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Full text of "Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung"

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ANNALEN DES VEREINS 


FÜR 


NASSAUISCHE ALTERTUMSKUNDE 


UND 


GESCHICHTSFORSCHUNG 


Erster Band 


Dr. Martin Sändig oHG. 


1972 
Dr. Martin Sändig oHG. 
6229 Walluf bei Wiesbaden 


Unveränderter Neudruck der Ausgabe von 1827 - 1830 
ISBN 3 500 24730 X _ Printed in Germany 









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Annalen ves Vereins 
für 
PassauischeAltertbumskunde 


und 


Geschichtsforschung. 


Erter Band 





Mit ein und zwanzig lithographirten Tafeln. 
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Wiesbaden, 1830. 


Auf Koſten des Vereins. 





Annalen ves Vereins 


Dassauische Altertbumskunde 


und 


Ge8schichtsforschung. 


Erfies Heft. 





Mit fehs Fithographirten Tafeln, 
——— ———,s ——— es 
TAiesbaden, 1827. 


urn Women Des Bereung, 


Ardua res est, vetustis novitatem dare, novis auctoritatem, 
obsoletis nitorem, obscuris lucem, fastidis gratiam, dubiis 
fidem, omnibus vero naturam , et naturae suae omnia. 

ltaque etiam non assecutis, voluisse abunde pulcrum est, 


Priınıus. 


Yorwort 


Seitdem durch Veranlaffung Herzoglicher Landesregier⸗ 
ung, eine Gefellfchaft vaterländifcher Alterthums= und 
Gefchichtöfreunde, unter dem befondern Schuß Sr. Herz 
zoglichen Durdylaucht zufammentrat, fprach ſich das In— 
terefje an diefem wiffenfchaftlichen Inftitste von Seiten 
der verehrien Mitglieder fortwährend auf eine fo erfreu- 
liche Weife aus, daß dem Vereinsvorftand die ange- 
nehme Pflicht auferlegt wurde, die Leiftungen der Eins 
zelnen zur allgemeinen Kunde zı bringen. 

Durch die gedrucdten Circulare und Protocolle der 
öffentlichen Sahresverfammlungen find die entfernteren 
Mitglieder bisher wohl im Allgemeinen mit den Ergeb- 
niffen der angeordneten Arbeiten befannt geworden, 
ber Raum der verfendeten wenigen Bogen verftattete 
indefjen nicht die Mittheilung ausführlicher Vorträge und 
Berichte. 

Der Vorſtand fieht fich daher durch den vielfad, 
geäufferten Wunfd) bewogen, in einer Zeitfchrift dies 
jenigen Auffäge niederzulegen, wodurch fich die Thätig- 
feit der Mitglieder für die Zwecke des Vereins beurfundet. 

Die hier erfcheinenden Annalen feyen alfo das Drgan, 
durch welches die Beftrebungen der Vereinsglieber zur 
öffentlichen Anerfennung und Würdigung gebracht wer: 
ben; in ihnen fey der Vereinigungspunct für die wechfel- 
feitigen Mittheilungen, der Aufbewahrungsort für Die 


IV 


Arbeiten der eifrigen Mitglieder, die zur Nachfolge er: 
muntern, zum Austaufch der Anfichten auffordern follen. 
Denn nur auf diefe Weife kann die Theilnahme an 
vaterländifcher Gefchichtsfunde allgemeiner verbreitet, 
und der Aufgabe unfers Vereins entfprechend, durch Aufs 
fuchung und Benutzung noch verborgener hiftorifcher Huͤlfs— 
quellen, der Grund zu einer Sammlung mehrfeitig ges 
prüfter Materialien gelegt werden, aus welchen der Ge— 
ſchichtſchreiber in der Folge eine gründliche und umfaffende 
Landesgefchichte mit Sicherheit darzuftellen im Stande ift. 

Bon dem DVereinsvorftand mit der NRedaction diefes 
eriten Heftes beauftragt, defjen früheres Erfcheinen ſich 
durch mandherlei Hinderniffe verzögerte, glaube ich zuerjt 
über die Gefchichte der Entitehung des Vereins Einiges 
fagen zu müffen. 

Das Beduͤrfniß, die fchäsbaren Nefte einer merk 
würdigen DBorzeit der Zerftöorung und Bergeffenheit 
zu entziehen, und zur Erläuterung der vaterländifchen 
Gefchichte zu benugen, war befonders im Kauf der vor— 
legten Decennien Tebhaft gefühlt worden. 

Es ftanden Einzelne auf, die durch ihre Forfch- 
ungen im Gebiete der Alterthbumsfunde und Gefchichte 
die ehrenvolle Bahn raſtlos verfolgten, auf welcher fo 
bochverdiente Gelehrten, unter denen ich nur Kremer 
und Herrn Geheimen Rath 5. von Arnoldi in Dillens 
burg nenne, bereits ruͤhmlich voran gefchritten ware. 

Durch die gegenfeitigen Mittheilungen und Erörter- 
ungen in öffentlichen Blättern mußte natürlich der 
Wunſch vege werden, daß ein gefelliges Band diejenigen 
einander mehr nähern möge, welche nach einem gemein- 


V 


jchaftlichen Ziele binftrebten,, deffen Erreichung nur 
vereinter Kraft möglid) ift. 

So wurde diefe Angelegenheit ſchon im Sahr 1811 
(durch Hrn. Pfr. Luja in Dosheim, im Intelligenzblatt 
Nro. 29. und 44.) zur Sprache gebracdıt und mein ver— 
ftorbener Vater erfucht, unter feiner Leitung die Gruͤnd— 
ung eines Vereins zur Erhaltung und Erforfchung vater- 
ländifiher Denkmäler zu veranlaſſen. 

Mit Genehmigung der höchiten Kandesbehörden wurde 
von demjelben bereitwillig das Erforderliche vorbereitet 
und bald hatten fich in Folge der im In- und Aug: 
land angefnüpften Verbindungen, den gemeinfchaftlid) 
mit Herrn Geheimen Rath von Gerning ent 
worfenen Statuten, eine Anzahl Gelehrter ald Mit: 
arbeiter unterzeichnet, deren Jitterarifcher Ruf das 
Gedeihen und Fortblühen diefer Gefellfehaft verbürgte. 
Seider verhinderte jedoch der im Febr. 1814 erfolgte 
Tod meines unvergeplichen Vaters das öffentliche Her— 
vortreten des Vereins. Nachherige BVorfchläge zur 
Wiedererneuerung defjelben wurden nicht realifirt. 

Herzoglicher Landesregierung war das Verdienſt 
vorbehalten, den erlofchenen Verein in anderer Form 
wieder ind Leben zu rufen. Nach der durch den provi— 
jorifchen Borftand (ſ. Anl. 1.) erlaffenen Einladung, 
conftituirte fich nad) Maasgabe der neuen Grundgefege 
Cl. Anl. II.) am 5. Dec. 1821 der gegenwärtige Verein 
für vaterländifche Alterthbumsfunde und Gefchichtsforfch- 
ung und feierte feither jährlich am Namenstage Sr. 
Durclaucht ded Herzogs Cd. 28. Mai) das Feſt 
feiner Stiftung. 


vi 


Der Wirfungsfreis unſers Vereins iſt in ben 
Statuten vorgezeichnet. Die Refultate der bisherigen 
Thaͤtigkeit find durd; die Jahresberichte des zeitlichen 
Directors den Mitgliedern uͤberſichtlich mitgetheilt 
worden. Die geeigneten ausführlichern Auffäge follen nun 
im gegenwärtigen Blättern and Licht treten über deren 
Plan und Umfang ich mir noch einige Worte erlaube. 

Das erfte Heft der Annalen zerfällt in vier Abfchnitte, 
deren erfter für die größeren Abhandlungen 
und Berichte beftimmt ift. Unter den intereflanten 
Ausarbeitungen, welche unfer Bereinsarchiv aufbewahrt, 
wurden bei der Aufnahme in diefes Heft vorzüglich dies 
jenigen berüdfichtigt, aus denen fich, den vorgefchriebenen 
Grenzen unferer Thätigfeit angemeffen, die Mannigfaltig- 
feit unferer Forfchungen entwicelt. Sie umfaffen dem— 
nach fowohl die römifche Zeit, ald das Mittelaiter 
in unferm Herzogthum. Die Auffäse find alfo zunaͤchſt 
für das Inland berechnet, und follen ald Früchte eines 
befcheidenen und anfpruchlofen Wirkens durdy einfache 
Darjtellung einem größern Kreis von Lefern verftändlich 
ſeyn. Diefer Grundfaß leitete die Auswahl des vor: 
liegenden Materiald, und aus diefem Gefichtspunft 
mögen fie wohl eine billige Beurtheilung anfprechen. 

Leidenfchaftslofe Belehrungen werden zur Förderung 
der Wahrheit, als der Grundbedingung hiftorifcher Forſch— 
ungen ftets höchft willfommen ſeyn. 

Da wo e8 der Sache angemeffen fihien, wurden die 
Abhandlungen zuweilen abgefürzt oder mit Bemerkungen 
begleitet, und intereffante Gegenftände des Alterthums 
durch lithographirte Abbildungen veranſchaulicht. Mit 


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danfbarer Anerfennung müffen hier die fchäßbaren Abs 
handlungen unferer ausländifchen verehrten Mitglies 
der, der Herren Dr. Lehne und Dr. Schaab, genannt 
werben, indem erfterer unter den zahlreichen gefchichtlichen 
Ueberreften unfers Flaffifchen Bodens diejenigen Puncte 
aus der römifchen Zeit hervorhebt, die fic zu einer 
genauern Unterfuchung vorzugsweife eignen, lekterer 
ein Monument des’ Mittelalters erläubert, welches die 
Erinnerung an die Familie des gefeierten Erfinders der 
Buchdruderfunft bewahrt, die in der früheften Zeit ſchon 
in unferm Rheingau Schuß und Pflege fand. 

In dem zweiten Abfchnitte werden unter der Rubrif 
Miscellen, Auffäse von minderem Umfange, kurze 
Notizen, Anfragen, felbft einzelne merfwirdige Urfunden, 
die zur Erörterung und Aufhellung einer , hiftorifchen 
Thatfache Beranlaffung geben können, Anzeigen hierher 
gehöriger neuer Schriften u, f. w., ihre Stelle finden. 
Auc für die Kenntniß antiquarifch-hiftorifcher Ent— 
dedungen der Nachbarländer, die fo häufig in naher 
Beziehung zu unferer vaterländifchen Gefchichte ftehen, 
ift bereit8 Durch den intereffanten Beitrag meines fehr 
verehrten und fenntnißreichen Freundes Dr. Braun, 
der durd) feine Geburt dem Vaterland noch angehört, 
ein fhöner Anfang gemacht worden, und wir dürfen 
ferner von dem Wohlwollen der achtbaren auswärtigen 
Vereine, die dem unfrigen zu gegenfeitiger wiffenfchaft- 
licher Unterftügung zuworfommend die Hand boten, bes 
lehrende Mittheilungen erwarten. 

Die dritte Abtheilung ift der Aufnahme biogra- 
phifher Nachrichten von folchen ausgezeichneten 
Männern gewidmet, welche die vaterländifche Ger 


VIII 


ſchichte und deren Huͤlfswiſſenſchaften zur Aufgabe ihrer 
litterariſchen Thaͤtigkeit machten. Es wuͤrde erwuͤnſcht 
ſeyn, wenn die verehrten Mitglieder, welche im Beſitz 
von Notizen ſind, aus denen ſich das Leben, Wirken 
und der Entwickelungsgang der wiſſenſchaftlichen Aus— 
bilduug dieſer um das Vaterland verdienten Gelehrten 
entnehmen läßt, uns durch Mittheilung derfelben in den 
Stand fegen wollten, ihnen in diefeıt Blättern ein wuͤr— 
diges Ehrendenfmal zu ftiften. 

Sn den Anlagen find die Urfunden uber die Gruͤn— 
dung des Vereins, die Liſte der dermaligen Mitglieder, 
fo wie die Protocolle der öffentlichen Sahresverfamme 
lungen enthalten, in welcyen der Director über die 
durch den Borftand eingeleiteten Arbeiten Bericht erſtat— 
tet, und über die Verwendung der Beiträge Rechnung 
ablegt. In dieſen zur Ueberficht zufammengeftellten 
Actenftücen findet der Kefer die Richtung unferer Wirk— 
famfeit feit der Bildung des Vereing angegeben. 

Ein Berzeichniß der Gegenftände welche theils durch 
liberale Stiftungen der Mitglieder, theils durch unfere 
Ausgrabungen oder Anfauf die Grundlage zu einem 
Landes-Mufeum bildeten, dürfte, vervollitändigt durch 
die mannigfaltigen neuen Erwerbungen, mit vorzüglicher 
Berüdfichtigung des Fundorts fo wie des Namens 
der Geber den folgenden Heften beigefügt werden. 

Möchten diefe Blätter fich einer wohlmollenden Auf: 
nahme erfreuen und dem Zwecke ihres Erſcheinens gemäß 
dazu beitragen, das Intereſſe an vaterlandifcher Geſchichte 
zu beleben und zu erhalten. 

Schierftein, im November 1827. 

% 68 Habel. 


na Tot 


I. Abhandlungen und Berichte. 


1) Die Gauen des Taunus und ihre Denkmäler, von Hrn. 
Prof. Dr. Lehne in Mainz # A & 

2) Hiftorifche Bemerkungen über den merfiwürdigen Grab: 
ftein des Jakob von Sorgenloch, von Hrn. Dr. Schaab 
U IN AUG En ne ee ea Bruns 

3) Unterfuchung ‚einiger Grabhügel bei Kemel, von Hrn. 
Geom. Wagner dafelbft . . & e 

4 Bortfesung der Ausgrabungen bei Kemel, von er Si 
Spießund Hrn. Wagner .  .. RE 

5) Bericht über die Entdeckung von Silbermünzen bei Her: 
genroth, von Hrn. Pfarrer SchIoffer in Wefterburg 

6) Erläuterung der Hergenrother Münzen, von Hrn. Pfarrer 
Vogel in Schönbadh . r 3 e s R 

7) Bericht über die Ausgrabungen in der Kohlhecke und dem 
Srauenfteiner Sorft, von Hrn. Sekretär Zimmermann 
in Wiesbaden . h SER: 5 

8) Bericht über die Unterfuchung des römifchen ——— 
bei Marienfels, von Hrn. Pfarrer Brinkmann in 


Dielen. 2% 5 a 
9) Die römifhen Ruinen bei Sererüßeim von 8. ©. abe 
inocieritet 02 a . 


10) Beitrag zur Gefchichte des Münzweſens im grittelatter, 
aus Urkunden gefammelt von Hrn. Geheimenrath Joh. 
von Arnoldi in Dilfenburg : : 2 : 

11) Sefchichte der Kirhe und Pfarrei — von Hrn. 
Pfarrer Vogel in Shönah . .  . 


Eeite. 


37 


40 


99 


1. Miscellen. Seite, 


1) Entdefungen im Gebiet der Alterthumsfunde in der 
Rheingegend, von Hrn. Prof. Dr. Braun in Main . 113 
2) Anfragen, — von Hrn. Pfarrer Vogel . . 780 
5) Preisaufgabe der Königl. Akademie der MWiffenfchaften 
in: Bel un 2" Von al ee PA 
5) Ritierarifche Anzeigen: en aa een 


III. Biographifche Nakhrichten von verdienten 
vaterländifchen Gelehrten. 
Georg Philipp Kraus, Inſp. zu Idſtein, von Hrn. Pfarrer 
Luja in Dosheim — N “2,125 


IV. Anlagen. 
1) Refeript Herzoglicher Landesregierung, die Stiftung de3 
Naff. Alterthums-Vereins betreffend . 5 z 381 
2) Die Statuten der Gefellfchaft . : - P 2 
2) Derzeichniß der DVereinsmitglieder nn ne IE 
4) Protocol der erften Generalverfammlung des Vereins « 145 
By FF DER SWEItEh no 0" a 0 eu 
6) — der dritten . 4 A S s ” 153 
7) — der vierten . en PRO, . 166 


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Abhandlungen unv Berichte 


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Die Gauen des Taunus und ihre Denfmäler, 
von Herrn Prof. Dr. Lehne, Stadtbiblio— 
thefar in Mainz. 


Sir die erften befannten Bewohner der Gauen dee 
Taunus zwifchen dem Main nıd der Xahne halte ich 
die Ufiveter. Acht und fünfzig Sahre vor unfrer Zeite 
rechnung wurden fie von den Sueven, welchen Cwie 
ihre Gefandten Caͤſarn fagten) felbft die unjterblichen 
Götter nicht zu widerftehen vermögten, aus ihrem 
Lande vertrieben, als diefe durch das Mainthal ihrem 
in Gallien fiegreichen Feldherrn Arioviſt zu Hilfe eilten, 
oder vielmehr famen um in der Theilung Gallien 
ihm zu helfen. Nach diefer Vertreibung irrten die 
Ufipeter drei Jahre in Deutfchland umher, ohne einen 
feften Siß finden zu fünnen, bis fie im Sahr 55 (v. 
ehr.) über den Rhein fielen, ald eben Cäfar die Belgier 
bifiegt hatte und von neuen friegerifchen Gäften in Gal— 
lien nichts hören wollte. Er fihlug ihre Bitte um Land 
zus Wohnung ab, überftel und nöthigte fie, fich zu den 
Sicambern auf das rechte Ufer zu flüchten, wo wir 
fie mit den Tenkterern am Niederrhein, an der Kippe 
und, nad) der Auswanderung der Ubier, zwifchen der 
Sieg und Lahne finden. In ihr altes Stammland 


4 


famen fie nie mehr zuruͤck. Doch feheint mir es, daß 
in ihrem Namen felbft fich das Andenfen an daffelbe 
erhalten habe. 

Obſchon es längft erfannt iſt, wie unficher und oft 
wie widerfinnig die Etymologien der alten Völfernamen 
find, fo ift doch nicht überall der DVerfuch ihrer Her: 
leitung zu tadeln, am wenigftien wenn fie aus der 
Sprache des Landes felbft genommen werden Fann. 
Daß der Name Ufipeti eine römifche Corruption eines 
germanifchen Wortes fer, it einleuchtend. Suchen wir 
nun in der auffallendften Eigenfchaft des Landes dieſes 
Wort, fo werden wir es ohne Zwang in den Hiß— 
pätern (Heißbaͤdern, Hizbädern ) deffelben finden; denn 
in den Alteften Gloffarien wird Bad mit einem P ges 
fchrieben und das Wort heiß in hiß verfürzt. Die 
Römer, die überhaupt den harten Buchftaben H ver: 
mieden, verwandelten das Wort Hiß in Uft, vielleicht 
weil die Deutfchen e8 wie Huis ausfprachen und fo 
mag der Name Ufipeter oder Heißbäder, den man dem 
Bolfe wegen der Cigenfchaft feines Landes beilegte, ent- 
ftanden feyn. Diefer Name fcheint auch der Stadt Wiß 
baden aus gleicher Urfache gegeben worden zu feyn; dena 
ein Bad auf einer Wiefe, wie ihre Kronifenfchreibr 
zur Ableitung annehmen, ſcheint mir weniger ert— 
fprechend, da wir wiffen, wie gewöhnlich das H vor 3 
in der alten Schrift fidy in JB verändert hat. Auch 
das Flüßchen Us, an welcem Ufingen liegt, koͤnnte 
ein Reſt des römifchen VBölfernamens der Ufipeti 
ſeyn. Doc mehr als genug davon, da, wie idh 
fagte, folche Ableitungen felten ein befriedigendes Re— 


5 


fultat Darbieten, das überhaupt der Gefchichte gleich- 
gültig feyn kann. 

Rad) der Vertreibung der Ufipeter zogen fich die 
Sueven auf die Nachricht der Niederlage Ariovift’s 
vom Rheine zuruͤck, wahrfcheinlich nachdem fie, ihrem 
Gebraudye nach, das Land verwüftet hatten. Sie 
wurden von den Ubiern verfolgt ohne daß diefe die 
menfjchenleeren Gauen des Taunus wieder zu bevölfern 
wagten, um ſich nicht felbft dem Angriffe der mächtigen 
Sueven bloszuftellen. Das Land fcheint daher bis zur 
Zeit des Drufus wuͤſte und unbewohnt geblieben zu 
feyn. 

Der Suevenbund, eine Vereinigung vieler deutfchen 
Volfsftämme, dem der eigentliche Stamm der Sueven*) 
blog den Namen gegeben hatte, wurde nach dem Miß— 
lingen der Arioviftifchen Expedition nach Gallien, für 
welche er entftanden war, aufgelößt. An feine Stelle 
trat, als die Römer fih am heine befeftigten und 
daher den Germanen Beforgniffe einflößen mußten, im 
Norden der Cherusferbund, im Süden der Kattenbund, 
das heißt: faft alle germanifche Volksſtaͤmme verbanden 
fih zur DVertheidigung bei der nahenden Gefahr der 
Unterjochung durch eine erobernde Nation, deren fieg- 
gewöhnte Adler fie ſchon kennen gelernt hatten. 

Zu dem Kattenbunde gehörten die Mattiafer, welche 
die erjten gewefen zu feyn fcheinen, die fich furz vor 


*) Mannert zweifelt an dem früheren Daſeyn eines befondern 
Volkes der Sueven; er dachte nicht an die Schlachtordnung 
Ariovifte, mo es nebſt den andern genannt ift. 


6 


Ankunft ded Drufus wieder dem Rheinufer, das fie 
von den Sueven verlaffen fanden, genähert hatten, 
wenn fie auch nur jenfeits des Taunusruͤckens wohnten. 

Der römifche Feldherr fah gleich die Nothwendigkeit 
ein, gegen den mächtigen Kattenbund eine Schutwehr 
zu habe, welche feine Hauptfeftung Magontiacum gegen 
plögliche Anfälle dee, um fo mehr, da er den Plan 
hatte, die Deutfchen im innern Lande heimzufuchen und 
alfo im Fall war, die Nheinlinie an VBertheidigern zu 
ſchwaͤchen. Er z0g daher auf der Höhe des Taunus— 
gebuͤrges noch eine Linie von Berhauen und Verſchanz— 
ungen, die er an die Nida bei der Saalburg anfchloß 
und von hieraus den Fluß bis an den Main benugte,- 
Wenn er auch nicht die ganze Linie, vielleicht nur einige 
Gaftelle, vollendete, wie es bei ihrer fchnellen Zerftörs 
ung durd; die Katten augenfcheinlich wird, fo konnte 
er doch feine andere Abficht haben, weil es die von 
der Natur vorgezeichnete Bertheidigungslinie ift, welche 
fein Sohn wiederherjtellte und Trajan und Hadrian 
fo fehr befeftigten, daß fie drei Jahrhunderte durch das 
Bollwerf von Magontiacum war. 

Germanicus fah das Drohende der Annäherung ber 
Katten wohl ein, und glaubte fie gleich im Anfange 
durch einen unvermutheten Angriff ſchrecken zu müffen. 
Sie hatten ſich bei dem Anfcheine des Krieges hinter 
die Eder (Adrana), zuruͤckgezogen und erleichterten ihm 
dadurch den Ueberfall. Ehe fie ſichs verfahen, paſſirte 
er den Fluß und verbrannte ihren Hauptort Mattium. 
Daß man darunter feine Stadt verftehen müffe, ift 
nad; den deutfchen Sitten klar, doch muß es eine An— 


7 


fiedelung von größerer Zahl von Holzhütten gemefen 
feyn, wohin fie ihre Weiber und Kinder geflüchtet 
hatten, welche wahrfcheinlich auf einem grünen Raum 
in der Waldung Matte) lag, und dadurd; den Namen 
erhielt, dem die Nömer die Endung ihrer Sprache 
gaben. Man fuchte lange dieſes Mattenheim, wie es 
die Deutfchen genannt haben mögen, bei Marburg; aber 
ohne alle Wahrfcheinlichkeit, indem man bei dem Worte 
Adrana feine Berfchreibung anzunehmen Urfache hat. 
Andere finden es in dem Orte Maden an der Eder. 
Genug daß wir beiläufig die Gegend wiffen, wo die 
Anftedelung jenfeits des Flüßchens lag. 

Der Berluft, den die Römer in der varifchen 
Schlacht erlitten hatten, machte fie gegen die ihnen 
fürchterlich gewordenen Germanen vorfichtiger. Sie 
glaubten ein anderes Syftem annehmen zu müffen, al3 
die Zwangmittel der Varus. Der liftige Tiber wußte 
bald Zwietradyt zwifchen den Cherusker- und Kattens 
bund zu fien. Man behandelte diefe fchonend und es 
gelang, den Römern Freunde unter ihnen zu werben. 
Die Eiferfucht des Segeft gegen feinen Schwiegerfohn 
Herrmann beförderte die Schwächung des Cherugfer- 
bundes und die Hülfe, welche Germanicus dem Segeft 
leiftete, verpflichtete den Römern einen großen Theil 
feiner Anhänger. Den Feldherrn mußte daran liegen, 
befreundete Stämme an ihren Grenzen zu haben und 
diefen fogar Land im Innern ihrer Linie einzuräumen, 
um den Boden nicht unbebaut zu laffen und die Nahrs 
ung ihrer Grenzbefagungen zu fihern.. Es gelang 
ihnen die Mattiafer, den benachbarten Rattenjtamm, 


8 


zu gewinnen und einen ihnen gemwogenen Theil der— 
felben in die Ebenen dieſeits des Taunus zu ziehen. 
Dieß geſchah hoͤchſt wahrſcheinlich ſchon unter der 
Regierung Tibers und ward durch das friedliche 
Syſtem des Claudius, der auf alle Eroberungen in 
Deutſchland verzichtet hatte, bedeutend befoͤrdert. Von 
nun an finden wir die Mattiaker in den Gauen des 
Taunus, wenigſtens mit Gewißheit dieſeits des Pfal— 
grabens, doch iſt es kaum zu bezweifeln, daß ſie auch 
jenſeits einen bedeutenden Strich Landes im Beſitze 
hatten, weil der kleine Theil, der unter roͤmiſcher 
Botmaͤſigkeit lebte, es ſchwerlich gewagt haben 
wuͤrde, die Hauptfeſtung Magontiacum anzufallen, 
wie es im bataviſchen Kriege geſchah. Sie waren 
noch, wie wir aus den Inſchriften erſehen, ruhige 
Beſitzer dieſer Gauen unter Alerander. 

Gott weiß, welches germaniſche Wort Ptolomaͤus 
verketzerte, wenn er ein voͤllig unbekanntes Volk, die 
Ingrionen, in dieſe Gauen ſetzt. Er hat ſich gewiß 
geirrt, da wir ſowohl vor als nach der Zeit Marc— 
Aurels nur die Mattiaker daſelbſt finden, bis ſpaͤterhin 
Ammian Marcellin die Buccinobanten, als der Stadt 
Magontiacum gegenuͤber wohnend, nennt. Wahrſchein— 
lich iſt dieß nur ein Beiname der Mattiaker, der 
vielleicht von einem kriegeriſchen Gebrauche der Buc- 
cina (des Waͤchterhorns) feinen Urſprung hat; denn 
gewiß iſt es, daß noch in der ſpaͤteſten Zeit des roͤmi— 
ſchen Kriegsweſens die Mattiafer Cohorten im Solde 
der Roͤmer hatten, welche man in Mattiaci seniores 
und janiores nach der Epoche ihrer Werbung unters 


9 


ſchied. Sie lagen in Italien und im Oriente. Die 
Mattiaker gehoͤren zu den wenigen deutſchen Staͤmmen, 
deren Name am fpäteften erloſch, denn obſchon fie 
in ihrer Verbindung mit den Allemannen unter dem 
aigemeinen Bundesnamen begriffen wurden, fo läßt 
fi) Doch nicht annehmen, daß fie ihren angeftammten 
aufgegeben hätten. Nur für die Römer waren fie als» 
dann Allemannen. 

Bon den Verhältniffen diefes Volkes zu den Römern, 
mit welchen fie fich, im Kaufe von mehr als drei Sahr- 
hunderten, völlig vermifchen mußten, wiffen wir wenige 
tens fo viel, daß fie eigne Beamten, eine den römie 
fchen Munipien gleiche Municipalverfaffung , ihre 
Duumvirn, Decurionen, Curatoren und auguftalifche 
Sevirn hatten. Die neuen Entdeckungen, beſonders 
zu Gaffel und Hädernheim, haben darüber viel Licht 
verbreitet. 

Bon den Städten des Landes fennen wir manche mit 
Gemwißheit, andere mit höchfter hiftorifcher Wahrfchein- 
lichkeit. Sch will über beide einige Worte nur fagen, 
weil eine gedehntere Ausführung hier nur nach und 
nach Raum faffen Fann. 

1) Die Hauptftadt der Mattiafer unter römifcher 
Botmäfigfeit fand unter dem Schutze des Castelli 
Drusi, de8 heutigen Kaffel, Mogontiacum gegenüber, 
wo es ald Brücdenfopf unftreitig von Drufus angelegt 
wurde, Die bürgerliche Stadt lag auf der nordöft: 
lichen Geite des Caſtells und ein Theil des heutigen 
Ortes und der Feltung fteht auf ihren Trümmern, wie 
fid) bei Gründung der letztern deutlich zeigte, Mehrere 


10 


gefundene Sinfchriften aus der erften Hälfte des dritten 
Sahrhunderts nennen fie Civitas Mattiacorum, wie in 
diefer Zeit alle Hauptftädte der Volksſtaͤmme ihren 
Namen führten. 5. B. Civitas Vangionum (Worms) 
Civitass Nemetum (GSpeier) Civitas Triboccorum 
(Brumpt) u. f.w. Das Dafein ſowohl, als die Eigen» 
fehaft diefer Civitas Mattiacorum ift feinem Zweifel 
unterworfen, wie in der Folge durch die Infchriften 
bewiefen werden wird. 

2) Ein zweites bedeutended® Municipium muß bei 
Eronenberg gejtanden haben. Auf einem Fragmente 
einer Ara vom Jahr 204, welche dafelbft gefunden 
wurde, kommen Duumviri vor. Diefe Magiftrate 
findet man aber nur in Municipien, da weniger an- 
fehnliche Drte nur Magistri vici hatten. Gronenberg, 
im Rüden der DVertheidigungslinie an der Nida, hat 
aud; ganz die Lage, um zur Bewahrung der Kriegs— 
Magazine und zur Beobachtung des flachen Landes 
benußt zu werden. Es feheint mir deßwegen das 
eigentliche Gaftell des Drufus auf dem Taunus, das 
Germanicus wiederherftellte. 

3) Ein drittes bedeutended Municipium muß bei 
Wißbaden gelegen haben, um den Gebrauc, der Bäder 
zu begünftigen. Dbfchon der Aquae Mattiacae bis itt 
feine Infchrift gedenft, fo wiffen wir doc; aus den 
Gefchichtfchreibern, befonders Tacitus Plinius und 
Ammian Marcellin diefe Benennung und die Benukung 
der Bäder mit Beftimmtheit. Sch hege die Hoffnung, 
daß es der Alterthumsgefellfchaft gelingen werde, auch 
diefed Municipium näher zu beleuchten, wie es durd) 


11 


die unermädliche Sorgfalt unfere Habel hinfichtlich 
Hädernheims ſchon gefchehen ift. 

4) Sch übergehe die verfchiedenen Gaftelle, melde 
den Pfalgraben (vallum romanum) in Zwifchenäumen, 
die wahrfcheinfich mit Verhauen und Gräben ausgefüllt 
waren, vertheidigten. Herr Geheimerath v. Gerning 
und der verjtorbene Herr Hoffammerrath Habel haben 
durch vorläufige Unterfuchungen Alles geleiftet, was 
darüber augenblicklich zu hoffen war. Nur von der 
bedeutenderen Kinie längs der Nida noch einige Worte. 
Daß diefe Linie ſchon in dem Plane des Drufus und 
Germanicus gelegen habe, zeigt fich von felbit, fobald 
wir, nach dem Zeugniffe des Tacitus annehmen müffen, 
daß fie die Höhe des Taunus gegen die Anfälle der 
Katten befeftigt haben. Unmoͤglich Fonnten fie in dem 
fo Teicht zugänglichen Mainthale ihre Flanken blos— 
geftellt Taffen, welches die Befeftigung des Gebirge 
unwirffam und überflüffig gemacht haben würde. Dod) 
war der Aufenthalt diefer Feldherrn zu furz, als daß 
man glauben fönnte, fie hätten diefe Flanke durch 
regelmäfjige Feitungen gededt. Auch die Kaftelle des 
Pfalgrabend mögen nur nach und nach unter ihren Nadı- 
folgern entjtanden feyn. Erſt ale Zrajan dad ehe- 
malige, von Claudius verlaffene, Occupations-Syſtem 
wieder annahm, dachte er an die Linie der Nida, 
die ihm bei feinen Planen der Ausdehnung der römis 
fchen Grenze in das Herz von Deutfchland einen fichern 
Rückhalt geftattete und die Hauptfeftung Magontiacum 
erſt nach ihrer Ueberfchreitung angreifbar machte. 


12 


Bei der Aufgabe, die Nida zu befeftigen, ftellte ſich 
zuerft die Nothwendigfeit hervor, ſich des Ausfluſſes 
derfelben in den Main zu verfichern. Sch war längjt 
überzeugt, daß hier das Munimentum Trajani, das 
Julian wiederherftellte, gefucht werden müffe. Bei 
einem kurzen Aufenthalte zu Höchit im Jahre 1808 wollte 
ich fehen, ob ſich feine Spuren mehr faͤnden. Da id) 
nicht graben laffen Fonnte, mußte ich mid; mit oberflädh- 
lichen Forfchungen begnügen; war aber fo glüdlich, ſo— 
gleich eine Menge Badjteine der XXX. Legion, welche 
von Trajan, ihrem Stifter, den Beinamen Ulpia führte, 
zu entdeden. Auch fand ich ſolche Steine der Legio 
VII. Augusta und der XXI. Primigenia, nebjt einer 
Menge zertrimmerten Gefäße der ſchoͤnſten famifchen 
Erde, fogar Stücke großer Amphoren. Weitere Unter: 
fuchungen mußte ich auf gelegnere Zeit verfchieben, aber 
die Entdedungen feheinen mir hinlänglic;, meine Mei— 
nung, daß hier Cetwas oberhalb dem heutigen Orte 
kida gegenüber) das Munimentum Trajanı gelegen 
habe, zu beftätigen. DBielleicht gelingt es Fünftigen 
Forfchungen enifcheidendere Spuren zu finden. 

5) Trajan ſcheint durch feine dacifchen Kriege abges 
halten worden zu feyn, durch ein Central-Eaſtell die 
Linie zu verftärfen.. Sein Nachfolger, Hadrian, ob- 
fchon er das Eroberungsſyſtem wieder aufgab, fah doch 
die Wichtigkeit diefer Pofition für die Sicherheit der 
römifchen Grenzen zu wohl ein und wir wifjen durd) 
feine Biographen, daß er fich jtarf mit diefer Sicher: 
ftellung in allen Theilen des Neiches befchäftigte. Es 
ift alfo hoͤchſt wahrfcheinlih, daß er der Gruͤnder des 


15 


Hädernheimer Gaftrums ift, welches fihon der Name 
Hädernheim glaublich macht. Beftimmtheit können wir 
darüber nicht erwarten, wenn nicht Steinfchriften 
wefentlichen Inhalts gefunden werden. Bon der Wich— 
tigfeit Diefes Caſtrums, das bedeutender als ein 
Gajtell war unter Alerander, liefern feine Ruinen, 
deren Plan wir Herrn Habel verdanken, unzweifel- 
hafte Beweiſe. Unter der Regierung diefes Kaiſers 
entjtand, wie bei allen Feftungen, ein Dorf Vicus 
novus durch die von ıhm mit Gütern belehnten Vete— 
ranen, das in die Ningmauern der Feftung zu mehres 
rer Sicherheit eingefchloffen worden zu feyn fcheint. 

6) Die Saalburg war das dritte Gaftell, das die 
Aufferfte Flanfe der Linie der Nida deckte. Wir wiffen 
nicht weiter von ihm, als daß e8 um das Jahr 212 
die vierte Cohorte der Bindelicier zur Beſatzung hatte, 
von welcher man viele Badjteine fand. 

7) Die lateinifchen Benennungen, welche mehrere 
Orte des Rheingaus in der Merovingifchen und Garo- 
Iingifchen Epoche noch führen, machen ihren römifchen 
Urfprung unzweifelhaft. Zu diefen rechne ich Alta villa 
(Elfeld) und Vinicella (Winfel). Doc, fann davon 
erit die Nede feyn, wenn römifche Spuren die Ver: 
muthung beftätigen. 

Diefe allgemeine Ueberficht des Landes glaubte ich 
der Erflärung der darin gefundenen Infchriften voraus— 
fenden zu müffen, indem ich diefe nur als Urkunden 
und Belege feiner Gefchichte anfehe, ſelbſt wenn fie 
nicht eigentlich hiftorifchen Inhalts find. Immer bleiben 
fie Zeugniffe für die Lofalität und ihrer Wichtigkeit 
in einer der bedeutendften Epochen der Weltgefchichte, 


14 
J. 


IN... 
APOLLINI TOV 
TIORIGI 
L. MARINIVS 
MARINIA 
N VS. DA DE 6 UT: 
GEM. P. F. ALEXAND. 
D. D. D. FORTVNAE. VO 
TL COMPOSs. 


Zur Ehre des göttlichen Haufes, dem Toutio— 
rifchen Apollo hat Lucius Marinius Marinianus 
Genturio der Tten Kegion, der gedoppelten redlichen 
getreuen Alerandrinifchen, dieſen Gelübdjtein ges 
weihet und zugleich dem Glüde, das feine Wiünfche 
erfüllt hat. 

Diefe Ara wurde im Sahr 1784 ald man die Fun 
damente des Schügenhofs zu Wißbaden legte, gefunden, 
und ift noch in dem dortigen Bade, aber leider! zu 
hoch und übertüncht eingemauert. Noch vor diefer 
Entjtellung habe id die Schrift abgefchrieben. 

Apollini Toutiorigi. Eine von den topifchen Ber 
nennungen, die meiftens von Drten hergenommen wur— 
den, welche uns unbefannt find. Vielleicht hat der 
Steinhauer Toutiorigi au Teutonici gemacht; vielleicht 
auch ift das Wort aus Teut und Origo fomponirt und 
bedeutet den Apollo deutfchen Urfprungs, denn ſchon 
die Römer brauchten das Wort Teutoniceus, wenn fie 
die Deutfchen im Allgemeinen bezeichnen wollten, eben 


15 


fe wie Germani, obfchon jenes im Grunde nur einer 
nördlichen Voͤlkerſchaft, den Teutonen, zufam, bie 
fie aber mit den Cimbern am erjten Fennen Ternten; 
vielleicht aud) (weil man fich bei völliger Ungemwißheit 
nur mit Vermuthungen helfen Fann), hieß das Bad, 
in welchem Marinius Genefung fand, von feinem Er- 
bauer Balneum Toutiorigis, (Teuterich) und daher 
gab man der Heilquelle den Namen des Bades. Mit 
Sicherheit laͤßt fich nichts beftimmen. 

Marinius Marinianus find beides befannte Namen, 
beide abgeleitet von Marius, Marinus, Marinius, 
Marinianus; den lestern findet man auch ald Stammes 
name: 3. B. Marinianus Loscus, u. f. w. 

Centurio legionis VII. geminae piae felicis Alex- 
andrinae. So wie die meiften Legionen unter den 
Antoninern den Namen Antoninianae angenommen hats 
ten, fo nahmen fie unter ihrem Nachfolger Alexander 
Severus den Namen Alexandrinae an. Wir wiffen 
fhon dur; mehrere Steinfchriften unfrer Gegend, daß 
dies mit der 22ten der Fall war. 

Auch auf diefer Steinfchrift haben die Anhänger 
Marimind verfucht diefe Benennung auszulöfchen ; fie 
blieb aber noch ziemlich lesbar. 

D. D. D. Donum dedicat fortunae voti compos. 
Er weiht ihn zugleich dem Glüde, das die Heilfräfte 
Apollo's beguͤnſtiget hat. 


16 


u. 
DEO MERCVRIO 
NVNDINATORI. 
Dem Gotte Merkur, Beſchuͤtzer der Märkte, 

Diefer kleine Botivftein ift an dem Gemeindehaufe 
zu Birftadt zwifchen Caſſel und Wißbaden eingemauert 
und wurde auf dem Wege nad, erfterm Drte gefunden. *) 
Ober der Infchrift fieht man zwei fißende Figuren, 
wovon die männliche offenbar Merkur ift, die beide 
den Schlangenftab in der Hand haben. Die weibliche 
Figur halte ich für Dea Nundina, welche Valerius 
Maximus als Göttin anführt. 

Die Römer nannten die Zeit vom einem Marfttage 
zum andern Nundinae, (gleichfam Novendinae, weil alle 
9 Tage Markttag war) obſchon auch behauptet wird, 
dag nur die Marfttage felbft fo heißen und fie für bie 
Epoche der Arbeitstage, bis zur Zeit Alexanders Ges 
vers, wo die Wochen (hebdommada) aus dem Driente 
aufgenommen wurden, feine Benennung hatten. Dem 
fei wie ihm wolle, fo fiheint doch gewiß, daß die 
Markttage ihre Göttin hatten, und wer fünnte anders 
auf diefem Steine die Gefährtin Merfurs des Nun— 
dinators feyn, ald die Nundina, die unter feinen 
Aufpizien ihnen vorftand. Die Perfoniftzirung der Nun- 
dina ift um fo mehr auffer Zweifel, da man diefes 
Wort fogar ald Perfonalname gebraudht. 

So ließt man auf einem bei der Burg Soned, unweit 
Cilley, gefundenen Grabjteine: sibi et Nundinae hiliae. 


* 6. Schenk, Merkw. d. Stadt Wiesbaden 1782. 1. p. 56. 


17 


111. 


MARTI 
LEVCETIO 
PRO SALVTE 
IMP. DOMINI N AVG. 

PILQ. VOCONIUS 
VIEVEVS LEG AXIL 
PR.P.F.PONENDVM 

CVRAVIT. 

(Tab. I. Fig. ı.) 
Dem Leucetifchen Mars; zum Heile des Kaifers, 
unfers Gebieters, Augufts des Frommen, ließ 
Duintus Voconius Vitulus, Genturio der 22. 
Legion der erfigebildeten, redlichen, getreuen, 
diefen Stein fegen *). 

Marti Leucetio. Die Inſel Leuce liegt im ſchwar— 
zen Meere unweit der Mimdung des Dniefters und 
wurde zu Flein Scythien Cder heutigen Fleinen Tartarei) 
gerechnet. Nach Strabo war fie dem Achilles geweiht 


*) Schon Huttich theilte diefe Inſchrift in feinen Collect. 
Antigg. dv. J. 1520 mit, und bemerkte, fie fei in der 
Wand einer Capelle bei Srauenftein Cohnweit Wiesbaden ) 
« dieti zum Armudt » eingemauert. 

Conf. Joannis Rer. Mog. T. III. Tab. 24. Längſt ift 
diefe Eapelle verfchwunden, und die Baumaterialien wurden 
bei der Erbauung des Hofes Armada benutzt. Hier fand 
ich vor zwei Jahren die Hälfte diefes Wotivfteins zu einer 
Treppe verwendet. Nur wenige Buchitaben . des oberen 
Theils find noch erhalten, die übrigen Schriftzüge des 
Steins aber durch Zeit und Gebrauch erlofchen. 

d. ‘9, 
2 


18 


und fein Schatten ſollte nad) der Fabel darauf wandelt. 
Es iſt die höchite Wahrfcheinlichfeit, daß der Heros 
hier felbft unter dem Namen des leucetifchen Mars 
gemeint fei und unter dieſer Benennung dafelbft ver: 
ehrt wurde, Durch die neuern Entdeckungen in Der 
Krim ift es unzweifelhaft, daß er am Bosphorus allge: 
meine Verehrung genoß und fogar den Namen Pontard) 
oder Gebieter des Pontus trug *). 

Die Veranlafjung diefer Ara ift folgende: die Tau— 
rofcythen, welche die heutige Krim bewohnten, bedraͤng— 
ten die Milefifche Eolonie Dlbia CS Stunden von dem 
heutigen Dfzafov) welche Plinius als eine große Han— 
delsftadt anführt. Antoninus Pius ſchickte ein Heer 
ihr zu Hülfe, ſchlug ihre Feinde und zwang fie, den 
Dlbiopolitanern Geifeln zır ftellen *). 

Boconius empfahl daher bei Anfang diefes Kriegs 
das Waffenglüdf des Kaifers, dem Mars der dortigen 
Gegend. Die Zeit der Weihe des Altars ift unftreitig 
das Sahr 139. Antonin ordnete nur zwei Friegerifche 
Unternehmungen an amd wurde auch nur zweimal als 
Smperator begrüßt, Durch die Münzen wiffen wir 
aber bejiimmt, daß es zum zweitenmale wegen Des 
Siegs über die Britten im Sahr 140 gefchah; da num 
das Jahr 139 das erjte feiner Regierung it, nachdem 
Hadrian im Juli 138 gejtorben war, fo folgt nothe 
wendig, daß die Erpedition gegen die Taurofeythen, 


*) ©. Antiquites grecques du Bosphore Cimerien par Raoul- 
Rochette. 
**) ©, Spartian cap. ı. 


19 


welche ihm allein ven erften Ssmperatorgruß erworben 
haben Fonnte, im angegebenen Sahre ftatt gefunden 
habe, wenn gleich die Gefchichte darüber fchweigt. Den 
Titel Pins, der ihn befonders bezeichnet und Daher 
auch ohne feinen Namen verftändlicd; war, hatte er 
fhon 138 erhalten, kurz nad; dem Tode Hadrians. 
Der Name Voconius ift befannt. Man fand von diefer 
Familie mehrere Steinfchriften zu Murviedro, dem 
alten Sagunt in Spanien. 


IV. 


FORTYNArN RF 

DO BIVS ER VOEO 
SVSCEPERVN. PRO 

3A 2. DMB!!D N SEWV 
ALEXANDRE AYG. 

(Subseripti.) 

(Tab. I. Fig. 2.) 


Zur Ehre des göttlichen Haufes und feiner zurück 
führenden Glüdsgöttin haben Cdie Ungenannten) 
zum Heile unfers Herrn des Kaiſers Severus 
Alerander Auguftus diefen Gelübdftein zu errichten 
unternommen .... 


Sm Sahr 1824 zu Dotzheim bei Wißbaden von Herrn 
Pfarrer Luja als Schlußftein zu einem Gewölbe gefun- 
den. Wahrfcheinlich ward er vor diefem Gebrauche in 
den Ruinen der römifchen Anfiedelung in der Nähe des 


20 


Ortes entdeckt, die man Fürzlich zum Theile aufgegraben 
hat und von weldyen man noch intereffante Ausbeute 
erwarten darf. 

Man wird bemerken, daß obige Ergänzung nicht 
der lithographirten gleich fe. Da der Stein zu arg 
befchädigt ift, erlaubt er mehrere Ergänzungen, worüber 
die Alterthumsfenner entfcheiden mögen. Die litho— 
graphirte wurde dadurch erzeugt, daß ſich auf der 
Schrift feine Namen derjenigen finden, die ihn ge— 
weiht haben. Da aber auf vielen Aren bemerft wird, 
daß wenn die Namen in größerer Zahl find, fie auf 
die beiden Nebenfeiten übertragen werden, fo Fonnte 
dieß aud hier der Fall gewefen feyn. Ueberhaupt 
feheint mir die Inſchrift nicht vollendet. Vielleicht 
wurde fie durch Aleranderd Tod unterbrochen. Dbige 
Ergänzung halte ich für die richtigere aus mehreren 
Gründen. 

In honorem Domus Divinae et Fortunae reduci 
ejus. Diefe Weihe bedarf weniger Erläuterung. Das 
Wort Fortuna ift zu Far ausgedrückt und muß dem 
Raume nad von einem Beinamen begleitet gemwefen 
feyn, worauf ſich das eius bezieht. Diefer Beiname 
fcheint mit am entfprechendften der Fortuna redux zu 
gelten, da fein andrer anwendbar ift. So finden wir 
auf einer Infchrift zu Nom diefelbe Meihe mit andern 
Worten: Fortunae reduci Domus Augustae sacrum. *) 
Die Worte Domus divina find befanntlid; mit Domus 
Augusta gleichbedeutend. 





*) Gruter, pag. 78, 3. 4. 


21 

Bei der Weihe unſrer Ara, die offenbar im letzten 
Jahre Aleranders, in welchem er zum erftennale am 
Nheine war, errichtet wurde, war feine ihn begleitende 
Mutter mitbegriffen, daher Domus divina, und da er 
im Begriffe ftand, in Germanien einzufallen, daher For- 
tunae reducıi. 

Die wahrfcheinfichfte Epoche der Weihe wäre alfo 
das Jahr 235. Mehr läßt ſich aber auch nicht über 
eine allzu fragmentarifche Infchrift fagen, die nur 
wegen des Ortes, wo man fie fand, einiges Intereffe 
einflößen Fann. 

( Sortfegung folgt, ) 


2) 


Hiſtoriſche Bemerkungen über den merkwürdigen 
Grabftein des Sakob von Sor genloch, genannt 
Gensfleiſch, eines Verwandten von Johann 
Gutenberg, von Herrn Dr. C. A. Schaab, 
Richter am Kreisgericht zu Mainz. 


Sm Monat Suni 1823 entdeckte man bei einer Ver— 
tiefung des Kirchhofs in Eltville, an der Nordfeite der 
Kirche, in dem Einfchnitt, welchen zwei Strebepfeiler 
an der linfen Seite des Chors bilden, 1 ’/, Schuh mit 
Erde bedeckt, den fihönen Dedftein des Grabes von 
Safob Sorgenloch, genannt Gengfleifch. Am 24. 
April 1825 begab ich mich an Ort und Stelle, um 
den Stein in Augenfchein zu nehmen Er hat 5 8 12, 
Länge zu 37 4° (Rhein.) Breite. Auf ihm find zwei 


22 


Wappenfchilder neben einander eingehauen. Das zur 
rechten ift das der Gensfleifche, das zur linfen das Bech— 
termuͤntzſche. Ueber beiden ift die Sorgenloch Gensfleifche 
Helmverzierung und oben darauf drei Reiherbüfche. Diefe 
Wappenbilder umgiebt folgende Randfchrift: Anno. dni. 
meccelxxbiii. vtt. mondag. nach sant. albang. 
dag. starp. Der. best. jacob. von. sorgenloch. 
dem. got. genedich. und barmhercich. sy. 
Diefer Jakob von Sorgenloch genannt Gengfleifch, 
ftammte in der fünften Generation von Claus zum 
Gensfleifch, dem Stammpater der nachherigen Sorgen— 
Iocher- Brandye ab. Jakobs Vater war Peter Gene: 
fleifch, welcher fich zum erjtenmal im Sahr 1435 mit 
feinen beiden Brüdern Jakob und Georg, von Sorgen— 
Ioch oder Selgenloc nannte. Peter fommt von den 
Sahren 1411 bis 1435 in den Urfunden vor und hatte 
eine Neefe (Agnes) von UÜdenheim zur Frau. 
Sorgenloch lebte zu Eltville, feit 1464 verheirathet 
mit Elfe (Elifabeth) Bechtermins, einer Tochter von 
Heinrich Bechtermuͤntz. Diefe Heirath mag Die 
Beranlaffung zu der Verbindung geworden feyn, welche 
Gutenberg mit diefem Schwiegervater feines Vetter 
anfnüpfte, ald er im Sahr 1465 dem Hoflager feines 
Fürften Erzbifchof Adolphs II. Cvon Naffau), nad) 
Eitville gefolgt und ihm dort feine mitgebrachte Druderei 
überlaffen hat. Diefer muß gleich mit der Arbeit anges 
fangen haben, denn fchon im Sahr 1467 erfchien das 
feltene Vocabularium ex quo, in deſſen Schlußfchrift es 
heißt — «per Henricum Bechtermüntze in Altavilla 
inchoatum.» Heinrich Bechtermüns hatte Grede von 


25 


Schwalbach zur Frau. Nach Bodmann*) foll er zu 
Eltville den 3. Sult 1467 geftorben feyn und feine 
Grabjtätte in der dortigen Pfarrkirche gefunden haben, 
wo auch noch das ihm errichtete Denkmal zu fehen 
fen. Sch habe mich genau darnadı umgefehen, aber e8 
nirgends gefunden. 

Jakob von Sorgenloch gehörte, wie der ganze im 
Rheingau wohnende Adel, zur Parthei des dem Kur: 
fuͤrſten Diether entgegengefesten Adolph von Naffau, 
und gewiß war er derjenige, welcher bei einer Ueber- 
fahrt über den Rhein von den Anhängern Diethers 
gefangen und mißhandelt wurde. Das befannte Manu— 
feript % über die Fehde zwifchen Diether und Adolf 
erzählt den Vorgang mit den Worten: «Es begab ſich 
auch, daß den Fritag nach dem heil. Gruzetag etlid) 
Volk uf dem Ringaw wolten gen Meng uf den Wuchen— 
marft und als fie zu Walluf berüber waren gefaren, 
ftiefen die fint, nemlich des von Sfenburg anhenger 
uf fie und namen geen fieben gefangen und fhuͤrtenß 
hinwegf in das Wefterich off ein Schloß am Dornfpergf 
CDonnersberg) gelegem, geen etlich fehlugen fie übel 
und etliche bis vff den Thot. Alfo wart auch Safob 
Genßfleiſch gehawen.» 

Er ſtarb am Montag nach St. Albanustag, den 9. 
Juni 1478. Dieß beweiſt nicht allein die Umſchrift des 
Steins, ſondern auch ein in der Kirche, an der linken 
Seite des Chors, wo er außerhalb wider die Kirchen— 


=) Rhein. Alterth. I. 154. 
*) Rheiniſches Archiv, herausgegeben von N, Vogt und 
Weigel, V. 45, 


24 


mauer begraben wurde, ihm erricytetes Denkmal. Unſer 
gelehrter Antiquar, der Domvifar Georg Helwich hatte 
in den Sahren 1611 und 1623 die ganze Mainzer Dioͤ— 
zes bereift und in allen Kirche‘. die Denkmäler aufger 
nommen. Diefe in lateinifcher Sprache verfaßte Bes 
fehreibung nannte er Taphographia, und fie ift noch im 
Manufeript unter dem Nachlaß des Prof. Bodmann's 
vorhanden; darin fagt er von der Pfarrfirche zu Elts 
ville: « Templum hoc exstructum est sub Gerlaco 
Archiepiscopo an. 1555. Dann von J. Sorgenlochs 
Denfmal «Anno dni. MCCCCLXXVII. IX. die mensis 
junii obiit validus Jacobus de Sorgenloch armiger. 
c.a.r. ĩ. 5. P. a.» und bemerft dabei: «ibidem sub 
historia s. Georgii militis depietus cernitur in specie 
armigeri, cum suae gentis insignibus.» Unter diefen 
Wappenbildern befanden fich die der Familien Sorgens 
loch, Bechtermüns, UÜdenheim und Schwalbach. Diefes 
Epitaph ift jeßt nicht mehr fichtbar, fondern durch einen 
weißen Anftrich bedeckt, 

Der Berjtorbene hinterließ zwei Kinder, Philipp und 
Margarethe, Erfterer heirathete Walpurg von Rum— 
penheim, Er ftarb am Dienftag acht Tag nadı Mars 
tini, 19. Nov. 1510, und wurde in der Klofterfirche 
zu Eberbad; begraben. Darin erhielte er eine Grab— 
fehrift, welche Helwich gefehen und in feine Tapho- 
graphia aufgenommen hat. Er fagt: « Ante altare s. 
Magdalene et Agate inscriptio sepulcralis; Anno 
dni. mccccer vff Dienfiag den Sten Tag nah Martini 
ift geftorben der veft pfilips von forgenlocdh, dem 
got genedig fy. Majores; Sorgenloch, Bechtermüntz, 


25 


Udenheim, Schwalbach. Durch die großen in biefer 
fchönen Klofterfirche in den erften Sahren diefes Jahr— 
hunderts gefchehenen Zerftörungen, ift auch dieſe Grab— 
fchrift mit den meiften andern verſchwunden. Sorgen 
lochs Tochter Margarethe heirathete *) einen Johann 
von Molsberg, deffen Familie in unfrer Gegend nod) 
blüht. Daher befinden fich auch unter den 16 Ahnen 
des, dem am 19ten November 1614 verftiorbenen Philipp 
von Molsberg, in der Kirche zu Bodenheim errichteten 
Denfmals, die Wappen der von Sorgenloch und Bech— 
termuͤntz. 

Jakobs Wittwe Elſe heirathete im Jahr 1488 den 
Better ihres Mannes Hanns von Sorgenloch genannt 
Gensfleifch, weltlichen Richter in Mainz, welcher vor: 
her fchon mit Magdalena von Grefenroth oder Gräven- 
röth verheirathet gewefen. 

Bei dem in dieſem Deckftein eingehauenen Sorgen 
loch'ſchen Wappenfchild, ift zu bemerfen, daß 1) der 
Pilger nicht, wie in der Gensfleifchen Hauptbrande 
von der linfen zur rechten, fondern von der rechten 
zur linfen Seite gebt. D Daß er die Schale in der 
linfen, den Stab aber in der rechten Hand trägt, was 
bei dem Gensfleifchen Pilger der Hauptbrandye der 
umgewendete Fal if. 3) Daß er die fieben Kreuze 
um ſich hat, die man bei der Gengfleifchen Haupts 
brandye niemals findet. 4 Daß hier anftatt des 
halben Pilgerbildes der Gensfleifche erfter Branche, 
drei Reiherbüfche auf der Helmbedeckung fiehen. 


*) Bodmann’s rhein. Alterth. I. 135. 


26 


Noch bemerfe ich, daß in der Nähe dieſes Dediteins 
des Jakobs von Sorgenloch, aud) der eines Syfrids 
von Schwalbad) entdedt worden. 


3. 


Unterſuchung einiger Grabhuͤgel bei Kemel, von 
Herrn Geometer Wagner daſelbſt. 


Die bedeutende Anzahl Grabhuͤgel, welche ſich bei 
Kemel in dem Walddiſtrikte Forſt vorfinden, erregte 
ſchon lange meine Aufmerffamfeit, und ich befchloß mit 
einem Freunde, dem Herrn Oberförfter Spies von 
Springen, einen Verſuch mitteljt Aufdeckung einiger 
diefer Hügel zu veranftalten. 

Das Lokal in welchem fich diefe Grabhuͤgel befinden, 
ift fo befchaffen, daß daſſelbe einen der höchften 
Standpunkte der Umgegend ausmacht, und nach Suͤd— 
weft zu, einen fcehwachen, lang ausgedehnten Abhang 
bildet. Die unterften der Grabhigel, welche überhaupt 
in unregelmäßiger Lage gegeneinander liegen, beftnden 
fich in fumpfigter Bodenlage, um welche herum mehrere 
Quellen entfpringen die fich in einen Bache vereinigen, 
der füdlichen aufs nahe unter den Gräbern einen 
Wiefengrund, mit Namen Nömersgrund, erreicht. 
Der ganze Diftrift überhaupt befindet fich von dem 
bei Kemel herziehenden Pohlgraben in füdmelt- 
licher Richtung 1900 Schritte entfernt. 

Wir nahmen alfo einen der unterften diefer Grab- 
hügel vor, da uns hier das Gehölze nicht zu fehr hin— 


27 


derte, bejfen Umfang 47 Schritte und feine Höhe 4 
Meter betrug. Dben auf der Spike, dicht unter der 
Dberfläche fanden fich zuerft mehrere Quarz und Schie— 
ferfteine von mäßiger Größe vor, worunter aud) zwei 
Dreiedfteine waren, Die feilförmige Geftalt des einen 
ijt befonders merfwürdigz; doch feheint er nicht Durch 
Kunſt, fondern blos von der Natur zu diefer regulären 
Geftalt gebildet worden zu feyn. 

Die fernere Erde diefes Grabes beftand aus reinem 
Lehinboden, und fanden fich darin bei einem Scuh 
Tiefe, einzelne Kohlen von eichenem Holze und Scher— 
ben vom obern Rande eines Topfes aus rothfarbiger 
Maſſe (terra sigil.) Bei 3 1%, Meter Tiefe wurde bie 
Branderde häufiger und wir fanden jeit Die eigentliche 
Branditätte von 3’ Durchmeffer, 2" hoch aus Kohlen 
bejtehend, auf welcher eine Menge Knochen ſich befan- 
den, die indeffen fo miürbe waren, daß ein ganzes 
Stuͤck nicht zu erhalten war. Die Menge der Knochen, 
fo wie die Structur einzelner Theile derfelben ließ 
ſchließen, daß das Leibroß des Verftorbenen, vielleicht 
auch noch mehrere Thiere gleichzeitig mit verbranut 
worden find. Auch gab der, auf diefen Knochen ges 
fundene, ganz in Gruͤnſpan übergegangene Ring zu 
diefer Vermuthung Anlaß, da er unffreitig von der 
Stange eined Pferdezaums herrübrt. 

Auffer mehreren Scherben zerbrochener Opfers und 
fonftiger Gefäße, Aufferft grober Bearbeitung, von 
ſchwarz und rother Farbe, woraus aber fein Ganzes zu 
bringen war, fanden fid) weiter feine Merkwürdigkeiten 
vor; doch muß diefer Hügel noch weiter geöffnet werden. 


28 


Der zweite Grabhügel, den wir gleichzeitig aufzus 
graben befcyloffen, ift 30 Schritte vom erftern entfernt. 
Der Umfang defjelben betrug 40 Schritte, feine Höhe 
2 1/, Meter. 

Bei 1%, Schuh Tiefe fanden fich ſchwere Steine von 
Quarz, auch gebrödelte Kohlen, welche nicht von 
eichenem Holze gewefen zu feyn fcheinen. Nachdem 
mehrere Ddiefer fehr ſchweren Steine, welche fich noch 
bi8 auf 7 Tiefe dicht aufeinander gelegt fanden, 
herausgehoben und abgemälzt waren, fam die noch mit 
Kohlen, Afche und Knochen bededte 1 1/, Schuh im 
Durchmeffer haltende Brandftätte zum VBorfchein. Auf 
derfelben fand ſich eine Menge zerbrochener Scherben 
vor, von ähnlicher Qualität wie im erften Hügel, nur 
waren die Knochen hier nicht fo häufig als in jenem. 

Als weiter um die Brandftätte herum gearbeitet 
wurde, fand ſich etwas von Roſt zerfreffenes Eifen 
etwa drei Finger breit, und nicht fehr Yang, davon 
die Gestalt nicht ausfindig zu machen war. Bei diefem 
Eifen aber lagen drei Ringe, welche fich vortrefflich 
erhalten hatten, und mit dem edlen grünen Roſte bedeckt 
waren. (Tab. Ill. Fig. ı.) Einer diefer drei Ringe war 
an feinen Enden aufgebogen, welces von dem Drud der 
auf ihm geruhten Laſt entftanden feyn fann. Es wurde 
hier mit möglichfter Vorficht weiter gegraben, und bald 
darauf fam wieder Eifen zum Vorfchein, welches ſich 
etwas beffer ald das erjtere erhalten hatte und folgt 
Nro. 3. Bei diefem Eifen fanden ſich noch drei Ringe 
ganz den erfteren gleich, vor. Der eine davon war 
in drei Stiüde zerbrochen, die beiden andern aber 


29 


hingen ineinander, woraus wir fchloffen, daß alle ſechs 
eine Kette gebildet haben, welche fich erftens durch den 
an feinen Enden aufgebogenen, und dann durd die 
zerbrochenen Ringe getrennt haben mochte. 

Einen halben Meterfchuh von der Brandftätte ent- 
fernt lagen diefe Ringe, deren Stoff dem jegigen eng- 
lifchen Bronze Ähnlich zu feyn fcheint. 

Die fumpfige Lage des Grabes, welche das wei— 
tere Nachgraben fehr erfchwerte, ließ uns daſſelbe vers 
laffen und feine fernere Aufdeckung bis zu trodener 
Sahreszeit verfchieben, in welcer die hier noch zu 
vermuthenden Merkwürdigkeiten, beffer erhalten, zu 
Tage gebracht werden koͤnnen. 

Gin nahe hierbei gelegener dritter Grabhügel follte 
unfere Arbeit für den Tag befchließen. Er hatte 28 
Schritte Umfang und 3 Meterfchuh Höhe. 

Bei 1 Schuh Tiefe fanden fih, wie im eriten, 
zerbrödelte Kohlen, auch fchwarze Scherben, mitunter 
Knochenſtuͤckchen. Dabei fand nad) Weiten eine Urne 
mit Knochen, etwa 3/, Schuh Durchmeffer haltend. Die 
Stuͤcke dieſes Gefäßes, welche ſich zufammenfegen 
laffen, und welche ich wie fie aneinander gehören 
numerirt habe, folgen unter Nr. 4 bei. Den obern 
Rand dieſes Topfes konnten wir nod, nicht erhalten. 

Nach Dften jtand noch ein Gefäß mit Knochen, 
worin ein Theil des Bodens mit Knochen angefüllt, 
hier auch mit Nr. 5 bezeichnet beiliegt. 

Zwifchen diefen Gefäßen lag ein Stüd eines Fleinen 
Ringes Nr. 6. 


50 


Die einbrechende Nacht machte unferen Arbeiten ein 
Ende. Es folgen nur noch mehrere Scherben zer: 
brochener Gefäße, aus jenen Gräbern, bei. 

Bei dem oben gemachten Verſuche habe ich gefun— 
den, daß die vorthbeilhaftefte Art der Aufgrabungen 
diejenige ift, wenn der Grabhügel oben von der 
Spise an, bis zu feinem Fuße, horizontal abgehoben 
wird, wie dieſes mehrere ſchon vorgefchlagen haben. — 

Mit Vergnügen würde ich die Aufjicht über diefe 
Arbeiten übernehmen und über den Befund alles Merf- 
würdigen genaue Relation dem Vereine zugehen laffen. 

Kemel, den 16. April 1823. 


A. 


Fortfeßung der Ausgrabungen bei Kemel von 
Herrn Oberförfter Spies, und Herrn 
Geometer Wagner. 


Unfere Nachgrabungen festen wir heute in der 
Gegend des Hinterlandswaldes ohngefähr 1500 Schritte 
wejtlih vom Gladbacher Forfihaufe in dem Diftrift 
Igelskerb fort. 

Ein Grabhügel nahe an einem alten Wege ftel ung 
befonders auf, und wir befchloffen zuvoͤrderſt denfelben 
mittelft eines Einfchnitts, da das horizontale Abdecken 
wegen des darauf befindlichen Gehölzes nicht thunlich 
war, zu öffnen. Der Hügel hat 50 Schritte im Umfang 
und 4 Werkfuß Höhe. Der Einfchnitt gefchah ın der 
Richtung von Suͤdweſt nad) Nordoften. 


1 


Wir gelangten dabei vorerft auf einen noch ziemlich 
gut erhaltenen Schädel, welcher jedoch aller ange: 
wandten Mühe ohngeachtet, nicht unbefchädigt aus der 
Erde zu erhalten war. Die Stüde davon folgen 
unter Niro. 1. 

Auf der linfen Seite des Schädeld Cder Körper 
lag nämlich mit dem Kopfe nach Südoften) befand 
fi) Die Spiße des Speer unter Nro. 35 etwa in der 
tage als habe er neben dem Körper gelegen, und reichte 
wohl 1 Schuh länger hinaus, ald der Körper lang ger 
weſen ſeyn Fonnte. Unter dem Speer, auf der linfen 
Seite neben dem Körper hinunter, befanden fich Stüde 
des Schwerts Niro. 4. Seine Spike lag nad) den Füßen 
des Körpers. Im der Nichtung zwifchen dem Speer 
und Schwert fand man die Ringe Nro. 5. Ob fie zur 
Stange ded Speers oder zum Griff des Schwerts ge: 
hörten, fonnte nicht ausgemacht werden. 

Etwa in der Mitte des Körpers befand fich ſtehend 
die Urne Wr. 6. (Tab. IM. Fig. 2.) Unter ihr lag der 
Knochen Ar. 7. Sie war mit etwas Erde angefüllt, 
welches Afche zu feyn fiheint, übrigens war fie un- 
bedeckt. 

Das Zuſammenſetzen des zerbrochenen Randes der 
Urne, wollte uns, da es an Materialien fehlte, nicht 
gluͤcken. 

Dicht unter dem Kopfe, etwas auf der linken 
Seite des Halſes, befand ſich der metallne ſchlangenfoͤrmig 
gebogene Ring Nro. 8 Weder Kohlen noch Branderde 
fanden ſich im Hügel, nur in der Gegend der Urne 
ſchien etwas Afche zu liegen. 


32 


Im übrigen beftand diefer Hügel aus fehr reinen 
Lehm, ohne die mindejten Steine. 

Jenſeits des Weges gegen diefem Hügel über, be— 
ſchloſſen wir den zweiten aufzudeden. Er hatte etwas 
weniger Umfang und Höhe als der erjte. 

Gleich unter der DOberfläcye fand ſich Branderde 
und einige grob gearbeitete Scherben eines Gefäßes 
vor. Die Erde dieſes Hügel! war mit fehr fteinigten 
Schichten durchzogen, und wir fanden weder Knochen, 
noch fonft eine Merfwürdigfeit in diefem Grabe, und 
befchloffen daher für heute unfere Arbeit, die wir 
zur gelegenen Zeit fortfegen, und dem DBereine die 
NRefultate davon einfenden werden. 

Gladbacher Forſthaus den 10. Suni 1823. 


5 


Bericht uͤber die Entdeckung einer Anzahl Silber— 
muͤnzen bei Hergenroth, von Herrn Pfarrer 
Schloſſer in Weſterburg. 


Ueber die Entdeckungen der Hergenrother Muͤnzen 
habe ich, nach ihrem Wunſche, an Ort und Stelle fol— 
gende Erkundigung eingezogen. Auf dem ſogenannten 
Reichenſcheid eine Viertelſtunde von Weſterburg ent— 
legen, hatte die Gemeinde Hergenroth eine ſumpfige 
Stelle, die als Viehweide beinahe ganz unbrauchbar 
geworden war, auszutrocknen beſchloſſen. Bei dem 
Auswerfen des Abzuggrabens, zeigten ſich bald einzelne 
Silbermuͤnzen. In der folgenden Nacht waren jedoch 
durch einen ſtarken Regen mehrere dieſer Stuͤcke reins 


35 


geſpuͤlt worden, welche durch ihren Glanz die Arbeiter 
aufmerkſam machten. Bei ſorgfaͤltiger Durchſuchung 
des Schlammes fanden ſich nun viele Muͤnzen und 
einer der Leute hatte das Gluͤck, ohngefähr 1 1/, Fuß 
tief unter der Erdoberfläche, die Truͤmmer des Gefäßes 
zu entdeden, in welchem die Münzen vergraben worden 
waren. 

Es war ein ungefähr 1 Maas haltender, baudhiger 
Krug von GSteingut, in deffen Innerem die Münzen 
in mehreren Rollen aufrecht geftanden zu haben fchienen, 
Wiewohl der Inhalt des Kruges, zum Theil durd dag 
Herumgehen des DViehes in dem Sumpfe zerftreut ge- 
weſen war, fo mochte die Ausbente im Ganzen fich 
dod) auf etwa 400 Stüd belaufen, von denen ich nur 
noch wenige für die Vereinsfammlung erhalten Fonnte, 

Wefterburg den 7. Suni 1833, 





Erläuterung der Hergenrother Münzen von 
Herrn Pfarrer und Schulinfpeftor Vogel 
in Schönbad. 

Sch halte die bei Hergenroth gefundenen Münzen für 
eines erzbifchöfl. Fölnifchen Schlages, auf welchem Stuhle 
vier Brunos faßen. Die Umfchrift läßt fich dahin auch 

3 


34 

leicht fuppliren: Brun (o Archiep)s. Colon (iensis) mon- 
(eta.) Der Ort, wo die Münzen gefunden feyn follen, hatte 
zwar nie ein Klojter, wohl aber eine in ber Gegend fehr 
heilig geachtete Kirche, Deren wohl erhaltene Ruinen 
recht3 an dem von Hergenroth nach Wefterburg führen- 
den Wege, auf der Höhe, die der Reichenſtein heißt, 
liegen. Diefelbe war zwar nie eine Pfarrfirdye mit 
Seelforge , fondern nur eine Kapelle der Mutter 
Gottes gewidmet, und daher u. I. 5. Kapelle, wie 
von ihrem angeblichen Stifter Gr. Reinhard von We— 
fterburg, die Reinhard Kapelle genannt. Die Zeit 
ihrer Stiftung ift nicht befannt, fällt aber vermuthlich 
in den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Die von 
ihr im gräflichen Archive zu Wefterburg noch vorhan- 
denen Urfunden und Nachrichten, beginnen mit d. J. 1487 
und enden mit 1620, nad; welchem Jahre fie bald zer- 
ftört worden it, und enthalten nur unbedeutende 
‚Schenfungen und Reſte von Rechnungen. Ein wun— 
derthätiges Marienbild brachte dieſe Kirche bei ihren 
Zeitgenoffen in großes Anfehen, veranlapte die Stif— 
tung von vier Brüderfchaften bei derfelben, und mehrere 
Prozeffionen dahin. 

Die Opfer und Allmofen die hier fielen, waren 
fehr bedeutend. Noch in den neueren Zeiten brachte 
die Frömmigfeit der benachbarten Fatholifchen Eins 
wohner Butter, Käfe und Eyer, auch wohl Geld, und 
legte es als Opfer in die Ruinen der Kirche nieder. 
Sollten die in dem Topfe bei diefer Kirche gefundenen 
Münzen nicht von diefem Opfer früherer Jahrhunderte 
herftammen? Mir fcheint dieſes fehr wahrfcheinlich. 


30 


Nahe bei diefer Kirche liegt der Wald Reichenfcheid, 
der im J. 1490 an die Brüderfchaften der Kirche Fam, 
Schoͤnbach den 18. Auguft 1823. 


Zufaß des Herausgebers, 


Sn einem Werfe von Pohl »), findet fid unter 
den Münzen des Erzbifchofs Bruno von Trier, 
(Grafen von Lauffen, erwählt 1102. F 1124) ein 
Denar befchrieben, der dem vorliegenden ähnlich ift, 
mit folgender Legende: 

«A. BRUNO ARS. Bruftbild mit einer Perlen- 

binde, rechts den Stab, links ein Buch haltend. 

R. 7 CONTLVENTA. Eine Kirche mit drei 

Thuͤrmen. 

Diefe Münze wird von Mader (Th. J. ©. 120.) 
für Bruno I. Erzbifchof zu Coͤln (1136) zugehörig gez 
halten, welcher diefelbe als Verweſer des Trierifchen 
Stift hatte ſchlagen laffen. Er führt als befondern 
Grund an, daß bis gegen die Mitte des 14. Jahr: 
hunderts fonft durchaus nichts von einer Münze in 
Eoblenz vorfomme; man wifje erft von Erzbifchof Bal- 
duin, (erw. 1307. 7 1354) daß er zu Coblenz habe 
münzen laffen, und erft von deſſen Nachfolger, Boes 
mund II., habe man ein dort geprägtes Stud, Die 
Kiehtigfeit feines Grundes geht daraus hervor, daß 
ſchon unter Eberhard (1047—1066) und Udo (1068 — 


*) 5. I. Pohl, die trierifhen Münzen, chronologiſch geord— 
net und befchrieben. Coblenz 1825. Seite 21, 


56 


1077) dort gemuͤnzt wurde, wie die von mir unter 
diefen Erzbifchöfen angeführten Münzen mit der Legende 
CONFLVENTIA darthun; aud; von Balduin hat man 
dort gefchlagene. Die Form und Bildung ift offenbar 
mehr den gleichzeitigen koͤlniſchen, als den trierifchen 
Münzen ähnlich; allein Fonnte nicht der trierifche Bruns 
fölnifche Stempelfchneider für feine Münze in Coblenz 
beftellt haben?» — 

Wir finden unfere Münze, die ich nach mehreren vor 
mir liegenden Driginalien eines Gepräges, Giedod von 
mehr oder minder guter Erhaltung), oben in Holzfchnitt 
abbilden ließ, fowohl in Avers als Revers von der oben 
angeführten verfchieden. Auf der Vorderſeite führt 
nämlid; der Name Bruno zwei N und flatt ARS 
(Archiepiscopus) fteht E + S (Episcopus). Das durd)- 
firichene P zwifchen E und S ift kaum von einem Kreuz 
zu unterfcheiden. Auf der Nücfeite ift ftatt des T ein 
deutliches I fihtbar. Im Uebrigen ftimmt die in obigem 
Werke angegebene Größe wie das Gewicht (Gr. 14 L., 
Gew. 13 A, 14 Loth.) ziemlich mit unferm Denar 
überein, deffen Rüdfeite wahrfcheinlich die alte Baſilica 
des heil. Florin in Coblenz darftellt, welche Erzbifchof 
Bruno erneuert und erweitert hatte *). 


% ©. Brower. Annal. Trey. II. p. ıg. Hontheim Hist. 
Trev. II. p. 766. 


37 
a 


Bericht Uber die Ausgrabungen in der Kohlhecke und 
dem Frauenfteiner Forft, von Herrn Bibliothek 
fefretär Zimmermann in Wiesbaden. 


Da ich die zum Behufe einer Unterfuchung der 
römifchen Ueberrefte bei der Amöneburg (unweit 
Kaffel) bemwilligte Summe, wegen deren mir vorher 
unbefannt gewefenen Lage im Heffifchen Gebiete, nicht 
verausgaben Fonnte, fo glaubte ich diefe Summe nicht 
beffer, als durd; Deffnung einiger Gräber in der Kohls 
hecfe verwenden zu koͤnnen. 

Am 9. und 10. Mai wurde der Anfang mit den 
Ausgrabungen gemacht. Der erfte halbmondförmig von 
Oſten geöffnete Tumulus auf dem Rüden der Kohl- 
hecke, lieferte ald Ausbeute einen ovalen etwa 6 Zoll 
in die Länge und 4 in die Breite haltenden Bronz- 
Ring, ohne weitere Verzierungen, nebft einer Unters 
faßfchale mit Knochen; lettere zwar zerbrochen, doc 
reftaurationsfähig. Das DOffuarium war durch das 
niedergeftürzte Gewölbe, aus rohen Waldfteinen, gänz- 
lich zertrimmert ; ebenfo auch, wie fich aus der Menge 
von Scherben erfehen ließ, einige Ginerarien. — 

Sm zweiten Hügel fand ſich außer einer Menge von 
Scherben und vielen Ueberreften gebrannter Steine, 
nichts als Afche vor. 

Sch ließ nun einen weiteren Verſuch am Abhange 
der Kohlkede in der Nähe, wo die uralte Bleidens 
ftädter Straße bergabwärts durch die Klofter Claren— 


98 


thaler Wiefe zog, und nächft des heutigen Dotsheimer 
Waldwegs, machen. Ein fihöner Hügel hatte dort 
ſchon längjt meine Aufmerkfamfeit erregt. Er zeichnete 
fidy nicht fowohl durd; Höhe, als durch Breite aus. 
Lestere öfters bedeutfam als Kennzeichen von Opfer: 
fätten. Schon durd; die große Menge fchwerer 
Feldfteine, welche von dem Tumulus abgewälzt werden 
mußten, wurde meine Hoffnung fehr gefpannt. Gegen 
die Mitte des Hügels vorgedrungen, fand ſich unter 
einem Steingewölbe, der Knochentopf, bis auf eine 
Heine Befchädigung am Nande, die fich leicht wieder 
- ausbefjern läßt, gut erhalten. Die Form ift angenehm 
und die Waffe eine ſchwarzgraue, ziemlich rohe Thon— 
erde. Nebenbei lag ein Feines, gut erhaltenes Gefäß 
von gleicher Mafjfe, ein eiferner, durch Roſt fehr zer: 
ftörter Stiel eines Meffers und dann eine verfteinerte 
Seemugchek Einige Schuhe weiter fortgrabend, ftießen 
Die Arbeiter auf eine Steinplatte, die auf einer fejten, 
traßartigen Unterlage ruhte. Sch ließ das Ganze behut- 
fam abräumen und fand hier eine unverfennbare ger: 
manifche Opferftätte. Die Steintafel hielt in der Länge 
etwas über 3 Fuß, in der Breite ungefähr 2 Fuß und 
die Dicke betrug 4 Zoll. Ihre Schwere war fo bedeutend, 
daß die Arbeiter fie nicht einmal lüften konnten. Regel: 
mäßig war die Gonftruction, Die Urne ftand mit 
ihren Beilagen gegen Sonnen-Aufgang, die Opfer: 
ftätte aber gegen Sonnen-Untergang. Gerne würde ich 
dieſes Religiong-Denfmal unferer Borvordern unberührt 
gelaffen haben, wenn ich die Hoffnung feiner Erhaltung, 
in der Nähe einer fteinbedürftigen Chauffee, gehabt 


59 


hätte. Bedeutfam war ein anderer Stein, Ahnlich den 
alten Grabjteinen, fenfrecht auf diefe Steinplatte nad 
der Suͤdſeite zu aufgeftellt. 

Zwei andere, in der Nähe geöffnete Huͤgel gaben 
auffer einem Bronzringe und zwei Fleineren ineinander 
hängenden Ningen, nebſt einem hufeifenformigen Stuͤck 
Gifenblech von einem halben Schuh Durchmeffer, Feine 
weitere Ausbeute, weil die überaus große Feuchtigfeit 
die Urnen wieder in Erde verwandelt hatte. Daffelbe 
in allen übrigen Hügeln am Abhange der Kohlhecfe 
vermuthend, jtellte ich die weitern Ausgrabungen ein, 
und dirigirte Die Arbeiter in den Dosheimer und 
dann in den Frauenfteiner Forſt, wo fic in, der Nähe 
des aufgehobenen Nonnenflojters Dieffenthal andere 
Grabhügel, die Heidenfüppel beim Volk genannt, 
in einem alten, lichten Eichenwald vorfinden. 

An erſterem Orte fand ſich in zwei Gräbern nicht dag 
mindefte vor; Dagegen war in einem dritten Hügel 
die Ausbeute reichhaltiger. Nach Abräumung der Rafens 
defe fand fich ein trefflich gearbeiteter Armring in 
gegofjener Arbeit, Tab. IH. Fig. 5. im Innern des 
Hügels ein zweiter, diefem gleich, Tab. IM. Fig. 4. 
und ein vom Roſt zerjiörtes Schwert, das beim Be: 
rühren zerfiel. Diefe Ueberrefte habe ich aufbewahrt. 
Zwei Fleinere Ringe, Fig. 5. wahrfcheinlic, vom Pferdes 
fhmud, lagen beim Schwert. Die Urne war zerdrüct 
und nur ein Fleines Gefaß aus ſchwarzer Erde laßt fich 
nothdürftig zufammenfegen. Später fand ficy zufällig 
in der Nähe diefer Hügel, das Fig. 6. abgebildete 
einem Meifel nicht unahnliche Inftrument in Bronze. 


40 


Da ein am 3. dieſes noch weiter geöffneter Hügel 
Feine Gegenftände zur Aufbewahrung enthielt; fo habe 
ich vor der Hand die Ausgrabungen auch da eingeftellt. 


8. 


Bericht über die Unterfuhung des römifchen 
Caſtrums bei Marienfeld von Herrn Pfarrer 
Brinfmann in Michlen. 


Zufolge des verehrlichen Erlaffes vom 26. Februar 
1824 habe ich mic; des andern Tages nad; Marienfels 
begeben, um vorläufige Nachrichten zur Beantwortung 
der aufgegebenen Punkte einzuziehen. 

Daß ein römifches Lager auf dem Plage, worauf 
jest Marienfeld erbaut ift, geftanden habe, ift ſchon 
durch die vorgefundenen Töpfergegenftände und Münzen 
beurfundet worden. Es wird aber ganz auffer Zweifel 
gefeßt durch die aufgefundenen Legionfteine, deren 2 
der Herr Pfarrer zu Marienfeld befist. Beide find 
nicht mehr ganz; fondern, wie es wahrfcheinlich ift, 
von Maurern behauen, und als Mauerfteine gebraucht 
worden. Auf dem einen befindet ſich die Inſchrift ganz 
erhalten, nämlich: LEG. XXII. PR. — Auf dem andern 
ift nur: XI. PR. *) zu fehen; das vordere Stüd ift 
abgefchlagen. Bei meiner vorgenommenen Unterfuchung 
fand ich ein Stud Töpferarbeit von terra sigillata, 


*) Ohne Zweifel ebenfalls von der Leg. XXII. PRimigenia 
Pia Fidelis, 


d. H. 


41 


weldyes dem Anfcheine nach, eine Schyüffel gemefen, 
worauf in erhabener Arbeit ein liegender Xöwe und 
unter demfelben ein anderes Thier in liegendem Zus 
ftande abgebildet war. Ebenfo befizt der Herr Pfarrer 
zu Marienfeld ein ähnliches Stud, auf weldyem ein 
Siegeswagen mit zwei Pferden befpannt und mit einem 
ftehenden Manne auf dem Wagen befindlic, iſt. Weil 
ein großer Pla auf der Nordmeftfeite von den Bes 
wohnern zu Marienfeld aufgegraben und auf die Aeder 
zum Düngen gefahren worden ift, wie noch immer ges 
fhieht, fo hat man, außer vielerlei Scherben von 
Töpferarbeit, auch römifche Münzen gefunden. Die 
Außerften reichten, wie id; vernommen, bis zu Marc 
Aurel; alfo bis gegen das Ende des zweiten Sahr- 
hunderts. 

Nach meiner Anficht fteht das jetzige Marienfels 
auf dem nördlichen Theile des ehemaligen römifchen 
Lagers. Der Ort ift in länglichter Form gebaut und 
befteht aus einer Straße mit Häufern auf beiden Sei- 
ten; auf der Nordfeite begrenzen ihn fumpfige Wieſen. 
Weiter Fann nach diefer Seite das Lager nicht gereicht 
haben; und hier hat man auch nocy nichts von roͤmi— 
ſchen Alterthimern entdeckt. Auf der Suͤdſeite erftredt 
fih, hinter tem Orte hin, der übrige Plas, auf 
welchem das römifihe Lager war, und man kann, 
meinem Ermeffen nach, den ganzen Umfang defjelben 
an etwa 400 Schritte lang und 150 breit anfchlagen. 
Daß der Ort felbft auf diefem Lager fteht, beweifen 
die bei dem Fundamentgraben der Häufer und in 
den anftoßenden Gärten gefundenen Gegenjtände. 


42 


Ton der Nordmweftfeite ber, bis etwa in die Mitte 
des Lagers, it eine „große Strede ausgegraben wor— 
den. Diefe Ausgrabung reicht bis an den fogenannten 
Kirchgarten, welcher mit einer ſtarken Mauer, die 
zwar nicht uͤber, aber tief unter die Erde geht, ein— 
gefaßt und welcher Garten, von Norden nach Suͤden, 
etwa 140—150 Schritte lang und ungefähr halb fo 
breit ift. Quer durch diefen Garten hat ehemals eine 
mit Kies überfchüttete Straße geführt, die man vor 
dem Garten bei der ftattgefundenen Ausgrabung entz 
det hat. 

Meine Vermuthung geht dahin, dab auf dem Castro 
Romano zum Theil und noch weiter gegen Süden und 
Weſten ein großer Ort, vielleicht das Hauptitädtchen 
der Gegend, geftanden habe, wie die unterirdifchen 
Mauern, welche ſich weit ins Feld hinein und bis an 
den Drt Marienfeld erfirefen, bezeugen. Man hat 
aber, meines Wiffens , feine Nachrichten darüber. 
Die um Nath gefragten Kirchenbücher reichen nur 
bis zum Sahr 1678 und fagen: daß die früheren 
Kirdyenbicher durch Kriegsunruhen verloren gegangen 
ſeyen *). — Eine Sage hat fich erhalten, daß weftlid) 
von Marienfeld und nadı den Mauern zu fihließen, 


*) Ob die Spuren des ausgegangenen Drtes, der römifchen 
Zeit (etwa als Ueberrefte eines Municipiums, in der Nähe 
des Gaftells) angehören, oder vielleicht der Gib des alten 
Gaugerichtes im Einrich (Pagus Einricha) waren, von dem 
vah Urkunden des 10. und 11. Jahrh. ver Comilatus 
Marvelis den Namen führte, müffen genauere Unterfuch- 
ungen entjcheiden. — ©. eine Abh. meines verftor. Vaters 
in Nr. 222. des Reicheanzeigerg von 1803. 


45 


auch auf der Sidfeite ein Ort, Namens Dennighofen, 
gejtanden hätte. Diefer Name findet ſich auch auf 
alten Kandfarten, ftatt Marienfeld, und die Dafige 
Feldmark führt noch denfelben Namen. Es ift wahr: 
ſcheinlich, daß der erfiere Ort, welcher auf dem Castr. 
geftanden, in den mittlern Jahrhunderten unterger 
gangen, vielleicht verbrannt ift, da man fo viele ver— 
witterte Kohlen bei den Ausgrabungen findet. Hernach 
mag der Ort Dennighofen dafelbft aufgebaut worden 
ſeyn, welcher, nachdem die Freiherren vom Stein zu 
Naſſau die dortige Kirche in den Zeiten der Kreuzzüge 
erbaut und die Bewohner Dennighofens ſich mehr 
herunter in's Thal nach der Kirche hin, welche auf 
der rechten Seite des Ortes, am weitſten nördlich, 
auf einem Felfen an der Mühlbach ficht, gezogen und 
angebaut haben, verfchwunden ift und dem jegigen 
Marienfels Platz gemacht hat. 

Es ift, wie ich glaube, mit Recht anzunehmen, daß 
der vorhin genannte Kirchgarten, welcher fich in Der 
Mitte des römifchen Lagers befindet, der Platz war, wo— 
rauf die alte Kirche von Dennighofen oder dem nod) 
früheren Orte geftanden und um welche der Kirchhof 
gelegen war. Dieß ift wohl daraus zu fließen, daß 
in diefem Garten, wie man an der einen Seite, wo 
die Mauer niedergeriffen ift, fehen kann, viele Knochen 
von Menfchen, Scherben von römifchen Vaſen und 
verfaultes Holz von den Särgen hervorragen. Anz 
genommen, daß diefer Plak ein Kirchhof war, fo iſt 
er herumgegraben und es dürfte fich fehmwerlich etwas 
vor römifchen Alterthümern hier auffinden laſſen. Aber 


4% 


eben fo feheint mir auch der übrige Theil des Lagers 
herumgewühlt, weil auf demfelben nachher der Ort 
Dennighofen gejtanden, wie die unterirdifchen Mauern, 
welche bei jeder Aufgrabung fich zeigen, darthun. Wie 
vorhin ſchon bemerft, find die Ueberbleibfel von den 
römifchen Töpferarbeiten zu den Fundamentmauern der 
nachmals dort erbauten Häufer gebraucht worden. So 
viel mir befannt, und wie auch der Herr Pfarrer zu 
Marienfels verfichert, ift noch fein ganzes Stud von 
römifchen Töpferarbeiten aufgefunden worden. Ueber 
dem Kirchgarten befindet ſich das Aderfeld und hier 
zeigen fidy ebenfall3 bei jeder Aufgrabung Fundament— 
mauern. Auf der andern Seite des Gartens befinden 
ſich kleine Gärten der Einwohner, welche auch fchon 
zum Theil tief ausgegraben find. Wenn Nachgrabungen 
angeftellt werden follen, fo müffen fie entweder über 
dem Plate, der von den Bewohnern Marienfels fchon 
ausgefahren worden, welcher Aderfeld ift, oder auf 
der andern Seite des Kirchgartens, am erften aber 
noch in den Gärten zwifchen den Häufern, wo noch 
feine Ausgrabungen ftatt gefunden haben, vorgenom- 
men werden; denn bis dahin, wo Marienfels jest 
ſteht, fcheint ſich das alte Dennighofen nicht erſtreckt 
zu haben. Im Kirchgarten dürften wohl auch noch 
manche Seltenheiten angetroffen werden, und wenn er 
nicht etwa ein Kirchhof gemwefen wäre, fo ließe ſich 
hier das Meifte gewiß auffinden, weil diefer Plaß die 
Mitte des römifchen Lagers geweſen zu feyn feheint. 
Miehlen, den 20. April 1824. 
Bortfehung folgt). 


45 


9. 
Die römifhen Ruinen bei Hedernheim 
von % ©. Habel in Scdierftein. 


Patet omnibus veritas, nondum est occupata, 
multum ex illa etiam futuris relictum est. 
SENECA. 


Eine Stunde nordweftlicd von Franffurt am Main, 
in der Richtung nad; dem Gipfel des Feldbergs hin, 
liegt am rechten Ufer des Fleinen Niddafluffes das 
Dorf Hedernheim, in deffen Nähe die merfwürdigen 
Ueberrefte des Alterthbums entdeckt wurden, die vor 
längerer Zeit fehon die Aufmerffamfeit der Gelehrten 
in Anfpruch nahmen. , 

Durch die Werke eines Huttich), Gruterd), 
Reinefius I, Windelmann ), Bernhard 5), 
Lersner 6) u. a. m. find die Inſchriften aufbewahrt 
worden, welche, früher in der Umgebung des ge— 
nannten Dorfes gefunden, eine feſte Anftedelung der 
Römer in dieſer Gegend beurfunden. 

Dem gelehrten Benedictiner P. Joſeph Fuchs 7), 
der im Jahr 1769 auf Befehl des Churfürften Emeridh 








*) J. Huttich Collectanea Antiggq. in urbe atq. agro Mogunt. 
repert. Mog. ı520, in Joannis Rer. Mogunt. Tom. III. 
2) J. Gruter Corp. Inscript. 
3) Reinesius Syntagma Inscript. 
) Windelmann, Heffifhe Ehronif. 
>) Bernhard, Alterthümer der Wetterau. 1745. 
6) Lersner, Frankfurter Chronik. 
7». Joſeph Fuchs alte Gefhichte von Mainz, 1771. 
©, 1. p. ı2. ı01. II. p. ı3. 263 seqg. 


46 


Joſeph, die Alterthümer des Mainzer Gebietes zu 
unterfuchen anfıng, verdanfen wir die erften aus— 
führlichern Nachrichten über den Fundort diefer Denk— 
mäler. Die etwas zu oberflächliche Anficht der Loca— 
lität, verleitete ihn jedoch zu manchen Irrthuͤmern und 
gewagten Hypotheſen, welde Gerden!), der einige 
Sahre fpäter diefe Gegend ſah und befchrieb, mit fait 
zu großer Strenge rügt. Wenn auch Fuchs ſich zuweilen 
von feiner lebhaften Phantafie zu weit hinreißen läßt, 
fo gebührt doc; feiner gründlichen Gelehrfamfeit, und 
der Erhaltung fo vieler fchäßbaren Monumente eine 
danfbare Anerkennung. 

Ein Frankfurter Gelehrter H. ©. Huͤsgen 9 war 
zuerft darauf bedacht, den dAußern Umfang diefer 
Ruinen, durch eine wiewohlunvollfommene, Zeichnung zu 
veranfchanlichen; er nahm jedod, feinen Anftand ohne 
nähere Unterfuchung auf die Auctorität von Fuchs, 
geradezu dieſem laß den Namen Castrum Hadriani 
beizulegen, während Kremer) und Andere, das Mu- 
nimentum Trajanı dafelbjt zu finden glaubten. Die 
DBeweisftellen der Glafjifer, welche zur Unterftügung der 
verfchiedenen Hypothefen angeführt wurden, konnten jedoch 
Wenckq) nicht beſtimmen, fich für eine dieſer Mein— 
ungen zu erklaͤren. Indem er vielmehr das Munim. 


) P. W. Gercken, Reifen ıc. 1788. IV. p. 204 seqq. 

?) ©. deſſen verrätherifche Briefe von Hiftorie und Kunft. 
Sranff. 1776. II. p. 88. 

>) Kremer, rheinifches Franzien p- 7. Note n. 

) H. B. Weuck, Heſſiſche Landesgefchichte. 1785. J. p. 14. 
Note, 


47 


Trajanı mit Spener!) und Sattler?) in die obere 
Graffchaft Katzenellenbogen verlegt, fett er die Gruͤnd— 
ungsperiode der römifchen Niederlaffung bei Hedernheim 
in die Zeit des Kaifers Saracalla (211—217). Als ein 
Winterlager Hadrians, von diefem Kaifer, mit der 
Saalburg bei Homburg durd; eine gepflafterte Heerſtraße 
verbunden, bezeichnet es aud; Neuhof), und diefe An- 
ficht fcheinen die meijten Alterthumsforfcher 9 zu theilen. 

Unter den Gelehrten, welche mit Scharffinn und 
Gründlichkeit die dort gefundenen, jedoch früher meift 
fehlerhaft edirten Inferiptionen berichtigend erläuterten, 
it unter den Aeltern Lamey 5) unter den Neuern 
Lehneb) mit Auszeichnung zu nennen. Durch von Ger- 
nings 7) und Braung 8) Schilderungen wurde diefer 
hiftorifch intereffante Ort wiederum hervorgehoben. Die 
fpätern Entdeckungen find zum Theildurd; Doromw9) und 
Zimmermannio) befannt geworden. Nach fo vielfei- 
tigen Erörterungen von denen ich hier nur einen Theil 


) J. C. Spener. Notitia Germ. antiq. 1717 p. 170. 

») E. 8. Sattler, Gefchichte von Würtenberg. I. p. 327. 

>) E Neuhof, Nachricht v. d. Alterth. bet Homburg vor der 
Höhe. 1780. p. 16. 

*) Pauli in der Didasfalia. Juli 1826. v. Gerning u. a. m. 

>) Deffen Abh. in den Act. Acad. Theod. Palat. III. p. 175. 

s) Deffen Abhandfungen im rheinifchen Archiv, herausg. von 
Vogt und Weitzel. 

RNv. Gerning, die Heilquellen am Taunus, iu den Noten. 
Deifen Lahn- und Maingegenden 1821. p 106. 

*) Braun’s Ubh. in der Charis 1824. Nr. 28. 

) Dorow, im Eotta’fhen Kunftblatt 1823. Nr. 145. 

o) Zimmermann, Wiesbaden und feine Umgebungen. 1827. 


48 


überfichtlicy berührte, erfcheint e8 auffallend, daß zur 
endlichen Aufklärung des oft befprochenen Gegenjtandes 
nicht früher an diefer Stelle regelmäßige Nachgrab— 
ungen veranftaltet wurden, die fo belohnende Ausbeute 
hoffen ließen. So reich audy der claffifche Boden 
unfers DBaterlandes an intereffanten Denfmälern der 
Vorzeit ift, fo glaubte der neu ind Leben getretene 
Alterthumsverein feine Wirkffamfeit auf feinen merk— 
würdigern Punkt richten zu fünnen, als auf einen Ort, 
von dem man, nach der Ausdehnung feiner Ruinen und 
den bisher nur zufälligen Entdeckungen, wichtige Auf- 
ſchluͤſe über die fo mangelhafte Gefchichte jener Zeit 
erwarten durfte. 

Im Frühling des Jahrs 1823 fand ſich daher der 
Dereinsvorjiand veranlaßt, eine genaue Xocalunter- 
fuhung anzuordnen und mir die Leitung derfelben zu 
übertragen, deren Ergebniffe ich, ſoweit es bis jetzt 
bei der noch unvollendeten Arbeit möglich ift, in diefen 
Blättern vorzulegen verfuchen will. 


Lage im Allgemeinen. 

Hedernheim felbft enthält, wie Einige irrig an— 
nehmen, Feine Spuren römifcher Ueberrefte, dagegen 
500 Schritte weftlich von diefem Dorf gelangt man 
auf dem nad) Praunheim führenden Vizinalwege zu 
einem großen, durch einen Erdwall begrenzten Feld, 
welches die Landleute das Heidenfeld nennen. ©, 
den Plan Tab. V. 1). 


) Der größere, von mir aufgenommene, Plan wird fpiter mit: 
getheilt werden, um durch das Hinzufügen der neueften 


49 


Der rings herum laufende Fahrweg wird in ben 
älteften Flurbüchern durh «Manermweg,» der von 
einer Dbftbaumreihe umgebene große Bezirf, mit 
«Burgfeld» 1) bezeichnet. 

Auf dem höchften Punkt?) (w) dieſes auf fanfter Ans 
höhe liegenden Feldes, eröffnet ſich nach allen Geis 
ten auf mehrere Meilen hin, eine weite Ausficht. 

Deftlich erfcheint zunächft Hedernheim, dem kur— 
beffifchen Dorf Efchersheim gegenüber 3), fammt den 
andern auf der Nordfeite der Nidda, gegen den alten 


Entdedungen ihm mehr Vollſtändigkeit geben zu Fönnen. 
An deſſen Stelle folgt daher einftweilen nur zur Ueberficht 
des Ganzen, eine verkleinerte Eopie defjelben als Skizze. 

) Häufig finden fich die Orte wo römifche Lager und Befeftige 
ungen ehemals flanden, felbft wo äußere Epuren gänzlich 
verfchwunden find, in Slurbenennungen alter Lagerbücher, 
und felbit im Munde des Volks erhalten. Die oft in 
unferer Gegend vorfommenden Namen: alte Burg, Heiden: 
fchloß, Heidengraben, Deidenmauer ꝛc. deuten auf den 
früheren Urfprung hin. 

Es ift daher fehr zu empfehlen, vor jeder Rocalunter- 
fuchung fih zuerft aus den älteften Sturbüchern und Urfun- 
den mit der früheften Benennung der Dertlichkeit bekannt 
zu machen. Man findet hier oft trefflihe Winke. 

2) Die alten Lagerbücher nennen diefe ehemals als Gerichts: 
ftätte umzäunte Stelle, die jetzt größtentheild der zahl: 
reihen israelitifchen Gemeinde als Begräbnißplatz einge: 
räumt ift, den « Haak» (Hag, Gehäge). 

2) Die Brüce, welche beide Orte mit einander verbindet, foll 
ehemals von der Stadt Frankfurt (gleich der bei dem Dorf 
Nied, vom Fahr 1549,) errichtet und unterhalten worden ſeyn. 
Noc immer find die ftarfen Pfeiler von Sandfteinguadern 
nur mit einem fehmalen Steg für Zußgänger belegt! 

4 


30 


MWettergau 1) bin liegenden Ortfchaften. Ein fchmaler 
MWiefengrund trennt die Suͤdſeite des Burgfeldes 
von der Nidda, die in. fübweftlicher Richtung, auf 
ihrem Lauf Haufen "und Rödelheim berührend, vor 
ihrer Bereinigung mit dem Main bei dem Dorfe 
Nied, die Rudera eines Nömercaftelld von drei Seiten 
umftrömt, in welchem die hochverdienten Forfcher der 
alten Geographie, Mannert I, Lehne 3), Wil— 
helm?) .c. Ammians Munimentüm Trajanı5) mit Wahr— 
foheinlichfeit vermutben 6). In der Ferne tritt die 
Stadt Frankfurt a M. mit den Ortfchaften ihrer Um— 
gebung vor dem Gebirgshintergrund der Bergftraße 
hervor. Deftlich bildet der genannte Mauerweg die 
Gemarfungsgrenze des von hier nur 300 Schritte ent— 
entfernten furhefjifchen Dorfes Praunheim 7). 

Auf der Nordfeite ift der Horizont durch den Feld» 
berg und Altfing, die beiden Bergcoloffe der Taunus— 
fette gefchlofjen. 


*) Pagus Wedtereiba, in caroling. Urf. ©. Cod. Lauresham. 
dipl. T. III. p. 4. 

2) Mannert, Germanien. 

») Lehne, ©. d. rhein. Archiv. 1. c. 

) A. B. Wilhelm, Germanien und feine Bewohner. Wei: 
mar 1823, 8. mit Charte. ©. 147. 

2) Ammian, Marcellin. Lib XVII. c. ı. 

*%) Die genaue Unterfuchung des dortigen höchft intereffanten 

Rocald, fo wie die Befanntmachung der dafelbft entdedten 

Alterthümer bleibt der Folge vorbehalten. 

Wird im 12. Sahrh. unter den Ortfchaften des Pagus 

Nitachgowe (Niedgau) Prumheim genannt. 
©. Wend. 1. c. IT. p. 513. N. ı. 


2 
— 


51 


Keine Stelle der ganzen Umgegend mochte fich für 
die Römer zur Anlegung eines feften Platzes mehr 
eignen, als cben diefe. Sie entfpricht allen Erforders 
niffen, welche Polyb, und Hygin!) von einem guten 
Lagerort verlangen. Die fanfte, von feinem nähern 
Berg beherrfchte Anhöhe gewährt einen freien Blick 
nach dem genannten, nur zwei Stunden entlegenen 
Nidvdacaftell bei Höchft, welches mit dem alten Moguns 
tiacum durch den Mainfluß, und mit dem, Mainz 
gegenüber liegenden Caſſel 2), durch eine gute Heer— 
firaße verbunden, unferm Vicus auf der Wejtfeite 
fehirmend zur Seite ſtand, während die nur drei 
Stunden entfernte Saalburg mit der ganzen Reihe der 
Pfahlgrabencaftelle jenfeitS des Taunus, deffen Nord 
und Dftfeite deckte. So ſchuͤtzte e8 zugleich die Verbind— 
ung von Mainz mit dem befeftigten römifchen Limes, 
der hier den nördlichen Theil der decumatifchen Fel- 
der 3) zwifchen dem Main und dem Höhegebirg einfchloß. 
Schon aus der Ausdehnung der Anlage, die außerdem 
noch, durch den Ueberfluß und die Nähe der Baumates 
rialien aller Art, fo wie durch die Lage fehr begunftigt 
war, läßt fih die Wichtigkeit und Nothwendigfeit 
dieſes Punktes für die Kriegsoperationen der Römer 
ermefjen. 


y S. Naft, röm. Kriegsalterthüimer. Halle 1782. p- 293. 

2) Nah Fuchs, (I. p. 355) und Lehne ıc. das Castellum 
Drusi. «in Cattis ad ipsum Rhenum etc.» S. Dio Cas- 
sius. Lib. 54. c. 33. 

®) Agri decumates. Tac'tus Germania, cap. 29. ©. Sul. 
Leichtlen. das Zehendland. Wilhelm. l.c. p. 290 seqq. 


52 


Betrachten wir die Figur und den äußern Umfang 
des Burgfeldes, fo nähert ſich das Areal im Ganzen 
etwa der Form eines von irregulären Linien eingefchlofz 
fenen Zrapezoids, deſſen Grenzen durch den Mauerz 
weg, wie ich oben bemerfte, beftimmt find. 

Gegen den Taunus hin, bildet die Nordfeite A—C, 
den flachen Bogen eines Zirfelfegments bis zum Aus— 
gang der fogenannten Elifabethenftraße C, wo fie im 
Allignement des Hedernheimer Kirchthurms in gerader 
Linie fortlaufend, bei D fih in ftumpfem Winfel der 
Dfifeite anfchließt. Bis hierhin hat dieſe Seite eine 
Ausdehnung von 2592 rhein. Fuß 2). 

Die Oſtſeite D— I, welche merklich über das etwas 
tiefer liegende Feld der äußern Umgebung hervortritt, 
ift bei E ftumpfwinflich gebrochen und fenft fich von F, 
(dem Eingang des Hedernheimer Bizinalwegs), gegen 
die Nidda hin allmählig herab. Mit Einfchluß der 
400 Fuß langen Linie D E mißt diefe Seite 1868 Fuß. 

Auf der Südfeite I — M einer mehrmals ein- und 
auswärts gebogenen Linie, von 3185 Fuß Länge, ift die 
höhere Lage des Burgfeldes am bemerfbarften. An 
mehreren Orten dafelbft ift e8 6—8 Fuß über die an— 
fioßenden Wiefen erhaben, ein jähes Ufer bildend, 
an defjen Fuß der genannte Fahrweg nad Praunheim 
bin zieht. Ehemals ſcheint die Nidda ſich mehr den 
Mauern an diefer Seite genähert zu haben, indem man 


1) Ich habe allen Meffungen das rheinifhe Fußmaaß zum 
Grunde gelegt, welches jih nach neuern Beflimmungen, zum 
alt röm. Fuß (pes romanus) mie 100 zu 105 verhält. 


33 


das alte Flußbett in dem fehmalen Wiefengrund an 
einigen Stellen ald Sandgrube benust hat. 

Die Weftfeite M — A in einer Ausdehnung vor 
1241 Fuß, vom Ausgang des Pizinalmegs N, 
gegen A fanft anjteigend, fehließt die Figur des Hei— 
denfeldes, deffen Umfang über 9000 rom. Fuß be- 
trägt. 

So erfcheint äußerlich die Lage fo wie der Umfang 
des fogenannten Burgfeldes , defien Bezirf, ein Areal 
von beinahe 300 Morgen Flächengehalt, faum noch die 
Stelle erfennen läßt, wo vor 1600 Sahren eine anſehn⸗ 
liche römifche Munizipalftadt mit Namen Vovus Vicus 1) 
geftanden hatte. Die ganze Oberfläche diefes Feldes, 
ift mit Trümmern zerftörter Gebäude und Gefäße bes 
det. Seit Jahrhunderten dienten diefe ausgedehnten 
Ruinen dem Landmann als Steinbrucd für fein Baus 
beduͤrfniß. Alles Mauerwerk, welches man an Gebäus 
den in Hedernheim, Praunheim 3 und den Wegen der 
nächiten Ortfchaften wahrnimmt, Fommt aus dieſem Felde, 


2) Die Infchriften, aus welchen der Namen diefer Niederlaffung 
hervorgeht, folgen weiter unten in einem befondern Abfchnitt. 

2) Sin einer Grenzregulirungs = Urkunde zwifchen Praunheim 
und Hedernheim vom 8. Dechr. 1610 heißt es: « Revers 
von Joh. Glock, Schultheiß und Claus Heinburger, Bür— 
germeifter zu Praunheim, Namens der dafigen Gemeinde, 
daß, nachdem im 5. 1609 die Hanauer und Solmsifche Herr: 
fhaft, die Pfläfterung des Orts Praunheim begehret, fie 
deshalb den Junker Philipp Wolf von Praunheim und 
Eonforten gebeten hätten, ihnen die Steine dazu in den 
Hedernheimer Burgmanern günſtig verabfolgen zu 
laffen ic. » 


>4 


Mandyes fchäsbare Denfmal mag wohl durch Unwifs 
fenheit als werthlos zerjtört worden feyn, gleich unzaͤh— 
ligen Münzen, die ehemals nach Negengüffen, auf dors 
tigem Felde in Menge gefammelt, größtentheils in die 
Schmelztiegel wanderten, oder durch Unachtfamfeit fonft 
verfommen find. Man kann jedoch annehmen, daß bei 
weiten der größte Theil der Fundamentmauern im Innern 
noch vorhanden fey. Denn wahrfcheinlich wurden die 
Ningmauern, theild wegen ihres Gehaltes an größern 
zum Theil behauenen Steinen, theild wegen der Ber 
quemlichfeit bei dem Ausbrechen und Wegfahren der— 
felben, ohne Nachtheil der Feldeultur innerhalb des 
Bezirfs, wohl am früheften hinweg genommen. Dies 
fheint aud; aus den Kagerbüchern hervorzugehen, in 
welchen fchon im 16. Jahrhundert der Namen Mauer: 
weg vorfömmt, der jest noch über den Spuren der 
alten Stadtmauer hinzieht. Durch das Ausbrechen der 
Umfafjungsmauer mußte allein ſchon eine folche Maffe 
yon Steinen gewonnen werden, daß das größere Be- 
duͤrfniß für die Bauten, befriedigt werden Fonnte. 
Wenn man ferner erwägt, daß die Mauern nur des 
Steingewinnes wegen bisher verfolgt wurden, obne 
das Innere der Gebäude zu beachten, fo laßt fich er— 
flären, warum im Ganzen früher fo wenig größere 
Monumente zu Tage gefördert wurden. Erſt feit 
wenigen Sabren, wo der Berfauf der neben den 
Mauern zufällig gefundenen Alterthümer, Bronzen, 
Münzen ıc., durch die Goncurrenz mehrerer Sammler 
in der Wachbarfihaft, den Yandleuten einen neuen ein— 
träglichen Induſtriezweig eröffnete, ift man auf das 


55 


Innere der Gebäude aufmerffamer geworden, und dieſer 
eifrigen Nachfuchung verdanft unfere Bereinsfammlung 
fhon manches intereffante Stud. Sehr wenige Ges 
bäude find indefjen erft im Innern gehörig unterfucht 
worden. Died begründet die Hoffnung einer reichen 
Ausbeute bei regelmäßigen Nachgrabungen und beſei— 
tiget den oft erhobenen Einwurf, als fey dieſes Feld 
an Alterthimern bereits erfchöpft; vielmehr ift es eine 
dringende Aufforderung für die Freunde vaterländifcher 
Gefchichtsforfchung, die noch zahlreich, verborgenen Denf- 
mäler, nicht länger der Zerfiörung und Zerftreuung 
preis zu geben. 

Einige Bemerfungen über die muthmaßliche Entftehs 
ung der Anlage mögen, durch mehrere Schriften verans 
laßt, bier ihre Stelle finden. 

Es ift eine beinahe allgemein angenommene Meins 
ung, als fey unfer Vicus ein regelmäßiges Gaftell, 
welches feine Gründung dem Kaifer Hadrian verdanfte. 
So befchrieb e8 auch Fuchs 1) mit folcher Umſtaͤnd— 
lichkeit und Genauigfeit, daß er viele zu diefer Anz 
nahme verleitete. 

Mit Bitterfeit äußert fich daher erden 9 über 
ihn, als er bei feiner Reife fich vergeblich nach dem 
Prätorium, und den wohlerhaltenen Thoren ıc. umfah 
und in der ganzen Schilderung nur ein Trugbild ans 
tiquarifcher Phantafie erkannte, 


) © d. I. u. 11. Bd. d. Mainzer Gefchichte. 
) Gerden 1. c. IV. p. 209. 


36 


Schon bei oberflächlicher Anficht ergiebt ſich die 
große Verfchiedenheit von der regelmäßigen Gaftellform, 
wie wir fie in unferer Gegend, befonders nadı Hygins 1) 
Borfchrift erbaut fehen. Wollte man auch mit Uebers 
fehung der irregulären Linien, die Grundform im 
Ganzen einem Dblong entfpredyend finden, fo tritt 
dagegen die ungewöhnliche Größe defjelben bedeutend 
vor allen Gaftellen hervor, welche den römifchen Limes 
von der Donau bi8 an den Taunus in beſtimmten 
Sintervallen befchüsten. Unter diefen Gaftellen möchte 
vielleicht das bei Humetroth im Ddenwalde ?), bie 
Saalburg bei Homburg vor der Höhe 3), das Gaftell 
bei Niederbieber unweit Neuwied u. a. m., Deren 
Dimenfionsverhältniffe ziemlich üubereinftimmen, zu den 
größten gehören. Zur vergleichenden Ueberficht der Aug» 
dehnung reduzirte ich auf dem Plan Tab. II. nad) dems 
felben Maaßjtabe das lestere, dur Hoffmann?) und 
Hundeshagen5) genau unterfucte Roͤmerwerk. 





) Die gleichfeitige Quadratform der Lager, nach der ältern 
Polybifchen Gaftrameration, findet fich bei ung felten. 

2) J. 5 Knapp, römiſche Denkmäler des Ddenwaldes, 
Heidelb. 1813. p- 94- 

>) ©. Neuhof. c. p. 13. 

GC, F. Hoffmann, über die Zerftörung der Römerftädte 
an dem Rheine ꝛc. Neuwied. 1825. 

Much in den Memoires et Actes de la Societe des 

Sciences et Arts à Mayence. J. pag. ı68. seqq- 


>) &, Doromw’s röm. Alterthümer bei Neuwied. Berlin 1827. 
pag. 3ı segqg. Tab. Il, 


37 


Dem Begriff eines Caſtrums widerſpricht ferner, 
nicht allein die innere irregulaͤre Eintheilung, welche 
durch die Localitaͤt bedingt wurde, ſondern hauptſaͤchlich 
der auf mehreren Inſchriften enthaltene Name Novus Vi- 
eus, welcher offenbar auf eine bürgerliche Niederlaſſung 
hinweif’t, deren ftarfe Befeftigung von außen, durch die 
drohende Nachbarfchaft Friegerischer Germanen geboten 
wurde. Daß folche größere Militärcolonien ſchon in 
der früheften Zeit vorfamen, fagt Living 2) an mehreren 
Drten; und Div Gaffius 9 redet namentlich von 
Städten, die unter Augufts Regierung, von den Römern 
in den eroberten Provinzen Deutfchlands bei den Gaftel- 
len angelegt, die befiegten Germanen durch friedlichen 
Verkehr allmählig an das römifche Soc gewöhnen follten. 
Diefe befeftigten Munizipalſtaͤdte, welche, mit den Gaftellen 
verbunden, nicht blos im Smnern der römifchen Pro— 
vinzen, fondern wohl häufiger an den Grenzen des 
ungeheuren Roͤmerreichs entftanden, gaben alfo einer 
großen Mafje alter Soldaten Wohnung und Linter- 
halt, die nach Vollendung ihrer fiürmifchen Dienftjahre 
dem bürgerlichen Leben zurücgegeben wurden. Bei and- 
brechendem Kriege waren die friedlicien Munizipien 
ohne Koften für den Staat fchnell unter der Leitung 
des Gaftellbefehlshabers in wohlgerüftete Feltungen um— 
gewandelt, da ihre Bevoͤlkerung meift aus erprobten 
und fampfgenbten Kriegern beftand. 

Aus diefer Urfache bedurfte der ausgedehnte römi- 
ſche Limes fo wenig große regelmäßig befeftigte Winter- 
a. Lib. 35. cap. 9. il, c. 40. etc. 

*) Dio Cassius Lib. 56. cap. 18. 


38 


lager für mehrere Xegionen, fondern es genügten klei— 
nere Gajtelle, die hoͤchſtens 1— 2 Cohorten faßten, fo 
wie wir ſie zwifchen größeren Niederlafungen bier 
und da wahrnehmen 1). Die Doppelte Beftimmung der 
Grenzitädte erhielt fich während der ganzen Dauer 
der Nömerherrfchaft auf deutfchem Boden, ungeachtet 
der häufigen Klagen, ja Empoͤrungen der ausgedienten 
Legionäre?), welche um die ihnen zur Belohnung anges 
wiefenen Ländereien beftindig mit den Germanen zu 
kaͤmpfen hatten. Auch Alerander Sever behielt diefe 
Fuge Einrichtung feiner Vorgänger confequent bei, wie 
Lampridius 3) berichtet. indem er die verdienten Feld- 
herrn und Soldaten der Grenzfeftungen mit den erober: 
ten Ländereien befchenfte, ficherte er fich ihre Wachſam— 
feit und Treue; denn «fie würden, fagte er, aufmerfs 
famer dienen, wenn fte ihre eignen Felder vertheidigten. » 
Die angeführten Stellen eines Livius, Tacitus, Div 
Caſſius ꝛc. begrinden alfo die Vermuthung, daß an 
der Seite eines früher hier erbauten Gaftell8 auch unfer 
Vicus und wahrfcheinlich auf einmal nach feiner gegen- 
wärtigen Ausdehnung entjtanden fei, indem eine fucs 
cefftive Anftedelung nicht wohl anzunehmen ift, da die 
offenen Wohnungen gegen einen Ueberfall des wach— 
famen Feindes durch eine Befeftigung von fo großem 
Umfang nicht fchnell genug geſchuͤtzt werden Fonnten, 


13.8. bei der Saalburg, Marienfeld, Ems u. f. w. 

2) Tacitus Annal. Lib. I. cap. ı7. 28. 

?) Acl. Lampridius in Alex. Sev. cap. 58. «Sola quae 
de lıostibus capta sunt, limitaneis ducibus et militibus 


donavit,» etc. 


59 


Denn wohl möchte ihnen die frühere Erfahrung im 
batavifchen Kriege größere Vorficht empfohlen haben, 
als die am Unterrhein commandirenden Feldherrn Mum— 
mius Lupercus und Numifius Rufus, die um das 
Gaftrum Vetera (Kanten) in langem Frieden erbauten 
Borftädte, bei plößlichem Kriegsansbruch niederzureißen 
genöthigr waren, damit fie dem Feinde feinen Nugen 
gewährten H. 

Es erforderte alfo die Sicherheit der neuen Anz 
fiedelung, alsbaldige Errichtung einer feiten Stadt— 
mauer. Der Gefammtmaffe der dahin beorderten Vete— 
ranen war e8 leichter möglich, unter dem Schutze der 
Caſtellbeſatzung ungeftört die Ringmauer aufzuführen, 
welche fämmtliche Gebäude fichernd umgeben follte. So 
entitand wahrfcheinlich die Befeftigung des Vicus auf 
einmal nach feinem gegenwärtigen Umfang auf der 
Weſtſeite des Gafteld, vor deſſen Decumanthor die 
beiden Hauptftraßen der bürgerlichen Stadt fich ver— 
einigten und fo die unregelmäßige Abtheilung des Areals 
veraxlaßten, die wir im Innern wahrnehmen, 

Wenn man der Ausfage einiger Kandleute Glauben 
beimefjen koͤnnte 2), welche an der Stelle (x) Die 
Fundamente eines Thurmes ausgebrochen haben wollen, 


) Tacitus Histor. IV. 22. «subversa longae pacis opera, haud 
precul castris in modum municipi exstructa, ne ho- 
stibus usui forent. » 

2) Auf ſolche unbeftimmte Angaben, welche fo oft oberflächliche 
Befchreiber irre führten, ift jedoch nie Gewicht zu legen, 
ehe eine genaue und vorurtheilsfreie Local=Unterfuchung das 
Sachverhältniß aufgeflärt hat. 


60 


fo würde die Vermuthung für die Lage ber Porta 
decumana noch mehr an Wahrfcheinlicyfeit gewinnen, 
und die weftlichen Grenzen des Gaftell8 näher beftimmt 
feyn, welches fihon der Lage nadı, bier auf. dem 
höchften Punkte des Feldes, die ſchicklichſte Stelle fand. 
Auch der auf einer bei (k) entdedten Ara enthaltenen 
Namen der Straße (F—x.) foheint von der Verlänger: 
ung der prätorifcheir Straße des Altern Gaftelld (x—G) 
entjtanden zu feyn. 

Nehmen wir daher die Straße (gg. ii) ald Grenze 
für die Sudfeite des früheren Gaftell8 an, fo werden 
wir bei (n. F.) die nördliche Seite aufzufuchen haben 
und es erfihiene dann die dem Feinde zugefehrte Ditfeite 
mit der Porta praetoria, an die Ningmauer angelehnt. 

Db das Gaftell, welches ich mit einer Gitadelle der 
neuern Befeftigungsart vergleichen möchte, nach Vol— 
lendung der bürgerlichen Stadt als ein für ſich bes 
ftehendes Fort, feine innere Einrichtung und Abtheilung 
beibebielt, oder nad) Hinwegnahme der Äußeren Bes 
feftigung zu der Stadt gezogen wurde, müffen nähere 
Unterfuchungen entfcheiden 1), 

Das Dafeyn einer bürgerlichen Stadt, welches durch 
Bezeichnung mit Novus Vicus unzweifelhaft wurde, gab 


:) Die Spuren von Gebäuden in der Umgebung des Gaftells 
bei Neuwied, fo wie die bei der Eaalburg, machen es 
wahrfcheinlich, daß das Fleinere Caftell gewöhnlich als ein von 
der bürgerlichen Stadt unabhängiges Ganze befeftiget war. 
Möchte bei fortgefesten Unterfuchungen an dieſen interref- 
fanten Orten, auch auf die in der Nähe diefer Gaftelle 
vorkommenden Gebaude geachtet werden, 


61 


auch Fuchs 1) zu einer Unterfuchung über die eigente 
liche Lage derfelben Anlaß. 

Bon der irrigen VBorausfekung ausgehend, daß der 
ganze Bezirf des Heidenfeldes das römifche Gaftrum 
begrenze, glaubte er den genannten Bicus auffer- 
halb defjelben fuchen zu müffen. 

Die damals noch vorhandenen Ueberrefte der öftlich 
gelegenen Burg ), (W) deren Mauern, gleich den 
meiften Gebäuden der nächften Ortfchaften von Steinen 
des nahe gelegenen Burgfeldes, mithin aus römifchemn 
Material errichtet waren, leitete ihn auf die Idee, hier 
habe der auf den Infchriften erwähnte Vicus geftanden, 


ı) Fuchs J. c. II. p. 16. seqq. 

?) Diefe an einem Abhang gegen die Nidda zu gelegene Burg, 
deren Ueberrefte in neuerer Zeit gänzlich abgebrochen wurden, 
Fommt in Lagerbüchern als Sreiherrlich von Breidtbach'— 
fhes Eigenthum unter dem Namen Philippsed vor 
Hüsgen 1. c. p. 103 theilt eine Infchrift mit, welche auf 
einem rothen Sandftein über dem unteren Thor diefer Burg, 
in erhabenen Buchſtaben noch im Jahr 1746 deutlich lesbar 
gemwefen fenn foll. 

« Als man zahlt 1480 Jahr 

Ich von neuem angefangen war 

Zu bawen, da ich war ein Aderfeld 

on Philippe Wolfen von Praunheim umb fein Geld 

Den man funft nennt Klettenberg 

Darumb jesund um diefes Werf 

Steht in Gottes Segen und Hand 

Zu Philippseck werd ich genant. » 
Aus dem Befis des Herrn von Greifenberg, fen dies 
Gebäude an einen Herrn von Nied, und von diefem an die 
von Breidtbach’fche Familie übergegangen. 


62 


eine VBorftadt bildend, auf deren Ruinen die fpätere 
Burg, fo wie das nahe gelegene Hedernheim erbaut 
worden fey. Auch den jesigen Namen ded Dorfes, 
welches nach Tacitus « haud procul castris in modum 
municipii » erbaut fey, fünne man von Hadrian, dem 
erftien Erbauer des Gaftri, wie die vielen, dafelbft 
gefundenen Münzen diefes Kaifers andeuteten, leicht 
ableiten. 

Sb Hadrian der Erbauer des Gaftri gewefen, wie 
gerwöhnlich angenommen wird, ift bis jest noch uner- 
wiefene Bermuthung. 

Uebrigens findet ſich, nach genauer Unterſuchung, 
weder in Hedernheim, noch in der oͤſtlichen Umgebung 
des Heidenfeldes eine Spur roͤmiſcher Gebaͤude, und 
auch die Herleitung des Namens von Hadrian, erhaͤlt 
durch die urkundlichen Benennungen fruͤherer Jahrhun— 
derte keine Stuͤtze, indem das Dorf im Anfang des 
9. Jahrhunderts Phetterenheim ) und im 12. Hedteren— 
heim 3) genannt wird. 

Ebenfo ift der Name Hedernum, als Latinifirung 


des dortigen Provinzialism Hedernem, nur poetifihe 
Lizenz. 


2), Taeitz —— 

2) An einer Urfunde v. 20. Oftbr. d. 5. 802 heißt eg — «in 
pago Nitachgowe, in villa Phetterenheim.» — ©. Codex 
Lauresham. dipl. Tom. III. N. 3401. pag. 105. Chron. 
Gottwic. 1. Pag. 711. 

3) Eine Urkunde v. Erzb. Mdalbert I. v. Mainz v. J. 1132 
nennt den Ort Hedterenheim. ©. Joannis Rer. Mogunt. 
T. II. p. 546. Gudenus Codex dipl. 1. p. 103. 


65 


Sn den auf der weftlicyen Seite des Vicus nahe 
bei Praunheim gelegenen Trümmern eines alten Ritter— 
ſitzes, die Klettenburg !) (Q. R) genannt, glaubte Fuchs 2) 
ebenfalls die Spuren einer DVorftadt zur Bewohnung 


1) Die Klettenburg war, nah Nachrichten, die ich der 
Güte eines Freundes verdanfe, bis in das 16. Jahrhundert 
Eigenthum der Junker von Praunheim einen alt adelichen 
Gefchlecht, das in dem Hanau und Solmſiſchen Orte gleiches 
Namens, Häufer und Güter befaß. Durch Verkauf ging 
das Haus fammt Defonomiegebäuden ıc. im J. 1658 an den 
Grafen Joh. Aug. von Solms Rödelheim über, von dem 
es den Namen Auguftusburg erhielt. 

Das vieredige Gebäude, (Q) deffen Ruinen in einem 
moorigen, von fleiler Anhöhe begrenzten Wiefengrund dief- 
feits der Steinbach Tiegen, fcheint das eigentliche Wohn 
gebäude gewefen zu fern, welcher ein Enfel des Erbauers 
Graf Joh. Ernft Earl zu Solms als Theil feiner Apanage 
bewohnte, und von welchem es dem regierenden aräflichen 
Haufe zufiel. Wegen Baufälligkeit wurde das Haus ſchon 
um das Jahr 1760, die auf einer Anhöhe gegenüber gele= 
genen Defonomiegebäude (R) im J. 1791 abgebrochen. 

Nah Hüsgen 1. c. p. 101 foll die Klertenburg mit 
Graben und Aufziehbrüce verfehen und noch im Jahr 1746 
über dem Thor des verfalfenen Gebäudes zwei unfenntliche 
Mappen mit der Jahrzahl 1670 fichtbar geweſen feyn. 

In den noch übrigen Schutthaufen der gänzlıch ausge: 
brochenen Mauer, finden ſich noch röm. Backſteine und 
Ziegel, wie auh P. Fuchs bemerft hatte. Ein behauener 
Sandftein mit der gothifchen Inſchrift: 

Anno. Domini. M.ceeee. 
der aus den Ruinen der genannten Burg herfommen foll, 
fiegt gegenwärtig nicht weit davon unter dem Steg über die 
Steinbach. 
?) Suds. 1. c. IT. p. 18. 


64 


der Legionäre, zu erfennen. Al Argument für den 
römifchen Urfprung nimmt er die bei dortigem Gemäuer 
gefundenen rom. Ziegel, fo wie mehrere früher dort 
entdeckten Grabjteine von Legionſoldaten. 

Man muß fid) wundern, wie Fuchs an der Stelle 
von Gräbern bürgerlihe Wohnungen vermuthen Fonnte. 
Die Erinnerung an das befannte 12. Tafelgeſetz, welches 
das Beerdigen innerhalb der Städte unterfagte, hätte 
ihn fogleic; von feinem Irrthum überzeugen follen. 

Aufferbalb der Weftfeite des Heidenfeldes in der Um— 
gebung von Praunheim und im Garten des Herrn Fell 
ner dafelbft (T), findet fich allerdings die Begräbnißftätte 
der Einwohner des Vicus. Da die Befchreibung der, 
in diefen Gräbern gefundenen Gegenftände weiter unten 
einen eignen Abfchnitt bildet, fo wenden wir und, um 
nicht weit abzufchweifen, zur Unterfuchung der Webers 
refte diefer Niederlaffung, unter der Erdoberfläche. 

Die Ringmauer. 

Bor allem fchien es mir erforderlih, die Richtung 
der Außern NRingmauer genau fennen zu lernen, deren 
Lage bis jest noch nicht unterfucht, nur auf Ders 
muthungen beruhte. Der Sage nad follte unter 
der Rafendede des Erdwalles, der das ganze Heiden- 
feld umgiebt, die alte Stadtmauer verborgen feyn. 
Die Lagerbücher deuteten ebenfalls, durd den Ausdrud 
« Mauerweg » darauf hin. 

Ich begann daher auf der Dftfeite mit Durdy- 
fehneidung des in der Mitte am höchften hervortre- 
tenden Ufers, welches vielleicht P. Fuchs zur Annahme 
der Porta Praetoria verleitet haben mochte; aber weder 


65 


diefer noch die übrigen Verſuche an andern Stellen 
gaben das gehoffte Nefultat. Nur einzelne Bruchfteine 
ohne Spuren von Mörtel, Fragmente von Gefäßen ıc. 
fanden ſich in der aufgefchütteten Erde. Dieß leitete 
mic; auf die Vermuthung, daß Ddiefer hohe Aufwurf 
wohl ein erhöheter Weg gewefen feyn möchte, der an 
die innere Seite der Ningmauer angelehnt, den Ber: 
theidigern zum Standort gedient hatte, von dem fie 
unter dem Schuß der Bruftwehr und Zinnen ficher 
herab jtreiten Fonnten. Auf der innern Seite des 
Walles fand fich bis jest noch Feine Spur einer para- 
lellen Futtermauer wie fie Vegez 1) bei der Wallbes 
feftigung vorfchreibt. Der Schutt der zeritörten Ges 
bäude mochte fich bis zur Walhöhe angehäuft und mit 
diefer durch die Feldeultur geebnet haben. Sch Tieß 
alfo aufjerhalb einfchlagen, und hier fanden fich denn 
die Grundlagen der Stadtmauer, welche an den bis 
jest unterfuchten Stellen, meift unter dem Weg vor- 
famen was zu der Benennung Mauerweg, in den 
Slurbüchern wohl Veranlaffung gegeben hatte. 

Die Fundamente derfelben, ein Mauerwerk von Kalk: 
mörtel und unbehauenen Bruchfteinen, fanden fich 4—5 
Fuß tief unter der Dberfläche in einer Dice von 7 rhein. 
Fuß. Die an mehreren Drten gefundenen Dediteine 
der oberen Bruſtwehr, theild® von Sandftein, theils 
von poröfem Bafalt ꝛc., hatten die Geftalt gefpaltener 


’) Vegetius, c. 3. Solche Suttermanern fand Knapp an eini- 
gen Gaftellen des Odenwaldes und Lehne in Mainz. Ein 
erhöheter abgeböjchter Weg fol nah Hoffmann fich inner: 
halb des Gaftelts bei N. Bieber gefunden haben. 


5 


J 


66 


Cylinder mit einem Durchmeffer von 21/, Fuß, bei einer 
Länge von 4 Fuß. Die Dide der Dedfteine bejtimmte 
die Stärfe der oberen Bruftwehr, und wahrfcheinlid, 
hatte die Mauer, um dem Drud des innern Erdwalles 
beffer widerftehen zu Fonnen, von auffen etwa bis zur 
Höhe der Bruftwehr, eine Boͤſchung. Aus der Länge 
der Deckſteine ergiebt fi der Zwifchenraum und die 
Breite der Zinnen, welche die Bertheidiger gegen das 
Gefchoß der Belagerer fihüsten. 

Aehnliche Deckſteine beobachtete audı Knapp bei 
mehreren Pfahlgrabencaftellen des Ddenmwaldes, und 
fhon in der früheften Zeit, pflegte man folche Zinnen 
(pinnae) auf die Bruftwehren der Bertheidigungsmauern 
zu feßen, wie Cäfar 1) an mehreren Drten, 5. B. bei 
der Belagerung von Alefia Cin Gallien) erzählt. Auch Tas 
citug 2) redet von den Mauerzinnen, bei der Belagerung 
von Betera durd) den Bataver Fuͤrſten Eivilis ꝛc. 


Die Thore. 

Auf der MWejtfeite der Ningmauer find zwei Haupt— 
eingange bemerfenswerth, durch deren unteren (N) 
noch jeßt der Vizinalweg führt. Die viereckigen Thürme 
welche den Thorweg einfchloffen, find jedoch vor 
längerer Zeit fchon ausgebrochen worden, fo daß eine 
genaue Beftimmung der Maasverhältniffe nicht wohl 
mehr möglich ift. So weit die Spuren noch erfennbar 


) Caesar. Bell. Gall. L. V. C. 40. und Lis. VII. cap. 72. 
Hier heißt eg — «huic (vallo) lorican pinnasque ad- 
jecit. » — 


27 Tacit. Hist. IV. c. 23. 


67 


find, dirften die Seiten diefer Thuͤrme, ungefähr 30 Fuß 
in die Länge und Breite gehabt haben. 

Bei Unterfuchung des obern Straßeneingangs (P), 
deffen Thürme jedoch ebenfalls nicht mehr vorhan— 
den waren, fanden fih, auf der innern und Außern 
Seite der 7 Fuß diden Ringmauer, behauene Steine 
in großer Menge, die zur dußern Mauerbefleidung ge- 
hört hatten. Es waren kleine Sandfteinguaber von 
8 Zoll Länge zu 5 Zoll Höhe, deren Vorderfeite, in dia— 
gonaler Richtung mit dem Breideifen bearbeitet war. 
Der mittlere Raum dieſer doppelten Futtermauer, 
war mit Abfallgeftein und Kalfmörtel (farctura) fchicht- 
meife ausgefüllt, eine Mauergattung von faft unzers 
ftörbarer SFeftigfeit, welche der rom. Baumeifter Vi— 
trup 1) mit dem Namen Emplecton (d. Gefüllte) be— 
zeichnet 9. Die regelmäßige Fügung der behauenen 
Futtermanerfteine, (frontati) erfchien noch befonders 
durch den aͤußern Kalfauftrag hervorgehoben, indem 
die Zwifchenräume der in Verband gelegten Quader, 
durch feicht gezogene Rinnen angedeutet waren, Die 
mit rother Farbe ausgefüllt, der Mauer von Außen 
ein Anfehen von Zierlichkeit gaben 3). 


) M. Fitruvius Pollio, de Architectura. Lib. II. c. 8. 

2) Auch an mehreren größern Gebänden des Wicus fand ich 
häufig dieſe fogenannten Gußmauern, jedoeh nicht in 
folher Stärfe, fondern meift 4 Zuß did‘. 

3) Solche äußere Mauerverzierungen beobachtete Hoffmann 
l. c. p. 57. an der Vertheidigungsmauer des Caſtells bei 
Neuwied, Schöpflin und Knapp auch an Gräbern der 
Bergitraße und des Odenwaldes. S. Schoepflin, de sepul- 


68 


Die Grundmauern des Thores, weldyes bei (B) den 
nördlichen Ausgang der Straße (L B) beſchuͤtzte, follen 
erjt in neuerer Zeit ausgebrochen worden fein. 

Auf derfelben Nordfeite führt gegenwärtig noch die 
fogenannte Elifabethenftraße,, welche die alte römifche 
Straße bedeckt, durch ein Thor der Ningmaner bei (C) 
deſſen Dimenfionen jedod; wegen Befamung des Feldes 
noch nicht unterfucht werden fonnten. Auſſerhalb des 
Eingangs fanden fich viele Trümmer von Gefimstheilen 
und großen Werfjtüden von Sandftein, die dem Thore 
angehört zu haben feheinen. 

Auf der Dftfeite nach Hedernheim zu, war unftreis 
tig bei (G) noch ein Hauptthor, defjen Auffuchung, der 
frequente Mauerweg bisher nicht erlaubte. Nur in dem 
Uferabhang der abgerundeten Ede bei (I), fand ich 
einen Ausgang in der Ringmauer, von 10 Fuß im 
Fichten 1). Die den nördlichen Thoren (B u. C) ent: 
fprechenden Ausgänge der Suͤdſeite bei (K u. L), ber 
dürfen noc; einer genauen Unterfuchung. Uebrigens 
ijt Die Aufgrabung der füdlichen Ringmauer durch die 
benachbarte Nidda fehr erfchwert, indem das fchnell 
eindringende Wafjer, ein tieferes Einfchlagen am Fuße 
des Ufers verhindert. 


cro rom. prope Schrieshemium reperto, in den Act. Acad. 
Palat. T. IL p. 107.  Snapp 1. c. p. 11a, 

Dr. Hundeshagen giebt das Lichte der Thormwege an dem 
Römercaftell bei Neuwied zu 12—14 Zuß römifch an. ©. 
Dorow. Alrerth. b. Neum. p.35. Knapp fand die Thore 
an einigen Gaftellen des Odenwaldes 9—12 Schuh breit. 
©. deifen Denkm. d. Odenw. p. 53. 71. 


- 
— 


69 


Nur durch eine vollftändige Aufdeckung der ganzen 
Ningmauer, was freilich wegen ihrer großen Aus— 
Dehnung fehr Foftfpielig fein wirde, wäre es möglich, 
ein ganz genaues Bild derfelben zu erhalten und alle 
Thore und vorfpringenden Thuͤrme kennen zu lernen, 
wie wir fie nach Begez;!) und Vitruv’8 9 Bor: 
fehrift, fowie den Beobachtungen Hofmanngıc. 3) auch 
hier zu vermuthen Urfache haben. Die Thore der 
Ringmauer, deren wir bi jeßt wenigftens 8 annehmen 
fönnen, führen uns nun zunächft zu den Straßen und 
Duartierabtheilungen der bürgerlichen Niederlaffung im 
Innern. 

Die Straßen. 

Aeußerlich find Feine Straßen mehr fichtbar, doc) 
deuteten einige vor längerer Zeit Dort entdeckte In— 
fehriften, auf das Dafeyn derfelben hin. Aus dem vor- 
fommenden Ausdruck Genio Plateae novi vici, folgerte 
fhon Lamey 9%, unfer Vicus habe nur eine Straße ge- 
habt und diefer Meinung trat auh Gerfens als 
der wahrfcheinlichften unbedingt bei. Cine nähere Unter: 
fuchung, würde bald zur Berichtigung diefes Irrthums 
geführt haben, indem der Kauf, der durch den Schutt 
der zerftörten Gebäude, 1—21/, Fuß unter der Erd- 
oberfläche verborgenen Straßen, fib in den Saat- 


!) Veyetius. cap. 2. 

2) Pitruv. Lib, I. c. 5. 

») Hofmann. c. p. 56. deßgl. in Dorow. 1. c. p. 34. 

») A. Lamey Diss. ad. lap. ant. Heddernh. etc. in d. Act. 
Acad. Th. Palat. III. p. 184. 

>) Gerden 1. c. IV. p. 207. 


70 


feldern durch Störung der Begetation verräth und 
bei aufmerkffamer Beobachtung mehrere, derfelben fich 
erkennen laſſen. Ich will hier nur auf die Haupt— 
fraßen und deren Entdefung aufmerkſam machen. 
Ein ehemals fehr uncbener Weg (N. w.), der einen 
Theil des Heidenfeldes von Dften nady Welten durd)- 
fehjneidet und dann bei (w) fich nördlich nach (C) 
wendend, den PVicus verläßt, war feid undenflicher 
Zeit, alg Vizinalweg unter dem Namen «Elifabethen- 
ftraße» befannt, eine Benennung, die wohl von den 
häufigen Wallfahrten zu dem Grabe der heil. Eliſa— 
beth entjtanden fein mag, da er der Sage nad, von 
Gaffel bei Mainz bis Marburg führen foll. Bei der 
neuern Ausbefjferung dieſes verfallenen Weges und 
deffen Bepflanzung mit Obftbäumen, kam man auf der 
ſuͤdl. Seite deffelben, einige Fuß tiefer, auf die obere Kies— 
bedefung eines Altern Weges, nach deffen Durdy- 
brechung fich die untere Grundlage von fehweren Bruch— 
jteinen zeigte, Dies war ohne Zweifel die alte römifche 
Heeritraße, welche das frühefte Caſtell ſammt dem 
Vicus mit Gaffel verband und deren Ueberreſte mit 
rohen Steinen hberfchättet, fpäter den Namen Elifa- 
bethenftraße erhielten. Cine zweite Hauptſtraße von 
gleicher Breite fanden wir im nördlichen Theil des 
Burgfeldes bei (P). Sie läuft von hier in ſuͤdweſt— 
licher Richtung gegen den Judenkirchhof (m) hin, unter» 
halb deffen Süpfeite fie mit der untern Straße bei 
(x) in fpißem Winkel zufanmentrifft. An diefem Punct 
vereinigen ſich die beiden convergirenden Straßen mit 
einem von Suͤdoſt nach Nordweft durch die Breite des 


71 


Vicus ziehenden Weg, deffen unterer Theil (x X) 
gegen die Nidda hin mit 2—2/, Fuß Erde bededt 
ift, der obere (x C) meift durch fpätern Steinauffchutt 
erhöht, die Fortfegung der von Praunheim herfommenz- 
den Elifabethenftraße bildet. 

Beinahe parallel mit der Weſtſeite des Vicus, 
1075 Fuß von derfelben entfernt, durchzieht eine 
zweite Straße (B L) von Nord nadı Sud ebenfalls den 
Vicus der Breite nach, indem fie bei (g) und (s) die 
beiden vorhergenannten Wege durchkreuzt. 

Die Entdeckung diefer Straße wurde durch einen 
Stein veranlaßt, deſſen Infchrift einer Platea praetoria 
und Quintana gedachte. Diefe merfwürdige Sufchrift, 
welche fowohl über die Anlage des PVicus, als über 
deffen Straßen und Quartierabtheilungen Xicht verbrei- 
tet, beftimmte mich, die Stelle (k), welche man mir 
als Fundort bezeichnet hatte, genau zu unterfuchen, 
und fo fand fich, nahe an diefem Drte die darauf 
genannte Platea praetoria (P. x) von der Quintana 
(B L) wirflich durchfehnitten. 

Die urfprünglichen Benennungen dieſer beiden 
Straßen waren alfo durch diefe Anfchrift nicht allein 
auffer Zweifel, fondern hierdurd, ergaben fich auch die 
Kamen der übrigen Hauptitraßen, da man mit hoher 
Wahrfcheinlichfeit daraus folgern konnte, daß der Areal: 
abtheilung der bürgerlichen Stadt, im Ganzen die 
innere Einrichtung der regelmäßigen Gaftelle ſamt deren 
Guartier und Straßenbenennungen zum Grunde lag. 

Die doppelte Beftimmung des Bicus, als bürgerliche 
Stadt und als Feftung, erforderte daher eine bürgerliche 


72 


und militärifche Verfaffung, wie dies befonders bei den 
Grenzfeftungen in der Nachbarfchaft feindlicyer Völker 
gewöhnlich war 1). 

Da die beiden convergirenden Straßen (Px u. Nx) 
wahrfcheinlich zu der Porta quintana des Ffleinern und 
frühern Caſtells führten und die Verlängerung von 
deffen Platea praetoria (x G) bildeten, woher fie, wie 
ih ©. 60 bemerfte, wohl den Namen erhielten, fo 
fönnen wir, analog mit der befannten innern Caſtell— 
einrichtung, die Straße (N x) Platea praetoria dextra, 
und die obere (P x) sinistra, fo wie das Thor der 
Eriteren (N) Porta decumana dextra, oder auch infe- 
rior, und das der obern Straße bei (E) P. decumana 
sinistra oder superior nennen. Beide hatten ihre ger 
meinfchaftliche Porta praetoria bei G. 

Die Quintanftraße BL endigte mit ihrer Porta dex- 
tra bei L, mit der sinistra bei B. 

Die Straße CK möchte demnach den Namen Platea 
principalis, und deren oberes Thor bei (C) Porta prin- 
cipalis sinistra, das untere dextra geführt haben. 

Indem alfo unfer Vicus durch die beiden prätorifchen 
Straßen der Länge nach getheilt, der Breite nad) von 





1) ©. Schelii Comment. ad Hygin. in Graevır Thesaur. 
Antigq. rom. Tom. X. p. 1110. — «Ista hibernacula non 
tantum exterius adversus omnes conatus hostiles magno 
opere emuniebantur, sed et interius laxius disponeban- 
tur multo paratu multaque cura. Saepe lapide vel saxo 
contra inclementiam et injurias a@ris aedificabantur, 
praesertim quae in finibus imperii aut ferocibus et non- 
dum satis pacatis nationibus; pluriumque annorum hi- 
berna, rationem quidem et ordinem castrorum, caelerum 


omnia in modum municipii habebant. » 


75 


der Platea principalis und quintana durchfchnitten war, 
zerfiel das Ganze in drei größere Quartiere, Deren 
oberes (CD KI) Praetentura, das mittlere zwifchen 
der Prinzipal und Quintanftraße (BC KL) Prae- 
torium — und das unterfte (A BL M) Retentura 
genannt wurde 1). 

So viel über die allgemeinen Duartierabtheilungen 
des Vicus; nun noc Einiges über die Inſchrift des 
oben gedachten Steines. 

Durch Anfauf war derfelbe, bald nach deſſen zu— 
fäliger Entdefung von einem Hedernheiner Land» 
mann, in den Bett des Herrn Dr. Dorow gefommen, 
der die Infchrift im Aöten St. des Cotta’fchen Kunfts 
blattes v. 5. 1823 befannt machte. 

Nach der Erwerbung dieſes Steines für unfern 
DBerein, wurde bei Gelegenheit der Anzeige unferer 
Sahresverfammlung im Mai 18249, eine andere Kefeart 
(des Hrn. Prof. Lehne) mitgetheilt 3), — worauf in 
der 135. Nummer der Berliner Zeitung, als Berichtigung 
das von Niemand beftrittene und beneidete Verdienſt 
der frühern Bekanntmachung, fo wie das der Er: 
rettung (2) und Erhaltung des Steins, für Herrn 
Dorom pindizirt und auf die im Kunftblatt von ihm 
gegebene Erläuterung verwiefen wurde. Zur partheiz 
lofen Beurtheilung möchte daher hier wohl eine Zufanmenz 
ftellung der verfchiedenen Anfichten erwartet werden. 


') ©. Naftl. c. p. 279. 
?) In der Frankfurter Ober - Poft- Zeitung Nro. 156. 
>) Das Inſerat war nicht von mir, 


74 


Nach Hrn. Dr. Dorom lautet die Snfchrift: 
INNE HDD. 
RENT. sPRAHT OR. 
ARAM QVI 
I GENIVM 
SATONIVS 
GBEABRVSHIB: WD. 
I MP Aa AVG. 
III. ET. DIONEHEBSS 
«In honorem domus divinae 
Plateae Praetoriae 
Aramque 
et Genium 
Sextus Antonius 
gratus dono dedit 
Imperatore Aurelio Augusto 
III. ei Dione Consulibus. » 
Man vergleihe nun die Schriftzüge des Steines auf Tab. VI.) 
In der dritten Zeile find die Worte ARAM QYT in 
Aramque willführlich zufammengezogen, Die Trennung 
beider Worte ift jedoch eben fo deutlich alg die Endung 
der lesten Silbe mit I, und es ijt um fo weniger 
Grund vorhanden, einen Srrthum des Bildhaners anzu— 
nehmen, da durch das unmittelbar darauf in der fol- 
genden vierten Zeile vorfommende ET, eine ganz 
überflüffige Wiederholung der Bindewörter que und et 
entftehen würde. 
Sn der fünften Zeile iſt bei dem auf Inſchriften 
öfterd vorfommenden Namen Sattonius der horizontale 
Querſtrich über der Spike des Buchſtabens A für die 


70 


Abbreviatur eines fehlenden n angefehen, und obwohl 
diefelbe Zufammenziehung der Buchftaben a und t in 
der zweiten Zeile bei Plateae ſchon einmal vorfam, 
hieraus der Name Antonius gebildet worden, der nod) 
aufferdem durch Trennung des Buchjtabens S und Sup— 
plirung einer nicht vorhandenen Snterpunction zwifchen 
S und A, den Vornamen Sesctus erhielte. 

Der nicht feltene Zuname Gratus auf der fechsten 
Zeile ift für ein Beiwort des vorhergehenden Namens 
(ſtatt grato animo) genommen und die Buchitaben D. 
D. weldye durch dat, dedicat hier dem Sinn ents 
fprechend zu Iefen find, mit dono dedit überfest. 

Die abſichtlich ausgetilgte Schrift der fiebenten Zeile 
zwifchen den Worten IMP. und AVG. wird durch Au- 
relio ergänst. 

Bei genauerer Anficht findet man jedoch noch die 
deutlichen Spuren des Wortes ALEX., wodurch alfv 
die Leſeart Aurelii von felbft berichtigt wird. Auf 
mehreren Denfmälern und namentlid) aud) auf dem 
Fußgeftel des befannten Hedernheimer Genius vom 
J. 230., ſo wie dem auf der vorhergehenden ©. 19. 
N. IV. von Lehne erläuterten Botivftein, findet man den 
Namen des Kaifers Alerander Sever auf Befehl feines 
rohen Nachfolgers Marimin ausgelöfcht, der wohl 
die Erinnerung an die veranlaßte Ermordung feines 
Wohlthäters, mit dem Namen deffelben zu vertilgen 
glaubte. 

Unfer verehrter Prof. Lehne giebt über diefen Stein 
folgende Erflärung, deren Nichtigkeit durd) die Local— 
unterfuchung beftätigt wurde. 


76 


IN. H (onorem) D (omus) D (ivinae) 
PLAT. (eae) PRAETOR. (iae) 
ARAM QVI (ntanaın) 
ET. GENIVM 
SATTONIVS 
GRATVS. D. (at) D. (edicat) 
IMP. (eratore) ALEX (andro) AVG (usto) 
III ET DIONE Co (n)S (ulibus) 
«Zur Ehre des göttlichen Haufes. Der praͤto— 
rifchen Straße weiht Sattonius Gratus Diefen 
Marftaltar und das Bild des Schußgeiftes unter 
dem 3. Sonfulate des Kaifers Alerander und Div, 
«Die römifchen Feftungen, ganz nach den Grundfägen 
ihrer Lager gebaut, wo e8 der Boden erlaubte, wurden 
von drei Hauptftraßen durchfchnitten, von welchen eine 
in die Länge, zwei in die Breite zogen. Bon beiden 
legtern hieß die eine und bedeutendfte Via oder Platea 
principalis, fo wie die Thore principalis dextra et 
sinistra, die fie mit einander verband. Die andere 
platea quintana von dem Marftplage des Lagers, wo 
Handel und Wandel getrieben wurde. Diefes Forum 
hatte mit dem Prätorium Verbindung durch ein befon- 
deres Thor, das Porta quintana hieß und fich wahrs 
fcheinlich blos in den castris stativis oder den gebauten 
Feftungen, nicht aber in jedem Lager befand, weswegen 
fein Dafein mehreren neuern Schriftftellern zweifelhaft 
wurde; aber Feftus und Hygin fprechen zu Deutlich 
darüber. 

Die dritte Hauptſtraße, von dem Prätorium aus 
theils nadı der Porta praetoria, theild nach der 


77 


Porta decumana ziehend, hieß davon Platea praetorin. 
Dieß mußte ich vorausfenden, um obige Infchrift Die 
fehr wenig correct eingehauen ift, zu erflären, 

Plateae praetoriae aram quintanam et genium. 
Die auf dem Steine befindlichen Worte aram qui boͤten 
feinen Siun dar, wenn wir hier nicht eine Abfürzung 
annähmen, welche der Lage angemefjen ift. Der auf 
unferer Ara ftehende Genius foll offenbar der Schuß» 
gott der prätorifchen Straße fein, und die Ara feld 
erhielt ihren Namen von dem Forum quintanum, auf 
welchem fie in der Platea praetoria ftand, da wo fich 
derfelbe mit der Platea quintana freuzte. Freilich follte 
das» qui nit quint verkürzt fein, allein die Unacht— 
famfeit und Nachläffigkeit der Steinhauer find wegen 
ihrer unzählbaren Beifpiele nicht auffallend. Panvinius 
führt eine Infchrift an, welche eine Ara der Via quin- 
Lana weiht, fo wis die Hedernheimer der Via praeto- 
ria geweiht ift: «aram et signa viae quinctanae dedi- 
cavit» 1). 

Der Name Sattonius fiammt von dem Serfonal- 
namen Satto, welchen wir auf einem in Gaffel gefundes 
nen Botivftein des Merfurs angeführt finden; Gratus 
ist befannter. 

Die Ara wurde unter dem dritten Gonfulate Aleranz 
der Severs und des Gefchichtfchreiberd Cassius Div 
im Sahr nach Chr. 229 gefest. Dio war vorher ſchon 
einmal Consul suflectus wie er felbft in feinem Werke 
anführt. » 


t) Gruter, p. 129. 5. 


78 


Der eben genannte Stein befteht aus fehwärzlichem 
poröfem Bafalt, welcher in den alten Steinbrüchen 
des benachbarten Dorfes Efchersheim vorfommt. Die 
Scriftzüge deffelben find gut, jedoch nur feicht ein- 
gehauen. Die Xaubverzierungen der Seiten und des 
obern Theiles erlaubten wegen der grobzelligen Tertur 
des Steines feine forgfältigere Bearbeitung. 

Die obere Seite deffelben zeigt Feine Vertiefung 
gleich einer Patera, wie man fie bei den Opferaltären 
wahrnimmt, fondern eine ebene Fläche. Der Stein 
diente alfo wohl nicht als DOpferaltar felbft, fondern 
nur als Fußgeftel des dort genannten Genius, der 
über der erwähnten Ara erhöht aufgerichtet war 1). 

Aus der Snfchrift diefes Steines folgert Herr Dr. 
Doromw nun weiter: 

«Bis jest war alfo der Altar der alten Haupt: 
ftraße noch nicht betannt; — diefer Altar erfcheint nun 
ald der Hauptaltar des römifchen Lagerortes, ift 
vom Sahr 229 n. Chr. Geb., alfo ein Jahr älter als 
das Gegenſtuͤck, welches zur Straße des neuen Quar— 
tiers gehörte, während der jett gefundene dem Haupt: 
quartier von einem vornehmen Römer gefchenft ward. » 

Wir lernen hier die Platea praetoria als die alte 
Hauptitraße fennen, im Gegenfas mit der Platea 
novi vici, welche die Straße des neuen Quartier 
genannt wird, da die Infchrift ein Sahr fpäter gefett 
ift. Er wird ald Hauptaltar bezeichnet, weil er Alter 


1) P. S. Bartoli, Admiranda rom. antiqq. Vestigia Tab. 28. 


29. 30. 31. Montſaucon, Antiquitcs expliques. 


79 


und dem Hauptquartier von einem vornehmen (?) 
Roͤmer gefchenft fei. 

Die Platea praetoria fcheint demnach mit Praetorium 
(Hauptquartier) identifch genommen. — Daß Novus Vi- 
eus hier fein «neues Quartier» 1) oder eine Vors 
ftadt ?) bedeuten koͤnne, habe ich früher ſchon bemerft. 

Die Bezeichnung Fleiner Drte, befejtigter Städte, 
Niederlaffungen ꝛc. durch Vicus, findet ſich öftere 
auch in unſerer Nachbarſchaft am Rhein und der Nahe; 
z. B. Vicus Julius zwiſchen Rheinzabern und Speyer >), 
Vicus Brittanorum 4), bei Mainz. Bei Bingen GBingium) 
am Ausflug der Nahe, erfcheint ebenfalls ein Bicus 5). 
Die Bewohner von Alzey Fommen auf einer Snfchrift 
vom Anfang des 3. Jahrhunderts ald Ficani Altiai- 
enses 6) vor ıc. 


) Die hier citirte von Fuchs, Hüsgen, Lamey, Gerden, 
Lehne u. a. m. erläuterte Inſchrift auf dem Fußgeſtell 
des oft erwähnten Straßengenius v. J. 230, wurde nebft 
dem Fleinern Genius mit gleicher Erwähnung des Novus 
Vicus, ziemfich nahe bei dem oben gedachten Stein, auf der 
weftlichen Seite der Plat. quintana bei (q) gefunden. 
Weiter unten das Nähere. 

2) Fuchs JL. c. II. p. 18. 

?) Notitia dignitatum imperii etc. Lugd. 1608. fol. p. 179. 
Schoepflin Alsatia illustrata I. p. 230. Man hält es für 
Germersheim. ©. 3. E. C. Schmidt Geſch. d. Groß: 
herzogthums Helfen. 1819. II. p. 363. 

) Brezzenheim, das alte Sicila, wo Kaif. Alex. Sever. und 
feine Mutter Jul. Mammaea im J. 235 ermordet wurde. 
©. Kehne Rhein. Archiv Jahrg. 1810. 5. Heft p. 242. 

5) Ausonius in Mosella (im Anf. ). 

6) Schmidt 1. c. p. 359. Dr. Emele Befchreibung ron. 


80 


Das Dorf Hedernheim wird von Hrn. Dr. D. im 
Anfang feines Aufſatzes «ein von Hadrian ange— 
legtes Gaftell genannt, in dem fid) täglich viele 
merfwürdige Alterthimer fänden. » 

An Drt und Stelle hätte er fich leicht unterrichten 
koͤnnen, daß Hedernheim weder ein Baftell war, 
noch daß fich in dem Drt, oder defjen Umgebung big 
an das Heidenfeld, je roͤm. Alterthimer fanden. 

Als Fundort des Altars wird die Stelle be— 
zeichnet, «wo Alterthumgsfundige das Caſtrum hin— 
fegen. » ? 

Bei diefer fehr allgemeinen Angabe die weder auf 
die Localität überhaupt, noch auf den eigentlichen 
Fundort bei (k) paßt, follte man beinahe eine Ver— 
wechslung mit Praetorium und eine DBerfesung des 
Dorfs Hedernheim in den Bezirk des Vicus vermuthen, 
zumal da Hr. Dr D. noch zum Scluß «eines in 
Hedernheim ausgegrabenen und in das koͤnigl. Mufeum 
in Bonn gefommenen geflügelten Merfurfopfs erwähnt, 
der zu dem obengenannten Altar gehört zu haben 
fcheine. » 

Alfo auch noch ein zu dem Altar gehöriger Genius 
mit einem geflügelten Merkurkopf! und diefer in 
dem Saftell Hedernheim ausgegraben, einer Entfern- 
ung von mehr ald 1000 Schritten! 


und deutfcher Alterthümer in Rheinheffen, Mainz; 1825. 
p- 77. Die Inſchrift Tautet: Vicani Altiaienses aram 
posuerunt — — X Kal. Dec. Maximo ct Aeliano cousu- 
libus. (d. 22. Nov. d. G. 2255 — nidt «21. Nov. 
224»). 


81 


Sp viel über die Erläuterungen des Herrn Hofrath 
Dorow, denen ic, bei diefer Beranlafjung nur deshalb 
einige Bemerfungen beifügte, da in der nachmaligen 
Berufung auf defjen frühere Abhandlung, eine Aufz 
forderung zur Anerfennung oder Berichtigung feiner 
Anfichten zu liegen ſchien. 

Zur Erflärung der Platea Quintana gehörig, möchte 
ferner noch ein Botivftein zu betrachten feyn, der ſchon in 
früherer Zeit, nicht ferne vom Fundort der eben befchrie- 
benen Ara entdeckt, und an der füdlichen Seite eines 
Nebengebäudes im Freiherrlich von Breidtbady’fchen Hof 
zu Hedernheim eingemauert wurde, Die fehlende vordere 
Hälfte diefes Fragments veranlaßte fo viele Sonjecturen 
über die Bedeutung der Schrift, daß ic; mich beftimmt fah 
denfelben an Ort und Stelle genau zu zeichnen und die 
Abbildung auf Tab. VI. beizufügen. Unter den abwei— 
chenden Xefearten eines Öruter, Reineſius, Lip— 
fing, Lersner, und Fuchs, möge nur die des Lep- 
tern hier ihre Stelle finden, welche er Cim I. Theil 
feiner Mainzer Gefchichte p. 61.) mit der Verfichgrung 
mittheilt, «den Stein felbft gefehen und die Buchftaben 
abgefchrieben zu haben. » 


«J4:H: .D..;D. 
DEAE FORT 
#l..AFIIO 
DORVS 
IAIA..MAVRA 
BR Von Pa ala 
M.» 


82 


«I (n) H (onorem) D (omus) D (ivinae) 
DEAE. FORTVN (ae) 
AEM (ilius) AELIO 
DORVS 
PR (aefectus) ALAE MAVRO (rum) 
EX V (oto) P (osuit) L (ibens) L (aetus) 
M (erito). » 
« Zur Ehre des göttlichen Haufes, der Göttin 
Fortuna, hat Aemilius Aelio Dorus, Dberfter 
des Flügeld der maurifchen Keuter, diefen Stein 
willig, freudig, begnügt geſetzt, aus Gelubd. » 

Fuchs giebt mehrere Budyftaben der Iinfen Seite 
als wirflic; vorhanden an, von denen fich auf dem 
Stein feine Spur wahrnehmen läßt; andere Buch— 
ftaben mußten ſich nach dem Sinne bequemen, den er 
der Inſchrift beilegte. 

Wäre der Stein nicht vorher als Fuchs ihn fah, 
fehr hoch eingemauert und dadurch vor Zerjtörung ger 
ſchuͤtzt geweſen, fo Fönnte dies auf die Vermuthung 
leitet, daß die fehlende Seite, fpäter beim Einſetzen 
verloren gegangen ſey. 

Sch will hier (salvo meliori) verfuchen, die muth- 
maßlich nach Verhältniß des Raumes vorhanden gewe— 
fene Schrift, durch Punkte auf der Abbildung Tab. VI. 
zu ergänzen. 

Wenn wir die fehlenden Buchftaben der gewoͤhn— 
lichen erften Formel IN als Maafftab für die Breite 
des fehlenden Stuͤcks annehmen, fo läßt fich fchliegen, 
daß bei dem erjten Wort der zweiten Zeile, mehr als 
ein Buchftabe verloren gegangen feyn müffe. 


85 


Sch habe es durch Plateae ergänzt, da dieh zu dem 
darauf folgenden Wort FORI am beften zu paſſen 
fehien, und diefe Vermuthung auch durch den Fundort 
des Steins bei (k) unterftüßt wird. 

Das Heinere I (bei fori) ijt zu Deutlich, ale daß 
fich durch die Verwandlung defjelben in ein gleichgroßes 
T die Lefeart «Fortunae » rechtfertigen Tieße. 

Bon den Anfangsbuchftaben des folgenden Wortes 
ift nichts mehr vorhanden als I oder ein Theil eines 
andern Buchftabene. Das Wort ARAM würde ben 
fehlenden Raum vollfommen ausfüllen. 

on dem Worte AFLIO der vierten Zeile, ift ber 
Buchftabe F nicht zu verfennen. Dieſe Schriftzuͤge moͤch— 
ten jedoch auf Feine Weife zu den Buchſtaben der fols 
genden Zeile gehören, da diefe viel größer find. Am aller 
wenigften läßt fi) der Name Aelidorus daraus bilden, 
indem einestheild der Endfilbe OR wenigftend 2—3 
Buchftaben vorher gegangen feyn müffen, anderntheild 
die Buchftaben VS durch einen deutlichen Punkt von 
dem vorhergehenden Wort getrennt find, 

Die Erklärung und vollfiändige Grgänzung ber 
uͤbrigen Schriftzuͤge überlaffe ich dem Scharffinne ge— 
übterer Ausleger, indem ich noch bemerfe, daß fich aus 
fleineren Buchftaben der legten Zeile, da die Oberfläche 
des Steins durch beftändige Einwirkung der Witterung 
fehr gelitten hat, wohl fihwerlich ein Praefectus alae 
maurorum herausbringen lafje, und von der Endformel 
ex voto posuit, libens, laetus, merito, ſich feine 
Spur vorfindet. — Durch die Xefeart FORI würde 
Dagegen in Uebereinftimmung mit dem Fundort Des 


Si 


Steins, die Lage des Forums bezeichnet, welches 
von der Platea Quintana den Namen Forum Quin- 
tanum führte. 

Auffer den genannten Hauptftraßen, auf deren Seite 
ſich Gebäude an Gebäude in ununterbrochener Folge 
reiheten, finden ſich noch viele Eleinere Nebenftraßen, 
(Vieinales 1), Angiportus) 2), die parallel mit den 
größern, den Vicus in fleinere Quartiere abtheilen. 
Bis jest wurde erfi eine Fleine Anzahl derfelben ent: 
det, welche auf dem Plan Tab. IV. angegeben find. 

Die Bauart der Straßen ift nadı Verhältniß 
ihrer Größe verfchieden. Die Hauptftraßen in einer 
Breite von 18—24 Fuß, find nach Art unferer Chauffeen 
in der Mitte etwas gewölbt und auf der Seite mit 
einem tiefern Banquett verfehen 3). Bei Durchbrech= 
ung mehrerer Straßen, welches wegen der dauerhaften 
Anlage derfelben, fehr mühfam und fchwierig war, ließ 
ſich die zwedmäßige und forgfältige Verfertigungsmeife 
erfennen. Cine Unterlage von fchweren Bafaltmaffen 
von 1— 2 Fuß cub. Gehalt bildet bei den größern 
Straßen die Grundlage (Geſtuͤck); grobes Abfallgeftein 
und Kiefel von 3—6 Zoll Durchmeſſer, füllt die Zwiſchen— 
räume ber unterftien Schicyte; Schutt und Kleinere 
Steine bildet die dritte Lage, und ein mäßig grober 


1). HMygin L. c. S. 

6 

)) Die gepflaſterten Straßen in Herculanum waren nad 
Windelmann, 25 röm. Palm breit, (1 Palm — $'/, 
parif. Zoll) mit erhöhetem 10'/, Palm breitem Banquett 
für die Fußgänger. 


85 


Kies ebnet die Ungleichheiten der Wölbung. Das Ban; 
quett auf beiden Seiten der Straße hat feine fchwere 
Steinunterlage, fondern deffen Fläche ift nur mit einem 
etliche Zoll dicken Kiesauffchutt abgeglichen 1). 

Den kleineren Berbindungsftraßen, welche gewöhnlich 
in einer Breite von etwa 12 Fuß vorfommen, mangelt 
nur die erſte ſchwere Grundlage; im Mebrigen tft ihre 
Bauart den andern gleich. 

Die forgfame Anlage und Unterhaltung der Straßen 
im Innern des Vicus ſcheint die Hinzufügung eines 
Pflafters entbehrlich gemacht zu haben, wie man es 
hie und da an den römifchen Heerftraßen wahrnimmt. 
Ich begreife daher nicht, wie Hüsgen (p. 92.) behaupten 
fonnte, «daß nach mehrmaliger Befichtigung, der ge: 
pflafterte Weg der von der Saalburg durc das Ca- 
strum Hadriani (unfern Bicus) führte, alle Aehnlichkeit 
mit der rom. Via Appia und Flaminia gehabt hätte!» 2. 

Db die römifche Heerfiraße, welche den Vicus mit 
Gafjel bei Mainz verband, gepflaftert gewefen, oder in 


—— 


) Die Straßen im Innern des Gaftellg bei Niederbieber 
zeigten eine weniger dauerhafte Anlage. Nad Dr. Do: 
row’s Alterth. v. Neuwied p. 35. follen fie, «nach einer 
vorgenommenen Schlemmung, aus einer Art Pife be: 
ffanden haben, einer Mifchung, deren Hauptbeftandtheile 
Zraß mit Sand und Ihonerde war. » 

>) Hüsgen ſah wahrfchernlich die Reſte der neuern Eliſa— 
bethenftraße, die, wie ich oben bemerkte, durch den Vicus 
führt, für ein röm. Pflafter an, wiewohl daffelbe 
ihm zu einer Vergleichuug mit der Via appia etc., nach 
den Schilderungen eines Procop. de bello goth. etc. und 
mehreren neuern Schriftfteller, wahrlich Feine Veranlaſſung 
geben konnte. 


86 


Anfehung ihrer Bauart mit der im Innern übereins 
jtimme, bedarf noch einer Unterfucdyung. 

Neuhof!) behauptet wenigftend «daß von der Saal— 
burg bei Homburg aus, eine erhaben gepflafterte vömifche 
Straße nach dem Castr. Hadriani führe», und Dies 
wird auch von Andern wiederholt. 

Auch Dr. Dorom ?) erwähnt ſolcher gepflaiters 
ten Straßen in der Umgegend von Neuwied. 


(Fortſetzung folgt.) 





») Neuhof J. c. p- 16. 

2) Deffen Alterth. b. Neumied 1. c. p. 13. «Gie follen aus 
Quarzgeſchieben und Bachfiefeln mit Mörtel verbunden, 
37—4 Fuß unter der jesigen Erdoberfläche erfcheinen. Das 
Steinpflafter diefer 14—16 Fuß breiten Straßen, an 
deren Seiten, Spuren von Gebäuden und vielleicht Befeſtig— 
ungs=Thürmen (2?) vorfämen, ruhe dreifach über ein: 
ander gelegt, auf Traß.» Diefe von Hofmann fehon im 
Sahr 1793 bei Heddesdorf entdeckten Straßen, fcheineu 
einer ähnlichen unter dem Schutze des Caftelles bei Nied. 
Bieber gegründeten Niederlaffung, angehört zu haben, und 
es ift zu erwarten, daß eine aufmerffame Unterfuchung diefer 
Puncte böchft intereffante Refultate liefern werde. 


87 


10. 


Beitrag zur Gefhihte des Münzmwejens, 
gefammelt aus Urkunden des Archives in Dil: 
lenburg, von des Herrn Johann von Ur: 
noldi, Königl. Niederl. Gcheimenrath3 und Com: 
mandeurs des belgifchen Töwenordens Excellenz. 


Vorwort des Einſenders. 

Da die Kenntniß des Muͤnzweſens einen hoͤchſt 
wichtigen Theil der hiſtoriſchen Huͤlfswiſſenſchaften aus— 
macht, und manche Urkunden ſich Ohne dieſelbe nicht 
gehoͤrig erklaͤren laſſen; die Muͤnzen ſelbſt aber in den 
verſchiedenen Gegenden und Laͤndern des deutſchen Va— 
terlandes verſchiedene Gattung und Benennung hatten; 
fo muß jeder Beitrag, der diefe Kenntniß zu befördern 
zum Zwecke hat, dem Gefchichtsfreunde angenehm feyn. 
Sn diefer Borausfegung folgen bier, von der Meifterhand 
eines würdigen Hiftoriographen, Wotigen ber das 
Münzwefen unferer Gegend aus dem 13. bis ins 17. 
Sahrhundert, Die derfelbe aus dem Archive in Dillens 
burg mit befannter diplomatifcher Genauigkeit und 


großer Sachkenntniß gefammelt hat. 
Sl. 


Ehronologifhes Berzeihniß 
von Münzen, mit Bemerfung ihres Wertbs, 
aus Urfunden. 
1294. Denarius Wedereibensis. 2 = ı denar. Colon. 
1509. Denarius Coloniensis. ı = 5 Hallensibus. 


— — Marburgens. ı = 2 Ballens. s. Hallerıs. 


85 


1509 Denarius Wedereibens. ı = 2 Hallens. s. Halleris. 

— Denarius, Nummus, (Synonyma.) 

1313 Penninge. 1 = 5 Hallere. 

— ein Schilling Penninge. 

ı320 Marca Coloniensis. ı — ı2 Solıidis. 

—  Solidus, Denarius, (Synon.) ı = 5 Halleris. 

1324 1 Marf — 36 Schilling Heller. 

— eine Marf geler Penninge. 

1343 Goldene Schilde. 1 = 16 Königs Turnos. 

1544 Alte Turnos. 

— Gute Guldeg. 

— 1 Pfund Heller = 12 alten Grofchen. 

— 1 Pfund Heller = 1 Heinen Gulden. 

1346 Kleine Gulden von Florentien, auch parui floreni 
de florentia boni auri. 

— Parui turonenses veteres. 

— Grossus denariorum argenti. 

— Florenus scuteus boni auri. Siehe 1350. 

1347 1 Libra = 1 Floreno. 

— ein Verdüng Geldes, Farthing, ferto. 

1350 1 Scdildgulden = 1%!/, Turnos. 
Scildgulden, Schilde, (ſynonyn.) 

— Goldene Hallinger cHolländifche Gulden) 1=1!/, 

1359 1 Marf = 12 Scillingen. 

— 1 Schild von Golde = 15 alten großen Königs» 
turnofen. 

1362 1 Libra = 8 Grossis. 

1363 Motteyne, vielleicht fynon. mit Brabant’fcher 
Moutons d’or, deren 1 = 2 Goldgulden. 

1364 1 Golden Schild — 16 alten großen Könige- 
turnofen. 


89 


1369 1 Turnos = WM Haller. 
. 1383 Gute alte Gulden Schilde, gut von Golde und 
recht von Gewichte von Münzen des Kaifers zu 
Nom oder des Königs von Frankreich, 
1591 Nheinifche Gulden. 
1395 Gute ſchwere Kleine Gulden. 1 = 10 guten alten 
Zurnofen. 
1398 
1401 
1401 Ein Pfund Heller. 
1406 1 Marf Brabäntifh = 12 Weißpfenningen. 
— 1 Gulden =? alten Schilden. 
1412 1 Libra — 10 albis denariorum. 
— 1 Gulden = 10 Turnofen. 
1419 1 Krone — 20 Brabäntifchen Botdregeri. 
41424 1 Oberländifcher Gulden = 8 Schillingen und 6 
Pfenningen. 
1433 Engelchen. ©. 1452. 
1444 1 Schilling = 12 Heller. 
— 24 Scdillinge = 1 Gulden. 
1447 1 fchwerer oberländifcher Nheinifcher Gulden — 
24 guten Weißpfenningen, (Siegenifcher Währung). 
1452 1 Engländer = 7, Heller. 
1454 1 Albus = 9 Heller. 
— 1 Turnos = 24 Heller. 
— 12 Turnos = 1 Gulden. 
1456 Goldene Pojtulates Gulden. 
1458 1 Rheinifcher Gulden — 11/, Pfund Heller. 
1 Gulden = 4 Marf. 


1466 RN. 
: 41 Marf = 12 Schilling. 


1 Marf = 15 Turnofen. 


90 


1466 | 1 Schilling = 12 Pfenningen. 

1 Rädergulden = 24 Albus vd. 192 Pfenninge. 
Nach diefer Berechnung ijt der zu 4 Marf ange— 

fihlagene Goldgulden — 3 Raͤdergalden oder 576 

Pfenningen. 

1466 1 Marf nach dem Münzwerth von 1349 = 1 Y, 

Gulden. 

1472 1 Poftulatengulden — 16 Albus. 

— ein Pfund Gelds, (Mainzer Währung). 

1478 60 Gulden on 9 Stoeffer vor 1 Gulden, madıt 

an gemeinen Gulden 67 Gulden 6 Turnos. 
— auch 1494. 1 Gulden = 4 Mark Coͤllniſch. 
— endel befcheiden Gulden, verm. Rädergulden. 

1486 1 Gulden an Gold = 30 Weißpfennigen. 

— 1 — — Siber=24 — 
— 1 Schilling = 2 Weißpf. 3 Heller. 

1495 Wilhelmus Schilde. 

1495 18 junge 9. = 1NR. alb. Salte = 17 junge. 9. 
1 fchlechter Alb. = 125. Alb. 1 Cölfn. m. Krone=15. 
1fL.=24NR. alb. 1 Goldg. = 26 od. 39 fehl. Alb. 
3 Coͤlln. Turn. = 2 8. Turn. 

1505 1 Schilling = 3 Raͤderalbus. 

1506 8 Hornsgulden = 3 Gulden 15 Albue. 

1507 1 Goldgulden Coͤlln. = 26 Räderalbus, 

1539 Joachimsthaler. 

Schredenberger. 

1540 1 Goldgulden = 16 Bazen oder 32 Albus. 

1 gold. Franz. Krone = 38 Brab. Stüber. 

1543 2 1 Derzog Philipps Burg. Guld. =Z253 — 

1 balbe Reale = 30 Brab. Stüber. 


91 


1 Goldgulden = 20 Brab. Stüuͤber. 
1543 1 Sarolusgulden = 20 — = 

1 Sohanı Horns Gulden = 12 Brab, Stüb. 

1 Soacyimstbaler = 25 Br. ©t. 

1543 1 Goldgulden = 28 Br. St. 

1544 1 Joachimsthaler = 31 Raͤderalbus. 

1546 1 Thaler = 31 Näderalbus. 

1550 1 Gulden = 60 Kreuzer. 

1552 1 Gulden = 15 Baten oder 20 Blapperten. 

1556 1 Krone — 40 Brabant. Stüber. 

1556 Sächfifche Thaler mit gefchorenen Köpfen. 

1 Rheinifcher Goldgulden = 11/, Frank 
furter Gulden zu 15 Baßen. 

1 Doppelter Ducaten = 3 Thaler. 

1 Ungarifcher Gulden = 1Y, Thaler. 

1 Sonmnenfrone — 24 Basen. 

1 Stalienifche Krone = 231%, Basen. 

1 Portugalefer = 25 Basen. 

1 Reyder (Räder) Gulden = 24 Albus. 

1 Thaler zu 171/, und zu 18 Basen. 

1 Baten = 4 Kreuzer. 

1557 Kleine Silbermünzen: Schredenberger, Pauliner, 
auch Papeler, Basen, Kreuzer, halbe Basen, 
Snfpruder, Regalen, doppelte, ganze, halbe. 

1557 1 Dert = 0 Kreuger. 

' Eißbrüder. 
Regalen. 

1570 4 Papalen oder Dreibäsner. 

Doppel: und Halbeſtuͤcke zu 20 Bazen. 
1 Portugalefer = 16 Thaler. 


1557 


92 


+ 4 Ungarifcher Gulden = 11, Thaler. 
1 Königsthaler = 20 Batzen. 
Gemeine Thaler = 171, Basen. 
Achtzehnbagenthaler. 
1 Goldgulden = 19 Basen, 
Rofenobel — 4 Gulden. 
halber Portugalefer Ducate = 25 Baren. 
doppelter PBortugaler = 32 Thaler. 
Engelott — = 2 Gulden 10 Basen. 
Doppelducate = 4 Gulden. 
Ungarifcher Ducate = 29 Bagen. 
halbe Kreuzducate = 28 Basen. 
Sonnenfrone —H EEE 
Piftolet —$ ri 
doppelte Piftoletfrone = 50 Baten. 
4 doppelte Piftolet = 100 Basen. 
Kiederländifcher Gulden = 12 Basen. 
1 Ducate = 28 Baten. 
1586 | Piftoletten, vier=, zwei= und einfache; die 
einfahe = 24 Basen. 
1586 1 Goldgulden = 20 Bapen. 
Realen, doppelte und einfache; 1 einfache = 08. 
1 Sonnenfrone = 25 Batzen. 
1 Erufate = 27 Bagen. 
1 Milerefe = 28 Batzen. 
Bononier. 
1 NReichsthaler = 18 Basen. 
1 Reichsgulden — 15 Baken. 


1543 


1570 


—T 


1581 


Mm MA je 





95 


Ausfprucdh des K. u. R. Kammergerichts zu 
Speyer in einer Müngzftreitigfeit. 
1559. 15. Mer;. 

Bon G. Gn. Wir Michael Bifchoue zu Mörfenburg 
Kaiferl. Kammerrichter, Bekhennen, AUS der Wolgeb. 
Wilhelm Graffe zu Naſſaw, Gatenelnbogen, Vianden 
und Dieg, gegen auch vnſern befondern Eberharten von 
vnd zu der Thann in Ablöfung 2000 Gulden Widers 
Iofungsgullten in vngleichen Verſtanndt vnd Irrung 
fhommen vnd Graf Wilhelm es darfür gehalten, das 
er in Erlegung — obgenannter Summa — den Gulden 
anders noch höher dann in Frankfurter Wehrung, d. i. 
zu 27 Weißpfenning für einen yden Gulden gerech- 
net, zu erlegen vnd zu bezallen, dargegen aber gen. Eber— 
hart von vnd zu der Than fürgewendet, das die Wortt 
in der Hauptverfchreibung, «nämblich gutter genemer 
NRheinifher Gulden der vier Churfürften Ming 
oder Franffurtter Werung» — Goldtgulden, vnnd 
nit Ming Frannffurtter Werung bedeutten, vnd er der- 
wegen andere Ming noch Werung in Bezallung vnnd der 
Abloefung anzunemen, nit fchuldig were Alles — Innhalts 
ainer befigelten Supplication — fo vns vnd den vers 
ordneten des Kaif. Cammergerichts Beyſitzern Als come 
promittirten Richtern beede Theil — fürbringen und — 
uns vmb — fummarifche enntliche erclärung — vnnd 
endtfchidt — res vngleichen Verftandts erfuchen laffen, 
Das demnach Wir vnd die Beyſitzer bemelts K. Cammer— 
gerichts auf follic; der Partheyen Compromiff — Die 
vberfannte Supplication vnd ſach — zu befichtigen — vnd 
zu ermefjfen bewilliget. Darauff auch zulegt an heut 


9% 


datum nach notturfftiger angehörter Relation — Enndtlidh 
decidirt vnd erclärt haben, wie von Wort zu Wort hers 
nad) befchriben, In der veranlaßten fachen zwifchen ıc. 
Iſt erfhenndt, das Graf Wilhelm mit 2000 Gulden 
Haubtgelts Frandfurtter Werung den Gulden 
zu 277 WeißPfenning gerechnet die verfaufte 100 
genemer Rheinifher Gulden der 4 Chur 
fürften Müng oder Frandfurtter Werung 
järliher nußgung, von Ime Eberh. v. u. zu der Thann 
widerumb an fich Fhauffen möge, Auch Er Eberhart — 
diefelbigen in obberurter Werung alfo antzunemen fchul- 
dig feye, Sollicher ytzt obbegriffener Decifion vnd 
erklärung haben Wir in vnnſer felbs, vnd dann der 
zugeordneten Beifigere, als der mit Compromittirten 
Namen, wol — ond ehegemelten Partheyen — dife Vhr- 
fundt vonder vnſerm anhangenden Innſigel verferttigen 
laffen, Doch uns im andere wege vuuergrifflich vnd 
fonnder Nachtaill. Geben in des H. R. Stat Speier 
am 17. Tag des Mon. Martii nach Chr. vnſers lieben 
Hern Seligmachers vnd erlöfers gepurdt 1550. 


Edictmäßiger Werth der Münzen im Naffaus 
fhen, vor und in den Zeiten des dreißig— 
jährigen Kriegs. 


Gulden. Albus. 
Im Jahr 1606. 1 alter Rofeno! el = 6 12 


1 neuer — 
1. Schiffnobel — 5 — 


Im Sahr 1606. 


Sm Jahr 1609 


95 


1 Doppelducat — 
. halber Ducat = 
halber Albertiner — 
alter Engellot = 
Milleſer — 
Sonnenkron = 
Cruſade = 
Spanifche einfache 
Piſtolet — 
. Stal. u. a. Piftolett — 
Goldguld. vd. Neal = 
Reichsthaler — 
Koͤnigsthaler — 
Fuͤnf Ort — 


— — — —— 2 — — 


Reichsguldener 
Frank 
Franzoͤſiſcher Dick 


— er — — — 


1 Lothringer Die — 
5 Schredenberger oder 
Scaffhäufer — 
20 Eifbrüder = 
1 Masblanf — 
1 halber Basen = 


Schiffnobel 
Sonnenfrone 
Grufade 

alte Roſenobel 
Albertiner 


Te ES 


ae | 


Gulden. Abus. 
5 8 
2 10 
1 18 
4 —— 
2 6 
2 6 
2 5 
2 6 
2 4 
1. >24 
1 15 
1 18 
1 18 
1 7 

14 

= 10 
4 Pdf. 

— 

1 3 

1 3 

1 6 
7» 

Gulden. Bapen. 
4 4 
2 — 
2 1 


9b 


Gulden, Bagen. 


Im Sahr 1609. 1 Goldgulden 
1 Ducat 
1 Reidysthaler 
1 Koͤnigsthaler 
1 Silberfrone 
1 Rofenobel 
1 Reichsgulden 
1 doppelter Albertiner 
1 alter Englot 
1 Poftulatenfrone 
1 Mesblanf 
1 Schredenberger — 3% 


1 


m» or o m m Mn 


Eee nee! 


10 
4 


6 
8 
9 


Im Jahr 1620. Den Gulden nach ſchlechtem Geld zu 
24 Alb. und den Alb. zu 8 Pf. ge 


rechnet: 


Goldmün zen: Gulden, Abus, 


1 Roſenobel 
1 Goldgulden 
1 Ducat 
1 einfache Crone 
1 Pijtolet 
1 Grufade 
1 Bouillonifcher Güls 
denthaler = 2 
1 Portugalefer == 
1 Portugallifcher Te— 
ftumen oder 1/, Porz 
tugalefer = 14 
Silberne Münzen. 
1 Reichsthaler = 2 


ae 


— 


8 
12 


16 


97 


Im Jahr 1620. 1 Albertiner od. Kreuz- Gulden, Albus. 
thaler == 2 12 
1 filberne Krone — 3 2 
1 Königsthaler a 

1 neuer Albertiner mit 
doppeltem Angefiht — 3 5 
4Pf. 

1 neuer Hollaͤndiſcher 
Thaler = 1 16 
4Pf. 
1 Sechsbaͤtzner — — 12 
1. leichter Sechsbaͤtin. — 9 

1 alter Schaffhäufer 
oder Dreibäßner = .— 6 
1 neuer — ee 4 
1 alter Dreikreutze = — 1 
4Pf. 

1 neuer Reichs Drei— 
kreutzer — — 1 
Sm Jahr 1623. Den Gulden zu 60 Kreußer gerechnet: 
Goldmünzen: Gulden. Ar. 
1 Rofenobel = 5 4 
1 Schiffnobel = 4 3 
1 Engelott u 24 
1 Ducat = 2 24 
1 Kreußducat — ar. 10 
1 Welfche Krone = 3 — 
1 Goldgulden = 1 44 


1 Span. oder franz. 
Krone = 2 4 


w 


98 


Silbermuͤnzen. 

Im Jahr 1623. 1 ſilberne Krone 

1Philippsthaler 

1 Reichsthaler 

1 halber — 

1Ortsthaler 

1 Reichsthaler mit der 

Zahl 72 

1 Reichsgulden 

Sm Sahr 1624. Den Gulden zu 24 


Gulden. 


Albus, 8 


Kr. 
44 


20 
Kur⸗ 


fürftenpfenninge zu 1 ſchwerem Alb., 
9 andere Pfenninge aber zu 1 Alb. 


gerechnet: 
Goldmünzen 
1 Rofenobel 
1 Sciffnobel 
1 Englott 


1 Ducat 

1 Kreugducat 

1 Welfch oder Pifto- 
letfrone 


1 Goldgulden 


1 fpan. und franz. 
Krone 

1 Portugalefer 

1 Teſton 

1 doppelter Gulden- 
Ritter 


Gulden, 
— 5 
== d 


3 


[85 


Il 
a 


36 
9 


lee 


N 
ke) } 


Abus, 
15 


2Pf. 


99 


Bulden. Abus, 
Sm Jahr 1624. 1 Jacobiner = 6 16 
Silbermüngzen: 
1 Silberfrone == 1 22 
1 Philipps- oder Koͤ⸗ 
nigsthaler, auch 6 
ganze u. 10 halbe 
Kopfſtuͤcke == 1 20 
4Pf 
1 ganze ſpan. Matte= 
4 Kopfſt. 
1 Reichsthaler = 1 16 
1 halber Thaler u 20 
1 Reichsort — 10 
1 Reichsthaler mit der 
Zahl 72 —17 
4Pf. 
1 Reichsgulden mit der 
Zahl 60 = 1 12 


11. 


Gefhihte der Kirhe und Pfarrei Hoen, 
von Herren Pfarrer und Schulinfpector Bogel 
in Schönbad). 


Das Kirchfpiel Hoen liegt auf der Höhe des Weſter— 
waldes, gehörte in der Vorzeit zur Graffchaft Dietz 
und fpäter zum Firftenthum Naffan- Hadamar. Auf 
der einen Seite war es von der Grafjchaft Weſterburg, 
auf der anderen von der Nifter gegen Die alte Herr— 
fchaft zum Wefterwald begrängt. 


100 


Daß die Herleitung feines Namens von Hain (ab 
indagine) die richtige fei, beweifei die alte Schreibart 
deffelben. Folgende Dörfer bilden daffelbe: Hoen, wo 
die Pfarrfirche fiehet, Urdorf, Dellingen, Schönberg, 
der Sit der Pfarrei, Hahn, Kadenberg, Dreisbad) 
und Ailertgen 2). Die Orte Hinterfirchen, Hoͤlzen— 
haufen, das ausgegangene Nieder-Bellingen und Püfchen 
gehörten von den früheften Zeiten an auch dazu, find 
aber 1816 nadı Rotzenhan, wohin fie ſchon immer ihre 
Todten beerdigten, verwiefen worden. Auch die Dörfer 
Hildenhan, Neuftadt, Schellenberg, Pottum und das 
ausgegangene Schornberg, urfprünglic; alle Weſter— 
burgifch und nach Gemünden eingepfarrt, fchloffen fich, 
ehe fie 1614 dem neuen Kirchfpiele Rennerod zugetheilt 
wurden, einige Zeit dem hiefigen Kirchfpielsverbande an. 

Schon im zehnten Jahrhundert fommt es unter dem 
Kamen Hana, ald Eigenthum des Herzogs Hermann 
von Allemannien vor, der e8 Damals mit der Kirche in 
Humbach, dem jegigen Montabauer?), an das Klofter 


*) Hier entfpringt die Elbe, die unter Limburg in die Lahn 
fließt. Der Ort ihres Urfprungs heißt in den Elben (Ellern 
oder Erlen Betula alnus, Lin.) Daher ihr Name. 

2) Die von mir im erften Bande der Naflauifchen Kirchen: 
und Gelehrtengefhichte von ©. 57 an mitgetheilte, auf hohe 
Wahrſcheinlichkeit begründete Nachricht, daß das alte Hum— 
bad) das jegige Montabauer fei, ift nunmehr zu dipfoma= 
tifcher Gewißheit erhoben. Ein Manufeript auf Pergament 
aus der erften Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, enthält 
auf 13 Foliv-Seiten «Antiqua jwra Archiepiscopi Treviren- 
sis,» und unter anderen dag befondere Rubrum: Haec sunt 
jura Archiepiscopi Trevirensis in banno ville de Himbach. 


101 


der heiligen Maria, das nachherige Floringftift in Cob— 
lenz fchenfte 5). Das Iegtere ift hoͤchſt wahrfcheinlich 
aud) bald darauf der Erbauer der hiefigen Kirche und 
der Gründer der Pfarrei, deren Sit von Anfang an 
in dem Dorfe Schönberg war, geworden. Beide waren 
wenigftens im Sahre 1100 ſchon vorhanden. Damals 
befchreibt der Pfarrer Johannes von Driedorf die Lage 
des Pfarrgutes und eines Pfarrwaldes zwifchen der 
Niſter und der Hirzbach, welches noch jetzt bis auf den 
Wald, der als Eigenthum an die Gemeinden überges 
gangen ift, übereinftimmt. 

Sm folgenden Jahrhundert kommt diefes Kirchfpiel 
unter dem Namen einer Provinz vor, welche Benennung 
aber wohl nichts weiter ald die Gegend von Hoen 
und feiner angrenzenden Nachbarn bezeichnen fol. Su 
diefe Provinz oder Gegend fiel im Jahr 1114 ein Lehns—⸗ 
mann des Grafen Ulrich8 Coon Idſtein) mit einer Rotte 
böfer Buben unvermuthet ein, veruͤbte mandhe Grau— 
famfeiten und ließ viele Menfchen verftimmeln und 
toͤdten. Die Einwohner, von Natur wild und unbändig, 





Eine fpätere Hand fchrieb zwiſchen 1319 und 1523 da= 
hinter: quae nunc Munthabur appellatur. Hiermit ift 
aljo bewiefen, daß der 1200 noch Humbach genannte Ort 
im folgenden Jahrhundert Montabauer hieß. Denn daß er 
in der von mir gelieferten Urfunde Humbach und hier Him— 
bach heißt, daran wird fich wohl niemand ftoßen. 

) Diefe Schenfung umfaßte quidquid dux predii in Hana 
comprobatur habere. 8. 1. ©. 75. des angef. Archives. 
Ih war früher Ca. a. DO. ©. 68.) ungewiß, was unter 
Hana zu verftehen fei, weil mir damals die Rechte und 
Einfünfte des Floringftiftes in Hoen noch unbekannt waren. 


102 


wurden dadurc aufs Höchfte gereist, und dem erhobenen 
Yandgefchrei folgend, verfammelten fie fih von allen 
Seiten zu blutiger Rache. Sie fchlugen ihre Dränger 
und Würger in die Flucht und verfolgten fie bis an 
die Lahn. Hier mußte Ulrich wegen der vielen aus— 
geriffenen und ermüdeten Laftthiere Halt machen. Ein 
Theil feiner Fußgänger warf die Waffen weg, und 
fuchte fich in einem Walde zu verbergen, die übrigen 
aber glaubten Sicherheit in der Kirche zu Limburg, 
wohin fie flüchteten und fich flehend vor den Altären 
niederwarfen, zu finden. Die Erbitterung ihrer Vers 
folger aber fchonte auch das Heiligfte nicht mehr. Die 
Kirche wurde mit Gewalt erbrochen, und die darin 
ergriffenen Flüchtlinge niedergemact. Cine Vorftellung 
der Stiftöperfonen in Limburg an den Erzbifchof Bruno 
von Trier, um Beftrafung diefer frevelmüthigen Ent— 
weihung ihrer Kirche, bat ung diefe Nachricht aufs 
bewahrt 1). 

Eine andere für das Kirchfpiel ebenfall® ungluͤckliche 
Begebenheit mag hier als an jchieflicher Stelle folgen, 
vb fie gleich viel fpäter if. Die befannte Fehde zwifchen 
Dietrich von Sfenburg und Adolph von Naffau um den 
Erz;bifchöflichen Stuhl in Mainz, die mehr durch Raub 
und Verheerung als offened Schlagen geführt wurde, 
verbreitete ihre fihreclichen Folgen bis in diefe Gegend. 
Philipp der Aeltere von Kasenellenbogen nd Ger: 
bard II. von Sayı nahmen, diefer auf des Iegteren, 
jener auf des erfteren Seite, daran Theil. Philipp 


‘) Broweri Annales Trevir. II. 12. 


105 


riickte 1462 gegen Sayn aus, und verbrannte auf feinem 
Zuge am 4. Mai, die Kirche zu Hoen, die Pfarrgebäude 
zu Schönberg und mehrere Dörfer des Kirchfpielß. 

Das Klorinsftift in Goblenz übte bei der Kirche 
Hoen alle Nechte des Archidiacons aus, hielt Die 
Synode und beftätigte die vorgefchlagenen Geiſt— 
lichen, wofür e8 denn die Zehnten und Sendhafer 
3091). Diefe Einfünfte hat es zwifchen 1607 und 1621 
an Graf Georg von Naſſau-Katzenellenbogen verfauft, 
ift aber bis 1752 im Beſitze des Inveſtiturrechts ges 
blieben, 

Neben diefem finden wir das Nonnenklofter Dber- 
werben in der Graffchaft Walde, von den früheften 
Zeiten an im Befis des Präfentationsrechtes dieſer 
Kirche, und fo vieler Huben, oder einzelner Bauern— 
guͤter, daß es die Errichtung eines ihm eignen Huben⸗ 
gerichtes 2) nothwendig achtete. Wann und wie dafjelbe 
zu diefem Eigenthum gefommen, ift unbekannt. Der 
Schirmherr diefes Klofters Graf Volkwin (won Walde) 


2) Diefes ift der Grund, warım fih Hoen im Decanat: 
vegifter von Dikirchen nicht findet, und wornach das darüber 
B. J. ©. 55. des Archives, Gefagte verbeffert werden muß. 

2) Die befonderen Gerechtiamen dieſes Hubengerichtes giebt ein 
Urtheil der Amtleute in Dieb von 1546, 16. März, näher 
an. Es hatte die Entſcheidung in allen Eivilrechtsfachen, 
welche die Huben und Hubener angiengen. Die Erecution 
feiner Urtheife volzog der Tandesherrliche Gentaraf. Die 
Apellation gieng von ihm an den Oberhof in Dies. Alle 
Griminalfälle, die auf den Huben vorfielen, gehörten vor 
den Grafen. Es beftand aus einem vorfisenden Schultheis 
und 12 Schöffen. 


104 


hatte ohne deſſen Wiffen und Einwilligung die Vogtei 
über diefe Rechte und Güter in Hoen an Giegfriel 
von Runfel, für 20 Mark verpfändet. Dadurcd, erlitt 
daffelbe eine merfliche Schmälerung feiner Einfünfte, 
und fuchte deshalb 1209 den Grafen Volkwin zur Wieder- 
einlöfung der Vogtei zu bewegen, die Runfel, wie es 
ſcheint, gerne länger behalten hätte 1). — Später ge- 
langte die Abtei Marienftadt bei Hachenburg zum Mit- 
befige diefer Güter und des Hubengerichts, bis fie end- 
lich, nachdem Graf Philipp von Walde zur Zeit der 
Einführung der Kirchenverbefferung, in feinem Lande das 
Klofter DOberwerben aufgegeben hatte, das Ganze an 
ſich brachte. Diefes gefchah 1560, 31. Juli, durch 
einen in Siegen abgefchloffenen Kauf. Walde erhieit 
30 Thaler und eben fo viele Goldgulden von Marien: 
ftadt. Der Churfürft Johann von Trier beftätigte ale 
Ordinarius am 8. Auguft der Abtei diefe neue Beſitzung, 
und er fowohl ald Graf Johann von Naſſau-Katzen— 
ellenbogen, welche beide damals die Graffchaft Dies 
noch in Gemeinfchaft befaßen, ließen fie 1561, 20. Juni 
durch ihre Amtmänner Dietrich von Dies und Andreas 
von Brambach in diefelbe wirklich einführen. Dadurd) 
war denn aud) der Kirchenfas an diefe Abtei gefommen, 
von der fie bei der eben erledigten Pfarrei fogleich 
Gebrauch machte, und 1561, 15. Mai, den Sebaftian 
Floere von Altenfirchen dem Florinsftifte präfentirte. 
Unterdeffen hoben Trier und Nafjau ihre Gemein 
fchaft in der Graffhaft Dies auf, und theilten fich 


) Diefe Urkunde ift unten mitgetheilt. 


105 


1564 ab. Dadurch gelangte Naffau zum alleinigen 
Befige des Kirchfpield Hoen. Kaum fah ſich Graf 
Johann der Aeltere von feinem läftigen Mitregenten 
befreit, als er Luthers Religionslehre hier einzuführen 
begann. Der Pfarrer Floere oder Floretus fing noch 
in diefem Jahre an, das Evangelium nad) den Grund: 
fügen diefes Theologen zu predigen, und das Abend- 
mahl unter beiden Gejtalten auszutheilen. Die Meffe 
und Dhrenbeichte aber wurden noch eine Zeitlang bei- 
behalten. So ſchonend und liebend fuchte man hier 
die geläuterten Anfichten der Religion zu verbreiten, 
und ohne daß man fie jemand aufdrang oder irgend ein 
Gewiffen beläftigte, wurden fie bald in allen Gemeinden 
herrfchend. Diefer erften Reformation folgte bald eine 
zweite, wodurch das reformirte Bekenntniß eingeführt 
wurde. 

Nach diefer Aenderung des ganzen Firchlichen Kultus 
und der Einführung vernunft- und fchriftgemäßer Lehren, 
fuchte man dem Abte von Marienftadt feinen Einfluß 
auf die Befegung der Pfarrei zu entziehen, weil man 
beforgte, daß ein Fatholifcher Abt an der Befekung 
einer proteftantifchen Stelle nie fs reines Sntereffe 
haben koͤnne, und feine Einmifchung dem firchlichen 
Leben mehr hinderlich als förderlich fein möchte. Der 
Pfarrer Erasmus Floretus wurde demnad; um 1602 
von Naffau hier angeftellt, ohne vom Abte präfentirt 
zu ſeyn. Anfangs fcheint diefer fich dabei beruhigt zu 
haben, fing aber 1614 an, über diefe Entziehung feines 
Rechts beim Grafen Johann Ludwig von Naſſau-Hada— 
mar Klage zu führen. Diefes wurde von ihm 1623 
wiederholt. Nach mancherlei Verhandlungen von beiden 


106 


Seiten wurde endlich die Sache 1628, 24. Suli dahin 
verglichen, daß Marienftadt im Beſitze des Präfens 
tationgrechtes bleiben, und bei dem Pfarrer Erasmus 
Floretus die unterbliebene Präfentation noch nachgeholt 
werden folle; wie e8 denn auch gefchah. 

Hierauf trat das für dad Naffau- Hadamarifihe 
Kirchenwefen fo entfcheidende Sahr 1629 ein. Graf 
Sohann Ludwig machte 1630, 30. Mai den Abt in 
Marienjtadt mit feiner Religionsveränderung und mit 
dem Plane, feine Unterthanen zur fatholifchen Confeſſion 
zurück zu führen, befannt. Er bat ihn zu der Pfarrei 
Hoen, die Floretus nicht länger befiken Eönne, einen 
tuͤchtigen Fatholifchen Geiftlichen vorzufchlagen. Der 
Abt verfprach diefes, und der evangelifche Geiftliche 
hatte am 31. Auguft die Pfarrei fchon verlaffen. Doc 
fcheinen fid; hier dem DVorfchreiten der neuen Confeffton 
viele Hinderniffe entgegen gejtellt haben; wenigſtens 
wurde die Pfarrei erft 1644, 24. Suni, mit einem Katho- 
Iifen befetst. Das Collatur-Inſtrument fagt « ob infesti- 
nationem haereseos» habe fie fo lange offen bleiben 
müffen. Von jest an uͤbte Marienftadt das Gollatur 
und das Florinftift das Inveſtiturrecht ungeftört aug, 
und immer waren e8 Marienftädter Gonventualen, die 
hier die geiftlichen Functionen verrichteten und Die 
Pfründe genoffen, — Als aber die Naſſau-Hadamariſche 
Linie längft ausgeftorben, und das Kirchfpiel Hven an 
die Diesifche oder Dranien - Naffauifche Linie gefallen 
war, ergriff diefe 1752, 27. Sunt, am Todestage des let:- 
ten hiefigen Gonventuals aus Marienjtadt, von der Pfarrei 
Befiß, und geftattete der Abtei ferner feine Präfenta- 
tionen mehr. Hieruͤber entfpann ſich ein Rechtsſtreit, 


107 


da fich die Iegtere an das Neichs- Kammer = Gericht 
wandte, und es erfchienen von beiden Seiten Druds 
fohriften 1) zur Erläuterung der Sache. 

Dranien- Nafau gründete vorzüglid, fein Recht auf 
das im Weftphälifchen Frieden feftgefeste Normal-Gahr 
1624, worin fich die Abtei auffer dem Befisftande des 
Präfentationsrechtes befunden, und daſſelbe erft 1628 
wieder erlangt habe. 

Hoen war und blieb für Marienftadt verloren, und 
vergebens war defjen Vorficht gewefen, noch beim Leben 
des alten Pfarrers 1751, 25. Suli, einen anderen, den 
Theodor Link, in Borfchlag zu bringen und vom 
Florinftifte betätigen zu laffen. Diefer konnte niemals 
zum Beſitze der Stelle gelangen. 

Fir das Kirchfpiel wurde dieſe Veränderung eben 
nicht ven günftigen Folgen begleitet. Kaum waren die 
Brüder von der Negel des heil, Berhards gewichen, 
als es in die Hände von Bettelmönchen fiel, und ſich 
deren mannichfachen Geld und NaturaliensTerminationen 
ausgefest fah 2). Diefe gehören wahrfcheinlich mit zu 


1) Non Seiten Dranien-Naffaus erfchien : Conspectus causae 
cum summaria recapitulatione ante actorum ad processum 
Marienstadiensem, puncto juris praesentationis. (Herborn 
1753.) Folio. Ron Geiten Mlarienftadts: « Rechtliche 
Erörterungen einiger Fragen aus dem Weſtphäliſchen Srieden, 
oder nöthig befundene Erörterung in Sachen Abts und Con— 
vents Marienftadt, contra die fürftl. Naff. vormundfchaftl. 
Regierung, quasi mandatum de non turbando in possess. 
vel jur. constit. parochum. » MWeblar 1757. Folio. 
Man fehe darüber nach: Ueber die Pfarreiverwaltung der 
Sranzisfaner Mönche, befonders im Fürftenthum Naſſau— 
Hadamar. Ein Sendfchreiben. Diüffeiderf 1783. 8. 


{7} 
— 


108 


wirffamen Urfachen feiner traurigen öfonomifchen Rage, 
in der es fich noch jest befindet. Die biefige Pfarrei 
wurde nämlich dem Franzisfaner - Klofter in Hadamar 
übergeben, bei dem fie bis zu deffen Säcularifation 
blieb. Seit 1816 aber wird fie von Weltgeiftlichen 
verfehen. 

Die Einnahmen der Pfarrei beftehen in Geld, Zehn- 
ten, Brandholz und Hafer, welche die Kirchfpiele- 
glieder liefern. Auffer dem befist fie fehr bedeutende 
Grundſtuͤcke, welche ihre Hauptrente bilden. 

Die Kirche zu Hoen liegt auf dem höchften Puncte 
des Kirchfpiels, und fo offen, daß fie von allen Sei— 
ten aus ziemlicher Ferne gefehen werden kann. Sie ift 
ein altes Gebäude mit drei Glocden, welche 1462, 1723 
(die alte 1495) und 1738 gegoffen worden find, und 
durch ihre Harmonie erfreuen. — Sohannes der Täufer 
und Valentinus waren früher der Kirche Patrone, feit 
1644 aber ftebet fie unter dem Schuße der hochgelobten 
Jungfrau. Diefer zu Ehren war ſchon 1490 hier ein 
Nebenaltar mittelft Schenfungen der Kirchfpielsgenoffen 
errichtet, der durch einen befonderen Altariften bis zur 
Neformationgzeit bedient wurde, 

Mit der Einführung der Reformation wurde auch 
die Schule errichtet, und die Einfinfte des Gloͤckners 
zur Befoldung des Schullehrers verwendet. Diefer war 
ein wiffenfcdaftlich gebildeter Theologe, und zugleich 
Diafon des Pfarrers. 

Als Pfarrer haben bier geflanden: 

Sohannes von Driedorf, im Jahr 1000 und 
noch 1124. 

Johann Zane, 1405, 


109 


Cuno Koch, am Schluffe des 15. Sahrhunderte. 

Sohann Heimann, 1508. 

Johannes Fabri von Schönftein, 1546 } 1560. 

Sebaftian Floere oder Floretug, 1561 F 1614. 

Anton Mofer, Diaconus 1563. 

oft Heyderich, Pfarradjunct feit 1595. 1596. 

Erasmus Floretus, 1602, zog ab 1630. 

Sohannes Kranenfus aus Marienftadt, von 
1644 bis 1650. 

oh. Caspar Pflüger, von 1650 bis 1658, wo 
er Abt in Marienftadt wurde. 

oh. Wolfgang Sparmapyer, 00n1659 big 1663. 

Anton Steinen, von 1663 bid 1684. 

Henrich Holzflau, 1684 bis 1707. 

Bincenz Keffenius, 1707, ftarb 1722, 3. Novbr. 

Wilhelm Emons, 1733, ftarb 1752, 27. Suni. 


Hier folgt die oben v. J. 1209 angeführte Urkunde. 

In nomine sancte et individue trinitatis amen. 
Ego Bertholdus Dei gratia sancte Marie et sancti 
Georgii in Verve prepositus notum facio tam futuri 
quam presentis evi fidelibus ad quos hujus pagine 
series pervenerit, quod dominus Folcwinus comes 
illustri ortus prosapia ex libera electione nostra coe- 
nobii nostri advocatus abutando jure suo ad quod de 
gratia erat invitatus advocatiam quorundam bonorum 
cenobii nostri in Zene cujus jus cum prepositus recla- 
maret in pignore viginti marcarum domino Sifrido de 


Runcgel obligavit. Cum itaque protractu temporis ex ob- 


110 


ligatione predicta cenobium in suis redditibus sentiret 
defectum multa precum instantia hoc apud dominum 
Volcwinum obtinuit, quod divine majestatis intuitu et 
in anime sue salutem predietorum bonorum advoca- 
tiam de rebus suis redempiam beate Marie cum uxore 
et filiis devotus offerret et omni jure suo quod in 
jam dietis bonis se dixit habere renunciaret. Audita 
hac bonorum redemptione dominus Sifridus cui erat 
impignorata adyocatia et in cujus erat vicinia timens 
sibi vel successioni sue imposterum aliquod gravamen 
suboriri nequaquam bona a se redimi permisit nisi 
de hoc certus efficeret quod cenobium beate virginis 
cum advocatia et cum alia utilitate predicta bona 
possideret et nisi cenobium privilegii sui attestatione 
firmaret si aliquem advocatum eligere vellet imposte- 
rum, quod tamen juramento se nunquam facturum 
promisit, dominum Sifridam vel filium ejus eligeret 
ut igitur hec que inter presentes acta sunt inconyulse 
firmitatis robur obtineant et illibata perseverent in 
testimonium redemptionis advocatie a domino Sifrido 
et nostre promissionis ei facte scriptum hoc sigillorum 
nostrorum munimine roboramus. Acta sunt hec anno 
dominice incarnationis Millesimo ducentesimo nono 
indictione nona presidente Romane sedi domino Inno- 
cencio anno pontificatus ejus undecimo et domino 
Öttone regnanlte anno regni ejus primo et domino 
Sifrido fasciam Moguntinam sedem gubernanie et 
domino Henrico in Seina comile. In nomine Domini 


amen. 


Il. 


Mmiscellen. 


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Entdefungen im Gebiet der Alterthumsfunde in 
der Rheingegend, von Dr. ©. C. Braun, 
Prof. in Mainz. 


I. 


In der Haͤlfte des Monats Juni 1827 entdeckten die 
Arbeiter an dem neuen Werke der Kreuzſchanze, welches 
zu Mainz neben der Straße nach Hechtsheim, unter der 
Leitung des kunſtſinnigen und die Gegenſtaͤnde des 
Alterthums mit Einſicht wuͤrdigenden k. k. öfterr. Genie— 
Hauptmannes von Pittel, angelegt wird, in einer 
Tiefe von 14 Schuh, eine Stelle mit einigen Knochen 
und einer eiſernen Maske in der natuͤrlichen Groͤße 
eines Menſchengeſichts. Die Erde ſchien an dieſer 
Stelle, welche der Grabendurchſchnitt iſt, trichterfoͤrmig 
aufgeſchuͤttet und zeigte, da nicht mehr die gewoͤhn— 
lichen Schichten in ihrer Ordnung vorkommen, daß hier 
vor Zeiten eine Oeffnung war, vielleicht eine natuͤrliche 
Vertiefung, welche ſpaͤter zugefuͤllt wurde. Daß dieſe 
Maske, deren ganze Arbeit ſogleich als antik auffaͤllt 
und ſich in großgezeichneten, ja edlen jugendlichen For— 
men, wie kaum irgend ein in hieſiger Gegend aufge— 
fundenes antikes Werk, ausſpricht, einem Menſchen 
angehoͤrt habe, ſcheint aus den dabei befindlichen weni— 
gen Knochen, meiſt Wirbelbeinen, geſchloſſen werden zu 
koͤnnen. Die uͤbrigen Gebeine, welche einwaͤrts nach 
dem Graben lagen, ſind vermuthlich, ehe man auf— 
merkſam wurde, weggeſchafft worden, wie auch der In— 
halt der Maske, an der noch Spuren verwitterten 
8 


114 


Gebeins von der Nafenbeugung zu baften fcheinen. Wenn 
die Maske, wie man fonft auch vermuthen Fönnte, einer 
Mufenftatue angehört hätte, wie fam fie in dieſe Tiefe 
an einem Drte, wo nie bewohnte Stätte gewefen, 
denn es ift davon feine Spur zu finden, feine Ziegel, 
fein Mauerwerk; alles roher Boden, der nur an diefer 
Stelle einmal aufgeftört erfiheint. Sodann hätte ſich 
auch irgend ein Altar, ein Theil von der Statue dabei 
finden müffen. Daß alfo diefe Masfe als Geſichts— 
bedefung einem Menfchen angehört habe, ift wahr— 
fcheinlih. Sie paßt fehr gut auf ein Geficht und hat 
aufferdem noch einen Haft von Bronze mit 2 Niethnägeln, 
woran fie mit dem Helme zufammenhing und wahr: 
fcheinlich durch ein Gewerbe zurücgefihlagen werben 
fonnte, fo weit, daß das Geſicht bis gegen die Augen frei 
wurde; fo wie unter den Dhren zwei Knöpfe, woran ein 
Band fejtgehalten werden fonnte, das ſich vermuthlich 
hinten um den Unterfopf zog und auf der einen Seite ge- 
fnüpft wurde. Da findet ſich denn aud) die ganz unver- 
fennbare Spur eines ledernen Riemens, den das darüber 
liegende Kupferoryd vor Verwitterung gefhüst hat. Am 
meiften fpricht für wirklichen Gebraud) die unter dem Kinn 
befindliche, nach der Anatomie eingerichtete, ſchmale 
Einfaffung von Bronze, welche, geglättet, die zarten 
Theile vor der Reibung ſchuͤtzte. Daß man aber in 
den Alteften Zeiten fchon ſolche Geſichtsbedeckungen hatte, 
welche man zurüdfchlagen konnte, ſieht man an den 
Aginetifchen Statuen, bei denen die Bededungen über 
die Nafe heruntergehen und auch an den Helm hinaufge- 
fchoben werden fonnten. Auch in Millins Galerie mythol. 


115 


Tab. 145. Nro. 168. u. Tab. 162. find auf altgriechifchen 
Bafenzeichnungen Figuren, deren Gefichter bis unter das 
Kinn bedeckt erfcheinen. So mag auch das Geficht des 
perjifchen Neiterbefehlshabers Maſiſtius bedeckt gemefen 
feyn, indem er nicht anders getödtet werden fonnte, 
als bis ihm einer durchs Auge ftah. CHerodot. 9. Buch. 
22. Rap.) Silius Pun. 1. XIV., 656 fagt von Römern: 
galeis abscondunt ora u, velatur casside pallor. Sie 
bergen in Helmen das Antlig und verhehlen die Blaffe. 

Die Formen der Maske zeigen abe roffenbar antifen 
Geſchmack und koͤnnen nidyt dem Mittelalter angeeignet 
werden, welches zwar auch ganze Gefichtsbededungen 
hatte, die man zurüdichlagen fonnte, wie eine Figur 
an der alten Burg im Garten zu Bibrich beweift. 
Es fcheint vielmehr, daß hier, unfern der römifchen Land— 
ftraße, welche über die Hohe nad) Oppenheim (Bauco- 
nica) führte, dad Grab eines Kriegerd war, von dem 
jener Ueberreft herrührt. Dielleicht auch ward der, 
welcher ihn trug, bei einem feindlichen Weberfall der 
Barbaren hier erfchlagen und, nach Beraubung feines 
übrigen Schmucdes, in diefe Vertiefung geworfen. Dafür 
fpricht die ganz fichtbare Spur eined Hiebs an ber 
Iinfen Seite des Schlafs, welche offenbar alt ift und 
den Rand des Eiſens einbog, was wahrfcheinlich den 
Tod des Beſitzers herbeiführte. Auch die Lage der 
Maske felbft, welche unterwärts etwas zur Seite ges 
fehrt war, ſcheint mehr eine zufällige als abfichtliche 
gemefen zu feyn. ine fpätere Nachgrabung zeigte 
noch die Gelenke zweier Pferdsknochen und darnadı hätte 
dies Thier mit feinem Netter bier fein Grab gefunden. 


116 


Ron roͤmiſchen Minzen fanden fich in diefem Werke, 
jedoch nicht gerade in der Tiefe des Fundes, eine von 
Germanicus mit signis receptis devictis German. 
und dem Triumphwagen, von Tiberius , Domitian, 
Caracalla, Hadrian, Revers der donnernde Jupiter, 
von Silber. Wollte man darnach der Arbeit jener Masfe 
eine muthmaßlicye Zeit anmeifen, jo wäre es bie des 
Hadrian, unter welchem die griechifche Kunſt befonders 
nachgeahmt und auch auf römifche Geftaltung über: 
tragen wurde. Die Geficytsbildung ift eine fehr fchöne 
jugendliche , nicht weibliche, wie einige glauben, wo— 
gegen die Panfratiaftenohren, (die bei Athleten platt 
an den Kopf gedrücdten) fo wie die mehr männlich ge— 
bogene Nafe ftreiten. Es tft vielmehr die vollfommen 
fchöne, nach griechifchem Ideal veredelte römifche Ge— 
fichtsbildung eines Juͤnglings, wie wir fie am Antiz 
nous und andern Statuen der hadrianifchen Zeit be- 
wundern. 


11. 


Sm Monat Auguft wurde zu Bad-Emsd ein römi- 
fches Grab entdeckt, welches fich, nach einem Briefe, der 
mir zu Geficht gefommen, von gewöhnlichen Begräbniffen 
diefer Art wenig unterfchied. Die Urne, welche bei der 
Herausnahme zerbrochen wurde, hatte, ihrer Form und 
Arbeit nad), nichts Ausgezeichnetes, allein fie enthielt 
folgende den Brief begleitende Gegenftände, welche 
auf eine weibliche Begräbnißftätte fchließen laffen: 

1) Einen großen Kamm von einem Horn, in halb- 
mondförmiger Geftalt, die Zähne in den innern Einbug 


117 


gefeßt, von etwa 3/, Fuß lang mit vielen netten Vers 
zierungen. Daß er zum Einfteden in die Haare diente, 
wie die Frauenmünzen unter Alerander Sever beweifen, 
wo aus dem Kopfpuse jtatt des frühern Diadems zwei 
Hörner auf der Stirne hervorfichen, ift eine Ders 
muthung jenes Brieffehreibers. Er kann auch zu einem 
Badekamm gedient haben, um die durchnäßten Haare 
auszufimmen, wie man die Venus in Diefer Ber: 
richtung auf antifen Werfen fieht. Die Form anderer 
Kaͤmme, die zum Theil in Futteralen ſteckten, hat 
Dr. Emele in der Befchreibung feiner Alterthimer 
befannt gemacht. 

2) Eine Schnalle, um dad Gewand wahrfcheinlich 
auf der Schulter fejtzuhalten, von Silber, mit ge 
färbtem rothem Glaſe fternförmig eingelegt. Unter den 
Glasſtuͤcken befinden fich Silberplättchen. 

3) Ein gut erhaltener Fingerhut von Bronze, fehr 
reine Arbeit und 

4) eine Anzahl Fünftlicher Kuͤchelchen mit einem 
mehrfarbigen Fluffe verziert, welche ficher zu einer 
Hals» oder Kopffchnur gedient haben. Man findet fie 
nicht felten in Gräbern. Ein metallner Spiegel, ber 
fich gleichfalls in der Urne befand, war vom Roſte fo 
zerfreffen, daß er zerftel. Einige Nadeln fprachen von 
ihrer ehemaligen Befigerin. 


111. 


Bei der Fundamentausgrabung zweier Häufer Cder 
Hrn. Nell und Mellinger) in Mainz, beide an den 
Plas Gutenberg ftoßend, fand man bedeutende Leber: 


118 


reſte römifcher Gebäude. Sn dem Boden des Hr. 
Nell kam eine fehr regelmäßige Mauer zum Vorfchein, 
welche, dem Anfehen nach, einem fehr großen Gebäude 
angehörte. Dabei waren große Quaderſtuͤcke, Fragmente 
von Säulen, eins aus Granit, Demfelben woraus die 
befannten Ingelheimer bejtehen, und das Bruchſtuͤck eines 
bewaffneten Kriegerd. An kleinern Gegenftänden, eine 
Goldmünze vom Kaifer Leo, ein Kleiner Herkules von 
Bronze, eine Bulla, erftere im Befige von Hr. Well, 
legtere des Hr. Aichfommiffairse With in Mainz Sm 
dem andern Haufe wurden die unterirdifchen Gänge 
eined Hypocauftums oder heizbaren Zimmers, aus Zier 
gelplatten gebildet, ausgebrochen und ein, in feiner 
ganzen Befleidung und dem weißen Anftrich, der eine 
rothe Einfaffung hatte, noch ſtehendes, vierecktes Zimmer 
mit der Fenfteröffnung. Diefe Mauern ftanden alle auf 
feuchtem Boden, und ihr Grund fonnte wegen des eins 
dringenden Waſſers nicht genau unterfucht werden. 
Das rom. Zimmer fcheint durd; Thon gegen Die Feuchte 
von unten gefchüßt worden zu feyn. Unter den hier 
gefundenen Gegenftänden bemerfte man eine goldene 
Kette, ein Gefäß, welches einem Senftopfe nicht un— 
aͤhnlich ſieht, von dem grobförnigen weißen Marmor, 
welchen man Salino nennt; mehrere Röhren von Knochen 
mit Löchern, vielleicht Theile einer Flöte, viele Griffel, 
Haarnadeln, Schlüffel, 2 filb. Hafen zum Befeftigen 
des Kleides und über 150 Münzen aus verfchiedenen 
Zeiten, 3. B. mehrere feltene von Balentinian, das 
meifte gegenwärtig im Bejige des Hrn. With. Die 
römifche Givilftabt erſtreckte fich alfo ficher bis in bie 


119 


Gegend des Doms herunter, denn überall find hier 
die Spuren der Bewohntheit, aber gegen 8 Fuß unter 
der Erde. Die verfchiedenen Schuttlagen fprechen die 
Gefchichte mehrerer Hauptzerftörungen im Lauf der 
Jahrhunderte fehr eindringlich aus, 


IV. 


In der Nähe von Kreuznach, gegen Planig hin, 
{ft noch ein vömifches Gaftell in feinem ganzen Mauers 
umfange fihtbar. Die Mauern ragen zum Theil noch 
hoch über die Erde empor. In der Mitte liegt Aders 
land, alles über die Erdoberfläche erhöht. Sch mache 
den Alterthumsverein auf diefes Werf aufmerffam, daß 
man es im Grundriß aufzeichne und dadurch Die 
Form ſolcher Saftelle genauer fennen lernen möge. Die 
Münzen darin fangen von den erften Kaifern an und 
gehen bis fpät herunter. Hr. 9. Kaufmann in 
Kreuznach befigt deren eine Anzahl. Sn der Nähe 
diefes Gaftell8 wurde aud, ein Fund von verfchier 
denem Metallgeräthe gemacht, von welchem die Ber: 
jierungen eines Prachtftuhls an Hr. With gefommen 
find. Geſchmackvollere Arbeit als diefe fann man nicht 
fehen, und es ift zu glauben, daß fie von Stalien mit 
hierher gebracht worden. 

Die hier gegebenen Nachrichten werden fortgefegt 
werden. Für ihre Nichtigfeit bürge ich um deßwillen 
mit der Ehre meines Namens, weil durch falfch ange 
gebene Fundorte und andere in Zeitfchriften ausge— 
freute Lügen fchon fo viel Verwirrung in die Alters 
thumsfunde gebracht worden if. 


120 
Anfragen 
I. 


Die alte Kaurenburg, in der Efterau, bie im 
Anfange des 12. Jahrhunderts dem Naſſauiſchen Gras 
fengefchlechte Wohnung und Namen gab, foll ihre 
Benennung von einem Walde Lure haben. Es vers 
dient eine nähere Unterfuchung, ob in der Nähe der 
Burg wirklich ein fo genannter Wald oder Berg liegt, 
und angenehm wäre ed, wenn einer der Herrn Geifte 
lichen, die in der Nähe wohnen, darüber Erfundig- 
ungen einziehen und deren Refultate mittheilen würde. 


II. 


Wenn ed in Nordhofü chronic. Marc. apud Mei- 
bom p. 387 heißt: «haud procul ab Zöpern Rheno 
adjacet oppidum Baccharach in quo antiquissimi 
quondam Nassoviae comites sepulti jacent, » fo fragt 
es fi), findet man, oder hat man jemals Spuren 
diefer Begräbniffe in Bacharacı gefunden? Die Grafen 
von Kagenellenbogen ſtammen von der nahe über Bachas 
rad) gelegenen Burg Stahled, und es wird doc 
wohl feine Verwechslung hier jtatt finden. 

Loͤpern, Lichtborn ift das Kipporn auf dem Ein- 
rich in der Nähe der Abtei Schönau. Hier follen fich 
noch die deutlichen Spuren einer alten Burgfchale nad 
Reinhard Chiftor. jur. Ausführungen II., 105) vors 


finden. ft dies gegrindet ? 
©. D. Vogel. 


121 
II. 


Preisaufgabe 
der hiftorifch = philologifchen Klaffe der koͤniglich-preußi— 
fchen Akademie der Wiffenfchaften für das 
Sahr 1828. 


« Eine, neben der Benugung der Gefchichtfchreiber 
«und Seographen, befonders auf Sprach», Kunſt- und 
« andere biftorifche Denfmale gegruͤndete Mufterung der 
« jettlebenden Europäifchen Gebirgsvölfer, von der 
« obern Wolga, Dina, Dnepr an, zwifchen den Schwarz 
«zen und dem Baltifchen Meere gegen Suͤdweſt bis zum 
« Adriatifchen, und von diefem längs des nördlichen 
«Poufers zu den Oſtufern der mittlern Rhone, Saone 
«und des mittlern Rheins, zum Behuf einer Grundlage 
«der Ethnograpbie und Sprachenfarte von Europa. » 

Als Hauptgefichtspunfte bei diefer Mujterung der 
Gebirgsvölfer würde zu berüchfichtigen feyn: 

1) Beſtimmung der Bölfer in ihren größten und klein— 
ten Abrheilungen und Sonderungen, nad) den 
Gefchichtfihreibern, nach den Sprachflaffen, den 
Dialeften, den bürgerlichen Gorporationen, dem 
einheimifchen Gebrauche und der Gewohnheit der 
Fremden. 

2) Beftimmung der jetigen Wohnſitze nach natuͤr— 
lichen Sandesverhältniffen und politifchen Laͤnder— 
t5eilen, nebſt gegenwärtigem Zuftande der Völker. 

3) Hiſtoriſche Entwidelung ihres Schickſals von 
eriten Auftreten, oder ıhrer Einwanderung, An— 
fiedlung , VBermifchung, Verzweigung in ein groͤ— 
feres Ländergebiet, oder ihrer Goncentrirung in 
engere Wohnſitze, nebſt Hinweifung auf die Ver— 
ſchwundenen ihres Volks nach Gefchichte und Mo: 
numenten; was insbefondere auch fir die Aus— 
breitung und Slavenſtaͤmme gegen den Weſten von 
erfter Wichtigfeit feyn wird. 

+) Sprache im Munde des Volks, Dialekte, Poefie, 
Muſik, Sprachdenkmale der ältern Zeit bie auf 
apellativen Bedeutungen der Namen von Orten, 
Alüffen, Bergen, Rädern u.f. w. und die ganze 
Sphäre der aus diefem Sprachzweige geographiſch 


122 


vorhandenen Appellative. Bei Spracht ergleidy- 
ungen würden nicht bloß gleichlautende Wörter, 
fondern befonders der grammatifche Bau der 
Sprachen zu beriikfichtigen feyn, wenn Schlüffe 
daraus gezogen werden follten. 

5) KRunjtwerfe, Architekturen, Grabjtätten, Verthei— 
dDigungsanftalten und andere hitorifche Denfmale, 
nebjt der Sphäre ihres Vorfommens. 

6) Körperbildung, Geftalt, Sitte, Lebensweiſe, 
Kenntniffe, Gaben und Eigentbimlichfeit in Ader- 
bau, Viehzucht, Kriegführung und den bürger- 
lichen Einrichtungen. 

7) Sharafteriftit und Verhältniß jedes befondern 
Volkszweiges zum Allgemeinen innerhalb der anges 
gebenen Gränzen. 

Der Einfendungstermin ift der 31. Merz 1830. Die 
Ertheilung des Preifes von 50 Dufaten gefchieht in der 
öffentlichen Sisung am Sahrestage von Leibnitz, den 
3. Juli deflelben Jahres. 


IV. 
Ftrerariige Anzeigen 


1) Handbuch der Gefchichte de8 Haufes Naffau, 
nebft einer ausführlichen Kebensbefchreibung Ad olfs 
von Naffau, von Sofeph Muth. 5. Hada— 
mar 1527. 

2) Die Gefhichte der Erfindung der Bud 
druderfunft in Mainz, pragmatifch aus den 
Quellen bearbeitet mit 268 noch ungedrudten 
Urkunden, welche die Genealogie Gutenberg’6, 
Fuſt's und Schöffer’8, in ein neues Licht jtellen, 
von Dr. C. A. Schaab, Richter am Großh. Heſſ. 
Kreisgericht zu Mainz. 

Diefes intereffante Werk erfcheint in drei Bänden; jeder Band 
wird aus 35 —40 Bogen in ar. 8. beftehen. Der Subferiptions- 
preiß für jeden Band ift 5 fl. 

5) Die Fortfesung der Limburger Chronif, von 
Georg und Adam Emmel, und Joh. Mech 
tel, wird, von Hrn. Pfarrer C. D. Bogel mit 
erläurernden Anmerkungen begleitet, auf Subferips 
tion herausgegeben. 


ill. 


Biograpbische Nachrichten 


von 


verdienten vaterländifhen Gelehrten. 

























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Georg Philipp Krauß, Infpector in Idſtein, 
von Herrn Pfarrer Luja in Doßheim. 


Wir eröffnen unfere antiquarifchbiographifchen Schils 
derungen mit einem Manne, ber fich in jeder Hinficht 
große Verdienfte erwarb; denn er war ein Geiftlicher 
im fcehönften Sinne des Worts, und was ihn befonders 
augzeichnete, faft in allen Fächern der Gelehrfamfeit 
wohl bewandert. laffifche Literatur, Gefchichte und 
mathematifche Wiffenfchaften,, heiterten in Mußeftunden 
fein Gemüth auf; nur ift zu bedauern, daß er von 
feinen vaterländifchen Zeitgenoffen nicht nach Verdienſt 
erfannt wurde. Am verftorbenen Herrn Hoffammerrath 
Habel, PBater unferd Vorſtandsmitgliedes Herrn 
Habel in Scierfiein, fand er einen fehr gelch- 
rigen, eifrigen, geliebten Schüler, und fpäterhin 
fehr vertrauten amntiquarifchen Freund, der feines 
verehrten Lehrers ſtets mit danfbarer Hochachtung ge: 
dachte. Beide gingen vereint den fehr richtigen, von 
ihnen zum erftenmal eröffneten Weg: ohne alle vorge: 
faßte Meinung, aus der reinen Quelle der Glaffifer, 
mit denen fie höchft vertraut waren, zu fchöpfen, fich 
weder von Zonangebern, noch durch die Mehrheit der 
Stimmen irren zu laffen, und ausgerüftet mit genauefter, 
ſelbſt erforfchter Lokalkenntniß unfers Hlaffifchen vater: 
ländifchen Bodens, neue Entdedungen zu machen, welche 
theils in mehreren Zeitfchriften, theils in eigenen Drud- 


124 


fchriften befannt gemacht wurden, theild aber auch noch 
in binterlaffenen Manuferipten verborgen liegen. Mit 
Wahrheit fann man behaupten, daß mit dem Zeitpunfte 
ihres Wirkens, die erfte Morgenröthe der vaterlänz 
difchen Alterthumsfunde aufgegangen fey, wozu er denn 
freilich den erften Impuls gab. Der von ihm entzim- 
dete Funfe glüht noch immer fort, und fteigt zu immer 
fchönerem Lichte empor. Hätte er in die Zufunft 
blifen und in unferer Zeit die Stiftung und den Flor 
unfers allgemeinen Nafjauifchen Vereins für vaterläns 
difche Alterthumsfunde und Gefchichtsforfchung voraus— 
fehen können, wie unendlic; würde feine Freude, wie viel 
beflitgelter fein Eifer, wie vollftändig feine Satisfaction 
über den endlichen Sieg der guten Sache gemwefen feyn. 
Ein für die Zwede unfers Vereins fo merfwürdiger, 
und für ung im voraus fo thätiger Mann, verdient 
doch wohl durch Anführung der hauptfächlichiten Mo— 
mente feiner Lebensgefchichte, hier ein Ehrendenfmal. 
Er war Sohn des Pfarrers Sohann Reinhart Kraus 
in Panrod, im jegigen Amte Wehen, wo er den 13. Dez. 
1713 geboren wurde. Einige Zeit nach feiner Konftrmation 
ftarb fein Vater, worauf die Mutter mit ihren Kindern 
nach Idſtein zog, um diefen Sohn das immer berühmte 
Gymnaſium daſelbſt frequentiren zu laffen. Von 1735 
bis 40 ftudierte er auf der Univerfität Sena, wo er 
durch eine fchwere Krankheit fein Gehör verlor. Dennoch 
ließ er fidy nicht abhalten, auf die Fächer der Theo— 
logie, Linguiftif, Mathematif und Himmelskunde be- 
fondern Fleiß zu verwenden. Als heimgefehrter Gans 
didat wurde er zwei Jahre lang Hofmeifter ın Der 


125 


Familie des Herrn Obriſt-Lieutenants Frhr. v. Du Thil 
in Braunfels, woraufer zu Idſtein, in gleicher Eigenfchaft 
bei dem Herrn v. Hain ftand. 1742 wurde er Gonrector ın 
Ufingen, dann 1745 Nector in Wiesbaden, und endlich 
1750 zweiter Pfarrer und Lehrer der Mathematif am 
Gymnaſium zu Idſtein. Während feines Nectorats in 
Wiesbaden, entdecdte man bei Anlegung eines neuen 
Fahrweges nach der Fafanerte römische Ueberbleibjel, 
zum Theil mit Snfchriften verfehen. Um diefe nicht ver: 
fommen zu laffen, befahlen Seine Durchlaucht der da- 
malige Fürft Carl, daß Alles dem fachfundigen Nector 
Kraus zugeftellt werden follte. Diefe Funde in diefer 
Gegend erwecten in ihm die VBermuthung, daß Die 
topographifchen Nachrichten eines Cellarius, Cluver 
und Anderer, nicht auf feften Gründen beruheten, und 
blos an der Hand der Klafjifer würden fich ganz andere 
Ortsbeſtimmungen herausjtellen. Zu Idſtein aber gingen 
feine aufdämmernden Vermuthungen in helles Licht 
über, Den erjten Anlaß dazu gab ihm der Schullehrer 
von Ober- und Niederlibbacy, durch die Nachricht, daß 
auf ihrer Heide nody eine römifche Schanze vorhanden 
fey. Bon diefem Zeitpunfte an datiren fich feine antis 
quarifhen Wanderungen nach römifchen Ueberreiten , 
und vorzüglich dem größten derfelben, dem bis jest 
noch nicht gehörig unterfuchten Pfahlgraben, einem 
merfwürdigen Niefenwerfe der Römer. Auf hochliegen- 
den Stellen dejjelben erwachte in ihm durch die freie 
Ausfiht in die Nähe und Ferne die Ueberzeugung, daf 
noch Niemand die Orte der Rheinuͤbergaͤnge Caͤſars, 
richtig angegeben habe; auch muͤßten auf vaterlaͤndiſchem 


126 


Boden Noömerfchlachten vorgefallen feyn, an die man 
noch nicht gedacht habe. Diefer Gedanke ergriff ihn fo 
lebendig, daß er ſich ſogleich fehriftlich daruͤber erklärte. 
Was zu erwarten war, gefchahz; er fand Opponenten, 
die ihm indefjen nur noch mehr anfeuerten, feine einmal 
betretene Bahn unverdroffen weiter zu verfolgen. Um 
in jedem ihm obliegenden Face ganz das zu feyn, was 
er feyn follte und wollte, häuften fich um diefe Zeit 
feine Xucubrationen zum Schaden feiner Gefundbeit. 

Früherhin fiheint er abgeneigt gewefen zu jeyn, 
etwas von feinen Schriften ins Ausland gelangen zu 
laffen ; denn einen von Mainz, vermuthlich vom Herrn 
Weihbiſchof Würdtwein, gefchehenen Antrag beantwor- 
tete er: er arbeite nur für fein Vaterland. Späterhin 
zeigte er fich aber dennoch dem gelehrten Auslande 
als Mitarbeiter an der von Herru Hofrath Gatterer 
herausgegebenen « allgemeinen hijtorifchen Bibliothek, » 
und dem vom Herrn Superintendenten Stocdhaufen 
beforgten Hanauifchen Magazine). Einige Fleinere Ab- 
handlungen gab er ſelbſt in Drud. Durdy ein chrono— 
Iogifches Werk, erft lateinıfch, nachher deutfch und bes 
vorredet von Herrn Profeſſor Suͤßmilch in Berlin, 
wurde er dem König Friedrich II. befannt, der ihn, bes 
fonders feiner mathematifchen Kenntniffe wegen, an der 
Kadettenfchule angeftellt zu fehen wuͤnſchte, welches 
er jedoch ablehnte. 





) S. d. Hanauifhe Magazin v. J. 1785. 1) Ueber Naffau. 
S. 2—7. 2) Vorfchlag zu näheren geographifchen Unter: 
fuhungen, in Beifpielen aus unferer Gegend. &. 129 — 
159. 


127 


1773 wurde er erfter Stadtpfarrer in Sdftein, und 
1777 als dyarafterifirter Inſpector in den Ruheftand 
verfett. Das Jahr darauf ernannte ihn die gelehrte 
Gefellfchaft der Univerfität Göttingen zu ihrem ordent— 
lichen Mitgliede, und 1779 desgleichen die patriotifcye 
Gefellfchaft zu Homburg vor der Höhe. Erſteres 
Ehrenamt trat er feierlich an durch, eine lateinifche 
Abhandlung: Lapidem literis Romanis inscriptum, 
in aspectum lucemque protulit Georg. Philipp. Kraus, 
Sacrorum Inspector Idsteinae, et Instituti Regii Göt- 
tingensis Sodalis Ordinarius 1778; letzteres durch Ein— 
fendung eines Manuſcripts über den Pfahlgraben mit 
einer felbftgefertigten Sharte darüber. Eine Abhandlung 
unter dem Titel: Merkmale der ehemaligen römifchen 
Kriegsanftalten in der Gegend des Ausgangs an dem 
Mainftrom ꝛc., welche eine Erflärung zweier römifchen 
nferiptionen vom Jahr 213 enthält, ift abgedrudt in 
den Memoires de la Societe des Antiquites de Cas- 
sel. (1780 4.) Tom. I. p. 515—332. 

Als Mufter ungeheuchelter Frömmigkeit, treuefter 
Amtsführung und gelehrten Fleißes, ftarb er von 
Sedermann geliebt und verehrt, an Altersfchwäche den 
26. Dezember 1792, 79 Jahre, 9 Monate, 13 Tage alt. 

Seiner Schriften mögen viele gewefen feyn. Durch 
vielvermögende Fürfprache Fam ein Theil derfelben nach 
Mainz; manches verfchicte er felbft auf Verlangen ohne 
es wieder zu befommen, und der nad, feinem Tode noch 
vorfindliche Reſt wurde in den Kriegszeiten und auch durch 
Umachtfamfeit verfchleudert oder vernichtet. Seinem 
Sobne, dem dermaligen Medizinalaffiftenten Herrn 


128 


Ludwig Kraus in Idſtein, iſt unfer Verein 
durch die Stiftung der interefjanten römifchen Inſcrip— 
tion aus dem Nömercaftell an der Liebbacher Haide, fo 
wie durch die forgfältige Sammlung der zerjtreuten 
Manufceripte feines Vaters, die er bei einem Mitgliede 
zu beliebigem Gebrauche deponirte, zu großem Danke 
verpflichtet. Was auf diefe Art wieder gefammelt 
wurde, führt folgende Auffchriften: Befchreibung von 
Wiesbaden in 4 Abtheilungen. Befchreibung von Idſtein. 
Particulae de monte Tauno explicatae. Jul. Caesar 
bis ponte Rhenum transivit, nebjt einem Modell der 
Säfarsbriüce, in Wiesbaden befindlih. Francia, mit 
einer Beilage Uber die gefhwornen Montage. Flucht 
Kaifer Heinrichs IV. über Ximburg. Ueber die Franfen. 
Cajus Germanicus. Straße von Mainz nad; Limburg, 
mit einer dazu gehörigen Charte. Naſſau. Die Franfen. 
Sulius Cäfars zwei Brüden, ein ganz verftümmeltes 
Brudjftif. Antiqua varia. Saliſch fränfifches Ger 
fehlecht. De Bonifacie. Geſchlecht der Herren von Ried— 
efel. Straßen über die Hühnerfirde und über die 
Klüppelhaide. Bon der Hühnerfirdye. Alte Eintheilung 
in Gauen. Die Katten feine Sueven. Gefundene Stein: 
fehrift. Cohortes Vindelicorum. Geld und Gemidt. 
Gerichtliche Termini aus dem Driente. Julius Caesar, 
ubi ponte facto Rhenum transierit. Zuftand Deutſch— 
lands zur Zeit der romifchen Heereszuͤge. 


IV. 


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I. 


Die Herzogli Naffauifhe Landesregiers 
ung an den proviforifhen Vorſtand der Herzogl. 
Naffauifchen Alterthumsgeſellſchaft: 


Herrn Bauratb Zengerle dabier, 
Herren Pfarrer Luja in Dotzheim, 
Herrn Habel in Scieritein, 


Die Errichtung einer Geſellſchaft für 
Naſſauiſche Alterthumsfunde und Ge: 
fchichtsforfehung betreffend. 


« Unter verfchiedenen Entwürfen von Statuten für 
einen Verein Naffauifcher Alterthbumsfreunde, hat der 
in Abfchrift hier beigefügte, die Genehmigung Sr. 
Herzogl. Durchlaucht erhalten. — Zugleich haben 
Höcjtdiefelben der neu zu bildenden Gefellfchaft, 
nachftehende Begunftigungen zu bewilligen geruht. » 

1) Diefelbe wird unter den befondern Schuß der 
Negiernng geftellt, und als die für diefen Zweck 
Callein) im Herzogthum  beftehende Gefelffchaft 
anerfannt und privilegirt, 

2) Es wird derfelben, der bei Feftfekung des hiefigen 
Bibliothef- Büdjets, jährlich zur Ausgrabung von 
Alterthümern bewilligte Credit, als Zufchuß für 
ihre Ausgaben, zur Dispofition geftellt. 


152 


3) Ein zu ihren Berfammlungen und zu bem zu 

errichtenden Mufeum fchieliches Lokal eingeräumt. 

4) Die augsfchlieglihe Berechtigung ertheilt, auf 

Domanial-Gemeinde- und Stiftungs- Eigenthum, 
gegen Grundentfchädigung „ Ausgrabungen vor— 
nehmen zu laffen; und 

5) follen alle in einzelnen Drten des Herzogthums 

fhon vorhandene üffentlihe Sammlungen und 
Alterthümer in das neue Mufeum gebracht und 
dafelbft aufbewahrt werden. 

« Wenn gleich der nun fich bildenden Gefellfchaft, 
die freie Wahl ihres aus 7 Mitgliedern beftehenden 
Vorſtandes zugeftanden worden ift, fo ift es doch 
hoͤchſten Orts zweckmaͤßig erachtet worden, zur nächften 
Einleitung und Beförderung der erften Einrichtung, 
den, um Naflauifche Alterthbnmefunde und Geſchichts— 
forſchung bereits rüuhmlicyft verdienten Herrn Gehei— 
menrath von Gerning, als Director, fodann Sie zu 
Mitgliedern des Vorjiandes zu beſtimmen. 

Herr Geheimerath von Gerning, hat nun zwar, 
zur Annahme des ihm zugedachten Directoriums, ſich 
nicht abgeneigt — zugleich jedoch erflärt, daß feine 
Berhältniffe ihm nicht geftatteten, einen befonders thä= 
tigen Antheil an den Verhandlungen der Gefellfchaft 
zu nehmen; wogegen er die Verbreitung der Statuten 
im Auslande, an die zum Beitritt Geeigneten befor= 
gen, auch fchriftliche Ausarbeitungen übernehmen und 
zu den ihm etwa mitgetheilten, die nöthigen Bemerf- 
ungen und Anträge ſich vorbehalten wolle, 


155 

Damit nunmehr, der höchften Intention gemäß, 
der Verein baldigft conftituirt werden koͤnne, erfuchen 
wir Sie, die hier beigefügten Statuten in hinlänglicher 
Anzahl abdruden, und im Herzogthum zur Sammlung 
der Unterfchriften circuliren, auch die deshalb zu ers 
laffende Aufforderung dem Herrn Geheimenrath von 
Gerning zur Mitunterfchrift zufommmen zur Iaffen. 

Sobald alddann eine Anzahl von etwa 50 Mitglies 
dern fich unterfchrieben haben wird, wollen Sie eine 
Zufammenfunft der Gefellfchaft, in dem Bibliothefg- 
oder Schulgebäude veranftalten, damit die Wahl der 
übrigen Borftands » Mitglieder nad) Maasgabe der 
Statuten vorgenommen werde. 

Herr Geheimerath von Gerning wird die Stelle 
eines Chrendirectord, befonders für die auswärtigen 
Mitglieder des Vereins beizubehalten wohl feinen Anz 
fand finden, und ift alsdann nur auf die Wahl eines 
innländifchen Directors, deſſen Wohnfig am fchiclichften 
in Wiesbaden ſeyn dürfte, Nücficht zu nehmen. 

Sobald der Verein fich volftändig conftituire 
haben wird, fehen wir darüber einer Anzeige mit dem 
DBerzeichniß der beigetretenen Mitglieder, fo wie de’ 
erwählten Borjtandes entgegen, 

Wiesbaden, den 4. September 1821. 


Möller. 
Vt. Wendenbad. 


134 
II. 
Statuten 


der 


Gefellfhaft für Naffauifhe Alterthums— 
funde und Gefhidhtsforfchung. 


1. 

Der Zwe der Gefellfchaft für Naffanifche Alters 
thumsfunde und Gefchichtsforfhung ift: die Aufſuch— 
ung, Sammlung und Befchreibung ber römifchen und 
deutfchen Alterthimer im Herzogthum Naffau, und bie 
Beförderung der darauf Bezug habenden geographifchen, 
ftatiftifchen und gefchichtlihen Aufflärungen, wie nicht 
weniger die Sorge für die Erhaltung der vorhandenen 
Denfmale, auch die des Mittelalterd mit eingefchloffen. 

2. 

Einländer und Ausländer ohne Befchränfung auf 
eine gewiſſe Zahl, fünnen in diefe Geſellſchaft aufges 
nommmen werden, 

3. 
Die Gefellfchaft befteht 
a) aus ordentlidyen oder activen Mitgliedern, 
b) aus Ehrenmitgliedern, und 
c) aus Gorrefpondenten. 
Sie hat 
4. 
einen Vorſtand aus den activen Mitgliedern, nämlich 
einen Director, 


155 


vier Borfteher, deren einer bei Abwefenheit 
oder Verhinderung des Directorg Diefen vertritt, 
einen Gecretär und 

einen Gaffirer, der zugleich die Rechnung 
führt. 

Diefer nach der Stimmenmehrheit zu wählende 
Borftand befleidet fein Amt zwei Jahre und ift hernach 
wieder wählbar. 

Er führt die Gefchäfte fiir die Gefellfchaft, beftimmt 
und leitet die Auffuchung und Sammlung der Alter: 
thuͤmer, und erhebt, verwendet und verrechnet bie 
Geldbeiträge der Mitglieder, worüber der Gaffirer eine 
gehörig belegte Rechnung jedes Jahr zu fielen hat, 
welche fodann bei der jährlichen General= Verfammlung 
von einem befonders zu erwählenden Ausſchuß geprüft 
und abgefchloffen wird. 

Die Geſellſchaft wählt ſich ein eignes Siegel. 

Ale Ausfertigungen gefchehen im Namen des Bor: 
ftandes und werden vom Director unterzeichnet. 

7 

Jedes Mitglied des Vereins wird nach Kräften zur 
Erreichung des Zweds mitwirken, es fey nun durch 
Entdefung von Alterthümern felbft, oder durd; mind- 
liche, oder fchriftliche Beiträge in dieſer Hinſicht. 

6. 

Der Hauptfis der Gefellfchaft ift zu Wiesbaden, 
wo fie in der Regel jährlicdy eine General-Berfammlung 
den 14. Juni hält. Bei aufferordentlichen Fällen kann 
der Borfiand fie zufammen berufen. 


156 


Hier werben die Refultate der Arbeiten und Vers 
handlungen des Bereind vom ganzen Sahr vorgelegt, 
die Letztern im geeigneten Fal zum Druc befördert, 
und über die Fünftigen Arbeiten Befchlüffe gefaßt. 
Sowohl in diefer Berfammlung ald im Borftande, 
welcher, fo oft es die Umftände erfordern, fich ver: 
fammeln, und wenn fünf Mitglieder deſſelben anmwefend 
find, gültige Befchlüffe faffen kann, entfcheidet die 
Mehrheit der Stimmen. 

T. 

Die Gefelfchaft fammelt aus den Produften der 
Ausgrabungen und fonftigen Nachfuchungen, fo wie aus 
den freiwilligen Gaben der Mitglieder, und durch Vers 
taufchung vorhandener Dubletten, ein Mufeum von 
Alterthümern, welches unter der Verwaltung und Auf 
ſicht des Borftandes fteht. 

Das Mufeum wird zu Wiesbaden aufgeftellt und 
ift eine öffentliche Stiftung für das Herzogthum Naffau. 
Sedem Gefchenf an Alterthimern wird der Name des— 
jenigen der es gab, beigefügt, nach Umftänden derfelbe 
auch öffentlich befannt gemacht. 

8. 

Zur Beflreitung der Ausgaben für dag Nachgraben 
auf Alterthümer, für Druck⸗, Canzlei- und fonftige 
Koften, werden jährliche Geldbeiträge erhoben. Sie 
beftehen aus den Geldzufchüffen der activen inländifchen 
Mitglieder, welche in der General- Verfammlung den 
14. Juni eines jeden Sahrs zum Voraus bejtimmt, und 
halbjährig entrichtet werden, jedoch den Betrag von 
4 fl. jährlich, für die Perfon nicht überfteigen dürfen. 


157 


9. 

Der Borftand forgt dafür, daß zu den Ausgrabs 
ungen nur Bergleute, oder fonft taugliche Arbeiter 
angejtellt werden. 

Sedes dem Drte der Ausgrabungen zunächft woh— 
nende Mitglied der Gefellfchaft, ift in der Negel Aufs 
feher über die Arbeiter. 

10. 

Die Arbeiter erhalten zur Aufmunterung und Be- 
förderung der Treue, von den gefundenen Münzen und 
fonftigen metallenen Alterthümern, den Metallwerth, 
neben ihrem Lohn vergütet, auch bei fonftigen wichtigen 
Auffendungen, nad) Umftänden, eine befondere Bes 
lohnung. 

Die obigen zehn Punkte, deren Erweiterung oder 
Abaͤnderung kuͤnftigen Beſchluͤſſen, unter dem Vorbehalt 
der hoͤchſten Genehmigung Sr. Herzoglichen Durchlaucht, 
vorbehalten bleibt, werden vorlaͤufig als Statuten des 
Vereins für Naſſauiſche Alterthumskunde, von den 
dazu bereitwilligen Mitgliedern unterzeichnet. 


158 


IM. 
Bere 


der Mitglieder des Vereins, 


1. Mitglieder des Vorſtandes. 


Präfident. Seine Ercellen; der dirigirende Staats: 
Minifter, Freiherr Marſchall von Bieberftein, 
Großkreuz des Kaiferl. Königl. Defterreichifchen Keopold- 
Ordens, des Koͤnigl. Preußifchen rothen Adler Ordens 
Ritter erſter Klaffe, des Koͤnigl. Niederländifchen 
Loͤwen⸗Ordens und des Großherzogl. Badenſchen⸗Ordens 
der Treue Großkreuz. 

Inlaͤndiſcher Director. Herr General + Do- 
mänen- Director von Roͤßler, der Königlichen Orden 
vom Belgifchen Löwen und der Baierifchen Krone 
Ritter. 

Auswärtiger Director. Herr Geheime-Rath 
Freiherr von Gerning zu Frankfurt, des Königl. 
Hannöverifchen Guelphen - Ordens Ritter. , 

Borftände. Calphabetifch ). 

Herr Obermedizinal- Nat Dr. Döring. 

Seine Ercellenz Herr Geheime-Rath Freiherr von Duns 
gern, des Kaiſerlich Defterreichifchen Leopold: 
Drdens Commandeur. 

Herr Gutsbefiger Habel. 

» Pfarrer Luja. 

»Ober-Baurath Zengerle. 

» Bibliotheffefretär Zimmermanıt. 


Il. 


159 


Active Mitglieder. 


1. Seine Ercellenz der dirigirende Staatd- Minifter, 
Freiherr Marfchall von Bieberftein. 
2. Herr Adami, Kaufmann zu Hadamar. 


17. 


1 
19. 
20. 


2 


» 


» 


» 


Ammann, Amts-Apothefer zu Runfel. 

von Arnoldi, Geheimerath zu Wiesbaden. 
Baufch, Kanddechant und geiftlicher Rath zu 
Hadamar. 

Dr. Baufch, DObermedizinal-Rath zu Höchft. 
Bed, zu Erbad). 

Dr. Berchelmann, Medizinalrath zu Selters. 
Bayer, Oberforftrath zu Langenſchwalbach. 


Freiherr von Bibra, Oberforftmeifter zu Weilburg. 


» 


» 


» 


. Herr Bidel, Pfarrer zu Sulzbach. 


Birfenftod zu Erbach. 

Bifchleb, Pfarrer zu Hattersheim. 
Dr. Brandt, Bifchof zu Limburg. 
Braun, Amtmann zu DBleidenftadt. 


Freiherr von Breidbad » Bürresheim, des 


» 


» 


Ruſſiſch Kaiſerl. St. Annen-Drdens 2.r Klaffe, 
des Königl. Hannöverifchen Guelfen - Ordens 
und des Königl. Niederl. Wilhelms » Drdens 
Ritter, und Flügel-Adjutant Sr. Herzoglichen 
Durchlaucht zu Biebrich. 

von Breidbadı-Bürresheim, Domherr, 
des Königlid; Baierifchen St. Georgen-Ordens 
Nitter, zu Biebrid,. 


. Herr Brindmann, Pfarrer zu Miehlen. 


Buſch, Regierungsrath zu Wiesbaden. 
Chelius, Decan zu Emrichenhain. 


140 


21. Herr Conrady, Rezepturbeamter zu Ufingen. 


22, 
23. 
24. 


40. 
41. 
42. 


» Diedmann, Pfarrer zu Dier. 

» Dieß, Sefretär zu Wiesbaden. 

» Dr. Döring, Obermedizinal-Rath zu Wies— 
baden. 

» Dr. Döring, Medizinalrath zu Braubach. 


>. Freiherr von Dungern, Ercellenz, Geheimerath 


und DOberftallmeifter zu Biebrich. 


. Herr Eberhardt, Pofthalter zu Faulbach. 


» Graf von El; zu Eltville. 

» Emminghauß, Geh. Regierungsrath zu 
Ufingen. 

» Engert, Hofrath zu Montabaur. 


. Freiherr von Erath zu Waldmannshaufen. 
. Herr Faber, Bauinfpector zu Wiesbaden. 


» Fifcher, Kandoberfchultheiß zu Wehen. 

» Foölir, geiftl. Rath und Pfarrer zu Nenters— 
haufen. 

» Forft, Suftizrath zu Wiesbaden. 

» Frangue, Mevdicinalrath zu Söftein. 


.. » Freudenberg, Amtmanı zu Marienberg. 


» Frohrath, Nector zu Hadamar. 


. Freiherr von Gagern, Ercellenz, Königlich. Nie: 


derländifcher Staats-Minifter, des Churhef- 
fifhen goldenen Loͤwen-Ordens Großfreuz, 
Kommandeur des Niederländifchen Ordens vom 
Belgifchen Löwen, zu Hornau. 


Herr Genth, Forjtmeifter zu Hachenburg. 


» Genth, DOberförfter auf der Platte. 
» Genth, Dberforftrath zu Montabauer. 


141 


43. Herr Goͤtz, Baudirector zu Wiesbaden. 


44. 
45. 
46. 
47. 
48. 
49. 
50. 
91. 
52. 
93. 
54. 
55. 


56. 
57. 
58. 
59. 
60. 
61. 
62. 
63. 


Grimm, Pfarr-Vicarius zu Heftrich. 
Habel, Gutsbeſitzer zu Schierftein. 

Hanth, Rechnungsfammer-Director zu Wiesb. 
Heimach, Oberförfter auf dem Chauffeehaus,. 
Hehl, Major zu Bad Eme. 

Helmerich, Juftizrath zu Herborn, 
Hendel, Suftizrath zn Höchft. 
Herrmann, Pfarrer zu Ef. 

Dr. Herber, Hofrath zu Naftätten. 
Herborn, Hofgerichtsrath zu Wiesbaden. 
Herpell, Hoffammerrath zu St. Goarshaufen. 
Hilf, Hofmeifter bei Herrn von Breidbach— 
Birresheim zu Biebrich. 

Hill, Shriftlieutenant zu Braubach. 
Hofmann, Pfarrer zu Helfersfirchen. 

Dr. Huthfteiner, Obermedicinalrath zu Weilb. 
Säger, Oberförfter zu Braubadı. 

Keck, Pfarrer zu Höchftenbad). 

Kihm, Architect zu Wiesbaden. 

Klein, Pfarrer zu Weilburg. 

Dr. Koch, ©eheimer »Negierungsrath, des 
Großherzogl. Badenſchen Zähringer Loͤwen— 
Drdens Nitter, zu Wiesbaden. 

Kobbe, Amtmann zu Selters. 

Dr. Kolb, Medicinalrath zu Hadamar. 
Kraus, Medicinal-Affiftent zu Idſtein. 

Dr. Küfter, Medicinalrath; zu Gronberg. 
Lade, Medicinal- Affiftent zu Wiesbaden. 
Lange, Lieutenant zu Wiesbaden. 


142 


70. Herr Dr. Lehr, Oberftaabsarzt dafelbft. 

71. » 8er, Ardiv» Director zu Idſtein. 

72. » Xer, Oberappellationsgerichtsrath zu Wiesb. 

73. » KXindpaintner, Rathu. Director zu Eberbach, 

74. Freiherr von Löw, Ercellenz, Geheimer Rath und 
Oberjägermeifter, Großfreuz des Großherzogl. 
Heffifhen Haus» und Verdienſt-Ordens, und 
des St. Joſeph-Ordens Ritter, zu Weilburg. 

75. Herr Luja, Pfarrer zu Dotzheim. 

76. Freiherr von Malapert-Neufville, Regierungs- 
rath zu Wiesbaden, 

77. Herr Mandt, Pfarrer zu Bärftadt. 

73. » Manger, Dekan zu Naſſau. 

79. » Mäurer, DOberweginfpector zu Wiesbaden, 

8. » von Meer, Regierungsrath zu Wiesbaden. 

81. » Melior, Decan zu Mengfelden. 

82%. » Möller, Regierungs-Vicepräfident zu Wiesb. 

8. » Dr Müller, General» Superintendent zu 
Wiesbaden. 

84. » von Mumme, Major dafelbft. 

35. » von der Nahmer, Procurator dafelbft. 

86. Freiherr von Oberfamp, DObrift, des Kaiferl. 
Nuffifchen St. Annen-Ordens r Klaſſe Rit- 
ter zu Wiesbaden. 

87. Herr Dfiermann, Rechnungsfammerrath dafelbit. 

38 » Dtto, Pfarrer zu Grenzhaußen. 

89. » Pagenfieher, Rednungsfammer -Vicepraͤſi— 

dent zu Wiesbaden. 

9 » Bagenfteher, Geh. NRegierungsrarh zu 
Weilburg. 


145 


91. Herr Panthel, Amtmann zu Montabauer. 


92. 
93. 
94. 
9. 
96. 
97. 


98. 

99. 
100. 
101. 
102. 
103. 
104. 
105. 
106. 
107. 
108. 
109. 


110. 
111. 
112. 


113. 
114. 
115. 
116. 
117. 


» 


» 


Pauly, Hoffammerrath zu Höcft. 
Rau, Hofrath zu Schwalbad. 
Reuter, Kammerdirector zu Wiesbaden. 


Freiherr von Ritter, Präfident zu Rüdesheim. 
Herr Ritter, Kriegscommiffär zu Wiesbaden. 


» 


von Roͤßler, General: Domaͤnen ⸗ Divestor, 
zu Wiesbaden. 

Roth, Juſtizrath zu Braubach. 

Dr. Rullmann, Medicinalrath zu Wiesb. 
Sandberger, Juſtizrath zu Naſſau. 
Sandberger, Auditor zu Weilburg. 
Sandberger, Rector zu Dillenburg. 
Schapper, Bergrath zu Wiesbaden. 
Schapper, Juſtizrath zu St. Goarshaußen. 
Schellenberg, Kirchenrath, zu Bierſtadt. 
Schellenberg, Prorector zu Hadamar. 
Schlichter, Poſtverwalter zu Wiesbaden. 
Schlichter, Forſtmeiſter zu Eltville. 

von Schwarzenau, Oberforſtmeiſter zu 
Oeſtrich. 

Seel, Juſtizrath zu Dillenburg. 
Siegfried, Juſtizrath zu Idſtein. 

Dr. Snell, Oberſchulrath und Director zu 
Weilburg. 

Snell, Conrector zu Wiesbaden. 

Spies, Oberfoͤrſter zu Springen. 

Stahl, Hofgerichtsrath zu Dillenburg. 
Stahl, Recepturbeamter zu Hachenburg. 
Stein, Hofrath zu Wiesbaden. 


144 


118. Herr Steubing, Pfarrer zu Langenfcheid. 

119. » Stift, Oberbergrath zu Wiesbaden. 

120. » Strobel, Hofrath dafelbft. 

121. » Thewalt, Juftizrath zu Wiesbaden. 

122. » Dr. Travers, Medicinalrath zu Montabauer. 

123. » Bogel, Pfarrer u. Schulinfp. zu Schdnbad). 

124, » Dr. Vogler, Hofrath zu Naffau. 

125. » Bolf, Hofgerichtsrath zu Naftätten. 

126. » Wagner, Amtsaffeffor zu Wehen. 

177. » Wagner, Geometer zu Kemel, 

128. Freiherr von Wiefenhütten, Obrift zu Eltville. 

129. Herr Wilhelmi, Decan zu St. Goarshaufen. 

130. » Wilhelmi, Pfarrer zu Wiesbaden. 

131. » Willett, Staatsfaffen-Director zu Wiegb. 

132. » Dr. Windt, Obermedicinalrath zu Eltville. 

133. Freiherr von Winsingeroda, Minifterialrath 
zu Wiesbaden. 

134. Herr Zengerle, Dber-Baurath zu Wiesbaden. 

1355. » Zimmermann, Bibliotheffefretäar dafelbft. 

136. » Zollmann, Graveur dafelbit. 

137. Freiherr von Zwierlein, Geheimerath und Kam— 
merherr zu Geifenheim. 

Das DVerzeihniß der ausländifhen Ehrenmitglieder 

folgt im zweiten Heft.) 


145 
IV. 


Protofoll der erften Generalverfammlung des 
Vereins für Naffauifche Alterthumskunde und 
Geſchichtsforſchung. 


An Gegenwart der beiden Direc— 
toren, fo wie der übrigen Mitglieder 
des Morftandes, fodann mehrerer hie— 
figen und auswärtigen Mitglieder des 
Vereins. 


Wiesbaden, den 14. Juni 1823. 


In Gemaͤßheit der von dem Vorſtand durch das 
Circular vom 29. d. J. und in Niro, 21 des hieſigen In⸗ 
telligenzblattes erlaſſenen Einladungen, verſammelten ſich 
unter dem heutigen die anweſenden Vereinsmitglieder 
in dem Saale des hieſigen Paͤdagogs. 

Der inländifche Director, Herr Rechnungsfammers 
director Ebhardt, eröffnete die Verſammlung durd 
eine Rede, in welcher er die Urfachen kurz entwidelte, 
welche einen fpäteren Zufammentritt veranlaßten, und 
denjenigen Mitgliedern der Gefellfchaft öffentlichen Danf 
abftattete, deren wohlmolfende Stiftungen und Beiträge, 
den Grund zur Errichtung eines Vereinsmufeums legten. 

Unter diefen verdiente eine befondere Auszeichnung 
das reiche Gefchenf des Herrn Majors und Flügel- 
adjutanten, Sr. Herzogl. Durchlaucht,, Freiherrn von 
Breidbach-Buͤrresheim. Es beftand in mehreren 
bereits durch die Schriften eines Fuchs, Gerden, La— 
mey ıc. befannt gewordenen merfwürdigen Monumenten 
in Stein, die vor längerer Zeit in den römifchen 

10 


146 


Nuinen bei Hedernheim gefunden, die Stelle eines 
Munizipiums mit Namen Novus Vicus bezeichneten. 
Ferner gab derfelbe Nachricht von den bisherigen Er- 
werbungen des Vereins, fo wie den Ergebniffen der 
an mehreren Orten veranflalteten Nachgrabungen, indem 
er befonders auf die vorläufigen Unterfuchungen des 
Hrn. Habel bei Nidda und Hedernheim aufmerffam 
machte, deren Fortfegung für die Folge intereffante 
Kefültate hoffen lief. 

Der inländifche Director bemerfte weiter: wie nach 
den Statuten, die zweijährige Erneuerung des Vor— 
ftandes, da die Gefellfchaft fih am 5. Dez. 1821 
conftituirt babe, eigentlid,; im Dez. dieſes Jahres wieder 
eintrete; Damit jedoch in diefem Sahre nicht zwei Ger 
ueralverfammlungen nothwendig würden, erbiete fich 
der Borftand zur Fortführung feiner bisherigen Funcz 
tionen bis zu dem Tag der nächften ftatutarifchen Ver: 
fammlung, welchen er vom heutigen, auf den 28. Mai 
dem Namensfefte Sr. Herzogl, Durdylaucht verlegt zu 
ſehen wiünfche, um eine nachtheilige Gollifion mit dem 
gleichzeitigen Berfammlungstage des landwirthfchaftlichen 
Dereines in Idſtein zu vermeiden. 

Beide Vorfchläge wurden angenommen. Darauf ließ 
der ausländifche Director Herr Geheime Rath Freiherr 
von Gerning durch den fubjtituirten Secretär Herrn 
Reg. Eanzellit Zimmermann, folgende Rede *) 
vorlefen: 


*) Eingefandt. 


147 


«Zwoͤlf Jahre find es, dad der Wunſch, zur Er: 
richtung einer Naffauifchen Gefellfchaft für Alterthums— 
und Gefchichtsfunde rege ward, und nun erblüht fie 
unter günftigen Aus picien. Nicht mehr follen antiqua= 
rifche Schäße des unterirdifchen Herzogthbums von gies 
rigen Fremdlingen ausgegraben und verfchleppt wer— 
den! — Ein deutfches Herculanum und Pompeji ent: 
fteige bald zu Hedernheim und Marienfels der 
Erde Schooß, und auch Wisbada, die uralte mattias 
fifche NRömerftadt, gewähre dann neue Spende dem 
vaterländifchen Inſtitut, zur Forderung der Wiffen: 
fchaft. Dem Umlaufsfchreiben des Vorftandes der Gefell: 
fchaft folgend, hat der, durch feine Befisung zu Kron— 
berg feit 20 Sommern fihon, halb einheimifch gewordene 
auswärtige Director, den römifchen Pfahlgraben 
am oberen Taunus wiederum unterfucht, und im Ver— 
gleiche mit den beiden, in den «Heilquellen am 
Taunus 1814 und 1818 und den Rheingegenden 
von Mainz bis Coͤln 1819» nad) feiner Angabe vom 
Architecten Ulrich zu Frankfurt gefertigten Karten doc 
ziemlich genau bezeichnet gefunden, wobei er dem Bef- 
ferforfchenden gerne nachſtehen will. Nicht unwichtig 
war doch für Alterthumsfunde, die 1811 gemachte Ent- 
dedung bei Ems, daß jenes colofjale Roͤmerwerk 
nicht bei Braubadı an den Rhein hinab fanf, Cwie 
gelehrte Folianten Jahrhunderte lang anzeigten), fons 
dern von dort weiter, bi8 nach Wyck de Duurstede in 
Holland, und zurid bis Pfoͤrring an die Donau 309. 
Dem großmüthigen Gefchenfe des Doppelt edlen Nepo— 
ten eines Emmerich Joſeph von Breibbadh, 


148 


verdanfen wir zuerft den merfwirdigen über 100 Sahre 
zu Hedernheim verwaif’t geftandenen Genius mit der 
Snfchrift: Fratres et Taunenses etc. und der neulich 
dort gefundene, von unfrem Lehne richtig erklärte 
Botivftein, bar ein befonderes Local-Intereſſe für die 
Kunde jener Veteranen Kolonie. » 

Nach diefem erläuterte der anmwefende Herr Pfarrer 
Herrmann zu Efch eine Stelle des Tacitus: (Germ. 
ce. 25.) Uber die Bedeutung der Worte «agrestia poma. » 

Der Secretär der Gefellfchaft, Herr Pfarrer Luja 
von Dosheim begann hierauf die Vorlefung einer aus— 
führlichen Abhandlung über den Zweck und Wirkungs- 
freis unfers Vereins, in weldyer er auf die wichtigiten 
antiquarifch = hiftorifchen und topographifchen Punkte 
unferes Landes aufmerffam machte, 

Die Bejchauung der im Saale ausgejtellten Alter: 
thuͤmer 2c. befchloß den Act. 

Zur Beglaubigung 
Ebhardt 


Vet. Zinmermann. 


NR 
Protofoll der zweiten ©eneralverfammlung des 
Bereing. 
Am 28. Mai 1824. 


Das Namensfeſt Sr. Durchlaucht des Herzogs, 
verfammelte am heutigen eine Anzahl Bereinsmitglieder 
in dem bisherigen Local des Schulgebäudes. 


149 


Die Sikung wurde durd den inländifchen Director 
mit der Anzeige eröffnet, daß ihm von dem Herrn Ges 
heimenrath von Gerning für das Vereinsmuſeum 

a) ein goldener Ring aus den Nuinen von Hederns 
heim 

b) ein Camee in orientalifchem‘ Achat mit dem 
Bruftbild des Kaifers Probus als Geſchenk zugeftellt 
worden fey, wofuͤr demfelben der einftimmige Dank der 
Verfanmlung dargebrasht wurde. Den Statuten gemäß, 
wurde nun zu der Wahl eines neuen Vorſtandes von fieben 
Mitgliedern gefchritten, die Eröffnung der Stimmzettel 
aber bis zuletzt verfchoben. 

Hierauf erftattete der inländifche Director einen Furzen 
Vortrag über die feitherigen Keiftungen und Erwerbungen 
des DVereing, und bemerfte, daß man in Folge eines 
von Herrn Pfarrer Brinfmann zu Miehlen einge 
gangenen Berichtes über die begonnene Unterfuchung 
des römifchen Caſtrums bei Marienfels fünftig interef- 
fanten Refultaten entgegen fehe. Unter den neuern Erwerbs 
ungen erwähnte er befonders eines vierfeitigen römifchen 
Altar mit Bildwerfen und Snfchriften von Nieder » Kies 
derbach , fo wie einer fehr intereffanten Ara aus den 
Ruinen bei Hedernheim vom Sahr 229 nach Chr., 
unter Alerander Severd und Dio Caſſius Confulate, 
fodann einer von Herrn Gecretär Zimmermann für 
143 fl. 48 Er. für das Muſeum erfauften Muͤnzſammlung 
vn. f. w. F 
Derfelbe legte ferner über die erhobenen zweijährigen 
Geldbeiträge und deren Verwendung den vom Vorftande 
geprüften Rechnungsabfhluß vor. Nach demfelben betragen: 


150 


I. Die Einnahme pro 1823. 


Beiträge von 143 Mitgliedern. . . . 572 fl. — fr. 
der Beitrag der Bibliotheföfafe . . . 100 —» 


Ausgabe. 
Für Drudfachen, Anfauf u. Transport v. 
Alterthümern, Ausgrabungen u. ſ. w.. 372 fl. 12 fr. 
Mithin Caffebeftand . ». © 2. 2 2.299 »48 = 


I. Einnahme pro 1824. 


Receß voriger Rehnung - 2 2 2 0. 299 fl. 48 kr. 
Beitrag von 145 Mitgliedern . . . . 580» —» 
— aus der Bibl. Gaffe pro 1824 . 50» — » 
929 fl. 48 Fr. 

Ausgabe. 


Für Drudkoften, Anfäufe und Ausgrab- 
UNGENSIEHDN. Bartıstia . 696 fl. A fr. 
Rüdftändige Beiträge * Eaſſebeſtand 23358 Tun 
929 fl. 48 kr. 
Pruͤfung und Abſchluß der letzten Jahresrechnung 
bleibe dem kuͤnftigen Vorſtande uͤberlaſſen. 
Hierauf wurden folgende Abhandlungen vorgetragen: 
1) Durch Herrn Secretaͤr Zimmermann, eine von 
dem abweſenden Herrn Landdechanten Muͤller von 
Oſterſpay eingeſchickte kurze Geſchichte der Burg 
Lahneck)» bei Oberlahnſtein. 
2) Herr Pfarrer Luja von Dotzheim verlas die 
dritte Abtheilung ſeiner in der vorigen Sitzung abgebroche— 
nen Abhandlung, nebſt Erklaͤrung eines roͤmiſchen Monu— 


4151 


mentes von Hebernheim Cein Loͤwe mit einem Schwein 
unter den Füßen). 

Herr Secretär Zimmermann erklärte eine Fleine 
Alabafterplatte mit dem Monogramma Chrifti zwifchen 
den Buchftaben A—Q, und 2 Tauben zur Seite, den ge: 
wöhnlichen chriftlihen Symbolen auf Orabfteinen ber 
erften Jahrhunderte, 

Hierauf legte Herr Habel zu Schierſtein als Refultat 
feiner bisherigen Unterfuchungen zu Hedernheim, einen 
von ihm aufgenommenen geometrifchen Plan des römifchen 
Municipiums vor, in welchem die bis jest entdecten 
Straßen und römifchen Gebäude bezeichnet waren, und 
gab hierüber die erforderlichen mündlichen Erläuterungen. 

Man fchritt hierauf zur Eröffnung der Simmzettel 
von den anmwefenden Botanten. 

Die meiften Stimmen erhielten: 


a. als inländifcher Director 


Se. Ercellenz Herr Geheimerath und DOberftallmeifter, 
Freiherr von Dungern 


b. als deffen Suppleant 


Herr General» Domänen » Director Ritter von Rößler. 
Zu Mitgliedern des Vorſtandes wurden ernannt: 

Herr Habel zu Scierftein. 

— Geh. Regierungsrath Hegmann. 

— Pfarrer Luja zu Dogheim. 

— Gen. Dom. Director von Rößler. 

— Hofrath Weigel. 

— Gecretär Zimmermann. 


152 


Als Suppleanten folgten diefen: 
Herr DOber-Medizinalrath Dr. Döring. 
— Baurath Zengerle. 

Der bisherige inländifche Director übernahm es hier— 
auf, des Herrn Geheimenraths und Dberftallmeifters 
Freiherrn von Dungern Ercellenz, von diefer Wahl zu 
benachrichtigen und Hochdemfelben die Zufammenberufung 
des neuen Vorftandes zu überlaffen. Damit wurde dieſe 
Sitzung gefchloffen und die Mitglieder eingeladen, die in 
dem neuen Local des Mufeums aufgeftellten Alterthümer 
und neuen Erwerbungen in Augenfchein zu nehmen. 


In fidem Ebhardt. 
Vet. Zimmermann. 


VI. 


Protokoll der dritten Generalverſammlung des 
Vereins. 


Wiesbaden am 28. Mai 1825. 


Nachdem zur diesjährigen Generalverfammlung des 
Vereins für Naffauifche Alterthumskunde und Gefchichte- 
forfhung die Mitglieder auf die gewöhnliche Weife durch 
das allgemeine Sntelligenzblatt, der ausländifche Director 
aber und die in der Nähe wohnenden Vereingmitglieder 
noch befonders eingeladen worden waren, auch die beiden 
Vorftände, Herr Geheime Rath und Oberftallmeifter von 
Dungern Ercellenz und Herr Geheime Negierungsrath 
Hegmann, ihre Abwefenheit entfchuldigt hatten, eröff- 
nete der Herr Generals Domänen: Director von Roͤßler, 
Borftand des Vereins, die Sikung, indem er von der 


155 


äußern Bildung und den Fortfchritten des Vereins ben 
anmefenden Mitgliedern Kenntniß gab. Er fagte unter 
andern: 

« Der Verein für Naffauifche Alterthumskunde und 
Gefhichtsforfhung hält heute am dritten Jahrestage feine 
Generalverfammlung. Einige Worte über die Außere 
Bildung des Vereins, über feine Leiftungen und Erwart- 
ungen ftehen hier an ihrer Stelle. — 

Als der Verein mit Iandesherrlicher Genehmigung zus 
fammentrat, lag es in den Verhältniffen, alle diejenigen 
zu activen Mitgliedern einzuladen, von denen eine Mit: 
wirfung zu den Zweden des Vereins, wenigftens Unters 
flügung und Zuneigung, unterftellt wurde. Sm Kaufe 
weniger Jahre hat fich jene Anficht berichtigt: Mehrere 
haben ihre Neigung näher zu erfennen gegeben: fie find 
ausgetreten; aber an ihre Stelle‘ ift eine Anzahl von 
Mitgliedern gefolgt, deren thätiger Antheil feiner Prüfs 
ung bedurfte, weil es nicht die Neuheit der Sache war’ 
welche ihren Eintritt beftimmt hatte. 

So beftehet denn jet unfer Berein aus Einhundert 
neun und dreißig Mitgliedern, deren Namen an alle die 
Berdienfte nnd Kenntniffe erinnern, wodurch ein Seder 
von ihnen auch unferer vaterländifchen Gefelfchaft zur 
Stüge wird. 

Das volltändige Namens-Verzeichniß jener 139 Mit: 
glieder ift zur heutigen Generalverfammlung bier auf 
gelegt. — 

Sie finden darin fieben Namen bezeichnet, ‚welche die 
vorjährige Generalverfammlung, den Statuten gemäß, 
auf zwei Jahre zu Borftänden des Vereins gewählt hat. — 


154 


Da dasjenige verehrliche Mitglied des Vorſtandes, 
welches die Mehrheit der Stimmen zum inländifchen Di— 
rector bezeichnet hatte, dem Vorſtand die Gründe ent— 
wicelt hat, welche dafjelbe beftimmt haben, unter danf- 
barer Anerfennung des Vertrauens, die Lebernahme der 
Function felbjt abzulehnen, jedod, Mitglied des Vorftans 
des zu bleiben; fo erfuche ich im Namen des legtern die 
hier anmefenden Mitglieder des Vereins, auf die ges 
woͤhnliche Weiſe fchriftlich darüber abftimmen zu wollen, 
wer von den fieben VBorftänden die Stelle des inläns 
difchen Directors noch für Ein Jahr zu übernehmen 
habe. 

Mit der Generalverfammlung des nächften Sahres 
tritt die Integral» Erneuerung des Borftandes ein. — 

Heute zum erften Male befindet die Generalverfamms 
lung ſich mitten in dem ihrem Mufeum gemidmeten 
fhönen Locale. Das Product der bisherigen Erforfc- 
ungen des Vereins hat ſich fehr zweckmaͤßig an jene 
bekannte Kunſt- und Alterthums » Sammlung angereihet, 
welche wir der Großmuth unferes gnädigften Herzogs 
und der Stiftung unferes verehrten ausländifchen Dis 
rectors, des Herrn Geheimen Raths von Gerning, 
verdanken. — Das Ganze vereinigt einen ausgezeichneten 
Schatz von Merfwürdigfeiten, welche dem Studium ber 
vaterländifchen Gefchichte bereits reichen Stoff und auch 
dem Kunft- und Alterthumsfreunde volle Befriedigung 
geben. — 

Unfer vaterländifcher Verein ift geftiftet, um die 
Denfmäler der Vorzeit ihrer Verburgenheit zu entziehen, 
an ihre Befchreibung jene geographifchen, ftatiftifchen und 


155 


gefchichtlichen Aufflärungen zu knuͤpfen, welche dem Boden 
unſeres Baterlandes fchon vor Gahrhunderten eine ges 
fehichtliche Bedeutfamfeit gaben, — ihn in jeder Beziehung 
Acht claſſiſch machen. 

Was fir Erinnerungen fchließt nicht das Land in ſich, 
das zwifchen dem Main und dem Rhein den Namen des 
glüflichen Landes Naffau trägt. Gerade hier war bie 
Grenze gegen Noms Uebermacht gezogen: neben einander 
ruhet die Afche der Roͤmer und Germanen, aus deren 
Kämpfen Feine andere Spur, als die der Gräber und 
der Zerftörung zurücgeblieben. — 

Mo hat ritterliher Sinn des Mittelalterd höhere 
Denkmäler von Kühnheit und männlicher Zuverficht zus 
rüc gelaffen, ald gerade in unferen Rhein- und Lahn⸗ 
Burgen. 

Und als fidy) unter dem Schutze der deutfchen Krone 
Ordnung und Berfaffung freudiger entwidelten, zu 
welchen ausgezeichneten Neichsgliedern gehörte nicht 
unfer Vaterland: es fchließt in fich durch altes Landrecht 
abgefchiedene Gauen, rheinifche Churen, Fürftenthüumer 
und mächtige Graffchaften, mehr als ein anderes teutfches 
Land von gleichem Umfange. — 

Welche Mannichfaltigfeit bietet Das Alles dem Ges 
ſchichtsforſcher — wie anziehend ift der Stoff, wie reich 
find die Quellen ıc. 

Sämmtliche Verhandlungen des Vereins liegen offen 
bier in der Reihe der Protocolle, welche feit feinem Ent— 
fehen abgehalten worden. Sehr intereffante Ausarbeit- 
ungen und Notizen von einzelnen Mitgliedern unferes 
Vereins find zu den Acten gefammelt. — Sie werden her: 


156 


vorgezogen und in einem Archiv für die Arbeiten un— 
feres Vereins niedergelegt, dem thätigen Mitarbeiter ein 
gerechtes Anerfenntniß, feinen Freunden eine Aufforder- 
ung zur Nachfolge werden. 

Indem ich auch die Rechnung über die zweiten Beis 
träge, nach den Befchlüffen des Vorftandes vervollftändigt, 
hier überreiche, und damit die formelle Handhabung der 
Ordnung beurfunde, bleibt mir noch der heiße Wunfch 
übrig, daß alle die ausgezeichneten Männer, welche 
unfer Verein in fich fchließt, heute den Vorſatz faffen 
mögen, einem vaterländifchen SInftitut, das jet confo> 
lidirt da fiehet, mit Vorliebe anzugehören, und mit 
gutem Willen zum Opfer zu bringen, was ihren Kräf- 
ten und ihren Kenntniffen fo leicht wird.» — 

Hierauf trat der ausländifche Director, Herr Ges 
heime Rath v. Gerning, auf, und verlag folgende 
Nede: 

« Zum dritten Mal find wir heute vereinet, das Feft 
unferer Stiftung, mit demjenigen de8 Namens uns 
jeres hochverehrten und geliebten Herzogs patriotifch 
zu feiern. 

In diefer kurzen Zeit gefchah doch fehon manches 
Gute für unfer Inftitut, und wenn aud) die faum be- 
gonnenen Ausgrabungen von SHadrianopolis noch 
nicht ganz den fanguinifch=gehegten Erwartungen ent- 
fprechen fonnten, fo erhielten wir doch einen berich— 
tigten und vollftändigeren Plan jenes Roͤmerwerkes. 
Langſam wächft der Eichbaum, doch für Neonen, — 
und was wir muthig begannen, werden unfere Nach- 
fommen zur Ehre der Nassovia illustrata und ihres 


157 


claffifhen Bodens glüklih und ruhmmwürdig vollens 
den. — 

Unfere antiquarifchen Sammlungen wurden ſchon ziem— 
lic vermehrt, ſowohl durch großmüthige Gefchenfe, wor— 
unter befonders Diejenigen des Herrn Major Baron 
von Breidbah-Bürresheim fid) auszeichnen; als 
durch Ausgrabung und Einkäufe. 

Ihnen gegenüber befindet ſich nun die feit 10 Jahren 
befprochene remuneratorifche Stiftung des Mufeumg, 
eines, dadurch endlich fat ganz Nafjauer geworde— 
nen, Kunſt- und Alterthumefreundes, der über 30 
Sahre lang in Stalien und Deutfchland einen guten 
Theil feines Vermögens und den beften feines Lebens 
darauf verwendet hat. Beide Sammlungen find und 
bleiben wohl, abgefondert vereint, im fehönen Kocale 
der trefflich geordneten reichhaltigen Landesbibliothek, 
des Mufen- Palatiums und Nafjauifchen Pantheong, 
im vielfach blühenden Wiesbaden. 

Auf eine folhe Grundlage fann wohl weiter gebaut 
und ein Werk zu Stande gebracht werden, was nicht 
nur Unterhaltung und Belehrung geben, fondern auch 
gelehrte Grübeleien und Muthmaßungen berichtigen dürfte, 
um die alte Gefchichte Diefer merfwürdigen Gegend immer 
mehr zu erforfchen und aufzuflären. — 

Ein bloßes Gefammel mancher unwichtig erfcheinenden 
Gegenftände wird dann bei Anficht und Bekanntmachung 
feltener Kunſt- und wahrer Alterthumsfchäße, Niemand 
verleiten, jenes wie Spielerei zu betrachten und oft mit 
Recht zu befpotten. Auch mag ed gleichgültig gegen 
Solche feyn, die nicht mit Leib und Seele der Alter: 


158 


thumsforfchung anhängen, an welchem Orte z. B. der 
Länderfreffer Sulins Cäfar vor 2000 Sahren tiber 
den Rhein ging, während es fir Alterthumsfreunde und 
Geſchichtsforſcher höchft anziehend bleibt. — So hielt 
noch jüngft der gruͤndliche Mannert, als er die Schil— 
derung Hedernheims in den «Lahn und Mainge- 
genden» lad, daffelbe für jenes beftrittene Munimen- 
tum Trajani, was noch in einer befondern Abhandlung 
zu rechtfertigen wäre. 

Das Naffauifhe Muſeum beftehet alfo neben dem 
Alterthums- Verein und beide Fönnen jekt, durch öffents 
liche Bekanntmachung ihrer Hauptgegenftände, durch noch 
zum Theil unedirte Abhandlungen über Alterthyum und 
Gefchichte Hand in Hand weiterfihreiten. 

Ich nehme mir nun die Freiheit, Einer Hochlöblichen 
Berfammlung die Aufnahme würdiger Fremden, ale 
correspondirende und Ehrenmitglieder vorzufchlagen, in 
beifolgender Lifte, deren Vermehrung oder Verminderung 
dem prüfenden Vorftande fowohl, als der ganzen Gefell- 
fchaft anheimgeftellt fey. 

Auch entfcheide die heutige Hochgeehrte Verfammlung, 
ob etwa mit Anfange des nächften Sahres das erfte Heft 
unferer Annalen erfcheinen, oder diefer einſt⸗ 
weilen beruhen ſoll. — 

Der auslaͤndiſche Director wuͤnſcht noch zuletzt einer 
aus fo würdigen Männern beſtehenden Verſammlung vor⸗ 
zufchlagen, zum Präfidenten derfelben einen Herzog- 
lich Naffauifchen Staatsdiener, einen Kenner und Lieb» 
yaber von Antifen, und zwar den, der fchon ale ein 
guter Genius über der Bibliothek = Anftalt obmwaltet; den 


159 


um das ganze Rand hochverdienten Herrn Saats-Minifter 
Freiherrn von Marfchall zu erwählen, und Seine Er- 
cellenz durch eine Deputation um Annahme diefer, 
wenn auch für denfelben unbedeutenden, dabei nicht uͤber— 
läftig feyn follenden Würde, zur ehrenvolleren Förderung 
unferes Inſtituts geziemend zu bitten. — Ein felcher 
Leitftern fey auch willfommen unferm Antifen- a 
und nicht den Statuten zuwider. 

Quod differtur, non aufertur!» — 

Der Herr General= Domänen Director von Rößler 
machte der Verfammlung bemerflih, wie der fo eben 
verlefene Bortrag des Herrn Geheimen Raths von Ger: 
ning drei verfchiedene Anträge enthalte: derſelbe über> 
reiche eine Lifte von auswärtigen Kunftfennern und Alters 
thumsfreunden, und fehlage folche zu Chrenmitgliedern 
vor, — fodann bringe derfelbe ebenfalls die Redaction 
von Annalen des Vereins in Vorſchlag; endlich trage er 
an, Seine Ercellenz den dirigirenden Staats - Minifter 
Freiherrn von Marfchall zum Präfidenten des Bereins 
zu erwählen. Was den letztern Antrag belange, fo 
werde gewiß die ganze Verfammlung den Wunſch theilen, 
daß es Seiner Ercellenz gefallen möge, jene Ehrenwürde 
anzunehmen: und in diefem Fall werde es dem Borftand 
zu überlaffen feyn, die Herzogliche Landes-Negierung um 
die nachträgliche Erweiterung der Statuten, darin jene 
Ehren» Stelle nicht aufgenommen fey, zu erfuchen. Die 
Bollziehung des zweiten Antrags wegen Nedaction der 
Annalen des Vereins müffe wohl ebenfalls dem Vorſtande 
überlaffen, fo wie denn endlich der nähern Prüfung 
defjelben, unter beftändiger Nücfprache mit dem aus— 


160 


wärtigen Direftor, anheimgegeben werden, welchem von 
den in Borfchlag gebrachten auswärtigen Mitgliedern 
das Diplom zu überfenden fey. — 

Nachdem die Verfammlung fi allgemein mit diefen 
Anträgen und Bemerfungen einverfianden erklärt hatte, 
bat der Herr Generals Domänen- Director von Rößler 
nunmehr, feinem Antrag gemäß, zur Wahl des inlän- 
difcyen Directors vermittelft fehriftlicher Abftimmung zu 
fohreiten, und machte damit den Anfang. Die Ber: 
ſammlung bezeugte fich jedoch hierin nicht beifällig, ſon— 
dern man erfuchte allgemein den Herrn Generals Domä- 
nen= Director von Roͤßler die Stelle des inländifchen 
Directors um fo mehr zu übernehmen, als er ſolche nun 
bereits ein Sahr lang geführt habe. — Letterer fonnte 
fi) dem einftimmigen Begehren nicht entziehen, dankte 
für das Vertrauen, und äußerte die Hoffnung, daß in der 
nächften General» Verfammlung die Wahl der Gefellfchaft 
wohl auf ein würdigeres Vereind » Mitglied fallen werde. — 

Der inländifche Director erfuchte nunmehr das Vor— 
ftande - Mitglied Herrn Pfarrer Luja, der Berfammlung 
den angefündigten Vortrag über den Urfprung des Worz 
te8 Wiesbaden, nad, etymologifchen Herleitungen des 
verftorbenen Infpectors Krauß, ald Nachtrag zu feiner 
eigenen, ſchon früher vorgebracdhten Meinung, zum Ges 
geneinanderhalten mehrerer Anfichten, und über die Herz 
leitung der Benennung der Hühnerfirche und ihren Urs 
fprung halten zu wollen; der Herr Pfarrer Luja hielt 
den Vortrag über den erftien Gegenftand wirflich, und 
verfprac, die beiden Abhandlungen zur weitern Benutz— 
ung in das VBereind- Archiv abzugeben. — 


161 


Nach diefen Vortrag erftattete das Vorftande - Mit: 
glied Herr Habel ausführlichen Bericht über das Ergeb- 
niß der bisher von ihm geleiteten Ausgrabungen zu Nidda 
und Hedernheim, und erläuterte durch Zeichnungen und 
fritifche Bemerkungen die Infchriften fo wie den Grund- 
Plan des Municipiums bei Hedernheim, womit derfelbe 
gefchichtliche Erläuterungen und Muthmaßungen über die 
Zeit der Eriftenz und der Zerftörung jenes wichtigen 
Römer » Denfmals verband. 

Der inländifche Director fchaltete nunmehr die Ans 
zeige von den im Laufe des Jahres zum Mufeum gekom— 
menen Gefchenfen und Mittheilungen anmefender und 
abwefender Vereing- Mitglieder ein, und die Verſamm— 
lung befchäftigte fich eine Zeit lang mit deren Befichtigung 
und Kritif. Hierauf verlas das BVorftands - Mitglied, 
Herr Bibliothef> Sekretär Zimmermann, mehrere 
intereffante Stellen aus einem von ihm begonnenen Werk 
über die Gefchichte von Wiesbaden, feinen Quellen und 
feiner Umgegend. 

Zulegt Fam noc zur Abftimmung der Antrag des 
abmwefenden Vorftande - Mitglieds, Herren Geheimen Re: 
gierungsrath8 Hegmann, zur Bereifung ded Herzogs 
thums in antiquarifch- hiftorifcher Hinficht durch ſachkun— 
dige Mitglieder des Vereins. 

Es wird darin gefagt: 

«Man darf wohl mit Sicherheit unterftellen, daß eine 
vollftändige und umfichtliche Befchreibung des NHerzog- 
thums Naffau, in befonderer Beziehung auf die Zwecke 
des Vereins ꝛc. nicht nur für Die Mitglieder deſſelben, 

11 


162 


fondern auch für jeden Gefchichtsfreund von großem Inte— 
reſſe ſeyn muͤſſe. — 

Wenn einzelne Landestheile ſchon in den aͤlteſten Zei— 
ten vorkamen, wenn ſie an den wichtigſten Begebenheiten 
der Umgegend Theil nahmen und ſo ſchon einen hiſtori— 
ſchen Namen in der Geſchichte ſich erwarben, auch man— 
ches ſchoͤne Denkmal aus jener Zeit uns uͤberlieferten, 
ſo haben dagegen andere Landestheile erſt in dem Mittel— 
alter eine gewiſſe Bedeutenheit erlangt, und ihre Denk— 
maͤler reichen viele Jahrhunderte ſpaͤter hinab. — Bei 
der, hinſichtlich ihrer hiſtoriſchen Wichtigkeit, großen 
Verſchiedenheit der einzelnen Landestheile, duͤrfte doch 
wohl Keiner ſeyn, der nicht wenigſtens eine Ausbeute zu 
geben vermoͤchte. — 

Hieraus erhellet aber die Nothwendigkeit, nicht bloß 
die univerſell wichtigen Landestheile, ſondern auch alle 
uͤbrigen, nach einem zu entwerfenden Plan zu bereiſen, 
alle Merkwuͤrdigkeiten antiquariſcher und hiſtoriſcher Art 
zu verzeichnen und dabei auch beſonders intereſſante na— 
turhiſtoriſche nicht zu uͤberſehen. 

Zu dieſem Ende moͤchten ein oder einige Mitglieder 
des Vorſtandes zu committiren ſeyn, um nach einem 
beſtimmten Turnus in einem jeden Jahre verſchiedene 
Aemter nach allen Richtungen zu durchreiſen und auch 
die kleinſten Oerter zu beſuchen, wenn ſolche, ſey es auch 
nur nach einer Sage, eine hiſtoriſche Merkwuͤrdigkeit 
darbieten. — 

Der Commiſſarius wuͤrde ſich, ſobald er in einem 
Amt ankaͤme, mit dem erhaltenen Commiſſorium bei Amt 


165 


zu legitimiren umd um die nöthige Unterftüßung zur Erz 
reichung des beabfichtigten Zweckes zu verwenden haben. 
Es ift nicht zu bezweifeln, daß jeder Geiftliche auch von 
feiner Seite Alles beitragen werde, um den löblichen 
Zweck nach Kräften befördern zu helfen; aber auch andere 
Angeftellte, namentlich Forftbeamte, fo wie uͤberhaupt 
alle Individuen, melde über die Schidfale einzelner 
Orte und Gegenden Ausfunft zu geben vermögen, wers 
den diefe auf Erfordern gern ertheilen und fo auf manche 
hiernächft zu verfolgende Spuren hinleiten. Sobald der 
Sommiffarius über die zweckmaͤßigſte Art der Einrichtung 
feiner Reife fich informirt und darnach feinen Reifeplan 
entworfen hätte, wäre fodann die Bereifung der einzelnen 
Ortſchaften felbft vorzunehmen. In diefen wären zunächft 
Kirchen, Kapellen ꝛc. zu befichtigen, darin vorfindliche 
Ölasmalereien, hiftorifche Denfmäler, Grabfleine ıc. 
genau zu befchreiben, und bei befonderer MWichtigfeit 
abzuzeichnen. Die ehemaligen Haupt-, Stifts-, und 
Klofterfirchen werden hier eine reichliche Ausbeute liefern, 
und da mehrere der Iegteren gar nicht mehr zu ihrem 
urfprünglichen Zwecke benugt werden, andere aber in 
Privat Befis übergegangen find; fo wird fich mitunter 
Gelegenheit finden, für das Mufeum manche fchäsbare 
Acguifition zu machen. 

Es verfteht fih, daß aud) andere alterthümliche oder 
fonft merfwürdige Gebäude der Aufmerffamfeit der Com: 
miffarten nicht entgehen werden. 

Nachdem fodann über die etwa in der Gegend befind- 
lichen biftorifchen Denfmale aus der römifchen und al 


164 


teutfchen Zeit, fo wie aus dem Mittelalter, vorläufige 
Erfundigungen eingezogen worden, wird fich der Com» 
miffarius felbft an Ort und Stelle begeben, und dabei 
ortsfundige Individuen zu feiner Begleitung zu beftimmen 
fuchen, auch nad) Befund der Umftände und bei einiger 
Hoffnung eines guten Erfolgs, Nachgrabungen unter feiner 
Leitung vornehmen laffen, Hierbei wird er fich bemühen, 
die etwa fchon früher in den Befig von Privaten ges 
fommenen Alterthümer, Münzen 2c. für das Mufeum zu 
acquiriren und mit dem etwa neu Ausgegrabenen dahin 
befördern, 

Alte Schlöffer, Burgen, Ruinen find zu befuchen und 
nad) ihrer dermaligen Befchaffenheit zu befchreiben. Ge— 
naue Abzeichnungen werden den Werth der Befchreibung 
erhöhen und eine höchjt interefjante Beilage gewähren. 

Hiftorifche Notigen über die Denfmäler aus älteren 
und mittleren Zeiten, auch wenn fich ſolche nur auf 
Sagen gründen folten, wären zu fanmeln und hier— 
nächft aus den in den Landes » Archiven vorhandenen 
Urkunden ꝛc. zu vervollftändigen. Ueberhaupt wird Die 
höheren Drts für die Commifjarien zu erwirfende Erlaub- 
niß zur Benugung der Archive, Gelegenheit verfchaffen , 
die bei Bereifung der Aemter gefammelten Materialien 
zu ergänzen, und es dadurch möglich zu machen, daß 
die daraus aufzuftellenden Amts- und Drtsbefchreibungen 
einen hohen Grad von Vollftändigfeit erlangen. 

Diefe Amts» und Ortsbefchreibungen wären hiernächft 
in dem Archiv des Vereins zu hinterlegen, fo wie es 
auch angemefjen erfcheinen dürfte, eine oder mehrere 


165 


derfelben in den Fünftig erfcheinenden Annalen der Gefells 
fchaft abdruden zu laffen. 

Eine Hauptzufammenftellung der einzelnen Befchreib- 
ungen, fo wie deren Verbindung zu einer vollftändigen 
antiquarifch = hiftorifchen Befchreibung des Herzogthums 
Naffau würde erft dann möglich werden, wenn die Bes 
reifung fämmtlicher Aemter des Herzogthbums beendigt 
wäre, wozu jedoch, wenn die Bereifung der Aemter ges 
hörig eingetheilt und darin regelmäßig fortgefahren wiirde, 
feine große Reihe von Sahren erforderlidy feyn dürfte, 

Die auf diefe Weife bearbeitete Befchreibung des Hers 
zogthums koͤnnte hiernächft im Druck herausgegeben 
werden, und mären derfelben die aufgenommenen Niffe 
und Zeichnungen litographirt beizufuͤgen. 

Ungeachtet der individuellen Weberzeugung von der 
Nüslichfeit der vorgefchlagenen Bereifung des Herzog: 
thums, hält Berichts» Erftatter, der nur als Laie feine 
Anficht hierüber ausgefprochen hat, e8 für unerlaͤßlich 
nothwendig, daß dieſe Ideen erft von Sachverftändigen 
geprüft, berichtigt und vervollftändiget werden, fo wie 
e3 diefen auch, bei wirklich erfolgender Ausführung uͤber— 
laffen werden müßte, eine vollftändige und umfaffende 
Inſtruction für die zu ernennenden Commiffarien zu ents 
werfen. » 

Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall und es be- 
merfte der inländifche Director, wie nichts entgegenftehen 
koͤnne, einfiweilen für diefes Jahr etwa 150 fl. aus der 
Vereins - Saffe zur Dispofition zu ftellen, weshalb die 
weitere Einleitung ebenfall8 dem Vorſtand zu tberlaffen 
feyn möchte. 


166 


Hierauf erflärte der inländifche Director die dies— 
jährige General: Berfanmlung für gefchloffen. 


von Rößler. 


vdt. Zimmermann. 


VAL 


Protokoll der vierten General: Berfammlung des 
Vereine. 
Am 29. Juni 1826. 


Nachdem fich auf ergangene Ladung, der Verein für 
Naſſauiſche Alterthbumsfunde und Gefchichtsforfhung am 
heutigen verfammelt hatte, eröffnete der inländifche Di— 
rector, Herr Generals Domänens Director von Roͤßler, 
die Sikung mit folgendem Vortrag. 

«Am Tag der General: Verfammlung unferes Vereins 
hat der inländifche Director Bericht zu erftatten, über 
alles dasjenige, was im Lauf des verflefjenen Jahres in 
den Außern Beziehungen des Vereins eingetreten, und 
worauf der Vorftand die Thätigfeit hingelenft hat. — 

Wenn ich unfere gedructen, allen Mitgliedern be— 
fannten Statuten zum Leitfaden nehme, fo glaube ic) 
dadurd auch für die Zufunft eine bejtimmte Ordnung zu 
begründen. 

Der Zwed der Gefellfchaft für Nafjauifche Alterthums— 
funde und Gefchichteforfhung ift, heißt es dort, bie 
Auffuchung, Sammlung und Befchreibung der römifchen 
und teutfhen Altertbimer im Herzogthum Nafjau, 


167 


und die Beförderung der darauf Bezug habenden geogras 
phifchen, ftatiftifchen und gefchichtlichen Aufflärungen, 
wie nicht weniger die Sorge für die Erhaltung der vors 
handenen Denfmale, auch die des Mittelalters einges 
fchlofjen. — 

Man hatte es fehon lange eingefehen, daß der fta- 
tutenmäßige Zweck des Vereins, namentlich die Sorge 
für die Erhaltung der vorhandenen Denfmale nur unvoll- 
fommen erreicht werden Fünne, wenn eö jedem fremden 
Sammler nnd Forfcher unbenommen bleibt, unfere merf- 
würdigften Stüde aufzufaufen und auszuführen. Der 
Borftand lenkte daher wiederhohlt die Aufinerffamfeit 
unferer höchften Staatd- Behörde auf diefen Gefichtspunft 
hin, und die Minifterial» Bekanntmachung, welche wir 
in dem jüngften Verordnungsblatt gelefen haben, ift das 
Refultat diefer Verwendung. 

Indem Seine Herzogliche Durchlaucht den inländifchen 
Inſtituten das Borfaufsrecht vorbehalten, und die Herz 
zoglichen Beamten anmweifen lafjen, die Ausfuhr von Alter: 
thuͤmern zu verhindern, haben Höchfidiefelben für unferen 
Verein den legten Stuͤtzpunkt befeftiget. 

Der Berein verdanft aber der Gnade Geiner Herzog» 
lichen Durchlaucht noch mehr. Höchftdiefelben haben der 
Vereins Saffe einen Beitrag von Dreihundert Gulden 
zufließen laffen. In diefem guädigften Gefchenfe wird 
der Verein den Beifall erbliden, den Seine Herzogliche 
Durchlaucht unferen Beftrebungen geben und ich komme 
dem allgemeinen Verlangen nur entgegen, wenn ich als 
erfien Befchluß der heutigen General: Berfammlung in 
Borfchlag bringe: 


168 


Seiner Herzoglichen Durchlaucht, unferem gnädigften 
Landesherrn, durch das Organ des Präfidenten den tief 
ſchuldigſten Dank der Gefelfchaft unterthänigft abftatten 
zu laſſen. 

Sn der vormyährigen Generals Verfammlung murde 
der einhellige Befchluß gefaßt, Seiner Ercellenz dem diri- 
girenden, Staats» Minifter, Freihern von Marfchall, 
die Stelle eines Präfidenten des Vereins ehrerbietig anzu— 
tragen; es gereicht mir zum Vergnügen, der Verfammz 
lung zu eröffnen, daß Seine Ercellenz diefes Ehren: Amt 
angenommen haben, und der Vorſtand nicht verfäumt 
hat, die Intereffen des Vereins der Proteftion feines 
Präfidenten angelegentlichft zu empfehlen. 

Bon der Befugniß, eine Anzahl von Fremden zu 
Ehrenmitgliedern des Vereins aufzunehmen, welche die 
vormjaͤhrige General» VBerfammlung in die Hände des 
Borftandes gelegt hatte, hat derfelbe nur einen fehr be— 
fheidenen Gebrauch gemacht. 

Der Borftand hat geglaubt, daß unferen verdienten 
und gelehrten Nachbarn, den Herren Profefforen Dr. 
Lehne und Dr. Braun die erften Diplome als Ehren 
mitglieder zu überfenden feyen. 

Die Zahl der ordentlichen Mitglieder war bei der 
vormjährigen General» Verfammlung 139. 

Sm Lauf des Jahres haben den Austritt angezeigt die 
Herren 

Hofrath Weitzel, 
Juſtitzrath Koch, 
Oberforſtrath Klein, 


169 


durch den Tod wurden der Gefellfchaft entriffen die Herren 
Decan Keim, zu Oberliederbach, 
Geheime Negierungsrath Hegmanı, 
Kirchenrath Spiefer, zu Herborn, 
Dber- Apyellationg = Gerichts » Präfident von Truͤm— 
bach, 
Pfarrer Funk, zu Laufenſelten. 

Zu ordentlichen Mitgliedern wurden aufgenommen die 

Herren 
Caplan Hilf, zu Biebrich, 
Major Hehl, zu Bad-Ems, 
Pfarr⸗Vicarius Grimm, zu Heftrich. 

Der Verein zählt alſo dermalen 134 ordentliche Mit— 
glieder. 

Durch den Tod und Austritt der Herren Hegmann 
und Weitzel waren zwei Stellen im Vorftand vacant 
geworden; um ihn vollzählig zu machen, wurden die 
Herren Ober: Medicinalrath Dr. Döring und Baurath) 
Zengerle ald Suppleanten einberufen, weldye bei der 
Wahl in der General-VBerfammlung vom Sahr 1824 nad) 
den Gemwählten die meiften Stimmen zu Vorſtands-Mit— 
gliedern erhalten hatten. 

Jetzt hat der im Sahr 1824 gewählte Vorftand zwei 
Jahre lang fungirt: e8 tritt ftatutenmäßig deffen Integrals 
Erneuerung ein. Ich erfuche daher die anmwefenden Ver— 
eind» Mitglieder, auf verfchloffene Zettel bemerken zu 
wollen, wem fie die Stelle des innländifchen Direftors 
für die nächften zwei Sahre übertragen wollen, und welche 
fed;8 Vorftands » Mitglieder fie ernennen. Es find alfo 


170 


aus der hier offen liegenden Lifte der Mitglieder fieben 
tamen zu bezeichnen, und bemerfe ich nur, wie die Vor— 
ftands- Mitglieder der Obſervanz nach, darüber mit ein— 
ander übereinfommen, wer von ihnen hiernächft die Stelle 
des Secretärd zu befleiden, und wer die Gaffe zu führen 
hat. 

Der Generals VBerfammlung ift die Rechnung vom 
abgelaufenen Jahr vorzulegen. Diefer Beftimmung wird 
hierdurch ebenfall8 von mir entfprochen. Die Einnahme 
der Rechnung von der General» Berfammlung des Jahrs 
1825 bis zur heutigen zerfällt in folgende Poften: 


Yctiv s Saldo ent re 
Beiträge der Mitglieder . . . 564» —» 
der ftandige Zufchuß aus der Biblio: 

the Gaffer u) Van 160 


außerpröentlicdh nkS Va sre® in» WLgE 
zuſammen 757 fl. 55 fr. 
Ausgegeben wurden: 
für den Anfauf von Alterthümern, 
Urkunden und gefchichtlichen Do— 


cumenten Re DE 
Für Ausgrabungen, Transports und 

andere »Koften achso rn. RE 
Es bildet ſich alfo ein neuer Acti — 

Saldo von 2... 2 


welcher liquidirt wird, — 

Ich bemerfe hierbei nur, wie die oben dankbar erwähnte 
außerordentliche Einnahme von 300 fl. und eben fo alle 
Koften für die neuften Aufftelungen aus Hedernheim zur 


171 


nächften Nechnung überwiefen find. Die Arbeiten find 
eben erft beendigt worden und deßhalb Fonnte die Verrech— 
nung auch nicht gefihehen. 

Statutenmäßig hat die General» Verfammlung die 
Rechnung durch einen befonderen Ausfchuß abzufchließen: 
bisher hat man dieß jedoch dem neu eintretenden Vorftand 
überlaffen, und ich ftelle der Verfammlung anheim, ob es 
bei diefer Obfervanz verbleiben koͤnne. 

Die Refultate der Arbeiten und Bemühungen der Ver: 
eins» Mitglieder für das Mufeum waren in dem abge— 
laufenen Sahr zahlreicher und intereffanter als jemals. 
Das Verzeichniß der Ermerbungen fchließe ich dieſem Vor— 
trag anz die nenen, in das Mufeum gefommenen, Stüde 
find aufgelegt. Herr Bibliotheffefretär Zimmermann 
wird es uͤbernehmen, nach Vorlefung diefes Berichtes die 
erforderlichen Erklärungen zu geben. 

Da in der General- Berfammlung über die Fünftigen 
Arbeiten Befchlüffe gefaßt werden follen, fo lade id) die 
anmwefenden verehrten Mitglieder ein, allenfalfige Bemerk— 
ungen mittheilen zu wollen. — 

Der neu eintretende Vorftand wird übrigens fort- 
fahren, wie bisher im Lauf des Jahres die Thätigfeit 
des Vereins auf die Punfte zu richten, welche ni ge⸗ 
woͤhnlich zufaͤllig hervorheben. 

Die Protokolle der Vorſtands Sitzungen vom abge— 
wichenen Jahr ſind ebenfalls aufgelegt, damit ſie von 
den verehrten Mitgliedern des Vereins eingeſehen werden 
koͤnnen. 


172 


Die Statuten wollen endlich, daß in der Generals 
Verſammlung der Befchluß wegen der Geldbeiträge für 
das nächte Jahr zum voraus genommen werde. — Da 
dag Maximum der ohnehin geringen Beiträge gleich- 
zeitig beftimmt ift, fo hat man bisher das Geldaus— 
fchreiben dem Ermefjen des Vorſtands anheim gegeben, 
und ich erbitte von der Verſammlung für den neu ein- 
tretenden, die gleiche Befugniß. Ueberhaupt läßt fich 
jest noch nicht überfehen, was wohl bis zur nächften 
Generals VBerfammlung zweckmaͤßig zu verwenden feyn 
wird.» — 

Nachdem durch die Einftimmung fämmtlicher Vereins— 
glieder, die in dem Berichte des inländifchen Directors 
enthaltenen Borfchläge zu Befchlüffen erhoben waren und 
ſich Niemand aus der Gefellfchaft veranlaßt fand, der 
ergangenen Einladung zufolge, befondere Propofitionen 
zur Abftimmung zu bringen, verlas der auswärtige Dis 
rector Herr Sch. Rath von Gerning folgende Rede *). 

« Erfreulich ift e8 für ung, am vierten Geburtsfefte 
diefes Löblichen Spnftitutes, das Gedeihen defjelben zu 
fehen und wie fchnell es, Cauch bei noch etwas befchränf- 
ten Mitteln), durch raftlofen Eifer des Borftandes 
und freiwillige Spende der patriotifchen Mitglieder hins 
anmwächft. — 

Danf ſey dem Durchlauchtigften Befhüser der 
Anftalt geweiht, durch deffen Beitrag, die höchft merks 
würdigen Gegenftände des bei Hedernheim entdedten 


*) Eingefandt. D. 9. 


175 


Mithrass Tempels vom glüdlichen Finder billig ers 
kauft und hieher gebracht werden fonnten. — 

Diefer, nicht ohne Berdruß und Befchwerden errungene 
Schatz, belohnt auf einmal die dreijährige Mühfal und 
Koften der Ausgrabungen in unferm Naffauifchen 
Pompeji. — 

Daß jenes Heidenfeld hinfort eine reichhaltige 
Fundgrube fey und die Erwartung der Ausbeute feine 
antiquarifche Phantafterei war, zeigt ſich nun immer 
mehr. 

Wegen der Eoncurrenz des allzunahen Frankfurts war es 
nöthig, Cdoch das Eigenthums » Recht der Befiger dabei 
ſchonend), unferm Landes - Vereine das billige Vorkaufs— 
Recht zu wahren; denn anderwärtd muß Alles, gegen 
Vergütung, in die Staats - Mufeen abgeliefert werden. 

Das Römerfeld oder Caſtrum zwifchen Praunheim 
und Hedernheim, meftlich 500, oͤſtlich 700 Schritte 
breit, 1200 Schritte lang und 4000 im Umfange, ein 
längliches Biere (den Gaftellen gleich) bildend, war mit 
einer, noch fichtbaren, 7 bis 3 Fuß dicken Mauer umgür- 
tet, welche mit Gras bewachfen ift und als ein Wallauf: 
wurf erfcheint1). Ohne Zweifel ward e8 aus einem Stand: 
und Winters Lager Cin des Pfahlgrabens Nähe) zur 
Soldaten-Colonie und endlic, eine der wichtigen, edlen, 
reichen und mächtigen Städte, die auf deutſchem Boden, 


) Andere Ergebniffe lieferten die Localunterfuchungen. (S. 


Seite 52 seqgq. 


174 


durch; anfiedlende Römer entftanden und im vierten Jahr— 
hundert von den einbrechenden Allemannen erobert, ver— 
brannt und zerftört wurden, wie Vopiscus, von 
Kaifer Tacitus redend, erzählt. 

Jedoch ſcheint unfere Nömerftadt nicht fo fchreclich 
zertruͤmmert und verwüjtet worden zu ſeyn, als die ſobe— 
nannte Biberna und Victoria zu Niederbiber und 
Heddespdorf bei Neuwied, wie fo manche dortigen Aus— 
grabungen traurig verrathen 2); der zuerft gefundene 
fieben Stufen tief unterirdifche Mithbrag» Tempel, mit 
feinen drei Mittel» und vier Fleineren Nebenaltären (die 
7 Planeten und Geelenwanderung durch Diefelben ans 
deutend) ift, nach einer 1400jährigen Verfchüttung , 
wohlbehalten genug auferftanden und zeigt, wie fogar 
hieher in den nördlichften Theil des ungeheuren alt: 
römifchen Neiches , jener, dem Cunchriftlichen) Natur: 
menfchen wohl verzeihliche, bald mit den Eleufinifchen 
Geheimniffen verbundene, Perfifh-Parthifch- und 
Egyptifche Sonnen Dienft, von toleranten Römern, 
in den Decident verpflanzt wurde, welche fchon ihrer gar 
zu menfchlichen Götter und finnlofen Geremonien =» Dienfte 
längft überdrüffig waren. 


2) Die Spuren gewaltfamer Zerftörung in unfern Vicus fand 
ich bei den Nachgrabungen völlig übereinftimmend mit denen, 
welhe Hofmann (©. deif. Abhandl. 1. c. p. 17.) in dem 


Gajtell bei Neuwied beobachtete, — 
Ba." 


175 


Das andere Mithraeum, was bei unfern Ausgrab- 
ungen erfchien, mag vielleicht großer als jenes, aber 
entweder unvollendet, oder faft gänzlich von Kriegsbar- 
baren vernichtet worden ſeyn; denn e8 fanden fich lei— 
der feine Votiv-Altaͤre dabei, wohl aber zwei bebeut- 
fame Basreliefs. 

Diefe und andere Gegenftände bieten Stoff 
genug dar, zu den heute vorm Sahre befprochenen Ans 
nalen unfers Vereine. » 

Hierauf trug das Norftandsmitglied Herr Habel eine 
Abhandlung über den Mithras-Eultus und eine Befchreib- 
ung und Erklärung der fürzlich in den beiden Mithräen 
zu Hedernheim gefundenen Denfmale vor, weldıe nebft 
den hierzu gehörigen Zeichnungen zur Aufnahme in die 
Dereing- Annalen beftimmt wurden. 

Die Vorträge wurden durch Eröffnung der Stimm: 
zettel unterbrochen, deren Nefultat dahin ausfiel: daß 

der Herr General» Domänen - Director von Rößler 
als inländifcher Director beftätigt und als deffen Supple- 
ant Herr Geheimerath von Arnoldi ernannt wurd. 

Borftande - Mitglieder wurden 

Herr Dbermedizinalrath Döring, 

»  Geheimerath und Dberftallmeifter Freiherr von 

Dungern, 

» Habel, 

» Pfarrer Luja, 

»Oberbaurath Zengerle, 

»  Bibliotheffecretäv Zimmermanı. 
Es war alfo hierdurd; der bisherige Vorftand neuerdings 
auf zwei Sahre beftätigt. 


176 


Als Suppleanten im Vorſtand erfchienen: 
Herr Geheimerath von Arnoldi, 
» Kammerdirector Hauth, 
»Oberbergrath Stift. 

Nach Beendigung der Wahl hielt Herr Pfarrer Luja 
eine Borlefung aus den hinterlaffenen Kitteralien des In— 
fpectors Krauß über die Bewohner am Mittelrhein zur 
Zeit des Vordringend der Römer nach Germanien ıc. 

Hierauf wurde von dem inländifchen Director die 
Verſammlung aufgehoben. 

Gez.: von Rößler. 
Freiherr von Dungern. 
Habel. 
Luja. 
Zimmermann. 


Darsusdar eahr lee 


Seite 9 Beile 13 flatt au In ——— 


— 48 — 27 ft. Tab. V. 1. 

— 56 — 16 ft. Tab. II. — Ei 

— 60 — 7 ſt. (Fx) I. (P-x) 

— 64 — 2 v. u. fl. Ufers, welches I. Ufers bei G, welches 
— 67 — 11f. Zahneifen l. Breiteifen 

— 74. — 6 ft. SATONIUS [. SANTONIUS 
er TBV TEbV 

— 87 — 12 ft. Sartung l. Geltung 

— 108 — 3 dv. 1. fl. 2000 I. 1100. 


Die hier nicht angegebenen weniger bedeutenden Druckfehler 
wolle der Lefer gütig verbeffern. 


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Annalen ves Vereins 


für 
DassauischeAltertbumskunde 


und 


Besrhichtisforschung. 


Zweites und Drittes Heft. 


ö— — —— —— ——— —— 


Mit fünfzehn lithographirten Tafeln. 





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TWiesbaden, 1830. 


Auf Koſten des Vereins. 









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— 
I. Abhandlungen und Berichte 


1) Die Gauen des Taunus und ihre Denkmäler, von Hrn. 
Prof. Dr. Lehne in Mainz und eine 

2) Hiftorifhe Bemerkungen über den merkwürdigen Grabs 
ftein des Jakob von Sorgenloch, von Hrn.Dr.Schaab 


in Mainz . R ° 
3) Unterfuhung einiger Grabhügel bei er: von en 
Geometer Waaner dafelft . ° — 


4) Fortſetzung der Ausgrabungen bei Kemel, von ge 
Oherförfter Spieß und Hrn. Wagner E : 

5) Beriht über die Entdefung von GSilbermünzen bei 
Hergenroth, von Hrn. Pfarrer Schloſſer in u 
burg . e . + : s 

6) Erläuterung der —— Münzen, von en 
Pfarrer Bogel in Schönbah 

7) Bericht über die Ausgrabungen in der Kobfhede Int 
dem Frauenfteiner Korft, von Hru. Sekretär nn 
mermann in Wiesbaden 

8) Bericht über die Unterfuhung des —— a 
bei Marienfels, von Hrn. Pfarrer Brinfmann in 


Mieblen . . . . 
9) Die römifhen Ruinen bei event von 5. G. 
Habel in Schierſtein 


10) Beitrag zur Geſchichte des Muͤnzweſens i im ttel⸗ 
alter, aus Urkunden geſammelt von Hrn. Geheimen. 
vath Joh. von Arnoldi in Dillenburg 


Seite. 


1 


2 


26 


Rt 


[7 


II 


Geite 
11) Geſchichte der Kirhe und Pfarrei Hoen, von Hrn. 
Pfarrer Bogelin Schönbach.. 99 


UI. Miscellen. 
4) Entdeckungen im Gebiet der Alterthumskunde in der 
Rheingegend, von Hrn, Prof. Dr. Braun in Mainz. 113 
2) Anfragen, — von Hrn. Pfarrer Vogel . : . 1% 
3) Preisaufgabe der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften 
in Berlin » . . 5 } . . . 429 
4) Literarifhe Anzeigen . . : = ; .. 4122 


III. Biograpbifche Nadhrichten vonverdienten 
vaterländifchen Gelehrten. 
Georg Philipp Kraus, Inſp. zu Spfteir, von Hru. 
Pfarrer Luja in Doßheim - 00.0. 123 
IV. Anlagen. 


4) Reſcript Herzogliher Landesregierung, die Stiftung 
des Naff. Alterthums-Vereins betreffend . . 331 


92) Die Statuten der Gejellibaft . a R - 134 
3) Verzeichniß der Vereinsmitglieder & s 2 . 138 
4) Protocol der eriten Generalverfammlung ded Vereins 145 
5) — der zweiten . : A 2 - . 148 
6) — der dritten ir 
7) — der vierten. . 166 





IH. und III. Heft. 


1. Abhandlungen und Berichte. 

1) Weberfiht der merfwürdigften Gegenftände des Alter- 
thums im Herzogthbum Naflau, von Herrn Geh. Rath 
Freiherrn von Gerning in Frankfurt a. M. et | 

2) Erläuterung einiger in der Gegend des Taunus gefuns 
denen römifhen Snfhriften, von Herrn Prof. Dr. 
Sehne in Man - R : — „Pas 

(Fortfegung von Nr. ı. im I- Hefte). 


III 
GSeite. 
3) Ueber die Aquae Mattiacae, von Herrn Kirchenrath 
C. Dahl in Darmſtadt, m. einem Nachtrag d. Herausg. 27 
4) Die erſte Verbreitung der Buchdruckerkunſt im Her— 
zogthum Naſſau, von Herrn Kreisrichter Dr. Schaab 
in Maing, mit Zufäßen von Herrn Schulinfpector 
— und Pfarrer Vogel in Shönbah . ‘ 2 49 
5) Ueber die Geſichtsbedeckungen an Helmen bei den Rö— 
mern und im Mittelalter, von Herrn Profeſſor Dr. 
Braumin Mainz, miteinem Nadtragd. Herausg. - 77 
6) Kurze gefhichtlihe Darftellung der Herrihaft Schaum: 
burg, von dem verft. Herrn Canonicus 3. W- Buſch 
zu Limburg, mit Anmerkungen begleitet von Herrn 
Schulinfpector und Pfarrer Vogel in Shöndad . 96 
Bericht über die Nahgrabungen auf der Dornburg 
bei Hadamar, von Herrn Medizinalrath Dr. Kolb 
in Hadamar A . 110 
8) Gefchichte der Stadt gahmftein ans Ne Burg —— 
von Herrn Kirchenrath Dahl in Darmftadt . 224147 
9) Bericht über die Ausgrabungen am Hollerborn bei 
Dosheim, von Herrn Pfarrer Luja dafelbit . . 138 
10) Auszug aus einem Bericht über die Interfuchung des 
römifhen Caſtrums bei Marienfels, von Herrn Pfar— 


rer Brinfmannin Miehlen - . 2 Ale) 
C5ortfeßung dv. Nro. 9. ©. u0 des J. Heften. 


11) Die Mithras:Tempel in den römifhen Ruinen bei 


Heddernheim, von F. G. Habel . ANA 461 
Fortſetzung v. Nro. 9. ©. 45 des I- Heftes.) 


42) Bericht über die Unterfuhung der alten Verſchanzun— 
gen in der Nähe von Lipporn, von Herrn Suftizrath 
Schapper ın St. Goarshaufen e > — 197 
13) Wie weit iſt Druſus in Deutſchland vorgedrungen? 
von Herrn nn HR. Hofmann 
in Darmftadtt . : . r 201 
14) Hiftorifde Nachrichten von den — —— 
Eigenberg und Holenfels und ihren Beſitzern den von 


71 


IV 


Seite 
Mudersbach, von Herrn Schulinſpector und Pfarrer 
Bogel in Schönbad h ⸗ F R : >29 
II, Befchreibung und Erläuterung bemerfend» 
werther Altertbümer des Mufeums zu 
Wiesbaden. 
41) Berfuc zur Erklärung einiger plaftifhen Alterthümer 
des Mufeums zu Wiesbaden, von Herrn Prof. N: 
Müller zu Mainz b R i ; . „227 
III. Miscellen. 
1) Antiquarifhe Entdeckungen am Rhein, von Herrn 
Prof. Dr. Braun in Main . . s 237. 
2) Topographifhe Notizen, von en — 
und Pfarrer Vogel in Shin . . ...%5 
3) Anfrage, von pemfelben e 248 
4) Topographifhes Räthſel, aus einem Bert en Soh. 
Heidfeld mitgetheilt, von demfelben . . 250 
5) Metrifhe Weberfegung und Erklärung, von Som 
Prof. Dr. Braun n Man . .  » 22 


IV, Biograpbifche Nachrichten von verdiens 
ten vaterländifchen Gelehrten. 
1) Lebensnachrichten von dem Naflauifhen Chronikſchrei— 
ber Johannes Tertor, von Herrn Schulinfpester 
und Pfarrer Vogel in Shöinbad . . 209 
V. Anlagen. 
1) Verzeihniß der ausländiſchen — des 


Vereins 273 
2) Protocol der fünften DIL ARSSUNE des ã— 278 
3) der jehften . i - % h . 20 
4) - der fiebenten N A k z — 301 


J. 


Abhandlungen und Berichte, 


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I. 


Ueberficht*) der merfwürdigften Gegenftände des Alters 
thums im Herzogthum Naffau, von Herrn Geh, 
Rath Freibern von Gerning in Frank 
furt am Main, 





Antiguissima fiant noyissima, 
Gudenus, 





Das von der Natur und Vorzeit, auf und unter der Erde, 
fo reich begabte Naffauer Land, gehört zum fchönften und 
denfwürdigften Theile Deutſchlands. Nebft edlen Metal 
len, birgt es auch Schäße und Belege zur alten Gefchichte, 

Was von Hauptfachen, der öffentlichen Bekannt 
machung nicht unwerth, in den legteren fünf Sahren, wo 
diefer im Jahre 1823 ind Leben getretene wiffenfchaftliche 
Verein blühet, zu Tage gefördert, erfauft und an edlen 
Gefchenfen erworben wurde; was ferner in dieſer claffe 
{hen Heimath entdeckt ward und das 1824 geftiftete Landes⸗ 
Muſeum Bedeutfames enthält, full ebenfalls in diefen Ans 
nalen befchrieben und abgebildet werden. Die folgenden 
Hefte können allmählig, aud) durch theilnehmende Mitwirs 
fung von berachbarten und andern auswärtigen Alterthums⸗ 
und Gefchichtsforfchern, ein fteigendes Intereffe Darbieten. — 





”) War für das 1te Heft beftimmt, und erfcheint nun durch 
verfhiedene Umſtände verfpätet, mit einigen Zufägen der 
neussen Entdeckungen. 


4 


Seit Sahrhunderten Iebten in den Naſſauiſchen 
Fuͤrſtenthuͤmern Hiftorifer, die jchon darüber treffliche 
Werke gefchrieben, Männer, deren Verdienfte noch in 
manchen Familien forterbten. 

Unfer DBerein darf alfo, gleich ähnlichen Anftalten 
von andern Pändern, mit feinen Annalen anſpruchs— 
108 und vertrauensvoll auftreten. Durch ein ſolch edles 
Zufammenmwirfen kann überhaupt Mancherlei berichtigt 
werden, was alte und neue Schriftiteller anführen, wos 
bei das geleiftete Gute gebührend zu würdigen und das 
Fehlerhafte befcheiden zu verbeffern wäre. 

Die Alteften Bewohner diefer Lahn, Rhein: und 
Mainz» Gegenden, waren wohl Sftävonen, ( Meftbe 
wohner), Teutonen und Kelten, (wahrfcheinlic 
auh Mönapier und Tengterer), Ufipeter und 
Ubier, dann Katten und Mattiafen, Buccinos 
banten und Taunenfer, endlid Allemannen und 
Sranfen Bon den Kelten und Germanen übers 
haupt ſtammen vermuthlic; die Eoloffalen Steinring: 
wälle *) auf dem Taunifchen und andern Bergen, 


— — — — 


) Suum cuique! der 1814. verſtorbene C. F. Habel bat 
zuerſt (im Reichsanzeiger von 1802.) bekannt ge— 
macht, daſf dieſe Steinfhanzen nicht von roͤmi— 
ſchem Urſprunge, ſondern die Joppida - der Ubier wa— 
ren, wovon Cäſar ſpricht. Auch in den Frankfurter ge— 
meinnüslidhen Blättern ſtehen verſchiedene antis 
quariſch hiſtoriſche Abhandlungen von ihm uͤber dieſe Ge— 
gend. Um Unterſuchung des Pfahlgrabens und Stif— 
tung der Naſſauer Alterthumsgeſellſchaft, wozu derſelbe 
ſchon 1811 den erſten Plan entwarf, hat er ſich gleich— 
falls verdient gemacht. 


5 


z. B. auch bei Dillenburg, zur Sonn- und Mond— 
verehrung des uralten Goͤtterdienſtes ) und Schutz⸗ 
wehre gegen feindliche Gallier und Roͤmer. Ein ſtau—⸗ 
nenswuͤrdiges Werk der letzteren war, der nördlich das 
Taunusgebirg umfihlingende Pfahlgraben, wider 
die raftlofen Einfälle der unüberwirndenen teutfchen Völker. 

Aus dem fehbereichen Mittelalter flammen fünfs 
zig, in malerifchen Trümmern, die Höhen am Taunus, 
Rhein und Main und der Lahn, fehmüdende Ritter 
burgen, mworunter in der Gefchuyte fehr bedeutende find, 
3 3. Laurenburg, Naſſau und Stein, die Klofter 
burg Arnfein, Caub, Schönberg und Ehren⸗ 
fels, Adolphsed und Hohenftein, Kabenelns 
bogen und die Burg auf dem Ring, Sonnenberg 
und Eppenftein, Falfenftein und Kronenberg.**) 
Noch manche davon dürften durch Urkunden und Denk 
fteine hiftorifch eröffnet werden. Unter den Römer-Ca> 
fiellen,, welche die Sommerlager und den Pfahlgraben 
deckten, it das bei Holzhaufen an der Haide, im 
fshauerlichen Walde von Laufenfelden, am beften erhalten 
und auch dasjenige am Ausflufe der Nidda in den 
Main, der Aufgrabung werth, weil es für dag viel be 
firittene Munimentum Trajani gehalten wird, ***) und 
in jedem Falle nicht unbedeutend war. 





Nach ger Meinung des Herren Pfarrers Luja. 


*) ©. v. Gernings Taunus, fodann deffen Rhein-, Maın: 
und Lahngegend. Wiesb. 1814. 1819 und 1521. 

“) Lehne behauptet es mit Gründen. Mannert ſucht es 
bei Hedernheim. Knapp zu Trennfurt Dahl 


6 


Merkmale von Sommerlagern fieht mar bei Bes 
heln und Schweighauſen am unteren, bei Wies— 
baden am mittleren, dann bei der Saalburg und 
Kapersburg am oberen Taunus Noc, finden fich 
deren bei Camberg (mons campi), auch au der Lahn 
bei Runfel und Villmar. 

Winterlager waren vermuthlih, an gleichfalls 
wohlgewählten Orten in der Ebene, bei Marienfels, 
Miesbaden und Hedernheim. 

Heerfiraßen zogen er Mainz und Eaftell dahin 
und am Rhein, wahrfcheinlich fowohl durd; den Rheins 
gau nad) dem Wisperthale bei Lorch, als über Neu— 
dorf nad Kemel und den Gaftellen der dortigen Ges 
gend. Ferner von Wiesbaden uber die Höhe neben dem 
Trompeter, nach Limburg ıc., dann von Hedernheim 
nach dem Taungebirg und weiterhin jenfeits. 

Ale diefe, noch fo benannten alte Pflaſter— 
ftraßen« find gleichfalld einer genaueren Unterfuchung 
werth. 

Auf dem Heidenfelde, dieſem teutſchen Pompeji, 
wird ſich noch durch weitere Nachgrabungen entwickeln, 
wer dort das 1200 Schritte lange, 700 oben und 500 


su Rüſſelsheim u. ſ.w Anderen fhien ed zu Darm⸗— 
ſtadt, Kronberg und Kransberg, der Alliizration 
wegen: Die Wahrheit liegt bier auch in der Mitte: viels 
leiht auf dem „Heidenfelde,“ wo dann Hadrian, 
(bei feiner FZußmwanderung durch das ungeheuere römifche 
Reich), feinem großen Vorgänger gu Ehren, ein befeftigtes 
Denfmal errichtet hatte. 


7 


unten breite Gaftrum *) angelegt und die römifche Vete⸗ 
ranen⸗Colonie gegründet hat; ob Trajan, Hadrian, 
oder ein Antonin, und welchen Namen ** die daraus 
gewordene Stadt, mit ihren 7 bis 8 Fuß dien Mauern 
fuͤhrte; ferner, ob nicht auch eine folche, das erlofchene 
Danighofen ber Marienfels und mo die Kirche diefes 
Drtes fteht, nicht einft ein Marstempel war — Das 
genannte »Hetidenfeld ». zwilhen Praunheim und 
Hedernheim, bleibt bis dahin die wichtigfte Fundgrube 
für die Naſſauiſche Alterthums-Geſellſchaft. Shr, kaum 
erft fünf Sahre beftehendes, Muſeum zieren fchon fehr 
merkwuͤrdige Gegenftände ** der alten Römerftadt, 3. B. 
de Stemßenaltäre mit und ohne Genien, ferner 
die helivlatrifchen Ara's, nebit Bildwerken von zweien 
Mithrastempeln, wovon ber legt entdeckte, größer und 
noch unvollendet war, Die Zerftörung fo mancher ins 
tereffanter Gebäude des Heidenfeldes darf dem Derein, 
ber ſich ihre Erhaltung aufs forgfältigfte angelegen fern 
ließ, nicht zur Laft gelegt werden, wie dies von Krittlerm 

*) Weber die Dimenfionen diefer Niederlaffung S. Annalen J. 
S 52. und folgd. d· H. 

*) Das jetzige Dorf Hedernheim, oder Heddernheim, 
ift nicht gar wohl von Hadrian herzuleiten, wie zuerſt 
P. Fuchs anführt. Es befindet ih neben und nit 
auf dem vormaligen Lagerort. Sm Mittelalter hieß es 
Heddesheim und Heidesheim. 

**«) Bereits in der Mitte des vorigen Sahrhunderts befanden 
fih (nah Hüsgens verratherifhen Briefen), im grü— 
nen Gewölbe zu Dresden bedeutende Antifen, auch 
Tiſchblätter von Mofait mit der Bezeichnung » Ex agro 
Praunheimensi,s 


B 


in öffentlichen Blättern ganz unwahr von dem Mithras: 
tempel behauptet wurde. Die alten Mauern jedoch 
mit auszubrechen und im Mufeum aufzuftellen, ging 
eben fo wenig an, als den Tempel in einer Hütten» 
Kapfel an Ort und Stelle zu laſſen, was bald ein 
Raub der habgierigen und baufteinfüchtigen Aeckerbeſitzer 
und Colonen ded neuen Hedernheim geworden wäre, 
wie dieß fchon der Fall mit dem Gemäuer des vor 
drei Sahren aufgefundenen Prätoriumd geweſen iſt, 
oder man müßte diefe Grundftüde Faufen und alsdann 
Schildwachen dabei ftellen! Ein gleiches Mißgeſchick traf 
ſchon die im Sommer 1825 zwifchen Hedernheim und 
Niederurfel von Herrn F. G. Habel entdedte römis 
fhe Villa, wovon derfelbe das Andenken durch genaue 
Handzeichnungen dem Studium ded Alterthbums und der 
claffifchen Umgegend erhielt. 

Nichts Römifches fand ſich noch zu Kronberg 
und in der nahen Umgebung des Drted, wo damals nur 
ein Waldhägel war, der dann zuerft im Mittelalter ans 
gebauet worden, aus welcher Zeit man oft Eleine Pfeil 
fpigen von Eifen fand. 

Alfo ftand hier weder ein römifched® Municipium, *) 


— — 


*) Lehne wurde dabei in ſeiner trefflichen Abhandlung, 
(S. 1te8 Heft) von P. Fuchs irre geleitet, der dieſes an- 
tifige Böctein fhoß, Namen und Ort mit Kronenberg 
in Weſtphalen verwecfelnd, wo jene Gteinfdrift ge: 
funden ward, welhe Lipfius und Gruter anführen. 
Der Freund verübelte dem Freunde diefe Bemerkung nicht, 
und ſtimmte ſogleich bei. 


9 


noch Castrum, aber unferne davon, bei Dberhöchftadt, 
309 die gepflafterte, bie und da fichtbare Heerftraße 
vom Standlager bei Hedernheim, zum Gaftell am Feld⸗ 
berg. Höchft merfwürdig bleibt aber die ganze, fat ita— 
Kifch reizende Gegend dieſes teutfchen Tivoli durd 
die uralten Steinringwälle und Mauern auf dem 
Altkfönig uud Thalwegsberge, noch unberaubt 
wie jene bei Wiesbaden, die beinahe gänzlich zum 
Landftraßenbaue verwendet wurden, 

Auf dem weftlichen Abhange des Altfönigs be 
merfte der Verfaſſer im Sommer 1823 verschiedene Grabs 
bügel. Auch finden fich deren, auf dem Heidenfelde 
zwiſchen Ober-Urſel und Homburg, welche wohl 
zum weiter öftlich- gelegenen Gaftell auf der vom (Garos 
lingiſchen) Mittelalter her, fo benannten Saalburg, 
oder zu einem alten Castrum gehörten, das der durchl. 
Prinz Ferdinand von Heffen-Homburg, ein wir; 
diger Alterthbumgforfcher, Cim NAuguft 1828) aufider 
flachen Anhöhe,. die Goldgrube genannt, entdeckt hat, 
worüber das Nähere folgen fol. Vielleicht war's ein 
tentjcher Stein-Wal, ter fpäterhin auch den Römern 
zum Lager diente. 

Anziehend find denn auch im unferer nahen guten 
Nachbarschaft fo mancherlei Gegenftände, die den Zwecke 
des Dereind entfprechen; 3. B. die befagte Saalburg 
bei Homburg, doc; wohl urjpringlich, jenes Drufus: 
Caftell auf dem Taunus (deſſen Tacitug erwähnt Ann, 
L, 1. C, 56.) von Ptolemaeus Arctaunum ge 
nannt, wobei die Römer ihre martialifchen Quinguennal- 
Seite feierten. 


10 


Spuren von einem römijchen Sommerlager fanden 
fih bier, und die noch fo heißende Drufenftraße z0g 
vorbei. *) Unferne davon, zunäct dem Dorfe Ober; 
bain zeigt man einen großen Grabhügel, unter dem Nas 
men Drufen-Altar. Am Emesberge, dicsfeitd der 
Saalburg, fand einft Neuhof einen römifchen Denkſtein 
mit der Sufchrift: Hic jacet Drusus, woraus man 
deuten fönnte, daß hieher in dad Sommerlager der 
verwundete Druſus gebracht worden und dafelbft ftarb. 

Ferner bietet ſich und noch zur literariſchen Benutzung 
dar, die fo reichhaltige Gegend von Mainz, Caſtell 
und Ingelheim. Stoff genug alfo- für kuͤnftige Fors 
fhungen und Prüfung verfchiedener Anfichten, die zum 
Wege der Wahrheit Ienfen. Daß der das. ganze Herzog 
thum Naſſau, vom Feldberg bi8 Embs an die Lahn, 
mit 15 Caſtellen in einer Strecke von fo vielen Stunden, 
durchziehende römische Pfahlgraben nicht ſchon von 
Becheln hinab nach Braubad und Oberlahnftein, 
oder bi8 Aalen, dafelbft fchon endend, Cwie Sahrhuns 
derte lang, fogar von gelehrten Antiquaren ganz irrig 
angeführt wurde), jondern am Taunus wohl zufammen 
bängend, von Embs aus weiter zum. Niederrhein und 
bi3 Wyck te Duurstede nad) Holland, *) fo wie vom 
Main, bei Trennfurth (Trajani vadum), und von 


*) Mehr davon in einem der nächſten Hefte. 
©. auch: Lahn und Main:-Gegenden, Wiesba- 
den 1821. ©. 114 bis 127. 


*) Was bei einer näheren Unterſuchung fih wohl finden 
wird, 


11 


ben Höhen ded Doden, (Dbin) Waldes hin, bis nad) 
Pförring andie Donau zog; war zuerfi eine neue, 
nicht unmwichtige Entdefung, Die der Verfaffer Cam 18. Aus 
guft 1812) mit feinem, 1814 verftorbenen gelehrten 
Freunde, dem Naffauifchen Herrn Hoffammerratb Has 
bel zu machen fo glücklich war. *) 

Eine weitere, forgfältige Bereifung der ganzen großen 
Strede ded gewaltigen Roͤmerwerkes, und wiederholtes 
Unterfuchen im Naffauifchen fowohl, als in den be 
nachbarten Ländern, wäre noch ein verbienftvolles Bes 
ginnen für unfern Verein, der dadurd; fich felbft ein 
bleibendes Denkmal feßen würde, 


7) ©. Frankfurter gemeinnüglibe Blätter son 1812. Die 
Heilquellen am Taunus 1814. 8. Ausgabe. ©. 262. 
Ferner die Lahn- und Main- Gegenden 1821. ©. 10- 


12 


2. 
Erläuterung einiger in der Gegend ded Taunus 


gefundenen römischen Infhriften, von Herrn Prof. 
Dr, Lehne, Staotbibliothefar in Mainz. 


(Fortſetzung eines Aufſ. im Iten Heft der Annalen. pag. 2:.) 
Y; 


LO. M. SERAPE 
CÆLESTI. FOR 
TVN. ET. GENIO 
LOCI, P, LICINL 
VS. PAL. TR N, 
LEG IIMIT. M. P. 
PRO. SE SVIS 
— 


Jupiter dem Beſten und Groͤßten, dem himmliſchen 
Serapis, der Fortuna und dem Schutzgeiſte des 
Ortes weiht Publius Licinius, aus der Palatiniſchen 
Buͤrgerklaſſe, Centurio der Aten Legion, der Mas 
cedonifchen, dieſe Ara für fich und die Seinen nad) 
gluͤcklicher Erfüllung feines Gebetes. 

Diefe Ara war im Kreuzgange der Kirche zu Marien, 
haufen im Nheingau eingemauert, wo fie aber genauen 
Rachforſchungen noch nicht fich entdeckte, 

Serapidi caelesti, Diefen Beinamen führten nur bie 
Götter, welche einem Planeten am Athergewölbe vor 
fianden. Sp finden wir einen Jupiter coelestinus auf 
einer Inſchrift zu Nom; eine Diana coelestis zu Tibur; 
auf einer dritten zu Nom lieft man: Mercurio coc- 


13 


lesti, zu Sapino: Veneri coelesti. Bon andern Göts 
tern bat man noc, Feine mit diefer Benennung entdedt. 
Zwar fand man zu Nom aud) eine Ara, dem Sylvano 
coelesti geweiht, der nicht zu diefen Gottheiten gehörs 
te; aber offenbar ift unter diefem Namen Mars gemeint, 
welchen Cato in feinem Werfe über den Aderbau: Mar- 
tem Sylvanım in sylva nennt. Es it fchwer zu be 
-flimmen, woher Mars bdiefen Beinamen erhielt, wenn 
nicht feine Verehrung in einem Walde die Veranlaffung 
gab und er alfo eine Lofalgottheit vorftellt. Serapis ift 
bier offenbar in feiner Eigenfchaft ald Sonnengott anges 
nommen, (wie man auf einer Snfchrift zu Sentina 
fieft: Soli invicto Serapidi) und hat daher den Beis 
namen des Himmlifchen. 

Das Gefchlecht der Licinier, deſſen Namen unfer 
Publius trägt, war confularifch und verbanfte feinen 
Glanz dem Publius und Cajus Licinius Calvus, welche 
zwifchen den Sabren 400 bi8 361 vor unferer Zeitreche 
nung mehrmal unter den 6 Kriegstribunen mit confulas 
riſcher Gewalt die Republik regierten, und wovon der 
legte zum Conſul erwählt wurde. Die, Baterftadt unfe, 
res Licinius ift nicht angegeben, fo wenig als fein Per: 
fonalname; da er aber zur Palatinifchen Tribus ges 
hörte, fo war jenes unnöthig, indem man ihn dadurch 
ald Römer hinlänglic; bezeichnet glaubte. Sie war 
nämlich eine von den vier Bürgerflaffen der Stadt Rom. 

Posuit pro se suisque. V. L. L, C, voti libens 
lubens compos, 


14 
VI. 


6 ggf. 


C. PATERNI, POSTVMINI. DEC, C, TAV, 
NENSIVM. VIRI SACERDOTASIS. PRAGMA 
TICI. PATERNIA HONORATAFILIA. ET HE 

RES, PER, SYOS. PARENTES, 
re 69 


Den Schattengöttern des Cajus Paternus Poftumis 
nus, Decurionen der Taunenſiſchen Bürger, Erfläs 
rers der Religionsgebräuche. Seine Tochter und Er⸗ 
bin Paternia Honorata ließ ihm durch ihre Ders 
wandten diefen Sarg machen. 

Diefer fchöne Sarg wurde im 5. 1809, ald man die 
Fundamente der Kirche zu Zahlbach grub, ohne Deckel 
gefunden, und in das Mainzer Mufeum gebradjt. Er 
bat 7 Fuß 7 Zoll Länge, auf 4 Fuß 3 Zoll Breite und 
it 3 Fuß 4 Zoll hoch. Er wurde fchon in früherer 
Zeit entdedt, denn e8 lagen zwei Sfelette aus dem Mits 
telalter darin. 

Die Inſchrift ift in jedem Betrachte merfwärdig. 

Die darauf vorkommenden Namen find von den bes 
kannteſten und der Name Paternus befonders in unferm 
Lande nicht felten entdeckt. Er war Stadtrath der Taus 
nienfifchen Bürger, Bewohner ded Municipiumd unter 
dem Schuge der Feftung Moguntiacum. 

Vir sacerdotalis pragmaticus. Man hieß pragma- 
tici, bei den Römern, die Rechtöfundigen, welche die Ge 
fege zu ihrem ausfchließlichen Stadium machten, und das 


15 


ber von den Advocaten bei wichtigen Proceffen zu Rathe 
gezogen wurden. Nun waren aber die Religionsgebräuce 
nicht minder mannigfaltig ald die Nechtsfälle und es kam 
auf ihre Regelmaͤßigkeit noch mehr an, als bei jenen. 
Alſo auch hier mußte es Leute geben, welche fie erflärten 
und auf ihre Beobachtung wachten. Wir erfahren durch 
unfere Infchrift, daß man auch diefe Pragmatici und zwar 
Sacerdotales nannter „Ich habe gefehen,« fagt Plinius, 
daß obrigfeitliche Perfonen nach gewiffen Formeln Gebete 
»verrichtet haben, und, damit nicht etwa ein Wort vers 
»gefjen oder am unrechten Orte ausgefprochen wurde, hatte 
‚man einen Borfager, der die Formul vorlag; ein anderer 
war beftellt, acht zu geben, ob er recht lad, ein dritter 
„Stillſchweigen zu gebieten. Ein Pfeifer mußte dabei ſte— 
„pen, daß nichts anders gehört werden konnte, als fein 
„Blaſen.⸗ 

Hier haben wir die Verrichtungen der prieſterlichen 
Pragmatiker, die, auf die verſchiedenen Opfergebraͤuche 
der ungeheuern Goͤttermenge ausgedehnt, warlich kein leich⸗ 
te8 Studium erforderten. Daher war ein Unterſchied zwi—⸗ 
ſchen sacerdos und vir sacerdotalis, Der erftere war 
Priefter einer bejondern Gottheit, der andere bloßer Mythos 
log, der bei Privatopfern diente. So finden wir bei 
Gruter (p. 525, 12) auf einer Infchrift gefagt: «In ci- 
vitate sua sacerdotalis» ohne Beifügung eines befondern 
Gottes. Sacerdotasis anflatt sacerdotalis ift eine von 
den fo häufigen Verfchreibungen der roͤmiſchen Steinhauer. 


16 


VII. 


1.05, M 


CONSERVATORI 
LICIN. TVGNA 
TIVS. PVBLIVS 
TTV. C. T. IN. SVO 
VT HABERET 
RESTITVIT 
ATTICO. ET. PR 
‚ETE XTATO 


GOS. 


Supitern dem Beften, dem Größten, dem Erhalter, ers 
neuerte dieſes Standbild, um es ferner zu befiken, 
auf feinem Grund und Boden Publius Licinius 
Tugnatius, Duumvir der Taunenfifchen Bürger, uns 

ter dem Gonfulate des Atticus und Pretertatus. 
Diefes intereffante Piedeftal, deffen Statur nicht mehr 

vorhanden war, fand man zu Gaftel im Jahr 1808. 
Caj. Vettius Aufidius Atticus und Caj. Asinius Prae- 
textatus beffeideten da8 Konfulat im Sabre chriftlicher 
Zeitrechnung 242, das durd) die Siege Gordians über den 
Perſerkoͤnig Sapor befannt if. PubliusLicinius Tugna- 
tius war Duumvir oder einer der beiden Bürgermeifter 
der Taunenſiſchen Bürger, welche, als eingewanderte 
Germanen, unter dem Schuße der römifchen Feftung Iebten, 
IIV, €. T (Duumvir Civiam Taunensiura) kann wohl 
nichts anders heißen, da Feine bedeutende Stadt in ber 
Nähe Tag, welche Duumvire hätte haben Tonnen, und 


17 


die Tannenfifchen Bürger in Mainz und durch andere Ins 
fchriften befannt find, 

Daß bier der Vorname Publius nachgefegt ift, kann 
nicht ald das einzige Beifpiel angefehen werden; denn 
man findet deren häufig in Tacitus und andern Schrifts 
ſtellern felbft aus der Zeit Auguſts. 

Gleich dem Freigelaffenen nad) dem Geſetze, fo wähls 
ten ſich auch die Schußgenoffenen der Römer, wie die 
Taunenſer, Namen der berühmten Familien, deren Pros 
teetion fie genoffen. In diefem Falle war offenbar unfer 
Licinius, deffen Vorfahren wahrfcheinlich Glienten des bes 
rühmten Patriciergefchlechtes Licinia waren. | 

. Der Perfonalname Tugnatius fommt, fo viel mir bes 
kannt iſt, nicht auf Snfchriften vor, 


18 


VIII. 


IN. H. D, D. DEAE VIRTUTI. 
BELLONE, MONTEM, VATICANVM 
VETVSTATE. CONLABSVM 
RESTITVERVNT HASTIFERI CI 
VITATIS MATTIACORVM, X KAL, 
SEP. IMP. I. MAXIMINO. AVG, 
ET. AFRICANO, COS. HI QVORVM NO 
MINA TE SYTALSYNT, 
C, MEDDIGNATIVS, SEVERVS, CVR BIS. 
L. LEVINIVS, QVIETVS, TERTINIVS, ABROSYS 


T. VITALINVS, PEREGRINVS, MARCRINIYS. PRISCVS 


COSTANTIUS, MARCIANVS. ATRECTIVS, CVPITIANVS 
C, RIXSIVS. ADNAMATVS. PERRIVS, IVSTINVS 

C, IAMILLIVS. CRESCENS, ATTONIVS ASCLEPIVS 
TITIVS, BELLATVLLVS, VRSIVS, MATVRVS 
TITIVS, SEVERVS, STATVTIVS. SECVNDINYVS 
LICINIVS COSTAS, SERVANDIVS SENVDVS, 


LVTATIVS. VICTOR, 


„Zur Ehre des göttlichen Haufes. Der Göttin Fries 
gerifcher Tugend, haben die unten namentlich anges 
führten Lanzenträger der Stadt der Mattiafer, den 
vor Alter verfallenen vaticanifchen Berg wieder herz 
geftellt am 10. der Galenden des Septembers, unter 
dem Gonfulate des Kaifers Julius Mariminus und 
Africanus.“ 
Diefen intereffanten Dedicationgftein habe ich im 
Juli 1809 zu Gaffel vor dem Wiesbader Thor unter ei 


19 


ner Menge von Särgen gefunden, welche aus römifchen 
zerftörten Denfmälern, wahrſcheinlich in der merovingi⸗ 
ſchen Epoche, geformt waren. Die Steine wurden meifteng 
auf die Art durchgefägt, daß Theile der Buchftaben auf 
dem Rande zu fehen waren und fo in Sargform neben einan— 
der geftellt, ohne Unterlage und Dedel, Sn der Mitte 
fand man Knochen und Fragmente von eifernen Spießen, 
in manchen aber nicht einntal Knochen. Sch zählte deren 
neunzehn. Sehr zu bedauern war die Zerftückelung einer 
Inſchrift, welche den Kaifer Septimins Severus betraf, 
deren Buchitaben, fehr fchön gearbeitet, von der Länge 
eines Schuhes waren, worauf man aber nur den dieſem 
Kaiſer eigenen Xitel Parthico Adiabenico noch leſen 
fonnte. Sehr wahrjcheinlic war fie von einem Trimupbs 
bogen. 
Die Schrift, welche ich hier unbefchädigt fand, ift in 
mancher Hinficht wichtig. Sie tft im Jahre 236 am 
25. Auguft gejegt, an welchem Tage die Vulfanalien ges 
feiert wurden. Man wählte gewöhnlich diefen Tag zur 
Einweihung von Gebäuden, um den Gott des Feuers zu 
bitten, fie zu verfchonen. Konfuln diefed Jahrs waren 
der Kaifer Cajus Julius Mariminus und Cajus Julius 
Africanus. Kurz vor Weihung diefes Gebäudes in Caſſel, 
mar auf Antrieb des Halbbarbaren Marimin, der gute 
Kaifer Alerander bei Mainz ermordet worden. Nach eb 
nem Defrete ded Senats wurde auf unferm Steine, wie 
überall der Name des Mörderg vertilgt; doch ift feine 
Spur noch ziemlich deutlich. Das Gebäude ift der Vir- 
tus Bellonae, nämlich den Tugenden, die zum Kriege 
gehören, geweiht, Cicero erflärt deutlich, Cpro Lege 


20 


Manilia c, 13) den Ausdruck Virtus Bellonae mit Vir- 
tus bellandi oder Virtus militaris, Er begreift nicht 
allein Tapferfeit, fondern auch Strategie, Beſonnenheit 
und alle Eigenfchaften, welche den wahren Krieger bilden. 

Der zweite Scipio Africanus bat zuerft diefer Virtus 
einen Tempel erbaut, wie ung Plutarch berichtet und auf 
mehreren Denkſteinen gefchieht ihrer Erwähnung, 5. ®. 
auf einem zu Bretten in Siebenbürgen leſen wir: Spei, 
Virtuti, Vietoriae; und auf einem andern Virtuti et 
Honori. Es ift aber ſehr unbeftimmt, ob unfer Mons 
Vaticanus ein Tempel der Viritus Bellonae war, oder 
etwa eine Gaferne der Lanzenträger, welche ihn wieder 
bergeftellt haben. Dffenbar war er ein Militärgebäude, 
das.fehr wahrfcheinlich feinen Namen durch den Umftand 
erbalten hatte, daß fic auf dem vaticanifchen Berge zu 
Rom, an der Stelle, wo jeßt die Kirche Santa Maria 
vom Fieber, auf der ehemaligen Triumpbhftraße fteht, ein 
Tempel des Mars, mit welchem Bellona immer zugleich 
verehrt wurde, befand. Ein Berg war e8 auf feinen 
Fall, weil bei Gaftel im Umfreije einer halben Stunde 
nicht die geringfte Erhöhung fichtbar wird, die diefen Nas 
men führen könnte, und es nicht anzunchmen ift, daß in 
folcher Entfernung ein fo wichtiges Gebaude aeftanden 
babe. Auch wird e8 ſchon durch den Ausdruck: „vom 
Alter befchädigt», als ein folches angefündigt. Wir wifs 
fen auch aus Gicero Cin Pisonem cap, 21) welcher ein 
großes Gebäude bei Tusculum montem tusculanum 
nennt, daß das Wort mons auf ausgezeichnete Baus 
werfe angewendet wurde, fo wie auf alles Hochgethürmte 
3. B. montes frumenti, 


21 


Die achtzehn Wiederherſteller dieſes Gebäudes, deſſen 
erſte Erbauung, nach der Dauerhaftigfeit der römifchen 
Gebäude zu fchließen, wenigftend der Zeit Trajans zuges 
rechnet werden muß, wenn es nicht felbft von Druſus her 
ftammt, nennen fich hastiferi ( Ranzenträger) der Stadt 
der Mattiafer. Wir Fennen nur eine einzige Inſchrift 
von Vienne, worauf ein »Magister Astiferorum Do- 
mini nostri» vorkommt (Reinesius p. 185) Bon ben 
Haftaten der frühern Legionen kann bier nicht die Rede 
feyn, obſchon fie die hasta mit ihnen gemein hatten; und 
es ift auffallend, daß wir fie auf der legten Inſchrift in 
der Nähe des Kaifers und auf der unfrigen im Dienfte 
einer Mumnicipalftadt finden. Hier find fie offenbar an 
der Stelle der Stationarier, ald eine Art Stadtwehr 
zum Schuße der Beamten und zur Handhabung der Polizei. 
Daß Meddignatius, der zum zweitenmal gewählte ftädti- 
ſche Einnehmer (Curator bis) als ihr Anführer dafteht, 
laßt glauben, daß fie hauptfächlich zur Beitreibung der 
Abgaben gebraucht wurden. Don den Namen find fol- 
gende durch andere Steinfchriften die befannteften: Le- 
wius daher Levinius, Vitalinus, Constantius, Jamil- 
lius, Titius, Licinius, Lutatius, Tertinius, Marcri- 
nius, Atrectius, Ursius und Servandius. 

Givitas Mattiacorum, Diefe Benennung der unter 
dem Schuße des Castellum Drusi (Gaffel) entftandenen 
bürgerlichen Stadt war zeither vollig unbefannt, it aber 
durch mehrere entdeckte Snfchriften beftätigt worden. Gie 
war aljo. die Hauptftadt der, der Nömifchen Herrſchaft 
unterworfenen Mattiafer diesfeit des Pfahlgrabens. 


—e — — 


22 
IX. 


1,40. .M, 


IYNONI.RE 
G!NZE. VL. QVIL, 
NVS. PATERN 
VS. D, C. MATTI. 
EX. VOTO. POS. 
L. L. M. DEDIC&'YA 
X. E, OCT. TER. ET BIS 
COS. 


Supiter d. B. dem Größten und Juno der Königin, 
bat Balerius Quilinus Paternus, Decurio der Mat- 
tiafifchen Bürger, diefen Gelübdenftein freudig und 
dankbar gefest und geweiht am 10ten vor den Ga- 
enden des Detob. unter dem sten und 2ten Gons 
fulate. 


Diefe Ara wurde im Jahre 1809 zu Caſtel gefunden, 
Valerius Quilinus Paternus, deffen Vorname fehlt, 
hatte alfo 4 Namen, wie man häufig Beifpiele finder, 
indem aus befonderer Veranlaffung 3. B. wegen einer 
Erbichaft oder Zuneigung zu einem Verwandten in ſpaͤ⸗ 
terer Zeit noch der Perfonalname desfelben zu dem eiges 
nen gefügt wurde. Gewöhnlich fteht alsdann sive oder 
quı et dazwiſchen. Der Name Quilinus ift nicht bes 
fannt, doch mit in fommt inquilinus ald Nennwort 
Cbei Sallust z. B. Catil, c.) vor, die beiden andern Nas 
men aber find fehr gemein. 

Decurio Civium Mattiacoram, Er war Gtadtrath 


23 


der Einwohner der Stadt der Mattiafer, die wir aus 
andern Inſchriften fennen, und weldye unter dem Schuge 
des Drufifchen Caſtells zur Bededung der Bruͤcke ftand. 

X, Calendas Octobris ter et bis Consulibus, Der 
Anfang diefer Zeile wurde bei dem Transporte befchädigt. 
Am 22. September, welches der 10. vor den Galenden 
des Detoberd war, wurbe das Geburtöfeft Auguſts ge 
feiert. Es ift nicht zu beflimmen, ob dies noch in der 
Zeit der Weihung dieſes Steined gefchah und ob man 
mit Vorbedacht diefen Tag dazu wählte; wenigftens wurs 
den die Fefttage für die glüclichften und den Göttern 
angenehmften gehalten, und daher gewöhnlich zu Errich⸗ 
tung ihrer Altäre benust. 

Die Namen der Confuln find von dem Steinhauer 
vergeffen worden, die Zahl der Gonfulate bezeichnet aber 
unftreitig Kaifernamen, da in diefer fpätern Zeit man 
fein Beifpiel findet, daß ein Gonful zum Zten und der 
andere zum 2ten Male zugleich das Gonfulamt beffeidet 
haben. Selbft unter den Kaifern finden ſich nur 6 Beis 
fpiele diefes Falles, nämlich: 

Sm Sahre 161 Mark, Aurel. und Berug, 
— — 205 Garacalla und Geta. 

— — 48 die beiden Philippe. 

— — 215 Licinius und Gallienus. 
— — 32 Conſtantius und Conſtans. 
— — 394 Arcadius und Honorius. 

Der ſchoͤnen Schrift wegen ſcheint mir das aͤlteſte 
Conſulat den Vorzug fuͤr die Epoche unſeres Steins zu 
verdienen und ich glaube, daß das Jahr 161 ihn entſte⸗ 
hen ſah. 


21 


Uebrigens ift die Auslafung der Confulnamen öfters 
auf Denfmälern bemerkt worden. So findet fich auf eis 
nem Stein zu Rom vom Jahre 346 das Gonfulat fols 
gendermaßen angegeben: D. D. N. N. III, et III. Cos. 
(Murat. pag. 579, 1.) und auf einem andern zu Puz— 
zuoli lieft man Dedicata VIl, id, Oct, III, et semel 
eoss, (Reines, pag. 371.) 


X. 


1,0, M 


ET IVNONI 
REGINAE 
L. SECVND 
INIVS FA 
VORALIS 
IIIIII VIR AVG, 
CHE ISIN? SVOTD. 


Jupiter dem B. d. Gr. und Juno der Königin, fette 
auf feinem Grund und Boden diefen Denfftein, Lucius 
Secundinius Favoralis, Einer der Auguftaliichen 
Sechsmaͤnner der Stadt der Mattiafer, 


Ein vierediger großer Gelübdeftein mit einem acht— 
edigten Auffage. Er wurde zu Gaftel im Sahre 1808 in 
einem verfchütteten Brunnen gefunden. 


25 


Die Namen Secundinius und Favoralis find befannt. 
Der erfte ftammt von Secundus, Secundinus; der an— 
dere von Favor. Gewoͤhnlich find beide PBerfonalnamen. 

Die Seviri Augustales wurden gleich nach dem Tode 
Auguſts, von Tiber zum Tienfte im Tempel des neuen Got 
tes errichtet. Da der Kaiſer felbft und feine nächften Vers 
wandten Mitglieder dieſes College waren, fo kann mar 
denfen, daß es aus den vorzüglichften Bürgern gewählt 
wurde. In Rom ftanden fie in folchem Anfehen, daß fie 
bei ven Schaufpielen ihre Site um den Kaifer hatten. 

Shr Name Seviri fommt daher, daß im Anfange nur 
ihrer Scchfe waren, oder weil nur Sechfe den wirklichen 
Mriefterdienft verfahen und die andern als blofe Ehren 
priefter zu dem Golleg gehörten, denn es ift ficher, daß in 
Nom die Anzahl der Glieder desfelben fchon bei feiner 
Gründung auf fünf und zwanzig ftieg, aber in der Folge 
manche Veränderung erlitt. Auch in den Provinzen wur⸗ 
den fie eingeführt, da die Schmeichelei nach dem Beiſpiele 
der Hauptftadt dem Auguft überall Tempel baute, welche. 
nothwendig ihre Priefter haben mußten. In Gallien wurde 
der Haupttempel zu Lyon errichtet, worin alle Provinzen 
des Landes ihre Standbilder als gemeinfchaftliche Erbauer 
hatten. Auch außer Rom war die Zahl der Auguftalen nicht 
beftimmt, denn wir finden auf einer Steinjchrift zu Fo- 
rum Sempronii (Fofjombrone) deren 13 angeführt. 
(Grut, 150, 4.) Zu Rom fcheinen fie von ten Kaifern 
ernannt worden zu feyn, in den Provinzialftädten wurden 
fie von den beiden alten und jungen Bürgerflaffen ge— 
wählt; daher Augustales seniorum et juniorum, 

Man muß die Seviri Augustales nicht mit dem Sevi- 


26 


ratus mehrerer Städte, wo es ein Municipal-Colleg bils 
det, verwechfeln; doch war es fehr oft der Fall, daß eis 
ner beide Ehrenjtellen in ſich vereinte; daher heißt es auf 
Steinfchriften nicht felten; Sevir et Sevir Augustalis oder 
Idem Sevir Augustalis, 

Sn der Folge, ald die Vergötterungen der Kaifer 
häufiger wurden, vermehrten fich auch die Auguftalen; 
denn diefen Namen behielten auch die Priefter diefer fp&s 
tern vergötterten gemeinjchaftlidy, oder fie wurden nad) 
dem Namen derfelben: Adrianales, Aelianes, Antoni- 
niani u. f. w. benannt. 

In der Stadt der Mattiafen befand fich alfo ein 
Tempel eines vergdtterten Kaiſers; ob ed aber ein Tem⸗ 
pel Augufts war, ift wegen des allgemeinen Gebrauches 
des Worted Augustalis nicht zu beftimmen. Doch ift 
es mwahrfcheinlih, weil Germaniens, felbft Auguftas 
liſcher Priefter, in der Zeit der Errichtung des Sevirats 
am Rheine befehligte und nebft jeinem Vater der Stifter 
der rheinischen Anfiedelungen war. Sollte er nichts zur 
Verehrung Augufts gethan haben? Auf der andern Seite 
fcheint mir in diefer erften Zeit dag Castellum Drusi 
Cdenn an eine Stadt der Mattiafen kann noch nicht ges 
dacht werden) zu befchränft und unbedeutend, als daß 
es jchon einen Tempel Augufts befeffen haben follte. Zur 
Errichtung desfelben hätte man gewiß Magentiacum 
gewählt. 


27 


3. 


Ueber die Aquae Mattiacae, von Herrn Kirchen— 
rath C. Dahl in Darmftadt, 


Es ift unter den Gefchichtsforfchern und Geographen 
faft die allgemeine Meinung, daß Wiesbaden und 
deffen heiße Bäder die Mattiafer Waffer (Aquae 
Mattiacae) feyen, deren die Römifchen Schriftfteller Plis 
nius, Martial und Ammian Marcellin Ermähs 
nung thun. 

Erfterer meldet Folgendes: »Auch find in Deutfchland 
die Mattiafifchen heißen Quellen, deren ge 
ſchoͤpftes Waffer drei Tage lang warm bleibt, um den 
Rand aber einen Bimsſtein CBadftein) anfegt.*) « 

Der Sänger Martial berichtet von den -Mattia 
fern, daß fie Handel trieben mit jelbft verfertigten Sei 
fenfugeln zur Stärfung der Haare, und Ätender 
Seife *) zur Erzeugung blonder deutfcher Haare. 

Gaustica Teutonicos accendit spuma capillos, 


Captivis poteris cultior esse comis, ?) 

1) Sunt et Mattiaci in Germania fontes calidi, quorum haus- 
tus tridue fervet, circa margines vero pumicem feriunt 
aquae (Plinius hist. nat, L, 31, C. 2.) 

2) v, Martial, L. 14, Ep. 26. 

*) Sollte Martial, wenn die zuerft (Epist 14.) angeführte Stelle 
defielben fi überhaupt auf Wiesbaden beziehen läßt, durd) 
eaustica spuma nicht vielleicht den lockeren (ſchaumartigen), 
rothen Kalfniederihlag unſers falzigen Thermalwaf: 
ſers felbft haben bezeichnen wollen? Leicht modte er den 
Germanen zur Färbung der nad Tacit. Germ. 4. und def: 
fen Agricola e,ı1,, ferner Sueton, in Caligula c, 47. ald na: 


28 


Aetzende Seife, von ihr entbrennt das Gelod der 
Teutonen, 

Holder ſchmuͤcket fie dich als der Gefangenen Haar. 
Ferner: 

Si mutare paras longaevos cana capillos, 

Accipe Mattiacas, quo tibi calva, pilas, ) 
Willſt du das alternde Haar durch Kunft verneuen, 
du Kahle! 

Nimm Mattiafifche Seiffugeln, fie dienen dazu. 2) 
Gewiß hatten die Mattiakifchen heißen Bäder die Vers 
anlaffung und nächte Gelegenheit zu Fertigung jener 
Seiffugeln und der Abenden Seife, fo wie zum Handel 
mit diefen Luxusartikeln gegeben. I) Beides fegt alfo die 
Eriftenz und den Gebrauch der Mattiafifchen Bäder für 
die Amer voraus. Aus der römifchen Gefchichte des 
Ammianus Marcellinus erfahren wir Folgendes: Als 
noch Caͤſar Zulian in Gallien befehligte, fuchte Macria- 
nus, einer der alemannifchen Könige, Friede und Freunds 
fchaft bei den Römern, welche auch ihm und feinem 


tionell befhriebenen röthlichen Haare (rutilae 
comae) dienen. Wiewohl zwar auch Plinius (Hist, nat, 
Lib. 28. c. 51) ausdrudfih von einer Seife (sapo) 
redet, womit die Gallier ihrem Haar eine röthlichere Farbe 
zu geben gewußt hätten, fo möchte unter den Pilis, womit 
die Mattiaken Handel trieben, wohl eher die aus diefem 
färbenden Badefinter geformten Kugeln zu veritehen 
feyn. dv. 9. 
PR 'CHEp. 37 


2) Gene Handelfchaft bezeichnet audy ein bei Birftadt, unweit 
Wiesbaden, aufgefundener Votivſtein mit der Inſchrift: 
Deo Mercurio Nundinatori. S. Annalen 9. I, p. 16. 


29 


Bruder Zariobaudus zu Theil wurden. I Mafrian blieb 
jedoch in der Folge feinem Worte nicht getreu; dafür 
wollte ihn der Kaiſer Valentinian züchtigen. Erſterer 
hielt fich, vermuthlich Franfpeitshalber, bei den Mat> 
tiafifchen Waffern auf, darım ließ DValentinian vor 
Mainz aus, oder bei Mainz, eine Schiffbrüdfe über den 
Rhein fchlagen, um denfelben in feinem Badeorte zu 
überfallen. Nachdem alles vorbereitet war, ging er über 
den Fluß. Keiner von den Nömern hatte Laſtthiere oder 
Zelte, nur Valentinian felbft gebrauchte ftatt des Zeltes 
Teppiche. Die Truppen trafen unterwegs auf einige 
Trödfer (Scurras), die mit Sclaven handelten. Diefelben 
wurden geplündert und getödtet, damit nichts durch fie 
verratben würde. Dann ruheten fie wegen der nächtlichen 
Finfterniß. Den Soldaten wurde ernjtlich verboten, zu 
brennen und zu rauben; jedoch vergebens. Makrians 
MWächter wurden durch die auflodernden Feuer und Das 
wilde Gefchrei aufgeregt, und ahnend, was da vorgehen 
folle, feßten fie den König auf einen fchnellen Wagen 9, 
und brachten ihn auf einem engen Wege in unzugängliche 
Berge. Valentian, voll Ingrimms, ließ das feindliche 
Land bis zum fünfzigften Steine 3) verwüften, und fehrte 
fummervoll nach Trier zurück, wo er an Mafriand Stelle 
Fraomar zum König der Buccinobanten, einer 
gegen Mainz über wohnenden alemannifchen Nation, ers 


2) Ammian. Marcell, XVIII., 2. 
2) Carpento veloci (Kabriofet.) 


) d. h. in einer Ausdehnung von 50 römischen — oder 10 
deutſchen Meilen. 


30 


nannte, bald aber, weil das ganze Land zu fehr verwuͤſtet 
war, von da wieder wegnahm, und nach Brittanien als 
Tribun verfegte.) Mafrian nahm bald wieder Befis von 
feinem Lande, und wurde den Nömern furchtbarer wie 
vorber, ja er drohete fogar Gefahr den Mauern von 
Mainz. ) Diefe und andere eingetretene Verhaͤlt— 
niffe nöthigten den Kaifer Valentinian, fein Benehmen 
gegen Mafrian zu Ändern, Er ließ demfelben eine hof 
liche Einladung zugeben, und fand ihn zu einem Buͤnd⸗ 
niffe bereit, Mafrian fam, aͤußerſt aufgeblafen, ald der 
überlegene Unterhändler des Friedens, und ftand, hoch 
aufgerichteten Hauptes, am Ufer ded Rheins, umraufcht 
vom Klirren der Schilder feiner Fandsleute. Der Kaifer 
näherte fich mit feiner Begleitung in Flußfahrzeugen vor 
Mainz aus dem jenfeitigen Nheinufer, wo ihn der Glanz 
feiner Waffen fenntlich machte, und als die unbefcheides 
nen Geberdungen und das Gelärm der Barbaren endlich 
geftillt waren, und man bin und her gefprochen und uns 
terhandelt hatte, wurden Frieden und Freundfchaft mit— 
telft Eidfchwur begründet. Valentinian Fehrte hierauf 
ind Winterlager nach Trier zuruͤck. 9) 

Borerzählte Begebenheit fällt in das Jahr 371 und 
in den September, denn am 6. diefes Monats war der 


1) Ammian, Marcell, L, XXIX. , 4 

2’; Hiernah fheint Mafrian in der Nähe von Mainz, ver 
muthlich zu Wiesbaden, oder auf dem Sonnenberge, fei: 
nen Wohnfik gehabt zu haben; auch Kaftel jenfeits 
Mainz war in feiner Gewalt. (9) 

3) Amm, I, XXX. 7 3, 





31 


Kaifer VBalentinian noch in Mainz, und bald darauf 
fcheint jene mißlungene Expedition gegen Mafrian unters 
nommen worden zu feyn. ') 

Diefelbe giebt übrigens den Stoff, und Iieferte auch 
bis jest den Beweis zu der Meinung, welche bei den Ges 
lehrten fait allgemein ift, daß Wiesbaden jene Aquae 
Mattiacae feyen, bei welchen der alemannifche König Mas 
frian feiner Gefundheit halber fich aufgehalten habe, und 
dort vom K. Balentinian mit einem Ueberfalle heimgefucht 
worden fey. 

Sch will, ftatt aller, nur meinen verehrten Freund, 
den Herrn Geheimen Nath von Gerning, hier fprechen 
laſſen. Deffen Worte (in dem fchönen Werke: Die Rhein: 
gegenden« ꝛc) find folgende: »Zur Zeit ded Vespaſian be: 
lagerten die, von den Nömern durd; Soldatenftellung 
und Werbungen mißbrauchten, tapfern Mattiafen, 
unter der Anfuhrung des Claudius Civilis, mit den Bar 
tavern, Katten und Ufipiern das Roͤmiſche Mainz, 
(Tacitus H. L. 4. C.57) Wiesbaden befaßen fie 
noch im Kriege der Allemannen, deren König Mafrian 
bier im Sahre 371 gerade die Bäder gebraucht hat, als 
ihn Balentinian von Mainz aus überfil. Er 
wurde zu den Buccinobanten getragen, und rädhte 
fi; bald an den bhinterliftigen Feinden; worauf ihm 
das umher liegende rechte Main- und Nheinufer, nebft 
Gaftel, das dann eine Civitas Mattiacorum ward, 
vom Römer feierlich abgetreten worden. (Ammianus 





) Shmidts Gefh. d. Großherzogthbums Heilen, II. Theil, 
©. 345. 





32 


Marcellinus L. 29, C, 4etL, 30, C 5.) — &p, oder 
anf ähnliche Art erzählen auch die meiften übrigen Schrifts 
fteller, welche ex professo oder gelegenbheitlich über Wies— 
bade@ fchreiben, dieſe Begebenheit. Nur Einiges erzählt 
Freund Lehne Cin feinem biftorifch - ftatiftifchen Sahrbuche 
des Departements vom Donnersberge fir das Jahr 1801, 
©. 36.) auf andere Art, was ich darum bier anführen 
muß. Als derſelbe nämlich von dem Ueberfalle redet, 
welchen Valentinian gegen Mafrian auszuführen im Sinne 
hatte, fpricht er von erfterem folgendes: „Er (Valenti⸗ 
nian) Fam nach Mainz mit wenigen Truppen, ließ aber 
unterdeffen feinen Legaten Severus bei Walluff über 
den Rhein geben, und ftieß in der Nacht bei Aquae 
mattiacae (Wiesbaden) zu ihm u. |. w.“ — Nach Lehr 
ne's Meinıng wären alfo die Römer auf zwei Seiten, 
zu Mainz und zu Walluff über den Rhein gegangen, 
um den Mafrian in Wiesbaden zu überfallen, welche 
Meinung man, meines Wiffens, bei feinem andern Schrifts 
fteller findet. 

Doch — vergleichen wir nun diefe und andere aͤhn⸗ 
liche Meinungen und Angaben der Gelehrten mit Am; 
miang Erzählung. In derfelben ift von einem bedeuten 
den Marſch die Rede, der nicht in einem Tage gemacht 
wurde, denn ed wird ald Entbehrung angezeigt, daß 
feiner von den Römern das fonft nöthige Laftthier und 
Zelt gehabt, und felbft der Kaifer mit und unter Teps 
pichen fich behelfen mußte; e8 wird gemeldet, daß fie uns 
terwegs Troͤdler (wandernde Kaufleute) angetroffen, wels 
che fie, aus Furcht verrathen zu werden, beraubt und 
umgebracht hätten, daß die Nacht endlich eingebrochen 


33 


und die Finfterniß fie verhindert habe, weiter zur marfchis 
ren, und fie demnach der Ruhe gepflegt hätten u. f. w. 
Nun aber fage ich: Wenn die Römer den König Mafrian 
in Wiesbaden überfallen wollten, fo brauchten fie mes 
der von Mainz noch von Walluf eine Tagreiſe, vielwes 
niger aber noch eine Nacht dazu; fie hatten auch weder 
Raftthiere noch Zelte nöthig, indem befanntlich Wiesbaden 
nur zwei Fleine Stunden von Mainz oder Gaftell und von 
Walluf entfernt ift. 

Ferner: Wäre Mafrian zur Zeit des UWeberfalles in 
Wiesbaden geweſen, fo hätten feine Wächter zu deffen 
ſchneller und ficherer Wegführung weder unzugängliche 
Berge noch die engen Wege angetroffen, wovon Ammian 
fpricht, die man, nämlich bei Wiesbaden, vergebens 
ſucht. 

Der natuͤrliche Schluß aus allem dieſem ſcheint mir 
demnach folgender zu ſeyn: Makrian war nicht in Wies— 
baden, und gebrauchte die dortigen Baͤder nicht, als der 
Ueberfall ihm drohete; folglich waren auch zu Wiesbaden 
jene Aquae Mattiacae nicht, von welchen Ammian in 
ber angefuͤhrten Stelle ſpricht. Diefe, meine Meinung, 
ift indeffen nicht neu, Kremer bemerft, Cin der Ges 
fchichte ded Nheinifchen Franziens, ©. 7, not, n) fol 
gendes: Die Aquas Mattiachs erflären unfere Kritider 
für Wiesbaden .... Mein Wiesbaden ift meines Bes 


Ich habe verfücht, am Ende diefer Abhandlung aud meine 
Anfiht über die Erklärung der Stelle Ammian’s, jedoch 
salvo meliori zur unparteiifhen Prüfung vorzutragen. 

v.9 
3 


34 


duͤnkens allzu nahe bei Mainz gelegen, als daß die Bw 
fchreibung Marcellin's auf fie angewendet werden kann. 
Es liegt auch mehr in einer Ebene als auf einem Gebirge, 
wie der Taunus oder der Cinrich befchrieben wird.» — 
Der Geheime Rath Schmidt, welcher, in feiner Ges 
fchichte des Großherzogthbums Heffen, 1. Band, ©. 19 und 
38, die Erzählung Ammian’s faft wörtlich anführt, fagt in 
der Note d: »Dbige Erzählung erlaubt wohl nicht, die 
Matttiafer Waffer in Wiesdaden wieder zu finden; 
fie fcheint vielmehr eine größere Entfernung von Mainz vorz 
aus zu fegen. # — 

Bodmann nennt Cin den Nheingauifchen Alterthit- 
mern, ©. 730) die Erzählung Ammian’s eine bekannt; 
lich auf die warmen Quellen zu Wiesbaden unanwend- 
bare Stelle.“ — Aber er thut noch mehr. Er giebt 
warme Quellen an, welche zur Situirung der Wäffer der 
Mattiafer, nad) der Erzählung Ammian’s, völlig genuͤ— 
gend erfcheinen, wie er glaubt. Diefe warmen Quellen 
findet er bei Asmannshaufen im Rheingau Cin einer 
Entfernung von Gaftel von beinahe 8 Stunden) Zur 
Begründung der wirklichen Eriftenz diefer Quellen führt er 
eine Urfunde v. J. 1489 wörtlid; an, worin Erzbifchof 
Berthold von Mainz befennt, daß er feinem getreuen 
Hanſen Sigler von Ajcaffenburg gegönnet und ers 
laubt habe, das warme Waffer im Rheine bei Asmanns— 
haufen (Hafemannshaufen), im Rheingau gelegen, auf 
feine Koften zu juchen, davon er jedoch das halbe Theil 
dem Erzftifte zu deffen Nuten zuzuftellen habe. Als aber 
Sigler nach viel angewandter Mühe und Arbeit es nicht ges 
funden, fo hat diefer den Domdechantzu Mainz, Bernhard 


35 


von Breitenbad, zur Mithilfe und Mitgenuß des hal 
ben Theil3 angenommen, wozu gedachter Erzbifchof in 
bemeldeter Urkunde feine Einwilligung ertheilt, das andere 
halbe Theil aber ſich und feinem Erzftifte wiederholt vors 
behält. Zugleich wurde beredet und ausgemacht, daß, 
wenn die Quelle wirflich aufgefunden würde und benutst 
werden fünne, das dazu nöthige Gebäude, daß heißt: die 
Hanfung mit Herberge, Mauern und fonftigem Zugebör, 
auf beiderfeitige Koften errichtet, das Furfürftfiche Theil 
aber, ſammt dem Nechte der Beherbergung, des Wein 
ſchanks und der Atzung als Lehn dem gedachten Hang 
Sigler und feinen Erben, fo wie dem bemeldten Domdes 
chant überlaffen werden ſolle ꝛꝛ. Ob — und was hierauf 
weiter gefcheben ift, hierüber bringt Bodmann Feine Nachs 
richt bei,*) findet aber die Meinung, daß dort, bei Ag: 
mannshaufen, die Aquae Matliacae gewefen feyen, nicht 
umvahrfcheinlich; ja er hält jogar die Ableitung des Worz 
te8 Asmannshaufen von Aquae Mattiacae nicht ganz von 
allem Scheine entblößt, welcher Schein mir jedoch nicht 
recht leuchten will, man müßte denn annehmen, daß As— 
mannshaufen urfprünglich Asmattshuſen (Hufen ad Aquas 
Mattiacas) geheißen babe. 

Der bekannte Gelehrte und Mainzer Gefchichtsforfcher 
Schunk meldet in feinen binterlaffenen, fehr reichhaltigen 
Papieren von der obyedachten warmen Quelle folgendes: 
„Am Ufer des Rheins, unterhalb Afmannshaufen, 


*) Sc behalte mir vor, über die Schieffale und die Faſſung 
diefer Quelle im Mittelalter, aus urfundlihen Nachrichten 
fpater Einiges mitzutheilen, 

d. 9: 


36 


bat man unterschiedliche Mineralquellen entdeckt, und uns 
ter andern floß ehemals ein dem Wiesbader Brunnen 
ähnliches heißes Waffer hervor, welches, ald man es zu 
Anfang dieſes Jahrhunderts (des achtzehnten) faſſen laffen, 
hernach einen Ausbruch im Bette des Rheins genommen hat. 
Seitdem fonnte man die Quelle nicht mehr anders, ald mit 
kaltem Waffer vermiſcht, , antreffen. « 

Der Rheinifche Antiquarius aͤußert fih Cin der 
Auflage von 1744, ©. 595) über bemeldete Quelle folgens 
dermaaßen: Unterhalb diefem Drte (Aßmannshauſen), 
hart am Ufer des Rheins, fol ehedeſſen ein überaus koſt— 
bares warmes Bad gewefen jeyn, davon ficy aber die 
Duelle nad) dem Rhein zu verloren habe. Man hat Lies 
felbe mit großer Mühe, aber nur vergebens, zu finden 
geſucht. Die Merkmale von diefer Arbeit find noch zu 
fehen. « 

Lebtere erinnert fich der Verfaſſer dieſes Auffages in 
feinen jüngeren Sahren ebenfalld gefehen zu haben; es 
waren aber nicht blos hinterlaffene Spuren des Verfucheg, 
fondern man fah die Spuren der fchon unternommenen 
Faſſung der Duelle, welche Schunk richtig bemerkt hat. 


Man findet auch folche auf mehreren Landcharten des 
Rheingaues, namentlich auf dem erften Blatte der Pom— 
mer'ſchen Charte von Heffendarmftadt, und auf dem 
zweiten Blatte der großen Dewarat’fchen Charte vom 
Rheinftrome, bezeichnet. 

Jene warme Quelle paßte allerdings beffer zu der Er 
zaͤhlung Ammian’s, befonderd auch in Anfehung der nahen 
unzugänglichen Berge und ded engen Weges Cvon AB 


37 


mannshaufen nach Aulhaufen), welch beides man nicht 
bei Wiesbaden findet. 

Nur allein das enge Terrain bei Aßmannshaufen 
macht, in Betreff des Ueberfalld die Sache etwas ſchwie— 
rig. Bodmann behauptet aber: der Rhein fey vormalg 
weiter von Apmannshaufen entfernt gewefen, als gegens 
wärtig. *) 

Daß in Alteren Zeiten wirklich eine Badeanftalt bei 
Aßmannshauſen muß gewefen feyn, folches Iehrt die von 
Bodmann beigebrachte Urkunde, meines Erachtens, zur 
Genüge, denn wie hätte fonft fo zuverfichtlih von Er 
bauung eined Bad⸗ und Wirthshauſes darin die Rede feyn 
fönnen, wenn man nicht gewußt hätte, daß fchon früher 
eine folche Bades und Wirthfchaftsanftalt dafelbft eriftire 
babe, und zwar nicht allein zum Heile der Badenden, fon» 
dern auch zum DVortheile der Entrepreneurs, indem man 
feine Mühe und Koften fchenete, die Quelle wieder aufzus 
finden, und der Kurfürft es nicht für zu Fein bielt, fich 
und feinem Erzftifte einen Antheil davon vorzubehalten. 

Wenn aber — fo wird Meancher hier denfen — die 
Aquae Mattiacae des Ammian ber Aßmannshaufen zu 
fuchen und zu finden find, fo waren es die heißen Quels 
len zu Wiesbaden nicht, was jedoch fehr zu bedauern 
wäre, indem der Name Aquae Mattiacae für Wiesba⸗ 
den fat allgemein angenommen ift. 


*) Dieß mwiderfpricht der Wefunde, worin die Quelle als von 
dem Rhein bevedt, bezeichnet ift: Die fhroffen Berge auf 
beiden Seiten wiefen dem Rhein ohnehin ein enges Beit 
an. d. H. 


38 


Allerdings ift aus der Erzählung des Ammianus Mars 
cellinus klar einleuchtend, daß die von ihm benannten 
Aquae Mattiacae nicht zu Wiesbaden zu fuchen find, *) 
aber daraus folgt noch nicht, daß die Wiesbader heißen 
Quellen feine Aquae Mattiacae feyn könnten. Vielmehr 
glaube ich, daß die Römer ſaͤmmtliche Mineralquellen 
und Bäder im Lande der Mattiafer mit dem Namen 
Aquae Mattiacae bezeichneten, mithin auch die Quellen 
und Bäder zu Wiesbaden. Auf diefe glaube ich auch 
beziehen zu müffen, was Plinius von den Mattias 
fer beißen Quellen fihreibt, auch feheint mir es fait 
gewiß, daß die Seifen» und Negfugeln, wovon Mars 
tial fingt, bei und für die Bäder zu Wiesbaden vorzüge 
lich gefertigt wurden, mithin bleibt der Name Aquae 
Mattiacae für Wiesbaden nach wie vor ungefräuft; nur 
darf er nicht aus Ammian bewiefen werben. 

Ueber die Etymologie des deutfchen Wortes Wies> 
baden laͤßt fich ungefähr Folgendes fragen: die Mattias 
fer gehörten zu dem Volke der Allemannen, deren Könige 
Mafrian und Hariobaud unter Kaiſers DValentinian 
Regierung vorfommen. Als eine Unterabtheilung gehürs 
ten auch dahin He Buccinobanten — die Bewohner 
der höheren Regionen, namentlich des heutigen Trom— 
peters, über welche Makrian ebenfall® als König res 
gierte. Im Gegenfage von diefen Buccinobanten wurden 
die in der Ebene wohnenden Völfer der Alemannen jen- 
feits Mainz Mattiafer, d. i. Mattenbewohner, 


*) Man vergleihe den Anhang. 
dv. H. 


39 


nämlich Bewohner von ebenen, befonderd wiefenreichen 
Gegenden — denn Matte ift das alte deutfche Wort für 
Wieſe — genannt. Sn einer diefer wiefenreichen Gegenden 
waren heiße Quellen, welche darum Aquae Mattiacae, 
Mattenbäder genannt wurden. Daraus entftand nun, 
vermuthlich, in der Folge das Wort Wies- oder Wie 
fenbäder, und der Ort, wo folche fich befanden, wurde 
Wiesbad genannt. 

Daß übrigens die Benennung Aquae Mattiacae nicht 
allezeit mit Mattenbäder zu überfegen fey, fondern folche 
auch die Bäder im Lande der Mattiafer überhaupt bes 
zeichnen koͤnne, folches erhellet aus dem, was oben bei 
den heißen Quellen bei Aßmannshaufen gejagt wurde. 

Daß die Ufipeten oder Ufipier bei Wiesbaden 
jemald gewohnt, und fie diefem Orte den Namen Fis- 
bium gegeben haben — hierzu mangelt ein ficherer Grund. 
Dielmehr ift zu glauben, daß die Ujipeten, wenigſtens 
eine Zeit lang, die Anwohner der Uß oder Ufe, in der 
Wetterau gewefen, und fie der Stabt Ufingen viel 
leicht Namen und Entftchung gegeben haben. 

Sch komme nun auf einen Umftand, deffen ich früher 
fhon Erwähnung that, der aber noch einer weiteren Er 
Örterung bedarf. Meine Behauptung ging nämlich Cm 
der Note2.S.30.) dahin: Kaftell, gegen Mainz über, ſey 
damals, als Makrian von den Römern überfallen wers 
den follte, in der Gewalt des erfteren gewefen. Ganz 
entgegen gefeßter Meinung ift Herr von Gerning, da 
er, in dem fchon angeführten Buche, ©. 6, folgendes 
fchreibt: »Er (Makrian) wurde zu den Buccinobanten 
getragen und rächte fich bald an den hinterliftigen Seins 


40 


den, worauf ihm das umberliegende rechte Mains und 
Rheinufer, nebft Caftell, alsdann eine Civitas Mattia- 
corum ward, vom Nömer feierlich abgetreten worden. 
(Ammianus Marcellinus L. 29. C. etL. 50 C.5)u — 
Auf folche Art wären Mafrian und die Mattiafer erft, 
nach wieder hergeftelltem Frieden, im 3. 371, in den Bes 
fis von Caſtell gefommen, und legterer Ort fodann eine 
Civitas Mattiacorum geworden. — Allein, die Sache vers 
hält fi, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, ganz 
anderd. Denn erftens ſteht in den beiden angeführten 
Stellen hiervon Fein Wort, und zweitens wiffen wir aus 
bem, was Freund Lehne im Rheinischen Archive, I. Band, 
©. 1238. u. f. über Mainz und feine Bewohner 
zur Zeit der Römer, Neues und Schönes beibringt, 
daß das Castellum Drusi, das nachherige Caſtell oder 
Gaffel, bereits in den Sahren 215 und 236 nach Infchrif 
ten ) ald eine ‚Civitas Mattiacorum erfcheint, und folche 
nicht erft im J. 371 oder 372 geworden iſt. Hoͤchſtens 
fonnte alfo in der erwähnten Friedensuerhandlung von ei 
ner Beftätigung des Beſitzes und Namens die Rede feyn. 
Wenn Ptolemäus ein Mattiacum anführt, wofür 
man Wiesbaden hält, fo fcheint mir letzteres nicht fo 
ganz ausgemacht zu feyn, indem er auch dadurd) den 





2) Diefe für unfere Gegend wichtigen Inſchriften find nochmals 
dur die Güte unſers verehrten Lehne pag- 18 — 26 mit Zus 
fägen mitgetheilt worden. Daß übrigens die darin ges 
nannte Civitas Mattiacorum, Caſſel bei Mainz ſeyn müffe, 
bezweifle ich fehr. Die ausführlihe Mittheilung meiner 
Gründe nebft den Abbildungen diefer Denfmäler, auf ein 
andermal. dv. 9. 


41 


Hauptort der Mattiaker — Mattium — oder auch die Ci- 
vitas Mattiaca — das heutige Caſſel — darunter verftans 
den haben koͤnnte. *) 

Schließlich muß ich noch auf eine Stelle aufmerffam 
machen, welche man in den Franffurter Gemeins 
nüslichen Blättern v. 3. 1813, ©. 267 lieft, wo 
nämlich der Uns unvergefliche Habel behauptet: die fos 
genannte Heidnifche Mauer in Wiesbaden habe nie 
als Mauer eines römifchen Caftells gedient, obfchon man 
fie dafür ausgegeben habe u. f. w. 

Es wäre fehr zu wünfchen, daß irgend ein Kunft- und 
Sadjverftändiger diefe Mauer — fo viel davon noch übrig 
iſt — an Ort und Stelle gehörig unterfuchte, um zu erfah— 
ten, ob Habel richtig geurtheilt, und fo unfern deutfchen 
Urvätern ein Werf vindicirt habe, was ihnen auf jeden 
Fall Ehre machte. **) Auf der Abbildung der Stadt Wies⸗ 
baden bei Merian, in Topographia Hassiae et Regio- 
num vieinarum, p, 142, ift aud) die Heidenmauer, 


*) Dieß ift nad) feiner genauen Angabe der Breitegrade nicht 
deufbar, wonach deflen »Mactiadum u vielmehr in der 
Gegend von Marburg, nad) Andern bei Berleburg oder 
Battenfeld zu fuchen wäre, d. 9. 

**) Die fogenannte Heidenmauer gehört, wie mein verftorbener 
Vater richtig bemerkte, keineswegs zu dem Gaftell, welches, 
noch an der Wallabvahung feiner Oſt- und Südfeite ers 
Pennbar, oberhalb des Kirhhofs aufder mit dem Namen 
Heidenberg bezeichneten Anhöhe lag, fondern fie ſchloß den 
öftlihen Theil der bürgerfihen Stadt ein, wie die nad 
Außen vorfpringendeu halbrunden Thürme beweifen. Die 
Beihreibung diefer intereflanten Heberrefte aus der römis 
fhen Periode bleibe der Folge vorbehalten. 


d. 9. 


42 


nebft der Heidenpforte, zu jehen. Heut zu Tage beißt, 
meines Wiſſens, das Thor, durch welches man auf den 
Kirchhof geht, das Heiden» oder Kirchhofthorz Ießs 
tere Benennung, bezieht fich auf feine gegenwärtige Beftims 
mung. Das Gäßchen, durch welched man zur veformirs 
ten Kirche geht, heißt das Heidengäßchen. 





Zufaß des Herausgebers. 





Es fey mir erlaubt, in der Kürze auch meine Meinung 
über VBalentiniang Zug (i. 3. 371) nad) den Aquis. 
Mattiacis vorzulegen. 

Mehrere ausgezeichnete Schriftfteller, deren Anficht 
auch der gefchäste Verfaffer vorfiehender Abhandlung theilt, 
fchließen aus der Stelle Ammians *) auf einen weitern 
Marſch des römischen Heeres zum Ueberfall des Allemanen; 
koͤnigs Makrian und glauben, daß unfer Wiesbaden wegen 
zu geringer Entfernung von Mainz nicht unter den Aquis 
Mattiacis verftanden feyn fünne. Mir fcheint die anges 
führte Stelle recht gut auf Wiesbaden zu paſſen. Die. 
Worte des Originals im Zufemmenhang mögen entfcheiden, 

«Agitabatur autem inter multiplices curas id om- 
nium primum ct potissimum, ut Macrianum Regem — 
vi superstitem raperet vel insidiis, ut multo ante Va- 
domarium Julianus: et provisis quae negotium posce- | 


bat et tempus, cognitoque transfugarum indiciis, 





*) Ammian, Marcellin. L, XXIX. c. 4. Ed, Hauris. p, 578 





43 


ubi comprehendi nihil opperiens poterit antedictus, 
tacite quantum concessit facultas, ne qui conserendo 
officeret ponti, junxit navibus Rhenum. Et antegres- 
sus contra Mattiacas aquas primus Severus, qui pe- 
destrem curabat exercitum, perpensa militum pauci- 
ale territus sietit, timens ne resistere nequiens, irruen- 
tium opprimeretur hostilium agminum mole. Et quia 
suspicabatur venalia ducentes mancipia scurras, casu 
illie repertos, id quod viderant excursu celeri nun- 
tiare, cunctos mercibus direptis occidit. Adventu 
ilaque plurium copiarum animati judices; castrisque 
adtempus brevissimum fixis, quia nec sarcinale ju- 
mentum quisquam nec tabernaculum habuit praeter 
Principem, cui tapetes suffecerant pro tentorio: pa- 
rumper ob tenebras morati nocturnas , exsiliente pro- 
einetu pergebant ulterius, itinerum gnaris ducentihus, 
equitatu cum Theodosio rectore praeire disposito.... 
— extento strepitu suorum est impeditus: quibus as- 
sidue mandans, ut incendiis et rapinis abstinerent, 
impetrare non potuit, Ignium enim crepitu dissonis- 
que clamoribus satellites exciti, idque quod accide-. 
ratsuspecti, carpenta velaci impositum Regem angusto 
aditu circumfractis collıbus abdiderunt. Hoc Valenti- 
nianus gloria defraudatus, nec sua culpa, nec Ducum, 
intemperantia militis, quae dispendiis gravihus saepe 
rem Romanam afllıxit, adusque quinquagentesimum 
lapidem terris hostilibus inflammatis, rediit Treveros 
moestus,» etc, 

Balentinian fchlägt alfo nad) gehöriger Vorberei— 
tung und eingezogener Nachricht über Macrians Aufent 


44 


halt, in möglichfter Stille eine Schiffbrücfe über den Rhein. 
Daß es von Mainz aus gefchebeg ſey, darüber find alle 
einig. Die Vorficht, beim Schlagen der Brüde alle Ge; 
räufch möglichft zu vermeiden, wurde geboten durd) die Bes 
forgniß, am der Aufftellung der Brüde gehindert zu 
werden. ) Wahrjcheinlich geſchah es alfo bei Nacht. 
Man könnte hieraus folgern, daß entweder die Römer den 
gegenüber liegenden Bruͤckenkopf Caffel nicht mehr müßten 
im Befit gehabt haben, oder wenn fie ſich an diefem Drt 
von den Deutfchen beobachtet glaubten, den Uebergang an 
einem andern Drte bewerfitelligt hatten, um die Feinde 
zu täufchen, wie e8 die Römer früher einmal in dem Feld» 
zug Sultans gegen die Aemannen im Jahre 358") beinah an 
derfelben Stelle mit Gluͤck verſucht hatten. Einen folchen 
etwas entferntern Uebergang würde etwa die Ingelheimer⸗ 
und Petersau, welche ungefähr eine halbe Stunde unters 
halb Mainz, den Rhein in drei fchmale Arme theilen, ers 
feichtert und den größten Theil der Bruͤcke jenfeits der beiden 
Inſeln verborgen haben. Dem untern Theil der Petersau 
gegenüber, ift auf dem höchiten Punct des rechten Rheins 
ufers eine Stelle nahe an der heffifchen Grenze, welche den 
Namen Amöneburg führt. **) Die Spurenvon Mauerwerk, 
welche fich beim Pflugen fonft häufig hier zeigten, fo wie bie 
noc auf der Oberfläche vorfommenden Bruchflüde von 
sömifchen Mörtel und Ziegeln, laffen eine Warte oder 
Briücenfchanze vermuthen, wenn man den römifchen Fun 


*) „Ne qui conserendo officeret ponti‘ 

**) Ammian Marc, XVII, c. ıo. 

er) ©. die Charte zu v. Gernings Rheingegenden. Wiesba— 
den 1519. 


45 


damenten, welche gerade gegenüber am jenfeitigen Rhein— 
ufer in der Nähe der ehemaligen Raimundiſchanze am Ende 
der Rheinallee noch jetst zu Tage ausgehen, eine Ähnliche 
Beftimmung beilegen will. 

An diefer Amöneburg oder 20 Schritte davon am wefts 
lichen Abhange, Fonnte unter dem Schuße der bergenden 
Anhöhe, der Uebergang leicht ftatt haben, — Man betrachte 
nur die Localitaͤt. 

Der Lauf des Salzbaches oberhalb der Churfürftens 
mühle zeigte ihnen den Fürzeften Weg nach Wiesbaden. 
Das enge Wiejenthal verdeckte ihre Bewegung. Noch näher 
bezeichnet der Ausdruck: «antegressus contra Mattiacas 
Aquas,» den Uebergangspunft, — naͤmlich Wiesbaden 
gegenüber. Aus den Wort «antegressus» möchte alfo 
wohl auf Fein Boraudeilen zu Schließen ſeyn, indem es augs 
drücklich heißt: daß Sever mit feinen zu er ſt übergegangenen 
Fußfoldaten, feine geringe Streitfräfte erwägend, beforg» 
nißvoll teben geblieben fey, da er, unvermögend Wis 
berftand leiften zu fünnen, dem Ueberfall eines feindlichen 
Heerhaufens erliegen zu müffen fürchtete *). 

Durch weiteres Vorruͤcken im Gebiet der zum Kampf 
gerüfteten Alemannen würde er fich offenbar der Gefahr 
ausgefest haben, von den Uebrigen abgejchnitten zu werden, 
und das fo forgfältig vorbereitete Wrojeft, wäre voraus; 
fichtlich gefcheitert. Denn hätten die Römer nicht großen 
Widerftand erwartet, fo würden fie die Aufhebung Macriang 
mit einem kleinen erlefenen Corps, welches fich viel leichter 
auf Schiffen überfegen ließ, haben bewirken fünnen. Eine 





*) „Perpensa militum paucitate territus szetit, timensne resistere 
nequiens, irruentium opprimeretur hostilium agminum mole.“ 


46 


bedeutende Truppenmaſſe war aber zu diefer Unternehmung 
die der Kaiſer perfünlich Teitete, nöthig erachtet worden und 
dazu gebrauchten fie cben die Schiffbruͤcke. Sever hatte 
aljo feine Urfache, mit feiner Handvoll Leute in der Fin⸗ 
ſterniß auf geradewohl vorauszugehen, ſondern er mußte 
ſorgfaͤltig darauf bedacht ſeyn, ſeine Landung zu verheims 
lichen, und fich fomohl, als den Uebergang des nadhrüß 
kenden Heeres durch ein Lager dicht am Landungsplatz 
zu ſichern. Die Furcht vor der Entdeckung war auch ſo 
groß, daß er die, bei dem Betreten des diesſeitigen Ufers 
zufaͤllig angetroffenen Sclavenhaͤndler ſogar toͤdten ließ. 
Das Nachruͤcken mehrerer Truppen erm uthigte erſt 
wieder die Uebergegangenen )), und nachdem fe in dem nur 
für den Augenblick abgeſteckten Lager **) fich wegen nächts 
licher Finfterniß nur kurze Zeit verweilt hatten, fegten 
fie fich, von fundigen Wegweifern geführt, — die Reiterei uns 
ter Theodofius Befehl an ihrer Spiße, weiter in Bewegung. 

Su den Worten: daß die Römer weder Kaftthiere noch 
Zelte mitgenommen und der Kater jelhft fich mit einem Tep⸗ 
pich begnügt habe, kann ich nicht den Ausdruc einer Ent 
behrung bei einem fo langen Marfc finden. Die ganze 
Unternehmung mußte ja, wenn fie gelingen follte, ſtill in 
der Nacht vollbracht werden, und das ift, wie mir fcheint, 
deutlich genug gefagt. Von einem bedeutenden Marſch, der 
nicht in einem Tage gemacht werden konnte, finde ich 
in Ammian eben fo wenig eine Andeutung, als von 
einem Doppelten Uebergang zu Mainz und zu Nieders 
walluf. Gepaͤck und Zelte waren daher überflüffig, 





*) „Adventu itaque plurium copiarum animati. 


*+) „Castrisque ad tempus brevissimum fixis, parumper ob 
tencbras morati nocturnas,‘* 


47 


da der Aufenthalt im Lager bei Nacht nur fo Tange 
dauerte, bis alle Truppen auf dem Ddieffeitigen Ufer 
ordentlich, aufgeftellt waren. Wenn man alfo annimmt, 
daß die Schiffbruͤcke, um die Feinde nicht aufmerffam zu 
machen, nur in der Nacht begonnen und vollendet wers 
den durfte, daß der Uebergang eines anfehnlichen Trups 
pencorps einige Stunden dauerte, fo blieb ihnen kaum 
fo viel Zeit übrig, um Wiesbaden vor Tages Anz 
bruch zu erreichen. Cine weitere Entfernung von Wies— 
baden würde der Ausführung ihres Plans gerade am 
meiften hinderlich gewefen feyn. — Bei fo forgfältigen Ans 
falten und der Nähe des Orts würde Valentinians Uns 
ternebmung gewiß gelungen ſeyn, wenn Macrians Leibs 
wächter durch Laͤrm und Brand der zügellofen römifcher 
Soldaten aufmerffam gemacht, nicht Zeit gefunden haͤt— 
ten, ihren König mit fchnellem Fuhrwerf auf fehmalen 
Gebirgswegen zu retten. 

Bon den engen Gebirgsthälern und jähen Anhöhen, 
welche Wiesbaden gegen den Taunus hin umgeben z. 8, 
das Nerothal, der Sonnenberger und Naurother Grund ıc. 
fann Ammiand Ausdruck «eircaumfracti colles angusto 
aditu» recht gut gelten. Unzugänglich konnten fie wohl 
nicht gewefen feyn, da Macrian, wahrfcheinlich wegen 
Krankheit, zu Wagen dahin gebracht wurde. 

Am allerwenigftien dürfen jedoch die aquae Mattiacae 
zu Apmannshaufen gefucht werden. Betrachten wir 
die Lage dieſes Ortes, welches durch fihroffe Gebirge 
dicht an den Rhein gedrängt ift, fo konnte es Valentinian 
doch wohl nicht einfallen, bei Mainz mit fo großer Vor—⸗ 
fiht eine Brüde zu fchlagen, um 7 — 8 Stunden zu 


48 


Lande zu marfchiren, während er ganz ftill und bequem 
zu Schiff dahin gelangen fonnte, wenn er nicht eine Lans 
dung von Bingen aus, zwedmäßiger fand. Sehr zu bes 
zweifeln iſt es, daß die Aßmannshaͤuſer Quelle von den 
Römern benugt war, da fich durchaus feine Spuren von 
römischen Gebäuden, wohl aber die Refte der Faf- 
fung im Mittelalter dafelbft finden, und nach der von 
Bodmann mitgetheilten Urkunde, die Aufſuchung und 
Faffung diefer Quelle im Jahre 1489, den erften Unters 
nehmern fo viele Mühe und Koften verurſachte. Da fie, 
wie es dort heißt: „gelegen ift in dem Ryne.“ 
Aufferdem giebt Plinius 1. c. ald unterfcheidendes Merk 
mal der Mattiafifchen Quellen einen hohen Wärmegrad 
und das Abfegen eines Kalffinterd «pumex» am, 

Eher fönnte e8 von Ems gelten, wenn nicht die alß 
zugroße Entfernung von Mainz entfchieden dagegen fpräche, 

Bei der Aßmannshaͤuſer Quelle findet fich jedoch weder 
der geringfte Kalkniederſchlag noch ausgezeichnete Hitze, wo⸗ 
bei man am allerwenigften an des Plinius «iriduo fervet» 
denfen kann. Die Wärme diefer Quelle, welche vielleicht 
auch in ihren Beftandtheilen mit dem Schlangenbader 
Waſſer Aehnlichkeit haben mag, ift fo unbedeutend, daß 
in fpäterer Zeit jenes Bad nad) mehreren, natürlich 
fruchtlofen und Foftipieligen Verſuchen, die, wie man 
glaubte unvermifchte Quelle im Innern des Berges zu 
finden, bald gänzlic) verlaffen und der Zerftörung preis 


gegeben wurde. 
3. G. H ab e 








49 


4. 


Die erfte Verbreitung der Buchdruckerfunft im Her; 
zogthum Naſſau, von Herrn Kreisrichter Dr, C. A. 
Schaab in Mainz, *) mit Zufaßen von Herrn 
Schulinſpector C. D. Bogel in 
Schoͤnbach. 


Es wird beinahe allgemein von den Bibliographen an— 
genommen, daß nach der fuͤrchterlichen Kataſtrophe, wel— 
che die Stadt Mainz am W. October 1462 in der Fehde 
zwifchen Diether von Sfenburg und Adolph II. von Naſſau 
betroffen, die Mainzer Buchdrucker ausgewandert und die 
zeither geheim getriebene Kunft in der Nähe und Ferne 
verbreitet haben, 

Outenberg, der es mit der Partei des Nheingauer 
Adels und diefer mit der des Churfürften Adolph IL ges 
halten, wurde von ihm auf St. Antonientag den 18. az 
nuar 1467 zum adlichen Dienfimann oder Hofcavalier 
ernannt. *) Diefer adliche Hofdienft verfchaffte Guten 
berg ein gemächliches Leben in feinem Alter, Er hatte 
Kleidung und Tafel am Hofe, dagegen mußte er aber 
auch dem Hoflager feines Fürften folgen. Adolph hatte 





*) Eine Vorlefung, gehalten in der Generalverfammlung des 
Bereins für Naflauifhe Alterthumskunde und Geſchichts— 
forihung am 28, Mai 1898 im Vereinslokale zu Wies— 
baden. 


5) Die Urkunde oder der merkwürdige Beſtallungsbrief Er 
in Joannis Scrip. Rer, mog. Il. 424 


4 


50 


dad Seinige unter feinen geliebten Nheingauern im Schloß 
zu Eltvill. Gutenberg folgte ihm dahin. 

In Eltvill wohnten damald die beiden Brüder Heinz 
rich und Niclas Bechtermünze auf ihren Gütern. Gie 
gehörten zu den adelichen mainzer Patrizier- Familien der 
Bechtelmünge oder Bechtelmonze und hatten in Mainz einen 
großen Familienhof, genannt zum Frauenftein oder Bech— 
telmuͤnze. Er lag auf dem Mainzer Leicjhofe und begriff 
die Häufer der dortigen Infel, welche dem Sohannitterhof, 
heutigen Geniedirectionsgebäude gegenüber liegt. Sie 
waren Patronatsherrn eines Altars in der St. Quintind- 
fire in Mainz. Ihr Wappen ſehen wir auf dem Deden- 
ftein des Grabes von Jacob Sorgenloch, wovon H. Has 
bel im erften Heft der Annalen dieſes Vereins die Zeich? 
nung geliefert hat, uud auf dem Grabmal Philips von 
Molsberg in der Pfarrkirche zu Bodenheim. Es hat drei 
blaue QDuerbalfen im weißen Schild, welche von einem 
fchief Tiegenden, weiß und roth gewürfelten Balken durch— 
fohnitten werden. 

Der ältere Bruder Heinrich Bechtermünze, war einer 
der angejehenften Einwohner, der vor 1462 noch freien 
Stadt Mainz. Schon im Jahre 1442 erfcheint er als 
Schöffe mit dem Bürgermeifter der Stadt und fechs ans 
dern Schöffen zur Entfcheidung eines Streites über eine 
Gülte von dem in der Bebeldgaffe gelegenem Haufe zum 
Strauß. Seine Frau war Grethe aus der angefehenen 
Familie der von Schwalbah. Mit ihr hatte er einen 
Sohn Johann und eine Tochter Elfe oder Eliſabeth. 
Diefe verheirathete er im Sahre 1464 an den in Eltvill 
ebenfalls wohnhaft geweſenen Jacob Sorgenloch, genannt 


51 


Genßefleiſch, von deſſen merkwuͤrdigem Grabdeckenſtein ich 
im erſten Heft der Annalen eine kurze hiſtoriſche Beſchrei— 
bung gegeben. Durch dieſe Heirath eines Verwandten 
Gutenbergs mit der Tochter des Heinrichs Bechtermuͤnz, 
kam Gutenberg in Verbindung mit dieſem und als er im 
Jahre 1467 nach Eltvill gekommen, mag er bei ihm ſein 
Abſteigequartier genommen haben, beſonders da ſie in 
gleichem Alter moͤgen geweſen ſeyn. 

Eltvill liegt nur 2 Stunden unterhalb Mainz am 
Rhein und unſerm Gutenberg war es ein leichtes, ſein 
ſaͤmmtliches Druckgeraͤth oder ganze Buchdruckerei, ohne 
viele Koſten auf dem Rhein dahin bringen zu laſſen, was 
er auch wirffich that. N 

Gutenberg war alt und Fonnte oder wollte fich nicht 
mehr felbft mit dem Drudgefchäft abgeben. Die Folge 
beweift e8, daß er den Heinrich Bechtermünz, vielleicht 
auch deffen Bruder Niclas darin unterrichtet und ihnen 
die ganze Druckerei überlaffen habe. Diefe Ueberlaffung 
fonnte jedoch nur nußnieplich und nicht in Eigenthum 
gefchehen feyn, weil diefes nicht ihn, fondern dem mains 
zer Stadtfindifus Dr. Humery zugeftanden, welcher, 
nachdem Gutenberg feine Druckerei durch den Prozeß mit 
dem Johann Fuſt verloren, das Geld zur Anfıhaffung 
einer neuen hergeſchoſſen hatte, 

Heinrich Bechternunz farb fchon nach einem halben 
Sahre, am 4 Idus Zuli 1467. Bodmanı*) fagt, ver 
babe feine Grabjtätte in der Pfarrkirche zu Eltvill gefuns 
den, wo auc noch das ihm errichtste Denkmal zu feben 


*) Rheing. Alterth. I, 134, 


52 

jev.» Sc, habe mit dem Heren Pfarrer und Dechant 
Euler die ganze Kirche und ihre Grabfteine durchfucht, 
wir haben es aber nicht gefunden. Das Drudgefchäft 
wurde durch Niclas Bechtermuͤnz und einen andern Ade— 
lichen mit Namen Wiegand Spies von Ortenberg fort 
geſetzt. Auch diefer gehörte zu den alten mainzer adelichen 
Patrizier Gefchlechtern. Er war mit Niclas Bechtermüngz 
Gerichtsfchöffe in dem eine Stunde von Mainz gelegenen 
Ort Hechtsheim und feine Familie befaß das bei der St. 
Duintins- Pfarrkirche zu Mainz gelegene Haus zum Or 
tenberg. Bodmann hat in feinen rheing. Alterth, 9) eıs 
nen Abdruck feines Familienfiegels geliefert. Sm Schild 
fuhrten fie einen Spieß. 

Das erſte Drucwerf, welches Niclas Bechterminz 
und Weigand Spies fchon am 4. November 1467, folg> 
lieh im erjten Sahre der KEtablirung von Gutenbergg 
Drucderei in Eltvill und vier Monate nad) Heinrich Bech— 
termin; Tod, lieferten, ift das berühmte Vocabularium 
latino teutonicum, Da es das erfte Buch ift, welches 
in dem jekigen Herzogthbum Naſſau gedruckt worden, fo 
werde ich dabei etwas ausführlicher werden Es ift in 
Tangen Zeilen auf 165 Blättern, wovon jede Seite 34 Zei⸗ 
Ien hat, in 4. gedruct und zwar ohne alle Signaturen, 
Kuftoden, Blattzahlen und Imnitialen. Es ift ein Auszug 
aus Gutenbergs Catholicon vom Jahre 1460 und augens 
fällig mit den nämlichen Lettern gedruckt, Der ruſſiſche 
Staatsrath Fifcher, ehemals Bibliothefar in Mainz, bat 
in feinen typographifchen Seltenheiten, am Ende der ers 


*) 1 136. 


93 


ften Lieferung mehrere Zeilen des Catholicons und Dies 
fe8 Vocabulariums unter einander abdruden laffen, um 
die vollfommme Gleichheit der Lettern zu beweifen. Es 
ift das erfte Buch, welches aus Gutenbergs Preffe mit 
dem Namen der Druder, mit Angabe ded Druckorts und 
des Druckjahrs, folglich mit einer vollftändigen Datirung 
erjchienen ift, und zugleich das Fleinfte aller bis jekt ge 
druckten Bücher, da alle andre in Folio-Format find, 
Die erfte Zeile lautet: Ex quo vocabulari varii etc, 
und wegen diefem Anfang nennt man ed jett allgemein 
das Vocabularium ex quo. Seine merkwürdige Schluß— 
fchrift fteht auf der Ruͤckſeite des 165ten oder letzten 
Blattes und lautet: 

Presens hoc opusculum non stili aut penne suffragio 
sed noya arlificiosaque inventione quadam ad eusebiam 
dei industrie per Henricum Bechtermunze pie memo- 
rie in Altavilla est inchoatum et demum sub anne 
Dni. MCCCCLXVij ipso. die leonardi confessoris, qui 
fuit quarta die mensis novembris per Nicolaum Bech- 
termunze fratrem dieti Henerici et Wygandum Spietz 
de Orthenberg est consumatum, dann folgen noch vier 
aus der: Schlußfchrift de Catholicons entlehnte Verſe. 

Nach, diefer Schlußfchrift dat alfo der verftorbene 
Heinrich Bechtermuͤnz dad Werf zu Eltvil zu drucken ar 
gefangen und es iſt auf Leonardustag — 4. November — 
1467, durch Niclas Bechtermünz, Bruder des verlebten 
Heinrich und durch Wiegand Spies von Ortenberg beens 
digt worden. Diefe Schlußjchrift. beweift zugleich, daß 
Anfangs dag Druckgeſchaͤft nur dem Heinrich Bech— 
termuͤnz von Gutenberg war uͤberlaſſen, und erſt 


51 


nach deſſen Tod von feinem Bruder Niclas, mit Wie 
gand Spies davon Belis genommen worden; fie beweift 
ferner, daß drei adliche angefehene Männer, die adliche 
Gerichtsfchöffen gewefen, fich nicht fcheuten, Buchdruder 
zu ſeyn und öffentlich ihre Namen unter ihre Werfe zu 
ſetzen. 

Nur ein einziges Exemplar von dieſer erſten Auflage 
des Vocabularium ex quo iſt bekannt. Es befindet ſich 
in der koͤnigl. Bibliothek zu Paris. Nach einem Schrei— 
ben des Herrn van Prät*) erſten Bibliothekars Dies 
fer Bibliothef, hatte es der befannte gelehrte Anz 
tiquar Herr von Huͤbſch zu Köln befeffen und im Sabre 
1785 an die Fonigl. Bibliothek zu Paris, nebft zwölf anz 
dern Ausgaben des 15ten Zahrhundertd von geringem 
Werth, für 720 Liver verfauft. Es ift auf Papier ges 
druckt und feine Smitialen find mit Gold- und GSilbers 
farben illuminirt. Der berühmte Bibliograph Zaire hatte 
es bei Huͤbſch in Köln gefehen und bielt es für eine 
zweite Auflage des großen Gutenberg’fchen Eatholicons, 
Diefen Irrthum bat ihm Panzer in feinen Annalen *% 
nachgefchrieben. 

Gutenberg erlebte noch die Freude, diefes Werf aus 
feiner Preffe zu Eltvill erfcheinen zu fehen. Seine Tage 
gingen zu Ende, Er ftarb bald darauf und am 24. Fer 


*) Er fhrieb mir am 15. Suni 1825: L’exemplaire, que je 
crois unique nous vient du Baron de Hübsch amateur de 
Cologne , qui nous l’a vendu 17838 — 720 liv, avec ı2 au- 
tres editions du 15, siccle de peu de valeur, 


*) IL 117. 


95 


bruar 1468 war er nicht mehr. An diefem 24. Febr. 1468 
ftellte der mainzer Stadtfindifus Dr. Humery dem Churs 
fürften Adolph II, einen Revers aus, wodurch er befennt, 
das Druckwerkzeug, weldyes Johann Gutenberg nad) feis 
nem Zod binterlaffen, erhalten zu haben. Diefen Revers 
bat ung der mainzifche Geſchichtsſchreiber Soannis N 
aufbewahrt. Durch eine befondere Uebereinfunft mit dies 
ſem Dr, Humerp, die wir aber nicht Fennen, muß jes 
doch, die Öutenbergifche Druderei dem Niclas Bechtermüng 
zu Eltvill mit Ausſchließung des Wiegand Spies und der 
Kinder von Heinrich Bechtermuͤnz in Eigenthum übers 
faffen worden ſeyn. Diefe Ueberlaffung konnte nur mit 
Bewilligung des Churfürften Adolph gefchehen, weil 
ſich Humery in dem, diefem Churfürft am 24. Febr. 1468 
ausgeftellten Nevers verpflichtet gehabt, daß, wenn er 
Gutenbergs Drudgeräthes fich nicht felbft bedienen wolle, 
es nur in der Stadt Mainz und nirgends anders gefches 
ben, wenn er es aber verkaufen werde, der in Mainz 
wohnende Bürger bei gleichem Gebote den Vorzug haben 
folle. DVermutblich willigte der Churfürft um fo eher ein, 
weil die Bechtermuͤntze zu einer alten Patrizier -Famikie 
von Mainz gehörten, darin ein eignes großes Haus hats 
ten, allda Bürger gewefen und nur augenblicklich fich in 
Eltvill aufhielten. Wirklich fahen wir auch fchon im 
Suni 1469 aus des Niclas Bechtermuͤnz Druderei zu Elts 
vill und mit Gutenbergs Lettern eine zweite Auflage ded 
Vocabularii ex quo unter der alleinigen Unterfchrift 
des Niclas Bechtermünz erfcheinen. Auch diefes hat wies 


*) Scrip, rer. mog, IH, 44 


56 


der 165 Blätter und die ganze Einrichtung der erften Aufs 
lage. Die Schlußjchrift des legten Blattes lautet: 

Presens hoc opusculum non stili aut pene suf- 
fragio sed nova artificiosaque inventione quadam ad 
euscbiam dei industrie per Nicolaum Bechtermuntze 
in Eltvil est consumatum sub anno Dni MCCCCLXIX 
ipse die Sancti bonifacii, qui fuit quinta die mensis 
Junii, 

Dann folgen die Verſe der erften Auflage aus dem 
Catholicon, Bon diefer zweiten Auflage des Vocabula- 
rii ex quo fennt Lambinet in feinem Origine de 
V’imprimerie I. 193 nur 4 Eremplare; 1. das zu Paris 
in der Föniglichen Bibliothek, welches aus der Mains 
zer Univerfitätsbibliothef dahin gefommen fey; 2. das 
des Herzogs von Sachjen- Gotha; 3. das des Lords 
Spencer auf feinem Landſitz zu Althorp, und 4. das 
des Herzogs von Malbrouc zu Blenheim in Engs 
land. Herr Bibliothefar Wyttenbach zu Trier hat 
mich von einem fünften benachrichtet, welches fich in der 
dortigen Stadtbibliothek befindet. 

Eine dritte Auflage des Vocabularii ex quo mit 
einiger DBerfchiedenheit der Schrift erfolgte am 12. März 
1472.*) Die Endfchrift fteht wieder, wie bei den zwei 
vorherigen Auflagen auf der Ruͤckſeite des legten oder 
165. Blattes und lautet: 

Presens hoc opusculum non stili aut penne suf- 


*) Herr von Prat fagt in feinem Schreiben vom 15. Iuni 
1825 ıc. Cette editiva, que possede ausi la Libliotheque 
du Roi est imprimee avec un Caracterc different, mais 
approchant ä celui de deux edilions precedentes, 


57 


fragio sed nova artificiosaque inventione quadam ad 
eusebiam dei industrie in Eltuil est consumatum, 
Sub anno Dni MCCCCLXXi) ipso die Gresorii Pape 
et doctoris, 

Dann folgen noch neun Verſe, welche ſich in den zwei 
erften Auflagen nicht befinden. Herr von Prät hatte die 
Güte, fie aus dem Eremplar der Fönigl. Bibliothek zu 
Paris abzufchreiben und fie mir mit feinem Brief vom 
15. Suni 1825 zuzuſchicken. 

Sonderbar it ed, daß in dieſer Schlußfchrift der 
Druder nicht genannt it, da Niclas Bechtermuͤnz doch in 
ber 4ten Auflage vom Jahre 1477 wieder fich als Druk 
fer nennt, Daher auch nicht zu zweifeln ift, daß er auch 
von dieſer dritten Auflage der Drucker geweſen iſt. Das 
in der koͤnigl. Bibliothek zu Paris befindliche Exemplav 
iſt zu Anfange der Revolution aus dem Kloſter St. Vic— 
tor allda dahin gebracht worden. Ein zweiteres Exem⸗ 
plar habe ich bei Herrn Dr. Klos in Frankfurt ges 
ſehen. 

Die vierte und letzte Auflage des Vocabularii ex 
quo erfolgte in Eltvill zwei Tage vor dem Schluß des 
Sahres 1477. Sie hat 171 Blätter, folglich ſechs mehr, 
ald die vorherigen Auflagen. Die Endfchrift lautet: 

Presens hoc opusculum non stili aut penne suf- 
fragio sed nova artificiosague invencione quadam ad 
eusebiam dei industrie per. Nicolaum Bechter- 
munze in Eltuil est consumatum sub anno domini 
MCCCCLXXVI ipso die sancti Thome Apostoli 
quod fuit sabato die XXIX mensis decembris, 


Hier nennt fich wieder Niclas Bechtermuͤnz als 


38 


Drucker und Bodmann irrte fich im feinen rheing. Alters 
thuͤmern I. 136 zum wenigften in dem Jahre, wenn er 
jagt: die weitläuftge Theilungsurfunde des Vermögens 
von Niclas Bechtermünz vom Sahre 1476 beweife, daß 
e8 beträchtlich gewejen und da er ohne männliche Leibes— 
erben geftorben, an die Kinder feine Bruders gefallen 
fey. Die Fönigl. Bibliothek zu Paris befist Fein Exemplar 
diefer Auflage. Dagegen befindet fich das des Klofterg 
Weſobrun in der füniglichen Bibliothek zu München und 
ein zweites in der des Herzogs von Sachfen » Gotha. 

Mit diefer vierten Auflage endigte ſich die zehnjährige 
Thätigkeit der Eltviller Bechtermünz’fchen oder Gutens 
berg’schen Druderei. Hans Bechtermuͤnz, eim Sohn des 
Heinrichs, ftarb am 5. Auguft 1483, vermuthlich war er 
e8, dem die Drucderei nach feines Oheims, des Niclas 
Bechtermüng Tod, zugefallen. Seine Erben follen nad, 
Bodmann *) diefelbe an die Kogelherrn zu Marienthal 
verkauft haben. 

Einige Sabre früher als Gutenberg nach Eltvill ges 
fommen und feine Drucerei dahin gebracht, hatten fich 
einige Geiftliche in deffen Nähe niedergelaffen, welche 
gewiffe Lebensregeln befolgten, die ihnen allgemeine Liebe 
und Achtung erwerben mußten. Sie waren feine Mönche 
von der Art der gewöhnlichen italienifchen Mönchsinz 
ftitute, Die ein blos contemplatives Leben führten, fie 
ſuchten überall nüßlicdy zu werden. Nach den Bechters 
muͤnzen wurden fie die zweite Buchdruckferfamilie des jeßis 
gen Herzogthums Naſſau. Sch werde daher einige Worte 


*) Rheing. Alterth. I. 136, 








99 


über ihr. Entftehen und ihr Erfcheinen im Diefer Gegend 
fagen. 

In der zweiten Hälfte des vierzehnten Sahrhunterts 
hatte fich in den Niederlanden diefes geiftliche Inſtitut ges 
bildet, welches fich bald in Deutfchland und die benachbars 
ten Ränder verbreitete. Deffentlicher Unterricht der Suaend 
und Abfchreiben alter Handfchriften war der Zwed ihrer 
Ssnftitution. Die Tugenden und Talente ihrer Glieder 
verfchafften ihnen bald Gelebrität. Gerard de Groot — 
der Große — Gerardus magnus — geboren zu Deven> 
der im Sahre 1340, aus einer fehr reichen Familie, war 
der Stifter diefes Inftituts. Nach dem Beijpiele des hei> 
ligen Augufting ließ er feine Schüler ein gemeinfchaftliches 
Leben führen. Ohne an ein Gelübde gebunden zuZfey, 
lebten fie wie die Apoſtel und erften Schuler unferd Hei 
lands. Alle follten nur einen Willen haben und feiner 
etwas eigenthuͤmliches für fich befigen. Abfchreiben von 
Manuferipten follte ihre Hauptbefchäftigung feyn. Gerard 
Groot fagte ihnen, daß der Hang, Bücher der Gelehrs 
ten zu fammeln, mehr werth fey, als alle Schäße der 
Erde. *) Der Ertrag diefer Arbeit floß in eine gemein 
fame Kaffe, **) daher fie auch den Namen der Brüder 


*) Thomas aKempenis in ©. Operib. III. Edit. Colon, 1728. 14, 
fagt von ihm: „inerat ei infatigabilis aestus colligendi li- 
bros doctorum , plusquam thesauros denariorum. 


**) Die Chronit von Windesheim, welhe Johann Bur 
ſchius herausgegeben, fagt ©. 6. Prelium laborum ma- 
num suorum de singularium scripturis, septimanatim exac- 
tum in bursam communem reponentes, 


60 


des gemeinfchaftlichen Lebens — fratres com- 
munis vıtae — annahmen. Sie wohnten beifammen uns 
ter dem Gehorfam eines Nectors. Ihre Kleidung war die 
ihres Stifterd, naͤmlich ein einfacher grauer Rod mit eis 
nem Gürtel, einer langen Kapıze und einem runden bos 
ben Hut, welchen man wegen feiner Form Kogel nannte, 
daher fie jelbE im der Folge Kogelherrn genannt 
Wurden. 

Erft nach dem Tode des Stifterd, welcher am 20. Aus 
guft 1354 erfolgte, errichtete fein Nachfolger die Haupts 
congregation zu Windesheim im Herzogthbum Gueldern 
and von hieraus wurden Kolonien in nahe und entfernte 
Länder abgejendet. Kine folche Kolonie beftand auf den 
Weidenbach in Köln und von diefer haben im Sabre 1463 
die Patronatsherrn des Klofter Marienthal oder nach 
dem gemeinen Sprachgebrauch Mergenthal, mit Bewils 
ligung des Erzbiſchofs Adolph IT. einige Brüder begehrt 
und ihnen Diefes Kloſter mit allen feinen Nenten und Bes 
fisungen übergeben. 

Das Klofter Marienthal ift im Rheingau, eine Stunde 
von Geifenheim im Sohannisberger Grund in einem fdjös 
nen Thal an der SKlingelbach gelegen und bat feinen 
Namen von einem Marienbild, welches allda in einem 
Bildſtock an der Kreuzftraße gejtanden hatte. Im Jahre 
1313 baute Junker Hans Schafreit ber diefen Bildſtock 
eine Kapelle, feine Nachfommen ein Klofter und behielten 
fih das Patronatsrecht vor. 

Im Jahre 1471 waren e8 vier Priefter des gemein—⸗ 
ſamen Lebens, welche es bewohnten und mit dergleichen 
Haͤuſern in Königftein uud Butzbach in Verbindung flans 


61 


den. Die Epoche ihrer Niederlafjung in unfrer Gegend 
war für diefe Geiftlichen nicht die gunftigfte. Die Quel— 
len ihres Hauptnahrungszweiges waren durd) die erfuns 
dene Buchdruckerkunſt verjiegt. Manuferipte, vorher bei 
uns fo fehr gefchäßt und mit hohen Preifen bezahlt, wurs 
den nicht mehr gefucht und durch ihr Abfchreiben war 
nichts mehr zu verdienen. Peter Schöffers Preffen in 
Mainz und Gutenbergs Preffen in Eltvill waren in 
voller Thätigfeit und hier galt: imprimit ille die, quan- 
tum non scribitur in anno, Die thätigen Geiftlichen 
in Marienthal blieben nicht lange in DVerlegenheit. Gu— 
tenbergs Preſſe befand fich in Eltvill, eine Stunde von 
ihrem Klofter entfernt. Sie hatten den Mechanismus die— 
fer neuen Kunft kennen gelernt, und waren vernünftig 
genug, den davon zu erwartenden Vortheil zu berechnen, 
Gewiß haben fie Gutenberg felbft und feine Mitarbeiter 
die Bechtermünger gefprochen. Im Umfange ihres Kilos 
fters fehlte e8 ihnen nicht an einem zur Anlegung einer 
Druderei ſchicklichen Lokale. Die Trucgeräthe Fonnten 
fie fic) nad) und nach verfchaffen. Zwei Alphabete von 
Lettern verfchiedener Größe reichten für den Anfang 
bin, 

Nach Herren Fischer ) fol fchon im Sabre 1468 aus 
ihrer Preffe ein Werfchen von 12 Folioblättern erfchies 
nen feyn, welches auf der Nückeite des erften Blattes 
mit den Worten anfängt: Copia indulgentiarum de in- 
stitutione festi presentationis beate marie per reve- 


rendiss. dum, Adolfura Archiepiscopum moguntinum 


*) Typographiihe Seltenheiten Lief, VI, ©. 128. 


62 


concessarum, — datum in civitate nostra moguntina 
die penultima mensis Augusti Anno Dni Millessimo 
quadringentessimo sexagesimo octavo, Von einem ans 
dern, nämlich: Gerson de preceptis decalogi in 4, bez 
hauptet Herr Bodmann*) aus der Achnlichkeit der Let⸗ 
tern, es fey zu Marienthal gedrudt worden. Beide 
Werke find ohne Datirung und ich laſſe es dahin geftellt 
feyn, ob die Herren Fifcher und Bodmann Recht haben. 
Das größte Werk diefer Kogelherrn, bei dem eine 
vollftändige Datirung der zuverläffige Beweis feiner Aus 
thentif it, erjchien am 27. Februar 1474 mit der Unter; 
fchrift: Subjectum Volumen psalterii breviariique mo- 
guntinensis impressoriae artis industria perfectum 
est in domo fratrum clericorum communis vitae Valis 
Sancte Marie ejusdem dioecesisin Rinkauia Anno Dni 
1474 Sabato post reminiscere. in 4. Es ift die erfte 
Auflage des Mainzer Breviers, ohne Blattzahlen, Sig— 
naturen, Kuftoden und Snitialen, in langen Zeilen, 28 
auf jeder Seite und 314 Blätter gedruckt. Die Typen 
haben in ihrer Form etwas eigens charafterijtifches, das 
man weder in Gutenbergs, noch in Fuſts und Schoͤf— 
fers Dffteinen findet und gehören zu zwei Alphabeten, 
einem größeren und einem kleineren. Obſchon fie viele 
Aehnlichfeit mit denen von Öutenbergd Catholicon und 
von Fuſts und Schoͤffers Duranti Rationale haben, fo 
find fie doch fchöner als jene und fchlechter als diefe. 
Die Datirung dieſes Buchs fteht nicht, wie in dem 
zeither aus Gutenbergs, Fuſts und Schoͤffers Officinen 


*) Rheing. Alterth. J. 218. 





63 


erfchienenen, am Ende, fondern am Anfange und lautet 
in fünf Zeilen wörtlich, wie ich fie oben angeführt habe. 
Die Mainzer Stadtbibliothek bejigt dieſes feltene Werk feit 
einigen Jahren. Ich hatte es im Archiv des St. Peterftifts 
entdeckt und veranlapt, daß «8 der Stadtbibliothek um einen 
billigen Preis überlaffen wurde. Sein Papier bat die 
achtblätterige Nofe zum Papierzeichen. Außer dem Mains 
zer Eremplar kennt man noch zwei auf Papier. Eines 
in der Bibliothef des Grafen Razoumoffsky zu Mos⸗ 
kau, welches Herr Fifcher in feiner Notice des monu- 
ments typographiques, qui se trouvent dans la Biblio- 
theque de Mr, le Comte Razoumoffsky *) befchrieben 
bat, ein andres in der Stadtbibliothek zu Frankfurt, 
weiches ſonſt dem dortigen St. Bartholomeus- oder 
Domftift gehörte. Eilf Blätter von einem unbekannten 
Eremplare auf Pergament befinden ſich in der koͤnigl. 
Bibliothek zu Paris **) und beweifen, daß auch dergleiz 
hen find gedruckt worden. 

Bodmann fpricht in feinen rheingauifchen Alterthuͤ⸗ 
mern * von einer andern Auflage dieſes Werks, welche noch 
unbekannt ſey und wovon Herr Kirchenrath Dahl in Darm⸗ 
ſtadt ein Exemplar beſitze. Ich habe meinem verehrten 
Freunde das auf der Mainzer Stadtbibliothek befindliche 
gezeigt, und er hat mir zugegeben, daß das Seinige, wels. 
ches er nicht mehr beſitzt, die naͤmliche Auflage, und an 
ihm das erſte Blatt, welches die Datirung und Vorrede 
*) Moskau 8, ©. 6. 

**) Catalog. de liv, imp, sur. Vel, de la Bibl. du Roi à ParisI, 

204. 

**%) ], 218, 








64 


entbalte, fammt den ſieben folgenden Blättern des Kalens 
ders berausgerifjen geweien Herr Bodmann behauptet 
noch, *) dag die Marientbaler Kogelberrn nach dem Tode 
des Johann Bechtermuͤnz, Sohn von Heinrich Bechter- 
muͤnz und Erbe des Niclas Bechterminz, welcher am 
5. Auguft 1483 erfolgte, von deifen Erben die ganze Gus 
tenbergijche Druderei erfauft und fie im Sabre 1508 an 
Friedrich Haumann von Nürnbera, Buchdruder zu 
Mainz, im Kirfchgarten wohnbaft, überlaffen bätten. Er 
beruft jich desfalls auf eine ungedrudte Urfunde, die er 
aber nirgends geliefert und die ich unter feiner Urfuns 
denjammlung nicht gefunden, obſchon ich darauf meine 
bejondere Aufmerfiamfeit gerichtet batte. Diefer Frie⸗ 
drich Haumann oder Heymann hatte wirklich in den Jah— 
ren 1509 und 1510 eine Buchdruckerei im Haus zum 
Sauloͤffel im Kirſchgarten zu Mainz, und mebrere Werke 
allda gedruckt. In dieſem Haus will noch im Sabre 1604 
der Mainzer Gejchichtichreiber Serarius in der Druk 
ferei von Albinus, die Gutenberg’schen hölzernen Bud; 
ftaben geichen babe. 

In der eriten Hälfte des fechzehnten Jahrbunderts vers 
liegen die Kogelberrn das Klofter Marienthal und ſchon 
im Jahre 1540 war ed mit regulirten Chorberrn der Ca— 
nonie Dfaffenichwabenbeim bejegt. Im Sabre 1585 nahm 
es der Churfürft Wolfgang von Mainz in Befig und gab 
dem einen von den zwei noch übrigen Chorberru von Pfafs 
fenfchwabenbeim die Pfarrei im Ort Sobannisberg, den ans 
dern verjegte er nad) Erfurt. Der Gottesdienft verfiel 


) Rheing. Alterth. I. 218 


65 


dadurch ganz in der Klofterfirche bis zum Jahre 4612, 
als der Churfürft Johann Schweickard von Kronenberg das 
verlaffene Klofter den Jeſuiten zu Mainz fchenkte, welche 
es big zu ihrer im Sabre 1774 erfolgten Aufhebung bes 
faßen. Darauf wurde der Reſt des Klofters öffentlich, 
verfteigert ımd dem Bevollmächtigten des Grafen von 
Dftein zugefchlagen. Von diefem Fam e8 an feinen Haupt 
erben, den Herrn von Dalberg, Das Kogelhaus war 
fhon im Jahre 1624 abgebrannt. Die Refte der Kirche 
find dem Freunde alter Denkmäler der Kirchenbaufunft 
des Mittelalters jest noch merfwürdig, An dem Portal 
hat der Steinhauer die Empfängniß der heiligen Sungs 
fran Maria durch den in der Geftalt einer Taube fliegen» 
den heiligen Geift, wie bei dem Portal der prächtigen 
Satharinenfirche zu Oppenheim vorgeftellt, nur geht hier 
der h. Geift durch das Ohr und dort durch die Stirn ei, 
Das Gnadenbild, welches im Bildftod geftanden und die 
Veranlaffung zur Erbauung. der Kirche und des Klofterd 
gegeben, ift nad) der Aufhebung des Sefuitenordens in 
die Pfarrfirche nach Geifenheim gebracht worden, wo ed 
ſich noch befindet, 

Die dritte Druckerei im jegigen Herzogthum Naſſau 
wurde zu Oberurfel in der zweiten Hälfte des 16ten 
Sahrhunderts errichtet. Sch habe nur erfahren fönnen, 
daß im Jahre 1590 ein gelehrter Wirtemberger mit Nas 
men Nicodem Frifchlin eine Buchdruderei allda errichtet, 
welche bis zum dreißigjährigen Krieg beftanden, wo Ober: 
urfel in den Sahren 1692 und 1645 verbrannt und vers 
wüftet worden. Die meiften Drude erfchienen auf Be 
ſtellungen und Koften von Frankfurter Bürgern, Dahin 

5 


66 


werben gezählt: Porta menfchliche Thierphyſiognomik. In 
flein 4. Marc Antonii Mureti Örationum Ursellis 1619 
2 Theile in 8. Commentationes physicae et meta- 
physicae a fratre Aegidio Romani, Apud Cornelium 
Sudorem Impensis Jonae Rhosii Francofurli ad Moe- 
num, Ursellis 1614. 8. Hummel *) jagt, daß zu Urfel 
im Sabre 1559 des Silvani Sendfchreiben an Scalis 
chius mit Beyer’s Vorrede jey gedrudt worden. Die 
Zeit des Beſtehens diefer Druderei und ihre Verhältniffe 
Fonnte am zuverläffigften aus den Datirangen der dort 
gedruckten Bücher berichtigt werden. Man darf fich übris 
gend nicht darauf verlaffen, daß, wenn auf einem Buche 
der Drudort Urfel angegeben ift, immer das Herzoglid) 
Naſſauiſche Landftädtchen Urfel oder Oberurſel ger 
meint fey, denn es giebt andere, welche zu Urfel an der 
Matt in der Schweiz gedrucdt find. Herr Kirchenrath 
Dahl, mein alter Freund, war in feinen jüngern Jah— 
ren Kaplan zu Oberurſel und hat mir erzählt, daß zu 
feiner Zeit fich eine bedeutende Anzahl von Büchern int 
Pfarrhaus befunden, welche allda gedrudt worden. Ich 
habe mich deßfalld an den dortigen Herrn Pfarrer durch 
ein Schreiben gewendet, aber feine Antwort erhalten, 





>) Neue Bibliothek. 565. 


67 
AL aban BET: 1ER Ser ae IT 


von Herrn Schulinfpector und Pfarrer 
Vogel in Schönbad. 


AS eine kleine Nachlefe zu dem vorftehenden fchäßs 
baren Aufjage liefere ich hier noch folgende Beiträge zur 
Gefchichte der Buchdruckereien im Herzogtum Naffan. 


ar De eier! 

findet ſich 1558 fchon eine Buchdruderei. Die fehr gute 
und genaue Collectio omnium librorum, qui ab anno 
1564 usque ad 1592 editi, venales exstiterunt, von 
N. Baſſaͤus, (Frankf. 1592 2 Thl. 4.) zählt fehr viele 
Bücher auf, die dafelbft 1568. 70. 71. 72. 73. 74. 
75. 85. 89. 91. gedruckt worden find. Es find meiftens 
proteftantifch -theologifche, wie fich denn Oberurſel mit der 
Umgegend von cc. 1530 bis 1604, d. 12, Auguſt zur evan⸗ 
gelijch > Tutherifchen Gonfeffion befannte. 1594. 1599. 1606 
beitand die Druderei noch. Die Titel der folgenden drei 
Gelegenheitsfchriften machen ung auch mit dem Namen 
des Buchdruders befannt. Sch feße fie vollftändig her, 
weil fie nebenbei einen Beitrag zur Naffauifchen Ge 
ſchichtsbibliothek Tiefern. 

(Dr. Chph. Pezels) Leichpredig bei dem Begräbnuß 
weiland der Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürftin 
vnnd Frauwen, Frauwen Elifabetba, gebornen Landt- 
gräfftn zu Leuchtenberg, Gräffin vnnd Frauwen zu 
Naſſauw. Gefchehen zu Dillenberg den 11. Sul 
Anno 1579. Vrſel gedrudt bei Nicolaus Hen 
ricus. 1579. 4. 


68 


Leichpredigt zum Begrebnus des Wolgebornen Grauen 
ond Herrn, Herrn Gorgen, Grauen zu Xeyningen, 
Herrn zu Weſterburgk vnd Schaummburgf, des heil. 
Roͤm. Reichs Semper Freyen. Gebalten durch M. 
Sonam Schwengf, Gutensbergern, diefer zeit Pfars 
berrn zu Wefterburgf. den 6. Aprilis. Getrucdt zu 
Brfel, durd Nicolaum Henricum 1586. 4. 

Sobann Wilhelm Rofebachd Cer war von Fried— 
berg gebürtig, und fand 1604 als Pfarrer zu Ansbach 
im Amte Ufingen) fchöne Comedi vom Gottsfürchtigen 
Tobia, Graff Ludwigen von Naſſauw vnnd feiner lies 
ben Gefponft Fräulein Anne Marie, Landgräffin zu 
Heffen, zu unterthänigen Ehren gemacht, Brfel durch 
Nicolaum Henricum. 1589. 4. 


nie 2,5 OR, 


Als Graf Sohann der Aeltere von Naffaus 
Gagenellenbogen, der unter den vielen guten Regenten 
des Naffauifchen Haufes zu den augsgezeichnetften gehört, 
ein Bruder des großen Wilhelms I. von Dranien, des 
Befreiers der Niederlande, feinen lange mit Wärme 9% 
hegten und mit Eifer vorbereiteten Plan, feinem Lande 
durch Anlegung einer höheren wiffenfchaftlichen Bildungs» 
anftalt eine fefte Grundlage zur Beförderung geiftiger 
Gultur in allen Zweigen des Lebens zu verichaffen, in 
der Stiftung der hohen Schule in Herborn vollendet 
hatte; war es ihm eine befondere Angelegenheit, den 
Kreis der Wirkſamkeit feiner neuen Anftalt durch Anle— 
gung einer Buchdruckerei möglichit auch nach Außen zu 
verbreiten. Er fchloß deshalb am 25. Suli 1585 mit 


69 


dem Buchdrucker Chriſtoph Gorvin oder Raab in 
Frankfurt einen Gontract ab, der fchon im Herbfte dies 
fe8 Jahres mit vier Preflen in Herborn anfam, und 
jährlich 50 fl., 20 fl. Hauszins, 16 Wagen Holz, 2 Kars 
ren Heu, 1 ®arten und Schagungsfreiheit für fich und 
ſechs Druckergehuͤlfen vom Grafen erhielt. Corvin war 
als Gelehrter und Kunſtfreund gleich achtungswerth und 
eine Zierde der neuen Anſtalt, darum theile ich folgende 
gedraͤngte Nachrichten uͤber ſein Leben mit.) Er wurde 
geboren 1552. in Zuͤrich, wo ſein Vater Georg Corvin 
ſchon als Buchdrucker lebte. Dem Gymnaſium dieſer 
Stadt verdankt er ſeine erſte Bildung. Seine weiteren 
wiſſenſchaftlichen Studien trieb er von 1567 an, auf der 
Univerfität Heidelberg, und dann von 1572 an, in Wit⸗ 
tenberg. Um der Buchdrucerfunft willen, die er nums 
mehr zum Hauptgefchäft feines Lebens wählte, ging er 
1574 nad; Wien. Bald nachdem er nach Haufe zuruͤck— 
gefehrt war, zog er mit feinem Vater nach Frankfurt a. M., 
wo dieſer fein Gefchäft etablirte, vieles druckte und einen 
guten Verlag befam. Bon da wurde er 1585 nad) Hers 
born abgerufen. Hier Faufte er fich 1590 ein Haus mit 
einem Garten auf dem Ziegenberg von Wilhelm Muderg- 
bach, das einft ein adeliger Burgfiß Cvorm. der Wolfs⸗ 
fchl von Voitsberg ) gewejen war, und nun der ©iß eis 
uer der beften Buchdrucfereien wurde, die jemald im 


*) Diefe find entlehnt einer Fleinen Schrift unter bem 
Titel: Viro clar. typographo sui temporis doctissimo C. 
Coryino etc, monumentum p, Justus Reifenberg U. J, D, 
Herbornae, 1620, 4. 


70 


Lande gewefen find. ) Corvin drudte fehr viel, denn 
feine vier Preffen waren ftets im Gange. Nach einem vor 
mir liegenden catalogus librorum tam latinorum quam 
germanicorum Chph, Corvini, typographi Herbor- 
nensis, typis editoram et apud heredes ipsius vena- 
lium, 1652, 4. beftand fein Verlag aus 165 lateinischen 
und 77 deutfchen oder zufammen 242 Büchern, worunter 
vorzüglich die Schriften unfrer literarifchen Kraftmänner 
der damaligen Zeit, des Johann Heinrich Alfteo, So: 
bannes Althus, Matthias Martinius, Caspar Dleviar, 
Georg Pafor, Johannes Heidfeld, Sohannes Piscator 
und Wilhelm Zepper mit begriffen find. Das berühms 
tefte Werf feines DVerlags iſt die Bibelüberfegung Piscas 
tord, die mit der Goncordanz in 7 Quartbänden 1602. 
1603. 1605. 1606 und 1624 erfchien. Auch haben deffen 
Gommentarien über das alte und neue Teftament, eins 
zeln in Sund zufammen in 2 Folianten gedruct, eine jehr 
weite Verbreitung gefunden. Die Sphinx theologica et 
philosophica unſeres hochwuͤrdigen Pfarrers Joh. Heids 
feld in Ebersbach, erlebte von 1600 bis 1631 9 Auflas 
gen und hatte befonders einen fo jtarfen Zug nad) Eng» 
land, daß Corvin faum Exemplare genug druden fonnte. — 
Die meiften aus der Corviniſchen Dfftein ausgegangenen 
Bücher, zeichnen ſich durch typographifche Schönheit und 
Nettigfeit aus. Vor mir liegen: Joh. Goeddaei com- 
mentarius de contrahenda etcommittenda stipulatione. 


Sigenae Nassoviorum ex oflcina Chphri Corvini 1596, 





*) Das Haus fteht noch und gehört jegt den Erben des 
feel Prof. Dresler. 


71 


8. und Joh, Piscatoris ad Conr. Vorstii Saxasceven 
responsio apologetica, Herbornae, 16135, 4., die nod) 
jegt, obgleich die Kunſt fehr weit vorgefchritten ift, mit 
den am beiten gedruckten Büchern, ohne zuruͤck zu ftehen, 
verglichen werden fünnen. Gorvin beforgte die Gorrectur 
bei allen feinen Druckfachen felbft und mit fo großer Ges 
nauigfeit, daß Drudfehler darin nur fehr felten vorfoms 
men. Sein Inſigne, das faft auf allen Titeln ftehet, war 
der Prophet Elias, den zwei Raben mit Brod verfehen, 
und hat die Umfchrift: ex uno omnia, 

Zweimal fah er ſich in die Nothwendigkeit verfegt, mit 
der Berlegung der hohen Schule von Herborn nad) Siegen, 
auch feine Druckerei dahin zu verſetzen. 

Er war dreimal, und zuleßt feit 1608, 9. Febr. mit 
Anna, der Tochter des Infpectors und Profeffors Jo—⸗ 
bann Jacob Hermanni in Hexborn, verheirathet. 
Bon feinen Töchtern war die ältefte an den Profeffor Jo— 
hann Henrich Alfted in Herborn, die andere an den 
gewejenen Profeffor in Wittenberg Dr. Henrich Molles 
rus, der in Herborn lebte, die dritte an Johann 
Georg Mudersbadh, auf den wir bald zurückkehren 
werden, und die vierte an den Rector Chriftian Bauer 
in Herborn verheirathet. 7) Er hatte nur einen Sohn 
Georg, der von 1633 bis 1644 als Profeffor der Philos 


*) Diefe letzte hatte das Ungluͤck, in jener furdhtbaren Naſe— 
rei des finfterften Aberglaubens, vom Naſſauiſchen Fiscak 
des peinlihen Halsgerichtes zu Herborn ald Here auge— 
klagt und 1629, 28. Geptbr. aus Gnade nicht verbrannt, 
Tondern mit dem Schwerdte hingerichtet zu werden. 


72 


jophie. in Herborn ftand, und eine eben ſo wiſſenſchaftlich 
tiefe, als zarte und feine Bildung hatte. *) 





Ich kann mich nicht enthalten, ein Urtheil des fel. Pros 
fefford Fuchs in Herborn über diefen Mann, das ein 
Ausfluß feines köſtlichen Humors ift, bier in feinem Zus 
fammenhange mitzutheilen: „ver witzige Erfinder der 
Ballance of Poets bat bereits den Verſuch gemacht, 
die Verdienfte einiger Dichter nach einem mathematiſchen 
Kalful zu berechnen; um aber das ganze der verfchiedes 
nen Dichtarten defto beſſer zu umfaſſen, fo würde ich die 
Grade der Dichtungsfraft eines jeglichen beftimmen nad 
folgender fonoptifhen Tabelle 

„in der afthetifhen Heuriftif Grad 


„in der — — Methodologie Grad“ 
„in der — — Thaumaturgie Grad“ 
vinderr — — Gemiotif Grad « 


„auf diefe Weife hätte ich einen poetifhen Pſychometer. 
Weil man zu unfrer Väter Zeit fo leiht das Baccalaus 
reat in der Philofophie erhalten Fonnte, wenn man eine 
Abhandlung über die Leibnizifhe Monadologie oder über 
die harmonia präestabilita fhriebe; fo habe ich geglaubt, 
daß ich mic unferem afthetifhen Sahrhundert nicht beffer 
empfehlen fönnte, um etwa in der Philofophie des Ge: 
ſchmacks die Magifterwürde zu erhalten, als wenn ich 
unfre inlandifhen Dichter nah einem folder Maßftabe 
gegen einander berechnete und verglihe. Denn Pund und zu 
wiffen fey jedermann, dem daran gelegen ift, daß, ob» 
gleih die Nafau in der neueren Zeit zwei Producte, 
eins aus dem Literar =, das andere aus dem Maturgebiete 
verloren, namlih aus diefem die Wolfe (S. Tertors 
Naſſ. Chronik ©. 8.) aus jenem die Poeten (die Hecken— 
fhnarre, die zu unferer Zeit zu fingen fid) gewagt, darf 
ih wohl nicht mitrechnen, weil fie der Woumou verfolgt, 
und zum Schweigen gebradht hat.) fo bat doch ehedem 
mein Vaterland ein. Siebengeftirn von Dichtern ge: 


73 


Des alte Gorvin farb 1620 den 19. Januar, und 
wurde in dem Chore der Stadtkirche zu Herborn begras 
ben. Sein Berluft wurde tief gefühlt und allgemein bes 
trauert. Er war mehr ald Gelehrter und Buchdruder, 
er war ein frommer, rechtfchaffener und befonders gegen 
Arme und Nothleidende ausgezeichnet wohlthätiger Mann. 
Die beften fammelten ſich an feinem Grabe. und fprachen 
ihre Wehmuth und ihre Trauer in; Todengefängen aus. *) 
Ein Stein mit folgender Inſchrift deckt fein Grab: 

Aeternae memoriae 
Christophori Corvini 
Tigurini 

Qui labore indefesso animo invicto eruditione 
rara rem typographicam ornavit rempublicam 
hterariam juvit elegantia typorum accurata 
correctione librorum piorum iuxta et eriduto- 
rum copia hoc monumentum f, f. haeredes 


ipse sibi aeternum in animis bonorum et doctorum 
babt, eben fo wie der. Hof des Ptolomäi Philadelphi die 
fogenannte Plejad. Den N. Hadamarius (Rorih), 
Piscator, Pincier, 3. Heidfeld, Alfted, Georg 
Korvinus, C. Lentulus habe ıh nad obigem Maß: 
ftabe gemeflen, und nad) meinem individuellen Geſchmack 
zu urfheilen, fo übertrifft Korvinus, der zu Herborn 
eine Zeitlang Lehrer der Beredfamkeit war, und hernach zu 
Amſterdam geftorben, die übrigen alle. Man befhuldige 
mir den Falten Naflauifhen Himmel nicht mehr, welcher 
bie dichteriſche Ader zum Stoden foll gebracht haben ıc. 

*) Epicedia honori et memoriae C, Corvini «tc, dieta ab ami- 
cis, Herbornae. 16 ©. in 4. — Der Pfarrer Johannes 
Eorfius hielt eine ſchöne Leihenpredigt voll inniger Herz: 
lichkeit, gedruckt 1620. 4, 


— 


74 


reliquit natus an. M. D. LII. denatus an. M. DC. XX. 
Eius lat, claudit ut thori sic sepulchri particeps 
Anna Herinanni postquam cum ipso sine querela 
duo decennium ipsa vidua vix triennium vixisset 
annos nata XXXVII, 

Vivıte felices etiam post fata parentes 

Haec misera est vestra al vita beate cluet, 

&. C. 


. Nach Gorvind Tod übernahm fein Sohn und fein 


Schwiegerfohpn Johann Georg Mudersbad ge 
meinjchaftlich die Druckerei, die aber unter den Ver— 
wüflungen des dreißigjährigen Krieges mit der hoben 
Schule fehr litt und herab Fam. ALS der erftere 1644 
den 7. Auguft in Amfterdam, wo er für die ganz zers 
rüttete hohe Schule eine Gollecte hob, ftarb, blieb: der 
fegtere im alleinigen Beſitz. Kaifer Ferdinand III. ers 
theilte ihm 1654 ein Privilegium auf G. Pasoris lexi- 
con graeco-lat. N, T. Diefes und das Manuale des⸗ 
felben Verf. machten jest einen Hauptverlagsartifel bei 
ihm aus. Er ftarb den 23. December 1657. Die 
Druderei nebft der Handlung erbte jet fein Sohn 


3) Johann Heinrich Mupdersbach. Unter ihm ſank 


das ganze Werk und Gefchäft herab, fo dag er 1666 
alle feine Drucergehülfen verabſchiedete. Nach ihm 
kommt 


4. Tobias Jacobi als Buchdrucker der hohen Schule 


[ii 


i. 5. 1669 vor. Er war des Schulrentmeifters in Her 
born Sohn, und farb den 21. Mai 1685 in den beften 
Jahren. 

Johann Nicolaus Andrea wurde den 18. Juni 


75 


1685 von afademifchen Senate ald Buchdruder ange⸗ 
nommen. Er war den 11.Mai 1664 in Franffurta.M., 
wo fein Vater Johann Andrei auch Buchdruder war, 
geboren. Er hat in Herborn viel, aber meiftend theo- 
logiſche Bücher gedruckt. Der Druck ift rein, hat aber 
nicht mehr das nette und freundliche der Gorvinifchen 
Impreſſen. Er ftarb den 8. Mai 1729 in Frankfurt, 
wo er die Meſſe befuchte, an einem Schlagfluffe. *) 
Seine Witwe Satharine, eine Tochter ded Pfarrers 
Johann Franz Hendſch zu Pettersheim bei Worms 
führte nach feinem Tode den Buchhandel neben ver 
Druderei noch lange für ihre Rechnung fort, bie 

6. Chriſtoph Michael Regelein, der in Berlens 
burg bisher feine Dfftcin gehabt, den 12. März 1749 
als afademifcher Buchdruder angenommen wurde. 

7. Sobann Ewald Brüdner aus Römhild in Sach— 
fen» Meiningifchen, heirathete feines Vorgängers ein> 
zige Tochter, erbte mit ihr die Druckerei und ftarb 1788. 
Noch viele Jahre nach feinem Tode feste feine Wittwe 
diefelbe fort. 

8 Johann Ehriftian Krieger,  afademifcher Buch—⸗ 
händler in Marburg, uͤbernahm 1803 die hiefige Buch: 
druderei. Ihm wurde der Theil des afademijchen Ges 
baͤudes, wo diefelbe bisher gewefen neu und zwedmäßis 
ger auch für eine Buchhandlung eingerichtet. Nach ſei⸗ 
nem Tode hat 

9. Johann Ehriftian Kempf aus Marburg gebürtig, 


*) 6. H. Martins Leichenpredigt auf feinen Tod: Herborn 
1729. Hol, wit Perfonalien, und Epicedien. 


30 


der auch die beiden Papiermühlen zu Herborn und U 
kersdorf befist, das Gefchäft übernommen, 


3 Dieh. 

Auch diefe Stadt hatte einige Zeit eine Buchdruckerei, 
aber nur von gar geringer Bedeutung. Ich habe zwei 
Buchdrucker angetroffen 

1. Wilhelm Burkhard Schreiter 1704. 

2, Davıd Müller 1740. 


tein—⸗ 

Hier war eine fuͤrſtlich Naſſau-Saarbruͤckiſche Hof— 
und Canzlei-Buchdruckerei. 1715, 21 und 23 kommt N. 
N. Haug als Buchdrucer vor. Der Superintendent Joh. 
Ehriftian Lange, und Aegid. Guͤnth. Hellmund haben meh⸗ 
rere ihrer Schriften dafelbft drucken Iaffen. 

Erdmann Andreas Lyce 1730. 1740, 

Johann Henrich Kürfßner 1761. 

5. Wiesbaden. 

Bei dem Watjenhaufe dafelbft entitand ein Buchladen, 
der 1733 fchon vorhanden war, und auch einen Fleinen 
Verlag hatte. Ob die nachherige Hof- und Ganzleibuch- 
druderei, die 5. Schirmer 1770, 1779 bier hatte, daraus 
geworden, oder Daneben entjtanden it, weiß ich nicht, 


7 


Ueber die Geſichtsbedeckungen an Helmen bei den 
Roͤmern und im Mittelalter, von Herrn Profeſſor 
Dr. Braun in Mainz. 


(Fortſetzung des Aufſatzes pag. 113 im erſten Heft) 





Se tiefer man in das Gebiet der Alterthumskunde ein? 
dringt, defto mehr verfchwmden die Nebel, welche fid) 
oft dem erften Blicke in der Ferne zeigen und auch die dun— 
feln Gegenftände erhalten zumeilen ein unvermuthetes Licht. 
Befonders reizt die Forfchbegierde dad bisher ung unbe 
fannte, deffen eigentliche Beftimmung, deffen Zwed und 
Gebrauch im Lehen nicht fogleid; und von felbft fich ers 
Hart. Die Schwierigkeiten weden den Muth und die 
überwundnen ftärfen ihm durch belohnende Freude. Die 
im Sommer des Jahrs 1827 gefundene und im vorigen 
Heft der Annalen des Vereins für Naffauifche Alter 
thums- und Geſchichtskunde ©. 113 befchriebene Eifen> 
masfe *) befchäftigte feitdem meine Aufmerffamfeit und ich 
fuchte num zu ihrer nähern Erflärung alles auf, was etwa 
in den Alten darüber zu finden wäre. Zwar ſchien die ganze 
Form und die einzelnen Theile diefer Masfe ihre Beftims 
mung als Geſichtsſchutz ganz beftimmt auszufprechen: die 
Heinen, ſchmalen Augenlöcher, die Mundöffnung, welche 
‚dem Sprechen Feineswegs günftig fchien, was doch an 


*) Eiehe d. Abbildung auf Tab. 





78 


einer tragifchen Masfe*) die Hauptjache gewejen 
wäre und auch in allen antifen Werken fo beachtet iſt; 
die platt geformten ohne Höhlung gebildeten Ohren, die 
ebernen Hefte an der Stirn, weldye das Geficht mit dem 
Helme zu verbinden dienten, die Spur vom Riemen an dem 
Nagel unter dem rechten Dhre und das gegenüber ftes 
bende Loch, wo ein ähnlicher Nagel zum Anknuͤpfen fich 
befand; endlich der nach dem Knochenbau des Unterge— 
ſichts und Halfes eingerichtete Schnitt und der ſchmale 
‚Erzrand unter dem Kinn, called dies deutete darauf 
bin, daß diefe Huͤlle zum Schuge des Gefichtd getragen 
wurde. 


Aber nun war aus den Alten zu erweifen, daß man 
auch im Kriege wirklich folche Gefichtöhullen trug, Da 
fam mir denn zuerft die fchon angeführte Stelle des Si⸗ 
lius Stalifus im 4. Buch der Punica entegen, worin vom 
Marcellus, der Syracus belagerte und die Römer, die 


*) Auch der Etoff und die Schwere fprehen gegen dad Tra- 
gen während des Spield. Schlegel über die dramatiſche 
Kunft 1.Th. S.98 fagt: „Was man an den marmornen 
Masten nicht fehen kann, ift diedünne Mafle, woraus 
die wirklichen gearbeitet waren, die zarte Färbung und ge: 
ſchickte Anfügung.» Er vergleicht den griechiſchen die wäch— 
fernen im edlen Styl, beim römifhen Garneval. Nah 
Virgils Landbau 2ted Buch Bro 378. deutet die Stelle: 

Oraque corticibus sumunt horrenda cavatis, 
auf die Werfertigung der Masten (personae) aus 
Baumrinden, die hier freilih roh zum ländlichen Ge: 
brauch, gewiß aber, auch verfeinert und bemalt zu anderm 
dienten. 


79 


durch Krankheiten gelitten hatten, gegen den Feind fuͤhrte, 
folgendes geſagt wird: 

Gegen die Mauern entrafft der Fuͤhrer die Adler. 

Sie bergen 
Ihre Geſichter durch Hagerheit ſchmal, und durch 
Liegen, in Helmen, 
Daß nichts hoffe der Feind, verhuͤllt der Helm ihre 
Bläffe. *) 

Bei diefer Stelle nun machte der Erflärer Drafen: 
broch Cin der Utrechter Ausgabe 1717.) folgende Bemer— 
fung: „Wir erfahren auch hieraus, daß die Alten auch ge> 
fchlofjene Gefichtshelme gehabt, wie fie zu unfern 
Zeiten Cim 17. Jahrhundert) die Reiter vorzüglich im 
Kriege zu tragen pflegen.» Dabei führt er nun zum Bes 
weife noch folgende Stellen an, die aber im Original und 
Zufanmenhang des Ganzen oft ganz andern Sinn haben. 

1) Statius ) in der Thebaide Lib, XI. v. 379 — 75 

— — — zum mindeften öffne das Antlig, 
Deffne die troßigen Augen, und fey mir vergönnet, 
zum lebten 





*) Ad muros Dux signa rapit. Tenuata iacendo 
Et macie galeis abscondunt ora, malusque 
Ne sit spes bosti, velatur casside pallor, 


*+) Ein Dichter unter Domitian, ber fi) durch fein Singen 
aus dem Stegreif auszeichnete und in einer befondern 
Laune von diefem Zürften mit einem Griffel fol erftochen 
worden feyn, 


80 


Male vielleicht es zu ſeh'n, das theure Antlig, nnd 

ob Du 

Meineft bei folcherlei Leid, — ) 

Hier redet Antigone ihren in die Schlacht eilenden 
Bruder Eteofled an und ermahnt ihn, das Bifir zu öff 
nen, (genae bedeutet bei den Dichtern oft die Augenlies 
der) damit fie fehe, ob ihre Bitte bei ihm Feine Wirkung 
mache. Bald darauf beißt e8 denn: 

Sego verftummt er, Gefenfz bricht vor, und Thränen 

entdecket 

Seo der Helm — **) 

Daun treffen beide Brüder zuſammen: 

— Gleiche Blicke begegnen fih unter dem Helme! **) 

— — — — $lühender Haß ſchaut 

Unter den Helmen hervor und es ſpaͤhen die Blicke mit 

bitterm Lichte. 7) 
Endlich wird von dem Vater gefagt, da er die Todten findet: 

Da er die Helme betaftet nnd jucht die verborgnen Ge: 

fichter. Fr) 

Aus allen diefen Verſen ift ficher von einer Gefichtäbes 


W).ees0..00.. Saltem ura trucesque 
Solve genas, liceat vultus fortasse supremum 
Noscere dilectos, et ad haec lamenta, videre 
Anne fleas, — — — 

**) Jam tacet, erumpunt gemitus, lacrimasqüe fatetur 
Cassis, 

*#*) Coeunt pares sub casside vultus 

ir Iznescentia cernunt 
Per galeas odia, et rultus rimantur acerbo 
Lumine., 

H Dum tractat galeas atque ora latentia quaerit, 


si 


deckung die Rebe, e8 bleibt aber ungewiß, ob von einem 
Bifirhelme oder einer Masfe die Rede ſey. Außerdem 
bewiefe die Stelle nur für griechijchen Gebrauch folcher 
Rüftung, und diefer ift ohnehin aus Denfmälern ers 
wiefen. 

2) Meimus Avitus: 

Das in den Helmen verfchloßne Geficht und die eis 
ferne Hülle 

Hatte mit Rüftungen Glanz die zürnenden Dunfel 
umgürtet. *) 

Die Höhlen, binter welchen ſich die Augen verbargen, 
md bier die Dunkel und ihnen ift dad Beiwort iratas 
zugefellt, welches beides (ald8 Metonymie) auf die Augen 
ſich begieht. Was diefe Stelle noch merfwürdiger macht, 
ift, daß hier die Helmfortfegung eifern (wie unfre Maske 
iſt) genannt wird. Uebrigens fommen and) ganz eiferne 
Helme anderwärtd vor, 3. B. in Plutarchs Camillus, 
wo e8 heißt: »Er, (Camillus) ließ auch der Mehrheit ganz 
eiferne und rings um Can den Wangen ded Helms) 
gegläftete Helme machen, damit an ihnen die Schwerter 
(der Gallier, ‚von ungeheurer Länge) abglitten, oder 
zgerbrächen. * 

Gewöhnlich waren die Helme aus Erz (galea aerea) 
wie Polybius, Livius und Dionyſius beweifen. An beiden 
— — — — 

) Inclusa galeis facies et lerrea vestis 
Cinxerat iratas armorum luce tenebras. 

*) "Exaixerara xeavn Tois wAtireis — zul Alm 
van; Xieſpieinu ds dream 7 xarayıedai was 
Raxgaıgus. 

6 


82 


Seiten hatten fie Wangenbänder (bucculae‘), ) welche 
unter dem Kinn mit einem Riemen (Clorum eXıvs) feſt 
gebunden wurden. Bon dem vorn überragend aufwärts 
gebogenen Theil hießen die Helme auch Silae, wie wir 
aus Feftus fehen, der fagt: Silus appellatur naso sur- 
sum versus **) repando. Unde galeae quoque a si- 
militudine Silae dicebantur., 

„Silus heißt: wenn eine Nafe aufwärts zuruͤckgebogen 
ift (wie bei den Affen). Dader warden auch die Helme 
von der Aehnlichkeit Silen genannt“ Diefe Form ift 
zwar fehr gewöhnlich auf römifchen Denfmälern, aber 
man findet doch auch manche Helme mit Viſiren, ja mit 
ausgedrücten Augenpöhlen und Najen, wie in Lydii Syn- 
tagma sacrum de re militari c, V. ©. 63. einer abges 
bildet, der aber unten ftatt des Kinns rund umläuft. 
Ein anderer Helm hat die Form der parthifchen hoben 
Müse, ift um die Stirne herab abgerundet und an ihm 
fonnte eine Maske angebracht werden. Huf der Spige 
ſteht eine Röhre, worin ein Federbufch ftedt. 

3) Sidonius fpricht im II. Gedicht einer Lobrede auf 
den Anthemius, Vs. 254 seq. von den Hunnen am 
fhmwarzen Meere oder Ifter, daß die Mütter jchon den 


*) Diefe waren aus biegfamem Blech, wie noch jekt an den 
Dragonerpelmen, welche fhuppenartig aufgelegt find. Das 
ber beißen fie auch lamnae Blehe. — So fagt Sidonius: 
Flexilium laminarum vincula difhibulant, fie löfen die Bande 
der biegfamen Bleche. 

**) Das versus bei sursum fteht oft uͤberflüſſig, drückt aber 
ganz unfer wärts aus, sursum versus heißt alfo ober, 
wärts. 


83 


Kindern, deren Haͤßlichkeit dem Urbilde der Eltern ent— 
ſpraͤche, Binden um die Naſe legten, bamit fie ſtumpf 
bleibe und dem Helme nachgebe. *) Diefe Stelle paßt alfo 
im Grund feineswegd hierher; wohl aber der 321. Berg: 

Nicht im Helme die Wangen (oder Augen) gefchloffen.. **) 
Hier ift im Gegenſatze das Antlig der Göttin entblöft 
Cnuda) genannt; und ed muß alfo doch auch bei den 
Römern Schlußhelme gegeben haben. 

Diefe angeführten Stellen überfah entweder Lipſius 
zum Theil, oder er hielt fie im Grund fir wenig beweis 
fend, daß die Alten Geſichtsbedeckungen getragen hätte, 

Er jagt in feinem Werfe: De militia Romana Lib. IIl, 
Dial, V, „Ich bemerfe hierbei noch, daß die Alten wohl 
fchwerlich gefchloffene und dem Geficht anliegende Helme, 
wie die Reiter unferer Zeit (in der zweiten Hälfte dee 
16. Jahrhunderts) getragen. Denn Gäfar rief den Sei: 
nen in der Pharſaliſchen Schlacht zu: Sieger, ziele 





*) Obtundit teneras cirtumdata fascia nares, 
Ut galeis cedant. Sie propter proclia natos 
Maternus defurmat amor. 


**) Non galea eonclusa genas. 

Der 392te Werd Inclusae latuerunt casside turres, Beweift 
nur im Gegenfaße zu dem nuda, Die Thürme find hier 
die Mauerfrone auf dem Haupte der Göttin, melde fie 
unter dem Helm verbirgt. 

Sidonius, eigentlih C. Sollius Apollinaris Sid., war 
ein Gallier und Bifhof zu Elermont in Audergne, im 
Sten Sahrhundert zur Zeit des Attila. Er fihrieb eine 
Sammlung von Briefen in 9 Büchern und außerft vers 
ſchrobene Gedichte, 





84 


nach [dein Angeſicht! — dieſes war nämlich entbloͤßt, außer 
wenu der Schild es dedte.«u "\ 

Allertingd war’ mit ver Helmbedeckung der Römer, (die 
Brichen ſcheint Lipfius in fein veteres nicht eingefchlof 
fen zu haben), im Allgemeinen fein Bifir oder eine Maske 
verbunden, aber in einzelnen Fällen fanden fie doch nad) 
den angeführten Schriftftellen ftatt, und auch Denkmäler 
fprechen dafür. Mehr noch, auch ganze Reiterhaufen 
trugen folche Gefichtsbedefungen und der Beweis ift, ver 
wmoftens feit Alerander Severus Zeit, mit Ber 
ftimmtheit zu führen. Su den Kriegen, mit den Perfern 
nämlich, führten die Römer die, jenen eigenthümliche Lan— 
besbewaffnung und Ruͤſtung auch in ihren Heeren ein, um 
naͤmlich folche Neiter und Bogenfchügen gegen die oft uns 
vermuthet hervorbrechenden Deutfchen, beſonders Alemans 
nen zu benugen, welche eben durch ihre rafchen Anariffe 
und fchnellen Zuruͤckzug, den Römern befonders ſchade— 
ten. Gegen diefe brachte Alerander Severus im Fahre feis 
ned Todes 235, morgenländifche Truppen, Parther, Ds 
dröner u. a. mit, welche nachher Marimin ) gegen 
den Feind führte und ihm gänzlich ſchlug. Auch Rö mir 
fhe Reiter verfab Alerander mit foldhen 





*) Adnota, veteres elausas et vultui appressas undique (mo- 
re nostrorum equitum) vix habuisse, Inde vox illa Caesa- 
saris; „Miles faciem feri: quae scilicet, nimi a scuti ob- 
jectu, nuda,“* 

) ©, deflen Leben v. Zul. Cupitolin. C. XI. Quod nulli 
magis contra Germanos quam sagiltarii valent. Schon früher 
kommen 500 Palmirener unter den römifhen Hülfstrup⸗ 
pen vor. S. Hygin de castrametat, 








85 


Ruͤſtungen getödteter perfifcher Neiter, deren Zahl 
auf 10,000 angegeben ift.”) Diefe Art über und über 
mit Harnifchen bededter und doch in diefer Nüftung Leicht 
beweglicher Reiter hießen bei den Derfern Slibanarier,*") 
bei den Römern aber nad) einer griechifchen Benennung 
Eatapbractarier. Seitdem fcheinen diefe Art Reiter 
in dem römifchen Heere geblieben zu ſeyn; fie werden 
wenigftend in der Notitia Dignitatum Imperii Rom, 
Sect, V. (d. h. dem Verzeichniß der Staatswürdenträger 
des römischen Reichs, weldyes gegen dad Ende der Res 





*) Sn feinem Briefe an den römifhen Senat fagt ter fies 
gesftolze Züngling: Centum et viginti millia equitum ſudi- 
mus „catuphractarios, quos illi clibanarios vocant, de- 
ccm millia in bello interemimus; eorum armis nostros ar- 
marimus,‘* 

) Das Wort clibanus (xAsBxres) (nah Caſaub. ein perfi« 
ſches Wort) erklärt der heil. Hieronymus: als ein eher 
nes rundes Gefäß, (unten weiter ald oben) zum Baden 
des Broded, welches inmendig glühend wird, von daruns 
ter angemachtem Feuer. Clibanus est coquendis panibus 
aenei vasculi deducta rotunditas, quac sub urentibus flam- 
mis ardet intrinsecu, Alſo etwas den ganzen Körper 
ringsum verhühendes, wie das Brod in der Erzhöhlung 
rings eingefchloffen ift. So gerüftete Reiter wurden aud. 
an den Streitwagen gebraudht, wie Vegetius bemerkt: 
(Lib III. c. 24) Bini cataphracti equi jungebantur ad cur- 
zum, quibus insidenies clibanarii sarissas i. e, longissimos 
contos in elephantos dirigebant, „Zwei geharnifhte Pferde 
werden an einen Wagen gefpannt, auf biefen Pferden figen 
über und über Geharniſchte und fchleudern Gariffen 
d. bh. lange Lanzen gegen die Elephanten.“« — Die Elibas 
narier waren theild in ganz eifernen Panzern, theils in 
Schuppenharniſchen, deren Gelenke beweglich waren. 


86 


gierung Theodoſius des Juͤngern verfertigt ift, wie der Erz 
klaͤrer ) beweift) unter dem Namen: equites Persae cli- 
hanarii, und equites clibanarii Parthi erwähnt. Daß 
dieſes Reiterkorps alfo nicht aus wirklichen Perſern und 
Parthern allein beftand, fondern auch Römer und Provinz 
zialen in fich faßte, geht fchon aus obiger Stelle im 
Briefe Mlerander Sen. hervor. Aber auch zwei römijche 
Steinfchriften in Mainz beweifen, daß in foldyen Heers 
haufen, welche ausländifche Namen nach der Bewaffnungss 
art der Krieger tragen, und deren in der Notitia fo viele 
vorfommen, auch Römer dienten. So fommt in der eis 
nen Steinfchrift ein gewiffer Argiotalus als eques der ala 
Indiana, (welche Trajan nach feinem indischen Feldzug 
fihjeint errichtet zu haben) vor, der doch aus Nanneteg 
oder Nantes, alfo ein Gallier war; und auf der andern 
ein decurio derfelben ala, welcher den römifchen Namen 
Flavianus Aventinus trägt. 

Daß jene yerfifchen Reiter nun, welche feit Mlerander 
im römifchen Heere dienten, nun auch auf folche Art bes 
waffnet waren, daß einem derfelben die oft erwähnte Ei 
ſenmaske kann angeeignet werden, diefer Beweis bleibt 
uns noch übrig. Und wir führen ihn mit großer Beftimmts 
beit aus zwei Stellen des Ammianus Marcellinus, der in 


*) Yanciroli, Brofeffor in Patavium, gab einen fehr gelehr« 
ten und umfaflenden Commentar zu diefem in vielen Be: 
nennungen außerft dunfeln Werfe heraus, Lugdun. 1608. 
Der erfte Eoder wurde in England gefunden und mit un: 
zähligen Mängeln von Marianus Scotus herausgegeben 
1572. Später fand man in Rom nod zwei andere und 
Pancirofi verglich und verbeflerte manches. 


3 


der Mitte des Aten Jahrhunderts Iebte, und ung ganz aus 
führlich bei dem Feldzuge Julians die Rüflung und den 
Anblick des yperfifchen Heeres folgendermaßen (Lib. a5, 
C. 1.) beſchreibt. ) „Es waren alle Schaaren in Eifer 
gehuͤllt, und fo Glied vor Glied mit dichten Blechen bes 
det, daß, die flarren Fügungen mit den Gelenken der 
Gliedmaßen zufammentrafen: auh Nachbildungen 
menſchlicher Gefichter find ihren Köpfen fo 
forgfältig angepaßt, daß, bei über und über gehar⸗ 
nifchten Körpern, die auf fie gefchoffenen Pfeile nur da 
eindringen Tonnen, wo man durch Keine Höhlungen, 
welche in dem Augenfreife angebracht find, 
nur Färglich fieht, oder durch die Naſenloͤcher 
den beengten Odem hervorfiößt.“ Welche Ber 
ſchreibung kann deutlicher und treffender eine folche Schutz⸗ 
masfe **) befchreiben, wie die unfrige ift. Daß aber nicht 
etwa das ganze Heer, wozu der Ausdrud omnes cater- 
vae hinführen könnte, folche vollftäudige Nüftungen über 
den Mann trug, fondern vorzüglich die Reiter, dies 








*) Erant autem onınes catervae ferratae, ita per singula mem- 
kra densis laminis tectae, ut juncturae rigenles compagibus. 
artuum convenirent: humanorumque vuwtuum simulacra 
ita capitibus dilizenter adapta, ut, imbractealis corpori- 
bus solidis , ibi tantum incidentia tela possint hacrere, qua 
per gayernas. rainutas, ct ochibus oculorum alfixas, par- 
cius visitur, vel per supremilates narium angusti spiritus 
emitluntur. 


*) Daß auch mwahrfcheinlich der perfifche Neitereibefehlehaber 


Maſiſtios, der in der Schlacht bei Platää fiel, eins ſolche 
getragen babe, wurde fruher bemerkt. 


BB. 


feheint eine andre Stelle Ammiand (Lib. 16.) zu beweis 
fen, weldye alfo lautet: „Darunter gemifcht waren ge» 
barnifchte Reiter, welche die Perfer Elibanarier 
nennen, wohl verwahrt mit Bruftpanzerhülfen und eiſer— 
nen Lendendeden, fo daß fie mir wie Bilder von Praris 
teles Hand geglättet, nicht wie Männer vorfamen, welche 
dünne Kreife von Eifenblechen rings umhüllten, die ſich 
über alle Glieder hin dehnten, fü daß, wohin immer bie 
Gelenfe fich nothwendig bewegen mußten, Die genau am 
paſſende Biegung mit den Kleidern zufammen traf. *) 
Das que, womit Ammian in der erftern Stelle erant etc, 
bie zweite Hälfte des Satzes an die erfte fügt, ſcheint 
alfo befonderd Reiter zu bezeichnen, welche noch etwas 
beſonderes von den übrigen, auch in Eifen gerüfteten 
Schaaren, hatten, nämlich die Geſichtsmasken. ) 





*) Sparsique cataphract? equites, quos clibanarios dictitant 
Persae, tharacum muniti tegminibus, et Jumbis ferreis eincti, 
ut Prazitelis manu polita crederem simulacra, non viros, 
quos laminarum circuli tenues, apti corporis flexu ampiebant 
per omnia membra deducti, ut quocunque artus necessitas 
commoyisset, vestibus congrueret juncturg colıaerenter ap- 
tata. — Hier gebraudht Ammtan wieder das Wort simulacra 
Bilder, welhe die Hand eines Künſtlers aufs feinite ger 
glättet. Demnach müfen dod wohl auch die Gefidter 
dem übrigen gleich, geharnifcht gewefen ſeyn. 


Sm römifhen Heere fheint 'diefe perfiihe Bewaffnungsart 
in der Mitte des vierten Jahrhunderts noch gewöhnlich ges 
wefen und wahrſcheinlich aud in ihren Feldzügen gegen die 
Alemannen öfter mit Vortheil angewendet worden zu 
seyn. Denn im Sabre 357 gebrauchte Julian folhe ge: 
panzerte Reiter und Bogenſchützen (cataphracti et su- 


— 


+ 


89 


Nach alleır dieſen Erdrterungen bliebe nun noch bie 
Frage uͤbrig: Wenn auch erwieſen ift, daß die perfifchen 
Reiter im römifchen Heere folche Masken trugen, iſt denn 
die Arbeit derjelben perſiſch? Schon früher behauptete 
ich, fie fen nach dem, was wir von der perfifchen Kunft, 
befondern in fpäterer Zeit, wiffen, durchaus feinem Kuͤnſt⸗ 
ler diefer Nation, fondern einem griechifchen oder römis 
fchen zuzufchreiben. Und gewiß wird jeder nun nad der 
bierbei folgenden, won mir aufs genauefte nach dem Urs 
bilde gezeichneten Abbildung, dafjelbe jagen. Alfo muß 
man annehmen, ein Roͤmer oder ein Provinziale in dies 
fer Reiterfchaar, und hoͤchſt wahrfcheinlich ein Anführer 
oder Dffizier habe diefe Maske von einem guten Künftler 
feiner Nation verfertigen Iaffen. Wenn aber die perfifchen 
Reiter erft mit Beftimmtheit unter Alerander Severus 
im römifchen Heere mit ihrer eigenthuͤmlichen Ruͤſtung 
yorfommen, jp fragt fich endlich noch; „War denn Die 


—, — e 


gittarii) in der Schlacht bei Argentoratum gegen die Ales 
mannen unter Cheodomars und Serapiens Anführung. 
Ammian (XVI. ı2.) nennt fie eine furchtbare Art 
von Bemwaffneten (genus formidabile armatorum), und be: 
merft weiter: die Alemannen hätten wohl gewußt, 
daß auch der geſchickteſte Reiter einen folhen völlig ge: 
barnifchten und ganz in Eifen gehüllten Krieger 
(tegminibus ferreis abscondito bellatori) nichts hätte anhaben 
fonnen. Deshalb hätten fie aus Eluger Vorſicht unter ihre 
Neiterei hin und wieder leichte Fußgänger gemifht, da 
diefe eher unbemerkt auf der Erde binfhleihen, das 
Pferd feitwärts durhbohren und dann den unvermuthet 
vom Pferde geftürzten Reiter leicht nieder machen könnten. 
v9. 


0 


Kunſt in diefem Zeitalter nicht zu ſehr gefunfen, ald dag 
ein Werk, welches doch des hadrianifchen Zeitalterg, wie 
früher gefagt wurde, nicht unwuͤrdig fcheint, dem fpäs 
tern von Alerander Severus allenfalld koͤnnte angeeignet 
werden ?u« — Windelmann Cin verkhiedenen Stellen feine 
Gefchichte der Kunft), bemerft, das es auch in fpätern 
Zeiten noch gute Bildrigfünftler gegeben babe, indem dies 
fes Fach beftändig verlangt und darum mit Eifer fortges 
trieben wurde, während die Auffaffung ded ein ganzes 
Gebilde durchdringenden Lebens und eigentbümlichen Geis 
ftes nur einer Zeit gelingt, wo überhaupt geiſtiges Leben 
noch berrfcht und in jeder Kunft wirkſam fich zeigt. Nas 
mentlich verrathen die Bilder des Alerander Severus und 
der Mammaͤa für die fpätere Zeit, wie in der 1452, Note 
zum 12. 8. der Gefchichte der Kunſt bemerkt ijt, viel Bes 
Iebtheit und Harmoniſches. Fea führt zwei vortreffliche 
Bruftbilder Aleranders in der Gallerie zu Florenz am. 
Bon der Zul. Mammda find zwei Bruftbilder im Pios 
Clement. Mufeum (Tom IV, tav. 57. pag. 71.) Auch die 
capiolinifcheBüfte, welche bisher dcey Namen Manlia Scans 
tilla führte, gehört diefer großen und Fugen Frau an, 
welche in ihrem Sohne dem römifchen Reiche einen bes 
wundernswärdigen Herrfcher erzog, den nur die Schlech— 
tigfeit feiner Zeit nicht ertragen Fonnte. — So find aud) 
an der fogenannten Begräbnißurne des Alerander Seve— 
rus und feiner Mutter manche Theile aber die im Allger | 
meinen gefunfene Runftzeit erhaben zu nennen, *) und wir | 
fonnen immerhin annehmen, daß der DVerfertiger der eis | 





) Winckelm Geſch. d. Kun 12. Buch und Anmerk. 1460, | 





9 


fernen Maske zu jenen befferen Künftlern gehörte, welche 
wenigftend durch Nachahmung der Alten ihren Gebilden 
einen reineren Kunftftyl bewahrten. *) 

Zur Vergleihung mit der befchriebenen Eifenmagfe 
und ihrer Acht antiken Arbeit, mögen die aud im Mit— 
telalter, wiewohl Außerfi felten vorkommenden Bifire, 
welche den andern zwar in der Einrichtung und den ber 
Bewegungsgewerbe gleichen, aber Menfchengefichter vors 
fielen, dienen. Sch fand folgende in der Sammlung, 
welche ehedem im Schloffe Ambrag, unweit Infprud, 
nun aber in Wien bei dem Belvedere aufgeftellt ift, de— 
ren Abbildungen mit einer Furzen Lebensbefchreibung der 
Helden begleitet, durch Joh. Engelbert Noyfe von Cams 
penhouten herauggegeben worden find, Cgedrudt zu Ins⸗ 
brud 1603.) 


4) Friedrich III. von Montefeltre, Herzog von Urbino, 
der unter Dem Könige Alphonfo von Neapel, dem 
Kaifer Sigmund und Sirtus IV. diente, alfo im 
Anfang des fuͤnfzehnten SZahrhunderts Iebte, ein 
vielfach den Dienft wechfelnder tayferer, Doch bes 
fonnener Kriegsmann und die Wiffenfchaften lieben» 
der Fürft, der acht Schlachten im freien Felde ges 
fchlagen und ſechsmal gefiegt kat, war mit einem 
Helme gefhüst, der ein Menfchengeficht mit einent 
Schnurrbart vorftellt. Ohren find an der’ Magfe 
nicht bemerfbar, auch Fein eigentliches Kinn, 


*), Die oben befchriebene antike Eifenmasfe ifi feitdem in das 
k. k. Mufeum zu Wien durch Herrn Hauptmann Mitter 
von Pittel gefommen. 


92 


2) Eine biefer ziemlich ähnliche Maske auch ohne ges 
rundetes Kinn, trug Chriftoph IV., Herzog zu Würs 
temberg, Sohn des befannten Ulrich von Würtems 
berg, der durch den fchwäbiichen Bund aus feinem 
Lande getrieben wurde. Er ftarb im Sabre 1568. 

3) Eine Gefichtshülle, die einem Adler gleicht, mit ges 
kruͤmmtem Schnabel, von grotesfem Anfehen, Flügels 
artigen Ohrendecken, ſehen wir bei Albrecht, Marks 
grafen von Brandenburg, wegen feined tapfern Ges 
müthes und ftarfen Leibes vom Pabſt Pius II, der 
deutfche Achilles genannt, geboren 1414. und geftors 
ben 1486. 

4) Eine ganz vollfommen nad) der Natur gebildete 
Geſichtsmaske, welche unter dem Kinn noch einen 
ziemlich breiten Rand hat, der fich mit der Halds 
rüfßtung verbindet, welche Ießtere fich über das Ohr 
binzieht und es fchügt, trug Wolfgang Dieterich von 
Hohenembs in Deftreich, der im Bauernfricg fich auss 
zeichnete, alfo im Jahre 1525. Carl V. wollte ihn als 
Obriften über ein Regiment von 20 Fähnlein deutſcher 
Knechte zur Belagerung von Marjeille benußgen, aber 
er ftarb im 31. Jahre feines Lebens. 

5) Auf dem Grabmale Marimilians I, ift eine Figur, 
welche eine ruͤckwaͤrts aufgefchlagene pöllige Geſichts⸗ 
masfe trägt. 

Keiner vpn allen dieſen Helmen, welche dem 15ten 
und 16ten Jahrhundert angehören, iſt jedoch fo alt, alg 
dje auf zwei Grabfteinen, welche man in der Burg des 
Gartens zu Biebrich wahrnimmt. 








95 
Nachtrag des Heraudgeberd, 





Der erfte diefer Grabjteine, von welchen hier geredet 
wird, ift auf der linfen Seite des Burgeingangs, außen an 
der Mauer befeftiget. Es it der des Grafen Johann 
von Katzenelenbogen, welcher nach der Inſchrift, den 
98. October des Jahres 1444 ftarb und in der Abtei Ebers 
bach im Rheingau beerdigt wurde. | 

Der Stein wurde mit mehreren andern Epitaphien jener 
Klofterfirche zur Außern Verzierung der im Sahre 1807 auf 
den Grundmauern einer Altern Ruine im Styl des Mittel 
alters erbauten Burg verwendet. *) 

Der 814, Fuß hohe 3), Fuß breite Grabfteitt, an beffen 
vier Ecken die Gagenelenbogifchen Wappenfchilde angebracht 
find, führt folgende Umfchrift in gothifcher Minugfel: 

Anno. Domini. Miillesimo. cccc? Yliii. im, 
Die Spmonig. et. Jude, Ayldrum. obiit, 
Nobilis. vomicellus. Johannes. Comes. jn, 
Iacsenelenboge. ©. ata. requescat. T pace. 
Amen. 


— 


H Sechs intereſſante Grabſteine der Grafen von Katzeneln⸗ 
bogen, welche in Eberbach, ihr Familienbegräbniß hat— 
ten, verdanken nach der Säculariſirung dieſer Abtei, der 
Verſetzung an die genannte Burg ihre Erhaltung. Sehr 
zu bedauern iſt es, daß die meiſten dieſer Epitaphien, von 
denen Wenk im 1. Theil der heſſiſchen Landesgeſchichte 
©. 271 ein Verzeichniß liefert, aus der Kirche entfernt 
und ju andern Zwecken verwendet worden find. Mur ein 
Monument, weldhes in Eunftreicher gothifher Verzierung 
die Epitapbien von drei Erzbifhöfen von Mainz (nämlich 


94 


Auf diefem Denfmahl erſcheint die ganz geharnifchte 
Figur des Grafen, wit gedffnetem Helm auf dem Kopfe, 
Schwert und Speer an der Seite, die Füße auf zwei 
Löwen geftüst, eine Vorſtellung, die fich haufig auf alten 
Nitterepitaphien findet. Der Helm ift wegen der eigens 
thuͤmlichen und felten vorfommenden Bifireinrichtung be» 
merfenswerth und findet fich auf Tab. II. Fig. 1. abgebils 
det, da feine ungewöhnliche Form zur Erklärung des vors 
herbefchriebenen römifchen Helmvifirs beiträgt. 

An gewoͤhmichen Helmen des Mittelalters ift nämlich 
das Vifir durch zwei verniethete Siiften an beiden Seiten 
des Helmes befeftiget, wodurch es fid), wie Km eine Are, 
vor» und ruͤckwaͤrts bewegt. 

An dem unfrigen dagegen ift die Geſichtsbedeckung wie 
eine fchildförmige Klappe geitaltet, welche durch ein Charnier 
oben mit dem Helme zufammen hängt und aufgefchlagen 
werden fonnte, fo daß fich in der innern Wölbung des Viſirs 
die Deffnungen für Augen und Mund zeigen. 

Ein zweiter, dem eben befchriebenen ähnlicher Helm 
mit gleicher Einrichtung des Viſirs, findet fich im Sunern 
der Burg auf dem Vorplatze, der Thuͤre gegenüber auf ei 
nem Epitaph ohne Umfchrift, welches ebenfalld aus der 
Abtei Eberbach herfiammend, einem Grafen von Kaßen; 
elenbogen aus der Mitteded XIV. Jahrhunderts angehörte. *) 


Gerlachs von Naffau, 41371. Johannes von Ligne, + 1373. 
und Adolphs II. von Naſſau, + 1475.) umfaßt, ift im 
Chor ver Kirche noch vorhanden und mit rühmlicher Sorg— 
falt vor Zerftörung bewahrt worden. 

v) Die Wappen des Haufes Naflau, welche man oben auf 





35 


‘ 


Er ift abgebildet auf Tab. II. Fig. 2. 

Das aufgefchlagene Vifir, welches auch bier durch ein 
einfaches Charitier an dem zugefpisten Helme oben befeftigt 
ift, zeigt im Innern nur eine fchmale vergitterte Oeffnung 
für die Augen, ohne Luftoͤffnungen wie bei dem vorigen. 

Außer diefem geöffneten Helme, unter welchem zum 
Schuß des Halfes ein Panzerhemd aus in einander gefloch— 
tenen Drabtringen, über den Bruftharnifch herabfällt, trägt 
die ganz gerüftete Figur in der linken Hand noch einen 
Turnierhelm, auf deffen Helmdecke die Inſignien des Hau- 
ſes Catzenelenbogen erfcheinen. Die ausführliche Befchreis 
bung diefes auch in technifcher Beziehnng höchft inter> 
effanten und reich verzierten Denfmald würde zu weit 
führen. Eben fo bleibe die vollftändige Abbildung ded gan- 
zen Grabmals einer andern Zeit vorbehalten. Zur Bers 
gleichung genüge hier die Abbildung des Helmes. 

Auf diefelbe Art fcheint alfo das in vorftehender gründlis 
cher Abhandlung unfers verehrten Landsmannes befchriebene 
römifche Helmvifir vermittelft eines Gewerbes zum Zus 
ruͤckſchlagen eingerichtet geweſen zu ſeyn. Die vierecfige Oeff— 
nung an der Stirne deutete ohne Zweifel die Stelle des 
Charniers an, wodurch es mit der uͤbrigen Kopfbedeckung 
verbunden war, was die auf beiden Seiten noch ſichtbaren 
Niethnaͤgel beweiſen. 


F. G. H. 





— 


beiden Seiten des zugeſpitzten gothiſchen Aufſatzes be— 
merkt find, irriger Zufag neuerer Zeit, 


— —— 


% 


6. 
Kurze gefchichtliche Darftellung der Herrſchaft Schaum 


burg von dem veritorbenen Herrn Canonicus J. 
W. Buſch zu Limburg *), mit Anmerkungen be; 
gleitet von Herrn Schulinfpector und Pfarrer 
Vogel in Schoͤnbach. 





Nach dem im Jahre 966 erfolgten Ableben Eberharbg, 
welcher nach Conrad Gurcipolds (des Stifters des prachts 
vollen Münfters in Limburg), finderlofem Tode demfelben 
in der Verwaltung des Niederlahngaues gefolgt war, 
finden wir namentlich als Faiferlihen Gaugrafen im 
Arrih CEinrih), welcher Gau bisher gewoͤhnlich zu 
dem Niederlahngau gehörte, einen gewilfen Hugo. Kre- 
mer orig. Nass. Part. I. p. 81. Ob diefer Hugo 
eben wohl, wie die zuvorgenannten Conrad und Eberhard 
aus dem alten fränfifch -falifchen Gefchlechte entfproffen 
oder nicht? — bleibt zur Zeit noch ein hiſtoriſches 
Problem. Wenck in historia Hassiae Part, I. pag. 186, 
vereneinet ed. Dem Hugo folgte Gerlach. Er fommt 
in Urkunden von den Jahren 993, 1000 und 1002 nament- 
lich vor. Als Nachfolger Gerhards in dem Niederlahn- 
gau und dem Arrich werden in einer Urkunde des Bi: 
ſchofs Aecho von Worms vom Jahre 1034 (Orig. Nass. 


H Berfaßt im September 1818 für des Erzherzogs Palatinud 
kaiſerl. Hoheit. 


97 


p. 109) Arnold und Wigger genannt, Beide Brüder 
theilten diefe Gauen fo unter fi), daß dem Arnold der 
Gau Arriche mit den in demfelben gelegenen Allodialen 
zu Theil ward, außerdem aber auch noch andere Allos 
dialien, unter welchen wohl Limburg das vorzüglichfte 
war, erhielt. Wigger dagegen befam mit ber Bogtei der 
Kirche zu Limburg, Wefterburg und Runkel ausgefchier 
ben, welche dem Grafen Arnold verblieben, die Faiferliche 
Srafichaft in dem Lahngau. 

Um dieſe Zeit fingen die Gaugraffchaften, als kaiſer⸗ 
liche Lehen, allmälig an erblich zu werden. Noch im Sabre 
4050 erjcheint Arnold in einer Urfunde (orig. Nass, 
p. 123.) ald Graf im Arriche, 1052 aber unterfchreibt er 
ſich mit dem von der durch ihn erbauten Burg Arenftein 
entlehnten Gefchlechtönamen. Hontheim hist, dipl, Trev, 
Tom I. pag. 395. Arnold zeugte Ludwig J., Grafen von 
Arnftein, diefer Ludwig IL. und fieben Töchter; Ludwig II 
mit feiner Gemahlin Udilchild aber Ludwig III, der kin⸗ 
derlos war, und mit dem die Neihe der Grafen von Arn⸗ 
fein in männlicher Descendenz erlofch. Dieſer verwans 
beite 1139" feine Burg in ein Klofter unter der Regel des 
h. Rorberts, dem er reichfiche Güter fehenfte, und in wels 
dem er felbft die Gelübde eines Layenbruders ablegte, 
Seiner in diefe Stiftung und Trennung eimwilligenden Ge— 
mahlin Guda (Juditha) erbauete er auf der Iinfen Seite 
beffelben Berges eine Klaufe, ans welcher fie vermittelft 
eines Fenfterd dem Gottesdienfte beimohnen konnte. Luds 
wig ftarb im Jahre 1185 im Rufe der Heiligkeit. 

Bon des verftorbenen Ludwigs fieben Schweſtern was 
ven die Ate an einen Grafen von Naſſau, die 7te aber, 


98 


Matbildis, an einen Dynaften von Sfenburg verehelicht. 
Diefer Fegtere, nannte er fich nach Fiſcher geneal, isenb. 
Gerlach, oder nach Kremer orig. Nass. Reinbold, folgte 
feinem Schmager in bie Grafichaft, ald die Dyna— 
ftien Schauenburg, Limburg, Wefterburg und Runfel. 
Gerlach oder Reinbold, gilt gleich, welcher von beiden- 
Brüdern, zeugte mit der arufteinfchen Gräfin drei Söhne, 
Gerlach, Reinbold und Siegfried. Brower annal, Trev. 
p.44. Gerlach erbiclt aus der väterlichen Nachlaffens 
fchaft die Dynaftien Limburg und Schaumburg *), Siegfried 
jene von Runfel und Wefterburg, und endlich Reinbold 
die Graffchaft auf dem Arriche. Orig. Nass. I, 357. 
Gerlach fommt noch im Sahre 1146 in einer Urs 
tunde vor, ftarb aber noch vor dem Jahre 1158 und bins 
terließ zwei Söhne Gerlach und Heinrich I. Gerlach fegte 
die Iſenburg-Coverniſche (Covern an der Mofel) Linie fort, 
Heinrich aber die Iſenburg-Limburgiſche. Diefer, der vor 
1200 ftarb, zeugte zwei Söhne, Heinrich und Eberhard. 
Hist. dipl. Trev. Tom. I. p. 641. Heinrich II. mit feiner 
Gemahlin Sfengarde, Gräfin von Eleberg (Fischer geneal, 
isenb, p. 117.) hinterließ ebenwohl zwei Söhne, Gerlach 
und Heinrich IIT. Heinrich II. Bruder Eberhard war geifts 
lich, Tomberr zu Mainz und feit 1235 Probft zu Limburg. 
Gerlah und Heinrich III. befaßen nach dem Tode 
Heinrichs IT. (vor 1233) die väterliche BVerlaffenfchaft 
eine Zeit lang ungetbeilt, bis fie endlich 1258 an eine 
Theilung derfelben dachten, darüber uneind wurden, fid) 
endlich, jedoch unter Vermittelung Arnolds, Erzbifchofs 
von Trier, dahin verglichen, daß Gerlady die Burg und 





*) Hierzu der Rachtrag 1. pag. 101. 


1) 


die Stadt Limburg, fo wie die Burg Schaumburg mit 
Gramberg, Steinsberg und Biebrich nebft den Burgen 
Sekbach, Staden und Frauenftein, Heinrich aber die Dogs 
tei Billmar erhalten, die Burgen Eleberg und Habechens 
berg in der Wetterau unter beide zu gleichen Theifen vers 
theilt werden follte. Diefe Theilung war eine Todtheis 
lung, und Gerlach nahm anjtatt des Namens Sfenburg 
nunmehr den Namen eined Tynaften von Limburg an, 
Neindard hit. Ausführung, pag. 309, 

Gerlach I., Dynajt von Limburg, vermählt mit Ima- 
gina Comitissa de castris (von Bliegfaftel) zeugte au 
derfelben unter anderen Kindern eine Tochter mit Namen 
ebenfalls Imagina, die an den Grafen Adolph von Naf 
ſau vereblichet war. Origin. Nassov. Part. II. p. 405, 
Adolph begiinftiget durch feinen Better, den Erzbifchof von 
Mainz, hatte Hoffnung zu der durch Rudolph von Habs— 
burgs Tod erledigten Kaijerfrone, und es mußte Gerlach 
fehr fihmeicheln, feine Tochter als Kaiferin zu feben, 
Siegfried von Wefterburg, Erzbifchof von Koͤln, mußte, 
als mitwählender Kurfürft, um feine Stimme erfucht, und 
gewonnen werden. Mit ven Dynaſten von Limburg aus 
dem Haufe Iſenburg abfiammend, gleichen Gebfütes, glaubte 
Gerlach feinen mächtigen Schuß vorzuͤglich Dadurch ges 
winnen zu fünnen, wenn er dem fölnifchen Erzftift die 
Schaumburg mit Zugehör durch eine Schenfung auf ims 
mer verchrte (1255). Er erreichte fein Ziel, und Giegs 
fried verrichtete felbft die Salbung des neuen Kaiſers, 
und der Kaiferin. *) Co ging die Schaumburg von den 
Dynaſten von Limburg an das Erzftift Köln über. Chron. 


*) Hierzu der Nachtrag IT, pag, 104. 


100 


Limburg. in Prodr. hist, Trev, p. 1075. Siegfried 
übertrug fofort diefe Herrichaft an feine Familie, die Dys 
naften von Wefterburg, unter der Bedingung, daß fie 
fünftig diefe Herrfchaft als erzitiftifche Fölnifches Leben ans 
erfennen follten. Diefe Dynaften famen demnad) in ru— 
bigen Befig der Burg und Herrichaft Schaumburg, und 
Johann von Wefterburg errichtete mit der Stadt Lim 
burg im Sabre 1311 ein Buͤndniß, wodurd, er ſich Dies 
felbe mit feinem Haus Schaumburg gegen jeden zu 
ſchuͤtzen verpflichtete. Diefes Buͤndniß beftand bis zum 
Sabre 1346, in welchem Reinhard von Wefterburg ſich 
von demfelben wieder losjagte, 

Als 1320 die Gebrüder Reiner nnd Johann von We 
fterburg gegen den trierifchen Erzbifchof Balduin aus dem 
mächtigen Haufe der Grafen von Luremburg die Waffen 
ergriffen, 309 lesterer gegen Schaumburg und erbaute 
auf dem Grund und Boden der beiden Gebrüder, um ih. 
nen für die Zufunft einen Zügel anzulegen, die Burg 
Baldenftein. Damit aber das durch gebrauchte Gewalt 
Gewonnene feine Veranlaſſung zufünftiger weiterer Fehden 
feyn möchte, brachte er fpäter das den Brüdern mit Ge 
walt Entriffene fäuflid an fi. Honth. Prodr. hist. 
Trev. p. 852. Dieſes war die erfte der Befikungen des 
trierifchen Erzftift8 an der Lahn, die fich fpäter fehr ers 
weiterten. Sin den flürmifchen Wahlzeiten Rabans, Erz 
bijchof3 zu Trier, im 15ten Jahrhundert, ward die Burg 
und dad Thal Baldenftein, nebft dem Kirchenfchag dafelbft 
an Wilhelm von Staffel verpfänder, von welcher Famis 
lie nach deren Erlöfchen die Pfandfchaft an die Herren 
von Reifenberg, und von diefen an jene von Elzruͤbenach 





101 


überging. Hier, am Zufammenfluffe der drei verfchiede- 
nen Sandeshoheiten, naͤmlich jener des Erzftifts, dann der 
der Grafen von Dieß, und endlich der der Herrfchaft 
von Schaumburg ftehet eine erhabene Linde, am deren 
Wurzel der gemeinfchaftliche Hoheitsftein eingefenft ift. 
Nachdem die Herrfchaft Schaumburg mit Fölnifch = erz 
ftiftifchem Lehensconfens fpäter an die Grafen von Katzen⸗ 
elnbogen verpfändet worden, hat diefelbe endlich 1655, 
Agnes, die Wittwe Peters des Grafen von Holzappel, 
von Georg Wilhelm, Grafen von Feiningen Wefterburg 
kaͤuflich an fich gebracht, fie von dem Lehensverband mit 
dem Erzftift Köln befreiet, und ihrer Tochter Elifabeth 
Charlotte, ald Heirathsgut, an den Fürften Adolph vorn 
Naffaus Dillenburg mitgegeben, der auch den Titel Naffaus 
Schaumburg annahm. Da auch diefer Feine Söhne hins 
terlaffen, fo Fam die Herrfchaft mit feiner jüngften Toch— 
ter Charlotte an Victor Amadaͤus, Fürften von Anhalt. 





Radträge 


von Herrn Schulinfpector und Pfarrer 
C. D. Vogel. 


1. 


Schaumburg kommt fchon i. J. 915 in ben Orig, 
Guelf, IV. ©.275 und zwar als eine befondere Graffchaft 
vor, Der deutfhe König Conrad 1. fehenkte in diefem 
Sabre feinen Hof Naſſowa mit allen dazu gehörigen, 


102 


an beiden Seiten des Fluffes Logene, in den beiden 
Grafichaften Sconenberg und Marvels gelegenen 
Gütern, an das Innerhalb der Stadt Wilinaburg neu 
‚ erbauete Klöfterlein. Der Name, durch einen Schreibes 
fehler aus Scowenburg vermuthlich verdrehet, und 
feine Lage an der Lahn, laffen feinen Zweifel übrig, daß 
nur Schaumburg hier zu verfichen fey. Den Begriff 
des Wortes comitatus in diefer Urfunde verengen, und 
ihn mit einer Gente oder gar nur einer Gemarfung gleich» 
bedeutend machen zu wollen, wie Wenk in den biftorifchen 
Abhandlungen 81. Not. Z., dazu ift um fo weniger Grund 
vorhanden, da die Untheilbarfeit der Gaugrafichaften nicht 
mehr jo feit ftand, daß nicht fchon Ausnahmen gemacht 
worden wären, und auch Schaumburg im dreizehuten 
Jahrhundert als eine befondere, abgefchloffene Herrfchaft 
neben Naſſau, Dietz, Katenelnbogen ꝛc. erfcheint, die in 
dieſem coınitatus ihren Urfprung hatte, 

Zwei Urkunden von 1194 und 1204, wovon die erfte 
Wenk in der heffiichen Landesgefchichte II., Urk. 124 und 
die andere Bodmann in den rheingauifchen NAltertbits 
mern 11. 79 geliefert haben, find für die Geſchichte von 
Schaumburg wichtig, obgleich ihr Hauptinhalt fich nicht 
darauf beziehet. Die erſte, welche erzählt, daß die Gräfin 
Elyfe, Witwe Ruprechts II, oder des Streitbaren von 
Naſſau, eine von diefem in Mulenbach erfaufte Wiefe an 
das Klofter Eberbach gefchenft habe, und deren Tochter 
Lucarde mit ihrem Gemahl, dem Grafen Herrmann 
von Birneburg, ihren gegen diefe Schenkung gemach— 
ten Einreden entfagen, ift gegeben worden apud casırum 
Schouwenburch. Als Zeugen kommen darin zuterft vor: 


103 


Heinrih, Bruno und Ruozmann von Sfenburg. Die 
zweite Urfunde zeigt uns die Verbindung, in der die Gräs 
fin Elyfa mit diefer Burg ftand, denn fie wird darin 
ald comitissa dicta de Schowenburg relicta Ruperti 
comitis de Nassowe angeführt, und verfauft mit. Eins 
willigung des Grafen Herrmann von Virneburg 
und deffen Gemahlinn Lucard, ihrer Tochter, dem Klos 
fter Johannisberg die DBogtey Steinheim im Rheingau. 
Denn hieraus laßt fich mit Necht folgern, daß die Bnrg, 
nach welcher fie fi) noch nad) ihres Gemahld Tode 
nannte, dem Gefchlechte, woraus fie entfproffen, anges 
börig, ihr ald väterliches Erbtheil zugefallen, und von 
ihr in Ermangeluhg männlicher Erben in Gemeinschaft 
mit ihrer einzigen Tochter und deren- Gemahl bejeffen 
worden fey. Daß fie aus dem Sienburgifchen Haufe und 
Schaumburg, einer Linie diefes Haufes angehört habe, 
diefer Vermuthung läßt fi) vor der Hand um fo wenis 
ger widerfprechen, da die Sfenburger durch die Arnfteis 
nifche Verlaffenfchaft im Einrich ftarf begütert waren, 
und dadurch felbft das Grafenamt über diefen Gau (freis 
lich nur ein Schatten diejer einſt fo hoben und bedeutens 
den Würde, das fie darım auch ohne Anftand bald ver 
aͤußerten) an fich gebracht hatten, Schaumburg felbft auch 
noch ſpaͤter im Befige derjelben in Gemeinfchaft mit Birs 
neburg angetroffen wird. Der Mitbefis des letzteren an 
diefer Herrfchaft, läßt fich aus den obigen Urfunden Far 
herleiten. Wie aber Virneburg Theil genommen und wie 
lange fein Beſitzſtand gedauert habe, iſt noch völlig ums 
befannt. Einige Thuͤrme des Schloffes follen noch in 
Beueren Zeiten von ihm benannt worden ſeyn; auch find 


104 


noch Kehnbriefe vorhanden, worin ed die von Langenau, 
Mudersbach, Eronendberg, Walde ꝛc. mit Theilen diefer 
Herrichaft belehnt. Die von Mudersbad; trugen bis zu 
ihrem Erlöfchen ein Achtel der Dörfer Fachingen und Birs 
lenbach von ihm. Graf Ruprecht von Virneburg vers 
ſprach 1405, Kagenelenbogen nicht an feiner Pfandichaft 
auf das Schloß Schauenburg zu hindern, und noch 
1435 machte Virneburg au einen Theil des Schloſſes 
Anſpruͤche. 





IE. 


Hier ift offenbar aus den Worten des Chronikfchreis 
bers zu viel gefolgert worden. Denn die beiden folgens 
den bisher ungedrucdten Urkunden beweifen zur Genüge, 
dag Schaumburg ſchon 1266 unter dem Erzbifchof Enz 
gelbert, an Köln, von Gerlah, Herrn von Lime 
burg zu Lehen aufgetragen, und 1279 an deffen Schwie> 
gerfohn Heinrich, Herren von Wefterburg gefon« 
men fey. Sn dem legteren Sabre, mehr ald 10 Sabre 
noch vor Rudolphs von Habsburg Tode, Fonnte an eine 
Bewerbung um deu Kaiferthron nicht wohl ſchon gedacht 
werden. 

1. 

Nos Gerlacus dominus de Zympurg Imagina uxor 
nostra et Johannes filius noster primogenitus tenore 
presentiam volumus esse notum, quod de libera vo- 
luntate nostra universam proprietatem nastram ad 
castrum Scowenburg pertinentem videlicet partem 
ejusdem castri (den andern Theil hatte Birneburg tune) 


105 


quam hactenus in eo habuimus vineas nostras in 
monte ipsids castri sitas et silvam nastram adjacen- 
tem cum omnibus redditibus quos in Birlebach et 
Crampurch villis hucusque dinoscimur possedisse do- 
nayimus ecclesie beuti Petri Apostoli Colonie a re- 
verendibus patribus domino Engelberto nunc ipsius 
ecclesie archiepiscopo snisque successaribus quiete 
et pacifice perpetuo possidenda renunciantes simpli- 
eiter et pure omni juri quad nobis tam in castro 
predicto quam bonis prenotatis competebat vel com- 
petere videbatur. In cujus rei testimonium et robur 
eonscribi fecimus presens instrumentum et sigillo- 
rum nostrorum munimine roborari. Datum anno 


dni. M.CC.LXVL sexto calend, Octoh, 
2. 


Nos Gerlacus dominus de Limburg notum faci- 
mus universis quod licet cum viro nobili domino 
Henrico de Westerburg qui cum filia nostra matri- 
monialiter contraxit Agnete videlicet certam promi- 
serimus liberaliter et dederimus pecunie quantitatem 
nos tamen ipsi Henrico genero nostro Agneti filie 
nostre predicte et heredibus eorum recognoscimus 
portionem hereditatis nostre que ipsis past mortem 
nostram jure hereditaria competit et potest compe- 
tere et ipsos diete hereditatis participes facimus et 
heredes et dictam portionem ipsis deputamus cum 
Johanne et Henrico filiis nostris et /magina filia nostra 
comitissa de Nassow percipiendam equaliter et propor- 
tionaliter dividendam,. Preterea super eo quod pres 


106 


dictus nobilis Zenricus dominus de Westerburg cas- 
trum Schouwenburg ex parte ecclesie Coloniensis te- 
nuit et tenet nec nos nec filii nostri predicti Imagina 
filia nostra predicta nec eorum heredes ipsi domino 
Henrico de MWesterburg suscitabimus vel movebimus 
questionem. Acta sunt hec de consensu filiorum nos» 
trorum predictorum coram reverendo patre domino 
Sifrido Archiepiscopo Coloniensi presentibus nobili- 
bus viris Gerhardo comite de Dietz Hartrado domino 
de Merenberg domino de Kempenich Johanne de 
Sconhach Gerhardo dieto Wolf. In cujus rei testi- 
monium et robur sigillum nostrum una cum sigillo 
reverendi patris domini Sifridi Archiepiscopi Colo- 
niensis et alioram nohilium predictorum presentibus 
duximus apponendum, Nos Sifridus Archiepiscopus 
Coloniensis et alii nobiles predicti ad petitionem no- 
bilıs viri domini de Limpurg sigilla nostra presenti- 
bus duximus apponenda, Actum et datum anna dni, 
M. CC.LXXIX. quarto nonas Juli), 

- Die Urfache des Lehnsauftrags an Köln it noch ums 
befannt, da die erfte Urkunde darıber feinen Aufichluß 
giebt. Die Uebergabe von Schaumburg an Heinrich 
von Weiterburg erfcheint zwar von Seiten des Lehens⸗ 
berrn des Erzbifchofd Siegfrieds, der fein Bruder war, 
ald reine Beginftigung, da ihm außerdem feine befondere 
Erbportion von feiner Gemahlin Agnes von Limburg 
noch ausdrüclich vorbehakten wird, allein der erfte Grund 
davon mag doch in diefer Vermäblung gefucht werden. 
Schaumburg hatte einmal das eigne Schicfal, daß es 
vorher und nachher durch alle Jahrhunderte feine Beſitzer 





107 


meiftend nur durch weibliche Erbfolge beftimmt gemwedh- 
felt hat. 

Heinrich von Wefterburg hinterließ drei 
Söhne, Siegfried, der 1315 fehon todt war, Rein» 
bard und Johann. Unter diefen erfcheint der mittlere 
als Herr von Wefterburg, und ber jüngere nennt fich von 
Schaumburg. Beide laffen ſich vom Kaifer Ludwig 
mit der Gerichtsbarkeit der Herrichaft Schaumburg bes 
lehnen, und ich fee die Urfunde darüber um fo mehr 
hierher, da fie die zu diefer Herrfchaft damals gehörigen 
Dörfer enthält. 

Wir Lodewig von Gots Gnaden Romifcher Keyfer 
verjehben das wir Sohaunes und Reinhard von 
MWefterburg verluhen haben zu befferung irer lehen die 
fie vormalen von dem Riche gehabt haben das gericht 
hoc vnd nieder vnd Scheffen vnd Schulteffen zu fegen 
vnd zu entfegen nach irem willen in den Dorfen zu Habs 
genfheid, Kramburg, Steinsberg, Biberg, 
Waſſenbach, Wenigen Habgenfheid vnd mit 
namen alles das dazu gehort zu felde zu holtze zu wies 
fen zu weyde zu waffer befucht und unbefucht mit allen 
den rechten nugen vnd gewonheit das dazu gehort es fey 
an diefen brief gejchrieben oder nit. Wir tun inen auch 
die befunder Gnade dad niemand inne den Marden der 
vorgefchricben Dorfer vnd gerichte Keinen burglichen 
bumwe haben fol noch ine von nuwen ainheben fol. geben 
zu Pferde des Sontags na jent Martins dage 1328. u 

Bon beiden find feine männlichen Nachfommen bes 
fannt, wenigftens Feine, die dem weltlichen Stande treu 
blieben, und was Wenk in der heſſiſchen Kandesgefchichte I. 


108 


476 — 481 gegen dieſe Annahme ausführt, berubet nur 
auf Schlüffen, die von mehreren ungedructen Urkunden 
widerlegt, alle Beweiskraft verlieren. Wefterburg und 
Schaumburg famen daber nad) ihrem Tode an ihres 
Bruderd Siegfried Sohn, Reinhard den Juͤngeren, 
den aus der Limburger Chronik befannten Helden feiner 
Zeit. Diefer bemwittumte feine zweite Gemahlin Cuni— 
gund, aus dem Geſchlechte der Herrn von Merenberg, 
auf das Haus und die Herrfchaft Schaumburg. Sie 
war 1353, Mitw. n. Allerheil. auch in deren Beſitz und 
Fam mit ihrem Stieffohne Johann dahin überein, daß 
fie mit ihren beiden leiblichen Söhnen Siegfried und 
Hartrad, die noch minderjährig und dem geiftlichen 
Stande beftimmt waren, nur auf ihrer drei Lebenszeit bes 
halten wollte. Diefer vorgefehene Heimfall verzögerte fich 
aber noch lange. Denn zwanzig Jahre fpäter empfing 
Cunigund und ihre beiden genannten Söhne 200 fl. Manns 
gelder von Graf Wilhelm von Kagenelenbogen, wogegen 
fie demfelben ihr Schloß Schauwenburg öffneten. Sm 
Sahre 1378 verfegten fie einen dritten Theil deffelben an 
Graf Diether von Katzenelenbogen für 800 fl., und 1382 
ſchloſſen fie einen Vergleich mit Reinhard von Wes 
fkerburg (dem Sohne Sohannes) wonach diefer ein 
Drittheil defjelben haben, Siegfried auf Lebenszeit dag 
andere Drittheil behalten, und beide das an Katenelens 
bogen verfegte Drittheil einlöfen follten. Die Einlöfung 
erfolgte jedoch nicht, fondern entfernte fih, als Graf 
Johann von Kasenelenbogen i. 3. 1435 von neuem zu 
ber obigen Summe 5000 rheinijche Gulden und 200 Limb. 
Mealter Hafer fchoß, und die Bedingung fiellte, daß der 


109 


Miederfauf zur feinen und feines Sohnes Philipp Lebzeis 
ten nicht gefchehen follte, und der letztere 1445 einen 
neuen Pfandbrief erhielt Cef. Wend a. a. O. I. Urkb. 
188. Note.) So ging denn diefer Theil des Schloffes 
mit der Ragenelenbogifchen Erbfchaft an Heffen über, und 
ift erft ſpaͤt an Werterburg wieder zuruͤckgekommen. 

Als das Leiningen: MWerterburgifche Haus fich nach dem 
Tode Cunos 1547 in drei Linien theilte, erhielt die 
mittlere Schaumburg und Cleberg. Der Stifter ders 
felben, Graf Georg trat in franzöfifche Dienfte und hins 
terließ dadurch, daß er mehrere Negimenter auf eigene 
Koften angeworben hatte, feinen Kindern viele Schulden. 
Diefe wurden darauf im dreißigjährigen Kriege noch fehr 
vermehrt, und die Derlegenheit feines Haufes um Geld, 
wurde endlich, da die in das Haus Wied verheirathete 
einzige Tochter feines Sohnes Reinhard nur durch 
eine große Summe, wegen ihrer Erbanfprüche, abgefuns 
den werden fonnte, fo dringend, daß fie nur durch ein 
großes Opfer befeitigt werden fonnte. Die Herrjchaft 
Schaumburg wurde als folches dargebracht. Als Käufer 
rin derjelben fand ſich 1656 Agnes, die Witwe des 
Grafen Peters von Holzappel für 40,000 Reiches 
thaler, und der Graf Georg Wilhelm mußte ſich von 
einer Befigung trennen, die feiner Familie beinahe vier 
Sahrhunderte angehört hatte. Die Käuferin vereinigte 
darauf diefe neue Acquifition mit der Grafſchaft Holzaps 
pel, die auf der anderen Seite der Lahn und gegenuber 
gelegen, von ihrem verftorbenen Gemahle 1634 erworben, 
aus der alten Efterau und den Vogteyen Iſſelbach 
und Eppenrod erwachſen war. Alles dieſes blieb feit 


| 
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110 


dem ungertrennt beifammen, und macht jet das ſtandes⸗ 
herrliche Gebiet von Anbalt-Schaumburg aus. 


Zum Schluffe bemerfe ich bier noch die Namen der 
Lehensträger der alten Herrfchaft Schaumburg: von 
Broich trugen den Hof zu Diethard. — von Bes 
ringshaufen, von Gramburg, von Katzenelen— 
bogen, von Dies, von Gerolſtein, hatten das 
Dorf Diethard im Schwall zu Lehen nebft dem Kirchens 
fag dafelbft, was nad) ihrem Erlöfchen durdy Taufh an 
Heſſen fan; von Klingelbach, trugen die Vogtey 
gleiches Namens, Koeth von Wanfıheid, mutheten 
einen Theil des Zehentend zu Freiendicg und Berlebach; 
von Biberg, von Schönborn Die Virneburgifchen 
Vaſallen find fchon oben genannt worden. 





7. 


Bericht über die Nachgrabungen auf der Dorns 
burg bei Hadamar, von Herrn Mepizinalrath 
Dr, Kolb in Hadamar. 


Dem verehrlihen Auftrage zu Folge babe ich die Fors 
fhungen auf der Fläche des Berges die Dornburg, 
Donnerberg, vielleicht aud) Thorburg genannt, begonnen, 
und an verfchiedenen Punkten Nachgrabungen veranftals 
ten laffen. Diefe Nachgrabungen haben zwar bis jet 








11 


nur geringe Nefultate gefördert, indeffen fcheint auch diefe 
geringe Ausbeute nichts weniger als unintereffant zu feyn 
und zur Fortfegung der Grabungen aufzufordern. 

Die Dorndburg liegt von Hadamar 1'/, Stunde ent: 
fernt, bildet einen der hoͤchſten Bergruͤcken des Amtes 
Hadamar ımd verläuft kammfoͤrmig mit Eleinen Abfägen 
und in halbfreisförmiger Richtung bis zu den etwas höher 
liegenden Gebirgen ded angrenzenden Amtes Mendt. Die 
Fläche, welche feinen Gipfel einnimmt, mag in der Pes 
ripderie ungefähr 20 Minuten, der Breite 6, die Länge 
6 bis 8 Minuten um und durchgangen werden Fünnen. 
Die ganze Fläche bietet eine Menge zerftrent und nidjt 
weit von einander liegender größerer und Eleinerer Steins 
und Schutthaufen dar. Die Steine, welche diefe Schutt 
haufen pilden, find Bafalte von verschiedener Form und 
Größe. Einige haben verbranntes Ausſehen und fcheinen 
eigends behauen zu ſeyn. An manchen Elebt noch Speiß 
und bei vielen Schutthaufen werden Speißflumpen ges 
funden. Die Schutt» oder Steinhaufen liegen alle, ale 
wären fie langfam in fich und durch Feuer verfenft, ges 
bildet worden. Die Anzahl diefer Steinhaufen mag ſich 
auf 40 bis 50, vielleicht noch mehr belaufen. Viele bils 
den einen großen Umfang. Einen der größern Steinhaus 
fen, der ungefähr in der Mitte der Fläche vorgefunden 
und bei dem Speißflumpen gefunden wurden, ließ ich 
aufräumen. Nachdem man die Steine in der Höhe von 
2% Schuh weggeraͤnmt hatte, erblidte ich eine regels 
mäßige Mauerwand, deren innere Fläche ftellenweis mit 
ziemlich erhaltenem Speiß überzogen war. Sch ließ nun 
alle Steine entfernen und hatte das Vergnuͤgen, die 


112 


Grundmauern eines Gebaͤudes in regelmäßiggebildetem 
Viereck aus dem Schutte emporſteigen zu ſehen. Dieſe 
Mauern ſtanden voͤllig uͤber der Erde und maßen in der 
Höhe 3 bis 31%, Schuh, in der Breite 1 bis 1% Schub. 
Sie waren aus Bafaltfteinen verfchiedener Größe, wovon 
viele ein gebranntes Ausſehen hatten, gebildet. Eiſerne 
Klammern oder fonftige metallifche oder hölzerne Zuſam⸗ 
menfügungen haben fich nicht vorgefunden; eben fo wenig 
konnten Infchriften oder Zahlen an den Steinen entdeckt 
werden. Der Gebäudereft hatte zwei Ausgänge; der eine 
nad Oſten war in der Mitte, der andere nach Weiten, 
etwas mehr nach der Seite, Beide hatten eine Breite 
von 2°), bis 3 Schuh. Nahe an dem Ausgange nach 
Werften foll wider der Mauer ein Feuerherd von fefter 
Bauart geitanden haben, welchen die Arbeiter ohne mein 
Wiffen und gegen meine Weifungen im Augenblic mei: 
ner Abwefenbeit, wahrjcheinlich aus Begierde, etwas von 
Werth darinnen zu finden, umgeriffen und zerftört hats 
ten. Der Boden, welcher die Fläche innerhalb des Ges 
bäudes bildet, war ein feit geftampfter und getraßter Bos 
ben von vorzüglicher Arbeit. Diefer Traßboden hatte 
eine Die von 4 Zoll und unter ihm befand fic ein 
N lafter von 4 Zoll, dann wieder Traßboden und dann 
wieder ein Dflafter. Nach diefem Pflafter kamen pyra⸗ 
midenähnliche Bafalte in fchiefer Richtung wie Gemölbs 
fteine neben einander liegend und mit fpeißähnlicher Maffe 
in den Fugen durchfüllt. Diefe Bafalte hatten verfchies 
dene Größe und Dife. Manche waren bis 1 Schub 
groß und *), Schuh di, andere wieder 1'/, bis 2 Schuh 
groß und °/, Schnh bis 1 Schuh did. Unten waren fie 





113 


Hach, oben ſtumpf pyramidenähnlich gebildet, Sch glaubte 
bei dem Erblicken derfelben ein römifches Gebäude ents 
deckt zu haben, da die Nömer befanntlich die meiften 
ihrer Baufteine auf diefe Weije zu behauen pflegten.) Sm 
der Hoffnung, ein Gewölbe zu entdecken, Ließ ich diefe 
Steinlagen wegnehmen und tiefer und tiefer graben. 
War indeffen eine folche Lage abgenommen, fo erfchien 
eine andere eben fv gebildete Lage. Diefe Erfcheinung 
benahm mir den Muth, in diefer Stelle tiefer zu forfchen, 
um fo mehr, da ich mir vorftellen mußte, daß diefe in 
Schiefer, anfcheinend gewölbartiger Richtung liegende Bas 
falte in der Natur fo vorfommen, und das Grundgebirge 
der Dornburg ausmachen möchten. Diefe Annahme 
wird um deſto mehr gerechtfertigt, als ſich an mehrer 
ven Punkten, wo ich in die Tiefe einfchlagen ließ, die 
felben Erfcheinungen dargeboten haben. Die Grundmauern 
des vorgefundenen Gebäudes erftrecten ſich mit ihrem 
Fuß noch 1%, Schuh tief in die Erde und ruheten auf 
den oben erwähnten Kegels oder Pyramidenbafalten. Beim 
Wegräumen der Steine, in der innern Fläche des Ger 
baudes, fand man auf dem Traßboden, Iofe liegend, eis 
nen runden, in der Mitte zerbrochenen Mahlſtein, ver in 
der Mitte eine runde, ungefähr fauftgroße Deffnung 
hatte, fehr abgenußt und ausgelaufen war und aus ei- 
ner Tufſtein- oder Lavagattung, wie man fie am Laacher 
See, unweit Coblenz zu graben pflegt, gehauen war. 
Unter dem erften Traßboden fand ich verfchiedene Bruch— 


*) Dieß gilt nur von den äußern Bekleidungs- oder Futters 
mauerfteinen des Emplecton, d. H. 


8 


114 


ſtuͤcke von Gefäßen, die aus grauer Vorzeit zu feyn ſchie— 
nen, Sch fende diefelben zur Einficht mit. Nahe im 
Ausgang nad Welten wurde ganz oberflächlich die mits 
folgende Münze gefunden. Nicht wenig Mühe habe ich 
verwendet, um das Gepräge diefer fonderbaren Münze aus— 
zuforfchen. In meiner nicht unbeträchtlichen Sammlung 
numismatifcher Werke, fonnte ich Feine Münze vorfinden, 
welche mit der Präge diefer Münze vollkommen überein 
ſtimmte. Entfernte Achnlichfeit laͤßt fich bei guter Eins 
bildungsfraft wohl in den Münzen der Römer Saecula- 
res Augg. mit der Präge eined Hirfches, ferner in der 
römifchen Minze Apollini cons. aug. mit dem Bilde eis 
nes halb Menfchen und Pferdes, ferner mit der römis 
ſchen Münze Vota Publica mit der Figur eines Mens 
ſchen, auf deffen Rumpf ein Thierkopf fist, und in einer 
griechifchen Münze Alabus, die halb einem Meerungeheuer 
balb einem Menjchen einen Pfeil haltend, vorſtellt, fin 
den. Am wahrfcheinlichiten ift cd, daß die Münze we 
der römijchen noch griechiichen, fondern deutichen, viel 
leicht altdeutfchen oder hunnifchen Urfprungs ſey. Nach 
den Sagen der Drtsbewohner von Wiljenroth follen auf 
der Fläche Dornburg viele Münzen, befonders von Gold, 
oft im Werth von 22 fl. mit heidniſchem Gepräge gefun— 
den worden ſeyn. 

Nahe an der Außeren Wand der aus dem Schutt 
bervorgegrabenen Grundmauern entdeckte man einen tief 
und im Zirkel eingefenkten Schutt von Steinen. Als die 
Steine hinweggerafft und man in eine Tiefe von 2 Fuß 
gefommen war, quoll eine Menge reines Quellwaffer 
entgegen, deſſen Urfprung man einige Schuh verfolgte. 





115 


Man entdedte einen Kanal, der regelmäßig oben, unten 
und an den Seiten mit Steinen belegt war und zur Lei 
tung reinen Trinkwaſſers gedient haben mag. Solche 
Kanäle haben ſich an verfchiedenen Orten und Rich— 
tungen ber Dornburg vorgefunden. Sch ließ am zwei 
Stellen diefe Kanäle verfolgen und fand fie fort und fort 
regelmäßig angelegt und mit einem eignen Pflafter noch 
gedeckt. Unmwahrjcheinlich iſt es, daß diefe Leitungen Werfe 
ber Feldeigenthümer feyn, welche etwa das Waffer von den 
Feldern ableiten wollten. Dazu find die Leitungen zu re 
gelmäßig und feinem, auch der Alteften Ortsbewohner 
ber Umgegend ift von der Anlage folcher Leitungen etwas 
bewußt. Bid zum Urfprung der Leitung konnten diefe 
Kanäle, wegen den vielen Schutthaufen, die darüber herz 
führen, nicht verfolgt werden. Kine folche Arbeit wird 
muͤhſam werden und größere Summen in Aufopferung 
bringen. Zahlen und Injchriften haben fi) an den die 
Leitung bedecfenden Steinen nicht vorgefunden. Wo Die 
Reitungen bis jegt aufgegraben find, da liegen fie nur 
1 Fuß tief unter der Erde. 

An der Rordmeitfeite der Dornburg bemerkte man eine 
ftarfe Vertiefung in einem großen Schutthaufen, und die 
Sage trägt fih, daß hier die meiften Münzen und Ges 
räthe verfchiedener Art, felbft eine Lampe gefunden wors 
den wären. Sch hielt daher für gut, auch hier graben zu 
laſſen und fand 2 Schub tief unter der Erde viele Bruch: 
ftüdfe von Gefäßen, Die sub. Nro. 2. bezeichnete (wahr: 
ſcheinlich) Harniſchkrampe und abermal eine Handmühle 
Sn der Tiefe von 4 Schuh, von der Fläche an gerechnet, 
fam man wieder auf die eigenen Bafaltlager und fand 


116 


nichts mehr vor. In Erwägung der Gebirgsbildung wäre 
ed daher wahrfcheinlich, daß, folten fich auch Alterthis 
mer vorfinden, bdiefelben in der Erdlage hoͤchſtens 1 bie 
2 Fuß tief und in den Schutthaufen vorgefunden werden. 
Daß diefe große Anzahl von Schutthaufen durch Feldeis 
genthümer der Vorzeit, welche die Felder reinigen und 
urbar machen wollten, zufammengetragen worden feyen, 
fann ich aus dem Grunde nicht glauben, weil fie in allen 
Richtungen der Fläche liegen und immerhin noch großen 
Kaum einnehmen. Hätten die Feldeigenthimer dieſen 
Zweck gehabt, fo hätten fie die Steine an die Grenzen der 
Fläche gebracht und den Berg hinunter gerollt. Und wo 
folten denn die Maffen loſer Steine von verfchiedener 
Größe und Bildung alle herfommen? Dann bliebe freis 
lich nur zu glauben übrig, daß die Dornburg vulfanifchen 
Urfprungs fey! 

Rund um die Dornburg liegen in einer Höhe von 80 
bis 100 Fuß in Maffen aufgethürmte Steine verfchiedener 
Größe und Iofe über einander. Das Ganze hat das Ans 
fehen eines eingeftürzten oder zerftörten, oder in einem 
unvollfommenen Kriegszeitalter und von rohen Händen 
gebildeten Walles oder Wehrmauer. Diefer Wall hebt fich 
an mehreren Stellen fammförmig fortlaufend 6 bis 12 
Schub über die Fläche hervor und fcheint Jahrhunderten 
getroßgt zu haben. Intereſſant wäre ed, an diefen Stellen 
graben und räumen zu laffen. Sind noch Waffenbrud; 
ftücde früherer Sahrhunderte vorhanden, fo werden fie ge- 
wiß bier gefunden. 

Merkwürdig ift ed, daß, reitet man oder fährt man 
über die Fläche der Dornburg an den meijten Stellen ein 


117 


hohler dumpfer Ton, wie wenn viele Gewölber darunter 
wären, vernommen wird, Die Sage trägt ſich auch, daß 
Bewohner der Vorzeit, unterirdifche Ausgänge und Ges 
wölbe vorgefunden hätten. Bis jet habe ich jedoch hiers 
von noch nichts entdecken können. 

Jedenfalls ift und bleibt die Fläche Dornburg eine 
Stelle von hohem Intereſſe und es dürfte der Mühe, der 
Zeit und Geldaufwandes Iohnen, die Forfchungen fortzus 
fegen und mit Energie zu verfolgen. Freilich dürften die 
Nachgrabungen, da die Fläche groß und das Wegräus 
men der Steinmaſſen befchwerlich und zeitraubend ift, 
nicht unbedeutende Opfer fordern; indeffen koͤnnten diefe 
Opfer reich entfchädigt werden. 





Y? 


Gefhichte der Stadt Lahnftein und der Burg 
Lahneck, von Herrn Kirchenrath Dahl 
in Darmſtadt. 


ar ah uteın 


In dem aͤußerſten Winkel des Ausfluffes der Lahn in 
den Rhein liegt am rechten Ufer des Festen Fluffes die 
Stadt Lahuſtein oder Lohnſtein, welche, zum Unters 
fchiede des weiter unten liegenden Dorfes Niederlahnftein, 
Dberlahnftein genannt wird. Diefer zur Seite, dicht 
au der Mündung der Lahn, fieht man auf einem Berge 
die Ruinen von Lahneck oder Lohneck, eines ebemali- 


118 


gen feften Schloffes, welches jedoch nicht fo alt ift, als 
die Stadt Lahnftein. Diefe war in früheren Zeiten ein 
Eigenthum des Niederlahngauiſchen Grafen Konrad 
Kurzpold (Curcipold), der in vielen Dingen ein Ges 
genftand der Bewunderung feiner Zeitgenoffen war. Geine 
Mutter Wildrut fchenfte, mit ihres Sohnes Bewillis 
gung, im Jahre 933 ein Fleines Landgut jammt Dem 
Zehenden zu Konftein an das Kloſter Seligenſtadt 
am Main, weldye Schenfung 8. Heinrich der Heilige 
im Jahre 1012 beftätigte. 4 Nach dem unbeerbten Abs 
fterben des gedachten Grafen im Sabre 948 *) wurde 
Lahnſtein wieder ein königliches Dominialgut, von wels 
chem ein Theil fchon vor den Zeiten Konrad Kurzpoldeg, 
im zehnten Jahrhundert von des Kaiſers Arnulph Ge 
mahlin Uta an das Erzftift Mainz gefchenft wurde, wie 
wir folches aus einer Urfunde bei Gudenus, in Codice 
diplom, T. I., p. 358, erfehen. 

Diefe Schenfung gefchah nach dem Tode des Kaifers 
Arnulph zwifchen 900 und 911, und zwar an den Erz 
bifchof Hatto I. v. Mainz, welcher von 891 bis 913 
regierte. König Ludwig, das Kind, von 900 bis 911 
regierend, hatte diefe Schenfung beftätigt, aber nach deſ— 
ſen Tode ging letere für das Erzftift Mainz wieder vers 
loren, und dieſes blieb unter 8. Konrads I. Regierung 
völlig außemMWefis, bis endlich Kaifer Dtto der Große, 
auf Bitten des Erzbifchofes Willigis, bemeldetes Domis 





) S. MWend, heil. Gefh. Urkk Buch I. S. 279, 280. 
»9 Konrad Kurzpold war nie verheirathet, denn er mochte 
Aepfel und Weiber nicht leiden. 


119 

nialgut ums Jahr 974 dem Erzftifte Mainz wieber refti- 
tuirte, worüber 8. Dtto II. im Jahre 978 die obgebachte 
Beftätigungsurfunde ertheilte, welche bei Gudenus, wie 
angegeben, zu lefen iſt. Im diefer Urkunde ift zwar nur 
von einem Hofe zu Lonftein (Curtis Logenstein) die 
Rede; es war aber dies ein Haupthof, zu welchem 
mehr andere Höfe, Kirchen, Gebäude, Aecker und Wie 
fen, Weinberge, Waldungen, Mühlen, Fifchereien und 
fonftige Nutzungen und Rechte gehörten, und ich irre 
wohl nicht, wenn ich alle die Höfe, Mühlen, Kirchen 
und Güter dahin rechne, welche vormals zum Kurmain⸗ 
zifchen Amte Oberlahnftein gehörten, und welche ich weis 
ter unten benennen werde. 

Gedachter Haupthof blieb auch, wie es fcheint, von 
bemeldter Zeit an, ſtets bei dem Erzftifte Mainz. Gm 
Sahre 1108 beftätigte Bifhof Ruthard eine Ältere 
Schenfung des Erzbifchofse Wezelo — er regierte von 
1084 bis 1085 — worin bejtimmt ward, daß den Brik- 
dern von St. Martin Cdem Domftifte) zu Mainz vier 
Sugläfte — quatuor Carratas — Wein von Lohnftein 
(Logenstein ) jährlich folltern gegeben werden, wozu Erzs 
bifchof Ruthard noch ein fünftes Faß Wein binzuthat. I 

Erzbifchof Adelbert I! dab durch eine Urfunde v, 
J. 1128 bemeldtem Donftifte ſechs Zuglaft oder Zulaft 
Wein von Lonſtein jährlich zu beziehen. Im Sabre 1144 
gab der Erzbifchof Heinrich I. dem Klofter Northeim 
jährlich ein Fuder Wein von Lonftein — aus Urfache, 
weil in Sachfen Fein Wein wachſe — wit der Bedingniß 





— Guden. T 389. 


120 


jedoch, alle Jahre ein Jahrgedaͤchtniß für ihn, (den Ery 
biſchof) zu halten. 

Derfelbe Erzbiichof beftätigt auch 1146, den Herrn 
und Brüdern des Domftiftes zu Mainz die fechd Zulaft 
Wein von Lanjtein (Logestein), welche feine Vorfahren 
dahin verwendet hatten. ') 

Etwas fpäter fommt auch das St. Mauricienftift 
zu Mainz im Beſitze eines Hofes zu Lonftein vor. Ders 
felbe war im Sabre 1181 fehr zerfallen, daher ihn der 
Probft des bemeldten Stiftes, Herrmann an einen ges 
wiſſen Gottfried zu Lehn übergab, mit der Bedingniß, ihn 
wieder aufzubauen. ?) 

Simon, Graf von Toggenburg, hatte das Schen⸗ 
fenamt des Erzitiftes Mainz im Befige und zwar als 
Erbfchaft von feinen Voreltern. Al Dienftlehn hatte er, 
fo wie feine Vorfahren, die zehnte Karrate Wein jährlich 
von allem Weinertrage im ganzen Erzfiifte zu beziehen. 
Da diefer Bezug für den Grafen fehr bejchwerlich war, 
fo verordnete Erzbifchof Konrad J. von Mainz durch eine 
Urfunde vom Zahre 1196, daß genannter Graf jährlich 
40 Karraten Wein zu Lonftein aus des Erzbifchofs Domi- 
nialhofe zu beziehen haben folle. I 

Aus diefem allen ift erfichtlich, daß die Güter, welche 
das Erzftift Mainz ſchon frühzeitig zu und bei Lahnftern 
befaß, fehr bedeutend gemefen find. Demungeachtet hats 
ten die Erzbifchöfe von Mainz zu jenen Zeiten weder eine 

) Guden, I. 163, 181. 


) Joannis, S, R. M. II, 706. 
) Schunck, Cod. dipl. p. 3. 


121 


geiftliche noch weltliche Serichtsbarfeit zu Lahnſtein. Er 
jtere hatte das Erzitift Trier, und leßtere war den Gras 
fen des Einrichs eigen. Sn der Folge fam diefe an 
die Grafen von Arnftein, und Ludwig Graf von Arn— 
fein war im Jahre 1139 im Befige derfelben, refignirte 
fie aber den Herren von Sfenburg, welche ſolche an die 
Grafen von Naffau und vou Kabenelenbogen in 
der Folge verkauften. ) Späterhin, und zwar nad) der 
Wahl des Kaifers Adolph von Naffau, befam der Erz 
bifhof Gerhard II. von Eppenftein, das Vogtei— 
recht über Lanftein mit allen Zugehörungen auf Lebens— 
Länge von bemeldtem Kaifer, im Sabre 1292, und wurde 
der volle Befig von Lanftein dem Erzftifte vom Kaifer 
Karl IV. bei der Wahl des römifchen Könige Wenzel 
im: Sahre 1370 beftätiget, wie wir folches bei /Vürdiwein, 
in Diplomat. Mog. I, p. 28, und in Trithemii Chronico 
Hirsaug, T. II, p. 259, leſen. Was indeffen das letztere 
betrifft, wovon Trithemius fpricht, fo kann folches nur 
eine erneuerte Beſtaͤtigung gewejen feyn, denn im Jahre 
1324 gab bereits der Kaifer Ludwig von Baiern dem 
Erzbifchof Mathias von Mainz der Stadt Lonſtein 
die Freiheiten der Faiferlichen Stadt Frankfurt mit 
allen Rechten derfelben, in dem ganzen Umfange ihres Ge 
bietes. Dreißig Jahre nachher (1354) verfegte der Erzbifchof 
Gerlad) das Schloß Laneck und die Stadt Lanſtein 
mit aller Zugehörde an den Erzbifchof Wiljelm von Köln 
für 10,000 Gologulden, um damit die dem Domprobfte 
Kuno von Falfenftein verpfandeten Schlöffer und andere 


R Kremersd Naf. Gef. Urkk. Bud, ©. 370. 


122 


erzftiftifche Beſitzungen wieder einzulöfen. D Die Stadt 
Lahnftein muß alfo fchon damals und früher ganz dem 
Erzitifte Mainz eigen gemwefen ſeyn, was auch fehr deut- 
lich aus zwei Urfunden vom Jahre 1300 erhellet, worin 
Lonftein des Erzbifchofs Gerhard Eigenthum („opidum 
suum‘‘) genannt wird. ?) 

Al der Erzbifchof Mathias 1398 geftorben war, 
entjtand ein großer Streit zwifchen dem Pabſte und dem 
Domkapitel wegen der Wahl eined neuen Erzbifchofes. 
Das Domkapitel poftulirte zum zweitenmale den Kurfürs 
ften Baldewin von Trier zum Adminiftrator des Erzs 
ftiftes Mainz, dagegen fette der Pabft den Grafen Hein 
rich von Virneburg zum Erzbifchnfe. Drei Jahre dauerte 
der Streit, bis endlich der Pabſt in die Adminiftration 
einwilligte, und Erzbiſchof Balduin die Verwaltung des 
ganzen Erzftiftes übernahm. Endlich zog fich Balduin 
von der Adminijtration freiwillig zurüd, und Heinrich ers 
bielt im Jahre 1337 die Zügel der Regierung. Dies ges 
ſchah aber eher nicht, bis er dem Domkapitel verſprach, 
dem Damals vom Pabſte ercommunieirten Kaifer Ludwig 
beizupflichten, was nämlich auch das Domfapirel that. 
Dadurch hatte freilich gedachter Erzbifchof fich eines Un— 
dankes gegen den Pabſt fchuldig gemacht, indem er die 
Partei des von demfelben mit dem Bann belegten Kaifers 
Ludwig ergriff, er konnte e8 aber nicht wohl anders 
machen, wenn er nicht ferner des Befikeg der Erzbifchüfs 
lichen Lande und der Negierung fich beraubt ſehen wollte. 





?) Guden. III, 215, Hürdtw. N, Subs, Dipl. VI, 37. 
’) Würdzw. Diplomat I, 9ı, 92. 





123 


Um aber verfichert zu feyn, daß Heinrich auch das dem 
Kapitel gegebene Verſprechen halte, jo mußte ſich diefer 
Erzbifchof gefallen Iaffen, daß das Domkapitel zu feiner 
Sicherheit ſechs feſte Burgen und einige Städte in Hin 
ben behielt, nämlich Oppenheim, Bingen, Chrenfelg, 
Starfenburg, Laneck mit Lonjtein und Wildenberg, 
worüber das Domkapitel am 2. Suli 1337 einen Re 
vers augftellte, Cvid. Joannis I, p. 657, nota 1.) Su 
dem Reverſe, welcher bei MVürdiwein, in Subsidiis 
Diplom, T. IV. pag. 286 und 289, in zwei Urkunden zu 
leſen ift, wurde bedungen, daß das Domkapitel jene Burs 
gen und Städte fo lange im Befise behalten folle, bis der 
Erzbifchof des Pabftes Verzeihung und Huldigung wieder 
erworben haben würde. Sm Sahre 1371, nach dem Tode 
des Erzbifchofs Gerlach, ward Adolyh, Grafvon Naſ⸗ 
fau von dem Domkapitel zu Mainz zum Erzbifchofe ges 
wählt, aber vom Pabfte nicht anerfannt, der dagegen den 
Grafen Johann von Linwey (Ligne), Bifchof von Straß 
burg zum Erzbifchof von Mainz beftimmte. ALS diefer im 
Jahre 1373 jtarb*), poftulirte dag Domkapitel abermals den 
Grafen Adolph von Naffau, aber Pabft Gregor X. beftellte 
den Markgrafen Ludwig von Meißen, Bifchof zu Bam— 


*) Erftarb am 4. Aprilzu Elt vill an Gift, wieman glaubte 
und wurde in der Abtei Eberbach begraben. Gein 
Eritaph fleht im Chor der Kirche, zwifchen dem ſchönen 
Grabmalern Gerlachs und Adolphs II. von Naflau, 
umd führt die Umſchrift: Ao. Domini MCCCLXXIN. pride 
nonas aplis obiit Reveredus in Xpo Pater Dns Johanes Ar 
chiEps Mogutn.cuj. ala requiescat in sca pace amen. 


v9. 


124 


berg, zum Erzbifchof von Mainz. Lesterer Fam aber nie 
zum Befige, fondern es führte der Graf Adolph, ald Ads 
miniftrator des Erzftiftes, das Regiment, bid er im 
Sabre 1379 den Titel eined Erzbifchofes vom Pabft Ele 
mens VII. erhielt, den er jedoch ſchon früher führte. 
Seine eigentliche Regierung füngt jedoch erft im Jahre 1381 
nit dem befannten Vergleich an, der mit dem Pabfte 
Urban VI. gefchloffen wurde (v. Gud. III. 534.) 

Wir haben von diefem Adolph einen Brief vom Jahre 
4374, worin er beurfundet, daß das Domfapitel zu Mainz 
feine Einwilligung dazu gebe, daß er (der Adminifirator) 
wegen den großen Koften, Zehrungen und Arbeit, die er 
für das Stift verwenden muͤſſe, des legterm Schloffe, Güls 
ten und Gefälle bis auf 20,000 Gulden verfegen, vers 
pfünden oder wiederfäuflich verkaufen Tonne, jedoch alfo, 
daß er die Burgen und Städte Laneck, Lanſtein, 
Klopp, Bingen ꝛc. (ed werben deren noch weiter dreizehn 
genannt) an Niemand anders, ald an tes Stiftes Kapir 
tularen oder an des Stiftes Männer (Lehnsleute) Burg, 
mannen und Dienftleute — die Renten und Gefälle aber 
nad; Belieben, verfegen ꝛc. fünne, bi auf die Summe 
von 20,000 Gulden, und diefelbe in den Nugen des Stifte 
zu verwenden. *) Diefer Vergleich wurde im Gahre 1379 
dahin abgeändert, daß das Domkapitel ſich den Befik des 
Schloſſes Laneck und der Stadt Lanftein, fo. lange 
Adolph lebe, vorbehielt. 

Kaifer Wenzel wurde befanntlich im Sahre 1376, 
noch bei Lebzeiten feines Vaters, Kaifer Karls IV, zum 


!) Würdtw, N. S, Dipl. T. IX p. 216. 


125 


römifchen Könige gewählt, und fam im Jahre 1378 zur 
Regierung. Diefe fiel jedoch fo übel aus, daß die Kurfürs 
ften fich genöthigt fahben, auf Wenzels Abſetzung zu den— 
fen. Sie famen zur beftimmten Zeit, im Sahre 1400 zu 
Oberlahnſtein zufammen, wohin fie den Kaifer befchies 
den hatten, fich gegen die wider ihn erhobenen Klagen zu 
verantworten. Zehn Tage warteten die Kurfürften verges 
bens auf Wenzeld Ankunft; fie verfammelten fich daher, 
außerhalb der Stadt Lahnitein bei einer Fleinen Kapelle, 
faßen dort zu Gericht, und fprachen durch den Reichs— 
erzfanzler am 20. Auguſt 1400 uͤber Wenzel das Abſetzungs 
urtheil aus, und erklärten das Reich für erledigt.) Am 
folgenden Tage wurde Pfalggraf und Herzog Ruprecht 
aufdem Königftuhl zu Nenfe Oberlahnftein gegenüber) 
zum Könige gewählt, welcher aber noch bei Lebzeiten Wen- 
zeld im Jahre 1410 geftorben ift. Die desfallfige Urkunde 
wurde zu Lahnſtein am 21. Auguft ausgeftellt. *) 

In der unglücfeligen Fehde der beiden Kurfürften von 
Mainz, Diether, von Sfenburg und Adolph II. von 
Naſſau, welche nach der Abſetzung des erfteren 1461 ihren 
Anfang nahm, wurde die Stadt Tahnftein hart mitgenom— 
men. Diefelbe war dem rechtmäßig gewählten Erzbifchofe 
Diether, gleich mehreren andern Städten des Landes, treu 


ı) Würdtw. N. S, Dipl. T. II. pag. 394. Lünnigs Reichs— 
archiv, parte spec. I. Abtheilung, p. 222 ıc. 


2) Der deutſche Gefhichtfhreiber Schmidt hat Unrecht, daß 
er die Abfegung Wenzeld, als auf dem Konigftuhle 
zu Renſe gefhehen, angiebt. Bei den angegebenen Aus 
toren, bei Trithemius und andern findet man das Ge— 
gentheil. 


126 


geblieben. Adolph hatte fich gegen diefe mit flarfer Heeress 
macht gerüftet. Unter feinen Verbündeten war auch Johann 
Erzbifchof zu Trier. Im feinem Solde ftand Reinhard, 
Abt von Fuld, und zum oberfien Feldherrn oder Feld- 
hauptmann beftellte er Alwichen, Grafen von Sulz, mit 
vollfommener Gewalt zu Brandfchatung, Fehligung und 
Tröftung (Sicherheit und Schußbriefe). Der erfte Verfuch 
ward auf Schloß und Stadt Lanftein gewagt. Johann, 
der Erzbifchof von Trier, belagerte diefelbe. Starke 
Mauern und fefte Thürme befchüsten fie. Die Einwohner 
hielten alle Zugänge beſetzt. Muthige Ausfälle thaten dies 
felben, und zwangen die Belagerer zum Abzug: Das 
zweitemal waren diefelben nicht glücklicher, der Erzbifchof 
Johann mußte mit Befchämung von dannen ziehen; die 
Lahnfteiner aber ftelen in das Trier’iche und nahmen Rache. 

Adolph hatte die Huldigung im Rheingau empfangen. 
Don da begab er ſich auf das Schloß Lahneck in dem 
Wahne, durch feine Gegenwart die Bürger zu Lahnftein 
gejchmeidig und unterwürftg zur machen; aber — er hatte 
fi) verrechnet, die Treue der Lahnfteiner an Diether war 
fo feft wie ihre Mauern, und Adolph Eehrte unmuthig 
nach Eltvill zurüd, 

Nach der ſchrecklichen Kataftroyhe, die der 28. Octo— 
ber 1462 herbei führte, wo die Stadt Mainz von Adolph 
mit ftürmender Hand eingenommen, geplündert, zum Theil 
verbrannt und viel Bürgerblut vergoffen wurde, Fam 
es zwifchen beiden Parteien im Sahre 1364 erft zum Vers 
gleid;, dann zum fürmlichen Frieden, und an dem nämlis 
hen unfeligen 28. October 1463 fam die feierliche Abtre— 
tung des Kurfürfientbums, von Diether an Adolyh, zu 


127 


Frankfurt zu Stande. Diether trat Adolphen das ganze 
Land, mit Ausnahme der Städte Höhft, Steinheim 
und Dieburg ab, und wurden leßtere mit allen zugehös 
rigen Dörfern, Einwohnern, Rechten, Renten und Ges 
fallen, Dietbern auf feine ganze Lebenszeit zum ruhigen 
Beſitze überlaffen. Adolph übernahm alle Schulden Diethers, 
und uͤbermachte dieſem fogleich 5000 Gulden, und wies 
dieſelben auf den Zoll zu Lanſtein an. Bis zur gaͤnzlichen 
Berichtigung aller Schulden hatte er ihm Schloß und 
Stadt Lahnſtein, ſammt dem Zolle daſelbſt, pfandweiſe 
verſchrieben. ) 

Diether lebte nun, ohne Antheil an der Regierung zu 
haben, 13 Jahre lang im ſtillen Genuſſe der ihm ange— 
wieſenen Einkuͤnfte, und hielt fich oft und gern zu Lahn— 
ftein auf, wo dad Schloß Lahneck wegen feiner ange 
nehmen Lage ihm vor allen wohl gefiel. Er ließ an dem 
Scloffe und der Schloßfapelle manches verbeſſern, und 
erfteres mehr befeftigen. Bon ihm wurde das Thor zur 
Dftfeite des Schloffes nahe an der Schloßfirche neu er- 
bauet, wie das an der Pforte befindliche Wappen Dies 
thers von Sfenburg beweift. 

Nach Adolphs Tod 1475 *), Fam Diether wieder zur 
*) Helwich de dissidio Mag. und das ſchöne Werk: Diether 

von Iſenburg ıc. II Bande 1789. 


*) Er ftarb zu Eltvill am 6. September. Auf feinem oben 
gedachten Grabmal zu Eberbach lieft man: Anno Dni Mil- 
lesimo quadrigetesio se ptuagesio quito sexta mensis Septem- 
bris obiit Reverndissim’ in Xpo Pater et Dns s Secudus Dns 
Adolffus ArchiEp’ Magotinensis cuj’ anima regescat in pace 
ame, dv. 9. 


128 


Regierung, lebte noch bis 1482 und ftiftete viel Guted 
in feinem Lande, Schloß, Stadt und Amt Lahnftein blies 
ben in der Folge ungeftört bei dem Erzftifte Mainz, bie 
endlich folches alles an das Herzogliche Haus Naffau 
fam, und num einen Theil des Amtes Braubach aus 
macht. 


— 2b u.2 0. 


Diefe alte, ehemals erzbifchöffichh und Furfürftliche 
Randesfefte thront der Stadt Lahnftein gegenüber, am 
Ausfluffe der Lahn in den Rhein, auf einem ziemlich 
hohen und jrilen Berge. Sie diente vorzüglich zur Bes 
ſchuͤtzung des zu Lahnſtein angelegten Rheinzolles, dann 
auch zum zeitlichen Aufenthalte der Erzbifchöfe, wovon 
mehrere gern dafelbft verweilten. Die eigentliche Zeit ih» 
rer Erbauung ift zwar ungewiß; daß aber folche die 
Tempelherren follen bewohnt haben, nad) deren Un⸗ 
tergang und Bertilgung folche verheert worden ſey — ift 
eine Fabel. Mit weit mehr Grund fann man annehmen, 
daß das Schloß Lahneck oder Lohneck am Ende dee 
dreizehnten Sahrhunderts, und zwar vom Erzbifchofe 
Gerhard von Mainz, der im Jahre 1289 zur Regie 
rung fam, erbaut worden ſey. 

Kaifer Adolph von Naſſau, vwelcher feine Erhebung 
auf den deutfchen Königsftuhl vorzüglich dem bemeldten Erz- 
bifchofe zu verdanfen hatte, begnadigte denfelben fehr reichlich 
für feine Berwendung, und gab demjelben unter andern im 
Sabre 1292 den Friedezoll zu Boppard, verfprach ihm 
auch, nad) allen Kräften bei den Neichsfürften es dahin 
zu bringen, daß jener Zoll nach Lahnſtein verlegt werde, 





129 


und zu ewigen Zeiten bei dem Erzfüifte bleibe. Letzteres 
geſchah jedoch zu Lebzeiten des Kaifers Adolph nicht, fons 
dern erſt König Albert verlegte, aus Föniglicher Machts 
vollfommenheit den Friedezol von Boppard nach Lahn» 
ftein und bejtätigte im Sahre 1298 dem Erzfüifte dei 
Beſitz auf ewig. *) Indeſſen hatte ſchon obiges Verfpres 
chen, fo wie bie Ertheilung der DVogtei über Lahnftein 
vom Kaifer Adolph im Fahre 1292, den Bifchof Gerhard II, 
dahin bewogen, zur Beſchuͤtzung dieſes Befiged die Feſte 
Lahneck zu erbauen und in guten DVertheidigungsftand 
zu fegen. Urkundlich fommt die Burg Lahneck (Laneche) 
erft im Jahre 1295 vor, wo Sohann Graf von Sayn 
einen Revers ausftellt, daß ihn fein Vetter, der Erzbis 
{hof Gerhard von Mainz zum Erbburgmanne auf der 
Seite Lahneck Cin Castro Laneche) beftellt habe. Er 
verfpricht zugleich, alle einem Lehens- und Burgmanne 
aufliegenden Pflichten getreu zu erfüllen, auch, wenn es 
nöthig fey, in der Burg zu wohnen. Auch befennt Graf 
Wilhelm der jüngere von Kasenelenbogen im J. 1296, 
baß er des Erzbifchofes Gerhard und des Erziliftes 
Burgmann auf der Burg Lane geworden ſey. Im 
Sabre 1316 beurfundet Dietrich, Herr von Runfel, 
daß er des Erzbiichofes Peter freier Burgmann (ledig 
Burgman) auf deffen Burg Lane geworden fey, wofür 
er 200 Mark Heller, aus dem Zolle zu Lahnftein zahl 
bar, erhalten folle. ) Der Kurverwalter, Erzbifchof 
Baldewin von Trier, gab im Sabre 1336 das Burg- 


) Guden. C. D. T. 1. 863, goı. Würdiw Diplom, I. p. 29: 
?) Würdtw, Dipl. I, 67, 68, 205. 
9 


130 


lehn zu Lane, welches früher Jacob von Geifens 
heim von dem Erzftifte Mainz gehabt hatte, dem Boes 
mund von Geifenheim, nad) derfelben Burg Recht und 
Gewohnheit.) Im Jahre 1354 ward bemeldte Burg 
fammt Lahnftein an den Erzbischof von Köln verpfändet, 
wie wir fehon gehört haben. Einen Burggrafen zu 
Lahneck trifft man in einer Urfunde des Kaifers Karl IV. 
v. 5. 1378 an. Später, 1425, erfcheint der Nitter 
Gilbert von Schönborn als Amtmann (Offciatus) 
in Sahne, Lahnftein und Daufenau. ?) 

Oben fihon haben wir gehört, daß der Erzbifchof Jo— 
bann von Trier, ein treuer Bundesgenoffe des Erzbis 
fchofes Adolph, in der Kurfehde war, und auch in des 
legteren Namen die Stadt Lahnftein — aber vergebens be; 
lagerte. Für feine Dienfte gab ihm der Erzbifchof ein 
Viertheil des Zolles zu Oberlahnftein. Es war aber das 
Schloß Fahne, fo wie die Stadt Lahnftein und der Rhein; 
zoll, von bemeldtem Kurfürften Adolph, feinem Neffen 
Diethern von Sfenburg ſchon früher verpfändet worden. 
Um nun in feinem Antheile des Zolles nicht gefährdet zu 
werden, fo verfprach der Erzbifchof Johann durch eine 
fererliche Urfunde 1464, den Grafen Diether in feinem 
Beſitze ruhig zu belaffen, ja, ihn auch gegen alle fremde 
Singriffe zu befchügen und zu vwertheidigen, wogegen bes 
meldeter Graf verfprechen mußte, dem Erzbijchofe den 
vierten Theil des Zolles ungeftört beziehen zu laſſen. 9) 


1) Gudenus. Cod, dipl. UI. 294. 
2) Gudenus, Cod, dipl, IV. 33. 
?) Guden. C, d. V, 1066. 


131 


Im. Jahre 1484 Teiftet Engelbrecht von Stein, 
Amtmann zu Lane und zu Lanftein dem Erzbifchofe 
Berthold die Huldigung und dem Domfapitel die Erbpul 
digung. 9) 

Sn der Folge kommt von dem Schloffe Laneck weiter 
nichts befonderes mehr vor. Der Amtmann (1497 war 
es ein Adelicher von Huchelin) und der Schloßfaplan 
wohnten auf demfelben, bis endlich der Amtmann feinen 
Sitz in der Stadt erhielt, und der Gottesdienft vom 
Schloſſe in die Pfarrkirche verlegt wurde. Doch ftand 
noch im Sahre 1646 die Burg Lahneck in voller Rüftung 
und war bewohnt, fam aber, als Ietteres aufhörte, nach 
und nad in Verfall und ift nun eine Ruine. ?) 

Außer der Burg Laneck war aber noch eine Burg fin 
der Stadt Lahnftein felbft, die vielleicht Alter war, alg 
die Fefte Fahne, und theilweife noch am obern Ende der 
Stadt fihtbar iſt. Diefelbe diente big in die neueften 
Zeiten zur Wohnung des Beamten. In derjelben wurde 
auch eine Nente erhoben, welche die Rente Loneck ge 
nannt wurde, vermuthlich weil fie früher auf dem Schloffe 
Lone haftete. In der Folge Fam diefelbe nach Mainz, 
und dauerte dafelbft bis in die neueften Zeiten fort, je 
doch nicht mit dem nämlichen Gefchäfte. Die Burg in 





2) Bodmann in Cod. dipl. T, V. 437. 

2) Sn Merians Topographie des Mainzer Kurftaates ©. 17: 
ift eine ſchöne Abbildung des Schloſſes Lahneck, der Stadt 
Pahnftein und der Umgegend zu finden — Bon der Ruine 
Sahne fol fpäter Grundriß und Anficht mitgetheilt werden. 

d. 9. 


132 


ber Stadt Lahnſtein hatte ihren Burggrafen und ihre 
Burgmänner, wie die Feſte Lahneck. So jehen wir aus 
einer Urfunde des Erzbifchofes Peter von Mainz vom 
Sabre 1310, daß derfelbe den Grafen Diether von 
Kasenelenbogen und den Edelknecht Friedrich von Greis 
fenflau zu Burgmännern in feinem Flecken Lahnſtein Cin- 
opido suo Lainstein) angenommen habe. Sn der Urs 
kunde kommen ald Zeugen vor : Friedrich Burggraf in Lars 
ftein, und Sacob genannt Bube (Bumwe) Burgmann dafelbft. 
Desgleichen befennt auch in einer Urkunde yom nämlis 
chen Sabre Rupert, der fich nennt: von Gotted Gnas 
den Graf von Virneburg, daß er des Erzbifchofse Per 
ter und des Erzftifted Mainz Erbburgmann in beffen 
Flecken Lahnftein, um 250 Mark fölnijcher Denare, ges 
worden fey. Ferner beurfundet Dietrich Herr von Kems 
ying 1311, daß er von dem Erzbiichofe Peter 300 Mark 
Fölnifcher Denare erhalten habe, und defjelben Burgmann 
zu Lahnftein geworden fey. ') 

Sm Sahre 1312 ftellte Johann, genannt Schil— 
ling eine Urfunde aus, worinn er befennt, daß ihn der 
Erzbifchof Peter zu feinem und des Erzſtiftes Erbburgs 
mann in Lanftein und Laneck aufgenommen und ihm 
40 Mark, jede zu 36 Schillinge gerechnet, gegeben habe. 
Demfelben Sohann Schilling, einem Ritter, gab Hein» 
rich, der Dechant des Stiftes St. Mori in Mainz, 
einige, dem Stifte zugehörigen Guter in Lanftein, als 
Erbzinsgut zu eigen. Wilhelm, Graf von Kabenelens 
bogen bezeugt durch eine Urfunde vom Jahre 1312, daß 





») Würdtw, Diplom, I, p. ı8, a1, 3$. 


133 


er von dem Erzbiichofe Gerbard für 600 Mark koͤlni— 
feher Denare ein Burglehn bei der Burg Lahnſtein erhal 
ten, und dieſes von dem rzbifchofe Peter erneuert 
worden ſey.) Im Jahre 1434 beurfundet Erzbifchof 
Dietrich von Mainz, daß er dem Johann von Eyr 
nenburg, Herrn zu Landesfron, zu rechtem Burglehn 
geliehen habe 20 Gulden Geldes, jährlich auf St. Mars 
tindtag auf dem Zolle zu Lahnſtein fallend, und von dem 
dortigen Zollfchreiber zahlbar, wofür er des Erzſtiftes 
Burgmann zu Labnftein ſeyn folle.?) Nach diefer Zeit 
hört man von Burglehen zu Lahnſtein nichts mehr. 

Bon dem Rheinzolle zu Lahnſtein ift noch folgendes 
zu bemerfen: Wir haben oben gehört, daß der Friedezoll 
zu Boppard durch Faijerliche Freigebigfeit nach Lahnſtein 
und an das Erzftift Mainz fam. König Albrecht hatte 
legterem den Zoll im Sahre 1298 auf ewig beftätigt. 
Demungeachtet hatte er denfelben bald hierauf wieder ar 
ſich — und dem Erzftifte entzogen. Pabſt Clemens V. bes 
ftätigte jedoch im Jahre 1301 dem Erzbifchofe Peter den 
Zoll zu Lahnftein, den die römifchen Könige Adolph und 
Albrecht dem Erzbifchofe Gerhard, mit Einwilligung 
der Kurfürften gefchenft hatten, welcher aber hernach vom 
Könige Albrecht demfelben Erzbifchofe ungerechter Weiſe 
wieder entzogen worden. ) So weit war damals die 
Macht des Papſtes geftiegen, daß er es wagen durfte, 
des deutfchen Reiches Eigenthum, dem zu geben oder zu— 


1) Würdtw, Diplom, II. 36, 40 — Guden, III. 940. 
2) Guden, C. d. IV. 215. 
2) Guden. C.d. Ill. 40. 


134 


beftätigen, deffen Anfprüche ihm rechtmäßig dünften. Auch 
war deſſen Beftätigung nicht ohne Wirkung, denn es 
kam Erzbiſchof Peter wirklich in den Beſitz des gedachten 
Zolles, wie aus einer Urfunde vom Jahre 1314 erbellet, 
worin Herzog Ludwig von Baiern Furz vor feiner Wahl 
zum römifchen Könige, dem Erzbijchofe Peter verfpricht, 
denfelben, fobald er König würde, in den Beſitz des Zol⸗ 
leg zu Ranftein wieder einzufegen. Daß Died auch gefches 
ben fey, wird ung durch eine Urkunde vom Sabre 1318: 
gewiß, worin Erzbifchof Peter bejcheiniget, daß durd; den 
neuen Zoll zu Lahnftein, der zum Beften des römifchen Kös 
nigs Ludwig aus großer Noth eingeführt worden (zu 
Boppard nämlich) dem Erzftifte Mainz Fein neues Recht 
zuwachfen folle, doch mit Vorbehalt des alten Zolles, 
den dag Erzftift daſelbſt ſchon lange beſitze.) 

Nach einer Rechnung, welche der Zollſchreiber, Paul 
von Geiſenheim, dem Erzbifchofe Heinrich III. von 1340 
bis 1342 abgelegt hat, beftand die ganze Einnahme vom 
Zolle zu Lahnſtein in 1145 Pfund, 7 Schillinge und 
2 Grofichen Turnos. In einem Jahre alſo betrug derfelbe 
beiläufig 560 Pfund. Damals betrug das Pfund Heller, 
nach dem heutigen Werthe des Geldes im 24 Guldenfuße, 
42 fl. Bemeldte 560 Pf. waren alfo gleich 6720 Guls 
den. ?) 

Sn Schunfs Codice dipl. ift S. 61 eine Red 
nung zu finden, welche der obgedachte Zollfchreiber Paul 


1) Guden, III, 98.— Hontheim Hist. Trev. II. 98. 


2) Archivalnachricht. ©. fodann meine LorfhersBefhrei« 
bung, Urk. Bub, ©. 157, 158. 


135 


im Sahre 1344 aufgeftellt hat, über Auslagen, die er aus 
der Zollfaffe machen mußte, für die Freunde des Erzbis 
ſchofs Heinrich III. die mit ihrem zahlreichen Gefolge in vier; 
maligem Eſſen aufgezehrt hatten, 16 Dchfen, 22 Schweine, 
140 Stüf Hihner und Hahnen, eine Menge von fonftis 
gem gebadenem Fleifch, von Fischen, Eiern, Zugemüß ıc,, 
welches alles zufammen Foftete 5 Pfund, 17 Schillinge 
und 12 Heller, d. i. ungefähr 65 fl. Die übrigen Ausgas 
ben im Hins und Herwege betrugen für allerhand Frucht, 
für Wein, Heu, für die Küche, für 5 Tonnen Heringe, 
für Käfe, Lichterrc. ungefähr 14 Pf. oder 168 Gulden. Das 
ift num alles, was ich vom alten Nheinzolfe zu Lahn 
ftein weiß. 

Der Zoll und das Amt Lahnftein hatten in den letter 
ren mainzifchen Zeiten einen adelichen Amtmann, einen 
Amtsverwefer und Zollfchreiber, einen Zollbefeher und Zolls 
nachgänger, einen Zolthürmer u. ſ. w. Von der Stadt 
Lahnſtein muß ich noch folgendes bemerken. Sn ber 
felben ift eine Pfarrkirche und Pfarrei, welche zum Bisthume 
Limburg und zum Sandfapitel Montabaur gehört, 
Auch hat die Stadt ein Hofpital. Eine neue Ordnung erhielt 
die Stadt in den Sahren 1505 von dem Kurfürften Ja⸗ 
cob, 1517 von Albrecht, und 1546 von Sebaftiam, 
Diefelbe find in extenso bei Bodmann in Codice 
dipl. T. V. und VI, zu Iefen. Die Gegend um Labntein 
ift gegen den Rhein hin eben und hat fehr fruchtbares 
Feld, fonft aber. ift fie gebirgig und befteht meift aus Ge⸗ 
büfch und Waldungen. In diefem Gebirge find einige Eis 
fens und andere Bergwerfe, welche jedoch in früheren Zeis 
ten mehr im Gange waren ald gegenwärtig. Befonders 


136 


merkwuͤrdig ift ein ehemaliged Silberbergwerf, wel 
ches im Anfange ded bdreizehnten Jahrhunderts entdeckt, 
und von dem Kaifer Friedrich im Sabre 1219 dem 
Erzbifchofe Siegfried von Mainz, in deffen Grund und 
Boden Cim Berge Difendal bei Lonftein) ſolches fich 
befand, überlaffen wrrde. ) Auch zwei Mineralquellen 
und Sauerbrunnen beftehen nahe bei der Stadt Lahn 
ftein, desgleichen auch eine Salzquelle. 

Zum Schluffe diefer Abhandlung muß ich noch des Zus 
gehörs zum vormaligen Amte Lahnſtein oder Ober» 
labnftein erwähnen, wovon man nur wenige oder gar 
feine Nachrichten findet. 

In dem Staats: und Adreßhandbuche des Herzogs 
thums Naffau vom Sahre 1827, welches ich vor mir 
babe, wird die Stadt Oberlahnſtein und ihr Zugehör 
zu 361 Familien und 1515 Einwohnern angegeben. Al 
Zugehör wird folgendes benennt: »Bieberich, Buchenberg, 
Buchholz, Doͤrſtheck, Grenzloch, Kirchheimersborn, main⸗ 
zer Haus, Neuborn, Spies (katholiſche Pfarrei), 
Deutfchherrnhütte, Wintersberg, Zollgrund, Hütten und 
Hammerwerf zu Ahl, Marienfapelle, zwei Sauer 
brunnen und fünf Mühlen.» Eine Archivalnachricht 
giebt dad Zugehör der Stadt und des mainzifchen Amtes 
Oberlahnſtein folgendermaßen an: 

1. Schloß Laneck. 

2. Die Ueberfahrt über die Lahn mit einem Zollbaufe 
Niederlahnftein gegenüber. 

3. Buchenberg oder a ein Kamerals 


») Guden. I. 465. 


137 


Erbbeftandshof, eine halbe Stunde von Bad Ems ent 
legen. 

4. Aal hof an der Lahr, nebft einer Eifenhütte und Eis 
fenbergmerf. 

5 Buchholz oder Buchhorft, zwei der Stadt Lahır 
ftein zuftändige Höfe, 2'/, St. von derjelben entlegen. 
6, Durſtheck, ebenfalld zwei ftädtifche Höfe, 3 St. von 

Lahnftein, 2 von Naftätten gelegen. 

7. Grenzloch, wieder zwei ftädtifche Höfe, 1'/, St. von 
Lahnſtein und nahe bei dem Dorfe Fruͤcht gelegen. 
8. Kirfhermerborn, abermals zwei ftäbtifche Höfe, 
2 Stunden von Lahnftein oftwärtd an der Lahn Lies 

gend, 

9, Forft, ein Dominials Erbbeftandshof im fogenannten - 
Zollgrunde, nebft einer Mühle am herrfchaftlichen 
Zollwalde. 

10. Der h. Geiſtberg, einem Herrn von Conetti ehe 
mals gehöriger Hof. 

11. Hermesput, ein dem beutfchen Orden zugehöriger 
Hof. 

12. Wintersberg, Hof, ehemals den Herrn von Düne 
wald zu Mainz gehörig, gegen dem Bade Ems über. 

13. Neuborn, zwei der Stadt Lahnſtein gehörige Höfe. 

14. Die Spießhöfe oder auf dem Spieß, der Stabt 
zuftändig, gegen dem Dorfe Ems über. Dabei liegt: 

15. das fogenannte main zer Haus nebft einer Pfarr» 
firche und einem Pfarrbaufe, deffen Pfarrer bie 
umliegende Gegend, fo wie die Katholifen in Bad» und 
Dorfs Ems zu beforgen hat. 


133 


Endlich 
16 Liegen noch drei Mühlen im vormaligen Amte 

Lahnſtein, nämlich eine an dem Muͤhlbache unweit 

Frucht, und zwei. an der Lahn. 

Hieraus fcheint hervor zu gehen, daß der oben ges 
nannte Hof Biebrich erſt in neueren Zeiten entitans 
den it. Die Marienfapelle ift vielleicht auch neues 
ren Urfprungs, was ich jedoch nicht weiß. Sie fteht 
nahe bei Kahnftein und den Minisalbrunnen, 

Ob von den, im mainzer Verzeichniffe enthaltenen Hd» 
fen einige etwa ausgegangen find, iſt mir ebenfalls uns 
befannt, 


— ——— 


9. 


Bericht*) über die Ausgrabungen am Hollerborn bei 
Dotheim, von Herrn Pfarrer Luja dafelbft. 





Ich bechre mich, über die Refultate der vermöge Vors 
ftandesbefchluß von mir geleiteten Nachgrabungen am 
Hollerborn, fchuldigen Bericht zu erftatten. 

Die Veranlaffung zum Borjchlag einer Unterfuchung 
diefer intereffanten Stelle, gaben mir theild die durch 
Eandleute zufällig herausgepflügten Bruchſtuͤcke römifcher 
Gefäße und Backſteine, (darunter einer mit einem unleferli 
chen Legionftempel), welche mein antiquarifches Auge auf 

*) Aus meinem ausführliheren Vortrag in der Generalver: 
fammlung des Bereind am 28. Mai 1826. 


139 


den Aeckern, nahe am Bizinalwege zwifchen Dotzheim und 
Wiesbaden entdeckt hatte, theils eine Nachricht in 
Schenk's Befchreibung von Wiesbaden, worin er am 
führt: „daß man au dem Hollerborn im Wiesbader Felde 
noch; vor Kurzem (cd. h. vor 1755) Spuren von einem 
vormals dafelbft geftandenen Gebäude gefunden hätte, 
Ob aber dafjelbe ebenfalls vor Zeiten eine Feldfirche, oder 
fonft ein anderweitiges Gebäude geweſen ſey, ließe fich aus 
Mangel weiterer Nachrichten nicht behaupten.“ Der Pak 
felöft muß ihm unbekannt gewefen ſeyn, weil er ihn nicht 
genau angiebt. Was die Dertlichfeit anbelangt, fo ift 
Dogheim 45 Minuten von Wiesbaden entfernt. Nach Zus 
rüclegung von 15 derfelben gelangt man von Dosheim 
aus, an.einen Kreuzweg, von wo man vorwärts, rechts 
und links weitgedehnte Ackerfelder überfieht, welche fich 
allmählig in den anmuthigen Grund verflächen, worin 
Wiesbaden liege, Uugefähr 80 Schritte vorwärts dem 
Kreuzweg auf dem fehnurftraden Vicinalwege nach Wies— 
baden, ift man auf dem fraglichen Punct angefommen, 
wo Links ungefähr 400 Schritte von diefem Wege ents 
fernt, die ergiebige Hollerbornquelle entfpringt. Ueber— 
dieg war meine Aufmerkſamkeit ſchon laͤngſt auf den Moe. 
bacher Holzweg gerichtet, welcher unſern Bicinalweg, 
durchkreuzt, und deffen Anlegung in die Alteften römifchen 
Zeiten zu fegen if. Denn nad) der urfprünglichen Gaus 
verfaffung der alten Deutfchen zieht er augenſcheinlich auf 
einer Negenwaffericheide, wo fein Waffer ftehen bleibt, 
fondern nach beiderfeitigen Thälern abfchießt, vom Mos— 
bacher Wingertsberge nad; dem Ghauffeehaufe auf der 
Schwalbacher Straße hin, und iſt einer der bequemſten 


140 


Fuhrwege von Mainz aus über die Höhe. Zwiſchen Moss 
bach und dem Kreuzwege bei Dotzheim befinden fich heute 
noch Spuren alter Verſchanzungen, am Holzwege ſelbſt. 
Hin und wieder ift er aud) eben fo tief ausgefahren, wie 
bei der Armenruhmühle, wo er zum erfienmal bergan 
feige. Im Dosheimer Felde, näher nach) dem Kreuzweg 
bin, fand ich auch fihon früher mehrere Spuren alt 
deutfcher Gefäße, die von Zeit zu Zeit herausgepflügt 
wurden. Noch mehr erwedte in mir den Wunfch, eine 
Nachgrabung zu unternehmen, ein Aufſatz im literarifchen 
Nachlaſſe des Inſpectors Kraus, der ſchon früher den 
Mosbacher Holzweg für eine uralte Handels» und Heer 
ftraße "erkannte, welche die Römer vorgefunden und als 
fehr bequem zu Krieg und Handel benust hätten.” Außer 
den angeführten altgermanifchen Gefäßen habe ich noch 
eine neuere Entdefung gemacht, die feine Meinung bes 
ftätigt. Denn auf dem jet fo genannten Idſtein Cvors 
mals Endftein) einer Anhöhe, unmittelbar oberhalb Dogs 
beim, habe ich noch Spuren eines verfchanzt gewefenen 
Nachtlagers (mansio) entdeckt, welche vor meiner Zeit 
noch Niemand für das erfannt hat, was fie wirklich find. *) 





*) Die teraffenartigen Abfäge, welche man an der füdmeftlis 
hen Berflähung diefer Anhöhe geyen Dotzheim hin, wahre 
nimmt, ſcheinen mir nicht Heberrefte alter Verſchanzungen 
zu fepn, fondern ihre Entftehung wohl eher dem Bedürfs 
niß der Landleute zu verdanken, denen die Benugung dies 
ſes fteilen Abhanges nur durch Terrafflrung möglich wurde, 
Gerade diefe Seite hätte gleich der nördlihen, gegen das 
Wiefenthal hin, am wenigſten einer Pünftfihen Befeftigung 
bedurft. Auf der keicht zugänglichen Word: Dftfeite der 


141 


Bon dieſer Manfion aus laufen noch uralte Schanzgräs 
ben *), die freilich hin und wieder unfenntlich geworden 
find, über den genannten Holzweg bis gegen den Hollers 
born, und follen fich nach alter Sage in einem fort über 
das Nömercaftell auf Wiesbadens heidnifchem Berge bis 
nach Sonnenberg erftredt haben. Zudem hat endlich die 
ganze Feldhöhe längs dem Mosbacher Holzwege manche 
Wafferquelle, deren aber der Hollerborn die allerergiebigfte 
iſt. Weil nun Schenk von einer Feldfirche foricht, fo 
glaubte ich ganz nahe am Hollerburn die Fundamente ei 
nes heidnifchen Tempels vermuthen zu dürfen; denn ber 
Hollunder war bei den alten Deutfchen heilig und ihr 
Duellendienft ift befannt. Ueber diefe Daten berichtete ich 
an den Vorftand des Vereins, welche mir geftattete, auf 
deffen Koften in der Umgebung des Hollerborns Nadıgras 
bungen anftellen zu dürfen. 

Um möglichft ficher zu geben, ließ ich auf eben bemerks 
ter Linie vom Vicinalwege an, nad) dem Hollerborn hin, 
am 5. October 1826 durd; Anlegung eines 3 Schuh weiten 
und nach Umftänden 3 bis 5 Schuh tiefen Grabens, den Ans 


— 


oberen Bergfläche dagegen, wo eine Verſchanzung anı aller: 
nöthiaften gemwefen wäre, würden ſich gewiß Spuren von 
Graben erhalten haben, wenn diefe für ein Lager wohl zu 
ausgedehnte Fläche, auf welcher fi) überdieß bis jegt noch 
nirgends Meberrefte von Mauermerf oder Gefäßtruümmer 
fanden, eine militärifche Beftimmung gehabt hätte. 
v9. 
*, Sollten die gegen den tiefer liegenden Hollerborn bin lau— 
fenden unregelmäßigen Gräben, niht vom Bergwailer ent: 
ftanden feyn ? d. D- 


142 


fang machen. Schon am erften Tage zeigte fich die Hands 
babe einer Amphora mit den eingedrücten großen. lateinis 
chen Buchftaben V. O., die man allenfall3 Virginius opi- 
fex Iefen kann, folglich römifche Töpferarbeit, und am 
dritten Tage, erreichten wir das Hauptgebäude Nro, 1. *) 
weiter hin aber bis an den Hollerborn felbft, weder 
geradaus, noch rechts noch links, durch Nebengraben, die 
ins Feld getrieben wurden, nicht das mindefte Mauers 
wert, Man kehrte alfo zum Hauptgebäude wieder zurüc, 
deffen Unterfuchung jedoch nicht ganz vollendet wurde. 
Der augenfcheinlich erft fpäter angebaute muthmaßliche 
Keller, machte den laͤngſten Aufenthalt, weil er in Hoffe 
nung intereffanter Funde, zwölf Fuß tief, bis auf den al 
ten Boden, völlig ausgeräumt wurde. Die unendliche 
Menge Schutt von eingeftürzten, oder zufammen geriffenen 
Mauern verurfachten die allermeifte, aber wenig lohnende 
Mühe. Unter dem alten Boden zeigte fich eine Fleine Gas 
nal⸗Leitung einer ftarfen Hand breit und hoch, von Stein; 
glatten gebildet, die das Negenwaffer der nah Mainz hin 
gerichteten Fronte des Haufes durch die Kellermauer ableiz 
tete, Aus dem Wohnhaufe felbft gejellten fich noch zwei 
Abläufe hinzu, wie fie auf dem Grundriffe angegeben find. 
Das Ende derfelben konnte wegen allzugroßer Tiefe und 
darauf fiehender Mauer, die ein ſchmales gangartiges 





*) Der anliegende lithographirte Grundriß Tab. M., welcher 
theild von Herrn Schulinfpector Grimm, theild von Herrn 
Habel in Schierflein aufgenommen ift, wird die Lage der 
aufgededten Gebäude zeigen Sämmtliche Funde bei diefer 
Ausgrabung find in 14 Käfthen aufbewahrt und numerirt 
worden. 


143 


Gewölbe getragen hatte, nicht verfolgt werben. An dem 
hier hervorftehenden gemauerten ftarfen Pfeiler bewegte ſich 
an der Schwelle des Einganges eine ſchwere Thüre in Ans 
gen, welche auf einem großen und ungefähr 10 bis 15 
Gentner fchweren rothem Sandfteine ftand, und worauf 
die zirfelförmigen Ninnen der ftarf aufftreifenden Thuͤre 
noch tief eingejchnitten find.*) Eifenwerf, römifche Nägel 
von allen Größen, kenntlich an den ylatten, mit einem 
Schlag gemachten Köpfen, Gefäßtrümmer, befonders von 
Amphoren, wurden, wie im und um das Hans, fo auch im 
Keller in großer Menge gefunden. Endlich zeigten fich im 
hintern Anbau des Hauptgebändes ein Wafferbad Cbal- 
neum) und ein halb fo großes, 3 Schuh höher liegendes 
Schwitbad (aestuarium), und aus erfterem ein ableiten 
der Waffercanal, Deffen erftere Hälfte von auf einander 
geftülpten Hohlziegeln, und die zweite von Steinplatten 
conftruirt war, im großen Hof aber auf einmal ein Ende 
hatte. Sm beiden Bädern zeigte fich zum erftenmal römts 
fcher Traßmörtel von der gröbften bis zur feinften Sorte, 
zum Theil gefchliffen, an Böden und Wänden. Die Hin 
terwände der Bäder, fo wie ein Theil der Zwifchenmwände, 
wo die Mauern fehlen, fcheinen aus lauter Wärmeleitungs> 
röhren beftanden zu haben, die viele Feuerung erforderten. 
Unzählig find daher die Truͤmmer diefer zerfchlagenen Wär 
meleftungsröhren. Die große Maffe von Schutt und eb 
ner unfäglichen Menge Ajche verhinderten noch zur Zeit eine 
genugthuende Ergründung. Die Babgebäude waren mit 
römischen Dachziegeln gededt. Im Innern des Hauſes 


*) Es ift derfelbe im Pfarrhofe zu Dosheim noch aufbewahrt. 


144 


liegt aber ungefähr dritthalb Schuhe umter der Oberfläche, 
borizontal, ein mit Schiefern gedecft gewefened Dach, wie 
e3 durch Brand zufammen geftürzt ift, noch unangetaftet 
da, Durch fchredlichen Brand, der die Farbe der °/, Zoll 
dicken Schiefer ind Rothe verwandelt hat, fo wie auch durch 
Verwitterung find fie fo mürbe geworden, daß vollftändige 
Eremplare unter die Seltenheiten gehören. Das Gewicht 
eines jeden beträgt 13%, Pfund und fie bilden eine regel 
mäßige Quadratfläche. An der Fronte ded Haufes ers 
fcheint wieder römifche Ziegeldachung, welche mich auf die 
Vermuthung geleitet hat, daß hier eine auf römifche Art 
angelegte Dachung muß gewefen jeyn, welche nach der gans 
zen Breite der Fronte eine fehr geräumige Vorhalle bildete, 
Indeſſen aber ift ſowohl die Schiefer ald auch die Ziegels 
dachung römifch, weil fie im Winterlager bei Neuwied eben 
fo gefunden wurde. Hier wie dort, find Schiefer aus den 
rheinifchen Brüchen, und die Handmühlenfteine ebenfalls 
aus den Mendicher Brüchen. Spuren von rotbem Sands 
ftein, babe ich außer der Kellerthürfchwelle und einem Cu—⸗ 
bu8 in der Frontmauer des Gebäudes Nro.1. und fonftis 
gen unbedeutenden Fragmenten, die ein gefliffentliches Zer: 
fchlagen verrathen, nicht gefunden. Andere Sanofteine, 
die ficher vorhanden waren, find vermuthlich bei Nieder: 
reißung der Mauern und Anrodung des Bodens zu Aders 
land, verfchleppt worden. Nach allen Kennzeichen ift dies 
fe8 Hauptgebäude zwei» bis dreimal zerftört und wieder 
aufgebaut worden; wodurch jede Erklärung fchwierig 
wird. Es hat außer der Borhalle in der Fronte ein Atrium, 
durch eine Scheidemauer gebildet, wie fie auf dem Grund: 
siffe verzeichnet it. Beim Eintritte rechts fcheint eine 





145 


Küche geweſen zu feyn, weil hier zwei oben beinerfte Wafe 
ferläufe in den Keller gingen, in denen fich Geflügel: 
Inochen vorfanden; links aber war ein großer runder, von 
platten Grauwacken gepflafterter, nad der Mitte hin vers 
fiefter, übrigens nicht über dem Boden erhöheter Feners 
heerd, mit außerordentlichem Brand, der fich nebft vieler 
Afche und verbrannten Nägeln in die ganze Umgebung 
verbreitete. Sa kohlenſchwarzer Brand erfiredte fich ſogar 
Big tief unter die Pflafterfteine. Für ein Küchenfeuer war 
es viel zu beträchtlich, vielmehr fcheint hier ein beftändiges 
MWachtfener gebrannt zu haben. Das erfle Appartement 
innerhalb der innern Scheidemaner, hat einen wohl erhal 
teren weißen Traßmörteleftrih. Der Schuttberge wegen, 
fonnten wir noch nicht weiter vordringen. UWeberhaupt ers 
lofch endlich die Luft der Arbeiter, weil nach langer Ber 
miühnng die Gefäße voll Silber und Gold auöblichen. Man 
wandte fih nun zur Umgebungsmauer hinter dem Badge: 
bäude und verfolgte fie. Andere Arbeiter machten nad) 
Anweifung Verfuchfchärfe, und ſolcher Geftalt wurde von 
ihnen dag Gebäude No. 2. entdeckt, an deffen Grundmauer 
dicht anliegend eine Bronze- Münze von Auguſt, CRev. 
Roma et Augustus) und in geringer Entfernung davon, 
wie auf dem Grundriß angegeben ift, eine Erzmünze von 
Gallienus, (Rev. Liberalitas) gefunden wurde. Gallienus 
ift nicht fo verwittert und lag zwijchen den Schieferplatten 
der neben das Gebäude geftürzten Dachung. Nachdem die 
vier Wände aufgedet waren, machte der Winter 18°, 
aller Arbeit ein Ende. E 

Im Frühjahr 1827 kam man bei weiterer Verfolgung 
der Umgebungsmauer fehr bald auf das Eckgebaͤude No. 3., 

10 


146 


und war einftweilen mit der Aufdefung der vier Seiten. 
wände zufrieden. Weiter ftieß man auf eine nach Wiegs 
baden gerichtete Einfahrt, die durc das Aufhören des 
Mauerwerk bemerflic; wurde. Die Linie felbft wurde 
aber weiter verfolgt, und fo erreichte man die Gebäude 
No. 4 und 5. und fpäterhin auch die Vorderfeite des Ges 
bäudes No. 6., deſſen übriges Mauerwerk in den umher 
liegenden Schutttrümmern noch nicht erfannt werden 
fonnte. Bei Aufdeckung der Seitenmauern von No. 4 
und 5. wurde fehr vieles gefunden und in den Käftchen 
aufbewahrt. Auf der Außerftien Seite von 5 zeigte ſich 
2 Schub unter der Oberfläche ein großer Vorrath von ges 
Iöfchtem, unvermifchtem, durch; DVermwitterung zu Kreide 
gewordenem Kalk; auch fehlte es hier nicht an Sandhaufen, 
ein Beweid, daß bier Mauerfpeiß bereitet wurde, 

Nun aber erfchienen zum größten Leidweſen die Acer 
leute von Wiesbaden mit ihren Pflügen und drangen aufs 
Zumwerfen. Somit mußte das weitere NachfuchenanNo. 6. 
eingeftelt werden. Ein Quergraben von No. 1bis 2. durch 
den großen Hofbering gab Feine Ausbeute. In der Eile 
309 man noch einen Kreusgraben durch No. 2, und entdeckte 
bier ein zweites Bad mit rothem Traßmörtelboden und zers 
trümmerten Wärmeleitungsröhren. Wegen Kürze der von 
den Aderleuten gefesten Frift Eonnte aber die Gränze tiefes 
neu entdedten Bades nicht mehr aufgefucht werden. In 
dem dabei befindlichen viereckigen gemauerten Edbehälter 
befand fich ein gepflafterter Feuerheerd, Ahnlich dem im 
Atrium ded Hauptgebäudes No. 1; fonft aber im ganzen 
Haufe nichts, ald Trümmer von zerfchlagenen Gefäßen in 
großer Menge und von mannidjfaltiger Art. Die übrigen 


147 


Gebäude mußten ununterfucht bleiben. Gin kleines rothes 
Salzgefäßchen, oben weit und unten eng und der Boden 
eines andern mit dem Töpferftenipel ift vorzüglich bemers 
kenswerth. 

Aus mehreren Verſuchen naͤher nach der Stadt zu, und 
noch muͤndlichen Nachrichten der Ackerbeſitzer erſtreckt ſich 
Mauerwerk vom Hollerborn bis an die Caſerne, ja unter 
dem Vicinalwege hin auf die andere Seite deſſelben Bei eis 
nem Berfuche diefer Art wurden mehrere Bruchftüde von Ges 
fäßen und ein Kellereingang mit gewundener Treppe gefiniden, 
deren Mauern aber fehr bald nach allen Seiten aufhörten, weil 
fie fchon früherhin ausgebrochen waren. Ueberhaupt follen 
bei Anlegung der Kunftftraße von Wiesbaden nad) Schwals 
bach und Erbenheim, die meijten dieſer ausgehobenen 
Mauerſteine dahin verwendet worden feyn. . Schutt ohne 
Steine fanden wir an mehreren Plaͤtzen. ine 6 Schuh 
dicke Mauer, von der eine allgemeine Sage geht, und welche 
unter dem Dotzheimer Vicinalwege querüber ftreichen fol, 
fonnten wir noch nicht auffinden. Ganz zuleßt wurde beim 
N aniren nod eine Münze der Julia Mammaea in Erz 
gefunden. 

Sn verfchtedenen Gebäuden fanden fich drei Wörtel, 
wahrfcheinlich zur Spindelfpinnerei gehörig, fodann Knos 
chen von Hausthieren, Wildpret und Geflügel, ald Uebers 
refte von der Tafel der Bewohner; ferner Badjteine von 
Zirkelform, womit man Heine Säulen, Träger und dergl. 
aufzuführen pflegte. Daß fich diefelben auch hier zeigen, 
läßt auf ein vorhandenes Hypocaustum fchließen, wele 
ches aber wegen Kürze der Zeit nicht mehr aufgefucht wer— 
den konnte. Pferdeknochen und große Zähne eines unbe⸗ 


148 


Fannten Thieres, vermuthlich des Höhlenbären, *) fanden 
ſich. 

Noch zweier merkwuͤrdigen Ergebniſſe muß ich geden— 
ken, daß naͤmlich: 1. die ganze Feldflaͤche weit und breit 
in geringer Tiefe mit Truͤmmern gleichſam uͤberſaͤet iſt, 
eben als ob ſie gefliſſentlich ſo zerſtreut worden waͤren, 
daß fie nie wieder zuſammen gefunden werden ſollten. Ver— 
gleicht man hiermit die Ergebniſſe des Winterlagers bei 
Niederbiber, ſo iſt das Zertruͤmmern und Zerſtreuen der 
wuͤthenden Zerſtoͤrungsrache der Deutſchen zuzuſchreiben. 
Sache und Namen der Roͤmer ſollten fuͤr immer vertilgt 
werden. Dieſer geringſcheinende Umſtand gehoͤrt mit unter 
die Beweiſe, daß unſere Entdeckung roͤmiſch iſt. 

Das zweite Ergebniß betrifft das Mauerwerk ſelbſt. 
Weil ſich nicht uͤberall der bekannte rothe roͤmiſche Moͤrtel 
vorfand, wurden von Beſuchenden Zweifel vorgebracht, 
ob das uralte und neuere Mauerwerk roͤmiſch ſey. Ich 
will es weder bejahen noch verneinen; doch iſt es nicht 
glaublich, daß die Roͤmer in der gefaͤhrlichen Naͤhe des 
Taunus ihren koſtbaren rothen Moͤrtel, der in unſern ge— 
ſundenen Baͤdern vorkommt, auch zu jedem Mauerwerk 
verſchwendet hätten. Kommt ja doc; in unſerm Haupt 
gebäude ein durchaus weißer Eftrich vor. 

Uebrigens hat faft durchgängig alles Mauerwerk der 
Gebäude und Umgebung die fonderbare Conſtruction, daß 





) Ich halte fie für Pferdezähne. Wie follten auch wohl die 
Zähne einer urmeltlihen Thiergattung in den Brandfhutt 
jener Gebaude kommen ? 


d. H. 


149 


nur die tiefiten Fundamentfteine flach Tiegen. Auf diefen 
aber ſtehen, theil8 unter, theils ober der jeßigen Erbobers 
fläche, je nachdem diefelbe eben oder uneben ift, platte 
Mauerfteine lothrecht, auch in einem fumpferen oder 
fpigeren Winfel auf ihrer Schneide. Letztere fchienen aus 
ihrer lothrechten Stellung gewichen zu feyn. ine fonders 
bare Art zu mauern, die unmoͤglich Feftigfeit und Dauer 
geben konnte. Auf diefen ftehenden Steinen liegen nun 
wieder die höheren platt auf. Auch ift es mir fchon vom 
gefommen, daB an manchen Drten, jedoch nicht oft 
Schichten vorgefommen find, deren die eine rechtd, die 
andere links fich neigte, fo daß ein Zickzack vor Augen 
and. Diefes Stellen der Mauerfteine, halb unter halb 
ober der Erde, einen Schuh hohen Streifen in der Mauer 
felbft bildend, führt auf die Vermuthung, daß vor Zeiten 
bier der Boden fehr fumpfig war und man damit ein taugs 
liches Mittel ergriff, die Feuchtigkeit abzuleiten. Das 
Einfinfen und Herausberften der oberen Mauer am Haupt 
gebäude beweift aber, wie weislich man gethan hat, diefe 
Manerart abzufchaffen., Nach Berficherung des Bors 
Hands Mitgliedes Herrn Oberbaurathe Zengerle in Wieds 
baden, ift diefe Art zu mauern tusciſch, und wurde von 
ben Römern nachgeahmt, und opus reticulatum ge 
nannt.) In Mainz find noc auf den heutigen Tag 


— — 


+) Sch glaube nicht, Daß dieſe rohe, offenbar nur der Abs 
wechslung wegen fo. geftellte Steinfhichtung, irgend einem 
beftimmten Zweck hatte. Der Steinftellung nad), ließe fie fi 
eher mit den fonft nur bei Fußböden angemendeten opus 
spicalum vergleihen. Das opus reticulatum war nach 


150 


uralte Mauern diefer Art, in der Nähe des Münfters 
thores, vorhanden. 

Soll ich nun über alled, vom 5. Detober 1826 bie 
Ende Februar 1827, meift bei ungünftiger Witterung 
und Eile, mit dazwifchen Liegendem Winter, Entdeckte 
und im Grundriffe DVerzeichnete, meine unvorgreifliche 
Meinung fagen, fo zeugt die unregelmäßige Zerftreutheit 
der Gebäude, welche fich auch bei den übrigen Verſuch— 
fchürfen darftellte, ganz den Gharafter der altgermanis 
fhen Städte, wo jeder fein Eigenthumland um feine 
Wohnung liegen hatte, das mit Zäunen oder Mauern eins 
gefriedigt war, Wo man aber Mauern antrifft, da muͤſ— 
fen Leute von Bedeutung und Vermögen gewohnt haben, 
wie bier wirklich der Fall it. In der Älteften Zeit gränzte 
ein Gehaͤge an das andere, fo daß eine Stadt damaliger 
Zeit einer Reihe von Meierhöfen ähnlich fahb. Deßwegen 
mache ich aus allen Vorkommenheiten auf diefer Aders 
fläche zwifchen dem Hollerborn und der Stadt den zu 





Vitruv (IT. 8.) eine Gußmauergattung, melde jih von 
dem bei uns häufiger vorfommenden Emplecton (mit ho— 
rizontal und in Verband gelegten Bekleidungsfteinen ) 
dadurch unterfhied, daß ihre würfelfürmigen auf 
die Kante geftellten Steine, durd) die in diagonaler Rich— 
fung gerade fortlaufenden Verbindungslinien, der Mauer 
äußerlich ein rautenförmig quarrirtes oder neßförmiges Ans 
fehen gaben. Sn unferer Gegend ift mir noch nichts von 
diefer Mauergattung zu Gefiht gefommen. Sn Stalien 
findet man fie häufiger, 3. B. an der Billa des Mäcen 
und dem Tempel des Hercules bei Tivoli, der Villa des 
Lucull bei Frascati u. f. w. 
v.%9. 


151 


verfichtlichen Schluß, daß eine alte Ubifche Stabt oder 
Vorſtadt auf derfelben geftanden habe, welche dann ganz 
füglich dad alte Mattium *) feyn fönnte, welches von den 
Römern verbrannt und zerftört wurde, Solche Städte 
müfjen die Ubier fchon gehabt haben, fonft würde ihnen 
Caͤſar den Rath nicht haben ertheilen fönnen, bei Webers 
fällen der Sueven das Vieh in ihre oppida zu flüchten. 
Durd die Verfegung der Ubier auf das linfe Aheinufer, 
37 Jahre vor Ehrifto wurde auch diefe Stadt oder Vor 
ſtadt, wenigſtens größtentbeils, menfchenleer, wobei zum 
Abfchiede manches Gebäude im Rauch mag aufgegangen 
jeyn. Der hierländifche Theil, oder Iınfe Flügel des bes 
trächtlichen Ubiervolfes hat fehr wahrfcheinlich auf der 
Schierfteiner Heide zum Abfchiede und ewigem Gedächtnif 
den felten vorfommenden Hügeldamm unter Geremonien 
und Opfern aufgerichtet, den ich vor etlichen Sahren mit 
BVorftandsbewilligung unterfuchte, und woruͤber Grundriß 
und Funde an Armillen und Gefäßen bierber eingeſchickt 
wurden *) Bom großen Mittelgefaß habe ich zum Webers 


*) Unmöglich Fann hier das Mattium geftanden haben, welches 
Germanicus 15 Zahre nah Ehriftus, im Gebiete der Chat, 
ten zerftörte. Tacitus befhreibt (Annal. I, 56) den Zug 
des rom. Heeres (von Mainz aus) über den Taunus, def 
fen Webergang über die Adrana (Eder) u. f. w. zu fpes 
ciell, als daß man diefen Ort, welcher nad; der gemeines 
ren Meinung unweit des Dorfes Maden bei Gudensberg 
gelegen zu ſeyn fheint, bei Wiesbaden fuchen dürfte 

d. 9. 

*5) Sollte diefer 60 Schritte fange, 5 Schritte breite und 4 Fuß 
hohe Erdaufmurf nicht der neuern Zeit angehören? Kein 
älterer Schriftfteller meldet etwas von einem Gebraud) der 


152 


flug nochmals einige Proben beigelegt. Nachdem dieſe 
Voͤlkerſchaft bei der Heidenfahrt uͤbergeſetzt, und bei Bins 
gen die Nahe überfchritten hatte, befand fie fich ſchon im 
neu angewiefenen Vaterlande, welches fich bis Köln ers 
firefte. Das leer gewordene Land betrachteten aun die 
Römer als rechtmäßiges, durch Tauſch erworbenes Eigen 
thum, erlaubten aber zugleich, dazubleiben oder fich neu 
anzufiedeln, wer nur wollte. Diefe fchöne Gelegenheit bes 
nugte man vor allen Dingen, die Veteranen mit audges 
ſuchtem Land und Wohnung zu bedenken. Manche Ubier 
hatten ihre Gründe dazubleiben: die Mattiaken rücdten 
vor: die Veteranen wurden an die beften Pläße gewiefen ; 
und endlich gefellten fich auch noch Gallier hinzu, fo daß 
die neuen Bewohner ein fehr gemifchtes Volk bildeten. *) 

Sp mags denn auch mit unferer neu entdedten, vors 
mals ubifchen und nun zum zweitenmal bevölferten und 
wieder hergeftellten Stadt oder Vorſtadt gehalten worden 
feyn. Die Mattiafen wurden, wie die Bataver blos für 
den Krieg aufgefpart, die neuen Anfiedler aber mit den 
dagebliebenen Ubiern, wie die Bewohner des Zehntlandeg 
behandelt, d. h. durch Tribut entehrt. Da man ihnen 
nicht, wie den Ubiern und Mattiafen trauen konnte, fo 
feßte man, wie Tacitus in der angeführten. Stelle aus— 


Germanen, zur Gedäachtnißfeier folhe Erddämme zu 
errichten. Die darin gefundenen Urnenfcherben ıc. konn— 
ten leicht dur Abtragen der dabei gelegenen Grabhüs 
gel hinein gefommen feyn, deren ſich wirklich noch meh— 
vere ganz im der Nähe diefes Erdiwalfes finden. 
ug. 
*) ©. Tacitus Germania cap, 28 und 29, 


153 


druͤcklich andeutet, Weteranen ald Wächter unter fie, um 
Ruhe und Dronung zu erhalten und zu rechter Zeit ben 
Tribut einzutreiben. Die eigentliche Mattiafenftadt Wies— 
baden, die vermuthlich weder Dagebliebene noch Anfiedler 
bei fich duldete, war, wenn man will, frei, denn ihre Bes 
woyuer waren socii; die Vorſtaͤdter aber, die ſich außer; 
balb der eigentlihen Stadt nad, allen Nichtungen hin 
ausbreiteten, und nad) vorhandenen Spuren und Nach— 
richten den Aderbefiger in beträchtlicher Anzahl, in den 
verwüfteten oder leer geftandenen und wieder hergeftellten, 
oder erweiterten Gebäuden fich mögen nieder gelaffen ha— 
ben, mußten alle Laſten tragen. Sn unferm mit 
Mauern wohl verwahrten Hofberinge mit 6, vielleicht 
noch mehreren geräumigen Gebäuden, fand alfo wie in 
einer Gaferne balb nachbarlich halb feindlich, eine hinreis 
chende Anzahl Veteranen, um: 1. den von den Übiern 
ber eingeführten Zoll auf der uralten Handelsftraße, jeßt 
Mosbacher Holzweg genannt, nach wie vor zu erheben. 
Denn nad) Cäfar gehörten die Ubier zu den gebildeteren 
Germanen, welche Handel und Schifffahrt trieben und 
vermuthlich bier eine Zollftätte angelegt hatten. Hier 
wohnten auch fpäterhin Veteranen; um: 2. bei vermuthes 
ten oder ausgefundfchafteten Ueberfällen der Germanen 
ins Caſtrum von Mainz, das man von bier aus deutlid) 
uͤberſehen kann, befonders zur Nachtzeit mit Feuer zu ſig— 
nalifiren; 3. mit dem Schwert in der Hand unter dem 
gemifchten Haufen von geringichäsigen Anſiedlern Ruhe 
und Drdnung zu erhalten; 4. diefen wie auch den Mat 
tiafen felbft immerwährend anzudeuten, wen fie unters 
würfig ſeyen; und endlich 5. nöthigenfalls den Tribut mit 


154 


Gewalt einzutreiben und die Rebellen zu züchtigen. Da 
diefe ihre Stellung nicht ganz friedlich war, fo bin ich 
neuerdings auf die Vermuthung gefommen, dag dag, was 
wir bisher im Anbau an dem Hauptgebäude für einen 
Keller hielten, ein unterirdiiches Gefängniß gemwefen feyn 
möge, welches die ſchwere unbeholfene Thüre auf der 
großen ſchweren Sandfteinjchwelle, und das, wie e8 fcheint, 
abfichtlich bezwecdte knarrende, tiefe Rinnen machende, 
Aufftreifen der Thüre, fo wie überhaupt der ganze neue 
Anbau zu verrathen jcheint. *) Kurz, die ganze Pofition 
unferes Hofberinges laßt auf eine Vorwache oder Vedette 
von Mainz aus nach dem Taunusgebirge, das damals 
noch nicht Durch den Pfahlgraben, wenigftend noch nicht 
fo wie unter Tiberius gededt war, zugleich aber auch auf 
diefe Außerfte Gränzwache der in der Borftadt mohnenden 
verfchiedenartigen Anfiedler fchilegen. Zur UÜbierzeit mag 
bier ein einfaches Zollhaus geftanden haben, welches die 
Deteranen durch den Anbau des Kellers oder vielmehr 
Gefängniffes und Bäder erweiterten; denn dag Mauers 
werf diefer letztern Gebäude ift unftreitig neuer, als die 
des Hauptgebäudes. Ueberhaupt find alle Anzeigen vors 
handen, daß fon in den früheften Zeiten die ganze 
Feldfläche von Wiesbaden herauf bis an den Kreuzs und 
Mosbacher Holzweg mit Wohnungen überfäet war, folgs 
lich mit Wahrheit dad vormalige Maltium (2) oder eine 


*) Sch halte dieſes Souterrain für einen gewöhnlichen Kel: 
fer, vdergleihen man in Hedernbeim faft bei jedem Ge» 
baude findet. 

d. 9 


155 


beträchtliche Vorftatt der Mattiafenitadt Wiesbaden bil: 
dete, die Durch fpätere Verwuͤſtungen fo zu Grunde ging, 
daß fogar ihr Andenfen aus der Gefchichte verfchwanp. 
Ein Hauptbeweig für diefe Meinung ift eine uralte Wafs 
ferleitung in thönernen Röhren, die heute noch ein fehr 
gefundes Waffer geben, das an der Wellrigbach oberhalb 
der Gaferne hervorquilt. Aus den 70ger Jahren muß 
noch jedem Wiesbader befannt feyn, daß diefer Plag von 
der alten Stadtmauer eine Feine */, Stunde Wegs ent 
fernt war, jett aber nur eined Steinwurfs weit, ober; 
halb der Gaferne befindlich if. Noch ganz unbefannt-ift 
ed, wo diefe Wafferleitung herkommt, deren Richtung 
nicht in die Stadt, fondern an der Stadt vorüber zeigt. 
Folglich haben auch in dieſer Feldgegend Wohngebäude 
geftanden, wodurch fich diefe Vorſtadt an die Hauptitadt 
anſchloß. Eine gründliche Umnterfuchung derfelben würde 
vielleicht unerwartete Nefultate geben. 

Noch zur Zeit ift mirs nicht ganz Far, woher das 
viele benöthigte Waffer in die gefundenen Bäder gefoms 
men feyn möge? im höher gelegenen Felde zeigte fich noch 
feine Nöhrenleitung dahin, der Hollerborn liegt ziemlich 
tiefer als die Badgebäude; es bleibt folglich nichts uͤbrig 
als anzunehmen, daß diefer Born fo weit in die Höhe 
getrieben , oder wie man jagt, aufgeftaut wurde, daß das 
Waſſer von felbft einfloß. ”) 


*) Sollten innerhalb der Gebaude nicht mehrere Brunnen 
geweien feyn, welche das erforderlihe Waſſer für die Bas 
der lieferten? Sn den Ruinen des Vicus bei Hedernheim 
find eine ziemliche Anzahl runder gemauerter Brunnen 


156 


Nach einigen Wahrzeichen vermuthe ich, daß fogar 
Waſſer aus den Wiesbader Heilquellen hierher. gefchafft 
werden mußte, denn in No. 6. habe ich Moͤrtelſtuͤcke auf: 
bewahrt, an die fich ein Niederfchlag, Ähnlich dem Wies— 
bader fogenannten Sinter befindet. Zu diefen Muühfelige 
feiten mußten fich die vorftädtifchen Sclaven verftehen. 
Daß mehrere Veteranen in eigenen Gebäuden badeten, bes 
weit der Bau No. 2., wo man zufrieden war, ohne viele 
Mühe und Koften das Bad innerhalb der Wohnung ans 
zulegen. In diefen Anlagen fcheint auch der Beweis zu 
liegen, daß ſich diefe Wächter unter Feiner Bedingung 
von ihrem Poften entfernen durften, ſonſt wäre ed wider 
ſinnig, fo nahe bei einer uralten und ſchon zu Roͤmerzeit 
berühmten Badeftadt, noch entferntere Bäder anzulegen, 
und fie mit vieler Mühe und Aufwand fünftlich zu erwärmen. *) 

Die Heizung der Bäder, fo wie uͤberhaupt die Feue— 
rung zum Hausgebrauch, wurde nach Ausweis. der vielen 
gefundgnen Kohlen, mit Kiefernholz bewirft, woraus auch 
ſaͤmmtliches Balkenwerf bis in die Dachung beftand, 

Der Abzug der Veteranen gefchah in folcher Eile, daß 
man Gegenftande von Gewicht nicht fortzubringen wußte, 


von 4 — 5 Fuß Durdmeffer gefunden worden, aus wel 
den das Waſſer zum Bedarf der Einwohner und Bäder 
geſchöpft wurde. 

D. 5% 

*) Nicht immer find die Gemächer, deren Fußböden durd 
geuer erwärmt werden Fonnten, Badegemäder, fondern 
BWinterzimmer, wenn nicht ein mit gebrannten Platten 
belegter Boden ihre Beftimmung ald Bäder ausfpridt. 

d. H. 


157 


und fie alfo geſchwind zu vergraben genöthigt war. Daraus 
erklärt fich ein Fund, der vor 42 Fahren zwifchen dem 
Hauptgebäude und dem Hollerborn am alten, jest abye 
fchafften Fußwege in dem noch vorhandenen Fluthgraben 
entdeckt und erhoben wurde. Er beftand in einem mittel 
großen Eupfernen Keffel mit eingeroftetem Fupfernen Deckel, 
Es lebt noch in Dogheim ein Mann, der als Knabe dies 
fer Ausgrabung mit zufah, und ein Anderer, der auf dem 
damals gangbaren Fußpfade, in Gefchäften nad, Wies— 
baden gehend, zu den beiden Trägern Fam, die fic über 
das Gewicht des an einer Stange zwifchen ihnen hans 
genden Keffels, über ihre verwundeten Schultern fehr fol 
len befchwert haben. Ueber den Inhalt hat man nie ets 
was erfahren, außer daß wenige Tage hernad) eine reich? 
liche Gabe an die Armen foll erfolgt feyn. Die fllichtig 
gewordenen müffen nie wieder gekommen ſeyn, ihren Ders 
ſteck zu eröffnen, woraus fich von felbft erflärt, warum 
im Hauptgebäude, wo doc; das meifte zu hoffen war 
des forgfältigften Sudyens ungeachtet, Feine Spur von 
Münzen, wohl aber im Hofbering unter freiem Himmel 
verloren gegangene Stüde gefunden wurden. 

Nach vorgängiger Plünderung, Zerfchlagung und als 
gemeiner Zertrümmerung wurde alles dem Feuer überges 
ben. Wenn dieß die legte Zerftörung war, jo mögen 
Sahrhunderte lang die Mauerruinen aus der Erde her— 
vorgeragt haben, bis man endlich den Kiefernwald zu 
Ackerland anrodete und planirte, woraus fich denn freis 
lich auch eine fo frappante Zerftreuung von Gefaͤßtruͤm— 
mern auf der ganzer Feldfläche umher erklären liege. 
Der gefundene Gallienus unter den Dachſchiefern deutet 


158 


auf die verwirrte Zeit der dreißig Tyrannen, die nad 
dem Throne trachteten und fich unter einander felbft aufs 
rieben. Während fich diefe befriegten und Gallienus ſich 
der Wolluft und Trägheit hingab, fürmten die Barbaren 
von allen Seiten ind fchwache, verlaffene Reich, ylüns 
derten und verbeerten cd. In dieſe Zeit möchte wohl die 
Epoche der Zerftörung unferer Kleinen Veteranen sNieders 
laffung zu feßen feyn. *) Die gemadjte Entdedung ift 
für die Gefchichte der Stadt Wiesbaden befonders wichtig, 
und würde es noch mehr geworden jeyn, wenn fie zu eis 
nem glüclichen Ende gedichen wäre. **) 

Sc glaube mich hiermit ausgewiefen zu haben, daß 
ed von meiner Seite nicht an Fleiß, Auffiht und Aufs 
merkſamkeit fehlte, dem erhaltenen Auftrage möglichft zu 
genuͤgen. 


2) Wenigſtens möchte ed wohl nicht die Teste Zerſtörung 
geweſen ſeyu, da ſich bei Wiesbaden noch haufig Münzen 
aus der Zeit der Conftantiue finden , die auf einen viel 
langern Aufenthalt der Römer in diefer Gegend hindeuten. 

d. 9. 

**) Allerdings verdient diefes Feld, auf welchem fi in fo 
großer Ausdehnung unverfennbare Spuren römifher Ges 
baude finden, eine aufmerffame Unterſuchung, da es 
niht unmahrfheinlih ift, daß ſich hier, oder dodh in 
Wiesbaden, die Civitas Mattiacorum finden dürfte, von 
welcher auf den, oben S. 18 — 24 mitgetheilten Caffeler 
Snferiptionen die Rede ift. 

v9. 





159 


II. 


Bericht Aber die Unterfuchung des römifchen Caſtrums 
bei Marienfeld, von Herrn Pfarrer Brinkmann 
in Miehlen. 

(Sortfeßung von No. 8. Seite 40. d. I. Heftes.) 





Dermöge erhaltenen Auftrags durch Protocol» Auszng 
der Borftardefigung vom 25. Auguft vorigen Sahres, wurden 
an der bezeichneten Stelle im vormaligen Römercaftelle zu 
Marienfeld, die Nachgrabungen feftgefegt. Da diefer Ort 
damals noch bepflanzt war, fo mußte die Arbeit bis in der 
Dctober hinein, anfgefchoben werden. Nachdem man fich mit 
dem Eigenthuͤmer über den Betrag der Entfchädigung verftäns 
digt hatte, wurde durch 6 Arbeiter im Garten des Herzogt. 
Hrn. Schultheißen Neidhöfer die Nachgrabung angefangen 
und vorerft ein 10 Ruthen langer und 5 Schub breiter 
Graben gezogen. Diefe Arbeit wurde den 12. Vormittags 
fortgefegt und bald eine quer laufende flarfe Mauer 
entdeckt. 

Man hielt es für das zwecmäßigfte, die aufgefundene 
Mauer, welche auf der einen Seite gegen den Grund 
ging, auf der andern aber ein Gewölbe anzeigte, ſowohl in 
ihrer Ausdehnung, ald auch in ihrer Tiefe, zu verfolgen. 
Das Graben in die Tiefe beftätigte ed, daß bier ein Kels 
ler geweſen ſey, welcher ungefähr 10 Schuhe tief unter der 
Erde lag, die unterfte Lage des Schuttes beftand aus lau— 
ter gebadenen Steinen, welche, wie es fchien, viel ſpaͤte— 
ren Urfprungs ald die aus der Römerzeit waren, Bon dies 


160 


fen fanden fich aber aud) mehrere zum Mauern darunter 
verwendet, welche fich durch ihre bläffere Farbe und die 
auf ihnen eingegrabenen Züge und Form auszeichneten. 
Man bemühte fich den Umfang des Kellerd zu erforfchen 
und bald waren die vier Eden deſſelben entdeckt. An eis 
ner derfelben fand man Platten von einem fchieferartis 
gen Steine, jede Platte 1%, Schuh lang und 1 Schuh 
breit, mit Xöchern verfehen, als wenn fie wären aufge 
nagelt gewefen ); allein e8 wurde darunter nichts gefun— 
den. — Aus den Ergebnifjen zu urtheilen, fchien der aufs 
gefundene mit einer Mauer umgebene Raum, ald Keller 
eines fpäter errichteten Gebäudes gedient zu haben. 

Einige Tage darauf wurde noch ein Verfuch mit Gras 
ben in dem Garten eines Mannes gemadjt, deſſen Hofs 
raithe muthmaßlich in der Mitte des vormaligen Römer; 
caſtells Liegt. 

Hier entdefte man Maner an Mauer aus alter Zeit, 
nur Fuß tief unter der Erde. Es wurden auch hin und 
wieder noch Einfchnitte gemacht und allenthalben Mauer: 
werf gefunden. Hinter der oben erwähnten Hofraithe, in 
welcher fich auch die Legiongfteine gefunden hatten, ließ man 
befonders noch graben und bemerfte hier viele Kohlen, Aſche 
und ganz verwitterte Ziegel, welche auf die Zeit des Aufent- 
halts der Römer dafelbft fchließen ließen. 

Beiſder undanfbaren Ausbeute an Alterthuͤmern und bei 
der UIngewißheit, etwas bier aufzufinden, wurden, um Fein: 
unnöthigen Koften zu verurfachen, die Nachgrabungen vors 
laͤufig eingeftellt. 

*) Wahrſcheimich Dachſchieferplatten, wie ſie an römiſchen 
Gebäuden gewöhnlich vorkommen. d. H. 





161 
11. 


Die Mithras: Tempel in den römıfchen Ruinen 
bei Hedvdernheim, von 5. ©, Habel. 


(Fortfekung von No. 9. Seite 45. d. L Heftes.) 


Zu den intereffanteften und für die Alterthumskunde 
wichtigften Entdefungen in unferm Lande gehört wohl 
unftreitig die Auffindung zweier Mithras-Tempel in 
dem Bering unfers Vikus. Die zahlreichen Bildwerke, 
Altäre und Snjchriften, welche fich in ihrem Innern fans 
den, geben nicht nur manche berichtigende Aufjchlüffe iiber 
die Bedeutung der ſymboliſchen Darjiellungen an andern 
mithrifchen Monumenten; die Ueberrefte des Gebäudes 
felbft, liefern auch den erften Beitrag zur genaueren 
Kenntniß der innern Befchaffenheit diefer geheim; 
nißvollen Tempel. 

Es ſey mir vergonnt, die näheren’ Umftände der Auf 
findung etwas ausführlicher vorzutragen, da in öffentlichen 
Blättern über die Entdeckung, fowie über die gefundenen 
Gegenftände theils unrichtige, theils mangelhafte Nach 
richten verbreitet worden find, 

Es ift fchon oben ©. 53 d. I, Heftes bemerkt wors 
den, daß das ganze Areal des Heidenfeldes fo fehr mit 
Trümmern zerftörter Gebäude angefüllt ift, daß die Eir 
genthümer, ihre Grundſtuͤcke zur Verbefferung des Feldes 
und zur Gewinnung von Baufteinen, in Mußeftunden zu 
durchgraben pflegen. In gleicher Abficht durchfuchte der 
Manrermeifter Joh. Werkmann zu Heddernheim, im 

11 


162 


Anfange ded Januars 1826, feinen im obern Theil des 
Burgfeldes gelegenen Acer, im welchem er fchon das 
Sahr zuvor, die Fundamente eined Gebäudes von gerinz 
gem Umfange berausgebrochen hatte. In einer Tiefe von 
ungefähr 4", Fuß zeigten fich zuerft mehrere Steine mit 
Reliefs, und bei weiterem Fortgraben nicht ferne davon, 
eine viereckige ſchwere Sandjteinplatte von 3 Fuß 9% Zoll 
Breite und 4 Ruß SY, Zoll Höhe, welche von drei dicht 
anfchließgenden, kaum 1 Fuß breiten und dicken Steinen ohne 
Mörtelverbindung, umgeben war. Diefe bildeten auf drei 
Seiten gleichjam den Rahmen der auf beiden Seiten mit 
Figuren verzierten Tafel. Die damals einfallende heftige 
Kälte verkinderte den Finder, den. fehweren Stein noch 
Herauszubringen, und fo erhielt ich durch den dortigen 
Herrn Schultheig Nobftadt ) fchnelle Nachricht von 
dem Fund diefer Alterthuͤmer. Sch faumte feinen Augen: 
bli, mit Genehmigung des Vereins-Vorſtandes fchon am 
folgenden Tag nad) Empfang feiner Zufchrift nach Hed— 
dernheim zu reifen, um das größere noch an feiner Stelle 
befindliche Nelief, nebft dem Fundort zu beaugenfcheinigen, 
und wo möglich zur forgfamen Herausnahme der Bild» 
werfe mitzuwirken. Bereits waren die oben gedachten 
verzierten Steine nebft den drei fchmalen Sandſteinſtuͤcken, 
vom Eigenthümer nad) Haufe gebracht worden. Auf dem 
Yängften derfelben, dem horizontalen Sturz von 5 Fuß 4 Zoll 
Kinge, war das Doppelgefpann des Sol und der Luna 


2) Ich kann nicht unterlaffen, deſſen Aufmerffamfeit und 
Sefalligkeit für die Zwede des Vereins, rühmlich zu 
neniten. 


163 


zwifchen zwei concaven Medaillons mit den Brufibildern 
des Hermes dargeftellt. Von den beiden Iektern 4 Fuß 
5'/, Z0U langen Befleidungsjteinen enthielt ein jedes vier 
vertiefte Felder mit Figuren und ein dem erften Ahnlis 
ches Medaillon mit gleichen Profilbildern am untern 
Ende. 

Sch begab nich fofort auf den Ader, wo die vier 
eckige große Platte, welche vorher von den eben 
genannten fchmalen Sandfteinen umgeben gewefen war, 
noch in unverrücter Lage feftgefroren dalag, Die obere 
Fläche war zum Schuß der Figuren, mit Erde bededt 
worden; es Tießen fi alfo nur auf der untern zum 
Theil hohl Tiegenden Seite, durch das Gefühl, Figuren 
fowie die Ede eines Altard unterfcheiden, der durch den 
Umfturz des großen Neliefs zertrümmert worden war, 
Meine Bemühungen, den ganzen Fund fogleic dem Mann 
abzufaufen, um die forgfältigfte Erhebung unter meiner 
yerfönlichen Leitung veranftalten zu koͤnnen, waren fruchtlos. 
Yın feinen Preis wollte er fich zur Durchforfchung feines 
Ackers verfichen, in welchem er noch große Schäße vers 
borgen glaubte, Sch mußte mich daher, da die damalige 
Kälte von 14° feine augenblidliche Herausnahme des 
Steines geftattete, damit begnügen, ihm in Gegenwart 
des Herrn Schultheißen, das fefte Verfprechen abzunehmen, 
nicht eher aneden Stein Hand anlegen zu wollen und 
ebenfo alles Mauerwerk unberührt zu laffen, bis er ir, 
fobald günftigere Witterung die Fortſetzung ber Arz 
beit erlaubte, Nachricht ertheilt hätte. Auf diefe Weije 
beruhigt, veißte ich, nachdem ich die ſchon zu Tage 
geförderten Steine gezeichnet hatte, wieder zurück 


164 


Durch ein Schreiben vom 21. Februar erhielte ich 
endlich die unangenehme Nachricht, daß Werkmann 
gegen feine ausdrüdliche Zufage bereitd am 12. Febr. 
die große Steinplatte erhoben und in feine Wohnung 
gefchafft habe. Glüclicher Weile war die Vorficht anges 
wendet worden, den Stein vor dem Heraugzieben im einen 
Rahmen von ftarfem Holz einzufchließen, wodurch das 
Auseinanderfallen der in mehrere Stüde zerfprungenen 
Platte verhütet wurde, So fand ich denn bei meiner 
Ankunft das große Relief nebft den übrigen in diefem 
Gebäude gefundenen Altären, die weiter unten befchrieben 
werden follen , in deffen Behaufung aufgeftelt. Zu meis 
nem großen Bedauern mußte ich zugleich vernehmen, 
daß derfelbe fein zweites DBerfprechen eben fo wenig 
gehalten, und fogar die Mauern ded Tempels jchon 
größtentheild herausgebrochen hatte. in Frankfurter 
Herr babe ihm gerathen, fo entichuldigte er feine unver 
zeihliche Handlung, die Mauern zu durchfuchen, da unter 
dem Grundftein wahrfcheinlich noch Koftbarfeiten lägen! 

So hatte leider Unverftand und ungedultige Gier 
diefen höchjt merfwürdigen, noch wohlerhaltenen Tempel 
Neften, ungeachtet meiner forgfältigften Bemühung, ehe 
ich es hindern Fonnte, den Untergang bereitet *). 





*) Herr Hofratb Dr. Dorom zu Berlin, fand für gut, 
feine Bemerkungen über biefe Entdeckung, im GStutg- 
Kunftbl. v. 3. 1827 und andern Blättern, in Form eines 
Shreibend an Herrn Geheimen Hofratb Creuzer in 
Heidelberg, auf folgende eigenthümliche Weife der Def: 
fentlichkeit zu übergeben: 

«Leider traf ich vom Mithras-Tempel, der in den erften 


165 


Es blieb daher nichts uͤbrig, als fogleich die Beob— 
achtungen der vielen Einzelnen, welche bei der Ausgra⸗ 





Monaten des Jahres 1826 in Heddernheim entdeckt wor— 
den war, nur noch Spuren gänzlicher Verwüſtung, aus— 
gebrochene, zum Verkauf feilgebotene Mauerſte ine u. 
d. gl., als ih im Juni dieſes Jahres dieſe merk— 
wuͤrdige Entdeckung näher unterſuchen wollte. Großen 
Dank hätten die Alterthumsfreunde dem Wiesbader 
Berein gezollt, wenn derſelbe nicht allein die im Tempel 
gefundenen Bildwerfe an fih gebracht fondern was wich— 
tiger ift, die Mauern, welche fih ım beiten Zuftande 
befunden haben follen, erhalten hätte, welches durch Ans 
kauf des kleinen Stück Feldes fo leicht zu bemerfftelligen 
gewefen wäre. Alſo auch dieſes Denkmal, das Einzige 
der Art in Deutfchland ift zerftört und für die Alters 
thumskunde unmwiederbringlich verloren gegangen, 

“weil man nicht erkannt, was lehrreich und 
wihtigbei Auf: und Ausgrabungen für die 
Altertbumsmwiffenfhaften ift. Sieht man Baus 
monumente durch die Hand eined Randmannes zerftört, 
der gierig Anticaglien erhalten will, wie es bei dem 
Mithras:Gemadye in Dormagen bei Köln der Fall war, 
(Siehe Kunftblatt Nro. 90. 1824) fo kann es nicht be— 
fremden; was ſoll man aber bei diefer Gelegenheit fagen, 
wo der Verein fürvaterländifhes Alterthum 
in Wiesbaden, ſolch Unverzeihliches aus— 
üben laßt, an deſſen Spitze Herr von Gerning ſteht, 
und der die Verordnung ausgewirkt haben ſoll, daß 
in Heddernheim Fein Landmann, bei Zuchthausſtrafe, 
irgend einen alten Topf, Münze, Lampe 
u. ſ. w. anders, aldan den Verein verfaufen 
darf? Hatte der Wiesbader Alterthumsverein es doch 
beachtet, was ich bei Gelegenheit der Befchreibung vom 
Mithras:Gemahe in Dormagen über das Ausbrechen der 
Mauern gefagt !» — Soweit der Eingang. 


166 


bung anmefend waren, forgfältig zu fammelg, zu fichten 
und zu ordnen, und hierdurch wurde es noch möglich, aug 
den übereinftimmenden Wahrnehmungen, die Lage und dag 
Vorkommen der gefundenen Gegenftände an Ort umd 
Stelle mit ziemlicher Genauigkeit auszumitteln, fo daß 
diefe Entdeckung doch nicht »verloren« zu achten ift. Die 
Form des Tempels ließ ſich aus den mir mitgetheilten 
Maasverhältniffen, welche von mehrern Sacverftändigen 
notirt worden waren, und mit einem von einem Baus 
Eundigen aufgenommenen Grundriß übereinftimmten, Leicht 
eonftruiren 9). Cine fpätere Unterfuchung des zweiten 
bald hernach entdeckten Mithrastempels, bot intereffante 
Vergleichungspunfte dar, und vervollftändigte die Aufe 
nahme, deren Nefultat ich nun vorlege, 





Nur einige Worte zur Ermwiederung: Mit aufrichtigem 
Danf nimmt der Verein wohlgemeinte Belehrungen von 
Kennern an, er bielt es jedoch unter feiner Würde 
auf fo arrogante Aeußerungen ded Hrn. D. zu antwors 
ten, deflen Urtheil in wiffenfhaftlihen Angelegens 
beiten ihm durchaus gleichgültig if. Die Wahrheit feiner 
Angaben, fo wie der Werth feiner Befhreibung, laßt 
fih aus der Vergleichung mit der Sache leicht beurtheilen. 
Daß Feine folhe Verordnung« eriftire, welhe das Eis 
genthumsrecht der Finder auf inhumane Weife beein: 
trädhtigte, wußte Herr D recht gut. Es war ihm nur 
darum zu thun, unfern Verein in der öffentlihen Mei: 
nung herabzufegen nnd nebenbei einer Megierung etwas 
verbindliches zu fagen, die wahrend feines Aufenthalts in 
Wiesbaden, feine Ausgrabungen mit der zusorfommendften 
Liberalität unterftügt hatte. — 

*) Sch hatte nicht Gelegenheit den Grundriß zu benußen, 
welchen Herr von Horrad nad) der Bemerkung des 
Hrn. Dorom aufgenommen haben foll, 


167 


Lageund Figur des erſten Mithras— 
Tempels. 


Wenn man die auf dem Plan Tab. IV. des J. Heftes mit 
BL bezeichnete Platea quintana von Laus, noͤrdlich gegen 
B verfolgt, fo findet man diefelbe auf der höher liegenden 
Fläche des Feldes bei e, von einer fehmalen von a nad) E 
ziehenden Straße durchfchnitten. Hier iſt die Stelle, an 
welcher der erftie Mithrag= Tempel *) entdeckt wurde. 

Die IV. Zafel enthält den Grundriß des Gebäudes 
mit feinen Umgebungen. 

Der Tempel hatte die Geſtalt eines Vieredd von 39 Fuß 
10 Zoll Länge und25 Fuß S Zoll Breite (nad) rhein. Maaf) 
ohne die nach Auſſen vorjpringende Treppe mit dem gegenz 
überliegenden Sacrarium. Die Die der außern Umfangss 


*) Yuf Sufhriften werden die dem Mithras:Eult geweihten 
Gebäude Templa, Aedes, Spelaea genannt. Leßtere Bes 
nennung mag wohl die urfprünglide gewefen feyn, da 
die Römer, der Tradition von der Sonnefverehrung 
der Perſer und beionders von der Felfenhöhle Zoroafters 
auf dem Albordigebirge folgend, diefe Gebäude in Felſen 
anlegten, wo die Befchaffenheit des Locals es erlaubte, 
Diefe grottenartigen Gemächer nannten fie alsdaun 
Spelaea, und von folhen fanden fich vormals noch Ue— 
verrefte bei Oſtia und zu Rom u. ſ mw. — Bei der 
weitern Verbreitung dieſes perſiſch-römiſchen Cults in die 
Provinzen des römiſchen Reichs behielten fe, da wo es 
die Oertlichkeit nicht anders zufieß, im Innern 
die längliche Höhlengeftalt bei, und fegten die Gebäude 
zum Theil unter der Erdoberfläche an, wie wir an den 
unfrigen wahrnehmen; im Aeuffern erhielten fie fo» 
dann Form und hiervon Namen der Tempel, 


168 


Mauern betrug 1 Fuß 4'/, Zoll mit Ausnahme der nördlis 
chen Seite, deren Mauerwerf beinahe 6 Zoll ftärfer war. 

Den nad; Suͤden gelegenen Eingang *) bildete eine 
Treppe von 3 Fuß 9 Zoll Breite, durch welche man in 
das Innere des Tempels hinabftieg. Die Stufen der 
Treppe waren übrigens jo fehr verwüftet, daß ſich die 
Zahl derfelben nicht mehr genau beftimmen ließ. Aus 
einem bald hernach in der Nähe deffelben gefundenen 
zweiten Mithräum von Ähnlichen Gonftructiong » Ver: 
hältniffen, deffen Treppe noch ganz unverfehrt war, konnte 
man indeffen analog auf die Befchaffenheit der erftern 
fchließen. 

E83 waren in jenem fieben Stufen, davon 6 aus 
einem fcharffantig gehauenen Bafaltftüd**) von 3 Fuß9 Zoll 
Lange und 1 Fuß 10 Zoll Breite bejtehend, welche in die Tiefe 





*) Herr Felir Lajard bemerkt &. 12 in feiner gehalt: 
vollen Abhandlung über das Borghefifhe Monument zu 
Paris. (Nouvelles Observations sur leGrand-Bas-Relief mi- 
thrieque de la collection Borghese, actuellement au Musee 
Royal de Paris, a Paris 1898 4°.) Die Eingänge zu 
ben Mitbrastempeln feyen meiftend gegen Norden, 
die Nusgange gegen Süden gelegen. Als Beifpiele führt er 
die Mithrasgrotte unter dem Eapitoliniihen Berg zu Rom 
und den großen Porticus zu Perfepolis an.— Bei unfern 
beiden Tempeln findet fih gerade der umgefehrte 
Sal, und bier erlaubte die Localität eben fo gut eine 
andere Gtellung. 

Die Treppenftufen hatten in der Regel vorn Feinen rund: 
lihen Bund, wie die neuern, fondern eine rechtwinklich 
fharfe Kante. Dergl. Winkelmann I ©. 400, 
Yeber die Höhe der Stufen, f. Fitru. II, c, 3 und 
IR re. 2: 


vr 


— 


169 


führten, wie es ſich aus dem Nievenu einer nahe vorbeifihe 
renden Straße ergab. 

Die oberfte Stufe (von Sandftein) Tag fo nahe unter 
ber Oberfläche, daß die Spise der Pflugfchaar fie erreicht 
und verlegt hatte. Die Länge der vorragenden Treppe bes 
trug 12 Fuß. Da die Höhe einer jeden Stufe 8 Zoll aud: 
machte, fo ift damit die Tiefe der beiden Nebencellen des 
Zempeld unter der Erde auf 4 Fuß 8 Zoll, und die der 
mittleren Celle auf 6 Fuß 8 Zoll beftimmt. *) 

Daß die bei dem zweiten Mithras:Tempel gefunden: 
Anzahl der Stufen nicht zufällig war, und demnad; 
auch für den erfteren als normal anzunehmen ſey, ift wohl 
nicht zu bezweiflen, da befonders die Zahl fieben in den 
Religionen des Drients, vorzüglich aber bei den mithrifchen 
Moyfterien bedeutfam war. **) 

Der innere Raum des Mithräums war der Länge 


*), Herr Dr. Dorom fagt in feinem oben berührten Auf: 
faß: „Die Arbeiter hatten ohngefähr neun Fuß gegraben, 
bis fie die erfte Figur gefunden hätten.“ Gonverbar. 
Alfo noh 3 Fuß tiefer ald der Boden des Tempels! 
Dagegen wird die Tiefe (Ränge) der Treppe auf 6 Fuß 
angegeben. 

**) Celſus (im 6. Buch des Origenes gegen diefen Philo: 
foppen) nennt ald Sinnbild der mithrifhen Myſterien 
bei den Perfern und befonders der Lehre von der Gee: 
lenwanderung, eine Treppe mit 7 Stufen. Die 
erfte Stufe von Blei, war dem Saturn gemeiht, die 
zweite von Zinn, der Venußs, die dritte von Erz, dem 
Supiter, die vierte von Eifen, dem Merkur, die fehite 
von Silber, dem Monde, die fiebente von Gold, der 
Sonne. — ©. H. Seel, die Mithrageheimmiferc. mit 30 
Abbildungen. Aarau 1823 8° pag. 253. 


170 


nach, durch zwei Scheidewände von 1 Fuß Dicke in der Art 
getrennt, daß auf beiden Seiten ck. 1.) ein Eingang von 
3 Fuß 9 Zoll Weite frei blieb, durch welchen man in die 6 
Fuß breiten Geitencellen CE) des Tempels gelangen 
Fonnte. Zur fombolischen Verzierung diefer Eingänge waren 
in die Stien der Scheidemauern (k. 1.) zwei Poftamente von 
Sandftein eingefest, welche zweien Neliefs (Mithras mit 
erhobener und gejenfter Fade) zum Fußgeſtell dienten. 
Nur einer derfelben fand fi) noch. Zwifchen den oben 
genannten ſchmalen Gellen lag die eigentliche Haupt:-Gella 
(F.) ein Gemad; von 8 Fuß 6 Zoll Breite und 36 Fuß 





So mögen die 7 Stufen unfers Tempels, von welchen 
der Einzuweihende gleihfam aus den Regionen des Lich: 
tes und Lebens in das Reich der Unterwelt hinabftieg, 
demjelben fymbolijch die Wanderung der Seele nad) dem 
Tode durd die fieben Planeten, verfinnlicht haben. 

Auh Die fieben Wochentage flanden unter dem 
Schuß dei Planetengötter, welche an die fieben Amſhas— 
pands, die Engel der fieben Scöpfungstage bei den 
Perfern, erinnernu.f.w. Zulius Capitolinus im 
Leben Marc, Aurels Cap. 13, berichtet, daß unter 
diefem Kaifer (im Sahre 269 n. Chr.) zur Verſöhnung 
der Götter fiebentägige Lectifternien gehalten worden 
feyen; und nah Div Caſſius, welder die Verehrung 
der fieben Planeten von den Aegyptern herleitet, (Siehe 
Lib. XXXVIIL c. 8) fcheint diefer Cult beiyden 
Römern erft unter den Antoninen fih mehr verbreitet 
zu haben. Sn unferer Gegend bei Main; fanden fid) 
mehrere Altäre mit den Bildniffen diefer Götter — Als 
Symbole der fieben flammenden Geftirne ftanden in uns 
ferm Tempel die fieben Feueraltäre (Pyraen, Dadgahs). 
Davon unten das ausführlichere. 


171 


Länge, deſſen Boden übrigens 2 Fuß tiefer war ald bie 
beiden Seiten: Gellen. 

Drei Stufen führten aus dem fleinen Vorplatz (D) 
(Vestibulum) hinab. Es zeigte fi) bier Feine Spur von 
dem Dafein einer Thür, welcye den Eingang ſchloß. Es 
Scheint demnach diefer abgefchiedene wohl nur den Prieftern 
und Eingeweihten zugängliche Raum durch einen Vorhang 
dem Blick der Aufzunehmenden *) entzogen gewefen zu feyn. 

Am entgegengejegten Ende der mitleren Gella befand 
fi) ein nach auffen vorfpringendes Gemach (G) von gleicher 
Breite und 4 Fuß Tiefe Cim Kichten) zu dem wieder 3 Stus 
fen hinan führten. Die unterfte derfelben war 1 Fuß 9 
Zoll breit und trat in die mittlere Gella vor. Die 
beiden vorftehenden Mauereden bildeten den 61, Fuß 
breiten Eingang und bargen wahrfcheinlich die Beleuch— 
fung des mithrijchen Bildes. In der Mitte diefes Sacras 
riums oder Opisthodoms (Posticum) erhob fich auf einem 
2 Fuß hohen und 18 Zoll breiten Sockel von gehauenen 
Sandfteinguadern das große Doppel-Relief mit der Dar- 
fiellung des Mithras. 

Es erfchien auffallend, daß der Raum (GI zwifchen 
bem Relief und der nördlichen Wand Cer beträgt nur 2 
Fuß,) fo befchränft war, daß es unmoͤglich ſchien, die eben: 
falls mit Bildwerf verfehene hintere Seite der Tafel ordentlid: 
betrachten zu koͤnnen. Hierzu fommt noch, daß die Ruͤck— 
feite der Einfaffungsfteine ſammt dem längern auf beiden 
Seiten überfiehenden Sturz nicht wie deren Vorderſeite vers 


*) Bon einem Vorhange (Velum) im Tempel des Jupiter 
zu Elis fpricht Pausanias V, 12. 


172 


ziert, fondern ganz roh bearbeitet war, — wodurch es 
wahrfcheinlich wurde, daß diefer hintere Raum, deffen Wäns 
de auch nur mit gewöhnlichem weißen Mörtel getuͤncht was 
ren, verborgen bleiben jollte. Dieß leitete mich zuerjt 
auf die Bermuthung, daß die vieredfige mitlere auf bei 
den Seiten verzierte Platte wohl drehbar gewefen feyn 
müffe. Die feftftehenden das große Relief umfchließenden 
Befleidungsfteine paßten alsdann mit ihrer verzierten Bor: 
derfeite für beide Darftellungen des Hauptbildes, was bei 
der Erflärung der Symbole fehr zu beachten feyn dürfte, 

Bei näherer Unterfuchung fand ſich dieß auch befiäs 
tigt, indem genau in der Mitte jener Platte, oben und uns 
ten ein vwieredige 1 Zoll breite und etwa 4 Zoll tiefe Deff- 
nung eingehauen war, in weldje augenjcheinlich ein eifers 
ner Zapfen gehörte, um welchen fich die Steintafel wie um 
eine verticale Achje bewegte.*) Zur unbeweglichen Feſt— 
ftellung des Steins würden gewiß mehrere Stifte angebracht 
worden feyn. 

Ferner war die hintere Seite der aufrechtitehenden Ein- 


*) Diefe Einrihtung erinnert an die drehbaren Altarbilder 
der hriftlihen Zeit. Die Eintheilung ded Tempels 
in drei Räume entfpriht dem Schiff mit den Abfeiten, 
Das nach Außen vorfpringende und höher liegende Ga: 
cellum mit dem Altarbild, dem erhöhten Chor der chrift: 
Iihen Kirchen. Auch die Vertiefung des Schiffes unter 
den Boden findet fih bei den älteften Kirben. Bei 
dem zweiten Mithrastempel ift fogar die Kreuzform des 
Schiffes nicht zu verfennen. Die große Uebereinſtim— 
mung des mithrifhen Mythus mit vielen hriftlihen Dog— 
men haben von Hammer, Creuzer und andere tiefe 
Kenner des Alterthums ſcharfſinnig gezeigt. 


173 


faffung 2Zoll ſchmaler als die vordere, damit die Beklei— 
dung vorn dicht anjchloß, ohne die freie Bewegung der mitt 
lern Platte beim Umdrehen zu hindern. Der enge Raum 
auf beiden Seiten des Neliefs fcheint zugemauert gewefen 
zu feyn, was fich aus der rauhen Bearbeitung und dem Ueber: 
ftehen des wagerechten Sturzes fchließen ließ. Zu dem bins 
tern ganz abgefchiedenen Raum fonnte man demungeachtet 
gelangen, da die halbe Umdrehung der Platte zwei Eleine 
Thuröffnungen bildete. Sm Boden diefes engen Raums 
war noch eine faft 1 Fuß breite und gegen 4 Fuß lange Deff- 
nung (p). Sie war mit Schutt von Bruchfleinen und Gefäß- 
truͤmmern angefüllt, unter welchen ſich noch 11 Bronze-Müns 
zen, meift in Groserz, fanden. Ob diefe Deffnung *), welche zu 
den Myſterien der Priefter gedient haben mag und vielleicht 
mit einem unterirdifchen Adytum in Verbindung ftand, voll 
ftändig ausgeraumt war, da man die Tiefe nur zu 2 Fuß 
angab, bezweifleich. Man konnte Feine Gewißheit daruͤber 
erhalten, da der Eigenthiimer, zu beforgt wegen der Mög- 
lichfeit einer neuen Entdeckung felbft nad) der Verwäftung 


*) Herr Dorow mad eine fargähnlide Stufe! da 
raus, und feht diefelbe vor das Relief. Indem er am 
angef. Orte fagt: /In dem innern Bezirk gedachten 
Vorfprungs befanden ſich zwei 6 Fuß breite obere 
Stufen; die untere nur 5'/, Fuß breite Etufe war 
fargartig ausgehöhlt; vor dieſer ſargähnlichen 
Stufe lag ein großer fhwerer Stein von 4/, Buß Höbe 
und 5 Fuß Breite. — Hierbei ift nur zu bemerken, daß 
die innere Tiefe des hintern Sacellums, in weldhem ſich 
nad Hrn. D. zwei ſechs Fuß breite Stufen befan- 
den, im Ganzen nur 4 Fuß beträgt. 


174 


des ganzen Mithraͤums, feine Unterfuchung diefer Stelle das 
mals angeben wollte. | 

Den Boden der mitleren Gella dedte ein diinner Guß⸗ 
Aftrich. In den Nebencellen war jedoch Feine Spur davon. 

Sämmtliches Mauerwerk (den Unterfat des Hauptbil- 
des ausgenommen) war aus rohen mit Kalfmörtel verbuns 
denen Bruchſteinen aufgeführt. Nur etwa 3— 31%, Fuß 
diefer Mauern unter der Erdoberfläche hatten ſich fo unver: 
fehrt erhalten, daß fich noch der Farbenanftric; des Bewur: 
fes in urfprünglicher Frifche wahrnehmen lief. Man unter: 
ſchied an den Wänden der mitlern Gella weiß, roth, blau 
und grün, abwechfelnd in fenfrechten Streifen. *) 

Es läßt ſich nicht mit Gewißheit beftimmen, ob die mit 


*) Der Mahlereien in einem Mithras:Tempel gedenkt 
nämlich eine bei Klagenfurth in Kärnthen, im Bezirk Sols 
feld (dad Flavium Solvense der Provinz Moricum, Pli- 
nius, III. 34) gefuidene Snfhrift vom Sahr 239, worin es 
unter andern heißt: — TEM. (plum) (sc. Mithrae) VE- 
TVSTATE. CONL, (apsum) SVMPTV, SVO, CUM. PIC- 
TURA. REFE (cerunt.) — Bergl. 9 Seel u a. 9. 
Geite 481. Auch mitgetheilt in Pet. von Köppen 
Nachricht von einigen in Ungarn, Siebenbürgen und 
Polen befindlichen Alterthümern. Wien 18%. S. 13. 
Hier fcheint der Ausdruck Pictura mehr Darftellung 
ſymboliſcher Figuren als Sarbenanftrih zu bezeichnen, 

Aud an dem mithrifhen Denkmal, welches im 5, 1816 
bei Stir-Neufiedel, in den Ruinen des alten Carnuntum 
entdeckt wurde, und fih im kaiſ. Antitenmufeum zu 
Wien befindet, will man rothe, blaue und weiße Farbe 
bemerkt haben. — An mehreren unferer Bildwerke ließen 
isch ebenfalls no Spuren von Sarben wahrnehmen., 


175 


feren Scheidewände bis an die Dede reichten, oder nur bie 
zit einer gewiffen Höhe aufgeführt, den Blick in die mitlere 
Hauptcelle geftatteten. Erſteres fcheint jedoch) für die geheimen 
Mofterien angemeffener, auch jprechen die Spuren an dem 
mithrif.hen Monument der Vogeſen dafür. 

Ueber die Höhe des Heinen Sacrariums dürften die 
oben abgeftumpften Ecken des vorhingenannten horizontalen 
Sturzed am großen Nelief, einiges Licht verbreiten, da 
wahrfcheinlich die gewölbte oder fchräg zulaufende Dede fie 
berührte. Nechnet man zu der Höhe des Reliefs fammt 
Sockel (7'814, N die halbe Breite des Sacellums als Nadiug 
des Gewölbes, A’ 3’N fo würde fich eine Höhe von 19% 
ergeben. Da aber nad) obiger Bemerfung das halbEreisför- 
mige Gewölbe tiefer geftanden haben muß, indem die 
fchwachen Seitenmauern dem Druck eines flachen Bogens 
faum widerftanden haben würden, fo läßt fich die ganze 
Höhe ungefehr nur auf 9, — 10 Fuß beftimmen. Der: 
gleichen nifchenartige Vorfprünge von minderer Höhe finden 
fich öfter an römifchen Tempeln *). 

Für die mitlere Gella ift dagegen eine größere Höhe anzu⸗ 
nehmen. Gehen wir vom Boden derfelben aus, fo beträgt die 
Höhe der drei erften Stufen bis zum Vorplatz (D) 2 Fuß. 
Hierzu fommen die 7 Stufen mit 4 Fuß 8Zol. Da nun 
die Höhe des Eingangs wohl nicht weniger ald 8 Fuß zu rech⸗ 
nen ift, und die Dede wenigftens 2—3 Fuß höher angenom> 
men werden darf, fo würde ſich die Höhe der mitlern Gelle 
im Innern wenigftend auf ungefähr 16 — 18 Fuß beftim- 





*) Vergl Montfaucon l'Antiquité expliquee u. ſ. w. 


176 


men laſſen, welche beiläufig ihrer doppelten Breite gleich 
ift. Doc; find dieg nur Vermuthungen und Andeutungen 
zur Conſtruirung des Durchichnitted. Daß die Auffere 
Form und Höhe des Tempels fich ımabhängig vom In— 
nern, (in welchem nac) den Ueberlieferungen vom perfis 
ſchen Eultus die Form einer Höhle imitirt war) nad) den 
berfümmlichen Negeln der Architectur richtete, verfteht fich 
von felbft. 

Eine Uebereinftiimmung mit der innern Einrichtung 
unferd Mithräums zeigen die Spuren, welche fih an 
einem, an der weftlichen Seite der Bogefen, in der Nähe 
von Lichtenberg bei Zweibrüden gelegenen Monument 
erhalten haben. Das mithrifche Nelief mit der gewoͤhn—⸗ 
lichen Vorſtellung des Stieropferd befindet fich nicht ferne 
vom Dorfe Schwarzerd auf der verticalen Fläche eines 
Felſens ausgehauen, und ift von einer doppelten Reihe 
Deffuungen umgeben, welche zur Befeftigung der Wände 
diefes Heinen Tempels dienten. Nuch bier unterfcheidet 
man 3 Zellen, in deren mittlerer fi) das 3 Fuß 7 Zoll 
hohe und 4 Fuß 4 Zoll breite *) Felfenrelief befindet. 
Nach der Befchreibung und Abbildung, welhe Schoͤpf— 
lin *) Tiefert, war das Gebäude bedeutend Fleiner 
ald das unfrige, indem deſſen ganze Breite ungefähr 
10'/,' die Höhe bis zur Giebelſpitze 9 Fuß 3 Zoll betrug. 
Die mittlere Selle war 6 Fuß 4 Zoll breit und 9 Fuß 
3 300 hoch bis zur gewölbten Dede. Die beiden 


*) Bei Seel. a. a. O. Geite 283 ift die Breite diefes 
Reliefs irrig zu neun Fuß 4 Zoll angegeben. 
) Schoepflin Alsatia illustrata, I, pag, 501. 


177 


Nebencellen nad) der. Zeichnung kaum 2 Fuß breit. Ein 
ſtumpfwinkliches Dach deckte das Ganze. 

Nur die Berhältniffe der Höhe und Breite laſſen ſich 
an diefer Felſenwand erfennen. Ueber die Länge *) diefeg 
Gebäudes liegt Feine Unterfuchung vor. Wahrfcheinlich 
find jedod) die Fundamente noch mit Schutt bedeckt, da 
die Höhe der äußern Celle Faum 6 Fuß beträgt. Eine 
Aufgrabung diefer Stelle wirde gewiß intereffante Res 
fultate über die innere Befchaffenheit liefern. 

Ein zweites an einen Felfen angelehntes Mi: 
thraͤum befand fich im ſo Tichen Frankreich bei Bourg St, 
Andeol an der Rhone, von welchem nur nach den Bes 
fehreibungen von Caylus *»), Zoega **), Millin D, My: 
use. ir), noch das in den natürlichen Feljen eingehauene 
mithrifche Bild zwifchen zwei hervorriefelnden Quellen 
erhalten ift. Wahrfcheinlich würden fich hier noch Spu— 
ren der Tempelfundamente finden, wenn man nachforfchte, 
da gegenüber noch Stufen feyn follen, und das Bild 
felbft die Stelle genau bezeichnet, wo man die Ueberreſte 
des Gebäudes zu fuchen bat. 


— 





*) Schoöpflin a. a. 9. vermuthet, die Lange des Tem— 
pels ſey wahrſcheinlich der Breite gleich geweſen Sch 
bezweifle dieß nach den Proportionen der Heddern— 
heimer Tempel, die ungefähr doppelt ſo lang als breit 
waren. 

*#) Caylus Recueil des Antiquites, III, pl. 93 T. 2 p ıı6. 
***) Zoega Abhandlungen, überfekt von Welker. 
+) Millin Voyage au midi de la France, Pl, 28, ſ. a. 


+H Mylius mahlerifhe Fußreiſe durch das füdlihe Fran, 
reich ꝛc. 2. Bd. 1. Abth. ©. 82. 
12 


178 


Ueber Mithras⸗Tempel oder Spelaͤen, welche in Form 
von Grotten oder Höhlen ganz in Felſen eingehauen 
waren, befigen wir nur wenige und ungenuͤgende Nachrichten. 

Die Niederländischen Altertbumsforfcher Smet und 
Pighi furechen von einer Grotte, die fie in den Jahren 
1545—1551 zu Rom fahen. Sie befand fich in dem 
Gapitolinifchen Berge unter der Kirche Araceli, und ents 
bielte daS durch eine Reihe von Schriften und Abbildun- 
gen berühmt gewordene Borghefifche Monument im Mus 
ſeum zu Paris). Ein langer Gang fiihrte in der Rich— 
tung von Norden nad Süden zu der Grotte, welche bald 
nad) der Wegnahme des Bildes verfchüttet wurde. 

Don einem zu Oſtia entdeckten Speläum bemerft 
Zoäga: red ſey einer natürlichen Grotte nachgemacht 
„geweſen und habe an der Seite eined langen Gange 
gelegen.“ Wahrfcheinlich gehörte diefer Gang zum 
Tempel felbft, und war, wie bei dem unfrigen, eine der 
Seitencellen, die für die Einzumweihenden beftimmt war. 

Mit dem Mithras-Tempel, welcher vor mehreren Jah— 
ren zu Dormagen bei Köln zufällig entdeckt und vom 
Eigenthümer ebenfall$ zerftört wurde, laͤßt fich Feine Ver⸗ 
gleihung mit dem unfrigen anftellen, da die hierüber 
bisher befannt gewordene Beſchreibung zu oberflächlich iſt. 


*) Ueber das Gefhihtliche der Auffindung vergleihe man die 
ausführliche Abhandlung des Herrn F. Lajarda.a. D- 

**) Sn Nro. 90 des Stuttg. Kunftblattes v. Hrn. Dorow Es 
heißt nur darin: —»Man traf auf ein Gewölbe (?) von Guß— 
mauer. Neben demjelben war ein Zimmer von 10 Fuß 
Tiefe, 10 Fuß Breite und 40 Fuß Fänge. Die innern 
Wände defielben waren geglättet, mit deutlichen Spuren 
von rother und grüner Farbe» — 


179 


Auch in dem Bering der römifchen Colonia Car- 
nuntum bei Stir-Meufiedel unfern Wien, fand man im 
Sahre 1816 ein Mithrasbild noch auf friner Unterlage 
fichend, (2) nebft verfchiedenen Snfchriften, die fich auf 
die Wiederherjtellung eines Tempels beziehen *). Man 
will bei der Unterfuchung feine Spuren des Tempels 
mehr gefunden haben, was faum denkbar it, da fich fo 
viele Bildwerfe noch in ihrer Stelle fanden. 

Es ift überhaupt fehr auffallend, daß bis auf 
diefe Zeit fo viele Imfchriften entdeckt wurden, die der 
Errichtung oder Wiederherftelung mithrifcher Tempel ers 
wähnen, ohne daß an eine forgfältige Unterguchung Des 
Fundortd gedacht worden wäre. Wie Manches wäre 
wohl noch nachzuholen übrig, wo man die Stelle noch 
fennt, da nicht leicht alle Spuren der Fundamente vers 
wifcht find, deren Suneres vieleicht noch ſchaͤtzbare Ueber— 
rejte bewahrt. 

So find alfo die Mithras-Tempel unſers Vicus bis 
jegt die einzigen, aus welchen ſich die Größe und 
innere Einrichtung derfelben mit Zuverläffigfeit erfennen laßt. 

Die Gegenftände, welche fi) in den Ringmauern 
derfelben fanden, find früher ſchon auf vielfältiges Ders 
langen einftweilen in Umriß auf 6 Tafeln lithographirt 
und an ausgezeichnete Gelehrte zur vorläufigen Bekannt» 
machung verfendet worden. Sie find nur ald Skizzen 
zu betrachten, und es follen in den rolgenden Heften genaue 
Befchreibungen und forgfältige Abbildungen folgen, wie 
es die Wichtigkeit des Gegenftandes erfordert. 


6, Seela a. O. ©. 315, — 17. 


180 


Hier nur eine kurze Zuſammenſtellung des Gefundenen 
zur Ueberſicht, da die Tafeln, welche in meiner Abweſen— 
beit und ohne meine Anweiſung eilig gezeichnet wurden, 
theils die in jedem Tempel gefundenen Bildwerfe nicht 
befenders abtheilten, theild einige Gegenftände, welche an 
andern Stellen entdedt wurden, irrig mit aufnahmen ”). 

Sm erften Mithrad-Tempel fanden ſich: 

I. Bas- Reliefs. 

1. Das große auf beiden Seiten mit Figuren vers 
zierte Relief, in Sandftein. Siehe Tab, I. und II, 

2. Kleine Votivtafel mit dem Mithragopfer in weißem 
Marmor. Tab. IV. fig. 8. 

3. Mithras mit gefenfter Fadel, Sandftein. T. III. fig 2. 

Seitenanficht fig. 2 a, 

4. Weibliche Figur mit Füllhorn, zwifchen zwei Pfers 
den, porröfer Bafalt. Tab. IV. fig. 6. 

5. Merfur mit feinen Attributen, Sandft. T. VI. fig. 2. 

6. Minerva, ftchende Figur mit Spies, Helm und 
Schild, Sandftein (Erganzungstafe). Tab, VIL fig. r. 

II. Figuren. 

7. Figur eines halb verhüllten Knaben, Sandftein 
Tab. IV. fig. 5. und Proftlanficht fig. 5 a. 

8. Kleiner Kopf einer männlichen Figur, Sandftein. 
Tab. VII, fig. >. 

9, Kleiner Löwe, Sandftein. Tab. IV. fig. 7. 

III. Altäre. 

10. Großer vierediger Opferaltar mit zum Theil ers 
lofchener Schrift, Sandftein. Tab. V. fig. >. 

*) Dabin gehören auf Tab. III, die Fig. 4 un) 4 a, ſodann 

auf Tab. VI. die Fig. 1 und 1 3. 


181 


11. Großer ſechsſeitiger Opferaltar, oben mit cylins 
drifcher Oeffnung, und wohl erhaltener Infchrift, Bafalt 
Tab. V. fig. 1. und Seitenanſicht fig. ı a, 

12. Kleiner Opferaltar, vorn mit Snfchrift, Sandftein. 
Tab, V. fig. 3. Ruͤckſeite mit Relief Tab. V. fig. 5 a, 

13. Ein gleicher, Nückfeite mit Infchrift, Sandſtein. 
Tab, V, fig. 4. 

14. Ein gleicher, Ruͤckſeite mit Infchrift, Fragment, 
Sanditein. Tab, V. fig. 4. 

15. Ein gleicher, Ruͤckſeite mit 2 Buchflaben, Sand» 
ftein. Tab, V. fig. 6. 

16. Eın gleicher, ohne Inſchrift, Sandftein, 

Tab, VII. fig. 3. 
IV. Boftamente. 

17. Altarähnliches Poftament mit der Mithradtiare, 
Sanpdftein Tab. III. fig. 5. 

18. 19. Zwei vorn mit zwei Halbfäulen verzierte Pos 
flamente, woran erlofchene Schrift, Sandftein. Tab, V. 
üg. 3 und fig. 3 a, 

V. Seräthe. Münzen ıc. 
20. Eiferne Opferpfanne. Tab, V. fig, 8. und 
Seitenanficht Tab. V. fig. 8 a, 

21. Eilf Münzen in Bronze, meift Großer;. 

Die reiche Ausbeute diefer Tempelruinen in fo mannigs 
facher Beziehung bedarf Keiner Husführung. Das Mis 
thrasbild allein, feht nicht nur wegen feiner guten Erhaltung 
und Spmbolenfülle, worin es alfe andere bis jeßt bekann— 
ten, jelbft das Borghefifche nicht ausgenommen *), übers 


*) Ich kann daher dem verdienftsollen franzoͤſiſchen Gelehr— 
ten, Herrn F. Lajard nicht beiſtimmen, welcher ©. 38 








182 


trifft, fondern auch wegen feiner drehbaren Einrich— 
tung *) bis jeßt als einzig da »). Ich mache nur noch 
fürzlich auf die fieben Brandaltäre Pyraͤen) Nro. 10—16 
aufmerffam, die auf andern mithrifchen Monumenten 
3. DB. dem Lafrerifchen zu Nom **), mehreren von P. 





feiner oben angezeigten Abhandlung dem Borghefi, 
Then Monument vor allen mithrifhen Bas-Reliefs aus 
dem römifchen Alterthbum den erften Nang einräumt, 
wie wohl es an Gelebrität alle übrigen übertrifft, da es 
in 57 Abhandlungen und Werfen genannt oder befhries 
ben, und durch 15 Abbildungen befannt geworden ift- Die 
Vergleihung der Symbole, befonders die Betrahtung 
der vielfältigen neuen Neftaurationen überhebt mich des 
Beweifes, zumal da Herr Profeffor N. Müller von 
Mainz, in der legten Gen. Berfammlung eine intereffante 
vergleichende Weberfiht der befannten mithrifhen Monu— 
mente mit dem unfrigen, durd viele Zeichnungen erläu— 
tert sortrug, die in den folgenden Heften mitgetheilt 
werden fol. 
Durch den Umſturz auf den großen davorftehenden Opfer» 
altar war das Relief, wie ich oben bemerkte, in mehrere 
Stücke zerbrodhen, welche jedoh, da Fein Theil fehlte, 
dur die Gefchieflichfeit des Bildhauers Herrn Joſeph 
Scholl von Mainz, fo gut wieder vereinigt wurden, 
daß Feine Beihadigung mehr wahrzunehmen ift. Die 
frühere Einrihtung zum Drehen der mittleren Platte, 
ließ ft jedoch nicht wohl mehr heritellen, da ein Sprung 
mitten durch die Achfe gegangen war. Das ganze Stüd 
mußte alſo mit den; Einfaffungsfteinen zu einem Ganzen 
verbunden und auf eine drehbare Bafe nefekt werden. 
**) Man Fennt mehrere auf beiden Seiten verzierte Ne: 
liefs. Hat man nod Feine Spur vom Dafeyn einer 
Achſe wahrgenommen ? 
"r, Bormals im Haufe des Det. Zend, Vergl. ZvEegam. 


+ 


ww] 


183 


von Köppen mitgetheilten *), dem Ladenburger ıc. *) 
als Planetenſymbole nur im Relief bildlich dargeſtellt 
ſind. Ueber die andern ſeltenen Bildwerke das Weitere 
bei der ſpaͤtern Erlaͤuterung derſelben. 

Ehe ich zur Beſchreibung des zweiten Mithrastempels 
uͤbergehe, muß ich die Entdeckung einiger merkwuͤrdigen 
Schachte (GI. J. K.) in der Nähe des Mithraͤums noch 
erwaͤhnen, die mit dem Tempel vielleicht in Beziehung 
ſtanden. Der oberſte Theil der Treppe am genannten 
Tempel war der Verwuͤſtung entgangen, da er in den 
benachbarten damals beſamten Acker reichte. Dieß bes 
ſtimmte mich zur Unterfuchung diefer Stelle, und wurde 
bald durch den Fund eines kleinen Altars auf einer der 
obern Stufen belohnt, welcher an der Zahl 7 nody ges 
fehlt hatte. Um die Tempelumgebung nun näher zu 
erforfchen, ließ ich nach Uebereinfunft mit dem Eigens 
thümer des anftopenden Aders, einige Fuß vor der Treppe 
einen Quergraben ziehen, in deffen Verlängerung fich 20 
Fuß füdzöftlich von derfelben, eine Stelle zeigte, welche 
ſich durch fchwarze Farbe von der gewöhnlichen Erde 
unterfchted. Der mit Kohlen und Ajche vermengte Schutt 
wurde hierauf behutfam hinweggenommen, ohne den nas 
türlichen Boden, welcher ihn umgab, zu berühren, und 
fo zeigte ſich bei allmähliger Vertiefung ein viereckiger 
Schacht bei K, der an feiner obern Mündung 5 Fuß 





*) Auf den Trümmern des ehemaligen Apuleums unmeit 
Garlsburg gefunden. Sieh v. Köppen a. a. D. 

**) Befchrieben und abgebildet in den Act. Acad, Theod, Pa- 
Jatin. I. Tab. 2, bei Ereuzer, I ©. 707. Seel 
8,292... fe w. 


184 


im Quadrat hatte. Nachdem wir auf diefe Weife 21 
rheinijche Fuß tief, den Spuren des Brandjchuttes gefolgt 
waren, börte der Lehmboden, welcher die Wände des 
Schachts bildete, auf und es zeigte fi) der Anfang eines 
Grandlagerd von großen mit Eifenocher gefärbten Kies 
ſeln. Noch immer fenfte ſich der Schacht in die Tiefe, 
wurde jedoch alimählig enger, fo daß er auf der nördlis 
chen Seite nur 4, auf der weftlichen 3 Fuß 6 Zoll Breite 
batte, 

Die Spuren des Schuttes führten und noch 14 Fuß 
9 Zoll unter das Niveau des Kiefelgefchiebes, und wir 
waren nun 35 Fuß 9 Zoll tief gefommen, ohne dag Ende 
des raͤthſelhaften Schachtes zu erreichen. Bis dahin beftand 
der Schutt größtentheild aus Gefäßen und Ziegelfrage 
menten mit Moͤrtelſtuͤcken, Kohlen, Knochen und Afche 
vermifcht. Sogar fleinere Knochen von Geflügel hatten 
fi in der größten Tiefe wohl erhalten; darunter dag 
feine Bruftbein und die wohlbefpornten Schenfelfnochen 
eines Haushahns. Zähne wurden mehrere zu Tage gefür- 
dert, unter Diefen ein Cberzahn von ungewöhnlicher 
Größe, der am Ende durchbohrt war und zum Tragen 
bejtimmet fchien. Aber auch eine Anzahl irdener Gefäße 
von gelblicher, fchwarzer und der rothen famifchen Erde von 
mannigfaltiger Form und Größe fanden fidy darin, zum 
Theil noch erhalten, zum Theil von der Steinlaft zerdrüdt, 
doch zufammenfegbar. Unter diefen kamen befonders die 
gewöhnlich in Gräbern befindlichen fogenannten Ajchen: 
töpfe (Cinerarien), und Thränenfrügelchen in Menge, 
doch meiftens zerbrochen, zum Borjchein. Offenbar dien- 
ten dieſe Gefäße nicht als Urnen und Afıhenbehälter, 


185 


fondern zu haͤuslichem Gebrauch, zur Bewahrung von 
Flüffigkeiten *%). Ferner hatte ſich darin noch eine 6 Zoll 
weite Schale vor ſehr oridirtem Eiſen gefunden, fonft 





*) Gewöhnlich halt man diefe gehenfelten Gefäfe mit lan— 
gem Hals und enger Mündnng, da fie fih haufig in 
Gräbern finden, für Afchentöpfe (Cineraria), die klei— 
nern derjelben für Thranenfrügelhen. Sie fommen in 
Grabhügeln meift um die Knochenurne (Ossuarium) mit 
weiter Deffnung liegend vor, mit der Mündung 
gegen dieſelbe gekehrt. Die klaſſiſchen Stellen, mit wel: 
hen man ihre Beftimmung als Thränenfrügelhen bemweis 
fen will, (vergl. Dr. Emele Befchreibung von Alterthüs 
mernıc. ©.25.) find hierauf nicht anwendbar. Dagegen 
fagen andere Scriftfteller, daß die Glutb des Leichen: 
brandes mit Milch, Wein oder andern Flüffigkeiten von 
den Angehörigen des Verftorbenen gelöfdht worden fey, ehe 
das Osiilegium begann Nichts fheint natürlicher, ald daß 
die Gefäße, in welchen die Flüffigkeiten zu der Brandftelle 
getragen wurden, nach dem Ausguß derfelben, alsgeleert, 
um die Urne herum gelegt wurden, damit die Gefäße, 
die einmal zu einem religiöfen Zweck gedient hatten, durch 
häuslichen Gebraud) nicht mehr profanirt würden. Zur 
weilen finden fich auch mehrere größere Gefäße der Art 
beifammen, die als Einerarien.nicht die Afche eines eins 
äigen Todten getheilt bewahrt haben Fonnen. und zu 
Thräanenfrigen doch viel zu groß find. Andere haben 
noch befonders eingedrückte Ausgußmündungen, wodurch ſich 
ihre Beftimmung als Waſſergefäße entfhieden ausfpricht. 
Die Benennung ,Thränenkrügelchen— halte ich daber 
für ganz; unpaflend, und eben fo wären die öfters in 
Gräbern vorfommenden länglihen Gfasfläfhchen, ftatt 
Thranengläßer ihrem eigentlihen Gebraud entfprehend, 
richtiger durdy Salbgefäße zu bezeichnen. Die weitere 
Ausführung gehört nicht hierher. 


186 


nur noch einige ganz in Roſt aufgeloßte Metallſtuͤcke und 
Münzen mit unfenntlichem Gepräge. Am beften erhalten 
war ein zierlich gearbeiteter Fingerring von Bronze, mit 
einem Lazurfteine, in welchen die Figur eines ftehenden 
Hermes recht gut vertieft gefchnitten war. Es iſt bemer> 
fengwerth, daß die vier Eden des Schachtes nad) Auffen 
balbzirkelförmig erweitert waren. Sollten diefe 6-7 Zoll 
tiefen Ausfchnitte nicht dazu gedient haben, um Balfen 
hineinzuftellen, au welche ftarfe Bretter befejtiget waren, 
um den fonft unvermeidlichen Einfturz des Schachtes zu 
verhindern? Warum das Ausmauern nicht vorgezogen 
wurde, kann ich nicht errathenz denn von Mauerwerk war 
feine Spur zu erfennen, und an ein vorfegliches Ausbres 
chen der Steine bei der frühern Zerftörung iſt gar nicht 
zu denfen. Es kann alfo ehemals nur eine Verjchalung 
der Winde von Holz da gewefen ſeyn, weldye durd) 
Brand oder Länge der Zeit zerfiört wurde. Hieraus folgt, 
daß derfelbe wohl nicht als Brunnen gedient haben könne, 
welche, foviel deren bis jet im Bering des Vicus gefun— 
den wurden, fümmtlich rund aufgemauert find, und 4—5 
Fuß im Durchmeffer haben. Für das Dafeyn eines Brets 
terverfchlags fpricht noch, daß die Wände mit einem '/ 
bis 1 Zoll dicken (ehemals vieleicht ftärferen) Auftrag 
von gelblichem Letten überzogen waren, welcher zum 
Schuß des Holzes gegen die Feuchtigkeit gedient haben mag. 

Bei dem DVertiefen des Schachtes hatte fi) an der 
rechten Seite der [weftlichen Wand deffelben, nody ein 
berunterziehender Streifen von 3’), Fuß Breite mit Brands 
jchutt ausgezeichnet, der jedoch fich nicht fo tief erfiredte, 
und ſchon in einer Tiefe von 18 Fuß unter der Ober— 


187 


fläche endigte. Es hatte anfangs gefchienen, daß bier 
ein verfchlitteter unterirdifcher Gang angetroffen werden 
würde, der mit dem oben genannten Schacht in Berbins 
dung ftehe. Die Richtung nach dem Mithras: Tempel fchien 
dieß noch mehr anzudeuten. Bei dem Ausräumen zeigte es 
ſich jedoch, daß es ein dem erſten an Größe gleicher, nur 
etwas feitwärts gefchobener Schacht (I) war, deffen Wände 
mit dem erften parallel liefen. Er war fo wie der vorige 
mit Brandfchutt und Gefäßfragmenten angefüllt. In feis 
ner innern Anlage zeigte fich Feine Verfchiedenheit, außer 
daß in den Eden Feine Augjchnitte bemerfbar waren. Um 
den Schutt und die ganz unten vorkommenden fchweren 
Steine leichter aus der Tiefe fürdern zu Fünnen, wurde 
es zweckmaͤßig gehalten, an der füdlichen Wand dieſes 
zweiten Schad)tes einen finfenartigen Abfag zu dieſem Bes 
huf einzugraben. 

Als man 3 Fuß in den Lehm hineingearbeitet hatte, 
zeigten fich auch hier wieder Brandfpuren und bald darauf 
ein den beiden erfteren an Größe ähnlicher Schadyt CH), 
von gleichem Inhalt, nur von minderer Tiefe, der von 
dem andern nur durch eine 3 Fuß die Lehmwand getrennt 
war. Der herannahende Winter unterbrad; endlidy unfere 
Arbeit, ehe die Unterfuchung beendigt werden Fonnte, 
denn noch immer waren wir nicht auf den Boden des 
erften Schachtes gefommen, wie der DVerfuch mit dem 
Stecheifen zeigte. Schwere Mauerfteine, meijt von Ba— 
falt, denen noch Mörtel anhing, kamen ganz unten vor, 
und fcheinen von dem abgebrochenen Tempel zuerft in 
diefen Schacht geſtuͤrzt worden zu feyn. Vielleicht finden 
wir auf dem Boden noch merkwürdige Alterthuͤmer oder 


188 


Inſchriften, welche über die Erbauung ded Tempels ꝛc. Licht 
verbreiten. So muͤſſen wir fpäter die Aufgrabung fortfegen, 
und ich behalte mir die Mirtheilung der Ergebniffe vor. 

Ueber die Beſtimmung Ddiefer drei nahe beifammen 
liegenden Schachte ein ficheres Urtheil zu fällen, möchte ſchwer 
ſeyn. Bei einem einzigen Schachte hätte man demunge 
achtet die Beftimmung als Brunnen eher annehmen fönnen, 
wenn auch feine Form von der gewöhnlichen abwich. Auch 
für den Mangel des Mauerwerk wirden fich wohl noch 
Gründe haben auffinden laſſen. Wozu aber drei Bruns 
nen dicht beifammen? Hier fcheint wenigftend gewiß zu 
ſeyn, daß fie einen andern Zweck gehabt haben müffen. 
Die Nähe des Mithras-Tempels Teitet allein zu der Vers 
muthung, daß diefe fonderbaren Schachte vielleicht zu den 
geheimen Myſterien des Mithras-Cultus dienten, über die wir 
nur Dunkle Andeutungen in den alten Schriftftellern haben *). 

Ueber die Art und Weife des Gebrauchs diefer unterirs 
diſchen Gemaͤcher werden wir wohlnie vollftändige Aufklärung 
erhalten, da das Schweigen der Eingeweihten und der Verluft 
vieler gleichzeitigen Schriftjteller, einen undurchdringlichen 
Schleier über die Geheimniſſe des Cultus verbreitet haben. 





*) Rad Paufanias fanden im Tempel der Diana, der Erhals 
terin zu Trözene, dem Pluto rc. geweihte Altäre über Deff: 
nungen, durd die man zur Unterwelt binabfteigen Eonnte, 
Diefe mögen aud wohl zurFeier der Myſterien gedient haben. 

Bei der Zerftörung des großen Mithräums zu Alerans 
drien, am Ende des fünften Jahrhunderts, entdedte man 
ein tiefes Adytum unter diefem Tempel, worin man 
allerband fonderbare Geräthſchaften und auch Menfchen» 
ſchädel verſchiedenen Alters fand, die hier geopfert worden 
feyn follen. (S. Zoega Abhandl. a, a. 2.) 


189 


Ich habe im Anfang diefer Mittheilung von einem 
Gebaͤude minderen Umfangs geredet, welches der Maurer 
Werkmann in der Nähe diefes Tempels auggebrochen 
hatte. Auf der Tafel IV, ift es mit L bezeichnet und ich 
babe dafjelbe nur mit Punkten *) angedeutet, da fih über 
das Innere defjelben nichts mehr erforfiten ließ. Es 
war nur 15 Fuß von dem Tempel entfernt. Deftlich 
begrenzte e8 unmittelbar die Platea quintana, Aus der 
Nahe vom Tempel und den Schachten fünnte man ver: 
muthen, daß c8 eine Priefterwohnung war. 

Sch Fomme nun zu dem 

Zweiten Mithbras:- Tempel. 

Wenige Wochen nad der Entdeckung des erjten 
wurde er auf der nämlichen Feldfläche, 481 Fuß weflich 
von jenem entfernt, an derfelben fchmalen Straße zufällig 
gefunden, die an dem erften von Oſten nad Weften vorbeizieht. 

Auch diefer Tempel hatte Das Schickſal des erften, 
indem deffen Fundamente größtentheild ſchon vom Eigen: 
thuͤmer des Ackers (P. Werner) herausgebrochen waren, 
ehe ich Kunde von der Entdefung erhielt. Mehrere mis 
thrifche Bildwerfe, welche darin gefunden worden waren, 
entfernten jeden Zweifel uber die Beltimmung des Ge 
bändes, als mir diefelben in Heddernheim gezeigt wurden. 
Da ich vernahm, daß noch einige Ueberbleibfel der Mauer 
im Acer fteften, fo traf ich mit Bewilligung des Beſi— 
tzers, ſogleich Anftalt zur möglichft genauen Unterfuchung- 

Bei dem forgfältigen Aufgraben viefer Stelle fand id) 
nicht nur einige Theile der Mauer nody fichen, fondern 


*) Auf diefelbe Weiſe find die fehlenden Mauern des Tem: 
pels muthmaßlih im Grundriß erganst. 


19% 


die Spur der ſchon ausgebrodjenen ließ noch voljtändig 
die Richtung und Größe derfelben erkennen, fo daß ich 
einen genauen Grundriß darüber aufnehmen fonnte, der 
fammt dem Profildurchfchnitt auf der V. Tafel vorliegt, 

Sm Wefentlichen war Geftalt und Größe des Schiffes 
nicht fehr vom erften Tempel verfchieden. Die 17, Fuß 
dien Umfangsmauern (a bc d) bildeten ein Fängliches 
Vieref von 46 Fuß 7 Zol Länge und 21 Fuß 2 Zoll 
Breite. Der erfte Tempel war alfo Außerlich 6 Fuß 2 
Zoll kürzer, dagegen 4 Fuß 3 Zoll breiter ald diefer. 
Die innere Eintheilung im Schiff war im Allgemeinen 
dem erſten gleich. Auch bier waren drei Gellen, deren 
mittlere mit 2 Fuß tieferem Boden als jener der Gei- 
tencellen, mit dem Sacrarium oder Opisthodomus zufamz 
menhieng. Die Seitencellen hatten dagegen nur 4 Fuß 
5 Zoll, die mittlere 7 Fuß 2 Zoll Breite. Die Stirn 
ber 18 Zoll dicken Scheidemauer (t u), welche den Ein: 
gang in die Nebencellen frei ließ, war wie beim erften 
Mithräum mit zwei Poftamenten von Bafalt verziert. 
Das hinterfie Sanctuarium, zu welchem, wie bei dem 
erften, drei Stufen führten, bot die meifte DVerfchiedenheit 
dar. Es hatte nämlich die ganze Breite des Schiffs und 
erweiterte fich in der Mitte durch einen nifchenförmigen 
Vorjprung nad; Außen von 7, Fuß Breite und 2 Fuß 
1301 Tiefe mit fchräg zulaufenden Seiten. Die Tiefe hinter 
den Seitencellen (k 1) betrug 5 Fuß 6 Zoll; die mittlere 
bis an die nördliche Wand der Nifche war der Breite der 
Mittelcelle gleich. In diefer Nifche waren drei 8 Zoll 
breite ftufenartige Site (g h), welche zur Aufftelung von 
Gegenftänden vieleicht dienten. Um die Wand war ein 


191 


Sig von 14 Zoll Breite mit Bruchfteinen aufgemauert, 
welcher auch an der aͤußern Wand der Seitencellen (p q) 
fortlief. Der vordere Theil gegen den Gingang hin war 
zerftört, fo daß fich die Länge diefer Bank nicht mehr bes 
ſtimmen Tief. Ob auch bei dem erften Tempel folche 
Site vorhanden waren, ließ fich nicht mit Sicherheit 
mehr erkennen. In der Mitte des Sacrariumg ſcheint das 
Hauptrelief des Mithras geftanden zır haben. Aus der 
ſtumpfwinklichen Anlage der Nifche und ihrer Breite läßt 
ſich auch hier wohl eine Drehbarfeit des Hauptbiltes und 
defjen Achſe bei G vermuthen, indem fonft diefe Erweis 
terung des Dpisthodoms nach Außen überflüffig geweſen 
ſeyn würde. Leider fanden fich nur noch wenige Bruch— 
ftüde von diefem Nelief, naͤmlich ein Theil der Chlamys, 
der rechte Oberarm und die beiden Köpfe der Fadelträger. 
Das übrige ſcheint in früherer Zeit entdeckt und verfoms 
men zu feyn. Don den beiden großen Bafaltpoftamenten 
am Eingang diefes Sanctuariums fand fich nur das eine 
noch. Vom andern lag nur die unterfte ſchwere Platte 
noch an ihrer Stelle. Aus den Dimenfionen der Bild» 
fragmente laͤßt fich indeſſen ſchließen, daß das Relief 
über groͤßer als das erftere gewefen ſeyn muͤſſe. 

Der füdlich gelegenen Treppe mit ben fieben nod) 
wohl erhaltenen Stufen, deren oberfte von Sandftein, die 
übrigen von Bafalt waren, habe ich früher fchon bei 
der Befchreibung des erſten Tempels gedacht. Es fchien 
unwahrfcheinlich, daß die Treppe, welche 12 Fuß weit 
nad; Außen vorfprang, unbededt oder mit einer borizon? 
talen Thuͤre verfchloffen gewefen fey. Das Gebäude 
konnte alfo bei v w noch nicht aufhören; die aͤußere Fronte 


192 


defjelben mußte wenigfteng dem Eingang gleich feyn. Zur 
Unterfuchung ließ ich einen Durchfchnitt vor der Treppe 
machen, und fand ziemlich nahe unter der Oberfläche des 
Bodens, die Nefte einer Zundamentmaner von 2 Fuß 
6 Zoll Breite, vie fich auf beiden Seiten der Ringmauer 
bei v w anfcdloß, und im Allignement derfelben 2I Fuß 
2 Zoll lang fortlaufend, bei b ce durch eine Quermauer 
rechtwinflich verbunden war, Die größere Breite des 
nur 27/, Fuß in die Tiefe gegründeten Fundaments und 
der Umftand, daß fich nirgends eine Thuröffnung zeigte, 
lieg mit Wahrfcheinlichfeit vermutben, dep diefe Sockel— 
mauer dazu diente, einen offenen Säulen:Portifus 
zu fragen, unter dem die Priefter ihre Opfer verrichteten. 
Zwar fanden ſich feine Säulenüberrefte mehr in dem 
Vorplatz; die kann aber nicht befremden, da das Nis 
veau defjelben der oberfien Treppenftufe gleich war, und 
die fo nahe unter der Oberfläche des Bodens liegenden 
Gegenftände am erften vom Pfluge des Landmannes 
erreicht werden mußten. Der geringe Raum im Innern 
des Tempel giebt zu erfennen, daß feine unterirdifchen, 
von feinem Tageslicht *) erleuchteten Gemächer nur den 
Prieftern zugänglich und zur Einweihung Einzelner bes 
ſtimmt waren. 





er 


*) Die Erleuchtung diefer unterirdifhen Tempel durch Lam— 
pen fheint auf dem befannten Fehlbacher Mithrasbild 
(bei Sattler Gefhihte von Würtemberg J. ©. 192. 
Tab 11.) plaftifch dargeſtellt zu ſeyn. Die meiften der 
befannten Monumente zeigen ohnehin, daß das Mithras: 
opfer in einer Felſenhöhle oder unterirdifhen Grotte 
vor ſich gehe. 


193 


Bei öffentlichen Dyfern Fonnte das Volk ſich vor 
dem Portifus verfammeln, wie die bei den Fleinen römis 
fchen Tempeln gewöhnlich; der Fall war. — Es ift noch 
die Frage zur unterfuchen, wie weit wohl diefer Portifug 
pffen gewefen. Denkt man fich die Säulen big zum Anfang 
des Schiffs (Naos) (v w) fortlaufend, fo tritt die in dens 
felben vorfpringende fchmale Treppe ftörend entgegen. 
Schließen wir die Seiten big zum Eingang der Treppe, 
fowie deren Fronte (a 8) durch eine. Mauer, fo entftehen zwei 
geſchloſſene Räume neben der Treppe, deren Eingänge, 
fammt der fehmalen Thüre, welche zur Treppe führt, fich zu 
den übrigen Proportionen der Vorderfeite nicht vortheil- 
haft ausnehmen dürften. Ruͤcken wir dagegen die Wand etwas 
weiter gegen (x y) vor, fo find alle Inconvenienzen gehoben. 
Es laͤßt fich eine den aͤußern Verhältniffen de Tempels 
angemeffene Thuͤre (z) anbringen, durch welche man gerabe 
fo wie im unterirdifchen Theil, auf einen Heinen Vorplatz 
(B) fommt, in welchem die drei fchmalen Eingänge nicht 
mehr auffallen. Die beiden Heinen Gemächer CC) auf den 
Seiten fonnten num fchiclicher für die Tempeldiener zu den 
Myſterien, oder für die erften Grade der Einweihung benußt 
werden, ohne daß der Zugang von Außen gefeben wurde. 
Für den Portifus GA) felbft, blieb immer noch ein binlängli- 
er Raum übrig. Beim BVertheilen der Säulen trifft die 
Hälfte der dritten Säule bei (x y) gerade auf diefe Wand, 
welche die vordere Abtheilung des Schiffs (Pronaos) vom Vor; 
tifus trennt, wenn man in der Fronte 4 Säulen annimmt, 
deren 12 genau die ganze Lünge des Tempels ausfüllen. 
Ob die gefchloffene Seite des Tempels durch Halbfäulen, 
fowie 3. B. an dem rom. Tempel zu Nimed (Maison 

13 


194 


carrde genannt) 2c. verziert war, laſſe ich dahin geftellt 
feyn. Von außen hatte aljo diefer Tempel ohne Aus 
ladung des Daches, eine Lange von 76 Fuß 2 Zoll, 
bei 21 Fuß Breite, ein Verhältniß, wodurch; fich derfelbe 
von allen Tempeln der übrigen Gottheiten unterfcheidet, 
die wir aus dem Altertum Fennen. 

Die muthmaßliche Berlängerung des erften Tem— 
pels habe ich nach den Verhaͤltniſſen der aufgefundenen 
Fundamentmanern des Zweiten Mithraͤums, im Grundriß 
durch Punkte angedeutet, da ich die Unterfuchung des 
Vorplakes nicht mehr vollenden Fonnte. Sc bezweifle 
uͤbrigens nicht, daß fich bei fpäterer Nachforfchung auch 
bier eine Ähnliche Sockelmauer zum Tragen des Portifus 
vorfinden werde, wenn nicht die hoch zu Tage liegenden 
Fundamente, fchon früher durch die Feldcultur verſchwun— 
den find, 

Die Höhe des Tempels über der Erde, laͤßt fich wegen 
dem öfteren Wechfel der architectonifchen Berhältniffe nur 
ungefähr beftimmen. Schlieft man von der Breite 
der Sodelmaner auf den Durchmeffer der Säulenbafe, 
fo würde, wenn man nach römifcher Ordnung die Schaft: 
höhe mit Gapitäl der Säule etwa zu 16—18 Fuß aus 
nimmt, ſodann Architrav, Fried und Kranzgefins mit 
10—12 Fuß dazu rechnet, eine Höhe von 28-30 Fuß 
bi3 zum Dad) herausfommen. Bis zum Giebel des Fron> 
tons dürfte der Tempel demnach etwa eine Höhe von 35—36 
Fuß gehabt haben. Doch find dieß nur ungefähre Ans 
deutungen, die einer genauern Pruͤfung und Ausführung 
bedürfen. 

Sch habe noch die Gegenftände mit Beziehung auf 


195 


die früher edirten, Lithographirten Abbildungen *) kuͤrz⸗ 
lich zu nennen, welche in dieſem zweiten Mithrastempel 
gefunden wurden, naͤmlich: 
1. Halbe Figur eines Knaben, (Mithras dem Felſen 
entſteigend,) Sandſtein Tab. IV. fig, 4. 
Proftlanficht, fig. 4 a. 
2. Kleiner Löwe, (durchbohrt zum Wafferausguf,) 
Sandftein Tab. V. fig. 7. Untere Anfiht fig. 7 a, 
3. 4. Zwei Köpfe der Fackeltraͤger, (Mithras des 
Sonnenaufgangs und Niedergangs,) Tab, III, fig. 6 u. 7. 
Proftlanficht fig. 6 a und b, 
9. Mehrere Feine Bruchftücde vom mithrifchen Haupt 
relief. (nicht abgebildet.) 
6. Basrelief, Mithras mit geſenkter Fackel, Sand» 
ſtein. Tab. III. fig. 1. Seitenanſicht fig. ı a, 
7. Opferaltar von Bafalt, Tab, IV. fig, 1. 





*) Cie find diefem Heft beigegeben worden, um den ausge— 
fprodenen Wünſchen mehrerer achtbaren PWereinsglieder 
entgegen zu Fommen, und mögen alfo einjtiveilen eine 
bildliche Weberficht gewähren, bis ſpäter die forgfaltig 
ausgeführten Zeichnungen mit der Befchreibung und Erz 
klärung folgen. Das größere Format wird diefe 6 Tafeln 
von den eben fo bezeichneten Abbildungen, welche zu den 
übrigen Abbandlunaen gehören, hinlänglich unterfheiden. 

Durd die vorläufige Verbreitung diefer Umriſſe hoffen 
wir Gelehrte zur Mittbeilung ihrer Anfichten zu veran— 
lafien, und glauben ung ſodann eher im Stande, durd) 
das unpartheiifche Nebeneinanderftellen der verſchiedenen 
Anſichten in diefer Zeitfchrift, zur Erklärung der mithri— 
fhen Symbole beizutragen. 


196 


8. Fragment eines Kleinen Dpferaltard mit einem 
Beil auf der Vorderfeite, Sandftein. Tab. III, fig, 5. 

9. Großes Poftament von Bafalt, Tab. VI. fig, 5, 

10. 11. Zwei Eleinere Poftamente von Bafalt. Tab. 
IV. fig. 2 und 3. 

12, Ein kleines DOpfermeffer von Eifer. Tab, VII, 
fig. 4. 

13. 14. Zwei eiferne Schlüffel. Tab. VII. fig. 5. 

15. Eine Maurerfelle von Eifen. Tab. VII. fig. 6, 

16. Kleine Agraffe (Fibula) nebft dem Fragment 
einer ähnlichen. Tab. VII, fig. 7. 

17. Eine Lampe von röthlichem Thon. 

Ale in den Ringmauern der beiden Mithräen entdeckte 
Gegenftände find im Beſitz unfers vaterländifchen Mufeums. 
Nichts von den dort gefundenen Sadyen ift, foviel ich weiß, 
und entgangen. Aber auch an andern Stellen des Vicus 
fam noch; ein ſehr intereffantes Bildwerf in Bronze 
und eine Inſchrift vor, die ich auf der VII. Ergaͤn— 
zungs⸗Tafel fig. 8 und 9 einftweilen in Umriß mittheile. 
Die Beſchreibung diefer Alterthümer bleibe dem folgenden 
Hefte vorbehalten, um die Grenzen diefer Blätter nicht 
zu weit zu überfchreiten. 


(Fortfesung folgt.) 


197 
12. 


Bericht über die Unterfuhung der alten Verſchan— 
zungen in der Nahe von Lipporn, von Herrn 
Juſtizrath Schapper in St. Goarshauſen. 





Hoͤchſtwahrſcheinlich iſt der Gemeindebezirk Lipporn 
ein in Bezug auf Alterthumskunde ſehr wichtiger, bisher 
noch nicht genug bekannter und beachteter Punkt. Die 
fruͤherhin, beſonders in dem, zwiſchen Ober⸗ und Niebers 
lipporn hinziehenden Huͤgel, nach der Angabe aͤlterer 
Leute, bei zufaͤlligen Gelegenheiten aufgefundenen Urnen, 
Scherben, Ziegel und andere Gegenſtaͤnde laſſen die laͤngere 
Anweſenheit der Roͤmer mit Wahrſcheinlichkeit vermuthen 
und die Exiſtenz der Stunde von Lipporn befindlichen 
Verſchanzung erhebt dieſe Vermuthung zur Gewißheit. Ju—⸗ 
deſſen auch im Mittelalter war Lipporn hoͤchſtwahrſchein—⸗ 
lich wichtig, da nach der Tradition, Dber- und Nieders 
Iipporn zufammenhiengen. Da man haufig auf jenem 
Hügel und in beiden Orten altes Mauerwerk entdedt, da 
ſich noch jeßt in Niederlipporn unter der Oberfläche ber 
Dorfftraße ein ſchoͤnes Steinpflafter zeigen fol, und da 
noch ein zwijchen Ober- und Niederlipporn durch Wiefen 
binziehender Weg, die fleinerne Gaffe genannt, Spuren 
eines ehemaligen Steinpflafters enthält. : Verbindet mar 
damit die Eriftenz der, aus der erften Zeit des Mittels 
alters herrührenden unterhalb der römischen Verfchanzung 
liegenden alten Burg, und daß, nad) der Volksfage, die 
Herrn diefer Burg aus der Schweiz gefommen, einer bers 


198 


felben das Klofter Schönau geftiftet, und deſſen Nach— 
fommen demnächft nad) Laurenburg gezogen ſeyn follen, 
fo erfcheint für die Altefte Negentengefchichte des Naſſaui— 
fchen Haufes diefe alte Burg von der höchften Wichtigkeit, 
und folche dürfte um fo gewiffer als Altefter Stammſitz 
im Herzogthbum anzunehmen ſeyn, da nad) der mir gege 
benen DVerficherung des Herrn Schulinfpectord Vogel, dies 
fer bei Prüfung der Alteften Urkunden, beftimmte Nach— 
richten zur Schlußfolge entdecft haben will, daß das Naſ—⸗ 
fanifche Fürftengefchlecht früher am Bodenfee, dann auf 
der Burg Ring bei Lipporn gewohnt und von da nad, 
gaurenburg gezogen feyn foll. 

Alle diefe Verhältuiffe, danır Die Bereifung ded Bes 
zirks von Lipporn durch den inländifchen Director des 
Vereins, Herrn Genera-Domainen-Director von Roͤßler, 
im Herbft vorigen Jahrs, veranlaßten mich zur Unterſu— 
hung der gedachten Punkte, wovon ich zugleich durch 
den Herrn Forftacceffiiten Speck anliegenden Grundriß 
Tab, VI. aufnehmen ließ, und nun dazu folgende Re— 
fultate meiner Nachforfchung vorlege. 

Die römifhe Schanze (A) liegt "/, Stunde unters 
halb Nieder-Ripporn auf einem Bergruͤcken, alfo erhaben, 
dag man nach allen Seiten Ausficht hat, und befonders 
nach dem Sohnwalde und den Gebirgen am Rhein naͤchſt 
Lorch. Diefelbe bildet ein unregelmäßiges, Tänglichtes 
Viereck und hatte zwei Eingänge in der Mitte der ſchma— 
len Seiten, den einen nördlich, den andern füdlih. Der 
Mal (ec) ift noch überall und an den meiften Stellen auch 
der Graben Fenntlih. Beim Nachgraben an 4 Stellen 
fand ich, daß die Außere Seite des Walles auf Manerwerf 


199 


ruht. Diefe Maner ift noch zwei bis vier Schuhe hoch 
und mitunter wohl erhalten, jedoch ohne Kalkſpeis auf 
gemanert. Das Innere diefer Verſchanzung iſt planirt. 
Am nördlichen Thor rechts findet ſich eine faft Feffelförs 
mige DVertiefung von ohngefähr 30’ Durchmeffer, und 
eine ähnliche Vertiefung findet man beim Fortfchreiter 
nach dent füdlichen Thor rechts, in der zweiten Hälfte der 
Verſchanzung. Durch die erfie Vertiefung ließ ich einen 
3’ breiten Graben ziehen und entdeckte fehr bald eine um 
das Ganze ziehende Mauer, welche ſich endlich gegen % 
die, 27/4’ hoch, aber ohne Kalkſpeis aufgemanert, fand, 
Beim Niedergehen in die Mitte entdeckte ich bei 2°, Fuß 
Tiefe, eine Brandftelle, deren Durchmeffer gegen 8’ betrug. 
Auf diefer Brandftelle lagen Kohlen und Aſche und ſchwarz— 
gebrannte Erde gegen 6 Zoll dick, Unter der Brandjtelle 
und von da weiter im horizontaler Linie nach den Um— 
fangsmauern zeigte fich die natürliche Lage des Bodens, 
Die zweite Vertiefung ift noch nicht unterfucht, Sn dem 
übrigens verhältnißmäßig Heinen Raum, den ic, aufgras 
ben ließ, fand ich zwar Feine Ueberbleibſel von Schers 
benzc., jedoch mitunter kleine Stüde Ziegel; dann wurde 
in der Aſche das hier beigelegte Stuͤck Metall, wahrfcheins 
lich eine Mefferklinge, entdeckt, welche vermuthlich durch 
die dichte Umgebung der Ajche, vor Feuchtigkeit und ganze 
licher Auflöfung durch Roft, bewahrt wurde. 

Die Burg Ring (B) liegt weiter abwärts auf dem 
nämlichen Bergrüden, und am Ende deffelben von allen 
Seiten von fteilen Abhängen umgeben, ausgenommen 
auf der Nordfeite, wo der 94’ breite Eingang iſt. Die 
Umfangsmanern Ca) haben 8 Durchmeifer, find, foweit ich 


200 


big jeßt entdecken Fonnte, mit Lehm und großen lager 
haften Bruchfteinen aufgeführt. Ohngeachtet eines faft 
taufendjährigen Alters find manche Theile der Mauer 
noch fehr wohl erhalten. Die abjchüffige Lage und die 
Zeit hat indeffen an vielen Stellen deren Spur verwijcht. 

Spuren von Mauerwerk im Innern finden fich nicht 
mehr. Ein Felfen zieht durch einen Theil der Burg, wels 
cher an zwei Stellen Ce) eingefchroten ift. In früheren 
Zeiten war wahrfcheinlich diefer Felſen meiftens von nun 
weggefpülter Erde bedeckt. Nechtd des Eingangs findet 
ſich eine trichterförmige Vertiefung, vermuthlich früherer 
Eingang zu Souterains. Verſuche des Nachgrabens war 
ren bis jeßt zur nähern Aufklärung unzureichend. 

Da nun beide Punkte und der Bezirf von Lipporn 
überhaupt bei genauerer Unterfuchung manche Aufklärung 
und Entdeckung verfprechen, die Burg Ring insbefondere 
aber, in Bezug auf die Altefie Gefchichte unfered Regen- 
tenhauſes ein hochwichtiger Punkt feyn dürfte, fo glaube 
ich einen verehrlichen Vereinsvorftand hierauf aufr 
merffam machen und nähere Nachforfchungen unter Dir 
rection des Herrn Archivars Habel, in Antrag bringen 
zu müffen. — 

Einige vom Herren Pfarrer Wagner in Welterod 
erhaltene Nachrichten fchließe ich übrigens im Auszug 
noch bier an. 

„Die Burg aufdem Ring fol das Stammhaus der 
Fürften von Naſſau gewefen feyn, die aus der Schweiz 
gefommen wären, wovon ber letzte Beſitzer Trutwin ges 
nannt, auf der Stelle, wo jest der Hochaltar in der 
Kirche zu Schönau ſtehet, mit einem Pfeilſchuß tödtlich 


201 


verwundet worden fey und vor feinem Ende die Erbauung 
des Klofterd Schönau verordnet habe. Die Erben diefes 
Trutwins hätten ihren Wohnſitz nach Laurenburg verlegt. 

Die. erſten Conventnalen im Kloſter Schönau”) ſeyen 
drei Benebictiner-Möndje aus einem Kloſter zu Schaf— 
haufen gewefen. 

Der Ort Lipporn fol früher eine Stadt geweſen ſeyn, 
die vor oder in dem 30 jährigen Kriege zerftört worden 
fey. In den Gärten zwifchen Ober und Unter-Lipporn 
findet fich noc altes Mauerwerf von Gebäuden und nadı 
Ausfage;eines Einwohners dafelbft, Liegt ein Straßen 
Hlafter in deffen Hofe mehrere Fuß tief in der Erde 
Auch fol in Lipporn ein Probft feinen Wohnfis gehabt 
baben.u — 





123. 
Wie weit ift Drufus in Deutichland vor 
gedrungen? 


von Herrn Hofgerichtsabvofaten 9. 8. Hofmann, 
in Darmſtadt. 





Div Caſſius fagt: bis an die Elbe. Das allein würde 
nichts beweifen, weil Elbe — wie noch in germanijchen 
Mundarten — urfprünglich ein Gattungs-, Fein Eigen 
Name war; es hieß foviel, als „fließendes Waſſer.“ 

*) Die Stiftungsurfunde diefes Klofters vom Jahre 1132, 


©. bei Gudeuus Cod, dipl, I. pag, 1035 und Kremer 
Origg, Nass, IL pag. 160. d. 9- 


202 


Noch jest giebt e3 eine Menge Elben und Alben, zwis 
hen der Nordfee und dem Alpgebivg. Aber Div fest 
binzu, fie entipringt im vandaliſchen Gebirg, und ergießt 
ſich ald großer Strom in den nördlichen Ocean, und 
damit iſt ohne Zweifel die große Elbe gemeint, an welche 
jest zunächit gedacht wird, wenn die Rede iſt von einem 
Gewaͤſſer dieſes Namens, und an die auch ſchon zu Dios 
Zeit jeder gedacht haben mag, der dieſes Namens irgendwo 
erwähnt fand, und das war wohl feit Tiberius fo, der 
zuerft unter den Roͤmern die Muͤndung diefes Stromes 
unterficht bat. Die Mündung, denn von der Quelle 
wußte jogar Tacitug nichts gewiljes, alſo auch die Zeit 
genofjen des Drufus nicht; folglich kann auch jene Be 
merfung Dios nicht von Schriftitellern aus Druſus Zeit 
berrübren, fie ift ein Zufag von Div felbft oder von 
feinem Epitomator, und beweiſt weiter nichts, als daß 
einer von diefen, da er vernahm, Drufus fey bis an 
die Elbe vorgedrungen, dabei zunaͤchſt an die große Elbe 
gedacht, und dieß daber eingefchaltet — nicht um fie von 
andern Gewäffern diejes Namens zu unterfcheiden, denn 
fo genau ift er nirgendg — ſondern um zu zeigen, daß 
er wife, wo die große Elbe entipringt. 

Liegt biernach fein ficherer urfundlicher Beweis 
dafıır vor, daß Drufus wirflich bis an die große Elbe 
vorgedrungen, ift es im Gegentheil möglich, daß ein 
anderer Fluß oder Bach das Ziel feiner Thaten gewefen 
jey, fo müffen für die gewöhnliche Behauptung andere 
Gründe aufgefucht, und muß unterſucht werden: was ihn 
bewegen fonnte, fo weit vorzudringen, und was ihn etwa 
davon abhalten mochte? 


203 


Betrachten wir alfo zumächft den Zweck feiner Sen: 
dung an den Rhein. 

Gallien war ein new erobertes Land, batte feine Un— 
abhängigfeit noch nicht vergeffen, und wo fich ein Herz 
und eine Hand dafır erhob, war die müßige Tapferfeit 
unferer VBoreltern zur Hülfe bereit; auch an andern Ders 
anlaffungen zu Angriffen auf Gallien konnte e8 für fie 
nicht fehlen; daß dergleichen wirklich ftatt gefunden, zeigt 
die Gefchichte. Solche Angriffe abzuwehren und zu vers 
hüten, mußte eine wichtige Angelegenheit für Rom feyn, 
das den Werth der neuen Provinz recht gut zu würdigen 
verftand; uͤberdieß mußte ſchon an und für fich ein Nach— 
bar wie die Sueven, Befeftigung der Gränzen wuͤnſchens— 
werth machen, wenn aber Auguft fogar Deutichland eros 
bern oder die Römer glauben machen wollte, daß er damit 
umgehe, fo mußte dafür zunächft am rechten Rheinufer 
fefter Fuß gefaßt, Diefer Strom in feinem ganzen Laufe 
römifch, und dieffeits defielben ein Stuͤtzpunkt für weitere 
Unternehmungen gewonnen werden. 

Wirft man nun einen aufmerffamen Blick auf die 
Verfahrungsart der Nömer bei Eroberung der Alpen, wo 
fie auch auf den beiden Flanken bis zur Donau vorge 
drungen, dann an der linfen, Augusta Vindelicorum, 
an der rechten, Carnuntum erbaut, und beide durch Stras 
Ben und Friegerifche Anfiedelungen in Verbindung gebracht 
hatten, betrachtet man, wie fie fpäterhin am der Lippe 
und am Taunus fich wirklich feſtgeſetzt haben, wie fie von 
diefen beiden Endpunkten aus die dazwiſchen liegenden 
Lande immer mehr und mehr von fich abhängig zu machen 
wußten, fo daß fie unter Senting Saturninus einer Pros 


204 


vinz aͤhnlich ſahen; erwägt man endlich, daß, nachdem 
fo die füdliche und die nordweftliche Gränze unferes Va— 
terlandes in ihrer Gewalt war, fie wieder von diefen 
beiden Endpunften aus die Lande zwifchen dem Main 
und der Donau — zu Tacitus Zeit — in einen sinus 
imperii verwandelten; erwägt man alles dieß, und daß 
die erſte Anlage der Befeftigung an der Lippe und auf 
dem Taunus von Drufus herrühren; fo bleibt über den 
Plan, den er für feine Unternehmungen in Deutfchland 
entworfen hatte, gar fein Zweifel mehr: fein nächlter 
Zwed war, au der Lippe und an dem Main feiten Fuß 
zu faffen. 

Sc fage am Mainz; darum erhob er Mainz, darum 
verband er ed durch eine Brüde mit dem rechten Nhein- 
ufer, durch Straßen und Verfchanzungen mit dem Feld- 
berg und befeftigte fich dort; darum legte er — hoͤchſt⸗ 
wahrjcheinlich — den Pfahlgraben an. Aber um diefen 
anlegen zu fünnen, um die obere Nheingegend vor Ueber- 
fall zu fihern, um die Befagungen zu Mainz und auf 
dem Feldberg zu gewinnen, mußte er fi des Mains 
felbft bis zu der Gegend hinauf verfichern, wo diefer 
Strom, bisher von Mittag gegen Mitternacht fließend, 
feine legte weftliche Richtung annimmt, bis an die Kins 
zing binaufz er mußte, am bier feiten Fuß faflen, ruhig 
an Befeftigung diefer Stellung arbeiten zu Fonnen, den 
Feind aus diefer Gegend vertreiben, und wenigſtens, fo 
lange an jenen Vorwerken gearbeitet ward, in gehöriger 
Entfernung halten, alfo feine Streifwachten und Vorpo— 
ſten — da in jenen Gegenden Ueberfall fo Leicht moͤglich 
war — nichrere Meilen weit vorfchieben. 


205 


Dieß mußte er; hören wir num die Alten, was er 
wirffich gethban hat! Drufus verficherte fich erft der Kuͤ— 
ftenvölfer, und durch den berühmten Kanal der Herrfchaft 
und des Handels in jenen Gegenden; dann der Chatten! 
ihre Nachbarn befriegen fie, weil fie an dem Bunde 
gegen ihn nicht Theil genommen! So vorläufig in beis 
den Flanken ficher, legte er die erfte Hand an das Werf 
felbft, durch den Zug von Kanten aus nach ber Lippe, 
Erforfchte die Gegend und verbreitete durch ſchonungsloſe 
Verheerung derjelben, Schrefen und Nerwirrung unter 
den Bewohnern und ihren Nachbarn. Diefen Eindrucd 
zu verftärfen, zugleich aber auch um die Aufmerkfamfeit 
der deutfchen Bölfer nach einer andern Seite hinzulenfen, 
den ihm verbündeten Küftenvölfern feine Macht in der 
Nahe zu zeigen und fie in offene Fehde mit den Bewoh- 
nern des innern Landes zu verwideln, unternahm Drus 
ſus, das rechte Rheinufer fehnell wieder verlaffend, noch 
in demfelben Sahre einen zweiten Zug”). Er jchiffte fein 
Heer durch den neuen Kanal in die Nordfee, und von da 
die Ems hinauf, wo er den Bruchterern ein Treffen lieferte. 

Dieß war im Jahr 12 vor Chrifto gefchehen. Im 
nächften Frühjahr wiederholte Drufus den Zug aufs rechte 
Rheinufer; früher als man erwarten fonnte, denn bie 
Sigambern lagen noch zu Felde gegen die Chatten, weil 
Diefe mit Drufus im Bunde, ihnen im vorigen ‚Sabre die 
Hülfe gegen ihn verweigert hatten. Alſo traf Drufus, 
der abermals bei Kanten Aber den Rhein gieng, auf die 


*) Weber die Feldzüge des Drufus, vergl. man die trefiliche 
Abhandlung von Dr. A. Wilhelm, in Krufes Archiveec. 
Ur Bd. 1. Heft, ©. 1--71. d. 9. 


206 


Ufipier allein. Diefe konnten feinen Stoß nicht aushalten, 
er brach durch, gieng über die Kippe, ſchlug eine Brücke 
über diefen Fluß und ließ alſo auch eine Beſatzung dabei zuriick, 
die jiarf genug feyn mußte, die Berbindung zwifchen dem 
vorrücdenden Heere und dem linken Nheinufer zu erhalten. 

Drufus z0g laͤngs der Lippe hinauf, ind Gebier der 
Cherusfer bis an die Wefer, wo er den ganzen Sommer 
hindurch verweilte. Gewiß gründete er in diefer Zeit die 
Anfiedelung an der Lippe, die gleich nachher als wichtiger 
Waffenylag erfcheint, und für deren Gründung in den 
nächften Sahren feine Gelegenheit war; was hätte auch 
fonft Drufus viele Monate lang — vom Anfang des 
Fruͤhjahrs, bis die fchlimme Jahreszeit die Zufuhr eys 
ſchwerte — bier treiben follen ?! 

Doch nicht die Herbftregen allein, auch die Waffen 
unferer Voreltern zwangen ihn zum Abzug. Während er 
Die benachbarten Völker von feinen Bauten an der Lippe 
abmwehrte, fcheint er von diefen abgefchnitten und ihm 
alfo der Rückzug auf dem alten Wege unmöglich gewors 
den zu feyn, denn er nahm ihn durc das Land feiner 
Bundesgenoffen, (der Chatten denke ich!) vom Feind uns 
aufhörlich verfolgt, genect, oft hart gefchlagen, am Ende 
fo umzingelt, daß er kaum dem gänzlichen Berderben 
entrann. Arbalo, Coielleicht Hartwald, wie freilich gar 
viele Wälder biegen und heißen!» wird der Ort genannt, 
wo unſer Volf des Sieges ſchon fo ficher war, daß es 
bereit ein Geding über Theilung der Beute gemacht 
hatte: Den Cheruskern die Nofje, den Sueven Gold und 
Silber, den Sigambern die Gefangenen. Hieraus fieht 
man, mit welchen Völkern Drufus zu Fampfen gehabt, 


207 


und das ift höchflwichtig für die Frage, deren Beantwortung 
der Gegenftand diefer Unterjuchung iſt. 

Indeß war der Zweck dieſes Feldzugs erreicht, Die 
Lippe den Römern gefichert, und dadurch ein Punkt ge 
wonnen, von dem aus, zunächit den Anlagen an der 
Ems — durch die pontes longos — die Hand geboten, 
fpäter nad) der Kahn und dem Main hinauf gewirkt werz 
den fonnte. Sm nächjten Jahr (10 vor Ehrifto) ruhten 
die Waffen; Drufus legte Befeftigungen im Lande der 
Chatten an, gewiß unter dem VBorwande, dieſe gegen den 
gemeinfchaftlichen Feind zu befchügen, in Wahrheit, weil 
damit der zweite Theil feiner Aufgabe begonnen werden 
mußte. Daß diefe Befeftigungen Feine andere feyen, als 
Diejenigen, wovon wir noch heute die Spuren fehen, um 
deren Erjorfchung und Erklärung der hochachtbare Naf 
fanifche Alterthums-Verein ſich fo fehr verdient gemacht 
bat, it wohl mehr als wahrfcheinlih. Die Lage und 
Befchränftheit diefer Werke, mußte indeß die Chatten fehr 
bald die wahre Abficht des Feindes errathen laſſen. Viele 
wanderten aus, die Übrigen, zum Theil mit Gewalt zurüd» 
gehalten, erfcheinen von nun an unter dem Namen Mat- 
tiacher, getrennt vom Volke der Chatten, Diejes fortan 
ald der Römer Feind; fehr natürlih! Drufus hatte ihre 
Trene mißbraucht, fie feine Argliſt durchſchaut, wie Fonnte 
zwifchen ihnen Friede bleiben? 

Der Krieg brach aus, und Drufus griff am. Fragt 
man wo? ſo kann die Antwort nicht anders ausfallen, 
als: von dem Site feiner Macht aus, auf der Fürzeften 
Linie, denn das ift unter den Negeln der Striegsfunft eine 
der natuͤrlichſten und Altejten, aljo vom Taunus berab, 


203 


längs dem Maine hinauf, weil er hier am Teichteften und 
fiherften in Verbindung mit Mainz bleiben fonnte, auch 
fam er bier unmittelbar auf die Stelle, welhe nun das 
nächfte Ziel feiner Unternehmungen feyn mußte: die Kruͤm⸗ 
mung des Maind, wo die Verfchanzungen von der Lahn 
berüber fich an jenen Strom anlehnen follten. 

Drufus warf die Chatten in mehreren Gefechten — 
und das mag bei fo unendlich überlegener Macht eben 
nicht fchwer gewefen feyn! — Er drang vor bis an bie 
Gränzmarf der Sueven. Diefer Umftand entfernt, meines 
Erachtens, den legten Zweifel darüber, daß er am rech— 
ten Mainufer hinauf vorgedrungen fey, weil er gewiß 
bier der Suevifchen Gränze am nächften war, weil die 
naͤchſten Kriegsftraßen vom Taunus nad) der Fulda und 
Werra nordöftlich, ihn vielleicht gar nicht an die Gränze 
der Sueven, fondern unmittelbar an die der Cherugfer, 
gebracht haben würden. Hatte Drufus auf diefem Zuge 
die Stellung gefunden, wo er durch eine Befeftigung fich 
des untern Maind verfichern Fonnte, fo blieb ihm für 
Bollendung des oben entwicelten Planes nur noch zweir 
erlei zu thun: erftlich dur h Streifzüge in die nächfte 
Umgebung, jene Anlage gegen Ueberfall zu deden, und 
es ift fehr natürlich, daß auf dieſe Weife den Nömern 
die Sale, (die fränkifche nämlich) befannt wurde. Das 
zweite, was Drufus zu thun hatte, war, daß er die 
Chatten, die er fo vom Maine hinweg gedrängt hatte, 
bis in das Innere ihres Landes verfolgte, und wo nicht 
zu völliger Unterwerfung, doc) auf eine Stufe der Ohn— 
macht herabzubringen fuchte, auf der fie ihm hinfort nicht 
mehr gefährlich feyn Fonnten. 


209 


Die Chatten, für ipre frühere Anhänglichkeit an Nom 
mit allen Nachbarır zerfallen, ohne Beiftand, obne Zu 
flucht, gefchlagen, erſchreckt, konnten dem jetzt wieder 
fiegreichen Heere des römischen Feloherrn nicht widerfies 
ben. Er wandte ſich vom Maine links, und drang lange 
der Oſtgraͤnze des Chattenlandes, wahrfcheinlich an der 
Fulde hinab, unaufhaltfam vor, alles verbeerend gegen 
die Cherusfer, bis an ein Gewäffer, das Elbe genannt 
wurde, und das, kann jedes beliebige Waſſer gewefen 
ſeyn! denn, wie oben angemerkt wurde, Elbe hieß, 
beißt noch im Schwediſchen »Waffer.v 

Ueber das Waſſer Fonnte er nicht geben, errichtete 
ein Siegeszeichen und, fehrte um. Der warnende Zuruf 
der Neue, das Geheul der Wölfe dicht um fein Lager, 
am meiften vielleicht, die Keckheit zweier deutfchen Süng- 
finge, die, feinen Wachen zum Hohn, mitten durch 
das Lager fprengten, bewog ihn, nicht weiter vorzudringen. 

Auf die vorhin geftelte Frage nun: was Fonnte 
Drufus bewegen, bis zur großen Elbe vorzudringen? 
weiß ich, wie die Sachen damals ftanden, nichts zu 
antworten; ich kann mir nichts denken, was er dort ges 
ſucht haben follte, nicht einmal Ruhmſucht Fonnte ihn 
dahin getrieben haben, denn Ruhm bei unfern DVoreltern 
fonnte unmöglich Werth für ihn haben, und in Rom 
hatte damals Fein Menfch einen Begriff vom Innern 
unſers Vaterlandes; bis an die Elbe» fonnte dort gar 
nichtd bedeuten, weil niemand wußte, wie weit dieß jey. 
Noch viel weniger aber Fonnte ein folcher Zug geeignet 
ſeyn, die deutfchen Völker bis an die Elbe zu fehreden, 
wecken vielmehr, aufmerkſam machen, beleidigen und zur 

14 


210 


Mache, zum Angriff reigen Fonnte, mußte ein folches 
Unternehmen diefe Volfer, die zum größten Theil von 
dem DVordringen der Nömer erft durd; ihren en 
etwas gewahr werden Fonnten. 

Abhalten dagegen mußte Drufus von einem folchen 
Zuge vor allen Dingen der Umftand, daß er wahrfchein- 
lich von unfrer Elbe gar nichts wußte, und daß er gewiß 
nicht wußte, von wannen fie Fam und wohin fie floß, 
und was er dort folle? 

Abhalten mußte ihn ferner die Wichtigkeit, ja die 
Nothwendigkeit feiner Anwefenheit am Nhein, wo durch 
die Anlagen an der Lippe und am Main erft der Grumd 
zu dem Werfe gelegt war, das er aufzuführen hatte. 
Abhalten mußte ihn weiter, die unendliche Schwierigkeit 
eines folchen Zuges durch ungebahnte Wildniffe, über 
Waldgebirge und Flüffe, durch ein armes, mangelhaft 
angebautes Land, mit einem Heer von wenigſtens 40000 
Mann mit fo großem Troß, wie die Nömer nachzufchlep> 
pen gewohnt waren, und fo fchlechter Befpannung, als 
die ihrige, endlich ohne eigene Kenntnig des Landes 
und ohne fichere Führer. Abhalten mußte ihn ferner der 
Mangel an Zeitz in Deutichland war damals der Som— 
mer furz, einen guten Theil defjelben hatte ſchon die 
Unternehmung gegen die Chatten hingenommen; und vom 
Herbft durfte Drufus ſich nicht überrafchen laſſen. Er: 
wägt man nun noch, daß er nicht vorrüden Fonnte, ohne 
fih) den Ruͤckzug zu fichern, ohne in fieter Verbindung 
mit dem Stüspunfte feiner Bewegungen zu bleiben, daß 
er alfo überall Poften zuruͤcklaſſen, Befeftigungen errich— 
ten, mit Gefchus nnd Mundvorrath verfeben, unter fich 


211 


in Verbindung fesen mußte, und daß dieß, bei aller 
Kunftfertigfeit römischer Soldaten, dennoch überall 
Tage, Wochen koſtet; erwägt man dieß, fo wird man 
anfangen, an der Möglichkeit eines folchen Zuges zu 
zweifeln. Erwägt man aber ferner noch, daß Drufug 
zwijchen dem Rhein und der Elbe lauter Feinde hatte, 
Feinde, die ihn zwei Sahre früher dem ſchmachvollſten 
Untergange ganz nahe gebracht hatten, die das Recht 
hatten, ſich, ihm gegenuͤber, Sieger zu nennen, die, je 
weiter er ſich von dem Sitze ſeiner Macht entfernte, 
ihre eigne immer dichter zuſammen draͤngten, die des 
Landes kundig waren und bewieſen hatten, daß fie ders 
gleichen Vortheile zu benugen verftanden. Oder follter 
Cherusfer, Sueven und Sigambern, und jekt auch die 
Chatten auf feinem Punkte der ungeheuern Linie vom 
Rhein bis zur Elbe, vermocht haben, diefe zu durchbre- 
chen? oder follten fie es vieleicht nicht gewollt, follten 
fie ihre Freude daran gehabt haben, wenn ihr Todfeint 
feine graufamen Schaaren mitten durch ihr Land hindurch 
und zurüc führte, — follten fie ihnen vielleicht gar Proviant 
geliefert, und die Wege gezeigt und gebahnt haben ? 

Die Ehrfurcht vor fo vielen gefeierten Namen, wos 
mit die Erzählung von Drufus Feldzuͤgen unterfchrieben 
it, kann daher die Behauptung nicht zuruͤckhalten: 

Drufus ift nicht bis an unfre Elbe, er iſt oͤſtlich 
nicht über die Wefer oder Werra gekommen. 

Dann ift auch die Stelle, wo er den tödtlichen Sturz 
that, in unferen Gegenden, zwifchen der fränfifchen Saale 
und dem Rhein zu fuchen, und die 200 Meilen, welche 
Tiberius, von einem Deutſchen geführt, fo ſchnell zurück 


212 


gelegt hat, find, nach Vellejus, weit eher von Ticinum, 
als, ohne alle Autorität, von Mainz an, zu rechnen. 

So find es denn die Gegenden zwifchen dem Rhein 
und der Wefer, wo der merkwürdige Mann, einer der 
gefährlichiten Feinde unferes Volkes, feinen Ruhm und 
feinen Tod gefunden hat. 





14, 


Hiftorifhe Nachrichten von den Burgen Driedorf, 
Eigenberg und Holenfels und ihren Befigern, 
den von Mudersbad, 


von Herrn Schulinſpector und Pfarrer €, D, 
Bogel, in Schönbad). 





Nichts erinnert zugleich färfer und angenehmer an 
die geharnijchten Zeiten des Mittelalters, wo das Nitters 
weien noch in feiner vollſteu Entwickelung und Blüthe 
ftand, und fich in Tapferkeit, Minne und Andacht bes 
wegte, als die vielen Ruinen der alten Burgen, die zum 
Theil hoch und Fühn auf fteilen, kaum zugängigen Bergs 
böhen angelegt, mit Bewunderung und Staunen erfüllen, 
und in der Feftigfeit ihrer Mauern allen Einflüffen der 
Witterung und der Zeit felbft Troß zu bieten fcheinen. — 
Sahrhunderte find an ihnen vorübergeflogen; ihre Zeiten 
und Zwecke laͤngſt dahin; die edlen Gefchlechter, die fie 
aufthürmten und bewohnten, meift ausgeftorben: und 
fo fliehen fie denn ald die Ueberrefte einer thatenreichen 


213 


Vergangenheit, und als die Gerippe einer Tobtenwelt da, 
die mit ihrer ganzen Herrlichkeit verfunfen iſt. Die 
Schwächen und Fehler der alten Burgberren und Burg— 
männer find mit ihrem Leben ausgelöfcht worden, und 
nur wenig ift von den Einzelnen in das Buch der Ger 
fchichte übergegangen; der Mißbrauch ihres Anfehens und 
ihrer Gewalt zur Unterdrüdung der Schwachen in ber 
wildeften Periode des Fauftrechts und der MWegelagerumg, 
bat den beffern Einrichtungen für Landfriede, Schuß und 
Sicherheit, weichen müffen, und die Klagetöne des Jam— 
merd und der Noth, die von ihnen aus über die wehr— 
lofe Hütte des Landmanns gebracht wurden, find längft 
in der Zeit verhalf. So ift die Schattenfeite der alten 
Burgen größtentheils für uns gewichen,_ die fich fonft 
ftörend den Erinnerungen an fie beimifchen und manche 
widrige Eindrücke machen und zuriclaffen würde, Wir 
betrachten darum ihre Nefte freier und freundlicher, und 
in ihren Anblick träumend verfunfen, ziehet eine ftille 
Borwelt an unfrer Seele vorüber. Der Vergangenheit 
finnend bewundern wir in ihren tief in Felſen eingehaues 
nen Gräben, in den hohen Wällen, den dien Mauerır, 
den hinmelanftrebenden Thuͤrmen und Warten nur allein 
noch die ſtummen Zeugen eines fich einft in Kuͤhnheit 
und Kraft bewegten thätigen Lebens. Die lieblichen Cons 
trafte, die diefe Trümmer der Nitterwelt mit der leben— 
digen, blühenden, nie alternden Natur bilden, erfaſſen 
das Gemuͤth tief und ſetzen es in wunderſame Negung. 

In keinem Lande Deutſchlands findet der Freund des 
Alterthums für ſolche gemüthliche Anregungen mehr Nah— 
rung ald im Herzogthum Naſſau, wo an den Ufern des 


214 


Rheins und der Lahn auf aller Bergen die fchönften 
Burgruinen über die Flüffe und weit in das Land hinein: 
ſchauen, wo der Feldberg und Alt-King mit fünf alten 
Burgen wie umkraͤnzt, ihr Fahles Haupt über alle Berge 
des Landes erheben, wo fo manche Liebliche Thäler an 
Heineren Flüffen, wie das der Wisper, Aar, Grüftel, 
Weil ꝛc. die Reize, womit die Natur fie fchon fo reichlich 
ausftattete, noch durch chrwürdige alte Nefte einer grauen 
Vorzeit erhöhen, und den Charakter des Acht Nomanti» 
fhen annehmen. Man trifft felbft hier auf einige, an 
ſich öde und Fahle Gegenden, die durch noch erhaltene 
Trümmer aus dem Mittelalter gehoben werden, und 
nicht ohne Intereſſe laſſen. 

Es ift nur zu bedauern, daß der Wanderer oft vers 
gebens nad; Nachrichten von der Entftehung und den 
Schickſalen diefer Burgen forfcht, und die Gefchichte der 
meiften noch in tiefes Dunkel gehuͤllt iſt. Wir wollen es 
verfuchen, nach und nach diefen Schleier zu lüften. Die 
drei genannten mögen neben einander geftellt den Anfang 
machen, denn Jahrhunderte durch gehörten fie einem Ge: 
ſchlechte zu. 

1. Driedorf, 


ift eine Feine Stadt im Amte Herborn, die am Ab— 
hange des Wefterwaldes liegt, da wo deffen muldenförz 
mige Ausdehnungen ſich gegen Dften in die Schluchten 
des niedriger gelegenen Landes zu verlieren anfangen. 
Textor fagt von ihr): „es fol feinen Namen haben 





*) In der Nafl. Chronik S. 14 alte Ausg. 


215 


„von dreien Dorffen, welche dafelbft bei einander gelegen, 
„zuſammen gezogen und daffelbe auferbauet, alfo, daß 
„Driedorf fo viel ald Dreidorf *). Soll vor Zeiten grö- 
„fer geweien und ein alter Dre feyn“ Sein Name 
fommt 1100 zuerft vor. 1253 und 1263 wohnte eine 
Patrizier- Familie in Weslar, die ſich nach ihm nannte, 
1255 hatte es fchon fein eigenes Gericht, denn in diefem 
Ssahre kommt Arnold, der Schultheiß, mit dem Grafen 
Dtto I. von Nafaw Dillenburg in den Kirchenbann *). 
Seine Pfarrkirche, die früher eine Kayelle von Herborn 
geweſen war, erfcheint 1287 als felbftftändig, war es 
aber vermuthlich ſchon vor 1231 9. In dem erften Sabre 
wird das Patronatrecht darüber, Naſſau gegen die Ans 
maßungen des deutfchen Ordens zugefprochen ). 

Es fällt auf, am diefem Orte, in einem rauben 
Clima und einer unfreumdlichen, fumpftgen Umgebung 
zwei Burgen, nur in einer ganz geringen Entfernung von 
einander, die eine innerhalb der Ningmauern des Städt: 
leins, und die andere außerhalb defjelben anzutreffen. 
Hierzu Fommt, daß viefelben zu gleicher Zeit und von 
einem Erbauer errichtet worden find, Schon diefes laßt 
einen ganz befondern Zweck bei ihrer Anlegung vermu— 





*) Man nennt nad diefe drei Orte, Fudenhaufen, Barden 
haufen, Kingshu [Königshube] und zeigt die Gtellen, 
wo fie gelegen, die auch die Spuren von alten ummauer> 
ten Hofreitben und Rodungen od) aufweiſen. 

1) Gudeni Cod, dipl, III, 1165, 

M Kremeri Orig. Nass, II., 270. 

3) Gudenusa, a DO. 1167: 


216 


then, und die folgenden Umftände rechtfertigen auch diefe 
Vermuthung. 

Einer alten Sage nach, die ſich bis jetzt erhalten 
hat, ſoll Driedorf ehemals ein Verbindungsort unter den 
handelnden Staͤdten in der Gegend des Rheins, und eine 
Waarenniederlage geweſen ſeyn Y. Es lag an der 
Straße, die von Frankfurt nach Köln führte). Eine 
andere Straße lief von da aus füdlich dem Rheine zu ?). 
Es ift befannt, wie unficher alle Landftraßen in Deutidj 
land, befonders während der Zeit des großen Interreg— 
nums, mo fich die rohefte Gewalt in den wildeften Aus— 
brüchen zeigte, waren, und welchen Gefahren der Kauf 
mann bei feinen Waarentransporten fich ausgeſetzt fahe, 
weil es felbft bei dem hohen Adel fir Feine Schande galt, 
Raͤubereien zu begehen und fich auf öffentlichen Wegen 





41) Die fünf vieredfigten Thürme, die die alte Stadtmauer 
hatte, follen davon die Namen des Mainzer, Kölner, 
Coblenzer ıc. Thurmes geführt haben. Vermuthlich weil 
diefe Städte das Geld zu deren Erbauung hergeſchoſſen 
haben. Auch will man, ald nah dem großen Brande im 
Zahre 1819 die Fundamente zu den neuen Gebäuden ger 
graben wurden, noch die deutlichen Spuren eines alten 
Packhauſes gefunden haben. 

2) Einer Strede diefes Weges erwähnt die Urkunde der 
Brudertheilung zwifihen Otto II. und Heinrich von Naf- 
fau:Dillenburg von 1344, 9%. Jan. „graue Heinrich fol 
bebalden das Gericht von Beilftein und von Walderdorf 
bis an die GStraffe, die da gehet von Dry 
dorff über den Entenfyffen hin gein Wer 
flar.u 

3) Diefe Fommt noch 1600 unter dem Namen der Rheins 
ftraße vor. Sie lief von Münchhauſen über den Knoden. 


217 


zu bereichern. An der Straße, die von Frankfurt ber 
Driedorf zog, lag die alte Burg Greifenftein gleich 
einem Adlernefte nahe an den Wolfen. Ihre Bewohner, 
obgleich fich den Dynaften anreihend, trieben doch dag 
niedere Gewerbe der Wegelagerung, und lauerten hinter 
ihren Wällen und feften Mauern auf die vorüberzichenden 
Kaufleute, die fie beunrubigten und beraubten 9. 

Al aber der rheinifche Städtebund, der in der 
Mitte des 15ten Jahrhunderts zum Schuße und zur Sir 
cherung des Handels entftanden war, ein neues, beffereg 
Leben in dem verworrenen Deutfchland weckte, und durch 
eine edlere Selbſthuͤlfe, wie der Adel bisher geuͤbt hatte, 
wodurd; wenigftend das allgemeine Intereffe gewinnen 
mußte, und weil vom Neichsoberhanpte Feine Hülfe zu 
erwarten fand, eine freundlichere und friedlichere Zukunft 
gefellfchaftlicher Drönung begründete und berbeiführte, 
wurde auch dem ritterlichen Unwefen im diefer Gegend ein 
Ziel geſetzt. — Es fcheint, daß der Graf Dtto I. von 
Naſſau⸗Dillenburg fich dieſem Vereine angefchloffen, und 





1) Daß diefes die einzige Urfache feiner Zerftorung geweſen 
fey, ergiebt eine Urkunde des Kaifers MWenzeslaus von 
1389 die Phil, et Jacobi, worin derfelbe befiehft, fih dem 
Beginnen der [von Graf Johann von Solms und Ru: 
preht von Naſſau unternommenen] Wiedererbauung 
Greifenfteins mit aller Gemwalt zu widerjegen, weil durd) 
diefen Bau die Sicherheit der Heerftrafe von Köln nad) 
Sranffurt geftöort werde, — [v. Arnoldi Gefh. d. Oran, 
Naſſ Land. L, 222.] — Der Schaden, der von Greifen: 
ffein aus, vor feiner Zerftörung dem rheiniſchen Handel 
war zugefügt worden, war aljo nod im frifchem An 
denfen. 


218 


dad Geleite der Handelsleute auf der oben erwähnten 
Straße übernommen habe Y. Wenigftend gerieth er um 
dieje Zeit in eine fehr heftige und Tangwierige Fehde mit 
den Bewohnern von Greifenftein, worin nicht nur diefe 
ihre Burg um das Jahr 1280 zerftört, fondern auch ihr 
bald nachher erfolgter Untergang als Herrfcher in der 
Gegend vorbereitet wurde »). Dtto legte jetst felbft auf 
Greifenfteinifchem Grund und Boden die beiden Burgen 
in Driedorf ?) an, erweiterte den Ort zu einer Stadt und 
befeftigte ihn. 


4) Rupredht von Nafau nahm 1385 diefes Geleite durch 
die Naffau:Otton. Länder in Anfpruh, und wurde deds 
halb durd Aufträge an den Kaifer verwiefen. Wenn 
er nachher mit Solms den Greifenftein wieder erbauen 
wollte, jo gefhahe diefes vermuthlih, um feine Anſprü— 
he mit Gewalt durchfesen zu können. 

2) Sie gaben im Sabre 1300, XIII Cal. Febr, den Berg, 
worauf die Burg geftanden, an Kaiſer Albert und nab- 
men ihn als Reichslehen zurüd. 1304, Freit. n. Petr, 
u. Paul, verkauften fie denfelben an diefen Kaifer, um 
ihn unter deſſen Schu wieder erbauen zu können. — 
Die beiden Urkunden hat Schaum: Gefh. von Solms 
©. 276. — Aber alles vergebend. Die Grafen von Naf: 
fau:Dillenburg erwarben venfelben als Reichspfandlehn, 
um fih zur Sicherung ihres Geleites und des Handels 
jedem burglichen Bau auf demfelben defto Fräftiger wider: 
fegen zu fönnen. Der Befiß einer blofen Burgfchale fonnte 
für fieden Werth nicht haben, den fie offenbar darauf 
fegten, wenn nicht diefer Zwed ihn gab. Wenn Schaum 
a. a.D. ©. 295 den Naflauifhen Beſitz des Burgbergs 
gegen v. Arnoldi a. a. D.1., 220 u. f. gar in Abrede ftellt, 
fo ift diefes ein unberufener und blinder Miderfpruch gegen 
den Flaren Inhalt von mehr als ſechs Urkunden. 

) Außer dem Patronatrecht der Kirche läßt ſich vor dieſer 





219 


Diefe Anlage entfprach ihrer Abficht, den Handel 
zugleich zu erleichtern und zu fichern, in der damaligen 
Zeit auch vollfommen. Denn Driedorf lag zwifchen den 
Städten Frankfurt, Köln und Goblenz beinabe in der 
Mitte, war alfo zu einer Waarenniederlage, zum Um— 
taufche und zur weiteren Abfesung der Waaren in das 
Innere des Landes fehr bequem und paſſend, und die 
errichteten Befeftigungen gewährten vollen Schuß. Die 
Außere Burg mit ihrer hohen Warte, war ganz mit Waf 
fer umgeben, lag in der Mitte eined Weihers, und ftand 
nur durch eine Zugbrüde, die zu einem befondern Thore 
der Stadt führte, mit diefer in Verbindung. Die innere 
Burg aber, die auf einer Fleinen Anhöhe lag, ragte über 
die Stadt hervor, und hatte in dem Walle und Graben, 
den auf der ganzen Suͤdſeite ein Weiher mit einem nur 
fchmalen Commmunicationswege bildete, und der Mauer 
der Stadt mit ihren fünf Thuͤrmen ganz gute Aufen- 
werfe. 

Wenn wir die damalige Lage des Grafen Dtto TI, 
von Naſſau⸗Dillenburg genauer ind Auge faſſen, der in 
einem nur kleinen Lande mit der väterlichen Verlaffen: 
fchaft zugleich eine ſchon damals alte Fehde mit den mäd)- 
tigen Adeligen von Derndad und Willensdorf, denen 
ſich fpäter auch noch die von Bien zugefellten, geerbt 
hatte, die um fo Eoftfpieliger und hartnädiger war, weil 


Zeit nicht das gerinzfte Naſſauiſche Eigenthum in Driedorf 
nachweiſen. Alles fcheint hier Greifenftein in dem mit 
diefem verwandten Geſchlechte von Lichtenftein gehört zu 
baben, 


220 


es den wichtigiten Gegenftand, die Landeshoheit über den 
bedeutendften Theil jeiner Befisungen galt 9, und deren 
Ende er nicht erlebte, wie er ſich daneben noch in einen 
chwierigen Kampf mit dem deutfchen Orden verwicelt 
fahe: fo wirde es unerflärbar feyn, woher er die Kraft 
und die Mittel genommen, auch noch zu gleicher Zeit die 
Greifenfteinifche Fehde fiegreich durchzufämpfen, und in 
Driedorf die jehr bedeutenden Baunngen zu vollenden, 
wenn wir nicht eine jehr wirkſame Unterftüßung von Sei: 
ten der Städte, zu deren Vortheil das letztere vorziiglich 
unternommen wurde, unterftellen koͤnnten. 

Die Städte traten endlich auch fühnend zwifchen bie 
Fämpfenden Partheien, und nach Ottos Tode wurde durch 
Dermittelung von Weslar, Friedberg, Gelnhaufen und 
Frankfurt, aller Streit zwifchen feinen Söhnen Heinrich 
und Emich von einer, und Kraft, Norich und Gotthard 
von Greifenftein von der andern Seite, 1290 auf Pauli 
Befehrung (25. San.) beigelegt I. Naſſau bleibt im Mits 
befige der Stadt Driedorf, der Mühle und des Sees, 
von welchem allem ihm die Hälfte abgetreten wird, Es 
hat mit Greifenftein fortan einen gemeinfchaftlichen Vogt 
dafelbft, der ihr Amtmann feyn und die Nenten und Bede 





1) Kremeri, Origg. Nassov. 11, 299. Den Ansgang unter 
Heinrich I. erzählt der felige Geheimerath von Arnoldi 
a. a. O. 1, 123— 126. 

2) Die Städte Frantfurt, Friedberg und Weklar brachten 
auch bald darnach einen Vertrag mit den Bundesgenoſſen 
Crafts von Greifenftein,, den von Lewenſtein, von Itter 
und von Grafchap zu Stande, 1290 ler, 5. ante Miser, 
Domini [1l, April]. 


221 


eintreiben fol. Sie wollen zufammen die Stadt fortbauen 
und erweitert, die Leute darin theilen, die Burgmänner 
nur in gegenfeitigem Einverftändniß aufnehmen, und fid) 
gegenfeitig aus der befejteten Stadt zur Zeit eines Krie— 
ges (Urloige) Feinen Schaden thun. Naſſau verfpricht 
noch beſonders die Beſthaͤupter Greifenſtein allein zu uͤber— 
laſſen, weil es dieſelbe früher gehabt ), und die beiden 
Burgen, die es dafelbit erbauet, zu zerftören, und feinen 
burglichen Bau mehr zu errichten. Das letztere aber ift 
nicht in Erfüllung gegangen, es fcheint vielmehr auch 
eine Theilung diefer Burgen, wodurch Naffau zum allei- 
nigen Beſitze der inneren und Greifenftein zu dem der 
äußeren gelangte, durch einen noch unbekannten Bergleid) 
erfolgt zu ſeyn. 

Eine merkwuͤrdige Beſtimmung enthaͤlt noch der ange— 
fuͤhrte Vertrag, daß nie Ungeld und Zoll in Driedorf 
erhoben werden ſolle. Da jeder der contrahirenden Theile 
hierbei in Nachtheil kam; ſo hat man abſichtlich einem 
dritten den Vortheil einraͤumen wollen. Dieſer dritte 
waren offenbar die Staͤdte, deren Handel und beſonders 
Weinhandel man hierdurch beguͤnſtigte. Auch ein anderer 
Artikel der Urkunde, wonach im Falle eines Krieges Drie— 
dorf durchaus geſchont werden ſoll, muß darauf bezogen 
werden: „ſo ſol auch dann die Stat (Driedorf) vnd die 
„lude darin vnd alles daz dartzu horet mit gudem fried 
„vnd mit gemach blieben vnd weßen von vns beyden 
„halben.“ 

Als Naſſau hier einmal feſten Fuß gefaßt hatte, ging 


1) Ein Zeichen, daß dieſes allein Leibsherr hier geweſen. 





222 


es bald zu neuen Erweiterungen feined Befißftandes tiber. 
Der Graf Emich, dem Driedorf 1303 in der Theilung 
mit feinen Brüdern zugefallen war, batte im Anfange 
feiner Regierung dafelbft feine Nefidenz ); ließ 1305 
(2. Kal, Apr.) dem Orte vom König Albrecht Stadtrechte 
ertheilen °)5 und fuchte fich endlich 1316 CVincentii) der 
Gemeinfhaft mit Greifenftein gänzlich zu entledigen, da 
er von Gerhard von Greifenftein, defjen Gemahlin Agnes 
und deren Sohn Gerhard ihren Antheil an Stadt und 
Kirchipiel, Gericht, Zul I, Mühlen, Vogtleuten *, 
Vogthaber, Faßnachtshuͤhnern und Zinfen fir 250 Marf 
erfaufte. Die Verkaͤufer fchliegen nur ihre Mannen (Bar 
fallen) mit dem Manngute (Activlehen) und ihre Leibs 
eigenen °) von dem DBerfaufe aud. Daß auch ihre Burg, 
außerhalb der Ningmauern der Stadt gelegen, hierdurch 
zum Theile wenigſtens an Naſſau übergegangen, ift nach 
fpatern Erfcheinungen nicht zu bezweifeln, 

Aber noch war ein anderer Zweig des Greifenfteintz 
fhen Gefchlechtd, die Dynaſten von Lichtenftein, bier 
angefeffen, die aber in feiner Gemeinfchaft an den Burs 





4) Bon Arnoldia. a. O. J., 92 II b, 126. 

2) Er verleihet opide Tridorf omnem libertatem, qua gaudet 
civitas Welflariensis, Urk. 

3) Nach dem Vorhergehenden muß diejes vom Zolle, der in 
Dörfern des Kirchfpielö gehoben wurde, verftanden werden. 

4) Baitlude. Das waren die Nadhfommen der einft freien 
Bewohner des Landes, auf die noch ein Schatten der 
alten Freiheit fortgeerbt war. 

5y:Sunderlihe Ludhe. Urk. 


223 


gen geftanden zu haben fcheinen. Emichs Sohn, der 
Graf Sohann, war fo glücflich, diefe 1334 auszufaufen "). 

Auch die NafjawDillenburgifche Linie hatte Erwer— 
bungen bier gemacht, und war in den Befig der unteren 
Burg gefommen. Sm Sabre 1347 (ler. 6ta p. Pentec.) 
macht Graf Dtto II. von diefer Linie die Nitter Johann 
und Wygand von Mudersbahh, Brüder, zu Erbburg- 
mannen dafelbft, und gibt ihnen die Zehnten und Güter, 
die fonft Craft von Greifenjtein im Kirchſpiele befeffen, 
zu Burglehen. Noch in demjelben Sahre fehenft Graf 
Sohann von Naſſau-Hadamar dem erfteren einen ehemals 
von Fichtenfteinifchen Hof dafelbit. 

Diefes ift das erftiemal, daß dieſes alte Nitterges 
fchlecht hier auftritt. Es war urfprünglich im Amte Ho» 
benfolms, im Dorfe Mudersbach zu Haufe, wo nod) 
nahe am Bache Aar unter dem Namen des Burggrabend 
die Stelle gezeigt wird, wo einjt fein Stammhaus ftand. 
Diefes war aber fchon frühe und wahrſcheinlich im der 
langwierigen Dernbachifchen Fehde zerftört worden. Seit— 
dem ift es in das Naffauifche uͤbergezogen, wo es ſtets 
eine treue Anhänglichkeit an die Yandesherrn zeigte, und 
von diefen zu wichtigen Aemtern gebraucht wurde. Es 
erwarb hier nach und nach fehr anfehnliche Befisungen °). 
Schon Gudenus glaubt aus der Gleichheit feines Fami⸗ 
lienwappens °) mit dem Greifenfteinifchen auf eine ge> 





4) von Arnoldia.a. D.I 9. 

2) Sc behalte mir vor, zu einer anderen Zeit das alte von 
Mudersbachiſche Lehenbüchlein mitzutbeilen. 

3) Es enthält vier ind Kreuz zufammengeitellte Blätter, wie 
die auf Tab, VI, beigefügten Abbildungen zeigen, 


221 


meinſame Abftammung beider Gefchlechter fchliegen zu 
dürfen 9. Was diefe Schlußfolge beitärft, ift, daß beide 
aud in einer Art von Gütergemeinjchaft fügen. Denn 
als Ludewich von Mudersbach, nach einer ungedrudten 
Urkunde 1281, der Abtei Marienftadt Güter zu Dapurg, 
einem in der Nähe von Greifenftein ausgegangenen Drte, 
fchenfte, mußte erft Conrad, genannt Wufte von Grifin⸗ 
ſtein, darin willigen, und der Ritter Craft von Grifin— 
fein und Widefind von Kichtinftein fiegeln. Nach Aus— 
fterben des Greifenfteinifchen Haufes fcheinen felbft die 
von Mudersbach diefem als Erben in einem Theile feiner 
Beſitzungen gefolgt zu feyn. Die Burg und Herrfchaft 
Greifenftein waren Wormfifches Lehen, und bei diefem 
Stifte empfingen auch die von Mudersbach fpäter noch 
ihre Zehnten und Guͤlten zu Catzenfurt, Dillheim, Eringg- 
haufen, Werdorf, Gollfchhaufen, lauter Orte in diefer 
Herrfchaft gelegen, zu Biſchoffen und Roßbach. Ihr 
erſter Grundanſitz zu Driedorf kann auch aus dieſer Quelle 
abgeleitet werden. — Die aͤlteſten vorkommenden Glieder 
dieſes Geſchlechts ſind: Gilbert, Wepeling 1212 95 anz 
geſeſſen zu Webach (Weidbach zunaͤchſt bei Mudersbach); 
Ritter 1224 °). — Ruther, Ritter, 1224. — Ludewig, 
Ritter, 1255. 1259. 1281. — Die fpäteren Glieder 
folgen in der beigefügten genealogifchen Tabelle, welche nur 
nad) ‚urfundlichen Zeugniſſen ift zufammengeftellt worden. 


1) Gudeni Cod. dipl. II,, ı22. 

2) Schmidts Geſch. d. Großh. Heflen IL, 271. 

3) Wends Hefl. Land Geh. II., Urkb. 144. 
(Fortiegung folgt.) 


— — 


11. 


Beschreibung und Erläuterung 


bemerfenswerther Alterthbümer des 
Mufeums zu Wiesbapden, 




























anne Allan Im Bee 
bayfım I leise keilird; re 
ni a urn va virannif Art (D 
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1 ade tat Me om 
Bent a re 
1 Bindı 5 ne, 2 7 


en Ile) 


— 


Verſuch zur Erklärung einiger plaftifchen Alterthü— 
mer des Mufeums zu Wiesbaden, von Herrn Pro— 
feſſor N, Müller in Mainz, 


Erftes Stuͤck.) 

Ein aus Speckſtein gejchnittenes Bildwerf, 3 Zoll 
hoc) und 155 Zoll breit, bietet einen fehr feltfamen, bez 
fremdenden Anblick dar, und kann feine andere, als eine 
bypothetijche Ausdeutung zulaffen. An der Arbeit diefes 
Stuͤckes läßt ſich — troß dem, daß die bervorfichenden Theile 
der Geftalten von der Luftſaͤure angefrejfen, und abge 
ftumpft find von den Neibungen der Zeit wie des Ge 
brauchd — beim erfien Blick eine rohe, von aller Kunft 
entfernte Hand entdecken, wie fie ber den meiſten portas 
tiven Hausgögen, und befonders bei den Aegyptiſchen 
Landes-Fetifchen fehr haufig gefunden worden find. Die 
Form des Ganzen it eine umgefehrte Pyramide, und 
befteht aus zwei Darftellungen, die, auf ihren Ruͤckſeiten 
mwunderlich verbunden und gleichfam in einander verfloch— 
ten find, und von denen Das vorberrichende Bild nicht 
fchwer zu beftimmen ift, nämlich jenes, welches zwei Ge 
falten zeigt, und fo wird die entgegengeſetzte Seite zur 
Kehrfeite und bezeichnet gleichjam nur den erflärenden 
Schildhalter. Die Zeichnung der menfchlichen ©ejtalten 





DrTab. VI. GE, 22.4. 


225 


ift höchjt roh und widrig, zeugt aber auch zugleich von 
einer hoben Alterthimlichfeit. Die Borderfeite (fig. ı.a,) 
alfo, ftellt zwei Aegyptifche Cabiren dar, wovon der eine 
unbärtige einen bärtigen umarmt, beide zeigen jeder nur 
ein Bein, und diefe beiden Beine ftoßen unten fo enge 
zuſammen, daß hierdurch die Spitze der umgekehrten Py— 
ramide gebildet wird. Der Unbärtige, welchen ich für 
den Dfiris nehme, trägt die Kopfbedeckung eines See— 
fiſches, die ſich auf der Seite fo verlängt, daß der Gott 
gleichfam in dem hohlen Fifche, wie in einem Schiffe zu 
fiehen fcheint. Das Maul des Fifches ift nach oben ges 
ehrt, und bildet die Spite diefer Kappe, Durch welche 
nicht nur die heilige Landesvaterfchaft des Nils bezeich- 
net, fondern auc auf des Dfiris Nilfchiffahrt zwifchen 
Maron und Aegypten I, fo wie auf des Dfiris Unter: 
gang im Meere, welches ihn — den Genius oder den perfo- 
niftzirten Schußgott des Nil — als der Urfeind Typhon, 
verfchlang, und jo bildlich tödtete ), deutlich anfpielt ”)- 


1) Heerens Sdeen 2, 471 fgg- 

2) 30ega, Num. Aeg, Imper, p. 108, 135, 188. 

3) Es darf bier nicht übergangen werden, daß man dem 
Nil, als Flußgott perfonifizirt, bisweilen als Attribut 
ein Delphin zugefellt, weil diefer im Altertum bedeus 
tungsvolle, in mehrere Mythencyklen eingemundene Fiſch, 
aus dem Mittelmeere hinauffteigend in den Nil, wie 
Strabo [L XT.] berichtet, dort als intelligible Lichtkraft 
mit dem Grocodille einen ftarfen Kampf befteht, das als 
typhoniſche böfe Kraft in jenem Bilderfreife auf 
tritt, und bisweilen der Samann des Dunkel-Böſen 
feloft ift. Man fehe: Senmeca Quaestiones naturales IV, 
11. — Hier verdient auch in Erinnerung gebracht au 


229 


Der bärtige Gabir ) it nun wohl Knepb ) ber 
kosmogoniſche Ei-Haucher, die alte weltbaumeifterifche Ans 
fangs⸗ und endlofe Wohlthätigkeits-Schlange im frühern 
Sinne’), der Agathodäimon *), der Allerhalter 9. 

Hier umwindet die Schlange in vier Kreifen bis 
unter die Arme das Bild, md diefe ift fo der Thebefche 
Fetish, die Knephſchlange, die feurige, fich flets 
erneuende, das gefreifte Bild der bewegten Zeitperioben, 
wie ald Kreis jenes des Univerfums °%), Zugleich aber 
auch Geift der Heilfundes und Wahrfager-Thaumaturgens 
Forſchorakel-⸗Geiſt. Oſiris darf nad) vorliegender Ab 
bildung nicht ald Sonne, fondern ald das Nilwaffer, 
welches jährlich feine befruchtenden Ueberſchwemmungen 
erneut, gedacht werden, und fo tritt er in natürliche 
Berbindung mit dem demiurgifchen Schöpfergeift Kneph, 
den das Bild periodifcher Erneuung, die Schlange, ums 
windet, weil auch Wiederkehr der Wohlthaten im Kreigs 
lauf der Zeiten den Geift der Welterhaltung bezeichnet. 





werden, daß der aus Aegypten über Griechenland, dann 
nah Rom und fo bis in den Norden Europas verpflanzte 
Herkules [in fo weit er aus Choe (Sfom, Som) der 
Gallifhe Herkules Ogmius geworden, der, ganz Nep— 
tunifh attributirt, ald Herkules Maguſanus und 
Saranus, ald ein Schußggott der Flußufer und Geftade 
erfcheint] ebenfalls einen Delphin bei fi) bat. 

4) Herodot IM. 37. — Zovega Num, Acgypt. p. 35. sqq. 

2) Sreuzer, Symb. u. Muth. I. ©. 530 u. fgg. 

3) Jamblich. de myster, 8, 3.— Plutarch: De Is, et Osir, 

4) Petri Seguini Agathodacmon Paris 1670, 4°, 

5) Eusch, Prae. evan, ı, 7. 


6) Grubers Myth. Worterb, III, 47, 


230 


Hier alſo zeiget fich die allbefruchtende Feuchte dem Geifte 
ber Welterhaltung Tiebend, umfangend, ift innig mit ihm 
verjchlungen, und giebt mit ihm die umgefehrte Pyramide, 
die von Hindoftans Moni befannt gewordene Hieroglyphe. 

Zoäga hat noch feinen Gegner feiner Meinung 
gefunden, daß Kneph CChnuphi) und Canobus, der 
in bildlichen Darjtellungen bisweilen fchlangeuummundene 
Nilkrug, noch mehr als engverwandte Begriffe feyer. 
Gewiß gehören auch bierher die in den Mithriafen fo 
haufig angetroffenen Abbildungen Schlangen umgürteter 
Menjchen; bei welchen fein Kampf ftatt findet, ſondern 
das Bild des ftet3 wiederkehrenden SKreislaufs der Zeit 
und in aftralifcher Nücficht, der Wandelfterne; denn 
außer diefem Zeitbilde war den Perſern die Schlange kein 
Agathodämon, fondern ein Afrifanifches Emanationsglied, 
wie es auch eine Typhonifche Schlangenbrut giebt, und 
die Griechen felbft die böfe verfolgende Schlange neben 
der Heilfchlange in ihre mythifche Menagerie aufnahmen. 
Die Kehrfeite ?) des erwähnten Stüdes zeigt, wie ges 
fagt, deren Scildhalter einer Hieroglyphen⸗-Tafel. Er 
fit und hält diefe Tafel über dem rechten Knie fell. Er 
ift, was man an den Negyptifchen Abbildungen ſo felten, 
und auf der reichen Sfistafel gar nicht findet, bärtig 
und hat gewürfelte Hofen, welche bis auf die Fußfnöchel 
reihen. — Ob ein Champollion oder Lajard die hier 
befindlichen Hieroglyphen zu erklären verftinde ?! — Diefe 
Zeichen find fchlecht gearbeitet, wie das Ganze, aber doch 


4) 30ega de Num, Aegypt. Iwper. p, 35. 39. 
2). Fıg. 1, b; 


231 


finden ſie fi) der Hauptform nach in allen hieroglyphi— 
ihen Tafeln wieder. 

Sch glaube alfo im diefem Steine einen Kneph— 
Oſiris zu fehen, und zwar als eine Art von Amulet, 
oder auc von Tafche-Gdsen gegen die böfen Einflüffe 
und die Gewalt von Typhon. Gewiß iſt unter allen 
Aegyptiſchen Gottheiten außer Kneph, dem heiligen 
Uralten, auch nicht eine bärtige Figur; und wo ſich 
Baͤrte an Dfiris oder an Mannsfphinren finden, da 
darf man auf römifchen Meifel fchliegen, der in yraftis 
fiher Behandlung, wie fchon Winkelmann und Erem 
zer bemerften, fich manche Lizenz erlaubt hat. 


Zweite Stuͤck Y. 


Auch dieſes Stuͤck, vier Zoll hoch und anderthalb 
breit, beſteht aus demſelben Lardites, aus welchem das 
oben erwähnte beſteht; und welcher nicht der fein polir— 
bare Ghinefifche, aber auch nicht zum Theile glimmerichte 
Europäifche, fondern jener feifenartige Talkſtein ift, wels 
cher wir aus Aegyptiſchen, bildlichen Neliquien fattfam 
fennen, was einen Beitrag zu der Herkunft dieſes inters 
effanten Stuͤckes liefern Fonnte, wäre es nicht mit fehr 
unterfcheidenden Acht Aegyptiſchen Charakteren ausges 
ſteuert. 

Auf der Vorderſeite a ſehen wir eine Iſis mit der 
gewöhnlichen Kopfbedefung, die Hörner oder ein Lotus 
blatt find nicht darauf zu fehen, aber vieleicht abgeftoßen 


*) Tab, VII, fig. 2, a und b. 


und in jedem Fall nicht fireng bedingt. Sie ficht Mır 
mienartig eingewunden zwifchen zwei Figuren, welche 
ebenfalls, die eine in enger fiebenfacher Umwindung einer 
Schlange, die andere mit langem, ſchmalem Schuppens 
förper, gleichfam in einem Fifche endigend, erſcheinen. 
Beide Perfonen werden von Iſis gleichlam Tiebend ums 
ſchlungen, jene rechts, die im Fifchfchuppenleibe, oben 
unter dem Halſe, auf welchem drei Köpfe über einander 
fisen; jene links, von Schlangen umfchnürt, über dem 
Unierleibe. Die Figur auf der rechten Seite der Allmut> 
ter, welche fie, ald in myftifcher Ehe beflammt, mit ges 
främpftem Arme nach dem eignen Herzen drängt, ift 
Oſiris, ihr Bruder, ihr Gemahl, der dreiföpfige Herr 
der drei Jahreszeiten im Fifchgewande, iſt in der tiefges 
haltenen Potenz der Vater Nil, und in höherer die Früh: 
lingd, Sommer: und Herbft- oder Winter-Sonne. Zwi—⸗ 
ſchen den drei Köpfen in der Mitte, alfo neben der 
Sommerfonne fteht das Geficht der Göttin, die Mond 
und Erde zugleich ift, und mit Sonne und Waffer in 
engiter Verbindung ſteht. — Die Figur auf der Iinfen 
Seite, in der Mitte umfaßt, ift Horusz bier nicht 
Säugling, fondern Juͤngling, gleich den übrigen mumien 
artig geengt, und dabei, ald Emanationgd-Verfchwifterung 
mit Kneph, von dem Spiralgewinde der guten Schlange 
nach Anzahl der Planeten umwunden, auf dem Kopfe 
die Ziara mit den Achfelflügeln die herabgehn längs dem 
Halfe big zur Bruſt. Das Ganze ift eine von feiner 
Entſtehung an fehr fchlecht gemachte Handwerferarbeit, 
die auch von den Unbilden der Zeit fehr bedeutend ges 
litten hat. 


233 


Die Kehrfeite b zeigt nur oben, der Sfistiare ent: 
gegengeſetzt, ein Geficht, das Feine und auch jede Ausle— 
gung zuläßt. Außer diefem iſt die ganze Ruͤckflaͤche eine 
mit einem Stabe umfaßte Hieroglyphen-Legende von alten 
plumpen Zeichen, deren feinere Geftalt ung aus vielen 
Tempelmonumenten entgegen tritt. Dieſes Stuͤck, gleid) 
dem unter Nro. 1 bezeichneten hat unten am Fuße ein 
Loch, um durch einen Dorn auf einem Fußgejtellchen 
befeftigt werden zu koͤnnen. Die Zufammenftellung diefer 
Götterfamilie it nichts need, wir finden fie in verſchie— 
denen Sammlungen des bildlichen Altertbums ?). 

Der Zweck dieſes Steinbildcheng mag wohl mit jenem 
von Nro. 1 ein verwandter gewejen ſeyn, und zwar feine 
Beftimmung dem Aberglauben des unterften Plebs gegol- 
ten haben, wie die trivinle Arbeit feldft ſchon vermuthen 
laͤßt. 





4) Montfaucon laAntiquité expliquee II, 2. pag. 291. Pl. 
120. — Gezogen aus dem Manufeript von Peireisc. 
Sm Kupferhefte zu Richters Fantaften des Altertbums 
Tab. II. Nro, 6. nach Probabilität ergänzt, da Oſiris ohne 
Kopf iſt. 

























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III. 


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II 
ns3jlystarıı 
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I. 


Antiquarifche Entdeckungen am Rhein, von Herrn 
Profeffor Dr. Braun in Mainz. 


Bei der Anlage eines unterirdifchen Kanals, im Juni 
des Sahres 1829, zur Abführung der Gewäffer von 
der Gaugaffe herab bis zum Fifchthor hinaus, alfo am 
Guttenbergsplag, über das Höfchen, den Speifemarft 
und den Heumarkt, ließen fich mehrere Beobachtungen 
über die allmählige Erhöhung der Erdoberflaͤche von 
Mainz machen. Bor dem Filchthore zeigte fich zuerft in 
einer Tiefe von 8 Fuß ein fehr ſtarkes, etwa 8 Fuß 
breites Werft, aus Quaderflücden, woran nody Ringe 
befeftigt waren, erbaut, welches in einem Winkel gegen 
Norden hin nach dem jegigen Ufer wieder hinlief, gegen 
Süden aber näher fi zur Stadt wandte, wo es aber 
vielleicht einbog und endete; denn fonft hätte es bis über 
das Holzthor bin abgefchnitten. Aus welcher Zeit dies 
Werft war, bleibt unbeftimmt; einige wollen ed als die 
Dorlage der Brüde zur Zeit der Schweden annehmen, 
doch halte ich es für Alter, 

Aufwärts von hier nach dem Thore zu, zeigte ſich 
die Spur eines Pflafterd in einer Tiefe von 4 Scub, 
auf Sand gefegt, und darunter mehrere Lagen alten 
betretenen Bodens. Unter dem Fifchthore felbft traf man 


238 


auf eine Spannmauer und unter diefer, 6 Fuß tief, auf 
Duaderfteine, worin noch die Wagengleife fichtbar waren, 
ein Zeichen, daß ehemals der Rhein tiefer lag als jegt 
und ſich alfo, wie alle Flüffe, verfeichtet oder erhöht hat. 
Diefer Boden von 6 Fuß Tiefe traf alfo mit jenem alten 
Werft genau zufammen, und beide möchten demnad; 
gleichzeitig feyn. Etwa 22 Schritte vom Thore in die 
Stadt hinein, fand ſich ein Außerft ftarfes Fundament 
von 10 Schritten Breite, welches muͤhſam ausgebrochen 
werden mußte, und wohl der alten Stadtmauer ange 
hörte, vermuthlich jener, die Friedrich Barbaroffa nieder 
reißen ließ. Weiter aufwärts, dem Gaſthaus zum Kaijer 
gegenüber, fand fidy die aus Quadern gelegte, ftarf ver 
traßte Vorlage des Thurmes der ehemaligen Liebfrauen- 
firche, welche eifenfeft, mehr durchhauen als weggearbeitet 
wurde und über 8 Tage mehrere Menfchen befchäftigte, 
Die Feftigfeit war den beften römischen Baufundamenten 
gleich. Mancherlei Schutt und Spuren von Mauern, 
aber feine von beſtimmt erfennbarer Bauart, fand man 
über den Speifemarft hin. Erſt am Haufe des Herrn 
Maas (Lit. B. Nro. 16.) fand man eine etwa 8 Fuß 
dife, queer ber die Strafe nad) dem Menmin- 
gerifchen Haufe hinlaufende Mauer, welche mittelals 
terfich erfchien und das fogenannte Höfchen, den alten 
Zurnierplag von Mainz, abfchloß. Vor diefer Mauer 
fand fich auch die Hälfte eines römifchen Gelübdefteing, 
deffen Schrift wohl nicht mit Beftimmtheit zu entziffern 
iſt. Die Buchftaben find fehr fchon, mit dieferen und 
feineren Strichen abmwechfelnd, und zeugen für eine gute 
Zeit. Der Stein wurde wieder eingemauert. Oberhalb 


239 


der Queermauer mut, gegen dem alten Stadtgerichts— 
haus und dem von Keſſelſtattiſchen uber, fanden ſich 
Spuren von Branoichutt, unter dem, außer Eifenflumver, 
Hufeifen, großen und Heinen, auch ein Schwert zum Bor; 
fchein fam Cam 4. Juni). Der Knopf ift 8 feıtig, am 
Griff iſt nody die eine Seite des Kreuzes vorhanden, die 
Klinge zweifchneidig, 6 Gentimetr. breit und 88 Gentimetr, 
lang, und verjüngt fi; von 6 auf 4 Centim. Es fcheint 
aus dem Mittelalter und fein Gegenftück ift im Dom auf 
dem Grabmal im Iinfen Gange vor dem öftlichen Chore 
zu fehen. Much eine halbe Silbermünze vom Kurfürften 
Adolf (vermuthlich I. von Naſſau) fand fich ebendafelbit. 
Tiefer Famen viele Knochen, meift von wilden Schweinen, 
Hauzähne, (wovon einer von ungewöhnlicher Größe und 
Die) zum Vorſchein, römifche Ziegel in größerer Menge 
und endlich Abtheilungsmauern römifcher Zimmer mit 
dem Fuß dicken Eſtrich aus gehackten Ziegen und 
Kalk beftehend. Hier alfo vom Höfchen an kann man dern 
eigentlichen Anfang römischer Gebäude rechnen. Die untere 
Stadt fcheint nach der Zerfiörung der römischen Befigung, 
nach und nach gegen die Nheinüberfchwemmungen durch 
hinabgezogenen Schutt, worin fich daher wohl auch einz 
zelne römische Ziegel und Münzen finden, abfichtlich er 
böht worden zu ſeyn. Denn die Nömerwohnungen ftehen 
immer in einer Tiefe von 10—12 Fuß, und der Boden 
um fie her muß alfo zum heine hinab gleichfalls eben 
abgelaufen feyn, fo daß man zur römifcher Zeit die Tiefe 
der Stadt 12 Fuß unter dem jetigen Boden, im Mittel: 
alter aber von 8, 6, 4 Fuß abnehmend, rechnen kann. 
Dieß zeigt Die Lage der verfchiedenen Pflafter in der be 


210 


tretenen Fläche. — Auch eine römifche, vorn fehr vers 
tretene Thürjchwelle Fam hervor, Stüfe von Granit, 
(deren eins Herr Kirchenratb Dahl, welcher eben an einer 
Abhandlung über die Niefenfaule und ähnliche römifche 
Bauſtuͤcke fehrieb, erhielt und ihn von anderer Art als 
den Odenwälder Granit erklärte) weißem und fchwarzem 
Marmor, endlic; auch noch nebeneinander in ihrer alten 
Lage befindliche, große Quaderſtuͤcke, welche vermuthlich 
Säulen ald Boden eines Vorgebäudes trugen. Denn ein 
Sänfenfchaft mit dem dorifchen Gapitäl, einem Kleinen 
dazu gehörigen Stu und dem Fußgeftell lag über diefen 
Platten oder daneben. Diefe ganze Säule enthielt 173 
Gentim. Länge vom Fuß bis zur Platte und hätte volß 
ftändig koͤnnen zufammengefeßt werden, aber fie ward 
vermanert. in größeres Capitäl, mit Halbfiguren an 
den vier Seiten oben, und mit doppelter Akanthusreihe, 
jehr abgejchliffen, auch etwas befchädigt, hat eine Höhe 
von 52 Gentim., Diameter unten 42 Gentim., oben 56 
Gentim., wozu die vorjpringenden Figurenfüpfe beitragen. 
Es ift von mir erhalten worden ımd fcheint aus fpäter 
Römerzeit. Ein dazu gehöriger Fuß wurde vermanert. 
Unmweit davon fand fih auch die Hälfte eines aus 
Stein gehauenen Schildes, von 1%, Fuß rhein. Diameter, 
mit Wafferblättern um den Rand und einem behelmten 
Kopf in der Mitte. Die Spur zweier daranf liegenden 
Finger beweißt, daß es einer Figur angehörte, und ber 
innerhalb fichtbare Riemen, daß der Schild frei jtand. 
Herr Aichkommiſſaͤr With ift Befiger dieſes Stuͤckes. — 
Man kann aus allen diefen Reſten fchließen, daß hier 
ein bedeutendes Gebäude fand, welches fich bis ober das 


241 


Relliſche Haus hin erſtreckte, bei deſſen Grundlegung 
ebenfalls das Segment einer Granitſaͤule, eine große 
Tafel Salinum (weißer, falzähnlicher Marmor) und eine 
mächtige, ſehr fchön gearbeitete römifche Mauer, nebft 
Fundamentquadern, fich fand. Auch der Neft eines klei— 
nen Steins mit den Endzigen der Buchftaben CIRIR 
Fam bei den Säulen hervor. Nömifche Muͤnzen fanden 
fich ziemlich viele, in Großerz wenige, meist fehr Heine. 
Die fpäteften, die mir vorfamen, find von Probus, Te 
trieus, Sonftanz, Valerian, Valens, u. a. 

Ein goldener, aus mehreren gewundenen Stuͤcken 
beſtehender Ring, bei jenen Saͤulen gefunden, iſt in den 
Haͤnden des Herrn Aichkommiſſaͤr With. Auch eine Kugel 
aus gebranntem Thon von der Groͤße einer dreipfuͤndigen 
Kanonenkugel ward gefunden, welche wohl zum Schleu— 
dern mag gedient haben, eben wie jene Steine, welche 
Herr Geheimerath Knapp im Odenwalde fand, 

Als feitwärts von dem genannten Kanal, zwiſchen 
der Ludwigsftraße und Sohannisfirche, im Monat Auguft, 
die Fundamente zu dem fpäter auf eine andere Stelle 
projeftirten Theater gegraben wurden, fand man in einer 
Tiefe von etwa 18 rheinifchen Fuß mehrere römifche 
Mauern, und dabei einen mufivifchen Fußboden aus 
Steinchen und Flüffen verfchiedener Farbe zu mathemati 
fchen Figuren, Cinfafjungen à la gree u. dgl. gebildet, 
Die Farben waren weiß, zum Theil cararifcher Marmor, 
zum Theil wohl auch gebrannte Erde, aus welcher maıt 
auch Lampen fand, welche einen bräunlichen, marmorirtei 
Anftrich hatten, und wovon Herr Graf Franz von Keſ— 
felftatt eine fehr große und eine Eleinere bebelmte erbieltz 

16 


212 


dann ſchwarz, aus Marmor, Bafalt u. a. braun, ins 
bellere oder dunklere fallend; mehrere Abftufungen von 
Roth und Blau, theild Fluß theild Stein, von Grin u. a., 
fo daß über zehnerlei Farben zum DVorfchein kamen. Die 
Heinen Würfel von etwa Zoll Größe figen in einer 
Unterlage, die aus Kalf und zerhadten Ziegeln befteht, 
und der Boden hatte /, Schuh Die. BVerfchiedene Lieb— 
baber ließen fich die Stuͤcke zu Tijchplatten einlegen. 

Weiter nach dem Höfchen hin fand man einen römifchen 
Altarftein mit den Bildniffen des Mars, der Suno und 
des Merkur, letztere mit ihren Seiten verftümmelt. Die 
Stellung an der fonft roh gearbeiteten Figur des behelms 
ten Mars, dem ein Schwert an der rechten Seite hängt, 
ft leicht und gut gedacht. Der Stein Fam in die ftädti- 
ſche Sammlung. Ein wahrfcheinlih aus dem frühen 
Mittelalter herrührender Brennofen zeigte noch allerlei 
darin aufgefchichtete Gefäße von roher Form, etwa 30 
Stüde. Zerftreut kamen vor Münzen, ein Griffel von 
Erz, den Herr With befist, u. a. Ein Säulenfuß in 
der Tiefe von 21 Fuß und das obere Stüd eines Altarg, 
beweifen auch bier wie überall abfichtliche Zerftörung, 
und jene Zertrimmerungsluft, die fo tief im Menfchen 
liegt. Der Boden der Stadt muß vor Zeiten hier etwas 
vertiefter gewefen feyn, als anderwärts auf dem Markte, 
denn die Fundamente ftehen dem Waflerfpiegel des Nheing, 
ven die hervorfommenden Quellen verrathen, Chier etwa 
21 Fuß rheiniſch) gleich. 

Diefem Platz gegenüber wurde auf demjenigen, der 
Guttenberg geweiht ift, aber bald, von einem Theater 
bedeckt, den Namen eines Platzes verlieren wird, beim 


243 


Fundamentgraben das Bruchſtuͤck eines Altard gefunden 
mit dem Bilde des fisenden Jupiter, deffen Geficht aber 
abgejchlagen iſt; ſodann mehrere Feuerungsröhren und röm. 
Hohlziegel, auch Gefäße aus dem Mittelalter, zum Theil 
von zierlicher Form. Weiter die Ludwigsftraße hinauf, 
zeigten fid) Fundamente neuerer Häufer, 3. B. des Prä- 
fenzgebaudes, aber auf dem TIhiermarft felbjt Feine Spur 
von Mauern, ein Zeichen, daß bier ſtels ein freier Mag 
war. Die Neugierde wurde befonders gefpannt, da eine 
alte, von vielen aus den Großväterzeiten ber fortge— 
pflanzte Sage von den Trümmern eines Anfernachens, 
von Quadern mit Ningen fprach, welche bei der Fundas 
mentlegung des Bafjenheimer Hof3 follten gefunden wors 
den ſeyn, und daraus die auch von P. Fuchs angenom— 
mene Vermuthung, hier fey ehemals der Nhein gefloffen, 
wieder in Anregung Fam. Allein die Erdlagen zeigten 
nichts, was jene Vermuthung beftätigte; man fand auf 
gehäufte lockere, ſchwarze Erde mit Ziegeln, zum Theil 
römifchen untermifcht, und gegen den Anfang der Gau— 
gaffe fogar die Spuren eines verbrannten Gebäudes mit 
Kohlen und Balkenſtuͤcken. Uebrigens fam man nur in 
eine Tiefe von 21 Fuß, welches überhaupt das Steigen 
des Kanald vom Fifchthor bis zur Gaugaſſe ausmadıt. 
E83 kann feyn, daß tiefer vielleicht Flußboden ift, daß im 
Mittelalter feit der Rheinarm eine andere Richtung nahm, 
der Boden ausgefüllt wurde. Allerdings hat die Annahme 
eines, die römische Feftung am Fuße der ganzen Anböbe, 
worauf fie lag, umfirömenden Flußarmes vieles für ſich; 
der Arın hätte die Feftung gefchust, wäre zum Herbei— 
fahren der Bedurfniffe zweckmäßig gewefen. Allein daß 


244 


die jetzige Stadt Nheingrund, und nur jener Theil, wels 
cher noch jest Inſel heißt, allein troden gewefen, if 
eine von allen bisherigen Ausgrabungen völlig widerlegte 
Annahme. Denn überall find unwiderfprechliche Nefte 
von Nömergebänden, von dem Fuße ded Bergs bis an 
den Speifemarft. Uebrigens it jene alte Entdefung von 
Schiffsreſten vielleicht dDadurd; zu erflüren, daß dicht am 
Fuße des Bergs, wo num allerdings ſich durch Schutt 
der Boden beträchtlich erhöht hat, einft der Abfluß von 
der roͤmiſchen Wafferleitung aus dem Drufilacium oder 
dem großen Wafjerbehälter vor dem Gauthor, hier herab 
ging und zu einem für Nachen fahrbaren Kanal zum 
Zwede der Communikation erweitert wurde. 

Im Auguſt wurden vor der Stadt, zwifchen dem Rai— 
mundi und Münfterthore an der Baftion Damian, in 
der Gegend, wo die ältere Petersfirche ftand, mehrere 
römifche Steine, welche zum Theil in der Tiefe des Gras 
bens, eine, vermuthlich mittelalterliche, Gruft bildeten, 
gefunden. Einer diefer Steine hat oben Legio XXII. 
und daneben rechts, jedoch nicht vollftändig, das Zeichen 
diejer Legion, den Capricorn, welchem gegenüber wahr: 
fcheinlich das andere der Stier war. Unten am Steine 
find die beiden Flußgoͤtter Rhenus und Monus abgebildet, 
ganze Figuren in halberhobener Arbeit, etwa 2 Fuß lang. 
Sollte diefer Stein vielleicht, der urfpringlich wohl nicht 
an diejem Orte lag, zu dem erften Pfeiler der römifchen 
Rheinbruͤcke gehört haben, wie der von mir früher an 
die fädtifhe Sammlung abgelaffene, auf dem rechten 
Ufer befindliche Stein derfelben Legion an dem leisten 
Pfeiler gegenüber fid) befand. Die beiden entgegengefesten 


215 


aͤußerſten Pfeiler waren der eine im Zeughaus, der andere 
an der Mauer der Caſteler Kirche; ein Zeichen, daß der 
Rhein fein jetziges Bett auch damals ſchon einnahm und 
man bei dem Bau der Brüde, wegen der Ueberſchwem— 
mungen nod) einige Pfeiler aufs Ufer ſetzte. So war 
alfo auch der an der Stelle der alten Petersfirche gefuns 
dene Stein nicht eben fehr weit berzuboblen, indem man 
wahrjcheinlic jene Pfeiler auf dem Sande abriß, die 
Duadern davon zum Bauen benußte, wie dieß noch andere 
Steine von römifchen Schutt bewiefen. in anderer 
Botivflein von der XIV, Legion mit Snfchrift, welche 
Herr Lehne bis auf den Anfangsnamen, der verftimmelt 
iſt, erklärt hat, wurde wie der vorige durch mic) in die 
Hädtifche Sammlung gebracht. 





2. 


Topographiſche Notizen, von Herrn Schulinſpeetor 
und Pfarrer Vogel, in SOchönbad), 


I, Alsdorf, 


eine einfam liegende, uralte Kirche, deren Ruinen 
3 Stunden von Samberg und 2 von Würges angetroffen 
werden. Sch habe fie nie in Urkunden gefunden. Die 
Nachrichten, die ich von ihr Liefere, find einem Mans 
feripte, Mechtel3 pagus Loganche betittelt, entlehnt, 
Nach dieſem war fie dem heiligen Martinus als Schutz— 


216 


atrone unterworfen, und Anfangs eine Pfarrkirche, mit 
einem weitläuftigen Kirchſpiele, nachher aber eine blofe 
Vicarie, die von Eich aus nur an MWochentagen bedient 
wurde. Zur Zeit der Reformation zwifchen den Sahren 
1552 und 1565 fette der Pfarrer von Eich die Wochen: 
predigten in diefer einfamen, mit Dorngebüfch umwachſe— 
nen Kirche fort, zu deren Anhörung fich die Hirten und 
Landleute, bei einem Zeichen mit der Glode, während 
das Vieh im Schatten ruhete, verfammelten. Dadurch 
glaubte fich der Pfarrer in Eich im Beſitze der zu dieſer 
Kirche gehörigen Zehnten zu erhalten. Allein der Trieris 
fche Beamte, Henrich von Feld, in Camberg ließ die 
Glocke von Alsdorf nad; Camberg bringen, wo fie zu 
Mechtel3 Zeit noch im Schloffe hing. Auch ſuchte er die 
Zehnten dem Erzftifte zuzuwenden. Die beweglichen Kir> 
chenguͤter und Zingregifter hatte der Pfarrer von Efch in 
Sicherheit zu bringen gefucht. Diefes find alle Nachrich- 
ten von einer Kirche, die Mechtel zu den älteften des 
Lahngaues zaͤhlt. 





1, Ardabagan, 


Erdehegan (pagus Erdehe) ein Untergan des Nier 
derlahngaus, der von der bei Hohenfolms entfpringenden 
und in die Dille fließenden Aar oder Arde feinen Namen 
bat. Hiftorifche Gonjecturen weifen ihm einen größeren 
Umfang und weitere Gränzen zu, als man bisher an— 
nahm. Gegen Norden hatte er den Haigergau, gegen 
Dften den Dberlohngan und gegen Süden und Werften 
den Niederlohugan zu Nachbarn. Er war in drei bedeu- 


247 


tende Marken, die Herbore CHerborner) Mark, welche, 
Haiger und Ebersbach ausgefchloffen, das ganze Dillen- 
burgijche, Driedorf und den eigentlichen Wefterwald uns 
faßte, die Wanendorpher oder Wertorfer Marf, 
in welcher jpäter die Herrfchaften Greifenftein und Gleis 
berg zwijchen der Lahn, Um und Wifemar lagen, und 
die Erdehe Mark, welche das Gebiet von Hohenfolms 
und Königftein umfchloß, eingetheilt. Im dem Chroni- 
con Gottwicense und den Lorfcher Traditionen werden 
folgende Orte ausdrudtich als in ihm gelegen genannt: 
Wertorf, Berghufen, Mulinbach, Oberintorph, Gifel 
brechtishufen, Kroffdorf, Waldgörmize, Dorcelar, Nives 
ren (Nauborn i. 8. Wismar.) — Das Gefchichtliche die— 
ſes Gaues vor dem dreizehnten Sahrhundert iſt nody uns 
erforſcht. Indeſſen fey es erlaubt, eine Vermuthung 
daruber mitzutheilen. Von 1144 bis 1213 erjcheint in 
diefem Gau ein durd, Abſtammung und Kamilienverbinz 
dung, die ein neuerer, fehr achtungswerther Geſchicht— 
fohreiber nachgewiefen bat, fehr anfebnliches Grafenges 
ſchlecht, das fich nach feiner Burg an der Aar von 
Wegebach Cjetst Nieder-Weidbach) nannte *). Da der 
Örafentitel damals dem Mißbrauch noch nicht unterwors 
fen, feine urfprüngliche Bedeutung bewahrte; fo haben 
wir Urfache, diefer Familie das Gaugrafenamt im Arda— 
hagau beizulegen. Nachdem Henrich, Graf von Weges 
bach), abgetreten war, und fein gleichnamiger Sohn ſich 





*) Was diefes etwa zweifelhaft mahen Fönnte, febe man im 
erften Bande von Rommels Geſchichte der Heffen unter 
ven Grafen von Ziegenhayn, 


218 


in den geiftlichen Stand begeben hattet verschwindet auch 
mit dem Sabre 1213 der Name feines Gefchlechtes aus 
den jetzt fchon häufigen Urkunden gänzlich. Diefes laßt 
fih in einer fchon fo aufgelichteten Zeit und bei einem 
bedeutenden Gefchlechte nicht anders, als durch deffen 
Ausjterben in männlicher Linie erflären. Dagegen treten 
um 1220 drei andere Gefchlechter, die fich in ven Arda— 
hagau getheift haben, auf. Naffau ift im Befike der 
Herbore, Greifenftein der MWertorfer und Solms 
der Erdehemarf, Das natürlichfte ift hier an eine Fort 
dauer des Wegebachiichen Grafengefshlechts in weiblicher 
Descendenz, an die Verheurathung dreier Töchter aus 
demfelben in jene Häufer, und die daraus fließende Fort 
erbung der väterlichen Gaugräflichen Rechte und Befi- 
gungen zur denfen. 





3. 
Anfrage 


Sn den Summariis traditionum veterum des Ful— 
daer Mönches Eberhard bei Schannat in Tradit. Fuld, 
fhenft ©. 305 Nro. 3. Bidane von Logenahegewe (aus 
dem Lohngan) Güter in Walchesdorfe und in Mege 
ratesheim an Fuld. 

Der letztere Dre kommt in derfelben Verbindung 
und nur in einer etwas veränderten Form auch in den 
Tradit, Laurish. III., Nr. 1709 vor. Willefwint übers 
gibt an Lorfch in Mecgritisheim und in Walhes— 
dorph 3 Manfen, 22 Morgen Aderland mit Wiefen, 


219 


Werden ꝛc. (die Schenkung gefchahe nach Nro. 3137 
vermuthlich im Sahre 788) Aus der Tetteren folgt febr 
wahrfcheinlich, daß der Ort nahe bei Walsdorf im Amte 
Idſtein lag, vielleicht felbjt in der Gemarkung dieſes 
Dorfes. Wollte doch jemand in der Gegend unterfuchen, 
wo dieſer Ort gelegen, und ob ſich Feine Spuren mehr 
davon finden? 
Schoͤnbach. 


— 


E. D. Vogel. 


4, 


Aufgabe 


Sn dem Buche des Johannes Heidfeld, (der 1629 

ald Pfarrer in Ebersbach flarb), das den Titel führt: 

Sphinx theologica-philosophica, ftehet ©. 1255 der neuns 

ten Auflage, die in Herborn 1631 in 8 erjchien, folgendes 
Raͤthſel: 


Aenigma scrupulosum, in cujusdam loci Archivis 
nuper inventum, 





Nassavia in terra locus est (ignosce poësi 
Patria, dulce tuum si nunc inspersero nomen) 
Explicat is campum effusa tellure patentem, 

Vix oculo prendente modum, pede nec gradiente 


Luce una, quantam sol spargit carcinum adurens, 


Qua patet hic campus, stat monstrosissima proles, 
Hectoris impavidi, fortis velque Hectoris horror; 
Sed vestita tamen pulcre, nam cyclade longa 
Verrit humum, plantas si quando moverit imas, 
Pectoraque hospitibus suayi mulcere loquela 
Docta, sciensque suum ad campum inviiare venuste, 


Dulcia et utilia effusa promittit hiatu, 


In frontispicio campi licet ista videre, 
Quod si introgressus fueris, majora videbis, 
Arboribus variis, atque excellentibus herbis. 
Nostraque quae nunquam solita est Germania ferre, 


Consitus est campus, dici sic dignior hortus, 


251 


Buxus cum lauro, cedrus, pyrus atque cupressus, 
Medica, lanata atque melimela, nerantia mala, 
Cinnama, odorataeque nuces, crocus el quoque nardus 
Pontica nux, fragum, vaccinia, ficus et uva, 
Capparis, asparagi, pepones, violaeque, rosaeque, 
Rosmaris, atque chamemelum, quod diximus, ista 
Omnia campestri sic conspiciuntur in arvo, 

Vilibus interdum locus et sylvestribus ut sit. 

Arbutus et ruscus, prunus sylvester et alnus 
Hic quoque se ostentant: iratae cornua frontis 
Tribolus exporrecta tenet, videasque pyrastrum, 
Hinc urtica pedem, ni caveris, ocyus urit, 

Inde tuae propius vesti se figit amica 

Lappa, WVolant propter volucres quoque flumina 
campi, 

Cantu dulcisono mulcentes aöra circum: 

Stercoreos tamen hic epopes, ululasque strigesque, 

Bubones dirum et videas mortalibus omen, 

Sic itaque est campus non parte beatus ab omni 
Iste, nec omne tulit punctum, nec laudis habebit 
Multum, qui coluit; decumana laude vehatur 
Quamlibet a ınultis: tractent fabrilia fahri, 

Tu mihi, quisquis eris, nunc carminis excute nostrı 
Sensum, tunc poteris bonus hinc conjector haberi. 

Da Heidfeld diefes Näthfel felbft nicht gelöfet hat, 
ich auch nirgends anders deffen Löfung gefunden babe; 
fo möchte deffen Mittheilung in den Annalen der Ges 
fellſchaft nicht unzweckmaͤßig erfcheinen, weil fie vieleicht 
jemand zu feiner richtigen Deutung veranlaßte. 

C. D. Vogel. 


4. 


Ueberſetzung und Erklaͤrung von Herrn Profeſſor 
Dr, Braun in Mainz, 


NRaffau, in dir iſt ein Ort, (geflatte dem Dichter die 

Freiheit, 

Heimifches Land, wenn er bier den füßelten Namen mit 
einflicht,) 

Dieſer entfaltet ein Feld, das weit und geraͤumig ſich oͤffnet, 

Kaum fuͤr das Aug' erfaßlich und nicht fuͤr den Fuß auch 
in Einem 

Tage durchwandelbar, wie auch der Krebs!) in dem 
Sommer ihn dehnet. 


Da wo dies Feld ſich erftreckt, fteht hoch ein gewaltiger 
Anwuchs 9), 
Hektors des Tapferen Gran’n ’), des unverzagteften Hektors; 





4) Das heißt in dem längſten Sommertage. 

2) Proles jeder Sprößling, bier wohl ein Baum und zwar 
wie aus dem folgenten Verſe erhellet, 

3) Die Eſche, welde Hektorn in der Hand Ahills tödlich 
wurde. Die Lanze des Achilles war aus einer Eiche, die 
auf dem Pelion gehauen war, 


253 


Schön bekleidet jedoch ; denn mit des Gewandes *) Umkreifung 

degt er den Boden, wenn mandmal die unterften 
Zweig’ er beweget; 

Und dem Wandrer die Bruft mit füßem Gefofe zu füllen ) 

Kundig, und anmuthsvoll zu ſeinem Geftlde zu laden, 

Laͤßt er des Holden und Nüglichen viel durch die Deffnung ) 
erwarten, 


Dorn an der Spitze des Feldes ift diejes zu fehen; doch 


weiter 

Vor nach dem Innern gefchritten, erblicket nod) Groͤßres 
das Auge. 

Denn mit mancherlei Baͤumen bepflanzt und beſondern 
Gewaͤchſen ), 


Und wie ſie nimmer gewohnt Germanias Boden zu tragen, 
Iſt dies Feld und verdient wohl eh' ein Garten zu heißen. 


— —— —— 


1) Cyclas Heißt hier ein Freisförmiges Gewand und bedeutet 
den Umfang des dicht belaubten Baumes, welcher mit 
den unterften Zweigen [denn planta bedeutet dies 
auch] den Boden Fehrt, ftreift, wenn er fih im Winde 
bewegt. 

2) Loquela ift das Geſäuſel der Blätter. 

3) Hiatu dur die Spalte des Baums, die Deffnung feier 
Zweige fah man auf die Gegend bin. 

4) Hier fcheint ein botanifher Garten mit feinem Treibhaus 
und zugleich den feinern Gewächstreibereien unter Glas 
verftanden zu feyn. Der botanifhe Garten enthielt aud) 
die veradhteten Gewächſe, oder fie befanden fid) in der 
Nähe diefes Gartens in der verwilderten Gegend. Denke 
man fid) dabei noch eine Burg oder fonftiges altes Ge— 
mäuer, fo find aud da Eulen auzutrefien. 


254 


Buxus ) und Lorbeerbaum ?) und Geder ’) und Birn’*) 

und Cupreſſus °), 

Mediſch' 9 und wollige I) Aepfel und honigfüße °) 
Drangen ?), 

Zimmet *°) und duftende Nu *) und Safran ’?) und 
Narde 23) nicht feblet, 

Nicht auch die Pontifche Nuß?*), Erdbeer’ "und Vaccinie?), 
Feige 7), 





1) SH fege bier die Namen nah dem Linneiſchen Syſteme 


ber. Buxus sempervirens, 

9) Laurus nobilis. 

3) Pinus cedrus, 

4) Pyrus communis, 

5) Cupressus sempervirens, 

6) Mediſche Aepfel, citrus medica, Citrone. 

7) Lanata vermuthlich Quitten, pyrus Cydonia. 

8) Melimela eigentlich honigjüße Aepfel, fo nannte man den 
Paradiesapfel, eine Art Eitrus, Citrus Sinensis, 

9) Nerantia poma wird aud für aurantia poma gebraudf, 
find alfo Bomeranzen, Trangen, citrus aurantium, 

40) Laurus Cinnamomum. 


41) Nuces odoratae oder myristica moschata Muskatnüſſe, vers 
muthlich ift das Wort muscat von moschatus hergeleitet. 


42) Crocus sativus, 


45) Nardushier wahrſcheinlich n. indica oder andropogon nardus, 
Man bat audy nardus celtica, welches Valeriana celtica ift. 


44) Nux Pontica ift dafjelbe wie corylus Avellana oder Hafelnuß. 
45) Fragum ftatt fragaria vesca. 
46) Vaccinii generis, species Heidelbeere, 


17) Ficus carica. 





255 


Trauben ') und Gapern ?) und Spyargeln’), Melonen *), 
Violen ) und Nofen, 

Rosmarin) und Chamille’). Das alles nun, wie wir gefaget, 

Wird in jenem Bezirke des Felde, doch fo nur geſehen, 

Daß mitunter ein Raum für geringes und wildes Geſtraͤuch iſt. 

Hagdorn I, Bruͤſch 9) und Schlehe *°) zugleic) fie 

ftellen dem Blicke 

Hier mit der Erle '') ſich dar, und die Hörner ber 
trogigen Stirne 

Stredet der Tribulus *) vor, und daneben ber wildernde 
Birnbaum '°). 

Hier, wenn du ihrer nicht achteft, verbrennet den Fuß dir 
die Neffel ), 

Dort an das nahende Kleid hängt gleich fich vertraulich 
die Klette *) 


4) Vitis viniſera. 
2) Capparis spinosa, 
3) Asparazus officinalis. 
4) Pepones vermuthlich cucumis melo oder cucurbita pepo. 
Melone oder Kürbif. 
5) Viola odorata. 
€) Rosmarinus offieinalis. 
7) Chamemelum(xauatumAov)matricariaChamomilla Chamille. 
8) Arbutus ift hier crataegus oxyacantha. Das Linneifhe 
genus arbutus ift etwas anders. 
9) Ruscus aculeatus, Mausdorn, Brüſch [abgeleitet von Rus- 
cus oder ruscum]. 
40) Prunus sylvest. ift spinosa, Schlehdorn. 
11) Betula alnus. 
142) Tribolus ift tribulus terrestris, Burzeldorn. 
43) Pyraster f. v pyrus communis sylvestris, 
14) Urtica urens et divica, 
15) Arctium Lappa, 


256 


Feſt. Um die Bäche des Feldes auch flattert Gevoͤgel voruͤber, 

Ringsum fuͤllend die Luft mit füßem Getön des Gefanges. 

Doch ſchmutzliebende Wiedehoͤpf' I auch und Käuzlein und 
Eulen 

Uhu's 2) auch trifft man dort an, dem Sterblichen gras 
fige Borfchau?). 

So iſt denn alfo dies Feld nicht ganz und in allem zu 

reifen, 

Und erreichet nicht jegliches Ziel der Vollkommenheit, nicht 
aud) 

Lobet man den, der ed baut, wenn es auch von vielen mit 
hohen 

Ehren erhöht wird: es bleibe der Schmieb nur immer beim 
Hammer! 

Du, wer du immer auch fenft, entbülle den Sinn 

mir von diefen 

Zeilen, fo font du mir traun! ein guter Enträthfeler 
heißen. 

Wenn das Gefchichtliche und Dertliche zufpricht, fo 
möchte bier vielleicht der Garten zu Dillenburg verſtanden 
werden, wo fchöne Treibhäufer waren. Darüber erwarte 
ih Auffchlüffe von Kundigeren- 





1) Epops, Wiedehopf, upupa epops, 
2) Ululae, Käuzlein, Striges, Eulen, Bubones, Uhus. 
3) Deren Geſchrei von böjer Vorbedeutung iſt. 





IV, 
Biographische Nachrichten 


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verdienten vaterländifhen Gelehrten 


17 
















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Lchens Nachrichten von dem Naſſauiſchen Chronik 
fhreiber Johannes Tertor, 


von Herrn Schulinfpeetor und Pfarrer Vogel, 
in Schoͤnbach. 





Bei der Aufmerkſamkeit, welche man jet der Ge— 
fehichte unferes Naffanifchen Vaterlandes zuwendet, und 
bei der forgfältigen Bemuͤhung, alle ihre vorhandenen 
Quellen zu entdecken und zugängig zu machen, wird auch 
dasjenige, was ſchon früher in dieſer Sache geleiſtet 
wurde, jest weit mehr beachtet und fchärfer ins Auge 
gefaßt. — Eine vollftändige und Fritifche Geſchichte der 
Naſſauiſchen Hiſtoriographie erfcheint darum mehr wie je 
als Bedürfnig ). — Da aber ein fo viel umfaffendes 
Werk nur die Frucht vieljährigen Sammelns und ernfter 
fiterarifchen Studien feyn kann: fo dürfte es bei der erjt 
neuen Geſtaltung des Herzogthums in feinen jegigen Graͤu— 
sen, und befonders bei feiner Bildung aus den verjchies 





41) Wir haben zwar einen Lerfuh einer Naſſauiſchen Ge— 
fhichts:Bibliothef. Hadamar, 1799 8, der den fel. Ges 
heimen-Kirchenrath Steubing in Dies zum Verfaſſer but; 
derfelbe ift aber weder vollftändig noch critifh. Er ums 
faßt nur allein die ottonifche Linie mit gänzlicher Aus— 
fhliegung dev Walramifhen, und mit wie vielem Fleiße 
er auch immerhin gefammelt it, fo genügt er doc nicht 
nad) den Anfprüchen, die man an eine ſolche Vibliothef 
für das jegige Herzogthum machen mu, 


260 


denen, früher gefonderten Ländern und Laͤndertheilen, fo 
bald noch nicht zu erwarten ſeyn. Diefes vorausfehend 
bat man diefen Annalen mit die Beftimmung gegeben, 
daffelbe vorbereiten zu helfen, und darum die Rubrik: 
biographiſche Nachrichten von verdienten vaterländifchen 
Gelehrten eröffnet, und unter den letzteren vornaͤmlich 
Gefchichtichreiber verftanden. Sch will jetzt dazu einen 
feinen Beitrag liefern, und einige Lebensnachrichten von 
Johannes Tertor mittheilen, dem Manne, der zuerft 
unter allen inländifchen Gelehrten ein eigentliches, Naſ— 
ſauiſches Gefchichtsbuch hat drucken laffen, und der mit 
gaiizer, warmer Seele an feinem Vaterlande und deffen 
Vergangenheit hing. 

Er wurde geboren 1582 im September in der Stadt 
Haiger. Daß feine Eltern hier als Bürger lebten, und 
er urfprünglich den Namen Weber geführt und denfel- 
ben als Litteratus nach der Sitte der Zeit in Tertor ver: 
wandelt habe, kann idy nur vermuthen. Was ihm den 
eriten Impuls gegeben, fein Leben wiffenfchaftlicher Bils 
dung und dem Dienfte des Staates zu weihen, ift nicht 
befannt. Da er im Sabre 1606 den Gyriafus Goͤſt, 
Schuldheiß ) in Haiger, Gottfried Hasfeld, genannt 
Cambus, Schulöheiß in Dillenburg, und Friedrich Pithan, 
erft Stadtichreiber, dann Schuldheiß in Haiger und zus 
Iegt Keller in Siegen, unter feine Vettern zählt; fo mag 


1) Mit dem Schuldheißen der damaligen Zeit darf man den 
der jegigen ja nicht verwechſeln. Sener war ein ausge: 
bildeter Surift, der dem Schöffengerihte vorfafi nnd def- 
fen Urtheile ausſprach und ereguiren ließ. Seine Dienft: 
functionen find jest an unfere Beamten gefommen, 


261 


in diefer verwandtichaftlichen Verbindung der erfte Grund 
zu jener Beflimmung gelegen baben, Er befuchte ale 
Knabe das Pidagog in Siegen und Herborn, woran 
damals der nachher berühmte griechiiche Lexicograph des 
neuen Teftamentd, Georg Pafor, in der erften jugendli— 
chen Friiche des Lebens wirkte, und feinem Geifte die 
reichen Schäße des römischen und griechiſchen elaffifchen 
Alterthums aufjchloß. Als er für die höheren academw 
ſchen Borlefungen herangereift war, wurde er 4601, den 
3. Dftober während des Rectorats des Matthias Martr 
nius unter die Zahl der Studirenden aufgenommen. Jos 
hannes Althus und Anton Matthäus wurden feine Fuͤh— 
rer anf der gewählten Laufbahn eines Nechtögelchrten, 
Mit ihm fudirte zugleich in Herborn Johann Heinrich 
Alfted von Ballersbach, deffen Namen die Literärgefchichte 
ald Polygraphen kennt, und mit diefem verknüpfte ibn 
das engfte Band der Freundſchaft. Das Beiſpiel dieſes 
edelen Juͤnglings, der von einem fühnen und glühenden 
Eifer, das Gebiet aller Wiffenfchaften auszumeffen, ent 
brannt war, muß ihn fehr ergriffen und wohlthätig auf 
ihr: und ſein Streben eingewirft haben, denn er nennt 
in feiner Chronik Alfted nicht nur lumen ingeniorum 
Nassovicorum, fondern auch mit einem gewiffen ſtolzen 
Gefuhle amicum suum e magnis magnum. 

Bon Herborn zog er 1604 auf die Univerfirdt Hei 
defberg, wo er 1606, 6 Dezember unter dem Vorſitze des 
Profeſſors Aemilius Portus eine Differtation de libera- 
litate (Heidelb. typ. Lancellati, 6 ©. 4) und 1607, 
4. Zuli eine andere unter Neiner Bachovius de magni- 
fieentia (Heidelb, t, L, &. ©, 4) vertyeidigte, 


262 


Gleich nach feiner Ruͤckkehr ind Vaterland fand er 
daſelbſt eine Anftellung. Denn es war die Stadtfchreis 
berjtelle in feinem Geburtsorte durch den Tod des Johan— 
nes Pithan erledigt, die ihm 1605, 28. Juni übertragen 
wurde, Mit Fleiß und Gewiffenhaftigkeit ftand er diefer 
Stelle vor, und die vielen proceſſualiſchen Verhandlun— 
gen, die er in die dicken Gerichtsbricher mit fließender 
und fehr netter Hand eingetragen bat, zeugen noch davon. 
Einen Theil feiner Zeit widmete er jeßt der vaterländi- 
fen Geſchichte. Was aber die Liebe dazu bei ihm zuerft 
angefacht, und welcher Subfidien er fich Dabei bedient 
hat, iſt unbekannt. Auch muf man e8 bezweifeln, daß 
ihm von Seiten feines Landesherrn, des Grafen Wilhelm 
Ludwig von Nafau-Dillenburg, einige Aufmunterung und 
Unterftügung zu Theil geworden fey, da diefer auch als 
Statthalter von Friesland meiftens abwefend war. Das 
Dillenburger Archiv ſtand zwar damals unter der Aufficht 
bes Nathes Johannes Daum, von Dorchheim gebürtig, 
ber jein Genoſſe auf der Academie gewefen war; allein 
Archive bei hiftorifchen Arbeiten zu benusen, lag gar nicht 
in dem Streben einer Zeit, die von Diplomatik noch 
nichts wußte, und den Gebrauch’ der Urkunden nur auf 
das Nachweifen von Gerechtfamen befchränfte. Schon in 
Heidelberg Fannte er den Geographen Mathias Quad, 
und jegt trat er mit Sohann Orlers, Burgermeifter zu 
Leiden, in Verbindung, der mit ihm Ähnliche Zwecke vers 
folgte, und 1616 eine Naſſauiſche Genealogie *) heraus— 
gab, worin er dankbar feine Unterftigung ruͤhmet. 





4) Unter dem Titel: Genealogia illustr, comitum Nassoviae 


263 


Nah dem Tode feines Schwiegervaters, Conrad 
Geiſe, wurde ihm 1649, 5. Juni die weit einträglid)ere 
Stadtſchreiberei in Dillenburg übertragen. Da aber bier 
mit noch die Gerichtfchreiberei von zwei andern Gerichten 
Schon feit hundert und mebr Jahren ber verbunden war, 
fo mußte er auch den Gerichtsfißungen zu Ebersbach und 
auf der Burg Tringenftein, die alle vierzehen Tage ges 
begt wurden, beimwohnen. Hier lebte er noch, als am 
Ende des Jahres 1625 die Per in der Stadt zu wuͤthen 
anfing, die ein volles Jahr dauerte und 379 Menfchen 
wegraffte. Im September 1626 ergriff diefe Seuche auch 
feine Familie, und ein Sohn und eine Tochter von 
ihm waren fchon daran geftorben, ald er diefen ſelbſt 
am 30. Dftober im Tode nachfolgte. Er flarb im kraͤf⸗ 
tigften Alter de3 Mannes, Faum 44 Sahre alt. 

Bon feiner dreimaligen Verehelichung Fann ich fol 
gendes angeben. Seine erfte Frau war cine Tochter des 
Stadtjchreibers Conrad Geiſe in Dillenburg. Nach deren 
Tode trat er in die zweite Ehe 1623, 45. Auguft mit 
Anne Marie Rhein aus Berlenburg, Kammermagd bei 
der Gemahlin des Grafen Georg von Nafau-Dilfenburg, 
und Hofapotheferin auf dem Schloſſe daſelbſt. Diefe 
Icbte aber nicht Tauge mit ihm, und war 1625, 4. Yprik 


Do — — — 


in ua origo, incrementa et Tes gestae a» iis ab anno 
683, ad praesentem hunc 1616 cum efligiebus XVI. prae- 
cipuorum inter cos heroum collecta a J. ©. Lugd, Batav, 
1616 Fol. Textor bat ihm für die altefte und ältere 
Geſchichte alle Materialien geliefert, darum flimmen auch 
beide darin wörtlich überein. 


264 


fchon geftorben. Seine letzte Frau war Anne, die Witwe 
des Schuldheißen Cyriakus Goͤſt in Haiger, die ihn 
überlebte. Er hinterließ Feine Kinder. 

Das Verzeichniß feiner Schriften beweifet, daß er 
alle Stunden, die ihm feine Amtsarbeiten übrig ließen, 
zu Iiterarifcher Thätigfeit verwandt hat. Es find dieſe: 

1) Carmen votivum gratulatorium in adventum 
Guilielmi Ludovici, com, Nassoviae, Cattimeliboc, 
16:2. fol. pat, 

Der Graf Fam damals aus Holland, und befuchte fein 

Erbland. 

2) Sylloge variorum aenigmatum, apophthegma- 
tum, gnomarum, historiarumque, ad sphingem Heid- 
feldii ex variis auctoribus notatorum et utcunque huc 
raptim sive tumultuarie digestorum. Herb, 1612, 8, 

Diefes Buch erfcheint ald Anhang der fechften Ausgabe 
der Sphinx theol, philas. des Johannes Heidfeld, 

Seinem wefentlichen Inhalte nad, und nur mit eini- 

gen Zufägen und Veränderungen wurde es wieder 

abgedruckt unter dem Titel: 

3 Feriarum Haegeranarum liber unus, in qua 
sylloge variorum dictorum memarabilium etc, contine- 
tur, Herh. 16:6, 8, 

4) Hoffleben, deffen Schlag und Händel, wie Un: 
trew daſelbſt von etlichen gepflogen und gefpint wird. 
Von einem Nitter vmb das Jahr 1497 reimenweis be 
jchrieben vnd von Johann Morsheim A. 1535 publiziret. 
Bon neuem überfehen durch Johann Textor von Häger. 
Frankfurt 1617. 4. 

5. Naſſauiſche Chronik, im welcher des uralt, body 


265 


Töblich und weitberühmten Stammes vom Haufe Naffau, 
Pringen und Graven Genenlogi oder Stammbaum, deren 
geburt, leben, heurath, Finder zu Friden und Kriegs; 
zeiten, verrichtete Sachen und Thaten, abjterben und 
fonft denfwürdige Gefchichten. Sampt einer furgen general 
Nassoviae und special Bejchreibung der Graf und Herr 
{haften NaffausCagenellenbogen ꝛc. Aus allerhand Bil: 
here und Schriften auch eigener erfahrung zufammen 
gezogen, befchriben und publizirt. Herborn bei Chryb. 
Raaben 1617. 4. Zweite Auflage Weslar bei Winfler 
1712. El. Fol, 

Diefes Buch hat das wunderbare Schiefjal gehabt, gleich 
von Anfang an fehr fcharf und unguͤnſtig beurtheilt, 
verboten und doc; vielfach verbreitet, oft gelefen und 
wieder aufgelegt worden ze ſeyn. Die harten Urz 
theile find vor dem Naffauifchen Haufe felbft und 
von den Gefchichtöforfchern der neueren Zeit ausges 
gangen, während das Publifum die Chronik mit Bei— 
fall aufgenommen und benust hat. Graf Johann 
der Mittlere von Nafau-Siegen nennt fie in einem 
Schreiben von 1617, 4. September: vein leppiſch 
„Werk, das manche liederliche und an vielen Drten 
»lächerliche, zu Zeiten auch bedenkliche Dinge ent 
„halte.“ Und doch war auf eben diefed Grafen Bes 
fehl mit dem Drude des Werkes in Herborn fortge: 
fahren worden ). In der Naſſau-⸗Catzenellenbogi— 


4) Verhandlung des academ. Senats in Herborn hierüber 
1617, 9 Aug. — Naſſ. Geſch. Bibl. S 233. — Der 
Drud war, wie daraus hervorgehet, fhon damals inhi: 
birt worden. 





266 


ſchen Gegeninformation über den Präcedensftreit mit 
der Naffan-Sarbrüdifchen Linie vom Sahre 1648 
fiehet ©. 33: „Textor iſt in Sachen des Haufe 
„Naſſau nicht wohl erfahren noch berichtet gewefen, 
vund hat unwiffend feiner gnädigen Herrfchaft die 
„Chronik zufammen getragen, da er in archivis fich 
„erſt recht von allen hätte informiren und, ehe durch 
‚alte und erfahrne Raͤthe alles revidirt worden, nicht 
publiziren follen. Deßhalb hat Graf Ludwig von 
„Naſſau⸗Saarbruͤck den Tertor bei Bräfentation feiner 
„Shronif wegen begangener vieler Fehler fchlecht abge» 
fertigt. Und weil es ohne Wiſſen Cagenellenbogifcher 
„Seite gefcheben, hat diefe Herrfchaft wegen der vielen 
„Fehler die Chronif in Verbott legen laffen, und darf 
„noch bis auf diefen Tag nicht publice verfauft wer 
„den. — Der Grund diefes Urtheild findet fich in 
dem Streite der beiden Naſſauiſchen Hauptlinien felbft. 
Die Walramiihe Linie beftritt der Dttonifchen dag 
Präcedenz- Recht und berief fich unter anderen auch 
auf die Chronif, worin fie der jüngeren vorgefeßt 
and. Diefen Beweis zu eutfräften, wurde Die 
Chronik alfo hart angegriffen. — Senfenberg nennt 
fie opus vix sine fellis commotione nominan- 
dum ®), und J. 5. Reinhard erflärt das, was fie 
aus den Älteften Zeiten erzählt, für Mährlein und 
einen Roman ). Die gründlichte und wuͤrdigſte 
Kritik über fie hat Kremer audgefprochen ). 
) Selecta juris et histor, I. Vorrede ©. 19. 


2) Suriftifh und hiftor, El. Ausführ. IL, 102. 
3’ Origg. Nass, I, Vorrede ©. SC. 


267 


Nehmen wir das Buch felbft zur Hand, und 
leſen e8. Sein Inhalt wird ung bald mit ihm aus— 
fühnen, wenn ung jene Urtheile dagegen eingenoms 
men hatten. DBoran ftchet eine geographiſch-topogra— 
yhifche Befchreibung des Landes und der Induſtrie, 
Sitten, Einrichtungen und Gewohnheiten feiner Be 
wohner, die in einem einfachen, biederherzigen Zone 
abgefaßt, und manche fchätbare Nachricht bewahrt 
bat. Zu bedauern it, daß diefe nicht auch den 
Walramifchen Landestheil umfaßt. Dann folgt die 
Gefchichte und zwar zuerft die Ältefte Herleitung des 
Haufes, die den meiften Anftoß erregs hat. — Terz: 
tor lebte zu der Zeit, wo das Naffauifche Gefchlecht 
feinen hoͤchſten Glanz, und eine welthiftorifche Be— 
deutung gewonnen hatte, die aus jener geiftigen 
mit Tapferkeit gepaarten Größe entfpringt, die fich 
eben fo befonnen wie edel ganz dem Gluͤcke der 
Bölfer weihet. Der Niederländifche Freiftaat wurde 
unter Wilhelms I. Leitung ind Dafeyn geführt; ihm 
batte er alles geopfert, und fein Blut war für ihn 
gefloffen. Was er angefangen, vollendete mit gleich 
großem Heldenmuthe fein Sohn Moriz. Die Augen 
aller Zeitgenofien waren auf diefes Gefchlecht gerich— 
tet. Redner und Dichter erfchöpften fich in feinem 
Lobe. Was war natürlicher, ald auch nad) der 
Herkunft eines Haufes zu forfchen, das durd Die 
hohe Perfönlichkeit feiner Glieder die Achtung und 
Bewunderung Aller fo fehr in Anſpruch nahm. ers 
tor erkannte dieß Beduͤrfniß und glaubte ihm abzu— 
helfen, weun er die alten Stammfagen, die deu 


263 


Urfprung des Haufes Naffan von den Lebartiichen 
Brüdern aus Nom herleiten, und dann 200 Sahre 
foäter einen anderen Römer Theodofius einpfropfen, 
die fchon 1525 für den Grafen Heinrich niederge: 
fchrieben worden waren, dem Publikum mittheilte, 
und daneben noch die Ableitung von dem Sueviichen 
tafua erzählte I. Was fonnte er auch anderes und 
befferes geben? Die Naffauifchen Archive reichten 
mit ihren Nachrichten nicht weiter, als bis ind 13te 
Sahrhundert, und von da an find die Tertorifchen 
Mittheilungen in den Hauptperfonen richtig und ihre 
Folge ift urfundlich wahr. Und mie fiehet eg mit 
unferen Forfchungen, die über diefes Jahrhundert 
binaus tiefer in die Vergangenheit find angejftellt 
worden, aus? Wie viele Stifts- und Klofterarchive 
haben feit Tertord Zeiten und ihre Urfundenfchäße 
mitgetheilt, und doch haben bie DVerfuche, den fali- 
fen Urfprung des Haufes zu beweifen, nicht viel 
vor jenen alten Stammfagen voraus. Beide fliehen 
als unbegründet da. Textor erzählte Sagen, bie 
fidy nicht mehr nachweisen laffen, und hier find hy— 
yothetifch-Eritifche Unterfuchungen, die ihres Zwedeg, 
des Treffenden im Beweife, verfehlten. Halten wir 
alfo unferen alten Chroniffcjreiber in Ehren, Er 





4) Der erfte Grund, den der Profeffor und Snipestor 3. J. 
Hermannus in Herborn 1613 für die Naflauifhe Abkunft 
von Mafua beibringt, ift: contrarium doceri non potest, 
Welche Bhantafiegemälde ließen fid) auf dieſe Weife nicht 
alle ın der Gefhichte unterbringen, 


269 


folgte dem Zuge feiner Zeit, und hing mit Wärme 

an feinem Vaterlande und feinem Negentenftamme. 

Diefer Patriotismus fpricht fi) auf jedem Blatte 

jeines Buches aus. 

6) Obrigkeit, Richter und Hofleut, Spiegel. Frank 
furt 1618. 12. 

7) Arbor genealogica familiae Nassovicae, Fran- 
cof. 1625. fol. pat. 


Das Bildnif von Tertor in Del, auf Holz gemahlt, 
hing fonft auf der academifchen Bibliothek in Herborn, 
Es ift aber jeßt nicht mehr aufzufinden, font wirde es 
diefem Hefte lithographirt zugegeben worden feyn. 




















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14 


V. 


Anlagen. 


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I. 
Verzeichniß 


der 


auslaͤndiſchen Ehrenmitglieder des Vereins 
für Naſſauiſche Alterthumskunde und Gecſchichts— 


forſchung. 


1. Herr von Abrahamſon, Koͤnigl. Daͤniſcher Major u. 


en» 


Flügeladjutant Sr. Maj. d. Koͤn, Ritter d. Daır 
nebrog-Drdens u. Dannebrogmann, d. K. Nuff. St. 
Annen-Drdens Ar. Kl., d. Kön. Großbritt. Bad-Ord,, 
des Kon. Franz. Ordens der Ehrenlegion u. des Koͤn. 
Schwed. Schwerdt-Drdeng Nitter in Kopenhagent. 
von Anftett, Freiherr, Kat. Ruffifcher wirft, 
geh. Rath, außerordentlicher Gefandter und bevoll- 
mächtigter Minijter beim deutfchen Bunde, des 
Ruſſiſch. St. Mer. Newsky-Ordens mit Brillan- 
ten, des St. Wladim.Ordens 2r. Klaffe Großkreuz, 
des St. Annenz, des Dejir. Leopolts, des Preuß; 
rothen Adler auch verfchiedener anderer Orden 
Großfreuz und Ritter, zu Frankfurt a. M. 
Barth, Königlich Baierifcher Finanzminiſterial⸗ 
rath in München. 
Dr. Böttiger, Kön. Saͤchſ. Hofrath in Dresben. 
Dr.Buchner, Kön. Baier. Profeffor zu München. 
von Büchler, Großh. Bad. Legationsrath, des 
Zähringer Löwen und Kaiferlich Nuffifchen St. 
Annen-Drdens Ir. Klaffe Ritter zu Mainz. 
Dr, Braun, Großberzoglicd, Heffifcher Profeffor 
am Gymnafium zu Mainz, 

18 


271 


8. Herr Dr. Creuzer, Großherzoglich Badischer Geheimer 


14. 


16. 


17. 


- 


Hofrath und Profefjor zu Heidelberg. 

Dahl, Gropberzoglich Heffifcher Kirchen- und 
Schulrath, und Stadtpfarrer zu Darmſtadt. 
Dr. Dieffenbach, Großherzoglid; Heffifcher 
Profeffor zu Friedberg. 

Dr. Dümge, Großherzoglich Badifcher General- 
Pandes-Archivrath zu Carlgrube. 

Dr. Eihftädt, Großh. Sach. Geheimer Hofrath, 
Oberbibliothekar u. Profeffor, Nitter des Großh. 
Saͤchſ. weißen Falfenordens zu Sena. 

Dr. Emele, Großherzoglich Heffifcher Friedens» 
richter zu Alzei. 

von Goͤthe, Großherzoglich Sachſen-Weimariſcher 
Geheimerath und Staats-Miniſter Excellenz, des 
Großberzoglichen Hausordens vom wejßen Falken 
Großfreuz, Ritter des Ruſſiſch Kaiferlichen St. 
Annen⸗Ordens ir. Klaffe, Komthur des K. K. 
Deftreichifchen St. Leopold-Ordens und Dfftzier 
der Königl. Franz. Ehrenlegion zu Weimar. 
Grossmann, Profeffor zu Trier. 

von Hammer, K.F. Oeſtr. Hofrath und Biblio: 
thefar, Ritter des K. Oeſtr. Leopold⸗, des Ruſ— 
ſiſch Kaiferl. St. Annen-Ordens Ir. Klaffe, des 
K. Dänifchen Dannebrog, und Commandeur des 
Conſtant. St, Georg-Drdend von Parma zu Wien. 
Dr. Heeren, Königlich; Hanöverifcher Geheimer 
Hofrath, des Königlich Hanöverifchen Guelphen- 
Ordens Commandeur in Göttingen. 
Hofmann, Hofgerichts-Advofat zu Darmſtadt. 


275 


19. Herr Horrad, K. K. Deftr. Rechnungs -Dfftcial beim 


20. 


2% 


„ 


» 


deutfchen Bunde zu Frankfurt a. M. 

von Hormayr, Freiherr, Hofratbu. Bibliothefar, 
Ritter d. Kaiferl. Deftr. Leopold-Drd zu Miinchen. 
Dr, Zufti, Kurfürftl. Heffifcher Superintendent, 
Konfiftorialrath und Profeffor, Ritter des Kurb. 
Hausordens vom goldenen Löwen in Marburg. 
Kaifer, Gräfl. Erbach. Kammerrath in Erbad. 
Dr. Kiefhaber, Königl. Bairijcher wirklicher 
Rath, erfter Reichsarchivs-Adjunkt und Profeffor 
honor. in München. 

Dr. Kirchner, GSonfiftorialrath und Pfarrer in 
Franffurt a. M. 

Knapp, Großherzogl. Heffiicher Geheimeratb, 
des Großherzogl. Minifteriums des Innern und 
der Juſtiz Minifterialrath, des Großherzog! Ber- 
dienft-Ordend Sommandeur?r. Klaffe in Darmftadt, 
von Knopaͤus, Frſtl. Neuw. Archivrath i. Neuwied. 
vonKoeppen, K. Ruſſ. Hofrathin St. Petersburg, 
Dr. Kruſe, K. Ruf. Hofrath u. Prof. in Dorpat. 
Felir Lajard, Ritter der Ehrenlegion zu Paris. 
Dr, Lehne, Großberzogl. Heffifcher Profeffor 
und Bibliothefar in Mainz. 

Dr. Leicdhtlen, Großh. Bad. Archivrath i. Freiburg. 
Lepſius, Kön. Preuß. Landrath zu Naumburg. 
Dr. Liljegren, 8. Schwed. Prof. in Stodholm. 
Dr, Luden, Großh. Sächf. Geheimer Hofrath, 
Ritter des Großh. Saͤchſ. Hausordens vom weißen 
Falken u. Profeffor der Gefchichte in Jena. 

Dr, Mannert, Hofrath und Prof. in München. 


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41. 
42. 


276 


Here N. Muller, Großh. Heff. Profeffor in Mainz. 


” 


[74 


Dr. Mund), Kön. Niederl. Profeffor zu Lüttich. 
Dr. Münter, Bifchof v. Seeland, Großkreuz d. 
Dannebrog-Drdens, Dannebrogmann, und Biſchof 
der fönigl. Orden zu Kopenhagen. 

von Nagler, K. Preuß Gen. Poſtmeiſter, außerord. 
Geſ. u. bev. Miniſter b. deutſchen Bunde, Großkreuz 
d. rothen Adler-Drd. m. Eichenlaub, ſowie d. Kaiſ. 
Deſtr. Leopold-Ord., d. K. Ruſſ. St. Annen⸗Ord. 
m. Brillanten, d. K. Schwed. Nordſtern⸗Ord. u. d. 
K. Poln. Stanislaus-⸗Ordens. 

von Nau, Geheimerrath, des Civil-Verdienſt— 
Ordens der bairiſchen Krone, des Kaiſerl. Ruſſi— 
ſchen St. Annen-Ordens Ir Klaſſe und des Kai: 
ſerl. Oeſtreichiſchen Leopold-Ordens Ritter. 

Dr. Nebel, Großh. Heſſiſcher Profeſſor zu Gieſen. 
Preusker, K. Saͤchſ. Rentamtm. z. Großenhain. 
Dr. Rafn, Koͤnigl. Daͤniſcher Profeſſor und Ritter 
des Dannebrog-Drdens in Kopenhagen. 

Dr. von Rommel, Kurfuͤrſtl. Heffifcher Director 
der Bibliothek, des Mufeums und Staats-Archivs 
zu Gaffel. 

von Rotted, Großherzogl. Badiſcher Hofrath 
und Profeffor zu Freiburg. 

Dr, Eduard Rüppel zu Frankfurt a. M. 

Dr. Schaab, Großh. Heff. Kreisrichter zu Mainz. 
Scleiermader, Großherzogl. Heffifher Ge 
beimer Gabinetsfecretär zu Darmftadt. 
Schmelzer, Geheimerrath in Halle. 

Dr, Schmidt, Großh. Heffifcher geiftl. Geheimer⸗ 


277 


rath und Hiftoriograpb, des Großherzogl. Berdienft: 
Drdens Commandeur zu Gieſen. 


51. Herr A. Schreiber, Großherzogl. Badischer Hofrath 


und Hiſtoriograph zu Baden-Baben. 

Dr. Schreiber, Großh.Bad.Profeffor infreiburg. 
Dr. Schuͤtz, Geheimer Hofrath in Halle, 
Schweighäufer, Profeffor und Bibliothekar in 
Straßburg, 


55. Seine Hochfürftliche Durcjlaucht, Prinz Ferdinand 


von Heffen-Homburg, K. K. Deftreichifcher Gene 
ral-Major und Brigadier, des Marien-Therefienz, 
St. Stephans⸗, Guelphen: und Heffifchen Loͤwen⸗ 
Drdens Ritter und Commandeur ꝛc zu Homburg. 


56. Herr Steiner, Großh. Heff. Hofrath zu Seligenftadt. 


97. 


58. 


39 
60. 


61. 
62. 


63. 


rn 


” 


von Steinbüdel, K. K. Deftr. Director des 
Antifen- und Münz-Cabinets zu Wien. 

von Stichaner, Königl. Baierifcher Staatsrath, 
General⸗Commiſſaͤr und Negierungs-Präfident, 
Ercelfenz, Großfrenz des Civil-Verdienſt-Ordens 
der Baierifchen Krone, Command. der Königl. 
Franz. Ehrenlegion zu Speier, 

N. Vogt, Senator u Geheimerrath z. Frankf. a. M. 
Dr. Welcker, K. Preuß. Oberbibliothekar, Direcs 
tor des Antifen-Gabinets und Profeffor in Bonıt. 
Dr. 4. Wilhelm, zu Kiofter Roßleben bei Halte, 
Dr. Wilken, Konigl. Preußiſcher Oberbiblios 
thefar und Profefjor zu Berlin. 

Dr. Wyttenbach, Königl. Preufifcher Profeſſor 
und Director deg Gymnaſiums, Stadtbiblivthefar, 
und Ritter des rothen Adler-Drdend in Trier. 





278 


ll. 


Nrotofoll 
der fünften Oeneralverfammlung des Vereins für 
Naſſauiſche Alterthumskunde und Geſchichtsforſchung. 


Sn Gegenwart der beiden Direc— 
toren, ſowie der übrigen Mitglieder 
des Vorſtandes, ſodann mehrerer hie— 
ſigen und auswärtigen Mitglieder des 
Vereins. 


Wiesbaden, den W. Mai 1827. 


Nachdem der Vorſtand des Vereins für Naffauifche 
Alterthumskunde und Gefchichteforfchung, auf heute den 
Namenstag feines gnädigften Protector Seiner Herzog 
lihen Durdhlaudt zu Naffau, die fünfte ordentliche 
Generalverfammlung in dem hergebrachten Wege, zur allge 
meinen Kenntniß gebracht hatte, verſammelten fich die 
anmwefenden Bereinsglieder in dem Mufeum. 

Dom Borftand hatten ſich der Herr Geheime-Rath 
und Oberftallmeifter Freiherr von Dungern Ercellenz, 
und der Herr Ober-Medicinal-Rath Döring wegen noth— 
wendiger Abwefenheit entfchuldigt. 

Der inländifche Director, Herr General-Domänen: 
Director von Roͤßler, eröffnete die Sitzung durch Dars 
ftellung vdeffen, was im Laufe des jüngften Jahres im 
Vereine vorgegangen war, mit folgenden Worten: 

„Der Berein für Naffauifche Alterthumsfunde und 
Gefchichtsforfchung hält heute feine fünfte Generalver- 
fammlung. Es ift wefentlicher Zwed der jährlichen Ge 
neralverfammlung, daß die verehrten Mitglieder Deo 


279 


Vereins, welche denfelben mit ihren Arbeiten und Geld» 
beiträgen unterftügen, von allem dem in vollftändige 
Kenntniß gefest werden, was in dem abgelaufenen Jahr 
gefchehen ift. — Die Attribute des Vorſtandes koͤnnen, 
der Natur der Sache nad), nur wenigen Händen anvers 
traut feyn: aber die Kenntniß von dem Gang und der 
Lage der Vereins-Verhandlungen muß allgemein bleiben. 
Nur durch die Anregung und Erhaltung einer allgemeinen 
Theilnahme werden die Zwede des Vereins gefördert. — 
Ein jedes Prärogativ, das die Mitglieder des Vorſtandes 
ſich beizulegen verfuchen Fonnten, und wodurch die Def 
fentlichfeit, und damit Zutrauen und die allgemeine Theil» 
nahme gefährdet würden, müßte flörend auf die allge 
meine Zufriedenheit, auf den Fortbeftand ded Vereins 
felbft einwirken. 


Sch will daher in diefem Sahresbericht abermals ver 
fuchen, denjenigen verehrten Mitgliedern des Vereins, 
welche den Vorſtands-Sitzungen nicht beiwohnen, eine 
möglichft getreue Darftellung von dem zu geben, was feit 
der jüngften Generalverfanmlung vorgefommen ift. 


Sch glaube nicht oft genug wiederholen zu koͤnnen, 
daß man von einem Verein, wie der unſerige it, Feine 
ſchnelle Entwicelung, Feine überrafchende Reſultate erwar— 
ten darf. Die Zahl der Männer, denen es vergönnt iſt, 
durch wifjenfchaftliche Arbeiten das Feld unferer Erfab: 
rungen zu erweitern, bleibt, der Natur der Sache nad), 
Hein: und da fie ihre Kräfte und Entdefungen ohne allen 
Bortheil dem Verein zum Opfer bringen, fo muß ihnen 
die erforderliche Muſe vergönnt werden, und Eimwirkungen 


280 


wodurch vordere Aufgaben zur Vollendung gebracht wer; 
den, finden bier feinen Platz. 

Es ift nothwendig, daß der Verein jede, wenn auch 
geringe Anftrengung, jede Mittheilung, jeden Beitrag 
dankbar annehme, weil Andere nicht vorhanden find, welche 
durch größere Aufopferungen jene yartielle Mitwirkung 
weniger verdienftlich oder nüslich machen. Sch wünfche 
fehr, daß diefe Anfichten überall verbreitet werden möd)- 
ten, damit neue Vorliebe und geftärfter Muth in unferen 
Kreis zurückkehren. — Am meilten darf man fich in dieſer 
Hinficht von dem Drud unferer Annalen verfprechen: die 
verehrten Mitglieder werden darin finden, wie forgfältig 
alle Körner aus den zerftreuten Mittheilungen aufgefams 
melt find, — um bisher Angenonmenes zu berichtigen, 
neuen Stoff zu weiteren Nachforjchungen zu gebeı. 

Indem ich zu dem Einzelnen übergehe, bemerfe ich: 
die Zahl der aktiven Mitglieder des Vereins ift feit der 
zungften Generalverfammlung diefelbe geblieben: an die 
Stelle mehrerer ausgetretenen Mitglieder find Andere, 
ihrem Wunſch und den Zwecken des Vereind gemäß, aufs 
genommen worden, jo daß der Verein heute noch 134 
aktive Mitglieder zählt. 

E3 haben nämlich im Laufe des Jahres ihren Aug: 
tritt angezeigt: 

Herr Rechnungsrath Lex, 

„ Pfarrer VBietor, in Singhofen. 

Turd; den Tod find der Gefellfehaft entriffen 
worden: 

Herr Decan Manger, in Langenfchwalbad), 

: Nechnung3-Cammer-Director Ebhardt. 


2831 


Leßterer war vier Jahre hindurch inlaͤndiſcher Direc— 
tor unferes Vereins für Naffauische Alterthumskunde und 
Sefchichtsforfchung. Das Andenken an den vielfeitig ge 
bildeten, um die Gefchichte von Wiesbaden, auch um die 
allgemeinen Zwecke unferes Vereins verdienten Mannes, 
wird ſtets Febhaft und ehrenvol bleiben. 

Aufgenommen wurden zu aktiven Mitgliedern: 

Herr Baron von Erath zu Waldmannshaufen, 

» Medicinalratl Kolb zu Hadamar, 
» Lieutenant Lange dahier, 
v» Amtsapothefer Ammann zu Runter. 

Die Zahl unferer auswärtigen Ehrenmitglieder ift 
immer noch gering: ich hoffe aber, Daß die Vorficht und 
Auswahl, welche von Geiten des Vorſtandes in diefer 
Beziehung bisher beobachtet worden ift, von Seiten 
der verehrten Bereinsmitglieder gebilligt werden. 

Die zum Vorſtand vereinten Mitglieder unferes Ver: 
eins haben ihr Amt zwei Sahre lang zu führen: da die 
legte Wahl in der jüungften General: Verfammlung ftatt 
gefunden hat; fo tritt erft mit der General-Berfammlung 
des Jahres 1828. Die Wahl eines neuen Borftandes ein. 

Grwähnen will ich bier, daß in Gemäsheit eines 
genommenen Bejchluffes, der Vorſtand ſich regelmäßig 
am erfien Montag eined jeden Quartals verfammelt. 
Außerordentliche Sikungen koͤnnen durch befondere Anzeigen 
veranlaßt werden. 

Sm Laufe des jüngften Jahres kat unjer Verein 
zwei auswärtige Verbindungen angefnüpft; nämlich mit 
Herrn Profeffor Dr. Rafn zu Kopenhagen, Secretär 
der Gefelffchaft für nordifche Alterthumsfunde. Die Geſell⸗ 


282 


haft für nordifche Alterthumsfunde fucht die Beruͤhrungs— 
puncte auf, welche die altgermanifche Literatur mit der 
altnordifchen hat, um dadurd) die Gefchichte und Sprache 
gegenfeitig zu erläutern. 

Die Aufgabe iſt allerdings höchft intereffant, und 
das darauf verwendete Studium wird nicht ohne 
Ausbeute bleiben. Es wäre daher fehr zu wünfchen, daß 
ſich ein Mitglied unferes Vereins demnächft entfchließen 
möchte, jenen Zweig zum Gegenftand feiner gefchichtlichen 
Forfchungen zu machen. 

Die andere auswärtige Verbindung hat fich mit der 
Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin etabliert. Die 
hiftorijch » philologifche Klaffe der Königlich Preußifchen 
Akademie der Wiffenfchaften hat nämlich für das Sahr 1828 
mit dem Ginreichungstermine 1830 die Preiß » Frage 
gefegt: 

» Eine neben der Benugung der Gefchichtsfchreiber 
„und Geographen, bejonders auf Sprade, Kunft 
„und andere Denfmale gegründete Mufterung der jetzt les 
„benden europäiichen Grbirgsvülfer, von der obern Wolga, 
„Duͤna, Dreyer an, zwifchen dem fihwarzen und baltis 
‚schen Meere, gegen Suͤdweſt bid zum adriatifchen, und 
„von diefem längs des nördlichen Po-Ufers zu den Oft 
„ufern der mittlern Nhone, Saonue und des mittlern 
„Rheins, zum Behuf einer Grundlage der Ethnographie 
„und Sprachenfarte von Europa. 

Der Borftand hat der Akademie zu Berlin geante 
wortet, daß diefe Preißfrage in der diesjährigen Generals 
Verſammlung zur allgemeinen Kenntniß der DVereinsmits 
glieder gebracht werden jolle. Indem ich mich dieſes Ber: 


283 


ſprechens im Namen des Vorftandes hierdurch entledige, 
beehre ich mich noch zu bemerfen, daß die näheren Bes 
dingungen jener Preißs Aufgabe aus den gedructen Aus— 
fehreiben, davon unfere Acten mehrere Eremplarien be 
fisen, entnommen werden koͤnnen. 

Enger an den Wirkungskreis unferes vaterländifchen 
Vereins fchließt fidy ein ehrenvoller Auftrag, welchen 
Seine Herzogl. Durchlaucht dem Herrn Hofrat) Weigel 
zu ertheilen gerubt haben: die Abfafjung einer vollftändts 
gen Gefchichte des Walramifchen Stammes unferes Höch 
ften Regentenhauſes. Wir Fonnen annehmen, daß die 
Mühe und das Talent, weldye der befonnte Verfaffer Dies 
fer Aufgabe widmen wird, ganz zum Vortheil des Ents 
zwecks gereichen, den unfer Verein fich gefest hat: und 
diefer zweite Beweis erinnert uns dankbar an die Auf 
merffamfeit und Unterſtuͤtzung, welche im vorigen Zabr 
unferen Nachforfchungen und Entdeckungen Hödjften Orts 
zu Theil geworden find. 

Don Seiten unferes Vereins felbft ift im Laufe des 
Jahres Folgendes gefchehen: 

Der Herr Pfarrer Brinfmann zu Michlen bat 
Ausgrabungen in der Nähe des Roͤmer-Caſtells zu Mas 
rienfeld vorgenommen. Dhnerachtet der Boden klaſſiſch 
it, und die Hoffnung, in ber Folge bejfere Spuren 
zur Aufklärung der alten Gefchichte diefer befannten Roͤ— 
meranfiedelung aufzufinden, nicht aufgegeben werden darf, 
hatte doch eben diefer Verfuch, den wir der Einleitung 
des Herrn Pfarrers Brinkmann verdanken, feinen be 
merfendwerthen Erfolg. 

Ein zweiter Punkt, auf den die Aufmerkſamkeit des 


284 


Vorſtandes geleitet worden, it die Dornburg bei Wald 
mannshaufen im Hadamar’fchen. Diefer ausgezeichnete 
Punft, wo bereitd viele Nefte aus der Römerzeit aufges 
funden worden wareır, foll durch die Bemuͤhungen des 
Herrn Medicinalraths Dr, Kolb und der übrigen Vereins⸗ 
Mitglieder in dafiger Gegend, näher verfolgt, und nach 
Denkmalen aus der Zeit feiner erſten Gefchichte geforfcht 
werden. — 

Befriedigenden Erfolg haben die Arbeiten geliefert, welche 
unter der Direction des Herrn Pfarrerd und Borftands- 
Mitglieds Luja bier in der Nähe auf einem hohen Punkt 
des Hollerborn-Felded vorgenommen worden find. Da 
Herr Pfarrer Luja dem Refultat diefer Nachforfchung 
einen befondern Vortrag widmen wird; fo übergehe ich 
bier dad Einzelne, 

Ganz durfte der Vorftand das berühmte Feld von 
Heddernheim nicht außer Acht Iaffen: wenn gleich der 
fchon darauf verwendete Aufwand bedeutend iſt; fo war 
doc) die Ausbeute deſto reicher: und auch jest wieder ift 
die Mühe des Vorſtands⸗Mitglieds Herrn Habel nicht 
unbelohnt gebiichen. Wir haben abermals intereffante 
Münzen und Alterthümer fir das Mufeum erworben. 
Herr Habel wird ausführlicher davon reden. 

Auch nach ſchriftlichen Dokumenten zur Aufklärung 
der älteften Gefchichte des Landes bat der Bereing-Vorftand 
geforſcht. Rachdem das Archiv zu Idſtein in diefer Be 
ziehung zu Nath gezogen worden, hat man geglaubt, in 
dem alten Familien-Archiv der ausgeftorbenen Herrn von 
Dehrn intereffante Nachrichten auffinden zu Fünnen. — 
Der Vorſtand fiehet dem Erfolg feiner desfallfigen Ein> 


8 
—9 


leitung noch entgegen: ſicherer aber glaubt derſelbe, durch 
die Bemühungen des Herrn Decand Melior zu Mensfel— 
den, ganz vorzügliche Beiträge zur aͤlteſten Gefchichte des 
Lahngaues bald der Publicirät übergeben zu fünnen. 

Geſchenke verdanft der Verein im Yaufe des Jahres 
dem Herrn Medicinalvath Dr. Kolb, dem Herrn Probator 
Hohle; Erſterer überfchiefte auf der Dornburg aufgefuns 
dene Gefäße, Lebterer übergab alte Silber und Kupfer— 
Münzen. Bon Seiten des Herrn Kirchenraths Schellens 
berg iſt noch ein ſchaͤtzbares Gefchenf, eine antife gläferne 
Urne vom Fuße des Donnersbergs, zu erwarten, 

Herzogliche Yandesregierung hat den Bericht über Altere 
Nachgrabungen anf dem Nömerberg dahier zum Vereing- 
Archiv abgegeben. 

Herr Profeſſor und Bibliothefar Schweighaͤußer 
zu Straßburg, überichikte dem Vereine einen topograrbı- 
fchen Plan der Heidenmauer auf dem St. Odilenberg in 
den Vogeſen mit einer intereffanten Abhandlung. — 

Es bleibt mir jest noch übrig, die Ueberſicht von 
dem Stand der Vereing-Gaffe zu geben. 

Herr Bibliotheffecretär Zimmermann, Mitglied des 
Vorſtands, hat unterm 25. v. M. die vierte Rechnung 
übergeben. Sie umfaßt die Einnahme und Ausgabe bis 
zu dieſem Tag. 

Die Einnahme ift: 
Activ⸗Saldo aus voriger Nehnung 22 fl. 24 Mr, 
Beiträge von den activen Mitglie: 
dern . . - Ä Ihr — 


Summe 755 fl. 34 kr. 


286 


Uebertrag 758 fl. 34 kr. 

Ständig aus dent Bibliotheffondse 100» — 
Geſchenk Seiner Herzoglichen Durch: 

laucht . SIBLr ne . SO mr — u 


Summe 1158 fl. SE fl. 
Die Ausgabe-Rubrifen find: 

Ankauf von Alterthümern, Münzen 
und Urkunden . A ; 0.3334 la tr 

Aufftellung und Transport ic. derAl⸗ 
terthuͤmer. SL zer ... 208 au 9 
Trausportfoften . . u Dre 
Fur Ausgrabungen RE 299 » 56 ” 

Kanzle-Bedürfniffe, Bedienung, Sehr 
gebühren, inerigibele Polen - 79» 7 m 





Summe 1018 fl. 56 fr. 

Es bleibt daher ein Activ-Saldo von 139 fl. 38 ir) 
welcher liquidirt wird. 

Indem ich den Antrag auch für diefes Fahr erneitere, 
die Zuftiftcatur diefer hier zur allgemeinen Einficht offen 
liegenden Rechnung, wie bisher, dem eintretenden Bors 
fand zu überlaffen, indem die Verhandlungen wegen Abs 
hör der Rechnung von Seiten Herzoglicher Nechnungs- 
Sammer nody nicht gefchloffen find, mache ich auf dag 
Beduͤrfniß neuer Beiträge aufmerffam, und glaube der 
Beiſtimmung der verehrten anweſenden Vereins⸗Mitglieder, 
daß im Laufe des Jahres abermals der gewöhnliche Beis 
trag angefordert werden möge, verfichert zu ſeyn. 

Darauf hielt der auswärtige Director, Herr Geheime 
Math von Gerning folgende Rede: von den bisherigen 


287 


Leiftungen des Vereins im Allgemeinen, und feiner nod) 
fernern beabfichtigten Mitwirkung zu deſſen Zwecken. 

„Wenn wir an diefem foftlichen, dem Ins und Aus— 
ande hochverehrten, Wilhelm 8sTage zum fünften Male 
verfammelt find, und nicht mit fo reichlicher Ausbeute, 
wie vorn Sabre, die Löbliche Gefellfchaft erfreuen koͤn— 
nen; fo wird wohl diefes Luſtrum, durch die neue Ent 
defung von Nömifch-Mattiakischen Gräbern und Gebäuden 
bei Dotzheim, und den vor vier Wochen bet furzem Ver— 
weilen zu Heddernheim ausgegrabenen Merkur-Altarſtein, 
wie durch bald weitere Forſchungen nicht ungenugt vor 
uͤbergehen. 

Die nun mit dem 1. Hefte naͤchſtens erſcheinenden 
Annalen des Vereins, werden ohne Zweifel in der Folge 
ſteigendes Intereſſe gewaͤhren; beſonders auch durch 
edle Theilnahme unſerer verehrten Nachbarn und, ans 
derer verdienftvollen, auswärtigen Mitglieder, die nicht 
blos Leere neidifche Tadler des Guten find, aber das 
Beſſermachen verfiehen, wie 3. B. unfer fo geift- und 
kenntnißreicher, als gemüthvoller und redlicher Lehne. 

Verzweifeln wir aljo nicht am Gelingen des einmal 
begonnenen Werkes, das bedachtfam und mit fichernt 
Schritte fein vaterlaͤndiſches Ziel zu erreichen ſtrebt. 

Hat es doch niemals in den Alt-Naffanifchen Fürs 
ſtenthuͤmern an trefflichen Männern gefehlt, deren Ver— 
dienfte wie zu Haufe und in manchen Familien forterbend 
bliebeit. 

In dem erweiterten Herzoglichen Staate wurden jie 
dann mit rühmlichen Neu⸗Naſſauern vermehrt, wovon ſich 


288 


ſchon Ein würdiger Edelſproß um das Mufeum ded Vers 
eins durch em großes Geſchenk bodjverdient machte. 

Indem wir nun die noch verborgenen Trümmer und 
Schäte des unterirdischen Herzogthums allmählig durdy: 
forjchen, werden dabei zugleich mancherlei Denkmäler vers 
gangener Jahrhunderte, Beweife der Sitten und Gebräus 
be, Kun, Wiffenichaft und Religionen verfchwundener 
Voͤlker, ald achtbare Beiträge zur alten und neuen Gul- 
tur» und Landes-Geſchichte dieſes Elafjischen Bodens zu 
Tage gefördert; nicht unwillfommen den prüfenden Hiſto— 
riographen, um ihre gediegenen Werfe damit auszuftatten. 
Beffere Nachkommen mögen dieſes von uns, in anfpruch- 
loſer Zuverficht gegrimdete Inftitut, bedentfamer ausbilden. 

Bis dahin fpende nur jedes verehrlihe Mitglied 
feine Gabe, nicht blos im flatutenmäßigen jährlichen 
Geldbeitrage, fondern auch in Bemerfungen und Anzeigen 
über fo manche Gegenjtinde, die zu diefem Bereine ge 
hören, über deſſen Zweckloſigkeit bald nicht mehr einfeitig 
abgeurtheilt werden mögte. 

Lange befpöttelte mu das Heddernheimer Gegrabe, 
bi8 die Mithbras-Temxel warnend aus der Erde 
ftiegen. Sa! diefes Vompeji enthält nody mehr ver- 
ſchuͤttete Schäße des Alterthums, auch gewiß noch den 
Namen des Gruͤnders jener Beteranen-Colonie, woraus 
dann eine Stadt geworden iſt. Diefer antike Bezirk darf 
alio Fein Jahr außer Acht gelaffen werden, und bleibt 
eine wichtige Fundgrube für unfern Berein. Seit 50 
Jahren ſchmuͤckten Schon das Dresdner Mufeum bedeutende 
Gegenjtände von daher, mit der Ueberfchrift: »Ex agro 
Praunheimensi,« 


289 


Was bereits in 4 Jahren bier gefchab, ift wenigſtens 
einer billigen Anerkennung nicht unwerth, welche 
die Mühen und Forfchungen raftlofer Mitglieder des Bors 
ftandes edel belohnen würde, 

Unfer fräftig genug ind Leben getretener Verein dürfte 
nun weiter einige, ſchon darauf wartende, mit fhhäsbaren 
Beiträgen wohl nicht fehlende, auswärtige Freunde 
der Alterthums⸗ und Gefchichtefunde als Ehren-Mitglies 
der aufnehmen. f 

Der auswärtige Director Eönnte fodann folchen, bie 
eine Freunde find, die Diplome frei übermachen, und feis 
nem inländifchen Herrn Collegen das Geſchehene berichtem, 

Jener gedenft im nächften Sulı von Ems aus, 
Marienfels zu befuchen, um die davon feit 1811 ges 
begten Erwartungen wiederholt an Ort und Stelle zu 
prüfen. — Vergoͤnnen es ihm Gefundheit, Wetter und 
Umftände, fo will er, noch in diefem Sommer, ben 
Pfahlgraben von Ems bis Holland, und im naͤch— 
‚fen Sahr, von der Saalburg bis an die Donau, 
forgfam forfchend, auf feine Koften, allein oder in 
guter Begleitung, durchwandern, che noch der antife Noft 
feine fterbliche Hille weiter uͤberzieht.“ 

An der dritten Stelle verlas dad Ehrenmitglied, 
Herr Bibliothefar Dr. Lehne von Mainz, eine Abhandlung 
über die Namen, Zahl und Standorte der römischen 
Legionen. 

Hierauf gab das Vorftands-Mitglied, Herr Pfarrer 
Luja, ausführliche Nachricht von den Ausgrabungen, welche 
er auf einer Feldhöhe zwifchen Wiesbaden und Dotzheim, 
in der Nähe ber Holzftraße geleitet hatte, und wodurch 

19 


230 


eine römifche Anfiedelung von ihm entdeckt worden war, 
Die ausgegrabenen Gegenjtände, welche ſaͤmmtlich den 
römischen Urfprung beurfunden, waren nach Glaffen in 
einzelnen Heinen Verfchlägen gefammelt, und durch Auf: 
fchriften erläutert. — Der Vortrag felbft, welcher zu den 
Vereinsacten nachgeliefert werden foll, verbreitete ſich 
zuerft über den Zweck folcher Forſchungen im Allgemei— 
nen, und ging ſodann zur Bejchreibung und Erklärung 
des Aufgefundenen über. 

Herr Habel, Mitglied des Vorſtands, gab der Ge: 
fellfchaft Einficht von den erjten Druckbogen und Zeid)- 
nungen zu den von ihm rvedigirten Annalen des Bereind, 

Nachdem noch die anweſenden Vereins-Mitglieder 
in Gemaͤßheit des im Eingang erwaͤhnten Jahresberichts 
des inlaͤndiſchen Directors die Einforderung der gewoͤhnli— 
chen Jahres-⸗Beitraͤge beſchloſſen hatten, wurde die Sitzung 
aufgehoben. 


III. 


Protokoll 
der ſechſten Generalverſammlung des Vereins. 


Wiesbaden, den 28. Mai 1828. 

Nachdem der Vorſtand des Vereins fuͤr Naſſauiſche 
Alterthumskunde und Geſchichtsforſchung auf heute, den Na— 
menstag ſeines gnaͤdigſten Protectors, Seiner Herzogli— 
hen Durchlaucht zu Naſſau, die ſechſte ordentliche 
Generalverſammlung in dem hergebrachten Weg zur allge— 


291 


meinen Kenntniß gebracht hatte, verſammelten fich die 
anweſenden DVereinsmitglieder in dem Muſeum. Vom 
Vorſtand hatten fich der Herr Oberbauratd Zengerle und 
der Herr Obermedicinalrath Dr. Döring wegen Abwefen: 
beit im Dienfte entjchuldigt. 

Der inländifche Director, Herr General-Domänens 
Director von Roͤßler eröffnete die Sikung mit Verlefung 
folgender Darftellung deffen, was im Laufe des jüngften 
Jahres im Vereine vorgegangen war. 

Bevor ich als inländifcher Director den Jahres⸗ 
Bericht erjtatte, hebe ich nur Einen Gejichtsyunft hervor, 
der allen Alterthums-Vereinen gemein it, ber ihnen 
ſaͤmmtlich eine höhere Bedeutung giebt. Das Studium 
des Alterthums iſt wicht in fich gefchloffen: neue Ent 
deefungen und Aufflärumgen in der Alterthumskunde haben 
einen weiter wirfenden Werth: das Alles erbält erft in 
der Bergleichung mit der Gegenwart fein hohes 
Ssntereffe. — Das Studium der Altertbumsfunde beförs 
dert und erhoͤhet die Zufriedenheit mit der Gegenwart. 
Wen die Gegenwart nicht genug it, wer fich nicht 
freuet über den hoben Culturſtand unſeres Vaterlandes, 
über allgemein verbreitete Bildung und Wiſſenſchaft, uber 
Öffentliche Freiheit und Wohlfahrt: der blicke in die Vor— 
zeit, in die Urwaͤlder unferer Väter, auf ihre Sitten 
und Gebräuche, auf ihre Kindheit im jeglicher Kunſt: er 
bliefe auf die rohe Gewalt, die Unficherheit, die Leibeigen— 
fchaft des Mittelalters: er wird mut der Gegenwart ver 
ſoͤhnt ſeyn. 

Mit Unrecht hat man Maͤnner, die ſich der Alter— 
thumskunde widmen, einer Einſeitigkeit beſchuldigt, mit 


292 


Unrecht nannte man ihre Arbeiten werthlos und unprak— 
tiſch. — Nein! wer das Alterthum aufflärt, der verfchafft 
auch neue Vergleichungspunfte für die Gegenwart, neuen 
Stoff zur Zufriedenheit: er verdient unfer dankbares Ans 
erkenntniß. 

Doch die hohen Eigenſchaften des Geiſtes, die ſeine 
höhere Abſtammung beurkunden, feine Beſtimmung andeu— 
ten, jene hohen Eigenſchaften finden ſich durch alle Zeiten, 
in jeglichem Culturſtand. Sie zu verfolgen, aus dem 
Aeußeren und Zufaͤlligen immer wieder den Menſchen in 
ſeiner beſſeren Geiſteskraft aufzufinden, das iſt die zweite 
hohe Bedeutung der Alterthumskunde. 

Lebte nicht in unſeren Urvaͤtern hoher Muth, Gei— 
ſtesgegenwart, Offenheit, Treue und Redlichkeit, auch ſie 
ahneten eine hoͤhere Abſtammung, eine hoͤhere Beſtim— 
mung. Wenn wir ihre Graͤber oͤffnen, zeugen ihre Sym— 
bole von dem Glauben an Menſchenwerth. — Die Ab— 
haͤngigkeit von einer hoͤheren Macht hat der Menſch nie 
verlaͤugnet, die Hoffnung auf eine Zukunft, die Furcht 
vor einer Wiedervergeltung haben ihn nie verlaſſen, unter 
welchen Sinnbildern, Gebraͤuchen, in welchem Culturſtand 
das Alles auch immerhin ſichtbar ward. 

Dieſe Wahrheiten zu verfolgen, die goͤttliche Abſtam— 
mung des Menſchen durch alle Zeiten zu beurkunden, die 
beſſeren Eigenſchaften des Geiſtes immer wieder aufzufin— 
den, in ihnen den Grund zu jeglicher Entwickelung nach— 
zuweiſen: das iſt die große Aufgabe der Alterthumskunde. 

Und wenn auch Wenigen unter uns vergoͤnnt iſt, 
an der Entwickelung dieſer Aufgabe ſelbſt thaͤtigen Antheil 
zu nehmen; ſo koͤnnen wir doch allgemein die beſſere 


293 


Bedeutung anerkennen, wir koͤnnen Alle die Sachen felbft 
in Schug nehmen, wir können durd; den Beifall, den 
wir zollen, wefentlich zum immer befferen Gedeihen des 
Ganzen mitwirken. 
Indem ich Ihnen, verehrtefte Anwefende! die Inters 
effen unfered Vereins durch diefe Furze Einleitung abermalg 
dringend ans Herz lege, gebe ich zu der gefchichtlichen 
Darftellung des Sahresberichts über, 
Die Zahl der activen Mitglieder des Vereins hat 
ſich in dem abgelaufenen Jahr nicht vermehrt: es find 
ausgetreten: 
Herr Oberforftratb Gentb, 
„ von Erath, zu Waldmannshanfen, 

. a Amtmann Freudenberg, zu Marienberg; 
„ Hofratb Bogler, zu Ems, 
» Pfarrvicar Grimm, zu Heftrich. 
Eingetreten find: 

Herr Landesdeputirter Adami, zu Hadamar, 
„Poſthalter Eberhard, zu Faulbach, 
» MedicinakAffiftent Doctor Zais, und 
» Mrchitect Zais dahier. 

Was der Borftand abfichtlich Tange verzögert bat, 
die Ernennung aller der Gelehrten des Auslandes, die 
unferem Verein zum Nutzen und zur Ehre gereichen, ift 
nunmehr vollzogen worden, Die Namen der Ehrenmits 
glieder waren theild von felbft angezeiat durch die Werke, 
welche Literatur, Kunft, Gefchichte und Alterthumswiſſen— 
ſchaft ihnen verdankt, theils find dabei die Anträge und 
Wünfche einzelner Mitglieder des Vorftandes und des 
Vereins beruͤckſichtigt worden, 


294 


An alle Ehrenmitglieder ift ein Gremplar bes 
erften Heftes der Annalen und der Statuten des Vereins 
mit dem Diplom überfchicft worden. inzelnen bat man 
auch eine lithbograpbirte Abbildung unferes Mithras-Bas- 
relief8 beigelegt, und fie befonders aufgefordert, darüber 
ihre Anficht und Meinung mitzutheilen. 

Wenn der Verein auch nur von dem größeren Theil 
der ernannten Ehrenmitglieder irgend einen litterarifchen 
Beitrag für feinen Zweck erhält; fo wird der Bortheil 
fchon fehr bedeutend feyn. 

Und wirklich darf ich die Verfammlung verfichern, 
daß die Gründung unfered Vereins für Naſſauiſche Alter 
thumskuude und Geſchichtsforſchung im Ausland mit bes 
fonderer Theilnahme aufgenommen worden ift, daß fehon 
viele Gelchrte des Auslandes fich beeifert haben, diefe 
Theilnahme durch Ueberfendung von eigenen Arbeiten zu 
beurfunden. 

Der BVorftand hat in diefer regen Theilnahme des 
Auslandes eine befondere Belohnung erblidt, eine Ent: 
ſchaͤdigung und Genugthuung für alle die Hinderniffe, die 
er bisher zu überwinden hatte. 

Dad oben erwähnte erfie Heft der Annalen ift nums 
mehr auch in den Händen aller Mitglieder des Vereins. — 
Der Inhalt wird geprüft worden feyn. Wenn er nicht 
ohne Bedeutung ift, jo wird er doch ficherlich durch den 
reichen Stoff des zweiten Heftes, der fchon gefammelt 
und zum Druck bereitet ift, übertroffen. — Der Vorftand 
bat es zuträglicher fir die Vereins-Caſſe erachtet, Die 
Annalen auf eigene Rechnung druden zu laffen. Um 
einen gewilfen Abfat zu ſichern, hat die Herzogliche Lan— 


295 


des⸗Regierung bie Herren Schulinipectoren autorifirt, bie 
Annalen für Rechnung der Gemeinde-Gaffen anzufcaffen. 
Der Vorftand erwartet mit Vertrauen von ber Geneigts 
beit der Herren Schulinfpectoren zur Unterſtuͤtzung des 
vaterländifchen Werks den Vortheil, welchen die Herzogs 
liche Landes-Negierung unferer Unternehmung bat zuwen, 
den wollen. 

Sm abgelaufenen Zahr haben die Vorſtands⸗Sitzungen 
regelmäßig ftatt gehabt. Ein Furzer Auszug aus deu Be, 
rathungen mag bier an feinem Ort fteben. 

Der Borftand fest feine Bemühungen fort, durch die 
Permittelung des Herrn Defans Melior in Mengfelden 
in den Befis noch ungedrucdter Urfunden über die Ges 
chichte der Stadt und des Stiftd Limburg zu gelangen. 

Dem Herrn Pfarrer Vogel in Schönbach, der mit 
großer Sachfenntniß feine Kräfte der vaterländifchen Ges 
fchichte widmet, wurde im Namen ded Vereins für die 
Erläuterungen gedanft, mit denen er die Limburger Ehros 
nie neu edirt bat. 

Der Herr Pfarrer Steubing in Epyenrode bat eine 
Anzahl alt germanifcher Grabhigel öffnen laſſen, und 
darüber an den Vorftand berichtet, welcher dem Herrn 
Pfarrer den Dank des Vereins für feine Bemühungen 
ausgedruͤckt hat. 

Der Herr Medicinalratb Kolb ließ die dem Vorftand 
laͤngſt als intereffant bezeichnete Dornburg bei Hadamar 
unterfuchen, und leitete die Nachgrabungen. — Die Res 
fultate diefer Arbeiten find dem Vorſtand vorgelegt wors 
den, und beurfunden die Vorliebe und Sachkenntniß, wos 
mit ſich Herr Kolb der Sache unterzogen hat, — Ich 


296 


übergehe das Einzelne, da ihm ein befonderer Vortrag 
gewidmet ift. 

Um das reiche Feld von Hebdernheim nicht aus dem 
Auge zu laffen, hat der Vorftand, wegen der damit vers 
bundenen Kojten, folche Einleitungen getroffen, welche 
noch in diefem Sommer fortgefegte Nachgrabungen mög« 
lich machen werden. 

Um den Mitarbeitern an unferen Annalen eine billige 
Entichädigung zuzumenden, hat der Vorftand, nad) dem 
Beiſpiel anderer Vereine, ein Honorar von eilf Gulden 
für den Bogen beftiimmt. 

In unfere Sammlung find im Laufe des Jahres 
mehrere intereffante Stuͤcke gekommen. 

Herr Profeffor Sandberger zu Weilburg überfchickte 
mehrere Alterthiimer des Mittelalters, nebft einer inter 
ejfanten Granwaden-Berfteinerung aus der Umgebung von 
Herborn. 

Herr Zuftizrath Forft einen foffilen Zahn von einem 
vorweltlichen großen Landthier aus der Grandgrube bei 
Mosbach, einiges Glaswerk aus dem Mittelalter aus den 
Ruinen der Burg Sonnenberg. 

Durd) die Vermittelung des auswärtigen Directors, 
Herrn Gebeimenrathg von Gerning kam unfer Mufeum 
in den Befis jener befannten Bronzerfigur, Juno als 
Beſchuͤtzerin des Wegs nach dem alten Nidda vorftellend, 

Herr Habel erwarb für das Mufeum eine Zahl von 
Bronze und Silbermünzen aus dem Feld von Heddernheim. 

Herr Juſtizrath Hendel in Höchit überließ dem Mir 
feum einen intereffanten römifchen Votiv-Stein von einem 
Genturio der XIV. Legion, welcher in ber Nähe der neuen 


297 


Niedbruͤcke war andgegraben worden. Auch uͤberſchickte 
derſelbe ſpaͤter zwei ſilberne roͤmiſche Muͤnzen. 

Durch die Bemuͤhungen und Einleitungen des Herrn 
Juſtizraths Langsdorff in Wehen iſt das Muſeum jetzt im 
Beſitz des ſchon vielfach beſprochenen Herkulesbildes aus 
der Mauer der Kirche zu Bleidenſtadt, welches der daſige 
Kirchen-Vorftand dem Verein uͤberlaſſen bat. 

Scriftlihe Abhandlungen bat der Verein erhalten: 

von dem Herren Kirchenratb Dahl in Darmftadt eine 
Unterfuchung über die örtliche Xage der Mattiafen:Quchen ; 

von Herrn Profeffor Dr. Dieffenbach zu Friedberg, 
Bemerkungen, durch das erfte Heft der Annalen veranlaft; 

von Herrn Rath Dr. Kiefhaber zu München eine 
biftorifch-diplomatifche Abhandlung über den Waldedifchen 
Erbtbeilungsbrief vom Jahr 1170; 

von Herrn Dr. Rafı in Kopenhagen die Kortfegung 
der gedruckten Schriften des Nordiichen Vereins. 

Literariiche Verbindungen wurden im Laufe des Jah— 
red angeknuͤpft: 

mit dom Breisganer Verein für Gefchichte und Als 
terthum zu Freiburg, mit welchem aud) die Ehrendiplome 
wechfelfeitig ausgetaufcht worden find; 

mit dem um die Unterfuchung des Mithra-Cults body 
verdienten Herrn Felir Lajard in Paris. Lesterem verdankt 
der Verein die Mittheilung einer vorläufigen Abhandlung 
über das MithrassBasrelief in dem koͤniglichen Muſeum 
zu Paris, in welcher Abhandlung auch das Heddernbeis 
mer Mithräum ebrenvoll angekündigt wird. — Da erſteres 
zur Hauptzierde der Alterthums-Sammlung in Paris er 
klaͤrt iſt; ſo wird unſer Fund von Heddernheim, der weit 


298 


vollſtaͤndiger it, bald einen ausgezeichneten Namen unter 
den mithriſchen Monumenten des Altertbums erhalten. 

Was mun nod) das pecuniäre Intereſſe des Vereins 
betrifft; fo habe ich die Verfammlung davon in Kenntniß 
zu fegen, daß die Herzogliche Rechnungs-Cammer fich in 
den DBefig der Rechnungs-Juſtificatur unferer Vereins— 
Nechnungen gefegt hat. Wenn fchon diefe Oberaufficht 
auf eine fchonende, mit den DVerhältniffen vereinbarliche 
Weife ausgeübt wird; fo erblicke ich doch in diefer Neues 
rung eine höhere Bedeutung. Der Staat bat nunmehr 
doppelte Verpflichtungen übernommen, ein Inftitut, das 
fchon feiner Gründung nach, ihm angehört, dem er aber 
jeßt doppelt den Charafter der öffentlichen Staatd-Anftalt 
aufdruͤckt, nicht allein zu fchügen, fondern auch wefentlich 
durch nene Fonds zu unterftügen. Und daß ich mid; 
darin nicht irre, dafür buͤrgt mir die anerfannte Gonfes 
quenz aller unferer Regierungs-Verfuͤgungen. 

Für das nächfte Jahr it die Erhebung der gemwöhn- 
lichen Beiträge um fo nothwendiger geworden, da die 
Eremplare der Annalen an die Bereins-Mitglieder unents 
geldlich vertheilt worden find. 

Die zweijährige Wirkfamfeit des dermaligen Vorftans 
des hört mit der heutigen Generalverfammlung auf: den 
Statuten gewäß tritt die Integral-Erneuerung ein. Sch 
erfuche zu dem Ende die verehrten anmwefenden activen 
Mitglieder des Vereins, ihre Stimmen für den neu eins 
tretenden Vorfiand abgeben zu wollen. 

Die austretenden Mitglieder des Vorſtandes finden 
ihre Belohnung in der Betrachtung, Daß eine vor ficben 
Jahren mit Enthufiasmus begonnene Stiftung, troß der 


299 


Lauheit, die folchen Unternehmungen unausbleiblich auf 
dem Fuße folgt, jegt dennoch in einer haltbareren Bluͤthe 
emporftrebt, welche in der Wechjelwirfung gleichgefinnter 
confequenter Arbeiter ihren Stügßpunft gefunden bat. — 

Darauf hielt der auswärtige Director, Herr Geheime 
Rath von Gerning, eine Rede über die Fortfchritte des 
Inſtituts, von der gefchehenen und weiteren Aufnahme 
fremder Mitglieder und ihrer Theilnahme an den Annalen 
bed Vereins. 

An der dritten Stelle verlas das Ehrenmitglied, Herr 
Kirchenratd Dahl von Darmftadt, hiftor. Nachrichten vom 
ehemaligen Klofter und nachherigen Nitterftift zu Bleiden— 
jtadt, welche zu den Vereinsacten gefällig abgegeben wors 
den find *). 

Hierauf gab der Herr Kreisrichter Dr. Schaab cine 
gefchichtliche Darftellung der Berbreitung der Buchdruders 
funft im Rheingau durch die Mainzer Patrizierfamilie 
Bechtermuͤnze zu Eltville und die Kogelherren des Klojterd 
Marienthal. 

Herr Profeffor Dr. Braun in Mainz fprach über bie 
Geſichtsbedeckungen an Helmen und eine bei Mainz gefundene 
römifche Maske, wozu das DVorftandgmitglied Hr. Kabel 
einige Erläuterungen mittheilte. 

Dann ward verlefen der Bericht des Herrn Medici 
nalrath8 Dr. Kolb zu Hadamar uber die Unterjuchungen 
der Dornburg. 

Die Zeit geftattete dem Vorftandsmitglied, Herrn 





#) Die ſchätzbare Abhandlung wird im nächſten Hefte ber 
Annalen mitgeteilt werden. d. H. 


300 


Pfarrer Luja nicht, der Verfammfung die Mittheilungen 
aus ben Papieren des verftorbenen Inſpectors Krauß zu 
geben, welche derfelbe vorbereitet hatte. 

Nachdem hierauf die Stimmenzettel eröffnet wurden, 
ergab fich, daß folgende Vereinsmitglieder für zwei 
Sahre in den Vorftand gewählt worden waren: 

1. Herr General: Domänen» Director von Roͤßler zum 
inländischen Director , 

2, » SOberftallmeifter Freiherr von Dungern Ercellenz 
zum Vorſtand, 

3" Habel zum BVorftand, 

Rechnungs⸗Cammer⸗Director Hauth zum Bor 

fand, 

5. „ Pfarrer Luja zum Vorſtand, 

Oberbaurath Zengerle zum Vorſtand, 

„Bilbliothekſecretaͤr Zimmermann zum Vorſtand. 

Nachdem noch die anweſenden Vereinsmitglieder auf 
den Grund der vorher erwaͤhnten Darſtellung des 
inlaͤndiſchen Directors, die Einforderung der gewoͤhnlichen 
Jahres-⸗Beitraͤge beſchloſſen hatten, die eingelaufenen Ges 
ſchenke und Dankſagungs-Schreiben aber zu dem laufen— 
den Protokoll zuruͤckbehalten worden waren, wurde die 


Sitzung beſchloſſen. 


> 


9 


301 


IV. 


Protofolt 
der fiebenten Generalverfannlung des Vereins, 


Wiesbaden, den 4. Juni 18%, 


Nachdem der Vereins-Vorſtand die diesjährige Verle— 
gung ded Tages der Generalverfammlung, auf ven beus 
tigen, in dem bergebrachten Wege zur allgemeinen Kennt— 
niß der Mitglieder gebradyt hatte, indem diefe Abänderung 
durch das Einfallen eined Fefttages an dem font bierzu 
beftimnten 25. Mai, nothwendig geworden war; fo vers 
fammelten fich die anwefenden Mitglieder in den Zimmern 
des Landes-Muſeums. 

Von dem Vorſtand hatten der Herr Obermedicinalrath 
Dr. Döring und Herr Oberbauratb Zengerle ibre 
Abwefenheit mit Dienftgefchäften entfchuldigt. 


Der inländifche Director des Vereins, Herr General 
Domänens Director von Nöfler eröffnete die Sitzung 
durch eine umfaffende Darftchung deifen, was ſich im 
Jahreslaufe in den Außern und innern Beziehungen des 
Vereins bemerfenswerthes dargeboten hatte, mit folgenden 
Worten: 

Zum fiebenten Mal verfammelt Uns der Gahrestag 
unferes Vereins. Immer und aud) heute hat er zahlreiche 
Freunde des Inlandes, geſchaͤtzte Gönner des Auslandes 
zufammen geführt, Unfere Beftrebungen find nicht ohne 
Beifall geblieben. Was wir erforfchen, fpricht den Men— 


302 


ſchen in feinem Innern an. Es iſt nicht der Augenblid 
des Tages, der das Gemuͤth des denfenden Mannes er 
füllt: fein Geiſt fchweift in die Erinnerungen einer großen 
Vergangenbeit. Vor unferer Zukunft hänge ein dichter, 
geheimnißvoller Schleier: kein Tag beutet und den kom— 
menden an, Nur Vertrauen und Hoffnung geleiten uns 
zur ungewiffen Bahn alles Kuͤnftigen. Aber offen liegt 
vor und die Vergangenheit mit allen ihren Großthaten 
und Schwächen. Aus der Vergangenheit fihöpfen wir die 
Lehre der Weisheit: aus der Vergangenheit fchöpfen wir 
Zuverficht für die Zukunft. — So find alle Generationen 
vor ung im Glauben und in der Hoffnung ihrer Zufunft 
entgegen gegangen: ihre Schickſale find uns zum Leitſtern 
für unfere Zufunft geworden. Die Folgen ihrer Hands 
lungen liegen offen vor unferen Augen: was wir erreicht 
haben, wird die Zufunft beurtheilen. Wird fie die Bes 
harrlichkeit in unſerm Vorfag zu rühmen haben? Sch 
hoffe das mit Vertrauen. Wenn auch bier und dort die 
lebendige Theilnahme erfalter: immer wieder erfichen un— 
ferm Vereine neue Freunde, Die mit bewährtem Sinn 
unfere Forſchungen fortfegen, vermehren. Und fo darf 
ich auch an dem heutigen Jahrestag unſeres Vereins nur 
rühmen, daß er heute fefter daftehet, beifer begriffen wird, 
als am erfien Tag, wo uberwallender Enthufiasmus 
ihm, wie jedes Neue in's Daſeyn rief. Sch rechne darauf, 
daß die Zahl der Männer, die mit gediegener Arbeit auch 
das Äußere Anſehen zu erhalten wiffen, immer größer 
werden wird: ich weiß ed gewiß, daß die Liebe zum 
Vaterland, die ihn ſchuf, auch in ihm noch tiefere Wur— 
zeln fchlagen wird. — In dem Beftehenden, in dem 


303 


langen Beftehen Liegt ein tiefer Einn: feine Kraft wird 
auch zu unferm Verein hinziehen, wird feine innere Or— 
ganifation, feine Verzweigungen nad; Außen von Tag zu 
Tag befeftigen und erweitern. 

Als inkindifcher Director habe ich Ihnen, Hochgeehr— 
tefte Herren, in gedrängten Zügen den jegigen Zuftand 
unferer Gefellfchaft vorzutragen, aufzuzählen, was in dem 
abgelaufenen Sabre gefchehen, gefammelt worden ift. 

Die Zahl unferer Geldbeitragenden Mitglieder bat 
fidy verringert, und beträgt jeßt noch 121. 

Aufgenmmmen wurden der Herr Graf von Balder 
dorf zu Molsberg. 

Die Namen aller activen Mitglieder find in die bier 
aufgebängte alphabetische Tabelle eingetragen. 

Eine zweite Tabelle zeigt und die Namen von 63 
auswärtigen Ehrenmitglieder. — Ihr Zuſammenreihen 
wird jedem Kenner fogleich den Beweis liefern, daß ihre 
Ernennung mit reiflicher Auswahl gefchehen: einer ehrt 
den ander, und fie ſaͤmmtlich, welche unfere Patente 
mit Danf und Achtung empfangen haben, drücken einen 
gewichtigen Stempel auf die Aufgabe, deren Loͤſung unfer 
Vorſatz ift. 

Ja es gereicht dem Vorſtand zur Icbendigen Freude, 
bier öffentlich die DVerficherung zu erneuern, daß das Aus— 
land mit Beifall aufgenommen, was aus unferm Berein 
bis jegt hervorgegangen tft. 

Und wie jollte nicht fchon der Gedanke angeregt 
haben, daß «8 ja gerade ber hoch Flafjifche Boden tt, 
auf den wir den Verein gegründet haben, daß es das 
ſchoͤne und glückliche Land Naſſau ift, in dem wir Icben, 


304 


daß diefed der Schauplatz unferer Leiftungen ift. — Schon 
dieſer Gedanke ziehet den Fremden mit tief gefühlter 
Theilnabme an die befungenen Ufer des Altvaters Rhein, 

Der Vorſtand unferes Vereins, welcher ſtatutengemaͤß 
fein Amt fortfegt, bejtehet aus den auf der Tabelle eben: 
falls bezeichneten Mitgliedern. 

Herr Pfarrer Luja, dem wir manche tief gedachte, 
auch gemüthliche Forfchung und antiquarifche Gombination 
verdanken, war an der activen Theilnahme verhindert 
worden, jeßt aber ald Ehrenmitglied des Vorſtandes 
feine Arbeiten fort, 

Ein vorzüglicher Gewinn ift dem Verein durch die 
von Seiner Herzoglichen Durchlaucht verfügte Anftellung 
des Borftandsmitgliedes Herrn Habel zu Theil geworden, 
Als Gutsbefiger in Schierftein widmete er bisher fchon 
feine Muje unfern Zweden: als Archivar des neu gebil—⸗ 
deten biftorifchen Archivs feffeln Beruf und Dienftyflicht 
feine‘ Kräfte an die fchönften Zwecke unferes Bereing, 
ALS Redacteur und Mitarbeiter unjerer Annalen bat er 
fich die Öffentliche Anerkennung erworben: als Gonfervator 
unferer Mufcen, wird er ihre Zugänglichkeit und Nuͤtzlichkeit 
auch für den befuchenden Fremden erleichtern und erhöhen. 

Ueber den Inhalt unferer Annalen bat ſich ein fehr 
günftiges Urtheil gebildet. 

In dem Mitternachtsblatt vom 297. Februar biefes 
Jahres lefen wir: 

„Es ift in den Naffauifchen Landen ein Verein wii 
‚jenfchaftlich gebildeter Männer zufammengetreten, welcher 
„die Erforfchung und Sicherftellung der varerländifchen 
„Alterthuͤmer zum Zweck bat.“ 


305 


„Das vor und liegende Heft giebt und Kunde von 
„dem Erfolge der Beftrebungen dieſes von der Landes: 
„Regierung auf vielfache Weife begünftigten Inſtituts. 
„Die Statuten find hoͤchſt zweckmaͤßig entworfen und bes 
»rechtigen, fowie der reiche Inhalt des erjten Heftes dies 
fer Annalen, zu den fchönften Erwartungen. Mit Ders 
rgnügen haben wir die einzelnen Abhandlungen gelefen, 
„und der (S. 45.) mitgetheilte ausführliche Bericht über 
die aufgefundene Veteranen-Colonie Novus Vicus zwi— 
»fchen Hebdernheim und Praunheim bei Frankfurt a. M, 
vand über die dafelbft entdeckten merkwürdigen Mithras: 
vbilder, die zugleich mit den uͤbrigen Alterthuͤmern in dem 
rMufeum des Bereind zu Wiesbaden aufgeftellt worden, 
begründet in der That eine neue Epoche der archäologiz 
»fchen Wiffenfchaft in jenen, in der Römerzeit fo merk 
»würdigen Gegenden Großgermaniens am Fuße des 
rZaunug.u 

„Die beigefügten Steindrücde find vorzüglich; gearbel- 
tet, und jeder Freund der vaterländifchen Alterthums— 
„kunde wird in dieſem Hefte reiche Nahrung für feine 
rStudien finden.“ 

Die Abend-Zeitung vom 3. Januar d. J. fagt: 

„Unter den Alterthumsvereinen, die es im firdweftli- 
rchen Deutſchland mit einbeimifchen, wirflih an Ort und 
„Stelle ausgegrabenen, römifchen Altertbümern zu thun 
„haben, zeichneten fich unſers Dafuͤrhaltens durch feine 
vergebnißreiche Thätigkeit befonders der Verein für 
„Naſſauiſche Altertbumsfundeund Geſchichts— 
„forſchung aus. — Durch ihn ſind auch neuerlich die 
„bei Heddernheim 1826 ausgegrabenen Truͤmmer von 

20 


306 


»Mithrasgrotten und Einweihdenfmälern in fichere Auf: 
„bewahrung gebracht und auf 6 Steindrudtafeln in Um: 
‚riffen herausgegeben worden. Seine Thätigkeit beurfuntet 
„das erfte Heft feiner Annalen, worin die Abhandlung 
‚über die römijchen Nuinen bei Heddernheim von dem 
„gelehrten Herausgeber jener Annalen, F. ©. Habel in 
»Schyierftein, durch gründliche Widerlegung der Behaups 
tung, daß fie zu einem römifchen Gaftrum gehört hätten, 
„ſich befonderd auszeichnet. Hier ift reicher Stoff für 
„gründliche Forfchung vorhanden und eine erprobte Tüch- 
»tigkeit in den Mitgliedern. Ein Landes-Mufenm in 
Wiesbaden ift geftiftet und am Namenstage des Herzogs 
„wird das Stiftungsfeft durch eine General-Berfammlung 
„begangen, deren Protocolle von großer Thätigfeit zeigen.« 


Den Verfügungen Herzoglicher Landesregierung haben 
wir e8 zu verdanken, daß unjeren Annalen — deren 
zweite Fortſetzung bald den Druck verläßt — ein gewiffer 
Abſatz an die Schulen des Inlandes gefichert ift, der 
gewiß von Sahr zu Sahr fteigen wird, gerade weil die 
Abnahme fremillig ift, von dem Geifte des Abnehmers 
zeigt, der auch im Kleinen größere Zwede unterſtuͤtzt. 


Und fo ift denn unfer Caffen-Wefen in völliger Ord— 
nung: die 18987 Rechnung, deren piünftliche Fortführung 
wir der Bemühung des Vorſtandsmitglieds, Herrn Bir 
bliotheffeeretärs Zimmermann verdanfen, ift durch die 
ſachkundige Einwirfung des DVorftandsmitglieds, Herrn 
Nechnungs-Sammer-Directord Hauth, von Herzoglicher 
Nechnungs-Sammer bereits abgefchloffen. — Die anwefen» 
den verehrten Mitglieder find mit dem VBorftand ohne 


307 


Zweifel einverftanden, daß auch fir 1829 die gewöhnlichen 
Beiträge einzufordern ſeyen. 

Der Vorſtand hat im verfloffenen Jahr feine Sitzuu— 
gen regelmäßig gehalten: alles was an den Verein einläuft, 
was Davon ausgehet, kommt hier zum ordentlichen Vortrag. 

Auf folgende Gegenftände war im Laufe des Jahres 
die Aufmerffamfeit des Vorſtands vorzugsweife gerichtet, 

Das Herfulesbild ift aus der Kirche zu Bleidenftadt 
nunmehr wirklich herausgebrodyen und in das Mujeum 
gebracht worden. 

Der Kirchthurm zu Wellmich, welcher alte Urfunden 
und Nüftforten enihielt, ift durchfucht worden, der Herr 
Suftizratd Schapper erflattet darüber Bericht zur heuti— 
gen General-Berfammlung. 

Mehrere hundert Gulden wurden auf weitere Nady 
grabungen in Heddernheim verwendet. Die Ausbeute war 
abermals reich. Der Herr Archivar Habel hat fie bier 
anfgeftelit, und wird die Mühe Übernehmen, fie zu erläutern. 

Ueber Lage, Gefchichte nnd Bedeutung der alten 
Brabacher Mineralquelle bei Mengersfirchen find Erkun— 
digungen eingezogen worden. 

Die Grabhügel im Ruhehaag zwijchen Dotzheim und 
dem Chauffeehaus find vorläufig zu weiteren Nachfor— 
chungen bezeichnet worden. 

Durch die Bemühungen des Ehren-Vorſtands, Herrn 
Harrer Luja, bar das Mufeum aus deu Feldern bei 
Diedenbergen einen großen fleinernen Sarg erhalten, an 
deffen frühere Entdeckung fich eine beſondere gejchichtliche 
Tradition Enüpft. 

Römifche Basreliefs an der Suͤdſeite der Kirche in 


308 


Mosbach und an einem Brunnen zu Erbenbeim wurden 
der näheren Unterfuchung unterworfen, 

Weit wichtiger war die Entdeckung der fehr gut uns 
terhaltenen Fundamente einer großen römifchen Billa, 
einige hundert Schritte von dem Caſtrum bei Heddernheim, 
auf einer Tachenden Anhöhe, welche die Taunus, Mainz 
und Rheingegend dominirt. 

Des Herrn Oberſtallmeiſters, Freiherrn von Dungern 
Ercellenz und die uͤbrigen Vereins-Vorſtaͤnde, welche pers 
fonlich anwefend waren, Eonnten darüber ihre befondere 
Freude und den Danf gegen Herrn Archivar Habel nicht 
unterdrücen, welcher durch eine genaue Abzeichnung dies 
jes Schöne Monument der Folgezeit aufbewahrt hat. Unſere 
Annalen werden das Nähere mittheilen. Heute wird 
darüber und über die weiteren, oben erwähnten Nachforz 
chungen im Heddernheimer Feld felbft, der angebogene 
kurze Vorbericht des Herrn Archivars Habel verlefen. 

Ziefere Forfchungen unferes thätigen Vereinsmitglies 
des, des Herrn Pfarrers Vogel zu Schönbac machten 
den Borftand ganz befonders aufmerffam auf die alte 
Ruine, der Ring genannt, welche eine Anhöhe am Außes 
ven Ausgange des Wisperthales dominirt, und nach der 
Tradition, der Stammſitz des jetzt regierenden Haufes 
Naſſau ſeyn fol. — Herr Juſtizrath Schapper erftattet 
über diefe Ruine, die damit zufammenhängende alte 
Gefchichte und Tradition von dem jekigen Lipporn und 
der ehemaligen Abtei Schönau, ebenfalls ausführlichen 
Bericht zur heutigen General-Berfammlung, welcher feines 
befonderen Intereſſes wegen vorgetragen wird”). 


*) Siehe NRr.12 S. 197 diefes Heftes. v9. 





309 


Das abgelaufene Sahr war befonderg reich an Ges 
fchenfen von Alterthuͤmern und literarifchen Werfen, welche 
auswärtige und inländische Mitglieder unferm Mufeum 
uͤberſchickt haben. 

Roc in der jüngften Generals Berfammlung übers 
reichte der Herr Geheimeratb Schend eine von ihm vers 
faßte hiftorifchstopographifche Befchreibung der Herrichaft 
Eppftein, 

Here Polizeiſecretaͤr Schneider zu Goͤrlitz übers 
ſchickt uns feine Befchreibung der Heidniſchen Begraͤbniß— 
plaͤtze zu Zilmsdorf in der Oberlauſitz. 

Der Herr Regierungsrath Buſch dahier uͤbergiebt 
uns einen kurzen hiſtoriſchen Proſpect uͤber die Herrſchaft 
Schaumburg, von dem verſtorbenen geiſtlichen Rath Buſch 
verfaßt. Er erſcheint, mit kritiſchen Erlaͤuterungen des 
Herrn Pfarrers Vogel in den Annalen *). 

Herr Geheimeratb von Nau zu Mainz, verehrte 
dem Berein zwei fehr werthvolle alte Glasmalereien. 

Ein fehr thätiges auswärtiges Mitglied bat der Ber; 
ein an dem Herrn Profeffor Dr. Rafn in Kopenhagen, 
durch deffen und des Herrn Majors von Abrabamfon 
Güte, unfere Bibliothek in den Befis aller den Berein 
intereffirenden Dänifchen Literatur gefegt worden ift. 

Herr Friedensrichter Dr. Emele zu Alzer überfchickt 
und die von ihm felbft verfaßte Befchreibung römischer 
und deutfcher Alterthuͤmer in der Provinz Rheinheſſen, 
und feine Abhandlung über Amulete, 





*) Siehe Nr. 6. Seite 96, diefes Heftes. 


310 


Der ausgezeichneten Güte ded Königlich Baieriſchen 
Herrn Regierungs-Vräfidenten von Sti haner, Ercels 
lenz zu Speier, verdanken wir oft wiederholte Zufenduns 
gen, namentlich derjenigen Sntelligenzblätter des Rhein: 
freifes, welche auf eine eben jo ſinnreiche als würdige 
Art die Denkmale des Alterthums dem rheinijchen Vater⸗ 
land erhalten. 

Das gehaltvolle Urkundenbuch der Stadt Freiburg 
von Herrn Dr, Schreiber mit deffen Abhandlung über 
die Hünengräber im Breisgau wurden ebenfalld won dem 
gelehrten Verfaffer deffelben uͤberſchickt. 

Bon dem Herrn Pfarrer Steubing zu Eppenrod 
wurde dad Bemerfenswerthefe sus feinen Nachgrabungen 
zum Mufeum übermacht. 

Herr "DOberförfter Heymach auf dem Chauffeehaus 
verehrte dem Verein fechs fehr fchöne Armillen, welche beim 
weißen Thurm ins Hinterlandsforjt gefunden worden find. 

Herr Hofrath Dr. Eihftädt in Sena überfchicft dem 
Verein drei Programme über eine in den Ruinen eines 
römifchen Theaters bei Trier gefundene Snfchrift, worüber 
Herr Profeffor Dr. Lehne in Mainz antiquarifche Erör- 
terungen mittheilen wird. 

Herr Hofratb Steiner in Geligenjtads läßt und 
feine Gefchichte des Bachgaues zufenden. 

Beſonders intereffante Alterthiimer hat unfer Muſeum 
durch unfer hochverehrtes Vereinsmitglied den Herrn Bir 
ſchof Dr. Münter zu Kopenhagen erhalten: eine Anzahl 
eimbrijcher Waffen und Utenfilien, meiftens von Hornftein. 
Der Borftand konnte feinen Dank nur durch die Ruͤckgabe 
einiger Doubletten aus der hiefigen Gegend zu erfennen 


311 


geben, mit deren Ueberſendung ſich der Koͤniglich Dänifche 
Bundestags-Geſandte Freiherr von Pechlin gütig chargi⸗ 
ren wollte, 

Herr Hoffammerratb Herpell in St. Goarsbauſen 
verehrt dem Mufeum einige filberne Denkmuͤnzen. 

Herr Hofgerichtsadvofat Hofmann von Darmftabt 
übergiebt dem Verein feine ausführliche, noch ungedruckte 
Abhandlung uͤber die Sueven. 

Herr Kirchenrath Dahl, zu Darmftadt, unfer thätiges 
Ehrenmitglied, feine Abhandlung über die Burg Lahneck 9). 

Herr Profeffor Dr. Buchner in Münden überfchict 
und feine Reifen auf der fogenannten Teufelsmauer, in 
zwei Baͤnden. 

Herr Regierumngs-PVicepräfident Möller hat die Güte 
gehabt dafür zu forgen, daß mehrere Antiquitäten aus 
der Ritterzeit, — Gteigbügel, Waffen u. f. w., welche fich 
merkwürdig genug, 10 Fuß tief bei Naffau im Labnufer 
beim Ausgraben des Fundaments zur Kettenbrüde aufge: 
funden hatten, zum Mufeum abgeliefert worden find. 

Herr Medicinal-Affiftent Kranf, den Namen feined 
Baters, ded um die Ältere Gefchichte des Landes ruͤhmlichſt 
verdienten, verjtorb. Inſpectors Krauß ehrend, hat durd) 
feine Bermittelung mehrere altdeutfche Sculpturen in Holz, 
ans der Kirche in Oberaurof, für unfer Mufeum erworben, 

Aus der hiefigen Kofalität find ebenfalls wieder meh— 
rere intereffante Stüde zum Mufeum gefommen, 

Es ift die Anoronung getroffen worden, daß alle 
Gejchenfe mit der ausführlichen Anzeige des Gebers, 


*) Siehe Nr. 7 Seite 117 diefes Heftes. dv. 9. 


312 


Fundorts ıc. in ein fortlaufendes Negifter eingetragen 
werden: dadurch bleibt das Andenfen an jede Stiftung 
immer lebendig erhalten. 

Bevor ich diefen Vortrag ſchließe, muß ich auf zwei 
Anprdnungen zurückkommen, welche fich theils ganz eigent- 
lich, theild aneinander reihend, mit den Zweden unferes 
Vereins verbinden. 


Seine Herzogliche Durchlaucht haben befohlen, 
daß die Gefchichte des Haufes aus Urfunden neu bearbeitet 
werde, und dazu dem Herrn Hofratb Weigel mit ausge 
dehnter Vollmacht den Auftrag zu ertheilen gerubt. 


Die deshalb nöthigen Forfchungen, die Koften, welche 
mit Fiberalität darauf verwendet werden, berühren ganz 
eigentlich den Kreis unferes Wirkens, und was demnaͤchſt 
oeleiftet wird, füllt eine große Zeit in unſerer vaterläns 
diſchen Gejchichte aus. 

Aus Anregung unferes verehrten auswärtigen Direc 
tor8, des Herrn Geheimenrathg Freiherrn von Gerning, 
welcher die heutige General-Berfammlung durch ein werth> 
volles Geſchenk römischer und griechifcher Antifen über 
rafcht hat, ergriff der Herr Major und Flügel-Adjutant 
Freiherr von Breidbach-Bürresheim mit eben fo 
vielem Eifer als eigener Kenntniß, den Plan zur Stif— 
tung einer abgefonderten naturhiſtoriſchen Gefellfchaft, um 
die Naturfchäge unferes Vaterlandes zu fammeln und in 
unferem Mufeum aufzuftellen, — Es ift zu erwarten, daß 
dieſem Verein die höchfte Sanction ebenfalls zu Theil 
werden wird. Dem unferigen kann es nur fihmeichlen 
und angenehm feyn, wenn nach feinem Vorbilde jo nahe 


3135 


zuſammenhaͤngende Zwecke mit gleichem patriotifchem Eifer 
verfolgt werden.“ — 

Sodann übergab derfelbe im Namen des anwefenden 
auswärtigen Directors, Herrn Geneimenraths Freiberrn 
von Gerning zu Frankfurt, das von demfelben laut 
Anlage beiliegende BVerzeichniß der fur das Mufeum 
bejtimmten Gefchenfe an Alterthuͤmern ıc., wofür demſel⸗ 
ben der ſchuldige Dank ausgedruͤckt wurde. 

Hierauf wurde von dem Secretaͤr des Vereins, Herrn 
Archivar Habel, ein kurzer Bericht uͤber die neueſten 
Entdeckungen zu Heddernheim vorgetragen, und die im 
verfloſſenen Sommer in der Naͤhe des Vicus von ihm 
aufgefundene roͤmiſche Villa, ſammt andern Ergeb⸗ 
niſſen der dortigen Ausgrabungen durch Plane und Zeich— 
nungen erlaͤutert. 

Der Herr General-Domänen-Director von Roͤßler 
theilte jodann einen Bericht des DVereind + Mitgliedes 
Herrn Juſtizraths Schapper zu St. Goarshaufen mit, 
in welchem derjelbe die Reſultate der unter feiner Leitung 
veranftalteten Unterfuchung der alten Burgüberrefte auf 
dem jogenannten Ring bei Lipporn, nebjt einem geome— 
trijchen Grundriß diefer Ruinen vorlegt *). 

Darauf verlad dad Ehrenmitglied des Vorftandes, 
Herr Pfarrer Luja zu Dotzheim, einen ausführlichen 
Auszug aus dem handichriftlichen Nachlaß des verlebten 
Herrn Inſpectors Krauß zu Idſtein, über die alte 
Gaunverfafiung der Germanen.“ 

Zum fernern Vortrag aufgefordert, legte das auss 


*) Siehe Pr. 12 Seite 197 diejes Heftes. d. G. 


314 


laͤndiſche Ehrenmitglied des Vereins, Herr Profeffor N. 
Müller zu Mainz, in einer gedrängten Zufammenftels 
ung, eine vergleichende Ueberjicht der berühmteften 
mithrifchen Reliefs vor, umd zeigte durch die zahlreiche 
Sammlung der hierzu eigends gefertigten Abbildungen 
der bis jegt edirten Mithrasdenfmäler,, daß das in uns 
ferm vaterländifchen Muſeum zu Wiesbaden befindliche, 
an Symbolen⸗Reichthum und guter Erhaltung vor allen 
befannten plaſtiſchen Monumenten dieſer Art den erften 
Rang behaupte. 

Nachdem hierauf die mannigfaltigen letzten Erwers 
bungen unjereg Vereins von den Anmeienden betradys 
tet, und hierzu mündliche Erläuterungen gegeben worden 
waren, wurde die Sitzung aufgehoben, 

Wiesbaden, d. 4 Juni 1899. von Rößler. 
Freiherr von Dungern, Freiherr von Gerning, 
Habel. Hauth, Luja, Zimmermann. 


26 
27 
28 
4 


DSEWETELTEE 


16 Zeile 17 ftatt Statur, fies Statue. 


16 


9 


29 nah „dem Merkur,“ iſt hinzuzufügen: die 
fünfte son gemifhten Erz, dem Mars, 


Germaniens I. Germanıfus. 
Epist. ı4. I, Epigr. 24. 

Ep. 27. 1. 25. 

Heidenberg I. Römerberg. 
7:15, 

Tab: L. Tab. I, 
Cheodomars I. Ehnodomars 
71.1::8: 

welche I. welcher. 
serurfachten I. verurſachte. 
an l. auf. 

noch I. nad. 

ſchileßen I. fließen. 

11. 6.10% 

feftgefest I. fortgefest. 


24 ftatt doppelt I. dreifad. 


28 
1 


bringe; 1. bringen, 
vordere [. andere. 


Hausdruckerei Dr. Martin Sändig oHG., Walluf 





Zudwig bon Mludersbach. 





Bd. I, 2+3 zu S. 224 1286. 1305. Ritter 1315. 23. 29. 31. 32. 
a ———w — —— — —— — — 
Johann 1325. 31. Wigand 1331. Bernhard 
Ritter 1311: 43: 47. 50. ftarb 1357. Ritter 1341 6. 7. 48. 50. 1. 3: 7. 67. Abt zu Marien: 
Gem. SZmmele:Emele (Irmgart) 1347. 50. 7. 1373. war geft, 1381. fadt 1381. 
62. 9. 81. (Gem. Martha 1303) 
Tr — ⸗ꝰ; U, 
Dicverich Baniel, Wepener 1368. 69 Zudwig Yohann Bernhard Manegold 
1368. 81. 2. 9. 91. 81. 2. 95. 99. 1401. Ritter 1405. 18. 1381. 1367. 81. 82. 91. 1391. 1418. 1481. 91.1418.1433. 
Gem. Gubdegun 1392. Gem. Grete 1351. 2. 98. 99. 1118. 
UL — ö—— — — —— — — 
Daniel Dohann Mangold Bernhard 
Kagenellenb. Amtmann in Driedorf 1427. 30. 1. 4. zu Evgenberg 1429 40. 1415. 1421. 1430. 1415. 1420. 21.7.1430. 31. 
Amtmann zu Hadamar 1442. Nitter 9137. 40. ıc. 41. 52. (der Alte) 1483. Gem. Anne von El: 
Amtmann zu Ellar 1450 der Alte 1459. 64. 67. ſtirbt 1489. #erbaufen1420. 27. 31. 


1476, 24. April zu Limburg 
Gem. Zuttevon Bubenbeim 1444. ftarb 1461, 7 Oft. 
N — — m 


Daniel Ludwig Johann Friedrich Die derich 
1145 57-64 67. Ritter, 1155. 65. Amtmann zu Beilftein 1467. Amtmann zu Beilftein 1461.70.78.80. Ritter, zu Drie- 1470.86. 7. 8.1501. ift in 
der Zunge, ftarb c 1486. 70.75. Wohnte erft in Hermannfteim, — 1457 der Zunge wohnte zu Kirberg, dorf 1470. 5. 6. Driedorf geftorben. 
Gem. Zuttevon dann zu Evgenberg, ftarb ıc. 1485. dann zu Eygenberg ftarb ıc: 1480.  83./1.7 9.92. 3. 
Naffau 1445.64 81. Gem. Lyſe 1465 Gem .....Hon Bubenheim. 5. 1502. 9. ftarb Zudwi 
83 89. 151%. udwig 
Daniel Emmerich TWigand Johann Wilheim 1493. Gutta Zudwig Margrethe 
1486, &5 1186.1514 19. zu Dridorf 1486. 1483 De: ftarb zu Eygenberg Gem. Johann zu Wiesbaden 1511. Gem. Philipp 
26. Amtmann inSie: chant zu 1512. Mohr von Lunen. 1514. 19. 26.154. Kloppel von 
Amtmann zu gen 1507. 19. in Dietfirhen Gem. Margretbe Elderhaufen. 
Schaumburg Dillenburg 1520. 1509. 1511700, — — Ton Runen ſtadt 
ſtarb 1539. 1530. War 1597 Zudwig Wilhelm genMant, vor 1639 
Tu NEN 8 5. alt, 1414. 1514 wohnte und ſtarb zu 
Woltt Eigenberg ec. 1065. 
Amtmann zu Weſterburg Sem. Anne von Stod: 
1518. 57. 59 61 63. beim 1555. 1563. ftarb 
ftarb 158, 1566. 
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&eB. 15:54. ftarb 1602. 4. 
Juni als der letzte feines 
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