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Kcoll.
ANNALEN
DER
PHYSIK UND CHEMIE
NBUE FOItOE.
BAND XXXVIII.
ANNALEN
DEB
PHYSIK UM) CHEMIE
noKOwDET L'm fobthtOhet Dincn
F. i. a fltn, L. H. «LBBIT, J. c pmHMur.
NEUE 70I>aX.
BAND XXXTIII.
nRTKB MITWIBKUNO
WB yH YHl If ATJW1H WW ^^MmeLTJUTWATPr Qf JHWtr.TU
H. VON MELMHOLTZ
G. WIEDEMANN.
XBBST 8IIBIN FiaUBBNTAnLN.
LEIPZIG, 1889.
TEBLAQ VON JOHANN AHBR08IDS BABTH.
ANNALEN
PHYSIK UND CHEMffi.
raomDwnKT i'aD roirsirOn» dusch
F. k. a fiUH, L. W. aLBKT, J. G. POMRimrF.
TTETTE FOIiaS.
BAND XXXriII.
trHTBR HITWIBKDNB
DKR PH YH llf A 1AUf}\t H M QTEflTgTjT.aj^TT ATFT Qf BflRLDV
H. VON HKLMHOLTZ
G. WIEDEMANN.
NIB8T aiBBSN PltiUKENTAFILM.
LEIPZIG, 1889.
VBRLAG TON JOHANN AHBROSIDH BABTH.
I i '
Inhalt.
Neue Folge. * Band XXXVIII.
Neuntes Heft.
Seil«
I. C. Dieter! ci. Calorimetrische Unteraubhungen 1
»
Q. J. Elster und H. Geitel. Einige Demonstrationsversuche
zum Nachweis einseitiger Electricitätsbeweguug in verdünn-
ten Gasen bei Anwendung glühender Electroden .... 27
III. J. Elster und H. Geitel. Notiz über die Zerstreuung der,
negativen Electricität durch das Sonnen- und Tageslicht 40
IV. £. Cohn. Die Dielectricitätsconstante des Wassers ... i 42
V. F. Braun. Ueber Deformationsströme. (Dritte Mittheilung) 53
VI. L. Zehnder. Ueber Deformationsströme 68
VII. Th. Des Coudres. Ueber das Verhalten des Lichtäthers
bei den Bewegungen der Erde , ; "7 1
VIII. H. Kayser und C. Bunge. Ueber die im galvanischen
Lichtbogen auftretenden Baudenspectrcn der Kohle ... 80
IX. V. Klatt und Ph. Lenard. Ueber die Phosphorescenzen
des Kupfers, Wismuths und Mangans in den Erdalkali-
sulfiden 90
X. B. Walter. Ueber die Brechungsexponenten von Salz-
lösungen 107
XI. L. Matthiesse n. Experimentelle Untersuchungen über das
Thomson'sche Gesetz der Wellenbewegung auf Flüssigkeiten
unter der Wirkung der Schwere und Oohäsion 118
▼1 Inhalt.
Seite
XII. W. Preyer. Ueber Combinationstöne ISl
XnL 0. Knöfler. Ueber ein neues DUatometer 186
XIV. H. Am brenn. Notiz über die Doppelbrechung in zähflfls-
Bigem Gammi 159
GegehloJtsen am 25. Juli 1889,
Zehntes Heft.
I. A. Winkelmann. Die Bestimmung von Dielectricitäts-
constanten mit Hülfe des Telephons 161
II. Th. Hom^n. Ueber die Electricitätsleitnng der Gase . . 172
m. K. E. Koch. Ueber das Spectram der Gase bei tiefen Tem-
peraturen 213
IV. £. Cohn. Die Absorption electrischer Schwingungen in
Electrolyten 217
V. R. Wesen donck. Ueber die Artunterschiede der beiden
Electricitäten 222
VI. C. L. Weber. Bemerkungen zu der Abhandlung des Hm.
L. Grunmach : Ueber das galvanische Leitungsvermögen des
starren Quecksilbers 227
VII. J. Frey b erg. Bestimmung der Potentialdifferenzen, welche
zu einer Funkenbildung in Luft zwischen verschiedenen
Electrodenarten erforderlich sind 281
VIII. O. Schumann. Ueber eine cydische Aenderung der elec-
trischen Leitungsfähigkeit 256
IX« P. Drude. Ueber die Reflexion des Lichtes an Ralkspath 265
X. L. Natanson. Ueber die kinetische Theorie der Disso-
dationserscheinungen in Gasen 288
XL £. van der Ven. Das Boyle-Mariotte'sche G^esetz für Drucke
unter einer Atmosphäre 302
Xn. Bekanntmachung der Physikalisch-technischen Reichsanstalt
über die Prüfung electrischer Messgeräthe 812
Geschlossen am 16, August 1889.
Elftes Heft.
I. £. Warburg. Zur Theorie des Volta^schen Elements und
der galvanischen Polarisation 821
n. F. Streintz. Beiträge zur Theorie des Secundftrelements 844
in. C. Fromme. Ueber das Maximum der galvanischen Pola-
risation von Piatinelectroden in Schwefelsäure 862
Inhalt. VII
Stile
IV. O. Lehmann. Ueber das Wandern der Ionen bei ge-
schmoUenem und festem Jodsilber 390
y. W. Giese. Experimentelle Beiträge zur Kenntniss vom
electrischen Leitungsvermögen der Flammengase .... 408
VL J. Stefan. Ueber thermomagnetische Motoren 427
Vn. J. Stefan. Ueber die Herstellung intensiv magnetischer
Felder 440
YUL R. Emden. Bemerkungen zu dem Aufsatze des Hm. Tarn-
mann : ,, Ueber die Gesetze der Dampfspannungen wässeriger
Salzlösungen etc." 447
IX. G. Weidmann. Messungen mit dem Abbe*schen Dilato-
meter 453
X. £. Wie de mann. Zum zweiten Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie 485
XI. E. Wiedemann. Ueber Kathodo- und Photoluminescenz
von Gläsern 488
Xn. H. Ebert Zwei Formen von Spectrographen 489
XIII. fl. E. J. G. du Bois. Eine einfache Modification der Poggen-
dorff*schen Spiegelablesung 494
Xiy. L. Zehnder. Bemerkung zu der dritten Mittheilung des
flm. Braun: „Ueber Deformationsströme 496
Geschlossen am 15. October 18S9.
Zwölftes Heft.
I. J. Elster u. H. Geitel. Ueber die Entladung negativ
electrischer Körper durch das Sonnen- und Tageslicht . . 497
II. F. Streintz. Ueber ein Silber - Quecksiiberelement und
dessen Beziehung zur Temperatur 514
IIL A. Heydweiller. Ueber den Durchgang der Electricität
durch Gase. I. Funkenentladungen des Inductoriums in nor-
maler Luft 584
IV. F. Himstedt. Ueber die electromagnetische Wirkung der
electrischen Convection 560
y. W. Voigt Ueber die Beziehung zwischen den beiden Elasti-
dtätsconstanten isotroper Körper 578
VI. R. Geige 1. Die Frage nach der Schwingungsrichtung des
polarisirten Lichtes 587
VIL A. Wüllner. Ueber den aUmählichen Uebergang der Gas-
spectra in ihre verschiedenen Formen 619
Vin Inhalt.
Seit«
VIII. O. Tnmlirz. Das mechanische Aeqaivalent des Lichtes . 640
IX. K. Natter er. Einige Beobachtungen über den Durchgang
der Electricitftt durch Gase und Dämpfe 663
X. A. Franke. Bemerkungen zu Hrn. F. Wächter's Unter-
suchungen über die Artunterschiede der positiven und nega-
tiven Electricität 673
XI. E. Fleischl v. Marxow. Ueber die zweckmftssigste Her-
stellung monochromatischen Lichtes 675
XII. L. C. Levoir. Hagelkörner aus Kohle 676
Berichtigungen 676
Namenregister 677
Oegehlossen am 15, November J889,
Nachweis zn den Fignrentafeln.
Taf. I. Dieterici, Fig. 1. — Elster und Geitel, Fig. 2—5. —
des Coudres, Fig. 6. — Rlatt und Lenard, Fig. 7—8.
— Matthiessen, Fig. 9. — Knöfler, Fig. 10.
Taf. IL Winkelmann, Fig. 1. — Hom6n, Fig. 2-6. — Koch,
Fig. 7.
Taf. IIL Freyberg, Fig. 1—6. — Drude, Fig. 7. — van der Ven,
Fig. 8—9.
Taf. IV. Warburg, Fig. 1. — F. Streintz, Fig. 2. - Fromme,
Fig. 3—4. — Lehmann, Fig. 5-8. — Giese, Fig. 9—11.
Taf. V. Weidmann, Fig. 1—4. — E. Wiedemann, Fig. 5. —
Ebert, Fig. 6—7. — H. E. J. G. du Bois, Fig. H.
Taf. VL Elster und Geitel, Fig. 1—2. — F. Streintz, Fig.3— 4.—
Heydweillor. Fig. 5—7. — Himstedt, Fig. 8. — Geigel,
Fig. 9—13.
Taf. VIL Natter er.
1889. ANNALEN JS- 9,
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XXXVIII.
I. Calarimetrische Untersuchungen;
van C. Dieterici.
Hierin Taf.I Flg. 1.)
II. Das specifische Volumen des bei 0^ gesättigten
Wasserdampfes.
1. Die allgemeine Beziehung, welche für die gasförmigen
Körper zwischen Druck, Volumen und Temperatur besteht,
und welche im Mariotte-Gay-Lussac'schen Gesetze zu-
sammengefasst ist, gilt mit aller Strenge nur für ein ideelles
Gas. Schon die sogenannten permanenten Gase zeigen, wie
wir aus den Versuchen Regnault's, Thomson's und
Joule's wissen, Abweichungen von jenem Fundamental-
gesetze. Indessen sind die bei diesen Gasen beobachteten
Abweichungen vom vollkommenen Gaszustande so geringe,
dass wir sie für fast alle theoretischen wie experimentellen
Untersuchungen vernachlässigen können und das M.-G.-L.-
Gesetz für dieselben als gültig ansehen dürfen. Es gilt das
aber nicht mehr für die Dämpfe. Allerdings wissen wir,
dass auch diese, solange sie nur hinreichend weit über ihre
Sättigungstemperatur überhitzt sind, jenes Fundamentalgesetz
befolgen, aber in und in der Nähe der Sättigungstemperatur
treten so erhebliche Abweichungen auf, dass die Anwend-
barkeit des M.-G.-L.-Gesetzes aufhört. Es entsteht daher
die Frage, in welchem Sinne, und in welcher Grösse zeigen
sich diese Abweichungen, sind dieselben constante oder von
der Temperatur abhängige, und worin ist die Ursache der-
selben zu suchen?
Die bisher vorliegenden Untersuchungen über die Dichte
der gesättigten Dämpfe geben auf diese Fragen nicht genügen-
den Aufschluss; wohl stimmen sie darin überein, dass sie die
Dampfdichte grösser ergeben, als nach dem M.-G.-L.-Gesetze
Ann. d. Phya. o. Chem. N. F. XXXVIII. 1
2 C. DietericL
zu erwarten ist, aber über die weiteren Fragen weichen die-
selben unter sich erheblich ab.
80 fand Begnault, dass Wasserdampf, welcher zwischen
Temperaturen yon 30 — 55 ^gesättigt war, erst dann sich wie
ein Yollkommenes Gas verhalte, wenn der Druck 0,8, also
einen constanten Bruchtheil von der jeder Temperatur ent-
sprechenden Maximalspannung beträgt. Dagegen fanden
Fairbairn und Täte die Abweichung des Wasserdampfes
vom M.-G.-L.-6esetz nicht constant, sondern mit der Tem-
peratur abnehmend, sodass bei niederen Temperaturen die
Dichte nahezu derjenigen gleich wurde, welche sich aus der
Annahme der Avogadro'schen Hypothese berechnen liess.
Viel allgemeiner fasste Herwig^) das Resultat seiner
Versuche, welche mit verschiedenen Substanzen ausgeführt
waren, dahin zusammen, dass die Abweichung des gesättig-
ten Dampfes vom M.-6.-L.-6esetze bei derselben absoluteik
Temperatur & für die Dämpfe aller Substanzen gleich sei,
und dass, wenn d die theoretische, nach Avogadro's Hypo-
these berechnete Dampfdichte, 8 die experimentell gefundene
bezeichnet, beide für alle Substanzen durch die Gleichung:
S^d.cV»
verknüpft sind, worin c eine Constante bedeutet, welche nach
seinen Versuchen den Werth 0,0595 hat. Auch Wüllner
und Grotrian^ fanden für Dampf bis zu zwei Atmosphären
Druck diese Relation, wenn auch nicht ganz streng, bestätigt,
fanden jedoch für verschiedene Substanzen verschiedene
Werthe der Constante c, so für Wasser c = 0,0536. Endlich
lassen sich auch die neuesten Beobachtungen desHrn.Perot')
durch jene Gleichung darstellen, nur dass nach ihm der
Werth der Constante c für Wasser 0,0527 ist.
In neuerer Zeit ist nun durch die Versuche von Kayser
und Bunsen über die Verdichtung von Gasen an glatten
Oberflächen, dann weiter durch die Beobachtungen von
Warburg und Ihmori*) und einer ganzen Reihe anderer
1) Herwig, Pogg. Ann. 187. p. 19 u. 592. 1869.
2) Wüllner u. Grotrian, Wied. Ann. 11. p. 545. 1880.
3) Perot, Ann. de chim. et de phys. (6) 13. p. 145. 1888.
4) Warburg u. Ihmori, Wied. Ann. 27. p. 481. 1886.
Specifisches Volumen des Wasserdampfes. 3
Forscher die Aufmerksamkeit der Physiker wieder auf die
ErscheinuDg der Adsorption von Gasen und Dämpfen an
den Oberflächen gelenkt. Zweifellos muss dieser Vorgang
auch bei den zur Ermittelung der Dichten gesättigter Dämpfe
Angestellten Versuchen mit in Betracht kommen und in dem
Sinne wirken» dass er die Dichte grösser erscheinen lässt,
sb man nach der Avogadro'schen Hypothese erwarten soll.
In welchem Maasse aber die Vaporhäsion an den Wan-
dungen die bisherigen Versuche beeinflusst hat, darüber fehlt
ans jeder Anhalt; denn die Methoden, welche bei den Unter-
suchungen über die Dampfdichte in Anwendung kamen,
waren nicht empfindlich genug, um diesen Einfluss erkennen
zu können. So gibt Hr. WüUner an, dass innerhalb der
Gtenauigkeitsgrenze der von ihm im Verein mit Qrotrian
ausgeführten Versuche eine merkliche Adhäsion sich nicht
beobachten liess.
Im Folgenden sind Versuche mitgetheilt, welche sich auf
Dampfdichte des bei 0^ gesättigten Wasserdampfes beziehen.
Für Dämpfe so geringer Dichte liegen bisher keine
directen Beobachtungen vor; alle früheren Versuche sind bei
höheren Temperaturen ausgeführt. Und doch ist es in mehr
als einer Hinsicht von Wichtigkeit, directes Beobachtungs-
material über Dämpfe, welche bei niederen Temperaturen
gesättigt sind, zu besitzen. Der Zusammenhang zwischen
der Dampfspannungserniedrigung gelöster Salze und der
Lösungswärme, der Gefrierpunktserniedrigung mit Lösungs-
wärme und Dampfspannung und eine fieilie damit zusam-
menhängender Fragen, alle diese Beziehungen, welche die
Theorie schon ergeben hat, lassen sich mit der Erfahrung
erst dann vergleichen, wenn wir directe Beobachtungen über
das specitische Volumen der bei niederen Temperaturen ge-
sättigten Dämpfe besitzen. Die Annahme, welche wir in
allen theoretischen Arbeiten wiederfinden, dass die bei nied-
rigen Temperaturen gesättigten Dämpfe das M.-G.-L.-Gesetz
befolgen, ist experimentell nie direct erwiesen.
2. Die bisherigen Methoden zur Ermittelung des spe-
cifischen Volumens gesättigter Dämpfe lassen sich kurz so
charakterisiren, dass sie entweder das Gewicht Flüssigkeit
zu ermitteln suchten, welches als gesättigter Dampf ein ge-
4 C. Dieterici.
gebenes Volumen erfüllte, oder umgekehrt das Volumen
bestimmten, welches eine abgewogene Menge Flüssigkeit in
Form von gesättigtem Dampf einnahm. In beiden Fällen
basirt die Bestimmung der Dichte auf der directen Anwen-
dung der Wage. Für Dämpfe, welche bei niederen Tem-
peraturen gesättigt sind, sind diese Methoden nicht anwend-
bar, weil die Menge Flüssigkeit, welche in Dampfform über-
geht, wenn man nicht das Volumen unbequem gross wählt,
eine zu kleine ist. Nehmen wir an, es sei ein Volumen ge-
gegeben Yon etwa 5 1; es handele sich darum, die Menge
Wasser zu ermitteln, welche bei 0^ dieses Volumen als ge-
sättigter Dampf erfüllt, und wir verfahren, wie Hr. Perot
(1. c), indem wir jenes Volumen evacuiren, dann mit einem
kleinen Wasserreservoir in Verbindung setzen und nun die
Menge Wassers, welche in das Vacuum von 5 1 hinein ver-
dampft ist, durch die Grewichtszunahme einiger Trocken-
gefässe bestimmen, welche mit dem Dampfraum nachträglich
in Verbindung gebracht sind, so beruht die gesammte Be-
stimmung auf der geringen Gewichtszunahme der Trocken-
geßlsse. Nimmt man die Dichte des bei 0^ gesättigten
Wasserdampfes der Avoga dro 'sehen Hypothese entsprechend
an, so ergibt sich, dass 1 g Wasser in diesem Zustande ein
Volumen von etwa 205 1 hat. Also würden etwa 25 mg
Wasser in das Volumen von 5 1 hineingehen. Diese geringe
Gewichtsmenge müsste durch die Differenz der Gewichte der
Trockengefässe gemessen werden, eine Messung, welche, wenn
man bedenkt, dass mit den letzteren verschiedene Mani-
pulationen zwischen beiden Wägungen vorgenommen werden
müssen, kaum auf 1 mg sicher ausgeführt werden kann.
Ebenso ungünstig, wie die Perot'sche Methode, würde
sich die Wüllner'sche für Dämpfe geringer Dichte gestalten.
In einer kürzlich mitgetheilten Arbeit^) habe ich die
Verdampfungswärme des Wassers bei 0^ ermittelt; als Re-
sultat der Versuche hatte sich ergeben, dass die Wärme,
welche 1 g Wasser von 0® zur Verdampfung bei dieser Tem-
peratur gebraucht, gemessen in mittleren Ualorien 596,80
ist. Die Versuche, welche mit dem Eiscalorimeter ausge-
1) C. Dieterici, Wied. Ann. 87. p. 494. 1889.
Specißiches Volumen de» JVasserdampJes, 5
fthrt waren, jzeigten eine ausserordentlich gute Ueberein-
stimmung, sodass der Mittel werth aller Versuche kaum um
0,1 Calorien unsicher ist. Wenn man diese Bestimmung
benutzt, um die Menge Wasser, welche bei 0^ in ein Vacuum
Ton bekannter Grösse hineinverdampft, nicht direct durch
Wägungy sondern durch die zum Verdampfen noth wendige
W&rme zu ermitteln, so muss man wegen der Grösse der
Yerdampfungsw&rme zweifellos zu einer Methode kommen,
welche leistungsfähiger als die bisher angewendeten ist Um
dies zu erkennen, genügt eine kurze Betrachtung:
Das Eiscalorimeter gestattet, wenn es sorgfältig behan-
delt wird, mit Sicherheit noch Wärmemengen von 0,03 Ca-
lorien zu bestimmen, und diese Sicherheit gilt auch für Ver-
suche von so langer Dauer^ wie diejenigen waren, welche ich
in der ersten Mittheilung beschrieben habe. Nehmen mr nun
das schon vorher benutzte Beispiel; es habe das Vacuum ein
Volumen von 5 1, also verdampfen, um es bei 0^ mit gesät-
tigtem Dampf zu füllen, 25 mg Wasser. Zum Verdampfen
dieser Wassermenge ist, wenn wir die Verdampfungs wärme
rund gleich 600 Calorien nehmen — eine Wärmemenge von
rund 15 Calorien nothwendig. Diese Wärmemenge ist bei
günstigsten Umständen auf 0,03 Calorien, d. h. auf 0 2 Proc,
sicher messbar. Und demgemäss ist auch die Wassermenge
mit derselben Sicherheit messbar, denn der Fehler, mit dem
noch das Resultat der Verdampfungswärme des Wassers
behaftet ist, ist verschwindend klein. Bei Anwendung dieser
Methode ist uns also die Bestimmung der geringen Wasser-
menge von 25 mg auf 0,2 Proc. möglich, wälirend wir
bei directer Wägung kaum 4 Proc. Sicherheit erreichen
können.
Aus dieser Ueberlegung geht hervor, dass, wenn man
die Versuche in der Weise ausführte, dass man die Wärme-
menge, welche zum Verdampfen gebraucht wird, der Mes-
sung unterwirft und aus ihr die verdampfte Flüssigkeits-
menge berechnet, man zu einer Methode gelangen musste, von
der man sowohl exactere quantitative Resultate, als auch
Aufschluss über die Adhäsionsvorgänge erwarten konnte,
welche sich bei den bisherigen Dichtigkeitsbestimmungen
der gesättigten Dämpfe der Beobachtung entzogen hatten.
6 C. Dietericu
8. Die Versuchsanordnang war dem vorstehend mitgetheü-
ten Plane entsprechend folgende (vergl. Fig. 1): Zum Messen der
Wärmemenge diente ein Eiscalorimeter, welches ebenso wie
bei den früheren Versuchen behandelt wurde; die Verände-
rung des Eismantels wurde, wie dort, nach der Schuller
und Wartha'schen Methode dadurch beobachtet, dass man
die in gleichen Zeitintervallen vor, während und nach den
Versuchen durch die Saugspitze eingesogenen, resp. aus-
gestossenen Quecksilbermengen mit der Wage bestimmte.
Das innere GTefäss desselben war mit Quecksilber angefüllt^
in welches ebenso wie bei den Versuchen über die Ver-
dampfungswärme des Wassers ein mit beliebiger Quantität
Wasser gefülltes Platin- oder GMasröhrchen , welches am
unteren Ende zu einem kleinen Kugelgefäss sich erweiterte,
eingesenkt war. An dieses Verdampfungsröhrchen war am
anderen Ende ein Schliffstück angeschmolzen, welches die
Verbindung mit einem längeren Glasrohr von etwa 6 mm
lichter Weite vermittelte. Dieses Bohr führte durch die
Eisumhüllungen, mit denen das Calorimeter zum Schutz
gegen Wärmezuleitungen umgeben war, und aus dem den
ganzen calorimetrischen Apparat umschliessenden Eisspinde
heraus, bog aussen rechtwinklig um und endete in einem
Schliffstück, welches die Verbindung mit dem Dampfraum
herstellte. Der Dampfraum war sowohl in Bezug auf Gestalt
wie auf Material verschiedenartig. Zu den in Tabelle I
und II enthaltenen Versuchen diente eine Glasröhre von
etwa 10 cm Durchmesser und 65 cm Länge, an deren beiden
rund zulaufenden Enden Glasröhren von etwa 6 mm lichtem
Durchmesser angeblasen waren, welche passend gebogen waren
und beiderseits in Schliffen endeten. Diese engeren Röhren
trugen kurz nach der Ansatzstelle an den Dampfi aum Hähne
und vermittelten mit Hülfe der Schliffe an ihren Enden die
Verbindung einerseits mit dem vom Verdampfungsröhrchen
heraufitLhrenden Glasrohre, andererseits mit einem mit Phos-
phorsäureanhydrid gefüllten Gefässe, an welches weiter,
ebenfalls durch einen Schliff verbunden, eine Quecksilber-
luftpumpe von der Töpler-Hagen'schen Construction an-
setzte. Bei den Versuchen der Tabelle III und IV war
der röhrenförmige Dampfraum durch Kugelballons ersetzt,
Spec^chei Volumen des Wasserdampfes. 7
in welche die Zu- und Ableitungen (vgl Fig. 1) durch
einen Schliff mit Quecksilberdichtung eingeführt waren; dei
Dimpfraum war stets umgeben von einem Bade constanter
Temperatur.
Zur Vorbereitung der Versuche waren folgende Opera-
tionen nöthig: Das Verdampfungsröhrchen wurde mit 2 bis
3 g Wasser geftült und in das Calorimeter eingesetzt und
dann durch das Verbindungsrohr mit dem Dampfraum ver-
banden, welcher seinerseits wieder durch das Phosphorsäure-
gefiLss mit der Pumpe zusammenhing. Es wurde dann, nach-
dem schon der Dampfraum unter Anwendung einer gewöhn-
lichen Stiefelluftpumpe bis auf etwa 10 mm Druck evacuirt
war, die Verdünnung mit Hülfe der Quecksilberluftpumpe
weiter getrieben, w&hrend beide Hähne offen waren, sowohl
der Hahn I zwischen dem Dampfraum und dem Verdampfungs-
röhrchen, als auch der Hahn II zwischen ersterem und dem
Phosphors&uregefäss. Wenn man bis auf 4,5 mm Hg verdünnt
hatte, begann Verdampfung, welche man nach etwa zehn Mi-
nuten durch Schliessen des Hahnes I unterbrach. Dieses Ver-
dampfen diente dazu, sowohl das im Verdampfungsrohre ent-
haltene Wasser von der absorbirten Luft zu befreien, als
auch die Luft aus dem Verbindungsrohre durch den nach-
dräDgenden Wasserdampf herauszutreiben. Während nun
EUhn I geschlossen, Hahn II geöffnet war, wurde der Dampf-
raum durch fortgesetztes Pumpen vollständig evacuirt, und
nachdem das erreicht war, zwei bis drei Stunden bei geöff-
netem Hahn U, geschlossenem Hahn I, also in Verbindung
mit dem Trockengefässe ruhig stehen gelassen.
Nun erst konnten die Versuche beginnen, welche in der
Weise ausgeführt wurden, dass man zunächst die Constanz
des Calorimeters beobachtete durch Wägung der während
der zwei bis drei Stunden Zeit des Austrocknens des Dampf-
raumes ausgestossenen, resp. eingesogenen Quecksilber menge.
In einem gegebenen Zeitmoment wurde dann das Queck-
silbergefäss an der Saugspitze gewechselt, Hahn II geschlossen
und Hahn I geöffnet; jetzt füllte sich der Dampfraum mit
Wasserdampf, und es ergab sich, dass — soweit nicht Con-
densationen in Betracht kamen — zwanzig Minuten genügten,
um den Dampfraum vollständig mit Wasserdampf zu erfüllen.
8 C. DietericL
Nach zwanzig Minuten wurde dann, ohne an der Stellung
der Hähne etwas zu ändern, wiederum das Quecksilbergefäss
an der Saugspitze gewechselt und dies nach abermals zwanzig
Minuten wiederholt. Die Beobachtungen des zweiten und
dritten, eventuell auch vierten und fünften Intervalls von
zwanzig Minuten dienten dazu, die Beendigung des Ver-
dampfungsprocesses oder aber nachträgliche Condensation zu
beobachten. Erst nachdem man durch diese Beobachtungen
der Beendigung des Processes sicher war, wurde Hahn I
geschlossen und Hahn II behufs Wiederaustrocknens des
Dampfraumes geöffnet, indem man zugleich wieder die Pumpe
in Thätigkeit setzte. Nach zwei bis drei Stunden konnte
dann ein zweiter Versuch dem ersten folgen; es ergab sich,
dass diese Zeit zum Austrocknen genügte, während eine
Stunde nicht ausreichte.
Da das Verdampfungsröhrchen mit einem ausreichenden
Vorrath von Flüssigkeit gefüllt war, das Calorimeter durch
die Eisumhüllungen, das dieselben umgebende Eisspind und
weiter noch durch niedrige Zimmertemperatur geschützt war^
endlich alle Schliffe völlig dicht hielten, so konnte man tage-
lang die ganze Vorrichtung zusammengesetzt stehen lassen
und zu beliebiger Zeit Versuche ausführen.
Bei diesen Versuchen ist es nothwendig. dass die Tem-
peratur des Calorimeters die niedrigste ist, welche überhaupt
in dem bei geöffnetem Hahne I dem Dampfe dargebotenen
Baume vorkommt.
Der Druck des Dampfes ist daher derjenige des bei 0^
gesättigten Wasserdampfes, also 4,52 mm nach Magnus,
4,60 mm nach Begnault, 4,63 mm nach Fischer;^) diesen
Druck zu variiren, gestattet die Methode zunächst nicht ;^
sie gestattet also zunächst nicht eine Controle der Anwen-
dung des Mariotte'schen Gesetzes auf die Dämpfe. Da-
gegen gestattet sie eine Untersuchung der Gültigkeit des
Gay-Lussac'schen Gesetzes; denn indem man bei verschie-
denen Temperaturen des den Dampfraum umgebenden Bades
Versuche ausführt, bestimmt man die Dichte des zu der Tem-
peratur des Bades überhitzten Wasserdampfes, welcher eine
1) Fischer, Wied. Ann. 28. p. 400. 1886.
Specifisches Volumen des WcLsserdampfei. 9
Spannung gleich der des bei 0^ gesättigten Dampfes besitzt.
Indem man die Temperatur des Bades immer mehr sinken
&B8t und n&her an 0^ wählt, nähert man sich der SättiguDgs-
temperatur; bei dieser tritt labiles Oleichgewicht ein, sinkt
die Temperatur noch mehr, so findet bei geöffnetem Hahn I
fortdauernde Destillation in den Dampfraum hinein statt.
Die Bedingung, dass die Temperatur des Calorimeters
£e niedrigste des ganzen Dampfraumes sein musste, zog es
nach sich, dass bei den folgenden Versuchen nicht diejenige
Sicherheit erreicht wurde, welche vom als erreichbar hinge-
stellt wurde. Denn da der ganze Apparat zusammengesetzt
und völlig luftleer längere Zeit stehen blieb, so genügte die
geringe Differenz zwischen der Schmelztemperatur des un-
reinen, das Calorimeter umgebenden Eises und der Calori-
metertemperaturi der Schmelztemperatur des aus reinem,
destillirtem Wasser erzeugten Eismantels, um in der Köhren-
leitung, welche das Verdampfungsröhrchen mit dem Dampf-
ranm verband, eine fortdauernde Destillation aus dem Ver-
dampfungsröhrchen nach der Stelle hin zu veranlassen, wo
sie die aus unreinem Eise gebildeten Eisumhüllungen durch-
schnitt. Oeffnete man dann den Hahn I, so wurde nicht die
ganze Dampfmenge aus dem Wasser im Calorimeter geliefert,
sondern ein Theil auch von jenen in der ßöhrenleitung con-
densirten Wassermengen. Deshalb musste dafür gesorgt wer-
den, dass die Köhrenleitung sofort nach dem Austritt aus
dem Calorimeter eine höhere Temperatur als 0® hatte. Da-
durch war nun rückwärts wiederum eine geringe Wärmezu-
leitung durch das Verbindungsrohr zum Calorimeter bedingt;
diese wurde zwar möglichst dadurch compensirt, dass man
das Niveau der aussen an die Saugspitze angesetzten Queck-
silbemäpfe ein wenig erniedrigte und durch diese Druck-
emiedrigung ein geringes Gefrieren im Calorimeter hervor-
brachte, indessen war jene Wärmezuleitung variabel, und
daher konnte nicht das Calorimeter zum höchsten Grade
seiner Genauigkeit gebracht werden. Immerhin war dieselbe
doch noch so gross, dass Versuche, welche bei gleicher Tem-
peratur des Dampfraumes ausgeführt wurden, selten um mehr
mehr als 1 Proc. im Maximum voneinander abwichen.
Ein zweiter Umstand trat noch der Ausführung der Ver-
10 C. Dieter ici.
suche hindernd entgegen. Während der ganze Apparat zu-
sammengesetzt und luftleer bei geschlossenem Hahne I län-
gere Zeit stehen blieb, gefror das Wasser im Verdampfungs-
röhrchen im Calorimeter. Der Grund ist sofort erkennbar:
das Wasser im Verdampfungsrohr stand nur unter dem
Druck von 4,6 mm Hg, hatte also wegen der Druckemiedri-
gung einen Gefrierpunkt, welcher ein wenig höher lag, als
der des umgebenden Calorimetereises« Diese geringe Tem-
peraturdifferenz brachte ein langsames Gefrieren des Wassers
im Verdampfungsrohr hervor. Aus dieser Schwierigkeit half
ich mir dadurch, dass ich das reine Wasser durch eine 0,1-
procentige Kochsalzlösung ersetzte.
Nach den Beobachtungen von Wüllner bringt ein G^
halt von 0,1 g Kochsalz auf 100 g Wasser eine Gefrierpunkts-
emiedrigung von 0,06^ C. hervor; diese genügte, um die
durch die Druckerniedrigung hervorgebrachte Gefrierpunkts-
erhöhung mehr als auszugleichen. Eine merkliche Dampf-
spannungserniedrigung tritt durch diesen geringen Salzgehalt
nicht ein, wie aus der einfachen Ueberlegung folgt, dass bei
— 0,06^ C. die Dampfspannung über der Lösung dieselbe sein
muss, wie über dem reinen Eise. Nach den theoretischen
Berechnungen von Kirchhoff und anderen und den directen
Beobachtungen von Kamsay und Young und Fischer
nimmt die Dampfspannung des Eises von 0 bis P um 0,3 mm
bis 0,4 mm Hg ab, also für 0,06*^ etwa um 0,02 mm. Diese
Dampfspannungsdifferenz würde bei —0,06^ bestehen, bei 0®
würde nur die Differenz der Dampf spannungszunahmen des
reinen Eises und der Salzlösung von —0,06^ bis 0^ be-
stehen bleiben.
Auch die Berechnung der Menge des gebildeten Dampfes
erleidet bei Anwendung dieser schwachen Lösung keine merk-
liche Veränderung. Denn die Betrachtung eines einfachen
isotherm- reversiblen Kreisprocesses zeigt, dass, wenn 1,001 g
der Lösung verdampft, die hierzu verbrauchte Wärmemenge
gleich sein muss der negativ genommenen Conäensationswärme
der gebildeten Dampfmenge von 1 g oder der Verdampfungs-
wärme des reinen Wassers diese vermindert um die Lösungs-
wärme von 0,001 g Salz in 1 g Wasser bei 0^ Für so
schwache Lösungen liegen leider keine directen Beobachtun-
Spectfisches Vobimen des Wasserdampfes» 11
gen vor. Nach Hm. Win keim an n's^) Beobachtungen nimmt
die Lösungswärme des Kochsalzes bei 0^ mit der Verdünnung
erheblich zu und erreicht bei eiuer Lösung 1 g Salz in
32,87 g Wasser den Werth 27,1 CaL Bei noch weiterer
Verdünnung wird der Werth der Lösungswärme noch steigen,
muss sich aber einem Grenz werth nähern, weil von einem
gewissen Grade der Verdünnung an bei weiterer Verdünnung
keine Wärmetönung mehr eintritt. Die Beobachtungen von
Winkelmann zeigen auch schon, dass die Curve, welche
die Lösungswärme in ihrer Abhängigkeit von der Concen-
tration darstellt, sich asymptotisch einem Grenzwerthe
nähert. Nach ihnen werden wir für stark verdünnte Lösun-
gen die Lösungswärme f)ir 1 g Kochsalz in Wasser auf etwa
40 Cal. veranschlagen können. Von dieser Wärmemenge
würde also der tausendste Theil, also 0,04 Cal. von der Ver-
dampfungswärme des Wassers abzuziehen sein, um die Ver-
dampfungswärme für soviel Salzlösung zu ergeben, dass 1 g
Dampf sich bildet. Man erkennt, dass diese Dififerenz ver-
schwindend klein ist und die Unsicherheit des Werthes der
Verdampf ungs wärme des reinen Wassers nicht erreicht. Ich
habe deshalb den nachfolgenden Berechnungen den letzteren
zu Grunde gelegt.
Alle folgenden Versuche sind mit dieser 0,1 procentigen
Kochsalzlösung ausgeführt; durch zeitweiliges Erneuern der
Füllung des Verdampfungsröhrchens wurde dafür gesorgt,
dass sich die Concentration nicht merklich verändert.
3. In der folgenden Tabelle I sind die Resultate der
ersten Versuchsreihe enthalten. Zu diesen Versuchen diente
als Dampfraum eine Röhre von etwa 10 cm Durchmesser
und 65 cm Länge, welche auf der Glashütte von Schilling
in Gelberg aus Thüringer Glas geblasen war. Das Volumen
betrug bei 0^ zwischen den Hähnen I und II 5007,7 ccm,
wie eine doppelt ausgeführte Volumenbestimmung durch
Wasserwägung ergeben hatte. Die Röhre war sorgfältig mit
Schwefelsäure, Kalilauge und Alkohol gereinigt, jedoch nicht
mit Wasser ausgekocht, sie war nach dem Zusammensetzen
des ganzen Apparates evacuirt. Der Druck der noch im
1) Winkelmann, Pogg. Ann. 149. p. 1. 1878.
12 C. Dieter ici.
Apparat enthaltenen Luft betrug etwa 0,05 mm bis 0,1 mm
Hg; dieser Druck konnte berechnet werden aus der Grösse
der Luftblase, zu welcher beim Pumpen die in der Luft-
pumpe noch enthaltene Luft zusammengedrückt wurde. Die
grosse Annehmlichkeit, diese Drucke schnell aus den Volom-
verhältnissen der Pumpe berechnen zu können, entschied f&r
die Wahl der Quecksilberluftpumpe nach der Töpler-Hagen'-
schen Construction.
Li der ersten Spalte der Tabelle ist die Temperatur
des Wasserbades angegeben, welches den Dampfraum um-
gab, also die Temperatur der gebildeten Wasserdämpfe, deren
Druck stets der Sättigungsdruck bei 0^ ist. Es folgt dann die
Angabe der Quecksilbermengen Hg in Milligrammen, welche
nach Schliessen des Hahnes II und Oeffhen von Hahn I, also
nach Einleitung der Dampf bildung infolge der im Calorimeter
entwickelten Wärmeentziehung aus der Saugspitze in zwei
Intervallen von je zwanzig Minuten austraten; die Beobach*
tung des zweiten Intervalls bewies die Vollendung der Dampf-
bildung.
Unter Anwendung der unter Correction angegebenen
Quecksilbermengen, welche die aus den Beobachtungen der
Constanz des Calorimeters für die Versuchsdauer sich er-
gebende kleine Correction enthält, ist die Spalte Hg corri-
girt abgeleitet, welche die beim Versuche ausgetretene um
die kleine Correction veränderte Quecksilbermenge in Milli-
grammen enthält. Diese Quecksilbermengen finden sich dann für
Versuche, welche bei nahe zusammenliegenden Temperaturen
ausgeführt sind, auf gleiche Mitteltemperatur reducirt in der
folgenden Spalte wieder. Aus den Mittelwerthen der auf
gleiche Temperatur reducirten Beobachtungen berechnet sich
durch Division mit 15,44 die während des Versuchs im
Calorimeter verbrauchte Wärmemenge gemessen in mittleren
Calorien, und durch weitere Division mit 596,8, der Ver-
dampfungswärme des Wassers, daraus die verdampfte Wasser-
menge m in Grammen, also durch Multiplication mit 1000 die in
der folgenden Spalte in Milligrammen gemessenen verdampften
Wassermengen m. Mit Hülfe des bekannten Volumens V
des Dampfraumes ist die für die angegebenen Mitteltempe-
raturen sich ergebende Dampfdichte dt oder die in der
Specifisches Volumen des Wasserdampfes,
13
Yolumeneinheit (1000 com) bei jener Temperatur enthaltene
Masse angegeben. Unter der Annahme, dass für die Dämpfe
der Temperaturausdehnungscoefficient a ^ V273 derselbe ist,
wie der der permanenten Qase, ist endlich in der letzten Spalte
aus den Beobachtungen die Dampfdichte bei 0^ berechnet,
unter der Voraussetzung, dass das Qay-Lussac'sche Gesetz
selbst bis zur Sättigungstemperatur giltig sei.
Tabelle I.
Dampfraum: Röhre aus Thüringer Glas. Volumen bei O*'.
Vq = 5007,7 ccm.
Hg beob. 1 !S .h 3 ^ "S fe ec
^,= ^.1000
<5o = <^£(l+«'^
1 l. ' 2. :
ü ,
s 5 r^ 1
0°
278,5 13,9
0
0,30 262,5 0
0
1
1 231,6 0
-0,4'
1,5
225,4; 0
-0,4 225,01:- .0 225,0
ry 224,li 0 -0,8 223,3/ r»" 223,3
1,5" 224,1
24,320
4,8564
4,8832
2,0 224,T| 0 -1,3 223,4,
223,0
2,2 222,4 0
-1,6 220,8
220,5
2,5 1 221,0 0
+ 1,1 222,1
222,1 ,
2,7 220,3 1 0
+ 2,5 222,8
2,50 223,0 ;
2,7 220,71 0
-0,6 220,1
220,8
2,8 i 222,8 0
-1,2 221,6
221,9
2,9 '220,7 0 +0,2,220,9' 221,3 i
i
2,5° 221,73:24,063
4,8049
4,8445
4,1 218,5 0 +1,2 219,7
219,4
1
4,2 219,0 0 -0,6 218,4
218,2
1
i
1
4,3 ! 220,7 0 -0,7 220,0
,440 219,9
> *'^ 219,7
1
4,4 220,3 0
-0,6 219,7
1
'
4,4 220,4 0
+ 0,1 220,5
220,5 ;
1
4,75j 219,7 0
0 219,7
220,0 ;
■
4,4° 219,6 ,23,831
1 4,7583
4,8365
7,6 216,7 0
+ 1,4 218,11. .50 218,1
1
1
7,7 217,81 0
+ 1,6 218,9| ^'^^ 218,9
1
7,65« 218,5 i 23,712
4,7342
4,8708
9,9 216,s 0 0 216,81 1^0 216,75
10,1 217,4 0 -0,7 216,7/^" 216,75!
'
10 <* 216,75123,522
4.6960
4,8747
19,8,207,7 0 0 207,71 ,«0 207,7
» 206,5 0 0 208,51 208,5
19,8^ 208,1 22,584
4,5075
4,8604
1
Mitte
5I: 4,8617
14 C DietericL
Aus der vorstebenden Versuchsreihe ergeben sich einige
für die weitere Untersuchung wichtige Folgerungen.
Zunächst zeigt ein Blick auf die Spalte der auf gleiche
Mitteltemperaturen reducirten Beobachtungen, dass dieselben
innerhalb eines Intervalles von rund 1 Proc. der zu messen-
den Grösse zusammenliegen; also folgt: die Methode der
Untersuchung gestattet, eine Wassermenge von etwa 24 mg
mit einer solchen Sicherheit zu bestimmen, dass mehrere
unter gleichen Umständen ausgeführte Beobachtungen um
nicht mehr als im Maximum um 1 Proc, also 0,24 mg dif-
ferente Resultate ergeben. Diese Sicherheit geht weit über
diejenige hinaus, welche man erreichen könnte, wenn man
die verdampfte Wassermenge direct durch Differenzwägung
zu bestimmen versuchte. Indessen ist es schon hier auf-
fallend, dass das Fehlerintervall nur bei denjenigen Tempe-
raturen ein so grosses ist, welche dem Sättigungspunkt
nahe liegen, während bei den höheren Temperaturen die Be-
obachtungen viel besser untereinander übereinstimmen und
der vorn als erreichbar hingestellten Genauigkeit nahe kom-
men. Es lässt dieser Umstand schon hier eine andere Ur-
sache vermuthen, welche bei Temperaturen, welche dem
Sättigungspunkt nahe liegen, die Beobachtungen beeinflusst.
Ueber die Natur der bei 0^ gesättigten Dämpfe ergeben
sich folgende Folgeruugen.
Aus der Uebereinstimmung der unter b^ angeführten
Zahlen, welche die aus den bei höheren Temperaturen aus-
geführten Beobachtungen berechnete Dampfdichte bei 0^
darstellen, schliessen wir:
1. dass der Ausdehnungscoefficient der überhitzten Dämpfe
mit der Sicherheit, welche diese Versuche gestatten, gleich
^,^73, also gleich dem der permanenten Gase gefunden wird.
2. dass dieser Ausdehnungscoefficient gültig ist bis auf
etwa 1,5^ an den Sättigungspunkt heran.
Aus den Beobachtungen bei Temperaturen unter 1,5^
ist die Abweichung vom Gay -Lussac' sehen Gesetze er-
kennbar, welche die Dämpfe in unmittelbarer Nähe des
Sättigungspunktes zeigen. Nach ihnen könnte man schliessen,
dass die Dichte sehr schnell und stark zunimmt. Bei 0^
Specifiscties Volumen des IVasserdampfes,
15
zeigt sich auch nach dem Versuche noch weitere Conden-
sation in dem Dampfraume.
Diese Schlüsse werden aber sofort andere, wenn wir die
nächste, in Tabelle II enthaltene Versuchsreihe in Betracht
ziehen. Die in dieser Tabelle enthaltenen Versuche sind
mit derselben Röhre als Dampfraum und vollkommen in
derselben Weise ausgeführt, wie die der Tabelle I, nur war
der Dampfraum bis zum äussersten Grade der erreichbaren
Verdünnung ausgepumpt, sodass bei weiterem Pumpen das
Quecksilber hart anschlug, und eine Luftblase, zu der die in
der Kugel der Luftpumpe etwa noch vorhandene Luft zu-
sammengedrückt wurde, überhaupt nicht mehr wahrgenommen
wurde; der Druck, der im Dampfraum noch herrschte, war
kleiner als 0,001 mm Hg. Die einzelnen Spalten der Ta-
belle sind leicht verständlich: unter t ist die Temperatur des
Dampfraumes, unter Hg beobachtet die Quecksilbermengen,
welche nach Schliessen des Hahnes II und Oeffnen des
Hahnes I in drei Zeitintervallen von je 20 Minuten aus
der Saugspitze austraten, unter „Correction^' die Calorimeter-
correction für die ganze Versuchsdauer aufgeführt. Eine
weitere Berechnung ist nicht angeschlossen, weil die qua-
litativen Folgerungen ebenso gut an den Versuchsdaten
unmittelbar erkannt werden können, da ja die Quecksilber-
mengen den verdampften Wassermengen direct proportional
und rund zehnmal so gross sind.
Tabelle IL
Ausgestossene Quecksilbermengen. Hg beobachtet in Milligr.
Temp.
1.
2.
3.
Correction
0^
288,1
25,5
13,0
0,0
0,3
274,2
17,1
9,9
+0,5
1,5
242,4
0,4
0
+0,6
2,5
233,0
1,8
0
+0,6
3,8
232,4
3,0
0
-1,4
»
232,7
2,5
1,3
-M
5,1
228,3
0,3
0
+0,1
8,5
221,9
n
0
0
Diese Versuche lassen folgende wichtige Schlüsse ziehen:
Bei der Sättigungstemperatur 0^ zeigt sich eine starke
Condensation, aber eine Condensation, welche in dem zweiten
16 C Dieterici,
Intervall (3) von 20 Minuten nach dem Versuch wesentlich
kleiner ist, als im ersten (2) und daher nicht einer constan-
ten Destillation infolge von Temperaturdifferenz zugeschrie-
ben werden kann. Eben dasselbe zeigt der Versuch bei
0,3^ des Dampfraumes. Mit zunehmender Temperatur wird
diese Condensation kleiner und ist bei den Versuchen zwischen
1,5 und 5^ im allgemeinen schon nach den ersten 20 Minu-
ten nach dem Versuche (2) vollendet Bei 8,5^ zeigt sich
keine nachträgliche Condensation, indessen ist die Queck-
silbermenge, welche während des Versuches ausgestossen ist,
wesentlich grösser als diejenige, welche wir nach den Ver-
suchen der Tabelle I für dieselbe Temperatur erwarten
müssen. Demnach müssen wir schliessen, dass auch bei
diesem Versuche dieselbe Ursache obwaltet, wie bei den vor-
hergehenden, nur ist die Condensation schon während der
Dauer des Versuches beendet.
Durchgängig finden wir ferner die bei den Versuchen
der Tabelle II ausgestossenen Quecksilbermengen, also auch
die verdampften Wassermengen, grösser, als die den gleichen
Temperaturen entsprechenden der Tabelle I, und wollten wir
nach diesen Versuchen den Temperaturausdehnungscoefficient
der Wasserdämpfe berechnen, so würden wir denselben
wesentlich grösser als den der permanenten (rase und nicht
constant, sondern mit abnehmender Temperatur zunehmend
linden.
Die Versuche der Tabelle II ergeben also vollkommen
andere Resultate als diejenigen der Tabelle I; während wir
bei diesen das M.-G.-L.-Gesetz bis auf 1,5® an die Sätti-
gungstemperatur bestätigt fanden, ergeben die letzten Ver-
suche schon 8® oberhalb der Sättigungstemperatur starke
Abweichungen.
Die beiden Versuchsreihen unterscheiden sich nur da-
durch, dass bei der ersteren noch Luft von 0,05 bis 0,1 mm
Hg Druck im Dampfraum zurückgeblieben war, während bei
der letzteren die Evacuirung eine vollständige war. Diese
Verschiedenheit der Drucke kann offenbar nicht direct die
Differenz der Resultate bedingt haben, denn die Anwesen-
heit dieser geringen Luftmenge kann nach dem Dal toni-
schen Gesetze nicht auf die Menge des gebildeten Dampfes
Specifisches Volumen des Wasser dumpfes. 17
von Einfluss sein, wohl aber auf die Geschwindigkeit der
Dampfbildung. Dass aber bei den Versuchen der Tab. I
die Dampf bildnng ToUendet war, geht daraus heryor, dass in
dem zweiten Intervall von zwanzig Minuten keine weitere
Wärmeentziehung im Calorimeter beobachtet werden konnte.
Das Vorhandensein der geringen Luftmeuge im Dampf-
raum kann aber indirect die Verschiedenheit der Resultate
herbeigeführt haben. Wir wissen, dass Glasflächen, welche
in Berührung mit einer Atmosphäre von Wasserdampf sind,
selbst dann sich mit einer Wasserhaut überziehen, wenn der
darüber befindliche Wasserdampf überhitzt ist, und die aus-
gedehnten Versuchsreihen von War bürg und Ihmori (1. c.)
lassen sowohl die Dicke der Wasserhaut als auch ihre zeit-
liche Ausbildung erkennen. Diese Wasserhaut haftet mit
grosser Energie an den Wandungen fest und löst sich nur
sehr schwer von denselben los, wie das die vielen Versuche
mit Geissler'schen Röhren beweisen, dagegen bildet sie
sich relativ schnell wieder. Eussend auf diesen Erfahrungen
werden wir kaum irre gehen in der Annahme, dass bei den
Versuchen der Tab. I die Wasserhaut während des Aus-
trocknens des Dampfraumes sich nicht von den Wandungen
losgelöst hat, während sie bei der zweiten Versuchsreihe, bei
welcher die Evacuirung vollständig war, ganz oder theilweise
losgerissen ist und sich beim Eintritt des Dampfes in den
Dampfraum neu bildete. Wir haben dann also die nach-
trägliche Verdampfung, welche bei der zweiten Versuchsreihe
im zweiten und dritten Intervall von zwanzig Minuten be-
obachtet ist, als dadurch bedingt anzusehen, dass sich diese
Wasserhaut neu bildete. Der ganze zeitliche Verlauf ihrer
Bildung stimmt mit den Beobachtungen von War bürg und
Ihmori überein, ebenso wie die Beobachtung, dass die Con-
densation wesentlich vom Grade der Ueberhitzung abhängig
ist, sich schnell vollzieht und kleiner ist, wenn die Wasser-
dämpfe Tom Sättigungszustande weit entfernt sind, dagegen
grösser ist und entsprechend länger dauert bei grösserer An-
näherung an den Sättigungszustand.
5. Wenn es nun weiter sich darum handelt, quantitativ
die Dichte der bei 0^ gesättigten Wasserdämpfe kennen zu
lernen, so wird man suchen müssen, die Condensation an
Ann. d. Phy«. a. Chem. N. F. XXXVIII. 2
18
C. Dieterici.
den WanduDgen möglichst zu Termeiden. Dazu ist es nach
den ErfahrungeD der Herren Warburg und Ihmori vor-
theilhaft, erstens andere Glaseorten als ThOringer Glas zu
w&hleD, zweitens die Oberfläche durch Abkochen mit Wasser
alkaliarm zu machen, und drittens erschien es nach den Er-
fahrungen der in Tab. I und II mitgetheilteo Versuche zweck-
mässig, die Evacuirung des Damp&aumes nicht bis zur äusser-
sten Grenze zu treiben.
In den folgenden zwei Tabellen sind die Besultate von
Versuchen wiedergegeben, welche auf die quantitative Be-
stimmung der Dichte der bei 0" gesättigten Waaserdämpfe
abzielten.
Tabelle in.
Bundkolben aus grOnem märkischen Glas: Volumen bei 0"
V. = 5881,2 ccm.
1
AnHgeatoBaeae
, 1 -g Hg i. „^
o S M'y> reducirt auf Mb
«s = E Mittel- iS.s
" 1 , S 1 tompemtur S " e
— i
"i
Qutcksilber-
( 1 p
menge Hg in mg
■ -
^
1
1 ' 2 1 3 |4
•.-
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1
~~
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j .1
0» 1 0,0OB
277,9
6,2 4,3
2,1
-1,6
288,8 1
- ofii
374,8
4,fl' Ö
0
+ 11,5
280,2
- 0,1
259,7
7,6
4,2
0
-5,1
266,4 1 :^BS,4
1
0,12
267,7
5,4
0
0
+ 0,8
263,9 263,9 ■
0,15
2S5,0
7,0
4,5
0
-3,15 263,4 , 263,4 ,
0,15
257,4
7,0
2,0
ü
+ 0,8
265,8 [ 266,8 |
—
o,n
251,8
fl,2
3,3
0
0
264,3
264,3
O" =264,76
28,732
4,8S64 4,8854
a,3 1 0,02
268,0
0
-1,0
282,0 13,8« =262,0
28,433
4,8341. 4,8933
*,2 1 ;,
262,7
0
— 1.*
261,31 . „,;o 261.3
*,3
"
260,7
0
-0,3
260,5 i
'•-■' 360,6
4,25» =280,9
28,313
4,8136 4,8898
7
0,04
259,5
0
0
259,6
7" =259,5
28,162
4,7875' 4,8136
9,4
0,08
259,6
0
-2,6
256,11
255,4
1
9,5
258,9
0
-i;o
257,9
101» 267,3
10,1
0,04
254,8
3,5
0
-1.8
256,5
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0,06
253,9
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0
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256,1
10,1» =.256,33
27,818
4,72861 4,9086
20,8
0,005
246,8
0
0
246.81
246,8
247;i
a
-0,7
246,41 246,4
1
„
„
246,5
0
-0,3
246,2 1| 246,2 i
20,2' =246,47
26,745
4,5449 4.904*1
Mittel: 4,8992
Spe^sehet Volumen de» Watserdampfet.
Tabelle IV.
Bondkolben ans schwerem schlesischeti Kaliglas.
bei 0" r„ = 6576,6 ccm.
en
Li
e
Hg
to,¥
1
1
. .
Quecksilber- , § S
menge Hg in mg, ^£
fff
reducirt auf
Hittel-
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1
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3
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m.oUg
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0,000
316,6
14,6
0,3
0
0
0,05
289,5
4,3
2,3
0
0
0,08
293,3
5,3
1,1
0
+ 0,1
0,1
!!»0,2
<,T
0,3
0
+ 2.1
297,3
297,3
291,4
5,6
0,1
0
-1,3 295,7
295,7
n
"
269,8
«,2
0,4
0
0
296,4
296,4
32,1718
4,8919
0" =296,47
4,8919
5,6
OJM»
295,4
0
-4,3
291,11
291,1
0,01
283,6
0
-2,2
291,4
5,6° 291,4
l-
o;i
235,T)
57,3
0
~
-1,4 291,6)
291,6
31,6204
4,8074
5,8" =291,87
4,9098
9,4
0,01
286,8
0
-0,3 |286,ö
285,8
10,0
0.04
285,2
0
—
—
0 i285,2
•»" S;?
0,04
285,3
0
-0,2 1295,1
10,3
0,01
1 285,6
0
~
""
-0,3 |285,2
1
285,6
10° 286,4
80,9714
4,7082
4,SS74
SD
0,000
,274,2
0
+0,0 27*,21
274,2
276,4
-0,6 :275,N
20,0' 275,8
|«V
0
-0,1 275,0
275,0
!
20» 275,0
29,8439
4,6368 ; 4,8958
Ifittel:
4,8«»
Die VersQche sind wie die der Tab. I und II ansge-
fahrt, als Dampfraam dienten Rundkolben, in deren Hals ein
Glasrobr eingeschlififen war, an welches die Zu- und Ablei-
tungen (s. Fig. 1) angeblasen waren. Der zu den Versuchen
der Tab. III verwendete Bundkolben war aus grünem mär-
kischen Glase Ton Bohrbeck in Berlin, der zu den Ver-
sBchen der Tab. IV dienende aas schwerem scblesiBchen
Kaliglas von Wannbmnn und Quilitz. Beide Ballons waren
vor den Versuchen mit Wasser längere Zeit abgekocht, ihre
Volumina sind bei den Tabellen angegeben. Beide Tabellen
sind ebenso angeordnet, wie die früheren, nur ist neben der
Spalte i noch eine Spalte eingeschoben, in welcher unter p
1) Bd diesem Tersnche «
10 Hinnten.
s Versehen« das erste Zeit-
20 C. Dieterici.
der Quecksilberdruck in Millimetern angegeben ist, welchen
die im Dampfraum noch vorhandene Luft ausübte. Diese
Drucke sind ermittelt aus der Grösse der Luftblase, zu
welcher beim letzten Pumpenhub die in der Kugel der
Quecksilberpumpe noch vorhandene Luft zusammengepresst
wurde.
Die in den vorstehenden Tabellen zusammengefassten
Versuche lassen folgende Schlüsse ziehen.
Bei 0^ und sehr hoher Verdünnung zeigt sich erhebliche
Condensation; dieselbe erreicht verhältnissmässig schnell ein
Ende und ist daher nicht einer dauernden Destillation in-
folge einer TemperaturdifPerenz zwischen dem Dampfraum
und dem Calorimeter zuzuschreiben, sondern kann nur von
der Condensation an den Glaswandungen herrühren; dieselbe
ist wesentlich kleiner, als bei den Versuchen der Tab. III;
es zeigt sich also die Erfahrung Warburg's (1. c.) be-
stätigt, dass andere Glassorten als Thüringer Glas verhält-
nissmässig weniger stark condensiren, und dass die Fähigkeit,
zu condensiren, durch Abkochen mit Wasser verringert wird.
In dem Maasse, als Luft in dem Dampfraum gelassen wird,
nimmt die Condensation ab; lässt man Luft von 0,1 mm
Spannung und mehr in dem Dampfraum, so ist allerdings die
Geschwindigkeit des Verdampfens herabgesetzt, und daher
der Dampfraum im ersten Intervall von 20 Minuten noch
nicht vollständig mit Dampf erfüllt; aber die gesammte Menge
verdampfter Flüssigkeit ist constant und unabhängig von
dem Drucke, der in dem Dampfraum vorhandenen Luft. Die
Erklärung dieser Erscheinung ist zweifellos die, dass das Vor-
handensein der Luft während der Zeit des Austrocknens die
auf den Wandungen vorhandene Wasserhaut, welche zudem
noch wegen ihrer geringen Dicke unter einer sehr grossen
Capillarspannung steht, nicht verdampfen lässt; wird nun ein
neuer Versuch ausgeführt, so sind die Wandungen schon
mit derjenigen Wassermenge, welche sie condensiren können,
beladen, und wir erhalten daher die Dichte des gesättigten
Wasserdampfes frei von dem störenden Einflüsse der Wan-
dungen. Die unter Anwendung dieses Kunstgriffs ausge-
führten Versuche können nicht dieselbe gute Uebereinstim-
mung zeigen, wie die bei höheren Temperaturen angestellten,
Spec^ches Volumen des WasMerdampfes. 21
weil sie erstens längere Zeit in Anspruch nehmen, und daher
die calorimetrische Unsicherheit grösser wird, und zweitens,
weil man nicht sicher die unveränderte Beschaffenheit der
Wasserhaut garantiren kann.
Dass man aber bei diesen Versuchen in der That die
Dichte des bei 0^ gesättigten Wasserdampfes frei Ton dem
Einfluss der Gondensation an den Wandungen gemessen hat,
daf&r sprechen folgende Punkte:
1. Die bei 0^ und Gegenwart yon Luft ausgeführten
Versuche ergeben constante Resultate, während bei ToUkom-
mener Eyacuirung inconstante, mit zunehmender Verdün-
nung grösser werdende Wassermengen verdampfen.
2. Die bei 0^ erhaltenen Zahlen lassen eine Dichte des
bei 0^ gesättigten Dampfes berechnen, welche übereinstimmt
mit derjenigen, welche aus den bei höheren Temperaturen
ausgeführten Beobachtungen unter Anwendung des Gay-
Lussac'schen Gesetzes berechnet wird. (Spalte 8q der Ta-
beUen HI und IV.)
3. Die Mittel werthe der Dichte 8^ des bei 0^ gesättig-
ten Wasserdampfes der Versuchsreihen III und IV stimmen
Tollkommen miteinander überein, obgleich verschiedene Glas-
sorten und verschieden grosse Oberflächen in Anwendung
kamen, und diese Dichte stimmt auch mit derjenigen, welche
sich aus der Versuchsreihe I, bei welcher die Bedingungen
am ungünstigsten waren, hinreichend gut überein. Die
Grössen der Oberflächen variirten in der Weise, dass auf
1 1 Volumen bei den Versuchen der Tab. I 460 qcm Ober-
fläche, bei III 312 qcm und bei IV 300 qcm kamen.
Als Gesammtresultat folgt also:
Der bei 0^ gesättigte Wasserdampf befolgt, wenn man
▼on der Condensation an den Wandungen absieht, das Gay-
Lussac'sche Gesetz bis zum Sättigungspunkt.
Die Dichte desselben ergibt sich
aus Versuchsreihe I Öq = 4,8617 mg/cdm,
» „ III = 4,8992 ))
» „ IV = 4,8958 »
also im Mittel: ^o = 4,8856 mg,cdm.
Oder das spec. Volumen des bei 0^
gesättigten Wasserdampfcs ist Vq = 204,680 mg'cdm.
22 C. DietericL
Es wäre wohl berechtigt, bei der Berechnung des 6e-
sammtmittels die Versuche der Tab. I auszuschliessen, denn
bei diesen war man noch nicht aufmerksam gewesen auf die
Condensation und hatte daher auch nicht immer die Be-
dingungen so getroffen, dass dieselbe vermieden wurde. Des-
halb stimmen auch die dortigen Versuche unter sich nicht
so gut überein. Ich habe aber trotzdem auch diese bei der
Berechnung des Gesammtmittels hinzugezogen, weil es ja
möglich wäre, dass sämmtliche Beobachtungen noch durch
eine ihnen allen gemeinsame Condensation mit einem con-
stauten Fehler behaftet sind, äo unwahrscheinlich dieser
Fehler ist, so ist er doch nicht vollkommen ausgeschlossen,
und deshalb will ich auch die Sicherheit des Gesammt-
mittels auf nicht mehr als 0,5 Proc. verbürgen.
6. Auch bei der Annahme dieses Fehlers des Resul-
tates geht die Sicherheit desselben weit über diejenige hin-
aus, welche wir für die Berechnung des specifischen Volumens
des bei 0^ gesättigten Wasserdampfes aus den Spannungs-
beobachtungen bei dieser Temperatur in Anspruch nehmen
können. Wir müssen vielmehr jetzt umgekehrt verfahren
und aus dem hier gefundenen specifischen Volumen den
Druck des gesättigten Wasserdampfes bei 0^ berechnen»
Diese Berechnung ist berechtigt, denn mit dem Nachweis
der Gültigkeit des 6ay-Lussac'schen Gesetzes bis zur
Sättigungstemperatur ist auch zugleich die Gültigkeit der
Avogadro'schen Hypothese erwiesen. Benutze ich zu dieser
Berechnung das Resultat JoUy's, dass 1 1 H unter 45^
Breite und 760 mm Druck bei 0^ 0,089523 g wiegt, und
nehme ich als Moleculargewicht HjO = 17,9633, so er-
gibt sich als Druck der bei 0^ gesättigten Wasserdämpfe
Pq = 4,619 mm Hg, und dieser so berechnete Druck hat eben-
falls nur eine Unsicherheit von etwa 0,5 Proc, ist also weit
sicherer, als durch kathetometrische Beobachtungen wohl je
wird erreicht werden können. Magnus fand für diesen
Druck ;?jj = 4,525 mm. Regnault /?Q=4,60mm, endlich
Fischer p^ = 4,63 mm.
Demnach können wir das oben gefundene Resultat auch
80 aussprechen:
Die Dichte des bei 0^ gesättigten Wasserdampfes ist
Specifiaches Volumen des JVasierdamp/es, 23
diejenige, welche sich nach Avogadro's Hypothesen theo-
retisch berechnen lässt. Der Druck des bei 0^ gesättigten
Wasserdampfes ist p^ = 4,619 mm Hg.
Dies Sesultat entspricht aber demjenigen, welches aus
der H er wig'schen Relation zu folgern ist Wie schon ein-
gangs erwähnt, besteht nach Herwig zwischen der experi-
mentell gefundenen Dichte d der gesättigten Dämpfe und
der theoretisch nach Avogadro's Hypothese berechneten S
die Beziehung: ^i^ g^. Y& ,
wo 19* die absolute Temperatur und c eine Constante be-
deutet, welche nach ihm den Werth c =s 0,0595 hat, nach
Wüllner undGrotrian 0,0536 und nach Hrn. Perot 0,0527.
Wenn diese Relation den wahren Zusammenhang dar-
stellte, so muss es eine Temperatur i?- == l/c^ geben, für
welche die theoretische Dichte S gleich der experimentell
gefundenen d wird; oberhalb dieser Temperatur müsste
dy- Sy unterhalb derselben rf < ^ sein. Nach den angege-
benen Werth en der Constante c würde sich diese Qrenz-
temperatur berechnen:
nach Herwig & = 282,4 = + 9,4« Celsius
jj Wüllner und Grotrian = 348,1 = +75,1 »
j, Perot =360,0 =+87,0 „
Die Kesultate aller dieser Beobachter ergeben also
bei 0^ eine kleinere Dichte als die theoretische. Diese
Folgerung ist schon für sich unwahrscheinlich, die grosse
Differenz zwischen den Resultaten der verschiedenen Beob-
achter bestärkt uns ausserdem in der Vermuthung, dass bei
jenen Beobachtungen die Adhäsion an den Wandungen das
Resultat beeinflusst hat, sodass wir geneigt sind, auf die
Differenz zwischen dem von uns gefundenen Resultate mit den
älteren Beobachtungen kein wesentliches Gewicht zu legen.^)
1) In meiner letzten Mittheiluug hatte ich auf einen Kreisprocess
hingewiesen, den Hr. Wüllner in seinem Lehrbuch 3. p. 719 und 20
ausführt, und aus dem sich die Verdampfungswärme des Wassers bei
0** = 588,98 ergab. Die Voraussetzung jener Berechnung, dass das
M.-6.-L.-Gesetz für die Dämpfe gelte, ist jetzt fUr 0^ allerdings bewiesen,
aber nicht fUr höhere Temperaturen, Ich verzichte daher auf ein näheres
Eingehen auf jenen Kreisprocess um so mehr, als derselbe, wie auch
Hr. Wüllner selbst hervorhebt, nur durchgeführt ist, um eine untere
Grenze für den Werth des Wassers festzulegen.
24 C. Dieterici.
Wichtiger sind die folgenden Berechnungen, zu denen
die Bestimmung des specifischen Volumens der bei 0^ ge-
sättigten Wasserdämpfe Veranlassung gibt.
Von den einzelnen ti-rössen, welche in die bekannte
Gleichung: .
zwischen dem mechanischen Aequivalent der Wärme «/, der
Verdampfungswärme r, dem specifischen Volumen des gesät-
tigten Dampfes t;, der Verdampfungstemperatur & und der
Spannungszunahme der gesättigten Dämpfe dpjd& eingehen,
kennen wir:
das mechanische Aequivalent der Wärme für die mittlere
Calorie:
J = 424,36 . 10« g cm* sec-» = 432,5 Qrammmeter
in mittlerer Breite/)
die Verdampfungs wärme bei der Verdampfungstemperatur:
*o = 273^
bezogen auf dieselbe Wärmeeinheit:
r^ = 596,8 Cal.«),
endlich t;^ das specifische Volumen der bei i9-s=273^ gesättigten
Wasserdämpfe: v^ = 204,68 cdm'.
Aus diesen Daten folgt die Spannungszunahme dpjd&
bei 0^ = 0,3898 mm Hg für 1 ^ Temperaturzunahme.
Broch berechnet für 0,1^ Temperaturzunahme aus den
Regnaul tischen Spannungsbeobachtungen:
dpld& = 0,0330 mmHg.
Die obige Gleichung gilt aber auch für den Uebergang
aus dem festen in den dampfförmigen Zustand, nur haben
wir für r^ einzusetzen p^, die Verdampfungswärme des Eises
bei derselben Temperatur, und für dpld& die Spannungs-
zunahme dnldtJ- über dem Eise. Da nun für i^ = 273^^
Co = ^0 + 'o
ist, wo Iq die Schmelzwärme des Eises = 79,87 mittlerer Ca-
lorien ist, so ergibt sich ebenso:
dnld&=^0,S852mm Hg
für 1^ Temperaturzunahme.
1) Dieterici, Wied. Ann. 33. p. 417. 1888.
2) Vorige Milthciluug.
Specyischet Volumen des IVasserdampfet. 25
Die Differenz beider oder die Tangentendifferenz der
Dampfspannungscnnren über Eis und Wasser im Nullpunkt:
dnld» - dpld» = 0,0455 mm Hg.
stimmt mit dem von Fischer (1. c.) aus seinen Beobach-
tungen berechneten Werthe 0,0465 überein.
7. Ich möchte diese Arbeit nicht beschliessen, ohne noch
auf einige Punkte aufmerksam zu machen.
Nach den Versuchen der Herren Warburg und Ihmori
haben wir die Ursache für die Gondensation an den Wan-
dungen in dem Gehalt der Oberfläche an Alkalien zu suchen.
Die an der Oberfläche locker gebundenen Alkalien lösen sich
nach jener Erklärungsweise, erniedrigen durch Bildung der
Lösung die Dampfspannung in der Nähe der Wandungen
und bringen dadurch die Gondensation hervor. Die Dicke
der condensirten Schichten ist nach jenen Versuchen, wenn
die Temperatur mehr als 1^ über der Sättigungstemperatur
liegt, etwa 1 bis 5 . 10~^ cm, sie steigt bei Annäherung an die
Sättigungstemperatur und ist bei etwa 0,2^ über derselben
bis zu 20 . 10~~^ beobachtet Es ist von Interesse, eine gleiche
Berechnung für die von mir beobachteten Gondensationen
anzustellen. Ich lege für diese Berechnung die ersten Ver-
suche der Tabellen II, III und IV zu Grunde und nehme
den Versuchsdaten entsprechend an, dass von den ausge-
stossenen Quecksilbermengen, resp. 100, 15 und 35 mg oder
10,8, 1)6 und 3,8 mg Wasser auf die Gondensation entfallen.
Die Oberflächen boten resp. 2300, 1830 und 2000 qcm Fläche,
also berechnen sich die Dicken der bei der Sättigungstem-
peratur condensirten Schichten zu: 4. 10"^ cm für das benutzte
thüringer Glas, 0,9 . 10"-* cm für das märkische Glas und end-
lich 2.10~*cm für das Kaliglas.
Diese Dicken sind zwar von derselben Grössenordnung,
wie die von den genannten Herren beobachteten, jedoch im-
merhin merklich kleiner. Diese Differenz ist aber nicht von
grosser Bedeutung; denn jene Versuche selbst zeigen ja, wie
ausserordentlich verschieden sich die verschiedenen Glas-
sorten in Bezug auf ihre Fähigkeit, zu condensiren, verhal-
ten. Auffallend ist die schnelle Vollendung der Verdichtung
an der Oberfläche, und dass dieselbe überhaupt ein Ende er-
reicht. Diese Thatsache zwingt uns zu der Annahme, dass
26 C DietericL Specifisches Volumen des WasserdampJesL
selbst in so dünnen Schichten, wie sie hier beobachtet mdy,
schon die oberste Lage reines Wasser ist, und dass die in
den unteren Lagen gelösten Alkalien nicht in jene oberen
hinein diffundiren können; denn wenn das der Fall wäre^
hätte sich eine dauernde Condensation ergeben müssen, weil
ja dann auf der Oberfläche eine dauernde Dampfspannungs-
erniedrigung bestehen würde. Die Condensation findet nach
Hrn. War bürg nicht statt an Körpern, welche in Wasser
unlöslich sind. Ich habe bei Vorversuchen, welche allerdings
nicht so sicher sind, dass ich ein endgültiges Urtheil darauf
bauen möchte, keine wesentliche Veränderung der Conden-
sation nach einem Versilbern der Glaswandungen erkennen
können. Interessant scheint es mir, zu untersuchen, ob ein
Ueberziehen derselben mit einer Substanz, an der das flüssige
Wasser nicht adhärirt, also etwa mit Paraffin, von wesent-
licher Wirkung ist. Offenbar ist die in dieser Arbeit an^
gewendete Methode zum Studium dieser Condensationsvor-
gänge ausserordentlich geeignet, weil sie geringe Massen mit
grosser Sicherheit zu messen gestattet, während zugleich die
Oberfläche beliebig vergrössert werden kann.
Sie ist aber auch zur Entscheidung weiterer Fragen ge-
eignet. Zunächst ist in der vorliegenden Arbeit nur geprüft
die Gültigkeit des Gay-Lussac' sehen Gesetzes für die
Dämpfe. Es bietet keinerlei Schwierigkeit, auQh das Ma-
riotte'sche Gesetz zu prüfen, indem man Salzlösungen be-
kannter Concentrationen verdampfen lässt. Man würde dann
ebenso, wie man hier selbst ohne völlige Vermeidung der
Condensation die Dampfspannung des (nahezu) reinen Was-
sers sicherer, als es kathetometrisch möglich ist, ermitteln
konnte, zu einer genauen Kenntniss der Dampfspannung über
Salzlösungen und damit zu einer sicheren Kenntniss des
Gesetzes von der molecularen Dampfspannungserniedrigung
verschiedener gelöster Salze kommen können.
Der Uebelstand ist aber der, dass die Methode an die
Temperatur 0^ gebunden ist; meine nächsten Bemühungen
sollen darauf ausgehen, dieselbe auch auf andere Tempera-
turen auszudehnen.
Berlin, phys. Inst, der Univ.
J. EUier u. H, GeiieL Ekctricitätsbetcegunif etc, 27
II. Einige I}€nianstratiofi»ver»U€he zum Nachweis
ehiseitiger Electricttätshewegu/ng in verdünnten
Gtisen bei Anwendung glühender Mectroden;
van J. Ulster und JH. GeiteU
(Hleria Taf. I Flg. 8— ft.)
Die nachfolgende Mittbeilung bezweckt die Angabe
einiger einfacher Versuche zum Nachweis gewisser polarer
Unterschiede, die sich in erhitzten Gasen gegenüber dem
Durchgänge der Electricität herausstellen, und welche im
Zusammenhange stehen mit der beim Contact von Grasen und
glühenden Körpern auftretenden Electricitätsentwickelung.
Durch eine Reihe von Experimentaluntersucbungen ^)
glauben wir die Thatsache festgestellt zu haben, dass Gase
durch den Contact mit einem glühenden Körper die Fähig-
keit annehmen, in sie eingetauchte Leiter electrisch zu er-
regen. Die ivahere Analyse der Erscheinung führte zu der
Vorstellung, dass die beobachtete Electrisirung durch das Gas
vermittelt wird, in der Weise, dass an dem glühenden Körper
die Gastheilchen sich electrisch laden, während in diesem das
gleiche und dem Vorzeichen nach entgegengesetzte Quantum
EUectricität frei wird. Bei Berührung mit einem als Elec-
trode dienenden Leiter geben die geladenen Gastheilchen
ihre freie Electricität an diesen ab.
Der durch die Anwesenheit des glühenden Körpers be-
dingte electriscbe Zustand des Gases konnte durch Messung
der auf der Electrode erregten freien Spannung mittelst eines
empfindlichen (Quadrant-) Electrometers festgestellt werden;
nur in einem Falle, nämlich beim Anblasen einer in Luft
glühenden PlatinoberÜäche, war die auftretende Spannung
gross genug (150 Volt), um an einem gewöhnlichen Gold-
oder Aluminiumblattelectroskope wahrgenommen zu werden.
Indessen fand sich noch eine zweite Möglichkeit, diesen
electrischen Zustand des Gases zu zeigen. Dieselbe beruhte aul
dem in einigen Einzelfällen seit langer Zeit bekannten unipola-
ren Leitungsvermögen erhitzter Gase*), d. h. der Fähigkeit der-
1) Vgl. J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 37. p. 315. 1889.
2) Bezüglich der einschlägigen Literatur verweisen wir auf unsere
>&ttheilung: Wied. Ann. 26. p. 1. 1885.
28 J. Elster u. H. Gtitel
selben, unter gewissen Bedingungen die positive oder nega-
tive Electricität besonders leicht abzuleiten.
Wir glauben den allgemeinen Satz hinstellen zu können,
dass ein durch Contact mit einem glühenden Körper positiv
erregtes Gas vorwiegend leicht negative Electricität entladet,
und umgekehrt.
Bis jetzt haben wir denselben ausnahmslos bestätigt ge-
funden und möchten im Folgenden unter Zugrundelegung
desselben einige der in den genannten Abhandlungen beschrie-
benen Versuche in einer Form darstellen, welche sie für Demon-
strationszwecke geeignet erscheinen lässt
§ 2. Bei den zu beschreibenden Versuchen wurden
ausschliesslich Platindrähte oder Kohlenfäden verwendet, die
durch eine Batterie von einigen Zinkkohlen-Elementen in
Gluth versetzt werden konnten. Da die Electrisirung der
Gase auch bei starker Verdünnung deutlich auftritt und die
zur Erreichung eines gewissen Glühzustandes des Drahtes
erforderliche Stromintensität um so kleiner wird, je ver-
dünnter das Gas ist, so erscheint es vortheilhaft, die Ver-
suche an Gasen vorzunehmen, deren Dichtigkeit auf einen
sehr geringen Bruchtheil der normalen verringert ist. Man
erreicht dies, indem man den zum Glühen bestimmten Draht
oder Kohlenfaden sammt der Electrode in einem Glasreci-
pienten (nach Art einer electrischen Glühlampe) anbringt;
mittelst einer Quecksilberluftpumpe kann dem Gasinhalt jede
beliebige Dichtigkeit innerhalb der wünschenswerthen Grenzen
gegeben werden. Ist dieselbe erreicht, so schmilzt man den
Apparat von der Pumpe ab.
So hergestellte Recipienten erwiesen sich als sehr bequem
zum Gebrauch. Die Erhitzung ist, besonders bei Anwendung
von Kohlenfäden und Platindrähten von nur 0,2 mm Stärke
nicht so hoch, dass eine Gefahr des Zerspringens zu be-
fürchten wäre. Unentbehrlich sind sie zum Nachweise ge-
wisser Erscheinungen, die wie der unten beschriebene Einfluss
magnetischer Kräfte nur bei niederen Gasdrucken deutlich
hervortreten.
In BetrelF der zu verwendenden Gase ist zu bemerken,
dass es in erster Linie auf das Verhalten von verdünnter
Luft, O und H ankommt; bei den beiden letzteren Gasen
Electricitätibewegung in verdünnten Gasen, 29
hat man die Bequemlichkeit, die Becipienten unmittelbar an
der Pumpe füllen zu können, indem man Sauerstoff aus einem
mit KCIO3 gefüllten angeschmolzenen Glasrohre, Wasserstoff
aus einem mit diesem Gase beladenen Palladiumdraht, durch
Erhitzen entwickelt.^)
§ 3. Zu den Grundversuchen werden verwandt die Appa-
rate Fig. 2 und 8 (^/^ der natürlichen Grosse). Zwei bei C und
D zu Oesen gebogene Platindrähte von 0,2 mm Dicke sind
in die Wand des Becipienten eingeschmolzen und bis AB
mit Emailleglas umhüllt, bei AB ist die Verbindung entweder
(Fig. 2) durch den freien spiralförmig gewundenen Draht
selbst oder durch einen Kohlenfaden (Fig. 3) von 4 — 8 Volt
Klemmenspannung gebildet Pist eine als Electrode dienende
Platinplatte, die durch einen bei E aus dem Recipienten
heraustretenden, im Inneren mit blauem Emailleglas (letzte-
res ist in den Figuren überall schraffirt gezeichnet) umklei-
deten Platindraht mit einem Electroskope in Verbindung
gesetzt werden kann. X und Y sind Ansatzröhren, durch
deren eine der Apparat an eine Quecksilberlultpumpe ange-
schmolzen wird. Apparat Fig. 2 wird mit Luft oder Sauer-
stoff, Apparat Fig. 3 mit Wasserstoff unter etwa 0,01 mm
Druck gefüllt. So vorgerichtet, können die Recipienten zum
Nachweis des unipolaren Leitungsvermögens des mit dem
glühenden Körper AB m Contact befindlichen Gases ver-
wendet werden. Zu dem Zwecke hat man nur E mit einer
Electricitätsquelle zu verbinden; wir verwandten meist eine
grossplattige Zamboni'sche Säule von etwa 200 Volt Span-
nung oder eine Zink -Platin -Wasser -Batterie von 200 Ele-
menten (212 Volt Spannung). Zugleich communicirt E durch
einen Leitungsdraht mit einem Gold- oder Aluminiumblatt-
electroskop, zweckmässig von der Form, die von F. Exner^)
vorgeschlagen ist. Eine PohPsche Wippe, deren Queck-
silbemäpfe auf Siegellackfüssen ruhen, ermöglicht nach
Belieben den einen oder anderen Pol der Säule mit E in
Verbindung zu setzen, während der andere zur Erde abge-
1) Das Verfahren ist des näheren auseinander gesetzt Wien. Ber. 97,
II«. p. 1182. Oct. 1888.
2) Ezner, Wien. Ber. 45. IL p. 1084. 1887.
30 J. EUter u. H. Geitel
leitet ist; durch Herausheben des beweglichen Theiles der
Wippe kann man E nach ertheilter Ladung yon der Säule
Tollständig isoliren.
Ladet man zunächst P in dem mit Luft oder O gefüll-
ten Recipienten (Fig. 2) positiv, während AB nicht glüht,
so beobachtet man eine gewisse, der vollen Spannung der
Säule entsprechende Divergenz der Aluminiumblättchen.
Lässt man dann AB bis zur Gelbgluth erglühen, so bleibt
die Divergenz ungeändert, mag man selbst die Verbindung
mit dem positiven Pole der Säule aufheben. Ist dagegen P
mit dem negativen Pole verbunden, so verschwindet die
Divergenz der Blatt chen beim Erglühen des Drahtes völlig
oder nahezu vollständig, jedenfalls tritt ein sofortiges Zu-
sammenfallen ein, sobald man die Verbindung mit dem Pole
der Säule unterbricht. Hierdurch ist nachgewiesen, dass in
verdünnter Luft oder in verdünntem O durch einen glühen-
den Platindraht negative Electricität leichter fortgeführt wird,
als positive, oder mit anderen Worten, dass den genannten
Gasen bei Gegenwart eines glühenden Platindrahtes ein ne-
gativ unipolares Leitungsvermögen zukommt
Gerade die umgekehrte Erscheinung zeigt der einen
Kohlenfaden enthaltende, mit verdünntem H gefüllte Apparat
Fig. 8; hier behält P negative Ladungen bei, während posi-
tive unmittelbar beim Erglühen des Kohlenfadens abgeleitet
werden. Verdünntes H erhält also beim Contact mit einem
glühenden Kohlenfaden ein positiv unipolares Leitungsver-
mögen. (Dieser Versuch ist schon von Hittorf^) angestellt,
allerdings in anderer Form.)
Vollkommen deutlich, wenn auch nicht so stark hervor-
tretend, zeigt sich die gleiche Erscheinung an einem in H
glühenden Platindrahte, besonders wenn dem Gase eine Spur
Fettdämpfe beigemischt sind. Da letztere infolge der leich-
teren Verdampfting des Fettes im Vacuum von selbst aus
gefetteten Hähnen und Schliffstücken in die ßecipienten ein-
dringen, so ist, wie wir in unserer vorigen Arbeit') schon
hervorhoben, bei Herstellung von solchen Apparaten, welche
1) Hittorf, Wied. Ann. 21, p. 137. 1884.
2) J. EUter u. H. Geitel, Wied. Ann. 37. p. 818. 1889.
EkctricitäUbewegung in verdünnten Gasen, 31
die Sauerstoff- oder Luftwirkung rein zeigen sollen, die
Vermeidung derartiger Verbindungsstücke dringend geboten.
Wir bemerken, dass es ein einfaches Mittel gibt, sich
?on der richtigen Beschaffenheit der Recipienten zu über-
zeugen. Misst man nach der Yon uns a. a. O. angegebenen
Methode die durch das Erglühen des Drahtes oder Kohlen-
fadens auf P entstehende freie Spannung mittelst des Qua-
drantelectrometers, und stellt sich dieselbe positiv oder
negatiT zu etwa 1 — 2 Volt oder mehr heraus, so kann man
mit Sicherheit ein deutlich unipolares Leitungsvermögen des
(rases erwarten, und zwar ist das Zeichen der am leichtesten
entladenen Electricität dem der spontan erregten entgegen-
gesetzt.
In unserer letzten, den in Bede stehenden Gegenstand
betreffenden Publlcation^) hatten* wir auf die Möglichkeit hin-
gewiesen, die von Goldstein und Hittorf beobachteten
polaren Unterschiede beim Durchgang der Electricität durch
verdünnte Gase bei Anwendung glühender Electroden mit
der von uns beobachteten Electricitätserregung in Verbin-
ilung zu bringen. Hittor f) und Goldstein^) hatten be-
kanntlich gefunden, dass bei Verwendung eines glühenden
Kohlenfadens als Electrode ein electrischer Strom durch ein
Vacnum bei weit geringeren Potentialdifferenzen hindurchgeht,
wenn der Faden als Kathode dient, als im entgegengesetzten
Falle. Nach unseren Beobachtungen^) erregt ein weissglühen-
der Kohlenfaden das umgebende Gas, wenn es H ist, stark
negativ; auch in anderen Gasen ist die Electrisirung, wenn
auch schwächer, negativ und nähert sich mehr und mehr der
im H beobachteten Intensität, wenn der Faden einige Zeit
geglüht hat, vermuthlich infolge der Abgabe von Kohlen-
wasserstoffen aus dem Inneren desselben.
Goldstein ordnete seinen Versuch in der Weise an,
dass er eine electrische Glühlampe, in welcher eine dem
Kohlenfaden gegenüberstehende Electrode eingeführt war, in
den Stromkreis eines Inductionsapparates parallel mit einer
1) J. Elster n. H. Geitel, 1. c. p. 328.
2) Hittorf, 1. c. p. 136.
8) Goldstein, Wied. Ann. 24. p. 83. 1885.
4) J. Elster u. H. Geitel, 1. c. p. 319.
32 J. Ekter u. H. GeiteL
durch ein Mikrometer yeränderlichen Funkenstrecke in freier
Luft einschaltete. Durch die üblichen Yorsichtsmaassregeln
wurde der Schliessungsstrom eliminirt. G-lühte der Kohlen-
faden nicht, so zog bei einem gewissen Abstände der Mikro-
meterkugeln der Strom den Weg durch diese vor und ver-
anlasste eine lebhafte Funkenfolge zwischen denselben, wäh-
rend die Glühlampe keine Anzeichen vom Durchgange der
Electricität aufwies. Liess man nun den Kohlenfaden als
Kathode weiss glühen, so verschwand die Funkenstrecke im
Mikrometer, und der Strom ging durch das Yacuum der Lampe.
War der Faden Anode, so trat beim Erglühen derselben
keine Aenderung des Funkenstromes auf; der Widerstand des
Yacuums erfuhr keine Verminderung.
Wir haben diesen Versuch an Glühlampen verschiedener
Form mit Kohlenfäden bis 8 Volt Spannung wiederholt und
Goldstein's Ergebniss bestätigt gefunden. Nur ist es wesent-
liche Bedingung, bei Verwendung so kleiner Kohlenfäden
den Strom des Inductoriums entsprechend abzuschwächen,
bei grosser Intensität desselben verwischt sich der polare
unterschied mehr und mehr und tritt gegen den Einfiuss zu-
fälliger ungleichartiger Beschaffenheit der Electroden, welche
den Durchgang des Stromes in der einen oder anderen Rich-
tung schon an sich begünstigen, in den Hintergrund. Alle-
mal, wenn der Versuch gelang, zeigte das verdünnte Gas in
der Lampe positiv unipolares Leitungsvermögen.
War unsere Auffassung dieses Vorganges die richtige,
so musste sich bei Verwendung eines glühenden Platindrahtes
in O oder Luft der Sinn der Erscheinung umkehren.
Bei Apparaten folgender Form tritt diese Umkehrung
mit Sicherheit auf.
Fig. 4 stellt einen kreuzförmigen Recipienten dar. In
die seitlich angesetzten Röhren KK' sind nach Art der Koh-
lenfäden der Glühlampen zwei spiralförmig gewundene Pla-
tindrähte AB und A^B^ von 0,2 mm Dicke eingeschmolzen,
die bis auf die freien Spiralen mit Glas umhüllt sind, sie
münden in die Oesen CD und C^Dy Durch CD, resp. C^D^
wird der zum Glühen erforderliche Strom eingeleitet. Die
Platte P dient dazu, das electrische Verhalten des einge-
schlossenen Gases bei glühendem Drahte AB oder A^B^
Electridtätabewegung in verdünnten Gasen* 83
mittelst des Electrometers zu prüfen; sie ist für den eigent-
lichen Yersnch unwesentlich und kann fortgelassen werden«
Der Apparat wird an der Pumpe mit Luft oder O gefüllt
und evacuirty während von Zeit zu Zeit der Strom des
Briihmkorff von A B nach A^ B^ hindurchgeleitet wird. Parallel
mit demselben ist, wie in G-oldstein's Versuch, ein Funken-
mikrometer in den Schliessungskreis des Inductoriums einge-
schaltet. Bei fortgesetztem Bvacuiren nimmt, wie bekannt,
der Widerstand der Gasstrecke ABA^B^ zuerst ab, dann
wieder zu, während zugleich das grüne Kathodenlicht sich
entwickelt Man setzt das Evacuiren so lange fort, bis im
Tnnkenmikrometer ein bequem einstellbarer Abstand der Pol-
spitzen erreicht ist. Lässt man nun mittelst einer (zweck-
mässig isolirten) Batterie von zwei Zinkkohlenelementen A B
oder A^B-^ glühen, so beobachtet man jetzt die ümkehrung
des von Goldstein beschriebenen Phänomens, ein Glühen
der Kathode ist jetzt ohne Wirkung, während das der Anode
ein Verschwinden des Funkenstromes im Mikrometer und
das Auftreten des Entladungslichtes zwischen A B und A^ B^
verursacht. Bedingung ist auch hier eine der Grösse der
glühenden Oberfläche angepasste Intensität des Inductions-
stromes.
Bei grösserem Abstände der Electroden tritt die Er-
scheinung nicht in gleicher Deutlichkeit zu Tage. Obgleich
bei dem Versuche nur eine Electrode zum Glühen gebracht
wird, ist es doch zweckmässig, wie in Fig. 4 die Electroden
so einzurichten, dass die eine wie die andere verwendet wer-
den kann, man vermeidet dadurch die Ausbildung von Un-
gleichartigkeiten in der Oberflächenbeschaffenheit derselben,
durch welche schon an sich polare unterschiede (Ventilwir-
kungen) hervorgerufen werden können.
Wie oben bemerkt, kann man den Recipienten mit ver-
dünnter Luft oder O füllen, doch dürfte das erstere vorzu-
ziehen sein. Reiner O wird nämlich von dem glühenden
Draht bald verzehrt, sodass der Widerstand der Gasstrecke
continuirlich zunimmt und in kurzer Zeit so gross wird,
dass die sichtbare Entladung in der Röhre überhaupt ver-
schwindet
Stellt man sich zwei Apparate der Form Fig. 4 her,
Ann. d. Ptayi. n. Chtn. N. F. XXXVIII. 3
34 J. EUter u. H. GeUeL
deren einer verdünnte Luft, deren anderer Wasserstoff und
an Stelle von AB und AR Kohlenfäden enthält, so lässt
sich an diesen der Goldstein'sche Versuch und seine ümkeh*
rung leicht zeigen.
§ 6. Auch die Veränderungen in dem Leitungsvermögen
der erhitzten Gase im magnetischen Felde sind mittelst de»
Electroskopes zum Theil bequem nachzuweisen. Wir hatten
gefunden, dass die positive Erregung der Luft und des O im
magnetischen Felde zunimmt, die negative des H im allge*
meinen abnimmt. Dabei trat in letzterem G-ase eine Ein-
wirkung des Magnets auf die vom glühenden Drahte sich
abzweigenden Partialströme hervor. Nahm man nämlich an,
dass diese nach Art der Lichthülle eines electrischen Funkens
eine electrodynamische Ablenkung erfahren, so Hess sich das
Gesetz so aussprechen: Eine dem convexen Theile der ab-
gelenkten Strombahn gegenüber gestellte Electrode ist nega-
tiv gegen eine dem concaven zugewandte. Diese Erschei-
nung betrachteten wir als dem HalTschen Phänomen
analog.
Die Verstärkung der positiven Erregung in O oder Luft
durch magnetische Kräfte ist, da schon unter normalen Ver-
hältnissen positive Electricität von der Electrodenplatte E
durch den glühenden Draht nicht abgeleitet wird, begreif-
licher Weise electroskopisch nicht nachweisbar. Dagegen
ist das Verhalten des Wasserstoffs ein sehr charakteristi-
sches.
Zu den hierher gehörigen Versuchen benutzten wir den
Recipienten Fig. 5, in welchem bei ^i^ in der bekannten
Weise ein gerader Kohlenfaden angebracht war; der Apparat
enthielt verdünntes H. Derselbe wurde zwischen den Polen
eines Hufeisenelectromagnets mittlerer Grösse *) so befestigt,
dass der Kohlenfaden AB in der Aequatorialebene lag.
Stellte man sich AB in der Aequatorialebene als beweglich
vor, so konnte man aus dem Ampere 'sehen Gesetze bei
bestimmter Stromesrichtung zwischen A und S, sowie bei
bekannter Polarität des Magnets eine zu erwartende Ab-
1) J. Elster u. H. Geitel, Wien. Ber. 1. c p. 1286 u. 1289.
EleciricääMeweffunff in verdünnten Gasen, 35
lenkung des Fadens nach oben oder unten, d. h. der Platte
P zu- oder abgewandt erschliessen, an welcher der oben an-
gegebenen Vorstellung gemäss etwaige von A B sich abzwei-
gende Stromfaden im Gase theilnehmen mussten.
Wir beobachteten nun folgendes:
War der Magnet nicht erregt und P mit positiver Elec-
tricität geladen, so trat, wie bei Apparat Fig. 3 ein Zusam-
menfallen der Bl&ttchen des Electroskops ein, sobald AB
glühend gemacht wurde. Erregte man den Magnetismus, so
ging die Entladung langsamer vor sich, sodass, wenn P
dauernd mit dem positiven Pol der Säule oder Wasserbatterie
Torbunden blieb , in jedem Falle noch eine meesbare Diver-
genz bestand. Die G-rösse derselben war aber wesentlich
Terschieden, je nachdem eine Ablenkung der Stromf&den nach
oben oder nach unten zu erwarten stand. Im ersteren Falle
war die Divergenz nur klein, im anderen dagegen war sie
meist so groes, dass das Electroskop bei Verwendung einer
Skvle von 212 Volts Spannung zu ihrer Messung nicht aus-
reichte, die Blättchen desselben entluden sich durch An-
schlagen an die Metallwände. Diesen Selbstentladungen ent-
spricht eine Spannung von ca. 200 Volts.
Auch Platindrähte in H und in verdünnter, mit Fett-
dämpfen gemischter Luft zeigen dieselbe Erscheinung. Sie
ermöglichen, wie beiläufig bemerkt sein möge, eine instruc-
tiye Abänderung des Versuchs in der Art, dass man den
glöhenden Draht in der Mitte des Recipienten ausspannt
und demselben oben und unten je eine Electrodenplatte P
gegenüberstellt. Bei Stromwechsel in dem Electromagnet
oder im glühenden Drahte vertauschen die Platten ihre
Rolle.
Eine Messungsreihe für Kohlenfäden und Platindrähte
ist in der folgenden Tabelle angegeben:
Tabelle.
A. Der glühende Körper ist eine Platinspirale von
0^ mm Drahtstärke (Fig. 2). Die Platte P steht dauernd
mit dem positiven Pole einer Z am boni' sehen Säule von ca.
180 Volts Spannung in Verbindung. Füllung des Apparates«
36 J. Ehler u. H. GeiteL
Luft und Fettdämpfe« Druck p=0,012 mm. Datum: 19. Ja-
nuar 1889.
1) Diyeigenz Spannung in Volts
Ohne Magnet 6,0 84
Magnet n ') 5,5 75
Magnet x 9,2 128
2)
Ohne Magnet 6,2 88
Magnet n 6,2 88
Magnet x 12,2 159
3)
Ohne Magnet 6,2 88
Magnet n 9,5 181
Magnet x 12,2 159
B. Der glühende Körper ist ein weissglühender gerader
Kohlenfaden (Fig. 5) von 6 Volts Klemmenspannung. Die
Platte P steht dauernd mit dem positiven Pol der Zink-
Platin- Wasserbatterie von 212 Volts Spannung in Verbindung.
Füllung des Apparates: H; p» 0,009 mm. Datum: 20. April
1889.
4) Divergenz Spannung in Volts
Ohne Magnet 6,0 84
Magnet n 9,0 126
Magnet X Maximum') 212
5)
Ohne Magnet 5,9 82
Magnet n 10.0 186
Magnet x Maximum 212
6)
Ohne Magnet 6,9 101
Magnet n 13,5 168
Magnet x Maximum 212
Es stellte sich demnach heraus, dass bei Ablenkung der
Stromf&den nach unten P sich in einem fast isolirenden
Mittel befindet, während bei entgegengesetzter Richtung
derselben das Gas eine beträchtliche Leitungsf&higkeit be-
wahrt.
1 ) Bei Magnet U würde der biegsam gedachte Draht, resp. Kohlen-
faden sich der Electroden])latte P zu-, bei Magnet x von ihr abwenden.
2) Die Aluminiumblättchen schlagen an die Wandimgen den Electro-
flkops an.
Electriciiätsbategung in verdünnten Gasen, 37
Dabei beobachteten wir häufig, dass die Divergenz in
regelmässiger Periode auf und ab schwankte, und zwar wech-
selte die Länge der Periode von mehreren Secunden bis zu
Bmchtheilen einer solchen, es schien uns, als ob die Schwin-
gungsdauer mit der Länge der Recipienten zusammen-
hinge.
Es ist zum Gelingen dieser Versuche erforderlich, dass
die verwendeten Drähte oder Eohlenräden gerade oder Spi-
ralen mit geraden Axen sind, bei gekrümmten laufen die
Partialströme nicht dem Bogen parallel, sondern bewegen
sich in der Bichtung der Sehne, solche Drähte können sich
demnach nicht symmetrisch in der Richtung nach oben und
unten verhalten.
§ 6. Die im Vorstehenden gegebene Beschreibung der
Versuche ist frei von jeder Muthmassung über die Natur
der in den erhitzten Gasen sich yoUziehenden Zustandsände-
rungen. Wir haben an anderem Orte^) bemerkt, dass uns
dieselben eine Stütze der von A. Schuster vertretenen
Theorie der Electricitätsleitung in Gasen darzubieten schei-
nen, nach welcher jede Electricitätsbewegung in einem Gase
an eine wenigstens theilweise Dissociation der Gasmolecüle
gebunden ist. Unserer Ansicht nach tritt eine solche Dis-
sociation an der Oberfläche und in der Nähe des glühenden
Korpers ein. Das denselben umgebende Medium kann auf-
gefasst werden als ein Isolator, der von einer Anzahl elec-
trischer, leitender, beweglicher Theilchen durchsetzt ist, die
unausgesetzt von der Umgebung des glühenden Körpers aus-
gehen; dasselbe nähert sich mit steigender Temperatur einem
Zustande, der dem der gewöhnlichen Electrolyte zu ver-
gleichen ist, nur mit dem Unterschiede, dass Ionen von ge-
wissem Vorzeichen der Ladung (in O positiv geladene, in
H negativ geladene) der Zahl nach überwiegen.
Aus dieser Auffassung erklärt sich die Eigenschaft des
Sauerstoffs, negative Electricität, die des Wasserstoffs, posi-
tive Electricität bei Gegenwart eines glühenden Körpers
vorwiegend zu entladen.
1) J. Elster u. H. Geitel, Wied. Ann. 1. c. p. 325.
38 J. Elster u. H. Gtitel
Es ist yerst&ndlich, dass bei kleiner Oberfläche des
glühenden Körpers die Anzahl freier Ionen sich zur Gon-
vection grosser Electricil&tsmengen als unzureichend er-
weisen kann, daher die Noth wendigkeit, bei dem Gold-
stein'schen Versuche die Stromintensität des Buhmkorff in
gewissen, von der Grösse der glühenden Oberfläche abhängi-
gen Grenzen zu halten.
Auch das Verhalten des Wasserstoffs im magnetischen
Felde erscheint Ton diesem Standpunkte aus nicht auffallend.^)
Die am glühenden Kohlenfaden sich abzweigenden und das
Gas durchsetzenden Partialströme erfahren, wie schon das
Verhalten der leuchtenden Entladung im Vacuum vermuthen
lässt, eine electrodynamische Einwirkung ähnlich wie vom
Strom durchflossene biegsame Drähte. Während bei diesen
aber ein Gleichgewicht zwischen den electrodynamischen und
elastischen Kräften eintritt, ist hier ein analoger Zustand
nicht möglich.
Die electrodynamischen Impulse, welche der Magnet auf
die den Strom yermittelnden Gasmolecüle ausübt, finden
keine Gegenkraft, infolge dessen müssen die Molecüle diesem
Antriebe folgen und sich in der Bichtung der electrischen
Kraftlinien senkrecht zur Stromesrichtung, und zwar nach
der convexen Seite der Stromlinien hin bewegen. Sind diese
gegen die Platte P hin convex, so muss diese von einem
Schwärm negativ geladener Gastheilchen getroffen werden,
sind sie gegen dieselbe concav, so werden die letzteren nach
dem unteren Theile des Recipienten getrieben. Wird also
P durch eine Säule von aussen positiv geladen , so nimmt
bei ersterer Stellung die Spannung ab, bei der zweiten er-
reicht sie das Maximum. Dass im ersteren ITalle die Ent-
ladung der Platte nicht so vollkommen erfolgt, als wenn der
Magnet überhaupt nicht in Thätigkeit ist, dürfte dadurch zu
erklären sein, dass ja auch die Oberfläche der Eloctrode P,
sobald Electricität durch dieselbe aus- oder eintritt, eine
Niveaufläche darstellt. Daher werden im Moment der Er-
regung des Magnets die die Stromleitung vermittelnden Gas-
1) Vgl. unsere Arbeit in den Wien. Ber. 1. c. p. 1261.
ung in verdünnUn Gasen. 89
theilchen einen Antrieb erfahreni der sie seiüich von der
Platte abzudrängen sucht
Mit den im Vorigen beschriebenen Apparaten^) lassen
«ich demnach folgende Thatsachen nachweisen:
1) Ein in yerdünntem Sauerstoff oder in verdünnter Luft
glfihender Platindraht entladet negative Electricität leichter
als positive.
2) Ein in verdünntem Wasserstoff glühender Platindraht
oder Kohlenfaden entladet positive Electricität leichter als
negative.
3) Ein über Luft (oder Sauerstoff) dargestelltes Vacuum
«wird vom Strom eines Liductoriums beim Glühen der aus
Platindraht gebildeten Lichtbülle leichter durchflössen als
bei glühender Kathode.
4) Im Wasserstoff kehrt sich die Erscheinung um, am
«ichersten bei Anwendung von Kohlenfilden.
6) Im magnetischen Felde nimmt die unter Nr. 2 an-
gegebene Leitungsfähigkeit des verdünnten Wasserstoffs für
positive Electricität ab.
6) Im magnetischen Felde und in verdünntem Wasser-
stoff wird eine dem glühenden (geraden) Drahte oder Kohlen-
faden gegenüberstehende positiv geladene Electrode leichter
entladen, wenn der (biegsam gedachte) glühende Draht oder
Faden dem Amp^re'schen Gresetz nach sich derselben zu-
wenden würde, als bei umgekehrter Stromesrichtung.
Von diesen Erscheinungen sind die unter Nr. 2 und 4
angeführten aus den Arbeiten Hittorf 's und Grold stein' s
bekannt.
Wolfenbüttel, im Juni 1889.
1) Dieselben worden nach unseren Angaben theils von Geissler's
Nachfolger in Bonn, theils vom Glastechniker Müller- Uukel in Braun-
schweig angefertigt.
40 J. Ehter u. H. GeUd.
m. Notiz Über die Zerstren/u/ng der negativen
Ulectricitat durch das Sonnen^ ti/nd Tageslicht;:
van J. Bister wnd H. Oeitel.
Im Hinblick auf die von Arrhenius^) aufgestellte
Theorie der atmosphärischen Electricität haben wir kürzlich
eine Reihe von Versuchen angestellt, durch welche ermittelt
werden sollte, ob auch dem Sonnen- oder Tageslichte die
Eigenschaft zukommt, negativ electrisirten Körpern ihre
Ladung allmählich zu entziehen. Nur M. Hoor^ hat bis-
lang eine derartige Einwirkung constatirt, während alle
übrigen Beobachter unseres Wissens eine solche mit Sicher-
heit nicht haben auffinden können. Es hat uns daher sehr
überrascht, dass nicht nur das Sonnenlicht, sondern selbst
das zerstreute Tageslicht unter geeigneten Versuchsbeding-
ungen einen negativ electrischen Körper in kurzer Zeit ent-
ladet.
Stellt man nämlich eine Zinkschale von 20 cm Durch-
messer isolirt im Freien so auf, dass dieselbe dem Einflüsse
der atmosphärischen Electricität entzogen ist, und verbindet
dieselbe leitend mit einem Quadrantelectrometer, resp. Ei-
ner'sehen Electroskope, und sorgt durch eine geeignete Vor-
richtung dafür, dass die Schale beliebig ganz im Dunkeln
oder im Lichte befindlich gehalten werden kann, so lassen
sich leicht folgende Thatsachen constatiren, die allerdings
an sich bereits aus den Versuchen bei künstlich ultra-
violetter Belichtung bekannt sind: Die trocken mit Smirgel
abgeriebene Schale verliert bei Belichtung mit Sonnenlicht
eine negative Ladung von ca. 300 Volts in 60 See. vollständig;
eine gleich hohe positive Ladung wird gehalten. Die Zer-
streuung von —E hört auf, sobald die Schale sich im voll-
kommen dunkeln Baume befindet; sie wird bedeutend ge-
schwächt, wenn die Sonnenstrahlen zuvor durch eine Glasplatte
hindurchgingen. Dagegen tritt ein sehr lebhaftes Zusammen-
fallen der Blättchen des Electroskopes auch ein, wenn die
Schale nur vom Lichte des blauen Himmels getroffen wird.
1) Arrhenius, Meteorol. Ztschr. 5. p. 297. 1888.
2) M. Hoor, Rep. der Phye. 26. p. 105. 1889.
Zerstreuung der negaiwen ElectricitdL 41
Wird die Schale mit heissem oder kaltem Wasser ge-
füllt, so erlischt die Wirkang ToUständig; ebenso wirkt ein
fenchtesy über dieselbe gespanntes Tuch.
Durch Belichtung nimmt die frisch abgesmirgelte Platte
eine spontane Ladung von + 2,6 Volts an, die durch Anblasen
noch gesteigert werden kann.
Bedeutend einfacher gestalten sich diese Versuche, wenn
die zu belichtenden Metalle in Drahtform direct an dem
Knopfe des ^xner 'sehen Electroskopes befestigt werden.
Wendet man frisch geputzte Drähte an, Aluminium, Magne-
sium oder Zink, so ist eine dauernde negative Electrisirung
des Electroskops im Sonnenlichte (im Freien) überhaupt
nicht möglich. Dasselbe wird in weniger als fünf Secunden
Tollständig entladen. Dabei wirken Drähte von Magnesium
und Aluminium energischer als Zinkdrähte. Bei Verwendung
der ersteren findet selbst unter der Einwirkung des zerstreu-
ten, abendlichen Tageslichtes ein merkliches Zusammenfallen
der Blättchen statt.
Interessant ist auch, dass frisch abgesmirgelte Drähte
der genannten Metalle gerade so wirken, als sei ein glimmen-
der Körper an dem betreffenden Electroskope befestigt. Be-
gibt man sich mit einem derartig hergerichteten Electroskope
auf freies Feld, so divergiren die Blättchen bei Verwendung
frisch geputzter Drähte mit positiver Electricität, herrührend
von der Influenz der Luftelectricität.
In allen den genannten Fällen ist irgend eine abnorme
Zerstreuung positiver Electricität nicht zu constatiren.
Die Versuche wurden angestellt von Mitte Mai bis Mitte
Juni dieses Jahres.
Wolfenbüttel, im Juni 1889.
42 E. Cohn.
Y. Die IHelectHcitätscansUMnie des Wassers;
van M» Cohn.
(Aus den Sitsungsber. der BerL Acad. vom 16. Mii 1889, mit einem
Zusatu; mitgetheilt vom Hm. Verf.)
Für die Dielectricitätsconstanten (D.-O.) einer Anzahl
von Flüssigkeiten haben sich aus neueren Untersuchungen^)
Werthe ergeben, welche aus dem G-rössengebiet, — etwa
1 bis 5 — dem alle früher nach zuverlässigen Methoden be-
stimmten D.-C. angehören, in auffälliger Weise neraustreten.
Zu ihnen gehört an erster Stelle die D.-C. des Wassers;
sie wurde von Arons und mir zu 76, von Tereschin zu
84 bestimmt. Diese Zahlen sind mittelst einer Methode ge-
wonnen, welche die electrischen Elräfte zwischen geladenen
Leitern, die sich in der fraglichen Flüssigkeit befinden, ver-
gleicht mit den Kräften, die sie unter gleichen Umständen
in Luft aufeinander ausüben würden. Nach den Ergebnissen
der mannichfach variirten Versuche wird nicht bezweifelt
werden können, dass hier eine charakteristische Constante
der Flüssigkeit bestimmt wurde. Es konnte aber gegenüber
dem befremdend hohen Zahlenwerth die Frage aufgeworfen
werden, ob dieselbe identisch sei mit der D.-C, wie sie aus
Capacitätsmessungen definirt wird, oder ob etwa in der ge-
messenen Grösse der Eintiuss einer anderen, bisher nicht
genügend bekannten Eigenschaft des Körpers sich geltend
mache. — Ich wünschte deshalb, die Constante auch gemäss
ihrer ursprünglichen — F a r a d a y'schen — Definition zu messen.
Bedingung für die Lösbarkeit der Aufgabe. — Belaxationszeit.
— Resultat
Für einen Leiter der Electricität, wie ihn auch das
reinste Wasser thatsächlich darstellt, ist die einfache Methode,
nach der man für gute Isolatoren die D.-C. aus Condensator-
Ladungen bestimmt, nicht anwendbar. Wohl aber kann
man dieselbe aus der Verfolgung des Ladungs Verlaufs ab-
ableiten. Derselbe lässt sich nämlich durch Capacität und
Widerstand des „Wassercondensators" darstellen, sobald man
1) Cohn u. Arons, Wied. Ann. 33. p. 13. 18S8. Tereschin,
Wied. Ann. 36. p. 792. 1889.
DielectricitäUcafuianie des fFoisers. 43
nur annimmt, dass auch fbr einen Leiter der Blectricität
eine bestimmte D.-C. existirt, und dass sich Ladung Gi Ver-
schiebung") und Leitung in der von Maxwell angenomme-
nen einfachsten Weise superponiren. Dass diese Annahme
berechtigt ist, wurde fbr einige Flüssigkeiten von sehr
schwachem, aber doch messbarem Leitangsvermögen experi-
mentell erwiesen.^) — Damit diese Methode einer gegebenen
Substanz gegenüber anwendbar sei, darf eine für die Sub-
stanz charakteristische Zeitgrösse, die man entsprechend
ihrer Bedeutung als ,,electrische Relaxationszeit'' bezeichnen
kann^, zum mindesten nicht wesentlich kleiner sein, als der
kleinste Zeittheil des Ladungsvorganges, den man noch zu
messen im Stande ist.
Der Werth der Relaxationszeit für eine gegebene Sub-
stanz ist:
(1) y=7^ =
^nX
er,
wenn /a ihre D.-C, l ihr Leitungsvermögen, r und c den
Widerstand, resp. die Oondensatorcapacität zwischen zwei
beliebigen Aequipotentialüächen für diese Substanz als Zwi-
schenmedium bezeichnen. Die erste Form der Gleichung
zeigt, dass T thatsächlich eine Constante des Materials —
unabhängig von Form und gegenseitiger Lage der Electro-
denflächen — ist.
Der zu verificirende Werth für die D.-C. des Wassers
und die Angaben über das niedrigste erreichbare Leitungs-
vermögen liessen zum voraus erkennen, dass für Wasser
nur ein rohes Resultat von der ins Auge gefassten Methode
zu erwarten war. Vgl. p. 47. Auch ein solches erschien
aus dem angeführten Grunde nicht ohne Werth.
Die Messungen des Ladungsverlaufs ^ über die im Folgen-
den berichtet wird, sind in völliger Uebereinstimmung mit dem
Resultat der früheren Methode. Sie lassen sich am besten
darstellen unter der Annahme einer D.-C, die nahe gleich
80 ist; — sie schliessen, — wenn man den weitesten Spiel-
raum lassen will, — unzweideutig jeden Werth unter 50 aus.
1) Cohn u. Arons, Wied. Ann. 28. p. 454. 1SS6.
2) VgL Wied. Ann. 33. p. 24 f. 1888 und den „Zusatz" unten p.52.
44
K Ck>hn.
— Den zuverlässigsten Werth wird man nicht von dieser,
sondern von der Methode der Kraftmessnng zu erwarten
haben.
Yersnchsanordnung und Apparate.
In nebenstehender Fig. 1 ist scbematisch ein Stromkreis
dargestellt, der aus einer galvanischen Batterie E^ einem
Widerstand w und der Wasserzelle er gebildet ist; neben
die letztere ist das Quadrantelec-
trometer y geschaltet. — {E soll
gleichzeitig den Werth der elec-
tromotorischen Kraft, w und r
sollen die Werthe der Wider-
stände, c und / der Capaci täten
bedeuten.) Der eine Pol von E^
und mit ihm die eine Electrode
von er und das eine Quadranten-
paar von / sind dauernd zur Erde
abgeleitet; mit dem abgeleiteten
Punkt ist zunächst auch die zweite
Electrode nebst dem zweiten Quad«
rantenpaar durch einen Kurzschluss
verbunden. Letzterer enthält bei
Durch das fallende Pendel eines
Helmholtz'schen Pendelunterbrechers wird derselbe auf-
geschlagen, und die Ladung des Electrometers beginnt.
Sie wird nach wenigen Milliontel SecuDden dadurch beendet^
dass das Pendel einen zweiten Contacthebel, der sich bei 1/2
betindet, zurückwirft. Der Ausschlag der Electrometernadel
misst das Potential co, zu welchem in der Zwischenzeit
Electrometer und Wassercondensator geladen wurden.
Diese Versuchsanordnung ist derjenigen ähnlich, die
in dem bereits erwähnten Aufsatz ^) beschrieben ist; auf
letzteren kann bezüglich aller Einzelheiten, insbesondere
auch einiger nothwendigen Vorsichtsmaassregeln verwiesen
werden. Nur ist im vorliegenden Fall die Flüssigkeit neben
— statt hinter — das Electrometer geschaltet; dies war
nothwendig, damit nicht vor Beginn der Ladung die
Fig. 1.
?/, einen Contacthebel.
l) Wied. Ann. 28. p. 454. 1886.
DielectricUätsconstante des Wassers. 46
Wasserzelle von einem constanten Strom durchsetzt und
polarisirt würde. ^)
Im übrigen werden folgende Angaben genügen: der
Widerstand w bestand aus einer dünnen Graphitschicht auf
Glas, damit die Selbstinduction des Stromkreises ohne Ein-
fluss sei, und die in Betracht kommenden Capaci täten aus-
schliesslich der Wasserzelle und dem Electrometer ange-
hörten. Sein Werth betrug rund 9000 S.-E. — E bestand
ans 4 — 7 Leclanche-Elementen. — Die Wasserzelle war ge-
bildet von zwei platinirten Platinblechen von 18 qcm Fläche,
die sich in einem ziemlich weiten Glasgefasse gegenüber-
standen. Der mittlere Abstand betrug in den drei ersten
Versuchsreihen ungefähr '/^ mm, vor der letzten Reihe wur-
den die Platten einander soweit genähert, dass der Wider-
stand bei der gleichen Flüssigkeit auf rund ^j^ seines vorigen
Werthes sank (und folglich die Capacität auf ^2 stieg). Dieses
Widerstandsgeiäss — sowie mehrere andere , welche zur
Aichung des ersten dienten — verdanke ich der Freund-
lichkeit von Hrn. Prof. F. Eohlrausch; es war für mich
«ehr werthvoU, dass das Glas dieses Gefässes von destillir-
tem Wasser auch bei längerem Stehen nicht wahrnehmbar
angegriffen wurde. So war es möglich, das durch sorg-
samste Destillation gewonnene reine Wasser während der
ganzen Versachsdauer bei dem geforderten sehr geringen
Leitungsvermögen zu erhalten. Dasselbe betrug in den ver-
schiedenen Versuchsreihen 1,4 bis 1,7.10""^^, bezogen auf
Quecksilber. — Die Zeiten endlich, welche zwischen dem
Aufschlagen der beiden Contacte verfliessen, werden am ge-
theilten Kopf einer Mikrometerschraube abgelesen, welche
den einen Contact zu verschieben gestattet. Der Zeitwerth
eines Theiles ist nach früheren Untersuchungen^):
X = 1,17 . 10-« See.
Diese Grösse gibt zugleich nach allen an dem Instrument
gemachten Erfahrungen ungefähr die Grenze an, bis zu wel-
cher infolge unregelmässigen Abschlagens der Contactstifte
die Zeitmessungen unsicher sein mögen.
^— — _— — ^-^— — ^— *
1) Bezüglich der Polarisation, die der Ladungsstrom selbst hervor-
bringt, siehe unten den Abschnitt ««Polarisation der Electroden'^
2) Wied. Ann. 28. p. 470.
46 E. Cohn.
Berechnung der fieobachtnngen. Controlversuche.
Die Ladungszeit, in der sich das Potential a> herstellt,
sei t Alle Grössen mögen in absolutem, electrostatischem
Maass (cm, g, sec) ausgedrückt sein« Man leitet danik
leicht ab:
(2) «=^-^11-^ ^^ + '>,. + r
Bezeichnet Si den Bndwerth von co, femer r die La-
dungszeit, in Mikrometertheilen gemessen, sodass man also hat;
(3) E ~^Sl, t^xT,
und setzt man noch:
(4) X log vulg ff = fl,
so kommt:
(5) :^^^ + y)^^9j wo:
(6) ? = "—sr"
Jede Versuchsreihe besteht in der Aufsuchung einer
Anzahl zusammengehöriger Werthe von to und r, die man
nacheinander durch Verstellen der Mikrometerschraube er-
hält; aus ihnen und dem constanten £i soll sich q als Con-
stante ergeben. Sind dann noch die Widerstände w und r
gemessen, so berechnet sich aus (5):c + /* Sine zweite
Reihe, bei welcher die Zelle entfernt, also c a 0, r == oo ist,
liefert in gleicher Weise y\ dasselbe ergab sich als eine
gegen c kleine Grösse, — 5, resp. 2 Proc. der letzteren in
den verschiedenen Versuchsreihen. — So erhält man c. Da-
raus lässt sich nun die D.-C. auf zwei Wegen finden. Erstens
kann man die Zelle mit einer Flüssigkeit von bekannter
D.-C. /ix flillen und den Versuch — mit einem geeigneten
grösseren w — wiederholen; ergibt sich jetzt die Capacität
Ca, so ist:
(7) A«£.
Zweitens aber erhält man u aus c mit Hülfe der Gleichung (1):
(8) ju = 4nk.cr.
Dielectricääticarutante des Wassers. 47
Es ist dann ausser der Relaxationszeit cr^ welche das Er-
gebniss der Pendelbeobachtungen bildet, noch das specifische
LeitnngsTermögen des Wassers zu bestimmen; — d. h. neben
dem Widerstand r, den das destillirte Wasser im Gefäss
besitzt, noch der Widerstand einer Flüssigkeit Ton bekann-
tem Leitungsvermögen im gleichen Geföss.
Ich habe beide Wege eingeschlagen: der Widerstands-
werth der Zelle wurde bestimmt durch Vermittelung zweier
anderer Gefässe Ton jedesmal steigendem Widerstandswerth,
deren letztes mit einer Kochsalzlösung geaicht wurde. Als
die Flüssigkeit x der Gleichung (7) diente Xylol, dessen
D.-C. nach yerschiedenen Methoden zu 2,86 bis 2,37 sicher
bestimmt ist^) Auf diese Weise ergibt sich eine Controle,
die zweckmässig so geführt wird, dass man aus (7) und (8)
die Grösse fi, berechnet:
und das Resultat mit dem bereits bekannten Werth yer-
gleicht. Es fand sich so: fi = 2,40 in genügender Ueberein-
Stimmung. Dies beweist, dass die Ladungszeit thatsächlich
nur durch die Capacität (c + y) bestimmt wird, — dass weder
die Selbstinduction, noch eine fremde Capacität im Strom-
kreise sich geltend macht. — Ein weiterer Beweis hierfür
liegt in der üebereinstimmung der Beobachtungen, die yer-
schiedenen Capacitäten des Wassercondensators entsprechen
(s. unten).
Die einzige und freilich grosse Unsicherheit der Methode
wird durch die Beobachtung yon r herbeigeführt. Die Be-
laxationszeit für Wasser vom Leitungsvermögen 1,4 bis
1,7 . lO"^® (gegen Quecksilber) berechnet sich mit /i =» 80 zu
3,9 Milliontel Secunden. Daraus folgt, dass das Zeitintervall,
welches für die Messungen zur VerfQgung steht, — dasjenige
nämlich, in welchem a> noch messbar von seinem Endwerth
fl Terschieden ist, — ebenfalls nur wenige Milliontel Secun-
den beträgt Diesen Grössen gegenüber ist die Unsicherheit
der Zeitmessung eine sehr beträchtliche. — Es sind daher,
um ein Urtheil über den Werth der Versuchsergebnisse zu
ermöglichen, in der folgenden Tabelle nicht die D.-C. u aus
1) Wied. Ann. 38. p. 30.
48 E. Cohn.
den Beobachtungsdaten entwickelt, sondern umgekehrt unter
der Annahme fi = 80 aus (6) die Constanten q, und aus
diesen mittelst der beobachteten w und £i nach (6) die
Mikrometertheile r berechnet. Subtrahirt man dieselben
vom Nullpunkte der Scala, so erhält man die als „berechnet'^
bezeichneten Mikrometerablesungen u, denen die beobachte-
ten gegenüber gestellt sind. Das specifische Leitungsver-
mögen des Wassers und der Widerstand desselben im Ge-
fässe ist den einzelnen Yeruchsreihen beigef> in Reihe 4
ist die Capacität 2,4 mal so gross, wie in den früheren.
Versuchsreihe 1.
2.
8.
4.
i/ii,^: 1,6.10 "
1,7.10-'«
1,4.10-'«
1,4 . 10 -'«
r/8.-E. 2600
2500
3000
1800
beob. ber.
beob. ber.
beob. ber.
beob. ber.
U '
305 305,3
3 3,7
1 0,5
299 298,5
306 304,9
4 3,8
2 2,7
0 0,3
298 298,2
305 304,5
3 2,8
1 1,1
299 299,4
309 309,0
7 6,9
5 5,5
3 3,1
1 0,8
Diese Darstellung enthält noch eine Willkürlichkeit: Der
Nullpunkt der Scala, — welcher dem gleichzeitigen Auf-
schlagen beider Contacte entspricht, — kann nach der Natur
der Sache nur eingegrenzt werden. Frei von jeder Willkür
sind dagegen die Differenzen du zwischen den aufeinander
folgenden berechneten u. Indem man dieselben mit den be-
obachteten vergleicht, wird man die gemachte Annahme
ju B 80 nicht im Widerspruch mit den Thatsachen finden.
Um einen schnellen Ueberblick über die Ergebnisse einer
anderen Annahme für ju zu gewinnen, hat man nur zu be-
achten, dass die 8u, sofern man y gegen c vernachlässigt,
den fi einfach proportional sind. — Die genaue Ausrechnung
ergibt, dass unter der Annahme: /i < 50 alle berechneten Su
kleiner als die beobachteten ausfallen würden.
Zur Beurtheilung der gewonnenen Zahlen mögen noch
folgende Angaben dienen: Berechnet man fi aus den vier
Reihen so, dass sich jedesmal das Gesammtintervall am
Mikrometer (6, resp. 8 Scalentheile) mit den Beobachtungen
übereinstimmend ergibt, so findet sich:
aus Reibe: 1. 2. 3. 4.
^1 = 71 95 94 74.
DielectricitäUconstatäe des Wassers.
49
Rechnet man ebenso mit der Summe aller Intenralle, so er-
gibt sich: fi = 82.
Handelt es sich nur darum, nachzuweisen, dass die D.-C.
des Wassers diejenige der meisten bisher untersuchten Kör-
per weit übersteigt, so ist vielleicht folgender rein qualita-
tiyer Versuch am überzeugendsten : Man ersetze im Wider-
standsgefäss das Wasser durch Xylol; man schalte, da das
letztere ein sehr vollkommener Isolator ist, neben dasselbe
einen Graphitwiderstand, welcher dem Widerstand des Wassers
im Gefässe an Grösse gleich ist. Die jetzige Anordnung
unterscheidet sich dann von der früheren nur durch die
proportional der D.-C. ver&nderte üapacitat. Der Versuch
ergibt nun Folgendes: bei einer bestimmten Stellung des
Mikrometers ist der Electrometerausschlag gleich Null, — u^
wird noch vor ti^ aufgeschlagen; — man schiebt die Schraube
um einen Sealentheil vor : das £lectrometer zeigt jetzt bereits
denselben Ausschlag, den es bei beliebig grossen La-
dungszeiten erhält.
Die Polarisation der Electroden.
Durch den Ladungsstrom, welcher die PotentialdifiPerenz
io zwischen den Electroden der Wasserzelle hervorbringt,
werden dieselben polarisirt. Es soll im Folgenden gezeigt
werden, dass dieser Umstand ohne Einfluss auf die Mes-
sungen ist. Von F. Eohlrausch^) ist bewiesen worden,
dass die electromotorische
Kraft der Polarisation von
Platinelectroden in verdünn-
ter Schwefelsäure, welche durch
kleine Electricitätsm engen
hervorgebracht wird, den letz-
teren proportional ist. Der
Vorgang kann daher rechne-
risch so behandelt werden, als
wenn an den Grenzen von
Flüssigkeit und Electrode je
ein Condensator in den Strom-
kreis eingeschaltet wäre. Die
U
w
AAA/vVVV^
Fig. 2.
1) F. Kohlrausch, Pogg. Ann. U8. p. 143. 1873.
Abo. d. Phyi. u. Chtm. N. P. XXXVIII.
50 E. Cohn.
Capacität dieses fictiven Doppelcondensators ergibt sich aus
den Angaben von F. Kohlrausch zu 0,13 Mikrofarad für
jedes Quadratmillimeter einer Electrode, (beide Electroden
als gleich gross vorausgesetzt). Dies gilt für blanke Platin-
electroden; für platinirte würde die Zahl viel grösser sein;
gerade deshalb sind platinirte Electroden von F. Kohl-
rausch in die Widerstandsmessungen eingeführt worden.
Es soll im Folgenden mit der obigen Zahl, die ein zu un-
günstiges Resultat ergibt, gerechnet werden. Die Yersuchs-
anordnung würde sich jetzt, (wenn man zur Vereinfachung
der Rechnung das Electrometer unterdrückt), schematisch
durch Fig. 2 darstellen, wo 2ä die beiden neu eingeführten
Condensatoren andeuten soll. Wenn, wie es den thatsäch-
lichen Verhältnissen entspricht, k als sehr gross gegen c
bebandelt wird, so findet man für a> die Gleichung:
a>^E : 11-^ '1 + E !^-ll-e
Der erste Summand ist der bisher für w benutzte Werth (2).
Bezüglich des zweiten ist zu bemerken, dass T^ sich mit der
angeführten Zahl von F. Kohlrausch zu rund 2 Secunden
ergibt. (In Wahrheit ist es noch sehr viel grösser.) Da-
raus folgt, dass der zweite Summand von co sich während
der Dauer der untersuchten Ladungsvorgänge — t wenige
Milliontel Secunden, — nicht zu einer messbaren Grösse
erhebt.
Umgekehrt hat für Zeiten t, welche dem zweiten Glied
einen messbaren Werth ertheilen, das erste bereits seinen
Constanten Endwerth erreicht. Man wird deshalb bei der
Untersuchung der Polarisation durch kurz dauernde Ströme
von der hier behandelten Ladung des „Wassercondensators"
eben so wenig gestört, wie das Umgekehrte der Fall ist.
Zusatz, die Relaxationszeit betreffend.
Die Einführung der Relaxationszeit scheint mir geeignet,
die Darstellung electrischer Vorgänge zu vereinfachen.
Wenn man nach dem Vorgange von Ueaviside und
DieleetricUätscorutante des Wassers.
51
Hertz ^) aas den Mazwell'scben Differentialgleichungen,
welche f&r das Innere eines homogenen und isotropen Kör-
pers gelten, die Potentiale entfernt, so lassen sich dieselben
in einer Form schreiben, welche nur noch mechanisch defi-
nirte Grössen ~ nämlich Energiegrössen, Zeiten und Längen
— hingegen keine Grössen Ton in Wahrheit unbekannter
Dimension, wie Electricitätsmengen, Dielectricitätsconstanten,
Leitnngsvermögen enthält. Seien:
E mit den Componenten XYZ und:
M
?>
»
»
LMN
zwei Vectoren von der Bedeutung, dass E^ die electrische,
M' die magnetische Energie für die Volumeneinheit darstellt,
während T die Relaxationszeit und V eine von E und M
unabhängige Geschwindigkeit bezeichnen. Die Coordinaten-
axen mögen die bei Maxwell Torausgesetzte Anordnung
(Rechtsschraubensystem) haben. Dann lauten die erwähnten
Gleichungen:
dL
(1)
(2)
T +
dt
BM
d't
d
dX
dt
" [dt, dz)^
^= - V
ex
dz
ez
dx
/ "■ [dx dvl'
\dy dzj'
T^ dt '^ ^ \dz dxj'
ZdZ__ irldM^ dL\
T'^ dt ^ [dx dyj'
Man erhält T unabhängig von V aus der Beobachtung
von Vorgängen, in welchen LMN sich als die Ableitungen
einer Potentialfunction darstellen. Durch Auflösung der
Gleichungen (2) erweist sich dann T als die constante
Zeit, in welcher E auf 1/e seines anfänglichen Betrages her-
absinkt (Dieser Vorgang — das Erlöschen der electrischen
Energie — hat deshalb den regelmässigen, nur durch die
1) fleaTiside, Phil. Mag. (5) 27. p. 29. 1889 (zuerst in Electrician
1885); Hertx, Wied. Ann. 23. p. 100. 1884.
4*
52 E, Cohn. Diekctricitätsconstante des Wassers.
Grösse von T bedingten Verlauf, weil er von Selbstindnc-
tion nicht begleitet ist; denn der electrodynamisch wirk»
same Gesammtstrom ist proportional der linken Seite von
(2), und folglich im vorliegenden Falle gleich Null). — So-
weit Beobachtungen der angegebenen Art vorliegen, haben
sie T thatsächlich als Ck)nstante ergeben.
Das Gleiche dürfen wir von V nicht behaupten, sobald
wir das Recht in Anspruch nehmen, unsere Gleichungen auch
auf die Ausbreitung von Lichtwellen anzuwenden. V ist
dann vielmehr erfahrungsmässig eine Function der Schwin-
gungszahl.
Wenn wir V gleichwohl in dem üblichen Sinn als „Con-
stante des Mediums^' bezeichnen, so bilden nach dem Obigen
V und T die beiden einzigen „inneren'' electrischen Con-
stanten des Mediums: dasselbe ist, solange es für sich allein
gedacht wird, durch sie in electrischer Hinsicht vollständig
definirt. Alle übrigen electrischen Constanten — Dielectri-
citätsconstante, Leitungsvermögen, Magnetisirungsconstante
u. s. w. ~ kommen erst in Betracht, sobald mindestens ein
anderes Medium — welches auch der sogenannte leere Raum
sein kann — in electrische Beziehung zu dem gegebenen
tritt; sie können nur definirt werden, indem man ein bestimm-
tes Medium als Vergleichsobject willkürlich festsetzt.^)
Der BegriiF der Relaxationszeit wird daher neben dem
der „kritischen Geschwindigkeit'^ in die Grundlagen einer
systematischen Darstellung der Electricitätslehre aufzuneh-
men sein.
Strassburg i. E.
1) Vorstehende Sätze sind eine Verallgemeinerung dessen, was Hertz
— unter Voraussetzung einer unendlich grossen Relaxationszeit — bezüg-
lich der Fortptianzungsgeschwindigkeit ausgesprochen hat. (Wied. Ann-
28. p. 102. Ib84).
F. Braun. Deformationssirdme. 63
y. lieber JD^amuUionssMhne;
ff&n W^rdinan^ Braun.
(Ans den Siftzungiber. der K. PreiuB. Aoad. d. Wim. su Berlin; phys.-
ma^L CL yom 6. Juni 1889; mit einigen Aendeningen mitgetbeilt vom
Hm. Verfc)
(Dritte Büttheilimg.)
In einer ersten Mittheilung habe ich Ströme beschrieben,
welche durch Verlängerung und Verkürzung von Nickelspulen
entstehen, und in einer zweiten speciell die Frage untersucht,
ob die Ströme aus magnetelectrischer InductioUi insbesondere
aus Aenderungen der circularen Magnetisirung erklärbar seien.
Nachdem es mir erst vor kurzem möglich war, auf die Er-
scheinungen zurückzukommen, möchte ich mir gestatten, im
Folgenden 1. noch einige speciellere Angaben zu machen
zur Erläuterung früher gegebener Resultate; 2. einige Ver-
suche anzuführen, welche die früheren Beobachtungen erwei-
tem und zu einer Erklärung der Erscheinungen führen,
resp. zeigen, was man aus den Beobachtungen schliessen
darf.
1. Zunächst sollen einige Zahlen angeführt werden zum
Beweise, dass der Deformationsstrom, wenn auch abhängig
▼on der Stärke der permanenten longitudinalen Magnetisi-
rung, doch mit derselben nicht in so engem Zusammenhang
steht, dass er derselben proportional wäre, resp. mit dem
Sinn derselben sich umkehrte.
Nickelspulen wurden (zwischen den Polen eines Electro-
magnetes) theilweise oder ganz ummagnetisirt, ihr perma-
nentes magnetisches Moment bestimmt und der Deforma-
tionsstrom, welcher stets der gleichen Dilatation entsprach,
gemessen.
Die Spulen sind, wie schon früher erwähnt, selten sym-
metrisch magnetisirt; dies spricht sich in den unter ;,Mo-
mente'^ angeführten Zahlen aus; die eine enthält die Ab-
lenkung, wenn der Nordpol, die andere, wenn der Südpol
dem abgelenkten Magnete zugekehrt war. Die einzelnen
Windungen gaben trotz der somit vorhandenen Folgepunkte
wesentlich gleiche Ströme bei Deformation.
54
F. Braun.
Ni 17.
Ni 16.
Ni 18.
Momente
Dil-Str.
+ 80- 97
+ 86
1- 13+ 6»)
+ 9— ll'j
+68
- 21+ 22*)
+ 51
- 16+ U")
+48
— 66+ 58
-47
+ 140—188
+75
Momente
{
+56—57
+ 18-14
+ 4- 0*)
0- 8^
—40+86
+84-78
DiL-Str. Momente
+75
+ 67
-85
-42
+ 77
+ 48— 57
- 69+ 78
- 57+ 82
+ 187-125
DiL-Str.
+27
- 9
-80
+52
Die Zahlen zeigen, dass kein durchgängiger Parallelis*
muB zwischen Magnetisirung und Deformationsstrom besteht.
Auch in Spulen Ton hartem Eisendraht habe ich, nach-
dem es mir nun möglich war, dieselben stark zu magneti-
siren, Ströme nachweisen können, welche den Deformations-
strömen in Nickel zu entsprechen scheinen. Sie zeigen aber
lange nicht die Intensität der in Nickel auftretenden und
auch nicht deren Regelmässigkeit. Eine Dilatation, welche
einer Compression folgt, verhält sich anders, als wenn ihr
eine Dilatation voranging. Der Sinn des Stromes ist also
nicht, wie bei Nickelspulen, einfach durch die Art der De-
formation bestimmt, sondern hängt auch von der der letzten
Deformation unmittelbar vorhergegangenen ab; z. B. gab'):
1. Dilat
- 5
8. Dilat.
-5
2. »
- 5
1. Compr.
-5
1. Compr.
-20
1. DUat
+ 5
darauf 1. Dilat.
+ 5
2. »
-5
2. „
- 5
3. )i
—5 u. s. w.
3. Zieht man eine Spule sehr stark in die Länge, so
rollt sie sich gleichzeitig auf. Sie wird dabei also auch
tordirt. Ich habe früher schon des weiteren ausgeführt, dass
diese Torsion, wobei, wie G. Wiedemann zuerst an mag-
netisirtem Eisen und Stahl gefunden hat, Ströme entstehen
1) Vor den Messungen des Dilatationsstromes.
2) Nach )» n » »
3) Es ist dies nicht so au&ufassen, als ob qualitativ stets dieses
Verhalten auftreten müsse. Manche Spulen verhielten sich qualitativ
ebenso regelmässig wie Nickelspulen und gaben Ströme, welche, bezogen
auf die magnetische Aze, entgegengesetzt den in Nickelspulen erhaltenen
liefen. Bei solchen wird sich die in obigem Beispiel auch qualitativ her-
austretende Eigenthümlichkeit nur in quantitativer Beziehung geltend
machen.
DeformatUmsströme. 55
(welche ich später^) auch bei Nickel beobachten konnte),
nicht die Erklärung Ar die Ton mir als Deformationsstrom
bezeichnete electrische Bewegung abgeben kann. Ich habe
mich davon nochmals in yerschiedener Weise überzeugt. Eine
sehr einfache Versuchsform ist die folgende: Einen (ca. 3 mm)
dicken Nickeldraht klemme man horizontal mit dem einen
Ende in einen Schraubstock; am freien Ende befestige man
senkrecht zur Axe des Drahtes einen leichten Feilkolben
und schalte den Draht in einen Multiplicatorkreis. Weder
temporäres, noch permanentes Verbiegen des Drahtes in einer
Ebene bringt, wie schon früher erwähnt, einen Strom her-
Tor. Verbiegt man ihn aber erst in einer Verticalebene
und zieht dann das freie Ende in horizontaler Richtung
(wie durch einen unendlich langen Faden, der senkrecht
zur Ebene des Drahtes steht), so entsteht ein Strom. Man
kann so aus dem Draht das Stück einer Rechts- oder
Linksspule machen und die früher angegebenen Resultate
einfach prüfen. Bei dieser horizontalen Verbiegung wird
der Draht auch um seine eigene Mittellinie tordirt Der
Sinn der Torsion ergibt sich direct aus der Anschauung,
er macht sich auch unmittelbar durch den Druck, welchen
der Feilkolben auf die ihn führende Hand ausübt, bemerk-
bar. Tordirt man nun, während das Ende des Drahtes im
Räume ruht, in demselben Sinne weiter, so entsteht ein
schwacher Strom, welcher aber stets entgegengesetzt zu dem
heim Biegen erhaltenen war.
Durch diese Torsion tritt aber wieder in dem freien
Theile des Drahtes eine, wenn auch geringe, Durchbiegung
ein. Es schien mir wünschenswerth, auch diese zu vermeiden.
Ich ging daher wieder üuf die reciproke Erscheinung zurück.
Einen über 3 m langen, geraden Nickeldraht hängte ich, mit
einem Gewicht belastet, vertical auf und Hess sein unteres
Ende in Quecksilber tauchen. Als ich dann einen Strom
Ton ±5 Amp. hindurchschickte, war mit Spiegel und Scala
eine Torsion von ± 4 Scalenth. nachweisbar; die Vergrösse-
\) Vgl F. Brauu, Wied. Ann. 37. p. 110. Anm. 1881). Die Beob-
acbtongen über den zeitlicben Einfluss wurden bei späteren Versuchen
nicht bestätigt.
56 F. Braun,
rang und Entfernung des Femrohres waren der Art bemes-
sen, dass ^/^^ Scalenth. noch mit voller Sicherheit geschätzt
werden konnte. Nun wurde der Draht zu einer Spule ge-
wickelt und der gleiche Strom hindurchgelassen. Die Spiegel-
normale Terschob sich jetzt, weder in einer horizontalen,
noch in einer yerticalen Ebene um ±0,1 Scalenth., d. h. nicht
um den 80. Theil des vorher gemessenen Betrages.
Versuche zur Erklärung der Erscheinungen.
Aus den früher ermittelten Thatsachen schloss ich, dass
man die Fähigkeit; Deformationsströme zu lieüem, einstweilen
als eine neue Eigenschaft des Nickels, wahrscheinlich mag-
netisirbarer Metalle überhaupt ansehen dürfe. Entscheidend
für diese Auffassung war das charakteristisch verschiedene
Verhalten, welches Nickeldrähte einerseits und durch einen
starken Strom circular magnetisirte Eisendrähte andererseits
bei Aenderungen der Gestalt und Temperatur zeigten. Indem
ich nun versuchte, mir nach den bisher bekannten Thatsachen
eine Vorstellung über die mögliche Ursache der Deformations-
ströme zu bilden und aus dieser Vorstellung Consequenzen
zu ziehen, deren Prüfung dem Versuche zugängUch war,
zeigten sich die erwarteten Folgerungen nicht erfüllt; dies
führte mich trotz der vielen G-ründe, welche dagegen spra-
chen, immer wieder auf die Frage zurück, ob es nicht
doch möglich sei, aus magnetischer Induction die Ströme
abzuleiten.
4. Es schien mir denkbar, dass die Beobachtungen erklärt
werden könnten, wenn man etwa ausgeht von der folgenden
Versuchsanordnung: Eine Eisenspule befinde sich in einem
magnetischen Felde, die üylinderaxe der Spule parallel den
Kraftlinien. In dieser Axe sei ein Kupferdraht ausgespannt.
Aendert man nun die Feldstärke und damit die Magneti-
sirung der Eisenspule, so wird in dem axialen Draht ein
Inductionsstrom auftreten. Bezeichnet man diese Aenderung
der Magnetisirung als einen magnetischen Strom und berück-
sichtigt, dass bewegte Electricität auf Magnetismus pondero-
motorisch, und umgekehrt bewegter Magnetismus auf ruhende
Körper electromotorisch wirken muss, so ergibt sich die Rich-
tung des entstehenden Stromes am einfachsten. Es folgt
DefarmatUmsströme. 57
daas unmittelbar y dass bei gleichnamiger Aenderung der
Magnetieirang eine Bechtespule und eine Linksspule aue
Eisen entgegengesetzte Wirkungen hervorbringen müssen.
Bin gerader, dem Enpferdraht paralleler Eüsendraht, des-
gleichen eine Spirale^), deren Ebene vom Enpferdraht senk-
reeht durchsetzt wird, würden keinen Strom erzeugen.
Nimmt man nun an, dass durch Form- oder Temperatur-
ändernng einer Nickelspule Aenderungen ihres freien Mag-
netismus eintreten, d« h. dass ein magnetischer Strom dieselbe
dnrchfliesst, so liegt der weitere Gedanke nahe, dass dieser
von einer electromotorischen Kraft begleitet sei, welche
(ebenso wie im angezogenen Versuche) inducirt wird in der
Richtung der Ganghöhe der Schraube. Je nach der Gestalt
der letzteren fällt aber eine verschieden grosse Stromcom-
ponente in die Richtung des Drahtes, und nur diese kann
am Galvanometer beobachtet werden. In der zur Spulenaxe
senkrechten EUchtung mag eine Kraft vorhanden sein oder
nicht — sie kann nicht in die Erscheinung treten.
Mit einer derartigen Vorstellung würden sich die frühe-
ren Beobachtungen erklären lassen, wenn man die weitere
Voraussetzung macht, dass der freie Magnetismus einer
Spirale sich in der gleichen Weise ändert, mag dieselbe nach
rechts oder nach links aus ihrer Ebene deformirt werden.
Fragt man aber, welcher Art die vorauszusetzenden
Aenderungen der Magnetisirung sein müssten, so überzeugt
man sich leicht vom Folgenden: Ist der Querschnitt (in con-
centrischen Kreisen) homogen in Bezug auf Magnetisirung,
oder existirt in ihm wenigstens ein Durchmesser, der den
Querschnitt in zwei magnetisch symmetrische Hälften theilt
(wie man bei einer Spirale doch anzunehmen hat), so müssen
alle Inductionswirkungen der verlangten Art, welche nach
irgend einer Linie im Querschnitt möglich sind, über einen
ganzen Querschnitt integrirt, sich aufheben.
Damit fällt ein derartiger Erklärungsversuch in sich
zusammen. Auch erhielt ich in Uebereinstimmung mit die-
sem theoretischen Resultate bei Versuchen, eine nach der
1) Ich will im Folgenden immer streng unterscheiden zwischen Spirale
and Spule. Der Draht einer Spirale liegt in einer Ebene, der einer Spule
bildet eine Schraubenlinie.
58 F. Braun.
Ebene eines Querschnittes gerichtete electromotorische Kraft
nachzuweisen, nur negative Resultate, und zwar unter Be-
dingungen, wo nach der Schätzung aus den sonstigen Wir-
kungen ein positiver Ausfall wäre zu erwarten gewesen.
5. Als die einzige Möglichkeit der Zurückffthrung auf
Induction blieb also doch nur die circulare Magnetisirung,
welche ich auf Grund früherer Versuche glaubte zurückweisen
zu müssen. Die früheren Schlüsse beruhten auf der An-
nahme, dass circulare Magnetisirung sich in Eisen und Nickel
wenigstens qualitativ gleich verhalten würden. Will man
dies nicht annehmen, so kommt man zu sonderbaren Folge-
rungen; z. B. 1. Leitet man durch eine Eisenspule einen
Strom von 4 Amp. /qmm, so erhält man nachher bei den
ersten Deformationen starke „ Erschütterungsströme '^^); in
Nickel konnte ich solche früher nicht nachweisen; ich habe
jetzt sogar nach dem Durchgang eines Stromes von40 Amp./qmm
(der nur ganz kurze Zeit diese Intensität haben darf, weil
der Draht sonst glühend wird) kein dem des Eisens analoges
Verhalten beobachtet. Und doch müsste man aus der That-
sache, dass eine Nickelspule sich durch einen Strom, je nach
dessen Richtung, verlängert oder verkürzt, auf eine temporäre
Aenderung der circularen Magnetisirung schliessen. 2. Es
ist bekannt, wie ausserordentlich stark in Eisenröhren die
circulare Magnetisirbarkeit abnimmt, wenn irgend eine Unter-
brechung der Continuität vorliegt. Herwig^ hat in Röhren^
welche er eist als Ganzes untersuchte und dann, nachdem
sie durch plötzlich ins Gefrieren gebrachtes Wasser der
Länge nach aufgeschlitzt waren, eine Abnahme der circularen
Magnetisirbarkeit auf Vao ^®s früheren Werthes beobachtet»
Dieselbe steigerte sich auch nur unwesentlich, nachdem der
entstandene Schlitz mit Eisenblech ausgefüllt war. Im Gegen-
satz dazu zeigten mit Naht gezogene Nickelröhren Wirkun-
1) Man kann bei Eisenspulen leicht zeigen, dass die Geschwindigkeit
der Deformation für die Aenderung der Magnetisirung mindestens nur
untergeordnete Bedeutung hat; es handelt sich wesentlich darum, dass
die Volumelemente elastische Deformationen durchgemacht haben. Der
Name „Erschütterungsströme'*, den ich. als eingebürgert, beibehalten
habr, ist eigentlich nicht ganz bezeichnend.
2i Herwig, Pogg. Ann. 151. p. 451. 1875.
ßrfarmationsstrÖme. 59
gen, welche nicht etwa aafiFallend kleiner waren als die Ton
Dr&hten ungef&hr gleichen Gewichtes. Auch im folgenden
gelegentlich angestellten Versuch spricht sich ein ähnliches
Verhalten ans. Gewisse Ueberlegungen veranlassten mich,
zu prüfen, wie sich eine Nickelspule verhalten möchte, wenn
man von dem ursprünglich kreisförmigen Querschnitt des
Drahtes allmählich von der einen Seite aus mehr und mehr
wegnähme, sodass schliesslich die eine Kreishälfte ganz weg-
falle. Dies gelang ohne störenden mechanischen Eingriff gut
auf electrolytischem Wege. Nach Analogie zum Herwig'-
sehen Versuche wäre zwar nicht gefordert, aber doch wohl
wahrscheinlich, dass die circulare Magnetisirung und damit
der Deformationsstrom wesentlich rascher abnehme als der
Querschnitt des Drahtes. Dies fand aber nicht statt, viel-
mehr war derselbe immer angenähert proportional dem Quer-
schnitt selber, auch nachdem reichlich die Hälfte des 8 mm
dicken Drahtes entfernt war.
Will man die in Nickel beobachteten Ströme aus circu-
larer Magnetisirung erklären, so wird man also gleichzeitig
ein ungewohnt stabiles Verhalten derselben in diesem Metall
voraussetzen müssen.^) Mag dies auch unerwartet sein, so
ist es doch denkbar und ein entscheidender Versuch nöthig.
Einen solchen konnte ich erst anstellen, nachdem mir durch
das liebenswürdige Entgegenkommen der Schwerter Werke
Nickelröhren zur Verfügung gestellt waren. Ich bekam
solche von. etwa 1 mm Wandstärke, 5 mm innerem Durch-
messer und 1,10 m Länge. Sie waren nicht ohne Naht ge-
zogen, sondern mit Messing hartgelöthet, ein Umstand, der
freilich für Erzeugung circularer Magnetisirung nicht günstig
schien.
In eine Röhre wurde ein übersponnener, 4 mm dicker
Eupferdraht isolirt eingeschoben und dann eine Spule daraus
gewickelt. In der Nickelröhre traten bei Deformationen die
früher beschriebenen Ströme auf; genau in der gleichen
Richtung und nahezu auch in der gleichen Stärke entstanden
aber auch solche im Eupferdraht. Dieser Versuch scheint
beweisend dafür, dass die Deformationsströme doch nur die
1) Ich glaubte daher, die im vorhergehenden Paragraphen besproche-
nen Gredanken zu einer Erklärung wenigstens kurz berühren zu sollen.
60 F. Braun.
Folge einer Induction durch Aenderung der drcularen Mag-
netisirung sind.
Um des Resultates sicher zu sein, wurde die anfangs als
Bechtsspule gewickelte Röhre in eine Spirale verwandelt,
sodass nach Belieben aus ihr eine conische Rechts- oder
Linksspule gebildet werden konnte. Die Spirale zeigte die
früher erwähnten Ströme; die gleichen entstanden auch im
Kupferdraht.
In einem zweiten Rohr wurde die ursprüngliche Magne-
tisirung (alle besassen am gezogenen Ende einen Südpol) noch
künstlich verstärkt und dann aus ihm eine Spirale gebildet;
in dem Inneren des Rohres war ein dünner übersponnener
Kupferdraht angebracht; ein Neusilberdraht war an denselben
gelöthet. Die beiden zusammengelötheten Drähte waren in
einen Multiplicatorkreis eingeschaltet. Je nach Belieben
konnte in das Rohr der Kupfer- oder der Neusilberdraht
gezogen werden. Bei der gleichen Deformation entstanden
wesentlich gleiche Ausschläge im Multiplicator, mochte der
eine oder der andere Draht sich im Rohr befinden. Auf
grosse Genauigkeit kann der Versuch zwar keinen Anspruch
erheben; immerhin wird durch denselben im höchsten Maasse
unwahrscheinlich, dass dem Material des Drahtes, in weU
chem der Strom entsteht, noch ein specifischer Einfluss zu-
komme.
Die Drähte bewegen sich bei diesen Versuchen in einem
seine Stärke ändernden magnetischen Felde. Dadurch können
zwar, wie ich schon in meiner früheren Mittheilung zeigte,
die Ströme nicht entstehen. Der Sicherheit halber habe ich
aber umgekehrt einen dicken Nickeldraht in ein dünnwan-
diges Messingrohr eingebettet; bei Deformation entstanden
im Nickel Ströme; aus dem Messingrohr konnten keine ab-
geleitet werden.
Sieht man nach diesen Versuchen als bewiesen an, dass
die Deformationsströme durch Aenderungen der circularen
Magnetisirung hervorgerufen werden, so ergibt sich aus dem
früher Mitgetheilten auch der Sinn der Aenderung; z. B. in
einer Rechtsspule müssten bei Contraction die Molecular-
magnete mit ihren Nordpolen, gesehen vom Nordpol des
Drahtes aus, eine Drehung ausführen entgegen dem Sinn des
Deformailoniströme, 61
Uhrzeigers (oder in markirterer Form: nähert man die Ge-
stalt einer Spirale der einer Linksspule, so ordnen sich ur-
sprünglich der Drahtaxe parallele Molecularmagnete zu einer
Rechtsspule an — und umgekehrt. Zusammendrücken einer
Bechtsspule wird dabei betrachtet als Annähern an eine
Linksspule etc.).
6. Wenn so die Deformationsströme den Sinn festlegen,
in dem sich die circulare Magnetisirung ändert, so handelt
es sich weiter darum, zu prüfen, ob mit den hieraus fliessen-
den Folgerungen auch die anderen Thatsachen, nämlich die
Erwfirmungsströme, in Einklang zu bringen sind. Man wird
auch diese aus Aenderungen der Magnetisirung erklären
müssen, geräth aber dabei auf Schwierigkeiten; z. B. es war
beobachtet: Wickelt man eine Rechtsspule in eine Links-
spule lun, so ändert sich gleichzeitig mit dem Sinn des Dila-
tationsstromes auch der des Erwärmungsstromes. Daraus
folgt, dass in einem geraden Draht durch Temperaturände-
rang gar kein Strom entstehen dürfte. Nun kann man aber
einen geraden Draht so herstellen, dass er oöenbar circulare
Magnetisirung besitzen muss. Nämlich, man mache aus einer
conischen Rechtsspule (durch die Form einer ebenen Spirale
hindurch) eine conische Linksspule, so entsteht fortwährend
Strom in der gleichen Richtung, d. h. es ändert sich fort-
während die circulare Magnetisirung in demselben Sinn.
Setzt man voraus, dass in dem Drahte, wenn er eine lang-
gestreckte Rechtsspule bildet, d. h. nahezu gerade ist, keine
ader nur geringe circulare Magnetisirung Yorhanden sei, so
müsste eine solche existiren, wenn er in eine langgezogene
Linksspule verwandelt wäre (und umgekehrt), folglich sollte
er dann auch Erwärmungsstrom liefern.
Oder: man nehme eine Spirale und drücke sie in die
Gestalt einer conischen Rechtsspule; erwärmt, muss sie nun
Strom liefern, und Strom in entgegengesetzter Richtung, wenn
man sie in eine conische Linksspule verwandelt hat Folg-
lich darf sie als Spirale keinen Strom geben. Ich habe die-
sen SchlusSy dessen Prüfung mir früher, namentlich wegen
der Störungen durch eintretenden Thermostrom nicht genügend
gelungen war, jetzt an einer grösseren Anzahl von Spiralen
sehr befriedigend bestätigen können. Es empfiehlt sich,
62 F. Braun.
einen Multiplicator mit kurz schwingender und gut gedämpf-
ter Magnetnadel zu benutzen, wenn seine Empfindlichkeit auch
nicht sehr gross ist (Wiede mann 'sehe Bussole mit nicht
astasirter Nadel).
Der Draht in Spiralform muss, wie aus den Deforma-
tionsströmen folgt, circulare Magnetisirung besitzen, und doch
liefert er durch Aenderung der Temperatur keinen Strom.
Wie lösen sich die Widersprüche? Ist es denkbar, dass die
ganze Vorgeschichte eines Drahtes (z. B. Drillungen, welche
er erfahren hat, und welche die circulare Magnetisirung än-
dern werden) bekannt sein muss, um über seinen Erwärmungs-
strom etwas Sicheres aussagen zu können? Dagegen spricht
die Regelmässigkeit der Erscheinungen.
Es schien nöthig, vom jetzt gewonnenen Standpunkte aus
die Versuche nochmals aufzunehmen. Ich habe daher eine
ebene Spirale, welche in dieser Form nur einen sehr schwa-
chen, als conische Spule aber einen starken Erwärmungs-
strom gab, zu einem geraden Draht ausgezogen; hätte er in
der ersten Gestalt keine circulare Magnetisirung besessen, so
musste er nun gerade gestreckt eine circulare Componente
haben. Aus dem geraden Drahte wurde eine Spule gewickelt
und erwärmt; sie hätte dabei einen starken Strom geben
sollen, sie gab aber einen schwachen.
Der Draht wurde nun wieder gerade gereckt, etwa
4 X 360^ permanent um seine Axe tordirt, zu einer Spule
gewickelt und wieder erwärmt — es zeigte sich auch jetzt
nur ein schwacher Erwärmungsstrom. Wieder ausgereckt,
um 10 X 360® entgegen der früheren Richtung permanent
tordirt und zu einer Spule gewickelt, gab er beim Erwärmen
das gleiche Resultat. In eine Spirale verwandelt, verhielt er
sich ebenso; als diese zu einer conischen Spule durchgedrückt
war, folgte aber der Erwärmungsstrom wieder der RegeL
Auch eine Aenderung in der Windungsweite der Spule
war ohne Einfluss. Solche negative Resultate führten end-
lich zu der Annahme, dass die Gestalt allein gar nicht ent-
scheidend sei für den Erwärmungsstrom, dass vielmehr eine
Spule, welche in ihrer permanenten Gestalt belassen wird,
bei Temperaturänderung keinen oder nur einen schwachen
Strom liefere, und dass die Bedingung wenigstens für Auf-
Deformatiansströme, 63
treten yon relativ starken Erwärmungsströmen darin bestehe,
dass sie temporär deformirt sei, sich also in einem Spannungs-
zustand befinde. Dann sollte, wie aus anderen Thatsachen
za Bchliessen, eine temporär verlängerte Spule Strom in einer
Richtung, eine temporär zusammengedrückte Strom in der
entgegengesetzten Bichtung liefern können.
Die früheren Beobachtungen, wonach der Erwärmungs-
strom stets dem Dilatationsstrom gleichgerichtet war, bezogen
neb zwar meist auf nicht absichtlich gestreckte Spulen; es
konnte aber der Umstand mit untergelaufen sein, dass man
die dünndrahtigen Spulen, ohne es zu wollen, oder um sie
besser gegen Deformation beim Eintauchen zu schützen, etwas
gespannt hatte. Nach der Art der Befestigung war dies mög-
Ucberweise auch da vorgekommen, wo man glaubte, sie in
natürlicher Länge einzutauchen.
Zur Prüfung wurde eine Spule aus dickerem Drahte her-
gestellt; bei einer solchen ist wegen ihrer grösseren Feder-
kraft leichter zu beurtheilen, welches ihre permanente Grestalt
ist. Sie war 11 cm laug; möglichst bei der normalen Länge
Ton 25^ auf 125^ erwärmt, gab sie einen schwachen, dem
Dilatationsstrom gleichgerichteten Strom von etwa — 2 bis
~ 4 Scalenth.; um 3 cm verlängert — 15 Scalenth.; um 3 cm
verkürzt -|- 8 Scalenth.
Eine in ihrer permanenten Gestalt ebene Spirale (Nr. V;
cfr.p.65), welche beim Erwärmen nur schwachen Strom lieferte,
gab temporär rechts conisch deformirt einen starken Strom. Als
man ihr diese conische Gestalt als eine permanente aufgezwun-
gen hatte, zeigte sie bei Temperaturänderung in dieser Form
keinen merklichen Strom mehr; nun aber in eine temporär
ebene verwandelt, gab sie Strom nach einer Richtung, stär-
keren, wenn sie temporär zu einer Linksspule gemacht war;
entgegengesetzten, als sie temporär in eine Rechtsspule ge-
drückt wurde, welche spitzer war, als ihre permanente
Gestalt
Den einfachsten Ausdruck für die Richtung der Erwär-
mungsströme wird man finden, wenn man sie wieder mit den
Deformationsströmen in Beziehung setzt. Für die letzteren
bleibt die frühere Regel ungeändert; betreCFs der Erwärmungs-
ströme aber muss man sagen: Temperatursteigerung bringt den-
64 F. Braun.
selben Effect hervor, wie diejenige Deformation, welche die
Spule ans ihrer permanenten Gestalt in die jeweilige tempo-
räre überf&hrt.
Ob in der permanenten Gestalt bei Temperataränderung
gar kein Strom auftritt, oder ob derselbe für eine temporäre
Gestalt verschwindet, welche der permanenten nur nahe liegt,
will ich unentschieden lassen.
Stellt man die Thatsachen zusammen, so überzeugt man
sich, dass man die Erwärmungsströme nicht wohl erklären
kann aus der Vorstellung, die Magnetisirung überhaupt (und
damit auch die circulare Componente derselben) vermindere
sich durch Temperatursteigerung. Man wird vielmehr sagen
müssen: durch die Deformation ändert sich die circulare
Magnetisirung; Erwärmen einer temporär deformirten Spule
ändert die circulare Magnetisirung noch weiter im gleichen
Sinne.
7. Mag man sich zur Erläuterung der Thatsachen nun
die Vorstellungen, wie eine solche Aenderung der circularen
Magnetisirung zu Stande kommen mag (etwa aus Drehungen
der Molecularmagnete), mehr oder weniger speciell ausbilden,
unabhängig davon ist der Schluss aus den Thatsachen, dass
die gesammte Electricitätsmenge, welche man aus einer Spule
ableiten kann (wenigstens sofern dieselbe durch ein ballisti-
sches Galvanometer gemessen wird), wenn man sie Temperatur-
und Gestaltsänderungen unterwirft, verschieden wird je nach
deren Reihenfolge.
Es sei z. B. eine in ihrer permanenten Gestalt ebene
Spirale gegeben. Deformirt man sie bei der Temperatur t,
so entsteht ein gewisser Stromimpuls (1); ein gleichsinniger
(2), wenn sie nunmehr auf T erwärmt wird. Erwärmt man
sie aber erst auf T, so entsteht kein oder ein schwacher
Strom; wird sie nachher bei T deformirt, so entsteht jeden*
falls ein schwächerer Strom (3), als bei der Temperatur t
Durch fortwährend sich folgende Kreisprocesse könnte man
also eine resultirende Strömung in einer Richtung erhalten.
Es schien mir von Interesse, diesen Schluss zu prüfen.
Eine Spirale gab z. B. (/= 25^; T« 125«):
DefarmationiMtröme* 65
Strommeiige (1) » + 12 Strommenge (3) ■ + 10
I» (SQ » + 16 Di£Eerens - + 18
Smnme >■ + 28
In anderen FftUen habe ich die Spirale wirklich den
Kreisprocess durchlaufen lassen; es w&re möglich, ja es
aehien sogar wahrscheinlich, dass eine erste Abkühlung in
der jetit wieder erlangten permanenten Oestalt noch eine
Electricit&tsmenge frei mache, welche bei einer zweiten, drit-
ten n. 8. w. Abkühlung nicht mehr entsteht Dies fand aber
nicht statt; z. 6.:
Spirml« Y
SpintolY
Defonnirt bei ^ ...
. +14
+ 11
firwinnt von ^ bis T .
. +17
+ 7
Zorückdefonnirt bei T .
. -11
- 10
Abgekahlt anf ^ . . .
0
+ 1
Summe
a 4.20
+ 9
Auch wenn man t und T vertauscht, ergeben sich gleiche
Besultate; z. B.:
Spinü« V
Defbrmirt bei T . . . + 18
Abgekühlt von T auf ^ . - 80
Zurfickdeformirt bei ^ . - 22
Erwftrmt auf 2* . . . . - 2
Summe = — 36
E^leine Ausschläge bleiben oft bei der letzten Tem-
peratoränderung, weil man nicht immer genau die Anfangs-
gestalt wieder trifft. Diese wiederholen sich aber dann auch
bei einem zweiten und dritten Erwärmen der nicht weiter
deformirten Spirale.
Die Spiralen bestanden aus etwa 2 m Draht von 2 mm
Stärke; / lag zwischen 25 und 40 ^ T zwischen 120 und 140^.
Der Versuch konnte oft hintereinander mit dem gleichen
Ergebniss wiederholt werden.
Dass der Ausfall desselben nicht durch zufällig getrof-
fene Temperaturen bedingt ist, geht zur Genüge daraus her-
Tor, dass eine Spule, welche in einem Metallrohr bis zu
etwa 200^ allmählich erhitzt wurde, dabei eine stetige Ab-
nahme der Stromintensität für die gleiche Deformation
zeigte. Bei 210^ war der Strom nahezu die Hälfte des bei
20^ erhaltenen.
8. Mit dem Unterschied zwischen temporär und per-
manent deformirtem Nickel scheinen in einem gewissen
Abu. d. Pbyi. n. Chma. N. F. XXXYIII. 5
66 F. Braun.
Parallelismus endlich die Widerstandsänderungen za stehen,
welche Nickel bei Deformation zeigt. Ich habe früher an-
gegeben, dass durch Dilatation der Widerstand einer Spule
sich um ungefähr 0,3 Proc. erhöhe. Als ich diese Beobach-
tungen wieder aufnahm und etwas ausf&hrlicher verfolgtei
fand ich, dass weder sehr hart gezogene, noch auch sehr
stark magnetisirte Drähte besonders grosse Aenderungen
zeigten. Weitere Versuche belehrten mich, dass die Wider-
standsänderung gerade bei weichen Drähten am erheblich-
sten ist. Die Spulen können dabei aber doch noch hinrei-
chende Federkraft besitzen, um nach Ausziehen um etwa
die Hälfte ihrer Länge wieder merklich in ihre ursprüng-
liche G-estalt zurückzukehren, und starke Deformationsströme
dabei liefern. Solche Spulen gaben bei jeder temporären
Deformation aus der permanenten Gestalt (Ausdehnen, Zu-
sammendrücken, Zusammenrollen, Auseinanderrollen) Zu-
nahme des Widerstandes. Die permanente Gestalt wäre
also diejenige, bei welcher der Widerstand ein Minimum ist
— Führt man die Spule in eine neue permanente Gestalt
über, so hat der Widerstand in ihr wieder ein relatives
Minimum. Ich habe aber nicht verfolgt, wie sich der Wider*
stand beim Uebergang aus einer permanenten Gestalt in
eine andere permanente ändert. Die Grösse der temporären
Zunahme zeigte sich in Uebereinstimmung mit den früher
gefundenen Werthen.
9. Wenn man nach den im Vorstehenden mitgetheilten
Thatsachen kaum noch bezweifeln kann, dass die beschrie-
benen Erscheinungen bedingt sind durch circulare Magne-
tisirung, so nöthigen dieselben andererseits doch zur Annahme
einer so unerwartet eigenartigen Stabilität derselben im Nickel
und führen zu einem so auffallenden Unterschied im Ver-
halten dieses Metalles gegenüber dem des Eisens, dass man,
ohne im Besitz des entscheidenden Versuches zu sein, eher
denken musste, man habe eine wesentlich neue Eigenschaft
vor sich als ein so verschiedenes Verhalten zweier sich sonst
so nahe stehender Stoffe.
Ich füge dem Vorigen noch wenige Worte hinzu. Der
Gedanke, die Erscheinungen durch Torsionsströme zu erklä-
Deformationsttröme. 67
reiiy liegt nahe. In der That glaubt Hr. Zehnder^), dass
man sie auf die beim Aasziehen einer Spule entstehende
Tomon dee Drahtes um seine Mittellinie zuriickfiihren könne.
Mqh entstehen die Ströme aber auch, wenn man die Spule
eo auszieht y dass eine Torsion der Enden unmöglich wird.
£ine Torsion des Drahtes könnte also nur in der Weise ein-
treteni dass dieselbe vom einen Ende bis zur Mitte des
Drahtes hin zunimmt und you da bis zum anderen Ende
wieder abnimmt Dadurch müssten aber in beiden Spulenhälf-
ten entgegengesetzt gerichtete Ströme entstehen, wenn die Rich-
tung der letzteren überhaupt mit einer bestimmten Rich-
tung (mag dieselbe eine magnetische, mechanische oder sonst
wie sein) in der Drahtaxe einsinnig verbunden ist. So lassen
sich die Erscheinungen also nicht erklären. Man könnte
aber denken, dass es nicht auf die Verschiebung, sondern auf
die elastische Kraft ankomme, mit anderen Worten, dass es
genügOi weim im Drahte nur das Bestreben zur Torsion vor-
handen wäre. Um dies zu prüfen, habe ich die in der zwei-
ten und dritten Mittheilung angegebenen Versuche angestellt,
welche zeigen, dass auch eine derartige in Betracht kommende
Wirkung nicht exisirt Das sind die Gründe, aus denen die
Torsionsströme für mich ohne Belang waren. Sie hätten
mich höchstens zu Analogieschlüssen führen können. — Wenn
nun durch die vorstehende Arbeit nachgewiesen ist, dass die
Deformationsströme doch auf die gleiche Ursache zurückkom-
men, wie die Torsionsströme, so war der Beweis dafür, soweit
ich sehe, nur auf dem angegebenen Wege*) zu führen.
Ist somit Torsion in dem gewöhnlichen Sinne als die
Ursache der Ströme ausgeschlossen, so lässt sich anderer-
seits nicht verkennen, dass die elastischen Aenderungen in
einer Spirale, welche man auszieht, mit den die Torsion eines
geraden Drahtes begleitenden eins gemeinschaftlich haben,
dass sie nämlich nur mit geringen Volumänderungen ver-
1) Zehnder, Sitsungsber. d. WOrzb. med. Gks. Juni 1889. s. die
folgende Abhandlung.
2) Die Richtigkeit der von G. Wiedemann für die Torsionsströme
gegebenen £rkläning folgt aus einem analogen Versuche mit einem
geraden Nickelrohr, welches man tordirt, und in welchem sich ein
coazialer isolirter Kupferdraht befindet.
K«
68 F. Braun.
banden sind. Wirken die elastischen Venchiebiingen bei
einem geraden Drahte sowohl als bei einer Spole in der
gleichen Weise, so müsste man — woran ich nicht zweifle —
anch weitere Analogien der Torsions- nnd DeformationsstrOme^
besonders bei Eisen, eine Abhängigkeit von der St&rke der
Magnetisirung erhalten. — Je nach deren Ghrösse mag aneh
das § 2 erwähnte Verhalten qualitativ oder nor quantitativ her-
vortreten. Dass die Deformationen von der bezeichneten Art
sind, lehrt der folgende Versuch: Wenn man eine MessingrOhre
zu einer Spule rollt, an sie ein engeres Qlasrohr ankittet und die
Bohre mit Wasser füllt, so erkennt man, dass beim Zusam-
mendrücken der Spule eine sehr geringe Verkleinerung des
Hohlraumes eintritt. Aufrollen bewirkt dagegen eine sehr
beträchtliche Volumzunahme (Fallen der Kuppe), Zusammen-
rollen eine starke Volumabnahme.
Was die Richtung der Deformationsströme betrifft, so
glaubt Hr. Zehnder, sie sei lediglich durch die Richtung
der Magnetisirung bestimmt. Einer Regel in dieser unbe-
schränkten Form kann ich nach meinen Erfahrungen nicht
beistimmen. Sie gilt, wie ich angegeben habe, unzweifelhaft
für die Grenzf&Ue, d. h. wenn eine gewisse Magnetisirung
überschritten ist; bei schwachen Magnetisirungen lässt sich
aber der Effect häufig nicht nach derselben bestimmen.
VI. Veber Deformatiansströnief von L. Zehnder.
(Aus den Sitzungsber. der Würzburger ph7s.-med. Ges.; mitgetheilt
vom Hm. Verf.)
Hr. G. Wiedemann berichtet in seiner Lehre von der
Electricität^) über die von ihm beobachtete Erscheinung, dass
ein Magnet sich tordirt, wenn ein electrischer Strom in der
Richtung seiner Axe durch denselben geleitet wird. Aehn-
liehe Versuche wurden von den Herren Villari^ und Gore*)
ausgeführt. Hr. Knott*) fand, dass diese Torsion bei Nickel-
13 G. Wiedemann, Electr. 3. p. 689. 1883.
2) Villari, Nuov. Cim. 27.; Pogg. Ann. 137. p. 569. 1869.
3) Gore, Proc. Roy. Soc. 22. p. 57. 1874.
4) Knott, Proc. Roy. Soc. Edinb. 1882-1888. p. 225.
Deformationutrdme. 69
drahten grösser und entgegengesetzt sei als bei Eisen. Viel
froher wurde die umgekehrte Erscheinung von Hm. Mat-
tencci^) entdeckt, welcher magnetisirte Eisen- und Stahl-
stftbe tordirte und dadurch in den Stäben selbst electrische
StrBme erhielt Hr. Ewing^ wiederholte und erweiterte
diese Versuche mit weichen Eisendrilhten. In jüngster Zeit
erschienen zwei Arbeiten von Hrn. Braun *) über Ströme,
welche er beim Ausziehen und Zusammendrücken von Nickel-
nnd Eisenspulen in denselben beobachtet hat, und welchen
er den Namen „Deformationsströme^ beilegt
Wiewohl Hr. Braun bei der Torsion von Nickeldrähten
anfiLnglich keine, dann später schwache Ströme bekam, von
denen er bemerkt, dass dieselben für die Deutung der von
ihm beschriebenen Erscheinungen ohne Belang seien, hielt
ich namentlich mit Bücksicht auf die oben erwähnten Kno ti-
schen Versuche eine Untersuchung des electrischen Verhal-
tens von magnetisirten Nickeldrähten, die einer Torsion
unterworfen werden, nicht für aussichtslos. Die Ergebnisse
dieser Untersuchung gestatte ich mir in kurzen Zügen mit-
zutheilen.
Aus vielen, unter häufig geänderten Bedingungen ange-
stellten Versuchen ergab sich folgendes Resultat:
Ertheilt man in irgend einer Weise einem gestreckten Nickel*
drahte eine normale schwache oder kräftige permanente Magneti'
sbrung und tordirt den in der Ost- Westrichtung horizontal aus-
gespannten Drahty sodass die Parallelen der Drahtaxe in Rechts-
Schraubenlinien übergehen ^ so erhält man in dem Draht einen
electrischen Strom in der Richtung vom Südpol zum Nordpol;
und umgekehrt bei Detorsion, resp, entgegengesetzter Torsion,
Weiche und durch Ziehen im Ziebeisen gehärtete Drähte
verhalten sich in Bezug auf die Stromrichtung gleich, da-
gegen sind die Stromstärken, den verschiedenen magnetischen
Momenten entsprechend, verschieden. Auch nimmt bei wei-
chen Drähten nach wiederholter Torsion die Stromstärke
1) Matteucci, Ann. de chim. et de phjs. (3) 58. p. 885. 1858.
2) Ewing, Proc. Roy. 8oc. 36. p. 117. 1884.
3) Braan, Wied. Ann. 37. p. 97. 1889. Dieselben wurden vor etwa
einem Jahre der k. Academie der Wissensch. in Berlin vorgelegt.
70 L. SSehnder.
und gleichzeitig das magnetische Moment rascher ab, als bei
harten Drähten.
Wickelt man einen solchen der Länge nach magneti-
sirten Nickeldraht zu einer Spule und sorgt daf&r, dass bei
dieser Deformation die Längsmagnetisirung möglichst wenig
geändert wird, so erhält man durch Ausziehen und Compri-
miren derselben die von Hm. Braun beschriebenen StrOme.
Da nun beim Dehnen oder Oomprimiren einer Spule in der
Bichtung ihrer Axe der Draht eine Torsion um seine Mittel-
linie erleidet, so liegt die Vermuthung nahe, dass die von'
mir gefundenen Torsionsströme und die Braun'schen De-
formationsströme eine und dieselbe Ursache haben. Vielleicht
sind die letzteren sogar identisch mit den TorsionsstrOmen»
Wenn man wenigstens die Richtung der Deformations- und
Torsionsströme miteinander vergleicht, so überzeugt man
sich leicht, dass die Deformationsströme sehr wohl Torsions-
ströme sein können. Auch ihre Stärke ist — soweit die
vorläufigen Beobachtungen einen Schluss gestatten — nicht
so verschieden, dass man in dieser Verschiedenheit einen
Grund gegen die obige Anschauung erblicken könnte.
Es kommt noch hinzu, dass ich bis jetzt nicht die lieber»
Zeugung habe gewinnen können, dass das öftere Ziehen eines
Nickeldrahtes durch ein Zieheisen die nothwendige Vor-
bedingung sei, um eine wirksame Spule herzustellen, wie
Hr. Braun namentlich in seiner ersten Mittheilung anzu-
nehmen scheint. Die Richtung, in welcher der Draht durch
das Eisen geht, halte ich für gleichgültig, dagegen für maass-
gebend die Lage der Pole, welche der Draht beim Durch-
gange durch das stets magnetische Eisen erhält. Als Beleg
für diese Ansicht führe ich folgende Versuche an:
Das von mir benutzte zwischen Holzbacken eingespannte
Zieheisen wurde unter dem Einflüsse der Erde magnetisch»
Nachdem durch dasselbe ein Draht zu wiederholten malen ge-
zogen war, lag am oberen Ende desselben stets ein Südpol, am
unteren stets ein Nordpol; durch Umdrehen des Eisens konn-
ten die Pole im Eisen gewechselt werden. Ich zog nun mit
Messingklemmen angefasste Drähte durch die oberen Löcher,
kehrte dann das Eisen um und zog durch dieselben jetzt
unten gelegenen Löcher andere Drähte; bei den ersteren fiel,.
DeformatiofUitröme. 71
wie bei Hm. Braun, Sfldpol und Zagende zusammen, bei
den letzteren dagegen lag der Südpol am zuletzt durdi
das läsen gegangenen Drahtende. Diese Dr&hte wurdän
ohne weitere Magnetisimng auf Torsionsströme untersucht
und dann zu Spulen gewickelt Dabei ergab sich, dass die
aus den ersten Drähten gewickelten Spulen Deformations-
strOme in der von Hm. Braun angegebenen Richtung er-
zeugten, dass dagegen aus den zweiten Drähten gewickelte
Bechtsspulen beim Ausziehen Deformationsströme ergaben,
die nicht mehr gegen die Zugrichtung flössen, wie es nach
der Braun*schen Regel hätte sein müssen, sondern umge-
kehrt. Auch war es leicht möglich, gezogene Drähte umzu-
magnetisiren und damit die Richtung der Ströme umzukehren.
Nach meinen Versuchen hängt somit die Stromrichtung nicht
Ton der Zugrichtung, sondern lediglich von der Lage der
auftretenden Magnetpole ab.
Phys. Inst der Univ. Wtirzburg, 19. Juni 1889.
VII. Veber das Verhalten des LichUithers
hei den Bewegungen der Erde;
van Th» Des Coudres.
(Hierin Taf. 1 Flg. 6.)
Genau in der Mitte zwischen zwei ganz gleichen und
mit einem Galvanometer zu einem Stromkreise verbundenen
Inductionsrollen B und C von entgegengesetzter Wickelung
befinde sich eine primäre Spirale A, Solange das System
ruht, werden sich die durch Umkehrungen des primären
Stromes A in B und C geweckten electromotorischen Kräfte
in ihrer Wirkung auf die Nadel des Galvanometers aufheben.
Wir denken nun die drei Drahtkreise etwa infolge des Fort-
rückens der Erde im Welträume mit der Geschwindigkeit v
in der Richtung von B nach C bewegt und setzen dabei das
umgebende Medium als absolut ruhend voraus. Beträgt dann
die Fortpflanzungsgeschwindigkeit electrodynamischer Induc-
tionswirkungen in diesem Medium F, so wird die Wirkung
72 Th. DeM Omdres.
(bei kleinen Dimensionen der Bollen gegen die Abstftnde wenig-
stens und in erster Ann&hemng) derselbe sein, als ob die Bolle
BumvIV des wahren Abstandes nfther an die Mittelrolle her«
angerückt w&re, C sich um ebensoviel von ihr entfernt h&tte.
Lassen wir durch Drehung des Systems um 180^ die Be-
wegung in der Bichtung von C nach B erfolgeui so würden
im Qegentheil die in C inducirten Ströme die Oberhand
erhalten gegenüber den entgegengerichteten Inductionsströ-
meuy welche von B ausgehen.
Der Versuch y die astronomischen Bewegungen der Erde
in der angegebenen Weise mit einer Inductionswage that-
sächlich bemerkbar zu machen, sollte für den Fall eines
positiven Ergebnisses die schon oft ^) experimentell und theo-
retisch in Angriff genommene Frage entscheiden | inwieweit
der sogenannte Licbt&ther an den Bewegungen der ponde-
rabelen Massen des Erdkörpers Antheil nimmt. Einige mit
allerdings unpassend gewählten Mitteln (Telephon, Disjunctor)
angestellte Vorversnche machten jedoch ein negatives Besul-
tat sehr wahrscheinlich, und eine weitere Verfolgung des Gegen-
standes wurde schon fast aufgegeben, als die Abhandlung des
Hm. Hertz*) über die Ausbreitungsgeschwindigkeit der eleo-
trodynamischen Wirkungen erschien. War die bei unserem Ex-
perimente gemachte Grundvoraussetzung, dass sich electro-
dynamische Induction mit einer von der Lichtgeschwindigkeit
nicht sehr verschiedenen Geschwindigkeit fortpflanze, bislang
eine unbewiesene Hypothese gewesen, so erhoben die Hertz'«
sehen Experimente dieselbe zur Thatsache. Dadurch gewann
auch ein negativer Ausfall unseres Versuchs einiges Interesse,
und ein möglichst exacter Nachweis, bis zu welcher unteren
Grenze unbedingt keine Wirkung eintritt, erschien wün-
schenswerth.
Bei der praktischen Ausführung der angegebenen Ver-
suchsidee empfahl es sich zunächst, den primären Strom
1) ZuBammenfassendeUebersichten geben besonders Retteler,A8troiL
Undulationstheorie, Bonn 1878; Mascart, Ann. de Töcole norm. (2) !•
p. 157. 8. p.363. 1871—1874; A.Lorentz, Arcb.N^erl. 21. p. 103. 1887.
Die jüngste Arbeit über unseren Gegenstand ist von Micbelson
und Morlej, Sill. Joum. 34. p. 333. 1887. Hingewiesen sei noch auf
Maxweli's Artikel „Ether" in der EncycL Britt.
2) Hertz, Wied. Ann. 34. p. 551. 1888.
VerkaUen des Liehiaihen bei den Bewegungen der Erde. 73
durch die Seitenspiralen B und C gehen zu lassen und die
mittlere Spirale A als secund&re Spirale mit dem Galvano*
meter zu einem Stromkreise zu schliessen. Es brauchte in
dieeem Falle das Galvanometer nicht so weit entfernt zu
werden, um dem directen Einflüsse des prim&ren Stromes
entzc^^en zu sein. Auch der Bereich, in welchem etwaige
Saenmaesen einen störenden Einfluss auf das magnetische
Feld in der N&he der secundären Kreise ausübten, wurde
dadurch wesentlich verkleinert Die Yersuchsanordnung ist
ans der schematischen Zeichnung Tai I Fig. 6 ersichtlich.
Die linke Seite ist als verticaler Schnitt, die rechte als
GmndriBS zu verstehen.
Sowohl die prim&ren Hauptrollen B und C als die secun-
dire Bolle Ä sind runde Scheiben von 40,5 cm Durchmesser und
3^ cm Dicke aus altem Eichenholze. Der Canal fCLr die Draht-
windungen ist 2,3 cm breit und so tief, dass der Radius der un-
tersten Drahtlage 14,5 cm, derjenige der äussersten 19,5 cm be-
trägt. A ist mit 900 Windungen 0,75mm starken seideumsponne-
nen Kupferdrahtes bewickelt Die primären Spulen tragen
je 140 Umgänge von 2 mm dickem, gut isolirtem Drahte,
um eine möglichst unveränderliche relative Lage der drei
Sollen zu sichern, waren durchbohrte Holzklötzchen zwischen
den Bollen eingeschaltet^ welche dieselben in den gewünsch-
ten Abständen hielten. Die Rollen und die dazwischen be-
findlichen Klötzchen wurden sodann aneinander gepresst
mittelst hölzerner Muttern, die auf drei durch die Rollen
und die Holzklötzchen durchgeführte Holzstäbe aufzuschrau-
ben waren, in der Weise, wie es die Figur zeigt. Bei den
definitiven Messungen betrug der Abstand der Scheiben-
mitten 15,9 cm. Ein genaueres Ausgleichen der Inductions-
wirkungen der Seitenrollen auf die Mittelrolle konnte natür-
lich so nicht erzielt werden. Es befand sich vielmehr zunächst
im primären Stromkreise noch die Hülfsrolle E von 30 Win-
dungen 2 mm starken Drahtes. Derselbe war in 1 cm breiten
Lagen von 6,2 cm mittlerem Radius aufgewunden. Auch die
HülfsroUe ist mit den grossen Scheiben verscbraubt, und
durch zwischenschiebbare dünne Foumirbrettscheibchen f
konnte ihr Abstand von der Rolle C millimeterweise geän-
dert werden. Hierdurch Hessen sich die von beiden Seiten
74 Th. Des Coudres.
auf die Scheibe A ausgeübten Inductionskr&fte auf wenig-
stens 1:8000 ihres Einzelbetrages gleich machen. Die wei-
tere Ausgleichung geschah mit der CompensationsroUe D.
Von denselben Dimensionen wie die Rolle Ej aber mit
400 Windungen 0J5 mm dicken Drahtes bewickelt, war
sie mit einer Schraubenmutter direct an die Scheibe B
angepressi Durch diese Bolle E wird nur ein zu beiden
Seiten des Widerstandes W abgezweigter kleiner Theil des
Hauptstromes geleitet. Die Stärke des Stromzweiges kann
mittelst eines in seine Bahn eingeschalteten Stöpselrheosta-
ten auf das genaueste so abgeglichen werden, dass sich bei
Commutation des primären Gesammtstromes die electromo-
torischen Kräfte der Induction in A aufheben. Der Wider-
stand W betrug 0,2055 und war aus zwölf parallel geschal-
teten nackten Neusilberdrähten von je 0,91 cm Länge her^
gestellt. Sie sollten möglichst wenig durch den Strom erwärmt
werden. Ausserdem war es zum Erzielen einer Strom-
theilung in constantem Verhältniss geboten, den Strom schon
längere Zeit vor einer Versuchsreihe circuliren zu lassen
und ihn während der Messungen nicht dauernd zu unter-
brechen, sondern nur rasch zu commutiren.
Es galt weiter, ein leichtes, möglichst erschütterungs-
freies Drehen der Inductionswage um eine verticale Axe zu
ermöglichen. Das ganze System ruhte zu dem Ende auf einem
sehr starken Grundbrett. Von diesem gingen Stricke in
die Höhe, welche, erst durch einen rechteckigen Rahmen ge-
führt, sich dann zu einem Stricke vereinigten. Mittelst
dieses Strickes konnte der ganze ßollenapparat durch ein*
faches Verstellen eines hölzernen Hebels gehoben und schwe-
bend erhalten, und ebenso einfach nach erfolgter Drehung
wieder zu festem Stande auf seine Filzunterlage nieder-
gelassen werden.
Zur Messung der Inductionsströme diente ein Thom-
son'sches Zweinadelgalvanometer von Carpentier mit vier
Rollen von 5 Ohm Widerstand. Es wurde die Multipli-
ciitionsmethode angewandt. Durch Entfernung des dämpfen-
den Glimmerblättchens Hess sich die ballistische Empfind-
lichkeit bei 1 Secunde Schwingungsdauer für Stromstösse von
0,0225 Mikrocoulomb auf 10 mm Maximalausschlag steigern.
Verhalten des Uehtäihers bei den Bewegungen der Erde. 75
(nach beiden Seiten zusammen), wenn der Scalenabstand
2|85 m betrag. Es lehrten das Bestimmungen mit einem
kleinen Erdinducton Das Potential einer der grossen pri-
mären Bollen auf die secundftre berechnet sich bei 15,9 cm
Abstand der Mittelebenen aus den Dimensionen zu 117 . lO'^ cm«
Der Widerstand des secundären Kreises betrug im ganzen
45,8 Ohm, und in der That gab die Commutation eines
Stromes von 10 Mikroamperes in der primären Rolle B
durch Multiplication eine Galvanometerschwingungsweite von
10 mm (erster Ausschlag 2 mm) im secundären Ejreise.
Sämmtliche in der Figur der Uebersichtlichkeit halben
parallel nebeneinander gezeichneten Drähte waren in Wirk-
lichkeit umeinander gedreht und so geführt, dass keinerlei
Femwirkung von ihnen ausging. Der Abstand des Galva-
nometers von den Bollen betrug 17 m. Selbst bei einer
Stärke des primären Stromes von 5 Amperes war in keiner
Stellung eine Spur directer Wirkung auf das Galvanometer
vorhanden. Aus dem Bereiche der Kugel von 2 m Badius
um das Bollensystem waren jegliche Eisentheile (z. B. Nägel)
entfernt.
Was nun die Art und Weise der Beobachtung angeht,
so wurde an dem Bollensysteme und seiner Umgebung wäh-
rend einer Versuchsreihe durchaus nichts geändert, und die
Grösse, um deren Ermittelung bei verschiedenen Orien-
tirungen der Inductionswage es sich handelte, war derjenige
Bheostaten widerstand R^^ bei welchem die Bichtung des
Galvanometerausschlags in Bezug auf die Bichtung der Com-
mutatorbewegung das Zeichen wechselte. Da bei Schwin-
gungsweiten unter 2 mm das Umlegen des Commutators im
richtigen Momente schwierig wird, so war Rq durch Inter-
polation, resp. Extrapolation zu bestimmen. Es wurden zwei
Nachbarwiderstände von Rq so gewählt, dass die ihnen ent-
sprechenden maximalen Ausschläge y mehrere Millimeter
betrugen. Bis zu 10 mm Ausschlag war die Constanz der
Schwingungsweite durch 50 Commutationen immer erreicht.
Das Interpolationsverfahren gab zugleich eine fortlaufende
Controle der Empfindlichkeit.
Aus den für zwei Bichtungen, z. B. Ost und West,
gefundenen Werthen von Rq in Ohm folgte dann der
76
Th.Dei Caudret.
Bruchiheil, um welchen sich der InductionscoSfficient jeder
der grossen prixn&ren Scheiben auf die second&re Bolle in*
folge der Drehung von Ost nach West ge&ndert hatte:
'""^Slr * ^^W ^ ^«206 X 0,881 .
Es ist 0y2065 der Widerstand der Brückenleitung fF in
Ohm; 8,88 der Widerstand der CompensatorroUe mit Zu«
leitungen, 0,8314 ist das experimentell bestimmte Verhftltniss
der Inductionscog£Gicienten M{D auf A):M{B auf A).
Gleich die ersten Vorversuche zeigten, dass sowohl bei
ruhig stehenden Bollen, als besonders wenn dieselben bei
der n&mlichen Orientirung ab und zu gehoben und wieder auf*
gesetzt wurden, erhebliche Aenderungen von Rq mit der Zeit
statt hatten. Auf die muthmasslichen Gründe dieser Beob*
achtungsstörungen sei nicht weiter eingegangen. Jeden&Us
zeigten dieselben im allgemeinen eine gewisse St&tigkeit, und
in diesem Falle konnte ihr Einfluss durch längere Beihen
in möglichst kurzen Intervallen aufeinander folgender Mes-
sungen bedeutend abgeschwächt werden. Als Beispiel sei
eine beliebige Versuchsreihe aus dem Beobachtungshefte
herausgegriffen.
7. Juli. Stromstärke 2,3 Amp. Bolle D im selben Sinne
wie B wirkend. Mittag.
Zeit der
Beobachtung
Bichtong der
Bolle D nach
W 49'
— 52
— 55
— 57
8
2
12
W
0
W
270
275
270
270
275
Bo
+ 7
- 3,5
+ 6
+ 15
+ 15
+ 7,5
273,3
278,8
f
Die Bollen erschüttert.
18
W
20
—
23
0
24
^—
26
—
28
—
30
—
32
—
35
w
36
— ^
39
0
265
- 4
260
+ 8,5
—
+ 10,5
265
- 2,5
262
+ 8,5
263
+ 9,5
265
+ 6
269
- 3
- 2
+ 8
265
—
+ 14
280
263,3
264
267,7
267,4
VerhaUen de$ Lichtäiken bei den Bewegungen der Erde. 77
Zeit der
1 Bichtmur der
^r
^
Bedhaelitnng BdUeDnach
r
^
12^ 41'
— 42
0
270
276
+ 6
— 4
1 278
— 45
W
—
- 5
278,8
— 47
— 49
0
270
— 4
+ 8
1 278^
— 52
W
—
+11
— 54
—
276
+ 8
— 56
— 58
^^^
280
275
- 3
+ 7
1 278,5
— 60
0
—
+ 10
280
1 2
w
—
+ 8
279
— 5
0
—
+ 12
281
— 7
w
—
+ 11
280
Mittel Yon 28; in der Westrichtang JS^^ » 274,4
9» n n n n OltrichtODg •^(O) '^ 278,9.
Von den übrigen Messungsreihen mögen die Mittel-
werthe für R^ folgen«
0
W
N
S
4. Juni Mittag
5. Jani Mittag
^^ Abend
\(J^ Abend
Mittag
Mittag
Mittemacht
Mittag
4^ Nachmittag
6 Abend
10 Abend
11^ Abend
6^ Abend
Daraus berechnet
sich z. B.:
6. Jimi
7. Juni
7. JaH
14. JuU
15. JnU
}
814
204
270
588
486
885
437
273,9
441
476
1380
1195
810
208
270
548
487
886
438
274,4
435
478,6
1880
1210
804,5
196
265
830
304
194
261
330
367,1
1195
865,1
1240
SO
MW
471,5
474
8W
NO
1480
1500
<^M(Ort.we.t) 0,30.10-«
„ „ -0,44.10-«.
am Mittag
Mitternacht
Während einer kurzen Beobachtungsreihe gestattete es
der Zufall, mit unverzweigtem Strome zu arbeiten.
15. Juli. Mittags.
Ry = cx). Empfindl. 1 mm = 0,88 . 10-« M[Aj B).
0
SO
S
SW W NW
N
NO
Schwingungsweite ; +6,5
MiBÄ) - MiBC)
+2
+5,72+1,76
-4
-3,5
+4
+ 5,5
+ 4
+ 1
-1,5
+ 6
0
+?;s2+^8l
-3.52; .350 +*M
MiBA) I • "■■ • "'" -3,081 + ^'^'' +3,52
dmO-W) (i3f(S0-NW) rf Jf(S-N) <iJl£(SW-NO)
+0,77.10-« +0,88.10-« -1,43.10-« -1,14.10-«.
78 7%. Des Coudres.
Dass die Einstellangen in der Nordsüdrichtnng immer
im selben Sinne von denen in der Ostwestrichtung abwei-
chen, aber ohne bei Drehung um 180^ das Zeichen zu wech-
seln, mag seinen Grund in dem magnetischen Einflüsse einer
gusseisernen Säule gehabt haben^ welche sich ein Stockwerk
tiefer nach Süden zu von unserem Bollensysteme befand.
Im übrigen ist aus den mitgetheilten Zahlen zu schliessen,
dass die Induction einer der primären Scheiben auf die Mittel-
scheibe bei einer Drehung um 180^ sich wohl nur um weniger
als ein Milliontel ihres Betrages geändert haben kann.
Was folgt daraus ftir die relative Bewegung der Erde
gegen den Lichtäther an ihrer Oberfläche? Sei q die Ge-
schwindigkeit, mit welcher sich zwei coaxiale Inductionskreise
in Richtung ihrer Verbindungslinie gegen das umgebende
Medium bewegen — die Lichtgeschwindigkeit als Einheit an-
genommen.— Es wird alsdann die Aenderung desInductionscoBf-
ficienten des primären auf den secundären Kreis, wenn 9 in —7
übergeht mit Vernachlässigung der Glieder höherer Ordnung
2qjy(cos€ cos &lr) ds ds' betragen, wo 1^ der Winkel ist,
welchen die Verbindungslinie von ds und ds' mit der Axe bildet.
Bezeichnet b den Abstand der koaxialen Drahtkreise — die
Radien gleich eins gesetzt — dann reducirt sich das Doppel-
st
integral auf Jf{co% e . blr^)dsds'=^2nJcosq)l{l+b*l2 — cosy) d(p
« 2;i» ([2 + i^] / 1/4 + ^2 - b). Wir entnehmen M aus Max-
well's Tabelle^) und erhalten so für unseren Apparat:
Nun beträgt aber die Geschwindigkeit der Erde um die Sonne
10-*, die Geschwindigkeit Leipzigs infolge der Rotation etwa
0,98 . lO""*. Wenn der in der Einleitung auseinandergesetzte Ge-
sichtspunkt richtig ist % und unser Versuch gleichsam aufgefasst
werden kann als die Uebersetzung eines 1852 von Fizeau für
strahlende Wärme vorgeschlagenen Versuches') ins electrodyna-
1) Maxwell, Lehrb. d. Elect u. d. Magn. 2. p. 609.
2) Wenn insonderheit die Anwendung der Neumann*8chen Form des
elcctrodynamiBchen Elementargesetzes auf unsere Vcrsuchsanordnung statt-
haft ist, was wohl nahe liegt, aber beim heutigen Stande unserer Kennt-
nisse nicht ohne weiteres behauptet werden kann. Wir kennen zu wenig
die Vorgänge im stromdurchflossenen Leiter.
3) Fizeau, Pogg. Ann. 29. p. 652. 1833.
Verhauen des LichtaiherM bei den Bewegungen der Erde. 79
mische^ so folgt also aus unseren Zahlen^ dass die relative Be-
wegung des Lichtäthers zur Erde weniger als 1/200 der Oe-
schwindigkeit der Erde in ihrer Bahn um die Sonne beträgt.
Auch bei der Rotationsbewegung der Erde um ihre Axe muss
der Aether wenigstens zum Theil mitgenommen werden.
Dieses Besultat steht im Einklänge mit dem Ergebniss
desMichelson'schen Versuches über die relative gegenseitige
Bewegung von Erde und Lichtäther. ^). Es spricht dem-
gemäss f&r die Grundannahme bei der Stokes'schen Aberra-
tionstheorie, dass der Aether an der Erdoberfläche relativ
ruht Auf die Schwierigkeiten bei Durchführung dieser Hy-
pothese macht besonders Loren tz*) aufmerksam. Von Spe-
colationen, wie unser Beobachtungsresultat mit anderweitigen
Thatsachen und auf denselben fussenden Anschauungen in
Einklang zu bringen wäre, mag jedoch abgesehen werden.
Eine Wiederholung der Versuche zu einer anderen Jahres-
xeif) wird sich nur empfehlen, wenn es gelingen sollte (etwa
dordi Eingiessen der ganzen Inductionswage in Pech), die
Versuchsfehler noch wesentlich zu verringern.
Die Herren Michelson und Morley sprechen die
Hoffnung aus, es möchte sich vielleicht in freier Luft auf
hohen exponirten Berggipfeln eher eine relative Bewegung
des Aethers nachweisen lassen. Die Annahme ist wohl
wenig wahrscheinlich. Gäbe es indessen thatsächlicb irdische
Höhen 9 bei denen eine namhafte Bewegung des Aethers
g^en die festen Theile bestünde, so möchte ich folgenden
Versuch vorschlagen. Man bringt eine Marke auf der Berg-
spitze, (das heisst im Bereiche der Aetherbewegung), mit-
telst eines am Fusse fest aufgestellten Fernrohres zur Coin-
cidenz mit einem festen Punkte im Thale (etwa dem Faden-
kreuzschnittpunkte); es würden dann, mag die Aetherbewe-
gung ein Geschwindigkeitspotential haben oder nicht, im
Laufe von 24 Stunden aberrationsartige Verschiebungen der
Marke zu erwarten sein.
Phys. Inst, der Univ. Leipzig, im Juli 1889.
1) Michelson, Beibl. 5. p. 790 u. 12. p. 469. 1888.
2) Lorentz, Arch. NeerL 21. p. 112. 1887.
3) Wo der Winkel zwiBchen der Richtung der Erdbewegung in ihrer
Bahn und der Bewegungsrichtung des Sonnensystems sich geändert hat.
80 JET. Kayter u. C. Runge.
VIII. Veher die im galvanischen Lichtbogen
auftretenden Btxndenepectren der Kohle;
von H. Kayser und C. JEtunge.
(Mitgetheilt von den Herren Verfassern nach den AbhandL der BerL
Academie 1889.)
§ 1. Wenn man im galyanischen Lichtbogen zwischen
Kohlenstäben Elemente oder deren Salze yerdampft, um ihre
Spectra zu untersuchen, so legt sich fast stets über das Me-
tallspectrum eine Reihe von Banden, welche oft in sehr stö-
render Weise die Messung des Linienspectrums erschweren«
Jedenfalls ist man gezwungen, sich eine genaue Kenntniss
dieser Banden zu verschaffen, um nicht Metalllinien zu über-
sehen.
Dies war für uns die erste Veranlassung, uns eingehen-
der mit den Banden zu beschäftigen; bald aber traten noch
weitere Umstände hinzu, die unser Interesse erhöhten: die
Structur der Banden ist eine höchst eigenthümliche und
fast bei jeder eine andere. Dabei ist die Lagerung der Linien
in Tielen Fällen so regelmässig, dass man sich leicht veran-
lasst fühlt, den gesetzmässigen Zusammenhang zu suchen.
Auch der Ursprung der Banden ist noch eine offene Frage;
trotzdem über kein anderes Element so viele Untersuchungen
ausgeführt sind, wie über Kohle, herrschen über kein anderes
noch so viele Zweifel. Endlich ist von hervorragendem In-
teresse das Auftreten dieser Banden in ausserirdischen Spectren,
bei Kometen und bei der Sonne.
§ 2. Ausser dem Linienspectrum wird der Kohle heute
allgemein mit Ausnahme von französischen Spectroskopisten
ein Bandenspectrum zugeschrieben, welches Flammenspectrum
oder Swan'sches Spectrum genannt wird. Es wurde früher,
namentlich durch Angström und Thalen und durch Li-
ve in g und De war dem Kohlenwasserstoff zugeschrieben.
Dasselbe besteht aus fünf zusammengesetzten Banden, deren
Wellenlängen nach Angström und Thal6n und nach Watts
sind: 6187-5954; 5633—5425; 5164—5082; 4736-4677;
4 81 — 4232.^) Ausser diesen Banden sind im Kohlenbogen-
1) Die Wellenlängen sind hier wie im Folgenden, wenn nichts aus-
drücklich bemerkt ist, in Angst römischen Einheiten 10— ^mm angegeben.
Bwiidmupectrum der Kohle, 81
licht noch weitere im Blau, Violett und UltraTiolett vorhan-
den, welche sehr h&ufig neben den obigen f&nf auftreten. Sie
werden namentlich TonLiveing und De war dem Cyan zu-
geschrieben, w&hrend andere, z. B. Lockyer und H. W.
VogeP) sie f&r ein höherer Temperatur angehörendes zwei-
tes Bandenspectrum der Kohle selbst halten. Auch der eine
Ton uns hat diese Ansicht vertreten. *) Die Wellenlängen
der Banden sind nach Liveing und Dewar: 4600 — 4500;
4220-4150; 8884—8850; 8590—3550; 8370—8350.
Unsere Untersuchung bezieht sich auf diese Bandeu,
welche wir als Kohlenbanden und als Cyanbanden bezeichneo,
ohne mit letzterem ein entschiedenes Crtheil über den Ur-
sprang aussprechen zu wollen. Im galvanischen Lichtbogen
treten beide Arten von Banden sehr intensiv auf; nur von
der letzten Cjanbande bei 3370 haben wir niemals die ge-
ringste Spur wahrnehmen können, sodass wir ihre Existenz
im Kohlenbogen bezweifeln müssen. Beobachtet man die
sichtbaren Banden, während die Lampe brennt, so sieht man
ein eigenthümliches Schwanken der Intensität der beiden
Bandenarten: bald sind die Kohlenbanden, bald die Cyan-
banden heller; letzteres ist namentlich der Fall, wenn der
Bogen zischt. Diese Erscheinung kann zu der Ansicht ver-
leiten, dass man es in der That mit Banden derselben Sub-
stanz zu thun hat, wobei je nach der Temperatur die einen
oder die anderen die Oberhand haben.')
§ 3. Unsere Messungen sind sämmtlich an photogra-
phischen Aufnahmen gemacht worden. Wir benutzten ein
Bowland'sches Concavgitter von vorzüglicher Qualität; der
Krümmungsradius beträgt etwa 3620 mm; es besitzt 568
Linien pro Millimeter, im ganzen etwa 57700. Die Aufstellung
▼ar die bekannte nach Bowland's Angabe. Die Aufnah-
men geschahen in den ersten vier Ordnungen; zum Theil
1) H. W. Vogel, Verh. d. phys. Ges. zu Berlin. 7. p. 58. 1888.
2) H. Kay 8 er, Lehrb. d. Spectralanaljse p. 249.
3) Ausser den angegebenen Banden sind im gelben und rothen Theil
des Spectrums noch unzählige Linien vorhanden; dort liegen auch einige
Banden, die nach der Seite der kurzen Wellen ihre Kante haben, und
welche H. W. Vogel für die wahren Cyanbanden ansieht Diesen Theil
haben wir, als nicht genügend photographirbar, nicht näher untersucht
▲an. d. Pbyt. o. Chetn. N. F. XXXVIII. 6
82 H. KayHT u. C. Runge.
wordOy um das Zusammenfallen der yersohiedenen Ordnungen
zu beseitigen, vor den Spalt ein Prisma mit gerader Durchsicht
gestellt, sodass der Spalt nur von der gewünschten Farbe ge-
troffen wurde. Wir haben wieder hauptsächlich Platten von
J. Gae dicke in Berlin benutzt; ftbr den grünen und gelben
Theil Eosinsilberplatten von Perutz in München und selbst
hergestellte Azalinplatten. Entwickelt wurde nur mit Bjdro-
chinon.
Zur Bestimmung der Wellenlängen haben wir bei einem
Theil der Platten über das Kohlenspectrum das Eisenspectrum
photographirt. Aus den bekannten Wellenlängen einer An-
zahl (10 — 20) über die ganze Platte vertheilter Eisenlinien
wurde der Maassstab solcher Platten mittelst der Methode
der kleinsten Quadrate ermittelt und dann für eine gleiche
Anzahl möglichst scharfer und isolirter Kohlenlinien die
Wellenlänge berechnet.^) Mit Hülfe dieser Linien wurden
dann in gleicher Weise die ohne Eisen photographirten Koh-
lenbanden ausgewerthet. Die Messung der Platten wurde mit
der früher beschriebenen Theilmaschine ausgeführt.
§ 4. Die Banden kehren sämmtlich ihre hellste Kante
dem rothen Ende des Spectrums zu ; jede Bande besitzt meh-
rere Kanten, 3 bis 7, die nach dem violetten Ende zu schwä-
cher werden. Von jeder Kante geht eine Linienreihe mit
wachsendem Abstand und abnehmender Intensität aus; wo
diese Reihen aufhören, lässt sich nicht sagen; bei genügender
Exposition kann man jedenfalls die von der ersten Kante jeder
Bande ausgehende Keihe bis zum Beginn der nächsten Bande
verfolgen, sodass keine Stelle des Spectrums von etwa A=620fi|Db
bis As 340 ^jii frei von Kohlenlinien ist; es sind demnach
sicher über 10000 vorhanden.
Die Structur der einzelnen Banden ist verschieden und
für jede charakteristisch. Von der ersten Kante aus sind
meist Doppellinien oder auch Triplets vorhanden, welche bei
abnehmender Wellenlänge zum Theil zu einer Linie ver-
schmelzen. Der Abstand zwischen je zwei Linien einer Reihe
nimmt von der Kante an zu von einem sehr kleinen, ein- bis
drei hundertstel Angström' sehe Einheiten betragenden
1) Vgl Kayser o. Runge, Abhaadl. der Bari. Acad. p. 22. 1888.
Bandempeetrum der KoUe. 88
Werthe; er erreicht ein Maximum, bleibt eine Zeit lang con-
stant und seheint dann rasch abzunehmen. Durch das Ueber-
ainanderfifillen der von den yerschiedenen Kanten ausgehen-
den Beihen wird das Bild sehr complicirt, sodass es äusserst
schwierig ist, die Zusammengehörigkeit der einzelnen Linien
zar Beihe herauszufinden. — Eine n&here Besprechung der
Banden ist ohne Tafeln^) nicht möglich.
§ 5. Es ist schon bemerkt, dass wir Yon der Ansicht
ansgingen, die Cyanbanden seien in Wahrheit Eohlenbanden.
Durch einige zu erwähnende Versuche sind wir aber veran-
lasst worden, diese Ansicht fallen zu lassen. Wir glauben
aber allerdings selbst nicht, dass die Frage dadurch entschie-
den sei; sie ist viel zu schwierig, wie man aus der darüber
in Menge yorhandenen Literatur ersieht, welche mit grösster
Gewissenhaftigkeit angestellte und doch zu entgegengesetzten
Besultaten ftüirende Versuche beschreibt, als dass auf so
einfachem Wege eine Entscheidung getroffen werden könnte.
Die Cyanbanden zeigen sich häufig in Geissl er 'sehen
Röhren, auch wenn möglichst sorgfältig jede Spur yon Stick-
stoff ausgeschlossen ist, und daraus hat man oft geschlossen,
die Banden könnten nur dem Kohlenstoff selbst angehören.
Aber Liyeing und De war wenden gegen diesen Schluss
mit Becht ein, dass es bekanntlich fast unmöglich sei, ein
Gras ganz zu beseitigen; von den Glaswänden, aus den Elec-
troden entwickeln sich immer wieder G-ase, und Spuren von
Stickstoff sollen genügen, das Eohlenstoff-Stickstoffspectrum
herrorzurufen. Demnach wird kein Versuch beweisend für
die Kohlennatur der Banden sein, bei welchem trotz ver-
meintlicher Ausschliessung des Stickstoffs die Cyanbanden
auftreten. Dagegen scheint uns der umgekehrte Versuch,
bei welchem bei Abwesenheit von Stickstoff die Cyanbanden
Ter schwinden, beweisend sein zu können für die Zugehörig-
keit dieser Banden zu einer Kohlen- Stickstoffverbindung.
Einen solchen Versuch haben wir in folgender Weise aus-
geführt: wir haben einen Block von Betortenkohle mit zwei
sich senkrecht in der Mitte des Blocks kreuzenden Bohrun-
gen versehen. Durch die eine Bohrung wurden die Kohlen
1) Siehe Kayser u. Bunge, Abhandl. der Berl. Acad. 1889.
6*
84 EL Kajf$er u. C Rtmge.
des Lichtbogens isolirt eingeftlfarty sodass sie gerade in der
Mitte des Blocks das Licht erasengten, welches , durch den
dritten Ereozarm anstretend, auf den Spalt fiel. Durch den
vierten Ereuxarm endlich konnte dem Bogenlicht ein Otts-
ström zugeführt werden. Dtest man nun einen kiftftigen
Strom von Eohlens&ure (aus einer Flasche mit flüssiger
Kohlensäure) zuströmen, so sieht man sehr schön die Cyan»
bände X = 422 (Aft, rerblassen und nach kurzer Zeit ganz ver-
schwinden. Sobald man den tStisstrom absperrt, ist sie wie-
der da, und so kann man sie beliebig verschwinden und ent-
stehen lassen durch Oeffhen und Schliessen des Hahnes»
Dies wird sich benutzen lassen, um bei Photographie der
ultravioletten Elementenspectren die vieles verdeckenden Cyan-
banden zu beseitigen. W&hrend die Cyanbande verschwindet^
bleiben die Eohlenbanden ganz unverändert oder gewinnen
vielleicht etwas an Helligkeit.
G-egen die Beweiskraft dieses Versuches liesse sich viel-
leicht noch einwenden, dass durch den starken Gkustrom eine
so bedeutende Temperaturemiedrigung im Eohlenbogen her-
Torgebracht werde, dass die höherer Temperatur entsprechen-
den Banden verschwinden. Wir haben daher einen noch
stärkeren Luftstrom durchgeblasen: derselbe lässt in sehr
auffallender Weise die Cyanbande heller werden, was sich
durch den reichlich zugefährten Stickstoff leicht erklärt
Wir sehen nicht, wie diese Versuche sich anders er-
klären lassen, als durch die Annahme, dass die betreffenden
Banden wirklich einer Kohlen-Stickstoff^erbindung ange-
hören.
§ 6. Zu der Annahme, das Cyanspectrum gehöre in Wahr-
heit dem Kohlenstoff an, waren wir früher hauptsächlich auch
durch den Umstand geführt worden, dass es in ausserirdischen
Lichtquellen auftritt.
Die Kometen zeigen bekanntlich meist einige Banden,
welche nach den wenig genauen Messungen mit den Kohlen-
banden coincidiren und stets mit diesen identificirt worden
sind, nur dass man früher diese Banden dem Kohlenwasser-
stoff zuschrieb. Von dem Kometen II des Jahres 1881 hat
Huggins eine Spectralphotographie erhalten, welche die
Cyanbanden zeigt, und zwar die Banden bei 422 und 888.
BatuUnipeeirum der Kokk. 85
Noch viel aa£EaUender ist indessen das Vorkommen der
Cjranbandan im Sonnenspectnun. Lockyer^) sprach zuerst
aos, dass sich unter den Fraunhofer' sehen Linien die
Binde 422 ^/lA finda Locky er sieht dieselbe für eine Koh-
lenbande an, und da ihm ein Bandenspectrum bei der Tem-
pezator der Sonne unwahrscheinlich schien, glaubte er, die
Hjpothese aufstellen zu müssen, eine Hülle yon Eohlendampf
umgebe in weiterer Entfernung die Sonne. Später Äusserten
Liyeing und Dewar^, die Banden 359 und 337 /i/iA seien
im Sonnenspectrum vorhanden. Endlich haben Trowbridge
und Hutchins') angegeben, die Bande 388 im Sonnenspec-
trum gefanden zu haben.
Da aber Beweise der Zahlenangaben für die Identität
der Kohlenbanden mit Fr aunho fernsehen Linien bisher nie
pablicirt worden sind, so haben wir die Cyanbande 388 in
der vierten Ordnung unseres CHtters neben das Sonnenspec-
tnun photographirt.
Die Identität der Liniengruppen ist wohl nicht zu be-
zweifeln; namentlich bei den ersten Kanten ist jede Kohlen-
linie im Sonnenspectrum vertreten. Weiterhin werden die
Kohlenlinien immer weniger intensiv, und diese schwächeren
Linien sind in der Sonne nicht mehr zu sehen. In dem
Bowland'schen Sonnenatlas tritt diese Bande ebenfalls deut-
lich hervor, und die dort abgelesenen Wellenlängen stimmen
bis auf die bei der Ablesung zu erreichende Genauigkeit mit
den von uns gemessenen überein.
Die Cyanbande 388 fjLu ist bei weitem die stärkste aller
Cyanbanden; es wäre daher nicht wunderbar, wenn sie allein
im Sonnenspectrum zu finden wäre. Es scheinen aber auch
die Banden bei 359 f^/x und bei 422 /iu im Rowland^schen
Sonnenatlas sichtbar zu sein; wenn auch viel schwächer.
Ueber die Anwesenheit der Kohlenbauden im Sonnenspectrum
kann man nach Bowland^s Atlas nicht entscheiden, aus-
genommen die Bande bei 616 [jlju, deren Hauptlinien in ihrer
charakteristischen Gruppirung auf dem neuerdings veröffent-
1) Lockjer, Proc. Roy. Soc. 27. p. 409. 1878.
2) Liveing n. Dewar, Proc. Roy. Soc. 80. p. 152. 1880.
3) Trowbridge u. Ilutchins, Proc. of the Amer. Ac. 33, p. 10,
und Amer. Journ. of Sc. 34« p. 345. 1887.
86 SL Kayser u. C Runge.
lichten zweiten Rowland'schen Sonnenatlas, wenn auch sehr
schwach und ein wenig verwaschen, so doch deutlich genug
auftreten, um ihre Identität sehr wahrscheinlich zu machen.
Wir haben somit die merkwürdige Thatsache, dass in
der Sonne nicht nur ein Bandenspectrum existirt, sondern
das Spectrum einer Verbindung, welche schon bei einigen
Tausend Grad dissociirt wird, was sich mit den üblichen
Annahmen über die hohe Temperatur der Sonne schwer ver-
einen l&sst Andererseits ist das Eohlensto£fmolecül, wie die
Veränderlichkeit der Atomw&rme zeigt, ein variables Gebilde^
und es wäre möglich, dass noch bei sehr hoher Temperatur
eine Eohlen-Stickstofihrerbindung existirt, welche wir nicht
kennen, deren Spectrum die Cyanbanden sind. Mit diesem
Namen soll ja selbstverständlich nicht gesagt sein, dass die
Banden wirklich dem Cyangase angehören. Lockyer's Hy-
pothese über den Ort, wo diese N- Verbindung sich finden
soll, hebt die Schwierigkeit keineswegs, sondern setzt nur
eine andere an ihre Stelle; denn durch welche Kräfte soll
das schwerere Gyangas sich über dem Wasserstofi befinden,
welchen man sonst in Verbindung mit anderen hypothetischen
Stoffen in der äussersten Schicht der Sonnenatmosphäre
annimmt?
§ 7. Die Bande bei 3883 zeigt eine so regelmässige
Lagerung der Linien, dass sich der Gedanke sofort aufdrängt,
das Gesetz, nach dem sie gelagert seien, müsse sich finden
lassen. Die Wellenlängen aller Linien sind so genau be-
stimmt — bis auf etwa 0,04! ihrer Grösse — , dass hier wohl
zum ersten mal die Möglichkeit vorliegt, genauer ein Gesetz
auf seine Richtigkeit zu prüfen.
Von Hrn. Deslandres sind Gesetze angegeben wor-
den \ nach welchen die Linien der Bandenspectren von Stick-
stoff, Kohle, Kohlenoxyd, Gyan und Jod näherungsweise an-
geordnet sein sollen. Diese Gesetze sind:
1) Jede Bande bestehe aus einer oder mehreren „iden-
tischen^' Serien, d. h. man erhält die Schwingungszahlen der
Linien jeder Serie der Bande, wenn man zu den Schwin-
gungszahlen der Linien einer Serie eine Constante hinzufügt
1) Deslandres, Compt rend. 108. p.375. 1886; 104. p. 972. 1887.
Bandetupectrum der Kohle. 87
2) Innerhalb einer Serie bilden die Differenzen von je
zwei aufeinander folgenden Schwingnngszahlen eine arith-
metische Progression; gibt man der Kante die Ordnungs-
zahl 0, und den folgenden Linien der Reihe nach die Ord-
nungszahlen ly 2, 3 . . ., so sei die Schwingungszahl der nten
Ldnie gegeben durch 1 /A« = a + bn\ wo a die Schwingungs-
zahl der Kante, b die Differenz zwischen der Schwingungszahl
der ersten Linie und der der Kante ist
3) Die yerschiedenen Banden desselben Spectrums seien
80 Terbunden, dass die ersten, zweiten u. s. w. Kanten aller
Banden einer Gleichung yon ähnlicher Form folgen, wie die
Gleichung einer Serie: 1/A = ^ + Sn + C?*', wo ^ S, C
Constanten sind, und f&r n aufeinander folgende Werthe der
Zahlenreihe einzusetzen sind.
Wir haben diese Angaben an unseren Messungen auf
ihre Sichtigkeit geprüft, aber sie nur in verschiedenem Grade
angenähert richtig gefunden.
Das erste Gesetz lässt sich an der Bande bei 3883
prüfen; sie besteht vermuthlich aus fünf Serien, die sich
übereinander lagern. Von diesen haben wir die drei ersten
herausgesucht.
Es zeigt sich, dass die Schwingungszahlen der zweiten
Serie merklich dichter folgen, als die der ersten Serie, die
Schwingungszahlen der dritten Serie wieder dichter, als die
der zweiten, während sie nach Deslandres die gleiche Ver-
theilung zeigen sollten. Der Unterschied der Schwingungs-
zahlen der 0. und 50. Linie nimmt von der ersten zur dritten
Serie um etwa 15 Proc. ab.
Eine bessere Uebereinstimmung haben wir bei dem zwei-
ten Gesetz von Deslandres: 1/^ = a + in* gefunden. Die
ersten 60 bis 70 Linien jeder Serie sind durch diese Formel
darstellbar mit etwa der Beobachtungsgenauigkeit. Verfolgt
man indessen die Linien noch weiter — und wir haben
die erste Serie bis zur 168. Linie mit Sicherheit erkennen
können — , so weichen die beobachteten Werthe bald sehr
stark von den berechneten ab. Diese Abweichungen der
Formel kann man durch Hinzufügung weiterer Glieder cor-
rigiren, welche höhere Potenzen von n enthalten. Führt man
so zu den zwei Constanten der Deslandres 'sehen Formel
88 IL Kayser tc C. Runge.
noch drei weitere Constanten ein, so kann man wieder eine
hinreichende üebereinstimmnng mit den beobachteten Wer-
then erreichen. Dabei scheint es anf eins herauszukommen,
ob man nur Glieder mit geraden Potenzen von n oder auch
solche mit ungeraden hinzunimmt. Durch die hinzutretenden
Constanten verliert die Formel an Werth einmal, weil sie
weniger einfach wird, und zweitens, weil mit jeder neuen
Constante die alten zwischen immer weiteren Grenzen schwan-
ken können, ohne die Werthe der Formel erheblich zu
ändern.
Zwei weitere Mängel dieser Formel sind die folgenden.
Für die letzten Linien, etwa von n s 160 an, genügt die
Formel doch noch nicht, es tritt eine entschiedene Abwei-
chung der berechneten Werthe von den beobachteten hervor,
zu deren Beseitigung man noch ein Glied mit einer weiteren
Constante einführen müsste. Ein zweiter auffallender Um-
stand macht sich am Anfang der Serie bemerklich: es treten
hier nämlich im Gange der Serie eine Anzahl von Linien-
paaren auf, von denen die weniger brechbare erbeblich stärker
ist Die Formel gibt aber jedesmal die schwächere Linie.
Die Doppellinien am Anfang einer Serie kommen mehr-
fach vor. Sie finden sich auch bei der zweiten und dritten
Serie der Bande 388 /i,a, bei der ersten Serie der Bande bei
422 juu und auch bei den Gruppen A und B des Sonnen-
spectrums. Liveing und Dewar bemerken daher mit Recht,
dass dies eine charakteristische Erscheinung vieler Ban-
den sei.^)
Wir haben uns bemüht, eine bessere Formel zu finden,
welche bei weniger Constanten dieselbe Uebereinstimmung
mit den Beobachtungen gibt, wie die ganze Function fünften
Grades von n.
Der Ausdruck:
i. =a + Ä(?<=»»8in(rfw2),
schliesst sich mit vier Constanten ebenso gut an. für die
letzten Linien sogar besser. Wir glauben aber, dass auch
in dieser Formel, trotz ihrer bemerkenswerthen Ueberein-
1) Liveing u. Dewar, Phil. Trans. 179, 1888.
BandeMpedrum der Kokk.
89
stimmimgy da8 wahre Gesetz nicht entdeckt ist Dasselbe
wird sich wohl nur aus theoretischen Betrachtungen folgern
lassen, und dann werden unsere Messungen zur Prüfung des-
selben dienen können.
Nach dem dritten Gesetz von Deslandres soll man
aus den Kanten dreier Banden die Kanten der anderen
Banden berechnen können. Wir finden auf diese Weise
durch Rechnung aus unseren Beobachtungen der drei Cyan-
banden bei 422, 388, 359/iiju, dass die ersten, zweiten und
dritten Kanten anderer Cyanbanden liegen sollen bei:
ber.
beob.
Beobachter
ber.
beob.
Beobachter
4595,97
4571,80
4551,41
4600
4574
4550
Watts
3340,17
3333,71
8880,56
8870
8850
Liveing
o. Dewar
Ebenso finden wir durch Rechnung aus unseren Beob«
achtongen der Kohlenbanden bei 563, 516, 414fifi:
ber.
beob.
Beobachter
ber.
beob.
Beobachter
6148,32
6085,46
6178
6119
Axigström
u. Thal^n
4349,00
4340,09
4381,93
4371,31
Kayser
u. Ruuge
Danach muss man zugeben, dass in Deslandres' drittem
Gesetz eine Annäherung an die wirkliche Vertheilung der
Banden enthalten ist Aber auch aus dieser angenäherten
Form, welche ja Deslandres bei allen untersuchten Ban-
denspectren bestätigt hat, kann man schon den wichtigen
Schluss ziehen, dass die beiden Arten von Bandea wirklich
80 zusammengehören, wie wir sie zusammeugestellt haben,
dass also speciell die Bande 438 ufi eine Kohlenbande, keine
Cyanbande ist. Liveing und Dewar haben sie früher zu
Cyan gerechnet, später aber ^) ihre Ansicht geändert. H. W.
Vogel rechnet sie noch zu den Cyanbanden.
§ 8. Die Wellenlängen der Kanten sind nach unseren
Messungen, wenn den Z)-Linien die Wellenlängen zu Grunde
gelegt werden: Z^^ = 5890,125, Z)2= 5896,080:
1) Liveing u. Dewar, Proc. Roy. Soc. 84. p. 418. 1883.
90
V. Klaä tf. Fh. Lenard.
L Kohlenbanden.
Zweite Bande
Dritte Bande
Vierte Bande
Fünfte Bande
1. Kante
2. ,f
3. 19
4. ))
5635,43
5585,50
5540,86
n.
5165,80
5129,86
Cyanban
4787,18
4715,81
4697,57
4684,94
den.
4881,93
4871,81
4365,01
Zweite Bande
Dritte Bande Vierte Bande
1. Kante
2. V
3. 99
4. 99
5. »
6. )»
Hanno
4216,12
4197,24
4180,98
4167,77
4156,17
4152,88
ver, im Ju
3883,55
8871,54
8861,86
3855,06
ni 1889.
8590,48
8585,95
8584,06
IX. lieber die JPhosphorescenxen
des Kupfers, Wismuths v/nd Mangans in den
ErdaikalisiUfiden;
van Virgil Klatt und Philipp Lenard.
(Hier» Taf. 1 Flg. 7-8.)
1. Es ist bekannt, dass die phosphorescirenden Sulfide
der Erdalkalien unter allen anderen ähnlichen Körpern das
längste helle Nachleuchten besitzen. Die Bereitungsweisen
solcher Phosphore wurden ausführlich von Ed. BecquereP)
und Förster^ angegeben, und ersterer studirte auch ihre
Eigenschaften.
Nach diesen Vorschriften hatten wir vor Jahren begon-
nen, Versuche über Bereitung phosphorescirender Sulfide zu
machen. Wir verwendeten dabei, wie die Genannten, lange
Zeit hindurch Kalk-, Strontian- und Barytminerale und auch
käufliche Salze als Ausgangsmateriale, und führten diese
auf den verschiedenen möglichen Wegen — immer, wie es
1) £d. Becquerel, La lumi^re. 1. p. 214 u. f. 1867.
2) Förster, Pogg. Ann. 183« p. 94 u. 228. 1868.
Pkotphoreseenz. 91
nöüiig ist, bei hoher Temperatur — in die Sulfide über,
welche dann in vielen Fällen phosphorescirten. Der Erfolg
— und dann auch die Farbe — hing selbst bei durchaus
identischer Bereitungsweise ganz von der Herkunft der ver-
wendeten, anscheinend gleichen Kalk-, Baryt- oder Stron-
tianverbindungen ab; also von Umständen, die man nicht
kannte.
Wir wollen hier mittheilen, was wir bezüglich derselben
bisher feststellen konnten, und uns hauptsächlich auf die
Kalkphosphore beschränken.
2. Man schrieb den Haupteinfluss auf die Helligkeit
und Farbe der Phosphorescenz solcher Sulfide deren physi-
kalischer Structur zu, welche sich jedoch genauer üontrole
entzieht, und daher nicht immer wieder in genau derselben
Weise herstellbar ist; — so erklärte man sich^) die Unbestimmt-
heit der Lichtemission.
Wir führen als Beispiele hierzu einige bei unseren nach
Becquerel angestellten Mineralversuehen gemachte Beobach-
tungen an; sie werden in dem später Folgenden ihre einfache
Erklärung finden. Klare Doppelspathkrystalle, fein pulverisirt
und mit Schwefel geglüht, gaben einen schwach grün leuch-
tenden Phosphor. Wurde der Doppelspath in Salzsäure gelöst,
mit kohlensaurem Ammoniak wieder ausgefällt und gut ge-
waschen, so erhielten wir beim Grlühen mit Schwefel eine oran-
ge gelb leuchtende Masse, während die Lösung desSpathes in
Salpetersäure unter sonst gleicher Behandlung grünlich-
gelbe Phosphorescenz lieferte. Sehr reine farblose Aragonit-
krystalle (bei welchen man nun wieder andere physikalische
Structur annehmen konnte, als bei den kohlensauren Kalken
der drei vorhergehenden Versuche) gaben auf keine Weise,
in Sulfid übergeführt, bemerkenswerthe Phosphorescenz.
Im allgemeinen lag die Phosphorescenzfarbe der aus ver-
schiedenen Kalken auf verschiedenen Wegen dargestellten
Sulfide in den Nuancen zwischen bläulichgrün und gelblich-
grün bis gelb; andere Farben waren selten und höchst un-
sicher zu erzielen. Wir waren indessen im Stande, diese
Phosphorescenzen durch erneutes Glühen mit verschiedenen
1) Vgl. Becquerel, 1. c. p. 214 u. f. u. Lommel, Wied. Anu. 30«
p. 474. 18S7.
92 V. KlaU tu Ph. Lenard.
Zusätzen nicht nur noch bedeutend heller su machen, son-
dern auch ihre Farbe abzuändern. Im weiteren wird von
diesen Zusätzen noch die Bede sein, wir führen hier nur
eine der Begelmässigkeiten an, die wir bezüglich ihrer Wir-
kung bei den Veruchen mit Ealkleuchtsteinen bemerkt hatten.
War nämlich die Phosphorescenz des Schwefelcalciums ohne
Zusatz grün mit gelblicher Nuance, so konnte sie durch
erneutes Glühen mit Zusatz von irgend einem Chlorid
(K, Na, NH^, Ca, Sr, Ba) in Orange übergeführt werden.
War sie dagegen grün mit bläulicher Nuance, so wurde sie
durch Zusatz eines Chlorides Bosa bis Purpur oder Lavendel-
violett Man sieht, dass grüne Phosphorescenz durch Glühen
mit den Chloriden zum Verschwinden gebracht werden konnte.
Durch Zusätze von schwefelsauren, schwefligsauren, unter-
schwefligsauren oder phosphorsauren Salzen wurde sie da-
gegen verstärkt Die mit Chloridzusätzen erhaltene violette
Phosphorescenz ist nicht identisch mit der blauvioletten der
Balmain'schen Leuchtfarbe, die später im Handel erschien,
obgleich dieselbe auch ein Ealkphosphor ist u. s. w.; wir konn-
ten ein solches Blauviolett mit keinem Ealkmineral erhalten.
3. Die Berücksichtigung der physikalischen Structur der
Sulfide lieferte uns keinen einzigen sicheren Anhaltspunkt
zu einem Zusammenhang mit der Lichtemission, und wir
erhielten einen solchen erst, als wir auf die chemische Zu-
sammensetzung des verwandten Materials aufmerksamer wur-
den. Obgleich wir nämlich oft aus Materialien, die man für
sehr rein halten musste, ziemlich helle Phosphore darstellen
konnten, fiel es doch auf, dass es nicht die reinsten Sub-
stanzen waren, welche die hellste Phosphorescenz lieferten.
Wir begannen daher, einige der Minerale, die besonders
helle Leuchtsteine ergaben, chemisch zu prüfen. Ein ska-
lenoedrischer Kalkspath, der, auf verschiedenen Wegen in das
Sulfid verwandelt, sich durch besonders helle, grüne Phos-
phorescenz auszeichnete, ergab bei der Analyse unter sehr
kleinen Spuren anderer Metalle auch eine Spur Kupfer.
Möglicherweise hatte dies die grüne Phosphorescenz verur-
sacht Wir fällten daher aus einer grösseren Menge Kalk
die Metalle aus und stellten aus dem so gereinigten Kalk
wie vorher Schwefelcalcium dar. Nun phosphorescirte es
Photphartscenz. 98
nur sehr achwach. Dieselbe Beinigang wiederholten wir mit
anderen Materialien, und in keinem Falle waren nach der-
selben die hellen Phosphorescenien wieder m erhalten. In der
Annahme, dass die grQne Phosphorescenz unseres skaleno6d-
rischen Kalkes durch das in ihm hauptsächlich enthaltene
Kupfer bedingt sei, best&rkte uns die damals yeröffentlichte
Untersuchung der Bai main 'sehen Leuchtfarbe durch Ver-
neuily welcher fand^), dass deren blaue Phosphorescenz
durch kleine Mengen Wismuth im Schwefelcalcium bedingt
werde.
Wir schlugen nun den entgegengesetzten Weg ein und
gingen Ton vorher besonders gereinigtem Kalk aus, um ihn
unter Zusatz verschiedener Metallyerbindungen in Sulfid zu
verwandeln und dabei ergaben sich ausser Wismuth auch
Kupfer und Mangan als in hohem Grade im Schwefelcalcium
Phosphorescenz erregende Metalle.
Wir reinigten uns den zu diesen Versuchen mit Metall-
zusätzen nöthigen Kalk, indem wir eine Lösung von sal-
petersaurem Kalk (Carraramarmor oder Kalkspath in Sal-
petersäure gelöst, sodass ein Theil ungelöst zurückblieb, und
filtrirt) mit einer kleinen Menge Schwefelammon versetzten,
filtrirten, die Lösung auskochten und kochend (damit der
Niederschlag möglichst fein zertheilt sei) mit kohlensaurem
Ammoniak ausfällten. Der gewaschene kohlensaure Kalk
wurde zu Oxyd gebrannt, weil die Umwandlung von Oxyd
zu Sulfid beim Glühen mit Schwefel leichter und vollstän-
diger vor sich geht als von Carbonat. Das so erhaltene
Sulfid gab, wie schon gesagt, bei wiederholten Controlver-
sachen (ohne Metallzusätze) auch mit Zusatz von unter-
schwefiigsaurem oder phosphorsaurem Natron geglüht, nur
ganz schwaches Leuchten; wenn es nach Belichtung am
Sonnenlicht rasch in das dunkle Zimmer zurückgezogen
wurde; war die Farbe unterscheidbar, so war sie ein schwaches
Grün.«)
1) Verneuil, Compt rend. 103. p. 600. 1886.
2) Vgl. Verneuil, Compt rend. 104. p.501. 1887, der bei der Dar-
Btellang des Wismuthphosphors auch von gereiDigtem Kalk ausging und
auch die Wirkung verschiedener Zusätze studirte. Ebenso vgl. £d. Bec-
querel. Compt. rend. 107. p. 892. 1888.
94 V. EJaä u. Ph. Lenard.
Die Quantitäten von Metallen, welche nöthig sind, um
jene schwache Phosphorescens sehr hell werden zu lassen,
sind, wie man sehen wird, so gering, dass ihnen gegenüber
die meisten chemischen Trennungsmethoden äusserst unvoll-
kommen erscheinen, und es ist daher sehr schwer, direct zu
untersuchen, ob vollkommen reines Schwefelcalcium überhaupt
phosphorescirt. Aus demselben G-runde gaben uns auch
sorgfältig ausgeführte Analysen^) von Materialen, welche
gewisse Phosphorescenzen besonders schön zeigten, nicht
immer brauchbare Anhaltspunkte über die Metallspuren,
welche hier etwa wirksam waren. Bei solchen Analysen wurde
derart verfahren, dass aus der Lösung der zu untersuchen-
den Substanz, ebenso aus der von den Schwefelwasserstoff-
metallen und von den Schwefelammoniummetallen befreiten
Lösung Schwefelcalcium dargestellt wurde und die Phospho-
rescenzspectren dieser drei Präparate miteinander verglichen
wurden. Es zeigte sich dann (bei Anwendung eines langsam
rotirenden Phosphoroskopes), dass durch das Ausfällen der
einzelnen Metallgruppen eine oder die andere der Banden
im Spectrum schwächer geworden war, und es war daraus
zu schliessen, dass die betreffende Bande zu einem Metalle
der betreffenden Gruppe gehörte. Zum yoUkommenen Ver-
schwinden waren die Banden durch die Ausfällungen nicht
zu bringen, es blieb immer eine stärkere Bande im Blau-
grün und mitunter noch eine schwächere im Orange übrig;
sie erschienen schwach im Phosphoroskop, stark jedoch im
Bereiche der Kathodenstrahlen in evacuirten Röhren. Nun
wird von diesen Banden die erste, blaugrüne, durch Kupfer,
die zweite, im Orange, durch Mangan ausserordentlich ver-
stärkt, wie unsere mitzutheilenden Versuche zeigen, sodass
sich ihr Auftreten in unserem gereinigten Kalksulfide durch
das Vorhandensein der Spuren dieser Metalle erklärt, welche
der gewöhnlichen chemischen Analyse entgehen; und kein
Hinderniss ist vorhanden, anzunehmen, dass die Phosphores-
cenz dieser Leuchtsteine ebenso wenig dem Schwefelcalcium
zuzuschreiben ist, als z. B. die Fluorescenz einer Eosinlösung
dem lösenden Alkohol.
1) Wir verdanken die Ausführung solcher Analysen Hm. Dr. 0.
Pavel in Heidelberg.
Phosphorescenz. 96
Ausf&hrliche Untersuchungen über andere phosphores-
cirende Substanzen mit ähnlichen Ergebnissen verdanken wir
Lecoq de Boisbaudran. Er brachte eine Reihe nicht oder
nur schwach phosphorescirender, sehr reiner Garbonate und
Sulfate durch Zusatz kleiner Mengen von Mangan oder Wis-
muth zu heller Phosphorescenz; ebenso Calciumoxyd durch
Kupfer u. s. £^) Auch hat Lecoq in einer sehr soi^^-
tigen Untersuchung gefunden, dass die rothe Phosphorescenz
der Thonerde nicht dem reinen Aluminiumozydy sondern den
Torhandenen Spuren von Chromoxyd entstammt.^ Je mehr
er die Thonerde reinigte , desto mehr verschwand die Phos-
phorescenz. In welch' geringer Menge das Chrom schon
wirksam ist, kann man daraus entnehmen, dass Lecoq, als
er die Lösung der sehr reinen Thonerde einige Tage in
böhmischem G-las stehen liess, er aus derselben schon wieder
Thonerde mit schwach rother Phosphorescenz erhielt. Es
muss indessen hinzugefügt werden, dass es Grookes, der
sich, wie bekannt, seit langer Zeit mit solchen Untersuchungen
beschäftigt, nicht gelang, durch Reinigung der Thonerde deren
rothe Phosphorescenz auch nur zum Abnehmen zu bringen.^
— Das Leuchten der phosphorescirenden Sulfate, Carbonate
und Oxyde dauert unvergleichlich viel kürzer als das der
Erdalkalisulfide.
4. Wir begnügten uns bei unseren Versuchen mit
Schwefelerdalkalien mit dem Grade der Reinheit, den wir
durch die erwähnte analytische Behandlung erhielten. Denn
um zu constatiren, ob ein zugesetztes Metall wirksam sei
oder nicht, benutzten wir blos die einfache Beobachtung nach
Zurückziehen des belichteten Präparates in das dunkle Zimmer,
und dabei resultirten in der That so helle Fhosphorescenzen,
dass dagegen die des gereinigten Schwefelcalciums ganz zu
vernachlässigen war.
Folgendes sind die Ergebnisse der Versuche mit Metall-
1) Lecoq de Boisbandran, Gomptrend. 103. p.468 u. 629. 1886;
104. p. 1680. 1887; 105. p. 45, 206 u. 1228. 1887; 106. p. 452, 1886,
1708 u. 1781. 1888.
2) Lecoq de BoisbaudraD, Gompt.rend. 103. p.ll07. 1886; 104.
p. 380, 478, 554 tu 824. 1887.
8) Grookes, Natare. 39. p. 542. 1889.
96 V. Oaa u. Fh. Lenard.
zns&tzeiiy welche ausserordentlich hell und anhaltend nach-
leuchtende Phosphore lieferten. Dieselben besitzen im Ver-
gleich mit den aus Substanzen von zuf&lliger Zusammen-
setzung (Mineralien) erhaltenen reinere und gesättigtere Far-
ben und sind immer wieder in derselben Beschaffenheit her-
stellbar.
Kupfer in Schwefelcalcium. Blaugrüne Phosphor-
escenz. Im Spectrum eine breite Bande mit dem Maximum
i SB 611.10-^ mm (etwa b^j^ F.). Schon ein Eupferzusatz*
äquivalent mit Viooooo ^^^ ^^ ^ Theil angewandtes OaO
gibt sehr helle Phosphorescenz. (Bei dieser grossen Empfind-
lichkeit darf es nicht Terwundern, dass die Bande des Kupfers
auch in dem gereinigten Materiale erschien.) Fügt man
mehr und mehr Kupfer hinzu, so nimmt die Intensität der
Phosphorescenz wieder ab; Vioooo ^^^ geben noch eine
weisse, gut leuchtende Masse; grosse Kupferzusätze machen
das Sulfid missfarbig und wenig leuchtend. Es war eine all-
gemein immer wiederkehrende Beobachtung, dass schmutzig
weiss gefärbte Massen unter keinen Umständen gut phos-
phorescirten; die hellstleuchtenden Präparate waren meist
fast weiss, und besassen nur eine zarte Färbung, die hier
beim Kupfer-Kalk-Phosphor eine sehr schwach hellbläulich-
grüne ist.
Es ist jedoch das Vorhandensein gewisser Zusätze nöthig,
um die Phosphorescenz des Kupfers nach Belichtung an der
Sonne^ selbst im Phosphoroskop (etwa Ysoo Secunden nach
der Belichtung) hell erscheinen zu lassen; ohne diese Zusätze
wurde sie nur durch die Kathodenstrahlen stark erregt Als
sehr passende Zusätze fanden wir für Kupfer-Kalk-Leucht-
steine 0,1 schwefelsaures Natron oder, fast ebenso gut wir-
kend, unterschwefligsaures, schwefligsaures oder phosphor-
saures Natron (NaHgPOJ. Die Mengenangaben beziehen
sich immer auf einen Gewichtstheil angewandten E^alk. Durch
diese Zusätze wird der Ort des Maximums im Phosphores-
cenzspectrum nicht geändert, nur dessen Intensität sehr
vermehrt
Wir wollen hier als ein Beispiel auch für die übrigen Phos-
phore die Bereitungsweise eines solchen Kupferleuchtsteins ge-
nauer angeben. Eine Portion (3 g) des gereinigten Kalkes wurde
FkaqAareseenz. 97
mit etwa Vs Volumen Scbwefelblumen verrieben und hierzu,
in etwas Alkohol yertheilt, die abgemessene Menge der
Kupferlösung gesetzt; sie war hier, wie auch bei den anderen
Metallen, eine salpetersaure. Das breiige Gemenge wurde
in einen Porzellantiegel eingetragen, bedeckt und über der
Bunsenflamme so lange erhitzt, bis die Beaction vollendet
und der überflüssige Schwefel abgehrannt, also die Masse
weiss geworden war. Sie ist nun leicht zerreiblich und kann
mit einem der erwähnten Zus&tze vermengt werden, worauf
sie noch eine Zeit lang stärker geglüht wird, was wir im
Platintiegel und Hemp ersehen Ofen ausführten (Dauer
hier etwa 20 Minuten). Es ist das schliessliche Erhitzen zu
starker Rothgluth nöthig, um die Phosphorescenzen sich hell
entwickeln zu lassen; dasselbe darf jedoch auch nicht zu lange
fortgesetzt werden, da sonst das Calciumsulfid schwefelärmer
wird. (Dagegen hilft erneutes Glühen mit Schwefel, was
auch durch Liegen an der Luft verdorbene Leuchtsteine
wieder herstellt) Nach dem Glühen mit dem Zusatz ist
die Masse härter und mehr oder weniger zusammenge-
backen.
Sowie aber die angegebenen Zusätze die Phosphorescenz
des Kupfers sehr befördern, so gibt es auch andere, welche sie
vernichten, und dies thun die Chloride (der Alkalien und Erd-
alkalien). Glüht man einen Kupferleuchtstein mit Zusatz von
(^orammon z. B., so verliert er den grössten Theil der Phos-
phorescenz. Dies rührt sehr wahrscheinlich davon her, dass
die geringen Spuren von Kupfer sich als Chlorid verflüch-
tigen. Wir bemerkten öfters beim Erhitzen von Kupfer-
leuchtsteinen mit Chloriden, dass die oberen Partbien im
Tiegel die grüne Phosphorescenz schon verloren hatten, wäh-
rend sie die unteren noch besassen, und dass erst lange an-
haltendes Glühen die grüne Phosphorescenz ganz zum Ver-
schwinden brachte.
Wir reihen hieran gleich zwei andere Phosphorescenzen
des Kupfers: im Strontium- und Bariumsulfid.
Kupfer in Schwefelstrontium. Phosphorescenz in-
tensiv gelbgrün mit einem Maximum bei A » 537 . 10~^ mm
[D^I^E). Da die Umsetzung in das Sulfid bei Strontium
mit mehr Energie erfolgt, als bei Calcium, gingen wir vom
Aon. d. Phyi. o. Chemie. N. F. XXXVIII. 7
98 V. KlaU u. Pk. LenarcL
Garbonate aus. ^/leooo ^^ 8^^ f^^ Besultate (die Mengen
auf ein Theil Strontiumcarbonat bezogen). Mehr Kupfer lästt
die Masse grau werden und nur schwach leuchten. Als sehr
wirksamen Zusatz verwandten wir Fluorcalcium (farblose
Flussspathkrystalle), etwa 0,03 Theile. Die Strontium-Kupfer-
leuchtsteine sind mehr gelbgrün gefärbt, als die Kalk-Kupfer-
phosphore. Chloride yermindem auch hier beim Glühen die
grüne Kupferphosphorescenz sehr, eben dasselbe thun alle
versuchten Bromide, Jodide, auch Cyankalium. Es blieb
jedoch, nachdem bei hinreichend starkem und langem Er-
hitzen das Grün verschwunden war, ein schwaches Blau
übrig, dessen Ursprung wir noch nicht verfolgen konnten.
Kupfer in Schwefelbarium. Phosphorescenz intensiv
tiefroth. Bothe Bande mit dem Maximum Xseiö.lO"^^ mm
(C Ve ^)« Auch hier gingen wir vom Carbonat aus. Die In-
tensität der Phosphorescenz nahm zu, bis wir Visooo ^^ ^^'
gesetzt hatten, aber selbst die dreifache Menge gab noch
stark leuchtende Massen, deren Farbe ein desto tieferes Gelb-
roth ist, je mehr Kupfer sie enthalten; diese Phosphore
leuchten selbst dann noch, wenn die Farbe eine br&unliche
ist. 0,05 schwefelsaures Kali oder Natron, ebenso 0,08 Fluor-
calcium erwiesen sich als sehr gute Zusätze, ohne welche auch
hier die Phosphorescenz verhältnissmässig nur schwach ist.
Chloride lassen die Kupferphosphorescenz verschwinden; statt
der rothen Phosphorescenz erscheint dann eine gelbe. Wir
konnten jedoch noch nicht entscheiden, welchem ausser dem
Kupfer hier noch etwa vorhandenen Metalle sie zukommt;
die Reinigung des Bariums und auch des Strontiums scheint
schwieriger zu sein, als die des Calciums.
Wismuth in Schwefelcalcium. Blaue Phosphore-
scenz. Im Spectrum eine Bande mit dem Maximum bei
A s= 455 . 10~' mm (ca. F^/^qG), ausserdem eine zweite, mit
der des Kupfers übereinstimmende Bande mehr oder weniger
hell zu sehen, die indessen kurz nach Aufhören der Belich-
tung verschwindet, während die erstere lange anhält. (Dass
die Kupferbande erscheint, war zu erwarten, da sie auch
unser Kalk ohne Wismuthzugabe schon zeigte.) Ein Zu-
satz von salpetersaurem Wismuth, äquivalent mit "/loooo
-B^^s» S&b <ias Maximum der Wirkung, und es ist also hier
Fhotphorescenz. 99
die fiimpfindlidhkeit bedeatend geringer, als bei Kupfer. Auch
die Fhoephoresceni des Wiemuths erscheint nur sehr schwach
ebne passenden Zusatz , selbst im Bereich der Kathoden-
Strahlen. Hat man zu dem Gemenge des Kalkes und
Sehwefisls Wismuth zugesetzt und durch Glühen in Schwefel-
calcinm yerwandelt, so ist die Masse graulich und demzufolge
helle Pbosphorescenz auch nicht zu erwarten. Setzt man nun
etwa 0,1 Theil schwefligsaures Natron zu und glüht wieder
{etwa 40 Minuten im Hempelofen), so erhält die Masse eine
hell schwefelgelbe Farbe (noch heiss ist sie tief gelb gef&rbt)
und zeigt die tief blaue, dem Wismuth eigenthümliche Pbos-
phorescenz. Dieselbe ist so stark, dass dieser Phosphor, an
das helle Tageslicht gebracht, alsbald seine gelbe Farbe zu
Terlieren scheint, indem sie durch das blaue Phosphorescenz-
licht zu grauweiss erg&nzt wird. Bewegt man das Pulver,
so kommen unbelichtete Theile an die Oberfläche, welche
wieder eine Zeit lang gelb erscheinen. Die B almain 'sehe
Leuchtfarbe ist, wie schon vor uns VerneuiP) gefunden
hatte, mit dessen Resultaten die unserigen übereinstimmen,
auch ein Wismuth-Kalkphosphor. Grössere Mengen Wis-
muth geben nur graue Massen, die nicht leuchten. Wie
schwefligsaures Natron wirken auch unterschwefligsaures,
schwefelsaures und phosphorsaures Natron als gute Zusätze,
und dieselben können auch schon vor dem ersten Glühen
zugesetzt werden. Chloride vernichten auch die Wismuth-
phosphorescenz, was durch die Flüchtigkeit des Wismuth-
chlorids erklärlich ist.
Mangan in Schwefelcalcium. Gelbe Pbosphorescenz.
Das Spectrum besteht aus einer sehr hellen Bande im Roth
und Gelb, deren Maximum bei X ^ 6\\. IQ-^ mvi {C^j^D)
liegt, ausserdem ist auch hier die Kupferbande schwach sicht-
bar, verschwindet jedoch im Nachleuchten sehr rasch, sodass
blos die helle Manganbande allein zurückbleibt. Mangan
kann in ziemlich grossen Mengen zugesetzt werden, ohne
dass die Pbosphorescenz darunter leidet Sie nimmt an In-
tensität zu, bis zu einem Gehalt an MnO von ^^^o- (Statt
Manganonitrat versuchten wir auch, Sulfat, Chlorid, auch
1) Yerneuil, L o.
100 V. Klatt u. Fh. Lenard
übermangansaures Kali zuzusetzen, die Phosphorescenz war
immer dieselbe. ^)) Auch die Manganphosphore bedürfen eines
Zusatzes, um intensiv zu leuchten. Wir verwandten 0,2 Thle»
schwefelsaures Eali; fest ebensogut wirkt unterschwefligsaurea
Natron. Zusätze von Chloriden schaden der Manganpbot-
phorescenz nicht, was mit der geringen Flüchtigkeit des
Manganchlorides im Vergleich zum Kupfer und Wismuth*
Chlorid in Uebereinstimmung ist; sie lassen die Mangan*
phosphorescenz nur noch gesättigter orangegelb erscheinen^
indem sie den Torhandenen Rest Ton grüner Kupferphospho-
rescenz entfernen. Die Farbe der Manganphosphore ist fest
ganz rein weiss.
5. Nun lässt sich leicht alles das erklären, was von den
Mineralphosphoren erwähnt wurde. Jenachdem deren Phos-
phorescenz vorherrschend gelb oder grün war, zeigten alle
Spectren, die wir untersuchten, hauptsächlich stark die Man-
gan- oder die Eupferbande, ausserdem häufig eine neue vio-
lette Bande bei A = 417 . 10-«mm (G Vs H). (Sie liegt also weit
mehr nach^Vioiett, als die Wismuthbande, welche wir in keinem
Mineralphosphor fanden. — Wismuth ist also in den Kalk-
mineralien nicht so allgemein verbreitet, wie Kupfer und
Mangan. Einmal erhielten wir aus einem kohlensauren Kalke,
der einer chemischen Fräparatensammlung entstammte, einen
Phosphor, der beide Banden gab, die Wismuthbande und die
violette). Durch Glühen mit Chloriden musste das Kupfer
verflüchtigt werden, also die grüne Phosphorescenz verschwin-
den, wie es auch der Fall war; jetzt konnten die Phos-
phorescenzen etwa anderer noch vorhandener wirksamer Me-
talle zum Vorschein kommen. War die Phosphorescenz schon
vor dem Chloridzusatz gelblichgrün, so war ausser Kupfer
Mangan vorhanden, und es blieb nach Entfernung des erste-
ren blos die gelbe Phosphorescenz des letzteren zurück. War
das Leuchten vor dem Zusatz bläulichgrün, so verwandelte
es sich, wie oben angegeben, nach Entfernen des Kupfers
in ein Purpur oder Rosa. Diese Phosphorescenz erklärt sich
1) Ed. Becquerel, Lalumi^rel. p. 280, machte schon die Beobach-
tung, dass Braunsteinzusätze die gelbe Phosphorescenz der Kalklencht»
steine begünstigen.
PkoiphorBicenz. 101
durch keines der drei wirksam gefandenen Metalle. Die
Untersadmiig der Speotren mehrerer solcher Präparate zeigte
uuner ausser der Maaganbande noch die erwfthnte violette
Bude (meist auch schwadi die Kapferbande). Diese violette
Bande gehört demnach sehr wahrscheinlich einem wie Mangan
und Kupfer im Mineralreich sehr verbreiteten Metall mit
sehwerftUchtigem Chloride an. Wir konnten noch nicht fest-
stellen, welches es ist, und nennen es einstweilen ^. Es würde,
wenn allein im Schwefelcalcium enthalten , demselben eine
rein Tiolette Phosphorescenz geben. Interessant ist das er-
wähnte Verhalten des Doppelspathes, der, unmittelbar mit
Schwefel geglttht, grüne (Knpfer-)Pho8phorescenz, in Salzsäure
gelöst und wieder ausgefällt und gut gewaschen jedoch die
gelbe (Mangan-)Phosphorescenz gab — ein Verhalten , das
wir bei allen ähnlich behandelten Ealkmineralien ebenfalls
beobachteten. ^) Es hat also Lösen in Salzsäure und Wieder*
ausflQlen und Waschen dieselbe Wirkung, wie ein Chlorid*
Zusatz, und sie erklärt sich aus dem festen Anhaften von
Salzen aus der Lösung an dem ausfallenden kohlensauren
Kalke. Diese Salze wirken dann als Zusätze. Ganz ahn*
Uch verhält sich kohlensaures Strontium, welches aus sals-
saarer Lösung gefällt, auch die grüngelbe Phosphorescenz
des Kupfers viel schwächer gibt, als aus salpetersaurer
Lösung. Auch von phosphorsaurem Natron, welches wir der
ursprünglichen Lösung beimengten, haben wir uns über-
zeugt, dass es beim Ausfällen in genügender Menge festgehal-
ten vrird, um seine Wirkung als Zusatz auszuüben. Daraus
folgt, dass es kaum möglich ist, einen Phosphor ohne Zusatz
darzustellen, und es ist daher wahrscheinlich, dass die ver-
hältnissmässig schwachen Phosphorescenzen, die wir bei den
ohne Zusätze bereiteten Kupfer-, Wismuth- und Mangan-
leuchtsteinen beobachteten, auch nur durch kleine Quanti-
ttten an dem Kalke haftender Salze ermöglicht wurden.
1) VgL auch £d. Becqaerel, La lumiöre 1. p. 224, wo ähnliche
Besnhmta angegeben sind. — Aus isländischem Späth wurden von allen
Beob«ditem gute gelbe Leuchtsteine erhalten, derselbe enthält also immer
«ne Spar Muigan und ausserordentlich viel weniger Kupfer. Diese Fol-
gerung bestätigen die Versuche von Ed. Becquerel, Compt. rend. 103.
p. 1098. 1886, welche zeigen, dass nur manganhaltiger kohlensaurer Kalk
wie Doppelspath phosphorescirt.
102 V. KlaU u. Ph. Lenard.
6. Ueber die Beobachtung der Phosphorescenzspectreii.
wollen wir Folgendes bemerken: Sie geschah auf drei ver»
schiedenen Wegen: 1. Bei £!rregang der Phosphorescenz in
sehr verdünnten B&umen durch Eathodenstrahlen; 2. bei Er»
regung durch Sonnenlicht im Phosphoroskop; 8. nach der
LommeTschen Methode^); dies jedoch seltener.
Die Erregung durch Eathodenstrahlen, wie sie Crooke»
h&ufig anwandte, ist eins der yortrefflichsten Mittel, um
ausserordentlich helles Leuchten zu erhalten, und das Spec-
trum daher in allen Einzelheiten mit Leichtigkeit beobachtea
zu können. Sie hat den grossen Yortheil, alles falsche, nicht
von der zu untersuchenden Substanz ausgestrahlte Licht
gänzlich zu vermeiden. Das Einschmelzen der Präparate ia
e mit passenden Electroden versehene Bohre und das Eva-
cuiren derselben ist allerdings mit einigen Umständlichkeiten
verknüpft Wir konnten die Operationen jedoch auf folgende
Weise verhältnissmässig sehr rasch und einfach ausfahren.
Die Bohre hatte die Form der Fig. 7 ; man sieht daran
die Electroden a, b ring- oder plattenförmig und an ziemlich
langen Stielen eingeschmolzen, damit die zum Springen ge»
neigten Stellen möglichst weit weg von dem Orte 0 entfernt
seien, wo die zu untersuchende Substanz auf einem Glimmer-
blatte tnn liegt. Der den Eathodenstrahlen auszusetzende
Theil der Bohre kann dann während des Evacuirens ohne
Gefahr stark erhitzt werden, wodurch die beim Durchgehen
der Entladungen eintretende Gasabgabe rasch so weit zu
Ende gebracht wird, dass die Beobachtung vom Glimm-
lichte nicht mehr gestört wird. Auch ist die Probe 0 vor-
her ausgeglüht worden. Der Glimmer phosphorescirt in den
Eathodenstrahlen nicht und befreit uns so von der störenden
Glasphosphorescenz. Die Biegung c der nach der Pumpe
führenden Bohre verhindert das Herabfallen von Stückchen
des eingeschlossenen Präparates in dieselbe; durch r kann
Luft eingelassen werden. Wir schmolzen die Bohre nach
Einfüllen des Phosphors bei de nicht ab, sondern verkitteten
sie durch Auflegen einer warmen, mit Siegellack überzogenen
Glasplatte, nachdem zuvor der hohle, allseitig geschlossene
1) Lommel, Wied. Ann. 20. p. 856. 1888.
Phoipkoretcenz. 108
Glaskörper GG emgeBchoben worden war, welcher die Ka^
thodenetrahlen vom Siegellack abhält. Dies ist nöthig, denn
jede Spur eines derartigen zersetzbaren Körpers verursacht
im Bereiche der Eathodenstrahlen stundenlang anhaltende
Abgabe Ton Gras, welche selbst bei fortarbeitender Pumpe
ein genügend hohes Vacuum nicht erreichen lässt. Gewöhn-
Uch betrog der Druck der nicht verdichtbaren Gase in der
Bohre bei der Beobachtung einige Milliontel Millimeter. Die
Siegellackdichtung hält fast immer 24 Stunden vollkommen
dicht. Die Bohre läuft nach der Pumpe hin in das Bot-
tomley'sche Verbindungsstück B aus.^) Dieses Stück, dessen
Vortheile ganz unschätzbar sind, erlaubt es, die evacuirte
Röhre zu jeder beliebigen Zeit von der Pumpe abzunehmen
oder wieder anzusetzen, ohne dass dabei weder in die Bohre,
noch in die Pumpe Luft kommt.
Zum Evacuiren setzten wir den Schliff s dieses Stückes
zunächst mit Eautschukdichtung in den Trichter T des Ap-
parates Fig. 8 ein, der dann mit Quecksilber vollgefüllt
wurde. Der kleine Apparat ist mit einer Wasserluftpumpe
verbanden; die Kugel K dient zur Aufnahme herunterfallen-
den Quecksilbers. Die W asser luftpumpe befreit so die Bohre
in wenigen Minuten von dem grossten Theil der Luft. Ist
dies geschehen, so schliesst man den Hahn H und nimmt die
Röhre vrieder ab, wobei das Quecksilber aus dem Trichter T
in den Baum unterhalb $ bis zum Hahn und hinauf bis zum
Schwimmer/ des Verbindungsstückes (s. Fig. 7) durch den
Atmosphärendruck gepresst wird, den Schwimmer hebt und
seinen Schliff dicht abschliesst. Die Bohre kann nun an das
zu B passende Schliffstück der Quecksilberluftpumpe (in den
Figuren nicht gezeichnet) gesetzt werden, wo dann das Va-
cuum leicht vervollständigt wird. Die angewandte Pumpe war
eine SprengeTsche mit den Verbesserungen von Gimming-
ham und Bottomiey.
Die Phosphorescenz der Kupfer-, Wismuth- und Mangan-
phosphore in solchen evacuirten Bohren ist so intensiv, dass
sie das Auge blendet und den Beobachtungsraum beträchtlich
erhellt. Die Lage der Maxima der Banden dieses Phospho-
1) Bottomiey, Proc Boy. Soc. 40. p. 249. 1886.
104 V. Klatt u. Ph. Lenard.
rescenzlichtes wurde immer an der Scala eines Bnnsen'schen
Spectralapparates abgelesen, deren Angaben dann in Wellen-
längen verwandelt werden konnten. Wurden die Entladungen
unterbrochen, so konnte man das Spectrum des lange an-
dauernden Nachleuchtens yerfolgen, was bei Beobachtung mit
dem Phosphoroskop durch Verlangsamen der Botationsge-
schwindigkeit, resp. Anhalten desselben geschah. Zur Be-
lichtung der Proben im Phosphoroskop diente mit einer Linse
concentrirtes Sonnenlicht; der Spalt des Spectroskops befand
sich dicht am Phosphoroskope.
Die aus gereinigtem Ealke mit Metallzusätzen darge-
stellten Phosphore zeigten wenig Unterschied in der Farbe
der Phosphorescenz während und nach den Entladungen.
Die intensive Phosphorescenz des Eupfer-Ealkleuchtsteins
erschien dem Auge blau, fast weiss und erst nach Aufhören
der Entladungen blaugrün wie im Phosphoroskop. Der
Wismuth-Ealkphosphor leuchtete während der Entladungen
weniger rein blau — etwas grünlicher — als nachher, was
daher kommt, dass, wie schon oben erwähnt, auch die blau*
grüne Eupferbande erschien, aber im Nachleuchten ver-
schwand, wobei die Farbe der im Phorphoroskop zu beobach-
tenden gleich wurde. Beim Manganphosphor war die Phos-
phorescenzfarbe unter allen Umständen die gleiche.
Eigenthümlich war das Verhalten mehrerer aus Mine-
ralien bereiteten Phosphore, indem deren Phosphorescenzfarbe
unmittelbar nach Aufhören der Entladung auf kurze Zeit in
ein intensives Feuerroth umschlug, welches dann alsbald
wieder einer anderen Farbe Platz machte, die meist der im
Moment der Entladung selbst zu beobachtenden ähnlich war.
Ein bewegter Spiegel trennte diese drei zeitlich verschiedenen
Stadien der Phosphorescenz sehr schön und schloss auch
Augentäuschung durch Contrast vollkommen aus. Alle Phos*
phore, die diese Eigenthümlichkeit aufwiesen, hatten im
Spectrum sehr intensiv die gelbrothe Manganbande, daneben
noch die Kupfer- und ^-Bande. Im Momente der Entladung
erscheint fiir das Auge die Mischfarbe dieser Banden (z. B.
in einem Falle als Purpur). Wenn nun gleich nach Auf-
hören der Erregung das Phosphorescenzlicht in Feuerroth
übergeht, so folgt daraus, dass die gelbrothe (Mangan-) Phos-
FhoMphoreMcenz. 106
piiaretceiis sich eine karze Zeit lang ziemlich hell erhält,
wihrend die echwftcheren Banden des Kupfers und des ^ rasch
abUingen« Dass die letzten Reste der Phosphorescenz nicht
mehr roth, sondern zumeist bläulich erscheinen, erklärt sich
wahracheinlich aus der Eigenthümlichkeit des Auges, für
schwache Lichter im Roth viel unempfindlicher zu sein als
im Blaa.^) Erwähnenswerth ist es, dass auch auf die be«
kannte grüne Phosphorescenz des Natronglases und Uran-
giaaes unmittelbar nach Verlauf der erregenden Entladung
ein helles rothes Aufleuchten des Glases folgt Man sieht
die Erscheinung leicht, wenn man die Augen rasch nach-
«tnander öfinet und schliesst, während die Entladungen durch
ein solehes Rohr gehen. Flintglas leuchtet einfarbig (blau).
7« Lommel hatte nach seiner Methode eine Reihe von
Kalkphosphoren untersucht, die in den verschiedensten Far*
ben leuchteten; ihre Zusammensetzung war unbekannt Wir
können leicht seine Resultate') mit den unserigen vergleichen.
Er fand im Phosphorescenzlichte aller Kalkphosphore nur
drei Banden in wechselnder Intensität, sodass auch zwei der-
selben ganz fehlen konnten. Diese drei Banden stimmen, so
genau man es erwarten kann, mit den drei Banden des
Mangans, Kupfers und Wismuths, wie wir sie beobachtet
haben I überein; die vierte Bande (des ^ im Violett konnte
natürlich nach Lommel's Methode nicht wahrgenommen
werden.
Die Bestimmung der Wellenlänge des Maximums einer
Bande durch Spectralbeobachtung mit dem Auge ist eine
mindestens schwierige Aufgabe. Das Auge bestimmt leicht
den Ort der grössten Intensität, dieses fällt aber bei einer
breiten Bande nicht mit dem Maximum der ausgestrahlten
Energie zusammen, wie bei einer scharf begrenzten Spectral-
linie. Es ist nämlich die Intensität für das Auge eine für
jede Wellenlänge verschiedene Function der Energie der
Strahlung. Sie ist bei gleicher Energie am grössten im mitt-
leren Theile des Spectrums, für den das Auge am empfind-
lichsten ist, und nimmt nach beiden Enden hin ab bis zu
1) VgL V. Heimholt«, Physiol. Optik 1. Aufl. p. 317 u. f. 1867.
2) Lommel, Wied. Ann. 30. p. 478. 1887.
106 V. KlaU u. F/l Lenard.
Null. Daraus folgt, dass das Intensitätsmaximam einer Bande
sich immer näher diesem Orte grösster Empfindlichkeit be-
finden wird, als das Energiemaximum derselben. Banden also
an den Enden des sichtbaren Spectrums werden immer gegen
die Mitte hin verschoben wahrgenommen werden, und nur
eine Bande, deren Maximum an der Stelle liegt, wo das
Auge am empfindlichsten ist, würde an ihrem wahren Orte
erscheinen. Die Verschiebung ist um so grösser, je weniger
scharf die Begrenzung der Bande; sie hängt aber auch
von der Intensität ab und wird kleiner wenn diese wächst.
Wir fanden, dass die gelbrothe Manganbande, die wir
hierfür besonders prüften, umsomehr gegen das rothe Ende
des Spectrums wandert, je grösser die Intensität des Lich-
tes ist (je weiter der Spalt — natürlich innerhalb der
G-renzen, in denen man Fraunhofer' sehe Linien sieht — ,
je rascher das Phosphoroskop rotirt, je mehr Elemente man
für die Erregung der InductionsroUe bei Beobachtung mit
Kathodenstrahlen anwendet). Ganz ähnlich verhielt sich die
violette ^- Bande, welche bei zunehmender Intensität mehr
nach dem violetten Ende ging. Wir betrachteten daher den
wahren Ort des Maximums einer Bande als einen Grenz-
werth, dem sich das Intensitätsmaximum umsomehr nähert^
je mehr Licht vorhanden ist. Daher kommt es wahrschein-
lich, dass unsere Banden weiter nach den Enden des Spec-
trums liegen, als die entsprechenden von Lommel beob-
achteten, wie die nachfolgende Tabelle zeigt. Noch eine
andere Veranlassung zur scheinbaren Verschiebung solcher
Banden muss eintreten, wenn sich zwei derselben theilweise
übereinander lagern. Die Summation der Intensitäten hat
dann in bestimmten Fällen zur Folge, dass sich die Maxima
der zwei Banden scheinbar nähern.
Banden der Schwefelcalciumphosphore.
Wellenlängen
der Maxima der Banden, beob. von
Lommel Klattu.Lenard
Wirksames
Metall
584 . 10-«mm ; 611 . 10"« mm
517 7, 511 „
462 u ' 455 1,
- 1 417 »
1
1
Mn
Cu
Bi
C
imoiphoreicenz. 107
8. Zun Schlüsse stellen wir knrz zusammen , was wir
ans den mitgetheilten Versuchen, durch die zum Theil die
Resultate Anderer bestätigt werden, gefolgert haben:
1. Die stark leuchtenden Ealkphosphore sind Gemenge aus
drei wesentlichen Bestandtheilen: 1) Schwefelcalcium, 2) dem
wirksamen Metalle und 8) einem dritten Körper, der allein im
Schwefelcalcinm nicht wirksam ist — Beines Schwefelcalcium
phosphorescirt sehr wahrscheinlich gar nicht.
2. Als wirksame Metalle erklären Mangan, Kupfer,
Wismuth und ein viertes noch unbekanntes alle in den Spec-
tren Ton Kalkphosphoren yorkommende Banden. Jedem
dieser Metalle entspricht eine Bande, deren Ort unveitoder-
lich ist. — Schon ausserordentlich geringe Mengen der Me-
talle sind wirksam; die Intensität der Pbosphorescenz nimmt
mit der Quantität derselben anfangs zu, dann wieder bis zu
Null ab. Die Quantitäten, welche das Maximum der Wirkung
geben, sind sehr gering.
3. Die als dritter Bestandtheil von uns angewandten
Zusätze sind farblose Salze und sämmtlich in den bei Be-
reitung der Phosphore angewandten Temperaturen schmelz-
bar. Sie überziehen daher die Oberfläche des Schwefelcal-
ciums, wobei die Masse zusammensintert und das wirksame
Metall eine zarte Färbung erzeugt, welche für die Pbos-
phorescenz wesentlich ist
Pressburg und Heidelberg, im Juni 1889.
X. lieber die Brechungseocpimenten von
SaZzlösti/ngen; vmi B. Walter.
Seit den Untersuchungen La ndolt's^) ist man gewohnt,
die Brechung des Lichtes in einem Körper als so eng mit
der Constitution desselben verbunden zu erachten, dass seit-
dem dieses Gebiet der Optik für eine rein physikalische
Betrachtung so gut wie verschlossen schien und deshalb auch
1) Landolt, Pogg. Ann. 117. p. 853. 1862; 122. p. 545. 1864;
123. p. 595. 1864.
108 B. WaUer.
nur noch von chemischer Seite aus in Angriff genommen
worden ist Schon Landolt selbst jedoch führt in der
letzten seiner Abhandlangen gelegentlich eine Thatsache an,
welche geeignet ist, die ganze Aufmerksamkeit der Physiker
auf sich zu lenken, die Thatsache nämlich, dass die Glieder
der Fettsäurenreihe bei ihrem Siedepunkte nahezu denselben
Brechungsexponenten besitzen. Es liegt mithin die Ver-
muthung nahe, dass es für Stoffe derselben Art nur der
Schaffung analoger Existenzbedingungen bedarf, um auch von
allen nahezu dieselbe Lichtbrechung iu erlangen.
Die einfachste Art, gleichartige Zustände für eine Reihe
von Körpern herbeizuführen, ist die Auflösung derselben
in einer Flüssigkeit; und die Erwartung, hierbei mit chemisch
verschiedenen Substanzen optisch doch dieselbe Wirkung zu
erzielen , erfüllt sich in der That f&r eine Reihe von Salzen.
Eine bestimmte Molecülzahl NaCl, z. B. in Wasser gelost^ ertheilt
nämlich diesem fast genau denselben Brechungsexponenten wie die
gleiche Molecülzahl KCl, NH^Cl, KNO3, NaNO,, NH.NO,,
KClOj, KCjHjOg u. s. w.
Der experimentelle Nachweis dieses Factums lässt sich
mit Leichtigkeit schon aus dem bisher yorliegenden Unter-
suchungsmaterial der verschiedensten Beobachter führen.
Dabei stellt sich dann aber auch noch eine zweite, höchst
bemerkenswerthe Thatsache heraus. Der Brechungsexponent
der Lösungen aller oben genannten Salze und noch vieler
anderer wächst nämlich einfach proportional dem Salzgehalte,
während bekanntlich sowohl Beer und Krem er s, wie auch
Börner, die sich hauptsächlich mit dieser Frage beschäftig-
ten^), eine solche einfache Beziehung nicht gefunden haben.
Es lag dies aber nur daran, dass diese Forscher den Pro-
centgehalt ihrer Lösungen stets auf 100 Gewichtstheile
Wasser, statt auf 100 Gewichtstheile Lösung bezogen, denn,
wie die folgenden Tabellen zeigen werden, ergibt sich nach
Vornahme der entsprechenden Umrechnungen das Propor-
tionalitätsgesetz ebenso gut aus ihren Beobachtungen, wie
1) Beer u. Rrcmers, Pogg. Ann. 101« p. 138. 1851. Börner,
Ueber die Brechungsyerhältnisse einiger Salzlösungen. Dissert Mar-
burg 1869.
Brechung9€xp<mmlm van Salzlosungeru 109
«IS denen von Hofmann^) und von y. d. Willigen*), und
auch endlich ans einigen kürzUch von mir selbst gemachten.
Für die Lösimgen mancher Salzgmppen freilich findet
diese Proportionalitftt nicht statt Es sind dies namentlich
solche der Schwermetalle , femer aber auch die Chloride,
Bronide nnd Jodide der Brden, sowie auch die Bromide
und Jodide der Alkalien. Diese zeigen Tielmehr s&mmtlich
mit zunehmender Concentration eine allmählich immer grösser
werdende Znahme des Brechungsexponenten; die Wirkung
des Molecüls in den verdünnten Lösungen ist jedoch auch
hier wieder, soviel wenigstens bisher übersehen werden kann,
bei allen Salzen derselben Gruppe nahezu dieselbe.
In den folgenden Tabellen ist zum Beleg des Obigen
Ar einige der wichtigeren Salzgruppen das Beobachtungs-
mi^rial zusammengestellt £!s enthält darin die erste Ver-
ticalreihe abgekürzt den Namen des Beobachters (B. und K
«Beer und Kremers, Br. »Börner, Hl» Hofmann,
V. d. W. =svan der Willigen, Wl. s= Walter), die zweite
den Procentgehalt p (Gewichtstheile wasserfreies Salz in
100 Oewichtstheilen der Lösung), die dritte den Brechungs-
exponenten n für die links danebeu stehende Concentration,
die vierte die Grösse {n — n^jp ^ Jn'ip (n^ Brechungs-
exponent des Wassers), welche also die mittlere Zunahme
des Brechungsexponenten für 1 Proc. Salzzunahme ergibt
und in Zukunft als Refractionsincrement bezeichnet werden
solL In der letzten Reihe endlich ist das Mittel aus den
verschiedenen Werthen von Jnfp mit dem zehnten Theil
des Moleculargewichtes des betreffenden Salzes multiplicirt
und damit die Vergrösserung des Brechungsexponenten des
Wassers durch ein Grammmolecül Salz in 1000 g Lösung
gewonnen (Fettgedruckte Zahl). Diese Grösse werde ich der
Kürze wegen die Molecularrefraction dieses Salzes nennen.
Die Beobachtungstemperatur lag bei Hof mann zwischen
12 und 15^ C, bei Beer und Kremers zwischen 15 und 17^
bei mir zwischen 15 und 20®, bei v.d. Willigen (nur NaN03)
war sie 23®, Börner's Beobachtungen endlich wurden nach
dessen Interpolationsformeln auf 15® C. reducirt. Das an-
1) Hofmann, Pogg. Ann. 183. p. 575. 1868.
2) V. d. Willigen, Mus^ Teyler 2. p.222. 1869 u. 8. p. 15. 1870.
110
B. Walier.
gewandte Licht war bei Hofmann das rothe Lithiumlicht,
dessen Brechungsexponent f&r Wasser (n^) mit 1,88164 an-
gegeben ist. Beer und Kremers sprechen nur Ton rothem
Licht und geben n^^ 1,8820, bei Bfirner und t. d. Willi-
gen, die f&r mehrere Wellenlängen beobachteten, wurden
nur die Messungen für die Fraunhofer 'sehe C» Linie in
Bücksicht gezogen und bei Born er (15^) nach Wüllner's
LiterpolationsformeP) fi^ « 1,88167, bei t. d. Willigen (280)
nach dessen eigener Angabe n^ = 1,88086 berechnet. Meine
Beobachtungen endlich beziehen sich auf die Fraunhofer'-
sehe J9-Iiinie, und es wurde, je nach der Temperatur, n^ mit
1,3388 bis 1,8335 berechnet.
Die Unterschiede, welche durch diese kleinen Verschie-
denheiten der Temperatur und der Wellenlänge entstehen,
fallen hier, wo es ja nur auf die Grösse n — n^ ankommt,
kaum ins Gewicht; denn die letztere ist natürlich lange
nicht in dem Maasse von jenen Grössen abhängig, wie n
und Uq selbst.
Voran sind die beiden wichtigsten Gruppen gestellt,
deren erste die Alkalisalze einbasischer, und deren zweite
solche zweibasischer Säuren enthält. In der letzteren beträgt
die Molecularrefraction (fettgedruckte Zahl) gerade das Dop-
pelte von der der ersteren, was ohne Zweifel auf gewisse
regelmässige Unterschiede in der Molecularaggregation hin-
deutet Es wird nämlich später noch eine dritte Gruppe
aufgeführt werden, bei der die Molecularrefraction nahezu
das Dreifache von der der ersten Gruppe beträgt.
L Gruppe.
Salze mit einfacher Molecularrefraction.
1. KCL
Beobachter
Anjp
Jnjp. MI 10
Hf.
1,567
3,219
6,151
1,88868
1,88594
1,83991
0,00138
0,00137
0,00136
Br.
9,09
1,34448
0,00141
16,67
1,35490
0,00139
28,08
1,36888
0,00139
0,001 374 . 7,45
= 0,01025
B. u. K.
23,66
1,3646
0,00187
1) Wtillner, Pogg. Ann. 133. p. 16, Tab. V. 1868.
Breehungtexponenten von SablSmngen.
111
2. NaCL
BcolMcliter
P
n
Jnlp
Jnlp.MjlO
H£
2,740
5,868
8,270
1,33688
1,84098
1,34625
0,00175
0,00175
0,00178
Br.
9,09
16,66
23,06
1,84808
1,86128
1,87300
0,00180
0,00178
0,00179
0,00177 . 5,85
« 0,01086
B. n. K.
15,0
26,1
1,8581
1,8786
0,00174
0,00178
Br.
9,09
16,67
23,08
8. NH«G1.
1,84926
1,86339
1,87558
4. liCl.
0,00198
0,00190
0,00190
5. KNO,.
0,00191 . 5,85
- 0,01022
WL
4,20
8,76
20,8
33,0
1,8426
1,8517
1,8762
1,4049
0,00217
0,00208
0,00210
0,00216
B. u. K.
24,5
41,0
1,3844
1.4212
0,00214
0,00217
0,00214 . 4,25
B 0,00910
Br.
9,09
16,67
23,08
1,34104
1,34816
1,35455
0,00103
0,00099
0,00099
0,00100 . 10,1
» 0,01010
6. NaNO,.»)
▼. d. W.
16,86
33,89
44,85
1,34976
1,36975
1,38283
0,00112
0,00115
0,00117
0,00115 . 8,5
» 0,00978
7. NH,NO,.
WL
0,78
8,33
23,4
51,1
1,3845
1,3444
1,3637
1,4010
0,00129
0,00131
0,00129
0,00130
0,00180 . 8,0
= 0,01040
8. LdNO,.
WL
(Dl« L5fiiBf«n
Wtrai ftlTM
ftbtniiMri)
4,01
6,42
12,2
21,5
35,5
52,8
1,3384
1,3414
1,8489
1,3618
1,3822
1,4105
0,00122
0,00123
0,00127
0,00129
0,00137
0,00147
0,00181 . 6,9
» 0,00904
9. KClOg.
WL
1
2,9
5,7
6,08
1,3361
1,3386
1,3387
0,00090
0,00089
0,00086
0,00088 . 12,25
» 0,1078
1) Der etwas zu niedrige Werth der Molecularrefraction dieses Salzes
erklärt sich vollkommen durch die höhere Beobachtongstemperatur (23^.
la NsGK>..
Beobachter
P
j Anlp
J«//>. Jtf/10
Wl.
4.4
10,*
26,6
36,8
t,338ü 1 Ü,Ü01U4
1,3436 0,00098
1,3600 0,00104
1,3721 1 0,00108
0,00108 . 10,65
n. CHfCOOK.
1,8414 I 0,00118
1,8584 0,00116
1,3862 I 0,00119
12. CH.GOONa.
1,3417 I 0,00187
I,346S : 0,00136
1,3506 ; 0,00137
1,8648 0,00142
1,3781 0,00148
IL Gruppe.
Salze mit doppelter Molecularrefraction.
1. K,SO..
Jn/p I Jn/p.jK/10
9,09
16,66
23,06
8,91
20,9
48,3
6,1
21,1
50,4
1,33380 0,00123
1,33636 0,00125
1.33935 I 0,00124
2. NaiSO,.
1,33486 1 0,00151
1,33823 I 0,00161
1,34264 I 0,00162
l,34b59 i 0,00151"
1,35344 0,00149
l,3e694 I 0,00149
3. (NH,),SO,.
1,3408 i 0,00157
1,3473 0,00156
1,3656 ' 0,00154
1,3983 0,00150
4. LiiSO,.
1,3401 '■ 0,00168
1,3456 0,00167
1,3642 0,00168
1,3630 : 0,00168
6. K,CO,.
1,3355 I 0,00167
1,3421 0,00168
1,3698 0,00167
1,4180 I 0,00167
Brtchungsexpanenten von Salzlösungen.
HS
6. Na,CO,.
Beobachter
P
n
Anlp
Jnlp.MjlO
-
Br.
9,09
16,67
28,08
1,86167
1,36786
1,88062
0,00220
0,00217
0,00212
0,00216 . 10,6
» 0,02290
WL
2,10
8,12
18,3
25,6
7. K^CjO^.
1,8865
1,8449
1,3522
1,3696
0,00148
0,00140
0,00141
0,00144
0,00141 . 16,6
» 0,02841
Die vorstehenden Tabellen bedürfen kaum einer Bemer-
kung, denn mit Aasnahme der Lithiumsalzlösungen, deren
Lichtbrechung durch fremde Beimengungen ganz ausser-
ordentlich beeinträchtigt wird, und die daher noch einer
sorgfältigeren Untersuchung bedürfen, finden sich nur noch
solche Differenzen, die durchaus innerhalb der Grenze der
Beobachtnngsfehler liegen. In der Reihe der Refractions-
incremente {Anjp) nämlich beträgt die grösste Abweichung
Tom Mittelwerthe vier Einheiten in der fünften Decimale,
nnd dass solche Differenzen wirklich als Beobachtungsfehler
anzusprechen sind, beweist eben die obige Zusammenstellung
Ton Beobachtungen verschiedener Forscher für dasselbe Salz.
Aus der Tabelle für NaCl z. B., wo Beer und Kremers
einerseits und Born er andererseits für nahezu denselben
Procentgehalt (16 Proc.) beobachtet haben, differiren nämlich
die aus ihren Messungen berechneten Werthe von Anjp
gleichfalls um vier Einheiten in derselben Decimale.
Für die Werthe der Molecularrefraction [/tnlp.MjlO)
zeigen allerdings beide Gruppen übereinstimmend, dass die
Salze der kohlenstoffhaltigen Säuren dafür eine etwas grössere
Zahl als die übrigen ergeben; im grossen und ganzen kann
man aber jedenfalls sagen, dass in den Lösungen sämmtlicher
Salze der beiden aufgeführten Gruppen die Verzögerung der
Lichtgeschwindigkeit sowohl von der chemischen Zusammen-
setzung, als auch von der physikalischen Beschaffenheit, vor
allem auch der Schwere des Salzmolecüls so gut wie unabhängig
ist, und dass es nur auf die Zahl der in einer bestimmten
Gewichtsmenge der Lösung vorhandenen Molecüle ankommt,
der nämlich die Lichtverzögerung einfach proportional ist
Ann. d. Phyt. o. Chem. N. F. XIXVIU.
8
114 B. fVaUer.
Ja man kann sogar, wie dies thatsächlich bereits von Hof-
mann geihan wurde , Molecüle verschiedener Salze in die«
selbe Lösung bringen und erhält dabei "dieselbe Lichtver-
zögerungy als wenn man von irgend einem dieser Salze allein
die gleiche Molecülzahl verwendet h&tte. Die Molecüle einer
solchen Salzgruppe sind demnach in optischer Hinsicht so
gut wie gleichwerthig.
Es sind dies Thatsachen, die, abgesehen von ihre Bedeu-
tung fOr die Theorie der Lichtbrechung, auch zur Unter-
suchung des Molecularzustandes in Lösungen äusserst geeignet
erscheinen, wie dies sogleich beim Kupferchlorid gezeigt wer-
den wird; und diese Methode hat ausserdem noch vor der
sonst ganz ähnlichen Coppet-Baoult'schen Elrstarrungs-
methode den doppelten Vorzug, dass man hier nicht an be-
stimmte Temperaturen gebunden ist und somit auch etwaige,
bei Temperaturwechsel sich vollziehende Molecularverände-
rungen untersuchen kann, und dass sich andererseits hier
nicht jene merkwürdigen Ausnahmen zeigen, wie sie bei den
Gefrierpunktsbestimmungen so zahlreich auftreten, Ausnah-
men, die theils noch gar nicht (z. B. beim NH^NO,), theils
nur durch Annahme von Hydratbildung (z. B. beim KjCO))
erklärt werden konnten.
Es muss hier vielmehr hervorgehoben werden ^ dass, bei
den oben angeführten Salzen wenigstens, die aus den Brechungs*
Verhältnissen ihrer Losungen sich ergebenden Zahlenwerthe gegen
jegliche Hydratbildung derselben sprechen. Auch mit dem
specifischen Gewichte, und somit also auch dem spe-
cifischen Volumen und der Molecularcontraction jener Lö-
sungen lassen sich dieselben in keine Beziehung bringen,
weshalb überhaupt die Angabe des specifischen Gewichts
unterlassen ist, das man sich ja übrigens nach den bekann-
ten Gerlach'schen Tabellen leicht aus dem Procentgehalte
berechnen kann.
Als letzte Gruppe sind noch die Brechungsexponenten
einiger Salzlösungen zusammengestellt, deren Molecularrefrac-
tion in ihren verdünnten Lösungen fast genau das Dreifache
von derjenigen der Kochsalzgruppe beträgt, und von denen
besonders das Kupferchlorid wichtig ist. Wie bekannt^ hat
man nämlich schon seit langem aus der Thatsache, dass die
Brechunffsexponenten von SahlSsungen. 116
Terdünnten Losungen desselben im dnrchgelassenen Lichte
blau, die concentrirteren dagegen grün erscheineni auf einen
Terscbiedenartigen Molecularzustand in beiden geschlossen.
Diese Vermuihung bestätigt sich durch die nachfolgende
Tabelle der Brechungsexponenten dieses Salzes nicht blos
Tollkommen, sondern wir können daraus sogar noch die wei-
teren Schlüsse ziehen, dass in den verdünnten Lösungen bis
zu ungefähr 1 1 Proc. Salzgehalt die Moleculargruppirung des
Kupferchlorids überall die gleiche ist, dass aber in den con-
centrirteren Lösungen eine allmählich immer mehr um sich
greifende Veränderung, und zwar wahrscheinlich eine Compli-
cirung des molecularen Baues vor sich geht, und dass endlich
ein solch complicirteres Molecül eine grössere Lichtver-
zögerung bewirkt, als die sie zusammensetzenden Theilmole-
cüle zusammengenommen. Dies alles folgt schon aus den
Werthen des Refractionsincrementes dnjp für die verschie-
denen Concentrationen; der Werth der Molecularrefraction
(Jn/p.MllO)j so wie er sich aus dem constanten Befrac-
tionsincrement der verdünnteren Lösungen berechnet, beweist
aber femer noch, dass das Kupferchlorid sich hier in seinem
normalen Zustande, und zwar in einer ähnlichen Molecular-
gruppirung befindet, wie auch die übrigen Salze der nach-
stehenden Gruppe, von denen übrigens noch mehrere, beson-
ders das Kupfemitrat, eine mit fortschreitender Verdünnung
Hand in Hand gehende allmähliche Veränderung der mole-
cularen Zusammensetzung aufweisen.
Die Brechungsexponenten in den folgenden Tabellen
gelten für 15^ C. und beziehen sich bei den ersten fünf
Salzen auf die Fraunhofer'sche Linie &, deren Brechungs-
exponent für Wasser sich mit 1,3359 ergab, bei den letzteren
dreien dagegen wieder auf D. Die Beobachtungen sind
sämmtlich von mir. (Folgt die Tabelle, s. nächste S.)
Die vorstehenden Messungen machen keineswegs den
Anspruch, den höchsten Grad der erreichbaren Genauigkeit
zu besitzen; sie sind aber jedenfalls hinreichend, um darzuthun,
dass wir es auch in dieser Gruppe mit durchaus gesetzmässi-
gen Beziehungen zu thun haben. Mit der grössten Sorgfalt
hingegen sind die Beobachtungen beim Kupferchlorid gemacht^
deren theoretische Ergebnisse bereits oben erörtert wurden.
8*
in. Gruppe.
Salze mit dreifacher Molecnlarrefractio
p
n
Jnlp
4nip.3£ll0
1,81
1,3401
0,00232
1
2,52
1,3417
0,00230
1 0,00231.13,4
5,n
i,a47e
D,002S2
- 0,03095
10,52
1,3601
0,00230
t
11,08
1,3618
0,00234
12,76
1,S6T1
0,00244
15,87
1,8766
0,00266
19,0
1,3865
0,00266
2fl,l
1,4116
0,00283
Bl,«
1,4283
0,00290
88,2
1,4549
0,00311
2,45
6,40
10,8
1,3405
1,3480
1,3663
1,3681
1,3395
1,3696
1,3797
1,4025
0,00189
0,00192
8. ZdSO..
0,00192
0,00190
' 0,00196
0,00204
*. FeSO,.
I 0,00203
> 0,08021
1,3400
1.S469
1,3539
1,3631
1,33ÖI
i.34s:i
1,3567
1,8792
1,3389
1,2457
1,3639
5. CufNO,!,.
I 0,00177
I 0,00188
0,00180
I 0,00183
0,00189
! 0,00203
I 0,00220
I 0,00223
6. Pb(NO,),.
0,00115
I 0,00116
0,00126
0,00141
7. BaiNO,li
0,00120
I 0,00117
8. SrCNOj),.
0,0013s
0,00136
, 0.OO140
I 0.00147
BrechungtexponenUn von Salzlösungen. 117
Noch charakteristiBcher fast als dieses Salz verhält sieh
das im übrigen einer anderen Gruppe angehörende rothe
Blntlaugensalz. Die Befractionsincremente der verschiedenen
Ooncentrationen desselben beweisen n&mlich, dass es in den
Lösungen unter 4 Proc. Salzgehalt beim Verdünnen einen
ganz ausserordentlich schnellen Molecularzerfall erleidet; und
dies wird durch die Absorptionsspectra der bezüglichen Ver-
dünnungen in jeder Hinsicht bestätigt In den concentrir-
teren Lösungen n&mlich zeig^ dasselbe neben einem scharf
abgegrenzten Kemschatten einen sich unmittelbar daran
lagernden, nach der hellen Seite zu sich allmählich verlieren-
den Halbschatten. Dieser letztere verschwindet beim Ver-
dünnen unter 4 Proc. Salzgehalt in auffällig rascher Weise,
ein Beweis, dass auch die Ursache desselben, die compli-
drtere Moleculargruppirung, in schneller Abnahme begriffen
ist. Es sind dies also genau dieselben Verhältnisse, wie ich
sie kürzlich beim Fluoresceln, Magdalaroth und Kupfer-
chlorid eingehend dargelegt habe.^)
Schliesslich habe ich nun auch noch die Brechungs-
exponenten f&r die Lösungen des Fluorescelns selbst bestimmt,
aus deren Fluorescenzerscheinungen ich a.. a. O. nachweisen
konnte, dass dieses Salz in seinen concentrirten Lösungen
bis zu etwa 2 Proc Salzgehalt in Gestalt von nicht fluores-
cirendon Molecülgruppen existirt, die bei grösserer Ver-
dünnung nach und nach in stark fluorescirende „Einzelmole-
cüle'' zerfallen, bis bei etwa 0,02 Proc. Salzgehalt dieser
Zerfall vollständig beendet ist, und nun eine weitere Ver-
dünnung nichts anderes bewirkt als ein Auseinanderziehen
der Einzelmolecüle innerhalb des Lösungsmittels. Es war nun
offenbar die Frage von Interesse, ob in den nicht fluoresciren-
den Ooncentrationen zwischen 2 und 40 Proc. Salzgehalt die
Molecüle ihre Gruppirung noch wechseln oder nicht. Die
Messung der Brechungsexponenten, die hier nach der Methode
der totalen Reflexion geschehen musste, entschied unzwei-
deutig in letzterem Sinne; denn die Refractionsincremente
jener Fluorescelnlösungen erwiesen sich innerhalb der ge-
nannten Grenzen dem Procentgehalte vollständig proportional.
1) B. Walter, Wied. Ann. 36. p. 526 ff. 1889.
118 L. Maähiessen.
£8 ist also damit in Verbindung mit den sich ans den
Fluorescenzerscheinungen ergebenden Folgerangen nachge-
wiesen, dass das Fluoresceln in wässeriger L&sung in zwei
gänzlich verschiedenen Molecularzuständen za existiren rer-
mag, Ton denen jeder innerhalb ausgedehnter Concentrations»
grenzen ToUkommen stationär ist Die näheren Unterschiede
beider Zustände lassen sich jedoch durch Messung der
Brechungsexponenten leider nicht mehr feststellen, da der
Einfluss, welchen ein Salzgehalt von 0,02 Proc. auf den
Brechungsexponenten des Lösungsmittels ausübt, natürlich
längst innerhalb der G-renze der Beobachtungsfehler liegt.
Hamburg, phys. Staatslaboratorium, Juni 1889.
XI. JEacperimenteUe Untersuchiingen Über das
Thamson^sche Gesetz der WeUenbewegu/ng atif
Müseigkeiteti unter der WirJtu/ng der Schwere
und Cohäsion; von Ludwig Matthiesaen
in Rostock.
(Hierin Taf. I Fig. 0.)
In mehreren Briefen an Tait^) hat William Thomson
aus hydrokinetischen Betrachtungen eine theoretische Formel
für die Beziehung der Geschwindigkeit von Flüssigkeitswellen
zu ihrer Breite unter der gemeinsamen Wirkung der Schwere
und specifischen Cohäsion deducirt. Damach ist für hin-
reichend tiefe Oefässe:
»3^
;i . 2;
'^ -2^^ + T^'
wo g die Gravitationsconstante und r die specifische Cohä-
sion der Flüssigkeit bezeichnet.^
W. Thomson hat diese Formel speciell auf Wasser-
wellen angewendet, und zwar bei Einführung der Cohäsions-
constante T nach Gay-Lussac in cmg:
t^' = 981,4 [^ + 0,074 ?f ) , T^Tg^ OfiUg.
1) Thomson, Phil. Mag. (4) 42. p. 875. 1871.
2) Matthiessen, Wied. Ann. 82. p. 626. 1887.
Wellenbewegung auf flüssigkeiten. 119
einfache Gesetz entbehrte jedoch bis jetzt einer
genauen experimentellen Bestätigung innerhalb möglichst
weiter Grenzen und verdient um so mehr eine besondere
Beachtung, als es dazu dienen kann, auf eine einfache Art
mit grosser Sicherheit die specifische Coh&sion yerschiedener
Flüssigkeiten zu bestimmen, wie in der y erliegenden Mit-
theilung gezeigt werden soll.
Das Thomson'sche Gesetz besteht aus zwei gesonderten
Theilen, von denen der erste für Wellen IL Ordnung^) gilt,
welche eine grössere Breite als ungefähr 10 cm und eine Ge-
schwindigkeit Ton mehr als 40 cm haben, der zweite Theil
f&r Wellen III. Ordnung, welche (f&r Wasser) eine geringere
Breite als 0,3 cm und eine Geschwindigkeit von mehr als 40 cm
haben. Die vollständige Gleichung erstreckt sich auf das
dazwischen liegende Gebiet.
Wird die Anzahl der Molecularschwingungen per Secunde
durch n ausgedrückt, so ist also fQr Wellen II. Ordnung
ausserhalb des angegebenen Bereiches:
nA*/« =8 1/^ =« const.,
und für Wellen III. Ordnung*):
n A' « = y2nT = yJngT = const.
Die Wasserwellen der Breite von 0,3 cm bis 10 cm bil-
den sich unter der gemeinsamen Wirkung der Schwere und
Cohäsion. Bezüglich dieses Intervalls entging es W. Thom-
son nicht, dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit innerhalb
desselben ein Minimum erreichen müsse bei den simultanen
Werthen:
Vq = 23,1 cm, Ao = 1,71 cm, n^ = 13,6.
Die Genauigkeit dieser Werthe bestätigten ihm eigne
Versuche* Für das Minimum von v ist allgemein:
«o = r
A,-2;r|/i- = 2;ryT,
Offenbar hat nun die Thomson 'sehe Gleichung für ein
gegebenes v zwei reelle Werthe von A, nämlich:
1) Nach Scott Russers Bezeicbnung.
2) Lord Rayleigh, PhU. Mag. (5) 16. p. 50. 1883.
120 L, Matädeueii.
also einen grösseren und einen kleineren, welche bei dem
Minimum v^ ineinander übergehen, sodass dieser kritische
Punkt als die natürliche Grenze der Wellen II. und III. Ord-
nung betrachtet werden kann.
W. Thomson machte die interessante Beobachtung,
dass wenn ein schmales Object, z. B. ein dünner, senkrechter
Stab oder eine belastete Angelschnur, durch die ebene
Niveaufläche eines stillen Gewässers gezogen wird mit einer
Geschwindigkeit, welche grösser als 23,1 cm per Secunde ist,
beide Wurzelwerthe \ und 7^ zur Erscheinung kommen.
Vor dem bewegten Objecte treten Wellen oder Bippungen
auf, deren Breite dem kleinsten Wurzelwerthe \ entspricht,
hinter demselben Wellen, deren Breite dem grössten Wurzel-
werthe \ entspricht. Dabei laufen die vorderen Bippungen
beiderseits der Schnur in hyperbelähnlichen Aesten nach hin-
ten aus (Fig. 9). Sie liegen im Scheitel um so dichter, A,
ist um so kleiner, und \ um so grösser, je grösser v ist, und
die Curven sind auch um so stärker gebogen. Nähert v sich
seinem Minimum v^, so treten die Bippungen am Scheitel
weiter auseinander, A, wächst, \ nimmt ab, und die hyperbel-
ähnlichen Curven werden breiter, sodass ihre Schaar fast
senkrecht zur Bewegungsaxe stehende gerade Linien werden.
W. Thomson hat seine diesbezüglichen Beobachtungen
und Messungen auf dem Sound of Mull beschrieben und ist
dabei auf ein gleichzeitiges Auftreten der Minimalwerthe auf-
merksam geworden. Es zeigte sich nämlich, dass die Seiten-
äste der Bippungen in ihrem Verlaufe in eine Schaar von
Parallelen übergehen, welche mit der Bewegungsaxe einen
Winkel u bilden, der von t; abhängig ist, und dass diese pa-
rallelen Wellenzüge die Breite ^.^ und die Geschwindigkeit
t;^= 23,1 cm haben.
Wie W.Thomson bemerkt, hatte bereits früher Scott
Bus seil beobachtet, dass die Geschwindigkeit dieser schrä-
gen Wellen 21,5 cm betrage. Da t?sina = t;, ist, so ergab
sich aus den Messungen von v und u ein Werth von v«, der
für verschiedene v immer auf den constanten Werth r,=23,l cm
Wellenbewegung auf Flüssigkeiten. 121
SS v^ führte. Directe Messungen von i^ und A, scheinen dabei
nicht Torgenommen zu sein.
Lord Bayleigh hat am Schlüsse seiner oben citirten
Abhandlung in Aussicht gestellt , die allgemeine Q-ültigkeit
des Thomson' sehen Gesetzes experimentell nachzuweisen.
Da dies meines Wissens bis jetzt unterblieb, so habe ich mich
bemüht, geeignete Messungsmethoden zur Prüfung desselben
aufzusuchen und anzuwenden, insbesondere für Wellen der
TIT. Ordnung. Meine früheren Methoden^) beruhten im
wesentlichen auf der Anwendung schwingender Gefässe oder
horizontal eingeklemmter Platten; nur in einigen Fällen
wurden die Bippungen durch Stimmgabeln oder auf aus-
fliessenden Flüssigkeitsstrahlen erregt. Bei der ersten Me-
thode war ich in der Folge, you der Ansicht Faradaj's ab-
weichend, von der Voraussetzung ausgegangen, dass die
Schwingungen einer Platte und der darauf befindlichen
Flüssigkeit isoperiodisch oder isochron seien. Lord Bay-
leigh hat 1888 diese Meinung sowohl analytisch als experi-
mentell widerlegt, indem er aus seinen Beobachtungen fol-
gert, dass die Ansicht Faraday's zutreffend sei, und die
Flüssigkeitswellen nur die halbe Schwingungszahl von der des
Gefässes oder der Platte besitze, dass also n^'^j^N sei.
Lord Bayleigh beobachtete in einem speciellen Fall von
einer schwingenden Platte (iV=31) folgende simultane Werthe
für eine Wasserschicht von geringer Dicke:
l = 0,85 cm, n == 15,5, v = 13,7 cm.
Da dieser Werth von v beträchtlich unter dem Minimum
r^ SS 23,1 cm liegt, so leuchtet ein, dass bei dienen Versuchen
die Erscheinung von der Beibung in sehr störender Weise
beeinflusst wird, wenn nicht etwa dennoch n = 31 zu setzen
wäre, was der Thomson'schen Formel nahezu entsprechen
würde. Deswegen habe ich nunmehr von der Anwendung
schwingender Platten gänzlich Abstand genommen und aus-
schliesslich Stimmgabeln benutzt, mittelst deren Wellen auf
ruhenden, beliebig tiefen Flüssigkeiten erregt wurden. Um
das Gesetz in möghchst weitem Umfange zu prüfen, Hess ich
1) L. Matthiessen, Pogg. Ann. 131. p. 107. 1868; 141. p. 375.
1870.
122 L. Matthiesien.
mir eine Anzahl von Stimmgabeln sehr verschiedener Ton-
höhe von Hm. Appunn in Hanau anfertigen, woneben ich
zugleich fftnf vorzügliche Vocalstimmgabeln von KGnig in
Paris verwenden konnte. Nach ihrer Tonhöhe geordnet, waren
es folgende 16, von denen die Tonhöhen der vier ersteren
mittelst eines registrirenden Kymographen des hiesigen phy-
siologischen Instituts von Hrn. Marineingenieur Riess sehr
genau bestimmt wurden:
jy»8,4, 16,4, 36,9, 64,7, 128, 229, 256, 820,
384, 458, 512, 916, 1024, 1882, 2048, 8664.
Heftet man an die Zinken einer Stimmgabel zwei kurze
Stäbchen mit etwas Wachs, taucht diese etwa 2 mm tief in
die Flüssigkeit ein und bringt die an einem festen Stative
befestigten Stimmgabeln durch einen Hammer von Filz oder
Kork zum Tönen, so entstehen auf der Niveaufläche zwei
fortschreitende Kreiswellensy steme und zwischen den Zinken
ein System hyperbolischer Rippungen. Da unsere Methode
Gelegenheit bietet, Augenblicksbilder von den ersteren oder
den primären Systemen zu fixiren, so können beide, sowohl
die Augenblicksbilder, als die Interferenzbilder, verwendet
werden, um die zu einer Schwingungszahl N zugehörigen
Wellenbreiten A zu messen und daraus v zu berechnen.
Um nun bezüglich dieser Beobachtungsmethode den über
die Isoperiodicität der Schwingungen der erregenden festen
Körper und der Flüssigkeit etwa erhobenen Einwänden von
vornherein zu begegnen, wurde eine Prüfung angestellt zur
Erledigung der Frage, ob bei dieser Art des Experimentirens
die Molecüle der Flüssigkeit eine gleiche Schwingungsdauer
¥ne die Gabel haben oder nicht? Hierzu benutzte ich die
Beobachtung von Lissajous über die Wanderung der In-
terferenzlinien zwischen den Spitzen zweier Stimmgabeln von
den Tonhöhen N und iV^, welche zählbare Stösse geben.
Für diesen Fall habe ich in der oben citirten Abhandlung^)
analytisch den Werth der Geschwindigkeit des Wandems:
1) L. Matthiessen, Wied. Ann. 32. p. 681. 1887. Die Formel stimmt
mit der von Rayieigh gefundenen völlig überein mid beruht die Bdar-
ginalnote „In seiner Formel fehlt der Factor 2 ti^S auf einem Irrthum
meinerseits.
Wellenbewegung auf FSusigheiten. 128
«'"iTi:^"-"»)
hergeleitet, wo X und X^ die Wellenbreiten, n und n^ die
Schwingongszahlen der Molecüle bezeichnen. Es müssen
demnadi an einem festen Punkte der erregten Niveauflftche
zwischen den Zinken ebensoviele Rippungen von der Breite
XXyj{},^jL^ vorüberwandem, als die beiden Gabeln Stösse geben,
d. h* n — n^.
Zar experimentellen Prüfung wurden zwei Stimmgabeln,
deren Tonhöhen durch den Kymographen sehr genau i^« 36,94
und N^ 8 37,27 gemessen waren , verwendet. Es war also
N^—N^Qfiü. Die Beobachtung der an einer fixirten Stelle
Torüber wandernden Rippungen ergab mit grosser Genauig-
keit 0,385 pro Secunde, also Uy^^n^ 0,385. Daraus folgt
nun n^ N und n^^ N^, Wäre nämlich n = }iV, n^ = |iVj,
80 würde sein müssen w^\.XX^I(X + X^.{N — N^\ d.h. es
würde während zweier Stösse jedesmal nur eine Rippung
Torüber wandern, was aber nicht der Fall ist Wir sind
demnach yon den Schwierigkeiten, welche sich für schwin-
gende Gefässe ergeben, bei unserer Art des Ezperimentirens
ganz unabhängig; die Schwingungen der Gabeln und der
Molecüle sind völlig isoperiodisch.
Zur Messung von Xj welches aus n auch v ergibt, wurden
zwei Methoden benutzt, und zwar:
1) die Beobachtung der stehenden Interferenzlinien;
2) die Beobachtung der Augenblicksbilder der fortschrei-
tenden primären Wellen.
Die Methode der Beobachtung der primären Wellenzüge
ist auch Ton Rayleigh benutzt worden bei Wellen^ welche
nach seiner Angabe eine Geschwindigkeit von etwa 14 cm
pro Secunde hatten, und zwar in der Weise, dass er mit
Hülfe von bewegten Objecten der Bewegung mit dem Auge
folgte. Diese Methode versagt aber vollständig ihren Dienst,
wenn z. B. Wasserwellen III. Ordnung eine Geschwindigkeit
von 50 cm erreichen, was eintritt, wenn die Wellenbreite X
weniger als 2 mm beträgt Die von mir angewandte Methode
gestattet noch, weit über diese Grenze hinaus zu gehen, und
zwar bei Quecksilber bis zu t;s=80cm bei Wellenbreiten, die
mikroskopisch sind und weniger als 0,4 mm betragen.
124 L. Matthies$en,
Erste Beobachtungsmethode. Hierzu wurden an
die beiden Zinken Stifte mit etwas Wachs befestigt, wobei
die Höhe der Stimmgabel sich nicht merklich ändert, wenn
ihre Mensuren hinreichend stark und mindestens 6 mm dick
sind. War die Stimmgabel zum Tönen gebracht, so wurde
eine möglichst grosse Anzahl der Interferenzlinien zwischen
den beiden Spitzen eines feinen Zirkels direct gez&hlt. Die
Knoten und Bäuche heben sich durch die Spiegelwirkung
gekrümmter Flächen als dunkle und helle Linien ab. Die
Zirkelspitzen vnirden auf zwei beliebige dunkle Linien fixirt
und die Anzahl der zwischen ihnen liegenden dunklen Linien
genau gezählt. Ist d der Abstand der beiden Zirkelspitzen,
m die Zahl der Linien zwischen denselben, so ist:
Die Stellung der Marken, also der Abstand d wurde
möglichst oft gewechselt Da bei hohen Tönen die Linien
sehr dicht aneinander liegen, so wächst die Schwierigkeit der
Zählung, besonders bei undurchsichtigen Flüssigkeiten. Ist
die Flüssigkeit krystallhell durchsichtig, so projicirt sich bei
directem Sonnenlichte durch die Linsenwirkung gekrümmter
Flächen das Schattenbild deutlich auf dem weissen Grunde
des Porzellangefässes, wo es leichter zu messen ist. Die
meisten Messungen wurden jedoch direct auf der Oberfläche
angestellt.
Zweite Beobachtungsmethode. Hierbei wird nur
die eine Zinke mit einem Stift versehen, welcher bei der
Schwingung der Gabel ein fortschreitendes Kreiswellensjstem
erzeugt. Um hiervon Augenblicksbilder zu erhalten, müssen
die äusseren Wangen der Zinken eben und fein polirt sein,
worin die auf der Niveaufläche oder auf dem Gefässgrunde
befindlichen Bippungen in der Richtung von oben her wahr«
genommen werden. Diese Augenblicksbilder coincidiren, wenn
die Zinken ihre äussersten Deviationen erreichen; man er-
blickt also das Kreiswellenbild dauernd und fixirt Das
Kreiswellensystem wird wegen der schnellen Fortbewegung
direct nicht wahrgenommen, sondern nur in den Momenten,
wo die spiegelnde Gabel ruht und wieder umkehrt, was zwei«
oial während einer ganzen Schwingung geschieht. Da nun
WtUenbewtgting auf FSisiigkeiien. 125
nach jeder einfiEushen Schwingung das System um eine halbe
.Wellenbreite fortschreitet^ so müsste, genau genommen, die
Zahl der hellen und dunklen Linien oder die Zahl der Wei-
len verdoppelt erscheinen. Da aber die Neigung des Spiegels
gegen die Blicklinien in den beiden äussersten Deviationen
der Zinken sich ein wenig ändert, so liegen die beiden Augen-
blicksbilder nicht mitten zwischeneinander, sondern verschie-
ben sich radial, wobei die dunkeln Linien sich einander bis
zur Colncidenz nfthem, sodass man nur die Hälfte erblickt
Die Trennung zweier aufeinander folgenden AugeDblicksbilder
während einer ganzen Schwingung beobachtete ich nur bei
sehr starken Schwingungen der grossen, 60 cm langen Stimm-
gabel (N s 8,4). Befestigt man an jede Zinke einen Stift,
80 erscheint in klaren Flüssigkeiten auf weissem Gefässgrunde
als Schattenbild sehr schön das bekannte Weber 'sehe Augen-
blicksbild ^) ohne die hyperbolischen Interferenzlinien.
Wenn die Fltlssigkeit undurchsichtig ist und eine totale
Reflexion an der Oberfläche gibt, wie Quecksilber, so beob-
achtet man an der Seite, von welcher Sonnenlicht einfällt.
Die beiden Spitzen eines Zirkels werden auf zwei beliebige
und möglichst weit voneinander entfernte dunkle Linien un-
mittelbar über der ^iveaufläche in radialer Richtung flxirt
and die Zahl der dazwischen liegenden Linien gezählt, was
bei dieser Methode um so bequemer ist, da die Linien die
doppelte Distanz haben, wie die Interferenzlinien. Die ge-
suchte Wellenbreite ist:
Ist die Flüssigkeit krystallhell durchsichtig, so kann man
auch ein Porzellangefäss mit flachem Boden benutzen, auf
welchen sich infolge der Linsenwirkung der Wellenberge und
Thäler die Augenblicksbilder in concentrischen hellen und
dunklen Bingen projiciren. Die Beobachtung des Spiegel-
bildes von dem Grunde in der Zinke geschieht dann von der
entgegengesetzten Seite der Lichtseite her. Obgleich die
Oberfläche der Flüssigkeit geriffelt ist, wodurch vieles von
dem Schattenbilde des Gefässgrundes austretende Licht zer-
streut wird, so genügen doch bei starker Beleuchtung die
\) Weber, Wied. Ann. 32. p. 635 u. Fig. 8. 1887.
126 L. Matthiessen.
horizontalen Tangentialebenen der Bergrücken und Thal-
sohlen der Wellen, um ein scharfes Bild des Grundes durch-
zulassen. Der Umstand, dass auch die Stifte (Nadeln) gewellt
erscheinen, führte mich zuerst zu dieser Methode der Beob-
achtung von Augenblicksbildern der primären Wellen.
Ehe ich zur Mittheilung der Messungsresultate übergehe,
welche in überraschender Weise die Gültigkeit des Thom-
son'sehen Gesetzes für die Wellen IIL Ordnung bestätigen
und ebenso die speciüsche Cohäsion verschiedener Flüssig-
keiten ergeben, muss ich auf einen wichtigen Umstand hin-
weisen, der bei den Messungen nicht unbeachtet gelassen
werden darf. Was nämlich das von W. Thomson bei
seinen Versuchen auf dem Sound of Mull beobachtete Wel-
lenbild (Fig. 9) anbetrifft, so dürfte ihm kaum entgangen sein,
dass die erste oder die beiden ersten Wellen vor der Angel-
schnur eine merklich grössere Breite haben, als die voran-
gehenden. Dies hat offenbar seinen Grund darin, dass die
Flüssigkeit in diesem Bereiche in der Richtung der Wellen-
bewegung fortgeschoben wird, also eine verminderte Ge-
schwindigkeit der Welle und damit eine grössere Breite X
ergeben muss. Auch bei den Versuchen mit Stimmgabeln
ist es nicht ausgeschlossen, dass in der Umgebung der Stifte
Strömungen entstehen, welche v verkleinern, weshalb man
die ohnehin bewegten Spitzen als Marken nicht benutzen
darf, abgesehen davon, dass nach den Principien der Inter-
ferenzlehre der Abstand der ersten Knotenlinie vom Vibra-
tionscentrum zwischen 0 und |A schwankt. Eine ähnliche
Fehlerquelle zeigt sich bei der Methode der Messung der
Rippungen in schmalen Rinnen oder auf horizontal aus-
fliessenden Flüssigkeitsstrahlen. ^) Wenn man mit einem sehr
dünnen Objecte, z. B. einer Nähnadel, einen Ausflussstrahl
in der Nähe der Oeffnung berührt, so wird die Constante
der Formel:
welche für feine Kräuselungen oder Wellen III. Ordnung gilt,
grösser als bei den Versuchen mit der Stimmgabel auf einer
ruhenden Wasserfläche. Beispielsweise wurden von mir bei
1) L Matthiessen, Pogg. Ann. 141. p. 885. 1870.
Wellenbewegung auf Flüssigheiten. 127
der AosfluaBgeschwindigkeit üaB72cin sechs Wellen auf 1 cm
gemessen, also X » 0,167 cm; die relative Geschwindigkeit
dieser Wellen betr> aber nur 52 cm« Daraus geht hervor,
dass in der N&he der Oefinung die Geschwindigkeit des
cylindrischen Ausflussstrahles in seiner Mantelfläche durch
Beibang und Adh&sion eine Verzögerung erleidet, die somit
gemessen werden kann; f&r die Versuche an Ausflussstrahlen
l&sst sich die Thomson 'sehe Formel noch transformiren.
Es ist:
d.h. die Wellenbreite der Druckhöhe umgekehrt proportional.
Während demnach die Formel Ült hX den Werth 0,232 ergibt,
liefert die Messung den Werth hX^ = 0,440. Ist nun v die
totale Ausflussgeschwindigkeit des Strahles, v^ die seiner
Mantelfläche vor der Oefinung, X und X^ die zugehörige
Wellenbreite, so ist ftLr den concreten Fall:
hX ^ 0,232, hX^ = 0,440,
Äi : A « 1,90.
Daraus folgt weiter:
v^X==^2ngT=v^^X^,
oder: ^^^^_^, ,^^,,^0,72..
Ausgedehnte Messungen über diese Verzögerung an ver-
schiedenen Stellen in der Mantelfläche ausfliessender Flüs-
sigkeitsstrahlen sind vonHrn.Dr. Ahrendt im physikalischen
Institute ausgeführt und publicirt.^)
Ich gehe zu den Messungen selbst über. Zunächst wurde
mit Hülfe der Stimmgabel iV&= 128 bis 1024 durch eine grosse
Anzahl von Einzelmessungen die Constante:
nX*f*=^ V2ngT=y 2nT
bestimmt und daraus die specifische Cohäsion T berechnet.
In den folgenden Tabellen sind die beobachteten Werthe X
mit den aus den Formeln:
^'-98M 2^ -981,4.^-0
1) Ahrendt, £xner*s Repert. d. Phjs. 24. p. 318. 1888.
128
L, MatUiiessen.
berechneten X und v zusammengestellt, füne besondere Co-
lumne gibt auch den mittleren Fehler der Beobachtungen.
/-l/V;^!»;-^"
einer Messung an. Die cubische Gleichung gilt fbr Werthe
von N ■■ 8,4 bis 229 ; ftir grOssere Werthe von N die Glei-
chung:
Ä» =
2n. 981,4 T
Die cubische Gleichung liefert nur einen reellen, posi*
tiven Wurzelwerth und lässt sich am einfachsten goniometrisch
auflösen auf folgende Art. Man gibt ihr die Form:
(1) + 4.W(i) - 98i;Ä^i = (i) + /^ (i) - ? = 0^
setzt: tg a = |^;i ]/zh'r *«^ ^ " ^^^ '
dann ist:
Sämmtliche Messungen wurden bei einer Temperatur von
15_20<^ C. ausgeführt.
Quecksilber.
y~2nT = 15,02; r= 0,0366.
n
ber.
beob.
AI
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0,004
0,003
Für den kritischen Punkt ist:
Vq = 19,38 cm, Ao = 1,202 cm.
71. = 16,12.
WiUa^tKtgvng mtf FSiuiyluütH.
Destillirtes Wasser {bei 16—20° C.)
V^«T-21^6, r=. 0,074.
.
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AI
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Absoluter Alkohol (99 Proc.)
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FQt den kritischen Punkt ist:
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Abu i. nj*. o. ChHB. N, V. XXXTur.
ISO L. Matthiatftu Weümb«wegung auf FtLurigkeitm,
Abeolnter ScbwefeUther (bei 12° C.)
Yiiü - 13,68, T - 0,0302.
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„=.18,47 cm, ;i„- 1,092 cm,
Rg ~ 16,91.
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12" C.)
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384
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0,058 »
59,49 „
Für den
kritischen Punkt ist:
V
, = 18,94 c
m, A„ =
1,148 cm,
«« = 16
49.
Die vorliegenden Messungen ergeben, dass die von
Thomson aufgestellte Formel das allgemeine Qeseti der
regulären 'Wellenbewegung auf Flüssigkeiten sehr genau dar*
stellt und nur in der Nähe des kritischen Punktes bei einer
durchschnittlichen Welleabreite von 13 mm und einer Mini-
malgesch windigkeit von 20 cm eine kleine positive Abwei-
chung von 0,5 mm ergibt.
Wi Prejfer. Chmbmatiafutone. 131
X£L Veber {JambinoHonstOne; vcn W. JPreyer.
(Am den YeiliaiidL der Plgn. Qm. la Beriin vom 8. Februar 1888;
mitgetbeilt vom Hn. Verf.)
Ans früheren Untersachungen^) über die Bedingongeiiy
welche f&r die Hörbarkeit der Differenztöne und Summa-
tionttöne nothwendig sind, hatte sich ergeben, dass es mit-
telst der empfindlichsten Stimmgabeln und Resonatoren nicht
gelingt^ sie objectiT nachzuweisen. Es war bisher überhaupt
nicht dargethan, dass solche Töne aosserhalb des Ohres ent-
stehen. Dagegen ÜEind ich, dass im Ohre der Differenzton
erster Ordnung mit einer an dasselbe angelegten Stimmgabel
Ton ± 2 Schwingungen Unterschied auch dann noch Schwebun-
gen gibt, wenn die beiden erzeugenden objectiven Töne eben
erloschen sind, und dass ein vorher an das Ohr applicirter
Resonator von der Schwingungszahl des Differenztones mit
einer solchen Gabel in der Luft Stösse gibt Daraus folgt,
dass dieselbe Luftmasse im Resonator, welche, vom Ohre
getrennt, nicht durch den Differenzton zum Mittönen ge-
bracht werden kann*), unmittelbar vom Ohre aus in Mit-
schwingungen versetzt wird, falls der Differenzton darin hör-
bar ist.
Irgend ein Theil des Ohres, das Trommelfell oder die
Gehörknöchelchen, oder auch ein Theil des inneren Ohres,
muss demnach die Entstehung des Differenztones ermöglichen.
Welcher Theil? Das l&sst sich am unversehrten Ohr nicht
leicht ermitteln. Ich überzeugte mich zwar, dass der Ver-
schluss des äusseren Gehörganges mit dem Finger oder mit
Watte die Wahrnehmung des Differenztones unmöglich macht,
auch wenn die beiden prim&ren Töne deutlich hörbar blei-
ben, aber dabei wird nothwendig die Intensität derselben
erheblich geschwächt Man könnte also einwenden, der Com-
tnnationston käme wegen zu geringer Intensität der erzeu-
genden Töne nicht zu Stande. Doch ist es bemerkenswerth,
dass er auch bei den lautesten Pfeifen nicht wie deren
Grundtöne durch Kopfleitung zur Perception kommt Es
1) W. Prejer, Akustische Untersuchungen. Jena 1879.
2) Dieses bestätigt auch Bosanquet, Phil. Mag. June 1881. p. 480.
9*
182 fr. Preyer.
lag deshalb nahe, den Entstehnngsort des Differenztones in
dem Trommelfell und in der Paukenhfthle zu suchen, dagegen
das innere Ohr als Entstehungsort auszuschliessen, weil da-
hin die Wellenzüge beider primären T6ne auch bei yer-
schlossenem Gehftrgang gelangen und doch kein Combina-
tionston gehOrt wird.
Die Untersuchung eines intelligenten sechzehnjährigen
Jünglings mit angeborener Atresie beider Ohren, dem un-
zweifelhaft beiderseits das Trommelfell fehlte, der aber
sämmtliche Stimmgabeltöne von dem Subcontra-C bis zum
achtgestrichenen a sicher erkannte und Englisch und Deutsch
sprach, lieferte mir das unzweideutige Resultat, dass er keine
Combinationstöne hörte. ^) Schwebungen vermochte er zu hören,
solange sie nicht frequent waren, Differenztöne aber unter
keinen Umständen. Ich schloss hieraus, dass die letzteren
im inneren Ohre nicht entstehen können, sondern im Trom-
melfell entstehen, welches bei angeborener Atresie des Ohres
fehlt *), und suchte nun an solchen Individuen, welche grössere
und kleinere Defecte des Trommelfells auf einer Seite, auf
der anderen aber ein normales Ohr haben, die Hörbarkeit
der Differenztöne festzustellen.
Das sehr günstige Material, intelligente musikalische
und unmusikalische Patienten und Patientinnen, hat mir
Hr. Prof. Trautmann hier zur Verfügung gestellt, und ich
spreche ihm dafür und für sein Entgegenkommen bei den
Versuchen auch an dieser Stelle meinen besten Dank aus.
Es ergab sieb für alle Fälle mit Defecten, bei denen
die Luft von der Mundhöhle aus durchströmen konnte, dass
zweifellos keine Combinationstöne gehört vnirden, während
das gesunde Ohr der anderen Seite verschlossen blieb. Dieses
für sich liess jedesmal die Wahrnehmung des ersten Diffe-
renzstones zu Stande kommen. Dabei bandelt es sich, wie
ich ausdrücklich hervorhebe, nur um reine Fälle, wobei der
Entzündungsprocess völlig abgelaufen war, und die beiden
1) Ich theilte diese Thatsache Ende 1887 Hrn. Prof. Kessel mit
Gorrespondenzblätter des allgemeinen ärztlichen Vereins von Thüringen.
17. Jahrg. p. 279. Section fiir Heilkunde. Sitzung vom 19. Jan. 1888.
2) Joöl, Arch. f. AugenheUk. 27. p. 82. 1888.
133
primären TBne aach durch das Ohr mit dem defecten Trom-
melfell aehr deutlich gehftrt wurden.
Es ist somit, bewiesen, dass die DifferenztSne im Trom-
melfell entstehen. Ich konnte aber auch nachweisen, dass
sie daselbst nicht ausschliesslich entstehen.
Dass n&mlich das normale Trommelfell nicht unersetz-
lich ist, wird durch Fftlle bewiesen, in denen der Defect
durch Wucherung yemarbt ist In einem Falle derart, wo
der etwa zwei Drittel der Oberfläche betragende Defect durch
nengebildetes Gewebe wieder geschlossen war, wurde der
Differenzton gehört Hr. Trautmann träufelte nun einige
Tropfen Wasser in den äusseren Gehörgang derjenigen,
welche mit perforirtem Trommelfell den Differenzton nicht
hörten. Jetzt konnten sie ihn wahrnehmen. Also genügte
schon der firsatz des fehlenden Stückes durch eine dünne
Wasserscheibe, um das Zustandekommen des Differenztones
sa ennöglicheh. Ebensoviel Wasser im gesunden Ohr hin-
dert die Wahrnehmung der Combinationstöne mittelst des-
selben nicht
Durch diese Thatsachen ist also bewiesen, dass auch
andere empfindliche (belastete) Membranen als das Trommel-
fell für die Erzeugung des ersten Differenztones geeignet
sind, und es ist nur noch eine technische Frage, wie solche
ausserhalb des Ohres herzustellen sein werden.^)
1) Erst nach Büttheilung der vorstehenden Versuche an die physi-
OesellBchaft wurde ich darauf aufmerksam gemacht , dass ein
beaehtenswerther Versuch die Combinationstöne mittelst des Mikrophons
hörbar zu machen, bereits vorliegt Hr. 0. Lummer (Verhandl. der phys.
Gea. 7. Juli 1886, p. 66) verwendete dazu einen Resonator, dessen eine
Oeffiniing mit einer dflnnen Eautschukmembran verschlossen war und
mittelst eines Mikrophons mit einem Telephon in Verbindung stand. Lei-
der sind die auf diese Weise objectiv hörbar gemachten Töne nur aus
dem Harmonium erhalten worden, wo die Tonquellen nicht getrennt
sind. Ich habe stets ausser den starken Klängen der Harmoniumzungen
mit ihren vielen Obertönen zur Erzeugung der Combinationstöne erster
Ordnung stark schwingende Stimmgabeln und Pfeifen verwendet. Doch
ist nun kaum noch zu bezweifeln, dass die Differenztöne auch dann mit-
telst des Mikrophonresonators objectiv dargestellt werden können, da
durch die Hörbarkeit derselben mittelst der Wasserschicht im perforirten
Trommelfell ihre ObjectivitÄt erwiesen ist.
184 fF. Preyer.
Was die SommationstSne betrifft, so war es mir schon
im Jahre 1869 aufgefaUen, als ich sie in meinen Vorlesungen
demonstriren wollte, dass ich sie nur hOrte, wenn ausser den
zwei prim&ren Tönen auch deren ObertSne deutlich hOrbar
waren. Bei .hohen Tönen (mit wenigen oder schwachen
Obertönen) hörte ich überhaupt keinen Summationston. Ich
theilte diese Beobachtungen dem Akustiker G.Appunn in
Hanau mit, von dem ich wusste, dass er ein Torzüglich ge-
schultes Ohr hatte und zugleich die Arbeiten des Herrn
y. Helmholtz, welcher 1856 diese Tone entdeckte, kannte»
Er schrieb mir darauf sehr ausftlhrlich, meine Beobachtung
h&tte er auch gemacht, er höre Summationstöne nur in
mittleren und tieferen Lagen, schon in der zwei- und drei-
gestrichenen Octave könne er trotz der angestrengtesten
Aufmerksamkeit keinen Summationston hören; dagegen hörte
er, wie ich, die Differenztöne gerade bei hohen Tönen sehr
deutlich, die Summationstöne nur bei tiefen Tönen deutlich^
oft deutlicher als die Differenztöne. Er meinte damals, man
könne sie nur bei Tönen mit vielen starken Obertönen
wahrnehmen, und zwar seien sie die Differenztöne solcher, z. B»
bei c^s 128 und Cr^s 192 sei der laute Summationston
820 = 5. 192 - 5. 128 = 960 - 640.
Dieselbe Auffassung vertrat, ohne von dem Appunn^-
sehen Manuscript vom December 1869 etwas zu wissen^
Hr. R. König in Paris 1876, welcher meinte, wo viele
Obertöne seien, könnten diese ausreichen, allemal die Sum-
mationstöne dadurch zu erklären, dass sich immer zwei Ober-
töne finden mit einer Differenz, die der Schwingungszahl des
Summationstones gleich ist. Ich habe jedoch die Hypothese
vollständig widerlegt, derzufolge die Summationstöne hier^
durch allein zu Stande kommen sollen, durch den Nachweis»
dass man Summationstöne hört, wo so hohe Obertöne, wie
sie verlangt werden, gänzlich fehlen.
Für jedes beliebige Tonpaar ist zwar allemal:
(I) (m5 — n(i) SS a + 5,
aber in vielen Fällen auch bei kleinstem m und n das Theil-
tönepaar mh und na zu hoch oder zu schwach, um hörbar
zu sein, während doch der Summationston deutlich ist. Voll«
ends gilt dieses für den von Hrn. König allein angenom-
CombmaiiontiSne, 186
«
menen Fall, wo m «m. Dagegen kommt für jedes beliebige
Tonpaar ausnahmslos in Betracht, die von mir (L c.) zuerst
ermittelte und näher begründete Relation:
(II) nb — [(« - l)i ~ a] - a + i,
wo gleichüalls n die Ordnungszahl des Theiltones, weil hier
nur der erste Oberton zur Erklärung des Summationstones
erforderlich ist:
2&-(&-.a)«*(a + &).
Die Verstärkung des Summationstones in tiefen Lagen er-
klärt sich einfach nach (II) durch die wiederholte Bethei-
ligimg der Obertöne des b.
Solange man sich nun auf Interyalle innerhalb der
OetaTe beschränkt, kommen andere Verstärkungen des Sum-
mationstones nicht vor. Wenn aber b >2a wird, dann ist,
wie ich finde, noch der Difierenzton dritter Ordnung:
(in) (nb - (n - l)a) - [(n - 1)5 - na] « a + *
zu berücksichtigen, d. h. im Falle man sich auf das erste
Obertönepaar beschränkt, nur der Ton:
(2ft~a)-(5-2a)-(a + 5),
wo die einzelnen Glieder hörbar sind.
Da es früher weder mir noch anderen gelang, die Sum-
mationstöne zu hören, wenn nicht die ersten Obertöne sehr
deutlich zugleich hörbar waren, lag es nahe, die Summations-
töne nach (II) und (III) als Differenztöne aufzufassen.
Da aber der Helmholtz'schen Theorie der Combina-
tionstöne zufolge die Summationstöne auf einer objectiven
Addition der Schwingungen beruhen müssen, so bemühte
ich mich aufs neue, und zwar an Stimmgabeln, deren
harmonische Obertöne durch Eautschukringe gedämpft, und
welche doch zum starken Tönen gebracht waren, die
Summationstöne wahrzunehmen. Bei dem Gabelpaar von
192 und 256 ganzen Schwingungen wurde in der That der
Summationston 448, auch wenn beide Gabeln gedämpft
waren, noch deutlich gehört. Dass ausserdem von einem
Beobachter der Ton 384, also 2a, gehört wurde, kann
die Schlussfolgerung zu Gunsten der objectiven Existenz des
Summationstons nicht beeinträchtigen. Denn der erwähnten
Theorie zufolge müssen die Obertöne 2b und 2a neben
{b — a) und (b + a) mit geringer Intensität entstehen. Es
136 O. Knöjter.
wnrden auch die T6ne 64 und 320 deutlich gehört, was yer-
stftndlich ist, da 6 — a «^ 64 und 26 — a «^ 320, abgesehen
davon, dass auch Sa — 26 ■■ 320.
Da es sich bei diesen Versuchen um schwierige Wahr-
nehmungen mit äusserster Anspannung der Aufinerksamkeit
handelt, so ersuchte ich die Herren Appunn in Hanau (den
Sohn und den Enkel des obengenannten verstorbenen Gr.
Appunn), welche ein sehr geübtes und feines GehOr haben,
meine Beobachtungen zu wiederholen. Sie bestätigten die-
selben schiesslich durchaus.
Das gesammte Ergebniss der Untersuchung steht somit
im besten Einklang mit der Theorie des Hm. v. Helmholtz,
und es ist endlich der objective Nachweis der Combinations-
tOne in den schwierigeren Fällen geliefert, in welchen zwei
ganz getrennte Stimmgabeln vorhanden und schon die ersten
Obertöne jeder einzelnen Gabel auch für das geübteste Ohr
durchweg unhörbar oder schwächer sind, als die Differenz-
töne erster und zweiter Ordnung und als der Summationston*
XIII. Ueber ein neues DUatameter ;
van Oskar Knöfler.
(Auszug aus der Inauguraldissertation, bearbeitet vom Hm. Verf.)
(Hierza Taf. I Fig. 10.)
Alle chemischen und physikalischen Processe sind mit Yo-
lumenänderungen verbunden, die zum eingehenden Studium
sowohl der Anfangs- und Endzustände als auch der Zwischen-
zustände benutzt werden können.
Man kann derartige Volumenänderungen in zweierlei Weise
bestimmen, entweder ermittelt man das specifische Gewicht zu
verschiedenen Zeiten, oder man verfolgt mittelst eines Dila-
tometers die Veränderungen eines bestimmten Anfangsvolumens.
Da die letztere Art der Beobachtung ohne weiteres die ge-
suchte Grösse gibt und zugleich, wie weiter gezeigt werden
soll, die genauere ist, so ist dieselbe, wo irgend möglich, in
Anwendung zu bringen.
Dilatometer sind bekanntlich weite Gefasse, mit denen
DOaiometer. 1S7
em Capillarrohr yerbunden ist, an welchem man eintretende
DilatatioDen oder Contractionen abliest. Die auf die Volumen-
dnheit bezogene Grösse derselben berechnet sich aus dem
Volumen des G^filsses und dem des Capillarrohres. Statt dass
man die Flttssig^it, deren Ausdehnung man bestimmen wiU,
selbst bis in die Capillare hineinragen l&sst, schliesst man besser
dieselbe mit Quecksilber ab. Die Verschiebungen des in die
Capillare reichenden Endes desselben dienen dann zur Messung.
Bisher hat man das Dilatometer üast ausschliesslich zur
Bestimmung der durch Temperaturwechsel bedingten Volumen-
lüiiderangen benutzt, die durch einÜBushe Ausdehnung, Aggre-
gatszostandsänderungen und chemische Umlagerungenahervor-
gemfen werden. Auf letztere hat zuerst wohl Eilhard
Wiedemann bei Untersuchung verschiedener wasserhaltiger
Sake das Dilatometer >) angewendet, später dann Van t' Ho ff,
Beicher u. a.
Die bei der Einwirkung mehrerer Körper — zunächst
Flüssigkeiten — aufeinander stattfindenden Volumenänderungen
sind nur wenig im Dilatometer verfolgt worden. Versuche in
dieser Bichtung sind mit einem freilich noch unvoUkommeneu
Apparat von Guthrie^ angestellt worden.
Auf Veranlassung des Herrn Professor Eilhard Wiede-
mann habe ich das Dilatometer zum Studium der bei Lösungs-
vorgängen imd chemischen Processen auftretenden Volumen-
änderungen verwendbar zu machen gesucht. Es gelang mir,
einen passenden Apparat zu construiren und ihm durch suc-
cessive Verbesserung eine solche Form zu geben, dass seine
Behandlung eine äusserst bequeme ist, und die damit erzielten
Resultate sehr genaue sind.
Ich erlaube mir, denselben in Folgendem zu beschreiben,
sowie eine Reihe Versuche mit demselben mitzutheilen.
Beschreibung des Apparates.
Die Haupttheile des Apparates sind (s. Figur) zwei Gefässe
A und B und die Messcapillare S (theilweise abgebrochen
gezeichnet). A und B stehen miteinander in doppelter Com-
1) £. Wiedemann, Wied. Ann. 17. p. 561. 1882.
2) F. Guthrie, PhiL Mag. (5) 18. p. 495. 1884.
188 O. Knafler.
monication; einmal direct durch den Hahn a und dann durch
das Eohr mrij welches durch den Hahn b verschliessbar ist
Die Lfingsazen der Hähne liegen nicht, wie es die Figur zeigte
in der Ebene des Apparates, sondern sie stehen senkrecht auf
derselben. Das Eohr mn mündet in das B mit der Hess-
capillare <&' verbindende Kohr p, sodass, auch wenn der Hahn a
geschlossen — b offen ist — , sowohl A als B mit der Hess-
capillare in Verbindung stehen. Dieselbe ist mit p und dem
Apparate selbst bei s durch einen Schliff verbunden und letzterer
noch mit einem Hahne/ versehen, vor welchem T förmig nach
oben sich noch ein Capillarstttck mit Hahn e und angeblasener
Kugel E abzweigt.^)
In B mündet femer das Capillarrohr r mit dem Hahn e^
in A das Capillarrohr t mit dem Hahn d. Während r an £
fest angeblasen ist, lässt sich t von A mittelst des in den
Tubulus von A sich einsetzenden Schliffes trennen. Oberhalb
der Hähne lassen sich an r und t Kugeltrichter mittelst
Schläuchen anfügen; eine feste Verbindung durch Anschmelzen
würde die Reinigung von C und D erschweren.
Die Dimensionen des verwendeten Apparates waren so
gewählt, dass A ca. 100 ccm, B ca. 50 ccm fasste; ein Milli-
meter des Capillarrohres hatte 1,169 cmm Inhalt, seine Ge-
sammtlänge betrug etwa 1 m. Unter der Capillare S war ein
in Millimeter getheilter Maassstab befestigt und dieselbe in
Bezug auf denselben calibrirt — sie war so gut wie vollkommen
cylindrisch. An der von dem Haupttheile des Apparates ab-
gewandten Seite ist an die Messcapillare noch ein Schliff a
angeschmolzen, welcher eine leicht zu lösende Verbindung der
Capillare mit einer DrechseTschen Flasche i^ bildet Letz-
tere ist ihrerseits noch mit einer kleinen Handluftpimipe ver-
bunden.
An den Griff des Hahnes a ist ein kleiner Holzarm be-
festigt, um denselben leicht von oben handhaben zu können.
Der ganze Apparat bis zum Schliff S wird auf einem
Brette mit Querleisten (um das Ziehen zu verhindern) und ent-
sprechenden Ausschnitten für die Hähne und Gefösse befestigt.
1) Die Glasapparate wurden in vorzüglichster Weise von Hm. Glas-
künstler Götze in Leipzig angefertigt.
Däatometer. 139
die Schliffe werden zur Sicherheit mit Gommibändem zu-
sammengehalten, wozu die Glasansätze hh dienen, und ebenso
die HShne mit Gummibändern fest angedrückt.
Das Fetten der Hähne und Schliffe geschah in den meisten
FUlen mit gewöhnlichem Hahnfett (Talg mit Wachs), in den
Fällen, wo mit Aetzalkalien gearbeitet wurde, mit einem Gemisch
aus 2 Theflen Vaseline und 1 Theil unvulcanisirtem Kautschuk
(bei ca. 150^ zusammengeschmolzen).
Zur Fettung des Tubulusschliffes von A empfiehlt es sich,
immer das letztere Gemisch anzuwenden, da man dann den
Schliff / vollkommen fest eindrehen kann.
Im allgemeinen scheint gewöhnliches Fett länger dicht
zu halten als das Yaseline-Kautschukgemisch; jedoch hat dieses
den Vorzug, auch bei Temperaturen, bei denen ersteres schmilzt,
noch dicht zu halten.
Ausführung der Versuche. Der Gung der Versuche
ist im wesentlichen folgender:
Man ftült den Apparat erst ganz mit Quecksilber, f&hrt,
während flahn a geschlossen ist, durch / in ^, durch r in B
die Versuchsflüssigkeiten ein, liest den Stand des Quecksilbers
in der Messcapillare ab und bewirkt durch Oeffnen des Hahnes
a die Mischung der Flüssigkeiten, die Volumenänderung an
der Capillare S beobachtend.
Die Füllung des ganzen Apparates mit Quecksilber ge-
schieht, da in den Capillarröhren leicht Luftbläschen hängen
bleiben, am besten so, dass man, während die Hähne c, e, f
geschlossen, a, b, d offen sind, durch t den Apparat vollkommen
eyacuirt und dann durch E, resp. e Quecksilber zufliessen^ässt,
bis der ganze Apparat gefüllt ist Um das Mitreissen yon
Luflbläschen zu vermeiden, schliesst man e vor jeder Neu-
füllung von E. Sind B und A gefüllt, so öffnet man c und d^
nachdem man C und D aufgesetzt hat, bis das Quecksilber
eben in die Kugeln eintritt, und schliesst dann c und d. Durch
Oeflfeen von f füllt man auch die Capillare S mit Quecksilber,
schliesst e und entfernt etwa über 6 hinausgetretenes Queck-
silber nach dem Lösen des Schliffes.
Um die Versuchsflüssigkeiten einzuführen, verbindet man
die leere Flasche F durch a mit dem Apparate.
Der Hahn a wird dann geschlossen, ebenso/, d wird ge-
140 O. Knößer.
öffnet (wenn man A zuerst füllen will), F evacuirt und in D
etwa Vio ^^^ mehr yon der ersten Flüssigkeit gebracht, als
man anwenden will Oeffnet man^ so wird Quecksilber nach
F gesaugt, und .in A tritt dafür die Yersuchsflüssigkeit ein.
Wenn diese eingeführt ist, wobei man sorgfältig darauf zu
achten hat, dass zuletzt keine Luftbläschen mitgerissen werden,
schliesst man /, stellt in F wieder gewöhnlichen Druck her,
löst 6 und lässt das im abgenommenen Theile noch befindliche
Quecksilber nach F fliessen. Aus dem Gewicht des in F be-
findlichen Quecksilbers ergibt sich durch Division durch das
specifische Gewicht des Quecksilbers bei der herrschenden
Temperatur das Volumen der angewandten Lösung sehr genau.
Jetzt schliesst man r/, öffnet e, evacuirt F nach dem fint-
leeren wieder und füllt B in derselben Weise mit der in C
einzugiessenden zweiten Flüssigkeit wie vorher A. Das an-
gewandte Volumen ergibt sich ebenso aus dem Gewicht des
abgeflossenen Quecksilbers. Die Flüssigkeitsmengen wählt man
so, dass Ä höchstens zu ^/^ bis ^/j, B höchstens zu ^j^ mit
Versuchsfiüssigkeit erfüllt ist Bei grossen Volumenänderungen,
wo es zur Erzielung genauer Resultate sehr darauf ankommt,
dass die Flüssigkeitsvolumina, die in Beaction treten, genau
die bestimmten sind, muss man noch dafür Sorge tragen, dass
die Wandungen von B schon vorher mit der dort einzuführen-
den Flüssigkeit benetzt sind. Um noch den in den Capillaren r
und t befindlichen (schon mit gemessenen) Theil der Flüssig-
keit nach Bj resp. A zu bringen, verdrängt man denselben mit
Quecksilber, indem man F evacuirt, in D und E etwas Queck-
silbe%giesst, / öffnet, während c noch offen ist; wenn dann
r ganz mit Quecksilber gefüllt ist, schliesst man c und öffnet
d, bis auch alle Flüssigkeit aus t nach A gedrängt ist. Nun
schliesst man auch d und bringt den ganzen am Brett be-
festigten Apparattheil , soweit als durch die punktii-te Hori-
zontallinie angegeben ist, in ein Wasserbad. Als solches diente
ein grosses Gefäss, ein eiserner Topf von 14 1 Inhalt, der, um
den Einfluss der äusseren Temperatur möglichst zu be-
schränken, mit Filz umwickelt wurde. Ein durch einen Aspira-
tor erzeugter Luftstrom mischte die Flüssigkeit in dem Topfe
fortwährend durch, sodass in dem ganzen Wasserbade dieselbe
Temperatur herrschte. Dieselbe wurde durch ein Thermo-
DikUometer. 141
meter, das in Vao^ ^* getheilt war und 0,01^ C. zu schätzen
gestattete 9 gemessen.
Bei der Ausführung des Versuches selbst bringt man
zunächst den Quecksilberfaden in der Capillare an eine passende
Stelle. Dies geschieht dadurch, dass man an E einen Schlauch
ansetzt und, während e und / geöffiiet sind, und in F Atmo-
sphärendruck herrscht, ansaugt. Je nachdem Contractionen
oder Dilatationen auftreten werden, stellt man das Quecksilber
in der Capillare nahe dem Ende oder dem AnÜEOig der Scala,
in zweifelhaften Fällen ungefiilir in die Mitte derselben. Wenn
Temperaturausgleichung stattgefunden hat, und sich der Stand
des Thermometers im Bade und des Quecksilbers in der Ga-
pülare nicht mehr ändern, liest man beide ab.
Oeffhet man jetzt den Hahn o, was durch den langen an
ihm angebrachten Holzarm geschehen kann, ohne dass man
das Wasser mit der Hand erwärmt, so fliesst sofort Queck-
sflber aus A durch h nach B und treibt alle in B enthaltene
Flüssigkeit durch a nach A, ausser der an den Wandungen
Ton B haftenden kleinen Menge, auf die schon bei der Messung
des verwendeten Volumens Rücksicht genommen wurde. Durch
schwache Bewegung des ganzen Apparates lassen sich die
Flüssigkeiten sehr leicht vollkommen mischen; dies wird durch
das Quecksilber, welches dabei Wellen schlägt^ sehr befördert
Das Mischen erfolgt um so leichter, je grösser der Durch-
messer von A ist; deshalb macht man A im Verhältniss zur
Hohe sehr weit. Die bei der Mischung auftretenden Volumen-
änderungen lassen sich direct an der Capillare verfolgen und
ihrer Grösse nach bestimmen. In der Regel werden dieselben
mit einer Wärmeentwickelung, resp. -bindung verknüpft sein;
man muss daher, auch wenn die Reaction sofort vollständig
verläuft, einige Zeit warten, bis sich der Stand in der Mess-
capillare nicht mehr ändert. Auch hierbei ist die Gegenwart
des Quecksilbers von grossem Vortheil, dasselbe vermittelt den
Temperaturausgleich in kurzer Zeit. Nachdem Constanz ein-
getreten ist, liest man wieder den Stand in der Capillare und
am Thermometer ab.
Bei der Anwendung der Methode ist es von grösster
Wichtigkeit, dass die Temperatur der untersuchten Lösungen
und des als Hülfsüüssigkeit dienenden Quecksilbers am Anfang
142 O. Knofler.
und Ende dieselbe ist, resp. dass die Volumina auf gleiche Tem-
peratur reducirt werden, da das Dilatometer selbst ein sehr
empfindliches Thermometer ist; 0,1 ^ Erwärmung bewirkte eine
Verschiebung in der Capillare um 2 mm.
Handelt es sich darum, zu ermitteln, welche Volumen-
änderungen eintreten, wenn man eine bestimmte Flüssigkeit
wiederholt mit neuen Mengen einer zweiten mischt, so bringt
man die erstere anfänglich nach A und kann nach der jedes-
maligen Ablesung, und nachdem a wieder geschlossen worden,
eine neue Menge der zweiten Flüssigkeit nach B bringen und
so fort
Bei der Reinigung des Apparates ist es im allgemeinen
nicht nöthig, ihn Tollkommen zu entleeren, sondern es genügt,
wenn man B zunächst mit der Flüssigkeit ausspült, die es beim
folgenden Versuche au&ehmen soll, und nur A vollkommen
reinigt. Das Ausspülen von B geschieht ganz analog wie beim
Versuch selbst, man fCQlt es bei geschlossenem Hahn a und
treibt den Inhalt dann durch Oefinen von a nach A. um A
wieder zum neuen Versuche vorzubereiten, schliesst man hier-
auf a, nimmt das Bohr t ab imd entfernt das über dem Queck-
silber in A stehende Gremisch durch Absaugen oder Abschläm-
men mit reinem Wasser. Genügt dies nicht, sitzt an den
Gefässwänden etwa Niederschlag u. s. w., so wird derselbe durch
geeignete, Quecksilber nicht angreifende Lösungsmittel entfernt
und auch mit Wasser gut nachgespült. Für manche Fälle,
z. B. beim Ausfallen von Niederschlägen, ist es, wie eine ein-
fache Rechnung zeigt, fast belanglos, ob die Wandungen des
oberen Gefässes mit Wasser benetzt sind oder nicht. Man
flillt dann A nach dem Reinigen mit reinem Wasser, ver-
drängt dieses durch Quecksilber, welches man durch Ee ein-
fliessen lässt oder direct durch den Tubulus von A eingiesst,
saugt wieder soviel Quecksilber aus A heraus, dass der Tubulus-
schliff frei ist, und setzt nach dem Trocknen und Neufetten
der geschliflFenen Stellen das ebenfalls gereinigte Rohr t zu-
nächst ohne D auf Durch Oeflfhen von e und d füllt man A
vollkommen und drängt die letzten kleinen Mengen Wassers
durch t hinaus, ebenso die in r etwa befindliche Flüssigkeit
durch OeflFnen von c. Hierauf setzt man auch C und D wieder
auf und verfährt weiter wie zuerst*
DüatomeUr. 148
Viel&ch ist aber das Trocknen von A unerlässlich. Zu
dem Ende entleert man A so weit, dass das Quecksilber wenig
über dem Hahn a steht — der Hahn b wird vorher geschlossen
— und spült nach dem Reinigen mit Alkohol und Aether aus.
Alle diese Operationen geschehen am bequemsten durch den
Tabnlns von A\ man leitet nun Luft durch A^ bis der Aether-
dampf yeijagt ist, setzt t auf, evacuirt mehrmals und zuletzt
vollkommen, um, nachdem C wieder geöffnet, durch Ee mit
Quecksilber wie fiüher zu ftillen. £& ist noch zu beachten,
dassy wenn z. B. a und b geschlossen sind, e oder /geöffnet wer-
den müssen, damit nicht durch Ausdehnung des Quecksilbers der
Apparat gesprengt wird. Wird es nöthig, auch B zu trocknen,
80 entleert man am besten den Apparat ganz. Man muss
dann nach dem Beinigen mit Alkohol und Aether alle Hähne
und Schliffe neu fetten, was bei vielem Gebrauch des Appa-
rates ohnehin öfter geschehen muss.
Discussion der Methode. Abgesehen von den später
folgenden experimentellen Belegen für die Brauchbarkeit der
beschriebenen dilatometrischen Methode kann man sich schon
durch Erwägung der möglichen Fehlerquellen von der mit der-
selben erreichbaren Genauigkeit eine Vorstellung machen.
Yorausgesetzt, dass man die sogleich zu besprechenden Grenzen
der Ajiwendbarkeit der Methode nicht überschreitet, sind nur
Fehler in zwei Richtungen möglich, und zwar bei der Bestim-
mung der angewandten Volumina und der der eingetretenen
Dilatation.
Im Durchschnitt ist die Grösse der Summe der beiden
verwendeten Volumina mindestens auf 0,02 ccm sicher, die
Messung des Volumens, also wenn man z. B. 50 ccm hatte
— der Apparat gestattet, in der beschriebenen Grösse mit
mehr als 100 ccm zu arbeiten — , auf 0,04 Proc. richtig. Da
die Dilatationen meist nur Zehntelprocente und höchstens bis etwa
2 Proc. betragen, so würden die Volumenbestimmungen dem-
nach das Resultat um 0,004 bis höchstens 0,080 Proc. fehler-
haft machen können.
In höherem Maasse, und zwar mit ihrer ganzen Grösse,
fallen Fehler bei der Bestimmung der eingetretenen Dilatation
ins Gewicht Diese kann man durch passende Wahl des
144 O. Knäfler.
Durchmessers der Capillare verringern. Die Capillare indess
enger als ^/^ bis ^/^ mm zu wählen j ist nicht thonlich j indem,
wenigstens bei Contractionen , Geüahr des Zerreissens des
Quecksilberfadens eintritt, und ausserdem der Einfluss der
Temperaturschwankungen unverhältnissmässig gross wird.
Die gefundene Dilatation ist nur dann die wahre, wenn
das ganze Dilatometer keine Temperaturänderung eiÜEÜu^n hat,
sonst muss man entsprechende Correctionen anbringen sowohl
und Tor allem für die im Wasserbad befindlichen Theile, als
auch für die in der Luft sich befindenden.
Die einzige Möglichkeit, wie die beobachtete Dilatation
— abgesehen von nachstehend besprochenen AusnahmefäUeUi
wo Nebenreactionen auftreten — noch fehlerhaft werden könntOi
ist die, dass sich das Volumen der Gefässe durch äussere Ein-
flüsse ändert. Dies ist bei der gewählten Dicke von mindestens
^/, mm Wandstärke nur noch durch den in den Tubulus von
A einzusetzenden Stopfen t möglich. Man hat daher Sorge zu
tragen, dass derselbe fest sitzt und während des Versuchs
nicht gelockert wird. Wegen seines verhältnissmässig grossen
Durchmessers ist eine geringe Verschiebung in yerticaler Bich-
tung von bedeutendem Einfluss auf den Stand des Quecksilbers
in der Messcapillare.
So vielseitig die Anwendbarkeit der dilatometrischen Me-
thode in der angefahrten Form ist, ist sie doch nicht un-
begrenzt In erster Linie sind solche Flüssigkeiten von den
Versuchen auszuschliessen, die das Quecksilber angreifen, resp.
durch Umsetzung solche Körper liefern können: Salpetersäure,
Edelmetalllösungen, die Chloride derjenigen Metalle, die auch
Chlorüre bilden, u. a. Femer ist die Methode nicht brauch-
bar, sobald die geringsten Mengen Gase entstehen, sei es
durch chemische Reactionen, sei es dadurch, dass das Gemisch
der VersuchslösuDgen von einem in diesen enthaltenen Gase,
etwa Luft, weniger zu lösen vermag als die Lösungen flir sich
allein. Aus dem letzten Grunde empfiehlt es sich auch, die
Versuchsflüssigkeiten soweit als möglich luftfrei zu verwenden.
Für höhere Temperaturen ist die Methode nur so lange brauch-
bar, als das zum Schmieren der Hähne verwendete Material
dicht hält; dasselbe gilt für Flüssigkeiten, welche das Hahnfett
bei gewöhnlicher Temperatur lösen. Li einzelnen Fällen der
Dilatometer, 145
letzteren Art bewährte sich eine concentrirte Lösung von Zucker
IB wasserhaltigem Glycerin.
Dicgenigen Volumenänderungen , welche sich yollziehen,
ohne dass feste Körper abgeschieden werden, können natür-
lich auch durch specifische Gewichtsbestinmiungen erschlossen
werden, es lässt sich aber zeigen, dass die aus den letzteren
erhaltenen Resultate an Genauigkeit hinter denen zurück-
stdien müssen, welche die dilatometrische Methode liefert, indem
alle kleinen Fehler, welche bei der Bestimmung der specifischen
Gewichte gemacht werden, die zu ermittelnde Dilatation pro-
centisch in viel höherem Maasse fehlerhaft machen.
Wenn man z. B. eine Kochsalzlösung vom specifischen
Gewicht 1,1 mit ^/,q ihres Volumens Wasser verdünnt, so ist
das resultirende Volumen kleiner als die Summe der an-
gewandten Volumina, es tritt eine Contraction von etwa 1 /2000
ein. Im Dilatometer lässt sich dieselbe mindestens auf ^j^^
ihres Werthes, also auf 0,0^2 = 0,002 Proc. bestimmen; da-
gegen würde die specifische Gewichtsmethode höchstens die
fierte Decimale genau liefern, entsprechend 0,010 Proc. des
Gesammtvolumens = 20 Proc. der Contraction; ein Fehler
von einem halben Zehntel Procent in der specifischen Gre-
wichtsbestimmung würde überhaupt keine Dilatation mehr
finden lassen.
Wie schwierig es ist, mittelst der specifischen Gewichts-
methode die Dilatationen zu finden, ergibt sich auch aus
zahlreichen vorhandenen, vielfach sehr sorgfältigen Bestim-
mungen der specifischen Gewichte von wässerigen Salz-
lösungen. Stellt man an der Hand der besten derselben den
Gang der Contraction als Function des Wassergehaltes der
Lösung graphisch dar, so zeigen die betreflfenden Curven viel-
fache Unregelmässigkeiten. Schon a priori muss man Regel-
mässigkeiten in dem einen oder anderen Sinne erwarten; den
directen Beweis dafür, dass solche vorhanden sind, liefern die
mit dem Dilatometer erhaltenen Zahlen (s. u.), welche ein
stetiges und regelmässiges Absteigen der Curven zeigen.
Nun sind allerdings die Volumenänderungen beim Ver-
düimen von Salzlösungen sehr kleine, bis etwa 0,2 Proc. des
Volumens; bei chemischen Reactionen wie Neutralisationen u. s. w.
können sie bis etwa 2 Proc. des Volumens betragen, dann
ADD. d. Pb7i. u Cham. N. F. XXXVIII. 10
146 O. Knofler.
liefert auch die specifische Gewichtsmethode Zahlen , die bis
auf 1 Proc. ihres Werthes sicher sein können. Entsprechend
erhöht sich aber auch die Genauigkeit der dilatometrischen
Methode.
Sollen femer allgemeine Beziehungen abgeleitet werden,
80 muss man stets die Volumina und nicht die specifischen
Gewichte in Betracht ziehen, bestimmt man daher letztere, so
bedarf es noch einer Umrechnung, während die vorliegende
Methode die gesuchten Grössen direct liefert
Scheiden sich bei der eintretenden Reaction Niederschläge
aus, so ist die specifische Gewichtsmethode nicht mehr direct
brauchbar. Nur fiir Niederschläge, die sich beim Trocknen
weder chemisch noch physikalisch verändern, könnte man durch
Sonderbestimmung des specifischen Gewichtes des getrockneten
Körpers auf umständlichem Wege Zahlen finden, die aber,
wie alle specifischen Gewichtsbestimmungen fein vertheilter
fester Körper, wenig genau werden würden, üeberdies ver-
ändern sich, wie dies theilweise bekannt ist und theilweise
aus noch zu besprechenden Versuchen hervorgeht, die meisten
Niederschläge entweder schon nach der Fällung oder beim
Trocknen. Dann ist die specifische Gewichtsmethode unbrauch-
bar. Hier bildet die dilatometrische Methode das einzige
Mittel zum Studium der Volumenänderungen. In solchen
Fällen, wie bei allen langsam verlaufenden chemischen oder
physikalischen Processen, treten die Vortheile der dilatomet-
rischen Methode noch ganz besonders hervor. Die specifische
Gewichtsmethode setzt stets voraus, dass während der Be-
stimmung keine Zustandsänderungen eintreten, und bietet keine
Möglichkeit, solche eventuell direct zu erkennen; die dilato-
metnsche Methode hingegen gestattet nicht nur dies mit
Leichtigkeit, sondern ist auch das bequemste Mittel, erstere
mit Bezug auf die Zeit ununterbrochen zu verfolgen und ihrer
Grösse nach auf das genaueste zu bestimmen. Die Methode
ist eine quaUtativ-quantitative und daher auch zum Nachweis
von physikaUschen oder chemischen Veränderungen vorzüglich
geeignet. Unter den später angeführten Versuchen finden sich
verschiedene Beispiele, wo derartige Processe, die bisher theils
noch nicht beobachtet, theils ihrer Natur nach nicht erklärt
waren, erkannt wurden.
DOaiometer. 147
Anwendung des Dilatometers. Aus dem Vorstehen-
den ergeben sich folgende Arten der Anwendung des beschrie«
benen Apparates:
1. Zur Untersuchung der Ehrscheinungen , welche beim
Mischen von Flüssigkeiten auftreten, die nicht chemisch auf
einander wirken.
2. Zur üntersuchimg der Yolumenänderungen beim Mischen
Ton Flüssigkeiten^ die chemisch auf einander wirken, z. B. sich
neutralisiren, Niederschläge ausscheiden u. s. w.
3. Zur Erkennung (Nachweis), Bestimmung und Yer-
folgong des zeitUchen Verlaufes von physikalischen oder che-
mischen Processen, welche nach Vollendung der ersten Ein-
wirkung beim Mischen von Flüssigkeiten auftreten (Be-
stimmang yon Beactionsgeschwindigkeiten und Af&nitäts-
grössen u. & w.).
In Folgendem ist eine Beihe von Versuchen zusammen-
gestellt, welche dazu dienen sollen, die Anwendbarkeit, resp«
Brauchbarkeit des Dilatometers für die genannten Zwecke zu
zeigen.
Versncbe.
Bestimmung der Volumenänderungen beim Mischen verschie-
dener Lösungen mit wechselnden Mengen Wasser.
Die Bildung eines Gemisches zweier homogener Flüssig-
keiten ist stets mit Volumenänderungen verbunden. Dass die
dilatometrische Methode zur Untersuchung derselben sehr
brauchbar ist, zeigen die folgenden Versuche. Dieselben
erstrecken sich auf wässerige Lösungen von festen und gas-
formigen Körpern. Die Beispiele mit festen Körpern be-
ziehen sich auf verschiedene Salze und zwei CoUoide.
Man hätte bei den Versuchen mit Salzen auch die Vo-
lumenänderungen beim Lösen von festen Körpern direct be-
stimmen können, und in der That wurden einige Bestimmungen
ausgeführt; aus unten zu erörternden Giünden wurde aber für
die angegebenen Vei*suche von concentrirten Lösungen aus-
gegangen. Beim Ausgang vom festen Salz brachte man
dasselbe (NaCl) in gewogener Menge durch den Tubulus von
Aj das theilweise von Quecksilber entleeii; war, setzte t auf
und evacuirte bei geschlossenen Hähnen a, c, /?,/ vollkommen.
10*
148 O. KfOfler.
Beim Oeffneti von e erfüllte das Quecksilber das Gtefltos A
yoilkommen, das Salz so vollkommen durchdringend , das»
jedenfalls alle Foren desselben erfüllt waren. Nach B brachte
man bei geschlossenem a das Wasser und leitete den Frocess
ähnlich ein wie bei Verwendung zweier Flüssigkeiten durch
Oeffiien von a. In dem Maasse, ak sich das Salz Idste^
trat eine bedeutende Contraction ein. Die Methode wurde
aber hierfür verlassen trnd die erste Contraction aus dem genau
bestimmten specifischen Gewichte einer concentrirten Losung
berechnet Der Grund liegt darin, dass die Lösung, da zur
Erzielung einer concentrirten Lösung nur ein kleiner üeber*
schuss an Wasser verwendet wurde , sehr langsam vor sich
ging, umsomehr als das Salz immer unten auf dem Queck»
Silber lag. Beschleunigung durch Erwärmen war ausgeschlossen^
und beim Versuch, diese durch Umschwenken herbeizuführen^
blieben Salztheile an der Gefässwand hängen, wurden theil-
weise vom Quecksilber bedeckt und so dem lösenden Einflüsse
des Wassers ganz entzogen.
Bei den folgenden Versuchen wurde die concentrirte Salz-
lösung in A gebracht^ in B wiederholt verschiedene Mengen
luftfreies Wasser, bis A ziemlich geflillt war, oder die Dila-
tationen nur noch einige Millimeter betrugen. Die Art der
Berechnung der Resultate soll an einem Beispiel gezeigt werden»
Folgendes diene zunächst zur Erklärung der Tabelle:
Columne a enthält die in A eingebrachte Menge der Salzlösung
in ccm,
b die darin enthaltene Menge wasserfreien Salzes in g^
c die anfangs vorhandene und jedesmal zugesetzte Menge
Wasser in g
d das jedesmal vorhandene Gesammtwasser in g,
e die auf 1 g wasserfreies Salz kommende Wasser-
menge in g,
/ die Zahl der auf 1 Moleciil wasserfreies Salz kommen-
den Molecüle Wasser,
g die Differenzen der letzteren,
h die beobachtete Volumenänderung in cmm,
I das Volumen des angewandten Salzes in cmm, unter
der Voraussetzung, dass das Volumen des Wassers
beim Lösungsvorgang und Verdünnen unverändert
iy
17
71
11
Dilaiome^.
149
bliebe; di« zur Bereobaiug des ersten VolamenB
anceDOnuneoen speoifischen Gewichte sind bei
jedem Salze besonders angegeben,
<;;olii]nite i die ans h abgeleiteten (scheiobaien) Molecnlar-
Tolnnina des Salzes,
„ l die Däffennzen dieser Molecalarrolumiiia,
„ «die Differenzen der (scheinbares) Molecnlarroluinina
proMolecül Wasser innerhalb eines jeden InteiraUs,
also l/ff. Diese Zahlen sind gleichbedeutoid mit
den I^erentiolqootieQtsn des Molecularrolamens
nach der Zahl der MolecOle Wasser.
Die angegsbeaeD apedfischen Gewichte wurden mit einm
nnd demselben Fyknometer bei gaian 17,5" C. bestimmt und
tat Wasser von 17,5» C. berechnet
Chlor nat rinnt.
Hb wnrde eine Lösung von 17,343 g chemisch reinem Chlor-
oatiimu in 51,060 g Wasser hergestellt und deren speciGsches
Gewicht = 1,1950 gefanden.
1 ccm der Lösung enthielt sonach Jg^J* NacT''
Das qsecifiscbe Gewicht des festen Salzes ist ** 2,10 an-
L"
. , . 1 ,, , ,
/
s * •
L^^^
1 —
3,93a; - 1 - ' -
^T"
- - : 1873,0
27,86^-
_
2 tt,9e
3,933 11,580 11,580' 2,94
9,57
9,57 - ! 1389.0
20,66 7,20
0,7518
3 -
- ■ 2,493 14,073i 3,6S
11,69
2,oe! -28,0; 1381,0
20,26,0,40
0,19U
4 —
2,390 IS,4S3| 4,I«'lS,eO
1.97;— 19,9| 1341,1
19,95;o,31
0,1574
6, -
6,101,21,564 B,4e.n,8l
4.21
-43,3 1297,8
19.30
0,65
0,1540
e! -
5,097 1 26,661 ! 6,78,22,03; 4,22
-83,3 1264,5:18,81
0,49,0,1161
'1 -
6,121' 31,783 8,07;3e,27l 4,24
—27.4 1237,l;18,41
0,40; 0,0944
* -
5,15e; 36,9*41 e,35!30,60. 4,33
-22,8 1214,3'l8,0e
0,35 0,0809
»1 -
4,891 41,8a5,I0,fi0,34,57i 3,87
7,893 49,728,12,65 41,10 6,43
7,612l 57,840 I4.59'47,40' B,30
— 18,7 11 95,«: 17,78
0,28 0,0705
101 —
-22,2 1173,4 17,46
0,32 0,0498
iii —
-18,7 1154,7 17,18
0,28' 0,0444
ISi —
10,124.' 67,464 17,14155,76 8,36
— 19,4 1135,316,89
0,29, 0,0347
13 —
~
14,:5T' S2,221120,99
67,95
11,19
-22,8 1112,5
16,74
0,15
0,0180
In analoger Weise wui'den untersucht und berechnet:
Chlorbalium, Chlorammonium, schwefelsaures Natriam,
schwefelsaures Magnesium, Ammoniak, Zucker, Caramel.
160
O. KwiJU,.
Bei allen diesen Sabatanzen zeigt dch, dass, wenn man
die in Cotomne k berechneten scheinbaren Molecularrolumina
als Functionen der unter/ angegebenen Zahl MolecUle Wasser
pro Molecül Substanz graphisch darstellt, die resnltirenden
Gurren sehr regelmässig verlaufen. Selbst die aus den in m
gegebenen Differenzen der scheinbaren Molecnlarvolomina pro
MolecOl Wasser als Functionen des Qesanimtwaasergehaltes
dargestellten Corven der Differentialquotienten sind so regel-
mässig, wie man es nur erwarten kann.
Statt der vollsUlndigen Tabellen sollen fUr die genannten
7 Substanzen nur die aus den Differentialqnotientencurreu
durch graphische Interpolation erhaltenen Werthe von & zu 6,
resp. 10 zu 10 MoL Wasser gegeben werden:
Mol.
H,0
NaCl
KCl
NH^a
Na,SO.
MgSO,
NH,
Zucker
Cuunel
5
10
15
o.ni
-
0,106
-
£
^
£
20
o,isa
0,120
0,072
25
0,100
0,083
0,054
30
0,083
0,060
0,040
0,350
0,083
0,095
0.05t
35
0,089
0,042
0,030
0,290
0,045
0,085
0,046
40
0,053
0,039
0,019
0,225
0,015
0.075
0,041
Ah
0,046
0,036
0,016
0,189
0,008
0,065
0,03S
60
0,040
0,033
0,014
0.153
0,003
0,055
0,031
60
0.027
ö,OIS
OjllÜ
0,04S
0,021
70
0,020
0,019
0,096
0,037
0,016
BO
0,01S
0,OT4
0,030
0,011
BO -
0,013
0,250
0,064
0,024
0,009
100 '■ —
0,010
o,na
0,054
0,018
0,007
150 1 —
0,009
0,033
0,011
0,003
200 1 —
0,004
0,027
0,007
0,002
soo
-
-
0,022
-
-
0,003
-
Die Zahlen Air die einzelnen Substanzen zeigen eine sehr
regelmässige Abnahme, trotzdem sie von eventuellen Fehlem
bei der Ablesung in sehr viel höherem Maasse beeinflusst
werden als die Contractionen selbst. Die Unterschiede zwischen
den Zahlen iDr verschiedene Substanzen rühren von der grossen
Verschiedenheit der Moleculargewichte her.
Zucker und Caramel waren mit gewählt worden zum Ver-
gleich des Verhaltens der Lösung eines Krystalloides mit der
eines Oolloides; sie zeigten beide Contraction beim VerdOnnen,
die in der Tabelle zusammengestellten Zahlen zeigen annähernd
gleichartige Abnahme. Es ist also zwischen dem Veriialten
Däatometer. 161
des CoUoides und Kiystalloides kein Unterschied zu bemerken.
Sie sind yerschieden gross , weil das Molecularvolumen des
wasserfreien Caramek gleich dem des Zuckers angenommen ist
Colloides £isenoxydhydrat
Es wurde auch die Lösungsdilatation eines unorganischen
Colloides untersucht oder yielmehr die beim Ausscheiden
desselben aus der Lösung auftretende Volumenänderung. Eine
durch Dialyse erhaltene wässerige Eisenoxydhydratlösung wurde
im Dilatometer durch Chlorkaliumlösung zum Gerinnen ge-
bracht Die Eisenlösung enthielt in 1 ccm ^f^^]l ^ ?*^ und
^ 0,0342 g FejOg
hatte das specifische Gewicht 1,0295. Je 15,0 ccm derselben
wurden mit 10 ccm einer 0,938 g KCl enthaltenden Lösung
gefällt Die beobachteten Dilatationen waren a) 12,0, b) 13,3
cmm. Davon sind je 13 cmm fiir die durch Verdünnung der
Chlorkaliumlösung mit den entstehenden ca. 14,5 g Wasser
bedingte Contraction, deren Grösse aus obigen Versuchen mit
Chlorkalium berechnet werden kann, abzuziehen. Es ergibt
sich daraus das eigenthümliche Resultat, dass das gelöste Eisen-
hydroxyd in der Lösung scheinbar gar kein Volumen ein-
nimmt. Es wäre von Interesse, auch andere CoUoide in ähn-
licher Weise zu untersuchen, umsomehr als derartige Versuche
bisher nicht angestellt worden sind.
Volumenänderungen bei ohemisohen Reaotionen.
Von chemischen Processen wurden im Dilatometer verfolgt
11 ) Mischung von Salzlösungen, b) Neutralisationen, c) Fällungen.
a) Mischung von Salzlösungen.
Einige angestellte Mischungsversuche mit Salzlösungen
sollen hier mit angefUhrt werden, obsclion dabei vielleicht theil-
weise nur physikalische Processe stattfinden.
1. Schwefelsaures Natron und Chlomatrium:
10,0 com einer 2,975 g NaCl enthaltenden Lösung wurden
dreimal mit je 20,75 ccm, enthaltend je 1,805 g = V4 Molecül
NajSO^ (in Bezug auf die angewandte NaCl- Menge) einer
Lösung von Natriumsidlat gemischt und beobachtet eine Con-
traction von a) 17,3 cmm, b) 3,5 cmm, c) 1,5 cmm.
2. Chlomatrium und Chlorkalium:
Fast gesättigte Chlorkalium- und Chloniatriumlösung
152 O. Knäfler.
worden zasammengebracht. 15 ccm der 3J0 g KCl enthalten-
den einen Lösung wurden zweimal mit je 12 ccm der anderen ge-
mischt, es traten Contractionen von a) 8,4 cmm, b) 2,9 cmm au£
3. Schwefelsaure Magnesia und Natriumsulfat
lOyO ccm einer sehr concentrirten Bittersalzlösung, 2,756 g
MgS04 enthaltend, gaben beim Mischen mit je 18,75 ccm
NatriumsulfatlösuDg (je 1,63 g Na^SO^ oder Vs Molecül pro
Molecül MgSO^ enthaltend) eine Contraction von a) 71,6 cmm,
b) 15,6 cmm, c) 2,9 cmm.
4. Schwefelsaures Natron und ühorkalium.
10,0 ccm der oben (2) benutzten Chlorkaliumlösung (2,467 g
KCl enthaltend) wurden dreimal mit je 16,4 ccm der Natrium-
sulfatlösung - je 1,09 Molecül Na^SO^ pro Molecül NaCl -
gemischt, es wurde eine geringe Dilatation beobachtet von
a) +0,2 cmm, b) + 0,6 cmm, c) 4- 1,2 cmm.
Es zeigt sich aus den Versuchen, dass selbst bei Salzlösungen,
die nicht chemisch aufeinander wirken, nicht unbeträchtUche
Yolumenänderungen auftreten, wie dies schon vielfach beob-
achtet wurde. Zur Erklärung der Erscheinung nimmt man
an, dass sich die Salze im Verhältniss ihrer Verwandtschaft
zimi Wasser in dieses theilen, wenn nicht Doppelsalzbildungen
eintreten, was z. B. bei 3. wohl der Fall sein wird. Dass bei
4. eine geringe Dilatation auftritt, lässt sich durch die par-
tielle Umsetzung in K^SOj und NaCl, die auch anderweitig
nachgewiesen ist, erklären.
b) Neutralisationen.
Neutralisationsversuche wurden mit zwei Säuren einerseits
und drei Basen andererseits angestellt. Die Säuren waren:
verdünnte Salzsäure 1 ^"^^^^ ^'^^^ ''''™^^' ^' ^' ^'^^^
j., ^ a 1 i. 1 .. r (rrammäquivalente baure im Liter
verdünnte öchwefelsaure . ,^ ,
* enthaltend.
Die Basen waren Kali-, Natron- und Ammoniaklösung von
genau dem entsprechenden Titer, also 1,189 normal.
Zur Herstellung der Säurelösungen dienten die reinen
Handelsproducte, zur Herstellung der Kalilösung das mit Al-
kohol gereinigte Kali des Handels, zur Hei^stellung der Natron-
lauge aus metallischem Natrium hergestelltes Aetznatron, das
Ammoniak wurde vorher frisch über Kalk destillirt
Düaiometer,
163
Ganz kohlensäorefrei waren die Lösungen ohne Anwendung
Ton Barythydrat nicht zu erhalten. Der Gtehalt der Säuren
war mittele abgewogener grösserer Mengen chemisch reinen
wasserfreien Natriumcarbonats titrimetrisch (Methylorange als
Indicator) genau bestimmt
In dem Verhältnisse, wie sie sich neutralisiren, wurden
nun Säure und Basis in das Dilatometer gebracht, und zwar
80 y dass die der Berechnung zu Grunde gelegte Säure in das
obere G^fäss gebracht wurde, die Lauge in das imtere. Um
sicher zu sein, dass alle Säure neutralisirt werde und zur
sicheren Verhütung von eventueller Kohlensäureentwickelung
wurde stets ein kleiner Ueberschuss an Basis angewendet
Wegen der bedeutenden Wärmeentwickelung bei der Neutra-
lisation trat immer erst nach 10 — 20 Minuten Constanz des
Volumens ein.
Folgende Tabelle enthält die Resultate der sechs möglichen
Gombinationen; jeder Versuch wurde doppelt ausgeführt.
e
I
I ocm
a
«>
e<
ootn
com
<
S|
5I1I
^1? i
S^ >
Ha+KOH
HCl+NaOH
HCa+NHj
H,S04+K0H
H,SO^+NaOH
a
h
a
h
a
h
a
h
a
h
39,23
19,98
19,49
39,29
24,98
24,89
19,62
89,42
19,6?
19,2^
19,01
39,22
39,92
20,18
19,94
39,61
25,10
25,10
19,92
39,83
19,90
19,40
19,40
39,70
0,69
0,20
0,50
0,82
0,17
0,21
0,80
0,41
0,21
0,17
0,39
0,48
+ 989,7 i +20,15
+478,6 +20,20
+454,2
+914,9
—188,6
—191,0
+293,6
+ 587,0
+279,4
+272,9
+ 19,60
+ 19,59
— 6,37
— 6,44
+ 12,59
+ 12,52
+ 11,98
+ 11,98
—315,9 —14,10
—668,4! —14,15
+ 20,18 j +19,52
I
+ 19,60: +19 24
I
— 6,40 — 6,57
+ 25,10 ! +23,86
+ 23,86 +22,9
—28,26 —28,70
Die Tabelle zeigt zunächst die gute üebereinstimmung der
Versuche imtereinander; sie lässt aber auch die Üeberein-
stimmung mit den Besultaten Ostwald's erkennen, der auf
dem Wege der specifischen Gewichtsbestimmung Versuche über
die Volumenänderungen bei der Neutralisation ausführte.^)
Die Zahlen Ostwald's sind in der letzten Rubrik der
1) Vergl. Ostwald, Joiirn. f. prakt. Chem. 18. p. 853. 1878.
154
O. Knöfler.
Tabelle angeführt. Ihrer Grösse nach weichen sie allerdings
von den hier gefundenen etwas ab, dies erklärt sich jedoch
daraus, dass Ostwald mit Normallösungen, also anderen Con-
centrationen arbeitete.
Zur Ableitung allgemeiner Beziehungen berechnete Ost-
wald die Differenzen der Dilatationen pro Gramm-Aequivalent
Basis für dieselbe Säure und fand, dass diese Zahlen für je
dieselben beiden Basen annähernd gleich gross sind, welches
auch die verwendete Säure war. Die gleiche Regelmässig-
keit ergeben die oben gefundenen "Werthe, wie folgende üeber-
sicht zeigt:
KaU
Natron
' Kali— Ammoniak .
Natron— Ammoniak
i
Oitwftld
Knöfler
Ofltwald
Knöfler |
Ottwftld 1 Knöfler
Salzsäure . .
Schwefelsäure
' 0,28
, 0,42
0,58
0,62
26,09
26,25
1
26,58 ,
26,68 •
i
25,81
25,83
26,00
26,06
c) Ausfällung von Niederschlägen.
Das Dilatometer gestattet auch, Volumenänderungen bei
solchen Reactionen zu bestimmen, wo wegen der eintretenden
Ausscheidung von Niederschlägen die specifische Grewichts-
methode nicht mehr verwendbar ist. Solche Volumenänderungen
wurden bei einigen unlöslichen Erdalkalisalzen (BaS04, BaCO,,
BaCrO,, SrCOg, CaCOg) und Kupferoxydhydrat (Cu(0H)2) ge-
messen. Die Erdalkali-, resp. Kupferlösung wurde in das
obere Gefäss des Apparates gebracht, die des entsprechenden
Fällungsmittels in kleinem Ueberschuss in das untere. Kupfer-
hydroxyd wurde je zweimal aus Chlorid- und Sulfatlösung
gefällt. Die venvendeten Lösungen waren:
y3
Normalchlorbariumlösung
1 ,0328 Nonnalchlorstrontiumlösung
1.046 Normalchlorcalciumlösung
Normalkupfercliloridlösung
Normalkupfersulfatlösung
0,992 Normalnatronlauge
Nomialnatriumcarbonatlösung
Normalnatriumsulfatlösung
1,468 Normalkaliumchromatlösung
(Unter Normallösung ist
dem gewöhnlichen Ge-
brauche entsprechend eine
solche verstanden, die
pro Liter ein Gramm-
Aequivalent enthält) Die
Resultate zeigt folgende
Tabelle:
Däatometer.
155
, Üeber-
MetaU-
löflung
mittel
! 8chu88 des
FäilUDffS-
mitte^
Dilat.
Dilat
pro
ccm
ccm
ciniii
Molecül
ccm
1
1
BftSO. l
' 14,87
10,20
0,28
+ 208
' 42,6
MJUiijy^^ \
14,49
10,24
0,58
+ 205
42,4
BaCO. i
17,13
12,65
0,62
+ 287
50,4
ANIV/\/g i
19,85
14,35
1,12
+ 337
50,9
BaCiO^
19,90
9,50
0,40
+ 211
31,9
SrCO.
19,85
21,0
0,67
+485
48,4
ÖA\yV/g
19,85
21,0
0,67
+ 481
48,8
13,86
15,40
1,10
+ 352
47,8
CaCO,
10,64
12,43
1,29
+281
47,3
19,80
22,50
1,78
+ 492
47,5
a f
19,88
23,16
2,68
+486
49,2
Ca(OH), *^ ^"^
aus G11SO4 1
10,00
14,32
4,18
+ 245
49,0
11,24
12,41
1,60
+ 250
44,4
9,14
10,30
1,51
+204
44,6
Aus den Zahlen ergibt sich, dass die Moleculardilatationen
sich in Bezug auf ihre Grösse sehr nahe kommen, aber doch
nicht übereinstimmen, die Dilatationen für denselben Nieder-
schlag aus denselben Lösungen zeigen sehr gute üeberein-
stimmung, dagegen ergibt sich z. B. für Kupferoxydhydrat, je
nachdem es aus Chlorid oder Sulfat gefällt ist, eine verschie-
dene Zahl. Der nachweisbar geringe Einfluss des über-
schüssigen Fällungsmittels wurde hierbei nicht in Rechnung
gezogen.
Stellt man sich den Vorgang z. B. bei der Fällung von
BaSO^ schematisch auf, so findet man, dass man auch das
Volumen des Niederschlags bestimmen kann, es ist:
VoL(BaCU + mHgO) + VoLcNaaSO^ + nH^O) = Vol.(BaSO,)
+ Volumen[NaCl + (m + n)H20].
Die Daten der linken Seite sind alle direct gegeben oder be-
rechenbar, das Volumen der entstehenden Chlomatriumlösung
(rechts) aber auch, denn das Gewicht des gebildeten Chlor-
natriums lässt sich berechnen, das zur Lösung desselben vor-
handene Wasser ebenso (= m + n), und man kann aus diesen
beiden Daten nach den fiüheren Bestimmungen aus den Ta-
bellen das gesuchte Volumen der Salzlösung finden und durch
Subtraction dieser Grösse vom angewandten Volumen das des
Niederschlags. Man könnte so also specifische Gewichte von
156 O. Knofler.
Niederschlägen in der Lösung selbst bestimmen; eine grosse
Genauigkeit ist allerdings nicht zu erwarten, weil der Werth
das Volumen des Niederschlags von vier einzeln zu bestimmen-
den Grössen abhängt: den beiden angewandten Volumen, dem
resultirenden der Salzlösung und der gefundenen Dilatation.
Verwendung des ApparateB8urCk>n8tatirung der Veränderungen
der Niedersohlftge nach dem Fällen.
Wir sehen im Laufe der Zeit bei einer grossen Anzahl
von Niederschlägen Veränderungen erfolgen, über deren Natur
wir wenig wissen, da uns die chemische Analyse zur Ent-
scheidung solcher Fragen gewöhnlich im Stiche lässt, indem
sich die Niederschläge dann auch beim Abfiltriren u. s. w.
schon zersetzen. Hier gestattet die dilatometrische Methode
oft eine sichere Entscheidung. Findet ein Uebergang von
einer Modification in die andere statt, so wird, da die zweite
die stabilere sein muss, nach bisherigen Beobachtungen, eine
Contraction eintreten. Im anderen Falle könnte höchstens
Wasserabspaltung oder anderweitige chemische Zersetzung er-
folgen, die eine Dilatation nach sich ziehen muss.
Als interessantes Beispiel hierfür wurde zunächst kohlen-
saurer Kalk untersucht. Wenn man kohlensauren Kalk bei
ca. 17^ im Dilatometer fällt, so beobachtet man, dass das
Volumen eine Zeit lang, 10—15 Minuten, immer noch zu-
nimmt, während die Fällungen mit Barium- und Strontium-
carbonat in dieser Zeit schon beendet sind. Damit stimmt
auch das Aussehen der Niederschläge tiberein. Letztere fallen
sehr schnell krystallinisch nieder, wähi^end Calciumcarbonat
viel langsamer ebenso krystallinisch wird. In der Annahme,
dass sich hier erst wasserhaltiger amorpher Niederschlag ab-
scheidet, der sich aber schnell zersetzt, versuchte man, durch
Fällen bei 0^ das Hydrat möglichst unzersetzt zu erhalten, der
Versuch gelang. Nach der Mischung und ersten Dilatation
vergrösserte sich das Volumen bei 0'^ nur noch sehr wenig;
als man es aber auf 17" erwärmte, trat eine grössere Dilatation
auf als der Temperaturerhöhung entsprach, und beim Wieder-
abkühlen auf 0® wurde der alte Stand bei weitem nicht wieder
erreicht, es hatte also eine dauernde Dilatation stattgefunden.
Folgendes sind die Zahlen von 2 Versuchen:
Dilatometer. 167
8te«d DMh
BMhlOMIn. dem Erw. Zen. Dll»-
Btaud, oaeh raf 17* und tofk» pro
damMbchea wiedw Ab- Z«n0tzanfft- Moltefll
btiO» kfkhlen »nfO» dilatetlon CaCO.
19,8 ccm 1,082a Normal-CaC],-Lö8.
+22,5ccmNoniial.Na,CO,-Lö«iDg ^"^^'^ ^^^'^ +*^'^ •*"*'^*
15,0 ccm Zweifmch-Nonnal-CaCL-Lö8.
32,00ccmNonnal.Na.CO..L(teimg ^^^»^ «^5,0 +63,0 +4,20
Ganz entsprechend war auch das Aussehen des Niederschlags.
Bei 0® erschien er amorph wie Thonerde und erfüllte — vo-
luminös — das ganze Gefäss. In dem Maasse, wie das Dila-
tometer eine Umsetzung anzeigte , wurde er krystallinisch und
fiel nieder. Ware der amorphe Niederschlag ein amorpher
wasserfreier kohlensaurer Kalk, so könnte der Uebergang
desselben in die krystallinische nach allen bisherigen Beob-
achtungen dichtere Modification nur eine Contraction bedingen,
die dabei auftretende Dilatation macht es daher unzweifelhaft,
dass in dem amorphen Niederschlag ein hydratisirtes Carbonat
vorliegt , eine Thatsache, die bisher vermutfaet wurde, aber
wohl noch nicht bewiesen war.
Beim Fällen der Haloidsalze des Bleis, einer Reaction,
die man für sehr einfach und glatt verlaufend hält, zeigt das
Dilatometer, dass der Process ziemlich complicirt sein muss;
es findet nicht nur, lange nachdem die Temperaturausgleichung
stattgefunden hat, eine langsame aber stetige Volumen-
zunahme statt, sondern neue Mengen Fällungsmittel gaben,
nachdem schon mehr als die zum Ausfällen nöthigen Mengen
Haloidsalz (Kalisalz) zugesetzt waren, noch grosse Dilatationen.
Aus zahlreichen Versuchen mit Chlor-, Brom- und Jodblei,
bei denen es indess nicht gelungen ist, irgend welche Regel-
mässigkeiten aufzufinden, folgt, dass hier noch nicht studirte
chemische Nebenreactionen stattfinden müssen; rein physikali-
scher Natur können diese deshalb nicht sein, weil sie von einer
Dilatation begleitet sind, und stabilere Formen als die dich-
teren nur unter Contraction entstehen.
Verwendung des Dilatometers zur Bestimmung von
Beaotionsgesohwindigkeiten.
Man hat, besonders zur Ermittelung von Affinitätsgrössen,
die Geschwindigkeiten verschiedener ßeactionen bestimmt. Ein
in dieser Beziehung viel bearbeitetes Beispiel ist die Inversion
des Rohrzuckers durch verschiedene Säuren. Der dabei ver-
158 O. Knö/ler.
laufende chemische Process besteht bekanntlich in einer Wasser-
aufiiahme des Bohrzuckers und Spaltung des Productes in zwei
Zuckerarten, Dextrose und Lävulose, entsprechend der folgen-
den Gleichung:
C'i2H220ii + H3O = CgHijOg+CgHjgOg.
Die Säure tritt also nicht direct in Eeaction. Bisher hat
man den Grad der Zersetzung durch Polarisation bestimmt.
Das Verfahren ist aber sehr mühsam und bietet besondere
Schwierigkeit, weil während der doch 1—2 Minuten dauernden
Messung der Process schon weiter geht und eventuell Störungen
erleidet, auch gibt die eintretende Volumenänderung einen
Fehler in der Bestimmung, der bis über P/^ betragen kann,
indem dadurch die in der Yolumeneinheitlösung enthaltene
Substanzmenge sich ändert.
Diese Volumenänderung bietet nun ein sehr geeignetes
Mittel zur Verfolgung des Grades der Inversion in jedem Zeit-
momente ohne Störung des Processes und bei beliebiger
Temperatur.
Da bei dem Processe Wasser gebunden wird, war eine
Contraction zu erwarten, deren Grösse ein Maass für den Grad
der Zersetzung bilden könnte. Die angestellten Versuche haben
beides bestätigt. Dieselben wurden so ausgeführt, dass in das
obere Gefäss des Dilatometers die Rohrzuckerlösung gebracht
wm'de, in das untere die zur Invertirung dienende verdünnte
Säure. Nachdem der Temperaturausgleich stattgefunden hatte,
wurden die Lösungen durch OeflFnen des Hahnes a (s. Figur)
und leises Schwenken des Apparates gemischt und in Zeit-
räumen von 5 bis 25 Minuten die Temperatur des Bades und
der Stand in der Capillai'e beobachtet und letztere auf die
Anfangstemperatur reducirt. Da die specielle Verfolgung der
Reactionsgeschwindigkeit ihrer absoluten Grösse nach und in
ihrer Abhängigkeit von Temperatur, Concentration, Säure-
menge und Inversionsvermögen zu weit geführt hatte, wur-
den nur Versuche mit Salzsäure gemacht; ein regelmässiger
Verlauf der Gescliwindigkeitscurven bildet den Beweis für
die Brauchbarkeit des Dilatometers zu diesen Zwecken.
Ein kleiner üebelstand der Dilatometormethode liegt bei
dieser Messung darin, dass zunächst eine Mischungscontraction
der beiden Lösungen auftritt, nach deren in wenigen Minuten
Düatometer. 159
erfolgten Beendigung man erst an der Capillare die eigentliche
Beaction verfolgen kann.
In derselben Weise wie die Inversion des Bohrzuckers
lassen sich andere allmählich vor sich gehenden Beactionen,
z. B. auch Esterificationen mit dem Dilatometer verfolgen.
Die vorstehenden Versuche haben die vielfache Anwen«
dungsiähigkeit der beschriebenen dilatometrischen Methode ge-
zeigt und einzelne neue Thatsachen, z. B. dass das frisch
gefällte amorphe Calciumcarbonat ein Hydrat ist, bewiesen.
Dieselbe wird ein bequemes Mittel bieten, neben den Wärme-
tönongen die Volumenänderungen in Bücksicht zu bestimmen.
Zum Schlüsse sei es mir vergönnt, Hm. Professor Dr. Eil-
hard Wiedemann f(ir die reiche Anregung zu der Arbeit,
sowie die Unterstützung, welche er mir bei derselben zu Theil
werden liess, meinen aufrichtigen Dank auszusprechen.
Erlangen, Physikalisches Institut.
XIV. Notiz Über die Doppelbrechung
in zähflilsHgem Crtimmi; von H. Ambronn.
Gewisse Gummisorten, zu denen insbesondere das Gummi
der Kirschbäume gehört, haben, wie von V. v. Ebner^) zu-
erst gezeigt wurde, die merkwürdige Eigenschaft, dass sie im
gewöhnlichen Zustande auf Zug und Druck optisch umgekehrt
wie Glas reagiren, während andere Gummiarten, z. B. das ara-
bische, bei Spannungen das normale optische Verhalten zeigen.
Diese optischen Eigenthümlichkeiten versuchte ich') durch die
Annahme einer micellaren Structur im Sinne Nägeli's zu er-
klären; ich konnte eine Beihe Versuche anführen, die entschie-
den für das Vorhandensein sehr kleiner, optisch und räumlich
anisotroper Theilchen sprechen, welche infolge von Spannungen
aus ihrer Lage rücken und einer gleichsinnigen Orientirung
zustreben. Man könnte demnach erwarten, dass man bei geeig-
neter Mischung zweier sich optisch entgegengesetzt verhal-
tenden Gummiarten z. B. des arabischen Gummis und des-
jenigen der Kirschbäume eine Masse erhalten würde, die bei
Zug und Druck neutral bleibt. Ich habe jene Erwartung
1) V. V. Ebner, Untersuchungen über die Ursachen der Anisotropie
organischer Substanzen. Leipzig 1882. p. 28.
2) Ambronn, das optische Verhalten und die Structur des Kirsch-
gumtnis. Ber. d. deutschen botan. Ges., 7. p. 103 f. 1889.
160 H. Ainbronn. Doppelbrechung in zähflüssiffem Gummi.
bestätigt gefunden. Aus zähflüssigem Gummi lassen sich
bekanntlich leicht Fäden ziehen; diese Fäden sind stark
doppelbrechend, und zwar bei Eirschgummi in Bezug auf die
Längsrichtung negativ, bei arabischem Gummi dagegen positiv.
Mischt man nun im dünnflüssigen Zustande die beiden
Colloide und lässt dann wieder bis zu dem Grade der Con-
sistenz eintrocknen, bei welchem sich bequem Fäden aus der
Masse ziehen lassen, so kann man je nach dem Mischungs-
verhältnisse — über welches ich genauere quantitative An-
gaben zur Zeit noch nicht machen kann — alle Abstufungen
im Grade und im Sinne der Doppelbrechung und natürlich
auch ganz neutrale Fäden herstellen.
Eundt^) und de Metz^ haben in coUoidalen Flüssig-
keiten durch schnelle Bewegung Doppelbrechung erhalten,
aber stets in demselben Sinne wie bei Glas. Beide Forscher
haben jedoch nur solche Colloide benutzt, die auch im stark
gequollenen Zustande in gleichem Sinne reagiren. Es ist
nun wohl zu erwarten, dass jene Gruppe von Gummiarten,
denen das Eirschgummi angehört, auch m dünnflüssigen Lö-
sungen bei sehr schneller Rotation sich optisch entgegen-
gesetzt verhält. Leider konnte ich bisher derartige Ver-
suche nicht ausführen, doch glaube ich, aus den Eigenschaf-
ten der zähflüssigen Substanzen mit Sicherheit auf das
Resultat schliessen zu dürfen. Es wäre dann femer mög-
lich, dünnflüssige Mischungen herzustellen, welche bei sehr
schneller Rotation gleichfalls alle Abstufungen im Sinne und
Grade der Doppelbrechung zeigen müssten. Es wäre wohl
auch denkbar, dass bei Mischungen, die dem neutralen Zu-
stande nahe kommen, nicht blos der Grad, sondern auch der
Sinn der Doppelbrechung von der Schnelligkeit der Bewegung
abhinge. Auch der Wassergehalt dürfte hierfür nicht be-
langlos sein; ich schliesse dieses Letztere aus dem umstände,
dass bis zur kautschukartigen Consistenz eingetrocknete La-
mellen einer Mischung, aus welcher im zähflüssigen Zustande
neutrale Fäden hergestellt werden konnten, bei Spannungen
nicht mehr neutral blieben, sondern wiederum starke Doppel-
brechung im Sinne des arabischen Gummis ergaben.
1) Kundt, Wied. Ann. 13. p. 110. 1881.
2) de Metz, Wied. Ann. 35. p. 497. 1888.
Druck Ton Metzger k Wittig in Leipzig.
1889. ANNALEN JfilO.
DER PHYSIK uro CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XXXVIII.
I. Die Bestimmung van Dielectricitätscanstanten
mit Hülfe des Telephons^);
van A. Winkelmann.
iHieriB Taf. II FI9. 1.)
Bei Gelegenheit von Versuchen, die für einen hier nicht
näher anzugebenden Zweck ausgeführt wurden, fiel mir die
ausserordentliche Empfindlichkeit auf, durch welche das
Telephon wechselnde electrische Ladungen von Metallplatten
selbst in grossen Entfernungen von den letzteren anzeigte.
Diese Thatsache führte zu dem Gedanken, das Telephon
zur Bestimmung von Dielectricitätsconstanten zu verwerthen
und insbesondere zu untersuchen, ob sich auf diesem Wege
ebenfalls die grossen Werthe ergeben, welche in neuerer
Zeit für einige Flüssigkeiten gefunden wurden.^
Im Folgenden wird zuerst der Apparat und die Unter-
Buchungsmethode (§ 1) beschrieben, dann werden die Beob-
achtungen an festen Körpern (§ 2) mitgetheilt, welche dazu
dienen sollten, über die Brauchbarkeit der Methode ein
Urtheil zu gewinnen und verschieden zusammengesetzte Gläser
zu prüfen; endlich folgt die Untersuchung der Flüssigkeiten
(§ 3), welche zeigt, dass auch die vorliegende Methode in
Uebereinstimmung mit Cohn und Arons für den Aethyl-
alkohol einen sehr grossen Werth für die Dielectricitäts-
constante liefert.
§ 1. Beschreibung des Apparates und der Methode.
Der Apparat besteht aus drei kreisförmigen Messing-
platten i\, P^ und q (Fig. 1), Die Platten F^ und P^,
1) Im Auszüge in der Sitzung der med.-uaturw. Gesellschaft in Jena
vom 31. Mai 1889 mitgetheilt.
2) Cohn u. Arons, Wied. Ann. 33. p. 21. 1888, fanden z. B. für
Aethjlalkohol den Werth 26,5.
ADD. d. Phys. n. Cbero. N. F. XXXVIII. H
162 A. Winhelmann.
von gleicher Grösse, haben einen Durchmesser von 19 cm^
die Platte Q einen solchen von 10 cm; die Dicke der drei
Platten ist 0,58 cm. Die Platte Q wird von den Holzsäulen
S^y S^ getragen, indem dünne Messingansätze der Platten
in kleine Cy linder von Ebonit münden, welch' letztere auf
den Säulen aufliegen. Mit den Platten P^ und P^ sind die
Messingdrähte a^ und a^ verbunden, welche durch die Holz-
säulen s^ und s^ getragen werden; diese Holzsäulen sind auf
den Schlitten A^ und A^ befestigt; letztere sind auf der
Schiene BC verschiebbar. Die Schiene hat eine Länge von
50 cm und trägt auf der Mitte eine Theilung von 30 cm in
Millimetern, welche so angebracht ist, dass der Theilstrich
15 nahezu in der Mitte der Schiene sich befindet. Die
Schlitten Ay^ und A^ tragen in kleinen Ausschnitten zwei
Nonien, welche die Stellung der Schlitten bis auf 0,1 mm
direkt abzulesen gestatten und noch 0,05 mm sicher schätzen
lassen, um die drei Platten einander parallel zu stellen,
sind die nöthigen Schrauben an den Schlitten angebracht,
femer ist die mittlere Platte Q um eine horizontale Axe
drehbar und die Säule S^ in dem Boden der Fussplatte
etwas verschiebbar.
Die Methode der Untersuchung war folgende. Mit der
mittleren Platte Q wird das eine Ende eines secundären
Stromkreises eines kleinen Inductionsapparates, welcher im
Nebenzimmer aufgestellt ist, verbunden, während das andere
Ende dieses Kreises zur Erde abgeleitet ist Hierdurch wird
die Platte Q entsprechend den Unterbrechungen des Induc-
tionsapparates geladen und entladen, und diese Ladungen
wirken influenzirend auf die Platten P^ und Py Verbindet
man mit a^ das eine Ende des Telephondrahtes, während
das andere Ende frei in der Luft schwebt oder zur Erde
abgeleitet ist, so hört man im Telephon die einzelnen La-
dungen und Entladungen. Der Ton wird um so stärker, je
näher die Platte P^ an Q heranrückt, aber auch in der
grössten Entfernung, welche der Apparat gestattet, ist der
Ton noch sehr deutlich. Es ist indessen gar nicht nöthig,
das eine Ende des Telephon drahtes mit einer der Platten P
zu verbinden, um im Telephen den Ton zu hören; es genügt
hierzu schon, dass das eine Ende des Telephondrahtes zur Erde
Diekctricüätsconstariten. 168
abgeleitet sei^ und dass das andere Ende in nicht zu grosser
Entfernung vom Apparat frei in der Luft schwebt; selbst in
Abständen Ton 1,5 m ist dann im Telephon der Ton noch
wahrzunehmen. Ich führe dies nur an, um auf die grosse
Empfindlichkeit des Telephons für Ladungsschwankungen
hinzuweisen.
Verbindet man nun das eine Telephonende mit 64, das
andere mit o,« so wird der Ton im Telephon ein Minimum,
wenn beide Platten P eine gleich starke Einwirkung von Q
aus erfahren. Der Ton im Telephon yerschwindet nicht
vollkommen, es Iftsst sich aber auf das Minimum durch Ver-
schiebung einer der beiden Platten P gut einstellen; diese
Einstellung ist um so schärfer und sicherer, je näher beide
Platten bei Q stehen.
Nachdem durch mehrfache Einstellungen die Stelle für
das Tonminimum ermittelt ist, wird eine dielectrische Platte
oder Fllissigkeitsschicht zwischen Q und eine der beiden
Platten P gebracht Es wird hierdurch der Ton im Tele-
phon wieder hörbar, und es muss eine der beiden Platten
um eine bestimmte Strecke verschoben werden, damit der
Ton von neuem verschwindet. Für die Genauigkeit ist es
vortheilhaft, diejenige Platte zu verschieben, durch deren
Annäherung an Q der Ton zum Verschwinden gebracht
wird.
Ist die Dicke der Luftschicht zwischen Q und P^^ resp.
P^ ohne dielectrische Zwischenschicht a, die Dicke des
Dielectricums ^, die Dielectricitätsconstante desselben Z),
und wird die Platte P von der ersten Stellung aus um x
verschoben, damit der Ton von neuem verschwinde, so
hat man:
(1) a— ar=Ba—^+-g.
Daher :
Diese Formel ist in vollkommener Uebereinstimmung
mit der Formel, durch welche Gordon ^) die Dielectricitäts-
IjGordon, Mascart, Statische Electricität , übersetzt von Wal-
lentin. Wien 1885. 1. p. 894. Wiedcmann, Galv. 8. Aufl. 2. p. 89.
11*
164 A» fVinkelmann.
constanten bestimmt hat. Gordon benutzte aber fünf
Platten und ein Electrometer, während in der eben be-
schriebenen Methode nur drei Platten und ein Telephon
Verwendung finden.
In der obigen Gleichung (1) ist die Dicke der Luft-
schicht vor Einführung des Dielectricums auf beiden Seiten
der Platte Q gleich a gesetzt; man könnte deshalb die Stel-
lung der beiden Platten vor Einführung des Dielectricums
ohne Versuche ermitteln. Indessen ist es doch vortheilhaft,
die Stellung durch Versuche festzustellen, weil, wenn die
Symmetrie der Anordnung auf beiden Seiten von Q nicht
ganz vollkommen ist, das Tonminimum nicht genau dann
auftritt, wenn die beiden Abstände gleich sind. Für die Ablei-
tung der obigen Gleichung ist eine kleine Unsymmetrie nicht
von Belang, weil in jedem Fall die beiden Grössen, welche
an erster Stelle auf beiden Seiten der Gleichung (1) stehen,
electrisch gleichwerthig sind.
2. Feste Körper.
Als Beispiel werde die Beobachtung bei einer Glasplatte
angeführt, deren Dicke 3,07 mm war.
Die Versuche wurden begonnen mit eingeschalteter Glas-
platte zwischen F^ und Q.
Der Nonius von Pj zeigte 101,00 mm.
Der Nonius von F^ zeigte im Mittel von sechs Ein-
stellungen :
181,95 182,00 ]
2,00 00 \ Mittel 181,99.
2,00 00 J
Die ersten drei Werthe ergaben sich, wenn man von
links aus den Schlitten bis zum Verschwinden des Tones
verschob, die letzten drei Werthe, wenn man den Schlitten
von rechts aus annäherte.
Dann wurde die Glasplatte fortgenommen, der Nonius
der Platte F^ auf 181,99 eingestellt und nun die Platte jP,
bis zum Verschwinden des Tones verschoben; es ergab sich:
103,60 108,65 ]
55 65 \ Mittel 108,61.
60 05 J
Es ist daher x = 103,61 - 101,00 = 2,61
d = 3,07 ; D = 6,67.
Dielectricitätsconstanten.
165
In der folgenden Tabelle ist eine Reihe von Dielectri-
citätsconstanten mitgetheilt, welche in der angegebenen Weise
für einige feste Körper gefunden wurden. Die Dicke der
Platten, deren Durchmesser mindestens 21 cm betrug, oder,
wenn sie quadratisch angewandt wurden, deren Seite gleich
21 cm war, wurde mit einem Dickenmesser, dessen Angaben
bis auf 0,03 mm genau war, an verschiedenen Stellen ermit-
telt; ausserdem wurde durch zwei FühlhebeL die Dicke in
der Mitte der Platte mit derjenigen am Rande verglichen.
Tabelle I.
Substanz
Dicke
d
in mm
Verschie-
bung
X
in mm
Gks
(Spiegelglaa)
3,07
n
2,61
2,58
Dielec-
tricitäts-
const.
D
6,67
6,26
Mittel-
werth
von
D
Dielectridtätsconfitanten
nach anderen
Beobachtern
tiAct iMO Wällner«)
^'^^ l6,83 SchiUer«)
Glas
(Spiegelglas)
6,96
6,00
6,08
7,25
7,90
7,67
Glas
26,23
22,56
7,16
1
(enthftlt kein
22,56
7,16
Blei)
22,45
22,53
22,58
6,94
7,09
7,18
7,11
•
Glas
21,46
18,37
6,94
6,57 bis 10,1 Hopkinson")
8,0 bis 3,1 Gordon*)
(enthält
18,65
7,64
45 Procent
18,50
7,25
7,44
Bleioxyd)
18,67
7,69
18,66
7,67
1
3,15 Boltzmann^)
Ebonit
4,90
3,10
2,72
2,72
2,72
3,48 » •)
2,56 WüUner»)
8,10
2,28 Gordon *)
2,13
2,21 Schiller»)
Paraffin
4,90
2,13
2,13
2,32 Boltzmann*)
2,32 )» «)
»
2,13
2,13
1,96 Wüllner
8,20
4,50
A ÄO
2,22
2,21
2,29 Hopkinson')
1,99 Gordon*)
j>
4,48
2yZ\)
1,68 bis 1,89 Schiller»)
1) Wüllner, Experimentalphysik. 4. Aufl. 4. p. 333.
2) Schiller, Pogg. Ann. 152. p. 535. 1874.
3) Hopkinson, s. Mascart, Statische Electricität, übersetzt v. Wal-
lentin. Wien 1855. 1. p. 890.
4) Gordon, s. Mascart, 1. c. 1. p. 894.
5) Boltxmann, Wien. Ber. II. Abth. 67. p. 17. Iö73.
6) Boltzmaun, Wien. Ber. II. Abth. 70. p.339. 1875.
166
A. Winkelmann,
Substanz
Dicke
d
in mm
Verschie-
bung
X
in mm
Dielec-
tricitäts-
const
B
Mittel-
werth
von
B
Dielectricitätsconstanten
nach anderen
Beobachtern
Schellack
4,90
9,65
8,35
6,43
6,51
3,16
3,00
8,08
3,16
8,04
2,95 bis 3,73 Wülluer»)
2,74 Gordon«)
Die vorliegenden Zahlen zeigen eine genügende Ueber-
einstimmung unter sich, sobald sicher die gleiche Substanz
vorliegt. Beim Paraffin und beim Schellack wurden zuerst
die dickeren Platten untersucht, alsdann diese abgedreht und
bei einer geringeren Dicke geprüft. Die Differenzen in den
Mittelwerthen werden durch kleine Beobachtungsfehler erklärt.
Um den Einfluss der Zusammensetzung des Glases auf
die Grösse der Dielectricitätsconstanten zu untersuchen,
wurden zwei Gläser benutzt, von denen das eine 45 Proc.
Bleioxyd enthielt, während das andere ohne Blei war.^ Der
Unterschied der gefundenen Dielectricitätsconstanten ist nur
gering; es ergaben sich die Werthe 7,44 und 7,11. Bei dieser
kleinen Differenz schien es nicht lohnend, noch weitere Glas-
sorten zu prüfen.
Die benutzte Methode gibt, wie die Formel (U) unmittel-
bar erkennen lässt, um so genauere Werthe, je kleiner die
Dielectricitätsconstante der untersuchten Substanz ist, wenn,
wie es thatsächlich der Fall war, die Sicherheit der Einstel-
lung nicht von der Dielectricitätsconstante selbst abhängig
ist. Setzt man z. B. in jedem Falle eine Schichtdicke
^=5 mm voraus, und nimmt man einen Einstellungsfehler
von 0,04 mm an, so bedingt dieser bei einer Dielectricitäts-
constante = 2 nur einen- Fehler von 1,6 Proc, bei einer
Dielectricitätsconstante « 30 dagegen einen solchen von
27,2 Proc. Die folgende Tabelle gibt eine kleine Uebersicht.
1) Wüllner, Experimentalphysik. 4. Aufl. 4« p. 333.
2) Qordon, s. Mascart, Statische Electricität, übersetzt von Wal-
lentin. Wien 1885. 1. p. 894.
3) Die Benutzung der beiden Gläser, welche später zu Femrohr-
rohrobjectiven verwendet sind, verdanke ich der Güte des Hrn. Dr. Schott
in Jena.
Dielectricitätsconstanten, 167
Schichtdicke d ^b mm.
£influ8s eines Fehlers von 0,04 mm in x auf
DielectrlcitittoonsUiito D
D absolut in Procenten
2 0,082 1,6
5 0,204 4,0
10 0,882 8,2
20 8,48 17,2
80 8,16 27,2
Würde der Einstellungsfehler unabhängig von der Dicke
der eingeschalteten Substanz sein, so würde die Anwendung
einer grossen Schichtdicke für die Genauigkeit der Bestim-
mung Yortheilhaft sein, wie ebenfalls die Gleichung (U) direct
zeigt Diese Unabhängigkeit besteht aber nicht. Bezeichnet
man die Tonstärke mit i, die Entfernung einer der äusseren
Platten P von der mittleren Platte Q mit «, so ist di\ds
um so kleiner in der Nähe des Tonminimums, je grösser s
ist. Je dicker aber die eingeschaltete Substanz ist, um so
grösser wird nothwendig auch b sein, und daher ist dann
di\d9 kleiner als bei Anwendung einer dünneren Platte.
Dieses Resultat wird durch die Beobachtung direct bestätigt:
bestimmt man das Tonminimum des Telephons, indem man
Ton rechts und von links aus einstellt, so wird die Differenz
dieser Einstellungen um so grösser, je grösser unter sonst
gleichen Umständen die Dicke der eingeschalteten Substanz ist.
Wie die Formel für D zeigt, ist die Dicke a der Luft-
schicht, welche zwischen je zwei Metallplatten vor dem Ein-
schalten der untersuchten Substanz vorhanden ist, ohne
Einfluss auf das Endresultat. Diese Forderung wird inner-
halb nicht zu weiter Grenzen bestätigt. Nimmt man aber
die Entfernung a sehr gross, so tritt einerseits, wie schon
erwähnt, eine grössere Unsicherheit in der Einstellung auf,
und andererseits ist die Bedingung, unter welcher die Glei-
chung (1) gültig ist, dass nämlich die Schichtdicke klein
gegenüber dem Durchmesser der Platten sei, nicht mehr
erf&Ut; man darf daher in diesem Falle eine Unabhängigkeit
Yon der Grösse a nicht mehr erwarten. Ferner wird, falls
die Luftschicht a nur wenig grösser als die Dicke d der
später einzuschaltenden Substanz ist, letztere beim Einsetzen
zwischen die Platten nothwendig sehr nahe an die mittlere
Platte, welche starke Ladungen erhält, herangerückt und
168 A. Winkelmann.
hierdurch — wahrscheinlich durch directen Uebergang der
Electricität — eine Abweichung veranlasst. Trotz der an-
gegebenen Grenzen gibt es einen hinreichend grossen Be-
reich, in welchem D unabhängig von der Dicke der Luft-
schicht sich ergibt und die so gefundenen Werthe sind in
die Tabelle I aufgenommen.
Es ist schon von verschiedenen Seiten hervorgehoben,
dass die G-rosse der Dielectricit&tsconstanten eine Function
der Ladungsdauer des Dielectricums ist und mit abnehmen-
der Ladungsdauer selbst abnimmt; nur bei ,, vollkommenen*'
Isolatoren scheint die Dielectricit&tsconstante von der La-
dungsdauer nahezu unabhängig zu sein. Nach Bo mich und
Nowak^) ergab Glas bei altemirender Ladung (etwa ein
Ladungswechsel pro Secunde) für die Dielectricitätsconstante
den Werth 7,5, bei dauernder Ladung den zwanzigmal grösse-
ren Werth 159. Schiller^) erhielt f&r weisses Spiegelglas
bei einer Ladungszeit von 0,0^859 See. den Werth 5,78, bei
einer Ladungszeit von etwa 7x0 ^^^ V26 ^^^* ^^^ Werth 6,34.
Nach Curie^ nimmt die Dielectricit&tsconstante mit wach-
sender Ladungszeit bei amorphen Körpern (Glas, Ebonit)
bedeutend zu; bei einigen Erystallen (Quarz, Ealkspath) ist
dagegen der Einfluss der Ladungszeit sehr gering. — Ich
hatte die Absicht, den Einfluss der Ladungszeit ebenfalls
zu untersuchen und konnte bis zu 3000 Unterbrechungen in
der Secunde heraufgehen. Die Tonstärke des Telephons war
aber, wahrscheinlich infolge etwas ungleichmässiger Berüh-
rungen bei Anwendung eines Schleifcontactes, nicht so con-
stant, um eine hinreichende Genauigkeit bei der Einstellung
zu erzielen. Deshalb musste ich zunächst von einer weite-
ren Verfolgung des Gegenstandes nach dieser Richtung ab-
sehen und bemerke nur noch, dass in den mitgetheilten Ver-
suchen die Ladungsdauer etwa V340 Secunde war.
§ 3. Flüssigkeiten.
Nachdem durch die vorhergehenden Versuche an festen
Körpern die Brauchbarkeit der Methode sich gezeigt hatte,
1) Korn ich u. Nowak, Wien. Ber. II. Abth. 70. p. 406. 1875.
2) Schiller, Pogg. Ann. 162. p. 535. 1874.
3) Curie, Beibl. 12. p. 858. 1888.
DielectricitaUconstanten, 169
wurde eine Reihe Yon Flüssigkeiten untersucht. Es wurden
hierzu Glaströge von quadratischer Form mit 21 cm Seite
verwandt; die Glasscheiben, deren Dicke zwischen 1,15 und
1,85 mm yariirte, wurden durch drei Glasstreifen von 7 mm
Breite, denen sorgfältig die gleiche Dicke gegeben war, ge-
trennt und mit einem Kitt von Zinkoxyd und Wasserglas
befestigt; man erhielt so einen parallelepipedischen Kasten.
Die Dicke der in dem Kasten eingeschlossenen Luftschicht
wurde dadurch ermittelt, dass man zuerst die Dicke der
Glasscheiben und darauf die Dicke des Kastens an ver-
schiedenen Stellen ermittelte; die Differenz liefert alsdann
die Dicke der Luftschicht.
Bei den Versuchen wurde der leere Kasten zwischen
die Platte Q und eine der Platten P des Apparates gestellt
und dann das Tonminimum des Telephons ermittelt; darauf
wurde, ohne sonst etwas an dem Apparate zu ändern, der
oben offene Glaskasten mit der zu untersuchenden Flüssig-
keit gefällt Um das Tonminimum des Telephons wieder
herzustellen, war eine Verschiebung einer der beiden Platten
P erforderlich, deren Grösse gemessen wurde. Die Berech-
nung der Dielectricitätsconstanten geschieht in derselben
Weise wie bei den festen Körpern.
Die Dielectricitätsconstanten der Flüssigkeiten, welche
in der gegebenen "Art ermittelt wurden, waren nicht unbe-
trächtlich grösser, als die Werthe, welche von anderen Be-
obachtern angegeben sind, und zwar zeigte sich diese Diffe-
renz bei allen Flüssigkeiten ohne Ausnahme. Daher lag die
Vermuthung nahe, dass bei allen Flüssigkeiten der gleiche
Umstand die Vergrösserung der gesuchten Werthe herbei-
führe. Dieser Umstand wurde in der Durchbiegung der
Glasplatten gefunden, welche den Kasten zusammensetzen;
es wird hierdurch die Dicke der Flüssigkeitsschicht grösser
als bei nicht gefülltem Kasten die Dicke der Luftschicht ist.
Wenn man bedenkt, dass, wie aus den Dimensionen sich
ergibt, durch Einfüllen einer Flüssigkeit von der Dichtigkeit
Eins in das Innere des Kastens, ein Druck von 4 kg auf
eine Wand von 400 qcm Fläche sich herstellt, so ist eine
beträchtliche Durchbiegung der Seitenwände nicht auffallend.
Diese Durchbiegung wurde direct mittelst Anlegen von
170
A, Winkelmann.
zwei empfindlichen Fiihlhebeln(yergrös8erung gleich 26) gemes-
sen, indem die Stellung dieser Fiihlhebel einmal bei leerem, dann
bei gefülltem Qlastrog bestimmt wur-
de. Entsprechend der mittleren Platte
Q des Apparates gegenüber dem Glas-
trog wurde die Vermehrung der Dicke
des Glastroges infolge des Einf&Uens
an fünf Stellen a, b, c, d, e (s. Figur)
gemessen; die vier letzten Punkte
liegen auf einem Kreise, dessen Mittel-
punkt a ist, und dessen Durchmesser
gleich dem Durchmesser der Platte
Q ist.
Die Vermehrung der Dicke betrug bei Einfüllung von
Terpentinöl, dessen specifisches Gewicht 0,87 war:
bei a h c d e
mm 0,241 0,206 0,158 0,142 0,145.
Die Dicke der Glasscheiben war 1,85, resp. 1,22 mm.
Aus den angegebenen Werthen ist die Vermehrung der
Schichtdicke derjenigen Flüssigkeitsmasse zu berechnen,
welche der Platte Q des Apparates gegenüber liegt. Um
die mittlere Schichtdicke zu erhalten, kann man mit genügen-
der Genauigkeit annehmen, die Vermehrung bestehe in einem
Cylinder von der Höhe m == {b+c+d+e)IA und einer Kugel-
kappe von der Höhe {a^m). Nach den obigen Zahlen ist
m s 0,161 mm und verwandelt man die Kugelkappe in einen
Cylinder mit gleicher Grundfläche, so wird die Cylinderhöhe
» 0,027 mm. Die mittlere Vermehrung der Schichtdicke ist
daher 0,161 + 0,027 = 0,188 mm.
Bei dem zweiten Kasten, welcher dünnere Glasplatten
besass, ist die Vermehrung der Schichtdicke noch bedeuten-
der ; dieselbe betrug 0,282 mm bei Einfüllung mit Terpentinöl.
Um fbr andere Flüssigkeiten die Vermehrung der Schicht-
dicke zu erhalten, wurden keine neuen Messungen ausgeführt,
sondern dieselbe nach der Formel:
berechnet. Hier bedeutet S^ die Vermehrung der Schicht-
dicke für eine Flüssigkeit vom specifischen Gewicht s^\ S,^
Diekctricitätsconstanten»
171
und «, stellen die entsprechenden Grössen für eine zweite
f Ifilssigkeit dar.
In der folgenden Tabelle sind die erhaltenen Werthe
zusammengestellt; die angegebene Schichtdicke der Flüssig-
keit ist bereits corrigirt
T
abelle
II.
Schicht- Venchie-
Fl&»igkeit *"J« •"^
' in mm in mm
; r
Dielec-
tricitäts-
const
D
Mittel-
werth
von
D
Dielectricitfttsconstanten
nach anderen
Beobachtern
Bensol
5,258
2,912
3,18
3,14
1,66
2,47
2,48
2,33
2,43
2,20 SüowO
2,836 Palaz«)
Petroleum
5,240
2,885
2,88
1,49
2,22
2,07
2,14
2.10 Hopkinson»)
2,04 bia 2,07 SUow »)
2.11 Wflllner*)
2,04 Cohn und Arons'^)
Terpentinöl 5,258
1 2,912
2,89
1,60
2,22
2,22
2,22
2,22 Öilow 0
2,26 Wüllner*)
Aethylalko-
hol
5,240
2,885
»1
5,00
5,043
2,80
2,78
21,8
26,6
33,9
27,5
27,4
26,5 Cohn und Arons^)
Eine Vergleichung der gefundenen Werthe untereinander
zeigt eine genügende Uebereinstimmung; selbst die Unter-
schiede beim Alkohol, die procentisch einen bedeutenden
Betrag erreichen, werden durch kleine Beobachtungsfehler
erklärt, wie sich am deutlichsten aus den beiden letzten
Werthen ergibt Die Differenz in der Einstellung beträgt
hier nur 0,02 mm, und diese Grösse hat in der Dielectri-
citätsconstante eine Aenderung von 83,9 auf 27,5 zur Folge.
Die durch die Yorliegende Methode erreichbare Genauigkeit
ist, wie schon erwähnt wurde, bei grossen Dielectricitäts-
constanten nur gering; der mittlere Fehler in dem Resultat
des Alkohols beträgt 10 Proc.
Vergleicht man die Mittelwerthe der gefundenen Dielec-
1) Silow, Pogg. Ann. 156. p. 389. 1875.
2) Palaz, Beibl. 11. p. 259. 1887.
3) HopkinBon, Beibl. 6. p. 113. 1882.
4) WüUner, Experimentalphysik. 4. Aufl. 4. p. 333.
5) Cohn u. Arons, Wied. Ann. 33. p. 21. 1888.
172 Th. Homen.
tricitätsconstanten mit den Besultaten anderer Beobachter,
so zeigt sich auch hier eine hinreichende Uebereinstimmung;
insbesondere wird der grosse Werth, welcher von Cohn und
Arons f&r die Dielectricitätsconstante des Aethylalkohols
ermittelt wurde , auch hier gefunden. Da nach der Natur
der hier angewandten Methode die Unsicherheit des Resul-
tates gleichzeitig mit wachsender Dielectricitätsconstante zu-
nimmt, so ist die von Cohn und Arons benutzte Methode
zur Bestimmung hoher Dielectricitätsconstanten unzweifelhaft
der ersteren bezüglich der Schärfe der Bestimmung weit
überlegen; trotzdem scheint es nicht ohne Interesse, das von
Cohn und Arons gefundene Resultat des grossen Werthes
für Alkohol nach einer ganz anderen Methode bestätigt zu
sehen. Der nahen Uebereinstimmung des hier gefundenen
Mittelwerthes mit dem der älteren Beobachtung ist hierbei
aus den schon angegebenen Gründen eine Bedeutung nicht
beizulegen.
Jena, August 1889.
IL TJeher die Mectricitätsleitung der Gase;
von Theodor Homen.
(Auszug einer ebengenannten AbhandluDg Pars III in Acta Sodetatifl
Scientiarum Fennicae, 17. 1S88.)
(Hierin Taf. II Fly. S-6.)
Der Zweck vorliegender Untersuchung ist, den Wider-
stand eines Gases bei continuirlichem Durchgange der Elec-
tricität zu erforschen, vor allem zu untersuchen^ ob und wie,
in welchen Einheiten dieser Widerstand gemessen werden
kann. .
In einer früheren Abhandlung^) ist gezeigt, dass bei
Leitung der Electricität durch verdünnte Luft der Wider-
stand im Lufträume in zwei Theile getheilt werden kann,
von welchen der eine Theil dem Abstände zwischen den
Electroden proportional, der andere von demselben unab-
hängig ist. Der erstere Theil wurde dem Widerstände des
1) Hom^n, Wied. Ann. 26, p. 55. 1885.
Ekctricüätsleüung der Gase, 173
Gases selbst, der letztere dem speciell von Hittorf^) und
Edlund') untersuchten Uebergangswiderstand an den Elec-
troden zugeschrieben. Ich fand, dass der Luftwiderstand
dem Drucke proportional ist, dass aber der Uebergangs-
widerstand an den Electroden bei grosser Verdünnung mit
dieser schnell wächst.
Die erwähnten Versuche wurden mit Anwendung von
Inductionsströmen ausgeführt. Wenn bei zwei verschiedenen
Drucken die öalyanometerausschläge des durchgehenden
Stromes für zwei gewisse Schlagweiten gleich waren und
nun eine Verlängerung der Schlagweite bei diesen Drucken
mit resp. a und b Längeneinheiten ganz dieselbe Herab-
setzung der Stromstärke verursachte, so wurden die Wider-
stände der Luftsäulen a und b bei den beiden Drucken ein-
ander gleich gesetzt. Auf diese Weise von Druck zu Druck
fortgehend y konnte der Widerstand bei den verschiedenen
Drucken verglichen und in willkürlicher Einheit gemessen
werden. Ich hoffte jetzt mit Anwendung von galvanischen
Strömen, wo die Stromstärke dauernd constant ist, diese
Verhältnisse näher studiren und den Gaswiderstand rational
messen zu können.
Eine Debersicht der Eniladungsversuche mit galvani-
schen Strömen von Gassiot^), Varley*), Hittorf^), War-
ren de la Kue und Hugo Müller^) ist in meiner aus-
führlichen Abhandlung: „Ucber die Electricitätsleitung der
Gase"^), gegeben. Daselbst ist auch dargelegt, wie Hittorf
und Hertz ^ nachgewiesen haben, dass, wenn der Wider-
\) Hittorf, Pogg. Ann. 130. p. 1 u. 197. 1869; Wied. Ann. 7.
p. 553. 1879.
2) Edlund, K. Sv. Vet. Akad. Handl. 20. p. 3. 1882; Wied. Ann.
15. p. 514. 1882.
3) Gassiot, Phil. Trans. lOl, p. 32. 1844; Pogg. Ann. 119. p. 131.
1863.
4) Varley, Proc Roy. Soc. 17. p. 236. 1871.
5) Hittorf, Wied. Ann. 7. p. 553. 1879; 20. p. 705. 1884 u. 21.
p. 90. 1884.
6) Warren de la Bue u. Hugo Müller, Phil. Trans. 169. p. 155.
1878; 171. p. 65. 1879.
7) Tb. Hom^n, Acta Soc. Sc. Fennicae. 16« p. 25. 1886.
8) Hertas, Wied. Ann. 19. p. 782. 1883.
174 Th. Homeru
stand in der Leitungsbahn nicht allzu gross ist, die Ent-
ladung einer grossen gahanischen Säule durch eine Geiss»
1er 'sehe Bohre wirklich continuirlich ist. Weiter zeigte sich
bei den obenerwähnten Untersuchungen von Varley, Hit-
torf, Warren de la Rue und Hugo Müller die Potential-
difPerenz zwischen den Electroden einer Geissler'schen
Bohre, durch welche der galvanische Strom geleitet wurde^
constant, von der Stärke des Stromes unabhängig. Dies
wollte ich näher prüfen und sowohl den Uebergangswider-
stand an den Electroden, als den Gaswiderstand selbst, beide
voneinander wohl getrennt, bei verschiedenen Drucken unter-
suchen und messen.
§ 1. BeschreibuDg der Apparate.
Als Electricitätsquelle diente eine galvanische Batterie
von 1456 Bunsen'schen Ghromsäureelementen. Diese waren
auf sieben grossen hölzernen Gestellen zu 14 Tauchbatterien
aufgestellt. Die Gef&sse (aus Glas) zur Aufnahme der Lö-
sung waren 25 cm hoch und von etwas über 5 cm innerem
Durchmesser. Die Eohlenplatten, aus möglichst fester Betör-
tenkohle geschliffen, waren 10,5 cm lang, 2 cm breit, die
Zinkplatten, gut amalgamirt, zum grössten Theil aber mit
Paraffin überzogen, 10 cm lang.
Die Kohlen und Zinke je zweier aufeinander folgender
Elemente waren mit ca. 12 cm langen Kupferstreifen anein-
ander gelöthet (die Enden der Kohlenplatten waren galva-
nisch verkupfert) und über horizontale Glasröhren gehängt,
welche wie die Sprossen einer Leiter in einen hölzernen
Bahmen eingepasst waren. Dieser Bahmen konnte mit einer
Hebelvorrichtung gehoben und gesenkt, die Platten also
schnell und bequem in die Säure getaucht oder aus dersel-
ben gehoben werden. Zu jedem Bahmen gehörten 104
(= 13 X 8) Elemente. Die Isolation war bei der erwähnten
Vorrichtung sehr vollständig. Die Glasröhren und Kupfer-
streifen, sowie der untere Theil der Aussenseite der Gefässe
waren mit Asphaltlack gefirnisst. Die Batteriegestelle hatten
Glasfiisse. Alles Glas war Kaliglas. Alle Contacte wurden
durch Quecksilber in Ebonitnäpfchen vermittelt.
Bei der Anwendung zeigte sich, dass die Batterie sehr
ElectricüäUleitung der Gase, 176
gut functionirte. Trotz vieler Benutzung ist die electromo-
torische Kraft kaum vermindert. Sie beträgt etwa 2 Volt
in jedem Element, wird jedoch bei längerer ununterbrochener
Anwendung ein wenig vermindert Ein von der Kleinheit der
Zinkoberfläche herrührender Nachtheil bei den Elementen
ist, dass der Widerstand nach längerem Gebrauch sehr gross
wird. Dies war jedoch bei meinen Versuchen, wo immer
grosse Bheostatenwiderstände angewandt wurden, von kleiner
Bedeutung.
In den Entladungsröhren aus Glas, 1,6 cm im Durch-
messer, wollte ich den Abstand zwischen den Electroden ver-
ändern können^ ohne den Druck des Gases zu verändern.
Bei früheren Untersuchungen^) hatte ich dies dadurch er-
reicht, dass die drahtförmigen Electroden durch zwei an den
Enden der Bohre, zwischen zwei Korken liegende Oel-
litnme in die Röhre eingeschoben werden konnten. Jetzt
wollte ich das Oel vermeiden. Ich hatte daher (s. Fig. 2),
die Anode {a) mit einem spiralförmigen, übersponnenen, wei-
chen Kupferdraht (&) verbunden, durch welchen der Strom
eingeleitet wurde. Um die Anode war ein cylindrisches
Ebonitstückchen {d) von einem etwas kleineren Durchmesser
als der innere Durchmesser der Röhre angebracht In
die Oberfläche des Ebonitcylinders war ein weiches Eisen-
stück versenkt. Wenn die Seite mit dem Eisenstück nach
oben gerichtet war, konnte mit einem Hufeisenmagnet
der ganze Cylinder mit der Anode von aussen hin und her
geschoben werden, ohne dass man den Luftdruck im minde-
sten veränderte. An zweien an die Röhre angeklebten Papier-
scalen konnte der Abstand zwischen den Electroden genau
abgelesen werden. Aus später angegebenen Gründen wurden
zwei Entladungsröhren mit ungleichen Electroden gleichzeitig
in Verbindung mit der Luftpumpe gesetzt. In der einen
bestanden die Electroden aus Aluminiumdraht, dessen vor-
derer Theil spiralförmig zu einer Scheibe (a und c) aufge-
rollt war. Der hintere, gerade Theil des Electrodendrahtes
war von einem feinen Glasrohr umgeben, sodass die Elec-
1) Hom^n, Elektriska motstandet hos förtunnad luft. Helsingfors
1883; Wied. Ann. 26« p. 55. 1885.
176 TU. Homtn.
tricität ausschliesslich von dem plattenfonnigen, vorderen
Theil der Electroden ausströmte. In dem zweiten Rohr be-
standen die Electroden aus zum grössten Theil von umhüllen-
den Glasröhren bedeckten, 0,7 mm dicken Platindrähten.
Nur 1 mm der Drahtenden war unbedeckt
Die Luftpumpe war eine Töpler'sche Quecksilber-
pumpe von Bessel-Hagen'scher Construction. ^) Hähne
wurden nicht angewandt Um Luft oder ein anderes Gras in
die Pumpe einfahren zu können, war eine von Bessel-
Hagen in oben citirter Abhandlung beschriebene specielle
Vorrichtung mit der Rohrleitung verbunden. Drucke unter
1,8 mm in der Pumpe konnten auf die von Bessel-Hagen
angegebene Weise sehr genau bestimmt werden. Höhere
Drucke wurden durch Ablesen des Quecksilberstandes in
dem barometerähnlichen , 7,8 mm weiten Schenkelrohr der
oben erwähnten Gaseinführungsvorrichtung bestimmt
Als Rheostatenwiderstand wurde eine Lösung von ein
Theil Cadmiumjodid in zehn Theilen Amylalkohol ange-
wandt Dieselbe wird von Hittorf) besonders empfohlen,
wenn es sich darum handelt, sehr grosse Widerstände her-
vorzubringen. Auch ich fand die Lösung ganz vortrefflich.
Ich gebrauchte fünf Glasröhren, welche im Folgenden mit
I, II, III, IV und V bezeichnet werden, von etwa S5 cm
Länge und resp. 28,1, 18,1; 11,0, 7,1 und 4,6 mm Dorch-
messer. Als Electroden dienten Cadmiumplatten von beinahe
demselben Durchmesser wie die Röhren. Der Widerstand
in den Röhren betrug bei den unten beschriebenen Ver-
suchen etwa 192000; 472000, 1240000; 4 320000 und
10370000 0hm.
Um die Continuirlicbkcit des Stromes zu prüfen, konnte
ein Telephon in die Leitung in unmittelbarer Nähe der Ent-
ladungsröhre eingeführt werden.
1) BeBsel-Uagen, Wied. Ann. 12« p. 425. lt<Sl.
2) Hittorf, Pogg. Ann. 106. p. 554. 1859.
Electricitätsleituriff der Gase, 177
§ 2. Anordnung der Versuche.
Bei der Untersuchung galt es zunächst die Potential-
differenz zwischen den Electroden der Entladungsröhre bei
dorchgehendem galvanischen Strome zu bestimmen.
Dies war bei früheren Versuchen^) so geschehen, dass
die SUlrke des durchgehenden Stromes (2), der Widerstand
in der Leitung ausserhalb der Entladungsröhre [R) und die
electromotorische Kraft der Batterie [E) gemessen wurden
und so die Potentialdifferenz zwischen den Electroden (r)
nach der Formel i^{E—r)IR oder r^E^iR berechnet.
Bei den hier unten beschriebenen Versuchen^) wollte
ich die Potentialdifferenz zwischen den Electroden der Ent-
ladungsrohre bestimmen können, ohne den Widerstand und
die electromotorische Kraft der Batterie, welche schwer zu
messen sind, bestimmen zu brauchen.
Dies gelang mir auf folgende Weise durch Benutzung
derselben Methode, welche in dem Voltmeter zur Anwen-
dung kommt Die Quecksilbernäpfchen, von welchen die
EUectrodendrähte in die Entladungsröhren hineingingen, wur-
den durch eine Brücke von sehr grossem bekannten Wider-
stände w miteinander verbunden und die Stärke s des Zweig-
stromes in der Brücke beobachtet. Die gesuchte Potential-
differenz r zwischen den Electroden, den Endpunkten dieser
Brücke, ist also gleich ws.
In die Brücke wurde auf jeder Seite eines Galvano-
meters ein grosser Widerstand, ein Rohr mit der früher be-
schriebenen Lösung von Cadmiumjodid eingeschaltet. Die Boh-
ren waren gegen 1 m lang, 5 mm weit, und der Widerstand
betrug in beiden zusammen 26 000 000 Ohm. Das Galvanometer
mit Glockenmagnet und grosser Dämpfung hatte 30000
Drahtwindungen, war aber mit einem Nebenschluss versehen,
wodurch die Empfindlichkeit vermindert werden konnte.
Die Intensität 2 des Stromes in der Entladungsröhre
ist gleich der Stärke des unverzweigten Stromes weniger
der Stärke s des Zweigstromes in der Brücke. In die
1) Uoinen, Abth. 1 und 11 moiuer oben erwähnten Publicatioucu Li
Acta Soc. Sc. Fennicae. 16. u. 17. 1886.
2) Homen, Abtb. III der erwähnten Publieationen.
Aan. d. Phy». o. Cbem. N. F. XXXVIII, 12
178 Th. Homen.
unverzweigte Leitung war ein Galvanometer eingeschaltet
Auch dieses hatte einen Glockenmagnet und grosse Dämpfung.
Die Drahtwindungen waren aber nur 200, und bei stärkeren
StrOmen musste noch eine Brücke vor dem Galvanometer
angewandt werden.
Auf Grund der grossen Dämpfung in den Galvano-
metern stellten sich die Nadeln bei Veränderung der Strom-
stärke sehr schnell in die neue Ruhelage ein. Hierdurch
konnte die Stromstärke beinahe sofort nach der Schliessung
des Stromes gemessen werden , was, um eine durch einen
dauernden Strom verursachte starke Erhitzung des Gases
und der Electroden zu vermeiden, bisweilen nothwendig war.
Nur hierdurch konnten die Beobachtungen auch bei höheren
Drucken ausgeführt werden. Weiter konnte die Stromstärke in
dem Falle, dass Schwankungen derselben eintraten, /in jedem
einzelnen Augenblicke gemessen werden.
Die Bohren mit den Scalen waren auf demselben Stativ
so gestellt, dass man, ohne den Kopf zu bewegen, mit dem
einen Auge in den einen, mit dem anderen in den anderen
hineinblicken konnte. Die Beobachtungen der beiden Ströme
(in der unverzweigten Leitung und in der Brücke zwischen
den Electroden) konnten also von einem Beobachter sehr
bequem so gut wie gleichzeitig gemacht werden.
Alle Ausschläge f&r Stromstärke wurden auf Amperes
(10-^Amp.) reducirt. Die Beductionszahl wurde durch Ver-
suche mit einem Normaldaniell bestimmt. Der Einfluss der
Stromwindungen in dem einen Galvanometer auf die Aus-
schläge des anderen war sehr klein und stieg höchstens bis auf
0,3 Scalentheile. Correctionen bierfür sind doch eingeführt
§ 3. Beobachtungsresultate.
Es wurden bei verschiedenen Drucken mit den beiden
Entladungsröhren Beobachtungsreihen gemacht, in welchen
sowohl der Abstand zwischen den Electroden, als auch die
Intensität des Entladungsstromes variirt wurde; jenes um
den Luftwiderstand vom Uebergangswiderstande an den
Electroden trennen zu können, dieses um zu prüfen, ob die
PotentialdiflFerenz zwischen den Electroden constant ist, oder
ob und wie sie mit der Stromstärke wächst Die Stromstärke
ElectricitäUileitung der Gase^
179
wurde sowohl durch Veränderung der electromotorischen Kraft,
der Zahl der Elemente der Batterie, als auch durch Veränderung
des Bheostatenwiderstandes in der unverzweigten Leitung
Tariirt Auf diese Weise wurden Versuche bei 0,090,
0,125, 0,30, 1,73, 6,0, 11,6, 20,7, 40,7 und 80,9 mm Druck
gemacht
Bei den drei niedrigsten Drucken wurden die Beobach-
tungen wiederholt Die Mittel derselben sind in den Tabellen
angef&hrt Bei den übrigen Drucken wurden der Controle
wegen nur einzelne von den Beobachtungen wiederholt, welche
jedoch mit denen der ersten Beobachtungsreihe gut über-
einstimmen. Bei diesen Drucken sind die hintereinander
gemachten Beobachtungen unverändert in den Tabellen an-
gef&hrt Die Ordnung der Beobachtungen war die, dass
bei einer gewissen, zuerst bei der kleinsten Zahl der Elemente,
die Beobachtungen für verschiedene Abstände zwischen den
Elementen angestellt wurden, dann die Zahl der Elemente
vergröBsert, diese Reihe wiederholt wurde und so weiter.
In den Tabellen bezeichnet i die Stromstärke in der
Entladungsröhre in 10~' Amperes, r die Potentialdifferenz
zwischen den Electroden in Volts.
Spannkraft der Luft 0,088—0,092 mm.
Aluminiumelectroden.
Zahl
\ Rheoet-
4(
sm
10
cm
16
cm
der
, Wider-
stand
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Abst EW.
d. Eiectr.
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n
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138
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118
1620
10.104
n
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1760
188
1768
11.104
»
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1906
265
1911
12.104
77
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420
2041
400
2046
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640
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12.104
II
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31
2231
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I
41
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34
2241
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2244
12
Spaookrafi der Lul't 0,125 mm.
AlamiDinmelectrodeii.
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211
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304
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9.104
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1495
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1622
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11 . 104
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12.104
II
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40
12.104
I
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2273
50
PUlioelectrodei).
1903
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2257
2278
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2282
Spannkraft der Lnft 0,30 mm.
AlumiDiumcl ectroden.
fi
104
7
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104
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Platinelecirodcu.
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4.104
6.104
7.104
8.104
12.101
Spannkraft der Luft 1,73 mm.
Aluminiamelectroden.
Zahl
Rlieost.-
4 cm
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cm
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12.104
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8.104
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10.104
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—
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5047
1048
1031
975
Bei den zwei niedrigsten Drucken wächst, wie ersicht-
lich, in beiden Höbren die Potentialdifferenz r zwischen den
Electroden stark mit dem Entladungsstrom f, kaum merk-
bar dagegen mit dem Abstände zwischen den Electroden.
Bei den zwei höheren Drucken wächst r immer weniger mit
der Stromstärke, im Rohr mit den Aluminiumelectroden ist
sie schon bei 1,73 mm Druck beinahe constant, wächst da-
gegen mehr mit der Schlagweite. Dies beobachtet man am
besten bei der graphischen Darstellung der Kesultate Fig. 3.
Daraus ersieht man auch, wie der Widerstand im Bohre
mit den Platinelectroden viel grösser ist als im Bohre mit
den Aluminiumelectroden.
182 Th. Homen.
Die Licbterscheinangen waren bei diesen, wie bei den
folgenden höheren Drucken sehr intensiv, sogar am hellen
Tage sehr deutlich. Sie zeigten die Gestalt einer soge-
nannten Glimmentladung, bestanden also aus einem von der
Kathode ausstrahlenden allmählich schwächer werdenden
Kathodenlichte und einem hellleuchtenden, schön geschich-
teten röthlichen positiven Lichte. Zwischen ihnen war der
dunkle Raum. Bei den zwei niedrigsten Drucken hatte das
Kathodenlicht eine Ausdehnung von etwa 12 cm, bei den
zwei höheren von nur etwa 4 und 1 cm. Das positive Licht
dagegen erstreckte sich viel weiter, näher an die Kathode
bei den höheren Drucken, als bei den niedrigsten. Ferner
zieht sich bei diesen vier Drucken das positive Licht weiter
von der Kathode zurück ^ wenn die Stromstärke verwässert wird.
Dagegen behält das positive Licht seinen Platz unverändert,
wenn die Anode vorwärts oder rückwärts geschoben wird.
Das positive Licht folgt also nicht mit, wenn die Anode von
der Kathode z. B. entfernt wird, (es treten nur neue Schich-
ten an der Anode hervor) rückt vielmehr näher an die Ka-
thode in dem Maasse, als die Stromstärke hierbei vermindert
wird.
Bei dem Druck von 1,73 mm ist eine Eigenthümlichkeit
zu erwähnen. Im Rohre mit den Platinelectroden zeigten
sich zwei deutlich verschiedene Formen des negativen Lich-
tes, welche verschiedenen Werthen des Uebergangswider-
standes entsprechen. Bei der gewöhnlichen Form, welche
den Beobachtungen in der Tabelle a entspricht, war die Ka-
thodenspitze von einer kleinen Lichtkugel umgeben, bei der
anderen Form, welche den Beobachtungen in der Tabelle b
entspricht, hatte das negative Licht eine viel grössere Aus-
dehnung. Es erfüllte die ganze Röhrenweite und streckte
sich ungefähr 2 cm hinter die Kathode und ein wenig auf
die Vorderseite derselben. Als dieses Licht auftrat, war
der Widerstand gleich dem im Rohre mit den Aluminium-
electroden.
Alles dies gilt von den Lichterscheinungen bei continuir-
lichem Strome. Wenn die Entladung intermittirend war,
was bei Anwendung der grossen Rheostatenwiderstände V
oder IV der Fall eintreten konnte, und wobei das Telephon
Electricitätsleitung der Gase.
183
tönte, waren die Lichterscheinungen unruhiger, veränder-
licher und Ton äusseren Verhältnissen sehr abhängig. Wenn
man z. B. den Finger der Höhre näherte, veränderte sich
das Licht bedeutend, während bei continuirlichem Strome
das Licht ganz unempfindlich für das Annähern eines Lei-
ters war.
Spannkraft der Luft 6,0 mm.
AluminiumelectrodeiL
Zahl
der
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10 cm
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16 cm
Abit iw. d. £I««tr.
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460
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466
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770
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Die Potentialdifferenz r ist, wie ersichtlich, constant im
Rohre mit den Aluminiumelectroden, sie nimmt zu bei dem
mit Platinelectroden mit der Stromstärke und wächst dabei
und den folgenden höheren Drucken immer mehr mit der
Schlagweite.
184 Th. Homen.
Die Lichterscheinungen bilden bei diesem Druck eine Ueber-
gangsform zu denen bei den höheren Spannungen ^ wo das
positive Licht j vom Abstände zuischen den Electroden unabhängig y
nur bei grosser Stromstärke auftritt. Hier trat das Licht nur
bei grösseren Schlagweiten, sowie bei den niedrigeren Drucken,
für diese Schlagweiten aber nur bei grösserer Stromstärke,
als bei den höheren Spannungen auf. Die punktirte Linie
in den obigen Tabellen bezeichnet, bei welcher Stromstärke das
positive Licht aufzutreten begann. Der Widerstand im
Entladungsrohr nahm dabei bedeutend zu, wie aus den Be-
obachtungen ersichtlich ist.
Im Rohre mit den Platinelectroden konnte bei 10 cm
Schlagweite das positive Licht bei derselben Zahl der Ele-
mente bisweilen auftreten, bisweilen nicht. Die beim Auf-
treten des positiven Lichtes erhaltenen Beobachtungen sind
in der Tabelle ein wenig rechts von der Reibe geschrieben.
Das positive Licht hatte ganz dasselbe Aussehen in
beiden Röhren, war ungeschichtet, leuchtete hell und erfüllte
die ganze Weite der Röhre. Im Rohre mit Platinelectroden
behielt die scharf begrenzte Vorderfläche des Lichtes ziem-
lich constant einen Abstand von 5 bis 5,5 cm von der
Kathode. Im Rohre mit Aluminiumelectroden, wo die Strom-
stärke grösser war, konnte man, im Gegensatz zu den Yer-
liältnissen bei den niedrigeren Drucken, beobachten, dass sich
das positive Licht bei Vergrosserung der Stromstärke bis näher
an die Kathode erstreckte. Von ungefähr 7 cm bei kleinerer
Stromstärke verminderte sich der Abstand zwischen der Ka-
thode und dem positiven Lichte zu nur 4 cm bei grösserer
Stromstärke. Der Grund zu diesen Verhältnissen liegt wohl
darin, dass bei den niedrigeren Drucken das Kathodenlicht
stark ausgebildet ist, bei wachsender Stromstärke sich mit
Gewalt ausdehnt und das positive Licht zurücktreibt, wäh-
rend bei den höheren das Kathodenlicht ganz klein ist, wo-
durch bei wachsender Stromstärke das positive Licht sich
frei ausdehnen kann.
Schon bei diesem Druck, und noch mehr bei den höhe-
ren, musste man, um eine Entladung überhaupt hervorzu-
bringen, den Abstand zwischen den Electroden zuerst ziem-
lich klein nehmen und dann^ nachdem die Entladung sich
ElectricitäüUüung der Gase.
185
eiDgesetzt hatte, die Anode mit dem Hufeisenmagnet schnell
aof den gewünschten Abstand Ton der Eathode stellen.
Auch aaf diese "Weise erlischt indess die EntladuDg, beson-
ders in der fiöbre mit Alumininmelectroden, schon ehe die-
jenige Scblagweite erreicht wird, für welche die Potential-
differenz im Entladangsrobr soviel Tolts, wie die electromo-
torische Kraft der Batterie beträgt Es wird also, nicht nur
um eine Entladung einzuleiten, sondern auch um sie an-
dauern KU lassen, eine «jtwas grössere electromotorische
Kraft, als die theoretisch nothwendige, erforderlich sein.
Spannkraft der Luft 11,6 mm.
Alamimamelectroden.
1 cm Abat
4cmAbet.|,,„Al„,
^J ;zw.d.Electr.
10cm Abel.
13cm Abat.
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3061 683 2306
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6741 663 1 4965
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1451]
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12.104 .. 3048 767! 2478 9981 1774 1344 1147
1890,343 2064
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— | — ; 6168 655
3160
1511 1703
18S0
988
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5L'C0 646 l;j963l 9SS 10753 14^9.^^ 15 2074 720 22(i5
Die Potentialdifferenz ist zwischen den Alumininmelectro-
den coDstant, zwischen den Platineiectroden mit der Strom-
stärke zunehmend.
186
TA. Homen.
Der neue, bei diesen und den höheren Drucken ange-
wandte Widerstand A bestand aus fünf Neusilberdrähten
und betrug 37400 Ohm.
Die Lichterscheinung war ziemlich gleich der bei 6,0 mm
Druck, nur dass das positive Licht erst bei noch grösserer
Stromstärke auftrat, als der Widerstand A angewandt wurde.
Es war ungeschichtet, erf&llte die ganze Weite der Röhren
und näherte sich in beiden Röhren bei zunehmender Strom-
stärke der Kathode von 4 und 6 bis zu 2 cm Entfernung.
Bei 18 cm Schlagweite trat bei der Aluminiumanode eine
1 cm lange, bei der Platinanode eine 3 cm lange Säule des
positiven Lichtes auf. Die punktirte Linie in den Tabellen
bezeichnet, wie früher, bei welcher Stromstärke das positive
Licht aufzutreten begann.
Spannkraft der Luft 20,7 mm.
Aluminiumelectroden.
Zahl
der
Rheost-
Wider-
1 cm
Abftt nr. d. Eleetr.
4 cm
Abstsw.d.ElMtr.
7 cm
Abitur. dEleotr.
10 cm
Abfli 1«. d. Bleotr.
Elem.
stand
•
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r
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t
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•
r
7.104
8.104
9.104
10 . 104
11.104
12 . 104
13 . 104
14 . 104
10 . 104
12.104
14 . 104
II
Ä
1985
2440
3004
3422
3868
4296
4670
5237
7915
9908
11749
485
480
500
502
490
480
502
480
495
495
517
1392
1850
2290
2770
3177
3628
4041
5323
7534
9595
940
962
957
957
982
980
980
980
937
920
—
1015
1407
1844
2135
2515
4186
6095
1505
1537
1537
1550
1562
1540
1505
1080
2736
2212
2142
»
1
1
32268
800
24942 *
1417
10050
2030
Platinelectroden.
Zahl d. Rheost.-
1 cm 4 cm 7 cm
10 cm
13 cm
Elem. Widerst.
t 1 r » 1 r
% r
•
r
i 1 r
4.104
II
554 550
1
^^
j
„_
6.104
1490 550
368 1002 — —
—
1
—
8.104
2330 547
1256 1007 205 1455
—
-~
10.104
'*
3305 535
2217 982, 800 1607
—
—
—
_—
12.104
4199 535
3128 992' 1673 1587
347
2137
— 1 —
14.104
5020 522
3910 992 2511 1555
1030
2180 175 2572
12.104
\
9740 495
7220 955 4320 1502
—
1 ■
41.104
»>
12000 445
10030! 955
' 6970 '1370
3085
2058
180
2652
.35000. 640 25000 , 1097 \ 4465 2250 ; 126 2607
ElectricitäUleitung der Gase,
lö7
Die Potentialdifferenz r zwischen den Electroden ist
constant und gleich in beiden Röhren.
Der Widerstand in den Eheoatatenröhren I^ U, III,
IV und y betmg bei diesen und den folgenden Versuchen
166000, 430000, 1060000, 4180000 und 8 690000 Ohm,
und in der Brücke zwischen den Electroden zusammen
25000000 Ohm. Der Widerstand A betrug wie früher
37000 Ohm.
Das positive Licht trat nur bei allergrÖsster Stromstärke aufy
bei den Versuchen mit dem Widerstände A. Es erstreckte
sich in beiden Röhren bis 1 oder 1,5 cm Abstand von der
Kathode, erlosch aber, wenn bei Vergrösserung der Schlag-
weite die Stromstärke zu klein wurde, im Rohre mit Alu-
miniumelectroden, also bei ungefähr 10,5 cm Schlag weite und
9000 X 10"* Ampfere Stromstärke, im Rohre mit Platin-
electroden schon zwischen 7 und 10 cm Schlagweite bei etwa
10000 X 10-^ Ampere. Bei 10 cm Schlagweite zwischen den
Aluminiumelectroden und 7 cm zwischen den Platinelectro-
den war das positive Licht in der Mitte abgebrochen, sodass
es aus zwei gleichen Theilen oder Schichten bestand. Bei
kleinerer Schlagweite erfüllte das positive Licht die ganze
Röhrenweite.
Wenn das eigentliche positive Licht nicht erschien, waren
beide Electroden mit dünnen Lichthüllen bedeckt.
Spannkraft der Luft 40,7 mm.
Aluminiumelectroden.
Zahl Rheost-
der Wider-
Elem. stand
1 cm Abst 2 cm Abst. 3 cm Abst 4 cm Abst.
zw. d.
Electr.
sw. d.
Electr.
zw. d.
Electr.
zw. d.
Electr.
6 cm Abst.
zw. d.
Electr.
9.104
10.104
11.104
12.104
13.104
14.104
»>
»»
n
»
n
»>
>i
I
2545 590 —
3050 , 592 2337
8600! 580 I —
4112 I 597 3472
4510' 602 I —
48851575 4265
865 i 17421173' —
800
808
11240 610 100101788
— ! 1419
2835il093
3608
8580
1095
1070
2084
2420
2883
7120
1483
1405
1430
1403' 1510 2005
1335, 8765
1975
30000 875 27000' 1085 115000 1750
18S
TU. Homtn,
Platinelectroden.
Zahl
der
Rheost-
Wider-
stand
1<
Abst zw.
un ' 4 cm
d.£lectr.!Ab8t. zw. d.£lectr.
1
Abst zw.
sm
d.£lectr.
Eiern.
•
r
r
•
t
r
6.104
II
1059
612
„__
—
^^^
7.104
1508
702
—
—
—
—
8.104
2100
660
259
1495
—
—
9.104
2582
660
529
1527
—
10 . 104
3012
660
1045
1482
—
—
11.104
8420
675
1505
1495
—
—
12 . 104
3780
675
2162
1890
115
2227
13 . 104
4160
725
2440
1450
386
2350
14 . 104
4610
730
2870
1475
785
2850
»
Ä
11400
700
6860
1855
1740
8520
2375
»
80500
850
2442
Die PoteDtialdifferenz r ist constant und gleich in beiden
Röhren.
Dass bei diesem wie bei dem folgenden 80,9 mm hohem
Druck die Beobachtungsreihen nicht so regelmässig sind, wie
bei den niedrigeren Drucken, kann zum Tbeil auf der grösse-
ren Erhitzung des Gases bei der Entladung beruhen, zum
Theil auch darauf, dass Fehler bei der Einstellung der Elec-
troden bei diesen Drucken, wo der Widerstand einer 1 mm
langen Luftsäule schon bedeutend ist^ auf die Resultate
einwirken können.
Die LichterscheinuQg war ganz gleich der bei 20,7 mm
Druck, mit Ausnahme, dass das positive Licht nicht die
ganze Röhrenweite erfüllte. Bei 6 und 7 cm Schlagweite
war es in zwei Theile getheilt, erlosch aber im Rohr mit
Platinelectroden bei 7 cm Schlagweite. Für 1 cm Schlag-
weite wurden hier, wie bei 20,7 mm Druck, keine Versuche
mit Anwendung des Widerstandes A gemacht. Schon bei
4 cm Schlagweite wurde nämlich die Erhitzung des Gases
so stark, dass die auf die Aussenseite der Röhren ange-
klebten Scalenpapierstreifen bei Andauern des Stromes ver-
sengt wurden. Bei 1 cm Schlagweite würde die Stromstärke
und Erhitzung noch grösser werden.
ElectricUätskifung der Gase,
189
Spannkraft der Luft 80,9 mm.
Alaminiamelectroden.
Zmhl Bheost-
dcr Wider-
£lein. stand
0,2 cm
Amt zw.
d. Electr.
1 em 2 cm
Abst zw. , Abst zw.
d. Electr. d. Electr.
8 cm
Abst. zw.
d. Electr.
4 cm
Abst zw.
d. Electr.
9.104
10.104
11.104
12.104
18.104
14.104
10.104
12.104
14.104
6.104
8.104
10.104
12.104
14.104
II
»
n
n
»
I
n
Ä
»
n
n
n
2754
457 1
3271
440
3685
410
4150
405
4552
452
4985
450
7900
417
9640
422
11880
400 ;
__ 1
_
—
2960 717
8878 740
8970 710
4389 740
6806 787
8480 665
10890 I 698
9120 662
2480
8050
8505
4730
6878
8200
— — 16800 645
25800 405 21900 i 640
— 487
.27500 : 612
83700 600
6960
16900
1135
1090
1075
1115
1115
1075
1110
1000
2046
2578
6360
1520' —
1490 —
1435
1850
4244 1870
22800 925
29210' 875
8210
15800 '1332
23800' 1200
9800
17700
1697
1610
Platinelectroden.
8.104
II
2095 555
—
—
—
—
10.104
n
3030 553
2458
812 1150 1850
8,8
1825
—
—
12.104
n
3944 503
3250
812 . 2282 1262
1205
1625
—
—
14.104
»»
4720 485
4133
755 3330 1105
23T2
1542
— . —
10.104
I
7080 1 535
6450
675 4550 1065
31
1850
_^ ___
12.104
«
9517 450
8670 ; 673
6320 1030
4127
1445
1450 1975
14.104
>i
110251475
9820 723
7980 1050
6080 1420
4150 1862
6.104
A
12700 ! 487
8280 •' 670
; 7150 1058
8.104
»»
21400 370
16700 645
1
10400 900
10.104
22100 553
16700 875
'6200 1473
19300 1105
12.104
30500 413 ,26000 737
8620 1725
U.lOi
„
— —
——
32000 650
1052
13800
1647
Die Potentialdififerenz r ist constant und gleich in beiden
Röhren.
Das positive Licht trat bei diesem wie bei den vorher-
gehenden Drucken nur bei der grössten Stromstärke hervor,
bildete aber hier eine Lichtsäule von kleinerem, ungefähr
0,5 cm grossem Durchmesser. Der Abstand zwischen der Ka-
thode und diesem Lichte betrug in beiden Röhren 0,5 bis
1 cm. Bei 4 cm Schlagweite hatte die positive Lichtsäule
eine Verengerung auf der Mitte, bestand also aus zwei zu-
sammenfliessenden Theilen.
190 TL Homen.
§ 4. Der Luftwiderstand.
Für Berechnung der Werthe des Luftwiderstandes und
des Uebergangswiderstandes an den Electroden aus den an-
gefahrten Beobachtungen haben wir dieselben^) graphisch
verzeichnet Der Uebersicht wegen sind einige von diesen Be-
obachtungsreihen, nämlich die bei 0,125; 0,30; 1,73; 11,6 und
20,7 mm Druck auch hier in kleinerem Maassstab wiederge-
geben. Die Abscissen bezeichnen die Stromstärke in 10"^ Am-
pere, die Ordinaten die PotentialdifiPerenz zwischen den Elec-
troden der Entladungsröhre in Volt Die Zahl neben jeder
Curve gibt den Abstand zwischen den Electroden an. Die
Curven zeigen also, wie bei verschiedenem Abstände zwischen
den Electroden die Potentialdifferenz zwischen diesen mit
der Stromstärke variirt Die Curven, welche sich, auf die
Versuche mit den Aluminiumelectroden beziehen, sind voll,
die für die Versuche mit den Flatinelectroden gebrochen
gezeichnet.
Die Curven verlaufen sehr regelmässig, beinahe ganz
ohne Schwankungen, sodass die Kesultate bestimmt und zu-
verlässig sind. Wir tinden also:
1) dass für beide Electrodenpaare die Curven bei den
höheren Drucken horizontal und in grosser Entfernung von
einander laufen, bei den niedrigeren dagegen mehr und mehr
schief aufsteigend und zusammen,
2) dass aber bei jedem Druck die Curven, sei es, dass
sie horizontal oder schief sind, doch immer einander parallel
laufen.*)
Der verticale Abstand zwischen den Curven gibt nun
an, um wieviel die Potentialdifferenz zwischen den Electroden
der Entladungsröhre bei Vergrösserung der Schlagweite wächst
Bei den höheren Drucken wächst also diese Potentialdiffe-
renz rasch bei Vergrösserung der Schlagweite, bei den
niedrigsten sehr wenig. Dies zeigt, dass bei den höheren
1) Homen, Acta Soc. Sc. Fenn. 17. 1888.
2) Dass bei 6,0 und 1 1,6 mm Druck die Curven für die grösseren
Schlagwcitcn bei gewisser Stromstärke eine Discontinuitftt, eine plötsliche
Steigung zeigen, beruht darauf, dass das positive Licht bei dieser Strom-
stärke plötzlich auftritt, und der Widerstand dabei wächst Danach
laufen die Curven wieder in der vorigen Richtung.
Electricitätakitung der Gase, 191
Spannungen der Widerstand der Luftsäule selbst, welcher
mit der Länge der Luftsäule wachsen muss, überwiegt, dass
bei den niedrigsten dagegen ein von der Länge der Luft-
säule unabhängiger Uebergangswiderstand an den Electroden
herTortritt, während der Luftwiderstand selbst nur ganz klein
ist und mit der Verdünnung immer kleiner und kleiner wird.
Da nun aber bei jedem Druck die verschiedenen Curven
einander parallel sind, der verticale Abstand zwischen den-
selben also überall, für jeden Werth der Abscisse, der Strom-
stärke, derselbe, so folgt, dass der Zuwachs der Potential-
differenz im Entladungsrohr bei Vergrösserung der Schlag-
weite constant, yon der Stromstärke unabhängig ist. Die
I^fiemiutld^erenz zweier Querschnitte der Luftsäule ist also con-
stanij van der Stromstärke unabhängig.
Auch Hittorf ^) fand, wenn ein stetiger Strom durch
eine Geissler'sche Röhre geleitet wurde, die Spannungs-
differenz zweier Querschnitte des positiven Lichtes constant,
von der Stromstärke unabhängig; die Ladung eines Conden-
sators, dessen Belege mit zwei Aluminiumdrähten verbun-
den waren, welche durch die Wände der Entladungsröhre
in das positive Licht hineinragten, war nämlich constant
Das Licht übt indessen in dieser Beziehung keinen Einfluss
aus; auch bei Entladung ohne Licht oder im dunklen Haume
zwischen dem positiven und negativen Lichte ist, wie oben
gezeigt, die Potentialdifferenz zweier Querschnitte der Gas-
säule constant. Und nach meiner Ansicht ist gerade der Wider-
stand bei Entladung ohne Licht oder der Widerstand im Theile der
Entladungsbahn y wo kein Licht auftritt, als der normale Wider-
stand des Gases zu bezeichnen. Und dieser Widerstand muss, weil
die Potentialdifferenz zweier Querschnitte der Gassäule constant
ist, in derselben Einlieit wie die electromotorische Kraft gemessen
werden.
Man könnte allerdings sagen, wie Hittorf in Bezug auf
das positive Licht schreibt: „Wollte man für den positiven
Theil der Gasstrecke bei den verschiedenen Stromstärken
die Länge eines Drahtes substituiren , ohne dass die Inten-
sität des Stromes eine Aenderung erfährt, so müsste dieselbe
1) Hittorf, Wied. Ann. 20, p. 705. 1884.
192 Th. Bornen.
letzterer umgekehrt proportional genommen werden. Wir
können daher auch sagen: Das Lcitnngsvermögen der posi-
tiven Gasstrecke nimmt proportional der Stromstärke zu'^
Man erhält also bei Durchgang der Electricität dnrch Grase,
wenn man von dem Uebergangswiderstande an den Elec-
troden absieht, statt der Ohm'schen Formel die Formel
i=3^/(Ä + r/i), wo r/i den Gaswiderstand und B den Wider-
stand der übrigen Leitung bezeichnen. Diese Formel ist
aber mit der einfacheren i=^{E'-r)IB identisch, nach wel-
cher der electrische Widerstand der Gase in derselben Ein-
heit wie die electromotorische Kraft zu messen ist. Nur
bei einer derartigen Messung kann der Gaswiderstand durch
eine constante Zahl ohne Zusammenhang mit etwas anderem
angegeben werden. Die andere oben besprochene Auffassungs-
weise ist auch dadurch unhaltbar, dass bei kleiner electro-
motorischer Kraft gar kein Strom durch das Gas geht,
dass es also dann keinen Rheostatenwiderstand gibt, welcher
für den Gaswiderstand substituirt werden kann.
Den Namen Widerstand möchte man wohl der letzten
Formel gemäss vermeiden und statt dessen von einer electro-
motorischen Gegenkraft der Gase sprechen. Wir behalten
dennoch den Namen Widerstand bei, davon dem Widerstände,
den die Luft gegen die Fortpflanzung der Electricität leistet,
die Rede ist, und da der ganze Widerstand der Luft in der-
selben Einheit gemessen werden kann. Dies scheint uns am
einfachsten und bequemsten zu sein, ohne Anlass zu einem
Miss verstau dniss zu geben.
Ehe wir zur quantitativen Bestimmung des Luftwider-
standes übergehen, müssen wir noch einige Versuche erwähnen,
welche sich ebenfalls auf die Electricitätsleitung der Gase
beziehen. In letzter Zeit haben Schuster^} und Arrhe-
nius^) wie früher Hittorf^) gefunden, dass wenn eine pri-
märe Entladung durch ein stark verdünntes Gas geht, die
zum Phosphorescirca gebrachten Theile des Gases in der
Nähe von den Electroden, besonders die von der Kathoden-
1) Schuster, Proc. Roy. Soc. 42. p. 371. 1887.
2) Arrhenius, Wied. Ann. 32. p. 545. Ib87.
3) llittorf, Wied. Ann. 7. p. 614. 1879.
EleciricitäUkUung der Gase, 193
Strahlung getroffenen Theile, sich bisweilen als Leiter auch
gegen kleine electromotorische Kräfte verhalten. Der ent-
standene secnndäre Strom kann unter gewissen Umständen
der erregenden electromotorischen Kraft proportional sein
wie bei festen Leitern. Schuster und Arrhenius nehmen
an, dass die die lichtähnliche Strahlung von den Electroden
die Ionen der Gasmolecüle in solche Vibrationen setzt, dass
das Gtas electrolytisch leitend wird.
Auch durch Beleuchtung mit gewöhnlichem Lichte wird
nach Hertz ^) durch Einwirkung der ultravioletten Strahlen
die Leitungsfähigkeit der Luft bei gewöhnlichem Drucke ein
wenig vermehrt. Die Entladung eines Inductoriums geschah
leichter, wenn die Electroden und die Funkenstrecke von
ultravioletten Strahlen getroffen wurde, als ohne Belichtung.
E. Wiedemann und H. Ebert^ fanden indess bei Fort-
setzung der Hertz'schen Versuche mit Anwendung von
statischer Electricität, dass die blosse Belichtung der Luft-
strecke f&r sich zwischen den Electroden keinen Einfluss hat.
Ebenso wurde bei Belichtung der positiven Electrode nie
eine Veränderung der Entladung bemerkt. Wenn aber die
negative Electrodenkugel belichtet wurde, geschahen die Ent-
ladungen regelmässiger und erfolgten schneller aufeinander,
als es ohne Belichtung der Fall war. Diese Einwirkung ist
bei einem gewissen mittleren Drucke (von ca. 300 — 400 mm
Quecksilber bei Luft, 200 — 300 mm bei Wasserstoff) am
stärksten, bei höheren Drucken wird sie geringer; noch
schneller verhindert sich ihre Intensität bei abnehmenden
Drucken. Bei Drucken unter 50 mm war kein Einfluss der
Belichtung zu bemerken.
Arrhenius wiederum hat gefunden^), dass bei Drucken
zwischen 0,6 und 16,0 mm eine Säule von 38 Clark'schen
Elementen einen (sehr schwachen) Strom zwischen zwei
Platinspitzen hervorbrachte, wenn die mit einer durchsich-
tigen Quarzplatte geschlossene Entladungsröhre durch einen
electrischen Funken ausserhalb der Platte beleuchtet wurde,
1) Hertz, Wied. Ann. 31. p. 983. 1887.
2) E. Wiedemann u. H. Ebert, Wied. Ann. 38. p. 241. 1888.
3) Arrhenius, Wied. Ann. 33. p. 638. 1888.
▲im. d. Pbyt. o. Chtm. N. F. XXXVIII. 13
194 Th. Homen.
sonst aber nicht. Arrhenius meint, dass hierdurch dar-
gelegt ist, dass die Luft durch Belichtung leitend werden
kann. Die scheinbare Yergrösserung der Leitungsf&higkeit
beruht indess wahrscheinlich wie E. Wiedemann und
H. Ebert bei ihren Versuchen fanden, auch hier ausschliess-
lich auf einer Verminderung des grossen Uebergangswider^
Standes an der Kathode. Der Widerstand in der nur
1,4 mm langen Luftsäule zwischen den Platinspitzen bei den
Versuchen von Arrhenius ist nämlich auch ohne Belich-
tung ziemlich klein, liegt bei den angeführten Drucken, nach
den von uns gefundenen, unten angeführten Werthen des
Luftwiderstandes bei Entladung ohne Licht, zwischen etwa
2 und 21 Volts, und die electromotorische Kraft der 38 Clark'-
sehen Elemente war etwa 55 Volts. Ein entscheidender Be-
weis, dass Belichtung den Luftwiderstand yermindert, ist
also noch nicht gegeben.
Dass dagegen, wie oben beschrieben, die Kathodenstrah-
lung auf die Leitungsfähigkeit der Gase einwirkt und die-
selbe vermehrt, darauf deuten auch einige von unseren
Versuchen, wovon im Folgenden mehr. Diese eigenthüm-
lichen Verhältnisse in der Nähe der Kathode wirken jedoch
nicht auf die Resultate unserer Versuche über die Elec-
tricitätsleitung der Gase in gewohnlichem unbeleuchteten
Zustande und im positiven Lichte ein und machen vielmehr
besondere Bestimmungen nothwendig.
* § 5. Bestimmung des Luftwiderstandes.
Bei Bestimmung des Gaswiderstandes muss man die
Lichterscheinungen in der Entladungsröhre in Betracht ziehen,
denn das Licht wirkt auf die Grösse des Widerstandes
ein. Deswegen wurden, um den Widerstand in den verschie-
denen Theilen der Entladungsbahn zu vergleichen, und auch,
um zu controliren, wie genau und präcis der Widerstand
mit der Schlagweite wächst, bei Drucken über 1 mm Versuche
angestellt, wobei die Schlag weite immer nur um 1 cm ver-
grössert wurde. Bei 0,30 mm Druck wurden Beobachtungen
bei Schlagweiten, welche mit immer 3 cm voneinander diffe-
riren. angestellt.
Aus diesen Beobachtungen, wie aus den in § S ange-
Electricitätsleitung der Gase. 195
führten, geht hervor , dass bei Drucken unter 11,6 mm, be-
sonders bei 6,0 mm Druck, der Widerstandszuwachs im
EnÜadungsrohr bei Yergrösserung der Schlagweite, der Luft-
widerstand selbst also, grösser im positiven Lichte als in dem
dunklen Räume ist Wie es sich bei den höheren Drucken
verh<, ist dagegen schwerer zu entscheiden, denn das posi-
tive Licht tritt bei diesen Drucken nur bei so grosser Strom-
stärke auf, dass die grosse Erhitzung des Gases und der
Electroden die Sache verwickelt Dies Verhältniss, dass bei
Drucken über 6 mm das positive Licht, worin hier die
ganze Lichterscheinung beinahe besteht, erst bei ziemlich
grosser Stromstärke hervortritt, erinnere ich mich nicht,
firüher in der Literatur so bestimmt erwähnt gesehen zu haben.
Dass bei 20,7, 40,7 und 80,9 mm Druck (siehe § 3) der Wider-
stand im Entladungsrohr nicht grösser, oft ein wenig kleiner
ist, wenn das positive Licht auftritt, als ohne Licht, beruht
also wahrscheinlich auf der Erhitzung bei den starken Strö-
men. Möglich ist auch, dass bei diesen Drucken die Ent-
ladung ohne Licht nicht in so enger Bahn geschieht, als
wenn das positive Licht auftritt, dass also, wenn auch die ge-
messene Stromstärke, wie bei 80,9 mm Druck einmal beobachtet
wurde, in beiden Fällen gleich ist, die Stärke des Stromes
durch die Einheit des Querschnittes, die Stromdichte also
in der leuchtenden Entladungsbahn grösser ist, als bei dunkler
Entladung. Durch die infolge der grösseren Stromdichte
entstehende grössere Erwärmung und Verdünnung des Gases
wird dann der Widerstand im positiven Lichte vermindert
und dem Widerstände bei Entladung ohne Licht gleich.
lieber die Verhältnisse im Kathodenlichte, welches jedoch
nur bei den Drucken unter 1 mm eine grössere Ausdehnung
hat, ist schwerer auf Grund der vorliegenden Versuche zu
entscheiden und liegt auch nicht direct im Plan dieser Ab-
handlung.
Wenn wir aber den Widerstand in Theilen der Ent-
ladungsbahn, wo das Licht überall dasselbe ist, oder wo kein
Licht auftritt, näher vergleichen, finden wir aus den soeben
erwähnten, wie schon aus den in § 3 angeführten Beobach-
tungen, da88 der yViderstand im Entladung srolir bei unverändertem
Lichte um gleiche. Grössen icächst, wenn die Schlagweite um
io*
196
Th. Homen.
gleiche Grossen vermehrt wird. Der Widerstand in einer Luft-
sduUy wo das Licht überall dasselbe ist, oder wo kein Ucht auf-
tritt, ist also der Länge der Säule proportional.
Aus den in § 3 angegebenen, in hinreichender Grösse
graphisch verzeichneten Beobachtungen (für 0,80 und 1,78 mm
Druck mit Yerwerthung der Zahlen der soeben er^^Lhn-
ten Versuchsreihen) haben wir den Widerstand einer 1 cm
langen Luftsäule und auch den üebergangswiderstand an den
Electroden berechnet. Der verticale Abstand zwischen den
parallelen Curven, welcher den Widerstandszuwachs (in Volts)
bei Vergrösserung der Schlagweite angibt, wird also durch
die entsprechende 8chlagweitedifferenz diyidirt, wodurch der
Widerstand der Längeneinheit der Gassäule, einer 1 cm
langen Luftsäule, erhalten wird. Für die drei niedrigsten
Drucke, wo besonders die Curven der Versuche mit den
Platinelectroden steil aufwärts steigen, werden hierbei diese
Gurren in anderer Scala aufgetragen; die Abscissen sind
20 mal so gross wie auf den übrigen Tafeln.
Wir haben auf diese Weise folgende Werthe des Luft-
widerstandes im dunklen Räume (ohne Licht) und im posi«
tiven Lichte gefunden. Wo die Zahlen eingeklammert sind,
sind die Bestimmungen weniger zuverlässig oder bei den
höchsten Drucken nur durch Vergleichung des ganzen
Widerstandes im Entladungsrohr bei Entladung ohne Licht
mit dem Widerstände beim Auftreten des positiven Lichtes
erhalten.
Widerstand einer 1 cm langen Luftsäule.
1
■
"
In der Röhre mit
Druck 1
Aluminiumelectroden
Platinelectroden
1
mm
Ohne Licht ' Im pos. Lichte
(4) Volt 1 5 Volt
Ohne Licht
Im pos. Lichte
0,090
(3) Volt
0,125
>>
(6)
V
7 „
12 »
0,30
»»
10
11
12 1,
18 »
1,73
V
32
>»
50 „
^0 »
6,0
»
60
71
103 11
63 Volt
114 „
11,6
11
125
»
(140) ,,
125 „
20,7
11
185
V
(185) 11
180 »
40,7
^^
230
)1
(280) „
285 ,,
80,9
si
380
»
(880) ,,
380 „
Electricitätsleiiung der Gase, 197
Bei Betrachtung der obigen Tabelle finden wir erstens,
da$$ der Luftwiderstand , ausser bei den allerniedrigsten
Drucken, derselbe in der Rohre mit FlaÜn-^ wie in der mit
Abaniniumelectroden ist, welcher Umstand die Zuverlässigkeit
und die Allgemeingültigkeit der Resultate vermehrt. Dies
zeigt nämlich, dass die bei Bestimmung des Luftwiderstandes
gemachte Voraussetzung, dass die Zunahme des Widerstan-
des im Entladungsrohr bei Yergrösserung der Schlagweite
ausschliesslich auf einem Zuwachse des Luftwiderstandes
(nicht auf einer Veränderung des Uebergangswiderstandes
an den Electroden) beruht, richtig ist. Denn es ist kaum
denkbar, dass, wenn dieser Widerstandszuwachs zum Theil
auf einem Zuwachse des Uebergangswiderstandes an den
Electroden beruhte, die Zunahmen zweier so ungleicher
örössen wie die Uebergangswiderstände an den Aluminium-
und den kleinen Platinelectroden einander gleich wären. —
Auch bei den niedrigsten Drucken sind die Differenzen zwi-
schen den erhaltenen Werthen des Luftwiderstandes, wie
auch diese Werthe selbst, so ausserordentlich klein im Ver-
gleich mit den grossen Werthen des Uebergangswiderstandes
an den Electroden (siehe § 6), dass dies nur ein weiterer
Beweis dafilr ist, dass der Uebergangswiderstand unabhängig
vom Abstände zwischen den Electroden ist, dass also die
bei den übrigen Drucken erhaltenen Werthe auf den Luft-
widerstand wirklich die Grösse dieses Widerstandes angeben.
Auch bei den • niedrigsten Drucken dürften die im Rohre
mit Alumini umelectr öden erhaltenen Werthe annähernd rich-
tig sein.
Weiter sehen wir, wie schon erwähnt, dass der Wider-
stand bei Drucken unter 20 mm, besonders bei 6,0 und 1,73 mm
Druck j viel grösser im positiven Lichte als in dem dunklen
Räume ist
Wenn das Licht nicht eine von den Electroden aus-
gehende Strahlung ist, sondern in den Gasen selbst bei
Durchgang der Electricität entsteht, wie es mit dem posi-
tiven Lichte der Fall zu sein scheint, muss man auch er-
warten, dass der Widerstand beim Auftreten des Lichtes
vergrössert wird. Die Arbeit, welche zum Hervorbringen
des Lichtes gebraucht wird, und wozu die nöthige Energie
198 Th. Homeru
von dem electrischen Strome geliefert wird, vermehrt natür-
lich die Arbeit, welche der Strom bei Ueberwinden des
Widerstandes verrichtet, vermehrt also den gemessenen Wider-
stand. Dies ist bei Druck zwischen 1 und 20 mm der Fall
Dass bei den niedrigsten Drucken unter 1 mm der Wider-
stand im positiven Lichte kaum oder nur unbedeutend grösser
als im dunklen Räume ist, zeigt vielleicht, dass das Licht
bei diesen Drucken eine nur kleine Arbeit verbraucht. Mög-
lich ist auch, dass dasselbe von der Anwesenheit der Elec-
troden bedingt oder beeinflusst wird. Schwerer ist dann zu
erklären, warum bei den höchsten Drucken der Widerstand
im positiven Lichte nicht grösser erscheint, als bei Entladung
ohne Licht. Wahrscheinlich ist jedoch, wie oben angenommen,
dass der Entladungsstrom beim Auftreten des positiven
Lichtes in engerer Bahn verläuft, als bei dunkler Entla-
dung, und dass die hierauf beruhende grössere Erwärmung
der Entladungsbahn den Widerstand vermindert.
Das negative Kathodenlicht ist dagegen eine Strahlung
von der Kathode, welche indess nur bei den Drucken unter
1 mm eine grössere Ausdehnung hat Die Eigenthümlich-
keiten des Leitungs Vermögens des Kathodenlichtes sind schon
in § 3, und werden weiter bei den Controlversuchen in § 7
behandelt werden.
Was den Einfiuss der Erwärmung des Gases bei durch-
gehendem Strome betrifft, so übt dieselbe bei massiger Strom-
stärke keinen bedeutenden Einfluss aus. Bei Yergrösserung
der Stromstärke wird nämlich der Widerstand der Luft, wie
aus dem Parallelismus der Widerstandscurven ersichtlich,
kaum oder ganz wenig vermindert. Obgleich bei starker Er-
hitzung der Widerstand bedeutend vermindert wird, so übt
eine massige Temperaturerhöhung auf den Widerstand bei
den Gasen direct vielleicht keinen Einfluss aus, denn die
kleine Convergenz der Curven bei wachsender Stromstärke
kann vollständig von einer Widerstandsverminderung infolge
der die Erwärmung begleitenden Ausdehnung und Verdün-
nung des Gases verursacht werden. In einer früheren Ab-
handlung^) habe ich weiter gezeigt, dass der Gaswiderstand
1) Hom^n, Wied. Ann. 26. p. 55. 1SS5.
EUctricüätsleitung der Gase, 199
Ton der Durchschnittsfläche der Entladungsbahn unabhängig
oder nur wenig abhängig ist. Die im vorigen Paragraphen
angeführten fFiderstandswertlie gelten also für jede Luftsäule von
t em Länge.
Im Anfange des § 2 wurde gesagt, dass bei einer früheren
Gelegenheit Entladungsversuche mit continuirlichen Strömen
nach einer etwas anderen Methode von mir gemacht wurden.
Hier kann yielleicht erwähnt werden, dass die dabei erhal-
tenen Resultate und Widerstandswerthe mit den oben an-
gefahrten ganz übereinstimmen. Nur bei dem niedrigsten
Drucke (die Versuche wurden bei Drucken zwischen 0,089
und 10,8 mm angestellt) ist der Werth des Luftwiderstandes
etwas grösser als hier.
In Betreff der Aenderungen des Luftwiderstandes mit dem
Drucke sehen wir, dass der Widerstand der Luft mit zu-
nehmendem Drucke wächst, weniger aber als proportional
mit letzterem. Wäre die Abweichung von der Proportio-
nalität sehr klein, so könnte man glauben, dass dieselbe auf
Beobachtungsfehlern oder störenden Einflüssen beruhte. Die-
selbe ist aber zu gross, um dies zu gestatten, und man muss
also als nachgewiesen ansehen, dass der Widerstand der Luft
mit dem Drucke wächst, langsamer aber als letzterem pro-
portional.
Mit der Frage der Abhängigkeit des Luftwiderstandes
von dem Drucke hängt die Frage der Leitungsfähigkeit des
Yacuums zusammen, also die Frage, ob der Luftwiderstand
bei immer fortgesetzter Verdünnung stetig abnimmt und
sich dem Grenzwerthe Null nähert. Die oben erhaltenen
Resultate, wie auch die soeben citirten Untersuchungen von
mir^) deuten darauf hin, dass der Widerstand eines Gases
bei immer fortgesetzter Verdünnung sich vermindert; sie
stehen in allen Fällen nicht im Widerspruche zu der von
Edlund^, wie auch von anderen Forschern gemachten
Annahme, dass das Vacuum an sich ein guter Leiter ist.
Hittorf^) fand freilich, dass bei Drucken unten 0,022 mm
1) Honen, 1. c. p. 55.
2) Edlund, K. Sv. Vet. Akad. Handlingar. 10. p. 30. 1881; VVied.
Ann. 15. p. 514. 1882.
3j Hittorf, 1. c. p. 733.
200 Th. Homen.
die Potentialdifferenz zweier Querschnitte des positiven Lieh»
tes bei fortgesetztem Auspumpen des Gases verhältniss-
mässig wenig abnahm und .einem gewissen endlichen Grenz-
werthe sich zu nähern schien. Die Bestimmung dieser nie-
drigen Drucke war jedoch, wie Hittorf zugibt, sehr un-
sicher. (Die Bestimmung geschah unter der bei grosser
Verdünnung nicht berechtigten Annahme, dass der Druck
bei jedesmaligem Auspumpen um denselben Bruchtheil (0,71)
seines vorigen Werthes reducirt wird.) Wahrscheinlich ver-
minderte sich der Druck viel langsamer als angegeben und
sank nicht unter ein gewisses Minimum, eben wie die
Potentialdifferenz des positiven Lichtes sich einem Grenz«
werthe näherte, welcher wahrscheinlich diesem Druckminimum
entsprach. In allen Fällen war Quecksilberdampf in den
Röhren vorhanden, sodass die Verdünnung nicht weiter ge-
trieben werden konnte.
Auf andere Weise sucht FoeppP) zu beweisen, dass
das Vacuum nicht ein Leiter sein kann. Zwei Spiralen aus
Glasröhren bildeten nebst geraden Verbindungsstücken einen
„geschlossenen, homogenen Vacuumstromkreis". Es wurden
keine Electroden angewandt, sondern die Electricitätserregung
durch Induction hervorgebracht. Um die eine Spirale war
nämlich eine Kupferdrahtspirale gewickelt, in welcher ein
inducirender Strom circulirte. Die andere Spirale war in
zwölf Windungen wie der Leitungsdraht eines Galvanometers
um einen frei schwingenden Magnetspiegel gewickelt. Mit
einer Töpler'schen Quecksilberluftpumpe wurde die ganze
Rohrleitung evacuirt. Bei Drucken „von einigen Centimetern
Quecksilbersäule an bis zu den niedrigst erreichbaren" konnte
kein messbarer Inductionsstrom in der Rohrleitung her-
vorgebracht werden. Hieraus und aus dem Ausbleiben je-
der Lichterscheinung in der Rohrleitung zieht Foeppl den
Schluss, dass das Vacuum nicht ein Leiter sein kann.
Ein solcher Schluss ist indess nicht berechtigt. Von der
Unempfindlichkeit des Strommessungsapparates , besonders
bei kurz dauernden Inductionsströmen, abgesehen, war näm-
lich die Luftleitung sehr lang. Diese nicht direct angege-
1) Foeppl, Wied. Ann. :^3. p. 504. 1S8S.
EUctricitätskitung der Gase. 201
bene lAnge lässt sich za mindestens 13 m berechnen. Der
«ach nicht näher angegebene Luftdruck aber möchte bei
diesen langen Bohrcomplezen mit so sehr ausgedehnten
Wandflächen, und weil nach der Angabe eine sichtbare Luft-
perle an den Wänden des Auslassrohres der Pumpe hängen
blieb und nicht weiter ausgetrieben werden konnte, nicht
allzu niedrig sein. Bei 0,09 mm Druck, dem niedrigsten bei
meinen Versuchen, ist indess der Widerstand einer 13 m langen
Luftsäule noch etwa 5200 (» 1800 x 4) Volt, bei Drucken
Ton einigen Centimetern über viele Hunderttausend. Ganz
natfirlich also, dass bei den Foeppl'schen Versuchen, wo
das Maximum der in der Luftleitung inducirten electromo-
torischen Kraft „freilich nur der Grössenordnung nach^' zu
270 Volt berechnet wurde, kein Strom hervorgebracht wer-
den konnte. Diese Versuche müssten also bis zu ganz ex-
tremen, wohl nicht erreichbaren Verdünnungen geführt wer-
den, um etwas zu beweisen. Uebrigens wären solche Ver-
suche wie die Foeppl'schen, nur dann für das Nichtlei ten
des Vacuums mehr beweisend, wenn bei gewissen Drucken
ein Inductionsstrom aufträte, bei grösserer Verdünnung da-
gegen aufhörte hindurchzugehen.
Das Ausbleiben jeder Lichterscheinung ist für das Nicht-
leiten des Vacuums ebenso wenig beweisend, denn es ist
keineswegs gesagt, dass das vor den Electroden oder bei
grosser Stromstärke auftretende Licht in den Qeissler'-
schen Röhren auch bei einem Strome durch Gas ohne Electro-
den auftreten soll. Uebrigens hat Hittorf ^), wie Foeppl in
einer späteren Abhandlung^) zugibt, sowie SundelP) und
Melander^) mit Anwendung von statischer Electricität Licht-
erscheinungen in G eis sl er 'sehen Röhren durch Induction
hervorgebracht. Die Frage über die Leitungstähigkeit
des Vacuums muss also als eine noch offene angesehen
werden.
Fassen wir schliesslich die erhaltenen Resultate über
den Luftwiderstand zusammen, so will ich zuerst bemer-
1) Hittorf, Wied. Ann. 21. p. 188. 1884.
2) Foeppl, Wied. Ann. 34. p. 222. 1888.
3) Sundeil, Acta See. Sc. Feun. 15. p. 203. 1885.
4) Melander, Finska Vet. 8oc. Förh. 29. 1887.
202 Th. Homen.
ken, dass dieselben nur durch Anwendung von stetigen gal-
vanischen Strömen erzielt werden konnten. Bei diesen Strö-
men können nämlich die Verhältnisse während des Durch-
ganges der Electricität durch das Gas studirt werden
und zeigen während dieses Durchganges, im Gegensatze zu
den Verhältnissen bei den Inductionsströmen, eine dauernde
Stabilität, sodass sie genau beobachtet und gemessen werden
können.
Viele Forscher, von den Versuchen mit statischer Elec-
tricität ausgehend, sind der Ansicht, dass man nicht Ton
einem eigentlichen Leitungswiderstande bei den Gasen
sprechen kann, sondern dass man nur zu bestimmen hat^
eine wie grosse Potentialdifferenz zwischen den Electro-
den in verschiedenen Fällen noth wendig ist, um eine Ent-
ladung überhaupt zu Stande zu bringen. Aus den hier
oben beschriebenen Versuchen geht aber nach unserer Mei-
nung hervor,
1) dass man auch bei den Gasen von einer Electricitätslei-
tung sprechen kann,
2) dass aber der Leitungswiderstand der Lvft und wahr-
scheinlich aller Gase in einer Einheit von denselben Dimensionen
wie die electroynotorische Kraft zu messen ist,
3) dass die oben angeführten y in VoÜs gemessenen fVerHie
des Luftwiderstandes den Leitungswiderstand einer 1 cm langen
Luftsäule bei den betreffenden Drucken wirklich angeben, und
4) dass der Luftwiderstand mit der Dichte der Luft wächst^
langsamer aber als derselben proportional,
§ 6. Uebergangswiderstand an den Electroden.
Wenn man mit Hülfe der erhaltenen Werthe auf den
Luftwiderstand aus den gemachten Beobachtungen den Werth
{tq) der Potentialdifferenz zwischen den Electroden bei 0 cm
Schlag weite extrapolirt, so gibt die Grösse r^ den Werth
des Uebergangswiderstandes an den Electroden an. Wie
man aus der schiefen Lage der Curven ersieht, wächst der
Uebergaügswiderstand mit der Stromstärke, an den Platin-
electroden von 11,6 mm Druck an abwärts, an den Aluminium-
ElectricüätsUitung der Gase. 203
electroden bei Drucken unter 0,8 mm. Der Uebergangswider-
stand r kann also als eine Function:
Tq = a + Ä« + ci* '{' dp + —
von der Stromstärke i betrachtet werden, wo a^h^ c^d.,.,
von der Beschaffenheit der Electroden und des Gases ab-
hängige Constanten sind. Wenn nun die Grösse r^ in Volts
gemessen ist, so bezeichnet der Coefficient a in der obigen
Gleichung Volt und b Ohm (wenn i in Amperes angegeben
ist). Die CoSfficienten c, d,., haben andere Dimensionen
als alle früher bekannten Einheiten. Wenn indessen die
Widerstandscurven ziemlich geradlinig laufen, kann man den
Uebergangswiderstand r^ annähernd als eine lineare Function:
von der Stromstärke t bezeichnen.
Bei Druck über 1 mm laufen, wenn man die gra-
phische Darlegung der Resultate beachtet, die ausgezogenen
Curven so geradlinig, dass man der obigen linearen Glei-
chung volle Gültigkeit anerkennen muss. Dass bei grosser
Stromstärke die Curven, besonders für die Versuche mit
den Platinelectroden, eine Biegung nach unten zeigen, be-
ruht ohne Zweifel nur auf der bei wachsender Strom-
stärke eintretenden starken Erhitzung der Electroden, wo-
durch, wie schon früher erwähnt, der Uebergangswiderstand
vermindert wird. Dies widerspricht also nicht der Gültig-
keit der erwähnten Formel und begrenzt nur die Anwendung
derselben in den Fällen, wo die Erhitzung der Electroden
nicht allzu gross ist.
Bei den niedrigsten Drucken (unter 0,30 mm) laufen die
Curven für die Platinelectroden unregelmässiger, und die
Curven für die Aluminiumelectroden zeigen eine Krümmung.
Ob diese Krümmung auch nur auf der Erhitzung der Elec-
troden beruht, oder anderweitig begründet ist, ist schwer
zu entscheiden. Und wenn auch nur die Erhitzung der
Electroden diese Krümmung verursacht, so ist dieselbe doch
mit dem Durchgange der Electricität so unzertrennlich ver-
bunden, dass eine Formel, welche sich besser an die Tota-
lität des Phänomens schlösse, als die obige lineare Glei-
chung, hier vielleicht vorzuziehen wäre. Wir haben indess
204 Th. Homen.
der Einfachheit wegen die lineare Grleichnng r^ss a + bi
auch bei den niedrigsten Drucken beibehalten. Bei den
höheren Drucken, und filr Aluminiumelectroden schon bei
1,73 mm Druck, ist jedoch der in Ohm gemessene Theil des
Uebergangswiderstandes gleich Null, und der ganze Wider-
stand im Entladungsrohr folglich in Volt zu messen.
Bei der Extrapolation des Werthes der r^ f&r Bestim-
mung der Grössen a und b wird der Widerstand im nega-
tiven Lichte im Entladungsrohr gleich demselben im dunk-
len Baume gesetzt Der hierbei begangene Fehler wird nicht
gross, denn bei niedrigen Drucken ist der Gaswiderstand
überhaupt sehr klein, besonders im Vergleich mit dem lieber-
gangswiderstande an den Electroden, und bei höheren Drucken
ist die Ausdehnung des negativen Lichtes sehr klein. Auf
den Tafeln ist die gerade, mit 0 cm bezeichnete Linie aus-
gezogen, welche die Werthe von r^ angibt, woraus a und b
berechnet sind. Wir finden so die folgenden Werthe für
den Uebergangswiderstand.
Uebergangswiderstand an den Electroden.
Druck
AluminiumelectrodeD
.. .. 1
Platinelectroden
0,090 mm
1150 Volt
, + 2 200 000 Ohm
0,125 »
»00
+ 1 500 000
„ 1
13«0 Volt + 14 700 CüO Ohm
0,30 >>
540
+ 92 000
650
+
6 800 000 u
1,73 »
360
+ 0
380
+
860 000 i>
6,0 iy
270
+ 0
260
+
370 000 »
11,6 »
280
+ 0
265
+
136 000 V
20,7 „
310
+ 0
'* 1
370
+
0 »
40,7 „
320
+ 0
420
+
() »
80,1) »
350
+ 0
430
+
0 „
Bei Vergleichung des Uebergiingswiderstandes an den
verschiedenen Electroden finden wir, dass bei den höheren
Drucken, über 20 rnntj der UebergangswiderstaTid ziemlich der^
selbe an den beiden Electrodenpaaren , an den scheibenförmigen von
Aluminium und den kleinen Drahtspitzen von Platin, ist Ich will
dieses Verhältniss auch darum hervorheben, weil bei Ver-
suchen mit statischer Electricität verschiedene Electroden,
wie z. B. Spitze und Kugeln, sehr verschiedene Eigenschaften
zeigen.
Einen Unterschied beobachtet man jedoch zwischen den
Eleetricitätsleitung der Gase, 205
beiden Electrocleiipaaren auch bei den höheren Drucken, näm-
lich, dass bei den Piatinelectroden kaum eine grössere elec-
tromotorische Kraft, als die theoretisch nothwendige, erfor-
derlich ist, um den Strom hindurchzutreiben (nachdem die
Entladung einmal eingeleitet ist), während bei den Alumi-
niumelectroden die electromotorische Kraft mit einigen Hun-
dert Volts den Widerstand im Entladungsrohr übertreffen
musSy um den Strom durchtreiben zu können. Weiter be-
ginnt die Entladung viel leichter zwischen den kleinen Pia-
tinelectroden, als zwischen denen von Aluminium, wo, um
die Entladung einzuleiten, die Schlagweite zuerst sehr klein
genommen werden muss und dann erst, nachdem die Ent-
ladung einmal durchgeht, rergrössert werden kann. Viele
Ton der Beschaffenheit der Electroden abhängige Verhält-
nisse, welche während des Durchganges der Electricität keinen
Einflnss mehr haben, schienen also bei der ersten Einleitung
der Entladung störend aufzutreten. Dies gibt auch die
Erklärung, warum bei den Versuchen mit statischer Elec-
tricität, wo es sich nur darum handelt, eine Entladung über-
haupt hervorzubringen, die Form und Beschaffenheit der
Electroden einen so grossen Einfluss ausüben.
Bei Drucken unter 10 mm ist der Uebergangswiderstand^ be-
sonders der in Ohm gemessene Theil desselben , viel grosser an
den kleinen JPlatinelectroden als an denselben von Aluminium.
An beiden Elech'odenpaaren , mehr noch bei den J^latinelec-
trodenj wächst der Uebergangswiderstand von einem Minimum
zwischen 5 und 11 mm Druck stark mit der Verdünnung und
auch ein wenig mit zunehmendem Druck, Bei fortgesetzter
Verdünnung konnte bei 0,05 mm Luftdruck in der Ent-
ladungsröhre kein Strom mit den 1456 Elementen unserer
Chromsäurebatterie herrorgebracht werden. Dass, wie yiele
Forscher es gefunden haben, auch bei Entladungsversuchen
mit statischer Electricität, wo natürlich vielmal grössere
Spannungen als mit einer galvanischen Batterie erreicht wer-
den können, bei hinreichender, sehr grosser Verdünnung
keine Entladung hervorgebracht werden kann, beruht ganz
gewiss nur darauf, dass der Uebergangswiderstand an den
Electroden bei abnehmendem Drucke immer wächst und
schliesslich bei hinreichender Verdünnung so grosse Werthe
206 2%. Homen.
erreicht, dass keine Entladung möglich ist. Dies Aufhören
jeder Entladung durch eine Gei ssler 'sehe Röhre bei hin-
reichender Verdünnung braucht also, in üebereinstimmung
mit dem Resultate des vorigen Capitels, keineswegs auf ein
Nichtleiten des Vacuums zu deuten, sondern kann ausschliess-
lich auf dem grossen Zuwachse des üebergangswiderstandes
an den Electroden bei zunehmender Verdünnung beruhen,
wie dies zuerst vonHittorf^) undEdlund^) behauptet und
nachgewiesen ist.
Hier ist noch zu erwähnen, dass die Electrodenflächen
bei meinen oben beschriebenen Versuchen klein oder von
solcher Form waren, dass das negative Licht nicht Ge-
legenheit hatte, sich über grössere Flächen auszubreiten.
Bei langen Electrodendrähten breitet sich bei zunehmen-
der Stromstärke und auch bei zunehmender Verdünnung das
negative Licht über immer grössere Flächen aus, und hier-
bei hält sich die Potentialdifferenz der Electroden, wie
Hittorf •) und Warburg*) gezeigt haben, sowohl bei Ver-
grösserung der Stromstärke als auch bei zunehmen der Ver-
dünnung ziemlich constant. Doch wurden, besonders bei
den Versuchen Warburg's, die Stromintensität und der
Luftdruck innerhalb nur ziemlich enger Grenzen variirt
Dass die Ausbreitung des negativen Lichtes den mit wach-
sender Stromstärke sonst eintretenden Zuwachs der Poten-
tialdifferenz der Electroden vermindert, habe auch ich bei
den Platinelectroden bei 1,73 mm Druck beobachtet. Die
Potentialdifferenz der Electroden nahm nämlich in der Regel
mit der Stromstärke zu; wenn aber, was bei diesem Druck
bisweilen geschah, das negative Licht sich hinter die Ka-
thodenspitze erstreckte, so zeigte sich, wie aus den Be-
obachtungen ersichtlich, die Potentialdifferenz von der Strom-
stärke ziemlich unabhängig, und der Uebergangswiderstand
gleich dem an den Aluminiumelectroden.
Wie früher gesagt, ist bei jedem Druck ein Theil des
1) Hittorf, Pogg. Ann. 13tt, p. 1 u. 197. 1869.
2) Edlund, K. Sv. Vet Akad. Ilandlingar. 19. p. 30. 1881; Wied.
Ann. 15. p. 514. 1882.
3j Ilittorf, Wied. Ann. 21. p. 90. 1884.
4) Warburg, Wied. Ann. 31. p. 545. 1887.
EkciricUätsleitiing der Gase. 207
Uebergangswiderstandes an den Electroden, bei den höheren
Drucken der ganze Widerstand , in Volts zu messen. Dass
bei der Gasentladung wirklich eine electromotorische Gegen-
kraft auftritt, welche unter gewissen Umständen zu einem
Strpme Anlass geben kann, hat Edlund^) gezeigt. Der
Uebergangswiderstand ist dabei wohl zum Theil als eine
electromotorische Gegenkraft aufzufassen.
§7. Controlversuclic.
Der Gontrole wegen wurden noch einige Versuche in
der Weise angestellt, dass die beiden Entladungsröhren
hintereinander in die Leitung eingefügt wurden, und die
Potentialdifferenz zwischen den äussersten der Electroden,
die Summe der Widerstände in den Röhren also, bestimmt
wurde. Die Abstände zwischen den Electroden der beiden
Röhren wurden in der Weise variirt, dass die Summe der-
selben bei jeder Versuchsreihe constant war. Bei Drucken
unter 1 mm konnten diese Versuche nicht durchgeführt wer-
den, denn da die Röhren in Verbindung sowohl miteinander,
als mit der Luftpumpe waren, so ging der Strom von der
Kathode, welche in Verbindung mit dem Batteriepole war,
direct zu der Anode der anderen Röhre, welche in Verbin-
dung mit dem positiven Pole der Batterie war. Auch bei
1,73 mm Druck wurden keine Versuche gemacht; bei 6,0,
11,6 und 20,7 mm Druck wurden dagegen folgende Resultate
erhalten. In der mit AI bezeichneten Columne ist die Schlag-
weite zwischen den Aluminiumelectroden, in Columne Pt die
Schlagweite zwischen den Platinelectroden angegeben; 2 be-
zeichnet wie früher die Intensität des Stromes durch die
Entladungsröhren in 10~* Amperes, und r die Summe der
Widerstände in den Entladungsröhren in Volts. In der
letzten Columne sind die aus den Tabellen der vorigen Para-
graphen für die betreffende Stromstärke berechneten Werthe
dieser Summe angegeben. Das Auftreten des positiven
Lichtes ist mit p. L. bezeichnet.
1) Edlund, Pogg. Ann. 134. p. 250 u. 337. 1S68; 139. p. 353. 1870.
208
Th, Uomen,
Druck = 6,0 mm.
(12 X 104 Elemente; RheostateDwiderstand I.)
■1
Die negativen Pole der Batterie verbunden mit der
AI.
Pt.
Aluminiumkathode
PI
•
atinkathode
1 r 1 r
r i r
!'
1 (berechn.) ,
!
(beraebn.)
1 cm
7 cm
I 1880
1773 1710 '
1 1910
1771
1720
2 11
6 11
i' 1900
1773 1720 '
: 1920
1765
1780
3 11
5 11
, 1970
1758 , 1745 ,
1980 ' 1755
1760
4 11
4 11
, 1960 1758
1740 :
1980 ; 1758
1750
5 V
8 11
1940 1760
1735 ,
1970 i 1765
1745
6 V
2 11
1 1920 1768
1780
1900
1768
1720
7 „
1 11
, 1780 1799
1670 !
, 1830
1789
1690
1 cm
13 cm
710 2002 p.L. 2025
„^
_^
_^
4 11
10 11
, 1370 1872
1860
—
—
10 11
4 11
1030 1937
1830
1
—
13 „
1 11
1 —
—
—
—
—
Druck s= 11,6 mm.
(14 X 104 Elemente; Rheostaten widerstand IL)
, Die n
egativen
Pole der Batterie verbunden mit der
AI.
Pt.
AU
1
iminiumk
r
athode
Platinkathode
•
t
1 r
•
1
! r
1 (berechn.)
j (bereehn.)
1 cm 1
9 cm
1470
2119
1995 '
1420
2182
1990
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2070
2010
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, 2025 i
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6 11
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' 2028
; 2020 ;
—
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1710
1 2012
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1660
, 2028
. 2020
—
^—
9 ,1
1 11
1540
2080
1 2010
1560
2070
2010
Druck = 20,7 mm.
(14 X 104 Elemente; Rheostatenwiderstand I.)
AI.
1
Pt.
1;
Die negativen Pole der I
Aluminiumkathode
.*_ -. j_ '' [.- ^ _
. (berecbn.)
3230 2010 i 1975
3270 2000 ' 11
3340 1987 1 ,,
3330 1985 1 11
3340 , 19S5 „
3280 1995 11
latteric v(
PL
.
irbunden mit der
atinkathode
r r
1 cm
2 ,,
3 ,,
4 11
5 11
6 11 1
6 cm
5 11
4 11 1
3 ,r ;
1 " i
1 11
3020
1 3000
3030
1 3350
; 21)90
1 2940
2050
2050
2050
1985
2050
2060
(bereehn.)
1975
Electficitätsleitung der Gase. 20ft
Die oben erhaltenen Werthe für die Summe der Wider-
stände in den Entladungsröhren stimmen, wie ersichtlich,
mit den auf Grund der früheren Beobachtungen berechne-
ten gut überein. (Hier muss vielleicht erwähnt werden,
dass eine Einwirkung des Lichtes in der einen Röhre auf
den Widerstand in der anderen unmöglich war, denn die
Glaswände der Röhren sind, wie zuletzt Hertz ^) gefunden,
vollkommen undurchlässig für die in dieser Beziehung wirk-
samen ultravioletten Strahlen.) Ganz unverändert sind die
Widerstandssummen während der Versuche indess nicht. Wenn
die Schlagweite in der einen Röhre klein genommen wird,
zeigt sich bei 6,0 und 11,6 mm Druck eine kleine Ver-
grösser ung der Widerstandssumme. Djr Widerstand in
der Röhre, wo die Schlagweite verkleinert wird, nimmt also
nicht um ebensoviel ab, wie der Widerstand in der anderen bei
gleicher Vergrösserung d«r Schlagweite zunimmt. Entweder
wächst also der Uebergangs widerstand an der Anode, wenn
diese in die Nähe der Kathode kommt, (schon ehe sie
in das Kathodenlicht, welches bei diesen Drucken eine g.mz
kleine Ausdehnung hat, eintritt) oder der Widerstand ist
am nächsten vor dem Kathodenlichte ein wenig kleiner
als im übrigen Theile des dunklen Raumes. Dasselbo
geht auch aus den Beobachtungen in § 3 hervor.. Man
kann also die Möglichkeit einer von der Kathode aus-
gehenden, den Widerstand vermindernden Strahlung nicht
ausschliessen, welche weiter in den dunklen Raum als das
sichtbare Kathodenlicht eindringt und ihre Wirkung bei den
erwähnten Drucken etwa 2 cm vor die Kathode erstreckt.
Von dieser Kathodenstrahlung ist schon früher (§ 4) ge-
sprochen. Möglich ist auch, dass dieselbe eiae der Ur-
sachen ist, dass, nachdem die Eatladung einmal angefan-
gen, die zum Durchtreiben der Electricität nöthige Poten-
tialdifferenz zwischen den Electroden nicht so gross zu sein
braucht, wie zur ersten Einleitung der Entladung. Weiter
werden wahrscheinlich, obgleich die Wirkung der erwähnten
Strahlung hier ganz klein ist, die im vorigen Paragraphen
angegebenen Werthe für den Uebergangswiderstand an den
1) Hertz, Wied. Ann. 31. p. 983. 1887.
Ann. d. Phy$. u. Chemie. N. F. XXXVIII. 14
210 Th. Homen.
Electroden ein wenig zu klein. Bei Extrapolation des Werthes
r^ (der Widerstand bei 0 cm Schis g weite) wird n&mlich der
Widerstand in und vor dem Eathodenlicht zu gross ge-
nommen.
Von den besprochenen Veränderungen abgesehen, ist
die Summe der Widerstände in den beiden Röhren, wenn
die Summe der Schlag weite unverändert bleibt, sehr constant.
Der Widerstand einer Luftsäule ist also derselbe, sei eSf dass die
Säule zwischen den einen oder den anderen Electroden einge^
schaltet ist. Dies bekräftigt also, dass der IVider stand der
Luft in § 5 richtig berechnet ist und an und für sich, ohne Zu"
sammenhang mit etwas anderem, angegeben werden kann. Nur
die Lichterscheinungen wirken, wie oben gezeigt, auf den Gas-
widerstand ein und sind bei Bestimmung desselben zu beachten.
Ohne mich auf eine Discussion der verschiedenen elec-
trischen Theorien einzulassen, will ich auf Grund der ge-
machten Untersuchungen einige Gesichtspunkte in Bezug
auf die Frage der Fortpflanzung der Electricität und des
galvanischen Widerstandes der Gase und der festen Leiter
hervorheben. Besonders soll die von Edlund^) aufgestellte
unitarische Theorie beachtet werden.
Alle Physiker stimmen darin überein, dass sie ein oder
mehrere electrische Fluida von extremer Beweglichkeit voraus-
setzen. Nach der Theorie E dl und 's bildet, wie bekannt, der
Lichtäther dieses Fluidum. Die Electricität eines Körpers
besteht in einem Ueberschuss oder Mangel an Aether relativ
die Umgebung; der galvanische Strom in einer translatori-
schen Bewegung des freien Aethers in dem Leiter. Der
galvanische Widerstand wird als ein Gegendruck (contrepres-
sioD) gegen den in Bewegung gesetzten Aether aufgefasst
Weil nun der Widerstand der festen Leiter dem Querschnitt
derselben umgekehrt proportional ist, findet Edlund den
allgemeinen dynamischen Frincipien gemäss, ohne dem Aether
einige neue Eigenschaften zuzuschreiben, oder andere, wie
z. B. Trägheit, zu versagen, dass der Widerstand in den
festen und flüssigen Leitern der Stromstärke proportional
1) Edlund, K. Sv. Akad. Handl. 12. 1873.
EkctrkitaUleitung der Gase, 211
ist Den Widerstand bei der Stromstärke Eins nennt E d 1 u n d
den Haapt widerstand (r^sistance principale) und leitet so
das Ohm'sche Gesetz i^EjR ab, wo t die Stromstärke, E
die electromotorische Kraft und R den Hauptwiderstand
in der Leitung bezeichnen. Bei den Gasen, wo der Wider-
stand nicht von dem Querschnitt der Entladungsbahn ab-
hängig ist, nimmt Edlund an^), dass der Widerstand
constant, von der Stromstärke unabhängig sei, und leitet so
die Formel i^{E^r)IR ab, wo i, E und R dieselbe Bedeu-
tung wie oben haben, r aber den Gaswiderstand bezeichnet.
In dieser Weise ist leicht zu erklären, warum bei den
festen Leitern, wo der Widerstand bei unendlich kleiner
Stromstärke unendlich klein wird, auch die kleinste electro-
motorische Kraft im Stande ist, einen Strom hervorzubringen,
während bei den Gasen, wo der Widerstand als constant
angenommen wird, die electromotorische Kraft eine gewisse
Stärke erreichen muss, um diesen Widerstand überwinden
und einen Strom durchtreiben zu können.
Bei der Stromverzweigung verhalten sich nach den Kirch-
hoff sehen Gesetzen die Intensitäten der Zweigströme zu
einander umgekehrt wie die Widerstände der Zweige (die
Haupt widerstände nach Edlund). Sind also R und kR
die Widerstände der Zweige, so sind ki und i die Strom-
intensitäten in denselben. Die galvanischen Widerstände
werden also nach Edlund gleich kixR und ixkR oder
in den beiden Zweigen einander gleich.
Diese Auffassung gibt eine natürliche Erklärung der
Verhältnisse bei der Stromverzweigung. Der Strom theilt sich
so, dass der Widerstand in den beiden Zweigen gleich wird.
Wäre dagegen der Widerstand constant, so ist schwer zu
fassen, warum nicht die ganze Electricitätsmenge durch den
Zweig strömt, wo der Widerstand kleiner ist. Dies ist auch
unter analogen Verhältnissen bei den Gasen der Fall, wo
nach Edlund's Annahme die Widerstände constant sind.
Bei den in dieser Abhandlung beschriebenen Versuchen
hatte ich eine Zweigleitung, in dem einen Zweige aber einen
Gasraum, die Entladungsröhre, in dem anderen, in der Brücke
1) Edlund, Bibang tili K. Sv. Vet. Akad. Handl. 0. 1881.
14*
212 TA. Homen.
zwischen den Electroden, einen gewöhnlichen Bheostaten-
widerstand, die Oadmiumjodidröhren , eingeschaltet (Die
Polarisation in der Cadmiumjodidlösung kommt hier nicht
in Betracht.)
Angenommen nun, dass der Widerstand (A*) des Gases
constant, der Widerstand in der Brücke dagegen der Strom*«
stärke {s) proportional, also gleich sR ist, so muss, wenn das
Frincip der Gleichheit der Widerstände der Zweige aufrecht
gehalten werden soll, der Strom sich so zwischen den beiden
Zweigen theilen, dass die Widerstände sR und K einander
gleich werden oder, wenn dies nicht möglich, der Strom
ausschliesslich durch den Zweig gehen, wo der Widerstand
kleiner ist. Bei schwacher Stromstärke, wobei der galva-
nische Widerstand sR m der Brücke kleiner ist, als der
constante Widerstand K der Entladungsröhre, muss also der
ganze Strom durch die Brücke gehen. Wenn aber, bei Ver-
grösserung der Zahl der Elemente, die Stromstärke s in der
Brücke so wächst, dass sR = K wird, muss der Strom an-
fangen, auch durch die Entladungsröhre zu gehen, und wenn
dann die electromotorische Kraft der Batterie noch mehr
verstärkt wird, kann der Strom nur im Entladungsrohr,
nicht aber in der Brücke wachsen, wo der Widerstand sR
seinen Maximalwerth K schon erreicht hat.
Gerade so verhält es sich bei meinen Versuchen. Bei
kleiner Stromstärke geht der Strom ausschliesslich durch
die Brücke zwischen den Electroden. Bei wachsender elec-
tromotorischer Kraft fängt aber der Strom an, auch durch
die Entladungsröhre zu gehen, und wenn dann die Zahl der
Elemente noch mehr vergrössert wird, wächst der Strom
ausschliesslich in der Entladungsröhre, gar nicht aber in
der Brücke. Bei den Drucken 1,73, 6,0 und 11,6 mm z.B.,
wo weder der Uebergangswiderstand, noch die Erwärmung
des Gases störend einwirken, ist also, nachdem die Ent-
ladung begonnen hat, die Stromstärke in der Brücke bei
Yergrösserung der Zahl der Elemente möglichst constant
Während z. B. bei 4 cm Schlagweite bei 11,6 mm Druck die
Stromstärke in der Entladungsröhre zu 1000, 2000, 10000
und 27000 X 10-« Ampere wächst, bleibt die Stromstärke in
der Brücke constant zwischen 25,0 und 25,5 X 10^ Ampere.
* EUctricitätsleitiing der Gase, 213
Die Resultate dieser Untersuchungen stehen also in
Yollem Einklänge zu der Annahme, durch welche sie selbst
auch in der natürlichsten Weise erklärt werden, dass der
Leitongswiderstand der Gase constant, der Widerstand der
festen Leiter dagegen der Stromstärke proportional ist.
Helsingfors, im Juni 1889.
Erklärang zu Figar 2 — 6.
Die Abscissen bezeichnen die Stärke des durch die Entladungsröhre
gehenden Stromes in 10~^ Amp<^re.
Die Ordinalen die Potentialdifierenz zwischen den Electroden der
Entladungsrohre in Volt.
Die Curven, welche sich auf die Versuche mit den Aluminiumelec-
troden beziehen, sind voll ausgezogen, diejenigen für die Versuche mit
den Platinelectroden unterbrochen gezeichnet.
Die Zahl neben jeder Curve gibt den Abstand zwischen den Elec-
troden bei den entsprechenden Versuchen an.
III. lieber das Spectntni der Gase bei Hefen
Temperaturen} von K. i?. Koch.
(Hierzu Taf. II Flg. 7.)
Da bekanntlich das Spectrum der Gase in hohem Grade
Yon der Temperatur derselben abhängt, so schien es mir
von Interesse zu sein, zu untersuchen, welchen Einfluss es
auf ein Gasspectrum habe, wenn man das Gas auf —80 bis
100^ C abkühlte. Es schien mir diese Untersuchung beson-
ders wichtig in Bezug auf die Beziehung des Spectrums des
Polarlichtes zu dem der Luft zu sein. Es tritt nämlich im
Spectrum des Polarlichtes ausser jenen Linien, welche mit
Linien der Luft, resp. des Stickstoffs zusammenzufallen
scheinen, regelmässig bei allen Erscheinungen eine Linie im
Gelbgrün auf {X ■= 557), welche bis vor kurzer Zeit noch
nicht im Luftspectrum beobachtet war; erst in neuester Zeit
hat Hr. Wüllner^) in einem weiten Bohr mit Längsdurch-
sicht im Stickstoff-, resp. Luftspectrum eine Linie beobach-
tet und gemessen, die mit der grüngelben Polarlichtlinie
1) Wüllner, Ber. d. Berl. Acad. 1889.
214 K. R. Koch.
dieselbe Wellenlänge hat. Es zeichnen sich jedoch weder
diese gelbgrüne Linie, noch die übrigen, den Polarlichtlinien
entsprechenden Linien des Stickstoffs, resp. der Luft, auch
wenn man sie unter den verschiedensten Umständen des
Druckes, der Weite der Röhren oder der Art der Entladung
beobachtet, durch besondere Helligkeit vor den übrigen
Linien und Banden des so überaus reichen Bandenspectrums
der Luft aus. Man kann also nicht etwa annehmen , man
hätte das Folarlichtspectrum als ein Luftspectrum zu betrach-
ten, in welchem wegen der grossen Entfernung der Erschei-
nung und der dadurch hervorgerufenen Abnahme der Hei-
ligkeit nur die Intensitätsmaxima übrig geblieben wären.
Da nun die Entladungen, welche das Polarlicht erzengen,
bei sehr tiefer äusserer Temperatur stattfinden, so schien es
nicht ausgeschlossen zu sein, dass möglichenfalls die Hellig-
keitsvertheilung im Spectram eines mit verdünnter Luft ge-
füllten weiten Rohres bei einer entsprechend tiefen Temperatur
eine derartige würde, dass die den Polarlichtlinien entsprechen-
den Linien sich durch besondere Intensität auszeichneten.
Mehrfach wiederholte Versuche zeigten jedoch , dass sich bis
zu Temperaturen von —100^ C, die Spectra der Gase nicht ändern.
Da sich das Entladungsrohr auf dieser tiefen Tempe-
ratur natürlich nur sehr kurze Zeit halten lässt, weil durch
die Entladung selber eine starke Erwärmung eintritt, so
konnte nicht an eine Ausmessung des Spectrums gedacht
werden, sondern es musste nach einer Methode gesucht wer-
den, die auf den ersten Blick zu entscheiden gestattete, ob
eine Aenderung stattgefunden habe oder nicht. Dies lässt
sich dadurch erreichen, dass man sich zwei in Länge und
Weite identische Röhren herstellt, davon die eine mit einer
entsprechenden Kältemischung umgibt und dann das eine
Rohr direct, das andere mit dem am Spalt angebrachten
Vergleichsprisma beobachtet, wenn gleichzeitig die Entladun-
gen desselben Inductoriums durch dieselben hindurchgehen.
Hierbei müssen die Längsaxen der Röhren, da immer solche
mit Längsdurchsicht benutzt wurden, entsprechend dem Winkel
des Prismas genau einen Winkel von 60^ einschliessen; beide
Spectra haben jedoch wegen des Durchganges durch das Prisma
eine ungleiche Intensität, und da beide Röhren miteinander, mit
Spectrum der Gase bei tiefen Temperaturen. 215
der Queckailberlaftpumpe und mit dem Gasentwickelungsappa-
rat zusammengeblasen sind, so lässt sich eine genaue Aufstellung
unter einem Winkel von 60^ ebenfalls nur schwierig bowerkstel-
ligen. Bequemer ist es, das eine Rohr in horizontaler Stel-
lung zu lassen y das andere genau vertical zu stellen, dann
das horizontale vermittelst des Vergleichsprismas, das ver-
ticale durch ein rechtwinkliges Reflexionsprisma zu betrach-
ten, welches unter demselben angebracht ist; diese Einrich-
tung lässt sich leichter treffen und bietet den Yortheil, dass
beide Spectra unter sonst gleichen Bedingungen dieselbe
Intensit&t besitzen, weil bei beiden das Licht vor seinem
Eintritt in den Spalt eine Reflexion in einem Prisma erlitten
hat Um die Stellung der Röhren etwas corrigiren zu können,
waren sie durch lange, federnde, ü-fSrmige Glasröhren mit-
einander, der Pumpe und dem Gasentwickel ungsapparat ver-
bunden. Selbstverständlich waren alle Hähne und Kautschuk-
verbindungen vermieden. Das verticale Rohr {A)^ Fig. 7, war
umgeben von einem weiteren Rohr By dass die Eältemischung
aufnahm, dieses Rohr umgab ein drittes C, das trockene,
verdünnte Luft enthielt, als Schutz der Eältemischung.
Als Eältemischung wurde eine breiartige Mischung von fester
Eohlensäure^) und abgekühltem Aetber benutzt. Diese wurde
in den Trichter bei D eingefüllt, bei E war eine Verbindung
mit einer schnell wirkenden Luftpumpe hergestellt; wirkte
dieselbe, so wurde die Eältemischung leicht durch D hin-
durchgezogen und fiel in das Rohr B hinab; alsdann wurde
D durch einen mit Stöpsel versehenen Eautschukpfropfen
verschlossen und hierauf weiter evacuirt. Ein in B befind-
liches Thermoelement (Platin und Palladium) erlaubte die
Temperatur zu beobachten.
Bei der ersten Versuchsreihe war das Thermoelement
im Inneren des Spectralrohres A selbst angebracht; es zeigte
sich, dass das Minimum der Temperatur erreicht war, wenn
sich die Eältemischung ca. 3 bis 5 Minuten im Rohre B
befand. Bei den späteren Versuchen wurde das Thermo -
1) Die flüssige Kohlensäure befand sich in einer eisernen Flasche^
die mit einem bis nahe auf den Boden reichenden Rohr (nach Art der
bekannten Sjphonflaschen) versehen war; auf diese Weise konnte dieselbe,
in aufrechter Stellung in Kältemischung von Eis und Kochsalz stehend,
benutzt werden.
216 K. R. Koch, Spectrum der Gase bei tiefen Temperaturen.
element direct in die EältemischuDg in B eingeführt, weil
durch dasselbe das fiohr A verkürzt und verengert würde,
und deshalb die beiden Spectralröhren nicht mehr dieselbe
Weite und Länge hatten, mithin auch die Spectren nicht
identisch waren. Als Electricitätsquelle diente ein grosses
Euhmkorff'sches Inductorium, durch dessen primäre Spirale
ein Zweigstrom einer Dynamomaschine ging; durch passende
Widerstände in den Zweigen konnte die Stromstärke auf
die richtige Grösse regulirt werden.
Untersucht wurden Luft, Sauerstoff und Wasserstoff.
Die letzteren Gase wurden electrolytisch hergestellt und in
den Apparat eingeführt vermittelst der von Cornu^) beschrie*
benen Vorrichtung. Da das Luftspectrum mit dem des
Stickstoffs identisch ist, so erschien es nicht nothwendig, die
Entladungen ausser in Luft auch noch im Stickstoff zu
untersuchen. Waren die Gase rein, also frei von Kohle,
Wasser- und Quecksilberdampf, so zeigte sich bei der Ab-
kühlung durchaus keine Veränderung des Spectrums. War
der Wasser- und Quecksilberdampf nicht beseitigt, so ver-
schwanden die Linien, die von ihnen herrührten, im erkalte-
ten Rohr vollständig und traten erst nach längerem Durch-
gang der Entladungen wieder auf.
Auch das Luftspectrum verändert sich also in keiner
Weise bei dieser tiefen Temperatur der Umgebung.
Da nun nach glaubwürdigen Berichten das Polarlicht-,
ohne eine Aenderung des Spectrums zu zeigen, häufig in
tiefen Hegionen gesehen worden ist, in denen die Temperatur
keinesfalls tiefer gewesen ist, als wie in dem abgekühlten
Rohre meines Apparates bei Beginn der Entladungen, so
erscheint die am ALfange dieser Mittheilung aufgesteUte
Vermuthung, dass wir im Polarlichtspectrum ein durch die
tiefe Temperatur der Umgebung modificirtes Luftspectrum
vor uns haben, nicht haltbar zu sein. Es müssen mithin,
wenn das Polarlichtspectrum ein Luftspectrum ist, andere
uns unbekannte Bedingungen vorhanden sein, welche diese
Veränderung des Luftspectrums bewirken.
Aachen, Phy s. Inst. d. k. Techn . Hochschule, 25. Juni 1 889.
1) Cornu, Journ. de Phys. (2) 5. p. 100. 18S6.
E. Cohn. Eiectriscke Schwingungen in Electrolyten, 217
IV. . Die Absorption electrlscher Schwingungen
in Electrolyten; von E. Colin.
(Aus den Nachr. d. Kgl. Gos. d. Wiss. zu Göttingen, Nr. 15, 1889;
mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
Aus der Thatsache, dass in Electrolyten Electricität sich
nur gleichzeitig mit träger Masse bewegt, ist oft gefolgert
worden, dass für diese Leiter das Ohm 'sehe, und somit das
Joule^Bche Gesetz nicht allgemein gelten könne, dass yiel-
mehr Abweichungen auftreten müssten, sobald nur die elec-
trischen Kräfte hinreichend schnell Grösse oder Richtung
wechselten. Alle Bemühungen jedoch, solche Abweichungen
experimentell nachzuweisen, haben lediglich zu negativen Er-
gebnissen geführt.
Zunächst hat F. Kohlrausch bewiesen, dass mit Strö-
men, die ihre Richtung einige hundertmal in der Secunde
wechseln, Widerstandsmessungen von grösster Genauigkeit
ausgeführt werden können. — Ich selbst konnte dann zeigen^),
dass der Widerstand zweier Lösungen von Schwefelsäure
und Kupfersulfat bei 25000 Stromwechseln in der Secunde
noch derselbe war, wie bei beliebig langsamem Wechsel.
Durch eine kürzlich veröflFentlichte Untersuchung von J. J.
Thomson*) ist die Grenze noch sehr viel weiter vor-
geschoben worden. Er mass die Absorption electrischer
Wellen von 100 bis 200 Millionen Schwingungen in der
Secunde durch Electrolyte und konnte daraus Widerstands -
werthe für die letzteren ableiten, die mit den für stationäre
Ströme gefundenen übereinstimmten.
Stellt man sich aber auf den Boden der electromagne-
tischen Lichttheorie, so kann man Schwingungszahlen an-
geben, für welche der Widerstand nicht mehr jenen constan-
ten Werth bat: diejenigen der sichtbaren Strahlen. — Der
Widerspruch, der zwischen dem Leitungsvermögen der Elec-
trolyte und ihrer Durchsichtigkeit besteht, ist bereits her-
vorgehoben, als zum ersten mal die Identität von electrischen
1) E. Cohn, Wied. Ann. 21. p. 667. 1884.
2) J. J. Thomson, Proc. Roy. Soc. 45. p. 269. 1889.
218 E. Cohn,
Wellen und Lichtwellen behauptet wurde. ^) Er drängt sich
um 80 störender auf, seit Dank Hertz* Entdeckungen, diese
Identität sich nicht mehr als das Ergebniss mathematischer
Entwickelungen, sondern als Gegenstand unmittelbarster An-
schauung darstellt
Wo die Thatsache erwähnt wird, dass ein Electrolyt dem
Ohm'schen Gesetz a) folgt, — resp. b) widerspricht, findet
sich häufig die Bemerkung, dass die Zeit einer Schwingungs-
periode cl) sehr gross, — resp. b) sehr klein sein müsse gegen
die Dauer gewisser molecularer Vorgänge im Electrolyten.^
Es scheint jedoch bisher nicht bemerkt zu sein, dass seit
langer Zeit Beobachtungsdaten vorliegen, aus denen sich die
Grenze für die Gültigkeit des Ohm'schen Gesetzes ableiten
lässt — Diese Ableitung soll im Folgenden gegeben werden.
Sie zeigt, dass einerseits in J. J. Thomson's Beobachtungen
ein constanter Widerstandswerth zu erwarten war, — und
dass andererseits gegenüber Lichtschwingungen ein solqj^er
nicht zu erwarten ist. — Die einzige Voraussetzung der
Bechnung ist die Annahme der unbedingten GuUigkeii des
Faraday^ sehen Gesetzes.^ — Im übrigen fusst sie auf den
Werthen, die F. Kohl rausch für die molecularen Leitungs-
vermögen, und Hittorf für die Ueberführungszahlen der
Electrolyte gefunden hat. — Irgendwelche Molecularhypo«
thesen liegen der Rechnung nicht zu Grunde.
Sei in einem Funkt des Electrolyten R die electrische
Intensität (auf die Electricitätsmenge Eins wirkende Kraft),
a die Stromdichte ^), dann wird im Volumenelement Eins in
der Zeit dt von electrischen Kräften die Arbeit Bcdt ge-
leistet. Dieselbe wird theils in JouleVhe Wärme {dQ)
umgesetzt, theils zur Vermehrung der Energie geordneter
Bewegung der Ionen {de) verwandt. — Also:
Ra.dt^dQ + de.
Ist B periodisch nach der Zeit, so gilt dasselbe von e, wäh-
1) Maxwell, Phil. Trans. 1865. p. 504.
2) 8. zu a) F. Kohlrausch, Wied. Ann. 26. p. 169. 1885; — zu 6)
Maxwell, 1. c.
3) Unten Gleichung (2) und (4).
4) Alle Grössen seien in absolutem Manss, cm-g-see, gemessen.
£lectrische Schwingungen in Electrolyten. 219
rend Q unbegrenzt mit der Zeit wächst Summirt man folg-
lich f&r genügend lange Zeit, so wird:
(1) Q^/Radt.
0
Enthält der Werth des Integrals periodische Glieder, so
fallen auch diese ausser Betracht
Bdzeichnen u^ und u, die Geschwindigkeiten der beiden
Ionen, ti die Anzahl von Grammäquivalenten, die nach
dem Faraday'schen Gesetz mit der Electricitätsmenge Eins
wandert, N die Anzahl von Grammäquivalenten des Elec-
trolyten im Volumen Eins, welche an der Electrolyse theil-
nimmt^), so ist die Summe von Grammäquivalenten beider
Ionen, die in der Zeit Eins einen Querschnitt Eins senk*
recht zur Strömungsrichtung in entgegengesetzter Richtung
kreuzen:
(2) iV(ttl+tl,) = ^.<T.
Also:
(3)
Q=Qi + e„ wo:
0 0
Sei F^ die mechanische Kraft electrischen Ursprungs, die
auf die Masse Eins des ersten Ions wirkt, und bezeichne A^
das Aequivalentgewicht desselben, so ist:
(4) R^f3A,.F,.
Vj ist als Function von F^ darzustellen. Die Differential-
gleichung, welche zwischen beiden besteht, folgt aus der Be-
trachtung eines Specialfalls:
B (und folglich F^) sei constant; dann erreicht erfah-
rungsmässig (und zwar in unmessbar kurzer Zeit) u^ einen
stationären Endwerth 27^, der der beschleunigenden Kraft F^
proportional ist; damit dies der Fall sei, muss die Bewegung
1) Dieselbe ist in der numerischen Ausrechnung gleich der Anzahl A"
von Grammäquivalenten gesetzt, die im Volumen Eins enthalten ist. In
neuerer Zeit hat man wahrscheinlich gemacht, dass beide Zahlen nur in
sehr verdünnten Liösungen identisch sind, während im allgemeinen iV'< A^'
ist. Fär die hier gezogenen Schlüsse ist der Unterschied zwischen bei-
den Annahmen ohne Bedeutung.
220 E. Cohn.
einen Widerstand iinden, welcher der Geschwindigkeit u^
proportional ist. D. h. die Beschleunigung des Ions ist all-
gemein:
(5) ^ = ir_^,
^ ' dt * a^
WO öj eine Constante. Der Werth derselben ergibt sich
ebenfalls aus dem Specialfall. Sei nämlich F^ constant, so
folgt:
(6) u, = a,F,{\-e "")
und folglich: U^ = a^.F^, oder:
.-. __ ^1 __ lonengesch windigkeit im stationären Strom
^ ' ^ ~" -Fj "" beschleunigende Kraft electrischen Ursprungs
a^ drückt sich durch electrische Grössen in folgender Weise
aus. Sei: U=^ U^+ U^
die Summe der beiden stationären lonengesch windigkeiten;
72] und n^ die Ueberführungszahlen, wo:
(8) n, +W3 = 1,
und 2S der stationäre Werth von er, dann ist:
(9) U^=n^U und :Sf] ^Nü.
Aus (4), (9) und (7) folgt:
oder, wenn das speciüsche Leitungsvermögen für stationären
Strom mit k bezeichnet wird:
(10) a^=.'?!'»\^.ii.
Nachdem uns die Betrachtung der stationären Strömung
die Form der reibungsartigen mechanischen Kraft und die
Grösse der auftretenden Constante geliefert hat, wenden wir
die allgemeine Gleichung (5) auf den Fall periodischer Ströme
an. Sei:
(11) Ä = P.sini/^,
so wird die Lösung von (5) (unter Benutzung von (4) und (10));
Mj = Sj sin 1/^ + Cj cos vt'\-D^e \ wo:
Folglich nach (3):
Ekctrische Schwingungen in Electrobften. 221
t
Qi « —JP sin vt{B^ sin vt + C^co%vt + D^e **') dt,
0
oder mit Fortlassung der verschwindenden und periodischen
Glieder:
Ebenso erhält man Q^' ^^^ folglich:
Solange (öjv)* und (ö^v)^ gegen Eins verschwinden, ist
wegen (8) der Ausdruck in der Klammer gleich Eins, und
Q erhält den von der Schwingungszahl unabhängigen Werth,
der sich ohne Berücksichtigung der Trägheit der bewegten
Massen ergibt, und welcher dem Ohm' sehen Gesetz ent-
spricht. Sobald aber die Schwingungszahl vfn über die be-
zeichnete Grenze wächst, sinkt Q unter diesen Werth; —
die hindurchgesandte Energie wird in geringerem Grade
absorbirt
Bei F. Kohlrausch ^) finden sich die Grössen Ija für
eine grosse Anzahl von Ionen aus Leitungsvermögen, Wan-
derungszahl und Aequivalentgewicht gemäss Gleichung (10)
berechnet, und (in der letzten Spalte der Tabelle XIV, p. 206)
in einer auf Gravitationsmaass gegründeten Einheit zusam-
mengestellt. Sie werden auf absolutes Maass (sec"^) zurück-
geführt durch Multiplication mit 98 . 10^ *) — Danach liegen
die Grössen a in dem Intervall:
10-15 bis 10-13 See.
In Thomson's Versuchen stieg v bis zu 6 . 10** sec-i.
Die Zahlen (avf waren folglich gegen Eins verschwindende
Grössen, und es war zu erwarten, dass die Joule' sehe
Wärme den gleichen Betrag wie für stationäre Ströme
habe würde, — wie es auch die Beobachtung ergab.
1) F. Kohlrausch, Wied. Ann. 6. p. 1. 18T9.
2) Die specifischen Leitungsvermögen sind von F. Kohl rausch aus
Beobachtungen mit langsamen Wechselströmen abgeleitet; dass aber die
Ergebnisse identisch sind mit den aus stationären Strömen erhaltenen,
ist von Kohlrausch selbst und anderen nachgewiesen.
222 K. IVesendonck.
Für das sichtbare Spectram sind die Grössen v von der
Ordnung 10^* sec^. £& ist folglich anzunehmen, dass durch
die Trägheit der bewegten Massen die Absorption der Strah-
lung unter den aus stationären Zuständen abgeleiteten Be-
trag herabgedrückt werde. — Man darf aber nicht erwarten,
aus der Gleichung (13) fCLr diesen Fall numerisch richtige
Werthe zu erhalten. Die Widerstände , welche sich der
lonenbewegung entgegenstellen, und die in der obigen Dar-
stellung ihr Maass in der Constante 1/a finden, werden wir
thatsächlich nicht als gleichmässig wirkend ansehen dürfen.
Dieselben werden yielmehr, nach den Anschauungen, die
man sich über Molecularbewegungen gebildet hat, schnell
und unregelmässig wechseln. Solange die Zeiten, aus denen
wir einen genügend angenäherten Mittelwerth ziehen können^
sehr klein sind gegen die Periode des Strom wechseis, wird
nur dieser constante Mittelwerth in Betracht kommen, —
und diesen haben wir aus der Beobachtung stationärer Zu-
stände bestimmt und unserer Rechnung zu Grunde gelegt»
— Sobald man die Erscheinungen der „auswählenden Ab-
sorption^^ erklären will, wird man die zeitlichen Abweichungen
von diesem Mittelwerth in Betracht ziehen, d. h. Hypothesen
über die molecularen Vorgänge im Electrolyten machen
müssen. — Der Werth der vorstehenden Ableitung liegt
meines Erachtens darin, dass sie von solchen Hypothesen
frei ist.
Strassburg i. E., Juni 1889.
V. Ueber die Artunterschiede
der beiden Electridtüten ; van K. Wesendonck.
Die im 3. Hefte des 37. Bandes p. 463 — 481 erschienene
Abhandlung des Hrn. Wächter gibt mir zu einigen Be-
merkungen Veranlassung, die ich im Folgenden mitzutheilen
mir erlaube.
Aehnliche Experimente, wie sie hier Hr. Wächter be-
schreibt, sind zum Theil von mir bereits vor einiger Zeit
Artuniersehiede der Electricitäten. 223
angeBtellt worden. Zunächst sei auf meine Versuche ^) über
Funken in Flüssigkeiten hingewiesen, die ich, durch Hrn.
Doubrava's Angaben veranlasst, anstellte mit demselben
firfolge, wie fir. Wächter, soweit sie die Durchbohrung
einer Karte unter einer Flüssigkeit betreffen. Dagegen
konnte ich die Umkehrung der LuUin'schen Versuche bei
mit Flüssigkeit gleichmässig bestrichenen Karten in einigen
Fällen bestätigen. Auch erhielt ich, wie Hr. Holtz bereits
früher gefunden, deutlich polar verschiedene Lichterschei-
nungen an untergetauchten Electroden. Die von Hm. Holtz
angeführte, von Hm. Wächter ebenfalls bestätigte grössere
Länge des Funkens bei positiver Spitze hatte sich mir des-
gleichen gezeigt, und ich konnte weiter^ die Bildung dersel-
ben unter merklich kleinerer Spannung constatiren, als dies
bei negativ geladener Spitze der Fall gewesen.
Bei Funken in Luft zwischen gleichen wie ungleichen
£lectroden, welche nicht von Büschel- oder Glimmlicht be-
gleitet waren, konnte ich keine polaren Spannungsdifferen-
zen zu constatiren^, also auch kein verschiedenes Verhal-
ten der Electrometer gegenüber den beiden Electricitäten.
Neuerdings hat Paschen^) ebenfalls das positive und
negative Funkenpotential gleich gefunden. Ferner sind die
unter solchen Umständen^ entladenen Electricitätsmengen
gleich gross. Die geringere Spannung an dem mit dem
Beibzeuge einer Heibelectrisirmaschine verbundenen Con-
ductor ist schon vor längerer Zeit (1853) von Biess^), wie
mir scheint, einwurfsfrei erklärt worden.
Bei Influenzmaschinen konnte ich (wie Baille) auch
keine entschiedene polare Differenz beobachten, wenn beide
Pole isolirt waren, keine Büschel- oder Glimmentladungen
1) Wesendonck, Wied. Ann. 30. p. 47. 1887.
2) Wesendonck, Naturw. Rundschau Nr. 37. Extrabeilage. 1887.
3) Wesendonck, Wied. Ann. 30. p. 43. 1887; 31, p. 303 u. 319.
1887. Beibl. 13. p. 196. 1889.
4) Paschen, Wied. Ann. 37. p. 76. 1889.
5) Wesendonck, Naturw. Rundsch. 1. c. p. 301.
6) Riess, Reibungselectricität. 1. p. 276. § 278 (siehe auch § 282
desselben Werkes.)
224 K, Wesendonck
zwischen den Electroden auftraten, und sonst Electricitäts-
verluste möglichst vermieden waren. Eine gewisse Span-
nuDgsdi£ferenz kann übrigens leicht schon durch die Ver-
schiedenheit des Spitzenlichtes, das so auffallend zwischen
den Scheiben und Kämmen der Maschine sich zeigt, einge-
führt werden. Wenn auch nur der Rhythmus^) in der Zu-
fuhr der Electricität zu den Electroden dabei geändert wird,
kann bei einigermassen merklichen Stromschwankungen des
Electrometers , welches ja eine Art Mittelwerth anzeigt,
etwas verschiedene Einstellungen annehmen. Bai Isolirnng
nur einer Electrode und Ableitung der anderen ist es wohl
möglich, dass, wenn erstere negativ ist, also das Spitzenlicht
an der Scheibe positiv, die Spannung einen kleineren Betrag
annimmt, als bei positiver isolirter Electrode. Denn die
Spannung einer Electrode steigt so lange an, als noch ent-
gegengesetzte Electricität aus den Spitzen zur Scheibe über-
gehen kann. Wenn positive Electricität auszutreten hat, so
kann der Gleichgewichtszustand bei etwas geringerem Potential
ceteris paribus eintreten, weil die positive Electricität einer
grösseren Spannungsdifferenz zwischen Scheibe und Spitze
zum Austreten bedarf. Es lässt sich aber schwer sagen, wie
weit man von einem ceteris paribus bei der gegenseitigen
Beeinflussung der Vorgänge an einer Influenzmaschine im
strengen Sinne sprechen darf, und ich bin nicht im Stande,
den Einfluss der Verschiedenheiten des Spitzenlichtes, der
übrigens auch recht variabel sein dürfte, genau anzugeben
für den bei den Influenzmaschinen realisirten Fall. Meine
Versuche haben mir, wie gesagt, keinerlei ausgesprochene
polare Diflerenz ergeben. Wohl aber könnte eine solche
durch das absolute Electrometer des Hrn. Wächter hinein-
gebracht worden sein, wenn nämlich an der isolirten Platte
desselben ein Glimmen-) eintritt. Dann würde eben eine
1) Bekanntlich ist der Strom, den eine Influenzmaschine liefert, wobl
stets etwas dlscontinuirlich oder inconstant, s. Wiedemann, Electr. 2.
p. 23H.
2) Es ist hier unter Glimmen jedes ruhige, senkrecht zur Elcctroden-
oberfliiche weniger au:^gedehnte Licht gemeint, nicht speciell etwa das
Glimmen, wie es z, B. Lehmann dofinirt. (Vgl. p. 476 Zeile 10 —12 von
oben.)
Artunterseliiedß der Electricitäten. 223
grössere Menge negativer Electricität nach bekannten Ge-
setzen zu dem abgeleiteten Schutzring , resp. sonstigen mit
der Erde verbundenen Theilen übergehen und so ein niede-
reres negatives Potential zur Folge haben , als bei positiver
Ladang. Ferner würde durch das bei kleinen Spannungen
sich schon zeigende negative Glimmen die Funkenbildung
erleichtert werden, während das viel geringere oder gar nicht
vorhandene positive Leuchten unter solchen Umständen von
weniger oder keinem Einfluss sein kann. So erklärte sich
denn das p. 468—470 beschriebene von dem Hm. Verfasser
übrigens selbst als etwas unsicher angegebene Experiment.
Bei dem darauf folgenden Versuch dürften dagegen
Büschel-, resp. Glimmlichtbildungen und deren Wirkungen
an der ganz kleinen der Platte gegenüberstehenden Kugel
den Unterschied erklären.^) Ich habe in ähnlichen Fällen
mit dem Galvanometer keinen polaren Unterschied in den
entladenen Mengen, selbst nicht bei der Oombination Spitze-
Platte gefunden.^ Auch der von Jaumann neuerdings
hervorgehobene Einfluss der Potentialschwankungen') ist nach
bei anderer Gelegenheit angestellten Versuchen nicht von
Einfluss auf meine Spannungsmessungen gewesen. Die
Deformationen des Dielectricums, die bekanntlich bei der
Ladung von Leitern eintreten, mögen bei schnellem Span-
nungswechsel ein Lostrennen der absorbirten, den Leitern
anliegenden Schichten des Gases bewirken und so die Bil-
dung einer Leuchterscheinung herbeiführen, die ihrerseits
wieder den Funken einleitet Bei langsamer Ladung würde
dagegen ein solches Losreissen adsorbirter Gasschichten
nicht oder weniger stark ei folgen, da sich dieselben alsdann
nur allmählich deformiren, wobei sie bekanntlich einem Zer-
and Abreissen weniger ausgesetzt sind.
Ich bin natürlich weit entfernt von dem Glauben, hier-
mit alle Artunterschiede, die sich der Beobachtung darbie-
1) Fraglich wäre auch, ob nicht bei dein Spiraldraht des Riess'-
schen Luftthermometers Gasentladungen zwischen den Windungen über-
gehen können.
2) Siehe die Mittheilung in der Natunv. Runddch. u. Beibl. 13%
p. 194. 1889.
3) Jaumann, Wien. Ber. 97. II. Ablh. p. 765. 1888.
Ann. d. Phj«. u. Chem, .N. P. XXXVIII. 15
226 K. Wesendonck.
ten, erklären zu können. Aber es will mir doch scheinen,
als ob besagte Differenzen sich jedenfalls wesentlich auf die
Büschel- und Glimmentladungen und dergL beschr&nkeni
resp. durch deren Auftreten im Vereine mit anderen Vor-
gängen diese letzteren als scheinbar polar verschiedene er-
scheinen lassen. Nach neueren Untersuchungen hängt das
Funkenpotential wesentlich von der Zahl der Molecüle in
der Funkenstrecke ab, der Einfluss der Oontactwirkongen
zwischen Gas und Eiectrode verschwindet dagegen, während
er bei der Bildung von Büscheln und Glimmen eine bedeu-
tende Rolle spielt. Ich hoffe, demnächst hierauf zurück-
kommen zu können bei der Beschreibung von Versuchen
über Spitzenausstreuung. Die eben dargelegte Auffassung
bestätigt, wie mir scheint, folgender leicht anzustellende
Versuch. Der eine Pol eines grösseren Inductoriums wurde
mit einem isolirt aufgestellten Metallstäbchen verbunden,
dessen unteres Ende eine Messingkugel trug. Der andere
Fol communicirte mit einer zur Gasleitung abgeleiteten
Messingplatte. Unter gewöhnlichen Umständen war die Fun-
kenbildung nahe gleich , mochte die Kugel für den Oeff-
nungsstrom Anode oder Kathode sein, im letzteren Falle
schien sie eine Spur leichter eintreten zu können. Ueberzog
man nun den vorderen, der Platte zugewendeten Theil mit
sogenanntem Broncelack, den man vor den Versuchen an-
trocknen liessy so zeigte sich stark entwickeltes negatives
Licht an der Kugel, und die Funkenbildung war bei negativer
Ladung sehr erleichtert. Bei der Anode zeigte sich kein
solcher Effect, aber auch kein Glimmen oder Büschel. Das
Lackiren begünstigt in hohem Grade das Auftreten nega-
tiver BüscheP), wovon man sich leicht bei einer Influenz-
maschine überzeugen kann. Entfernt man z. B. von der
Anode einer solchen die Kugel, so hat man unter gewöhn-
lichen Umständen an dem zugespitzten positiven Pol einen
schönen Büschel, die Kathodenkugel ist dagegen dunkel oder
mit einem Lichtschimmer überzogen. Ist letztere aber lackirt,
so glimmt die Anodenspitze nur, an der negativ electrisirten
1) Aehuliches fand Lehmann bei befetteten Stäben. Molecular-
physik. 2. p. 302.
Artunterschiede der Electricitäten. 227
Kugel zeigen sich ein oder mehrere Büschel. Wurde die
Kugel bei dem Versuche mit dem Inductorium abgeschraubt,
sodass jetzt das blosse Ende des Stäbchens der Platte gegen-
überstand, so bildeten sich bei einer gewissen Entfernung,
wenn jenes Ende Anode war, ein oder mehrere lange Büschel-
lichtstrahlen, innerhalb welcher bei weiterer Annäherung an
die Platte Funken aufbraten, lauge bevor die negative Elec-
tridtJLt ceteris paribus solche erzeugen konnte. Auch gab
bald der eine, bald der andere Büschelstrahl zu dem Funken
Veranlassung, sodass dieser unruhig hin und her flackerte,
im Gegensatze zu negativen Funken. Das Stäbchen mit
oder ohne Kugel blieb bei diesen Versuchen stets mit dem-
selben Pole des Indnctoriums in Verbindung, und man com-
mutirte den primären Strom.
VI. Bemerktmgen zu der Abhandlung
des Bm. X. Orunmdch: Ueber das galvanische
'7j IjeUungsvermöffen des starren Quecksilbers^);
^ van C. X. Weber. '^
% - -
Gegen das von mir eingeschlagene Verfahren, den Tem-
peraturcoefficienten des galvanischen Leitungswiderstandes zu
bestimmen, werden in der oben angeführten Abhandlung Ein-
wände erhoben. Ich erlaube mir, dieselben mit folgender
Begründung zurückzuweisen: Das von mir benutzte Rech-
nungsverfahren gestattet eine einfache geometrische Inter-
pretation. Es sei der Verlauf des Widerstandes in seiner
Abhängigkeit von der Temperatur dargestellt durch eine
Curve, deren Abscissenaxe die Temperaturscala ist ; so wer-
den zwei Punkte der Ourve, entsprechend den Temperaturen
t und T durch eine Gerade verbunden; deren Gleichung ist
sowohl durch die Form ^=Const. [\ + uT) als auch
1) L. Grunmach, Wied. Ann. 87. p. 508. 1889. Vgl. auch 25.
p. 245. 1885; 35. p. 764. 1888; 36. p. 587. 1889.
2) Nach nunmehr erfolgter Keplik und Duplik erachtet die Kedactlou
in üblicher Weise diese Polemik hiermit als abgeschlossen. Die Red.
15*
228 C. L. Weher.
durch w =s Const. (1 + at) ausgedrückt; man bestimmt die
Neigung dieser Geraden gegen die Abscissenaxe^ indem man
die unbekannte Constante eliminirt. Die Tangente dieses
Neigungswinkels betrachte ich als TemperaturcoSfficient
zwischen den Temperaturen t und T, — Man kann die beiden
Punkte beliebig nahe zusammenrücken lassen, dann wird die
fragliche Gerade eine Tangente an die Widerstandscnrre.
Wiederholt man dies Verfahren für eine grössere Anzahl
von Punktpaaren, so erhält man die Neigung der Curye an
den verschiedenen Stellen ihres Verlaufs, somit jede vorhan-
dene Veränderlichkeit des Temperaturco&fficienten mit der
Temperatur. Dieses Verfahren ist das allgemein gebräuch-
liche und offenbar von jeder willkürlichen Voraussetzung frei.
Praktisch wird man die einzelnen Punktpaare nicht in un-
endlich kleinen Abständen wählen können; man bestimmt
daher thatsächlich eine Schaar von Sehnen an die Curre,
statt einer Schaar von Tangenten.
Die von Hrn. Grün mach vorgezogene Methode ist
factisch blos eine abkürzende Annäherung an dieses vom
geometrischen und physikalischen Standpunkte aus allein
richtige Verfahren, welche Annäherung ihre volle Berech-
tigung hat, solange sprungweise Aenderungen ausgeschlossen
sind; nur unter dieser Voraussetzung wird sie in der Metro-
logie gebraucht. Treten Unstetigkeiten ein, wie z. B. bei
Aenderung des Aggregatzustandes, so kann sie wohl in einem
einzelnen Fall dazu dienen, sich ein ungeßlhres Bild vom
Verlauf der Vorgänge zu verschaffen^); sie wird aber nie
allgemein vergleichbare Werthe liefern, worauf schon W.
V. Siemens bei ihrem Gebrauch ausdrücklich aufmerksam
macht. ^ Im vorliegenden Falle ist aber letztere Forderung
unabweisbar, da es sich darum handelt, die Richtigkeit der
Clausius'schen Vermuthung zu prüfen.
Es ist leicht, zu zeigen, dass die von Um. Grün mach
vertheidigte Methode, wenn sie kritiklos angewandt wird, zu
1 ) In <Ue^^em Sinne habi^ ich :mch ihre gelegentliche Anwendunf?
(hirch \V. V. Sit'mcns, Popg. Ann. 11;). p. 100. 1861, aufgefa.4.st.
'2) 1. f. p. 101 steht nämlich: „...doch fehlt einem polohcn Ver-
i;leiche «lie Itufimmtc GrumVanf, tla das Quecksilber bei 0* flüssig
ist . . . t'tc.*'
LttitungMüermögen des Quecksilbers. 229
irrigen Resultaten führen muss. Man denke sich z. B. die
Aufgabe gestellt: den thermischen Ausdehnungscoefficienten
des Aetherdampfes etwa bei 100^ zu untersuchen. Zu wel-
chem Resultat würde man kommen, wenn man die dem Tem-
peraturintervall von 1^, etwa zwischen 99 und 100^ ent-
sprechende Volumenänderung dividiren wollte durch das
Volumen, welches dieselbe Dampfmenge in flüssigem Zustande
als Aether bei etwa 0^ einnimmt.
Die neuen Messungen des Hrn. Grunmach liefern den
strickten Nachweis, dass meine Einwände gegen seine frühe-
ren Resultate vollständig begründet waren. ^) Der von mir
in erster Linie angezweifelte Betrag der Widerstandsände-
mng beim Schmelzen erfährt durch die wiederholte Messung
eine Correctur von 1,5 auf 2,5; d. h. um mehr als 60 Proc.
der in Frage gestellten Grösse. Dieser enormen Abwei-
chung, welche zwei Versuchsreihen desselben Beobachters
in ihren Mittelwerthen aufweisen, steht gegenüber eine Ueber-
einstimmung bis auf '/^ Proc. in den Besultaten von Cail-
letet und Bouty einerseits und von mir andererseits, wie
sie sich aus den Zahlen 4,08 und 4,11 berechnet.^)
Offenbar ist die von mir vermuthete Fehlerquelle bei
den neuen Versuchen des Hrn. Grunmach weniger wirk-
sam gewesen, daher hat sich auch das Besultat dem unseren
erheblich genähert. Das gleiche gilt von den Temperatur-
coef&cienten. Ich habe mir erlaubt, auch die neuen Resul-
tate theilweise umzurechnen, und aus der ersten Beobach-
tungsreihe folgende Mittelwerthe der Temperaturen und der
dem Widerstand proportionalen Zahlen gebildet:
Temperatar 50,5 48,5 46,25 44,5 42,37 41,25
X Coii^^l I ^»26829 0,26934 0,27185 0,27416 0,27771 0,27983.
Nach dem gewöhnlich benutzten Verfahren berechnen
sich hieraus durch Combination von (1) mit (4), (2j mit (5) etc.
die Temperaturcoefficienten:
0,0031 0,0038 0,0046 Mittel: 0,0038.
1) Vgl. auch La liimiere öl^ctrique. »HO. p. 530. ISS^.
2) C. L. Weber, Wied. Ann. 36. p. 589. 1S89.
230 C. L. Weber. Leitungsvermögen des (Quecksilbers,
Ebenso finde ich aus der zweiten Reihe:
Temperatur 80,63 70,29 59,20 49,28 42,28
Widerstand x Gonst. 0,82911 0,38851 0,34869 0,36039 0,86999
Hieraus die Tempe- f zw. 80 u. 70<> 70 u. 60« 60 u. 50» 49 a. 42«
raturcoiifficienten \ 0,0023 0,0023 0,0028 0,0032.
Wie man sieht , sind die so berechneten Temperatur-
co^fficienten gar nicht so sehr weit von dem bekannten
Werth 1/273 =0,0037 entfernt; zum mindesten sind sie schon
alle von derselben Grössenordnung, während die in der
früheren Untersuchung angegebenen zwischen 4 . 10-^ und
23 . 10~^ geschwankt hatten. Ich glaube, dass man schon
bei Betrachtung dieser neu berechneten Zahlen, unter Be-
rücksichtigung der Schwierigkeit der Versuche, es für wahr-
scheinlich halten wird, dass das Quecksilber sich den anderen
Metallen anschliesst. Wenn man zugibt, dass die obigen
Zahlen noch einiger Verbesserung Tdhig sind, dann würde
die ganze Meinungsverschiedenheit zwischen Hm. Grun-
mach und mir schliesslich hinauskommen auf eine verschie-
dene Berechnung und Auslegung von Versuchsergebnissen,
die im wesentlichen gar nicht so sehr verschieden sind.
Würde man sich der von mir gewählten Berechnungs-
weise und Auffassung anschliessen, so würde aus den Ver-
suchen von Cailletet und Bouty und von mir mit Sicher-
heit, aus denen des Hrn. Grunmach wenigstens mit Wahr-
scheinlichkeit zu folgern sein , dass die von Clausius
ausgesprochene Verrauthung auch für das Quecksilber Gel-
tung hat, in Uebereinstimmung mit der von W. v. Siemens
im Jahre 1861 geäusserten Ansicht. Würde man der Auf-
fassung des Hrn. Grunmach folgen, so wäre jene Ansicht
des Hrn. W. v. Siemens als nicht bestätigt zu erachten.
München, Pliys. Inst. d. k. techn. Hochschule.
•/. Freyberg. Bestimmung der Funkenpotehtlale, 231
VII. Bestimmung der Potentialdifferenzeii,
welche zt€ einer Funkenbildung in Luft zwischen
verschiedenen Electrodenarten erforderlich sintl;
van J. Freyberg.
(HleriM Taf. III rig. 1—6.)
Einleitung.
Von den bereits vorliegenden Untersuchungen über den
Gtegenstand dieser Arbeit sind die älteren ausnahmslos mit
dem absoluten Electrometer von Thomson, diejenigen aus
neaerer Zeit mehrfach mit einem geaichten R ig hi' sehen
Reflexionselectrometer ausgeführt worden. ^) Die Ergebnisse
dieser Arbeiten weichen nicht unerheblich voneinander ab.^)
Die vorliegende Ezperimentaluntersuchung hatte den
Zweck, durch anderweitige Versuche nach einem von dem
früher angewendeten verschiedenen Verfahren eine neue Be-
stimmung derPotentialwerthe vorzunehmen, und zwar für Fun-
kenentladungen zwischen verschiedenen Electrodenpaaren und
fftr Schlagweiten, wie solche mit den gewöhnlichen experi-
mentellen Hülfsmitteln erreicht werden. Das Ziel der Arbeit
bildete in der Hauptsache die Aufstellung einer Tabelle, aus
welcher für eine bestimmte Schlagweite zwischen Electroden
von gebräuchlicher Form und Dimension die zur Entstehung
eines Funkens erforderliche Potentialdifferenz direct entnom-
men werden kann. Der Nutzen einer solchen möglichst voll-
ständigen und zuverlässigen Zahlenzusammenstellung liegt
auf der Hand.
Meinem hochverehrten Lehrer und Vorgesetzten, Hrn.
Geh. Hofrath Prof. Dr. A. Toepler, auf dessen Wunsch
ich diese Ezperimentaluntersuchung ausführte, bleibe ich für
1) Wiedemann's Lehre von der £lectricität enthält eine kritische
Zosammenstellang dieser Untersuchungen Im Bd. IV, p. 649 und in dun
Nachträgen auf p. 1273 u. 1839. An Arbeiten, die nach Abschluss (Juni
1888) der vorliegenden erschienen, sind noch zu erwähnen: Lieb ig,
Phil. Mag. (5) 24. p. 106. 1887. Jaumann, Wien. Ber. IL Abth. 97.
p. 765. 1888. Paschen, Wied. Ann. 37. p. 69. 1889.
2) Eine Erklärung hierfür enthält die bereits citirte Arbeit von
G. Jaumann.
232 •/. Freyberg,
die hierbei, wie in der ganzen Zeit unseres Zusammenarbei-
tens empfangene Anregung und Förderung zu grossem Danke
verpflichtet.
I. Die Methode der Bestimmung.
Stehen zwei isolirte Electroden mit den Belegungen eines
Condensators mit grosser Oberfläche in Verbindung, so kann
die auf den Electroden durch eine entsprechende Condensator*
ladung erzeugte und zu einem Funken Anlass gebende Po-
tentialdi£ferenz V^ — V^ als proportional mit der electrischen
Ladungsmenge angesehen, ihr Werth demnach aus der Kennt-
niss der Ladung Q und der Condensatorcapacität x nach
der Beziehung:
indirect hergeleitet werden. Die Grössen Q und x lassen
sich experimentell nach verschiedenen Methoden ermitteln;
in der vorliegenden Arbeit ist dies auf galvanischem Wege
geschehen.
P. Riess und insbesondere A. v. Oettingen haben be-
wiesen, dass mit Hülfe eines Galvanometers die Ladung einet
Condensators bestimmt werden kann, wie auch der Schlies-
sungsbogen beschaffen, welcher Art also die Entladung anch
sein mag. Ein zu solchen Bestimmungen geeignetes Gal-
vanometer muss einmal hinreichend isolirte Windungen be-
sitzen, sodass ein TJebergang der Electricität zwischen den*
selben ausgeschlossen ist, sodann muss es eine genügend
grosse SchwinguDgsdauer haben, damit die Dauer der vor-
kommenden Entladungen ohne Einfluss, und ein sicheres
Ablesen der Ausschläge überhaupt möglich ist Mit geeig-
neten Windungen versehene ballistische Galvanometer eignen
sich hiernach besonders zu dergleichen Messungen.
Bedeutet für ein gedämpftes Galvanometer:
C den Keductionsfactor,
T die Schwingungsdauer,
K das natürliche logarithmiscfae Decrement,
8 das Dämpfungsverhältniss,
u den Ausschlag der Magnetnadel, welcher bei der Ent-
ladung einer Electricitätsmenge Q beobachtet wird (gemessen
Bestimmung der Funkenpotentiale, 233
als Scalenausschlag n, getbeilt durch den doppelten Scalen-
abstand a).
— KctXg —
Bei einer Dämpfung von wenigen Procenten kann mit ge-
nügender Genauigkeit gesetzt werden:
r, CT(. ^ x\ cTyr
Die Absolutbestimmung der Electricitätsmenge Q setzt also
ausser der Beobachtung des Ausschlages a die experimen-
telle Bestimmung der für das benutzte Galvanometer gelten-
den Constanten C, T und S voraus. Man erhält die Elec-
tricitätsmenge in Coulombs, wenn man den Reductionsfactor
in Amperes und die Schwingungsdauer in Secunden misst.
Nach Zusammenfassung der Constanten in obiger Formel
ergibt sich die f&r Messung verschiedener Electricitätsmengen
vermittelst desselben Instruments bequeme Form:
wobei in der Constanten k der Scalenabstand a in derselben
Einheit wie der Scalenausschlag n einzuführen ist.
Auf eine derartige Absolutbestimmung einer Electrici-
tätsmenge kommt es auch bei der zur Auswerthung der
Condensatorcapacität x verwendeten Methode hinaus. Die
Ermittelung der gesuchten Potentialdifferenzen geschieht so-
mit nach einer galvanometrischen Methode.
Von der gesammten, einem Condensator bei dessen La-
dung zugefiihrten Electricitätsmenge verschwindet infolge der
Absorptions- und Leitungsfähigkeit des Dielectricums ein
Theil zeitweilig oder dauernd. Der andere Theil der Ladung
bewirkt die zu einer Funkenbildung zwischen bestimmten
Electroden erforderliche Potentialdifferenz der Condensator-
belege. Nur diese letztere Menge, die im Augenblick der
Funkenentladung „disponible Ladung" Q ist zu messen.^)
Dieselbe setzt sich zusammen aus der im Funken übergehen-
den Menge y, und der Grösse des unmittelbar nach der
1) R. KohlrauBch, Pogg. Ann. 91. p. 64. 1854.
234 •/. Freyberg.
Funkenentladang im Condensator enthaltenen y^Entladungs-
rückstandes*' q^ . — Aus verschiedenen Gründen erfolgte die
Messung von q^ und q^ in zwei getrennten Schliessungskreisen
durch je ein Gralvanometer, also in ähnlicher Weise , wie
A. V. Oettingen bei der von ihm unternommenen Prüfung
des Schlag weiten gesetzes verfuhr.^)
Die beiden Schliessungskreise wurden, den mir zur Ver-
fügung stehenden Galyanometern entsprechend, geeignet her-
gestellt. Die im Funken übergehende Menge ^^ sollte gering
sein; der Eintritt der Funkenentladung und damit der Be-
ginn der Ablenkung des im ersten Schliessungsbogen ein-
geschalteten Galvanometers sollte nur das Signal zu der
möglichst rasch darauf folgenden Entladung des grösseren
Antheiles q^ geben. Da nun die Schlagweite von der Be-
schaffenheit des Schliessungsbogens nicht beeinflusst wird,
und die Einwirkung auf das Galvanometer nur von der ent-
ladenen Electricitätsmenge abhängt, so konnte obigen An-
forderungen leicht genügt werden. Durch Einschaltung eines
beträchtlichen Flüssigkeitswiderstandes in den Funkenent-
ladungskreis wurde die Menge q^ möglichst vergrössert; zur
Messung des kleinen Antheils q^ fand das empfindlichere der
beiden Galvanometer Verwendung.
In dem Umstände, dass die Messung von q^ und 9,
nicht gleichzeitig im Augenblick der Funkenbildung vorge-
nommen wird, liegt ein Mangel der Methode. In der zwischen
dem Auftreten des Funkens und der Entladung von q^ ver-
streichenden Zeit verschwindet durch Rückstandsbildung ein
gewisser Theil von q., und geht für dessen Messung verloren,
weshalb der Ausschlag n.^ etwas zu klein ausfallen wird.
Die Grösse des verlorenen Antheils hängt ausser von der
verstrichenen Zeit vornehmlich von der Beschaffenheit der
Versuchsbatterie ab; derselbe kann experimentell bestimmt
werden, um durch eine Correction den richtigen Werth von
iu herleiten zu können. Bei vielfach wiederholter Ausfüh-
rung der Entladungsbeobachtungen lässt sich der Einflusa
des erwähnten Mangels durch rasches Operiren — das bei
der Verwendung von zwei Galvanometern, die beide aus der
1) A. V. Oettingen, Pogg. Ann. Jubelbd. p. 275. 1874.
Bestimmung der himkenpotentiale. 235
Ruhelage abgelenkt werden, möglich ist — bis auf ein Mini-
mum bringen, sodass im Hinblick auf die bei Messung sta-
tischer Electricitätsmengen auftretenden Schwankungen von
einer Correction der Ausschläge n^ zumeist abgesehen wer-
den kann.
Aus den nach der erläuterten Methode bestimmten
Electricit&tsmengen :
und der nach bekanntem Verfahren*) ermittelten Capacität
X der Versuchsbatterie ist dann die einer bestimmten Schlag-
weite entsprechende PotentialdiflFerenz zu berechnen.
IL Versa chsanordnuDg zur Messung von Electricitätsmengen.
Die allgemeine Versuchsanordnung hierzu zeigt schema-
tisch Fig. 1. Es bedeutet darin B den Condensator, und
zwar eine Leydener Batterie, deren Belegungen durch zwei
Schliessungskreise untereinander verbunden sind. In dem
einen derselben war ein Punkenmikrometer Fj ein Wider-
stand W^ und ein Galvanometer G^ , im anderen eine Ent-
ladevorrichtung E und gleichfalls ein grosser Widerstand W^
und ein Galvanometer G^ eingeschaltet. Die Versuchsbatterie
war vor Bestrahlung durch Licht geschützt und verblieb
während der ganzen Benutzungszeit am nämlichen Aufstel-
lungsorte. Die isolirte innere Belegung stand mit dem einen
Pol P einer Electrisirraaschine M in Verbindung. Durch
einen dazwischen geschalteten Fallapparat U war die Mög-
lichkeit gegeben, den die Batterie ladenden Maschinenstrom
sofort unterbrechen zu können, wodurch dann gleichzeitig
die Maschine in sich geschlossen wurde.
Auf vorzügliche Isolation der ganzen Aufstellung, ins-
besondere der bis zu den Galvanometern führenden Theile
der Entladungskreise war besondere Sorgfalt verwendet wor-
den. Es war im Dunkeln keine electrische Ausstrahlung
wahrnehmbar, als die Versuchsbatterie zu den höchsten vor-
kommenden Potentialen geladen wurde.
Ueber die in der Versuchsaufstellung verwendeten Hülfs-
apparate sei Folgendes bemerkt.
1) Siehe F. Kohl rausch 's Leitfaden der prakt. Phys. Art. 86.
236 ./. Freybery.
I
Die Versuchsbatterie. Dieselbe war eine neue i
Form Leydener Batterien nnd in der nachfolgend beschrie-
benen Weise nach Angabe von Prof. Toepler bereits im
Jahre 1880 angefertigt worden. Fig. 2 gibt von einer solchen
Toepler'schen Schachtel- oder Cylinderbatterie ein
Bild. Dieselbe besteht gewöhnlich aus acht ineinander stehen-
den cylindrischen Glasgefässen von gleicher Höhe, aber ab-
nehmendem Durchmesser. Jedes einzelne dieser Batterie-
gläser ist wie eine gewöhnliche Leydener Flasche mit Stan-
niol belegt. Bei der Zusammensetzung einer solchen Bat-
terie kommt die innere Belegung eines Batterieglases mit
der äusseren des nächst engeren durch die Bodenbeiegang
in Berührung. Auf diese Weise entstehen zusammenhängende
Belegflächen, welche durch altemirende Verbindung aufein-
anderfolgender Belege zu zwei Gruppen vereinigt werden«
Drähte mit gut isolirender Hülle zwischen aufeinanderfol-
gende Batteriegläser eingeführt, vermitteln den Contact unter
den zu einer Gruppe gehörigen Belegen, und zwar empfiehlt
es sich, diese Drähte an ihren unteren Enden zur Erzielnng
einer zuverlässigen Berührung mit federnden Blechstreifen,
oder besser noch mit Pinseln aus silberumsponnenen Fäden,
die bis auf die Flaschenböden reichen, zu versehen. Die
oberen Enden zusammengehöriger Zuleitungsdrähte werden
etwas über den Flaschenrändern durch Zusammendrehen
verbunden und mit kugelförmigen Oonductoren passend ab-
geschlossen. Letztere gestatten, durch Ansatzstücke and
Klemmschrauben eine bequeme Verbindung der beiden Bat-
teriebelegungen mit Zuleitungen von aussen her. Die inein-
andergesetzten Batteriegläser stehen in einem hölzernen
Untersatz, dessen innerer, mit Stanniol belegter Boden Con-
tact mit einer aussen befindlichen Klemmschraube besitzt
Diese Art Leydener Batterie hat den grossen Vortheü,
dass sie bei verhältnissmässig beträchtlicher Capacität nur
sehr wenig Baum beansprucht, daher auch vor Bestaubung
leicht zu bewahren ist. — Wie nebenbei bemerkt sein mag, hat
eine solche Schachtelbatterie eine etwas kleinere Capacit&t
als bei einer Hintereinanderschaltung in der gewöhnlichen
Weise.
Bei der hier benutzten Schachtelbatterie besass das
Bestimmung der Fvnkenpotentiale. 237
weiteste Olas 20 cm, das engste 10 cm Durchmesser; die
Höhe der Belegungen betrug 40 cm bei einer Gesammthöbe
der Gläser von ca. 60 cm. Dieser Condensator hat 1,7 qm
einseitige Belegung und bedeckt , im zugehörigen Untersatz
stehend, weniger als 7^^ qm Boden fläche. Das Gewicht der
Batterie betrug 13 kg. Derartige Toepler'sche Schachtel-
batterien werden in dem mechanischen Institute von 0. Leu-
ner am Polytechnikum in Dresden hergestellt.
Die SpiegelgaWanometer G^ und G^. Das im
Fnnkenentladungskreise verwendete Galvanometer G^ war
ein Instrument alter Gonstruction , fast ungedämpft. Nach
Verwendung eines Multiplicators mit geeigneten Windungen
von insgesammt 6,5 Ohm Widerstand und Anbringung einer
achwachen Luftdämpfung nach Toepler'schem System wurde
das Galvanometer recht brauchbar. Die Luftdämpfung zeigte
sich über Erwarten constant und genügend für die beab-
sichtigte Verwendung. G^ war Wie de mann 'scher Oon-
stmction. Die Galvanometerrollen waren in einfacher Weise
geeignet hergestellt worden. Auf hölzernen Führungsschlit-
ten befestigte Elementengläser mittlerer Grösse waren aussen
und innen mit je einer Windungslage von 0,7 mm starkem
Kupferdraht versehen worden. Letzterer besass eine Kau-
tschukhüUe und war ausserdem in Paraftin eingebettet. Der
Widerstand einer Rolle betrug 1,2 Ohm.
Für die Constanten der Galvanometer fand sich im
Mittel:
Reduetionsfactor C, =« 0,00137 Amp. C, = 0,0116 Amp.
Schwingtmgsdaucr 2\ = 7,04 See. 1\ = 4,45 See.
Dämpfungsverhältnsis (^^ = 1,225 ^3 = 1,313.
Der Abstand zwischen Spiegel und Scala betrug je
1800 mm; die Ablesung der Ausschläge fand vom nämlichen
Standpunkte des Beobachters aus statt. Aus den vorstehen-
den Zahlen ergibt sich: ä^ = 94 . lO"» und k^ = 523. 10-"^.
Das Funkenmikrometer /^gestattete, die Schlagweite
bis auf Vio ™™ ^^ messen. Um auch die kleinste einzu-
stellende Punkenstrecke — das war 1 mm — wenigstens bis
auf 1 Proc. zuverlässig messen zu können, wurde ein Mikro-
skop mit Mikrometer verwendet. Bei Einstellung der Schlag-
weiten wurde die Berührung der Electroden stets mit Hülfe
238 J. Freyberg.
von Galvanoskop und Element electrisch constatirt. Die
verwendeten Electroden waren messingene Kugeln , Spitzen
und Platten. Kleine Kugeln und die Spitzen sassen an
entsprechend dünnen Zuleitungen.
Die Widerstände. D-förmig gebogene Bohren mit
Wasser oder verdünnter Kupfervitriollösung gefüllt, bildeten
die Flüssigkeitswiderstände W^ und W^^ deren Grösse 30000,
bezw. 3000 Ohms betrug. Durch die Einschaltung dieser
Widerstände wurde eine zweckmässige Vertheilung der Elec-
tricitätsmengen q^ und q^ erreicht, und die Gefahr einer
Durchdringung der Galvanometerwindungen, der Veränderung
des Nadelmagnetismus, wie der Corrosion der Electroden
durch die Entladungsfunken am Funkenmesser, beseitigt
Zu der Entladevorrichtung E hatte ein Riess'scher
Entlader, als Dnterbrechungsapparat 27 eine alte Cuth«
bertson'sche Wage Verwendung gefunden. Beide Vorrich-
tungen konnten vom Sitze des Beobachters aus gehandhabt
werden.
Die Electricitätsquelle. Die Ladung der Versuchs-
batterie wurde durch eine Toep 1er' sehe Influenzmaschine
mit zwanzig rotirenden Scheiben bewirkt Diese Maschine
wurde durch einen kleinen Wassermotor (von Schmid in
Zürich) bewegt Die Regulirung der dem Motor in einem ge-
wöhnlichen Druckschlauch zufiiessenden Wassermenge konnte
vom Sitze des Beobachters aus leicht bewirkt und somit ein
sehr gleichmässiger Gang der Influenzmaschine erzielt werden»
Zur Ausführung der Beobachtungen vorliegender Arbeit
ist diese Maschine in Summa ungefähr 60 Stunden ohne jede
Betriebsstörung benutzt worden.
Unter Benutzung der vorbeschriebenen Versuchsauf-
Stellung gestaltete sich der Gang der Entladungsbeobach-
tungen folgendermassen. Nach Einstellung der Schlagweite
am Funkenmesser wurde durch den Wassermotor die Influenz-
maschine in gleichmässige Rotation versetzt, alsdann die
Verbindung zwischen der ladenden Maschine und der inneren
Batteriebelegung hergestellt und im Augenblicke der Funken-
bildung zwischen den Electroden unterbrochen. Nach Ab*
lesung des Ausschlags n^ wurde sogleich durch Abziehen der
Fallvorrichtung E der Entladungsrückstaud q^ durch das
Bestimmung der Funkenpotentiale, 289
Oalvanometer G^ entladen und der Ausschlag n^ bestimmt.
Der metallische Contact bei der Entladung von q^ währte
nur ganz kurze Zeit, um nur q^^ nicht auch die als ,, wieder-
auftretender Rückstand'^ aus dem Dielectricum kommende
Ladungsmenge zu messen. Die zwischen dem Auftreten des
Funkens und der Entladung von q^ verstrichene Zeit betrug
durchschnittlich 7 Secunden.
Nach Einstellung der Galvanometer in ihre Ruhelage
konnte zu einer Wiederholung der Beobachtung geschritten
werden.
Beobachtungen.
Dieselben beziehen sich im wesentlichen auf Messungen
von EUectricitätsmengen unter Verwendung der vorbeschrie-
benen Yersuchsanordnung. Vorangestellt sind die zur Ca-
pacitätsauswerthung der verwendeten Leydener Batterie noth-
wendigen Daten. Zahlreiche Beobachtungen, welche ausgeführt
waren, um über die Güte und Verwendbarkeit der Versuchs-
batterie Aufschluss zu erhalten, namentlich hinsichtlich der
Isolations- und Rückstandsverhältnisse, sind hier ganz weg-
gelassen worden. Desgleichen wurde von der Wiedergabe
verschiedener Hülfsbeobachtungen, wie der einfachen Be-
stimmung von Reductionsfactoren mit dem Silbervoltameter,
der fortgesetzten Controle dieser Werthe durch ihre Ver-
gleichung, der Prüfung der Proportionalität zwischen La-
dungsmenge und Potentialdifferenz bei der Capacitätsbestim-
mung u. a. m., abgesehen.
Sämmtliche Beobachtungen wurden während der Winter-
semester 1886/87 und 1887/88 im physikalischen Laboratorium
des König]. Polytechnikums zu Dresden ausgeführt, und zwar
in einem Räume desselben, welcher recht gleichmässig warm
erhalten werden konnte, dessen Luft jedoch etwas über nor-
mal trocken war. •
III. Capacität der Versuchsbatterie.
Die wahre Capacität eines Condensators ist das Ver-
hältniss seiner disponiblen Ladung zur Potentialdifferenz der
Belegungen. Dieser hier in Betracht kommende Werth, der
also die Capacität mit Ausschluss des Rückstandes misst,
^40 •/. Freybenf.
kann somit durch Messung der in einem Stromstoss ab«
fliessenden Electricitätsmenge unter gleichzeitiger BestimmaDg
der herrschenden Potentialdifferenz erhalten werden. Der-
artige Capacitätsbestimmungen werden unter Zuhülfenabme
«iner galvanischen Kette von bekannter electromotorischer
Kraft j? vermittelst des Galvanometers ausgeführt. Zu diesem
Zwecke wurden die Belege der Versuchsbatterie B durch
zwei Schliessungskreise, welche bezw. die ladende Kette oder
das Galvanometer enthielten, derart verbunden, dass nach
erfolgter Ladung die disponible Menge Q sogleich durch das
Galvanometer entladen werden konnte. Die gesuchte Capa-
cität X ergibt sich alsdann nach der Beziehung x = Q/£ in
Farads, wenn Q nach einer der Formeln auf p. 233 in Cou-
lombs und E in Volts gemessen wird. — Die Gültigkeit der
Proportionalität zwischen der Ladungsmenge und der Poten-
tialdifferenz wurde für die benutzte Schachtelbatterie bis zu
J)0 Volts erwiesen.
Bestimmungen und einfache Controlen des üapacit&ts-
werthes nach dieser Methode wurden bei der Wichtigkeit
desselben während der Benutzungszeit ausgeführt.
Zur Ladung von B wurde stets eine grössere Anzahl
(gewöhnlich vierzig Stück) DanielPsche Elemente verwendet,
welche nach den von Kittler gegebenen Vorschriften zu-
sammengesetzt waren. Die electromotorische Kraft der la-
denden Kette wurde mit einem Sie mens' sehen Torsionsgal-
vanometer gemessen. Das zur Beobachtung des Ausschlages
bei Entladung der Batterie dienende Galvanometer besass
ein astatisches System und einen Multiplicator mit 160C0
Windungen in füif getrennten Lagen, die in beliebiger Schal-
tung verwendet werden konnten. Um dieses Instrument zu
charakterisiren, gebe ich die Mittel aus der mehrfachen Be-
stimmung der Constanten:
Reductionsfjutor C - VJ% , lü~' Amp.
Scbwinj;iuig.s(iiiu(r T ■■=■ 1(»,6 Seciimlrn.
Dämpfung8\ci'hältiiii5i} ö = 1,308.
Der Reductionsfactor wurde vermittelst des Silbervolta-
DieterSy die ScliwiDguDgsdauer mit Hülfe eines Fuesa'-
sehen Ohronographen bestimmt. Die Messung des Galvano-
meterausschlags bei Entladung der Batterie geschah selbst*
'Beitimmuvg der Funkenpotentiale. 241
Terständlich unter Commutation des EDÜaduDgsstromes. Zur
Herbeif&hrung einer gewissen Grleichmässigkeit wurde die
Ladnngsdauer auf drei volle Minuten bemessen, die Ent-
ladung aber in sehr kurzer Zeit vorgenommen.
Fand in dieser Weise die Ladung der Schachtelbatterie
mit vierzig Danieirschen Elementen statt, so bewirkte die
im ersten Stromstoss abfliessende Blectricitätsmenge einen
mittleren Ausschlag von 75,3 mm an der in 3080 mm Abstand
vom Spiegel stehenden Scala. Mit Hülfe der angegebenen
Galvanometerconstanten rechnet sich alsdann:
Q« 219. 10-» Coulomb.
Drei vollständige, im Laufe der Benutzung der Batterie
ansgef&hrte Capacitätsbestimmungen ergaben:
X« 517.10"^^ Farad
475.
481.
X = 491 . 10~^® Farad = 44 200 electroatat. Cap.-EiLh.
IV. Entladungsmenge und Schlagweite zwischen
verschiedenen Electrodcn.
Zu diesen Entladungsbeobachtungen fand die im Ab-
schnitt II beschriebene Anordnung (p. 235) Verwendung.
Die Versuchsbatterie wurde dabei stets positiv geladen und
ihre äussere Belegung dauernd mit der Erde verbunden.
Am Funkenmesser fanden stets zwei congruente Electroden
Verwendung. Die zwischen einem solchen Electrodenpaare
herzustellende Schlagweite wurde, von 0,1 cm beginnend, so-
weit wie thunlich vergrössert, und zwar vielfach bis eine
Selbstentladung der Batterie über deren 20 cm breiten, un-
belegten Rand hinweg auszubrechen drohte. Durch einige
Vorversuche war die hierzu erforderliche Fotentialdififerenz
angenähert zu 45000 Volts bestimmt worden. Die sämmt-
lichen bei den Entladungsbeobachtungen erzielten Fotential-
differenzen halten sich unter dieser Grenze, da Selbstent-
ladungen der Batterie möglichst vermieden wurden. Nach
einer solchen lag immerhin die Möglichkeit vor, dass durch
den dabei auftretenden Funken eine Schmelzung an den Gon-
tactstellen zwischen den Stanniolbelegungen und Zuleitungs-
drähten, und somit eine Aenderung der Batteriecapacität
Ann. <L Phys. o. Chem. N. F. XXIVIII. 16
242
•/. Freyherg.
stattgefunden haben konnte, was alsdann jedesmal eine Con-
trole der Capacität erforderte«
Alle bei den Messungen eingetretenen Eatladungen waren
zufolge der Beschaffenheit des Schliessungsbogens verzögert
Die Berechnung (vgl. p. 283, 235 und 237) der entladenen
Electricitätsmengen in Coulombs aus den in Millimetern ge-
messenen, event. reducirten Scalenausschl&gen n^ und n, er-
folgte nach der Formel:
Q = yi + y, «94.10-^. «1 + 523 . lO-» . n^.
Die Entladungsmenge Q wurde für jedes Electrodenpaar
und jede erreichte Schlagweite aus mehreren Beobachtungs-
sätzen mit je sechs Einzelbeobachtungen hergeleitet Diese
Bestimmungen verlaufen je nach der am Funkenmesser ver-
wendeten Electrodengattung verschieden.
a) Kugeln. — Dieselben waren sorgfältig aus Messing
abgedreht und sehr gut polirt worden. Nur nach mehr-
maligen Entladungen grosser Electricitätsmengen war an den
Electroden ein Einfluss des verzögerten Entladungsfunkens
bemerkbar ; alsdann wurden frische Stellen der Kugeln einan-
der gegenübergestellt Angewendet wurden überhaupt Kugel-
electroden von sechs verschiedenen Grössen, und zwar von
0;5, 0,75, 1, 2, 4 und 6 cm Durchmesser.
Einen aus der grossen Anzahl willkürlich herausge-
griffenen Beobachtungssatz gibt die Tabelle 1 wieder. Die-
selbe enthält in den ersten beiden Columnen die reducirten
Galvanometerausschläge in Millimetern, sodann die daraus
berechneten Electricitätsmengen in Coulombs mit 10^ multip-
licirt
Tabelle 1.
Kugeln von 2 cm Durchm. Schlagweite = 0,7 cm.
Scalenausschlag
Electricitätsmenge
»1
»1
; 10'. y, 10». 9, 10'. Q
1
125,0
180,5
' 1175
9440
10615
78,0
199,0
733
10408
11141
178,9
180,2
1681
9425
11106
191,8
174,7
1803
913T
10940
183,6
175,8
1726
9194
10920
184,8
179,2
1732
9372
11105
Mittel: 10971
Bestimmung der Funkenpoientiak.
243
Die Scalenausschläge n^ und n, lassen zur Genüge die
[{tretenden Schwankungen, wie solche bei Versuchen mit
itiscber Electricität immer Yorkommen, erkennen. Yer-
ilasst durch verschiedene Umstände und Zufälligkeiten, geht
ti der Entladung in der Funkenstrecke etwas mehr oder
)niger über, demzufolge auch der andere Entladungsbetrag q^
rschieden gross ausfällt. Die gesammte Entladungsmenge
wird dennoch angenähert constant. Im Yorliegenden Be-
lacbtungssatze macht die grösste Abweichung der einzelnen
'erthe für 10^ Q von ihrem Mittel Vso desselben aus. Um
esen Betrag schwanken die Einzelwerthe von Q bei allen
rischen Kugelelectroden normal verlaufenden Entladungs-
tobachtungen. Die Mittel aus verschiedenen solchen Be-
lachtungssätzen stimmen natürlich besser überein. So er-
,ben z. B. vier, mit Kugeln von 6 cm Durchmesser bei 0,1 cm
hlagweite angestellte Beobachtungssätze für 10^. Q die
'erthe:
2212, 2198, 2260, 2240, Gesammtmittel: 2226.
Die grösste Abweichung der einzelnen Mittel vom ge-
mmten beträgt hiernach IV2 Froc. des letzteren.
Tabelle 2.
Kugeln TOD 6 cm Durchm. Schlagweite = 0,5 cm
ScalenauBschlag
Electricitätsmenge
n.
n.
W . q^ 10^ . y, 10^ . Q
829,4
93,7
8096 4901
7997
848,5
93,2
' 8276 ' 4874
8150
844,0
91,2
8234
4770
8003
149,5
118,5
1405
6198
7608
150,9
114,0
1418
5966
7381
166,2
114,0
1562
5966
7524
188,8
120,1
; 1258
6281
7589
Einige mal trat während eines Beobachtungssatzes ohne
.nächst erkennbare Ursache eine Anomalie ein. Es änder-
n sich plötzlich die Ausschläge n^ und n^ weit über die
^wohnlich vorkommenden Schwankungen hinaus, blieben
sdann aber in derselben Weise constant wie vorher. Ta-
ille 2 zeigt einen solchen Beobachtungssatz, in dem nach
)r dritten Entladung eine derartige sprungweise Aenderung
ntrat. Es wird die im Funken übergehende Menge nur
16*
244
J. Freyberg.
etwa halb so gross als vorher; die andere Theilmenge q^
wird zwar etwas grösser als zuvor, doch erreicht die Ge-
sammtsumme Q nicht die Höhe wie bei den drei ersten
Versuchen. Die Entladung fand demnach zuletzt bei einem
niedrigeren Potential statt, was durch Anflug von Staub oder
Fasern, welche als Spitzen wirkten, verursacht sein konnte.
Dergleichen Beobachtungssätze haben keine weitere Ver-
werthung gefunden. Nach dem Eintritt einer solchen Ab-
weichung wurden die Electroden abgenommen und nach sorg-
fältigem Reinigen zu neuen Versuchen verwendet, die alsdann
wieder regelmässig vor sich gingen. — Dem gesammten Ver-
lauf der Entladungsbeobachtungen fär alle erreichten Schlag-
weiten bei Benutzung eines und desselben Electrodenpaares
lässt die Tabelle 3 erkennen, und zwar fQr zwei verschieden
grosse Eugelpaare.
Ta
belle
3.
Schlag-
Kugel
n von ]
l cm Durchmesser
Kugeln von <
l cm Durchmesser
weite
in cm
Scalenausschl.
Elec tricitätsmenge
Scaleoausschl.
Electricitfttsmeoge
_ d
»1
39,2
36,7
;io«.y,'io^^
!l0«.Q
"i
1
10»y,
\0\q^
ilO^.Q
0,1
1 37
192
! 229
30,8
37,0
i 29
194
223
0,2
129,0
66,1
121
346
467
54,0
64,2
51
336
387
0,3
91,2
93,3 1
86
488
574
85,2
83,1 ;
80
i 435
515
0,4
84,0
116,0 1
79
607
686
200,6
83,6 .
189
438
! 626
0,5
119,4
136,3
112
713
825
232,4
110,2
218
587
805
0,6
136,5
156,2
128
817
945
204,5
143,5
192
751
943
0,7
131,1
173,4
123
907
1030
225,2
171,5
212
897
1109
0,8
274,8
168,5
258
881
1140
352,5
180,8 !
331
946
1277
0,9
279,3
185,4 1
263
970
1232
415,4
195,5
390
1022
1413
1,0
140,8
216,6
132
1133
1265
502,8
206,4 .
473
1079
1552
1,1
158,5
219,8
149
1150
1299
435,0
280,3 ,
408
1204
1613
1,2
124,5
236,8
117
1238
1855
400,3
253,6
376
1326
1703
1,3
111,8
244,2
105
1277
1882
327,5
286,0 1
308
1496
1804
1,4
94,8
250,7
89
1311
1400
461,6
305,4
434
1597
2031
1,5
59,8
266,5
56
1894
1450
1,6
52,1
280,3
49
1466
1515
1,7
52,1
300,0
49
1569
1618
1,8
44,4
316,4 !
42
1655
1697
1
2,0
33,2
326,0
81 1705
1736
2,2
32,4 ,
332,1
30 ' 1737
1767
'
1
2,4
31,0
343,5
. 29
1797
1826
Vorstehende Versuchsreihen lassen ein verschiedenes
Verhalten erkennen, das aus ihrer graphischen Darstellung
in den Figuren 3 und 4 besonders hervortritt. Für die
kleineren Kugelelectroden (bis zu einem Durchmesser von
Bestimmung der Funkenpotentiale, 245
etwa 1,5 cm) gestaltet sich bei dem gegebenen Schliessungs-
kreise im grossen und ganzen folgendermassen: Mit wachsen-
der Schlagweite wird die im Funken übergehende Menge q^
anfangs gleichfalls grösser, nimmt aber nach Erreichung
eines Maximal werthes erst rasch, dann langsam ab, während
der Entladungsrückstand q^ fortgesetzt anwächst. Die Ge-
sammtmenge Q zeigt daher bei kleinen Kugeln für kleine
Schlagweiten ein rascheres Anwachsen, als für grössere Fun-
kenstrecken.
Bei Kugelelectroden von grösserem Durchmesser zeigen
beide Electricitätsmengen q^ und q^ mit zunehmender Schlag-
weite ein fortgesetztes, verschieden schnelles Anwachsen, und
zwar derart, dass die resultirende Summe Q von der Pro-
portionalität mit der Schlagweite nicht gar zu sehr abweicht.
Ein ähnliches Verhalten, wie es vorstehend für zwei
Electrodenpaare erkannt wurde, zeigen auch die übrigen
zwischen Kugeln anderer Grösse angestellten Entladungs-
versuche. Von diesen gibt die Tabelle 4 (p. 246) als End-
ergebniss den Werth 10^. Q für jede erreichte Funkenlänge
und jedes benutzte Kugelpaar. — Aus dieser Zusammenstel-
lung ist das verschieden rasche Wachsthum von Q für die
einzelnen Kugelpaare ersichtlich. Eine einfache Proportio-
nalität zwischen Schlag weite und disponibler Ladung besteht
im allgemeinen nicht. Die graphische Deutung der gegebe-
nen Zahlen — die Schlagweiten als Abscissen, die Electri-
citätsmengen als Ordinaten aufgetragen — ergibt Curven,
die mit Hyperbelzweigen etwas Aehnlichkeit haben, keines-
wegs aber mit solchen identificirt werden können. Für ganz
grosse Electroden nähern sich diese Curven mehr und mehr
einer Geraden. Fasst man ferner eine Horizontalreihe der
Tab. 4 ins Auge, so zeigt sich, dass es für jede Funken-
strecke ein Paar Kugelelectroden gibt, für welches die Ent-
ladungsmenge Q ein Maximum wird, und zwar kommt das-
selbe bei zunehmender Schlagweite für immer grösser wer-
dende Kugeln zu Stande, wie J. B. Baille zuerst zeigte.
An dieser Stelle mag noch Erwähnung finden, dass vor
Ausführung der soeben wiedergegebenen Entladungsbeobach-
tongen etliche Versuchsreihen angestellt wurden, bei welchen
die innere Batteriebelegung abwechselnd positive oder nega-
i
6
J.
Freyberg,
»
Tabelle 4.
t
Kugeln.
Schlag-
]
Blectricitätsmenge 10*. Q in
Coulombs
weite
Kugeldurchmesser in cm
in cm
0,50
0,75 1,0
2,0
4,0
6,0
0,1
248
„^
229
224
228
0,2
421
478
467
427
411
887
0,3
547
616
574
567
549
515
0,4
665
691 686
707
699
626
0,5
748
814
825
837
817
805
0,6
814
904 945
955
986
948
o\i
880
976
1030
1106
1188
1109
0,8
902
1027
1140
1209
1268
1277
0,9
946
1044
1232
1887
1867
1413
1,0
967
1087
1265
1426
1467
1552
1,1
973
1127
1299
1518
1566
1618
1,2
1048
1216
1355
1604
1680
1708
1,3
1082
1267
1882
—
—
1804
1,4
1105
1286
1400
—^
—
2081
1,5
1182
1886
1450
—
—
—
1,8
1144
1890
1515
—
—
—
1,8
1169
1404
1697
—
—
—
2,0
1206
1480
1786
—
—
2,2
1261
1448
1767
"^
—
2,4
1805
1476
1826
—
2,6
1846
1497
—
—
—
^^^
2,8
1870
1514
—
—
8,0
1898
1580
—
—
3,5
1482
1566
■^
— ^
—
—
4,0
1458
1591 —
—
—
4,5
1467
1642 -
—
5,0
1507
1678
—
—
1 ~~
—
tive Ladung erhielt. Es schien geboten, zunächst festzu-
stellen, ob unter sonst gleichen Umständen die Art der
Batterieladung einen quantitativen Unterschied bedingt Zur
experimentellen Entscheidung der angeregten Frage diente
die auf p. 235 beschriebene Versuchsanordnung, nur war
zwischen der ladenden Maschine M und dem Unterbrechungs-
apparat U noch ein geeigneter Stromwender eingeschaltet
worden. Aus mehrfachen Versuchsreihen, bei welchen Kugel-
paare verschiedener Grösse Verwendung fanden, konnte ein
quantitativ verschiedenes Verhalten der Electricitäten nicht
entscheidend gefolgert werden. Die sich ergebenden Unter-
schiede liegen innerhalb der bei den einzelnen Beobachtungs-
sätzen vorkommenden db Schwankungen. Nur die mit klei-
nen Kugeln von 0,75 cm Durchmesser bei 0,5, 1 und 2 cm
Bestimmung der Funkevpotentiale,
247
Fankenstrecke angestellten Entladungen verliefen im gleichen
Sinne, und zwar sagen sie aus, dass bei einer positiven La-
dung eine grössere Electricitfttsmenge zu einer Fankenent-
ladung erforderlich ist, als bei einer negativen. Dasselbe
Ergebniss fand bereits Belli bei Verwendung ungleicher
Kugelelectroden.
Wie schon zu Anfang dieses Abschnitts erwähnt wurde,
erhielt die innere Belegung der Versuchsbatterie bei allen
späterhin zur Bestimmung der Potentiale dienenden Mes«
sungen von Q eine positive Ladung.
b) Platten. — Von allen Electrodenarten sind Platten
zuerst und am häufigsten benutzt worden, um die zu einer
Funkenbildung zwischen denselben nöthige PotentialdifiFerenz
zu ermitteln. Mit kreisförmigen, an ihrer Peripherie mit
einem Wulst versehenen messingenen Platten von 10 cm
Durchmesser wurden einige Beobachtungssätze ausgeführt,
um die schon vorhandenen Resultate anderer Beobachter
mit den nach der galvanometrischen Methode erzielten spä-
terhin vergleichen zu können.
Tabelle 5.
• Platten.
Schlagw.
ScalenauBschlag
Electricitätsmenge
in cm
Wl
w.
I0^.q,
10«. q,
176
lü«.Q
0,1
39,3
i 33,7
37
213
0,2
40,5
63,5
38
332
370
0,3
78,9
86,0
74
450
524
0,4
127,9
! 105,3
120
551
671
0,5
160,6
1 124,1
151
649
800
0,6
201,0
142,8
189
747
936
0,8
179,6
197.4
169
1032
1201
1,0
141,2
245,0
133
1
1281
1414
Tabelle 5 zeigt das Ergebniss dieser Messungen. Dem-
nach verhalten sich Platten ganz ähnlich wie Kugeln von
sehr grossem Durchmesser. Die Beobachtungen verlaufen
aber weit regelmässiger, als bei Verwendung von Kugeln.
Die Werthe von Q schwanken nur bis zu ± Vso* ^' Mac-
farlane wies bereits bei seinen ersten, im Jahre 1877 aus-
geführten PotentialbestimmuDgen auf diesen Umstand hin.
248
•/. Freybery.
c) Spitzen. — Zu Entladungsversachen, bei denen es
darauf ankommt, die Electricität möglichst in Funkten zu
concentriren, wie z. B. bei Durchbohrung Ton isolirenden
Materialien, bei Erzeugung eines Funkenstromes in Flüssig-
keiten u. 8. w. werden spitzenförmige Electroden an der
Unterbrechungsstelle des Schliessungsbogens angewendet.
Warren de laRue und Müller haben bei ihren Ver-
suchen über die Funkenbildung vermittelst der grossen Bat-
terie von Chlorsilberelementen bereits den Einfluss von Spitzen
— allerdings in sehr engen Grenzen für die Funkenstrecke
— untersucht. Diese Beobachter halten Spitzen von der
Form eines Paraboloides am geeignetsten zur Erzielung
grosser Schlagweiten.
Anschliessend an die Entladungen zwischen immer kleiner
werdenden Kugelelectroden wurden auch Spitzen als Elec-
troden benutzt, um gewissermassen den Grenzfall zu haben.
Die Electroden waren kleine, spitze Botationskegel von 1 cm
Höhe und 0,5 cm Durchmesser der Bodenfläche, welche durch
eine angedrehte Halbkugel abgerundet war. Das Material
zu den Spitzen war wieder Messing. — Die Entladungsver-
suche wurden ganz wie früher ausgeführt. Bald nach dem
Beginn der Yersuchsbatterie war im Dunkeln Glimmlicht
an den Spitzen bemerkbar, bis bald darauf 'mit schwach
Tabelle 6.
Spitzen.
Schlagw.
Scalenausschlag
Elec tricitätsm enge
in cm
wi ^
«»
lo^(?. '
\0\q.
10*. Q
0,1
25,1
30,4
24
159
183
0,2
49,8
35,1
47
184
230
0,3
37,7
43,2
35
226
261
0,4
44,8
47,9
42
251
293
0,5
51,9
49,7
49
260
809
0,6
59,1
53,7
56
281
336
0,8
49,8
66,8
47
349
896
1,0
40,8
73,5
38
384
423
1,5
30,1
88,0
28
460
489
2,0
22,5
91,1
21
476
! 498
2,5
20,0
95,7
19
501
520
3,0
17,6
102,4
17
536
1 552
3,5
17,0
107,5
16
562
578
4,0
15,6
111,9
15
585
600
4,5
14,0
116,3
18
608
621 .
5,0
11,9
120,5
11
680
j 641
Bestimmung der Fujikenpotentiale. 249
zischendem Geräusche eine Eunkenentladung vor sich ging.
die eine Ablenkung des Galyanometers G^ hervorbrachte.
Alsbald wurde dann die Batterie durch das Galvanometer
G^ vollends entladen. Die Tabelle 6 zeigt das Ergebniss
der Versuche. (VgL Fig. 5.)
Es ist die im Funken übergehende Menge g^ immer
sehr klein; dieselbe wächst anfangs mit zunehmender Schlag-
weite und nimmt dann allmählich wieder ab, während der
Entladungsrückstand q^ fortgesetzt, späterhin freilich sehr
wenig, anwächst Die Gesammtmenge steigt demnach erst
rasch, später aber nur langsam. Der Verlauf von Q hat
Aehnlichkeit mit einer Parabel, deren Axe mit der Abscis-
senaxe, auf welcher die Schlagseiten aufzutragen wären^
zusammenfällt.
Aus den Zahlen der Tab. 6 und besonders aus den
Diagrammen in Fig. 5 ist ein unerwarteter, ziemlich regel-
mässiger Verlauf der Beobachtungen ersichtlich. Wie aus
einem der Beobachtungssätze (Tabelle 7) hervorgeht, weichen
die einzelnen Werthe von Q vom angegebenen Mittel nur
wenig mehr als 1 Proc. ab. Die Mittel aus derartigen
Mitteln (wie in Tab. 6 Col. 6) sind bis auf V^o ^^^^^ Werthes
sicher.
Tabelle 7.
8 p i t z e u. Schlagweite ss 2,0 cm.
Scalenausschiag
«i i »2
22,5 i 92,1
21,7 90,6
23,3
90,0
22,4
91,8
22,5
91,1
Eiectricitätsmeuge
10". ^1 I 10^92 ' 10^ Q
212 ' 4817 I 5029
204 I 4788 ' 4942
219 . 4707 4926
211 4801 5012
212 ! 4765 ,1 4977
V. Die resultirenden Potentialdifferenzen.
Das Ergebniss des vorigen Abschnitts — zahlenmässig
wiedergegeben in den Tabellen 4, 5 und 6 — gestatten mit
dem des Abschnitts III ohne weiteres die Berechnung der
gewünschten Potentialdifferenzen V^ Qjx in Volts. Die
Tabelle 8 enthält das durch die vorliegende Untersuchung
angestrebte Ziel; sie gibt die zu einer Funkenbildung in
Luft zwischen den zumeist verwendeten Electrodenformen
250
•/. Freyberg.
erforderliche Fotentialdifferenz in Volts für Schlagweiten bis
zu 5 cm.
Tabelle 8.
Schlag-
Potential in V
Kugein
OltB
weite
in
Spitzen
Durchmesser in cm
1 1 1
Platten
cm
0,50
i 0,75
1,0
2,0
4,0
6,0
0,1
3720
5050
«__
4660
4560
^__
4530
4840
0,2
4700
8600
9700
9500
' 8700
8400
7900
7500
0,3
5300
11100
12500
11700
11600
11200
10500
lOTOO
0,4
6000
13500
14100
14000
14400
14200
12800
18700
0,5
6300
15100
16C00
16800
17000
16600
16400
16300
0,6
6900
16600
18400
19300
19500
20100
19200
19100
0,7
—
17900
19900
21000
22500
23200
22600
—
0,8
8100
18400
20900
232(^0
24600
25800
26000
24500
0,9
—
19300
21300
25100
27200
27800
28&00
—
1,0
8600
19500
22100
25800
29C00
29900
31600
28800
i,i
—
19800
23000
26400
30900
31900
32800
—
1,2
—
21400
24800
27900
82700
34200
35000
—
1,3
—
22000
25800
28200
—
36700
1,4
—
22500
26200
28500
—
—
41400
—
1,5
9900
23100
27200
29500
—
—
—
1,6
—
23200
28800
30900
—
—
1,8
—
23800
28600
34600
—
—
2,0
lOlOO
24600
29100
35400
—
—
2,2
—
25700
29500
36000
—
—
—
2,4
—
26600
30000
37200
—
—
2,6
—
27400
30500
^^^
—
—
—
2,8
—
27900
30800
—
—
—
—
3,0
11200
28400
31200
—
—
—
—
—
3,5
11800
29200
31900
—
—
__
—
—
4,0
12200
29600
32400 ■
—
—
—
—
4,5
12700
29900
3350*
—
—
—
—
5,0
13100
30700 i
34100
—
—
—
Die grösste gemessene Potentialdifferenz beträgt 41400
Volts; dieselbe war zur Bildung eines 1,4 cm langen Fun-
kens zwischen den Kugeln von 6 cm Durchmesser nothwen-
dig. Die Electricitätsmenge, welche zur Erreichung so hoher
Spannungen der Versuchsbatterie zuzuführen war, — die hier
immerhin nur wenig mehr als 1/500 Coulomb betrug —
machte sich vor Eintritt der FunkenentladuDg durch bedenk«
liches Knistern in der Batterie und im Dunkeln wahrzuneh«
mende Lichterscheinungen bemerkbar; es war bei diesen
Versuchen selbstverständlich grosse Vorsicht geboten. Mit
Hülfe der benutzten zwanzigscheibigen Influenzmaschine ▼on
Toepler wären leicht noch höhere Potentialdifferenzen zu
Battmnatng der Funkenpoteatiale, 261
erzielen gewesen, hätte dies die Beschaffenheit der Versuchs-
batterie gestattet. Wie bereita erwähnt, entlnd sich die Bat-
terie bei etwas höherem Potential Ober den unbelegten Band
deraelben. Blasen enthaltende Batteriegläser können hierbei
dorchschlagen werden.
Mit recht dickwandigen, nicht hoch belegten Lejdeoer
Flaschen lassen sich Fnnkeotladnngen tod noch grosserer
Potential differenz erzielen und messen, wovon ich mich nach-
tAglicb durch etliche Versuche mit Flaschen von 5 mm
Wandstärke nnd passender Belegung überzeugte.
Tabelle 9.
Schlag.
Po
tential
weite
Kugch.
in
SpiricD
I>
er in cm
Platten
cm
0,60
0.75
__•/_
2,0
4,0
6,0
0,1
li,4
16,8
~
15,5
15,2
_
16,1
14,5
0,2
1S,6
28,6
32,5
81,7
39,0
27,9
36,2
25,1
0,8
17,7
37,3
41,8
38,9
38,5
a7,s
34,9
M56
0,4
19,9
45,2
46,9
46,8
48,0
47,5
42,5
45,6
0,5
21.0
B(l,5
55,3
56,0
56,8
55,5
54,7
54,S
0,8
22,8
55,3
61,4
64,2
64,fl
•^6,9
6J,0
63,5
0,7
59,8
66,3
69,9
75,1
77,2
75,3
0,ö
26,9
ei,2
69,1
77,4
82,1
88,1
86,7
81,6
0,9
64,2
70,9
83,7
90,8
92,8
95,9
',0
28,9
65,0
7a,a
85,9
96,8
99,5
106.4
96,0
1.1
66,1
76,5
88,2
103,1
106.3
109,5
1,3
71,2
82,6
92,0
108,9
114,1
116,7
1,3
73,5
86,0
93,8
122,4
',*
75,0
87,3
95,1
187.9
1,5
3.1,2
76,9
90,7
S8,4
1,8
77,7
94,4
1029
1,B
79.3
95,S
115,3
2,0
33,8
81,9
97,1
117,9
3%
B5,S
98,3
120,0
2,*
88,6
100,-1
123,9
2,6
81,4
101,8
2,8
93,0
102,7
3,0
37.5
94,8
103,9
3,5
3B,3
97.2
106,3
4.0
40,7
B8,e
108,0
4,5
42,2
99,6
111,5
5,0
43,5
102,3
ii;i,s
—
—
-
-
—
Um die Zahlen der Tab. 8 bequemer und zugleich mit
den durch die Messungen anderer Beobachter vermittelst des
absoluten Electrometers erhaltenen direct vergleichbar zu
machen, sind dieselben in electrostatische absolute Einheiten
252 J. Freyberg.
des (C.-G.'S.)-System8 umgerechnet worden, und zwar durch
die Division Q/SOOx, nicht aus den bereits abgerundeten
Werthen der Tab. 8, (vgl. Tab. 9.)
Die Zahlen in den Tabellen 8 und 9 lehren, dass für
alle Electrodenarten das Potential mit wachsender Schlag-
weite in ganz verschiedenem Maasse zunimmt. Man erkennt
jedoch durchweg, dass bei Vergrösserung der Schlagweite
um einen bestimmten Werth bei kleinen Funkenstrecken ein
grösserer Potentialzuwachs erforderlich ist, als bei grosseren.
Bei grösseren Funkenstrecken wird diese Zunahme mehr
oder weniger constant. In Fig. 6 ist der Verlauf der Foten-
tialwerthe für etliche charakteristische Electroden wieder-
gegeben. Die Abscissen bedeuten die Funkenlängen, die
Ordinaten die zugehörigen Potentialwerthe.
Was zunächst die für vollkommene Spitzen erhaltene
Curve anbelangt, so ist deren Aehnlichkeit mit einem Para-
belzweig nicht zu verkennen. Die Potentialwerthe wachsen
hier nur anfangs wesentlich mit der Schlagweite und errei-
chen selbst für die grössten Schlagweiten verhältnissm&ssig
kleine Werthe. Warren de la Rue und H. Müller fanden
bereits, dass für parabolische Spitzen die Schlagweite nahezu
proportional mit dem Quadrate der Potentialdifferenz zunimmt.
Die Potentialdifferenzen für den Funkenübergang zwi-
schen Kugeln zeigen zunächst auffallend den Einfluss des
Kugeldurchmessers und lassen ferner die Eigenschaft er-
kennen, dass es für jede Schlagweite ein Kugelpaar bestimm-
ter Grösse gibt, für welches das Potential ein Maximum
wird. Das Maximum rückt mit zunehmender Schlagweite
von links nach rechts. Dementsprechend schneiden sich die
Curven für die verschiedenen Kugelelectroden. Fig. 6 zeigt
den Verlauf der F- Werthe für drei Kugelpaare; mit wachsen-
dem Kugeldurchmesser nähern sich die Curven einer Ge-
raden. So lässt sich z. B. die für die 6 cm-Kugeln erhaltene
Curve mit einer aus der Tabelle 10 erkennbaren Annäherung
durch die Gerade:
F= 92,7. f/ + 8,1
ersetzen.
Bestimmung der Fvnkenpotentiale,
25a
Tabelle 10.
Kugeln von 6 cm D.
Schlagw.
PotentiÄl V
Schlagw.
Potential V
lo cm
d
beobacht
berechnet
in cm
d
beobacht.
; berechnet
0,1
15,1 17,4
0,8
86,7
82,3
0,2
26,2 i 26,6
0.9
95,9 1 91,5
0,3
34,9 35,9
1,0
105,4 i 100,8
0,4
42,5
45,2
1,1
109,5
110,1
0,5
54,7
54,5
1,2
116,7
119,3
0,6
P4,0
63,7
1,3
122,4
128,5
0,7
75,3
73,0
1,4
137,9
137,8
Die Herren F oster und Pryson^), welche mit einem
absoluten Electrometer dergleichen Potentialbestimmungen
unter Verwendung von Messingkugeln von nur 1,35 cm Durch-
messer vorgenommen haben, stellen ihre Versuchsergebnisse
durch eine Gerade mit der Gleichung:
r =• 102. rf+ 7,07 dar.
Für die bei Benutzung von Platten erzielten Potential-
werthe gilt dasselbe, was für Kugelelectroden von grossem
Durchmesser ausgesagt worden ist. In wie weit man berech-
tigt ist, die beobachteten K-Werthe durch eine lineare oder
quadratische Relation wiederzugeben, lässt sich aus der Ta-
belle 11 entnehmen. Diese empirischen Gleichungen haben
natürlich keine Bedeutung und einen geringen Werth.
Tabelle 11.
Platten.
Schlagw.
d
in cm
beobachtet
Potential V
berechnet nach der Formel:
K=00.ft8.d + 7,e7
V r= 82,08 . V'd^ + 0.387« . d
0,1
14,5
0,2
25,1
0,3
35,6
0,4
45,6
0,5
54,3
0,6
63,5
0.8
81,6
1,0
96,0
16,8
25,9
35,0
44,1
53,2
«2,3
80,5
98,6
18,1
28,1
37,3
46,1
54.7
63,2
80,0
96,7
1) FoBter u. Pryson, Phya. Soc. Chem. News 49. p. 114. 1884.
254 J. Freyberg.
Genauigkeit der Bestimmungen.
Aus der Beziehung /'= Q/x folgt:
r - Q
In dem relativen Fehler von V Bummiren eich einfach
die relativen Fehler der Bntladungemenge Q und der Capa-
cit&t X. Die Unsicherheit des ersten Werthes beträgt 1 bis
2 Proc, die des letzteren 5 Froc. (s. p. 241), also kann die
der K-Werthe auf 6—7 Proc. steigen.
cbiedei
r BeobBcbter.
VI. Vergleichung der Sesult
Soweit mir bekannt wurde, waren es Macfarlane und
nach ihm Bsille, welche zuerst ausführlich den E^nfluss der
Electroden auf das explosive Potential zahlenmässig fest-
zustellen suchten. Andere Beobachter haben nur gelegent-
lich zu einem weiteren Verfolg ihrer Untersuchungen etliche
solche Bestimmungen gemacht Unl&ngst hat noch Herr
Paschen filr drei Paar kleine Kugelelectroden die Messungen
wiederholt, und zwar unter Verwendung eines geaichtenBighi-
Beben Reäezionselectrometers.
Tabelle
12
literu
Schlag-
für KiLgelu V
ora Durclim.:
weite
"
m
„ri,
tiqlncke') Fnrbarg
""'"'
0,1
15,3
14,0
ie,i 1 15,5
14,8
15,2
14,8
15,1
26,8
27,1
21,8 , 31,7
26,4
2e,o
25,6
0,3
37,3
S6,8
3»,S
38,9
37,S
aH,5
36,1
0,4
45.5
49,4
46,6
4«,7
48,0
45,0
49;5
0,5
54,7
56,0
60,1
56,0
56,4
54,7
0,6
65,2
C<,5
69,4
«4,2
68,6
64,9
65,2
64,0
O.T
vi%
70,1
78,9
75,1
0,8
77,6
77,S
—
77,4
83,9
aa.i
88,0
ee,7
80,1
90,8
«7,4
85,8
1,0
83.1
86,0
8ä,i)
—
H6,H
llB,fl
1) Baille, Ann. de chim. et de phya. [5]. 2ä. p. 631. 16S1
2) BiChat n. Blouaiot. Electricien vom 4. Aug. 1886.
3] PaschCD, Wied. Ann. ST. p. 69. 1889.
41 Quincke, Wied. Ann. 19. p. 562. 1883.
Bestimmung der Fvnkenpotentiale.
255
Tabelle 12 gibt eine Zu^mmenstellung der bis jetzt er-
zielten Potentialwerthe für drei verschiedene Eugelpaare und
Schlagweiten bis zu 1 cm. Die Zahlen weichen zum Theil
nicht unbetriLchtlich Toneinander ab. Immerhin zeigen die
durch die galvanometrische Bestimmuugs weise der vorliegen-
den Untersuchung gewonnenen Zahlen mit den bekannten
electrometrisch erhaltenen keine grösseren Abweichungen,
als diese untereinander erkennen lassen. Au£fallend war nur.
dass fQr kleine Schlagweiten die von mir gefundenen Werthe
fast ausnahmslos grösser ausgefallen sind als bei anderen
Beobachtern, von diesen E. Mascart^) allein ausgenommen,
welcher für Kugeln von 2,2 cm Durchmesser bei der Schlag-
weite rf = 0,1 cm F = 18,3 und bei d = 0,5 cm F = 89,1 fand.
Nach den unlängst bekannt gewordenen Untersuchungen
von Jan mann (1. c.) sind die Abweichungen der Resultate
verschiedener Beobachter im allgemeinen erklärt. Dieselben
haben ihren Grund in den verschiedenen Yersuchsanord-
nungen, welche mehr oder weniger geeignet waren, die Schwan-
kungen der benutzten Stromquelle (gewöhnlich eine Influenz-
maschine) zu dämpfen. £ine nähere kritische Betrachtung
der vorliegenden Zahlen lässt sich nicht durchführen, da
Angaben über die Absolutgrösse der Capacität der von den
verschiedenen Beobachtern verwendeten Condensatoren fehlen.
Tabelle 13.
Platten.
Schlag-
Poten
tial V
weite d
Mac-
f arlane •)
Warren '
in cm
Baille»)
delaRue'j
u. Müller
Freyberg
0,1
11,69
14,67
14,42
14,48
0,2
19,05
25,51
25,26
25,13
0,3
26,06
35,35
34,56
35,57
0,4
32,93
44,77
—
45,55
0,5
89,75
54,47
—
54,31
0,6
46,52
63,82
—
63,53
0,8
60,02
84,86
—
81,55
1,0
73,48
105,49
—
9J,00
1) Mascart, Trait^ d'61ectricit6 statique 2. p. 87 u. 93. 1876.
2) Macfarlane, Phil. Mag. [5] 10. p. 394. 1880.
3) Baille, Ann. de chim. et de phys. [5] 25. p. 531. 1882.
4) Warren de la Bue u. Müller, Proc. Roy. öoc. 36. p. 151. 1884.
256 O, Schumann.
Eine Zusaiumen Stellung der für Platten vorliegenden
Resultate gibt Tabelle 13. Die Uebereinstimmung ist hier
im allgemeinen eine bessere als bei Kugeln; nur Macfarlane's
Werthe sind durchweg wesentlich kleiner ausgefallen.
Zu einer Vergleichung herbeizuziehende Potentialbestim-
mungen bei Entladungen zwischen Tollkommenen Spitzen
liegen meines Wissens nicht vor.
VIII. TJeber eine cyclische Aendening der
electrischen Leitungsfähigkeit;
von Otto Schumann.
Erste Mittheilung.
Schon seit längerer Zeit ist es bekannt, dass magnetische
Körper unter dem Einfluss der verschiedensten Kräfte cycli-
sche Aenderungen ihres Magnetismus zeigen. Bei electrischen
Leitungswiderständen ist jedoch ein solcher Einfluss bis jetzt
nicht beobachtet worden. Verfasser dieses hat nun, angeregt
durch Hrn. Prof. Braun und durch die Arbeiten dessel-
ben über „Deformationsströme" ^), Widerstandsmessungen an
Nickelspiralen ausgeführt und hier beim Ausziehen und Zu-
sammenlassen der Spiralen stark ausgesprochene cyclische
x\enderungen des electrischen Leitungswiderstandes gefunden.
Es waren vier Nickelspiralen, zwei harte und zwei weiche,
von je 4 m Länge und 0,4 S.-E. Widerstand gemeinsam in
ein grosses Gefäss mit Petroleum gesenkt worden, das mit
einem Rührapparat versehen war. Die vier Spiralen bilde-
ten die vier Seiten einer Wh eats tone 'sehen Brücke und
waren gemäss dieser Methode mit Galvanometer, Accumu-
lator und untereinander verbunden. Die Verbindungen waren
alle durch Löthungen hergestellt zur Vermeidung der Con-
taciänderungen, welche bei Benutzung von Klemmschrauben
nicht zu umgehen sind. Alle diese Verbindungen lagen
ebenfalls unter Petroleum, sodass aus demselben nur die
1) Braun, Sitziingsber. d. k. pr. Akad. d. W. 1888. p. 507; 1889.
p. S05 u. 959.
Cyclische Aenderung der electrischen Leitujigsfahigkeit. 257
Leitungsdrähte zum Galvanometer und Accumulator heraus-
ragten. Auf diese Weise und durch Benutzung nur momen-
taner Stromschlüsse bei den Ablenkungsbeobachtungen war
es möglich, sowohl sämmtliche Contact&nderungen als auch
den Einfluss aller Temperaturänderungen vollständig zu ent-
fernen. Zur Messung des Widerstandes waren die beiden
Enden der einen harten Spirale mit einem Widerstandskasten
als Nebenschluss verbunden. In demselben mussten, um den
Ausschlag Null im Galvanometer zu erzielen, etwa 30 S.-E.
eingeschaltet werden; die Empfindlichkeit betrug etwa 0,1 S.-E.
des Kastens, entsprechend etwa OjOgl S.-E. im Widerstände
der Spirale, sodass also eine Temperaturänderung im Kasten
selbst ohne jeden Einfluss auf das Resultat sein musste.
Die Nickelspiralen waren jede über eine Glasröhre ge-
schoben, welche das untere Ende der Spirale fest gegen den
Boden des Gefässes presste. An die oberen Enden waren
dicke Kupferdrähte gelöthet, mit denen man im Stande war,
die Spiralen auszuziehen und wieder zusammen zu lassen.
Um fQr die verschiedenen Auszüge einen genau wieder zu
erreichenden Stand zu erhalten, waren in Entfernungen von
6,9 und 13,8 cm über der Ruhelage der Spirale feste Halter
angebracht, über welche der oben erwähnte umgebogene
Kupferdraht geschoben werden konnte. Alle Spiralen waren
während der Beobachtung oben und unten festgeklemmt, so-
dass eine Aenderung ihrer Lagen nicht eintreten konnte.
Die Untersuchung auf cyclische Aenderungen geschah
nun in folgender Weise: Zuerst wurde der Widerstand in der
Ruhelage bestimmt, dann wurde die Spirale um 6,9 cm aus-
gezogen, festgelegt und der Ausschlag im Galvanometer durch
entsprechende Ein- oder Ausschaltung von Widerständen im
Kasten auf Null gebracht, darauf die Spirale schnell ausgezogen
auf 13,8 cm und sofort wieder zusammengelassen bis 6,9 cm,
abermals festgelegt und der Widerstand bestimmt. Dann
schliesslich wurde die Spirale bis zur Nulllage zusammen-
gelassen und nochmals der Widerstand gemessen.
Auf diese Weise wurde zunächst eine weiche Nickel-
spirale (Spirale I) untersucht. Dieselbe war nach der einen
Seite verbunden mit der anderen weichen Spirale (Spirale II),
diese dann mit der ersten harten (Spirale III), diese wieder
Ann. d. Phyi. u. Chem. N. F. XXXVIII. 17
258 O. Schumann.
mit der zweiten harten (Spirale IV), welche dann schliesslich
wieder mit Spirale I verlöthet war. In Spirale IV befand
sich als Nebenschluss der Widerstandskasten, sodass für die
Nulllage des Galvanometers nahezu das Verhältniss galt:
IV- '
II ~ III '
wo fV den Widerstand im Kasten bedeutet. Die Wider-
stände II, III, IV sind während der Untersuchung der Spi-
rale I unveränderlich, mithin entspricht einer Vergrösserung
von W auch eine Vergrösserung von I.
Die folgende Tabelle gibt die mit Spirale I in sechs
Beobachtungsreihen erhaltenen Resultate:
Lage I II III IV V VI
0
28,0
28,1
28,0
28,0
27,8
27,9
6,9
33,9
33,9
33,7
33,7
33,6
33,4
6,9
34,6
34,7
34,3
34,3
34,4
34,2
0
2S,l
28,2
28,0
27,8
27,9
27,8
Zunächst zeigen die Zahlen, dass eine ziemlich grosse
Aenderung des Widerstandes eintritt, sobald die Spirale aus-
gezogen wird. Dieselbe beträgt im Mittel 5,7, was einer
Widerstandszunahme um nahezu 0,0060 S.-E. entspricht.
Während ferner der Widerstand in der Nulllage Abwei-
chungen nach beiden Richtungen zeigt, die im Maximum 0,2
betragen, verändert sich der Widerstand in der Lage 6,9
stets nach der gleichen Richtung zwischen den Grenzen 0,6
und 0,8, im Mittel um 0,7. Es entspricht dies einer Wider-
standszunahme um 0,036 S.-E.
Der Widerstand ausgezogener und zusammengelassener weicher
Nickelspiralen verändert sich während dieser Operation mithin in cycli-
scher Weise, und zwar ist der Widerstand beim Zusammenlassen
der ausgezogenen Spiralen grösser als heim Ausziehen derselben.
Es war nun zunächst nothwendig, diese Aenderung auf
ihre Constanz zu prüfen; dazu wurde die Spirale mehrmals
hintereinander von 6,9 auf 13,8 cm ausgezogen und wieder zu-
sammengelassen. Es zeigten sich hierbei keine weiteren Aende-
rungen; war vielmehr das Galvanometer nach dem ersten Aus-
zuge auf Null eingestellt, so ergaben die weiteren Auszüge der
Spirale keinerlei Ablenkungen. Ebenso erwiesen sich die Wider-
standsänderungen unabhängig von der Grösse des zweiten
Ct/cUsche Aenderung der electrischen Leituuf/sßikigkeit 250
Auszuges, sobald nur die Elasticitätsgrenze der Spirale nicht
aberschritten und eine gewisse untere Grenze erreicht wurde.
Dieselbe Constanz des Widerstandes zeigte sich auch in allen
Fällen bei längerem Stehenlassen (24 Stunden und darüber)
der Spiralen in ausgezogenem Zustande, sodass obige Wider-
stände wohl als dauernde bezeichnet werden dürfen. Eine
Veränderung von Stromstärke und Stromrichtung erwies sich
ebenfalls als ohne Einfiuss.
Wird die Elasticitätsgrenze beim Ausziehen überschritten,
d. h. kommt die Spirale nach dem Ausziehen nicht mehr auf
die gleiche Nulllage zurück, so verschwinden sämmtliche obige
Begelmässigkeiten, und in der Anfangslage ist vor und nach
dem Ausziehen nicht mehr der gleiche Widerstand vorhan-
den; stellt man jetzt wieder auf die neue Ruhelage ein,
so erhält man sehr nahe wieder den früheren Widerstand.
Die hierbei auftretenden Unterschiede sind weit geringer als
die beobachteten cyclischen Aenderungen, selbst bei grösse-
ren, 4 cm betragenden, dauernden Formveränderungen.
Es hat sich also gezeigt, dass die Aenderungen des Haider-
Standes j welche eine weiche Nickelspirale durch Ausziehen erleidet,
bedeutend grosser sind, wenn die Formveränderung die Elasticitäts-
grenze nicht übersteigt, als für eine entsprechende bleibende Form-
veränderung der Spirale.
Dieselbe Spirale 1 wurde nun in vier neuen Stellungen
untersucht, und zwar in den Entfernungen 0, 4, 8 und 12 cm
von der Ruhelage. Die folgende Tabelle gibt in drei Reihen
die Resultate in Mittelwerthen von je drei Beobachtungen:
Uge
I
11
111
Diff.
S.-E.
0
27,0
27,9
28,0
—
4
29,5
—
29,6
1,6
0,0010
8
—
35,3
35,2
5,6
(»,0054
12
39,8
39,8
39,8
4,6
0,U033
8
35,9
35,8
4,0
0,0028
4
80,3
— -
30,3
5,5
0,0051
0
27,9
28,0
28,0
2,3
0,0027
In Reihe I ist die Lage 8 und in Reihe II die Lage 4 über-
schlagen, in der Beobachtungsreihe III sind alle Lagen ein-
geschaltet worden. Die Gleichheit der Zahlen in den drei
Reihen gibt einen neuen Beweis dafür, dass die Art des Aus-
zuges ohne Einfluss auf die Widerstände ist.
17*
260
O, Schumann.
Die letzte Columne gibt die Widerstandsänderung beim
Ausziehen und Zusammenlassen der Spirale von 4 zu 4 cm
in S.-E. Es zeigt sich, dass diese Aenderungen in beiden
Fällen zuerst wachsen und dann wieder abnehmen. Eine
diese Aenderungen darstellende Curve würde mithin einen
Wendepunkt besitzen.
Die cyclischen Aenderungen zeigen sich ebenfalls deut-
lich ausgesprochen. Sie betragen für die Lagen 4 und 8
entsprechend 0,75 und 0,6 oder in S.-E. 0,038 und 0,035.
Trägt man alles in ein Coordinatensystem, so erhält man
zwei sich bei 0 und 12 be-
rührende Curven, die sonst
nebeneinander herlaufen und
keine weiteren gemeinsamen
Punkte besitzen.
Die nebenstehende Zeich-
nung gibt die ungefähre Ge-
stalt dieser Curven. Wie
man sieht, zeigt dieselbe
viele Aehnlichkeit mit den
von G. Wiedemann^) und
vonNagaoka*) gefundenen
Curven , che die Veränderungen des Magnetismus eines
Nickeldrahtes darstellen, der tordirt oder longitudinal ge-
spannt wird.
Es war nun anzunehmen, dass auch beim Zusammen-
drücken der Spirale ähnliche Widerstandsänderungen sich
ergeben würden. Der Versuch zeigte auch eine deutliche
Zunahme des Widerstandes, wie die folgenden Zahlen zeigen.
Lage W. Diff. S.-E.
0^ 27,9 — —
-3,2 2^»,5 1,6 0,0019
Der Widerstand steigt also etwas stärker als beim Aus-
ziehen der Spirale. Das Minimum des Widerstandes liegt
in der Ruhelage. Ikne cyclische Aenderung konnte bis jetzt
nicht beobachtet werden, weil beim Zusammendrücken die
9 jo n n
1) G. Wiedemann, VVied. Ann. 37. Taf. III. 1SS9.
1; Nagaoka. Pliil. Mag. i5; 27. p. 117. 1SS9.
Q/clisrhe Aenderung der electrischen Leitung sfähifjkeit. 261
Elasticit&tsgrenze viel früher wie beim Ausziehen erreicht
wurde. Weitere Versuche hierüber gedenke ich in nächster
Zeit auszuführen.
Um jetzt weiter den Einfluss der Natur des Nickel-
drahtes auf diese Widerstandsänderungen zu prüfen, wurde
zunächst die zweite weiche Nickelspirale (Spirale II) in der
gleichen Weise untersucht. Es wurden hierbei folgende
Zahlen gefunden:
Lage
W.
Diff.
8.-E.
0
28,4
—
4
27.0
1.4
0,001b
8
23,7
3,3
0.0052
4
26,3
2,6
0,0042
0
28,3
2,0
0,0027
-3,2
26,8
l,ö
0,0020
Dieselben zeigen, dass die Widerstandsänderungen die glei-
chen sind wie bei Spirale I. Die cyclische Aenderung be-
trägt bei Lage 4 in S.-E. 0,0010.
Etwas anders gestalten sich die Zahlen, wenn man eine
harte Spirale (Spirale III) in gleicher Weise untersucht. Die
folgende Tabelle gibt die mit ihr erhaltenen Resultate.
Lage
W.
W.
Lage W.
w.
0
27,7
27,7
8 —
—
4
28,0
27,9
4 27,85
27,7
8
28,1
0 27,7
27,6
12
—
28,4
Die Widerstandsänderungen sind hier sehr gering, zwischen
0 und 12 nur 0,0009 S.-E. gegen 0,0106 S.-E. bei Spirale I.
Ebenso sind die cyclischen Aenderungen sehr gering, aber
immerhin deutlich und in gleicher Richtung hervortretend.
Um nun Beziehungen zwischen den beobachteten Wider-
standsänderungen und anderen physikalischen Eigenschaften
zu finden, lag es zunächst nahe, an den Magnetismus als
Ursache zu denken. Es wurden deshalb die freien Magne-
tismen für die verschiedenen Auszugslagen der Spiralen be-
stimmt. Hierzu wurde zuerst die Spirale I verwendet. Die-
selbe wurde von den übrigen abgetrennt und in ost-westlicher
Lage ihre auf einen kleinen Glockenmagnet hervorgebrach-
ten Ablenkungen beobachtet. Berechnet wurde die Grösse
II I H nach der Formel:
262 O. Schumann.
Aus einer Reihe von Beobachtungen mit verschiedenem r
ergab sich im Mittel iflr fi/H bei der unausgezogenen Spi-
rale I 3,1 (cm 2) und bei der um 7,2 cm ausgezogenen Spirale
4,9 (cm«).
Die longitudinale Componente des freien Magnetismus
steigt also mit dem Ausziehen der Spirale. Wird nun die
Spirale noch weiter ausgezogen und dann gleich wieder auf
7,2 zurückgelassen, so steigt die Grösse ju/H auf 5,1; also
auch hier kommt die cyclische Aenderung des Magnetismus
deutlich zum Vorschein.
Eine, gleiche Untersuchung wurde auch mit Spirale II
angestellt. In der Ruhelage war /Lt/jff= 4,0, und bei der um
7,9 cm ausgezogenen Spirale stieg diese Grösse auf 5,8.
Eine grössere Reihe von Beobachtungen über cyclische Aen-
derungen des freien Magnetismus ergab folgende Mittelwerthe:
Ruhelage 4,1 (cin*J
Ausgezogen um 3,8 cm 4,9 »
11 11 7,9 11 5,8 11
Zurück auf 3,8 ,, 5,2 „
Ruhelage 4,1 "
Die cyclischen Aenderungen des Magnetismus verlaufen
also ganz ähnlich wie die Widerstandsänderungen, Auch
G. Wiedemann^) findet bei Detorsion von Nickeldrähten
die grösseren Werthe des Magnetismus.
Da nun bei beiden Spiralen den Widerstandsänderungen
ganz analoge Aenderungen des freien Magnetismus auftreten,
so lag es nahe, zu vermuthen, dass die eine die Ursache der
anderen sei, dass also eine Aenderung des Magnetismus eine
Aenderung des Widerstandes bedinge.
Zur Prüfung dieser Vermuthung wurde Spirale I mag-
netisirt, vermittelst einer Rolle aus dickem Kupferdraht,
durch welche mehrmals kurze Zeit ein Strom von 120 Amp.
geschickt wurde. Die Grösse ju/// ergab sich nach der
Magnetisirung zu 12,1 in der Ruhelage und ausgezogen um
7,2 cm zu 12,5. Eine cyclische Aenderung konnte nicht
li Wie de mann, Galv. 3. p. 39 J.
2) G. Wiedemann, Wied. Ann. :57, p. 376. 1S89.
Ci/clische Aenderuny der electrischea Leituntjrfähigkeit 2G3
mehr beobachtet werden. Die starken Aenderungen des
freien Magnetismus beim Ausziehen der Spirale waren also
nach dem Magnetisiren nicht mehr vorhanden, und man
rousste deshalb schliessen, dass jetzt auch die Widerstands-
änderungen zum grössten Theil verschwunden sein würden.
Deshalb wurde die magnetisirte Spirale wieder mit den drei
anderen verbunden und in Petroleum gesteckt. Die Beobach-
tung der Widerstände ergab jetzt die folgenden Zahlen:*)
Lage
W.
Diff.
S.-E.
0
25,4
—
4
26,8
1,4
0.<X>20G
s
32.0
5/2
0,()06U»>
12
36,0
4,0
0,00347
S
32,5
3,5
0,00299
4
27,:»
5,0
0,00559
0
25,4
2,1
0,0 »301
Die Widerstandsänderungen sind also nahezu die gleichen
wie bei der unmagnetischen Spirale I, ebenso zeigen die
cyclischen Widerstandsänderungen keine besonderen Abwei-
chungen gegen früher. Dieselben sind jetzt bei den Stellungen
4 und 8, resp. 0,039 und Qfi^b S.-E.
Die magnetisirte Spirale verhält sich also ebenso wie
die nicht magnetisirte.
Um schliesslich noch zu prüfen, ob die Magoetisirung
auch absolut keinen Einfiuss auf den Widerstand der Spirale
ausübte, wurde die Spirale II mit der MagnetisirungsroUe
umgeben, und während der ganze Apparat sich in vollstän-
diger Ruhe unter Petroleum befand, ein Strom von 70 Am-
peres durch die Rolle geschickt. Die Grösse ju/// stieg da-
durch von 4,1 auf 4,9, also entsprechend einem Auszug von
4 cm. Der Widerstand ff'' war vor der Magnetisirung 24,1,
nach derselben 24,5. Es wurde also eine kleine Zunahme
beobachtet um 0,03? S.-E. Diese Aenderung ist jedoch zur
Erklärung der obigen Widerstandsänderungen nicht aus-
reichend, da statt derselben eine solche von 0,0018 ent-
sprechend einem Auszuge von 4 cm hätte eintreten müssen.
1) Die Widerstände sind durchgängig etwas kleiner wie tViiher, w^'il
beim Auseinandernehmen und Wied^'r/usamincnsctzen ^un kleines Stück
der Spirale I verloren ging.
264 O, Schumann.
Auch sonst verhielt sich die Spirale ganz wie vor der Mag-
netisirung.
Man darf hieraus wohl den Schluss ziehen, dass die
directe Ursache der beobachteten Widerstandsänderungen in
dem freien Magnetismus (wenigsten in der longitudinalen
Componente desselben) nicht zu suchen ist. Es bleibt jedoch
der auffallende Parallelismus zwischen Leitungswiderstand
und magnetischem Verhalten in vielen Fällen bestehen, und
es wird einer weiteren Untersuchung bedürfen, um zu ent-
scheiden, ob nicht beide Eigenschaften doch in irgend einem
Zusammenhang miteinander stehen.
Besonders naheliegend ist es nun weiter, an eine Be-
ziehung zwischen der elastischen Spannung und den be-
obachteten Widerstandsänderungen zu denken, besonders da
die letzteren nur innerhalb der Elasticitätsgrenze der Spirale
auftreten. Es wurde deshalb Spirale I an dem einen Ende
aufgehängt und das andere Ende nacheinander mit zwei ver-
schiedenen Gewichten belastet und diese nacheinander wieder
entfernt. Auf einem nebenstehenden Maassstabe konnten
die Lagen des unteren Endes der Spirale abgelesen werden.
Es ergaben sich die folgenden Lagen:
Lagen 22,08 19,32 16,t>0 19,28 22,03
Belastung 125 gr
Man sieht auch nicht die geringste Andeutung einer cycli-
schen Aenderung, die, wenn sie derjenigen des Widerstandes
entsprechen würde, etwa 1.6 cm betragen müsste. Es ist
mithin auch keine directe Beziehung des Widerstandes zu
der elastischen Spannung vorhanden.
Es muss also einer weiteren Untersuchung vorbehalten
bleiben, Aufschlüsse über derartige Widerstandsänderungen
zu geben. Ich gedenke, diese, wie mir scheint, sehr inte-
ressanten Verhältnisse weiter zu verfolgen, und beabsichtige,
besonders die Einflüsse des Magnetismus, dann die der Wärme,
des Windungszustandes und der Molecularbeschaffenheit von
Nickeldrähten auf den electrischen Leitungswiderstand der-
selben bei Biegung und Torsion näher zu untersuchen und
dann die Beobachtungen auf andere magnetische und un-
magnetische Metalle und Metalllegirungen auszudehnen.
CyclUche Aendernnr/ der electrischen Leitunr/sfähiffkeit 265
Fasse ich noch einmal kurz die Hauptresultate der vor-
liegenden Arbeit zusammen, so ergibt sich das Folgende:
1. Der electrische Leitungswiderstand nach und nach aus-
gezogener und nach und nach wieder zusammengelassener
Nickelspiralen ändert sich in cyclischer Weise, und zwar ist
der Widerstand beim Zusammenlassen der ausgezogenen
Spiralen grösser, als beim Ausziehen derselben. Die Unter-
schiede betragen bis ^/^ Proc. des Widerstandes der Spirale.
Diese Thatsache tritt jedoch nur ein, wenn die Elasticitäts-
grenze der Spirale beim Ausziehen nicht überschritten wird.
2. Das Widerstandsminimum fällt stets mit der Ruhe-
lage der Spirale zusammen. Ausziehen sowohl wie Zusam-
mendrücken der nicht gespannten Spirale vermehrt den
Widerstand.
3. Die Widerstandsänderungen, welche durch gleich grosse
bleibende Formveränderungen entstehen, sind verschwindend,
klein gegen die oben beschriebenen.
4. Die longitudinale Componente des freien Magnetismus
der Spirale sowohl wie die elastische Spannung sind nicht
als die directen Ursachen der beobachteten Widerstands-
änderungen zu betrachten.
Phys. Inst, der Univ. Tübingen, August 1889,
IX. Veher die Reflexion des Lichtes ein Kalksixith:
von P. Drude.
(Ilieria Taf. 111 Flg. 7.)
Die kürzlich von Hrn. K. E. F. Schmidt mitgetheilten
Beobachtungen^) über die Reflexion polarisirten Lichtes an
Kalkspath haben mich veranlasst, die früher ^ von mir
hierüber angestellten Untersuchungen wieder aufzunehmen.
Ich habe angegeben"'), dass ich an einer frischen Spalt-
fläche von Ealkspath eine relative Maximalverzögerung der
beiden parallel und senkrecht zur Einfallsebene polarisirten
1) k. E. F. Schmidt, Wied. Anu. 37. p. 353. 18ö9.
2) P. Drude, Wied. Anu. 8C. p. 532. ISSi».
:\) P. Drude, 1. c. p. 542.
266 P. Drude.
Componenten des reflectirten Lichtes nur in dem Betrage
von 0,0168 Wellenlängen hätte beobachten können. Die Be-
obachtungen sind damals nicht ausführlicher mitgetheilt, weil
sich das Interesse nur an die Kleinheit der relativen Ver-
zögerung A überhaupt, nicht an dessen numerischen Werthe
knüpfte.
Ich gebe jetzt neu angestellte Beobachtungen ausführ-
lieh an, weil Hr. Schmidt von den meinigen gänzlich ab-
weichende Resultate erlangt hat.
Im voraus will ich bemerken, dass ich mein früheres
Resultat durchaus bestätigt gefunden habe.
Ich habe nur an Spaltflächen beobachtet, während Hr.
Schmidt auch polirte Flächen benutzt hat. Letztere sind
von ihm mit dem Wernicke'schen Gelatineverfahren so lange
behandelt, bis dass der Haupteinfallswinkel mit dem berech-
neten Polarisationswinkel zusammenfiel. Dass dieses aber
kein Kriterium für die Reinheit einer Fläche ist, ist von
Hm. Voigt ^) schon früher unter Annahme einer homogenen,
später von mir 2) für eine beliebige Oberflächenschicht ge-
zeigt. Frühere directe Versuche von mir^) beweisen, dass
man die Wirkung der Politur durch das Gelatineverfahren
nicht völlig beseitigen kann.
Allgemeine Betrachtungen über die elliptische Polarisation
des von durchniehtigen Krystallen reflectirten Lichtes.
Ich möchte zunächst einige allgemeine Bemerkungen
über die Reflexion an krystallinischen durchsichtigen Medien
machen, die so eine Ergänzung zu den Auseinandersetzungen
des Hrn. Volkmann*) über diesen Gegenstand bilden sollen.
Bezeichnen JE", und Ep die Amplituden des senkrecht
und parallel zur Einfallsebene polarisirten einfallenden Lich-
tes, haben i?, und Rp die analoge Bedeutung für das reflec-
tirte Licht, so liefern die Lichttheorieen, nach denen auch
das reflectirte Licht stets linear polarisirt ist, wenn dies für
das einfallende stattfindet, die Gleichung:
li W. Voigt, Wied. Ann. 81. p. S26. 188T.
2. P. Drude, Wied. Ann. 80. p. 876. 18S9.
81 P. Drude, 1. c. p. 582.
4i P. Volkmann, AVied. Ann. 31. p. 719. 1SS8.
Reflexion an Kalkspatli, 267
B, M.E^ + m.Ej,
worin -Af, Nj m, n Functionen des Einfallswinkels y und
der Orientirung des Spiegels sind. Für gewisse Lagen ^) des
letzteren, sowie für isotrope Körper sind wi = n = 0.
Die Theorieen verlangen ferner bei Wachsen des y von
0 auf In für i?«//2p einen Zeichen wesel, der sich vollzieht
bei einem Einfallswinkel q\ für den i?, durch Null hiudurch-
geht. Dieser Zeichenwechsel von Rg kann als eine sprung-
weise Aenderung der Phase des senkrecht zur Einfallsebene
polarisirten Lichtes von 0 auf n gedeutet werden.
Der Winkel rp bestimmt sich aus der Gleichung:
(2) M.E. + m.Ep^O.
Man erkennt, dass, falls m nicht Null ist, y' vom Azi-
muth des einfallenden Lichtes abhängig ist, und dass auch
andererseits zu jedem beliebigen Einfallswinkel ein zugehö-
riges EgIEp gefunden werden kann, welches Ä, zu Null
macht.
Es werden nun eventuell Abweichungen zwischen den
aus der Theorie gezogenen Schlüssen und den Beobachtungen
bestehen.
lieber diese Abweichungen lässt sich, auch wenn man
sich nicht auf den Boden einer bestimmten Theorie zu ihrer Er-
klärung stellt^ Folgendes sagen:
1) Nach Analogie der bei isotropen Medien beobachte-
ten Erscheinungen wird sich die Phase des senkrecht zur
Einfallsebene polarisirten reflectirten Lichtes allmählich von
0 auf n ändern, und zwar innerhalb eines Bereiches des Ein-
fallswinkels, der den nach Gleichung (2) definirten Winkel
if\ d. h. den Winkel, für welchen unter normalen-) Verhält-
nissen Rg verschwinden musste, einschliesst. — Aus dem
oben über ([' Gesagten erhellt, dass sich bei hrystallinischen
Medien die elliptische Polarisation um jeden Einfallswinkel lagern
1) Diese Lagen treten ein, wenn eine optische Symnietrieaxo in die
Spiegelnormale, eine zweite in die Einfallsebene fällt, oder wenn bei ein-
axigen Krystallcn der Hauptschnitt mit der Einfallsebene identisch ist.
2i Unter normal .sind diejenigen Verhältnisse verstandon, die die
Theorie bei der Ableitung: d<T Formell (1) voraussetzt.
268 P. Drude.
kann. Ich werde unten Beobachtungen angeben, die dies
bestätigen.
Hinsichtlich des Verhaltens der Amplitude i?« de^ senk-
recht zur Einfallsebene polarisirten reflectirten Lichtes kann
die Abweichung von der Theorie eintreten , dass sie für
keinen Einfallswinkel verschwindet und für den Winkel (f\
für den sie nach Gleichung (2) verschwinden sollte, sich von
Null immer noch um einen kleinen Werth d unterscheidet.
— Ueber die Beziehungen zwischen d und der Phasenver-
zögerung kann man nur das sagen, dass letztere existiren
muss^), falls 8 von Null verschieden ist, aber nicht umge-
kehrt.
2) Nach Analogie der bei isotropen Medien beobach-
teten Erscheinungen wird das parallel der Einfallsebene pola-
risirte reflectirte Licht eine merkbare Abweichung von dem
seitens der Theorie verlangten Verhalten hinsichtlich Ampli-
tude und Phase nicht zeigen.
3) Das Verhalten von Ä,/Äj,, sowie der relativen Pha-
senverzögerung A des senkrecht zur Einfallsebene polarisir-
ten Lichtes gegen das in derselben polarisirte ergibt sich
nach dem obigen von selbst. Bei streifender Incidenz muss
J Null sein, denn man kann dann ohne Aenderung der Er-
scheinungen die reflectirende Fläche ganz fortnehmen, bei
senkrechter Incidenz muss J sich von n um einen Werth
unterscheiden, der von höherer Ordnung kleiner ist, als die
für SRp*) gültige absolute Phasenverzögerung. Denn für 7^= 0
kann 9ip von 9}, hinsichtlich Phase und Amplitude nur um
eine Grösse abweichen, die von der Ordnung der Differenz
der Brechungsexponenten des Krystalls ist.^)
1) P. Drude, Wied. Ann. 3«. p. 535. 1889.
2) 91 bedeutet hier eine Abkürzung für das parallel der Eiufalls-
ebene polarisirte reflectirte Licht. Diese Abkürzung ist im Folgenden
öfter gebrauclit.
3) Es ist auffallend, dass Hr. Schmidt gefunden hat (1. c. p. 366),
dass J beim Uebcrgang von senkrechter zu streifender Incidenz nicht
mehr die Wertbc von 0 bis \l durchliefe. Ich kann hierfür weder in
der Sc hm id tischen Arbeit eine auf ein Experiment gegründete Angabe
finden, noch ist es denkbar, wenigstens nicht solange die absolute Pha-
senverzögerung von 9{^, unter die Grenze des Messbaren fällt, eine solche
Erscheinung constatiren zu köimen.
Reflexion an Kalkspath. 269
Ueber die genannten Abweichungen zwischen ursprüng-
licher Theorie und Erfahrung lässt sich noch weiteres sagen,
trenn man zu ihrer Erklärung die Vorstellung einer natürlichen
oder künstlichen Oberflächen- oder Uebergangsschicht benutzt Ich
will hier die diesbezüglichen Formeln nicht angeben, sondern
hoffe, an einer anderen Stelle ausführlicher darauf zurück-
kommen zu können. Ich will hier nur bemerken, dass die
Methode, wie ich sie bei isotropen Körpern angewandt habe,
sich auch auf krjstallinische ausdehnen lässt. und ich auf
diesem Wege die Formeln für die allgemeinste krystallini-
sehe Oberflächenschicht, die denkbar ist, d. h. falls die Bre-
chungsexponenten und die Lage der optischen Axen eine
beliebige continuirliche oder discontinuirliche Function der
Dicke der Schicht sind, aufgestellt habe.
Selbst in diesem allgemeinsten Falle erhält man analog
wie bei isotropen Körpern für durchsichtige Medien das
Besultat, dass die Phase von 9{« eine Verzögerung erleidet,
die in der Nähe des Einfallswinkels (p^ für den beim Fehlen
der Oberflächenschicht die Amplitude von 9}, verschwinden
würde, merkbar wird und für q>' selbst den Werth \X er-
reicht^), dass die Amplitude von 9t« selbst bei Einfallswin-
keln, in denen schon eine Verzögerung der Phase merklich
ist, von der Oberflächenschicht nicht beeinflusst wird; nur
für den Winkel y' selbst oder in seiner nächsten Umgebung
hat die Amplitude von 91, nicht den Werth Null, sondern
einen kleinen Betrag ö, den die Theorie mit der auftreten-
den Phasenverzögerung durch eine Relation verbindet
Es kann aber eintreten, dass für die Beobachtungen (>
unmerklich klein, während die Phasenverzögerung wohl
merkbar ist.-)
Für das in der Einfallsebene polarisirte Licht 9tp erhält
man das Resultat, dass, falls man gewisse Azimuthe des ein-
1) Nach dieser Theorie bestätigt sich daher die Volkmann'sche
(1. c. p. 725) VermuthuDg, dass bei Krystallen der Grad von erreichbarer
Polarisation dorch Reflexion ein höherer sei, als bei isotropen Medien, nicht.
2) Dieser Punkt machte es schwierig, die von der Theorie geliefert«
Relation zwischen ö und J an Beobachtungen zu prüfen. Bei den bin
jetzt angestellten Beobaclitungon ist entweder 8 gar nicht bestimmt oder
zu ungenau.
270 P. Drude.
fallenden Lichtes ausschliesst, für die Ep sehr klein ist, dann
die Phase von ^p theoretisch zwar eine Verzögerung erleidet,
die jedoch stets so klein ist, dass sie durch Beobachtungen
nicht zu constatiren sein wird. Die Amplitude Rp wird
durch die Oberflächenschicht nicht beeinflusst.
Schliesst man dagegen nicht aus, dass Ep auch sehr
kleine Werthe annehmen könne^ so kann man für ^p ab-
weichend von dem für isotrope Medien gültigen Verhalten,
den Schluss ziehen, dass es sich analog wie 91» verhält, und
dass der Einfluss der Oberflächenschicht sich in der Um-
gebung eines Winkels cp" geltend macht, für den bei Fehlen
der Schicht die Amplitude Rp verschwinden müsste. Dieselbe
hat dann aber für alle EiDfallswinkel sehr kleine Werthe,
sodass auch in diesem Falle der Einfluss der Oberflächen-
schicht auf ^p experimentell kaum zu ermitteln wäre.
Das Verhalten von RJRp ergibt sich aus dem Vor-
stehenden von selbst. Nur für sehr kleine Ep können com-
plicirte Verhältnisse eintreten, die aber hier, als von prak-
tisch geringem Interesse, übergangen werden mögen.
Wir sehen, dass sich das Gebiet der elliptischen Pola-
risation um alle EiDfallswinkel lagern kann. Wenn man
einen Kry stall auf die elliptische Polarisation, die durch
Keflexion linear polarisirt einfallenden Lichtes entsteht,
untersuchen will, so handelt es sich darum, die Bedingungen
so zu wählen, dass die elliptische Polarisation möglichst gut
messbar wird. Wir wollen sehen, welcher Einfallswinkel rp'
sich hierfür am besten eignet. ^)
Zur Beurtheilung der Grösse der elliptischen Polari-
sation kommt es darauf an, die relative Verzögerung J für
zwei Einfallswinkel zu messen, die dem Winkel cp' von zwei
Seiten möglichst nahe kommen.
Die Annäherung lässt sich um so vollständiger errei-
chen, je grösser Bg ist. Zeigt die Beobachtung, dass R, auch
1) q>' ist im Folgenden nicht als der Winkel defiuirt, für den die
Amplitude von It^ tbatsächlich verschwindet, sondern als der Winkel,
für den sie im normalen Falle verschwinden müsste. q' ist einfach
durch die Gleichung (2) als Function des Aziniuths des einfallenden
Lichtes und der Orientirung des Krystalls gegeben.
Reflexion an Kalkspat h. 271
für den Winkel (p' sich noch merklich von Null unter-
scheidet, 80 kann man ii für <f ^ tp' selbst messen. Ist dies
nicht der Fall, so kommt es auf die starke Aenderung von
Bg mit tp an. Bei der Beurtheilung der Abhängigkeit der
Amplituden vom Einfallswinkel kann man mit grosser An-
näherung die Gleichung (l) benutzen, die mit voller Strenge
eyentuell nicht mehr gültig ist. Man sieht, dass es so auf
das Verhalten der Functionen dMjdg}, dm/d^p ankommt.
Man könnte daher denjenigen unter den Winkeln fp' ftür den
geeignetsten halten, q>Q, für den die Aenderung von B, mit ff
ein Maximum ist. Es wäre dann für eine bestimmte Orien-
tirung eines krystallinischen Spiegels dieser Werth cpj und
ein zugehöriges Azimuth des einfallenden Lichtes bestimmt,
denn zu der Gleichung (2) käme noch:
und (2) und (3) lassen y^' und EJEp bestimmen.
Indess empfiehlt es sich noch mehr, in der Nähe eines
anderen Winkels qp' Beobachtungen für ^ anzustellen. Der
Compensator, mit welchem J gemessen wird, gestattet näm-
lich die genauesten Einstellungen, falls B,=^Bp ist. Ich
habe daher schon bei den früheren Beobachtungen ^) an
isotropen Medien den Analysator auf diese Bedingung fest
eingestellt gelassen und den Polarisator auf Dunkelheit ge-
dreht, d. h. das Azimutli des einfallenden Lichtes so gewählt,
dass stets B, = Bp war.
Unter diesen Bedingungen erhält man für jede Orien-
tirung der Krystallfläche nur einen Winkel <jp' (er möge mit
<p bezeichnet werden) und ein zugehöriges Azimuth EgjEj,
des einfallenden Lichtes.
Die Bedeutung von y und E^fEp ist die, dass unter
ihnen überhaupt kein Licht reflectirt würde , falls die elliptische
Polarisation fehlte j d, h, die Gleichung (I) strenge Gültigkeit
besässe,
Sie lassen sich bestimmen aus den Gleichungen:
(4) M,E,+ m.Ep = Q, n. E. + N.Ep =^0.
\) P. Drude, Gott. Nachr. 11, p. 275. 1888. Wied. Aiid. 3(>. p. 532.
1S89.
i
272 P. Drude.
Die Definition von ^ lässt sich auch direct auf isotrope
Körper und die Fälle, wo m^n^O sind, übertragen. Da N
nicht verschwinden kann, so erhält man in diesen Fällen:
:^ = 0, Af = 0.
Letztere Grleichung liefert den Polarisationswinkel.
Der so definirte Winkel (p scheint in praxi mit tp^ nahe
zusammenzufallen.
Diese Betrachtungen unterscheiden sich von denen des
Hrn. Volk mann dadurch, dass sie nur an das reflectirte
Licht anknüpfen und nicht an das durchgehende. Dass dies
berechtigt ist, erkennt man nicht nur auf Grund der Vor-
stellung einer Oberflächenschicht, sondern auch ohne sich
eine bestimmte Erklärung über das Zustandekommen der
elliptischen Polarisation zu machen. Es muss für die Er-
scheinungen der elliptischen Polarisation gleichgültig sein,
wieviel durchgehende Wellen zu Stande kommen, es entsteht
in jedem Falle nur eine reflectirte Welle.
Hr. Schmidt^) behauptet, dass, wenn man nicht im
uniradialen Azimuth, d. h. bei demjenigen Äzimuth des ein-
fallenden Lichtes, für das nur eine gebrochene Welle zu
Stande kommt, beobachte, durch eine Superposition der
Wirkungen der extraordinären und ordinären Welle auf das
reflectirte Licht die Erscheinung der elliptischen Polarisation
verdeckt werde. — Dem gegenüber muss ich sagen, dass dies
nur für gewisse specielle Orientirungen der Krystallfläche
und bestimmte Azimuthe des einfallenden Lichtes denkbar
sei, und zwar dann, wenn in dem uniradialen Azimuth,
welches der ordinären Welle entspricht, positive elliptische
Polarisation auftrete, dagegen in dem Azimuth, welches der
extraordinären Welle entspricht, negative, und wenn das
Azimuth des einfallenden Lichtes so gewählt ist, dass der
Einfluss der beiden Wellen gleich stark wird.
Nun ist aber an Spaltflächen auch von Hrn. Schmidt
nur positive Ellipticität beobachtet, ich habe ferner für die
verschiedensten Orientirungen der reflectirenden Fläche nur
äusserst kleine und positive Ellipticität erhalten, und ausser-
dem habe ich stets bei jeder Lage der Fläche das Azimuth
1) K. E. F. Schmidt, 1. c. p. 369.
Reflexion an Kalkspath. 273
des einfallenden Lichtes geändert, ohne dass sich ein Ein-
flass auf die Grösse der Yerzögemng J merkbar gemacht
h&tte.
Demnach möchte wohl die Behauptung des Hm. Schmidt
hinfUlig sein. — Um jedoch noch eventuellen Einwänden
▼orzubeugen, habe ich eine Beobachtungsreihe unter densel-
ben Bedingungen wie Hr. Schmidt, d. h. in uniradialem
Azimuth, angestellt. Ich theile sie unten mit.
BeobachtungeD.
Die Beobachtungsmethode ist dieselbe, die ich früher
bei durchsichtigen Medien anwandte. Ich verweise daher
betreffs der Apparate auf die frühere Beschreibung.^)
Ich will hier nur hervorheben, dass die besondere Con-
struction des Oompensators, mit welchem die relative Ver-
zögerung J gemessen wurde, die Anwendung eines auf
Parallelstrahlen eingestellten Femrohrs erlaubte, und dass
ich ferner mit Sonnenlicht ohne Abblenduug durch rothe
Gläser beobachtete. Beide Punkte lassen eine grosse Hel-
ligkeit zu, sodass die Genauigkeit der Einstellungen eine
höhere war, als die von Hm. Schmidt erreichte.*) — Dass
mit weissem Licht genau einzustellen möglfch war, lag daran,
dass die auftretende Verzögerung sehr klein war, sodass der
Compensator stets in der Nähe seines Nullpunktes stand,
welcher sich für alle Farben gleich verhält.
In betreff dieses Nullpunktes sei noch bemerkt, dass er
sich etwas verschob ^, wenn die Lichtstrahlen unsymmetrisch
die Femrohre durchsetzten. Dies war bei den Beobach-
tungen öfter der Fall. Das Sonnenlicht fiel nämlich ohne
Anwendung einer Sammellinse auf die ca. 1,5 mm Durch-
messer haltende kreisrunde Oeffnung des CoUimatorrohres.
Dies hat einen doppelten Vortheil: einmal sah man das Bild
der Oeffnung auf der Krystallfläche projicirt, und man konnte
so in allen Orientirungen der Fläche dieselbe Stelle als
Spiegel benutzen. Ausserdem kann man infolge der Elein-
1) P. Drude, Wied. Ann. 34. p. 489. 1888.
2) K. £. F. Schmidt, 1. c. p. 362 Anm. 1.
3) cf. P. Drude, 1. c. p. 513.
Ann. d. Phjt. a. Chna. N. F. XZXTIII. 18
274 R Drude.
heit der reflectirenden Stelle (ca. 2 qmm) sich dieselbe auf
der Spaltfläche auBSucheni und dies ist bei Medien, die, wie
der Kalkspath, nur in kleinen Ausdehnungen wirklich gute
Spaltflächen aufweisen^ durchaus nöthig. Es wurden zu den
Beobachtungen stets Stellen benutzt, die ein sehr gutes
reflectirtes Oeffhungsbild ohne jeden diffusen Lichtschein
aufwiesen.
Es wäre ja auch leicht möglich gewesen, die Licht-
strahlen stets central durch Collimator und Fernrohr zu leiten,
indess ist die genaue Kenntniss des Nullpunktes des Com-
pensators hier gar nicht erforderlich. Bei sogenannter posi-
sitiver elliptischer Polarisation muss nämlich fär Einfalls-
winkel, die kleiner als tp sind, bei dem von mir benutzten
Apparate der Compensator eine Zahl aufweisen, die über dem
Nullpunkte liegt, für Einfallswinkel, die grösser als (p sind,
eine unter ihm liegende Zahl, immer vorausgesetzt, dass
man den Compensator in den dem Nullpunkt möglichst be-
nachbarten Lagen benutzt.
Es kommt nun bei Beurtheilung der Grösse der EUip-
ticität nur auf die Differenz in den auf beiden Seiten Ton q*
beobachteten Einstellungen an. Es ist demgemäss in der Be-
rechnung der Beobachtungen so verfahren, dass als Null-
punkt das Mittel aus den beiden Compensatoreinstellungen
genommen ist, die sich für zwei um 1^ oder mehr nach der
positiven und negativen Seite von (p abweichende Einfalls-
winkel ergeben. Der so berechnete Nullpunkt weicht von
dem direct beobachteten (36,11) meistens nur um ca. zwei
Trommeltheile (36,13 bis 36,09) ab.^) 17,84 Umdrehungen
des Compensators entsprechen der Verzögerung einer Wellen-
länge (für Natriumlicht).
1) Ich konnte es durch stark seitliche Abblenduug erreichen, dass
sich der Nullpunkt um 14 Trommeltheile verschob. Dies scheint viel-
leicht eine Erklärung dafür zu liefern, dass »ich, wie ich früher angab
(Wied. Ann. :U. p. 494. 188S) der Nullpunkt bei Aenderung der Stellung
de.< Analysators und Polarisators verschob. Jedenfalls ist eine Erklärung
durch eine prismatische Gestalt der Nicols, wie sie Hr. Schmidt gibt
(1. c. p. 361, Anm. 1), nicht zulässig, da der schwarze Streifen stets auf
das Fadenkreuz eingestellt wurde, und sich die Lage des ersteren nicht
änderte, auch wenn man den Collimator um Winkel verschob, die die
Ablenkung der Nicols weit überstiegen.
Reflexion an Kalhspath, 275
Die Spaltflächen wurden auf ein Liebisch'sches Total*
refleotometer mit abgenommenem totalreflectirendem Prisma
gesetzt Es konnte so leicht das Azimuth des Hauptschnittes
gegen die Einüallsebene bestimmt werden. Die Orientirung
der Fl&che erforderte allerdings immerhin einige Zeit» sodass
mindestens 8 Minuten nach der Spaltung Terstrichen sind,
beTor Einstellungen gemacht wurden.
Betreffs des Sinnes der Kreistheilungen Ton Polarisator
{P)j Analysator (A) und Refleotometer [T) sei bemerkt, dass,
falls man A mit P zur Deckung bringen könnte (d. h. fUr
^ a« 0) und T so gestellt wurde , dass der an ihm haftende
Spiegel das von P herrührende Licht nach A reflectirt, dann
alle drei Theilungen in demselben Sinne verlaufen. Für
P » 420 43' ist £, =:: 0, f&r ^ » 48021' ist R. » 0. Es möge
mit 09 das Azimuth des Hauptschnittes der Elalkspathfläche
gegen die Einfallsebene bezeichnet werden, und zwar sei
Ol SB Qo, wenn die stumpfe Ecke des Bhombo^ders nach dem
CoUimator zu liegt. Zeigt der (feste) Nonius an T für diese
Stellung den Werth T^y so soll er für das Azimuth (o den
Werth Tq + (0 zeigen. — Das sei hier bemerkt, um später
die gegenseitigen Lagen der Azimuthe unzweideutig erkennen
zu lassen.
Die Beobachtungen wurden in der Weise angestellt,
dass der Analysator so gedreht wurde, dass /Z« a R^ war
{A =a 30 2r Stellung I), dann wurde Compensator (C) und
Polarisator [P) auf Dunkelheit gedreht. Sodann wurde
R,^ -^R^ gemacht {Ä = 98o 21', Stellung 11) und wieder C
und P auf Dunkelheit eingestellt. Ist Pi=Pn, so kann
man A beliebig drehen, es bleibt stets dunkel, da überhaupt
kein Licht reflectirt wird, (p ist in diesem Falle identisch
mit (f'.
Weicht (f von cp um einen kleinen Winkel ab, so müs-
sen Pf und Pjj verschieden sein, und zwar müssen deren
Differenzen von annähernd gleicher Qrösse, jedoch entgegen-
gesetztem Zeichen sein für zwei Winkel 9?, die von cp um
gleich viel nach beiden Seiten abweichen, die Summe Pj+Pfj
muss constant bleiben. Dieselbe variirt dagegen mit w.
Pur Q> = 0 verhält sich der Krystall hinsichtlich der Reflexion
wie ein isotroper Körper, es ist m = n = 0. In diesem Falle
18*
27«
P. Drude.
muss also (/V + -P//) / 42^ 43' sein. Aas den Beobachtungen
folgen meist um einige Minuten höhere Werthe Ton Pj + Pn^
es mag dies daran liegen, dass OoUimator und Femrohr an
langen Armen angeschraubt werden, sodass sich die früher
bestimmten Normalstellungen um diesen Betrag geändert
haben können. Eine neue directe Festlegung derselben ist
unterblieben, da hier die Einstellungen des Polarisators nur
dazu dienen sollen, den Werth Ton (p zu ermitteln.
Ich theile hier die Resultate der Beobachtungen an
einigen Flächen mit; dieselben sind ca. 10 — 15 Minuten
nach der Spaltung vorgenommen, bei Fläche F nach etwa
IV2 Stunden. Die Ziffern I und II beziehen sich auf die
oben erwähnten beiden Analysatorstellungen. P ist das
Mittel von meist zweimaligen, C meist yiermaligen Einstel-
lungen. Letztere weichen im allgemeinen um höchstens acht
Trommeltheile, d. h. um 0,0045 A voneinander ab. J ist in
Wellenlängen angegeben. Für andere als die in den Ta-
bellen angeführten Einfallswinkel ergab sich J als nicht
merkbar von 0, resp. 0,5 verschieden.
Tabelle I.
Frische Fläche A.
a)n=0.
9
56<> 30' I
57 0 I
57 30
58 0
58 30
I
II
I
II
I
II
I
II
I
II
44'» 26'
41 43
43 41
42 24
42 58
43 2
42 6
43 51
41 24
44 82
36,24
36,22
36,50
36,40
} 0,5-0,
006
1 0,5-0,
018
l
I
35,91 \
85,91 I
36,04 \
36,01 I
+0,012
+0,006
Jt^zioH tat Kqlkspath.
277
Tabelh
5 n.
Frische Fläche F. q} b:
0.
P
c
A
56« 30'
1
I
II
44» 12'
41 22
36,19
86,14
1
0,5—0,007
57 0
1
I
II
43 26
42 12
36,45
36,45
1 .
1 1
1 1,
0,5—0,023
57 30
•
I
II
42 42
42 50
1 1
1 j
—
58 0
<
I
II
42 4
43 31
35,65
35,66
+0,022
58 30
1;
I
II
41 24
44 20
Tabelle
35,91
35,92
IIL
1
1 \
+0,007
Frische Fläche -E w = - 90«.
[Für ö = OS <p- 57*, C =« 36,40.]
<3P
P
46<» 52'
43 46
C
36,24
36,26
1
A
59<' 0'
1
w
0,5—0,006
59 30
i
46 4
44 38
36,51
36,39
0,6—0,017
60 0
1
1
11
45 18
45 10
60 30
1
1 1
44 16
46 14
35,72
35,82
+ 0,021
61 0
1
^^ ■
43 30
47 0
Tabelle
36,00
36,03
IV.
+0,006
Frische Fläche
B. 6> = <
0.
V
1
P
c
A
570 0'
)
1
I
II
430 43'
42 4
36,43
36,46
\
\
0,5—0,015
58 0
1
I
11
42 2
43 32
36,06
86,06
\
\
+ 0,007
278
R Drude.
Es folgen jetzt einige Beobachtungen an älteren Flächen.
A ist zwei Tage ruhig in der Stellung belassen, in der es
frisch beobachtet war, und gab dann folgende Werthe:
Tabelle V,
Alte Fläche A. co^O.
9>
hV C
58 30
{
I
n
I
II
48» 42'
42 25
41
44
27
82
86,90
36,76
35,84
35,86
039
) 0,5-0,
l +0,016
Ich theile die Compensatoreinstellungen für A ausführ-
lich hier mit. Die erste Hälfte bezieht sich auf Stellung I,
die zweite auf II, sie sind durch — getrennt.
(f, = 57^
Frisch: 36,49; 36,52; — 36,47; 36,34.
Alt: 36,89; 36,91; — 36,78; 36,74.
-RQOQA' Frisch: 36,07; 35,99; 36,06; — 36,03; 36,01; 86,00.
<p-.0ödu.^^. 35 gg. g5^^2; —85,86; 35,87.
Es ist also wenn auch ein geringes Anwachsen der
Ellipticität mit der Zeit constatirt.
Ich lasse noch die Beobachtungen an zwei zwei Tage
alten Flächen C und D folgen. Bei D war gesehen, dass
es nach dem Spalten durch Näherung des Fingers sich mit
einem Wasserhäutchen bedeckt hatte, das allerdings sofort
darauf verdunstete.
Tabelle VI.
Fläche C, w = 0.
Fläche n, G) = 0.
r^TO
57
58
( 1
\ 11
I I
43° 46'
42 14
42 12
43 42
36,62 1^ j, ^ ^oq
36,74 ("»»— "»"'^»
35,48 ^ innQQ
35,53 .( +"'"^^
43® 22'
42 10
42 0
43 32
C j J
I 0,5—0,084
36,84
36,80
ll'S ] +°'"'*
Im Folgenden ist eine Beobachtungsreihe enthalten, die
an der Fläche F unter denselben Bedingungen, wie sie Hr.
Schmidt an einer Spaltfläche festgelegt hat, erhalten sind.')
1) K. E. F. Schmidt, I. c. p. 364. Tabelle IV.
Reflexion an Kalkspath.
279
Es sind zu dem Zweck an einem durchsichtigen Spaltstück
für o> s 4^ 42^ ^) die uniradialen Aximuthe f&r die extra-
ordinären Wellen experimentell ermittelt, dann wurde das
Spaltstück fortgenommen und durch F ersetit Die Beob-
achtungen sind dicht den f&r /* bei a> » 0 angestellten Tor-
hergegangen. Unter J' sind die Werthe angeführty wie sie
Hr. Schmidt beobachtet hat.
T
'abe
lle VU.
Frische Fläche F.
(0 =
'. 4<> 42'
. Extraordinftre Welle.
V
.
d
P
1
A
A'
54«
50'
310
43'
55*
18'
36,10
0,5—0,002
0,5-0,02
56
20
41
82
55
53
36,11
0,5-0,008
0,5-0,07
56
50
44
40
56
21
36,14
0,5-0,004
0,5—0,11
57
20
47
28
56
25
—
M M
0,5—0,26
57
50
50
36
56
47
35,74
+0,018
+0,12
58
50
56
3
57
9
35,98
+0,004
+ 0,04
60
50
66
9
57
51
36,02
+0,002
+ 0,02
Zur Beurtheilung der Genauigkeit der Oompensatorein-
stellungen theile ich sie hier vollständig mit:
9
ff
54*
56
56
57
58
60
50':
20:
50:
50:
50 :
50:
36,08
36,25
36,21
35,75
35,96
36,04
86,11
36,05
86,14
35,84
35,93
36,00
36,11-
36,11-
36,16-
■35,88-
36,00 -
36,02-
36,11.
36,04.
36,09-
35,62-
35,96.
36,02.
36,13 - 36,1 1 - 36,17 — 86,10.
35,75—35,71 —35,60 - 35,77.
Aus den obigen Tabellen folgt, dass die Anordnung des
Experiments, wie sie Hr. Schmidt getroffen hat, für die
Compensatoreinstellung nicht sehr günstig war; denn es ist
Rg stets sehr klein gegen Rp. co hätte noch kleiner gewählt
werden müssen.
Ich theile im Folgenden die Resultate mit, welche ich
an einer Fläche G in verschiedenen Azimuthen (o erhalten
habe. Die Fläche G zeigte, da sie nicht ganz frisch war^
eine verhältnissmässig starke elliptische Polarisation, wenig-
stens eine von der Grrösse der bei den alten Flächen A^C^D
\\ In der citirten Arbeit steht 4^72'. Es ist dies als Druckfehler
aDgeaehen. £s kommt aber auf die genaue Grösse von (ü gar nicht an.
280
P. Drude.
erhaltenen. Sie hatte aber den Vorzug, der bei Kalkspath
sehr schwer zu erreichen ist, dass in allen Azimuthen scharfe
Bild^ erhalten wurden, wenigstens bei Anwendung von Sonnen-
licht, d. h. bei Benutzung einer kleinen spiegelnden Stelle. Ich
bemerke, dass fOr einige Azimuthe, nämlich bei denjenigen
der Tabelle, für die nur bei drei Einfallswinkeln beobachtet
ist, nicht Sonnenlicht, sondern das Licht eines im Linne-
mann'schen Knallgasbrenner glühenden Zirkonerdepräpara-
tes benutzt wurde, da die Sonne selten schien. In diesem
Falle ist eine grössere Stelle als Spiegel benutzt, die Bilder
waren nicht scharf, die Ellipticität daher auch etwas grösser.
Ich komme darauf weiter unten zurück.
Tabelle VIII.
Fläche Q.
(O
<p
9>
56,5<>
57,0
57,5
58,0
58,5
59,0
59,5
60,0
60,5
61,0
0«
42* 58'
57 22
'D
D
+ 0,431 +2,V
— -0,6
-0,43 -3,3
42<> 29'
57 45
42<> 30'
58 36
^D \ -^D \
'D
D
-0,7
0 I
+ 0,25, +3,5<>
+0,38 I +2,2
+ 0,3
-1,2
-2,7
-0,51
.i-0,25
-in
43" 42'
5d 81
Cv
Pd
+ 0,39
-0,39
+ 3,6^
+ 0,2
-3,2
0)
T
56,5«
57,0
57,5
58,0
58,5
59,0
59,5
60,0
60,5
61,0
45» 19'
60 0
'D
D
+ 0,22: +3,2«
+ 0,54! +1,7
. -0,1
-0,49 — l,fs
-0,22 -8,4
— V 7j
46<> 38'
59 37
— ^ 71
46« 30'
58 45
'D
'D
-0.38 -8,2
-0,23 ' -4,0
45*»
57
6'
50
'D
■ +0,23
1
+ 3,50 '
+ 0,39 1 +2,3 ,
+ 3,5«,
+ 0,6 ,
-0,7 1
+ 0,4
-0,42
-*AT
+ 0,18
+ 0,36
-0,37
-0,17
D
+ 3,7»
+ 2,3
+0,6
-0,3
o 1
-3,5
Reflexion an Kalkspath.
281
(Fortsetzung der Tabelle VIII.)
6»
1
n
1
*
1%
i i
n
^s
42»
56'
40<> 42'
89«
15'
39^
24
— 1
' 57
22
57 45
58
45
59
SO
V
Cz,
Pd
1 ' '
1. ^^ ^^ 1
Cx>
^D
>»
Pd
56,6<>
+0,17 +8,6®
1
!
57,0 '
1
1
, +0,28
+ 2,3
1
1
57,5
-0,3<>
—
+ 0,5
,
68,0
-0,6
1
58,5
-0,38 -2,2
1 —
+0,6*
+0,31
+3,0^
59,0
-0,16 -3,7 ,
59,5
1
i
+0,0
60,0
60,5
\
1
-0,81
-8,3
61,0
i.
1
M
i
n
i 840 50'
39«
50'
Ps
40<>
24'
40 52 1
48«
24
7>
60
' Cd
i
0
59 55 !
58
25
1
1
Od
Pd
t
56,50
57,0
I
1
1
57,5
1
1
+ 0,18
+ 2,70
58,0
1
+ 0,69
+ 1,4
58.5
1
1
-0,3
59,0
+ 0,27
+ 3,0^'
-0,55
-1,6
59,5
: +0,65 j +1,5 ;
-0,17
-3,5
60,0
-•- 1-0,3
60,5
1,-0,65 -1,9
61,0
, -0,17
-3,5'^
-0,27
-3,6
1
In der Tabelle bedeutet Fs das Mittel aus \[Pi + Pn)
für constantes w und variables y. Unter P^ ist die Difie-
renz Pi — Pn verstanden, unter Q, die Differenz zwischen
der beobachteten Compensatoreinstellung und dem Nullpunkt.
(7p ist das Mittel aus je vier Beobachtungen, tp ist aus den
Beobachtungen für P^ interpolirt, nämlich als derjenige Ein-
fallswinkel qp, für den JP^ verschwinden muss. Wo in der
Rubrik f&r C^ ein Strich steht, bedeutet das, dass es nicht
möglich war, den Compensator einzustellen, da das Bild bei
Drehung der Schraube desselben gleichmässig dunkel blieb.
Ich theile schliesslich noch zwei Beobachtungsreihen
mit, die zeigen sollen, dass man durch Variation des Azi-
muths e des einfallenden Lichtes es erreichen kann, dass
282
P. Drude.
sich die elliptische Polarisation um die yerschiedensten
Winkel lagert.
Die Beobachtungen beziehen sich auf die Fläche G^ im
Azimuth cu » — 00^. In den Torigen Tabellen lagerte sich
die elliptische Polarisation für diesen Fall um 9 = 60^.
Es ist nun auch f&r (p^hV^ und q> ^ 50^ der Analy-
sator A auf 48^ 2r eingestellt, d. \l B^^Q gemacht, und
dann die zugehörigen Stellungen des Polarisators, in denen
Dunkelheit eintrat, ermittelt.
Tabelle IX.
Fläche G. w = - 90».
9
Ä
P
C
86,72
85,53
J
580
59
60 ,
510 28'
48 21
45 4
170 13'
17 13
17 13
0,5—0,033
+0,033
450 .
50
55 1
490 48'
48 21
47 16
3240 ü'
824 0
824 0
36,42
35,53
0,5—0,025
___
+ 0,025
Man sieht, wie für kleinere Winkel <p (50^) J?, weit
schwächer varürt, als in der Nähe von ff, und dass sich die
elliptische Polarisation um jeden Einfallswinkel lagern kann.
Die von Hrn. Schmidt gemachte Beobachtung^) der Ab-
hängigkeit des elliptischen Polarisationsgebietes vom Azi-
muth (D hat daher ohne Angabe des Azimuths des einfallen-
den Lichtes keine Bedeutung.
Discussion der Beobachtungen.
Die Tabellen zeigen deutlich, dass bei der Reflexion
linear polarisirten Lichtes an Ealkspathspaltflächen ellip-
tische Polarisation zwar vorhanden ist, dass sie aber ausser-
ordentlich klein ist im Vergleich mit der an polirten Flächen
beobachteten. Dieselbe wächst mit der Zeit, wenn auch nur
langsam, aber durchaus merkbar. Das früher gefundene
Resultat, dass ich an Kalkspath nur eine Maximalverzöge*
rung von 0,0168 P. beobachtet habe, ist an frischen Flächen
hier bestätigt. Ich brauche daher die früher infolge dieser Bf-
obachtungen ausgesprochenen Sätze nicht zu ändern.
1) Schmidt, 1. c. p. 370.
Reflexion an Kalkspatk. 283
Ausserdem zeigen die Tabellen, dass R, für einen be-
stimmten Einfallswinkel (p nicht merklich Ton Null abweicht.
Für Ol » 0 ist er identisch mit dem aus der Formel (2) be-
rechneten 57^ 22^, für andere Azimuthe ist die Berechnung
unterblieben.
Die Abhängigkeit der Erscheinungen Tom Azimuth (o
zeigt die Tabelle VIII. Die elliptische Polarisation knüpft
sich nur an den Winkel qp, wie die Theorie Terlangt. Sie
ist femer stets positiv. Ich will bemerken , dass durch die
Tabelle YIII nur Lagerung und Sinn der EUipticität gege-
ben werden soll, die numerischen Werthe Ton J sind bei
ihrer Kleinheit, und da in yerschiedenen Azimuthen zum
Theil mit Sonnen-, zum Theil mit Zirkonlicht beobachtet
ist, nicht genau genug, um durch sie irgend welche Fragen
über die Constitution einer eventuellen Oberflächenschicht,
z. B. ob sie isotrop oder anisotrop sei, entscheiden zu wollen.
Die Tabelle VIII zeigt ferner, dass (p symmetrisch um
die Azimuthe (a^O^ und (0= 90^ liegt Setzt man Ep/Eg^ tg f,
so sieht man, dass « = 0 ist für oo « 0 und <d ^ n, da dann
der Polarisator fast in der Lage steht, in welcher jE'j» = 0
(cf. p. 275). 6 hat gleich grosse, aber entgegengesetzte Werthe
für Azimuthe (o, die symmetrisch zum Hauptschnitt liegen.
Um eine deutliche Anschauung von diesen Verhältnissen
zu gewinnen, ist eine Figur (Fig. 7) gezeichnet. Die Werthe von
€ sind von dem Kreise € » 0 zu beiden Seiten längs der Ra-
dien aufgetragen, ebenso die Werthe von <p von einem
Kreise, der dem Werth qp = 58,7^ — dem Mittelwerth —
entspricht.
Ich bin überzeugt, dass sich die so experimentell ge-
fundenen Ergebnisse auch durch analytische Discussion aus
der Formel (1) ableiten lassen werden. Diese Berechnung
ist aber als aus dem Rahmen des hier zu Behandelnden
fallend, unterblieben.
Tabelle VII lässt den Unterschied zwischen den Beob-
achtungen des Hrn. Schmidt und meinen deutlich hervor-
treten. Hrn. Schmidt ist es sogar gelungen, für den Winkel
ff selbst den Compensator einzustellen, was für eine gewisse
Grösse von A« spricht. Leider lässt sich dieselbe nicht aus
den Schmidt'schen Beobachtungen entnehmen, da die An-
284 P. Drude.
gaben über die Analysatorstellungen fehlen, aber schon der
Umstand, dass es bei allen Spaltflächen möglich war, den
den Gompensator für qp n ^' einzustellen, l&sst erkennen,
ein wie grosser Unterschied zwischen den Schmidt'schen
und meinen Resultaten besteht.
Die Erklärung dieses Unterschiedes ist yielleicht in
Folgendem zu suchen:
Hr. Schmidt gibt an^), dass infolge der mangelhaft
reflectirenden Fachen die Streifen im üompensator ver-
waschen waren, und infolge dessen die Einstellung schwierig,
dass ferner nur ein kleiner Flächentheil bei Abbiendung des
übrigen benutzt werden konnte, der von faserigen Bezügen
frei war.
Ich hebe dem gegenüber hervor, dass bei den von mir
bei Sonnenlicht angestellten Beobachtungen die refiectirten
Bilder tadellos scharf und ohne jeden diffusen Lichtschein
waren. Es ist dies bei Kalkspath schwer zu erreichen, vor-
züglich im Azimuth (d ^ 90^, da meist kleine Riefen parallel
dem Hauptschnitt verlaufen, welche das Bild hauptsächlich
stören, wenn sie senkrecht zur Einfallsebene liegen. — Ich
habe beobachtet, dass, wenn obige Versuchsbedingungen nicht
erfüllt waren, dann stärkere elliptische Polarisation auftrat.
So wurden bei der Fläche /* für (0 = 90^ und 9> = 62^ 30'
Compensatoreinstellungen gefunden, deren Mittel 35,23 war,
d. h. bei einem Winkel, der sich um 2^ von (p entfernte,
eine Verzögerung von 0,05 A.
Bei einer anderen Fläche, welche, wie eine Besichtigung
mit dem Mikroskop ergab, sehr viele kleine Riefen hatte,
zeigte sich eine elliptische Polarisation von erheblicher Grösse,
sowohl für 0) = 0, als cü = 90^, beidemal in positivem Sinne.
Es verschwand € für keinen Einfallswinkel, sondern hatte
die Minimalgrösse 2^ 12'. Ich möchte aber nicht entschieden
behaupten, dass die Riefen allein diese starke EUipticität
hervorgerufen hätten, da die Fläche matt aussah, und ich
nicht mehr constatiren konnte, ob sie durch Spaltung frisch
hergestellt war. Jahre alte Flächen zeigen immer sehr
starke elliptische Reflexion.
1) Schmidt, l. c. p. 357 u. 361.
Reflexion an KaVcspath, 265
Dass Beugnngserscheinungen den Werth von A auch
beim direct reflectirten Bild beeinflussen, habe ich durch
monatelange Beobachtung an Metallen genugsam constatiren
können. Daher ist auch eine Abbiendung durch Schirme^
wenn die benutzte Fläche sehr klein ist, hier gef&hrlich, und
die Anordnung ist besser so zu treffen, dass, wie ich ver-
fuhr, eine kleine Stelle ohne abblendende Schirme benutzt
wird.
Es können aber die Störungen des reflectirten Bildes
nicht nur durch die Beschaffenheit der Oberfläche herYor<>
gerufen werden, sondern auch durch Reflexion an inneren
Sprungflächen oder an der Hinterfläche. Es sind zu meinen
Beobachtungen nur Ealkspathstückchen benutzt, die frei von
inneren Sprüngen waren und so dick im Yerhältniss zum
Querschnitt, dass das von der Rückfläche reflectirte Bild
nicht zur Yorderfläche gelangen konnte.
Ich bemerke, dass, selbst wenn man die Rückfläche
schwärzt, immer noch so viel Licht von ihr reflectirt wird,
dass es bei (p ^^ das von der Yorderfläche reflectirte weit
überstrahlt Ich habe deshalb nach Aufsuchung der un-
iradialen Azimuthe an einem dünnen Spaltstück dasselbe zu
den Beobachtungen wieder durch ein dickes ersetzt Ob
diese Yorsicht von Hrn. Schmidt ebenfalls angewandt ist,
kann ich aus seinen Angaben nicht ersehen.
An einer fünf Tage alten unberührten Spaltfläche, welche
eine Dicke von ca. 5 mm hatte, und wo das reflectirte Bild
nicht frei von etwas diffusem Lichte war, welches von der
Rückfläche herrühren konnte, wurde für o) = 0 und ^ = 57^
constatirt J = 0,5 — 0,05 A, für y = 58^: i4 = + 0,04 A, eine
Yerzögerung, die zwar immer noch klein, aber schon erheb-
lich grösser als die unter normalen Bedingungen erhaltene ist
Es war stets constatirt, dass, sowie durch die Einstel-
lungen im Oeffnungsbild ein völlig schwarzer Streifen mit
rothen und blauen Rändern erschien, sehr kleine Yerzöge-
rungen auftreten, sowie dagegen sich nicht völlige Dunkel-
heit erzeugen liess, d. h. das reflectirte Licht nicht einen
einheitlichen Schwingungszustand hatte, die Yeraögerungen
wuchsen. — Ich habe allerdings solche von der Grösse, wie
286 P. Drude.
sie Hr. Schmidt gefanden hat, nur an der einen matten
Fläche (cf. p.284) constatiren können.
Infolge der von Hrn. Schmidt beobachteten starken
elliptischen Polarisation ist es erklärlich, dass eine Aende-
rong mit der Zeit nicht merkbar war. Denn eine durch
wahrscheinlich secundäre Einflüsse hervorgerufene starke
elliptische Polarisation muss eine kleine Aenderung der
natürlichen Polarisation verdecken.
Das Besultat der hier angegebenen Beobachtungen ist,
dass frische Kalkspathspaltstücke eine ausserordentlich kleine
elliptische Polarisation besitzen. Ob man mit demselben
Bechte, wie vom Menilit und Alaun, von einem gänzlichen
Fehlen derselben reden kann, will ich nicht entscheiden, da
in den diesbezüglichen Beobachtungen Jamin's nähere An-
gaben fehlen. Ich will noch bemerken, dass man selbst die
bei frischen Spaltstücken auftretende geringe elliptische Pola-
risation noch nicht einer rein natürlichen Oberflächenschicht
zuzuschreiben gezwungen ist, d. h. dass man bei festen
Körpern, die frei von irgend welchen, ihre Oberfläche ver-
ändernden Einflüssen sind, annehmen müsste, dass der Bre-
chungsexponent im Inneren ein anderer als an der Ober-
fläche ist, z. B. continuirlich durch dazwischenliegende
Werthe von den Werthen im Inneren zu den in Luft statt-
findenden überginge. Denn z. B. Wasser- und Kohlensäure-
gehalt der Luft können die Oberfläche verändern, wie das
allmähliche Wachsen der elliptischen Polarisation andeutet.
Ich halte vielmehr an der früheren Ansicht fest, dass eine
natürliche Oberflächenschicht von festen Körpern optisch noch
7iicht nachgewiesen istj und diese bei reiner Oberfläche annähernd
keine elliptische Polarisation zeigen,
Nachtrag.
Ich benutze die Grelegenheit, auf einige von Hrn. Schmidt
in der citirten Arbeit gemachten Einwürfe gegen meine frü-
heren Beobachtungen an Steinsalz Etwas zu erwidern.
Die oben erwähnten anerkannten Mängel der Spaltbar-
keit des Kalkspaths zeigt das Steinsalz nicht. Es ist bei
Steinsalz ein leichtes, dicke Spaltstücke zu erhalten, die
tadellose Bilder liefern. Dieses, sowie der Punkt, dass es
Reflexion an Kalkspath, 287
für die ersten Versuche wünschenswerth ist, isotrope Körper
zu behandeln^ da sich die Verhältnisse für das Aadmuth des
einfallenden Lichtes dort am einfeu^hsten gestalten, lassen die
Wahl des Steinsalzes zu diesen Versuchen nicht als unglück-
lich erscheinen. Wenn Steinsalz trotz der hygroskopischen
Eigenschaft kleine elliptische Polarisation zeigt, so ist da-
raus eher ein Beweis für, als einer gegen die Behauptung
zu ersehen, dass sie bei frischen Spaltflächen fast ganz fehlt.
— Gegenüber der Schmidt'schen Behauptung, dass der
Brechungsexponent des Steinsalzes so klein sei, dass sich
nach Jamin's Gesetz nur eine kleine elliptische Polarisation
erwarten lasse, sage ich nur, dass die meisten Crownglas-
sorten, bei denen stets eine starke Ellipticität constatirt ist,
Brechungsexponenten haben, die kleiner als die des Stein-
salzes sind. Ausserdem ist das Jamin'sche Gesetz der Ab-
hängigkeit der elliptischen Polarisation polirter Körper vom
Brechungsindex nur als eine Annäherung zu betrachten, wie
ein Blick auf die Jamin'sche Tabelle lehrt. Ich erwähne
nur, dass der kritische Brechungsexponent, für den die
elliptische Polarisation verschwinden soll, das Mittel aus
1,428 und 1,482 ist, und dass Diopsid vom Exponenten 1,378
deutliche positive Ellipticität gezeigt hat Hr. Schmidt
hat selbst die Ausnahmen davon an Kalkspath beobachtet,
denn unter gewissen Orientirungen wird der kritische Bre-
chungsexponent 1,46 fast erreicht, ohne dass die Ellipticität
nach Hrn. Schmidt bedeutend kleiner geworden ist.
Zum Schluss möchte ich bemerken, dass der Diamant,
der in seinem eigenen Staube geschliflFen wird, nicht, wie
Hr. Schmidt meint, von verunreinigenden Einflüssen bei
der Politur frei ist und durch seine starke Ellipticität ein
Beispiel gegen das hier Behauptete abgeben kann. Denn
das Diamantpulver wird nicht trocken angewandt, und selbst
wenn das der Fall wäre, so zeigen meine früheren^) Beob-
achtungen an Spaltflächen, wie leicht die Körper schon durch
sogenanntes Abputzen verunreinigt werden.
Göttingen, Phys. Inst., den 17. Juli 1889.
1) P. Drude, Gott. Nachr. 11. p. 281. 1888. Wied. Ann. 36.
p. 540. 1888.
288 L. NatansoTU
X. Veber die Mnetische Theorie
der IHssociiMtitmserschei/n/ungen in Ckisen;
van Ladislaus Natanson.
Bekanntlich ist das Problem der Dissociation gasförmiger
Körper nach der thermodynamischen Methode von verschie-
denen Forschem mit Erfolg behandelt worden. Versucht
man, die kinetische Theorie darauf anzuwenden, so findet
man, dass es schwierig ist, eine Rechnung durchzuführen,
ohne gewisse Annahmen über die Yerbindungsweise der
Atome in G-asmolecülen zu Grunde zu legen. Danach muss
die erste Aufgabe der Theorie darin bestehen, derartige, mit
der Erfahrung verträgliche, anderweits aber möglichst allge-
meine Annahmen festzustellen. Da dieser Gegenstand nicht
genügend klarzuliegen scheint, so erlaube ich mir, einen ein-
fachen Fall einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
§ 1. Im Baume v sind N^ freie Atome und N^ zwei-
atomige Molecüle enthalten; sämmtliche Atome sind gleich-
artig. Die gesammte Anzahl derselben ist N^ N^ + 2N^*
Ist die Masse eines Atoms m, so ist miNT die Gasmasse; in
der Folge setze ich voraus, dass wir es immer mit der Massen-
einheit zu thun haben. Das Problem, welches man gewöhn-
lich betrachtete, ging dahin, dass Yerhältniss N^jN (den Dis-
sociationsgrad) als Function des Druckes und der Temperatur
zu bestimmen; und zum Ziele gelangte man etwa auf folgen-
dem Wege.
Mit p^ und p^ seien die Partialdrucke der beiden Gase
(des molecularen und des atomigen), mit p der Totaldruck,
mit t die allgemeine Temperatur, mit E^ und E^ die Mittel-
werthe der kinetischen Energie eines freien Atoms und des
Schwerpunktes eines Molecüls bezeichnet. Vom Dissociations-
vorgange abgesehen, sollen beide Gase vollkommene Gase
sein. Danach setzen wir:
(A) \p^^ = N^E^\ \P2^^Nt^t\ P=Pi+Pi'
Dem Maxweir sehen Satze zufolge setzen wir weiter
E^ ^ E2, und wir benutzen die Grösse dieser Energie als
Temperaturmaass, indem wir annehmen:
(B) E^^ E^^ ;./,
Disiociation in Gasen, 289
worin X eine Constante bedeutet. Aus (A) nnd (B) wird
gefunden:
(1) lpv^(N, + N,)Xt.
Nun fbhren wir die Bedingung für den Gleichgewichts-
zustand ein. Dieser wird erreicht, wenn die Anzahl der
während einer Zeitperiode zerfallenden Molecüle der Anzahl
der in derselben Zeitperiode sich neu bildenden Molecüle
gleich geworden ist. Diese Gleichheit wird, wie in den bis-
herigen Theorien^) gefunden wird, durch:
(0 -^'> = N,
ausgedrückt, und somit stellt (C) die Bedingung für das
Gleichgewicht vor. Hierin ist/(/) eine Temperaturfunction,
deren Beschaffenheit es noch nicht gelungen ist zu entdecken,
wie mir scheint, weder auf kinetischem, noch auf thermo-
dynamischem Wege. Aus (1) und (C) folgt weiter:
^^^ ^""'e/ro-Vj* - 6/(0 y*
wenn mit q der Dissociationsgrad bezeichnet wird. Ist d die
Dichte des theil weise dissociirten Gases, die dem Grade y
entspricht, ist d die Dichte des vollständig dissociirten Kör-
pers, und gilt die Gl. (1), so ist:
und daher nimmt (2) die Form an:
, ., d (d - ö) 2Xi
W ^='«(2<J-dV^ ^ = "3/(0^
die ich kurz als „Gibbs'sche Gleichung'^ bezeichnen will.
§ 2. Durch verschiedene Versuche wird die Gibbs'sche
Gleichung bestätigt, unter anderen durch die an der Unter-
1) Zu den kinetischen oder theil wei»e kinetischen Theorien gehören
diejenigem von: van der Waals, Verslagen en Mededeelingen d. kon.
Ak. d. Wet. (2) 15. p. 199. 1880; Boltzmann, Wied. Ann. 22. p. 39.
1884 u. J. J. Thomson, Phil. Mag. (5) 18. p. 288. 1884. Auf dieselben
hier einzugehen ist nicht möglich; ich bemerke nur, dass gewisse Schlüsse,
die ich in § 3 anführe, schon von Hm. Thomson ausgesprochen worden
sind. Mit den Rechnungen Hm. Thomson^s kann ich mich übrigens
nicht einverstanden erklären.
Ann. d. Phyt. u. Chera. N. F. XXXVIII. 19
290 L. Natanson.
Salpetersäure^) ausgeführten Beobachtungen. Da wir jetzt
die Function a unbestimmt lassen wollen, so können wir die
Gleichung in der Weise prüfen, dass wir den Ausdruck
p{2S -- d)*l{d — d) = «*, der für jede Isotherme constant
sein soll, berechnen. Aus unseren Daten überzeugt man sich,
dass sich die Grösse von a auf den Isothermen ziemlich un-
bedeutend änderte Natürlich ist die Constanz vollkommener,
wenn wir (bei den Isothermen E, F, H, J 1. c.) den Ausdruck
p{28 — d)*l{d'-' St) berechnen, worin St^S eine neue Iso-
thermenconstante bedeutet^) Ob diese Grenzwerthe der
NOg-Dichte den Grenzdichten des Chlor- und Bromgases
ähnlich sind, (die jedoch nicht für ;? « 0, sondern bei Atmo-
spbftrendrucke gefunden werden), wie Ostwald meint'); ob
die constatirten Abweichungen von der Gibbs' sehen Glei-
chung gänzlich oder theilweise der Unvollkommenheit des
Gases zuzuschreiben sind^)^ — scheint mir zu entscheiden
schwierig zu sein, da dafür eine sichere Basis fehlt. Es genügt
uns, für das Folgende zu wissen, dass die Gib bs'sche Glei-
chung (mit unbestimmt gelassener f{t)) mit den Versuchen
der Hauptsache nach jedenfalls übereinstimmt.
§ 3. Zwei Atome treffen zusammen und bilden ein
Molecül, welches eine Zeit r fortdauert. Es wird gefragt,
wie oft dies in einer gegebenen Gasmenge während der Zeit-
einheit vorkommen muss. Die Zeitdauer r mag von gewissen
Variabelen x, y, . . . abhängen, die wir nicht zu specificiren
brauchen; und es mögen in der Zeiteinheit:
(1) Z(p [x, yy , . ,)dxdy , , ,
Zusammenstösse zwischen den Atomen so geschehen, dass
die Variabelen zwischen den Grenzen:
(2) X und X + dx\ y und y + dy
liegen. Nehmen wir an, dass x, y, ... überhaupt Werthe
haben können, die zwischen den Grenzen:
1) Ed. u. Lad. Natanson, Wicd. Ann. 24. p. 454. 1885 u. 27.
p. 606. 1886.
2) Vgl. p. 617 der II. Abhandlung.
3) Ostwald, Lehrbuch d. allg. Chemie 2. p. 699. 1887.
4) Ostwald, Lehrbuch d. allg. Chemie 2. p. 734. 1887; Planck,
Wied. Ann. 32. p. 484. 1887; J.J.Thomson, Applicationa of Dynamics
to Physies and Chemiatry, Lond?n 1S88. p. 200.
DUsoeiation in Gasen, 291
(3) JTo ^d a^; y^ und y^
liegen, und dass Z die G-esammtzahl der in der Zeiteinheit
zwischen den Atomen stattfindenden StOsse vorstellt, sodass:
*i Vi
(4) f f .. . fp{x,y,...)dxdy . ..'T» 1.
Nehmen wir noch weiter an, ein Zusammenstoss zweier
Atome, der zur ülasse (2) gehört, habe die Bildung eines
Molecttls zur Folge, falls x,y,... zwischen:
(5) lo ™d li; ^0 ^°d ^f, ...
liegen. (Jedes dieser Gebiete kann auch in weitere einzelne
zerfallen.) Bezeichnen wir:
(6) ff . . . qp (j?, y, . . .)dxdy . . . = cj,
80 können wir sagen, dass in der Zeiteinheit wZ Molecttle
entstehen, und m das Verhftltniss der Anzahl associirender Zu-
sammenstösse zur gesammten Anzahl bezeichnet Setzen wir
nun voraus, der Dissociationszustand sei bereits derjenige des
Gleichgewichtes. Während der Zeit r werden:
(7) tZ(p (Xj yj . , .)dxdy , , .
Molecüle der Classe (2) gebildet, und sie werden sämmtlich
einen Zeitraum r, oder einen nur unendlich wenig abwei-
chenden Zeitraum dauern müssen. Deshalb werden gleich-
zeitig so viele Molecüle der Classe (2) bestehen, wie durch
(7) angegeben wird.^)
Daher ist die Gesammtzahl iV^ der bestehenden Molecülo
gleich:
iVj = Z f f ,.,T ff (j\ y ,,.)dx dy . . .
%x Vi
(8) { I f ...T <p{x, V . ..)dxdy ,, .
^zaZ^---- — — -- =s (fj Z & »
j J . . , (f (Xj i/j . . .)dT dl/ . . .
1) Der hier benutzte Satz: „es bestehen gleichzeitig so viele Mole-
cüle, die zu einer gegebenen Classe gehören, wie viele sich während der
Existenzdauer der >ßlecüle bilden** (falls die Existenzdauer för sämmt-
liehe Molectile der Classe gleich ist) findet öfters Anwendung in der
kinetischen Tlieorie. Vgl. VVied. Auu. 33. p. 688. 1888.
19*
292 L. Natanson.
wenn & den Mittelwerth des Zeitraumes bedeutet, während
dessen ein Molecül erhalten bleibt.
Die Bedingungen dafür, dass ein Molecül entstehe, wenn
zwei Atome zusammentreffen, werden, je nach den über die
gegenseitige Einwirkung der Atome angenommenen Voraus-
setzungen, sehr verschieden sein. Als Hypothese {a) wollen
wir jede Annahme bezeichnen, woraus sich in Bezug auf den
Verlauf eines Zusammenstosses zweier Atome zwei entgegen-
gesetzte Fälle ergeben: entweder ist der Zusammenstoss ein
„associirender^^ (die Bewegung der Atome wird in eine sta-
tionäre umgewandelt, ein Molecül wird gebildet), oder ein
„normaler'' (die Atome gehen sogleich und von selbst aus-
einander), wie solche von den Molecülen gewöhnlicher Gase
beständig ausgeführt werden. Mit dieser Hypothese (a) müssen
wir natürlich zugleich annehmen, dass ein Molecül, wel-
ches einmal entstanden ist, nicht von selbst zerfallen kann,
dass dies nur durch äussere Einwirkung geschehen kann.
Als Hypothese {ß) wollen wir dagegen jede Annahme be-
zeichnen, wonach der obige unterschied fehlt: zwei zusammen-
treffende Atome gehen immer über kurz oder lang von selbst
auseinander; es kann nur der Zeitraum, während dessen sie
ein System bilden, je nach den Umständen der Begegnung
verschieden gross ausfallen. Alsdann ist zwischen einem
Zusammenstosse und der Bildung eines Molecüls keine scharfe
Grenze vorhanden: während der Zeitdauer des Zusammen-
stosses bilden eben die Atome ein Molecül. Dann ist
jeder Zusammenstoss ein associirender, jedes Molecül muss
eine gewisse Zeit existiren und dann von selbst zerfallen.
Um beiden Annahmen Bechnung zu tragen, betrachten
wir einen neuen Mittelwerth von r, nämlich d, den wir
folgendermaassen definiren:
/ I , . , i q^Xfi/j . , .) d.T dy , . .
(9) ^ = ';-;, - —
/ l . , .(f ix ^y, ...) drdy . . ,
(10) 0 = m&.
Gl. (10) wird gefunden, wenn man sich der Definition von
10 erinnert und dabei Gl- (4), sowie den Umstand be-
Dis90ciation in Gasen. 293
achtet, dass ausserhalb 1^ und g^, ijq und i;^ u. s. w. die
Grösse r verschwindet^ weshalb man:
«1 Vi li Vi
(1 1) r r. . . r y (or, y, . . .) (fa: rfy . . . =s r r. . . r (jp (a:, y, . . .) rfx rfy . . .
setzen dar£ Aus (10) ergibt sich:
(12) N^^Z.d.
Es ist in der Annahme (/?) : d ^ß- und c} = 1 ; in der An-
nahme {a) ist d <&, weil bei der Bildung von & alle that-
sächlich gebildete Molecüle, bei der Bildung von d dagegen
sämmtliche Zusammenstösse in Rechnung kommen, auch die
normalen, die zur Summe der r Null liefern.
Ein Atom soll im Mittel C Stösse mit anderen Atomen
in der Zeiteinheit ausführen. Setzen wir CT=sl, so wird
T angenähert^) die Zeit vorstellen, die zwischen aufeinander-
folgenden Zusammenstössen im Mittel vergeht Andererseits
wird Z=s N^CI2 sein, und daher:
\^^) -ji = ra 7p = ~2r~ '
In der Annahme (a) ist & die mittlere Zeitdauer, während
welcher die Molecüle bestehen, und T/t? die Zeit, während
welcher ein freigewordenes Atom im Mittel frei bleibt. In
der Annahme (ß) dagegen hat 6 die erste und T die zweite
Bedeutung. Jedenfalls können wir aus dieser Gleichung d/T
oder cif&l T leicht berechnen, da 2NJN^ gleich 2(rf- S)j{2d-d)
ist. So ist z. B. für N^O^ nach den in § 2 citirten Versuchen:*)
1) Im Räume v seien N gleiche Molecüle vorhanden, deren Ge-
schwindigkeiten nach dem Maxwell'schen Gesetze (mit dem Modulus a)
vertheilt sind. Ist R die den Zusammenstoss charakterisirende Entfernung,
und führt ein Molecül, welches mit einer gegebenen Geschwindigkeit sich
bewegt, B Stösse in der Zeiteinheit aus, so ist der Mittelwerth der zwi-
schen aufeinanderfolgenden St^ssen vergehenden Zeit gleich:
\Bj n ^ R^ a ' jS R^ a^
C B 21/271-^^« NR^n
Vgl. Tait, Trans, of the Roy. Soc. of Edinburgh. 33. p. 74. 1886.
2) Für Untersalpetersäure und für andere diesociirbare Gase ist die
absolute Grösse von T unbekannt. Es lässt sich indessen vermuthen, dass
294 L, Natamon,
iBotherme DA v - 26,80 mm . . . BIT- 0,096
(+49,70 0.) \ 497,75 1,069
Isotherme JS. j p = 49,65 mm . . . ßjT = 0,058
(+73,7<>C.) \ 633,27 0,396
Isothcnne F, j p ^ 11,73 mm . . . ö/ T = 0,016
(+99,8«C.) \ 732.51 0,139
Isotherme H \ p = 35,99 mm . . . 0/ T = 0,011
( + 129,90 ^C) \ 550,29 0,023
Wir können C bei constanter Temperatur N^iv proportional
setzen. Schreiben wir C« iVjt/'(^)/v, so ist Z= iVj*t/;(<)/2r
und nach (12)
(14) N.^^^'y^.
Wir haben also die Bedingung (C), § 1, erhalten, indessen
nur dann, wenn d nur von der Temperatur und nicht vom
Drucke oder Volumen abhängig ist. Nimmt man nun an,
dass der Verlauf eines Zusammenstosses von deren Häufig-
keit nicht beeinflusst wird, so sehe ich nicht ein, wie diese
auf d bezügliche Bedingung mit der Annahme (a) zu ver-
einigen ist Alsdann wäre ja d vom Volumen in derselben
Weise abhängig, wie es die Zeitperiode ist, die zwischen
aufeinanderfolgenden Stössen eines Molecüls vergeht. Aus
obiger Tabelle, oder aus der Gib bs' sehen Gleichung, wenn
wir dieselbe als Ausdruck der Versuche ansehen, folgt ebenso,
dass m&lT auf einer Isotherme stark veränderlich ist, und
zwar N^/v proportional sein muss, daher m& constant und
auch & constant sein muss, da ^ von v abhängig nicht ge-
dacht werden kann.
Man kann diese Schlussfolgerung noch in folgende Form
bringen. Es sollen in der Zeiteinheit iV^^/'j (^)/t; neue Mole-
cüle sich bilden. Es geschehen nämlich in der Zeitein-
heit iVj*CjV^/i7 Zusammenstösse zweier Atome, deshalb ist
F^ (t) = fjj Cj V i, worin Cj ein constanter Factor ist. Ebenso
berechnen wir, wie viele Molecüle in der Zeiteinheit zer-
fallen, wenn (a) richtig wäre. Es kommen zwischen Mole-
cülen einerseits und Molecülen oder Atomen andererseits
sie nU'ht wesentlich von der Länge derselben Zeitperiode in Sauerstoff,
Stickstoff, Stickoxyd z. B. abweichen kann. Danach werden wir wohl
die Grössenordnung richtig treffen, wenn wir sagen, dass in den citirten
Versuchen die mittlere Existenzdauer der X.^O^-Molecüle zwischen 10— i^
und 10— K^Sec. enthalten war.
Disiociation in Gasen, 295
\^N^^c^V^t+ N^N^c^^'^t'\lv ZusammenBiösse in der Zeitein-
heit zu Stande. Bezeichnen wiederum tm^ und m^^ die Pro-
cents&tze der dissociirendeu unter den entsprechenden B&mmt-
lichen Zusammenstössen, und nehmen ¥rir an, dasB m^ und
29^3 vom Volumen unabhängig sind, sodass m^c^Vl=^ F^{t)
und £3^2^12 V^ = -^12(0 ^8^> so ^^^ di^ in § 1 besprochene Be-
dingung des Gleichgewichtszustandes folgenden Ausdruck:
N,^F, (t) = N,^F, (ti + N, N, F,, (t),
was von (C), § 1, gänzlich verschieden ist.
§ 4. Mit der Annahme {u) ist, wie ich glaube, auch die
Gleichung (B), § 1, unvereinbar, und zwar aus dem Grunde,
dass alsdann der Maxwell' sehe Satz seine Geltung verliert.
Den wirklichen Inhalt dieses Satzes kann man folgender-
maassen ausdrücken: sind zwei Gase gemischt, deren mittlere
kinetische Energien verschieden waren, so findet ein Energie-
austausch statt, bis der unterschied verschwunden.^)
Gehen zwei zusammentreffende Atome eine Verbindung
ein, so vertheilt sich deren Energie in die Schwerpunktsbe-
wegung und die relative Bewegung. Die entstehenden Mole-
cQle haben daher einen bestimmten Mittelwerth der kine-
tischen Energie der Schwerpunktsbewegung, den wir Mole-
cularbewegung nennen werden.
Nun sind zwei Fälle möglich: I) Entweder ist die
Molecularenergie gleich beim Entstehen der Molecüle der-
jenigen der freien Atome gleich; so ist es z. B., wenn sich
in unvollkommenen Gasen Aggregate bilden, wie ich dies
schon früher auseinandergesetzt habe. *) Dann sind E^^ und E^
gleich, weil dies aus den Gesetzen der Zusammenstösse der
Atome folgt, und nicht deshalb, dass sie sich, dem Max-
well'sehen Satze zufolge, ausgeglichen haben. II) Ist im
Gegentheil die Energie der entstehenden Molecüle von der-
jenigen der freien Atome verschieden, so wird, nach dem
Maxwell'schen Satze, ein Energieaustausch zwischen Mole-
cülen und Atomen entstehen; jedes Molecül wird seine Ge-
schwindigkeit dem Max weir sehen Satze anzupassen suchen.
1) Tait, Trans, of the Roy. Soc. of Edinbirgh, 38. p. 82. 1886. Vgl.
Wied. Ann. 34. p. 970. 1888.
2) L. Natanson, Wied. Ann. 33. p. 687 ff. 1S88.
296 L. Natansoru
Dieser Vorgang geschieht während der Zusammenstösse des
Molecüls; erst nach einigen Zusammenstössen wird das
Molecül sich dem Maxwell' sehen Satze mit einiger An-
näherung fügen. Dauert das Molecül nicht länger, als
die Zeit, die zur erwähnten ,,Anpassung'' erforderlich ist,
beträgt, oder sogar kürzer, so kann die Anpassung immer
nur theil weise geschehen, und nur ein Theil des Energie-
unterschiedes wird ausgeglichen. Es kann sich also ein
stationärer Zustand einstellen, worin das Verhältniss der
molecularen und atomigen Energie einen Werth hat, welcher
zwischen der Einheit und demjenigen zu liegen hat, welches
zwischen der Energie der entstehenden Molecüle und der-
jenigen der Atome bestand.
Nun glaube ich beweisen zu können, dass der Fall (I)
unter der Annahme {ß\ § 3, stattfindet, während der Fall (II)
der Annahme (c^), § 3, entspricht. Nehmen wir an, cc sei
die wahrscheinlichste Geschwindigkeit der Atome, sodass
jmc3f- = JE'j. Die Geschwindigkeit der fortschreitenden Be-
wegung eines Molecüls, welches von zweien zusammentreffen-
den Atomen gebildet wird, sei F, und diese wollen wir als
eine der unabhängigen Variabein des Zusammenstosses zweier
Atome wählen. Nach den in § 3 der Abhandlung: „üeber die
kinetische Theorie unvollkommener Gase** (1. c.) gegebenen
Sätzen kommen in der Zeiteinheit:
(1) -'^—^ V^e-^''''-'x{x,?/,..,)dVdxdf/...
Zusammenstösse zwischen Atomen vor, bei welchen die Ge-
schwindigkeit des Schwerpunktes beider zwischen V und
V+dV enthalten ist, und die übrigen Variabein zwischen
gewissen unendlich nahen Grenzen, die wir nicht zu speci-
ficiren brauchen, liegen. In (1) ist wie früher iV^ die Anzahl
Atome, V das Volumen^ R^ die charakteristische Entfernung
für den Zusammenstoss zweier Atome. Nehmen wir an, in
jedem Zusammenstösse der Classe (1) werde ein Molecül ge-
bildet. (In der Hypothese (ß) ist dies immer der Fall; in
derjenigen (a) müssen x, i/ , ., gewissen Bedingungen genügen.)
Gleichzeitig sind also:
" ' * T V^ e-' ^''' «' / (.7-, }/, ,..)d Vdx dij . . .
Dissoeiaiion in Gasen. 297
Molecüle der betrachteten Olasse, deren Zeitdauer r beträgt,
Torhanden. Der Mittelwerth V^ für sämmtliche Molecüle
ist danach:
00
ITi-.? .
'^ ~~ 00 J
fff. . . r r« e-2FV^ (^^ y,.,,)drdxdy.,,
0
die Grenzen der auf x^y^ .,. bezüglichen Integrationen sind
^o»*i5yo>yi;--- '^^ ^«r Hypothese (/9), und |o> Sn ^o^i;--- '^^
der Hypothese (a). In der ersten Hypothese (/?) ist t von F
unabhängig, dagegen ist in der zweiten r an die zwischen
den Zusammenstössen vergehende Zeit, deshalb auch an F,
gebunden. Danach erhalten wir, wenn wir(^ zu Grunde legen:
(4) F« = i a* ; daher: (5) j^g = m F« = j ma« = JF^.
Nehmen wir (a) dagegen an, so haben wir t mit i T zu
ersetzen, wenn T die Zeit bedeutet, die zwischen aufeinander-
folgenden Zusammenstössen eines Molecüls vergeht, dessen
Geschwindigkeit F ist; und z + 1 die Nummer des Zusam-
menstosses angibt, welcher das Molecül zum Zerfall bringt,
vorausgesetzt, dass als erster Zusammenstoss des Molecüls
derjenige betrachtet wird, während dessen das Molecül ent-
standen ist. Wir können annehmen, r hänge von V nur
durch Vermittelung von T ab, und i sei durch x, y, • . . be-
stimmt. Alsdann ist:
0»
(6) F*=^- -
0
Da nun weiter die Beziehung:
0 0
a> OD
4 J o V 4 /
0 u
bei beliebigem T stattfindet, und T für F=0 endlich, für
F=oo gleich Null sein muss, wie aus der Bedeutung von
T hervorgeht, so findet man:
298 Zr. Naianson.
(7) T« = |«*(l + -|-) und £'2 = JSi(l + |), worin:
(8) e«
0 ^^
0
Man sieht ein, dass € negativ ist, und deshalb ist in der
Hypothese (a) F* < faS JE; < JE^. Wir setzen E^^ ^E^
und suchen nun ju zu berechnen.
§ 5. Zum Zweck einer ersten Annäherung mag dazu
folgendes Verfahren dienen. £in Molecül, welches mit der
Geschwindigkeit V sich bewegt, soll By Atome und B^ Mo-
lecüle in der Zeiteinheit treffen, sodass By + B^=^ \jT. Einst-
weilen nehmen wir an, dass unter den Molecülen das Max-
well'sche Gesetz mit dem Geschwindigkeitsmodulus ß herrsche
(was nicht streng ist), und dass ß^fjiu*l2. Wir haben als-
dann (es ist V SS 1 gesetzt):
V/a
(1) B,^ N, i?,3« Vn \ue- >^/-' + '^'f^-l-'f ^x' dx\ ,
0
V/ß
(2) B, = N,R*yn \ß e- ''/-'' + ^" ^ ^"/ ^ " rf*] ,
0
worin R^^ und R^ die charakteristischen Radii für Zusam-
menstösse des Molecüls mit einem Atom, resp. einem Mole-
cül bezeichnen. Um c zu berechnen, führen wir in beide
Integrale (8), § 4, Mittelwerthe B^ und B^ anstatt veränder-
licher B^ und B^ ein. Als Mittelwerthe führen wir ein:
(3) Bi = Jyjß, F» e- 'V^r' dV=2N, Ä,,* Vn (J^'+ß^) ,
0
OD
W -^2 = rfM>„/^-i ^''^-''''•''dV= 2N, Ä,n 2,-7/9,
0
und erhalten:
(o) f = \ '_!. _i- , worm:
oc
V/u
(6)*/j=iV,/?j,2y;rJj^p-»^«> /2--^^jJe-'V/.r K^t?-«^"' -VF
(» 0
Disiociation in Gauen. 299
0 ' 0
gesetzt sind. Indem wir nun die identische Gleichung, die
aus dem Ausführen der DiflFerentiation d[V^e'^yy'^'F[V)'\jdV
Via
entsteht, auf den Fall F{V) ^fe-*''dx^ und auf denjenigen
F{V)^ f e-'dx anwenden, werden wir J^ und J^ leicht
ausrechnen können. £s ist:
^'^ •'-^^^•«"^^^ (9) •^.»f^^^^'v^i-
Daraus, und aus (3) und (4) ergibt sich:
(10) €=--^_..- "^ ^^''_-
Vs (2 + /i) N, Ä„« + Ve^ A', Ä,«
und dies muss, wie aus der Definition von pi folgt (§ 4), gleich
3 (1 — ju) sein. Wir hätten danach eine Gleichung, aus
welcher /i berechnet werden kann. Da das Ergebniss der
Rechnung complicirt ist, so wollen wir uns darauf beschrän-
ken, zwei extreme Fälle zu berechnen. Man kann beweisen,
dass das Minimum von /n dem Falle iV^ «a 0, das Maximum
von /i dem Falle N^=^Q entspricht. Nun lautet die Gl. (10)
im ersten Falle:
18^(1 + ^)(1-^)2=1;
und im zweiten: 27 (2 + ^) (1 — u^ = 1;
woraus sich 0,805 und 0,886 als Grenzen fUr ^ ergeben.
Diese Rechnung wollen wir folgendermaassen prüfen. Die
Wahrscheinlichkeit einer zwischen V und V+ dV liegenden
Geschwindigkeit ist nach § 4 für ein Molecül gleich:
(11) i— - — - ■■
0
Da (5i + Äg) T = 1 ist, so wird :
OD
(12) ß. + 5,= «;f-. worin J = P^'J^^;- dV .
Setzen wir hierin K, = 0, so ergibt sich der Werth von
5^, und zwar auf folgende Weise. Es sei J^ der Werth
800 L, Natanson.
von J, wenn iVg = 0 angenommen wird. Man beweist
leicht, dass:
(13) J. "—- f -'L'!*^
0 xe-' + (2*« + 1) / e
/.-"i.
Ü
ist. Genau in derselben Weise, wie Hr. Olark die in der
citirten Abhandlung des Hm. Tait angeführte Tabelle be-
rechnet hat, habe ich als Zahlenwerth des in (13) vorkom-
menden Integrals:
0,060 502 2
gefunden. Daraus folgt £, a 4,2706 iNT^iZj,'^) w&hrend wir
früher (wie aus Gl. (3) folgt, worin jU=s 0,886 zu setzen ist, da
iV,=0 angenommen wurde) für B^ den Werth 4,2584 iVjÄjj^a
hatten. In ähnlicher Weise könnte man B^ berechnen. Man
sieht, dass die frühere Methode ziemlich correcte Resultate
lieferte.
Zur Berechnung von ^ bietet sich noch ein anderer
Weg, den ich wieder für den Fall iV, « 0 ausführen will
Alsdann lässt sich aus (6), § 4, folgendes herleiten:
OD
(14) V--=\
n^ 0
0
-*'■•/'= rfr
Der Nenner ist gleich «/p ist also bekannt. Setzt man
V — axj so kommt:
X
j-r-*' + f2ar* - 1) f e-'' dx
(15) jy, • ö^ = —^x ' daraus:
0
X
00
(16) !- = ;>_-
3 — 2x-
1 +
0 v' J
0 0
dx
DUsoeiation in Gasen. 301
Nach der Clark' sehen Methode habe ich für das Inte-
gral (16) den Zahlenwerth 0,088 139 gefunden, woraus:
F» = 0,67776 u^
sich ergibt, w&hrend die frühere Rechnung, worin pL a 0,886
zu nehmen ist, den Werth lieferte:
T2^^a*^ 0,66450 uK
Diese Rechnung noch auf den Fall N^=aO auszudehnen,
habe ich unterlassen. Wir können schliessen, dass, wenn /i
das Yerhältniss der Energie der entstehenden Molecüle zu
der Atomenergie vorstellt, fi zwischen ^/g und ®/g stets ent-
halten bleibt, und dass das schliesslich bestehende Yerhält-
niss beider Energien, welches sich in stationärer Weise
erhält, zwischen fi und 1 liegt
§ 6. Das eben behandelte Problem scheint mir ein über
die Dissociationsfrage reichendes Interesse zu bieten. Wenn
die Mittelwerthe der kinetischen Energie eines Molecüls
und eines Atoms verschieden sind und nicht einmal in
constantem Verhältnisse untereinander stehen, so lässt sich
schwer entscheiden, welchen Mittelwerth man als Tempe-
raturmaass anzusehen hat Wie schon bei der Behandlung
unvollkommener Grase ^) zeigt es sich hier abermals, dass man
in der kinetischen Wärmetheorie weit davon entfernt ist,
eine allgemeine Definition der Temperatur zu besitzen; die
übliche ist nur auf vollkommene Gase anwendbar.
§ 7. Da also die Annahme {a) bei den eigentlichen Dis-
sociationsvorgängen (Dissociation des Joddampfes, der Unter-
salpetersäure u. s. w.) mit der Erfahrung nicht übereinzustim-
men scheint und nur auf Zersetzungsvorgänge anwendbar
wäre, die zu den Umsetzungen gehören (Dissociation des
Jodwasserstofifes), so hätte man vorauszusetzen, dass Jod-
atome, NOg- Gruppen u. s. w. sich nur vorübergehend zu
Molecülen verbinden. Da nun wahrscheinlich alle Gase unter
1) L. Natanson, Wied. Ann. 88. p. 693. 1888. Ich habe damals
versucht y den Beweis zu fähren, dass die Energie der „freien" Molecüle
als Temperaturniaass anzusehen ist. In einer Abhandlung, die ich nur
aus einem Auszuge kenne, (Proc. of the Roy. Soc. of Edinburgh 16.
p. 69. 1889) gelangt Hr. Tait durch ganz andere Betrachtungen zu einem
ähnlichen Schlusfie.
302 E. van der Ven.
entsprechenden Umständen sich dissociiren können, so müssten
wir diese Annahme ganz allgemein auf alle Gtismolecüle aus-
dehnen. Alsdann haben wir für derartige Qase, wie z. B.
Sauerstoff, Wasserstoff u. s. w. bei gewöhnlichen Tempera-
turen die weitere Annahme zu machen, dass darin 6 IT sehr
gross und sehr wenig Tariabel ist, da sonst freie Atome in
diesen Q-asen in unmöglicher Anzahl vorkommen müssten.
Nach den heutigen Erfahrungen über Atomgewichte und
Gasdichten muss angenommen werden, dass in diesen Fällen
d weit grösser ist, als 500 T.
XI. Das Boyle- Mariott^sche Gesetz für I>rucke
unter einer Atmasphüre;
von E. van der Ven in Haarlevn.
(Hierin Tftf. III Plg. 8-0.)
Bereits im Jahre 1873 hatte Siljeström^) beobachtet,
dass bei niederem Drucke als eine Atmosphäre das Product
PV aus Druck und Volumen stets zunehme, dass es sich
also umgekehrt verhalte, als nach Regnault bei höheren
Drucken.
Mendelejeff und Kirpitschoff) dagegen fanden nach
einer leider nur sehr unvollständig mifgetheilten Arbeit
gerade das entgegengesetzte. Indess konnte Am agat^) diese
Resultate nicht bestätigen.
Neuerdings hat Bohr*) gefunden, dass bei einer Tem-
peratur zwischen 11 und 14^ C. der Sauerstoff von dem
Boyle-Mariotte'schen Gesetze abweicht; auch später noch
Fuchs ^), dass für Luft das Product PV mit abnehmendem
Drucke zunächst etwas zu-, dann abnimmt.
1) Siljeström, Anhang Svenska Vet. Acad. Handl. 2. 187S. Pogg.
Ann. 151 • p. 451. u. 573. 1874.
2) Mendelejeff u. Kirpitschoff, Bull, de St Petereb. 19. p. 478.
1874.
3) Amagat, Compt. rend. 82. p. 914. 1876.
4) Bohr, Wied. Ann. 27. p. 459. 1886.
.')) Fuchs, Wied. Ann. 35. p. 430. 18S8.
Boyk'schei Gtietz für kleine Drucke, 303
£«8 schien mir hiernach angezeigt, die Frage noch ein-
mal aufzunehmen. Ich glaubte nach der Methode Ton Sil-
jeström, mit Tollkommeneren Hülfsmittel und unter Vermei-
dung von Fehlerquellen, sicherere Besultate erzielen zu
können. ^)
Bei der Methode von Siljeström wird ein constantes
Volumen Luft K, Ton constanter Temperatur (0^ C.) und
bekannter Spannung P mit einem ebenso unveränderlichen
Volumen V von derselben Temperatur und sehr niedriger
Spannung /^ verbunden. Nach der Vereinigung beider Vo-
lumina wird die resultirende Spannung P' gemessen.
Werden diese Grössen in die auf dem Boyle-Mariotte-
schen Gesetz beruhende Gleichung eingeführt, so muss, wenn
jenes Gesetz allgemein gültig wird, welchen Werth man P
auch geben möge, V jV immer denselben Werth haben.
Verändert sich dahingegen V'jVj dann wird man, weil nun
auch der Gang der Veränderung von ( F + V')l V bekannt
wird, die Art der Abweichungen bestimmen können.
Bei den Versuchen von Siljeström hat das Steigen
und Sinken des Quecksilbers in dem mit den Cylindern
verbundenen Schenkeln des Manometers weniger Einäuss
auf die Constanz der Volumina und damit auf das Re-
sultat der Berechnungen, als die wahrscheinlichen Fehler der
Beobachtung. Eben dasselbe gilt auch von den Folgen der
Zusammenpressung, welche die eisernen Cy linder, deren
Wanddicke zwischen 4,8 und 6,6 mm wechselte, unter dem
Einflüsse eines Druckes von einer Atmosphäre haben können.
Die Constanz der Temperatur der Luft in den ganz
von Eise umgebenen Cylindern selbst ist zweifellos. Aber
eine Fehlerquelle könnte dadurch verursacht sein, dass in
einem grossen Theil der Röhre, welche die Cy linder mit-
einander und mit dem Manometer verbinden und auch in
dem nicht mit Quecksilber gefällten Theile des Manometers
selbst, die Luft den Temperaturveränderungen der Umgebung
ausgesetzt war.
Sehr unvollkommen war die Bestimmung der Spannungen.
1) Die ausfährlichen Beobachtangen und BerechnuDgen werden in
einer später erscheinenden Lieferung des Archive» duMus^e Teyler mit-
getheilt.
304 E. van der Ven.
Die Mittel, worüber Silje ström bei der Ablesung des Ma-
nometers yerf>e, erlaubten ihm nur, mit ziemlicher Sicher*
heit Zehntelmillimeter zu sch&tzen ^) und von dem Barometer
wird nur gesagt, dass es mit beweglicher Scala und Nonien
zum Ablesen versehen war.') Danach ist es mir unerklärlich,
wie Silje ström die Werthe jeder einzelnen wahrgenommenen
Spannung in Tausendstel -Millimeter angeben konnte. Die
zweite und dritte Decimale sollen dann entstanden sein aus
der Correction fOr Scalenvertheilung , Temperatur&nde-
rungen u. s. w., welche, der Versicherung des Verf. nach,
mit Genauigkeit angebracht sind. Aber diese Ziffern haben
keine Bedeutung, wenn der bei den Beobachtungen selbst
begangene Fehler schon in der ersten Decimale liegen kann.
Unter den 40 Resultaten directer Beobachtung, welche sich
auf Spannungen von 18 — 7 mm beziehen, sind schon acht,
welche in der ersten Decimale vom Mittel abweichen, das
Spannungen von 759 bis 352 mm liefert.
Auch die Art, wie Siljeström die Beobachtungen bei
geringeren Spannungen von den Fehlern abhängig macht,
welche den bei höheren Spannungen eingestellten anhaften,
ist nicht zu billigen. Die beiden Cylinder A und B sind
beim Anfange jeder Beobachtungsreihe mit trockener Luft
von 1 Atmosphäre Spannung geftillt. Nachdem die Ver-
bindung zwischen beiden abgeschlossen ist, wird die Luft aus
B so weit wie möglich entfernt, die Verbindung mit A wieder
hergestellt und die resultirende Spannung gemessen. Mit
Luft von dieser letzten Spannung fängt man die zweite Be-
obachtung an: wieder wird die Verbindung zwischen A und
B abgeschlossen, B so weit wie möglich leer gepumpt, die
Verbindung wieder hergestellt und die resultirende Spannung
bestimmt. Die dritte Beobachtung fängt mit Luft von dieser
letzten Spannung an, und „so fährt man fort von Verdünnung
zu Verdünnung, solange die Umstände es gestatten.*'^
Es ist klar, dass auf diese Weise jede folgende Beobach-
tung Yon allen Fehlern ihrer Vorläuferinnen abhängt
1) Siljeström, Pogg. Ann. 151. p. 576. 1874.
2) Siljeström, I. c. p. 575.
3j Siljeström, Pogg. Ann. 151. p. 452.
Boyle^sches Gesetz Jur kleine Drucke» 305
Da ich wünschte, die erwähnten und noch einige andere
Fehlerquellen zu vermeiden, wurde der Apparat auf die fol-
gende Weise eingerichtet
Zwei eiserne Cylinder, A und B (Fig. 8), von 6 mm Wand-
dicke wurden durch ein starkes, eisernes, mit Hahn versehe-
nes Bohr miteinander verbunden. Der Cylinder A kann
ausserdem mittels des Hahnes b verbunden werden mit einem
Trockenapparat, der Cylinder B mittels des Hahnes c mit
der Luftpumpe. Beide Cylinder wurden, eng passend in
messingene, auf drei soliden Füsschen ruhende Hülsen, in
ein Wasserbad von Zink gesetzt, dessen oberer Rand 1 cm
höher lag als das die beiden Cylinder verbindende Rohr,
und dessen Yorderwand aus Glas gefertigt ist Der ganze
Apparat wurde mit einem festen hölzernen, miteinander
kreuzenden Stützlatten E und F versehenen Fussgestelle
auf die Eichenholzplatte eines Tisches festgeschraubt, der
auf einem der einzeln fundirten und von dem Boden ganz
isolirten Pfeiler im Laboratorium steht und auch das Ka-
thetometer trug.
In dem Boden des Cylinders B ist ein Manometer be-
festigt, bestehend aus einem Rohre von 9 mm Durchmesser,
welches ich selbst mit der grössten Sorgfalt verfertigt habe.
Es befindet sich in einem zinknen Kasten, dessen Hinter-
wand aus einer Platte von Milchglas besteht, worauf die
Projection des Meniscus sich deutlich abzeichnet Die Vor-
derwand ist ein dickes, vollkommen ebenes Spiegelglas, an
welches das Manometer und ein in 0,5^ C. getheiltes Thermo-
meter gestellt war.
In dem Boden des Bades ist, wo das Manometer hin-
durchgeht, eine kegelförmige Oeffnung angebracht, welche
das Manometerrohr umgibt. Jenachdem das zerstossene Eis,
womit das Bad während der Experimente bis an den Rand
geftillt ist, schmilzt, fliesst Wasser von 0^ C. dem mit Cylin-
der B verbundenen Schenkel des Manometers entlang in den
Zinkkasten, woraus es mittelst eines Hahnes wegüiessen kann.
Zwar würde es am besten sein, auf diese Weise den Inhalt
des Cylinders, den des mit Luft gefüllten Theiles des Mano-
meters und das Quecksilber stets auf 0^ zu halten. Indess
beeinträchtigt das niederströmende Wasser die Sicherheit,
Ima. d. PbTfl. u. Chtm. N. F. XXXVIIL 20
306 K van der Ven.
womit mAn den Meniscus fixirt, zu sehr. Besser erschien es,
den Theil des Bohres, worauf bei der Messung das Fem-
rohr gerichtet war, auf constanter, wenig von 0 ^ verschiedener
Temperatur zu halten. Dazu wurden drei Wände und der
Boden des Kastens dick mit Wolle bekleidet. In die Wände
wurden kleine Oeffnungen gemacht, wodurch die wollene Hülle
fortwährend feucht erhalten wurde. Auf diese Weise gelang
es mir, die Temperatur des Bades, worin der mit Quecksilber
gefüllte Theil des Manometers eingesenkt war, während der
Beobachtungen zwischen sehr engen Q-renzen zu erhalten,
während es, wo nöthig, mittelst des Hahnes auf constanter
Höhe gehalten wurde.
Die Höhe der Quecksilbersäulen wurde gemessen mittelst
eines Kathetometers. Ein Theil des in 100 Theile getheilten
Kopfes der Mikrometerschraube entspricht 0,005 mm auf dem
Nonius der Meterscala. Da solch ein Theil 1 mm lang ist,
kann man mit einer Loupe 0,001 mm sehr gut schätzen. Im
Gesichtsfelde des siebenmal vergrössernden Fernrohrs war
ein Draht ausgespannt, welchen ich bei jeder Beobachtung
mit der Kuppe des Meniscus in Berührung brachte und
seinen Rand bedecken liess. Das Thermometer des Katheto-
meters wurde Tor und nach jeder Beobachtung abgelesen.
Nachdem bei jeder Beobachtung der ganze Apparat mit
trockener und von Kohlensäure befreiter Luft und das Bad
mit Eis gefüllt ist, werden:
\) b und c geschlossen, und wenn die Luft in den Oylin-
dern sich nicht mehr abkühlt, der Unterschied in Höhe P
zwischen d und e gemessen;
2) a geschlossen, c geöffnet und die Luft aus B so weit
entfernt, dass sie eine vorher gewählte, niedrige Spannung P*
hat, welche, nachdem c wieder geschlossen wird, genau ge-
messen wird;
3) a geöffnet und die durch die Verbindung von A und
B entstandene Spannung F" bestimmt.
Hiermit ist eine Beobachtung abgeschlossen. Um die
folgende vorzubereiten, öffnet man b und lässt langsam Luft
aus dem Trockenapparat in A hineinströmen, bis die Span-
nung in beiden Oylindern wieder ungefähr derjenigen gleich
ist, womit man die vorige Beobachtung angefangen hat
BoyUicheM Gesetz für kleine Drucke. 307
Auf diese Weise kann man die Zahl der voneinander
völlig unabhängigen Beobachtungen mit Luft von einer be-
stimmten Spannung nach Gefallen vornehmen« Verbindet man
eine dieser Reihen, worin von verschiedenen Spannungen
aasgegangen ist, miteinander, dann muss dadurch eine Ver-
änderung in PVj wenn diese besteht, hervortreten.
Bei vier Versuchsreihen, welche zwischen dem 28. Mai
und 19. Juni ausgef&hrt wurden, bin ich von den folgenden
Drucken ausgegangen:
1) P« 248, 2) P= 62, 3) P= 31, 4) P^ 16 mm.
Von den vier Beihen bestehen die drei ersten aus 20,
die letzte aus 18 Einzelbeobachtungen. Jede dieser Beihen
liefert also ebenso viele Combinationen von P, P' und P\
Es sei V das Volumen des üy linders Aj vermehrt um
den Baum, welchen &, g und h einschliessen, V das Volumen
des Cylinders By vermehrt um den Inhalt der in/ und c
begrenzten Bohre und um den Theil des Manometerrohres,
das von dem Nullpunkte jenes Bohres begrenzt wird, Si und
b" den Inhalt des Theiles jenes Bohres, wobei das Queck-
silber bei dem Bestimmen von P* und P" unter jenen Null-
punkt sinkt
Gilt dann das Boyle-Mariotte'sche Gesetz unbedingt,
80 muss die Gleichung:
(K+ r + 5")P'^VP+{V'+ö')P'
für alle Werthe von P und P' gelten.
Aus ihr folgt:
V _^P-P' d'P'—d'F' 1
"p — p" —P' "" p"_p'' 'y'
Setzen wir jetzt in den ersten Term des zweiten Gliedes
für -P, P und P" die aus den vier Beihen gefundenen Werthe
ein, so wird:
1) Eeihe: 5^7>'= 1>029 ± 0,0,3 (kleinst gef. Werth 1,025, grösst. 1,032),
2) ^^ » = 1,052 ± 0,0,9 ( n » ,, 1,043, n 1,059),
3) M » = 1,065 ± 0,0,9 ( „ » »» 1,057, » 1,073),
4) ,, V = 1,080 ±0,0,12( „ » » 1,068, >i 1,090).
Wir haben also für Spannungen von ungefähr:
20*
für F
fUr P"
3,8 mm
8,4 »
8,9 )y
8,6 ))
62,1 mm
15,8 „
9.6 1)
5.7 „
308 E, van der Ven.
V
248 mm . . . ^ = 1,029 - J ± 0,0,3,
62 1, . . . „ « 1,052- J' ±0,0,9,
31 „ . . . „ = 1,065 - J" ± 0,0,9,
16 » . . . w = 1,080 - J'"± 0,0,12,
worin /l, A' u. s. w. den noch nicht beobachteten yer&nder-
liehen Term yorstellen.
Die Länge des in diesem Term vorkommenden Theiles
des Manometerrohres betrug:
bei den Beobachtungen au8 der 1. Reihe . .
}? )» » n n 2. )f . .
M » »> »> »» 8. » . .
n » »» Yf VI 4. »> • .
Ist also i der Inhalt eines Theiles des Bohres, der 1 mm
lang ist, dann haben wir:
. 62,1x124,2-8,8x6,6 j^ ., _ 15,8x31,6-8,4x6,8 i_
^ "" 124,2 - 6,6 ' F ' 31,er— 6,8 ' F '
..._ 9,6 X 19,2-8,9 X 7,8 j^ .,„ 5,7 X 11,4-8,6 x 7,2 i_
^ "" 19,2 - 7,8 ' F ' ^ "^ 11,4 - 7,2 ' F '
Der innere Durchmesser des Rohres beträgt im Durch-
schnitt 9 mm, der des Cylinders Ä ist 92 mm und seine innere
Höhe 215 mm.
Wir haben also:
T ^ 14 290Ö0Ö" " ^f^M'>
ein Werth, welcher sicher nicht unter dem wirklichen liegt,
weil bei der Berechnung von V das ganze Bohr hgh ausser
Betrachtung geblieben ist.
Die Correctionen, welche an V \V anzubringen sind,
sind also:
0,028, 0,038, 0,036 und 0,034.
Da die drei letzten schon innerhalb die Grenzen der
wahrscheinlichen Fehler der Beobachtungen fallen, haben wir:
F'/F= 1,026, 1,052, 1,065, 1,080,
oder (F+F')/F = 2,026, 2,052, 2,065, 2,080.
Die Zunahme des Volumens also, von der wir wissen,
dass sie immer dieselbe war, scheint veränderlich, wenn wir
sie dem Boyle-Mariotte'schen Gesetz nach aus den über-
einstimmenden Spannungen ableiten.
Nennen wir für Luft von ungefähr 248 mm Spannung
VP^ 1, dann folgt aus unseren Beobachtungen:
Boyk'sc/ies Gesetz für kleine Drucke. 809
für Luft von ODgefähr 62 mm Spannung iT» 0,9878,
n n V 17 31 » V PF =0,9811,
>» M »» n 16 „ „ PF =0,9740.
Diesen Werthen entspricht die Gleichung :
FV = 0,9473 + 0,22 log 5,
worin S die ursprüngliche Spannung in Millimetern ist.
G<e sie allgemein, so würde für JPV^O «=- 10-*». Bei
dieser sich der Null nähernden Spannung müsste also die
Luft das Vermögen, sich ohne Erwärmung auszudehnen, ver-
lieren.
£s ist nicht meine Absicht, aus meinen vier Beobach-
tungsreihen solche weittragende Beziehungen ableiten zu
wollen. Aus denselben folgt nur innerhalb der Beobach-
tnngsgrenzen:
fVird das Volumen von Luft von niedriger Spannung in
einem geschlossenen Räume verdoppelt^ so verhali sie sich, als ob
ihre Elasticität mit der Spannung abnähme.
Ob dies wirklich der Fall ist, oder ob diese Erscheinung
einer anderen Ursache zugeschrieben werden soll, will ich
vor der Hand übergehen, indess noch einiges über die Cor-
rection mittheilen, welche an den ursprünglichen Beobach-
tungen für unseren Zweck anzubringen sind.
Vor allem sei bemerkt, dass nicht corrigirt ist für die
Zusammenpressung, welche die 6 mm dicken eisernen Wände
der Oylinder unter dem Drucke von noch nicht einer Atmo-
sphäre erleiden. In dem Ausdrucke für V'j V kommt ihre
Wirkung, wie oben die von ö' und <J", nur vor als Function
von V und hat demzufolge nur Einfluss auf Decimalen, welche
ausser unserer Betrachtung liegen.
Damit man beurtheilen könne, inwieweit die wahrgenom-
menen Spannungen F, P' und 1*" innerhalb der Grenzen
vom Mangel an Constanz der Temperatur des Manometers
und des Kathetometers beeinäusst würden, wurde aus jeder
einzelnen Bestimmung die Lage des Nullpunktes des Mano-
meters abgeleitet. Auf diese Weise lieferte jede Reihe etwa
zwanzig Bestimmungen dieses Punktes aus Werthen von F,
weitere zwanzig aus Werthen von F und zwanzig aus
Werthen von F\
Nun ist der Einfluss von Temperaturveränderungen der
810 E. van der VetL
Scala auf die scheinbare Lage dieses Panktes und von denen
des Quecksilbers auf seine wahre Lage weit grösser als ihr
Einfluss auf die Werthe Ton F n. s. w. selbst, da der letzte
dem Unterschiede, der erste der halben Summe ihrer Aen-
derungen in der Länge proportional ist, welche die beiden
Quecksilbersäulen während der Beobachtungen eines Tages
erfahren. Aus den Beobachtungen folgt:
1. Dass die Lage jenes Punktes in Bezug auf die Ter-
schiedenen gemessenen Werthe von P, P" und P^' auf voll-
kommen die nämliche Weise sich ändert, als übereinstim-
mend mit der einer anderen Wege entlang bestimmten
conischen Form des Rohres.
2. Dass der wahrscheinliche Fehler der genannten Be-
stimmungen in den verschiedenen Reihen zwischen ±0,003
und ±0,007 mm liegt, ein Werth, welcher die Summen der
bei der Einstellung des Femrohrs und der Ablesung des Schrau-
benkopfes gemachten wahrscheinlichen Fehler nicht übersteigt.
Danach wurden die zu einer Reihe gehörenden Werthe
von P u. s. w. als wie bei constanter Temperatur erhalten
angesehen.
Von der grössten Wichtigkeit ist eine sorgftltige Be-
trachtung der Depressionen^ welche die Oberflächenspannung
in den Menisken verursacht.
Das Manometer war nicht vollkommen cylindrisch. Stieg
die Quecksilbersäule im geschlossenen Schenkel jedesmal
10 mm, so sank die im geöffneten Schenkel jedesmal um
10,45 mm. Die Durchmesser zweier an beiden Seiten auf
5 mm innerhalb der Menisken liegenden Durchschnitte des
Rohres verhalten sich also wie yTÖ4,5 : 10, die Durchschnitte
in den auf 350 mm voneinander entfernten Menisken selbst
wie 10,3 : 10 vom geschlossenen Ende an gerechnet.
Dabei übertraf die Höhe des Meniscus im geschlossenen
Schenkel, in dem die Erweiterung aufwärts gekehrt war,
stets die im geöffneten ; das Verhältniss zwischen beiden
Höhen war im Durchschnitt wie 1,8:1.
Bei diesem constanten Verhältniss der Durchmesser im
Meniscus und bei diesem constanten Unterschiede ihrer
Höhen war der Betrag der Correctionen, welche der Depres-
sion wegen bei P, P' und P" angebracht werden mussten,
BoyU?sches Gesetz für kleine Drucke, 311
für alle dieae Grössen die nämliche^ und wohl — der Tabelle
Yon Delcros nach — gleich ±0,14 mm; auf den Werth
von (P-P")/(P"-P') hatten sie somit keinen Einfluss.
Der constante Unterschied in den Höhen der Menisken
besteht nur dann, wenn bei jeder Messung das Quecksilber
Yor der letzten Einstellung sich in derselben Richtung durch
das Rohr bewegt.
Bei den Messungen, welche sich auf P beziehen, bewegt
es sich, weil man Luft hineinlässt, vom geöffneten nach dem
geschlossenen Ende, und dies ist auch der Fall, wenn man
JP" bestimmen will, weil dann immer durch Zusammenfügung
der Cylinder die Spannung zunimmt
Nur wenn man R bestimmen will, bewegt sich das
Quecksilber in entgegengesetzter Richtung, da dabei die Luft
evacuirt wird« Aber dies kann man immer dadurch ver-
hüten, dass man die Verdünnung einige Millimeter zu weit
fortsetzt und nachher plötzlich etwas Luft einlässt Diese
Methode ist besonders zu empfehlen, wenn man sich der
äussersten Grenze der Leistungsfähigkeit der Luftpumpe
nähert, weil man beim Differentialbarometer in diesem Fall
der Gefahr nicht immer entgehen kann, dass die Beobach-
tungen aufeinander folgen, wie z. B.:
Geschlossener Schenkel | Geöffiieter Schenkel
Gipfel 235,24 \ Höhe des Meniscus ' Gipfel 221,88 { Höhe des Meniscus
Rand 233,88 | 1,36 i Rand 220,74 | 1,14
Gipfel 281,64 1 Höhe des Meniscus 1 Gipfel 225,56 1 Höhe des Meniscus
Band 230,66 j 0,98 ' Rand 224,08 | 1,48
Die Ursache dieser plötzlichen Veränderung ist klar.
Wenn man im Augenblicke, wo die Pumpe an der Grenze
ihrer Leistungsfähigkeit angelangt ist, das Pumpen fortsetzt,
und der Unterschied der dann von aussen auf die Queck-
silbersäule wirkenden Kräfte nicht ausreicht, um die Rei-
bung in dem zweimal gebogenen Bohre zu überwinden, so
addirt er sich zu den molecularen Kräften, und zuerst ent-
steht eine Formyeränderung; das an der Pumpenseite lie-
gende Ende wird convex, das davon abgewendete abgeplattet.
Man kann so leicht, wenn die Pumpe diese Grenze erreicht
hat, durch langsames Pumpen der Randwinkel im geschlos-
senen Schenkel bis 90® steigern.
Haarlem, 5. August 1839.
312 Physikalisch'tecjinisdie ReichsanstalL
XIL Bekanntmadiung der Physikalisch"
technischen Meic/isanstcUt ttbef* die Prüfung
electrisclier Messgeräthe.
(Aus der Zeitschrift für Instmmentenkunde, 1889, JulL)
A. Bestimmungen.
(Centralblatt für das deuteche Reich, 1889, Nr. 23, p. 810.)
Die zweite (technische) Abtheilung der Physikalisch-
technischen Reichsanstalt übernimmt die Prüfung der zeitigen
Werthe von electrischen Widerständen und Normalelementen,
sowie der Angaben von Strommessern und Spannungsmes*
Sern für Q-leichstrom. Es bleibt der Reichsanstalt yorbehal-
ten, vor der Zulassung zur Prüfung eine Untersuchung der
Brauchbarkeit und Dauerhaftigkeit dieser Geräthe eintreten
zu lassen.
Untersuchungen anderer als der oben genannten elec-
trischen Geräthe und Einrichtungen übernimmt die Reichs-
anstalt, soweit nach ihrem Ermessen ein allgemeines tech-
nisches oder wissenschaftliches Interesse dabei vorliegt. Ueber
den Umfang und die Ausführung solcher Untersuchungen
findet eine besondere Vereinbarung mit den Betheiligten statt.
Die Prüfung electrischer Messgeräthe wird nach Maass-
gabe folgender Bestimmungen ausgeführt und kann auf Ver-
langen mit einer Beglaubigung verbunden werden. Der Er-
lass von Bestimmungen über die Prüfung hier nicht genann-
ter Messgeräthe wird vorbehalten.
I. Widerstände.
§ 1. Die Beglaubigung ist vorbehaltlich der Bestim-
mungen im § 3 Abs. 3 und § 5 nur zulässig für Einzel-
widerstände und Widerstandssätze aus Platinsilber, Neusilber
und ähnlichen Legirungen, deren Leitungsfähigkeit durch die
Temperatur erheblich grössere Veränderungen als die der
vorgenannten Materialien nicht erfährt. Widerstände aus
Graphit, Kohle und Electrolyten sind von der Beglaubigung
ausgeschlossen.
§ 2. Die Einrichtung der zur Beglaubigung zuzulaasen-
den Widerstände soll folgenden Anforderungen genügen:
Prüfung electrischer Mestfferäfhe. 813
1. Die Anlage soll hinreichende Sicherheit und Unver-
änderlichkeit der Werthe gewährleisten.
2. Theile, deren Beschädigung oder willkürliche Yerän-
deriing leicht möglich und schwer wahrnehmbar ist, sollen
in einem festen, bei der Einreichung abnehmbaren Gehäuse
eingeschlossen sein, welches Einrichtungen für Aufnahme der
durch die Eeichsanstalt anzubringenden Sicherheitsverschlüsse
trägt
3. Auf jedem Messgeräth soll eine Q-eschäftsnummer
und eine Geschäftsfirma Termerkt sein; die letztere kann
durch ein amtlich eingetragenes Fabrikzeichen ersetzt werden.
4. Der Werth des Widerstandes soll unter Beifügung
der Bezeichnung Ohm in dieser Weise auf dem Messgeräth
unzweideutig angegeben sein; auf Widerstandssätzen ist die
vorgenannte Bezeichnung nur einmal erforderlich.
§ 3. Je nach dem Antrage der Betheiligten werden die
Widerstände als Gebrauchswiderstände oder als Fräcisions-
widerstände geprüft und beglaubigt, und zwar werden be-
glaubigt:
1. als Gebrauchswiderstände solche Widerstände, deren
Abweichung von den Normalen der Reichsanstalt bei +15
Grad des hunderttheiligen Thermometers ±0,005 des Soll-
werthes nicht überschreitet,
2. als Präcisionswiderstände solche Widerstände, welche
bei der auf ihnen verzeichneten Temperatur von den Nor-
malen der Reichsanstalt um nicht mehr als ±0,001 des Soll-
werthes abweichen.
Bei Widerstandssätzen sollen diese Fehlergrenzen sowohl
von jedem einzelnen Widerstand als von beliebigen Zusam-
menfassungen mehrerer Widerstände eingehalten werden.
Die Angabe der Temperatur auf Präcisionswiderständen
hat durch den Verfertiger zu erfolgen. Nur bei Glasröhren
mit Quecksilberfüllung, deren Beglaubigung als Präcisions-
widerstände statthaft ist, übernimmt die Reichsanstalt auf
Wunsch der Betheiligten die Anbringung dieser sowie der
nach § 2 Nr. 4 erforderlichen Bezeichnungen.
Die Prüfung von Gebrauchswiderständen erfolgt durch
Yergleichung bei mittlerer Zimmertemperatur, diejenige von
814 Phyaihalisch'technUche ReiehsanstaU.
Fräcisionswiderst&iiden bei zwei yerschiedenen, passend ge-
wählten Temperaturen.
§ 4. Die Beglaubigung geschieht durch Aufbringen
eines Stempels und einer Prüfungsnummer in der Nähe der
Angabe des Widerstandswerthes , durch Anlegung von Sicher-
heitsverschlüssen am Ghehäuse, sowie durch Ausfertigung
eines Beglaubigungsscheins. Bei Widerstandss&tzen wird der
Stempel in die Nähe eines der mittleren unter den angege-
benen Widerstandswerthen gesetzt Die Stempel und die
Verschltlsse zeigen das Bild des Reichsadlers und die Jahres-
zahl der Prüfung. Bei dem Stempel für Präcisionswider-
stände tritt ein fünfstrahliger Stern hinzu.
Der den gestempelten Widerständen beigegebene Be-
glaubigungsschein bekundet bei Gebrauchswiderständen ihre
Abweichung von den Normalen der Reichsanstalt bis auf
db 0,001, für Präcisionswiderstände bei zwei Temperaturen
bis auf wenigstens ±0,031 ihres Sollwerthes, doch wird bei
kleineren Widerständen die Angabe der Abweichungen bis
zu 0,05 1 Ohm geführt Hierbei ist anzugeben, dass das Ohm
zu 1,06 Siemens-Einheiten berechnet ist.
§ 5. Widerstände aus starken Kupferseilen; welche den
Bestimmungen unter §2 Nr. 1, 8, 4 genügen, können aus-
nahmsweise zur Prüfung zugelassen werden. Ein solcher
Widerstand wird bei der auf demselben angegebenen Tem-
peratur oder, falls eine derartige Angabe fehlt, bei -|-15
Grad mit den Normalen der Reichsanstalt verglichen und,
wenn die Abweichungen ±0,01 des SoUwerthes nicht über-
schreiten, an den Abzweigungsstellen gestempelt In der
beigegebenen Prüfungsbescheinigung wird die Einhaltung
der Fehlergrenzen bekundet und das Gewicht des Wider-
standes aufgeführt
II. Normalelemente.
§ 6. Bis auf weiteres werden zur Prüfung und Beglau-
bigung nur Normalelemente nach Latimer Olark mit der
Bezeichnung als solche zugelassen, sofern deren Einrichtung
ein Umkehren gestattet, ohne dass das Zink mit dem Queck-
silber in Berührung kommt. Auch sollen die Anforderungen
unter § 2 Nr. 1 bis 3 erfüllt sein. Etwaige mit den Nor-
Prüfung eleclrischer MessgeräAe, 315
malelementen fest verbundene Thermometer müssen vor ihrer
Einfügung der Beichsanstalt zur Prüfung vorgelegen haben
und deren Prüfungsstempel tragen.
§ 7. Die Prüfung eines Normalelements erfolgt durch
Vergleichung mit den Normalen der Reichsanstalt; ist die
Abweichung nicht grösser als ±0,001 Voltj so wird das Ele-
ment unter sinngemässer Anwendung der Bestimmungen
unter § 4 Abs. 1 gestempelt und in dem beigegebenen Be-
glaubigungsschein die Einhaltung der vorstehenden Fehler-
grenze bekundet
IIL Strommesser und Spannnngsmesser.
Zur Prüfung und Beglaubigung zugelassen werden bis
auf weiteres Strommesser für Stromstärken bis zu 1000 Am-
pere und Spannungsmesser für Spannungen bis zu 300 Volty
sofern dieselben den Anforderungen unter § 2 Nr. 1 bis 3
genügen, und sofern auf ihnen die Werthe der Seal entheile
unter Beifügung der Bezeichnung Ampere, resp. Volt in die-
sen Einheiten unzweideutig vermerkt sind.
Auf Messgeräthen, deren verbürgte Anwendung auf einen
Theil der vorhandenen Scala eingeschränkt werden soll, sind
die Grenzen ihres Anwendungsgebietes anzugeben in der Form :
,, Strommesser richtig von bis ... . Ampere^^, resp.
„Spannungsm esser richtig von bis ... . VoU^\ Hier-
bei soll das Anwendungsgebiet wenigstens 10 Scaleninter-
valle umfassen.
§ 9. Die Prüfung eines Strommessers oder eines Span-
nungsmessers erfolgt durch Vergleichung mit den Normalen
der Beichsanstalt an wenigstens drei Scalenstellen, und zwar
bei steigender sowie bei fallender Stromstärke, resp. Spannung.
Bei der Prüfung von Spannungsmessem, welche nach
unzweideutiger Aufschrift nur mit kurzer oder nur mit lang-
dauernder Einschaltung gebraucht werden sollen, wird die
Dauer der Einschaltung dementsprechend bemessen, und zwar
im ersten Falle auf höchstens eine Minute, im anderen Falle
auf wenigstens eine Stunde. Fehlt eine Angabe der Ein-
schaltungsdauer, für welche ein Spannungsmesser bestimmt
ist, so sollen die Fehlergrenzen für kurze und für dauernde
Einschaltung eingehalten werden.
316 Physikalisch'Uchnische Reichsanstalt.
§ 10. Die Beglaubigung erfolgt bei Messger&then ohne
Beschränkung des Anwendungsgebietes, wenn die gefundenen
Fehler entweder nicht über ±0,2 der die Prüfungsstelle ent-
haltenden, resp. ihr benachbarten Scalenintervalle oder nicht
über ±0,01 des Sollwerthes hinausgehen; bei Ger&then mit
beschränkter Anwendung der Scala (§ 8 Abs. 2) soll der
Fehler innerhalb des Anwendungsgebietes ±0,01 des Soll-
werthes nicht übersteigen.
Die Stempelung eines Strommessers oder eines Span-
nungsmessers geschieht nach Maassgabe der Bestimmungen
unter § 4 Absatz 1; der Stempel erhält seinen Platz nahe
der Mitte des Anwendungsgebietes der Scala. Dem gestem-
pelten Messgeräth wird ein Beglaubigungsschein beigegeben,
welcher die gefundenen Fehler bekundet.
IV. Gebühren.
§ 11. Es werden erhoben:
1. für die Prüfung und Stempelung
a) eines einzelnen Gebrauchswiderstandes eine
Gebühr von 2,00 M.
b) eines Satzes von Gebrauchs widerständen eine
Grundgebühr von 2,00 ??
sowie für jede einzelne Abtheilung eine Zu-
satzgebühr von je 0,50 ??
c) von Präcisionswiderständen das Vierfache
der Sätze a, resp. b
d) eines Quecksilberwiderstandes eine Gebühr
von 12,00 r
2. für die Prüfung und Stempelung eines Normal-
elements eine Gebühr von 1,50 ?•
3. für die Prüfung und Stempelung
a) eines Strommessers unter 300 Amp, oder
eines Spannungsmessers nach Prüfung an
drei Scalenstellen eine Gebühr von . . . 3,00 ??
für Prüfung jeder weiteren Stelle . . . 0,20 ?•
b) eines Strommessers von 300 bis ausschliesslich
600 Amp, das Anderthalbfache der Sätze zu a,
c) eines Strommessers von 600 bis 1000 Amp,
das Doppelte der Sätze zu a.
Prüfung ekctnscher Messgeräthe. 817
4. für nachträgliches Aufbringen der vorgeschrie-
benen Bezeichnungen 0,50 M.
5. filr die Prüfung von Messger&then^ deren Stem-
pelang sich als unzulässig erweist, Gebüh-
ren nach Maassgabe der aufgewendeten
Arbeit, und zwar für die Stunde .... 1,50 n
werden die gefundenen Fehler dem Bethei-
ligten mitgetheilt, so erfolgt die Ansetzung
der Gebühren wie bei gestempelten Geräthen.
6. f&r Untersuchung der Brauchbarkeit und Dauer-
haftigkeit von electrischen Apparaten und
Einrichtungen (vgl. Einleitung) Gebühren
ebenfalls nach Maassgabe der aufgewende-
Arbeit, jedoch für die Stunde 8,00 n
Charlottenburg, den 24. Mai 18S9.
Physikalisch-technische Reichsanstalt,
von Helmholtz.
B. Erläuterungen zu vorstehenden Bestimmungen.
Zu den Aufgaben der Physikalisch -Technischen Beichs-
anstalt gehört es, electrische Messgeräthe für technische
Zwecke zu prüfen und auf Antrag der Betheiligen geeigneten
Falls mit einer amtlichen Beglaubigung zu versehen. Die
letztere soll nicht nur die Richtigkeit der Geräthe zur Zeit
der Prüfung, sondern auch in gewissen Grenzen die Unver-
änderlichkeit ihrer Angaben gewährleisten. Die Beglaubigung
musste daher vorläufig auf diejenigen wenigen Gattungen
von Messgeräthen beschränkt werden, über welche bereits
vielseitige und längere Erfahrungen vorliegen. Es ist aber
in Aussicht genommen, später noch weitere Arten von Mess-
geräthen in den Bereich dieser Prüfungen zu ziehen. Na-
mentlich sind in dieser Beziehung Condensatoren , sowie
Strom- und Spannungsmesser für Wechselstrom ins Auge
gefasst. Stromzeitmesser (Electricitätszähler) werden vor-
läufig noch nicht gestempelt, weil bei den bisher gebräuch-
lichen Formen ein amtlicher Verschluss nicht angebracht
werden kann. Sobald dies ermöglicht ist, wird die Zulassung
318 Physikalisck'technische Reichsanstalt,
dieser für das electrische Gewerbe besonders wichtigen
Apparate zar Stempelung in Erwägung gezogen werden.
Für jede besondere Form eines Messger&thes ist zunächst
die Dauerhaftigkeit und Sicherheit seiner Anzeigen zu unter-
suchen. Sollen daher Messgeräthe einer bestimmten, bis
dahin noch nicht zur Beglaubigung zugelassenen Form von
der Beichsanstalt geprüft und beglaubigt werden, so ist der-
selben zunächst ein auf Vornahme der Voruntersuchung ge-
richteter Antrag unter Beifügung eines oder mehrerer der-
artiger Instrumente einzuliefern. Unter Umständen werden
hierbei auch Apparate, deren Zulässigkeit für schwächere
Stromstärken bereits anerkannt ist, einer neuen Prüfung zu
unterziehen sein, wenn sie für weit höhere Stromstärken ge-
braucht werden sollen.
Ausserdem übernimmt die Beichsanstalt auch die Prü-
fung von solchen Messgeräthen, welche Torläufig zur Stem-
pelung nicht zugelassen werden. Andere electrische Geräthe
und Einrichtungen werden auf Wunsch der Betheiligten
untersucht, sobald ein allgemeines Interesse dabei vorliegt
Die Prüfung erfolgt in allen Fällen durch Vergleichung
mit den Normalen der Beichsanstalt. Ueber die Einrichtung
derselben, sowie über die Ausführung der Prüfungen wird
demnächst in der Zeitschrift für Instrumentenkunde, sowie
in electrischen Fachblättern ausführlicher berichtet werden.
Die Richtigkeit der Widerstandsnormale der Reichsanstalt
wird durch Vergleichung mit den Copien der Normale anderer
Staaten und der von hervorragenden Physikern hergestellten
Widerstandseinheiten gesichert.
Die Reichsanstalt wird bestrebt sein, die Abfertigung
der zur Prüfung eingereichten Messgeräthe in der Regel in
spätestens drei Wochen, vom Tage des Einganges an ge-
rechnet, zu bewirken; nur die Abfertigung von Präcisions-
widerständen und von solchen Strom- und Spannungsmessem,
bei welchen eine Aenderung der Angaben mit der Zeit zu
befürchten ist, wird im allgemeinen eine Frist von zwei Mo-
naten erfordern.
Zu I.
Die Anforderungen an die zur Stempelung zuzulassenden
Widerstände schliessen Gleitdrahtbrücken und ähnliche Ein-
Prüfung ekctrischer MessperäiAe, 319
xichtungen aus, weil die Angaben derselben sich für einige
Dauer nicht hinreichend verbürgen lassen. Bezüglich der
Sicherheit und Un?eränderlichkeit ist insbesondere auf starke
Zuleitungen und sichere Verbindung der Widerttandsdrähte
mit den Zuleitungen zu sehen.
Bei Pr&cisionswiderständen darf nach Erwärmung auf
50^ eine Aenderung des Widerstandes um 0,0^5 seines
Sollwerthes nicht eintreten. Die Drähte sollen so befestigt
sein, dass sie bei dem Gebrauche keinen Verbiegungen aus-
gesetzt sind. Auch ist es rathsam, Bollen von möglichst
grossem Durchmesser zu verwenden und überhaupt bei dem
Wickeln des Drahtes erhebliche Gestaltsänderungen desselben
zu vermeiden. Die Wickelung ist derartig anzuordnen, dass
der Draht die Wärme schnell an die Umgebung abgeben
kann. Endlich empfiehlt es sich, Vorkehrungen zur Ein-
fügung von Thermometern in das Innere der Fräcisions-
widerstände vorzusehen, um die Ermittelung der Drahttem-
peratur zu erleichtem.
Zu IL
Das Quecksilbersulfat- Element nach Latimer Clark
ist bis jetzt das einzige Normalelement, welches in einer zur
Versendung geeigneten Form hergestellt wird. Es ist nicht
ausgeschlossen, die Beglaubigung später noch auf andere
Normalelemente auszudehnen.
Zu lU.
Das Zeigerwerk der Strom* und Spannungsmesser darf
durch Erschütterungen infolge des Transports oder plötz-
licher Einschaltung des Stromes keine nachtheiligen Ver-
änderungen erfahren; auch sollen die Messgeräthe durch
äussere magnetische Kräfte von massiger Stärke, wie solche
im Betriebe nicht leicht zu vermeiden sind, in erheblichem
Grade nicht beeinflusst werden.
Als Einstellung des Messgerähts für eine bestimmte
Stromstärke oder Spannung gilt in der Regel diejenige Lage
des Zeigers, auf welcher derselbe ohne Beeinflussung seiner
Schwingungen seitens des Beobachters zur Ruhe kommt.
Nur auf ausdrückliches Verlangen des Betheiligten wird als
Einstellung diejenige Lage des Zeigers angenommen, in wel-
cher derselbe zurückbleibt, wenn man ihn mit der Hand
320 PhysMechn. Reichsanstalt, Prüfung electr. Messgeräfhe.
hemmt und ihn so sich langsam aufwärts oder abw&rts über
die Scala bewegen lässt; in solchem Falle wird aber dem
Beglaubigungsschein ein bezüglicher Vermerk eingefügt
Bei Spannungsmessern erfolgt die auf wenigstens eine
Stunde ausgedehnte Einschaltung mit der mittleren Spannung
des Anwendungsgebietes, sofern ein solches auf der Scala ab-
gegrenzt ist; anderenfalls erfolgt die dauernde Einschaltung
mit derjenigen Spannung, bei welcher das Messgeräth die
grösste Empfindlichkeit besitzt, oder falls ein grösseres Ge-
biet gleicher Empfindlichkeit vorhanden ist, mit der mittleren
Spannung desselben. Im Beglaubigungsschein wird ange-
geben, mit welcher Spannung die langdauernde Einschaltung
erfolgt ist. Beantragt der Betheiligte die letztere für mehr
als eise Spannung, oder wird ein solches Verfahren seitens
der Reichsanstalt für erforderlich erachtet, so werden für
diese Mühewaltungen besondere Gebühren erhoben.
Strom- und Spannungsmesser, welche in ein plombirbarea
Gehäuse nicht eingeschlossen werden können, werden nach
der Vorschrift in § 8, bezw. § 2 Nr. 2 nicht gestempelt. Die
meisten derartigen Messgeräthe, z. B. die bisher gebräuch-
lichen Torsionsdynamometer und Torsionsgalvanometer, haben
ihren Charakter als Laboratoriumsinstrumente im wesent-
lichen bewahrt. Wer mit solchen Geräthen arbeitet, wird
in der Regel mit electrischen Messungen soweit vertraut sein,
dass er die Prüfung ihrer Angaben mittelst Widerstände und
Normalelemente oder Silber-, bezw. Kupfervoltameter selbst
ausführen kann. Wird indessen die Untersuchung eines
solchen Geräthes gemäss Abs. 2 der Einleitung von der
Reichsanstalt gewünscht, so wird sie nach besonderer Ver-
einbarung mit den Betheiligten übernommen werden.
Zu IV.
Soweit die Gebühren nach der aufgewendeten Zeit be-
rechnet werden, ist für laufende Prüfungen, welche von tech-
nischen Hülfsarbeitern unter Aufsicht ausgeführt werden
können, ein geringerer Satz, dagegen für Arbeiten, welche
von wissenschaftlichen Beamten der Reichsanstalt zu erle-
digen sind, ein höherer Satz für die Stunde zu Grunde ge-
legt worden.
Drnek Ton M etiler & Witttr in Leipttg.
1889. ANNALE N Mit
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XXXVIIL
I. Zur Tlieorie des Volta^sch^n Elements und der
galvaniacJien Folartsation ;
von E. Warburg.
(HIersB Taf. IT Fig. 1.)
§ 1. Volta'sche Elemente sind inconstant nicht nur
sofern sie Strom liefernd polarisirt werden, sondern auch
sofern die electromotorische Kraft des offenen Elements mit
der Zeit veränderlich ist. Zahlreiche Beobachtungen über
das letztere Verhalten sind neuerdings von Damien^) ver-
öffentlicht worden, welcher verschiedene Volta'sche Ele-
mente stromlos aufbewahrte und die Veränderung ihrer elec-
tromotorischen Kraft 160 Tage hindurch verfolgte.
Nachdem ich für verschiedene Fälle als Ursache dieser
Veränderung die in den Elementen absorbirte atmosphäri-
sche Luft durch den Versuch nachgewiesen hatte, beschloss
ich, deren EinÜuss unter möglichst einfachen Verhältnissen
systematisch zu untersuchen. Ich construirte und unter-
suchte dazu Elemente aus zwei gleichen metallischen Elec-
troden in einem Electrolyten , dessen Luftgehalt an den
beiden gleichen Electroden ein verschiedener war, Elemente,
welche ich Luftelemente nennen will. Dabei ergab sich
dann, dass die Theorie dieser Luftelemente in einer Be-
ziehung steht zu der Theorie des Volta'schen Elements
und seiner Polarisirbarkeit.
§ 2. Die Einrichtung der Luftelemente zeigt Taf. IV Fig. 1.
Der Kolben K wird in passender Lage durch B mit dem
Electrolyten gefüllt, B zugeschmolzen und A an eine Kör-
ting'sche Wasserstrahlluftpumpe angesetzt. Man kocht die
Flüssigkeit in K gut aus, wobei sie sich, unter dem in der
Wasserluftpumpe vorhandenen kleinen Druck stehend, nur
1) B. C. Damien, Ann. de chim. et de phys. (6) 6. p. 289. 1885.
Aad. d. Phyt. Q. Chemie. N. F. XXXVIII. 21
322 E. Warburg.
wenig erwärmt, und schmilzt bei A ab. Hierauf bringt man
den Apparat in die Lage der Fig. 1 , giesst so die Flüssig-
keit in das Rohr CDE, welches bei £,, E^ Electroden aus
dem gleichen Metall enthält, und kocht noch einmal im
Yacuum, besonders bei E^ und E^ aus, um das an den Glas-
wänden und den Electroden haftende G-as zu entfernen.
Oeffnet man jetzt bei A, so ist die in den Kolben K ge-
langte Luft, sowie die Luft bei A durch die 60 cm hohe
Flüssigkeitsschicht CE von den Electroden abgesperrt und
kann nur durch den sehr langsamen Diffusionsprocess nach
E gelangen. Auch war am zehnten Tage, nachdem bei A
geöffnet worden, noch kein Anzeichen dafür vorhanden, dass
Luft nach E gelangt wäre.
Man richtet einen dem beschriebenen Apparat genau
gleichen her, aus welchem man aber die atmosphärische Luft
nicht entfernt. Die beiden Apparate werden an den Stellen
AA' durch einen mit dem angewandten Electrolyten geftlllten
Glasheber verbunden, und man kann nun die electrische
Differenz zwischen den Yacuumelectroden E^, E^ einerseits
und den Luftelectroden E^\ E^ andererseits messen. Zwei
Electroden wurden in jedem Apparat angewandt, um den
Einfluss zufälliger Ungleichheiten kennen zu lernen.
§ 3. Als Electroden in E wurden Zn, Cu, Hg, Ag, Pt
benutzt. In alle Apparate waren bei E 0,54 mm dicke Pla-
tindrähte eingeschmolzen, welche auf 3 mm Länge frei in
den Electrolyten hineinragten, Hg-Electroden wurden er-
halten, indem auf die Platindrähte etwas destillirtes, zuweilen
noch anderweitig (§ 7) gereinigtes Hg gegossen wurde. Die
anderen Metalle wurden auf den Platindrähten langsam elec-
trolytisch niedergeschlagen, ein bei C eingeschmolzener Plä-
tindraht diente dabei als Anode. Das Zinkbad wurde be-
reitet, indem 291 g ZnSO^ THgO zum halben Liter gelöst
und 326 g Na2S04 hinzugegeben wurden.^) Kupfer wurde
aus concentrirter CuSO^- Lösung ausgefällt, das Silberbad
war das Roseleur'sche^) in etwas höherer Concentration,
enthielt nämlich auf 0,5 1 destillirten Wassers 20 g KON
l; S. J. Gubkio, Dissert. aus dem Berliner Institut. Freiburg 18S6.
2) Schaechl. Galvanostegie. Wien 1886. p. 185.
VoÜcCsches Element und Fölarisation, 323
und 12y4 g AgCN. Alle Niederschläge waren compact, das
Silber polirbar.
§ 4. Die electromotorische Kraft der Luftelemente
wurde bestimmt, indem ein Condensator zu ihrer Potential-
differenz geladen und durch ein Thomson'sches Galvano-
meter entladen wurde. Für die gewöhnlich benutzte Capa-
cität Yon 1 Mikrofarad entsprach der Ausschlag von 1 Sca-
lentheil etwa 7i4oo Volts. Als Normalelement diente dabei
das y. Helmholtz'sche Calomelelement. Die Zinkchlorid-
lösung enthielt 86,15 ZnCl^ (käußich) im Liter. Die elec-
tromotorische Kraft dieses Elements fand ich durch das
Silbervoltameter ^) mittelst einer Batterie von 144 solchen
Elementen zu 1,072 Volts bei 20^ Da Hr. Czapski«) fttr
dieselbe den Werth 1,089 gibt, so veranlasste ich Hrn.
Dr. Wolff, das Calomelelement mit dem Clarkelement zu
vergleichen; dabei ergab sich durch Benutzung des Ray-
leigh'schen Clarkwerthes das Calomel = 1,074 Volts. Die
Bestimmung Czapski's fusst auf dem Werth, welchen Hr.
Fr. Weber^) für das von ihm benutzte Normaldaniell ge-
geben hat; das System der Weber'schen Messungen liefert
aber, wie schon Hr. Czapski hervorhebt, für das Verhält-
niss S.-E./Ohm einen zu grossen Werth, nämlich 0,957 anstatt
0,943 (=1/1,06). Nun findet sich in Hrn. Fr. Weber's
Abhandlung eine Angabe über die electromotorische Kraft
seines Normaldaniell, welche von jenem Verhältniss unab-
hängig ist und nur auf einer absoluten Strommessung fusst,
die Angabe nämlich, dass sein Normaldaniell =11,451 Siem.
X Weber = 1,1451 Siem. x Ampere ist.*) Setzt man hierin
für das Verhältniss S.-E./Ohm 0,943 statt 0,957, so erhält
man für das Normaldaniell 1,080 Volts statt 1,096 und indem
nach Czapski Calomel / Normaldan. = 0,9942 ist, für das
Calomel 1,074 Volts anstatt 1,089, übereinstimmend mit den
Freiburger Messungen. Als Mittel setze ich 1 Calomel = 1,074
1) S. darüber E. Warburg, Wied. Ann. 31. p. 845. 1887.
2) S. Czapski, Wied. Ann. 21. p. 220. 1884.
8) Fr. Weber, Absolute electromagnetische und calorimetrische
Messungen. Zürich 1877. p. 49.
4) Fr. Weber, 1. c. p. 49.
21*
324 E. Warburg.
Volts y übrigens differiren verschiedene Calomels unter sich
in der dritten Decimale. Die electromotorischen Elräfte sind
im Folgenden stets in Millivolts angegeben.
§ 5. Was zunächst das allgemeine Verhalten der Luft-
elemente anlangt, so zeigte sich die Vacuumelectrode stets
electropositiv oder, wie ich zu sagen vorziehe, anodisch ^)
gegen die Luftelectrode. Bei Luftelementen, deren Ejraft an
sich klein ist, nämlich nur einige Millivolts beträgt, findet
man zuweilen, obwohl selten, das umgekehrte Verhalten;
dies liegt dann stets an einer ursprünglichen Ungleichheit
der Electroden, stets wird eine Electrode durch Entfernung
der Luft aus ihrer Umgebung anodischer, als sie war.^
§ 6. Die electromotorische Kraft ändert sich weiter
etwas mit der Zeit, indem sie mit der Zeit zuweilen grösser,
zuweilen kleiner wird. So fand sich die electromotorische
Kraft in Millivolts zu verschiedenen Zeiten nach dem An-
setzen der Elemente für:
Hg in MgSO« nach 5 Stunden 116, nach 22 Stunden 134
?> » ?» » »> 106, » ?> 5> 96
(anderes Element)
Hg in KCl nach
1
.2
?>
2,
>»
24
»
4
» ?» »
?>
»
1,
»
»
?>
2
(anderes Element)
Ug in HCl
5
;>
3,
j>
»
»
2
,, in KNOs
1
?>
120,
j>
j»
?»
138
Sämmtliche Lösungen in vorstehenden Angaben enthiel-
ten 0,05 g-aeq. der gelösten Substanz im Liter, also z. B.
6,14 g MgSO^.THgü, 3,72 g KCl, waren also ziemlich ver-
1) Man pflegt zu sagen, das Zink sei im Volt ansehen Element elec-
tropositiv gegen Kupfer, ursprünglich wohl wegen der relativen Stellung
von Zink gegen Kupfer in der Vol tauschen Spann ungsreihe, hauptsäch-
lich weil in dem arbeitenden Element Zink die Anode ist. Zuweilen
nennt man umgekehrt den Zinkpol den negativen, weil in dem offenen
Element das Zink negatives Potential relativ zum Kupfer zeigt Um
Zweideutigkeiten zu vermeiden, scheint es mir daher zweckmässig, zu
bagen, Zink verhalte sich im Vol tauschen Element anodisch gegen
Kupfer, und dieses verhalte sich kathodisch gegen Zink. Diese Bezeich-
nung wird im Folgenden gebraucht.
2) Dieses Resultat wurde bereits von Viard durch Beobachtungen
an Luftelementen etwas anderer Construction festgestellt. (Ann. de chim»
et de phys. (3) 36. p. 129. 1852.)
VoUd'sches Element und Polarisation. 325
dünnt. Nach 24 Standen blieb die Kraft, durch einige Tage
hin beobachtet, in der Regel ziemlich constant; bei einer
concentrirten MgSO^-Lösung indess, welche 3,25 g-aeq. im
Liiter enthielt, wuchs sie bis zum sechsten Tage, betrug
nämlich:
nach 24 Stunden 2 x 24 Stunden, 4 x 24 Stunden. 6 x 24 Stunden
n 41 yy 61 yy 68 m 88 MilUvolts
nnd behielt diesen Werth in den folgenden Tagen.
§ 7. Luftelemente, in welchen Electroden aus demsel-
ben Metall in demselben Electrolyten stehen, zeigen oft mehr
oder weniger verschiedene electroinotorische Kraft, wobei
zuweilen die Ursache des verschiedenen Verhaltens bestimmt
nachgewiesen werden kann. So ergab sich für Kupfer in
einer Lösung von MgClj, welche 0,05 g-aeq. im Liter ent-
hielt, die Kraft des Luftelements = 101. Als nach 24 Stun-
den die Flüssigkeit des Vacuumapparates, welcher hier Appa-
rat I heissen mag, mit Luft durch Schütteln im Kolben K
gesättigt wurde, giug die Kraft nicht — wie der Regel nach
— bald auf 0, sondern blieb auf 57 stehen ; dabei waren die
Electroden des Apparates II, welche längere Zeit als Luft-
electroden gedient hatten, schwärzlich geworden, während die
Electroden des Apparates I röthlich geblieben waren. Als
nunmehr Apparat II zum Yacuumapparat gemacht wurde,
verhielten sich die Electroden in II normaler Weise ano-
disch gegen die Electroden des mit Luft gesättigten Appa-
rates I, aber die Kraft betrug nur 36. Es überwiegt also
der Einfluss des in dem Electrolyten gelösten Sauerstoffs, aber
der auf der Electrode als Oxyd fixirte wirkt in demselben
Sinne, wie jener.
Ebenso ergab sich in KgSO^-Lösung, welche 0,60 g-aeq.
im Liter enthielt, die Kraft des Luftelements für Zink 80
oder 59, für Kupfer 60 oder 36, jenachdem frische oder
stärker oxydirte Electroden verwandt wurden.
In anderen Fällen konnte bei gleich bereiteten Elemen-
ten die Ursache der Verschiedenheit der beobachteten Kräfte
nicht bestimmt nachgewiesen werden. Z. B. ergab sich für
Hg in MgSO^-Lösung (0,05 g-aeq. im Liter) die Kraft des
Luftelementes in fünf verschiedenen Zellen, indem jedesmal
ungefähr 24 Stunden nach dem Ansetzen beobachtet wurde:
826
E. JVarburg,
134, 96, 211, 190, 199. In dem letzteren Fall war destillir-
teSy nach der Destillation mit concentrirter HNO, behandel-
tes Hg verwandt worden: 25 com destillirtes Hg wurden
dabei mit 10 ccm HNO3 übergössen und mit der gebildeten
salpetersauren Hg-Lösung 19 Stunden geschüttelt. Die bei-
den Electroden Ey^ und f,, sowie E^ und E^' eines und
desselben Apparates differirten in der Regel nur wenig; die
angegebenen Werthe sind immer die Mittel aus den yon den
beiden Electrodenpaaren gelieferten Werthen.
§ 8. Wenn nun auch nach dem Vorstehenden die Kraft
eines bestimmten Luftelementes in ziemlich weiten Grenzen
▼ariirt, so hat sich doch eine Reihe bestimmter Gesetz-
mässigkeiten ergeben, von denen ich einen Theil zunächst
zusammenstelle.
1. Luftelemente, deren Electrolyt ein Salz der Elec-
troden ist, zeigen eine sehr kleine Kraft, welche sich der
Null um so mehr nähert, je concentrirter die angewandte
Salzlösung ist, so fand sich für:
Zn in SO4
»
ZnCL
Cu in CuSO^
Hg in HgNO,
Hg in Hg-8ulfat
» ?>
»
Ag in AgNOj
» »
»
Pt in PtCl^ ungefiüir V/, „
(käuflich »/,o Sol.)
0,05 g-aeq. im Liter die Kraft 18
0,50
0,63
0,022
0,218
2,18
0,05
Spur
0,012
0,05
0,5
7»
0
2
7
5
2
0
2
2
11
0
0
§ 9. 2. Luftelemente aus Hg in Chloriden zeigen eine
sehr kleine Kraft, nämlich:
Hg in KCl
3
24 Stimden nach dem Ansetzen
II „ NaCl
3
42
jj
>i 11
M M MgCL
„ ', NH4CI
5
24
'»
)i )i
% 3
7
j»
»1 n
,, „ NaCl + B
lCI 3
24
»
II II
>i ?> HCl
2
24
n
»1 ?i
8ämmtliche Lösungen enthielten 0,05 g-aeq. des ange-
wandten Salzes im Liter.
§ 10. 3. Luftelemente aus Hg in Sulfaten zeigen eine
verhältnissmässig hohe Kraft, nämlich:
Hg in CUÖO4
. 82
r? "j Z11SO4
. 76
•? •* rljoO^
. 55
Voltasches Element und Polarisation. 327
Hg in MgSO« ... 158
77 ?> NajS04 ... 86
M >i (NH4),S0, . 74
Sämmtliche Lösungen enthielten wieder 0,06 g-aeq. des
angewandten Salzes im Liter; die Elemente wurden ungefähr
24 Stunden nach dem Ansetzen beobachtet, die gegebenen
Zahlen sind Mittelwerthe, hergeleitet aus Beobachtungen an
verschiedenen, gewöhnlich zwei Luftelementen.
§ 11. Da die in den letzten drei Paragraphen ange-
führten Gesetzmässigkeiten mich zu der Erklärung des Ver-
haltens der Luftelemente geführt haben, so will ich diese
Erklärung auch hier an diesen Gesetzmässigkeiten entwickeln.
Die Luftelemente sind eine besondere Art des Groy er-
sehen Gaselements, das active Gas in ihnen ist Luft oder,
wie von vomherein wahrscheinlich, Sauerstoff. Ueber die
Ursache der electromotorischen Kraft der Gaselemente scheint
ziemlich allgemein eine Ansicht zu herrschen, welche von
G. Wiedemann ^) so ausgesprochen wird: „Der Sitz der
electromotorischen Kraft ist an der Berührungsstelle der
mit Gas beladenen Metallplatte und der Flüssigkeit. Diese
Platten verhalten sich dann ganz wie andere Metallplatten.'' ^
Es scheint indessen von vornherein eine andere Erklä-
rungsweise nicht ausgeschlossen, obgleich dieselbe meines
Wissens bisher nie in Betracht gezogen wurde. Das in der
Flüssigkeit gelöste oder in den Metallplatten occludirte Gas
könnte an der Grenze zwischen Metall und Flüssigkeit einem
chemischen Process unterliegen, durch welchen das Gas als
solches verschwände und der Electrolyt chemisch verändert
1) G. Wiedemann, Galv. 1. p. 296. 1882.
2) Wollte mau, wie ich dies zuerst versachte, nach dieser Auffas-
songsweise das Verhalten der Luftelemente erklären, so könnte man die
Annahme machen — welche in einzelnen Fällen von vornherein nicht
unmöglich scheint — , dass durch den electrolTtischen Vorgang Sauerstoff
von dem grösseren Sättigungsdruck an der Kathode {pi) zu dem kleineren
an der Anode (/?,) übertragen werde. Hieraus ergibt sich dann noch nach
den Prindpien der mechanischen Wärmetheorie (.1. W. Gibbs, Trans.
Conn. Acad. 3. p. 510. 1878) eine dem absoluten Werth nach berechen-
bare electromotorische Kraft, welche mit log p^ pj proportional ist. In-
dessen hat sich diese Erklärung durch die Erfahrung nicht bestätigt.
328 E. Warburg.
würde. Nach dieser Auffassungsweise würden gleiche Metall-
platten in verschiedenen Electrolyten stehen.
Ich will zunächst zeigen, dass diese Erklärung f&r die
Luftelemente wirklich zutrifft. Das Erklärungsprindp ist
kurz gesagt dieses, dass in dem lufthaltigen Electrolyten
etwas von dem Metall der Electroden als Metallsalz in Lö-
sung geht, und zwar um so mehr, je grösser der Luftgehalt.
Es geht also an der Luftelectrode mehr Metall, als an der
Vacuumelectrode in Lösung, der Strom des Elements ist ein
Concentrationsstrom, für welchen die Luftelectrode die Ka-
thode ist.
Betrachten wir also z. B. das Luftelement, welches aus
Hg-Electroden in MgSO^-Lösung gebildet ist. In welcher
Verbindung das Hg in Lösung vorhanden ist, habe ich nicht
entscheiden können ; ich will sie der Kürze halber durch Hg, SO4
bezeichnen. Die Constitution des betrachteten Luftelements
können wir dann schematisch so darstellen:
wo y > X.
§ 12. Die experimentellen Belege für die Richtigkeit
dieser Erklärung sind folgende.
In einer ^j^'lAiQviL9i.%Q\ie wurden 10 ccm von dem be-
nutzten destillirten Hg mit V4 1 der benutzten MgS04-Lösung
(0,05 g-aeq. im Liter) 58 Stunden lang geschüttelt; dazu wurde
eine Schüttelvorrichtung von Muencke benutzt, welche durch
einen kleinen Wassermotor getrieben wird. Nach 30 Stunden
fing auf der Hg-Oberfläche ein schwärzlicher Körper an, sich
zu zeigen (wahrscheinlich HggO); schon nach 17 Stunden
zeigte in der abfiltrirten, völlig klaren Flüssigkeit HgS- Wasser
gelöstes Metall an, die Intensität der Reaction nahm mit der
Zeit stetig zu, nach 58 Stunden wurde ein schwacher, zuerst
gelblicher, dann schwärzlicher Niederschlag erhalten. Durch
Yergleichung mit einer Flüssigkeit von bekanntem Hg-Gehalt
wurde ermittelt, dass nach 58 stündigem Schütteln die Flüs-
sigkeit ungefähr 0,076 g Hg im Liter enthielt, also 0,019 g Hg
aufgenommen hatte.
Aehnliche Resultate wurden bei Benutzung von Hg er-
VoÜa^sches Element und Polarisation, 829
halten, welches nach der Destillation in der § 7 beschriebenen
Weise mit HNO3 göreinigt worden war.
Sodann wurde der Versuch mit möglichst luftfrei ge-
machter Flüssigkeit unter Luftabschluss wiederholt, nämlich
im Vacuum der Wasserluftpumpe ausgekochte Flüssigkeit.
während sie sich noch in demselben Vacuum befand, in die
^/j-Literäasche gegossen, sodass diese fast ganz gefüllt war;
dann die Flasche mit Kork und Kautschukkitt luftdicht Ter-
schlössen. Nach 17 stündigem Schütteln wurde in dem Filtrat
mit HjS keine Reaction erhalten, auch nicht, als dasselbe
auf dem Wasserbade auf 7; seines Volumens eingeengt wor-
den war.
Durch diese Versuche ist bewiesen, dass Hg sich in dem
lufthaltigen Electrolyten nach Maassgabe seines Luftgehalts
löst^), und dass an der Luftelectrode speciell des Hg— MgSO^-
Luftelements vielmal mehr Hg, als an der Vacuumelectrodt*
in Lösung sich befindet; auch von letzterer wird etwas Hg
in Lösung gegangen sein, weil die Flüssigkeit an ihr nicht
ganz von Sauerstoff frei ist. Die Concentration der Hg-Lösung
an einer £lectrode wird dabei von der gelösten Menge und
der Diffusibilität der gebildeten Hg-Lösung abhängig sein.
§ 13. Weiter wurden 0,050 g HgSOj in ^/^ 1 der be-
nutzten MgS04 - Lösung gebracht (0,05 g-aeq. im Liter , ein
Apparat I wurde mit der entstandenen, durch Filtration von
dem gebildeten Turbith befreiten schwachen Hg-Lösung, ein
Apparat II mit der reinen MgSO^-Lösung gefüllt, die Flüs-
sigkeiten wurden nicht von Luft befreit. Die Electroden
von I erwiesen sich gegen die von II kathodisch, die electro-
motorische Kraft zwischen beiden betrug bald nach dem
Ansetzen 71, nach 3— 24 Stunden 54. Erwähnt mag werden,
dass die Electroden von I, auch wenn dieser Apparat eva-
cuirt war, sich gegen die von II kathodisch erwiesen, dass
aber die electromotorische Kraft dann nur 19 betrug.
1) £b ist für den vorliegenden Zweck nicht nöthig, auf den chemi-
schen Process n&her einzugehen, welclier sich an der Grenze zwischen
Metall und Electrolyt bei Gegenwart von Luft abspielt und von Schön-
bein (Pogg. Ann. 112. 287 u. 445. 1861 und Traube iBer. ehem. Ges.
15. p. 1. 1882; 18. 1877. 1885) genauer untersucht ist.
330 E. Warburg.
§ 14. Die Theorie der GoncentrationsstrSme verdankt
man Hrn. v. Helmholtz.^) Der hier vorliegende Fall ist
zwar ein etwas anderer, als der von Hm. v. Helmholtz
behandelte, da ausser dem an beiden Eiectroden in verschie-
dener Concentration vorhandenen Electrolyten noch ein an-
derer, an beiden Blectroden in gleicher Concentration vor-
handener, nämlich das ursprüngliche Salz des Luftelements,
gegenwärtig ist. Allein die Theorie lässt sich auf diesen
Fall anwenden, wenn man die Quecksilberlösung so verdünnt
annimmt, dass kein merklicher Theil des Stroms durch sie hin-
durchgeht, und berücksichtigt, dass das Kation des im Luft-
element ursprünglich vorhandenen Salzes das Metall der
Electrode aus der Lösung ausfällt. Das Element ist dann um-
kehrbar, und ich finde seine electromotorische Kraft, wenn
die Hg-Lösung hinreichend verdünnt ist:
V = 0,0538 . A . A . log ,, ^- Volts, ^
WO ^ die absolute Temperatur, 19*0 die des Gefrierpunktes^
%o die Werthigkeit des in Betracht kommenden Säureradicals
bedeutet; die Concentration des aus den Eiectroden gebilde-
ten Salzes entspricht an der Kathode und Anode bezüglich
m^ und m, mit derselben Wassermasse verbundenen Gramm-
molecülen. Ist & ^ &q^ m? = 2, so wird für:
mi/m3=10, 100, 1000,
ü = 27, 54, 81 Millivolts.
Bei Ableitung der vorstehenden Formel wurde ange-
nommen, dass eine Dissociation der Hg-Salzmolecüle nicht
statt hat Ist, wie dies nach den neueren Untersuchungen,
besonders von Arrhenius, wirklich zutrifft, theilweise Dis-
sociation vorhanden, so wird die electromotorische Kraft V
1) H. V. Helmholtz, Berl. Monateber. 26. Nov. 1877; Wied. Ann.
:i. p. 201. 1878. S. auch Berl. Ber. 1882. p. 425.
2) Dies ergibt sich am leichtesten durch Benutzung des Plane kuschen
Ausdrucks für die Energie und Entropie verdünnter Lösungen (Wied.
Ann. 32« p. 462. 1887). Mit der Uebertragung von Salz von der Ka-
thode zur Anode ist nach diesem Ausdruck keine Aenderung der Energie,
sondern nur eine Vermehrung der Entropie S verbunden, und man hat
nach W. Gibbs F= &,dSlde, wo & die absolute Temperatur, e die
durcli das Element gegangene Elcctricitätsmenge bedeutet
Volta^sclies Eiement und Polarisation» 831
grösser; ist im Grenzfall die Dissociation vollständig und
zerfällt dabei ein Hg-Salzmolecül in k Ionen, so ist der obige
Werth von V mit k zu multipliciren.
Schliesst man das Luftelement, so werden durch den
Strom die Concentrationen an den Electroden ausgeglichen.
Die Electricitätsmenge, welche dabei das Element im denk-
bar günstigsten Fall, d. h. bei Ausschluss schädlicher Dif-
fusion liefern kann, oder die Capacität des Luftelements ist
mit der Differenz der an beiden Electroden gelösten Metall-
inengen proportional, also sehr klein, wenn nur sehr wenig
Metall in Lösung gegangen ist; dabei kann die mit log m^lm^
«proportionale electromotorische Kraft des offenen Elements
einen sehr beträchtlichen Werth annehmen.
§ 15. Nach der gegebenen Theorie erklären sich nun
die in § 8 — 10 zusammengestellten Gesetzmässigkeiten in ein-
facher Weise.
Ist erstens der ursprüngliche Electrolyt des Luftelements
ein Salz der Electroden, steht also z. B. Zink in Zinksulfat,
so wird durch die immerhin geringfügige Auflösung der Luft-
electrode die Concentration des Zinksulfats an ihr nur um
einen sehr geringen Bruchtheil des ursprünglich schon vor-
handenen Werthes vermehrt werden, m^jm^ von 1, die elec-
tromotorische Kraft von 0 nur wenig verschieden sein; je
grösser dabei die Concentration der Zinksulfatlösung ist, mit
welcher das Luftelement ursprünglich beschickt war, desto
mehr wird die electromotorische Kraft desselben sich der
Null nähern«
§ 16. Besteht weiter das Luftelement aus Hg in einem
Chlorid, z. B. KCl oder HCl, so kann an den Electroden Hg
höchstens spurenweise in Lösung bestehen, da etwa gebildetes
Sublimat in Berührung mit metallischem Hg zu unlöslichem
Calomel wird. In der That ergab der Schüttelversuch des
§ 12, mit HCl- Lösung, welche 0,05 g-aeq. im Liter enthielt,
bei Gegenwart von Luft angestellt, nach 60 stündigem Schüt-
teln reichliche Calomelbildung, aber in der abfiitrirten Lö-
sung konnte Hg durch HgS nicht nachgewiesen werden. Um
die kleine, an den entsprechenden Luftelementen beobach-
tete electromotorische Kraft von einigen Millivolts zu er-
332 E. Warhurg.
klären y nehme ich an, dass doch eine Spur Hg in Lösung
geht.
Im übrigen kann die gegebene Theorie für diesen Fall
durch weitere Versuche geprüft werden. Zunächst wurde
eine Lösung von KCl bereitet, welche 0,5 g-aeq. KCl im Liter
enthielt, und in V2 ^ dieser Flüssigkeit 0,015 g Sublimat ge-
löst. Die Flüssigkeit gab, entsprechend dem höheren Hg-
Gehalt, mit H^S eine merklich stärkere Beaction, als die
HgS04 haltige Flüssigkeit des § 13. Ein Apparat I wurde
mit der sublimathaltigen, ein Apparat II mit reiner KCl-
Lösung gefüllt; das Hg in I erwies sich nur sehr schwach
kathodisch gegen das Hg in II, die electromotorische Kraft
betrug nur 2; dabei wurde in I das gebildete Calomel auf
dem Hg sichtbar.
Da weiter ein Chlorid wie MgCl2 mit HgSO^ Sublimat
bildet, welches in Berührung mit metallischem Hg zu unlös-
lichem Calomel wird, so war zu erwarten, dass die grosse
electromotorische Kraft 168 des aus Hg und MgS04 gebil-
deten Luftelements (§ 10) durch Zusatz von MgClg auf einen
sehr kleinen Werth reducirt werde.
In der That ergab ein Luftelement aus Hg in einer
Lösung von MgSO^+MgClg, welche je 0,05 g-aeq. dieser Salze
im Liter enthielt, die electromotorische Kraft 4.
§ 17. Endlich wird der in § 6 — 7 beschriebene Einfluss
der Zeit und der Electrodenobertiäche verständlich. Erstens
werden die gelösten Mengen mit der Zeit zunehmen, wobei
iWj/rwg zu- oder abnehmen kann; zweitens wird an einer rei-
nen Hg-Oberfiäche mehr Metall gelöst werden, als an einer
fettigen, an einer oxydirten Cu- oder Zinküäche eine andere
Metallmenge, als an einer metallischen.
§ 18. Unter den Sulfaten zeigt nach § 10 HgSO^ die
kleinste Straft im Luftelement. Dies fällt zunächst auf, da
zu erwarten ist, dass in verdünnter H2SO4 mehr Hg in Lö-
sung geht, als in den Lösungen der neutralen Salze dieser
Säure. In der That ergab der Schüttel versuch des § 12,
mit HgSO^-Lösung, welche 0,05 g-aeq. im Liter enthielt, bei
Gegenwart von Luft angestellt, dass nach 63 stündigem Schüt-
teln diese Flüssigkeit einen ungleich höheren Hg-Gehalt auf-
wies, als die MgSO^-Lösung unter gleichen Umständen.
Voltä'sches Ekmetä und Polarisation. 333
Als aber derselbe Versuch mit möglichst luftfrei ge-
machter H2S04-Lösung unter Luftabschluss angestellt wurde,
ergab sich hier ebenfalls ein wenn auch verhältnissmässig
schwacher Niederschlag mit H^S, während im Fall der MgSO^-
Lösung nach § 12 keine Spur eines solchen unter diesen
Umständen bemerkt werden konnte. Es sind also im Luft-
element Hg, verdünnte H2SO4 m^ und m^ beide verhältniss-
mässig gross, m^jm^ aber ist hier kleiner, als bei den neu-
tralen Sulfaten.
§ 19. Betrachten wir jetzt eine Zersetzungszelle, welche
aus Hg als Electroden und H^SO^-Lösung mit gleichem Luft-
gehalt an beiden Electroden besteht. Wirkt auf diese Zelle
eine electromotorische Kraft, so wird die Zelle polarisirt;
die Polarisation der Kathode schreibt man gewöhnlich einer
electromotorischen Wirkung des Wasserstoffgases zu, welches
durch den Strom an der Kathode frei gemacht wird.
Nun befindet sich nach dem Vorhergehenden an beiden
Electroden etwas Hg in Lösung, das Schema der Zelle ist
das in § 11 gegebene, wenn für MgSO^ HjSO^ und x=^y
gesetzt wird. Diese Thatsache führt zu der Folgerung, dass
jedenfalls ein Theil der Polarisation auf einer anderen Ur-
sache beruht. Wir wollen auch hier wieder die Hg-Lösung
so verdünnt annehmen, dass an den Electroden der Strom
merklich nur durch H2SO4 fliesst, also an der Kathode pri-
mär H, abscheidet. Dieser Hg wird nun Hg ausfällen, wo-
durch die Hg-Lösung an der Kathode verdünnter, mithin die
letztere anodischer gemacht wird. An der Anode hingegen
wird das frei werdende SO4 neues HgSO^ bilden, die Hg-Lö-
sung an der Anode dadurch concentrirter, die letztere katho-
discher gemacht werden: ein Theil des Polarisationsstromes
ist daher jedenfalls ein Concentrationsstrom.
§ 20. Wollte man die ganze Polarisation durch die vom
Strom hervorgebrachten Concentrationsänderungen erklären,
so könnte man etwa folgende Ueberlegungen anstellen.
Beicht die electromotorische Kraft, welche auf die Zelle
wirkt, nicht hin, um dauernde H^-Entwickelung zu bewirken,
so wird Hg an der Kathode ausgefällt werden, bis die von
dem Concentrationsverhältniss an den Electroden herrührende
334 E. Warburg.
electromotorische Gegenkraft der äusseren electromotoiischen
Kraft gleich geworden ist.
Der Yerdünnungsgrad der Hg-Lösung an der Kathode,
für welchen dauernde Wasserstoffentwickelung eintreten muss.
liesse sich dann aus dem Satz von der Vermehrung der En-
tropie nach Planck^) folgendermassen berechnen.
Ein heterogenes System sei bestimmt durch die chemische
Zusammensetzung der dasselbe bildenden Körper, den im
ganzen System gleich angenommenen hydrostatischen Druck p
und die überall gleiche, absolute Temperatur &. Dann ist
nach Planck^ die Richtung eines Processes, der im System
von selber eintritt, immer derartig, dass die von der Aen-
derung der chemischen Zusammensetzung herrührende Ver-
mehrung der Function <I^ > 0 ist, wo:
0
.^(s-^-^
S Entropie, U Energie, V Volumen bedeutet, und das
^-Zeichen sich auf die verschiedenen, das heterogene System
bildenden, homogenen Körper bezieht.
Der durch den Strom primär ausgeschiedene Wasserstoff
wird daher nur Hg ausfällen können, wenn mit diesem Vor-
gang eine Vergrösserung der Function <b verknüpft ist. Das
System, um das es sich handelt, ist nach Planck symbolisch
zu bezeichnen durch:
nHj + n/HgO, n2'H3SÜ„ <HgSO„ <H, + n"Hg,
besteht also aus drei homogenen Körpern, nämlich n Mole-
cülen Hg, n' Molecülen Hg — wo es auf die Zahlen n, n"
nicht ankommt — und einer Lösung zusammengesetzt aus
n/ Mol. HgO, n/ Mol. HjSO^ etc.
Nimmt man die Lösung hinreichend verdünnt an, so ist
nach Planck'):
* = n.(f + n/(y/- log C/) + V(7V- log C/) + ... + w".y",
wo die Wertbe (p von den Zahlen n unabhängig sind und:
C/= -— ^v'^- - ' C.;= -.---''^-.^— etc.
1) M. IManck, Wiod. Ami. 32. p. 4<?2. li^8T.
2) M. Planck, 1. c. p. 469.
3) Planck. 1. c. p. 469.
VoUJschei Element und Polarisation, 335
Die Beaction, deren Möglichkeit zu untersachen ist, und
welche durch die Gleichung:
- H3 - HgSO, + H3SO, + Hg = 0
ausgedrückt wird, kann nach dem Entropiesatz nur ein-
treten, wenn:
WO 1/ =s — 1, i'2 = + ^y •'3'— ■" 1> 1;"= + 1, alle übrigen v
0 sind; oder mit Benutzung des Werthes <I^, wenn:
C '
log -?r>(r - (f2 - (f"
>K,
WO K von den n unabhängig ist. Mit abnehmender Con-
centration der Hg-Lösung nähert sich Q' der Null, die linke
Seite — CO: ist daher die durch die Gleichung:
log-^K = ür
bestimmte Concentration C^ erreicht, so wird an Stelle der
Hg -Ausfällung fortschreitende Entwicklung gasförmigen
WasserstoflFs eintreten.
§ 21. Ich ziehe es indessen vor, bei derjenigen Folge-
rung stehen zu bleiben^ welche aus den Thatsachen mit Sicher-
heit abgeleitet werden kann, dass nämlich ein Theil des
Polarisationsstroms ein Concentrationsstrom ist. Die Grösse
dieses Theiles bleibt zunächst unbestimmt, dagegen können
einige Polarisationserscheinungen auf die durch den Strom
bewirkten Concentrationsänderungen bezogen werden.
Vergleichen wir zunächst die Polarisation des kathodi-
schen Hg*s, wenn es in verdünnter HgSO^ oder in verdünnter
HCl steht. Da im ersten Falle verhältnissmässig viel (§ 18),
im zweiten Falle verhältnissmässig wenig Hg (§ 16) in Lö-
sung vorhanden ist, so sollte die Capacität der Polarisation
im ersten Falle grösser, als im zweiten sein; d. h. wenn man
aus der polarisirten Hg-Kathode und nicht polarisirtem Hg
ein Element bildet, so sollte dieses im F'alle der H^SO^ eine
grössere Electricitätsmenge liefern können, als im Falle der
HOL Dies habe ich durch den Versuch bestätigt gefunden.
In den Kreis von 10 Bunsen wurden zwei Apparate der
336 E. Warburg.
benutzten Art hintereinander geschaltet, sodass der Strom
an den Platindrähten bei C ein- und an den Hg-Electro-
den E^ austrat; dabei fand sichtbare Wasserstoffentwickelung
an den Electroden E^ statt. Von den beiden Apparaten ent-
hielt der eine verdünnte H3SO4, der andere verdünnte HCl
(0,05 g-aeq. im Liter).
Nachdem der Strom ^j^ Stunde gewirkt hatte, wurden
die Zellen aus dem Ereis der polarisirenden Batterie aus-
geschaltet und die electromotorische Kraft zwischen den
polarisirten Electroden E^ und den nicht polarisirten Elec-
troden Ey^ bestimmt} dabei wurde 0^1 Mikrof. zuerst zweimal
durch die HCl-Zelle, dann zweimal durch die HgSO^-Zelley
dann wieder zweimal durch die HCl-Zelle u. s. f. geladen.
Es ergab sich:
Für HCl 150134 118103 7155 3128 1616
.f H,S04 557 542 542 542 519 526 494 494 494 487
Während also die electromotorische Kraft der Polari-
sation für HCl von 150 auf 16, also um 90 Proc. fiel, sank
sie flir HjSG^ von 557 auf 487, also nur um 13 Proc.
§ 22. Mit der Polarisation des kathodischen Queck-
silbers wächst nach Hrn. Lippmann^) die Capillaritätscon-
stante für die Trennungsfläche zwischen Hg und dem Elec-
trolyten bis zu einem Maximalwerth an. Zum Theil rührt
dies daher, dass durch die Polarisation die Hg-Lösung an
der Kathode verdünnter gemacht wird, indem dort nasciren-
der Wasserstoff Quecksilber ausfällt. Der Versuch zeigt
nämlich, dass die Capillaritätsconstante zwischen Hg und
einer Salzlösung, wenn man zu dieser Hg-Lösung derselben
Säure hinzusetzt, vermindert wird. Ich benutzte ein nicht
sehr empfindliches Lippmann'sches Capillarelectrometer und
beobachtete die Einstellung des Meniscus, je nachdem reine
oder schwach Hg -haltige Salzlösung benutzt wurde; stets
zeigte sich durch Zusatz von Hg-Lösung die Capillaritäts-
constante verringert, die Einstellung des Meniscus änderte
sich dabei um ungefähr vier Scalentheile im Mikroskop. Es
1) G. Lippmann, Pogg. Ann. 149. p. 546. 1873; Ann. de chim. et
de phys. (5) 5. p. 494. 1875.
Volta'sches Element und Polarisation. 387
wurden Lösungen von MgSO^ und KNO3 benutzt, welche
0,05 g-aeq. im Liter enthielten; zu 100 ccm Lösung wurden
bezüglich 1,025 g HgS04 ^°^ ^ S Hs^O, gefügt, im ersten
Falle wieder die Lösung von dem gebildeten Turpeth befreit
Umgekehrt nimmt nach Lippmann^) die Capillardepres-
sion des Quecksilbers in einem Bohr, welches verdünnte
Schwefelsäure enthält, zu durch Beimengung einer Spur von
HCl oder NaCL Der Grund ist nach dem Obigen zum
Theil, dass die genannten Substanzen mit der am Meniscus
entstandenen HgS04-Lösung Sublimat bilden, welches in Be-
rfüirung mit metallischem Hg zu unlöslichem Calomel wird,
dass also die Flüssigkeit am Meniscus von gelöstem Hg
befreit wird.
§ 23. Dass eine alte Hg-Oberfläche sich gegen eine
frische in einer Salzlösung kathodisch verhält, beruht nach
dem Obigen zum Theil auf der mit der Zeit zunehmenden
Bildung von Hg-Lösung an der alten Oberfläche unter Wir-
kung des in der Lösung absorbirten atmosphärischen Sauer-
Stoffes.
Zinkamalgam hingegen verhält sich electromotorisch wie
Zink, und an einer Oberfläche von Zinkamalgam kann sich
nur Zinklösung bilden, da Hg durch Zn ausgefällt wird; eine
nennenswerthe electrische Differenz zwischen einer frischen
und alten Fläche von Zinkamalgam in Zinksulfat kann also
nach § 8 durch den fraglichen Lösungsprocess nicht ent-
stehen. In der That fand Fe Hat') die electromotorische
Ejraft zwischen einer ruhenden — alten — und einer tropfen-
den — frischen — Fläche von Zinkamalgam in Zinksulfat
nahe gleich Null, nämlich gleich 2 Millivolts. Wurde aber
das Zinkamalgam hier durch Hg ersetzt, so ergab sich die
Kraft 520 Millivolts.
§ 24. Aehnlich wie Hg verhalten sich in den Luftele-
menten Zn und Cu, nur fällt hier die exceptionelle Stellung
der Chloride fort, da die Chloride des Zinks und des Kupfers
in Wasser löslich sind. So fand ich die electromotorische
Kraft der Luftelemente:
1) G. Lippmann, Ann. de cbim. et de phys. (5) 12« p. 226. 1879.
2) Pellat, Compt rend. 108. p. 667. 1889.
Aon. d. Phy«. u. Chem. N. 7. XXXVIII. 22
8S8
E» Wqtöut^»
Zn in Ml
n n
Ca »
57
105
88
Oain M
n n
u
43
Alle Losungen enthielten 0,05 g-aeq. im Liter, die Ele-
mente wurden 24 Stunden nach dem Ansetzen beobachtet.
Wenn auch diese Zahlen das Verhalten ziemlich frischer
Zn- und Cu- Flächen in den Luftelementen einigermassen
diarakterisiren, so ist ihnen nach dem im § 7 G-esagten eine
scharfe Bedeutung doch nicht beizumessen, da, besonders f&r
Cu gleiche Beschaffenheit der Metalloberfi&che in den yer-
schiedenen F&Uen nicht vorausgesetzt werden darf.
§ 25. Wird die Bichtigkeit der § 11 gegebenen Er-
klärung für Hg durch die § 12 — 16 gemachten Auseinander-
setzungen als bewiesen erachtet, so wird sie auch für Cu und
Zn zugegeben werden. Das Volt a'sche Element Zn | MgSO^ | Cu
ist daher in Wahrheit:
Zn I MgSO^ + X ZnSO^ | MgSO^ | MgSO^ + y CuSO^ | Cu .
Wird das Element geschlossen, so wird an der Kathode
Cu aus CuSO^ ausgef&Ut, an der Anode Zink gelOst, wo-
durch die Cu-Lösung an der Kathode verdünnter, die Zink-
lösung an der Anode concentrirter, mithin die Kathode
anodischer, die Anode kathodischer wird. Hierauf beruht
jedenfalls zum Theil die Polarisation des Volta'schen Ele-
mentes. Zu erwähnen ist, dass hiemach, wenn man wieder
die Cu- und Zn-Lösung sehr verdOnnt gegen die MgSO^-Lö-
sung annimmt, das Element zu den umkehrbaren gehört;
gleichwohl lässt sich die electromotorische Kraft aus der
Theorie nicht berechnen, da die Concentration der Zn- und
Cu-Lösung an den Electroden nicht bekannt ist
§ 26. Für das Volta'sche Element Zn | Wasser | Cu sind
die Luftelemente aus Zn und Cu in Wasser von Literesse.
Ich fand die Kraft der Luftelemente aus:
Cu in destillirtem Wasser 81
Zn V y, ,1 104
Hg » t) )) 110
Bei diesen Versuchen brauchte 1 Mikrof. etwa 100" zur
merklich vollständigen Ladung.
VoUa!$chei EUmmU und Polaruation. 389
4 27. Aus den Besnltaten des § 8 — 9 folgt, dass der
Binfluss der atmosphftrischen Laft anf das Helmholtz'Bche
Calomelelement sehr gering ist. In der That fand ich die
^edremotorieche Kraft des Luftelementee:
Hg m ZnCl, 0,S8 g-teq. im Liter 2,4
Hg mit Calomd in ZnCl, 0,68 g-aeq. im Liter . 1,2
Zn in ZnCl, 0,68 g-aeq. im Liter 2,0
Durch die in der ZnCl^-Lösung absorbirte Luft werden
also Hg- und Zn-Pol beide um niJiesa gleich viel kathodi-
scher; die eleotromotorische Kraft wird durch die Gegenwart
der Luft kaum um 1 Millivolt geändert
§ 28. Die § 11 gegebene Theorie der Luftelemente
beruht im wesentlichen auf der Annahme, dass sich in dem
lufthaltigen Electrolyten etwas von dem Metall der Electro-
den zu einem Metallsalz löst, und zwar um so mehr, je grösser
der Luftgehalt des Electrolyten ist Diese Annahme, welche
ftkr den Fall des Quecksilbers experimentell erwiesen wurde,
könnte fbr den FiJl edler Metalle, wie Silber und besonders
Fiatin, auf Widerspruch stossen. Gleichwohl ist das Ver-
halten der Luftelemente aus diesen Metallen jener Annahme
nicht ungünstig.
Luftelemente aus Ag und Pt zeigen nämlich zwar eine
eleotromotorische Kraft von demselben Sinne und derselben
Grössenordnung wie Luftelemente aus unedlen Metallen, aber
eine viel kleinere Capacität Während so durch ein Luft-
elemeni aus Zink bis zu 80 Mikrof. zur Potentialdifferenz
des Elementes geladen werden konnten, ohne dass eine Ab-
nahme der electromotorischen Kraft sich zeigte, wurde eine
solche Abnahme bei gleicher Electrodenoberfläche ftLr den
Fall des Silbers und Platins nach der Ladung von 1 Mikro£
schon merklich, nach der Ladung von 10 Mikro£ bedeutend.
Z. B. fand sich die eleotromotorische Kraft des Luftelementes
aus Ag in KNOj-Lösung (0,05 g-aeq. im Liter):
EntM Zwtilii
EleotrodtnpMff
Nach Ladung von 1 Mikrof. 181 155
n n n 2 n 118 155
»> n » 8 >» — 149
» »> n 1 V 78 108
22
•
340 E. Warlmrg.
Die £lectrodenoberfläche war bei diesen Silberelementen
nahezu von derselben GrOsse, wie bei den Zinkelementen und
betrug ungefähr 0,12 qcm.
Ebenso fand sich für Pt in ENOs-Lösung (0,05 g-aeq. im
Liter) :
IntM ZwtMtt
EleetrodaniMUff
Nach Ladong von 1 Mikrof.
89 18
>i n n 2 n
26 18
n 9t » 8 w
18 9
n n if S V 4 . 2
Die Electrodenoberfläche war hier ungef&hr halb so gross,
wie im vorigen Falle, betrug nämlich etwa 0,05 qcm.
In gleicher Weise ergab sich für Ag in MgSO^ (0,05
g-aeq. im Liter):
BntM Zw«itM
ElaetrodtnpMir
Nach Ladung von 1 Mikrof. 86 63
)» » iy 2 19 71 57
>i » »> 3 ») 59 —
}) u 11 8 )) 85 32
Die Electrodenoberfläche war hier etwas kleiner, als bei
den vorher erwähnten Silberelementen.
Endlich fand sich für Pt in MgSO^ (0,05 g-aeq. im Liter)
0,05 qcm Electrodenoberfläche:
BntM ZwdtM
Eleotrodenpaar
Nach Ladung von 1 Mikrof.
78 56
)) 11 11 2 11
56 89
11 11 11 3 })
41 29
11 11 11 8 11 14 10
§ 29. Um nun die äusserst kleinen Electricitätsmengen,
welche nach diesen Beobachtungen Luftelemente aus Ag und
Pt nur liefern können, zu erklären, braucht man nur sehr
wenig Metall in Lösung anzunehmen. Nach den mitgetheilten
Beobachtungen bringt nämlich beim Silberelement von 0,12 qcm
Oberfläche der Durchgang derjenigen Electricitätsmenge,
welche 1 Mikrof. zu 0,1 Volt ladet schon eine merkliche
Schwächung der electromotorischen Kraft hervor. Jene Elec-
tricitätsmenge scheidet aber 0,11/10® mg Silber aus; die
lOOfache Silbermenge entspräche erst einer Silberschicht von
8,7 . 10-« mm Dicke.
Trotz der geringen Menge in Lösung befindlichen Me-
talles ist aber die electromotorische Kraft der fraglichen
Luftelemente nicht unbeträchtlich, da jene Kraft von dem
VoUcfschei Element und Polarisation. S41
VerhBltniss, nicht Yon dem absoluten Werth der Concentra«
tionen an den Electroden abhängt (§ 14).
§ 80. Schliesslich mag in demselben Zusammenhange er-
wähnt werden y dass aus dem Satz von der Vermehrung der
Entropie jedenfalls die Möglichkeit der Lösung der Metalle Ag,
Pt gefolgert werden kann. Aus diesem Satz ergibt sich näm-
lich, dass wenn ein Körper A mit einer Lösung verschiedener
Substanzen in Berührung, und eine chemische Beaction denk-
bar ist, bei welcher A und Bestandtheile der Lösung sich zu
einem neuen, wieder löslichen Körper umsetzen: dann beim
Yöllig stabilen Gleichgewichtszustand diese Beaction an end-
lichen Substanzmengen erfolgt ist Dies folgt aus Planck's
Werth der Function (P (§ 20) für verdtlnnte Lösungen, sofern
dieser Werth die Terme von der Form — n . log C enthält
Beim stabilen Gleichgewicht ist also von allen löslichen Kör-
pern, deren Bildung denkbar ist, eine unter Umständen zwar
sehr kleine, aber immerhin endliche Menge in Lösung vor-
handen. Natürlich folgt hieraus nur, dass jeder lösHche
Körper sich bilden kann, nicht dass er sich bilden muss.
Ich möchte indessen ausdrücklich hervorheben, dass das
Wesentliche unserer Erklärung der Luftelemente auch in
einem Falle bestehen bliebe, in welchem sich an den Elec-
troden aus dem atmosphärischen Sauerstoff und dem Elec-
trolyten ein neuer electrolytischer Körper bildete, und zwar
an den beiden Electroden, entsprechend dem verschiedenen
Luftgehalt an ihnen, in verschiedener Menge.
§ 31. Im Folgenden verzeichne ich einige Beobachtun-
gen über Luftelemente aus Ag und Pt in verschiedenen
Lösungen. Die angegebenen electromotorischen Kräfte wur-
den sämmtlich erhalten, indem nach längerer Ruhe 1 Mikrofl
zur Potentialdifferenz des Elementes geladen wurde. Sämmt-
liche Lösungen enthielten 0,05 g-aeq. der gelösten Substanz
im Liter. Da verschiedene Electroden aus demselben Metall
sich hier im allgemeinen noch verschiedener, als bei den
unedlen Metallen verhielten, so wurde nicht das Mittel aus
den an verschiedenen Electroden gemachten Beobachtungen
genommen, sondern die Kräfte, wie sie die einzelnen Elec-
trodenpaare miteinander lieferten, verzeichnet Grösstentheils
842 R Warbwrg.
worden zwei Apparatenpaare benntzt, also an yier Electxo*
denpaaren I — ^IV beobachtet
Silber.
Zeit nach dem Electromot Kraft
Ansetm I 11 m IV
Ag in MgRO«
1 stunde
75
—
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» i
> w >»
48
II
—
26
17
48
Entsprechend der geringen Löslichkeit des Chlorsilbers
ist die electromotorische Kraft des Luftelementes aus Silber
in Ohloriden klein. Da weiter KCl aus AgNO, Ag ansf&llt,
wird die Kraft des aus Ag und E^O, gebildeten Lnftele-
mentes durch Zusatz von KCl erheblich verkleinert.
Platin.
Zeit nach dem Electromot Kraft
Ansetien
I
n
in
IV
Pt
in Wasser
24 Stunden
47
^
60
58
»
» >»
48
11
66
—
—
62
»
» MgCl,
12
11
18
—
27
42
ii
» 11
36
n
36
18
26
50
»>
» MgS04
6
11
40
—
78
56
>»
11 11
24
11
47
—
98
—
»
11 KNO,
6
11
34
—
39
18
»
11 11
24
11
79
.—
45
29
»
,, KN0,+KC1
48
11
26
—
43
52
IJ
11 11 19
72
11
29
—
57
73
»
11 HjSO^
24
11
—
—
20
14
»>
11 11
48
11
—
—
18
15
§ 32. Es wäre mit Rücksicht auf die gegebene Theorie
der Luftelemente von grossem Interesse gewesen, Electroden
aus reiner Kohle zu untersuchen. Indessen hat Beetz ^),
welcher auf die Reinigung der Kohlen grosse Mühe ver-
wandte, aus seinen Versuchen gefolgert , dass die von ihm
benutzte Kohle trotz aller Reinigung noch Metalloxyde ein-
gemischt enthielt. Ich habe daher von der Herstellung rei-
ner Kohle vorläufig Abstand genommen.')
1) W. Beetz, Wied. Ann. 6. p. 13. 1878.
2) Fa herrsche Stifte sind ihres Eisengehalts wegen völlig unbrauchbar.
VoUdichei Element und Polarisation. 8i8
§ 83. Betrachten wir jetzt schlieeslich den yielfeich onter-
Buchten Fall der Polarisation des Platins in yerdünnter
Schwefelsäure 9 so stelle ich mir yor, dass vor der Polarisa-
tion an beiden Electroden eine geringe Menge Platin sich
in Lösung befindet , dass durch den Strom an der Kathode
Pt ausgefällt, an der Anode neues Pt in Lösung gebracht
wird, und dass ein Theil der Polarisation auf der so ent-
standenen Concentrationsdifferenz der Platinlösung an den
Electroden beruht Dieser Theil kann erheblich grösser sein,
als die electromotorische Kraft des aus Platin und verdünn-
ter Schwefelsäure gebildeten Luftelements (0,01 — 0,02 Volts),
da durch die Wasserstoffentwicklung an der Kathode die
Verdünnung der Platinlösung viel weiter getrieben werden
kann, als durch die Entfernung der Luft mittelst der Wasser-
luftpumpe, und das nascirende SO^ an der Anode viel stär-
ker lösend wirken kann, als der atmosphärische Sauerstoff. —
Entsprechend kann die Wirkung des Wasserstoffs am Platin
in dem G-rove'schen G-aselement zum Theil auf der bekann-
ten Thatsache beruhen, dass der Tom Platin occludirte
Wasserstoff die reducirenden Eigenschaften des nascirenden
Wasserstoffs besitzt^) und daher gelöstes Platin ebenso aus-
fällen wird, wie der durch den electrischen Strom ent-
wickelte.
§ 34. Ich habe mich in diesem Aufsatz bemüht, zu
zeigen, dass für die Theorie des Volta'schen Elements und
seiner Polarisirbarkeit eine Thatsache, welche man bisher
nicht hinreichend beachtet zu haben scheint, von Bedeutung
ist; die Thatsache nämlich, dass sich in dem sauerstoffhal-
tigen Electrolyten etwas von dem Metall der Electroden
löst, und zwar um so mehr, je mehr Sauerstoff gegen-
wärtig ist.
Die metallischen Electroden eines Volta'schen Elements
sind daher von einer schwachen Salzlösung ihres eigenen
Metalls umhüllt, mit deren Concentration die electromoto-
rische Kraft an einer Electrode sich ändert.
Bewirkt man daher in dem einfachsten Fall einer Zer-
1) Gladstone u. Tribe, Chera. Soc. Joarn. Trans. 1878. p.806, bei
A. Wright, Phil. Mag. (5) 11. p. 182. 1878.
844 F. Streintz.
setzungszelle aus zwei gleichen metallischen Electroden in
einem Electrolyten, dass jene Lösung an der einen Electrode
concentrirter als an der anderen ist, so entsteht eine elec-
tromotorische Ejraft in der Richtung Ton der verdünnteren
Lösung durch den Ejlectrolyten zur concentrirteren. Dies
wird erreicht, wenn man, wie beim Luftelement, den Sauerstoff-
gehalt an einer Electrode durch Auspumpen und Auskochen
verringert; es wird in noch höherem Grade erreicht, wenn
man einen electrischen Strom durch die Zelle schickt. Ein
Theil der galvanischen Polarisation beruht daher jedenfSEills
auf dieser Ursache, die Grösse dieses Theiles konnte nicht
ermittelt, dagegen konnten verschiedene Polarisationserschei-
nungen auf ihn bezogen werden.
Freiburg i. Bad., den 28. Sept 1889.
II. Beiträge zu/r JJiearie des Secu/ndärelementea;
van Franz Streintz.
(Hierin Tat IV Fig. 2.)
(Erste Mittheilung.)
Die grosse Verbreitung, welche die aus Blei gebildeten
Secundärelemente in den letzten Jahren sowohl im Labora-
torium als in der Technik gefunden, gab einer Reihe von
Physikern und Electrotechnikern Veranlassung, sich ein-
gehend mit den Erscheinungen zu befassen, welche bei der
Ladung und Entladung derartiger Elemente auftreten. Die
einschlägigen Untersuchungen können in zwei Gruppen ge-
schieden werden; die eine Gruppe dient der Feststellung der
electroly tischen Vorgänge im Elemente, die andere bezweckt
die Ermittelung des Nutzeffectes an den zahlreichen Typen
desselben.
So einfach die electrolytischen Vorgänge auf den ersten
Blick wohl erscheinen mögen, so sind dieselben nichts weniger
als vollständig erkannt anzusehen. Unterscheidet doch S.
Thompson^) fünf verschiedene Anschauungen, welche einen
1) S. Thompson, vgl. Hoppe, Die Accumulatoren. Berlin, 1888.
p. 156.
Theorie de$ Seeunddrelementei. 845
geringeren oder grösseren Anspruch auf Wahrscheinlichkeit
erheben. Die Discrepanz ergibt sich zum Theil aus der
wechselnden Rolle, welche dem Bleisulfat zugeschrieben wird;
zum Theil jedoch differiren die Anschauungen dadurch,
dass jeder einzelnen im Elemente thätigen Platte verschie-
dene Veränderungen durch die Ionen zugedacht werden.
Daraus ergibt sich die Noth wendigkeit , jede der beiden
Platten getrennt zu untersuchen. Ein derartiger Versuch
wurde vor drei Jahren unternommen^) und führte zu dem
Ergebnisse ; dass die mit Weisser stoff versehene PUäU als Ur»
heberin des Verfalles der electromotarischen Kraft des Elementes
anzusehen ist. Die Erscheinung wurde an kleinen, nach
Plante's Angabe formirten Bleiplatten beobachtet. Hä-
berlein^) bezweifelt die allgemeine Gültigkeit der Behaup-
tung, ,,da auch der Fall eintreten könne, dass die positive
Electrode so sehr desoxydirt ist, um ihrerseits den Abfall
der Klemmenspannung herbeizuführen^ verzichtet aber hier-
für einen Beweis zu liefern. Hoppe') entdeckt, dass die
Bedingung für eine Entladung des Elementes nach dem von
Aulinger und mir angegebenen Schema fehle, nämlich die
positive Electrode, was auf einem Missverständnisse der Ver-
suchsanordnung beruht. Damit aber ?rird auch die weitere
Kritik, welche Hr. Hoppe den Versuchen angedeihen lässt,
hinfällig. In einer brieflichen Mittheilung, welche ich Hm.
Hoppe verdanke, wird als neues Argument gegen die Ver-
suche angeführt, dass bei hinlänglich grossem Widerstände
stattfindende Entladungen sich von den kurzen Entladungen,
wie sie ausgeführt wurden, wesentlich unterscheiden können.
Die Berechtigung dieses Einwandes steht ausser Zweifel
und bot mir die unmittelbare Veranlassung, die Unter-
suchung über die Thätigkeit jeder einzelnen Platte im Secun-
därelemente in etwas vergrössertem Maassstabe wieder auf-
zunehmen.
Die Versuche wurden anfänglich mit Hülfe der electro-
magnetisch angeregten Stimmgabel angestellt, doch war dafür
gesorgt, dass das untersuchte Element sowohl bei der Ladung
1) Streintz u. Aulinger, Wied. Ann. 27. p. 178. 1886.
2) Häberlein, Wied. Ann. 31. p. 398. 1887.
3) Hoppe, 1. c, p. 155.
346 F. Sireintz.
als bei der EnÜadung für gewöhnlich dauernd gesohlossen
blieb. Erst wenn die Potentialdifferenzen zwischen dem
amalgamirten Zink und der positiven Platte, bezw. der nega-^
tiven Platte, P und p bestimmt werden sollten, trat die
Stimmgabel in Thätigkeit. Dabei stellte es sich heraus, dass
die Potentialdifferenzen innerhalb jener Grenzen, über welche
sich die Untersuchung erstreckte, kaum verändert wurden,
ob nun diese Messungen bei periodisch unterbrochenem oder bei
dauernd geschlossenem Stromkreise ausgeführt worden waren»
Dadurch war ich in die Lage versetzt, die viel bequemere, von
Fuchs ^) angegebene Methode in Anwendung zu bringen»
Figur 2 gibt ein Schema dieser Anordnung: zur Bestim-
mung der Potentialdifferenzen P und p^ welche je nach Stel-
lung der Wippe fV erhalten wurden, diente ein empfind»
liches Galvanometer G, das mit einem Bheostatenwiderstande
von 0,5.10® Ohms verbunden war. Ein in diese Leitung
geschaltetes Normalelement von Clark, dessen electromo-
torische Kraft nach Lord Bayleigh^:
1,485(1 -.0,0377(^-15))
beträgt, erzeugte eine dauernde Ablenkung von etwa 150
Theilstrichen einer in der Entfernung von 2,5 m vom Spiegel
aufgestellten Scala. Eine Umschaltevorrichtung ermöglichte
es, die Aichung des Instruments jederzeit vorzunehmen. Die
amalgamirte Zinkplatte Z befand sich abweichend von den
früheren Versuchen in einem mit verdünnter Schwefelsäure
in demselben Mischungsverhältnisse wie im Secundärelemente
gefüllten Becher. Mit derselben Flüssigkeit war das Heber-
rohr H gefüllt. Zur Ladung wurde entweder der Strom
einer Dynamomaschine oder von Secundärelementen ver-
wendet. Jenachdem das Element S geladen oder entladen
werden sollte, waren die Näpfchen a und d, b und c, oder
a und b miteinander verbunden. Die Stromstärke konnte
am Galvanometer J, welches gelegentlich durch ein Ampere-
meter nach Eohlrausch ersetzt wurde, abgelesen werden.
Q endlich bezeichnet einen Stöpseletalon im Gesammtwider-
stande von 1000 S.-E.
1) Fuchs, Pogg. Ann. 156. p. 156. 1875.
2) Lord Rayleigh, Phil. Trans, of the Roy. Soc. 1886. p. 799.
)
Theorie des Seeundärekmentes. 847
Ich gehe nun daran, die Vennche in derselben Reihen-
folge mitzutheilen, in welcher sie ausgefbhrt wurden.
1. Entladung und Ladung von Elementen
nach Farbaky-Schenek.
Die Elemente sind aus der Fabrik G-etz & Odendall
in Wien bezogen und stehen seit etwa zwei Jahren im hie-
sigen Laboratorium in Verwendung. Ein Element hat ein
Gesammtgewicht von 27 kg, besteht aus 3 positiven und 4 nega-
tiven Platten von 26,5 x 146 qcm Fl&che und ist mit verdünnter
Schwefelsäure (1:3) gefüllt. Prof. v. Walt enhofen^) unter-
zog diese Accumulatoren der Untersuchung in Bezug auf
ihre Güteverhältnisse.
Das Element mit der Fabriknummer 604 wurde mit
einem Strome von 15 Ampere, welchen die Dynamomaschine
lieferte, geladen und erhielt 120 Amp&re-Stunden. Es er-
gaben sich als Potentialdifferenzen P und p^ bei offenem
Elemente, fünf Stunden, nachdem die Ladung unterbrochen
war:
P« 2,557 F, p = 0,381 F, £« P-p = 2,176 V.
Nun wurde das Element in einem Stromkreise, dessen Ge-
sammtwiderstand 3,5 Ohms betrug, entladen. Die Poten-
tialdifferenzen betrugen:
P
P
£
29. Juni 1889.
5*^ nachm.
2,552
0,388
2,169
F
(unmittelbar naoh StromieblaM)
b^ 10»
2,542
0,382
5 20
2,539
0,384
5 30
2,589
0,384
6 30
2,587
0,388
7 30
2,587
0,388
SO. JunL
11*» vorm.
2,522
0,389
2,188
V
6 nachm.
2,520
0,390
1. Juli.
9 vorm.
2,499
0,897
2,102
V
12 nachts
2,496
0,394
2. „
8 vorm.
2,495
0,397
2,098
V
7 abends
2,496
0,401
Der Strom 7^ 5°* abends unterbrochen.
3. Juli. Derselbe 8^ 20™ vorm. von neuem geschlossen.
8»» 30» vorm. 2,500 0,402 2,098 V
7 12 abends 2,496 0,401
unterbrochen 7^ 15» abends.
1) V. Waltcnhofen, Zeitschr. f. Electrot 4. p. 242. 1886.
348
F. Streintz.
4. Juli 1889 geBchloBsen ^ vorm. P p
8^ 20» Torm. 2,505 0,408
6 — abends 2,498 0,409
unterbrochen 6*^ 5" abenda.
2,097
5.
9>
geschlossen
8^ — « vorm.
2 16 nachm.
26
86
87
88
89
40
41
48
45
55
7 50 vorm.
2,498
2,492
2,500
2,504
2,504
2,504
2,518
0,416
0,428
1,006
1,706
1,959
2,068
2,120
2,157
2,186
2,215
2,247
2,324
2,082 V
0,194 F
Die Veränderungen von P und p bestätigen also auf
das neue, dass es nicht die positive, sondern die negative
Platte ist, welche den Verfall der electromotorischen Kraft
bewirkt Der bei der Entladung entwickelte Sauerstoff hat
das metallische Blei an der Oberfläche zuerst in Oxyd, dann
in Superoxyd verwandelt. Eine andere Erklärung für das
bedeutende Anwachsen von p bis zu 2,8 Volts dürfte kaum
gefunden werden. Es ist mithin der Beweis erbracht, dass
auch eine bei sehr geringer Stromdichte vorgenommene
Entladung zu analogen Ergebnissen führt; die Vergrösserung
der Oberfläche der negativen Platte war noch nicht hinrei-
chend, dieselbe vor dem Verfalle zu bewahren. Auf diesen
letzteren Punkt werde ich übrigens im Laufe der Unter-
suchung noch zurückkommen.
Das Element Nr. 642 hatte gleichfalls 120 Ampere-
Stunden Ladung erhalten. Nachdem es zwei Tage nach
beendeter Ladung sich selbst überlassen worden war, fanden
sich bei geöffnetem Stromkreise die Potentialdifferenzen:
P p E
7. Juli vorm. 2,487 0,396 2,091 V
Die Entladung erfolgte nunmehr zuerst bei veränder-
licher Stromstärke und ergab:
J
3 Ampere
^
»1
5
jf
7
yy
17,5
V
Der Strom geöffiiet: 2,482
p
P
E
2,466
0,421
2,045 F
2,460
0,425
2,035
2,458
0,426
2,032
2,455
0,431
2,024
2,443
0,455
1,988
2,482
0,408
2,074
Theorie des Seeundärelementes. 849
Hierauf wurde die Entladung des Elements bei con-
stantem Widerstände fortgesetzt und lieferte das nachstehende
Besultat:
7. JoH. 121" 80» nachm. 4 Amp. 2,464 0,425 2,089 V
(nnmittaibsr nach 8«liliiii)
7*" 80" abends 4 » 2,456 0,442
(8^ abendfl geöffiiet)
8. JulL (10^ 80^ yonn. geschloesen)
lO^" 40" vonn. 4 Amp. 2,461 0,487 2,024 V
4 50 nachm. 4 n 2,459 0,459
(5*^ nachm. geöffnet)
9. JulL (10^ 85" vorm. geschlossen)
10»» 50" vorm 4 Amp. 2,456 0,472 1,984 V
11 80 n 8,8 19 2,458 0,489
11 50 Ti 8,8 „ 2,451 0,501
12 — mitt 8,8 ,, 2,452 0,510
12 10 nachm. 8,8 n 2,448 0,524
12 25 j, 8,7 » 2,449 0,577
12 85 » 3,6 » 2,446 0,605
n 40 n 8,6 n — 0,648
» 45 I, — » — 0,720
n 46 )i — i> — 0,765
n 48 n 8,2 n — 0,886
12^ 50" nachm. 8,1 n — 0,941
» 51 » 3,0 „ — 0,981
»» 53 „ 3,0 )> — 0,989
»> 55 » 2,9 9) — 1,021
n 56 n — » 2,442 1,050
>f 57 n — n — 1,315
1»» 1" „ 2,1 „ — 1,420
4 " 2,0 7, — 1,519
7 » 1,5 „ — 1,624
9 » 1,0 » — 1,679
n
»> 12 „ — w — 1,760
M 15 » — >j — 1,848
n 18 ,, — ,, 2,456 1,921 0,585 V
» 20 » — » — 1,979
2^ 20" )> — V 2,466 2,326
Es soll hier darauf aufmerksam gemacht werden, dass die
Werthe von P nicht vollständig unveränderlich sind. Sie
nehmen zuerst mit dem Fortschreiten der Entladung ab,
um sich bei eingetretener Erschöpfung des Elementes wieder
zu erholen.
Zur Bestimmung der PotentialdiflFerenzen P' und p'
während der Ladung wurde das Element von neuem mit der
Dynamomaschine bei einer Stromstärke von 15 Amp. ver-
bunden. Es ergaben sich die nachstehenden Werthe:
J
P'
P'
X'
ehm.
15 Amp.
2,588
0,880
2,tti r
ychnL
99
99
99
99 99
99 99
99 »9
99 99
2,588
2,644
2,696
2,690
0,865
0,871
0,898
0,402
2,288 r
850 F.
18. JnlL 8*" 45* nachm.
(vimJttolbar ueh 8t
4h 20-
5 20
6 20
7 —
Der Strom wurde unterbrochen, nachdem das Element
eine Ladung von 60 Amp6re-Stunden erhalten hatte. Am
nächsten Morgen (8^ 25°^) wurde die Ladung bei etwas
grösserer Intensit&t fortgesetzt.
J P' p E'
14. JulL 9*" vorm. 17 Amp. 2,782 0,402 2,830 V
10 99 99 99 2,795 0,400 2,895
11 99 99 99 2,845 0,390 2,455
Das Element hatte eine weitere Ladung von 56 Ampöre-
Stunden erhalten; am n&chsten Tage wurde so lange weiter
geladen, bis lebhafte Gasentwickelung an beiden Electroden
eingetreten war. Die zu dieser Zeit beobachteten Potential-
differenzen waren:
J P' p JS'
15. JolL 18*" mittags. 17 Amp. 2,857 0,392 2,465 V
Die Werthe von P* nehmen bei der Ladung allm&hlich
zu, jene von p' verändern sich nur wenig in den ersten
Stunden nach Stromschluss, um später auf ziemlich constan-
tem Niveau zu bleiben. Die negative Platte verhielt sich
stets electronegativ gegen Zink, die Wasserstoffpolarisation
des Bleies^) wurde nicht erreicht; es erfolgte dies auch
nicht, als die Stromstärke ungefähr verdoppelt worden war.
Bei 30 Amperes kehrte sich nämlich p' nicht um, sondern
ergab 0,819 V in demselben Sinne wie vorher.
2. Abhängigkeit der Potentialdifferenzen von der
Stromdichte.
Die für praktische Zwecke ausgeführten Secundärelemeote
gestatten wegen der grossen Oberfläche der Platten nicht,
die Stromdichte über eine gewisse Grenze hinaus zu steigern.
1) Streintz u. Aulinger. 1. c. p. 180.
Theorie du Secundärelemenies. 361
Ss erschien daher wünschenswerih, die Versuche mit kleinen
Electroden fortzusetsen. Ferner hielt ich es von Nutzen,
die w&hrend der Ladung entwickelten freien Oase messen lu
können. Diesen beiden Bedingungen wurde durch folgende
Anordnung Rechnung getragen.
Aus je einer positiyen und einer negativen Platte eines
Elements von Faure-Sellon-Volckmar (ELPower Storage
Comp.) wurden Stücke geschnitten, welche aus 3x2 Maschen
des quadratischen Gitters bestanden und eine Fl&che von
2,15 X 1,46 qcm bedeckten. Die positive Electrode hatte
eine Dicke von 0,329 cm, ein Gewicht von 6,926 g, die nega-
tive Electrode eine Dicke von 0,221 cm, ein Gewicht von
5,329 g. An die Platte wurden steife Kupferdrähte gelöthet,
welche gleich wie die metallischen Schnitt- und Löthstellen
einen Ueberzug von Schellackfirniss erhielten. Die Electro-
den waren in einem Hofmann'schen Voltameter, welches
gewöhnlich zur Analyse der Salzsäure dient, derartig be-
festigt, dass sie in jenen Raum der Messröhren zu stehen
kamen, welcher in der Verlängerung des verbindenden Quer-
rohrs gelegen war. Damit wurde erreicht, dass die Strom-
dichte an den verschiedenen Stellen der Electroden keinen
Aenderungen unterlag.^) Als Electrolyt stand wieder eine
Mischung von einem Volumen Schwefelsäure und drei Volumen
Wasser in Verwendung. Das Voltameter befand sich in
einem Stromkreise, in welchen drei Secundärelemente (Far-
baky-Schenek) geschaltet waren. Nach anderthalbstün-
diger Ladung bei einem Widerstände (»aal50S.-E. er-
gaben sich:
J r p' E
0,02540 Amp. 2,572 0,830 2,242.
Nun wurde die Ladung fortgesetzt und dabei g variirt.
Nach jeder Aendernng des Widerstandes verstrichen 5 Minu-
ten bis zur Beobachtung bei der veränderten Stromstärke.
1) Ich unterliess es, die Stromdichte (J.cm~*) irgendwo im Laufe
der üntersuchang ziflfeminäBsig anzugeben, weil ich die Ansicht Tertrete,
dass sich jene hei der Unkenntniss, welche man über die Ausdehnung
der wirksamen Oberfläche besitzt, gar nicht exact bestimmen lässt Der
neuerlich in die Technik eingeführte Ausdruck ,,Stromdichte pro Massen-
einheit" ist sinnwidrig.
S62
F. Streitäz.
9
P'
1
P
E'
1,000 S-E.
2,488
0,402
2,081
700
»
2,489
0,898
2,096
500
}9
2,508
0,388
2,115
800
>l
2,528
0,866
2,162
200
W
2,551
0,864
2,187
*150
n
2,570
0,880
2,240
100
»
2,602
0,288
2,814
80
n
2,704
0,259
2,445
50
n
2,722
0,181
2,541
40
n
2J64
0,181
2,688
•150
n
2,574
0.821
2,258
80
V
2,886
0,061
20
n
2,953
-0,062
10
n
3,174
-0,327
Aus der Tabelle geht hervor: Mit wachsender Strom-
dichte nimmt P' erst allmählich, dann rascher zu; die Werihe
von p hingegen sind in ähnlicher Abnahme begriffen, gehen
bei einem Widerstände, welcher zwischen 20 und 30 S.-K
gelegen ist, durch Null, um bei noch geringerem Wider-
stände ihr Zeichen zu wechseln. Es verhält sich somit die
Platte, an welcher der Wasserstoff abgeschieden war, zuerst
electronegativ, dann neutral und schliesslich electropositiv
gegen amalgamirtes Zink. In der wiederholt angeführten
Untersuchung wurde nach derselben Methode zwischen metal-
lischem, mit Wasserstoff bedecktem Blei and Zink in Zinksulüat
eine Potentialdifferenz —0,26 V. gefunden. Der Widerstand im
Stromkreise war damals nicht bestimmt worden. Der £iin-
fluss, welchen derselbe bei der Ladung eines Secundärelements
äussert, ist aber ein sehr bedeutender und lässt sich erklären,
wenn man annimmt, dass nur ein Theil der abgeschiedenen
Gase chemisch gebunden werden, während der andere Theil in
seiner ursprünglichen Form die Platten bedeckt, um sich dann
von ihnen loszureissen« Je grösser die Stromdichtigkeit, desto
lebhaftere Gasentwickelung tritt auf. Die Bedeckung der
Electroden mit Gasen verursacht ein Steigen von i^, ein
Sinken von p\ da sich an denselben die freie Gaspolarisation
bemerkbar macht. Dass die Gasentwickelung bei vergrösser-
ter Intensität eine viel kräftigere ist, als dies durch die
Vergrösserung dieser allein erklärt würde, zeigten Versuchs-
reihen, während welchen g ungeändert blieb. So betrugen in
einem Voltameter, welches nach vollständiger Entladung
Theorie des Secundärelemenies. 853
durch drei Secund&relemente bei p ■■ 80 Ton neuem geladen
wurde, die entwickelten G-asmengen nach 8^:
20,8 ccm an der Anode,
44,8 9j n n Kathode,
während sie sich in einem gleicher Behandlung unterworfe-
nem Voltameter bei ^ s 50 nach 5*^ auf:
11,0 ccm an der Anode,
33,0 » » ji Kathode beliefen.
Da der Widerstand des Voltameters sehr gering war,
80 kann annähernd angenommen werden, dass das Voltameter
in beiden F&Uen dieselbe Electricitfttsmenge erhalten hatte.
DaTon war im ersten Falle ein viel grösserer Antheil zur
freien Gasentwickelung verbraucht worden, als im zweiten
Falle. Weil aber die aufsteigenden Gase keinen Beitrag
fOr die Ladung des Elementes liefern können, so ergibt sich,
dass die Dissipation der Energie bei geringerem Widerstände
eine bedeutendere ist, wie bei grösserem.
Aus den angeführten Zahlen ist femer ersichtlich, dass
sich das Verh<niss der beiden Ionen zu einander ändert.
Ich muss vorläufig darauf verzichten, auf diese Erscheinung
näher einzugehen, da dieselbe ziemlich verwickelter Natur
zu sein scheint, und ihre Verfolgung auch äusserst zeitrau-
bend ist
Ich kehre zur Discussion der Werthe P" und p' zurück.
Man wird finden, dass die Grösse E' für das Intervall von
(> = 30 bis ^ = 10 in der Tabelle nicht berechnet ist Es
geschah dies nicht ohne Absicht. Innerhalb dieses Inter-
yalles gelang es nämlich nicht mehr, gut übereinstimmende
Werthe zu erhalten, wenn an Stelle der Fuchs 'sehen
Methode die Stimmgabel in Function trat. Es ist bei der
Eigenthümlichkeit dieser Methode eben denkbar, dass die
Werthe von P' und p' in diesem Intervall eine wenn auch
geringe Beeinflussung durch das Potentialgefälle zwischen
den Electroden und den dieselben umspülenden Flüssigkeits-
schichten erleiden. Ich bemerke femer, dass die Ladung
des Voltameters nach Beendigung der Beobachtungen bei
veränderlichem Widerstände mit dem ursprünglichen Wider-
stände {q = 150) fortgesetzt wurde. P" nahm dabei stetig
ADD. d. Pbj«. XL Chem. N. F. XXXVIII. 28
854 F. Sireiniz.
SU, w&hrend p' kaum einer weiteren Aenderung unterlag.
So verhielten sich nach SVsBtündiger fortgesetzter Ladang:
^ P' p' M'
150 S.-E. 2,758 0,828 2,480
und nach einer weiteren Stunde:
150 S.-K 2,755 0,328 2,482
Um die Abhängigkeit der Potentialdifferenzen P und p
von der Stromstärke bei der Entladung nachzuweisen, wurde
das vorher langsam entladene Voltameter mit drei Secundftr-
elementen bei g = 800 S.-E. durch 16 Stunden geladen. Die
Beobachtungen während der Entladung erfolgten erst, nach-
dem das Voltameter über eine Stunde bei demselben Wider-
stände in sich geschlossen war. Diese Einrichtung musste
getroffen werden, damit keine Störung durch eine etwa
vorhandene Sauerstoffpolarisation verursacht werde. ^) In der
nachstehenden Tabelle sind die Werthe von p und P flir
verschiedene Stromstärken, gegeben durch die Widerstände ^,
verzeichnet. Wie vorher, wurde auch hier von Zeit zu Zeit
auf die ursprüngliche Stromstärke zurückgegangen, und das
Intervall von 5 Minuten von der Einschaltung des neuen
Widerstandes bis zur Beobachtung bei demselben eingehalten.
Q
J
P
P
E
CO
—
2,529
0,440
2,089
♦SOG
0,00708
2,495
0,488
2,007
1,000
—
2,528
0,459
2,069
700
—
2,523
0.462
2,061
500
—
2,515
0,472
2,048
*300
—
2,500
0,486
2,014
200
—
2,494
0,493
2,001
150
—
2,472
0,507
1,965
100
—
2,459
0,580
1,929
80
—
2,438
0,542
1,896
50
—
2,402
0,578
1,824
*300
—
2,497
0,482
2,015
40
2,399
0,610
1,789
30
—
2,891
0,618
1,778
20
—
2,347
0,651
1,696
10
—
2,171
0,847
1,324
Bei der Entladung tritt also die entgegengesetzte Er-
scheinung auf, wie bei der Ladung. Die Werthe von P
nehmen zuerst allmählich, bei grösserer Intensität stärker
ab, jene von p nehmen in conformer Weise zu. Die Erklä-
1) Streintz u. Aalinger, 1. c. p. 186.
Theorie dei Secundärelementes. 865
tttng f&r die Abnahme von P ergibt sich aus demselben
Prineip ine bei der Ladung, n&mlich aus dem Verhalten
der freien QttLse an der Oberfläche der Electrode. Bei der
Depolarisation wird an der Anode Wasserstoff entwickelt,
welcher zum Theil das Superozyd reducirt, zum Theil aber
gasförmig bleibt. Je grOsser die Stromdichte, desto grösser
der letztere Antheil. Das Vorhandensein von freiem Wasser-
stoff aber muss P herabdrücken , und dies natürlich um so
stärker, je lebhafter sich die Gasentwickelung gestaltet.
Schwieriger ist es, die Erscheinungen an der Kathode zu
erklären. Man könnte auch hier dem frei aufsteigenden
Sauerstoff eine Stelle anweisen; es ist aber damit nicht mög-
lich, den bei der Entladung aller Zellen stattfindenden Vor-
gang aufzuhellen, dass sich p bei geringer Stromdichte so
lange auf dem constanten Niveau von 0,4 oder 0,5 Volts
erhält, bis durch dessen endliches Ansteigen die Erschöpfung
des Elements eintritt. Es wurde schon damals die Ver-
muthung ausgesprochen, dass „der Wasserstoff, nachdem er
die gründliche Reinigung der Platte vollzogen, auch den
Zweck zu erfüllen scheine, den bei der Depolarisation sich
bildenden Sauerstoff von dem Angriff auf das Blei, solange
als sein Vorrath reicht, abzuhalten.^ Es fehlte aber an Be-
legen idafür, dem Blei direct ein Occlusions vermögen zuzu-
schreiben. War doch die Untersuchung, welche Gladstone
und Tribe^) darauf angestellt hatten, von einem negativen
Resultat begleitet gewesen. Nach dem Folgenden aber scheint
es mir kaum zweifelhaft, dass schwammiges Blei die Fähig-
keit, Wasserstoff aufzusaugen, sogar in hervorragendem Grade
besitze. Wenn man ein vollständig geladenes Voltameter
längere Zeit geöffnet stehen lässt, so sieht man, dass die
entwickelte Gasmenge an der Kathode zugenommen, wäh-
rend jene an der Anode unverändert geblieben ist. Ja
man ist im Stande, mit freiem Auge den Gasstrom zu
beobachten, welcher von der negativen Electrode aufsteigt.
Um die Menge des bei offenem Stromkreise an der Kathode
aufsteigenden Gases kennen zu lernen, wurde das noch nicht
1) Qladstone u. Tribe, Die ehem. Theorie der Secundärbatterien,
deutsch von Reichen bach. p. 54. 1884.
28*
I»
n
856 F. Streintz.
gänzlich entladene Yoltameter durch drei Elemente bei ge-
ringer Stromdichte {q » 600) abends geschlossen. Am näch-
sten Tage, der Strom hatte durch 22 Vs Stunden gedauert,
betrugen die abgeschiedenen Gasmengen:
12,0 ccm an der Anode,
27,2 n n jj Kathode.
Nun wurde der Strom — 31. Juli 6^ abends — geö£Ehet Es
ergaben sich zu den folgenden Zeiten nachstehende Zahlen:
81. Juü 7 - sDenos | g^^^ ^^ Kathode
1 A ««<*«•« 11 «/.«« J 12,2 n Anode
1. Augast 11 - vonn. | g^'g ^^ Ksitode
A RA «o.»it«n i 12,2 ff Anode
„ „ 4 60 nachm. j g^'^ ^^ Kathode
o 11 w/*«« i keine weitere Aenderung an der Anode
2. „ 11 - vonn. | 88,6 ccm Kathode
8. »» 11 — ff 88,8 »1
ff 77 6 10 nachm. 41,0 »
4. „ 6 — ff 47,2
6. ff 10 — Yonn. 62,6
6. ff 10 — ff 69,6
ff ff 6 — nachm« 61,6 ff
Die von der Electrode im Zeiträume von sechs Tagen
nach erfolgtem Oeffnen des Ladungsstromes abgegebene Gas-
menge beträgt mithin 34,4 ccm. Das Volumen der negativen
Platte war zu 0,7 ccm bestimmt worden. Es wurde somit
vom Blei in dieser Zeit das 49 fache seines Volumens an
Gas abgegeben. Dieses Gas verbrannte vollkommen ruhig;
es war offenbar reiner Wasserstoff. Durch eine sogenannte
Localaction — wie etwa bei Zink in verdünnter Schwefel-
säure — wird die Abscheidung von Wasserstoff, ein Vor-
gang, der unter Bildung von Bleisulfat erfolgen müsste, nicht
zu erklären sein. Der Anlass zu einer kräftigen Localaction,
das Bleisuperoxyd, fehlte nach der gründlichen Reinigung,
welcher die Electrode durch ihre lange dauernde Polarisirung
unterworfen gewesen. Es hätte überdies die Bildung des
unlöslichen weissen Bleisulfates dem Auge kaum entgehen
können. Die Electrode hatte ihr Ansehen aber nicht ver-
ändert. Man wird also zur Annahme schreiten müssen, dass
schwammiges Blei die Eigenschaft mit Palladium theile, Wasser-
stoff in grösseren Mengen zu occludiren. Allein nicht nur
die Fähigkeit, das Gas aufzusaugen, sondern auch das auf-
Theorie des Seeundärelementei. 857
gesaugte zum Theile wieder abzugeben, tbeilen die beiden
MetaUe. Es muss also, wie seinerzeit von Palladium be-
hauptet wurde ^), der unmittelbar aus der Verbindung in
Atomen scheidende und darum electrisch energischere Was-
serstoff von Bleischwamm in grösserer Menge absorbirt wer-
den, als der nicht unmittelbar abgeschiedene.
Nach diesem Excurse kann auf die Discussion der für
p bei verschiedenen Stromdichten gefundenen Werthe zurück-
gegangen werden« Der langsam aus der Electrode fliessende
Wasserstoffstrom wird bei der Depolarisation sich mit dem
entwickelten Sauerstoff zu Wasser verbinden und damit die
Ozydirung des Metalles verhüten. Dies gilt natürlich nur
80 lange, als der erscheinende Wasserstoff im allgemeinen nicht
weniger als das doppelte Volumen des entwickelten Sauersto£b
einnimmt. Bei langsamen Entladungen wird mithin die
Potentialdifferenz p gleich jener sein, welche dem metalli-
schen Blei zu Zink zukommt. Werden aber die Entladungen
bei grösserer Dichte vorgenommen, dann wird die Electrode
durch den überschüssigen Sauerstoff in Oxyd verwandelt und
somit ein Steigen von p bewirkt. Die Potentialdifferenz
zwischen Bleioxyd und Zink wurde in der öfters angeführten
Untersuchung zu 0,75 — 0,77 Volts gefunden. Es muss dem-
nach p je nach der Stromstärke in den beiläufigen Grenzen
0,4 und 0,8 V. gelegen sein. Dies ist, wie aus der Tabelle
ersichtlich, auch der Fall. Die Annahme schliesst jedoch
nicht aus, dass ein Theil von Sauerstoff in G-asform aufsteige;
dadurch würde zwar p einen noch höheren Werth erhalten,
allein eine zu frühzeitige Superoxydirung verhindert werden.
Bei der Bestimmung des Nutzeffects eines Secundär-
elements wird man der Eigenschaft des schwammigen Bleies,
Wasserstoff zu occludiren und denselben wieder allmählich
abzugeben, Kechnung tragen müssen. Die Stromdichten bei
der Ladung und bei der Entladung, ferner die Zeit, welche
zwischen Ladung und Entladung verfliesst, werden ganz be-
sonders berücksichtigt werden müssen. Ich bin vorläufig
ausser Stande, auf diese Fragen näher einzugehen; allein
soviel ergibt sich zunächst aus den angeführten Versuchen,
1) F. Streintz, Wied. Ann. 17. p.850. 1882, vergl. auch M.Thoma,
Zeitschr. f. phys. Chem. 8. p. 69. 1889.
368 F. Strmtx.
dass die Potentialdifforenzen P" und p' sich von den Poten*
tialdifferenzen P und p moffUehst wenig voneinander unierschei"
den dürfen. Dieses Ziel erreichen, heisst die freie Gbisent*
wickelang auf das geringste Maass beschränken.^) Diese
Forderung kann auch dahin ausgesprochen werden, dass das
Secund&relement einem reversiblen Processe unterworfen
werden muss. EIm ist die Aufgabe der Praxis, dieser idealen
Bedingung so yollst&ndig als möglich Rechnung lu tragen.
8. Die Sückstandsbildung.
Die Ursache der schon von Plant6 gekannten Erschei-
nung, dass ein yollst&ndig entladenes Secundärelement, wenn
es durch l&ngere Zeit offen gestanden, war, wieder einen
Strom zu liefern im Stande ist, Iftsst sich gleichfalls durch
die Methode der getrennten Untersuchung der Platten er-
kennen. Von den verschiedenen Versuchen, die darauf an-
gestellt wurden, sollen nur jene mitgetheilt werden, welche
mit den Farbaky-Schenek-Elementen erhalten wurden.
Das Element 604 besass bei seiner gänzlichen Erschöpfung
(vgl Tabelle p. 848) die Potentialdifferenzen:
P 2,618, p 2,824.
Nun wurde das Element geöffnet Drei Stunden danach
ÜAnden sich bei geöfihetem Kreise:
P 2,619, p 0,704.
Das Element 604 zeigte nach seiner Entladung (vgl Tabelle
p. 849):
P 2,466, p 2,326,
und drei Stunden nach Oeffnen des Stromkreises:
P 2,482, p 0,440.
Im ersten Fall nahm die negative Platte ungefähr die
dem Oxyd, im zweiten die dem reinen Blei zugewiesene
Stellung in der Spannungsreihe an. Es ist durchaus nicht
nöthig, den Elementen so lange Zeit zur Erholung zu ge-
währen. Schon kurz nach Unterbrechung des Stromkreises
fällt p bedeutend. Auch Hr. Häberlein^) hat die Bück-
standsbildung beobachtet und wurde auf die etwas selt-
1) Vgl die analogen Resultate, zu welchen Häberlein (L c p. 418 £)
gelangt ist
2) Häberlein, L c. p. 405.
Theorie de9 SecundärelemefUei. 869
same Behauptung gef&hrt, dass bei dem Abfalle der Strom-
•tfake nur die Elemmentpannung, nicht aber die electromo-
torisohe Kraft den jähen Abfall zeige. Die electromotorische
Kraft des geöfiheten Elements ist eben nicht dieselbe wie
die des geschlossenen. Ohne die Untersuchung über die
RUckstandsbildung als eine abgeschlossene zu bezeichneui
kann ich doch behaupten , dass sich dieselbe durch die Be-
ziehungen zwischen Blei und Wasserstoff erklftren l&sst Das
Anwachsen von p bei Erschöpfung des Elements bis zu dem
hohen Werthe von 2 Volts und darüber hinaus ist der Bil-
dung von Oxyd und Superoxyd zuzuschreiben. Wird der Strom-
kreis unterbrochen, so dringen die im Inneren der Electrode
noch befindlichen Wasserstoffmolecüle an die Oberfläche und
wirken reducirend auf sie ein. Die Electrode wird zunächst
Ton Superoxyd befreit, und p muss noth wendigerweise sinken
auf den Werth, welcher dem Oxyd entspricht. Je nach dem
Yorrath an Wasserstoff wird dann die Reduction ihren Fort-
gang nehmen und ihr Ende gefunden haben, wenn p auf den
nrsprünglichen (metallischen) Werth zurückgekehrt ist.
Die beiden angeführten Beispiele zeigen, dass auch die
Rückstandsbildung wesentlich von der Dichte des depolari-
sirenden Stromes beeinflusst wird. Offenbar war nach der
vorangegangenen langsamen Entladung des Elements 604 der
Wasserstoffvorrath mehr erschöpft, als im rascher entladenen
Element 642. Der Gesammtrückstand eines Elements wird
also mit der Stromdichte, bei welcher entladen wurde, zu-
nehmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass unter einer
gewissen Grenze der Dichte der Rückstand auf ein Minimum
herabsinkt.
Man wird jedoch bei Beobachtung des Kückstandes auch
die Zeit, welche zwischen Ladung und Entladung verfliesst
berücksichtigen müssen. '
4. Entladungen von Zellen mit drei Platten.
Eine positive und zwei negative Platten (Typus Faure-
Sellon-V olckmar), von denen jede aus 5x5 Maschen des
Gitters bestand und eine Fläche von 12,96 qcm bedeckte,
wurden mittelst dreier Secundärelemente derart geladen, dass
die negativen Platten nebeneinander geschaltet waren. Der
880 F. Streiniz.
in die Leitang geschaltete Widerstand betrag 60 S.-E., die
Ladung dauerte 17 Stunden. Unmittelbar nach Unter-
brechung des primären Stroms zeigte die Superoxydplatte
gegen die eine negative Platte, ich will sie mit A bezeichnen^
eine Potentialdifferenz von 2,252 Y., während sich die beiden
negativen Platten A und B vollständig indifferent gegenein-
ander verhielten. Nun wurde die positive Platte mit A allein
durch einen Widerstand von 50 S.-E. verbunden. Nach
ungefiLhr acht Stunden trat die Erschöpfung von A ein.
Sodann trat an die Stelle von A die negative Platte B bei
einem Widerstände von 30 S.-K in Verbindung mit der
positiven Platte. Man erhielt einen Strom, welcher beiläufig
fünf Stunden anhielt. Auch diesmal war es die negative
Platte, welche den Dienst versagte. Die Potentialdifferenzen
P erfuhren in dieser zweiten Periode gleichfalls keine Ver-
änderung, welche ausserhalb der bekannten Grenzen gelegen
gewesen wäre. Hierauf wurde die Platte A neuerdings mit
Ladung versehen und der unverändert belassenen positiven
Platte gegenüber gestellt (2. August 11^ 45"^ vorm.) Dabei
ergab sich:
^ = 50 S.-E. J P
P
E
2. Aug. 11»» 50" vorm. 0,038 Amp. 2,512
0,479
2,033 r
8 25 nachm. i^ » 2,510
0,498
2,017
5 15 » 1» » 2,442
0,480
1,954
5 45 » )» n 2,418
0,490
1,928
6 10 n 0,036 ,, 2,380
0,490
1,890
Die Entladung wurde fortgesetzt bei
^ SS 80 S.-E.
6»» 20" nachm. 0,055 Amp. 2,800
0.504
1,796 r
6 47 „ 0,051 » 2,123
0,502
1,621
7 15 „ 0,047 „ 2,007
0,496
1,511
7»» 20" abends geöflFnet.
8. Aug. 10 50 vorm. geschlossen.
unmittelbar: 0,056 Amp. 2,430
0,405
2,025 V
11»» 10" vorm. 0,042 i» 1,826
0,500
1,826
11 80 „ » 1,717
0,502
1,215
11 50 ,» 0,082 „ 1,711
0,505
1,206
12h _m mittags geöflFnet.
4 80 nachm. geschlossen:
unmittelbar: 0,054 Amp. 2,352
0,512
1,840 r
5»» 40" nachm. jy ,y 1,418
0,515
0,908
6 10 II 0,026 II 1,815
0,518
0,797
7—11 V it 1,149
0,515
0,634
7 80 1, 0,019 „ 1,085
0,516
0,569
T%eorie des Secundärelementes. 861
Ich hoffe^ durch diesen Yersach die Haltlosigkeit jener
Annahme erwiesen zu haben, nach welcher es bei den be-
kannten Typen des Secnnd&relements jemals die positive
Platte gewesen sei, welche den Verfall desselben herbei-
ffthrte.
Die positive Platte besitzt im Vergleiche zar negativen
eine Dauerhaftigkeit, welche als eine ausserordentliche zu
bezeichnen ist. Auch ist die Charakteristik bei beginnender
Erschöpfung der Superoxydplatte eine völlig andere, als bei
der gewöhnlichen Entladung. Man kann ohne Uebertreibung
sagen, dass P zu gleicher Abnahme ebenso viel Stunden be-
darf, als p Minuten zu entsprechender Zunahme. Von einem
y,Abfall'' der electromotorischen Kraft kann daher hier gar
nicht gesprochen werden.
Die positive Platte liefert, wie aus den Zahlen, welche
„unmittelbar'^ nach Stromschluss gefunden wurden, ersicht-
lich wird, einen Rückstand, der wahrscheinlich seine Erklä-
rung in der durch die Unterbrechung des depolarisirenden
Stromes erfolgten Sistirung der Wasserstoffentwickelung
finden dürfte.
Die nächste Frage, welche sich aufdrängt, ist nun zweifel-
los die:
In welcher Weise hat man das Verbältniss der Ober-
flächen beider Platten im Secundärelement zu gestalten,
damit die positive Electrode besser ausgenutzt werden kann?
Häberlein^) schliesst aus den von Aulinger und mir
angestellten Versuchen: „Es würde sich einfach die prak-
tische Folgerung ergeben, dass man die wirksame Oberfläche
der negativen Electrode im Vergleich zu der der positiven
vergrössert; dies lässt sich aber in der That durch eine
zweckmässige Formirung erreichen, ohne dass das Bleigewicht
des Accumulators wesentlich erhöht wird.'^
Den Beweis hierfür erbringt Häberl ein nicht; derselbe
wird auch nicht so einfach zu erbringen sein, weil einerseits
erst festgestellt werden muss, ob die erschöpfte Superoxyd-
platte nicht zu ihrer Widerhersteilung einen unverhältniss-
mässig grösseren Aufwand von Energie beansprucht, und
1) Häberlein, 1. c. p. 415.
862 C. Fromme.
weil andererseits die Yergrösserung der negativen Platte
auch eine Verminderung der Stromdichte an derselben nach
sich ziehty welche nach den obigen Ausf&hrungen sowohl bei
der Ladung als bei der Entladung der Zelle von einschnei*
dender Wirkung sein kann.
Phys. Inst, der Univ. Graz, im Augnst 1889.
m. Veher das Mtixtmutn der galvanischen Pola^
risatian van JPlatinelectroden in Schwefelsüure ;
von Carl Fromme.
(BUria Taf. IT Flg. S-4.)
Zweite Abhandlung:
Versuche mit platinirten Platinelectroden.
In einer früheren Mittheilung ^) habe ich Versuche zur
Bestimmung des Maximums der galvanischen Polarisation
von blanken Platinelectroden in Schwefelsäure verschiedener
Concentration beschrieben. Dabei besassen die Electroden
eine Fläche entweder von 1 qcm (grosse Electroden) , oder
von 0,008 qcm (kleine Electroden). War die Kathode klein,
so trat stets eine Schwärzung derselben durch Bildung von
Platinschwarz ein, war sie dagegen gross, so wurde eine
Aenderung in der Farbe ihrer Oberfläche nicht beobachtet.
Die im Folgenden mitzutheilenden Versuche zeigen,
welchen Einfluss eine bei Beginn der Versuche schon vor-
handene starke Platinirung der Anode oder der Kathode
auf den Maximalwerth der galvanischen Polarisation in
Schwefelsäure verschiedenen Procentgehaltes ausübt.
Die Electroden besassen bei dieser Untersuchung eine
Fläche von 1 qcm (grosse Electroden) oder von 15 qcm (sehr
grosse Electroden). Es wurden jedesmal vier Beobachtungs-
reihen angestellt: 1) mit blanker Anode und blanker Ka-
thode \^Ah + Ki\j 2) mit platinirter Anode und platinirter
Kathode [^, +Ap], 3) mit blanker Anode und platinirter
Kathode \^Ah-\'Kp]^ und 4) mit platinirter Anode und blan-
ker Kathode \^Ap + K^] . Hieraus lassen sich je zwei von-
1) C. Fromme, Wied. Ann. 33. p. 80. 1888.
Polarisation von JPlatin in Schwefebäure. 868
einander unabhängige Wertbe fbr den Einfluss der Plati-
nimng der Anode und der Kathode anf das Polarisations-
TnaTimnm ableiten.
Bei den Versuchen mit blanker Kathode wurde be-
sondere Sorgfalt auf die Erkennung einer Färbung der
Kathode verwandt und eine solche in der That auch gefun-
deui zwar nicht nach einer einzelnen Beobachtung, wohl aber,
nachdem mehrere Beobachtungen aufeinander gefolgt , also
der Strom eine längere Zeit durchgegangen war. Dies
stimmt mit dem Eesultat von Poggendorff ^), welcher auch
an grösseren Kathodenflächen Platinschwarz fand, überein.
Der meist ausserordentlich zarte und schwer erkennbare
Anflug der Kathode verschwand in Königswasser sehr schnell,
sein Einfluss aber auf die Grösse des Polarisationswerthes
ist, wie das Folgende zeigen wird, unter Umständen dennoch
ein sehr bedeutender. Einige merkwürdige Divergenzen in
den früher publicirten Versuchen erklären sich vollkommen
durch die Annahme, dass ein Anflug von Platinschwarz im
einen Fall vorhanden gewesen sei, im anderen nicht. Auch
Verschiedenheiten in Grösse und Verlauf der Polarisation
zwischen den jetzigen und den früheren Versuchen finden
ihre Erklärung in einer damals nicht hinreichend blanken
Beschaffenheit der Kathode.
Zu den Versuchen dienten die früheren Schwefelsäure-
mischungen; eine Neubestimmung der specifischen Gewichte
ergab ihre Concentration meist etwas geändert, wie in An-
betracht ihres vielfachen Gebrauchs wohl erklärlich. Es
wurde ausschliesslich das cylindrische Voltameter benutzt.
Von vier gleich grossen Electroden blieben zwei blank, zwei
wurden platinirt. Das aus der Electrolyse von verdünnter
Platinchloridlösung, welche mit Salzsäure versetzt war, ge-
wonnene Platinschwarz bedeckte die Electroden in dicker
Schicht. Von den beiden blanken, wie von den beiden pla-
tinirten Electroden diente die eine nur als Anode, die andere
nur als Kathode. Vorsicht ist nöthig beim Gebrauch einer
platinirten Anode, da dieselbe von dem Process der Plati-
nirung her U enthält, wodurch leicht zu kleine Polarisa-
tionswerthe resultiren.
1) Poggendorff, Pogg. Ann. 61. p. 605. 1844.
864 C Fromme.
In der ersten Mittheilnog faabe ich die PolariBation in
Daniells angegeben; ein Kittler'sclies Element, jedoch mit
Thondiaphragma, diente als Normalelement. Kach Kittler
Türde die electromotorische Kraft desselben ca. 1,1 Volts
sein. Dieser Werth ist indessen zn klein, sp&ter tod mir
aoegef&hrte Aicbungen des GalTanometers mit dem Silber-
and dem Kapfervoltameter führen auf eine electromotorische
Kraft des Elements von 1,22 Yolts.
Dasa sie in der That grösser als 1,1 Volts angenommen
werden maas, geht aach daraus berror, dasa die electromo-
torische Kraft eines BunBsn'schen Salpetersäureelements
nnr I,5mal grösser ^a die des Daniells gefunden wurde,
während man fDr starke Salpetersäure bestimmt 1,7 erwarten
darf.
Bei den folgenden Versuchen wurde das GhilTanometer
b&ufig mit dem Silber- oder Kupfervoltameter geaicht, die
WideraUUide in Ohms umgerechnet und die Folarisations-
wertbe sodann in Volts gefunden.
Ueber die Methode etc. gelten alle einleitenden Bemer-
kungen der ersten Abhandlung.
Vers
che mit Electroden von 1 qcm Gröise.
a) Die Polarisation p des Voltameters, — Die
Tabelle I gibt die mit der I. Reihe von Säuren (cf. die
1. Abb.) erhaltenen p in Volts.
Tabelle L
(cf. Taf IV
Fig. 3.)
Pro-
BoBcbaffenheit der Electroden.
saure
cent.
1.
2.
.
4.
5.
gebalt
A + -Ki
^, + X,
-**
^A'P
-Jp+i^.
^b + ^h
II 1 0,4
2,67
(2,09)
1,62
2,10
2,00
5,36
8,58
III ! 1,2
2,52
(2,11)
1,79
2,14
2,13
2,04
2,82
IV
S,0
2:00
(2,30)
1,81
2,16
2:11
S,09
2,64
V
2,8
2,98
(2,^*)
I,S2
2,15
, 2,13
2,16
3,04
VI
U
2,59
2,'57'
1,62
2.40
(2;in
2,01
8;e4
VII
*,*
2,68
2,63
1,79
2,43
2,37
l,fl*
2,72
VUI
6,0
2,66
2,64
1,81
2,42
i 2,35
2,03
8,90
IX
^,^
2,69
2,77
1,81
2,42
2,35
2,11
2,93
X
11,5
3,0*
3,08
1,81
2,48
, 2,41
2,45
8,00
XI
Ufi
3,01
8,01
1,83
2,48
' 2,41
2,42
2,8!>
XII
19,6
3,02
2,98
1.84
842
2,38
8,43
2,96
XUI
«,6
sloa
i,H
1,83
2,45
8,40
2;09
alsö
Pülaräation von PtaÜn iit SekieefeUäare.
TortaaUoDg der TilMUe
I.)
Pro-
BeBcbaflenheit dar Electroden.
Saure
ceo t-
1.
2.
3.
4.
5.
gehalt
'*» + -r»
-*>+«>
A+Ä,
''p+-Si
J. + JT»
XIV
31,7
3,08
3,01
1,82
2,47
2,45
2,18
2,91
XV
37.1
2,82
2,78
1,89
2,48
2,48
2,11
2,90
XVI ' 43,7
2.90
2,76
1,93
2158
2,64
2,08
2,94
XVU , 46,8
a,76
2,76
1,94
2,61
2,57
2,06
2,81
XVm 50,6
2,83
2,82
1,98
2,67
2,63
2,10
2,90
XIX 1 53,1
2,86
2,90
1,99
2,75
2,69
2,08
2)95
XX 57,0
2,93
2,96
1,99
2,80
2,78
2,09
8,05
XXI 60,5
2,94
2,96
2,01
2,84
280
2:09
3;02
XXU 65,4
2,92
2,84
2,04
2,85
2,81
2,10
3,02
^
[ittel
A
3
1,87
2,45
2,14
2,87
Wir betrachten zunächst jede der Torstehendea Beoh-
achtungsreihen ftlr sich allein.
Die üeberainstimmung zwischen den beiden Reihen
unter 1] mit blanker Anode und blanker Kathode ist gut bis
anf die Beobachtungen bei II — V, wo die Werthe der zwei-
ten Keihe aufAllig kleiner als die der ersten sind. Die
Ursache des Cnterechiedes wurde darin erkannt, dass die
Electroden tot Beginn der ersten Reihe in Königswasser
gereinigt waren, nicht aber vor Beginn der zweiten, obwohl
sie vorher bei einer grösseren Zahl von Messungen benatzt
waren. Dann aber findet man die Kathode mit einem
biftanlichen Anfing bedeckt, der nur in Königswasser toII-
stftndig zu entfernen ist und aus fein zertheiltem Fiatin
besteht.
Benutzt man eine solche Kathode in geringen Concen-
trationen, so findet man Polarisationswerthe , welche sich
kaum unterscheiden Ton den bei dicker Flatinirung der Ka-
thode resultirenden.
Dies wurde noch dnrch folgende Versuche bestätigt.
Nach Ablauf der zweiten Reihe mit A^ + Ki. wurde der An-
flug der Kathode wieder nicht entfernt und dann nochmals
die Polarisation in den Säuren II — VI und X bestimmt.
Ks ergab sich:
Sfiure II m IV V VI X IV
p 2,07 2,15 2,15 2,18 2,27 3,08 2,91.
Die vier ersten dieser Werthe decken sich mit den ent-
sprechenden bei Ab + Kp gefundenen. Bei VI war die Stromr
366 C. Fromme.
stärke noch in der Abnahme begriffen , sodass bei längerem
Durchgang des Stromes p > 2,27 gefunden wäre. Bei X
nahm die Stromstärke während sehr langer Zeit ab, und es
ergab sich schliesslich ein Werth von p, welcher mit den
bei Ah + Kh gefundenen völlig übereinstimmt. Nunmehr
erschien aber auch die Farbe der Kathode wieder fast weiss,
der Anflug von Platinschwarz war also wahrscheinlich durch
die lebhafte Gasentwickelung mechanisch entfernt. Die ver-
änderte Beschaffenheit der Oberfläche zeig^ dann auch die
nun folgende Beobachtung mit lY, welche das hohe, einer
blanken Kathode entsprechende p » 2,91 lieferte.
Wir erkennen demnach, dass ein schwacher Anflug von
Platinschwarz an der Kathode die Polarisation erheblich
herabsetzt, sobald die Schwefelsäure weniger als dreiprocentig
ist Hieraus erklären sich wohl die schwankenden Werthe
der Polarisation, welche in den früher veröffentlichten Ver-
suchen bei kleinen Concentrationen auftraten. Bei der gra-
phischen Darstellung, bei Bildung der Mittel werthe und in
den nun folgenden Tabellen bleiben die eingeklammerten
Werthe der Tabelle I unberücksichtigt.
Sind also 1) beide Electroden blank y so nimmt die Pola-
risation mit wachsender Concentration zuerst sehr rasch zu
und erreicht ein Maximum von etwa 3 Volts bei 2,5 Proc,
nimmt aber dann ebenfalls rasch wieder ab bis zu einem
Minimum von etwa 2,6 Volts bei 3,5 Proc. Darauf steigt
p wieder an und erreicht — nachdem es vielleicht durch
ein Maximum und Minimum auch bei 5 und 6 Proc. hin-
durchgegangen — ein weiteres hohes Maximum von etwas
über 3 Volts bei 11,5 Proc. Auf diesem hohen Werthe
bleibt p bis zu 32-procentiger Säure; von da an nimmt es
rasch bis etwa 2,8 Volts ab, um zwischen 47 und 60 Proc.
nochmals zuzunehmen bis auf nahe 3 Volts. Bei weiterem
Wachsen der Concentration bis 65 Proc. nimmt p vielleicht
wieder ein wenig ab.
Sind 2) beide Electroden plaiinirtj so nimmt mit wachsen-
der Concentration die Polarisation anfänglich zu, bleibt
schon von 1,2 Proc. an bis 32 Proc. constant mit einem
Mittel werth p = 1,815 und nimmt endlich bis 65 Proc. der
Polarisation von Platin in Sckwefebäure. 867
C<mc6Dtratioxi etwa proportional bis auf einen Werth von
p ma 2,04 Volts zu.
Für den Fall 8) einer blanken Anode und einer platinirten
Kathode liegen zwei Beobachtungsreihen vor, welche in ihrem
Verlaufe ToUkommen übereinstimmen. Nur ergibt die zweite
fatt durchweg etwas kleinere p.
Die Polarisation nimmt von 0,4 bis 1,2 Proc. ein wenig
zu, bleibt von 1,2 bis etwa 8 Froc. constant auf 2,14 Volts,
nimmt dann plötzlich um 0,25 Volts zu^), um auf dem er-
reichten höheren Werth Ton 2,39 Volts bis 7,4 Proc. constant
zu bleiben. Kun folgt bis 12,6 Proc. eine Zunahme von 0,06
Volts und bis 19,6 Proc. wieder eine Abnahme etwa im
gleichen Betrag. Von da an wächst p stetig, bis 37 Proc.
ziemlich langsam, bis 65 Proc. rascher und von da an wieder
langsamer bis zu einem Werth von p » 2,83 Volts. ^
Ist 4) die Anode plaänirt und die Kathode blankj so zeigt p
nach einer anfänglichen Abnahme eine Zunahme bis zu einem
Maximum von 2,16 Volts, welches bei 2,8 Proc. liegt Es nimmt
p dann ab bis zu einem Minimum von 1,9 Volts bei 4 Proc,
um wieder zuzunehmen und bei 11,5 Proc. ein Maximum in
der flöhe von 2,43 Volts zu erreichen, welches sich bis
20 Proc. erstreckt Dann fällt p plötzlich bis auf 2,09 Volts
ab, erreicht bei 31,7 Proc nochmals ein Maximum von 2,18
Volts, fällt wieder bis auf 2,11 Volts bei 37 Proc und bleibt
fortan mit dem Mittelwerth p = 2,09 V. constant
Tabelle I gibt endlich noch eine dritte Beobachtungsreihe
mitAh+Kh, In der Ausführung unterscheidet sich dieselbe von
den beiden ersten dadurch, dass die Kathode nicht nur bei Be-
ginn der Beihe, sondern bei jedem Wechsel der Säure eine
Zeit lang in Königswasser getaucht und dadurch während
der ganzen Versuchsreihe vollkommen blank erhalten wurde.
Auch in dieser Reihe nimmt p mit wachsender Concentration
1) In der zweiten Beobachtongsreihe tritt diese plötsliche Zunahme
ent ein wenig später ein. Bei Bildung der Tab. II ist der Werth j» 8 2,11
aber unberücksichtigt geblieben, weil er dem Verlaufe der p in den
Beihen 1, 2 und 4 nicht entspricht.
2) Die Werthe dieser Reihe stimmen ziemlich gut Überein mit den
in der I. Abh. in Tab. II aufgeführten. Hieraus folgt, dass damals die
Kathode nicht vollkommen blank gewesen sein muss.
868 C. Fromme.
bis zu einem Maximum von etwa 3 V. bei etwa 2,6 FiföiS.
zoj f&llt rasch wieder bis zu einem Minimum von 2,6 Y. bei
Sy4 Proc. und erreicht ein zweites Maidmum von 8 V. bei
11,5 Proc. Jetzt folgen bis 53,7 Proc Schwankungen zwischen
2,81 und 2,96 Y., und bei den höchsten Concentrationen
wieder ein Ansteigen über 8 Y. Das absolute Minimum,
welches in den beiden ersten Yersuchsreihen bei 46,8 Proc
lag, liegt auch jetzt bei der gleichen Concentration. TJeber*
einstimmung zwischen dieser und den ersten Reihen ist also
in der Hauptsache vorhanden — nur zwischen 11 und 31
Proc. zeigt die neue Eeihe Schwankungen, welche früher
nicht beobachtet wurden — , während freilich die Einzel*
werthe einige male grössere Differenzen aufweisen. Der
Mittelwerth 2,87 Y. ist um 0,04 Y. grösser als das Mittel
aus den beiden ersten Reihen.
Wir gelangen somit zu dem Resultat, dass bei fortge-
setztem Blankhalten der Kathode der Yerlauf von p mit
der Concentration kaum ein anderer ist, und nur die Werthe
▼on p im allgemeinen etwas grösser ausfallen, als wenn die
Kathode nur beim Beginn der Yersuchsreihe in Königs-
wasser gereinigt war.
Aus Tabelle I erhalten wir den Einfluss, welchen die-
Platinirung einer Electrode auf den Polarisationswerth aus-
übt, wenn wir den Unterschied der ;? in 1 und 3, 4 und 2>
sowie in 1 und 4, 3 und 2 bilden. Diese vier Differenz>-
reihen, sowie die Mittel aus je zwei zusammengehörigen gibt
Tabelle II (auf der folgenden Seite).
Die Tabelle II lehrt, um wieviel die Polarisation eines
Yoltameters mit blanken Platinelectroden abnimmt, wenik
man die Kathode oder die Anode platinirt Die beiden
unabhängig voneinander erhaltenen Werthe, welche den Ein-
fluss der Platinirung einer Electrode angeben, differiren
meist wenig voneinander, und in den E&Uen, in welchea
grosse Differenzen auftreten, ist die Ursache derselben meist
sofort erkennbar: Es tritt in der einen Reihe ein Maximum
von p schon bei einer etwas kleineren Concentration ein,,
als in der anderen; oder es f&llt p vom. Maximum verschie-
den rasch in den beiden Reihen ab..
Polaritation von I^atm in Sckicefebäurt,
Tabelle U.
Sanre
Prooent-
1—3.
4-2.
1-4,
3-2.
Mitt«l
gehalt
js-.--*;
S^-X^
-*>--'.
A-^,
Jg*-^
A-^
U
0,4
0,32
0,74
0,01
0,4S
0,58
0,22
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1,2
39
2&
48
34
92
41
IV
2,0
86
28
90
32
67
61
V
2,8
85
S4
88
32
60
57
VI
3,*
18
19
57
58
18
67
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26
15
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61
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27
22
63
57
24
69
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35
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57
32
59
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82
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61
63
68
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XI
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67
59
59
61
68
60
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19^6
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236
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47
75
XV
371
B2
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69
59
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XVI
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27
15
75
68
21
69
XVII
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17
12
70
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72
67
14
69
XIX
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16
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78
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76
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16
10
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13
83
XXI
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i 13
12
86
81
12
xxn
65,4
1 06
06
78
7»
05
78
Mittel
0,39
0,27
0,69
0,58
0,83
0,6S
Wir entnehmeii der Tabelle folgende Resnltate:
Platiairung der Kathode setzt die PolarisatioD in Schwe-
felsäure geriogerer ConcentratioD meist erheblich her&b, von
etwa 20 Froc. an aber wird der Einfluss der Platinirung
der Kathode stetig kleiner nnd beträgt bei den hfichsten
Concentrationen nur etwa 0,1 V. Platinirung der Anode
dagegen verringert die Polarisation in verdünnter Schwefel-
Sänre weniger als in concentrirterer.
In den meisten Säuren nimmt die Polarisation infolge
Platinirung der Anode viel mehr ab, als durch Platinirung
der Kathode, wie ancb die am Fuss der Tabelle II stehen-
den Mittelwerthe zeigen, nach denen durchschnittlich Ki,—Kf
kaum mehr als die Hälfte von Ai, — Af beträgt. Die eben
ausgesprochenen Resultate ergeben sich auch bei blosser
Betrachtung der nach Tabelle I gezeichneten Curren (Fig. 8),
Bei höheren Concentrationen (von 40 Proc an) läuft die
Curve für Ah + K^ zunächst derjenigen fllr ^^ + Äi, wäh-
rend weit tiefer als diese die beiden Curven Ar Af\-K,
und Jp+Ki zusammenlaufen. Bei mehr als 40 Proc. ändet
lau. d. Pbji. D. Chdii. K. F. SXIVIII. H
870
C Fromme,
also eine Scheidung der Curren nach der Beschaffenheit der
Anode statt, nicht nach der der Kathode, flöhe Polarisationa-
werthe treten in concentrirten Säuren nur dann auf, wenn
die Anode blank ist; die Beschaffenheit der Kathode ist
von geringem Einfluss. Die unregelmässigsten unter den
vier Curven sind die auf eine blanke Kathode bezüglichen,
und zwar finden sich die Schwankungen grösstentheils bei
kleinen Concentrationen (bis etwa 35 Proc.) Sobald die
Kathode platinirt wird, fallen die Schwankungen fast ganz weg.
Diese Sätze gehen noch deutlicher aus den Beobach-
tungen mit der zweiten Reihe von Schwefelsäuremischungen
hervor. Tabelle III enthält die in diesen gefundenen Polari-
sationswerthe p in Volts, sowie die vier Differenzreihen und
deren Mittel. In den Reihen mit Ah + Ki und Ap+Kj,
wurde die Kathode bei jedem Wechsel der Säure in Königs-
wasser gereinigt.
Tabelle III. (Cf. Taf. IV Fig. 4.)
V
i^^
Beschaffenheit d. Electrod.'
1
u
1.
2.
3.
4.
1-3.
4 — 2
1-4.
3-2.
Mittel
«99
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A -^K
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1^ +lfj
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1-
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1
1
0,3
2,61
1,73
2,02
2,05
0,59
0,32
0,56
0,29
0,45
0,42
2
0,9
3,08
1,79
2,11
2,70 i
97
91
38
32
1 94
85
3
1,1
2,56
1,82
2,15
2,06
41
24
50
33
32
41
4
1,9
2,81
1,86
2,18
2,26
63
40
55
32
51
43
5
2,6
2,57
1,83
2,19
2,09
38
26
48
36
; 32
42
6
3,4
2,62
1,86
2,15
2,19
47
33
43
29
40
36
^
i
4,7
2,83
1,86
2,15
2,37
68
51
46
29
59
37
8
6,0
2,75
1,89
2,19
2,42 1
56
53
33
30
54
81
9
: 6,6
2,61
1,90
2,15
2,27
46
37
34
25
41
29
10
10,6
2,56
1,88
2,26
2,16
30
28
40
38
! 29
39
11
15,2
2,75
1,88
2,35
2,20
40
32
55
47
36
51
12
17,4 1
2,56
1,88
2,32
2,13
24
25
43
44
24
43
13
23,5
2,54
1,88
2,40
2,11 '
14
23
43
52
18
47
14
33,1
2,64
1,92
2,43
2,16
21
24
48
51
22
49
15
40,3 ,
2,62
1,94
2,51
2,15
11
21
47
57
16
52
16
47,0
2,64
1,94
2,59
2,15
05
21
49
65
13
57
17
49,7
2,67
1,94
2,64
2,16
03
22
51
70
12
60
18
53,5 ;
2,77
1,9><
2,74
2,13
03
15
64
76
09
70
19
57,5
2,88
1,99
2,80
2,16
08
17
72
81
12
76
20
68,6
2,93
2,00
2,86
2,19 ,
07
19
1 74
86
13
80
Mittel ! 2,70 1,89 ; 2,36 2,20 '^ 0,34 0,31 i 0,48 0,47 0,32 iO,47
Aus Tabelle III und ihrer graphischen Darstellung folgt:
Sind beide Electroden blank, so zeigt die Polarisation bei
Polarisation von Platin in Schwefelsäure, 371
den kleineren Concentrationen beträchtliche Unterschiede:
Ss liegen Maxima bei 0,9, 1,9, 4,7 und 15,2 Proc, und es
schwankt p in dem Interrall 0—20 Proc. zwischen 2,56 und
3,08 y. Erst von 20 Proc. an tritt eine fast continuirliche
Zunahme von p mit wachsender Concentration ein, es wächst
p von 2,5 bis 2,9 V.^)
Sind beide Electroden platinirt, so ist die Polarisation
erheblich kleiner, sie nimmt bis 6 Proc von 1,73 auf 1,89 Y.
zu, bleibt dann bis 30 Proc. constant und nimmt endlich
bis auf 2 V. bei 64 Proc. zu. Alle Werthe von p zwischen
6 und 64 Proc. liegen in den Grenzen 1,88 — 2,00 V.
Ist nur die Kathode plcUinirt, die Anode aber blank, so
bleibt p nach einer anfänglichen kleinen Zunahme von 1,1
bis 6,6 Proc. in den Grenzen 2.15 und 2,19 V. constant und
nimmt darauf bis 15 Proc. rasch und von da an langsamer
bis auf fast 2,9 Y. zu.
Bei platinirter Anode und blanker Kathode treten in den
verdünnten Säuren wieder starke Schwankungen auf: es
liegen Maxima bei 0,9, 1,9, 6,0 und 15,2 Proc, Minima bei
1,1, 2,6, 10,6 und 20 Proc, also an den nämlichen Stellen,
wo solche bei Ab+Ki, gefunden wurden. Yen 20 Proc an
bleibt p zwischen den Grenzen 2,11 und 2,19 Y. constant.
Kh — Kp führt bei den kleinen Concentrationen Schwan-
kungen aus, deren Maxima und Minima sich mit denen
decken, welclie in den Polarisationswerthen für Ab+Ki und
Ap+Ki, auftraten. In den verdünnten Säuren ist Kb — I^
gross, in den concentrirten klein, es geht also eine Abnahme
von Ki — Kp mit zunehmender Concentration neben den
Schwankungen der Werthe her.
Die Werthe von Ab — Ap sind in den verdünnten Säuren
(bis 8 Proc.) zum grössten Theil kleiner als die von Kb — Kp
und nehmen ein wenig ab, von 8 Proc an aber sind sie
grösser, als die von Kb — Kp und nehmen mit zunehmender
Concentration zu. In verdünnter Schwefelsäure wird also
1] Die in der I. Abb. Tab. V mitgetheilte Reihe stimmt mit dieser
bei den Concentrationen von 6,4—65 Proc. ziemlich gut überein, gibt
dagegen bei den kleinen Concentrationen erheblich geringere Werthe.
Der Grund hierfür liegt ohne Zweifel in einer früher nicht vollkommen
blanken Beschaft'enheit der Kathode.
24*
372 C. Fromme.
durch Platinirung der Kathode die Polarisatioii etwas stärker
▼ermindert, als dnrch Platinirung der Anodei in concentrir-
terer dagegen erweist sich die Platinirung der Anode tod
erheblich grösserem Einfluss.
und die Platinirung der Electroden setzt nicht nur die
Polarisation herab, sie beseitigt auch die starke Abhängige
keit der Polarisation von der Concentration der Schwefel-
säure, welche bei blanker Beschaffenheit der Electroden be-
steht Denn die Mazima und Minima, welche bei Ai + Ky.
und kleinen Concentrationen (0 — 20 Proc.) auftreten, finden
sich zwar auch bei Ap+Ki,j werden also durch Platinirung
der Anode nicht beseitigt Sie verschwinden dagegen, sobald
man die Kathode platinirt, sodass also ihre Ursache in der
blanken Beschaffenheit der Kathode gesucht werden muss.
Andererseits findet sich das starke Ansteigen der Pola^
risation in höheren Concentrationen (schon von 8 Proc. an
sowohl bei blanker, als bei platinirter Kathode; es verschwin-
det aber ganz oder fast ganz, sobald man die Anode platinirt,
sodass der Grund fdr die hohen Polarisationswerthe in den
concentrirten Säuren in der blanken Beschaffenheit der Anode
zu suchen ist
Vergleichen wir nun die aus Tab. III gezogenen Folge-
rungen mit denen aus den Tabellen I und II, so finden wir
in der Hauptsache vollkommene Uebereinstimmung, während
sich in den Einzelheiten manche Differenzen zeigen. Da die
Concentrationen in den beiden Säurereihen nicht viel ver*
schieden sind, so können wir zunächst die Mittelwerthe in
den beiden Beihen miteinander vergleichen. Die der zweiten
Säurereihe zeigen gegenüber der I. Reihe Unterschiede von
- 0,13 (resp. - 0,17), + 0,02, - 0,09, + 0,06. Derselbe ist
also am grössten für beiderseits blanke, und am kleinsten
für beiderseits platinirte Electroden. Auf die Grösse der
Polarisation platinirter Electroden übt demnach die Bereitung
der Säure einen verschwindenden, auf die Polarisation blanker
einen nicht unbeträchtlichen Einfluss aus. Diese grössere
oder geringere Uebereinstimmung tritt nicht nur in den
Mittel-, sondern auch in den Einzelwerthen hervor: Während
die Uebereinstimmung zwischen den Reihen mit Ah + K^ fast
durchweg gering genannt werden muss, ist sie dagegen zwi-
Polarisation von Platin m Schwefelsäure. 373
sehen den beiden Reihen mit Ap + Kp Überall befriedigend.
Die auf gleiche Conoentration bezogenen Werthe fQr ^ + i£^
stimmen gut überein von 0 bis 8 Proc. and von 15 bis 65 Proc^
wogegen die für Jp + Kj, erst von 25 Proc. an nahe gleich
werden.
Während in der I. Säurenreihe die Polarisation durch
Platinirung der Kathode im Mittel um 0,33 Y.f der Anode
im Mittel um 0,63 V. herabgesetzt wurde, sind die entspre-
chenden Werthe in der 2. Säurenreihe 0,32 und 0,47 Y. Die
Verschiedenheit der Werthe 0,63 und 0,47 V. für Ah — Ap
wird aber dadurch herbeigeführt, dass die Versuche mit
blanker Anode in der zweiten Säurenreihe geringere Polari-
sations werthe als in der ersten lieferten, während mit pla-
tinirter Anode umgekehrt in der zweiten Säurenreihe grössere
Werthe erhalten werden.
b) Das Anwachsen der Polarisation bis zum
Maxim alw er th. — Die Zunahme der Polarisation mit der
Dauer der Stromschliessung lässt sich nach der Abnahme
der Stromstärke beurtheilen, wenn man sehr constante Ele-
mente anwendet und im übrigen annehmen darf, dass die
durch den Stromdurchgang verursachten Aenderungen des
Widerstandes der Schliessung und besonders des Voltameters
nur sehr klein sind.
Wir können uns jedoch auf die wohl als richtig zuzu-
gebende Annahme beschränken, dass diese Aenderungen
innerhalb eines begrenzten Concentrationsgebietes etwa die
gleichen sind, und wollen nun auf Grund dieser Annahme
das Anwachsen der Polarisation bis zum Maximum in den
einzelnen Concentrationen miteinander vergleichen. Es Hess
sich die Abnahme der Stromstärke verfolgen von 1 See. nach
Stromschluss an, weil dann der erste Ausschlag des Galvano-
meters stattfand. Man beobachtete diesen und weiter die
Einsteilung vom Aufhören der Schwingungen (nach 4—5 See.)
an jede Minute. Der erste Ausschlag, vermindert um die
schliessliche constante Ablenkung und um diejenige Grösse,
um welche erster Ausschlag und erste Einstellung sich bei
ausgeschaltetem Voltameter unterscheiden (beiläufig 15 Sca-
lentheile), liefert dann ein Maass für die Zunahme der Pola-
risation von der ersten Secunde nach Stromschluss an.
374
C Fromme.
So ist die Tab. V berechnety während Tab. IV die Strom-
at&rkeabnahme erst Ton 5 See an nach Stromschluss enthUt,
weil der erste Ausschlag sehr h&ofig nicht beobachtet war.
Ans beiden Tabellen ergeben sich jedoch die n&mlichen Fol-
gerungen. (Siehe Tab. lY und Y.)
Aus den Tabellen IV und Y geht zunächst eine grosse
Yerschiedenheit in den Werthen der Stromstärkeabnahme
bei den rier Combinationen von Electroden herror: Die
Werthe sind am grössten bei beiderseits Uanken, am klein-
sten bei beiderseits platinirten Electroden, mit anderen Worten :
platinirte Electroden befinden sich dem Maximum ihrer Po-
larisation kurze Zeit nach Stromschluss sehr nahe, wäh-
rend blanke Electroden noch weit davon entfernt sind»
Tabelle lY.
Abnahme') der StroBistärke*) in SeslentlieUen.
L Reihe yon Staren.
Säure
I Pro*
i Cent- '
1.
2.
3.
4. i 1—3.4— 2. .3— 2.)
gehalt^^+^^,^p+-^^^+-ffl,^p+-ff^ ^k--^.
^»-^p
II
0,4
±
-26
— 2
±
III
1,2
22
2
-19
20
41
18
-21
2
IV
2,0
40
2
- 5
31
45
29
- 7
9
V
2,8
130
4
- 2
41
132
37
- 6
89
VI
8,4
100
5
29
31
71
26
24
69
VII
4,4
57
13
12
27
45
14
- 1
30
VIII
6,0
50
10
17
34
33
24
7
16
IX
7,4
64
6
1 14
37
50
31
8
27
X
11,5
114
3
' 11
88
103
85
8
26
XI
14,5
. 54
6
28
32
26
26
22
22
XII
19,6
1 56
4
28
21
28
17
24
35
XIII
28,6
58
4
27
30
31
26
23
28
XIV
31,7
73
5
35
51
38
46
30
22
XV
37,1 1
50
8
43
29
7
21
85
21
XVI
43,7
: 74
6
59
25
15
W)
53
4»
XVII
46,8
86
6
66
20 '•
16
60
64
XVIII
50,6 ^
99
5
76
29
23
24
71
70
XIX
53,7
100
5
79
17
21
12
74
83
XX
57,0
100
5
74
26
26
21
69
74
XXI
60,5
95
6
66
16
29
10
, 60
7»
XXII
65,4
61
! 7
41
8
20 .
1
1 84
53
1) Eane Zunahme ist durch ein vorgesetztes — bezeichnet, ± be-
deutet zuerst Abnahme, dann Zunahme.
2) Die constante Ablenkung beträgt immer etwa 400 Scalentheile.
Polarisation von JPlatin in Schwefelsäure,
376
Tabelle V.
AbDahme der Stromstärke in Scalentheilen. ^)
2. Beihe vom Säuren.
Säore
Pro-
cent-
1
1.
2.
3.
4.
1-3. 4-2.
3—2.
1-4.
gehiOt^
^J>-^^1
A^ + K^Aj,+K^A^ + K^
l^^'^P
A-^P
1
0,3
— 16
53
^_
._
2
0,9
41
6
—
84
+
78
—
-43
8
1»1
19
5
-11
48 1
80
43
-16
-29
4
1,9
2,6
60
47
8
9
0
3
63 !
60
44
55
57
- 8
- 6
- 3
5
66
..19
6
3,4
6,0
40
68
8
9
5
68
77
93
35
72
60
68
- 3
-28
7
112
4
- 9
8
76
80
-17
9
6,6
97
19
4
77
93
58
-15
20
10
10,6
15,2
91
106
18
20
27
30
68 ;
64
76
50
49
9
23
11
69
10 ' 37
12
17,4
23,5
33,1 1
76
80
17
18
17
26
54
58
67
50
40
37
40
50
9 , 22
13
135
33
22
14
73
16 1 7
15
40,3
! 84
17
45
58 '
39
41
28 26
16
47,0
90
16
63
54
27
38
47 36
17
49,7
53,5
57,5
97
. 103
115
19
17
77
85
92
60
20
18
41
42
58 37
1
18
59
49
68 44
19
80
23 1 —
! 66
20
1 63,6
102
18
80
52
1 22
34
62
50
Nur dann ist auch bei platinirten Electroden die Strom-
stärkeabnahme gross, wenn sie längere Zeit nicht polarisirt
waren (Tab. V. Säuren 1, 8, 19).
Aber auch in diesem Falle vergingen nur wenige Minuten
bis zur Erreichung des Maximalwerthes der Polarisation,
wogegen bei blanken Electroden ^/g — 1 Stunde Stromdurch-
ganges nöthig war. Der Grund für diese Verschiedenheit
wird in der rascher erfolgenden Sättigung platinirter Elec-
troden mit den electrolytischen Gasen liegen.
Die kleine Abnahme der Stromstärke bei Ap + Kp wird
zum grössten Theil dadurch zu erklären sein, dass die
platinirten Electroden von den vorhergegangenen Beobach-
tungen her noch so stark mit Gas beladen waren, dass ihre
Polarisation schon mit Beginn der neuen Beobachtung fast
1) Es gelten die gleichen Bemerkungen wie zu Tab. IV. Eine län-
gere Unterbrechung der Beobachtung (von mehreren Stunden oder einem
oder mehreren Tagen) ist durch einen untergesetzten Strich — gekenn-
zeichnet.
376 C, Fromme.
auf dem Maximum sich befand. Die Richtigkeit dieser Er-
klärung ergibt sich aus dem Auftreten einer grossen Abnahme
der Stromstärke nach längerer Unterbrechung der Beobach-
tungen. Dann waren eben die Electroden nicht mehr mit Gas
gesättigt, das vom Strome neu ausgeschiedene Gas ^) floss deshalb
zuerst rasch nach dem Inneren der Kathode ab, und die Pola-
risation war daher zunächst klein und die Stromstärke gross.
Man darf daher allein aus der Vergleichung der Strom-
stärkeabnahmen bei Ah + Kh und bei Ap + Kp nicht den
Schluss ziehen, dass grössten Polarisationswerthen (bei
Ah + Kh) auch grösste Stromstärkeabnahmen, kleinsten Po-
larisationswerthen (bei Ap + Kj^ auch kleinste Stromstärke-
abnahmen entsprechen, d. h. dass eine kleine Polarisation
rasch, eine grosse langsam ihr Maximum erreicht. Wohl
aber ergibt sich dieser Schluss aus der Vergleichung der der
gleichen Electrodencombination entsprechenden Reihen in
Tab. I und lY und in Tab. IQ und V. Denn mit geringen
Ausnahmen liegt bei den Säuren mit einem Maximum der
Polarisation auch ein Maximum der Stromstärkeabnahme,
d. h. je grösser der erreichbare Werth der Polarisation ist,
desto weiter ist sie in den ersten Secunden nach Stromschluss
noch von demselben entfernt; oder anders ausgedrückt: die
Unterschiede der Polarisationswerthe in den einzelnen Con-
centrationen bilden sich erst bei längerem Durchgang des
Stromes aus.
Dieser Zusammenhang zwischen dem Maximum der Po-
larisation und der Grösse der Stromstärkeabnahme geht auch
aus der Betrachtung der DiflFerenzwerthe in den Tabellen IV
und V hervor: Sowie durch Platinirung der Kathode die Pola-
risation hauptsächlich in den verdünnten Säuren, durch Plati-
nirung der Anode häuptsächlich in den coneentrirteren herab-
gesetzt wird, so wird auch die Stromstärkeabnahme in den ver-
dünnteren Säuren vorzugsweise kleiner nach Platinirung der
Kathode , in den coneentrirteren nach Platinirung der Anode.
1) Es handelt sich, wie aus den Beobachtungen mit A '\-K^ (Säuren 5,
11, 18) und A^ + K (iSäuren 7, 13) hervorgeht, fast ausschliesslich um
den H an der Kathode. Derselbe wird anfangs vollständig occludirt,
während zugleich die Stromstärke rapid abnimmt. Das schliessliche Er-
scheinen von freiem H bringt aber keine nennenswerthe Abnahme der
Stromstärke, d. h. Zunahme der Polarisation mehr hervor.
Polarüation von Plali« in Schwe/ehäure.
377
c) Die Abb&Dgigkeit der Pol&risatioD von der
8t&rke des polarisirenden Stromes. — Da jedegmal bei
acht Terschiedeoen Stromstärken, sowobl mit eingeschaltetem,
ab mit ausgeschaltetem Voltameter beobachtet varde, so
liess sich aus den vier hieraus abgeleiteten Wertheo von
E~p und von E (cf. die 1. Abb.) ein Urtheil über die Ab-
hängigkeit der Polarisation von der Stromstärke gewinnen.
Ea wurde, wenn — was immer dar Fall war — E sich
als merklich coostant in seinen vier WertheD erwies, der
Unterschied derjenigen beiden Werthe von p genommen,
welche aus der Conibioation der Beoltachtungen 1 und 5 und
4 und 8 resultirten. *) Diese Differenz, ausgedruckt in Pro-
centen des ans den vier Combinationen sich ergebenden Mittel-
werthes, ist in den folgenden beiden Tabellen entlialten.
AbDahme v
Tabelle VI.
(iii Proc.) mit sbDehmender Strooutlike.
I. B«ihe von Säuieu.
Sftore
Proc-
Geball
1.
2.
A^
3,
5.
U
0,*
0
0
-1,0
V^
1-1,0
0
0
ra
1.3
0
0,7 1
0.2
0
' 0
0.7
0
IV
2,0
0
1,0
-0.9
0
( 0
0,8
0
V
2,8
0
1,0
-0,4
0
1.0
9
VI
ii
0,4
-o!4
0
1,&
il
0
vn
*.i
0,5
0,4
0
' 1,0
0
0,9
0
VIII
6,0
1,0
1,0
0,3
1 0.9
! 0,5
0,3
0,6
IX
1,<
2,0
1-1
1,0
0
0,B
0,6
1.8
X
116
1,8
1.4
0,4
0
0
oj
0
XI
14,5
-1,1
1,0
0
0,B
1 0,4
0
0^
XII
19,6
1,6
0,9
0
0
' 0
0,4
0,B
XIII
23,6
1,0
1,1
0
0
0
0
o;6
XIV
31 ,T
1.1
0,8
0
0
1 •*
0,9
0,*
XV
37,1
0,4
1-2
0,7
0
0,8
0
l.I
XVI
43,1
1,B
1.2
0
0,5
1 0,8
0.8
1,0
XVII
46,8
t.3
1,6
0
1,8
1 i'ä
0,6
1,3
xvin
50,6
1,5
1.4
1,6
2,0
1,5
0
l!»
XIX
53,7
1,6
1,4
0,7
0,7
1,5
0,4
1,5
XX
57,0
1,2
1,6
1,5
10
1 ^<1
0,8
a,o
XXI
60,J
0,9
1,2
1,0
1,2
1.1
0
2,0
XXIJ
65,4
0,5
l.S
0,B
1.5
! 0
0
1.4
Mittel
1,0
1,0
0,3
0,5
0.5
0,8
1) Die Strom slfirkcn bri den Beobachtungen 1 und B standen durch-
eehnittlich im Verhftltnise 10:7, die mittlere Stromstärke der Beobach-
tungen 1 und 5 hatte zu dem Mittel von 4 und f darehachnittlich daa
Verhältnis« 9:8. Im Mittel war die Stromstttrke 0,25 Ampere.
378
C Fromme,
Tabelle Vn.
Annahme von p (in Proc) mit abnehmender Stromstärke.
IL Beiiie von Säuren.
Sänre
Procent-
1.
2.
8.
4.
gehalt
A + -ffb
^,+ ^
^6 + ^p
^+Jei
1
0,8
0
0
-0,7
-1,6
2
0,9
0,7
0
0
1,6
8
1,1
0,5
0
0
0
4
1,9
0,7
0
0
0,4
5
2,6
0,5
0
0
0,6
e
8,4
8,2
0
0
1,1
7
^»•^ i
1,7
0,6
0
0
8
6,0
0,9
0
0
0,8
9
6,6
0
0
0
0
10
10,6
0
0
0
0,7
11
15,2
0
0
0
0
12
17,4
0,9
0
0
0
13
23,5
1,2
0
0
0,6
14
33,1
0,5
0,5
0
0
15
40,8
1,7
0,6
0
0,5
16
47,0
1,7
1,0
0
0
17
49,7
1,1
0,4
0
0
18
53,5
2,4
0
1,4
0
19
57,5
0,9
0,5
0,5
0
20
63,6
1,2
0,3
1,5
0
Mittel
0,9
0,2
0,1
0,2
Kein Zeichen vor der Zahl bedeutet, dass p mit ab*
nehmender Stromstärke abnimmt, das —Zeichen, dass es
zunimmt, 0 bedeutet Constanz von p.
Aus Tab. VI geht hervor, dass, wenn beide Electroden
blank sind, mit Ausnahme der verdünntesten Säuren immer
eine merkliche Abnahme von p mit abnehmender Stromstarke
stattfindet. Platinirt man nur die Kathode, so wird die Ab*
nähme von p in den niederen Concentrationen kleiner, wäh-
rend sie in den höchsten ungeändert bleibt. Bei Platinirung
allein der Anode bleibt umgekehrt die Abnahme von p in
den niederen Concentrationen gross und wird in den höheren
klein. Hiemach müsste nach Platinirung beider Electroden
die Abnahme von p mit abnehmender Stromstärke in allen
Säuren klein sein. Das ist mit Ausnahme der höchsten
Concentrationen in der That der Fall; bei vier sehr ver-
dünnten Säuren zeigt sich statt der vorherigen Abnahme von
p jetzt eine Zunahme.
Die gleichen Schlüsse lassen sich auch aus Tab. VII
Polarisation von Fiatin in SehwefeUdure. 879
ziehen, doch ist hier die Abnahme der Polarisation mit der
Stromstärke im allgemeinen kleiner.
Die Polarisation nimmt also gewöhnlich mit abnehmen-
der Stromstärke ab, am meisten und ziemlich in allen Con-
Centrationen bei blanken Electroden. Die Abnahme wird
geringer sowohl nach Platinirung der Kathode als nach Pla-
tinirung der Anode, im ersteren Fall besonders bei kleinen,
im letzteren vorzugsweise bei grossen Concentrationen.
Wir gelangen also auch hier zu dem in den vorher-
gehenden Abschnitten schon ausgesprochenen Gesetz, dass
sich der Einfluss einer Platinirung der Kathode mehr in
kleinen, einer Platinirung der Anode besonders in grossen
Concentrationen äussert.
d) Der Widerstand des Voltameters. — Bei der
Beurtheilung der folgenden Widerstandswerthe ist zu berück-
sichtigen, dass die Temperatur des Voltameters und der Ab-
stand der Electroden zwar nach Möglichkeit constant gehalten
wurden, aber — weil es mir in allererster Linie nur auf die
Untersuchung der Polarisation ankam — nicht so genau,
wie es zur präcisen Bestimmung des Widerstands nöthig ge-
wesen wäre.
Indessen wird man erkennen, dass unter gleichen Ver-
hältnissen wiederholte Beobachtungen dennoch hinreichend
miteinander übereinstimmen, um das Ziehen einiger nicht
unwichtiger Folgerungen zu rechtfertigen.
Die Tabellen VIII und IX enthalten die Voltameter-
widerstände in S.-E., welche zugleich mit den in den
Tabellen I und III enthaltenen Polarisationswerthen beob-
achtet wurden. Die Bezeichnung der einzelnen Beobachtungs-
reihen ist die gleiche wie dort. Ein constanter Abstand der
Electroden wurde nur in jeder Reihe eingehalten, während
er von der einen zur anderen Schwankungen unterlag, sodass
ein Einzelwerth in einer Reihe mit dem correspondirenden
einer anderen absolut nicht vergleichbar ist. Es kommt auch
vornehmlich nur auf Bestimmung der Abhängigkeit des
Widerstands von der Concentration an. In Tab. IX habe
ich eine annähernde Vergleichbarkeit der Werthe in den
verschiedenen Reihen miteinander dadurch hergestellt, dass
ich den Widerstand in Säure 1) überall = 100 setzte.
Tabelle YIII. Der Widerstand des Voltameters.
I. Beihe Ton Sloren.
Pro- '
gebalt!
-ij-t-Jj \\^, + ^,\ ■^b + ^r ^p-^^t
2,8 [i 4,5S , 4,77
XI I U,b 1,3Ö
46,10
9,22
5,17
3,60
XIII
2s,e
XIV
;ii,7
XV
:^7,i
XVI
43,7
xvn
XVIII
fiO,«
XIX
XX
fiin
XXI
TO,S
sxn
«5,*
3,11
2.21
1,74
2,05
1,57
l,fi4
1,26 !
1.55
1,3-t
0,S9
I,1H
0,H1
l.it*
1,00 ;
1,IS
0,92 ]
1,411
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0,86
0,8S
l.flO
0,81
1,60
1,16 ,
1,77
1,43 '
10,71
86.20
34,64
8,75
ll.Tfi
5,87
5,43
7,01
3,75
8,39
4,50
2,ft3
2,H1
5,50
2,23
2,04
2,79
1,85
2,1*
1,4»
1,87
1,1h
0,98
1,44
1,00
0,95
1.21
Ü,K7
0,88
1,01
(l,H4
0,83
0,H«
0,»B
1,10
1,01
1,03
0,94
1,B0
1,05
1,44
i,a7
1,81
1,22
1,23
1,3H
1,18
i,a5
1.25
1,54 !
1,5«
1,41
1,81
Der Widen
It. Reibe
Btand dt
Säuren.
s Voltameters.
i Proccnt-
gebdt
100,00 100,00 I 100,00
36,00 88.71 37,22
32,31
12,SS
10,28
8,78
83.93
17,45
13,10
17,41
12,98
10,22
8,35
100,00
38,44
39,75
17.04
]■ 7,10') eis;
'. VOR !,.!•(
5,67
5,62
5,30
5,29
Polarisation von Platin in Schwefelsäure»
381
Aus den Tabellen VIII und IX folgt, dass bei jeder
Combination von Electroden der Widerstand des Yoltameters
mit zunehmender Concentration der Schwefels&ure zuerst ab-
nimmty um nach Erreichung eines Minimums im allgemeinen
wieder eine Zunahme zu erfahren. Die Lage des Minimums
Iftsst sich wegen der geringen Genauigkeit, mit welcher die
meist kleinen Widerstände bestimmt werden konnten, nur
ann&hernd erkennen; das Mittel aus den beiden Concentra-
tionen, zwischen welchen der Widerstand um eine constante
Grösse schwankt, hat jedoch folgende Werthe:
I. Beihe
von Säuren.
Beschaffenheit
der ElectrodeD
^i+^i
^, + jr.
A + -^
^p + ^6
^b + ^fffc
Mittel
Procentgehalt
25,6
30,6
36,3
25,6*25,6
33,2
80,3
29,6
n. Beihe von Säuren.
Beschaffenheit
der Electroden
A, + K, A^ + Z^
A^ + Z^ A^ + K,
Mittel
Procentgehalt
33,1 38,1
25,2
86.7
82,0
Das Minimum des Voltameterwiderstands hat also bei
beiden Säurereihen im Mittel die gleiche Lage, wie das
Minimum des Leitungswiderstands der Schwefelsäure. Es
gilt jedoch als nicht unwahrscheinlich, dass die Beschaffen-
heit der Electroden insofern einen Einfluss auf die Lage des
Minimums ausübt, als es bei blanker Anode auf etwas klei-
nere, bei platinirter Anode auf etwas grössere Concentra-
tionen fällt.
Besonders unbestimmt ist die Lage des Minimums in
der L Reihe der Säuren bei Jp + Kp und Ap + Ki„ wo die
Widerstands werthe von 19,6 — 53,7 Proc, resp. von 19,6 bis
46,8 Proc. annähernd constant ausfallen, um danach conti-
nuirlich zu wachsen. Gegenüber diesem, bei platinirter
Anode beobachteten Verhalten ist das Minimum bei blanker
Anode enger begrenzt, und es nimmt der Widerstand nach
demselben sofort stark zu. Plötzlich wird er aber wieder
etwa constant und wächst erst bei den höchsten Concentra-
tionen von neuem.
382
C, Fromme,
Diese Periode ungefährer. Constanz, in welcher mit
einer einzigen Ausnahme noch ein Minimum auftritt ^ hat
folgende Lage:
I. Beihe von Säuren.
Beschaffen
heit der
Electroden
1. 1 3.
1
5.
Periode un-
gefährer
Const. b. %
46,8-00,5
46,8—60,5
46,8—90,5 46,8—60,5
43,7—57,0
Minimum in
d. Periode
bei%
57,0
57,0
53,7
57,0
—
n. Reihe von Säuren.
Beschaffenheit der
Electroden
Periode ungefährer Con
stanz bei %
58,5—57,5 I 49,7—57,5
Minimum in dieser Periode
bei 0,0
57,5
58,5
Die Lage der Periode etwa constanter Widerstands-
werthe, sowie des in ihr noch erkennbaren Minimums ist also
überall die gleiche.
Wir gelangen demnach zu dem Resultat, dass durch
eine blanke Beschaffenheit der Anode bei höheren Concen-
trationen eine erhebliche Abweichung des Voltameterwider-
stands von dem Widerstaüdsgesetz der Schwefelsäure herbei-
geführt wird.
Während so der Voltameterwiderstand nach Ueberschrei-
tung des absoluten Minimums bei blanker Anode bis zu
Säure von etwa 57 Proc. grösser als bei platinirter Anode
ausfällt, so übt dagegen die Beschaffenheit der Kathode
nirgends einen deutlich erkennbaren Einfluss weder auf den
Verlauf, noch auf die Grösse des Widerstandes aus.
Der Periode nahe constanter Werthe bei blanker Anode
und etwa 47 — BOprocentiger Säure liegt aber ohne Zweifel
die gleiche Ursache zu Grunde, wie der plötzlichen Wieder-
abnahme der Widerstandswerthe, über deren Auftreten bei
Polarisation von Platin in Schwefelsäure. 383
einer sehr kleinen blanken Anode und in etwa den gleichen
üoncentrationen in der ersten Mittheilung schon berichtet
worden ist.
IL Versuche mit Electroden von 15 qcm G-rösse.
Nachdem die vorhergehend beschriebenen Versuche er-
geben hatten, dass die Polarisation blanker Electroden so-
wohl mit der Concentration der Säure in hohem Grade ver-
änderlich ist, als auch mit der Bereitung der Säure nicht
unerheblich variirt, während platinirte Electroden eine von
der CoDcentration sehr wenig abhängige und in beiden Säure-
reihen merklich gleiche Polarisation zeigen, so lag die Ver-
muthung nahe, dass auch blanke Electroden die einfacheren
Erscheinungen platinirter liefern könnten, wenn man ihnen
nur eine Oberfläche gäbe, die der gewiss sehr grossen wirk-
samen Oberfläche platinirter Electroden näher käme. Es
wurden daher blanke Electroden (Ah + Kj,) von 15 qcm Fläche
in beiden Säurereihen untersucht. In der Folge wurden
jedoch auch Versuche mit Ap + Kp, Ap + Kb und Ab+Kp
hieran angeschlossen.
Die Stromstärke, welche bei den Beobachtungen mit den
1 qcm grossen Electroden durchschnittlich 0,25 Amp. betragen
hatte, wurde jetzt auf durchschnittlich 0,76 Amp. gesteigert.
Die Stromdichtigkeit betrug also trotzdem jetzt nur ^/^ der
früheren. Ihr einen höheren Werth zu geben, war um des-
willen nicht möglich, weil sonst die Empfindlichkeit des
Galvanometers noch mehr, als schon geschehen, hätte ver-
mindert werden müssen, und da p aus den beiden Glei-
chungen E — p=:c.a und E ^ c,ß zu p = c(ß — a) berech-
net wird, bei abnehmender Empfindlichkeit, also zunehmen-
dem c die DiÖ'erenz ß — a allzu klein ausgefallen und mit
zu grossem Fehler behaftet gewesen wäre.
Der aus den kleineren Werthen von ß — a resultirende
grössere Fehler in ß— a und in p lässt die im Folgenden
mitzutheilenden Polarisationswerthe zu weitergehenden Schlüs-
sen nicht geeignet erscheinen. Ein zweiter Grund für die
geringere Zuverlässigkeit dieser Beobachtungen liegt ferner
darin, dass bei stärkeren Strömen die electromotorische Elraft
der Elemente weniger constant ist, und daher auch die
S84
C fromme.
Gleichheit der Werthe tob E in £—p '"ca und iü E= e . ß
weniger gesichert erscheint
Aus diesen GrOnden ist dem Auftreten kleiner Wider-
spruche zwischen den Beobachtungen mit den 1 qcm grossen
and mit den 15 qcm grossen Electroden keine Bedeutung
beizumessen.
Die Tabellen X und XI enthalten die Polarisations-
wertbe itkr die beiden Säarereihen. Die Widerst&nde dea
Voltameters waren so klein and desl^b, sowie aus dem letzt-
genannten Qrande, mit so grossem Fehler behaftet, daas ich
auf ihre Mittbeilung ganz verzichten kann.
Die blanke Kathode wurde vor Beginn einer Versuchs-
reihe in Königswasser gereinigt. Nur bei den in zweiter
Stelle stehenden VerBuchen unter Ai + Ki in Tab. XI wurde
die Kathode bei jedem Wechsel der Säure in Königswasser
von etwa gebildetem Platinschwaiz gereinigt
Tabelle X.
L Beihe von Slnran.
^^|| Polarisation
Säure sl i! 1. 1 2. 1 3. ■ 4.
—
1—3.
4-2.
1—4
3-2.
Mittel
£ S'p.+^'V'^.
Ä^+K^ A^+E^
''r
K ^
-*.-
-A
K~^r
\-\
U
0,4 ;l 2,53
1,97
2,20 1,81
0.39
-0,16,
0,72
0,23
0,08
0,47
m
1,2
2,43
1,06
2,23
a,oi
20
0(
42
28
13
35
IV
2,0
2,48
1,95
2,24
2,07
24
41
29
18
35
V
2.8
2.52
1,92
2.26
2,17
26
35
34
25
34
VI
3,4
2.63
1,96
2,16
2,17
67
21
66
20
44
43
VII
*.<
2,92
1,96
2,30
2.22
62
26
70
34
41
5S
VIII
6,0
2,63
1.82
2,25
2,28
44
37
4.H
41
40
IX
1-*
3,72 • 1,82
2:20
2,16
47
34
66
43
40
49
X
11,5
2.SÖ
1,92
2,32
2,26
66
34
62
40
45
51
XI
14,5
'^,89
1,99
2,30
2,21
59
2S
68
31
40
49
XII
19,6
2,88
1,96
2139
2,24
49
64
43
38
53
XIII
23,8
2,83
1,99
2.28
2.29
55
64
29
42
41
XIV
31.7
2,89
1,99
2;33
2,22
56
67
34
39
50
XV
37,1
2,51
1,92
2,33
2.11
18
IG
40
41
18
40
XVI
43,7
2.73
1.93 1 2,50
2,20
' 23
27
53
57
25
56
XVII
46,8
2,75
2,00 1 2,43
2,21
32
21
54
43
26
48
XVIU
50,6
2,81
1.97 1 2,43
2.13
38
68
46
27
S7
XIX
53,7
2:80
2,04 2,45
2,22
35
58
41
26
49
XX
57,0
2,81
1,87 i 2,77
2,20
04
61
90
18
75
XXI
60,5
2,88
1,97 ( 2,71
2,20
n
68
74
20
71
XXTT
65,4
2,94
1,99 1 2,84
2,18
10
10
76
85
14
80
Mittel |l 2,T5 ! 1,94 j 2,37 I 2,17 ||o,37 | 0,22|i0,58 |0,43 |0,29 | 0,50
Polaritation von Fiatin in SchwtfeUäare.
Tabelle XI.
II. Beihe von SüareD.
~
S~
Po
aria
»tion
^ —
I
|i
1.
2.
3.
S.
1-3.
4—2.
1-4.
3—2.
Mittel
s
J^+Jj
V,
^t+^f
V^^
i-
x^
A-
A^
'r'f
t£^
l
^
2,69
2,55
2,62
1,8.
2,14
U
0,48
0,B6
TZ
0,33
zr
0,29
2
0,9
2,78
2,51
2,62
1,90
2,12
2,43
60
53
19
22
61
80
3
M
2,23
2,30
2,26
1,B4
2,11
2,87
15
53
-11
27
34
OB
4
1,9
2,38
2,32
2,35
1,78
2,01
2,38
94
60
-03
28
47
10
5
2,6
2,26
2,24
2,24
1,87
2,08
2,38
16
61
-14
21
33
OB
"
V
2,29
2,26
2,27
1,83
2,13
2,27
»
44
0
SO
29
IB
7
M
2,31
2,49
2,40
1,89
2,08
2,14
32
25
26
19
2B
22
8
«,0
2,42
1,83
2,29
2,19
13
36
23
46
24
84
9
e,e
2,48
1,82
2;34
2,06
14
24
42
52
19
47
10
10,6
2,88
1,93
2,22
2,09
16
16
29
89
16
29
11
li,3
2,48
1,88
2,23
2,12
26
24
36
35
24
36
12
n,4
2,4S
1.94
2,30
2,12
16
18
34
36
17
36
18
23,5
2,48
1,97
3,32
1,94
16
-03
54
35
06
44
14
33,1
2,53
1.91
2,28
2,00
25
09
58
37
17
46
15
40;3
2^7
2.01
2,34
1,98
23
-03
59
33
10
46
16
47,0
2,68
1,98
2,38
2,01
25
03
62
40
11
61
n
48,1
2,56
1,99
2,31
1,96
25
-03
60
32
46
18
B9,5
2,b5
S,03
alsi
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18
-04
56
34
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46
19
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2,63
1,98
2,48
■2.04
15
06
59
50
10
54
20
63.6
2,70
3,U1
2,66
1!,07
04
06
63
65
05
64
Hl
ttel
2.
8
1,91
2,28
2,14
0,22
0,28
0,84
0,35
0,22
0,84
Aus Tabelle X schliessen wir:
Sind beide Eleciroäen blank, 80 liegen Minima der Pola-
rieatioD bei 1,2, 6,0, 37,1 Proc, Maxima bei 3,4—4,4, 11,5
biB 31,7 Proc. Von 37,1—65,4 Proc. nimmt die Polarisation
zu. Dieser Verlauf iat also im ganzen mit dem früher (Tab. I)
gefundenen übereinstimmend. Der Mittelwerth 2,75 V. ist
um 0,08 V. kleiner, als der frühere.
Wenn beide Electroden platinirt lind, so erscheint die Po-
larisation unabhängig von der Concentration, das frUher be-
obachtete, mit 37,1 Proc. beginnende schwache Anwachsen
der Polarisation ist nicht zu erkennen.
Der Mittelwerth 1,94 V. ist um 0,07 V. grösser als der
frühere.
Ami. d. Phjl. D. CbHO. N. F. UXVIII. 26
386 C. Fromme.
Ist die Anode blank und die KcUhode plaänirt, so liegen
die kleinsten FolarisatioDSwertlie bei den kleinsten Concen-
trationen, der Uebergang zu grösseren Werthen findet aber
nicht plötzlich statt, wie früher gefunden war.
Ziemlich regelmässiges Ansteigen von p beginnt bei
23,6 Proc. (früher bei 19,6 Proc). Grössere Werthe treten
aus der Reihe der umgebenden heraus bei 11,5 — 19,6 Proc.
(früher bei 1 1,6—14,5 Proc). Der Mittelwerth 2,37 V. ist gegen
den früheren um 0,08 V. kleiner.
Bei plaünirter Anode und blanker Kathode bleibt die Pola-
risation merklich constant, nur bei den zwei kleinsten Con-
centrationen ist;> erheblich kleiner, als der Mittelwerth 2,1 TV.,
der um 0,03 V. grösser, als der frühere ist. Damals wichen
bei den kleineren Concentrationen einzelne p stärker vom
Mittelwerth ab, und erst von 23,6 Proc. an begann die üon-
stanz der Werthe.
Zwischen den beiden Werthreihen für Ki, — K^, ebenso
natürlich zwischen denen für Ah — A^ zeigen sich grössere
Divergenzen, namentlich bei denjenigen Concentrationen, bei
welchen A^ + Ky, ein Maximum besitzt, nämlich bei 3,4 bis
4,4 Proc. und bei 11,5 — 31,7 Proc. Dasselbe zeigte sich auch
in Tab. II. Es hat diese Erscheinung ihren Grund darin,
dass die Polarisation bei A^ + K^ den Maximis, welche bei
Ab+Ki auftreten, nicht überall folgt. Von den Mittel werthen
für Kb—Kp stimmt der eine mit dem früher gefundenen fast
vollkommen überein, während der andere, kleinere, dem frühe-
ren nachsteht. Die Mittelwerthe für Ab—Ap sind jetzt beide
kleiner, als die früheren.
Dass durch Platinirung der Anode die Polarisation mehr
vermindert wird, als durch Platinirung der Kathode, tritt
von 37,1 Proc. an (früher von 23,6 Proc. an) stärker hervor.
Der Einfluss einer Platinirung der Kathode auf die Grösse
der Polarisation nimmt auch jetzt von 87,1 Proc. an merk-
lich ab. Der Einfluss der Platinirung der Anode variirt
wenig bei den verschiedenen Concentrationen, nur bei 1,2
bis 2,8 Proc. ist er erheblich kleiner und am grössten von
57,0 — 65,4 Proc, wo auch früher die grössten Werthe von
Ab — Ap lagen.
Polarisation von Ftaün in Schwefelsäure. 887
* In der 2. Reihe der Säuren ergaben sich folgende £e-
sultate:
Sind beide Electroden blanh^ so scheint ein Maximum von
p bei OyS — 0,9 Froc. zu liegen; dann folgt ein Minimum bei
1|1 Froc, ein Maximum bei 1,9 Froc, ein Minimum bei 2,6
bis 3,4 Froc. Die Folarisation nähert sich dann einem
Maximum bei 6,6 Froc, bleibt bis 23,5 Froc. ziemlich con-
stant und steigt wieder langsam an.
Alle Werthe mit Ausnahme des ersten sind kleiner als
die früheren, namentlich bei den Concentrationen von 0,9 bis
6,0 Froc. Der Mittel wer th ist um 0,22 V. kleiner. Sonst
ist der Verlauf von p im wesentlichen dem früher gefundenen
gleich.
Bei platinirten Electroden ist zwischen 0,3 und 15,2 Froc
die Folarisation meist kleiner, von 17,4 — 63,6 Froc aber
durchweg grösser, als das Mittel 1,91 V., welches um 0,02 V.
grösser als das frühere ist. Demnach findet, conform dem
früheren Resultat, eine kleine Zunahme von p mit wachsen-
der Concentration statt.
Ist die Anode blank und die Kathode platinirij so bleibt
die Folarisation von 0,3 — 4,7 Froc ziemlich constant und
klein (im Mittel 2,10 V.), dann wächst sie ziemlich regel-
mässig an. Dieser Verlauf entspricht dem in Tab. III ge-
fundenen, nur erstreckte sich damals die Feriode der Con-
stanz von 0,8 — 6,6 Froc. Das Mittel von 2,26 V. ist um
0,10 V. kleiner als das frühere.
Bei platinirter Anode und blanker Kathode bleibt die Fo-
larisation von 0,3 — 2,6 Froc constant, dann nimmt sie bis
6,6 Froc ab, um bis 63,6 Froc wieder annähernd constant
zu sein. Früher erstreckte sich die Feriode constanter
Werthe von 10,6 — 63,6 Froc, während von 0,3—6,6 Froc
die Folarisation durchschnittlich zwar auch grösser war, als
bei den höheren Concentrationen, aber dabei stark schwankte.
Das Mittel 2,14 V. ist um 0,06 V. kleiner, als das der frühe-
ren Beobachtungen.
Zwischen den beiden Reihen von Ai, — Ap (sowie zwischen
denen vonÄi— ifp) herrscht theilweise geringe üebereinstim-
mung. Die Mittelwerthe sind jedoch einander gleich. In
den kleineren Concentrationen wird durch Flatinirung der
25*
388 C Fromme.
Kathode die Polarisation fit&rker herabgesetzt, als durch
Platinirung der Anode , in den grösseren Concentrationen
▼erhSlt es sich umgekehrt Das Besnltat ist durchaus in
XTebereinstimmung mit dem bei 1 qcm grossen Elöctroden
gefundenen, doch sind die Mittel werthe von Ki — Kp, sowie
▼on Ab — Ap kleiner als die früheren.
Sowohl die Versuche mit den 15 qcm, als auch die mit
den 1 qcm grossen Electroden ergeben das Verhältniss
{Ah " Ap)l{Kh — Kp) in der I. Reihe der S&uren grösser ala
in der IL Reihe. Durch Platinirung beider Electroden wird
die Polarisation durchschnittlich vermindert :
bei 1 qcm grossen Elec-fin der 'I. Säarenreihe um 0,38+0,68» 0,06 V.,
troden ) » n II. >» n 0,82+0,47=0,79 w
bei 15 qcm gprossen Elec-fin der L Säarenreihe um 0,29 +0,50=: 0,79 y.^
troden ) >» n II. v y, 0,22+ 0,84 =» 0,56 >»
Der Unterschied zwischen den Polarisationsabnahmen in
den beiden Säurereihen, welcher resp. 0,17 und 0,23 Y. be-
trägt, liegt also vorzugsweise in den Werthen von Ai, — A,.
Er entsteht aber nicht etwa dadurch, dass in der I. Reihe
der Säuren die höheren Concentrationen, bei denen Ai -^ Ap.
die grössten Werthe besitzt, stärker vertreten wären, als in
der II. Reihe. Es sind vielmehr nahe alle Werthe von
Ah — Ap in der I. Reihe grösser, als in der IL Reihe. Da
nun, sobald nur die Anode platinirt war, das Ueberwiegen
der Polarisation in der I. Reihe fast ganz aufhörte, resp. bei
den ersten Versuchen dann sogar die Polarisation in der
II. Reihe überwog, so folgt schliesslich, dass die Unterschiede
der Polarisation in den beiden Säurereihen vorzugsweise durch
das Verhalten der blanken Anode begründet sind, welche in
der I. Reihe stärker, als in der IL polarisirt wird. Welche
Eigenschaft der Säuren dies bewirkt, ist freilich nicht zu
entscheiden.
Vergrösserte man die Electrodenfläche auf das löfache^
so erfolgte eine Abnahme der Polarisation in der I. Reihe
der Säuren bei Ah-\-Kh (0,08), Ai+Kp (0,08), in der IL Reihe
der Säuren bei Ah+Kh (0,22), Ah+Kp (0,10), Ap+JSh (0,06),
dagegen nahm die Polarisation zu in der I. Reihe der Säuren
Polarisation von Platin in Schwefelsäure. 389
bei A,+ Kp'{Qfil), A^ + Kh (0,03) und in 4er IL Reihe der
Sftoren bei Jp + K^ (0,02).
Es tritt demnach mit Zunahme Aex Electrodenfl&che
überwiegend , der Zahl der Fälle und ^em Betrage nach, eine
Abnahme der Polarisation ein, und wenn eine solche statt-
findet, so ist regelmässig eine der Electroden oder beide blank.
Somit ergibt sich das Resultat, dass durch Vergrösse-
mng der Electrodenfläche, resp., da bei den letzten Versuchen
die Stromdichte kleiner war, durch Verkleinerung der
Stromdichte auf ^/^ die Polarisation blaijiker Electroden eiqe
Abnahme erfährt, während diejenige platinirter im Gegen-
theil ein wenig zunimmt.
Die Vermuthung aber, es könne möglich sein, durch
Vergrösserung der Electrodenfläche auf das löf|i.che bei
blanken Electroden die kleinen Polarisationswerthe plati-
nirter EUectroden, sowie die geringe Abhängigkeit derselben
von der Concentration zu erhalten, hat keine Bestätigung
gefunden, sodass der Unterschied in dem Verhalten plati-
nirter und blanker Electroden wohl noch einen anderen
Grund, als die yerschiedene Grösse der wirksamen Fläche
haben muss.
Ein solcher Hesse sich in der ungleichen Leichtigkeit
der Gasentbindung an blanker und platinirter Electrode
finden. Nach meinen Beobachtungen übt aber auch die
Concentration der Schwefelsäure einen Einfluss auf die Gas-
entbindung aus.
Zunächst sind die aufsteigenden Gasblasen von 40 Froc
an auffällig grösser, als bei kleinen Concentration en. Das
beobachtet man gleichmässig an blanker und platinirter
Anode und Kathode. In den verdünnten Säuren entwickeln
sich nicht nur an platinirter Anode und Kathode, sondern
auch an blanker Anode durchaus nur kleine Gasbläschen.
Dagegen ist eine blanke Kathode, besonders wenn sie zuvor
in Königswasser gereinigt war, in allen Cpncentrationen zwi-
schen 0— SOProc. in den ersten Minuten des Stromdurchganges
mit ausserordentlich grossen Gasblasen bedeckt. Diese, neben
welchen anfangs nur wenige kleine aufsteigen, verschwinden
in einigen Concentrationen bei längerem Stromdurchgang,
und es steigt schliesslich ein continuirlicher Strom kleiner
390 C. Fromme.
Bl&schen auf, wie er an der Anode von Anüang an be*
stand.
In anderen Concentrationen aber bleiben die grossen
Blasen an der Kathode stets in der überwiegenden Mehr-
zahl. Besonders deutlich war das in der I. Reihe bei den
S&uren X — ^XIV, wenn ausser der Kathode auch die Anode
blank war, und bei den S&uren X — XII, wenn der blanken
Kathode eine platinirte Anode gegenüberstand.
In diesen S&uren beobachtete man aber auch hohe Po-
larisationswerthe, deren Ursache nach dem früheren zudem
in der blanken Bescha£Eenheit der Kathode liegt.
Es wäre also möglich, dass die andauernd grossen &as-
blasen an blanker Kathode und die gleichzeitigen hohen
Polarisationswerthe in einem gewissen Zusammenhang stehen.
Was nun den Unterschied zwischen der Polarisation
einer blanken und einer platinirten Electrode betrifft, so
glaube ich denselben zum einen Theil erklären zu können
auf Grund der Anschauungen, welche Hr. H. v. Helmholtz^)
in seinen Arbeiten über die ^^Thermodynamik chemischer
Vorgänge^ entwickelt hat. Nach denselben ist die G^rösse
der Polarisation ganz wesentlich bedingt durch den G-asgehalt
der den Electroden anliegenden Flüssigkeitsschichten, sie
nimmt einen um so höheren Werth an, in je gasreicherer
Flüssigkeit die Ausscheidung der Ionen erfolgt. Nun ist aber
kein Zweifel, dass sich Gasblasen leichter an platinirtem
Platin, als an blankem bilden, und da durch Blasenbildung
der Gasgehalt der Flüssigkeit an der Electrode vermindert
wird, so wird auch gemäss den Sätzen der Thermodynamik
die electromotorische Kraft der Polarisation an platinirtem
Platin kleiner sein als an blankem.
Die Beobachtungen bestätigen dies auch durchweg, so-
wohl für die Kathode, als für die Anode. Doch zeigen sie
weiter, dass der vermindernde Einfluss der Platinirung an
der Anode und der Kathode, sowie in den einzelnen Concen*
trationen von verschiedener Grösse ist.
Die Platinirung der Kathode setzt die Polarisation am
1) H. V. Helmholtz, BerL Monatsber. 1882. p. 22— 89. 825—886;
1883. p. 647—65; 1887. p. 749.
Polarisation von Fiatin in Schwefelsäure, 391
stärksten in den verdünnten Säuren herab , in den concen-
trirteren — etwa von 40 Proc. an — erreicht ihr Einfluss
nur wenig mehr als 0,1 Volt.
Dies erklärt sich dadurch, dass in den höheren Concen-
trationen die Blasenbildung an blanker und platinirter Ka-
thode nicht mehr sehr verschieden war. Es erschienen an
der blanken Kathode keine ausnehmend grossen Blasen mehr,
und wenn auch alle grösser, als in den verdünnten Säuren
waren, so trat das gleiche Wachsthum der Blasen doch auch
an der platinirten Fläche ein.
Das gleiche Wachsen der Blasengrösse in den concen-
trirteren Säuren wurde nun auch an der Anode, mochte sie
blank oder platinirt sein, beobachtet, aber trotz des scheinbar
geringen Unterschiedes in der Blasenbildung an blanker und
platinirter Fläche verminderte die Platinirung die Polarisa-
tion der Anode mit wachsender Concentration in zunehmen-
dem Maasse.
Der Grund für diese Zunahme von Ai, — Ap, welche fast
ausschliesslich durch die Zunahme der Polarisation der blan-
ken Anode hervorgerufen wurde, liegt, wie ich glaube, in der
Bildung secundärer Producte, etwa von Ueberschwefelsäure
und Wasserstoffsuperoxyd um die blanke Anode. Eine solche
Bildung tritt nur ein, wenn die Voraussetzung grosser Strom-
dichte, also — bei gegebener Stromstärke — kleiner Fläche
zutrifft, und scheint mir deshalb bei der grossen wirksamen
Fläche einer platinirten Anode ausgeschlossen. Dazu kommt,
dass die immerhin etwas lebhaftere Blasenbildung an der
platinirten Fläche einer Anhäufung secundärer Producte ent-
gegenwirkt.
Auf grössere Schwierigkeiten stösst man bei dem Ver-
suche, die starke Veränderlichkeit der Polarisation mit der
Concentration in den verdünnten Säuren zu erklären. Sie
aus etwaigen Constitutionsverschiedenheiten der Schwefel-
säuremischungen abzuleiten, dürfte deshalb nicht angehen,
weil sie bei Benutzung platinirter Electroden {Ap + Kp)^ ja
schon bei nur platinirter Kathode fehlt.
Die Ursache wird also in gewissen Eigenthümlichkeiten
der Gasentwickelung an blanker Kathode gesucht werden
müssen.
392 C. Fromme.
Hr. H. y. Helmholtz hat in der letzten der oben
dtirten Arbeiten^) die kleinste electromotorische Kraft be-
stimmt, welche bei gegebenem Druck des über verdünnter
Schwefelsäure stehenden EnaUgases neues Gas zu entwickeln
vermag. Bei einem Druck von 10 mm Wasser fand er die*
selbe zu 1,64 Volts und bei 742 mm Quecksilber zu 1,77 Volts.
Mit anderen Worten bedeutet das letztere Resultat, dass
die Polarisation blanker Flatindrähte in verdünnter Schwefel-
säure gleich 1,77 Volts ist, wenn die Gase H und 0 in den
den Electroden anliegenden Flüssigkeitsschichten in der dem
atmosphärischen Drucke entsprechenden Dichte enthalten
sind. Nun ergeben sich aus meinen Versuchen mit platinirter
Anode und Kathode für die Polarisation folgende Mittel-
werthe (cf. die Tabellen):
1,87, 1,89, 1,94, 1,91, also durchschnittlich 1,90 Volts.
Berücksichtigt man dagegen nur das grosse G-ebiet der
kleineren Concentrationen, in welchem die Polarisation merk-
lich constant war, so folgen die Mittel werthe:
Concentration Polarisation
1,2 — 31,7 Proc. (Tabelle I) 1,81
0,9 — 83,1 » ( »T III) 1.86
1,2 — 43,7 ,, ( » X) 1,93
0,9 — 33,1 „ ( ,1 XI) 1,88
Das Mittel für 1 qcm grosse Electroden ist dann 1,83 V.
und für 15 qcm grosse 1,90 V.; der erstere Werth ist jeden-
falls der genauere. Die Polarisation platinirter Platinelec-
troden bei starken polarisirenden Kräften ist demnach nur
um kaum 0,1 V. grösser, als der von Hrn. v. Helmholtz
ermittelte Grenzwerth, während die Polarisation blanker
Platinelectroden bis 1 Volt grösser ausfällt.
Die Erklärung hierfür ergibt sich aus der leichten Bla-
senbildung an platinirten Flächen, welche die Dichte der
electrolytisch ausgeschiedenen Gase in den Grenzschichten
auf einen hohen Werth nicht gelangen lässt.
Die oben mitgetheilten Versuche über den Einfluss der
Stromstärke auf die Polarisation haben bereits ergeben, dass
1) Auch unter dem Titel: ,, Weitere Untersuchungen, die Electroljse
des Wassers betreffend," in Wied. Ann. 34, p. 737. 1888.
Polarisation von Fiatin in Schwefelsäure. 393
die Polarisation blanker Electroden bei den zur Verwendung
gekommenen Stromstlürken sich noch nicht auf ihrem Maxi-
malwerth befindet Auch ist in der ersten Abhandlung
namentlich für eine blanke Anode schon bewiesen worden,
dass durch Vergrösserung der Stromdichte, hervorgebracht
durch erhebliche Verkleinerung der Electrodenfläche , die
Polarisation noch bedeutend gesteigert werden kann, sodass
die oben mitgetheilten Polarisationswerthe blanker Electro-
den bei weitem nicht als die eigentlichen Maxima gelten
können. In einer folgenden Abhandlung werde ich auf die
Abhängigkeit der Polarisation von der Stromdichte nochmals
zurückkommen und beweisen, dass selbst bei platinirter Elec-
trode die Polarisation in merklicher Weise von der Strom«
dichte abhängig ist. Demnach sind alle bis jetzt mitgetheilten
Polarisationswerthe im strengen Sinne des Wortes keine
Polarisationsmaxima für die angegebene (blanke oder plati-
nirte) Beschaffenheit der Electroden.
Ich stelle zum Schluss die hauptsächlichsten Resultate
der Arbeit zusammen:
1. Ein blankes Platinblech bedeckt sich als Kathode
in verdünnter Schwefelsäure mit einem Anflug von Platin-
schwarz, welcher die Polarisation in Säure von weniger als
3 Proc. um 0,9 Volts zu erniedrigen vermag. Demnach ist
es, streng genommen, unmöglich, das Polarisationsmaximum
in sehr verdünnter Schwefelsäure für eine blanke Kathode
2u bestimmen.
2. Reichliche electrolytische Abscheidung von Platin-
flchwarz aus Platinchloridlösung an der Kathode vermindert
die Polarisation nicht stärker, solange nur die Concentration
der Schwefelsäure klein bleibt. Dagegen ist sie in etwas
concentrirterer Säure (mehr als 3 Proc.) von grösserer Wir-
kung, als die schwache freiwillige Platinirung.
3. Die Abnahme, welche die Polarisation durch Be-
deckung der Kathode mit einer dicken Schicht von Platin«
schwarz erfährt, ist am grössten — bis zu 0,9 V. — in den
verdünntesten Säuren und beträgt in den concentrirteren (von
50 — 65 Proc.) nur 0,1 V.
394 C. Fromme.
4. Die Flatinirung der Anode vermindert umgekehrt
die Polarisation in den concentrirteren S&uren st&rker als in
den yerdünnteren, derart dass, während in den letzteren die
Polarisation blanker Electroden etwas mehr abnimmt infolge
Flatinirung der Kathode, in Säure von etwa 60 Proc. die
Flatinirung der Anode einen ganz erheblich (bis siebenmal)
grösseren Einfluss ausübt.
5. Die Polarisation eines Yoltameters mit blanken Elec-
troden ändert sich mit der Concentration in sehr complicirter
Weise. Maxima und Minima liegen häufig sehr nahe bei
einander. Hohe Werthe von nahe oder etwas mehr als
3 Volts finden sich sowohl bei kleiner, als bei grosser Con»
centration.
6. Platinirt man aber die Kathode, so verschwinden die
Maxima und Minima fast vollständig, und es nimmt die an-
fänglich blos 2,1 Volts betragende Polarisation mit wachsender
Concentration ziemlich regelmässig bis auf 2,8 — 2,9 Volts bei
65 Proc. zu.
7. Platinirt man dagegen die Anode, so verschwinden
zwar die Maxima und Minima in den stark verdünnten Säuren
nicht, aber es bleibt nun die Polarisation in den concentrir-
teren Säuren (von 20—25 Proc. an) constant und klein.
8. Den regelmässigsten und von der Concentration am
wenigsten abhängigen Verlauf, sowie nach 3. und 4. die
kleinsten Werthe der Polarisation erhält man nach Flatini-
rung beider Electroden.
9. Die hohe Polarisation blanker Electroden gegenüber
der kleinen platinirter Electroden ist daher, wenn die Säure
von geringer Concentration, zum etwas grösseren Theil aus
der blanken BeschaiFenheit der Kathode, und das Auftreten
der Maxima und Minima allein aus dieser zu erklären. Da-
gegen fallen die hohen Werthe in den concentrirteren Säuren
fast allein der blanken Beschaffenheit der Anode zur Last.
Die Erklärung dieser Verhältnisse ergibt sich aus der
leichteren Bildung von Gasblasen an platinirter als an blan-
ker Electrode namentlich in den verdünnteren Säuren, sowie
aus der Bildung und Ansammlung secundärer Producta
(Ueberschwefelsäure und Wasserstoffsuperoxyd) an blanker
Anode in concentrirteren Säuren.
Polarisation von Platin in Schwefelsäure. 395
10. Die einfachen Verhältnisse platinirier Electroden
und die kleinen Polarisationswerthe derselben zeigen blanke
Electroden auch nach erheblicher Yergrösserung ihrer Fläche
nicht.
11. Die Polarisation blanker Electroden varürt etwas
mit der Bereitung der Schwefelsäuremischungen, diejenige
platinirter ist davon unabhängig.
12. Während bis zur Erreichung des Maximums der
Polarisation an blanken Electroden häufig ^s — ^ Stunde
vergeht, werden platinirte Electroden immer sehr schnell bis
zum Maximum polarisirt.
In den verdünnteren Säuren ist es die blanke Kathode,
in den concentrirteren die blanke Anode, welche das Maxi-
mum ihrer Polarisation am langsamsten erreicht. Je grösser
das Maximum, desto weiter ist die Polarisation kurze Zeit
nach Stromschluss im allgemeinen noch von demselben ent-
fernt.
13. Die Polarisation nimmt im allgemeinen mit abneh-
mender Stromstärke ab, am meisten bei blanken Electroden.
Platinirung der Kathode bewirkt, dass die Polarisation in
den verdünnteren, Platinirung der Anode, dass sie in den
concentrirteren Säuren von der Stromstärke unabhängiger
ist. Die Erklärung hierfür ergibt sich leicht aus 9.
14. Das Minimum des Voltameterwiderstandes liegt etwa
bei der gleichen Concentration, bei welcher das Leitungsvermögen
der Schwefelsäure sein Maximum hat. Ist die Anode blank,
so fällt in die Periode der Zunahme des Widerstandes nach
Ueberschreitung des Minimums noch eine Periode der Con-
stanz oder schwacher Abnahme, die ungefähr bei den glei-
chen Concentrationen liegt, wie die Periode kleinster Wider-
stände bei sehr kleiner Anode, über welche in der I. Abhand-
lung berichtet worden ist.
15. Die Polarisation platinirter Electroden ist nur
höchstens 0,1 V. grösser, als die kleinste electromotorische
Kraft, welche an blanken Platindrähten unter dem Drucke
des Knallgases von 1 Atm. neues Gas zu entwickeln vermag.
Giessen, MatL-Phys. Inst, der Univ., 10. Aug. 1889.
396 O. Lehmann.
lY. Ueber das Wandern der Ionen
bei geschmoUfenem und festem JodsUber;
van O. Lehmann.
(Hlenm Ttf. IV rig. 6—8.)
In einer firüheren Mittheilnng^) habe ich eine Vorrich-
tung angegeben, welche gestattet, die Electrolyse von ge-
schmolzenen Salzen mikroskopisch zu beobachten, und einige
eigenthümliche Erscheinungen näher beschrieben, welche
speciell bei der Electrolyse von Jodsilber wahrgenommen
wurden. Jene ältere Vorrichtung hatte noch den Mangel,
dass der Beobachter allzusehr von den aufsteigenden heissen
Flammengasen belästigt wurde, und ich habe sie deshalb
neuerdings insofern abgeändert, dass die Flamme nicht mehr
frei, sondern durch eine innen mit einer dicken Lage von
Asbest ausgekleidete Messingröhre dem Präparat zugeführt
wird, und ein flacher, breiter Wasserschirm, welcher analog
dem früher beschriebenen construirt ist und unmittelbar über
dem das Objectiv schützenden angebracht wird, die aufstei-
genden Flammengase ablenkt und so sehr abkühlt, dass sie
weder dem Beobachter lästig werden, noch auch den Tubus
merklich erhitzen können.
Mit dieser so abgeänderten Vorrichtung habe ich neuer-
dings die früheren Beobachtungen bei Jodsilber wiederholt
und war in der Lage, sie in einigen Punkten vervollständi-
gen und verbessern zu können.
Das wesentlichste Resultat der früheren Versuche war,
dass bei der Electrolyse des festen Jodsilbers nur das Silber
wandert (in der Richtung des positiven Stromes) ähnlich wie
es bereits War bürg für das Natrium bei der Electrolyse
des festen Glases festgestellt hatte. Auch die neuen Beob-
achtungen bestätigen dieses Resultat und lassen verschiedene
andere Eigenthümlichkeiten als nothwendige Consequenzen
desselben erscheinen.
1. Fall. Es befinde sich ein Silberkry stall ringsum dicht
eingeschlossen in regulärkrystallisirtem Jodsilber. Der-
selbe sei als Molecularaggregat in Fig. 5« dargestellt durch
1) 0. Lehmann, Wied. Ann. 24. p. 18. 1885.
Wandern der Ionen von Jodsilber, 397
die dichtgedrängten Atome in der Mitte, während die bei-
den Molecülreihen rechts und links die Jodsilbermasse be-
deuten mögen. Lässt man den Strom so lange hindurch«
gehen, bis ein Silberatom sich gerade um einen Molecülab-
stand im Jodsilber verschoben hat, und zwar die positiv^
Electricität von links nach rechts , so hat sich, wie Fig. 5b
zeigt, links das Silberatom 5 vom Jodsilber abgelöst und an
den Silberkry stall angesetzt, während letzterer rechts ein
Atom abgegeben und sich seiner ganzen Ausdehnung nach
um einen Atomabstand im Sinne des Pfeils verschoben hat.
Von festem (regulär krystallisirtem) Jodsilber dicht um-
schlossene Silberkrystalle müssen sich also im Sinne des
positiven Stromes (relativ zu der festen Masse scheinbar stehen
bleibend) verschieben, oder es muss, falls man sie daran
hindert, das Jodsilber so deformirt werden, wie es einem
Drucke von dem negativen Ende der Silberkrystalle und
einem Zuge von dem positiven entspricht.
Beides wird durch die Beobachtung bestätigt, wenn man
ein Silbertheilchen in geschmolzenes Jodsilber einbringt,
dieses in der regulären Modification erstarren lässt und dann
den Strom durchsendet.
2. Fall. Ein Jodsilberkrystall befinde sich inmitten
eines Schmelzflusses von Jodsilber, und durch letzteren
werde der Strom hindurchgeleitet Die Wanderung der Ionen
muss nun stattfinden, wie in Fig. 6 dargestellt ist, wenn wir
annehmen, dass in geschmolzenem Jodsilber beide Ionen
wandern, und zwar Jod rascher als Silber, und dass die
Mol^cularabstände im festen Jodsilber geringer seien (in der
Figur = 0 gesetzt) als im flüssigen. Dabei ist aber zweierlei
bemerkenswertb.
Die Wanderung der Ionen kann (gleiches Leitungsver-
mögen vorausgesetzt, wie es nach den Messungen von W.
Kohlrausch bei Jodsilber thatsächlich der Fall ist) nur
dann ungestört vor sich gehen, wenn die Geschwindigkeit,
mit welcher sich die Silberatome im Krystall bewegen, die-
selbe ist, wie diejenige, mit welcher sie im Schmelzfluss fort-
wandern, denn anderenfalls würde auf der einen Seite ein
leerer Raum, auf der anderen Seite Verdichtung, somit Strö-
mung der Flüssigkeit um den Krystall herum eintreten.
398 O. Lehmann.
Femer kann der Krystall nicht unverändert in seiner Lage
bleiben, sondern er muss mit gleicher Geschwindigkeit , mit
welcher sich die Silberatome bewegen, und in gleicher Bich-
tung in der Flüssigkeit scheinbar fortkriechen, wobei indessen
tfeine Silberatome fortwährend wechseln, und nur die im
Inneren enthaltenen Jodatome ihre Plätze unverändert bei-
behalten.
Die Beobachtungen lehren in der That, dass ein solches
Fortkriechen der Jodsilberkrystalle in dem Schmelzfluss ohne
Strömungserscheinungen im letzteren stattfindet und zwar ist
die Bichtung gerade die entgegengesetzte wie diejenige, in
welcher in die Erystallmasse eingeschlossene oder in der Flüs-
sigkeit vertheilte SilberkrystäUchen fortkriechen, d. h. sie
bewegen sich wie die Silberatome in der Bichtung des posi-
tiven Stromes der Kathode zu. Solange die Krystalle durch
homogene Stromfelder wandern, d. h. durch Gebiete, in wel«
eben die electrischen Stromlinien gleichmässig vertheilte
gerade Linien sind, bleibt die Form derselben unverändert
erhalten, da aber, wo das Stromfeld unhomogen wird, also
die Stromdichte sich ändert, erleidet sie diesen Aenderungen
entsprechende Verzerrungen, indem diejenigen Theile der
Oberfläche, welche von dichtgedrängten Stromlinien geschnit-
ten werden, rasch voranschreiten, diejenigen, an welchen
geringe Stromdichte herrscht, langsam. So wird leicht die
Täuschung hervorgerufen, als ob eine mechanische Defor-
mation der Krystalle in der Bichtung der Kraftlinien statt-
finde, wie ich es selbst in meiner früheren^) Mittheilung an-
genommen hatte. Bei sorgfältiger Untersuchung kann man
sich indess leicht überzeugen, dass bei diesen Bewegungen
und Formänderungen der Jodsilberkrystalle nicht die min-
deste mechanische Kraft mitwirkt, da selbst eine Luftblase,
welche hindernd in den Weg tritt, nicht fortgeschoben oder
gedrückt, sondern von den Krystallen umflossen wird, aber
ohne die geringste Bewegung der umgebenden Flüssigkeit.
Es gilt dies auch dann, wenn die ganze Masse erstarrt ist,
bis auf äusserst dünne Schichten von (unreinem und darum
leichter schmelzbarem) Schmelzfluss in den Fugen zwischen
den einzelnen Krystallen.
1) 0. Lehmann, 1. c. p. 27.
^'andern der Ionen van Jodsilber, 399
Hält man die Temperatur auf solcher Höhe, dass nicht
die ganze Masse erstarrt ist, sondern nur vereinzelte Ery-
stalle, welche ähnlich wie Salmiakskelette geformt sind, im
Schmelzfluss da und dort vertheilt sind, so gewährt das
Wandern derselben, das scheinbare Ausstrecken und Platt-
drücken in der Nähe von Hindernissen (insbesondere Luft-
blasen) einen ungemein überraschenden Anblick, namentlich
für denjenigen, der gewohnt ist, das Wachsthum der Kry-
stalle unter gewöhnlichen Umständen zu verfolgen.
In Fig. 7 habe ich versucht, eine Darstellung der Er-
scheinung zu geben, wie sie sich gestaltet, wenn nahezu
die ganze Masse erstarrt ist. Die Figur ist mittelst eines
Abbe'schen Zeichenprismas direct nach der Natur gezeich-
net, doch ist es selbstverständlich nicht wohl möglich, auf
diesem Wege alle feinen Details genau zum Ausdruck zu
bringen. In Fig. 8, welche ebenfalls mittelst des Zeichen-
prismas aufgenommen ist, sind gleichzeitig die Grenzen der
einzelnen Krystallindividuen vor der Verschiebung und punk-
tirt nach der Verschiebung gezeichnet, nachdem für einen
Moment ein sehr schwacher Strom durch das Präparat hin-
durchgegangen war. Durch Umkehrung der Stromrichtung
konnte man leicht die Krystalle wieder in ihre anfängliche
Lage zurückbringen.
Zu beiden Figuren muss noch eine Bemerkung gemacht
werden bezüglich der eigenthümlichen Verhältnisse am lin-
ken Rande, wo die Jodsilbermasse an die bereits in der
früheren Abhandlung erwähnte, fast farblose (nur schwach
gelbliche) Flüssigkeit angrenzt, welche ohne Rücksicht auf
ihre nähere Zusammensetzung kurz Jodsilberlösung genannt
werden soll. Bei Fig. 7 sieht man dort feine Jodsilber-
skelette in die Jodsilberlösung hineinragen, bei Fig. 8 sind
es abgerundete, nasenförmige Vorsprünge, deren Längsrich-
tung mit der Richtung der Elraftlinien übereinstimmt, ent-
sprechend den Formen, welche bei einem vorhergehenden
Versuch die Oberfläche der geschmolzenen Jodsilbermasse
unter Einfluss des Stromes angenommen hatte. Die dunkel
gefärbte Flüssigkeit zwischen dieser Randzone und der Haupt-
masse des .lodsilbers ist noch nicht erstarrter Schmelzfluss.
Die Anwesenheit desselben erklärt sich dadurch, dass da-
400 O. Lehmann.
selbst infolge eines vorhergegangenen Yersnchs die Tempe-
ratur noch etwas erhöht und die Zusammensetzung der
Masse, wie im folgenden Paragraphen n&her ausgefOhrt wird,
ge&ndert war.^)
3. FalL Es befinde sich ein Jodsilberkrystall in-
mitten von Jodsilberlösung.
Durch rasch wiederholte Aenderung der Stromrichtung
kann man leicht bewirken, dass die feinen Jodsilberdendriten
am linken Rande des in Fig. 7 dargestellten Fr¶tes ler-
stört werden, und nur noch einzelne Reste derselben in der
farblosen Flüssigkeit schwimmen. Sind dieselben nicht allza
klein, so wachsen sie am positiven Ende und schmelzen am
negativen ab. Sehr kleine schmelzen rasch zu einem Tropfen
zusammen.
Das Wachsen erklärt sich dadurch , dass infolge der
Electrolyse des Jodsilberkrystalls sich aus dem positiven
Ende desselben Silberfäden herausschieben müssen, ähnlich
wie aus einer mit einer metallischen Electrode in Berührung
stehenden Jodsilbermasse, dass aber diese Silberdendriten in
diesem Falle, wo die Electrode nicht metallisch, sondern
selbst Electrolyt ist, nicht erhalten bleiben, sondern sich so-
fort mit dem aus dem letzteren sich ausscheidenden Jod wie-
der zu Jodsilber verbinden.
Das Abschmelzen erklärt sich vielleicht zum Theil durch
die Temperaturerhöhung infolge des Fe liier 'sehen Fhäno-
mens, hauptsächlich aber dürfte es auf eine Aenderung der
Zusammensetzung der Jodsilbermasse zurückzuführen sein,
welche im folgenden Paragraphen besprochen wird.^
4. Fall. Ein Jodsilbertropfen sei isolirt mitten in
Jodsilberlösung.
1) Weit bequemer als bei reinem Jodsilber kann man die scheinbare
Deformation des Jodsilberkrystalle beobachten bei einer Lösung von Jod-
silber in geschmolzenem Jodzink, in welcher sich vereinzelte Jodsilber-
skelette ausgeschieden haben.
2) Auch die in der vorigen Anmerkung erwähnte Verschiebung der
Jodsilberkrystalle in einer Lösung in geschmolzenem Jodzink, wo das
Abschmelzen nicht eintritt, zeigt, dass hier besondere Verhältnisse ob-
walten. Sie lässt femer erkennen, dass die Wanderung der Ionen
in dieser Lösung ebenso erfolgt, wie im Schmelzfluss, und
umgekehrt. Vielleicht lässt sich dieser Satz allgemein aussprechen.
Wandern der Ionen von Jodsilber, 401
Ist der Tropfen nur klein, so zeigt sich kein merklicher
Einfluss des Stromes, insbesondere auch keine Verschiebung
des Tropfens analog dem Wandern der Jodsilberkrystalle. ^)
Grössere Tropfen gerathen in lebhafte Bewegung, indem
sich an dem positiven Theile der Oberfläche gerundete oder
je nach der Beschaffenheit des einzelnen Zwischenraumes
zwischen Deckglas und Objectivträger zackige Hervorragun-
gen bilden, wie beim linken Rande von Fig. 8, und zwar
schon bei sehr geringer Stromintensität. Bei Umkehr des
Stromes ziehen sich dieselben sofort wieder zurück, und die
Oberfläche glättet sich. Man kann dieses Verhalten in Pa-
rallele stellen zu dem Verhalten des Quecksilbers in ver-
dünnter Schwefelsäure und kurz so beschreiben: An der
Eintrittsstelle des positiven Stromes wird das Jodsilber in
den capillaren Baum hineingezogen, an der anderen Seite er-
leidet es capillare Depression.
Diese Aenderungen der Oberflächenspannung sind zurück-
zuführen auf eine Aenderung der chemischen Zusammen-
setzung, welche sich durch Aenderung der Färbung und des
Erstarrungspunktes kund gibt. An der Eintrittsstelle des
negativen Stromes färbt sich der Schmelzfluss dunkelgelb bis
braunroth, an der Eintrittsstelle des positiven wird er um-
gekehrt blassgelb bis farblos, und bei stärkeren Strömen
scheiden sich daselbst farblose Krystalle aus. An der erste-
ren Seite erhöht sich der Erstarrungspunkt etwas, indem,
wenn die Temperatur vor Durchgang des Stromes wenig
unter dem Schmelzpunkt lag, sofort beim Durchgang des
Stromes Erstarrung eintritt, an der anderen Seite wird er
umgekehrt erniedrigt, sodass die Masse, selbst wenn sie be-
reits fest war, wieder zum Schmelzen kommt, wie dies be-
reits in den beiden vorhergehenden Paragraphen angedeutet
wurde.
Da die chemische Zusammensetzung der „Jodsilber-
1) Da ähnliches auch für durch Jodzink verunreinigten Schmelzfluss
gilt, öo verhalten sich vielleicht allgemein Tropfen der Lösung eines
Stoffes in einer anderen Lösung desselben Stoffes in ähnlicher Weise in-
different und ebenso mischbare hintereinander geschichtete Lr»sungen des-
öclbcn Stoffes.
Ann. (1. Phys. u. Chem. N. F. XXXVIII. •>,•
402 O. Lehmann, Wandern der Ionen von Jodsüber.
lösung" nicht bekannt ist, entziehen sich diese Vorgänge
näherer Erklärung.
5. Fall. Festes Glas als Scheidewand beiderseits an
geschmolzenes «Todsilber angränzend. ( Electrolytische
Durchbohrung von Glas).
Man kann diesen Fall leicht realisiren, wenn man das
Präparat soweit erhitzt, dass Objectträger und Deckglas
erweichen, und sie dann in der Mittellinie zwischen beiden
Electroden mittelst einer Präparirnadel zusammendrückt, so
dass sie dort miteinander verschmelzen, und nun die die Platin-
electroden umgebenden Jodsilbermassen durch die Löthstelle
vollständig voneinander geschieden sind und hinsichtlich der
Electrolyse des Glases selbst als Electroden dienen.^)
Macht man die Stromintensität genügend gross und kehrt
fortwährend die Richtung des Stromes um, so sieht man an
den beiden Seiten der Löthstelle im Glase kleine Aushöh-
lungen entstehen, in welche das geschmolzene Jodsilber sich
hineinzieht, und ebenso die aus letzterem sich ausscheiden-
den Silberdendriten. Letztere wachsen jenseits an der Ka-
thode bis dicht an das Glas vor und ziehen sich an der
Anode infolge von Auflösung wieder zurück, doch erscheinen
sie nicht schön kryst^llisirt, wie das reine Silber, sondern
schwammig, vielleicht infolge von Aufnahme von Natrium
aus dem Glase. Allmählich schreitet die Corrosion des Gla-
ses immer weiter vor, an der dünnsten Stelle immer schneller,
bis sich schliesslich die Aushöhlungen von beiden Seiten her
erreichen, und so das Glas auf electrolytischem Wege durch-
bohrt ist. Auf ähnliche Weise dürften bei Anwendung hoch-
gespannter Wechselströme, zuweilen auch bei technischen
Anlagen nach einiger Zeit Zerstörungen der Isolationen her-
vorgebracht werden.
Karlsruhe, den 29. August 1889.
1) Als Stromquelle benutzte ich eine Batterie von im Maximum 36
Accumulatoren-Zollon.
IV. Giese. Flammengase, 403
V. Experimentelle Beiträge zur Kenntniss vom
electrischen Leitungsvermögen der Flammengase ^) ;
van W. Oieae.
(Hiersn Taf. IV FI9. 9—11.)
IX. Trennung der Ionen im clectrischen Felde.
66) Stellt man neben einer electrisirten Flamme einen
Conductor in solcher Entfernung auf, dass er von den Flammen-
gasen nicht direet getroffen werden kann, so wird er dennoch
mit der Electricität der Flamme geladen. Die ruhende Luft
1) In meiner älteren Arbeit über die Flammengase (Wied. Ann. 17«
p. 1, 236, 519. 1882) ist eine Anzahl Fehler stehen geblieben, da ich
leider durch eine weitere Reise verhindert war, selbst die Correcturen
zu lesen. Ich benutze diese Gelegenheit, die wesentlichsten derselben
zu corrigiren, da in der vorstehenden Fortsetzung dieser Arbeit wieder-
holt auf die Veröffentlichung vom Jahre 1882 Bezug genommen worden
ist. Es ist zu lesen:
P. 7 Zeile 7 des Textes: dk statt dX.
)) 8 )) 7 von unten: ergibt statt gibt.
11 11 ii 15: Glaskugel statt GaskugeL
,, 16 » 2: F statt Fj.
ibid. jy 11 des Textes: /^ verschwindet an statt /q an.
ibid. vorletzte Fonnel: — statt + .
P. 21 Zeile 3 von unten: an statt von.
V 22 V 3: für die Gefässe statt f^r Gefässe.
ibid. j, 23: JiJK nur von statt ^K von.
11 24 )} 12: der Isolirring statt die Isolirung.
ibid. ,, 23. 10000 statt 1000.
F. 27, zweite Tafel, letzte Zahl: 60,1 statt 80,1.
>» 29 Zeile 4 des Textos: tg statt i^.
» 30 >j 3 » » : feine statt freie.
V 32 „ 5 » » und Tafel: t/ statt i^'.
» 34 Tafel, dritte Zahl: 100,4 statt 104,4.
11 38 Zeile 9 des Textes von unten: den ganzen Apparat statt
den Apparat.
:, 40 „11: 50 statt 9,44.
ibid. Tafel: 5 -geladen statt G- geladen.
ibid. ibid.: S.-E. statt 6" 2.
P. 41 Tafol: Juni statt Januar.
M 240 Tafel, Spalte Q, dritte Zahl: 1,12 statt 1,15.
?? 241, im Kopfe der beiden ersten Tafeln : D^ statt B.
jj 248, Ucberschrift der Tafel: ^-geladen statt J?'- geladen.
„ 253. Zeile U von unten: 90 statt 900.
26*
404 JV. Giese.
in der Umgebung der Flamme wird also leitend. Am Schluss
meiner ersten Arbeit ^) über das Leitungsvennögen der Flammen-
gase habe ich diese Erscheinung darauf zurückgeführt, dass
Ionen, welche mit der Electricität der Flanmie beladen sind,
in Bichtung der Kraftlinien aus der Flamme in die i-uhende
Luft übergehen und in ihr weiter wandern, bis sie auf den
Conductor treffen und an diesen ihre Electricität abgeben.
lieber die Eigenschaften der Ionen und die Bolle, welche
sie bei jeglicher Ai*t von Electricitätsleitung spielen, habe ich
dann vor kurzem eine Abhandlung*) veröffentlicht, auf die ich
im Folgenden öfters Bezug nehmen werde.
Der Baum in der Umgebung einer electrisirten Flamme
hat mit anderen Electricitätsleitem das gemein, dass die Lei-
tung durch Ionen vermittelt wird, während aber in den Elec-
trolyten und Metallen^) positive und negative Ionen im all-
gemeinen in gleicher Anzahl vorhanden sind, finden sich in
der Umgebung der Flamme nur Ionen, deren Ladung mit
jener der Flamme gleichnamig ist Denn wäre z. B. die Flamme
positiv geladen, so würde das Potential in der Bichtung von
der Flamme fort abnehmen, also nur positiv geladene Ionen
in dieser Bichtung wandern können, die negativen aber gegen
die Brenneröffnung gedrängt imd dort in positive verwandelt
werden, soweit sie nicht in der Säule der aufeteigenden Fiam-
mengasc mechanisch mit fortgeflihi-t werden.
Es besteht nun die Function eines Ions bei dem Ueber-
P. 254, Tafel, erster TheU, dritte Spalte: A-^io statt D^-K^^^.
Die Zahlen der Spalten haben dem entsprechend negatives
Vorzeichen statt des positiven.
17 255, Zeile 7: nach statt noch.
1, 521, Spalte Q der ersten Tafel: die erste Zahl 0,72 ist zu streichen,
ibid. Spalte D^_ der i>. Tafel, fünfte Zahl: 335 statt 325.
P. 522 Tafel vom 5. Dec, Spalte Jt'/Je, vierte Zahl: 2,03 statt 2,05.
?j 530, Zeile 6 von unten: 6^ statt J.
,, 536, im 2. u. 3. Theil der Tafel (Kopf): Pt geladen durch «statt
G geladen durch.
•j 537 Zeile 2 des Textes von unten: dennoch statt demnach.
?? 538 V 16 ?? j> » jy : engsten statt ersten.
» 545 •? 18 von unten: M statt B.
li Giose, Wicd. Ann. 17. p. 542. 1882.
2) Giese, Wied. Ann. lil. p. 576. 1889.
3) Giesc, 1. c. p. 589.
Flammenyase, 405
gange der Eloctricität iu eine feste Electrode nach den Aus-
führungen in meiner letzten Arbeit^) darin, dass es beim
Znsammenstoss mit einem entgegengesetzt geladenen Ion der
Electrode diesem seine Ladung mittheilt und daf&r die ent-
gegengesetzt auihimmt, oder darin, dass es sich mit einem
entgegengesetzt geladenen Ion der Electrode zu einem neutralen
Molecül vereinigt und dadurch ein gleichnamiges Ion der Elec-
trode überzählig macht. Aus einem Raum, der wie die ruhende
Luft in der Umgebung einer positiv geladeneu Flamme nur
positive Ionen enthält, kann in eine feste Electrode nur posi-
tive Electricität übergehen, denn die Molecüle sind nicht elec-
trisirbar, und die positive Ladung des einzelnen Ion ist eine
unveränderliche Grösse, welche wohl durch Austausch in eine
gleich grosse negative Ladung verwandelt, nicht aber durch
Berührung mit festen Körpern beliebig vermehrt oder ver-
mindert werden kann. Der Uebergang von negativer Electri-
citi'it aus der Luft in die Electrode ist eben nur möglich, wenn
negative Ionen in der Luft vorhanden sind, und diese fehlen
in der Umgebung einer positiv geladenen Flamme. Wir finden
also, dass sich aus der Hypothese, welche ich über das Lei-
tungsvermö^eii der Flamraengasse in meiner ersten Arbeit ge-
macht habe, und aus den theoretisclien Anschauungen, die ich
neuerdings entwickelt habe, der Scliluss ergibt, dass aus dem
Raum in der Umgebung einer positiv geladenen Flamme an
eine feste Electrode keine negative Electricität abgegeben
werden kann, wenn auch die Electrode positiver als ihre
näc^hste Umgebung ist. Umgekehrt wiirde es natürlich für
eine negativ geladene Flamme sein.
Zweck der vorliegenden Arbeit ist es, eine Reihe von
A'ersuchen mitzutlieilen , welche diese Folgerungen und damit
die ihnen zu Grunde liegenden theoretischen Annahmen durch-
aus bestätigen.
Betrachtungen, die mit den vorstehenden sehr viel Ver-
wandtes haben, sind von Elster und Geitel angestellt wor-
den.-) Doch nehmen sie, soviel ich sehen kann, nicht an, dass
die Ltulung dos einzelnen Ion der absoluten Grösse nach un-
veriintlerlich sei. Die Einseitigkeit des Leitungsvermögens wird
1) G'H'^e, WM. Ann. 37. p. 588. 605.
2) Kister u. Gritcl, Wien. Bcr. 97. 2. Abth. p. 1257. 1888.
406 fV. Giese.
aber erst durch diese Annahme verständlich, denn wenn ein
positiv geladenes Ion sich in Berührung mit der Electrode
noch positiver laden könnte, oder wenn auch nur ungeladene
Ionen vorkommen könnten, so wären solche Ionen ja eben so
gut wie negativ geladene im Stande, zur Ueberitihrung nega-
tiver Electricität an die Electrode zu dienen.
67) Ich schicke zunächst einige allgemeine Bemerkungen
über die bei den Versuchen benutzten Hülfsmittel voraus.
Die Versuche erstreckten sich über den Zeitraum vom
November 1887 bis zum JuU dieses Jahres. Bei den ersten
Versuchen, die noch im physikalischen Institut der hiesigen
Universität ausgeführt wurden, diente ein Quadrantelectrometer
vereinfachter Construction von Bich. Voss in Berlin als Mess-
instrument. Bei den späteren Versuchen vom Juni 1888 an
in meinem Privatlaboratorium bediente ich mich anfangs eines
Goldblattelectrometers imd seit December 1888 eines Thom-
son'schen absoluten Electrometers von J. White in Glasgow.
Da die Empfindlichkeit und Zuverlässigkeit dieser Apparate
sehr verschieden war, so werde ich im Folgenden bei jeder
einzelnen Beobachtungsreihe die Empfindlichkeit des benutzten
Electrometers angeben.
68) Zur Herstellung von Potentialen von variabler, aber
bekannter Grösse benutzte ich einen Stromkreis, bestehend aus
zwei Zink -Kohle -Elementen und 10000 S.-E. Widerstand.
Eig. 9 zeigt die Anordnung des Ganzen: Der Strom der beiden
Elemente B geht, je nach der Lage der Wippe Aj entweder
durch die Widerstandsrolle C von 10000 S.-E. Widerstand,
oder durch den Commutator D, Im letzteren Falle vrird er
weiter durch die beiden Sie mens 'sehen Stöpselrheostaten £
und F von je 10 000 S.-E. geleitet, die stets so gestöpselt
werden , dass die Summe der eingeschalteten Widei*stände
10 000 S.E. ausmacht. Da der Punkt G des Kastens E zur
Erde abgeleitet ist, so ist das Potential im Punkte // pro-
portional der Anzald der zwischen G und H eingeschalteten
S.-E., solange die Stromstärke constant bleibt.
Um das Letztere zu erzielen, bleibt der Strom stets bei
unverändertem Widerstand von 10 000 S.-E. geschlossen, dabei
werden aber die Rollen der Kästen E und K wenn der Strom-
kreis nicht gerade zu den Beobachtungen benutzt wird, durch
Flammengase.
407
die Rolle C ersetzt, um die genau justirten Widerstände der
Kästen zu schonen. Nachdem ich nämlich den Stromkreis in
der geschilderten Weise, aber ohne die EoUe C, etwa 3 Jahre
laug benutzt hatte, zeigte sich, dass durch den Tag und Nacht
andauernden Strom die Justirung der Kollen sehr erheblich
beeinträchtigt war: Die beiden £.ollen von je 5000 S.-E. z. B.,
welche anfangs fast genau miteinander übereingestimmt hatten,
waren nun um 20,5 S.-E. verschieden.
Die Elemente B bestehen aus Zink und Kohle in fünf-
procentigei- Salniiaklösung. Die Kohle ist hydraulisch aus
Kohlen- und Braunstcdnstückeu gepresst und dann geglüht.
Einen merklichen Vorrath an Sauerstoff dürfte hiernach die
Kohlenplatte kaum noch enthalten, sie ist aber doch schwerer
polarisirbar als Retortenkohle, vermuthlich weil sie poröser
ist Die Elemente^) sind oben geschlossen, sodass keine Ver-
dunstung stattfindet AugenblickUch benutze ich zwei Ele-
mente, die am 28. April 1888 angesetzt worden sind. Sie
arbeiten seitdem ununterbrochen, die Lösung ist weder er-
neuert, noch nachgefüllt worden. Die Zinkplatten haben sich
nach und nach mit einer Krystallschicht bedeckt, und daher
hat die Stromintensität allmählich etwas abgenommen. Um
die Potentialdifferenz von einem Normaldaniell hervorzu-
bringen, mussten zwischen die Punkte G und H (Fig. 9) ge-
schaltet werden:
am 6. Juni 1888 4221,2 S.-E.
16. Juni 1888. 4232,5 »
18. Januar 1889 4355 ,,
29. Januar 1889 4342,5
»
17. Februar 1889 4347,7
))
?»
am 23. Februar 1889 4351,2 S.-E.
), 8. Juli 1889 4321 »
,1 21. Juli 1889 4316,2 »
9. August 1889 4311,2 n
>}
AVie man sieht, sind die Schwankungen der Strominten-
sität so gering, dass man die einer S.-E. entsprechende
Potentialdifferenz bis auf ßruchtheile eines Procents genau
kennt, selbst wenn man eine Vergleichung mit dem Normal-
element nur etwa wöchentlich einmal vornimmt.
Der ganze Stromkreis mit allem Zubehör, den ich im
Folgenden kurz als Compensator bezeichnen werde, ist auf
einem kleinen Isolirtischchen aufgestellt, sodass er bequem
an jede beliebige Stelle des Laboratoriums getragen und in
1) Von Keiscr & Schmidt in Berlin gclictVrt.
408 H: Giese.
jede beliebige Apparatcombination eingeschaltet werden kann,
ohne dass der Strom auch nur einen Augenblick unterbrochen
zu werden braucht.
69) Als Normaldaniells benutze ich noch immer die in
meiner i&rbeit über Rückstandsbildung beschriebenen Ele-
mente. Die beiden, welche bei der vorliegenden Arbeit ver-
wendet wurden, und deren Mittelwerth ich als die electro-
motorische Ejraft eines Daniells bezeichne, sind am 25. Februar
1879 und am 27. Februar 1881 zusammengesetzt worden.
70) Die ersten Versuche, um die Einseitigkeit des Lei-
tungsvermögens in der Umgebung einer geladenen Flamme
nachzuweisen, stellte ich in der folgenden Form an: In der
Axe eines aiif Glasflüssen stehenden Weissblechcvlinders iS
von 9,93 cm innerem Durchmesser und 64,05 cm Höhe, der
sich oben bis zu 5,45 cm verjüngte (Fig. 10), brannte eine 19
bis 23 cm hohe leuchtende Gasflamme Fl aus einem Brenner
mit kreisrunder OeiFnung von 1 mm Durchmesser. SeitUch
war ein Loch von etwa 1 cm Durchmesser in den Cylinder
gebohrt und durch dieses ein isolirter, 1 mm dicker Kupferdraht
geführt, der im Lmern zu einem Binge R von 7,39 cm Durch-
messer umgebogen war, sodass er, coaxial mit dem Cylinder
aufgestellt, von diesem überall etwa 1,27 cm entfernt war.
Mit diesem Apparat wurden die folgenden Versuche an-
gestellt.
Erster Fall: Wurde die Flamme durch eine Batterie von
beispielsweise 30 kleinen L e c 1 a n c h e - Elementen ^) geladen,
während der Cylinder S zur Erde abgeleitet und der King B
mit dem Electrometer verbunden war, so lud sich dieses so
schnell, dass die Scala sofort verschwand, nachdem B und das
Electrometer von der Erdleitung gelöst worden waren. Es
musste ein Condensator von beträchtlicher Capacität (0,1 Mikro-
farad) hinzugeschaltet werden, um die Ablenkungen des Electro-
meters auf eine messbare Grösse herunterzudrücken.
71) Zweiter Fall: Wurde ausser der Flamme auch der
Weissblechschornstein i9 durch die 30 Elemente geladen, so wurde
dadurch die Ladung des Ringes und Electronieters l)edeutcnd
1) Di«' bcmitztt'H Elemmte sind von drr Wit'd. Aim. 17. p. 21. läS2
b«':<chrivl)«'n<*u Form.
Flammengase, 409
verlangsamt. Sie sank auf Vio ^^'^ Vso ^"^^ selbst auf noch
geringere Bruchtheile derjenigen, welche auftrat, wenn nur die
Flamme geladen Mrurde.
Verhielte sich die im Schornstein neben der Flamme auf-
steigende Luft wie ein gewöhnlicher homogener Leiter, so
müsste gerade das Gegentheil stattfinden, die Einströmung in
den Bing, der, anfangs wenigstens , das Potential Null besitzt,
müsste erheblich zunehmen, wenn ausser der Flamme auch
der Schornstein geladen wird, da ja das Potential des Ringes
jetzt von dem seiner Umgebung stärker abweicht Statt dessen
finden wir eine beträchtliche Abnahme der Einströmung, weil
die Luft im Schornstein nicht an und für sich leitend ist Viel-
mehr wandern die leitenden ßestandtheile , die Ionen, aus der
Flamme in die Luft nur in dem Maasse hinein, wie ein Po-
tentialgefälle an der Oberfläche der Flamme vorhanden ist,
das sie dazu veranlasst.^) Dies Potentialgefälle ist offenbar
viel stärker, wenn zwischen der Flamme imd dem Schornstein
die Potentialdifferenz von 30 Elementen besteht, und deshalb
ist in diesem Falle das Leitungsvermögen der Luft • so viel
grösser, dass die Einströmung in den Ring stärker ausfällt,
obgleich sein Potential viel weniger von dem seiner Umgebung
abweicht, als bei gleichfalls geladenem Schornstein.
72) Dritter Fall: Wurde der Brenner zur Erde abgeleitet
der Schornstein aber durch 30 Elemente geladen, so strömte
in den zuvor zur Erde abgeleitet gewesenen Ring nur eine ganz
geringe Electricitätsmcnge ein, Bruchtheile von einem Tau-
sendstel derjenigen Mengen, die einströmen, wenn die Flamme
geladen und der Schornstein abgeleitet ist
Hier tritt also die Einseitigkeit des Leitungsverraögens
deutlich in die Erscheinung: das Leitungsvermögen der auf-
steigenden Luft muss imgefaln* das gleiche sein, wenn die Flamme
positiv geladen, der Schornstein abgeleitet ist, und wenn die
Flamme abgeleitet, der Schornstein negativ geladen ist Den-
1) Uass auch durch Diffusion Ionen in di«; Luft neben der Flammr
gehingen können, .soll nicht in Abrede gestellt werden. Es würde das
aber sehr langsam von statten geh(;n, würde sich auch auf positive und
negativ«* Tonen in gleicher Weise erstrecken, und diese würden sich
zum grossen Theil alsbald zu neutralen Molccülen vereinigen, also elec-
triseli unwirksam werden.
410 W. Giese.
noch ist die Einströmung in den Bing sehr verschieden, im
ersten Falle ladet er sich sehr stark positiv, im zweiten Falle,
trotz des dicht anliegenden negativ geladenen Schornsteins,
kaum merklich negativ. Die Erklärung ist in dem Umstände
zu suchen, dass in beiden Fällen last nur positive Ionen vor-
handen sind, die an den Bing keine negative Electricität ab-
geben können, mag er auch noch so positiv gegen seine Um-
gebung sein.
Zugleich zeigen aber die Versuche, dass einzelne negative
Ionen dennoch bis an den Bing gelanget. Dafür sind zwei
Ursachen denkbar: Einmal könnten einzelne besonders be-
günstigte negative Ionen durch Diffusion bis an Stellen ge-
langen, von denen aus das Potentialgefälle ihre weitere Wan-
derung gegen den Bing hin begünstigt Soweit sie nicht unter-
wegs zu neutralen Molecülen gebunden werden, könnten sie
dann an den Bing gelangen und ihn negativ laden. Zweitens
ist, wenn Flammen im Zimmer brennen, überhaupt die ganze
Luft mit Ionen beiderlei Vorzeichens geschwängert. ^) Sie be-
sitzt daher an und für sich ein gewisses Leituugsvermögen, das
neben dem durch directe Wanderung der Ionen von der Flamme
zum Schornstein erzeugten bestehen kann.
73) Ich theile zur Erläuterung des Vorstehenden einige
Versuche ausführlicher mit. In allen anzuführenden Fällen ist
in der Weise beobachtet worden, dass der mit dem Electro-
meter verbundene Bing im allgemeinen zur Erde abgeleitet
war und nur für eine bestimmte Zeit mit dem Electromcter
zusammen isolirt wurde. Am Schluss der Zeit (l bis 3 Mi-
nuten) wurde die angesammelte Ladung am Electrometer ab-
gelesen. Da sie in allen Fällen klein gegen die zur Ladung
der anderen Äpparattbeile benutzton electromo torischen Kräfte
blieb, so können die mitgetheilten Zahlen als ein angenähertes
Maass für die Einströmung in den zur Erde abgeleiteten Bing
dienen.
2. December 1887. Es wurde abwechselnd Fi (Flamme)
geladen, S (Schornstein) abgeleitet, oder S geladen, Fl abge-
leitet. Die Ladung erfolgte durch eine Batterie von 56 kleinen
Elementen = 61,76 Dan. In den Rubriken „Fl geladen" und
1) Giese, Wied. Auu. 17. p. 530. ls«2.
Flamnitriffase. 411
j,S geladen'^ sind iu Compensatoreinheiten E die Potentiale
verzeichnet, bis zu denen sich das mit R (Ring) und einem
Glimmercondensator Mo,i von 0,1 Mikrofarad Capacität ver-
bundene Electrometer je in einer Minute lud oder geladen
haben würde. Wenn S geladen wurde, war nämlich die Ein-
strömung so gering, dass ich Jfo,i entfernen musste, um mess-
bare Ablenkungen zu erhalten. Die filr diesen Fall mitge-
theilten Zahlen sind aus den wirklich beobachteten Potentialen
durch Multiplication mit dem Verhältniss (0,001 152) der in
Betracht kommenden Capacitäten gebildet. Auch wurde,
wenn S geladen war, erst nach 3 Minuten die am Electro-
meter erzeugte Ladung abgelesen und dann durch Division
mit 3 auf 1 Minute reducirt.
Empfindlichkeit 1 Sealentheil = 56,3 E.
1 Daniell = 4216,5 E.
Negative Ladung \ Positive Ladung
i^^ geladen ^' geladen I Q ;' F/ geladen i iS geladen | Q
- 1669 E. -0.221 E. ■ 0,000 132 ' + 1350 E. | +0,255 E. , 0,000 189
1635 . 346 212 1402 170 ! 121
1578 ' 247 157 1327 ' 310 234
1580 I 277 , 174 ' 1390 , 220 158
1623 373 230 1367 190 139
Mittel 0,000 181 Mittel 0^000 168
Unter Q sind die Quotienten der Einströmung bei gela-
dener Flanmie und bei geladenem Schornstein aufgeführt Für
geringere electromotorische E^räfte, als die hier zur Ladung
benutzten, wurden die Quotienten Q etwas grösser gefunden,
z. B. gleich i)fi^^bb bei 30 Elementen. Die Einseitigkeit
scheint also um so ausgeprägter aufzutreten, je grössere La-
dungen der Flamme oder dem Schornstein mitgetheilt werden.
2. December 1887. Die Flamme wurde stets durch die
56 Elemente geladen, S abwechselnd zur Erde abgeleitet oder
gleichfalls geladen. Im zweiten Falle wurde mit dem Electro-
meter ein Glimmercondensator A/o,oi von 0,01 Mikrofarad ver-
bunden, im ersten iV/o.!- Die Zahlen der Tafel sind auf das
Leitersystem Electrometer + R + Mo,i und 1 Minute Ladungs-
dauer reducirt. Das Verhältniss der Capacitäten war hier
Electrometer + R + Afo,oi = 0,1007 (Electrometer + Ä + 3/ü,i)
412
H\ Giese,
1 Scalentheil = 58,2 E.
Negative Ladung
S'Erde 1 5 geladen 1 Q
Positive Ladung
>S-Erde 1 5 geladen I
Q
1624
1589
1583
1664
1583
-123
0,0757
+ 1469
+ 46
0,0313
105
661
1 1464
44
301
139
878
1 1435
48
334
126
757
! 1455
55
378
137
865
1444
50
346
Mittel 0,0784
Mittel 0,0334
Nach anderen Versuchsreihen fällt Q noch kleiner aus,
wenn kleinere electromotorische Ejräfte benutzt werden, um
die Flamme und den Schornstein zu laden.
74) Wenn der Schornstein abgeleitet, und die Flamme
durch Batterien von verschiedener electromotorischer Kraft
geladen wird, so wächst die Einströmung in den King sehr viel
schneller, als die zur Ladimg der Flamme benutzten electro-
motorischen Kräfte , wie z. B, die folgende Beobachtungs-
reihe zeigt.
4. December 1887. S abgeleitet, Fl abwechselnd durch
80 und 56 Elemente geladen. Electromotorische Kraft der
beiden Batterien 35,055 und 61,725 Daniells, Quotient 1,717.
Die in der Tafel aufgeführten Ladungen nahm das Electro-
lueter je nach einer Minute an, wenn es mit einem Glimmer-
condensator von 0,02 Mikrofarad verbunden war.
1 Scalentheil = 52,0 E.; 1 Daniel! = 4221 E.
Flamme
) po9iti\' geladen
Flamme negativ geladen
30 Elem.
56 Elom.
Q
3,188
30 Elem.
-3234 E.
56 Elem. : Q
+ 2398 E.
+ 7646 E.
-9668 E. 2,980
2425
7«67
244
3216
9726 3,024
2J03
7SS3
438
3179
9757 3,0fi0
2452
7054
244
3171»
101)92 3,175
2'M\
7896
417
:i:{29
0928 2,082
Mittel
3,HU6
Mittel "3,048
Mau sieht, dass der Quotient Q der Einströmungen selir
viel j^rösscr ist, als jener der electromotorischen Kräfte. Bei
einer anderen Versuchsreihe, bei der die Flamme abwechselnd
durch 10 und 30 Elemente geladen wurde, und das A^'erhält-
niss der electromotorischen Kräfte gleich 3,024 war. fand ich
JB lammengase. 413
bei positiver Ladung der Flamme Q = 42,3 und bei negativer
gar Q = 148,4.
Andere Beobachtungsreihen habe ich nach der in meiner
ersten Arbeit über die Plammengase befolgten Methode ^) unter
Beuutzimg von Glaswiderständen angestellt Sie bestätigen
durchaus das, was aus den bisher angeführten Reihen zu ent-
nehmen ist; ich theile sie daher hier nicht erst mit
75) Wir sahen in § 72, dass in den auf dem Potential
Null gehaltenen Ring, wenn die Flamme zur Erde abgeleitet
und der Schornstein geladen ist, so gut wie gar keine Elec-
tricität einströmt. Es wurde daraus gefolgert, dass das Lei-
tungsvermögen der Luft im Schornstein ein einseitiges sei.
Gegen diesen Schluss kann eingewendet werden, dass die That-
sache sich auch erklären liesse, wenn man annähme, dass das
Potential in dem Räume zwischen Flamme und Schornstein,
wenn der Ring nicht vorhanden wäre, in der Weise verliefe,
dass es sich von der Flamme gegen den Schornstein hin an-
fangs, bis in die Nähe des Ringes, sehr wenig änderte, und
dass der Abfall der Function erst unmittelbar an der Wand
des Schornsteins stattfände. Dann würde in unserem Versuche
die Einströmung in den Ring vom Potential Null nur deshalb
so gering ausfallen, weil sein Potential sich ausserordentlich
wenig von dem natürlichen*) seiner Umgebung unterscheidet.
Nun ist freilich ein solcher Verlauf der Potentialfunction ausser-
ordentlich unwahrscheinlich, denn er würde die Anhäufung
starker Electricitätsmengen in unmittelbarster Nachbarschaft
des Schornsteins und andererseits vollständiges Fehlen freier
Electricität in dem ganzen übrigen Raum erfordern. Lnmer-
hin aber scliien es nöthig, die Frage einer experimentellen
Prüfung zu unterziehen.
76) Ich schaltete zwischen den Schornstein und die Flamme
eine Batterie von 100 kleinen Leclanch^-Elementen und be-
stimmte in der üblichen Weise die Einströmung in den mit dem
Electrometer verbundenen, zuvor zur Erde abgeleiteten Ring,
1) Giese, Wied. Ann. 17. p. 19. 1882.
2) Als natürliches Potential bezeichne ich dasjenige, das für einen
l'unkt im Inneren des Schornsteines gelten würde, wenn der Bing nicht
vorhand<*ii oder doch nicht künstlich auf ein willkürliches Potential ge-
bracht wäre.
414 ^. Giese.
während irgend ein bestimmter Punkt im Inneren der Batterie
mit der Erde verbunden wurde. Die Stärke der Einströmung
hängt natürlich davon ab, welcher Punkt der Batterie abge-
leitet ist: Wird z. B. der Kupferpol mit der Flamme, der
Zinkpol mit dem Schornstein verbunden, so wissen vrir nach
den oben mitgetheilten Versuchen bereits, dass der ßing sich
sehr stark positiv laden müsste, wenn der Zinkpol abgeleitet
würde, sehr schwach negativ aber, wenn der Kupferpol mit der
Erde verbimden wäre. Verlegt man nun die Ableitungsstelle,
von letzterem Pole angefangen, schrittweise um je 10 Elemente
weiter gegen den Zinkpol hin, so wird das natürliche Potential
um den Ring, der seinerseits stets das Potential Null behält,
mit jedem Schritt um den Betrag von 10 Elementen positiver,
die Fotentialdifferenz zwischen ihm und seiner nächsten Um-
gebung ändert sich also um bekannte Beträge. Wäre das
Leitungsvermögen der Luft von gewöhnlicher Art, d. h. beid-
seitig, so müssten gleichen Aenderungen dieser Potentialdiffe-
renz auch gleiche Aenderungen der Einströmung in den Bing
entsprechen; zum mindesten näherungsweise. Denn es ist zu
berücksichtigen, dass, wie wir schon wissen (§ 71), das Leitungs-
vermögen vom Potentialgefälle in der Umgebung der Flamme
abhängt, und dass daher auch der Potentialunterschied zwischen
Flamme und Ring einen gewissen Einfluss auf das Leitungs-
vermögen haben muss. Doch kann dieser Einfluss nur gering
sein, solange die Potentialdifferenz zwischen Schornstein und
Flamme ungeändert bleibt.
Ganz anders wird sich die Sache verhalten, wenn die be-
hauptete Einseitigkeit des Leitungsvermögens besteht: Dann
wird die Einstreuung in den Ring so lange sehr gering blei-
ben, als sein Potential zwischen dem der Flamme und dem
natürlichen seiner nächsten Umgebung liegt, und solange diese
Bedingung erfüllt bleibt, werden Aenderungen in der abgelei-
teten Stelle der Batterie auch nur geringe Aenderungen in
der Einströmung hervorrufen. Sobald aber das Potential des
Ringes zwischen dem seiner Umgebung und dem des Schorn-
steins liegt, d. h. sobald das Potential ein solches geworden
ist, dass es Einströmung jener Electricität verlangt, mit der
die Ionen beladen sind, wird eine lebhafte Electricitätsauf-
nahme stattfinden müssen, und diese wird im grossen und
Flammengnse, 415
ganzen proportional den Aenderungen des Potentials ver-
laufen.
77) Danach haben wir also ganz verschiedenen Verlauf
der Einströmung beim Vorschieben des abgeleiteten Punktes
in der Batterie von dem mit der Flamme verbundenen Pol
zum anderen zu erwarten, je nachdem das Leitungsvermögen
einseitig oder beidseitig ist. Der Versuch entscheidet durch-
aus zu Gunsten der einseitigen Leitung. Ich führe eine ße-
obachtungsreihe an.
1. October 1888. Alle Beobachtungen sind auf 1 Minute
Ladungsdauer und auf das System Electrometer +jß+Aro,oi re-
ducirt. Goldblattelectrometer, 1 Sealentheil = 827 E\ elec-
tromotorische Kraft der Batterie = 483 650 E.
-S-Zinkpol, i^/-Kupferpol
Ä-Kupferpol,
i?7-Zinkpol
Fl-R J
FL- R
J
0 EU. 1 -50^
' 0 Ell. !
-\1E
+ 50 +33
' -50
66
60 1468
60 i
1633
70 7195
70
7401
so 18318
1 80 '
19228
90 , 30704
90
33907
100 45361 1
1 100 i
51191
Unter Fl^ R sind die Potentialdiflferenzen zwischen der
Flamme und dem Ringe, unter J die Ladungen des Electro-
meters aufgeführt. Man sieht, dass die Einströmung sehr ge-
ring bleibt, solange zwischen die Flamme und den Ring we-
niger als 50 Elemente geschaltet sind, dass sie erst bei 60
Elementen merklich zunimmt, und dass erst bei mehr als
70 Elementen angenähert Proportionalität zwischen den Aen-
derungen des Potentials und der Einströmung eintritt.
In Fig. 1 1 sind die PotentialdiflFerenzen Fl— R als Ab-
scissen, die beobachteten Einströmungen als Ordinaten aufge-
tragen. Um die beiden Curven besser auseinander halten zu
können, sind die Ordinaten derjenigen für negative Ladung der
Flamme überall um 10000 E vergrössert dargestellt
Was den mittleren, stärker gekrümmten Theil der Curven
betriflft, so dürfte ihr Verlauf an dieser Stelle wohl folgender-
massen zu erklären sein: Die Flamme in dem engen Schorn-
stein brennt nicht ruhig, sie flackert ein wenig hin und her.
410 IV. Giese.
und demgemäss ist auch das Potential im Inneren des Schorn-
steins nie völlig constant. Ist nun z. B. die Flamme positiv-
geladen und der Schornstein negativ, der Sing aber nahezu
auf dem Potential seiner Umgebung , so nimmt er, eben weil
die Leitung einseitig ist, verhältnissmässig leicht positive Elec-
tricität auf, wenn auch nur ein einzelner Punkt für kurze Zeit
negativ gegen seine Umgebung ist. Er kann aber die einmal
erhaltene positive Electricität nachher nur sehr schwer wieder
abgeben, wenn er auch lange Zeit positiv gegen seine Um-
gebung ist So konmit es, dass der horizontale und der schnell
ansteigende Zweig der Curven nicht plötzUch ineinander über-
gehen, sondern durch ein stärker gekrümmtes Stück verbunden
sind, flh' welches der Hing noch Ladungen vom Vorzeichen der
Flamme aufnimmt, die aber nicht mehr seiner mittleren Ab-
weichung vom Potential der Umgebung entspringen, sondern
zufälligen imd schnell vorübergehenden Abweichungen einzehier
Theile des Ringes.
Die Curven weisen, wenn man ihren Verlauf in dieser Art
interpretirt, darauf hin, dass das mittlere natürliche Potential
am Orte des Ringes etwa um 60 — 70 Elemente von dem der
Flamme verschieden ist.
78) Um eine genauere Bestimmung des natüi'lichen Po-
tentials am Oite des Ringes zu erhalten, wurde ein Tropf-
apparat angewendet. Nachdem der Ring entfernt war, wui-de
durch die Oeffhung im Schornstein eine hoiizontale gläserne
Capillarröhre eingeführt, die au ihrem Ende vertical umge-
bogen war. Aus ihrer Oeflfnung floss ein Strahl einprocentiger
Zinkvitriollr)sung senkrecht herab, der 27 mm unter dem hori-
zontalen Theil der Rubre in Tropfen zerfiel. In das Becher-
glas, aus dem die Zinkvitriollösung der Röhre zuHoss, tauchte
eine Zinkelectrode, die mit dem Electrometer verbunden war.
Es wiu'de nun, ^vie bei den Versuchen des vorigen Paragraphen,
eine Batterie zwischen den Schornstein und die Flamme ge-
schaltet und der Punkt der Batterie aufgesucht, der abgeleitet
werden musste, damit der Tropfapparat das Potential Null
anzeigte.
Zunächst ergab sich, dass das Potential des Ortes, wo
der Strahl in Tropfen zerlUUt, sehr inconstant ist, wie das
auch schon oben angenommen werden musste. Von einer
Flammengase, 417
festen EiustelluDg des Electrometers war nicht die Eede. Es
wurde deshalb ein Glimniercondensator von 0,01 Mikrofarad
zum Electrometer geschaltet und die Grösse der Ladung be-
stimmt, die das so gebildete System Ton Leitern durch den
Tiopfapparat je in einer Minute aufaahm, wenn ein bestimm-
ter Punkt der Batterie zur Erde abgeleitet wurde. Dieser
Punkt wurde so gewählt, dass einmal eine positive, dann eine
negative Ladung im Electrometer angesammelt wurde, und
daraus durch Interpolation der Punkt berechnet, für den das
Potential Null gebUeben sein würde.
So wurden die folgenden Zahlen ermittelt:
Strahl- Ende 25 mm über der Brenneröffnung, 10 mm von
der Schomsteinwandung entfernt. Das Potential des Tropf-
apparates ist Null, wenn geladen wird:
FL durch +33,1 oder —32,3 Elemente,
6' » ~ 6,9 + 7,7
zusammen 40 Elemente.
Strahl-Ende 75 mm über der Brenneröffnung, 10 mm vom
Schornstein entfernt. Das Potential ist Null, wenn geladen
wird:
Fl durch +31,6 -29,8 +46,5 —45,1 +76,6 —74,5 Elemente,
0' » - 8,4 +10,2 -13,5 +14,9 -23,4 +25,5 ,»
zusammen 40 60 100 »
Strahl-Ende 75 mm über der Brenneröffnung, 13 mm vom
Schornstein entfernt. Das Potential ist Null, wenn geladen
wird :
Fl durch +27,3 —25,1 +39,2 —37,4 +62,8 —62,6 Elemente,
6' „ -12,7 +14,9 -20,8 +22,6 -37,2 +37,4 y,
zusammen 40 60 100 «*
Die electromotorische Kraft der benutzten Batterien war
bei den beiden ersten Gruppen gleich 45,09 Dan.; 67,48 D.;
111,76 D.; bei der letzten Gruppe gleich 45,20 D.; 67,45 D.
und 111,82 D.
Bei den Versuchen des vorigen Paragraphen lag der Bing
72 mm über der Brenneröffnung und hatte 12,7 mm Abstand
von der Schornsteinwand, seine Lage war nahezu dieselbe, wie
die des Strahlendes in der letzten Beobachtungsreihe. Dem
entsprechend linden wir auch die Potentialdifferenz zwischen
der Flamme und dem Strahl-Ende innerhalb der Grenzen lie-
Ann. d. l'lo>. u. Chem. N. F. XXX VIII. 27
418 W. Giese.
gend, welche sich aus den Versuchen des vorigen Paragraphen
dafür ergeben hatten.
Jedenfalls beweisen beide Versuchsarten übereinstimmend,
dass zwischen dem Orte des Binges und der Flamme eine er-
hebliche Potentialdifferenz besteht , wenn eine solche zwischen
der Flamme und dem Schornstein künstlich erzeugt wird.
79) Hiemach lässt sich der § 75 besprochene Einwand
gegen die ursprüngliche Versuchsanordnung nicht aufrecht er-
halten. Um aber ganz sicher zu gehen, habe ich schliesslich
den Versuch noch in einer Weise abgeändert, gegen die ein
ähnlicher Einwand überhaupt nicht mehr erhoben werden kann.
An Stelle des Schornsteins setzte ich einen Cylinder A aus
Drahtgeweben von 10 cm Durchmesser und 48,6 cm fiöhe. Der
Drahtring Ry für den die Einströmung untersucht werden sollte,
lag jetzt ausserhalb des Cylinders, diesen umfassend ^ er hatte
12 cm Durchmesser. Die Flamme brannte in der Äxe des
Cylinders, der Ring war meist in einer solchen Höhe ange-
bracht, dass er etwa mit der Mitte der Flamme abschnitt.
Bei dieser Anordnung kann das Potential des Ringes auf
die Flamme und das der Flamme auf den Ring keine Wirkung
mehr ausüben, da ja zwischen beiden der Gewebecy linder als
Schirm steht Sein Gewebe war aus 0,4 mm dickem Draht
gefertigt, die einzelnen Drähte hatten, von Axe zu Axc gemes-
sen, 1,41 mm Abstand. Die lichte Weite der (piadratischen
Maschen betrug also etwa 1 mm.
Es ergab sich nun, dass an dem zuvor zur Erde abgelei-
teten Ringe eine starke Einströmung vom Vorzeichen der
Flamme auftritt, wenn diese geladen wird, und zugleich das
Potential des Cylinders A zwischen dem des Ringes und dem
der Flamme liegt, d. h. wenn von der Flamme bis zum Ringe
hin das Potentialgefälle überall gleiche Richtung hat, dass aber
die Einströmung verschwindet oder wenigstens sehr gering wird,
wenn das Potential des Cylinders nicht mehr zwischen dem
des Ringes und dem der Flamme liegt, d. h. wenn das von
innen nach aussen gerechnete Potentialgefälle bei A sein A^or-
zeichen wechselt oder an irgend einer Stelle Null ist.
80) Das ist nun genau, was nach den entwickelten theo-
retischen Anschauungen erwartet werden muss. Sind z. B. der
Cylinder A und die Flamme positiv geladen, die Flamme aber
Flammengaste, 419
stärker, so wandern die positiven Ionen, und nur diese ^), von
der Flamme zu niedrigeren Potentialen; sie gelangen so zu-
nächst bis nach Aj auch bis in die Maschen des Gewebes, und
von dort, weil nach aussen hin das Potential weiter fällty weiter
bis an den Ring, an dem sie die der Nachbarschaft des positiv
geladenen Gewebecylindei-s entsprechende Einströmung positiver
Electricität vermitteln.
Wird aber z. ß. nur A positiv geladen, die Flamme zur
Erde abgeleitet, so werden von dieser nur die negativen Ionen
nach A wandern. Hier angelangt, finden sie sich an einer
Stelle, an der das Potential einen Maximalwerth hat, an der
sie also festgehalten werden. Electrische Kräfte, die sie weiter
nach aussen führten, sind nicht vorhanden, im Gegentheil,
soweit etwa das eine oder andere Ion auf die Aussenseite von
A gelangen sollte, würde es sofort in den Bereich von Kräften
treten, die es nach A zurückzuführen streben. Die weitere
Wanderung nacn aussen könnte nur von positiven Ionen an-
getreten werden, und diese fehlen eben in der Umgebung von
Aj wie in dem ganzen ßaume zwischen A und der Flamme«
Es gelangen also überhaupt keine Ionen bis nach /?, und
darum kann sich am Ringe die der Nachbarschaft des positiv
geladenen Cylinders entsprechende Einströmung nicht zeigen.
Ganz allgemein: Wenn das Potentialgefälle, von innen
nach aussen gerechnet, bei A sein Zeichen wechselt, können
keine Ionen in den Raum ausserhalb von A gelangen, es kann
hier also kein Leitungsvermögen auftreten.
81) Ich führe einige Versuchsreihen an. Bei allen war
zu dem Ringe und dem Electrometer noch der Conden-
sator Mo,KM geschaltet; die Ladungsdauer betrug meist eine
Minute oder wurde auf diese Zeit reducirt. Die unter J auf-
geführten Zahlen bedeuten die in einer Minute durch die Ein-
strömung erzeugten Potentiale. Die Brenneröfinung lag 100 mm,
der Ring 205 mm höher als die Uhterkante von A.
21. .lanuar 1889. A durch 50 Elemente, Fl durch 0 bis
100 Elemente geladen. Fl — A und A — H bedeuten die Po-
tentiaidifferenzen zwischen der Flamme und Aj resp. zwischen
A und dem Ringe.
1) Sofern wir die Diffusion ausser Betracht lasseu.
27*
420
fV. Giese.
1 Scalentheü = 18,66 E. 1 Dan. = 4358 E.
—55,8 Dan.
-55,
83,5 1
»»
11,1
1)
0,0
»
+ 55,4 '
»
4 Dan. -8611 E.
1833
171
2
3
+ 55)4 Dan.
38,1
11,0
0,0
-55,8
+ 55,8 Dan.
+ 2738 E.
897
5
3
4
Nun wurde weiter Fl durch 50, A durch 0 bis 100 Ele-
mente geladen.
Fl-Ä
A—R
Fl-A
A-E
— 55,4 Dan.
0,0 Dan
33,1
-22,3
11,0
44,4
0,0
55,4
+ 55,8
111,2
OK
479
113
2
6
-55,4Dan.l + lll,2Dan.
0,0 55,8
+ 11,1 44,7
33,5 22,3
55,8
0,0
+ 6E.
2
4
301
0
Bei allen Beobachtungen der ersten Reihe haben wir die-
selbe PotentialdiflFerenz zwischen A und Ä, die Einströmung
fällt aber sehr verschieden, je nach dem Potential der Flamme
aus; sie besteht nur, soweit das Potentialgefälle innerhalb und
ausserhalb von A das gleiche Vorzeichen hat. Ist Fl — A
gleich Null oder von entgegengesetztem Vorzeichen wie A — Ä,
so verschwindet die Einströmung fast vollständig. Umgekehrt
ist beim letzten Versuche der ersten Halbreihe und beim
ersten der zweiten die Potentialdiiferenz / / — A= + 55,4 Dan.
die gleiche, auch A — R ist dem absoluten Betrage nach in
beiden Fällen fast gleich und nur dem Vorzeichen nach unter-
schieden, dennoch lallt die Einströmung sehr verschieden aus.
In dem Falle, wo Fl — A und A — R gleiches Vorzeichen
haben, finden wü* eine kräftige positive Einströmung in den
Bing, es sind also positive Ionen in reichlicher Menge um A
und zwischen A und R vorhanden. Im anderen Falle, wo die
PotentialdiflFerenzen entgegengesetztes Vorzeichen haben, ver-
schwindet die Einströmung, die jetzt negativ sein müsste, so
gut wie ganz, es fehlen also der Luft um A diejenigen Be-
standtheile, die fähig wären, negative Electricität an einen
festen Körper zu übertragen, d. h. die negativen Ionen.
Die gleichen Folgerungen lassen sich an die zweite Beob-
achtungsreihe knüpfen.
Flmnmenffase,
421
Um zu zeigen, wie die Electricitätseinströmung in den
King verläuft, wenn die Potentialdifferenz zwischen ihm und
der Flamme constant ist, A aber verschiedene, in dem Zwi-
schengebiet liegende Potentiale hat, führe ich noch die folgende
Beobachtungsreihe an.
22. Januar 1889. Fl stets durch 100 Elemente geladen.
1 Sealentheil = 18,66 E. 1 Dan. = 4359 E.
Fl - A
A-R
J
FI--A
A-B
J
-111,1 Dan.
0,0 Dan.
- IE. ,
' 0,0 Dan.
+ lll,lDan.
+ 4E.
88,8
-22,3
3476
+22,3
88,8
514
66,7
44,4
4162
44.4
66,7
1862
55.7
55,4
3531
; 55,4
55,7
! 2575
44,7
66,4
2397
■ 66,4
44,7
3122
22,2
88,1)
828
, 88,9
22,2
1 2574
0,0
111,1
6
111,1
0,0
3
Es ist zu den in diesem Paragraphen angeführten Beob-
achtungen noch zu bemerken, dass bei ihnen besondere Vor-
kehrungen getroffen waren, um den Bing gegen Influenzwir-
kungen der electrisirten Gase, welche über dem Apparate
aufstiegen und sich im Zimmer vertlieilten, zu schützen. Erstens
wurde diesen Gasen ihre Electricität möglichst entzogen, indem
über A ein zur Erde abgeleitetes, ringförmig gebogenes Mes-
singrohr aufgestellt wurde, aus dem 12 Gasfläramchen brannten.
Zweitens wurde der ganze Apparat mit Ausnahme des eben
erwähnten Messingrohres in ein zur Erde abgeleitetes Gehäuse
von Drahtgewebe eingeschlossen, das 30 cm breit, 70 cm lang
und 65 cm hoch war. Bei den im Folgenden sogleich anzu-
führenden Versuchen waren diese Vorsichtsmaassregeln noch
nicht angewendet.
82) Die Versuchsreihen des vorigen Paragraphen zeigen,
dass die Einströmung in den Ring so gut wie ganz verschwin-
det, wenn zwischen dem Ringe und A oder zwischen A und
der Flamme keine Potentialdifferenz besteht, weil in diesem
Falle keine electrischen Kräfte vorhanden sind, um die Ionen
durch den Raum zwischen A und dem Ringe oder zwischen
der Flamme und A zu führen. Es gelangen in jedem dieser
Fälle nur so viele Ionen an den Ring, als dahin durch Dif-
fusion oder durch die allgemeine Luftbewegung im Zimmer
geführt werden. Im Gegensatze zu diesem, wie die Versuche
422
fV. Giese,
zeigen, sehr unbedeutenden Rest von Leitung, der durch mecha-
nische Vorgänge vermittelt wird, werde ich als unmittelbare
Leitung oder Einströmung diejenige bezeichnen, welche durch
die direct unter Einwirkung des Potentialgefillles von der
Flamme zum Ringe gewanderten Ionen verursacht wird.
Eine nähere Untersuchung ergibt nun, dass die unmittel-
bare Einströmung in den Ring erst beginnt, wenn die Poten-
tialdifferenz zwischen der Flamme und A eine gewisse untere
Grenze überachreitet. Es verräth sich das schon in den beiden
Beobachtungsreihen vom 21. Januar 1889, bei denen die Ein-
strömung für die Potentialdifferenz Fl — A =^ + II Dan. (d. h.
10 Elemente) fast Null war, obgleich A — B sehr beträchtliche
positive Werthe hatte.
Die folgende Versuchsreihe veranschaulicht dies noch
besser. Bei ihr war an Stelle des Ringes ein Cylinder B von
Drahtgewebe gesetzt, 12 cm im Durchmesser und 16,7 cm hoch.
Seine Unterkante lag 12,7 cm höher, die Brenneröffnung 9,2 cm
höher, als die Unterkante des Gewebscylinders A.
16. October 1888. Die Ladungen J sind auf eine Minute
reducirt, es war kein Condensator zum Electrometer geschaltet.
Goldblattelectrometer: 1 Sealentheil = 619 E.
A — B = +60 Elemente
A —
5 =
- 60 Elemente
Fl-A J
Fl-
A
J
- 20 Elemente + 32ö0 E.
+ 20 Elemente
3188 E.
0 3621
ü
3621
+ 2 3497
- 2
3745
4 3621
4
4364
6 3590
6
l.'<217
8 4766
8
56081
10 15877
12 67595
Man sieht, wie die Einströmuiifr bis zu Potentialdifferenzen
FI — A von +8 und — 4 Elementen sehr schwach und» fast
genau so gross, wie flir di(^ Potentialdiflerenz Null bleibt, dass
also hier keine directe Einwirkung des Potentials der Flamme
auf die Vorgänge bei B vorhanden ist, dass dagegen die un-
mittelbare Leitung plötzlich zwischen Potentialdifferenzen von
+ 8 und +10 oder —4 und —6 Elementen einsetzt.
83) Weiter ergab sich, dass die kleinste Potentiiildiffe-
renz, welche zwischen der Flamme und A bestehen muss, um
Flammengoie.
423
die unmittelbare Leitung zu ei-zeugen, desto grösser wird, je
niedriger der Bing gestellt ist. Bei der folgenden Beobach-
tungsreihe bedeutet J die Einströmung in einen niedrigen Blech-
cy linder C von 2,5 cm Höhe und 12 cm Durchmesser, der A
umgab und so angebracht war, dass seine Höhe leicht ver-
ändert werden konnte. H bedeutet den Höhenunterschied
zwischen der Unterkante des Ringes und der Brenneröffnung.
22. October 1888. Es ist kein Condensator zum Electro-
meter geschaltet. Goldblattelectrometer, 1 Sealentheil =490E.
.4 —C=- 80 Elemente
^ — C = + 80 Elemente
Ä= Ocm
4 cm
8 cm
12 cm
16 cm
22 cm
30 cm
Fl — A
+ 14Elem.
15
16
+ 11
12
13
+ 10
11
+ 9
10
+ 8
9
+
+
7
8
5
6
7
8
J
+ 2744
3969
58S1
+ 3381
3773
9408
+ 4459
10094
+ 4508
9898
+ 3626
10192
+ 3528
10780
+ 2254
1911
4165
10192
FL—A
-10 Elem.
11
- 7
8
9
- 6
7
- 5
6
- 4
5
- 4
5
4
5
-3871
5194
-2597
8600
17493
-2499
8011
-3479
6664
-2303
7276
-3185
11662
-3185
11172
Daraus würden sich etwa die folgenden Potentialdiflferenzen
für den Eintritt der unmittelbaren Leitung ergeben:
H Fl positiv. FL negativ.
0 cm +16 Elemente —11 Elemente
4 12,5 7,5
8 10,5 6,5
12 9,5 5,5
16 8,5 4,5
22 7,5 4,5
30 7 4,5
Wurde der Ring noch höher als 30 cm über der Brenner-
öiVnuug aufgestellt, so bekamen die Einströmungserscheinimgeik
einen unregelmässigen Charakter, vermuthlich weil in dieser
Höhe die Säule der aufsteigenden Gase schon anfängt, sich in^
424 fV. Giese.
Wirbel aufzulösen. Lag der Ring unterhalb der Brenner-
öffnung, so liess sich eine scharfe Grenze fär das Einsetzen
der unmittelbaren Leitung nicht mehr erkennen, auch hier
wurden die Erscheinungen unregelmässiger als in dem Gebiet
zwischen // = 0 und // = 30 cm.
84) Die Luft wird durch die Flamme, wie durch jeden
Gas- oder Flüssigkeitsstrahl angesogen, sie strömt der Flamme
von allen Seiten durch die Maschen des Gewebecylinders zu
und vereinigt sich mit ihr in dessen Axe zu einer aufsteigenden
G^ssäule, deren Durchmesser nach oben hin mehr und mehr
zunimmt Die Luft zwischen der aufsteigenden Säule und A
bewegt sich also gerade entgegengesetzt, wie die nach A wan-
dernden Ionen, diese werden daher erst dann nach A gelangen
können, wenn die electrischen Kräfte ausreichend sind, ihnen
für ruhende Luft eine mittlere Geschwindigkeit in der Richtung
von der Flamme fort mitzutheilen, welche jene der zufliessen-
den Luft eben übersteigt. Wie gross die hierzu erforderlichen
Potentialdifferenzen sind, zeigen die eben angeführten Beobach-
tungen.
Dass diese Potentialdifferenzen in höheren Lagen kleiner
sind, dürfte einen doppelten Grund haben. Erstens vermindert
sich nach oben hin die ansaugende Kraft der Flamme, so dass
die Luft hier langsamer zufliesst, zweitens aber ist die ganze
aufsteigende Luftsäule mit der Electricität der FLimme ge-
laden, das Potentialgefalle wird also in der Luftschicht zwischen
der Säule und dem Cylinder A dort am grössten sein, wo die
Säule am dicksten ist, d. h. oben.
85) Die mitgetheilten Thatsachen werfen ein neues Licht
auf einen Punkt meiner ersten Arbeit, der bisher nicht in l)o-
friedigender Weise aufgeklärt werden konnte. Durch Versuche
wies ich damals nach, dass im allgemeinen das Leitungsver
mögen der Flammengase durch den Vorgang der Stromleitung
selbst vermindert werde, zugleich musste ich aber auch einen
Fall anführen, in dem das Entgegengesetzte^) eintrat. Im
Innern eines geräumigen Blechcy linders, der oben mit einem
Deckel von Drahtgewebe versehen war, so dass die Flammen-
1) Giesc, Wicd. Ann. 17. p. 524. Is82.
flammengase, 425
gase durch dieses hindurchstreichen konnten, brannte eine
Bunsenflamme. Etwa 40 cm über dem Gewebedeckel wurde
das Leitungsvermögen der aufsteigenden Gktse untersucht Dazu
stellte ich zwei weitere Gewebedeckel einander gegenüber und
bestimmte die Electricitätsaufoahme durch den unteren von
ihnen, wenn der obere geladen war. Dabei ergab sich, dass
die Leitung zwischen den beiden oberen Deckeln grösser aus-
fiel, wenn zwischen der Flamme und dem Blechcylinder ein
Strom überging, kleiner, wenn kein Strom bestand. Diese
Thatsache vermochte ich damals nicht befriedigend zu erklären.
Jetzt ergibt sich die Erklärung von selbst. Ist z. B. der
Brenner positiv geladen, der Blechcylinder abgeleitet, so füllt
sich der Raum zwischen Cylinder und Flamme mit positiven
Ionen, während die negativen, soweit sie nicht gegen den Brenner
hingedrängt und dort mit entgegengesetzter Electricität ge-
ladpn werden, sich in den in der Mitte aufsteigenden Gasen
vorfinden. Die Wirkung der zwischen Flamme und Cylinder
hergestellten Potentialdifferenz äussert sich also in einer räum-
lichen Trennung der positiven von den negativen Ionen, und
sobald diese einmal eingetreten ist, wird die Wiedervereinigung
der entgegengesetzt geladenen Ionen zu neutralen, nicht leiten-
den Molecülen natürlich schwerer stattfinden, als wenn beide
innerhalb der nicht electrisirten Flammensäule gemeinsam em-
porsteigen. Da nun jede Wiedervereinigung von Ionen zu
Molecülen eine Veimindening des Leitungsverniögens bedeutet,
und umgekehrt alles, was die Bildung von Molecülen verhin-
dert, die Leitung verbessert, so erscheint an dem oberen Deckel-
paar(^ das Leitungsvermögen grösser, wenn zwischen der Flamme
und dem Cylinder eine Potentialdifferenz besteht
86) Eine andere auffallende Erscheinung, welche die in
meiner ersten Arbeit mitgetheilten Versuche ergaben, war die,
dass zwei über der Flamme aufgestellte Deckel von Draht-
gewebe sich in Bezug auf das Ohm 'sehe Gesetz ganz ver-
schieden verhielten. Wurde der untere geladen und die Ein-
strömung in den oberen gemessen, so fiel diese fiir grössere
electromotorische Kräfte relativ zu klein aus (Abweichung im
negativen Sinne), wurde aber der obere Deckel geladen und
die Einstrctoung in den unteren Deckel gemessen, so fielen
für grössere electromotorische Kräfte die Einströmungen rela-
42ü h. Giese.
tiv zu gross aus (Abweichung im positiven Sinne). Die Ab-
weichungen im negativen Sinne liessen sich leicht aus der
direct nachweisbaren Verminderung des Leitungsvermögens
durch den Vorgang der Stromleitung selbst erklären. Die
Abweichimgen des unteren Deckels im positiven Sinne aber
bereiteten mir damals Schwierigkeiten, die sich jetzt gleichfalls
heben lassen.
Wir haben ims nämlich vorzustellen, dass die ganze Luft-
masse im Lmern des Apparates bei den soeben angeführten
Versuchen in aufsteigender Bewegung begriffen war. Die
äusseren, langsam aufsteigenden Theile bestehen dabei aus ge-
wöhnlicher, nicht leitender Zimmerluft, die centralen, schnell
aufsteigenden aus den leitenden Flamiuengasen, die unter jedem
der Deckel aufgestaut werden, sich daher unter dem oberen
Deckel etwas weiter nach aussen ausbreiten, als unter dem
unteren.^) Es gibt also eine gewisse Zone, wo unter Theilen
des oberen Deckels, die von den Flammengasen umspült sind,
solche des unteren liegen, die nur von nicht leitender, langsam
aufsteigender Zimmerluft getroffen werden, an denen also für
kleine Potentialdifferenzen der Deckel keine Einströmung statt-
finden kann. Wird aber der obere Deckel stärker mid stärker
geladen, sagen wir positiv, so gelangen wir schliesslich an einen
Punkt, wo die electromotorische Kraft ausreicht, die positiven
Ionen dieser Zone aus den Flamiuengasen in die aufsteigende
nicht leitende Luft imd bis an den unteren Deckel zu treiben.
Diese Wirkung wächst schneller, als die Potentialdiflerenz der
Deckel, gerade so, wie wir in § 74 gesehen haben, dass die
Electricitätsaut'nahme durch den im Schornstein aufgestellten
Ring sehr viel schneller als die Potentiale der Flamme wächst.
Koch zutreffender ist vielleicht die Analogie mit den Versuchen
des § 82: Sobald dort die directe Leitung eintritt, wächst sie
sehr viel schneller, als die Potentialdifferenzen zwischen der
Flamme und dem Cylinder A,
Wenn diese Erklärung richtig ist, so müssen die Abwei-
chungen im positiven Sinne um so schwächer werden, je mehr
die Flammenga^ie schon vor ihrem Antritt an das DeckelpaiU'
andt^-weitig aufgestaut und mit der indifferenten Luft in den
1) Giese, Wied. Aim. 17. p. 34. I.s82.
Fiammengase. 427
Aussentheilen dos Apparates gemischt worden sind. Und in
der That zeigen die §§ 48 und 49 der ersten Arbeit mitge-
tlieilten Versuche, dass die Erscheinung weniger ausgeprägt
auftritt, wenn die Flammengase vorher schon durch drei an-
dere Deckel gestrichen sind. Sie kann in diesem Falle fttr
stärkere Ströme sogar in ihr Gegeutheil umschlagen, so dass
auch für den unteren Deckel Abweichungen im negativen Sinne
auftreten, wenn die Ströme nur stark genug gewählt werden.
Diese Umkehr der Erscheinung wird erklärlich, wenn wir be-
rücksichtigen, dass die Flammengase, welche den oberen Deckel
in seinen äussersten überhaupt noch getroflfenen Theilen um-
spülen, vorher durch den Ilaum zwischen beiden Deckeln ge-
stiegen sind, und dass sich daher schliesslich auch hier einmal
die Verminderung des Leitungsvermögens, die mit jeder Strom-
leitung verbunden ist, in einer Verminderung der Anzahl der
noch fUr die Rückwanderung zum unteren Deckel verfügbaren
Ionen äussern muss.
Berlin, 13. August 1889.
VI. lieber therttiainagnetiHche Motoren;
von J. Stefan.
(Aus den Sitzungsber. d. kais. Acad. d. Wiss. in Wien, math.-naturw.
Cl., Bd. 97. Abth. IIa. vom 19. Jan. 18S8; mitgetheUt vom Hrn. Verf.)
In der Abhandlung^): „Ueber die Gesetze der electro-
dy Damischen Induction", habe ich darauf hingewiesen, dass
die Eigenschaft des Eisens, in höherer Temperatur seine
Magnetisirbarkeit zu verlieren, zur Herstellung eines Motors
benutzt werden könne. Wird ein Eisenkörper von einem
Magnete aus der Ferne angezogen, so kann die dieser An-
ziehung entsprechende Arbeit gewonnen werden. Erwärmt
man den Eisenkörper nach seiner Annäherung an den Magnet
so weit, bis er seinen Magnetismus verliert, so kann derselbe
nun ohne Aufwand von Arbeit vom Magnete entfernt wer-
den. Kühlt man ihn dann wieder auf seine ursprüngliche
1) J. Stefan, Wien. Ber. (2) 64. p. 219. 1871.
428 J. Sttfun,
Temperatur ab, so wird er neuerdings vom Magnete ange-
zogen u. s. f.
Ein solcher thermomagnetischer Motor ist im abgelau-
fenen Jahre von Edison ausgeführt worden. Ein mit zwei
Bunsen' sehen Brennern geheizter Apparat gab eine Ar-
beitsleistung von 1,67 mkg in der Secunde. Es sind auch
schon früher Versuche gemacht worden, dieses Princip zur
Anschauung zu bringen.
In Nr. 38 des Jahrganges 1887 der Zeitschrift „La Lu-
miere electrique'S welche eine Beschreibung des Edison'-
schen Motors enthält, wird auf p. 554 angeführt, dass
E. J. Houston und Elihu Thomson^) einen Apparat con-
struirt haben, in welchem eine zwischen den Polen eines
Magnetes angebrachte Eisenscheibe in einem Punkte ausser^
halb der Verbindungslinie der Pole erhitzt wird und in Ro-
tation geräth. Einen ähnlichen Apparat hat Schwedoff ^)
angegeben. Derselbe besteht aus einem horizontalen Eisen-
ringe, der um eine verticale Axe drehbar ist. Wird dem-
selben von der Seite ein Magnetpol genähert und die eine
Hälfte des Ringes erwärmt, so tritt eine Rotation des
Ringes ein.
Ich habe ebenfalls derartige Versuche gemacht, doch
scheiterten dieselben an der Schwierigkeit, die verwendeten
Eisenbleche genügend rasch in die hellrothe Gluth zu bringen.
Die Abhandlung von Berson^) über den EinÜuss der Tem-
peratur auf die Magnetisirung veranlasste mich, die Versuche
statt mit Eisenblechen mit solchen aus Nickel auszuführen.
Dieses Metall hat die Eigenschaft, dass seine Magnetisirbar-
keit bis zu einer Temperatur von 220® sehr langsam ansteigt,
dann erst langsam, bald aber sehr rasch abnimmt, so dass es
bei einer Temperatur von 330^ schon als vollständig un-
magnetisch sich erweist. Ich habe zwei Apparate zusammen-
gestellt, welche die Aufgabe, das in Rede stehende Princip
zu demonstriren, zu einem sehr leicht ausführbaren Schul-
experimente machen. Ich habe diese Apparate in der che-
1) E. J. Houston u. Elihu Thomson, Jouni. of thc Franklin Inst.
1879. p. 39.
2) Schwedoff, Journ. de phys. (2) 5. p. 362. 1S86.
3) Berson, Ann. de chim. et de phys. (6) 8. p. 433. 1886.
Thermo magnetische Motoren, 429
misch physikalischen Gesellschaft am 1. Februar 1887 vorge-
zeigt und will hier dieselben kurz beschreiben.
Das thermomagnetische Pendel, An einem dünnwandigen
Messingrühr von 4 mm Durchmesser ist ein Streifen aus
Nickelblech von 16 cm Länge, 16 mm Breite und 0,2 mm
Dicke als Pendellinse angebracht. Der Blechstreifen bildet
einen Kreisbogen; der Mittelpunkt desselben liegt in der
Pendelaxe. Die Pendelstange geht durch die Mitte des
Bogens. Um bei massiger Länge des Pendels eine grössere
8chwingungsdauer zu erhalten und auch, um diese verän-
dern zu können, reicht die Pendelstange auch über die
Axe hinauf und trägt hier ein verschiebbares Grewicht.
In der Ruhelage befindet sich die Mitte des Blech-
streifens zwischen oder etwas über den beiden Schenkeln
eines kleinen hufeisenförmigen Stahl magnetes. Beide Hälften
des Bleches werden in das magnetische Feld zwischen den
beiden Schenkeln mit gleichen Kräften gezogen. Wird das
Nickelblech etwas ausser der Mitte durch eine untergestellte
Weingeistlampe erwärmt, so erhebt sich der Bogen, indem
die erhitzten Theile desselben durch die kälteren aus dem
Felde zwischen den Polen verdangt werden. Die Erhebung
geht so lange fort, bis die Wirkung der Schwere über den
magnetischen Zug auf den noch nicht erhitzten Rest des
Bleches das Uebergewicht erhält. Das Pendel sinkt dann
gegen die Ruhelage zurück, und nach einigen unregelmässigen
Bewegungen beibt das Pendel dauernd in Schwingung. Wird
die Weingeistlarape weggenommen, so kommt das Pendel
nach einigen Schwingungen in Ruhe, da der Magnet eine
sehr bedeutende Dämpfung auf das bewegte Nickelblech
ausübt.
Wählt man ein dickeres Blech als Pendellinse, so ist es
gut, dasselbe vorzuwärmen, mit einer Gasliamme kann man
dann Schwingungen von sehr grossen Amplituden dauernd
erhalten.
Die Drehung des Pendels geschieht zwischen Spitzen,
und ist der Apparat so eingerichtet, dass er auch als Wage
benutzt werden kann, um zu zeigen, dass die Kraft, mit wel-
cher ein Nickelstreifen zwischen die Pole des Magnetes j^e-
zogen wird, von der Temperatur abhängig ist.
430 J. Stefan.
Dan thermomagnetische Rad. Ersetzt man den Nickel-
bogen des Pendels durch einen Blecbstreifen, welcher einen
vollen Kreis umspannt, sodass der Mittelpunkt desselben
und auch der Schwerpunkt des ganzen Körpers in die
Drehungsaxe fällt, so kommt dieses Nickelrad in eine con-
tinuirliche Rotation, sobald dasselbe auf der einen Seite der
Mittellinie des magnetischen Feldes erwärmt wird. Zur Br-
zielung einer grösseren Rotationsgeschwindigkeit, eine Um-
drehung in der Secunde und auch noch mehr, ist es zweck-
dienlich, die Wärmezufuhr zu verstärken und statt der Wein-
geistlampe einen Oasbrenner zu verwenden, der etwa zwei
nebeneinander brennende kleine Flammen liefert. In einem
nach diesem Principe ausgeführten Apparate, der sehr gut
functionirt, ist ein Blech von 2,7 cm Breite und 0,3 mm Dicke
verwendet. Der Durchmesser des Rades beträgt 16 cm, die
Speichen desselben sind dünne Messingröhren. Ich habe
später beide Apparate auch mit Eisen statt mit Nickel con-
struirt, das Eisen jedoch nicht in Blechform, sondern in
Streifen, welche aus einem Drahtnetz geschnitten wurden,
verwendet.
In der citirten Abhandlung habe ich bemerkt, dass zur
Erwärmung des magnetischen Eisens in der Nähe des Mag-
netes mehr Wärme erforderlich ist, als dem vom Magnete
entfernten Eisen bei der Abkühlung auf seine ursprüngliche
Temperatur entzogen werden kann, weil sonst der bei dem
beschriebenen Processe gewonnenen Arbeit kein Aequivalent
von verbrauchter anderer Energie gegenüber stände. Diese
Bemerkung ist später von Wassmuth^) dahin formulirt
worden, dass die specitische Wärme des magnetischen Eisens
grösser ist als jene des unmagnetischen. Diese Formulirung
ist nicht correct, es kann nur von der specilischen Wärme
eines Eisenkörpers in einem magnetischen Felde und ausser-
halb eines solchen die Rede sein. Auch in der correcteren
Fassung ist der Satz nicht allgemein richtig, lloberdies bat
Wassmuth bei der Berechnung der specilischen Wärme die
gewonnene mechanische Arbeit der zur Magnetisirung des
Eisens nothwendigen gleich angenommen, und so eine
1) Wassmuth, Wien. Ber. (2) H5. p. 997. 1882.
Thermoma gnetische Motoren. 481
ganz andere Grösse als die in Rede stehende berechnet Da
das Resultat dieser Rechnung in letzter Zeit auch bei der
Discussion der Leistungsfähigkeit eines thermomagnetischen
Motors benutzt worden ist und zu einer enormen Unter-
schätzung derselben geführt hat, so halte ich es für passend,
hier auf die theoretische Seite der Frage einzugehen.
Der Einfachheit wegen sollen einige Voraussetzungen,
welche die Rechnungen bedeutend abkürzen, gemacht werden.
Das magnetische Feld soll das eines unveränderlichen Mag-
netes sein. Das im Felde bewegte Eisenstück soll so klein
sein, dass die Intensität des Feldes innerhalb desselben als
nach Richtung und Grösse constant angenommen werden
kann. Die Bewegung des Eisens soll eine progressive in
gerader Linie sein, und dabei die magnetisirende Kraft im
Körper immer dieselbe Richtung behalten, nur die Intensität
der Kraft P soll sich verändern. Unter dem Einfluss dieser
Kraft hat das Eisen ein magnetisches Moment wi, dessen
Richtung mit jener der Kraft P zusammenfallen soll. Das
Potential des magnetischen Feldes auf den Eisenkörper ist
dann —mP, und letzterer erfährt im Felde einen Zug m (dPfda),
diesem entspricht eine Arbeit m{dPlda)daf wenn da das
Element des vom Körper zurückgelegten Weges in der Rich-
tung des Zuges bedeutet.
Führt man mit dem Eisenkörper einen vollständigen
Kreisprocess durch, so fordert der Satz der Erhaltung der
Energie, dass die dem Körper während des Processes zu-
geführte Wärme der gewonnenen mechanischen Arbeit äqui-
valent sei. Bezeichnet man für ein Element des Kreispro-
cesses die zugeführte Wärme mit dQ, die gewonnene Arbeit
mit dA, so muss dQ-^dA ein vollständiges Differential
einer Function jener Variablen sein, durch welche sich der
Zustand des Eisenkörpers bestimmen lässt. Diese Variablen
sollen die absolute Temperatur T des Körpers und die In-
tensität P des Feldes an dem Orte, in welchem sich der
Körper befindet, sein. Durch letztere ist, weil P an dem-
selben Orte dos Raumes immer denselben Werth behält, bei
dem vorausgesetzten einfachen Falle der Bewegung auch die
Lage des Körpers bestimmt. Es muss also, da:
432 J. Stefan.
dP
dA^ m-, da durch mdP
da
dargestellt werden kann:
(1) dQ-mdP^dU
sein, unter U eine Function von P und T verstanden. Was
den Ausdruck von dQ anbelangt, so kann man:
(2) dQ^adT+ßdP
setzen, und die Forderung, dass dQ — mdP ein vollständiges
Differential sein muss, führt zu der Relation:
.n. da dß dm
Von der Wärmeentwickelung durch Inductionsströme,,
welche bei der Bewegung des Eisens in diesem, im Magnete
und in anderen Leitern entstehen, soll abgesehen werden
Sie kann auch durch Verlangsamung der Bewegung beliebig
klein gemacht werden. Bezüglich des Eisens soll voraus-
gesetzt werden, dass bei derselben Temperatur einem gege-
benen Werthe von P nur ein bestimmter Werth vi ent-
spricht. Dann ist der ausgeführte Kreisprocess auch um-
kehrbar und auf den Ausdruck (2) der zweite Hauptsatz der
mechanischen Wärmelehre, nach welchem der Quotient von
dQ und T ein vollständiges Differential sein muss, anwend-
bar. Daraus ergibt sich die Relation:
{i\ ^ _ ^ _ ji
^' dP'^ dT T'
Aus (3) und (4) erhält man:
(5) ß='^Sl-
Für einen adiabatischen Vorgang, d. i. für dQ = 0, gibt
die Gleichung (2) mit (5) die Temperaturänderung:
(6) dT==-^p^dP,
auf welche als eine nothwendige Consequenz der beiden ther-
niodynamischen Hauptsätze zuerst W. Thomson^) aufmerk-
sam gemacht hat.
Setzt man in (3) den Werth von ß aus (5) ein, so erhält
man zur Bestimmung von a die Gleichung:
li W. Thomson, Phil. Mag. lö) 5. p. 25. Iö78.
Thermomagnetische Motoren. 483
aus der hervorgeht, dass a von P UDabhängig ist, wenn m
bei gleichbleibender magnetisirender Kraft mit der Tempe-
ratur in linearer Weise sich ändert. Im allgemeinen aber
gibt die Gleichung (7):
p
(8) « - «„ = /r J> dP.
0
Nimmt man die Masse des Eisenkörpers = 1 an, so be-
deutet a die specifische Wärme dieses Eisenkörpers im
magnetischen Felde von der Intensität P, a^ jene im Felde
von der Intensität Null, d. i. die gewöhnliche specifische
Wärme des Eisens.
Es ist a als die specifische Wärme dieses Eisenkörpers
und nicht als die des Eisens bezeichnet worden. Da bei
denselben Werthen von T und P das magnetische Moment
m von der Form des Körpers abhängig ist, so ist dies auch
bezüglich a der Fall.
Wird der Eisenkörper ohne Mittheilung oder Ableitung
von Wärme aus dem Felde Null in das Feld P gezogen, so
ändert sich, der Formel (6) entsprechend, seine Temperatur.
Soll die Anziehung bei constanter Temperatur stattfinden,
so muss dem Körper eine Wärmemenge:
p p p
jßdF^JT%dF^T^%i'mdF,
0 U ü
oder, wenn man das letzte Integral in dieser Gleichung, wel-
ches die bei diesem Vorgänge gewonnene Arbeit bedeutet,
mit L bezeichnet, die Wärmemenge T{dLldT) zugeführt
werden. Wenn L mit steigender Temperatur abnimmt, ist
dieser Ausdruck negativ, d. h. es muss dem Körper Wärme
entzogen werden, und stellt:
Mr__ 77 dL
dT
die bei der Annäherung des Eisens an den Magnet gewon-
nene Wärme dar.
Unter derselben Voraussetzung, dass T während der
Änii. d. Phjg. Q. Chemie. N. F. XXXVIII. 28
434 J. Stefan.
Bewegung des Eisenkörpers constant erhalten werde , kann
man die Formel (8) in:
_- rpd^L _ d IrpdL ^\
^ - ^0 - ^ rfyt - ^2-^^ ~dt "" ^j '
oder in: « — cz^ = dT~
transformiren. Wird der Körper im Felde P von T^ auf T^
erwärmt, so ist dazu mehr Wärme nöthig, als zur gleichen
Temperaturerhöhung ausserhalb des Feldes und dieser Mehr-
betrag von Wärme ist bestimmt durch :
(9) f[a^a,)dT^ ^o + ^o - ^i-A.
worin W^^ Lq und W^j L^ dieselbe Bedeutung für die Tem-
peraturen Tq und 7\ haben, welche W und L für die Tem-
peratur T besitzen.
Geschieht die Annäherung des Eisenkörpers an den
Magnet bei einer Temperatur T^, bei welcher sich die Mag-
netisirbarkeit des Eisens nur wenig ändert, so ist W^ sehr
klein. Entfernt man das Eisen von dem Magnet bei einer
Temperatur 7\, bei welcher das Eisen nahezu unmagnetisch
und sowohl L^ als auch W^ sehr klein ist, so bedeutet dann
Lq die bei dem ganzen Processe gewonnene Arbeit, welcher
der berechnete Aufwand von Wärme äquivalent ist.
Was die bei diesem Vorgange gewonnene Arbeit Lq
anbetriflft, so ist dieselbe ebenso gross wie jene, welche man
mit einem electromagnetischen Motor von gleicher Feldstärke
und mit demselben Eisenkörper erzielt, sobald man nach
der Anziehung des Körpers den magnetisirenden Strom
unterbricht und den Körper wieder vom Electromagnet ent-
fernt. In Wirklichkeit ist die Arbeit des thermomagneti-
schen Motors noch grösser, weil bei ihm die schädliche
Wirkung eines remanenten Magnetismus beim Wegziehen
des Körpers nicht vorhanden ist.
In dem besonderen Falle, dass m eine lineare Function
von T ist, wird a^a^. Die Gleichung (9) gibt dann die
gewonnene Arbeit:
/ _ / ^ iv ^ ly
Thermoma^netische Motoren, 435
Die Wärmemenge, welche dem Eisenkörper beim Weg-
ziehen aus dem magnetischen Felde zugeführt werden muss,
damit er die Temperatur T, beibehält, ist grösser als die
beim Einführen in das Feld gewonnene, der Ueberschuss
bildet das Äequivalent der gewonnenen Arbeit.
Geschieht die Bewegung des Eisens in das Feld und
aus dem Felde ohne Abfuhr oder Zufuhr von Wärme, so
erwärmt sich das Eisen bei der Bewegung in das Feld von
Tq auf Tj, wird es darauf im Felde weiter auf T^ erwärmt,
dann aus dem Felde weggezogen, so kühlt es sich auf T,
ab und wird durch weitere Abkühlung auf T^ in seinen
ursprünglichen Zustand gebracht. Die Wärmemenge:
J udT - ^adT
bildet das Aequivalent der gewonnenen Arbeit. Die Be-
ziehung zwischen T^ und T^ und zwischen T^ und T,, liefert
die Gleichung (6).
Setzt man z. B.:
m = h - cT,
worin h und c nur von P abhängig sind, so hat man:
y- = cdP.
u ist von 7* abhängig. Nimmt man es constant an, so folgt:
p
0
Bezeichnet man die zweite Seite dieser Gleichung mit A,
so kann man: T^ == T^^
schreiben, und in gleicher Weise folgt:
und man kann die gewonnene Arbeit nun durch einen Aus-
druck darstellen, der nur die als gegeben zu betrachtenden
Temperaturen Tq und T^ enthält. Von der Grösse h ist
diese Arbeit gar nicht abhängig.
Die Gleichung (1), welche die Anwendung des ersten
Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie auf das Problem
eines thermomagnetischen Motors darstellt, ist speciell mit
28*
436 ,/. Sttfan.
Rücksicht auf dieses Problem abgeleitet worden. Ihre Gil-
tigkeit ist jedoch nicht auf diesen Fall beschränkt, sie er-
streckt sich auch noch auf Fälle ganz anderer ^rt.
Zunächst muss hervorgehoben werden, dass die Glei-
chung auch in andere Formen gebracht werden kann. Von
dem Ausdrucke dQ—mdP der Gleichung:
(I) dQ-^mdP^dü
wird nur die Eigenschaft benutzt, dass er ein vollständiges
DiflFerential einer Function der Variablen P und T bildet.
Diese Eigenschaft hat aber auch jeder andere Ausdruck,
welcher aus dem angeführten durch Hinzufügung des voll-
ständigen Differentials einer beliebigen Function dieser
Variablen gebildet wird. So z. B. kann man statt von (1)
auch von der ^ Gleichung:
(10) dQ + d[mP) - mdP = dlTy
welche man kürzer auch durch:
(II) dQ + Pdm = dü'
darstellen kann, ausgehen.
Die Gleichung (10) kann man auch durch eine unmittel-
bare Betrachtung gewinnen. Den Gesetzen der magnetischen
Kräfte oder, genauer gesagt, den Formeln, welche wir bei
der Berechnung magnetischer Vorgänge anwenden, ent-
sprechend ist ein Magnet als Träger eines Vorrathes von
Energie zu betrachten. Zieht der Magnet ein Eisenstück
an, so vermindert sich dieser Vorrath um den absoluten
Betrag des Potentials des Magnets auf die freien magneti-
schen Massen des Eisens, für welches Potential die Rech-
nung einen negativen Werth, in dem hier behandelten Falle
— mP, liefert Dieser Energieverminderung stehen als Aequi-
valent gegenüber: 1. Eine Vermehrung der magnetischen
Energie, welche durch das Potential der freien magnetischen
Massen des Eisens auf sich selbst gemessen wird. 2. Die
zur üeberwindung der inneren Kräfte im Eisen, welche sich
seiner Magnetisirung entgegenstellen, aufgewendete Arbeit.
3. Die von dem Eisenkörper gewonnene lebendige Kraft
oder die von ihm abgegebene mechanische Arbeit. Da letz-
tere für eine kleine Verschiebung durch mdP gegeben ist,
so beträgt der gleichzeitige Zuwachs der inneren Energie
des Eisens d{mP) — mdP. Wird zugleich dem Eisenkörper
Thermo magiietisciie Motoren. 437
die Wärmemenge dQ zugeführt, so beträgt die Zunahme
seiner inneren Energie dQ + d(mP) — mdP, wenn m durch
die eintretende Temperaturzunahme nicht geändert wird.
Ist aber m von der Temperatur abhängig und wird unter
d[mP) nicht blos die Aenderung von mP durch die Aende-
rung der Lage des Eisens, sondern wie in der Gleichung
(10) das totale Differential nach P und nach T verstanden,
so ist damit zugleich die Annahme gemacht, dass jede
Variation eines magnetischen Potentials, mag sie durch mag-
netische Kräfte oder durch Wärme erfolgt sein, eine äqui-
valente Variation von Energie bedeutet.
Hiermit ist auch die Bedeutung der Function U' als
der inneren Energie des Eisenkörpers dargelegt Die Func-
tion U in der Gleichung (1) kann man als die innere Ener-
gie des aus dem Magnet und dem Eisenkörper bestehenden
Systems bezeichnen, da man U=^ U'— mP + C setzen kann,
worin C eine Constante ist und als die innere Energie des als
unveränderlich vorausgesetzten Magnets aufgefasst werden darf.
Wird die Gleichung (10) in die einfachere Form (11)
gebracht, so bedeutet darin Pdm die Arbeit, welche die
magnetische Kraft P bei der Vergrösserung des magneti-
schen Momentes m um dm leistet, stellt also das Element
der Magnetisirungsarbeit dar. Auch Gleichung (11) lässt
sich unmittelbar ableiten, wenn man von vornherein Pdm
als jenen Theil der vom Eisenkörper aufgenommenen Energie
definirt, welcher zur Veränderung seines inneren Zustandes
diont.
Diese Definition ist von Wichtigkeit, weil sie sofort die
Giltigkeit der Gleichung (11) und somit auch der Gleichung
(1) für den Fall eines veränderlichen magnetischen Feldes,
z. B. des Feldes eines electrischen Stromes gibt, für welchen
Fall die der Ableitung der Gleichung (1) zu Grunde gelegte
Schlusswcisc nicht anwendbar ist. Es ist vielleicht nicht
überflüssig, diesen Fall noch besonders zu betrachten.
Die Wirkung eines geschlossenen Stromleiters auf einen
Magnet oder Eisenkörper ist ebenfalls durch ein Potential,
welches das electromagnetische genannt wird, bestimmt.
Handelt es sich um statische Verhältnisse, so kann die
Wirkung eines solchen Leiters auch durch die eines Mag-
438 «7. Stefan.
nets ersetzt werden. Für dynamische Vorgänge ist dies
nicht der Fall, weil bei solchen die Intensität des Stromes
veränderlich und von der Geschwindigkeit abhängig ist, mit
der sich die Vorgänge abspielen. Das electromagnetische
Potential hat auch nicht, wie das magnetische, bei einem
positiven Werthe die Bedeutung eines Vorrathes von Energie,
wohl aber kann es zur Berechnung der Energieverwand-
lungen, welche jede electromagnetische Action begleiten, ver-
wendet werden.
Die Intensität des Stromes soll mit J bezeichnet wer-
den. Das Potential desselben auf das Eisenstück vom Moment
m kann durch ??jJF ausgedrückt werden, worin V nur von
der relativen Lage des Eisenstückes und des Stromleiters
abhängig ist. Aendem sich infolge der Stromwirkung m
und F, so entsteht im Stromleiter eine dem Strome J ent-
gegengesetzte electromo torische Kraft von der Grösse d [m V)ldt,
unter dt das Zeitelement verstanden und es verschwindet in
der Leitung während der Zeit dt eine electrische Energie
im Betrage von:
jl(^dt=^Jd{mV).
Ein Theil dieser Energie, und zwar der Theil mJdVj
verwandelt sich in mechanische Arbeit, der Rest vergrössert
die innere Energie des Eisenkörpers. Die Gleichung (10)
erhält also jetzt die Form:
(12) dQ + Jd{m V) - mJd V^dü\
Dabei ist wieder vorausgesetzt, dass die durch eine Ver-
änderung von m V bestimmte inducirte electromotorisclie Kraft
immer dieselbe bleibt, auf welche Art immer diese Verände-
rung entstanden ist. Die Gleichung (12) reducirt sich auf:
(13) dQ + JVdm^dU'
welche mit (11) identisch ist, da JF dieselbe Bedeutung hat,
wie P, Man kommt aber von (12) auch auf die Gleichung
(1), wenn man auf beiden Seiten der ersteren ^d{mJV)
hinzufügt. Man gelangt aber zu einer Gleichung, welche mit
den Gesetzen der elcctromagnetischen Induction nicht im
Einklänge steht, wenn man in derselben Weise, wie bei der
ursprünglichen Ableitung der Gleichung (1) schliessend, die
Thermomagnetische Motoren, 439
Differenz der zugeführten Wärme und der gewonnenen Arbeit
als ein vollständiges Differential betrachtet.
Da das Moment m von J und V nur in der Art ab-
hängig ist, als diese zwei Grössen in JV vereinigt sind, so
folgt aus der Gleichung (13), dass man auch in dem Falle,
dass J und V unabhängig von einander veränderlich sind, die
zugeführte Wärme nur als Function von zwei Variabein,
nämlich von T und JF= F zu betrachten hat.
Nachträglicher Zusatz.
Die Formel (6) für die bei der Magnetisirung eintretende
Temperaturänderung ist auch von Wassmuth und von
Warburg abgeleitet worden. Sie wurde mit den Versuchen
in Verbindung gebracht, welche über die Wärmeentwickelung
im Eisen bei periodisch wiederholten Magnetisirungen und
Entmagnetisirungen desselben angestellt worden sind. Die
durch die Formel (6) bestimmte Temperaturänderung hat
jedoch, wie schon Warburg bemerkt hat, auf die bei sol-
chen Versuchen beobachtete keinen messbaren Einfluss, weil
die bei aufsteigender magnetisirender Kraft eintretende durch
die entgegengesetzte bei abfallender Kraft nahezu aufge-
hoben wird. Die von Wassmuth^) behauptete Ueberein-
stimmung der Formel (6) mit den Versuchen von Herwig^)
beruht auf der unzulässigen Voraussetzung, dass die Tem-
peraturänderung bei steigender wie bei fallender Kraft in
demselben Sinne erfolgt. Die Quellen der bei solchen Ver-
suchen beobachteten Wärme sind in der Abhandlung von
War bürg und Hönig^) dargelegt und eingehend discutirt.
Aus diesem Anlass entwickelte sich noch eine Contro-
verse über die Form, in welcher der erste Hauptsatz der
mechanischen Wärmetheorie auf magnetische Vorgänge an-
zuwenden ist. Während Warburg bei der Entwickelung
der Formel (6) von der Gleichung (1) ausging, benutzte
Wassmuth die Gleichung (11) und vertheidigte seinen Vor-
gang als den richtigen, worauf Warburg*) die Gültigkeit
1) Wassmuth, Wien. Ber. 89. (2) p. 104. 1884.
2) Herwig, Wied. Ann. 4. p. 177. 1878.
3) Warburg u. flönig, Wied. Ann. 20. p. 814. 1883.
4) Warburg, Wien. Ber. 96. (2) p. 1256, 1887.
440 J. Stefan.
der Gleichung (1) an einem besonderen Falle demonstrirte.
Bei dieser Controverse ist übersehen worden, dass beide
Gleichungen zu derselben Formel führten und dies thun
mussten, weil ihre Ansätze nur um ein completes Differential
von einander verschieden sind.
VII. Ueber die Herstellung intensiver fniignetischer
Felder; von J. Stefan.
(Aus den Sitzungbber. d. kais. Acad. d. Wiss. in Wien, math.-naturw.
Bd. 97. Abth. IIa. vom 9. Febr. 1888; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
Es sei ein Electromagnet gegeben, ähnlich jenem von
Ruhm kor ff. Zwei Eisency linder mit gemeinschaftlicher
Axe stehen einander gegenüber. Das zu betrachtende mag-
netische Feld liegt zwischen den Endflächen dieser Eisen-
kerne. Es soll vorausgesetzt werden, dass diese bis zum
Maximum magnetisirt sind, sodass die Axen aller Elementar-
magnete parallel der Cylinderaxe gerichtet sind. Sind die
Endflächen eben und auf der Axe senkrecht, so stehen die
Elementarmagnete auf den Endflächen senkrecht auf, und die
Wirkung der Eisenkerne ist so beschaffen, als wären ihre
Endflächen mit magnetischen Massen von der gleichförmigen
Dichte u, die eine positiv, die andere negativ, belegt, n be-
deutet das Maximum des magnetischen Momentes, welches
die Volumeneinheit Eisen annehmen kann.
Im Mittelpunkte der die beiden Polflächen verbindenden
Axe üben die Eisenkerne auf die Einheit der magnetischen
Masse eine Kraft aus, deren Grösse durch:
(1) H=Anu[l-^j^:^-
gegeben ist. Darin bedeutet 2a die Entfernung der beiden
Polflächen, r den Radius der Eisenkerne. Ist letzterer gross
gegen ö, so kann H=47iu gesetzt werden. Nimmt man
Iti= 1700 absoluten Einheiten an^), so wird // = 21360 Ein-
heiten. Die Intensität des magnetischen Feldes im Mittel-
1) Fromme, Wied. Ann. 33. p. 286. 1888.
Intensive magnetische Felder. 441
punkte desselben wird noch grOsser sein, da zu // auch die
Wirkung der magnetisirenden Stromspirale hinzukommt.
Diese ist im Vergleich zu H gewöhnlich nicht gross. Sie
ist =4 TT«/, wenn J die auf ein Centimeter der Axe ent-
fallende Strommenge bedeutet; für J= 1000 Ampfere oder
= 100 absoluten Einheiten beträgt dieselbe 1256.
Die Wirkung, welche die Eisenkerne im Mittelpunkte
des Feldes ausüben, kann ohne Beschränkung der axialen
Ausdehnung des letzteren verstärkt werden, wenn man ihren
Endflächen eine andere Gestalt gibt. Diese Verstärkung
erreicht den grössten Werth, wenn man den Enden der Eisen-
kerne die Form von abgestutzten Kegeln gibt, derart, dass
die Erzeugungslinien der beiden Kegelflächen durch den
Mittelpunkt des Feldes gehen und mit seiner Axe einen
Winkel von 54^ 44' oder, genau gesagt, einen Winkel bilden,
dessen Tangente = y2 ist.
Zu dieser Regel fuhrt folgende einfache Betrachtung.
Ein sehr dünner Ring von der Masse m und dem Radius A,
dessen Mittelpunkt in einer Axe OX liegt und von O um
die Strecke x entfernt ist, dessen Ebene auf dieser Axe
senkrecht steht, übt nach dem Newton'schen Gesetze auf
die Masseneinheit in O mit einer Kraft, deren Richtung in
die Axe OX fällt, deren Grösse durch:
bestimmt ist. Diese Kraft erhält ihren grössten Werth,
wenn man x so wählt, dass h^ = 2x\ oder dass die Tangente
des Winkels, welchen der von O zu einem Punkte der Ring-
linie gezogene Radiusvector mit der Axe bildet, « y2 ist.
Wenn die in der angegebenen Weise construirten Kegel-
flächen die Endflächen der Eisenkerne schneiden, so ist es
Yortheilhaft, die magnetischen Massen, welche ausserhalb der
Kegelflächen liegen, in diese zu verlegen. Dies geschieht,
wenn die ausserhalb der Kegelflächen liegenden Eisenmassen
weggenommen werden. Solche in Kegel auslaufende Eisen-
kerne geben nur für ein Feld von bestimmter Länge das
Maximum der Wirkung. Soll ein und derselbe Electromag-
net für verschieden lange Felder in derselben Weise dienen,
so kann man die Einrichtung wohl so treffen, dass man die
442 «7. Stefan.
Eisenkerne in ebenen Flächen abschliesst und diese mit
kegelförmigen Ansätzen oder Ankern von der Torgeschriebe-
nen Form belegt Man könnte sagen, dass solche Anker
wie ein System von Sammellinsen wirken, durch welches ein
cylindrisches Büschel von parallelen Kraftlinien in ein eben-
solches Büschel von kleinerem Querschnitt zusammengedrängt
wird.
Die Grösse der magnetischen Kraft im Mittelpunkte
des Feldes ist leicht zu berechnen. Sie setzt sich aus zwei
Theilen zusammen. Der erste Theil rührt her von den
ebenen Endflächen der Kegel, welche dem Mittelpunkte zu-
gekehrt sind. Er folgt aus der Formel (1), wenn man in
derselben r = rty2 setzt Sein Werth ist also:
iA = 4«,(i-V)
Den zweiten Theil der Kraft liefern die freien magne-
tischen Massen auf den beiden Kegelflächen. Die Dichte
dieser Massen ist gleich dem Producte aus fi und dem Cosi-
nus des Winkels, den die Normale zur Kegelfläche mit der
Richtung der Magnetisirung bildet. Der Cosinus dieses
Winkels ist gleich dem Sinus des Winkels a, welchen die
Erzeugende der Kegelfläche mit der Axe bildet. Bezeichnet
man mit u die Entfernung eines Punktes der Kegelfläche
vom Mittelpunkte des Feldes, beschreibt mit usina als
Radius einen Kreis und lässt u um du wachsen, so erhält
man einen ringförmigen Streifen, auf welchem die Masse
27ifjL sin^audu sich beflndet. Setzt man diesen Ausdruck
für in in die Formel (2) und führt x = u cos« ein, so erhält
man für die Kraft, welche dieser Streifen in O ausübt,
271 fx sin^ a cos a {du/u). Der Ausdruck ist zu integriren von
u = Uq bis 7t = u^ und dann doppelt zu nehmen. Es ist:
Man erhält:
u r
?/ = u = -, -
•* cos n ' 1 ßiii a
17 4 • o 1 r cos u
// = 4inu sin-a cos« log . -
^ ° a sin «
T. . V2 1
Da: sina= . , cos« = — ->
so folgt:
V3 ' V3
Intensive mtzgnetische Felder. 443
(3) .¥, = 4;r|ii.-^-log ^
3 V3 a V2
Beide Theile H^ und H^ zusammen geben die Kraft:
oder:
(4) H^ 4nfi (o,2893 + 0,8863 Log ^) ,
worin mit Log der gewöhnliche Logarithmus bezeichnet ist.
Für r = 10a erhält man //= 1,1756. 4;i:/i, während die
Formel (1) für diesen Fall H^OfiAn^ liefert.
Für r = 20a wird //= 1,442 .4;ra und für ebene Pol-
flächen H=^{),dbA7tfjL.
Die Formel (4) kann auch benutzt werden zur Bestim-
mung des Verhältnisses von r zu a, welches einem vorge-
schriebenen Werthe von H entspricht Soll z. B. H^Snu
werden, so ist r = 85a zu nehmen. Die Formel gibt die
Möglichkeit der Steigerung von // bis zu unendlich grossen
Werthen zu. In praktischer Hinsicht hat dies jedoch wenig
zu bedeuten, weil bei dem langsamen Wachsen der Loga-
rithmen im Vergleich zu jenem der Zahlen sehr bald Con-
structionsbedingungen sich ergeben, die unausführbar werden.
Für die Vornahme von Maassbestimmungen in einem
magnetischen Felde ist es meistens von Wichtigkeit, dass
dasselbe von einem homogenen Felde nur wenig abweiche.
Handelt es sich nur um eine kleine Strecke im mittleren
Theile des Feldes, so kann zur Beurtheilung dieser Abwei-
chung der Werth dienen, welchen der zweite Differential-
quotient der Kraft nach der Richtung der Axe für den
Mittelpunkt derselben annimmt.
Für den Fall ebener Polflächen erhält man:
Mit wachsendem r nähert sich der Ausdruck dem Werthe
Null.
Für das Feld zwischen den kegelförmigen Polen besteht
der zu berechnende zweite Differentialquotient der Kraft,
sowie diese aus zwei Theilen. Der erste Theil, der den
ebenen Endflächen der beiden Kegel entspricht, folgt aus
444 J. Stefan.
der vorigen Formel, wenn man in ihr r^ = 2a* setzt. Der
zweite Theil folgt aus dem Ausdruck für die Kraft, welche
die Massenbelegungen der beiden Kegelflächen auf einen um
X vom Mittelpunkte entfernten und auf der Axe liegenden
Punkt ausüben. Dieser Ausdruck ist:
//= Ana sin««[p,log J + ^[^ - ^,)
+ ^'~(^«-;^) + --]'
worin Pj, P,, Pg, . . . Kugelfunctionen von cos a bedeuten.
Beide Theile zusammengenommen geben:
welcher Ausdruck mit wachsendem r nicht gegen Null con-
vergirt, sondern gegen eine endliche Grenze. In dieser Hin-
sicht ist das Feld zwischen den kegelförmigen Polen weniger
günstig, als jenes zwischen flachen Polen.
Handelt es sich um die Benutzung der ganzen Länge
des Feldes, so ist zur Beurtheilung desselben die Kenntniss
der Kraft an den Enden desselben wichtig. Sind die Polflächen
eben, so ist die Kraft H' am Ende der Axe, d. h. in einem
Punkte des Feldes, der unendlich nahe an der Polfläche liegt,
bestimmt durch:
sodass:
wird. Diese Differenz convergirt bei wachsendem r gegen
Null. Für r = 10« z. B. beträgt sie 0,0014.4 >Ta = 0,0016 Ä
Für die Differenz der Kräfte am Ende und in der Mitte
eines Feldes zwischen kegelförmigen Polen findet man:
(7) H' -11= 'infjL [0,040 + 0,257 ^,] + 0,036 ^'
Für r= lOa erhält man /i'- //= 0,04 8.4 ;ri[i = 0,036 //,
für r=20a wird /i' - J^= 0,04 14. 4 >T/i= 0,030/7. Mit wach-
Sender Verstärkung des Feldes wird seine Abweichung von
einem homogenen geringer. Man sieht jedoch, dass diese
auch für massigere Werthe von r nicht so gross ist, dass
Intensive magnetische Felder, 445
man deshalb den Vortheil der grösseren Intensität, welchen
die kegelförmigen Pole gewähren, aufzugeben brauchte.
Die Zahl 0,040 in der Formel (7) ist die Differenz zweier
Zahlen 0,169 und 0,129. Die erstere entspricht der Zu-
nahme, welche der von den ebenen Theilen der Eisenkerne
herrührende Antheil der Kraft am Ende der Axe erfährt.
Die zweite Zahl entspricht einer Abnahme der Kraft, welche
von den magnetischen Massen auf den Kegelflächen ausge-
übt wird. Für diese letztere Kraft H^ allein ist statt der
Formel (7) die Formel:
(8) «; - H^ = 4;riu (- 0,129 + 0,257 ^ + 0,036 ^ + • • •)
anzuwenden.
Für gewisse optische Untersuchungen ist es nothwendig,
die Eisenkerne des Electromagnets zu durchbohren. Eine
solche Bohrung hat immer eine sehr bedeutende Deformation
des magnetischen Feldes zur Folge. Ist der Durchmesser
der Bohrung klein gegen die Länge des Feldes, so ist die
Abschwächung der Kraft, welche die Bohrung verursacht, in
der Mitte des Feldes nur klein, hingegen beträgt sie am Ende
des Feldes 2n^i mehr derjenigen Grösse, um welche die
Kraft der ausserhalb der Endebene befindlichen magnetischen
Massen im Endpunkte der Axe kleiner ist als im Mittel-
punkte. Die Verminderung der Kraft im Mittelpunkte ist
durch:
,9) ^„-4,.(.-^=?=,)
bestimmt, wenn r^ den Radius der Bohrung bedeutet. Für
den Endpunkt ist die Verminderung:
(10, J'=-i„,(,-.^^^^.
Der Abfall der Kraft wird erst in der Nähe des Endes
der Axe bedeutend. Ist z. B. der Durchmesser der Bohrung
gleich dem fünften Theile der Länge des Feldes, also a=5ro,
so beträgt die Verminderung der Kraft im Mittelpunkte des
Feldes 0,0194. 4;r.£i, am Ende des ersten, zweiten, dritten,
vierten und letzten Fünftels ist dieselbe == 4;ra multiplicirt
mit den Zahlen 0,0217, 0,0307, 0,0566, 0,1495, 0,5025. Dieses
Beispiel zeigt, dass bei Electromagneten mit durchbohrten
446 J. Stefan.
Eisenkernen nur ein beschränkter Theil des magnetischen
Feldes zu genauen Messungen sich eignet.
Bei Eisenkernen mit ebenen Polflächen brächst die mag-
netische Kraft im Mittelpunkte der Axe, wenn die Eisen-
kerne immer mehr einander genähert werden, bis zum Maxi-
mum ^TtpL. Sind die Eisenkerne durchbohrt, so gilt dies
nicht mehr. Es gibt dann eine bestimmte Distanz der Pol-
flachen, bei welcher der Mittelpunkt des magnetischen Feldes
das Maximum der Intensität erhält, welches Maximum aber
kleiner ist als Anyi.
Der Ausdruck für die Kraft im Mittelpunkte des Feldes
kann auf die Form:
gebracht werden. Sind der Radius r der Eisenkerne und
der Radius r^ der Bohrung gegeben, so wird H ein Maximum,
wenn man a so wählt, dass die Gleichung:
r-o« r«
erfüllt wird. Setzt man rlr^^ », so findet man zur Bestim-
mung von a die Gleichung:
(11) «2=V
2 n^' + 1
n
z. B. für n = 10, wird a- = 3,82 r^S a = 1,95 r,^. Man wird
also ein sehr günstiges Resultat erzielen, wenn man a = 2rQ
wählt. Für die Intensität des Feldes in der Mitte, welche
durch 11+ /t bestimmt ist, findet man aus den Formeln (1),
(6) und (9) den Werth 0,698.4;r]M, für die Intensität am
Ende des Feldes findet man aus (1), (6) und (9) H' + A'
= 0.299 . 4;r^i. Für kegelförmige Eisenkerne findet man
unter der Voraussetzung derselben Länge des magnetischen
Feldes und derselben Radien //+ J = 0,803 . 4/Tju und
//'+ J'= 0,444. 4;rjM, es ist also nicht nur die Intensität in
der Mitte grösser, sondern auch der Abfall derselben gegen
das Ende kleiner, als bei ebenen Polflächen.
Wenn die Länge des magnetischen Feldes kleiner ge-
wählt werden darf als der Durchmesser der Bohrung, wie es
ja bei den Versuchen über die Drehung der Polarisations-
Intensive inagnetische Felder, 447
ebene des Lichtes in dünnen Metallschichten, welche in das
magnetische Feld gebracht werden, der Fall ist, so kann
man die kegelförmigen Eisenkerne auch so construiren, dass
an den zugekehrten Enden derselben gar keine ebenen End-
flächen übrig bleiben. Man wird so eine grössere Intensität
des Feldes erzielen. Zur Berechnung der magnetischen Kraft
in der Mitte des Feldes ist dann statt der Formel (4) die
Formel (3), welche die Gestalt:
//2 = 4.T|U- ~log- = 4;riM.0,8863Log-
0 '0
annimmt, zu verwenden. Zur Bestimmung der Kraft H^' am
Ende des Feldes dient die Formel (8).
VIII. Bemerkungen zu dem Aufsatze
des Hm. Tammann : „ lieber die Gesetze der Dampf-
spannungen wässeriger Salzlösungen etc.^^^);
von -B. Emden.
Hr. Tammann hat Einwendungen gemacht, sowohl
gegen die in meiner Arbeit:- „Ueber die Dampfspannungen
der Salzlösungen" 2) beschriebene Versuchsweise, als auch
gegen das durch meine Messungen bestätigte B ab o' sehe
Gesetz. Er hat aus den von mir gegebenen Formeln die
Dampfspannungsverminderungen von Salzlösungen bei 100^
berechnet, mit den von ihm gefundenen Werthen verglichen
und gefunden, dass sie durchschnittlich einige Millimeter
grösser ausgefallen sind. Den Grund hierfür sucht er in
Folgendem. Hr. Tammann hatte nachgewiesen^), dass Flüs-
sigkeiten, denen geringe Mengen anderer flüchtiger Substanzen
beigemengt sind, nach einer Verkleinerung oder Vergrösse-
rung des Dampfraumes Dampfspannungsänderungen zeigten,
und dass eine gewisse Zeit erforderlich war, bis die Dampf-
spannung ihren normalen Werth wieder erreicht hatte. Doch
1) l'ammann, Wied. Ann. 8ß. p. 692. 18f9.
2) Emden, Wied. Ann. 31. p. 145. 1887.
3) Tammann, Wied. Ann. 32. p. 684. U87.
448 Ä. Emden.
zeigte sieb schon hier, wenn Wasser das Lösungsmittel war,
und auch bei einigen anderen Lösungsmitteln, nach einer
Dilatation nach 1 — 2 Minuten keine merkliche Aenderung der
D ampfspannung mehr. Diese Verhältnisse überträgt Hr. T a m -
mann direct auf Salzlösungen. Bei meinen Versuchen be-
trug, was in meiner Arbeit nicht besonders erwähnt ist, die
Zeit zwischen einer Dilatation und deren Ablesung 2 — 8
Minuten. Diese Zeit hält Hr. T am mann für zu kurz und
sucht hierin den Grund für die Verschiedenheit unserer
Messungen. Hierzu ist zu bemerken: Ist eine Flüssigkeit
durch flüchtige Beimengungen verunreinigt, so müssen nach
Compressionen und Dilatationen Aenderungen der Dampf-
spannungen vorkommen; die Gründe hierfür sind von Hrn.
T am mann angegeben worden. Diese Verhältnisse lassen
sich aber nicht ohne weiteres auf Salzlösungen übertragen,
denn die Beimengungen des Wassers sind hier, weil Salze,
nicht flüchtig. Zwar wird auch hier nach einer Verkleine-
rung des Dampfraumes eine Aenderung der Dampfspannung
vorkommen müssen, da sich hierbei an den Manometer-
wandungen reines Wasser niederschlägt. Bei einer Ver-
grösserung des Dampfraumes ist aber ein Grund für ein
Nachwachsen der Dampfspannung nicht einzusehen. Es wer-
den eben nur die durch die betrefi'ende Temperatur gegebene
Anzahl Wassermolecüle die Flüssigkeit verlassen, und der
Dampf wird keine andere Zusammensetzung zeigen, als eben
reiner Wasserdampf hat. Die Flüssigkeit wird sich zwar
etwas abkühlen, allein Hr. T am mann gibt selbst zu, dass
bei meinen Manometern sich diese Temperaturänderungen
schon nach einer Minute ausgeglichen haben werden. In
der Flüssigkeit werden auch kleine Concentrationsstörungen
vorkommen, da sich der Dampf hauptsächlich in den Parthien
an der Oberfläche entwickelt. Allein auch diese Concen-
trationsstörungen müssen sich in meinen Manometern, die
durch die Rührvorrichtung ziemlich stark geschüttelt wurden,
nach zwei Minuten vollständig ausgeglichen haben. Auch
sind die in Dampfform weggehenden Mengen Wasser im
Verhältniss zur zurückbleibenden Masse so gering, dass
Dampfspannungsänderungen dadurch schwerlich nachweisbar
sind. Und schliesslich beruhen die Dampfspannungsände-
Dampfspannungen von Salzlösungen. 449
rungen in der oben erwähnten Arbeit des Hrn. Tarn mann
ja nicht in kleiner Concentrationsverschiedenheit der Flüssig-
keit, sondern darin, dass während der Dilatation auch flüch-
tige Substanzen in nicht controlirbarer Menge in den Dampf
übergehen, und dann Dampf und Flüssigkeit in ihrer Zu-
sammensetzung nicht übereinstimmen. Thatsächlich konnte
ich in meinen Manometern nach 2 — 3 Minuten auch keine
Aenderung der Dampfspannung mehr wahrnehmen. Ich be-
merkte in meiner Arbeit ausdrücklich^): „Selbstverständlich
geschah die Ablesung nur dann, wenn das Quecksilber einen
unveränderlichen Stand einhielt. Bei höheren Temperaturen
gab dies eine empfindlichere Probe auf die Constanz der
Temperatur, als sie die Beobachtung der Thermometer ge-
währt." Der von Hrn. Tammann angegebene Umstand
kann also nicht der Grund für die Verschiedenheit unserer
Messungen sein. Dies geht auch aus folgendem hervor. Die
von Hrn. Tammann vermuthete Fehlerquelle würde Fehler
geben, die immer nach der gleichen Seite hin liegen. Nun
untersuchte ich aber Salzlösungen, die nach den Messungen
des Hrn. Tammann nach verschiedenen Seiten hin vom
Babo'schen Gesetze abweichen. Hätte jene Fehlerquelle ge-
wirkt und für die einen Salze diese Abweichungen aufgehoben,
so müsste sie dieselbe für die anderen gerade verstärkt haben.
Die von mir untersuchten Lösungen zeigen ausnahmslos ein
Verhalten, wie es das Babo'sche Gesetz fordert.
Hr. Tammann behauptet ferner, dass Abweichungen
unserer Messungen nur in höheren Temperaturen vorkommen,
während dieselben in den niederen Temperaturen überein-
stimmen sollten. Nun betragen allerdings diese Abweichungen
in niederen Temperaturen öfters nur einige Zehntel Milli-
meter. Aber in diesen Temperaturen sind die Dampfspan-
nungen so viel kleiner, dass diese Abweichungen, procentisch
gerechnet, hier weit beträchtlicher sind, als in höheren Tem-
peraturen. Eine Uebereinstimmung unserer Messungen in
niederen Temperaturen findet also nicht statt, im Gegentheil
sind die Differenzen hier besonders beträchtlich.
Hr. Tammann schreibt ferner, ich hätte ihm vorge-
1) Emden, Wied. Ann. 31. p. 155. 1887.
Ann. (1. Phyg. u. Cham. N. F. XXXVIII. 29
450 B, Emden,
worfeD) seine Messungen unmittelbar nach einer Compression
angestellt zu haben. In meiher Arbeit steht indess kein
Satz, der diesen Vorwurf enthält. Hingegen bespricht
Hr. Tarn mann keine der Fehlerquellen, auf die ich auf-
merksam machte.
Vergleiche ich, wie es Hr. T am mann gethan hat, die
vorhandenen Arbeiten über das B ab o' sehe Gesetz, so komme
ich zu einem dem seinen entgegengesetzten Resultate.
Gegen das ß ab o' sehe Gesetz sprechen vor allem die
Arbeiten von Wüllner, Pauchon und Tammann, doch
erfolgen bei diesen verschiedenen Beobachtern die Abwei-
chungen vom Babo' sehen Gesetz bei ein und demselben
Salze öfters gerade nach entgegengesetzter Richtung, sodass
aus diesen Abweichungen eher der Schluss gezogen werden
kann, dass sie wohl Beobachtungsfehlern zuzuschreiben sind,
was besonders für Pauchon^) gelten dürfte, wo alle Abwei-
chungen denselben Sinn zeigen. Die Zahlen von Nicol-)
können beinahe ebensogut für wie gegen das Gesetz sprechen;
die Art und Weise, wie Nicol seine Zahlen berechnet, steht
in keinem Verhältniss zur Genauigkeit der Methode. An
NaCl-Lösungen endlich hat R. v. Helmhol tz^) bei niederen
Temperaturen Messungen vorgenommen und Abweichungen
vom Gesetze constatirt, doch sagt er selbst, dass es ihm
mehr um die Erprobung der Methode, als um absolut
richtige Zahlen zu thun war, und er deshalb die Calibrirung
seiner Thermometer, Manometer etc. unterliess. Werden in
niederen Temperaturen die Angaben der Thermometer nur
um wenige Hundertstel Grade geändert, so ändert sich u
bedeutend.
Abgesehen von meinen Messungen, welche das Babo'-
sehe Gesetz durchgehends innerhalb der Beobachtungsfehler
bestätigen, stehen damit im Einklang die Messungen, die
Wüllner*) in einer späteren Arbeit an Lösungen von Salz-
gemischen vornahm, auch wenn die Salze einzeln nach seiner
früheren Arbeit Abweichungen im selben Sinne bevrirkten.
1) Pauclion, Compt. rend. ^9. p. 18. 1879.
2) Nicol. I'hil. Mag. 22. p. ,">02. 1886.
8) R. V. Helmholtz, Wiod. Ann. 27. p. 5G8. 18S6.
4i Wüllner, Pog^i^. Ann. 105. p. 85. 185>.
Dampfspannungen von Salzlösungen, 451
Nur das Gemisch NaCl + Na^SO^ macht eine Ausnahme,
um so merkwürdiger, als auch nach Wüllner die Salze ein-
zeln dem Gesetze folgen. An CaCU-Lösungen hat Bremer^)
das B ab 0 'sehe Gesetz ebenfalls bestätigt gefunden; nur in
niederen Temperaturen machen sich Abweichungen geltend,
die aber, wie Bremer selbst sehr richtig bemerkt, durch
die in niederen Temperaturen sich besonders stark geltend
machenden unvermeidlichen Beobachtungsfehler erklärt wer-
den. Es sei hier noch bemerkt, dass nach einer ganz neuen,
sehr genauen Methode Walker*) solche Messungen in nie-
deren Temperaturen vornahm; die von ihm gefundenen u
stimmen genügend mit dem ju überein, das ich durch das
ganze Temperaturintervall constant fand. Wie für Salz-
lösungen, so gilt nach Raoult^) das Babo'sche Gesetz auch
für Lösungen nicht flüchtiger Stoße in Aether (nur bei einer
Lösung zeigten sich kleine Abweichungen). Daraus ist nun
wohl der Schluss zu ziehen, dass das Babo'sche Gesetz keine
grobe Annäherungsregel ist, wie Hr. Tammann sagt, son-
dern ein allgemeines Naturgesetz, dem für die Dampfdrucke
der Lösungen eine ähnliche Bedeutung zukommt, wie dem
Mariotte 'sehen Gesetz für die Gase. Wie die kinetische
Gastheorie das Mario tte'sche Gesetz für ideale Gase for-
dert, so kann das Babo'sche Gesetz für ideale Lösungen her-
geleitet werden aus den Betrachtungen, welche van'tHoff*)
über den osmotischen Druck angestellt hat, als auch aus denen,
die Planck^) seinen Arbeiten: „Ueber das Princip der Ver-
mehrung der Entropie" zu Grunde legt. Wie die Gase vom
Mariotte'schen Gesetz, so können die Lösungen auch vom
Babo'schen Gesetz abweichen, aber diese Abweichungen sind
keinesfalls so gross, wie sie Hr. Tammann gefunden hat,
sondern werden durch die bei Dampfspannungsmessungen
unvermeidlichen Beobachtungsfehler verdeckt.
1) Bremer. Rcc. d. trav. chim. des Pays-Bw. 6. p. 122. 1887.
2) Walker, Zoitschr. f. phys. Chem. 2. p. 602. 1888.
3) Kaoult, Compt. rend. 103, p. 1125. 1886; Zeitschr. f. phys. Chem.
2. p. 353. 1S88.
4) Vaii'tHoff, Zeitsch. f. phys. Chem. 1. p. 481. 1^37.
5) Planck, Wied. Ann. 30. p. 562. 1887; 31. p. 189. IböT: 32. p. 462.
1887.
2'.»*
452 R, Emden,
Gegen die Gültigkeit des Babo' sehen Gesetzes werden
von Hrn. Tammann die Kirchhoff'schen Formeln ange-
führt, die eine Beziehung ergeben zwischen Yerdünnungs-
wärme und Dampfspannung der Salzlösungen. Nun hat aber
bereits Duhem^) Bedenken gegen die Richtigkeit dieser
Formeln geltend gemacht; und die von Arons^) aus diesen
Formeln unter Zugrundelegung der Will In er 'sehen Zahlen
berechneten Verdünnungswärmen sind mit den wirklich be-
obachteten absolut nicht vergleichbar. Aber selbst wenn
diese Formeln richtig sein sollten, so können doch die da-
durch erforderlichen Abweichungen vom Babo 'sehen Gesetz
so klein sein, dass sie durch Beobachtungsfehler verdeckt
werden. Auch ist möglich, dass, wie die NaCl-Lösungen,
auch die anderen Salzlösungen in höheren Temperaturen das
Vorzeichen ihrer Verdüunungswärmen ändern, sodass auch
ju abwechselnd ab- und zunehmen müsste. Diese Verände-
rungen von II müssten dann aber erst recht schwer nach-
weisbai sein.
Wie bequem und genau man mit dem Babo'schen Ge-
setze rechnen kann, möchte ich nur an einem Beispiele
zeigen und dafür sogar die Zahlen des Hrn. Tammann an-
wenden. Es haben Guldberg und auch Kolä.£ek die Be-
ziehung abgeleitet:
10^ = 1,045 a. 772,
wo t die Gefriertemperatur der Salzlösung, 772 die Menge
Salz auf 100 Theile Wasser bedeutet, n beobachtet bei der
Temperatur des Gefrierpunktes. Nun ist aber nach dem
Babo'schen Gesetz ju unabhängig von der Temperatur, kann
also z. B. auch aus Siedepunktsbestimmung entnommen wer-
den. Alle Sätze, die für die Gefriertemperatur i in Bezug
auf ihre Abhängigkeit von den Concentrationen, Molecular-
gewicht etc. gelten, sind also ohne weiteres auf den Coefü-
cienten u übertragbar. Dann hat R. v. Helmholtz^) die
beobachteten Gefriertemperaturen den nach dieser For-
mel berechneten hier eine grosse Anzahl von Salzlösungen
1) Duhem, Compt rend. 104, p. 6h3. ISbT.
2) Arons, Wied. Ann. 25. p. 408. 1885.
3) R. V. Hi'lmholtz, Wied. Ann. 30. p. 401. 1887.
Dampf spannuji ff en von Salzlösungen, 453
gegenüber gestellt und dabei fi den Messungen von Tam-
mann in niederen Temperaturen entnommen , dabei aber
angegeben durch < oder >, ob jti nach Tammann zu- oder
abnimmt. Nun zeigte es sich aber fast ausnahmslos, dass
bei < der berechnete Gefrierpunkt zu hoch, bei > aber zu
tief ausgefallen ist, was auch R. v. Helmholtz nicht ent-
gangen ist. Im Gegensatz zu den Speculationen, die der-
selbe an dies auffällige Verhalten knüpft, erklärt sich die
Sache überaus einfach. Die Zahlenwerthe u des Herrn
Tammann sind in höheren Temperaturen, wo die Beob-
achtungsfehler sich, procentisch gerechnet, weniger stark
geltend machen , genauer als in niederen Temperaturen.
Hätte R. V. Helmholtz diese richtigem Werthe benutzt
und unter Anwendung des Babo 'sehen Gesetzes gerechnet,
so würde er eine sehr befriedigende Uebereinstimmung er-
halten haben.
Da das Babo'sche Gesetz gilt, so ist es also ohne
weiteres möglich, aus dem Siedepunkt einer nicht zu con-
centrirten Salzlösung ihren Gefrierpunkt, und umgekehrt, zu
berechnen.
IX. Messitngen mit dem Abbe^8clken Dilatanieter ;
i^on G. Weidmann.
(Hlcr/n T»f. V Fif. 1-4.)
I. Die Kenntniss der Ausdehnungscoefficienten der ver-
schiedensten Glasarten, namentlich der neueren optischen und
Thermometergläser ist für die praktische Optik und Ther-
mometrie von nicht geringem Interesse. Gelegentlich einer
Untersuchung über die elastische und thermische Nachwir-
kung ^) habe ich auch die Ausdehnungscoefficienten von drei
Therraometergläsern angegeben. Die Bestimmung geschah
mit dem Weinhold'schen Apparat. Die Genauigkeit der
Resultate war eine relativ geringe, da die Fehler bis zu
4 Proc. betragen konnten.
Hr. Prof. Abbe hat an einem im Jahre 1884 von ihm con-
1) Ct. Weidmann, Wied. Ann. 29, p. 214. 188«.
454 6r. Weidmann,
struirten Dilatometer nachFizeau'schemPrincip wesentliche
Yeränderusgen angebracht, sowohl in Bezug auf die Beobach-
tung, als auch auf die Auswerthung der Beobachtungsresul-
tate. Mittelst eines mit diesen Verbesserungen ausgestatte-
ten provisorischen Apparates habe ich es auf Veranlassung
meines hochverehrten Lehrers, Hrn. Prof. Abbe, unter-
nommen, die Bestimmung der Ausdehnungscoefficienten einiger
neueren Glasarten des glastechnischen Laboratoriums zu Jena
auszuführen. Durch die Versuche sollte zugleich ein Anhalt
gewonnen werden für einen nach dem vorliegendem Muster
zu bauenden definitiven Apparat. Ich möchte es nicht unter-
lassen, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer
meinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank zu sagen sowohl
für die freundliche Ueberlassung des Apparates, als auch
für die mir zu Theil gewordenen ßathschläge.
IL Princip der Beobachtungsmethode.
Das Princip, auf dem die Beobachtung der Ausdehnungs-
coefficienten beruht, ist das zuerst von Fizeau^) benutzte,
das in neuerer Zeit auch bei dem internationalen Mess-
bureau zu BreteuiP) Eingang gefunden hat. Es ist kurz
folgendes.
Denken wir uns irgendwie Interferenzcurven gleicher
Dicke erzeugt, wie etwa bei dem Phänomen der Newton'schen
Ringe, die ja zu dieser Classe von Interferenzcurven gehören,
durch Anwendung einer Glasplatte, auf der eine Planconvex-
linse von sehr schwacher Krümmung ruht, so beträgt der
Gangunterschied zwischen zwei aufeinander folgenden dunk-
len Curven A/4 der angewandten Lichtart, für Natriumlicht
z. B. 0,032944 mm. Tritt eine gegenseitige Verschiebung der
Flächen ein, an denen die Interferenz auftritt, so wird auch
das ganze System der Interferenzcurven dieser Verschiebung
folgen. Aendert sich etwa der Abstand der beiden Flächen
an einer Stelle, an der Dunkelheit herrscht, um A/4 des be-
nutzten Lichtes, so wird jetzt diese Stelle hell erscheinen.
1} Fizeau, Ann. de chim. et de phys. (4) 2, p. 143. 1864; 8, p. 335.
1866.
2) Benoit, Mem. et travaux du Bureau International des Poids et
Meeures. 1. C. isSl.
Abbe'sches DUatometer, 455
Die Beobachtung von Interferenzcurven, resp. die Beobach-
tung ihrer Verschiebung gibt demnach ein Mittel zur Schätzung,
eventuell Messung von Längenänderungen. Da nun unter
geeigneten Verhältnissen das Auge leicht den zehnten Theil
des Abstandes zweier aufeinander folgender dunkler oder
heller Streifen schätzen kann, so kann man Distanzände-
rungen zwischen zwei Flächen, die nur 0,0^3 mm — bei
Messungen reducirt sich dies sogar auf 0,0^3 mm — bei An-
wendung von Na-Licht betragen, dem Auge sichtbar machen,
Aenderungen, die nach gewöhnlichen Messmethoden unmerk-
lich sind.
III. Fizeau'.sche Anordnungsweise.
Um dieses Frincip zu Ausdehnungsbestimmungen anzu-
wenden, traf Fizeau folgende Anordnung, mit der sich auch
die des internationalen Messbureaus vollkommen deckt.
Die zu untersuchende Substanz, 10 — 15 mm lang, mit
zwei nahezu parallelen, schwach gekrümmten, polirten Flächen,
ruht auf dem Tischchen eines metallenen Dreifusses, dessen
Füsse aus drei feinen Schrauben bestehen, die das Tischchen
nahe dem Umfange durchsetzen und an beiden Seiten in
stumpfe Spitzen enden. Auf den oberen drei Spitzen liegt,
nur durch eine dünne Luftschicht, deren Dicke durch die
Schrauben regulirt werden kann, von der Substanz ge-
trennt, eine Glasplatte. Dieser Interferenzapparat wird mit
sireng monochromatischem parallelen Licht, das senkrecht auf
das Tischchen aufiäUt, beleuchtet. Durch Reflexion des
Lichtes an der unteren Seite der Deckplatte und der oberen
der Substanz werden in der oberen Luftschicht Interferenz-
curven gleicher Dicke entstehen, und zwar je nach der
Beschaflenheit der beiden Flächen Streifen, Ringe oder
unregelmässige Curven, deren Abstand bei sonst gleicher
Anordnung von der Wellenlänge abhängt. Auf der unteren,
der Substanz zugewandten Seite der Deckplatte ist eine
Reihe regelmässig angeordneter Fixpunkte — bei Fizeau
10, bei Benoit25 — eingravirt, die zugleich mit den Inter-
ferenzcurven sichtbar sind und zur Bestimmung der Lage des
Interferenzsystems dienen. Erfährt der gesammte Interferenz-
apparat eine Temperaturänderung, so wird sich im allge-
456 G. Weidmann,
meinen die Dicke der Luftschicht zwischen Deckplatte und
Substanz ändern, und damit eine Verschiebung des Inter-
ferenzsystems eintreten. Bei einer Temperaturerhöhung wird
die Ausdehnung der Schrauben des Metalldreifusses die Dicke
der Luftschicht zu vergrössern, die Ausdehnung der Substanz
aber die Dicke zu verkleinem streben. Der Gesammteffect
ist also eine Differenzwirkung. Dehnt sich z. B. die Sub-
stanz stärker als das Metall aus, so wird die Luftdicke
geringer; das System der Interferenzcurven wird, wenn die
obere Fläche der Substanz schwach convex ist, nach aussen
wandern. Hat man die Lage des Interferenzsystems bei
einer Temperatur gegenüber den festen Marken der Deck-
platte durch Schätzen bestimmt, wiederholt man diese Be-
stimmung nach der Temperaturänderung, wenn der Zustand
wieder stationär geworden, hat man ferner während der
ganzen Dauer der Temperaturänderung beobachtet, wieviel
ganze Interferenzcurven durch einen Fixpunkt gewandert
sind, so hat man damit überhaupt die Fransenverschiebung
ermittelt.
Ist / diese Fransenverschiebung, X die Wellenlänge des
benutzten Lichtes im Vacuum, so ist /(A/2) gleich der
scheinbaren Ausdehnung der Substanz für die Temperatur-
änderung t'— t. Es ist dann, wenn L die Länge der Sub-
stanz, e die Luftdicke, E die wirksame Schraubenlänge, also
E = € + L, wenn ferner
a den Ausdehnungscoefticienten der Substanz
ß ?? •• V Schrauben des Tischchens
bezeichnet:
"2- 2" ^
I f ~^
oder: atjr ' == i? ' ß^^rf ± f-_f'p/
2^2
Gemäss der Verschiedenheit der Brechungsquotienten
der Luft bei verschiedenen Temperaturen muss f noch eine
Correction erhalten.
Ist / die beobachtete, F die wahre Fransenverschiebung,
n und n die den Temperaturen t und t' entsprechenden In-
dices der Luft, so folgt:
Ahhe^sches Dilatometer. 457
oder vermöge des Biot-Arago'schen Gesetzes:
-- (W - 7? ) = 6»
/ (1 + J^J760J -^•^''
WO H der Barometerstand, 5 der Ausdehnungscoefficient der
Luft ist.
y hat im ungünstigsten Falle, bei H=: 735 mm ^i = 100®
den Werth 0,03.
Aus den gegebenen Grössen l und ß, ferner den beob-
achteten t\ t, Ly E und / erhält man somit den gesuchten
Ausdehnungscoefficienten a.
Dieselbe Anordnung dient auch zur Ermittelung der
sogenannten Constanten des Dilatometers, der Ausdehnung
des Metalldreifusses, d. h. der Bestimmung von ß. Man
bringt die Interferenz bei sehr hohem Gangunterschied her-
vor durch Reflexion an der unteren Seite der Deckplatte
und der gut polirten oberen Seite des Tischchens und beob-
achtet wieder die Fransenverschiebung für eine bestimmte
Temperaturänderung t'—t
Auf eine detaillirte Beschreibung des Fize au 'sehen
Dilatometers, der Anordnung zur Temperaturänderung, Mes-
sung der einzelnen Längen, will ich nicht weiter eingehen;
nur noch einmal kurz das Wesentliche der Fizeau'schen
Beobachtungsmethode zusammenfassen.
F i z e a u verwandte beliebig angeordnete Interferenz-
curven, zu deren Erzeugung die Bedingung 5^r^^ jnono-
chromatischen Lichtes erfüllt sein musste. Von der Erfül-
lung dieser Bedingung war eine mehr oder weniger scharfe
Beobachtung der Streifenverschiebung und damit der Be-
stimmung des Coefficienten abhängig. Denn nichtmonochro-
matisches Licht ergibt ja bei der Fize aussehen Anordnung
genau wie bei dem Newton' sehen Phänomen zu gleicher
Zeit die Interferenzsysteme, die den in der Flamme enthal-
tenen Wellenlängen entsprechen, nebeneinander, und die
dunklen und hellen Streifen sind nicht mehr deutlich unter-
schieden. Fizeau war deshalb auf Na-Licht beschränkt, da
ja in jeder anderen Flammenfärbung Na mehr oder weniger
mit auftritt, und damit war für Interferenzen mit hohen Gang-
458 G, Weidmann.
unterschieden y für deren Entstehung nur schwach gefärbte
Flammen anwendbar sind, die Beobachtung ziemlich erschwert.
Eine weitere Erschwerung liegt in der Bestimmung der An-
zahl der durch eine bestimmte Marke der Deckplatte ge-
wanderten Interferenzfransen. Um die ganzen Multipla für
eine gewisse Temperaturvariation zu erhalten, musste während
der ganzen Dauer des Versuchs bis zum Eintritt des stationären
Zustandes beobachtet werden. Da nun ein stationärer Zustand
bei der schlechten Wärmeleitung der Luft, zum Theil auch
der untersuchten Substanzen, kaum vor 2** eintritt, das Wan-
dern der Fransen also im allgemeinen langsam vor sich geht,
so ist diese Art der Beobachtung ziemlich ermüdend. Zu-
dem auch kann man sich leicht um eine ganze Fransenver-
schiebung irren. Ferner geschieht die Ermittelung der Bruch-
theile einer Fransenverschiebung durch Schätzen der Lage
der Fransen gegen feste Marken, diese Schätzung bei An-
fangs- und Endtemperatur ausgeführt. Um eine genügende
Genauigkeit zu erhalten, hat Fizeau die Lage der Fransen
nicht gegen eine, sondern gegen 10, Hr. Benoit sogar gegen
25 feste Marken ermittelt. Eine solche Schätzung ist aber,
abgesehen von der ihr anhaftenden Unsicherheit, ausser-
ordentlich zeitraubend.
Alle diese Schwierigkeiten hat Hr. Prof. Abbe bei
seinem Apparat vermieden. Er hat eine Reihe wesentlicher
Verbesserungen an dem Dilatometer angebracht, die die
Beobachtung ungemein erleichtern und gleichwohl noch eine
grössere Sicherheit und Genauigkeit der Resultate ergeben.
Diese Verbesserungen mögen auseinandergesetzt werden.
IV. Charakteristische Merkmale der Abbe'schen Methode
zum Unterschied von der Fizeau'scheu.
Die Verbesserungen beziehen sich auf Erzeugung mono-
chromatischen Lichtes und Ermittelung der einer gewissen Tem"
peraturdifferenz entsprechenden Streifenverschiebung durch mikro"
metrische Messung.
A. Statt einfachen homogenen Lichtes wird spectro-
skopisch zerlegtes Licht verwandt, um streng monochroma-
tisches Licht aus Lichtquellen erhalten zu können, welche
an sich nicht monochromatisch sind; ferner aber zu dem
AbbtPscIies Dilatometer, 459
Zweck, Lichtarten verschiedener Länge gleichzeitig anwen-
den zu können und dadurch zugleich auf einfache Weise zu
ermöglichen, dass man an demselben Objecte successive die
Interferenzen mit Lichtarten von verschiedener Wellenlänge
beobachten kann. Aus diesen successiven Beobachtungen
kann man dann indirect die ganzen Multipla der Streifenbreite
bestimmen, welche beim U ebergang von einer Temperatur
zur anderen an einer Marke vorbeigewandert sind.
Auf die Art, wie diese Verbesserung technisch ausgeführt,
sowie auf die Berechnung der ganzen Multipla werden wir
genau in V, B und VII, C eingehen.
B. Zur Beobachtung dienen nicht mehr beliebige Inter-
ferenzen, sondern annähernd geradlinige und äquidistante
Interferenzcurven von regulirbarem Abstand und regulirbarer
Richtung, zu dem Zwecke, die Verschiebung der Interferen-
zen gegen eine feste Marke, die Fizeau durch Schätzung
fand, nun mikrometrisch messen zu können.
Ueber die Bedingungen, die zur Erzeugung geradliniger
und äquidistanter Streifen erfüllt werden müssen, sowie über
die Art der Messung wird V, C und E, sowie VII, C näher
Aufschluss geben.
V. Bescbreibuug des Abbe'schen Dilatoineters und seiner
Theile.
Das Vorstehende gibt das Schema, nach welchem der
Apparat anzuordnen ist.
Fig. 1 stellt bis auf das kleine Beobachtungsfernrohr
einen verticalen Durchschnitt des Dilatometers dar. Das
Beobachtungsfernrohr mit der Drehvorrichtung ist gezeichnet,
wie es sich von vorn gesehen darstellt.
Fig. 2 gibt einen horizontalen Durchschnitt der Mess-
vorrichtung mit CoUimatorfernrohr.
Fig. 3 stellt den Apparat von oben gesehen dar. Die
Construction desselben ist nun des näheren folgende.
A. Allgemeines. Auf einem gusseisernen Träger A,
der an der Wand in Manneshöhe befestigt ist, ruht eine
eiserne 30 cm lange, 5 cm breite Schiene jS, die den Apparat
— das Spectroskop mit der Messvorrichtung und die Büchse
mit dem Interferenzapparat — trägt. An der Schiene sind
460 G. Weidmann,
zwei Arme CC befestigt, die an dem oberen Ende mit La-
gern D^ versehen sind, in denen sich das Spectroskopfem«
röhr D vermittelst einer Gabel a in verticaler Richtung nach
oben oder unten drehen kann. Die Schraube E hält das
Fernrohr in einer bestimmten Höhe, der Doppelarm FF dient
zur Führung des Fernrohrs.
In einer kreisförmigen Oeffnung G von 20 mm Durch-
messer der Schiene sitzt zunächst ein kurzes Messingrohr Hj
in dieses ist nach unten hin ein längeres Porzellanrohr T
eingekittet, das wieder einen Messingtubus mit der sich an-
schliessenden messingenen Büchse K trägt. In der Büchse
steht dann auf dem Deckel derselben der Interferenzapparat
Zr. Das Porzellanrohr musste eingefügt werden zur Ein-
schränkung der Wärmeableitung bei höheren Temperaturen.
Um das Eindringen kalter Luft in die Büchse zu verhindern,
ist sie nach oben hin durch eine planparallele Glasplatte M
abgeschlossen. Der Deckel N der Büchse ist in diese gut
eingeschliffen und wird durch ein Ueberwurfstück mit Schraube
gehalten.
Der Prismensatz des Spectroskops besteht aus zwei nahe
congruenten Prismen FiF^^ ^^® vollständig symmetrisch zur
Drehaxe D^ des Fernrohrs liegen. Ihre Kanten liegen hori-
zontal und senkrecht zur Fernrobraxe. Jedes der Prismen
ist in einer messingenen Fassung befestigt. P^ steckt auf
dem Fernrohr, unmittelbar hinter dessen Objectiv O und
wird also mit dem Fernrohr um D^ gedreht. 1\ steckt auf
dem messingenen Tubus H auf, ist also nicht um die Dreh-
axe D^ drehbar. Beide Prismen können aber mit ihren
Fassungen zum Zwecke der Justirung des Dilatometers , jP^
in einer Verticalebene, P,, in einer Horizontalebene, in den
Tuben, auf denen sie aufgesteckt werden, gedreht werden.
B. Spectroskop. Es besteht aus dem Prismensatz P^ P^
und dem Collimatorfernrohr D. Dieses letztere ist aus einem
achromatischen Fernrohrobjectiv O von circa 300 mm Brenn-
weite und einer zur Beobachtung und Einstellung des Spec-
trums dienenden Lupe / zusammengesetzt. Für Beobachtung
der Interenzstreifen wird diese Lupe durch ein kleines Fern-
rohr /j ersetzt, dessen Ocular wieder jene Lupe ist.
Die Wirkung des Spectroskops ergibt sich leicht aus
Aöbe^sches Dilatometer, 461
dem gezeichneten ätrahlengang. In der Focalebene des Ob-
jectivs O nämlich sitzt ein kreisförmiges Diaphragma c/^ (Fig. 2),
dessen eine Hälfte durch ein kleines total reflectirendes
Prisma p verdeckt ist. Das Prisma beleuchtet diese ver-
deckte Hälfte mit Licht aller in der ausserhalb des Appa-
rates stehenden Flamme oder Geissler'schen Röhre ver-
tretenen Wellenlängen. Diese verdeckte Hälfte kann also
als Lichtquelle angesehen werden. Das Objectiv O sendet
dieses Licht als paralleles auf die Prismen; diese besorgen
die spectroskopische Zerlegung, erzeugen also das Spectrum
und bringen ausserdem eine Ablenkung des Lichtstrahls
hervor, die für Na-Licht ungefähr 90® beträgt. Liegt also
das CoUimatorfernrohr horizontal, so wird jetzt das Na-Licht
senkrecht nach unten auf den in der Büchse befindlichen
Interferenzapparat geworfen. Wäre nun an Stelle des Inter-
ferenzapparates zunächst nur eine reflectirende Fläche vor-
handen, so würde das senkrecht aufifallende Na-Licht, senk-
recht reflectirt, denselben Weg rückwärts machen, und es
würde somit jetzt in der freien Hälfte des Diaphragmas
das Bild der anderen, Licht aussendenden erscheinen. Dieses
Bild wird mit der Lupe betrachtet. Jede andere Farbe wird
aber dann mehr oder weniger abgelenkt wie Natrium ver-
möge der Ausbreitung des Spectrums. Li-Licht z. B. wird
schwächer abgelenkt; gelangt also bei der betrachteten Lage
des Fernrohrs nicht genau senkrecht nach unten. Es trifft
die horizontale spiegelnde Fläche unter schiefer Incidenz und
wird also nach der Reflexion an jener in der Brennebene
des Objectivs ein Bild erzeugen, welches nicht mehr in der
freien Hälfte des Diaphragmas auftritt, also unsichtbar bleibt.
Dasselbe tritt für Licht kleinerer Wellenlänge ein. Auch
dieses ist für die betrachtete Fernrohrstellung unwirksam.
Durch diese Anordnung ist also eine einzelne Farbe aus
dem Spectrum (für den betrachteten Fall Na) abgesondert
Diese Absonderung ist aber abhängig von der Grösse der
Dispersion der Prismen und von dem Durchmesser der an-
gewendeten Diaphragmenöfifnung. Die Gläser sind so gewählt,
dass Na— Li oder Na— Th oder Hg gelb— Hg grün auch bei
einer Diaphragmenöfl'nung von 6 — 7 mm noch vollständig ge-
trennt erscheinen.
\
462 G. Weidmann,
Soll eine andere Farbe reflectirt werden, so ist wie
bei jedem Spectrometer das Fernrohr zu drehen, für Licht
grösserer Wellenlänge nach oben, kleinerer Wellenlange nach
unten. Tritt an Stelle der angenommenen reflectirenden
Fläche der Interferenzapparat, so werden jetzt, nachdem
noch die Lupe entfernt ist, dem Auge durch den freien
Theil des Diaphragmas die Interferenzcurven gleicher Dicke
erscheinen. Besser noch, als mit blossem Auge, beobachtet
man die Interferenzen mit dem kleinen Fernrohr l^.
Durch die ganze spectroskopische Anordnung ist also
Folgendes erreicht: Wir haben streng monochromatisches
Licht aus Lichtquellen, die an sich gar nicht monochromatisch
zu sein brauchen. Durch die spectroskopische Zerlegung ist
eine Isolirung der den einzelnen in der Flamme vertretenen
Wellenlängen entsprechenden Interferenzsysteme erreicht durch
Ablenkung des ganzen Spectrums bis auf eine helle Linie, Durch
eine Drehung des Spectroskops um die Axe kann man
successive auf die verschiedenen hellen Linien des Spectrums
und damit auf die ihnen entsprechenden Interferenzsysteme
übergehen.
C. Interferenzapparat. Der Interfrenzapparat L
besteht aus dem metallenen Dreifuss t, der zu untersuchen-
den Substanz s und der Deckplatte g. Der Dreifuss ist aus
sehr langsam gekühlten Stahl hergestellt, das Tischchen des-
selben ist zum Zwecke absoluter Beobachtungen auf der
einen Seite gut polirt; — auf der anderen Seite trägt es auf
einem kleinen Ring drei vorspringende Knöpfchen k. Drei
eine Schrauben (t, die das Tischchen nahe dem Umfang,
symmetrisch angeordnet, durchsetzen, sind an den Enden
schwach zugespitzt. Die Länge der Schrauben beträgt 30 mm,
der Durchmesser des Tischchens 36 mm.
Die zu untersuchenden Körper s werden auf cylindrische
Form gebracht, mit nahezu parallelen Flächen, von 15 mm
Durchmesser und circa 10 mm Länge. Die eine Fläche ist
sehr gut plan geschliffen und polirt, die andere auch gut plane
Fläche hat in der Mitte einen schwach concaven Ausschliff,
der schwarz gefärbt ist. um die Reflexion an dieser Stelle
zu vermeiden.
Die Deckplatte g endlich ist eine schwach keilfbnmge
Abhe*sches Dilutometer, 463
cylindrische Glasplatte, circa 4 mm dick, 40 mm Durchmesse]*,
mit einem kleinen Silberscheibchen g (Fig. 1) in der Mitte
der einen Fläche, das als Marke zur Bestimmung der Lage
des Interferenzsystems dient. Die Seite mit dem Silber-
scheibchen ist ebenfalls sehr gut plan geschliffen und polirt.
Das Silberscheibchen wird erzeugt, indem zuerst die ganze
Fläche versilbert und dann das Silber bis auf einen Kreis
von 0,75 bis 1 mm Durchmesser in der Mitte weggenommen
wird.
Nehmen wir an, der Interferenzapparat sei justirt(VI, A),
also bei relativen Messungen der zu untersuchende Körper
mit der gut planen, polirten Fläche nach oben, auf die drei
vorspringenden Knöpfchen des Tischchens aufgelegt; auf die
Schrauben die Deckplatte, mit der gut {flauen Fläche und
dem Silberscheibchen nach unten, gelegt, sodass zwischen Kör-
per und Platte eine Luftschicht von geringer Dicke (bei
sämmtlichen Messungen nicht über 0,2 mm, meist nur we-
nige Hundertstel) vorhanden ist. Diese Luftschicht wird dann
vermöge der planen Beschaffenheit der sie begrenzenden
Flächen im aUgemeinen ein Luftkeil, im speciellen eine plan-
parallele Schicht sein. Denken wir uns ferner, der Beleuch-
tungsapparat sende Licht in der V, B, resp. D beschriebe-
nen Weise auf das Tischchen, z. B. Na-Licht. Vermöge der
schwach keilförmigen Form der Deckplatte wird das an der
oberen Seite derselben retiectirte Licht gar nicht zugleich
mit dem an den anderen Flächen reflectirten in den offenen
Theil des Diaphragmas gelangen, sondern seitlich abgelenkt
werden, also vom Diaphragma verdeckt bleiben. Es gelangen
nur die an der unteren Fläche der Deckplatte und der oberen
des Körpers reflectirten Strahlen, also das hierdurch erzeugte
Interferenzsystem in die freie Hälfte des Diaphragmas. Die
Strahlen, die auf das Silberscheibchen fallen, werden an
diesem sofort reiiectirt, gelangen gar nicht in den Luftkeil,
und es wird dann in der Mitte des Gesichtsfeldes des klei-
nen Beobachtungsfernrohrs eine kreisförmige helle Marke
zugleich mit dem Interferenzsystem erscheinen. Dieses In-
terferenzsystem wird sich ferner vermöge des Lnftkeils und
der genau planen Beschaffenheit der den Luftkeil bestimmen-
den Flächen als geradlinige und äquidistante Streifen darstellen,
464 G. Weidmann,
deren Abstand nur von der Grösse des durch die Schrauben
regulirbaren Luftkeils abhängt. (Vergl. Fig. II p. 466).
Die Bedingung der genau planen Oberfläche des zu un-
tersuchenden Körpers kann zuweilen nicht oder nur schwer er-
füllt werden. Aber ohne Eintrag der Genauigkeit genügt es in
diesem Falle, den Körper mit einem gut planen Zusatzstück,
etwa einer dünnen Quarzplatte, zu versehen und den Luft-
keil dann zwischen dem Quarz und der Deckplatte herzu-
stellen. Die Versuche, die Hr. Prof. Abbe auch in dieser
Weise angestellt, zeigten die gleiche Sicherheit in den Re-
sultaten.
Durch die besondere Beschaffenheit der Oberflächen des
Körpers und der Deckplatte gelingt es also, annähernd gerad-
linige und äquidistante Streifen herzustellen, deren Abstand
durch die Schrauben regulirt werden kann, ebenso wie deren
Richtung, da ja die Streifen stets parallel der Kante des
Luftkeils verlaufen.
D. Beleuchtungsapparat. In dem grössten Theil
der von mir angestellten Versuche kamen nur Na-, Li- Th-
Licht zur Verwendung, mit den auf Luft bezogenen Wellen-
längen:
Li 670,5 . 10-«, Na 589,2 . IQ-«, Th 534,8 . 10-«.
Da aber Th-Salze äusserst flüchtig, deren Dämpfe auch
schädlich sind, ferner die Li-Flamme nicht immer gleich intensiv
brannte, so wurde in dem letzten Theile der Untersuchung
nur noch das Licht der Geissl er 'sehen Röhren, und zwar
H und Hg-Röhren benutzt. Die Wellenlängen der benutzten
Linien sind:
H„ 656,2.10-«, Hg 577,8.10-«, Hg« 546,1 . 10-«.
Hg kam in Wasserstofl"röhren zur Anwendung.
In Bezug auf Na und Hg ist noch zu bemerken, dass
beides Doppellinien sind. Die Dispersion der Prismen war
genügend, um die verschiedenen Farbencomplexe, also Roth,
Gelb, Grün voneinander zu isoliren, nicht aber, um auch die
Doppellinien zu trennen. Es musste deshalb bei der Ein-
stellung des Interferenzapparates (VII, A.) Rücksicht auf die
dichromatische Eigenschaft beider Linien genommen werden.
In dem zu bauenden definitiven Apparat wird aber beabsich-
Abbe^sches Düatometer. 465
tigt, auch diese Doppellinien zu trennen. Es gelingt dies
durch Einfügen eines Prisinas a vision directe zwischen den
Prismen P^ und F,y.
Die Plamraenfärbung mit Na, Li, Th geschah auf fol-
gende Weise. Kleine Ringe aus feinem Eisendraht wurden
mit den Salzen (hei Na und Li in Lösung, Th in fester Form)
gut getränkt und dann auf einen regulirbaren Bunsenbrenner
vor das Dilatometer gebracht. Diese Ringe gaben für län-
gere Zeit ziemlich constante intensive Beleuchtung. Vor-
versuche hatten gezeigt, dass sich Salzperlen, wie sie sonst
zur Plammenfärbung üblich sind, zu wenig bewährten. Das
Licht fiel nun senkreclit auf das kleine totalrefiectirende
Prisma p vor der einen Hälfte des Diaphragmas des Colli-
matorfernrohrs D und beleuchtete diese verdeckte Hälfte.
Hr. Ebert beschreibt in seiner Abhandlung: „lieber die
Abhängigkeit der Wellenlänge des Lichtes von seiner In-
tensität^'^), wo er einen ganz ähnlichen Gegenstand in ähn-
licher Gesammtiinordnung behandelt, eine Reihe von Arten
der Flammenfärbung, die sich auch hier als zweckmässig
würden erwiesen haben. Da aber die Ebert'sche Ausfüh-
rung der Flammenfärbung immerhin einigermassen compli-
cirt ist, so konnte von ihrer Anwendung abgesehen werden,
da ja auch die Färbung mittelst Eisendrahtring genügte.
Die Geissler* sehen Röhren waren von Hm. Haack
in Jena hergestellt, und zwar in einer neuen, durchaus em-
pfehlenswerthen Form, wie sie bereits auch seit längerer
Zeit in der optischen Werkstätte
von Carl Zeiss in Jena zur Ver-
wendung gelangen. Zwei weitere
verticale Röhren sind durch eine
enge horizontale Capillare verbun-
den. Der Inductionsstrom bringt
durch zwei Aluminiumspiralen den ^ *
H, resp. Hg-Dampf zum Leuchten.
Die Capillare wird vermöge ihres engen Querschnitts in sehr
intensivem Licht erscheinen, das durch eine Linse dann auf
das totalreflectirende Prisma p geworfen wird.
1) Ebert, Wied. Ann. 82. p. 337. 1887.
Aun. d. rhjs. a. Cb«m. N. F. XX.XVIII. 80
Von dem Prisma p gellt das Liebt in der unter B. be-
schriebenen Weise weiter.
B. Vorrichtung zum MeBsen der Streifenbreite.
Ist der Interferenzapparat in der BUcbse gut eingestellt und
mit UQlfe des Spectroskops mit monochromatischem Licht
beleuchtet, so erscheint dem blossen oder besser dem mit
dem kleinen Fernrohr i, bewaffneten Auge eine Beihe ab-
wechselnd dunkler und heller (je nach der Wellenlänge rother,
golber, grüner) geradliniger und
aquidistanter Streifen. {Vgl. Fig.II.)
Der Luftkeil ist so regulirt, dass
ungefiihr 7 bis 8 dunkle Streifes
siebtbar wird. In der Mitte dieses
Systems von Interferenzen ist zu-
gleich mit diesen das leuchtende
Silberscheibchen A^ sichtbar. Ist
"* nun der Apparat mit einer Vor-
Fig, II. richtung versehen, die gestattet, das
Beobachtungsfernrobr bei sonstiger
Un Veränderlichkeit aller anderen Theile um eine verticale
Axe zu drehen, so kann mau, wenn das Streifensystem
parallel der Collimatorfernrobruxe liegt, wie hei den Ver-
suchen, successive mit dem Beobachtungsfornrohr von einem
8reifen zum anderen, von rechts nach links und umgekehrt
gehen.
Fig. 2 gibt einen horizontalen Durchschnitt dieser Dreh -
Vorrichtung. Innerlialb des kleinen Fernrohrs /,, zwischen
Objectiv und Oculiir ist ein (jlat^plättchen rf, mit einer klei-
nen schwarzen Marke in, etwa 0,5 mm breit, 2 mm lang, an-
gebracht. Dn.s Plüttchen liegt so, dass m zugleich mit dem
Silbersclieibchen Ai/ und dem Fransensystem scharf erscheint.
Durch die Schraube E' kann man das Fernrohr /, um Z>,
drehen. Die Gegenfeder E^ presat die Platte mit dem Fern-
rohr fest gegen die Schraube E' an. Man kann also die
Marke successive auf die einzelnen hellen, rcsp. dunklen
Streifen, sowie auf die Mitte des Silberscheihcbens einstellen.
An der Mikrometerschraube E' — dieselbe trägt eine Thei-
lung von 0— lUO von 5 zu 5 Tiieilen, von denen Fünftel mit
Abbe^sche» Dilatometer, 467
Sicherheit abgelesen werden — gegen den festen Arm a
kann man die successiven Einstellungen ablesen. Bei den
Beobachtungen wurde die Marke stets auf die Mitte der
hellen Streifen eingestellt^ da das Auge deutlicher die G-leich-
heit eines hellen Saumes zu beiden Seiten der Marke, als bei
Einstellung auf die dunklen Streifen die Gleichheit eines
dunklen Saumes erkennen kann. <
Das Verfahren der Messung der Streifenbreite, sowie
des Abstandes des Silberscheibchens von dem Schwerpunkt
des Streifensystems behandelt VII, B.
VI. Justirung des Dilatometer».
Die Operationen, die zur Vorbereitung der wirklichen
Beobachtungen nöthig sind, erstrecken sich:
A. auf die Regulirung des Interferenzapparates in Hin-
sicht auf Lage und Grösse des Lufbkeils;
B. auf die Justirung des Spectroskops in Hinsicht auf
Stellung des Collimatorfernrohres und der Prismen.
A. In Bezug auf die Begulirung des Interferenzappa-
rates möge Folgendes mitgetheilt werden. Durch Einstellung
der drei Schrauben des eisernen Dreifusses, auf dem der zu
untersuchende Körper ruht, bringt man zunächst die obere
Fläche des Körpers zum Contact mit einer auf die Schrauben-
spitzen aufgelegten Planplatte. Durch Drehen der Schrauben
entfernt man dann diese Platte von Substanz, sodass zwischen
ihnen sich eine dünne Luftschicht gebildet hat, und ersetzt nun
diese Platte durch die Deckplatte, mit dem Silberscheibchen
nach dem Körper zu gerichtet. Bei Anwendung von Na-Licht
ist nur Acht zu haben, dass der Abstand der Deckplatte
und des Körpers, d. h. die Luftdicke, sich nicht einem Mul-
tiplum von 500 JA nähert, damit sich nicht die von der Dop-
pellinie des Na herrührenden Interferensysteme aulheben.
Eine gleiche Bemerkung gilt für die Beobachtung mit der
gelben Hg-Linie. Von der Erfüllung dieser Bedingung über-
zeugt man sich leicht durch eine Messung der Luftdicke mit
dem Dickenmesser (VII, E.).
Die weitere Einstellung des Interferenzapparates geschieht
80*
468 G. Weidmann.
mit dem Hülfsapparat Fig. 4. An einem Stative ist ein ge-
wöhnliches Spectroskopfernrohr vertical befestigt. Die Ein-
richtung desselben, die mit der in VB beschriebenen fast
identisch, ergibt sich zur Genüge aus der Zeichnung. Nur
ist hier in der Focalebene des Objectivs nicht die eine Hälfte
eines Diaphragmas, sondern nur ein verstellbarer Spalt s
leuchtend. Wird der Interferenzapparat mit Hülfe dieses
Fernrohres beleuchtet, so erscheinen im freien Theile des
Diaphragmas zugleich drei Bilder des Spaltes ^ die mit der
Lupe l betrachtet werden, entstanden durch Reflexion an der
oberen (a) und unteren (ä) Seite der Deckplatte, sowie an
der oberen Fläche des Körpers (c). Die Entstehung des
Bildes an der unteren Körperfläche ist ja durch die schwach
^ concave Form (bezüglich Schwär-
zung) gehindert. Es wurde bei
V
-c
-a-
sämmtlichen Versuchen der Luft-
keil so regulirt, dass die drei
Bilder die Lage Fig. III hatten.
Die Kanten des Glas- und Luft-
keils sind dann parallel, .fe nach-
dem h und c mehr oder weni-
r; ~ ' ger übereinander lagern, hat der
Luftkeil einen kleineren oder
grösseren Winkel, und ist damit der Abstand zweier aufein-
ander folgender Interferenzstreifen grösser oder geringer.
Der Abstand wurde so gewählt, dass er für Na-Licht nahe
doppelt so breit wie die kleine Marke m des Beobachtungs-
fernrohres war.
Die Regulirung des Interferenzapparates ist damit be-
endet; man bringt das Tischchen in die Büchse , sodass die
Kante des Luftkeils parallel mit der Collimatorfernrohr-
axe liegt.
Durch diese Regulirung ist die Lage des Luftkeils voll-
kommen bestimmt. Man hat nur noch zu berücksichtigen,
dass das Fernrohr umkehrt. Tritt dann durch eine Tem-
peraturvariation eine Wanderung des Streifensystems ein, so
genügt eine Beobachtung des Sinnes der Wanderung, um zu
wissen, ob die Luftdicke wächst oder abnimmt, ob sich also
der Körper schwächer oder stärker als das Tischchen ausdehnt
Ahbe^sches DUatometer. 469
B. Der zweite Theil der Justirung bezieht sich auf
das 8pectroskop. Dasselbe ist nach Regulirung des Inter-
ferenzapparates so zu stellen, dass für die gewünschte
Wellenlänge das Interferenzsystem im kleinen Beobachtungs-
fernrohr gut sichtbar ist. Zur Eegulirung und Controle der
Beleuchtung entfernt man zunächst Prisma F^ (Fig. 1), sieht
durch das Objectiv O des Fernrohres D nach dem Dia-
phragma, genauer nach der durch das totalreäectirende
Prisma p verdeckten Hälfte, hin und stellt die Licht gebende
Flamme oder Geissler'sche Bohre so, dass diese Diaphrag-
menhälfte im ganzen Umfange der Objectivöffnung hell er-
leuchtet erscheint. Es wird nun das kleine Fernrohr l^ durch
die Lupe l ersetzt, Prisma P^ wieder auf den Tubus von D
aufgesteckt, die Kanten beider Prismen nahezu senkrecht zur
Femrohraxe gedreht und das Collimatorfemrohr gehoben,
resp. gesenkt und zugleich Prisma P, in der Verticalebene
gedreht, bis in der freien Diaphragmenhälfte das Bild oder
wenigstens ein Theil desselben, der anderen leuchtenden Hälfte
erscheint. Durch die Schraube E wird das Fernrohr in dieser
Lage fixirt. Beim Drehen des Prismas P^ vrerden successive
drei Bilder erscheinen, je nachdem das Licht an der oberen
und unteren Seite der Deckplatte oder der oberen Fläche
des Körpers reflectirt wird. Die beiden letzten Bilder werden
mehr oder weniger zusammenfallen. Man stellt Prisma und
Fernrohr so, dass gerade das durch Beflexion an der unteren
Fläche der Dekplatte entstandene Bild die freie Hälfte des
kreisförmigen Diaphragmas ausfüllt. Wird jetzt die Lupe /
wieder durch das Fernrohr l^ ersetzt, so sieht das Auge die
auf p. 466 skizzirte Erscheinung.
Will man bei der Beobachtung von Licht einer Wellen-
länge zu dem anderer Wellenlänge übergehen, so ist nur
der Flamme die betreffende Färbung zu ertheilen, resp.
die entsprechende (ieissler'scbe Röhre vor das total reilec-
tirende Prisma zu bringen und das Collimatorfemrohr so
weit zu heben oder zu senken, bis wieder die Streifen er-
scheinen. Da die Grösse dieser Hebung oder Senkung durch
Versuche bestimmt ist, bietet dieser Uebergang von einer
Farbe zur anderen keine Schwierigkeit.
Damit sind sämmtliche Vorbereitungsoperationen be-
470 G. Weidmann.
endet, und die Beobachtung kann beginnen. Zu dem Ver-
fahren, das bei der Beobachtung einzuschlagen, wenden wir
uns jetzt.
VII. Verfahren bei der Messung und Vcrworthung der
Messuugsresultate.
Die Beobachtung zerfällt in mehrere Theile. Es ist
zunächst:
A. Temperaturbestimmung bei Beginn und Ende des
Versuches, sowie die dazwischen verlaufende Temperatur-
variation vorzunehmen;
B. die Streifenbreite, sowie der Abstand des Schwer-
punktes des Interferenzsystems vom Silberscheibchen für jede
Temperatur zu ermitteln und dies
C. zum Zwecke der Bestimmung der Bruchtheile und
Berechnung der ganzen Multipla der Streifenbreite, die bei
Uebergang von einer Temperatur zu einer anderen an der
festen Marke, dem Silberscheibchen, vorbeigewandert sind und
D. eventuell zur Berechnung der absoluten Lufbdicke.
E. Schliesslich sind zur Berechnung der gesuchten Aus-
dehnungscoefficienten noch einige Längenmessungen erfor-
derlich.
A. Ist der Apparat justirt, so ist dem Interferenz-
apparate die gewünschte Temperatur zu ertheilen. Bei Be-
ginn der Versuche wurden nur mittlere Ausdehnungscoefti-
cienten der Substanzen bestimmt, also nur bei 0^ und
Siedetemperatur des Wassers beobachtet. Dazu wurde die
Büchse, die den Interferenzapparat enthält, ungefähr bis zum
Beginn des Porzellanrohres einmal mit einem doppelwandi-
gen Holzkübel mit fein gestossenem Eis umgebeo, im anderen
Falle in einem doppel wandigen Siedegefäss, dessen Wasser-
niveau durch Verbindung mit einer Mari otte'schen Flasche
auf constanter Höhe gehalten wurde, mit Dämpfen sieden-
den Wassers.
Das Dilatometcr, das bei den Versuchen zur Verfügung
stand, war als provisorischer Apparat nicht eben sehr fest
gebaut, und kleine Erschütterungen waren im Stande, an
dem Interferenzapparate Verschiebungen eintreten zu lassen.
Bei dem häufigen Wechsel von Eis- und Siedegefäss traten
Abbt^sches Dilatometer, 471
denn auch zuweilen solche Erschütterungen ein; die Beob-
achtungen waren dann unbrauchbar. In der Folge wurde
deshalb von der Anwendung der Eis- und Siedegefässe ab-
gesehen und die Beobachtungen bei zwischen 0 und 100^
liegenden Temperaturen ausgeführt, nachdem bereits durch
Vorversuche der mittlere Ausdehnungscoefficient ermittelt
war. Der Apparat wurde, wieder etwa bis zum Porcellan-
rohr, in ein grosses doppel wandiges Messinggefäss gesetzt,
dessen äusserer und innerer Cylinder mit Wasser voll«
ständig gefüllt war. Der äussere Cylinder war bis auf eine
kleine Oeffnung im Deckel, in der eine Glasröhre als Ther-
mometer steckte, geschlossen; in der Wandung aber für die
Tempera turregulirung ein D'Arsonval' scher Thermostat
eingelöthet. Der Thermostat functionirte so gut, dass das
Thermometer im inneren Cylinder, dessen Temperatur bei
stationärem Zustande kaum mehr als 0,1 — 0,2^ von der des
Interferenzapparates abweicht, nie grössere Schwankungen
als 0,15^ ganze Stunden hindurch zeigte. Dies war aber hin-
reichend für die Beobachtungen, da der provisorische Apparat
für diese Temperaturschwankungen nicht hinreichend em-
pfindlich war.
Zunächst wurde bei stationärem Zustande das Inter-
ferenzsystem auf die in VII, B. angegebene Art bei Zimmer-
temperatur (4 — 15^ C.) beobachtet, dann wurde dem G-efäss
mit dem Thermostaten die gewünschte Temperatur ertheilt
und der Thermostat hierauf in Function gesetzt. Nach Ein-
tritt des stationären Zustandes (etwa nach drei Stunden)
geschah wieder die Ablesung. Die Beobachtungen wurden
in der Regel bei Zimmertemperatur, bei einigen zwischen
diesen und 80^ liegenden Temperaturen und bei 80^ selbst
angestellt und der Controle wegen rückwärts die Messungen
wiederholt.
B. Es ist die einer bestimmten Temperaturvariation
t' — t entsprechende Temperaturverschiebung / zu ermitteln.
Die Bruchtheile der Fransenbreite ergeben sich direct als
Differenz der durch Beobachtung erhaltenen Abstände des
Silberscheibchens gegenüber dem Schwerpunkt der Inter-
ferenzen; die ganzen Multipla werden mittelst einer Tabelle
aus den Ablesungen berechnet. Bei einer bestimmten Tcm-
472 G. Weidmann.
peratur nach Eintritt des stationären Zustandes beobachtet
man das Interferenzsystem so: Man stellt die Marke im
Beobachtungsfernrohr successive auf die Mitte von fünf hellen
Streifen des Systems {a^ a^ a^ a^ a^ vgl. Fig. II p. 466), sowie auf
die Mitte des Silberscheibchens a^ ein und notirt die diesen
Einstellungen entsprechenden Zahlen der Mikrometerschraube.
Der Controle wegen wird die Ablesung rückwärts wiederholt.
Die fünf aufeinander folgenden Streifen wurden so gewählt,
dass das Silberscheibchen sich zwischen dem dritten und
vierten Streifen befand. Die Unsicherheit der Einstellung
war gering. Mehrere aufeinander folgende Einstellungen auf
das Silberscheibchen wichen z. 6. nie mehr als ±0,01 Schrau-
benumdrehungen ab.
Aus den gemachten Ablesungen hat man direct den
mittleren Werth des Streifenabstandes, gemessen in der will-
kürlichen Einheit der Schraubenumgänge, sowie den Abstand
des Silberscheibchens von dem nächst vorangehenden oder
folgenden hellen Streifen oder damit den Abstand von Schwer-
punkt des Interferenzsystems und Silberscheibchens, diesen
Abstand als Bruchtheil der Streifenbreite.
Die Ablesungen erfolgen für mindestens zwei Lichtarten;
zur Controle j sowie zur Berechnung von absoluter Luftdicke
ist noch die Ablesung für eine dritte Lichtart nöthig, z. B.
Na, Li, Th oder H, Hg, Hg. Die erste Lichtart wird am
Schlüsse nochmals beobachtet, um zu constatiren, dass wäh-
rend der Dauer der Ablesung (insgesammt vielleicht 10 m)
keine Verschiebung des Interferenzapparates eingetreten ist.
Folgendes Beispiel diene zur Erläuterung:
Quarz, parallel der Axe geschnitten. 8. Januar 1888.
9 Uhr vormittags.
( = 8,530 Q
Na Li Th Na
a^ 0,09 10 0,10 12 0,20 10 ü,tM) 95
a^ 0,«2 80 0,85 87 0,80 74 0,70 70
a, 1,59 53 1,60 (>2 l,4f) 38 2,42 38
(flo) 1(901 (90) 2(00) (Ol) 1(80) (77) 2(76) (76)
a^ 2,30 27 2,44 46 2,08 03 3,12 12
a^ 3,05 02 3,25 28 2,72 70 3,92 88
Die Zahlen in den Verticalcolumnen geben die Stellung
der Mikrometerschraube bei Coincidenz von Marke und einem
Abbe'sches Düatometer. 473
hellen Streifen (a, . . . a^)^ resp. dem Silberscheibchen (a^).
Die Zahl der ganzen Schraubenumdrehungen wird nach der
Messung ergänzt, da bei sämmtlichen Versuchen der Ab-
stand zweier Streifen für Na -Licht nie 1,00 Umdrehung
überstieg.
Aus den Ablesungen ergibt sich der mittlere Werth des
Streifenabstandes gleich:
jf?5^^i + ^':^<j; also für Na 0,74, Li 0,79, Th 0,64;
die mittlere Entfernung des Silberscheibchens aber von dem
zunächst vorangehenden hellen Streifen stellt sich dar durch:
Somit der Abstand des Schwerpunktes der Streifen vom
Silberscheibchen gemessen als Bruchtheil der Streifenbreite:
für Na = J;f, = 0,46, Li = g^ = 0,44, Th = ?g = 0,59.
Bei einer nun eintretenden Temperaturvariation werden
im allgemeinen die Interferenzstreifen über das Gesichtsfeld
wandern, während das Silberscheibchen seine Stellung bei-
behält, wenn nicht äussere Erschütterungen auf den Inter-
ferenzapparat wirken. Nach Eintritt des stationären Zustandes
wird die Marke gegenüber dem Fransensystem eine andere
Lage einnehmen, wenn nicht gerade eine ganze Anzahl von
Streifen über die Marke gewandert sind. Diese neue Lage
wird wiederum für mindestens zwei Lichtarten ^ deren Beobach-
funff aber auch zur Ermittelung der Fransenverschiebung ausreicht^
bestimmt.
C. Aus den Einzelbeobachtungen für jede Temperatur wird
die Streifenverschiebung beim Uebergange von einer Tempera-
tur zur anderen auf Grund folgender Ueberlegung rechnerisch
ermittelt. Durch die Keguhrung des Interferenzapparates
ist die Lage des Luftkeils und damit zugleich bestimmt, zu
welchen Stellen der Luftschicht Drehungen der Mikrometer-
schraube im Sinne des Uhrzeigers führen. Nehmen wir an
zu Stellen grösserer Dicke. Dann ist für eine bestimmte
Temperatur die Dicke der Luftschicht gerade unter dem
Silberscheibchen für Licht einer bestimmten Wellenlänge:
474 G, Weidmann,
c/ = (m + J + a) — ,
wo m eine ganze Zahl, a der Abstand von Marke und
Schwerpunkt der Streifen bedeutet Diese Gleichung gilt
für jede Temperatur t und Wellenlänge X, Also etwa:
bei t^ d^ = Kl + J + cf^i )-i- = (woa + J + cz^a) y'
„ ^3 dt = (wiM+ J + a<. i) y = (w,, 2+ f + «i^«. 2) Y •
Ist mit hinreichender Genauigkeit die Wellenlänge ge-
geben, 80 resultirt leicht aus diesen Gleichungen die Dif-
ferenz Ad = dt-^ d^ der Luftdicken bei den verschiedenen
Temperaturen, d. h. aber, wir erhalten die gewünschte Strei-
fenverschiebung /.
Es ist: Ad = dt— d^^
X X
= T {^ti — moi + an + «oi) = — ('"«—'^'03 + ^n — am).
•v^
A^ A3 sind gegebene Grössen , a^ a^ beobachtet. Man
kann nun entweder für jeden einzelnen Fall die Lösungen
«1 713 der diophantischen Gleichung finden. Praktischer ist
es, durch Anfertigung einer Tabelle diese Werthe rein mecha-
nisch aufzusuchen. Jene Gleichung, etwas umgeformt, führt
direct auf die Einrichtung dieser Tabelle.
Es kommt:
/- (w^ + «i) = W2 + c^a, oder wenn / = /£, :
''h^'i ~ 'h = ^2 ~~ ^i/'i ~ ^'i> ^^^ ^'1 ^^^^^ < !•
Wir fertigen also eine Tabelle an, in deren einer Co-
lumne die ganzen Zahlen n^ (etwa von 0 bis 30); in deren
zweiter Columne die zugehörigen ji^^i^ stehen; für jeden ein-
zelnen concreten Fall sind dann die Werthe n^^^ zu mar-
kiren, deren Decimalstelle bis auf eine geringe Abweichung,
bei den vorliegenden Versuchen etwa bis auf ± 0,04 mit der
Decimalzahl c^ übereinstimmen. Das zu n^n^ gehörige n^
ist dann die gesuchte ganze Zahl n^ . Im Wesen der dio-
phantischen Gleichungen ist es aber begründet, dass wir
nicht eine Zahl Wj, sondern unendlich viele Werthsysteme n^iu
erhalten, die der vorgegebenen Gleichung genügen. Es wird
sich aus der unten folgenden Tabelle ergeben, dass bei Na
Abbe^sches Düatometer.
475
und Li immer zwei Zahlen n, dieser Mannigfaltigkeit die
Differenz 8, resp. 9 zeigen; also:
n^' = «j + 8, nj" « Hj + 16, n/" = n^ + 25 etc.
n
u
Welche Zahl »^ n/ ist die der Wirklichkeit ent-
sprechende?
Ad ^ dt — d^ gibt die Differenz der Ausdehnungen von
Stahl und Substanz. Der mittlere AusdehnungscoSfficient
von Stahl ist ca. 108. 10-^ für ^'— /=100®. Die grösste
bei den Versuchen benutzte Temperaturdifferenz würde sich
also bei 10 mm Stahl — die gewöhnlich benutzte Länge —
um höchstens 30. Uw^ verlängern. Andererseits beträgt der
lineare Ausdehnungscoefdcient der Glassorten nach allen
vorliegenden Beobachtungen nicht mehr als 120.10-^ und
nicht weniger als 50.10—^. Daraus folgt, dass «^ zwischen
—4 und +18 liegen muss. Zur Bestimmung des Vorzeichens
genügt bei Kenntniss der Lage des Luftkeils nur eine kurze
Beobachtung, in welchem Sinne beim Erwärmen die Fransen
wandern. Ist die3 Vorzeichen negativ, so muss n^ zwischen
0 und —4 liegen. Es ist also damit ti^ vollkommen bestimmt;
im anderen Falle liegt n, zwischen 0 und 18; da sind im
ungünstigsten Falle drei Werthe möglich; eine neue Beob-
achtung der Ausdehnung für die Temperaturdifferenz t' — t
= 40 — 50" ergibt dann aber, welcher der drei Werthe zu
wählen ist.
Da bei Beginn der Versuche Na-, Li-, Th-Licht ver-
wendet wurde, möge jetzt die Tabelle für:
X, Na 0,000 589 2 /^ o^or.
r\
A,
Li
0,000 670 2
w,v - w .
folgen
•
I. N
a — Li.
Wl
^ii^X
"i
., ^if'i
....
1
II
ll
«i/ii
1
1 _ _
^f'i
{)
0,00
s
7,03
, 16 !
14,06 ' 25
1 21,97
33
29,00
1
0,86
9
7,91
17
14,94 ! 26
1 22,85
• 34
29,88
»2
1,7(5
' 10
8,79
' 18
15,82 27
28,72 •
1 35
30,75
3 ;
2,64
, 11
9,67
, 19
16,69 ; 28
i 24,60 !
1 36
31,63
4
H,51
12
10,54
' 20
17,57 29
: 25,48 ;
37
32,51
.')
4,:so
1 la
11,42
21
18,45 30
26,36
38
33,:<9
♦>
5,27
14
12,30
,1 -^ '
19,33 ; 31
27,24
39
34,27
7
«,15
15
13,18
'' 23 ,
20,21 , 32
1 28,12
40
35,15
8
7,n;i
' 16
14,06
„ 24 '
.1 25 !
21,08 i' 33
21,97 |i
28,99 ■
1
1 41
i
36,03
etc.
476 G. Weidmann.
In derselben Weise fertigt man die Tabelle für die Com-
bination zweier beliebig anderer Lichtarten an.
Folgendes Beispiel möge den Gebrauch der Tabelle er-
läutern. Es wurde beobachtet:
15. Sept. 1889. Quarz, senkrecht zur Axe geschnitten.
Für t = 0^ ofoi = 0,25, «02 = ^»36»
,f ^==99,97, an ==0,76, cf« = 0,69,
wo 1 sich auf Na, 2 auf Li bezieht
Demnach:
cci = cfn — obi = + 0,51 , cti = (Xt2 — of 03 = + 0,33.
cc^ (£2 haben die richtigen Vorzeichen , da beobachtet
wurde, dass sich Stahl mehr ausdehnt, als Quarz. Also:
niltii-na=: ofg- c^jlij = 0,33-0,51 .0,88 =-0,12 =+0,88 = c^.
Aus obiger Tabelle entnehmen wir also alle n^, denen
n^fi^ entsprechen, deren Decimalstelle bis auf ±0,04 c^ nahe
komme, d.h. zwischen:
0,84 und 0,92
liegen. Es resultiren für n^ die Zahlen:
1, 9, 26, 34
Da nun Quarz in Richtung der Axe eine Ausdehnung
von ca. 80.10-' hat, so folgt:
nj= +9, »2= WiiU^ — Ci= 7,91 + 0,12 = 8.
Demnach, da:
Ad=dt--d^^ (wj + Of J 2 = {n. + «2) Y '
Jrf = 9,51 -' = 9,51 /ii i^ = 8,36 v (berechnet).
Beobachtet wurde aber:
Jri = 9,51^j und 8,33-^'»
im Mittel also: s^^r,K ^K
•V^ J =/ 2 •
In gleicher Weise ist für jede einzelne Beobachtung zu
verfahren. Es genügt also im Frincip zur Berechnung der
durch das Silbertheilchen gewanderten Fransenbreite die
Beobachtung des Interferenzsystems mit nur zwei verschie-
denen Lichtarten und Benutzung einer Tabelle.
Im Falle praktisch nur Beobachtungen mit zwei Licht-
Ahbi?$ches Düatometer. All
arten ausgeführt werden können, empfiehlt es sich, wenigstens
Lichtarten von wenig dififerenten Weilenlängen zu nehmen.
In dem Falle Na — Li liegen zwischen 0 und 30 bereits drei,
resp. vier Werthe 71^, die der Gleichung genügen können,
von denen aber nur ein Werth der Wirklichkeit entspricht.
Würde man z. B. Ug grün und gelb als Lichtquelle benutzt
haben, so ergibt sich aus einer hierfür berechneten Tabelle,
dass zwischen 0 und 30 nur zwei Werthe liegen. Die Dif-
ferenz zwischen zwei solchen Werthen beträgt hier schon 18,
während sie für Na — Li ja nur 8, resp. 9 betrug.
D. In praktischer Ausführung wird man gut thun, so-
weit dies ohne Schwierigkeit möglich ist, die Beobachtung
auf drei verschiedene Lichtarten auszudehnen; einmal der
Controle wegen, und dann aucli, was eventuell von Wichtig-
keit sein kann, zur Berechnung der absoluten Luftdicke e
für eine bestimmte Temperatur. Bei Beobachtung mit drei
Lichtarten ist die Kenntniss der Lage des Luftkeils ebenso
wenig, wie Kenntniss des Vorzeichens der durch das Silber-
scheibchen gewanderten Streifenbreiten nöthig. Dieses Vor-
zeichen ergibt die Rechnung selbst. Zur Erläuterung diene
das auf p. 476 mitgetheilte Beispiel.
Es war für Na, Th, Li beobachtet:
für < = 0«, «01=0,25, «02 = 0,36, «03 = 0,37,
V ^=99,07«, an = 0,76, a,2 = 0,69, «,3 = 0,85,
also ist:
(Zj =;= 0,51, cf. = 0,33, «3 = 0,48.
An Stelle der einen Gleichung p. 476 «li^ii — «2 = «!— «1)^1
treten jetzt zwei:
2) ^ ^i - W3 == «3 - «1^3 = Cg,
wo: /i3 = J» = ijj = 1,1015, c, = 0,12, c^ = 0,13,
dabei können aber c^ und Cg sowohl ± sein, da ja die
Lage des Luftkeils als nicht bekannt vorausgesetzt wird,
und demnach in den Grundgleichungen:
a sowohl positiv als negativ sein kann.
478 G. Weidmann.
Berechnen wir jetzt eine zweite Tabelle für jU2= 1,1015,
80 ergibt sich:
I. Ci = + 0,12, also für 0,08 - 0,16,
Ca= +0,13, „ ,, 0,09-0,17.
Na — Li »1 - 7, 24, 32, 40, 48, 57, 65, 73, 90
Na-Th ni=l, 11. 21, 31, 41, 51, 61, 70, 80, 90
IT. Cj = - 0,12 = 4,88, also für 0,84 - 0,92,
c, = - 0,13 = 4,87, „ V 0,83 - 0,9L
Na— Li n, == 1, », 26, 34, 42
Na — Th «1 = 9, 28, 38, 48
Nur solche Werthe n^ genügen den Gleichungen (1) und
(2), die beiden Werthsystemen Na — Li und Na— Th gemein
sind; also in diesem Beispiel:
iij = 9, Wj = 90.
Da nun n^ zwischen 0 und 30 liegen muss, so kommt also:
n^ = + 9, ^1 = - 0,12, ^, = - 0,13.
Ausser der Zahl 9, resp. 90 würde es natürlich auch
hier wieder eine einfach unendliche Mannigfaltigkeit von
ganzen Zahlen n^ geben, die beide Gleichungen (1) und (2)
zugleich erfüllen. Diese Mannigfaltigkeit ist bei Benutzung
von Na , Li-, Th-Licht dadurch charakterisirt, dass die Dif-
ferenz zweier aufeinander folgender Zahlen 90 beträgt.
Die Differenz der Luftdicken resultirt dann wie auf
p. 474 durch:
^ 9,51 ]^ = HM ]^ = 10,47 2* l)ercchnet,
= 9,51 ^^ ; 8,33 2* ; 10,52 j beobachtet.
Also Mittelwerth der beobachteten Grössen 9,51 JAj.
In gleicher Weise verfährt man bei Berechnung der ab-
soluten Luftdicke. Aus:
^0 = Kl + 1 + ^^01) 2 = (^'02 + J + ^02) i = (%'s + 1 + «03) t'
resultiren auch hier wieder zur Berechnung von ji^^ zwei
diophantische Gleichungen:
AbMschett Dilatometer. 479
»Ol ^1 - »»03 = 0-0^» + ^0% - ."l «Ol = ^1»
Woi/^3 - »«OS = - ^»05 - «03 ~ Cfoi^2 == ^>
WO auch hier /ij = 0,8787, Mg = 1,1015.
Für das Beispiel p. 476 würde resultiren, da:
f^,j = 0,46, ^03 = 0,44, «03 = 0 59,
Ci = 0,ll, C2 = 0,03.
Ist auch hier wieder c^ c^ mit einem Fehler ± 0,04 be-
haftet, so hat man demnach solche n^ ^^ i^ ju, in den Tabellen
zu suchen, deren Decimalstellen zwischen 0,07 — 0,15, resp.
0,99—0,07 liegen. Es sind dies die Werthe:
Na— Li Woi = 7 24 32 40 57 65 73 90 ... .
Na— Th Woi ^ 0 10 20 30 40 50 69 79 ... .
Beiden Gleichungen genügt also der Werth n^^ = 40
oder da zwei Wq^ um 99 dififeriren:
40 139 238
Da aus einer directen Längenmessung (die ja nur bis
auf circa 0,008 mm genau zu sein braucht):
r/. = 0,036 mm = 122 7>
gefunden wurde, so ist 7/01 = ^'^^ ^'^^ richtige Zahl.
Die Dicke (Iq kommt dann:
,/,, = (139 + 0,5 + 0,46) \] = 139,96 ^» = 122,98 ^; = 154,16 ^ .
.rf ^ A A
Beobachtet wurde:
(l„ = 13»,9G -} , 122,94 t' , 154,09 i' •
A A A
Ist somit für jede einzelne Temperatur die absolute
Luftdicke ermittelt, so ergibt die Differenz je zweier ausser
der Anzahl der gewanderten Interferenzstreifen noch den
Sinn des Wanderns. Man weiss sofort, welche Ausdehnung
überwiegt, die des Körpers oder Tischchens. Auf die abso-
luten Dicken zurückzugehen, ist praktisch aber noch deshalb
von Vortheil, weil die absolute Dicke in die Gleichung für
den Ausdehnungscoefficienten selbst eingeht.
Doch möge hier nochmals hervorgehoben werden, dass
principiell zur Ermittelung der einem gewissen Tempernturüber-
gang entsprechenden Streifenverschiebung die Beobachtung mit nur
zwei verschiedenen Lichtarten y also die Benutzung einer Tabelle
ausreicht.
480 G. Weidmann.
E. Nach p. 456 wurde die Gleichung für die Ausdeh-
nung in folgender Forin erhalten:
a L + e' 2 =t ^' + ^ Zr + e '
Hat man entweder durch absolute Messungen, oder in-
dem man auf einem Normalkörper zurückgeht (wie in der
vorliegenden Untersuchung) die Constante des Dilatometers,
d. h. den Ausdehnungscoefficienten ß, zugleich auch in seiner
Abhängigkeit von der Temperatur ermittelt, so fehlt zur Be-
rechnung von Uf des gesuchten Ausdehnungscoefficienten, jetzt
nur noch die Kenntniss der Längen />, L + e oder, wenn e
rechnerisch ermittelt, nur L.
Fizeau machte die Längenmessungen durch ein Brun«
ner'sches Hebelsphärometer, welches Zehntausendstel eines
Millimeters angab. Das Internationale Messbureau bedient
sich des sogenannten Wild'schen Sphärometers. Auch dieses
stand für die Messungen zur Verfügung; aus mehreren Grün-
den wurde aber von seiner Benutzung abgesehen, vielmehr
wurde ein von Hrn. Prof. Abbe construirter mikroskopischer
Dickenmesser benutzt, der Tausendstelmilliraeter abzulesen
gestattete. Eine detaillirte Beschreibung desselben soll in
der Zeitschrift für Instrumentenkunde erscheinen. Die Län-
gen wurden sicher bis auf 0,002 mm gemessen. Bei einer
Streifenverschiebung von /= 10, Temperaturdiflferenz 100"
und /. = 10 mm macht sich die Unsicherheit der Längen-
messung 0,02 mm erst in der 9. Stelle des Ausdehnungscoeffi-
cienten um 6 Einheiten geltend.
Wir haben damit die Beschreibung des Apparates, seiner
Theile und deren Wirkungsweise, die Darstellung der Beob-
achtungsmethode und Berechnungsweise der durch Beobach-
tung ermittelten Daten beendet und können zu den Beob-
achtungsresultaten übergehen.
VIII. Beobachtungaresultate.
Die Beobachtungen hatten einmal den Zweck einer vor-
läufigen üonstantenbestimmung des Apparates, des Ausdeh-
nungscoefficienten des MetalldreifusseS; sowie dessen Ab-
hängigkeit von der Temperatur; dann selten auf Grund dieser
Ablnfsches Däatameter. 481
Resultate die Ausdehnan^scoefficienten einiger neuerer opti-
scher Gläser untersucht werden.
A. Die Bestimmung der Constanten war, wie alle Be-
stimmungen, eine relative. Zu absoluten Messungen ist der
Apparat ohne einige Abänderungen nicht besonders geeignet.
Alle Messungen wurden deshalb auf einen Normalkörper be-
zogen, einen Körper, von dem zu erwarten, dass er stets in
derselben Qualität zu erlangen. Ein solcher Körper ist
Quarz. Für Quarz hat Fizeau eine Reihe von Ausdehnungs-
bestimmungen gemacht, einmal in Richtung der Axe, dann
senkrecht dazu. Er gibt ferner die Temperaturcoefficienten
der Ausdehnungscoefficienten an. Diese von Fizeau gefun-
denen Werthe wurden der ganzen Beobachtung zu Grunde
gelegt.
Es wurde eine grosse Anzahl von Beobachtungen mit
Quarz senkrecht und parallel der Axe geschnitten angestellt.
Auf die Einzelbeobachtung gehe ich hier nicht ein, ich theile
nur die Mittelwerthe aller Beobachtungen mit.
Die Ausdehnungscoefficienten des Quarzes sind nach
Fizeau:
I. Ausdehnung in Richtung der Axe:
cc,o= 781.10-«, Ja = l,77.10-l^
II. Ausdehnung parallel der Axe:
a^Q = 1419 . 10-«, Ja = 2,38 . 10-^^
sodass also : »< = cr^ + (^ — 40) A a.
Der mittlere Ausdehnungscoöfficient zwischen 0® und
100^ C, /Sgo, der Schrauben des Metalltischchens wurde da-
nach als Mittelwerth einer grösseren Reihe von Beobachtun-
gen ermittelt.
a) Mit Hülfe von Quarz senkrecht zur Axe geschnitten:
zu /S5o= 1079,8.10-«,
b) mit Hülfe von Quarz parallel der Axe geschnitten:
zu /9ßo= 1080.10-8.
Der Mittelwerth einer grossen Reihe von Beobachtungen,
sowohl mittelst Quarz senkrecht als parallel der Axe ge-
schnitten, die zu verschiedenen Zeiten innerhalb zweier Jahre
angestellt wurden, ergab sich ferner:
/S,o = 1069,6 . 10-«, Jß = 0,96 . lO-^«,
Aiin. d. PhjB. u. Chem. N. F. XXXVlll. 31
482 G. Weidmann.
Werthe, die mit /Jg^ bis auf weniger als ^/,q Proc. Überein-
stimmen.
B. Die zur Untersuchung gelangten Glassorten waren:
1) Glas 0,55. Jenaisches Silicat-Crownglas vom Brechungs-
index nQ= 1,516,
2) Glas 0,118. Jenaisches Silicat-Flinglas n<,= 1,613,
3) Weiches Thüringer Glas von Greiner und Friedrichs,
4) Glas 458. Aluminium-Boratglas 71^=1,518, | ^>ti
5) 428. Blei. Boratglas Wo= 1,573, 1 ||l
6) 645^ Blei -Boratglas w^,= 1,573, | IJ^
7) 373. Magnesium- Phosphatglas no= 1,504, '^ «"
endlich noch 8) Fluorit.
Bezüglich Glas 428 und 645^, die bei nahezu gleichem
Brechungsquotienten sehr grosse Verschiedenheit in den Aus-
dehnungsco^fficienten zeigten, sei noch folgende Notiz über
die Zusammensetzung derselben beigefügt:
PbO Al^Os B.O, ZnO
428 32 12 56 Proc. — etc.
645b 18 12 55 12 Proc.
Da hiernach auch die Zusammensetzung beider Gläser
bis auf circa 15 Proc. die gleiche ist, so erscheint es eigent-
lich auffallend, dass sie beide, wie unten mitgetheilt, so ver-
schiedene Ausdehnungscoefticienten haben.
Die auf Grund der sub VIII. A. mitgetheilten Werthe
ernnttolten Ausdehuungscoöfficienten waren:
Glaa U,55
«40= 867.10-«
A
u
= 1,8.10 »0
0,118
731 .10,,
0,8. 10 M
4:')8
560. 10 „
1,1 .10 »
428
538.10 m
1,4. 10 M
645»»
«,o=- 480.10»
37:{
«,„,= 6:>0.1ü»
Fhüriu^er GIiis
«4„ - yas . 10 ,,
1.2. 10 .,
Tluorit
«5., - P.i.'U.lO»
^y
izeau fand n^
3 1911 .10 «).
IX. S eh 1 u » s b e t r a cl) t u n g.
Alle wesentlichen Punkte sind damit erörtert. Ks ist
vielleicht nicht uninteressant, zum Schluss noch mitzutheilen,
in welcher Weise Hr. Prof. Abbe, zum Tlieil auf Grund
der angestellten Versuche, an dem neu zu bauenden Dila-
tometer noch Veränderungen, meist technischer Natur, an-
bringen will, die insofern Verbesserungen bedeuten, als mit
Abbifsehes Dilatometer. 488
ihnen die Empfindlichkeit des Apparates wesentlich erhöht
wird.
Zunächst soll der Apparat stabiler gebaut werden, um
die in den Versuchen oft aufgetretenen störenden äusseren
Flinflüsse möglichst zu beseitigen. Um femer zu erreichen,
dass der Interferenzapparat die Temperatur der Umgebung
so vollkommen und rasch wie möglich annimmt, soll die
Büchse, in der er sich befindet, nicht mehr aus Messing,
sondern aus Kupfer, wegen seiner besseren Leitungsfähigkeit
hergestellt werden; zugleich auch soll der Abschluss der
Büchse nach oben hin ein besserer werden, indem ausser
der planparallelen Platte (Fig. 1 M.) noch ein Metallver-
schluss angebracht wird, der sich vermittelst eines Hebels
nur momentan zur Beobachtung der Interferenzen öffnet.
In dem Hohlraum der Büchse soll ferner ein feingetheiltes
Thermometer zur genauen Temperaturbestimmung Platz
finden. Wie auf p. 471 mitgetheilt, wurde bei den vorliegen-
den Versuchen die Temperatur des Interferenzapparates als
identisch mit der des inneren Cylinders des den Apparat
umgebenden Gefässes angenommen. Eine Abweichung bis
zu 0,1 — 0,2^ kann leicht stattfinden. Bei einem empfind-
lichen Apparat und bei Messungen, bei denen die grösste
Genauigkeit erreicht werden soll, kann diese Abweichung
schon im Resultate einen merklichen Fehler verursachen.
Namentlich zum Zwecke absoluter Messungen, für welche
der vorliegende provisorische Apparat nur wenig geeignet war,
wird, wie bereits p. 465 mitgetheilt, die Dispersion der Prismen
durch ein einzuschiebendes Prisma mit gerader Durchsicht
so stark erhöht, dass die gelbe Hg-Doppellinio getrennt er-
scheint. Bei Beobachtung mit hellen Linien von grösserem
Abstand voneinander würde dieses Hülisprisma wieder zu
entfernen sein. Zur Beobachtung würden dann die ausser-
ordentlich intensiv grünen und die beiden Hg-Linien benutzt.
Bei Anwendung von Hg hat man den erheblichen Vortheil,
auch bei grosser Intensität der Lichtquelle bis zu sehr hohen
GangunterschieJen gehen zu können, ohne dass ein Ver-
schwinden der Interferenzstreifen infolge von Inhomogenität
der Lichtquelle eintritt.
Endlich soll noch eine Vereinfachung der Regulirung
Ol «
484 G. fFeidmann. Abbe^sches Dilatometer.
dadurch herbeigeführt werden, dass der Hülfsapparat (Fig. 4),
der zur EinstelluDg des Interferenztischchens dient, mit dem
Dilatometer fest verbunden wird. Bei dem vorliegenden
Apparat musste man nach der Regulirung des Tischchens
dieses mit dem Deckel der Büchse in die Höhe heben und
behutsam in die Büchse einsetzen. Oft wurde dabei die
Einstellung wieder geändert. Der Deckel der Büchse soll
jetzt durch einen Arm direct von dem Hülfsapparat in die
Büchse geschoben werden.
Mit diesen Veränderungen wird das Abbe'sche Dilato-
meter ein ausserordentlich empfindlicher, aber zugleich auch
leicht zu handhabender Apparat sein. Es wird dann leicht
gelingen, erstens die Temperaturen bis auf 0,01^ C. zu mes-
sen, zweitens die Streifenverschiebung bis auf 0,01 der
Streifenbreite sicher zu stellen. Drittens aber auch bezüg-
lich der Längenmessungen, bei denen ja mit Rücksicht auf
die in VII, D angegebene Berechnung der Luftdicke nur
die Länge der zu untersuchenden Substanz in Betracht
kommt, kann man auf Grund der mitgetheilten Betrach-
tungen eine Genauigkeit erlangen, wie sie auch den höchst-
gestellten Anforderungen genügen wird. Die Körper sind
ja nahezu planparallele Cylinder von ungefähr 10 mm Länge.
Man kann leicht diesen Körpern die Form von Glaskeilen
mit nur äusserst geringem Winkel ertheilen. Die Brauch-
barkeit wird damit in keiner Weise gehindert. Beleuchtet
man nun diese Körper ganz in derselben Weise, wie den
ganzen Interferenzapparat mit streng monocbromatischem
Licht, so wird man auch hier Interferenzen, allerdings bei
sehr hohem Gangunterschied (10 mm, ca. 30000 /.„a/2) wahr-
nehmen. Durch successive Beleuchtung mit den beiden
gelben und der grünen Hg-Linie kann man auch hier die
Lage der Streifen gegen eine kleine auf der Oherfiäche be-
findliche spiegelnde Marke bestimmen. Da die Länge des
Körpers bis auf über 0,003 mm, also ca. 10 Aua/2 bekannt
ist, zwei den Gleichungen (1) und (2) p. 477 genügende ganze
Zahlen, aber um ca. 100 differiren, so hat man damit die
Länge in jeder gewünschten Genauigkeit.
Jena, Phys. Inst., im März 1889.
E, Wiedemamu Mechanische fVärmetheorie, 485
X. Zvtn zweiten Hauptsatz der niechunischen
Wämietheorie; van Eilhard Wiedemann.
In einer Abhandlung: ,yZur Mechanik des Leuchtens^^ ^),
habe ich die Erscheinung der Luminescenz, d. h. der Pro-
cesse; bei denen das normale Verhältniss zwischen trans-
latorischer und intramolecularer Bewegung nicht vorhanden
ist, genauer besprochen und gezeigt, dass diese Erscheinung
viel verbreiteter ist, als man gewöhnlich annimmt. Im An-
schluss an die Einführung des Begriffes der Luminescenz-
temperatur habe ich folgende Bemerkung gemacht: Die den
Ableitungen des zweiten Hauptsatzes zu Grunde liegende An-
nahme, dass Wärme nicht ohne Arbeit von einem Körper
niederer Temperatur zu einem solchen höherer übergehen
kann, muss entsprechend den obigen Ausführungen anders
gefasst werden, indem bei Auftreten von Luyinescenzer-
scheinungen sehr wohl ein solcher Uebergang stattfinden
kann. Ich erlaube mir nun, eine andere Fassung des Glau-
sius'schen Principes mitzutheilen, welche auch die Lumines-
cenzphänomene mit berücksichtigt.
Es geht stets dann Energie, die einer bestimmten Schwin-
gungsdauer entspricht, durch Strahlung von einem Körper
zu einem anderen über, wenn bei dem ersten Körper das
Verhältniss zwischen Emission und Absorption für diese
Strahlengattung grösser ist als bei dem zweiten. Es geht
stets dann Energie, die einer bestimmten intramolecuiaren
Bewegung entspricht, bei der Berührung oder Mischung
von einem Körper auf einen zweiten über, wenn das
Verhältniss der intramolecuiaren Energie, die bei dem Zu-
sammenstossen der Molecüle in translatorische Bewegung
umgewandelt wird, zu der translatorischen, die in intramole-
culare verwandelt wird, bei dem ersten Körper grösser ist,
als bei dem zweiten. Endlich findet ein Energieübergang
statt, wenn die Energie der translatorischen Bewegung der
Molecüle des ersten Körpers selbst grösser ist als die des
zweiten.
Aus diesen Bestimmungen erhalten wir auch eine scharfe
1) E. Wiedemann, Wied. Ann. 37. p. 177. 1889.
486 E. WUdemann.
Definition für die Luminescenztemperatur selbst. Die Lu-
minescenztemperatur ist für irgend eine Strahlung oder
sonstige intramoleculare Bewegung diejenige Temperatur,
auf die ein nicht luminescirender Körper gebracht wer-
den muss, damit für diese Bewegung zwischen ihm und
dem luminescirenden Körper Gleichgewicht besteht. Es
ist klar, dass der zweite Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie, der sich auf das Clausius'sche Princip
gründet, in all den Fällen, die wir eben betrachtet haben,
nicht in der Form fdQjT^Q angewendet werden darf,
sondern entsprechend dem Ausdruck y^/Q/ T< 0.
Es sei mir gestattet, zunächst den ersten der obigen
Sätze an einigen Beispielen zu erläutern.
Wir erregen Kalkspath von der Temperatur von 0®
durch den Einäuss des Lichtes zum Phosphoresciren , er
leuchtet dann hellroth. Wir bringen denselben in eine Pla-
tinhohlkugel von einer höheren Temperatur, etwa von 1^.
Die Platinkugel sei vollkommen evacuirt, sodass jeder Con-
vectionsstrom und jede Leitung fortfällt. Für die infrarothen,
von dem Platin ausgehenden Strahlen gilt der Clausius'sche
Satz in seiner alten Form; da aber der Kalkspath für diese
Strahlen diatherman ist, so erwärmen sie ihn nicht; event.
könnten wir auch zwischen Platin und Kalkspath eine für
die Wärmestrahlen adiathermane, für die sichtbaren Strahlen
aber durchlässige Hülle von 0^ stellen. Die von dem Kalk-
spath ausgehenden rothen Strahlen werden von dem Platin
absorbirt, und dieses wird dadurch erwärmt; es ist also Wärme
von einem kälteren zu einem wärmeren Körper übergegangen
ohne eine gleichzeitige Arbeitsleistung.
Mit Luminescenzphänomenen haben wir es aber auch bei
vielen Flammen zu thun; es geht dies einmal aus den Ver-
suchen von Herrn W. V. Siemens^), weiter aber aus denen
von Herrn Ebert^) hervor, der nachwies, dass, wenn man
Flammen durch Kohlensäurezufuhr entlichtet und dadurch
bedeutend abkühlt, bei ca. 500^ die Emission im Ultraviolett
fast vollkommen dieselbe ist wie bei der durch Luftzufuhr
n W. V. Siemens, Wied. Ann. IH. p. 311. 18«3.
2) II. Ebert, 8itzung»ber. d. Phys.-med. ISoc. Erlangen. Juli 1889.
Meckanisciie fVärmetheorie. 487
entlichteten Flamme von 1000 ^ Denken wir uns eine solche
Flamme in einem Platincylinder von 700^ brennend, dessen
Emission im Ultraviolett noch gering ist, und schalten wir
einen Körper dazwischen, der alle sichtbaren Strahlen ab-
fängt und nur die ultravioletten durchlässt, so werden wieder
ultraviolette Strahlen von der Flamme zum Platin übergehen,
die von demselben absorbirt werden und dasselbe erhitzen.
Wenn wir nicht allein den üebergang der Energie von
den luminescirenden Körpern zum Platin etc. ins Auge
fassen, sondern auch noch die die Luminescenz erregende
Energiequelle in den Kreis der Betrachtung einführen, so
gilt, wie in vielen Fällen ohne weiteres zu sehen ist, der
Clausius'sche Satz in seiner alten Form; es ist der lumi-
nescirende Körper gleichsam nur ein Zwischenglied, das den
Üebergang von Energie eines heisseren Körpers zu einem
kälteren übermittelt, ein Zwischenglied, das aber kälter im
gewöhnlichen Sinne des Wortes ist als die beiden End-
glieder.
Den kohlensauren Kalk haben wir durch Strahlen der
Sonne erregt, die einer wesentlich höheren Temperatur ent-
sprechen, als sie das Platinblech besitzt. Der üebergang
findet also in der Weise statt, dass die von der Sonne aus-
gegangene Energie als Schwingungen in den Molecülen des
kohlensauren Kalkes erhalten bleibt.
Ich setze dabei zunächst voraus, dass wir es beim Cal-
ciumcarbonat mit Photoluminescenz zu thun haben. Wäre
es eine Chcmilumincscenz, so könnten wir statt des Calcium-
carbonats in ganz derselben Weise das Urannitrat oder
irgend einen anderen Körper unseren Betrachtungen zu
Grunde legen.
Bei der Chemiluminescenz wird bei den Zusammen-
stössen der Molecüle die aufgespeicherte potentielle Energie
in kinetische umgesetzt, der gleichfalls eine sehr hohe Tem-
peratur entspricht.
Erlangen, im Juli 1889,
I. ;
488 E. Wiedemann.
XI. lieber Katfiodo- und Photolutni/nescenz t^on
Gläsern; von Eilhard Wiedemann.
(Hiersa Taf. T Ftg. 6.)
In der Abhandlung: „Zur Mechanik des Leuchtens'^ ^),
habe ich darauf aufmerksam gemacht, wie das Luminescenz-
licht nach Intensität und Farbe in hohem Grade von der
Art der Erregung abhängig ist Ich erlaube mir, hierfür
einige Beispiele mitzutheilen.
Herr Schott in Jena war so gütig, mir zu Zwecken
anderer Untersuchungen eine grosse Zahl von Glassorten
zur Verfügung zu stellen. Ich habe dieselben einmal im
Fhosphoroskop auf Photoluminescenz und dann unter dem
Einfluss der Kathodenstrahlen auf Kathodoluminescenz ge-
prüft. Zu den ersteren Versuchen diente das früher be-
schriebene Fhosphoroskop 2), zu den letzteren der Apparat
Fig. 5. A ist ein birnenförmiges Glasgefäss, in welches die
beiden plattenförmigen Electroden a und b eingeschmolzen sind,
und das durch das Rohr B mit dem Hahn h mit der Queck-
silberpumpe communicirt. In den Schliff C passt der Griff-
stopfen Z>, an dem nach innen ein Glasstab c angeschmolzen
war, der fast durch das ganze Gefäss hindurchragt. Auf
den Glasstab lassen sich Messinghülsen schieben, auf die
kleine, mit vier Löchern versehene Metallblättchen m und n
aufgelöthet sind. Durch dünne Drähte wurden auf diese die
zu untersuchenden Substanzen aufgebunden und die zwei
Stücke so gestellt, dass sie den Electrodenblechen « und b
gegenüberstanden; dann wurde der ganze Apparat evacuirt
und abwechselnd die eine and die andere Flattc zur Kathode
gemacht. Dabei ergaben sich folgende Resultate: Borat-,
schwere Silicatfiintgläser, sowie Fhosphatgläser photolumi-
nesciren nicht und kathodoluminesciren nur schwach. Die
Crowngläser zeigen im Fhosphoroskop ein schön grünes
Licht, das unter dem Einfluss der Kathodenstrahlon erregte
ist zeisiggrün; die bleihaltigen Flintgläser und einige ganz
wonige Crowngläser, sowie Glas von schwer schmelzbaren
1) E. Wit'demann, Wied. Ann. 87. p. 177. 1889.
2) E. Wiedemann, Wied. Ann. 34. p. 450. 1888.
Kaihodo' und Photolumineticeiiz, 489
Verbrennungsröhren zeigen im Phosphoroskop eine schön
grüne Phosphorescenz. In den Katliodenstrahlen leuchten
sie meist sehr schön blau, senden also unter deren Einfluss
Strahlen von einer weit grösseren Brechbarkeit aus, als unter
dem Einfluss der Lichtstrahlen. Die Versuche sollen an
den reinen Silicaten, Phosphaten und Boruten fortgesetzt
werden. Vor allem soll ein Glas gesucht werden, das sich
blasen lässt und unter dem Einfluss der Kathodenstrahlen
eine möglichst schwache Phosphorescenz zeigt, denn das an
den Wandungen der Gefässe aus gewöhnlichem Glas auftre-
tende grüne Kathodoluminescenzlicht ist bei Beobachtung der
analogen Erscheinungen an anderen Substanzen äusserst stö-
rend, besonders wenn es sich um eine Spcctraluntersuchung
der letzteren handelt.
Erlangen, im Juli 1889.
XII. Zwei Formeil i^an Spectrographen ;
van Hermann Bhert.
(Hterii Tftf. Y rig. 6—7.)
Bei der grossen Vervollkommnung der photographischen
Technik, die für alle Theile des Spectrums Platten von hoher
Empfindlichkeit zur Verfügung stellt, gewinnt die Methode
der directen photographischen Aufzeichnung unter Zuhülfe-
nahme der Gitter bei allen spectroskopischen Arbeiten immer
mehr und mehr Bedeutung. Verbindet man ein ebenes Gitter
mit Linsen und Hohlspiegeln von grosser Brennweite zu einem
Spectrographen, so erhält man Spectra von sehr grosser Länge
und kann die einzelnen Theile derselben direct auch in
grösserem Maassstabe aufnehmen. Bei der Oonstruction sol-
cher grösserer Spectrographen muss man aber die Zahl der
brechenden oder spiegelnden Flächen möglichst vermin-
dern, um dem Ganzen eine möglichst compendiöse Form
zu geben. Ich glaube, dies bei den im Folgenden be-
schriebenen Formen erreicht zu haben. Bei der einen Form
kommt ausser dem Spalt und dem Fachgitter nur noch eine
Quarzlinse, bei der anderen nur Booh ein HohlBpiegel zur
490 H. Ebert.
Verwendung. Je länger nmn die Brennweite der Linse, resp.
des Hohlspiegels w&hlt, um so genauer treffen die bei der
Construction gemachten Voraussetzungen über den Gang der
Strahlen zu.
1. Spectrograph mit einer Quarzlinse. (Fig. 6.)
Die von dem Spalt S ausgehenden Strahlen fallen auf
die Quarzlinse Q von 140 cm Brennweite und 7 cm freier
Oeffnung und werden durch dieselbe parallel gemacht. Die
Quarzlinse ruht auf einem Schlitten, der in der Schwalben-
schwanzführung F^F^ gleitet Durch die Triebstange -ff wird
durch Drehen an dem Kopfe K die Linse in die Brennweiten-
entfernung der aufzunehmenden Strahlengruppe gebracht.
Die die Quarzlinse verlassenden parallelen Strahlen fallen
auf das ebene Spiegelgitter G von 3V3 X 4^2 cm getheilter
Fläche; die Linien des Gitters verlaufen parallel zur Spalt-
richtung« Das Gitter löst das auffallende Lichtbündel so
auf, dass die nach den verschiedenen Richtungen hin reflec-
tirten Strahlenbündel für eine bestimmte Wellenlänge im Spec-
trum derselben Ordnung unter sich parallel sind. Eine Reihe
dieser Strahlen fällt abermals auf die Quarzlinse Q und wird
durch diese in der Spaltebene zu einem scharfen Bilde ver-
einigt, wo ihre Aufzeichnung auf die empfindliche Platte erfolgt.
Um der Reihe nach alle Theile der Spectren der ver-
schiedenen Ordnungen (ich konnte bei der hier getroffenen
Anordnung bis zu solchen fünfter Ordnung aufsteigen) durch
die Linse führen zu können, ist das Gitter G auf der Dreh-
scheibe S aufgestellt, und zwar so, dass seine Vorderfläche
gerade durch die Drehungsaxe geht. Zur genauen Einstel-
lung dienen die drei Fussschrauben s^^ s.,, s^. Die Scheibe S
wird mittelst des auf ihrer Unterseite befestigten Zahn-
rades Z, der Schraube ohne Ende T und der Stange R durch
Drehen an der Plügelschraube F bewegt.
Das Ganze ist in einen länglichen lichtdichten und
innen geschwärzten Kasten eingeschlossen. Um die Gitter-
stellung zu bezeichnen, ist auf der Scheibe S ein Rahmen
befestigt, der auf seiner über das Gitter hinweggehenden
Querleiste genau in der Drehungsaxe der Scheibe einen
cylindrischen Stab trägt Dieser geht lichtdicht durch den
Speetrographen, 491
Deckel des Kastens und trägt auf seinem äusseren Ende den
Zeiger J, der über einer Theilung spielt. Dieselbe ist so
eingerichtet, dass der Zeiger die Wellenlänge der Strahlungen
anzeigt, welche gerade durch die Mitte der Linse gebeugt
werden und demnach gegen den Spalt hin zurückgehen. Da
bei den Spectren höherer Ordnung ein immer complicirteres
Uebereinandergreifen der einzelnen Spectra eintritt, sind die
Wellenlängen längs fünf Kreisbögen aufgetragen, deren Ra-
dius von innen nach aussen wächst, und von denen jeder das
Spectrum einer bestimmten Ordnung repräsentirt.
Die Vorderwand ist unmittelbar unter dem Spalte von
einer länglichen Oeffnung O durchbrochen, in welcher die
matte Glasplatte oder die Casette mit der empfindlichen
Platte eingesetzt und durch die Vorreiber L^ und L^ fest
gehalten wird. Ich benutzte eine Plattengrösse von 21x3 cm
Dass Spalt und Fixirscheibe auf derselben Seite des
Apparates und so nahe aneinander liegen, stört bei der Ein
Stellung nicht, wenn man die Lichtquelle durch eine Quarz-
linse auf den Spalt projicirt und entweder etwas von dei
Seite her auf die matte Glasplatte blickt, oder über die
selbe ein gebrochenes Ablesefernrohr hinführt. Man sieht dann
alle Theile der sichtbaren Spectra sehr gut und kann durch
Drehen an der Schraube K scharf einstellen. Zu gewissen
Zwecken empfiehlt es sich, einen unter 45^ gegen die Vor-
derseite des Apparates geneigten Spiegel vor dem Spalte zu
befestigen und die Lichtquelle seitlich aufzustellen, z. B.
wenn man den Apparat zu directen Ocularbeobachtungen
benutzen will, wobei bei O eine das Ocular tragende Platte
eingesetzt wird.
Mit diesem Apparate habe ich auf Obernetter'schen
Emulsionsplatten das ultraviolette Spectrum zweiter Ordnung
des Kohle- und Eisenbogens in fünf Secunden, das Spectrum
erster Ordnung in drei Secunden mit allen Einzelheiten er-
halten. Dabei stand mir ein sehr schönes, Hm. Professor
E. Wiedemann gehöriges Gitter zur Verfügung.
An der Vorder- und Rückfläche der Linse wird ein Theil
der auffallenden Strahlen refiectirt und gelangt als difi'user
Lichtschein auf die Platte. Dieser an sich geringe reflectirte
Antheil der gesammten einfallenden Lichtmenge vertheilt sich
492 H. EberL
iDdessen in der Entfernung der Platte von der Linse über
eine grosse Fläche, während die von dem Gitter durch die
Linse geworfenen Strahlen der einzelnen Linien auf einen
relativ sehr geringen Raum zusammengedrängt werden. Da-
her stört das an der Linse reflectirte Licht, namentlich bei
kurzen Expositionszeiten, nicht. Die geringste Wirkung des
retlectirten Lichtes erhält man, wenn man eine concavconvexe
Quarzlinse anwendet, welche ihre relativ stark gekrümmte
convexe Seite dem Spalte und der Platte zukehrt, weil dann
das reflectirte Strahlcnbündel am weitesten zerstreut wird.
2. Spectrograph mit einem Hohlspiegel. (Fig. 7.)
Bei der Benutzung des ebenen Spiegelgitters zur Zu-
sammenstellung eines grossen Spectralapparates erhöht man
die Leistungsfähigkeit dieses Uülfsmittels, wenn man die An-
wendung von Linsen vermeidet; denn einmal macht man sich
frei von der Absorption des Linsenmateriales, andererseits
umgeht man die Schwierigkeiten, welche durch die chroma-
tische Abweichung der brechenden Medien bei der Hand-
habung des Spectrographen verursacht werden. Man hat sich
daher ausschliesslich der Verwendung von Reflexionen an
Hohlspiegeln zugewendet. Hr. W. de Abney hat einen
Spectrographen mit einem ebenen Gitter und zwei Spiegeln
construirt. Indessen ist es möglich, einen sehr wirksamen
Spectrographen schon aus einem Hohlspiegel, der mit dem
Spiegelgitter verbunden ist, zu construiren, und zwar in fol-
gender Weise ^) (Fig. 7):
Das von dem Spalte S kommende Licht fällt auf den
Hohlspiegel H, der, um die Brennweite von S entfernt, in
dem das Ganze einschliessenden Kasten K befestigt ist. Der
von mir verwendete Spiegel hat 120 cm Brennweite und 15 cm
Durchmesser. Die von dem Spiegel // reiiectirten parallelen
Strahlen gelangen auf das ebene Gitter G und werden hier
gebeugt. Eine Reilie der unter sich parallelen gebeugten
Strahlen bestimmter Wellenlängen fallen so auf den Hohl-
spiegel, dass sie in Punkten der Platte P wieder vereinigt
werden. Hier entsteht demnach ein reelles, scharfes Spectral-
1) Eine der hier bcdchriebeDeu ähnliche Conßtruction ist von Um. F.
Lippich in der Zeitschr. f. lustrumeiitcnk. 4. p. 1— 8. 1884 vorgeschlagen
worden.
Spectrographen. 498
bild. Bei P wird die Fixirscheibe, resp. die Cassette mit
der empfindlichen Platte eingesetzt; G ist ebenso wie in
Fig. 6 aufgestellt und durch Drehen an der Axe der Dreh-
scheibe zu bewegen. Eine der vorhin beschriebenen analoge
Theilung zeigt an, welche Wellenlängen und welche Spectra
sich gerade in der Mitte der photographischen Platte befinden.
P, G und 5 sind durch die vorspringenden Schirme L^ und L^
vor Nebenlicht geschützt.
Diese Spectrographen, bei denen die Zahl der Bestand-
theile auf ein Minimum herabgesetzt ist, können ausser zu
directen Oculaibeobachtungen verwendet werden:
a) zur photographischen Aufnahme aller Theile des Spec-
trums. Schliesst man die Spaltöffnung des zweiten Apparates
durch eine aufgekittete Quarzplatte luftdicht ab, so kann
man, da der Apparat leicht so hergestellt werden kann, dass
er überall hermetisch schliesst, ihn auspumpen und sich da-
durch auch von der Absorption durch die Luft frei machen.
Dieses Arbeiten im evacuirten Räume empfiehlt sich bei
Verwendung von Hohlspiegeln von sehr grosser Brennweite,
b) zur Demonstration der Spectra. Schiebt man an Stelle der
Platte die matte Glasplatte in den Cassettenrahmen, so erblickt
man auf derselben die Linien, bei meinen Apparaten z. B.
schon im Spectrum erster Ordnung die Z>-Linien des Sonnen-
spectrums Millimeter weit getrennt. Ersetzt man die Fixir-
scheibe dur(^)i eine Uranglasplatte, so kann man auch die Aus-
dehnung des ultravioletten Spectrums einem weiteren Kreise
zeigen, c) uls Illuminator. Man bringt an Stelle der Platte eine
Spaltvorrichtung an, blendet durch diese eine beliebige Linie
aus dem Spectrum heraus und ^'erwendet das homogene Licht
derselben zur Beleuchtung irgend eines anderen Apparates.
Dabei ist die compendiöse Gestalt der Apparate, die in einer
einfachen Röhre Platz finden, sowie bei der Anordnung 2 der
Umstand von wesentlichem Vortheil, dass sich beim Ueber-
gang von einer Linie zu irgend einer anderen die Focusirung
nicht ändert.
Die beschriebenen Apparate wurden in ausgezeichneter
Weise von dem Mechaniker des hiesigen physikalischen In-
stituts, Hrn. J. G. Böhner, ausgeführt.
Erlangen, Phys. Inst, der üniv^ August 1889.
494 H. R J. G. du Bois.
XIIL Ei/ne einfeiche Modiflcation
der Paggendorff^ 8chen SpiegelaMesung ;
Noti» von H. E. J. G. du Bois aus Htxug.
(Hleri« Tftf. Y Fig. 8.)
Anlässlich der Aufgabe, eine grosse Anzahl kleiner Ana-
Ijsatorrotationen genau und rasch zu bestimmen, verfiel ich vor
einiger Zeit auf eine Abänderung der gewöhnlichen Poggen-
dorf fischen Methode der Winkelmessuug. Da diese sich in
ähnlichen Fällen auch sonst als praktisch erweisen dürfte, folgt
hier ihre Beschreibung, welche meines Wissens bisher nirgends
gegeben wurde. ^)
Fig. 8 ist ein Schema der gewöhnlichen horizontalen Auf-
stellung, wo A die Scala, F' das Fernrohr, S^ den drehbaren
Spiegel bedeuten. Bei der modificirten Methode kommt nun
zunächst an Stelle des Fernrohrs das virtuelle Bild eines sol-
chen in F aufgestellten in Bezug auf einen festen Spiegel S^,
OflFenbar ist dies auf die Art der Winkelberechnung ohne Ein-
fluss, ebensowenig wie ein nunmehr Weiter- oder Näherrücken
von F in Richtung seiner Axe; es kann z. B. wie in der Figur
nach Fj, ganz nahe an ^2 rücken; der Spiegel könnte sogar
justirbar am Fernrohr befestigt werden.
Ebensogut lassen sich Rotationen um horizontale oder
gar geneigte Axen messen, dazu braucht man sich blos S^ mit
A um die Linie S^F' gedreht zu denken, bis die Scala ^ der
Rotationsebene parallel liegt. Durch Drehen von F^ mit S^
um dieselbe Linie kann man auch dem Femrohr jede beliebige
1) Erst ganz kürzlich hat Hr. Piltschikoff, Joiirn. de phya. (2)
H. p. 330. 1889, eine, siuiirck'h«' Vfrallgemoinerung d^r Poggendorff-
schen Methode inath('inati.sch beschritjben; inwi<'fern diese sich praktisch
bewahrte, ist »lort nicht zu ersehen. Neben dem üblichen drehbaren
Spiegel ist dab(ü auch ein zweiter fester eingeführt; btMile müssen von der
Grötjse des zu benutz(^nden Sealengebiets sein, sodass die Abänderung
hauptsächlich für empfindliche Nullmethoden anwendbar ist, wie das der
Verf. sitlbst angibt. Meine Modifieirung ist von jener, was Einrichtung
und Zweck betrifft, ganz verschiedt?n. Eine ebenfalls zur Beobachtung
kleinster AVinkeldifterenzen, speciell bei Nullmethoden, dienende Anord-
nung wurde neuerdings von Hrn. Leonhard Weber angegeben, worauf
llr. Geh.-Rath G. Wiedemann mich aufmerksam zu machen die Güte
hatte. Sie beruht auf dem Princip der vielfachen Bilder eines Winkel-
spiegeis.
Poggendorff^sche Spiegelabkmng. 495
Stellung geben; eine ungefähr horizontale ist natürlich meistens
die bequemste. S^ muss offenbar etwas über der Bildebene
liegen y damit die Mitte der Scala nicht bedeckt werde. Die
zu den Theilstrichen der Scala senkrechte Dimension beider
möglichst ebener Spiegel muss bei dieser Einrichtung min-
destens gleich dem Objectivdurchmesser sein, soll das Auf-
lösungsvermögen des Femrohrs F^ völlig zur Geltung kommen.
Die den Theilstrichen parallele Dimension der Spiegel sowie
des Objectivdiaphragmas muss im Interesse eines scharfen
Scalenbildes durch Abblenden verringert werden, soweit die
Helligkeit des Bildes dies zulässt.^) Folgende Umstände sind
noch hervorzuheben:
1) Das Femrohr ist nicht an den Platz der Scala ge-
bunden, sondern kann aufgestellt werden, wo es am bequem-
sten steht
2) Namentlich kann es ganz nahe an die Spiegel gebracht
werden, sodass sämmtliche, wie in der Figur, auf einem Pfeiler
Platz finden. Diese Anordnung hatte ich für meinen Zweck
gewählt; ein und derselbe Beobachter kann dabei den Analy-
sator einstellen und zugleich dessen Azimuth im Fernrohr
genau ablesen.
3) Bei letzterer Aufstellung erwächst femer der Vortheil,
dass der optische Abstand, Scala- Objectiv, nicht wesentlich
grösser als die Scalendistanz AS^ ist, statt das doppelte zu
betragen. Man kann deshalb bei gegebenem Femrohr die
Scala doppelt so weit als gewöhnlich aufstellen. Beispiels-
weise kann man die Scalendistanz 5,157 m machen; ein Sealen-
theil (mm) entspricht dann V3' Drehung von S\. Mit einem
gewöhnlichen, 18 fach vergrössemden Femrohre mit Objectiv
von 3,5 cm kann man dann nocli Zehntelmillimeter, also 2"
mit Leichtigkeit schätzen.
4) Dies würde sonst einen wcrthvollen Theilkreis von min-
destens 40 cm Durchmesser erfordern, dessen Noniusablesung
anstrengender wäre und langsamer erfolgen würde, als in der
oben beschriebenen Weise.
Pliys. Inst. d. Univ. Strassburg, 25. Sept. 1889.
1) Nach Mascart et Joubert, Eleotr. et Magnet 2. p. 18. 1886.
496 IL Zehnder, Deformationsströme.
XIV. Bemerkung zu der dritten^ Mittheilung des
Hm. Braun: „Ueber JDeformationsstr&me^^ ;
van L. Zehnder.
In einem Nachtrage zu seiner dritten Mittheilung über
Deformationsströme ^) sagt Hr. Braun: „In der That glaubt
Hr. Zehnder, dass man sie** (die Braun'schen Deformations-
ströme) „auf die beim Ausziehen einer Spule entstehende Tor-
sion des Drahtes um seine Mittellinie zurückführen könne.
Nun entstehen die Ströme aber auch, wenn man die Spule so
auszieht, dass eine Torsion der Enden unmöglich wird. Eine
Torsion des Drahtes könnte also nur in der Weise eintreten,
dass dieselbe vom einen Ende bis zur Mitte des Drahtes hin
zunimmt und von da bis zum anderen Ende wieder abnimmt.
Dadurch müsstenaber in beiden Spulenhälften entgegengesetzt
gerichtete Ströme entstehen, wenn die Richtung der letz-
teren überhaupt mit einer bestimmten Richtung (mag dieselbe
eine magnetische, mechanische oder sonst wie sein) in der Draht-
axe einsinnig verbunden ist. So lassen sich die Erscheinungen
also nicht erklären.'^ Es ist wohl keine andere Deutung dieser
Angaben von Hrn. Braun möglich, als dass er bei dem er-
wähnten Versuche die Drahtenden, an welchen er die Spulen
auszog, so festklemmte, dass keine andere Bewegung dieser
Enden als eine Verschiebung in der Richtung der Spulenaxe
erfolgen konnte. In diesem Falle wird aber der Draht beim
Ausziehen der Spule nicht in der von Hrn. Braun angegebenen
Weise tordirt ; derselbe erleidet vielmehr durchweg eine Tor-
sion im gleichartigen Sinne um seine Mittellinie, vom einen
festgeklemmten Ende bis zum anderen. Von der Richtigkeit
des letzteren üi)erzeugt man sich in verschiedener Weise, am
leichtesten wohl dadurch, dass man eine Spule, mit der erwähn-
ten Festhaltung ihrer Enden, mehr und mehr auszieht: zuletzt
erhält man aus derselben einen gestreckten Draht, welcher
durch dieses Ausziehen so oft um 360^ tordirt worden ist,
als vorher die Spule Windungen zählte. Ich kann also
Hrn. Braun's Hauptargument gegen meine Vermuthung
einer Identität der Deformations- und der Torsionsströme
nicht gelten lassen.
Phys. Inst, der Univ. Würzburg, 17. Oct. 1889.
1) Braun, Wied. Ann. :J8, p. 67. 18b0.
Druck Yon Metzger & Wittib in Leipzig.
1889. A N N Ä L E ^^ M 12.
DER PHYSIK UND CHEMIE.
NEUE FOLGE. BAND XXXVIII.
I. Ueber tlie Entladung negativ electnischer
Körper durch das Sminen- und Tageslicht;
ron Julius Elster uml Hans Gettel.
(llierBo Tmf. YI FIf. 1-3.)
§ 1. In einer vor kurzem in diesen Annalen publicirten
Notiz ^) über die Zerstreuung negativer Electricität durch
das Sonnen- und Tageslicht haben wir mitgetheilt, dass die
durch die grundlegenden Arbeiten von Hertz, Hall wachs,
Righi u. a. für das electrische Bogen- und Funkenlicht
nachgewiesene Eigenschaft, negative Electricität von der
Oberfläche electrisirter Körper fortzuführen, auch dem Son-
nen- und Tageslicht bei Verwendung bestimmter Metall-
oberflächen zukommt. Dieses Ergebniss stand im Wider-
spruch mit den Resultaten fast sämmtlicher Beobachter,
welche das Sonnenlicht auf ein derartiges Verhalten prüften.
Wir glaubten daher auch unser positives Resultat durch
den Umstand erklären zu müssen, dass die letzten Tage des
Monat Mai und der Anfang des Juni so überaus klaren
Himmel brachten, und es schien uns durchaus nicht unwahr-
scheinlich, dass zu anderen Zeiten des Jahres die Erschei-
nung nicht zu beobachten sein würde.
Dies Bedenken veranlasste uns, unsere Beobachtungen
in der oben erwähnten Notiz bekannt zu geben, um Gelegen-
heit zu bieten, die von uns angedeuteten Versuche noch
vor dem Beginne des Winters zu wiederholen.
Die gehegte Befürchtung in Bezug auf das Erlöschen
der Erscheinung mit niederem Stande der Sonne ist jedoch
grundlos gewesen; bei Verwendung geeigneter [Stoße zeigt
1) Elster u. Geitel, Wicd. Ann. 38« p. 40. 1888.
Ann. d. Pbyi. n. Ctatm. N. F. XXXVIII. it.
498 J. Elster u, H. Geitel
sich dieselbe schon im zerstreuten Tageslichte mit vollkom-
mener Deutlichkeit.
Der Zweck der vorliegenden Mittheilung ist einmal, die
in jener Notiz ausgesprochenen Behauptungen zahlenmässig
zu belegen, ferner einige wesentliche Ergänzungen dazu zu
liefern und schliesslich Demonstrationsversuche anzugeben,
welche die Entladung durch Sonnenlicht vor einem grösse-
ren Zuhörerkreise zu zeigen gestatten.
Ueberblickt man die unseren Gegenstand betreffende
Litteratur, so findet sich, dass nur M. Uoor^) die Frage,
ob Sonnenlicht wirksam ist, bejaht, indem es ihm gelang, in
reflectirtem Sonnenlicht eine Abnahme der anfänglichen, nega-
tiven Ladung von 6 bis 7 Proc. pro Minute nachzuweisen.
Hoor gibt an, dass er mit Kupfer-, Zink- und Messingplatten
experimentirte. Sollte Hoor bei allen drei Metallen obige
deutliche Abnahme durch auffallendes Sonnenlicht erhalten
haben, so würde hierin ein Widerspruch mit unseren Erfah-
rungen liegen, da nach unseren Versuchen selbst ganz frische
Oberflächen von Kupfer und Messing unwirksam sind.
Gegen die Hoor^schen Versuche hat noch ganz kürz-
lich Righi-) polemisirt, indem er betont, dass er mit Son-
nenlicht niemals eine Spur einer Wirkung erhalten habe.
Man wird zugeben müssen, dass die Frage, ob die Ober-
Häche der Erde von actin oelectri seh wirksamen Strahlen der
Sonne getroffen wird, als eine bedeutungsvolle zu bezeichnen ist.
Denn, wenn von der Wirkung, wie wir sie am Zinkbogen-
üder Funkenlicht wahrnehmen, auch nur ein verschwindend
kleiner Bruchtheil für das Sonnenlicht bestehen bleibt, so
muss von der bestrahlten Seite der Erdkugel negative Elec-
tricität im Laufe eines Tages in die Atmosphäre eindringen,
ein Vorgang, der geeignet sein dürfte, die beträchtliche täg-
liche Variation des Luftpotentials zu erklären. Arrhenius')
hat bekanntlich schon eine vollständige Theorie der Luft-
electricität auf dieser Grundlage aufgebaut, die, wenn
sie auch nicht frei von angreifbaren Punkten erscheint,
1) M. Hoor. Itep. d. Phys. 25. p. 105. 1ö89.
2) Kighi, Kep. d. Pbys. 25. p. SöO. 1889.
,'i) Arrheiiius, Meteorol. Zeitschr. 5. p. 'J97. 185b.
Entladung negativer Electricität durch Tageslicht 499
im ganzen doch wohl einen entschiedenen Fortschritt be-
zeichnet.
Der Haupteinwand, den kürzlich Sohne ke^) gegen diese
Theorie erhoben hat, nämlich, dass die Erdoberfläche gar
nicht von wirksamen Strahlen der Sonne getroffen werde,
kann nach unseren Versuchen nicht mehr in vollem Umfange
aufrecht erhalten werden.
Ist dieser Einwand schon an sich nicht sehr schwer-
wiegend, da eine so geringe Wirkung, wie sie die Arrhe-
ni US 'sehe Theorie bedarf, sich noch nicht an den electri-
sehen Messinstrumenten zu zeigen braucht, so wird er kaum
festzuhalten sein, nachdem es gelang, Körper aufzufinden,
die fast momentan durch das Sonnenlicht entladen waren.
Wir werden im Folgenden zeigen, dass unter geeigneten
Versuchsbedingungen die entladende Kraft der Sonnenstrahlen
vollkommen mit jener des Funkenlichtes wetteifert.
§ 2. Die Gesichtspunkte, von welchen wir beim Beginn
unserer Untersuchung ausgingen, waren wesentlich meteoro-
logischer Natur. Bei unseren Beobachtungen des normalen
Potentialgefälles der atmosphärischen Electricität'"^) war uns
die tägliche Periode desselben (zur wärmeren Jahreszeit) in
auffallender Weise entgegengetreten. An klaren Herbst-
und Frühlingstagen sank der Potentialwerth im Verlaufe des
Tages, also mit zunehmender Insolation des Erdbodens, oft
auf einen ganz geringen Bruchtheil des Morgenwerthes her-
ab. (Oft von 250 Volts auf 20 Volts pro Meter). Der von
Arrhenius vertretene Standpunkt schien, wie bemerkt,
einen Einblick in das Spiel der hier wirkenden Ursachen zu
ermöglichen, dabei war allerdings zuvor festzustellen, ob
das Sonnenlicht als electrisch wirksam betrachtet werden
kann. Diese Frage zu entscheiden, war also die nächste
Aufgabe.
Wir müssen zugestehen, dass wir überrascht waren, so
schnell zum Ziele zu gelangen. Als zu belichtendes Metall
verwandten wir Zink, weil übereinstimmend angegeben wird,
dass dasselbe im Funkenlicht die Entladung negativer Elec-
1) Sohncke, Himmel imd Erde. 1. p. 523 ff. auch Beibl. 13.
p. 739. 1889.
2) J. Elster u. H. G eitel, Wien. Ber. 98. p. 909. 1889.
32*
500 J. Elster u. K Geitel
tricität sehr ausgesprochen zeigt, zumal wenn seine Ober-
fläche vorher sorgfältig gereinigt war.
Ferner schien es uns nothwendig, ein möglichst empfind-
Hohes Electrometer in Anwendung zu bringen, um eventuell
selbst Spuren der in Rede stehenden Erscheinung feststellen
zu können.
Die nähere Anordnung der ersten von uns ausgeführten
Belichtungsversuche war diese:
Wir haben in dem Garten unserer Wohnung eine Zink-
schale von ca. 20 cm Durchmesser isolirt befestigt stehen,
von welcher eine ebenfalls isolirte Drahtleitung in unser im
Erdgeschoss gelegenes Laboratorium führt, sodass wir die
draussen aufgestellte Schale leicht mit einem empfindlichen
Quadrantelectrometer (1 Normaldaniell = 50 — 60 Scalen-
theile) in leitende Verbindung bringeü können. Diese Schale
steht in einem cylindrischen Metallgefässe, das durch einen
horizontal verschiebbaren Deckel vermittelst einer in das
Laboratorium hineingeführten Schnur beliebig geöffnet oder
geschlossen werden kann. Ein zwischen Deckel und Schale
eingeschaltetes, zur Erde abgeleitetes, weitmaschiges Draht-
netz entzieht die letztere dem Einflüsse der atmosphä-
rischen Electricität. Der bewegliche Deckel schloss nicht
vollkommen lichtdicht; sollte die Schale in absolutem Dunkel
gehalten werden, so musste der umgebende Metallcylinder
durch einen cylindrischen Aufsatz geschlossen werden. Die
Schale befand sich bei allen Versuchen nur wenige Milli-
meter unterhalb des schützenden Drahtgitters.
Gleich der erste Versuch zeigte, dass die vom Sonnen-
lichte getroff'ene, frisch abgeschmirgelte Schale viel schneller
eine negative Ladung verlor, als eine positive, sodass wir
nach einigen orientirenden Vorversuchen zu Messungen schrei-
ten konnten.
Von diesen Messungen, von denen wir später eine grosse
Zahl vornahmen, möchten wir die erste, ausgeführt am 30. Mai
d. J., hier mittheilen.
Als der Schale eine negative Ladung von 388 Scalen-
theilen ertheilt worden war, wurden bei Belichtung durch
Sonnenlicht im Verlaufe von 3 Minuten folgende Abnahmen
in Scalentheilen beobachtet:
Eulladituy negativer EUctricität durch Tageslicht. 501
Zeit: 1 2 3 Minuten
Abnahme: 06 171 215 Scalentheile.
Als der gleiche Versuch angestellt wurde ohne Belich-
tungy ergaben sich die folgenden Zahlen:
Zeit: 1 2 3 Minuten
Abnahme: 33 62 83 Scalentheile.
Jetzt wurde der Versuch wiederholt mit einer positiven
Ladung von 494 Scalentheilen, hier ergab sich:
Zeit: 1 2 3 Minuten
Ab- j belichtet 21 42 62 ( vi«„, , ,1 ..
nähme: } unbelichtet 21 41 60 | ^c»!^*»^!^^»!^-
Aus diesen Versuchen geht der Einfluss der Belichtung
wohl unzweifelhaft hervor. Immerhin ist aufl'allend, dass
die Zerstreuung der negativen Electricität auch bei ge-
schlossenem Deckel eine grössere ist, als die der positiven
Electricität. Es war anzunehmen, dass diese Erscheinung
bedingt werde durch das Nebenlicht, welches der horizontal
bewegliche Deckel noch seitlich in den Apparat eintreten
Hess. Diese Vermuthung bestätigt sich, denn als wir den
Horizontaldeckel durch den oben erwähnten cylindrischen
Aufsatz ersetzten, fand sich die Zerstreuung der negativen
Electricität viel geringer, als vorher. Bei einer negativen
Ladung von 481 Scalentheilen ergaben sich in 3 Minuten
folgende Abnahmen:
Zeit: 1 2 :t Minuten.
\u ,1 « I Horizontaldcckel 25 45 65 I ci«„i««*i «i^
Abnahme: j Cylindri.chcr Aufsatz 13 24 31 ) Scalentheile.
Frisch abgeschmirgeltes Zink ist danach selbst gegen
zerstreutes Tageslicht empfindlich.
Es stand zu erwarten, dass bei Verwendung höherer
Spannungen sich die Erscheinung mit noch grösserer Deut-
lichkeit zeigen werde. Wir ersetzten deshalb das Quadrant-
electrometer durch ein Exner'sches Electroskop, dem mittelst
einer trockenen Säule eine Ladung von ca. ±175 Volts
ertheilt werden konnte.
Es ergaben sich hier die folgenden Zahlen:
502 J. Elster u. H. Geitel
Belichtung durch Sonnenlicht.
I. Negative Ladung von 175 Volts.
Datum : 2. VI. 89. Zeit: Va 1 Minute.
Abnfthmp- I helichtet 150 175 i y j
^^"^*^"™^- \ unbelichtet 10 15 | ^ ''^^^•
IT. Positive Ladung von 175 Volts.
Zeit: V'j 1 Minute.
Abnahmp- ' belichtet - 3 | y w
ADnanme. ^ ^„beli^.litet 5 W \ ^^"^•
Nach 40 Secunden Belichtung war eine deutliche Diver-
genz des Electroskops, falls die Anfangsladung negativ war^
überhaupt nicht mehr zu constatiren.
Die oben erwähnte Empfindlichkeit frisch abgeschmir
gelten Zinks liess es wahrscheinlich erscheinen, dass auch
die actinoelectrische Kraft des zerstreuten Tageslichtes bei
dieser Versuchsanordnung noch deutlicher hervortreten würde.
Die Sonne verliess den Apparat ca. 3 Uhr nachmittags. Es
wurden nach dieser Tageszeit die obigen Versuche unter
Verwendung des Exner'schen Electroskops wiederholt. Es
ergaben sich hier noch folgende Abnahmen:
Belichtung durch Tageslicht.
Zeit: '. 1 1'... 2 Minuten
r
35
1
54
1''
65
8
18
30
Abnahme: ' '^«'/^ , ''l '^ «f, f, \ Volt.
I unbel.: 8 18 30 31 |
Die Zahlen in der letzten Horizontalreihe würden auch
hier bedeutend kleiner ausgefallen sein, wenn wir den Appa-
rat nicht durch den Horizontaldeckel, sondern durch den
cylindrischen Aufsatz geschlossen gehalten hätten.
In gleicher Weise wie blankes Zink, vielleicht sogar noch
kräftiger, wirkten frisch gereinigte Oberflächen der Metalle
Aluminium und Magnesium.
§ 3. Die von F. E x n e r construirten transportabeln
Apparate^) zur Bestimmung der atmosphärischen Electricität
erlaubten uns, die bislang beschriebenen Versuche, wenn auch
in etwas anderer Anordnung, im freien Felde zu wiederholen.
Wir benutzten einfach Drähte aus Zink, Aluminium und
Magnesium, die direct an dem Knopfe des Exner'schen
\) V. Kxner, Wien. Ber. i)r>. II. Abth. p. 1084. IssT.
Entladung negativer ElectricUät durch Tageslicht 503
Electroskops befestigt wurden, nachdem sie zuvor sorgfältig
abgeschmirgelt waren.
Verwandte man einen Aluminiumdraht von 30 cm Länge,
so hielt ein so hergerichtetes Electroskop im Sonnenlichte
negative Electricität überhaupt nicht; in weniger als 2 Se-
cunden nahm die Spannung von 200 Volts auf Null ab. Sobald
man im Sonnenlichte die Verbindung zwischen dem negativen
Pole einer trockenen Säule und dem Aluminiumblättchen des
Electroskops aufhob, verschwand die Ladung fast momentan,
um, wenn das Electroskop auf freiem Felde emporgehalten
wurde, sofort einer hohen, oft 150 Volts betragenden positiven
Spannung Platz zu machen.
Wie wir weiter unten ausführen werden, ist die letztere
Ladung einer Einwirkung der atmosphärischen Electricität
zuzuschreiben. Will man daher den Einfluss der Belichtung
allein studiren, so ist der zu belichtende Körper in dem In-
neren eines zur Erde abgeleiteten Drahtgitters unterzubrin-
gen. Bei allen weiteren Belichtungsversuchen im Freien
haben wir daher diese Vorsichtsmaassregel gebraucht. Stellt
man die Versuche im Inneren eines Zimmers bei geö£fnetem
Fenster an, so kann dieser Schutz natürlich entbehrt werden.
Obgleich durch ein solches Drahtnetz ein Theil der
Lichtstrahlen aufgefangen wird, ist doch die Entladung auf
freiem Felde eine so schnelle, dass, wenn man die Erschei-
nung bei hohem Sonnenstande messend verfolgen will, Alu-
miniumdrahtstückcben von nur circa 10 mm Länge in An-
wendung gebracht werden können.
Bei dem Bestreben, das Exner'sche Electroskop in eine
Art Photometer für die actinoelectrisch wirksamen Strahlen
der Sonne umzuwandeln, erkannten wir bald, dass eine Haupt-
Schwierigkeit in dem Umstände lag, dass die Entladungszeit
so ungemein stark von der Überflächenbeschaffenheit der be-
lichteten Metalle abhängt. Frisch abgeschmirgelte Oberflächen
der lichtempfindlichen Metalle zeigen die Entladung durch
Sonnenlicht oft in dem doppelten Maasse, wie Oberflächen,
die vielleicht 5 Minuten lang dem Lichte ausgesetzt waren.
Dieser sehr störende Uebelstand lässt sich dadurch stark
vermindern, dass man eine jedesmal frisch amalgamirte Zink-
kugel in Anwendung bringt.
504 J. Ehler u. H. Geitel
Beim Gebrauche solcher Kugeln stellt es sich heraus,
dass eine amalgamirte Zinkfläche fast noch lichtempfindlicher
ist, als alle die zuvor genannten Metalle. Eine derartige
Kugel von 3 cm Durchmesser entladet an klaren Tagen ein
bis zum Maximum geladenes Exner'sches Electroskop, ohne
Anwendung von Sonnenlicht, lediglich unter dem Einflüsse
des blauen Himmelslichtes in wenigen Secunden voll-
ständig.
Auch bei ganz bewölktem Himmel lässt sich bei geöfl-
netem Fenster die Entladung durch das zerstreute Tageslicht
selbst im Zimmer noch deutlich zeigen.
Verbindet man ferner eine derartige Zinkkugel mit dem
negativen Pole einer aus 4000 Plattenpaaren bestehenden
Zamboni' sehen Säule von grossem inneren Widerstände
dauernd, so sinkt die Spannung dieses Poles auf ein Mini-
mum, sobald die Kugel vom Sonnenlicht getreuen wird.
Die Verwendung solcher Kugeln als lichtempfindliche
Körper in einem Photometer für die actinoelectrisch wirk-
samen Strahlen der Sonne scheint ausführbar zu sein; eine
Beschreibung der Methode, falls sie sich bewährt, möchten
wir einer späteren Mittheilung vorbehalten.
§ 4. Es ist ohne Frage ein sehr bemerkenswerther Um-
stand, dass bislang nur electropositive Metalle sich gegen das
Sonnen- und Tageslicht empfindlich zeigten. Es stand daher
zu erwarten, dass, wenn Metalle gewählt wurden, welche noch
electropositiver sind, als Zink, Aluminium, Magnesium, min-
destens die gleiche Lichtempfindlichkeit hervortreten würde.
Wir schritten daher zu Versuchen mit Kalium und Natrium.
Leider verbietet die Natur dieser Metalle eine unmittelbare
Verwendung, da eine Herstellung blanker Oberflächen der-
selben in atmosphärischer Luft unmöglich ist. Die Licht-
empfindlichkeit der Amalgame brachte uns auf den Gedanken,
auch hier die Metalle durch ihre Amalgame zu ersetzen.
Aber selbst diese überziehen sich, der Luft ausgesetzt, sofort
mit einer Schicht der Hydroxyde der betreff'enden Metalle.
Völlig reine Oberflächen sind möglich an einem austtiessen-
den Strahle.
Wir halfen uns daher dadurch, dass wir geringe Quanti-
täten der Alkalimetalle in Hg auflösten (um das Erstarren der
Entladung negativer Electriciiät durch Tageslicht 505
Amalgame zu verhindern, darf der Gehalt an Älkalimetall
nur gering gewählt werden) und das Licht auf freie Strahlen
dieser Lösung wirken Hessen. In Fig. 1 ist der von uns zu
diesen Versuchen benutzte Apparat dargestellt.
Eine oflene Pappschachtel^^' (Metallische, selbst Eisen-
schalen, können nicht verwandt werden, da sie bei der Berüh-
rung mit Alkalimetallamalgamen sofort amalgamirt werden)
durch drei Siegellackfüsschen x isolirt, trug einen Ständer T,
an welchem ein gläsernes Tropfgefäss B vermittelst eines an-
gekitteten Drahtringes befestigt war. Wurde B mit kalium-
oder natriumhaltigem Quecksilber gefüllt, so trat das Metall in
feinem Strahle aus der Oeflfnung O aus. Ofi'enbar bildet
sich hier momentan stets eine reine Überfläche. Wir hatten
drei solche Apparate hergerichtet, einen für reines Queck-
silber, einen zweiten für die Auflösung von Na in Hg und
einen dritten für die Lösung von K in Hg. Um Tropfen-
sammlerwirkungen auszuschliessen, wurden die abgeflossenen
Quecksilbermengen durch einen Eisendraht leitend mit dem
Metall im Tropfgefäss verbunden. Zugleich vermittelte dieser
Draht die Verbindung mit dem zu den Versuchen verwandten
Exn er 'sehen Electroskope.
p]s zeigte sich bei positiver Ladung bei keinem der
Apparate irgend eine Einwirkung des Lichtes, dagegen nahm
die Ladung selbst im zerstreuten Tageslichte (bei sehr trü-
bem Himmel) schnell ab, sobald sie negativ war, und das
Quecksilber Spuren von K oder Na enthielt; reines Queck-
silber dagegen war vollkommen unwirksam. Letzteres wurde
auch noch auf andere Weise bestätigt, indem ein mit eben
tiltrirtem, reinen Quecksilber gefülltes Schälchen dem direc-
ten Sonnenlichte ausgesetzt wurde. Irgend eine abnorme
Zerstreuung negativer Electricität war hier nicht wahrzu-
nehmen.
p]ine Beobachtungsreihe,' betreft'end die Lichtempfindlich-
keit der Amalgame, mag hier Platz finden. Dieselbe wurde
am 2. October 1889 bei stark verschleiertem Sonnenlichte
durchgeführt. Als Electrometer diente das calibrirte Ex ner'-
sche Electroskop. In folgender Tabelle bezeichnet V^ die
dem Tropfapparat ertheilte Spannung F, den Rest derselben
506 J. Elster u. H, Geitel
nach t Secunden Belichtung. Es ergaben sich bei negativer
Ladung folgende Zahlen:
To V, t"
(Volt) (Volt)
1) Reines Hg 185 175 30"
2) Hg+Zn 195 116 15"
3) Hg + Na 195 0 10"
4) Hg + K 195 0 5"
Wenn in den Amalgamen das in dem Bg gelöste Metall
das wirksame Agens ist, so dürften obige Versuche erlauben,
die verschiedenen Metalle nach ihrer Lichtempfindlichkeit in
folgender Weise zu ordnen:
K, Na, (Mg, AI), Zn, Sn.
Es ist interessant, dass diese Reihe genau mit der
Volta'schen Spannungsreihe zusammenfällt. Auch Zinn
konnte in diese Reihe mit aufgenommen werden, da amalga-
mirte Oberflächen dieses Metalls eine, wenn auch vergleichs-
weise schwache, doch immerhin deutlich wahrnehmbare Wir-
kung zeigen.
Versuche mit reinen, aber nicht araalgamirten Oberäächen
der Metalle: Zinn, Cadmium, Blei, Kupfer, Messing, Eisen,
(Kohle), Platin haben nur negative Ergebnisse geliefert,
mochten wir sie in dem eingangs beschriebenen Belichtungs-
apparate oder unmittelbar am Exner'schen Electroskope
verwenden.
§ 5. In meteorologischer Hinsicht schien uns die Frage
von Wichtigkeit, wie sich eine dem Lichte ausgesetzte Was-
serfläche verhalten würde. Wir verwandten daher zunächst
reines (Regen-) Wasser, mit welchem wir die Schale des in
§ 2 geschilderten ßelichtungsapparates füllten; ferner auch
stark dampfendes heisses Wasser, um festzustellen, ob vielleicht
der von der Wasserfläche aufsteigende Dampf unter dem Ein-
flüsse des Sonnenlichtes negative Electricität mit sich führe.
Schliesslich verwandten wir noch kalte und heisse Kochsalz-
lösungen, und zwar im Hinblick auf den Verdampfungspro-
cess auf der Oberfläche des Meeres. M Bei allen diesen
Flüssigkeiten haben wir eine deutliche actinoelectrische Ein-
wirkung der Sonnenstrahlen nicht feststellen können. Zwar
1) Piilmiori findet negative Electrisining mit Meorwasser gefüllter
belichteter Schalen. Vgl. Beibl. \X p. 23. 1889.
Entladung negativer Electricität durch Tageslicht, 507
zeigte sich häutig bei geöffnetem Apparate ein etwas grösse-
rer Electricitätsverlust, als bei geschlossenem, doch dürften
sich die geringen beobachteten Unterschiede auf die lebhaf-
tere Circulation der immer staubhaltigen Luft in dem geöff-
neten Apparate zurückführen lassen.
Wenn in den letztgenannten Fällen wirklich noch eine
actinoelectrische Wirkung der Sonnenstrahlen vorhanden ist,
so ist sie jedenfalls viel hundertmal geringer als die, welche
an blanken Zink- und Aluminiumtlächen wahrgenommen wird.
Mit den Versuchen an Wasserflächen steht im Einklänge,
dass benetzte lichtempfindliche Metalle fast vollständig un-
wirksam sind. Es genügt, einen frisch abgeschmirgelten Alu-
miniumdraht einige mal durch die Finger zu ziehen, um
seine Lichtempiindlichkeit auf ein Minimum herabzusetzen.
Interessant ist, dass wenigstens ein nicht metallischer
Körper aufgefunden werden konnte, der deutlich auf das
Sonnenlicht reagirt; es ist dies die B almain 'sehe Leucht-
farbe. Dieselbe wurde in Pulverform in einer kleinen offenen
Pappschachtel, durch deren Boden ein mit dem Exn er 'sehen
Electroskop verbundener Eisendraht geführt war, dem Lichte
ausgesetzt. Die ganze Vorrichtung umschloss, um ein Stäu-
ben des leichten Pulvers zu verhindern, ein oben mit einer
Gypsplatte verschlossener Metallkasten. Zur Controle wur-
den die Versuche mit leerer Schachtel wiederholt.
Es ergaben sich bei Verwendung von Sonnenlicht hier
folgende Zahlen:
Versuche mit Balmain'scher Leuchtfarbe.
1) Pappschachtel allein:
l>jitum: 2. X. 81». negative Ladung:
V, 1\ t ■
Diverg. Volt Div. Vult
29,0 258 28,4 2ö4 00"
2' Pappschachtel mit Balmain'schcr Farhc gefüllt:
a. negative Ladung:
2i),2 260 19,8 1<»7 60'
b. i)08itive Ladung:
24,5 228 23,2 219 60
Flächen, die mit einer Balmain'sche Farbe enthalten-
dem Gelatinel(")sung bestrichen sind, zeigen keine Einwirkung
des Lichtes.
508 J. Elster u. II. Gdtel.
Es wäre von Interesse, andere phosphorescirende Sub-
stanzen auf ihre electrische Lichtempfindlichkeit zu unter-
suchen.
§ 6. Zur bequemen Ausführung und Demonstration der
Mehrzahl der beschriebenen und noch zu schildernden Ver-
suche verwandten wir den folgenden einfachen Apparat.
Ein kreisrunder, starker Metallteller AB (Fig. 2) ist in
seiner Mitte M durchbohrt. Hier ist eine aussen stark mit
Siegellack umkleidete Glasröhre eingeführt. Wahrscheinlich
wird sich hier noch besser ein durchbohrter Ebonitcylinder,
der ganz dünn mit Schellackfirniss^) überzogen ist, verwenden
lassen.
Der etwa 1 cm dicke und 25 cm lange Eisenstab A C ist
bei A an die Metallplatte angenietet und dient zum Befestigen
des Apparates in einem eisernen Retortenhalter.
Als lichtempfindlicher Körper dient eine massive, amal-
gamirte Zinkkugel K von 3 cm Durchmesser, in welche ein
etwa 2 mm starker Eisendraht fest eingeschraubt ist. Letz-
terer muss durch die Bohrung des isolirenden Trägers EF
willig hindurch passen. Das Schräubchen s gestattet, die
lichtempfindliche Kugel mit einem (zweckmässig calibrirten)
Gold- oder Aluminiumblattelectroskop in Verbindung zu
setzen. Die innen geschwärzte Metallhülle // dient dazu,
die Kugel vor der Einwirkung des Lichtes zu schützen, so-
lange keine Belichtung derselben gewünscht wird. Ueber
den etwa 2 cm hohen Metallrand RR' kann entweder ein
Cylinder aus Drahtnetz oder ein solcher aus Metall mit ge-
radem, verbreitertem Rande geschoben werden. Letzterer
Cylinder ist in der Figur mit H' l)ezeichnet und punktirt
angedeutet.
Die Zinkkugel K (Fig. 2 a u. b) wird durch das trichter-
förmige Glasgefäss (Fig. 2 c) ersetzt, wenn es sich um die
Untersuchung von Flüssigkeitsoberflächen handelt. Auch ein
analog construirtes metallenes Schälchen ist für viele Ver-
suche zweckdienlich.
§ 7. Zur Anstellung des Fundamentalversuches mit
Sonnen- oder hellem Himmelslichte verfährt man folgender-
1) Vgl. F. Exil er, 1. c. p. 10lȟ. Aiun. t>.
Eiitladuvij negativer ElectricUät durch Tageslicht, 5(J9
massen: Nachdem die Zinkkugel frisch amalgamirt, die hierzu
verwandte verdünnte Schwefelsäure durch Waschen in reinem
Wasser entfernt und durch festes Abreiben mit einem gro-
ben leinenen Tuche sorgfältig jede Feuchtigkeit entfernt
worden ist, führt man die Kugel schnell in den Apparat
ein, indem man ein Berühren ihrer blanken Oberfläche mit
den Fingern vermeidet, und deckt die Hülle H darüber. Als-
dann ertheilt man dem Electroskope und damit auc)i der
Kugel eine negative Ladung und entfernt die Hülle //. Es
findet dann im Sonnenlicht bei offenem Fenster alsbald ein
schnelles Zusammenfallen der Blättchen des Electroskopes
statt. Man wiederholt jetzt den Versuch mit positiver Elec-
tricität und überzeugt sich leicht, dass eine positive Ladung
fast gar keinen Verlust erleidet, selbst nicht bei minuten-
langer Belichtung, vorausgesetzt, dass alle isolirenden Stützen
und natürlich auch das Electroskop selbst vorzüglich isoliren.
Wird der Versuch im Freien angestellt, so ist das cylin-
drische Drahtgitter in Anwendung zu bringen, um den Ein-
tluss der atmosphärischen Electricität zu eliminiren, sonst
verfährt man natürlich in gleicher Weise.
Auch der oben erwähnte Versuch, dass der negative
Pol einer vielplattigen trockenen Säule von grossem inneren
Widerstände durch das Sonnenlicht vermittelst der Zink-
kugel entladen wird, lässt sich mit vorstehendem Apparate
leicht bewahrheiten.
Das Austreten negativer Electricität aus der belichteten
amalgamirten Zinkkugel kann auch durch folgende Abänderung
dos Versuches gezeigt werden. Man ersetze die Zinkkugel
K durch eine Messingkugel und lade das Electroskop posi-
tiv; es tritt keine Aenderung der Ladung ein, mag man die
Messingkugel belichten oder nicht. Nähert man dagegen die
amalgamirte Kugel /f, die zur Erde abgeleitet und belichtet
ist, der Messingkugel bis auf eine geringe Entfernung
(1—5 mm), so fallen sofort die Blättchen des Electroskops
zusammen.
§ 8. Da die in Rede stehenden Erscheinungen selbst
im zerstreuten Tageslichte nachweisbar sind, so liegt die
Vermuthung nahe, dass auch Strahlen von geringerer Brech-
])arkeit, als man bisher annahm, actinoelectrisch wirksam
510 J. EUter u. H. Geitel.
sind. Man kann sich davon leicht Überzeugen, indem man
die Kugel mit der Hülle H' umgibt, deren obere Oeflfnung
durch verschiedene, auf kurzwelliges Licht mehr oder weniger
absorbirend wirkende Substanzen (Glasplatten verschiedener
Färbung, G-limmer, Gypsplatten) verschlossen werden kann.
Eine derartige Versuchsreihe bei heiterem, wenn auch
nicht absolut klarem Himmel möchten wir hier mittheilen.
Der Apparat war dabei aus einem schrägen Fenster des
Hausdaches emporgehoben. Bezeichnet man wieder die der
Kugel mitgetheilte negative Anfangsladung mit Vq, den
Rest der Ladung nach t Secunden Belichtung mit Vt, so
kann man die bei verschiedenen absorbirenden Substanzen
gemachten Beobachtungen in folgender Weise zusammen-
stellen :
Datum: 24. IX. S9.
1) Kugel frei . . .
2) Gypsplatte . . .
3) Fensterglas . .
4) Blaues Cobaltglas
5) Rothes Glas . .
^ 6) Kugel fi-ei . . .
Aus dieser Reihe geht hervor, dass die Wirkung durch
Gyps fast ungeschwächt hindurchgeht, dass gewöhnliches und
blaues Glas einen beträchtlichen Theil der Wirkung hin-
durchlassen, dass dagegen rothes Glas die Wirkung auf-
hebt.
In Bezug auf Glimmer findet man übereinstimmend von
allen Beobachtern angegeben, dass die vom Zinkbogenlichte
oder Funkenlichte ausgehende Wirkung durch Zwischen-
schaltung eines dünnen Blättchens genannten Minerals voll-
ständig vernichtet wurde. Für Sonnenlicht und amalgamirte
Zinküächen ist diese Behauptung nicht zutreffend, auch durch
Glimmer geht ein grosser Theil der actinoelectrischen Wir-
kung hindurch, wie die folgende Versuchsreihe zeigt, bei
welcher das Licht des blauen Himmels, also nicht directes
Sonnenlicht, in Verwendung kam:
r; (Volt)
T\ (Volt)
/ Secunden
260
0
5
260
93
Ü
260
85
60
260
142
60
260
250
Go
260
20
5
Datum: 2. X. 89.
Fo (Volt)
l\ tVolt)
/
1) Kugel frei
2) Glimmer .
3) Kugel frei
231
231
231
127
120
0
ir>
60'
60
Entladung negativer Electricität durch Tageslicht, 511
§9. Es ist bekanntlich durch flallwachs^) festgestellt
1^'orden, dass eine von ultraviolettem Lichte getroffene Me-
tallplatte eine spontane, positive Ladung annimmt, eine La-
dung, die nach den Versuchen von Bichat und Blondlot^)
noch dadurch gesteigert werden kann, dass ein kräftiger
Luftstrom auf die blanke Oberfläche des Metalls geleitet
wird. Wir haben diese Versuche mit Sonnenlicht wieder-
holt und auch hier eine positive Ladung einer Zinkplatte,
sowohl rein wie amalgamirt, und einer Aluminiumscheibe nach-
weisen können.
Verbindet man die letztere, während sie dem Sonnen-
lichte ausgesetzt ist, mit dem Quadrantelectrometer, so erfolgt
sofort eine langsam bis etwa 2V2 Volt ansteigende Ablenkung
der Electroraeternadel. Leitet man jetzt mittelst eines Kau-
tschukgebläses einen kräftigen Luftstrom auf die Platte, so
steigert sich die Electrisirung der letzteren so, dass die Scala
aus dem Gesichtsfelde verschwindet. Man constatirt leicht,
dass die beschriebene Wirkung gänzlich ausbleibt, sobald man
die Aluminiumscheibe durch irgend eine beliebige andere
Metallplatte ersetzt.
§ 10. Es erübrigt nun noch, auf die oben berührte Ein-
wirkung der atmosphärischen Electricität auf belichtete Drähte
oder Flächen der empfindlichen Metalle zurückzukommen.
Es war bemerkt worden, dass ein mit solchen Metallen
verbundenes Electroskop, wenn es bei hellem Tageslicht auf
freiem Felde emporgehalten wird, einen Ausschlag zeigte, dem
eine häufig weit über 100 Volts gehende positive Spannung ent-
sprach. Dass die Lichtstrahlen an sich eine derartige starke
l)ositive Electrisirung hervorbringen sollten, war durchaus
unwahrscheinlich, und in der That zeigten einige einfache
Controlversuche, dass die Divergenz der Blättchen lediglich
durch die atmosphärische Electricität verursacht wurde.
Es wirken Drähte der genannten Metalle gerade so, als
ob mit dem Knopfe des Electroskopes ein Flammencollector
leitend verbunden wäre. Hiervon überzeugten wir uns durch
folgenden Versuch:
1) Hall wachs, Wied. Ann. 34. p. 731. 1888.
2) Bichat u. Blondlot, Beibl. 13. p. 38. 1889.
512 J. Elster u. H. GeiteL
Am 18. Juni d. J., einem heiteren Tage, stellten wir
auf freiem Felde unter Mittag eine isolirte Flamme auf, und
dicht daneben, ebenfalls isolirt, einen horizontal gerichteten,
gereinigten Aluminiumdraht von ca, 20 cm Länge. Die Spitze
des Drahtes war im Niveau mit der Spitze der Flamme.
Man konnte so schnell hintereinander bald die Flamme, bald
den Draht als Collector verwenden. Am Electroskop zeigten
sich folgende Divergenzen:
Divergenzen Mittel
1) Collector die Flamme: 11,9 12,5 12,5 I2,ü 12,2
2) » der bei. Draht: 12,2 12,5 12,8 12,5 12,5 12,5
3) » die Flamme: 12,5 12,5 12,0 12,3 12,4 12,3
Drähte aus anderen Metallen, wie Kupfer, Eisen, Mes-
sing, Platin, zeigen die Erscheinung durchaus nicht, selbst
nicht auf hohen Bergspitzen unter der Influenz eines Poten-
tialgefälles von nahezu 2000 Volts pro Meter, wie analoge
Versuche am 16. .Juli d. J. an einem ganz normalen Tage
oben auf dem Gorner-Grat, also in einer Meereshöhe von
3136 m zeigten. An eine Spitzenwirkung im gewöhnlichen
Sinne darf also bei diesen Versuchen nicht gedacht werden,
vielmehr beweisen dieselben in Uebereinstimmung mit den
Ergebnissen von Lenard und Wolf^) bei künstlicher ultra-
violetter Belichtung, dass von der Oberfläche der Metalle
Zink, Aluminium, Magnesium sich leitende Theilchen ent-
fernen müssen. Es wirken daher solche Drähte gerade so,
wie WassercoUectoren oder Flammen.
§ 11. Stellen wir schliesslich die Resultate unserer
Untersuchung kurz zusammen, so ergibt sich Folgendes:
Blanke, frische Oberflächen der Metalle: Zink, Alumi-
nium, Magnesium werden durch das Sonnen- und Tageslicht
entladen, falls ihnen eine negative Ladung ertheilt wurde.
Dabei nehmen sie spontan eine positive Ladung an, deren
Betrag durch Anblasen erhöht werden kann.
Eine noch bedeutendere Lichtempiindlichkeit zeigen die
Amalgame gewisser Metalle. Ordnet man dieselben nach
dem Grade ihrer Empfindlichkeit, so ergibt sich folgende
Reihenfolge: K, Na, Zn, Sn. Da reines Quecksilber keine
Wirkung fi^ibt, so ist die Voraussetzung vielleicht gestattet,
1' L.-nard u. Wolf, Wied. Ann. :57. p. 443. 1889.
Entladung negativer EUctricität durch Tageslicht, 513
das wirksame Agens das im Hg gelöste Metall anzusehen.
Unter dieser Annahme ergibt sich für die Lichtempfindlich-
keit folgende mit der Volta'schen übereinstimmende Reihe:
K Na (Mg AI) Zn Sn.
Alle anderen bislang in das Bereich der Untersuchung
gezogenen Metalle, als:
Sn, Cd, Pb, Cu, Fe, Hg, Pt und Gaskohle
zeigten obige Wirkung nicht. Ebenso verhielten sich im
allgemeinen die Oberflächen sonstiger, nichtmetallischer Kör-
per; der einzige nichtmetallische Körper, der eine deutliche
Einwirkung des Sonnenlichtes erkennen liess, war pulverförmige
Balmain'sche Leuchtfarbe.
Ebensowenig zeigte sich die fragliche Erscheinung bei
den untersuchten Flüssigkeiten. Kaltes und heisses Wasser,
kalte und heisse Kochsalzlösungen waren vollkommen un-
wirksam. Dementsprechend kann man die Lichtempfind-
lichkeit der zuerst genannten Metalle sofort durch Benetzung
ihrer Oberflächen zerstören.
Die Belichtungsversuche können in doppelter Weise an-
gestellt werden. Bei Versuchen im freien Felde empfiehlt
sich die Verwendung von Zink-, Aluminium-, Magnesium-
drähten oder kleinen, mit Eisenstift versehenen, amalgamirten
Zinkkugeln. (Hier überzeugt man sich auch leicht, dass die
belichteten Oberflächen genannter Metalle an Stelle von
Flammen als CoUectoren verwandt werden können.) Oder
man benutzt — und dies empfiehlt sich namentlich flir De-
monstrationszwecke — den beschriebenen Belichtungsapparat.
Mit demselben lässt sich zeigen, dass:
1) amalgamirtes Zink bei negativer Ladung im Sonnen-
licht fast momentan entladen wird;
2) dass das letztere nicht eintritt bei positiver Ladung;
3; dass eine amalgamirte Zinkkugel einen ihr nahe ge-
])rachten positiv electrischen Körper unter dem Einflüsse des
Lichtes entladet;
4) dass auch im zerstreuten Tageslichte deutliche Ent-
ladung eintritt, wenn auch erst in längerer Zeit;
Ann. d. Phvfc. u. CLen:. N. F. XXXVIII. 33
514 F, Streintz.
5) dass von lichtabsorbirenden Substanzen die Wirkung
vollends aufbebt: rothes Glas, dass dagegen die folgenden die
Wirkung fast ganz oder doch tbeilweiss durchlassen: Gyps,
Glimmer, Fensterglas, blaues (Cobalt-)Glas.
In meteorologischer Beziehung dürften die hier mit-
getheilton Versuche noch insofern von Interesse sein, als sie
zeigen, dass der Haupteinwand, der gegen die Arrhenius*-
sche Theorie der Luftelectricität erhoben worden ist, nämlich
die Unwirksamkeit der Sonnenstrahlen, nicht mehr in vollem
Umfange aufrecht erhalten werden kann.
Wolfenbüttel, im October 1889.
II. lieber ein Silber - Qvscksilbereletnent und
dessen Beziehung »ur Temperatur;
von Franz Streintz.
(Ans den Sitzungsber. d. kais. Acad. d. Wiss. in Wien, math.-naturw.
€1, Bd. 98. Abth. IIa. vom 4. April 1889; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
(UlergD T»r. VI Flg. 5-6.)
Die Anwendung des zweiten Hauptsatzes der Theruio-
dynamik auf die electrolytischen Vorgänge im reversibeln
galvanischen Elemente durch H. v. Helmholtz^) führt zu
dem Ergebnisse, dass die Diflferenz zwischen der electrischen
und der chemischen Energie des Elementes äquivalent ist
dem Producte aus der absoluten Temperatur mit dem Difife-
rentialquotienten der an den Polen auftretenden Potential-
differenz nach der Temperatur, welch letztere Grösse als
Temperaturcoefficient des Elementes früher nur von rein
praktischem Interesse war. Uebertriö't die chemische Ener-
gie (die Wärmetönung) die als Stromarbeit auftretende elec-
trische Energie, so ist der Temperaturcoefficient negativ,
tritt der umgekehrte Fall ein, dann ist derselbe positiv.
Aus diesem Verhalten des Coefdcienten ist dann sofort er-
sichtlich, ob das Element seine chemische Energie nur theil-
1) H. V. Heimliültz, Berl. Ber. 1882. p. 22 u. .V25.
iSilöer' Quecksilberekni eilt. 515
weise in electrische umsetzt, oder ob es auf Kosten seines
eigenen Wärmeinhaltes thätig istJ)
Bei einer Untersuchung, welche ich vor mehreren Jahren
über die electromotorischen Kräfte von Elementen, die nach
dem Typus des Daniellelementes gebildet waren, angestellt
habe^), hatte sich ergeben, dass die Combination:
AglAg^SO. + HgaSOJHg
die electromotorische Kraft Null besass. Es erschien daher
mit Rücksicht auf die Helmholtz'sche Theorie nicht ohne
Interesse, dieses merkwürdige Element eingehender zu unter-
suchen und die Abhängigkeit der electromotorischen Kraft
von der Temperatur kennen zu lernen. Denn wenn es sich
ergibt, dass die PotentialdiiFerenz mit viel empfindlicheren
Hülfsuiitteln als damals angewendet wurden, gemessen,
bei ungefährer Zimmertemperatur verschwindet, und wenn
fei ner der Temperaturcoefticient der Beobachtung nicht ent-
geht, so muss das Element bei hoher Temperatur entgegen-
gesetzte Potentialdifferenz zeigen, wie bei niedriger, und daher
auch der Coefficient das eine mal das positive, das andere
mal das negative Vorzeichen erhalten. Damit aber gehört
das Element je nach seiner Temperatur T bald der einen,
bald der anderen jener eingangs erwähnten Kategorien an;
der Uebertritt findet bei einer Temperatur 7J,, welche durch
die Potentialdifferenz /'o = 0 gegeben ist, statt. T^ soll die
Temperatur des Polwechsels genannt werden und kann auch
dahin definirt werden, dass bei derselben weder eine Um-
setzung vou chemischer Energie, noch eine solche von ther-
mischer in electrische Energie stattfindet.
Vorversuche, welche mit einem Element, das sich in
einem Reagensgläschen befand, angestellt wurden, bestätig-
ten die Vermuthung. Tauchte das G-Iäschen in ein mit Eis-
Wasser gefülltes Gefäss, so bildete Silber den positiven Pol,
stand es hingegen in heissem Wasser, dann bildete Queck-
silber den positiven Pol.
1) Vgl. die experimentellen Bestätigungen durch die Arbeiten von
S. Czapski, Wied. Ann. 21. p. 209. 1884; A. Gockel, Wicd. Ann.
24. p. 618. 1H85; H. Jahn, Wied. Ann. 28. p. 21. 1886.
2) V. Streintz, Wien. Ber. 77. 21. März ISTs.
83*
516 F. Streintz.
Anordnung und Methode der Untersuchung.
Ein dünnwandiges Glasgefäss A (Fig. 5) von 6,5 cm
Höhe und 2,5 cm lichtem Durchmesser, stand mittelst eines
unten angeschmolzenen langen Capillarrohres und eines kurzen
Kautschukschlauches mit einem Glasgefässe B in Verbin-
dung. Das Gefäss A und ein Theil der Capillare befand
sich in der Mitte eines grossen, oben offenen Kupferkessels,
welcher mit einem seitlichen Loche versehen war, durch
welches die Capillare in einem durchbohrten Kautschuk-
pfropfen luftdicht hindurchgeführt werden konnte. In das
Gefäss B wurde so lange chemisch reines Quecksilber ge-
gossen, bis der Boden des Gefässes A bedeckt war. iNach
sorgfältiger Beseitigung aller Luftblasen aus der Capillare
erhielt das Gefäss B eine Kappe, durch welche ein Stück
Platindraht zur Verbindung zwischen Quecksilber und Gal-
yanometerleitung hindurchgesteckt war. Auf die Hg-Ober-
fläche in A kam ein etwa daumenbreiter Brei einer Mischung
von Mercurosulfat und Silbersulfat zu stehen. Auf denselben
wurde vorsichtig die Lösung des Silbersulfates gegossen,
bis das Gefäss etwa bis Dreiviertel seiner Höhe gefüllt war.
Darauf wurde das Gefäss, mit Filtrirpapier bedeckt, so lange
sich selbst überlassen, bis die durch Mischung mit der Paste
etwas milchig gewordene Lösung wieder vollständig geklärt
war. Nur an der Oberfläche schwammen einzelne weisse
Pünktchen, welche mit Filtrirpapier sorgfältig entfernt wur-
den. Schliesslich wurde das Gefäss durch einen Kautschuk-
pfropfen in der Weise geschlossen, dass sich zwischen ihm
und der Flüssigkeit noch eine Luftschicht befand. Der
Pfropfen besass zwei Durchbohrungen, von denen die eine zur
Aufnahme eines in Fünftelgrade getheilten Thermometers,
dessen Kugel in die Salzlösung tauchte, diente, während
durch die andere ein längeres, unten und oben offenes Glas-
rohr führte, in welchem ein bei 0,2 cm dicker Silberdraht
stak, ohne seine Lage verändern zu können. Ein offenes
Glasrohr wurde gewählt, um eine Erhöhung des Druckes im
Gelasse bei steigender Temperatur zu verhindern. Vor Ver-
unreinigung des Gefässes mit Staub schützte ein in den
oberen Rand des Rohres geschobenes Stückchen Watte.
Silber- Quecksilber eiemen /. 517
Der Draht, bestehend aus chemisch reinem Silber — ich
verdanke denselben der Güte des Hrn. Dr. H. Jahn — , war
an seinem unteren, in die Flüssigkeit tauchenden Ende zu
einer kurzen Spirale gewickelt und ragte mit seinem oberen
Ende weit aus dem Kupferkessel heraus, sodass er erst in
einer grösseren Entfernung von demselben mit der Galvano-
meterleitung in Verbindung trat.
Durch die Ausdehnung, welche den beiden Electroden
Hg und Ag gi'geben wurde, glaube ich etwaige durch ther-
moelectrischo Ströme zwischen den Metallen der Electroden
und dem Kupfer der Leitung hervorgprufene Störungen ver-
mieden zu Laben.
Die verwendeten Salze waren aus der Fabrik Tromms-
dorff in Erfurt als chemisch rein bezogen. Das Mercuro-
sulfat (HgjSOj, welches im hiesigen Laboratorium bei Her-
stellung von Normal -Clarkelementen verwendet wird, ist
vollkommen weiss und pulverförmig. Es wurde mit der
I^ösung des Silbersulfates in kaltem Zustande solange umge-
rührt, bis ein teigartiger Brei entstand. Zuweilen pflegt man
bei Herstellung von Clarkelementen den Brei zu erhitzen,
um etwaige Luftblasen zu entfernen. Davon wurde abge-
sehen, weil das Quecksilbersalz bei höherer Temperatur
basische Salze — charakteristisch durch ihre hellgelbe Fär-
bung — bildet, welche das electromotorische Verhalten ver-
ändern • können. Einige mit erhitzten Lösungen vorgenom-
mene Versuche scheinen darauf hinzudeuten. Ich zog es
daher vor, lieber einige Luftbläschen in Kauf zu nehmen,
welche übrigens bei der bekannten electrischen Indifi'erenz
des Sauerstoffs der Atmosphäre zu den Metallen die Resul-
tate kaum beeinflussen werden.
Das Silbersulfat (AggSOJ theilt mit anderen Salzen des
Silbers die Eigenschaft, dass es durch metallisches Queck-
silber zerlegt wird, sodass sich Silberamalgam bildet. Durch
das Auftreten eines derartigen Processes secundär chemischer
Natur würde der Vorgang im Element irreversibel werden.
Es wurde aber die Beobachtung gemacht, worüber ich sp&tar
eingehend berichten werde, dass sich die Paste von Hg|80«
als eine vor dem Angriffe des Hg auf die Silberlösung ToUr
ständig schützende Schicht bewährte.
f
518 F. Streintz.
HgjSO^ ist in Wasser bei gewöhnlicher Temperatur
schwer, bei der Siedetemperatur etwas leichter löslich. Um
eine möglichst concentrirte Lösung zu erhalten, wurde die
Mischung von Salz und destillirtem Wasser längere Zeit im
Kochen erhalten. Die so entstandene Lösung wurde dann
auf die niederste Temperatur gebracht, bei welcher die elec-
tromotorische Kraft des Elementes beobachtet werden sollte.
Es trat Ausscheidung von festem Salze in Form feiner
Nadeln ein. Darauf filtrirte ich die Lösung und brachte sie
an einen dunklen Ort, da das Salz durch das Licht zersetzt
wird. An einem der ^^olgenden Tage zeigte sich, dass aus
der Lösung wieder festes Salz ausgefallen war. Die Flüssig-
keit wurde nun abermals auf die erwähnte niedere Tempe-
ratur gebracht und nach einigen Stunden von neuem ültrirt.
Damit war aber der Process des Ausscheidens von festem
Salze noch immer nicht beendet. Da die Lösung doch end-
lich im Elemente verwendet werden musste, und dieses durch
eine längere Reihe von Tagen in Untersuchung bliebe so
war ich nie sicher, ob nicht noch weitere geringfügige Ver-
änderungen der Concentration vorgingen, welche die electro-
motorische Kraft des Elementes durch bei verschiedenen
Temperaturen hervorgerufene Concentrationsunterschiede be-
einflussen können.
Um ein Bild über diesen Vorgang zu gewinnen, stellte
ich ein zweites Gefäss A her, in welches an zwei gegenüber-
liegenden Seiten PP' zwei Platindrähte eingeschmolzen
waren, die im Inneren des Gefässes den Contact mit kleinen
und steifen Platinblechen herstellten. Mit Hülfe eines klei-
nen Inductoriums, einer Brückenwalze nach Kohlrausch
und eines Telephons konnten die Veränderungen des Lei-
tungsvermögens der Silbersalzlösung gemessen werden. Bei
dieser Anordnung war jedoch darauf zu achten, dass das
Element nie geschlossen wurde, wenn der Inductionsstrom
durch dasselbe hindurchging, weil für den Fall, als P und P
nicht vollkommen symmetrisch zu den Electroden Ag und
Hg liegen, dieselben auch nicht Punkte gleichen Potentials
sind; dadurch würde ein Theilstrom des Elementes durch
die Wheatstone'sche Brücke geführt, welcher metallisches
Silber aus der Losung ausscheiden könnte.
Silbet'Quecksilberekmeut 519
• Ich bemerke übrigens, dass bei den definitiven Bestim-
mungen der electromotorischen Kraft Gef&sse ohne Platin-
electroden in Verwendung standen. Nachdem das Element
hergestellt war, wurde der Kupferkessel mit Wasser oder
mit einer Mischung von reinem Schnee und Wasser voll-
ständig gefüllt und mit einem Holzdeckel , weicher Aus-
schnitte für das Thermometer, das Glasrohr mit dem Silber-
drahte und für Vorrichtungen zum Entleeren und Füllen
besass, verschlossen. Der Kupferkessel stand auf einem
massiven, eisernen Dreifuss, die Wärmezufuhr erfolgte durch
einen Bunsenbrenner. Das aus dem Kessel ragende Capillar-
rohr war an verschiedenen Stellen durch eiserne Klammem
iixirt. Der ganze Apparat befand sich in einem Arbeits-
raume des Erdgeschosses auf einem Isolirpfeiler, wodurch
bei der günstigen Lage des Instituts Erschütterungen als
ziemlich ausgeschlossen angesehen werden können. Erschüt-
terungen der Quecksilberoberfläche ziehen nämlich nach
V. Helmholtz^) Aenderungen der electromotorischen Kraft
nach sich. Es musste daher auf die Anbringung einer Rühr-
vorrichtung im Wasserkessel zur Herstellung derselben Tem-
peratur in den verschiedenen Niveauflächen des Wassers
verzichtet werden. Um keine zu lebhaften Strömungen der
Wärme zu erhalten, wurde die Flüssigkeit stets sehr lang-
sam erwärmt.
Die Beobachtungen wurden nach folgender Methode an-
gestellt. In G (Fig. 6) lag ein Wiedemann'sches Galva-
nometer von Hartmann und Braun mit vier Rollenlagen
von zusammen 8640 Windungen und einem Widerstände von
2950 Ohm. Die Rollen waren dicht an den Dämpfungs-
kästen herangeschraubt, der Magnet stark astasirt, sodass
das Instrument das Maximum der Empfindlichkeit besass.
Die Beobachtungen geschahen mit Fernrohr und Scala, welche
in einer Entfernung von 250 cm vom Spiegel des Instru-
mentes aufgestellt war. Das Galvanometer stand in Verbin-
dung mit einem Widerstand R von 10000 Ohms, sodass also
die Galvanometerleitung den G^sammtwiderstand von rund
18000 Ohms besass, ferner mit einer Umschaltevorrichtung
1) V. Holinholtz, WiBsenschaftl. Abhaiidl. 2. p. 981.
620 F. Streintz.
und endlich mit zwei Glasnäpfchen 1 und 2. welche, mit
Quecksilber gefällt, auf Siegellackfüssen standen.
Das zu untersuchende Element war mit zwei ähnlichen
I^äpfchen 3 und 4 verbunden.
Als Normalelement diente ein Daniell: ein rundes, mit
destillirtem Wasser, welches einige Tropfen Schwefelsäure
enthielt, zur Hälfte gefülltes Glasgefäss nahm zwei kleine
Thonzellen auf, von denen eine mit concentrirter Kupfer-
sulfatlösung, die andere mit concentrirter Zinksulfatlösung
gefüllt war. In die Thonzellen tauchten Platten von Kupfer
und Zink, deren Oberflächen aus den entsprechend electro-
Ijrtisch niedergeschlagenen Metallen gebildet waren. Die
Zinkplatte hatte ich zudem durch Bestreichen mit einer Lö-
sung von Quecksilbernitrat amalgamirt. Hatte das Element
mehrere Stunden im Gebrauch gestanden, dann wurden die
Thonzellen in destillirtem Wasser gereinigt und sämmtliche
Flüssigkeiten durch neue ersetzt. Kittler^) gibt für die
electromotorische Kraft des Daniells mit concentrirten Salz-
lösungen den Werth 1,059 Volts an. Derselbe ist den Be-
rechnungen zu Grunde gelegt.
Das Normalelement war durch die Widerstände o und o
zweier Stöpseletalons, von denen der erste 10000 Einheiten
in Unterabtheilungen bis zu einer Einheit, der letztere 1000
Einheiten in Unterabtheilungen bis 0,1 Einheiten enthielt,
geschlossen. Vom zweiten Etalon führten zwei Drähte zu
den Quecksilbernäpfchen 5 und 6. Die Summe q + q beider
Etalons wurde stets gleich 10000 Einheiten gemacht, sodass
die Potentialdiflferenz zwischen den Näpfchen bei Vernach-
lässigung des inneren Widerstandes des Normalelementes
((>7 10000). 1,059 Volts betrug.
Durch entsprechende Verbindung der sechs Näpfchen
mit Kupferbügeln konnte entweder der Strom des zu unter-
suchenden Elementes durch das als Potentialgalvanometer
eingerichtete Instrument geleitet (Verbindung der Näpfchen
1 mit 3, 2 mit 4), oder es konnten Bruchtheile des Daniells
untersucht (1 mit 5, 2 mit 6), oder es konnte ein beliebiger
Bruchtheil des Daniells zum Untersuchungselement algebraisch
l) Kittler, Wied. Auu. 17. p. H93. 1882.
Silber- Queckgilberelement, 521
addirt werden (1 mit 3, 2 mit 5, 4 mit 6). SelbstTerdt&nd-
lieh führt letzterer Fall bei entsprechender Schaltung der
Ströme und passender Wahl von q zur Compensation des
Elementes.
Um die Beobachtungen rasch zu bewerkstelligen, wurden
die Ausschläge gemessen, welche in den erforderlichen Grenzen
den electromotorischen Kräften vollkommen proportional
waren. So ergaben sich für:
0,002 Daniell 0,005 0,010 0,015 0,020 D.
4,1 Scalentheile 10,3 20,5 30,7 41,2 Sc.
Da bei der starken Vergrösserung des Fernrohrs Zehntel
von Scalentheilen genau zu schätzen waren, so konnten Aen-
derungen in der Grösse von Qfi^\ D. der Beobachtung nicht
entgehen. Die Cumpensationsmethode erfordert viel längere
Zeit und gewährt nicht dieselbe Sicherheit, da durch die
starke Astasirung der Galvanometernadel zuweilen Verände-
rungen der Ruhelage während der zur Compensation erfor-
derlichen Zeit eintreten.
Die Ablesungen am Thermometer geschahen mit einem
Fernrohr, welches in der Nähe des zu den Beobachtungen
am Galvanometer dienlichen Fernrohrs stand, sodass beide
Beobachtungen, die der Temperatur und die der Stromstärke
von demselben Platze aus unmittelbar nacheinander ausge-
führt werden konnten.
Die Berechnuugs weise.
Nach V. Helmholtz gilt für ein reversibles galvanisches
Element beim Durchgang der Electricitätsmenge £ und bei
der Constanten Temperatur T die Gleichung:
^•^•är=(ir + /^)^'
worin U=F(T, «) die Gesammtenergie des Elementes, und
p die an den Polen auftretende Potentialdifferenz bedeuten.
Dabei ist vorausgesetzt, dass die Joule'sche Wärme ver-
nachlässigt werden könne. Der Ausdruck:
gibt die Wärmetönung des Elementes bei der constanten
522 R Sireintz.
Temperatur T an. Die erste Gleichung kann mitbin auch
geschrieben werden:
(1) Q = «[;>-^?^/.]-
Bei der Temperatur T,, des Polwecbsels ist p^ = 0, und
man erbält:
(2) Q=-*7'„|5,.
Da € stets positiv ist, es wird nämlicb in dem Sinne
gezäblt, in welchem die PotentialdifiFerenz p die Electricität
zu bewegen strebt, da ferner T eine positive Grösse ist, und
nur dpjdT sein Zeichen wechselt, wenn man von Tempe-
raturen unter Tq zu solchen oberhalb T^ übergeht, so erhält
man im ersten Falle, in welchem dpjdT negativ ist, einen
positiven, im zweiten Falle jedoch einen negativen Ausdruck.
Unter Q ist die Wärmemenge, gemessen in absoluten Ein-
heiten in cm, g, sec, zu verstehen. Bezeichnet Q»« die Wärme-
menge, ausgedrückt in Kilogrammcalorien, dann ist:
Q = Q„c> 427 >) . 10«. 0,981 g cm« sec-l
Die rechte Seite der Gleichungen (1) und (2) ist eben-
falls im absoluten Maasse anzugeben. Sollen die therm o-
chemischen Angaben ohne Aenderung benutzt werden, so
ist € als jene Electricitätsmenge zu definiren, welche 2g H
electrolytisch ausscheidet. Nach F. und W. Kohlrausch 2)
zerlegt 1 Ampöre = 10~^ cmV^ g'/« sec"^ in der Secunde
0,0^9327 g HjjO, es sind also zur Zersetzung von 18 g H2O
oder was dasselbe, zur Ausscheidung von 2 g H in der
Secunde 19300 cm*/« g*/« sec- ^ erforderlich. Die gesuchte Elec-
tricitätsmenge ist mithin gegeben durch:
€= 19300 cmV^gV..
Wenn ferner />„ die Potentialdiiferenz in Volts bedeutet,
dann ist dieselbe in absoluten Einheiten ausgedrückt:
p = 10** p« . g'/« cm'/« sec-«.
Man erhält daher für die Temperatur T^\
(U) «*c = 46,o[^i,- ^^i~df\ •
1) Nach Rowlaud's Mebsuugen.
2) F. u. W. Kohlrausch, Wi«»d. Ann. 11. p. 59. 1886.
Silher-QuecksilherelemenL 528
beziehungsweise für T^:
(2a ) Q*c = - 46,0 T, ^ .
Konnte also das Element während einer Versuchsreihe
auf die Temperatur des Polwechsels gebracht werden, so ge-
nügte zur Berechnung von Q die Beobachtung von T^ und
dpjdT, Im entgegengesetzten Falle musste ferner der einer
bestimmten Temperatur Tj entsprechende Werth p^ berück-
sichtigt werden.
Die im Element auftretenden Wärmetönungen sind ge-
geben durch:
(^= (Hg, + 0)+(Hg2Ü + S03)~ (Ag^O+SOaaq.)- (Ag^ + O).
Für die Bildungswärme der Silberverbindungen benutzte
ich die Thomsen-schen Werthe^):
Ag2Ü+ SOaaq. = 14,49 Kilogrammcal.
Ago + 0 = 5,90 „
Unbekannt ist die Biidungswärme (HgjO + SO3). Legt
man die Theorie von v. Uelmholtz zu Grunde und benutzt
die Angaben von Lord Rayleigh^ über das Clarkelement,
so kann jedoch die Summe [Hg^ + 0) + (Hg^O + SO3) be-
rechnet werden.
Die electromotorische Kraft des Clarkelementes ist näm-
lich gegeben durch die Gleichung:
/7= 1,435 ;i- 0,0377 (^-16)],
daraus ergibt sich:
f^,, = -O.OÜl 103.
o l
Die gesammto Wärmetönung im Element beträgt mit-
hin S(),64 Kilo^ramuicalorien. Da nun:
Q (Clark) = ^Zn 4- O) + (ZnO + SÜ3aq.)
-(Hp, + U)-(Hg20 4-S03),
so erhält man:
(Hgj, 4- 0) 4- (Hg.,() + ^Og) = 25,45 Kilogrammcalorien,
wenn man für die beiden Wärmetönungen, welche sich auf
1) J. Thonisen, Thermochem. UDtersuchungen. 3. p. 381. 1883.
2) Lord Rayleigh, Phil. Trans, of the Roy. Soc. 2. p. 7W. 1886.
J
524 F. Streifitz.
Zink beziehen ) die von Thomsen^) gegebene Zahl 106^09
Kilogramm calorien einsetzt.
Die im Silber-Quecksilberelement auftretende Wärme-
tönung ist sonach durch:
Q*c=±5,06
gegeben. Dieselbe ist positiv, wenn Silber den positiven Pol
bildet, sie ist hingegen negativ^ wenn Quecksilber den posi-
tiven Pol bildet.
Die Resultate.
Es war vor allem festzustellen, ob die electromotorische
Kraft des Elementes bei constanter Temperatur nicht etwaigen
Aenderungen mit der Zeit unterlag.
Bei einem Elemente, welches ich mit 1 bezeichnen will.
dessen AgjSO^-Lösung frisch bereitet und daher für die ge-
wählte Beobachtungstemperatur von 13,8^ C. als übersättigt
zu betrachten war, ergaben sich nachstehende Werthe in
vier aufeinander folgenden Tagen.
Element I.
14. Dec. 1888. Das Element war um 5^ nachm. zu-
sammengestellt worden.
5»«
10"
0,0295 Volt
Quecksilberpol positiv.
5
15
0,0252 „
5
20
0,0217 »
5
25
0,0226 »
5
40
0,0238 j,
5
50
0,0239 II
6
25
0,0239 II
6
45
0,0225 II
i
0
0,0218 II
15. Dec. 18S8. 9»^ vorm. 0,0129 Hg-Pol -f.
12 mittag 0,0058 n
3 nachm. 0,0024 Ag-Pol -f.
7 it 0,0083 II
16. Dec. 1888. von 0,0137 bis 0,0147 Ag-Pol -h .
17. Dec. 1888. von 0,0164 bis 0,0170 v
Die Veränderung der electromotorischen Kraft mit der
Zeit ist also eine sehr bedeutende; sie ist unmittelbar nach
Aufstellung des Elementes am grössten. Am zweiten Tage
fand Polwechsel statt. Die Untersuchung der Aenderung
1) J. Thomsen, 1. c. p. 276.
Silber- (Quecksilber dement, 526
des Widerstandes ti7 zwischen den Electroden /'und P' ergab
iür ein gleichfalls mit übersättigter Silberlösung hergestelltes
Element bei einer Temperatur von 12® C:
IC
Unmittelbar nach der Aufstellung 74,8 Ohm,
nach 8 Stunden 68,9 )>
nach 24 Stunden 66,1 n
nach 2, 3 und 4 Tagen .... 70,0, 72,4, 75,0 Ohm.
Der Widerstand, zuerst im Abnehmen begriffen, erreicht
nach einem Tage ein Minimum, um von da fortwährend zu
wachsen. Die Erklärung dieser Erscheinung ist folgende.
Bekanntlich ist HgjSO^ ein sehr schwer lösliches Salz.
Spuren davon werden aber jedenfalls in die AggSO^-Lösung
übergehen, und dadurch den Widerstand w verringern. Der
Lösungsprocess geht jedenfalls sehr langsam von statten.
Mit der Auflösung von HggSO^ erfolgt gleichzeitig eine all-
mähliche Ausscheidung von festem Ag^SO^ aus der Flüssigkeit.
Dadurch entsteht eine Vergrösserung des Widerstandes w.
Die Differenz beider Processe findet ihren Ausdruck in den
gefundenen Werthen.
Die Bestimmung des Differentialquotienten dpjdT war
bei der grossen zeitlichen Veränderlichkeit der electromo-
torischen Kraft vollständig unsicher.
Element IL
Die AgoSOj-Lösung einen Monat vor der Verwendung
bereitet, wiederholt ültrirt und an einem dunklen Orte von
der Temperatur 1 — 3®C. aufbewahrt.
Ib. Dec. 1^88. Das Element um 11^ 20"* zusammengestellt.
vorm. 11»» 20» 0,0179 Volt. Hg. Pol + Temp. 11« C.
abds 7. — 0,0166
19. » » 0,0183
20. •• » 0,0115
21. .» » 0,0067
22. „ V 0,0024
24. ., „ 0,046
25. •• - 0,0^5
26. - jj 0,035
28. V - 0,0,1
29. ,? M 0
Die zeitliche Veränderung geht in demselben Sinne vor,
wie im Element I. Bezieht man die Aenderungen auf die
n
>»
19
i>
»>
9t
j>
»
»>
?i
»
19
Ag.Pol
+
»
?>
19
1t
Hg-Pol +
AgPol +
19
—
)»
«
»
526 F. Streintz.
Temperatur des Folwecbsels T^, so kann man sagen, dass
Tq erst in einem Wandern von kleineren zu grösseren
Werthen begriffen ist, um nach einigen Tagen einen ziem-
lich Constanten Werth anzunehmen.
Der Widerstand w zwischen F und P* ergab sich für
ein Element von gleicher Concentration anfänglich zu 76 Ohm.
sank nach einem Tage auf 70 Ohm, um von da durch zehn
Tage continuirlich bis 77 Ohm zu steigen. Beachtenswerth
erscheint, dass die Zunahme des Widerstandes in dem viel
grösseren Zeitraum beträchtlich geringer ist, als bei dem
Element I, dessen Concentration eine stärkere war. Durch
die allmähliche Auflösung des Hg^SO^ verändert sich das
Element, welches ursprünglich durch die Formel:
Hg;Hg,SO, + Ag,SO, Ag
charakterisirt war; es wird nämlich übergehen in die Form:
H6Hg,S0, + ^||g; Ag.
Diese V^eränderung dürfte der Grund für das Wandern
von Tq sein.
Aus den für das Element II mitgetheilten Daten ist
ersichtlich, dass dasselbe zur Untersuchung der Abhängig-
keit seiner Fotentialdifferenz von der Temperatur geeignet
war, da die zeitlichen Acnderungen im Laufe weniger Stunden
geringfügig waren. Doch musste bei jeder Versuchsreihe
zum Schlüsse auf die Anfangstemperatur 7\ zurückgegangen
werden. Nur wenn der entsprechende Werth p^ ungeändert
blieb, waren die Beobachtungen zu weiteren Schlüssen geeig-
net. Das Element konnte mit Hülfe der angegebenen Be-
obachtungsmethode in jeder beliebigen Phase auf Polarisation
untersucht werden. Dabei ergab sich stets ein negatives
Resultat, obwohl Potentialdifferenzen bis zu 0,1 Daniell der
electromotorischen Kraft des Elementes bald in einem, bald
in dem anderen Sinne superponirt wurden. Die Unter-
suchung über die Abhängigkeit von der Temperatur führte
zu folgenden Ergebnissen:
lö. Dec. KSJ5.S. abds. 7^ 2\ = 273 + 11 /;, = 0,0166 Hg-Pol +
r, = 278 + 47,4 p. = 0,0347 m
Silber- Quecksilber element 527
Die PotentialdiffereDz /^ enthält auch die thermoelec-
tromotorische Kraft zwischen Ag und Hg, da durch die Leiter
im Inneren des Elementes die beiden Metalle bei einer Tem-
peratur von 47,4^ miteinander verbunden sind, während sie
in der Galvanometerleitung bei der Temperatur des Zimmers
(15^) im Contacte stehen. Ich habe deshalb Versuche über
das thermoelectromotorischc Verhalten von Ag und Hg nach
der Compensationsmethode angestellt. Das Gefäss, welches
die kalte Contactstelle zwischen den Metallen enthielt —
zur Vermeidung einer Amalgamirung stellte ein kurzer
Platindraht die Verbindung her — , hatte die Temperatur
des schmelzenden Eises, jenes hingegen, welches die zu er-
wärmende Contactstelle aufnahm, wurde im Wasserbade von
10 bis auf 60^ gebracht. Innerhalb dieses Intervalles ver-
änderte sich die thermoelectromotorische Kraft ziemlich linear
mit der Temperatur und betrug im Mittel in guter Ueber-
einstimmung mit den Versuchen von E. BecquereP):
. ..^ Mikrovolt
5,69 --,i-^ ;
dabei verhielt sich Ag thermolectrisch positiv gegen Hg.
Corrigirt man die Potentialdifferenz um diese Grösse, so
erj,'ibt sich: nnt^^R
j),^ = Ü,0o45
und unter der Voraussetzung, dass p eine lineare Function
von T sei:
||, = 0,0,492,
und zwar positiv , da // mit wachsendem T zunimmt. Ein
Polwechsel liegt nicht innerhalb der beobachteten Grenzen;
es wurde daher die Wärmetönung nach Gleichung (U) be-
rechnet und ergab sich zu:
•—5,663 Kilogrammcalorien.
Die Uebereinstimmung mit den aus den einzelnen Wärme-
töQungcn berechneten Werthe — 5,06 Kilogrammcalorien
kann als eine befriedigende bezeichnet werden.
20. Dec. r, = 278 + 12,5 p^ - 0,0121 Hg-Pol +
1\ = 278 + 55 ps a 0,0814«)
daraus:
1) £. Becquerel, vgl. Wiedemann, Electricität § 316.
2) Ich habe es unterlassen, fernerhin die Werthe von p besügUeh
528 F. Streintz.
% = 0,0,454 Q = -5,406 Kilogrammcal.
Ol
21. Dec 2\ = 273 + 15,4 p^ = 0,00778 Hg-Pol +
2i = 273 + 58,8 Pi = 0,02485 „
sTm- 0,0s393 Q = —4,861 Kilogrammcal.
Ol
Die Potentialdiö'erenzen wurden in Temperaturinter-
vallen von 5^ C. gemessen. Es ergaben sich für die Tem-
peraturen t die nachstehenden Werthe von p,
t 15,4 20,4 25,4 30,4 35,4 40,4 45,4 50,4 55,4 58,8
10'> 778 958 1158 1358 1548 1768 1953 2158 2358 2485
10^ dp IdT 36 40 40 33 44 37 41 40 42
Ich glaube aus der Tabelle schliessen zu können, dass
p in der That als lineare Function von p anzusehen ist.
24. Dec. 7i = 278 + 11,4 Po = 0
Tj = 273 + 55 /?! = 0,01575 Hg-Pol +
1^ = 0,03861 Q =r -4,723 Kilogrammcal.
Auch hier wurde p von 5 zu 5® gemessen, und es
ergab sich:
i 11,4 16,4 21,4 26,4 31,4 36,4 41,4 46,4 51,4 55
10»/? 0 180 350 540 720 915 1085 1275 1450 1575
10^ dpjdT 36 34 38 36 39 34 38 35 35
26. Dec. Es wurden Beobachtungen unter der Tem-
peratur des Pol wechseis angestellt:
r= 273 + 1,2 p = 0,00270 Ag-Pol +
7;= 273 + 9 p^= 0
w^ = —0,08346 Q = +4,489 Kilogrammcal.
öl
Auch hier zeigte sich p als eine lineare Function von T.
28. Dec. r'= 273 + 11 p' = 0,0310 Ag +
Ti = 273 + 57 /?! = 0,01415 Hg +
|£ = 0,0.810 Q = -4,000 Kilogram.„eal.
29. Dec. 2^0 = 273 + 1 1 /)o = 0
T, = 273 + 56,9 p^ = 0,01235 Hg +
flf= ^'«»
269 Q = -3,492 Kilogrammcal.
der thermoelectromotoriechen Kraft zu corrigiren, da es sieb, wie die
Folge zeigen wird, weniger um die Bestimmung von absoluten Grössen,
als um relative Aenderungen handelt.
%f
Silber- QuecksilöerelemenL 529
Aus dem Vergleiche der an den verschiedenen Tagen
efundenen Daten untereinander geht hervor, dass dp/dT
und damit auch Q in fortwährender Abnahme begriffen sind.
Die Erklärung dafür wird wieder in der Auflösung des
HggSOj zu suchen sein. Bevor ich darauf eingehe, will ich
das Resultat der chemischen Untersuchung, welche ich Hrn.
Dr. Weorg Neumann verdanke, mittheilen. Wiederholt
vorgenommene qualitative Analysen der in Verwendung ge-
standenen Elemente, darunter auch des Elementes II ergaben:
An der Ag-Electrode metallisches Quecksilber, welches mit
einer sehr empfindlichen Reaction auf Jodquecksilber nach-
gewiesen wurde. 2. Im metallischen Hg keinerlei Spuren
von Ag und 3. sowohl in der Flüssigkeit als in der Paste
C^uecksilber- und Silbersalz. Um zu constatiren, ob die
Ausscheidung von Hg an der Ag-Electrode nicht etwa
secundär chemischer Natur sei, wurde ein Ag-8tab in ein
Reagenzglas gebracht, in welchem sich Paste von HgaSO^ in
Ag^SO^- Lösung befand. Das Reagenzglas stand wohlver-
schlossen mehrere Wochen hindurch an einem dunklen Orte.
Bei der nach dieser Zeit vorgenommenen Untersuchung
konnte kein Hg am Stabe nachgewiesen werden. Es musste
daher die Abscheidung auf electrolytischem Wege vor sich
gegangen sein. Dies war. nur dann möglich, wenn Silber
den positiven Pol bildete. Da nun aber gewöhnlich Queck-
silber den positiven Pol bildete, so hätte man umsomehr
metallisches Silber in Hg vermuthen können, da ja HggSO^
mit der Silbersalzlösung angerührt worden war. Das ent-
"^egeiigesetzte Ergebniss wird dahin zu deuten sein, dass die
Paste das Vordringen der Ag^SO^- Lösung bis zur Queck-
silberobertiäche mechanisch verhindert. Es würde somit nur
jene Menge Ag ausgeschieden werden, welche sich in der
unmittelbar auf der Hg-Oberfläche lagernden Schicht befindet;
dass sich jene bei der schwierigen Löslichkeit des Ag-Salzes
und bei der vielleicht ausserordentlich geringen Dicke der
Schicht der chemischen Beobachtung entzieht, ist einleuch-
tend. Damit ist aber auch die Erklärung dailir gegeben,
(iass ein directer Angrifi" des Hg auf AgoSO^ nicht statt-
gefunden hat.
Lm nun wieder auf die Abnahme von Q zurückzukom-
Anu. <L Pbyi. u. Chem. X. F. XXXVIII. 34
530 F. StreinU.
men, so muss dem Umstände Rechnung getragen werden,
dass die Umgebung des Silberdrahtes statt aus Ag2S04
allein, wie dies zu Anfang der Fall war, bald aus einem
Gemische beider Salze Ag^SO^ und Hg^SO^ bestehen wird,
wobei zu bemerken ist, dass die Menge des ersten Salzes in
geringer Abnahme, die Menge des letzteren jedoch in einer
Zunahme begriffen sein wird. Ist daher der Silberpol positiv,
so wird an demselben wahrscheinlich ein Aequivalent beider
in Lösung befindlicher Metalle ausgeschieden werden, d. b.
das Silber wird sich amalgamiren; ist hingegen Silber nega-
tiver Pol, dann wird ein Aequivalent des Amalgams in Lö-
sung treten. Am Hg-Pole hingegen tritt keine Aenderung
ein. Bezeichnet man die nun im Element auftretende Wärme-
tönung mit Q\ so erhält man für dieselbe die Gleichung:
Q'= (Hg, + 0) + (HgaO + SO3) - [x\{Ag, + 0)
+ (AgjO + SÜ3aq.)} + (1 - x) (Hgo + O) + {HgoO + SO3) { •
und daraus:
worin Q den berechneten Werth von 5,06 Kilogrammcalorien
besitzt, und x eine Variable < 1 ist. Dabei ist die — nicht
bekannte — Lösungswärme (HggSO^ + aq.) und eine etwa
auftretende Amalgamationswärme (HgAg) am Silberpol un-
berücksichtigt geblieben.
Element 111.
Dieselbe AggSO^- Lösung wie in II. Der Ag- Draht
taucht mit seinem spiralförmigen Ende in die Paste de-*
HggSOj. (Typus des Clarkelementes.)
Die zeitlichen Veränderungen von p sind die nach-
stehenden :
2r>. Januar 1889. Das Element um 9^ vorm. aufgestellt.
9h iQm
0,00048 Ag-Pol
+
Temp.
12*»
c
n —
0,00018 „
»>
1'
>»
4 —
nachm.
0,00155 Hg-Pol
+
>»
!J
r
31.
Januar
vorm.
0,00386 ,»
>»
»>
»>
»»
nachm.
0,00306 „
M
»?
»>
:j.
Februar
0,00312 Ag-Pol
+
>?
• »
M
4.
• 1
vorm.
0,o037H
V
>?
« •
nachm.
0,00452
>»
»;
>•
5.
*•
0,00595
V
»»
?»
h.
• 1
0,00703
J1
»»
t»
Silber- QuecksiWertkmenL 531
Ich will sogleich die Resultate anschliessen, welche die
UntersuchuDgen der Veränderlichkeit von p mit der Tem«
peratur ergaben:
■
25. Januar 1889. 11*» vorm.:
TJ = 273 + 14 />o = 0
2\ = 273 + 40 p^ = 0,00208 Hg-Pol +
p war wieder lineare Function von T:
g^, = 0,0^80 Q = —1,057 Kilogrammcal.
An demselben Tage 4** nachm.:
r, = 273 +0« />, = 0,0,83 Hg-Poi +
2; = 273 + 32,8« p^ = 0,00280 ^i
g^, = 0,0^60 Q = -0,716 KUogrammcal.
31.Jau.vorin.: ^ = 273 + W p, = 0,00325 Hg-Pol +
2i = 273 + 41 />, = 0,00524 ,,
g^, = 0,0464 Q = -0,684 Kilogrammcal.
— nachm: 2\ = 273 + 10 /?, = 0,00289 Hg-Pol +
2^ = 273 + 44 p, = 0,00572 »
ll^, = 0,0^83 Q = -0,947 Kilogrammcal.
3. Febr.: T^ = 273 + 21 p^ ^ 0
T, = 273 + 43 p^ = 0,00393 Hg-Pol +
1^, = 0,0,179 Q = -2,422 Kilogrammcal.
Es trat hier zum ersten mal die merkwürdige Erschei-
nung auf, dass dp JdT unter der Temperatur des Pol wech-
seis einen grösseren Werth besass, als oberhalb jener.
Genauer verfolgt wurde diese Erscheinung am
4. Febr. vorm.: T' = 273 + 9 ^ = 0,00518 AgPol +
To =» 273 + 22,5 />o = 0
Tj = 278 + 43 />, = 0,00407 Hg-Pol +
Man erhält zwei verschiedene Werthe für dpjdT, Be-
zeichnet man jenen unter T^ mit (öp/d7^u> jenen über T^
mit {dpldT)dt so ergibt sich:
(It)-= -0A383, (|J)^= 0,0,198.
und daraus Q mit den analogen Bezeichnungen:
Qu = -f 5,209, Q4 « - 2,703 Kilogrammcal.
A4*
532
F, Streintz.
Dabei sind die Verändeningen von p in jedem der bei-
den Aeste über und unter T^ vollkommen linear, wie aus
folgender Tabelle hervorgeht.
t
11
13
15
17
19
21
0,00520
440
380
310
233
153
65
(
0,0,40
40
30
35
38
40
44
f
23«'
25
27
29
31
83
35
37
39
41
43
0,00017
60
100
136
170
210
250
295
334
370
407
(
efjd
0,0,21
20
18
17
20
20
22
19
18
18
— an demselben Tage nachm.:
r = 273 + 10
To = 273 + 25
r, = 273 + 35
p' = 0,00809 Ag-Pol +
, = 0,00204 Hg-Pol +
n, = U,UUZU4
5. Febr. 1889:
r = 273 + 2«
5, = 273 + 28
7; = 273 + 41
Qu= +4,431
Qj = —2,797 Küogrammcal.
p ' = 0,00832 Ag-Pol +
/), = 0,00335 Hg-Pol +
m. - «.«
.257
Qj = —3,559 Kilogrammcal.
Die Beobachtungen ergeben, dass sich sowohl die Ver-
änderungen der electromotorischen Kraft mit der Zeit als
mit der Temperatur viel verwickelter gestalten, wenn der
Ag-Draht von der Paste des HgoSO^ umgeben ist.
Was zunächst die zeitlichen Veränderungen anbelangt,
so unterscheidet sich Element III von den Elementen I und
II dadurch, dass Ag zuerst den positiven Pol bildet. Das
Element III betindet sich eben schon durch die Art der
Zusammenstellung in dem Stadium:
Hg Hg,SÜ, + Äf^gPv Ag,
welches bei I und II erst nach längerer Zeit durch die Auf-
lösung des Hg»SO^ erreicht worden war. Da nun Ag posi-
Silber ' Quecksilber t lernen t 533
tiver Pol ist. so scheidet sich das in der unmittelbarsten Um-
gebung des Drahtes befindliche Ag aus der Lösung aus. Ein
weiteres Vordringen der AggSOi-Lösung zum Drahte ver-
hindert die Paste. Gleichzeitig mit Ag wird aber auch Hg
electrolytisch am Drahte abgeschieden. Das Element lässt
sich durch die Formel:
HgjHgaSO, HgAg
charakterisiren. Nun ist Hg positiver Pol geworden, das
Resultat des nächsten Vorgangs somit:
H, Hg,SO, + ägig; HgAg.
Dabei verhält sich das Element electromotorisch wie sofort
nach der Zusammenstellung. Wegen der Undurchdringlich-
keit der Paste wird aber nunmehr sämmtliches, im voran-
gegangenen Stadium gebildetes Silbersalz den Draht unmit-
telbar umgeben.
Unter diesen Annahmen ist es nicht schwierig auch die
Veränderlichkeit von Q zu erklären. Sogleich nach der Zu-
sammenstellung des Elementes erhält man für die Wärme-
tönung: Q'=:.r.Q.
Dabei ist aber x kleiner, als es jemals in II gewesen,
weil die Oberfläche des Drahtes einen grösseren Antheil an
Hg erhalten hat, als dort. Nimmt man an, dass der Ag-
Draht vollständig von Hg umgeben ist, so wird der ganze
Vorgang nur in einer Convection dieses Metalles von der
Kathode zur Anode bestehen, und Q\ welches der Energie
dieses Transports nicht Rechnung trägt, muss gleich Null
werden. Allmählich wird aber der Vorrath von Hg an der
Kathode sparsamer, und es treten zuerst geringere, dann
grössere Antheile von Ag in die Lösung. Dies verursacht
ein Steigen der Werthe von x und Q\ Das Maximum
Q'= Q wird erreicht werden können, wenn der ursprüng-
liche Typus des Elementes II hergestellt ist. Die Beobach-
tung vom 4. Februar vormittags, und zwar jene „unter der
Temperatur des Polwechsels'S zeigt, dass dieser Zustand
thatsächlich eingetreten war.
Es erübrigt noch, die Ursache der Differenzen zwischen
den Werthen dp/dT unter und über T^ anzugeben. Unter
Tq werden Ag und Hg aus ihren Salzen an der HgAg-Elec-
534 A, Heydtceiller,
trode ausgeschieden, über Tq tritt ein Aequivalent des Amal-
games BgAg von der Electrode in Lösung. Es ist klar,
dass die beiden Metalle in ihren Salzlösungen durchschnitt-
lich in einem anderen Mengenverhältnisse vertreten sein
werden, als in der Form des Amalgams an der Electrode.
Man erhält somit im ersten Falle:
Qu = j-u- Q,
im zweiten Falle: Qd = -t^u- Q,
wobei Xu und Xd voreinander im allgemeinen verschieden sind
und mannichfachen Aenderungen unterliegen können.
ä c h 1 u s s.
Aus der Darstellung geht hervor, dass die von v. Helm-
holtz entwickelte Theorie über die Vorgänge im galvanischen
Element: Hg | Hg^SO^ + Ag^SO, | A g
Aufschluss gibt. Die Resultate zeigen, dass die Ueberein-
stimmung zwischen Theorie und Erfahrung eine vollständige
ist, wenn es sich um Vorgänge reversibler Natur handelt.
Doch erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Helm-
holtz'sche Gleichung auch in den zuletzt behandelten Fällen,
in welchen Vorgänge nicht vollkommen reversibler Natur
stattfanden, zu richtigen Ergebnissen führen könne.
Phys. Inst. d. Univ. Graz.
111. Veher den I>urchgang der ElectriciUit durch
Oase.
I. F^mkenentladungen des Indtictorlunis
hl normaler Ijnft; von Adolf Hey d weif f er.
(HIer/.u T«f. VI Vlg. .'i— 7.)
1. Einleitung.
Die (irundlage nachstehender Arbeit wurde bereits vor
zwei Jahren veröffentlicht.^) Damals unternahm es Verfasser
1) He yd weil! er, Galvauometrische Messungen am Ru hm kor ff '-
sehen Incluctionsapparat. Habilitations.'^chrifr. Würzbnrg 18ft7. Boibl.
12. p. 2N4. 18S8.
Inductionsfunken. 535
auf Anregung des Hrn. Prof. F. Kohlrausch, die den
secundären Stromkreis eines grossen Rühmkorff'schen In-
ductionsapparates durchlaufenden inducirten ElectricitAts-
mengen zu messen und ihre Abhängigkeit von verschiedenen
Umständen zu untersuchen. Dabei ergaben sich namentlich
auch ziemlich einfache Beziehungen fUr die durch Funken-
strecken entladenen Electricitätsmengen zu den wirkenden
electromotorischen Kräften. Diese Versuche erlitten dadurch
eine längere Unterbrechung, dass der benutzte Ruh mkorff-
sche Apparat für sehr hohe Spannungen nicht mehr genü-
gend isolirte und daher zur Ausbesserung nach Paris ge-
sandt wurde. Auf die Ergebnisse der früheren Versuche
hatte dieser Mangel, wie die spätere Controle ergab, keinen
Biniluss. Da systematische Messungen der in Funken über-
gehenden Electricitätsmengen noch kaum vorliegen, so wor-
den nach der Rücksendung des Apparats die Versuche von
neuem aufgenommen und in mehrfacher Richtung erweitert
und ergänzt.
2. Die Apparate.
Die bei den nachstehenden Messungen benutzten Ap-
parate, zum Theil andere, als die früher angewandten,
sollen zunächst im Zusammenhang kurz beschrieben werden.
Der grosse Inductionsapparat von Rühmkorff hat folgende
Dimensionen: Die primäre Spule besteht aus 280 Windun-
gen eines 0,24 cm dicken Drahtes in zwei L^gen von 42,5 cm
Länge und etwa 5,5 cm mittlerem Durchmesser; ihr Wider-
stand ist 0,3 Ohm; in dieselbe ist ein Eisenkern von 54 cm
Länge und 4,5 cm Durchmesser eingeschoben.
Die secundäre Spule besteht aus etwa 100000 Windun-
gen eines ungefähr 500000 cm langen und 0,016 cm dicken
Drahtes von etwa 45000 Ohms Widerstand und hat eine
Länge von ca. 40 cm, einen mittleren Durchmesser von ca.
15 cm; die letzteren beiden Zahlen sind wegen der starken
isolirenden Schichten, die den Draht bedecken, nur ganz
ungefähr geschätzt. Die Enden der primären Spule waren
bei den nachfolgenden Versuchen mit den Belegungen des
am Apparat befindlichen Condensators dauernd verbunden.
Die Unterbrechung des primären Stromes — es wurden
536 A. HeydweiUer,
stets nur einmalige Oeffnungsinductionsstösse gemessen —
geschah mittelst des zum Apparat gehörigen Foucault'-
sehen Unterbrechers, dessen Electromagnet durch zwei con-
stant gehaltene Dani eil 'sehe Elemente erregt wurde. Die
Unterbrechung geschah zwischen dem gut amalgamirten
Platinstift und vor jeder Reihe erneutem, nur etwas Platin -
amalgam enthaltendem Quecksilber unter Alkohol. Es wurde
dafür gesorgt, dass sowohl die Entfernung des Ankers vom
Electromagnet vor der Unterbrechung, wie die des Platin-
stiftes vom Quecksilber nach derselben stets die gleiche war.
Auf diese Weise wurde die Constanz der Unterbrechung
erreicht, auf welche es bei diesen Versuchen vor allem
ankam, da die Art der Unterbrechung von bedeutendem
Einfluss auf die Stärke und den Verlauf der inducirten Ströme
ist, auf welchen Umstand schon vielfach, namentlich von
Hm. HankeP) und Hrn. H. v. Helmholtz^ aufmerksam
gemacht worden ist.
Die primäre Stromstärke wurde mittelst der von Hrn.
F. Kohlrausch') beschriebenen Tangentenbussole mit Spie-
gelablesung gemessen. Der Reductionsfactor derselben war
durch Ausmessen genau bestimmt; um ein möglichst weites
Intervall der zu messenden Stromstärken zur Verfügung zu
haben, wurde eine 200 cm lange ScaLi in 310 cm Abstand
vom Spiegel benutzt, und wurden der Bussole je nach Bedarf
Abzweigungen vorgelegt, bestehend aus gleichlangen, dicken
Kupferdrähten, von denen zwei zur Bussole führten. Der
Werth der Verzweigungsverhältnisse wurde durch directe
gleichzeitige Messung des abgeleiteten und des unverzweigten
Stromes, des letzteren mit einer (früher benutzten) Rühra-
korffschen Tangentenbussole, deren Reductionsfactor gleich-
falls genau bekannt war, bestimmt. Für die Horizontalinten-
sität des Erdmagnetismus ist ein mittlerer Werth angenommen
worden, da eine Genauigkeit der absoluten Bestimmungen
von mehr als 1 Proc. nicht erstrebt wurde.
1) Hankel, Wied. Ann. 7. p. 631. 1879.
2) H. V. Helmholtz, Pogg. Ann. 83. p. 538. 1851; Ges. Abb. 1.
p. 460.
3) F. Kohlrausch, Wied. Ann. 15. p. 550. 1882.
Inductionsfunhen, 537
Zur Messung der inducirten Electricitätsmengen im
secundären Stromkreise diente eine abgeänderte „Wiede-
mann 'sehe Bussole". In derselben war der Magnetring
durch ein stark astatisches System von 12 — 14 See. Schwin-
gungsdauer (dieselbe änderte sich mit der Zeit) ersetzt; ferner
der Kupferdämpfer durch ein Holzgeliäuse mit cylindrischen
Stempeln zur Herstellung einer regulirbaren Luftdämpfung,
zu welchem Zwecke noch der untere Magnetring mit einer
Glimmerplatte bedeckt war.
Die Rollen wurden neu hergestellt aus je etwa 360 Win-
dungen eine» 0,08 cm dicken Kupferdrahtes auf paraffinirten
Holzrahmen; die Gruttaperchaisolirung des Drahtes war nur
0,04 cm dick, doch wurden die einzelnen Lagen voneinander
noch besonders durch paraffinirtes Papier getrennt. Die Iso-
lirung war so vollkommen befriedigend, und die Empfindlich-
keit so gross, dass man die Rollen in hinreichender Ent-
fernung vom Magnetsystem halten konnte, um keine störenden
Eintiüsse statischer Ladungen zu erhalten. Starke Schwin-
gungen des Magnetsystems konnten durch Ströme in einem
zweiten aufgesetzten Bollenpaar beruhigt werden, da die
Luftdämpfung nur schwach war (Dämpf ungsverhältniss 1,3
bis 1,4).
Der Reductionsfactor des Galvanometers wurde durch
Vergleich mit einem gut geaichten Torsionsgalvanometer
bestimmt, wobei durch das erstere nur ^/^^^ des Hauptstro-
mes in letzterem geschickt wurde. Die Verzweigung war
mittelst eines sorgfältig kalibrirteu Rheostaten von Hart-
mann und Braun hergestellt. Die Empfindlichkeit des Gal-
vanometers war verschieden regulirt; meist so, dass die
Eiectricitätsmenge 10~~^ Coulomb einen Ausschlag von 1 bis
2 Scalentheilen bei 3400 Scalentheilen Abstand zwischen
Spiegel und Scala gaben.
Inductorium, Galvanometer undTangentenbussolc konnten
so aufgestellt werden, dass sie sich gegenseitig nicht merklich
beeinflussten.
Das Funkenmikrometer besitzt eine feine Schraube von
0,05 cm Ganghöhe, eine Millimetertheilung mit Nonius und
wurde mit einer Kreistheiluog am Schraubenkopf versehen,
die Tausendstelmillimeter zu schfttsen geitaUet Als Elec-
538 A. HeydweiUer.
troden wurden meist die zugehörigen Messingkugeln von
0,93 cm Durchmesser mit 0,2 cm dicken Zuleitungsdrähten
benutzt; ausserdem Blei- und Stahlkugeln von derselben
Grösse, sowie grössere Messingkugeln von 3,0 cm Durch-
messer und zugespitzte Messingdrähte von 0,22 cm Dicke.
8. Das Maass der elcctromotorischen Kraft.
Da es sich bei den Inductionsströmen um schnell wech-
selnde electromotorische Kräfte und Stromstärken handelt^
so können nur die Integralwerthe derselben gemessen werden.
Der Integral werth der secundären Stromstarke ist durch die
gemessene Electricitätsmenge q^fidi gegeben, wo i die
Stromstärke in einem bestimmten Querschnitt als Function
der Zeit ^ bedeutet. Das Ohm' sehe Gesetz darf man aber
bei diesen schnell verlaufenden Electricitätsbewegungen nicht
ohne weiteres als gültig annehmen. Hingegen darf man
voraussetzen, dass der Integral werth der electromotorischen
Kraft eines Oeffnungsstromes nur von der primären Strom-
stärke und von dem im Eisenkern verschwindenden Mag-
netismus, mit einem Wort also von dem verschwindenden
Magnetfelde abhängt und für gleiche primäre Stromstärke
mithin immer derselbe ist. Ferner ist bekanntlich — wie
in der früheren Arbeit noch besonders geprüft wurde — bei
leitendem secundären Schliessungskreise die durch Oeffnen
eines bestimmten primären Stromes inducirte Electricitäts-
menge q dem Gesammtwiderstande des secundären Kreises w
umgekehrt proportional, wie es bei strenger Gültigkeit des
Ohm*8chen Gesetzes auch der Fall wäre; auch findet die
Verzweigung zwischen Leitungswiderständen den Ühm-
Kirchhoff'schen Gesetzen entsprechend statt. Man kann
daher das constante VvoAxxci qw = tofidt als Maass für das
Zeitintegral der electromotorischen Kraft, welche durch Oeff-
nen des bestimmten primären Stromes inducirt wird, anneh-
men. Ist die secundäre Spule kurz in sich geschlossen, so
reducirt sich w auf den Widerstand m?^, derselben; die ent-
sprechende Electricitätsmenge sei q^.
Das Product qQW^^ wurde nun durch eine Reihe von Mes-
sungen als Function der primären Stromstärke J bestimmt.
Die folgende Tabelle 1 gibt die Zusammenstellung der Ke-
laibicttonsjunken .
539
sultate, wobei J in Amperes, ^^w^, in See. x Volts ange-
geben sind.
Tabelle 1.
Datum
Ampere«
See. X Volts
1
J
9. Fcbniar 1889
0,520
; 2,85
5,48
j>
0,555
3,06
5,53
»>
0,949
5,59
5.89
?>
! 0,998
5,86
5,87
M
1,521
9,47
6,22
11
i 1,977
12,71
6,43
»
2,920
19,49
6,67
5. Februar 1889
3,000
1 19,95
6,67
»»
! 8,943
26,75
6,79
11
5,171
35,80
6,98
■•i
1 6,014
41,87
6,97
)j
7,240
50,67
7,00
M
8,048
56,88
7,01
>»
8,534
59,75
6,99
Wegen der Anwesenheit des Eisenkerns ist q^^w^^ nicht
proportional J^ sondern die Curve g^^o^jJ als Function von
J nimmt einen ähnlichen Verlauf, wie die Magnetisirungs-
function.
Im Folgenden ist die Abhängigkeit der den secundären
Stromkreis bei Einschaltung verschiedener Funkenstrecken
durchlaufenden Electricitätsmengen von dem Integralwerth
der electromotorischen Kraft q^w^^ wie er nach vorstehen-
der Tabelle durch die primäre Stromstärke bestimmt ist, unter-
sucht worden.
4. Allgemeines über die MeBsungeii.
Die vorerwähnte Aufgabe brachte es mit sich, dass für
jede Funkenstrecke eine längere, Stunden in Anspruch neh-
mende Beobachtungsreihe angestellt werden musste. Da es
nicht möglich war, während derselben alle in Betracht kom-
menden Umstände ganz constunt zu halten, so war es nöthig,
den Einfluss von Aenderungen möglichst auszumerzen, was
in der Weise geschah, dass eine Reihe von Beobachtungen
mit immer grösseren primären Stromstärken angestellt, und
dann von der grössten an dieselbe in umgekehrter Folge
wiederholt wurde, und zwar wurden bei jeder Stromstärke
jedesmal vier bis acht Einzelbeobachtungen gemacht und die
^Ä
540 A. Heydiceiller,
Mittelwertlie entsprechender Gruppen der beiden Hälften der
Reihe zum Hauptmittel vereinigt, das in den unten folgenden
Tabellen mitgetheilt ist.
Zu Beginn jeder Versuchsreihe wurden die Electroden
des Funkenraikrometers frisch geputzt und polirt, der Unter-
brecher des primären Stromes mit iiltrirtem Quecksilber be-
schickt und sein Platinstift mit Hülfe von Platinamalgam
neu amalgamirt.
Vor und nach jeder Reihe wurden der Nullpunkt des
Funkenmikrometers, ferner Schwingungsdauer, Dämpfung
und Reductionsfactor des Galvanometers (letzterer wie oben
angegeben) bestimmt. Die Aenderungen dieser Grössen im
Verlauf einer Reihe waren gering, sodass der Mittelwerth
mit keinem merklichen Fehler behaftet ist. Die Fernrohre
für Tangentenbussole und Galvanometer standen dicht neben
einander; die Unterbrechung des von 1 bis 4 grossen Bun-
senelementen mit frischen Säuren gelieferten primären Stro-
mes konnte von den Fernrohren aus geschehen. Es wurde
also zuerst der Ausschlag der Tangentenbussole nach Schluss
des Stromes beobachtet, derselbe unmittelbar darauf geöffnet
und der Impulsivausschlag der Galvanometernadel abgelesen.
Die nöthigen Reductionen der Ausschläge auf Tangenten und
Bögen wurden angebracht, die primäre Stromstärke mittelst
des bekannten Reductionsfactors der Tangentenbussole be-
rechnet, und hierzu der Werth von q^ w^ mit Hülfe von Ta-
belle 1 bestimmt. Aus dem reducirten Impulsivausschlag u
des Galvanometers, dem Reductionsfactor R desselben, dem
Uämpfungsverhältniss k, dem natürlichen logarithmischen
Decrement A und der Schwingungsdauer r der ungedämpften
Nadel wurde die inducirte, durch das Galvanometer gegan-
gene Electricitätsmcnge q nach den von Wilh. Weber im
zweiten Theil seiner electrodynaraischen Maassbestimmungen,
Beilage C ausführlich entwickelten Gleichungen bestimmt:
q^Rl-ukl "^*'^^.^)
Als Einheit für die Electricitätsmenge ist im Folgenden
immer 10"-® Coulomb gewählt, während die Zeitintegrale der
1) Vgl. auch Rohlrausch, liCitfaden der prakt. Physik, 6. Aufl..
p. 2^19. lHy2.
InductioHgfunken, 541
electromotorischen Kräfte, wie schon oben, in SecxVolt an-
gegeben sind. Zwischen den Einzelbeobachtungen kamen
Unterschiede bis zu 20 Proc. vor, aber nur bei kleinen
Werthen von q unter 100xlO~^ Coulomb, die zur Berech-
nung der weiter unten zu erwähnenden Constanten der
Keihen nicht verwendet wurden. Darüber überschritten die
Unterschiede fast nie 6 Proc. Die Mittelwerthe der gleichen
Stromstärken entsprechenden Gruppen in beiden Hälften der
Reihen wichen zuweilen bis zu 10 Proc. voneinander ab.
Meist war die Uebereinstimmung aber eine weit bessere,
und die schliesslich benutzten Hauptmittel stimmten in zu
verschiedenen Zeiten, aber unter gleichen Bedingungen an-
gestellten Keihen stets bis auf einige Procente überein, so-
dass man 3 Proc. im allgemeinen als grössten Fehler der
Hauptmittel betrachten darf. Die Hauptfehler rühren wohl
von nicht ganz zu vermeidenden Unregelmässigkeiten in der
Unterbrechung des primären Stromes her.
Den Beobachtungen war nach zwei Seiten eine Grenze
gesteckt Bei hohen Spannungen wurde die Isolirung, na-
mentlich der Galvanometerrollen, zu schwierig, und bei klei-
nen Electricitätsmengen die Unregelmässigkeiten zu gross, so-
dass die Mittelwerthe illusorisch wurden. Nur bei den klein-
sten Funkenstrecken erhielt man auch für kleinere Werthe
von q noch brauchbare Resultate. Aus den angeführten
Gründen war es daher auch nicht möglich, die Versuche
über Funkenstrecken von mehr als 0,6 cm auszudehnen, und
auch bis zu dieser Grenze gelang es erst nach längerem Be-
mühen, regelmässige Resultate zu erhalten durch sorgfäl-
tigste Isolirung und peinliche Vermeidung aller scharfen
Ecken und Kanten im secundären Stromkreis, z. B. Entfernung
der am Funkenmikrometer befindlichen gekerbten Schrauben-
köpfe.
5. Ueber die Continuität der Funkenentladungen.
Im allgemeinen sind wohl die Entladungen eines Inducto-
riums durch eine Funkenstrecke oscillirende; es lässt sich
aber zeigen, dass bei Apparaten von so grossen Dimensionen
und so hohem Selbstinductionscoöfficienten, wie der hier an-
gewandte, die Bedingungen zur Entstehung von Schwingun-
542 A. Iltydweiller,
gen nicht günstig sind, ja wahrscheinlich solche gar nicht
auftreten. Nach G. Kirchhofes und Sir W. Thomson's
Theorie ist nämlich die Schwingungsdauer T der Electrici-
tätsbewegungen in einem Draht, der die Belegungen eines
Condensators verbindet:
wenn p den Selbstinductionscogfficienten , w den Widerstand
des Drahtes, e die Capacität des Condensators sammt dem
Draht bezeichnen.
Nun wurde der Selbstinductionsco^fficient der secundä-
ren Spule des Ruhmkorff nach der Methode von Dorn^ zu
1,7 X iO^* cm bestimmt. Als Condensator ist hier das Fun-
kenmikrometer zu betrachten, dessen Capacität sammt der
secundären Spule so klein ist, dass sie sich nur angenähert
bestimmen Hess. Ich brachte zu diesem Zwecke die 0,93 cm
'£ugeln des Funkenmikrometers in 0,1 cm Entfernung und
schaltete mittelst einer Wippe zwischen Funkenmikrometer
und Ruhmkorff auf der einen Seite abwechselnd eine 40 paa-
rige Chromsäurebatterie und ein sehr empfindliches Galva-
nometer ein und mass so die statische Ladung, welche die
erstere dem System ertheilte. Die Capacität, die sich so
ergab, e= 10~^ Mikrofarad = 10~^® cm-^sec^ ist nun aber
augenscheinlich viel zu klein für die bei den Inductionsent-
ladungen stattfindenden Verhältnisse; denn bei diesen wird
nicht die ganze Spirale auf ein constantes Potential geladen,
und die äusseren Windungen wirken gegen die inneren stark
condensatorisch, worauf Hr. von Helmholtz^) aufmerksam
machte. Die mit dem angegebenen Werthe von e berech-
nete Schwingungsdauer wird also jedenfalls viel zu klein aus-
fallen. Dieselbe ist aber:
T =--._=.-_._ =1" .. =0,008 See.
,/ 1 I^A^J^'y
y 1,7 X 10>« xlQ- ^^ \8,4 X lO^V
1) Vgl. V. Helmholtz, Ges. Abh. I. p. 5H4.
2) Vgl. F. Kohlrausch, Leitfaden 6. Autl. p. 283. 1887.
3) V. Helmholtz, Ges. Abh. I. p. 535.
Inductionsfunken. 543
Die SchwiDgungsdauer wird also beträchtlich grösser als
V]Oü ^^^' ^^^^' ^mh wird weiter unten nachgewiesen, dass
die Dauer der ganzen Electricitätsbewegung bei Einschaltung
einer Funkenstrecke von 0,1 cm etwa 7ioo S®^- beträgt,
woraus folgt, dass wohl kaum Schwingungen während der
Entladungsdauer zu Stande kommen. Man kann die Schwin-
gungsdauer auch noch bedeutend vergrössern, indem man die
Capacität durch Änhängung der zum Inductorium gehörigen
Cascadenbatterie von 4 Flaschen an die Enden der secun-
dären Spirale vermehrt, ohne einen merklichen Einfluss auf
die im Funken entladenen Electricitätsmengen zu finden.^)
Gegen oscillirende Entladungen spricht ferner der aus-
g<' prägte Charakter der electrischen Ringfiguren auf den
Eloctroden des Funkenmikrometers, die auf der positiven
und negativen Electrode wesentlich verschieden sind und
ganz den von den Herren Reitlinger und Wächter^) aus-
führlich beschriebenen Figuren entsprechen, sowie endlich
der continuirliche Verlauf der unten mitzutheilenden Reihen,
wie er in den Curven Fig. 5 dargestellt ist.
Der letztere Umstand spricht auch gegen die weitere
Möglichkeit, dass die Gesammtentladung aus einzelnen gleich-
gerichteten Theilentladungen bestehe, gegen welche sich auch
Hr. Hertz') auf Grund zahlreicher sorgfältiger Versuche
ausspricht, er schliesst aus denselben, „dass die Entladung
des Inductoriums, deren Dauer je nach der Grösse des
Apparates zwischen Yiooo ^^^ V«o See. liegen kann, während
dieses Intervalles als continuirlicher Strom anzusehen sei."
1) Wäre der Draht der seeundären Spule nicht aufgewickelt, sondern
gerade auBgespannt, so würde bei seinen Dimensionen nach 6. Kirch-
hotTs Theorie die Electricität sich in ihm nach Art der geleiteten
Wärme fortpflanzen. Die genannte Theorie schliesst aber ausdrücklich
den schwierig zu behandelnden Fall aus, dass zwischen Querschnitten
des Drahtes, die sich sehr nahe liegen, endliche Stücke desselben sich
befinden.
2) Reitlinger u. Wächter, Wied. Ann. 12. p. 590. 18dl.
3) Hertz, Wied. Ann. 19. p. 782. 1883.
544 A, Heydtceiller,
6. Die im Fanken übergehende Electricitätsmenge als Func-
tion des Zeitintegrals der electromotorischen Kraft.
In der früheren p. 534 citirten Arbeit habe ich gezeigt^
dass sich die Abhängigkeit der Electricitätsmenge q^ die bei
Einschaltung von Fankenstrecken durch den secundären
Kreis geht, von dem Zeitintegral der electromotorischen
Kraft 9oU?o) ^^^ ^^ ^^ Abschnitt 3 definirt worden ist. und
dem Leitungswiderstande w des secundären Kreises in der
verhäitnissmässig einfachen Form darstellen lässt:
(1) ^^ ~^Cu^o'
worin B und C zwei Grössen bezeichnen, die von der Länge
der Funkenstrecke abhängen, im übrigen aber, wenn auch
nicht mit aller Strenge, doch mit grosser Annäherung inner-
halb gewisser Grenzen als constant zu betrachten sind. ^) Zu
dieser Gleichung gelangt man, wenn man die „Substitutions-
widerstände'* der Funkenstrecke für verschiedene Werthe
von q^ioQ bestimmt, d. h. diejenigen Leitungswiderstände,
durch deren Einschaltung an Stelle der Funkenstrecke man
die gleiche inducirte Electricitätsmenge q erhält.
Sind, wie bei den nachfolgenden Versuchen stets, die
neben der secundären Spule eingeschalteten Leitungswider-
stände (Galvanometer und Verbindungsdrähte) gegen den
Widerstand der Spule selbst (w^ = 45L00 Ohm) zu vernach-
lässigen, so reducirt sich Gleichung (1) auf die einfachere:
(8) ^^ =
'^0 ( 1 + ^H oder aucii:
c
1 +
^0
wenn B^^bw^ und C=cm*(, gesetzt wird.
Während diese Gleichung früher aus Beobachtungen an
kleinen Funkenstrecken bis zu 0,15 cm abgeleitet war, habe
1 ) In der früheren Arbeit war dem scbwaehen Ansteigen von C mit
wÄclisendem y^tro durch Einführen einer zweiten Constante Rechnung
getragen worden, indem statt Ctr,, : ^.^ + -4, y^, itq gesetzt war: hier ist
das verhäitnissmässig kleine A^ ganz v«Tnaehlässigt.
Luitictio/of/'u/ikeu.
545
ich sie jetzt für grössere, bis zu 0,6 cm verificiren können.
Die neuen Beobachtungen für neun verschiedene Funken-
^trecken, die in den Tabellen 2 bis 10 mitgetheilt sind, sind
mit den alten nicht völlig vergleichbar, da mehrere Umstände,
namentlich die Unterbrechung des primären Stromes, gegen
früher verändert waren. Die Unterschiede betrafen übrigens
in den Beobachtungen nur wenige Procente. Neben den be-
obachteten Werthen q sind in den folgenden Tabellen auch
die nach Gleichung (2) berechneten angegeben. Die dazu
benutzten Werthe von B und Q die am Kopfe jeder Tabelle
stehen, sind durch ein graphisches Interpolationsverfahren
ermittelt worden, das Tür den vorliegenden Zweck ausreichte,
da die erreichbare Genauigkeit die umständliche streng rech*
nerische Ausgleichung der Beobachtungsfehler nicht ver-
lohnte. Eine ungefähre Berechnung des Einflusses der Be-
ubachtungsfehler ergibt nämlich, dass dieselben mit viel-
fachem Betrage in die berechneten Constanten B und C
eintreten.
Die nachstehenden Tabellen enthalten am Kopfe die
Länge/ der Funkenstrecke in Centimetern, den Beobachtungs-
tag, di^ Temperatur und den entsprechenden Widerstand w^
der secundären Spule des Ruhmkorfi' in Ohm, sowie die
Constanten B und C, die beide von der Dimension des Zeit-
integrals einer electromotorischen Kraft sind, in See X Volt.
Ferner in 4 Columnen die Werthe von q^WQ, gleichfalls in
See X V^olt, die beobachteten und die berechneten Werthe
von fj in 10~*^ Coulomb, sowie die Difl'erenz q beobachtet we-
niger q berechnet.
Tabe
lle 2.
/= 0,005 cm.
12. Februar lö89.
f = 15,5«. tc =
= 44000 Ohm. B =
0,0. C
= 40,7.
!/:«'o
y beob. ' q ber.
_ _ i__ _ _ _
; Diff.
1
yon
q beob.
' q ber.
1
Diff.
2,T'
3 2
+ 1
23,1
199
' 190
' + 9
r?
5 4
, +1
27,7
257
255
1
1 + 2
5,5
17 15
, +2
3.M
367
1 369
1 - 2
*^.T
39 35
+ 4
42,1
476
1 487
i -11
12,5
72 67
+ 5
49.2
f>91
, 612
-21
Ui,0
' 117 109
+ ^
53,0
TmS
698
-20
Aun. d. Phyt. u Chem. N. F. XXXVIII.
35
546
A. HeyHweiUer.
Tabelle 3.
Tabe
lle 4.
/ = 0,05 cm.
/=» 0,1 cm.
22. Februar 1889.
>
28. Juni 1889.
t = 13,5« Wfl
= 43600 Ohm.
i = 20,8°. iTo = 44900 Ohm.
J?=4,0
C = 56,8.
£
f = 5,5 C = 66,0.
!7o«'« i
g beob.
1
g ber.
Diff.
-3
?ott»o
g beob. g ber.
Diff.
20,3
95
98
26,6
138
185
+ 3
23,4
130
130
0
82,5
201
199
+2
26,5
165
164
+ 1
38,5
271
271
0
30,4
215
211
+4
44,7
352
353
—1
35,9
284
284
0
50,4
428
433
-5
41,3
360
360
0
57,3
*542 548
-6
46,6
441
440
+ 1
57,5
541
539
+ 2
51,6
519
520
— 1
56,2
593
596
—3
59,4
641
Tab«
28. Ml
649
jlle 5.
,15 cm.
ii 1889.
-8
Tabelle 6.
/ = 0,2 cm.
14. Mai 1889.
/=. 2(
),00 iTo
= 44700
Ohm.
t = 17,8° fCo = 44400 Ohm.
1
? = 8,2
C=7J
J,0.
B = 10,1 C = 79,3.
90«^©
g beob.
' 109
g ber.
i 104
Diff.
yott^o
g beob, g ber.
Diff.
26,0
+ 5
25,2
83 82
1 +1
30,2
' ♦US
145
0
32,2
142 144
' -2
32,1
167
163
+ 4
38,3
208 201
+ 1
38,3
228
231
-3
44,2
277 27(»
+ 1
44,7
305
309
-4
50,6
353 356
-3
50,2
384
, 382
+ 2
56,4
434 434
0
54,1
429
436
-7
59,7
*483 481
+ 2
59,7
1 *522
1
517
+ 5
60,0
i 485
485
0
Tabelle 7,
/ = 0,3 cm.
6. Juni 1889.
f = 22,0^ Wq = 45100 Ohm.
B = 12,3 C = 89,2.
Tabelle 8.
/ = 0,4 cm.
13. Mai 18^9.
t = 17,5» w = 44300 Ohm.
^ = 16,0 C= 95,2.
26,1
32,1
38,3
44,2
.M>,()
53,7
06.2
,")9,S
g beob. | g ber.
Diff,
9o^o 1 7 beob. i g ber. Diff,
68
118
175
231
295
347
'Ml
42.^
69
116
173
234
P.Ol
34r>
377
424
-1
+ 2
+ 2
-3
-6
+ 1
0
4-1
26,6
33,2
39,5
46,8
52,1
53,7
57,2
60,0
56
99
153
231
289
♦303
344
3o5
53
lüO
155
28^
307
:U9
384
+ 3
— 1
_o
+ 2
+ 1
-4
— 5
■fl
IiulticliottsJuTÜien.
547
Tabelle 9.
1
1
Tabe
lle 10.
/ = 0,5 cm.
/ = 0,6 cm.
18. Mai 1889.
20. Mai 1889.
t = 21, 5^ tcj
, = 45000 Ohm.
t = 18,0^ IT,
) = 44400 Ohm.
B = 19,3
C =
99,2.
B
= 21,7
C = 102,5.
yo ^0 ? beob.
q ber.
100
DiflF.
' -4
87,0
q beob.
1
q ber.
Diff.
36,2 96
86
91
-5
40,8 136
139
1 —8
41,6
131
129
+2
45,4 180
182
1 -2
45,0
*165
158
+ 7
50,3 230
232
-2
46,1
175
171
+ 4
53,7 *270
269
' +1
49,8
*210
204
+ 6
55,4 288
287
+ 1
50,9
219
218
+ 1
60,1 , 340
342
, -2
53,7
*241
248
-7
1
1
54,1
*248
249
-1
1
;
55,3
263
265
-2
1
1
59,7
818
815
_o
Wie man sieht, schmiegen sich die beobachteten Werthe
den berechneten Curven gut an, mit Ausnahme der ersten,
wo die nicht genügende Constanz der sehr kleinen Funken-
strecke (0,003 cm) während der ganzen Reihe die grösseren
Abweichungen vielleicht erklären kann; die Angabe £=0,0
bedeutet hier nur, dass S<0,1, d. h. von nicht merklichem
Einiluss ist. Im übrigen betragen die Abweichungen der
beobachteten von den berechneten Werthen nur selten und
nur bei kleinen Werthen von q unter 100 X 10"-® Coulomb
mehr als 8 Proc, d. h. sie liegen innerhalb der Beobach-
tungsfehler.^) In Fig. 5 sind die berechneten Curven für die
Funkenstrecken 0 (eine Gerade) 0,005, 0,1, 0,2, 0,3, 0,4, 0,5,
0,6 gezeichnet; die Abscissen sind die Zeitintegrale der elec-
tiomotorischen Kraft q^tv^y die Ordinaten die Electricitäts-
niengen g.
Man erkennt den starken Abfall der Electricitätsmenge
schon bei kleinster eingeschalteter Funkenstrecke, während
die gleicher Zunahme der Funkenstrecke entsprechenden
Curven beim Wachsen derselben einander immer näher rücken,
d. h. die Abnahme der Electricitätsmengen für gleiche ein-
geschaltete Luftstrecken immer kleiner wird, je grösser die
Gesammtdicke derselben ist.
1) Die mit Sternchen versehenen Werthe von q sind nicht in der
Kcihe, fiondern bei anderen Gelegenheiten bestimmt.
35*
548 A, HeydweUler,
Die Grössen B und C sind in ihrer Abhängigkeit von
der Funkenstrecke in Fig. 6 dargestellt. Beide wachsen mit
der Funkenstrecke y B nahezu linear für grössere Funken-
strecken, C stark verzögert.
Mit der Annahme eines „Leitungswiderstandes" der
Funkenstrecko lassen sich diese Resultate , wie ich schon
früher betonte, nicht vereinigen. Im Folgenden soll eine an*
schauliche Deutung derselben versucht werden.
7. Eiufluss eingeschalteter Funkenetreckcu auf den Verlauf
der inducirten Electricitätsbewegung.
üeber den Verlauf der inducirten Ströme im leitend ge-
schlossenen Kreise weiss man seit den Untersuchungen des
Hrn. von Helmholtz^) wenigstens so viel, dass die Inten-
sität in einem bestimmten Querschnitt eine sehr schnell und
stark ansteigende und allmählich, etwa logarithmisch abfal-
lende Function der Zeit ist.
Die Intensitätscurve wird also annähernd die Form der
Curve defgh (Fig. 7) haben, deren gesammter Flächeninhalt
die hier mit y^ bezeichnete Electricitätsmenge darstellt. Wird
nun eine Funkenstrecke in den secundären Kreis eingeschal*
tet, so ist ein bestimmtes Potentialgefälle an den Electroden,
also eine bestimmte Intensität erforderlich, ehe ein Durch-
gang der Electricität stattfindet; es werden daher diejenigen
Electricitätsmengen zu Anfang und zu Ende der ganzen Be-
wegung, die mit geringerer Intensität den Electroden zu-
strömen, an diesen zurückgeworfen werden und sich rück-
wärts durch die Spule ausgleichen. Diese Electricitätsmengen
seien die in der Figur durch schräge ISchraftirung angedeu-
teten dei und ghk, wobei ei und g k diejenigen Intensitäten
bezeichnen, bei denen die Entladung einsetzt, resp. aufhört.
Dieselben werden wesentlich von dynamischen Verhältnissen
bedingt sein und brauchen nicht gleich zu sein ; mit den sta-
tischen Entladungsverhältnissen werden sie aber wenigstens
insofern zusammenhängen, dass sie mit dem statischen Ent-
ladungspotential wachsen und abnehmen.
In der That findet sich iiuch in unseren empirischen
Formeln diese Electricitätsmenge; es ist die in Gleichung (3)
\) V. Hclmhültz, Pogg. Ann. 8;5. p. 505. 1851; Ges. Abh. I. p. 429.
Indnctionsf linken. 549
mit h bezeichnete Grösse, und die näherungsweise Unab-
hängigkeit derselben von der Stärke der Gesammtbewegung
g^ würde für einen ähnlichen Verlauf der Wellen für ver-
schiedene primäre Stromstärken sprechen. Unsere Gleichun»
gen zeigen aber ferner, dass von der übrig bleibenden Elec-
tricitätsmenge iefgk nur ein Theil im Funken übergeht; ein
zweiter beträchtlicher Theil hingegen sich gleichfalls rück-
wärts ausgleicht und vielleicht nur zur Erhaltung des Ent-
ladungsgefälles dient.
Nehmen wir an, dass der durchgehende Theil, oben mit
q bezeichnet, durch die Fläche efg dargestellt wird, so be-
deutet die horizontal schraffirte Fläche icgk diese noch
ferner reflectirte Electricitätsmenge , deren Grösse nach
Gleichung (3):
(4) q^-l,-q = cj-
ist. Sie sei im Folgenden mit qr bezeichnet.
Diese Electricitätsmenge qr kann mit wachsender Ent-
ladungsintensität wachsen oder abnehmen; es wird das von
der Lage der Punkte e und q auf der Curve abhängen; wir
werden sehen, dass bei den vorliegenden Versuchen meist das
letztere der Fall ist.
Der obigen Darstellung liegt die hypothetische Annahme
zu Grunde, dass die den Electroden zufliessende Inductions-
welle dieselbe sei, die den leitenden Kreis durchläuft. Dass
in der That auch, wenn kein Funke zu Stande kommt, eine
Electricitätsbewegung zu den Electroden stattfindet, lässt
sich clectrostatisch nachweisen. Die wirkliche Intensitäts-
curve muss ja natürhch bei Einschaltung der Funkenstrecke
durch die nach unserer Annahme zurückströmende Electri-
citätsmenge geändert, und namentlich die Dauer der Ge-
sammtbewegung wesentlich abgekürzt werden, was uns wei-
terhin bestätigt wird. Wir betrachten nur die Gesammt-
bewegung als durch Superposition einer hin- und einer
zurücktiiessenden Welle entstanden, was sich der anschau-
lichen Deutung wegen empfiehlt, die es den beobachteten
Tliatsachen zu geben gestattet.
In Tab. 1 1 sind für eine Anzahl von Wßrthen der elec-
tromotorischen Kraft q^w^ und für die nntersiicl^lfip Fanken-
550
A, Heydueiller.
strecken die Werthe von q und qr zusammengestellt; die-
selben sind den in Tabellen 2 bis 10 berechneten Curven
entnommen. Man sieht, dass für kleine Werthe von q^w^
der Werth von qr mit wachsender Funkenstrecke, also wach-
sender Entladungsiotensität oder zunehmenden Werthen der
Ordinaten ie und ky (Fig. 7) abnimmt; für grössere Wertlie
von qQtÜQ dagegen erst zu-, und dann abnimmt. Für diese
liegen also die Punkte t und g für gewisse Funkenstrecken
an Stellen der Curve, für welche iegk oder qr ein Maxi-
mum ist.
Tabelle 11.
20
30
40
50
60
0,2 0,3 I 0,4 ! 0,5 0,K
' 7
150
9r
304
9
291
9r ,
391
q
454
9r
455
7 1
626
9r
510
• 9
813
9r
551
95
; 75
57
45
31
' 15
2
—
272
! 248
206
; 178
140
75
, 14
—
205
170
141
123
97
75
55
i 42
391
376
346
326
295
241
183
145
341
290
252
226
190
159
131
115
485
479
458
449
424
383
! 329
' 297
493
427
379
349
301
263
229
209
562
1 564
554
552
535
504
, 453
426
660
' 577
522
485
426
384
340
319
624
637
631
611
632
609
' 565
544
8. Electroden von verschiedener Forin.
Die erwähnte Beziehung zwischen der Entladungsinten-
sität und dem statischen Entladungspotential, die beide
gleichzeitig zu- und abnehmen, führt zu einerneuen Bestätigung
unserer Anschauung bei Untersuchung von Electroden aus
demselben Material, aber verschiedener Form, sowie gleich-
zeitig zu einer Erweiterung unserer Kenntniss der Grösse C,
die bisher noch nicht näher detinirt ist. Durch Aenderung
der Form der Electroden kann man nämlich, wie Hr. Baille^)
gezeigt hat, das Entladungspotential und mithin die Ent-
ladungsintensität bei gleichbleibender Funkenstrecke ändern,
und zwar wird bei Anwendung von Kugelelectroden das Ent-
ladungspotential mit abnehmendem Radius derselben grösser
für kleine Funkenstrecken, hingegen für grosse kleiner. Damit
\) Bai II e, Ann. de cbim. et de i)hyf. (5) 25. p. 486. 1882.
Inductiomfunkm,
551
müssen sich nun aber auch b und qr ändern, wenn unsere
Anschauung richtig ist, und zwar b im gleichen Sinne, qr je
nachdem im entgegengesetzten oder gleichen. Um einen An-
halt zu geben, führe ich folgende Werthe des Entladungs-
potentials nach Baille für verschiedene Funkenstrecken /
und Kugelradien q in absolutem, electrostatischen Maasse an:
/ =
^=s 0,05 cm
0,5 »
1,5 „
0,1
0,3
0,5 cm
16,1
15,2
15,0
24,1
37,3
36,9
30,0
54,7
55,0
Versuche, die mit Kugelelectroden von 8 cm Durch-
messer und mit stumpf zugespitzten Messingdrähten von
0,2 cm Dicke angestellt wurden, bestätigen vollauf jene Fol-
gerung.
Die grösseren Kugeln zunächst ergaben Reihen, die
merklich mit denen für die kleineren Kugeln von 0,93 cm
Durchmesser erhaltenen zusammenfielen.
Die Reihen für die Spitzenelectroden in 0,1, 0,3 und 0,5 cm
Abstand sind in den Tabellen 12 bis 14 zusammengestellt. Die
Anordnung ist analog der in Tabellen 2 bis 10, nur ist noch
eine Colunine mit den aus den berechneten Reihen der Ta-
bellen 4, 7 und 9 entnommenen Werthen von q zur Ver-
gleichung beigefügt.
Ta
Lbelle
i 19
/=0,l cm..
16. Juli 1889.
t =
: 21,2« Wo = 45000 Ohm.
J5 = 6,0 C = 65,8.
% ^fo
qhcoh.
yber. Diff. ^"g,«]"
^ q Der.
26,2
130 128
+ 2 130
32,6
198 196
+ 2 198
38,7
271
269
+2 272
44,8
347
349 —21 352
50,6
429
431
-2 435
56,5
517
518
-1 , 524
Tabelle 13.
/ = 0,3 cm.
25. Juni 1889.
i = 20,4" tTo = 44800 Ohm.
5 = 7,1 C = 89,4.
q^WQ 5'beob. ^ber.
Diff.
26,1
96
96
0
32,3.
149
149
0
38,3
211
210
+ 1
44,4
277
276
+ 1
50,1
US
345
-2
56,1
421
422
-1
1
Kueeln
q ber.
69
118
173
236
302
375
652
A,- Heydweiller,
Tabelle 14.
/ = 0,5 cm.
2. Juli 1889.
t = 20,4^ Wo = 44800 Ohm. B = 14,6. C = 96,6.
32,5
38,5
44,7
50,4
57,3
beob.
lOft
152
209
274
852
ber.
Diff.
Kugeln
q Der.
101
152
213
274
255
+ 7
0
-4
0
—3
72
118
175
233
308
Es ergibt sich hieraus, dass in UebereinstiniTiiung mit
dem Verlaufe des Entladungspotentials B mithin auch
c=BIwq grösser ist bei den Spitzenelectroden flir die kleinste
Funkenstrecke 0,1 cm, dagegen grösser bei den Kugelelec-
troden von grösserem Krümmungsradius bei den beiden län-
geren Funkenstrecken 0,3 und 0,5 cm. C hingegen wird von
dem Bntladungspotential nicht beeinflusst; es scheint vielmehr
wesentlich nur von der Länge der Gasschicht (und wahr-
scheinlich auch ihrem Zustande) abzuhängen. Da C und
ebenso c^Cjwq für beide Electroden gleich sind, so än-
dert sich:
q
ebenso wie q mit der Form der Electroden, d. h. im ent-
gegengesetzten Sinne wie h in den vorliegenden Reihen, so-
weit die Beobachtungen reichen. Auch dies ist mit dem
früher Gesagten in Uebereinstimmung, wenn man annimmt,
dass in den vorliegenden Fällen gk (Fig. 7), resp. ei grösser
sind, als die Ordinaten, denen das Maximum der Fläche eihu
entspricht.
9. Electroden aus verschiedenen Metallen.
Die bei der Funkenentladung übergehende Electricitäts-
menge besteht aus zwei Theilen, von denen der eine in dem
eigentlichen Metallfunken, der andere in der Lichthülle über-
geführt wird. Perrot^) ist es gelungen, diese beiden Theik-
1) Perrot, Ann. de chini. et de phjs. (3) (>1, p. 20(). 1861; Wied.
Electr. IV. § 907.
Indnctionsfunken,
553
zu trennen und durch voltametrische Messungen nachzu-
weisen, dass der erste Theil meist verschwindend klein gegen
den zweiten ist. Indessen dürfte er wohl von dem Metall
der Electroden abhängen, etwa bei weicheren, leicht zerreiss-
baren Metallen, wie Blei, grösser sein, als bei festen, wie
Stahl. Ausserdem war zu vermuthen, dass vielleicht auch
die Entladungsdichte oder Entladungsintensität an den Elec-
troden von dem Metall beeinflusst werden. Es wurden da-
her noch Versuche mit Stahl- und Bleielectroden in Form
von Kugeln von 0,93 cm Durchmesser angestellt. Da die
letzteren sich nicht poliren Hessen, so wurden sie vor jeder
Reihe mit feinem Schmirgel abgerieben, dann mit dem Dau-
mennagel geglättet und endlich noch mit weichem Seiden-
papier gewischt; sie erhielten dadurch eine blanke, spiegelnde
Oberfläche.
Ta
belle
15.
Ta
belle
lö.
/ = 0,1 cm.
/= 0,2 cm.
15. Juli 1889.
4. Juli 1889.
/ =
21,50 ^^^ 45000 Ohm.
/ =
20,70 fCo = 44900 Ohm.
P = 5,3 C = 64,9.
^ = 6,7 C = 86,4.
yott-o
^beob.' q ber. : Diff.
1
Messing
q ber.
1
ybeob. q ber. DifF.
1
Messing
q ber.
20,2
74 79
— 5
76
13,8
20
22 -2
12
26,1
135 133
+ 2
129
19,6
50
58 -3
42
32,6
1 204 203
+ 1
198
26,0
108
100 +3
89
38,6
, 273 276
3
271
32,3
158 155 +3
145
44,6
355 356
— 1
851
88,8
221 221 0
213
50,9
440 445
— 5
440
44,3
283 284 ; —1
'J78
f)7,0
540 537
+ 12
532
50,4
860 859 1 +1
354
1
54,0
403 405 -2
400
Tabelle 17.
Tabelle 18.
/= 0,3 cm.
/ = 0,5 cm.
1*2. Juli 1889.
19. Juni 1889.
t =
'• 22,70 fCo = 45200
Ohm.
t =
19,6« tro = 44700 Ohm.
B = 10,3 0 = 94
,2.
B = 16,9 C= 106,6.
70 »^'o
1
ybeob.j q ber.
DifF.
Messing
7 ber.
1
^beob.
qher.
Diff. Messing
1 q ber.
25,9
1 72
75 ! -3
' 36,2
108 \ 109
-1 ! 100
32,3
1 124 124 0
118
41,8
158 157
+ 1 148
3S,3
180 179 +1
173
46,5
197 1 201
-4
193
44,1
1 240
238 1 +2
233
51,1
246 248
-2
240
50,1
1 306 306 0
i 802
54,2
, 278 281 1 -8
274
55,3
368
368
0
1 865
' 57.5
826
l 318
+8
810
554 A. Heydioeüler.
Zunächst ergab sich, dass die Unterschiede der durch-
gehenden Blectricitätsmengen bei verschiedenen Funkenlän-
gen fQr Stahl- und Messingelectroden zu klein waren, um
mit Sicherheit nachweisbar zu sein. Grössere Unterschiede
zeigten die Bleielectroden, namentlich für grössere Funken-
strecken. In Tabellen 15 bis 18 sind 4 Reihen für die Fun-
kenstrecken 0,1) 0,2, 0,3, 0,5 cm zusammengestellt, wobei
wieder zum Vergleich die entsprechenden Werthe von q für
die gleich grossen Messingelectroden hinzugefügt sind. (Siehe
Tabelle 15—18 p. 553.)
Die bezüglichen Curven für Tabellen 16 bis 18 sind in
Fig. 5 punktirt eingezeichnet; die für Tabelle 15 liegt zu
nahe an der entsprechenden für Messingkugeln, um im Maass-
stabe der Figur deutlich hervorzutreten. Doch liegen sämmt-
liche Curven für Bleielectroden über denen für Messing-
electroden, d. h. die entsprechenden Werthe von q sind für
erstere grösser als Itlr letztere. Der Grund dafür ist, wie
ein Blick auf die Tabellen zeigt, in einer Verkleinerung der
Grösse B für die Bleielectroden, der eine Verkleinerung der
Entladungsintensität entspricht, zu suchen. Dieser letzteren
entspricht auch hier wieder eine Vergrösserung der zurück-
geworfenen Electricitätsmenge qr* Die Grössen C sind im
Durchschnitt für Bleielectroden etwas grösser als für Messing-
electroden, aber nicht so viel, dass der Unterschied nicht
möglicherweise in Beobachtungsfehlern begründet sein könnte,
da, wie schon bemerkt, die Grössen C nur mit geringer Ge-
nauigkeit aus den Beobachtungen hervorgehen und leicht
5 — 10 Proc. Fehler enthalten können, zumal auch die Inter-
pulationsmethode nicht ganz zuverlässig isfc. Möglich ist
aber auch, dass der Zustand der Gasstrecke (insbesondere
die adsorbirten Schichten) zwischen den verschiedenen Elcc-
troden etwas verschieden ist. Im ganzen findet man also
auch hier bestätigt, dass die C wesentlich nur durch die
Gasstrecke bedingt und unabhängig von den Entladungs-
intensitäten sind. Ein Einüuss des Stoffs der Electroden
auf die entladenen Blectricitätsmengen und auf die Ent-
ladungsintensitäten insbesondere dürfte damit wohl sicher
festgestellt sein. Bei der Kleinheit de>iSolben indessen für
physikalisch so verschiedene Metalle, wie Stahl und Blei, und
Indlictionsf unken, 555
der Unsicherlieit der Beobachtungen wurde darauf verzichtet,
ihn auf diesem Wege weiter zu verfolgen.
Von früheren Beobachtern haben die Herren G. Wiede-
inann und Rühlmann bei Anwendung von Zink, Platin und
Messing keinen Einfluss des StoflFs der Electroden auf die
durch Grasstrecken entladenen Electricitätsmengen consta-
tiren können.^) Indessen widerspricht dieses Resultat dem
unserigen nicht. Denn die genannten Beobachter haben bei
einem Electrodenabstande von etwa 1 cm, aber Drucken von
weniger als Vio Atmosphäre gemessen. Die Verminderung
des Drucks wirkt aber ebenso, wie Verkleinerung der Funken-
länge auf die durchgehenden Electricitätsmengen, und den
obigen Verhältnissen entsprechen also Punkenstrecken von
weniger als 0,1 cm bei Atmosphärendruck. Bei so kleinen
Funkenstrecken sind auch hier die Unterschiede für Blei
und Stahl sehr klein gefunden worden.
Einen Einfluss des Stoffs der Electroden auf den Ent-
ladnngsvorgang hat dagegen Hr. Righi*) schon festgestellt,
und auch Hr. Liebig') glaubt, einen Unterschied des Ent-
ladungspotentials für vernickelte und nicht vernickelte Messing-
electroden gefunden zu haben.
Endlich hat Herr V. v. Lang*) beträchtliche Unter-
schiede der angeblichen clectromotorischen Gegenkraft des
Lichtbogens für verschiedene Electroden constatirt. Falls
wirklieb, wie auch aus Herrn v. Lang 's Versuchen hervor-
zugehen scheint, die Festigkeit der Metalle hier eine Rolle
spielt, so muss deren Einfluss bei den hohen Temperaturen
der Electroden im Lichtbogen beträchtlich grösser sein, als
hei den niedrigen, welche dieselben bei den vorliegenden
Versuchen hatten. Auch Hr. v. Lang findet im allgemeinen
die electromotorische Gegenkraft kleiner für Metalle von ge-
lini^er Festigkeit (Ag, Zn, Cd) als für solche von grosser
Pt, Cu, Fe, Ni). Eine genaue üebereinstimmung beider
1) G. WiedeDiann u. Kühlmann, Pogg. Ann. 145. p. 285. 1872.
2) Righi, Cim. [2] 16, p. 89. 1876.
3) Liebig, Phil. Mag. [5] 24. p. 106. 1H87.
4) V. v. Lang, Wien. Ber. 91. IL p. 844. 1885; Wied. Ann. 81.
p. 884. 1887.
556 A, HeydweilUr,
Grössen ist indessen nicht zu constatiren, noch auch zu
erwarten.
10. Die Dauer der Electricitätsbeweguug bei der Funken-
entladung.
Schaltet man ausser der Funkenstrecke in den secun-
dären Kreis des Inductoriums eine gut isolirte galvanische
Batterie ein, die einen dem Inductionsstrom gleich- oder
entgegengerichteten Strom hervorzubringen strebt, so wird
die electromotorische Kraft der Induction und entsprechend
die Intensität des Entladungsstroros um eine während ihrer
ganzen Dauer constante Grösse vermehrt oder vermindert.
Findet durch die Hinzufügung der electromotorischen Kraft
keine Veränderung der Funkenstrecke statt, so muss die
Vermehrung im einen Fall gleich der Verminderung im
anderen sein, wie Versuche in der That ergaben, und dann
erlaubt unsere in Gleichung (2) enthaltene Beziehung zwischen
der entladenen Electricitätsmenge q und der wirkenden elec-
tromotorischen Kraft, bezw. ihrem Zeitintegral q^ Wq die Zeit-
dauer t der letzteren aus der Vermehrung oder Verminde-
rung q der Electricitätsmenge q, die durch eine in Volt
gemessene electromotorische Kraft E erzeugt wird, zu be-
stimmen. Es ist nämlich nach Gleichung (2):
_L ^' — 9o*^o ± Et— B
Jt 7 — TTZ »
'J^' " Cr.
0
woraus sich t berechnen lässt.
Die Messungen wurden mit einer Tauchbatterie von
40 Chromsäureelementen bei einer Funkenstrecko von 0,1 cm
zwischen den 0,93 cm Messingkugeln angestellt. Die 40 Ele-
mente waren dabei in zwei Hälften auf jeder Seite des Induc-
toriums zwischen diesem und dem Funkenmikrometer einge-
schaltet; ihre electromotorische Kraft wurde zu 73 Volt
bestimmt. Sie wurden abwechselnd dem Inductionsstrom
gleich und entgegen eingeschaltet; das Mittel aus den ent-
sprechenden Electricitätsmengen stimmte innerhalb der Be-
obachtungsfehler mit den berechneten Werthen der Tabelle 4.
Die folgende Tabelle 19 enthält eine Zusammenstellunfsc
der Resultate.
Inductioiuifunken,
557
Tabelle 19.
' I
q^icQ q^q l^iff- 1 £t ^sec. i y^ 10— « Coul. q^jt Amp,
26,4
32,5
38,8
44,8
50,9
56,4
148
120
215
180
292
248
375
321
456
398
540
476
28
35
44
1,4
1,5
1,7
54 1 2,0
58
64
2,0
2,1
0,019
333
0,021
404
0,023
466
0,027
522
0,027
571
0,029
618
0,0175
0,0192
0,0203
0,0193
0,0211
0,0211
Die in der 5. Columne enthaltenen Werthe von t zeigen
ein allmähliches Anwachsen desselben mit zunehmendem ^^ w^.
In der 6. Columne sind die der in Tabelle 4 berech-
neten Kurve entsprechenden Werthe von q^=z q^^ b — tj
beigefügt; die Quotienten qrjt in der letzten Columne zeigen,
dass qr nahe proportional mit t wächst, dass also die mitt-
lere Ordinate der Fläche iegk (Fig. 7) oder die mittlere
Entladungsintensität nahe unabhängig von der Grösse der
GesammtHäche defgh ist. Dem geringen Anwachsen dieser
mittleren Ordinate, wie es Tabelle 19 zeigt, entspricht voll-
kommen ein gleiches Anwachsen von B oder b mit wachsen-
dem <yo"'o» ^* ^- d®!* Flächen dei und kgh^ wie es in der
früheren Arbeit festgestellt wurde.
Es ist von Interesse, zu bemerken, dass durch die Ein-
schaltung einer Funkenstrecke die Dauer der Electricitäts-
bewegung ganz bedeutend abgekürzt wird, und es ist leicht
ersichtlich, dass diese Abkürzung nach unserer Hypothese
durch die zurücktiiessenden Electricitätsmengen auch bewirkt
werden muss. Die Theorie gestattet uns nämlich, wenigstens
die Dauer des abfallenden Theiles des Inductionsstromes im
leitenden Schliessungskreise, die ohne Zweifel die des an-
steigenden weit übersteigt, zu berechnen. Denn der Verlauf
desselben ergibt sich aus der Differentialgleichung:
IWq =
di
"PdV
.1
558 A. Heydweilkr.
wo ir^ der Widerstand und /?, wie früher, der Selbstinductions-
coefücient der secundären Spule ist. Das Integral der-
selben ist: w,
wenn mit j der grösste Werth von i für / = 0 bezeichnet wird.
Die Dauer der Bewegung ist nun zwar theoretisch un-
endlich, aber es lässt sich der Zeitpunkt t^ bestimmen, wo
sie praktisch verschwindet; man braucht nur t^ so zu be-
stimmen, dass e-C^o/i*)'! sehr klein gegen 1 ist, etwa Viooo»
also für unsere Messungen verschwindend. Das ergibt t^ =
pIwq log nat. 1000, oder da p = 1,7 x 10" cm und w^ =
45000 Ohm = 45 X 10" cm sec-^
<j = y X 6,91 = 0,26 sec,
also mehr als zehnmal so gross als die Zeitdauer mit ein-
geschalteter Punkenstrecke.
11. Verhalten kleinster Funkenstreckeu.
Es schien mir von Interesse, den Eintiuss von Funken-
strecken, deren Länge von der Ordnung der Wellenlänge
des Lichts ist, auf die durchgehende Electricitätsmenge zu
unterbuchen. In Luft sind so kleine Funkenstrecken nicht
leicht zu erhalten, da die geringste Erschütterung des Fun-
kenmikrometers genügt, Metallcontact der Electroden her-
zustellen. Es wurden daher dünne Glashäutclien, welche die
Newton'schen Farben prachtvoll zeigten, zwischen die
schwach gegeneinander federnden Electroden gelegt. Regel-
mässige Ilesultate waren auf diese Weise natürlich nicht zu
erhalten, aber die Electricitätsmeiigen lagen stets zwischen
den für die kleinsten Funkenstreckeu 0,005 cm (Tab. 2) und
den bei metallischer Schliessung (y^) erhaltenen, waren aber
immer noch erheblich kleiner als letztere, sodass also auch
so dünne Schichten eines Dielectricums sich gegen den
Durchgang der Inductionsströme ebenso verhalten, wie die
dickeren.
12. Einfluss gegenseitiger Belichtung zweier
Funkenstrecken.
Nach der Entdeckung des Hrn. Hertz bezüglich die
Erleichterung der Funkenentladung durch Bestrahlung der
Inductionsf unken. 659
Funkenstrecke mit ultraviolettem Licht war auch eine
Vergrösserung der durchgehenden Electricitätsmenge zu er-
warten. Behufs Feststellung dieser Thatsache wurden in
den secundären Kreis zwei Funkenstrecken hintereinander
eingeschaltet und so aufgestellt, dass sie sich gegenseitig in
einigen Centimetern Entfernung belichten konnten. Nun
wurden die durchgehenden Electricitätsmengen gemessen,
wenn einmal ein Glimmerblatt zwischen sie eingeschoben
war, das andere mal nicht. Dabei zeigte sich im letzteren
Fall anfänglich bei blank polirten Electroden eine Zunahme
der durchgehenden Electricitätsmenge um 10 bis 12 Proc,
die aber bei öfterer Wiederholung immer kleiner wurde und
endlich ganz verschwand, entsprechend der zunehmenden
Corrosion der Electrodenoberflächen. Da es also nicht mög-
lich war, für eine längere Reihe constante Resultate zu er-
halten, so wurde auf eingehendere Messungen verzichtet.
13. Ergebnisse.
Im Vorstehenden ist versucht worden, den Einfluss von
Funkenstrecken in Luft von normalem Druck und Tempera-
tur auf die Inductionsströme eines grossen Rühmkorf fi-
schen Inductoriums genauer festzustellen. Es ergibt sich
dabei auf das Deutlichste, dass dieselben keineswegs wie
Leitungswiderstände wirken, sondern dass wahrscheinlich ein
Theil der zuströmenden Electricitätsmengen an den Electro-
den zurückgeworfen wird; ihr Verhalten wäre also eher dem
einer electromotorischen Gegenkraft, wie sie von Edlund
zuerst behauptet worden ist, zu vergleichen, wobei dahin-
gestellt bleiben muss, ob dieselbe auch im übrigen den bis-
her bekannten Formen electromotorischer Kräfte analoges
Verhalten zeigt. Am grössten ist wohl die Aehnlichkeit mit
der electromotorischen Kraft der Selbstinduction, da sie, wie
diese, mit dem erzeugenden Strome auftritt und verschwindet.
Es ist ferner der bestimmte Nachweis geliefert, dass
der Stoff der Electroden von Einfluss ist auf die Entladungs-
intensität, d. h. diejenige Intensität des Inductionsstromes,
bei der die Entladung einsetzt und aufhört, und damit auf
die durchgehende Electricitätsmenge.
Die (jleichung:
560 F. HimstedL
«'0(1 + -- )
welche die Abhängigkeit der durch den Funken entladenen
Electricitätsmenge q von dem Zeitintegral der electromoto-
rischen Kraft der Inductionsströmung q^WQ darstellt, ent-
hält zwei Grössen ß und C, die von q^w^ nahezu unabhängig
sind; die erstere B ist durch die Entladungsintensität be-
stimmt, von der mithin dasselbe gilt; die letztere C bestimmt
das Verhältniss der Electricitätsmenge q zu der während der
Dauer der Entladung an den Electroden zurückgeworfenen
qrf das im übrigen nur noch von qQiÜQ abhängt, indem
qlqj. s= qQtßJC; C ist unabhängig von der Entladungsinten-
sität oder der Grestalt und dem Stoff der Electroden und
allein durch die Dicke und wahrscheinlich die Natur der
Gasschicht in der Funkenstrecke bedingt.
Würz bürg, Phys. Inst., Sept. 1889.
IV. Veher die electrartiugnetische Wirkung der
electrisehen Convectian; van i\ Himstedt.
(Hierzu Taf. \1 Fig. 8.)
Unter eiectrischer Convection versteht man nach Hrn.
V. Helmholtz^) die Fortführung der Electricität durch Be-
wegung ihres ponderablen Trägers. Die Frage, ob durch
die electrische Convection electromagnetische Wirkungen
hervorgerufen werden können oder nicht, hat zuerst Hr.
Rowland-) im Jahre 1876 durch Versuche zu entscheiden
gesucht, und er hat diese Frage auf Grund seiner Versuche
bejaht. Hr. Lecher ^) hat im Jahre 1883 ganz ähnliche
Versuche angestellt, wie Hr. Rowland, ist aber dabei zu
dem entgegengesetzten Resultate gekommen, er hat keine
electromagnetische Wirkung nachweisen können. Die Wich-
tigkeit der Frage fordert es entschieden, dass jede Ungewiss-
1) v. Hclmholtz, Ber. d. Berl. Acad. 1j?76. p. 211.
2) Küwliiud, ibid. Her. d. Berl. Acad. 1876. p. 211.
:i) Lecher, Rep. d. Phya. 20. p. 151. 1»84.
Electromagnetische Wirkung der Convection, 561
heit in Betreff derselben beseitigt werde, und ich habe des-
halb die Versuche wieder aufgenommen und glaube, jetzt in
durchaus einwandsfreier Weise zeigen zu können, dass durch
die electrische Convection electromagnetische Wirkungen hervor-
gerufen werden können, ')
Weshalb Hr. Lecher eine solche Wirkung nicht hat
beobachten können, vermag ich nicht aufzuklären, da Hr.
Lech er über seine Versuche nur ganz kurz ohne Angabe
von Einzelheiten berichtet hat. Der nächstliegende Gedanke
ist natürlich der, dass seine Versuchsanordnung nicht em-
pfindlich genug gewesen ist.
Hr. Rowland hat bei seinen Versuchen eine vergoldete
Ebonitscheibe von 21,1 cm Durchmesser um eine verticale
Axe in schnelle Rotation versetzt, bis zu 61 Umdrehungen
in der Secunde. Die Scheibe konnte mittelst einer bis auf
Va mm ihrem Rande genäherten Spitze aus einer grossen
Batterie von Leydener Flaschen geladen werden und befand
sich während der Rotation zwischen zwei ihr parallelen ver-
goldeten Glasscheiben, deren Belegungen zur Erde abgeleitet
waren. Die electromagnetische Wirkung wurde mittelst Spie-
gel, Fernrohr und Scala an einem sehr gut astasirten
Nadelpaare beobachtet, dessen Nadeln senkrecht zum Radius
der rotirenden Scheibe, die eine möglichst dicht über der
oberen Glasplatte, die zweite mehr als 18 cm darüber sich
befanden. Das Nadelpaar war vollständig von einer zur Erde
abgeleiteten metallischen Hülle umgeben. Wurde die Scheibe
ohne Ladung in Rotation versetzt, so ergab sich eine Ab-
lenkung der Nadeln infolge des sogenannten Rotations-
magnetismus, wurde dann die Scheibe geladen, so verursachte
das eine weitere Ablenkung von 5 bis 7,5 Scalentheilen, und
diese wechselte ihr Zeichen, wenn die electrische Ladung
umgekehrt wurde, sodass ein Doppelausschlag von 10 bis 15 mm
beobachtet werden konnte. Hr. Rowland hat auch ver-
sucht, die von der bewegten Electricität zu erwartende Ab-
lenkung zu berechnen, und hat eine genügende Uebereinstim-
1) ,,Auch Hr. Röntgen hat, worauf ich erbt nachträglich aufmerk-
sam gemacht worden bin, die Rowland*8chen Versuche nachgemacht
and theilt Ber. d. Berl. Akad. 1885 p. 198 mit, daas er eine electro-
maguetische Wirkung der Conyeetion beobaehtit hat"-
Aua d. Pbyf. u. Ch«m. N. F. ZXZTIU. ■ ito ü« .JMI
562 F. Himstedt
muDg zwischen Rechnung und Beobachtung gefunden. Ich
glanbe indessen, dass diese Uebereinstimmung mehr eine zu-
fällige ist. Hr. Rowland berechnet nämlich das Potential,
bis zu welchem die rotirende Scheibe geladen ist, aus der
Funkenlänge einer Maassflasche, welche vor und nach jedem
Versuche aus der benutzten grossen Batterie geladen wurde,
nach den von Sir W. Thomson*) hierüber angestellten
Versuchen. Nun haben aber alle neueren Arbeiten^ über
den Zusammenhang von Potential und Funkenlänge mit
Ausnahme der Macfarlane's*) zu Werthen für das einer
bestimmten Funkenlänge entsprechende Potential geführt,
welche erheblich grö3ser sind, als die von W. Thomson
gefundenen, mithin wird man schliessen dürfen, dass das von
Hrn. Rowland seiner Rechnung zu Grunde gelegte Poten-
tial zu klein angenommen ist. Dass trotzdem sich eine gute
Uebereinstimmung zwischen Beobachtung und Rechnung er-
geben hat, erklärt sich vielleicht dadurch, dass jener Fehler
möglicher Weise durch einen anderen zum Theil compensirt
ist, welcher mir bei der geschilderten Versuchsanordnung
nicht ausgeschlossen zu sein scheint. Hr. Rowland ladet
die Scheibe durch eine dieser genäherte Spitze und nimmt
an, dass die Scheibe dadurch ganz auf das Potential der
Spitze geladen wird. Bei den Versuchen, welche ich über
diesen Punkt angestellt habe, fand ich stets die Scheibe auf
niedrigerem Potential als die Spitze, mochte diese noch so
fein sein, und zwar war der Unterschied, wie leicht erklär-
lich, procentisch umso grösser, je niedriger das zu messende
Potential war, z. B. bei 1000 Volts oft bis 30 Proc, ja bis
40 Proc. Endlich wäre es denkbar, dass bei den Rowland'-
schen Versuchen noch eine andere mögliche Fehlerquelle
unbeachtet geblieben wäre. Als ich meine Arbeit damit be-
ginnen wollte, die Rowland'schen Versuche genau in ihrer
Anordnung zu wiederholen, fand ich, dass die Bbonitscheibe
1) \V. Thomson, Proc. Roy. 8. Iö60.
t) Baille, Ann. de chim. et de phjs. 25. p. 486. 1882; Liebig,
lliil. Mag. (5) 24. p. 106. 1888; Paschen, Wied. Ann. 37. p. 69. 1889;
Wolf, Wied. Ann. 37. p. 306. 1889.
3) Macfarlane, Phil. Mag. (5) 10. p. H89. 1880.
Electromagnetisiche H^irkuntf der Convection, 563
magnetisch war und auf das benutzte astatische Nadelpaar
einen merklichen Einfluss ausübte. Dass dieser Einäuss nicht
von Eisentheilchen herrührte, die bei der Bearbeitung hängen
geblieben waren, konnte durch Abschaben mit Glas und län-
geres Liegenlassen in verdünnter Salzsäure nachgewiesen wer-
den. Es zeigte sich bei der Gelegenheit, dass alles Hart-
gummi, das ich mir verschaffen konnte, magnetisch war, eine
oft sehr beträchtliche Ablenkung des Nadelpaares bewirkte
und sich zwischen den Polen eines kräftigen Electromagnets
ausnahmlos axial stellte. Ich habe deshalb bei allen Ver-
suchen nur Glasscheiben verwendet, bei denen keine magne-
tischen Wirkungen nachzuweisen waren.
Bei der Wiederholung der Rowland'schen Versuche
war die Ablenkung der Magnete durch die in der Vergol-
dung, resp. Versilberung der rotirenden Scheibe erzeugten
[nductionsströme besonders störend, da dieselbe bedeutend
grösser war, als die zu beobachtende Wirkung der Convec-
tion, ja ihre Schwankungen infolge geringer Aenderungen in
der Rotationsgeschwindigkeit der Scheibe oft nahe von der
gleichen Grösse waren, wie die zu beobachtende Ablenkung.
Ich habe diese störenden Ablenkungen, resp. Schwankungen
der Magnetnadeln fas vollkommen beseitigen können dadurch,
dass ich die Glasscheibe nicht vergoldete, sondern matt schlei-
fen Hess und dann mit Graphit nur ganz dünn einrieb. Bei
der grössten benutzten Geschwindigkeit, 120 Umdrehungen
in der Secunde, betrug die gesammte Ablenkung durch In-
ductionsströme nicht über 10 Scalentheiie, die Schwankungen
höchstens 1 — 2 Scalentheiie.
Die ersten Versuche wurden genau in der von Hrn.
Rowland angegebenen Art und Weise angestellt. Zuerst
wurde festgestellt, dass durch Electrisiren der ruhenden Scheibe
auch nicht die geringste Ablenkung hervorgebracht wurde,
darauf wurde die wieder entladene Scheibe in Rotation ver-
setzt und die dadurch erzeugte Ablenkung des Magnets be^
obachtet, dann die Scheibe geladen und der Ausschlag be-
stimmt, der hierdurch hervorgerufen wurde, die Ladung
commutirt und wieder abgelesen. Der grösste so bestimmte
Doppelausschlag, der also beim Oommutiren dar electrischen
Ladung auftrat, betrug bei 120 üpinhHMgjJil^
564 F. UinutedL
und einer Ladung der Scheibe auf ca. 15000 Volts 53 mm
bei ca. 8 m Scalenabstand.
Es konnte mit diesem Apparate nachgewiesen werden:
/) Der Ausschlag erfolgt entsprechend der Ampere^schen Regel^
sein Zeichen wechselt sowohl, wenn das Zeichen der electri-
schen Ladung gewechselt wird, als auch wenn die Rotationsrich-
tung umgekehrt wird. 2) Die Grösse des Ausschlages ist direct
proportional der Umdrehungsgeschwindigkeit der Scheibe. Da-
gegen gelang es mir zunächst bei dieser Versuchsanordnung
nicht, eine Proportionalität zwischen Ausschlag und Dichte
der electrischen Ladung, resp. Potential der geladenen Scheibe
nachzuweisen. Die Versuche mit dem gleich zu beschreiben-
den Apparate haben dann gelehrt, dass der Grund hierfür
zum Theil in dem schon erwähnten Umstände zu suchen ist,
dass die Scheibe immer sich auf einem merklich geringeren
Potentiale befindet, als die zur Ladung benutzte Spitze, und
dass der Unterschied bei verschieden hohem Potentiale nicht
procentisch der gleiche ist, zum Theil darin, dass jene Pro-
portionalität für sehr hohe Potentiale, wie ich sie benutzt hatte,
nicht mehr zu bestehen scheint. Ich komme auf den letzteren
Punkt später zurück und will hier nur noch erwähnen, dass
man mit Berücksichtigung der beiden erwähnten Punkte auch
mit dem Rowland'schen Apparate die fragliche Proportio-
nalität nachweisen kann.
Der Apparat, dessen ich mich bei allen weiteren Ver-
suchen bedient habe, wird aus der Fig. 8, welche einen Ver-
ticalschnitt darstellt, leicht verständlich sein. <S\ und S^ sind
zwei matt geschliffene Glasscheiben von 20 cm Durchmesser,
die um horizontale Axen in schnelle Rotation versetzt wer-
den können. Die Scheiben sind am Rande und auf beiden
Seiten bis zu 3 cm Entfernung vom Rande mit Graphit ein-
gerieben (in der Figur durch stärkere Schraffirung ange-
deutet). Jede Scheibe befindet sich zwischen zwei fest auf-
gestellten Glasscheiben G^ Gj, resp. G^ G^, welche auf den
von den rotirenden Scheiben abgewendeten Flächen mit einer
zur Erde abgeleiteten Stanniolbelegung versehen sind. Das
astatische Nadelpaar ist vollkommen von einer zur Erde ab-
geleiteten, luftdicht scbliessenden Metallhülle umgeben. Die
Nj^deln desselben sind in der Figur durch Punkte angedeutet,
EUctro magnetische Wirkung der Convection. 565
und befindet sich die untere gerade unter der Graphitbelegung,
die obere gerade über dem Bande der Scheiben.
Die Magnete sind aus 4 cm langen Stahldrahtstücken ge-
fertigt und mit Schellack auf einem dünnen Glimmerblättchen
befestigt. Die Schwingungsdauer des Paares betrug bei
gleichgerichteten Magneten 1,6 See, bei entgegengesetzten
nahezu 50 See. Bei dieser grossen Empfindlichkeit war je-
doch die Buhelage nicht constant genug zu sicheren Beob-
achtungen, und es wurde deshalb bei den Versuchen die
Schwingungsdauer durch einen Bichtmagnet auf 20 bis 30
See. herabgedrückt Die Magnete waren bei dieser Schwin-
gungsdauer noch sehr nahe aperiodisch gedämpft, sodass sie
bei einer Ablenkung nur wenige Scalentheile über die neue
Buhelage hinausgingen und dann diese einnahmen. Es wur-
den stets nur definitive Einstellungen abgelesen, nicht Schwin-
gungsbeobachtungen gemacht. Die Scheiben S konnten mit-
telst der Zug- und Druckschrauben F vertical gestellt wer-
den und durch die Schrauben K dem Magnetsystem bis auf
möglichst geringe Entfernung genähert werden. Die Axen-
lager A waren auf den Stützen drehbar, sodass die Scheiben
genau in den Meridian gestellt werden konnten. Nachdem
die nöthigen Einstellungen gemacht waren, wurden natürlich
alle Klemmschrauben so fest angezogen, dass alle Theile
durchaus fest miteinander verbunden waren. Die Boden-
platte der Stützen L war auf einen grossen Sandstein auf-
gekittet, der direct auf das Gewölbe des Gebäudes auf-
cementirt war. Das Magnetometer ruhte auf einer 12 cm
dicken Sandsteinplatte, welche den ersterwähnten Sandstein
nirgend berührte und in zwei je Vg ni dicke Eckwände des
massiven Gebäudes eingemauert war. Ohne diese getrennte
und feste Aufstellung wäre die Beobachtung gar nicht mög-
lich gewesen, denn die Erschütterungen durch die schnelle
Botation der Scheiben waren viel bedeutender, als ich je ver-
muthet hatte.
Gegenüber der von Bowland benutzten Anordnung be-
sitzt diese den Vorzug, einmal zwei Scheiben zu benutzen
und dann jede Scheibe auf beide Magnete des astatisohi
Paares in demselben Sinne wirken zu lassen. Dem
sprechend waren die Ausschläge bedeutend grösser. Tro
566 F. Himstedt
das Magnetsystem garnicht besonders empfindlich genommen
war, wodurch erreicht war, dass die Ruhelage und die Ein-
stellungen sehr constant waren, konnte ich bei 117 Um-
drehungen in der Secunde und einer Ladung der Scheiben
auf ca. 5000 Volts über 100 Scalentheile Ausschlag erhalten.
Die Einrichtung lässt sich vollkommen vergleichen mit einem
Galvanometer Wiedemann'scher Construction mit zwei
KoUen und astatischem Nadelpaare.
Die Ladung der Scheiben erfolgte durch Schleifcontacte
und, um ganz sicher zu gehen, dass mit dem Electrometer
auch das Potential der Scheiben gemessen wurde, hatte jede
Scheibe deren zwei, von welchen der eine zu der Batterie
der Leydener Flaschen, der andere zum Electrometer führte,
sodass also in der Leitung die Scheiben zwischen der Batterie
und dem Electrometer sich befanden und wirklich einen Theil
der Leitung ausmachten. Das Electrometer war ein solches
Edelmann'scher Construction mit Cylinderquadranten und
bifilarer Aufhängung, die Nadel war stets zur Erde abge-
leitet, dieselbe war stark gedämpft durch ein in dichten Zick-
zackwindungen gebogenes Glasrohr, das in concentrirte
Schwefelsäure tauchte.^) Das Electrometer wurde durch Ver-
gleich mit einem absoluten Electrometer geaicht, und ergab
sich mit vollkommen ausreichender Genauigkeit die Formel:
wo C eine Constante, rp der auf Bogen reducirte Ausschlag
am Electrometer. Die Batterie bestand aus elf grossen, pa-
rallel geschalteten Leydener Flaschen (40 cm hohe Belegung),
die stets mit einer kleinen Influenzmaschine in Verbindung
standen. Ein Commutator gestattete, abwechselnd die innere
Belegung der Flaschen mit den rotirenden Scheiben und die
äussere mit der Erde oder umgekehrt zu verbinden. Während
ich selbst die Ablenkungen des astatischen Nadelpaares be-
obachtete, hatten Hr. Baiser, später auch Hr. Passavant
die Güte, das Electrometer zu beobachten, resp. durch vor-
1) Ich hatte anfangs ein Platinbleeh mit Platindraht benutzt und
hatte hier mit den bekannten Nullpunktsänderungen zu kämpfen. Die-
selben verschwanden fast vollkommen, als ich alle mit der Schwefelsäure
in Berührung kommenden Theile aus Glas anfertigte.
Electromagnetische Wirkung der Convection, 567
sichtiges Drehen der iDÜuenzmaschine dafür zu sorgen, dass
der Ausschlag desselben constant blieb, was sich ohne Mühe
bis auf 1 oder 2 Scalentheile leicht erreichen Hess. Die
Scheiben wurden in Rotation versetzt mittelst einer Schwung-
maschine mit grossem Schwungrade (0,75 m Durchmesser) und
zweimaliger Uebersetzung. An dem Schwungrade war eine
Feder befestigt, und der Diener musste beim Drehen darauf
achten, dass die Anschläge dieser Feder zusammenfielen mit
den Schlägen einer Secundenuhr. Die Geschwindigkeit Hess
sich auf diese Weise bei dem benutzten grossen Schwungrade
recht constant erhalten. Die Umdrehungszahl der Scheiben
konnte durch Zählwerk direct be&itimmt werden, und stimmten
die gefundenen Zahlen mit den aus der Uebersetzung be-
rechneten immer recht gut überein.
Es wurden mit dem Apparate zunächst die früher mit
der Rowland 'sehen Anordnung gefundenen Resultate be-
stätigt und durch eine grosse Zahl gut übereinstimmender
Versuche bewiesen: 1) Die Ablenkung des astatischen Nadel-
paares wechselt ihr Zeichen sowohl bei der Umkehrung der
Electrisirung als der Rotationsrichtung und erfolgt ent-
sprechend der Ampere' sehen Regel. 2) Der Ausschlag ist
direct proportional der Rotationsgeschwindigkeit. Ich will
einige Beobachtungen anführen, die zeigen mögen, welche
Grenauigkeit bei den Versuchen erreichbar war. Es möge n
die Anzahl der Umdrehungen in der Secunde bezeichnen, und
zwar -f, wenn in der Richtung: Unten Süden, Oben Norden.
Kist das Potential der Scheiben in Volts, a sind die Doppel-
ausschläge auf Bögen reducirt.
n = 74; F= 3800:
n
+
—
+
—
+
- +
u
62,5
61,0
61,5
n = 117;
61,0
V = 3800
62,5
•
•
62,0 60.0
n
+
—
+
—
+
- +
a
98,0
98,5
96,0
97,0
4100:
97,0
96,5 95,5
n
117
74
61
59
39
tt
95,5
59,0
50,5
48,5
31,0
ttjn
0,816
0,797
0,828
2060:
0,822
0,795
n
117
74
61
59
59
tt
49,0
30,0
24,5
24,0
17,0
ajn
0,418
1
0,405
0,400
0,401
MW.
S68 F. HvmtedL
ZiXjL erwähnen ist noch, dass der erste und zweite Ver-
aach und ebenso der dritte und vierte unter sich yergleichbar
sind, dagegen nicht die ersten beiden mit den letzten beiden.
Es mussten nämlich bei der schnellen Botation die Axen
sehr reichlich geölt werden, und liess es sich nicht vermeiden,
dass Oeltröpfchen umhergespritzt wurden, die dann die Iso-
lation beeinträchtigen. Es musste deshalb der Apparat
täglich auseinander genommen, gereinigt und neu justirt
werden.
Es konnte mit diesem Apparate nun weiter gezeigt
werden: Der Ausschlag am Magnetometer ist direct proportional
der Dickte der electrischen Ladung oder, wenn die Capacitat
des Apparates ungeändert bleibt, direct proportional dem Po-
tentialj auf welches die Scheiben geladen werden,
V 1080 2060 2520 3090 3560 3850 4110 5160 6180 7500 14000
a 22,5 26,5 57,0 68,5 77,5 87,5 89,5 97,0 96,5 96,5 95,0
Via 45,8 44,3 44,2 45,1 45,9 44.0 45,9 53,2 64,0 77,6 147,4
Wie man sieht, ist V/a vollkommen constant bei Ladungen
zwischen ca. 1000 und ca. 4000 Volts, bei 5000 ist der Aus-
schlag zwar noch grösser als bei 4000, aber nicht in dem
geforderten Verhältniss, bei 6000 bis 14000 hat er gar nicht
mehr zugenommen. Die gleichen Resultate haben alle meine
Versuche ergeben. Die oberen Grenzen für das Potential,
bis zu welchen Proportionalität zwischen Potential und Aus-
schlag stattfand, lagen stets zwischen ca. 3800 und ca. 4500
Volts. Nach unten war keine Grenze zu finden, doch konnte
ich nicht gut unter 400 Volts hinabgehen, da hier bei den
kleinen Ausschlägen die Resultate durch die Beobachtun^s-
fehler zu sehr beinflusst wurden. Die Erscheinung war un-
abhängig von der Rotationsgeschwindigkeit und der Rotations-
richtung. Dieselbe trat unverändert ein, als ich die Scheiben
versilberte, statt sie mit Graphit einzureiben. Es ist wohl
selbstverständlich, dass ich mich überzeugt hübe, dass die
ruhenden Scheiben keine Wirkung auf die Magnete aus-
übten, gleichgültig, ob sie bis 400 oder bis 14000 Volts ge-
laden wurden. Erwähnen muss ich aber, dass, wenn die
Scheiben, sei es in Ruhe oder in Rotation, zu einem Poten-
tiale von 14000 Volts geladen wurden, das Electrometer ein
sehr schnelles Sinken des Potentials anzeigte. Oft schon in
EUctromagnetische Wirkung der Convection, 569
einer Minute war das Potential auf ca. 4000 Volts gesunken
und nahm von hier ganz allmählich ab, sodass bei den Ver-
suchen mit Potentialen unter 4000 Volts ein langsames
Drehen der Electrisirmaschine eigentlich nur nöthig war,
wenn die Ladung commutirt wurde, während bei den hohen
Potentialen ein fortwährendes Drehen erforderlich war, ein
Beweis, dass im letzteren Falle die Isolation nicht mehr
genügte, und ein stetes Entweichen der Electricität stattfand.
Es liegt hiernach der Gedanke nahe, dass bei den höheren
Potentialen die electrische Ladung nicht mehr an der Graphit-
schicht allein sich befindet, sondern sich über die ganze Glas-
scheibe vertheilt hat. In diesem Falle müsste aber, wie ein
Blick auf die Figur sofort erkennen lässt, die Wirkung der
auf der Graphitschicht befindlichen Electricität auf die untere
Magnetnadel fast ganz aufgehoben werden durch diejenige
electrische Ladung, welche sich auf der nicht eingeriebenen
Glasscheibe angesammelt hätte, und es würde sich so leicht
erklären, weshalb von einem bestimmten Werthe des Poten-
tials an die Ablenkung der Magnetnadeln nicht mehr pro-
portional dem Potentiale erfolgt. Um dies zu prüfen, bin
ich wieder zu der Rowland' sehen Anordnung mit einer
horizontaleu , um eine verticale Axe rotirenden Scheibe zu-
rückgegangen. Hierbei ist die ganze Glasscheibe mit Graphit
eingerieben, rcsp. versilbert, und die electrische Ladung kann
sich nicht auf Theile des rotirenden Apparates verbreiten,
die eine schädliche Wirkung ausüben könnten. Die Resul-
tate waren aber genau die gleichen. Auch hier Proportio-
nalität zwischen Ausschlag und Potential, solange letzteres
nicht über 4000 Volts beträgt, darüber hinaus nicht mehr.
Ich sehe keine andere Möglichkeit, die Erscheinung zu er-
klären, als anzunehmen, dass sich die Scheiben nur bis zu
einem bestimmten Potentiale so laden lassen, dass die elec-
trische Ladung, um mich so auszudrücken, an dem ponde-
rabelen Träger der Art haftet, dass sie mit ihm sich bewegt,
dass aber bei höheren Spannungen ein Theil der Ladung gar
nicht mehr mit dem Träger rotirt. Wenn die electrische
Ladung, an der Scheibe haftend, mit dieser rotirt, so wird
dabei eine Arbeit geleistet, wie dies ja aus der beobachteten
electromagnetischen Wirkung hervorgeht; man könnte sich
ä
570 F. HimstedL
nun Yorstellen, dass bei höheren Potentialen die Abstossungs-
kräfte so gross werden, dass ein Theil der Electricität nicht
mehr fest genug haftet, um jene Arbeit leisten zu können,
vielmehr dann, abgesehen von der Zerstreuung, im Räume
fest bleibt und die Scheibe durch sich hindurch rotiren lässt.
Versuche, bei denen auf den Scheiben mit Graphit radiale
Streifen eingerieben waren, die sich untereinander nicht be-
rührten, ergaben genau dieselben Resultate, doch lässt sich
hieraus keine weitere Schlussfolgerung ziehen, denn es zeigte
sich, dass die Glasoberfläche, auch wenn gefirnisst, bei den
höheren Potentialen nicht mehr genügend isolirte, sodass
ein solcher Graphitstreifen sich schon als geladen erwies,
wenn er noch gar nicht mit der Zuleitung in Berührung
war, diese vielmehr erst auf dem vorhergehenden Streifen
auflag.
Ich glaube, durch die verschiedenen im Vorhergehenden
beschriebenen Versuche den Beweis erbracht zu haben, dass
durch die electrische Convection electromagnetische Wir-
kungen hervorgebracht werden können. Es lässt sich mit
dem beschriebenen Apparate aber noch ein Versuch anstel-
len, der diese Thatsache besonders deutlich erkennen lässt.
Ich habe schon erwähnt, dass sich der Apparat mit einem
Galvanometer mit zwei Rollen vergleichen lässt. Der betref-
fende Versuch besteht dann darin, die Ablenkung jeder Rolle
allein, dann die der hinter einander und endlich die der gegen
einander geschalteten Rollen zu bestimmen und letztere bei-
den mit den aus den beiden ersten berechneten zu verglei-
chen. Zu dem Zweck werden beide Scheiben geladen und
man bestimmt zuerst die Ablenkung, welche der Magnet er-
fährt, wenn nur eine, Nr. I, rotirt, ebenso wenn Nr. II allein
rotirt, dann lässt man beide in derselben Richtung und end-
lich beide gleichzeitig, aber die eine in dieser, die andere in
der entgegengesetzten Richtung rotiren. Derartige Versuche
habe ich bei verschieden starken Ladungen und bei ver-
schieden grossen Rotationsgeschwindigkeiten ausgeführt. Im
Folgenden gebe ich die Resultate zweier derartigen Ver-
suche :
Scheibe Nr. I Nr. II Nr. I + II Nr I - II
A 27,8 22,2 47,0 beob., 50,0 ber. 3,5 beob., 5,6 ber.
Elect'omagnetische IVrrkung der Convection. 671
Scheibe Nr. I Nr. II Nr. I + II Nr. I — II
a 35,1 20,1 5G,7 beob., 55,2 ber. 14,0 beob., 15,0 ber.
Wenn man bedenkt, dass die Versuche Nr. I + II
und Nr. I — II sich nur dadurch unterscheiden, dass das
erste mal beide Scheiben in derselben, das zweite mal in
einander entgegengesetzten Richtungen rotirten, im übrigen
aber alle Yersuchsbedingungen genau die gleichen waren, so
sehe ich keinen Einwand, den man gegen die Beweiskräftig-
keit dieser Versuche erheben könnte.
Giessen, Sept. 1889.
Nachtrag. — Nachdem die vorstehende Arbeit voll-
ständig abgeschlossen und zum grössten Theil schon nieder-
geschrieben war, habe ich Eenntniss erhalten von einer
neuen Arbeit des Hrn. Rowland, welche sich mit dem-
selben Gegenstande beschäftigt. Hr. Rowland ist bei der
Construction seines Apparates vor allem darauf bedacht ge-
wesen, denselben so einzurichten, dass sich die zu erwartende
electromagnetische Wirkung berechnen lässt. Ich habe im
Interesse einer grösseren Empfindlichkeit hierauf verzichtet,
dafür aber bei den grösseren Ausschlägen (bis zu 100 mm,
während Hr. Rowland nur solche bis 15 mm erhält) die
Möglichkeit gehabt, die Versuchsbedingungen innerhalb ziem-
lich weiter Grenzen zu variiren (Ladung der Scheiben von
400 bis 14000 Volts, Umdrehungsgeschwindigkeit von 40 bis
120 Umdrehungen in der Secunde), während Hr. Rowland
immer nahe die gleiche Ladung und Geschwindigkeit benutzt
hat. Ich glaube, dass sich deshalb unsere Versuche sehr
gut ergänzen und um so sicherer die Thatsache feststellen,
dass durch die electrische Convection electromagnetische
Wirkungen hervorgerufen werden können.
Besonders erwähnenswerth erscheint mir der Umstand,
dass Hr. Rowland seine Scheiben zu Potentialen von ca.
6000 Volts geladen hat, also über die Grenze hinaus, bis zu
welcher ich bei meinem Apparate eine Proportionalität zwischen
dem Ausschlage des Magnets und dom Potentiale der Scheiben
habe nachweisen können. Vgl. p. 568. Allerdings ist zu be-
achten, dass bei mir die Scheiben den zur Erde
;s ist zu be- ^^^
abgeleiMMMH
67.2 F. HimstedL
Glasplatten G der Figur bedeutend näher standen als bei
ihm, und deshalb die Dichte der electrischen Ladung bei
meinen Versuchen grösser gewesen sein wird, als bei den
seinigen, sodass über diesen Punkt aus der Vergleichung
der Versuche sich nichts ersehen lässt Schwierigkeiten hat
Hr. Rowland bei den hohen Potentialen auch gehabt und
deshalb die rotirenden Scheiben immer zur Erde abgeleitet
und die gegenüberstehenden Glasplatten geladen. Mein Appa-
rat gestattet diese Versuchsanordnung leider nicht, sodass
ich nicht habe prüfen können, ob dies von Einfluss auf den
erwähnten Punkt ist. Wahrscheinlich ist es wohl nicht.
Hr. Rowland hat bei + Rotation stets grössere Aus-
schläge erhalten, als bei — Rotation. Ich hatte in meinen
Versuchen nie derartiges beobachtet, da ich aber nur bei den
Versuchen, welche die Proportionalität zwischen Umdrehungs-
geschwindigkeit und electromagnetischer Wirkung zeigen
sollten, die Zahl der Umdrehungen direct bestimmt^ bei den
übrigen dieselbe nur aus der .Uebersetzungszahl berechnet
hatte, so habe ich nachträglich noch einige Versuche über
diesen Gegenstand angestellt und theile deren Resultate hier
mit Es bezeichnet n die Anzahl der Umdrehungen in der
Secunde, + wenn in der Richtung: Unten Süden, Oben
Norden. Mit a ist der auf Bogen reducirte Doppelausschlag
des Magnetsystems in Millimetern bezeichnet. Jedes a ist
das Mittel aus sieben hintereinander angestellten Ablesungen.
Die Versuche wurden so ausgeführt, dass die Scheiben ab-
wechselnd in + und — Richtung gedreht wurden.
1. Versuch
« +bl -62 4-62 -62 4-68 -61 -föl
« -1-37,0 -36,9 4-36,5 -36,2 4-37,0 -36,5 4-36,0
a:n 0,606 0,595 0,589 0,584 0,587 0,600 0,590
2. Versuch.
n 4-115 -114 4-113 -114 -i- 114 -112 -i-lKi
a 4-70,2 -69,0 4-69,0 -68,5 4-68,s -68,0 -1-68,2
u it 0,610 0,605 0,611 0,601 0,603 0,607 0,604
3. Versuch.
n -1-62 -62 -1-63 —62 4-62 —64 4-62
a 4-40,1 -40,5 4-40,2 -40,4 4-41,0 -42,0 4-40,8
,fn 0,647 0,653 0,638 0,652 0,661 0,656 0,658
Eleciromagnetische Wirkung der Convection. 578
4. Versuch.
n +112 -118 +114 -118 +114 -114 +114
« +72,1 -73,0 +76,3 -74,2 +75,2 -75,5 +76,2
njn 0,644 0,646 0,669 0,656 0,660 0,662 0,668
Zwischen dem 2. und 3. Versuche wurde der Apparat
auseinander genommen und gereinigt. Ich glaube nicht, dass
diese Versuche irgend einen Unterschied in der Wirkung
der + und — Umdrehung erkennen lassen. Bildet man
für jeden Versuch die Mittel aus den bei + Drehung erhal-
tenen ajn und ebenso aus den bei — Drehung erhaltenen,
so zeigt sich zwischen den beiden die denkbar beste Ueber-
einstimmung.
1. Versuch. 2. Versuch. 3. Versuch. 4. Versuch.
+ «/« = 0,593 + ajn = 0,607 + «/n = 0,651 + n/n = 0,660
- «/n = 0,593 - a> = 0,605 — «/?! = 0,654 - «/» = 0,655.
Griessen, Oetober 1889.
V. Veher die Beziehung »twischen den beiden
Elasticitätsconstanten isotroper Körper;
ron W. Voiyt.
Die merkwürdige Beziehung zwischen den beiden Elasti-
citätsconstanten isotroper Medien, welche Poisson theore-
tisch abgeleitet hat, indem er die elastischen Körper aus
discreten Molecülen bestehend annahm, ist vielfach mit dem
Experiment verglichen worden und in der Mehrzahl der
Fälle der Wirklichkeit nicht entsprechend gefunden; ja,
beachtet man, dass die wenigen Körper, für welche sie durch
die Beobachtung annähernd bestätigt ist, ausnahmslos nicht
darauf geprüft sind, ob sie die Voraussetzung der Theorie
erfüllen und wirklich isotrop sind, so wird man sagen müssen,
dass die Poisson'scheBelation f&r keinen Körper mit Sicher-
heit erwiesen, für einige aber iai| jjStotohdt widerlegt ist.
Das analoge Beraltai^^liJttlMiilMkiM meinen Unter-
Buchungen der ElastSejttiH^^^^^^^HHkper fbr diese
674 W^. Voifft.
ergeben hat, drängt mit Nothwendigkeit dazu, die Molecüle
der Krystalle als mit einer gewissen Polarität behaftet und
demnach aufeinander mit Kräften wirkend zu denken, welche
nicht Functionen nur der gegenseitigen Entfernung, sondern
auch der Richtung ihrer Verbindungslinie gegen gewisse in
den Molecülen feste Richtungen sind.
Es liegt nahe, dieselbe Annahme auf isotrope Medien
zu übertragen; aber man erkennt leicht, dass dieselbe
nicht im Stande ist, den Widerspruch zwischen Theorie
und Beobachtung zu heben, falls man, wie gebräuchlich, in
isotropen Körpern die Molecüle in allen möglichen gegen-
seitigen Orientirungen befindlich annimmt, sodass keine Rich-
tung und Lage vor der anderen bevorzugt ist. Denn bei
der Berechnung der Componentensummen, welche in der
Elasticitätstheorie vorgenommen wird, verschwindet dann
jeder Einfiuss der Polarität auf das Resultat, und es ergibt
sich wiederum die Poisson'sche Relation zwischen den Elasti-
citätsconstanten.
Nun zeigt aber eine überaus grosse Anzahl soge-
nannter isotroper Körper eine Structur, welche mit der
oben auseinandergesetzten Annahme nicht übereinstimmt und
daher geeignet scheint, die Erklärung der Beobachtung zu
liefern.
Alle Metalle, alle dichten Gesteine bestehen aus mehr
oder weniger kleinen Krystallindividuen, welche in den ver-
schiedensten Orientirungen aneinandergefügt sind, und wir
haben, nachdem selbst an Glas Spuren krystallinischer Struc-
tur nachgewiesen sind, alle Ursache, dieselbe als die Regel
anzusehen.
Dies ist in der That auch einleuchtend. Denn da wir
kein Mittel haben, auf einzelne Molecüle direct einzuwirken,
so ist es plausibel und entspricht der directen Beobachtung,
dass jede sogenannte Störung der Krystallisation z.B. durch
Umrühren der Mutterlauge, erst wirksam wird auf krystalli-
nische Theilchen, zu denen sich bereits eine sehr grosse An-
zahl von Molecülen zusammengefunden hat.
Körper, welche aus kleinen, in allen möglichen Orien-
tirungen zusammengefügten Krystallfragmenten bestehen,
wollen wir weiterhin als quasi -isotrope bezeichnen. Sind
Elasticitätsconstanten isotroper Körper, 576
die krystallinischen Individuen gross gegen die Wirkungs-
sphäre der Molecularkräfte — und dies ist stets der Fall,
wenn unsere optischen Hülfsmittel die Krystallindividuen
noch sichtbar machen, — aber klein gegen die gesammle
Ausdehnung des Körpers, und sind ihre Zwischenräume klein
gegen die Wirkungssphäre der Molecularkräfte, so lassen
sich die Elasticitätsconstanten des aus ihnen gebildeten quasi-
isotropen Körpers aus denjenigen des homogenen Krystalles
berechnen. ^)
Die elastischen Drucke gegen ein Flächenelement sind
nämlich nach der molecularen Theorie definirt durch die
Summen der Componenten, welche alle auf der einen Seite
der Fläche liegenden Molecüle auf die an der anderen be-
iindlichen ausüben. Liegen nun in einem dichten Körper
dem Flächcnelement Krystallfragmente in allen möglichen
Orientirungcn an, so müssen in ihm die Druckcomponenten
durch die Mittelwerthe derjenigen gegeben sein, die für
den regelmässigen Krystall aus derselben Substanz bei allen
möglichen Orientirungen des Flächenelementes gegen den
Krystall stattfinden. Führt man die Berechnung aus, so erhält
man die gewöhnlichen Formen der Druckcomponenten in
isotropen Körpern, aber ihre Coefficienten, d. h. die Elasti-
citätsconstanten des isotropen Körpers, sind durch die Flasti-
citätsconstanten des Krystalles gleicher Substanz ausgedrückt.
Die Berechnung knüpfen wir am bequemsten an das
Potential -Fder elastischen Kräfte an, welches für ein Haupt-
axensystem X, F, Z definirt sein mag durch:
(1) -^' = f^- -A',= -r. = |^^u.9.f.
und eine homogene Function zweiten Grades der sechs De-
formationsgrössen t«. yy^ »-' ist, welche im allgemeinsten Falle
eines triklinen Krystalles 21 unabhängige Constanten, die
Hauptelasticitätsconstanten des Krystalls, enthält.
Setzen wir zur Abkürzung:
1) Die folgende Berechnung habe ich ähnlich bereits in dem 84. Bande
der Abhandlungen der Kgl. Qes, der Wiss. zu Göttingen von 1887 p. 48 u. f.
mitgetheilt.
Ä
Cmtn. Xmk Xm
576 IV. Voigt,
BO können wir schreiben:
(2) 2/'=22""'"*"'*"'
die Summen von 1 bis 6 genommen.
Nun sei ein zweites Coordinaten&ystem S, H, Z in seiner
Lage gegen X K, Z gegeben durch die Beziehungen:
und es seien die auf dasselbe bezogenen Deformationsgrössen
abgekürzt wie folgt:
dann muss sich in denselben schreiben:
(4) 2/-= 22^^'^^^-
die Summe ebenfalls von 1 bis 6 genommen. Darin sind
die /^y die ^^abgeleiteten Elasticitatsconstanten'' der Substanz
für das System S, H» Z.
Die Form (4) des Potentials muss mittelst der Glei-
chungen (3) aus (2) hervorgehen. Aus (3) erhalten wir zu-
nächst:
J-. = «.* f . + ß:' fi + y,* ^8 + ß, Yi ^4 + ri «. -^ + «. /^. -^ = 2 ^1* ^-'
^•<i = ".•" s| + |?s* ^i + y«* ^3 + /^J y« ^4 + Y'i "'2 f:. + '»ä /^S ^« =^ ^ <^3* fr»
(5)
'»
- »:," f , + ci.,- f, + r.' ^3 + /?3 rs f 4 + 7b "3 f.'. + "s /^8 ^ ' -'- /^ «513^ f ,»
;r, 2«, «, .^ + 2ß, ß, l, + 2y, ,', sS + (/^, ^3 + y, 1^3) ^4 l = X ^^ ^^^
4- (7'.., «8 + «... Y2) ^:, + («2 ßi + 1^« «s) ^6 ' *~
j., ^- 2a, «, .^ + 2|?3 ß, l, + 2y, y, l, + iß, Y, + ya |?i) f 4 l = X ,^^^ ^t^^
.r, - 2«, «, ^t^ + 2ß^ ß^ £, + 2y, 7'a ^3 + \ß, Y^ + T'i /?,) f 4 I , . N; ^ ^ ^
Diese Formeln fassen wir kurz zusammen in.
Elasticitäisconstanten isotroper KSrper. 577
Setzen wir diese Relation in (2) ein, so findet sich:
m n
= ^ ^ ^/i £v ^ 2*^*« ^"*^ ^"'''
/i •' m II
woraus die Vergleichung mit (4) folgt:
(<0 ;v = 2 2 '^***' ^*^ ^"•' •
m n
Die T'^» sind von der Lage des Coordinatensystems 3, H, Z
abhängig; bilden wir für ein jedes y^» den Mittelwerth, der
(Yßv) heissen mag, für alle möglichen Lagen des 2, H, Z-Systems,
so stellen diese nach dem oben Gesagten diejenigen Coeffi-
cienten dar, mit welchen multiplicirt die Producte J^ |» oder
x^x^ in der Form des Potentiales (iF) für quasi-isotrope Me-
dien auftreten.
Nach Symmetrieverhältnissen können in [F) nur die
Coefficienten von ^i^.., 1«^ und von 2^2 13» 2I3I1, 2^^^^
von Null verschieden sein, und müssen zwischen diesen die
Beziehungen gelten:
n\ (/ii) = (r22) = (^33) = ^» (^23) = (rsi) = (^12) = ^»
^ {yj = (^5) = (ree) = ^»
in denen Aj By C neue Bezeichnungen für die Elasticitäts-
Constanten des quasi-isotropen Mediums sind.
Die Aufgabe der Bestimmung aller (y^») reducirt sich
so auf die Berechnung von nur drei der Vorstehenden; wir
l)eginnen mit {yn)*
Nach (4) und (5) erhält man zunächst:
+ *2r.,.^ (t., * + 2r,8«^ * rig * + 2 c^^ tt,, ^ u^ «j + 2 r^5«2 *«8«i + 2 Cj^«, ' «i a,
+ '•33«3* +2c84rf3*r<^«8 + 2r35«,*ct3rti +2c3j«3*aia,
+ 4044«^'^ «3^ +8^46«i«8«8«l+S^46'»««8«l«l
+ *<*88«8*ai* +8<?86ff8«l«l«J
p]s ist klar, dass bei der Bildung des Mittelwerthes(yj^)
hi(»rin alle Glieder verschwinden müssen, die eine ungerade
Potenz eines der «/» enthalten; schreiben wir diese Glieder
nicht aus, so ist kürzer:
Ann. d. Phye. u. Chemie. N. P. XXXVIIL ^1
678
fV. Voigt
Deutet man in y^^ und y^^ ebenfalls die Glieder, welche
beim Bilden des Mittelwerthes verschwinden, nur an, so
schreiben sich diese Grössen:
j
ri2 = (^nfflVi* + ^«««i*A*+''83«3V8*)
(9)j + ^(f'AA^if'sß'lfts +^55«3«lftft + ^öö "l "2 f^l |*^r)
+ {cuiß^rn+ßsr^r + c55(/^8ri +ftr8)* + ^«(i^ir. + /^.ri)")
Die Bestimmung der drei Mittelwerthe [y^^), {y^^)^ (y^^)
kommt sonach heraus auf die Berechnung der fünf durcli
Klammern als solche bezeichneten Mittelwerthe:
in'), (yn'yk^ Wßu\ {yn^ßk^ [nßkytßi\
worin h und k beliebige, aber verschiedene der Zahlen 1, 2, 3,
sind; denn nach Symmetrie fallen alle in (;'ji), [y^.^, [y^^ vor-
kommenden Glieder mit einem dieser fünf zusammen.
Wir setzen in gebräuchlicher Weise:
«j = — cos (p cos/ cos iV^ — sin (p sin/,
|(Jj = — sin (p cos/ cos & + cos qp sin/,
y^ a=z + cos/ sin i9*,
(11) ^ c^2 = — cos (p sin/ cos iV^ + sin y; cos/,
ß.^ = — sin ^ sin/ cos »^ — cos y cos/,
;', = 4- sin /sin iT^,
«3 = + cos if sin iT^, ^t?3= + sin (/ sin iV^, y.^ = + cos i^,
worin i^ den Winkel zwischen der Z- und /-Axe, (^ den
Winkel zwischen der ZE- und ZZ-Ebene, / (l(^n Winkel zwi-
schen der ZX' und ZZ-Ebene bezeichnet, und berechnen
speciell die fünf Mittelwerthe:
(;-.*), {}',')-,% (;-3-/!^3*), (r-z'ßs% O'aJ'.AÄ)-
Die ersten beiden sind von den Richtungscosinus nur
der /-Axe zu nehmen, sie finden sich also durch Summation
über eine Kugelfläclie und Division mit An. Es wird
demgemäss:
EJasiicitätsconstanten isotroper SSrper, 579
in n
(y^*) = ^ fdfCdß- sin & co9*& =. J,
(12)
0 0
2n ;f
(>.//•.-) = ^J<if^\u\fjä,f- sin» .V 003=* .^ = A-
0
Für die Berechnung der übrigen drei Werthe soll der
Z- und H-Axe jede mögliche Lage gegeben werden; dies ge-
schieht, indem die H- um die Z-Axe gedreht und zugleich
die ZAxo in alle Lagen gegen das X FZ-System gebracht
wird; der dabei anzubringende Nenner ist 8;r'. Es findet
sich so:
2 I 2n n
(i:i)
0
)Vß^) = L^^^'fp^'f ^in^y JV,^ sin3 ,^ cos« ,> = ^
0 (» u
2 jc 2 IT
(/•;- A"') = ^\.J''/^'^^^Vp<P sin«v,Jr/,^ sin»,* = ft
0 u 0
2f> 2m n
;'2;':i.'^v/^) -^ Hn'A f^^'^^^^ff^^^f" sm^-(f Cd & sin^V cos^.V^
0 0 0
2n 2n
+ /r//*siii7(:o8/'|^/y sin<j^ cosy j r/i^sin^iV^ cosi^ == "" A-
0 0 0
Mit diesen Werthon sind die A, Bj C in den Formeln
(7) zu berechnen.
Setzt man kurz
(14) ^ii+^22 + ''33 = ^-^» «^'23 + ^31 +^12 = ^*^' ^*44 + <^66 + ''«6 = ^ F ,
SO orhält man Kncht:
(15) Zy = J(A + 4B-2r).
I r=J(A-B + 3r).
Zu (lies( u Kndformeln machen wir nun eine Reihe von
Bemerkungen.
1) Welches auch imuMT die Werthe der Chk seien, stets
lindet zwischen A, B und C die Beziehung statt:
37*
580 fV. Voigt.
810 ist dieselbe, welche jede — moleculare oder dynamische —
Theorie für isotrope Medien ergibt, und unser Resultat ist
darin mit jenen in Uebereinstimmung.
2) Für den Fall, dass die Molecüle des betrachteten
Krystalls keine Polarität besitzen, finden zwischen seinen Con-
stanten in Formel (14) die Beziehungen statt:
^41 ~ ^'23 > ^56 ~ *'*31 > ^66 ~ ^12 »
infolf^e dessen wird: B =a [\
und daher ß^C und A ^ 3 B.
Es wird also in diesem Falle die Poisson'schc Relation
erfüllt, wenn auch der isotrope Körper aus kleinen Erystall-
individuen zusammengesetzt, also wie wir sagen, quasi-iso-
trop ist.
3) Besitzen aber die Molecüle Polaritäten, so sind, wie
ich gezeigt habe,^) c^^ und c.,^, c^^ und Cgj, c^^ und c^g von-
einander verschieden, und die Poisson'sche Relation hat
keine Gültigkeit.
I*ur isofrf/pe Körper, welche aus Krystallindividuen bcstrhetij
die gross sind gegen die Wirkungssphäre der Molecularkräffe, aber
klein gegen die ganzen Körper, und deren Molecüle polare Wir-
kungen aufeinander ausüben, besteht kein constantes Zahlennerhäl/-
niss zwischen den beiden Klasticitätsconstauten,
Dies Resultat scheint mir eine viel umstrittene Frage
sohr einfach zu erledigen.
Es ist nicht unnütz, darauf hinzuweisen, weshalb es einen
Unterschied macht, ob man die polarwirkenden Molecüle
einzeln oder zu kloinen krystallinischen Individuen verbunden
in den qutisi-isotropen Körj)ern vorhanden denkt.
fm ersteren Falle kommen längs des betrachteten Flächen-
eleraentes alle möglichen gegenseitigen Lagen von Molocülen
vor, infolge dessen verschwindet bei der Bildung des Mittel-
wnrthes jeder Eintiuss der Polarität und man gelangt zu den
alten Poisson'schen Resultaten; im letzteren Falle kommen
nur diejenigen gegenseitigen Lagen vor, welche die Molecüle
innerhalb des regelmässigen Krystalles l)csitzen, und infolge
dessen macht die Eigenschaft der Polarität sich auch noch
in dem Mittelwerth geltend.
1) W. Voigt, Abb. der Oött. Ges. «1. Wina. :U. p. 29. 1887.
Elasticitätsconstanten isotroper Körper, 581
Das erhaltene Resultat setzt voraus, dass die Krystall-
individuen in dem quasi -isotropen Körper gross sind gegen
die Molecularwirkungssphäre, und repräsentiren somit den
einen extremen Fall, der andere, dass sie sich auf einzelne
Molecülc redueiren, ist durch die Poisson'sche Relation
charakterisirt; ist die Molecularwirkungssphäre von derselben
Grössenorduung mit den Krystallindividuen, so muss zwischen
den Elasticitätsconstanten des betreffenden Körpers eine
numerische Beziehung stattfinden, die zwischen den genannten
beiden liegt.
Wir wollen die erhaltenen Resultate zunächst dazu be-
nutzen, aus den bekannten Elasticitätsconstanten Chu einiger
Krystalle^) diejenigen A und B der betreffenden dichten
Mineralien, sowie das Verhältniss v der Quercontraction zur
Längsdilatation zu berechnen.
Ich beginne mit dem regulären System.
Für Flussspath ist:
hieraus folgt:
/i = 14,Gl .IG", Ä=5,62.10^ ^=7J.2,60, 1^=0,277.
Für Pyrit ist:
^ii=^2j=^<^8:i^'^C»^- l^^ ^M = <'3i=^-ij=-4,b3.1ü*, r4i = (V, = Cjtt^lOJ5.lO«,
hieraus folgt:
^ = 28,7 .10% Ä= -0,8 . 10», A^-n. 28, y = -0,02*.>.
Diese Bestimmung ist wegen des nicht genügenden Ma-
teriales, wie ich seinerzeit hervorgehoben, nicht sicher.
Für Steinsalz ist:
'n=<V/ = ^*33=- ^'^'?' 10% r,3 = r,i=c„ = l,32. 10% f44 = c.5 = c^^ = l,29 . 10%
hieraus folgt:
.4 = 4,42 . 10% B= 1,49 . 10% A = n . 2,96, 1»= 0,252.
Der Factor von B in der letzten Formel ist sehr nalie
gleich ii, weil die Relation <-.|t=Ca3 nahezu erfüllt ist.
Für Sylvin ist:
hieraus folgt:
J[ = 2,85.10% -»=0,H5.1ü% .l=/i.V^8. 1=0,186.
1) 1 >it' Zahlen .sind entnonknien niohuni Arbeiten in Wied. Ann. ol.
p. 474 u. TOI. IböT; 34. p. 9Sl. IböS; 35. {>. G42. Ibö».
582 W. Voigt
Ich füge hierzu eine Bestimmung für Kupfer^), welche
allerdings einige Hypothesen benutzt; dieselbe ergab:
c,ji=ro,=^S3 = 13,4 . lOS Cjg=c„ =Ci, = 6,58 . 10*, c^^^Cj^j^^c^f^^h.hS) . 10*,
daraus folgt-
^=:5,2.lO«, // = 7,71, /! = /{. 1,97, »' = 0,a3(>.
Für Beryll gilt:
Cn=c„ = 27,5. 10*, rg8 = 24,l . 10^ <?„ = f8,=6,74 . 10*, 0,^ = 9,80 . H)^
^4 = ^66 = 6,66- 10», cee = -'*2'^" = 8,85.10^
hieraus folgt:
^ = 24,9.10*, 5=8,52.10», ^=/^.2,92, »' = 0,255.
Für Bergkrystall gilt:
rjja:c,j = 8,68.10*, r„=10,75.10», ^^.«ra, = 1,44 . 10», ^1.^=0,71 . 10«,
«44 = <?66 = ß,82.10«, Cee='^"2''*'"^*'^^-^^*»
hieraus folgt:
^ = 10,27. 10», B=0,75.10*, ^ = 1^.18,7, y = 0,008.
Für Kalkspath gilt:
c„=r„ = 13,97. 10«, rg8 = 8,12.10*, c^^ = c^^=ifi(), 10«, (;,, = 4,65 . 10*,
^44 = ^66 = 3,49, r„ = '^»l-';;'''«--4,66. 10«,
hieraus folgt:
-4 = 14,16.10», 5=5,21.10», ^|:-y?.2,72, i=0,2«9.
Für Topas ist:
r,, =28,70. 10», r.i^ = 85,60. 10«, r3ji^:i(V)2. U^^
r,»= 9,01 . lO^ r^, =-- 8,61 . 10'\ r,,, rj,s4 . 10",
r,^ = 11,04 . 10^ (•,,= I3,5a . i<»"\ r,j^^ i:{,:u; . io\
hieraus folgt:
.4 = 33,0. 10», /y-9,:i5. io'\ .1-- /; .:5,:»:J, 1-0,220,
Für Baryt ist:
r,,=9,()7. 10», r^.-=H,(K). 10^ ^'^j - 10.7 I . 10^
c„ = 2,73 . 10», r3, ^-lij;) . 10", r, .-^ 4,6^ . In-,
hieraus folgt:
.f = 8,78 . 10», /^ = 3,6:i . 10", A = It . 2,42, r- 0,202.
Dioso Zusammenstellung' gibt eine f^rossc Miinnicht'altig-
keit der Werthe für das Vcrliältniss Ajli\ schlicsst man die
unsicheren Zahlen für Pyrit und KupiVr mus, so sind die
1) W. Voigt, Herl. Ber. ISM. p. looi.
Elasticitätsiionsiaaten iKotroper Körper. 583
(irenzwerthe 2,4 uod 13,7; für v ebenso 0,202 und 0,0r>8.
Die meisten liegen allerdings in der Nähe von 3,0, resp. 0,25,
wie sich das dadurch erklärt, dass die Polaritäten der Mole-
cüle im allgemeinen nicht sehr stark sein mögen. Die ge-
fundene grosso Verschiedenheit lässt natürlich den Wunsch
aufsteigen, die theoretischen Resultate mit der Beobachtung
zu vorgleichen; rs handelt sich hierbei darum, zu sehen ^ in wie
weit die f/emur/tten Voranssetzunffeii der IVirklichkeit entfprechen,
denn nur hierüber ist eine Prüfung nothwenduj , und mir hier-
über kann die Beobachtumj entscheiden.
Ich habe mich seit langer Zeit bemüht, dies Ziel zu er-
erreichen, indessen liegen hier nicht geringe Schwierig-
keiten vor.
Einmal sind die zur Berechnung der A und B dienenden
Werthe Chk ü'US den durch die Beobachtungen direct gegebe-
nen shu^) durch complicirte Rechnung erhalten und schon an
sich weniger genau als jene, andererseits bestimmen sich die
A und B je aus einer grossen Zahl der Chk und werden des-
halb noch unsicherer.
Die Hauptschwierigkeit liegt aber in dem Beobach-
tungsmaterial. Zur strengen Durchführung der Prüfung
niüsste man von einer und derselben Substanz das krystalli-
sirte und das dichte Vorkommen in für die Beobachtung ge-
eigneten Dimensionen haben, von gleicher chemischer Rein-
lieit, von gleicher Dichte und vollkommen frei von Störungen
und yprüngen. Aber dies aufzufinden, ist mir trotz eifrigen
Suchens für keine Substanz gelungen.
Die dichte Varietät ist in besonderer Güte bei Metallen
durch vorsichtigen Guss zu erhalten; aber hier fehlt die Mög-
lieJikeit, die Elasticitätsconstanten des regelmässigen Kry-
stallcb zuverlässig zu bestimmen. Für die oben aufgeführten
von mir beobachteten Krystalle fehlt es umgekehrt an voll-
kommen genügenden dichten Varietäten, alle mir zugänglichen
Stücke sind in mehr oder weniger hohen Graden porös und
von Störungen, theilweise auch von Sprüngen durchsetzt.
Diese Störungen kommen in doppelter Weise in Be-
tracht.
\) >>. dio p. jsl citirteu Abhamliungeu.
684 fV. Voigt
Regelmässig vertheilte Hohlräume von der Grrössenord-
nung der Krystallindividuen und wie diese in allen möglichen
Orientimngen vorkommend, modiiiciren nur die libsnluten
Worthe der (instanten A und S, beeinfluKsen aber nicht ihr
Vi'rhältniss AjB oder die Zalil r, »Sprünge oder eingeschlossene
fremde Substanzen können auch diese Verhältnisse verändern;
in wie bedeutendem Maasse letzteres stattfinden kann, habe
ich an verschiedenen Stellen erörtert.^)
Angesichts dieser Schwierigkeiten erwartete ich von
anzustellenden Beobachtungen nur eine ungefähre Bestätigung
der theoretischen Resultate; indess sind die Endrosultat(»
theilweise doch günstiger, als ich erwartet hatte.
Um ein Urtheil über den Grad der üebereinstimmung
von Theorie und Beobachtung zu gestatten, vergleiche ich
das Verhältniss der an den dichten, quasi-isotropen Körpern
direct beobachteten Biegungs- und Drillungswiderstände H
und T mit den hierfür aus den Beobachtungsresultaten an
Krystallen möglichst direct berechneten Zahlen. Hierdurch
wird die gesteigerte Ungenauigkeit, welche das Rechnen mit
Zahlen von begrenzter Genauigkeit mit sich })ringt, vermin-
dert und die Vergleichung an Zahlen vorgenommen, welche
nahezu dieselbe Sicherheit haben, wie die elastischen Wider-
stände der quasi-isotropen Körper selbst. l>iis Verhältniss
AfB oder v berechnet sich dagegen aus E und T so, dass
seine Unsicherheit viel grösser ist, als die der letzteren (-on-
stanten.
Da nämlich
EIT=2[A-\-2n)l{A+ B)
ist, so ergibt sich:
AIB = (4 T ~ E)jiE-'l 'O,
und hieraus folgt, dass wenn Ej 7' etwa gleich 2,5 uml bis
auf den fünfundzwanzigsten Theil genau ist, /l//^ gleich drei
und nur bis auf den vierten Theil sicher ist.
Bei quasi-isotropen Körpern, d(4cn Substanz regulär
krystalliöirt, drückt sich /.' und T verhiiltnissmässig einfach
durch die direct aus den Beobachtungen an Krystallen fol-
gendun Shk aus; CS findet sich nämlich hier'^):
n W. \(^\^\. Wird. Ann. :$!. p. 48;"». Iss7; ;5:>. p. (;4G. 18H8.
•J) \V. Voigt, \\\vi\. Ann. \\%, p. Gi;5. l.sss.
EldsticitntsvouHanten isotroper Körper, 585
also:
7* 1*11 *i-.'>(*ii + 2*,,.) + .V44 (2*ji - *is)
Bezeichnet man für den ref^elmässigen regulären Krystall
(l«'n Torsionswiderstand eines recliteckigen Prismas mit T^,
wenn seine Längsaxe der Würfelnormale parallel ist, mit T^
W('nn Längsaxe und grössere Querdimension in Granatoeder-
normalen fallen, so schreibt sich der obige Werth von
T auch:
was (»ine einfache und anschauliche Bedeutung hat.
Beobachtungen^) habe ich angestellt an dichtem Pluss-
sjiath von Stolberg am Harz, der jedenfalls die eine Be-
dingung sehr vollkommen erfüllt, dass seine Krystallindividuen
klein gegen die Dimensionen der Stäbchen sind; dagegen
zeigte er Einschlüsse und Störungen, letztere flächenhaft aus-
gedehnt und von gleicher Wirkung wie Sprünge, insofern
längs derselben leicht der Bruch eintrat
Fünf Stäbchen lieferten für EfT die Werthe:
2,47, 2,44, 2,43, 2,46, 2,41;
die an tadellosen Flussspathkrystallen erhaltenen Werthe s^k
bestimmen dasselbe Verhältniss zu:
2,55,
also erheblich grösser; benutzt man hingegen die von mir an
ebenfalls etwas gestörten Krystallen erhaltenen Zahlen 2), so
tindet sich: 2,43
in vollständiger Uebereinstimmung mit den an dichtem Fluss-
spath erhaltenen Zahlen. Dies rührt offenbar davon her,
dass die Störungen sowohl bei krystallinischem, wie bei quasi-
isotropem Flus8sj)ath den Drillungswiderstand weniger ver-
kleinern, als den Biegungswiderstand, was auch an sich plau-
sibel ist.
1) Kine «iiisfiihr Höhere ZuBammenstellung der hier benutztcu Beob-
a('))tiuig(^n mit aiideron an dichten Mineralien zu anderen Zwecken ange-
htoUti'ii. werd«' ich an vmitT anderen Stelle geben.
2) \V. Voigt, Berl. Ber. 42. p. 1008. 1884.
586 fr. Voigt
Die absoluten Werthe von E und T sind, wie dies zu
erwarten, etwas kleiner als berechnet; beobachtet wurde als
mittlerer Werth:
£= 10,45.10«, 7'= 4,28. 10«,
berechnet aus den Zahlen für tadellosen, krystallisirten Fluss-
SDath *
£= 11,50.10«, r= 4,50. 10«,
für gleichfalls gestörten krystallisirten:
£■=10,89.10«, 7^=4,48. 10«.
Eine sehr schöne Prüfung schien die Vergleichung von
feinkörnigem carrarischen Marmor mit Ealkspath in Aussicht
zu stellen. Indessen zeigte sich bald die Unmöglichkeit,
Marmor überhaupt auf seine Elasticität hin zu untersuchen,
da derselbe ganz enorme dauernde Deformationen schon bei
sehr kleinen Belastungen erfährt.
Ich benutzte daher Solenhofener Lithographenschiefer,
der allerdings sehr porös ist und auch nicht aus chemisch
reinem kohlensauren Kalk besteht. Zwei Stäbchen gaben
die Werthe:
-^- = 2,50 und 2,51,
die Berechnung aus den s^k für Kalkspath ergibt:
2,54;
nach den Umständen ist die Uebereinstimmung befriedigend.
Recht gut bewährte sich dichter Baryt von Clausthal
am Harz. Es standen mir zwei Stücke zur Verfügung, ein
graugrünes und ein röthlichbraunes, beide im Bruch sehr
feinkörnig und, obwohl nicht ganz homogen in der Farbe,
doch anscheinend wenig gestört und sprungfrei. Der graue
Baryt enthielt kleine Körner einer härteren Substanz ein-
geschlossen, die sich auf den polirten Flächen der Stäbchen
als kleine Erhöhungen geltend machten; auch der bräunliche
gestattete keine ganz feine Politur, und hierin liegt neben
der etwas geringeren Dichte der Hauptgrund dafür, dass die
absoluten Werthe von E und T sich kleiner fanden, als sie
sich aus den Zahlen für krystallisirten Baryt berechnen. Die
Beobachtungen ergaben nämlich für grauen, resp. braunen
Baryt £"=5,90.10«, resp. 5,91.10« gegen 6,65.10«, r=2,32.10«.
Elnsticitätsconstanten isotroper Körper. 587
rcsp. 2,20 . 10« gegen 2,57 . 10^ Das Verbältniss J?/ T ist von
den Kehlern in der Dimensionsbestimmung fast völlig frei.
Sein berechneter Werth ist:
$ = 2,585 ,
während die Beobachtungen an vier Öt&bchen von grauem
Baryt:
2,59, 2,52, 2,57, 2,52,
an vier Stäbchen von braunem Baryt:
2,58, 2,56, 2,59, 2,58
ergaben.
Die Uebereinstimmung entspricht hier allen Anforde-
rungen.
Göttingen, im September 1889.
VI. J>le Fraf/e ntich der Schwingung»Hchtung
des polarisirten Lichtes; von Robert Gel gel.
(Aus don Verhandlungeu der physikalisch-mcdicinischcn Gesellschaft in
Wiirzburg für die Annalen bearbeitet vom Hm. Verf.)
HIersn Taf. VI Fl|r. 9-18.)
Dem Streite zwischen den beiden Ansichten über die
Schwingungsrichtung geradlinig polarisirten Lichtes scheint
in neuerer Zeit die electromagnetische Lichttheorie ein Ende
machen zu wollen. F. Kola6ek^) sagt, dass, da für jeden pola-
risirten Lichtstrahl zwei zu einander senkrechte Schwingungen
stattfinden, in der Polarisationsebene und senkrecht zu ihr,
die eine electrischer, die andere magnetischer Natur, die Frage
nach der Schwingungsrichtung j)olarisirten Lichtes keinen
Sinn mehr besitze.
Das ist jedenfalls richtig, wenn man einen polarisirten
Lichtstrahl oder polarisirtes Licht ganz absolut in Betrach-
tung zieht, losgelöst von Ursache und Wirkung, einfach im
Aether sich fortpflanzend. Sobald ihm aber irgend ein
Honimniss in den Wog tritt, mag sich das durch Absorption,
1) F. Kol&öek, Wicd. Ann. 34« p. (i78. 188b.
588 R. Geigel
oder Brechung oder Reflexion geltend machen, so könnte
die Frage noch von grosser Bedeutung sein; denn es wäre
wohl denkbar, dass die beiden zu einander senkrechten Schwin-
gungen nicht gleichartig sind, dass die eine von ihnen die
primäre, die Ursache der anderen wäre. In ihrem Wesen
verschieden sind sie gewiss, sonst wenigstens wüsste ich nicht,
wie in den doppelbrechenden Krystallen die bekannten Ring-
erscheinungen je nach der Stellung der Polarisätionscbenen
verschieden ausfallen sollten. Würden die beiden Schwin-
gungen sich so verhalten, dass eine die primäre wäre, die-
jenige, welche sich die andere, wenn diese ibr genommen
wird, immer wieder erzeugt, während die andere dieses nicht
zu thun vermöchte, und würde beispielsweise eine von den
beiden Schwingungen in irgend einem Mittel absorbirt, so
wäre es gar nicht einerlei, welche von beiden dies ist. Ge-
schieht es der secundären Schwingung, während die andere
das Absorptionsmedium ungeschwächt oder wenigstens noch
erkennbar passiren könnte, so pflanzt sich jenseits des
Hemmnisses polarisirtes Licht wieder fort; umgekehrten
Falles verschwindet es durch Absorption vollständig.
Die Frage nach der Schwingungsrichtung wäre dann
nicht aus der Welt geschafft, sie würde vielmehr neues In-
teresse gewonnen haben, wenn man sie so formulirt: Welches
ist die Richtung der das Licht fortpflanzenden Schwingung
im polarisirten Strahl? Anderenfalls, wenn beide Schwingun-
gen als ganz gleichberechtigt erwiesen werden könnten, so
wäre dies ein directer Beweis für die Richtigkeit der Max-
well'sehen Theorie. Es sei mir im Folgenden gestattet,
kurzweg von der „Schwingungsrichtung" zu reden, indem ich
darunter die Richtung der Schwingung verstehe, wie Fresnel,
bezw. Neumann.
Als ich der Beantwortung der Frage näher trat, schien
mir ein Gebiet optischer Erscheinungen ganz besonders aus-
sichtsvoll zu sein, das der inneren Reflexion in doppelbre-
chenden Krystallen. Einmal ist es der ganz äusserliche
Grund, dass solche Vorgänge zur Lösung der Aufgabe noch
nie benutzt wurden, wenigstens konnte ich keine dahin zie-
lende Arbeit auffinden, der es nahe legt, auch dieses Gebiet
nicht unversucht zu lassen. Dann aber gibt innere Reflexion
SchiDingungsrichtimg des polarisirten Lichtes, 589
im doppelbrechenden Medium einen Vortheil an die Hand,
der allen anderen Versuchen abgeht,
Polarisirtes Licht im isotropen Mittel hat ja natürlich
eine ganz bestimmte Schwingungsrichtung, die jedoch nicht
unveränderlich mit seiner Fortptlanzungsrichtung verknüpft
ist; ein polarisirter Strahl z. B., der von einer Glasplatte nn
bestimmter Richtung reflectirt wird, hat eine bestimmte Po-
larisationsebone; es könnte aber, wenn er unter anderen TTm-
sländen nach derselben Richtung zurückgeworfen wäre, eben-
sogut auch eine andere Polarisationsebene haben. Statt eines
nach bestimmter Richtung hin gebeugten polarisirten Strahles
wäre ebensogut ein solcher denkbar mit ganz anderer Schwin-
gungsrichtung.
Im einaxigen Erystall ist durch die Fortpflanzungsrich-
tung die Polarisationsebene festgelegt (abgesehen von Fort-
pflanzung in der Axe), somit auch die Schwingungsrichtung
eine ganz bestimmte. Wir können von vornherein sagen,
welche Polarisationsebene ein Strahl annehmen muss, wenn
er nach bestimmter Richtung reflectirt wird, und diese muss
or annelimen, er mag vorher polarisirt gewesen sein, wie er
will, und es mag bei dem Acte der Reflexion sich ereignet
haben, was will, wenn wir nur entscheiden können, ob der
retteitirte Strahl ein ordentlicher oder ein ausserordentlicher
sein wird. Und ebenso bekannt ist die Polarisationsebene
(^ines Strahles vor seiner Reflexion, wenn wir seine Richtung
kennen.
Freilich die einfachsten Fälle innerer Reflexion, die der
l^oobachtung und Rechnung am leichtesten zugänglich sind,
/(ugen keine charakteristischen Unterschiede zwischen ordent-
lichem und ausserordentlichem Strahl. In einem Prisma,
parallel zur Axe geschlifl*en, werden ordentlicher und ausser-
ordentlicher Strahl einfach reflectirt, wenn Licht senkrecht
zur Axe einfällt, für jede schiefe Incidenz werden beide in
zwei Theile zerlegt.
Dagegen, sobald die reflectirende Fläche nicht mehr
parallel der optischen Axe ist, sondern mit ihr einen Winkel
i)ildet, treten charakteristische Unterschiede auf. Es ist dann
für den Erfolg nicht mehr gleichgiltig, ob eine zur Reflexion
590 R. Geigel
gelangende Schwingung in der Polarisationsebene oder senk-
recht zu ihr vor sich geht.
Solche charakteristische Unterschiede aufzufinden und
aus ihnen Schlüsse auf die Richtigkeit einer der vorhan-
denen Theorien zu ziehen, ist der Zweck der vorliegenden
Arbeit.
Im allgemeinen wird ein in einen doppelbrechenden Kry-
stall eintretender Strahl in zwei, den ordentlichen und ausser-
ordentlichen zerlegt. Bei der ersten inneren Roflexi^m theilt
sich jeder derselben wieder in zwei Strahlen, rinen ordent-
lichen und einen ausserordentlichen, sodass man nach ein-
maliger Reflexion von einem Objecto vier Bilder sieht, von
denen unter Umständen zwei sich decken können.
Bei der Zerlegung durch Reflexion kann es aber vor-
kommen, dass einer oder der andere von den vier Strahlen
durch Interferenz vernichtet wird, sodass dann nur drei Bil-
der zu sehen sind.
In Fig. 9 sei die Ebene des Papiers die roHectirende
Fläche. Im Punkte O kommt ein Strahl an, dessen Rinfalls-
ebene durch ihre Spur EE' bezeichnet ist, Ist er ein ordent-
licher Strahl (von einem solchen sei vorläufig immer die Rede),
so ist EE' auch seine Reflexionsebene. OA sei die Projec-
tion der ankommenden Schwingung auf die reflectirende
Fläche; dabei ist gar keine Annahme darüber gemacht, ob
die Schwingung in der durch Strahl und Axe gelegten Ebene
oder senkrecht zu ihr (^rfolgt. OA wird zunäolist zerlegt in die
(yomponenten OB und OC\ und wenn wir ein isotropes Mittel
hätten, würden dii^se beiden zu einer reHectirten Schwingung
sich zusammensetzen.
Üer in O retlectirte Strahl hat nun eine jjjanz bestimmte
Richtung, und mit dieser lest verbunden ist, abhängig von
der Lage der optischen Axe, eine ^anz l)estiuimmte Schwin-
gungsrichtung, deren Projection im allgenK^nen weder mit
OC, noch mit OB, nocli aucli mit OA zusammenfällt. Ks
tritt eine weitere ZerU'gung ein, und aus der Figur ist
unmittelbar zu ersehen, wenn infolge der Lage der oj)ti-
schen Axe MN die Projection der retlectirt(»u ordentlichen
Schwingung ist, dagegen die Projection der retiectirten ausser-
ordentlichen Schwingung mit OAj der Projection der einfal-
Schwingungsrichtung des polarisirien Lichtes. 591
lenden ordentlichen Schwingung, zusammenrällt, dass dann die
zweite Componentenzerlegung so ausfällt, dass OG und OF
durch Interferenz sich zerstören, wie auch AIN liegen mag,
dass also der ordentliche Theil des ordentlichen einfallenden
Strahles verschwindet, und hlos der ausserordentliche Theil
desselben zu Stande kommt, auf den dann alle Energie der
Bewegung verwendet wird. In einem solchen Falle müsste
:ilso eines der vier Bilder, das ordentliche vom ordentlichen
Slriihlc herrührende, verschwinden.
Dabei wird vorerst zweierlei vorausgesetzt:
1. dass der Einfallswinkel des ordentlichen Strahles
kleiner ist als der Polarisationswinkel und diesem nicht allzu
nahe. Bekanntlich macht in der Nähe des Polarisations-
winkels eine Verzögerung einer der beiden Componenten OC
oder OB gegen die andere sich geltend, welche im Polari-
sationswinkel A/4 beträgt und jenseits desselben rasch auf
>v/2 wächst. Jenseits des Polarisationswinkels, d.h. für Ein-
fallswinkel, die grösser sind als dieser, würde nicht das Pa-
rallelsein mit OA die Bedingung für das Verschwinden des
ordentlichen retiectirten Strahles sein, sondern es müsste dann,
wie ebenso leicht zu sehen ist, der Winkel, den die einfal-
loüde Projection OA mit EE' bildet, gleich dem negativen
Winkel sein, den die Projection der reflectirten ausserordent-
lichen Schwingung mit EE' bildet.
2. ist vorausgesetzt, dass keine der beiden Componenten
OB und OC bei der Reflexion eine Schwächung erleidet,
denn sobald eine von beiden kürzer wird, oder wenn beide
ni( ht in demselben Verhältnisse kürzer werden, sind die Com-
ponenten OG und OF nicht mehr gleich gross und vernich-
ten sich nicht vollständig. Diese zweite Voraussetzung tritt
streng genommen nur gerade auf der Grenze der totalen
Ilellexion ein. Indessen wird auch im Gebiete der theil-
weisi^n Reflexion keine so grosse Modihcation eintreten, dass
nicht der Charakter der Erscheinung noch zu erkennen
wäre. An der unter obiger Voraussetzung berechneten
Vorschwindungsstelle wird das ordentliche Hauptbild aber
nicht vollständig verschwinden, sondern nur viel schwächer
werden, während das vollständige Verschwinden an einer
Stelle eintreten wird, wo O^i nicht mehr parallel der Pro-
592 R. Geigel
jection der reäectirten ausserordentlichen Schwingung ist,
sondern mit dieser einen kleinen Winkel bildet. Wir werden
später sehen, eine wie grosse oder kleine Abweichung von
der Rechnung sich ergibt.
Auf das Gebiet der totalen Reflexion gehe ich vorläuKg
nicht ein. Dort dringt eine der beiden Componenten, oder
beide, mehr oder weniger tief in das zweite Medium ein,
dadurch ergeben sich Verzögerungen von verschiedenen hal-
ben Wellenlängen, die den Vorgang bedeutend compliciren.
Es kommt vor allem jetzt darauf an, die Lage der bei-
den Projectionen OA und MN flir bestimmte Lage der
optischen Axe und jeden beliebigen einfallenden ordentlichen
Strahl zu bekommen.
In der Figur 10 sei OXYZ ein rechtwinkeliges Coor-
dinatensystem, das in einen einaxigen Erystall so hinein-
gelegt ist, dass die FZ-Ebene die reflectirende Fläche ist,
und die optische Axe OL in der XZ- Ebene liegt. LA ist
ein einfallender ordentlicher Strahl, AN das Einfallsloth,
^Af der reflectirte ordentliche Theil des einfallenden Strahles.
Die Gleichungen der optischen Axe sind:
(1) '='^-'\ .'/=«•
Der einfallende Strahl LA hat, wenn x,,, y^ die C()(»r-
dinaten von /,, x^, y^ die von A sind, die Gleichungen:
(2) y=-!'-J-+yi; z = '^-/\r + z,.
Der reflectirte Strahl AM\
(3) y^^^^ + Vx und z=^ -'\''x + z,.')
•"o ''O
1. Neuman umsehe Annahme.
Nach Neumann erfolgt die Schwingung in der Polari-
sationsebene; der ordentliche Strahl im einaxigen Kry stall
schwingt in der durch Strahl und optischem Axe gelegten
1) Leser, welche sieh für die Ableitung dieser und der folgenden
Formeln interesairen oder dieselben zu controliren wünHchen, verweise
ich auf die ausführlichere analytische Behandlung in den Verhandlungen
der med.-phys. Ges. Würzburg. 20. 2. 1SH3.
Schwinyungsricktung des polarisirten Lichtes. 593
Ebene senkrecht zu ersterem; hier also der einfallende Strahl
in der Ebene ALO senkrecht zu LA.
Man findet:
(A) zr^ f\''J'?-' -v + Const.
als Gleichung der Projection der Schicingungsrichtuiu/ des ein'
failenden Strahles auf dif reßectirende Fläche [YZ- Ebene),
Schwingungsrichtung nach der Reflexion. —
Ist in Pig 10 ^Q eine zur optischen Axe OL gezogene
Parallele, so schwingt nach Neuraann der reflectirte ordent-
liche Theil des einfallenden ordentlichen Strahles in der
Ebene QAM senkrecht zu AM, und es ergibt sich:
( B) r = - ^- -^«'^^ t "'"v'^ ~ ;!""'"* •// + c\)iist.
als Gleichung der Projection der Schwingungsrichtung des re/tec-
tirteu ordentlichen Theiles des ordentlichen Strahles auf die
reßevtirendv Fläche i VZ-Eöene),
IL Fresiiersche Annahme.
Nach Fresnel schwingt der ordentliche Strahl im ein-
axigen Krystall senkrecht zur Polarisationsebene, zu der
durch Strahl und optische Axe gelegten Ebene, und es wird:
(C) z = -^'-g +Const.
«I
flie Gleichung der Projection der Schwingnngsrichtnng des ein-
fallenden Strahles äff die reflectirendc Fläche, ( YZ- Ebene.)
Schwingungsrichtung nach der Reflexion. —
Diese ist nach Presnel senkrecht zur Ebene LAM, und
.'.war ist:
/D) z= Jy- .^ + Const.
die Gleichung der Projection der Schwingungsrichtung des reflec-
tirten ordentlichen Theiles des ordentlichen Strahles auf die reßec-
tirende Fläche,
Die bisher gegebenen Formeln reichen aus, um die Be-
dingungen für das Verschwinden des Bildes zu geben, wel-
ches seine Entstehung dem durch Reflexion entstandenen
Aim. d. Phj». u. Chem. N. P. XXXVllI. 38
594 R. Geigel.
ausserordentlichen Theile einfallender ordentlicher Strahlen
verdankt. Dieses Bild wird nämlich verschwinden, wenn die
Projection der einfallenden ordentlichen Schwingung parallel
ist der Projection der Schwingung des reflectirten ordent-
lichen Theiles.
Um die Bedingung für das Verschwinden des aus dem
ordentlich reflectirten Theile des einfallenden ordentlichen
Strahles entstehenden Bildes aufzustellen, müssen wir noch
die Projection der Schwingungsrichtung des reflectirten
ausserordentlichen Theiles kennen lernen.
Es ist vor allem nothwendig, die Richtung des im
Punkte y^Zy^ (Fig. 10) reflectirten ausserordentlichen Strahles
kennen zu lernen, wenn dort der ordentliche Strahl LA
einfällt.
Ich verfahre nach der Huygens'schen Construction,
wie sie von N e u m a n n für innere Reflexion angegeben
ist^) Es werden gezeichnet:
1) Um den Punkt y^Zj die beiden Wellenoberflächen
Kugel und Ellipsoid,
2) Schnittpunkt des reflectirten ordentlichen Strahles
mit der Kugel.
3) Durch diesen Punkt Tangentialebene an die Kugel.
4) Schnitt dieser Tangentialebene mit der yZ-Ebene.
5) Durch diesen Schnitt Tangentialebene an das Ellipsoid.
6) Berührungspunkt auf dem Ellipsoid.
7) Durch diesen und y^ z^ eine Gerade, welche dann der
gesuchte reflectirte ausserordentliche Strahl ist.
Man findet:
' V V~+ .V7~+ z,^ -"2~Zo 27-f z, -
als Coordi-
naten des
Schnittpunk-
tes auf der
Kugel mit
dem Radius c.
Und endlich, wenn a und v die Hallmxen des EUipsoides
sind :
n Neuina nu, Vorlesungen über theoretische Optik, p. 164.
Sciiwingungsril lUung des polaruirten Lichtes, 595
'3 =
a'(2ro-2jj^» W-Hs^o'
a
Xo*c
4- — • -? . " •
ys =
_ «L*. •
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V
'cW ['0' + yi' + (fo- ^i)*] - a'c^-PoVr
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00
^^^
s3
Die Schwingung im ausserordentlich reflectir-
tenTheile des ordentlichen Strahles nach Neumann.
Diese erfolgt senkrecht zu einer Ebene, die man durch
den Punkt ^-3, y.^, z^ und die optische Axe legt.
Es ist:
E)
. _ *oi^»
J-j V^c
' +2^0
f/ 4- Const.
die Gleichung der Projection der Schwingung srichtung auf
die rvfte.ciirende Fläche [YZ-Ebene) für den ausserordentlich
reflet'tirten Theil des einfallenden ordentlichen Strahles.
Die Schwingung im ausserordentlich reflectir-
ten Theile des ordentlichen Strahles nach FresneL
— Es galt wohl früher unbestritten, dass der ausserordent-
liche Strahl senkrecht zur Wellennormalen, also in einer an
das EUipsoid gelegten Tangentialebene schwingt Nach
Ketteier ^) erfolgt die Schwingung senkrecht zum Strahl,
wie beim ordentlichen Strahle.
Obwohl der Unterschied, der sich aus beiden An-
nahmen für eine allenfallsige Verschwindungsstelle ergeben
würde, sehr klein wird, vielleicht kleiner, als der Unterschied,
der aus einer der beiden Annahmen einerseits und der Neu-
mann'sehen andererseits resultiren würde, obwohl auch viel-
leicht Ketteler's Annahme der electromagnetischen Theorie
sympathischer sein mag, will ich, um jede Hypothese zu
vermeiden, die Schwingungsrichtung für beide Annahmen be-
rücksichtigen.
1) Kettcler, Wied. Ana. 18. p. 642. 1883.
38'
«596 Ä. Geiyel
I. Schwingt der ausserordentliche Strahl senkrecht zur
Wellennormale, so geht hier die Schwingung in einer im
Funkte ^r,, y^^ z^ an das EUipsoid gelegten Tangentialebene
und in der durch x^j y,, z^ und die optische Axe gelegten
Ebene, also im Durchschnitte beider vor sich.
Man erhält:
o/ä Gleichung für die Y Z- Projection der Schwingungsrickiung
des ausserordentlich reflectirten Thnles des ordentlichen Strahles^
wenn er senkrecht zur Normalen schwingt.
II. Schwingt der ausserordentliche Strahl senkrecht zum
Strahl, so geht die Schwingung in der durch x^^ y^, z^ und
die optische Axe gelegten Ebene und senkrecht zum reflec-
tirten Strahl vor sich.
Dann ist:
die Gleichung für die YZ-Projection der Schuungungsrichtung
dt's ausserordentlichen reflectirten Theiles vom ordentlichen Strahle,
wtmn er senkrecht zum Strahle schwingt
Jetzt sind wir im Stande, die Bedingungen für das Ver-
schwinden der beiden Bilder aufzustellen, die von einfallen-
den ordentlichen Strahlen herrühren.
Das von den ordentlich reflectirten Theilen der einfallen-
den Strahlen herrührende Bild verschwindet, wie eingangs
gezeigt, wenn die FZ-Projection der Schwingung des ausser-
ordentlichen Theiles zusammenfällt mit der Projection der
einfallenden ordentlichen Schwingung, also an Stellen, wo
die Richtungsconstanten der beiden genannten Projectionen
einander gleich sind.
Die Bedingung für das Verschwinden wird also dar-
gestellt nach Neu mann durch:
nach Fresnel durch:
Schwingungsrichtung des polarisirkn Lichtes. 597
oder:
*o
(5) y, y, V^„* + ^o' = -^s ^.. + ("l! ) • '•' ^ ^- ' • ^0 .
wobei der eingeklammerte Factor {c^/a^) wegbleibt oder nicht,
je nachdem man der Ketteler'schen oder der älteren An-
nahme folgt.
Beide Gleichungen, (4) und (5), stellen Curven in der
jfz- Ebene vor, deren vollständige Entwickeiung, indem man
für 0:3, ^3 und z^ die früher gefundenen Werthe einsetzt, zu
sehr complicirten Gleichungen führen würde. Es lässt sich
also auch schwer entscheiden, ob die Fresnel'sche und
Neumann'sche Curve zusammenfallen, oder wenigstens sehr
nahe aneinander liegen.
Man kann sich übrigens die beiden Curvon auch nähe-
rungsweise herstellen.
Die Projection der einfallenden ordentlichen Schwingung
hat nach beiden Annahmen eine einfache Gleichung.
Die reäectirte ausserordentliche Schwingung geht nach
Fresnel in der Polarisationsebene vor sich, also wenigstens
angenähert so wie die Neumann' sehe ordentliche reflectirte
Schwingung, und umgekehrt. Der Grad der Annäherung
kann dabei durch die Ketteler'sche Annahme vergrössert
oder verkleinert werden.
Wir erhalten also die Verschwindungscurve nach Neu-
mann näheruDgs weise, wenn wir setzen:
woraus sich ergibt:
oder : y^^ {x^^ - ^0') + ^i^^o" - ^1 • 2^o*^o = ^ ;
setzt man z^ = z^ + Zq, d.h. verschiebt man den Coordinaten-
anfangspunkt um Zq in der Richtung der positiven Z-Axe,
so wird daraus:
(6) V%V/+v--A = i.
also die Gleichung einer Ellipse, wenn Tq > z^^ einer Hyper-
bel, wenn Xq < z^ ist.
Nach Fresnel ist zu setzen:
598 R. Geigel
woraus ebenfalls schliesslich:
//r ""'' r. ?* + ^i' • A = 1 entsteht.
Wir haben also in beiden Fällen dieselbe Curve. Das
Zusammenfallen würde vollständig werden, wenn der reflec-
tirte ausserordentliche mit dem reflectirten ordentlichen
Strahle (beide herrührend vom einfallenden ordentlichen)
zusammenfiele.
Beide Ourven werden aber alterirt durch den Umstand,
dass nicht alles Licht refiectirt wird, sondern dass dieses
theilweise austritt, wodurch die Componenten OB und OC
(Fig. 9) verkürzt werden, und zwar beide nicht in demselben
Verhältiiisse. Wird z. B. OB verhältnissmässig mehr ge-
schwächt, als OC, so würde, damit trotzdem OF^ OG
wird, die Projection der reflectirten ausserordentlichen Schwin-
gung, zu welcher ja SG und CJF parallel sind, nicht mehr
mit OA zusammenfallen, sondern ein wenig gegen OE hin
gedreht sein.
Dies rechnerisch und in Formeln zu verfolgen, ist deshalb
nicht thunlich, weil meines Wissens bis jetzt die Reflexions-
gesetze für innere Reflexion in einaxigen Krystallen noch
keine Bearbeitung gefunden haben und eine experimentelle
Aufstellung derselben jedenfalls eine Arbeit für sich, wahr-
scheinlich von sehr bedeutendem Umfange sein dürfte. Ein
Versuch, die FresneTschen und Neumann'schen Reflexions-
formeln für isotrope Mittel hier anzuwenden, führte auf so
complicirte Gleichungen, dass ich von der weiteren Ver-
folgung abliess, zumal ja absolute Richtigkeit doch nicht
erreicht werden konnte.
Man kann indessen durch eine einfache Ueberlegung sich
klar machen, in welchem Sinne die gefundenen Curven ver-
ändert werden.
Im grossen ganzen wird für die Amplituden in der Ein-
fallsebene und senkrecht zu ihr wohl auch das Verhältniss:
sin (f — r) tg {i — r)
!<iu (t + {•}' ig (i + r)
nach Fresnel. und nach Neu mann umgekehrt bestehen.
Schwingungsrichhing des polarisirten Lichtes, 599
Nach Frcsnel wird also OjB im Verhältniss stärker
geschwächt, wie schon bemerkt, muss dann die Richtung der
Projection des reflectirten ausserordentlichen Theiles von
OA etwas nach OE gerückt werden, sich der Einfallsebene
nähern.
Nach Neumann wird OC verhältnissm&ssig stärker ge-
schwächt, und da dann MN die Projection des reflectirten
ausserordentlichen Theiles und die Projection des einfallenden
Strahles vorstellt, so wird die erstere mehr der Richtung OB
sich nähern müssen.
Beides geschieht aber, wenn der Punkt //^ r^, wo der
ordentliche Strahl einfällt, der Projection der optischen Axe,
hier der Z-Axe des Coordinatensystcms, näher rückt. In
derselben fällt die FresneTsche reflectirte ausserordent-
liche Schwingung mit EE\ die Neumann'sche mit der
senkrechten dazu zusammen.
Man wird also erwarten dürfen, dass beide Verschwin-
dungscurven nach innen gedrängt, abgeflncht werden. Gleich-
zeitig könnte natürlich auch eine Verschiebung der Curven
nach oben oder unten eintreten, die übrigens beim Betrach-
ten, wenn man nicht misst, wenig bemerkbar sein würde, da
die Curve das ganze Gesichtsfeld von oben nach unten durch-
zieht. Dies würde für x^^ > z^, also wenn die optische Axe
mit der reflectirenden Fläche einen Winkel bildet, der
>45'* ist, Ellipsen geben, deren F-Axe kleiner als ihre
/'-Axe ist
Eine Reihe von Vorversuchen ergab alsbald, dass für
gewisse Axenrichtungon in der That einzelne Bilder an be-
stimmten Stellen verschwinden, wenn man Licht im Innern
< ines einaxigen Krystalles, hier Kalkspath, einmal reflectiren
lässt. Ich hatte mir an ein kleines Kalkspathrhomboeder,
(las mir von Hrn. Prof. Röntgen gütigst überlassen wurde,
eine Fläche angeschliffen, die zur optischen Axe schätzungs-
weise um 50 — 60® geneigt sein mag; Eintrittsfläche des
liichtes ist eine von den natürlichen Flächen, als Austritts-
fläche wurde eine neue so angeschliffen, dass an ihr in dem
zu beobachtenden Gebiete keine totale Reflexion eintreten
kann. Von einer Gasflamme sieht man vier Bilder, und von
diesen vier Bildern verschwindet das eine oder das andere
600 R. Geisel.
bei bestimmten StelluDgen des Erystalls und kommt in den
Nachbarlagen wieder zum Vorschein.
Die Politur der neu angeschliffenen Flächen ist mir
jedoch nicht ganz nach Wunsch gelungen; ausserdem ist der
Krystall durch öfteres Anschleifen von immer wieder anders
geneigten Flächen schliesslich so klein geworden , dass man
zwar noch die allgemeinen Erscheinungen in ihm sehen, den-
selben jedoch zu Messungen, wie sie zur Üharakterisirung
des Gesehenen nothwendig sind, nicht benutzen kann.
Ich bestellte mir deshalb bei den Herren Dr. Steeg und
Reuter in Homburg v. d. H. einen Krystall, der, in vorzüg-
licher Ausfuhrung, vollständig zur Beobachtung und Messung
geeignet ist.
Derselbe ist aus einem ßhomboeder von etwa 85 mm
Eantenlänge hergestellt und hat folgende, meinen Angaben
entsprochende Gestalt erhalten:
Die Ebenen ABB, DFC und FEBC der Fig. 11 sind
Stücke natürlicher Flächen des Rhomboeders.
Bei E wurde eine kleine dreieckige Fläche senkrecht
zur optischen Axe angeschliffen. Die Ebene AB CD, welche
die reflectirende Fläche werden sollte, wurde gegen die kleine
dreieckige Fläche E um 30® geneigt angeschliffen, sodass die
reflectirende Fläche mit der optischen Axe einen Winkel
von 60*^ bildet.
Der Flächenwinkel BC war zu ungefähr 30® bestellt und
weicht, wie nachträgliche Messungen ergaben, nur um wenige
Minuten von diesem Werthe ab.
Die Flächen Winkel AB und DC betragen je 74® 40'.
Die Fläche AEFD bildet mit der refiectireiiden Fläche
AB CD ebenfalls einen Winkel von ungefähr 30® und ist
der Z Axe des früher gewählten Coordinatensystems, welche
in AB CD ungefähr die durch die punktirte Linie gegebene
hat, nahezu parallel.
Die Richtungs Verhältnisse dieser Fläche AEFD, welche
die Austrittsüäche werden sollte, wurden von mir in der
angegebenen Weise deshalb gewählt, weil so, wie ich durch
Rechnung feststellte, die Austrittsbedingungen für Licht, das
an der hinteren Fläche reflectirt wird, am günstigsten wer-
den, insbesondere für den ganzen möglicherweise von Inter*
Sckwinyutufsrickiung des polar isirten iJcläes, 601
esse werdenden Beobachtungsbereich eine totale Reflexion
an AEFD nicht zu befürchten ist.
Polirt sind nur die Eintrittsfläche EBCF, die reflec-
tirende Fläche ABCD und die Austrittsfläche AEFD.
Die beiden natürlichen Flächen ABE und DCF sind
nicht eigens polirt, jedoch immerhin so glatt, dass es mög-
lich wurde, die Flächenwinkel AB und DC mit dem Goneo-
meter hinreichend genau zu bestimmen. (74*^40'.)
(Kleine Stücke natürlicher Flächen, die an den Kanten
AD und BC übrig geblieben sind, sind in der Figur weg-
gelassen.)
Die allgemeinen Erscheinungen, die man in diesem Kry-
stalle bei einmaliger Reflexion des Lichtes an der hinteren
Fläche wahrnimmt, und zu welchen man, bis man sich einmal
orientirt und eingeübt hat, einer gewöhnlichen Kerze oder
Gasflamme sich bedienen kann, sind folgende:
Man sieht vier Bilder der Lichtquelle, die bei dieser
Anordnung der Flächen nahezu in einer Linie stehen (bei
anderem Schliffe bilden sie die Ecken eines Rhombus).
12 3 4
1 ! 1
Die beiden mittleren Bilder 2 und 3 gehen durcheinan-
der hindurch, wenn man die obere Kante des Krystalles
weiter gegen die Lichtquelle zu neigt, und vertauschen dann
ihre Stellung und umgekehrt. Man kann sie leicht getrennt
voneinander halten. Um eine bestimmte Stellung zu charak-
terisiren, wollen wir sagen, dass die Kaute EF ungefähr
senkrecht zum einfallenden Lichte stehen soll.
Bringt man zwischen Licht und Kry stall ein !Nicol
so, dass sein Hauptschnitt dem des Krystalls parallel ist, so
tritt in den letzteren nur Licht ein, welches parallel dem
Hauptschnitte polarisirt ist, es kommen nur ausserordent-
liche Strahlen zu Stande. Dabei sieht man, dass die Bilder 3
und 4 verschwinden, die Bilder 1 und 2, welche bestehen
bleiben, rühren also von Strahlen her, die vor der Reflexion
ausserordentliche waren. Eine Drehung des Nicols um 90^
bewirkt Verschwinden der Bilder 1 und 2, während 3 und
4 wieder erschienen sind; die Hauptschnitte des Nicols und
des Krystalls stehen jetzt senkrecht zu einander, die Bilder 3
002 R. GeigeL
und 4 rühren von Strahlen her, die vor der Ketlexion ordent-
liche waren, denn nur solche treten jetzt überhaupt ein.
Jetzt beobachten wir das an AB CD reflectirte, ans
AEFD austretende Licht mit dem Nicol.
Stehen die beiden Hauptschnitte parallel, so verschwin-
den die Bilder 1 und 3; die Bilder 2 und 4 bleiben da, letz-
tere bestehen also aus Strahlen, die nach der Reflexion
ausserordentliche sind.
Drehung des Nicols um 90^ bewirkt Verschwinden der
Bilder 2 und 4, während 1 und 3 wieder erscheinen. Die
Bilder 1 und 3 bestehen also aus Strahlen, die nach der
Bedexion ordentliche sind.
Daraus folgt:
Die Strahlen des Bildes 3 sind vor und nach der Re-
flexion ordentliche; S ist also das ordentlich reflectirte ordent-
liche Bild.
Die Strahlen des Bildes 2 sind vor und nach der Re-
flexion ausserordentliche; 2 ist also dos aussa^ordentlich reflec-
tirte ausserordentliche Bild.
Ich will fernerhin das Bild 3 das ordentliche Hauptbildy
das Bild 2 das ausserordentliche Uauptbild nennen.
Die Strahlen des Bildes 4 sind vor der Reflexion ordent-
liche, nach derselben ausserordentliche, das Bild rührt also
von dem durch Reflexion entstandenen ausserordentlichen
Theile der eingetretenen ordentlichen Strahlen her; ich will
das Bild 4 das derivirte Bild des ordentlichen Ilnuptbildes nennen
(da es ja von denselben eingetretenen ordentlichen Strahlen
herrührt wie dieses).
Die Strahlen des Bildes 1 sind vor der Reflexion ausser-
ordentliche, nach derselben ordentliche; das Bild besteht aus
dem durch die Reflexion entstandenen ordentlichen Theile
der eingetretenen ausserordentlichen Strahlen. Ich nenne*
(las Bild 1 das derivirte Bild des ausserordentlichen Hnuptbildes.
Sehr deutlich sieht man die beiden Grenzen der totalen
Reflexion, die für ordenthche und die für ausserordentliche
Strahlen; beide werden von einiger Bedeutung für die all-
gemeine ürientirung sein.
Wir suchen jetzt unsere vier Bilder auf, zunächst wieder
80, dass die Kante K F ungefähr senkrecht zum eintretenden
Schwivgnn<j8richtung des polarisirten Lichtes. 603
Lichte steht, und lenken sie, um irgendwo die Beobachtung
zu beginnen in das Gebiet der totalen Reflexion; jetzt drehen
wir den Krystall langsam um EF als Axe, von oben ge-
sehen umgekehrt wie die Uhrzeiger, also die Kante BC vom
Lichte weg, die vier Bilder rücken weiter nach links, gehen
durch die Grenze der totalen Reflexion, und drehen wir jetzt
noch um etwa 10® weiter, so sehen wir, dass das Bild 3,
also das ordentliche Hauptbild verschwindet, um gleich da-
rauf, bei noch weiterer Drehung, wieder zu erscheinen. Das
ausserordentliche Hauptbild (2) ändert sich dabei nicht.
Diese Verschwindungsstelle für das ordentliche Haupt-
bild ist aber nicht eine isolirte.
Wir machen jetzt denselben Versuch bei anderer Stellung
der Kante EFj wobei diese nicht mehr senkrecht zum ein-
fallenden Lichte steht, wir neigen £ dem Lichte zu und
davon ab, immer finden wir, dass das Bild 3 ungefähr 10®
innerhalb der Grenze der totalen Reflexion (hier also links
von ihr) verschwindet.
Oder, was dasselbe ist, wenn wir das Bild 3 an die Ver-
schwindungsstelle bringen, so können wir bei nur einiger
Uebuog den Krystall mit dem Punkte E beliebig gegen das
Licht und von demselben weg neigen, ohne dass das Bild 8
wieder erscheint.
Die Bilder steigen dabei auf und ab, das ordentliche
Hauptbild bewegt sich auf einer ununterbrochenen Verschwin-
(lungscurve.
Ausserhalb und innerhalb dieser Curve ist ein weiteres
Verschwinden des ordentlichen Hauptbildes nirgends mehr
auffindbar, nicht einmal ein Schwächerwerden desselben, aus
dem man allenfalls schliessen könnte, dass es bei noch wei-
terer Drehung verschwinden würde. Auch das ausserordent-
liche Hauptbild verschwindet an keiner Stelle.
Das bind die Erscheinungen an den beiden Hauptbildern.
Nicht minder Charakteristisches bieten die zwei derivirten
Bilder.
Zuerst das derivirte Bild (4) des ordentlichen Hauptbildes,
Bringt man den Krystall in die schon erwähnte Stellung,
Kante EF senkrecht zum einfallenden Lichte, und lässt das
Bild 4 durch die zu ihm gehörige Orenze der totalen Reflexion
604 R. Geigd.
(es ist dies hier die weiter rechts gelegene) hindurchwandern,
so tritt nur das allgemeine Stärker-, beziehungsweise Schwä-
cherwerden des Bildes auf, je nachdem sein Licht total re-
flectirt wird oder nicht.
Jetzt neigt man den Krystall mit E ein wenig gegen
die Lichtquelle, als welche man jetzt am besten eine Natrium-
flamme benutzt, indem man dabei fortwährend das 4. Bild
vermittelst kurzer Drehungen um EF durch die Grenze der
totalen Reflexion hindurch und wieder zurücktreten lässt.
Schon bei einer Neigung von wenig Graden sieht man, dass
auf der Grenze der totalen Reflexion ein zuerst ganz schma-
ler und zarter, nach unten spitz auslaufender Verschwin-
dungsstreifen die ganze Natriumflamme durchzieht; dieser
Verschwindungsstreifen wird breiter, je weiter man den Kry-
stall nach vorn neigt, und verlässt bald die Grenze der to-
talen Reflexion, sich weiter nach links, also in das Gebiet
der theilweisen Reflexion hineinziehend. Dass er sich wirk-
lich von der Grenze der totalen Reflexion trennt und nicht
durchaus in dieser verläuft, sieht man bei etwas stärkerer
Neigung sehr leicht. Das derivirte Bild 4 verschwindet dann
einige Grad innerhalb der totalen Reflexionsgrenze, kommt
wieder zum Vorschein und geht erst dann durch dieselbe
hindurch.
Man hat es also auch hier mit einer ausgedehnten Ver-
schwindungscurve zu thun, die eine Zeit lang wenigstens nahe-
zu mit der Grenze der totalen Reflexion gleichlaufend ist,
deren Verfolgung nach der einen Richtung (hier nach unten)
in das Gebiet der totalen Reflexion, wo sie vernichtet wird,
nach der anderen Richtung (hier nach oben) in das Gebiet
der theilweisen Reflexion fuhrt.
Die Erscheinungen am derivirten Bild 1 des ausserordent-
lichen IlanpthUdes sind gerade umgekehrt.
Bei der ursprünglichen Stellung des Krystalles (£"f' senk-
recht eintretendem Licht) verschwindet Bild 1 im Gebiete
der theilweisen Reflexion, wenige Grad links von der zuge-
hörigen Grenze der totalen Reflexion. Je weiter vom Lichte
weg man E neigt, um so weiter entfernt sich die Verschwin-
dungsstelle von der Grenze der totalen Reflexion in das Ge-
biet der theilweisen hinein. .Je weiter gegen das Licht zu
Scliwwyunyarichtinuf des polar isirten Lichtes, 605
man E neigt., um so mehr nähert sich die Verschwindungs-
stelle der Grenze dev totalen Reflexion, die Verschwindungs-
linie, die das Bild durchzieht^ läuft eine Zeit lang mit dieser
Grenze, wird immer schmaler und zarter und endigt schliess-
lich bei sehr starker Neigung oben ebenso in einer Spitze,
wie die im Bilde 4 unten.
Also auch hier haben wir eine ausgedehnte zusammen-
hängende Verschwindungscurve, die aber nach oben in das
Gebiet der totalen, nach unten in das der theil weisen B.e-
flexion führt.
Um entscheiden zu können, mit welcher von beiden
Theorien diese Verschwindungscurven im Einklänge stehen,
oder ob beide Annahmen dieselbe Curve geben, ist es
nöthig, neuerdings einige geometrische Ableitungen voraus-
zuschicken.
Ich wende mich zuerst zur Verschwindungscurve des
Bildes 4.
Zwei wesentliche Aenderungen gegenüber den früheren
Ableitungen ergeben sich hier.
Erstens ist die reflectirte Schwingung nicht mehr die
eines ordentlichen, sondern eines ausserordentlichen Strah-
les, denn das Bild 4 entsteht ja durch den ausserordentlich
reflectirten Theil der einfallenden ordentlichen Strahlen ;
die einfallende Schwingung ist dagegen dieselbe wie früher.
Zweitens haben wir es jetzt mit Einfallswinkeln zu thun,
die grösser als der Polarisationswinkel sind; eine von den
Componenten OB und OC (Fig. 9) erleidet also genübor der
anderen eine Verzögerung, die jedenfalls mehr als ^/^ Wel-
lenlänge, sogar nahezu ^2 Wellenlänge betragen wird, da wir
auf der Grenze der totalen Reflexion, wo ja die Erscheinung
am prägnantesten ist, schon um etwa 7** den Polarisations-
winkel überschritten haben. Für das Verschwinden des deri-
virten Bildes haben wir nicht mehr die Bedingung, dass die
Projection der reflectirten ordentlichen Schwingung mit OA
zusammenfällt, sondern, wie schon früher (p. 591) bemerkt,
es muss, wie Fig. 12 zeigt, wo OC die um A/2 verzögerte
Componente ist, die Projection der reflectirten ordentlichen
Schwingung nach OA' fallen, d. h. der Winkel, den OA mit
606 R, GeiyeL
EE' bildet, muss dem Winkel, den OA mit EE" bildet, ne-
gativ gleich sein. ,
a) Nach Neumann.
Projection der einfallenden ordentlichen Schwingung {OA):
z = /C?^ '^*'^' ,y + Const. = 4 . V + Const
Projection der reflectirten ordentlichen Schwingung [OA] :
Grleichung von EE':
z =
— »
" y 4- Const. = J^ .y + Gonst.
Für den Winkel a = ^40^ ergibt sich:
und far den Winkel a = ^'O^':
Als Bedingung für das Verschwinden des derivirten
Bildes des ordentlichen Hauptbildes ist also zu setzen:
'i > _i_ 'i 'i '2
3
Diese Gleichung ist erfüllt: 1) für y^ =0, also in der
Z-Axe, 2) für yj^r^ + z^^z^ - r, . 2zq^ + 0:^,2^^ + z^3 ^ q, oder
y^* + 2j^ — z^ . 2 r^j 4- (xq2 4. Zf^) = 0, was keine geometrische
Bedeutung hat, 3) für j/^^Jq^ + ^i^J^o^ ~" ^1 • ^^o'-^^o + - -^o^^o*
= yi*^o* + -^i^^o^ ~ ^i^o^-^o» woraus sich ergibt:
Zj . 2 X(,2zjj = 2 a:o*Zo^ oder:
also eine im Abstände + z^ zur F-Axe gezogene Parallele.
b) Nach Fresnel.
Projection der einfallenden ordentlichen Schwingung:
z = — ^ y + Const.
Projection der reflectirten ordentlichen Schwingung:
iSchwintfunysrichtung des polarisirten Lichtes, 607
r = „- ^- 'f/ + Oonst.
EE': ^^ " ^^ . y + Oonst.
.Vi
Hier ist also: tffa= ^^'-^^^'^ ^^''
tff a' = iii_TLfo)i?_«o_- «i) - yi' ^
^ yi«o
Als Bedingung für das Verschwinden des derivirten Bil-
des hat man daher:
(fi - gp^ g| + yi ^ ^ _. (51 -gu)e^go - gi^ - ^1*
woraus sich ergibt:
(^1 ' - -2^1 ^0 + .Vi ^)yi ^ü = - l2 2'o2'i - 22^2 _ .^ 2 ^ 2:^ z, - y^ ')ij^ Zq.
Diese Gleichung ist wieder erfüllt:
1) für y^ = 0, also die Z-Axe,
2) für z,2 - rj.-o + !/r = --^0^1 + 2 V + ^r - ^1^0 + .y.S
woraus wieder:
(8) Zj = z^ entsteht.
Nach beiden Annahmen also müsste das derivirte Bild
des ordentlichen Hauptbildes auf einer im Abstände + z^
zur F-Axe gezogenen Parallen verschwinden.
Die beiden hier wirklich zusammenfallenden Verschwin-
dungslinien haben natürlich innerhalb des Folarisationswin-
kels und ausserhalb der Grenze der totalen Reflexion keine
Gültigkeit. Aber auch zwischen diesen beiden Grenzen wer-
den sie altcrirt werden und nach innen oder nach aussen,
nach oben oder unten deformirt werden. Eine Verschiebung
nach innen oder aussen würde sich nicht bemerklich machen,
da die ursprünglichen Curven gerade Linien sind, die gerade
in dieser Richtung ziehen, wohl aber eine Deformation nach
oben oder unten. Wie gross eine solche ausfallen muss,
kann man nicht sagen, solange man die dazu noth wendigen
Reflexionsformeln für innere Reflexion nicht kennt. Das aber
kann man sagen, dass die Deformation um so stärker sein
muss, je weiter ein Punkt der Verschwind ungslinie von der
Grenze der totalen Reflexion entfernt ist, dass auf dieser
Grenze selbst, wo alles Licht reflectirt wird, die Yon einer
Schwächung der Componenten OB oder OC* herrührend« ^^
608 R. Geigel
Deformation verschwinden muss, und endlich, dass, wenn
beim ordentlichen Hauptbilde eine Verschiebung der Curve
nach unten eintritt, hier, wo dieselben Verhältnisse maass-
gebend sind, ebenfalls eine solche nach unten eintreten muss,
um so stärker, je weiter innen der Einfallspunkt liegt.
Einstweilen bemerke ich, dass eine solche Deformation
wirklich eintritt, und zwar nach unten, wie aus der p. 604
mitgetheilten Beobachtung zu ersehen ist. Die Ourve wird
in dem weit hinter der FZ- Ebene liegenden Bilde von links
oben nach rechts unten gehend gesehen, geht also in der
FZ-Ebene von rechts unten nach links oben, oder von innen
und unten nach aussen und oben.
Soviel von den beiden Bildern, die von einfallenden
ordentlichen Strahlen herrühren. In ganz ähnlicher Weise
könnten auch die Bedingungen für das Verschwinden der
beiden von ausserordentlichen einfallenden Strahlen her-
rührenden Bilder, für das ausserordentliche Hauptbild und
das von ihm derivirte Bild aufgestellt werden. Da man es
jedoch hier mit ausserordentlichen Strahlen zu thun hat, so
werden die Formeln insbesondere beim derivirten Bilde recht
verwickelt, ohne besseren Aufschluss zu geben, als man durch
einfache Ueberlegung auch ohne Formeln bekommen kann.
Um zuerst vom ausserordentlichen Hauptbilde zu sprechen,
so würde dieses verschwinden, wenn die Projection der ein-
fallenden ausserordentlichen Schwingung parallel ist der Pro-
jection der retiectirten Schwingung im ordentlichen Theile
des ausserordentlichen Strahles.
Es Stimmen mm nähorungsweise überein nach Fresnel'-
scher Annahme:
Einfallende ausserordentliche Schwingung des ausser-
ordentlichen Strahles mit
JJeumann'scher einlallender ordentlicher Schwingung
des ordentlichen Strahles.
ReHectirte ordentliche Schwingung des ordentlichen
Theiles mit
F r e s n e 1 ' scher reÜectirter ordentlicher Schwingung
des ordentlichen Strahles.
Xjich Fresnel wäre zu setzen:
Schwingungsriciitung des polarisirten Ltehten, dOO'
Umgekehrt nach Neu mann:
_ 1l — _« 1 .yi'gQ + gygb- Vg| .
Diese Bedingungen stimmen mit denen auf p. 597 für^
das Verschwinden des ordentlichen Hauptbildes überein und
geben wie dort eine Ellipse. Da aber hier Fresnel'sche
und Neumann'sche Schwingung miteinander vertauscht
wurden, so wird, wenn dort nach Fresnel'scher Annahme
die Gomponente OB (Fig. 9) stärker geschwächt wird als
OCy hier OC im Verhältnisse kürzer werden als OB und
entsprechend ebenso nach Neumann'scher Annahme das
Umgekehrte eintreten wie dort. Wenn also dort die Curve
nach innen gedrängt wurde, so muss sie hier nach aussen
gedrängt werden, und dabei kommt sie immer weiter in ein
Bereich, wo sie einfach nicht mehr gilt, sie würde schon
jenseits des Polarisationswinkels liegen.
Daraus erklärt sich sofort, warum ein Verschwinden des
ausserordentlichen Hauptbildes nicht bemerkt werden kann.
Man hätte auch so schliessen können:
Das Verschwinden des ordentlichen Hauptbildes hängt
blos von der Richtung der Schwingungen in einem einfallen-
den ordentlichen und dem dazu gehörigen refiectirten ausser-
ordentlichen Strahle ab. Ist nun (Fig. 13) OA ein einfallender
ordentlicher Strahl und OE sein reflectirter ausserordent-
licher Theil, und ist A gerade eine Stelle, wo das ordentlichß
Hauptbild verschwindet, so könnte man sich umgekehrt EA
als einfallenden ordentlichen Strahl denken und AO als seinen
refiectirten ordentlichen Theil. Die beiden Strahlen liegen
ebenso zu einander wie vorher, also auch ihre Schwingungen.
Die Schwingungsprojection von EA ist wie vorher der von
AO parallel, es würde dann das ausserordentliche Hauptbild
verschwinden. Wenn man aber EA jetzt als einfallenden
Strahl betrachtet, so heisst das, man hat die reflectirende
Fläche, die YZ Ebene um 180^ um die X-Axe herumgedreht
und mit ihr auch die früher gefundene Verschwindungscurve.
Läge diese symmetrisch sowohl zur Y- als zur Z-Axe, und
würde sie durch keine anderen Umstände alterirt, so müssten
Ann. <L Pl^. n. Cham. N. F. XUVUI. 39
610 R. Geigel
die beiden Yerschwindungscurven, die des ordentlichen and
die des ausserordentlichen Hauptbildes gleichzeitig auftreten,
die letztere etwas weiter links im Gesichtsfelde, da EA unter
etwas grösserem Winkel einfällt als OA.
Eine ganz ähnliche Ueberlegung führt zum Resultate,
dass auch die Verschwindungscurve für das vom ausserordent-
lichen flauptbilde derivirte Bild symmetrisch zu der des
schon behandelten derivirten Bildes liegen muss, und dies
scheint mir eine hübsche Bestätigung zu erhalten durch die
schon p. 604 ancreführte Beobachtung, welche zeigt, dass f&r
das Bild (1) die Erscheinungen gerade umgekehrt sind, wie
für das Bild (4).
Nach dem bisher Gesagten kann noch keine Entschei-
dung darüber gegeben werden, ob Fresnel, Neumann oder
Maxwell Recht behält Wo Bilder verschwinden, fallen
Fresnel'sche und Neumann'sche Curve mindestens sehr
nahe zusammen, es verschwindet dort magnetische und elec-
trische Schwingung gleichzeitig.
Nun zeigte es sich aber in einem anderen Kalkspath-
krystalle, der ganz ähnlich dem bisher gebrauchten geschliffen
ist, nur bildet in ihm die optische Axe mit der reflectiren-
den Fläche einen Winkel von 30^, dass in diesem das
ordentliche Hauptbild nicht ganz verschwindet j sondern blas
scktoächer wird.
Wie schon erwähnt, fallen die beiden Yerschwindungs-
curven für das ordentliche Hauptbild nicht ganz zusammen,
sondern liegen einander blos mehr oder weniger nah. Liegen
sie nun verhältnissmässig weit auseinander, so müsste, wenn
Fresnel oder Neumann Recht hätte, auf einer der beiden
Curven das ordentliche Hauptbild ganz verschwinden. Hat
keiner von beiden Rocht, sondern ist das Verschwinden der
magnetischen und electrischen Schwingung gleichzeitig nöthig,
so wird zwischen den beiden Curven ein Öchwächerwerden
des Bildes zu erwarten sein, da ja das Verschwinden, auch
wenn die beiden Curven zusammenfallen, auf denselben nicht
plötzlich eintritt, sondern in der Nälie derselben durch
Schwächerwerden eingeleitet wird.
Ich glaube also, aus der zuletzt mitgetheilten Beobach-
tung schliessen zu müssen, dass in der That weder die
Schwingungsrichtung des polarisirten Lichtes, 611
FresneTschey noch die Neumann'sche Schwingung allein
Lichtträger ist, sondern beide zusammen gleichberechtigt und
gleichverantwortlich auftreten, d. h. ich halte die besprochene
Erscheinung für einen Beweis der Maxwell' sehen Theorie.
Messende Beobachtung.
Es kommt darauf an, für einen einfallenden Strahl den
Punkt v^Tj zu finden, in dem er die reflectirende Fläche
trifft.
Für einen einfallenden ordentlichen Strahl, der an der
yZ-Ebene theilweise reäectirt, theilweise gebrochen wird,
fallen Reflexions- und Brechungsebene zusammen.
Bestimmt man den Brechungswinkel r, also den Winkel,
den der austretende ordentliche Strahl mit der Normalen
bildet, so kann man den Einfallswinkel 2 rechnen; der
Punkt y^z^ liegt dann in der FZ-Ebene auf einem Kreise,
der um den Coordinatenanfangspunkt, als welchen ich mir
den Mittelpunkt der Neumann 'sehen und Fresnel'schen
Verschwindungscurve denke (das ist der Punkt mit den Coor-
dinaten y = 0, z ^ z^ nach dem ursprünglichen System), ge-
legt ist, auf welchem alle einfallende Strahlen den Einfalls-
winkel { haben.
Bestimmt man ferner den Winkel, den die Brechungs-
ebene des austretenden Strahles mit der in der FZ-Ebene
gelegenen F-Axe bildet, so ist dies gleichzeitig der Winkel
zwischen Einfallsebene und F-Axe und auch zwischen der
yZ-Spur der ersteren und der F-Axe.
Auf dieser FZ- Spur liegt dann ebenfalls der Punkt
y^ z^ und seine wahre Stelle ist der Durchschnitt der
FZ Spur der Einfallsebene mit dem vorhin genannten Kreise.
Da naturgemäss nur das auf der einen Seite der Z-Axe
gelegene Gebiet beobachtet werden kann, so kann kein Zweifel
bestehen, welcher von den beiden möglichen Schnittpunkten
der richtige ist.
Man braucht also blos den Brechungswinkel r und den
Winkel v zwischen Brechungsebene und F-Äxe zu bestim-
men. Ersteres bietet keine Schwierigkeit. Um letzteres zu
können, muss man sich erst über die Lage der F-Axe auf
der Fläche AB CD des Krystalles (Fig. 11) orientiren.
99*
612 R. Geigel
Die Fläche AEB ist eine natürliche, man kennt also
den Winkel, den sie mit der optischen Axe bildet, hier also
mit der in der XZ-Ebene gelegenen Geraden OL der Fig. 10.
Die Gleichung dieser Geraden ist ebenfalls bekannt, da
ZOL = 60® sein soll.
Der Flächenwinkel AB zwischen der FZ-Ebene und der
Ebene AEB ist gemessen (74<> 40^.
Aus diesen Daten kann man die Gleichung einer Ebene
aufstellen, die parallel der Ebene AEB ist, somit auch die
Gleichung ihrer FZ-Spur und den Winkel, den diese mit
der FAxe bildet, oder, was dasselbe ist, den Winkel, den
die Kante AB oder die Kante DC mit der F-Axe bildet.
Ich finde diesen Winkel durch eine hier nicht zu wieder-
hX)lende, mehrfach durchgesehene Rechnung: (>« 7® 27'.
Man braucht also blos den Winkel (r) zwischen der
Brechungsebene und einer der Kanten AB oder DC zu
messen, um aus diesem und dem Winkel q den verlangten
Winkel v berechnen zu können. Es ist einfach: v^r ^q.
Die Versuche wurden so angeordnet:
Der Krystall wird mit Wachs auf ein Glastäfelchen
aufgesetzt und kann da in jeder beliebigen Stellung fixirt
werden; mit diesem steht er auf dem Tischchen des Gonio-
meters und wird mit Hülfe des beleuchteten Fadenkreuzes
so orientirt, dass die Austrittsebene AB CD senkrecht zum
Fernrohr steht. Die Kanten AB und DE können dabei
jede beliebige Richtung gegen die Ebene des Tischchens
erhalten. Ich hatte dabei ohne besondere Absicht bei den
ersten Beobachtungen den Krystall mit der Fläche AEB
auf das Wachs gesetzt und habe diese Anordnung dann auch
beibehalten.
Das Spaltrohr ist vom Goniometer abgenommen, an
einem besonderen Stativ befestigt und kann in beliebiger
Lage vor eine Lichtquelle gebracht werden.
Nachdem die Ebene AB CD senkrecht zur Ebene des
Tischchens, also auch senkrecht zum Fernrohr orientirt ist,
lasse ich durch das Spaltrohr paralleles Licht in EBCF
eintreten und suche das aus AB CD austretende ordentliche
Bild des Spaltes auf. Im allgemeinen ist die Austrittsebene
noch nicht parallel der Ebene des Tischchens, um mich kurz
Sckusingungsrichtung des polar isirten Lichtes, 613
auszudrücken, noch nicht horizontal. Durch Höher- oder
Tieferstellen der Ldchtquelle aber kann man das erreichen.
Man verschiebt diese und das zugehörige Spaltrohr so lange,
bis das austretende ordentliche Spaltbild mit dem Fernrohre
gesehen werden kann, und seine Mitte dabei mit dem Faden-
kreuze zusammenfällt. Jetzt kann der Brechungswinkel ge-
messen werden.
Die Messung des Winkels r wurde so bewerkstelligt.
Eine Kreisscheibe ist an ihrem Rande mit einer Grad-
theilung versehen; ihre Mitte ist durchbohrt und mit einem
Lager versehen, in welches ein kurzes Metallrohr leicht dreh-
bar eingeschoben werden kann. Auf der Seite der Grad-
eintheilung trägt das Rohr zwei Metallstreifen, deren mit
Marken versehene Enden an der Theilung bei Umdrehung
des Rohres entlang gleiten; auf der anderen Seite ist über
die Mitte der Rohröffnung ein dünner Faden gespannt.
Die Scheibe ist mit einem Fusse versehen und wird
zum Zwecke der Messung so vor den bereits senkrecht orien-
tirten Erystall gestellt, dass die Scheibenebene der Ebene
AB CD parallel ist. Durch Drehung des Rohres wird der
Faden horizontal gestellt, sodass er der Ebene des Tisch-
chens parallel ist, wonach auf beiden Seiten an den Zeiger-
marken abgelesen wird. Hierauf wird durch Drehung des
Rohres der Faden mit der Kante DC zur Coincidenz ge-
bracht und neuerdings abgelesen. Die Differenz beider Ab-
lesungen gibt unmittelbar r. Ich verhehle mir durchaus
nicht, dass dieses Verfahren mancher Vervollkommnung
fähig wäre; es gibt indessen bei einiger Uebung hinreichende
Genauigkeit.
1. Messung für das ordentliche Hauptbild.
Der Krystall wurde auf die oben angegebene Weise
orientirt, durch Drehung um die verticale Axe des Tisch-
chens das ordentliche Hauptbild zum Verschwinden gebracht,
bezw. die Verschwindungsstelle in die Mitte des Spaltbildes
dirigirt, dann r und r gemessen. Da der Krystall verkehrt
auf dem Tischchen steht, ist für v statt r — p zu setzen
(^ — r , damit einem positiven z auch positives v ent-
spreche.
614
jR. GeigeL
Aus r wurde i berechnet nach sin i = sin rln\ für n der
Brechungsquotient des ordentlichen Strahles 1,658 für gelbes
Licht (wofür alle Messungen gelten) gesetzt.
1)
T= 28«
v- -21
9'.
27^
; r=41«
; t == 23
10' -"
23 30.
2)
t= 21
v= - 18
25
48
; r=4l
; t = 23
0 30;
18 50.
3)
r= 4
V = + 3
20;
1\
, r=41
t =23
16 30;
27 20.
4)
r= - 5
t;= +12
30
57
; r=41
; it = 23
30 — ;
83 20.
5)
T= - 7
v = + 15
48 :
5;
; r= 41
; t = 23
39 30;
38 10.
6)
r = - 17«
i. = + 25
36:
81;
; r=43
, / = 24
19 30;
26 50.
7)
r= -23
u = 4- 20
30;
47;
r= 45
1 = 25
14 — ;
21 20.
ß)
T= - 38
1» = + 45
10
87;
; r= 48
» = 26
26 — ;
49 30.
Noch in demselben Sinne weiter geführte Messungen
werden immer schwieriger und unzuverlässiger und zuletzt
unmöglich, da jetzt in das Beobachtungsfeld eine Menge
anderer Bilder eintreten, die zum Theil einer mehrfachen
Beflexion angehören, und weil endlich totale Beflexion an
AEFD kein Licht mehr austreten lässt.
Man erkennt übrigens recht gut den Gang der Ver-
schwindungscurve.
In Nr. 1) und 2) ist z^ negativ, also unterhalb der
y-Äxe, geht durch 0 und ist von Nr. 3) ab positiv. Der Ein-
fallswinkel wird, je näher z^ der F-Axe von beiden Seiten
her rückt, um so kleiner, um so kürzer wird also der Badius-
vector der Curve. Wir werden es also in der That mit
einer ellipsenähnlichen Curve zu thun haben, deren kleine
Axe unterhalb der JT-Axe liegt.
Die Curve erscheint in der That, wie erwartet werden
musste, nach innen gedrängt, ausserdem aber auch nach
unten verschoben, woraus, wie schon bemerkt, auch folgt,
dass die Curve des derivirten Bildes nach unten verschoben
sein muss, um so stärker, je weiter innen einer ilirer Punkte
liegt.
Schwingungtrichtang des polar isirten Uclites, 615
IL Das derivirte Bild des ordentlichen Hauptbildes.
Ein Theil der Verschwindungscurve fällt mit der Grenze
der totalen Beflexion zusammen. Es ist indessen nicht leicht,
zu constatiren, wo gerade die Curve in den Kreis der totalen
Reflexion eintritt, und wo sie ihn wieder verlässt. In dieser
Hinsicht angestellte ungefähre Messungen ergaben, dass für
1;== — 46^ der Verschwindungspunkt noch ziemlich weit
innerhalb der Grenze der totalen Beflexion ist; es ist hier
r = 69^ 22', i = 34^ 22^, also der Verschwindungspunkt un-
gefähr 3^ innerhalb der mehrgenannten Grenze.
Etwa bei v = — 2^ tritt die Verschwindungscurye in
letztere ein, und bei i; = + 37 ^ bis 38^ verlässt sie dieselbe
wieder und ist nicht mehr sichtbar, nachdem sie in eine
feine Spitze ausgelaufen ist.
Dabei ist zu bemerken, dass bei 1; = +37® bis 38® auch
die letzte Spur der Verschwindungscurve die Grenze der
totalen Beflexion verlassen hat. Die Curve selbst ist ja
nicht scharf abgegrenzt, sondern auf beiden Seiten allmäh-
lich sich verlierend. Wirkliches Auslöschen des Lichtes tritt
freilich nur- im Kern der Curve ein, zu beiden Seiten wird
es blos schwächer, und es ist recht schwer zu entscheiden,
wo gerade das Licht vollständig verschwindet. Denn ist die
Lichtquelle ziemlich schwach, so verschwindet ein Bild dem
Auge früher, als es den Curvenkern erreicht hat, ist sie
dagegen sehr intensiv, so blenden die übrig bleibenden drei
Bilder dermassen, dass man wieder nicht mit Sicherheit die
Stelle absoluten Verschwindens anzugeben weiss.
Wenn vorhin gesagt wurde, dass die Curve für i» = 37**
die Grenze der totalen Beflexion verlässt, so ist natürlich
der Kern der Curve durch diese schon früher hindurch-
gegangen. Jenseit dieser Grenze ist eine Curve nicht mehr
sichtbar, und daher erklärt sich das schliessliche scheinbare
Auslaufen in eine Spitze.
Eiine besondere Messung muss ich noch erwähnen. Mit
ziemlicher Sicherheit kann ich sagen, dass das derivirte Bild
gerade auf der Grenze der totalen Beflexion verschwindet
filr r = - 6® 24', also t; = + 1® 3'.
Nimmt man den Punkt z^^z^j i/i=^ z^^ Coordinaten-
6(16 R. GeigeL
mittelpunkt, so wird die Gleichung der y2r-Spar der Einfalls-
ebene hier:
(9) z^yAg\^%\ oder z = y . 0,018 828.
Der VerschwinduDgspnnkt liegt auch auf der Grenze
der totalen Reflexion.
Für solche muss sin t// (Fig. 10) dem Brechungsexpo-
nenten des ordentlichen Strahles gleich sein; da:
cos rp = -:=^— — .^-^71^ _ ist,
so ist: sin^t/; = 1 — ,— — , -f- . .,-;
rj
es muss also: 1 j-r — ^-f^ r-, = n* sein,
woraus als Gleichung für die Curve totaler Reflexion sich
ergibt: y^* + Zj» - z^ 2 . z^ = Y^\i^o^ - V-
Für Kalkspath und die Linie D des Spectrums ist:
n = "^. sodass die Rechnung gibt:
yi* + -?i' - ^1 . 2^0 = 0,57 x^» - ZoS
welche Gleichung durch Substitution von z^ =» Zj + z^p auf
den Mittelpunkt und auf das soeben eingeführte Goordinaten-
system reducirt wird und dann:
(10) y,2 + Zj2 = 0,57 a-^^ lautet.
Da die optische Axe mit der yZ- Ebene einen Winkel
von 60® bildet, so ist, wenn wir z^ = l setzen:
Xq = ctg 30« = 1,732; V = 3.
Gleichung (10) wird dadurch:
(11) y,2 + z,2 = 1,30772.
Aus (9) und (11) findet man den Punkt ^^z^, flir den
das derivirte Bild verschwindet, nämlich:
y^ = 1,3072, z, =0,023 959,
oder nadi dem alten Uoordinatensystem rund:
yj=l,31, z, = 1,02,
was mit der Gleichung (7) gut übereinstimmt.
Es ist doch bemerkenswerth, dass die beobachtete Ver-
schwindungscurve mit der gerechneten gerade da gut über-
einstimmt, wo eine Moditication der Curve durch theilweise
Schwingunffsrichtunff (lex polarisirten Lichtet, 617
Reflexion nicht mehr stattfinden kann, nämlich auf der Grenze
der totalen Reflexion, wo höchstens noch der Umstand die
Curve alteriren kann, dass die Componente OC vielleicht
noch nicht ganz um A/4 gegen OB verzögert ist.
Ja, es könnten sogar genaue Messungen der Verschwin-
dungsstelle auf der Grenze der Totalreflexion dazu dienen,
die Grösse der relativen Verzögerung einer der beiden Gom-
ponenten au3 der Differenz zwischen dem beobachteten und
dem aus (7) sich ergebenden Verschwindungspunkte zu rechnen,
woraus dann wieder Schlüsse auf die EUipticitätsconstante
des Kalkspaths bei innerer Reflexion gezogen werden könnten.
In ähnlicher Weise könnte der Unterschied zwischen
berechneten und beobachteten Verschwindungscurven des or-
dentlichen fiauptbildes zur Feststellung der Reflexionsgesetze
bei innerer Reflexion benutzt werden, wenn die EUipticitäts-
constante bereits feststeht. Man miisste dann nur die beiden
Gleichungen (4) und (5) bequem handhaben können. Da
deren Hauptcomplication in den Grössen x^, y^ und z^ liegt,
so möchte ich, obwohl dies nicht in strengem Zusammen-
hange mit vorliegender Arbeit steht, noch kurz angeben,
dass diese Grössen für einen bestimmt geschliffenen Erystall
eine verhältnissmässig bequeme, der Rechnung und weiteren
analytischen Behandlung zugänglichere Form annehmen.
Für den hier ausschliesslich gebrauchten Krystall, in
dem die optische Axe mit der reflectirenden Fläche 60^ ein-
schliesst, ist z^^ \^ .r^ = 1,732.
Für a und c haben wir die reciproken Werthe der zwei
Brechungsexponenten des Kalkspathes für gelbes Licht zu
setzen, also:
-= 1,187 = 0'«'250, . = ^3=0,60314.
Die einzelnen Theile der Gleichung für z, kann man
nach Potenzen von y^ und z^ ordnen, deren Coi^fficienten
rechnen und die gleichnamigen Potenzen zusammenziehen.
Man erhält dadurch:
«3 = - 0,20405 .^1 + 0,20405 . «, + y-~0,mil^y^ z^*
+ 0,2Öb95y7*«i + 0,02978 y7' + 0,25719 «i» - 0,51488 «, "+~llÖ2876 ;
ferner : a?, = 0,49989 . y^ — 0,49989 . ^j r^ -f 0,7 1 7 7 7 . Zj
und ^3 »0^74983.^1.
618 jR. Geiffel. Schwingungsrichtung des polar, Lichtes,
Ich muss noch sagen, dass ich mir wohl überlegt habe,
ob nicht das beobachtete Verschwinden einzelner Bilder aas
einem anderen Gesichtspunkte sich erklären Hesse. Ich
konnte mir jedoch schlechterdings auf keine andere Weise
die Sache erklären. Totale Beflexion an der Austrittsfläche
ist ausgeschlossen, denn erstens ist letztere so gewählt wor-
den, dass im kritischen Beobachtungsgebiet eine solche nicht
eintritt, zweitens erscheinen ja die Bilder auf der anderen
Seite der Verschwindungscurve wieder, drittens bleiben die
anderen drei Bilder, wenn eines verschwindet, ganz unbe-
helligt.
Man könnte ferner daran denken, dass bei Strahlen, die
unter dem Polarisationswinkel einfallen, die eine Componente
OB oder OC vollständig austritt; die andere aber wird dann
ja doch in zwei Componenten zerlegt, von denen die eine
einen ordentlichen, die andere einen ausserordentlichen Strahl
zur Folge hat.
Wenn man bedenkt, dass in vorliegender Arbeit nicht
zuerst die Gurven gesehen wurden und dann nach einer Er-
klärung derselben gesucht wurde, sondern dass zum Zwecke
des Entscheids über die streitigen Ansichten zuerst Ver-
schwindungscurven berechnet, dann wirklich solche aufge-
funden wurden, zwar nicht an Stellen, die vollständig mit
der Rechnung übereinstimmen; dass aber von vornherein aus
theoretischen Gründen eine völlige Uebereinstimmung als ein
gar nicht zu erwartendes Ereigniss angegeben war, und end-
lich, dass die Art der Abweichung zwischen Rechnung und
Beobachtung plausibel gemacht werden konnte, wenn auch
über den Grad der Abweichung rechnerisch noch nichts ge-
sagt werden kann, so darf mau wohl die Richtigkeit der
Behandlung des StoflFes annehmen.
Sollte es trotzdem noch möglich werden, die Verschwin-
dungscurven auf andere Weise zu erklären, so bleibt der
Arbeit, glaube ich, dennoch der Werth, dass in ihr Er-
scheinungen aufgefunden wurden, die für die Charakterisirung
der Lichtvorgänge bei innerer Reflexion und das, was aus
solchen auf Lichttheorie und Constitution des Krystalles ge-
schlossen werden kann, von Bedeutung sein werden.
A. IVülhier. Gasspectra, 619
VII. Veher den allmählichefh Vebergang
der Gasspectra in ihre verschiedenen Farmen;
von Am Willlner.
(Aus den Sitzungsber. der Rönigl. Preiiss. Acad. der Wiss. zu Berlin
vom 25. Juli 1889; mitgetheilt vom Hm. Verf.)
1. Vor zehn Jahren habe ich gezeigt,^) dass man das
gewöhnliche Bandenspectrum des Stickstoffs durch stets wei-
ter getriebene Verdünnung des Gases in ein Spectrum ver-
wandeln kann, dessen Maxima im Grünen und Blauen an
ganz anderen Stellen liegen , als im gewöhnlichen Banden-
spectrum; ich zeigte damals, dass diese Umwandlung eine
allmähliche ist, dass man das allmähliche Hellerwerden der
neuen Maxima bei schrittweise fortschreitender Verdünnung
des Gases verfolgen kann. Als letzter Rest des Spectrums
bei der stärksten erreichten Verdünnung blieben wesentlich
diese Maxima als helle Linien übrig, deshalb nannte ich das
ISpectrum ein Linienspectrum des Stickstoffs. In diesem
Spectrum fand sich schon eine nicht unerhebliche Zahl von
Linien des Plücker' sehen Linienspectrum», von denen ich
unter anderen die allmähliche Eotwickelung der beiden cha-
rakteristischen hellen Linien mit den Wellenlängen 500,8 und
500,4 beschrieben habe. Gerade in diesem allmählichen
Hervortreten der im gewöhnlichen Bandenspectrum nicht
vorhandenen Maxima, welche man, sobald ihre Helligkeit
gross genug geworden ist, als aus einzelnen Linien zusam-
mengesetzt erkennt, sah ich einen Beweis dafür, ^) dass ein
so qualitativer Unterschied zwischen den von Plücker als
1) Wüllner, Wied. Ann. 8. p. 590. 1879.
2) Hr. Kayser hat diese meine Beobachtungen ganz übersehen,
wenn er in seiner 1883 erschienenen Spectralanalyse noch behauptet, der
Uebergang vom Bandenspectrum zum Linienspectrum sei stets ein sprung-
weiser, und dies als Beweis dafür ansieht, dass es andere Molecüle seien,
welche das Bandenspectrum, andere, welche das Linienspectrum liefern.
Auch Hr. Hasselberg scheint von dem Inhalte meiner Abhandlung nur
eine sehr unvollständige Kenntniss gehabt zu haben, wenn er in seiner
Abhandlung zur Spectroskopie des Stickstoffii (Mdm. de l'Acad. de 8t
P^tersbourg (7) 82. 1885) meint, dass bei meinen Vermchen der Qtitkr
Stoff nach Durchgang durch ein Zwischenstadium in seine Atome
faUen sei.
620 A. Wüllner,
Spectra erster und zweiter Ordnung bezeichneten Spectren
nicht vorhanden ist, wie die Auffassung es verlangt, dass
das eine Spectrum den Molecülen, das andere den Atomen»
wie sie durch eine Zerreissung der Molecüle entstehen, ent-
spricht. Es schien mir das vielmehr zu beweisen, dass wir
in dem beobachteten Spectrum eben jenes Licht wahrnehmen,
wie es von den Gasmolecülen je nach der Temperatur, sowie
Dicke und Dichte der strahlenden Schicht mit solcher In«
tensität ausgesandt wird, dass wir es in dem durch Zerlegung
des ausgesandten Lichtes entworfenen Spectrum wahrnehmen
können. ^)
Im vergangenen Winter habe ich die Frage der Verän-
derlichkeit der Gasspectra neuerdings experimentell verfolgt,
insbesondere um zu versuchen, ob sich nicht auch jene Linien
des Plücker'schen Linienspectrums allmählich hervorrufen
Hessen, welche sich in dem damals von mir beschriebenen
Spectrum noch nicht fanden, allgemeiner ob sich nicht ein
stetiger Uebergang der verschiedenen Formen der Spectra
der Gase erreichen lasse.
Da nach der von mir vertretenen Auffassung der Spectra
die Linienspectra so zu sagen unvollständige Spectra sind,
die uns in der beschränkten Zahl von hellen Linien nur die *
intensivsten der von den Gasen ausgesandten Wellen zeigen,
weil sie nur von der durch den Funken getroflFenen MolecQl-
reihe ausgesandt werden, so handelte es sich für mich vor-
zugsweise darum, zu versuchen, ob es nicht möglich sei,
dickere Schichten der Gase auf erheblich verschiedene Tem-
peraturen zu bringen. Die dickeren Schichten müssen nach
meiner Auffassung das vollständige Spectrum liefern, also auch
zeigen, wenn es gelingen sollte, die dickeren Gasschichten auf
jene Temperatur zubringen, bei welcher die Linien des Linien-
spectrums sich zeigen, ob in der That dann das Spectrum
nur aus diesen besteht, wie es Ängström und seine Nach-
folger wollen, oder ob die Linien in der That nur die hell-
sten eines vollständigen Spectrums sind.
2. Ich benutzte zu diesen Versuchen Spectralröhren mit
longitüdinaler Durchsicht und einer bis 150 cm gehenden
1) Man sehe auch Wüllner, Wied. Ann. M, y. 647. 1888.
Crasspectra. 621
L&nge. Es wurden hauptsächlich vier solcher Röhren an-
gewandt, deren lichte Weite 2 cm, 1 cm, 0,5 cm und 0,25 cm
betrug. Die Röhren waren doppelt T-förmig, sodass sich
die Electroden stets seitlich von der strahlenden Schicht und
etwa 6 cm von derselben entfernt befanden. Die 0,25 cm
weite Röhre hatte drei Paare von Electroden, zwei an den
Enden, eines in der Mitte, sodass bei dieser Röhre als strah-
lende Schicht eine Länge von 75 cm oder 150 cm benutzt
werden konnte. Bei gewissen Drucken wurde nämlich durch
Verwendung der ganzen Rohrlänge der Strom so geschwächt,
dass das von der Röhre ausgesandte Licht bei Benutzung
der halben Rohrlänge heller war, als bei Benutzung der gan-
zen. Die Röhren waren nebeneinander gelegt und durch
angeschmolzene Verbindungsröhren unter sich und mit einer
Töpler 'sehen Luftpumpe verbunden. Vor den Röhren, aber
durch ein Quecksilberventil von ihnen getrennt, befand sich
ein grösserer Behälter, ein etwa 3 cm weites Barometer, das
mit Gasen gefüllt werden konnte. In dem Barometer war eine
Eisendrahtspirale in der von mir früher^) beschriebenen Weise
angebracht, zu dem Zwecke, um durch längeres Glühen der-
selben die Luft vom Sauerstoff befreien zu können. Um den
Behälter mit trockenen reinen Gasen füllen zu können, war
vor demselben die von Hrn. Cornu^ beschriebene Vorrich-
tung angebracht und zwischen dieser und dem Behälter ein
langes Rohr mit wasserfreier Phosphorsäure. Zwischen dem
erwähnten Quecksilberventil und den Spectralröhren war,
ebenfalls nach dem Vorschlage des Hrn. Cornu, eine mit
Schwefelstücken und eine mit blanken Kupferspähnen gefüllte
U-Röhre eingeschaltet, um Quecksilberdämpfe aus den Spec-
tralralröhren fern zu halten. Die Verbindung der Spectral-
röhren mit der Pumpe war so geführt, das dasselbe Röhren-
system mit Schwefel und Kupferspähnen die Pumpe von den
Spectralröhren trennte.
Bei den Versuchen mit Luft und Stickstoff wurde der
an der C or nu'schen Vorrichtung angesetzte Wasserzersetzungs-
apparat nicht gefüllt, man liess einfach, nachdem bei gcsenk-
1) Wüllner, Pogg. Aon. 14Ö. p. 103. 1873.
2) Cornu, D*Alineida Journ. de phys. (2) 5. p. lOOu. MX. 18»6.
Ö22 A. Wüüner.
lern Quecksilberventil die ganze ZusammeDstellung möglichst
vollständig ausgepumpt war, durch das Rohr des Wasserzer-
setzuDgsapparates Luft hindurch gehen, um den Behälter mit
trockener Luft zu füllen.
Die Beobachtungen des Stickstoifspectrums wurden zu-
erst mit trockener Luft, später unter Verwendung von Stick-
stoff durchgeführt, indem die Luft durch längeres Glühen
der Eisendrahtspirale vom Sauerstoff befreit wurde. Ob der
Stickstoff ganz vollständig vom Sauerstoff befreit war, weiss
ich nicht, iudess hat die Anwesenheit einer geringen Menge
Sauerstoff bekanntlich keinen Einfluss auf die Spectralerschei-
nungen.
3. Spectra des Stickstoffs. — Das Bandenspectrum.
das diese langen Röhren bei Anwendung eines kräftigen In-
ductionsstromes und bei dem für die Entwickelung des Spec-
trums günstigsten Gasdrucke geben, ist von einer sehr
grossen Helligkeit, auch in dem 2 cm weiten Rohr, sodass
man in dem Spectrum sehr viel mehr Einzelheiten erkennen
kann, als in den gewöhnlichen Spectralr Öhren. Man erkennt
sofort, was übrigens schon Hr. Hasselberg in seiner vor-
hin erwähnten Abhandlung: „Zur Spectroskopie des Stick-
stoffs*', gezeigt hat, dass die Banden sich aus einzelnen Linien
der verschiedensten Helligkeitsgrade zusammensetzen, dass
also jiuch diese Spectra Linienspectra sind. Die Verlänge-
rung der strahlenden Schicht bewirkt keine Verbreiterung
der Linien, sondern lässt ihnen ihre volle Schärfe, wie es auch
nach der von Helmholtz' sehen Absorptionstheorie sein
muss, wenn die lichterregenden Schwingungen ohne Reibung
stattfinden.
Das Spectrum scheint im Rothen bis zur Grenze des
überhaupt sichtbaren Roth zu reichen; ich glaube nämlich,
in diesem äussersten Roth noch sehr schwache Banden ge-
sehen zu haben, und bei verschiedenen Einstellungen der
Grenze, bis zu welcher ich Licht zu sehen glaubte, kam ich
stets in die Gegend der Fraunhofer'schen Linie A, Mess-
bar wird das Spectrum erst bei der Wellenlänge 688,27, also
fast genau bei der Fraunhofer^ sehen Linie B. Die be-
kannton im Roth, Orange, Gelb bis zum Gelbgrün liegenden
Gasspectrcu 623
achtzehn Banden, von denen die erste, sowie die zehnte und
elfte (Wellenlänge 619 — 607) merklich dunkler sind als die
übrigen, erkennt man als aus mehr als zwanzig Linien, von
denen stets drei an Helligkeit hervorragen, zusammengesetzt.
Ich habe beispielsweise zwischen den Wellenlängen 591,2
und 685,8, der in der Gegend der Natriumlinie liegenden
Bande, ebenso wie Hr. Hasselberg einundzwanzig Linien
gemessen. Die Maxima dieser Gruppe sind 591,15, 590,8,
588,7. Nicht minder kann man in den grünen, blauen und
violetten Theilen, wenigstens in den lichtstärkeren Banden,
ohne Mühe erkennen, dass die Banden nichts als Linien-
gruppen sind.
Die Spectra, welche bei gleichem Drucke des Gases und
gleicher Stromstärke die vier Röhren liefern, sind, abgesehen
davon, dass das Spectrum der engsten Röhre als das hellste
mehr sehen lässt, als die Röhre von 2 cm Weite, im wesent-
lichen gleich, jedoch nicht ganz identisch. Als identisch
bezeichne ich zwei Spectra, bei denen das Helligkeitsverhält-
niss der in beiden sichtbaren Theile ganz dasselbe ist, sodass
man ohne weiteres in beiden die gleichen Linien zu gleichen
Gruppen zusammenfasst. In dem Sinne sind die Banden
vom Roth bis zum Gelbgrün in den Spectren der verschieden
weiten Röhren durchaus identisch; die weiteren Theile sind
es indess nicht ganz mehr, insbesondere tritt eine nicht un-
erhebliche Verschiedenheit in der Helligkeitsvertheilung her-
vor zwischen den Wellenlängen 560,3 und 544.5. Hinter der
Grenze der gelbgrünen Bande, welche der Wellenlänge 571,16
entspricht, folgt in dem Spectrum zunächst ein dunkler
Raum, der nur einzelne Linien, im engsten Rohre daneben
noch ein schwaches Feld, zeigt. Dem folgt eine Anzahl
Banden, resp. Liniengruppen; in dem Spectrum des 2 cm
weiten Rohres ordnen sich dieselben als fast gleichförmig
gebaute Gruppen. Jede beginnt mit einer hellen Linie, wohl
die hellste der ganzen Gruppe, nahe bei derselben tritt eine
helle Linte als zweites Maximum auf, und etwas weiter von
dieser ein drittes Maximum. Zwischen den Maximis, sowie
zwischen dem dritten und dem ersten Maximum der folgen-
den Gruppe liegen feinere Linien.
624 A. WüUner.
Die je drei Maxima dieser sieben Gruppen haben fol-
gende Wellenlängen:^)
559,45 555,6 551,9 548,2 544,5 541,0 537,5
558,8 554,9 551,2 547,7 544,0 540,5 537,0
557,2 553,4 549,9 546,2 542,5 539,1 535,7
In der Röhre von 0,25 cm Durchmesser zeigt sich die
Helligkeitsvertheilang anders und fast genau so, wie ich sie
im Jahre 1879 beschrieben habe. Abgesehen davon, dass
die Gruppenbildung schon bei der Wellenlänge 561,9 be-
ginnt, sodass schon eine Gruppe von dieser bis zur Linie
559,45 reicht, erscheint, mit der Linie 559,45 beginnend, als
erste eine Gruppe etwa gleich heller Linien, welche bis 557,2
reicht; das zweite Maximum 558,8 der weiten Röhre tritt
nicht als solches hervor. Die Linie 557,2, welche in der
weiten Röhre als drittes Maximum der ersten Gruppe er-
scheint, tritt hier so bell hervor, dass man sie als den Be-
ginn des folgenden aus Linien gleicher Helligkeit bestehen-
den Feldes auffasst, welches dann bis 555,6 reicht. Das mit
dieser Linie beginnende helle Feld reicht bis zu einer sehr
hellen Linie 553,0, auf dem Felde erscheint als hellere Linie
553,4. Die sehr helle Linie 553,0 beginnt ein schmales,
helles Feld, auf welchem als Helligkeit 552,2 auffällt Bei
der sehr hellen Linie 551,9 beginnt dann ein erkennbar aus
fünf Linien gleicher Helligkeit zusammengesetztes Feld; die
letzte dieser fünf Linien ist 548,8. Ebenso ist das bei 548,2
beginnende und bis 544,5 reichende Feld gleichmässig aus
Linien gebildet, ohne dass eine Dreitheilung des Feldes, wie
in dem Spectrum des weiten Rohres hervortritt. Erst die
folgenden Liniengruppen erscheinen wie im Spectrum des
weiten Rohres als dreitheilige Felder.
Es sind das allerdings nur kleine Verschiedenheiten, sie
reichen aber hin, um in diesem Theile das Aussehen des
Spectrums erheblich zu ändern; in den anderen Theilen des
Spectrums sind die Verschiedenheiten nicht so auffallend.
Während in der Röhre von 1 cm Durchmesser die Hellig-
keitsvertheilung noch wesentlich mit derjenigen im Spectrum
des 2 cm -Rohres übereinstimmt, zeigte sich in dem 0,5 cm-
l) Betreffs der Bestimmung der Wellenlängen vorweLse ich auf meine
Abhandlung in Wied. Ann. 8. p. 590. 1879.
Gasspectra. 626
Rohre ein Uebergang zu dem Spectrum des engsten Rohres
namentlich bis zur Wellenlänge 548,2.
Diese, wenn auch kleinen Verschiedenheiten der im
übrigen auf ganz gleiche Weise hervorgerufenen Spectra
zeigen, dass auch das gewöhnliche Bandenspectrum des Stick-
stoffs keineswegs ein so durchaus constantes ist, als man
gewöhnlich annimmt, dass schon kleine Temperaturver-
schiedenheiten Helligkeitsmaxima an anderen Stellen auf-
treten lassen. Denn wir können diese Aenderungen wohl
nur als durch Temperaturverschiedenheiten bedingt auffassen.
Wir machen uns dieselben durch die Annahme verständlich,
dass in dem engeren Rohr, in welchem die gleiche Ent-
ladung durch einen kleineren Querschnitt hindurchgeht, eine
Anzahl höher erhitzter Molecüle vorhanden ist, welche fELr
einen Theil derjenigen Wellenlängen, welche bei der Tem-
peratur der Hauptmasse der Molecüle noch an Intensität
zurückstehen, ein grösseres Emissionsvermögen besitzen, so
dass Liniengruppen gleicher Helligkeit entstehen an Stellen,
wo die weniger heissen Molecüle allein die dreitheiligen
Felder entstehen lassen.
4. Schaltet man parallel den Spectralröhren eine Ley-
dener Flasche ein und bringt gleichzeitig in den Stromkreis
der Spectralröhren mit Hülfe eines Funkenmikrometers eine
kleine Funkenstrecke, so ändert sich das Bandenspectrum
ganz erheblich, besonders in seinem mittleren Theile; in
diesem Theile erscheint das Spectrum als ein ganz anderes
Bandenspectrum.^) Gibt man dem Gase den auch zum
Hervorrufen des gewöhnlichen Bandenspectrums günstigsten
Druck, wendet eine nicht zu kleine Flasche an und wählt
die Funkenstrecke nur gerade so gross, dass die Flasche
stets wirkt, der Strom also nur in Form der Flaschenent-
ladungen durch die Röhre geht, so ist das Spectrum
in allen seinen Theilen sehr hell. Die Veränderung geht
1) Wenn ich die kurze Andeutang des Um. Goldstein (Berl.
MoDatsher. 1879, p. 281) richtig verstehe, hat derselbe schon Aehnliches
beobachtet, er sagt, es sei ihm gelungen, das Spectrum des positiven
Lichtes mit Luft, Stickstoff, Wasserstoff gef&Uten Röhren von beliebiger
Form durch starke Verdünnung oder durch Verstärkung der Entiadnngs-
intensitfit in ein Spectrum des ELathodcnlichtei äbenmfiBliieiL
Ann. d. Phys. n. Cb«m. N. F. XXXVIII.
626 A. WüUner.
am weitesten in der engsten Röhre , an Stelle der Maxiiua
des gewöhnlichen Bandenspectrums zeigt das Spectrum jene
Maxima, welche ich im Jahre 1879 als Linien jenes Linien-
spectrums beschrieben habe, in welches das Bandenspectrum
des Stickstoffs bei hinreichender Verdünnung des Oases all-
mählich übergeht.
Während indess damals in dem Spectrum vom Rothen,
Orange und Gelben nichts mehr sichtbar blieb, zeigte sich
jetzt das Bandenspectrum zwischen den Wellenlängen 688,27
and 577,7 ganz ungeändert, nur wird das ganze Gebiet etwas
dunkler. Die Aenderung beginnt bei der Wellenlänge 571,5,
indem diese, welche im Bandenspectrum schwach zwischen
den scharfen Linien 572,1 und 571,2 erscheint, hell wird,
während die beiden letzteren Linien an Helligkeit zurück-
treten. Zwischen den Wellenlängen 571 und etwa 440
wird die Helligkeitsvertheilung eine ganz andere, als im
gewöhnlichen Bandenspectrum, es erscheinen hier eben als
Maxima in den Banden und als einzeln stehende helle Linien
alle jene Linien des erwähnten 1879 von mir beschriebenen
Linienspectrums. Wie ich schon damals erwähnte, blieben
selbst bei der stärksten Verdünnung zwischen den hellen
Linien noch einzelne schwache Felder sichtbar, jetzt bei den
tiefen leuchtenden Schichten erkannte man, dass diese Linien
die Maxima eines schönen Bandenspectrums, d. h. aus Grup-
pen von Linien der verschiedensten Helligkeitsgrade be-
stehenden Spectrums sind. Die neuen Messungen haben mit
wenigen Ausnahmen alle die Linien ergeben, welche damals
bestimmt wurden. Dass einige der früheren Linen fehlen,
und dafür andere sich zeigen, kann nicht auffallen, da, wie
gleich hervortreten wird, die Zahl der auftretenden Maxima
sehr von der Verdünnung des Gases abhängig ist, wie auch
bei stärkerer Verdünnung Maxima verschwinden, welche bei
grösserer Dichte des Gases noch vorhanden sind. Die ge-
messenen Maxima und einzelnen hellen Linien sind in der
nachher folgenden Tabelle zusammengestellt.
Auch hier zeigte sich der Eintiuss der Röhrenweite. In
den weiteren Röhren trat die Umwandlung der Spectra nicht
so vollständig ein. So entwickelten sich bei der gleichen
(.Tasdichte beispielsweise schon in dem Rühre von 0,5 cm
Gasspecira. 627
.Durchmesser die beiden Linien 500,8 und 500,4 nicht, es blieb
dort ein gleichmässig beleuchtetes Feld. So erschien in dem
2 cm weiten Bohre die bekannte Nordlichtlinie 556,5 gar
nicht, während in dem engen Rohr dieselbe als sehr hell
bezeichnet wurde; überhaupt ist die Aenderung im weiten
Bohr zwischen 561 und 533 viel weniger hervortretend als
in dem engen Rohr, es blieben gerade dort vielmehr die
Maxima des gewöhnlichen Bandenspectrums als solche.
5. Wenn man bei stets eingeschalteter kleiner Funken-
strecke von dem Drucke aus, bei welchem das Bandenspec-
trum sich am schönsten entwickelt, das Gas weiter und
weiter verdünnt, so treten neben einer allgemeinen Ver-
dunkelung des ganzen Spectrums zu den früher erschienenen
Maximis neue hinzu, und einzelne vorhandene verschwinden
oder treten doch an Helligkeit zurück. Gleichzeitig lösen
sich die hellen Felder im Grünen, welche in dem vorher
besprochenen Spectrum zum Theil nur schwierig die feinen
Linien erkennen lassen, aus denen sie zusammengesetzt sind,
in einzelne scharfe, deutlich voneinander getrennte Linien
auf. In hervorragend schöner Weise zeigt sich das in den
Feldern, welche mit den Wellenlangen 542,3 — 532,3 — 523,1
— 515,0 — 504,5 — 471,0 beginnen. Bald zerfällt die im
Bandenspectrum bei 465,1 beginnende blaue Bande in ein-
zelne Linien, und gleichzeitig fangen im Rothen, Orange und
Gelben einzelne Linien an Helligkeit zu wachsen an, sodass
sie als helle Linien von den übrigen Linien dieser Gruppen
hervortreten. Ob die Helligkeit aller dieser Linien wirklich
zunimmt, ob nicht zum Theil wenigstens ihr Hervortreten
dadurch bedingt wird, dass ihre Umgebung schneller an
Helligkeit abnimmt^ ist schwer zu sagen. So erscheint im
Rothen zuerst die helle Linie 648,5, im Orange 592,6 — 593,8.
Die Zahl der hellen Linien wächst mit abnehmendem Drucke,
und es genügen schon sehr geringe Druckänderungen, um
die Zahl der hervortretenden Linien, ja auch das Helligkeits-
verhältniss einzelner zu ändern. Für diese letztere Aenderung
bietet ein auffallendes Beispiel das Linienpaar 534,9 und
534,6. Bei einem sehr geringen Drucke des StickstofiFes ist
die Linie 534,9 sehr hell, die andere so schwach, dass sie
kaum sichtbar ist; der Zutritt einer Spur Stickstoff liess
628 A. Wüüher.
dagegen die zweite so hell und die erste so schwach werden,
dass dieselbe fast nur als eine Yerwaschung der zweiten nach
der weniger brechbaren Seite erschien. Bei diesen Beob-
achtungen war der Druck schon ein so kleiner, dass eine
ganz kleine Aenderung des Druckes auf den Durchgang des
Stromes von grossem Einäuss ist, das Bedingende dieser
Erscheinung ist demnach nicht die geringere oder grössere
Dichte der strahlenden Schicht, sondern die durch die Dich-
tigkeitsänderung bewirkte Temperaturänderung. Ein Beweis
hierfür liegt darin, dass man bei der zuletzt hergestellten
Gasdichte die Linie 534,9 wieder zur helleren machen kann,
indem man die Funkenstrecke verlängert. Dasselbe ergab
sich mit den Linien 480,8 und 480,4, Verlängerung der
Funkenstrecke Hess die erstere verdunkeln und bewirkte das
Hellerwerden der zweiten, resp. wurde dieselbe erst bei län-
geren Funken sichtbar.
Einen unmittelbaren Einfluss der Dichte der strahlen-
den Schicht, bez. der Zahl der leuchtenden Molecüle möchte
es dagegen zuzuschreiben sein, dass in den vorhin erwähn-
ten hellen Feldern, welche aus feinen Linien zusammen-
gesetzt sind, die Zahl der Linien von der Gasdichte ab-
hängig ist; mit abnehmendem Drucke rücken die sichtbaren
Linien weiter auseinander, d. h. es verschwindet eine Anzahl
der weniger hellen Linien zwischen den helleren, die auch
bei dem geringsten von mir benutzten Drucke sichtbar
bleiben.
Das so allmählich sich entwickelnde Spectrum kann kurz
dahin charakterisirt werden, dass zu dem im vorigen Para-
graphen beschriebenen Bandenspectrum allmählich fast sämmt-
liche Linien des Plücker'schen Linienspectrums und noch
eine Anzahl anderer hinzutreten, bez. als hellere aus den
Liniengruppen des Bandenspectrums sich entwickeln.
Wenn auch diese allmähliche Entwickelung des ganzen
Spectrums unter Parallelschaltung der Flasche mit einge-
schalteter kurzer Funkenstrecke beobachtet wurde, so treten
doch qualitativ dieselben Erscheinungen auch ohne Anwen-
dung des Flaschenfunkens bei stärkerer Verdünnung auf.
Unter erheblicher Verdunkelung der Banden im Roth, Orange
und Gelb entwickeln sich auch dort Linien des Plücker'-
Gasspectra. 629
sehen Linienspectrums, wenn auch nicht so zahlreich wie
unter Benutzung des Flaschenfunkens, auch einzelne, welche
in dem Spectrum, welches durch die Flaschenentladung ent-
stand, nicht bemerklich hervortreten. Es kam also annähernd
dasselbe Spectrum heraus, wie mit Funken, nur war dasselbe
dunkler und deshalb nicht so reich. Einzelheiten anzugeben,
halte ich fQr unnöthig, da dieselben zu sehr von der vorhan-
denen Dichte des 6ases abhängig sind.
Der Einfluss der Böhrenweite zeigt sich immer in dem-
selben vorher erwähnten Sinne, die Aenderungen des Spec*
trums gehen in den weiteren Bohren nicht so weit. So ent-
wickelten sich in dem 2 cm weiten Bohre die Linien im
Both, Orange und Gelb selbst bei dem geringsten Drucke
nicht, ebenso zerfiel die bei 465,2 beginnende Bande nicht in
Linien, im 1 cm weiten Bohre trat letzteres bei gleichem
Drucke ein und ebenso zeigten sich schon einzelne Linien
im Both, Orange und Gelb. In dem 0,5 cm weiten Bohre
kamen die Erscheinungen denjenigen im ersten Bohre sehr
nahe.
In der nachfolgenden Tabelle stelle ich die von mir ge-
messenen Maxima im gewöhnlichen Bandenspectrum, in dem-
jenigen der Flaschenentladung bei höherem Drucke und bei
geringerem Drucke zusammen. Daneben stelle ich die Linien
des Plücker'schen Linienspectrums; soweit ich sie im Jahre
1879 gemessen habe, nach meinen Messungen, im übrigen
nach der Zusammenstellung des Hrn. Watt's in seinem
Index of spectra.^) Spalte I enthält die Maxima des ge-
wöhnlichen Bandenspectrums. Spalte II die des Spectrums
der Flaschenentladung bei höherem Druck von 571,5 an, bis
dort sind die Maxima die gleichen, wie im gewöhnlichen
Bandenspectrum, also wie in I; Spalte III die Maxima des
Spectrums der Flaschenentladung bei sehr kleinem Drupk,
und Spalte IV die Linien des Plücke r' sehen Linien-
spectrums.
Von den ersten 18 Banden gebe ich ausser für die erste,
zweite, zehnte und elfte neben den drei Maximis auch noch
eine vierte Linie, welche die Grenze des helleren Theiles
der Banden bildet.
1) Letztere sind mit eiuein Sternchen bezeichnet
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6. äauerstofil. — Erheblich einfacher als bei dem ätick-
Stoff yerlaufen die Spectralerscheinungen bei dem Sauerstoff,
es entwickelt sich aus einem schwachen Lichtschein im Grü-
nen, der bei einem Gasdrucke sich zeigt, bei welchem zuerst
im Spectrometer Licht sichtbar wird, nach und nach bei
abnehmender Dichte das vollständige Sauerstoffspectrum.
Dabei ist der Unterschied nur ein sehr kleiner, wenn man
statt des einfachen Inductionsstromes die Entladungen der
Flasche durch die Spectralröhre sendet. Da das vollständige
Sauerstofispectrum bisher überhaupt noch nicht beschrieben
ist, so möge hier zunächst die Beschreibung derselben fol-
gen, wie es in der 0,25 mm weiten und 150 cm langen Röhre
sich zeigte.
Das vollständige Sauerstoffspectrum besteht aus einer
Anzahl einzeln stehender heller Linien, fünf hellen Linien-
gruppen in Form von Banden und einigen lichtschwachen
Feldern, welche zu wenig hell sind, als dass man sie aus
Linien zusammengesetzt erkennen kann. Auf den Banden
und, so viel man sehen kann, auch auf den lichtschwachen
Feldern ist die Helligkeitsvertheilung eine dem Sauerstoff
1) Feld reich au Liuieu.
Goispectra, 6S3
eigenthümliche und ganz andere, als im Bandenspectrum des
StickstofiFs. Während in den Banden des letzteren fast aus-
nahmslos das Helligkeitsmaximum an dem weniger brech-
baren Rande sich befindet, und die Helligkeit nach der brech-
bareren Seite stetig, wenn auch mit einigen Unterbrechungen
durch zweite und dritte Maxima abnimmt, liegt bei den
Sauersto£Fbanden das Maximum der Helligkeit stets nahe
der Mitte, etwas näher der stärker brechbaren Seite. Die
Banden machen mir stets den Eindruck von Prismen, deren
Kante, das Maximum, dem Beschauer zugewendet ist, und
welche auf der den grösseren Wellenlängen entsprechenden
Fläche stärker beleuchtet sind, als auf der den kleineren
Wellenlängen entsprechenden Fläche. Die schwachen Felder,
am deutlichsten die vier zwischen den Wellenlängen 518 und
496 liegenden, haben ihr Maximum auf oder nahe dem brech-
barsten Rande. Während die Banden so hell sind, dass man
die einzelnen sie zusammensetzenden Linien scharf messen
kann, sind bei den Feldern die Grenzen kaum scharf ein-
zustellen, sodass die für diese angegebenen Werthe nur an-
nähernde sind.
Von den fünf Banden habe ich früher^) bereits vier, wenn
auch nicht so ins einzelne gehend beschrieben, von der ro-
then Bande habe ich früher nur undeutliche Spuren gesehen,
und da ich die dem Sauerstoff eigenthümliche Helligkeitsver-
theilung nicht erkennen konnte, dieselbe einer Verunreinigung
des Sauerstoffs durch Kohle zugeschrieben.
Im Folgenden gebe ich die Beschreibung des Spectrums
und die gemessenen Wellenlängen. Die Spalte I der Wellen-
längen gibt die ohne Benutzung der Flaschenentladungen ge-
messenen Wellenlängen, die Spalte II gibt das, was durch
Anwendung der Flaschenentladung hinzutrat.
1) Wülluer, Wied. Ann. 8. p. 263. 1879.
684
A. WüUner.
BeBchreibang des Spectrums.
WellenlftDgen
1^
I.
Scharfe Linie
Beginn der reihen Bande mit scharfer Linie .
Auf der Bande gemessene hellere Linien
sehen denen noch schwächere sichtbar sind
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n.<
III.
Hellste Linie der Bande
Feine Linien gleichen Abstandes, die zweite u.j
fünfte gemessen |
Scharfe Linie, Plückers 0,, auf dunklem Grunde
Desgl
Desgl
. Desgl
Beemn der orange Bande, scharfe Linie . . .
HeUe Linie, vor welcher noch feinere Linien
sichtbar sind
Mitte einer Doppellinie
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Feine Linie
DesgL
Desgl.
Hellste Linie der Bande
Feine Linie neben dem Maximum
Desgl.
Desgl.
Helljte Linie der brechbareren Hälfte der Bande
Ebenfalls recht helUt Linie
Feine Linie
Desgl
Desgl. Grenze der Bande
Feine Linie auf dunklem Grunde
^ Beginn d(;r gelben Bande, welche im ganzen we-
niger bell ist, als die orange Baude, mit schar-
fer heller Linie
Helle Linie
Desgl., erscheint etwas breiter als die vorige
scharf, heller als die vorige
sehr fein, Mitte des dunkleren Feldes
hell, Grenze des dunkleren Feldes . .
hell, hellste der Bande
cbenfallB hell
Nach einem dunkleren, zarte Linien enthaltenden
Felde folgt heller
Nach einem gleichfalls zarte Linien enthaltenden
Felde scharf, die hellste der brechbareren Hälfte
(xrenze des helleren Theils der Bande, scharfe
Linie
Folgt noch eine Anzahl schwacher feiner Linien,
deren letzte ist
j>
I
645,76
643,53
641,84
640,67
639,50
638,53
637,23
636,51
636,01
635,51
635,01
634,51
633,99
615,26
611,45
604,89
603,72
603,28
601,85
600,94
599,76
598,91
598,48
598,28 ]
597,86 -
597,52
597,10
596,70
596,30
595,90
595,40
594,90
594,30
593,60
I
592,80
591,70
590,80
589,80
589,27
588,65
588,10
587,40
585,78
583,98
I .
588,34 I
:>79,89 '
Gasspectra,
686
IV. <
Beschreibung des Spcctrums
Wellenlängen
1 n
Schwacher Lichtschein zwischen etwa . . .
Desgl. zwischen etwa
Mit der Wellenlänge
beginnt ein schmales, aus feinen Linien be-
stehendes Feld, bis mit der sehr hellen Linie
die hellste Bande des ganzen Spectmms be-
beginnt. Zunächst folgt ein mit leinen Linien
bedecktes Feld bis zur sehr hellen Linie . .
Auf schmalerem Felde folgt fein, hell ....
Hellere Linie
Desgl
Desgl
Breite helle Linie
Scharf, feine Linie auf dunklem Grunde . . .
Breite helle Linie
Sehr feine Linie
Hellste Linie der Bande
Feine Linie neben dem Maximum
Hellere Linie
Sehr feine Linie
Desgl
Desgl
Des^l. etwas heller
Nacn einer Anzahl sehr feiner Linien heller . .
Desgl
Grenze der Bande
Im dunklen Felde folgt eine schwache Linie . .
Helle Linie, wenn die Flaschenentladung ange-
wandt wird
Desgl
Helle Linie ohne Anwendung der Flasche . .
mit Flaschenentladung
I
I
»»
»>
»»
11
hell ohne Anwendung der Flasche .
£s beginnt mit scharfer heller Linie
die zweite grüne Bande, welche der vorigen
nicht ganz an Helligkeit gleichkommt. Auch
diese Bande wird durch hellere Linien in Felder
fetheüt, welche mehr oder weniger feinere
«inien enthalten.
Hellere Linie
577,0
671,5
570,5
566,9
564,49
568,70
562,55
562,17
561,91
561,65
561,18
560,75
560,23
559,83
559,25
558,90
558,80
558,40
558,00
557,67
557,31
556,77
555,81
555,40
554,76
551,43
543,74
533,00
529,97
V.^
»
11
»
?>
11
11
11
»
Hellste Linie der ganzen Bande
Fast ebenso helle Linie
Feine Linie im dunklen Felde
Helle Linie
Im weiteren Theile der Bande sind eine Anzahl
nahe in gleichen Abständen befindlicher feiner
529,06
528,19
527,75
527,39
526,58
525,91
525,14
524,44
523,77
545,9
544,6
542,4
589,6
«36
A. fVüUner,
V.
Beschreibung des Spectrums
Wellenlängen
U
Linien, welche nach der brechbareren Seite an
Helligkeit abnehmen, es Hessen sich messen .
und
Die Grenze der Bande liegt bei
Fß folgen drei schwache Felder, das erste be-
ginnt etwa
Auf demselben liegt eine helle Linie
Dasselbe reicht bis
Zweites schwaches Feld { J^^ ^^'^ .....
rk^4^4w> I von etwa
Drittes „ " I bis
Linie auf dunklem Grunde
Ein sehr lichtschwaches Feld beginnt etwa . .
Linie auf derselben ziemlich hell
Das Feld reicht etwa bis
Im dunklen Raum hinter demselben werden mit
Flasche sichtbar
Sehr lichtschwaches Feld etwa { j^?*^ * ' '
von
bis .
Desgl. I
Mit Flasche treten auf die Linien
Ein weiteres schwaches Feld liegt zwischen den |
Wellenlängen etwa \
Mit Flasche erscheint als helle Linie ....
Folgt eine schwache Linie
Ein schwaches Feld hat sein Maximum etwa. .
Ebenso beginnt ein solches mit der Linie . . .
Mit Flasche zeigt sich ein breiter heller Schein l ^/^."
Nach einem sehr lichtschwachen Felde bei der
Wellenlänge etwa
Folgen weiter die Linien
»>
>J
11
• »
Mit Flasche
Ohne Flasche
j»
»
»»
»>
'j
Mit Flasche n
Ohne Flaschi' n
11
•»
»»
M
»I
•I
528,21
522,80
519,7
517,8
514,6
513,9
511,6
508,7
506,5
503,5
501,9
500,3
496,9
496,0
. 488,3
. 486,3
. 484,8
482,9
I -
\ , -
480,6
478,6
477,6
473,1
470,65
468,5
467,8
467,5
466,2
464,9
464,3
463,8
459,7
459,0
446,5
441,8
441,5
441,0
436,8
435,2
434,06
42T,S
494,1
492,5
490,6
481,9
480,9
479,4
470,4
469,8
445,3
436,6
Gasspectra. 637
Mit Ausnahme der Einzelheiten der rothen, orangen
und gelben Bande (I, II, III) und der schwachen Felder
Bind fast alle diese Linien des Spectrums bereits früher theils
von mir, theils von Schuster, sowie von Paalzow und
Vogel gemessen worden, wie auch andererseits die meisten
der von Schuster in dem von ihm sogenannten elementaren
Linien spectrum bestimmten Linien in dem oben beschriebenen
Spectrum sich finden. Eine Vergleichung mit den früheren
Messungen unterlasse ich, da es sich hier nicht um eine
Bestimmung des Sauerstoffspectrums handelt, sondern nm
die allmähliche Entwickelung desselben; im allgemeinen stim-
men die Zahlen so gut überein, wie es bei der Beduction
der Lage der gemessenen Linien im Spectrum auf Wellen-
längen nur möglich ist
7. Das soeben beschriebene Sauerstoffspectrum ent-
wickelt sich bei allmählicher Verdünnung des Sauerstoffes in
der Röhre ganz schrittweise. Wie schon vorhin erwähnt
wurde, besteht das zuerst im Spectrum sichtbare aus einem
schwachen grünen Schein; wird das Gas verdünnt, so treten
zuerst als schwache helle Linien auf die beiden grünen Linien
543.74 und 533,11, auch wohl schon 436,8. Darauf werden
sichtbar 615,26 — 645,76 — 501,9 — 496,9 — 596,3 — 555,8 —
604,89, von denen die letzteren fünf Linien in dem vollständig
entwickelten Spectrum keineswegs durch Helligkeit hervor-
ragen. Bei weiterer Verdünnung wird der auch später sehr
schwache erste Lichtschein neben der gelben Cannelirung
schwach sichtbar, ferner 530, der Beginn der Bande Nr. V
und eine auf derselben liegende, später gar nicht hervor-
ragende Linie 527,75; weiter sehr schwach die rechte Grenze
513,9 des ersten Feldes hinter der Bande V oder die Linie
514,6 dieser Bande, das lässt sich, da nur eine annähernde
Einstellung möglich ist, nicht entscheiden. Weiter erscheint
das schwach helle Feld bei 480, vielleicht die Linie 479,4
und das immer sehr schwach bleibende Maximum 477,6.
Bei weiterem Pumpen wird alles schon Sichtbare etwas heller,
wobei die als schwach bezeichneten Theile des Spectrums
stets schwach bleiben, und bald treten die Banden Nr. II,
TV, V hinzu, zunächst als schwache, ziemlich gleichmässig
beleuchtete Felder; nur auf der orangen Bande erscheint
638 A. WüUfur.
als hellere Linie 599,76, die später nicht das Maximum der
Helligkeit ist. Später zeigt sich, während die drei erwähnten
Banden heller werden, die rothe Bande Nr. I und die gelbe
Nr. III. Die Banden wachsen relativ erheblich stärker an
Helligkeit, als die übrigen Theile des Spectrams, und bei
hinreichend geringem Drucke lassen sich alle Einzelheiten
auf denselben messen. Bei diesem Drucke ist alles das, was
in der Beschreibung des Spectrums bis zur Wellenlänge 464
angegeben ist, und ausserdem die Linie 436,8 gleichzeitig
sichtbar und messbar, nur die einzelnen Linien zwischen 468,5
und 464 nicht als solche | sondern nur als in der Gregend
sichtbare schwache Scheine. Mehrfach ist alles das, was in
der Beschreibung des Spectrums bis zu der erwähnten Stelle
angegeben ist, im Laufe eines Tages bei derselben Gasdichte
ausgemessen worden und constatirt, dass alles gleichzeitig
sichtbar ist Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das-
jenige, was am frühesten im Spectrum sichtbar wird, später
keineswegs an Helligkeit hervorragt. Das hellste des ganzen
Spectrums wird wohl, neben Plücker's O« der Linie 615,26,
die erste grüne Bande (Nr. IV), die orange Bande (Nr. II)
und die zweite grüne Bande (Nr. V). Die rothe Bande
(Nr. I) und die gelbe (Nr. III) bleiben gegen diese an Hellig-
keit zurück. Im übrigen wird das Helligkeitsverhältniss,
soweit sich beurtheilen lässt, wenig geändert, vielleicht treten
die Linien 548,75 — 533,11, 501,9—496,9 an Helligkeit später
etwas zurück.
Wird von dem Gasdrucke aus, bei welchem sich das
Spectrum in der angegebenen Weise entwickelt hat, das Gas
weiter verdünnt, so entwickeln sich allmählich auch die Linien,
deren Wellenlänge kleiner ist als 468; zuerst werden infolge
wachsender Helligkeit scharf die Linien 464,9 und 464,3, und
nach und nach treten auch die übrigen hervor. Dabei wird
infolge der Abnahme der Gasdichte das ganze Spectrum etwas
dunkler, sodass es schwieriger wird, auf den Banden alle
Einzelheiten zu erkennen.
Ich habe mich begnügt, zur Schonung meiner Spectral-
röhren, welche noch zu weiteren Versuchen dienen sollen, die
Dichtigkeit des Sauerstoffes soweit zu vermindern, dass die
meisten Linien des P 1 ü c k e r'schen Sauerstoffspectrums sichtbar
Gasspectra, 639
wurdeo, möglicherweise würden die noch fehlenden bei noch
weiterer Verdünnung ebenfalls sichtbar werden.
8. Wenn man die Flaschenentladungen durch die Röhre
gehen lässt und den Druck des Gases allmählich vermindert,
so verlaufen die Erscheinungen im wesentlichen ganz ebenso,
wie eben beschrieben wurde. Der hauptsächlichste Unter-
schied ist der, dass schon bei höheren Drucken die Linien
im Blauen und Violetten erscheinen, welche ohne Flasche
erst bei sehr geringem Drucke sichtbar werden. So sind bei
dem Drucke, bei welchem ohne Flasche eben die Linien 464,9
und 464,3 sichtbar werden, schon die sämmtlichen Linien im
Blau und Violett zu sehen, und bei weiterer Druckabnahme
zeigen sich die übrigen Linien, welche in der Beschreibung
als mit der Flasche hinzutretend bezeichnet sind.
9. Dass der schnellere Uebergang der Electricität in der
Flaschenentladung nur dadurch wirkt, dass das Gas eine
höhere Temperatur annimmt, zeigt auch das Spectrum in
den weiteren Röhren. In dem 0,5 cm weiten Rohr ist bei
dem Drucke, der im engen Rohr das vollständige Spectrum
gibt, das Spectrum auch ziemlich vollständig zu sehen, nur
alles dunkler, die Flaschenentladung macht das Spectrum
heller und lässt die ohne Flasche nicht sichtbare Gruppe
blauer Linien um 464 auftreten: im 1 cm weiten Rohr ist
ohne Flasche das Spectrum schon sehr dunkel, die Flasche
lässt es heller werden und von der blauen Gruppe noch die
hellsten Linien 464,9 und 464,3 sichtbar werden. In dem
2 cm weiten Rohr ist ohne Flasche das Spectrum kaum
sichtbar, selbst wenn man den Druck des Gases noch kleiner
macht, die Anwendung der Flasche gibt aber eine bedeutende
Vermehrung der Helligkeit, sodass man so ziemlich das ganze
Spectrum sehen kann, mit Ausnahme vielleicht der rothen
Bande Nr. I und des blauen und violetten Theiles. Von
den Linien, deren Wellenlänge kleiner als 468 ist, wird
ebensowenig etwas sichtbar, wie von denen, welche im engen
Rohr in den anderen Theilen des Spectrums durch die
Flaschenentladung hervorgerufen werden.
10. Die im vorigen beschriebenen Versuche, welche ich
leider, durch andere Arbeiten in Anspruch genommen, für
640 O. Tumlirz.
einige Zeit unterbrechen musste, zeigen, dass die Linien der
sogenannten Linienspectra in der That nur Theile der voll-
ständigen Spectra der betreffenden 6ase sind, welche sich
zeigen, wenn man hinreichend tiefe Schichten der Gase auf
die zur Hervorrufung der Linien erforderlichen Temperaturen
bringt. Die allmähliche Entwickelung der ganzen Erscheinung
scheint mir mit der Auffassung, dass es andere Molecüle
seien, welche das Bandenspectrum, andere, welche das Linien-
spectrum geben, nicht im Einklang zu sein; ich kann darin
nur eine Bestätigung meiner Auffassung der Spectralerschei-
nungen erblicken.
Aachen, im Juni 1889.
YIII. Das mechanisclie Aequivalent des Lichtes;
von O. Tumlirz.
(Aus den SitzuDgsber. d. kais. Acad. d. Wiss. in Wien. Mathem.-naturw
Classe; Bd. 98. Abth. IIa., vom 6. Juni 1889; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
In zwei vorhergehenden Arbeiten^) habe ich für das
mechanische Lichtäquivalent zwei Werthe gegeben; der erste:
0,00326 -^-"^
' sec
bezog sich auf die Lichteinheit der Amylacetatlampe von
V. Hefner-Alteneck und wurde nach einem Vorschlage
des Hrn. Prof. Mach mittelst eines weissglühenden Platin-
drahtes erhalten, dessen Gesammtstrahlung ich mit einem
Luftthermometer, das ich zu diesem Zwecke construirt hatte,
bestimmte. Da ein weissgltihender Platindraht wegen der
grossen molecularen Veränderung, die er erfährt, und nament-
lich wegen des die Oberfläche stark verändernden Zerstäubens
keine constante Lichtquelle ist, so hat dieser Werth nur eine
geringe Sicherheit.
1) O. Tumlirz u. A.Krug, Wien. Ber. 97. Abth. II. p. 1521. 1888
u. 0. Tumlirz, Wien. Ber. 07. Abth. II p 1625. 1888.
Mechanisches Aequivnleni des Lichtes. 641
Den zweiten Werth:
0,0056 -5^
' sec
berechnete ich aus den Versuchen des Hrn. Julius Thom-
sen.^) Derselbe bezieht sich auf die Lichteinheit einer Wall-
rathkerze, welche 8,2 g Wallrath in der Stunde verbrennt,
und ergab sich aus Versuchen, bei welchen die Wirkung des
Lichtes auf eine Thermosäule verglichen wurde mit der Wir-
kung einer mit warmem Wasser (50® C.) gefüllten Glaskugel,
deren Ausstrahlung Hr. Thomsen nach der Dulong'schen
Formel (Umgebungstemperatur = 17® C.) berechnet hatte, ^j
Durch die Construction des erwähnten Luftthermometers,
welches die von einer Wärmequelle ausgehende Strahlung
direct zu messen gestattet, ist die Lösung der Aufgabe eine
sehr einfache geworden. Misst man nämlich mit diesem Ap-
parat die von der Amylacetatlampe ausgehende Gesammt-
Strahlung — für die leuchtenden Strahlen allein ist er nicht
hinreichend empfindlich — und hierauf mit einer Thermo-
säule das Verhältniss zwischen den leuchtenden Strahlen und
der Gesammtstrahlung, so hat man das mechanische Aequi-
valent des Lichtes bestimmt. Diese Messung bildet auch den
Inhalt der vorliegenden Arbeit. Als Lichteinheit wählte ich,
wie gesagt, die Flamme der Amylacetatlampe, weil dieselbe
sich gegenüber den gebräuchlichen Normalkerzen nicht nur
durch den constant bleibenden Ort, sondern auch durch eine
überaus constant bleibende Flammenhöhe auszeichnet.
I. Das Luftthermometer besteht, um es kurz zu wieder-
holen, aus einem Barometerrohr von 2,702 qmm Querschnitt,
welches, in einer Länge von 480 mm, ähnlich wie bei dem
1) J. Thomsen, Pogg. Ann. 125. p. 348. 1865.
2) Nachdem die vorliegende Arbeit bereits an die k. Acad. d. Wiss.
in VVien eingesendet war, erhielt ich die Arbeit des Hrn. Prof. E. Wiede-
rnann: ^^Zur Mechanik des Leuchtens" (Wied. Ann. 37. p. 177. 1889).
In derselben bestimmte der Hr. Verfasser für die Amylacetatlampe mit
Hülfe eines im Vacuum galvanisch weissglühenden Platindrahtes und un-
ter Zugrundelegung der von Hrn. Mouton an der Bouibouzelampe ange-
stellten Messungen der Grössenordnung nach die Energie jenes Lichtes,
welches ein Quadratcentimeter der Amylacetatflamme für das Gelb in der
Nähe der jD-Linie (zwischen i=0,59 und i + J = 0,6076 /i) in der Secunde
aussendet.
Aun. d. PbjB. u. Chem. N. ?. XXXVII 1. 41
642 O. TumUrz.
Rie SS 'sehen Luftthermometer, mit einer messingenen Scala
und einem Bretteben fest verbunden, unter einem beliebigen
Winkel eingestellt werden kann. Das untere Ende ist in
ein kugelförmiges, oben offenes Gefäss von ungefäbr 50 mm
Durchmesser ausgeblasen, das obere dagegen rechtwinkelig
umgebogen und mit dem eigentlichen Apparat verbunden.
Derselbe, nach dem Vorbilde des Stefan 'sehen Apparates
zur Bestimmung der Wärmeleitungsfahigkeit der Gase zu-
sammengesetzt, besteht vor allem aus einem leichten Kupfer-
cy linder von 40 mm Durchmesser, 50 mm Länge und 20,6413 g
Gewicht, welcher mitten in der einen Bodenfläche ein nach
Innen gehendes, schwach conisches Ansatzrohr trägt und
mittelst desselben auf einen an dem Glasrohr dicht anliegen-
den, ebenfalls conischen Kautsehukstöpsel luftdicht aufgesetzt
ist.^) Der Cylinder ist innen schwarz gebeizt, aussen dagegen
bis auf die zweite Bodeniiäche blank. Diese letztere ist nicht
nur schwarz gebeizt, sondern auch noch obendrein sorgfältigst
berusst.
Conaxial mit diesem Cylinder ist ein zweiter leichter
Cylinder, ebenfalls aus Kupferblech, angebracht. Der Durch-
messer des letzteren beträgt 48 mm, also der Abstand der
beiden Cylinderflächen 4 mm und seine Länge 62 mm. Wäh-
rend die eine Bodeniiäche ein nach aussen gehendes coni-
sches Ansatzrohr besitzt, welches einen conischen, auf der
Glasröhre dicht aufsitzenden Kautschukstöpsel fest umschliesst,
wird die andere Budenfiäche durch eine sorgfältig polirte
8teinsalzplatte von 37 mm Durchmesser und 4 mm Dicke
gebildet. Beide BodenÜächen haben von den Bodenllächen
des inneren Cylinders denselben Abstand wie die Mantel-
liächen, nämlich 4 mm. Die Stüinsalzi)latte ruht in einer
Fassung, welche eine Kreisliäche von 3ü mm Durchmesser
freilässt und dadurch bewirkt, dass alle durchtretenden
Strahlen die berusste Bodeniiäche des inneren Cylinders
(üui'chmesser = 40 mm) trell'en müssen.
Der Zweck des äusseren Cylinders besteht, wie ich in
der ersten der erwähnten Arbeiten näher auseinandergesetzt
1) Zum lufr(Ji(lit(in Ver.sililus> ver\v(*ndeto icli Cauadabalsam, den ich
aiiziiiidctc.
Mechanisches Aequivalent des Lichtes. 643
habe^ hau])tsächlich darin, den inneren Cylinder dem Einflüsse
von Luftströmungen zu entrücken.
Als Manometerflüssigkeit diente sehr dünnflüssiges, mit
Alkanin roth gefärbtes Knochenöl von 0,8902 specifischem
Gewicht (20^ C).
Das Luftthermometer wurde so aufgestellt, dass die
horizontale Cylinderaxe in ihrer Verlängerung genau durch
die Flammenmitte hindurchging. Die Bewegung des Flüs-
sigkeitsfadens beobachtete ich mit dem Fernrohr. Ich legte
zu dem Ende an das Thermometerrohr unter einem Winkel
von 45^ gegen die Ebene der Scala einen 6 cm breiten und
40 cm langen Glasspiegelstreifen und stellte auf der der
Flamme abgekehrten Seite des Luftthermometers eine Linse
von 53 cm Brennweite so auf, dass das Spiegelbild der Scala
in die Brennebene der Linse fiel. Ein hinter der Linse auf
„Unendlich" eingestelltes Fernrohr liess die Scala so ver-
grössert erscheinen, dass man die Zehntelmillimeter mit
voller Sicherheit ablesen konnte.
Bevor ich zur Theorie des Apparates übergehe, will ich
noch die Art und Weise erwähnen, wie ich die Flammen-
höbe gemessen habe. Entprechend der Definition der Licht-
einheit hat die Flammenhöhe 40 mm vom Rande des Docht-
rührchens aus zu betragen, und es verweist bezüglich dieser
Einstellung die gebräuchliche Anweisung auf zwei der Flamme
zugekehrte Kanten. Weil aber die Flamme der Amylacetat-
lampe gegen jede auch noch so kleine Luftbewegung sehr
empfindlich ist, so hat man bei der Controle der Flam-
menhöhe nach der gegebenen Vorschrift mit dem Einfluss
der durch den Athem und die Körperbewegungen verur-
sachten Luftbewegungen zu rechnen. Ich habe daher auch
hier ein Fernrohr zu Hülfe genommen. Es wurde zunächst
dieses zweite Fernrohr auf die Flamme eingestellt, dann das
halbe Objectiv mit einem Spiegel bedeckt, welcher gegen die
Fernrohraxe unter einem Winkel von 45" geneigt war, und
schliesslich in der zu dieser Axe senkrechten Richtung, in
einer Entfernung gleich der der Flamme vom Objectiv, eine
Millimeterscala aus Glas so angebracht, dass der Spiegel ihr
Spiegelbild mit der Flamme zur Coincidenz brachte. Bei
dieser Beobachtung« weise befand sich der Körper des Be-
41*
644 O. TumUrz.
obachters immer in einer grösseren Entfernung von dem
Luftthermometer und der Flamme. Die Flamme brannte
auch immer so ruhig, dass sie fast immer vor und nach dem
Versuch dieselbe Höhe hatte.
II. Hat die Luft in dem inneren üylinder zu Beginn
des Versuches den Druck Bq und während des Versuches
zur Zeit z den Druck H^, so besteht, wie in der früheren
Arbeit gezeigt wurde, für die Druckdifferenz H^ — Hq die
Beziehung:
(1) II,-IJ, = J<,ffsine-^lf'-l^,
worin /l die Verschiebung des Meniscus zur Zeit r, positiv
gerechnet, wenn die Verschiebung nach abwärts geht, a die
Dichte der Flüssigkeit, ff die Beschleunigung der Schwere, e
den Neigungswinkel der Röhre gegen die Horizontale, u den
Reibungscoefficienten der Flüssigkeit, / die Länge des Flüssig-
keitsfadens, gerechnet von der Mündung der Röhre in das
Kugelgefäss bis zum Meniscus, und m den Querschnitt der
Röhre bedeuten.
Für den Reibungscoefticienteh habe ich die folgenden
Werthe gefunden:
fii = 21,985 {mff mm-i sec-^) bei 18,8^ C.
und u = 22.510 (niff min-^ sec-^) bei 17,0<> C.
Die Druckdifterenz führt in bekannter Weise zur Kennt-
niss der Temperaturerhöhung. Bezeichnen Vq und V^ das
Volumen des inneren Cylinders bei den Spannungen //^ und
H^ und in entsjirechender Weise n^^ und fi^ die Länge des
von der Flüssigkeit nicht erlüliten Röhrenstückes, so nimmt
die Luft im ersten Fall das Volumen V^^ + ri^^roy im zweiten
Fall das Volumen l\ + n^co ein, und wir können demnach,
wenn wir noch die zugehörigen Temperaturen t^ und /^ nennen,
die Proportion bilden:
f^h ( ^^0 + ''o^'O ' Jh ( ^1 + '^1 ^'0 = (1 + ^^O : (1 + «^).
ci bedeutet hierin den Ausdehnungscoefticienten 0,008(3 65.
Um aus dieser Proportion die Temperaturerhöhung abzu-
leiten, drücken wir zunächst die Volumina V^ und V\ mit
Hülü* des Volumens V aus, welches der innere Cylinder bei
der Temperatur 0" 0. hat, indrm wir:
Mechanisches Aeqnivnlent des Lichtes. 645
n = V{^ + ß^o) UDd V, = F(l + ßt^)
schreiben und unter /? = 0,0^51 den cubischen Ausdehnungs-
co^.fficienten von Kupfer verstehen.
Wenn wir jetzt diese Werthe in die Proportion sub-
stituiren und der Kürze halber die Differenz a— /9=0,003 614
mit / bezeichnen, so erhalten v^ir vorerst:
^ _ j3 r (^1 — ^o) — (»1 -- «o) ^
1 + y^o - »0 ^
und hieraus mit Rücksicht auf:
'*! - Wo = ^
und unter Benutzung der Gleichung (1) bei Einführung der
Abkürzung:
l + y^o — «oy ^^
j^ ag sina + -^= N,
yHq ' to dt 2
die Beziehung:
nQ + J ist der beobachtete Stand, n^ + A - {N^jN^ der
mit Rücksicht auf die Bewegung und Reibung corrigirte
Stand der Flüssigkeit.
III. Steht dem Luftthermometer eine Wärmequelle
gegenüber, so wollen wir il die Wärmemenge nennen, welche
während einer Secunde auf dem Wege der Strahlung in das
Thermometer eintritt. Indem durch diese Wärmezufuhr die
Temperatur des inneren Cylinders steigt, entsteht gleichzeitig
ein Wärmeabfluss gegen die Umgebung. Und zwar wird
nicht nur die Strahlung, welche von der berussten Fläche
gegen die Wände des Beobachtungsziromers ausgeht, erhöht,
sondern auch die Strahlung und die Leitung von dem übrigen
Theil des inneren Cylinders gegen den äusseren Cylinder.
Wir wollen zunächst der Einfachheit halber annehmen,
dass die Wände des Beobachtungszimmers dieselbe Tempe-
ratur haben wie die Zimmerluft. Da bei kleinen Temperatur-
differenzen die Strahlung immer der Temperaturdifferenz
proportional gesetzt werden kann, so können wir die Wärme-
646 O. Turnärz.
Strahlung, welche von der berussten Fläche während einer
Secunde ausgeht, in der Form:
und den Wärmeabfluss, welcher von dem übrigen Theile des
inneren Cylinders ausgeht, in der Form:
5(/- ,9-)
schreiben, wobei wir unter A und B zwei Constanten und
unter & die Zimmertemperatur verstehen. Die Summe beider
oder der gesammte Wärmeverlust während einer Secunde
hat daher, wenn wir A + B = E setzen, die einfache Form:
E{t-&).
Diese Voraussetzung, dass die Wände und die Luft des
Zimmers dieselbe Temperatur haben, wäre z. B. in einem
Räume von constanter Temperatur erfüllt. Da mir aber
ein solcher nicht zur Verfügung stand, so müssen wir hier
ganz besonders den Fall ins Auge fassen, dass die Wände
eine andere Temperatur als die Luft haben.
Nennen wir &^ die Temperatur der Wände und & die
Temperatur der Luft, dann ist die von der berussten Fläche
ausgehende Wärmestrahlung durch:
A{t- &,\
dagegen der andere Wärmeabfluss gerade so wie früher durch:
gegeben. Die erstere Grösse kann uun auch so geschrieben
werden: A(t-&) + A{&- xJ-^).
In dieser Form bedeutet der erste Summand die Wärme,
welche die berusste Fläche während einer Secunde aus-
strahlen würde, wenn die Wände und die Luft dieselbe Tem-
peratur hätten, der zweite Summand dagegen eine Strahlung,
welche in der Form:
A {&, - &)
zu der Strahlung ßj^hinzutritt und positiv ist, wenn i9-j grösser
als & ist.
Wenn wir diese letztere Strahlung mit ß' bezeichnen,
so können wir sagen: Das Luftthermometer erhält während
einer Secunde die Strahlungsmenge:
ß-hß'
und erleidet gleichzeitig einen Wärmeverlust von der Grösse:
E(t- &),
J
Mechanisches Aeqnivalent des Lichtes. 647
oder es besteht für das Zeitelement dz die Gleichung:
(3) [il + ß') dz-E{t- &)dz^ Mdt,
worin M den Wasserwerth des inneren Cylinders und dt die
in der Zeit dz eintretende Temperaturerhöhung desselben
bedeuten.
Für das Folgende wird es gut sein, wenn wir in dieser
Gleichung die Temperatur des Cylinders anstatt mit t mit
tn und die Erwärmungsgeschwindigkeit mit [dtjdz)^ bezeich-
nen, also schreiben:
(3a) il + iJ - E[U - *) = m{^J}]^'
Wir denken uns jetzt das Licht ausgelöscht, also ü = 0
gesetzt, Ist die Temperatur der Wände und der Zimmer-
luft dieselbe geblieben, so wird, wenn wir jetzt die Tempera-
tur des Cylinders mit tp und die Erwärmungsgeschwindigkeit
mit {dtldz)p bezeichnen, für jenen Zeitmoment, in welchem
die Temperatur und die Erwärmungsgeschwindigkeit die eben
bezeichneten Werthe haben, die Gleichung:
(4) i/ -£(.,- ^) = A/(|-^)^
gelten. Durch Subtraction dieser Gleichunf/ von der vorher-
{/ehenden fallen die Grossen il' und & heraus, und wir erhalten
zur Bestimmung von ii die Beziehung:
Diese Ableitung hat, wie gesagt, die Voraussetzung zur
Grundlage, dass die Temperatur der Wände und der Zim-
merluft während des ganzen Versuchs dieselbe bleibt. Ich
habe die Versuche im Monat März in einem nach Westen
gelegenen Zimmer angestellt. Nach den Angaben eines
Geis sie r'schen Thermometers mit Zehntelgrad theilung zeigte
die Temperatur des Zimmers einen solchen Gang, dass sie
vormittags anstieg, ungefähr eine Stunde vor der Mittagszeit
durch ein sehr flaches Maximum hindurchging und dann
wieder sank. Selbstverständlich wurde dieses Maximum ge-
wählt. Damit Si' eine constante Grösse hat, wurde jener
Theil der Wände, welcher in Betracht kam, vor allen Wärme-
quellen, welche als veränderlich angesehen werden konnten,
648 O. Tumlirz.
durch Schirme sorgfältigst geschützt, sodass man nach dieser
Abbiendung mit Eücksicht auf die grosse Wärmecapacität
der Wände und auch mit Rücksicht darauf, dass dieselben
infolge ihres weissen Anstriches ein geringes Ausstrahlungs-
vermögen besitzen, annehmen konnte, dass ihre Temperatur
während der Versuchsdauer constant blieb.
Ebenso wie die Wände wurde auch das Luftthermometer
durch einen grossen, doppelwandigen Leinwandschirm, der
beiderseits mit Stanniol überzogen war, geschützt und dieser
Schirm gleichzeitig so gestellt, dass er die anderen Schirme
verdeckte.
IV. Ich beobachtete in der Weise, dass ich mittelst
einer genau regulirten Secundenuhr, welche alle 30 Seeunden
einen Schlag gab, für jeden Schlag den Stand der Sperr-
flüssigkeit notirte, und zwar geschah dies während der Haupt-
periode immer zwölfmal und während der Nachperiode
{ü =s 0) ebenfalls zwölfmal. Damit aber in den Formeln,
in welchen m sich auf die Hauptperiode und p auf die Nach-
periode bezieht, die Zahl 12, welche für beide gleich war,
keine Verwechslung herbeiführi, wollen wir in den Formeln
die Zahl der Schläge für die Hauptperiode mit fi und für
die Nachperiode mit v bezeichnen.
Die Gleichung (2) gibt:
t„, - /o= N, ^J^ - ^;^--J und tp-t, = .V, [J, - '^
Führen wir nun zur Abkürzung für die corrigirten
Flüssigkeitsstlinde n^ + Am - N^'"*^lN^ und n^ j^j^^-N^^jN^
die Bezeichnungen Sm, und Sp ein, und setzen wir:
ldt\ ^/m+l-^m-l, (dj\ ^ W
\dz)m ' flu ' \dz)p
so erhält die Gleichung (5) die Gestalt:
oder:
(6) -y = E(Sm— Sp) + — {Sm-^i — Sm-1 — Sp^i + Sp^i).
Wie wir sehen, ist in dieser Gleichung gleichsam ein
Zeitpunkt der Hauptperiode mit dem Zeitpunkt der Nach-
periode verbunden. Es wird daher, den Beobachtungen ent-
60 ' '
Mechanisches Aequwulent des Lichtes, 649
sprechend, für die Grösse Si der möglichst beste Werth
herauskommen, wenn wir dem Index m alle Werthe von 2
bis ^ — 1 und dem Index p alle Werthe von 2 bis r — 1
geben und hierauf sämmtliche Gleichungen addiren.
Geben wir zunächst dem Index p alle Werthe von 2 bis
i' — 1, so erhalten wir:
Si
und geben wir jetzt dem Index m alle Werthe von 2 bis
|(i — 1, so erhalten wir:
(A)
60i2 _ 60^ ( ^ '^ Q ^ ^\"\
^2 2 '
In dieser Gleichung ist noch eine Grösse unbekannt,
nämlich die Grösse E^ welche sich aber sehr einfach mit
Hülfe der Gl. (4) ergibt Denken wir uns nämlich für jeden
Schlag der Uhr die Gl. (4) gebildet, und z. B. die dem
Schlage q entsprechende Gleichung von der dem Schlage p
entsprechenden abgezogen, so ergibt sich:
oder wenn wir:
^p—l — '^-l = hp , Sq^i — Sq^l = kg,
setzen :
Eine möglichst genaue Bestimmung von E erfordert
nutürlich die Benutzung aller Beobachtungsdaten.
Die in das Thermometer eintretende Strahlungsmenge il,
welche sich au» den Gleichungen (A) und (B) ergibt, ist
kleiner, als die auf die Steinsalzplatte auffallende Strahlung,
weil durch die Eeflexion ein Theil verloren geht. Der Ver-
lust ist aber einfach zu berechnen; es verhält sich nämlich
die auffallende Strahlungsmenge zu der durchgehenden wie
1,094:1. Da wir für die auffallende Strahlungsmenge mit
650 O. Tumlirz.
Rücksicht darauf, dass die Fassung der Stein salzplatte eine
Kreisfläche vom Radius 18 mm freilässt, den Ausdruck ^):
habeU; worin e (mm) die Entfernung der Mitte der Flammen-
axe von dem Mittelpunkte der vorderen Kreisfläche der
Steinsalzplatte bedeutet, so können wir für die Strahlung ß
die Gleichung:
bilden.
Indem ich die Versuche in der angegebenen Weise
anstellte und die Ergebnisse nach den angeführten Glei-
chungen berechnete, erhielt ich für K die nachfolgenden
Werthe :
JE'= 0,147, 0,146, 0,144, 0,145, 0,145 1 gcal
(C) I 0,150, 0,143, 0,156, 0,159, 0,148 ) sec
l Mittel = 0,1483 ± 0,0011.
Der achte und der neunte Werth weichen ziemlich stark
vom Mittel ab. Obwohl ich nach genauer Erwägung aller
bei diesen beiden Versuchen zur Geltung kommenden Um-
stände zu der Ueberzeugung gekommen bin, dass an dieser
Abweichung nicht so sehr Versuchsfehler Schuld sind, son-
dern dass vielmehr die Flamme, wenn sie auch immer die-
selbe Höhe hat, schon wegen des Einflusses, den die Be-
schaffenheit der Luft auf den Verbrennungsprocess in der
Flamme hat, nicht immer als eine constante Wärmequelle
angesehen werden kann, so habe ich diese Zahlen dennoch
beibehalten, weil ich der Ansicht bin, dass durch das gegebene
Mittel das wirkliche mittlere Verhalten der Flamme besser
zum Ausdruck kommt, als wenn ich diese Zahlen fortgelas-
sen hätte.
V. Der Werth K entspricht, wie gesagt, der Gesammt-
strahlung. Um nun die in dem Lichte enthaltene Energie
zu erhalten, ist es nothwendig, das Verhältniss zwischen
dieser Energie und der Energie der Gesammtstrahlung zu
bestimmen.
1) Bezüglich dieses Ausdruckes verweise ich auf die zweite eingangs
citirte Arbeit.
Mechanisches Aequwalenf des Lichtes, 651
Ich verwendete dazu eine Thermosäule aus Wisrauth
und Antimon, welche durch Schirme auf das sorgfältigste
geschützt wurde. Während die der Flamme zugekehrte Seite
gleichmässig berusst war, wurde die andere Seite durch
Baumwolle gegen raschere Temperaturänderungen geschützt.
Von den Schirmen sind besonders zwei hervorzuheben, näm-
lich ein Messingschirm unmittelbar vor der Thermosäule und
ein zweiter Messingschirm vor der Flamme. Beide Schirme
waren in ihrer Ebene um ein Gelenk drehbar und wurden,
weil der Körper des Beobachters eine bedeutende Wärme-
quelle ist, mittelst eines daran befestigten, ungefähr 1,5 m
langen, sehr leichten Holzstabes aus der Ferne gedreht.
Wegen der schon erwähnten Empfindlichkeit der Flamme
wurde die Drehung mit der grössten Vorsicht ausgeführt.
Der Gang der Zimmertemperatur wurde ebenso wie
früher mit einem zehntelgradigen Geis sie r 'sehen Thermo-
meter verfolgt, und die Beobachtung zur Zeit des Maximums
angestellt.
Als Galvanometer diente eine durch einen Magnetstab
astasirte Wiedemann'sche Bussole, deren Ausschläge mit
Fernrohr und Scala gemessen wurden. Die beiden Spulen,
welche an den Kern ganz herangerückt waren, wurden neben-
einander verbunden und ergaben in dieser Verbindung einen
Widerstand von 1,711 Ohm, während der Widerstand der
Thermosäule 1,651 Ohm betrug. Der astasirende Magnetstab
war 471 mm lang und nördlich von der Nadel im Meridian
in einor solchen Entfernung angebracht, dass das nord-
magnetische Ende von der Mitte des Magnetspiegels 31 cm
entfernt war. Wenn auch bei einem solchen Multiplicator
die Schwankungen der erdmagnetischen Declination sehr
störend sind, so bietet derselbe doch den grossen Vortheil,
dass man seine Angaben zu verschiedenen Zeiten genau auf-
einander reduciren kann.
Bedeuten J die Stromstärke, A den Botrag der Hori-
zontalintensität des Erdmagnetismus, auf welchen diese durch
den astasirenden Magnet herabgedrückt wird, D das Drehungs-
moment, welches bei der Stromstärke Eins auf die mit dem
Stabmagnetismus Eins behaftete Nadel in ihrer Ruhelage
(parallel den Drahtwindungen) ausgeübt wird, (p den Aus-
652 O. Tumlirz.
schlag, T das Trägheitsmoment, r^ die Schwingungsdauer
bei geschlossenem Multiplicator und A das logarithmische
Decrement (natürlicher Logarithmus), so besteht die Glei-
chung:
(12) J= const^-^^^^i^'tga.
Die Grösse h kann sich sehr leicht ändern, da sie sowohl
von der yeränderlichen Intensität der Horizontalcomponente
des Erdmagnetismus, als auch von dem mit der Temperatur
veränderlichen Stabmagnetismus des astasirenden Magnet-
stabes abhängt. Damit aber immer die Angaben vergleich-
bar werden, habe ich jedesmal, sowohl vor, als auch nach
dem Versuche, die Grössen A und t^ bei geschlossenem
Multiplicator bestimmt, aus den beiden Werthen das Mittel
genommen und dann die auf die Tangente corrigirten äcalen-
ausschläge mit dem Factor:
n
multiplicirt.
Zu erwähnen ist noch einiges bezüglich der Art der
Beobachtung. Die Messungen wurden, wie gesagt, zur Zeit
des Maximums der Zimmertemperatur ausgeführt. Zunächst
bestimmte ich die Strahlung der Wände, indem ich den vor
der Thermosäule befindlichen Messingschirm aus der Ferne
mit dem Holzstabe umlegte, hierauf den Scalenausschla^
notirte und den Schirm wieder vorsetzte. War die Nadel
zur Ruhe gekommen, so wurde der Schirm vor der Flamme
umgelegt und mit dem Schirm vor der Thermosäule in der-
selben Weise wie früher verfahren. Der jetzt notirte Aus-
schlag entsprach der Strahlung der Lampe -|- der Strahlung
der Wände. Nachdem zum Schlüsse die Strahlung der Wände
nochmals in der angegebenen Weise bestimmt worden war,
wurde aus den beiden der Strahlung der Wände entsprechen-
den Ausschlägen das Mittel genommen und dieses von dem
zweiten Ausschlage al)gezogen.
Was die Ausschläge anbelangt, so wurde darauf ge-
sehen, dass die Einwirkung der Strahlung auf die Thermo-
säule nur eine niöpjlichst kurze Zeit dau(U'tp, und ferner, dass
diese Zeit immer dieselbe war. Zu dem Ende wurde der
)
Mechanüches Aequivalent des Lichtes, 653
Strom unmittelbar nach dem Umlegen des Schirmes mit
einem Commutator geschlossen und in dem ersten Umkehr-
punkte commutirt. Von diesem Umkehrpunkte angefangen,
blieb er in derselben Richtung bis zum zweiten Umkehr-
punkte geschlossen und wurde erst nach Eintritt dieses
geöflfnet. War der Strom geöfifnet, dann wurde sofort die
Thermosäule durch ihren Messingschirm gedeckt.
Aus dem Bogen x^ zwischen dem ersten und zweiten
Umkehrpunkte lässt sich leicht der constante Ausschlag p
berechnen, welchen der im Multiplicator befindliche Strom
hervorbringen würde, wenn die Nadel nach vollbrachten
Schwingungen zur Ruhe gekommen wäre. Der Weg Xj bis
zum ersten Umkehrpunkte ist nämlich:
x,=^{\+e-^).p,
und der Weg zwischen dem ersten und dem zweiten Um-
kehrpunkt:
^3 = K +/>)(!+ ^'%
Bezeichnen wir das Dämpfungsverhältniss e^^ mit kj
so wird:
Dieser Ausschlag p ist noch auf die Tangente zu corri-
giren — den coirigirten Ausschlag wollen wir p^ nennen —
und dann, wie schon erwähnt, mit dem Factor Tt^+A^lYr^
zu multipliciren.
Wir wollen jetzt schliesslich die von der Lampe aus-
gehende Strahlung betrachten. Bezeichnen wir die in der
Secunde auf die Thermosäule fallende und von der berussten
Fläche absorbirte Strahlungsmenge mit i2, so ist diese Grösse,
weil sie der Stromstärke J proportional ist, auch proportio-
nal dem Producte 71^+ ji^lVr^^ji ,p^y oder es ist, wenn C
eine Constante bedeutet:
(14) U^C^tS.p.
Andererseits ist aber diese Strahlungsmenge gleich:
wo 0) die berusste Fläche der Thermosäule und q den Ab-
stand derselben von der Mitte der Flammenaxc bezeichnen.
654 O. Tumlirz.
Setzen wir die beiden Ausdrücke aneinander gleich, so er-
halten wir:
(15) K^C.S-^^^.p,,
Die Fläche m betrug 182,2 mm^, für den Abstand q
wählte ich den Werth 687 mm.
Indem ich nach den besprochenen Methoden 20 Versuche
anstellte und dieselben nach den gegebenen Formeln be-
rechnete, erhielt ich für K den Werth:
(D) K^C. (2,625 ± 0,018) X 10*.
Nicht unerwähnt darf dabei eine Reihe von Fehler-
quellen bleiben, welche das Resultat stark beeinflussen können.
Zunächst kann die Höhe und die Leuchtkraft der Flamme
während der Beobachtung schwanken, weil auf den Ver-
brennungsprocess in der Flamme die Beschaflenheit der Luft,
wie auch etwaige Veränderungen im BrennstofiF von Einfluss
sein können. Dann kann die von den Zimmerwänden kom-
mende Strahlung eine Veränderung durch das veränderliche
Tageslicht, auf welches der Wolkenzug von Einfluss ist, er-
fahren. Auch flnden im Zimmer immer Luftströmungen
statt, welche bei der Thermosäule bald kältere, bald wärmere
Luftschichten vorbeiführen können. Schliesslich sind auch
die Schwankungen der Declination und der Intensität des
Erdmagnetismus in Betracht zu ziehen.
VI. Die Bestimmung des Verhältnisses der leuchtenden
Strahlen zur Gesammtstrahlung verlangt, dass die Einwir-
kung der ersteren auf die Thermosäule genau in derselben
Weise, wie die der Cresammtstrahlung untersucht wird.
Die nächste Aufgabe ist natürlich die, die leuchtenden
Strahlen von den dunklen zu trennen. Hr. Tyndall benutzte
dazu eine Lösung von Jod in Schwefelkohlenstofi', welche die
Eigenschaft hat, nur die dunklen Wärmestrahlen durchzu-
lassen. Diese Methode mag für qualitative Untersuchungen
sehr geeignet sein, für quantitative Messungen halte ich sie
aber nicht für empfehlenswert!!, weil nach ihr, abgesehen da-
von, dass es noch fraglich ist, ob alle dunklen Strahlen un-
geschwächt hindurchgehen, die Energie der leuchtenden Strah-
len sich als die üiff'erenz der Energie der Gesammtstrahlung
Mechanisches Aequivalent des Lichtes, 665
und derjenigen der dunklen Strahlen ergeben soll, während doch
die Energie der leuchtenden Strahlen, wie wir gleich sehen
werden, blos den 41. Theil oder 2,4 Proc. der Energie der
Gesammtstrahlung ausmacht. Wegen dieser Geringfügigkeit
der Lichtenergie erhalten die Fehlerquellen, welche sowohl
bei der Messung der Energie der Gesammtstrahlung, als auch
bei der Messung der Energie der dunklen Strahlen auftreten,
einen ausserordentlich grossen Einfluss. Würden wir z. B.
bei der Bestimmung der Gesammtstrahlung einen Fehler von
0,5 Proc. und bei der Bestimmung der dunklen Strahlen
ebenfalls einen Fehler von 0,5 Proc. begehen, so würden diese
Fehler, wenn sie entgegengesetztes Zeichen hätten, 1 Proc.
von der Gesammtstrahlung, also 41 Proc. von der Lichtstrah-
lung betragen.
Die indirccte oder Subtractionsmethode ist also in un-
serem Falle nicht geeignet; eine so kleine Grösse, wie die
Energie des Lichtes, muss immer auf directem Wege be-
stimmt werden. Von den directen Methoden ist nun entweder
die Trennung der Strahlen mit einem Prisma und einer Linse
oder die Absorption der dunklen Wärmestrahlen im Wasser
anzuwenden. Das erstere Mittel ist allerdings dem Princip
nach ganz einwurfsfrei, aber seine Anwendung schliesst einen
grossen Uebelstand in sich, nämlich den Uebelstand, dass
die vielen Reflexionen, namentlich diejenigen am Prisma, wo
der Eintritts- und Austrittswinkel sehr gross ist, die ohnehin
schon geringe Energie des in Betracht kommenden Lichtes
derart schwächen, dass auf den kleinen Betrag, der übrig
bleibt, die Fehlerquellen einen überwiegenden Einfluss er-
halten. Denn man darf dabei ja nicht übersehen, dass die
Energie des Lichtes sich als die Differenz zweier Energien
ergibt, nämlich: 1. derjenigen Energie, welche sich aus der
Lichtstrahlung und der von der Umgebung kommenden Strah-
lung zusammensetzt, und 2. dieser letzteren Energie für sich
Soll die Messung brauchbar werden, dann darf diese Differenz
im Vergleich zum Subtrahend aus den oben angegebenen
Gründen nicht allzu klein werden.
In Erwägung aller dieser Umstände wählte ich ebenso
wie Hr. J. Thomsen die zweite Methode. Ein cubischer
Trog, gebildet von 3 mm starken Glasplatten, deren innerer
656 O. Tumlirz.
Abstand 174,0 mm betrug, wurde mit reinem destillirten
Wasser gefüllt und allseits mit schwarzem Cartonpapier be-
deckt, welches nur in der Richtung ,,Flamme — Thermosäule**
zwei genügend weite Fenster frei liess. Hinter dem einen
Fenster befand sich in einem Abstand von 6 mm die be-
russte Fläche der Thcrmosäule, vor dem anderen Fenster
dagegen die Flamme, deren Axe davon 61 mm entfernt war.
Der Trog wurde so aufgestellt, dass die Richtung „Flamme
— Thermosäule** die Glaswände senkrecht durchsetzte.
Zwischen der Flamme und dem Troge befand sich ein
doppelwandiger Messingschirm, der um ein Gelenk in seiner
Ebene drehbar war, und dessen Drehung gerade so wie früher
aus der Ferne mit einem 1,5 m langen Holzstab ausgeführt
ivurde. Ein zweiter hinter der Flamme aufgestellter und
mit einer Russschicht bedeckter Schirm hielt alles fremde
Licht ab.
Um mich zunächst von der Absorption der dunklen
Wärmestrahlen in dem Troge zu überzeugen, wiederholte
ich einen Versuch des Hrn. J. Thomson, indem ich an die
Stelle der Flamme einen Bunsenbrenner brachte. Ich war
überrascht, als ich ebenso wie Hr. Thomson, trotz des ge-
ringen Abstandes der Thermosäule, nicht den geringsten Aus-
schlag bekam. Freilich sind damit noch nicht alle Zweifel
gehoben, denn ich kann mir ganz gut denken, dass, wenn
eine leuchtende Gasflamme durcli den Zutritt von Luft in
eine Bunsen'sche Flamme verwandelt wird, ausser allen leuch-
tenden Strahlen noch einige ultrarothe Strahlen verschwinden
können, Strahlen, welche vielleicht keine so al)solute Absorp-
tion erfahren würden. Diesen letzteren Punkt werde ich ge-
legentlich noch einer näheren Untersuchung unterziehen, da
dieses Mittel, dfe leuchtenden Strahlen von den dunklen zu
trennen, ein ungemein bequemes ist.
Bei der Berechnung des Versuches ist vor allem der Ein-
Huss der mehrfachen Reflexionen im Troge näher zu betrach-
ten. Wird das Licht an der (rrenzHäche eines durchsichtigen
Mediums von dem Brechungsindex ?/ bei senkrechter Incidenz
reflectirt, so ist die Intensität des reflcctirten Lichtes, wenn
diejenige des einfallenden TJchtes = 1 ist:
Mechanisches Aequivalent des Lichtes, 657
und die des durchgelassenen Lichtes:
4n
q= 1 -P=
■(« + !)•
Durchsetzt das Licht eine planparallele Platte vom Bre-
chungsindex n, dann ist die Intensität nach dem Austritt:
^ " n« + r
Wenn wir nun das Wasser als diese planparallele Platte
auffassen, so erhalten wir für die Intensität des durch den
Trog hindurchgelassenen Lichtes die Reihe:
rq^l + rV+r*p*+..0=i-Z-\lp.-
Setzen wir n = 1,59 und n = 1,33/1,59 = 0,836, so erhal-
ten wir für diese Summe den Werth:
0,8866,
oder es verhält sich das einfallende Licht zu dem durchge-
lassenen wie 1:0,8866 oder wie 1,128:1.
Ausser der Schwächung durch die Reflexionen ist noch,
weil durch die Brechung in dem Troge der Ausgangspunkt
der Strahlen näher gerückt wird, die optische Weglänge zu
berücksichtigen. Das Licht durchläuft von der Flamme bis
zum Troge einen Weg von 61 mm, durchsetzt hierauf eine
3 mm starke Glasplatte, dann eine Wasserschicht von 174,0 mm
Tiefe, hierauf wieder eine 3 mm starke Glasplatte und zum
Schluss eine Luftstrecke von 6 mm. Es beträgt also die
optische Weglänge, bezogen auf Luft:
Würde das Licht keinen Verlust durch Reflexion er-
fahren, dann würde in jeder Secunde auf die berusste Fläche
w der Thermosäule die Lichtmenge k((alQ'*) fallen, wegen
der mehrfachen Reflexionen aber gelangt blos die Menge:
0,8866 . Ä -^,
zur Thermosäule und erzeugt dort einen ihr proportionalen
Strom.
▲na. d. Phys. u. Cb«m. M. F. XXXVIII. 42
658 O. Tumlirz.
Die Ausschläge wurden genau so wie früher bestimmt;
es wurde immer der Bogen zwischen dem ersten und zweiten
Umkehrpunkt notirt, und zwar zunächst jener Bogen, wel-
cher der Strahlung des Troges allein entspricht, hierauf der
der Strahlung des Troges + der Lichtstrahlung entsprechende
Bogen und schliesslich wieder der Bogen, welcher durch die
Strahlung des Troges allein hervorgebracht wird. Aus dem
ersten und dritten Bogen wurde das Mittel genommen und
dieses von dem zweiten Bogen abgezogen; die Differenz ist
jener Bogen, welcher der Lichtstrahlung allein entspricht.
Aus dem zuletzt genannten Bogen wurde nach der For-
mel (13) der Ausschlag berechnet, welchen der den leuch-
tenden Strahlen entsprechende Strom geben würde, wenn die
Nadel nach vollbrachten Schwingungen zur Ruhe gekommen
wäre, und dann dieser Ausschlag noch auf die Tangente
corrigirt. Nennen wir diesen corrigirten Ausschlag p^ und
das logarithmische Decrement und die Schwingungsdauer be-
ziehungsweise ^' und T\y so haben wir die Gleichung:
0,8866 k -% = C^^ .p. oder :
(16) Ä= CM,128.^-.^-"^''.7>2.
Hier hat, wie gesagt, (>' den Werth 201,6 mm und ta
den Werth 182.2 qmm^.
Nicht unerwähnt darf eine Vorsichtsmaassregel bleiben.
Wegen der grossen Wassermenge macht der Trog viel
langsamere Temperaturschwankungen durch als die Luft des
Zimmers. Da nun immer kurz vor Mittag zur Zeit des
Maximums der Zimmertemperatur beobachtet wurde, die
Temperatur des Wassers aber, welches sich in der Nacht
bedeutend abgekühlt hatte, viel langsamer gestiegen war, so
bestand immer zur Zeit des Maximums der Zimmertempera-
tur eine grössere Temperaturdifferenz zwischen der Luft und
dem Wasser. Um diese Difl'erenz zu beseitigen, habe ich
jedesmal sowohl den Gang der Lufttemperatur, als auch
den der Wassertemperatur mit feineren Thermometern ver-
folgt und dann vor der Beobachtung zu dem Wasser des
Troges, entsprechend der Temperaturdifferenz, so viel liaa.^j^
Mechanisches Aequivalent des Lichtes, 659
dendes Wasser zugegossen, dass die Temperaturdifferenz ver-
schwand.
Indem ich in der so beschriebenen Weise gerade so wie
früher 20 Versuche anstellte, erhielt ich für k den Werth:
(E) Ä = C. (638,6 ± 7,4).
Fassen wir diese Gleichung mit der Gleichung (D) zu-
sammen, so erhalten wir:
und mit Hülfe von (C):
(H) Ä =: 0,00361 ?-■-.
^ ' sec
Diese Grösse k bedeutet^ wie ich in der früheren Arbeit
(«Berechnung des mechanischen Lichtäquivalentes etc.) ge-
zeigt habe, die Lichtmenge^ welche eine unendlich kleine, mit der
Flammenmitte in derselben Horizontalen liegende Fläche , deren
Normale durch die Flammenmitte hindurchgeht , für die Einheit
ihres auf die Flammenmitte bezogenen Körperwinkels empföngt.
Die Grösse k ist, wie eine kleine Rechnung gibt, auch
äi^uivalent der Arbeit:
1 Grammgewicht x 154,5 cm
1 Secunde
oder, in absoluten Arbeitseinheiten, äquivalent:
151 500 (cm'gsec *)
1 Secunde
oder äquivalent der electrischen Arbeit:
(0,1226 Amp.)2 x 1 Ohm.
Ich will diesem Resultate, ebenso wie in der erwähnten
Arbeit, die folgende praktische und anschauliche Form geben:
Steht der Flamme der Amylacetatlampe eine Fläche von einem
Quadratcentimeter Inhalt in der Entfernung von einem Meter so
gegenüber, dass die Normale der Fläche horizontal ist und durch
die Flammenmitte hindurchgeht, so fällt auf diese Fläche in jeder
Secunde eine Lichtmenge, deren Energie äquivalent ist einer
IVärmemenge von:
361 X 10-«»^'^*^
sec
oder einer mechanischen Arbeit:
1 ing X 15,45 cm __ 15,15 (cm^ g sec "
1 SMude 1 S»'ciin(le
42
660 O. Tumlirz.
oder einer electrischen Arbeit:
= (1,226 MiUiampfere») X 1 OJim.
Liegt in dieser Fläche die Pupille eines Auges, und hat
diese eine Weite von 3 mm, so fällt in dasselbe in jeder
Secunde eine Lichtmenge, welche bei Vernachlässigung der
Reflexion am Auge der Arbeit:
l,07(cm«gsec-») ^^^^ ^^^^, l(cm«gsec «)
1 Secande * 1 Secunde
äquivalent ist. Diese Lichtmenge wäre erst in einer Zeit von
1 Jahr und 89 Tagen
im Stande, 1 g Wasser um 1 ^ C. zu erwärmen.
VII. Mit Hülfe des soeben gewonnenen Werthes von k
kann man nun sehr einfach auf photometrischem Wege die
Energie einer jeden anderen Lichteinheit bestimmen. Ich
habe denn auch, theils um ein Beispiel hierfür zu geben,
theils des allgemeinen Interesses halber, in der angegebenen
Weise die Lichtenergie der deutschen Normalkerze (Parafflnkerze
von 20 mm Durchmesser) gemessen.
Um bei diesen Messungen die Flammenhöhe genau be-
stimmen zu können, verwendete ich zwei Fernrohre, welche
auf die Flammen eingestellt wurden. Die beiden Flammen
und die Objective der Fernrohre bildeten die Ecken eines
Rechteckes, in dem die Verbindungsgerade der beiden Flam-
men doppelt so gross war als die kürzere Seite. In der
Mitte der durch die Objective begrenzten Geraden befand
sich ein gläserner Millimeterstab, von dem zwei Spiegel,
welche die beiden Objective zur Hälfte bedeckten, die Spiegel-
bilder auf die Flammen warfen und mit denselben zur Coin-
cidenz brachten.
Während die Flamme der Amylacetatlampe bei Aus-
schluss von Luftströmungen eine constante Höhe bewahrt,
unterliegt dieselbe bei der Normalkerze bald grösseren, bald
kleineren Schwankungen. Diese Schwankungen sind erst
dann sehr gering, wenn der Docht sich so gekrümmt hat,
dass an seinem Ende die sogenannte „Rose*^ auftritt. Diesem
Zustande strebt der Docht immer zu. Da sich bei diesem
Zustande nicht nur die Höhe, sondern auch die Leuchtkraft^
der Flamme weniger ändert, so habe ich denselben stets f&r
die photometrischen Messungen abgewartet.
— i
Mechanisches Aequivalent des Lichtes. 661
Ich stellte drei Versuchsreihen an und erhielt für die
Normalkerze bei einer mittleren Flammenhöhe von 50,3 mm
eine Leuchtkraft von :
1,24 Lichteinheiten.
Bezeichnen wir also den Werth k für die deutsche Nor-
malkerze mit k\ so ist k' äquivalent:
0,00447«-^ oder: lf^J!i^ oder: ^«''«"0 (f^'-g'"«'^
' sec 1 Secande 1 Secunde
oder: (0,1365 Amp.)^ x 1 Ohm.
VIIL Zum Schluss sei es mir noch gestattet, die ge-
wonnenen Resultate mit den Resultaten zu vergleichen,
welche Hr. S. P. Langley für die Energie der Sonnen-
strahlung erhalten hat.
Hr. Langley fand, dass 1 qcm der Erdoberfläche bei
senkrechter Incidenz der Sonnenstrahlen in einer Minute
2,84 Grrammcalorien erhielt, wenn die Atmosphäre durchaus
keine absorbirende Wirkung hätte, und ferner, dass das
sichtbare Spectrum von A bis H^ (inclusive) ungefähr 35 Proc
von der gesammten Energie beträgt. Wenn wir diese Zahlen
für die Dauer einer Secunde umformen, so erhalten wir für
die gesammte Strahlung den Werth:
0,04733 «■''''^- und für das Licht den Werth: 0,0166 ?^-
' sec. ' aec.
Diesem letzteren Werthe wollen wir die für unsere
Lichteinheit gefundenen Werthe gegenüberstellen. Die Licht-
einheit sendet, wie wir gesehen haben, durch eine Fläche
von 1 qcm Inhalt, welche ihr in der Entfernung von 1 m so
gegenübersteht, dass die Normale der Fläche horizontal ist
und durch die Flammonmitte hindurchgeht, in jeder Secunde
eine Lichtmenge, deren Energie einer Wärmemenge von:
361 X 10-» ?'^-
sec.
äquivalent ist. Geben wir nun dem Quadratcentimeter eine
Entfernung, gleich der mittleren Entfernung der Erde von
der Sonne, d. i. 149000000 km oder 149 x 10» m, so sinkt
die Energie auf den Betrag:
3« XJO ; „ 1,63 X 10-» 8«^:
149* X 10*' * sec.
662 O. Tumlirz. Mechanisches Aequivaient des Lichtes.
Das Verhältniss der Energie des Sonnenlichtes zu dieser
Energie beträgt also:
0,0166 — 109 V 10*«
1,63 X 10-« - ^"^ ^ ^" '
oder, das Sonnenlicht kann durch:
102 X 10" Licbteinheiten,
sage 1020 Quadrillionen Lichteinheiten ersetzt werden.^)
Wir wollen noch einen Schritt weiter gehen. Nach
Zöllner ist die Leuchtkraft der Sonne:
558 X 10» mal
so gross als die Leuchtkraft eines mittleren Sternes erster
Grösse. Die letztere Leuchtkraft ist wiederum 100 -mal
grösser als die eines Sternes sechster Grösse, den man mit
blossem Auge eben noch sehen kann. Ein Stern sechster
Grösse hat also dieselbe Helligkeit wie:
^1^^ == 18 X 10>» Lichteinheiten,
sage 180 Billionen Lichteinheiten bei einer Entfernung von
149 000000 km. Oder anders ausgedrückt: Ein Stern sechster
Grösse liat dieselbe Helligkeit wie unsere Lichteinheit in einer
Entfernung von 11 km oder wie eine deutsche Normalkerze in
einer Entfenmng von 12 km.
Dieses letztere Resultat wird man freilich in Wirklich-
keit nie verificiren können, denn wollte man es verificiren,
so müsste man dazu die Nacht benutzen, also eine Zeit, wo
der Dunstgehalt der Atmosphäre gerade am grössten ist.
Wie sehr aber dieser Dunstgehalt das Licht einer Licht-
quelle schwächen kann, sieht man unmittelbar an der auf-
und untergehenden Sonne.
1) In deutseben Normalkerzen ausgedrückt, würden wir die Zahl
28 X IC* erhalten.
A' Natterer, Durchgang der Electricität durch Gase. 663
IX. Einige Beöbachtti/ngen ikber dev I>urchgang
der ElectHcitüt durch Gase und JOHwipfe;
von Konrad Natterer.
(Aus deu SitzuDgsbcr. d. kais. Acad. d. Wiss. in Wicn^ mathem.-naturw.
Classc; Bd. 98. Abth.IIa., vom 21. Juni 1889; mitgetheilt vom Hrn. Verf.)
(HIena Taf. VII.)
Zu den im Folgenden skizzirten Versuchen diente ein
kleiner Rühmkor ff scher Inductionsapparat, der durch zwei
Chromsäuretauchelemente mittlerer Grösse in Gang gesetzt
wurde. Durch oftmalige Erneuerung der Chromsäurelösung
wurde der Inductionsstrom auf fast gleicher Stärke erhalten ;
seine Schlagweite in freier Luft betrug 9 — 11 mm, d, h. bei
allmählichem Entfernen der Pole voneinander blieb der con-
tinuirliche Funkenstrom bis 9 mm erhalten, bis 11 mm spran-
gen einzelne Funken in immer grösseren Zwischenpausen
über.
Jedes Gas und jeder Dampf wurde mindestens bei zwei
Drucken untersucht, nämlich bei Atmosphärendruck und bei
dem mit Hülfe der Wasserluftpumpe leicht herzustellenden
Drucke von 25 mm Quecksilberhöhe. Bei Atmosphärendruck
wurde Rücksicht genommen auf die Schlagweite der electri-
schen Entladungen und auf ihre Leuchtkraft. Bei den unter
verringertem Drucke stehenden Gasen und Dämpfen wurde
ausser der Leuchtkraft der Gesammterscheinung die Ausdeh-
nung des an der negativen Electrode auftretenden Glimm-
lichtes beobachtet.
Apparate für Gase und Dämpfe unter Atmosphären-
druck.
Apparat I diente zunächst zur Untersuchung von Gasen;
er besteht aus dem weiten Glasrohr ab, welches auf jeder
Seite durch einen doppelt durchbohrten Kautschuk- oder
Korkstöpsel verschlossen wird, durch dessen eine Bohrung
das Zu-, resp. Ableitungsrohr für den Gasstrom geht, wäh-
rend sich in der anderen (centralen) Bohrung ein starker
Messingdraht hin und her bewegen lässt, an dem der Pol-
draht (spitzer Platindraht) angelöthet ist, und der mit dem
Rühmkorff'schen Apparate in leitender Verbindung steht.
664 A'. Natterer.
Die Zeichen + und — zeigen bei den einzelnen Apparaten
die Stellen an, wo die Einschaltung in den Inductionsstrom
erfolgte. Bei Gasen, die Messing angreifen, war der Platin-
poldraht an einen dünnen Kupferdraht angelöthet^ welcher
in einer engen Glasröhre steckte, in deren einem, geschlos-
senen Ende der Poldraht knapp an der Löthstelle einge-
schmolzen war (siehe Abbildung neben Apparat I). Sollte
der Apparat 1 für Dämpfe leichtflüchtiger Flüssigkeiten ver-
wendet werden, so wurde über das Glasrohr ah ein Mantel-
rohr (weiteres Glasrohr) geschoben, durch welches Wasser-
dampf strömte.
Apparat II diente für hochsiedende Substanzen^ deren
Dämpfe beim Durchgange der Electricität keine bleibende
Veränderung erleiden (z. B. Quecksilber). Die in der Kugel
des langen Rohres a beflndliche Flüssigkeit wurde zum Ko-
chen gebracht und unter den unteren Theil des ein Luftbad
darstellenden Mantelrohres b (mittelst zweier Astbestringe an
a festgehalten) eine Flamme gestellt, sodass eine längere
Strecke des Rohres a nur mit Dampf der betreffenden Sub-
stanz erfüllt war; der obere Theil des Rohres a wirkte als
Rückflusskühler, c ist wieder ein enges Glasrohr, in dem
ein dünner Kupferdraht mit unten angelöthetem Platindraht
steckt, welch' letzterer aus dem zugeschmolzenen unteren
Ende des Glasrohres herausragt; dieser eine Poldraht kann
beliebig verschoben oder durch eine Klammer festgehalten
werden. Der andere Poldraht ist bei d eingeschmolzen; er
ist aussen zu einem Oehr zusammengebogen, um den Elec-
tricitätszuleitungsdraht leicht einhängen zu können.
Apparat III wurde benutzt bei hochsiedenden Sub-
stanzen, deren Dämpfe durch electrische Entladungen ver-
ändert werden, weshalb für eine stete Zufuhr frischer Dampf-
mengen Sorge getragen werden musste. Die Substanz wird
in den rechten birnförmigen Theil des Apparates gebracht,
wo sie durch einen darunter gestellten Brenner beliebig rasch
verdampft werden kann ; das einem Reagenzglas ähnliche
Gefäss (links unten) wird mit geschmolzenem Wallrath ge-
füllt, der circa 30 '' über den Siedepunkt der betreflFenden
Substanz erhitzt wird; bei a denke man sich einen Liebi ge-
sehen Kühler mit Vorlage angesetzt.
Durchgang der Electricität durch Gase. 665
Apparate für Grase und Dämpfe unter verringertem
Drucke.
Apparat IV diente zur Untersuchung von Gasen; bei
a wurde er mit dem Gasentwicklungsapparate oder mit dem
das betreffende Gas enthaltenden Gasometer, bei d mit dem
Manometer und der Bunsen' sehen Wasserluftpumpe ver-
bunden; bei c befanden sich einige Tropfen einer Sperrflüssig-
keit (Quecksilber oder Schwefelsäure, manchmal, z. B. bei HJ,
eine concentrirte Phosphorsäurelösung); durch Handhabung
des Glashahnes b konnte das Gas in dem die Poldrähte tra-
genden Höhrentheile beliebig oft erneuert werden; der bei
manchen Gasen (z. B. bei HJ) beim Durchgange der Elec-
tricität an der inneren Glaswand um die Poldrähte sich bil-
dende, die Beobachtung störende Beschlag wurde durch zeit-
weiliges Erhitzen des senkrechten Röhrentheiles in die kalt
bleibenden Theile der Röhre verjagt.
Apparat V wurde bei denjenigen kohlenstoffhaltigen
Gasen benutzt, welche beim Durchgange der Electricität an
der inneren Glaswand um die Poldrähte einen kohligen Be-
schlag liefern (z. B. Acetylen). Im wesentlichen stimmt er
mit Apparat IV überein, nur ist auf eine leicht auszufüh-
rende Reinigung des etwas weiteren senkrechten Röhren-
theiles Bedacht genommen. Nach jedem Versuche konnte
der Beschlag an der inneren Glaswand mit Hülfe eines Holz-
stäbchens weggewischt werden, sobald man das den oberen
(negativen) Poldraht tragende, helmartige, mit Siegellack auf-
gekittete Glasstückchen e abgehoben hatte. Für den nächsten
Versuch wurde dann ausserdem der obere Draht durch Aus-
glühen von daran abgesetzter Kohle befreit und das helm-
artige Glasstückchen wieder mit Siegellack aufgekittet. Ap-
parat V wurde auch für leichtflüchtige kohlenstoffhaltige
Flüssigkeiten (z. B. Benzol) verwendet, in welchem Falle der
Röhrentheil zwischen a und by wo sich der Dampf der be-
treffenden Flüssigkeit unter Atmosphärendruck befindet, durch
ein darum geschlungenes, von Wasserdampf durchströmtes
dünnes Bleirohr erhitzt wurde.
Apparat VI diente für Flüssigkeiten, deren Dämpfe
durch electrische Entladungen verändert werden (sowie Ap-
666 K. Natterer.
parat III). Die zu verdampfende Substanz kommt in die
Glaskugel; bei a sind einige Tropfen einer Sperrfiüssigkeit,
bei b denke man sich Kühler und Vorlage angesetzt, die mit
dem Manometer und der Wasserluftpumpe in Verbindung
stehen. Die Verdampfung der Substanz wird bewirkt durch
ein unter den abgebildeten Apparat gestelltes geheiztes Sand-
bad (rundes, mit Sand bedecktes Blech).
Zu einigen orientirenden Versuchen mit Substanzen von
sehr hohem Siedepunkte (z. B. Cadmium) diente der Appa-
rat VII (aus Kaliglas). Bei d war die Verbindung mit
Manometer und Wasserluftpumpe hergestellt. Es wurde mög-
lichst weit (bis 18 mm) evacuirt, dann die am Gründe der
Kugel a befindliche Substanz erhitzt, d. h. in h, resp. c über-
destillirt und währenddem der Inductionsstrom durch den die
Kugel a erfüllenden Dampf geleitet.
Apparat Villa und Apparat VIII/? dienten für Sub-
stanzen (z. B. Quecksilber), deren Dämpfe durch electrische
Entladungen keine bleibende Veränderung erleiden. Die zu-
geschmolzenen Röhrentheile ab enthielten nur die betreffende
Substanz, was auf folgende Weise erreicht worden war: Bei
b waren die Röhrchen ursprünglich nicht zugeschmolzen, son-
dern nur verengt (der punktirt gezeichnete Theil des Appa-
rates VIII/9 war noch nicht abgeschmolzen); die Substanz
wurde durch diese Verengung eingeführt, sodass sie bei a
zu liegen kam (das Rohr VIII /? denke man sich umgekehrt);
dann wurden die Röhrchen in einem Stativ schief einge-
spannt, bei c durch ein dünnes Bleirohr mit einer Queck-
silberluftpumpe verbunden, der Luftdruck bis auf Bruchtheile
von Millimetern verringert, durch einen Längsbrenner das
Stück von a bis zur Kugel zwischen 6 und c erhitzt, sodass
durch die theilweise Destillation der Substanz bei a die im
Röhrentheile ab noch vorhandene geringe Luftmenge ver-
drängt wurde; in dem Momente wurde das Röhrchen bei b
in der Stichflamme zusammenfallengelassen, d. h. geschlossen
(beim Rohr VIII/9 wurde dabei das punktirt gezeichnete
Stück ganz abgeschmolzen). Indem nun ein solches Röhrchen
auf der Strecke ab in einem mit geschmolzenem Wallrath
gefüllten Reagenzglasartigen Gefässe erhitzt wurde, konnte
je nach der Temperatur Dampf der betreffenden Substanz
Durchgang der Electricität durch Gase, 667
von jedem beliebigen Drucke erhalten werden. Der Vor-
theil des Röhrchens VIII /9 vor Röhrchen Villa besteht
darin, dass die Zuleitungsdrähte für den Inductionsstrom durch
Glas und nicht blos, wie bei VIII cf, durch Wallrath voneinander
isolirt sind.
Speciell für Quecksilberdampf diente Apparat IX. Ein
Glasrohr war durch mehrfaches Biegen und durch Ausziehen
(Verengen) bei c in die Form ab cd gebracht worden; durch
die Verengung bei c wurde soviel Quecksilber eingefüllt, dass
es von a bis h reichte, woselbst es durch Auskochen von
Luft befreit wurde; das so vorbereitete Rohr wurde hierauf
in die in der Figur gezeichnete Lage gebracht und bei d
mit der Wasserluftpumpe verbunden; als der Luftdruck auf
circa 20 mm verringert war — das Rohr wirkte gewisser-
massen als Manometer — , sank das Quecksilber von der
höchsten Stelle bei 1 (wegen des festen Haftens des ausge-
kochten Quecksilbers an der Glaswand musste diese Stelle
vorher erhitzt werden) ; von 1 löste sich der Meniscus 2 ab,
der immer weiter nach links rückte, bis die Höhendifferenz
von 2 und 3 gleich 20 mm war; jetzt wurde bei c mit der
Stichflamme das Glas zusammenfallen gelassen und das Stück
cd abgeschmolzen. Zwischen den Quecksilbermenisken 1 und 2
war also ein Vacuum. ^Nachdem das als Luftbad dienende
weite Glasrohr ef darübergeschoben und mit Asbestplatten
festgemacht war, wurde unter ef ein Längsbrenner gestellt,
wodurch man — bei den gewählten Dimensionen des Appa-
rates — die Spannung des Quecksilberdampfes allmählich bis
circa 30 mm steigern konnte.
Ausführung der Versuche.
Die mit dem eben beschriebenen Apparate angestell-
ten Versuche wurden ziemlich roh ausgeführt und konnten
deshalb nur Näherungswerthe liefern.
Zur Vergleichung der Leuchtkraft der electrischen
Lichterscheinungen in den verschiedenen Gasen und Dämpfen
wurde eine sehr primitive Methode angewandt: es wurde
einfach zugesehen, bis zu welcher Entfernung von der Licht-
erscheinung man noch gewöhnlichen Buchdruck lesen konnte.
668 K. Natterer.
Selbstverständlich wurden die Versuche in einem verfinster-
ten Zimmer angestellt.
Zur Beobachtung der Schlagweite wurde der Inductions-
strom in dem unter Atmosphärendruck stehenden Gase ^) oder
Dampf zwischen stumpfen Platinspitzen übergeführt , und
zwar in der Art, dass die Spitzen einander rasch genähert
und sofort wieder rasch voneinander entfernt wurden, sodass
man — allerdings nur auf \/j mm genau — in sehr kurzer
Zeit die grösstmögliche Entfernung sowohl fQr den continnir-
lichen Funkenstrom, als auch für die intermittirenden Fun-
ken feststellen konnte. Die Platinspitzen befanden sich dabei
in einem Glasrohr, und, indem durch dasselbe ein ziemlich
schneller Gas-, resp. Dampfstrom hindurchging, wurde noch
mehr verhindert, dass eine durch die ersten Funken bewirkte
bleibende Veränderung der Substanz zwischen den Platin-
spitzen die Schlagweite beeinilusste.
Unter verringertem Drucke (25 mm) zeigten die unter-
suchten Gase und Dämpfe Andeutung einer Gesetzmässig-
keit in Bezug auf die Ausdehnung des an der negativen
Electrode auftretenden Glimmlichtes. Als Electroden dien-
ten Platindrähte, die an ihren sich gegenüberstehenden Enden
ganz kleine Platinkugeln trugen (Dicke des Platindrahtes
= 0,5 mm, Durchmesser der Platinkügelchen = 1 mm) ; der
Abstand dieser Platinkügelchen war immer 12 mm, die be-
deutend längere negative Electrode war immer oberhalb der
positiven angebracht. In der entsprechenden Rubrik der
folgenden Tabellen ist die Drahtlänge angegeben, über die
sich das Glimmlicht erstreckte ; es wurde dabei auch der Um-
fang des Platinkügelchens als Drahtlänge eingesetzt.
Die Gase wurden bei Zimmertemperatur untersucht, die
Dämpfe bei einer ca. 30 ^ über dem Siedepunkte der betref-
fenden Substanz liegenden Temperatur. Eine schwer durch-
zuführende Reduction der bei verschiedenen Temperaturen
erhaltenen Werthe auf eine einheitliche Temperatur fand
nicht statt; es sind also nicht alle im Folgenden angeführ-
ten Zahlen direct miteinander zu vergleichen.
In der einen der beiden folgenden Tabellen wurden —
vielleicht vorgreifend den Resultaten — diejenigen anorga-
1) Die benutzten Gase waren nicht ganz trocken.
Durchgany der Electriciiät durch Gase, 669
nischen Gase und Dämpfe, welche gleich viel Atome im
Molecül enthalten I zusammengestellt und nach ihren Mole-
culargewichten angeordnet.
Die kohlenstoffhaltigen Gase und Dämpfe wurden in
der zweite Tabelle vereinigt und nach ihren Moleculargewich-
ten angeordnet. Sehr störend war bei den Versuchen mit
den organischen Verbindungen die beim DilVchgange der
Electricität stattfindende Kohlenstoffabscheidung; bei jedem
einzelnen unter Atmosphärendruck stehenden Gase oder
Dampfe nahm die Leuchtkraft bei Verringerung der Pol-
distanz proportional mit der Kohlenstoffabscheidung zu (wegen
des Glühendwerdens- der festen Eohlenstofftheilchen): die
Differenz des bei jeder Substanz angegebenen Maximums
und Minimums der Leuchtkraft gibt also einen Maassstab
für die Stärke der Kohlenstoffabscheidung ab.
Der Quecksilberdampf, dessen Molecül aus einem Atom
besteht, verhielt sich beim Durchgange der Electricität
anders als alle in den Tabellen angeführten Gase und
Dämpfe. Die Schlagweite war ungemein gross, sie betrug
beiläufig 20 cm; die Leuchtkraft war so gross, dass man
noch in einer Entfernung von 2 m lesen konnte; bei Ver-
ringerung der Spannung des Quecksilberdampfes blieb sich
diese Leuchtkraft so ziemlich gleich bis zum Drucke von
30 mm, bei noch geringeren Drucken nahm die Leuchtkraft
rasch ab. Glimmlicht tritt im Quecksilberdampfe, wie schon
A. Schuster bemerkt hat^), nicht auf, vielmehr strömt die
Electricität nur von einem oder mehreren Punkten der
negativen Electrode aus, am liebsten von dort, wo sich flüs-
siges Quecksilber befindet.
Nach einigen vorläufigen Versuchen, bei denen damit
zu kämpfen war, dass das Glas bei hoher Temperatur für
Electricität leitend wird, ist die Leuchtkraft electrischer
Entladungen in Cadmiumdampf, dessen Molecül ebenfalls
aus einem Atom besteht, beiläufig ebenso gross wie im Queck-
silberdampf, während die Lichtentwickelung im Dampf von
Kalium, Arsen, Phosphor und Schwefel gering ist (wenig
grösser als in Stickstoff).
1) A. Schuster, Beibl. 8. p. 885. 1884.
670
K. Natterer.
In den Tabellen enthält die erste Columne die Zusammen-
setzung des Gases oder Dampfes, die zweite unter z die Zahl
der Atome im Molecül derselben, die dritte unter a das
Moleculargewicht. Die folgenden drei Columnen geben das
Verhalten unter Atmosphärendruck Z>, die drei letzten unter
dem Druck £^ = 25 mm an. t ist die Temperatur in Graden
Celsius, s die 'Schlag weite in Millimetern, e die Entfernung
(in Üentimetern), in der man lesen konnte, g die Länge des
Glimmlichtes in Millimetern.
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Lt'uclitkraft mit VcrriDf^cruii^ der Poldibtanz rasch ab. Unter verringer-
tem Druck g.'ib das positive Liebt ein cuntinuirlicbes Spectrum; dies und
die geringe Leucbtkraft hängen vielleicht Uiit der Ozonbildung zusammen.
2j Zur Beobachtung der lA'iiclitkraft wurde selbst verständlich die
electrisehe Lichterseheinung unmittelbar an der inneren Glaswand des
Durchgang der ElectricUät durch Gase,
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Aus dem Vorsteheuden ergibt sich:
IVenn man die Gase und Dämpje derart sondert^ duss
immer diejenigen zusammenkommen, deren Moiecüte aus gleit h
viel Atomen bestehen, so ßndet man, dass innerhall} einer solchen
Reihe mit zunehmendem Molecular gewichte die Schlag weite der
der ElectricitiU und die Ansdeknung des Glimmlichtes abnehmen^
während die Leuchtkraft zunimmt. Die Abweichungen von
betreflfeiiden Apparates hervorgerufen und so ein Hindurchgehen der
Lichtstrahlen durch den farbigen Brom- oder Joddampf vermieden. —
Nach J. J. Thomson (Proc. Roy. Soc. London 42. p. 343. lHb7. Beibl.
12. p. 82) wird der Bromdampf und noch mehr der Joddampf beim
Durchgange der Electricität theilweise diesociirt.
672 K. Natterer. Durchgang der Electricität durch Gase.
dieser Begel dürften zusammenhängen mit beim Durchgänge
der Electricität sich zeigenden chemischen Eigenthümlich-
keiten der betre£fenden Substanzen (z. B. Ozonbildung bei
Sauer8to£f, bleibende Dissociation bei Joddampf, leichte
Spaltung des H J in Jod und Wasserstoff, grosse Beständig-
keit des CO, im Vergleiche zu Hfi und N,0, Kohlenstoff'-
abscheidung). Die bei Atmosphärendruck beobachteten
Leuchtkräfte passen sich der obigen Begel meistens besser
an, als die bei verringertem Drucke beobachteten. Nach
K Wiedemann, J. J. Thomso-n und A. Schuster ist
es ^wahrscheinlich, dass beim Durchgange der Electricität
durch Oase und Dämpfe eine Dissociation der Molecüle in
ihre Atome eintritt, die in fast allen Fällen sofort beim
Aufhören des Electricitätsdurchganges wieder rückgängig
gemacht wird oder zur Bildung neuartiger Molecüle führt;
es scheint nun, dass die Leuchtkraft um so grösser, Schlag-
weite und Glimmlicht um so kleiner sind, je leichter diese
Dissociation eintritt.
Im Quecksüberdamp/e (und wahrscheinlich auch im Cad-
miumdampfe), dessen Molecüle aus je einem Atom bestehen^ sind
Leuchtkraft und Schlagweite ausnehmend grosser^ als in allen
anderen untersuchten Gasen und Dämpfen,
Die beschriebenen, im Wiener chemischen üniversitäts-
laboratorium ausgeführten Versuche können selbstverständ-
lich nur vorläufigen Werth haben, schon desshalb, weil wahr-
scheinlich PotentialdiÖ'erenz und Spannung der sich ent-
ladenden Electroden in den einzelnen Fällen verschieden
waren.
A, Franke, Artunterschiede der ElectricitäL 673
X. Bemerkungen zu Htn^. F. Wü4^hter*8 Unter^
stichungen über die Artunterschiede der positiven
und negativen Electricität; von Ad* Franke.
Hr. F. Wächter^) hat einen Versuch mitgetheilt, in
welchem er eine Leydener Flasche durch eine Funkenstrecke
und ein Biess'sches Luftthermometer entlud. Er fand, dass
dieses einen grösseren Ausschlag gab bei negativer Ladung,
als bei positiver, wenn die Spannung der geladenen Flasche,
nach den Angaben einer electrostatischen Wage, in beiden
Fällen dieselbe war.
Hr. Wächter folgert daraus, dass im ersten Falle eine
grössere Electricitätsmenge in der Flasche vorhanden ge-
wesen sein müsse. Ich glaube indessen, dass in dem be-
schriebenen Versuche kein zwingender Grund zu dieser
Folgerung liegt: nur bedürfen die Angaben des Luftthermo-
meters einer anderen Deutung.
Ist nämlich fV der Widerstand des in demselben befind-
lichen Drahtes, J die in diesem Drahte herrschende Strom-
stärke und t die Zeit, so ist die in dem Drahte in Wärme
umgesetzte Energie:
A^ fVfj^dt,
wenn man die Aenderung von W mit der Temperatur ver-
nachlässigt. Die durch den Draht geflossene Electricitäts-
menge ist:
Q^jJdt.
Diese Formeln lehren, dass A, mithin auch der Ausschlag
des Luftthermometers, je nach dem zeitlichen Verlauf der
Entladung verschieden ausfallen kann, wenn auch Q in bei-
den Fällen denselben Werth hat
Die gesammte in der Flasche aufgespeicherte Energie
ist durch die in ihr vorhandene Electricitätsmenge vollstän-
dig bestimmt. Von dieser Energie kommt jedoch nur ein
Theil A bei der Entladung im Luftthermometer zum Vor-
1) F. Wächter, Wied. Ann. 37. p. 463. 1889.
Ann. d. Pbyt. n. Ch«m. N. F. XXSLVIIl. 43
674 A. Franke. Arttnterscliiede der Electricität
schein, während der Kest A' (den Widerstand der Zulei-
tungen als verschwindend voransgesetzt) in der Funkenstrecke
verbraucht wird.
So complicirt auch die Erscheinungen in dieser sein
mögen, in Bezug auf die Energievertheilnng können wir
sie jedenfalls so ansehen, als ob sie dem Electricitätsüber-
gange einen während der Entladung in irgend welcher Weise
veränderlichen Widerstand W entgegensetzte. Dann kön-
nen wir schreiben:
A'=-Jj* H' dt.
(i
Bilden wir einen Mittelwerth W^ dieses Widerstandes, wel-
cher durch die Gleichung:
Jj^W'dt^ fV^fj'-dt
diifinirt ist, so wird:
A W
:— Vi*- J
A + A' W+ W,
also bei gleicher Ladung:
Da nun, wie Hr. Wächter hervorhebt, alle bezüglichen
Experimente darauf hinweisen, dass die negative Electricität
sich leichter durch die Luft entlad, also die positive, so
dürfen wir wohl annehmen, dass W^ unter sonst gleichen
Umständen für die negative Electricität kleiner ist, als für
die positive, woraus sich die grösseren Ausschläge des Luft-
thermometers bei Entladung der negativ geladenen Flasche
erklären würden.
Würde man statt des Riess'schen Luftthermometers
ein geeignetes Galvanometer benutzen, so könnte man Aus-
schläge erhalten, die der entladenen Electricitätsmenge pro-
portional sind. Auf diese Weise könnte man also die Frage
entscheiden.
Berlin, 30. September 1889.
K fUischL Monochromaäiche* Licht 675
XL lieber die zwecktnässigste Herstellung
tnanochromatlschefi Lichtes;
von Ernst Fleischl tu Marxow.
Im strengsten Sinne des Wortes ist bekanntlich auch
das von glühendem Natriumdampf ausstrahlende Licht nicht
monochromatisch — doch ist es meines Wissens eine unter
den Physikern heutzutage ganz allgemein herrschende Meinung,
dass die einfachste Methode , sich helles, einfarbiges Licht
zu verschaffen, darin bestehe, Ohlornatrium in einer Platin-
Öse oder in einem Körbchen aus Platindrahtnetz am Rande
einer Bunsen'schen Flamme zu verdampfen. Ich bediene
mich schon seit einigen Jahren einer anderen Methode,
mir Natriumlicht zu verschaffen, welche vor der eben er-
wähnten zwei wesentliche Vorzüge hat. Ich verwende näm-
lich statt des Chlornatriums Bromnatrium. Die Vorzüge
dieses Verfahrens scheinen mir darin zu liegen, dass erstens
das beim ersten Schmelzen des Chlornatriums so lästige
Decrepitiren völlig ausbleibt, wenn man die Bromverbindung
anwendet, und dass zweitens die Helligkeit des beim Ver-
dampfen einer Bromnatriumperle entstehenden Lichtes ganz
erheblich grösser ist, als die, welche eine Chlornatriumperle
zu liefern vermag. Bei richtiger Stellung der Bromsalzperle
in der Flamme des Bunsen'schen Brenners ist das Licht so
blendend hell , dass es vom Auge kaum ertragen wird,
Einige Vergleichungen der Helligkeiten der beiden in Bede
stehenden Natriumlichter, welche ich mittelst eines Bunsen'-
schen Photometers angestellt habe, ergaben das Resultat,
dass das von der Bromverbindung herrührende Licht bei-
läufig neunmal so hell ist, wie das, welches das Chlorsalz
erzeugt — doch möchte ich dieser Zahl durchaus nicht die
Bedeutung eines wirklichen Messungsergebnisses beilegen,
und zwar aus dem Grunde nicht, weil es mir weder mög-
lich scheint, mit Sicherheit beide Perlen auf eine und dieselbe
Temperatur zu bringen, noch auch möglich scheint, gleichzeitig
für jede der beiden Lichtquellen das Maximum der durch sie
43*
'676 L. C. Levoir, Hayelkömer aus Kohle.
erreichbaren Helligkeit herzustellen. Soviel aber glaube ich
behaupten zu dürfen, dass niemandi der einmal einen Ver-
such mit Bromnatriumlicht angestellt hat, einen Zweifel
daran überbehalten wird, dass dieses Licht dem Ghlomatrium-
licht an Bequemlichkeit und Helligkeit weitaus überlegen ist
Wien, Physiül. Inst., October 1889.
XII. ITagelkör^ier aus Kohle; van L. C Levoir»
Hr. Professor Levoir in Delft hat der Redaction die
interessante Mittheilung gemacht, dass sich in einer grossen
Gasfabrik, vermuthlich durch Zersetzung von Aethylen,
CjH^, in C und CH^, kugelförmige, feste Kohlenkugeln
von etwa 5 mm Durchmesser, ganz ähnlich den Hagelkörnern
aus Eis, gebildet haben, und die Güte gehabt, auch derartige
Gebilde der Redaction zu übersenden.
Berichtigungen.
Bd. XXXVII. (K. Schmidt.) p. 359. In Tab. I. Rubrik „0e beob."
vorletzte Zeile lies 60^36^5' statt 62«36,5'.
In Tab. I Rubrik „n^" erst« Zeile lies 1,66 statt 1,49, letzte
Zeile lies 1,49 statt 1,52.
p. 364. In Tab. IV Rubrik lies io + 4° 42 statt 4* 72'.
p. 370 Tabelle Rubrik „Brechungsexponent" etc. vierte Zeile
lies 1,543 statt 1,562.
Bd. XXXVII. (A. Paalzow u. H. Rubens) p. 543 Z. 11 v. o. lies:
0. Fröhlich statt J. Fröhlich,
p. 537 Z. 13 V. u. lies: einem Theil des ßolometerwiderstan-
des «r^ statt dem Bolometerwiderstand tr,.
Bd. XXXVIII. (0. Dieterici) p. 23 Z. 4 v. o. lies: widerspricht statt
entspricht.
Bd. XXXVIII. (J. Elster u. H. G eitel) p. 89, Electricitätsbewegung
in verdünnten Gasen lies unter 3) dritte Reihe für .Xicht-
hüUe" Anode.
Namenregister znm Jahrgang 1889.
A.
Ambronn, H., Doppelbrechung in
»ibflüüsigem Gummi 38, 159.
A n|:8 tr ö m , K., Durcbstrahlun^ von
WÄrme verscliiedener Wellenlänge
durch trübe Medien 36, 715.
K.
Barus, C, Zähigkeit der Gase bei
hohen Temperaturen, 3(>. 858.
Bergmann, J., Electrischcs Lei-
tun^svermögen der Metalle nach
starkem Erwärmen 36, 783.
Rlochmann, G. F. R, Electromo-
torische Kräfte von Ketten mit
gemischten Salzlösungen 37, 564.
Blümcke, A., Isothermen von Mi-
schungen von schwefliger Säure
und Kohlensäure 36, 911.
Hoguskif J. J., u. L. Natanson,
Barometer mit Contactablesung
36, 7 61.
Bohl, P., Gesetz der molecularen
Attraction 36, 334.
du Bois, H. E. J. G., Modification
der Poggcndorffschen Spiegel-
ablcsung 38, 494.
ßrander, K. A., Thermoströme
zwischen Zinkainalgam und Ziiik-
vitriol 37, 457.
Braun, F., Löslichkeit 36, 591. —
Deformationsströme 37, 97. 107.
38, 58.
C.
Cohen, R. , Vcrhältniss der speci-
fischen Wärmen von überhitztem
Wasserdampf 37, 628.
Cohn, E., Dicflectricitätsconstante
des Wassers 3vS, 42. — Absorption
elcctrischer Schwingungen in Elee-
trolyten 38, 217.
D.
De« Coudres, Th., Verhaltendes
Lichtäthers bei Bewt'gungen der
Erde 38. 71.
Dieterici, C, Calorimetrische Un-
tersuchungen 37, 494. 38, 1.
Dorn, £., Bestimmung des Ohm
36, 22. 898.
Drude, F., Oberflächenschichten
36, 532. 865. — Reflexion des Lich-
tes an Kalkspath 38, 265.
E.
Ebert, H., Doppler*sches Princip
bei leuchtenden Gasmolecülen
36, 466. — Bemerkung gegen
Langlej 86, 592. — Spectrogra-
phen 38, 4R9. s. auch E. Wiede-
mann.
Elsas, A., Selbstthätiger Strom-
unterbrecher 37, 675,
Elster, J., und H. Geitel, Elec-
tricitHtserregung beim Contact
verdünnter Gase mit galvanisch
glühenden Drähten 37. 315. —
Einseitige Electricitätsbewegung
in verdünnten Gasen bei Anwen-
dung glühender Elcctroden 38, 27.
— Zi*rstreuung der negativen Elec-
tricität durch das Sonnen- und
^ Tageslicht 38, 40. 497.
Emden, R., Lichtemissiou glühen-
der Metalle 36, 214. - Dampf-
spannungen wässeriger Salzlösun-
gen 38, 447.
F.
Flcischl V. Marxow, E., Mono-
chromatisches Licht 38, 675.
Franke, A., Artunterschiede der
Electricitäten 38, 678.
Freyberg, J., Potent ialdifierenzen
zur Funkenbildung 38, 281.
Fromme, C, Maximum der galva-
nischen Polarisation von Platin-
electroden in Schwefelsäure 38,
362.
U.
Geigel, R, Schwingungsrichtung
des polarisirten Lichtes 3h, 587.
678
Niimenrey ister.
Geitel, H., s. Elster.
Gieae, W., Theorie der Electrici-
tätsleitung 37, 576. — Electrlsches
Leituogsvermögen der FlammeD-
gase 88, 408.
GleicheD, A., Linsenformelu 37,
646.
Goldhammer, D., Einfluss der
Magnetisirung auf electrische Lei-
tungsffthigkeit der Metalle 30, b04.
Graetz, L , Strahlungsgeset« vou
H. F. Weber 3«, b57.
GruDmach, L., Galvanbches Lei-
tungsvermögen des starren Queck-
silbers 37, 5ü8.
U.
Hall wach 8, W., Electricitätdver-
lust durch Beleuchtung und Licht-
absorption 37, 666.
Uankel, W. G., Electrodynami-
sches Gesetz ein Punktgesetz 3«,
T3.
Henneberg, H., Wärineleitungs-
vermögen der Mischungen von
Aethylalkohol und Wasser 3«,
146.
Heritsch, A., Volum Verminderung
beim Lösen von Salzen im Wasser
3(>. 115.
Hertz, H., Electrische Schwingun-
gen nach der Max well' scheu
Theorie 31». l. - Strahlen elt^ctri-
scher Kraft 3«, 769. — Fortleitung
t'lectrischer Wclh*n durch Drähte
37 395.
Hess, W., Prisma 3(>. 264.
Hoydweillcr, A., Funkmentla-
düngen des* Inducturiums in Luft
3H, 5H4.
HiniHtedt. F., KirchhofJV'he For-
mel für di<; Ca])acität des Schutz-
ringcondcnsators 30, 759. — Elec-
troinagueti.^che Wirkung der rlec
triöchon Conv(!Ction 3S, 560.
vom Hofe, (J.. Magiietisirungs-
fuiK'tion von £iö<'nringen 37, 4?s2.
H o in V n , T h. , EloctricitiitsU'itung
der (iMsc. 3S, 172.
Jaegrr, W., Schallgcdchwiudigkeit
in Dämpfen und Dainpfdichte 36,
165.
,J ah II , 11.. Electroch(?inio und Thcr-
mochemi<^ organischer Säuren 37,
40ö.
K.
Kalischer, 8., ElectromotoiiBche
Kraft des Selens 37, 528.
Kayser, H., u. C. Runge, Ban-
denspectren der Kohle 3H. 80.
Klatt, V., u. Ph. Lenard, Phos-
phorescenzen des Kupfers, Wis-
muths und Mangans in den Eixl-
alkalisulfiden 38, 90.
Knöfler, 0., Dilatometer 38, IHK.
Koch, A , Dämpfung der Torsioud-
Schwingungen verschiedener Me-
talldrähte 3tt, 122.
Koch, K. R., Spectrum der Gaflo
bei tiefen Temperaturen H8, 213.
König, W., Beziehung der Hertz'-
schen Versuche zu Problemen der
Optik 37, 651.
V. Kowalski, J., Festigkeit des
Glases M\, 307.
Krause, H., Adsorption und Cou-
densation von Kohlensäure an
Glasflächen 36, 923.
Kundt, A., Aenderung der Licht-
Seschwindigkeit in Metallen mit
er Temperatur 3tt, 824.
L.
Laska, W., Pendeluhr 37, 176.
Lehmann, O , Wandeni der Ionen
bei geschmolzenem und festem
Jodsilber 38, 396.
Lenard, I*., u. M.Wolf, Zerstäu-
ben der Körper durch ultra violet-
tes Licht 37, 443. s. auch Klatc
Levoir, L. C., Hagelkörner aus
Kohh' 3N, 676.
Lippich, F., Rotationsdispersion
und anomale Dispersion 36, 767.
Lommel, E., riiotometrie <ior dif-
fusen /uruckwcrfung 30, 47."<. —
Subji'ctive Interferenzstreifen im
objcctiv("n Spectrum 3(J, 72i>. —
Drehung der Polariaationsebene
für Fraunhofcr'öche I^inien 30, 731.
— Interferenz durch circular«*
Doi)pelbrechung 30, 7H3.
Lorberg, H., Magnetische Induc-
tion 30, r»7l.
Lorentz, H.A., Theorie der Th»*r-
inoelectricität 30, 593.
Lubarsch, ()., Absorption vonG.i-
sen in Geini^chen von Alkohol
und \V:is*ser 37, 5 -'4.
Lüdeking, Ch., Leitungsf:ihigkeir
gelatinehaltiger Ziukvitriollösun-
gen 37, 172.
yumenrey ister.
679
X.
Matthiessen, L. , Tbointfou'Bckes
(iesi?tz der Wellenbewegung auf
Flüssigkeiten unter der \Virkung
der Schwere und Cohftsion 38, 1 18.
Michelson, W., Entzüoduugs-
geschwindigkeit explosiver Gas-
gemische 37, 1.
Milthaler, J., Speeifische Wärme
des Quecksilbers bei verschiedenen
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Müller, P. C. G., Barometer nnd
Luftthermometer 36, T63.
M tiller, 0., Absorption von Koh-
lensäure in Gemischen von Alko-
hol und Wasser 37, 24.
X.
Xatan»on, L. , Wärmeerscheinun-
gen bei der Ausdehnuiig der Gase
37 , :h I . — Kinetische Theorie der
Diriäociationserscheinungen in Ga-
sen 3((, 288. s. auch Boguski.
Natter er, K., Durchgang der Elec-
tricität durch Gase und Dämpfe
3^ «ßa.
i).
Oberbeck, A., s*Gravesande'sche
Methode zur Bestimmung des £la-
sticitHtscoefficienten 37, 526.
Olszewski, K., Siedepunkt des
Ozons und Erstarrungstemperatur
des Aethylens 37, 337.
W
Paalzow, A., u. G. Rubens, Bo-
lonietrisches Princip bei electri-
scben Messungen 37, 52».
Pas eben, F., Potent ialditferenz
zum Funkenübergang in Luft,
Wasserstoff und Kohlensäure 37,
«9.
P feif fer, E., Veränderlichkeit frisch
zubereiteter Flüssigkeiten 37, 539.
IMiysikalisch -technische
Heichsanstalt, Prüfung elec-
trischer Messgeräthe 3S, 312.
Planck, M., 'Ineorie der Thermo-
«^ectricität in metHllischen Leitern
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l*i>ckelH, F., Elastiäche Deforma-
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26i?. 372
Preyer, W., Combinationstöne *.JS,
IHl.
Pul fr ich, C, TotalreHectometer
3«, 5«!.
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ferchlorürs 3«, 270.
R.
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der Schallintensität 36, 27H.
Riecke, E., Hydrodynamik 3(J,
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des Selens 3<>, 464.
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ger Weltkörper 3«, 566. — Theo-
rie der adiabatischen Zustaods-
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Ritter, K. , Reflexion des Lichtes
an parallel zur optischen Axc ge-
schliffenem Quarz 36, 286.
Rubens, H., Sclectivc Reflexion
der Metalle 37, -^49. - Telephou-
und Mikroplionströme in dem
Galvanometer 37, 522. s. auch
Paalzow.
Runge, C, s. Kayser.
S.
Schleiermacher, A., Wärmelei-
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Schmidt, K. E. F., EUiptische Po-
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tirten Lichtes 37, 353.
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der Stralüenflächc bei einer Schwe-
felkugel 37, 127.
Schreber, K., Electromotorische
Kräfte dünner Schichten von Su-
peroxydhyd raten 3t>, 662.
Schnitze, W. H., Electrolytisches
Verhalten des Glimmers bei hoher
Temperatur :t6, 655.
Schumann, 0., Cyclische Aende-
rung der electrisehen Leiiungs-
filhigkeit 38, 256.
S t e f a n , J. , Theruiomagnetische
Motoren 3», 427. — Herstellung
intensiv magnetischer Felder 3S,
440.
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därelements 38, 344. — Beziehung
eines Silber - Quecksilberelements
zur Temperatur 38, 514.
6bO
Namenregister.
T.
Tammanu, G., Gesetze der Dampf-
spanDungen wässeriger Salzlösun-
gen von ßabo und WüUucr :tG, 692.
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stanten organischer Flüssigkeiteu
36, 792.
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derstandes einer ealvaniscbeu
Säule 37, 527. — Mechanisches
Aequivalent des Lichtes 3H, 640.
Y.
van derVen, E., Boyle-Mariotte*-
sches Gesetz für Drucke unter
einer Atmosphäre 38, 3()i.
Voigt, W., Adiabatische Elastici-
tätscoustanten 30, 743. — Be-
ziehung zwischen den beiden Ela-
dticitätsconstanten isotroper Kör-
per 38, 578.
W.
W;ichter, F., Artunterschiede der
positiven und negativen Electrici-
tät 37, 463.
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Potentiale 37, 330.
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rcsceuzvermögens mit der Concon-
tratiou 36, 502. — Nachweis des
Zerfalles von MolcculargruppL'n in
Lösungen durch Fiuoresccnz- und
Absorptionscrscheinun;;cn 36, 518.
— Breehun^exponeuten von Salz-
lösungen 3n, lo7.
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schen Elements und der galvani-
schen Polarisation 38, 321.
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tometer 3s. 453.
Wesendonck, Elasticitätstheorie
36, 725. — Artunterschiede der
beiden Elcctricitäten 38, 222.
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Leuchtens 37, 177. — Zweiter
Hauptsatz der mechanischen
Wärmetheorie 3H, 485. — Kathci-
do- und Photoluminiacenz von
Gläsern 3.H, 488.
W^iedemann, £., u. H. Eberf,
Electrischc Entladungen 36, 643.
Wiedemaun, G., Magnetische Un-
tersuchuugen 37, 610. — 1. Ver-
theilung der Momente in tordirten
Eisendrähten 37, 610. — 2. Ver-
theilung der magnetischen Mo-
mente in theil weise entmagneti-
sirten Stahlstäben 37, 614. —
3. Anomale Magnetisirune 36, 620.
Wien, M., Messung der Tonstärke
36, »34.
Winkelmann, A., Einfluss der
Temperatur auf die Verdampfung
und die Diffusion von Dämpfen
36, 93. — Bestimmung von Die-
lectricitätsconstanteu mit dem Te-
lephon 38, 161.
Wirtz, W., Ausflussgeschwindig-
keit electrisirter Flüssigkeiten aus
Capillarröhren 37, 516.
Wolf, M., Widei*stan<l von Gasen
gej^en disruptive Entladung bei
höherem Druck 87, 306. s. auch
Lenard.
Wüllner, A., Allmählicher Ueber-
gang der Gasspectra in ihre ver-
schiedenen Formen 38, 619.
V. W^yss, G. H., Einflusä der Stärke
der Magnetiäirung auf den Wider-
stand des Eisens 36, 447.
Z.
Zehnder, L., Deformationsströme
38, 68. 496.
Aniialtn dJ^t. a..
iönerPig,lO,
S30' sr
PHYSICS ^