  und  Messingplatten 
experimentirte.  Sollte  Hoor  bei  allen  drei  Metallen  obige 
deutliche  Abnahme  durch  auffallendes  Sonnenlicht  erhalten 
haben,  so  würde  hierin  ein  Widerspruch  mit  unseren  Erfah- 
rungen liegen,  da  nach  unseren  Versuchen  selbst  ganz  frische 
Oberflächen  von  Kupfer  und  Messing  unwirksam  sind. 

Gegen  die  Hoor^schen  Versuche  hat  noch  ganz  kürz- 
lich Righi-)  polemisirt,  indem  er  betont,  dass  er  mit  Son- 
nenlicht niemals  eine  Spur  einer  Wirkung  erhalten  habe. 

Man  wird  zugeben  müssen,  dass  die  Frage,  ob  die  Ober- 
Häche  der  Erde  von  actin oelectri seh  wirksamen  Strahlen  der 
Sonne  getroffen  wird,  als  eine  bedeutungsvolle  zu  bezeichnen  ist. 
Denn,  wenn  von  der  Wirkung,  wie  wir  sie  am  Zinkbogen- 
üder  Funkenlicht  wahrnehmen,  auch  nur  ein  verschwindend 
kleiner  Bruchtheil  für  das  Sonnenlicht  bestehen  bleibt,  so 
muss  von  der  bestrahlten  Seite  der  Erdkugel  negative  Elec- 
tricität  im  Laufe  eines  Tages  in  die  Atmosphäre  eindringen, 
ein  Vorgang,  der  geeignet  sein  dürfte,  die  beträchtliche  täg- 
liche Variation  des  Luftpotentials  zu  erklären.  Arrhenius') 
hat  bekanntlich  schon  eine  vollständige  Theorie  der  Luft- 
electricität  auf  dieser  Grundlage  aufgebaut,  die,  wenn 
sie    auch    nicht    frei    von    angreifbaren    Punkten    erscheint, 


1)  M.  Hoor.  Itep.  d.  Phys.  25.  p.  105.  1ö89. 

2)  Kighi,  Kep.  d.  Pbys.  25.  p.  SöO.  1889. 

,'i)  Arrheiiius,  Meteorol.  Zeitschr.  5.  p.  'J97.  185b. 


Entladung  negativer  Electricität  durch  Tageslicht         499 

im  ganzen  doch  wohl  einen  entschiedenen  Fortschritt  be- 
zeichnet. 

Der  Haupteinwand,  den  kürzlich  Sohne ke^)  gegen  diese 
Theorie  erhoben  hat,  nämlich,  dass  die  Erdoberfläche  gar 
nicht  von  wirksamen  Strahlen  der  Sonne  getroffen  werde, 
kann  nach  unseren  Versuchen  nicht  mehr  in  vollem  Umfange 
aufrecht  erhalten  werden. 

Ist  dieser  Einwand  schon  an  sich  nicht  sehr  schwer- 
wiegend, da  eine  so  geringe  Wirkung,  wie  sie  die  Arrhe- 
ni  US 'sehe  Theorie  bedarf,  sich  noch  nicht  an  den  electri- 
sehen  Messinstrumenten  zu  zeigen  braucht,  so  wird  er  kaum 
festzuhalten  sein,  nachdem  es  gelang,  Körper  aufzufinden, 
die  fast  momentan  durch  das  Sonnenlicht  entladen  waren. 

Wir  werden  im  Folgenden  zeigen,  dass  unter  geeigneten 
Versuchsbedingungen  die  entladende  Kraft  der  Sonnenstrahlen 
vollkommen  mit  jener  des  Funkenlichtes  wetteifert. 

§  2.  Die  Gesichtspunkte,  von  welchen  wir  beim  Beginn 
unserer  Untersuchung  ausgingen,  waren  wesentlich  meteoro- 
logischer Natur.  Bei  unseren  Beobachtungen  des  normalen 
Potentialgefälles  der  atmosphärischen  Electricität'"^)  war  uns 
die  tägliche  Periode  desselben  (zur  wärmeren  Jahreszeit)  in 
auffallender  Weise  entgegengetreten.  An  klaren  Herbst- 
und Frühlingstagen  sank  der  Potentialwerth  im  Verlaufe  des 
Tages,  also  mit  zunehmender  Insolation  des  Erdbodens,  oft 
auf  einen  ganz  geringen  Bruchtheil  des  Morgenwerthes  her- 
ab. (Oft  von  250  Volts  auf  20  Volts  pro  Meter).  Der  von 
Arrhenius  vertretene  Standpunkt  schien,  wie  bemerkt, 
einen  Einblick  in  das  Spiel  der  hier  wirkenden  Ursachen  zu 
ermöglichen,  dabei  war  allerdings  zuvor  festzustellen,  ob 
das  Sonnenlicht  als  electrisch  wirksam  betrachtet  werden 
kann.  Diese  Frage  zu  entscheiden,  war  also  die  nächste 
Aufgabe. 

Wir  müssen  zugestehen,  dass  wir  überrascht  waren,  so 
schnell  zum  Ziele  zu  gelangen.  Als  zu  belichtendes  Metall 
verwandten  wir  Zink,  weil  übereinstimmend  angegeben  wird, 
dass  dasselbe  im  Funkenlicht  die  Entladung  negativer  Elec- 

1)  Sohncke,   Himmel   imd   Erde.    1.    p.  523  ff.    auch   Beibl.    13. 
p.  739.  1889. 

2)  J.  Elster  u.  H.  G eitel,  Wien.  Ber.  98.  p.  909.  1889. 

32* 


500  J.  Elster  u.  K  Geitel 

tricität  sehr  ausgesprochen  zeigt,  zumal  wenn  seine  Ober- 
fläche vorher  sorgfältig  gereinigt  war. 

Ferner  schien  es  uns  nothwendig,  ein  möglichst  empfind- 
Hohes  Electrometer  in  Anwendung  zu  bringen,  um  eventuell 
selbst  Spuren  der  in  Rede  stehenden  Erscheinung  feststellen 
zu  können. 

Die  nähere  Anordnung  der  ersten  von  uns  ausgeführten 
Belichtungsversuche  war  diese: 

Wir  haben  in  dem  Garten  unserer  Wohnung  eine  Zink- 
schale von  ca.  20  cm  Durchmesser  isolirt  befestigt  stehen, 
von  welcher  eine  ebenfalls  isolirte  Drahtleitung  in  unser  im 
Erdgeschoss  gelegenes  Laboratorium  führt,  sodass  wir  die 
draussen  aufgestellte  Schale  leicht  mit  einem  empfindlichen 
Quadrantelectrometer  (1  Normaldaniell  =  50 — 60  Scalen- 
theile)  in  leitende  Verbindung  bringeü  können.  Diese  Schale 
steht  in  einem  cylindrischen  Metallgefässe,  das  durch  einen 
horizontal  verschiebbaren  Deckel  vermittelst  einer  in  das 
Laboratorium  hineingeführten  Schnur  beliebig  geöffnet  oder 
geschlossen  werden  kann.  Ein  zwischen  Deckel  und  Schale 
eingeschaltetes,  zur  Erde  abgeleitetes,  weitmaschiges  Draht- 
netz entzieht  die  letztere  dem  Einflüsse  der  atmosphä- 
rischen Electricität.  Der  bewegliche  Deckel  schloss  nicht 
vollkommen  lichtdicht;  sollte  die  Schale  in  absolutem  Dunkel 
gehalten  werden,  so  musste  der  umgebende  Metallcylinder 
durch  einen  cylindrischen  Aufsatz  geschlossen  werden.  Die 
Schale  befand  sich  bei  allen  Versuchen  nur  wenige  Milli- 
meter unterhalb  des  schützenden  Drahtgitters. 

Gleich  der  erste  Versuch  zeigte,  dass  die  vom  Sonnen- 
lichte getroff'ene,  frisch  abgeschmirgelte  Schale  viel  schneller 
eine  negative  Ladung  verlor,  als  eine  positive,  sodass  wir 
nach  einigen  orientirenden  Vorversuchen  zu  Messungen  schrei- 
ten konnten. 

Von  diesen  Messungen,  von  denen  wir  später  eine  grosse 
Zahl  vornahmen,  möchten  wir  die  erste,  ausgeführt  am  30.  Mai 
d.  J.,  hier  mittheilen. 

Als  der  Schale  eine  negative  Ladung  von  388  Scalen- 
theilen  ertheilt  worden  war,  wurden  bei  Belichtung  durch 
Sonnenlicht  im  Verlaufe  von  3  Minuten  folgende  Abnahmen 
in  Scalentheilen  beobachtet: 


Eulladituy  negativer  EUctricität  durch  Tageslicht.         501 

Zeit:  1  2  3      Minuten 

Abnahme:        06         171        215    Scalentheile. 

Als  der  gleiche  Versuch  angestellt  wurde  ohne  Belich- 
tungy  ergaben  sich  die  folgenden  Zahlen: 

Zeit:  1  2  3       Minuten 

Abnahme:        33         62  83     Scalentheile. 

Jetzt  wurde  der  Versuch  wiederholt  mit  einer  positiven 
Ladung  von  494  Scalentheilen,  hier  ergab  sich: 

Zeit:  1  2  3      Minuten 

Ab-     j  belichtet       21  42  62  (  vi«„,  ,  ,1    .. 

nähme:  }  unbelichtet  21  41  60  |  ^c»!^*»^!^^»!^- 

Aus  diesen  Versuchen  geht  der  Einfluss  der  Belichtung 
wohl  unzweifelhaft  hervor.  Immerhin  ist  aufl'allend,  dass 
die  Zerstreuung  der  negativen  Electricität  auch  bei  ge- 
schlossenem Deckel  eine  grössere  ist,  als  die  der  positiven 
Electricität.  Es  war  anzunehmen,  dass  diese  Erscheinung 
bedingt  werde  durch  das  Nebenlicht,  welches  der  horizontal 
bewegliche  Deckel  noch  seitlich  in  den  Apparat  eintreten 
Hess.  Diese  Vermuthung  bestätigt  sich,  denn  als  wir  den 
Horizontaldeckel  durch  den  oben  erwähnten  cylindrischen 
Aufsatz  ersetzten,  fand  sich  die  Zerstreuung  der  negativen 
Electricität  viel  geringer,  als  vorher.  Bei  einer  negativen 
Ladung  von  481  Scalentheilen  ergaben  sich  in  3  Minuten 
folgende  Abnahmen: 

Zeit:  1         2        :t    Minuten. 

\u    ,1     «    I  Horizontaldcckel  25      45      65  I    ci«„i««*i    «i^ 

Abnahme:  j  Cylindri.chcr  Aufsatz     13      24      31   )   Scalentheile. 

Frisch  abgeschmirgeltes  Zink  ist  danach  selbst  gegen 
zerstreutes  Tageslicht  empfindlich. 

Es  stand  zu  erwarten,  dass  bei  Verwendung  höherer 
Spannungen  sich  die  Erscheinung  mit  noch  grösserer  Deut- 
lichkeit zeigen  werde.  Wir  ersetzten  deshalb  das  Quadrant- 
electrometer  durch  ein  Exner'sches  Electroskop,  dem  mittelst 
einer  trockenen  Säule  eine  Ladung  von  ca.  ±175  Volts 
ertheilt  werden  konnte. 

Es  ergaben  sich  hier  die  folgenden  Zahlen: 


502  J.  Elster  u.  H.  Geitel 

Belichtung  durch  Sonnenlicht. 

I.    Negative  Ladung  von  175  Volts. 
Datum :  2.  VI.  89.        Zeit:  Va  1     Minute. 

Abnfthmp-  I  helichtet  150  175  i  y  j 

^^"^*^"™^- \  unbelichtet        10  15  |    ^ ''^^^• 

IT.     Positive  Ladung  von  175  Volts. 

Zeit:  V'j  1  Minute. 

Abnahmp-  '  belichtet  -  3    |   y  w 

ADnanme.  ^  ^„beli^.litet         5  W  \   ^^"^• 

Nach  40  Secunden  Belichtung  war  eine  deutliche  Diver- 
genz des  Electroskops,  falls  die  Anfangsladung  negativ  war^ 
überhaupt  nicht  mehr  zu  constatiren. 

Die  oben  erwähnte  Empfindlichkeit  frisch  abgeschmir 
gelten  Zinks  liess  es  wahrscheinlich  erscheinen,  dass  auch 
die  actinoelectrische  Kraft  des  zerstreuten  Tageslichtes  bei 
dieser  Versuchsanordnung  noch  deutlicher  hervortreten  würde. 
Die  Sonne  verliess  den  Apparat  ca.  3  Uhr  nachmittags.  Es 
wurden  nach  dieser  Tageszeit  die  obigen  Versuche  unter 
Verwendung  des  Exner'schen  Electroskops  wiederholt.  Es 
ergaben  sich  hier  noch  folgende  Abnahmen: 

Belichtung  durch  Tageslicht. 

Zeit:  '.         1         1'...  2  Minuten 


r 
35 

1 
54 

1'' 
65 

8 

18 

30 

Abnahme:  '  '^«'/^ ,         ''l        '^        «f,        f,   \  Volt. 
I   unbel.:         8         18         30         31    | 

Die  Zahlen  in  der  letzten  Horizontalreihe  würden  auch 
hier  bedeutend  kleiner  ausgefallen  sein,  wenn  wir  den  Appa- 
rat nicht  durch  den  Horizontaldeckel,  sondern  durch  den 
cylindrischen  Aufsatz  geschlossen  gehalten  hätten. 

In  gleicher  Weise  wie  blankes  Zink,  vielleicht  sogar  noch 
kräftiger,  wirkten  frisch  gereinigte  Oberflächen  der  Metalle 
Aluminium  und  Magnesium. 

§  3.  Die  von  F.  E  x  n  e  r  construirten  transportabeln 
Apparate^)  zur  Bestimmung  der  atmosphärischen  Electricität 
erlaubten  uns,  die  bislang  beschriebenen  Versuche,  wenn  auch 
in  etwas  anderer  Anordnung,  im  freien  Felde  zu  wiederholen. 
Wir  benutzten  einfach  Drähte  aus  Zink,  Aluminium  und 
Magnesium,    die   direct   an    dem  Knopfe   des    Exner'schen 

\)  V.  Kxner,  Wien.  Ber.  i)r>.  II.  Abth.  p.  1084.  IssT. 


Entladung  negativer  ElectricUät  durch  Tageslicht         503 

Electroskops  befestigt  wurden,  nachdem  sie  zuvor  sorgfältig 
abgeschmirgelt  waren. 

Verwandte  man  einen  Aluminiumdraht  von  30  cm  Länge, 
so  hielt  ein  so  hergerichtetes  Electroskop  im  Sonnenlichte 
negative  Electricität  überhaupt  nicht;  in  weniger  als  2  Se- 
cunden  nahm  die  Spannung  von  200  Volts  auf  Null  ab.  Sobald 
man  im  Sonnenlichte  die  Verbindung  zwischen  dem  negativen 
Pole  einer  trockenen  Säule  und  dem  Aluminiumblättchen  des 
Electroskops  aufhob,  verschwand  die  Ladung  fast  momentan, 
um,  wenn  das  Electroskop  auf  freiem  Felde  emporgehalten 
wurde,  sofort  einer  hohen,  oft  150  Volts  betragenden  positiven 
Spannung  Platz  zu  machen. 

Wie  wir  weiter  unten  ausführen  werden,  ist  die  letztere 
Ladung  einer  Einwirkung  der  atmosphärischen  Electricität 
zuzuschreiben.  Will  man  daher  den  Einfluss  der  Belichtung 
allein  studiren,  so  ist  der  zu  belichtende  Körper  in  dem  In- 
neren eines  zur  Erde  abgeleiteten  Drahtgitters  unterzubrin- 
gen. Bei  allen  weiteren  Belichtungsversuchen  im  Freien 
haben  wir  daher  diese  Vorsichtsmaassregel  gebraucht.  Stellt 
man  die  Versuche  im  Inneren  eines  Zimmers  bei  geö£fnetem 
Fenster  an,  so  kann  dieser  Schutz  natürlich  entbehrt  werden. 

Obgleich  durch  ein  solches  Drahtnetz  ein  Theil  der 
Lichtstrahlen  aufgefangen  wird,  ist  doch  die  Entladung  auf 
freiem  Felde  eine  so  schnelle,  dass,  wenn  man  die  Erschei- 
nung bei  hohem  Sonnenstande  messend  verfolgen  will,  Alu- 
miniumdrahtstückcben  von  nur  circa  10  mm  Länge  in  An- 
wendung gebracht  werden  können. 

Bei  dem  Bestreben,  das  Exner'sche  Electroskop  in  eine 
Art  Photometer  für  die  actinoelectrisch  wirksamen  Strahlen 
der  Sonne  umzuwandeln,  erkannten  wir  bald,  dass  eine  Haupt- 
Schwierigkeit  in  dem  Umstände  lag,  dass  die  Entladungszeit 
so  ungemein  stark  von  der  Überflächenbeschaffenheit  der  be- 
lichteten Metalle  abhängt.  Frisch  abgeschmirgelte  Oberflächen 
der  lichtempfindlichen  Metalle  zeigen  die  Entladung  durch 
Sonnenlicht  oft  in  dem  doppelten  Maasse,  wie  Oberflächen, 
die  vielleicht  5  Minuten  lang  dem  Lichte  ausgesetzt  waren. 

Dieser  sehr  störende  Uebelstand  lässt  sich  dadurch  stark 
vermindern,  dass  man  eine  jedesmal  frisch  amalgamirte  Zink- 
kugel in  Anwendung  bringt. 


504  J.  Ehler  u.  H.  Geitel 

Beim  Gebrauche  solcher  Kugeln  stellt  es  sich  heraus, 
dass  eine  amalgamirte  Zinkfläche  fast  noch  lichtempfindlicher 
ist,  als  alle  die  zuvor  genannten  Metalle.  Eine  derartige 
Kugel  von  3  cm  Durchmesser  entladet  an  klaren  Tagen  ein 
bis  zum  Maximum  geladenes  Exner'sches  Electroskop,  ohne 
Anwendung  von  Sonnenlicht,  lediglich  unter  dem  Einflüsse 
des  blauen  Himmelslichtes  in  wenigen  Secunden  voll- 
ständig. 

Auch  bei  ganz  bewölktem  Himmel  lässt  sich  bei  geöfl- 
netem  Fenster  die  Entladung  durch  das  zerstreute  Tageslicht 
selbst  im  Zimmer  noch  deutlich  zeigen. 

Verbindet  man  ferner  eine  derartige  Zinkkugel  mit  dem 
negativen  Pole  einer  aus  4000  Plattenpaaren  bestehenden 
Zamboni' sehen  Säule  von  grossem  inneren  Widerstände 
dauernd,  so  sinkt  die  Spannung  dieses  Poles  auf  ein  Mini- 
mum, sobald  die  Kugel  vom  Sonnenlicht  getreuen  wird. 

Die  Verwendung  solcher  Kugeln  als  lichtempfindliche 
Körper  in  einem  Photometer  für  die  actinoelectrisch  wirk- 
samen Strahlen  der  Sonne  scheint  ausführbar  zu  sein;  eine 
Beschreibung  der  Methode,  falls  sie  sich  bewährt,  möchten 
wir  einer  späteren  Mittheilung  vorbehalten. 

§  4.  Es  ist  ohne  Frage  ein  sehr  bemerkenswerther  Um- 
stand, dass  bislang  nur  electropositive  Metalle  sich  gegen  das 
Sonnen-  und  Tageslicht  empfindlich  zeigten.  Es  stand  daher 
zu  erwarten,  dass,  wenn  Metalle  gewählt  wurden,  welche  noch 
electropositiver  sind,  als  Zink,  Aluminium,  Magnesium,  min- 
destens die  gleiche  Lichtempfindlichkeit  hervortreten  würde. 
Wir  schritten  daher  zu  Versuchen  mit  Kalium  und  Natrium. 
Leider  verbietet  die  Natur  dieser  Metalle  eine  unmittelbare 
Verwendung,  da  eine  Herstellung  blanker  Oberflächen  der- 
selben in  atmosphärischer  Luft  unmöglich  ist.  Die  Licht- 
empfindlichkeit der  Amalgame  brachte  uns  auf  den  Gedanken, 
auch  hier  die  Metalle  durch  ihre  Amalgame  zu  ersetzen. 
Aber  selbst  diese  überziehen  sich,  der  Luft  ausgesetzt,  sofort 
mit  einer  Schicht  der  Hydroxyde  der  betreff'enden  Metalle. 
Völlig  reine  Oberflächen  sind  möglich  an  einem  austtiessen- 
den  Strahle. 

Wir  halfen  uns  daher  dadurch,  dass  wir  geringe  Quanti- 
täten der  Alkalimetalle  in  Hg  auflösten  (um  das  Erstarren  der 


Entladung  negativer  Electriciiät  durch  Tageslicht         505 

Amalgame  zu  verhindern,  darf  der  Gehalt  an  Älkalimetall 
nur  gering  gewählt  werden)  und  das  Licht  auf  freie  Strahlen 
dieser  Lösung  wirken  Hessen.  In  Fig.  1  ist  der  von  uns  zu 
diesen  Versuchen  benutzte  Apparat  dargestellt. 

Eine  oflene  Pappschachtel^^'  (Metallische,  selbst  Eisen- 
schalen, können  nicht  verwandt  werden,  da  sie  bei  der  Berüh- 
rung mit  Alkalimetallamalgamen  sofort  amalgamirt  werden) 
durch  drei  Siegellackfüsschen  x  isolirt,  trug  einen  Ständer  T, 
an  welchem  ein  gläsernes  Tropfgefäss  B  vermittelst  eines  an- 
gekitteten Drahtringes  befestigt  war.  Wurde  B  mit  kalium- 
oder  natriumhaltigem  Quecksilber  gefüllt,  so  trat  das  Metall  in 
feinem  Strahle  aus  der  Oeflfnung  O  aus.  Ofi'enbar  bildet 
sich  hier  momentan  stets  eine  reine  Überfläche.  Wir  hatten 
drei  solche  Apparate  hergerichtet,  einen  für  reines  Queck- 
silber, einen  zweiten  für  die  Auflösung  von  Na  in  Hg  und 
einen  dritten  für  die  Lösung  von  K  in  Hg.  Um  Tropfen- 
sammlerwirkungen auszuschliessen,  wurden  die  abgeflossenen 
Quecksilbermengen  durch  einen  Eisendraht  leitend  mit  dem 
Metall  im  Tropfgefäss  verbunden.  Zugleich  vermittelte  dieser 
Draht  die  Verbindung  mit  dem  zu  den  Versuchen  verwandten 
Exn  er 'sehen  Electroskope. 

p]s  zeigte  sich  bei  positiver  Ladung  bei  keinem  der 
Apparate  irgend  eine  Einwirkung  des  Lichtes,  dagegen  nahm 
die  Ladung  selbst  im  zerstreuten  Tageslichte  (bei  sehr  trü- 
bem Himmel)  schnell  ab,  sobald  sie  negativ  war,  und  das 
Quecksilber  Spuren  von  K  oder  Na  enthielt;  reines  Queck- 
silber dagegen  war  vollkommen  unwirksam.  Letzteres  wurde 
auch  noch  auf  andere  Weise  bestätigt,  indem  ein  mit  eben 
tiltrirtem,  reinen  Quecksilber  gefülltes  Schälchen  dem  direc- 
ten  Sonnenlichte  ausgesetzt  wurde.  Irgend  eine  abnorme 
Zerstreuung  negativer  Electricität  war  hier  nicht  wahrzu- 
nehmen. 

p]ine  Beobachtungsreihe,'  betreft'end  die  Lichtempfindlich- 
keit der  Amalgame,  mag  hier  Platz  finden.  Dieselbe  wurde 
am  2.  October  1889  bei  stark  verschleiertem  Sonnenlichte 
durchgeführt.  Als  Electrometer  diente  das  calibrirte  Ex ner'- 
sche  Electroskop.  In  folgender  Tabelle  bezeichnet  V^  die 
dem  Tropfapparat  ertheilte  Spannung  F,  den  Rest  derselben 


506  J.  Elster  u.  H,  Geitel 

nach  t  Secunden  Belichtung.   Es  ergaben  sich  bei  negativer 
Ladung  folgende  Zahlen: 

To  V,  t" 

(Volt)  (Volt) 

1)  Reines  Hg  185  175  30" 

2)  Hg+Zn  195  116  15" 

3)  Hg  +  Na  195  0  10" 

4)  Hg  +  K  195  0  5" 

Wenn  in  den  Amalgamen  das  in  dem  Bg  gelöste  Metall 
das  wirksame  Agens  ist,  so  dürften  obige  Versuche  erlauben, 
die  verschiedenen  Metalle  nach  ihrer  Lichtempfindlichkeit  in 
folgender  Weise  zu  ordnen: 

K,    Na,     (Mg,  AI),    Zn,    Sn. 

Es  ist  interessant,  dass  diese  Reihe  genau  mit  der 
Volta'schen  Spannungsreihe  zusammenfällt.  Auch  Zinn 
konnte  in  diese  Reihe  mit  aufgenommen  werden,  da  amalga- 
mirte  Oberflächen  dieses  Metalls  eine,  wenn  auch  vergleichs- 
weise schwache,  doch  immerhin  deutlich  wahrnehmbare  Wir- 
kung zeigen. 

Versuche  mit  reinen,  aber  nicht  araalgamirten  Oberäächen 
der  Metalle:  Zinn,  Cadmium,  Blei,  Kupfer,  Messing,  Eisen, 
(Kohle),  Platin  haben  nur  negative  Ergebnisse  geliefert, 
mochten  wir  sie  in  dem  eingangs  beschriebenen  Belichtungs- 
apparate oder  unmittelbar  am  Exner'schen  Electroskope 
verwenden. 

§  5.  In  meteorologischer  Hinsicht  schien  uns  die  Frage 
von  Wichtigkeit,  wie  sich  eine  dem  Lichte  ausgesetzte  Was- 
serfläche verhalten  würde.  Wir  verwandten  daher  zunächst 
reines  (Regen-)  Wasser,  mit  welchem  wir  die  Schale  des  in 
§  2  geschilderten  ßelichtungsapparates  füllten;  ferner  auch 
stark  dampfendes  heisses  Wasser,  um  festzustellen,  ob  vielleicht 
der  von  der  Wasserfläche  aufsteigende  Dampf  unter  dem  Ein- 
flüsse des  Sonnenlichtes  negative  Electricität  mit  sich  führe. 
Schliesslich  verwandten  wir  noch  kalte  und  heisse  Kochsalz- 
lösungen, und  zwar  im  Hinblick  auf  den  Verdampfungspro- 
cess  auf  der  Oberfläche  des  Meeres.  M  Bei  allen  diesen 
Flüssigkeiten  haben  wir  eine  deutliche  actinoelectrische  Ein- 
wirkung der  Sonnenstrahlen  nicht  feststellen  können.     Zwar 

1)  Piilmiori   findet  negative  Electrisining  mit  Meorwasser  gefüllter 
belichteter  Schalen.    Vgl.  Beibl.  \X  p.  23.  1889. 


Entladung  negativer  Electricität  durch  Tageslicht,         507 

zeigte  sich  häutig  bei  geöffnetem  Apparate  ein  etwas  grösse- 
rer Electricitätsverlust,  als  bei  geschlossenem,  doch  dürften 
sich  die  geringen  beobachteten  Unterschiede  auf  die  lebhaf- 
tere Circulation  der  immer  staubhaltigen  Luft  in  dem  geöff- 
neten Apparate  zurückführen  lassen. 

Wenn  in  den  letztgenannten  Fällen  wirklich  noch  eine 
actinoelectrische  Wirkung  der  Sonnenstrahlen  vorhanden  ist, 
so  ist  sie  jedenfalls  viel  hundertmal  geringer  als  die,  welche 
an  blanken  Zink-  und  Aluminiumtlächen  wahrgenommen  wird. 

Mit  den  Versuchen  an  Wasserflächen  steht  im  Einklänge, 
dass  benetzte  lichtempfindliche  Metalle  fast  vollständig  un- 
wirksam sind.  Es  genügt,  einen  frisch  abgeschmirgelten  Alu- 
miniumdraht einige  mal  durch  die  Finger  zu  ziehen,  um 
seine  Lichtempiindlichkeit  auf  ein  Minimum  herabzusetzen. 

Interessant  ist,  dass  wenigstens  ein  nicht  metallischer 
Körper  aufgefunden  werden  konnte,  der  deutlich  auf  das 
Sonnenlicht  reagirt;  es  ist  dies  die  B  almain 'sehe  Leucht- 
farbe. Dieselbe  wurde  in  Pulverform  in  einer  kleinen  offenen 
Pappschachtel,  durch  deren  Boden  ein  mit  dem  Exn  er 'sehen 
Electroskop  verbundener  Eisendraht  geführt  war,  dem  Lichte 
ausgesetzt.  Die  ganze  Vorrichtung  umschloss,  um  ein  Stäu- 
ben des  leichten  Pulvers  zu  verhindern,  ein  oben  mit  einer 
Gypsplatte  verschlossener  Metallkasten.  Zur  Controle  wur- 
den die  Versuche  mit  leerer  Schachtel  wiederholt. 

Es  ergaben  sich  bei  Verwendung  von  Sonnenlicht  hier 
folgende  Zahlen: 

Versuche  mit  Balmain'scher  Leuchtfarbe. 

1)  Pappschachtel  allein: 
l>jitum:  2.  X.  81».  negative  Ladung: 

V,  1\  t  ■ 

Diverg.        Volt  Div.  Vult 

29,0  258  28,4  2ö4  00" 

2'  Pappschachtel  mit  Balmain'schcr  Farhc  gefüllt: 

a.  negative  Ladung: 

2i),2  260  19,8  1<»7  60' 

b.  i)08itive  Ladung: 

24,5  228  23,2  219  60 

Flächen,  die  mit  einer  Balmain'sche  Farbe  enthalten- 
dem Gelatinel(")sung  bestrichen  sind,  zeigen  keine  Einwirkung 

des  Lichtes. 


508  J.  Elster  u.  II.  Gdtel. 

Es  wäre  von  Interesse,  andere  phosphorescirende  Sub- 
stanzen auf  ihre  electrische  Lichtempfindlichkeit  zu  unter- 
suchen. 

§  6.  Zur  bequemen  Ausführung  und  Demonstration  der 
Mehrzahl  der  beschriebenen  und  noch  zu  schildernden  Ver- 
suche verwandten  wir  den  folgenden  einfachen  Apparat. 

Ein  kreisrunder,  starker  Metallteller  AB  (Fig.  2)  ist  in 
seiner  Mitte  M  durchbohrt.  Hier  ist  eine  aussen  stark  mit 
Siegellack  umkleidete  Glasröhre  eingeführt.  Wahrscheinlich 
wird  sich  hier  noch  besser  ein  durchbohrter  Ebonitcylinder, 
der  ganz  dünn  mit  Schellackfirniss^)  überzogen  ist,  verwenden 
lassen. 

Der  etwa  1  cm  dicke  und  25  cm  lange  Eisenstab  A  C  ist 
bei  A  an  die  Metallplatte  angenietet  und  dient  zum  Befestigen 
des  Apparates  in  einem  eisernen  Retortenhalter. 

Als  lichtempfindlicher  Körper  dient  eine  massive,  amal- 
gamirte  Zinkkugel  K  von  3  cm  Durchmesser,  in  welche  ein 
etwa  2  mm  starker  Eisendraht  fest  eingeschraubt  ist.  Letz- 
terer muss  durch  die  Bohrung  des  isolirenden  Trägers  EF 
willig  hindurch  passen.  Das  Schräubchen  s  gestattet,  die 
lichtempfindliche  Kugel  mit  einem  (zweckmässig  calibrirten) 
Gold-  oder  Aluminiumblattelectroskop  in  Verbindung  zu 
setzen.  Die  innen  geschwärzte  Metallhülle  //  dient  dazu, 
die  Kugel  vor  der  Einwirkung  des  Lichtes  zu  schützen,  so- 
lange keine  Belichtung  derselben  gewünscht  wird.  Ueber 
den  etwa  2  cm  hohen  Metallrand  RR'  kann  entweder  ein 
Cylinder  aus  Drahtnetz  oder  ein  solcher  aus  Metall  mit  ge- 
radem, verbreitertem  Rande  geschoben  werden.  Letzterer 
Cylinder  ist  in  der  Figur  mit  H'  l)ezeichnet  und  punktirt 
angedeutet. 

Die  Zinkkugel  K  (Fig.  2  a  u.  b)  wird  durch  das  trichter- 
förmige Glasgefäss  (Fig.  2  c)  ersetzt,  wenn  es  sich  um  die 
Untersuchung  von  Flüssigkeitsoberflächen  handelt.  Auch  ein 
analog  construirtes  metallenes  Schälchen  ist  für  viele  Ver- 
suche zweckdienlich. 

§  7.  Zur  Anstellung  des  Fundamentalversuches  mit 
Sonnen-  oder  hellem  Himmelslichte  verfährt  man  folgender- 

1)  Vgl.  F.  Exil  er,  1.  c.  p.  10lȟ.  Aiun.  t>. 


Eiitladuvij  negativer  ElectricUät  durch  Tageslicht,         5(J9 

massen:  Nachdem  die  Zinkkugel  frisch  amalgamirt,  die  hierzu 
verwandte  verdünnte  Schwefelsäure  durch  Waschen  in  reinem 
Wasser  entfernt  und  durch  festes  Abreiben  mit  einem  gro- 
ben leinenen  Tuche  sorgfältig  jede  Feuchtigkeit  entfernt 
worden  ist,  führt  man  die  Kugel  schnell  in  den  Apparat 
ein,  indem  man  ein  Berühren  ihrer  blanken  Oberfläche  mit 
den  Fingern  vermeidet,  und  deckt  die  Hülle  H  darüber.  Als- 
dann ertheilt  man  dem  Electroskope  und  damit  auc)i  der 
Kugel  eine  negative  Ladung  und  entfernt  die  Hülle  //.  Es 
findet  dann  im  Sonnenlicht  bei  offenem  Fenster  alsbald  ein 
schnelles  Zusammenfallen  der  Blättchen  des  Electroskopes 
statt.  Man  wiederholt  jetzt  den  Versuch  mit  positiver  Elec- 
tricität  und  überzeugt  sich  leicht,  dass  eine  positive  Ladung 
fast  gar  keinen  Verlust  erleidet,  selbst  nicht  bei  minuten- 
langer Belichtung,  vorausgesetzt,  dass  alle  isolirenden  Stützen 
und  natürlich  auch  das  Electroskop  selbst  vorzüglich  isoliren. 

Wird  der  Versuch  im  Freien  angestellt,  so  ist  das  cylin- 
drische  Drahtgitter  in  Anwendung  zu  bringen,  um  den  Ein- 
tluss  der  atmosphärischen  Electricität  zu  eliminiren,  sonst 
verfährt  man  natürlich  in  gleicher  Weise. 

Auch  der  oben  erwähnte  Versuch,  dass  der  negative 
Pol  einer  vielplattigen  trockenen  Säule  von  grossem  inneren 
Widerstände  durch  das  Sonnenlicht  vermittelst  der  Zink- 
kugel entladen  wird,  lässt  sich  mit  vorstehendem  Apparate 
leicht  bewahrheiten. 

Das  Austreten  negativer  Electricität  aus  der  belichteten 
amalgamirten  Zinkkugel  kann  auch  durch  folgende  Abänderung 
dos  Versuches  gezeigt  werden.  Man  ersetze  die  Zinkkugel 
K  durch  eine  Messingkugel  und  lade  das  Electroskop  posi- 
tiv; es  tritt  keine  Aenderung  der  Ladung  ein,  mag  man  die 
Messingkugel  belichten  oder  nicht.  Nähert  man  dagegen  die 
amalgamirte  Kugel  /f,  die  zur  Erde  abgeleitet  und  belichtet 
ist,  der  Messingkugel  bis  auf  eine  geringe  Entfernung 
(1—5  mm),  so  fallen  sofort  die  Blättchen  des  Electroskops 
zusammen. 

§  8.  Da  die  in  Rede  stehenden  Erscheinungen  selbst 
im  zerstreuten  Tageslichte  nachweisbar  sind,  so  liegt  die 
Vermuthung  nahe,  dass  auch  Strahlen  von  geringerer  Brech- 
])arkeit,   als  man   bisher   annahm,   actinoelectrisch  wirksam 


510  J.  EUter  u.  H.   Geitel. 

sind.  Man  kann  sich  davon  leicht  Überzeugen,  indem  man 
die  Kugel  mit  der  Hülle  H'  umgibt,  deren  obere  Oeflfnung 
durch  verschiedene,  auf  kurzwelliges  Licht  mehr  oder  weniger 
absorbirend  wirkende  Substanzen  (Glasplatten  verschiedener 
Färbung,  G-limmer,  Gypsplatten)  verschlossen  werden  kann. 

Eine  derartige  Versuchsreihe  bei  heiterem,  wenn  auch 
nicht  absolut  klarem  Himmel  möchten  wir  hier  mittheilen. 
Der  Apparat  war  dabei  aus  einem  schrägen  Fenster  des 
Hausdaches  emporgehoben.  Bezeichnet  man  wieder  die  der 
Kugel  mitgetheilte  negative  Anfangsladung  mit  Vq,  den 
Rest  der  Ladung  nach  t  Secunden  Belichtung  mit  Vt,  so 
kann  man  die  bei  verschiedenen  absorbirenden  Substanzen 
gemachten  Beobachtungen  in  folgender  Weise  zusammen- 
stellen : 

Datum:   24.  IX.  S9. 

1)  Kugel  frei    .    .    . 

2)  Gypsplatte  .    .    . 

3)  Fensterglas      .    . 

4)  Blaues  Cobaltglas 

5)  Rothes  Glas     .    . 
^      6)  Kugel  fi-ei    .    .    . 

Aus  dieser  Reihe  geht  hervor,  dass  die  Wirkung  durch 
Gyps  fast  ungeschwächt  hindurchgeht,  dass  gewöhnliches  und 
blaues  Glas  einen  beträchtlichen  Theil  der  Wirkung  hin- 
durchlassen, dass  dagegen  rothes  Glas  die  Wirkung  auf- 
hebt. 

In  Bezug  auf  Glimmer  findet  man  übereinstimmend  von 
allen  Beobachtern  angegeben,  dass  die  vom  Zinkbogenlichte 
oder  Funkenlichte  ausgehende  Wirkung  durch  Zwischen- 
schaltung eines  dünnen  Blättchens  genannten  Minerals  voll- 
ständig vernichtet  wurde.  Für  Sonnenlicht  und  amalgamirte 
Zinküächen  ist  diese  Behauptung  nicht  zutreffend,  auch  durch 
Glimmer  geht  ein  grosser  Theil  der  actinoelectrischen  Wir- 
kung hindurch,  wie  die  folgende  Versuchsreihe  zeigt,  bei 
welcher  das  Licht  des  blauen  Himmels,  also  nicht  directes 
Sonnenlicht,   in  Verwendung  kam: 


r;  (Volt) 

T\  (Volt) 

/  Secunden 

260 

0 

5 

260 

93 

Ü 

260 

85 

60 

260 

142 

60 

260 

250 

Go 

260 

20 

5 

Datum:  2.  X.  89. 

Fo  (Volt) 

l\  tVolt) 

/ 

1)  Kugel  frei 

2)  Glimmer  . 

3)  Kugel  frei 

231 
231 
231 

127 

120 

0 

ir> 

60' 
60 

Entladung  negativer  Electricität  durch  Tageslicht,         511 

§9.  Es  ist  bekanntlich  durch  flallwachs^)  festgestellt 
1^'orden,  dass  eine  von  ultraviolettem  Lichte  getroffene  Me- 
tallplatte eine  spontane,  positive  Ladung  annimmt,  eine  La- 
dung, die  nach  den  Versuchen  von  Bichat  und  Blondlot^) 
noch  dadurch  gesteigert  werden  kann,  dass  ein  kräftiger 
Luftstrom  auf  die  blanke  Oberfläche  des  Metalls  geleitet 
wird.  Wir  haben  diese  Versuche  mit  Sonnenlicht  wieder- 
holt und  auch  hier  eine  positive  Ladung  einer  Zinkplatte, 
sowohl  rein  wie  amalgamirt,  und  einer  Aluminiumscheibe  nach- 
weisen können. 

Verbindet  man  die  letztere,  während  sie  dem  Sonnen- 
lichte ausgesetzt  ist,  mit  dem  Quadrantelectrometer,  so  erfolgt 
sofort  eine  langsam  bis  etwa  2V2  Volt  ansteigende  Ablenkung 
der  Electroraeternadel.  Leitet  man  jetzt  mittelst  eines  Kau- 
tschukgebläses einen  kräftigen  Luftstrom  auf  die  Platte,  so 
steigert  sich  die  Electrisirung  der  letzteren  so,  dass  die  Scala 
aus  dem  Gesichtsfelde  verschwindet.  Man  constatirt  leicht, 
dass  die  beschriebene  Wirkung  gänzlich  ausbleibt,  sobald  man 
die  Aluminiumscheibe  durch  irgend  eine  beliebige  andere 
Metallplatte  ersetzt. 

§  10.  Es  erübrigt  nun  noch,  auf  die  oben  berührte  Ein- 
wirkung der  atmosphärischen  Electricität  auf  belichtete  Drähte 
oder  Flächen  der  empfindlichen  Metalle  zurückzukommen. 

Es  war  bemerkt  worden,  dass  ein  mit  solchen  Metallen 
verbundenes  Electroskop,  wenn  es  bei  hellem  Tageslicht  auf 
freiem  Felde  emporgehalten  wird,  einen  Ausschlag  zeigte,  dem 
eine  häufig  weit  über  100  Volts  gehende  positive  Spannung  ent- 
sprach. Dass  die  Lichtstrahlen  an  sich  eine  derartige  starke 
l)ositive  Electrisirung  hervorbringen  sollten,  war  durchaus 
unwahrscheinlich,  und  in  der  That  zeigten  einige  einfache 
Controlversuche,  dass  die  Divergenz  der  Blättchen  lediglich 
durch  die  atmosphärische  Electricität  verursacht  wurde. 

Es  wirken  Drähte  der  genannten  Metalle  gerade  so,  als 
ob  mit  dem  Knopfe  des  Electroskopes  ein  Flammencollector 
leitend  verbunden  wäre.  Hiervon  überzeugten  wir  uns  durch 
folgenden  Versuch: 


1)  Hall  wachs,  Wied.  Ann.  34.  p.  731.  1888. 

2)  Bichat  u.  Blondlot,  Beibl.  13.  p.  38.  1889. 


512  J.  Elster  u.  H.  GeiteL 

Am  18.  Juni  d.  J.,  einem  heiteren  Tage,  stellten  wir 
auf  freiem  Felde  unter  Mittag  eine  isolirte  Flamme  auf,  und 
dicht  daneben,  ebenfalls  isolirt,  einen  horizontal  gerichteten, 
gereinigten  Aluminiumdraht  von  ca,  20  cm  Länge.  Die  Spitze 
des  Drahtes  war  im  Niveau  mit  der  Spitze  der  Flamme. 
Man  konnte  so  schnell  hintereinander  bald  die  Flamme,  bald 
den  Draht  als  Collector  verwenden.  Am  Electroskop  zeigten 
sich  folgende  Divergenzen: 

Divergenzen  Mittel 

1)  Collector  die  Flamme:  11,9     12,5     12,5     I2,ü  12,2 

2)  »         der  bei.  Draht:        12,2     12,5     12,8     12,5     12,5       12,5 

3)  »  die  Flamme:  12,5     12,5     12,0     12,3     12,4       12,3 

Drähte  aus  anderen  Metallen,  wie  Kupfer,  Eisen,  Mes- 
sing, Platin,  zeigen  die  Erscheinung  durchaus  nicht,  selbst 
nicht  auf  hohen  Bergspitzen  unter  der  Influenz  eines  Poten- 
tialgefälles von  nahezu  2000  Volts  pro  Meter,  wie  analoge 
Versuche  am  16.  .Juli  d.  J.  an  einem  ganz  normalen  Tage 
oben  auf  dem  Gorner-Grat,  also  in  einer  Meereshöhe  von 
3136  m  zeigten.  An  eine  Spitzenwirkung  im  gewöhnlichen 
Sinne  darf  also  bei  diesen  Versuchen  nicht  gedacht  werden, 
vielmehr  beweisen  dieselben  in  Uebereinstimmung  mit  den 
Ergebnissen  von  Lenard  und  Wolf^)  bei  künstlicher  ultra- 
violetter Belichtung,  dass  von  der  Oberfläche  der  Metalle 
Zink,  Aluminium,  Magnesium  sich  leitende  Theilchen  ent- 
fernen müssen.  Es  wirken  daher  solche  Drähte  gerade  so, 
wie  WassercoUectoren  oder  Flammen. 

§  11.  Stellen  wir  schliesslich  die  Resultate  unserer 
Untersuchung  kurz  zusammen,  so  ergibt  sich  Folgendes: 

Blanke,  frische  Oberflächen  der  Metalle:  Zink,  Alumi- 
nium, Magnesium  werden  durch  das  Sonnen-  und  Tageslicht 
entladen,  falls  ihnen  eine  negative  Ladung  ertheilt  wurde. 
Dabei  nehmen  sie  spontan  eine  positive  Ladung  an,  deren 
Betrag  durch  Anblasen  erhöht  werden  kann. 

Eine  noch  bedeutendere  Lichtempiindlichkeit  zeigen  die 
Amalgame  gewisser  Metalle.  Ordnet  man  dieselben  nach 
dem  Grade  ihrer  Empfindlichkeit,  so  ergibt  sich  folgende 
Reihenfolge:  K,  Na,  Zn,  Sn.  Da  reines  Quecksilber  keine 
Wirkung  fi^ibt,    so  ist  die  Voraussetzung  vielleicht  gestattet, 

1'  L.-nard  u.  Wolf,  Wied.  Ann.  :57.  p.  443.  1889. 


Entladung  negativer  EUctricität  durch  Tageslicht,         513 

das  wirksame  Agens  das  im  Hg  gelöste  Metall  anzusehen. 
Unter  dieser  Annahme  ergibt  sich  für  die  Lichtempfindlich- 
keit folgende  mit  der  Volta'schen  übereinstimmende  Reihe: 

K     Na    (Mg   AI)    Zn    Sn. 

Alle  anderen  bislang  in  das  Bereich  der  Untersuchung 
gezogenen  Metalle,  als: 

Sn,    Cd,     Pb,    Cu,    Fe,     Hg,    Pt    und    Gaskohle 

zeigten  obige  Wirkung  nicht.  Ebenso  verhielten  sich  im 
allgemeinen  die  Oberflächen  sonstiger,  nichtmetallischer  Kör- 
per; der  einzige  nichtmetallische  Körper,  der  eine  deutliche 
Einwirkung  des  Sonnenlichtes  erkennen  liess,  war  pulverförmige 
Balmain'sche  Leuchtfarbe. 

Ebensowenig  zeigte  sich  die  fragliche  Erscheinung  bei 
den  untersuchten  Flüssigkeiten.  Kaltes  und  heisses  Wasser, 
kalte  und  heisse  Kochsalzlösungen  waren  vollkommen  un- 
wirksam. Dementsprechend  kann  man  die  Lichtempfind- 
lichkeit der  zuerst  genannten  Metalle  sofort  durch  Benetzung 
ihrer  Oberflächen  zerstören. 

Die  Belichtungsversuche  können  in  doppelter  Weise  an- 
gestellt werden.  Bei  Versuchen  im  freien  Felde  empfiehlt 
sich  die  Verwendung  von  Zink-,  Aluminium-,  Magnesium- 
drähten oder  kleinen,  mit  Eisenstift  versehenen,  amalgamirten 
Zinkkugeln.  (Hier  überzeugt  man  sich  auch  leicht,  dass  die 
belichteten  Oberflächen  genannter  Metalle  an  Stelle  von 
Flammen  als  CoUectoren  verwandt  werden  können.)  Oder 
man  benutzt  —  und  dies  empfiehlt  sich  namentlich  flir  De- 
monstrationszwecke —  den  beschriebenen  Belichtungsapparat. 
Mit  demselben  lässt  sich  zeigen,  dass: 

1)  amalgamirtes  Zink  bei  negativer  Ladung  im  Sonnen- 
licht fast  momentan  entladen  wird; 

2)  dass  das  letztere  nicht  eintritt  bei  positiver  Ladung; 
3;  dass  eine  amalgamirte  Zinkkugel  einen  ihr  nahe  ge- 

])rachten  positiv  electrischen  Körper  unter  dem  Einflüsse  des 
Lichtes  entladet; 

4)  dass  auch  im  zerstreuten  Tageslichte  deutliche  Ent- 
ladung eintritt,    wenn  auch  erst  in  längerer  Zeit; 

Ann.  d.  Phvfc.  u.  CLen:.   N.  F.   XXXVIII.  33 


514  F,  Streintz. 

5)  dass  von  lichtabsorbirenden  Substanzen  die  Wirkung 
vollends  aufbebt:  rothes  Glas,  dass  dagegen  die  folgenden  die 
Wirkung  fast  ganz  oder  doch  tbeilweiss  durchlassen:  Gyps, 
Glimmer,  Fensterglas,  blaues  (Cobalt-)Glas. 

In  meteorologischer  Beziehung  dürften  die  hier  mit- 
getheilton  Versuche  noch  insofern  von  Interesse  sein,  als  sie 
zeigen,  dass  der  Haupteinwand,  der  gegen  die  Arrhenius*- 
sche  Theorie  der  Luftelectricität  erhoben  worden  ist,  nämlich 
die  Unwirksamkeit  der  Sonnenstrahlen,  nicht  mehr  in  vollem 
Umfange  aufrecht  erhalten  werden  kann. 

Wolfenbüttel,  im  October  1889. 


II.    lieber   ein    Silber  -  Qvscksilbereletnent   und 

dessen  Beziehung  »ur  Temperatur; 

von  Franz  Streintz. 

(Ans  den  Sitzungsber.  d.  kais.  Acad.  d.  Wiss.  in  Wien,   math.-naturw. 
€1,  Bd.  98.  Abth.  IIa.   vom  4.  April  1889;    mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 

(UlergD  T»r.  VI    Flg.  5-6.) 

Die  Anwendung  des  zweiten  Hauptsatzes  der  Theruio- 
dynamik  auf  die  electrolytischen  Vorgänge  im  reversibeln 
galvanischen  Elemente  durch  H.  v.  Helmholtz^)  führt  zu 
dem  Ergebnisse,  dass  die  Diflferenz  zwischen  der  electrischen 
und  der  chemischen  Energie  des  Elementes  äquivalent  ist 
dem  Producte  aus  der  absoluten  Temperatur  mit  dem  Difife- 
rentialquotienten  der  an  den  Polen  auftretenden  Potential- 
differenz nach  der  Temperatur,  welch  letztere  Grösse  als 
Temperaturcoefficient  des  Elementes  früher  nur  von  rein 
praktischem  Interesse  war.  Uebertriö't  die  chemische  Ener- 
gie (die  Wärmetönung)  die  als  Stromarbeit  auftretende  elec- 
trische  Energie,  so  ist  der  Temperaturcoefficient  negativ, 
tritt  der  umgekehrte  Fall  ein,  dann  ist  derselbe  positiv. 
Aus  diesem  Verhalten  des  Coefdcienten  ist  dann  sofort  er- 
sichtlich, ob  das  Element  seine  chemische  Energie  nur  theil- 

1)  H.  V.  Heimliültz,  Berl.  Ber.  1882.  p.  22  u.  .V25. 


iSilöer'  Quecksilberekni  eilt.  515 

weise  in  electrische  umsetzt,  oder  ob  es  auf  Kosten  seines 
eigenen  Wärmeinhaltes  thätig  istJ) 

Bei  einer  Untersuchung,  welche  ich  vor  mehreren  Jahren 
über  die  electromotorischen  Kräfte  von  Elementen,  die  nach 
dem  Typus  des  Daniellelementes  gebildet  waren,  angestellt 
habe^),  hatte  sich  ergeben,  dass  die  Combination: 

AglAg^SO.  +  HgaSOJHg 

die  electromotorische  Kraft  Null  besass.  Es  erschien  daher 
mit  Rücksicht  auf  die  Helmholtz'sche  Theorie  nicht  ohne 
Interesse,  dieses  merkwürdige  Element  eingehender  zu  unter- 
suchen und  die  Abhängigkeit  der  electromotorischen  Kraft 
von  der  Temperatur  kennen  zu  lernen.  Denn  wenn  es  sich 
ergibt,  dass  die  PotentialdiiFerenz  mit  viel  empfindlicheren 
Hülfsuiitteln  als  damals  angewendet  wurden,  gemessen, 
bei  ungefährer  Zimmertemperatur  verschwindet,  und  wenn 
fei  ner  der  Temperaturcoefticient  der  Beobachtung  nicht  ent- 
geht, so  muss  das  Element  bei  hoher  Temperatur  entgegen- 
gesetzte Potentialdifferenz  zeigen,  wie  bei  niedriger,  und  daher 
auch  der  Coefficient  das  eine  mal  das  positive,  das  andere 
mal  das  negative  Vorzeichen  erhalten.  Damit  aber  gehört 
das  Element  je  nach  seiner  Temperatur  T  bald  der  einen, 
bald  der  anderen  jener  eingangs  erwähnten  Kategorien  an; 
der  Uebertritt  findet  bei  einer  Temperatur  7J,,  welche  durch 
die  Potentialdifferenz  /'o  =  0  gegeben  ist,  statt.  T^  soll  die 
Temperatur  des  Polwechsels  genannt  werden  und  kann  auch 
dahin  definirt  werden,  dass  bei  derselben  weder  eine  Um- 
setzung vou  chemischer  Energie,  noch  eine  solche  von  ther- 
mischer in  electrische  Energie  stattfindet. 

Vorversuche,  welche  mit  einem  Element,  das  sich  in 
einem  Reagensgläschen  befand,  angestellt  wurden,  bestätig- 
ten die  Vermuthung.  Tauchte  das  G-Iäschen  in  ein  mit  Eis- 
Wasser  gefülltes  Gefäss,  so  bildete  Silber  den  positiven  Pol, 
stand  es  hingegen  in  heissem  Wasser,  dann  bildete  Queck- 
silber den  positiven  Pol. 


1)  Vgl.  die  experimentellen  Bestätigungen  durch  die  Arbeiten  von 
S.  Czapski,  Wied.  Ann.  21.  p.  209.  1884;  A.  Gockel,  Wicd.  Ann. 
24.  p.  618.  1H85;  H.  Jahn,  Wied.  Ann.  28.  p.  21.  1886. 

2)  V.  Streintz,  Wien.  Ber.  77.  21.  März  ISTs. 

83* 


516  F.  Streintz. 

Anordnung  und  Methode  der  Untersuchung. 

Ein  dünnwandiges  Glasgefäss  A  (Fig.  5)  von  6,5  cm 
Höhe  und  2,5  cm  lichtem  Durchmesser,  stand  mittelst  eines 
unten  angeschmolzenen  langen  Capillarrohres  und  eines  kurzen 
Kautschukschlauches  mit  einem  Glasgefässe  B  in  Verbin- 
dung. Das  Gefäss  A  und  ein  Theil  der  Capillare  befand 
sich  in  der  Mitte  eines  grossen,  oben  offenen  Kupferkessels, 
welcher  mit  einem  seitlichen  Loche  versehen  war,  durch 
welches  die  Capillare  in  einem  durchbohrten  Kautschuk- 
pfropfen luftdicht  hindurchgeführt  werden  konnte.  In  das 
Gefäss  B  wurde  so  lange  chemisch  reines  Quecksilber  ge- 
gossen, bis  der  Boden  des  Gefässes  A  bedeckt  war.  iNach 
sorgfältiger  Beseitigung  aller  Luftblasen  aus  der  Capillare 
erhielt  das  Gefäss  B  eine  Kappe,  durch  welche  ein  Stück 
Platindraht  zur  Verbindung  zwischen  Quecksilber  und  Gal- 
yanometerleitung  hindurchgesteckt  war.  Auf  die  Hg-Ober- 
fläche  in  A  kam  ein  etwa  daumenbreiter  Brei  einer  Mischung 
von  Mercurosulfat  und  Silbersulfat  zu  stehen.  Auf  denselben 
wurde  vorsichtig  die  Lösung  des  Silbersulfates  gegossen, 
bis  das  Gefäss  etwa  bis  Dreiviertel  seiner  Höhe  gefüllt  war. 
Darauf  wurde  das  Gefäss,  mit  Filtrirpapier  bedeckt,  so  lange 
sich  selbst  überlassen,  bis  die  durch  Mischung  mit  der  Paste 
etwas  milchig  gewordene  Lösung  wieder  vollständig  geklärt 
war.  Nur  an  der  Oberfläche  schwammen  einzelne  weisse 
Pünktchen,  welche  mit  Filtrirpapier  sorgfältig  entfernt  wur- 
den. Schliesslich  wurde  das  Gefäss  durch  einen  Kautschuk- 
pfropfen in  der  Weise  geschlossen,  dass  sich  zwischen  ihm 
und  der  Flüssigkeit  noch  eine  Luftschicht  befand.  Der 
Pfropfen  besass  zwei  Durchbohrungen,  von  denen  die  eine  zur 
Aufnahme  eines  in  Fünftelgrade  getheilten  Thermometers, 
dessen  Kugel  in  die  Salzlösung  tauchte,  diente,  während 
durch  die  andere  ein  längeres,  unten  und  oben  offenes  Glas- 
rohr führte,  in  welchem  ein  bei  0,2  cm  dicker  Silberdraht 
stak,  ohne  seine  Lage  verändern  zu  können.  Ein  offenes 
Glasrohr  wurde  gewählt,  um  eine  Erhöhung  des  Druckes  im 
Gelasse  bei  steigender  Temperatur  zu  verhindern.  Vor  Ver- 
unreinigung des  Gefässes  mit  Staub  schützte  ein  in  den 
oberen   Rand    des    Rohres    geschobenes   Stückchen    Watte. 


Silber-  Quecksilber  eiemen  /.  517 

Der  Draht,  bestehend  aus  chemisch  reinem  Silber  —  ich 
verdanke  denselben  der  Güte  des  Hrn.  Dr.  H.  Jahn  — ,  war 
an  seinem  unteren,  in  die  Flüssigkeit  tauchenden  Ende  zu 
einer  kurzen  Spirale  gewickelt  und  ragte  mit  seinem  oberen 
Ende  weit  aus  dem  Kupferkessel  heraus,  sodass  er  erst  in 
einer  grösseren  Entfernung  von  demselben  mit  der  Galvano- 
meterleitung in  Verbindung  trat. 

Durch  die  Ausdehnung,  welche  den  beiden  Electroden 
Hg  und  Ag  gi'geben  wurde,  glaube  ich  etwaige  durch  ther- 
moelectrischo  Ströme  zwischen  den  Metallen  der  Electroden 
und  dem  Kupfer  der  Leitung  hervorgprufene  Störungen  ver- 
mieden zu  Laben. 

Die  verwendeten  Salze  waren  aus  der  Fabrik  Tromms- 
dorff  in  Erfurt  als  chemisch  rein  bezogen.  Das  Mercuro- 
sulfat  (HgjSOj,  welches  im  hiesigen  Laboratorium  bei  Her- 
stellung von  Normal -Clarkelementen  verwendet  wird,  ist 
vollkommen  weiss  und  pulverförmig.  Es  wurde  mit  der 
I^ösung  des  Silbersulfates  in  kaltem  Zustande  solange  umge- 
rührt, bis  ein  teigartiger  Brei  entstand.  Zuweilen  pflegt  man 
bei  Herstellung  von  Clarkelementen  den  Brei  zu  erhitzen, 
um  etwaige  Luftblasen  zu  entfernen.  Davon  wurde  abge- 
sehen, weil  das  Quecksilbersalz  bei  höherer  Temperatur 
basische  Salze  —  charakteristisch  durch  ihre  hellgelbe  Fär- 
bung —  bildet,  welche  das  electromotorische  Verhalten  ver- 
ändern •  können.  Einige  mit  erhitzten  Lösungen  vorgenom- 
mene Versuche  scheinen  darauf  hinzudeuten.  Ich  zog  es 
daher  vor,  lieber  einige  Luftbläschen  in  Kauf  zu  nehmen, 
welche  übrigens  bei  der  bekannten  electrischen  Indifi'erenz 
des  Sauerstoffs  der  Atmosphäre  zu  den  Metallen  die  Resul- 
tate kaum  beeinflussen  werden. 

Das  Silbersulfat  (AggSOJ  theilt  mit  anderen  Salzen  des 
Silbers  die  Eigenschaft,  dass  es  durch  metallisches  Queck- 
silber zerlegt  wird,  sodass  sich  Silberamalgam  bildet.  Durch 
das  Auftreten  eines  derartigen  Processes  secundär  chemischer 
Natur  würde  der  Vorgang  im  Element  irreversibel  werden. 
Es  wurde  aber  die  Beobachtung  gemacht,  worüber  ich  sp&tar 
eingehend  berichten  werde,  dass  sich  die  Paste  von  Hg|80« 
als  eine  vor  dem  Angriffe  des  Hg  auf  die  Silberlösung  ToUr 
ständig  schützende  Schicht  bewährte. 


f 


518  F.  Streintz. 

HgjSO^  ist  in  Wasser  bei  gewöhnlicher  Temperatur 
schwer,  bei  der  Siedetemperatur  etwas  leichter  löslich.  Um 
eine  möglichst  concentrirte  Lösung  zu  erhalten,  wurde  die 
Mischung  von  Salz  und  destillirtem  Wasser  längere  Zeit  im 
Kochen  erhalten.  Die  so  entstandene  Lösung  wurde  dann 
auf  die  niederste  Temperatur  gebracht,  bei  welcher  die  elec- 
tromotorische  Kraft  des  Elementes  beobachtet  werden  sollte. 
Es  trat  Ausscheidung  von  festem  Salze  in  Form  feiner 
Nadeln  ein.  Darauf  filtrirte  ich  die  Lösung  und  brachte  sie 
an  einen  dunklen  Ort,  da  das  Salz  durch  das  Licht  zersetzt 
wird.  An  einem  der  ^^olgenden  Tage  zeigte  sich,  dass  aus 
der  Lösung  wieder  festes  Salz  ausgefallen  war.  Die  Flüssig- 
keit wurde  nun  abermals  auf  die  erwähnte  niedere  Tempe- 
ratur gebracht  und  nach  einigen  Stunden  von  neuem  ültrirt. 
Damit  war  aber  der  Process  des  Ausscheidens  von  festem 
Salze  noch  immer  nicht  beendet.  Da  die  Lösung  doch  end- 
lich im  Elemente  verwendet  werden  musste,  und  dieses  durch 
eine  längere  Reihe  von  Tagen  in  Untersuchung  bliebe  so 
war  ich  nie  sicher,  ob  nicht  noch  weitere  geringfügige  Ver- 
änderungen der  Concentration  vorgingen,  welche  die  electro- 
motorische  Kraft  des  Elementes  durch  bei  verschiedenen 
Temperaturen  hervorgerufene  Concentrationsunterschiede  be- 
einflussen können. 

Um  ein  Bild  über  diesen  Vorgang  zu  gewinnen,  stellte 
ich  ein  zweites  Gefäss  A  her,  in  welches  an  zwei  gegenüber- 
liegenden Seiten  PP'  zwei  Platindrähte  eingeschmolzen 
waren,  die  im  Inneren  des  Gefässes  den  Contact  mit  kleinen 
und  steifen  Platinblechen  herstellten.  Mit  Hülfe  eines  klei- 
nen Inductoriums,  einer  Brückenwalze  nach  Kohlrausch 
und  eines  Telephons  konnten  die  Veränderungen  des  Lei- 
tungsvermögens der  Silbersalzlösung  gemessen  werden.  Bei 
dieser  Anordnung  war  jedoch  darauf  zu  achten,  dass  das 
Element  nie  geschlossen  wurde,  wenn  der  Inductionsstrom 
durch  dasselbe  hindurchging,  weil  für  den  Fall,  als  P  und  P 
nicht  vollkommen  symmetrisch  zu  den  Electroden  Ag  und 
Hg  liegen,  dieselben  auch  nicht  Punkte  gleichen  Potentials 
sind;  dadurch  würde  ein  Theilstrom  des  Elementes  durch 
die  Wheatstone'sche  Brücke  geführt,  welcher  metallisches 
Silber  aus  der  Losung  ausscheiden  könnte. 


Silbet'Quecksilberekmeut  519 

•  Ich  bemerke  übrigens,  dass  bei  den  definitiven  Bestim- 
mungen der  electromotorischen  Kraft  Gef&sse  ohne  Platin- 
electroden  in  Verwendung  standen.  Nachdem  das  Element 
hergestellt  war,  wurde  der  Kupferkessel  mit  Wasser  oder 
mit  einer  Mischung  von  reinem  Schnee  und  Wasser  voll- 
ständig gefüllt  und  mit  einem  Holzdeckel ,  weicher  Aus- 
schnitte für  das  Thermometer,  das  Glasrohr  mit  dem  Silber- 
drahte und  für  Vorrichtungen  zum  Entleeren  und  Füllen 
besass,  verschlossen.  Der  Kupferkessel  stand  auf  einem 
massiven,  eisernen  Dreifuss,  die  Wärmezufuhr  erfolgte  durch 
einen  Bunsenbrenner.  Das  aus  dem  Kessel  ragende  Capillar- 
rohr  war  an  verschiedenen  Stellen  durch  eiserne  Klammem 
iixirt.  Der  ganze  Apparat  befand  sich  in  einem  Arbeits- 
raume  des  Erdgeschosses  auf  einem  Isolirpfeiler,  wodurch 
bei  der  günstigen  Lage  des  Instituts  Erschütterungen  als 
ziemlich  ausgeschlossen  angesehen  werden  können.  Erschüt- 
terungen der  Quecksilberoberfläche  ziehen  nämlich  nach 
V.  Helmholtz^)  Aenderungen  der  electromotorischen  Kraft 
nach  sich.  Es  musste  daher  auf  die  Anbringung  einer  Rühr- 
vorrichtung im  Wasserkessel  zur  Herstellung  derselben  Tem- 
peratur in  den  verschiedenen  Niveauflächen  des  Wassers 
verzichtet  werden.  Um  keine  zu  lebhaften  Strömungen  der 
Wärme  zu  erhalten,  wurde  die  Flüssigkeit  stets  sehr  lang- 
sam erwärmt. 

Die  Beobachtungen  wurden  nach  folgender  Methode  an- 
gestellt. In  G  (Fig.  6)  lag  ein  Wiedemann'sches  Galva- 
nometer von  Hartmann  und  Braun  mit  vier  Rollenlagen 
von  zusammen  8640  Windungen  und  einem  Widerstände  von 
2950  Ohm.  Die  Rollen  waren  dicht  an  den  Dämpfungs- 
kästen  herangeschraubt,  der  Magnet  stark  astasirt,  sodass 
das  Instrument  das  Maximum  der  Empfindlichkeit  besass. 
Die  Beobachtungen  geschahen  mit  Fernrohr  und  Scala,  welche 
in  einer  Entfernung  von  250  cm  vom  Spiegel  des  Instru- 
mentes aufgestellt  war.  Das  Galvanometer  stand  in  Verbin- 
dung mit  einem  Widerstand  R  von  10000  Ohms,  sodass  also 
die  Galvanometerleitung  den  G^sammtwiderstand  von  rund 
18000  Ohms  besass,  ferner  mit  einer  Umschaltevorrichtung 

1)  V.  Holinholtz,  WiBsenschaftl.  Abhaiidl.  2.  p.  981. 


620  F.  Streintz. 

und   endlich   mit  zwei   Glasnäpfchen   1  und  2.   welche,   mit 
Quecksilber  gefällt,  auf  Siegellackfüssen  standen. 

Das  zu  untersuchende  Element  war  mit  zwei  ähnlichen 
I^äpfchen  3  und  4  verbunden. 

Als  Normalelement  diente  ein  Daniell:  ein  rundes,  mit 
destillirtem  Wasser,  welches  einige  Tropfen  Schwefelsäure 
enthielt,  zur  Hälfte  gefülltes  Glasgefäss  nahm  zwei  kleine 
Thonzellen  auf,  von  denen  eine  mit  concentrirter  Kupfer- 
sulfatlösung, die  andere  mit  concentrirter  Zinksulfatlösung 
gefüllt  war.  In  die  Thonzellen  tauchten  Platten  von  Kupfer 
und  Zink,  deren  Oberflächen  aus  den  entsprechend  electro- 
Ijrtisch  niedergeschlagenen  Metallen  gebildet  waren.  Die 
Zinkplatte  hatte  ich  zudem  durch  Bestreichen  mit  einer  Lö- 
sung von  Quecksilbernitrat  amalgamirt.  Hatte  das  Element 
mehrere  Stunden  im  Gebrauch  gestanden,  dann  wurden  die 
Thonzellen  in  destillirtem  Wasser  gereinigt  und  sämmtliche 
Flüssigkeiten  durch  neue  ersetzt.  Kittler^)  gibt  für  die 
electromotorische  Kraft  des  Daniells  mit  concentrirten  Salz- 
lösungen den  Werth  1,059  Volts  an.  Derselbe  ist  den  Be- 
rechnungen zu  Grunde  gelegt. 

Das  Normalelement  war  durch  die  Widerstände  o  und  o 
zweier  Stöpseletalons,  von  denen  der  erste  10000  Einheiten 
in  Unterabtheilungen  bis  zu  einer  Einheit,  der  letztere  1000 
Einheiten  in  Unterabtheilungen  bis  0,1  Einheiten  enthielt, 
geschlossen.  Vom  zweiten  Etalon  führten  zwei  Drähte  zu 
den  Quecksilbernäpfchen  5  und  6.  Die  Summe  q  +  q  beider 
Etalons  wurde  stets  gleich  10000  Einheiten  gemacht,  sodass 
die  Potentialdiflferenz  zwischen  den  Näpfchen  bei  Vernach- 
lässigung des  inneren  Widerstandes  des  Normalelementes 
((>7 10000).  1,059  Volts  betrug. 

Durch  entsprechende  Verbindung  der  sechs  Näpfchen 
mit  Kupferbügeln  konnte  entweder  der  Strom  des  zu  unter- 
suchenden Elementes  durch  das  als  Potentialgalvanometer 
eingerichtete  Instrument  geleitet  (Verbindung  der  Näpfchen 
1  mit  3,  2  mit  4),  oder  es  konnten  Bruchtheile  des  Daniells 
untersucht  (1  mit  5,  2  mit  6),  oder  es  konnte  ein  beliebiger 
Bruchtheil  des  Daniells  zum  Untersuchungselement  algebraisch 

l)  Kittler,  Wied.  Auu.  17.  p.  H93.  1882. 


Silber- Queckgilberelement,  521 

addirt  werden  (1  mit  3,  2  mit  5,  4  mit  6).  SelbstTerdt&nd- 
lieh  führt  letzterer  Fall  bei  entsprechender  Schaltung  der 
Ströme  und  passender  Wahl  von  q  zur  Compensation  des 
Elementes. 

Um  die  Beobachtungen  rasch  zu  bewerkstelligen,  wurden 
die  Ausschläge  gemessen,  welche  in  den  erforderlichen  Grenzen 
den  electromotorischen  Kräften  vollkommen  proportional 
waren.     So  ergaben  sich  für: 

0,002  Daniell  0,005  0,010  0,015  0,020  D. 

4,1       Scalentheile         10,3  20,5  30,7  41,2      Sc. 

Da  bei  der  starken  Vergrösserung  des  Fernrohrs  Zehntel 
von  Scalentheilen  genau  zu  schätzen  waren,  so  konnten  Aen- 
derungen  in  der  Grösse  von  Qfi^\  D.  der  Beobachtung  nicht 
entgehen.  Die  Cumpensationsmethode  erfordert  viel  längere 
Zeit  und  gewährt  nicht  dieselbe  Sicherheit,  da  durch  die 
starke  Astasirung  der  Galvanometernadel  zuweilen  Verände- 
rungen der  Ruhelage  während  der  zur  Compensation  erfor- 
derlichen Zeit  eintreten. 

Die  Ablesungen  am  Thermometer  geschahen  mit  einem 
Fernrohr,  welches  in  der  Nähe  des  zu  den  Beobachtungen 
am  Galvanometer  dienlichen  Fernrohrs  stand,  sodass  beide 
Beobachtungen,  die  der  Temperatur  und  die  der  Stromstärke 
von  demselben  Platze  aus  unmittelbar  nacheinander  ausge- 
führt werden  konnten. 

Die    Berechnuugs  weise. 

Nach  V.  Helmholtz  gilt  für  ein  reversibles  galvanisches 
Element  beim  Durchgang  der  Electricitätsmenge  £  und  bei 
der  Constanten  Temperatur  T  die  Gleichung: 


^•^•är=(ir  +  /^)^' 


worin  U=F(T,  «)  die  Gesammtenergie  des  Elementes,  und 
p  die  an  den  Polen  auftretende  Potentialdifferenz  bedeuten. 
Dabei  ist  vorausgesetzt,  dass  die  Joule'sche  Wärme  ver- 
nachlässigt werden  könne.     Der  Ausdruck: 

gibt   die  Wärmetönung   des    Elementes   bei   der    constanten 


522  R  Sireintz. 

Temperatur  T  an.     Die  erste  Gleichung  kann  mitbin  auch 
geschrieben  werden: 

(1)  Q  =  «[;>-^?^/.]- 

Bei  der  Temperatur  T,,  des  Polwecbsels  ist  p^  =  0,  und 
man  erbält: 

(2)  Q=-*7'„|5,. 

Da  €  stets  positiv  ist,  es  wird  nämlicb  in  dem  Sinne 
gezäblt,  in  welchem  die  PotentialdifiFerenz  p  die  Electricität 
zu  bewegen  strebt,  da  ferner  T  eine  positive  Grösse  ist,  und 
nur  dpjdT  sein  Zeichen  wechselt,  wenn  man  von  Tempe- 
raturen unter  Tq  zu  solchen  oberhalb  T^  übergeht,  so  erhält 
man  im  ersten  Falle,  in  welchem  dpjdT  negativ  ist,  einen 
positiven,  im  zweiten  Falle  jedoch  einen  negativen  Ausdruck. 
Unter  Q  ist  die  Wärmemenge,  gemessen  in  absoluten  Ein- 
heiten in  cm,  g,  sec,  zu  verstehen.  Bezeichnet  Q»«  die  Wärme- 
menge, ausgedrückt  in  Kilogrammcalorien,  dann  ist: 

Q  =  Q„c> 427  >) .  10«. 0,981  g  cm«  sec-l 

Die  rechte  Seite  der  Gleichungen  (1)  und  (2)  ist  eben- 
falls im  absoluten  Maasse  anzugeben.  Sollen  die  therm o- 
chemischen  Angaben  ohne  Aenderung  benutzt  werden,  so 
ist  €  als  jene  Electricitätsmenge  zu  definiren,  welche  2g  H 
electrolytisch  ausscheidet.  Nach  F.  und  W.  Kohlrausch 2) 
zerlegt  1  Ampöre  =  10~^  cmV^  g'/«  sec"^  in  der  Secunde 
0,0^9327  g  HjjO,  es  sind  also  zur  Zersetzung  von  18  g  H2O 
oder  was  dasselbe,  zur  Ausscheidung  von  2  g  H  in  der 
Secunde  19300  cm*/«  g*/«  sec- ^  erforderlich.  Die  gesuchte  Elec- 
tricitätsmenge ist  mithin  gegeben  durch: 

€=  19300  cmV^gV.. 

Wenn  ferner  />„  die  Potentialdiiferenz  in  Volts  bedeutet, 
dann  ist  dieselbe  in  absoluten  Einheiten  ausgedrückt: 

p  =  10**  p« .  g'/«  cm'/«  sec-«. 

Man  erhält  daher  für  die  Temperatur    T^\ 

(U)  «*c  =  46,o[^i,-  ^^i~df\  • 

1)  Nach  Rowlaud's  Mebsuugen. 

2)  F.  u.  W.  Kohlrausch,  Wi«»d.  Ann.  11.  p.  59.  1886. 


Silher-QuecksilherelemenL  528 

beziehungsweise  für  T^: 

(2a )  Q*c  =  -  46,0  T,  ^ . 

Konnte  also  das  Element  während  einer  Versuchsreihe 
auf  die  Temperatur  des  Polwechsels  gebracht  werden,  so  ge- 
nügte zur  Berechnung  von  Q  die  Beobachtung  von  T^  und 
dpjdT,  Im  entgegengesetzten  Falle  musste  ferner  der  einer 
bestimmten  Temperatur  Tj  entsprechende  Werth  p^  berück- 
sichtigt werden. 

Die  im  Element  auftretenden  Wärmetönungen  sind  ge- 
geben durch: 

(^=  (Hg,  +  0)+(Hg2Ü  +  S03)~  (Ag^O+SOaaq.)-  (Ag^  +  O). 

Für  die  Bildungswärme  der  Silberverbindungen  benutzte 
ich  die  Thomsen-schen  Werthe^): 

Ag2Ü+  SOaaq.  =  14,49  Kilogrammcal. 
Ago  +  0  =    5,90  „ 

Unbekannt  ist  die  Biidungswärme  (HgjO  +  SO3).  Legt 
man  die  Theorie  von  v.  Uelmholtz  zu  Grunde  und  benutzt 
die  Angaben  von  Lord  Rayleigh^  über  das  Clarkelement, 
so  kann  jedoch  die  Summe  [Hg^  +  0)  +  (Hg^O  +  SO3)  be- 
rechnet werden. 

Die  electromotorische  Kraft  des  Clarkelementes  ist  näm- 
lich gegeben  durch  die  Gleichung: 

/7=  1,435  ;i- 0,0377  (^-16)], 
daraus  ergibt  sich: 

f^,,  =  -O.OÜl  103. 
o  l 

Die  gesammto  Wärmetönung  im  Element  beträgt  mit- 
hin S(),64  Kilo^ramuicalorien.     Da  nun: 

Q  (Clark)  =  ^Zn  4-  O)  +  (ZnO  +  SÜ3aq.) 

-(Hp, +  U)-(Hg20  4-S03), 
so  erhält  man: 

(Hgj,  4-  0)  4-  (Hg.,()  +  ^Og)  =  25,45  Kilogrammcalorien, 

wenn  man   für  die  beiden  Wärmetönungen,  welche  sich  auf 

1)  J.  Thonisen,  Thermochem.  UDtersuchungen.  3.  p.  381.  1883. 

2)  Lord  Rayleigh,  Phil.  Trans,  of  the  Roy.  Soc.  2.  p.  7W.  1886. 


J 


524  F.  Streifitz. 

Zink  beziehen )   die   von  Thomsen^)  gegebene  Zahl   106^09 
Kilogramm  calorien  einsetzt. 

Die  im  Silber-Quecksilberelement  auftretende  Wärme- 
tönung ist  sonach  durch: 

Q*c=±5,06 
gegeben.   Dieselbe  ist  positiv,  wenn  Silber  den  positiven  Pol 
bildet,  sie  ist  hingegen  negativ^  wenn  Quecksilber  den  posi- 
tiven Pol  bildet. 

Die    Resultate. 

Es  war  vor  allem  festzustellen,  ob  die  electromotorische 
Kraft  des  Elementes  bei  constanter  Temperatur  nicht  etwaigen 
Aenderungen  mit  der  Zeit  unterlag. 

Bei  einem  Elemente,  welches  ich  mit  1  bezeichnen  will. 
dessen  AgjSO^-Lösung  frisch  bereitet  und  daher  für  die  ge- 
wählte Beobachtungstemperatur  von  13,8^  C.  als  übersättigt 
zu  betrachten  war,  ergaben  sich  nachstehende  Werthe  in 
vier  aufeinander  folgenden  Tagen. 

Element  I. 

14.  Dec.  1888.  Das  Element  war  um  5^  nachm.  zu- 
sammengestellt worden. 


5»« 

10" 

0,0295  Volt 

Quecksilberpol  positiv. 

5 

15 

0,0252     „ 

5 

20 

0,0217     » 

5 

25 

0,0226     » 

5 

40 

0,0238     j, 

5 

50 

0,0239     II 

6 

25 

0,0239     II 

6 

45 

0,0225     II 

i 

0 

0,0218     II 

15.  Dec.  18S8.        9»^  vorm.  0,0129  Hg-Pol  -f. 

12  mittag  0,0058  n 

3  nachm.  0,0024  Ag-Pol  -f. 

7  it  0,0083  II 

16.  Dec.  1888.    von  0,0137  bis  0,0147  Ag-Pol  -h . 

17.  Dec.  1888.     von  0,0164  bis  0,0170  v 

Die  Veränderung  der  electromotorischen  Kraft  mit  der 
Zeit  ist  also  eine  sehr  bedeutende;  sie  ist  unmittelbar  nach 
Aufstellung  des  Elementes  am  grössten.  Am  zweiten  Tage 
fand   Polwechsel   statt.     Die   Untersuchung   der   Aenderung 


1)  J.  Thomsen,  1.  c.  p.  276. 


Silber-  (Quecksilber  dement,  526 

des  Widerstandes  ti7  zwischen  den  Electroden  /'und  P'  ergab 
iür  ein  gleichfalls  mit  übersättigter  Silberlösung  hergestelltes 
Element  bei  einer  Temperatur  von  12®  C: 

IC 

Unmittelbar  nach  der  Aufstellung  74,8  Ohm, 

nach    8  Stunden 68,9      )> 

nach  24  Stunden 66,1      n 

nach  2,  3  und  4  Tagen    ....  70,0,  72,4,  75,0  Ohm. 

Der  Widerstand,  zuerst  im  Abnehmen  begriffen,  erreicht 
nach  einem  Tage  ein  Minimum,  um  von  da  fortwährend  zu 
wachsen.  Die  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  folgende. 
Bekanntlich  ist  HgjSO^  ein  sehr  schwer  lösliches  Salz. 
Spuren  davon  werden  aber  jedenfalls  in  die  AggSO^-Lösung 
übergehen,  und  dadurch  den  Widerstand  w  verringern.  Der 
Lösungsprocess  geht  jedenfalls  sehr  langsam  von  statten. 
Mit  der  Auflösung  von  HggSO^  erfolgt  gleichzeitig  eine  all- 
mähliche Ausscheidung  von  festem  Ag^SO^  aus  der  Flüssigkeit. 
Dadurch  entsteht  eine  Vergrösserung  des  Widerstandes  w. 
Die  Differenz  beider  Processe  findet  ihren  Ausdruck  in  den 
gefundenen  Werthen. 

Die  Bestimmung  des  Differentialquotienten  dpjdT  war 
bei  der  grossen  zeitlichen  Veränderlichkeit  der  electromo- 
torischen  Kraft  vollständig  unsicher. 

Element   IL 

Die  AgoSOj-Lösung  einen  Monat  vor  der  Verwendung 
bereitet,  wiederholt  ültrirt  und  an  einem  dunklen  Orte  von 
der  Temperatur  1 — 3®C.  aufbewahrt. 

Ib.  Dec.  1^88.    Das  Element  um  11^  20"*  zusammengestellt. 

vorm.  11»»  20»  0,0179  Volt.  Hg.  Pol  +  Temp.  11«  C. 

abds  7.    —     0,0166 

19.  »         »  0,0183 

20.  ••         »  0,0115 

21.  .»         »  0,0067 

22.  „         V  0,0024 

24.  .,  „  0,046 

25.  ••  -  0,0^5 

26.  -         jj  0,035 

28.  V  -  0,0,1 

29.  ,?  M  0 

Die  zeitliche  Veränderung  geht  in  demselben  Sinne  vor, 
wie  im  Element  I.    Bezieht  man  die  Aenderungen  auf  die 


n 

>» 

19 

i> 

»> 

9t 

j> 

» 

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?i 

» 

19 

Ag.Pol 

+ 

» 
?> 

19 
1t 

Hg-Pol  + 
AgPol  + 

19 

— 

)» 

« 

» 

526  F.  Streintz. 

Temperatur  des  Folwecbsels  T^,  so  kann  man  sagen,  dass 
Tq  erst  in  einem  Wandern  von  kleineren  zu  grösseren 
Werthen  begriffen  ist,  um  nach  einigen  Tagen  einen  ziem- 
lich Constanten  Werth  anzunehmen. 

Der  Widerstand  w  zwischen  F  und  P*  ergab  sich  für 
ein  Element  von  gleicher  Concentration  anfänglich  zu  76  Ohm. 
sank  nach  einem  Tage  auf  70  Ohm,  um  von  da  durch  zehn 
Tage  continuirlich  bis  77  Ohm  zu  steigen.  Beachtenswerth 
erscheint,  dass  die  Zunahme  des  Widerstandes  in  dem  viel 
grösseren  Zeitraum  beträchtlich  geringer  ist,  als  bei  dem 
Element  I,  dessen  Concentration  eine  stärkere  war.  Durch 
die  allmähliche  Auflösung  des  Hg^SO^  verändert  sich  das 
Element,  welches  ursprünglich  durch  die  Formel: 

Hg;Hg,SO,  +  Ag,SO,  Ag 

charakterisirt  war;  es  wird  nämlich  übergehen  in  die  Form: 

H6Hg,S0,  +  ^||g;  Ag. 

Diese  V^eränderung  dürfte  der  Grund  für  das  Wandern 
von  Tq  sein. 

Aus  den  für  das  Element  II  mitgetheilten  Daten  ist 
ersichtlich,  dass  dasselbe  zur  Untersuchung  der  Abhängig- 
keit seiner  Fotentialdifferenz  von  der  Temperatur  geeignet 
war,  da  die  zeitlichen  Acnderungen  im  Laufe  weniger  Stunden 
geringfügig  waren.  Doch  musste  bei  jeder  Versuchsreihe 
zum  Schlüsse  auf  die  Anfangstemperatur  7\  zurückgegangen 
werden.  Nur  wenn  der  entsprechende  Werth  p^  ungeändert 
blieb,  waren  die  Beobachtungen  zu  weiteren  Schlüssen  geeig- 
net. Das  Element  konnte  mit  Hülfe  der  angegebenen  Be- 
obachtungsmethode in  jeder  beliebigen  Phase  auf  Polarisation 
untersucht  werden.  Dabei  ergab  sich  stets  ein  negatives 
Resultat,  obwohl  Potentialdifferenzen  bis  zu  0,1  Daniell  der 
electromotorischen  Kraft  des  Elementes  bald  in  einem,  bald 
in  dem  anderen  Sinne  superponirt  wurden.  Die  Unter- 
suchung über  die  Abhängigkeit  von  der  Temperatur  führte 
zu  folgenden  Ergebnissen: 

lö.  Dec.  KSJ5.S.     abds.    7^     2\  =  273  +  11        /;,  =  0,0166  Hg-Pol  + 

r,  =  278  +  47,4     p.  =  0,0347  m 


Silber- Quecksilber  element  527 

Die  PotentialdiffereDz  /^  enthält  auch  die  thermoelec- 
tromotorische  Kraft  zwischen  Ag  und  Hg,  da  durch  die  Leiter 
im  Inneren  des  Elementes  die  beiden  Metalle  bei  einer  Tem- 
peratur von  47,4^  miteinander  verbunden  sind,  während  sie 
in  der  Galvanometerleitung  bei  der  Temperatur  des  Zimmers 
(15^)  im  Contacte  stehen.  Ich  habe  deshalb  Versuche  über 
das  thermoelectromotorischc  Verhalten  von  Ag  und  Hg  nach 
der  Compensationsmethode  angestellt.  Das  Gefäss,  welches 
die  kalte  Contactstelle  zwischen  den  Metallen  enthielt  — 
zur  Vermeidung  einer  Amalgamirung  stellte  ein  kurzer 
Platindraht  die  Verbindung  her  — ,  hatte  die  Temperatur 
des  schmelzenden  Eises,  jenes  hingegen,  welches  die  zu  er- 
wärmende Contactstelle  aufnahm,  wurde  im  Wasserbade  von 
10  bis  auf  60^  gebracht.  Innerhalb  dieses  Intervalles  ver- 
änderte sich  die  thermoelectromotorische  Kraft  ziemlich  linear 
mit  der  Temperatur  und  betrug  im  Mittel  in  guter  Ueber- 
einstimmung  mit  den  Versuchen  von  E.  BecquereP): 

.  ..^  Mikrovolt 
5,69  --,i-^   ; 

dabei  verhielt  sich  Ag  thermolectrisch  positiv  gegen  Hg. 
Corrigirt  man  die  Potentialdifferenz  um  diese  Grösse,  so 

erj,'ibt  sich:  nnt^^R 

j),^  =  Ü,0o45 

und  unter  der  Voraussetzung,  dass  p  eine  lineare  Function 
von  T  sei: 

||,  =  0,0,492, 

und  zwar  positiv ,  da  //  mit  wachsendem  T  zunimmt.  Ein 
Polwechsel  liegt  nicht  innerhalb  der  beobachteten  Grenzen; 
es  wurde  daher  die  Wärmetönung  nach  Gleichung  (U)  be- 
rechnet und  ergab  sich  zu: 

•—5,663  Kilogrammcalorien. 
Die  Uebereinstimmung  mit  den  aus  den  einzelnen  Wärme- 
töQungcn    berechneten    Werthe     —  5,06    Kilogrammcalorien 
kann  als  eine  befriedigende  bezeichnet  werden. 

20.  Dec.     r,  =  278  +  12,5        p^  -  0,0121  Hg-Pol  + 
1\  =  278  +  55  ps  a  0,0814«) 

daraus: 

1)  £.  Becquerel,  vgl.  Wiedemann,  Electricität  §  316. 

2)  Ich  habe  es  unterlassen,   fernerhin  die  Werthe  von  p  besügUeh 


528  F.  Streintz. 

%  =  0,0,454  Q  =  -5,406  Kilogrammcal. 

Ol 

21.  Dec     2\  =  273  +  15,4        p^  =  0,00778  Hg-Pol  + 
2i  =  273  +  58,8        Pi  =  0,02485  „ 


sTm-  0,0s393  Q  =  —4,861  Kilogrammcal. 

Ol 

Die  Potentialdiö'erenzen  wurden  in  Temperaturinter- 
vallen  von  5^  C.  gemessen.  Es  ergaben  sich  für  die  Tem- 
peraturen t  die  nachstehenden  Werthe  von  p, 

t  15,4  20,4  25,4  30,4  35,4  40,4  45,4  50,4  55,4  58,8 

10'>     778  958  1158  1358  1548  1768  1953  2158  2358  2485 
10^  dp IdT  36   40   40   33   44    37   41    40   42 

Ich  glaube  aus  der  Tabelle  schliessen  zu  können,  dass 
p  in  der  That  als  lineare  Function  von  p  anzusehen  ist. 

24.  Dec.     7i  =  278  +  11,4        Po  =  0 

Tj  =  273  +  55  /?!  =  0,01575  Hg-Pol  + 

1^  =  0,03861  Q  =r  -4,723  Kilogrammcal. 

Auch  hier  wurde  p  von  5  zu  5®  gemessen,  und  es 
ergab  sich: 

i  11,4  16,4  21,4  26,4  31,4  36,4  41,4  46,4  51,4  55 

10»/?      0   180   350   540   720  915   1085  1275  1450  1575 
10^  dpjdT  36   34   38   36   39   34    38    35   35 

26.  Dec.  Es  wurden  Beobachtungen  unter  der  Tem- 
peratur des  Pol  wechseis  angestellt: 

r=  273  +  1,2  p  =  0,00270  Ag-Pol  + 

7;=  273 +  9  p^=        0 

w^  =  —0,08346  Q  =  +4,489  Kilogrammcal. 

öl 

Auch  hier  zeigte  sich  p  als  eine  lineare  Function  von  T. 

28.  Dec.     r'=  273  +  11  p'  =  0,0310     Ag  + 

Ti  =  273  +  57  /?!  =  0,01415  Hg  + 

|£  =  0,0.810  Q  =  -4,000  Kilogram.„eal. 

29.  Dec.     2^0  =  273  +  1 1  /)o  =       0 

T,  =  273  +  56,9        p^  =  0,01235  Hg  + 


flf=  ^'«» 


269  Q  =  -3,492  Kilogrammcal. 


der  thermoelectromotoriechen  Kraft  zu  corrigiren,  da  es  sieb,  wie  die 
Folge  zeigen  wird,  weniger  um  die  Bestimmung  von  absoluten  Grössen, 
als  um  relative  Aenderungen  handelt. 


%f 


Silber- QuecksilöerelemenL  529 

Aus  dem  Vergleiche  der  an  den  verschiedenen  Tagen 
efundenen  Daten  untereinander  geht  hervor,  dass  dp/dT 
und  damit  auch  Q  in  fortwährender  Abnahme  begriffen  sind. 
Die  Erklärung  dafür  wird  wieder  in  der  Auflösung  des 
HggSOj  zu  suchen  sein.  Bevor  ich  darauf  eingehe,  will  ich 
das  Resultat  der  chemischen  Untersuchung,  welche  ich  Hrn. 
Dr.  Weorg  Neumann  verdanke,  mittheilen.  Wiederholt 
vorgenommene  qualitative  Analysen  der  in  Verwendung  ge- 
standenen Elemente,  darunter  auch  des  Elementes  II  ergaben: 
An  der  Ag-Electrode  metallisches  Quecksilber,  welches  mit 
einer  sehr  empfindlichen  Reaction  auf  Jodquecksilber  nach- 
gewiesen wurde.  2.  Im  metallischen  Hg  keinerlei  Spuren 
von  Ag  und  3.  sowohl  in  der  Flüssigkeit  als  in  der  Paste 
C^uecksilber-  und  Silbersalz.  Um  zu  constatiren,  ob  die 
Ausscheidung  von  Hg  an  der  Ag-Electrode  nicht  etwa 
secundär  chemischer  Natur  sei,  wurde  ein  Ag-8tab  in  ein 
Reagenzglas  gebracht,  in  welchem  sich  Paste  von  HgaSO^  in 
Ag^SO^- Lösung  befand.  Das  Reagenzglas  stand  wohlver- 
schlossen mehrere  Wochen  hindurch  an  einem  dunklen  Orte. 
Bei  der  nach  dieser  Zeit  vorgenommenen  Untersuchung 
konnte  kein  Hg  am  Stabe  nachgewiesen  werden.  Es  musste 
daher  die  Abscheidung  auf  electrolytischem  Wege  vor  sich 
gegangen  sein.  Dies  war.  nur  dann  möglich,  wenn  Silber 
den  positiven  Pol  bildete.  Da  nun  aber  gewöhnlich  Queck- 
silber den  positiven  Pol  bildete,  so  hätte  man  umsomehr 
metallisches  Silber  in  Hg  vermuthen  können,  da  ja  HggSO^ 
mit  der  Silbersalzlösung  angerührt  worden  war.  Das  ent- 
"^egeiigesetzte  Ergebniss  wird  dahin  zu  deuten  sein,  dass  die 
Paste  das  Vordringen  der  Ag^SO^- Lösung  bis  zur  Queck- 
silberobertiäche  mechanisch  verhindert.  Es  würde  somit  nur 
jene  Menge  Ag  ausgeschieden  werden,  welche  sich  in  der 
unmittelbar  auf  der  Hg-Oberfläche  lagernden  Schicht  befindet; 
dass  sich  jene  bei  der  schwierigen  Löslichkeit  des  Ag-Salzes 
und  bei  der  vielleicht  ausserordentlich  geringen  Dicke  der 
Schicht  der  chemischen  Beobachtung  entzieht,  ist  einleuch- 
tend. Damit  ist  aber  auch  die  Erklärung  dailir  gegeben, 
(iass  ein  directer  Angrifi"  des  Hg  auf  AgoSO^  nicht  statt- 
gefunden hat. 

Lm  nun  wieder  auf  die  Abnahme  von  Q  zurückzukom- 

Anu.  <L  Pbyi.  u.  Chem.    X.  F.  XXXVIII.  34 


530  F.  StreinU. 

men,  so  muss  dem  Umstände  Rechnung  getragen  werden, 
dass  die  Umgebung  des  Silberdrahtes  statt  aus  Ag2S04 
allein,  wie  dies  zu  Anfang  der  Fall  war,  bald  aus  einem 
Gemische  beider  Salze  Ag^SO^  und  Hg^SO^  bestehen  wird, 
wobei  zu  bemerken  ist,  dass  die  Menge  des  ersten  Salzes  in 
geringer  Abnahme,  die  Menge  des  letzteren  jedoch  in  einer 
Zunahme  begriffen  sein  wird.  Ist  daher  der  Silberpol  positiv, 
so  wird  an  demselben  wahrscheinlich  ein  Aequivalent  beider 
in  Lösung  befindlicher  Metalle  ausgeschieden  werden,  d.  b. 
das  Silber  wird  sich  amalgamiren;  ist  hingegen  Silber  nega- 
tiver Pol,  dann  wird  ein  Aequivalent  des  Amalgams  in  Lö- 
sung treten.  Am  Hg-Pole  hingegen  tritt  keine  Aenderung 
ein.  Bezeichnet  man  die  nun  im  Element  auftretende  Wärme- 
tönung  mit  Q\  so  erhält  man  für  dieselbe  die  Gleichung: 

Q'=  (Hg,  +  0)  +  (HgaO  +  SO3)  -  [x\{Ag,  +  0) 
+  (AgjO  +  SÜ3aq.)}  +  (1  -  x)  (Hgo  +  O)  +  {HgoO  +  SO3) { • 

und  daraus: 

worin  Q  den  berechneten  Werth  von  5,06  Kilogrammcalorien 
besitzt,  und  x  eine  Variable  <  1  ist.  Dabei  ist  die  —  nicht 
bekannte  —  Lösungswärme  (HggSO^  +  aq.)  und  eine  etwa 
auftretende  Amalgamationswärme  (HgAg)  am  Silberpol  un- 
berücksichtigt geblieben. 

Element  111. 

Dieselbe  AggSO^- Lösung  wie  in  II.  Der  Ag- Draht 
taucht  mit  seinem  spiralförmigen  Ende  in  die  Paste  de-* 
HggSOj.    (Typus  des  Clarkelementes.) 

Die  zeitlichen  Veränderungen  von  p  sind  die  nach- 
stehenden : 

2r>.  Januar  1889.    Das  Element  um  9^  vorm.  aufgestellt. 


9h     iQm 

0,00048  Ag-Pol 

+ 

Temp. 

12*» 

c 

n    — 

0,00018        „ 

»> 

1' 

>» 

4   — 

nachm. 

0,00155  Hg-Pol 

+ 

>» 

!J 

r 

31. 

Januar 

vorm. 

0,00386         ,» 

>» 

»> 

»> 

»» 

nachm. 

0,00306         „ 

M 

»? 

»> 

:j. 

Februar 

0,00312  Ag-Pol 

+ 

>? 

•  » 

M 

4. 

•  1 

vorm. 

0,o037H 

V 

>? 

«  • 

nachm. 

0,00452 

>» 

»; 

>• 

5. 

*• 

0,00595 

V 

»» 

?» 

h. 

•  1 

0,00703 

J1 

»» 

t» 

Silber- QuecksiWertkmenL  531 

Ich  will  sogleich  die  Resultate  anschliessen,  welche  die 
UntersuchuDgen  der  Veränderlichkeit  von  p  mit  der  Tem« 
peratur  ergaben: 

■ 

25.  Januar  1889.     11*»  vorm.: 

TJ  =  273  +  14  />o  =         0 

2\  =  273  +  40  p^  =  0,00208  Hg-Pol  + 

p  war  wieder  lineare  Function  von  T: 

g^,  =  0,0^80  Q  =  —1,057  Kilogrammcal. 

An  demselben  Tage  4**  nachm.: 

r,  =  273  +0«  />,  =  0,0,83  Hg-Poi  + 

2;  =  273  +  32,8«  p^  =  0,00280      ^i 

g^,  =  0,0^60  Q  =  -0,716  KUogrammcal. 

31.Jau.vorin.:      ^  =  273  +  W  p,  =  0,00325  Hg-Pol  + 

2i  =  273  +  41  />,  =  0,00524        ,, 

g^,  =  0,0464  Q  =  -0,684  Kilogrammcal. 

—        nachm:     2\  =  273  +  10  /?,  =  0,00289  Hg-Pol  + 

2^  =  273  +  44  p,  =  0,00572        » 

ll^,  =  0,0^83  Q  =  -0,947  Kilogrammcal. 

3.  Febr.:  T^  =  273  +  21  p^  ^  0 

T,  =  273  +  43  p^  =  0,00393  Hg-Pol   + 

1^,  =  0,0,179  Q  =  -2,422  Kilogrammcal. 

Es  trat  hier  zum  ersten  mal  die  merkwürdige  Erschei- 
nung auf,  dass  dp  JdT  unter  der  Temperatur  des  Pol  wech- 
seis einen  grösseren  Werth  besass,  als  oberhalb  jener. 
Genauer  verfolgt  wurde  diese  Erscheinung  am 

4. Febr.  vorm.:     T'  =  273  +    9  ^   =  0,00518  AgPol  + 

To  =»  273  +  22,5  />o  =  0 

Tj  =  278  +  43  />,  =  0,00407  Hg-Pol  + 

Man  erhält  zwei  verschiedene  Werthe  für  dpjdT,  Be- 
zeichnet man  jenen  unter  T^  mit  (öp/d7^u>  jenen  über  T^ 
mit  {dpldT)dt  so  ergibt  sich: 

(It)-= -0A383,        (|J)^=  0,0,198. 

und  daraus  Q  mit  den  analogen  Bezeichnungen: 

Qu  =  -f  5,209,  Q4  «  -  2,703  Kilogrammcal. 

A4* 


532 


F,  Streintz. 


Dabei  sind  die  Verändeningen  von  p  in  jedem  der  bei- 
den Aeste  über  und  unter  T^  vollkommen  linear,  wie  aus 
folgender  Tabelle  hervorgeht. 


t 

11 
13 
15 
17 
19 
21 


0,00520 
440 
380 
310 
233 
153 
65 


( 


0,0,40 
40 
30 
35 
38 
40 
44 


f 

23«' 

25 

27 

29 

31 

83 

35 

37 

39 

41 

43 


0,00017 
60 
100 
136 
170 
210 
250 
295 
334 
370 
407 


( 


efjd 


0,0,21 
20 
18 
17 
20 
20 
22 
19 
18 
18 


—  an  demselben  Tage  nachm.: 

r  =  273  +    10 
To  =  273  +  25 
r,  =  273  +  35 


p'  =  0,00809  Ag-Pol  + 
,  =  0,00204  Hg-Pol  + 


n,  =  U,UUZU4 


5.  Febr.  1889: 

r  =  273  +    2« 
5,  =  273  +  28 
7;  =  273  +  41 

Qu=  +4,431 


Qj  =  —2,797  Küogrammcal. 


p '  =  0,00832  Ag-Pol   + 
/),  =  0,00335  Hg-Pol   + 


m.  - «.« 


.257 


Qj  =  —3,559  Kilogrammcal. 


Die  Beobachtungen  ergeben,  dass  sich  sowohl  die  Ver- 
änderungen der  electromotorischen  Kraft  mit  der  Zeit  als 
mit  der  Temperatur  viel  verwickelter  gestalten,  wenn  der 
Ag-Draht  von  der  Paste  des  HgoSO^  umgeben  ist. 

Was  zunächst  die  zeitlichen  Veränderungen  anbelangt, 
so  unterscheidet  sich  Element  III  von  den  Elementen  I  und 
II  dadurch,  dass  Ag  zuerst  den  positiven  Pol  bildet.  Das 
Element  III  betindet  sich  eben  schon  durch  die  Art  der 
Zusammenstellung  in  dem  Stadium: 


Hg  Hg,SÜ,  +  Äf^gPv   Ag, 


welches  bei  I  und  II  erst  nach  längerer  Zeit  durch  die  Auf- 
lösung des  Hg»SO^  erreicht  worden  war.    Da  nun  Ag  posi- 


Silber '  Quecksilber  t  lernen  t  533 

tiver  Pol  ist.  so  scheidet  sich  das  in  der  unmittelbarsten  Um- 
gebung des  Drahtes  befindliche  Ag  aus  der  Lösung  aus.  Ein 
weiteres  Vordringen  der  AggSOi-Lösung  zum  Drahte  ver- 
hindert die  Paste.  Gleichzeitig  mit  Ag  wird  aber  auch  Hg 
electrolytisch  am  Drahte  abgeschieden.  Das  Element  lässt 
sich  durch  die  Formel: 

HgjHgaSO,  HgAg 

charakterisiren.  Nun  ist  Hg  positiver  Pol  geworden,  das 
Resultat  des  nächsten  Vorgangs  somit: 

H,  Hg,SO,  +  ägig;  HgAg. 

Dabei  verhält  sich  das  Element  electromotorisch  wie  sofort 
nach  der  Zusammenstellung.  Wegen  der  Undurchdringlich- 
keit der  Paste  wird  aber  nunmehr  sämmtliches,  im  voran- 
gegangenen Stadium  gebildetes  Silbersalz  den  Draht  unmit- 
telbar umgeben. 

Unter  diesen  Annahmen  ist  es  nicht  schwierig  auch  die 
Veränderlichkeit  von  Q  zu  erklären.  Sogleich  nach  der  Zu- 
sammenstellung des  Elementes  erhält  man  für  die  Wärme- 
tönung: Q'=:.r.Q. 

Dabei  ist  aber  x  kleiner,  als  es  jemals  in  II  gewesen, 
weil  die  Oberfläche  des  Drahtes  einen  grösseren  Antheil  an 
Hg  erhalten  hat,  als  dort.  Nimmt  man  an,  dass  der  Ag- 
Draht  vollständig  von  Hg  umgeben  ist,  so  wird  der  ganze 
Vorgang  nur  in  einer  Convection  dieses  Metalles  von  der 
Kathode  zur  Anode  bestehen,  und  Q\  welches  der  Energie 
dieses  Transports  nicht  Rechnung  trägt,  muss  gleich  Null 
werden.  Allmählich  wird  aber  der  Vorrath  von  Hg  an  der 
Kathode  sparsamer,  und  es  treten  zuerst  geringere,  dann 
grössere  Antheile  von  Ag  in  die  Lösung.  Dies  verursacht 
ein  Steigen  der  Werthe  von  x  und  Q\  Das  Maximum 
Q'=  Q  wird  erreicht  werden  können,  wenn  der  ursprüng- 
liche Typus  des  Elementes  II  hergestellt  ist.  Die  Beobach- 
tung vom  4.  Februar  vormittags,  und  zwar  jene  „unter  der 
Temperatur  des  Polwechsels'S  zeigt,  dass  dieser  Zustand 
thatsächlich  eingetreten  war. 

Es  erübrigt  noch,  die  Ursache  der  Differenzen  zwischen 
den  Werthen  dp/dT  unter  und  über  T^  anzugeben.  Unter 
Tq  werden  Ag  und  Hg  aus  ihren  Salzen  an  der  HgAg-Elec- 


534  A,  Heydtceiller, 

trode  ausgeschieden,  über  Tq  tritt  ein  Aequivalent  des  Amal- 
games  BgAg  von  der  Electrode  in  Lösung.  Es  ist  klar, 
dass  die  beiden  Metalle  in  ihren  Salzlösungen  durchschnitt- 
lich in  einem  anderen  Mengenverhältnisse  vertreten  sein 
werden,  als  in  der  Form  des  Amalgams  an  der  Electrode. 
Man  erhält  somit  im  ersten  Falle: 

Qu  =  j-u-  Q, 

im  zweiten  Falle:  Qd  =  -t^u-  Q, 

wobei  Xu  und  Xd  voreinander  im  allgemeinen  verschieden  sind 

und  mannichfachen  Aenderungen  unterliegen  können. 

ä  c  h  1  u  s  s. 

Aus  der  Darstellung  geht  hervor,  dass  die  von  v.  Helm- 
holtz  entwickelte  Theorie  über  die  Vorgänge  im  galvanischen 
Element:  Hg  |  Hg^SO^  +  Ag^SO,  |  A  g 

Aufschluss  gibt.  Die  Resultate  zeigen,  dass  die  Ueberein- 
stimmung  zwischen  Theorie  und  Erfahrung  eine  vollständige 
ist,  wenn  es  sich  um  Vorgänge  reversibler  Natur  handelt. 
Doch  erscheint  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  die  Helm- 
holtz'sche  Gleichung  auch  in  den  zuletzt  behandelten  Fällen, 
in  welchen  Vorgänge  nicht  vollkommen  reversibler  Natur 
stattfanden,  zu  richtigen  Ergebnissen  führen  könne. 

Phys.  Inst.  d.  Univ.  Graz. 


111.     Veher  den  I>urchgang  der  ElectriciUit  durch 

Oase. 

I.  F^mkenentladungen  des  Indtictorlunis 

hl  normaler   Ijnft;   von   Adolf  Hey d weif f er. 

(HIer/.u  T«f.  VI    Vlg.  .'i— 7.) 

1.    Einleitung. 

Die  (irundlage  nachstehender  Arbeit  wurde  bereits  vor 
zwei  Jahren  veröffentlicht.^)    Damals  unternahm  es  Verfasser 


1)  He  yd  weil!  er,  Galvauometrische  Messungen  am  Ru  hm  kor  ff '- 
sehen  Incluctionsapparat.  Habilitations.'^chrifr.  Würzbnrg  18ft7.  Boibl. 
12.  p.  2N4.  18S8. 


Inductionsfunken.  535 

auf  Anregung  des  Hrn.  Prof.  F.  Kohlrausch,  die  den 
secundären  Stromkreis  eines  grossen  Rühmkorff'schen  In- 
ductionsapparates  durchlaufenden  inducirten  ElectricitAts- 
mengen  zu  messen  und  ihre  Abhängigkeit  von  verschiedenen 
Umständen  zu  untersuchen.  Dabei  ergaben  sich  namentlich 
auch  ziemlich  einfache  Beziehungen  fUr  die  durch  Funken- 
strecken  entladenen  Electricitätsmengen  zu  den  wirkenden 
electromotorischen  Kräften.  Diese  Versuche  erlitten  dadurch 
eine  längere  Unterbrechung,  dass  der  benutzte  Ruh mkorff- 
sche  Apparat  für  sehr  hohe  Spannungen  nicht  mehr  genü- 
gend isolirte  und  daher  zur  Ausbesserung  nach  Paris  ge- 
sandt wurde.  Auf  die  Ergebnisse  der  früheren  Versuche 
hatte  dieser  Mangel,  wie  die  spätere  Controle  ergab,  keinen 
Biniluss.  Da  systematische  Messungen  der  in  Funken  über- 
gehenden Electricitätsmengen  noch  kaum  vorliegen,  so  wor- 
den nach  der  Rücksendung  des  Apparats  die  Versuche  von 
neuem  aufgenommen  und  in  mehrfacher  Richtung  erweitert 
und  ergänzt. 

2.    Die  Apparate. 

Die  bei  den  nachstehenden  Messungen  benutzten  Ap- 
parate, zum  Theil  andere,  als  die  früher  angewandten, 
sollen  zunächst  im  Zusammenhang  kurz  beschrieben  werden. 
Der  grosse  Inductionsapparat  von  Rühmkorff  hat  folgende 
Dimensionen:  Die  primäre  Spule  besteht  aus  280  Windun- 
gen eines  0,24  cm  dicken  Drahtes  in  zwei  L^gen  von  42,5  cm 
Länge  und  etwa  5,5  cm  mittlerem  Durchmesser;  ihr  Wider- 
stand ist  0,3  Ohm;  in  dieselbe  ist  ein  Eisenkern  von  54  cm 
Länge  und  4,5  cm  Durchmesser  eingeschoben. 

Die  secundäre  Spule  besteht  aus  etwa  100000  Windun- 
gen eines  ungefähr  500000  cm  langen  und  0,016  cm  dicken 
Drahtes  von  etwa  45000  Ohms  Widerstand  und  hat  eine 
Länge  von  ca.  40  cm,  einen  mittleren  Durchmesser  von  ca. 
15  cm;  die  letzteren  beiden  Zahlen  sind  wegen  der  starken 
isolirenden  Schichten,  die  den  Draht  bedecken,  nur  ganz 
ungefähr  geschätzt.  Die  Enden  der  primären  Spule  waren 
bei  den  nachfolgenden  Versuchen  mit  den  Belegungen  des 
am  Apparat  befindlichen  Condensators  dauernd  verbunden. 

Die  Unterbrechung  des  primären  Stromes  —  es  wurden 


536  A.  HeydweiUer, 

stets  nur  einmalige  Oeffnungsinductionsstösse  gemessen  — 
geschah  mittelst  des  zum  Apparat  gehörigen  Foucault'- 
sehen  Unterbrechers,  dessen  Electromagnet  durch  zwei  con- 
stant  gehaltene  Dani  eil 'sehe  Elemente  erregt  wurde.  Die 
Unterbrechung  geschah  zwischen  dem  gut  amalgamirten 
Platinstift  und  vor  jeder  Reihe  erneutem,  nur  etwas  Platin - 
amalgam  enthaltendem  Quecksilber  unter  Alkohol.  Es  wurde 
dafür  gesorgt,  dass  sowohl  die  Entfernung  des  Ankers  vom 
Electromagnet  vor  der  Unterbrechung,  wie  die  des  Platin- 
stiftes vom  Quecksilber  nach  derselben  stets  die  gleiche  war. 
Auf  diese  Weise  wurde  die  Constanz  der  Unterbrechung 
erreicht,  auf  welche  es  bei  diesen  Versuchen  vor  allem 
ankam,  da  die  Art  der  Unterbrechung  von  bedeutendem 
Einfluss  auf  die  Stärke  und  den  Verlauf  der  inducirten  Ströme 
ist,  auf  welchen  Umstand  schon  vielfach,  namentlich  von 
Hm.  HankeP)  und  Hrn.  H.  v.  Helmholtz^  aufmerksam 
gemacht  worden  ist. 

Die  primäre  Stromstärke  wurde  mittelst  der  von  Hrn. 
F.  Kohlrausch')  beschriebenen  Tangentenbussole  mit  Spie- 
gelablesung gemessen.  Der  Reductionsfactor  derselben  war 
durch  Ausmessen  genau  bestimmt;  um  ein  möglichst  weites 
Intervall  der  zu  messenden  Stromstärken  zur  Verfügung  zu 
haben,  wurde  eine  200  cm  lange  ScaLi  in  310  cm  Abstand 
vom  Spiegel  benutzt,  und  wurden  der  Bussole  je  nach  Bedarf 
Abzweigungen  vorgelegt,  bestehend  aus  gleichlangen,  dicken 
Kupferdrähten,  von  denen  zwei  zur  Bussole  führten.  Der 
Werth  der  Verzweigungsverhältnisse  wurde  durch  directe 
gleichzeitige  Messung  des  abgeleiteten  und  des  unverzweigten 
Stromes,  des  letzteren  mit  einer  (früher  benutzten)  Rühra- 
korffschen  Tangentenbussole,  deren  Reductionsfactor  gleich- 
falls genau  bekannt  war,  bestimmt.  Für  die  Horizontalinten- 
sität des  Erdmagnetismus  ist  ein  mittlerer  Werth  angenommen 
worden,  da  eine  Genauigkeit  der  absoluten  Bestimmungen 
von  mehr  als  1  Proc.  nicht  erstrebt  wurde. 

1)  Hankel,  Wied.  Ann.  7.  p.  631.  1879. 

2)  H.  V.  Helmholtz,    Pogg.  Ann.    83.  p.  538.    1851;    Ges.  Abb.    1. 
p.  460. 

3)  F.  Kohlrausch,  Wied.  Ann.  15.  p.  550.  1882. 


Inductionsfunhen,  537 

Zur  Messung  der  inducirten  Electricitätsmengen  im 
secundären  Stromkreise  diente  eine  abgeänderte  „Wiede- 
mann 'sehe  Bussole".  In  derselben  war  der  Magnetring 
durch  ein  stark  astatisches  System  von  12 — 14  See.  Schwin- 
gungsdauer (dieselbe  änderte  sich  mit  der  Zeit)  ersetzt;  ferner 
der  Kupferdämpfer  durch  ein  Holzgeliäuse  mit  cylindrischen 
Stempeln  zur  Herstellung  einer  regulirbaren  Luftdämpfung, 
zu  welchem  Zwecke  noch  der  untere  Magnetring  mit  einer 
Glimmerplatte  bedeckt  war. 

Die  Rollen  wurden  neu  hergestellt  aus  je  etwa  360  Win- 
dungen eine»  0,08  cm  dicken  Kupferdrahtes  auf  paraffinirten 
Holzrahmen;  die  Gruttaperchaisolirung  des  Drahtes  war  nur 
0,04  cm  dick,  doch  wurden  die  einzelnen  Lagen  voneinander 
noch  besonders  durch  paraffinirtes  Papier  getrennt.  Die  Iso- 
lirung  war  so  vollkommen  befriedigend,  und  die  Empfindlich- 
keit so  gross,  dass  man  die  Rollen  in  hinreichender  Ent- 
fernung vom  Magnetsystem  halten  konnte,  um  keine  störenden 
Eintiüsse  statischer  Ladungen  zu  erhalten.  Starke  Schwin- 
gungen des  Magnetsystems  konnten  durch  Ströme  in  einem 
zweiten  aufgesetzten  Bollenpaar  beruhigt  werden,  da  die 
Luftdämpfung  nur  schwach  war  (Dämpf ungsverhältniss  1,3 
bis  1,4). 

Der  Reductionsfactor  des  Galvanometers  wurde  durch 
Vergleich  mit  einem  gut  geaichten  Torsionsgalvanometer 
bestimmt,  wobei  durch  das  erstere  nur  ^/^^^  des  Hauptstro- 
mes  in  letzterem  geschickt  wurde.  Die  Verzweigung  war 
mittelst  eines  sorgfältig  kalibrirteu  Rheostaten  von  Hart- 
mann und  Braun  hergestellt.  Die  Empfindlichkeit  des  Gal- 
vanometers war  verschieden  regulirt;  meist  so,  dass  die 
Eiectricitätsmenge  10~~^  Coulomb  einen  Ausschlag  von  1  bis 
2  Scalentheilen  bei  3400  Scalentheilen  Abstand  zwischen 
Spiegel  und  Scala  gaben. 

Inductorium,  Galvanometer  undTangentenbussolc  konnten 
so  aufgestellt  werden,  dass  sie  sich  gegenseitig  nicht  merklich 
beeinflussten. 

Das  Funkenmikrometer  besitzt  eine  feine  Schraube  von 
0,05  cm  Ganghöhe,  eine  Millimetertheilung  mit  Nonius  und 
wurde  mit  einer  Kreistheiluog  am  Schraubenkopf  versehen, 
die  Tausendstelmillimeter  zu  schfttsen  geitaUet    Als  Elec- 


538  A.  HeydweiUer. 

troden  wurden  meist  die  zugehörigen  Messingkugeln  von 
0,93  cm  Durchmesser  mit  0,2  cm  dicken  Zuleitungsdrähten 
benutzt;  ausserdem  Blei-  und  Stahlkugeln  von  derselben 
Grösse,  sowie  grössere  Messingkugeln  von  3,0  cm  Durch- 
messer und  zugespitzte  Messingdrähte  von  0,22  cm  Dicke. 

8.    Das  Maass  der  elcctromotorischen  Kraft. 

Da  es  sich  bei  den  Inductionsströmen  um  schnell  wech- 
selnde electromotorische  Kräfte  und  Stromstärken  handelt^ 
so  können  nur  die  Integralwerthe  derselben  gemessen  werden. 
Der  Integral werth  der  secundären  Stromstarke  ist  durch  die 
gemessene  Electricitätsmenge  q^fidi  gegeben,  wo  i  die 
Stromstärke  in  einem  bestimmten  Querschnitt  als  Function 
der  Zeit  ^  bedeutet.  Das  Ohm' sehe  Gesetz  darf  man  aber 
bei  diesen  schnell  verlaufenden  Electricitätsbewegungen  nicht 
ohne  weiteres  als  gültig  annehmen.  Hingegen  darf  man 
voraussetzen,  dass  der  Integral  werth  der  electromotorischen 
Kraft  eines  Oeffnungsstromes  nur  von  der  primären  Strom- 
stärke und  von  dem  im  Eisenkern  verschwindenden  Mag- 
netismus, mit  einem  Wort  also  von  dem  verschwindenden 
Magnetfelde  abhängt  und  für  gleiche  primäre  Stromstärke 
mithin  immer  derselbe  ist.  Ferner  ist  bekanntlich  —  wie 
in  der  früheren  Arbeit  noch  besonders  geprüft  wurde  —  bei 
leitendem  secundären  Schliessungskreise  die  durch  Oeffnen 
eines  bestimmten  primären  Stromes  inducirte  Electricitäts- 
menge q  dem  Gesammtwiderstande  des  secundären  Kreises  w 
umgekehrt  proportional,  wie  es  bei  strenger  Gültigkeit  des 
Ohm*8chen  Gesetzes  auch  der  Fall  wäre;  auch  findet  die 
Verzweigung  zwischen  Leitungswiderständen  den  Ühm- 
Kirchhoff'schen  Gesetzen  entsprechend  statt.  Man  kann 
daher  das  constante  VvoAxxci  qw  =  tofidt  als  Maass  für  das 
Zeitintegral  der  electromotorischen  Kraft,  welche  durch  Oeff- 
nen des  bestimmten  primären  Stromes  inducirt  wird,  anneh- 
men. Ist  die  secundäre  Spule  kurz  in  sich  geschlossen,  so 
reducirt  sich  w  auf  den  Widerstand  m?^,  derselben;  die  ent- 
sprechende Electricitätsmenge  sei  q^. 

Das  Product  qQW^^  wurde  nun  durch  eine  Reihe  von  Mes- 
sungen als  Function  der  primären  Stromstärke  J  bestimmt. 
Die   folgende  Tabelle  1    gibt  die  Zusammenstellung  der  Ke- 


laibicttonsjunken . 


539 


sultate,   wobei   J  in  Amperes,   ^^w^,   in  See.  x  Volts   ange- 
geben sind. 

Tabelle  1. 


Datum 

Ampere« 

See.  X  Volts 

1 

J 

9.  Fcbniar  1889 

0,520 

;         2,85 

5,48 

j> 

0,555 

3,06 

5,53 

»> 

0,949 

5,59 

5.89 

?> 

!       0,998 

5,86 

5,87 

M 

1,521 

9,47 

6,22 

11 

i       1,977 

12,71 

6,43 

» 

2,920 

19,49 

6,67 

5.  Februar  1889 

3,000 

1       19,95 

6,67 

»» 

!       8,943 

26,75 

6,79 

11 

5,171 

35,80 

6,98 

■•i 

1       6,014 

41,87 

6,97 

)j 

7,240 

50,67 

7,00 

M 

8,048 

56,88 

7,01 

>» 

8,534 

59,75 

6,99 

Wegen  der  Anwesenheit  des  Eisenkerns  ist  q^^w^^  nicht 
proportional  J^  sondern  die  Curve  g^^o^jJ  als  Function  von 
J  nimmt  einen  ähnlichen  Verlauf,  wie  die  Magnetisirungs- 
function. 

Im  Folgenden  ist  die  Abhängigkeit  der  den  secundären 
Stromkreis  bei  Einschaltung  verschiedener  Funkenstrecken 
durchlaufenden  Electricitätsmengen  von  dem  Integralwerth 
der  electromotorischen  Kraft  q^w^^  wie  er  nach  vorstehen- 
der Tabelle  durch  die  primäre  Stromstärke  bestimmt  ist,  unter- 
sucht worden. 

4.     Allgemeines  über  die  MeBsungeii. 

Die  vorerwähnte  Aufgabe  brachte  es  mit  sich,  dass  für 
jede  Funkenstrecke  eine  längere,  Stunden  in  Anspruch  neh- 
mende Beobachtungsreihe  angestellt  werden  musste.  Da  es 
nicht  möglich  war,  während  derselben  alle  in  Betracht  kom- 
menden Umstände  ganz  constunt  zu  halten,  so  war  es  nöthig, 
den  Einfluss  von  Aenderungen  möglichst  auszumerzen,  was 
in  der  Weise  geschah,  dass  eine  Reihe  von  Beobachtungen 
mit  immer  grösseren  primären  Stromstärken  angestellt,  und 
dann  von  der  grössten  an  dieselbe  in  umgekehrter  Folge 
wiederholt  wurde,  und  zwar  wurden  bei  jeder  Stromstärke 
jedesmal  vier  bis  acht  Einzelbeobachtungen  gemacht  und  die 


^Ä 


540  A.  Heydiceiller, 

Mittelwertlie  entsprechender  Gruppen  der  beiden  Hälften  der 
Reihe  zum  Hauptmittel  vereinigt,  das  in  den  unten  folgenden 
Tabellen  mitgetheilt  ist. 

Zu  Beginn  jeder  Versuchsreihe  wurden  die  Electroden 
des  Funkenraikrometers  frisch  geputzt  und  polirt,  der  Unter- 
brecher des  primären  Stromes  mit  iiltrirtem  Quecksilber  be- 
schickt und  sein  Platinstift  mit  Hülfe  von  Platinamalgam 
neu  amalgamirt. 

Vor  und  nach  jeder  Reihe  wurden  der  Nullpunkt  des 
Funkenmikrometers,  ferner  Schwingungsdauer,  Dämpfung 
und  Reductionsfactor  des  Galvanometers  (letzterer  wie  oben 
angegeben)  bestimmt.  Die  Aenderungen  dieser  Grössen  im 
Verlauf  einer  Reihe  waren  gering,  sodass  der  Mittelwerth 
mit  keinem  merklichen  Fehler  behaftet  ist.  Die  Fernrohre 
für  Tangentenbussole  und  Galvanometer  standen  dicht  neben 
einander;  die  Unterbrechung  des  von  1  bis  4  grossen  Bun- 
senelementen  mit  frischen  Säuren  gelieferten  primären  Stro- 
mes konnte  von  den  Fernrohren  aus  geschehen.  Es  wurde 
also  zuerst  der  Ausschlag  der  Tangentenbussole  nach  Schluss 
des  Stromes  beobachtet,  derselbe  unmittelbar  darauf  geöffnet 
und  der  Impulsivausschlag  der  Galvanometernadel  abgelesen. 
Die  nöthigen  Reductionen  der  Ausschläge  auf  Tangenten  und 
Bögen  wurden  angebracht,  die  primäre  Stromstärke  mittelst 
des  bekannten  Reductionsfactors  der  Tangentenbussole  be- 
rechnet, und  hierzu  der  Werth  von  q^  w^  mit  Hülfe  von  Ta- 
belle 1  bestimmt.  Aus  dem  reducirten  Impulsivausschlag  u 
des  Galvanometers,  dem  Reductionsfactor  R  desselben,  dem 
Uämpfungsverhältniss  k,  dem  natürlichen  logarithmischen 
Decrement  A  und  der  Schwingungsdauer  r  der  ungedämpften 
Nadel  wurde  die  inducirte,  durch  das  Galvanometer  gegan- 
gene Electricitätsmcnge  q  nach  den  von  Wilh.  Weber  im 
zweiten  Theil  seiner  electrodynaraischen  Maassbestimmungen, 
Beilage  C  ausführlich  entwickelten  Gleichungen  bestimmt: 

q^Rl-ukl  "^*'^^.^) 

Als  Einheit  für  die  Electricitätsmenge  ist  im  Folgenden 
immer  10"-®  Coulomb  gewählt,  während  die  Zeitintegrale  der 

1)  Vgl.  auch  Rohlrausch,    liCitfaden  der  prakt.  Physik,    6.  Aufl.. 
p.  2^19.  lHy2. 


InductioHgfunken,  541 

electromotorischen  Kräfte,  wie  schon  oben,  in  SecxVolt  an- 
gegeben sind.  Zwischen  den  Einzelbeobachtungen  kamen 
Unterschiede  bis  zu  20  Proc.  vor,  aber  nur  bei  kleinen 
Werthen  von  q  unter  100xlO~^  Coulomb,  die  zur  Berech- 
nung der  weiter  unten  zu  erwähnenden  Constanten  der 
Keihen  nicht  verwendet  wurden.  Darüber  überschritten  die 
Unterschiede  fast  nie  6  Proc.  Die  Mittelwerthe  der  gleichen 
Stromstärken  entsprechenden  Gruppen  in  beiden  Hälften  der 
Reihen  wichen  zuweilen  bis  zu  10  Proc.  voneinander  ab. 
Meist  war  die  Uebereinstimmung  aber  eine  weit  bessere, 
und  die  schliesslich  benutzten  Hauptmittel  stimmten  in  zu 
verschiedenen  Zeiten,  aber  unter  gleichen  Bedingungen  an- 
gestellten Keihen  stets  bis  auf  einige  Procente  überein,  so- 
dass man  3  Proc.  im  allgemeinen  als  grössten  Fehler  der 
Hauptmittel  betrachten  darf.  Die  Hauptfehler  rühren  wohl 
von  nicht  ganz  zu  vermeidenden  Unregelmässigkeiten  in  der 
Unterbrechung  des  primären  Stromes  her. 

Den  Beobachtungen  war  nach  zwei  Seiten  eine  Grenze 
gesteckt  Bei  hohen  Spannungen  wurde  die  Isolirung,  na- 
mentlich der  Galvanometerrollen,  zu  schwierig,  und  bei  klei- 
nen Electricitätsmengen  die  Unregelmässigkeiten  zu  gross,  so- 
dass die  Mittelwerthe  illusorisch  wurden.  Nur  bei  den  klein- 
sten Funkenstrecken  erhielt  man  auch  für  kleinere  Werthe 
von  q  noch  brauchbare  Resultate.  Aus  den  angeführten 
Gründen  war  es  daher  auch  nicht  möglich,  die  Versuche 
über  Funkenstrecken  von  mehr  als  0,6  cm  auszudehnen,  und 
auch  bis  zu  dieser  Grenze  gelang  es  erst  nach  längerem  Be- 
mühen, regelmässige  Resultate  zu  erhalten  durch  sorgfäl- 
tigste Isolirung  und  peinliche  Vermeidung  aller  scharfen 
Ecken  und  Kanten  im  secundären  Stromkreis,  z.  B.  Entfernung 
der  am  Funkenmikrometer  befindlichen  gekerbten  Schrauben- 
köpfe. 

5.    Ueber  die  Continuität  der  Funkenentladungen. 

Im  allgemeinen  sind  wohl  die  Entladungen  eines  Inducto- 
riums  durch  eine  Funkenstrecke  oscillirende;  es  lässt  sich 
aber  zeigen,  dass  bei  Apparaten  von  so  grossen  Dimensionen 
und  so  hohem  Selbstinductionscoöfficienten,  wie  der  hier  an- 
gewandte, die  Bedingungen  zur  Entstehung  von  Schwingun- 


542  A.  Iltydweiller, 

gen  nicht  günstig  sind,  ja  wahrscheinlich  solche  gar  nicht 
auftreten.  Nach  G.  Kirchhofes  und  Sir  W.  Thomson's 
Theorie  ist  nämlich  die  Schwingungsdauer  T  der  Electrici- 
tätsbewegungen  in  einem  Draht,  der  die  Belegungen  eines 
Condensators  verbindet: 

wenn  p  den  Selbstinductionscogfficienten ,  w  den  Widerstand 
des  Drahtes,  e  die  Capacität  des  Condensators  sammt  dem 
Draht  bezeichnen. 

Nun  wurde  der  Selbstinductionsco^fficient  der  secundä- 
ren  Spule  des  Ruhmkorff  nach  der  Methode  von  Dorn^  zu 
1,7  X  iO^*  cm  bestimmt.  Als  Condensator  ist  hier  das  Fun- 
kenmikrometer  zu  betrachten,  dessen  Capacität  sammt  der 
secundären  Spule  so  klein  ist,  dass  sie  sich  nur  angenähert 
bestimmen  Hess.  Ich  brachte  zu  diesem  Zwecke  die  0,93  cm 
'£ugeln  des  Funkenmikrometers  in  0,1  cm  Entfernung  und 
schaltete  mittelst  einer  Wippe  zwischen  Funkenmikrometer 
und  Ruhmkorff  auf  der  einen  Seite  abwechselnd  eine  40 paa- 
rige Chromsäurebatterie  und  ein  sehr  empfindliches  Galva- 
nometer ein  und  mass  so  die  statische  Ladung,  welche  die 
erstere  dem  System  ertheilte.  Die  Capacität,  die  sich  so 
ergab,  e=  10~^  Mikrofarad  =  10~^®  cm-^sec^  ist  nun  aber 
augenscheinlich  viel  zu  klein  für  die  bei  den  Inductionsent- 
ladungen  stattfindenden  Verhältnisse;  denn  bei  diesen  wird 
nicht  die  ganze  Spirale  auf  ein  constantes  Potential  geladen, 
und  die  äusseren  Windungen  wirken  gegen  die  inneren  stark 
condensatorisch,  worauf  Hr.  von  Helmholtz^)  aufmerksam 
machte.  Die  mit  dem  angegebenen  Werthe  von  e  berech- 
nete Schwingungsdauer  wird  also  jedenfalls  viel  zu  klein  aus- 
fallen.    Dieselbe  ist  aber: 

T  =--._=.-_._     =1"      ..  =0,008  See. 

,/ 1 I^A^J^'y 

y   1,7  X  10>«  xlQ-  ^^       \8,4  X  lO^V 


1)  Vgl.  V.  Helmholtz,  Ges.  Abh.  I.  p.  5H4. 

2)  Vgl.  F.  Kohlrausch,  Leitfaden  6.  Autl.  p.  283.  1887. 

3)  V.  Helmholtz,  Ges.  Abh.  I.  p.  535. 


Inductionsfunken.  543 

Die  SchwiDgungsdauer  wird  also  beträchtlich  grösser  als 
V]Oü  ^^^'  ^^^^'  ^mh  wird  weiter  unten  nachgewiesen,  dass 
die  Dauer  der  ganzen  Electricitätsbewegung  bei  Einschaltung 
einer  Funkenstrecke  von  0,1  cm  etwa  7ioo  S®^-  beträgt, 
woraus  folgt,  dass  wohl  kaum  Schwingungen  während  der 
Entladungsdauer  zu  Stande  kommen.  Man  kann  die  Schwin- 
gungsdauer auch  noch  bedeutend  vergrössern,  indem  man  die 
Capacität  durch  Änhängung  der  zum  Inductorium  gehörigen 
Cascadenbatterie  von  4  Flaschen  an  die  Enden  der  secun- 
dären  Spirale  vermehrt,  ohne  einen  merklichen  Einfluss  auf 
die  im  Funken  entladenen  Electricitätsmengen  zu  finden.^) 

Gegen  oscillirende  Entladungen  spricht  ferner  der  aus- 
g<' prägte  Charakter  der  electrischen  Ringfiguren  auf  den 
Eloctroden  des  Funkenmikrometers,  die  auf  der  positiven 
und  negativen  Electrode  wesentlich  verschieden  sind  und 
ganz  den  von  den  Herren  Reitlinger  und  Wächter^)  aus- 
führlich beschriebenen  Figuren  entsprechen,  sowie  endlich 
der  continuirliche  Verlauf  der  unten  mitzutheilenden  Reihen, 
wie  er  in  den  Curven  Fig.  5  dargestellt  ist. 

Der  letztere  Umstand  spricht  auch  gegen  die  weitere 
Möglichkeit,  dass  die  Gesammtentladung  aus  einzelnen  gleich- 
gerichteten Theilentladungen  bestehe,  gegen  welche  sich  auch 
Hr.  Hertz')  auf  Grund  zahlreicher  sorgfältiger  Versuche 
ausspricht,  er  schliesst  aus  denselben,  „dass  die  Entladung 
des  Inductoriums,  deren  Dauer  je  nach  der  Grösse  des 
Apparates  zwischen  Yiooo  ^^^  V«o  See.  liegen  kann,  während 
dieses  Intervalles  als  continuirlicher  Strom  anzusehen  sei." 

1)  Wäre  der  Draht  der  seeundären  Spule  nicht  aufgewickelt,  sondern 
gerade  auBgespannt,  so  würde  bei  seinen  Dimensionen  nach  6.  Kirch- 
hotTs  Theorie  die  Electricität  sich  in  ihm  nach  Art  der  geleiteten 
Wärme  fortpflanzen.  Die  genannte  Theorie  schliesst  aber  ausdrücklich 
den  schwierig  zu  behandelnden  Fall  aus,  dass  zwischen  Querschnitten 
des  Drahtes,  die  sich  sehr  nahe  liegen,  endliche  Stücke  desselben  sich 
befinden. 

2)  Reitlinger  u.  Wächter,  Wied.  Ann.  12.  p.  590.  18dl. 

3)  Hertz,  Wied.  Ann.   19.  p.  782.  1883. 


544  A,  Heydtceiller, 

6.    Die  im  Fanken  übergehende  Electricitätsmenge  als  Func- 
tion des  Zeitintegrals  der  electromotorischen  Kraft. 

In  der  früheren  p.  534  citirten  Arbeit  habe  ich  gezeigt^ 
dass  sich  die  Abhängigkeit  der  Electricitätsmenge  q^  die  bei 
Einschaltung  von  Fankenstrecken  durch  den  secundären 
Kreis  geht,  von  dem  Zeitintegral  der  electromotorischen 
Kraft  9oU?o)  ^^^  ^^  ^^  Abschnitt  3  definirt  worden  ist.  und 
dem  Leitungswiderstande  w  des  secundären  Kreises  in  der 
verhäitnissmässig  einfachen  Form  darstellen  lässt: 

(1)  ^^       ~^Cu^o' 

worin  B  und  C  zwei  Grössen  bezeichnen,  die  von  der  Länge 
der  Funkenstrecke  abhängen,  im  übrigen  aber,  wenn  auch 
nicht  mit  aller  Strenge,  doch  mit  grosser  Annäherung  inner- 
halb gewisser  Grenzen  als  constant  zu  betrachten  sind.  ^)  Zu 
dieser  Gleichung  gelangt  man,  wenn  man  die  „Substitutions- 
widerstände'* der  Funkenstrecke  für  verschiedene  Werthe 
von  q^ioQ  bestimmt,  d.  h.  diejenigen  Leitungswiderstände, 
durch  deren  Einschaltung  an  Stelle  der  Funkenstrecke  man 
die  gleiche  inducirte  Electricitätsmenge  q  erhält. 

Sind,  wie  bei  den  nachfolgenden  Versuchen  stets,  die 
neben  der  secundären  Spule  eingeschalteten  Leitungswider- 
stände  (Galvanometer  und  Verbindungsdrähte)  gegen  den 
Widerstand  der  Spule  selbst  (w^  =  45L00  Ohm)  zu  vernach- 
lässigen, so  reducirt  sich  Gleichung  (1)  auf  die  einfachere: 


(8)  ^^  = 


'^0  ( 1  +  ^H  oder  aucii: 

c 


1  + 

^0 


wenn  B^^bw^  und  C=cm*(,  gesetzt  wird. 

Während  diese  Gleichung  früher  aus  Beobachtungen  an 
kleinen  Funkenstrecken  bis  zu  0,15  cm  abgeleitet  war,  habe 

1 )  In  der  früheren  Arbeit  war  dem  scbwaehen  Ansteigen  von  C  mit 
wÄclisendem  y^tro  durch  Einführen  einer  zweiten  Constante  Rechnung 
getragen  worden,  indem  statt  Ctr,, :  ^.^  +  -4,  y^,  itq  gesetzt  war:  hier  ist 
das  verhäitnissmässig  kleine  A^  ganz  v«Tnaehlässigt. 


Luitictio/of/'u/ikeu. 


545 


ich  sie  jetzt  für  grössere,  bis  zu  0,6  cm  verificiren  können. 
Die  neuen  Beobachtungen  für  neun  verschiedene  Funken- 
^trecken,  die  in  den  Tabellen  2  bis  10  mitgetheilt  sind,  sind 
mit  den  alten  nicht  völlig  vergleichbar,  da  mehrere  Umstände, 
namentlich  die  Unterbrechung  des  primären  Stromes,  gegen 
früher  verändert  waren.  Die  Unterschiede  betrafen  übrigens 
in  den  Beobachtungen  nur  wenige  Procente.  Neben  den  be- 
obachteten Werthen  q  sind  in  den  folgenden  Tabellen  auch 
die  nach  Gleichung  (2)  berechneten  angegeben.  Die  dazu 
benutzten  Werthe  von  B  und  Q  die  am  Kopfe  jeder  Tabelle 
stehen,  sind  durch  ein  graphisches  Interpolationsverfahren 
ermittelt  worden,  das  Tür  den  vorliegenden  Zweck  ausreichte, 
da  die  erreichbare  Genauigkeit  die  umständliche  streng  rech* 
nerische  Ausgleichung  der  Beobachtungsfehler  nicht  ver- 
lohnte. Eine  ungefähre  Berechnung  des  Einflusses  der  Be- 
ubachtungsfehler  ergibt  nämlich,  dass  dieselben  mit  viel- 
fachem Betrage  in  die  berechneten  Constanten  B  und  C 
eintreten. 

Die  nachstehenden  Tabellen  enthalten  am  Kopfe  die 
Länge/  der  Funkenstrecke  in  Centimetern,  den  Beobachtungs- 
tag, di^  Temperatur  und  den  entsprechenden  Widerstand  w^ 
der  secundären  Spule  des  Ruhmkorfi'  in  Ohm,  sowie  die 
Constanten  B  und  C,  die  beide  von  der  Dimension  des  Zeit- 
integrals einer  electromotorischen  Kraft  sind,  in  See  X  Volt. 
Ferner  in  4  Columnen  die  Werthe  von  q^WQ,  gleichfalls  in 
See  X  V^olt,  die  beobachteten  und  die  berechneten  Werthe 
von  fj  in  10~*^  Coulomb,  sowie  die  Difl'erenz  q  beobachtet  we- 
niger q  berechnet. 


Tabe 

lle  2. 

/=  0,005  cm. 

12.  Februar  lö89. 

f  =  15,5«.     tc  = 

=  44000  Ohm.     B  = 

0,0.     C 

=  40,7. 

!/:«'o 

y  beob.  '   q  ber. 

_     _     i__  _    _    _ 

;     Diff. 

1 

yon 

q  beob. 

'  q  ber. 

1 

Diff. 

2,T' 

3               2 

+  1 

23,1 

199 

'      190 

'     +  9 

r? 

5                4 

,      +1 

27,7 

257 

255 

1 

1     +  2 

5,5 

17              15 

,      +2 

3.M 

367 

1      369 

1     -  2 

*^.T 

39              35 

+  4 

42,1 

476 

1      487 

i     -11 

12,5 

72              67 

+  5 

49.2 

f>91 

,       612 

-21 

Ui,0 

'      117            109 

+  ^ 

53,0 

TmS 

698 

-20 

Aun.  d.  Phyt.  u  Chem.   N.  F.   XXXVIII. 


35 


546 


A.  HeyHweiUer. 


Tabelle  3. 

Tabe 

lle  4. 

/  =  0,05  cm. 

/=»  0,1  cm. 

22.  Februar  1889. 

> 

28.  Juni  1889. 

t  =  13,5«      Wfl 

=  43600  Ohm. 

i  =  20,8°.    iTo  =  44900  Ohm. 

J?=4,0 

C  =  56,8. 

£ 

f  =  5,5         C  =  66,0. 

!7o«'«    i 

g  beob. 

1 
g  ber. 

Diff. 
-3 

?ott»o 

g  beob.    g  ber. 

Diff. 

20,3 

95 

98 

26,6 

138 

185 

+  3 

23,4 

130 

130 

0 

82,5 

201 

199 

+2 

26,5 

165 

164 

+  1 

38,5 

271 

271 

0 

30,4 

215 

211 

+4 

44,7 

352 

353 

—1 

35,9 

284 

284 

0 

50,4 

428 

433 

-5 

41,3 

360 

360 

0 

57,3 

*542          548 

-6 

46,6 

441 

440 

+  1 

57,5 

541 

539 

+  2 

51,6 

519 

520 

—  1 

56,2 

593 

596 

—3 

59,4 

641 

Tab« 

28.  Ml 

649 

jlle  5. 
,15  cm. 

ii   1889. 

-8 

Tabelle  6. 

/  =  0,2  cm. 
14.  Mai  1889. 

/=.  2( 

),00       iTo 

=  44700 

Ohm. 

t  =  17,8°      fCo  =  44400  Ohm. 

1 

?  =  8,2 

C=7J 

J,0. 

B  =  10,1       C  =  79,3. 

90«^© 

g  beob. 

'     109 

g  ber. 

i     104 

Diff. 

yott^o 

g  beob,    g  ber. 

Diff. 

26,0 

+  5 

25,2 

83              82 

1      +1 

30,2 

'  ♦US 

145 

0 

32,2 

142             144 

'      -2 

32,1 

167 

163 

+  4 

38,3 

208            201 

+  1 

38,3 

228 

231 

-3 

44,2 

277            27(» 

+  1 

44,7 

305 

309 

-4 

50,6 

353            356 

-3 

50,2 

384 

,      382 

+  2 

56,4 

434            434 

0 

54,1 

429 

436 

-7 

59,7 

*483            481 

+  2 

59,7 

1  *522 

1 

517 

+  5 

60,0 

i     485 

485 

0 

Tabelle  7, 

/  =  0,3  cm. 

6.  Juni  1889. 

f  =  22,0^       Wq  =  45100  Ohm. 

B  =  12,3         C  =  89,2. 


Tabelle  8. 

/  =  0,4  cm. 

13.  Mai   18^9. 

t  =  17,5»      w  =  44300  Ohm. 

^  =  16,0         C=  95,2. 


26,1 
32,1 
38,3 
44,2 

.M>,() 
53,7 
06.2 

,")9,S 


g  beob.  |  g  ber. 


Diff, 


9o^o    1 7  beob.  i  g  ber.         Diff, 


68 
118 
175 
231 
295 
347 
'Ml 
42.^ 


69 
116 
173 
234 
P.Ol 
34r> 

377 
424 


-1 
+  2 
+  2 
-3 
-6 
+  1 
0 
4-1 


26,6 
33,2 
39,5 
46,8 
52,1 
53,7 
57,2 
60,0 


56 
99 
153 
231 
289 
♦303 
344 
3o5 


53 
lüO 
155 

28^ 
307 
:U9 
384 


+  3 

—  1 
_o 

+  2 

+  1 
-4 

—  5 
■fl 


IiulticliottsJuTÜien. 

547 

Tabelle  9. 

1 

1 

Tabe 

lle  10. 

/  =  0,5  cm. 

/  =  0,6  cm. 

18.  Mai  1889. 

20.  Mai  1889. 

t  =  21, 5^      tcj 

,  =  45000  Ohm. 

t  =  18,0^      IT, 

)  =  44400  Ohm. 

B  =  19,3 

C  = 

99,2. 

B 

=  21,7 

C  =  102,5. 

yo  ^0      ?  beob. 

q  ber. 
100 

DiflF. 

'      -4 

87,0 

q  beob. 

1 
q  ber. 

Diff. 

36,2          96 

86 

91 

-5 

40,8         136 

139 

1      —8 

41,6 

131 

129 

+2 

45,4          180 

182 

1      -2 

45,0 

*165 

158 

+  7 

50,3          230 

232 

-2 

46,1 

175 

171 

+  4 

53,7        *270 

269 

'      +1 

49,8 

*210 

204 

+  6 

55,4          288 

287 

+  1 

50,9 

219 

218 

+  1 

60,1     ,     340 

342 

,      -2 

53,7 

*241 

248 

-7 

1 
1 

54,1 

*248 

249 

-1 

1 

; 

55,3 

263 

265 

-2 

1 
1 

59,7 

818 

815 

_o 

Wie  man  sieht,  schmiegen  sich  die  beobachteten  Werthe 
den  berechneten  Curven  gut  an,  mit  Ausnahme  der  ersten, 
wo  die  nicht  genügende  Constanz  der  sehr  kleinen  Funken- 
strecke (0,003  cm)  während  der  ganzen  Reihe  die  grösseren 
Abweichungen  vielleicht  erklären  kann;  die  Angabe  £=0,0 
bedeutet  hier  nur,  dass  S<0,1,  d.  h.  von  nicht  merklichem 
Einiluss  ist.  Im  übrigen  betragen  die  Abweichungen  der 
beobachteten  von  den  berechneten  Werthen  nur  selten  und 
nur  bei  kleinen  Werthen  von  q  unter  100  X  10"-®  Coulomb 
mehr  als  8  Proc,  d.  h.  sie  liegen  innerhalb  der  Beobach- 
tungsfehler.^)  In  Fig.  5  sind  die  berechneten  Curven  für  die 
Funkenstrecken  0  (eine  Gerade)  0,005,  0,1,  0,2,  0,3,  0,4,  0,5, 
0,6  gezeichnet;  die  Abscissen  sind  die  Zeitintegrale  der  elec- 
tiomotorischen  Kraft  q^tv^y  die  Ordinaten  die  Electricitäts- 
niengen  g. 

Man  erkennt  den  starken  Abfall  der  Electricitätsmenge 
schon  bei  kleinster  eingeschalteter  Funkenstrecke,  während 
die  gleicher  Zunahme  der  Funkenstrecke  entsprechenden 
Curven  beim  Wachsen  derselben  einander  immer  näher  rücken, 
d.  h.  die  Abnahme  der  Electricitätsmengen  für  gleiche  ein- 
geschaltete Luftstrecken  immer  kleiner  wird,  je  grösser  die 
Gesammtdicke  derselben  ist. 


1)  Die  mit  Sternchen  versehenen  Werthe  von  q  sind  nicht  in  der 
Kcihe,  fiondern  bei  anderen  Gelegenheiten  bestimmt. 

35* 


548  A,  HeydweUler, 

Die  Grössen  B  und  C  sind  in  ihrer  Abhängigkeit  von 
der  Funkenstrecke  in  Fig.  6  dargestellt.  Beide  wachsen  mit 
der  Funkenstrecke  y  B  nahezu  linear  für  grössere  Funken- 
strecken,  C  stark  verzögert. 

Mit  der  Annahme  eines  „Leitungswiderstandes"  der 
Funkenstrecko  lassen  sich  diese  Resultate ,  wie  ich  schon 
früher  betonte,  nicht  vereinigen.  Im  Folgenden  soll  eine  an* 
schauliche  Deutung  derselben  versucht  werden. 

7.    Eiufluss  eingeschalteter  Funkenetreckcu  auf  den  Verlauf 
der  inducirten  Electricitätsbewegung. 

üeber  den  Verlauf  der  inducirten  Ströme  im  leitend  ge- 
schlossenen Kreise  weiss  man  seit  den  Untersuchungen  des 
Hrn.  von  Helmholtz^)  wenigstens  so  viel,  dass  die  Inten- 
sität in  einem  bestimmten  Querschnitt  eine  sehr  schnell  und 
stark  ansteigende  und  allmählich,  etwa  logarithmisch  abfal- 
lende Function  der  Zeit  ist. 

Die  Intensitätscurve  wird  also  annähernd  die  Form  der 
Curve  defgh  (Fig.  7)  haben,  deren  gesammter  Flächeninhalt 
die  hier  mit  y^  bezeichnete  Electricitätsmenge  darstellt.  Wird 
nun  eine  Funkenstrecke  in  den  secundären  Kreis  eingeschal* 
tet,  so  ist  ein  bestimmtes  Potentialgefälle  an  den  Electroden, 
also  eine  bestimmte  Intensität  erforderlich,  ehe  ein  Durch- 
gang der  Electricität  stattfindet;  es  werden  daher  diejenigen 
Electricitätsmengen  zu  Anfang  und  zu  Ende  der  ganzen  Be- 
wegung, die  mit  geringerer  Intensität  den  Electroden  zu- 
strömen, an  diesen  zurückgeworfen  werden  und  sich  rück- 
wärts durch  die  Spule  ausgleichen.  Diese  Electricitätsmengen 
seien  die  in  der  Figur  durch  schräge  ISchraftirung  angedeu- 
teten dei  und  ghk,  wobei  ei  und  g k  diejenigen  Intensitäten 
bezeichnen,  bei  denen  die  Entladung  einsetzt,  resp.  aufhört. 
Dieselben  werden  wesentlich  von  dynamischen  Verhältnissen 
bedingt  sein  und  brauchen  nicht  gleich  zu  sein ;  mit  den  sta- 
tischen Entladungsverhältnissen  werden  sie  aber  wenigstens 
insofern  zusammenhängen,  dass  sie  mit  dem  statischen  Ent- 
ladungspotential wachsen  und  abnehmen. 

In  der  That  findet  sich  iiuch  in  unseren  empirischen 
Formeln  diese  Electricitätsmenge;  es  ist  die  in  Gleichung (3) 


\)  V.  Hclmhültz,  Pogg.  Ann.  8;5.  p.  505.  1851;  Ges.  Abh.  I.  p.  429. 


Indnctionsf linken.  549 

mit  h  bezeichnete  Grösse,  und  die  näherungsweise  Unab- 
hängigkeit derselben  von  der  Stärke  der  Gesammtbewegung 
g^  würde  für  einen  ähnlichen  Verlauf  der  Wellen  für  ver- 
schiedene primäre  Stromstärken  sprechen.  Unsere  Gleichun» 
gen  zeigen  aber  ferner,  dass  von  der  übrig  bleibenden  Elec- 
tricitätsmenge  iefgk  nur  ein  Theil  im  Funken  übergeht;  ein 
zweiter  beträchtlicher  Theil  hingegen  sich  gleichfalls  rück- 
wärts ausgleicht  und  vielleicht  nur  zur  Erhaltung  des  Ent- 
ladungsgefälles dient. 

Nehmen  wir  an,  dass  der  durchgehende  Theil,  oben  mit 
q  bezeichnet,  durch  die  Fläche  efg  dargestellt  wird,  so  be- 
deutet die  horizontal  schraffirte  Fläche  icgk  diese  noch 
ferner  reflectirte  Electricitätsmenge ,  deren  Grösse  nach 
Gleichung  (3): 

(4)  q^-l,-q  =  cj- 

ist.    Sie  sei  im  Folgenden  mit  qr  bezeichnet. 

Diese  Electricitätsmenge  qr  kann  mit  wachsender  Ent- 
ladungsintensität wachsen  oder  abnehmen;  es  wird  das  von 
der  Lage  der  Punkte  e  und  q  auf  der  Curve  abhängen;  wir 
werden  sehen,  dass  bei  den  vorliegenden  Versuchen  meist  das 
letztere  der  Fall  ist. 

Der  obigen  Darstellung  liegt  die  hypothetische  Annahme 
zu  Grunde,  dass  die  den  Electroden  zufliessende  Inductions- 
welle  dieselbe  sei,  die  den  leitenden  Kreis  durchläuft.  Dass 
in  der  That  auch,  wenn  kein  Funke  zu  Stande  kommt,  eine 
Electricitätsbewegung  zu  den  Electroden  stattfindet,  lässt 
sich  clectrostatisch  nachweisen.  Die  wirkliche  Intensitäts- 
curve  muss  ja  natürhch  bei  Einschaltung  der  Funkenstrecke 
durch  die  nach  unserer  Annahme  zurückströmende  Electri- 
citätsmenge geändert,  und  namentlich  die  Dauer  der  Ge- 
sammtbewegung wesentlich  abgekürzt  werden,  was  uns  wei- 
terhin bestätigt  wird.  Wir  betrachten  nur  die  Gesammt- 
bewegung als  durch  Superposition  einer  hin-  und  einer 
zurücktiiessenden  Welle  entstanden,  was  sich  der  anschau- 
lichen Deutung  wegen  empfiehlt,  die  es  den  beobachteten 
Tliatsachen  zu  geben  gestattet. 

In  Tab.  1 1  sind  für  eine  Anzahl  von  Wßrthen  der  elec- 
tromotorischen  Kraft  q^w^  und  für  die  nntersiicl^lfip  Fanken- 


550 


A,  Heydueiller. 


strecken  die  Werthe  von  q  und  qr  zusammengestellt;  die- 
selben sind  den  in  Tabellen  2  bis  10  berechneten  Curven 
entnommen.  Man  sieht,  dass  für  kleine  Werthe  von  q^w^ 
der  Werth  von  qr  mit  wachsender  Funkenstrecke,  also  wach- 
sender Entladungsiotensität  oder  zunehmenden  Werthen  der 
Ordinaten  ie  und  ky  (Fig.  7)  abnimmt;  für  grössere  Wertlie 
von  qQtÜQ  dagegen  erst  zu-,  und  dann  abnimmt.  Für  diese 
liegen  also  die  Punkte  t  und  g  für  gewisse  Funkenstrecken 
an  Stellen  der  Curve,  für  welche  iegk  oder  qr  ein  Maxi- 
mum ist. 

Tabelle  11. 


20 
30 
40 
50 
60 


0,2        0,3    I    0,4    !    0,5        0,K 


'   7 

150 

9r 

304 

9 

291 

9r    , 

391 

q 

454 

9r 

455 

7  1 

626 

9r 

510 

•  9 

813 

9r 

551 

95 

;  75 

57 

45 

31 

'  15 

2 

— 

272 

!  248 

206 

;  178 

140 

75 

,  14 

— 

205 

170 

141 

123 

97 

75 

55 

i   42 

391 

376 

346 

326 

295 

241 

183 

145 

341 

290 

252 

226 

190 

159 

131 

115 

485 

479 

458 

449 

424 

383 

!  329 

'  297 

493 

427 

379 

349 

301 

263 

229 

209 

562 

1  564 

554 

552 

535 

504 

,  453 

426 

660 

'  577 

522 

485 

426 

384 

340 

319 

624 

637 

631 

611 

632 

609 

'  565 

544 

8.    Electroden  von  verschiedener  Forin. 

Die  erwähnte  Beziehung  zwischen  der  Entladungsinten- 
sität und  dem  statischen  Entladungspotential,  die  beide 
gleichzeitig  zu-  und  abnehmen,  führt  zu  einerneuen  Bestätigung 
unserer  Anschauung  bei  Untersuchung  von  Electroden  aus 
demselben  Material,  aber  verschiedener  Form,  sowie  gleich- 
zeitig zu  einer  Erweiterung  unserer  Kenntniss  der  Grösse  C, 
die  bisher  noch  nicht  näher  detinirt  ist.  Durch  Aenderung 
der  Form  der  Electroden  kann  man  nämlich,  wie  Hr.  Baille^) 
gezeigt  hat,  das  Entladungspotential  und  mithin  die  Ent- 
ladungsintensität  bei  gleichbleibender  Funkenstrecke  ändern, 
und  zwar  wird  bei  Anwendung  von  Kugelelectroden  das  Ent- 
ladungspotential mit  abnehmendem  Radius  derselben  grösser 
für  kleine  Funkenstrecken,  hingegen  für  grosse  kleiner.  Damit 


\)  Bai II e,  Ann.  de  cbim.  et  de  i)hyf.  (5)  25.  p.  486.  1882. 


Inductiomfunkm, 


551 


müssen  sich  nun  aber  auch  b  und  qr  ändern,  wenn  unsere 
Anschauung  richtig  ist,  und  zwar  b  im  gleichen  Sinne,  qr  je 
nachdem  im  entgegengesetzten  oder  gleichen.  Um  einen  An- 
halt zu  geben,  führe  ich  folgende  Werthe  des  Entladungs- 
potentials nach  Baille  für  verschiedene  Funkenstrecken / 
und  Kugelradien  q  in  absolutem,  electrostatischen  Maasse  an: 


/  = 


^=s  0,05  cm 
0,5    » 
1,5    „ 


0,1 


0,3 


0,5  cm 


16,1 
15,2 
15,0 


24,1 
37,3 
36,9 


30,0 
54,7 
55,0 


Versuche,  die  mit  Kugelelectroden  von  8  cm  Durch- 
messer und  mit  stumpf  zugespitzten  Messingdrähten  von 
0,2  cm  Dicke  angestellt  wurden,  bestätigen  vollauf  jene  Fol- 
gerung. 

Die  grösseren  Kugeln  zunächst  ergaben  Reihen,  die 
merklich  mit  denen  für  die  kleineren  Kugeln  von  0,93  cm 
Durchmesser  erhaltenen  zusammenfielen. 

Die  Reihen  für  die  Spitzenelectroden  in  0,1,  0,3  und  0,5  cm 
Abstand  sind  in  den  Tabellen  12  bis  14  zusammengestellt.  Die 
Anordnung  ist  analog  der  in  Tabellen  2  bis  10,  nur  ist  noch 
eine  Colunine  mit  den  aus  den  berechneten  Reihen  der  Ta- 
bellen 4,  7  und  9  entnommenen  Werthen  von  q  zur  Ver- 
gleichung  beigefügt. 


Ta 

Lbelle 

i    19 

/=0,l  cm.. 

16.  Juli  1889. 

t  = 

:  21,2«  Wo  =  45000  Ohm. 

J5  =  6,0    C  =  65,8. 

%  ^fo 

qhcoh. 

yber.  Diff.  ^"g,«]" 
^         q  Der. 

26,2 

130   128 

+  2    130 

32,6 

198   196 

+  2    198 

38,7 

271 

269 

+2    272 

44,8 

347 

349   —21  352 

50,6 

429 

431 

-2    435 

56,5 

517 

518 

-1  ,  524 

Tabelle  13. 

/  =  0,3  cm. 

25.  Juni  1889. 

i  =  20,4"      tTo  =  44800  Ohm. 
5  =  7,1         C  =  89,4. 


q^WQ  5'beob.  ^ber. 


Diff. 


26,1 

96 

96 

0 

32,3. 

149 

149 

0 

38,3 

211 

210 

+  1 

44,4 

277 

276 

+  1 

50,1 

US 

345 

-2 

56,1 

421 

422 

-1 

1 

Kueeln 
q  ber. 

69 
118 
173 
236 
302 
375 


652 


A,-  Heydweiller, 


Tabelle  14. 

/  =  0,5  cm. 

2.  Juli  1889. 

t  =  20,4^    Wo  =  44800  Ohm.    B  =  14,6.     C  =  96,6. 


32,5 
38,5 
44,7 
50,4 
57,3 


beob. 

lOft 
152 
209 
274 
852 


ber. 


Diff. 


Kugeln 
q  Der. 


101 
152 
213 
274 
255 


+  7 
0 

-4 
0 

—3 


72 

118 
175 
233 
308 


Es  ergibt  sich  hieraus,  dass  in  UebereinstiniTiiung  mit 
dem  Verlaufe  des  Entladungspotentials  B  mithin  auch 
c=BIwq  grösser  ist  bei  den  Spitzenelectroden  flir  die  kleinste 
Funkenstrecke  0,1  cm,  dagegen  grösser  bei  den  Kugelelec- 
troden  von  grösserem  Krümmungsradius  bei  den  beiden  län- 
geren Funkenstrecken  0,3  und  0,5  cm.  C  hingegen  wird  von 
dem  Bntladungspotential  nicht  beeinflusst;  es  scheint  vielmehr 
wesentlich  nur  von  der  Länge  der  Gasschicht  (und  wahr- 
scheinlich auch  ihrem  Zustande)  abzuhängen.  Da  C  und 
ebenso  c^Cjwq  für  beide  Electroden  gleich  sind,  so  än- 
dert sich: 

q 

ebenso  wie  q  mit  der  Form  der  Electroden,  d.  h.  im  ent- 
gegengesetzten Sinne  wie  h  in  den  vorliegenden  Reihen,  so- 
weit die  Beobachtungen  reichen.  Auch  dies  ist  mit  dem 
früher  Gesagten  in  Uebereinstimmung,  wenn  man  annimmt, 
dass  in  den  vorliegenden  Fällen  gk  (Fig.  7),  resp.  ei  grösser 
sind,  als  die  Ordinaten,  denen  das  Maximum  der  Fläche  eihu 
entspricht. 

9.    Electroden  aus  verschiedenen  Metallen. 

Die  bei  der  Funkenentladung  übergehende  Electricitäts- 
menge  besteht  aus  zwei  Theilen,  von  denen  der  eine  in  dem 
eigentlichen  Metallfunken,  der  andere  in  der  Lichthülle  über- 
geführt wird.    Perrot^)  ist  es  gelungen,  diese  beiden  Theik- 


1)  Perrot,   Ann.  de  chini.  et  de  phjs.  (3)  (>1,  p.  20().  1861;    Wied. 
Electr.  IV.  §  907. 


Indnctionsfunken, 


553 


zu  trennen  und  durch  voltametrische  Messungen  nachzu- 
weisen, dass  der  erste  Theil  meist  verschwindend  klein  gegen 
den  zweiten  ist.  Indessen  dürfte  er  wohl  von  dem  Metall 
der  Electroden  abhängen,  etwa  bei  weicheren,  leicht  zerreiss- 
baren  Metallen,  wie  Blei,  grösser  sein,  als  bei  festen,  wie 
Stahl.  Ausserdem  war  zu  vermuthen,  dass  vielleicht  auch 
die  Entladungsdichte  oder  Entladungsintensität  an  den  Elec- 
troden von  dem  Metall  beeinflusst  werden.  Es  wurden  da- 
her noch  Versuche  mit  Stahl-  und  Bleielectroden  in  Form 
von  Kugeln  von  0,93  cm  Durchmesser  angestellt.  Da  die 
letzteren  sich  nicht  poliren  Hessen,  so  wurden  sie  vor  jeder 
Reihe  mit  feinem  Schmirgel  abgerieben,  dann  mit  dem  Dau- 
mennagel geglättet  und  endlich  noch  mit  weichem  Seiden- 
papier gewischt;  sie  erhielten  dadurch  eine  blanke,  spiegelnde 
Oberfläche. 


Ta 

belle 

15. 

Ta 

belle 

lö. 

/  =  0,1  cm. 

/=  0,2  cm. 

15.  Juli  1889. 

4.  Juli  1889. 

/  = 

21,50      ^^^  45000  Ohm. 

/  = 

20,70      fCo  =  44900  Ohm. 

P  =  5,3         C  =  64,9. 

^  =  6,7         C  =  86,4. 

yott-o 

^beob.'  q  ber. :  Diff. 

1 

Messing 
q  ber. 



1 

ybeob.  q  ber.   DifF. 

1 

Messing 
q  ber. 

20,2 

74          79 

—  5 

76 

13,8 

20 

22       -2 

12 

26,1 

135        133 

+  2 

129 

19,6 

50 

58       -3 

42 

32,6 

1    204        203 

+   1 

198 

26,0 

108 

100       +3 

89 

38,6 

,    273        276 

3 

271 

32,3 

158        155       +3 

145 

44,6 

355        356 

—  1 

851 

88,8 

221        221           0 

213 

50,9 

440        445 

—  5 

440 

44,3 

283       284    ;  —1 

'J78 

f)7,0 

540        537 

+  12 

532 

50,4 

860       859    1   +1 

354 

1 

54,0 

403       405       -2 

400 

Tabelle  17. 

Tabelle  18. 

/=  0,3  cm. 

/  =  0,5  cm. 

1*2.  Juli  1889. 

19.  Juni  1889. 

t  = 

'•  22,70      fCo  =  45200 

Ohm. 

t  = 

19,6«      tro  =  44700  Ohm. 

B  =  10,3         0  =  94 

,2. 

B  =  16,9         C=  106,6. 

70  »^'o 

1 
ybeob.j  q  ber. 

DifF. 

Messing 
7  ber. 

1 

^beob. 

qher. 

Diff.    Messing 
1   q  ber. 

25,9 

1      72 

75    !  -3 

'     36,2 

108    \    109 

-1    !    100 

32,3 

1    124        124          0 

118 

41,8 

158       157 

+  1        148 

3S,3 

180        179       +1 

173 

46,5 

197   1    201 

-4 

193 

44,1 

1    240 

238    1  +2 

233 

51,1 

246       248 

-2 

240 

50,1 

1    306        306           0 

i     802 

54,2 

,    278       281    1  -8 

274 

55,3 

368 

368 

0 

1     865 

'     57.5 

826 

l    318 

+8 

810 

554  A.  Heydioeüler. 

Zunächst  ergab  sich,  dass  die  Unterschiede  der  durch- 
gehenden Blectricitätsmengen  bei  verschiedenen  Funkenlän- 
gen fQr  Stahl-  und  Messingelectroden  zu  klein  waren,  um 
mit  Sicherheit  nachweisbar  zu  sein.  Grössere  Unterschiede 
zeigten  die  Bleielectroden,  namentlich  für  grössere  Funken- 
strecken. In  Tabellen  15  bis  18  sind  4  Reihen  für  die  Fun- 
kenstrecken 0,1)  0,2,  0,3,  0,5  cm  zusammengestellt,  wobei 
wieder  zum  Vergleich  die  entsprechenden  Werthe  von  q  für 
die  gleich  grossen  Messingelectroden  hinzugefügt  sind.  (Siehe 
Tabelle  15—18  p.  553.) 

Die  bezüglichen  Curven  für  Tabellen  16  bis  18  sind  in 
Fig.  5  punktirt  eingezeichnet;  die  für  Tabelle  15  liegt  zu 
nahe  an  der  entsprechenden  für  Messingkugeln,  um  im  Maass- 
stabe der  Figur  deutlich  hervorzutreten.  Doch  liegen  sämmt- 
liche  Curven  für  Bleielectroden  über  denen  für  Messing- 
electroden, d.  h.  die  entsprechenden  Werthe  von  q  sind  für 
erstere  grösser  als  Itlr  letztere.  Der  Grund  dafür  ist,  wie 
ein  Blick  auf  die  Tabellen  zeigt,  in  einer  Verkleinerung  der 
Grösse  B  für  die  Bleielectroden,  der  eine  Verkleinerung  der 
Entladungsintensität  entspricht,  zu  suchen.  Dieser  letzteren 
entspricht  auch  hier  wieder  eine  Vergrösserung  der  zurück- 
geworfenen Electricitätsmenge  qr*  Die  Grössen  C  sind  im 
Durchschnitt  für  Bleielectroden  etwas  grösser  als  für  Messing- 
electroden, aber  nicht  so  viel,  dass  der  Unterschied  nicht 
möglicherweise  in  Beobachtungsfehlern  begründet  sein  könnte, 
da,  wie  schon  bemerkt,  die  Grössen  C  nur  mit  geringer  Ge- 
nauigkeit aus  den  Beobachtungen  hervorgehen  und  leicht 
5 — 10  Proc.  Fehler  enthalten  können,  zumal  auch  die  Inter- 
pulationsmethode  nicht  ganz  zuverlässig  isfc.  Möglich  ist 
aber  auch,  dass  der  Zustand  der  Gasstrecke  (insbesondere 
die  adsorbirten  Schichten)  zwischen  den  verschiedenen  Elcc- 
troden  etwas  verschieden  ist.  Im  ganzen  findet  man  also 
auch  hier  bestätigt,  dass  die  C  wesentlich  nur  durch  die 
Gasstrecke  bedingt  und  unabhängig  von  den  Entladungs- 
intensitäten sind.  Ein  Einüuss  des  Stoffs  der  Electroden 
auf  die  entladenen  Blectricitätsmengen  und  auf  die  Ent- 
ladungsintensitäten insbesondere  dürfte  damit  wohl  sicher 
festgestellt  sein.  Bei  der  Kleinheit  de>iSolben  indessen  für 
physikalisch  so  verschiedene  Metalle,  wie  Stahl  und  Blei,  und 


Indlictionsf unken,  555 

der  Unsicherlieit  der  Beobachtungen  wurde  darauf  verzichtet, 
ihn  auf  diesem  Wege  weiter  zu  verfolgen. 

Von  früheren  Beobachtern  haben  die  Herren  G.  Wiede- 
inann  und  Rühlmann  bei  Anwendung  von  Zink,  Platin  und 
Messing  keinen  Einfluss  des  StoflFs  der  Electroden  auf  die 
durch  Grasstrecken  entladenen  Electricitätsmengen  consta- 
tiren  können.^)  Indessen  widerspricht  dieses  Resultat  dem 
unserigen  nicht.  Denn  die  genannten  Beobachter  haben  bei 
einem  Electrodenabstande  von  etwa  1  cm,  aber  Drucken  von 
weniger  als  Vio  Atmosphäre  gemessen.  Die  Verminderung 
des  Drucks  wirkt  aber  ebenso,  wie  Verkleinerung  der  Funken- 
länge auf  die  durchgehenden  Electricitätsmengen,  und  den 
obigen  Verhältnissen  entsprechen  also  Punkenstrecken  von 
weniger  als  0,1  cm  bei  Atmosphärendruck.  Bei  so  kleinen 
Funkenstrecken  sind  auch  hier  die  Unterschiede  für  Blei 
und  Stahl  sehr  klein  gefunden  worden. 

Einen  Einfluss  des  Stoffs  der  Electroden  auf  den  Ent- 
ladnngsvorgang  hat  dagegen  Hr.  Righi*)  schon  festgestellt, 
und  auch  Hr.  Liebig')  glaubt,  einen  Unterschied  des  Ent- 
ladungspotentials für  vernickelte  und  nicht  vernickelte  Messing- 
electroden  gefunden  zu  haben. 

Endlich  hat  Herr  V.  v.  Lang*)  beträchtliche  Unter- 
schiede der  angeblichen  clectromotorischen  Gegenkraft  des 
Lichtbogens  für  verschiedene  Electroden  constatirt.  Falls 
wirklieb,  wie  auch  aus  Herrn  v.  Lang 's  Versuchen  hervor- 
zugehen scheint,  die  Festigkeit  der  Metalle  hier  eine  Rolle 
spielt,  so  muss  deren  Einfluss  bei  den  hohen  Temperaturen 
der  Electroden  im  Lichtbogen  beträchtlich  grösser  sein,  als 
hei  den  niedrigen,  welche  dieselben  bei  den  vorliegenden 
Versuchen  hatten.  Auch  Hr.  v.  Lang  findet  im  allgemeinen 
die  electromotorische  Gegenkraft  kleiner  für  Metalle  von  ge- 
lini^er  Festigkeit  (Ag,  Zn,  Cd)  als  für  solche  von  grosser 
Pt,  Cu,  Fe,  Ni).      Eine    genaue    üebereinstimmung   beider 

1)  G.  WiedeDiann  u.  Kühlmann,  Pogg.  Ann.  145.  p.  285.  1872. 

2)  Righi,  Cim.  [2]  16,  p.  89.  1876. 

3)  Liebig,  Phil.  Mag.  [5]  24.  p.  106.  1H87. 

4)  V.  v.  Lang,  Wien.  Ber.  91.  IL   p.  844.    1885;    Wied.  Ann.  81. 

p.  884.  1887. 


556  A,  HeydweilUr, 

Grössen   ist   indessen   nicht  zu   constatiren,   noch   auch    zu 
erwarten. 

10.    Die   Dauer  der   Electricitätsbeweguug  bei    der   Funken- 
entladung. 

Schaltet  man  ausser  der  Funkenstrecke  in  den  secun- 
dären  Kreis  des  Inductoriums  eine  gut  isolirte  galvanische 
Batterie  ein,  die  einen  dem  Inductionsstrom  gleich-  oder 
entgegengerichteten  Strom  hervorzubringen  strebt,  so  wird 
die  electromotorische  Kraft  der  Induction  und  entsprechend 
die  Intensität  des  Entladungsstroros  um  eine  während  ihrer 
ganzen  Dauer  constante  Grösse  vermehrt  oder  vermindert. 
Findet  durch  die  Hinzufügung  der  electromotorischen  Kraft 
keine  Veränderung  der  Funkenstrecke  statt,  so  muss  die 
Vermehrung  im  einen  Fall  gleich  der  Verminderung  im 
anderen  sein,  wie  Versuche  in  der  That  ergaben,  und  dann 
erlaubt  unsere  in  Gleichung  (2)  enthaltene  Beziehung  zwischen 
der  entladenen  Electricitätsmenge  q  und  der  wirkenden  elec- 
tromotorischen Kraft,  bezw.  ihrem  Zeitintegral  q^  Wq  die  Zeit- 
dauer t  der  letzteren  aus  der  Vermehrung  oder  Verminde- 
rung q  der  Electricitätsmenge  q,  die  durch  eine  in  Volt 
gemessene  electromotorische  Kraft  E  erzeugt  wird,  zu  be- 
stimmen.    Es  ist  nämlich  nach  Gleichung  (2): 

_L  ^'  —   9o*^o  ±  Et—  B 

Jt  7    — TTZ » 


'J^'    "  Cr. 


0 


woraus  sich  t  berechnen  lässt. 

Die  Messungen  wurden  mit  einer  Tauchbatterie  von 
40  Chromsäureelementen  bei  einer  Funkenstrecko  von  0,1  cm 
zwischen  den  0,93  cm  Messingkugeln  angestellt.  Die  40  Ele- 
mente waren  dabei  in  zwei  Hälften  auf  jeder  Seite  des  Induc- 
toriums zwischen  diesem  und  dem  Funkenmikrometer  einge- 
schaltet; ihre  electromotorische  Kraft  wurde  zu  73  Volt 
bestimmt.  Sie  wurden  abwechselnd  dem  Inductionsstrom 
gleich  und  entgegen  eingeschaltet;  das  Mittel  aus  den  ent- 
sprechenden Electricitätsmengen  stimmte  innerhalb  der  Be- 
obachtungsfehler mit  den  berechneten  Werthen  der  Tabelle  4. 

Die  folgende  Tabelle  19  enthält  eine  Zusammenstellunfsc 
der  Resultate. 


Inductioiuifunken, 


557 


Tabelle  19. 


'  I 

q^icQ      q^q       l^iff-    1     £t  ^sec.     i  y^  10— « Coul.    q^jt  Amp, 


26,4 
32,5 

38,8 
44,8 
50,9 
56,4 


148 
120 

215 

180 

292 

248 

375 
321 

456 
398 

540 
476 


28 
35 
44 


1,4 
1,5 

1,7 


54       1      2,0 


58 


64 


2,0 
2,1 


0,019 

333 

0,021 

404 

0,023 

466 

0,027 

522 

0,027 

571 

0,029 

618 

0,0175 
0,0192 
0,0203 
0,0193 
0,0211 
0,0211 


Die  in  der  5.  Columne  enthaltenen  Werthe  von  t  zeigen 
ein  allmähliches  Anwachsen  desselben  mit  zunehmendem  ^^  w^. 

In  der  6.  Columne  sind  die  der  in  Tabelle  4  berech- 
neten Kurve  entsprechenden  Werthe  von  q^=z  q^^  b  —  tj 
beigefügt;  die  Quotienten  qrjt  in  der  letzten  Columne  zeigen, 
dass  qr  nahe  proportional  mit  t  wächst,  dass  also  die  mitt- 
lere Ordinate  der  Fläche  iegk  (Fig.  7)  oder  die  mittlere 
Entladungsintensität  nahe  unabhängig  von  der  Grösse  der 
GesammtHäche  defgh  ist.  Dem  geringen  Anwachsen  dieser 
mittleren  Ordinate,  wie  es  Tabelle  19  zeigt,  entspricht  voll- 
kommen ein  gleiches  Anwachsen  von  B  oder  b  mit  wachsen- 
dem <yo"'o»  ^*  ^-  d®!*  Flächen  dei  und  kgh^  wie  es  in  der 
früheren  Arbeit  festgestellt  wurde. 

Es  ist  von  Interesse,  zu  bemerken,  dass  durch  die  Ein- 
schaltung einer  Funkenstrecke  die  Dauer  der  Electricitäts- 
bewegung  ganz  bedeutend  abgekürzt  wird,  und  es  ist  leicht 
ersichtlich,  dass  diese  Abkürzung  nach  unserer  Hypothese 
durch  die  zurücktiiessenden  Electricitätsmengen  auch  bewirkt 
werden  muss.  Die  Theorie  gestattet  uns  nämlich,  wenigstens 
die  Dauer  des  abfallenden  Theiles  des  Inductionsstromes  im 
leitenden  Schliessungskreise,  die  ohne  Zweifel  die  des  an- 
steigenden weit  übersteigt,  zu  berechnen.  Denn  der  Verlauf 
desselben  ergibt  sich  aus  der  Differentialgleichung: 


IWq  = 


di 
"PdV 


.1 


558  A.  Heydweilkr. 

wo  ir^  der  Widerstand  und  /?,  wie  früher,  der  Selbstinductions- 
coefücient  der  secundären  Spule  ist.  Das  Integral  der- 
selben ist:  w, 

wenn  mit  j  der  grösste  Werth  von  i  für  /  =  0  bezeichnet  wird. 
Die  Dauer  der  Bewegung  ist  nun  zwar  theoretisch  un- 
endlich, aber  es  lässt  sich  der  Zeitpunkt  t^  bestimmen,  wo 
sie  praktisch  verschwindet;  man  braucht  nur  t^  so  zu  be- 
stimmen, dass  e-C^o/i*)'!  sehr  klein  gegen  1  ist,  etwa  Viooo» 
also  für  unsere  Messungen  verschwindend.  Das  ergibt  t^  = 
pIwq  log  nat.  1000,  oder  da  p  =  1,7  x  10"  cm  und  w^  = 
45000  Ohm  =  45  X  10"  cm  sec-^ 

<j  =  y  X  6,91  =  0,26  sec, 

also  mehr  als  zehnmal  so  gross  als  die  Zeitdauer  mit  ein- 
geschalteter Punkenstrecke. 

11.    Verhalten   kleinster  Funkenstreckeu. 

Es  schien  mir  von  Interesse,  den  Eintiuss  von  Funken- 
strecken,  deren  Länge  von  der  Ordnung  der  Wellenlänge 
des  Lichts  ist,  auf  die  durchgehende  Electricitätsmenge  zu 
unterbuchen.  In  Luft  sind  so  kleine  Funkenstrecken  nicht 
leicht  zu  erhalten,  da  die  geringste  Erschütterung  des  Fun- 
kenmikrometers genügt,  Metallcontact  der  Electroden  her- 
zustellen. Es  wurden  daher  dünne  Glashäutclien,  welche  die 
Newton'schen  Farben  prachtvoll  zeigten,  zwischen  die 
schwach  gegeneinander  federnden  Electroden  gelegt.  Regel- 
mässige Ilesultate  waren  auf  diese  Weise  natürlich  nicht  zu 
erhalten,  aber  die  Electricitätsmeiigen  lagen  stets  zwischen 
den  für  die  kleinsten  Funkenstreckeu  0,005  cm  (Tab.  2)  und 
den  bei  metallischer  Schliessung  (y^)  erhaltenen,  waren  aber 
immer  noch  erheblich  kleiner  als  letztere,  sodass  also  auch 
so  dünne  Schichten  eines  Dielectricums  sich  gegen  den 
Durchgang  der  Inductionsströme  ebenso  verhalten,  wie  die 
dickeren. 

12.    Einfluss   gegenseitiger   Belichtung   zweier 

Funkenstrecken. 

Nach  der  Entdeckung  des  Hrn.  Hertz  bezüglich  die 
Erleichterung  der  Funkenentladung  durch  Bestrahlung   der 


Inductionsf unken.  659 

Funkenstrecke  mit  ultraviolettem  Licht  war  auch  eine 
Vergrösserung  der  durchgehenden  Electricitätsmenge  zu  er- 
warten. Behufs  Feststellung  dieser  Thatsache  wurden  in 
den  secundären  Kreis  zwei  Funkenstrecken  hintereinander 
eingeschaltet  und  so  aufgestellt,  dass  sie  sich  gegenseitig  in 
einigen  Centimetern  Entfernung  belichten  konnten.  Nun 
wurden  die  durchgehenden  Electricitätsmengen  gemessen, 
wenn  einmal  ein  Glimmerblatt  zwischen  sie  eingeschoben 
war,  das  andere  mal  nicht.  Dabei  zeigte  sich  im  letzteren 
Fall  anfänglich  bei  blank  polirten  Electroden  eine  Zunahme 
der  durchgehenden  Electricitätsmenge  um  10  bis  12  Proc, 
die  aber  bei  öfterer  Wiederholung  immer  kleiner  wurde  und 
endlich  ganz  verschwand,  entsprechend  der  zunehmenden 
Corrosion  der  Electrodenoberflächen.  Da  es  also  nicht  mög- 
lich war,  für  eine  längere  Reihe  constante  Resultate  zu  er- 
halten, so  wurde  auf  eingehendere  Messungen  verzichtet. 

13.    Ergebnisse. 

Im  Vorstehenden  ist  versucht  worden,  den  Einfluss  von 
Funkenstrecken  in  Luft  von  normalem  Druck  und  Tempera- 
tur auf  die  Inductionsströme  eines  grossen  Rühmkorf fi- 
schen Inductoriums  genauer  festzustellen.  Es  ergibt  sich 
dabei  auf  das  Deutlichste,  dass  dieselben  keineswegs  wie 
Leitungswiderstände  wirken,  sondern  dass  wahrscheinlich  ein 
Theil  der  zuströmenden  Electricitätsmengen  an  den  Electro- 
den zurückgeworfen  wird;  ihr  Verhalten  wäre  also  eher  dem 
einer  electromotorischen  Gegenkraft,  wie  sie  von  Edlund 
zuerst  behauptet  worden  ist,  zu  vergleichen,  wobei  dahin- 
gestellt bleiben  muss,  ob  dieselbe  auch  im  übrigen  den  bis- 
her bekannten  Formen  electromotorischer  Kräfte  analoges 
Verhalten  zeigt.  Am  grössten  ist  wohl  die  Aehnlichkeit  mit 
der  electromotorischen  Kraft  der  Selbstinduction,  da  sie,  wie 
diese,  mit  dem  erzeugenden  Strome  auftritt  und  verschwindet. 

Es  ist  ferner  der  bestimmte  Nachweis  geliefert,  dass 
der  Stoff  der  Electroden  von  Einfluss  ist  auf  die  Entladungs- 
intensität, d.  h.  diejenige  Intensität  des  Inductionsstromes, 
bei  der  die  Entladung  einsetzt  und  aufhört,  und  damit  auf 
die  durchgehende  Electricitätsmenge. 

Die  (jleichung: 


560  F.  HimstedL 

«'0(1  +  --     ) 

welche  die  Abhängigkeit  der  durch  den  Funken  entladenen 
Electricitätsmenge  q  von  dem  Zeitintegral  der  electromoto- 
rischen  Kraft  der  Inductionsströmung  q^WQ  darstellt,  ent- 
hält zwei  Grössen  ß  und  C,  die  von  q^w^  nahezu  unabhängig 
sind;  die  erstere  B  ist  durch  die  Entladungsintensität  be- 
stimmt, von  der  mithin  dasselbe  gilt;  die  letztere  C  bestimmt 
das  Verhältniss  der  Electricitätsmenge  q  zu  der  während  der 
Dauer  der  Entladung  an  den  Electroden  zurückgeworfenen 
qrf  das  im  übrigen  nur  noch  von  qQiÜQ  abhängt,  indem 
qlqj.  s=  qQtßJC;  C  ist  unabhängig  von  der  Entladungsinten- 
sität oder  der  Grestalt  und  dem  Stoff  der  Electroden  und 
allein  durch  die  Dicke  und  wahrscheinlich  die  Natur  der 
Gasschicht  in  der  Funkenstrecke  bedingt. 

Würz  bürg,  Phys.  Inst.,  Sept.  1889. 


IV.    Veher  die  electrartiugnetische  Wirkung  der 
electrisehen  Convectian;   van  i\  Himstedt. 

(Hierzu  Taf.  \1    Fig.  8.) 


Unter  eiectrischer  Convection  versteht  man  nach  Hrn. 
V.  Helmholtz^)  die  Fortführung  der  Electricität  durch  Be- 
wegung ihres  ponderablen  Trägers.  Die  Frage,  ob  durch 
die  electrische  Convection  electromagnetische  Wirkungen 
hervorgerufen  werden  können  oder  nicht,  hat  zuerst  Hr. 
Rowland-)  im  Jahre  1876  durch  Versuche  zu  entscheiden 
gesucht,  und  er  hat  diese  Frage  auf  Grund  seiner  Versuche 
bejaht.  Hr.  Lecher ^)  hat  im  Jahre  1883  ganz  ähnliche 
Versuche  angestellt,  wie  Hr.  Rowland,  ist  aber  dabei  zu 
dem  entgegengesetzten  Resultate  gekommen,  er  hat  keine 
electromagnetische  Wirkung  nachweisen  können.  Die  Wich- 
tigkeit der  Frage  fordert  es  entschieden,  dass  jede  Ungewiss- 

1)  v.  Hclmholtz,  Ber.  d.  Berl.  Acad.  1j?76.  p.  211. 

2)  Küwliiud,  ibid.     Her.  d.  Berl.  Acad.  1876.  p.  211. 
:i)  Lecher,  Rep.  d.  Phya.  20.  p.  151.  1»84. 


Electromagnetische   Wirkung  der  Convection,  561 

heit  in  Betreff  derselben  beseitigt  werde,  und  ich  habe  des- 
halb die  Versuche  wieder  aufgenommen  und  glaube,  jetzt  in 
durchaus  einwandsfreier  Weise  zeigen  zu  können,  dass  durch 
die  electrische  Convection  electromagnetische  Wirkungen  hervor- 
gerufen werden  können, ') 

Weshalb  Hr.  Lecher  eine  solche  Wirkung  nicht  hat 
beobachten  können,  vermag  ich  nicht  aufzuklären,  da  Hr. 
Lech  er  über  seine  Versuche  nur  ganz  kurz  ohne  Angabe 
von  Einzelheiten  berichtet  hat.  Der  nächstliegende  Gedanke 
ist  natürlich  der,  dass  seine  Versuchsanordnung  nicht  em- 
pfindlich genug  gewesen  ist. 

Hr.  Rowland  hat  bei  seinen  Versuchen  eine  vergoldete 
Ebonitscheibe  von  21,1  cm  Durchmesser  um  eine  verticale 
Axe  in  schnelle  Rotation  versetzt,  bis  zu  61  Umdrehungen 
in  der  Secunde.  Die  Scheibe  konnte  mittelst  einer  bis  auf 
Va  mm  ihrem  Rande  genäherten  Spitze  aus  einer  grossen 
Batterie  von  Leydener  Flaschen  geladen  werden  und  befand 
sich  während  der  Rotation  zwischen  zwei  ihr  parallelen  ver- 
goldeten Glasscheiben,  deren  Belegungen  zur  Erde  abgeleitet 
waren.  Die  electromagnetische  Wirkung  wurde  mittelst  Spie- 
gel, Fernrohr  und  Scala  an  einem  sehr  gut  astasirten 
Nadelpaare  beobachtet,  dessen  Nadeln  senkrecht  zum  Radius 
der  rotirenden  Scheibe,  die  eine  möglichst  dicht  über  der 
oberen  Glasplatte,  die  zweite  mehr  als  18  cm  darüber  sich 
befanden.  Das  Nadelpaar  war  vollständig  von  einer  zur  Erde 
abgeleiteten  metallischen  Hülle  umgeben.  Wurde  die  Scheibe 
ohne  Ladung  in  Rotation  versetzt,  so  ergab  sich  eine  Ab- 
lenkung der  Nadeln  infolge  des  sogenannten  Rotations- 
magnetismus, wurde  dann  die  Scheibe  geladen,  so  verursachte 
das  eine  weitere  Ablenkung  von  5  bis  7,5  Scalentheilen,  und 
diese  wechselte  ihr  Zeichen,  wenn  die  electrische  Ladung 
umgekehrt  wurde,  sodass  ein  Doppelausschlag  von  10  bis  15  mm 
beobachtet  werden  konnte.  Hr.  Rowland  hat  auch  ver- 
sucht, die  von  der  bewegten  Electricität  zu  erwartende  Ab- 
lenkung zu  berechnen,  und  hat  eine  genügende  Uebereinstim- 

1)  ,,Auch  Hr.  Röntgen  hat,  worauf  ich  erbt  nachträglich  aufmerk- 
sam gemacht  worden  bin,  die  Rowland*8chen  Versuche  nachgemacht 
and  theilt  Ber.  d.  Berl.  Akad.  1885  p.  198  mit,  daas  er  eine  electro- 
maguetische  Wirkung  der  Conyeetion  beobaehtit  hat"- 

Aua  d.  Pbyf.  u.  Ch«m.  N.  F.  ZXZTIU.  ■  ito  ü«   .JMI 


562  F.  Himstedt 

muDg  zwischen  Rechnung  und  Beobachtung  gefunden.  Ich 
glanbe  indessen,  dass  diese  Uebereinstimmung  mehr  eine  zu- 
fällige ist.  Hr.  Rowland  berechnet  nämlich  das  Potential, 
bis  zu  welchem  die  rotirende  Scheibe  geladen  ist,  aus  der 
Funkenlänge  einer  Maassflasche,  welche  vor  und  nach  jedem 
Versuche  aus  der  benutzten  grossen  Batterie  geladen  wurde, 
nach  den  von  Sir  W.  Thomson*)  hierüber  angestellten 
Versuchen.  Nun  haben  aber  alle  neueren  Arbeiten^  über 
den  Zusammenhang  von  Potential  und  Funkenlänge  mit 
Ausnahme  der  Macfarlane's*)  zu  Werthen  für  das  einer 
bestimmten  Funkenlänge  entsprechende  Potential  geführt, 
welche  erheblich  grö3ser  sind,  als  die  von  W.  Thomson 
gefundenen,  mithin  wird  man  schliessen  dürfen,  dass  das  von 
Hrn.  Rowland  seiner  Rechnung  zu  Grunde  gelegte  Poten- 
tial zu  klein  angenommen  ist.  Dass  trotzdem  sich  eine  gute 
Uebereinstimmung  zwischen  Beobachtung  und  Rechnung  er- 
geben hat,  erklärt  sich  vielleicht  dadurch,  dass  jener  Fehler 
möglicher  Weise  durch  einen  anderen  zum  Theil  compensirt 
ist,  welcher  mir  bei  der  geschilderten  Versuchsanordnung 
nicht  ausgeschlossen  zu  sein  scheint.  Hr.  Rowland  ladet 
die  Scheibe  durch  eine  dieser  genäherte  Spitze  und  nimmt 
an,  dass  die  Scheibe  dadurch  ganz  auf  das  Potential  der 
Spitze  geladen  wird.  Bei  den  Versuchen,  welche  ich  über 
diesen  Punkt  angestellt  habe,  fand  ich  stets  die  Scheibe  auf 
niedrigerem  Potential  als  die  Spitze,  mochte  diese  noch  so 
fein  sein,  und  zwar  war  der  Unterschied,  wie  leicht  erklär- 
lich, procentisch  umso  grösser,  je  niedriger  das  zu  messende 
Potential  war,  z.  B.  bei  1000  Volts  oft  bis  30  Proc,  ja  bis 
40  Proc.  Endlich  wäre  es  denkbar,  dass  bei  den  Rowland'- 
schen  Versuchen  noch  eine  andere  mögliche  Fehlerquelle 
unbeachtet  geblieben  wäre.  Als  ich  meine  Arbeit  damit  be- 
ginnen wollte,  die  Rowland'schen  Versuche  genau  in  ihrer 
Anordnung  zu  wiederholen,  fand  ich,  dass  die  Bbonitscheibe 


1)  \V.  Thomson,  Proc.  Roy.  8.  Iö60. 

t)  Baille,  Ann.  de  chim.  et  de  phjs.  25.  p.  486.  1882;  Liebig, 
lliil.  Mag.  (5)  24.  p.  106.  1888;  Paschen,  Wied.  Ann.  37.  p.  69.  1889; 
Wolf,  Wied.  Ann.  37.  p.  306.  1889. 

3)  Macfarlane,  Phil.  Mag.  (5)  10.  p.  H89.  1880. 


Electromagnetisiche  H^irkuntf  der  Convection,  563 

magnetisch  war  und  auf  das  benutzte  astatische  Nadelpaar 
einen  merklichen  Einfluss  ausübte.  Dass  dieser  Einäuss  nicht 
von  Eisentheilchen  herrührte,  die  bei  der  Bearbeitung  hängen 
geblieben  waren,  konnte  durch  Abschaben  mit  Glas  und  län- 
geres Liegenlassen  in  verdünnter  Salzsäure  nachgewiesen  wer- 
den. Es  zeigte  sich  bei  der  Gelegenheit,  dass  alles  Hart- 
gummi, das  ich  mir  verschaffen  konnte,  magnetisch  war,  eine 
oft  sehr  beträchtliche  Ablenkung  des  Nadelpaares  bewirkte 
und  sich  zwischen  den  Polen  eines  kräftigen  Electromagnets 
ausnahmlos  axial  stellte.  Ich  habe  deshalb  bei  allen  Ver- 
suchen nur  Glasscheiben  verwendet,  bei  denen  keine  magne- 
tischen Wirkungen  nachzuweisen  waren. 

Bei  der  Wiederholung  der  Rowland'schen  Versuche 
war  die  Ablenkung  der  Magnete  durch  die  in  der  Vergol- 
dung, resp.  Versilberung  der  rotirenden  Scheibe  erzeugten 
[nductionsströme  besonders  störend,  da  dieselbe  bedeutend 
grösser  war,  als  die  zu  beobachtende  Wirkung  der  Convec- 
tion,  ja  ihre  Schwankungen  infolge  geringer  Aenderungen  in 
der  Rotationsgeschwindigkeit  der  Scheibe  oft  nahe  von  der 
gleichen  Grösse  waren,  wie  die  zu  beobachtende  Ablenkung. 
Ich  habe  diese  störenden  Ablenkungen,  resp.  Schwankungen 
der  Magnetnadeln  fas  vollkommen  beseitigen  können  dadurch, 
dass  ich  die  Glasscheibe  nicht  vergoldete,  sondern  matt  schlei- 
fen Hess  und  dann  mit  Graphit  nur  ganz  dünn  einrieb.  Bei 
der  grössten  benutzten  Geschwindigkeit,  120  Umdrehungen 
in  der  Secunde,  betrug  die  gesammte  Ablenkung  durch  In- 
ductionsströme  nicht  über  10  Scalentheiie,  die  Schwankungen 
höchstens  1 — 2  Scalentheiie. 

Die  ersten  Versuche  wurden  genau  in  der  von  Hrn. 
Rowland  angegebenen  Art  und  Weise  angestellt.  Zuerst 
wurde  festgestellt,  dass  durch  Electrisiren  der  ruhenden  Scheibe 
auch  nicht  die  geringste  Ablenkung  hervorgebracht  wurde, 
darauf  wurde  die  wieder  entladene  Scheibe  in  Rotation  ver- 
setzt und  die  dadurch  erzeugte  Ablenkung  des  Magnets  be^ 
obachtet,  dann  die  Scheibe  geladen  und  der  Ausschlag  be- 
stimmt, der  hierdurch  hervorgerufen  wurde,  die  Ladung 
commutirt  und  wieder  abgelesen.  Der  grösste  so  bestimmte 
Doppelausschlag,  der  also  beim  Oommutiren  dar  electrischen 
Ladung  auftrat,  betrug  bei  120  üpinhHMgjJil^ 


564  F.  UinutedL 

und  einer  Ladung  der  Scheibe  auf  ca.  15000  Volts  53  mm 
bei  ca.  8  m  Scalenabstand. 

Es  konnte  mit  diesem  Apparate  nachgewiesen  werden: 
/)  Der  Ausschlag  erfolgt  entsprechend  der  Ampere^schen  Regel^ 
sein  Zeichen  wechselt  sowohl,  wenn  das  Zeichen  der  electri- 
schen  Ladung  gewechselt  wird,  als  auch  wenn  die  Rotationsrich- 
tung umgekehrt  wird.  2)  Die  Grösse  des  Ausschlages  ist  direct 
proportional  der  Umdrehungsgeschwindigkeit  der  Scheibe.  Da- 
gegen gelang  es  mir  zunächst  bei  dieser  Versuchsanordnung 
nicht,  eine  Proportionalität  zwischen  Ausschlag  und  Dichte 
der  electrischen  Ladung,  resp.  Potential  der  geladenen  Scheibe 
nachzuweisen.  Die  Versuche  mit  dem  gleich  zu  beschreiben- 
den Apparate  haben  dann  gelehrt,  dass  der  Grund  hierfür 
zum  Theil  in  dem  schon  erwähnten  Umstände  zu  suchen  ist, 
dass  die  Scheibe  immer  sich  auf  einem  merklich  geringeren 
Potentiale  befindet,  als  die  zur  Ladung  benutzte  Spitze,  und 
dass  der  Unterschied  bei  verschieden  hohem  Potentiale  nicht 
procentisch  der  gleiche  ist,  zum  Theil  darin,  dass  jene  Pro- 
portionalität für  sehr  hohe  Potentiale,  wie  ich  sie  benutzt  hatte, 
nicht  mehr  zu  bestehen  scheint.  Ich  komme  auf  den  letzteren 
Punkt  später  zurück  und  will  hier  nur  noch  erwähnen,  dass 
man  mit  Berücksichtigung  der  beiden  erwähnten  Punkte  auch 
mit  dem  Rowland'schen  Apparate  die  fragliche  Proportio- 
nalität nachweisen  kann. 

Der  Apparat,  dessen  ich  mich  bei  allen  weiteren  Ver- 
suchen bedient  habe,  wird  aus  der  Fig.  8,  welche  einen  Ver- 
ticalschnitt  darstellt,  leicht  verständlich  sein.  <S\  und  S^  sind 
zwei  matt  geschliffene  Glasscheiben  von  20  cm  Durchmesser, 
die  um  horizontale  Axen  in  schnelle  Rotation  versetzt  wer- 
den können.  Die  Scheiben  sind  am  Rande  und  auf  beiden 
Seiten  bis  zu  3  cm  Entfernung  vom  Rande  mit  Graphit  ein- 
gerieben (in  der  Figur  durch  stärkere  Schraffirung  ange- 
deutet). Jede  Scheibe  befindet  sich  zwischen  zwei  fest  auf- 
gestellten Glasscheiben  G^  Gj,  resp.  G^  G^,  welche  auf  den 
von  den  rotirenden  Scheiben  abgewendeten  Flächen  mit  einer 
zur  Erde  abgeleiteten  Stanniolbelegung  versehen  sind.  Das 
astatische  Nadelpaar  ist  vollkommen  von  einer  zur  Erde  ab- 
geleiteten, luftdicht  scbliessenden  Metallhülle  umgeben.  Die 
Nj^deln  desselben  sind  in  der  Figur  durch  Punkte  angedeutet, 


EUctro magnetische  Wirkung  der  Convection.  565 

und  befindet  sich  die  untere  gerade  unter  der  Graphitbelegung, 
die  obere  gerade  über  dem  Bande  der  Scheiben. 

Die  Magnete  sind  aus  4  cm  langen  Stahldrahtstücken  ge- 
fertigt und  mit  Schellack  auf  einem  dünnen  Glimmerblättchen 
befestigt.  Die  Schwingungsdauer  des  Paares  betrug  bei 
gleichgerichteten  Magneten  1,6  See,  bei  entgegengesetzten 
nahezu  50  See.  Bei  dieser  grossen  Empfindlichkeit  war  je- 
doch die  Buhelage  nicht  constant  genug  zu  sicheren  Beob- 
achtungen, und  es  wurde  deshalb  bei  den  Versuchen  die 
Schwingungsdauer  durch  einen  Bichtmagnet  auf  20  bis  30 
See.  herabgedrückt  Die  Magnete  waren  bei  dieser  Schwin- 
gungsdauer noch  sehr  nahe  aperiodisch  gedämpft,  sodass  sie 
bei  einer  Ablenkung  nur  wenige  Scalentheile  über  die  neue 
Buhelage  hinausgingen  und  dann  diese  einnahmen.  Es  wur- 
den stets  nur  definitive  Einstellungen  abgelesen,  nicht  Schwin- 
gungsbeobachtungen gemacht.  Die  Scheiben  S  konnten  mit- 
telst der  Zug-  und  Druckschrauben  F  vertical  gestellt  wer- 
den und  durch  die  Schrauben  K  dem  Magnetsystem  bis  auf 
möglichst  geringe  Entfernung  genähert  werden.  Die  Axen- 
lager  A  waren  auf  den  Stützen  drehbar,  sodass  die  Scheiben 
genau  in  den  Meridian  gestellt  werden  konnten.  Nachdem 
die  nöthigen  Einstellungen  gemacht  waren,  wurden  natürlich 
alle  Klemmschrauben  so  fest  angezogen,  dass  alle  Theile 
durchaus  fest  miteinander  verbunden  waren.  Die  Boden- 
platte der  Stützen  L  war  auf  einen  grossen  Sandstein  auf- 
gekittet, der  direct  auf  das  Gewölbe  des  Gebäudes  auf- 
cementirt  war.  Das  Magnetometer  ruhte  auf  einer  12  cm 
dicken  Sandsteinplatte,  welche  den  ersterwähnten  Sandstein 
nirgend  berührte  und  in  zwei  je  Vg  ni  dicke  Eckwände  des 
massiven  Gebäudes  eingemauert  war.  Ohne  diese  getrennte 
und  feste  Aufstellung  wäre  die  Beobachtung  gar  nicht  mög- 
lich gewesen,  denn  die  Erschütterungen  durch  die  schnelle 
Botation  der  Scheiben  waren  viel  bedeutender,  als  ich  je  ver- 
muthet  hatte. 

Gegenüber  der  von  Bowland  benutzten  Anordnung  be- 
sitzt diese  den  Vorzug,  einmal  zwei  Scheiben  zu  benutzen 
und   dann  jede  Scheibe  auf  beide  Magnete  des  astatisohi 
Paares   in    demselben   Sinne  wirken   zu  lassen.    Dem 
sprechend  waren  die  Ausschläge  bedeutend  grösser.  Tro 


566  F.  Himstedt 

das  Magnetsystem  garnicht  besonders  empfindlich  genommen 
war,  wodurch  erreicht  war,  dass  die  Ruhelage  und  die  Ein- 
stellungen sehr  constant  waren,  konnte  ich  bei  117  Um- 
drehungen in  der  Secunde  und  einer  Ladung  der  Scheiben 
auf  ca.  5000  Volts  über  100  Scalentheile  Ausschlag  erhalten. 
Die  Einrichtung  lässt  sich  vollkommen  vergleichen  mit  einem 
Galvanometer  Wiedemann'scher  Construction  mit  zwei 
KoUen  und  astatischem  Nadelpaare. 

Die  Ladung  der  Scheiben  erfolgte  durch  Schleifcontacte 
und,  um  ganz  sicher  zu  gehen,  dass  mit  dem  Electrometer 
auch  das  Potential  der  Scheiben  gemessen  wurde,  hatte  jede 
Scheibe  deren  zwei,  von  welchen  der  eine  zu  der  Batterie 
der  Leydener  Flaschen,  der  andere  zum  Electrometer  führte, 
sodass  also  in  der  Leitung  die  Scheiben  zwischen  der  Batterie 
und  dem  Electrometer  sich  befanden  und  wirklich  einen  Theil 
der  Leitung  ausmachten.  Das  Electrometer  war  ein  solches 
Edelmann'scher  Construction  mit  Cylinderquadranten  und 
bifilarer  Aufhängung,  die  Nadel  war  stets  zur  Erde  abge- 
leitet, dieselbe  war  stark  gedämpft  durch  ein  in  dichten  Zick- 
zackwindungen gebogenes  Glasrohr,  das  in  concentrirte 
Schwefelsäure  tauchte.^)  Das  Electrometer  wurde  durch  Ver- 
gleich mit  einem  absoluten  Electrometer  geaicht,  und  ergab 
sich  mit  vollkommen  ausreichender  Genauigkeit  die  Formel: 

wo  C  eine  Constante,  rp  der  auf  Bogen  reducirte  Ausschlag 
am  Electrometer.  Die  Batterie  bestand  aus  elf  grossen,  pa- 
rallel geschalteten  Leydener  Flaschen  (40  cm  hohe  Belegung), 
die  stets  mit  einer  kleinen  Influenzmaschine  in  Verbindung 
standen.  Ein  Commutator  gestattete,  abwechselnd  die  innere 
Belegung  der  Flaschen  mit  den  rotirenden  Scheiben  und  die 
äussere  mit  der  Erde  oder  umgekehrt  zu  verbinden.  Während 
ich  selbst  die  Ablenkungen  des  astatischen  Nadelpaares  be- 
obachtete, hatten  Hr.  Baiser,  später  auch  Hr.  Passavant 
die  Güte,  das  Electrometer  zu  beobachten,  resp.  durch  vor- 


1)  Ich  hatte  anfangs  ein  Platinbleeh  mit  Platindraht  benutzt  und 
hatte  hier  mit  den  bekannten  Nullpunktsänderungen  zu  kämpfen.  Die- 
selben verschwanden  fast  vollkommen,  als  ich  alle  mit  der  Schwefelsäure 
in  Berührung  kommenden  Theile  aus  Glas  anfertigte. 


Electromagnetische   Wirkung  der  Convection,  567 

sichtiges  Drehen  der  iDÜuenzmaschine  dafür  zu  sorgen,  dass 
der  Ausschlag  desselben  constant  blieb,  was  sich  ohne  Mühe 
bis  auf  1  oder  2  Scalentheile  leicht  erreichen  Hess.  Die 
Scheiben  wurden  in  Rotation  versetzt  mittelst  einer  Schwung- 
maschine mit  grossem  Schwungrade  (0,75  m  Durchmesser)  und 
zweimaliger  Uebersetzung.  An  dem  Schwungrade  war  eine 
Feder  befestigt,  und  der  Diener  musste  beim  Drehen  darauf 
achten,  dass  die  Anschläge  dieser  Feder  zusammenfielen  mit 
den  Schlägen  einer  Secundenuhr.  Die  Geschwindigkeit  Hess 
sich  auf  diese  Weise  bei  dem  benutzten  grossen  Schwungrade 
recht  constant  erhalten.  Die  Umdrehungszahl  der  Scheiben 
konnte  durch  Zählwerk  direct  be&itimmt  werden,  und  stimmten 
die  gefundenen  Zahlen  mit  den  aus  der  Uebersetzung  be- 
rechneten immer  recht  gut  überein. 

Es  wurden  mit  dem  Apparate  zunächst  die  früher  mit 
der  Rowland 'sehen  Anordnung  gefundenen  Resultate  be- 
stätigt und  durch  eine  grosse  Zahl  gut  übereinstimmender 
Versuche  bewiesen:  1)  Die  Ablenkung  des  astatischen  Nadel- 
paares wechselt  ihr  Zeichen  sowohl  bei  der  Umkehrung  der 
Electrisirung  als  der  Rotationsrichtung  und  erfolgt  ent- 
sprechend der  Ampere' sehen  Regel.  2)  Der  Ausschlag  ist 
direct  proportional  der  Rotationsgeschwindigkeit.  Ich  will 
einige  Beobachtungen  anführen,  die  zeigen  mögen,  welche 
Grenauigkeit  bei  den  Versuchen  erreichbar  war.  Es  möge  n 
die  Anzahl  der  Umdrehungen  in  der  Secunde  bezeichnen,  und 
zwar  -f,  wenn  in  der  Richtung:  Unten  Süden,  Oben  Norden. 
Kist  das  Potential  der  Scheiben  in  Volts,  a  sind  die  Doppel- 
ausschläge auf  Bögen  reducirt. 

n  =  74;   F=  3800: 


n 

+ 

— 

+ 

— 

+ 

-            + 

u 

62,5 

61,0 

61,5 
n  =  117; 

61,0 
V  =  3800 

62,5 

• 
• 

62,0         60.0 

n 

+ 

— 

+ 

— 

+ 

-             + 

a 

98,0 

98,5 

96,0 

97,0 
4100: 

97,0 

96,5         95,5 

n 

117 

74 

61 

59 

39 

tt 

95,5 

59,0 

50,5 

48,5 

31,0 

ttjn 

0,816 

0,797 

0,828 
2060: 

0,822 

0,795 

n 

117 

74 

61 

59 

59 

tt 

49,0 

30,0 

24,5 

24,0 

17,0 

ajn 

0,418 

1 

0,405 

0,400 

0,401 

MW. 

S68  F.  HvmtedL 

ZiXjL  erwähnen  ist  noch,  dass  der  erste  und  zweite  Ver- 
aach und  ebenso  der  dritte  und  vierte  unter  sich  yergleichbar 
sind,  dagegen  nicht  die  ersten  beiden  mit  den  letzten  beiden. 
Es  mussten  nämlich  bei  der  schnellen  Botation  die  Axen 
sehr  reichlich  geölt  werden,  und  liess  es  sich  nicht  vermeiden, 
dass  Oeltröpfchen  umhergespritzt  wurden,  die  dann  die  Iso- 
lation beeinträchtigen.  Es  musste  deshalb  der  Apparat 
täglich  auseinander  genommen,  gereinigt  und  neu  justirt 
werden. 

Es  konnte  mit  diesem  Apparate  nun  weiter  gezeigt 
werden:  Der  Ausschlag  am  Magnetometer  ist  direct  proportional 
der  Dickte  der  electrischen  Ladung  oder,  wenn  die  Capacitat 
des  Apparates  ungeändert  bleibt,  direct  proportional  dem  Po- 
tentialj  auf  welches  die  Scheiben  geladen  werden, 

V     1080    2060    2520    3090    3560    3850    4110    5160    6180    7500    14000 
a      22,5     26,5    57,0    68,5     77,5     87,5     89,5     97,0     96,5     96,5      95,0 
Via    45,8     44,3     44,2     45,1     45,9     44.0    45,9     53,2     64,0     77,6     147,4 

Wie  man  sieht,  ist  V/a  vollkommen  constant  bei  Ladungen 
zwischen  ca.  1000  und  ca.  4000  Volts,  bei  5000  ist  der  Aus- 
schlag zwar  noch  grösser  als  bei  4000,  aber  nicht  in  dem 
geforderten  Verhältniss,  bei  6000  bis  14000  hat  er  gar  nicht 
mehr  zugenommen.  Die  gleichen  Resultate  haben  alle  meine 
Versuche  ergeben.  Die  oberen  Grenzen  für  das  Potential, 
bis  zu  welchen  Proportionalität  zwischen  Potential  und  Aus- 
schlag stattfand,  lagen  stets  zwischen  ca.  3800  und  ca.  4500 
Volts.  Nach  unten  war  keine  Grenze  zu  finden,  doch  konnte 
ich  nicht  gut  unter  400  Volts  hinabgehen,  da  hier  bei  den 
kleinen  Ausschlägen  die  Resultate  durch  die  Beobachtun^s- 
fehler  zu  sehr  beinflusst  wurden.  Die  Erscheinung  war  un- 
abhängig von  der  Rotationsgeschwindigkeit  und  der  Rotations- 
richtung.  Dieselbe  trat  unverändert  ein,  als  ich  die  Scheiben 
versilberte,  statt  sie  mit  Graphit  einzureiben.  Es  ist  wohl 
selbstverständlich,  dass  ich  mich  überzeugt  hübe,  dass  die 
ruhenden  Scheiben  keine  Wirkung  auf  die  Magnete  aus- 
übten, gleichgültig,  ob  sie  bis  400  oder  bis  14000  Volts  ge- 
laden wurden.  Erwähnen  muss  ich  aber,  dass,  wenn  die 
Scheiben,  sei  es  in  Ruhe  oder  in  Rotation,  zu  einem  Poten- 
tiale von  14000  Volts  geladen  wurden,  das  Electrometer  ein 
sehr  schnelles  Sinken  des  Potentials  anzeigte.    Oft  schon  in 


EUctromagnetische  Wirkung  der  Convection,  569 

einer  Minute  war  das  Potential  auf  ca.  4000  Volts  gesunken 
und  nahm  von  hier  ganz  allmählich  ab,  sodass  bei  den  Ver- 
suchen mit  Potentialen  unter  4000  Volts  ein  langsames 
Drehen  der  Electrisirmaschine  eigentlich  nur  nöthig  war, 
wenn  die  Ladung  commutirt  wurde,  während  bei  den  hohen 
Potentialen  ein  fortwährendes  Drehen  erforderlich  war,  ein 
Beweis,  dass  im  letzteren  Falle  die  Isolation  nicht  mehr 
genügte,  und  ein  stetes  Entweichen  der  Electricität  stattfand. 
Es  liegt  hiernach  der  Gedanke  nahe,  dass  bei  den  höheren 
Potentialen  die  electrische  Ladung  nicht  mehr  an  der  Graphit- 
schicht allein  sich  befindet,  sondern  sich  über  die  ganze  Glas- 
scheibe vertheilt  hat.  In  diesem  Falle  müsste  aber,  wie  ein 
Blick  auf  die  Figur  sofort  erkennen  lässt,  die  Wirkung  der 
auf  der  Graphitschicht  befindlichen  Electricität  auf  die  untere 
Magnetnadel  fast  ganz  aufgehoben  werden  durch  diejenige 
electrische  Ladung,  welche  sich  auf  der  nicht  eingeriebenen 
Glasscheibe  angesammelt  hätte,  und  es  würde  sich  so  leicht 
erklären,  weshalb  von  einem  bestimmten  Werthe  des  Poten- 
tials an  die  Ablenkung  der  Magnetnadeln  nicht  mehr  pro- 
portional dem  Potentiale  erfolgt.  Um  dies  zu  prüfen,  bin 
ich  wieder  zu  der  Rowland' sehen  Anordnung  mit  einer 
horizontaleu ,  um  eine  verticale  Axe  rotirenden  Scheibe  zu- 
rückgegangen. Hierbei  ist  die  ganze  Glasscheibe  mit  Graphit 
eingerieben,  rcsp.  versilbert,  und  die  electrische  Ladung  kann 
sich  nicht  auf  Theile  des  rotirenden  Apparates  verbreiten, 
die  eine  schädliche  Wirkung  ausüben  könnten.  Die  Resul- 
tate waren  aber  genau  die  gleichen.  Auch  hier  Proportio- 
nalität zwischen  Ausschlag  und  Potential,  solange  letzteres 
nicht  über  4000  Volts  beträgt,  darüber  hinaus  nicht  mehr. 
Ich  sehe  keine  andere  Möglichkeit,  die  Erscheinung  zu  er- 
klären, als  anzunehmen,  dass  sich  die  Scheiben  nur  bis  zu 
einem  bestimmten  Potentiale  so  laden  lassen,  dass  die  elec- 
trische Ladung,  um  mich  so  auszudrücken,  an  dem  ponde- 
rabelen  Träger  der  Art  haftet,  dass  sie  mit  ihm  sich  bewegt, 
dass  aber  bei  höheren  Spannungen  ein  Theil  der  Ladung  gar 
nicht  mehr  mit  dem  Träger  rotirt.  Wenn  die  electrische 
Ladung,  an  der  Scheibe  haftend,  mit  dieser  rotirt,  so  wird 
dabei  eine  Arbeit  geleistet,  wie  dies  ja  aus  der  beobachteten 
electromagnetischen   Wirkung  hervorgeht;  man  könnte  sich 


ä 


570  F.  HimstedL 

nun  Yorstellen,  dass  bei  höheren  Potentialen  die  Abstossungs- 
kräfte  so  gross  werden,  dass  ein  Theil  der  Electricität  nicht 
mehr  fest  genug  haftet,  um  jene  Arbeit  leisten  zu  können, 
vielmehr  dann,  abgesehen  von  der  Zerstreuung,  im  Räume 
fest  bleibt  und  die  Scheibe  durch  sich  hindurch  rotiren  lässt. 
Versuche,  bei  denen  auf  den  Scheiben  mit  Graphit  radiale 
Streifen  eingerieben  waren,  die  sich  untereinander  nicht  be- 
rührten, ergaben  genau  dieselben  Resultate,  doch  lässt  sich 
hieraus  keine  weitere  Schlussfolgerung  ziehen,  denn  es  zeigte 
sich,  dass  die  Glasoberfläche,  auch  wenn  gefirnisst,  bei  den 
höheren  Potentialen  nicht  mehr  genügend  isolirte,  sodass 
ein  solcher  Graphitstreifen  sich  schon  als  geladen  erwies, 
wenn  er  noch  gar  nicht  mit  der  Zuleitung  in  Berührung 
war,  diese  vielmehr  erst  auf  dem  vorhergehenden  Streifen 
auflag. 

Ich  glaube,  durch  die  verschiedenen  im  Vorhergehenden 
beschriebenen  Versuche  den  Beweis  erbracht  zu  haben,  dass 
durch  die  electrische  Convection  electromagnetische  Wir- 
kungen hervorgebracht  werden  können.  Es  lässt  sich  mit 
dem  beschriebenen  Apparate  aber  noch  ein  Versuch  anstel- 
len, der  diese  Thatsache  besonders  deutlich  erkennen  lässt. 
Ich  habe  schon  erwähnt,  dass  sich  der  Apparat  mit  einem 
Galvanometer  mit  zwei  Rollen  vergleichen  lässt.  Der  betref- 
fende Versuch  besteht  dann  darin,  die  Ablenkung  jeder  Rolle 
allein,  dann  die  der  hinter  einander  und  endlich  die  der  gegen 
einander  geschalteten  Rollen  zu  bestimmen  und  letztere  bei- 
den mit  den  aus  den  beiden  ersten  berechneten  zu  verglei- 
chen. Zu  dem  Zweck  werden  beide  Scheiben  geladen  und 
man  bestimmt  zuerst  die  Ablenkung,  welche  der  Magnet  er- 
fährt, wenn  nur  eine,  Nr.  I,  rotirt,  ebenso  wenn  Nr.  II  allein 
rotirt,  dann  lässt  man  beide  in  derselben  Richtung  und  end- 
lich beide  gleichzeitig,  aber  die  eine  in  dieser,  die  andere  in 
der  entgegengesetzten  Richtung  rotiren.  Derartige  Versuche 
habe  ich  bei  verschieden  starken  Ladungen  und  bei  ver- 
schieden grossen  Rotationsgeschwindigkeiten  ausgeführt.  Im 
Folgenden  gebe  ich  die  Resultate  zweier  derartigen  Ver- 
suche : 

Scheibe     Nr.  I      Nr.  II  Nr.  I  +  II  Nr   I  -  II 

A  27,8  22,2  47,0  beob.,  50,0  ber.      3,5  beob.,  5,6  ber. 


Elect'omagnetische   IVrrkung  der  Convection.  671 

Scheibe    Nr.  I       Nr.  II  Nr.  I  +  II  Nr.  I  —  II 

a  35,1  20,1  5G,7  beob.,  55,2  ber.      14,0  beob.,  15,0  ber. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  die  Versuche  Nr.  I  +  II 
und  Nr.  I  —  II  sich  nur  dadurch  unterscheiden,  dass  das 
erste  mal  beide  Scheiben  in  derselben,  das  zweite  mal  in 
einander  entgegengesetzten  Richtungen  rotirten,  im  übrigen 
aber  alle  Yersuchsbedingungen  genau  die  gleichen  waren,  so 
sehe  ich  keinen  Einwand,  den  man  gegen  die  Beweiskräftig- 
keit dieser  Versuche  erheben  könnte. 

Giessen,  Sept.  1889. 


Nachtrag.  —  Nachdem  die  vorstehende  Arbeit  voll- 
ständig abgeschlossen  und  zum  grössten  Theil  schon  nieder- 
geschrieben war,  habe  ich  Eenntniss  erhalten  von  einer 
neuen  Arbeit  des  Hrn.  Rowland,  welche  sich  mit  dem- 
selben Gegenstande  beschäftigt.  Hr.  Rowland  ist  bei  der 
Construction  seines  Apparates  vor  allem  darauf  bedacht  ge- 
wesen, denselben  so  einzurichten,  dass  sich  die  zu  erwartende 
electromagnetische  Wirkung  berechnen  lässt.  Ich  habe  im 
Interesse  einer  grösseren  Empfindlichkeit  hierauf  verzichtet, 
dafür  aber  bei  den  grösseren  Ausschlägen  (bis  zu  100  mm, 
während  Hr.  Rowland  nur  solche  bis  15  mm  erhält)  die 
Möglichkeit  gehabt,  die  Versuchsbedingungen  innerhalb  ziem- 
lich weiter  Grenzen  zu  variiren  (Ladung  der  Scheiben  von 
400  bis  14000  Volts,  Umdrehungsgeschwindigkeit  von  40  bis 
120  Umdrehungen  in  der  Secunde),  während  Hr.  Rowland 
immer  nahe  die  gleiche  Ladung  und  Geschwindigkeit  benutzt 
hat.  Ich  glaube,  dass  sich  deshalb  unsere  Versuche  sehr 
gut  ergänzen  und  um  so  sicherer  die  Thatsache  feststellen, 
dass  durch  die  electrische  Convection  electromagnetische 
Wirkungen  hervorgerufen  werden  können. 

Besonders  erwähnenswerth  erscheint  mir  der  Umstand, 
dass  Hr.  Rowland  seine  Scheiben  zu  Potentialen  von  ca. 
6000  Volts  geladen  hat,  also  über  die  Grenze  hinaus,  bis  zu 
welcher  ich  bei  meinem  Apparate  eine  Proportionalität  zwischen 
dem  Ausschlage  des  Magnets  und  dom  Potentiale  der  Scheiben 
habe  nachweisen  können.  Vgl.  p.  568.  Allerdings  ist  zu  be- 
achten, dass  bei  mir  die  Scheiben  den  zur  Erde 


;s  ist  zu  be-  ^^^ 
abgeleiMMMH 


67.2  F.  HimstedL 

Glasplatten  G  der  Figur  bedeutend  näher  standen  als  bei 
ihm,  und  deshalb  die  Dichte  der  electrischen  Ladung  bei 
meinen  Versuchen  grösser  gewesen  sein  wird,  als  bei  den 
seinigen,  sodass  über  diesen  Punkt  aus  der  Vergleichung 
der  Versuche  sich  nichts  ersehen  lässt  Schwierigkeiten  hat 
Hr.  Rowland  bei  den  hohen  Potentialen  auch  gehabt  und 
deshalb  die  rotirenden  Scheiben  immer  zur  Erde  abgeleitet 
und  die  gegenüberstehenden  Glasplatten  geladen.  Mein  Appa- 
rat gestattet  diese  Versuchsanordnung  leider  nicht,  sodass 
ich  nicht  habe  prüfen  können,  ob  dies  von  Einfluss  auf  den 
erwähnten  Punkt  ist.     Wahrscheinlich  ist  es  wohl  nicht. 

Hr.  Rowland  hat  bei  +  Rotation  stets  grössere  Aus- 
schläge erhalten,  als  bei  —  Rotation.  Ich  hatte  in  meinen 
Versuchen  nie  derartiges  beobachtet,  da  ich  aber  nur  bei  den 
Versuchen,  welche  die  Proportionalität  zwischen  Umdrehungs- 
geschwindigkeit und  electromagnetischer  Wirkung  zeigen 
sollten,  die  Zahl  der  Umdrehungen  direct  bestimmt^  bei  den 
übrigen  dieselbe  nur  aus  der  .Uebersetzungszahl  berechnet 
hatte,  so  habe  ich  nachträglich  noch  einige  Versuche  über 
diesen  Gegenstand  angestellt  und  theile  deren  Resultate  hier 
mit  Es  bezeichnet  n  die  Anzahl  der  Umdrehungen  in  der 
Secunde,  +  wenn  in  der  Richtung:  Unten  Süden,  Oben 
Norden.  Mit  a  ist  der  auf  Bogen  reducirte  Doppelausschlag 
des  Magnetsystems  in  Millimetern  bezeichnet.  Jedes  a  ist 
das  Mittel  aus  sieben  hintereinander  angestellten  Ablesungen. 
Die  Versuche  wurden  so  ausgeführt,  dass  die  Scheiben  ab- 
wechselnd in   +  und   —  Richtung  gedreht  wurden. 

1.  Versuch 

«        +bl  -62  4-62  -62  4-68  -61  -föl 

«       -1-37,0       -36,9       4-36,5       -36,2       4-37,0       -36,5       4-36,0 
a:n      0,606         0,595         0,589         0,584         0,587         0,600         0,590 

2.  Versuch. 

n        4-115         -114         4-113         -114         -i- 114         -112         -i-lKi 
a        4-70,2        -69,0        4-69,0        -68,5        4-68,s        -68,0       -1-68,2 
u  it      0,610         0,605         0,611         0,601         0,603         0,607         0,604 

3.  Versuch. 

n        -1-62  -62  -1-63  —62  4-62  —64  4-62 

a        4-40,1        -40,5        4-40,2       -40,4        4-41,0       -42,0       4-40,8 
,fn      0,647         0,653         0,638         0,652         0,661         0,656         0,658 


Eleciromagnetische   Wirkung  der  Convection.  578 

4.  Versuch. 

n        +112        -118        +114        -118        +114        -114        +114 
«       +72,1       -73,0       +76,3       -74,2       +75,2         -75,5       +76,2 
njn      0,644         0,646         0,669        0,656        0,660        0,662        0,668 

Zwischen  dem  2.  und  3.  Versuche  wurde  der  Apparat 
auseinander  genommen  und  gereinigt.  Ich  glaube  nicht,  dass 
diese  Versuche  irgend  einen  Unterschied  in  der  Wirkung 
der  +  und  —  Umdrehung  erkennen  lassen.  Bildet  man 
für  jeden  Versuch  die  Mittel  aus  den  bei  +  Drehung  erhal- 
tenen ajn  und  ebenso  aus  den  bei  —  Drehung  erhaltenen, 
so  zeigt  sich  zwischen  den  beiden  die  denkbar  beste  Ueber- 
einstimmung. 

1.  Versuch.  2.  Versuch.         3.  Versuch.  4.  Versuch. 

+  «/«  =  0,593         +  ajn  =  0,607  +  «/n  =  0,651         +  n/n  =  0,660 

-  «/n  =  0,593         -  a>  =  0,605         —  «/?!  =  0,654         -  «/»  =  0,655. 

Griessen,  Oetober  1889. 


V.    Veher  die  Beziehung  »twischen  den  beiden 
Elasticitätsconstanten  isotroper  Körper; 

ron   W.   Voiyt. 

Die  merkwürdige  Beziehung  zwischen  den  beiden  Elasti- 
citätsconstanten isotroper  Medien,  welche  Poisson  theore- 
tisch abgeleitet  hat,  indem  er  die  elastischen  Körper  aus 
discreten  Molecülen  bestehend  annahm,  ist  vielfach  mit  dem 
Experiment  verglichen  worden  und  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  der  Wirklichkeit  nicht  entsprechend  gefunden;  ja, 
beachtet  man,  dass  die  wenigen  Körper,  für  welche  sie  durch 
die  Beobachtung  annähernd  bestätigt  ist,  ausnahmslos  nicht 
darauf  geprüft  sind,  ob  sie  die  Voraussetzung  der  Theorie 
erfüllen  und  wirklich  isotrop  sind,  so  wird  man  sagen  müssen, 
dass  die  Poisson'scheBelation  f&r  keinen  Körper  mit  Sicher- 
heit erwiesen,  für  einige  aber  iai|  jjStotohdt  widerlegt  ist. 

Das  analoge  Beraltai^^liJttlMiilMkiM  meinen  Unter- 
Buchungen  der  ElastSejttiH^^^^^^^HHkper  fbr  diese 


674  W^.  Voifft. 

ergeben  hat,  drängt  mit  Nothwendigkeit  dazu,  die  Molecüle 
der  Krystalle  als  mit  einer  gewissen  Polarität  behaftet  und 
demnach  aufeinander  mit  Kräften  wirkend  zu  denken,  welche 
nicht  Functionen  nur  der  gegenseitigen  Entfernung,  sondern 
auch  der  Richtung  ihrer  Verbindungslinie  gegen  gewisse  in 
den  Molecülen  feste  Richtungen  sind. 

Es  liegt  nahe,  dieselbe  Annahme  auf  isotrope  Medien 
zu  übertragen;  aber  man  erkennt  leicht,  dass  dieselbe 
nicht  im  Stande  ist,  den  Widerspruch  zwischen  Theorie 
und  Beobachtung  zu  heben,  falls  man,  wie  gebräuchlich,  in 
isotropen  Körpern  die  Molecüle  in  allen  möglichen  gegen- 
seitigen Orientirungen  befindlich  annimmt,  sodass  keine  Rich- 
tung und  Lage  vor  der  anderen  bevorzugt  ist.  Denn  bei 
der  Berechnung  der  Componentensummen,  welche  in  der 
Elasticitätstheorie  vorgenommen  wird,  verschwindet  dann 
jeder  Einfiuss  der  Polarität  auf  das  Resultat,  und  es  ergibt 
sich  wiederum  die  Poisson'sche  Relation  zwischen  den  Elasti- 
citätsconstanten. 

Nun  zeigt  aber  eine  überaus  grosse  Anzahl  soge- 
nannter isotroper  Körper  eine  Structur,  welche  mit  der 
oben  auseinandergesetzten  Annahme  nicht  übereinstimmt  und 
daher  geeignet  scheint,  die  Erklärung  der  Beobachtung  zu 
liefern. 

Alle  Metalle,  alle  dichten  Gesteine  bestehen  aus  mehr 
oder  weniger  kleinen  Krystallindividuen,  welche  in  den  ver- 
schiedensten Orientirungen  aneinandergefügt  sind,  und  wir 
haben,  nachdem  selbst  an  Glas  Spuren  krystallinischer  Struc- 
tur nachgewiesen  sind,  alle  Ursache,  dieselbe  als  die  Regel 
anzusehen. 

Dies  ist  in  der  That  auch  einleuchtend.  Denn  da  wir 
kein  Mittel  haben,  auf  einzelne  Molecüle  direct  einzuwirken, 
so  ist  es  plausibel  und  entspricht  der  directen  Beobachtung, 
dass  jede  sogenannte  Störung  der  Krystallisation  z.B.  durch 
Umrühren  der  Mutterlauge,  erst  wirksam  wird  auf  krystalli- 
nische  Theilchen,  zu  denen  sich  bereits  eine  sehr  grosse  An- 
zahl von  Molecülen  zusammengefunden  hat. 

Körper,  welche  aus  kleinen,  in  allen  möglichen  Orien- 
tirungen zusammengefügten  Krystallfragmenten  bestehen, 
wollen  wir  weiterhin  als  quasi -isotrope  bezeichnen.    Sind 


Elasticitätsconstanten  isotroper  Körper,  576 

die  krystallinischen  Individuen  gross  gegen  die  Wirkungs- 
sphäre der  Molecularkräfte  —  und  dies  ist  stets  der  Fall, 
wenn  unsere  optischen  Hülfsmittel  die  Krystallindividuen 
noch  sichtbar  machen,  —  aber  klein  gegen  die  gesammle 
Ausdehnung  des  Körpers,  und  sind  ihre  Zwischenräume  klein 
gegen  die  Wirkungssphäre  der  Molecularkräfte,  so  lassen 
sich  die  Elasticitätsconstanten  des  aus  ihnen  gebildeten  quasi- 
isotropen Körpers  aus  denjenigen  des  homogenen  Krystalles 
berechnen.  ^) 

Die  elastischen  Drucke  gegen  ein  Flächenelement  sind 
nämlich  nach  der  molecularen  Theorie  definirt  durch  die 
Summen  der  Componenten,  welche  alle  auf  der  einen  Seite 
der  Fläche  liegenden  Molecüle  auf  die  an  der  anderen  be- 
iindlichen  ausüben.  Liegen  nun  in  einem  dichten  Körper 
dem  Flächcnelement  Krystallfragmente  in  allen  möglichen 
Orientirungcn  an,  so  müssen  in  ihm  die  Druckcomponenten 
durch  die  Mittelwerthe  derjenigen  gegeben  sein,  die  für 
den  regelmässigen  Krystall  aus  derselben  Substanz  bei  allen 
möglichen  Orientirungen  des  Flächenelementes  gegen  den 
Krystall  stattfinden.  Führt  man  die  Berechnung  aus,  so  erhält 
man  die  gewöhnlichen  Formen  der  Druckcomponenten  in 
isotropen  Körpern,  aber  ihre  Coefficienten,  d.  h.  die  Elasti- 
citätsconstanten des  isotropen  Körpers,  sind  durch  die  Flasti- 
citätsconstanten  des  Krystalles  gleicher  Substanz  ausgedrückt. 

Die  Berechnung  knüpfen  wir  am  bequemsten  an  das 
Potential  -Fder  elastischen  Kräfte  an,  welches  für  ein  Haupt- 
axensystem  X,  F,  Z  definirt  sein  mag  durch: 

(1)         -^'  =  f^-    -A',=  -r.  =  |^^u.9.f. 

und  eine  homogene  Function  zweiten  Grades  der  sechs  De- 
formationsgrössen  t«. yy^  »-'  ist,  welche  im  allgemeinsten  Falle 
eines   triklinen  Krystalles   21   unabhängige  Constanten,  die 
Hauptelasticitätsconstanten  des  Krystalls,  enthält. 
Setzen  wir  zur  Abkürzung: 


1)  Die  folgende  Berechnung  habe  ich  ähnlich  bereits  in  dem  84.  Bande 
der  Abhandlungen  der  Kgl.  Qes,  der  Wiss.  zu  Göttingen  von  1887  p.  48  u.  f. 
mitgetheilt. 


Ä 


Cmtn.  Xmk  Xm 


576  IV.   Voigt, 

BO  können  wir  schreiben: 

(2)  2/'=22""'"*"'*"' 

die  Summen  von  1  bis  6  genommen. 

Nun  sei  ein  zweites  Coordinaten&ystem  S,  H,  Z  in  seiner 
Lage  gegen  X  K,  Z  gegeben  durch  die  Beziehungen: 

und  es  seien  die  auf  dasselbe  bezogenen  Deformationsgrössen 
abgekürzt  wie  folgt: 

dann  muss  sich  in  denselben  schreiben: 

(4)  2/-=  22^^'^^^- 

die  Summe  ebenfalls  von  1  bis  6  genommen.  Darin  sind 
die  /^y  die  ^^abgeleiteten  Elasticitatsconstanten''  der  Substanz 
für  das  System  S,  H»  Z. 

Die  Form  (4)  des  Potentials  muss  mittelst  der  Glei- 
chungen (3)  aus  (2)  hervorgehen.  Aus  (3)  erhalten  wir  zu- 
nächst: 

J-.  =  «.* f .  +  ß:' fi  +  y,* ^8  +  ß,  Yi  ^4  +  ri  «.  -^  +  «.  /^.  -^  =  2 ^1*  ^-' 

^•<i    =   ".•"  s|    +   |?s*  ^i    +   y«*  ^3    +   /^J  y«  ^4    +  Y'i  "'2  f:.   +  '»ä  /^S  ^«   =^    ^  <^3*  fr» 


(5) 


'» 


-  »:,"  f ,  +  ci.,-  f,  +  r.'  ^3  +  /?3  rs  f 4  +  7b  "3  f.'.  +  "s  /^8  ^ '  -'-  /^  «513^  f ,» 


;r,        2«,  «,  .^  +  2ß,  ß,  l,  +  2y,  ,',  sS  +  (/^,  ^3  +  y,  1^3)  ^4  l  =  X  ^^  ^^^ 

4-  (7'..,  «8  +  «...  Y2)  ^:,  +  («2  ßi  +  1^«  «s)  ^6  '  *~ 

j.,  ^-  2a,  «,  .^   +  2|?3  ß,  l,  +  2y,  y,  l,  +  iß,  Y,  +  ya  |?i)  f 4  l  =  X  ,^^^  ^t^^ 

.r,  -  2«,  «,  ^t^  +  2ß^  ß^  £,  +  2y,  7'a  ^3  +  \ß,  Y^  +  T'i  /?,)  f  4  I  , .  N;  ^      ^  ^ 

Diese  Formeln  fassen  wir  kurz  zusammen  in. 


Elasticitäisconstanten  isotroper  KSrper.  577 

Setzen  wir  diese  Relation  in  (2)  ein,  so  findet  sich: 


m       n 


=  ^  ^  ^/i  £v  ^  2*^*«  ^"*^  ^"''' 


/i      •'  m       II 


woraus  die  Vergleichung  mit  (4)  folgt: 

(<0  ;v  =  2  2  '^***'  ^*^  ^"•'  • 


m      n 


Die  T'^»  sind  von  der  Lage  des  Coordinatensystems  3,  H,  Z 
abhängig;  bilden  wir  für  ein  jedes  y^»  den  Mittelwerth,  der 
(Yßv)  heissen  mag,  für  alle  möglichen  Lagen  des  2,  H,  Z-Systems, 
so  stellen  diese  nach  dem  oben  Gesagten  diejenigen  Coeffi- 
cienten  dar,  mit  welchen  multiplicirt  die  Producte  J^  |»  oder 
x^x^  in  der  Form  des  Potentiales  (iF)  für  quasi-isotrope  Me- 
dien auftreten. 

Nach  Symmetrieverhältnissen  können  in  [F)  nur  die 
Coefficienten  von  ^i^..,  1«^  und  von  2^2 13»  2I3I1,  2^^^^ 
von  Null  verschieden  sein,  und  müssen  zwischen  diesen  die 
Beziehungen  gelten: 

n\       (/ii)  =  (r22)  =  (^33)  =  ^»  (^23)  =  (rsi)  =  (^12)  =  ^» 

^  {yj  =  (^5)  =  (ree)  =  ^» 

in  denen  Aj  By  C  neue  Bezeichnungen  für  die  Elasticitäts- 
Constanten  des  quasi-isotropen  Mediums  sind. 

Die  Aufgabe  der  Bestimmung  aller  (y^»)  reducirt  sich 
so  auf  die  Berechnung  von  nur  drei  der  Vorstehenden;  wir 
l)eginnen  mit  {yn)* 

Nach  (4)  und  (5)  erhält  man  zunächst: 

+  *2r.,.^  (t.,  *       +  2r,8«^  *  rig  *  +  2  c^^  tt,,  ^  u^  «j  +  2  r^5«2  *«8«i    +  2  Cj^«,  '  «i  a, 
+   '•33«3*       +2c84rf3*r<^«8  +  2r35«,*ct3rti    +2c3j«3*aia, 

+  4044«^'^  «3^     +8^46«i«8«8«l+S^46'»««8«l«l 
+  *<*88«8*ai*        +8<?86ff8«l«l«J 

p]s  ist  klar,  dass  bei  der  Bildung  des  Mittelwerthes(yj^) 
hi(»rin  alle  Glieder  verschwinden  müssen,  die  eine  ungerade 
Potenz  eines  der  «/»  enthalten;  schreiben  wir  diese  Glieder 
nicht  aus,  so  ist  kürzer: 

Ann.  d.  Phye.  u.  Chemie.   N.  P.  XXXVIIL  ^1 


678 


fV.  Voigt 


Deutet  man  in  y^^  und  y^^  ebenfalls  die  Glieder,  welche 
beim  Bilden  des  Mittelwerthes  verschwinden,  nur  an,  so 
schreiben  sich  diese  Grössen: 


j 


ri2   =   (^nfflVi*  +  ^«««i*A*+''83«3V8*) 
(9)j  +  ^(f'AA^if'sß'lfts  +^55«3«lftft    +   ^öö  "l  "2  f^l  |*^r) 

+  {cuiß^rn+ßsr^r  +  c55(/^8ri +ftr8)* + ^«(i^ir.  +  /^.ri)") 

Die  Bestimmung  der  drei  Mittelwerthe  [y^^),  {y^^)^  (y^^) 
kommt  sonach  heraus  auf  die  Berechnung  der  fünf  durcli 
Klammern  als  solche  bezeichneten  Mittelwerthe: 

in'),  (yn'yk^  Wßu\  {yn^ßk^  [nßkytßi\ 

worin  h  und  k  beliebige,  aber  verschiedene  der  Zahlen  1,  2,  3, 
sind;  denn  nach  Symmetrie  fallen  alle  in  (;'ji),  [y^.^,  [y^^  vor- 
kommenden Glieder  mit  einem  dieser  fünf  zusammen. 
Wir  setzen  in  gebräuchlicher  Weise: 

«j  =  —  cos  (p  cos/ cos  iV^  —  sin  (p  sin/, 
|(Jj  =  —  sin  (p  cos/  cos  &  +  cos  qp  sin/, 
y^  a=z  +  cos/ sin  i9*, 

(11)  ^  c^2  =  —  cos  (p  sin/ cos  iV^  +  sin  y;  cos/, 

ß.^  =  —  sin  ^  sin/ cos  »^  —  cos  y  cos/, 
;',  =  4-  sin /sin  iT^, 
«3  =  +  cos  if  sin  iT^,     ^t?3=  +  sin  (/  sin  iV^,     y.^  =  +  cos  i^, 

worin  i^  den  Winkel  zwischen  der  Z-  und  /-Axe,  (^  den 
Winkel  zwischen  der  ZE-  und  ZZ-Ebene,  /  (l(^n  Winkel  zwi- 
schen der  ZX'  und  ZZ-Ebene  bezeichnet,  und  berechnen 
speciell  die  fünf  Mittelwerthe: 

(;-.*),  {}',')-,%  (;-3-/!^3*),  (r-z'ßs%  O'aJ'.AÄ)- 

Die  ersten  beiden  sind  von  den  Richtungscosinus  nur 
der  /-Axe  zu  nehmen,  sie  finden  sich  also  durch  Summation 
über  eine  Kugelfläclie  und  Division  mit  An.  Es  wird 
demgemäss: 


EJasiicitätsconstanten  isotroper  SSrper,  579 

in        n 

(y^*)  =  ^  fdfCdß-  sin  &  co9*&  =.  J, 


(12) 


0  0 


2n  ;f 


(>.//•.-)  =  ^J<if^\u\fjä,f-  sin»  .V  003=*  .^  =  A- 


0 


Für  die  Berechnung  der  übrigen  drei  Werthe  soll  der 
Z-  und  H-Axe  jede  mögliche  Lage  gegeben  werden;  dies  ge- 
schieht, indem  die  H-  um  die  Z-Axe  gedreht  und  zugleich 
die  ZAxo  in  alle  Lagen  gegen  das  X FZ-System  gebracht 
wird;  der  dabei  anzubringende  Nenner  ist  8;r'.  Es  findet 
sich  so: 

2  I         2n  n 


(i:i) 


0 


)Vß^)  =  L^^^'fp^'f  ^in^y  JV,^  sin3  ,^  cos«  ,>  =  ^ 


0  (»  u 


2  jc  2  IT 


(/•;- A"')  =  ^\.J''/^'^^^Vp<P  sin«v,Jr/,^  sin»,*  =  ft 


0  u  0 

2f>  2m  n 


;'2;':i.'^v/^)  -^  Hn'A  f^^'^^^^ff^^^f"  sm^-(f  Cd  &  sin^V  cos^.V^ 


0  0  0 

2n  2n 


+  /r//*siii7(:o8/'|^/y  sin<j^  cosy  j  r/i^sin^iV^  cosi^   ==  ""  A- 

0  0  0 

Mit  diesen  Werthon   sind  die  A,  Bj  C  in  den  Formeln 

(7)  zu  berechnen. 
Setzt  man  kurz 

(14)      ^ii+^22  +  ''33  =  ^-^»    «^'23  +  ^31 +^12  =  ^*^'    ^*44  +  <^66  + ''«6  =  ^  F  , 

SO  orhält  man  Kncht: 

(15)  Zy  =  J(A  +  4B-2r). 

I  r=J(A-B  +  3r). 

Zu  (lies(  u  Kndformeln  machen  wir  nun  eine  Reihe  von 
Bemerkungen. 

1)  Welches  auch  imuMT  die  Werthe  der  Chk  seien,  stets 
lindet  zwischen  A,  B  und  C  die  Beziehung  statt: 

37* 


580  fV.  Voigt. 

810  ist  dieselbe,  welche  jede  —  moleculare  oder  dynamische  — 
Theorie  für  isotrope  Medien  ergibt,  und  unser  Resultat  ist 
darin  mit  jenen  in  Uebereinstimmung. 

2)  Für  den  Fall,  dass  die  Molecüle  des  betrachteten 
Krystalls  keine  Polarität  besitzen,  finden  zwischen  seinen  Con- 
stanten in  Formel  (14)  die  Beziehungen  statt: 

^41  ~  ^'23  >       ^56  ~  *'*31  >       ^66  ~  ^12  » 

infolf^e  dessen  wird:  B  =a  [\ 

und  daher  ß^C    und     A  ^  3  B. 

Es  wird  also  in  diesem  Falle  die  Poisson'schc  Relation 
erfüllt,  wenn  auch  der  isotrope  Körper  aus  kleinen  Erystall- 
individuen  zusammengesetzt,  also  wie  wir  sagen,  quasi-iso- 
trop  ist. 

3)  Besitzen  aber  die  Molecüle  Polaritäten,  so  sind,  wie 
ich  gezeigt  habe,^)  c^^  und  c.,^,  c^^  und  Cgj,  c^^  und  c^g  von- 
einander verschieden,  und  die  Poisson'sche  Relation  hat 
keine  Gültigkeit. 

I*ur  isofrf/pe  Körper,  welche  aus  Krystallindividuen  bcstrhetij 
die  gross  sind  gegen  die  Wirkungssphäre  der  Molecularkräffe,  aber 
klein  gegen  die  ganzen  Körper,  und  deren  Molecüle  polare  Wir- 
kungen aufeinander  ausüben,  besteht  kein  constantes  Zahlennerhäl/- 
niss  zwischen  den  beiden  Klasticitätsconstauten, 

Dies  Resultat  scheint  mir  eine  viel  umstrittene  Frage 
sohr  einfach  zu  erledigen. 

Es  ist  nicht  unnütz,  darauf  hinzuweisen,  weshalb  es  einen 
Unterschied  macht,  ob  man  die  polarwirkenden  Molecüle 
einzeln  oder  zu  kloinen  krystallinischen  Individuen  verbunden 
in  den  qutisi-isotropen  Körj)ern  vorhanden  denkt. 

fm  ersteren  Falle  kommen  längs  des  betrachteten  Flächen- 
eleraentes  alle  möglichen  gegenseitigen  Lagen  von  Molocülen 
vor,  infolge  dessen  verschwindet  bei  der  Bildung  des  Mittel- 
wnrthes  jeder  Eintiuss  der  Polarität  und  man  gelangt  zu  den 
alten  Poisson'schen  Resultaten;  im  letzteren  Falle  kommen 
nur  diejenigen  gegenseitigen  Lagen  vor,  welche  die  Molecüle 
innerhalb  des  regelmässigen  Krystalles  l)csitzen,  und  infolge 
dessen  macht  die  Eigenschaft  der  Polarität  sich  auch  noch 
in  dem  Mittelwerth  geltend. 

1)  W.  Voigt,  Abb.  der  Oött.  Ges.  «1.  Wina.  :U.  p.  29.   1887. 


Elasticitätsconstanten  isotroper  Körper,  581 

Das  erhaltene  Resultat  setzt  voraus,  dass  die  Krystall- 
individuen  in  dem  quasi -isotropen  Körper  gross  sind  gegen 
die  Molecularwirkungssphäre,  und  repräsentiren  somit  den 
einen  extremen  Fall,  der  andere,  dass  sie  sich  auf  einzelne 
Molecülc  redueiren,  ist  durch  die  Poisson'sche  Relation 
charakterisirt;  ist  die  Molecularwirkungssphäre  von  derselben 
Grössenorduung  mit  den  Krystallindividuen,  so  muss  zwischen 
den  Elasticitätsconstanten  des  betreffenden  Körpers  eine 
numerische  Beziehung  stattfinden,  die  zwischen  den  genannten 
beiden  liegt. 

Wir  wollen  die  erhaltenen  Resultate  zunächst  dazu  be- 
nutzen, aus  den  bekannten  Elasticitätsconstanten  Chu  einiger 
Krystalle^)  diejenigen  A  und  B  der  betreffenden  dichten 
Mineralien,  sowie  das  Verhältniss  v  der  Quercontraction  zur 
Längsdilatation  zu  berechnen. 

Ich  beginne  mit  dem  regulären  System. 

Für  Flussspath  ist: 

hieraus  folgt: 

/i  =  14,Gl  .IG",     Ä=5,62.10^    ^=7J.2,60,    1^=0,277. 
Für  Pyrit  ist: 

^ii=^2j=^<^8:i^'^C»^-  l^^  ^M  =  <'3i=^-ij=-4,b3.1ü*,  r4i  =  (V,  =  Cjtt^lOJ5.lO«, 

hieraus  folgt: 

^  =  28,7 .10%     Ä=  -0,8 .  10»,     A^-n.  28,    y  =  -0,02*.>. 

Diese  Bestimmung  ist  wegen  des  nicht  genügenden  Ma- 
teriales,  wie  ich  seinerzeit  hervorgehoben,  nicht  sicher. 

Für  Steinsalz  ist: 

'n=<V/  =  ^*33=- ^'^'?'  10%     r,3  =  r,i=c„  =  l,32.  10%     f44  =  c.5  =  c^^  =  l,29  .  10% 

hieraus  folgt: 

.4  =  4,42 .  10%     B=  1,49 .  10%    A  =  n  .  2,96,    1»= 0,252. 

Der  Factor  von  B  in  der  letzten  Formel  ist  sehr  nalie 
gleich  ii,  weil  die  Relation  <-.|t=Ca3  nahezu  erfüllt  ist. 
Für  Sylvin  ist: 

hieraus  folgt: 

J[  =  2,85.10%    -»=0,H5.1ü%     .l=/i.V^8.     1=0,186. 

1)  1  >it'  Zahlen    .sind  entnonknien  niohuni  Arbeiten  in  Wied.  Ann.  ol. 
p.  474  u.  TOI.   IböT;  34.  p.  9Sl.  IböS;  35.  {>.  G42.   Ibö». 


582  W.  Voigt 

Ich  füge  hierzu  eine  Bestimmung  für  Kupfer^),  welche 
allerdings  einige  Hypothesen  benutzt;  dieselbe  ergab: 

c,ji=ro,=^S3  =  13,4  .  lOS    Cjg=c„  =Ci,  =  6,58  .  10*,     c^^^Cj^j^^c^f^^h.hS) .  10*, 

daraus  folgt- 

^=:5,2.lO«,     //  =  7,71,     /!  =  /{. 1,97,     »'  =  0,a3(>. 

Für  Beryll  gilt: 

Cn=c„  =  27,5.  10*,     rg8  =  24,l  .  10^     <?„  =  f8,=6,74  .  10*,    0,^  =  9,80  .  H)^ 
^4  =  ^66  =  6,66- 10»,    cee  =  -'*2'^"  =  8,85.10^ 

hieraus  folgt: 

^  =  24,9.10*,    5=8,52.10»,     ^=/^.2,92,     »'  =  0,255. 

Für  Bergkrystall  gilt: 

rjja:c,j  =  8,68.10*,     r„=10,75.10»,     ^^.«ra,  =  1,44  .  10»,     ^1.^=0,71  .  10«, 

«44  =  <?66  =  ß,82.10«,    Cee='^"2''*'"^*'^^-^^*» 

hieraus  folgt: 

^  =  10,27. 10»,     B=0,75.10*,     ^  =  1^.18,7,    y  =  0,008. 

Für  Kalkspath  gilt: 

c„=r„  =  13,97.  10«,     rg8  =  8,12.10*,     c^^  =  c^^=ifi(),  10«,    (;,,  =  4,65  .  10*, 

^44  =  ^66  =  3,49,     r„  =  '^»l-';;'''«--4,66.  10«, 

hieraus  folgt: 

-4  =  14,16.10»,    5=5,21.10»,     ^|:-y?.2,72,     i=0,2«9. 
Für  Topas  ist: 

r,,  =28,70.  10»,       r.i^  =  85,60.  10«,       r3ji^:i(V)2.  U^^ 
r,»=    9,01  .  lO^       r^,  =--    8,61  .  10'\       r,,,      rj,s4  .  10", 

r,^  =  11,04 .  10^      (•,,=  I3,5a .  i<»"\     r,j^^  i:{,:u; .  io\ 
hieraus  folgt: 

.4  =  33,0. 10»,    /y-9,:i5.  io'\    .1--  /;  .:5,:»:J,    1-0,220, 
Für  Baryt  ist: 

r,,=9,()7.  10»,         r^.-=H,(K).  10^         ^'^j  -  10.7  I  .  10^ 
c„  =  2,73  .  10»,         r3,  ^-lij;) .  10",         r,  .-^    4,6^  .  In-, 

hieraus  folgt: 

.f  =  8,78  .  10»,     /^  =  3,6:i .  10",     A  =  It  .  2,42,     r- 0,202. 

Dioso  Zusammenstellung'  gibt  eine  f^rossc  Miinnicht'altig- 
keit  der  Werthe  für  das  Vcrliältniss  Ajli\  schlicsst  man  die 
unsicheren  Zahlen    für  Pyrit  und  KupiVr   mus,    so    sind    die 

1)  W.  Voigt,  Herl.  Ber.   ISM.  p.  looi. 


Elasticitätsiionsiaaten  iKotroper  Körper.  583 

(irenzwerthe  2,4  uod  13,7;  für  v  ebenso  0,202  und  0,0r>8. 
Die  meisten  liegen  allerdings  in  der  Nähe  von  3,0,  resp.  0,25, 
wie  sich  das  dadurch  erklärt,  dass  die  Polaritäten  der  Mole- 
cüle  im  allgemeinen  nicht  sehr  stark  sein  mögen.  Die  ge- 
fundene grosso  Verschiedenheit  lässt  natürlich  den  Wunsch 
aufsteigen,  die  theoretischen  Resultate  mit  der  Beobachtung 
zu  vorgleichen;  rs  handelt  sich  hierbei  darum,  zu  sehen ^  in  wie 
weit  die  f/emur/tten  Voranssetzunffeii  der  IVirklichkeit  entfprechen, 
denn  nur  hierüber  ist  eine  Prüfung  nothwenduj ,  und  mir  hier- 
über kann  die  Beobachtumj  entscheiden. 

Ich  habe  mich  seit  langer  Zeit  bemüht,  dies  Ziel  zu  er- 
erreichen, indessen  liegen  hier  nicht  geringe  Schwierig- 
keiten vor. 

Einmal  sind  die  zur  Berechnung  der  A  und  B  dienenden 
Werthe  Chk  ü'US  den  durch  die  Beobachtungen  direct  gegebe- 
nen shu^)  durch  complicirte  Rechnung  erhalten  und  schon  an 
sich  weniger  genau  als  jene,  andererseits  bestimmen  sich  die 
A  und  B  je  aus  einer  grossen  Zahl  der  Chk  und  werden  des- 
halb noch  unsicherer. 

Die  Hauptschwierigkeit  liegt  aber  in  dem  Beobach- 
tungsmaterial. Zur  strengen  Durchführung  der  Prüfung 
niüsste  man  von  einer  und  derselben  Substanz  das  krystalli- 
sirte  und  das  dichte  Vorkommen  in  für  die  Beobachtung  ge- 
eigneten Dimensionen  haben,  von  gleicher  chemischer  Rein- 
lieit,  von  gleicher  Dichte  und  vollkommen  frei  von  Störungen 
und  yprüngen.  Aber  dies  aufzufinden,  ist  mir  trotz  eifrigen 
Suchens  für  keine  Substanz  gelungen. 

Die  dichte  Varietät  ist  in  besonderer  Güte  bei  Metallen 
durch  vorsichtigen  Guss  zu  erhalten;  aber  hier  fehlt  die  Mög- 
lieJikeit,  die  Elasticitätsconstanten  des  regelmässigen  Kry- 
stallcb  zuverlässig  zu  bestimmen.  Für  die  oben  aufgeführten 
von  mir  beobachteten  Krystalle  fehlt  es  umgekehrt  an  voll- 
kommen genügenden  dichten  Varietäten,  alle  mir  zugänglichen 
Stücke  sind  in  mehr  oder  weniger  hohen  Graden  porös  und 
von  Störungen,  theilweise  auch  von  Sprüngen  durchsetzt. 

Diese  Störungen  kommen  in  doppelter  Weise  in  Be- 
tracht. 

\)  >>.  dio  p.  jsl  citirteu  Abhamliungeu. 


684  fV.  Voigt 

Regelmässig  vertheilte  Hohlräume  von  der  Grrössenord- 
nung  der  Krystallindividuen  und  wie  diese  in  allen  möglichen 
Orientimngen  vorkommend,  modiiiciren  nur  die  libsnluten 
Worthe  der  (instanten  A  und  S,  beeinfluKsen  aber  nicht  ihr 
Vi'rhältniss  AjB  oder  die  Zalil  r,  »Sprünge  oder  eingeschlossene 
fremde  Substanzen  können  auch  diese  Verhältnisse  verändern; 
in  wie  bedeutendem  Maasse  letzteres  stattfinden  kann,  habe 
ich  an  verschiedenen  Stellen  erörtert.^) 

Angesichts  dieser  Schwierigkeiten  erwartete  ich  von 
anzustellenden  Beobachtungen  nur  eine  ungefähre  Bestätigung 
der  theoretischen  Resultate;  indess  sind  die  Endrosultat(» 
theilweise  doch  günstiger,  als  ich  erwartet  hatte. 

Um  ein  Urtheil  über  den  Grad  der  üebereinstimmung 
von  Theorie  und  Beobachtung  zu  gestatten,  vergleiche  ich 
das  Verhältniss  der  an  den  dichten,  quasi-isotropen  Körpern 
direct  beobachteten  Biegungs-  und  Drillungswiderstände  H 
und  T  mit  den  hierfür  aus  den  Beobachtungsresultaten  an 
Krystallen  möglichst  direct  berechneten  Zahlen.  Hierdurch 
wird  die  gesteigerte  Ungenauigkeit,  welche  das  Rechnen  mit 
Zahlen  von  begrenzter  Genauigkeit  mit  sich  })ringt,  vermin- 
dert und  die  Vergleichung  an  Zahlen  vorgenommen,  welche 
nahezu  dieselbe  Sicherheit  haben,  wie  die  elastischen  Wider- 
stände der  quasi-isotropen  Körper  selbst.  l>iis  Verhältniss 
AfB  oder  v  berechnet  sich  dagegen  aus  E  und  T  so,  dass 
seine  Unsicherheit  viel  grösser  ist,  als  die  der  letzteren  (-on- 
stanten. 

Da  nämlich 

EIT=2[A-\-2n)l{A+  B) 
ist,  so  ergibt  sich: 

AIB  =  (4  T  ~  E)jiE-'l  'O, 
und  hieraus   folgt,    dass  wenn  Ej  7'  etwa  gleich  2,5  uml   bis 
auf  den  fünfundzwanzigsten  Theil  genau  ist,  /l//^  gleich  drei 
und  nur  bis  auf  den  vierten  Theil  sicher  ist. 

Bei  quasi-isotropen  Körpern,  d(4cn  Substanz  regulär 
krystalliöirt,  drückt  sich  /.'  und  T  verhiiltnissmässig  einfach 
durch  die  direct  aus  den  Beobachtungen  an  Krystallen  fol- 
gendun Shk  aus;  CS  findet  sich  nämlich  hier'^): 

n  W.  \(^\^\.  Wird.  Ann.  :$!.  p.  48;"».   Iss7;  ;5:>.  p.  (;4G.  18H8. 
•J)  \V.  Voigt,   \\\vi\.  Ann.  \\%,  p.  Gi;5.    l.sss. 


EldsticitntsvouHanten  isotroper  Körper,  585 


also: 


7*       1*11     *i-.'>(*ii  +  2*,,.)  +  .V44  (2*ji  -  *is) 

Bezeichnet  man  für  den  ref^elmässigen  regulären  Krystall 
(l«'n  Torsionswiderstand  eines  recliteckigen  Prismas  mit  T^, 
wenn  seine  Längsaxe  der  Würfelnormale  parallel  ist,  mit  T^ 
W('nn  Längsaxe  und  grössere  Querdimension  in  Granatoeder- 
normalen  fallen,  so  schreibt  sich  der  obige  Werth  von 
T  auch: 

was  (»ine  einfache  und  anschauliche  Bedeutung  hat. 

Beobachtungen^)  habe  ich  angestellt  an  dichtem  Pluss- 
sjiath  von  Stolberg  am  Harz,  der  jedenfalls  die  eine  Be- 
dingung sehr  vollkommen  erfüllt,  dass  seine  Krystallindividuen 
klein  gegen  die  Dimensionen  der  Stäbchen  sind;  dagegen 
zeigte  er  Einschlüsse  und  Störungen,  letztere  flächenhaft  aus- 
gedehnt und  von  gleicher  Wirkung  wie  Sprünge,  insofern 
längs  derselben  leicht  der  Bruch  eintrat 

Fünf  Stäbchen  lieferten  für  EfT  die  Werthe: 

2,47,     2,44,    2,43,    2,46,    2,41; 

die  an  tadellosen  Flussspathkrystallen  erhaltenen  Werthe  s^k 
bestimmen  dasselbe  Verhältniss  zu: 

2,55, 
also  erheblich  grösser;  benutzt  man  hingegen  die  von  mir  an 
ebenfalls  etwas  gestörten  Krystallen  erhaltenen  Zahlen 2),  so 
tindet  sich:  2,43 

in  vollständiger  Uebereinstimmung  mit  den  an  dichtem  Fluss- 
spath  erhaltenen  Zahlen.  Dies  rührt  offenbar  davon  her, 
dass  die  Störungen  sowohl  bei  krystallinischem,  wie  bei  quasi- 
isotropem Flus8sj)ath  den  Drillungswiderstand  weniger  ver- 
kleinern, als  den  Biegungswiderstand,  was  auch  an  sich  plau- 
sibel ist. 

1)  Kine  «iiisfiihr Höhere  ZuBammenstellung  der  hier  benutztcu  Beob- 
a('))tiuig(^n  mit  aiideron  an  dichten  Mineralien  zu  anderen  Zwecken  ange- 
htoUti'ii.  werd«'  ich  an  vmitT  anderen  Stelle  geben. 

2)  \V.  Voigt,  Berl.  Ber.  42.  p.  1008.  1884. 


586  fr.  Voigt 

Die  absoluten  Werthe  von  E  und  T  sind,  wie  dies  zu 
erwarten,  etwas  kleiner  als  berechnet;  beobachtet  wurde  als 
mittlerer  Werth: 

£=  10,45.10«,       7'=  4,28. 10«, 

berechnet  aus  den  Zahlen  für  tadellosen,  krystallisirten  Fluss- 

SDath  * 

£=  11,50.10«,       r=  4,50. 10«, 

für  gleichfalls  gestörten  krystallisirten: 

£■=10,89.10«,       7^=4,48. 10«. 

Eine  sehr  schöne  Prüfung  schien  die  Vergleichung  von 
feinkörnigem  carrarischen  Marmor  mit  Ealkspath  in  Aussicht 
zu  stellen.  Indessen  zeigte  sich  bald  die  Unmöglichkeit, 
Marmor  überhaupt  auf  seine  Elasticität  hin  zu  untersuchen, 
da  derselbe  ganz  enorme  dauernde  Deformationen  schon  bei 
sehr  kleinen  Belastungen  erfährt. 

Ich  benutzte  daher  Solenhofener  Lithographenschiefer, 
der  allerdings  sehr  porös  ist  und  auch  nicht  aus  chemisch 
reinem  kohlensauren  Kalk  besteht.  Zwei  Stäbchen  gaben 
die  Werthe: 

-^-  =  2,50     und     2,51, 

die  Berechnung  aus  den  s^k  für  Kalkspath  ergibt: 

2,54; 
nach  den  Umständen  ist  die  Uebereinstimmung  befriedigend. 
Recht  gut  bewährte  sich  dichter  Baryt  von  Clausthal 
am  Harz.  Es  standen  mir  zwei  Stücke  zur  Verfügung,  ein 
graugrünes  und  ein  röthlichbraunes,  beide  im  Bruch  sehr 
feinkörnig  und,  obwohl  nicht  ganz  homogen  in  der  Farbe, 
doch  anscheinend  wenig  gestört  und  sprungfrei.  Der  graue 
Baryt  enthielt  kleine  Körner  einer  härteren  Substanz  ein- 
geschlossen, die  sich  auf  den  polirten  Flächen  der  Stäbchen 
als  kleine  Erhöhungen  geltend  machten;  auch  der  bräunliche 
gestattete  keine  ganz  feine  Politur,  und  hierin  liegt  neben 
der  etwas  geringeren  Dichte  der  Hauptgrund  dafür,  dass  die 
absoluten  Werthe  von  E  und  T  sich  kleiner  fanden,  als  sie 
sich  aus  den  Zahlen  für  krystallisirten  Baryt  berechnen.  Die 
Beobachtungen  ergaben  nämlich  für  grauen,  resp.  braunen 
Baryt  £"=5,90.10«,  resp.  5,91.10«  gegen  6,65.10«,  r=2,32.10«. 


Elnsticitätsconstanten  isotroper  Körper.  587 

rcsp.  2,20 .  10«  gegen  2,57  .  10^     Das  Verbältniss  J?/  T  ist  von 
den  Kehlern  in  der  Dimensionsbestimmung   fast   völlig   frei. 
Sein  berechneter  Werth  ist: 

$  =  2,585 , 

während  die   Beobachtungen  an   vier  Öt&bchen  von   grauem 

Baryt: 

2,59,    2,52,     2,57,    2,52, 

an  vier  Stäbchen  von  braunem  Baryt: 

2,58,    2,56,    2,59,     2,58 
ergaben. 

Die   Uebereinstimmung   entspricht  hier   allen  Anforde- 
rungen. 

Göttingen,  im  September  1889. 


VI.    J>le    Fraf/e   ntich    der    Schwingung»Hchtung 
des  polarisirten  Lichtes;    von  Robert  Gel  gel. 

(Aus  don  Verhandlungeu  der  physikalisch-mcdicinischcn  Gesellschaft  in 
Wiirzburg  für  die  Annalen  bearbeitet  vom  Hm.  Verf.) 

HIersn  Taf.  VI    Fl|r.  9-18.) 

Dem  Streite  zwischen  den  beiden  Ansichten  über  die 
Schwingungsrichtung  geradlinig  polarisirten  Lichtes  scheint 
in  neuerer  Zeit  die  electromagnetische  Lichttheorie  ein  Ende 
machen  zu  wollen.  F.  Kola6ek^)  sagt,  dass,  da  für  jeden  pola- 
risirten Lichtstrahl  zwei  zu  einander  senkrechte  Schwingungen 
stattfinden,  in  der  Polarisationsebene  und  senkrecht  zu  ihr, 
die  eine  electrischer,  die  andere  magnetischer  Natur,  die  Frage 
nach  der  Schwingungsrichtung  j)olarisirten  Lichtes  keinen 
Sinn  mehr  besitze. 

Das  ist  jedenfalls  richtig,  wenn  man  einen  polarisirten 
Lichtstrahl  oder  polarisirtes  Licht  ganz  absolut  in  Betrach- 
tung zieht,  losgelöst  von  Ursache  und  Wirkung,  einfach  im 
Aether  sich  fortpflanzend.  Sobald  ihm  aber  irgend  ein 
Honimniss  in  den  Wog  tritt,  mag  sich  das  durch  Absorption, 

1)  F.  Kol&öek,  Wicd.  Ann.  34«  p.  (i78.  188b. 


588  R.  Geigel 

oder  Brechung  oder  Reflexion  geltend  machen,  so  könnte 
die  Frage  noch  von  grosser  Bedeutung  sein;  denn  es  wäre 
wohl  denkbar,  dass  die  beiden  zu  einander  senkrechten  Schwin- 
gungen nicht  gleichartig  sind,  dass  die  eine  von  ihnen  die 
primäre,  die  Ursache  der  anderen  wäre.  In  ihrem  Wesen 
verschieden  sind  sie  gewiss,  sonst  wenigstens  wüsste  ich  nicht, 
wie  in  den  doppelbrechenden  Krystallen  die  bekannten  Ring- 
erscheinungen je  nach  der  Stellung  der  Polarisätionscbenen 
verschieden  ausfallen  sollten.  Würden  die  beiden  Schwin- 
gungen sich  so  verhalten,  dass  eine  die  primäre  wäre,  die- 
jenige, welche  sich  die  andere,  wenn  diese  ibr  genommen 
wird,  immer  wieder  erzeugt,  während  die  andere  dieses  nicht 
zu  thun  vermöchte,  und  würde  beispielsweise  eine  von  den 
beiden  Schwingungen  in  irgend  einem  Mittel  absorbirt,  so 
wäre  es  gar  nicht  einerlei,  welche  von  beiden  dies  ist.  Ge- 
schieht es  der  secundären  Schwingung,  während  die  andere 
das  Absorptionsmedium  ungeschwächt  oder  wenigstens  noch 
erkennbar  passiren  könnte,  so  pflanzt  sich  jenseits  des 
Hemmnisses  polarisirtes  Licht  wieder  fort;  umgekehrten 
Falles  verschwindet  es  durch  Absorption  vollständig. 

Die  Frage  nach  der  Schwingungsrichtung  wäre  dann 
nicht  aus  der  Welt  geschafft,  sie  würde  vielmehr  neues  In- 
teresse gewonnen  haben,  wenn  man  sie  so  formulirt:  Welches 
ist  die  Richtung  der  das  Licht  fortpflanzenden  Schwingung 
im  polarisirten  Strahl?  Anderenfalls,  wenn  beide  Schwingun- 
gen als  ganz  gleichberechtigt  erwiesen  werden  könnten,  so 
wäre  dies  ein  directer  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  Max- 
well'sehen  Theorie.  Es  sei  mir  im  Folgenden  gestattet, 
kurzweg  von  der  „Schwingungsrichtung"  zu  reden,  indem  ich 
darunter  die  Richtung  der  Schwingung  verstehe,  wie  Fresnel, 
bezw.  Neumann. 

Als  ich  der  Beantwortung  der  Frage  näher  trat,  schien 
mir  ein  Gebiet  optischer  Erscheinungen  ganz  besonders  aus- 
sichtsvoll zu  sein,  das  der  inneren  Reflexion  in  doppelbre- 
chenden Krystallen.  Einmal  ist  es  der  ganz  äusserliche 
Grund,  dass  solche  Vorgänge  zur  Lösung  der  Aufgabe  noch 
nie  benutzt  wurden,  wenigstens  konnte  ich  keine  dahin  zie- 
lende Arbeit  auffinden,  der  es  nahe  legt,  auch  dieses  Gebiet 
nicht  unversucht  zu  lassen.   Dann  aber  gibt  innere  Reflexion 


SchiDingungsrichtimg  des  polarisirten  Lichtes,  589 

im   doppelbrechenden  Medium  einen  Vortheil  an  die  Hand, 
der  allen  anderen  Versuchen  abgeht, 

Polarisirtes  Licht  im  isotropen  Mittel  hat  ja  natürlich 
eine  ganz  bestimmte  Schwingungsrichtung,  die  jedoch  nicht 
unveränderlich  mit  seiner  Fortptlanzungsrichtung  verknüpft 
ist;  ein  polarisirter  Strahl  z.  B.,  der  von  einer  Glasplatte  nn 
bestimmter  Richtung  reflectirt  wird,  hat  eine  bestimmte  Po- 
larisationsebone;  es  könnte  aber,  wenn  er  unter  anderen  TTm- 
sländen  nach  derselben  Richtung  zurückgeworfen  wäre,  eben- 
sogut auch  eine  andere  Polarisationsebene  haben.  Statt  eines 
nach  bestimmter  Richtung  hin  gebeugten  polarisirten  Strahles 
wäre  ebensogut  ein  solcher  denkbar  mit  ganz  anderer  Schwin- 
gungsrichtung. 

Im  einaxigen  Erystall  ist  durch  die  Fortpflanzungsrich- 
tung die  Polarisationsebene  festgelegt  (abgesehen  von  Fort- 
pflanzung in  der  Axe),  somit  auch  die  Schwingungsrichtung 
eine  ganz  bestimmte.  Wir  können  von  vornherein  sagen, 
welche  Polarisationsebene  ein  Strahl  annehmen  muss,  wenn 
er  nach  bestimmter  Richtung  reflectirt  wird,  und  diese  muss 
or  annelimen,  er  mag  vorher  polarisirt  gewesen  sein,  wie  er 
will,  und  es  mag  bei  dem  Acte  der  Reflexion  sich  ereignet 
haben,  was  will,  wenn  wir  nur  entscheiden  können,  ob  der 
retteitirte  Strahl  ein  ordentlicher  oder  ein  ausserordentlicher 
sein  wird.  Und  ebenso  bekannt  ist  die  Polarisationsebene 
(^ines  Strahles  vor  seiner  Reflexion,  wenn  wir  seine  Richtung 
kennen. 

Freilich  die  einfachsten  Fälle  innerer  Reflexion,  die  der 
l^oobachtung  und  Rechnung  am  leichtesten  zugänglich  sind, 
/(ugen  keine  charakteristischen  Unterschiede  zwischen  ordent- 
lichem und  ausserordentlichem  Strahl.  In  einem  Prisma, 
parallel  zur  Axe  geschlifl*en,  werden  ordentlicher  und  ausser- 
ordentlicher Strahl  einfach  reflectirt,  wenn  Licht  senkrecht 
zur  Axe  einfällt,  für  jede  schiefe  Incidenz  werden  beide  in 
zwei  Theile  zerlegt. 

Dagegen,  sobald  die  reflectirende  Fläche  nicht  mehr 
parallel  der  optischen  Axe  ist,  sondern  mit  ihr  einen  Winkel 
i)ildet,  treten  charakteristische  Unterschiede  auf.  Es  ist  dann 
für  den  Erfolg  nicht  mehr  gleichgiltig,  ob  eine  zur  Reflexion 


590  R.  Geigel 

gelangende  Schwingung  in  der  Polarisationsebene  oder  senk- 
recht zu  ihr  vor  sich  geht. 

Solche  charakteristische  Unterschiede  aufzufinden  und 
aus  ihnen  Schlüsse  auf  die  Richtigkeit  einer  der  vorhan- 
denen Theorien  zu  ziehen,  ist  der  Zweck  der  vorliegenden 
Arbeit. 

Im  allgemeinen  wird  ein  in  einen  doppelbrechenden  Kry- 
stall  eintretender  Strahl  in  zwei,  den  ordentlichen  und  ausser- 
ordentlichen zerlegt.  Bei  der  ersten  inneren  Roflexi^m  theilt 
sich  jeder  derselben  wieder  in  zwei  Strahlen,  rinen  ordent- 
lichen und  einen  ausserordentlichen,  sodass  man  nach  ein- 
maliger Reflexion  von  einem  Objecto  vier  Bilder  sieht,  von 
denen  unter  Umständen  zwei  sich  decken  können. 

Bei  der  Zerlegung  durch  Reflexion  kann  es  aber  vor- 
kommen, dass  einer  oder  der  andere  von  den  vier  Strahlen 
durch  Interferenz  vernichtet  wird,  sodass  dann  nur  drei  Bil- 
der zu  sehen  sind. 

In  Fig.  9  sei  die  Ebene  des  Papiers  die  roHectirende 
Fläche.  Im  Punkte  O  kommt  ein  Strahl  an,  dessen  Rinfalls- 
ebene  durch  ihre  Spur  EE'  bezeichnet  ist,  Ist  er  ein  ordent- 
licher Strahl  (von  einem  solchen  sei  vorläufig  immer  die  Rede), 
so  ist  EE'  auch  seine  Reflexionsebene.  OA  sei  die  Projec- 
tion  der  ankommenden  Schwingung  auf  die  reflectirende 
Fläche;  dabei  ist  gar  keine  Annahme  darüber  gemacht,  ob 
die  Schwingung  in  der  durch  Strahl  und  Axe  gelegten  Ebene 
oder  senkrecht  zu  ihr  (^rfolgt.  OA  wird  zunäolist  zerlegt  in  die 
(yomponenten  OB  und  OC\  und  wenn  wir  ein  isotropes  Mittel 
hätten,  würden  dii^se  beiden  zu  einer  reHectirten  Schwingung 
sich  zusammensetzen. 

Üer  in  O  retlectirte  Strahl  hat  nun  eine  jjjanz  bestimmte 
Richtung,  und  mit  dieser  lest  verbunden  ist,  abhängig  von 
der  Lage  der  optischen  Axe,  eine  ^anz  l)estiuimmte  Schwin- 
gungsrichtung, deren  Projection  im  allgenK^nen  weder  mit 
OC,  noch  mit  OB,  nocli  aucli  mit  OA  zusammenfällt.  Ks 
tritt  eine  weitere  ZerU'gung  ein,  und  aus  der  Figur  ist 
unmittelbar  zu  ersehen,  wenn  infolge  der  Lage  der  oj)ti- 
schen  Axe  MN  die  Projection  der  retlectirt(»u  ordentlichen 
Schwingung  ist,  dagegen  die  Projection  der  retiectirten  ausser- 
ordentlichen Schwingung  mit  OAj  der  Projection  der  einfal- 


Schwingungsrichtung  des  polarisirien  Lichtes.  591 

lenden  ordentlichen  Schwingung,  zusammenrällt,  dass  dann  die 
zweite  Componentenzerlegung  so  ausfällt,  dass  OG  und  OF 
durch  Interferenz  sich  zerstören,  wie  auch  AIN  liegen  mag, 
dass  also  der  ordentliche  Theil  des  ordentlichen  einfallenden 
Strahles  verschwindet,  und  hlos  der  ausserordentliche  Theil 
desselben  zu  Stande  kommt,  auf  den  dann  alle  Energie  der 
Bewegung  verwendet  wird.  In  einem  solchen  Falle  müsste 
:ilso  eines  der  vier  Bilder,  das  ordentliche  vom  ordentlichen 
Slriihlc  herrührende,  verschwinden. 

Dabei  wird  vorerst  zweierlei  vorausgesetzt: 

1.  dass  der  Einfallswinkel  des  ordentlichen  Strahles 
kleiner  ist  als  der  Polarisationswinkel  und  diesem  nicht  allzu 
nahe.  Bekanntlich  macht  in  der  Nähe  des  Polarisations- 
winkels eine  Verzögerung  einer  der  beiden  Componenten  OC 
oder  OB  gegen  die  andere  sich  geltend,  welche  im  Polari- 
sationswinkel A/4  beträgt  und  jenseits  desselben  rasch  auf 
>v/2  wächst.  Jenseits  des  Polarisationswinkels,  d.h.  für  Ein- 
fallswinkel, die  grösser  sind  als  dieser,  würde  nicht  das  Pa- 
rallelsein mit  OA  die  Bedingung  für  das  Verschwinden  des 
ordentlichen  retiectirten  Strahles  sein,  sondern  es  müsste  dann, 
wie  ebenso  leicht  zu  sehen  ist,  der  Winkel,  den  die  einfal- 
loüde  Projection  OA  mit  EE'  bildet,  gleich  dem  negativen 
Winkel  sein,  den  die  Projection  der  reflectirten  ausserordent- 
lichen Schwingung  mit  EE'  bildet. 

2.  ist  vorausgesetzt,  dass  keine  der  beiden  Componenten 
OB  und  OC  bei  der  Reflexion  eine  Schwächung  erleidet, 
denn  sobald  eine  von  beiden  kürzer  wird,  oder  wenn  beide 
ni(  ht  in  demselben  Verhältnisse  kürzer  werden,  sind  die  Com- 
ponenten OG  und  OF  nicht  mehr  gleich  gross  und  vernich- 
ten sich  nicht  vollständig.  Diese  zweite  Voraussetzung  tritt 
streng  genommen  nur  gerade  auf  der  Grenze  der  totalen 
Ilellexion  ein.  Indessen  wird  auch  im  Gebiete  der  theil- 
weisi^n  Reflexion  keine  so  grosse  Modihcation  eintreten,  dass 
nicht  der  Charakter  der  Erscheinung  noch  zu  erkennen 
wäre.  An  der  unter  obiger  Voraussetzung  berechneten 
Vorschwindungsstelle  wird  das  ordentliche  Hauptbild  aber 
nicht  vollständig  verschwinden,  sondern  nur  viel  schwächer 
werden,  während  das  vollständige  Verschwinden  an  einer 
Stelle  eintreten  wird,   wo  O^i  nicht  mehr  parallel  der  Pro- 


592  R.  Geigel 

jection  der  reäectirten  ausserordentlichen  Schwingung  ist, 
sondern  mit  dieser  einen  kleinen  Winkel  bildet.  Wir  werden 
später  sehen,  eine  wie  grosse  oder  kleine  Abweichung  von 
der  Rechnung  sich  ergibt. 

Auf  das  Gebiet  der  totalen  Reflexion  gehe  ich  vorläuKg 
nicht  ein.  Dort  dringt  eine  der  beiden  Componenten,  oder 
beide,  mehr  oder  weniger  tief  in  das  zweite  Medium  ein, 
dadurch  ergeben  sich  Verzögerungen  von  verschiedenen  hal- 
ben Wellenlängen,  die  den  Vorgang  bedeutend  compliciren. 

Es  kommt  vor  allem  jetzt  darauf  an,  die  Lage  der  bei- 
den Projectionen  OA  und  MN  flir  bestimmte  Lage  der 
optischen  Axe  und  jeden  beliebigen  einfallenden  ordentlichen 
Strahl  zu  bekommen. 

In  der  Figur  10  sei  OXYZ  ein  rechtwinkeliges  Coor- 
dinatensystem,  das  in  einen  einaxigen  Erystall  so  hinein- 
gelegt ist,  dass  die  FZ-Ebene  die  reflectirende  Fläche  ist, 
und  die  optische  Axe  OL  in  der  XZ- Ebene  liegt.  LA  ist 
ein  einfallender  ordentlicher  Strahl,  AN  das  Einfallsloth, 
^Af  der  reflectirte  ordentliche  Theil  des  einfallenden  Strahles. 

Die  Gleichungen  der  optischen  Axe  sind: 

(1)  '='^-'\  .'/=«• 

Der  einfallende  Strahl  LA  hat,  wenn  x,,,  y^  die  C()(»r- 
dinaten  von  /,,  x^,  y^  die  von  A  sind,  die  Gleichungen: 

(2)  y=-!'-J-+yi;       z  =  '^-/\r +  z,. 

Der  reflectirte  Strahl  AM\ 
(3)  y^^^^  +  Vx  und  z=^  -'\''x  +  z,.') 

•"o  ''O 

1.     Neuman umsehe    Annahme. 

Nach  Neumann  erfolgt  die  Schwingung  in  der  Polari- 
sationsebene; der  ordentliche  Strahl  im  einaxigen  Kry stall 
schwingt   in   der   durch  Strahl   und    optischem  Axe   gelegten 

1)  Leser,  welche  sieh  für  die  Ableitung  dieser  und  der  folgenden 
Formeln  interesairen  oder  dieselben  zu  controliren  wünHchen,  verweise 
ich  auf  die  ausführlichere  analytische  Behandlung  in  den  Verhandlungen 
der  med.-phys.  Ges.  Würzburg.  20.  2.  1SH3. 


Schwinyungsricktung  des  polarisirten  Lichtes.  593 

Ebene  senkrecht  zu  ersterem;  hier  also  der  einfallende  Strahl 
in  der  Ebene  ALO  senkrecht  zu  LA. 
Man  findet: 

(A)  zr^      f\''J'?-'       -v  +  Const. 

als  Gleichung  der  Projection  der  Schicingungsrichtuiu/  des  ein' 
failenden   Strahles  auf  dif  reßectirende  Fläche  [YZ- Ebene), 

Schwingungsrichtung  nach  der  Reflexion.  — 
Ist  in  Pig  10  ^Q  eine  zur  optischen  Axe  OL  gezogene 
Parallele,  so  schwingt  nach  Neuraann  der  reflectirte  ordent- 
liche Theil  des  einfallenden  ordentlichen  Strahles  in  der 
Ebene  QAM  senkrecht  zu  AM,  und  es  ergibt  sich: 

( B)  r  =  -  ^- -^«'^^  t  "'"v'^  ~  ;!""'"*  •//  +  c\)iist. 

als  Gleichung  der  Projection  der  Schwingungsrichtung  des  re/tec- 
tirteu  ordentlichen  Theiles  des  ordentlichen  Strahles  auf  die 
reßevtirendv  Fläche  i  VZ-Eöene), 

IL    Fresiiersche    Annahme. 

Nach  Fresnel  schwingt  der  ordentliche  Strahl  im  ein- 
axigen  Krystall  senkrecht  zur  Polarisationsebene,  zu  der 
durch  Strahl  und  optische  Axe  gelegten  Ebene,  und  es  wird: 

(C)  z  =  -^'-g  +Const. 


«I 


flie    Gleichung   der  Projection   der    Schwingnngsrichtnng   des  ein- 
fallenden  Strahles  äff  die  reflectirendc  Fläche,    (  YZ- Ebene.) 

Schwingungsrichtung  nach  der  Reflexion.  — 
Diese  ist  nach  Presnel  senkrecht  zur  Ebene  LAM,  und 
.'.war  ist: 

/D)  z=    Jy-     .^  +  Const. 

die  Gleichung  der  Projection  der  Schwingungsrichtung  des  reflec- 
tirten  ordentlichen  Theiles  des  ordentlichen  Strahles  auf  die  reßec- 
tirende Fläche, 

Die  bisher  gegebenen  Formeln  reichen  aus,  um  die  Be- 
dingungen für  das  Verschwinden  des  Bildes  zu  geben,  wel- 
ches   seine  Entstehung   dem   durch    Reflexion    entstandenen 

Aim.  d.  Phj».  u.  Chem.    N.  P.   XXXVllI.  38 


594  R.  Geigel. 

ausserordentlichen  Theile  einfallender  ordentlicher  Strahlen 
verdankt.  Dieses  Bild  wird  nämlich  verschwinden,  wenn  die 
Projection  der  einfallenden  ordentlichen  Schwingung  parallel 
ist  der  Projection  der  Schwingung  des  reflectirten  ordent- 
lichen Theiles. 

Um  die  Bedingung  für  das  Verschwinden  des  aus  dem 
ordentlich  reflectirten  Theile  des  einfallenden  ordentlichen 
Strahles  entstehenden  Bildes  aufzustellen,  müssen  wir  noch 
die  Projection  der  Schwingungsrichtung  des  reflectirten 
ausserordentlichen  Theiles  kennen  lernen. 

Es  ist  vor  allem  nothwendig,  die  Richtung  des  im 
Punkte  y^Zy^  (Fig.  10)  reflectirten  ausserordentlichen  Strahles 
kennen  zu  lernen,  wenn  dort  der  ordentliche  Strahl  LA 
einfällt. 

Ich  verfahre  nach  der  Huygens'schen  Construction, 
wie  sie  von  N  e  u  m  a  n  n  für  innere  Reflexion  angegeben 
ist^)     Es  werden  gezeichnet: 

1)  Um  den  Punkt  y^Zj  die  beiden  Wellenoberflächen 
Kugel  und  Ellipsoid, 

2)  Schnittpunkt  des  reflectirten  ordentlichen  Strahles 
mit  der  Kugel. 

3)  Durch   diesen  Punkt  Tangentialebene   an  die   Kugel. 

4)  Schnitt  dieser  Tangentialebene  mit  der   yZ-Ebene. 

5)  Durch  diesen  Schnitt  Tangentialebene  an  das  Ellipsoid. 

6)  Berührungspunkt  auf  dem  Ellipsoid. 

7)  Durch  diesen  und  y^  z^  eine  Gerade,  welche  dann  der 
gesuchte  reflectirte  ausserordentliche  Strahl  ist. 

Man  findet: 


'        V V~+  .V7~+  z,^  -"2~Zo 27-f  z, - 


als  Coordi- 
naten  des 
Schnittpunk- 
tes auf  der 
Kugel  mit 
dem  Radius  c. 


Und  endlich,    wenn    a   und    v   die  Hallmxen    des   EUipsoides 
sind : 

n  Neuina nu,  Vorlesungen  über  theoretische  Optik,     p.  164. 


Sciiwingungsril  lUung  des  polaruirten  Lichtes,  595 


'3  = 


a'(2ro-2jj^»  W-Hs^o' 


a 


Xo*c 


4-  —  •  -?  .  "  • 


ys  = 


_  «L*.  • 


+ 


V 


'cW  ['0'  +  yi'  +  (fo- ^i)*]  -  a'c^-PoVr 


c'j-« 


+  a'ro* 


p 

d 

TS 

Ol 

••^ 

00 

0 

W) 

OD 

p 

.5* 

W 

S3 

0) 

S 

oq 

0) 

TS 

p 

«<-• 

0 

0 

T3 

08 

00 

^^^ 

s3 

Die  Schwingung  im  ausserordentlich  reflectir- 
tenTheile  des  ordentlichen  Strahles  nach  Neumann. 

Diese  erfolgt  senkrecht  zu  einer  Ebene,  die  man  durch 
den  Punkt  ^-3,  y.^,  z^  und  die  optische  Axe  legt. 

Es  ist: 


E) 


.  _  *oi^» 


J-j  V^c 


'    +2^0 


f/  4-  Const. 


die  Gleichung  der  Projection  der  Schwingung  srichtung  auf 
die  rvfte.ciirende  Fläche  [YZ-Ebene)  für  den  ausserordentlich 
reflet'tirten   Theil  des  einfallenden  ordentlichen  Strahles. 

Die  Schwingung  im  ausserordentlich  reflectir- 
ten  Theile  des  ordentlichen  Strahles  nach  FresneL 
—  Es  galt  wohl  früher  unbestritten,  dass  der  ausserordent- 
liche Strahl  senkrecht  zur  Wellennormalen,  also  in  einer  an 
das  EUipsoid  gelegten  Tangentialebene  schwingt  Nach 
Ketteier ^)  erfolgt  die  Schwingung  senkrecht  zum  Strahl, 
wie  beim  ordentlichen  Strahle. 

Obwohl  der  Unterschied,  der  sich  aus  beiden  An- 
nahmen für  eine  allenfallsige  Verschwindungsstelle  ergeben 
würde,  sehr  klein  wird,  vielleicht  kleiner,  als  der  Unterschied, 
der  aus  einer  der  beiden  Annahmen  einerseits  und  der  Neu- 
mann'sehen  andererseits  resultiren  würde,  obwohl  auch  viel- 
leicht Ketteler's  Annahme  der  electromagnetischen  Theorie 
sympathischer  sein  mag,  will  ich,  um  jede  Hypothese  zu 
vermeiden,  die  Schwingungsrichtung  für  beide  Annahmen  be- 
rücksichtigen. 


1)  Kettcler,  Wied.  Ana.  18.  p.  642.  1883. 


38' 


«596  Ä.  Geiyel 

I.  Schwingt  der  ausserordentliche  Strahl  senkrecht  zur 
Wellennormale,  so  geht  hier  die  Schwingung  in  einer  im 
Funkte  ^r,,  y^^  z^  an  das  EUipsoid  gelegten  Tangentialebene 
und  in  der  durch  x^j  y,,  z^  und  die  optische  Axe  gelegten 
Ebene,  also  im  Durchschnitte  beider  vor  sich. 

Man  erhält: 

o/ä  Gleichung  für  die  Y Z- Projection  der  Schwingungsrickiung 
des  ausserordentlich  reflectirten  Thnles  des  ordentlichen  Strahles^ 
wenn  er  senkrecht  zur  Normalen  schwingt. 

II.  Schwingt  der  ausserordentliche  Strahl  senkrecht  zum 
Strahl,  so  geht  die  Schwingung  in  der  durch  x^^  y^,  z^  und 
die  optische  Axe  gelegten  Ebene  und  senkrecht  zum  reflec- 
tirten Strahl  vor  sich. 

Dann  ist: 

die  Gleichung  für  die  YZ-Projection  der  Schuungungsrichtung 
dt's  ausserordentlichen  reflectirten  Theiles  vom  ordentlichen  Strahle, 
wtmn  er  senkrecht  zum   Strahle  schwingt 

Jetzt  sind  wir  im  Stande,  die  Bedingungen  für  das  Ver- 
schwinden der  beiden  Bilder  aufzustellen,  die  von  einfallen- 
den ordentlichen  Strahlen  herrühren. 

Das  von  den  ordentlich  reflectirten  Theilen  der  einfallen- 
den Strahlen  herrührende  Bild  verschwindet,  wie  eingangs 
gezeigt,  wenn  die  FZ-Projection  der  Schwingung  des  ausser- 
ordentlichen Theiles  zusammenfällt  mit  der  Projection  der 
einfallenden  ordentlichen  Schwingung,  also  an  Stellen,  wo 
die  Richtungsconstanten  der  beiden  genannten  Projectionen 
einander  gleich  sind. 

Die  Bedingung  für  das  Verschwinden  wird  also  dar- 
gestellt nach  Neu  mann  durch: 

nach  Fresnel  durch: 


Schwingungsrichtung  des  polarisirkn  Lichtes.  597 

oder: 


*o 


(5)  y,  y,  V^„*  +  ^o'  =  -^s  ^..  +  ("l! )  •  '•'  ^  ^- '  •  ^0 . 

wobei  der  eingeklammerte  Factor  {c^/a^)  wegbleibt  oder  nicht, 
je  nachdem  man  der  Ketteler'schen  oder  der  älteren  An- 
nahme folgt. 

Beide  Gleichungen,  (4)  und  (5),  stellen  Curven  in  der 
jfz- Ebene  vor,  deren  vollständige  Entwickeiung,  indem  man 
für  0:3,  ^3  und  z^  die  früher  gefundenen  Werthe  einsetzt,  zu 
sehr  complicirten  Gleichungen  führen  würde.  Es  lässt  sich 
also  auch  schwer  entscheiden,  ob  die  Fresnel'sche  und 
Neumann'sche  Curve  zusammenfallen,  oder  wenigstens  sehr 
nahe  aneinander  liegen. 

Man  kann  sich  übrigens  die  beiden  Curvon  auch  nähe- 
rungsweise herstellen. 

Die  Projection  der  einfallenden  ordentlichen  Schwingung 
hat  nach  beiden  Annahmen  eine  einfache  Gleichung. 

Die  reäectirte  ausserordentliche  Schwingung  geht  nach 
Fresnel  in  der  Polarisationsebene  vor  sich,  also  wenigstens 
angenähert  so  wie  die  Neumann' sehe  ordentliche  reflectirte 
Schwingung,  und  umgekehrt.  Der  Grad  der  Annäherung 
kann  dabei  durch  die  Ketteler'sche  Annahme  vergrössert 
oder  verkleinert  werden. 

Wir  erhalten  also  die  Verschwindungscurve  nach  Neu- 
mann näheruDgs weise,  wenn  wir  setzen: 

woraus  sich  ergibt: 

oder :  y^^ {x^^  -  ^0')  +  ^i^^o"  -  ^1  •  2^o*^o  =  ^ ; 

setzt  man  z^  =  z^  +  Zq,  d.h.  verschiebt  man  den  Coordinaten- 
anfangspunkt  um  Zq  in  der  Richtung  der  positiven  Z-Axe, 
so  wird  daraus: 

(6)  V%V/+v--A  =  i. 

also  die  Gleichung  einer  Ellipse,  wenn  Tq  >  z^^  einer  Hyper- 
bel, wenn  Xq  <  z^  ist. 

Nach  Fresnel  ist  zu  setzen: 


598  R.  Geigel 

woraus  ebenfalls  schliesslich: 

//r  ""''  r.  ?*  +  ^i'  •  A  =  1  entsteht. 

Wir  haben  also  in  beiden  Fällen  dieselbe  Curve.  Das 
Zusammenfallen  würde  vollständig  werden,  wenn  der  reflec- 
tirte  ausserordentliche  mit  dem  reflectirten  ordentlichen 
Strahle  (beide  herrührend  vom  einfallenden  ordentlichen) 
zusammenfiele. 

Beide  Ourven  werden  aber  alterirt  durch  den  Umstand, 
dass  nicht  alles  Licht  refiectirt  wird,  sondern  dass  dieses 
theilweise  austritt,  wodurch  die  Componenten  OB  und  OC 
(Fig.  9)  verkürzt  werden,  und  zwar  beide  nicht  in  demselben 
Verhältiiisse.  Wird  z.  B.  OB  verhältnissmässig  mehr  ge- 
schwächt, als  OC,  so  würde,  damit  trotzdem  OF^  OG 
wird,  die  Projection  der  reflectirten  ausserordentlichen  Schwin- 
gung, zu  welcher  ja  SG  und  CJF  parallel  sind,  nicht  mehr 
mit  OA  zusammenfallen,  sondern  ein  wenig  gegen  OE  hin 
gedreht  sein. 

Dies  rechnerisch  und  in  Formeln  zu  verfolgen,  ist  deshalb 
nicht  thunlich,  weil  meines  Wissens  bis  jetzt  die  Reflexions- 
gesetze für  innere  Reflexion  in  einaxigen  Krystallen  noch 
keine  Bearbeitung  gefunden  haben  und  eine  experimentelle 
Aufstellung  derselben  jedenfalls  eine  Arbeit  für  sich,  wahr- 
scheinlich von  sehr  bedeutendem  Umfange  sein  dürfte.  Ein 
Versuch,  die  FresneTschen  und  Neumann'schen  Reflexions- 
formeln für  isotrope  Mittel  hier  anzuwenden,  führte  auf  so 
complicirte  Gleichungen,  dass  ich  von  der  weiteren  Ver- 
folgung abliess,  zumal  ja  absolute  Richtigkeit  doch  nicht 
erreicht  werden  konnte. 

Man  kann  indessen  durch  eine  einfache  Ueberlegung  sich 
klar  machen,  in  welchem  Sinne  die  gefundenen  Curven  ver- 
ändert werden. 

Im  grossen  ganzen  wird  für  die  Amplituden  in  der  Ein- 
fallsebene und  senkrecht  zu  ihr  wohl   auch   das  Verhältniss: 

sin  (f  —  r)    tg  {i  —  r) 

!<iu  (t  +  {•}'  ig  (i  +  r) 

nach  Fresnel.  und   nach   Neu  mann   umgekehrt  bestehen. 


Schwingungsrichhing  des  polarisirten  Lichtes,  599 

Nach  Frcsnel  wird  also  OjB  im  Verhältniss  stärker 
geschwächt,  wie  schon  bemerkt,  muss  dann  die  Richtung  der 
Projection  des  reflectirten  ausserordentlichen  Theiles  von 
OA  etwas  nach  OE  gerückt  werden,  sich  der  Einfallsebene 
nähern. 

Nach  Neumann  wird  OC  verhältnissm&ssig  stärker  ge- 
schwächt, und  da  dann  MN  die  Projection  des  reflectirten 
ausserordentlichen  Theiles  und  die  Projection  des  einfallenden 
Strahles  vorstellt,  so  wird  die  erstere  mehr  der  Richtung  OB 
sich  nähern  müssen. 

Beides  geschieht  aber,  wenn  der  Punkt  //^  r^,  wo  der 
ordentliche  Strahl  einfällt,  der  Projection  der  optischen  Axe, 
hier  der  Z-Axe  des  Coordinatensystcms,  näher  rückt.  In 
derselben  fällt  die  FresneTsche  reflectirte  ausserordent- 
liche Schwingung  mit  EE\  die  Neumann'sche  mit  der 
senkrechten  dazu  zusammen. 

Man  wird  also  erwarten  dürfen,  dass  beide  Verschwin- 
dungscurven  nach  innen  gedrängt,  abgeflncht  werden.  Gleich- 
zeitig könnte  natürlich  auch  eine  Verschiebung  der  Curven 
nach  oben  oder  unten  eintreten,  die  übrigens  beim  Betrach- 
ten, wenn  man  nicht  misst,  wenig  bemerkbar  sein  würde,  da 
die  Curve  das  ganze  Gesichtsfeld  von  oben  nach  unten  durch- 
zieht. Dies  würde  für  x^^  >  z^,  also  wenn  die  optische  Axe 
mit  der  reflectirenden  Fläche  einen  Winkel  bildet,  der 
>45'*  ist,  Ellipsen  geben,  deren  F-Axe  kleiner  als  ihre 
/'-Axe  ist 

Eine  Reihe  von  Vorversuchen  ergab  alsbald,  dass  für 
gewisse  Axenrichtungon  in  der  That  einzelne  Bilder  an  be- 
stimmten Stellen  verschwinden,  wenn  man  Licht  im  Innern 
<  ines  einaxigen  Krystalles,  hier  Kalkspath,  einmal  reflectiren 
lässt.  Ich  hatte  mir  an  ein  kleines  Kalkspathrhomboeder, 
(las  mir  von  Hrn.  Prof.  Röntgen  gütigst  überlassen  wurde, 
eine  Fläche  angeschliffen,  die  zur  optischen  Axe  schätzungs- 
weise um  50 — 60®  geneigt  sein  mag;  Eintrittsfläche  des 
liichtes  ist  eine  von  den  natürlichen  Flächen,  als  Austritts- 
fläche wurde  eine  neue  so  angeschliffen,  dass  an  ihr  in  dem 
zu  beobachtenden  Gebiete  keine  totale  Reflexion  eintreten 
kann.  Von  einer  Gasflamme  sieht  man  vier  Bilder,  und  von 
diesen  vier  Bildern  verschwindet  das  eine  oder  das  andere 


600  R.  Geisel. 

bei  bestimmten  StelluDgen  des  Erystalls  und  kommt  in  den 
Nachbarlagen  wieder  zum  Vorschein. 

Die  Politur  der  neu  angeschliffenen  Flächen  ist  mir 
jedoch  nicht  ganz  nach  Wunsch  gelungen;  ausserdem  ist  der 
Krystall  durch  öfteres  Anschleifen  von  immer  wieder  anders 
geneigten  Flächen  schliesslich  so  klein  geworden ,  dass  man 
zwar  noch  die  allgemeinen  Erscheinungen  in  ihm  sehen,  den- 
selben jedoch  zu  Messungen,  wie  sie  zur  Üharakterisirung 
des  Gesehenen  nothwendig  sind,  nicht  benutzen  kann. 

Ich  bestellte  mir  deshalb  bei  den  Herren  Dr.  Steeg  und 
Reuter  in  Homburg  v.  d.  H.  einen  Krystall,  der,  in  vorzüg- 
licher Ausfuhrung,  vollständig  zur  Beobachtung  und  Messung 
geeignet  ist. 

Derselbe  ist  aus  einem  ßhomboeder  von  etwa  85  mm 
Eantenlänge  hergestellt  und  hat  folgende,  meinen  Angaben 
entsprochende  Gestalt  erhalten: 

Die  Ebenen  ABB,  DFC  und  FEBC  der  Fig.  11  sind 
Stücke  natürlicher  Flächen  des  Rhomboeders. 

Bei  E  wurde  eine  kleine  dreieckige  Fläche  senkrecht 
zur  optischen  Axe  angeschliffen.  Die  Ebene  AB  CD,  welche 
die  reflectirende  Fläche  werden  sollte,  wurde  gegen  die  kleine 
dreieckige  Fläche  E  um  30®  geneigt  angeschliffen,  sodass  die 
reflectirende  Fläche  mit  der  optischen  Axe  einen  Winkel 
von  60*^  bildet. 

Der  Flächenwinkel  BC  war  zu  ungefähr  30®  bestellt  und 
weicht,  wie  nachträgliche  Messungen  ergaben,  nur  um  wenige 
Minuten  von  diesem  Werthe  ab. 

Die  Flächen  Winkel  AB  und  DC  betragen  je  74®  40'. 

Die  Fläche  AEFD  bildet  mit  der  refiectireiiden  Fläche 
AB  CD  ebenfalls  einen  Winkel  von  ungefähr  30®  und  ist 
der  Z  Axe  des  früher  gewählten  Coordinatensystems,  welche 
in  AB  CD  ungefähr  die  durch  die  punktirte  Linie  gegebene 
hat,  nahezu  parallel. 

Die  Richtungs Verhältnisse  dieser  Fläche  AEFD,  welche 
die  Austrittsüäche  werden  sollte,  wurden  von  mir  in  der 
angegebenen  Weise  deshalb  gewählt,  weil  so,  wie  ich  durch 
Rechnung  feststellte,  die  Austrittsbedingungen  für  Licht,  das 
an  der  hinteren  Fläche  reflectirt  wird,  am  günstigsten  wer- 
den, insbesondere  für  den  ganzen  möglicherweise  von  Inter* 


Sckwinyutufsrickiung  des  polar isirten  iJcläes,  601 

esse  werdenden  Beobachtungsbereich  eine  totale  Reflexion 
an  AEFD  nicht  zu  befürchten  ist. 

Polirt  sind  nur  die  Eintrittsfläche  EBCF,  die  reflec- 
tirende  Fläche  ABCD  und  die  Austrittsfläche  AEFD. 

Die  beiden  natürlichen  Flächen  ABE  und  DCF  sind 
nicht  eigens  polirt,  jedoch  immerhin  so  glatt,  dass  es  mög- 
lich wurde,  die  Flächenwinkel  AB  und  DC  mit  dem  Goneo- 
meter  hinreichend  genau  zu  bestimmen.     (74*^40'.) 

(Kleine  Stücke  natürlicher  Flächen,  die  an  den  Kanten 
AD  und  BC  übrig  geblieben  sind,  sind  in  der  Figur  weg- 
gelassen.) 

Die  allgemeinen  Erscheinungen,  die  man  in  diesem  Kry- 
stalle  bei  einmaliger  Reflexion  des  Lichtes  an  der  hinteren 
Fläche  wahrnimmt,  und  zu  welchen  man,  bis  man  sich  einmal 
orientirt  und  eingeübt  hat,  einer  gewöhnlichen  Kerze  oder 
Gasflamme  sich  bedienen  kann,  sind  folgende: 

Man  sieht  vier  Bilder  der  Lichtquelle,  die  bei  dieser 
Anordnung  der  Flächen  nahezu  in  einer  Linie  stehen  (bei 
anderem  Schliffe  bilden  sie  die  Ecken  eines  Rhombus). 

12       3       4 

1      !  1 

Die  beiden  mittleren  Bilder  2  und  3  gehen  durcheinan- 
der hindurch,  wenn  man  die  obere  Kante  des  Krystalles 
weiter  gegen  die  Lichtquelle  zu  neigt,  und  vertauschen  dann 
ihre  Stellung  und  umgekehrt.  Man  kann  sie  leicht  getrennt 
voneinander  halten.  Um  eine  bestimmte  Stellung  zu  charak- 
terisiren,  wollen  wir  sagen,  dass  die  Kaute  EF  ungefähr 
senkrecht  zum  einfallenden  Lichte  stehen  soll. 

Bringt  man  zwischen  Licht  und  Kry  stall  ein  !Nicol 
so,  dass  sein  Hauptschnitt  dem  des  Krystalls  parallel  ist,  so 
tritt  in  den  letzteren  nur  Licht  ein,  welches  parallel  dem 
Hauptschnitte  polarisirt  ist,  es  kommen  nur  ausserordent- 
liche Strahlen  zu  Stande.  Dabei  sieht  man,  dass  die  Bilder  3 
und  4  verschwinden,  die  Bilder  1  und  2,  welche  bestehen 
bleiben,  rühren  also  von  Strahlen  her,  die  vor  der  Reflexion 
ausserordentliche  waren.  Eine  Drehung  des  Nicols  um  90^ 
bewirkt  Verschwinden  der  Bilder  1  und  2,  während  3  und 
4  wieder  erschienen  sind;  die  Hauptschnitte  des  Nicols  und 
des  Krystalls  stehen  jetzt  senkrecht  zu  einander,  die  Bilder  3 


002  R.  GeigeL 

und  4  rühren  von  Strahlen  her,  die  vor  der  Ketlexion  ordent- 
liche waren,  denn  nur  solche  treten  jetzt  überhaupt  ein. 

Jetzt  beobachten  wir  das  an  AB  CD  reflectirte,  ans 
AEFD  austretende  Licht  mit  dem  Nicol. 

Stehen  die  beiden  Hauptschnitte  parallel,  so  verschwin- 
den die  Bilder  1  und  3;  die  Bilder  2  und  4  bleiben  da,  letz- 
tere bestehen  also  aus  Strahlen,  die  nach  der  Reflexion 
ausserordentliche  sind. 

Drehung  des  Nicols  um  90^  bewirkt  Verschwinden  der 
Bilder  2  und  4,  während  1  und  3  wieder  erscheinen.  Die 
Bilder  1  und  3  bestehen  also  aus  Strahlen,  die  nach  der 
Bedexion  ordentliche  sind. 

Daraus  folgt: 

Die  Strahlen  des  Bildes  3  sind  vor  und  nach  der  Re- 
flexion ordentliche;  S  ist  also  das  ordentlich  reflectirte  ordent- 
liche Bild. 

Die  Strahlen  des  Bildes  2  sind  vor  und  nach  der  Re- 
flexion ausserordentliche;  2  ist  also  dos  aussa^ordentlich  reflec- 
tirte ausserordentliche  Bild. 

Ich  will  fernerhin  das  Bild  3  das  ordentliche  Hauptbildy 
das   Bild  2  das  ausserordentliche  Uauptbild  nennen. 

Die  Strahlen  des  Bildes  4  sind  vor  der  Reflexion  ordent- 
liche, nach  derselben  ausserordentliche,  das  Bild  rührt  also 
von  dem  durch  Reflexion  entstandenen  ausserordentlichen 
Theile  der  eingetretenen  ordentlichen  Strahlen  her;  ich  will 
das  Bild  4  das  derivirte  Bild  des  ordentlichen  Ilnuptbildes  nennen 
(da  es  ja  von  denselben  eingetretenen  ordentlichen  Strahlen 
herrührt  wie  dieses). 

Die  Strahlen  des  Bildes  1  sind  vor  der  Reflexion  ausser- 
ordentliche, nach  derselben  ordentliche;  das  Bild  besteht  aus 
dem  durch  die  Reflexion  entstandenen  ordentlichen  Theile 
der  eingetretenen  ausserordentlichen  Strahlen.  Ich  nenne* 
(las  Bild  1   das  derivirte  Bild  des  ausserordentlichen  Hnuptbildes. 

Sehr  deutlich  sieht  man  die  beiden  Grenzen  der  totalen 
Reflexion,  die  für  ordenthche  und  die  für  ausserordentliche 
Strahlen;  beide  werden  von  einiger  Bedeutung  für  die  all- 
gemeine ürientirung  sein. 

Wir  suchen  jetzt  unsere  vier  Bilder  auf,  zunächst  wieder 
80,  dass  die  Kante  K F  ungefähr  senkrecht  zum  eintretenden 


Schwivgnn<j8richtung  des  polarisirten  Lichtes.  603 

Lichte  steht,  und  lenken  sie,  um  irgendwo  die  Beobachtung 
zu  beginnen  in  das  Gebiet  der  totalen  Reflexion;  jetzt  drehen 
wir  den  Krystall  langsam  um  EF  als  Axe,  von  oben  ge- 
sehen umgekehrt  wie  die  Uhrzeiger,  also  die  Kante  BC  vom 
Lichte  weg,  die  vier  Bilder  rücken  weiter  nach  links,  gehen 
durch  die  Grenze  der  totalen  Reflexion,  und  drehen  wir  jetzt 
noch  um  etwa  10®  weiter,  so  sehen  wir,  dass  das  Bild  3, 
also  das  ordentliche  Hauptbild  verschwindet,  um  gleich  da- 
rauf, bei  noch  weiterer  Drehung,  wieder  zu  erscheinen.  Das 
ausserordentliche  Hauptbild  (2)  ändert  sich  dabei  nicht. 

Diese  Verschwindungsstelle  für  das  ordentliche  Haupt- 
bild ist  aber  nicht  eine  isolirte. 

Wir  machen  jetzt  denselben  Versuch  bei  anderer  Stellung 
der  Kante  EFj  wobei  diese  nicht  mehr  senkrecht  zum  ein- 
fallenden Lichte  steht,  wir  neigen  £  dem  Lichte  zu  und 
davon  ab,  immer  finden  wir,  dass  das  Bild  3  ungefähr  10® 
innerhalb  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  (hier  also  links 
von  ihr)  verschwindet. 

Oder,  was  dasselbe  ist,  wenn  wir  das  Bild  3  an  die  Ver- 
schwindungsstelle bringen,  so  können  wir  bei  nur  einiger 
Uebuog  den  Krystall  mit  dem  Punkte  E  beliebig  gegen  das 
Licht  und  von  demselben  weg  neigen,  ohne  dass  das  Bild  8 
wieder  erscheint. 

Die  Bilder  steigen  dabei  auf  und  ab,  das  ordentliche 
Hauptbild  bewegt  sich  auf  einer  ununterbrochenen  Verschwin- 
(lungscurve. 

Ausserhalb  und  innerhalb  dieser  Curve  ist  ein  weiteres 
Verschwinden  des  ordentlichen  Hauptbildes  nirgends  mehr 
auffindbar,  nicht  einmal  ein  Schwächerwerden  desselben,  aus 
dem  man  allenfalls  schliessen  könnte,  dass  es  bei  noch  wei- 
terer Drehung  verschwinden  würde.  Auch  das  ausserordent- 
liche Hauptbild  verschwindet  an  keiner  Stelle. 

Das  bind  die  Erscheinungen  an  den  beiden  Hauptbildern. 
Nicht  minder  Charakteristisches  bieten  die  zwei  derivirten 
Bilder. 

Zuerst  das  derivirte  Bild  (4)  des  ordentlichen  Hauptbildes, 
Bringt  man  den  Krystall  in  die  schon  erwähnte  Stellung, 
Kante  EF  senkrecht  zum  einfallenden  Lichte,  und  lässt  das 
Bild  4  durch  die  zu  ihm  gehörige  Orenze  der  totalen  Reflexion 


604  R.  Geigd. 

(es  ist  dies  hier  die  weiter  rechts  gelegene)  hindurchwandern, 
so  tritt  nur  das  allgemeine  Stärker-,  beziehungsweise  Schwä- 
cherwerden des  Bildes  auf,  je  nachdem  sein  Licht  total  re- 
flectirt  wird  oder  nicht. 

Jetzt  neigt  man  den  Krystall  mit  E  ein  wenig  gegen 
die  Lichtquelle,  als  welche  man  jetzt  am  besten  eine  Natrium- 
flamme benutzt,  indem  man  dabei  fortwährend  das  4.  Bild 
vermittelst  kurzer  Drehungen  um  EF  durch  die  Grenze  der 
totalen  Reflexion  hindurch  und  wieder  zurücktreten  lässt. 
Schon  bei  einer  Neigung  von  wenig  Graden  sieht  man,  dass 
auf  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  ein  zuerst  ganz  schma- 
ler und  zarter,  nach  unten  spitz  auslaufender  Verschwin- 
dungsstreifen  die  ganze  Natriumflamme  durchzieht;  dieser 
Verschwindungsstreifen  wird  breiter,  je  weiter  man  den  Kry- 
stall nach  vorn  neigt,  und  verlässt  bald  die  Grenze  der  to- 
talen Reflexion,  sich  weiter  nach  links,  also  in  das  Gebiet 
der  theilweisen  Reflexion  hineinziehend.  Dass  er  sich  wirk- 
lich von  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  trennt  und  nicht 
durchaus  in  dieser  verläuft,  sieht  man  bei  etwas  stärkerer 
Neigung  sehr  leicht.  Das  derivirte  Bild  4  verschwindet  dann 
einige  Grad  innerhalb  der  totalen  Reflexionsgrenze,  kommt 
wieder  zum  Vorschein  und  geht  erst  dann  durch  dieselbe 
hindurch. 

Man  hat  es  also  auch  hier  mit  einer  ausgedehnten  Ver- 
schwindungscurve  zu  thun,  die  eine  Zeit  lang  wenigstens  nahe- 
zu mit  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  gleichlaufend  ist, 
deren  Verfolgung  nach  der  einen  Richtung  (hier  nach  unten) 
in  das  Gebiet  der  totalen  Reflexion,  wo  sie  vernichtet  wird, 
nach  der  anderen  Richtung  (hier  nach  oben)  in  das  Gebiet 
der  theilweisen  Reflexion  fuhrt. 

Die  Erscheinungen  am  derivirten  Bild  1  des  ausserordent- 
lichen IlanpthUdes  sind  gerade  umgekehrt. 

Bei  der  ursprünglichen  Stellung  des  Krystalles  (£"f' senk- 
recht eintretendem  Licht)  verschwindet  Bild  1  im  Gebiete 
der  theilweisen  Reflexion,  wenige  Grad  links  von  der  zuge- 
hörigen Grenze  der  totalen  Reflexion.  Je  weiter  vom  Lichte 
weg  man  E  neigt,  um  so  weiter  entfernt  sich  die  Verschwin- 
dungsstelle  von  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  in  das  Ge- 
biet  der  theilweisen   hinein.     .Je    weiter  gegen  das  Licht  zu 


Scliwwyunyarichtinuf  des  polar isirten  Lichtes,  605 

man  E  neigt.,  um  so  mehr  nähert  sich  die  Verschwindungs- 
stelle  der  Grenze  dev  totalen  Reflexion,  die  Verschwindungs- 
linie,  die  das  Bild  durchzieht^  läuft  eine  Zeit  lang  mit  dieser 
Grenze,  wird  immer  schmaler  und  zarter  und  endigt  schliess- 
lich bei  sehr  starker  Neigung  oben  ebenso  in  einer  Spitze, 
wie  die  im  Bilde  4  unten. 

Also  auch  hier  haben  wir  eine  ausgedehnte  zusammen- 
hängende Verschwindungscurve,  die  aber  nach  oben  in  das 
Gebiet  der  totalen,  nach  unten  in  das  der  theil weisen  B.e- 
flexion  führt. 

Um  entscheiden  zu  können,  mit  welcher  von  beiden 
Theorien  diese  Verschwindungscurven  im  Einklänge  stehen, 
oder  ob  beide  Annahmen  dieselbe  Curve  geben,  ist  es 
nöthig,  neuerdings  einige  geometrische  Ableitungen  voraus- 
zuschicken. 

Ich  wende  mich  zuerst  zur  Verschwindungscurve  des 
Bildes  4. 

Zwei  wesentliche  Aenderungen  gegenüber  den  früheren 
Ableitungen  ergeben  sich  hier. 

Erstens  ist  die  reflectirte  Schwingung  nicht  mehr  die 
eines  ordentlichen,  sondern  eines  ausserordentlichen  Strah- 
les, denn  das  Bild  4  entsteht  ja  durch  den  ausserordentlich 
reflectirten  Theil  der  einfallenden  ordentlichen  Strahlen ; 
die  einfallende  Schwingung  ist  dagegen  dieselbe  wie  früher. 

Zweitens  haben  wir  es  jetzt  mit  Einfallswinkeln  zu  thun, 
die  grösser  als  der  Polarisationswinkel  sind;  eine  von  den 
Componenten  OB  und  OC  (Fig.  9)  erleidet  also  genübor  der 
anderen  eine  Verzögerung,  die  jedenfalls  mehr  als  ^/^  Wel- 
lenlänge, sogar  nahezu  ^2  Wellenlänge  betragen  wird,  da  wir 
auf  der  Grenze  der  totalen  Reflexion,  wo  ja  die  Erscheinung 
am  prägnantesten  ist,  schon  um  etwa  7**  den  Polarisations- 
winkel überschritten  haben.  Für  das  Verschwinden  des  deri- 
virten  Bildes  haben  wir  nicht  mehr  die  Bedingung,  dass  die 
Projection  der  reflectirten  ordentlichen  Schwingung  mit  OA 
zusammenfällt,  sondern,  wie  schon  früher  (p.  591)  bemerkt, 
es  muss,  wie  Fig.  12  zeigt,  wo  OC  die  um  A/2  verzögerte 
Componente  ist,  die  Projection  der  reflectirten  ordentlichen 
Schwingung  nach  OA'  fallen,  d.  h.  der  Winkel,  den  OA  mit 


606  R,  GeiyeL 

EE'  bildet,  muss  dem  Winkel,  den  OA  mit  EE"  bildet,  ne- 
gativ gleich  sein.  , 

a)  Nach  Neumann. 
Projection  der  einfallenden  ordentlichen  Schwingung  {OA): 

z  =     /C?^ '^*'^'     ,y  +  Const.  =  4  .  V  +  Const 
Projection  der  reflectirten  ordentlichen  Schwingung  [OA] : 

Grleichung  von  EE': 


z  = 


—   » 


"  y  4-  Const.  =  J^  .y  +  Gonst. 


Für  den  Winkel  a  =  ^40^  ergibt  sich: 
und  far  den  Winkel  a  =  ^'O^': 

Als    Bedingung    für    das   Verschwinden    des   derivirten 
Bildes  des  ordentlichen  Hauptbildes  ist  also  zu  setzen: 

'i        >   _i_         'i        'i  '2 


3 


Diese  Gleichung  ist  erfüllt:  1)  für  y^  =0,  also  in  der 
Z-Axe,  2)  für  yj^r^  +  z^^z^  -  r, .  2zq^  +  0:^,2^^  +  z^3  ^  q,  oder 
y^*  +  2j^  —  z^ .  2  r^j  4-  (xq2  4.  Zf^)  =  0,  was  keine  geometrische 
Bedeutung  hat,  3)  für  j/^^Jq^  +  ^i^J^o^  ~"  ^1  •  ^^o'-^^o  +  - -^o^^o* 
=  yi*^o*  + -^i^^o^  ~  ^i^o^-^o»  woraus  sich  ergibt: 

Zj .  2  X(,2zjj  =  2  a:o*Zo^  oder: 

also  eine  im  Abstände  +  z^  zur   F-Axe  gezogene  Parallele. 

b)  Nach  Fresnel. 
Projection  der  einfallenden  ordentlichen  Schwingung: 

z  =  —  ^  y  +  Const. 

Projection  der  reflectirten  ordentlichen  Schwingung: 


iSchwintfunysrichtung  des  polarisirten  Lichtes,  607 

r  =  „-  ^-       'f/  +  Oonst. 

EE':  ^^  "  ^^ .  y  +  Oonst. 

.Vi 

Hier  ist  also:  tffa=    ^^'-^^^'^  ^^'' 

tff  a'  =  iii_TLfo)i?_«o_-  «i)  -  yi'  ^ 

^  yi«o 

Als  Bedingung  für  das  Verschwinden  des  derivirten  Bil- 
des hat  man  daher: 

(fi  -  gp^  g|  +  yi  ^    ^  _.  (51  -gu)e^go  -  gi^  -  ^1* 

woraus  sich  ergibt: 

(^1 '  -  -2^1  ^0  +  .Vi  ^)yi  ^ü  =  -  l2 2'o2'i  -  22^2  _  .^  2  ^  2:^  z,  -  y^  ')ij^  Zq. 
Diese  Gleichung  ist  wieder  erfüllt: 
1)  für  y^  =  0,  also  die  Z-Axe, 

2)  für  z,2  -  rj.-o  +  !/r  =  --^0^1  +  2 V  +  ^r  -  ^1^0  +  .y.S 

woraus  wieder: 

(8)  Zj  =  z^  entsteht. 

Nach  beiden  Annahmen  also  müsste  das  derivirte  Bild 
des  ordentlichen  Hauptbildes  auf  einer  im  Abstände  +  z^ 
zur  F-Axe  gezogenen  Parallen  verschwinden. 

Die  beiden  hier  wirklich  zusammenfallenden  Verschwin- 
dungslinien  haben  natürlich  innerhalb  des  Folarisationswin- 
kels  und  ausserhalb  der  Grenze  der  totalen  Reflexion  keine 
Gültigkeit.  Aber  auch  zwischen  diesen  beiden  Grenzen  wer- 
den sie  altcrirt  werden  und  nach  innen  oder  nach  aussen, 
nach  oben  oder  unten  deformirt  werden.  Eine  Verschiebung 
nach  innen  oder  aussen  würde  sich  nicht  bemerklich  machen, 
da  die  ursprünglichen  Curven  gerade  Linien  sind,  die  gerade 
in  dieser  Richtung  ziehen,  wohl  aber  eine  Deformation  nach 
oben  oder  unten.  Wie  gross  eine  solche  ausfallen  muss, 
kann  man  nicht  sagen,  solange  man  die  dazu  noth wendigen 
Reflexionsformeln  für  innere  Reflexion  nicht  kennt.  Das  aber 
kann  man  sagen,  dass  die  Deformation  um  so  stärker  sein 
muss,  je  weiter  ein  Punkt  der  Verschwind ungslinie  von  der 
Grenze  der  totalen  Reflexion  entfernt  ist,  dass  auf  dieser 
Grenze  selbst,  wo  alles  Licht  reflectirt  wird,  die  Yon  einer 
Schwächung   der   Componenten  OB  oder  OC*  herrührend«  ^^ 


608  R.  Geigel 

Deformation  verschwinden  muss,  und  endlich,  dass,  wenn 
beim  ordentlichen  Hauptbilde  eine  Verschiebung  der  Curve 
nach  unten  eintritt,  hier,  wo  dieselben  Verhältnisse  maass- 
gebend  sind,  ebenfalls  eine  solche  nach  unten  eintreten  muss, 
um  so  stärker,  je  weiter  innen  der  Einfallspunkt  liegt. 

Einstweilen  bemerke  ich,  dass  eine  solche  Deformation 
wirklich  eintritt,  und  zwar  nach  unten,  wie  aus  der  p.  604 
mitgetheilten  Beobachtung  zu  ersehen  ist.  Die  Ourve  wird 
in  dem  weit  hinter  der  FZ- Ebene  liegenden  Bilde  von  links 
oben  nach  rechts  unten  gehend  gesehen,  geht  also  in  der 
FZ-Ebene  von  rechts  unten  nach  links  oben,  oder  von  innen 
und  unten  nach  aussen  und  oben. 

Soviel  von  den  beiden  Bildern,  die  von  einfallenden 
ordentlichen  Strahlen  herrühren.  In  ganz  ähnlicher  Weise 
könnten  auch  die  Bedingungen  für  das  Verschwinden  der 
beiden  von  ausserordentlichen  einfallenden  Strahlen  her- 
rührenden Bilder,  für  das  ausserordentliche  Hauptbild  und 
das  von  ihm  derivirte  Bild  aufgestellt  werden.  Da  man  es 
jedoch  hier  mit  ausserordentlichen  Strahlen  zu  thun  hat,  so 
werden  die  Formeln  insbesondere  beim  derivirten  Bilde  recht 
verwickelt,  ohne  besseren  Aufschluss  zu  geben,  als  man  durch 
einfache  Ueberlegung  auch   ohne  Formeln   bekommen  kann. 

Um  zuerst  vom  ausserordentlichen  Hauptbilde  zu  sprechen, 
so  würde  dieses  verschwinden,  wenn  die  Projection  der  ein- 
fallenden ausserordentlichen  Schwingung  parallel  ist  der  Pro- 
jection der  retiectirten  Schwingung  im  ordentlichen  Theile 
des  ausserordentlichen  Strahles. 

Es  Stimmen  mm  nähorungsweise  überein  nach  Fresnel'- 
scher  Annahme: 

Einfallende  ausserordentliche  Schwingung  des  ausser- 
ordentlichen Strahles  mit 

JJeumann'scher  einlallender  ordentlicher  Schwingung 
des  ordentlichen  Strahles. 

ReHectirte  ordentliche  Schwingung  des  ordentlichen 
Theiles  mit 

F  r  e  s  n  e  1 '  scher    reÜectirter    ordentlicher    Schwingung 
des  ordentlichen  Strahles. 

Xjich   Fresnel  wäre  zu  setzen: 


Schwingungsriciitung  des  polarisirten  Ltehten,  dOO' 


Umgekehrt  nach  Neu  mann: 

_  1l  —  _«  1  .yi'gQ  +  gygb- Vg| . 

Diese  Bedingungen  stimmen  mit  denen  auf  p.  597  für^ 
das  Verschwinden  des  ordentlichen  Hauptbildes  überein  und 
geben  wie  dort  eine  Ellipse.  Da  aber  hier  Fresnel'sche 
und  Neumann'sche  Schwingung  miteinander  vertauscht 
wurden,  so  wird,  wenn  dort  nach  Fresnel'scher  Annahme 
die  Gomponente  OB  (Fig.  9)  stärker  geschwächt  wird  als 
OCy  hier  OC  im  Verhältnisse  kürzer  werden  als  OB  und 
entsprechend  ebenso  nach  Neumann'scher  Annahme  das 
Umgekehrte  eintreten  wie  dort.  Wenn  also  dort  die  Curve 
nach  innen  gedrängt  wurde,  so  muss  sie  hier  nach  aussen 
gedrängt  werden,  und  dabei  kommt  sie  immer  weiter  in  ein 
Bereich,  wo  sie  einfach  nicht  mehr  gilt,  sie  würde  schon 
jenseits  des  Polarisationswinkels  liegen. 

Daraus  erklärt  sich  sofort,  warum  ein  Verschwinden  des 
ausserordentlichen  Hauptbildes  nicht  bemerkt  werden  kann. 

Man  hätte  auch  so  schliessen  können: 

Das  Verschwinden  des  ordentlichen  Hauptbildes  hängt 
blos  von  der  Richtung  der  Schwingungen  in  einem  einfallen- 
den ordentlichen  und  dem  dazu  gehörigen  refiectirten  ausser- 
ordentlichen Strahle  ab.  Ist  nun  (Fig.  13)  OA  ein  einfallender 
ordentlicher  Strahl  und  OE  sein  reflectirter  ausserordent- 
licher Theil,  und  ist  A  gerade  eine  Stelle,  wo  das  ordentlichß 
Hauptbild  verschwindet,  so  könnte  man  sich  umgekehrt  EA 
als  einfallenden  ordentlichen  Strahl  denken  und  AO  als  seinen 
refiectirten  ordentlichen  Theil.  Die  beiden  Strahlen  liegen 
ebenso  zu  einander  wie  vorher,  also  auch  ihre  Schwingungen. 
Die  Schwingungsprojection  von  EA  ist  wie  vorher  der  von 
AO  parallel,  es  würde  dann  das  ausserordentliche  Hauptbild 
verschwinden.  Wenn  man  aber  EA  jetzt  als  einfallenden 
Strahl  betrachtet,  so  heisst  das,  man  hat  die  reflectirende 
Fläche,  die  YZ  Ebene  um  180^  um  die  X-Axe  herumgedreht 
und  mit  ihr  auch  die  früher  gefundene  Verschwindungscurve. 
Läge  diese  symmetrisch  sowohl  zur  Y-  als  zur  Z-Axe,  und 
würde  sie  durch  keine  anderen  Umstände  alterirt,  so  müssten 

Ann.  <L  Pl^.  n.  Cham.  N.  F.  XUVUI.  39 


610  R.  Geigel 

die  beiden  Yerschwindungscurven,  die  des  ordentlichen  and 
die  des  ausserordentlichen  Hauptbildes  gleichzeitig  auftreten, 
die  letztere  etwas  weiter  links  im  Gesichtsfelde,  da  EA  unter 
etwas  grösserem  Winkel  einfällt  als  OA. 

Eine  ganz  ähnliche  Ueberlegung  führt  zum  Resultate, 
dass  auch  die  Verschwindungscurve  für  das  vom  ausserordent- 
lichen flauptbilde  derivirte  Bild  symmetrisch  zu  der  des 
schon  behandelten  derivirten  Bildes  liegen  muss,  und  dies 
scheint  mir  eine  hübsche  Bestätigung  zu  erhalten  durch  die 
schon  p.  604  ancreführte  Beobachtung,  welche  zeigt,  dass  f&r 
das  Bild  (1)  die  Erscheinungen  gerade  umgekehrt  sind,  wie 
für  das  Bild  (4). 

Nach  dem  bisher  Gesagten  kann  noch  keine  Entschei- 
dung darüber  gegeben  werden,  ob  Fresnel,  Neumann  oder 
Maxwell  Recht  behält  Wo  Bilder  verschwinden,  fallen 
Fresnel'sche  und  Neumann'sche  Curve  mindestens  sehr 
nahe  zusammen,  es  verschwindet  dort  magnetische  und  elec- 
trische  Schwingung  gleichzeitig. 

Nun  zeigte  es  sich  aber  in  einem  anderen  Kalkspath- 
krystalle,  der  ganz  ähnlich  dem  bisher  gebrauchten  geschliffen 
ist,  nur  bildet  in  ihm  die  optische  Axe  mit  der  reflectiren- 
den  Fläche  einen  Winkel  von  30^,  dass  in  diesem  das 
ordentliche  Hauptbild  nicht  ganz  verschwindet  j  sondern  blas 
scktoächer  wird. 

Wie  schon  erwähnt,  fallen  die  beiden  Yerschwindungs- 
curven für  das  ordentliche  Hauptbild  nicht  ganz  zusammen, 
sondern  liegen  einander  blos  mehr  oder  weniger  nah.  Liegen 
sie  nun  verhältnissmässig  weit  auseinander,  so  müsste,  wenn 
Fresnel  oder  Neumann  Recht  hätte,  auf  einer  der  beiden 
Curven  das  ordentliche  Hauptbild  ganz  verschwinden.  Hat 
keiner  von  beiden  Rocht,  sondern  ist  das  Verschwinden  der 
magnetischen  und  electrischen  Schwingung  gleichzeitig  nöthig, 
so  wird  zwischen  den  beiden  Curven  ein  Öchwächerwerden 
des  Bildes  zu  erwarten  sein,  da  ja  das  Verschwinden,  auch 
wenn  die  beiden  Curven  zusammenfallen,  auf  denselben  nicht 
plötzlich  eintritt,  sondern  in  der  Nälie  derselben  durch 
Schwächerwerden  eingeleitet  wird. 

Ich  glaube  also,  aus  der  zuletzt  mitgetheilten  Beobach- 
tung  schliessen   zu    müssen,    dass    in    der    That   weder   die 


Schwingungsrichtung  des  polarisirten  Lichtes,  611 

FresneTschey  noch  die  Neumann'sche  Schwingung  allein 
Lichtträger  ist,  sondern  beide  zusammen  gleichberechtigt  und 
gleichverantwortlich  auftreten,  d.  h.  ich  halte  die  besprochene 
Erscheinung  für  einen  Beweis  der  Maxwell' sehen  Theorie. 

Messende   Beobachtung. 

Es  kommt  darauf  an,  für  einen  einfallenden  Strahl  den 
Punkt  v^Tj  zu  finden,  in  dem  er  die  reflectirende  Fläche 
trifft. 

Für  einen  einfallenden  ordentlichen  Strahl,  der  an  der 
yZ-Ebene  theilweise  reäectirt,  theilweise  gebrochen  wird, 
fallen  Reflexions-  und  Brechungsebene  zusammen. 

Bestimmt  man  den  Brechungswinkel  r,  also  den  Winkel, 
den  der  austretende  ordentliche  Strahl  mit  der  Normalen 
bildet,  so  kann  man  den  Einfallswinkel  2  rechnen;  der 
Punkt  y^z^  liegt  dann  in  der  FZ-Ebene  auf  einem  Kreise, 
der  um  den  Coordinatenanfangspunkt,  als  welchen  ich  mir 
den  Mittelpunkt  der  Neumann 'sehen  und  Fresnel'schen 
Verschwindungscurve  denke  (das  ist  der  Punkt  mit  den  Coor- 
dinaten  y  =  0,  z  ^  z^  nach  dem  ursprünglichen  System),  ge- 
legt ist,  auf  welchem  alle  einfallende  Strahlen  den  Einfalls- 
winkel {  haben. 

Bestimmt  man  ferner  den  Winkel,  den  die  Brechungs- 
ebene des  austretenden  Strahles  mit  der  in  der  FZ-Ebene 
gelegenen  F-Axe  bildet,  so  ist  dies  gleichzeitig  der  Winkel 
zwischen  Einfallsebene  und  F-Axe  und  auch  zwischen  der 
yZ-Spur  der  ersteren  und  der  F-Axe. 

Auf  dieser  FZ- Spur  liegt  dann  ebenfalls  der  Punkt 
y^  z^  und  seine  wahre  Stelle  ist  der  Durchschnitt  der 
FZ  Spur  der  Einfallsebene  mit  dem  vorhin  genannten  Kreise. 
Da  naturgemäss  nur  das  auf  der  einen  Seite  der  Z-Axe 
gelegene  Gebiet  beobachtet  werden  kann,  so  kann  kein  Zweifel 
bestehen,  welcher  von  den  beiden  möglichen  Schnittpunkten 
der  richtige  ist. 

Man  braucht  also  blos  den  Brechungswinkel  r  und  den 
Winkel  v  zwischen  Brechungsebene  und  F-Äxe  zu  bestim- 
men. Ersteres  bietet  keine  Schwierigkeit.  Um  letzteres  zu 
können,  muss  man  sich  erst  über  die  Lage  der  F-Axe  auf 
der  Fläche  AB  CD  des  Krystalles  (Fig.  11)  orientiren. 

99* 


612  R.  Geigel 

Die  Fläche  AEB  ist  eine  natürliche,  man  kennt  also 
den  Winkel,  den  sie  mit  der  optischen  Axe  bildet,  hier  also 
mit  der  in  der  XZ-Ebene  gelegenen  Geraden  OL  der  Fig.  10. 
Die  Gleichung  dieser  Geraden  ist  ebenfalls  bekannt,  da 
ZOL  =  60®  sein  soll. 

Der  Flächenwinkel  AB  zwischen  der  FZ-Ebene  und  der 
Ebene  AEB  ist  gemessen  (74<>  40^. 

Aus  diesen  Daten  kann  man  die  Gleichung  einer  Ebene 
aufstellen,  die  parallel  der  Ebene  AEB  ist,  somit  auch  die 
Gleichung  ihrer  FZ-Spur  und  den  Winkel,  den  diese  mit 
der  FAxe  bildet,  oder,  was  dasselbe  ist,  den  Winkel,  den 
die  Kante  AB  oder  die  Kante  DC  mit  der  F-Axe  bildet. 
Ich  finde  diesen  Winkel  durch  eine  hier  nicht  zu  wieder- 
hX)lende,  mehrfach  durchgesehene  Rechnung:  (>«  7®  27'. 

Man  braucht  also  blos  den  Winkel  (r)  zwischen  der 
Brechungsebene  und  einer  der  Kanten  AB  oder  DC  zu 
messen,  um  aus  diesem  und  dem  Winkel  q  den  verlangten 
Winkel  v  berechnen  zu  können.    Es  ist  einfach:  v^r  ^q. 

Die  Versuche  wurden  so  angeordnet: 

Der  Krystall  wird  mit  Wachs  auf  ein  Glastäfelchen 
aufgesetzt  und  kann  da  in  jeder  beliebigen  Stellung  fixirt 
werden;  mit  diesem  steht  er  auf  dem  Tischchen  des  Gonio- 
meters und  wird  mit  Hülfe  des  beleuchteten  Fadenkreuzes 
so  orientirt,  dass  die  Austrittsebene  AB  CD  senkrecht  zum 
Fernrohr  steht.  Die  Kanten  AB  und  DE  können  dabei 
jede  beliebige  Richtung  gegen  die  Ebene  des  Tischchens 
erhalten.  Ich  hatte  dabei  ohne  besondere  Absicht  bei  den 
ersten  Beobachtungen  den  Krystall  mit  der  Fläche  AEB 
auf  das  Wachs  gesetzt  und  habe  diese  Anordnung  dann  auch 
beibehalten. 

Das  Spaltrohr  ist  vom  Goniometer  abgenommen,  an 
einem  besonderen  Stativ  befestigt  und  kann  in  beliebiger 
Lage  vor  eine  Lichtquelle  gebracht  werden. 

Nachdem  die  Ebene  AB  CD  senkrecht  zur  Ebene  des 
Tischchens,  also  auch  senkrecht  zum  Fernrohr  orientirt  ist, 
lasse  ich  durch  das  Spaltrohr  paralleles  Licht  in  EBCF 
eintreten  und  suche  das  aus  AB  CD  austretende  ordentliche 
Bild  des  Spaltes  auf.  Im  allgemeinen  ist  die  Austrittsebene 
noch  nicht  parallel  der  Ebene  des  Tischchens,  um  mich  kurz 


Sckusingungsrichtung  des  polar  isirten  Lichtes,  613 

auszudrücken,  noch  nicht  horizontal.  Durch  Höher-  oder 
Tieferstellen  der  Ldchtquelle  aber  kann  man  das  erreichen. 
Man  verschiebt  diese  und  das  zugehörige  Spaltrohr  so  lange, 
bis  das  austretende  ordentliche  Spaltbild  mit  dem  Fernrohre 
gesehen  werden  kann,  und  seine  Mitte  dabei  mit  dem  Faden- 
kreuze zusammenfällt.  Jetzt  kann  der  Brechungswinkel  ge- 
messen werden. 

Die  Messung  des  Winkels  r  wurde  so  bewerkstelligt. 

Eine  Kreisscheibe  ist  an  ihrem  Rande  mit  einer  Grad- 
theilung  versehen;  ihre  Mitte  ist  durchbohrt  und  mit  einem 
Lager  versehen,  in  welches  ein  kurzes  Metallrohr  leicht  dreh- 
bar eingeschoben  werden  kann.  Auf  der  Seite  der  Grad- 
eintheilung  trägt  das  Rohr  zwei  Metallstreifen,  deren  mit 
Marken  versehene  Enden  an  der  Theilung  bei  Umdrehung 
des  Rohres  entlang  gleiten;  auf  der  anderen  Seite  ist  über 
die  Mitte  der  Rohröffnung  ein  dünner  Faden  gespannt. 

Die  Scheibe  ist  mit  einem  Fusse  versehen  und  wird 
zum  Zwecke  der  Messung  so  vor  den  bereits  senkrecht  orien- 
tirten  Erystall  gestellt,  dass  die  Scheibenebene  der  Ebene 
AB  CD  parallel  ist.  Durch  Drehung  des  Rohres  wird  der 
Faden  horizontal  gestellt,  sodass  er  der  Ebene  des  Tisch- 
chens parallel  ist,  wonach  auf  beiden  Seiten  an  den  Zeiger- 
marken abgelesen  wird.  Hierauf  wird  durch  Drehung  des 
Rohres  der  Faden  mit  der  Kante  DC  zur  Coincidenz  ge- 
bracht und  neuerdings  abgelesen.  Die  Differenz  beider  Ab- 
lesungen gibt  unmittelbar  r.  Ich  verhehle  mir  durchaus 
nicht,  dass  dieses  Verfahren  mancher  Vervollkommnung 
fähig  wäre;  es  gibt  indessen  bei  einiger  Uebung  hinreichende 
Genauigkeit. 

1.     Messung  für  das  ordentliche  Hauptbild. 

Der  Krystall  wurde  auf  die  oben  angegebene  Weise 
orientirt,  durch  Drehung  um  die  verticale  Axe  des  Tisch- 
chens das  ordentliche  Hauptbild  zum  Verschwinden  gebracht, 
bezw.  die  Verschwindungsstelle  in  die  Mitte  des  Spaltbildes 
dirigirt,  dann  r  und  r  gemessen.  Da  der  Krystall  verkehrt 
auf  dem  Tischchen  steht,  ist  für  v  statt  r  —  p  zu  setzen 
(^  —  r ,  damit  einem  positiven  z  auch  positives  v  ent- 
spreche. 


614 


jR.  GeigeL 


Aus  r  wurde  i  berechnet  nach  sin  i  =  sin  rln\  für  n  der 
Brechungsquotient  des  ordentlichen  Strahles  1,658  für  gelbes 
Licht  (wofür  alle  Messungen  gelten)  gesetzt. 


1) 

T=   28« 
v-  -21 

9'. 
27^ 

;      r=41« 
;      t  ==  23 

10'  -" 
23  30. 

2) 

t=   21 
v=  -  18 

25 

48 

;      r=4l 
;      t  =  23 

0  30; 
18  50. 

3) 

r=    4 
V  =  +  3 

20; 

1\ 

,      r=41 
t  =23 

16  30; 
27  20. 

4) 

r=  -  5 

t;=  +12 

30 
57 

;      r=41 
;      it  =  23 

30  — ; 
83  20. 

5) 

T=  -  7 

v  =  +  15 

48  : 
5; 

;      r=  41 
;      t  =  23 

39  30; 
38  10. 

6) 

r  =  -  17« 
i.  =  +  25 

36: 
81; 

;      r=43 
,      /  =  24 

19  30; 
26  50. 

7) 

r=  -23 
u  =  4-  20 

30; 

47; 

r=  45 
1  =  25 

14  — ; 
21  20. 

ß) 

T=  -  38 

1»  =  +  45 

10 
87; 

;      r=  48 
»  =  26 

26  — ; 
49  30. 

Noch  in  demselben  Sinne  weiter  geführte  Messungen 
werden  immer  schwieriger  und  unzuverlässiger  und  zuletzt 
unmöglich,  da  jetzt  in  das  Beobachtungsfeld  eine  Menge 
anderer  Bilder  eintreten,  die  zum  Theil  einer  mehrfachen 
Beflexion  angehören,  und  weil  endlich  totale  Beflexion  an 
AEFD  kein  Licht  mehr  austreten  lässt. 

Man  erkennt  übrigens  recht  gut  den  Gang  der  Ver- 
schwindungscurve. 

In  Nr.  1)  und  2)  ist  z^  negativ,  also  unterhalb  der 
y-Äxe,  geht  durch  0  und  ist  von  Nr.  3)  ab  positiv.  Der  Ein- 
fallswinkel wird,  je  näher  z^  der  F-Axe  von  beiden  Seiten 
her  rückt,  um  so  kleiner,  um  so  kürzer  wird  also  der  Badius- 
vector  der  Curve.  Wir  werden  es  also  in  der  That  mit 
einer  ellipsenähnlichen  Curve  zu  thun  haben,  deren  kleine 
Axe  unterhalb  der   JT-Axe  liegt. 

Die  Curve  erscheint  in  der  That,  wie  erwartet  werden 
musste,  nach  innen  gedrängt,  ausserdem  aber  auch  nach 
unten  verschoben,  woraus,  wie  schon  bemerkt,  auch  folgt, 
dass  die  Curve  des  derivirten  Bildes  nach  unten  verschoben 
sein  muss,  um  so  stärker,  je  weiter  innen  einer  ilirer  Punkte 
liegt. 


Schwingungtrichtang  des  polar isirten  Uclites,  615 

IL  Das  derivirte  Bild  des  ordentlichen  Hauptbildes. 

Ein  Theil  der  Verschwindungscurve  fällt  mit  der  Grenze 
der  totalen  Beflexion  zusammen.  Es  ist  indessen  nicht  leicht, 
zu  constatiren,  wo  gerade  die  Curve  in  den  Kreis  der  totalen 
Reflexion  eintritt,  und  wo  sie  ihn  wieder  verlässt.  In  dieser 
Hinsicht  angestellte  ungefähre  Messungen  ergaben,  dass  für 
1;==  — 46^  der  Verschwindungspunkt  noch  ziemlich  weit 
innerhalb  der  Grenze  der  totalen  Beflexion  ist;  es  ist  hier 
r  =  69^  22',  i  =  34^  22^,  also  der  Verschwindungspunkt  un- 
gefähr 3^  innerhalb  der  mehrgenannten  Grenze. 

Etwa  bei  v  =  —  2^  tritt  die  Verschwindungscurye  in 
letztere  ein,  und  bei  i;  =  +  37  ^  bis  38^  verlässt  sie  dieselbe 
wieder  und  ist  nicht  mehr  sichtbar,  nachdem  sie  in  eine 
feine  Spitze  ausgelaufen  ist. 

Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  bei  1;  =  +37®  bis  38®  auch 
die  letzte  Spur  der  Verschwindungscurve  die  Grenze  der 
totalen  Beflexion  verlassen  hat.  Die  Curve  selbst  ist  ja 
nicht  scharf  abgegrenzt,  sondern  auf  beiden  Seiten  allmäh- 
lich sich  verlierend.  Wirkliches  Auslöschen  des  Lichtes  tritt 
freilich  nur-  im  Kern  der  Curve  ein,  zu  beiden  Seiten  wird 
es  blos  schwächer,  und  es  ist  recht  schwer  zu  entscheiden, 
wo  gerade  das  Licht  vollständig  verschwindet.  Denn  ist  die 
Lichtquelle  ziemlich  schwach,  so  verschwindet  ein  Bild  dem 
Auge  früher,  als  es  den  Curvenkern  erreicht  hat,  ist  sie 
dagegen  sehr  intensiv,  so  blenden  die  übrig  bleibenden  drei 
Bilder  dermassen,  dass  man  wieder  nicht  mit  Sicherheit  die 
Stelle  absoluten  Verschwindens  anzugeben  weiss. 

Wenn  vorhin  gesagt  wurde,  dass  die  Curve  für  i»  =  37** 
die  Grenze  der  totalen  Beflexion  verlässt,  so  ist  natürlich 
der  Kern  der  Curve  durch  diese  schon  früher  hindurch- 
gegangen. Jenseit  dieser  Grenze  ist  eine  Curve  nicht  mehr 
sichtbar,  und  daher  erklärt  sich  das  schliessliche  scheinbare 
Auslaufen  in   eine  Spitze. 

Eiine  besondere  Messung  muss  ich  noch  erwähnen.  Mit 
ziemlicher  Sicherheit  kann  ich  sagen,  dass  das  derivirte  Bild 
gerade  auf  der  Grenze  der  totalen  Beflexion  verschwindet 
filr  r  =  -  6®  24',  also  t;  =  +  1®  3'. 

Nimmt  man  den  Punkt  z^^z^j  i/i=^  z^^  Coordinaten- 


6(16  R.  GeigeL 

mittelpunkt,  so  wird  die  Gleichung  der  y2r-Spar  der  Einfalls- 

ebene  hier: 

(9)  z^yAg\^%\  oder  z  =  y . 0,018 828. 

Der  VerschwinduDgspnnkt  liegt  auch  auf  der  Grenze 
der  totalen  Reflexion. 

Für  solche  muss  sin  t//  (Fig.  10)  dem  Brechungsexpo- 
nenten  des  ordentlichen  Strahles  gleich  sein;  da: 

cos  rp  =  -:=^—  —  .^-^71^    _    ist, 
so  ist:  sin^t/;  =  1  —     ,— — , -f- .  .,-; 


rj 


es  muss  also:      1 j-r — ^-f^ r-,  =  n*  sein, 

woraus  als  Gleichung  für  die  Curve  totaler  Reflexion  sich 
ergibt:  y^*  +  Zj»  -  z^  2 . z^  =  Y^\i^o^  -  V- 

Für  Kalkspath  und  die  Linie  D  des  Spectrums  ist: 

n  =     "^.    sodass  die  Rechnung  gibt: 

yi*  +  -?i'  -  ^1 . 2^0  =  0,57  x^»  -  ZoS 
welche  Gleichung   durch   Substitution   von   z^  =»  Zj  +  z^p   auf 
den  Mittelpunkt  und  auf  das  soeben  eingeführte  Goordinaten- 
system  reducirt  wird  und  dann: 

(10)  y,2  +  Zj2  =  0,57  a-^^  lautet. 

Da  die  optische  Axe  mit  der  yZ- Ebene  einen  Winkel 
von  60®  bildet,  so  ist,  wenn  wir  z^  =  l  setzen: 

Xq  =  ctg  30«  =  1,732;  V  =  3. 

Gleichung  (10)  wird  dadurch: 

(11)  y,2  +  z,2  =  1,30772. 

Aus  (9)  und  (11)  findet  man  den  Punkt  ^^z^,  flir  den 
das  derivirte  Bild  verschwindet,  nämlich: 

y^  =  1,3072,  z,  =0,023  959, 

oder  nadi  dem  alten  Uoordinatensystem  rund: 

yj=l,31,  z,  =  1,02, 
was  mit  der  Gleichung  (7)  gut  übereinstimmt. 

Es  ist  doch  bemerkenswerth,  dass  die  beobachtete  Ver- 
schwindungscurve  mit  der  gerechneten  gerade  da  gut  über- 
einstimmt, wo  eine  Moditication   der  Curve  durch  theilweise 


Schwingunffsrichtunff  (lex  polarisirten  Lichtet,  617 

Reflexion  nicht  mehr  stattfinden  kann,  nämlich  auf  der  Grenze 
der  totalen  Reflexion,  wo  höchstens  noch  der  Umstand  die 
Curve  alteriren  kann,  dass  die  Componente  OC  vielleicht 
noch  nicht  ganz  um  A/4  gegen  OB  verzögert  ist. 

Ja,  es  könnten  sogar  genaue  Messungen  der  Verschwin- 
dungsstelle  auf  der  Grenze  der  Totalreflexion  dazu  dienen, 
die  Grösse  der  relativen  Verzögerung  einer  der  beiden  Gom- 
ponenten  au3  der  Differenz  zwischen  dem  beobachteten  und 
dem  aus  (7)  sich  ergebenden  Verschwindungspunkte  zu  rechnen, 
woraus  dann  wieder  Schlüsse  auf  die  EUipticitätsconstante 
des  Kalkspaths  bei  innerer  Reflexion  gezogen  werden  könnten. 

In  ähnlicher  Weise  könnte  der  Unterschied  zwischen 
berechneten  und  beobachteten  Verschwindungscurven  des  or- 
dentlichen fiauptbildes  zur  Feststellung  der  Reflexionsgesetze 
bei  innerer  Reflexion  benutzt  werden,  wenn  die  EUipticitäts- 
constante bereits  feststeht.  Man  miisste  dann  nur  die  beiden 
Gleichungen  (4)  und  (5)  bequem  handhaben  können.  Da 
deren  Hauptcomplication  in  den  Grössen  x^,  y^  und  z^  liegt, 
so  möchte  ich,  obwohl  dies  nicht  in  strengem  Zusammen- 
hange mit  vorliegender  Arbeit  steht,  noch  kurz  angeben, 
dass  diese  Grössen  für  einen  bestimmt  geschliffenen  Erystall 
eine  verhältnissmässig  bequeme,  der  Rechnung  und  weiteren 
analytischen  Behandlung  zugänglichere  Form  annehmen. 

Für  den  hier  ausschliesslich  gebrauchten  Krystall,  in 
dem  die  optische  Axe  mit  der  reflectirenden  Fläche  60^  ein- 
schliesst,  ist  z^^  \^  .r^  =  1,732. 

Für  a  und  c  haben  wir  die  reciproken  Werthe  der  zwei 
Brechungsexponenten  des  Kalkspathes  für  gelbes  Licht  zu 
setzen,  also: 

-=  1,187  =  0'«'250,  .  =  ^3=0,60314. 

Die  einzelnen  Theile  der  Gleichung  für  z,  kann  man 
nach  Potenzen  von  y^  und  z^  ordnen,  deren  Coi^fficienten 
rechnen  und  die  gleichnamigen  Potenzen  zusammenziehen. 
Man  erhält  dadurch: 

«3  =  -  0,20405 .^1  +  0,20405  . «,  +  y-~0,mil^y^ z^* 
+  0,2Öb95y7*«i  +  0,02978  y7'  +  0,25719  «i»  -  0,51488  «,  "+~llÖ2876 ; 

ferner :  a?,  =  0,49989 .  y^  —  0,49989 .  ^j  r^  -f  0,7 1 7  7  7 .  Zj 
und  ^3  »0^74983.^1. 


618      jR.  Geiffel.    Schwingungsrichtung  des  polar,  Lichtes, 

Ich  muss  noch  sagen,  dass  ich  mir  wohl  überlegt  habe, 
ob  nicht  das  beobachtete  Verschwinden  einzelner  Bilder  aas 
einem  anderen  Gesichtspunkte  sich  erklären  Hesse.  Ich 
konnte  mir  jedoch  schlechterdings  auf  keine  andere  Weise 
die  Sache  erklären.  Totale  Beflexion  an  der  Austrittsfläche 
ist  ausgeschlossen,  denn  erstens  ist  letztere  so  gewählt  wor- 
den, dass  im  kritischen  Beobachtungsgebiet  eine  solche  nicht 
eintritt,  zweitens  erscheinen  ja  die  Bilder  auf  der  anderen 
Seite  der  Verschwindungscurve  wieder,  drittens  bleiben  die 
anderen  drei  Bilder,  wenn  eines  verschwindet,  ganz  unbe- 
helligt. 

Man  könnte  ferner  daran  denken,  dass  bei  Strahlen,  die 
unter  dem  Polarisationswinkel  einfallen,  die  eine  Componente 
OB  oder  OC  vollständig  austritt;  die  andere  aber  wird  dann 
ja  doch  in  zwei  Componenten  zerlegt,  von  denen  die  eine 
einen  ordentlichen,  die  andere  einen  ausserordentlichen  Strahl 
zur  Folge  hat. 

Wenn  man  bedenkt,  dass  in  vorliegender  Arbeit  nicht 
zuerst  die  Gurven  gesehen  wurden  und  dann  nach  einer  Er- 
klärung derselben  gesucht  wurde,  sondern  dass  zum  Zwecke 
des  Entscheids  über  die  streitigen  Ansichten  zuerst  Ver- 
schwindungscurven  berechnet,  dann  wirklich  solche  aufge- 
funden wurden,  zwar  nicht  an  Stellen,  die  vollständig  mit 
der  Rechnung  übereinstimmen;  dass  aber  von  vornherein  aus 
theoretischen  Gründen  eine  völlige  Uebereinstimmung  als  ein 
gar  nicht  zu  erwartendes  Ereigniss  angegeben  war,  und  end- 
lich, dass  die  Art  der  Abweichung  zwischen  Rechnung  und 
Beobachtung  plausibel  gemacht  werden  konnte,  wenn  auch 
über  den  Grad  der  Abweichung  rechnerisch  noch  nichts  ge- 
sagt werden  kann,  so  darf  mau  wohl  die  Richtigkeit  der 
Behandlung  des  StoflFes  annehmen. 

Sollte  es  trotzdem  noch  möglich  werden,  die  Verschwin- 
dungscurven  auf  andere  Weise  zu  erklären,  so  bleibt  der 
Arbeit,  glaube  ich,  dennoch  der  Werth,  dass  in  ihr  Er- 
scheinungen aufgefunden  wurden,  die  für  die  Charakterisirung 
der  Lichtvorgänge  bei  innerer  Reflexion  und  das,  was  aus 
solchen  auf  Lichttheorie  und  Constitution  des  Krystalles  ge- 
schlossen werden  kann,  von  Bedeutung  sein  werden. 


A.   IVülhier.     Gasspectra,  619 

VII.    Veher  den  allmählichefh  Vebergang 
der   Gasspectra    in   ihre   verschiedenen  Farmen; 

von  Am   Willlner. 

(Aus  den  Sitzungsber.  der  Rönigl.  Preiiss.  Acad.  der  Wiss.   zu  Berlin 
vom  25.  Juli  1889;  mitgetheilt  vom  Hm.  Verf.) 


1.  Vor  zehn  Jahren  habe  ich  gezeigt,^)  dass  man  das 
gewöhnliche  Bandenspectrum  des  Stickstoffs  durch  stets  wei- 
ter getriebene  Verdünnung  des  Gases  in  ein  Spectrum  ver- 
wandeln kann,  dessen  Maxima  im  Grünen  und  Blauen  an 
ganz  anderen  Stellen  liegen ,  als  im  gewöhnlichen  Banden- 
spectrum; ich  zeigte  damals,  dass  diese  Umwandlung  eine 
allmähliche  ist,  dass  man  das  allmähliche  Hellerwerden  der 
neuen  Maxima  bei  schrittweise  fortschreitender  Verdünnung 
des  Gases  verfolgen  kann.  Als  letzter  Rest  des  Spectrums 
bei  der  stärksten  erreichten  Verdünnung  blieben  wesentlich 
diese  Maxima  als  helle  Linien  übrig,  deshalb  nannte  ich  das 
ISpectrum  ein  Linienspectrum  des  Stickstoffs.  In  diesem 
Spectrum  fand  sich  schon  eine  nicht  unerhebliche  Zahl  von 
Linien  des  Plücker' sehen  Linienspectrum»,  von  denen  ich 
unter  anderen  die  allmähliche  Eotwickelung  der  beiden  cha- 
rakteristischen hellen  Linien  mit  den  Wellenlängen  500,8  und 
500,4  beschrieben  habe.  Gerade  in  diesem  allmählichen 
Hervortreten  der  im  gewöhnlichen  Bandenspectrum  nicht 
vorhandenen  Maxima,  welche  man,  sobald  ihre  Helligkeit 
gross  genug  geworden  ist,  als  aus  einzelnen  Linien  zusam- 
mengesetzt erkennt,  sah  ich  einen  Beweis  dafür, ^)  dass  ein 
so  qualitativer  Unterschied  zwischen  den   von  Plücker   als 


1)  Wüllner,  Wied.  Ann.  8.  p.  590.  1879. 

2)  Hr.  Kayser  hat  diese  meine  Beobachtungen  ganz  übersehen, 
wenn  er  in  seiner  1883  erschienenen  Spectralanalyse  noch  behauptet,  der 
Uebergang  vom  Bandenspectrum  zum  Linienspectrum  sei  stets  ein  sprung- 
weiser, und  dies  als  Beweis  dafür  ansieht,  dass  es  andere  Molecüle  seien, 
welche  das  Bandenspectrum,  andere,  welche  das  Linienspectrum  liefern. 
Auch  Hr.  Hasselberg  scheint  von  dem  Inhalte  meiner  Abhandlung  nur 
eine  sehr  unvollständige  Kenntniss  gehabt  zu  haben,  wenn  er  in  seiner 
Abhandlung  zur  Spectroskopie  des  Stickstoffii  (Mdm.  de  l'Acad.  de  8t 
P^tersbourg  (7)  82.  1885)  meint,  dass  bei  meinen  Vermchen  der  Qtitkr 
Stoff  nach  Durchgang  durch  ein  Zwischenstadium  in  seine  Atome 
faUen  sei. 


620  A.   Wüllner, 

Spectra  erster  und  zweiter  Ordnung  bezeichneten  Spectren 
nicht  vorhanden  ist,  wie  die  Auffassung  es  verlangt,  dass 
das  eine  Spectrum  den  Molecülen,  das  andere  den  Atomen» 
wie  sie  durch  eine  Zerreissung  der  Molecüle  entstehen,  ent- 
spricht. Es  schien  mir  das  vielmehr  zu  beweisen,  dass  wir 
in  dem  beobachteten  Spectrum  eben  jenes  Licht  wahrnehmen, 
wie  es  von  den  Gasmolecülen  je  nach  der  Temperatur,  sowie 
Dicke  und  Dichte  der  strahlenden  Schicht  mit  solcher  In« 
tensität  ausgesandt  wird,  dass  wir  es  in  dem  durch  Zerlegung 
des  ausgesandten  Lichtes  entworfenen  Spectrum  wahrnehmen 
können.  ^) 

Im  vergangenen  Winter  habe  ich  die  Frage  der  Verän- 
derlichkeit der  Gasspectra  neuerdings  experimentell  verfolgt, 
insbesondere  um  zu  versuchen,  ob  sich  nicht  auch  jene  Linien 
des  Plücker'schen  Linienspectrums  allmählich  hervorrufen 
Hessen,  welche  sich  in  dem  damals  von  mir  beschriebenen 
Spectrum  noch  nicht  fanden,  allgemeiner  ob  sich  nicht  ein 
stetiger  Uebergang  der  verschiedenen  Formen  der  Spectra 
der  Gase  erreichen  lasse. 

Da  nach  der  von  mir  vertretenen  Auffassung  der  Spectra 
die  Linienspectra  so  zu  sagen  unvollständige  Spectra  sind, 
die  uns  in  der  beschränkten  Zahl  von  hellen  Linien  nur  die  * 
intensivsten  der  von  den  Gasen  ausgesandten  Wellen  zeigen, 
weil  sie  nur  von  der  durch  den  Funken  getroflFenen  MolecQl- 
reihe  ausgesandt  werden,  so  handelte  es  sich  für  mich  vor- 
zugsweise darum,  zu  versuchen,  ob  es  nicht  möglich  sei, 
dickere  Schichten  der  Gase  auf  erheblich  verschiedene  Tem- 
peraturen zu  bringen.  Die  dickeren  Schichten  müssen  nach 
meiner  Auffassung  das  vollständige  Spectrum  liefern,  also  auch 
zeigen,  wenn  es  gelingen  sollte,  die  dickeren  Gasschichten  auf 
jene  Temperatur  zubringen,  bei  welcher  die  Linien  des  Linien- 
spectrums sich  zeigen,  ob  in  der  That  dann  das  Spectrum 
nur  aus  diesen  besteht,  wie  es  Ängström  und  seine  Nach- 
folger wollen,  oder  ob  die  Linien  in  der  That  nur  die  hell- 
sten eines  vollständigen  Spectrums  sind. 

2.  Ich  benutzte  zu  diesen  Versuchen  Spectralröhren  mit 
longitüdinaler  Durchsicht   und    einer    bis    150  cm   gehenden 

1)  Man  sehe  auch  Wüllner,  Wied.  Ann.  M,  y.  647.  1888. 


Crasspectra.  621 

L&nge.  Es  wurden  hauptsächlich  vier  solcher  Röhren  an- 
gewandt,  deren  lichte  Weite  2  cm,  1  cm,  0,5  cm  und  0,25  cm 
betrug.  Die  Röhren  waren  doppelt  T-förmig,  sodass  sich 
die  Electroden  stets  seitlich  von  der  strahlenden  Schicht  und 
etwa  6  cm  von  derselben  entfernt  befanden.  Die  0,25  cm 
weite  Röhre  hatte  drei  Paare  von  Electroden,  zwei  an  den 
Enden,  eines  in  der  Mitte,  sodass  bei  dieser  Röhre  als  strah- 
lende Schicht  eine  Länge  von  75  cm  oder  150  cm  benutzt 
werden  konnte.  Bei  gewissen  Drucken  wurde  nämlich  durch 
Verwendung  der  ganzen  Rohrlänge  der  Strom  so  geschwächt, 
dass  das  von  der  Röhre  ausgesandte  Licht  bei  Benutzung 
der  halben  Rohrlänge  heller  war,  als  bei  Benutzung  der  gan- 
zen. Die  Röhren  waren  nebeneinander  gelegt  und  durch 
angeschmolzene  Verbindungsröhren  unter  sich  und  mit  einer 
Töpler 'sehen  Luftpumpe  verbunden.  Vor  den  Röhren,  aber 
durch  ein  Quecksilberventil  von  ihnen  getrennt,  befand  sich 
ein  grösserer  Behälter,  ein  etwa  3  cm  weites  Barometer,  das 
mit  Gasen  gefüllt  werden  konnte.  In  dem  Barometer  war  eine 
Eisendrahtspirale  in  der  von  mir  früher^)  beschriebenen  Weise 
angebracht,  zu  dem  Zwecke,  um  durch  längeres  Glühen  der- 
selben die  Luft  vom  Sauerstoff  befreien  zu  können.  Um  den 
Behälter  mit  trockenen  reinen  Gasen  füllen  zu  können,  war 
vor  demselben  die  von  Hrn.  Cornu^  beschriebene  Vorrich- 
tung angebracht  und  zwischen  dieser  und  dem  Behälter  ein 
langes  Rohr  mit  wasserfreier  Phosphorsäure.  Zwischen  dem 
erwähnten  Quecksilberventil  und  den  Spectralröhren  war, 
ebenfalls  nach  dem  Vorschlage  des  Hrn.  Cornu,  eine  mit 
Schwefelstücken  und  eine  mit  blanken  Kupferspähnen  gefüllte 
U-Röhre  eingeschaltet,  um  Quecksilberdämpfe  aus  den  Spec- 
tralralröhren  fern  zu  halten.  Die  Verbindung  der  Spectral- 
röhren mit  der  Pumpe  war  so  geführt,  das  dasselbe  Röhren- 
system mit  Schwefel  und  Kupferspähnen  die  Pumpe  von  den 
Spectralröhren  trennte. 

Bei  den  Versuchen  mit  Luft  und  Stickstoff  wurde  der 
an  der  C  or nu'schen  Vorrichtung  angesetzte  Wasserzersetzungs- 
apparat nicht  gefüllt,  man  liess  einfach,  nachdem  bei  gcsenk- 


1)  Wüllner,  Pogg.  Aon.  14Ö.  p.  103.  1873. 

2)  Cornu,  D*Alineida  Journ.  de  phys.  (2)  5.  p.  lOOu.  MX.  18»6. 


Ö22  A.   Wüüner. 

lern  Quecksilberventil  die  ganze  ZusammeDstellung  möglichst 
vollständig  ausgepumpt  war,  durch  das  Rohr  des  Wasserzer- 
setzuDgsapparates  Luft  hindurch  gehen,  um  den  Behälter  mit 
trockener  Luft  zu  füllen. 

Die  Beobachtungen  des  Stickstoifspectrums  wurden  zu- 
erst mit  trockener  Luft,  später  unter  Verwendung  von  Stick- 
stoff durchgeführt,  indem  die  Luft  durch  längeres  Glühen 
der  Eisendrahtspirale  vom  Sauerstoff  befreit  wurde.  Ob  der 
Stickstoff  ganz  vollständig  vom  Sauerstoff  befreit  war,  weiss 
ich  nicht,  iudess  hat  die  Anwesenheit  einer  geringen  Menge 
Sauerstoff  bekanntlich  keinen  Einfluss  auf  die  Spectralerschei- 
nungen. 

3.  Spectra  des  Stickstoffs.  —  Das  Bandenspectrum. 
das  diese  langen  Röhren  bei  Anwendung  eines  kräftigen  In- 
ductionsstromes  und  bei  dem  für  die  Entwickelung  des  Spec- 
trums günstigsten  Gasdrucke  geben,  ist  von  einer  sehr 
grossen  Helligkeit,  auch  in  dem  2  cm  weiten  Rohr,  sodass 
man  in  dem  Spectrum  sehr  viel  mehr  Einzelheiten  erkennen 
kann,  als  in  den  gewöhnlichen  Spectralr Öhren.  Man  erkennt 
sofort,  was  übrigens  schon  Hr.  Hasselberg  in  seiner  vor- 
hin erwähnten  Abhandlung:  „Zur  Spectroskopie  des  Stick- 
stoffs*', gezeigt  hat,  dass  die  Banden  sich  aus  einzelnen  Linien 
der  verschiedensten  Helligkeitsgrade  zusammensetzen,  dass 
also  jiuch  diese  Spectra  Linienspectra  sind.  Die  Verlänge- 
rung der  strahlenden  Schicht  bewirkt  keine  Verbreiterung 
der  Linien,  sondern  lässt  ihnen  ihre  volle  Schärfe,  wie  es  auch 
nach  der  von  Helmholtz' sehen  Absorptionstheorie  sein 
muss,  wenn  die  lichterregenden  Schwingungen  ohne  Reibung 
stattfinden. 

Das  Spectrum  scheint  im  Rothen  bis  zur  Grenze  des 
überhaupt  sichtbaren  Roth  zu  reichen;  ich  glaube  nämlich, 
in  diesem  äussersten  Roth  noch  sehr  schwache  Banden  ge- 
sehen zu  haben,  und  bei  verschiedenen  Einstellungen  der 
Grenze,  bis  zu  welcher  ich  Licht  zu  sehen  glaubte,  kam  ich 
stets  in  die  Gegend  der  Fraunhofer'schen  Linie  A,  Mess- 
bar  wird  das  Spectrum  erst  bei  der  Wellenlänge  688,27,  also 
fast  genau  bei  der  Fraunhofer^  sehen  Linie  B.  Die  be- 
kannton im  Roth,  Orange,  Gelb  bis  zum  Gelbgrün  liegenden 


Gasspectrcu  623 

achtzehn  Banden,  von  denen  die  erste,  sowie  die  zehnte  und 
elfte  (Wellenlänge  619  —  607)  merklich  dunkler  sind  als  die 
übrigen,  erkennt  man  als  aus  mehr  als  zwanzig  Linien,  von 
denen  stets  drei  an  Helligkeit  hervorragen,  zusammengesetzt. 
Ich  habe  beispielsweise  zwischen  den  Wellenlängen  591,2 
und  685,8,  der  in  der  Gegend  der  Natriumlinie  liegenden 
Bande,  ebenso  wie  Hr.  Hasselberg  einundzwanzig  Linien 
gemessen.  Die  Maxima  dieser  Gruppe  sind  591,15,  590,8, 
588,7.  Nicht  minder  kann  man  in  den  grünen,  blauen  und 
violetten  Theilen,  wenigstens  in  den  lichtstärkeren  Banden, 
ohne  Mühe  erkennen,  dass  die  Banden  nichts  als  Linien- 
gruppen sind. 

Die  Spectra,  welche  bei  gleichem  Drucke  des  Gases  und 
gleicher  Stromstärke  die  vier  Röhren  liefern,  sind,  abgesehen 
davon,  dass  das  Spectrum  der  engsten  Röhre  als  das  hellste 
mehr  sehen  lässt,  als  die  Röhre  von  2  cm  Weite,  im  wesent- 
lichen gleich,  jedoch  nicht  ganz  identisch.  Als  identisch 
bezeichne  ich  zwei  Spectra,  bei  denen  das  Helligkeitsverhält- 
niss  der  in  beiden  sichtbaren  Theile  ganz  dasselbe  ist,  sodass 
man  ohne  weiteres  in  beiden  die  gleichen  Linien  zu  gleichen 
Gruppen  zusammenfasst.  In  dem  Sinne  sind  die  Banden 
vom  Roth  bis  zum  Gelbgrün  in  den  Spectren  der  verschieden 
weiten  Röhren  durchaus  identisch;  die  weiteren  Theile  sind 
es  indess  nicht  ganz  mehr,  insbesondere  tritt  eine  nicht  un- 
erhebliche Verschiedenheit  in  der  Helligkeitsvertheilung  her- 
vor zwischen  den  Wellenlängen  560,3  und  544.5.  Hinter  der 
Grenze  der  gelbgrünen  Bande,  welche  der  Wellenlänge  571,16 
entspricht,  folgt  in  dem  Spectrum  zunächst  ein  dunkler 
Raum,  der  nur  einzelne  Linien,  im  engsten  Rohre  daneben 
noch  ein  schwaches  Feld,  zeigt.  Dem  folgt  eine  Anzahl 
Banden,  resp.  Liniengruppen;  in  dem  Spectrum  des  2  cm 
weiten  Rohres  ordnen  sich  dieselben  als  fast  gleichförmig 
gebaute  Gruppen.  Jede  beginnt  mit  einer  hellen  Linie,  wohl 
die  hellste  der  ganzen  Gruppe,  nahe  bei  derselben  tritt  eine 
helle  Linte  als  zweites  Maximum  auf,  und  etwas  weiter  von 
dieser  ein  drittes  Maximum.  Zwischen  den  Maximis,  sowie 
zwischen  dem  dritten  und  dem  ersten  Maximum  der  folgen- 
den Gruppe  liegen  feinere  Linien. 


624  A.  WüUner. 

Die  je  drei  Maxima  dieser  sieben  Gruppen  haben  fol- 
gende Wellenlängen:^) 

559,45  555,6  551,9  548,2  544,5  541,0  537,5 
558,8  554,9  551,2  547,7  544,0  540,5  537,0 
557,2        553,4      549,9      546,2       542,5      539,1       535,7 

In  der  Röhre  von  0,25  cm  Durchmesser  zeigt  sich  die 
Helligkeitsvertheilang  anders  und  fast  genau  so,  wie  ich  sie 
im  Jahre  1879  beschrieben  habe.  Abgesehen  davon,  dass 
die  Gruppenbildung  schon  bei  der  Wellenlänge  561,9  be- 
ginnt, sodass  schon  eine  Gruppe  von  dieser  bis  zur  Linie 
559,45  reicht,  erscheint,  mit  der  Linie  559,45  beginnend,  als 
erste  eine  Gruppe  etwa  gleich  heller  Linien,  welche  bis  557,2 
reicht;  das  zweite  Maximum  558,8  der  weiten  Röhre  tritt 
nicht  als  solches  hervor.  Die  Linie  557,2,  welche  in  der 
weiten  Röhre  als  drittes  Maximum  der  ersten  Gruppe  er- 
scheint, tritt  hier  so  bell  hervor,  dass  man  sie  als  den  Be- 
ginn des  folgenden  aus  Linien  gleicher  Helligkeit  bestehen- 
den Feldes  auffasst,  welches  dann  bis  555,6  reicht.  Das  mit 
dieser  Linie  beginnende  helle  Feld  reicht  bis  zu  einer  sehr 
hellen  Linie  553,0,  auf  dem  Felde  erscheint  als  hellere  Linie 
553,4.  Die  sehr  helle  Linie  553,0  beginnt  ein  schmales, 
helles  Feld,  auf  welchem  als  Helligkeit  552,2  auffällt  Bei 
der  sehr  hellen  Linie  551,9  beginnt  dann  ein  erkennbar  aus 
fünf  Linien  gleicher  Helligkeit  zusammengesetztes  Feld;  die 
letzte  dieser  fünf  Linien  ist  548,8.  Ebenso  ist  das  bei  548,2 
beginnende  und  bis  544,5  reichende  Feld  gleichmässig  aus 
Linien  gebildet,  ohne  dass  eine  Dreitheilung  des  Feldes,  wie 
in  dem  Spectrum  des  weiten  Rohres  hervortritt.  Erst  die 
folgenden  Liniengruppen  erscheinen  wie  im  Spectrum  des 
weiten  Rohres  als  dreitheilige  Felder. 

Es  sind  das  allerdings  nur  kleine  Verschiedenheiten,  sie 
reichen  aber  hin,  um  in  diesem  Theile  das  Aussehen  des 
Spectrums  erheblich  zu  ändern;  in  den  anderen  Theilen  des 
Spectrums  sind  die  Verschiedenheiten  nicht  so  auffallend. 
Während  in  der  Röhre  von  1  cm  Durchmesser  die  Hellig- 
keitsvertheilung  noch  wesentlich  mit  derjenigen  im  Spectrum 
des  2  cm -Rohres  übereinstimmt,  zeigte  sich  in  dem  0,5  cm- 

l)  Betreffs  der  Bestimmung  der  Wellenlängen  vorweLse  ich  auf  meine 
Abhandlung  in  Wied.  Ann.  8.  p.  590.  1879. 


Gasspectra.  626 

Rohre  ein  Uebergang  zu  dem  Spectrum  des  engsten  Rohres 
namentlich  bis  zur  Wellenlänge  548,2. 

Diese,  wenn  auch  kleinen  Verschiedenheiten  der  im 
übrigen  auf  ganz  gleiche  Weise  hervorgerufenen  Spectra 
zeigen,  dass  auch  das  gewöhnliche  Bandenspectrum  des  Stick- 
stoffs keineswegs  ein  so  durchaus  constantes  ist,  als  man 
gewöhnlich  annimmt,  dass  schon  kleine  Temperaturver- 
schiedenheiten  Helligkeitsmaxima  an  anderen  Stellen  auf- 
treten lassen.  Denn  wir  können  diese  Aenderungen  wohl 
nur  als  durch  Temperaturverschiedenheiten  bedingt  auffassen. 
Wir  machen  uns  dieselben  durch  die  Annahme  verständlich, 
dass  in  dem  engeren  Rohr,  in  welchem  die  gleiche  Ent- 
ladung durch  einen  kleineren  Querschnitt  hindurchgeht,  eine 
Anzahl  höher  erhitzter  Molecüle  vorhanden  ist,  welche  fELr 
einen  Theil  derjenigen  Wellenlängen,  welche  bei  der  Tem- 
peratur der  Hauptmasse  der  Molecüle  noch  an  Intensität 
zurückstehen,  ein  grösseres  Emissionsvermögen  besitzen,  so 
dass  Liniengruppen  gleicher  Helligkeit  entstehen  an  Stellen, 
wo  die  weniger  heissen  Molecüle  allein  die  dreitheiligen 
Felder  entstehen  lassen. 

4.  Schaltet  man  parallel  den  Spectralröhren  eine  Ley- 
dener  Flasche  ein  und  bringt  gleichzeitig  in  den  Stromkreis 
der  Spectralröhren  mit  Hülfe  eines  Funkenmikrometers  eine 
kleine  Funkenstrecke,  so  ändert  sich  das  Bandenspectrum 
ganz  erheblich,  besonders  in  seinem  mittleren  Theile;  in 
diesem  Theile  erscheint  das  Spectrum  als  ein  ganz  anderes 
Bandenspectrum.^)  Gibt  man  dem  Gase  den  auch  zum 
Hervorrufen  des  gewöhnlichen  Bandenspectrums  günstigsten 
Druck,  wendet  eine  nicht  zu  kleine  Flasche  an  und  wählt 
die  Funkenstrecke  nur  gerade  so  gross,  dass  die  Flasche 
stets  wirkt,  der  Strom  also  nur  in  Form  der  Flaschenent- 
ladungen durch  die  Röhre  geht,  so  ist  das  Spectrum 
in  allen   seinen  Theilen   sehr  hell.     Die  Veränderung  geht 

1)  Wenn  ich  die  kurze  Andeutang  des  Um.  Goldstein  (Berl. 
MoDatsher.  1879,  p.  281)  richtig  verstehe,  hat  derselbe  schon  Aehnliches 
beobachtet,  er  sagt,  es  sei  ihm  gelungen,  das  Spectrum  des  positiven 
Lichtes  mit  Luft,  Stickstoff,  Wasserstoff  gef&Uten  Röhren  von  beliebiger 
Form  durch  starke  Verdünnung  oder  durch  Verstärkung  der  Entiadnngs- 
intensitfit  in  ein  Spectrum  des  ELathodcnlichtei  äbenmfiBliieiL 

Ann.  d.  Phys.  n.  Cb«m.  N.  F.  XXXVIII. 


626  A.   WüUner. 

am  weitesten  in  der  engsten  Röhre ,  an  Stelle  der  Maxiiua 
des  gewöhnlichen  Bandenspectrums  zeigt  das  Spectrum  jene 
Maxima,  welche  ich  im  Jahre  1879  als  Linien  jenes  Linien- 
spectrums  beschrieben  habe,  in  welches  das  Bandenspectrum 
des  Stickstoffs  bei  hinreichender  Verdünnung  des  Oases  all- 
mählich übergeht. 

Während  indess  damals  in  dem  Spectrum  vom  Rothen, 
Orange  und  Gelben  nichts  mehr  sichtbar  blieb,  zeigte  sich 
jetzt  das  Bandenspectrum  zwischen  den  Wellenlängen  688,27 
and  577,7  ganz  ungeändert,  nur  wird  das  ganze  Gebiet  etwas 
dunkler.  Die  Aenderung  beginnt  bei  der  Wellenlänge  571,5, 
indem  diese,  welche  im  Bandenspectrum  schwach  zwischen 
den  scharfen  Linien  572,1  und  571,2  erscheint,  hell  wird, 
während  die  beiden  letzteren  Linien  an  Helligkeit  zurück- 
treten. Zwischen  den  Wellenlängen  571  und  etwa  440 
wird  die  Helligkeitsvertheilung  eine  ganz  andere,  als  im 
gewöhnlichen  Bandenspectrum,  es  erscheinen  hier  eben  als 
Maxima  in  den  Banden  und  als  einzeln  stehende  helle  Linien 
alle  jene  Linien  des  erwähnten  1879  von  mir  beschriebenen 
Linienspectrums.  Wie  ich  schon  damals  erwähnte,  blieben 
selbst  bei  der  stärksten  Verdünnung  zwischen  den  hellen 
Linien  noch  einzelne  schwache  Felder  sichtbar,  jetzt  bei  den 
tiefen  leuchtenden  Schichten  erkannte  man,  dass  diese  Linien 
die  Maxima  eines  schönen  Bandenspectrums,  d.  h.  aus  Grup- 
pen von  Linien  der  verschiedensten  Helligkeitsgrade  be- 
stehenden Spectrums  sind.  Die  neuen  Messungen  haben  mit 
wenigen  Ausnahmen  alle  die  Linien  ergeben,  welche  damals 
bestimmt  wurden.  Dass  einige  der  früheren  Linen  fehlen, 
und  dafür  andere  sich  zeigen,  kann  nicht  auffallen,  da,  wie 
gleich  hervortreten  wird,  die  Zahl  der  auftretenden  Maxima 
sehr  von  der  Verdünnung  des  Gases  abhängig  ist,  wie  auch 
bei  stärkerer  Verdünnung  Maxima  verschwinden,  welche  bei 
grösserer  Dichte  des  Gases  noch  vorhanden  sind.  Die  ge- 
messenen Maxima  und  einzelnen  hellen  Linien  sind  in  der 
nachher  folgenden  Tabelle  zusammengestellt. 

Auch  hier  zeigte  sich  der  Eintiuss  der  Röhrenweite.  In 
den  weiteren  Röhren  trat  die  Umwandlung  der  Spectra  nicht 
so  vollständig  ein.  So  entwickelten  sich  bei  der  gleichen 
(.Tasdichte    beispielsweise    schon   in    dem   Rühre    von  0,5  cm 


Gasspecira.  627 

.Durchmesser  die  beiden  Linien  500,8  und  500,4  nicht,  es  blieb 
dort  ein  gleichmässig  beleuchtetes  Feld.  So  erschien  in  dem 
2  cm  weiten  Bohre  die  bekannte  Nordlichtlinie  556,5  gar 
nicht,  während  in  dem  engen  Rohr  dieselbe  als  sehr  hell 
bezeichnet  wurde;  überhaupt  ist  die  Aenderung  im  weiten 
Bohr  zwischen  561  und  533  viel  weniger  hervortretend  als 
in  dem  engen  Rohr,  es  blieben  gerade  dort  vielmehr  die 
Maxima  des  gewöhnlichen  Bandenspectrums  als  solche. 

5.  Wenn  man  bei  stets  eingeschalteter  kleiner  Funken- 
strecke von  dem  Drucke  aus,  bei  welchem  das  Bandenspec- 
trum  sich  am  schönsten  entwickelt,  das  Gas  weiter  und 
weiter  verdünnt,  so  treten  neben  einer  allgemeinen  Ver- 
dunkelung des  ganzen  Spectrums  zu  den  früher  erschienenen 
Maximis  neue  hinzu,  und  einzelne  vorhandene  verschwinden 
oder  treten  doch  an  Helligkeit  zurück.  Gleichzeitig  lösen 
sich  die  hellen  Felder  im  Grünen,  welche  in  dem  vorher 
besprochenen  Spectrum  zum  Theil  nur  schwierig  die  feinen 
Linien  erkennen  lassen,  aus  denen  sie  zusammengesetzt  sind, 
in  einzelne  scharfe,  deutlich  voneinander  getrennte  Linien 
auf.  In  hervorragend  schöner  Weise  zeigt  sich  das  in  den 
Feldern,  welche  mit  den  Wellenlangen  542,3  —  532,3  —  523,1 
—  515,0  —  504,5  —  471,0  beginnen.  Bald  zerfällt  die  im 
Bandenspectrum  bei  465,1  beginnende  blaue  Bande  in  ein- 
zelne Linien,  und  gleichzeitig  fangen  im  Rothen,  Orange  und 
Gelben  einzelne  Linien  an  Helligkeit  zu  wachsen  an,  sodass 
sie  als  helle  Linien  von  den  übrigen  Linien  dieser  Gruppen 
hervortreten.  Ob  die  Helligkeit  aller  dieser  Linien  wirklich 
zunimmt,  ob  nicht  zum  Theil  wenigstens  ihr  Hervortreten 
dadurch  bedingt  wird,  dass  ihre  Umgebung  schneller  an 
Helligkeit  abnimmt^  ist  schwer  zu  sagen.  So  erscheint  im 
Rothen  zuerst  die  helle  Linie  648,5,  im  Orange  592,6  —  593,8. 
Die  Zahl  der  hellen  Linien  wächst  mit  abnehmendem  Drucke, 
und  es  genügen  schon  sehr  geringe  Druckänderungen,  um 
die  Zahl  der  hervortretenden  Linien,  ja  auch  das  Helligkeits- 
verhältniss  einzelner  zu  ändern.  Für  diese  letztere  Aenderung 
bietet  ein  auffallendes  Beispiel  das  Linienpaar  534,9  und 
534,6.  Bei  einem  sehr  geringen  Drucke  des  StickstofiFes  ist 
die  Linie  534,9  sehr  hell,  die  andere  so  schwach,  dass  sie 
kaum   sichtbar   ist;   der  Zutritt   einer  Spur  Stickstoff  liess 


628  A.   Wüüher. 

dagegen  die  zweite  so  hell  und  die  erste  so  schwach  werden, 
dass  dieselbe  fast  nur  als  eine  Yerwaschung  der  zweiten  nach 
der  weniger  brechbaren  Seite  erschien.  Bei  diesen  Beob- 
achtungen war  der  Druck  schon  ein  so  kleiner,  dass  eine 
ganz  kleine  Aenderung  des  Druckes  auf  den  Durchgang  des 
Stromes  von  grossem  Einäuss  ist,  das  Bedingende  dieser 
Erscheinung  ist  demnach  nicht  die  geringere  oder  grössere 
Dichte  der  strahlenden  Schicht,  sondern  die  durch  die  Dich- 
tigkeitsänderung  bewirkte  Temperaturänderung.  Ein  Beweis 
hierfür  liegt  darin,  dass  man  bei  der  zuletzt  hergestellten 
Gasdichte  die  Linie  534,9  wieder  zur  helleren  machen  kann, 
indem  man  die  Funkenstrecke  verlängert.  Dasselbe  ergab 
sich  mit  den  Linien  480,8  und  480,4,  Verlängerung  der 
Funkenstrecke  Hess  die  erstere  verdunkeln  und  bewirkte  das 
Hellerwerden  der  zweiten,  resp.  wurde  dieselbe  erst  bei  län- 
geren Funken  sichtbar. 

Einen  unmittelbaren  Einfluss  der  Dichte  der  strahlen- 
den Schicht,  bez.  der  Zahl  der  leuchtenden  Molecüle  möchte 
es  dagegen  zuzuschreiben  sein,  dass  in  den  vorhin  erwähn- 
ten hellen  Feldern,  welche  aus  feinen  Linien  zusammen- 
gesetzt sind,  die  Zahl  der  Linien  von  der  Gasdichte  ab- 
hängig ist;  mit  abnehmendem  Drucke  rücken  die  sichtbaren 
Linien  weiter  auseinander,  d.  h.  es  verschwindet  eine  Anzahl 
der  weniger  hellen  Linien  zwischen  den  helleren,  die  auch 
bei  dem  geringsten  von  mir  benutzten  Drucke  sichtbar 
bleiben. 

Das  so  allmählich  sich  entwickelnde  Spectrum  kann  kurz 
dahin  charakterisirt  werden,  dass  zu  dem  im  vorigen  Para- 
graphen beschriebenen  Bandenspectrum  allmählich  fast  sämmt- 
liche  Linien  des  Plücker'schen  Linienspectrums  und  noch 
eine  Anzahl  anderer  hinzutreten,  bez.  als  hellere  aus  den 
Liniengruppen  des  Bandenspectrums  sich  entwickeln. 

Wenn  auch  diese  allmähliche  Entwickelung  des  ganzen 
Spectrums  unter  Parallelschaltung  der  Flasche  mit  einge- 
schalteter kurzer  Funkenstrecke  beobachtet  wurde,  so  treten 
doch  qualitativ  dieselben  Erscheinungen  auch  ohne  Anwen- 
dung des  Flaschenfunkens  bei  stärkerer  Verdünnung  auf. 
Unter  erheblicher  Verdunkelung  der  Banden  im  Roth,  Orange 
und  Gelb  entwickeln  sich  auch  dort  Linien  des  Plücker'- 


Gasspectra.  629 

sehen  Linienspectrums,  wenn  auch  nicht  so  zahlreich  wie 
unter  Benutzung  des  Flaschenfunkens,  auch  einzelne,  welche 
in  dem  Spectrum,  welches  durch  die  Flaschenentladung  ent- 
stand, nicht  bemerklich  hervortreten.  Es  kam  also  annähernd 
dasselbe  Spectrum  heraus,  wie  mit  Funken,  nur  war  dasselbe 
dunkler  und  deshalb  nicht  so  reich.  Einzelheiten  anzugeben, 
halte  ich  fQr  unnöthig,  da  dieselben  zu  sehr  von  der  vorhan- 
denen Dichte  des  6ases  abhängig  sind. 

Der  Einfluss  der  Böhrenweite  zeigt  sich  immer  in  dem- 
selben vorher  erwähnten  Sinne,  die  Aenderungen  des  Spec* 
trums  gehen  in  den  weiteren  Bohren  nicht  so  weit.  So  ent- 
wickelten sich  in  dem  2  cm  weiten  Bohre  die  Linien  im 
Both,  Orange  und  Gelb  selbst  bei  dem  geringsten  Drucke 
nicht,  ebenso  zerfiel  die  bei  465,2  beginnende  Bande  nicht  in 
Linien,  im  1  cm  weiten  Bohre  trat  letzteres  bei  gleichem 
Drucke  ein  und  ebenso  zeigten  sich  schon  einzelne  Linien 
im  Both,  Orange  und  Gelb.  In  dem  0,5  cm  weiten  Bohre 
kamen  die  Erscheinungen  denjenigen  im  ersten  Bohre  sehr 
nahe. 

In  der  nachfolgenden  Tabelle  stelle  ich  die  von  mir  ge- 
messenen Maxima  im  gewöhnlichen  Bandenspectrum,  in  dem- 
jenigen der  Flaschenentladung  bei  höherem  Drucke  und  bei 
geringerem  Drucke  zusammen.  Daneben  stelle  ich  die  Linien 
des  Plücker'schen  Linienspectrums;  soweit  ich  sie  im  Jahre 
1879  gemessen  habe,  nach  meinen  Messungen,  im  übrigen 
nach  der  Zusammenstellung  des  Hrn.  Watt's  in  seinem 
Index  of  spectra.^)  Spalte  I  enthält  die  Maxima  des  ge- 
wöhnlichen Bandenspectrums.  Spalte  II  die  des  Spectrums 
der  Flaschenentladung  bei  höherem  Druck  von  571,5  an,  bis 
dort  sind  die  Maxima  die  gleichen,  wie  im  gewöhnlichen 
Bandenspectrum,  also  wie  in  I;  Spalte  III  die  Maxima  des 
Spectrums  der  Flaschenentladung  bei  sehr  kleinem  Drupk, 
und  Spalte  IV  die  Linien  des  Plücke  r' sehen  Linien- 
spectrums. 

Von  den  ersten  18  Banden  gebe  ich  ausser  für  die  erste, 
zweite,  zehnte  und  elfte  neben  den  drei  Maximis  auch  noch 
eine  vierte  Linie,  welche  die  Grenze  des  helleren  Theiles 
der  Banden  bildet. 

1)  Letztere  sind  mit  eiuein  Sternchen  bezeichnet 


680 

A,    Wüllner, 

I 

II 

III 

IV 

1 

II 

m 

IV 

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1 

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1 

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1                    1 

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i 

676,2 

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1 

— 

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— 

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— 

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1 

599,3 

599,3 

1 
1 

665,8 

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662,6 

662,6 

i    661,9            1 

596,3 

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646,2 

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1 

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585,8 

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585,8     : 

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1 

585,2 

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583,6 

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581,0 

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580,2 

580,2 

685,1 

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1 

1 
1                                                ■ 

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1 

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1 

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i 

— 

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624,9* 

572,1 



623,0 

• 

571,5 

571,5 

571,5 

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1 

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571,2 

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1    618,0 

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568,4 

568,4 

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1    617,2 

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567,6 

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567,6* 

616,6 

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567,0 

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566,3 

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612,4 

612,4 

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— 

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— 

561,9 

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561,9 

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609,4 

1 

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— 

561,11 

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607,2 

557,2 

557.2 

Y 

606,6 

656.5 

556.,^  1 

556,0* 

1 )  Feld  reich  an  I^inieii. 


Gastpeetra. 


681 


I 

II 

UI 

IV 

I 

II 

ni            IV 

L        ..       .. 

555,6 

_ 

555,5 

555,5 

515,0     515,0 

— 

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1 

558,4 

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— 

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— 

• 

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552,8 

552,8 

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— 

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— 

507,9 

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— 

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— 

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507,4            507,4 

— 

551,2 

1 

506,8 

506,8 

506,7 

— 

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1 

506,2 

— 

548,8 

548,8 

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548,8 

503,8 

503,8 

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— 

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1 

501,2 

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— 

1 

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497,5 

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1 

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523,1 

523.1 

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1 

1 

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471,0     471,0 

518,2 

518,2 

518,2 

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466,7 

466,7 

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517,6 

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515,2 

462,2 

468,4 

1) 


•> 


-M 


Feld  reich  an  Linieii,  die  gemessenen  an  Helligkeit  herTormgend. 
Feld  reich  an  Linien. 


■1. 1 


682 


A^    fi'üllner. 


l 


440,2 


II 


in 


452,9 
451,8     451,7 


449,2  I  449,2 
448,9     448,9 


IV 


461,4 

461,0 

461,0 

Nl 

460,1 

460,5 
460,1 

N4 

459,5 
457,4 

460,0 

1 

455,4 

455,4 

461,5 
461,0 

460,2        li 


454,4   P*^®- 
452,8   f^^®- 


450,6*  \ 
450,0  I 
449,0* 

447,7* 


Bde. 


II 


•  446,7 


441,7       — 
441,5 


419,9 


485,6     435,6 
434,5  I  434,5 


419,9 


III 


446,7 
444,8 
448,5 
442,7 

441,5 
435,7 

485,1 

484,51 

433,4 1 

427,7 


427,7  ,  427,7 
426,9     426,9  '  426,9 
423,6     428,6 


IV 


444,8 

442/    ^  "^*^ 


^8*1 
5,1   I 


43ö,l* 
434,6* 


422,7   I  '^^ 

.^2^4*1  Bde 
419,9  J  "**^' 

419,9       419,6 


6.  äauerstofil.  —  Erheblich  einfacher  als  bei  dem  ätick- 
Stoff  yerlaufen  die  Spectralerscheinungen  bei  dem  Sauerstoff, 
es  entwickelt  sich  aus  einem  schwachen  Lichtschein  im  Grü- 
nen, der  bei  einem  Gasdrucke  sich  zeigt,  bei  welchem  zuerst 
im  Spectrometer  Licht  sichtbar  wird,  nach  und  nach  bei 
abnehmender  Dichte  das  vollständige  Sauerstoffspectrum. 
Dabei  ist  der  Unterschied  nur  ein  sehr  kleiner,  wenn  man 
statt  des  einfachen  Inductionsstromes  die  Entladungen  der 
Flasche  durch  die  Spectralröhre  sendet.  Da  das  vollständige 
Sauerstofispectrum  bisher  überhaupt  noch  nicht  beschrieben 
ist,  so  möge  hier  zunächst  die  Beschreibung  derselben  fol- 
gen, wie  es  in  der  0,25  mm  weiten  und  150  cm  langen  Röhre 
sich  zeigte. 

Das  vollständige  Sauerstoffspectrum  besteht  aus  einer 
Anzahl  einzeln  stehender  heller  Linien,  fünf  hellen  Linien- 
gruppen in  Form  von  Banden  und  einigen  lichtschwachen 
Feldern,  welche  zu  wenig  hell  sind,  als  dass  man  sie  aus 
Linien  zusammengesetzt  erkennen  kann.  Auf  den  Banden 
und,  so  viel  man  sehen  kann,  auch  auf  den  lichtschwachen 
Feldern   ist   die  Helligkeitsvertheilung   eine    dem  Sauerstoff 


1)  Feld  reich  au  Liuieu. 


Goispectra,  6S3 

eigenthümliche  und  ganz  andere,  als  im  Bandenspectrum  des 
StickstofiFs.  Während  in  den  Banden  des  letzteren  fast  aus- 
nahmslos das  Helligkeitsmaximum  an  dem  weniger  brech- 
baren Rande  sich  befindet,  und  die  Helligkeit  nach  der  brech- 
bareren Seite  stetig,  wenn  auch  mit  einigen  Unterbrechungen 
durch  zweite  und  dritte  Maxima  abnimmt,  liegt  bei  den 
Sauersto£Fbanden  das  Maximum  der  Helligkeit  stets  nahe 
der  Mitte,  etwas  näher  der  stärker  brechbaren  Seite.  Die 
Banden  machen  mir  stets  den  Eindruck  von  Prismen,  deren 
Kante,  das  Maximum,  dem  Beschauer  zugewendet  ist,  und 
welche  auf  der  den  grösseren  Wellenlängen  entsprechenden 
Fläche  stärker  beleuchtet  sind,  als  auf  der  den  kleineren 
Wellenlängen  entsprechenden  Fläche.  Die  schwachen  Felder, 
am  deutlichsten  die  vier  zwischen  den  Wellenlängen  518  und 
496  liegenden,  haben  ihr  Maximum  auf  oder  nahe  dem  brech- 
barsten Rande.  Während  die  Banden  so  hell  sind,  dass  man 
die  einzelnen  sie  zusammensetzenden  Linien  scharf  messen 
kann,  sind  bei  den  Feldern  die  Grenzen  kaum  scharf  ein- 
zustellen, sodass  die  für  diese  angegebenen  Werthe  nur  an- 
nähernde sind. 

Von  den  fünf  Banden  habe  ich  früher^)  bereits  vier,  wenn 
auch  nicht  so  ins  einzelne  gehend  beschrieben,  von  der  ro- 
then  Bande  habe  ich  früher  nur  undeutliche  Spuren  gesehen, 
und  da  ich  die  dem  Sauerstoff  eigenthümliche  Helligkeitsver- 
theilung  nicht  erkennen  konnte,  dieselbe  einer  Verunreinigung 
des  Sauerstoffs  durch  Kohle  zugeschrieben. 

Im  Folgenden  gebe  ich  die  Beschreibung  des  Spectrums 
und  die  gemessenen  Wellenlängen.  Die  Spalte  I  der  Wellen- 
längen gibt  die  ohne  Benutzung  der  Flaschenentladungen  ge- 
messenen Wellenlängen,  die  Spalte  II  gibt  das,  was  durch 
Anwendung  der  Flaschenentladung  hinzutrat. 


1)  Wülluer,  Wied.  Ann.  8.  p.  263.  1879. 


684 


A.   WüUner. 


BeBchreibang  des  Spectrums. 


WellenlftDgen 


1^ 


I. 


Scharfe  Linie 

Beginn  der  reihen  Bande  mit  scharfer  Linie  . 


Auf  der  Bande  gemessene  hellere  Linien 
sehen  denen  noch  schwächere  sichtbar  sind 


«inien,  zwi-J 


n.< 


III. 


Hellste  Linie  der  Bande 

Feine  Linien  gleichen  Abstandes,  die  zweite  u.j 
fünfte  gemessen | 

Scharfe  Linie,  Plückers  0,,  auf  dunklem  Grunde 

Desgl 

Desgl 

.  Desgl 

Beemn  der  orange  Bande,  scharfe  Linie    .    .    . 

HeUe  Linie,    vor  welcher    noch   feinere  Linien 
sichtbar  sind 

Mitte  einer  Doppellinie 

Desgl 

Feine  Linie 

DesgL 

Desgl. 

Hellste  Linie  der  Bande 

Feine  Linie  neben  dem  Maximum 

Desgl. 

Desgl. 

Helljte  Linie  der  brechbareren  Hälfte  der  Bande 

Ebenfalls  recht  helUt  Linie 

Feine  Linie 

Desgl 

Desgl.    Grenze  der  Bande 

Feine  Linie  auf  dunklem  Grunde 

^  Beginn  d(;r  gelben  Bande,  welche  im  ganzen  we- 
niger bell  ist,  als  die  orange  Baude,  mit  schar- 
fer heller  Linie 

Helle  Linie 

Desgl.,  erscheint  etwas  breiter  als  die  vorige 

scharf,  heller  als  die  vorige 

sehr  fein,  Mitte  des  dunkleren  Feldes 
hell,  Grenze  des  dunkleren  Feldes      .    . 

hell,  hellste  der  Bande 

cbenfallB  hell 

Nach  einem  dunkleren,  zarte  Linien  enthaltenden 
Felde  folgt  heller 

Nach  einem  gleichfalls  zarte  Linien  enthaltenden 

Felde  scharf,  die  hellste  der  brechbareren  Hälfte 

(xrenze  des  helleren  Theils  der  Bande,  scharfe 
Linie 

Folgt  noch  eine  Anzahl  schwacher  feiner  Linien, 
deren  letzte  ist 


j> 


I 


645,76 
643,53 
641,84 
640,67 
639,50 
638,53 
637,23 
636,51 
636,01 
635,51 
635,01 
634,51 
633,99 
615,26 

611,45 
604,89 
603,72 
603,28 

601,85 

600,94 

599,76 

598,91 

598,48 

598,28  ] 

597,86  - 

597,52 

597,10 

596,70 

596,30 

595,90 

595,40 

594,90 

594,30 

593,60 


I 


592,80 
591,70 
590,80 
589,80 
589,27 
588,65 
588,10 
587,40 

585,78 

583,98 

I  . 

588,34  I 
:>79,89  ' 


Gasspectra, 


686 


IV.  < 


Beschreibung  des  Spcctrums 


Wellenlängen 

1        n 


Schwacher  Lichtschein  zwischen  etwa    .    .    . 


Desgl.  zwischen  etwa 

Mit  der  Wellenlänge 

beginnt  ein  schmales,  aus  feinen  Linien  be- 
stehendes Feld,  bis  mit  der  sehr  hellen  Linie 
die  hellste  Bande  des  ganzen  Spectmms  be- 
beginnt. Zunächst  folgt  ein  mit  leinen  Linien 
bedecktes  Feld  bis  zur  sehr  hellen  Linie     .    . 

Auf  schmalerem  Felde  folgt  fein,  hell    .... 

Hellere  Linie 

Desgl 

Desgl 

Breite  helle  Linie 

Scharf,  feine  Linie  auf  dunklem  Grunde     .    .    . 

Breite  helle  Linie 

Sehr  feine  Linie 

Hellste  Linie  der  Bande 

Feine  Linie  neben  dem  Maximum 

Hellere  Linie 

Sehr  feine  Linie 

Desgl 

Desgl 

Des^l.  etwas  heller 

Nacn  einer  Anzahl  sehr  feiner  Linien  heller  .    . 

Desgl 

Grenze  der  Bande 

Im  dunklen  Felde  folgt  eine  schwache  Linie  .    . 

Helle  Linie,  wenn  die  Flaschenentladung  ange- 
wandt wird 

Desgl 

Helle  Linie  ohne  Anwendung  der  Flasche      .     . 
mit  Flaschenentladung 


I 


I 


»» 


»> 


»» 


11 


hell  ohne  Anwendung  der  Flasche  . 

£s  beginnt  mit  scharfer  heller  Linie 

die  zweite  grüne  Bande,  welche  der  vorigen 
nicht  ganz  an  Helligkeit  gleichkommt.  Auch 
diese  Bande  wird  durch  hellere  Linien  in  Felder 

fetheüt,    welche    mehr  oder  weniger   feinere 
«inien  enthalten. 
Hellere  Linie 


577,0 
671,5 
570,5 
566,9 
564,49 

568,70 


562,55 
562,17 
561,91 
561,65 
561,18 
560,75 
560,23 
559,83 
559,25 
558,90 
558,80 
558,40 
558,00 
557,67 
557,31 
556,77 
555,81 
555,40 
554,76 
551,43 


543,74 


533,00 
529,97 


V.^ 


» 

11 

» 

?> 

11 

11 

11 


» 


Hellste  Linie  der  ganzen  Bande 

Fast  ebenso  helle  Linie 

Feine  Linie  im  dunklen  Felde 

Helle  Linie 

Im  weiteren  Theile  der  Bande  sind  eine  Anzahl 
nahe  in  gleichen  Abständen  befindlicher  feiner 


529,06 
528,19 
527,75 
527,39 
526,58 
525,91 
525,14 
524,44 
523,77 


545,9 
544,6 

542,4 
589,6 


«36 


A.    fVüUner, 


V. 


Beschreibung  des  Spectrums 


Wellenlängen 


U 


Linien,  welche  nach  der  brechbareren  Seite  an 
Helligkeit  abnehmen,  es  Hessen  sich  messen  . 
und 

Die  Grenze  der  Bande  liegt  bei 

Fß  folgen  drei  schwache  Felder,  das  erste  be- 
ginnt etwa 

Auf  demselben  liegt  eine  helle  Linie 

Dasselbe  reicht  bis 

Zweites  schwaches  Feld  {  J^^  ^^'^    ..... 

rk^4^4w>  I  von  etwa 

Drittes  „  "    I  bis 

Linie  auf  dunklem  Grunde 

Ein  sehr  lichtschwaches  Feld  beginnt  etwa     .    . 

Linie  auf  derselben  ziemlich  hell 

Das  Feld  reicht  etwa  bis 

Im  dunklen  Raum  hinter  demselben  werden  mit 
Flasche  sichtbar 

Sehr  lichtschwaches  Feld  etwa  {  j^?*^    *    '    ' 


von 
bis  . 


Desgl.  I 

Mit  Flasche  treten  auf  die  Linien 

Ein  weiteres  schwaches  Feld  liegt  zwischen  den    | 

Wellenlängen  etwa \ 

Mit  Flasche  erscheint  als  helle  Linie      .... 

Folgt  eine  schwache  Linie 

Ein  schwaches  Feld  hat  sein  Maximum  etwa.    . 
Ebenso  beginnt  ein  solches  mit  der  Linie  .     .     . 

Mit  Flasche  zeigt  sich  ein  breiter  heller  Schein  l  ^/^." 

Nach   einem  sehr  lichtschwachen  Felde  bei  der 

Wellenlänge  etwa 

Folgen  weiter  die  Linien 


»> 


>J 


11 
•  » 


Mit  Flasche 
Ohne  Flasche 


j» 


» 


»» 


»> 


'j 


Mit  Flasche        n 
Ohne  Flaschi'     n 


11 


•» 

»» 

M 

»I 
•I 


528,21 
522,80 
519,7 

517,8 
514,6 
513,9 
511,6 
508,7 
506,5 
503,5 
501,9 
500,3 
496,9 
496,0 


.  488,3 
.  486,3 
.  484,8 
482,9 
I  - 

\    ,      - 
480,6 

478,6 

477,6 
473,1 
470,65 


468,5 
467,8 
467,5 
466,2 
464,9 
464,3 
463,8 
459,7 
459,0 
446,5 

441,8 
441,5 
441,0 
436,8 

435,2 

434,06 

42T,S 


494,1 
492,5 
490,6 


481,9 
480,9 


479,4 


470,4 
469,8 


445,3 


436,6 


Gasspectra.  637 

Mit  Ausnahme  der  Einzelheiten  der  rothen,  orangen 
und  gelben  Bande  (I,  II,  III)  und  der  schwachen  Felder 
Bind  fast  alle  diese  Linien  des  Spectrums  bereits  früher  theils 
von  mir,  theils  von  Schuster,  sowie  von  Paalzow  und 
Vogel  gemessen  worden,  wie  auch  andererseits  die  meisten 
der  von  Schuster  in  dem  von  ihm  sogenannten  elementaren 
Linien spectrum  bestimmten  Linien  in  dem  oben  beschriebenen 
Spectrum  sich  finden.  Eine  Vergleichung  mit  den  früheren 
Messungen  unterlasse  ich,  da  es  sich  hier  nicht  um  eine 
Bestimmung  des  Sauerstoffspectrums  handelt,  sondern  nm 
die  allmähliche  Entwickelung  desselben;  im  allgemeinen  stim- 
men die  Zahlen  so  gut  überein,  wie  es  bei  der  Beduction 
der  Lage  der  gemessenen  Linien  im  Spectrum  auf  Wellen- 
längen nur  möglich  ist 

7.  Das  soeben  beschriebene  Sauerstoffspectrum  ent- 
wickelt sich  bei  allmählicher  Verdünnung  des  Sauerstoffes  in 
der  Röhre  ganz  schrittweise.  Wie  schon  vorhin  erwähnt 
wurde,  besteht  das  zuerst  im  Spectrum  sichtbare  aus  einem 
schwachen  grünen  Schein;  wird  das  Gas  verdünnt,  so  treten 
zuerst  als  schwache  helle  Linien  auf  die  beiden  grünen  Linien 
543.74  und  533,11,  auch  wohl  schon  436,8.  Darauf  werden 
sichtbar  615,26  —  645,76  —  501,9  —  496,9  —  596,3  —  555,8  — 
604,89,  von  denen  die  letzteren  fünf  Linien  in  dem  vollständig 
entwickelten  Spectrum  keineswegs  durch  Helligkeit  hervor- 
ragen. Bei  weiterer  Verdünnung  wird  der  auch  später  sehr 
schwache  erste  Lichtschein  neben  der  gelben  Cannelirung 
schwach  sichtbar,  ferner  530,  der  Beginn  der  Bande  Nr.  V 
und  eine  auf  derselben  liegende,  später  gar  nicht  hervor- 
ragende Linie  527,75;  weiter  sehr  schwach  die  rechte  Grenze 
513,9  des  ersten  Feldes  hinter  der  Bande  V  oder  die  Linie 
514,6  dieser  Bande,  das  lässt  sich,  da  nur  eine  annähernde 
Einstellung  möglich  ist,  nicht  entscheiden.  Weiter  erscheint 
das  schwach  helle  Feld  bei  480,  vielleicht  die  Linie  479,4 
und  das  immer  sehr  schwach  bleibende  Maximum  477,6. 
Bei  weiterem  Pumpen  wird  alles  schon  Sichtbare  etwas  heller, 
wobei  die  als  schwach  bezeichneten  Theile  des  Spectrums 
stets  schwach  bleiben,  und  bald  treten  die  Banden  Nr.  II, 
TV,  V  hinzu,  zunächst  als  schwache,  ziemlich  gleichmässig 
beleuchtete  Felder;   nur   auf  der   orangen  Bande   erscheint 


638  A.   WüUfur. 

als  hellere  Linie  599,76,  die  später  nicht  das  Maximum  der 
Helligkeit  ist.  Später  zeigt  sich,  während  die  drei  erwähnten 
Banden  heller  werden,  die  rothe  Bande  Nr.  I  und  die  gelbe 
Nr.  III.  Die  Banden  wachsen  relativ  erheblich  stärker  an 
Helligkeit,  als  die  übrigen  Theile  des  Spectrams,  und  bei 
hinreichend  geringem  Drucke  lassen  sich  alle  Einzelheiten 
auf  denselben  messen.  Bei  diesem  Drucke  ist  alles  das,  was 
in  der  Beschreibung  des  Spectrums  bis  zur  Wellenlänge  464 
angegeben  ist,  und  ausserdem  die  Linie  436,8  gleichzeitig 
sichtbar  und  messbar,  nur  die  einzelnen  Linien  zwischen  468,5 
und  464  nicht  als  solche  |  sondern  nur  als  in  der  Gregend 
sichtbare  schwache  Scheine.  Mehrfach  ist  alles  das,  was  in 
der  Beschreibung  des  Spectrums  bis  zu  der  erwähnten  Stelle 
angegeben  ist,  im  Laufe  eines  Tages  bei  derselben  Gasdichte 
ausgemessen  worden  und  constatirt,  dass  alles  gleichzeitig 
sichtbar  ist  Ich  habe  schon  darauf  hingewiesen,  dass  das- 
jenige, was  am  frühesten  im  Spectrum  sichtbar  wird,  später 
keineswegs  an  Helligkeit  hervorragt.  Das  hellste  des  ganzen 
Spectrums  wird  wohl,  neben  Plücker's  O«  der  Linie  615,26, 
die  erste  grüne  Bande  (Nr.  IV),  die  orange  Bande  (Nr.  II) 
und  die  zweite  grüne  Bande  (Nr.  V).  Die  rothe  Bande 
(Nr.  I)  und  die  gelbe  (Nr.  III)  bleiben  gegen  diese  an  Hellig- 
keit zurück.  Im  übrigen  wird  das  Helligkeitsverhältniss, 
soweit  sich  beurtheilen  lässt,  wenig  geändert,  vielleicht  treten 
die  Linien  548,75  —  533,11,  501,9—496,9  an  Helligkeit  später 
etwas  zurück. 

Wird  von  dem  Gasdrucke  aus,  bei  welchem  sich  das 
Spectrum  in  der  angegebenen  Weise  entwickelt  hat,  das  Gas 
weiter  verdünnt,  so  entwickeln  sich  allmählich  auch  die  Linien, 
deren  Wellenlänge  kleiner  ist  als  468;  zuerst  werden  infolge 
wachsender  Helligkeit  scharf  die  Linien  464,9  und  464,3,  und 
nach  und  nach  treten  auch  die  übrigen  hervor.  Dabei  wird 
infolge  der  Abnahme  der  Gasdichte  das  ganze  Spectrum  etwas 
dunkler,  sodass  es  schwieriger  wird,  auf  den  Banden  alle 
Einzelheiten  zu  erkennen. 

Ich  habe  mich  begnügt,  zur  Schonung  meiner  Spectral- 
röhren,  welche  noch  zu  weiteren  Versuchen  dienen  sollen,  die 
Dichtigkeit  des  Sauerstoffes  soweit  zu  vermindern,  dass  die 
meisten  Linien  des  P 1  ü  c  k  e  r'schen  Sauerstoffspectrums  sichtbar 


Gasspectra,  639 

wurdeo,  möglicherweise  würden  die  noch  fehlenden  bei  noch 
weiterer  Verdünnung  ebenfalls  sichtbar  werden. 

8.  Wenn  man  die  Flaschenentladungen  durch  die  Röhre 
gehen  lässt  und  den  Druck  des  Gases  allmählich  vermindert, 
so  verlaufen  die  Erscheinungen  im  wesentlichen  ganz  ebenso, 
wie  eben  beschrieben  wurde.  Der  hauptsächlichste  Unter- 
schied ist  der,  dass  schon  bei  höheren  Drucken  die  Linien 
im  Blauen  und  Violetten  erscheinen,  welche  ohne  Flasche 
erst  bei  sehr  geringem  Drucke  sichtbar  werden.  So  sind  bei 
dem  Drucke,  bei  welchem  ohne  Flasche  eben  die  Linien  464,9 
und  464,3  sichtbar  werden,  schon  die  sämmtlichen  Linien  im 
Blau  und  Violett  zu  sehen,  und  bei  weiterer  Druckabnahme 
zeigen  sich  die  übrigen  Linien,  welche  in  der  Beschreibung 
als  mit  der  Flasche  hinzutretend  bezeichnet  sind. 

9.  Dass  der  schnellere  Uebergang  der  Electricität  in  der 
Flaschenentladung  nur  dadurch  wirkt,  dass  das  Gas  eine 
höhere  Temperatur  annimmt,  zeigt  auch  das  Spectrum  in 
den  weiteren  Röhren.  In  dem  0,5  cm  weiten  Rohr  ist  bei 
dem  Drucke,  der  im  engen  Rohr  das  vollständige  Spectrum 
gibt,  das  Spectrum  auch  ziemlich  vollständig  zu  sehen,  nur 
alles  dunkler,  die  Flaschenentladung  macht  das  Spectrum 
heller  und  lässt  die  ohne  Flasche  nicht  sichtbare  Gruppe 
blauer  Linien  um  464  auftreten:  im  1  cm  weiten  Rohr  ist 
ohne  Flasche  das  Spectrum  schon  sehr  dunkel,  die  Flasche 
lässt  es  heller  werden  und  von  der  blauen  Gruppe  noch  die 
hellsten  Linien  464,9  und  464,3  sichtbar  werden.  In  dem 
2  cm  weiten  Rohr  ist  ohne  Flasche  das  Spectrum  kaum 
sichtbar,  selbst  wenn  man  den  Druck  des  Gases  noch  kleiner 
macht,  die  Anwendung  der  Flasche  gibt  aber  eine  bedeutende 
Vermehrung  der  Helligkeit,  sodass  man  so  ziemlich  das  ganze 
Spectrum  sehen  kann,  mit  Ausnahme  vielleicht  der  rothen 
Bande  Nr.  I  und  des  blauen  und  violetten  Theiles.  Von 
den  Linien,  deren  Wellenlänge  kleiner  als  468  ist,  wird 
ebensowenig  etwas  sichtbar,  wie  von  denen,  welche  im  engen 
Rohr  in  den  anderen  Theilen  des  Spectrums  durch  die 
Flaschenentladung  hervorgerufen  werden. 

10.  Die  im  vorigen  beschriebenen  Versuche,  welche  ich 
leider,  durch  andere  Arbeiten  in  Anspruch  genommen,   für 


640  O.  Tumlirz. 

einige  Zeit  unterbrechen  musste,  zeigen,  dass  die  Linien  der 
sogenannten  Linienspectra  in  der  That  nur  Theile  der  voll- 
ständigen Spectra  der  betreffenden  6ase  sind,  welche  sich 
zeigen,  wenn  man  hinreichend  tiefe  Schichten  der  Gase  auf 
die  zur  Hervorrufung  der  Linien  erforderlichen  Temperaturen 
bringt.  Die  allmähliche  Entwickelung  der  ganzen  Erscheinung 
scheint  mir  mit  der  Auffassung,  dass  es  andere  Molecüle 
seien,  welche  das  Bandenspectrum,  andere,  welche  das  Linien- 
spectrum  geben,  nicht  im  Einklang  zu  sein;  ich  kann  darin 
nur  eine  Bestätigung  meiner  Auffassung  der  Spectralerschei- 
nungen  erblicken. 

Aachen,  im  Juni  1889. 


YIII.    Das  mechanisclie  Aequivalent  des  Lichtes; 

von  O.  Tumlirz. 

(Aus  den  SitzuDgsber.  d.  kais.  Acad.  d.  Wiss.  in  Wien.  Mathem.-naturw 
Classe;  Bd.  98.  Abth.  IIa.,  vom  6.  Juni  1889;  mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 


In   zwei   vorhergehenden    Arbeiten^)   habe   ich   für    das 
mechanische  Lichtäquivalent  zwei  Werthe  gegeben;  der  erste: 

0,00326  -^-"^ 
'  sec 

bezog  sich  auf  die  Lichteinheit  der  Amylacetatlampe  von 
V.  Hefner-Alteneck  und  wurde  nach  einem  Vorschlage 
des  Hrn.  Prof.  Mach  mittelst  eines  weissglühenden  Platin- 
drahtes erhalten,  dessen  Gesammtstrahlung  ich  mit  einem 
Luftthermometer,  das  ich  zu  diesem  Zwecke  construirt  hatte, 
bestimmte.  Da  ein  weissgltihender  Platindraht  wegen  der 
grossen  molecularen  Veränderung,  die  er  erfährt,  und  nament- 
lich wegen  des  die  Oberfläche  stark  verändernden  Zerstäubens 
keine  constante  Lichtquelle  ist,  so  hat  dieser  Werth  nur  eine 
geringe  Sicherheit. 


1)  O.  Tumlirz  u.  A.Krug,  Wien.   Ber.  97.  Abth.  II.  p.  1521.  1888 
u.  0.  Tumlirz,  Wien.  Ber.  07.  Abth.  II  p    1625.  1888. 


Mechanisches  Aequivnleni  des  Lichtes.  641 

Den  zweiten  Werth: 

0,0056  -5^ 
'  sec 

berechnete  ich  aus  den  Versuchen  des  Hrn.  Julius  Thom- 
sen.^)  Derselbe  bezieht  sich  auf  die  Lichteinheit  einer  Wall- 
rathkerze,  welche  8,2  g  Wallrath  in  der  Stunde  verbrennt, 
und  ergab  sich  aus  Versuchen,  bei  welchen  die  Wirkung  des 
Lichtes  auf  eine  Thermosäule  verglichen  wurde  mit  der  Wir- 
kung einer  mit  warmem  Wasser  (50®  C.)  gefüllten  Glaskugel, 
deren  Ausstrahlung  Hr.  Thomsen  nach  der  Dulong'schen 
Formel  (Umgebungstemperatur  =  17®  C.)  berechnet  hatte,  ^j 

Durch  die  Construction  des  erwähnten  Luftthermometers, 
welches  die  von  einer  Wärmequelle  ausgehende  Strahlung 
direct  zu  messen  gestattet,  ist  die  Lösung  der  Aufgabe  eine 
sehr  einfache  geworden.  Misst  man  nämlich  mit  diesem  Ap- 
parat die  von  der  Amylacetatlampe  ausgehende  Gesammt- 
Strahlung  —  für  die  leuchtenden  Strahlen  allein  ist  er  nicht 
hinreichend  empfindlich  —  und  hierauf  mit  einer  Thermo- 
säule das  Verhältniss  zwischen  den  leuchtenden  Strahlen  und 
der  Gesammtstrahlung,  so  hat  man  das  mechanische  Aequi- 
valent  des  Lichtes  bestimmt.  Diese  Messung  bildet  auch  den 
Inhalt  der  vorliegenden  Arbeit.  Als  Lichteinheit  wählte  ich, 
wie  gesagt,  die  Flamme  der  Amylacetatlampe,  weil  dieselbe 
sich  gegenüber  den  gebräuchlichen  Normalkerzen  nicht  nur 
durch  den  constant  bleibenden  Ort,  sondern  auch  durch  eine 
überaus  constant  bleibende  Flammenhöhe  auszeichnet. 

I.  Das  Luftthermometer  besteht,  um  es  kurz  zu  wieder- 
holen, aus  einem  Barometerrohr  von  2,702  qmm  Querschnitt, 
welches,    in  einer  Länge  von  480  mm,   ähnlich  wie  bei  dem 

1)  J.  Thomsen,  Pogg.  Ann.  125.  p.  348.  1865. 

2)  Nachdem  die  vorliegende  Arbeit  bereits  an  die  k.  Acad.  d.  Wiss. 
in  VVien  eingesendet  war,  erhielt  ich  die  Arbeit  des  Hrn.  Prof.  E.  Wiede- 
rnann:  ^^Zur  Mechanik  des  Leuchtens"  (Wied.  Ann.  37.  p.  177.  1889). 
In  derselben  bestimmte  der  Hr.  Verfasser  für  die  Amylacetatlampe  mit 
Hülfe  eines  im  Vacuum  galvanisch  weissglühenden  Platindrahtes  und  un- 
ter Zugrundelegung  der  von  Hrn.  Mouton  an  der  Bouibouzelampe  ange- 
stellten Messungen  der  Grössenordnung  nach  die  Energie  jenes  Lichtes, 
welches  ein  Quadratcentimeter  der  Amylacetatflamme  für  das  Gelb  in  der 
Nähe  der  jD-Linie  (zwischen  i=0,59  und  i  +  J  =  0,6076 /i)  in  der  Secunde 
aussendet. 

Aun.  d.  PbjB.  u.  Chem.   N.  ?.  XXXVII 1.  41 


642  O.  TumUrz. 

Rie  SS 'sehen  Luftthermometer,  mit  einer  messingenen  Scala 
und  einem  Bretteben  fest  verbunden,  unter  einem  beliebigen 
Winkel  eingestellt  werden  kann.  Das  untere  Ende  ist  in 
ein  kugelförmiges,  oben  offenes  Gefäss  von  ungefäbr  50  mm 
Durchmesser  ausgeblasen,  das  obere  dagegen  rechtwinkelig 
umgebogen  und  mit  dem  eigentlichen  Apparat  verbunden. 
Derselbe,  nach  dem  Vorbilde  des  Stefan 'sehen  Apparates 
zur  Bestimmung  der  Wärmeleitungsfahigkeit  der  Gase  zu- 
sammengesetzt, besteht  vor  allem  aus  einem  leichten  Kupfer- 
cy linder  von  40  mm  Durchmesser,  50  mm  Länge  und  20,6413  g 
Gewicht,  welcher  mitten  in  der  einen  Bodenfläche  ein  nach 
Innen  gehendes,  schwach  conisches  Ansatzrohr  trägt  und 
mittelst  desselben  auf  einen  an  dem  Glasrohr  dicht  anliegen- 
den, ebenfalls  conischen  Kautsehukstöpsel  luftdicht  aufgesetzt 
ist.^)  Der  Cylinder  ist  innen  schwarz  gebeizt,  aussen  dagegen 
bis  auf  die  zweite  Bodeniiäche  blank.  Diese  letztere  ist  nicht 
nur  schwarz  gebeizt,  sondern  auch  noch  obendrein  sorgfältigst 
berusst. 

Conaxial  mit  diesem  Cylinder  ist  ein  zweiter  leichter 
Cylinder,  ebenfalls  aus  Kupferblech,  angebracht.  Der  Durch- 
messer des  letzteren  beträgt  48  mm,  also  der  Abstand  der 
beiden  Cylinderflächen  4  mm  und  seine  Länge  62  mm.  Wäh- 
rend die  eine  Bodeniiäche  ein  nach  aussen  gehendes  coni- 
sches Ansatzrohr  besitzt,  welches  einen  conischen,  auf  der 
Glasröhre  dicht  aufsitzenden  Kautschukstöpsel  fest  umschliesst, 
wird  die  andere  Budenfiäche  durch  eine  sorgfältig  polirte 
8teinsalzplatte  von  37  mm  Durchmesser  und  4  mm  Dicke 
gebildet.  Beide  BodenÜächen  haben  von  den  Bodenllächen 
des  inneren  Cylinders  denselben  Abstand  wie  die  Mantel- 
liächen,  nämlich  4  mm.  Die  Stüinsalzi)latte  ruht  in  einer 
Fassung,  welche  eine  Kreisliäche  von  3ü  mm  Durchmesser 
freilässt  und  dadurch  bewirkt,  dass  alle  durchtretenden 
Strahlen  die  berusste  Bodeniiäche  des  inneren  Cylinders 
(üui'chmesser  =  40  mm)  trell'en  müssen. 

Der  Zweck    des  äusseren  Cylinders   besteht,   wie  ich  in 
der  ersten  der  erwähnten  Arbeiten  näher  auseinandergesetzt 


1)  Zum  lufr(Ji(lit(in  Ver.sililus>  ver\v(*ndeto  icli  Cauadabalsam,  den  ich 
aiiziiiidctc. 


Mechanisches  Aequivalent  des  Lichtes.  643 

habe^  hau])tsächlich  darin,  den  inneren  Cylinder  dem  Einflüsse 
von  Luftströmungen  zu  entrücken. 

Als  Manometerflüssigkeit  diente  sehr  dünnflüssiges,  mit 
Alkanin  roth  gefärbtes  Knochenöl  von  0,8902  specifischem 
Gewicht  (20^  C). 

Das  Luftthermometer  wurde  so  aufgestellt,  dass  die 
horizontale  Cylinderaxe  in  ihrer  Verlängerung  genau  durch 
die  Flammenmitte  hindurchging.  Die  Bewegung  des  Flüs- 
sigkeitsfadens beobachtete  ich  mit  dem  Fernrohr.  Ich  legte 
zu  dem  Ende  an  das  Thermometerrohr  unter  einem  Winkel 
von  45^  gegen  die  Ebene  der  Scala  einen  6  cm  breiten  und 
40  cm  langen  Glasspiegelstreifen  und  stellte  auf  der  der 
Flamme  abgekehrten  Seite  des  Luftthermometers  eine  Linse 
von  53  cm  Brennweite  so  auf,  dass  das  Spiegelbild  der  Scala 
in  die  Brennebene  der  Linse  fiel.  Ein  hinter  der  Linse  auf 
„Unendlich"  eingestelltes  Fernrohr  liess  die  Scala  so  ver- 
grössert  erscheinen,  dass  man  die  Zehntelmillimeter  mit 
voller  Sicherheit  ablesen  konnte. 

Bevor  ich  zur  Theorie  des  Apparates  übergehe,  will  ich 
noch  die  Art  und  Weise  erwähnen,  wie  ich  die  Flammen- 
höbe gemessen  habe.  Entprechend  der  Definition  der  Licht- 
einheit hat  die  Flammenhöhe  40  mm  vom  Rande  des  Docht- 
rührchens  aus  zu  betragen,  und  es  verweist  bezüglich  dieser 
Einstellung  die  gebräuchliche  Anweisung  auf  zwei  der  Flamme 
zugekehrte  Kanten.  Weil  aber  die  Flamme  der  Amylacetat- 
lampe  gegen  jede  auch  noch  so  kleine  Luftbewegung  sehr 
empfindlich  ist,  so  hat  man  bei  der  Controle  der  Flam- 
menhöhe nach  der  gegebenen  Vorschrift  mit  dem  Einfluss 
der  durch  den  Athem  und  die  Körperbewegungen  verur- 
sachten Luftbewegungen  zu  rechnen.  Ich  habe  daher  auch 
hier  ein  Fernrohr  zu  Hülfe  genommen.  Es  wurde  zunächst 
dieses  zweite  Fernrohr  auf  die  Flamme  eingestellt,  dann  das 
halbe  Objectiv  mit  einem  Spiegel  bedeckt,  welcher  gegen  die 
Fernrohraxe  unter  einem  Winkel  von  45"  geneigt  war,  und 
schliesslich  in  der  zu  dieser  Axe  senkrechten  Richtung,  in 
einer  Entfernung  gleich  der  der  Flamme  vom  Objectiv,  eine 
Millimeterscala  aus  Glas  so  angebracht,  dass  der  Spiegel  ihr 
Spiegelbild  mit  der  Flamme  zur  Coincidenz  brachte.  Bei 
dieser  Beobachtung« weise    befand    sich   der  Körper   des  Be- 

41* 


644  O.  TumUrz. 

obachters  immer  in  einer  grösseren  Entfernung  von  dem 
Luftthermometer  und  der  Flamme.  Die  Flamme  brannte 
auch  immer  so  ruhig,  dass  sie  fast  immer  vor  und  nach  dem 
Versuch  dieselbe  Höhe  hatte. 

II.  Hat  die  Luft  in  dem  inneren  üylinder  zu  Beginn 
des  Versuches  den  Druck  Bq  und  während  des  Versuches 
zur  Zeit  z  den  Druck  H^,  so  besteht,  wie  in  der  früheren 
Arbeit  gezeigt  wurde,  für  die  Druckdifferenz  H^  —  Hq  die 
Beziehung: 

(1)  II,-IJ,  =  J<,ffsine-^lf'-l^, 

worin  /l  die  Verschiebung  des  Meniscus  zur  Zeit  r,  positiv 
gerechnet,  wenn  die  Verschiebung  nach  abwärts  geht,  a  die 
Dichte  der  Flüssigkeit,  ff  die  Beschleunigung  der  Schwere,  e 
den  Neigungswinkel  der  Röhre  gegen  die  Horizontale,  u  den 
Reibungscoefficienten  der  Flüssigkeit,  /  die  Länge  des  Flüssig- 
keitsfadens, gerechnet  von  der  Mündung  der  Röhre  in  das 
Kugelgefäss  bis  zum  Meniscus,  und  m  den  Querschnitt  der 
Röhre  bedeuten. 

Für  den  Reibungscoefticienteh  habe  ich  die  folgenden 
Werthe  gefunden: 

fii  =  21,985  {mff  mm-i  sec-^)  bei   18,8^  C. 
und  u  =  22.510  (niff  min-^  sec-^)  bei  17,0<>  C. 

Die  Druckdifterenz  führt  in  bekannter  Weise  zur  Kennt- 
niss  der  Temperaturerhöhung.  Bezeichnen  Vq  und  V^  das 
Volumen  des  inneren  Cylinders  bei  den  Spannungen  //^  und 
H^  und  in  entsjirechender  Weise  n^^  und  fi^  die  Länge  des 
von  der  Flüssigkeit  nicht  erlüliten  Röhrenstückes,  so  nimmt 
die  Luft  im  ersten  Fall  das  Volumen  V^^  +  ri^^roy  im  zweiten 
Fall  das  Volumen  l\  +  n^co  ein,  und  wir  können  demnach, 
wenn  wir  noch  die  zugehörigen  Temperaturen  t^  und /^  nennen, 
die  Proportion  bilden: 

f^h  ( ^^0  +  ''o^'O  '  Jh  (  ^1  +  '^1  ^'0  =  (1  +  ^^O  :  (1  +  «^). 

ci  bedeutet  hierin  den  Ausdehnungscoefticienten  0,008(3  65. 
Um  aus  dieser  Proportion  die  Temperaturerhöhung  abzu- 
leiten, drücken  wir  zunächst  die  Volumina  V^  und  V\  mit 
Hülü*  des  Volumens  V  aus,  welches  der  innere  Cylinder  bei 
der  Temperatur  0"  0.   hat,  indrm   wir: 


Mechanisches  Aeqnivnlent  des  Lichtes.  645 

n  =  V{^  +  ß^o)    UDd     V,  =  F(l  +  ßt^) 
schreiben  und  unter  /?  =  0,0^51  den  cubischen  Ausdehnungs- 
co^.fficienten  von  Kupfer  verstehen. 

Wenn  wir  jetzt  diese  Werthe  in  die  Proportion  sub- 
stituiren  und  der  Kürze  halber  die  Differenz  a— /9=0,003  614 
mit  /  bezeichnen,  so  erhalten  v^ir  vorerst: 

^  _  j3       r  (^1  —  ^o)  —  (»1  --  «o)  ^ 

1  +  y^o  -  »0  ^ 

und  hieraus  mit  Rücksicht  auf: 

'*!  -  Wo  =  ^ 
und  unter  Benutzung  der  Gleichung  (1)  bei  Einführung  der 

Abkürzung: 

l  +  y^o  — «oy  ^^ 

j^ ag  sina  +  -^=  N, 

yHq  '     to         dt  2 

die  Beziehung: 

nQ  +  J  ist  der  beobachtete  Stand,  n^  +  A  -  {N^jN^  der 
mit  Rücksicht  auf  die  Bewegung  und  Reibung  corrigirte 
Stand  der  Flüssigkeit. 

III.  Steht  dem  Luftthermometer  eine  Wärmequelle 
gegenüber,  so  wollen  wir  il  die  Wärmemenge  nennen,  welche 
während  einer  Secunde  auf  dem  Wege  der  Strahlung  in  das 
Thermometer  eintritt.  Indem  durch  diese  Wärmezufuhr  die 
Temperatur  des  inneren  Cylinders  steigt,  entsteht  gleichzeitig 
ein  Wärmeabfluss  gegen  die  Umgebung.  Und  zwar  wird 
nicht  nur  die  Strahlung,  welche  von  der  berussten  Fläche 
gegen  die  Wände  des  Beobachtungsziromers  ausgeht,  erhöht, 
sondern  auch  die  Strahlung  und  die  Leitung  von  dem  übrigen 
Theil  des  inneren  Cylinders  gegen  den  äusseren  Cylinder. 

Wir  wollen  zunächst  der  Einfachheit  halber  annehmen, 
dass  die  Wände  des  Beobachtungszimmers  dieselbe  Tempe- 
ratur haben  wie  die  Zimmerluft.  Da  bei  kleinen  Temperatur- 
differenzen die  Strahlung  immer  der  Temperaturdifferenz 
proportional  gesetzt  werden  kann,  so  können  wir  die  Wärme- 


646  O.  Turnärz. 

Strahlung,   welche   von  der  berussten  Fläche  während  einer 
Secunde  ausgeht,  in  der  Form: 

und  den  Wärmeabfluss,  welcher  von  dem  übrigen  Theile  des 
inneren  Cylinders  ausgeht,  in  der  Form: 

5(/- ,9-) 
schreiben,   wobei  wir  unter  A  und  B  zwei  Constanten  und 
unter  &  die  Zimmertemperatur  verstehen.   Die  Summe  beider 
oder   der   gesammte   Wärmeverlust   während   einer  Secunde 
hat  daher,  wenn  wir  A  +  B  =  E  setzen,  die  einfache  Form: 

E{t-&). 

Diese  Voraussetzung,  dass  die  Wände  und  die  Luft  des 
Zimmers  dieselbe  Temperatur  haben,  wäre  z.  B.  in  einem 
Räume  von  constanter  Temperatur  erfüllt.  Da  mir  aber 
ein  solcher  nicht  zur  Verfügung  stand,  so  müssen  wir  hier 
ganz  besonders  den  Fall  ins  Auge  fassen,  dass  die  Wände 
eine  andere  Temperatur  als  die  Luft  haben. 

Nennen  wir  &^  die  Temperatur  der  Wände  und  &  die 
Temperatur  der  Luft,  dann  ist  die  von  der  berussten  Fläche 
ausgehende  Wärmestrahlung  durch: 

A{t-  &,\ 
dagegen  der  andere  Wärmeabfluss  gerade  so  wie  früher  durch: 

gegeben.    Die  erstere  Grösse  kann  uun  auch  so  geschrieben 
werden:  A(t-&)  +  A{&-  xJ-^). 

In  dieser  Form  bedeutet  der  erste  Summand  die  Wärme, 
welche  die  berusste  Fläche  während  einer  Secunde  aus- 
strahlen würde,  wenn  die  Wände  und  die  Luft  dieselbe  Tem- 
peratur hätten,  der  zweite  Summand  dagegen  eine  Strahlung, 
welche  in  der  Form: 

A  {&,  -  &) 
zu  der  Strahlung  ßj^hinzutritt  und  positiv  ist,  wenn  i9-j  grösser 
als  &  ist. 

Wenn  wir  diese  letztere  Strahlung  mit  ß'  bezeichnen, 
so  können  wir  sagen:  Das  Luftthermometer  erhält  während 
einer  Secunde  die  Strahlungsmenge: 

ß-hß' 
und  erleidet  gleichzeitig  einen  Wärmeverlust  von  der  Grösse: 

E(t-  &), 


J 


Mechanisches  Aeqnivalent  des  Lichtes.  647 

oder  es  besteht  für  das  Zeitelement  dz  die  Gleichung: 

(3)  [il  +  ß')  dz-E{t-  &)dz^  Mdt, 

worin  M  den  Wasserwerth  des  inneren  Cylinders  und  dt  die 
in  der  Zeit  dz  eintretende  Temperaturerhöhung  desselben 
bedeuten. 

Für  das  Folgende  wird  es  gut  sein,  wenn  wir  in  dieser 
Gleichung  die  Temperatur  des  Cylinders  anstatt  mit  t  mit 
tn  und  die  Erwärmungsgeschwindigkeit  mit  [dtjdz)^  bezeich- 
nen, also  schreiben: 

(3a)  il  +  iJ  -  E[U  -  *)  =  m{^J}]^' 

Wir  denken  uns  jetzt  das  Licht  ausgelöscht,  also  ü  =  0 
gesetzt,  Ist  die  Temperatur  der  Wände  und  der  Zimmer- 
luft dieselbe  geblieben,  so  wird,  wenn  wir  jetzt  die  Tempera- 
tur des  Cylinders  mit  tp  und  die  Erwärmungsgeschwindigkeit 
mit  {dtldz)p  bezeichnen,  für  jenen  Zeitmoment,  in  welchem 
die  Temperatur  und  die  Erwärmungsgeschwindigkeit  die  eben 
bezeichneten  Werthe  haben,  die  Gleichung: 

(4)  i/ -£(.,- ^)  =  A/(|-^)^ 

gelten.  Durch  Subtraction  dieser  Gleichunf/  von  der  vorher- 
{/ehenden  fallen  die  Grossen  il'  und  &  heraus,  und  wir  erhalten 
zur  Bestimmung  von  ii  die  Beziehung: 

Diese  Ableitung  hat,  wie  gesagt,  die  Voraussetzung  zur 
Grundlage,  dass  die  Temperatur  der  Wände  und  der  Zim- 
merluft während  des  ganzen  Versuchs  dieselbe  bleibt.  Ich 
habe  die  Versuche  im  Monat  März  in  einem  nach  Westen 
gelegenen  Zimmer  angestellt.  Nach  den  Angaben  eines 
Geis  sie r'schen  Thermometers  mit  Zehntelgrad theilung  zeigte 
die  Temperatur  des  Zimmers  einen  solchen  Gang,  dass  sie 
vormittags  anstieg,  ungefähr  eine  Stunde  vor  der  Mittagszeit 
durch  ein  sehr  flaches  Maximum  hindurchging  und  dann 
wieder  sank.  Selbstverständlich  wurde  dieses  Maximum  ge- 
wählt. Damit  Si'  eine  constante  Grösse  hat,  wurde  jener 
Theil  der  Wände,  welcher  in  Betracht  kam,  vor  allen  Wärme- 
quellen, welche  als  veränderlich  angesehen  werden  konnten, 


648  O.  Tumlirz. 

durch  Schirme  sorgfältigst  geschützt,  sodass  man  nach  dieser 
Abbiendung  mit  Eücksicht  auf  die  grosse  Wärmecapacität 
der  Wände  und  auch  mit  Rücksicht  darauf,  dass  dieselben 
infolge  ihres  weissen  Anstriches  ein  geringes  Ausstrahlungs- 
vermögen  besitzen,  annehmen  konnte,  dass  ihre  Temperatur 
während  der  Versuchsdauer  constant  blieb. 

Ebenso  wie  die  Wände  wurde  auch  das  Luftthermometer 
durch  einen  grossen,  doppelwandigen  Leinwandschirm,  der 
beiderseits  mit  Stanniol  überzogen  war,  geschützt  und  dieser 
Schirm  gleichzeitig  so  gestellt,  dass  er  die  anderen  Schirme 
verdeckte. 

IV.  Ich  beobachtete  in  der  Weise,  dass  ich  mittelst 
einer  genau  regulirten  Secundenuhr,  welche  alle  30  Seeunden 
einen  Schlag  gab,  für  jeden  Schlag  den  Stand  der  Sperr- 
flüssigkeit notirte,  und  zwar  geschah  dies  während  der  Haupt- 
periode immer  zwölfmal  und  während  der  Nachperiode 
{ü  =s  0)  ebenfalls  zwölfmal.  Damit  aber  in  den  Formeln, 
in  welchen  m  sich  auf  die  Hauptperiode  und  p  auf  die  Nach- 
periode bezieht,  die  Zahl  12,  welche  für  beide  gleich  war, 
keine  Verwechslung  herbeiführi,  wollen  wir  in  den  Formeln 
die  Zahl  der  Schläge  für  die  Hauptperiode  mit  fi  und  für 
die  Nachperiode  mit  v  bezeichnen. 

Die  Gleichung  (2)  gibt: 

t„,  -  /o=  N,  ^J^  -  ^;^--J  und  tp-t,  =  .V,  [J,  -  '^ 

Führen  wir  nun  zur  Abkürzung  für  die  corrigirten 
Flüssigkeitsstlinde  n^  +  Am  -  N^'"*^lN^  und  n^  j^j^^-N^^jN^ 
die  Bezeichnungen  Sm,  und  Sp  ein,  und  setzen  wir: 

ldt\     ^/m+l-^m-l,      (dj\    ^    W 
\dz)m  '         flu  '      \dz)p 

so  erhält  die  Gleichung  (5)  die  Gestalt: 
oder: 

(6)         -y    =  E(Sm—  Sp)  +  —  {Sm-^i  —  Sm-1  —  Sp^i  +  Sp^i). 

Wie  wir  sehen,  ist  in  dieser  Gleichung  gleichsam  ein 
Zeitpunkt  der  Hauptperiode  mit  dem  Zeitpunkt  der  Nach- 
periode verbunden.    Es  wird  daher,  den  Beobachtungen  ent- 


60    '      ' 


Mechanisches  Aequwulent  des  Lichtes,  649 

sprechend,  für  die  Grösse  Si  der  möglichst  beste  Werth 
herauskommen,  wenn  wir  dem  Index  m  alle  Werthe  von  2 
bis  ^  —  1  und  dem  Index  p  alle  Werthe  von  2  bis  r  —  1 
geben  und  hierauf  sämmtliche  Gleichungen  addiren. 

Geben  wir  zunächst  dem  Index  p  alle  Werthe  von  2  bis 
i'  —  1,  so  erhalten  wir: 


Si 


und  geben  wir  jetzt  dem  Index  m  alle  Werthe  von  2  bis 
|(i  —  1,  so  erhalten  wir: 


(A) 


60i2  _   60^  (    ^     '^  Q  ^     ^\"\ 

^2  2  ' 


In  dieser  Gleichung  ist  noch  eine  Grösse  unbekannt, 
nämlich  die  Grösse  E^  welche  sich  aber  sehr  einfach  mit 
Hülfe  der  Gl.  (4)  ergibt  Denken  wir  uns  nämlich  für  jeden 
Schlag  der  Uhr  die  Gl.  (4)  gebildet,  und  z.  B.  die  dem 
Schlage  q  entsprechende  Gleichung  von  der  dem  Schlage  p 
entsprechenden  abgezogen,  so  ergibt  sich: 

oder  wenn  wir: 

^p—l  —    '^-l  =  hp  ,  Sq^i  —    Sq^l  =  kg, 

setzen : 

Eine  möglichst  genaue  Bestimmung  von  E  erfordert 
nutürlich  die  Benutzung  aller  Beobachtungsdaten. 

Die  in  das  Thermometer  eintretende  Strahlungsmenge  il, 
welche  sich  au»  den  Gleichungen  (A)  und  (B)  ergibt,  ist 
kleiner,  als  die  auf  die  Steinsalzplatte  auffallende  Strahlung, 
weil  durch  die  Eeflexion  ein  Theil  verloren  geht.  Der  Ver- 
lust ist  aber  einfach  zu  berechnen;  es  verhält  sich  nämlich 
die  auffallende  Strahlungsmenge  zu  der  durchgehenden  wie 
1,094:1.     Da  wir  für  die   auffallende  Strahlungsmenge    mit 


650  O.   Tumlirz. 

Rücksicht  darauf,  dass  die  Fassung  der  Stein  salzplatte  eine 
Kreisfläche  vom  Radius  18  mm  freilässt,  den  Ausdruck  ^): 

habeU;  worin  e  (mm)  die  Entfernung  der  Mitte  der  Flammen- 
axe  von  dem  Mittelpunkte  der  vorderen  Kreisfläche  der 
Steinsalzplatte  bedeutet,  so  können  wir  für  die  Strahlung  ß 
die  Gleichung: 

bilden. 

Indem  ich  die  Versuche  in  der  angegebenen  Weise 
anstellte  und  die  Ergebnisse  nach  den  angeführten  Glei- 
chungen berechnete,  erhielt  ich  für  K  die  nachfolgenden 
Werthe : 

JE'=  0,147,      0,146,      0,144,       0,145,       0,145  1   gcal 
(C)  I  0,150,      0,143,       0,156,       0,159,       0,148  )     sec 

l  Mittel    =  0,1483  ±  0,0011. 

Der  achte  und  der  neunte  Werth  weichen  ziemlich  stark 
vom  Mittel  ab.  Obwohl  ich  nach  genauer  Erwägung  aller 
bei  diesen  beiden  Versuchen  zur  Geltung  kommenden  Um- 
stände zu  der  Ueberzeugung  gekommen  bin,  dass  an  dieser 
Abweichung  nicht  so  sehr  Versuchsfehler  Schuld  sind,  son- 
dern dass  vielmehr  die  Flamme,  wenn  sie  auch  immer  die- 
selbe Höhe  hat,  schon  wegen  des  Einflusses,  den  die  Be- 
schaffenheit der  Luft  auf  den  Verbrennungsprocess  in  der 
Flamme  hat,  nicht  immer  als  eine  constante  Wärmequelle 
angesehen  werden  kann,  so  habe  ich  diese  Zahlen  dennoch 
beibehalten,  weil  ich  der  Ansicht  bin,  dass  durch  das  gegebene 
Mittel  das  wirkliche  mittlere  Verhalten  der  Flamme  besser 
zum  Ausdruck  kommt,  als  wenn  ich  diese  Zahlen  fortgelas- 
sen hätte. 

V.  Der  Werth  K  entspricht,  wie  gesagt,  der  Gesammt- 
strahlung.  Um  nun  die  in  dem  Lichte  enthaltene  Energie 
zu  erhalten,  ist  es  nothwendig,  das  Verhältniss  zwischen 
dieser  Energie  und  der  Energie  der  Gesammtstrahlung  zu 
bestimmen. 

1)  Bezüglich  dieses  Ausdruckes  verweise  ich  auf  die  zweite  eingangs 
citirte  Arbeit. 


Mechanisches  Aequwalenf  des  Lichtes,  651 

Ich  verwendete  dazu  eine  Thermosäule  aus  Wisrauth 
und  Antimon,  welche  durch  Schirme  auf  das  sorgfältigste 
geschützt  wurde.  Während  die  der  Flamme  zugekehrte  Seite 
gleichmässig  berusst  war,  wurde  die  andere  Seite  durch 
Baumwolle  gegen  raschere  Temperaturänderungen  geschützt. 
Von  den  Schirmen  sind  besonders  zwei  hervorzuheben,  näm- 
lich ein  Messingschirm  unmittelbar  vor  der  Thermosäule  und 
ein  zweiter  Messingschirm  vor  der  Flamme.  Beide  Schirme 
waren  in  ihrer  Ebene  um  ein  Gelenk  drehbar  und  wurden, 
weil  der  Körper  des  Beobachters  eine  bedeutende  Wärme- 
quelle ist,  mittelst  eines  daran  befestigten,  ungefähr  1,5  m 
langen,  sehr  leichten  Holzstabes  aus  der  Ferne  gedreht. 
Wegen  der  schon  erwähnten  Empfindlichkeit  der  Flamme 
wurde  die  Drehung  mit  der  grössten  Vorsicht  ausgeführt. 

Der  Gang  der  Zimmertemperatur  wurde  ebenso  wie 
früher  mit  einem  zehntelgradigen  Geis  sie  r 'sehen  Thermo- 
meter verfolgt,  und  die  Beobachtung  zur  Zeit  des  Maximums 
angestellt. 

Als  Galvanometer  diente  eine  durch  einen  Magnetstab 
astasirte  Wiedemann'sche  Bussole,  deren  Ausschläge  mit 
Fernrohr  und  Scala  gemessen  wurden.  Die  beiden  Spulen, 
welche  an  den  Kern  ganz  herangerückt  waren,  wurden  neben- 
einander verbunden  und  ergaben  in  dieser  Verbindung  einen 
Widerstand  von  1,711  Ohm,  während  der  Widerstand  der 
Thermosäule  1,651  Ohm  betrug.  Der  astasirende  Magnetstab 
war  471  mm  lang  und  nördlich  von  der  Nadel  im  Meridian 
in  einor  solchen  Entfernung  angebracht,  dass  das  nord- 
magnetische  Ende  von  der  Mitte  des  Magnetspiegels  31  cm 
entfernt  war.  Wenn  auch  bei  einem  solchen  Multiplicator 
die  Schwankungen  der  erdmagnetischen  Declination  sehr 
störend  sind,  so  bietet  derselbe  doch  den  grossen  Vortheil, 
dass  man  seine  Angaben  zu  verschiedenen  Zeiten  genau  auf- 
einander reduciren  kann. 

Bedeuten  J  die  Stromstärke,  A  den  Botrag  der  Hori- 
zontalintensität des  Erdmagnetismus,  auf  welchen  diese  durch 
den  astasirenden  Magnet  herabgedrückt  wird,  D  das  Drehungs- 
moment, welches  bei  der  Stromstärke  Eins  auf  die  mit  dem 
Stabmagnetismus  Eins  behaftete  Nadel  in  ihrer  Ruhelage 
(parallel  den  Drahtwindungen)  ausgeübt  wird,   (p  den  Aus- 


652  O.   Tumlirz. 

schlag,  T  das  Trägheitsmoment,  r^  die  Schwingungsdauer 
bei  geschlossenem  Multiplicator  und  A  das  logarithmische 
Decrement  (natürlicher  Logarithmus),  so  besteht  die  Glei- 
chung: 

(12)  J=  const^-^^^^i^'tga. 

Die  Grösse  h  kann  sich  sehr  leicht  ändern,  da  sie  sowohl 
von  der  yeränderlichen  Intensität  der  Horizontalcomponente 
des  Erdmagnetismus,  als  auch  von  dem  mit  der  Temperatur 
veränderlichen  Stabmagnetismus  des  astasirenden  Magnet- 
stabes abhängt.  Damit  aber  immer  die  Angaben  vergleich- 
bar werden,  habe  ich  jedesmal,  sowohl  vor,  als  auch  nach 
dem  Versuche,  die  Grössen  A  und  t^  bei  geschlossenem 
Multiplicator  bestimmt,  aus  den  beiden  Werthen  das  Mittel 
genommen  und  dann  die  auf  die  Tangente  corrigirten  äcalen- 
ausschläge  mit  dem  Factor: 


n 


multiplicirt. 

Zu  erwähnen  ist  noch  einiges  bezüglich  der  Art  der 
Beobachtung.  Die  Messungen  wurden,  wie  gesagt,  zur  Zeit 
des  Maximums  der  Zimmertemperatur  ausgeführt.  Zunächst 
bestimmte  ich  die  Strahlung  der  Wände,  indem  ich  den  vor 
der  Thermosäule  befindlichen  Messingschirm  aus  der  Ferne 
mit  dem  Holzstabe  umlegte,  hierauf  den  Scalenausschla^ 
notirte  und  den  Schirm  wieder  vorsetzte.  War  die  Nadel 
zur  Ruhe  gekommen,  so  wurde  der  Schirm  vor  der  Flamme 
umgelegt  und  mit  dem  Schirm  vor  der  Thermosäule  in  der- 
selben Weise  wie  früher  verfahren.  Der  jetzt  notirte  Aus- 
schlag entsprach  der  Strahlung  der  Lampe  -|-  der  Strahlung 
der  Wände.  Nachdem  zum  Schlüsse  die  Strahlung  der  Wände 
nochmals  in  der  angegebenen  Weise  bestimmt  worden  war, 
wurde  aus  den  beiden  der  Strahlung  der  Wände  entsprechen- 
den Ausschlägen  das  Mittel  genommen  und  dieses  von  dem 
zweiten  Ausschlage  al)gezogen. 

Was  die  Ausschläge  anbelangt,  so  wurde  darauf  ge- 
sehen, dass  die  Einwirkung  der  Strahlung  auf  die  Thermo- 
säule nur  eine  niöpjlichst  kurze  Zeit  dau(U'tp,  und  ferner,  dass 
diese  Zeit    immer    dieselbe    war.     Zu   dem  Ende  wurde  der 


) 


Mechanüches  Aequivalent  des  Lichtes,  653 

Strom  unmittelbar  nach  dem  Umlegen  des  Schirmes  mit 
einem  Commutator  geschlossen  und  in  dem  ersten  Umkehr- 
punkte  commutirt.  Von  diesem  Umkehrpunkte  angefangen, 
blieb  er  in  derselben  Richtung  bis  zum  zweiten  Umkehr- 
punkte geschlossen  und  wurde  erst  nach  Eintritt  dieses 
geöflfnet.  War  der  Strom  geöfifnet,  dann  wurde  sofort  die 
Thermosäule  durch  ihren  Messingschirm  gedeckt. 

Aus  dem  Bogen  x^  zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Umkehrpunkte  lässt  sich  leicht  der  constante  Ausschlag  p 
berechnen,  welchen  der  im  Multiplicator  befindliche  Strom 
hervorbringen  würde,  wenn  die  Nadel  nach  vollbrachten 
Schwingungen  zur  Ruhe  gekommen  wäre.  Der  Weg  Xj  bis 
zum  ersten  Umkehrpunkte  ist  nämlich: 

x,=^{\+e-^).p, 

und  der  Weg  zwischen  dem  ersten  und  dem  zweiten  Um- 
kehrpunkt: 

^3  =  K  +/>)(!+  ^'% 
Bezeichnen    wir    das    Dämpfungsverhältniss  e^^    mit    kj 
so  wird: 

Dieser  Ausschlag  p  ist  noch  auf  die  Tangente  zu  corri- 
giren  —  den  coirigirten  Ausschlag  wollen  wir  p^  nennen  — 
und  dann,  wie  schon  erwähnt,  mit  dem  Factor  Tt^+A^lYr^ 
zu  multipliciren. 

Wir  wollen  jetzt  schliesslich  die  von  der  Lampe  aus- 
gehende Strahlung  betrachten.  Bezeichnen  wir  die  in  der 
Secunde  auf  die  Thermosäule  fallende  und  von  der  berussten 
Fläche  absorbirte  Strahlungsmenge  mit  i2,  so  ist  diese  Grösse, 
weil  sie  der  Stromstärke  J  proportional  ist,  auch  proportio- 
nal dem  Producte  71^+  ji^lVr^^ji  ,p^y  oder  es  ist,  wenn  C 
eine  Constante  bedeutet: 

(14)  U^C^tS.p. 

Andererseits  ist  aber  diese  Strahlungsmenge  gleich: 

wo  0)  die  berusste  Fläche  der  Thermosäule  und  q  den  Ab- 
stand derselben  von  der  Mitte   der  Flammenaxc  bezeichnen. 


654  O.  Tumlirz. 

Setzen  wir  die  beiden  Ausdrücke  aneinander  gleich,   so  er- 
halten wir: 

(15)  K^C.S-^^^.p,, 

Die  Fläche  m  betrug  182,2  mm^,  für  den  Abstand  q 
wählte  ich  den  Werth  687  mm. 

Indem  ich  nach  den  besprochenen  Methoden  20  Versuche 
anstellte  und  dieselben  nach  den  gegebenen  Formeln  be- 
rechnete, erhielt  ich  für  K  den  Werth: 

(D)  K^C.  (2,625  ±  0,018) X 10*. 

Nicht  unerwähnt  darf  dabei  eine  Reihe  von  Fehler- 
quellen bleiben,  welche  das  Resultat  stark  beeinflussen  können. 
Zunächst  kann  die  Höhe  und  die  Leuchtkraft  der  Flamme 
während  der  Beobachtung  schwanken,  weil  auf  den  Ver- 
brennungsprocess  in  der  Flamme  die  Beschaflenheit  der  Luft, 
wie  auch  etwaige  Veränderungen  im  BrennstofiF  von  Einfluss 
sein  können.  Dann  kann  die  von  den  Zimmerwänden  kom- 
mende Strahlung  eine  Veränderung  durch  das  veränderliche 
Tageslicht,  auf  welches  der  Wolkenzug  von  Einfluss  ist,  er- 
fahren. Auch  flnden  im  Zimmer  immer  Luftströmungen 
statt,  welche  bei  der  Thermosäule  bald  kältere,  bald  wärmere 
Luftschichten  vorbeiführen  können.  Schliesslich  sind  auch 
die  Schwankungen  der  Declination  und  der  Intensität  des 
Erdmagnetismus  in  Betracht  zu  ziehen. 

VI.  Die  Bestimmung  des  Verhältnisses  der  leuchtenden 
Strahlen  zur  Gesammtstrahlung  verlangt,  dass  die  Einwir- 
kung der  ersteren  auf  die  Thermosäule  genau  in  derselben 
Weise,  wie  die  der  Cresammtstrahlung  untersucht  wird. 

Die  nächste  Aufgabe  ist  natürlich  die,  die  leuchtenden 
Strahlen  von  den  dunklen  zu  trennen.  Hr.  Tyndall  benutzte 
dazu  eine  Lösung  von  Jod  in  Schwefelkohlenstofi',  welche  die 
Eigenschaft  hat,  nur  die  dunklen  Wärmestrahlen  durchzu- 
lassen. Diese  Methode  mag  für  qualitative  Untersuchungen 
sehr  geeignet  sein,  für  quantitative  Messungen  halte  ich  sie 
aber  nicht  für  empfehlenswert!!,  weil  nach  ihr,  abgesehen  da- 
von, dass  es  noch  fraglich  ist,  ob  alle  dunklen  Strahlen  un- 
geschwächt hindurchgehen,  die  Energie  der  leuchtenden  Strah- 
len sich  als  die  üiff'erenz  der  Energie  der  Gesammtstrahlung 


Mechanisches  Aequivalent  des  Lichtes,  665 

und  derjenigen  der  dunklen  Strahlen  ergeben  soll,  während  doch 
die  Energie  der  leuchtenden  Strahlen,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  blos  den  41.  Theil  oder  2,4  Proc.  der  Energie  der 
Gesammtstrahlung  ausmacht.  Wegen  dieser  Geringfügigkeit 
der  Lichtenergie  erhalten  die  Fehlerquellen,  welche  sowohl 
bei  der  Messung  der  Energie  der  Gesammtstrahlung,  als  auch 
bei  der  Messung  der  Energie  der  dunklen  Strahlen  auftreten, 
einen  ausserordentlich  grossen  Einfluss.  Würden  wir  z.  B. 
bei  der  Bestimmung  der  Gesammtstrahlung  einen  Fehler  von 
0,5  Proc.  und  bei  der  Bestimmung  der  dunklen  Strahlen 
ebenfalls  einen  Fehler  von  0,5  Proc.  begehen,  so  würden  diese 
Fehler,  wenn  sie  entgegengesetztes  Zeichen  hätten,  1  Proc. 
von  der  Gesammtstrahlung,  also  41  Proc.  von  der  Lichtstrah- 
lung betragen. 

Die  indirccte  oder  Subtractionsmethode  ist  also  in  un- 
serem Falle  nicht  geeignet;   eine  so   kleine  Grösse,   wie  die 
Energie   des  Lichtes,   muss   immer  auf  directem  Wege  be- 
stimmt werden.  Von  den  directen  Methoden  ist  nun  entweder 
die  Trennung  der  Strahlen  mit  einem  Prisma  und  einer  Linse 
oder  die  Absorption  der  dunklen  Wärmestrahlen  im  Wasser 
anzuwenden.    Das  erstere  Mittel  ist   allerdings  dem  Princip 
nach  ganz  einwurfsfrei,  aber  seine  Anwendung  schliesst  einen 
grossen  Uebelstand   in   sich,   nämlich  den  Uebelstand,   dass 
die  vielen  Reflexionen,  namentlich  diejenigen  am  Prisma,  wo 
der  Eintritts-  und  Austrittswinkel  sehr  gross  ist,  die  ohnehin 
schon  geringe  Energie  des  in  Betracht  kommenden  Lichtes 
derart  schwächen,   dass   auf  den  kleinen  Betrag,   der  übrig 
bleibt,   die  Fehlerquellen   einen   überwiegenden  Einfluss   er- 
halten.    Denn  man  darf  dabei  ja  nicht  übersehen,   dass  die 
Energie  des  Lichtes  sich  als  die  Differenz  zweier  Energien 
ergibt,  nämlich:    1.  derjenigen  Energie,  welche  sich  aus  der 
Lichtstrahlung  und  der  von  der  Umgebung  kommenden  Strah- 
lung zusammensetzt,  und  2.  dieser  letzteren  Energie  für  sich 
Soll  die  Messung  brauchbar  werden,  dann  darf  diese  Differenz 
im  Vergleich   zum    Subtrahend   aus   den   oben   angegebenen 
Gründen  nicht  allzu  klein  werden. 

In  Erwägung  aller  dieser  Umstände  wählte  ich  ebenso 
wie  Hr.  J.  Thomsen  die  zweite  Methode.  Ein  cubischer 
Trog,  gebildet  von  3  mm  starken  Glasplatten,  deren  innerer 


656  O.   Tumlirz. 

Abstand  174,0  mm  betrug,  wurde  mit  reinem  destillirten 
Wasser  gefüllt  und  allseits  mit  schwarzem  Cartonpapier  be- 
deckt, welches  nur  in  der  Richtung  ,,Flamme — Thermosäule** 
zwei  genügend  weite  Fenster  frei  liess.  Hinter  dem  einen 
Fenster  befand  sich  in  einem  Abstand  von  6  mm  die  be- 
russte  Fläche  der  Thcrmosäule,  vor  dem  anderen  Fenster 
dagegen  die  Flamme,  deren  Axe  davon  61  mm  entfernt  war. 
Der  Trog  wurde  so  aufgestellt,  dass  die  Richtung  „Flamme 
—  Thermosäule**   die  Glaswände   senkrecht  durchsetzte. 

Zwischen  der  Flamme  und  dem  Troge  befand  sich  ein 
doppelwandiger  Messingschirm,  der  um  ein  Gelenk  in  seiner 
Ebene  drehbar  war,  und  dessen  Drehung  gerade  so  wie  früher 
aus  der  Ferne  mit  einem  1,5  m  langen  Holzstab  ausgeführt 
ivurde.  Ein  zweiter  hinter  der  Flamme  aufgestellter  und 
mit  einer  Russschicht  bedeckter  Schirm  hielt  alles  fremde 
Licht  ab. 

Um  mich  zunächst  von  der  Absorption  der  dunklen 
Wärmestrahlen  in  dem  Troge  zu  überzeugen,  wiederholte 
ich  einen  Versuch  des  Hrn.  J.  Thomson,  indem  ich  an  die 
Stelle  der  Flamme  einen  Bunsenbrenner  brachte.  Ich  war 
überrascht,  als  ich  ebenso  wie  Hr.  Thomson,  trotz  des  ge- 
ringen Abstandes  der  Thermosäule,  nicht  den  geringsten  Aus- 
schlag bekam.  Freilich  sind  damit  noch  nicht  alle  Zweifel 
gehoben,  denn  ich  kann  mir  ganz  gut  denken,  dass,  wenn 
eine  leuchtende  Gasflamme  durcli  den  Zutritt  von  Luft  in 
eine  Bunsen'sche  Flamme  verwandelt  wird,  ausser  allen  leuch- 
tenden Strahlen  noch  einige  ultrarothe  Strahlen  verschwinden 
können,  Strahlen,  welche  vielleicht  keine  so  al)solute  Absorp- 
tion erfahren  würden.  Diesen  letzteren  Punkt  werde  ich  ge- 
legentlich noch  einer  näheren  Untersuchung  unterziehen,  da 
dieses  Mittel,  dfe  leuchtenden  Strahlen  von  den  dunklen  zu 
trennen,  ein  ungemein  bequemes  ist. 

Bei  der  Berechnung  des  Versuches  ist  vor  allem  der  Ein- 
Huss  der  mehrfachen  Reflexionen  im  Troge  näher  zu  betrach- 
ten. Wird  das  Licht  an  der  (rrenzHäche  eines  durchsichtigen 
Mediums  von  dem  Brechungsindex  ?/  bei  senkrechter  Incidenz 
reflectirt,  so  ist  die  Intensität  des  reflcctirten  Lichtes,  wenn 
diejenige  des  einfallenden  TJchtes   =  1   ist: 


Mechanisches  Aequivalent  des  Lichtes,  657 


und  die  des  durchgelassenen  Lichtes: 

4n 


q= 1 -P= 


■(«  +  !)• 


Durchsetzt  das  Licht  eine  planparallele  Platte  vom  Bre- 
chungsindex n,  dann  ist  die  Intensität  nach  dem  Austritt: 

^  "  n«  +  r 
Wenn  wir  nun  das  Wasser  als  diese  planparallele  Platte 
auffassen,   so  erhalten  wir  für  die  Intensität  des  durch  den 
Trog  hindurchgelassenen  Lichtes  die  Reihe: 

rq^l  +  rV+r*p*+..0=i-Z-\lp.- 

Setzen   wir   n  =  1,59    und   n  =  1,33/1,59  =  0,836,   so   erhal- 
ten wir  für  diese  Summe  den  Werth: 

0,8866, 

oder  es  verhält  sich  das  einfallende  Licht  zu  dem  durchge- 
lassenen wie  1:0,8866  oder  wie  1,128:1. 

Ausser  der  Schwächung  durch  die  Reflexionen  ist  noch, 
weil  durch  die  Brechung  in  dem  Troge  der  Ausgangspunkt 
der  Strahlen  näher  gerückt  wird,  die  optische  Weglänge  zu 
berücksichtigen.  Das  Licht  durchläuft  von  der  Flamme  bis 
zum  Troge  einen  Weg  von  61  mm,  durchsetzt  hierauf  eine 
3  mm  starke  Glasplatte,  dann  eine  Wasserschicht  von  174,0  mm 
Tiefe,  hierauf  wieder  eine  3  mm  starke  Glasplatte  und  zum 
Schluss  eine  Luftstrecke  von  6  mm.  Es  beträgt  also  die 
optische  Weglänge,  bezogen  auf  Luft: 

Würde  das  Licht  keinen  Verlust  durch  Reflexion  er- 
fahren, dann  würde  in  jeder  Secunde  auf  die  berusste  Fläche 
w  der  Thermosäule  die  Lichtmenge  k((alQ'*)  fallen,  wegen 
der  mehrfachen  Reflexionen  aber   gelangt  blos  die   Menge: 

0,8866 .  Ä  -^, 

zur  Thermosäule  und  erzeugt  dort  einen  ihr  proportionalen 
Strom. 

▲na.  d.  Phys.  u.  Cb«m.  M.  F.  XXXVIII.  42 


658  O.  Tumlirz. 

Die  Ausschläge  wurden  genau  so  wie  früher  bestimmt; 
es  wurde  immer  der  Bogen  zwischen  dem  ersten  und  zweiten 
Umkehrpunkt  notirt,  und  zwar  zunächst  jener  Bogen,  wel- 
cher der  Strahlung  des  Troges  allein  entspricht,  hierauf  der 
der  Strahlung  des  Troges  +  der  Lichtstrahlung  entsprechende 
Bogen  und  schliesslich  wieder  der  Bogen,  welcher  durch  die 
Strahlung  des  Troges  allein  hervorgebracht  wird.  Aus  dem 
ersten  und  dritten  Bogen  wurde  das  Mittel  genommen  und 
dieses  von  dem  zweiten  Bogen  abgezogen;  die  Differenz  ist 
jener  Bogen,  welcher  der  Lichtstrahlung  allein  entspricht. 

Aus  dem  zuletzt  genannten  Bogen  wurde  nach  der  For- 
mel (13)  der  Ausschlag  berechnet,  welchen  der  den  leuch- 
tenden Strahlen  entsprechende  Strom  geben  würde,  wenn  die 
Nadel  nach  vollbrachten  Schwingungen  zur  Ruhe  gekommen 
wäre,  und  dann  dieser  Ausschlag  noch  auf  die  Tangente 
corrigirt.  Nennen  wir  diesen  corrigirten  Ausschlag  p^  und 
das  logarithmische  Decrement  und  die  Schwingungsdauer  be- 
ziehungsweise ^'  und  T\y  so  haben  wir  die  Gleichung: 

0,8866  k  -%  =  C^^  .p.     oder  : 

(16)  Ä=  CM,128.^-.^-"^''.7>2. 

Hier  hat,  wie  gesagt,  (>'  den  Werth  201,6  mm  und  ta 
den  Werth  182.2  qmm^. 

Nicht  unerwähnt  darf  eine  Vorsichtsmaassregel  bleiben. 
Wegen  der  grossen  Wassermenge  macht  der  Trog  viel 
langsamere  Temperaturschwankungen  durch  als  die  Luft  des 
Zimmers.  Da  nun  immer  kurz  vor  Mittag  zur  Zeit  des 
Maximums  der  Zimmertemperatur  beobachtet  wurde,  die 
Temperatur  des  Wassers  aber,  welches  sich  in  der  Nacht 
bedeutend  abgekühlt  hatte,  viel  langsamer  gestiegen  war,  so 
bestand  immer  zur  Zeit  des  Maximums  der  Zimmertempera- 
tur eine  grössere  Temperaturdifferenz  zwischen  der  Luft  und 
dem  Wasser.  Um  diese  Difl'erenz  zu  beseitigen,  habe  ich 
jedesmal  sowohl  den  Gang  der  Lufttemperatur,  als  auch 
den  der  Wassertemperatur  mit  feineren  Thermometern  ver- 
folgt und  dann  vor  der  Beobachtung  zu  dem  Wasser  des 
Troges,   entsprechend   der  Temperaturdifferenz,  so   viel   liaa.^j^ 


Mechanisches  Aequivalent  des  Lichtes,  659 

dendes  Wasser  zugegossen,  dass  die  Temperaturdifferenz  ver- 
schwand. 

Indem  ich  in  der  so  beschriebenen  Weise  gerade  so  wie 
früher  20  Versuche  anstellte,  erhielt  ich  für  k  den  Werth: 

(E)  Ä  =  C.  (638,6  ±  7,4). 

Fassen  wir  diese  Gleichung  mit  der  Gleichung  (D)  zu- 
sammen, so  erhalten  wir: 

und  mit  Hülfe  von  (C): 

(H)  Ä  =:  0,00361  ?-■-. 

^    '  sec 

Diese  Grösse  k  bedeutet^  wie  ich  in  der  früheren  Arbeit 
(«Berechnung  des  mechanischen  Lichtäquivalentes  etc.)  ge- 
zeigt habe,  die  Lichtmenge^  welche  eine  unendlich  kleine,  mit  der 
Flammenmitte  in  derselben  Horizontalen  liegende  Fläche ,  deren 
Normale  durch  die  Flammenmitte  hindurchgeht ,  für  die  Einheit 
ihres   auf  die  Flammenmitte  bezogenen  Körperwinkels  empföngt. 

Die  Grösse  k  ist,  wie  eine  kleine  Rechnung  gibt,  auch 
äi^uivalent  der  Arbeit: 

1  Grammgewicht  x  154,5  cm 
1  Secunde 

oder,  in  absoluten  Arbeitseinheiten,  äquivalent: 

151  500  (cm'gsec    *) 
1  Secunde 

oder  äquivalent  der  electrischen  Arbeit: 

(0,1226  Amp.)2  x  1  Ohm. 

Ich  will  diesem  Resultate,  ebenso  wie  in  der  erwähnten 
Arbeit,  die  folgende  praktische  und  anschauliche  Form  geben: 

Steht  der  Flamme  der  Amylacetatlampe  eine  Fläche  von  einem 
Quadratcentimeter  Inhalt  in  der  Entfernung  von  einem  Meter  so 
gegenüber,  dass  die  Normale  der  Fläche  horizontal  ist  und  durch 
die  Flammenmitte  hindurchgeht,  so  fällt  auf  diese  Fläche  in  jeder 
Secunde  eine  Lichtmenge,  deren  Energie  äquivalent  ist  einer 
IVärmemenge  von: 

361  X  10-«»^'^*^ 

sec 

oder  einer  mechanischen  Arbeit: 

1  ing  X  15,45  cm  __   15,15  (cm^  g  sec    " 

1  SMude  1  S»'ciin(le 

42 


660  O.  Tumlirz. 

oder  einer  electrischen  Arbeit: 

=  (1,226  MiUiampfere»)  X  1  OJim. 
Liegt  in  dieser  Fläche  die  Pupille  eines  Auges,  und  hat 
diese   eine   Weite   von  3  mm,  so  fällt  in  dasselbe  in  jeder 
Secunde  eine  Lichtmenge,  welche  bei  Vernachlässigung  der 
Reflexion  am  Auge  der  Arbeit: 

l,07(cm«gsec-»)    ^^^^  ^^^^,    l(cm«gsec   «) 
1  Secande  *         1  Secunde 

äquivalent  ist.    Diese  Lichtmenge  wäre  erst  in  einer  Zeit  von 

1  Jahr  und  89  Tagen 
im  Stande,  1  g  Wasser  um  1  ^  C.  zu  erwärmen. 

VII.  Mit  Hülfe  des  soeben  gewonnenen  Werthes  von  k 
kann  man  nun  sehr  einfach  auf  photometrischem  Wege  die 
Energie  einer  jeden  anderen  Lichteinheit  bestimmen.  Ich 
habe  denn  auch,  theils  um  ein  Beispiel  hierfür  zu  geben, 
theils  des  allgemeinen  Interesses  halber,  in  der  angegebenen 
Weise  die  Lichtenergie  der  deutschen  Normalkerze  (Parafflnkerze 
von  20  mm  Durchmesser)  gemessen. 

Um  bei  diesen  Messungen  die  Flammenhöhe  genau  be- 
stimmen zu  können,  verwendete  ich  zwei  Fernrohre,  welche 
auf  die  Flammen  eingestellt  wurden.  Die  beiden  Flammen 
und  die  Objective  der  Fernrohre  bildeten  die  Ecken  eines 
Rechteckes,  in  dem  die  Verbindungsgerade  der  beiden  Flam- 
men doppelt  so  gross  war  als  die  kürzere  Seite.  In  der 
Mitte  der  durch  die  Objective  begrenzten  Geraden  befand 
sich  ein  gläserner  Millimeterstab,  von  dem  zwei  Spiegel, 
welche  die  beiden  Objective  zur  Hälfte  bedeckten,  die  Spiegel- 
bilder auf  die  Flammen  warfen  und  mit  denselben  zur  Coin- 
cidenz  brachten. 

Während  die  Flamme  der  Amylacetatlampe  bei  Aus- 
schluss von  Luftströmungen  eine  constante  Höhe  bewahrt, 
unterliegt  dieselbe  bei  der  Normalkerze  bald  grösseren,  bald 
kleineren  Schwankungen.  Diese  Schwankungen  sind  erst 
dann  sehr  gering,  wenn  der  Docht  sich  so  gekrümmt  hat, 
dass  an  seinem  Ende  die  sogenannte  „Rose*^  auftritt.  Diesem 
Zustande  strebt  der  Docht  immer  zu.  Da  sich  bei  diesem 
Zustande  nicht  nur  die  Höhe,  sondern  auch  die  Leuchtkraft^ 
der  Flamme  weniger  ändert,  so  habe  ich  denselben  stets  f&r 
die  photometrischen  Messungen  abgewartet. 


—  i 


Mechanisches  Aequivalent  des  Lichtes.  661 

Ich  stellte  drei  Versuchsreihen  an  und  erhielt  für  die 
Normalkerze  bei  einer  mittleren  Flammenhöhe  von  50,3  mm 
eine  Leuchtkraft  von : 

1,24  Lichteinheiten. 

Bezeichnen  wir  also  den  Werth  k  für  die  deutsche  Nor- 
malkerze mit  k\  so  ist  k'  äquivalent: 

0,00447«-^  oder:  lf^J!i^  oder:  ^«''«"0  (f^'-g'"«'^ 
'  sec  1  Secande  1  Secunde 

oder:  (0,1365  Amp.)^  x  1  Ohm. 

VIIL  Zum  Schluss  sei  es  mir  noch  gestattet,  die  ge- 
wonnenen Resultate  mit  den  Resultaten  zu  vergleichen, 
welche  Hr.  S.  P.  Langley  für  die  Energie  der  Sonnen- 
strahlung erhalten  hat. 

Hr.  Langley  fand,  dass  1  qcm  der  Erdoberfläche  bei 
senkrechter  Incidenz  der  Sonnenstrahlen  in  einer  Minute 
2,84  Grrammcalorien  erhielt,  wenn  die  Atmosphäre  durchaus 
keine  absorbirende  Wirkung  hätte,  und  ferner,  dass  das 
sichtbare  Spectrum  von  A  bis  H^  (inclusive)  ungefähr  35  Proc 
von  der  gesammten  Energie  beträgt.  Wenn  wir  diese  Zahlen 
für  die  Dauer  einer  Secunde  umformen,  so  erhalten  wir  für 
die  gesammte  Strahlung  den  Werth: 

0,04733 «■''''^-  und  für  das  Licht  den  Werth:  0,0166 ?^- 
'  sec.  '  aec. 

Diesem  letzteren  Werthe  wollen  wir  die  für  unsere 
Lichteinheit  gefundenen  Werthe  gegenüberstellen.  Die  Licht- 
einheit sendet,  wie  wir  gesehen  haben,  durch  eine  Fläche 
von  1  qcm  Inhalt,  welche  ihr  in  der  Entfernung  von  1  m  so 
gegenübersteht,  dass  die  Normale  der  Fläche  horizontal  ist 
und  durch  die  Flammonmitte  hindurchgeht,  in  jeder  Secunde 
eine  Lichtmenge,  deren  Energie  einer  Wärmemenge  von: 

361  X  10-»  ?'^- 

sec. 

äquivalent  ist.  Geben  wir  nun  dem  Quadratcentimeter  eine 
Entfernung,  gleich  der  mittleren  Entfernung  der  Erde  von 
der  Sonne,  d.  i.  149000000  km  oder  149  x  10»  m,  so  sinkt 
die  Energie  auf  den  Betrag: 

3«  XJO  ;  „  1,63 X  10-»  8«^: 
149*  X  10*'  *  sec. 


662       O.  Tumlirz.     Mechanisches  Aequivaient  des  Lichtes. 

Das    Verhältniss   der  Energie  des   Sonnenlichtes   zu    dieser 
Energie  beträgt  also: 


0,0166        —  109  V  10*« 
1,63  X  10-«  -  ^"^  ^  ^"    ' 


oder,  das  Sonnenlicht  kann  durch: 

102  X  10"  Licbteinheiten, 

sage  1020  Quadrillionen  Lichteinheiten  ersetzt  werden.^) 

Wir  wollen  noch  einen  Schritt  weiter  gehen.  Nach 
Zöllner  ist  die  Leuchtkraft  der  Sonne: 

558  X  10»  mal 

so  gross  als  die  Leuchtkraft  eines  mittleren  Sternes  erster 
Grösse.  Die  letztere  Leuchtkraft  ist  wiederum  100 -mal 
grösser  als  die  eines  Sternes  sechster  Grösse,  den  man  mit 
blossem  Auge  eben  noch  sehen  kann.  Ein  Stern  sechster 
Grösse  hat  also  dieselbe  Helligkeit  wie: 

^1^^  ==  18  X  10>»  Lichteinheiten, 

sage  180  Billionen  Lichteinheiten  bei  einer  Entfernung  von 
149  000000  km.  Oder  anders  ausgedrückt:  Ein  Stern  sechster 
Grösse  liat  dieselbe  Helligkeit  wie  unsere  Lichteinheit  in  einer 
Entfernung  von  11  km  oder  wie  eine  deutsche  Normalkerze  in 
einer  Entfenmng  von  12  km. 

Dieses  letztere  Resultat  wird  man  freilich  in  Wirklich- 
keit nie  verificiren  können,  denn  wollte  man  es  verificiren, 
so  müsste  man  dazu  die  Nacht  benutzen,  also  eine  Zeit,  wo 
der  Dunstgehalt  der  Atmosphäre  gerade  am  grössten  ist. 
Wie  sehr  aber  dieser  Dunstgehalt  das  Licht  einer  Licht- 
quelle schwächen  kann,  sieht  man  unmittelbar  an  der  auf- 
und  untergehenden  Sonne. 

1)  In  deutseben    Normalkerzen    ausgedrückt,    würden   wir   die  Zahl 
28  X  IC*  erhalten. 


A'  Natterer,    Durchgang  der  Electricität  durch  Gase.      663 

IX.    Einige  Beöbachtti/ngen   ikber  dev  I>urchgang 

der  ElectHcitüt  durch  Gase  und  JOHwipfe; 

von  Konrad  Natterer. 

(Aus  deu  SitzuDgsbcr.  d.  kais.  Acad.  d.  Wiss.  in  Wicn^  mathem.-naturw. 
Classc;  Bd.  98.  Abth.IIa.,  vom  21.  Juni  1889;  mitgetheilt  vom  Hrn.  Verf.) 

(HIena  Taf.  VII.) 

Zu  den  im  Folgenden  skizzirten  Versuchen  diente  ein 
kleiner  Rühmkor  ff  scher  Inductionsapparat,  der  durch  zwei 
Chromsäuretauchelemente  mittlerer  Grösse  in  Gang  gesetzt 
wurde.  Durch  oftmalige  Erneuerung  der  Chromsäurelösung 
wurde  der  Inductionsstrom  auf  fast  gleicher  Stärke  erhalten ; 
seine  Schlagweite  in  freier  Luft  betrug  9 — 11  mm,  d,  h.  bei 
allmählichem  Entfernen  der  Pole  voneinander  blieb  der  con- 
tinuirliche  Funkenstrom  bis  9  mm  erhalten,  bis  11  mm  spran- 
gen einzelne  Funken  in  immer  grösseren  Zwischenpausen 
über. 

Jedes  Gas  und  jeder  Dampf  wurde  mindestens  bei  zwei 
Drucken  untersucht,  nämlich  bei  Atmosphärendruck  und  bei 
dem  mit  Hülfe  der  Wasserluftpumpe  leicht  herzustellenden 
Drucke  von  25  mm  Quecksilberhöhe.  Bei  Atmosphärendruck 
wurde  Rücksicht  genommen  auf  die  Schlagweite  der  electri- 
schen  Entladungen  und  auf  ihre  Leuchtkraft.  Bei  den  unter 
verringertem  Drucke  stehenden  Gasen  und  Dämpfen  wurde 
ausser  der  Leuchtkraft  der  Gesammterscheinung  die  Ausdeh- 
nung des  an  der  negativen  Electrode  auftretenden  Glimm- 
lichtes beobachtet. 

Apparate  für  Gase  und  Dämpfe  unter  Atmosphären- 
druck. 

Apparat  I  diente  zunächst  zur  Untersuchung  von  Gasen; 
er  besteht  aus  dem  weiten  Glasrohr  ab,  welches  auf  jeder 
Seite  durch  einen  doppelt  durchbohrten  Kautschuk-  oder 
Korkstöpsel  verschlossen  wird,  durch  dessen  eine  Bohrung 
das  Zu-,  resp.  Ableitungsrohr  für  den  Gasstrom  geht,  wäh- 
rend sich  in  der  anderen  (centralen)  Bohrung  ein  starker 
Messingdraht  hin  und  her  bewegen  lässt,  an  dem  der  Pol- 
draht (spitzer  Platindraht)  angelöthet  ist,  und  der  mit  dem 
Rühmkorff'schen  Apparate  in  leitender  Verbindung  steht. 


664  A'.  Natterer. 

Die  Zeichen  +  und  —  zeigen  bei  den  einzelnen  Apparaten 
die  Stellen  an,  wo  die  Einschaltung  in  den  Inductionsstrom 
erfolgte.  Bei  Gasen,  die  Messing  angreifen,  war  der  Platin- 
poldraht an  einen  dünnen  Kupferdraht  angelöthet^  welcher 
in  einer  engen  Glasröhre  steckte,  in  deren  einem,  geschlos- 
senen Ende  der  Poldraht  knapp  an  der  Löthstelle  einge- 
schmolzen war  (siehe  Abbildung  neben  Apparat  I).  Sollte 
der  Apparat  1  für  Dämpfe  leichtflüchtiger  Flüssigkeiten  ver- 
wendet werden,  so  wurde  über  das  Glasrohr  ah  ein  Mantel- 
rohr (weiteres  Glasrohr)  geschoben,  durch  welches  Wasser- 
dampf strömte. 

Apparat  II  diente  für  hochsiedende  Substanzen^  deren 
Dämpfe  beim  Durchgange  der  Electricität  keine  bleibende 
Veränderung  erleiden  (z.  B.  Quecksilber).  Die  in  der  Kugel 
des  langen  Rohres  a  beflndliche  Flüssigkeit  wurde  zum  Ko- 
chen gebracht  und  unter  den  unteren  Theil  des  ein  Luftbad 
darstellenden  Mantelrohres  b  (mittelst  zweier  Astbestringe  an 
a  festgehalten)  eine  Flamme  gestellt,  sodass  eine  längere 
Strecke  des  Rohres  a  nur  mit  Dampf  der  betreffenden  Sub- 
stanz erfüllt  war;  der  obere  Theil  des  Rohres  a  wirkte  als 
Rückflusskühler,  c  ist  wieder  ein  enges  Glasrohr,  in  dem 
ein  dünner  Kupferdraht  mit  unten  angelöthetem  Platindraht 
steckt,  welch'  letzterer  aus  dem  zugeschmolzenen  unteren 
Ende  des  Glasrohres  herausragt;  dieser  eine  Poldraht  kann 
beliebig  verschoben  oder  durch  eine  Klammer  festgehalten 
werden.  Der  andere  Poldraht  ist  bei  d  eingeschmolzen;  er 
ist  aussen  zu  einem  Oehr  zusammengebogen,  um  den  Elec- 
tricitätszuleitungsdraht  leicht  einhängen  zu  können. 

Apparat  III  wurde  benutzt  bei  hochsiedenden  Sub- 
stanzen, deren  Dämpfe  durch  electrische  Entladungen  ver- 
ändert werden,  weshalb  für  eine  stete  Zufuhr  frischer  Dampf- 
mengen Sorge  getragen  werden  musste.  Die  Substanz  wird 
in  den  rechten  birnförmigen  Theil  des  Apparates  gebracht, 
wo  sie  durch  einen  darunter  gestellten  Brenner  beliebig  rasch 
verdampft  werden  kann ;  das  einem  Reagenzglas  ähnliche 
Gefäss  (links  unten)  wird  mit  geschmolzenem  Wallrath  ge- 
füllt, der  circa  30 ''  über  den  Siedepunkt  der  betreflFenden 
Substanz  erhitzt  wird;  bei  a  denke  man  sich  einen  Liebi ge- 
sehen Kühler  mit  Vorlage  angesetzt. 


Durchgang  der  Electricität  durch  Gase.  665 

Apparate  für  Grase  und  Dämpfe  unter  verringertem 

Drucke. 

Apparat  IV  diente  zur  Untersuchung  von  Gasen;  bei 
a  wurde  er  mit  dem  Gasentwicklungsapparate  oder  mit  dem 
das  betreffende  Gas  enthaltenden  Gasometer,  bei  d  mit  dem 
Manometer  und  der  Bunsen' sehen  Wasserluftpumpe  ver- 
bunden; bei  c  befanden  sich  einige  Tropfen  einer  Sperrflüssig- 
keit (Quecksilber  oder  Schwefelsäure,  manchmal,  z.  B.  bei  HJ, 
eine  concentrirte  Phosphorsäurelösung);  durch  Handhabung 
des  Glashahnes  b  konnte  das  Gas  in  dem  die  Poldrähte  tra- 
genden Höhrentheile  beliebig  oft  erneuert  werden;  der  bei 
manchen  Gasen  (z.  B.  bei  HJ)  beim  Durchgange  der  Elec- 
tricität an  der  inneren  Glaswand  um  die  Poldrähte  sich  bil- 
dende, die  Beobachtung  störende  Beschlag  wurde  durch  zeit- 
weiliges Erhitzen  des  senkrechten  Röhrentheiles  in  die  kalt 
bleibenden  Theile  der  Röhre  verjagt. 

Apparat  V  wurde  bei  denjenigen  kohlenstoffhaltigen 
Gasen  benutzt,  welche  beim  Durchgange  der  Electricität  an 
der  inneren  Glaswand  um  die  Poldrähte  einen  kohligen  Be- 
schlag liefern  (z.  B.  Acetylen).  Im  wesentlichen  stimmt  er 
mit  Apparat  IV  überein,  nur  ist  auf  eine  leicht  auszufüh- 
rende Reinigung  des  etwas  weiteren  senkrechten  Röhren- 
theiles Bedacht  genommen.  Nach  jedem  Versuche  konnte 
der  Beschlag  an  der  inneren  Glaswand  mit  Hülfe  eines  Holz- 
stäbchens weggewischt  werden,  sobald  man  das  den  oberen 
(negativen)  Poldraht  tragende,  helmartige,  mit  Siegellack  auf- 
gekittete Glasstückchen  e  abgehoben  hatte.  Für  den  nächsten 
Versuch  wurde  dann  ausserdem  der  obere  Draht  durch  Aus- 
glühen von  daran  abgesetzter  Kohle  befreit  und  das  helm- 
artige  Glasstückchen  wieder  mit  Siegellack  aufgekittet.  Ap- 
parat V  wurde  auch  für  leichtflüchtige  kohlenstoffhaltige 
Flüssigkeiten  (z.  B.  Benzol)  verwendet,  in  welchem  Falle  der 
Röhrentheil  zwischen  a  und  by  wo  sich  der  Dampf  der  be- 
treffenden Flüssigkeit  unter  Atmosphärendruck  befindet,  durch 
ein  darum  geschlungenes,  von  Wasserdampf  durchströmtes 
dünnes  Bleirohr  erhitzt  wurde. 

Apparat  VI  diente  für  Flüssigkeiten,  deren  Dämpfe 
durch  electrische  Entladungen  verändert  werden  (sowie  Ap- 


666  K.  Natterer. 

parat  III).  Die  zu  verdampfende  Substanz  kommt  in  die 
Glaskugel;  bei  a  sind  einige  Tropfen  einer  Sperrfiüssigkeit, 
bei  b  denke  man  sich  Kühler  und  Vorlage  angesetzt,  die  mit 
dem  Manometer  und  der  Wasserluftpumpe  in  Verbindung 
stehen.  Die  Verdampfung  der  Substanz  wird  bewirkt  durch 
ein  unter  den  abgebildeten  Apparat  gestelltes  geheiztes  Sand- 
bad (rundes,  mit  Sand  bedecktes  Blech). 

Zu  einigen  orientirenden  Versuchen  mit  Substanzen  von 
sehr  hohem  Siedepunkte  (z.  B.  Cadmium)  diente  der  Appa- 
rat VII  (aus  Kaliglas).  Bei  d  war  die  Verbindung  mit 
Manometer  und  Wasserluftpumpe  hergestellt.  Es  wurde  mög- 
lichst weit  (bis  18  mm)  evacuirt,  dann  die  am  Gründe  der 
Kugel  a  befindliche  Substanz  erhitzt,  d.  h.  in  h,  resp.  c  über- 
destillirt  und  währenddem  der  Inductionsstrom  durch  den  die 
Kugel  a  erfüllenden  Dampf  geleitet. 

Apparat  Villa  und  Apparat  VIII/?  dienten  für  Sub- 
stanzen (z.  B.  Quecksilber),  deren  Dämpfe  durch  electrische 
Entladungen  keine  bleibende  Veränderung  erleiden.  Die  zu- 
geschmolzenen Röhrentheile  ab  enthielten  nur  die  betreffende 
Substanz,  was  auf  folgende  Weise  erreicht  worden  war:  Bei 
b  waren  die  Röhrchen  ursprünglich  nicht  zugeschmolzen,  son- 
dern nur  verengt  (der  punktirt  gezeichnete  Theil  des  Appa- 
rates VIII/9  war  noch  nicht  abgeschmolzen);  die  Substanz 
wurde  durch  diese  Verengung  eingeführt,  sodass  sie  bei  a 
zu  liegen  kam  (das  Rohr  VIII /?  denke  man  sich  umgekehrt); 
dann  wurden  die  Röhrchen  in  einem  Stativ  schief  einge- 
spannt, bei  c  durch  ein  dünnes  Bleirohr  mit  einer  Queck- 
silberluftpumpe verbunden,  der  Luftdruck  bis  auf  Bruchtheile 
von  Millimetern  verringert,  durch  einen  Längsbrenner  das 
Stück  von  a  bis  zur  Kugel  zwischen  6  und  c  erhitzt,  sodass 
durch  die  theilweise  Destillation  der  Substanz  bei  a  die  im 
Röhrentheile  ab  noch  vorhandene  geringe  Luftmenge  ver- 
drängt wurde;  in  dem  Momente  wurde  das  Röhrchen  bei  b 
in  der  Stichflamme  zusammenfallengelassen,  d.  h.  geschlossen 
(beim  Rohr  VIII/9  wurde  dabei  das  punktirt  gezeichnete 
Stück  ganz  abgeschmolzen).  Indem  nun  ein  solches  Röhrchen 
auf  der  Strecke  ab  in  einem  mit  geschmolzenem  Wallrath 
gefüllten  Reagenzglasartigen  Gefässe  erhitzt  wurde,  konnte 
je   nach   der  Temperatur  Dampf  der   betreffenden  Substanz 


Durchgang  der  Electricität  durch  Gase,  667 

von  jedem  beliebigen  Drucke  erhalten  werden.  Der  Vor- 
theil  des  Röhrchens  VIII /9  vor  Röhrchen  Villa  besteht 
darin,  dass  die  Zuleitungsdrähte  für  den  Inductionsstrom  durch 
Glas  und  nicht  blos,  wie  bei  VIII cf,  durch  Wallrath  voneinander 
isolirt  sind. 

Speciell  für  Quecksilberdampf  diente  Apparat  IX.  Ein 
Glasrohr  war  durch  mehrfaches  Biegen  und  durch  Ausziehen 
(Verengen)  bei  c  in  die  Form  ab  cd  gebracht  worden;  durch 
die  Verengung  bei  c  wurde  soviel  Quecksilber  eingefüllt,  dass 
es  von  a  bis  h  reichte,  woselbst  es  durch  Auskochen  von 
Luft  befreit  wurde;  das  so  vorbereitete  Rohr  wurde  hierauf 
in  die  in  der  Figur  gezeichnete  Lage  gebracht  und  bei  d 
mit  der  Wasserluftpumpe  verbunden;  als  der  Luftdruck  auf 
circa  20  mm  verringert  war  —  das  Rohr  wirkte  gewisser- 
massen  als  Manometer  — ,  sank  das  Quecksilber  von  der 
höchsten  Stelle  bei  1  (wegen  des  festen  Haftens  des  ausge- 
kochten Quecksilbers  an  der  Glaswand  musste  diese  Stelle 
vorher  erhitzt  werden) ;  von  1  löste  sich  der  Meniscus  2  ab, 
der  immer  weiter  nach  links  rückte,  bis  die  Höhendifferenz 
von  2  und  3  gleich  20  mm  war;  jetzt  wurde  bei  c  mit  der 
Stichflamme  das  Glas  zusammenfallen  gelassen  und  das  Stück 
cd  abgeschmolzen.  Zwischen  den  Quecksilbermenisken  1  und  2 
war  also  ein  Vacuum.  ^Nachdem  das  als  Luftbad  dienende 
weite  Glasrohr  ef  darübergeschoben  und  mit  Asbestplatten 
festgemacht  war,  wurde  unter  ef  ein  Längsbrenner  gestellt, 
wodurch  man  —  bei  den  gewählten  Dimensionen  des  Appa- 
rates —  die  Spannung  des  Quecksilberdampfes  allmählich  bis 
circa  30  mm  steigern  konnte. 

Ausführung   der   Versuche. 

Die  mit  dem  eben  beschriebenen  Apparate  angestell- 
ten Versuche  wurden  ziemlich  roh  ausgeführt  und  konnten 
deshalb  nur  Näherungswerthe  liefern. 

Zur  Vergleichung  der  Leuchtkraft  der  electrischen 
Lichterscheinungen  in  den  verschiedenen  Gasen  und  Dämpfen 
wurde  eine  sehr  primitive  Methode  angewandt:  es  wurde 
einfach  zugesehen,  bis  zu  welcher  Entfernung  von  der  Licht- 
erscheinung man  noch  gewöhnlichen  Buchdruck  lesen  konnte. 


668  K.  Natterer. 

Selbstverständlich  wurden  die  Versuche  in  einem  verfinster- 
ten Zimmer  angestellt. 

Zur  Beobachtung  der  Schlagweite  wurde  der  Inductions- 
strom  in  dem  unter  Atmosphärendruck  stehenden  Gase  ^)  oder 
Dampf  zwischen  stumpfen  Platinspitzen  übergeführt ,  und 
zwar  in  der  Art,  dass  die  Spitzen  einander  rasch  genähert 
und  sofort  wieder  rasch  voneinander  entfernt  wurden,  sodass 
man  —  allerdings  nur  auf  \/j  mm  genau  —  in  sehr  kurzer 
Zeit  die  grösstmögliche  Entfernung  sowohl  fQr  den  continnir- 
lichen  Funkenstrom,  als  auch  für  die  intermittirenden  Fun- 
ken feststellen  konnte.  Die  Platinspitzen  befanden  sich  dabei 
in  einem  Glasrohr,  und,  indem  durch  dasselbe  ein  ziemlich 
schneller  Gas-,  resp.  Dampfstrom  hindurchging,  wurde  noch 
mehr  verhindert,  dass  eine  durch  die  ersten  Funken  bewirkte 
bleibende  Veränderung  der  Substanz  zwischen  den  Platin- 
spitzen die  Schlagweite  beeinilusste. 

Unter  verringertem  Drucke  (25  mm)  zeigten  die  unter- 
suchten Gase  und  Dämpfe  Andeutung  einer  Gesetzmässig- 
keit in  Bezug  auf  die  Ausdehnung  des  an  der  negativen 
Electrode  auftretenden  Glimmlichtes.  Als  Electroden  dien- 
ten Platindrähte,  die  an  ihren  sich  gegenüberstehenden  Enden 
ganz  kleine  Platinkugeln  trugen  (Dicke  des  Platindrahtes 
=  0,5  mm,  Durchmesser  der  Platinkügelchen  =  1  mm) ;  der 
Abstand  dieser  Platinkügelchen  war  immer  12  mm,  die  be- 
deutend längere  negative  Electrode  war  immer  oberhalb  der 
positiven  angebracht.  In  der  entsprechenden  Rubrik  der 
folgenden  Tabellen  ist  die  Drahtlänge  angegeben,  über  die 
sich  das  Glimmlicht  erstreckte ;  es  wurde  dabei  auch  der  Um- 
fang des  Platinkügelchens  als  Drahtlänge  eingesetzt. 

Die  Gase  wurden  bei  Zimmertemperatur  untersucht,  die 
Dämpfe  bei  einer  ca.  30  ^  über  dem  Siedepunkte  der  betref- 
fenden Substanz  liegenden  Temperatur.  Eine  schwer  durch- 
zuführende Reduction  der  bei  verschiedenen  Temperaturen 
erhaltenen  Werthe  auf  eine  einheitliche  Temperatur  fand 
nicht  statt;  es  sind  also  nicht  alle  im  Folgenden  angeführ- 
ten Zahlen  direct  miteinander  zu  vergleichen. 

In  der  einen  der  beiden  folgenden  Tabellen  wurden  — 
vielleicht   vorgreifend  den  Resultaten  —  diejenigen  anorga- 

1)  Die  benutzten  Gase  waren  nicht  ganz  trocken. 


Durchgany  der  Electriciiät  durch  Gase,  669 

nischen  Gase  und  Dämpfe,  welche  gleich  viel  Atome  im 
Molecül  enthalten I  zusammengestellt  und  nach  ihren  Mole- 
culargewichten  angeordnet. 

Die  kohlenstoffhaltigen  Gase  und  Dämpfe  wurden  in 
der  zweite  Tabelle  vereinigt  und  nach  ihren  Moleculargewich- 
ten  angeordnet.  Sehr  störend  war  bei  den  Versuchen  mit 
den  organischen  Verbindungen  die  beim  DilVchgange  der 
Electricität  stattfindende  Kohlenstoffabscheidung;  bei  jedem 
einzelnen  unter  Atmosphärendruck  stehenden  Gase  oder 
Dampfe  nahm  die  Leuchtkraft  bei  Verringerung  der  Pol- 
distanz proportional  mit  der  Kohlenstoffabscheidung  zu  (wegen 
des  Glühendwerdens-  der  festen  Eohlenstofftheilchen):  die 
Differenz  des  bei  jeder  Substanz  angegebenen  Maximums 
und  Minimums  der  Leuchtkraft  gibt  also  einen  Maassstab 
für  die  Stärke  der  Kohlenstoffabscheidung  ab. 


Der  Quecksilberdampf,  dessen  Molecül  aus  einem  Atom 
besteht,  verhielt  sich  beim  Durchgange  der  Electricität 
anders  als  alle  in  den  Tabellen  angeführten  Gase  und 
Dämpfe.  Die  Schlagweite  war  ungemein  gross,  sie  betrug 
beiläufig  20  cm;  die  Leuchtkraft  war  so  gross,  dass  man 
noch  in  einer  Entfernung  von  2  m  lesen  konnte;  bei  Ver- 
ringerung der  Spannung  des  Quecksilberdampfes  blieb  sich 
diese  Leuchtkraft  so  ziemlich  gleich  bis  zum  Drucke  von 
30  mm,  bei  noch  geringeren  Drucken  nahm  die  Leuchtkraft 
rasch  ab.  Glimmlicht  tritt  im  Quecksilberdampfe,  wie  schon 
A.  Schuster  bemerkt  hat^),  nicht  auf,  vielmehr  strömt  die 
Electricität  nur  von  einem  oder  mehreren  Punkten  der 
negativen  Electrode  aus,  am  liebsten  von  dort,  wo  sich  flüs- 
siges Quecksilber  befindet. 

Nach  einigen  vorläufigen  Versuchen,  bei  denen  damit 
zu  kämpfen  war,  dass  das  Glas  bei  hoher  Temperatur  für 
Electricität  leitend  wird,  ist  die  Leuchtkraft  electrischer 
Entladungen  in  Cadmiumdampf,  dessen  Molecül  ebenfalls 
aus  einem  Atom  besteht,  beiläufig  ebenso  gross  wie  im  Queck- 
silberdampf, während  die  Lichtentwickelung  im  Dampf  von 
Kalium,  Arsen,  Phosphor  und  Schwefel  gering  ist  (wenig 
grösser  als  in  Stickstoff). 

1)  A.  Schuster,  Beibl.  8.  p.  885.  1884. 


670 


K.  Natterer. 


In  den  Tabellen  enthält  die  erste  Columne  die  Zusammen- 
setzung des  Gases  oder  Dampfes,  die  zweite  unter  z  die  Zahl 
der  Atome  im  Molecül  derselben,  die  dritte  unter  a  das 
Moleculargewicht.  Die  folgenden  drei  Columnen  geben  das 
Verhalten  unter  Atmosphärendruck  Z>,  die  drei  letzten  unter 
dem  Druck  £^  =  25  mm  an.  t  ist  die  Temperatur  in  Graden 
Celsius,  s  die 'Schlag weite  in  Millimetern,  e  die  Entfernung 
(in  Üentimetern),  in  der  man  lesen  konnte,  g  die  Länge  des 
Glimmlichtes  in  Millimetern. 


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1)  In  cU'in  unter  Atmospliärciidriick  strhondon  Siiuerstolf  nahm  die 
Lt'uclitkraft  mit  VcrriDf^cruii^  der  Poldibtanz  rasch  ab.  Unter  verringer- 
tem Druck  g.'ib  das  positive  Liebt  ein  cuntinuirlicbes  Spectrum;  dies  und 
die  geringe  Leucbtkraft  hängen  vielleicht  Uiit  der  Ozonbildung  zusammen. 

2j  Zur  Beobachtung  der  lA'iiclitkraft  wurde  selbst  verständlich  die 
electrisehe    Lichterseheinung   unmittelbar  an  der  inneren   Glaswand   des 


Durchgang  der  ElectricUät  durch   Gase, 


671 


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15—20  1 

1  ca.  70 

5 

15 

Aus  dem  Vorsteheuden  ergibt  sich: 

IVenn  man  die  Gase  und  Dämpje  derart  sondert^  duss 
immer  diejenigen  zusammenkommen,  deren  Moiecüte  aus  gleit h 
viel  Atomen  bestehen,  so  ßndet  man,  dass  innerhall}  einer  solchen 
Reihe  mit  zunehmendem  Molecular gewichte  die  Schlag  weite  der 
der  ElectricitiU  und  die  Ansdeknung  des  Glimmlichtes  abnehmen^ 
während   die    Leuchtkraft    zunimmt.      Die    Abweichungen    von 


betreflfeiiden  Apparates  hervorgerufen  und  so  ein  Hindurchgehen  der 
Lichtstrahlen  durch  den  farbigen  Brom-  oder  Joddampf  vermieden.  — 
Nach  J.  J.  Thomson  (Proc.  Roy.  Soc.  London  42.  p.  343.  lHb7.  Beibl. 
12.  p.  82)  wird  der  Bromdampf  und  noch  mehr  der  Joddampf  beim 
Durchgange  der  Electricität  theilweise  diesociirt. 


672     K.  Natterer.    Durchgang  der  Electricität  durch  Gase. 

dieser  Begel  dürften  zusammenhängen  mit  beim  Durchgänge 
der  Electricität  sich  zeigenden  chemischen  Eigenthümlich- 
keiten  der  betre£fenden  Substanzen  (z.  B.  Ozonbildung  bei 
Sauer8to£f,  bleibende  Dissociation  bei  Joddampf,  leichte 
Spaltung  des  H  J  in  Jod  und  Wasserstoff,  grosse  Beständig- 
keit des  CO,  im  Vergleiche  zu  Hfi  und  N,0,  Kohlenstoff'- 
abscheidung).  Die  bei  Atmosphärendruck  beobachteten 
Leuchtkräfte  passen  sich  der  obigen  Begel  meistens  besser 
an,  als  die  bei  verringertem  Drucke  beobachteten.  Nach 
K  Wiedemann,  J.  J.  Thomso-n  und  A.  Schuster  ist 
es  ^wahrscheinlich,  dass  beim  Durchgange  der  Electricität 
durch  Oase  und  Dämpfe  eine  Dissociation  der  Molecüle  in 
ihre  Atome  eintritt,  die  in  fast  allen  Fällen  sofort  beim 
Aufhören  des  Electricitätsdurchganges  wieder  rückgängig 
gemacht  wird  oder  zur  Bildung  neuartiger  Molecüle  führt; 
es  scheint  nun,  dass  die  Leuchtkraft  um  so  grösser,  Schlag- 
weite und  Glimmlicht  um  so  kleiner  sind,  je  leichter  diese 
Dissociation  eintritt. 

Im  Quecksüberdamp/e  (und  wahrscheinlich  auch  im  Cad- 
miumdampfe),  dessen  Molecüle  aus  je  einem  Atom  bestehen^  sind 
Leuchtkraft  und  Schlagweite  ausnehmend  grosser^  als  in  allen 
anderen  untersuchten  Gasen  und  Dämpfen, 

Die  beschriebenen,  im  Wiener  chemischen  üniversitäts- 
laboratorium  ausgeführten  Versuche  können  selbstverständ- 
lich nur  vorläufigen  Werth  haben,  schon  desshalb,  weil  wahr- 
scheinlich PotentialdiÖ'erenz  und  Spannung  der  sich  ent- 
ladenden Electroden  in  den  einzelnen  Fällen  verschieden 
waren. 


A,  Franke,    Artunterschiede  der  ElectricitäL  673 

X.   Bemerkungen  zu    Htn^.  F.    Wü4^hter*8    Unter^ 

stichungen  über  die  Artunterschiede  der  positiven 

und  negativen  Electricität;   von  Ad*  Franke. 

Hr.  F.  Wächter^)  hat  einen  Versuch  mitgetheilt,  in 
welchem  er  eine  Leydener  Flasche  durch  eine  Funkenstrecke 
und  ein  Biess'sches  Luftthermometer  entlud.  Er  fand,  dass 
dieses  einen  grösseren  Ausschlag  gab  bei  negativer  Ladung, 
als  bei  positiver,  wenn  die  Spannung  der  geladenen  Flasche, 
nach  den  Angaben  einer  electrostatischen  Wage,  in  beiden 
Fällen  dieselbe  war. 

Hr.  Wächter  folgert  daraus,  dass  im  ersten  Falle  eine 
grössere  Electricitätsmenge  in  der  Flasche  vorhanden  ge- 
wesen sein  müsse.  Ich  glaube  indessen,  dass  in  dem  be- 
schriebenen Versuche  kein  zwingender  Grund  zu  dieser 
Folgerung  liegt:  nur  bedürfen  die  Angaben  des  Luftthermo- 
meters einer  anderen  Deutung. 

Ist  nämlich  fV  der  Widerstand  des  in  demselben  befind- 
lichen Drahtes,  J  die  in  diesem  Drahte  herrschende  Strom- 
stärke und  t  die  Zeit,  so  ist  die  in  dem  Drahte  in  Wärme 
umgesetzte  Energie: 

A^  fVfj^dt, 

wenn  man  die  Aenderung  von  W  mit  der  Temperatur  ver- 
nachlässigt. Die  durch  den  Draht  geflossene  Electricitäts- 
menge ist: 

Q^jJdt. 

Diese  Formeln  lehren,  dass  A,  mithin  auch  der  Ausschlag 
des  Luftthermometers,  je  nach  dem  zeitlichen  Verlauf  der 
Entladung  verschieden  ausfallen  kann,  wenn  auch  Q  in  bei- 
den Fällen  denselben  Werth  hat 

Die  gesammte  in  der  Flasche  aufgespeicherte  Energie 
ist  durch  die  in  ihr  vorhandene  Electricitätsmenge  vollstän- 
dig bestimmt.  Von  dieser  Energie  kommt  jedoch  nur  ein 
Theil  A  bei  der  Entladung  im  Luftthermometer  zum  Vor- 

1)  F.  Wächter,  Wied.  Ann.  37.  p.  463.  1889. 

Ann.  d.  Pbyt.  n.  Ch«m.    N.  F.    XXSLVIIl.  43 


674  A.  Franke.     Arttnterscliiede  der  Electricität 

schein,  während  der  Kest  A'  (den  Widerstand  der  Zulei- 
tungen als  verschwindend  voransgesetzt)  in  der  Funkenstrecke 
verbraucht  wird. 

So  complicirt  auch  die  Erscheinungen  in  dieser  sein 
mögen,  in  Bezug  auf  die  Energievertheilnng  können  wir 
sie  jedenfalls  so  ansehen,  als  ob  sie  dem  Electricitätsüber- 
gange  einen  während  der  Entladung  in  irgend  welcher  Weise 
veränderlichen  Widerstand  W  entgegensetzte.  Dann  kön- 
nen wir  schreiben: 

A'=-Jj*  H'  dt. 
(i 
Bilden  wir  einen  Mittelwerth  W^  dieses  Widerstandes,  wel- 
cher durch  die  Gleichung: 

Jj^W'dt^  fV^fj'-dt 

diifinirt  ist,  so  wird: 

A  W 


:—  Vi*-  J 


A  +  A'         W+  W, 


also  bei  gleicher  Ladung: 

Da  nun,  wie  Hr.  Wächter  hervorhebt,  alle  bezüglichen 
Experimente  darauf  hinweisen,  dass  die  negative  Electricität 
sich  leichter  durch  die  Luft  entlad,  also  die  positive,  so 
dürfen  wir  wohl  annehmen,  dass  W^  unter  sonst  gleichen 
Umständen  für  die  negative  Electricität  kleiner  ist,  als  für 
die  positive,  woraus  sich  die  grösseren  Ausschläge  des  Luft- 
thermometers bei  Entladung  der  negativ  geladenen  Flasche 
erklären  würden. 

Würde  man  statt  des  Riess'schen  Luftthermometers 
ein  geeignetes  Galvanometer  benutzen,  so  könnte  man  Aus- 
schläge erhalten,  die  der  entladenen  Electricitätsmenge  pro- 
portional sind.  Auf  diese  Weise  könnte  man  also  die  Frage 
entscheiden. 

Berlin,  30.  September  1889. 


K  fUischL     Monochromaäiche*  Licht  675 


XL    lieber  die  zwecktnässigste  Herstellung 

tnanochromatlschefi  Lichtes; 

von  Ernst  Fleischl  tu  Marxow. 

Im  strengsten  Sinne  des  Wortes  ist  bekanntlich  auch 
das  von  glühendem  Natriumdampf  ausstrahlende  Licht  nicht 
monochromatisch  —  doch  ist  es  meines  Wissens  eine  unter 
den  Physikern  heutzutage  ganz  allgemein  herrschende  Meinung, 
dass  die  einfachste  Methode ,  sich  helles,  einfarbiges  Licht 
zu  verschaffen,  darin  bestehe,  Ohlornatrium  in  einer  Platin- 
Öse  oder  in  einem  Körbchen  aus  Platindrahtnetz  am  Rande 
einer  Bunsen'schen  Flamme  zu  verdampfen.  Ich  bediene 
mich  schon  seit  einigen  Jahren  einer  anderen  Methode, 
mir  Natriumlicht  zu  verschaffen,  welche  vor  der  eben  er- 
wähnten zwei  wesentliche  Vorzüge  hat.  Ich  verwende  näm- 
lich statt  des  Chlornatriums  Bromnatrium.  Die  Vorzüge 
dieses  Verfahrens  scheinen  mir  darin  zu  liegen,  dass  erstens 
das  beim  ersten  Schmelzen  des  Chlornatriums  so  lästige 
Decrepitiren  völlig  ausbleibt,  wenn  man  die  Bromverbindung 
anwendet,  und  dass  zweitens  die  Helligkeit  des  beim  Ver- 
dampfen einer  Bromnatriumperle  entstehenden  Lichtes  ganz 
erheblich  grösser  ist,  als  die,  welche  eine  Chlornatriumperle 
zu  liefern  vermag.  Bei  richtiger  Stellung  der  Bromsalzperle 
in  der  Flamme  des  Bunsen'schen  Brenners  ist  das  Licht  so 
blendend  hell ,  dass  es  vom  Auge  kaum  ertragen  wird, 
Einige  Vergleichungen  der  Helligkeiten  der  beiden  in  Bede 
stehenden  Natriumlichter,  welche  ich  mittelst  eines  Bunsen'- 
schen Photometers  angestellt  habe,  ergaben  das  Resultat, 
dass  das  von  der  Bromverbindung  herrührende  Licht  bei- 
läufig neunmal  so  hell  ist,  wie  das,  welches  das  Chlorsalz 
erzeugt  —  doch  möchte  ich  dieser  Zahl  durchaus  nicht  die 
Bedeutung  eines  wirklichen  Messungsergebnisses  beilegen, 
und  zwar  aus  dem  Grunde  nicht,  weil  es  mir  weder  mög- 
lich scheint,  mit  Sicherheit  beide  Perlen  auf  eine  und  dieselbe 
Temperatur  zu  bringen,  noch  auch  möglich  scheint,  gleichzeitig 
für  jede  der  beiden  Lichtquellen  das  Maximum  der  durch  sie 

43* 


'676  L.  C.  Levoir,    Hayelkömer  aus  Kohle. 

erreichbaren  Helligkeit  herzustellen.  Soviel  aber  glaube  ich 
behaupten  zu  dürfen,  dass  niemandi  der  einmal  einen  Ver- 
such mit  Bromnatriumlicht  angestellt  hat,  einen  Zweifel 
daran  überbehalten  wird,  dass  dieses  Licht  dem  Ghlomatrium- 
licht  an  Bequemlichkeit  und  Helligkeit  weitaus  überlegen  ist 

Wien,  Physiül.  Inst.,  October  1889. 


XII.    ITagelkör^ier  aus  Kohle;   van  L.  C  Levoir» 

Hr.  Professor  Levoir  in  Delft  hat  der  Redaction  die 
interessante  Mittheilung  gemacht,  dass  sich  in  einer  grossen 
Gasfabrik,  vermuthlich  durch  Zersetzung  von  Aethylen, 
CjH^,  in  C  und  CH^,  kugelförmige,  feste  Kohlenkugeln 
von  etwa  5  mm  Durchmesser,  ganz  ähnlich  den  Hagelkörnern 
aus  Eis,  gebildet  haben,  und  die  Güte  gehabt,  auch  derartige 
Gebilde  der  Redaction  zu  übersenden. 


Berichtigungen. 

Bd.  XXXVII.  (K.  Schmidt.)  p.  359.  In  Tab.  I.  Rubrik  „0e  beob." 
vorletzte  Zeile  lies  60^36^5'  statt  62«36,5'. 

In  Tab.  I  Rubrik  „n^"  erst«  Zeile  lies  1,66  statt  1,49,  letzte 
Zeile  lies  1,49  statt  1,52. 

p.  364.    In  Tab.  IV  Rubrik  lies  io  +  4°  42   statt  4*  72'. 

p.  370  Tabelle  Rubrik  „Brechungsexponent"  etc.  vierte  Zeile 
lies  1,543  statt  1,562. 

Bd.  XXXVII.  (A.  Paalzow    u.  H.  Rubens)   p.   543   Z.  11    v.  o.  lies: 

0.  Fröhlich  statt  J.  Fröhlich, 
p.  537  Z.  13  V.  u.  lies:    einem  Theil  des  ßolometerwiderstan- 

des  «r^  statt  dem  Bolometerwiderstand  tr,. 
Bd.  XXXVIII.  (0.  Dieterici)    p.  23  Z.  4  v.  o.  lies:  widerspricht  statt 

entspricht. 
Bd.  XXXVIII.  (J.  Elster  u.  H.  G eitel)  p.  89,    Electricitätsbewegung 

in  verdünnten  Gasen  lies  unter   3)  dritte  Reihe  für  .Xicht- 

hüUe"  Anode. 


Namenregister  znm  Jahrgang  1889. 


A. 

Ambronn,  H.,  Doppelbrechung  in 
»ibflüüsigem  Gummi  38,  159. 

A  n|:8  tr ö  m ,  K.,  Durcbstrahlun^  von 
WÄrme  verscliiedener  Wellenlänge 
durch  trübe  Medien  36,  715. 

K. 

Barus,  C,  Zähigkeit  der  Gase  bei 
hohen  Temperaturen,  3(>.  858. 

Bergmann,  J.,  Electrischcs  Lei- 
tun^svermögen  der  Metalle  nach 
starkem  Erwärmen  36,  783. 

Rlochmann,  G.  F.  R,  Electromo- 
torische  Kräfte  von  Ketten  mit 
gemischten  Salzlösungen  37,  564. 

Blümcke,  A.,  Isothermen  von  Mi- 
schungen von  schwefliger  Säure 
und  Kohlensäure  36,  911. 

Hoguskif  J.  J.,  u.  L.  Natanson, 
Barometer  mit  Contactablesung 
36,  7  61. 

Bohl,  P.,  Gesetz  der  molecularen 
Attraction  36,  334. 

du  Bois,  H.  E.  J.  G.,  Modification 
der  Poggcndorffschen  Spiegel- 
ablcsung  38,  494. 

ßrander,  K.  A.,  Thermoströme 
zwischen  Zinkainalgam  und  Ziiik- 
vitriol  37,  457. 

Braun,  F.,  Löslichkeit  36,  591.  — 
Deformationsströme  37,  97.  107. 
38,  58. 

C. 

Cohen,  R. ,  Vcrhältniss  der  speci- 
fischen  Wärmen  von  überhitztem 
Wasserdampf  37,  628. 

Cohn,  E.,  Dicflectricitätsconstante 
des  Wassers  3vS,  42.  —  Absorption 
elcctrischer  Schwingungen  in  Elee- 
trolyten  38,  217. 

D. 

De«  Coudres,  Th.,  Verhaltendes 
Lichtäthers  bei  Bewt'gungen  der 
Erde  38.  71. 


Dieterici,  C,  Calorimetrische  Un- 
tersuchungen 37,  494.  38,  1. 

Dorn,  £.,  Bestimmung  des  Ohm 
36,  22.  898. 

Drude,  F.,  Oberflächenschichten 
36,  532.  865.  —  Reflexion  des  Lich- 
tes an  Kalkspath  38,  265. 

E. 

Ebert,  H.,  Doppler*sches  Princip 
bei  leuchtenden  Gasmolecülen 
36,  466.  —  Bemerkung  gegen 
Langlej  86,  592.  —  Spectrogra- 
phen  38,  4R9.  s.  auch  E.  Wiede- 
mann. 

Elsas,  A.,  Selbstthätiger  Strom- 
unterbrecher 37,  675, 

Elster,  J.,  und  H.  Geitel,  Elec- 
tricitHtserregung  beim  Contact 
verdünnter  Gase  mit  galvanisch 
glühenden  Drähten  37.  315.  — 
Einseitige  Electricitätsbewegung 
in  verdünnten  Gasen  bei  Anwen- 
dung glühender  Elcctroden  38,  27. 
—  Zi*rstreuung  der  negativen  Elec- 
tricität  durch  das  Sonnen-  und 
^  Tageslicht  38,  40.  497. 

Emden,  R.,  Lichtemissiou  glühen- 
der Metalle  36,  214.  -  Dampf- 
spannungen wässeriger  Salzlösun- 
gen 38,  447. 

F. 

Flcischl  V.  Marxow,  E.,  Mono- 
chromatisches Licht  38,  675. 

Franke,  A.,  Artunterschiede  der 
Electricitäten  38,  678. 

Freyberg,  J.,  Potent ialdifierenzen 
zur  Funkenbildung  38,  281. 

Fromme,  C,  Maximum  der  galva- 
nischen Polarisation  von  Platin- 
electroden  in  Schwefelsäure  38, 
362. 

U. 

Geigel,  R,  Schwingungsrichtung 
des  polarisirten  Lichtes  3h,  587. 


678 


Niimenrey  ister. 


Geitel,  H.,  s.  Elster. 

Gieae,  W.,  Theorie  der  Electrici- 
tätsleitung  37,  576.  —  Electrlsches 
Leituogsvermögen  der  FlammeD- 
gase  88,  408. 

GleicheD,  A.,  Linsenformelu  37, 
646. 

Goldhammer,  D.,  Einfluss  der 
Magnetisirung  auf  electrische  Lei- 
tungsffthigkeit  der  Metalle  30,  b04. 

Graetz,  L  ,  Strahlungsgeset«  vou 
H.  F.  Weber  3«,  b57. 

GruDmach,  L.,  Galvanbches  Lei- 
tungsvermögen des  starren  Queck- 
silbers 37,  5ü8. 

U. 

Hall  wach  8,  W.,  Electricitätdver- 
lust  durch  Beleuchtung  und  Licht- 
absorption  37,  666. 

Uankel,  W.  G.,  Electrodynami- 
sches  Gesetz  ein  Punktgesetz  3«, 

T3. 

Henneberg,  H.,  Wärineleitungs- 
vermögen  der  Mischungen  von 
Aethylalkohol  und  Wasser  3«, 
146. 

Heritsch,  A.,  Volum  Verminderung 
beim  Lösen  von  Salzen  im  Wasser 
3(>.  115. 

Hertz,  H.,  Electrische  Schwingun- 
gen nach  der  Max  well' scheu 
Theorie  31».  l.  -  Strahlen  elt^ctri- 
scher  Kraft  3«,  769.  —  Fortleitung 
t'lectrischer  Wclh*n  durch  Drähte 
37    395. 

Hess,  W.,  Prisma  3(>.  264. 

Hoydweillcr,  A.,  Funkmentla- 
düngen  des*  Inducturiums  in  Luft 
3H,  5H4. 

HiniHtedt.  F.,  KirchhofJV'he  For- 
mel für  di<;  Ca])acität  des  Schutz- 
ringcondcnsators  30,  759.  —  Elec- 
troinagueti.^che  Wirkung  der  rlec 
triöchon  Conv(!Ction  3S,  560. 

vom  Hofe,  (J..  Magiietisirungs- 
fuiK'tion  von  £iö<'nringen  37,  4?s2. 

H  o in  V  n ,  T  h. ,  EloctricitiitsU'itung 
der  (iMsc.  3S,  172. 


Jaegrr,  W.,  Schallgcdchwiudigkeit 

in  Dämpfen  und  Dainpfdichte  36, 

165. 
,J  ah  II ,  11..  Electroch(?inio  und  Thcr- 

mochemi<^  organischer  Säuren  37, 

40ö. 


K. 

Kalischer,  8.,   ElectromotoiiBche 

Kraft  des  Selens  37,  528. 
Kayser,  H.,  u.  C.  Runge,    Ban- 

denspectren  der  Kohle  3H.  80. 
Klatt,  V.,  u.  Ph.  Lenard,  Phos- 

phorescenzen  des  Kupfers,    Wis- 

muths  und  Mangans  in  den  Eixl- 

alkalisulfiden  38,  90. 
Knöfler,  0.,  Dilatometer  38,  IHK. 
Koch,  A  ,  Dämpfung  der  Torsioud- 

Schwingungen    verschiedener  Me- 
talldrähte 3tt,  122. 
Koch,  K.  R.,   Spectrum  der  Gaflo 

bei  tiefen  Temperaturen  H8,  213. 
König,  W.,  Beziehung  der  Hertz'- 

schen  Versuche  zu  Problemen  der 

Optik  37,  651. 
V.  Kowalski,    J.,    Festigkeit    des 

Glases  M\,  307. 
Krause,  H.,  Adsorption  und  Cou- 

densation    von    Kohlensäure     an 

Glasflächen  36,  923. 
Kundt,  A.,  Aenderung  der  Licht- 

Seschwindigkeit   in  Metallen   mit 
er  Temperatur  3tt,  824. 

L. 

Laska,  W.,  Pendeluhr  37,  176. 

Lehmann,  O  ,  Wandeni  der  Ionen 
bei  geschmolzenem  und  festem 
Jodsilber  38,  396. 

Lenard,  I*.,  u.  M.Wolf,  Zerstäu- 
ben der  Körper  durch  ultra  violet- 
tes Licht  37,  443.  s.  auch  Klatc 

Levoir,  L.  C.,  Hagelkörner  aus 
Kohh'  3N,  676. 

Lippich,  F.,  Rotationsdispersion 
und  anomale  Dispersion  36,  767. 

Lommel,  E.,  riiotometrie  <ior  dif- 
fusen /uruckwcrfung  30,  47."<.  — 
Subji'ctive  Interferenzstreifen  im 
objcctiv("n  Spectrum  3(J,  72i>.  — 
Drehung  der  Polariaationsebene 
für  Fraunhofcr'öche  I^inien  30, 731. 
—  Interferenz  durch  circular«* 
Doi)pelbrechung  30,  7H3. 

Lorberg,  H.,  Magnetische  Induc- 
tion  30,  r»7l. 

Lorentz,  H.A.,  Theorie  der  Th»*r- 
inoelectricität  30,  593. 

Lubarsch,  ().,  Absorption  vonG.i- 
sen  in  Geini^chen  von  Alkohol 
und  \V:is*ser  37,  5 -'4. 

Lüdeking,  Ch.,  Leitungsf:ihigkeir 
gelatinehaltiger  Ziukvitriollösun- 
gen  37,  172. 


yumenrey  ister. 


679 


X. 

Matthiessen,  L. ,  Tbointfou'Bckes 
(iesi?tz  der  Wellenbewegung  auf 
Flüssigkeiten  unter  der  \Virkung 
der  Schwere  und  Cohftsion  38, 1 18. 

Michelson,  W.,  Entzüoduugs- 
geschwindigkeit  explosiver  Gas- 
gemische 37,  1. 

Milthaler,  J.,  Speeifische  Wärme 
des  Quecksilbers  bei  verschiedenen 
Temperaturen  30,  897. 

Müller,  P.  C.  G.,  Barometer  nnd 
Luftthermometer  36,  T63. 

M tiller,  0.,  Absorption  von  Koh- 
lensäure in  Gemischen  von  Alko- 
hol und  Wasser  37,  24. 

X. 

Xatan»on,  L. ,  Wärmeerscheinun- 
gen bei  der  Ausdehnuiig  der  Gase 
37 ,  :h  I .  —  Kinetische  Theorie  der 
Diriäociationserscheinungen  in  Ga- 
sen 3((,  288.  s.  auch  Boguski. 

Natter  er,  K.,  Durchgang  der  Elec- 
tricität  durch  Gase  und  Dämpfe 

3^  «ßa. 

i). 

Oberbeck,  A.,  s*Gravesande'sche 
Methode  zur  Bestimmung  des  £la- 
sticitHtscoefficienten  37,  526. 

Olszewski,  K.,  Siedepunkt  des 
Ozons  und  Erstarrungstemperatur 
des  Aethylens  37,  337. 

W 

Paalzow,  A.,  u.  G.  Rubens,  Bo- 
lonietrisches  Princip  bei  electri- 
scben  Messungen  37,  52». 

Pas  eben,  F.,  Potent ialditferenz 
zum  Funkenübergang  in  Luft, 
Wasserstoff  und  Kohlensäure  37, 
«9. 

P  feif  fer,  E.,  Veränderlichkeit  frisch 
zubereiteter  Flüssigkeiten  37,  539. 

IMiysikalisch  -technische 
Heichsanstalt,  Prüfung  elec- 
trischer  Messgeräthe  3S,  312. 

Planck,  M.,  'Ineorie  der  Thermo- 
«^ectricität  in  metHllischen  Leitern 
3G,  624. 

l*i>ckelH,  F.,  Elastiäche  Deforma- 
tionen und  optisches  Verhalten 
krystalliniseher  Körper  37,  144. 
26i?.  372 

Preyer,  W.,  Combinationstöne  *.JS, 
IHl. 


Pul  fr  ich,    C,    TotalreHectometer 
3«,  5«!. 

Quincke,  F.,  Electrolyse  des  Kup- 
ferchlorürs  3«,  270. 


R. 

Raps,  A.,  Objective  Darstellung 
der  Schallintensität  36,  27H. 

Riecke,  E.,  Hydrodynamik  3(J, 
822. 

Righi,  A.,  Electromotorische  Kraft 
des  Selens  3<>,  464. 

Ritter,  A.,  Constitution  gasförmi- 
ger Weltkörper  3«,  566.  —  Theo- 
rie der  adiabatischen  Zustaods- 
änderungcn  37,  44.  688. 

Ritter,  K. ,  Reflexion  des  Lichtes 
an  parallel  zur  optischen  Axc  ge- 
schliffenem Quarz  36,  286. 

Rubens,  H.,  Sclectivc  Reflexion 
der  Metalle  37,  -^49.  -  Telephou- 
und  Mikroplionströme  in  dem 
Galvanometer  37,  522.  s.  auch 
Paalzow. 

Runge,  C,  s.  Kayser. 


S. 

Schleiermacher,  A.,  Wärmelei- 
tungsfahigkeit  des  Qucck.silber* 
dampfes  36,  346. 

Schmidt,  K.  E.  F.,  EUiptische  Po- 
larisation des  an  Kalkspath  reflec- 
tirten  Lichtes  37,  353. 

Schrauf,  A.,  Singulare  Schnitte  an 
der  Stralüenflächc  bei  einer  Schwe- 
felkugel 37,  127. 

Schreber,  K.,  Electromotorische 
Kräfte  dünner  Schichten  von  Su- 
peroxydhyd raten  3t>,  662. 

Schnitze,  W.  H.,  Electrolytisches 
Verhalten  des  Glimmers  bei  hoher 
Temperatur  :t6,  655. 

Schumann,  0.,  Cyclische  Aende- 
rung  der  electrisehen  Leiiungs- 
filhigkeit  38,  256. 

S  t  e  f  a  n ,  J. ,  Theruiomagnetische 
Motoren  3»,  427.  —  Herstellung 
intensiv  magnetischer  Felder  3S, 
440. 

Streintz,  F.,  Theorie  des  Secun- 
därelements  38,  344.  —  Beziehung 
eines  Silber  -  Quecksilberelements 
zur  Temperatur  38,  514. 


6bO 


Namenregister. 


T. 

Tammanu,  G.,  Gesetze  der  Dampf- 
spanDungen  wässeriger  Salzlösun- 
gen von  ßabo  und  WüUucr  :tG,  692. 

Tereschin,  S.,  Diclectricitiitecon- 
stanten  organischer  Flüssigkeiteu 
36,  792. 

Tumlirz,  O.,  Bestimmung  des  Wi- 
derstandes einer  ealvaniscbeu 
Säule  37,  527.  —  Mechanisches 
Aequivalent  des  Lichtes  3H,  640. 

Y. 

van  derVen,  E.,  Boyle-Mariotte*- 
sches  Gesetz  für  Drucke  unter 
einer  Atmosphäre  38,  3()i. 

Voigt,  W.,  Adiabatische  Elastici- 
tätscoustanten  30,  743.  —  Be- 
ziehung zwischen  den  beiden  Ela- 
dticitätsconstanten  isotroper  Kör- 
per 38,  578. 

W. 

W;ichter,  F.,  Artunterschiede  der 
positiven  und  negativen  Electrici- 
tät  37,  463. 

Waitz,  K.,  Absolute  Messung  hoher 
Potentiale  37,  330. 

Walter,  B.,  Aenderungen  des  Fluo- 
rcsceuzvermögens  mit  der  Concon- 
tratiou  36,  502.  —  Nachweis  des 
Zerfalles  von  MolcculargruppL'n  in 
Lösungen  durch  Fiuoresccnz-  und 
Absorptionscrscheinun;;cn  36,  518. 
—  Breehun^exponeuten  von  Salz- 
lösungen 3n,  lo7. 

Warburg,  E.,  Theorie  des  Volta'- 
schen  Elements  und  der  galvani- 
schen Polarisation  38,  321. 

Weber,  C.  L.,  Galvanisches  Lei- 
tungs vermögen  des  testen  Queck- 
silbers 3(5,  5ä7.  3S,  227. 

Weidmann,  G.,  Abbe'sches  Dila- 
tometer  3s.  453. 


Wesendonck,  Elasticitätstheorie 
36,  725.  —  Artunterschiede  der 
beiden  Elcctricitäten  38,  222. 

Wiedcmann,  £.,  Mechanik  des 
Leuchtens  37,  177.  —  Zweiter 
Hauptsatz  der  mechanischen 
Wärmetheorie  3H,  485.  —  Kathci- 
do-  und  Photoluminiacenz  von 
Gläsern  3.H,  488. 

W^iedemann,  £.,  u.  H.  Eberf, 
Electrischc  Entladungen  36,  643. 

Wiedemaun,  G.,  Magnetische  Un- 
tersuchuugen  37,  610.  —  1.  Ver- 
theilung  der  Momente  in  tordirten 
Eisendrähten  37,  610.  —  2.  Ver- 
theilung  der  magnetischen  Mo- 
mente in  theil weise  entmagneti- 
sirten  Stahlstäben  37,  614.  — 
3.  Anomale  Magnetisirune  36, 620. 

Wien,  M.,  Messung  der  Tonstärke 
36,  »34. 

Winkelmann,  A.,  Einfluss  der 
Temperatur  auf  die  Verdampfung 
und  die  Diffusion  von  Dämpfen 
36,  93.  —  Bestimmung  von  Die- 
lectricitätsconstanteu  mit  dem  Te- 
lephon 38,  161. 

Wirtz,  W.,  Ausflussgeschwindig- 
keit electrisirter  Flüssigkeiten  aus 
Capillarröhren  37,  516. 

Wolf,  M.,  Widei*stan<l  von  Gasen 
gej^en  disruptive  Entladung  bei 
höherem  Druck  87,  306.  s.  auch 
Lenard. 

Wüllner,  A.,  Allmählicher  Ueber- 
gang  der  Gasspectra  in  ihre  ver- 
schiedenen Formen  38,  619. 

V.  W^yss,  G.  H.,  Einflusä  der  Stärke 
der  Magnetiäirung  auf  den  Wider- 
stand des  Eisens  36,  447. 

Z. 

Zehnder,  L.,  Deformationsströme 
38,  68.  496. 


Aniialtn  dJ^t.  a.. 


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PHYSICS  ^