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— oitnsro KAHN
N)
ANNALEN DES VEREINS
FÜR
NASSAUISCHE ALTERTUMSKUNDE
UND
GESCHICHTSFORSCHUNG
Erster Band
Dr. Martin Sändig oHG.
1972
Dr. Martin Sändig oHG.
6229 Walluf bei Wiesbaden
Unveränderter Neudruck der Ausgabe von 1827 - 1830
ISBN 3 500 24730 X _ Printed in Germany
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Annalen ves Vereins
für
PassauischeAltertbumskunde
und
Geschichtsforschung.
Erter Band
Mit ein und zwanzig lithographirten Tafeln.
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Wiesbaden, 1830.
Auf Koſten des Vereins.
Annalen ves Vereins
Dassauische Altertbumskunde
und
Ge8schichtsforschung.
Erfies Heft.
Mit fehs Fithographirten Tafeln,
——— ———,s ——— es
TAiesbaden, 1827.
urn Women Des Bereung,
Ardua res est, vetustis novitatem dare, novis auctoritatem,
obsoletis nitorem, obscuris lucem, fastidis gratiam, dubiis
fidem, omnibus vero naturam , et naturae suae omnia.
ltaque etiam non assecutis, voluisse abunde pulcrum est,
Priınıus.
Yorwort
Seitdem durch Veranlaffung Herzoglicher Landesregier⸗
ung, eine Gefellfchaft vaterländifcher Alterthums= und
Gefchichtöfreunde, unter dem befondern Schuß Sr. Herz
zoglichen Durdylaucht zufammentrat, fprach ſich das In—
terefje an diefem wiffenfchaftlichen Inftitste von Seiten
der verehrien Mitglieder fortwährend auf eine fo erfreu-
liche Weife aus, daß dem Vereinsvorftand die ange-
nehme Pflicht auferlegt wurde, die Leiftungen der Eins
zelnen zur allgemeinen Kunde zı bringen.
Durch die gedrucdten Circulare und Protocolle der
öffentlichen Sahresverfammlungen find die entfernteren
Mitglieder bisher wohl im Allgemeinen mit den Ergeb-
niffen der angeordneten Arbeiten befannt geworden,
ber Raum der verfendeten wenigen Bogen verftattete
indefjen nicht die Mittheilung ausführlicher Vorträge und
Berichte.
Der Vorſtand fieht fich daher durch den vielfad,
geäufferten Wunfd) bewogen, in einer Zeitfchrift dies
jenigen Auffäge niederzulegen, wodurch fich die Thätig-
feit der Mitglieder für die Zwecke des Vereins beurfundet.
Die hier erfcheinenden Annalen feyen alfo das Drgan,
durch welches die Beftrebungen der Vereinsglieber zur
öffentlichen Anerfennung und Würdigung gebracht wer:
ben; in ihnen fey der Vereinigungspunct für die wechfel-
feitigen Mittheilungen, der Aufbewahrungsort für Die
IV
Arbeiten der eifrigen Mitglieder, die zur Nachfolge er:
muntern, zum Austaufch der Anfichten auffordern follen.
Denn nur auf diefe Weife kann die Theilnahme an
vaterländifcher Gefchichtsfunde allgemeiner verbreitet,
und der Aufgabe unfers Vereins entfprechend, durch Aufs
fuchung und Benutzung noch verborgener hiftorifcher Huͤlfs—
quellen, der Grund zu einer Sammlung mehrfeitig ges
prüfter Materialien gelegt werden, aus welchen der Ge—
ſchichtſchreiber in der Folge eine gründliche und umfaffende
Landesgefchichte mit Sicherheit darzuftellen im Stande ift.
Bon dem DVereinsvorftand mit der NRedaction diefes
eriten Heftes beauftragt, defjen früheres Erfcheinen ſich
durch mandherlei Hinderniffe verzögerte, glaube ich zuerjt
über die Gefchichte der Entitehung des Vereins Einiges
fagen zu müffen.
Das Beduͤrfniß, die fchäsbaren Nefte einer merk
würdigen DBorzeit der Zerftöorung und Bergeffenheit
zu entziehen, und zur Erläuterung der vaterländifchen
Gefchichte zu benugen, war befonders im Kauf der vor—
legten Decennien Tebhaft gefühlt worden.
Es ftanden Einzelne auf, die durch ihre Forfch-
ungen im Gebiete der Alterthbumsfunde und Gefchichte
die ehrenvolle Bahn raſtlos verfolgten, auf welcher fo
bochverdiente Gelehrten, unter denen ich nur Kremer
und Herrn Geheimen Rath 5. von Arnoldi in Dillens
burg nenne, bereits ruͤhmlich voran gefchritten ware.
Durch die gegenfeitigen Mittheilungen und Erörter-
ungen in öffentlichen Blättern mußte natürlich der
Wunſch vege werden, daß ein gefelliges Band diejenigen
einander mehr nähern möge, welche nach einem gemein-
V
jchaftlichen Ziele binftrebten,, deffen Erreichung nur
vereinter Kraft möglid) ift.
So wurde diefe Angelegenheit ſchon im Sahr 1811
(durch Hrn. Pfr. Luja in Dosheim, im Intelligenzblatt
Nro. 29. und 44.) zur Sprache gebracdıt und mein ver—
ftorbener Vater erfucht, unter feiner Leitung die Gruͤnd—
ung eines Vereins zur Erhaltung und Erforfchung vater-
ländifiher Denkmäler zu veranlaſſen.
Mit Genehmigung der höchiten Kandesbehörden wurde
von demjelben bereitwillig das Erforderliche vorbereitet
und bald hatten fich in Folge der im In- und Aug:
land angefnüpften Verbindungen, den gemeinfchaftlid)
mit Herrn Geheimen Rath von Gerning ent
worfenen Statuten, eine Anzahl Gelehrter ald Mit:
arbeiter unterzeichnet, deren Jitterarifcher Ruf das
Gedeihen und Fortblühen diefer Gefellfehaft verbürgte.
Seider verhinderte jedoch der im Febr. 1814 erfolgte
Tod meines unvergeplichen Vaters das öffentliche Her—
vortreten des Vereins. Nachherige BVorfchläge zur
Wiedererneuerung defjelben wurden nicht realifirt.
Herzoglicher Landesregierung war das Verdienſt
vorbehalten, den erlofchenen Verein in anderer Form
wieder ind Leben zu rufen. Nach der durch den provi—
jorifchen Borftand (ſ. Anl. 1.) erlaffenen Einladung,
conftituirte fich nad) Maasgabe der neuen Grundgefege
Cl. Anl. II.) am 5. Dec. 1821 der gegenwärtige Verein
für vaterländifche Alterthbumsfunde und Gefchichtsforfch-
ung und feierte feither jährlich am Namenstage Sr.
Durclaucht ded Herzogs Cd. 28. Mai) das Feſt
feiner Stiftung.
vi
Der Wirfungsfreis unſers Vereins iſt in ben
Statuten vorgezeichnet. Die Refultate der bisherigen
Thaͤtigkeit find durd; die Jahresberichte des zeitlichen
Directors den Mitgliedern uͤberſichtlich mitgetheilt
worden. Die geeigneten ausführlichern Auffäge follen nun
im gegenwärtigen Blättern and Licht treten über deren
Plan und Umfang ich mir noch einige Worte erlaube.
Das erfte Heft der Annalen zerfällt in vier Abfchnitte,
deren erfter für die größeren Abhandlungen
und Berichte beftimmt ift. Unter den intereflanten
Ausarbeitungen, welche unfer Bereinsarchiv aufbewahrt,
wurden bei der Aufnahme in diefes Heft vorzüglich dies
jenigen berüdfichtigt, aus denen fich, den vorgefchriebenen
Grenzen unferer Thätigfeit angemeffen, die Mannigfaltig-
feit unferer Forfchungen entwicelt. Sie umfaffen dem—
nach fowohl die römifche Zeit, ald das Mittelaiter
in unferm Herzogthum. Die Auffäse find alfo zunaͤchſt
für das Inland berechnet, und follen ald Früchte eines
befcheidenen und anfpruchlofen Wirkens durdy einfache
Darjtellung einem größern Kreis von Lefern verftändlich
ſeyn. Diefer Grundfaß leitete die Auswahl des vor:
liegenden Materiald, und aus diefem Gefichtspunft
mögen fie wohl eine billige Beurtheilung anfprechen.
Leidenfchaftslofe Belehrungen werden zur Förderung
der Wahrheit, als der Grundbedingung hiftorifcher Forſch—
ungen ftets höchft willfommen ſeyn.
Da wo e8 der Sache angemeffen fihien, wurden die
Abhandlungen zuweilen abgefürzt oder mit Bemerkungen
begleitet, und intereffante Gegenftände des Alterthums
durch lithographirte Abbildungen veranſchaulicht. Mit
vn
danfbarer Anerfennung müffen hier die fchäßbaren Abs
handlungen unferer ausländifchen verehrten Mitglies
der, der Herren Dr. Lehne und Dr. Schaab, genannt
werben, indem erfterer unter den zahlreichen gefchichtlichen
Ueberreften unfers Flaffifchen Bodens diejenigen Puncte
aus der römifchen Zeit hervorhebt, die fic zu einer
genauern Unterfuchung vorzugsweife eignen, lekterer
ein Monument des’ Mittelalters erläubert, welches die
Erinnerung an die Familie des gefeierten Erfinders der
Buchdruderfunft bewahrt, die in der früheften Zeit ſchon
in unferm Rheingau Schuß und Pflege fand.
In dem zweiten Abfchnitte werden unter der Rubrif
Miscellen, Auffäse von minderem Umfange, kurze
Notizen, Anfragen, felbft einzelne merfwirdige Urfunden,
die zur Erörterung und Aufhellung einer , hiftorifchen
Thatfache Beranlaffung geben können, Anzeigen hierher
gehöriger neuer Schriften u, f. w., ihre Stelle finden.
Auc für die Kenntniß antiquarifch-hiftorifcher Ent—
dedungen der Nachbarländer, die fo häufig in naher
Beziehung zu unferer vaterländifchen Gefchichte ftehen,
ift bereit8 Durch den intereffanten Beitrag meines fehr
verehrten und fenntnißreichen Freundes Dr. Braun,
der durd) feine Geburt dem Vaterland noch angehört,
ein fhöner Anfang gemacht worden, und wir dürfen
ferner von dem Wohlwollen der achtbaren auswärtigen
Vereine, die dem unfrigen zu gegenfeitiger wiffenfchaft-
licher Unterftügung zuworfommend die Hand boten, bes
lehrende Mittheilungen erwarten.
Die dritte Abtheilung ift der Aufnahme biogra-
phifher Nachrichten von folchen ausgezeichneten
Männern gewidmet, welche die vaterländifche Ger
VIII
ſchichte und deren Huͤlfswiſſenſchaften zur Aufgabe ihrer
litterariſchen Thaͤtigkeit machten. Es wuͤrde erwuͤnſcht
ſeyn, wenn die verehrten Mitglieder, welche im Beſitz
von Notizen ſind, aus denen ſich das Leben, Wirken
und der Entwickelungsgang der wiſſenſchaftlichen Aus—
bilduug dieſer um das Vaterland verdienten Gelehrten
entnehmen läßt, uns durch Mittheilung derfelben in den
Stand fegen wollten, ihnen in diefeıt Blättern ein wuͤr—
diges Ehrendenfmal zu ftiften.
Sn den Anlagen find die Urfunden uber die Gruͤn—
dung des Vereins, die Liſte der dermaligen Mitglieder,
fo wie die Protocolle der öffentlichen Sahresverfamme
lungen enthalten, in welcyen der Director über die
durch den Borftand eingeleiteten Arbeiten Bericht erſtat—
tet, und über die Verwendung der Beiträge Rechnung
ablegt. In dieſen zur Ueberficht zufammengeftellten
Actenftücen findet der Kefer die Richtung unferer Wirk—
famfeit feit der Bildung des Vereing angegeben.
Ein Berzeichniß der Gegenftände welche theils durch
liberale Stiftungen der Mitglieder, theils durch unfere
Ausgrabungen oder Anfauf die Grundlage zu einem
Landes-Mufeum bildeten, dürfte, vervollitändigt durch
die mannigfaltigen neuen Erwerbungen, mit vorzüglicher
Berüdfichtigung des Fundorts fo wie des Namens
der Geber den folgenden Heften beigefügt werden.
Möchten diefe Blätter fich einer wohlmollenden Auf:
nahme erfreuen und dem Zwecke ihres Erſcheinens gemäß
dazu beitragen, das Intereſſe an vaterlandifcher Geſchichte
zu beleben und zu erhalten.
Schierftein, im November 1827.
% 68 Habel.
na Tot
I. Abhandlungen und Berichte.
1) Die Gauen des Taunus und ihre Denkmäler, von Hrn.
Prof. Dr. Lehne in Mainz # A &
2) Hiftorifche Bemerkungen über den merfiwürdigen Grab:
ftein des Jakob von Sorgenloch, von Hrn. Dr. Schaab
U IN AUG En ne ee ea Bruns
3) Unterfuchung ‚einiger Grabhügel bei Kemel, von Hrn.
Geom. Wagner dafelbft . . & e
4 Bortfesung der Ausgrabungen bei Kemel, von er Si
Spießund Hrn. Wagner . .. RE
5) Bericht über die Entdeckung von Silbermünzen bei Her:
genroth, von Hrn. Pfarrer SchIoffer in Wefterburg
6) Erläuterung der Hergenrother Münzen, von Hrn. Pfarrer
Vogel in Schönbadh . r 3 e s R
7) Bericht über die Ausgrabungen in der Kohlhecke und dem
Srauenfteiner Sorft, von Hrn. Sekretär Zimmermann
in Wiesbaden . h SER: 5
8) Bericht über die Unterfuchung des römifchen ———
bei Marienfels, von Hrn. Pfarrer Brinkmann in
Dielen. 2% 5 a
9) Die römifhen Ruinen bei Sererüßeim von 8. ©. abe
inocieritet 02 a .
10) Beitrag zur Gefchichte des Münzweſens im grittelatter,
aus Urkunden gefammelt von Hrn. Geheimenrath Joh.
von Arnoldi in Dilfenburg : : 2 :
11) Sefchichte der Kirhe und Pfarrei — von Hrn.
Pfarrer Vogel in Shönah . . .
Eeite.
37
40
99
1. Miscellen. Seite,
1) Entdefungen im Gebiet der Alterthumsfunde in der
Rheingegend, von Hrn. Prof. Dr. Braun in Main . 113
2) Anfragen, — von Hrn. Pfarrer Vogel . . 780
5) Preisaufgabe der Königl. Akademie der MWiffenfchaften
in: Bel un 2" Von al ee PA
5) Ritierarifche Anzeigen: en aa een
III. Biographifche Nakhrichten von verdienten
vaterländifchen Gelehrten.
Georg Philipp Kraus, Inſp. zu Idſtein, von Hrn. Pfarrer
Luja in Dosheim — N “2,125
IV. Anlagen.
1) Refeript Herzoglicher Landesregierung, die Stiftung de3
Naff. Alterthums-Vereins betreffend . 5 z 381
2) Die Statuten der Gefellfchaft . : - P 2
2) Derzeichniß der DVereinsmitglieder nn ne IE
4) Protocol der erften Generalverfammlung des Vereins « 145
By FF DER SWEItEh no 0" a 0 eu
6) — der dritten . 4 A S s ” 153
7) — der vierten . en PRO, . 166
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Abhandlungen unv Berichte
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Die Gauen des Taunus und ihre Denfmäler,
von Herrn Prof. Dr. Lehne, Stadtbiblio—
thefar in Mainz.
Sir die erften befannten Bewohner der Gauen dee
Taunus zwifchen dem Main nıd der Xahne halte ich
die Ufiveter. Acht und fünfzig Sahre vor unfrer Zeite
rechnung wurden fie von den Sueven, welchen Cwie
ihre Gefandten Caͤſarn fagten) felbft die unjterblichen
Götter nicht zu widerftehen vermögten, aus ihrem
Lande vertrieben, als diefe durch das Mainthal ihrem
in Gallien fiegreichen Feldherrn Arioviſt zu Hilfe eilten,
oder vielmehr famen um in der Theilung Gallien
ihm zu helfen. Nach diefer Vertreibung irrten die
Ufipeter drei Jahre in Deutfchland umher, ohne einen
feften Siß finden zu fünnen, bis fie im Sahr 55 (v.
ehr.) über den Rhein fielen, ald eben Cäfar die Belgier
bifiegt hatte und von neuen friegerifchen Gäften in Gal—
lien nichts hören wollte. Er fihlug ihre Bitte um Land
zus Wohnung ab, überftel und nöthigte fie, fich zu den
Sicambern auf das rechte Ufer zu flüchten, wo wir
fie mit den Tenkterern am Niederrhein, an der Kippe
und, nad) der Auswanderung der Ubier, zwifchen der
Sieg und Lahne finden. In ihr altes Stammland
4
famen fie nie mehr zuruͤck. Doch feheint mir es, daß
in ihrem Namen felbft fich das Andenfen an daffelbe
erhalten habe.
Obſchon es längft erfannt iſt, wie unficher und oft
wie widerfinnig die Etymologien der alten Völfernamen
find, fo ift doch nicht überall der DVerfuch ihrer Her:
leitung zu tadeln, am wenigftien wenn fie aus der
Sprache des Landes felbft genommen werden Fann.
Daß der Name Ufipeti eine römifche Corruption eines
germanifchen Wortes fer, it einleuchtend. Suchen wir
nun in der auffallendften Eigenfchaft des Landes dieſes
Wort, fo werden wir es ohne Zwang in den Hiß—
pätern (Heißbaͤdern, Hizbädern ) deffelben finden; denn
in den Alteften Gloffarien wird Bad mit einem P ges
fchrieben und das Wort heiß in hiß verfürzt. Die
Römer, die überhaupt den harten Buchftaben H ver:
mieden, verwandelten das Wort Hiß in Uft, vielleicht
weil die Deutfchen e8 wie Huis ausfprachen und fo
mag der Name Ufipeter oder Heißbäder, den man dem
Bolfe wegen der Cigenfchaft feines Landes beilegte, ent-
ftanden feyn. Diefer Name fcheint auch der Stadt Wiß
baden aus gleicher Urfache gegeben worden zu feyn; dena
ein Bad auf einer Wiefe, wie ihre Kronifenfchreibr
zur Ableitung annehmen, ſcheint mir weniger ert—
fprechend, da wir wiffen, wie gewöhnlich das H vor 3
in der alten Schrift fidy in JB verändert hat. Auch
das Flüßchen Us, an welcem Ufingen liegt, koͤnnte
ein Reſt des römifchen VBölfernamens der Ufipeti
ſeyn. Doc mehr als genug davon, da, wie idh
fagte, folche Ableitungen felten ein befriedigendes Re—
5
fultat Darbieten, das überhaupt der Gefchichte gleich-
gültig feyn kann.
Rad) der Vertreibung der Ufipeter zogen fich die
Sueven auf die Nachricht der Niederlage Ariovift’s
vom Rheine zuruͤck, wahrfcheinlich nachdem fie, ihrem
Gebraudye nach, das Land verwüftet hatten. Sie
wurden von den Ubiern verfolgt ohne daß diefe die
menfjchenleeren Gauen des Taunus wieder zu bevölfern
wagten, um ſich nicht felbft dem Angriffe der mächtigen
Sueven bloszuftellen. Das Land fcheint daher bis zur
Zeit des Drufus wuͤſte und unbewohnt geblieben zu
feyn.
Der Suevenbund, eine Vereinigung vieler deutfchen
Volfsftämme, dem der eigentliche Stamm der Sueven*)
blog den Namen gegeben hatte, wurde nach dem Miß—
lingen der Arioviftifchen Expedition nach Gallien, für
welche er entftanden war, aufgelößt. An feine Stelle
trat, als die Römer fih am heine befeftigten und
daher den Germanen Beforgniffe einflößen mußten, im
Norden der Cherusferbund, im Süden der Kattenbund,
das heißt: faft alle germanifche Volksſtaͤmme verbanden
fih zur DVertheidigung bei der nahenden Gefahr der
Unterjochung durch eine erobernde Nation, deren fieg-
gewöhnte Adler fie ſchon kennen gelernt hatten.
Zu dem Kattenbunde gehörten die Mattiafer, welche
die erjten gewefen zu feyn fcheinen, die fich furz vor
*) Mannert zweifelt an dem früheren Daſeyn eines befondern
Volkes der Sueven; er dachte nicht an die Schlachtordnung
Ariovifte, mo es nebſt den andern genannt ift.
6
Ankunft ded Drufus wieder dem Rheinufer, das fie
von den Sueven verlaffen fanden, genähert hatten,
wenn fie auch nur jenfeits des Taunusruͤckens wohnten.
Der römifche Feldherr fah gleich die Nothwendigkeit
ein, gegen den mächtigen Kattenbund eine Schutwehr
zu habe, welche feine Hauptfeftung Magontiacum gegen
plögliche Anfälle dee, um fo mehr, da er den Plan
hatte, die Deutfchen im innern Lande heimzufuchen und
alfo im Fall war, die Nheinlinie an VBertheidigern zu
ſchwaͤchen. Er z0g daher auf der Höhe des Taunus—
gebuͤrges noch eine Linie von Berhauen und Verſchanz—
ungen, die er an die Nida bei der Saalburg anfchloß
und von hieraus den Fluß bis an den Main benugte,-
Wenn er auch nicht die ganze Linie, vielleicht nur einige
Gaftelle, vollendete, wie es bei ihrer fchnellen Zerftörs
ung durd; die Katten augenfcheinlich wird, fo konnte
er doch feine andere Abficht haben, weil es die von
der Natur vorgezeichnete Bertheidigungslinie ift, welche
fein Sohn wiederherjtellte und Trajan und Hadrian
fo fehr befeftigten, daß fie drei Jahrhunderte durch das
Bollwerf von Magontiacum war.
Germanicus fah das Drohende der Annäherung ber
Katten wohl ein, und glaubte fie gleich im Anfange
durch einen unvermutheten Angriff ſchrecken zu müffen.
Sie hatten ſich bei dem Anfcheine des Krieges hinter
die Eder (Adrana), zuruͤckgezogen und erleichterten ihm
dadurch den Ueberfall. Ehe fie ſichs verfahen, paſſirte
er den Fluß und verbrannte ihren Hauptort Mattium.
Daß man darunter feine Stadt verftehen müffe, ift
nad; den deutfchen Sitten klar, doch muß es eine An—
7
fiedelung von größerer Zahl von Holzhütten gemefen
feyn, wohin fie ihre Weiber und Kinder geflüchtet
hatten, welche wahrfcheinlich auf einem grünen Raum
in der Waldung Matte) lag, und dadurd; den Namen
erhielt, dem die Nömer die Endung ihrer Sprache
gaben. Man fuchte lange dieſes Mattenheim, wie es
die Deutfchen genannt haben mögen, bei Marburg; aber
ohne alle Wahrfcheinlichkeit, indem man bei dem Worte
Adrana feine Berfchreibung anzunehmen Urfache hat.
Andere finden es in dem Orte Maden an der Eder.
Genug daß wir beiläufig die Gegend wiffen, wo die
Anftedelung jenfeits des Flüßchens lag.
Der Berluft, den die Römer in der varifchen
Schlacht erlitten hatten, machte fie gegen die ihnen
fürchterlich gewordenen Germanen vorfichtiger. Sie
glaubten ein anderes Syftem annehmen zu müffen, al3
die Zwangmittel der Varus. Der liftige Tiber wußte
bald Zwietradyt zwifchen den Cherusker- und Kattens
bund zu fien. Man behandelte diefe fchonend und es
gelang, den Römern Freunde unter ihnen zu werben.
Die Eiferfucht des Segeft gegen feinen Schwiegerfohn
Herrmann beförderte die Schwächung des Cherugfer-
bundes und die Hülfe, welche Germanicus dem Segeft
leiftete, verpflichtete den Römern einen großen Theil
feiner Anhänger. Den Feldherrn mußte daran liegen,
befreundete Stämme an ihren Grenzen zu haben und
diefen fogar Land im Innern ihrer Linie einzuräumen,
um den Boden nicht unbebaut zu laffen und die Nahrs
ung ihrer Grenzbefagungen zu fihern.. Es gelang
ihnen die Mattiafer, den benachbarten Rattenjtamm,
8
zu gewinnen und einen ihnen gemwogenen Theil der—
felben in die Ebenen dieſeits des Taunus zu ziehen.
Dieß geſchah hoͤchſt wahrſcheinlich ſchon unter der
Regierung Tibers und ward durch das friedliche
Syſtem des Claudius, der auf alle Eroberungen in
Deutſchland verzichtet hatte, bedeutend befoͤrdert. Von
nun an finden wir die Mattiaker in den Gauen des
Taunus, wenigſtens mit Gewißheit dieſeits des Pfal—
grabens, doch iſt es kaum zu bezweifeln, daß ſie auch
jenſeits einen bedeutenden Strich Landes im Beſitze
hatten, weil der kleine Theil, der unter roͤmiſcher
Botmaͤſigkeit lebte, es ſchwerlich gewagt haben
wuͤrde, die Hauptfeſtung Magontiacum anzufallen,
wie es im bataviſchen Kriege geſchah. Sie waren
noch, wie wir aus den Inſchriften erſehen, ruhige
Beſitzer dieſer Gauen unter Alerander.
Gott weiß, welches germaniſche Wort Ptolomaͤus
verketzerte, wenn er ein voͤllig unbekanntes Volk, die
Ingrionen, in dieſe Gauen ſetzt. Er hat ſich gewiß
geirrt, da wir ſowohl vor als nach der Zeit Marc—
Aurels nur die Mattiaker daſelbſt finden, bis ſpaͤterhin
Ammian Marcellin die Buccinobanten, als der Stadt
Magontiacum gegenuͤber wohnend, nennt. Wahrſchein—
lich iſt dieß nur ein Beiname der Mattiaker, der
vielleicht von einem kriegeriſchen Gebrauche der Buc-
cina (des Waͤchterhorns) feinen Urſprung hat; denn
gewiß iſt es, daß noch in der ſpaͤteſten Zeit des roͤmi—
ſchen Kriegsweſens die Mattiafer Cohorten im Solde
der Roͤmer hatten, welche man in Mattiaci seniores
und janiores nach der Epoche ihrer Werbung unters
9
ſchied. Sie lagen in Italien und im Oriente. Die
Mattiaker gehoͤren zu den wenigen deutſchen Staͤmmen,
deren Name am fpäteften erloſch, denn obſchon fie
in ihrer Verbindung mit den Allemannen unter dem
aigemeinen Bundesnamen begriffen wurden, fo läßt
fi) Doch nicht annehmen, daß fie ihren angeftammten
aufgegeben hätten. Nur für die Römer waren fie als»
dann Allemannen.
Bon den Verhältniffen diefes Volkes zu den Römern,
mit welchen fie fich, im Kaufe von mehr als drei Sahr-
hunderten, völlig vermifchen mußten, wiffen wir wenige
tens fo viel, daß fie eigne Beamten, eine den römie
fchen Munipien gleiche Municipalverfaffung , ihre
Duumvirn, Decurionen, Curatoren und auguftalifche
Sevirn hatten. Die neuen Entdeckungen, beſonders
zu Gaffel und Hädernheim, haben darüber viel Licht
verbreitet.
Bon den Städten des Landes fennen wir manche mit
Gemwißheit, andere mit höchfter hiftorifcher Wahrfchein-
lichkeit. Sch will über beide einige Worte nur fagen,
weil eine gedehntere Ausführung hier nur nach und
nach Raum faffen Fann.
1) Die Hauptftadt der Mattiafer unter römifcher
Botmäfigfeit fand unter dem Schutze des Castelli
Drusi, de8 heutigen Kaffel, Mogontiacum gegenüber,
wo es ald Brücdenfopf unftreitig von Drufus angelegt
wurde, Die bürgerliche Stadt lag auf der nordöft:
lichen Geite des Caſtells und ein Theil des heutigen
Ortes und der Feltung fteht auf ihren Trümmern, wie
fid) bei Gründung der letztern deutlich zeigte, Mehrere
10
gefundene Sinfchriften aus der erften Hälfte des dritten
Sahrhunderts nennen fie Civitas Mattiacorum, wie in
diefer Zeit alle Hauptftädte der Volksſtaͤmme ihren
Namen führten. 5. B. Civitas Vangionum (Worms)
Civitass Nemetum (GSpeier) Civitas Triboccorum
(Brumpt) u. f.w. Das Dafein ſowohl, als die Eigen»
fehaft diefer Civitas Mattiacorum ift feinem Zweifel
unterworfen, wie in der Folge durch die Infchriften
bewiefen werden wird.
2) Ein zweites bedeutended® Municipium muß bei
Eronenberg gejtanden haben. Auf einem Fragmente
einer Ara vom Jahr 204, welche dafelbft gefunden
wurde, kommen Duumviri vor. Diefe Magiftrate
findet man aber nur in Municipien, da weniger an-
fehnliche Drte nur Magistri vici hatten. Gronenberg,
im Rüden der DVertheidigungslinie an der Nida, hat
aud; ganz die Lage, um zur Bewahrung der Kriegs—
Magazine und zur Beobachtung des flachen Landes
benußt zu werden. Es feheint mir deßwegen das
eigentliche Gaftell des Drufus auf dem Taunus, das
Germanicus wiederherftellte.
3) Ein drittes bedeutended Municipium muß bei
Wißbaden gelegen haben, um den Gebrauc, der Bäder
zu begünftigen. Dbfchon der Aquae Mattiacae bis itt
feine Infchrift gedenft, fo wiffen wir doc; aus den
Gefchichtfchreibern, befonders Tacitus Plinius und
Ammian Marcellin diefe Benennung und die Benukung
der Bäder mit Beftimmtheit. Sch hege die Hoffnung,
daß es der Alterthumsgefellfchaft gelingen werde, auch
diefed Municipium näher zu beleuchten, wie es durd)
11
die unermädliche Sorgfalt unfere Habel hinfichtlich
Hädernheims ſchon gefchehen ift.
4) Sch übergehe die verfchiedenen Gaftelle, melde
den Pfalgraben (vallum romanum) in Zwifchenäumen,
die wahrfcheinfich mit Verhauen und Gräben ausgefüllt
waren, vertheidigten. Herr Geheimerath v. Gerning
und der verjtorbene Herr Hoffammerrath Habel haben
durch vorläufige Unterfuchungen Alles geleiftet, was
darüber augenblicklich zu hoffen war. Nur von der
bedeutenderen Kinie längs der Nida noch einige Worte.
Daß diefe Linie ſchon in dem Plane des Drufus und
Germanicus gelegen habe, zeigt fich von felbit, fobald
wir, nach dem Zeugniffe des Tacitus annehmen müffen,
daß fie die Höhe des Taunus gegen die Anfälle der
Katten befeftigt haben. Unmoͤglich Fonnten fie in dem
fo Teicht zugänglichen Mainthale ihre Flanken blos—
geftellt Taffen, welches die Befeftigung des Gebirge
unwirffam und überflüffig gemacht haben würde. Dod)
war der Aufenthalt diefer Feldherrn zu furz, als daß
man glauben fönnte, fie hätten diefe Flanke durch
regelmäfjige Feitungen gededt. Auch die Kaftelle des
Pfalgrabend mögen nur nach und nach unter ihren Nadı-
folgern entjtanden feyn. Erſt ale Zrajan dad ehe-
malige, von Claudius verlaffene, Occupations-Syſtem
wieder annahm, dachte er an die Linie der Nida,
die ihm bei feinen Planen der Ausdehnung der römis
fchen Grenze in das Herz von Deutfchland einen fichern
Rückhalt geftattete und die Hauptfeftung Magontiacum
erſt nach ihrer Ueberfchreitung angreifbar machte.
12
Bei der Aufgabe, die Nida zu befeftigen, ftellte ſich
zuerft die Nothwendigfeit hervor, ſich des Ausfluſſes
derfelben in den Main zu verfichern. Sch war längjt
überzeugt, daß hier das Munimentum Trajani, das
Julian wiederherftellte, gefucht werden müffe. Bei
einem kurzen Aufenthalte zu Höchit im Jahre 1808 wollte
ich fehen, ob ſich feine Spuren mehr faͤnden. Da id)
nicht graben laffen Fonnte, mußte ich mid; mit oberflädh-
lichen Forfchungen begnügen; war aber fo glüdlich, ſo—
gleich eine Menge Badjteine der XXX. Legion, welche
von Trajan, ihrem Stifter, den Beinamen Ulpia führte,
zu entdeden. Auch fand ich ſolche Steine der Legio
VII. Augusta und der XXI. Primigenia, nebjt einer
Menge zertrimmerten Gefäße der ſchoͤnſten famifchen
Erde, fogar Stücke großer Amphoren. Weitere Unter:
fuchungen mußte ich auf gelegnere Zeit verfchieben, aber
die Entdedungen feheinen mir hinlänglic;, meine Mei—
nung, daß hier Cetwas oberhalb dem heutigen Orte
kida gegenüber) das Munimentum Trajanı gelegen
habe, zu beftätigen. DBielleicht gelingt es Fünftigen
Forfchungen enifcheidendere Spuren zu finden.
5) Trajan ſcheint durch feine dacifchen Kriege abges
halten worden zu feyn, durch ein Central-Eaſtell die
Linie zu verftärfen.. Sein Nachfolger, Hadrian, ob-
fchon er das Eroberungsſyſtem wieder aufgab, fah doch
die Wichtigkeit diefer Pofition für die Sicherheit der
römifchen Grenzen zu wohl ein und wir wifjen durd)
feine Biographen, daß er fich jtarf mit diefer Sicher:
ftellung in allen Theilen des Neiches befchäftigte. Es
ift alfo hoͤchſt wahrfcheinlih, daß er der Gruͤnder des
15
Hädernheimer Gaftrums ift, welches fihon der Name
Hädernheim glaublich macht. Beftimmtheit können wir
darüber nicht erwarten, wenn nicht Steinfchriften
wefentlichen Inhalts gefunden werden. Bon der Wich—
tigfeit Diefes Caſtrums, das bedeutender als ein
Gajtell war unter Alerander, liefern feine Ruinen,
deren Plan wir Herrn Habel verdanken, unzweifel-
hafte Beweiſe. Unter der Regierung diefes Kaiſers
entjtand, wie bei allen Feftungen, ein Dorf Vicus
novus durch die von ıhm mit Gütern belehnten Vete—
ranen, das in die Ningmauern der Feftung zu mehres
rer Sicherheit eingefchloffen worden zu feyn fcheint.
6) Die Saalburg war das dritte Gaftell, das die
Aufferfte Flanfe der Linie der Nida deckte. Wir wiffen
nicht weiter von ihm, als daß e8 um das Jahr 212
die vierte Cohorte der Bindelicier zur Beſatzung hatte,
von welcher man viele Badjteine fand.
7) Die lateinifchen Benennungen, welche mehrere
Orte des Rheingaus in der Merovingifchen und Garo-
Iingifchen Epoche noch führen, machen ihren römifchen
Urfprung unzweifelhaft. Zu diefen rechne ich Alta villa
(Elfeld) und Vinicella (Winfel). Doc, fann davon
erit die Nede feyn, wenn römifche Spuren die Ver:
muthung beftätigen.
Diefe allgemeine Ueberficht des Landes glaubte ich
der Erflärung der darin gefundenen Infchriften voraus—
fenden zu müffen, indem ich diefe nur als Urkunden
und Belege feiner Gefchichte anfehe, ſelbſt wenn fie
nicht eigentlich hiftorifchen Inhalts find. Immer bleiben
fie Zeugniffe für die Lofalität und ihrer Wichtigkeit
in einer der bedeutendften Epochen der Weltgefchichte,
14
J.
IN...
APOLLINI TOV
TIORIGI
L. MARINIVS
MARINIA
N VS. DA DE 6 UT:
GEM. P. F. ALEXAND.
D. D. D. FORTVNAE. VO
TL COMPOSs.
Zur Ehre des göttlichen Haufes, dem Toutio—
rifchen Apollo hat Lucius Marinius Marinianus
Genturio der Tten Kegion, der gedoppelten redlichen
getreuen Alerandrinifchen, dieſen Gelübdjtein ges
weihet und zugleich dem Glüde, das feine Wiünfche
erfüllt hat.
Diefe Ara wurde im Sahr 1784 ald man die Fun
damente des Schügenhofs zu Wißbaden legte, gefunden,
und ift noch in dem dortigen Bade, aber leider! zu
hoch und übertüncht eingemauert. Noch vor diefer
Entjtellung habe id die Schrift abgefchrieben.
Apollini Toutiorigi. Eine von den topifchen Ber
nennungen, die meiftens von Drten hergenommen wur—
den, welche uns unbefannt find. Vielleicht hat der
Steinhauer Toutiorigi au Teutonici gemacht; vielleicht
auch ift das Wort aus Teut und Origo fomponirt und
bedeutet den Apollo deutfchen Urfprungs, denn ſchon
die Römer brauchten das Wort Teutoniceus, wenn fie
die Deutfchen im Allgemeinen bezeichnen wollten, eben
15
fe wie Germani, obfchon jenes im Grunde nur einer
nördlichen Voͤlkerſchaft, den Teutonen, zufam, bie
fie aber mit den Cimbern am erjten Fennen Ternten;
vielleicht aud) (weil man fich bei völliger Ungemwißheit
nur mit Vermuthungen helfen Fann), hieß das Bad,
in welchem Marinius Genefung fand, von feinem Er-
bauer Balneum Toutiorigis, (Teuterich) und daher
gab man der Heilquelle den Namen des Bades. Mit
Sicherheit laͤßt fich nichts beftimmen.
Marinius Marinianus find beides befannte Namen,
beide abgeleitet von Marius, Marinus, Marinius,
Marinianus; den lestern findet man auch ald Stammes
name: 3. B. Marinianus Loscus, u. f. w.
Centurio legionis VII. geminae piae felicis Alex-
andrinae. So wie die meiften Legionen unter den
Antoninern den Namen Antoninianae angenommen hats
ten, fo nahmen fie unter ihrem Nachfolger Alexander
Severus den Namen Alexandrinae an. Wir wiffen
fhon dur; mehrere Steinfchriften unfrer Gegend, daß
dies mit der 22ten der Fall war.
Auch auf diefer Steinfchrift haben die Anhänger
Marimind verfucht diefe Benennung auszulöfchen ; fie
blieb aber noch ziemlich lesbar.
D. D. D. Donum dedicat fortunae voti compos.
Er weiht ihn zugleich dem Glüde, das die Heilfräfte
Apollo's beguͤnſtiget hat.
16
u.
DEO MERCVRIO
NVNDINATORI.
Dem Gotte Merkur, Beſchuͤtzer der Märkte,
Diefer kleine Botivftein ift an dem Gemeindehaufe
zu Birftadt zwifchen Caſſel und Wißbaden eingemauert
und wurde auf dem Wege nad, erfterm Drte gefunden. *)
Ober der Infchrift fieht man zwei fißende Figuren,
wovon die männliche offenbar Merkur ift, die beide
den Schlangenftab in der Hand haben. Die weibliche
Figur halte ich für Dea Nundina, welche Valerius
Maximus als Göttin anführt.
Die Römer nannten die Zeit vom einem Marfttage
zum andern Nundinae, (gleichfam Novendinae, weil alle
9 Tage Markttag war) obſchon auch behauptet wird,
dag nur die Marfttage felbft fo heißen und fie für bie
Epoche der Arbeitstage, bis zur Zeit Alexanders Ges
vers, wo die Wochen (hebdommada) aus dem Driente
aufgenommen wurden, feine Benennung hatten. Dem
fei wie ihm wolle, fo fiheint doch gewiß, daß die
Markttage ihre Göttin hatten, und wer fünnte anders
auf diefem Steine die Gefährtin Merfurs des Nun—
dinators feyn, ald die Nundina, die unter feinen
Aufpizien ihnen vorftand. Die Perfoniftzirung der Nun-
dina ift um fo mehr auffer Zweifel, da man diefes
Wort fogar ald Perfonalname gebraudht.
So ließt man auf einem bei der Burg Soned, unweit
Cilley, gefundenen Grabjteine: sibi et Nundinae hiliae.
* 6. Schenk, Merkw. d. Stadt Wiesbaden 1782. 1. p. 56.
17
111.
MARTI
LEVCETIO
PRO SALVTE
IMP. DOMINI N AVG.
PILQ. VOCONIUS
VIEVEVS LEG AXIL
PR.P.F.PONENDVM
CVRAVIT.
(Tab. I. Fig. ı.)
Dem Leucetifchen Mars; zum Heile des Kaifers,
unfers Gebieters, Augufts des Frommen, ließ
Duintus Voconius Vitulus, Genturio der 22.
Legion der erfigebildeten, redlichen, getreuen,
diefen Stein fegen *).
Marti Leucetio. Die Inſel Leuce liegt im ſchwar—
zen Meere unweit der Mimdung des Dniefters und
wurde zu Flein Scythien Cder heutigen Fleinen Tartarei)
gerechnet. Nach Strabo war fie dem Achilles geweiht
*) Schon Huttich theilte diefe Inſchrift in feinen Collect.
Antigg. dv. J. 1520 mit, und bemerkte, fie fei in der
Wand einer Capelle bei Srauenftein Cohnweit Wiesbaden )
« dieti zum Armudt » eingemauert.
Conf. Joannis Rer. Mog. T. III. Tab. 24. Längſt ift
diefe Eapelle verfchwunden, und die Baumaterialien wurden
bei der Erbauung des Hofes Armada benutzt. Hier fand
ich vor zwei Jahren die Hälfte diefes Wotivfteins zu einer
Treppe verwendet. Nur wenige Buchitaben . des oberen
Theils find noch erhalten, die übrigen Schriftzüge des
Steins aber durch Zeit und Gebrauch erlofchen.
d. ‘9,
2
18
und fein Schatten ſollte nad) der Fabel darauf wandelt.
Es iſt die höchite Wahrfcheinlichfeit, daß der Heros
hier felbft unter dem Namen des leucetifchen Mars
gemeint fei und unter dieſer Benennung dafelbft ver:
ehrt wurde, Durch die neuern Entdeckungen in Der
Krim ift es unzweifelhaft, daß er am Bosphorus allge:
meine Verehrung genoß und fogar den Namen Pontard)
oder Gebieter des Pontus trug *).
Die Veranlafjung diefer Ara ift folgende: die Tau—
rofcythen, welche die heutige Krim bewohnten, bedraͤng—
ten die Milefifche Eolonie Dlbia CS Stunden von dem
heutigen Dfzafov) welche Plinius als eine große Han—
delsftadt anführt. Antoninus Pius ſchickte ein Heer
ihr zu Hülfe, ſchlug ihre Feinde und zwang fie, den
Dlbiopolitanern Geifeln zır ftellen *).
Boconius empfahl daher bei Anfang diefes Kriegs
das Waffenglüdf des Kaifers, dem Mars der dortigen
Gegend. Die Zeit der Weihe des Altars ift unftreitig
das Sahr 139. Antonin ordnete nur zwei Friegerifche
Unternehmungen an amd wurde auch nur zweimal als
Smperator begrüßt, Durch die Münzen wiffen wir
aber bejiimmt, daß es zum zweitenmale wegen Des
Siegs über die Britten im Sahr 140 gefchah; da num
das Jahr 139 das erjte feiner Regierung it, nachdem
Hadrian im Juli 138 gejtorben war, fo folgt nothe
wendig, daß die Erpedition gegen die Taurofeythen,
*) ©. Antiquites grecques du Bosphore Cimerien par Raoul-
Rochette.
**) ©, Spartian cap. ı.
19
welche ihm allein ven erften Ssmperatorgruß erworben
haben Fonnte, im angegebenen Sahre ftatt gefunden
habe, wenn gleich die Gefchichte darüber fchweigt. Den
Titel Pins, der ihn befonders bezeichnet und Daher
auch ohne feinen Namen verftändlicd; war, hatte er
fhon 138 erhalten, kurz nad; dem Tode Hadrians.
Der Name Voconius ift befannt. Man fand von diefer
Familie mehrere Steinfchriften zu Murviedro, dem
alten Sagunt in Spanien.
IV.
FORTYNArN RF
DO BIVS ER VOEO
SVSCEPERVN. PRO
3A 2. DMB!!D N SEWV
ALEXANDRE AYG.
(Subseripti.)
(Tab. I. Fig. 2.)
Zur Ehre des göttlichen Haufes und feiner zurück
führenden Glüdsgöttin haben Cdie Ungenannten)
zum Heile unfers Herrn des Kaiſers Severus
Alerander Auguftus diefen Gelübdftein zu errichten
unternommen ....
Sm Sahr 1824 zu Dotzheim bei Wißbaden von Herrn
Pfarrer Luja als Schlußftein zu einem Gewölbe gefun-
den. Wahrfcheinlich ward er vor diefem Gebrauche in
den Ruinen der römifchen Anfiedelung in der Nähe des
20
Ortes entdeckt, die man Fürzlich zum Theile aufgegraben
hat und von weldyen man noch intereffante Ausbeute
erwarten darf.
Man wird bemerken, daß obige Ergänzung nicht
der lithographirten gleich fe. Da der Stein zu arg
befchädigt ift, erlaubt er mehrere Ergänzungen, worüber
die Alterthumsfenner entfcheiden mögen. Die litho—
graphirte wurde dadurch erzeugt, daß ſich auf der
Schrift feine Namen derjenigen finden, die ihn ge—
weiht haben. Da aber auf vielen Aren bemerft wird,
daß wenn die Namen in größerer Zahl find, fie auf
die beiden Nebenfeiten übertragen werden, fo Fonnte
dieß aud hier der Fall gewefen feyn. Ueberhaupt
feheint mir die Inſchrift nicht vollendet. Vielleicht
wurde fie durch Aleranderd Tod unterbrochen. Dbige
Ergänzung halte ich für die richtigere aus mehreren
Gründen.
In honorem Domus Divinae et Fortunae reduci
ejus. Diefe Weihe bedarf weniger Erläuterung. Das
Wort Fortuna ift zu Far ausgedrückt und muß dem
Raume nad von einem Beinamen begleitet gemwefen
feyn, worauf ſich das eius bezieht. Diefer Beiname
fcheint mit am entfprechendften der Fortuna redux zu
gelten, da fein andrer anwendbar ift. So finden wir
auf einer Infchrift zu Nom diefelbe Meihe mit andern
Worten: Fortunae reduci Domus Augustae sacrum. *)
Die Worte Domus divina find befanntlid; mit Domus
Augusta gleichbedeutend.
*) Gruter, pag. 78, 3. 4.
21
Bei der Weihe unſrer Ara, die offenbar im letzten
Jahre Aleranders, in welchem er zum erftennale am
Nheine war, errichtet wurde, war feine ihn begleitende
Mutter mitbegriffen, daher Domus divina, und da er
im Begriffe ftand, in Germanien einzufallen, daher For-
tunae reducıi.
Die wahrfcheinfichfte Epoche der Weihe wäre alfo
das Jahr 235. Mehr läßt ſich aber auch nicht über
eine allzu fragmentarifche Infchrift fagen, die nur
wegen des Ortes, wo man fie fand, einiges Intereffe
einflößen Fann.
( Sortfegung folgt, )
2)
Hiſtoriſche Bemerkungen über den merkwürdigen
Grabftein des Sakob von Sor genloch, genannt
Gensfleiſch, eines Verwandten von Johann
Gutenberg, von Herrn Dr. C. A. Schaab,
Richter am Kreisgericht zu Mainz.
Sm Monat Suni 1823 entdeckte man bei einer Ver—
tiefung des Kirchhofs in Eltville, an der Nordfeite der
Kirche, in dem Einfchnitt, welchen zwei Strebepfeiler
an der linfen Seite des Chors bilden, 1 ’/, Schuh mit
Erde bedeckt, den fihönen Dedftein des Grabes von
Safob Sorgenloch, genannt Gengfleifch. Am 24.
April 1825 begab ich mich an Ort und Stelle, um
den Stein in Augenfchein zu nehmen Er hat 5 8 12,
Länge zu 37 4° (Rhein.) Breite. Auf ihm find zwei
22
Wappenfchilder neben einander eingehauen. Das zur
rechten ift das der Gensfleifche, das zur linfen das Bech—
termuͤntzſche. Ueber beiden ift die Sorgenloch Gensfleifche
Helmverzierung und oben darauf drei Reiherbüfche. Diefe
Wappenbilder umgiebt folgende Randfchrift: Anno. dni.
meccelxxbiii. vtt. mondag. nach sant. albang.
dag. starp. Der. best. jacob. von. sorgenloch.
dem. got. genedich. und barmhercich. sy.
Diefer Jakob von Sorgenloch genannt Gengfleifch,
ftammte in der fünften Generation von Claus zum
Gensfleifch, dem Stammpater der nachherigen Sorgen—
Iocher- Brandye ab. Jakobs Vater war Peter Gene:
fleifch, welcher fich zum erjtenmal im Sahr 1435 mit
feinen beiden Brüdern Jakob und Georg, von Sorgen—
Ioch oder Selgenloc nannte. Peter fommt von den
Sahren 1411 bis 1435 in den Urfunden vor und hatte
eine Neefe (Agnes) von UÜdenheim zur Frau.
Sorgenloch lebte zu Eltville, feit 1464 verheirathet
mit Elfe (Elifabeth) Bechtermins, einer Tochter von
Heinrich Bechtermuͤntz. Diefe Heirath mag Die
Beranlaffung zu der Verbindung geworden feyn, welche
Gutenberg mit diefem Schwiegervater feines Vetter
anfnüpfte, ald er im Sahr 1465 dem Hoflager feines
Fürften Erzbifchof Adolphs II. Cvon Naffau), nad)
Eitville gefolgt und ihm dort feine mitgebrachte Druderei
überlaffen hat. Diefer muß gleich mit der Arbeit anges
fangen haben, denn fchon im Sahr 1467 erfchien das
feltene Vocabularium ex quo, in deſſen Schlußfchrift es
heißt — «per Henricum Bechtermüntze in Altavilla
inchoatum.» Heinrich Bechtermüns hatte Grede von
25
Schwalbach zur Frau. Nach Bodmann*) foll er zu
Eltville den 3. Sult 1467 geftorben feyn und feine
Grabjtätte in der dortigen Pfarrkirche gefunden haben,
wo auch noch das ihm errichtete Denkmal zu fehen
fen. Sch habe mich genau darnadı umgefehen, aber e8
nirgends gefunden.
Jakob von Sorgenloch gehörte, wie der ganze im
Rheingau wohnende Adel, zur Parthei des dem Kur:
fuͤrſten Diether entgegengefesten Adolph von Naffau,
und gewiß war er derjenige, welcher bei einer Ueber-
fahrt über den Rhein von den Anhängern Diethers
gefangen und mißhandelt wurde. Das befannte Manu—
feript % über die Fehde zwifchen Diether und Adolf
erzählt den Vorgang mit den Worten: «Es begab ſich
auch, daß den Fritag nach dem heil. Gruzetag etlid)
Volk uf dem Ringaw wolten gen Meng uf den Wuchen—
marft und als fie zu Walluf berüber waren gefaren,
ftiefen die fint, nemlich des von Sfenburg anhenger
uf fie und namen geen fieben gefangen und fhuͤrtenß
hinwegf in das Wefterich off ein Schloß am Dornfpergf
CDonnersberg) gelegem, geen etlich fehlugen fie übel
und etliche bis vff den Thot. Alfo wart auch Safob
Genßfleiſch gehawen.»
Er ſtarb am Montag nach St. Albanustag, den 9.
Juni 1478. Dieß beweiſt nicht allein die Umſchrift des
Steins, ſondern auch ein in der Kirche, an der linken
Seite des Chors, wo er außerhalb wider die Kirchen—
=) Rhein. Alterth. I. 154.
*) Rheiniſches Archiv, herausgegeben von N, Vogt und
Weigel, V. 45,
24
mauer begraben wurde, ihm erricytetes Denkmal. Unſer
gelehrter Antiquar, der Domvifar Georg Helwich hatte
in den Sahren 1611 und 1623 die ganze Mainzer Dioͤ—
zes bereift und in allen Kirche‘. die Denkmäler aufger
nommen. Diefe in lateinifcher Sprache verfaßte Bes
fehreibung nannte er Taphographia, und fie ift noch im
Manufeript unter dem Nachlaß des Prof. Bodmann's
vorhanden; darin fagt er von der Pfarrfirche zu Elts
ville: « Templum hoc exstructum est sub Gerlaco
Archiepiscopo an. 1555. Dann von J. Sorgenlochs
Denfmal «Anno dni. MCCCCLXXVII. IX. die mensis
junii obiit validus Jacobus de Sorgenloch armiger.
c.a.r. ĩ. 5. P. a.» und bemerft dabei: «ibidem sub
historia s. Georgii militis depietus cernitur in specie
armigeri, cum suae gentis insignibus.» Unter diefen
Wappenbildern befanden fich die der Familien Sorgens
loch, Bechtermüns, UÜdenheim und Schwalbach. Diefes
Epitaph ift jeßt nicht mehr fichtbar, fondern durch einen
weißen Anftrich bedeckt,
Der Berjtorbene hinterließ zwei Kinder, Philipp und
Margarethe, Erfterer heirathete Walpurg von Rum—
penheim, Er ftarb am Dienftag acht Tag nadı Mars
tini, 19. Nov. 1510, und wurde in der Klofterfirche
zu Eberbad; begraben. Darin erhielte er eine Grab—
fehrift, welche Helwich gefehen und in feine Tapho-
graphia aufgenommen hat. Er fagt: « Ante altare s.
Magdalene et Agate inscriptio sepulcralis; Anno
dni. mccccer vff Dienfiag den Sten Tag nah Martini
ift geftorben der veft pfilips von forgenlocdh, dem
got genedig fy. Majores; Sorgenloch, Bechtermüntz,
25
Udenheim, Schwalbach. Durch die großen in biefer
fchönen Klofterfirche in den erften Sahren diefes Jahr—
hunderts gefchehenen Zerftörungen, ift auch dieſe Grab—
fchrift mit den meiften andern verſchwunden. Sorgen
lochs Tochter Margarethe heirathete *) einen Johann
von Molsberg, deffen Familie in unfrer Gegend nod)
blüht. Daher befinden fich auch unter den 16 Ahnen
des, dem am 19ten November 1614 verftiorbenen Philipp
von Molsberg, in der Kirche zu Bodenheim errichteten
Denfmals, die Wappen der von Sorgenloch und Bech—
termuͤntz.
Jakobs Wittwe Elſe heirathete im Jahr 1488 den
Better ihres Mannes Hanns von Sorgenloch genannt
Gensfleifch, weltlichen Richter in Mainz, welcher vor:
her fchon mit Magdalena von Grefenroth oder Gräven-
röth verheirathet gewefen.
Bei dem in dieſem Deckftein eingehauenen Sorgen
loch'ſchen Wappenfchild, ift zu bemerfen, daß 1) der
Pilger nicht, wie in der Gensfleifchen Hauptbrande
von der linfen zur rechten, fondern von der rechten
zur linfen Seite gebt. D Daß er die Schale in der
linfen, den Stab aber in der rechten Hand trägt, was
bei dem Gensfleifchen Pilger der Hauptbrandye der
umgewendete Fal if. 3) Daß er die fieben Kreuze
um ſich hat, die man bei der Gengfleifchen Haupts
brandye niemals findet. 4 Daß hier anftatt des
halben Pilgerbildes der Gensfleifche erfter Branche,
drei Reiherbüfche auf der Helmbedeckung fiehen.
*) Bodmann’s rhein. Alterth. I. 135.
26
Noch bemerfe ich, daß in der Nähe dieſes Dediteins
des Jakobs von Sorgenloch, aud) der eines Syfrids
von Schwalbad) entdedt worden.
3.
Unterſuchung einiger Grabhuͤgel bei Kemel, von
Herrn Geometer Wagner daſelbſt.
Die bedeutende Anzahl Grabhuͤgel, welche ſich bei
Kemel in dem Walddiſtrikte Forſt vorfinden, erregte
ſchon lange meine Aufmerffamfeit, und ich befchloß mit
einem Freunde, dem Herrn Oberförfter Spies von
Springen, einen Verſuch mitteljt Aufdeckung einiger
diefer Hügel zu veranftalten.
Das Lokal in welchem fich diefe Grabhuͤgel befinden,
ift fo befchaffen, daß daſſelbe einen der höchften
Standpunkte der Umgegend ausmacht, und nach Suͤd—
weft zu, einen fcehwachen, lang ausgedehnten Abhang
bildet. Die unterften der Grabhigel, welche überhaupt
in unregelmäßiger Lage gegeneinander liegen, beftnden
fich in fumpfigter Bodenlage, um welche herum mehrere
Quellen entfpringen die fich in einen Bache vereinigen,
der füdlichen aufs nahe unter den Gräbern einen
Wiefengrund, mit Namen Nömersgrund, erreicht.
Der ganze Diftrift überhaupt befindet fich von dem
bei Kemel herziehenden Pohlgraben in füdmelt-
licher Richtung 1900 Schritte entfernt.
Wir nahmen alfo einen der unterften diefer Grab-
hügel vor, da uns hier das Gehölze nicht zu fehr hin—
27
derte, bejfen Umfang 47 Schritte und feine Höhe 4
Meter betrug. Dben auf der Spike, dicht unter der
Dberfläche fanden fich zuerft mehrere Quarz und Schie—
ferfteine von mäßiger Größe vor, worunter aud) zwei
Dreiedfteine waren, Die feilförmige Geftalt des einen
ijt befonders merfwürdigz; doch feheint er nicht Durch
Kunſt, fondern blos von der Natur zu diefer regulären
Geftalt gebildet worden zu feyn.
Die fernere Erde diefes Grabes beftand aus reinem
Lehinboden, und fanden fich darin bei einem Scuh
Tiefe, einzelne Kohlen von eichenem Holze und Scher—
ben vom obern Rande eines Topfes aus rothfarbiger
Maſſe (terra sigil.) Bei 3 1%, Meter Tiefe wurde bie
Branderde häufiger und wir fanden jeit Die eigentliche
Branditätte von 3’ Durchmeffer, 2" hoch aus Kohlen
bejtehend, auf welcher eine Menge Knochen ſich befan-
den, die indeffen fo miürbe waren, daß ein ganzes
Stuͤck nicht zu erhalten war. Die Menge der Knochen,
fo wie die Structur einzelner Theile derfelben ließ
ſchließen, daß das Leibroß des Verftorbenen, vielleicht
auch noch mehrere Thiere gleichzeitig mit verbranut
worden find. Auch gab der, auf diefen Knochen ges
fundene, ganz in Gruͤnſpan übergegangene Ring zu
diefer Vermuthung Anlaß, da er unffreitig von der
Stange eined Pferdezaums herrübrt.
Auffer mehreren Scherben zerbrochener Opfers und
fonftiger Gefäße, Aufferft grober Bearbeitung, von
ſchwarz und rother Farbe, woraus aber fein Ganzes zu
bringen war, fanden fid) weiter feine Merkwürdigkeiten
vor; doch muß diefer Hügel noch weiter geöffnet werden.
28
Der zweite Grabhügel, den wir gleichzeitig aufzus
graben befcyloffen, ift 30 Schritte vom erftern entfernt.
Der Umfang defjelben betrug 40 Schritte, feine Höhe
2 1/, Meter.
Bei 1%, Schuh Tiefe fanden fich ſchwere Steine von
Quarz, auch gebrödelte Kohlen, welche nicht von
eichenem Holze gewefen zu feyn fcheinen. Nachdem
mehrere Ddiefer fehr ſchweren Steine, welche fich noch
bi8 auf 7 Tiefe dicht aufeinander gelegt fanden,
herausgehoben und abgemälzt waren, fam die noch mit
Kohlen, Afche und Knochen bededte 1 1/, Schuh im
Durchmeffer haltende Brandftätte zum VBorfchein. Auf
derfelben fand ſich eine Menge zerbrochener Scherben
vor, von ähnlicher Qualität wie im erften Hügel, nur
waren die Knochen hier nicht fo häufig als in jenem.
Als weiter um die Brandftätte herum gearbeitet
wurde, fand ſich etwas von Roſt zerfreffenes Eifen
etwa drei Finger breit, und nicht fehr Yang, davon
die Gestalt nicht ausfindig zu machen war. Bei diefem
Eifen aber lagen drei Ringe, welche fich vortrefflich
erhalten hatten, und mit dem edlen grünen Roſte bedeckt
waren. (Tab. Ill. Fig. ı.) Einer diefer drei Ringe war
an feinen Enden aufgebogen, welces von dem Drud der
auf ihm geruhten Laſt entftanden feyn fann. Es wurde
hier mit möglichfter Vorficht weiter gegraben, und bald
darauf fam wieder Eifen zum Vorfchein, welches ſich
etwas beffer ald das erjtere erhalten hatte und folgt
Nro. 3. Bei diefem Eifen fanden ſich noch drei Ringe
ganz den erfteren gleich, vor. Der eine davon war
in drei Stiüde zerbrochen, die beiden andern aber
29
hingen ineinander, woraus wir fchloffen, daß alle ſechs
eine Kette gebildet haben, welche fich erftens durch den
an feinen Enden aufgebogenen, und dann durd die
zerbrochenen Ringe getrennt haben mochte.
Einen halben Meterfchuh von der Brandftätte ent-
fernt lagen diefe Ringe, deren Stoff dem jegigen eng-
lifchen Bronze Ähnlich zu feyn fcheint.
Die fumpfige Lage des Grabes, welche das wei—
tere Nachgraben fehr erfchwerte, ließ uns daſſelbe vers
laffen und feine fernere Aufdeckung bis zu trodener
Sahreszeit verfchieben, in welcer die hier noch zu
vermuthenden Merkwürdigkeiten, beffer erhalten, zu
Tage gebracht werden koͤnnen.
Gin nahe hierbei gelegener dritter Grabhügel follte
unfere Arbeit für den Tag befchließen. Er hatte 28
Schritte Umfang und 3 Meterfchuh Höhe.
Bei 1 Schuh Tiefe fanden fih, wie im eriten,
zerbrödelte Kohlen, auch fchwarze Scherben, mitunter
Knochenſtuͤckchen. Dabei fand nad) Weiten eine Urne
mit Knochen, etwa 3/, Schuh Durchmeffer haltend. Die
Stuͤcke dieſes Gefäßes, welche ſich zufammenfegen
laffen, und welche ich wie fie aneinander gehören
numerirt habe, folgen unter Nr. 4 bei. Den obern
Rand dieſes Topfes konnten wir nod, nicht erhalten.
Nach Dften jtand noch ein Gefäß mit Knochen,
worin ein Theil des Bodens mit Knochen angefüllt,
hier auch mit Nr. 5 bezeichnet beiliegt.
Zwifchen diefen Gefäßen lag ein Stüd eines Fleinen
Ringes Nr. 6.
50
Die einbrechende Nacht machte unferen Arbeiten ein
Ende. Es folgen nur noch mehrere Scherben zer:
brochener Gefäße, aus jenen Gräbern, bei.
Bei dem oben gemachten Verſuche habe ich gefun—
den, daß die vorthbeilhaftefte Art der Aufgrabungen
diejenige ift, wenn der Grabhügel oben von der
Spise an, bis zu feinem Fuße, horizontal abgehoben
wird, wie dieſes mehrere ſchon vorgefchlagen haben. —
Mit Vergnügen würde ich die Aufjicht über diefe
Arbeiten übernehmen und über den Befund alles Merf-
würdigen genaue Relation dem Vereine zugehen laffen.
Kemel, den 16. April 1823.
A.
Fortfeßung der Ausgrabungen bei Kemel von
Herrn Oberförfter Spies, und Herrn
Geometer Wagner.
Unfere Nachgrabungen festen wir heute in der
Gegend des Hinterlandswaldes ohngefähr 1500 Schritte
wejtlih vom Gladbacher Forfihaufe in dem Diftrift
Igelskerb fort.
Ein Grabhügel nahe an einem alten Wege ftel ung
befonders auf, und wir befchloffen zuvoͤrderſt denfelben
mittelft eines Einfchnitts, da das horizontale Abdecken
wegen des darauf befindlichen Gehölzes nicht thunlich
war, zu öffnen. Der Hügel hat 50 Schritte im Umfang
und 4 Werkfuß Höhe. Der Einfchnitt gefchah ın der
Richtung von Suͤdweſt nad) Nordoften.
1
Wir gelangten dabei vorerft auf einen noch ziemlich
gut erhaltenen Schädel, welcher jedoch aller ange:
wandten Mühe ohngeachtet, nicht unbefchädigt aus der
Erde zu erhalten war. Die Stüde davon folgen
unter Niro. 1.
Auf der linfen Seite des Schädeld Cder Körper
lag nämlich mit dem Kopfe nach Südoften) befand
fi) Die Spiße des Speer unter Nro. 35 etwa in der
tage als habe er neben dem Körper gelegen, und reichte
wohl 1 Schuh länger hinaus, ald der Körper lang ger
weſen ſeyn Fonnte. Unter dem Speer, auf der linfen
Seite neben dem Körper hinunter, befanden fich Stüde
des Schwerts Niro. 4. Seine Spike lag nad) den Füßen
des Körpers. Im der Nichtung zwifchen dem Speer
und Schwert fand man die Ringe Nro. 5. Ob fie zur
Stange ded Speers oder zum Griff des Schwerts ge:
hörten, fonnte nicht ausgemacht werden.
Etwa in der Mitte des Körpers befand fich ſtehend
die Urne Wr. 6. (Tab. IM. Fig. 2.) Unter ihr lag der
Knochen Ar. 7. Sie war mit etwas Erde angefüllt,
welches Afche zu feyn fiheint, übrigens war fie un-
bedeckt.
Das Zuſammenſetzen des zerbrochenen Randes der
Urne, wollte uns, da es an Materialien fehlte, nicht
gluͤcken.
Dicht unter dem Kopfe, etwas auf der linken
Seite des Halſes, befand ſich der metallne ſchlangenfoͤrmig
gebogene Ring Nro. 8 Weder Kohlen noch Branderde
fanden ſich im Hügel, nur in der Gegend der Urne
ſchien etwas Afche zu liegen.
32
Im übrigen beftand diefer Hügel aus fehr reinen
Lehm, ohne die mindejten Steine.
Jenſeits des Weges gegen diefem Hügel über, be—
ſchloſſen wir den zweiten aufzudeden. Er hatte etwas
weniger Umfang und Höhe als der erjte.
Gleich unter der DOberfläcye fand ſich Branderde
und einige grob gearbeitete Scherben eines Gefäßes
vor. Die Erde dieſes Hügel! war mit fehr fteinigten
Schichten durchzogen, und wir fanden weder Knochen,
noch fonft eine Merfwürdigfeit in diefem Grabe, und
befchloffen daher für heute unfere Arbeit, die wir
zur gelegenen Zeit fortfegen, und dem DBereine die
NRefultate davon einfenden werden.
Gladbacher Forſthaus den 10. Suni 1823.
5
Bericht uͤber die Entdeckung einer Anzahl Silber—
muͤnzen bei Hergenroth, von Herrn Pfarrer
Schloſſer in Weſterburg.
Ueber die Entdeckungen der Hergenrother Muͤnzen
habe ich, nach ihrem Wunſche, an Ort und Stelle fol—
gende Erkundigung eingezogen. Auf dem ſogenannten
Reichenſcheid eine Viertelſtunde von Weſterburg ent—
legen, hatte die Gemeinde Hergenroth eine ſumpfige
Stelle, die als Viehweide beinahe ganz unbrauchbar
geworden war, auszutrocknen beſchloſſen. Bei dem
Auswerfen des Abzuggrabens, zeigten ſich bald einzelne
Silbermuͤnzen. In der folgenden Nacht waren jedoch
durch einen ſtarken Regen mehrere dieſer Stuͤcke reins
35
geſpuͤlt worden, welche durch ihren Glanz die Arbeiter
aufmerkſam machten. Bei ſorgfaͤltiger Durchſuchung
des Schlammes fanden ſich nun viele Muͤnzen und
einer der Leute hatte das Gluͤck, ohngefähr 1 1/, Fuß
tief unter der Erdoberfläche, die Truͤmmer des Gefäßes
zu entdeden, in welchem die Münzen vergraben worden
waren.
Es war ein ungefähr 1 Maas haltender, baudhiger
Krug von GSteingut, in deffen Innerem die Münzen
in mehreren Rollen aufrecht geftanden zu haben fchienen,
Wiewohl der Inhalt des Kruges, zum Theil durd dag
Herumgehen des DViehes in dem Sumpfe zerftreut ge-
weſen war, fo mochte die Ausbente im Ganzen fich
dod) auf etwa 400 Stüd belaufen, von denen ich nur
noch wenige für die Vereinsfammlung erhalten Fonnte,
Wefterburg den 7. Suni 1833,
Erläuterung der Hergenrother Münzen von
Herrn Pfarrer und Schulinfpeftor Vogel
in Schönbad.
Sch halte die bei Hergenroth gefundenen Münzen für
eines erzbifchöfl. Fölnifchen Schlages, auf welchem Stuhle
vier Brunos faßen. Die Umfchrift läßt fich dahin auch
3
34
leicht fuppliren: Brun (o Archiep)s. Colon (iensis) mon-
(eta.) Der Ort, wo die Münzen gefunden feyn follen, hatte
zwar nie ein Klojter, wohl aber eine in ber Gegend fehr
heilig geachtete Kirche, Deren wohl erhaltene Ruinen
recht3 an dem von Hergenroth nach Wefterburg führen-
den Wege, auf der Höhe, die der Reichenſtein heißt,
liegen. Diefelbe war zwar nie eine Pfarrfirdye mit
Seelforge , fondern nur eine Kapelle der Mutter
Gottes gewidmet, und daher u. I. 5. Kapelle, wie
von ihrem angeblichen Stifter Gr. Reinhard von We—
fterburg, die Reinhard Kapelle genannt. Die Zeit
ihrer Stiftung ift nicht befannt, fällt aber vermuthlich
in den Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts. Die von
ihr im gräflichen Archive zu Wefterburg noch vorhan-
denen Urfunden und Nachrichten, beginnen mit d. J. 1487
und enden mit 1620, nad; welchem Jahre fie bald zer-
ftört worden it, und enthalten nur unbedeutende
‚Schenfungen und Reſte von Rechnungen. Ein wun—
derthätiges Marienbild brachte dieſe Kirche bei ihren
Zeitgenoffen in großes Anfehen, veranlapte die Stif—
tung von vier Brüderfchaften bei derfelben, und mehrere
Prozeffionen dahin.
Die Opfer und Allmofen die hier fielen, waren
fehr bedeutend. Noch in den neueren Zeiten brachte
die Frömmigfeit der benachbarten Fatholifchen Eins
wohner Butter, Käfe und Eyer, auch wohl Geld, und
legte es als Opfer in die Ruinen der Kirche nieder.
Sollten die in dem Topfe bei diefer Kirche gefundenen
Münzen nicht von diefem Opfer früherer Jahrhunderte
herftammen? Mir fcheint dieſes fehr wahrfcheinlich.
30
Nahe bei diefer Kirche liegt der Wald Reichenfcheid,
der im J. 1490 an die Brüderfchaften der Kirche Fam,
Schoͤnbach den 18. Auguft 1823.
Zufaß des Herausgebers,
Sn einem Werfe von Pohl »), findet fid unter
den Münzen des Erzbifchofs Bruno von Trier,
(Grafen von Lauffen, erwählt 1102. F 1124) ein
Denar befchrieben, der dem vorliegenden ähnlich ift,
mit folgender Legende:
«A. BRUNO ARS. Bruftbild mit einer Perlen-
binde, rechts den Stab, links ein Buch haltend.
R. 7 CONTLVENTA. Eine Kirche mit drei
Thuͤrmen.
Diefe Münze wird von Mader (Th. J. ©. 120.)
für Bruno I. Erzbifchof zu Coͤln (1136) zugehörig gez
halten, welcher diefelbe als Verweſer des Trierifchen
Stift hatte ſchlagen laffen. Er führt als befondern
Grund an, daß bis gegen die Mitte des 14. Jahr:
hunderts fonft durchaus nichts von einer Münze in
Eoblenz vorfomme; man wifje erft von Erzbifchof Bal-
duin, (erw. 1307. 7 1354) daß er zu Coblenz habe
münzen laffen, und erft von deſſen Nachfolger, Boes
mund II., habe man ein dort geprägtes Stud, Die
Kiehtigfeit feines Grundes geht daraus hervor, daß
ſchon unter Eberhard (1047—1066) und Udo (1068 —
*) 5. I. Pohl, die trierifhen Münzen, chronologiſch geord—
net und befchrieben. Coblenz 1825. Seite 21,
56
1077) dort gemuͤnzt wurde, wie die von mir unter
diefen Erzbifchöfen angeführten Münzen mit der Legende
CONFLVENTIA darthun; aud; von Balduin hat man
dort gefchlagene. Die Form und Bildung ift offenbar
mehr den gleichzeitigen koͤlniſchen, als den trierifchen
Münzen ähnlich; allein Fonnte nicht der trierifche Bruns
fölnifche Stempelfchneider für feine Münze in Coblenz
beftellt haben?» —
Wir finden unfere Münze, die ich nach mehreren vor
mir liegenden Driginalien eines Gepräges, Giedod von
mehr oder minder guter Erhaltung), oben in Holzfchnitt
abbilden ließ, fowohl in Avers als Revers von der oben
angeführten verfchieden. Auf der Vorderſeite führt
nämlid; der Name Bruno zwei N und flatt ARS
(Archiepiscopus) fteht E + S (Episcopus). Das durd)-
firichene P zwifchen E und S ift kaum von einem Kreuz
zu unterfcheiden. Auf der Nücfeite ift ftatt des T ein
deutliches I fihtbar. Im Uebrigen ftimmt die in obigem
Werke angegebene Größe wie das Gewicht (Gr. 14 L.,
Gew. 13 A, 14 Loth.) ziemlich mit unferm Denar
überein, deffen Rüdfeite wahrfcheinlich die alte Baſilica
des heil. Florin in Coblenz darftellt, welche Erzbifchof
Bruno erneuert und erweitert hatte *).
% ©. Brower. Annal. Trey. II. p. ıg. Hontheim Hist.
Trev. II. p. 766.
37
a
Bericht Uber die Ausgrabungen in der Kohlhecke und
dem Frauenfteiner Forft, von Herrn Bibliothek
fefretär Zimmermann in Wiesbaden.
Da ich die zum Behufe einer Unterfuchung der
römifchen Ueberrefte bei der Amöneburg (unweit
Kaffel) bemwilligte Summe, wegen deren mir vorher
unbefannt gewefenen Lage im Heffifchen Gebiete, nicht
verausgaben Fonnte, fo glaubte ich diefe Summe nicht
beffer, als durd; Deffnung einiger Gräber in der Kohls
hecfe verwenden zu koͤnnen.
Am 9. und 10. Mai wurde der Anfang mit den
Ausgrabungen gemacht. Der erfte halbmondförmig von
Oſten geöffnete Tumulus auf dem Rüden der Kohl-
hecke, lieferte ald Ausbeute einen ovalen etwa 6 Zoll
in die Länge und 4 in die Breite haltenden Bronz-
Ring, ohne weitere Verzierungen, nebft einer Unters
faßfchale mit Knochen; lettere zwar zerbrochen, doc
reftaurationsfähig. Das DOffuarium war durch das
niedergeftürzte Gewölbe, aus rohen Waldfteinen, gänz-
lich zertrimmert ; ebenfo auch, wie fich aus der Menge
von Scherben erfehen ließ, einige Ginerarien. —
Sm zweiten Hügel fand ſich außer einer Menge von
Scherben und vielen Ueberreften gebrannter Steine,
nichts als Afche vor.
Sch ließ nun einen weiteren Verſuch am Abhange
der Kohlkede in der Nähe, wo die uralte Bleidens
ftädter Straße bergabwärts durch die Klofter Claren—
98
thaler Wiefe zog, und nächft des heutigen Dotsheimer
Waldwegs, machen. Ein fihöner Hügel hatte dort
ſchon längjt meine Aufmerkfamfeit erregt. Er zeichnete
fidy nicht fowohl durd; Höhe, als durch Breite aus.
Lestere öfters bedeutfam als Kennzeichen von Opfer:
fätten. Schon durd; die große Menge fchwerer
Feldfteine, welche von dem Tumulus abgewälzt werden
mußten, wurde meine Hoffnung fehr gefpannt. Gegen
die Mitte des Hügels vorgedrungen, fand ſich unter
einem Steingewölbe, der Knochentopf, bis auf eine
Heine Befchädigung am Nande, die fich leicht wieder
- ausbefjern läßt, gut erhalten. Die Form ift angenehm
und die Waffe eine ſchwarzgraue, ziemlich rohe Thon—
erde. Nebenbei lag ein Feines, gut erhaltenes Gefäß
von gleicher Mafjfe, ein eiferner, durch Roſt fehr zer:
ftörter Stiel eines Meffers und dann eine verfteinerte
Seemugchek Einige Schuhe weiter fortgrabend, ftießen
Die Arbeiter auf eine Steinplatte, die auf einer fejten,
traßartigen Unterlage ruhte. Sch ließ das Ganze behut-
fam abräumen und fand hier eine unverfennbare ger:
manifche Opferftätte. Die Steintafel hielt in der Länge
etwas über 3 Fuß, in der Breite ungefähr 2 Fuß und
die Dicke betrug 4 Zoll. Ihre Schwere war fo bedeutend,
daß die Arbeiter fie nicht einmal lüften konnten. Regel:
mäßig war die Gonftruction, Die Urne ftand mit
ihren Beilagen gegen Sonnen-Aufgang, die Opfer:
ftätte aber gegen Sonnen-Untergang. Gerne würde ich
dieſes Religiong-Denfmal unferer Borvordern unberührt
gelaffen haben, wenn ich die Hoffnung feiner Erhaltung,
in der Nähe einer fteinbedürftigen Chauffee, gehabt
59
hätte. Bedeutfam war ein anderer Stein, Ahnlich den
alten Grabjteinen, fenfrecht auf diefe Steinplatte nad
der Suͤdſeite zu aufgeftellt.
Zwei andere, in der Nähe geöffnete Huͤgel gaben
auffer einem Bronzringe und zwei Fleineren ineinander
hängenden Ningen, nebſt einem hufeifenformigen Stuͤck
Gifenblech von einem halben Schuh Durchmeffer, Feine
weitere Ausbeute, weil die überaus große Feuchtigfeit
die Urnen wieder in Erde verwandelt hatte. Daffelbe
in allen übrigen Hügeln am Abhange der Kohlhecfe
vermuthend, jtellte ich die weitern Ausgrabungen ein,
und dirigirte Die Arbeiter in den Dosheimer und
dann in den Frauenfteiner Forſt, wo fic in, der Nähe
des aufgehobenen Nonnenflojters Dieffenthal andere
Grabhügel, die Heidenfüppel beim Volk genannt,
in einem alten, lichten Eichenwald vorfinden.
An erſterem Orte fand ſich in zwei Gräbern nicht dag
mindefte vor; Dagegen war in einem dritten Hügel
die Ausbeute reichhaltiger. Nach Abräumung der Rafens
defe fand fich ein trefflich gearbeiteter Armring in
gegofjener Arbeit, Tab. IH. Fig. 5. im Innern des
Hügels ein zweiter, diefem gleich, Tab. IM. Fig. 4.
und ein vom Roſt zerjiörtes Schwert, das beim Be:
rühren zerfiel. Diefe Ueberrefte habe ich aufbewahrt.
Zwei Fleinere Ringe, Fig. 5. wahrfcheinlic, vom Pferdes
fhmud, lagen beim Schwert. Die Urne war zerdrüct
und nur ein Fleines Gefaß aus ſchwarzer Erde laßt fich
nothdürftig zufammenfegen. Später fand ficy zufällig
in der Nähe diefer Hügel, das Fig. 6. abgebildete
einem Meifel nicht unahnliche Inftrument in Bronze.
40
Da ein am 3. dieſes noch weiter geöffneter Hügel
Feine Gegenftände zur Aufbewahrung enthielt; fo habe
ich vor der Hand die Ausgrabungen auch da eingeftellt.
8.
Bericht über die Unterfuhung des römifchen
Caſtrums bei Marienfeld von Herrn Pfarrer
Brinfmann in Michlen.
Zufolge des verehrlichen Erlaffes vom 26. Februar
1824 habe ich mic; des andern Tages nad; Marienfels
begeben, um vorläufige Nachrichten zur Beantwortung
der aufgegebenen Punkte einzuziehen.
Daß ein römifches Lager auf dem Plage, worauf
jest Marienfeld erbaut ift, geftanden habe, ift ſchon
durch die vorgefundenen Töpfergegenftände und Münzen
beurfundet worden. Es wird aber ganz auffer Zweifel
gefeßt durch die aufgefundenen Legionfteine, deren 2
der Herr Pfarrer zu Marienfeld befist. Beide find
nicht mehr ganz; fondern, wie es wahrfcheinlich ift,
von Maurern behauen, und als Mauerfteine gebraucht
worden. Auf dem einen befindet ſich die Inſchrift ganz
erhalten, nämlich: LEG. XXII. PR. — Auf dem andern
ift nur: XI. PR. *) zu fehen; das vordere Stüd ift
abgefchlagen. Bei meiner vorgenommenen Unterfuchung
fand ich ein Stud Töpferarbeit von terra sigillata,
*) Ohne Zweifel ebenfalls von der Leg. XXII. PRimigenia
Pia Fidelis,
d. H.
41
weldyes dem Anfcheine nach, eine Schyüffel gemefen,
worauf in erhabener Arbeit ein liegender Xöwe und
unter demfelben ein anderes Thier in liegendem Zus
ftande abgebildet war. Ebenfo befizt der Herr Pfarrer
zu Marienfeld ein ähnliches Stud, auf weldyem ein
Siegeswagen mit zwei Pferden befpannt und mit einem
ftehenden Manne auf dem Wagen befindlic, iſt. Weil
ein großer Pla auf der Nordmeftfeite von den Bes
wohnern zu Marienfeld aufgegraben und auf die Aeder
zum Düngen gefahren worden ift, wie noch immer ges
fhieht, fo hat man, außer vielerlei Scherben von
Töpferarbeit, auch römifche Münzen gefunden. Die
Außerften reichten, wie id; vernommen, bis zu Marc
Aurel; alfo bis gegen das Ende des zweiten Sahr-
hunderts.
Nach meiner Anficht fteht das jetzige Marienfels
auf dem nördlichen Theile des ehemaligen römifchen
Lagers. Der Ort ift in länglichter Form gebaut und
befteht aus einer Straße mit Häufern auf beiden Sei-
ten; auf der Nordfeite begrenzen ihn fumpfige Wieſen.
Weiter Fann nach diefer Seite das Lager nicht gereicht
haben; und hier hat man auch nocy nichts von roͤmi—
ſchen Alterthimern entdeckt. Auf der Suͤdſeite erftredt
fih, hinter tem Orte hin, der übrige Plas, auf
welchem das römifihe Lager war, und man kann,
meinem Ermeffen nach, den ganzen Umfang defjelben
an etwa 400 Schritte lang und 150 breit anfchlagen.
Daß der Ort felbft auf diefem Lager fteht, beweifen
die bei dem Fundamentgraben der Häufer und in
den anftoßenden Gärten gefundenen Gegenjtände.
42
Ton der Nordmweftfeite ber, bis etwa in die Mitte
des Lagers, it eine „große Strede ausgegraben wor—
den. Diefe Ausgrabung reicht bis an den fogenannten
Kirchgarten, welcher mit einer ſtarken Mauer, die
zwar nicht uͤber, aber tief unter die Erde geht, ein—
gefaßt und welcher Garten, von Norden nach Suͤden,
etwa 140—150 Schritte lang und ungefähr halb fo
breit ift. Quer durch diefen Garten hat ehemals eine
mit Kies überfchüttete Straße geführt, die man vor
dem Garten bei der ftattgefundenen Ausgrabung entz
det hat.
Meine Vermuthung geht dahin, dab auf dem Castro
Romano zum Theil und noch weiter gegen Süden und
Weſten ein großer Ort, vielleicht das Hauptitädtchen
der Gegend, geftanden habe, wie die unterirdifchen
Mauern, welche ſich weit ins Feld hinein und bis an
den Drt Marienfeld erfirefen, bezeugen. Man hat
aber, meines Wiffens , feine Nachrichten darüber.
Die um Nath gefragten Kirchenbücher reichen nur
bis zum Sahr 1678 und fagen: daß die früheren
Kirdyenbicher durch Kriegsunruhen verloren gegangen
ſeyen *). — Eine Sage hat fich erhalten, daß weftlid)
von Marienfeld und nadı den Mauern zu fihließen,
*) Ob die Spuren des ausgegangenen Drtes, der römifchen
Zeit (etwa als Ueberrefte eines Municipiums, in der Nähe
des Gaftells) angehören, oder vielleicht der Gib des alten
Gaugerichtes im Einrich (Pagus Einricha) waren, von dem
vah Urkunden des 10. und 11. Jahrh. ver Comilatus
Marvelis den Namen führte, müffen genauere Unterfuch-
ungen entjcheiden. — ©. eine Abh. meines verftor. Vaters
in Nr. 222. des Reicheanzeigerg von 1803.
45
auch auf der Sidfeite ein Ort, Namens Dennighofen,
gejtanden hätte. Diefer Name findet ſich auch auf
alten Kandfarten, ftatt Marienfeld, und die Dafige
Feldmark führt noch denfelben Namen. Es ift wahr:
ſcheinlich, daß der erfiere Ort, welcher auf dem Castr.
geftanden, in den mittlern Jahrhunderten unterger
gangen, vielleicht verbrannt ift, da man fo viele ver—
witterte Kohlen bei den Ausgrabungen findet. Hernach
mag der Ort Dennighofen dafelbft aufgebaut worden
ſeyn, welcher, nachdem die Freiherren vom Stein zu
Naſſau die dortige Kirche in den Zeiten der Kreuzzüge
erbaut und die Bewohner Dennighofens ſich mehr
herunter in's Thal nach der Kirche hin, welche auf
der rechten Seite des Ortes, am weitſten nördlich,
auf einem Felfen an der Mühlbach ficht, gezogen und
angebaut haben, verfchwunden ift und dem jegigen
Marienfels Platz gemacht hat.
Es ift, wie ich glaube, mit Recht anzunehmen, daß
der vorhin genannte Kirchgarten, welcher fich in Der
Mitte des römifchen Lagers befindet, der Platz war, wo—
rauf die alte Kirche von Dennighofen oder dem nod)
früheren Orte geftanden und um welche der Kirchhof
gelegen war. Dieß ift wohl daraus zu fließen, daß
in diefem Garten, wie man an der einen Seite, wo
die Mauer niedergeriffen ift, fehen kann, viele Knochen
von Menfchen, Scherben von römifchen Vaſen und
verfaultes Holz von den Särgen hervorragen. Anz
genommen, daß diefer Plak ein Kirchhof war, fo iſt
er herumgegraben und es dürfte fich fehmwerlich etwas
vor römifchen Alterthümern hier auffinden laſſen. Aber
4%
eben fo feheint mir auch der übrige Theil des Lagers
herumgewühlt, weil auf demfelben nachher der Ort
Dennighofen gejtanden, wie die unterirdifchen Mauern,
welche bei jeder Aufgrabung fich zeigen, darthun. Wie
vorhin ſchon bemerft, find die Ueberbleibfel von den
römifchen Töpferarbeiten zu den Fundamentmauern der
nachmals dort erbauten Häufer gebraucht worden. So
viel mir befannt, und wie auch der Herr Pfarrer zu
Marienfels verfichert, ift noch fein ganzes Stud von
römifchen Töpferarbeiten aufgefunden worden. Ueber
dem Kirchgarten befindet ſich das Aderfeld und hier
zeigen fidy ebenfall3 bei jeder Aufgrabung Fundament—
mauern. Auf der andern Seite des Gartens befinden
ſich kleine Gärten der Einwohner, welche auch fchon
zum Theil tief ausgegraben find. Wenn Nachgrabungen
angeftellt werden follen, fo müffen fie entweder über
dem Plate, der von den Bewohnern Marienfels fchon
ausgefahren worden, welcher Aderfeld ift, oder auf
der andern Seite des Kirchgartens, am erften aber
noch in den Gärten zwifchen den Häufern, wo noch
feine Ausgrabungen ftatt gefunden haben, vorgenom-
men werden; denn bis dahin, wo Marienfels jest
ſteht, fcheint ſich das alte Dennighofen nicht erſtreckt
zu haben. Im Kirchgarten dürften wohl auch noch
manche Seltenheiten angetroffen werden, und wenn er
nicht etwa ein Kirchhof gemwefen wäre, fo ließe ſich
hier das Meifte gewiß auffinden, weil diefer Plaß die
Mitte des römifchen Lagers geweſen zu feyn feheint.
Miehlen, den 20. April 1824.
Bortfehung folgt).
45
9.
Die römifhen Ruinen bei Hedernheim
von % ©. Habel in Scdierftein.
Patet omnibus veritas, nondum est occupata,
multum ex illa etiam futuris relictum est.
SENECA.
Eine Stunde nordweftlicd von Franffurt am Main,
in der Richtung nad; dem Gipfel des Feldbergs hin,
liegt am rechten Ufer des Fleinen Niddafluffes das
Dorf Hedernheim, in deffen Nähe die merfwürdigen
Ueberrefte des Alterthbums entdeckt wurden, die vor
längerer Zeit fehon die Aufmerffamfeit der Gelehrten
in Anfpruch nahmen. ,
Durch die Werke eines Huttich), Gruterd),
Reinefius I, Windelmann ), Bernhard 5),
Lersner 6) u. a. m. find die Inſchriften aufbewahrt
worden, welche, früher in der Umgebung des ge—
nannten Dorfes gefunden, eine feſte Anftedelung der
Römer in dieſer Gegend beurfunden.
Dem gelehrten Benedictiner P. Joſeph Fuchs 7),
der im Jahr 1769 auf Befehl des Churfürften Emeridh
*) J. Huttich Collectanea Antiggq. in urbe atq. agro Mogunt.
repert. Mog. ı520, in Joannis Rer. Mogunt. Tom. III.
2) J. Gruter Corp. Inscript.
3) Reinesius Syntagma Inscript.
) Windelmann, Heffifhe Ehronif.
>) Bernhard, Alterthümer der Wetterau. 1745.
6) Lersner, Frankfurter Chronik.
7». Joſeph Fuchs alte Gefhichte von Mainz, 1771.
©, 1. p. ı2. ı01. II. p. ı3. 263 seqg.
46
Joſeph, die Alterthümer des Mainzer Gebietes zu
unterfuchen anfıng, verdanfen wir die erften aus—
führlichern Nachrichten über den Fundort diefer Denk—
mäler. Die etwas zu oberflächliche Anficht der Loca—
lität, verleitete ihn jedoch zu manchen Irrthuͤmern und
gewagten Hypotheſen, welde Gerden!), der einige
Sahre fpäter diefe Gegend ſah und befchrieb, mit fait
zu großer Strenge rügt. Wenn auch Fuchs ſich zuweilen
von feiner lebhaften Phantafie zu weit hinreißen läßt,
fo gebührt doc; feiner gründlichen Gelehrfamfeit, und
der Erhaltung fo vieler fchäßbaren Monumente eine
danfbare Anerkennung.
Ein Frankfurter Gelehrter H. ©. Huͤsgen 9 war
zuerft darauf bedacht, den dAußern Umfang diefer
Ruinen, durch eine wiewohlunvollfommene, Zeichnung zu
veranfchanlichen; er nahm jedod, feinen Anftand ohne
nähere Unterfuchung auf die Auctorität von Fuchs,
geradezu dieſem laß den Namen Castrum Hadriani
beizulegen, während Kremer) und Andere, das Mu-
nimentum Trajanı dafelbjt zu finden glaubten. Die
DBeweisftellen der Glafjifer, welche zur Unterftügung der
verfchiedenen Hypothefen angeführt wurden, konnten jedoch
Wenckq) nicht beſtimmen, fich für eine dieſer Mein—
ungen zu erklaͤren. Indem er vielmehr das Munim.
) P. W. Gercken, Reifen ıc. 1788. IV. p. 204 seqq.
?) ©. deſſen verrätherifche Briefe von Hiftorie und Kunft.
Sranff. 1776. II. p. 88.
>) Kremer, rheinifches Franzien p- 7. Note n.
) H. B. Weuck, Heſſiſche Landesgefchichte. 1785. J. p. 14.
Note,
47
Trajanı mit Spener!) und Sattler?) in die obere
Graffchaft Katzenellenbogen verlegt, fett er die Gruͤnd—
ungsperiode der römifchen Niederlaffung bei Hedernheim
in die Zeit des Kaifers Saracalla (211—217). Als ein
Winterlager Hadrians, von diefem Kaifer, mit der
Saalburg bei Homburg durd; eine gepflafterte Heerſtraße
verbunden, bezeichnet es aud; Neuhof), und diefe An-
ficht fcheinen die meijten Alterthumsforfcher 9 zu theilen.
Unter den Gelehrten, welche mit Scharffinn und
Gründlichkeit die dort gefundenen, jedoch früher meift
fehlerhaft edirten Inferiptionen berichtigend erläuterten,
it unter den Aeltern Lamey 5) unter den Neuern
Lehneb) mit Auszeichnung zu nennen. Durch von Ger-
nings 7) und Braung 8) Schilderungen wurde diefer
hiftorifch intereffante Ort wiederum hervorgehoben. Die
fpätern Entdeckungen find zum Theildurd; Doromw9) und
Zimmermannio) befannt geworden. Nach fo vielfei-
tigen Erörterungen von denen ich hier nur einen Theil
) J. C. Spener. Notitia Germ. antiq. 1717 p. 170.
») E. 8. Sattler, Gefchichte von Würtenberg. I. p. 327.
>) E Neuhof, Nachricht v. d. Alterth. bet Homburg vor der
Höhe. 1780. p. 16.
*) Pauli in der Didasfalia. Juli 1826. v. Gerning u. a. m.
>) Deffen Abh. in den Act. Acad. Theod. Palat. III. p. 175.
s) Deffen Abhandfungen im rheinifchen Archiv, herausg. von
Vogt und Weitzel.
RNv. Gerning, die Heilquellen am Taunus, iu den Noten.
Deifen Lahn- und Maingegenden 1821. p 106.
*) Braun’s Ubh. in der Charis 1824. Nr. 28.
) Dorow, im Eotta’fhen Kunftblatt 1823. Nr. 145.
o) Zimmermann, Wiesbaden und feine Umgebungen. 1827.
48
überfichtlicy berührte, erfcheint e8 auffallend, daß zur
endlichen Aufklärung des oft befprochenen Gegenjtandes
nicht früher an diefer Stelle regelmäßige Nachgrab—
ungen veranftaltet wurden, die fo belohnende Ausbeute
hoffen ließen. So reich audy der claffifche Boden
unfers DBaterlandes an intereffanten Denfmälern der
Vorzeit ift, fo glaubte der neu ind Leben getretene
Alterthumsverein feine Wirkffamfeit auf feinen merk—
würdigern Punkt richten zu fünnen, als auf einen Ort,
von dem man, nach der Ausdehnung feiner Ruinen und
den bisher nur zufälligen Entdeckungen, wichtige Auf-
ſchluͤſe über die fo mangelhafte Gefchichte jener Zeit
erwarten durfte.
Im Frühling des Jahrs 1823 fand ſich daher der
Dereinsvorjiand veranlaßt, eine genaue Xocalunter-
fuhung anzuordnen und mir die Leitung derfelben zu
übertragen, deren Ergebniffe ich, ſoweit es bis jetzt
bei der noch unvollendeten Arbeit möglich ift, in diefen
Blättern vorzulegen verfuchen will.
Lage im Allgemeinen.
Hedernheim felbft enthält, wie Einige irrig an—
nehmen, Feine Spuren römifcher Ueberrefte, dagegen
500 Schritte weftlich von diefem Dorf gelangt man
auf dem nad) Praunheim führenden Vizinalwege zu
einem großen, durch einen Erdwall begrenzten Feld,
welches die Landleute das Heidenfeld nennen. ©,
den Plan Tab. V. 1).
) Der größere, von mir aufgenommene, Plan wird fpiter mit:
getheilt werden, um durch das Hinzufügen der neueften
49
Der rings herum laufende Fahrweg wird in ben
älteften Flurbüchern durh «Manermweg,» der von
einer Dbftbaumreihe umgebene große Bezirf, mit
«Burgfeld» 1) bezeichnet.
Auf dem höchften Punkt?) (w) dieſes auf fanfter Ans
höhe liegenden Feldes, eröffnet ſich nach allen Geis
ten auf mehrere Meilen hin, eine weite Ausficht.
Deftlich erfcheint zunächft Hedernheim, dem kur—
beffifchen Dorf Efchersheim gegenüber 3), fammt den
andern auf der Nordfeite der Nidda, gegen den alten
Entdedungen ihm mehr Vollſtändigkeit geben zu Fönnen.
An deſſen Stelle folgt daher einftweilen nur zur Ueberficht
des Ganzen, eine verkleinerte Eopie defjelben als Skizze.
) Häufig finden fich die Orte wo römifche Lager und Befeftige
ungen ehemals flanden, felbft wo äußere Epuren gänzlich
verfchwunden find, in Slurbenennungen alter Lagerbücher,
und felbit im Munde des Volks erhalten. Die oft in
unferer Gegend vorfommenden Namen: alte Burg, Heiden:
fchloß, Heidengraben, Deidenmauer ꝛc. deuten auf den
früheren Urfprung hin.
Es ift daher fehr zu empfehlen, vor jeder Rocalunter-
fuchung fih zuerft aus den älteften Sturbüchern und Urfun-
den mit der früheften Benennung der Dertlichkeit bekannt
zu machen. Man findet hier oft trefflihe Winke.
2) Die alten Lagerbücher nennen diefe ehemals als Gerichts:
ftätte umzäunte Stelle, die jetzt größtentheild der zahl:
reihen israelitifchen Gemeinde als Begräbnißplatz einge:
räumt ift, den « Haak» (Hag, Gehäge).
2) Die Brüce, welche beide Orte mit einander verbindet, foll
ehemals von der Stadt Frankfurt (gleich der bei dem Dorf
Nied, vom Fahr 1549,) errichtet und unterhalten worden ſeyn.
Noc immer find die ftarfen Pfeiler von Sandfteinguadern
nur mit einem fehmalen Steg für Zußgänger belegt!
4
30
MWettergau 1) bin liegenden Ortfchaften. Ein fchmaler
MWiefengrund trennt die Suͤdſeite des Burgfeldes
von der Nidda, die in. fübweftlicher Richtung, auf
ihrem Lauf Haufen "und Rödelheim berührend, vor
ihrer Bereinigung mit dem Main bei dem Dorfe
Nied, die Rudera eines Nömercaftelld von drei Seiten
umftrömt, in welchem die hochverdienten Forfcher der
alten Geographie, Mannert I, Lehne 3), Wil—
helm?) .c. Ammians Munimentüm Trajanı5) mit Wahr—
foheinlichfeit vermutben 6). In der Ferne tritt die
Stadt Frankfurt a M. mit den Ortfchaften ihrer Um—
gebung vor dem Gebirgshintergrund der Bergftraße
hervor. Deftlich bildet der genannte Mauerweg die
Gemarfungsgrenze des von hier nur 300 Schritte ent—
entfernten furhefjifchen Dorfes Praunheim 7).
Auf der Nordfeite ift der Horizont durch den Feld»
berg und Altfing, die beiden Bergcoloffe der Taunus—
fette gefchlofjen.
*) Pagus Wedtereiba, in caroling. Urf. ©. Cod. Lauresham.
dipl. T. III. p. 4.
2) Mannert, Germanien.
») Lehne, ©. d. rhein. Archiv. 1. c.
) A. B. Wilhelm, Germanien und feine Bewohner. Wei:
mar 1823, 8. mit Charte. ©. 147.
2) Ammian, Marcellin. Lib XVII. c. ı.
*%) Die genaue Unterfuchung des dortigen höchft intereffanten
Rocald, fo wie die Befanntmachung der dafelbft entdedten
Alterthümer bleibt der Folge vorbehalten.
Wird im 12. Sahrh. unter den Ortfchaften des Pagus
Nitachgowe (Niedgau) Prumheim genannt.
©. Wend. 1. c. IT. p. 513. N. ı.
2
—
51
Keine Stelle der ganzen Umgegend mochte fich für
die Römer zur Anlegung eines feften Platzes mehr
eignen, als cben diefe. Sie entfpricht allen Erforders
niffen, welche Polyb, und Hygin!) von einem guten
Lagerort verlangen. Die fanfte, von feinem nähern
Berg beherrfchte Anhöhe gewährt einen freien Blick
nach dem genannten, nur zwei Stunden entlegenen
Nidvdacaftell bei Höchft, welches mit dem alten Moguns
tiacum durch den Mainfluß, und mit dem, Mainz
gegenüber liegenden Caſſel 2), durch eine gute Heer—
firaße verbunden, unferm Vicus auf der Wejtfeite
fehirmend zur Seite ſtand, während die nur drei
Stunden entfernte Saalburg mit der ganzen Reihe der
Pfahlgrabencaftelle jenfeitS des Taunus, deffen Nord
und Dftfeite deckte. So ſchuͤtzte e8 zugleich die Verbind—
ung von Mainz mit dem befeftigten römifchen Limes,
der hier den nördlichen Theil der decumatifchen Fel-
der 3) zwifchen dem Main und dem Höhegebirg einfchloß.
Schon aus der Ausdehnung der Anlage, die außerdem
noch, durch den Ueberfluß und die Nähe der Baumates
rialien aller Art, fo wie durch die Lage fehr begunftigt
war, läßt fih die Wichtigkeit und Nothwendigfeit
dieſes Punktes für die Kriegsoperationen der Römer
ermefjen.
y S. Naft, röm. Kriegsalterthüimer. Halle 1782. p- 293.
2) Nah Fuchs, (I. p. 355) und Lehne ıc. das Castellum
Drusi. «in Cattis ad ipsum Rhenum etc.» S. Dio Cas-
sius. Lib. 54. c. 33.
®) Agri decumates. Tac'tus Germania, cap. 29. ©. Sul.
Leichtlen. das Zehendland. Wilhelm. l.c. p. 290 seqq.
52
Betrachten wir die Figur und den äußern Umfang
des Burgfeldes, fo nähert ſich das Areal im Ganzen
etwa der Form eines von irregulären Linien eingefchlofz
fenen Zrapezoids, deſſen Grenzen durch den Mauerz
weg, wie ich oben bemerfte, beftimmt find.
Gegen den Taunus hin, bildet die Nordfeite A—C,
den flachen Bogen eines Zirfelfegments bis zum Aus—
gang der fogenannten Elifabethenftraße C, wo fie im
Allignement des Hedernheimer Kirchthurms in gerader
Linie fortlaufend, bei D fih in ftumpfem Winfel der
Dfifeite anfchließt. Bis hierhin hat dieſe Seite eine
Ausdehnung von 2592 rhein. Fuß 2).
Die Oſtſeite D— I, welche merklich über das etwas
tiefer liegende Feld der äußern Umgebung hervortritt,
ift bei E ftumpfwinflich gebrochen und fenft fich von F,
(dem Eingang des Hedernheimer Bizinalwegs), gegen
die Nidda hin allmählig herab. Mit Einfchluß der
400 Fuß langen Linie D E mißt diefe Seite 1868 Fuß.
Auf der Südfeite I — M einer mehrmals ein- und
auswärts gebogenen Linie, von 3185 Fuß Länge, ift die
höhere Lage des Burgfeldes am bemerfbarften. An
mehreren Orten dafelbft ift e8 6—8 Fuß über die an—
fioßenden Wiefen erhaben, ein jähes Ufer bildend,
an defjen Fuß der genannte Fahrweg nad Praunheim
bin zieht. Ehemals ſcheint die Nidda ſich mehr den
Mauern an diefer Seite genähert zu haben, indem man
1) Ich habe allen Meffungen das rheinifhe Fußmaaß zum
Grunde gelegt, welches jih nach neuern Beflimmungen, zum
alt röm. Fuß (pes romanus) mie 100 zu 105 verhält.
33
das alte Flußbett in dem fehmalen Wiefengrund an
einigen Stellen ald Sandgrube benust hat.
Die Weftfeite M — A in einer Ausdehnung vor
1241 Fuß, vom Ausgang des Pizinalmegs N,
gegen A fanft anjteigend, fehließt die Figur des Hei—
denfeldes, deffen Umfang über 9000 rom. Fuß be-
trägt.
So erfcheint äußerlich die Lage fo wie der Umfang
des fogenannten Burgfeldes , defien Bezirf, ein Areal
von beinahe 300 Morgen Flächengehalt, faum noch die
Stelle erfennen läßt, wo vor 1600 Sahren eine anſehn⸗
liche römifche Munizipalftadt mit Namen Vovus Vicus 1)
geftanden hatte. Die ganze Oberfläche diefes Feldes,
ift mit Trümmern zerftörter Gebäude und Gefäße bes
det. Seit Jahrhunderten dienten diefe ausgedehnten
Ruinen dem Landmann als Steinbrucd für fein Baus
beduͤrfniß. Alles Mauerwerk, welches man an Gebäus
den in Hedernheim, Praunheim 3 und den Wegen der
nächiten Ortfchaften wahrnimmt, Fommt aus dieſem Felde,
2) Die Infchriften, aus welchen der Namen diefer Niederlaffung
hervorgeht, folgen weiter unten in einem befondern Abfchnitt.
2) Sin einer Grenzregulirungs = Urkunde zwifchen Praunheim
und Hedernheim vom 8. Dechr. 1610 heißt es: « Revers
von Joh. Glock, Schultheiß und Claus Heinburger, Bür—
germeifter zu Praunheim, Namens der dafigen Gemeinde,
daß, nachdem im 5. 1609 die Hanauer und Solmsifche Herr:
fhaft, die Pfläfterung des Orts Praunheim begehret, fie
deshalb den Junker Philipp Wolf von Praunheim und
Eonforten gebeten hätten, ihnen die Steine dazu in den
Hedernheimer Burgmanern günſtig verabfolgen zu
laffen ic. »
>4
Mandyes fchäsbare Denfmal mag wohl durch Unwifs
fenheit als werthlos zerjtört worden feyn, gleich unzaͤh—
ligen Münzen, die ehemals nach Negengüffen, auf dors
tigem Felde in Menge gefammelt, größtentheils in die
Schmelztiegel wanderten, oder durch Unachtfamfeit fonft
verfommen find. Man kann jedoch annehmen, daß bei
weiten der größte Theil der Fundamentmauern im Innern
noch vorhanden fey. Denn wahrfcheinlich wurden die
Ningmauern, theild wegen ihres Gehaltes an größern
zum Theil behauenen Steinen, theild wegen der Ber
quemlichfeit bei dem Ausbrechen und Wegfahren der—
felben, ohne Nachtheil der Feldeultur innerhalb des
Bezirfs, wohl am früheften hinweg genommen. Dies
fheint aud; aus den Kagerbüchern hervorzugehen, in
welchen fchon im 16. Jahrhundert der Namen Mauer:
weg vorfömmt, der jest noch über den Spuren der
alten Stadtmauer hinzieht. Durch das Ausbrechen der
Umfafjungsmauer mußte allein ſchon eine folche Maffe
yon Steinen gewonnen werden, daß das größere Be-
duͤrfniß für die Bauten, befriedigt werden Fonnte.
Wenn man ferner erwägt, daß die Mauern nur des
Steingewinnes wegen bisher verfolgt wurden, obne
das Innere der Gebäude zu beachten, fo laßt fich er—
flären, warum im Ganzen früher fo wenig größere
Monumente zu Tage gefördert wurden. Erſt feit
wenigen Sabren, wo der Berfauf der neben den
Mauern zufällig gefundenen Alterthümer, Bronzen,
Münzen ıc., durch die Goncurrenz mehrerer Sammler
in der Wachbarfihaft, den Yandleuten einen neuen ein—
träglichen Induſtriezweig eröffnete, ift man auf das
55
Innere der Gebäude aufmerffamer geworden, und dieſer
eifrigen Nachfuchung verdanft unfere Bereinsfammlung
fhon manches intereffante Stud. Sehr wenige Ges
bäude find indefjen erft im Innern gehörig unterfucht
worden. Died begründet die Hoffnung einer reichen
Ausbeute bei regelmäßigen Nachgrabungen und beſei—
tiget den oft erhobenen Einwurf, als fey dieſes Feld
an Alterthimern bereits erfchöpft; vielmehr ift es eine
dringende Aufforderung für die Freunde vaterländifcher
Gefchichtsforfchung, die noch zahlreich, verborgenen Denf-
mäler, nicht länger der Zerfiörung und Zerftreuung
preis zu geben.
Einige Bemerfungen über die muthmaßliche Entftehs
ung der Anlage mögen, durch mehrere Schriften verans
laßt, bier ihre Stelle finden.
Es ift eine beinahe allgemein angenommene Meins
ung, als fey unfer Vicus ein regelmäßiges Gaftell,
welches feine Gründung dem Kaifer Hadrian verdanfte.
So befchrieb e8 auch Fuchs 1) mit folcher Umſtaͤnd—
lichkeit und Genauigfeit, daß er viele zu diefer Anz
nahme verleitete.
Mit Bitterfeit äußert fich daher erden 9 über
ihn, als er bei feiner Reife fich vergeblich nach dem
Prätorium, und den wohlerhaltenen Thoren ıc. umfah
und in der ganzen Schilderung nur ein Trugbild ans
tiquarifcher Phantafie erkannte,
) © d. I. u. 11. Bd. d. Mainzer Gefchichte.
) Gerden 1. c. IV. p. 209.
36
Schon bei oberflächlicher Anficht ergiebt ſich die
große Verfchiedenheit von der regelmäßigen Gaftellform,
wie wir fie in unferer Gegend, befonders nadı Hygins 1)
Borfchrift erbaut fehen. Wollte man auch mit Uebers
fehung der irregulären Linien, die Grundform im
Ganzen einem Dblong entfpredyend finden, fo tritt
dagegen die ungewöhnliche Größe defjelben bedeutend
vor allen Gaftellen hervor, welche den römifchen Limes
von der Donau bi8 an den Taunus in beſtimmten
Sintervallen befchüsten. Unter diefen Gaftellen möchte
vielleicht das bei Humetroth im Ddenwalde ?), bie
Saalburg bei Homburg vor der Höhe 3), das Gaftell
bei Niederbieber unweit Neuwied u. a. m., Deren
Dimenfionsverhältniffe ziemlich üubereinftimmen, zu den
größten gehören. Zur vergleichenden Ueberficht der Aug»
dehnung reduzirte ich auf dem Plan Tab. II. nad) dems
felben Maaßjtabe das lestere, dur Hoffmann?) und
Hundeshagen5) genau unterfucte Roͤmerwerk.
) Die gleichfeitige Quadratform der Lager, nach der ältern
Polybifchen Gaftrameration, findet fich bei ung felten.
2) J. 5 Knapp, römiſche Denkmäler des Ddenwaldes,
Heidelb. 1813. p- 94-
>) ©. Neuhof. c. p. 13.
GC, F. Hoffmann, über die Zerftörung der Römerftädte
an dem Rheine ꝛc. Neuwied. 1825.
Much in den Memoires et Actes de la Societe des
Sciences et Arts à Mayence. J. pag. ı68. seqq-
>) &, Doromw’s röm. Alterthümer bei Neuwied. Berlin 1827.
pag. 3ı segqg. Tab. Il,
37
Dem Begriff eines Caſtrums widerſpricht ferner,
nicht allein die innere irregulaͤre Eintheilung, welche
durch die Localitaͤt bedingt wurde, ſondern hauptſaͤchlich
der auf mehreren Inſchriften enthaltene Name Novus Vi-
eus, welcher offenbar auf eine bürgerliche Niederlaſſung
hinweif’t, deren ftarfe Befeftigung von außen, durch die
drohende Nachbarfchaft Friegerischer Germanen geboten
wurde. Daß folche größere Militärcolonien ſchon in
der früheften Zeit vorfamen, fagt Living 2) an mehreren
Drten; und Div Gaffius 9 redet namentlich von
Städten, die unter Augufts Regierung, von den Römern
in den eroberten Provinzen Deutfchlands bei den Gaftel-
len angelegt, die befiegten Germanen durch friedlichen
Verkehr allmählig an das römifche Soc gewöhnen follten.
Diefe befeftigten Munizipalſtaͤdte, welche, mit den Gaftellen
verbunden, nicht blos im Smnern der römifchen Pro—
vinzen, fondern wohl häufiger an den Grenzen des
ungeheuren Roͤmerreichs entftanden, gaben alfo einer
großen Mafje alter Soldaten Wohnung und Linter-
halt, die nach Vollendung ihrer fiürmifchen Dienftjahre
dem bürgerlichen Leben zurücgegeben wurden. Bei and-
brechendem Kriege waren die friedlicien Munizipien
ohne Koften für den Staat fchnell unter der Leitung
des Gaftellbefehlshabers in wohlgerüftete Feltungen um—
gewandelt, da ihre Bevoͤlkerung meift aus erprobten
und fampfgenbten Kriegern beftand.
Aus diefer Urfache bedurfte der ausgedehnte römi-
ſche Limes fo wenig große regelmäßig befeftigte Winter-
a. Lib. 35. cap. 9. il, c. 40. etc.
*) Dio Cassius Lib. 56. cap. 18.
38
lager für mehrere Xegionen, fondern es genügten klei—
nere Gajtelle, die hoͤchſtens 1— 2 Cohorten faßten, fo
wie wir ſie zwifchen größeren Niederlafungen bier
und da wahrnehmen 1). Die Doppelte Beftimmung der
Grenzitädte erhielt fich während der ganzen Dauer
der Nömerherrfchaft auf deutfchem Boden, ungeachtet
der häufigen Klagen, ja Empoͤrungen der ausgedienten
Legionäre?), welche um die ihnen zur Belohnung anges
wiefenen Ländereien beftindig mit den Germanen zu
kaͤmpfen hatten. Auch Alerander Sever behielt diefe
Fuge Einrichtung feiner Vorgänger confequent bei, wie
Lampridius 3) berichtet. indem er die verdienten Feld-
herrn und Soldaten der Grenzfeftungen mit den erober:
ten Ländereien befchenfte, ficherte er fich ihre Wachſam—
feit und Treue; denn «fie würden, fagte er, aufmerfs
famer dienen, wenn fte ihre eignen Felder vertheidigten. »
Die angeführten Stellen eines Livius, Tacitus, Div
Caſſius ꝛc. begrinden alfo die Vermuthung, daß an
der Seite eines früher hier erbauten Gaftell8 auch unfer
Vicus und wahrfcheinlich auf einmal nach feiner gegen-
wärtigen Ausdehnung entjtanden fei, indem eine fucs
cefftive Anftedelung nicht wohl anzunehmen ift, da die
offenen Wohnungen gegen einen Ueberfall des wach—
famen Feindes durch eine Befeftigung von fo großem
Umfang nicht fchnell genug geſchuͤtzt werden Fonnten,
13.8. bei der Saalburg, Marienfeld, Ems u. f. w.
2) Tacitus Annal. Lib. I. cap. ı7. 28.
?) Acl. Lampridius in Alex. Sev. cap. 58. «Sola quae
de lıostibus capta sunt, limitaneis ducibus et militibus
donavit,» etc.
59
Denn wohl möchte ihnen die frühere Erfahrung im
batavifchen Kriege größere Vorficht empfohlen haben,
als die am Unterrhein commandirenden Feldherrn Mum—
mius Lupercus und Numifius Rufus, die um das
Gaftrum Vetera (Kanten) in langem Frieden erbauten
Borftädte, bei plößlichem Kriegsansbruch niederzureißen
genöthigr waren, damit fie dem Feinde feinen Nugen
gewährten H.
Es erforderte alfo die Sicherheit der neuen Anz
fiedelung, alsbaldige Errichtung einer feiten Stadt—
mauer. Der Gefammtmaffe der dahin beorderten Vete—
ranen war e8 leichter möglich, unter dem Schutze der
Caſtellbeſatzung ungeftört die Ringmauer aufzuführen,
welche fämmtliche Gebäude fichernd umgeben follte. So
entitand wahrfcheinlich die Befeftigung des Vicus auf
einmal nach feinem gegenwärtigen Umfang auf der
Weſtſeite des Gafteld, vor deſſen Decumanthor die
beiden Hauptftraßen der bürgerlichen Stadt fich ver—
einigten und fo die unregelmäßige Abtheilung des Areals
veraxlaßten, die wir im Innern wahrnehmen,
Wenn man der Ausfage einiger Kandleute Glauben
beimefjen koͤnnte 2), welche an der Stelle (x) Die
Fundamente eines Thurmes ausgebrochen haben wollen,
) Tacitus Histor. IV. 22. «subversa longae pacis opera, haud
precul castris in modum municipi exstructa, ne ho-
stibus usui forent. »
2) Auf ſolche unbeftimmte Angaben, welche fo oft oberflächliche
Befchreiber irre führten, ift jedoch nie Gewicht zu legen,
ehe eine genaue und vorurtheilsfreie Local=Unterfuchung das
Sachverhältniß aufgeflärt hat.
60
fo würde die Vermuthung für die Lage ber Porta
decumana noch mehr an Wahrfcheinlicyfeit gewinnen,
und die weftlichen Grenzen des Gaftell8 näher beftimmt
feyn, welches fihon der Lage nadı, bier auf. dem
höchften Punkte des Feldes, die ſchicklichſte Stelle fand.
Auch der auf einer bei (k) entdedten Ara enthaltenen
Namen der Straße (F—x.) foheint von der Verlänger:
ung der prätorifcheir Straße des Altern Gaftelld (x—G)
entjtanden zu feyn.
Nehmen wir daher die Straße (gg. ii) ald Grenze
für die Sudfeite des früheren Gaftell8 an, fo werden
wir bei (n. F.) die nördliche Seite aufzufuchen haben
und es erfihiene dann die dem Feinde zugefehrte Ditfeite
mit der Porta praetoria, an die Ningmauer angelehnt.
Db das Gaftell, welches ich mit einer Gitadelle der
neuern Befeftigungsart vergleichen möchte, nach Vol—
lendung der bürgerlichen Stadt als ein für ſich bes
ftehendes Fort, feine innere Einrichtung und Abtheilung
beibebielt, oder nad) Hinwegnahme der Äußeren Bes
feftigung zu der Stadt gezogen wurde, müffen nähere
Unterfuchungen entfcheiden 1),
Das Dafeyn einer bürgerlichen Stadt, welches durch
Bezeichnung mit Novus Vicus unzweifelhaft wurde, gab
:) Die Spuren von Gebäuden in der Umgebung des Gaftells
bei Neuwied, fo wie die bei der Eaalburg, machen es
wahrfcheinlich, daß das Fleinere Caftell gewöhnlich als ein von
der bürgerlichen Stadt unabhängiges Ganze befeftiget war.
Möchte bei fortgefesten Unterfuchungen an dieſen interref-
fanten Orten, auch auf die in der Nähe diefer Gaftelle
vorkommenden Gebaude geachtet werden,
61
auch Fuchs 1) zu einer Unterfuchung über die eigente
liche Lage derfelben Anlaß.
Bon der irrigen VBorausfekung ausgehend, daß der
ganze Bezirf des Heidenfeldes das römifche Gaftrum
begrenze, glaubte er den genannten Bicus auffer-
halb defjelben fuchen zu müffen.
Die damals noch vorhandenen Ueberrefte der öftlich
gelegenen Burg ), (W) deren Mauern, gleich den
meiften Gebäuden der nächften Ortfchaften von Steinen
des nahe gelegenen Burgfeldes, mithin aus römifchemn
Material errichtet waren, leitete ihn auf die Idee, hier
habe der auf den Infchriften erwähnte Vicus geftanden,
ı) Fuchs J. c. II. p. 16. seqq.
?) Diefe an einem Abhang gegen die Nidda zu gelegene Burg,
deren Ueberrefte in neuerer Zeit gänzlich abgebrochen wurden,
Fommt in Lagerbüchern als Sreiherrlich von Breidtbach'—
fhes Eigenthum unter dem Namen Philippsed vor
Hüsgen 1. c. p. 103 theilt eine Infchrift mit, welche auf
einem rothen Sandftein über dem unteren Thor diefer Burg,
in erhabenen Buchſtaben noch im Jahr 1746 deutlich lesbar
gemwefen fenn foll.
« Als man zahlt 1480 Jahr
Ich von neuem angefangen war
Zu bawen, da ich war ein Aderfeld
on Philippe Wolfen von Praunheim umb fein Geld
Den man funft nennt Klettenberg
Darumb jesund um diefes Werf
Steht in Gottes Segen und Hand
Zu Philippseck werd ich genant. »
Aus dem Befis des Herrn von Greifenberg, fen dies
Gebäude an einen Herrn von Nied, und von diefem an die
von Breidtbach’fche Familie übergegangen.
62
eine VBorftadt bildend, auf deren Ruinen die fpätere
Burg, fo wie das nahe gelegene Hedernheim erbaut
worden fey. Auch den jesigen Namen ded Dorfes,
welches nach Tacitus « haud procul castris in modum
municipii » erbaut fey, fünne man von Hadrian, dem
erftien Erbauer des Gaftri, wie die vielen, dafelbft
gefundenen Münzen diefes Kaifers andeuteten, leicht
ableiten.
Sb Hadrian der Erbauer des Gaftri gewefen, wie
gerwöhnlich angenommen wird, ift bis jest noch uner-
wiefene Bermuthung.
Uebrigens findet ſich, nach genauer Unterſuchung,
weder in Hedernheim, noch in der oͤſtlichen Umgebung
des Heidenfeldes eine Spur roͤmiſcher Gebaͤude, und
auch die Herleitung des Namens von Hadrian, erhaͤlt
durch die urkundlichen Benennungen fruͤherer Jahrhun—
derte keine Stuͤtze, indem das Dorf im Anfang des
9. Jahrhunderts Phetterenheim ) und im 12. Hedteren—
heim 3) genannt wird.
Ebenfo ift der Name Hedernum, als Latinifirung
des dortigen Provinzialism Hedernem, nur poetifihe
Lizenz.
2), Taeitz ——
2) An einer Urfunde v. 20. Oftbr. d. 5. 802 heißt eg — «in
pago Nitachgowe, in villa Phetterenheim.» — ©. Codex
Lauresham. dipl. Tom. III. N. 3401. pag. 105. Chron.
Gottwic. 1. Pag. 711.
3) Eine Urkunde v. Erzb. Mdalbert I. v. Mainz v. J. 1132
nennt den Ort Hedterenheim. ©. Joannis Rer. Mogunt.
T. II. p. 546. Gudenus Codex dipl. 1. p. 103.
65
Sn den auf der weftlicyen Seite des Vicus nahe
bei Praunheim gelegenen Trümmern eines alten Ritter—
ſitzes, die Klettenburg !) (Q. R) genannt, glaubte Fuchs 2)
ebenfalls die Spuren einer DVorftadt zur Bewohnung
1) Die Klettenburg war, nah Nachrichten, die ich der
Güte eines Freundes verdanfe, bis in das 16. Jahrhundert
Eigenthum der Junker von Praunheim einen alt adelichen
Gefchlecht, das in dem Hanau und Solmſiſchen Orte gleiches
Namens, Häufer und Güter befaß. Durch Verkauf ging
das Haus fammt Defonomiegebäuden ıc. im J. 1658 an den
Grafen Joh. Aug. von Solms Rödelheim über, von dem
es den Namen Auguftusburg erhielt.
Das vieredige Gebäude, (Q) deffen Ruinen in einem
moorigen, von fleiler Anhöhe begrenzten Wiefengrund dief-
feits der Steinbach Tiegen, fcheint das eigentliche Wohn
gebäude gewefen zu fern, welcher ein Enfel des Erbauers
Graf Joh. Ernft Earl zu Solms als Theil feiner Apanage
bewohnte, und von welchem es dem regierenden aräflichen
Haufe zufiel. Wegen Baufälligkeit wurde das Haus ſchon
um das Jahr 1760, die auf einer Anhöhe gegenüber gele=
genen Defonomiegebäude (R) im J. 1791 abgebrochen.
Nah Hüsgen 1. c. p. 101 foll die Klertenburg mit
Graben und Aufziehbrüce verfehen und noch im Jahr 1746
über dem Thor des verfalfenen Gebäudes zwei unfenntliche
Mappen mit der Jahrzahl 1670 fichtbar geweſen feyn.
In den noch übrigen Schutthaufen der gänzlıch ausge:
brochenen Mauer, finden ſich noch röm. Backſteine und
Ziegel, wie auh P. Fuchs bemerft hatte. Ein behauener
Sandftein mit der gothifchen Inſchrift:
Anno. Domini. M.ceeee.
der aus den Ruinen der genannten Burg herfommen foll,
fiegt gegenwärtig nicht weit davon unter dem Steg über die
Steinbach.
?) Suds. 1. c. IT. p. 18.
64
der Legionäre, zu erfennen. Al Argument für den
römifchen Urfprung nimmt er die bei dortigem Gemäuer
gefundenen rom. Ziegel, fo wie mehrere früher dort
entdeckten Grabjteine von Legionſoldaten.
Man muß fid) wundern, wie Fuchs an der Stelle
von Gräbern bürgerlihe Wohnungen vermuthen Fonnte.
Die Erinnerung an das befannte 12. Tafelgeſetz, welches
das Beerdigen innerhalb der Städte unterfagte, hätte
ihn fogleic; von feinem Irrthum überzeugen follen.
Aufferbalb der Weftfeite des Heidenfeldes in der Um—
gebung von Praunheim und im Garten des Herrn Fell
ner dafelbft (T), findet fich allerdings die Begräbnißftätte
der Einwohner des Vicus. Da die Befchreibung der,
in diefen Gräbern gefundenen Gegenftände weiter unten
einen eignen Abfchnitt bildet, fo wenden wir und, um
nicht weit abzufchweifen, zur Unterfuchung der Webers
refte diefer Niederlaffung, unter der Erdoberfläche.
Die Ringmauer.
Bor allem fchien es mir erforderlih, die Richtung
der Außern NRingmauer genau fennen zu lernen, deren
Lage bis jest noch nicht unterfucht, nur auf Ders
muthungen beruhte. Der Sage nad follte unter
der Rafendede des Erdwalles, der das ganze Heiden-
feld umgiebt, die alte Stadtmauer verborgen feyn.
Die Lagerbücher deuteten ebenfalls, durd den Ausdrud
« Mauerweg » darauf hin.
Ich begann daher auf der Dftfeite mit Durdy-
fehneidung des in der Mitte am höchften hervortre-
tenden Ufers, welches vielleicht P. Fuchs zur Annahme
der Porta Praetoria verleitet haben mochte; aber weder
65
diefer noch die übrigen Verſuche an andern Stellen
gaben das gehoffte Nefultat. Nur einzelne Bruchfteine
ohne Spuren von Mörtel, Fragmente von Gefäßen ıc.
fanden ſich in der aufgefchütteten Erde. Dieß leitete
mic; auf die Vermuthung, daß Ddiefer hohe Aufwurf
wohl ein erhöheter Weg gewefen feyn möchte, der an
die innere Seite der Ningmauer angelehnt, den Ber:
theidigern zum Standort gedient hatte, von dem fie
unter dem Schuß der Bruftwehr und Zinnen ficher
herab jtreiten Fonnten. Auf der innern Seite des
Walles fand fich bis jest noch Feine Spur einer para-
lellen Futtermauer wie fie Vegez 1) bei der Wallbes
feftigung vorfchreibt. Der Schutt der zeritörten Ges
bäude mochte fich bis zur Walhöhe angehäuft und mit
diefer durch die Feldeultur geebnet haben. Sch Tieß
alfo aufjerhalb einfchlagen, und hier fanden fich denn
die Grundlagen der Stadtmauer, welche an den bis
jest unterfuchten Stellen, meift unter dem Weg vor-
famen was zu der Benennung Mauerweg, in den
Slurbüchern wohl Veranlaffung gegeben hatte.
Die Fundamente derfelben, ein Mauerwerk von Kalk:
mörtel und unbehauenen Bruchfteinen, fanden fich 4—5
Fuß tief unter der Dberfläche in einer Dice von 7 rhein.
Fuß. Die an mehreren Drten gefundenen Dediteine
der oberen Bruſtwehr, theild® von Sandftein, theils
von poröfem Bafalt ꝛc., hatten die Geftalt gefpaltener
’) Vegetius, c. 3. Solche Suttermanern fand Knapp an eini-
gen Gaftellen des Odenwaldes und Lehne in Mainz. Ein
erhöheter abgeböjchter Weg fol nah Hoffmann fich inner:
halb des Gaftelts bei N. Bieber gefunden haben.
5
J
66
Cylinder mit einem Durchmeffer von 21/, Fuß, bei einer
Länge von 4 Fuß. Die Dide der Dedfteine bejtimmte
die Stärfe der oberen Bruftwehr, und wahrfcheinlid,
hatte die Mauer, um dem Drud des innern Erdwalles
beffer widerftehen zu Fonnen, von auffen etwa bis zur
Höhe der Bruftwehr, eine Boͤſchung. Aus der Länge
der Deckſteine ergiebt fi der Zwifchenraum und die
Breite der Zinnen, welche die Bertheidiger gegen das
Gefchoß der Belagerer fihüsten.
Aehnliche Deckſteine beobachtete audı Knapp bei
mehreren Pfahlgrabencaftellen des Ddenmwaldes, und
fhon in der früheften Zeit, pflegte man folche Zinnen
(pinnae) auf die Bruftwehren der Bertheidigungsmauern
zu feßen, wie Cäfar 1) an mehreren Drten, 5. B. bei
der Belagerung von Alefia Cin Gallien) erzählt. Auch Tas
citug 2) redet von den Mauerzinnen, bei der Belagerung
von Betera durd) den Bataver Fuͤrſten Eivilis ꝛc.
Die Thore.
Auf der MWejtfeite der Ningmauer find zwei Haupt—
eingange bemerfenswerth, durch deren unteren (N)
noch jeßt der Vizinalweg führt. Die viereckigen Thürme
welche den Thorweg einfchloffen, find jedoch vor
längerer Zeit fchon ausgebrochen worden, fo daß eine
genaue Beftimmung der Maasverhältniffe nicht wohl
mehr möglich ift. So weit die Spuren noch erfennbar
) Caesar. Bell. Gall. L. V. C. 40. und Lis. VII. cap. 72.
Hier heißt eg — «huic (vallo) lorican pinnasque ad-
jecit. » —
27 Tacit. Hist. IV. c. 23.
67
find, dirften die Seiten diefer Thuͤrme, ungefähr 30 Fuß
in die Länge und Breite gehabt haben.
Bei Unterfuchung des obern Straßeneingangs (P),
deffen Thürme jedoch ebenfalls nicht mehr vorhan—
den waren, fanden fih, auf der innern und Außern
Seite der 7 Fuß diden Ringmauer, behauene Steine
in großer Menge, die zur dußern Mauerbefleidung ge-
hört hatten. Es waren kleine Sandfteinguaber von
8 Zoll Länge zu 5 Zoll Höhe, deren Vorderfeite, in dia—
gonaler Richtung mit dem Breideifen bearbeitet war.
Der mittlere Raum dieſer doppelten Futtermauer,
war mit Abfallgeftein und Kalfmörtel (farctura) fchicht-
meife ausgefüllt, eine Mauergattung von faft unzers
ftörbarer SFeftigfeit, welche der rom. Baumeifter Vi—
trup 1) mit dem Namen Emplecton (d. Gefüllte) be—
zeichnet 9. Die regelmäßige Fügung der behauenen
Futtermanerfteine, (frontati) erfchien noch befonders
durch den aͤußern Kalfauftrag hervorgehoben, indem
die Zwifchenräume der in Verband gelegten Quader,
durch feicht gezogene Rinnen angedeutet waren, Die
mit rother Farbe ausgefüllt, der Mauer von Außen
ein Anfehen von Zierlichkeit gaben 3).
) M. Fitruvius Pollio, de Architectura. Lib. II. c. 8.
2) Auch an mehreren größern Gebänden des Wicus fand ich
häufig dieſe fogenannten Gußmauern, jedoeh nicht in
folher Stärfe, fondern meift 4 Zuß did‘.
3) Solche äußere Mauerverzierungen beobachtete Hoffmann
l. c. p. 57. an der Vertheidigungsmauer des Caſtells bei
Neuwied, Schöpflin und Knapp auch an Gräbern der
Bergitraße und des Odenwaldes. S. Schoepflin, de sepul-
68
Die Grundmauern des Thores, weldyes bei (B) den
nördlichen Ausgang der Straße (L B) beſchuͤtzte, follen
erjt in neuerer Zeit ausgebrochen worden fein.
Auf derfelben Nordfeite führt gegenwärtig noch die
fogenannte Elifabethenftraße,, welche die alte römifche
Straße bedeckt, durch ein Thor der Ningmaner bei (C)
deſſen Dimenfionen jedod; wegen Befamung des Feldes
noch nicht unterfucht werden fonnten. Auſſerhalb des
Eingangs fanden fich viele Trümmer von Gefimstheilen
und großen Werfjtüden von Sandftein, die dem Thore
angehört zu haben feheinen.
Auf der Dftfeite nach Hedernheim zu, war unftreis
tig bei (G) noch ein Hauptthor, defjen Auffuchung, der
frequente Mauerweg bisher nicht erlaubte. Nur in dem
Uferabhang der abgerundeten Ede bei (I), fand ich
einen Ausgang in der Ringmauer, von 10 Fuß im
Fichten 1). Die den nördlichen Thoren (B u. C) ent:
fprechenden Ausgänge der Suͤdſeite bei (K u. L), ber
dürfen noc; einer genauen Unterfuchung. Uebrigens
ijt Die Aufgrabung der füdlichen Ringmauer durch die
benachbarte Nidda fehr erfchwert, indem das fchnell
eindringende Wafjer, ein tieferes Einfchlagen am Fuße
des Ufers verhindert.
cro rom. prope Schrieshemium reperto, in den Act. Acad.
Palat. T. IL p. 107. Snapp 1. c. p. 11a,
Dr. Hundeshagen giebt das Lichte der Thormwege an dem
Römercaftell bei Neuwied zu 12—14 Zuß römifch an. ©.
Dorow. Alrerth. b. Neum. p.35. Knapp fand die Thore
an einigen Gaftellen des Odenwaldes 9—12 Schuh breit.
©. deifen Denkm. d. Odenw. p. 53. 71.
-
—
69
Nur durch eine vollftändige Aufdeckung der ganzen
Ningmauer, was freilich wegen ihrer großen Aus—
Dehnung fehr Foftfpielig fein wirde, wäre es möglich,
ein ganz genaues Bild derfelben zu erhalten und alle
Thore und vorfpringenden Thuͤrme kennen zu lernen,
wie wir fie nach Begez;!) und Vitruv’8 9 Bor:
fehrift, fowie den Beobachtungen Hofmanngıc. 3) auch
hier zu vermuthen Urfache haben. Die Thore der
Ringmauer, deren wir bi jeßt wenigftens 8 annehmen
fönnen, führen uns nun zunächft zu den Straßen und
Duartierabtheilungen der bürgerlichen Niederlaffung im
Innern.
Die Straßen.
Aeußerlich find Feine Straßen mehr fichtbar, doc)
deuteten einige vor längerer Zeit Dort entdeckte In—
fehriften, auf das Dafeyn derfelben hin. Aus dem vor-
fommenden Ausdruck Genio Plateae novi vici, folgerte
fhon Lamey 9%, unfer Vicus habe nur eine Straße ge-
habt und diefer Meinung trat auh Gerfens als
der wahrfcheinlichften unbedingt bei. Cine nähere Unter:
fuchung, würde bald zur Berichtigung diefes Irrthums
geführt haben, indem der Kauf, der durch den Schutt
der zerftörten Gebäude, 1—21/, Fuß unter der Erd-
oberfläche verborgenen Straßen, fib in den Saat-
!) Veyetius. cap. 2.
2) Pitruv. Lib, I. c. 5.
») Hofmann. c. p. 56. deßgl. in Dorow. 1. c. p. 34.
») A. Lamey Diss. ad. lap. ant. Heddernh. etc. in d. Act.
Acad. Th. Palat. III. p. 184.
>) Gerden 1. c. IV. p. 207.
70
feldern durch Störung der Begetation verräth und
bei aufmerkffamer Beobachtung mehrere, derfelben fich
erkennen laſſen. Ich will hier nur auf die Haupt—
fraßen und deren Entdefung aufmerkſam machen.
Ein ehemals fehr uncbener Weg (N. w.), der einen
Theil des Heidenfeldes von Dften nady Welten durd)-
fehjneidet und dann bei (w) fich nördlich nach (C)
wendend, den PVicus verläßt, war feid undenflicher
Zeit, alg Vizinalweg unter dem Namen «Elifabethen-
ftraße» befannt, eine Benennung, die wohl von den
häufigen Wallfahrten zu dem Grabe der heil. Eliſa—
beth entjtanden fein mag, da er der Sage nad, von
Gaffel bei Mainz bis Marburg führen foll. Bei der
neuern Ausbefjferung dieſes verfallenen Weges und
deffen Bepflanzung mit Obftbäumen, kam man auf der
ſuͤdl. Seite deffelben, einige Fuß tiefer, auf die obere Kies—
bedefung eines Altern Weges, nach deffen Durdy-
brechung fich die untere Grundlage von fehweren Bruch—
jteinen zeigte, Dies war ohne Zweifel die alte römifche
Heeritraße, welche das frühefte Caſtell ſammt dem
Vicus mit Gaffel verband und deren Ueberreſte mit
rohen Steinen hberfchättet, fpäter den Namen Elifa-
bethenftraße erhielten. Cine zweite Hauptſtraße von
gleicher Breite fanden wir im nördlichen Theil des
Burgfeldes bei (P). Sie läuft von hier in ſuͤdweſt—
licher Richtung gegen den Judenkirchhof (m) hin, unter»
halb deffen Süpfeite fie mit der untern Straße bei
(x) in fpißem Winkel zufanmentrifft. An diefem Punct
vereinigen ſich die beiden convergirenden Straßen mit
einem von Suͤdoſt nach Nordweft durch die Breite des
71
Vicus ziehenden Weg, deffen unterer Theil (x X)
gegen die Nidda hin mit 2—2/, Fuß Erde bededt
ift, der obere (x C) meift durch fpätern Steinauffchutt
erhöht, die Fortfegung der von Praunheim herfommenz-
den Elifabethenftraße bildet.
Beinahe parallel mit der Weſtſeite des Vicus,
1075 Fuß von derfelben entfernt, durchzieht eine
zweite Straße (B L) von Nord nadı Sud ebenfalls den
Vicus der Breite nach, indem fie bei (g) und (s) die
beiden vorhergenannten Wege durchkreuzt.
Die Entdeckung diefer Straße wurde durch einen
Stein veranlaßt, deſſen Infchrift einer Platea praetoria
und Quintana gedachte. Diefe merfwürdige Sufchrift,
welche fowohl über die Anlage des PVicus, als über
deffen Straßen und Quartierabtheilungen Xicht verbrei-
tet, beftimmte mich, die Stelle (k), welche man mir
als Fundort bezeichnet hatte, genau zu unterfuchen,
und fo fand fich, nahe an diefem Drte die darauf
genannte Platea praetoria (P. x) von der Quintana
(B L) wirflich durchfehnitten.
Die urfprünglichen Benennungen dieſer beiden
Straßen waren alfo durch diefe Anfchrift nicht allein
auffer Zweifel, fondern hierdurd, ergaben fich auch die
Kamen der übrigen Hauptitraßen, da man mit hoher
Wahrfcheinlichfeit daraus folgern konnte, daß der Areal:
abtheilung der bürgerlichen Stadt, im Ganzen die
innere Einrichtung der regelmäßigen Gaftelle ſamt deren
Guartier und Straßenbenennungen zum Grunde lag.
Die doppelte Beftimmung des Bicus, als bürgerliche
Stadt und als Feftung, erforderte daher eine bürgerliche
72
und militärifche Verfaffung, wie dies befonders bei den
Grenzfeftungen in der Nachbarfchaft feindlicyer Völker
gewöhnlich war 1).
Da die beiden convergirenden Straßen (Px u. Nx)
wahrfcheinlich zu der Porta quintana des Ffleinern und
frühern Caſtells führten und die Verlängerung von
deffen Platea praetoria (x G) bildeten, woher fie, wie
ih ©. 60 bemerfte, wohl den Namen erhielten, fo
fönnen wir, analog mit der befannten innern Caſtell—
einrichtung, die Straße (N x) Platea praetoria dextra,
und die obere (P x) sinistra, fo wie das Thor der
Eriteren (N) Porta decumana dextra, oder auch infe-
rior, und das der obern Straße bei (E) P. decumana
sinistra oder superior nennen. Beide hatten ihre ger
meinfchaftliche Porta praetoria bei G.
Die Quintanftraße BL endigte mit ihrer Porta dex-
tra bei L, mit der sinistra bei B.
Die Straße CK möchte demnach den Namen Platea
principalis, und deren oberes Thor bei (C) Porta prin-
cipalis sinistra, das untere dextra geführt haben.
Indem alfo unfer Vicus durch die beiden prätorifchen
Straßen der Länge nach getheilt, der Breite nad) von
1) ©. Schelii Comment. ad Hygin. in Graevır Thesaur.
Antigq. rom. Tom. X. p. 1110. — «Ista hibernacula non
tantum exterius adversus omnes conatus hostiles magno
opere emuniebantur, sed et interius laxius disponeban-
tur multo paratu multaque cura. Saepe lapide vel saxo
contra inclementiam et injurias a@ris aedificabantur,
praesertim quae in finibus imperii aut ferocibus et non-
dum satis pacatis nationibus; pluriumque annorum hi-
berna, rationem quidem et ordinem castrorum, caelerum
omnia in modum municipii habebant. »
75
der Platea principalis und quintana durchfchnitten war,
zerfiel das Ganze in drei größere Quartiere, Deren
oberes (CD KI) Praetentura, das mittlere zwifchen
der Prinzipal und Quintanftraße (BC KL) Prae-
torium — und das unterfte (A BL M) Retentura
genannt wurde 1).
So viel über die allgemeinen Duartierabtheilungen
des Vicus; nun noc Einiges über die Inſchrift des
oben gedachten Steines.
Durch Anfauf war derfelbe, bald nach deſſen zu—
fäliger Entdefung von einem Hedernheiner Land»
mann, in den Bett des Herrn Dr. Dorow gefommen,
der die Infchrift im Aöten St. des Cotta’fchen Kunfts
blattes v. 5. 1823 befannt machte.
Nach der Erwerbung dieſes Steines für unfern
DBerein, wurde bei Gelegenheit der Anzeige unferer
Sahresverfammlung im Mai 18249, eine andere Kefeart
(des Hrn. Prof. Lehne) mitgetheilt 3), — worauf in
der 135. Nummer der Berliner Zeitung, als Berichtigung
das von Niemand beftrittene und beneidete Verdienſt
der frühern Bekanntmachung, fo wie das der Er:
rettung (2) und Erhaltung des Steins, für Herrn
Dorom pindizirt und auf die im Kunftblatt von ihm
gegebene Erläuterung verwiefen wurde. Zur partheiz
lofen Beurtheilung möchte daher hier wohl eine Zufanmenz
ftellung der verfchiedenen Anfichten erwartet werden.
') ©. Naftl. c. p. 279.
?) In der Frankfurter Ober - Poft- Zeitung Nro. 156.
>) Das Inſerat war nicht von mir,
74
Nach Hrn. Dr. Dorom lautet die Snfchrift:
INNE HDD.
RENT. sPRAHT OR.
ARAM QVI
I GENIVM
SATONIVS
GBEABRVSHIB: WD.
I MP Aa AVG.
III. ET. DIONEHEBSS
«In honorem domus divinae
Plateae Praetoriae
Aramque
et Genium
Sextus Antonius
gratus dono dedit
Imperatore Aurelio Augusto
III. ei Dione Consulibus. »
Man vergleihe nun die Schriftzüge des Steines auf Tab. VI.)
In der dritten Zeile find die Worte ARAM QYT in
Aramque willführlich zufammengezogen, Die Trennung
beider Worte ift jedoch eben fo deutlich alg die Endung
der lesten Silbe mit I, und es ijt um fo weniger
Grund vorhanden, einen Srrthum des Bildhaners anzu—
nehmen, da durch das unmittelbar darauf in der fol-
genden vierten Zeile vorfommende ET, eine ganz
überflüffige Wiederholung der Bindewörter que und et
entftehen würde.
Sn der fünften Zeile iſt bei dem auf Inſchriften
öfterd vorfommenden Namen Sattonius der horizontale
Querſtrich über der Spike des Buchſtabens A für die
70
Abbreviatur eines fehlenden n angefehen, und obwohl
diefelbe Zufammenziehung der Buchftaben a und t in
der zweiten Zeile bei Plateae ſchon einmal vorfam,
hieraus der Name Antonius gebildet worden, der nod)
aufferdem durch Trennung des Buchjtabens S und Sup—
plirung einer nicht vorhandenen Snterpunction zwifchen
S und A, den Vornamen Sesctus erhielte.
Der nicht feltene Zuname Gratus auf der fechsten
Zeile ift für ein Beiwort des vorhergehenden Namens
(ſtatt grato animo) genommen und die Buchitaben D.
D. weldye durch dat, dedicat hier dem Sinn ents
fprechend zu Iefen find, mit dono dedit überfest.
Die abſichtlich ausgetilgte Schrift der fiebenten Zeile
zwifchen den Worten IMP. und AVG. wird durch Au-
relio ergänst.
Bei genauerer Anficht findet man jedoch noch die
deutlichen Spuren des Wortes ALEX., wodurch alfv
die Leſeart Aurelii von felbft berichtigt wird. Auf
mehreren Denfmälern und namentlid) aud) auf dem
Fußgeftel des befannten Hedernheimer Genius vom
J. 230., ſo wie dem auf der vorhergehenden ©. 19.
N. IV. von Lehne erläuterten Botivftein, findet man den
Namen des Kaifers Alerander Sever auf Befehl feines
rohen Nachfolgers Marimin ausgelöfcht, der wohl
die Erinnerung an die veranlaßte Ermordung feines
Wohlthäters, mit dem Namen deffelben zu vertilgen
glaubte.
Unfer verehrter Prof. Lehne giebt über diefen Stein
folgende Erflärung, deren Nichtigkeit durd) die Local—
unterfuchung beftätigt wurde.
76
IN. H (onorem) D (omus) D (ivinae)
PLAT. (eae) PRAETOR. (iae)
ARAM QVI (ntanaın)
ET. GENIVM
SATTONIVS
GRATVS. D. (at) D. (edicat)
IMP. (eratore) ALEX (andro) AVG (usto)
III ET DIONE Co (n)S (ulibus)
«Zur Ehre des göttlichen Haufes. Der praͤto—
rifchen Straße weiht Sattonius Gratus Diefen
Marftaltar und das Bild des Schußgeiftes unter
dem 3. Sonfulate des Kaifers Alerander und Div,
«Die römifchen Feftungen, ganz nach den Grundfägen
ihrer Lager gebaut, wo e8 der Boden erlaubte, wurden
von drei Hauptftraßen durchfchnitten, von welchen eine
in die Länge, zwei in die Breite zogen. Bon beiden
legtern hieß die eine und bedeutendfte Via oder Platea
principalis, fo wie die Thore principalis dextra et
sinistra, die fie mit einander verband. Die andere
platea quintana von dem Marftplage des Lagers, wo
Handel und Wandel getrieben wurde. Diefes Forum
hatte mit dem Prätorium Verbindung durch ein befon-
deres Thor, das Porta quintana hieß und fich wahrs
fcheinlich blos in den castris stativis oder den gebauten
Feftungen, nicht aber in jedem Lager befand, weswegen
fein Dafein mehreren neuern Schriftftellern zweifelhaft
wurde; aber Feftus und Hygin fprechen zu Deutlich
darüber.
Die dritte Hauptſtraße, von dem Prätorium aus
theils nadı der Porta praetoria, theild nach der
77
Porta decumana ziehend, hieß davon Platea praetorin.
Dieß mußte ich vorausfenden, um obige Infchrift Die
fehr wenig correct eingehauen ift, zu erflären,
Plateae praetoriae aram quintanam et genium.
Die auf dem Steine befindlichen Worte aram qui boͤten
feinen Siun dar, wenn wir hier nicht eine Abfürzung
annähmen, welche der Lage angemefjen ift. Der auf
unferer Ara ftehende Genius foll offenbar der Schuß»
gott der prätorifchen Straße fein, und die Ara feld
erhielt ihren Namen von dem Forum quintanum, auf
welchem fie in der Platea praetoria ftand, da wo fich
derfelbe mit der Platea quintana freuzte. Freilich follte
das» qui nit quint verkürzt fein, allein die Unacht—
famfeit und Nachläffigkeit der Steinhauer find wegen
ihrer unzählbaren Beifpiele nicht auffallend. Panvinius
führt eine Infchrift an, welche eine Ara der Via quin-
Lana weiht, fo wis die Hedernheimer der Via praeto-
ria geweiht ift: «aram et signa viae quinctanae dedi-
cavit» 1).
Der Name Sattonius fiammt von dem Serfonal-
namen Satto, welchen wir auf einem in Gaffel gefundes
nen Botivftein des Merfurs angeführt finden; Gratus
ist befannter.
Die Ara wurde unter dem dritten Gonfulate Aleranz
der Severs und des Gefchichtfchreiberd Cassius Div
im Sahr nach Chr. 229 gefest. Dio war vorher ſchon
einmal Consul suflectus wie er felbft in feinem Werke
anführt. »
t) Gruter, p. 129. 5.
78
Der eben genannte Stein befteht aus fehwärzlichem
poröfem Bafalt, welcher in den alten Steinbrüchen
des benachbarten Dorfes Efchersheim vorfommt. Die
Scriftzüge deffelben find gut, jedoch nur feicht ein-
gehauen. Die Xaubverzierungen der Seiten und des
obern Theiles erlaubten wegen der grobzelligen Tertur
des Steines feine forgfältigere Bearbeitung.
Die obere Seite deffelben zeigt Feine Vertiefung
gleich einer Patera, wie man fie bei den Opferaltären
wahrnimmt, fondern eine ebene Fläche. Der Stein
diente alfo wohl nicht als DOpferaltar felbft, fondern
nur als Fußgeftel des dort genannten Genius, der
über der erwähnten Ara erhöht aufgerichtet war 1).
Aus der Snfchrift diefes Steines folgert Herr Dr.
Doromw nun weiter:
«Bis jest war alfo der Altar der alten Haupt:
ftraße noch nicht betannt; — diefer Altar erfcheint nun
ald der Hauptaltar des römifchen Lagerortes, ift
vom Sahr 229 n. Chr. Geb., alfo ein Jahr älter als
das Gegenſtuͤck, welches zur Straße des neuen Quar—
tiers gehörte, während der jett gefundene dem Haupt:
quartier von einem vornehmen Römer gefchenft ward. »
Wir lernen hier die Platea praetoria als die alte
Hauptitraße fennen, im Gegenfas mit der Platea
novi vici, welche die Straße des neuen Quartier
genannt wird, da die Infchrift ein Sahr fpäter gefett
ift. Er wird ald Hauptaltar bezeichnet, weil er Alter
1) P. S. Bartoli, Admiranda rom. antiqq. Vestigia Tab. 28.
29. 30. 31. Montſaucon, Antiquitcs expliques.
79
und dem Hauptquartier von einem vornehmen (?)
Roͤmer gefchenft fei.
Die Platea praetoria fcheint demnach mit Praetorium
(Hauptquartier) identifch genommen. — Daß Novus Vi-
eus hier fein «neues Quartier» 1) oder eine Vors
ftadt ?) bedeuten koͤnne, habe ich früher ſchon bemerft.
Die Bezeichnung Fleiner Drte, befejtigter Städte,
Niederlaffungen ꝛc. durch Vicus, findet ſich öftere
auch in unſerer Nachbarſchaft am Rhein und der Nahe;
z. B. Vicus Julius zwiſchen Rheinzabern und Speyer >),
Vicus Brittanorum 4), bei Mainz. Bei Bingen GBingium)
am Ausflug der Nahe, erfcheint ebenfalls ein Bicus 5).
Die Bewohner von Alzey Fommen auf einer Snfchrift
vom Anfang des 3. Jahrhunderts ald Ficani Altiai-
enses 6) vor ıc.
) Die hier citirte von Fuchs, Hüsgen, Lamey, Gerden,
Lehne u. a. m. erläuterte Inſchrift auf dem Fußgeſtell
des oft erwähnten Straßengenius v. J. 230, wurde nebft
dem Fleinern Genius mit gleicher Erwähnung des Novus
Vicus, ziemfich nahe bei dem oben gedachten Stein, auf der
weftlichen Seite der Plat. quintana bei (q) gefunden.
Weiter unten das Nähere.
2) Fuchs JL. c. II. p. 18.
?) Notitia dignitatum imperii etc. Lugd. 1608. fol. p. 179.
Schoepflin Alsatia illustrata I. p. 230. Man hält es für
Germersheim. ©. 3. E. C. Schmidt Geſch. d. Groß:
herzogthums Helfen. 1819. II. p. 363.
) Brezzenheim, das alte Sicila, wo Kaif. Alex. Sever. und
feine Mutter Jul. Mammaea im J. 235 ermordet wurde.
©. Kehne Rhein. Archiv Jahrg. 1810. 5. Heft p. 242.
5) Ausonius in Mosella (im Anf. ).
6) Schmidt 1. c. p. 359. Dr. Emele Befchreibung ron.
80
Das Dorf Hedernheim wird von Hrn. Dr. D. im
Anfang feines Aufſatzes «ein von Hadrian ange—
legtes Gaftell genannt, in dem fid) täglich viele
merfwürdige Alterthimer fänden. »
An Drt und Stelle hätte er fich leicht unterrichten
koͤnnen, daß Hedernheim weder ein Baftell war,
noch daß fich in dem Drt, oder defjen Umgebung big
an das Heidenfeld, je roͤm. Alterthimer fanden.
Als Fundort des Altars wird die Stelle be—
zeichnet, «wo Alterthumgsfundige das Caſtrum hin—
fegen. » ?
Bei diefer fehr allgemeinen Angabe die weder auf
die Localität überhaupt, noch auf den eigentlichen
Fundort bei (k) paßt, follte man beinahe eine Ver—
wechslung mit Praetorium und eine DBerfesung des
Dorfs Hedernheim in den Bezirk des Vicus vermuthen,
zumal da Hr. Dr D. noch zum Scluß «eines in
Hedernheim ausgegrabenen und in das koͤnigl. Mufeum
in Bonn gefommenen geflügelten Merfurfopfs erwähnt,
der zu dem obengenannten Altar gehört zu haben
fcheine. »
Alfo auch noch ein zu dem Altar gehöriger Genius
mit einem geflügelten Merkurkopf! und diefer in
dem Saftell Hedernheim ausgegraben, einer Entfern-
ung von mehr ald 1000 Schritten!
und deutfcher Alterthümer in Rheinheffen, Mainz; 1825.
p- 77. Die Inſchrift Tautet: Vicani Altiaienses aram
posuerunt — — X Kal. Dec. Maximo ct Aeliano cousu-
libus. (d. 22. Nov. d. G. 2255 — nidt «21. Nov.
224»).
81
Sp viel über die Erläuterungen des Herrn Hofrath
Dorow, denen ic, bei diefer Beranlafjung nur deshalb
einige Bemerfungen beifügte, da in der nachmaligen
Berufung auf defjen frühere Abhandlung, eine Aufz
forderung zur Anerfennung oder Berichtigung feiner
Anfichten zu liegen ſchien.
Zur Erflärung der Platea Quintana gehörig, möchte
ferner noch ein Botivftein zu betrachten feyn, der ſchon in
früherer Zeit, nicht ferne vom Fundort der eben befchrie-
benen Ara entdeckt, und an der füdlichen Seite eines
Nebengebäudes im Freiherrlich von Breidtbady’fchen Hof
zu Hedernheim eingemauert wurde, Die fehlende vordere
Hälfte diefes Fragments veranlaßte fo viele Sonjecturen
über die Bedeutung der Schrift, daß ic; mich beftimmt fah
denfelben an Ort und Stelle genau zu zeichnen und die
Abbildung auf Tab. VI. beizufügen. Unter den abwei—
chenden Xefearten eines Öruter, Reineſius, Lip—
fing, Lersner, und Fuchs, möge nur die des Lep-
tern hier ihre Stelle finden, welche er Cim I. Theil
feiner Mainzer Gefchichte p. 61.) mit der Verfichgrung
mittheilt, «den Stein felbft gefehen und die Buchftaben
abgefchrieben zu haben. »
«J4:H: .D..;D.
DEAE FORT
#l..AFIIO
DORVS
IAIA..MAVRA
BR Von Pa ala
M.»
82
«I (n) H (onorem) D (omus) D (ivinae)
DEAE. FORTVN (ae)
AEM (ilius) AELIO
DORVS
PR (aefectus) ALAE MAVRO (rum)
EX V (oto) P (osuit) L (ibens) L (aetus)
M (erito). »
« Zur Ehre des göttlichen Haufes, der Göttin
Fortuna, hat Aemilius Aelio Dorus, Dberfter
des Flügeld der maurifchen Keuter, diefen Stein
willig, freudig, begnügt geſetzt, aus Gelubd. »
Fuchs giebt mehrere Budyftaben der Iinfen Seite
als wirflic; vorhanden an, von denen fich auf dem
Stein feine Spur wahrnehmen läßt; andere Buch—
ftaben mußten ſich nach dem Sinne bequemen, den er
der Inſchrift beilegte.
Wäre der Stein nicht vorher als Fuchs ihn fah,
fehr hoch eingemauert und dadurch vor Zerjtörung ger
ſchuͤtzt geweſen, fo Fönnte dies auf die Vermuthung
leitet, daß die fehlende Seite, fpäter beim Einſetzen
verloren gegangen ſey.
Sch will hier (salvo meliori) verfuchen, die muth-
maßlich nach Verhältniß des Raumes vorhanden gewe—
fene Schrift, durch Punkte auf der Abbildung Tab. VI.
zu ergänzen.
Wenn wir die fehlenden Buchftaben der gewoͤhn—
lichen erften Formel IN als Maafftab für die Breite
des fehlenden Stuͤcks annehmen, fo läßt fich fchliegen,
daß bei dem erjten Wort der zweiten Zeile, mehr als
ein Buchftabe verloren gegangen feyn müffe.
85
Sch habe es durch Plateae ergänzt, da dieh zu dem
darauf folgenden Wort FORI am beften zu paſſen
fehien, und diefe Vermuthung auch durch den Fundort
des Steins bei (k) unterftüßt wird.
Das Heinere I (bei fori) ijt zu Deutlich, ale daß
fich durch die Verwandlung defjelben in ein gleichgroßes
T die Lefeart «Fortunae » rechtfertigen Tieße.
Bon den Anfangsbuchftaben des folgenden Wortes
ift nichts mehr vorhanden als I oder ein Theil eines
andern Buchftabene. Das Wort ARAM würde ben
fehlenden Raum vollfommen ausfüllen.
on dem Worte AFLIO der vierten Zeile, ift ber
Buchftabe F nicht zu verfennen. Dieſe Schriftzuͤge moͤch—
ten jedoch auf Feine Weife zu den Buchſtaben der fols
genden Zeile gehören, da diefe viel größer find. Am aller
wenigften läßt fi) der Name Aelidorus daraus bilden,
indem einestheild der Endfilbe OR wenigftend 2—3
Buchftaben vorher gegangen feyn müffen, anderntheild
die Buchftaben VS durch einen deutlichen Punkt von
dem vorhergehenden Wort getrennt find,
Die Erklärung und vollfiändige Grgänzung ber
uͤbrigen Schriftzuͤge überlaffe ich dem Scharffinne ge—
übterer Ausleger, indem ich noch bemerfe, daß fich aus
fleineren Buchftaben der legten Zeile, da die Oberfläche
des Steins durch beftändige Einwirkung der Witterung
fehr gelitten hat, wohl fihwerlich ein Praefectus alae
maurorum herausbringen lafje, und von der Endformel
ex voto posuit, libens, laetus, merito, ſich feine
Spur vorfindet. — Durch die Xefeart FORI würde
Dagegen in Uebereinftimmung mit dem Fundort Des
Si
Steins, die Lage des Forums bezeichnet, welches
von der Platea Quintana den Namen Forum Quin-
tanum führte.
Auffer den genannten Hauptftraßen, auf deren Seite
ſich Gebäude an Gebäude in ununterbrochener Folge
reiheten, finden ſich noch viele Eleinere Nebenftraßen,
(Vieinales 1), Angiportus) 2), die parallel mit den
größern, den Vicus in fleinere Quartiere abtheilen.
Bis jest wurde erfi eine Fleine Anzahl derfelben ent:
det, welche auf dem Plan Tab. IV. angegeben find.
Die Bauart der Straßen ift nadı Verhältniß
ihrer Größe verfchieden. Die Hauptftraßen in einer
Breite von 18—24 Fuß, find nach Art unferer Chauffeen
in der Mitte etwas gewölbt und auf der Seite mit
einem tiefern Banquett verfehen 3). Bei Durchbrech=
ung mehrerer Straßen, welches wegen der dauerhaften
Anlage derfelben, fehr mühfam und fchwierig war, ließ
ſich die zwedmäßige und forgfältige Verfertigungsmeife
erfennen. Cine Unterlage von fchweren Bafaltmaffen
von 1— 2 Fuß cub. Gehalt bildet bei den größern
Straßen die Grundlage (Geſtuͤck); grobes Abfallgeftein
und Kiefel von 3—6 Zoll Durchmeſſer, füllt die Zwiſchen—
räume ber unterftien Schicyte; Schutt und Kleinere
Steine bildet die dritte Lage, und ein mäßig grober
1). HMygin L. c. S.
6
)) Die gepflaſterten Straßen in Herculanum waren nad
Windelmann, 25 röm. Palm breit, (1 Palm — $'/,
parif. Zoll) mit erhöhetem 10'/, Palm breitem Banquett
für die Fußgänger.
85
Kies ebnet die Ungleichheiten der Wölbung. Das Ban;
quett auf beiden Seiten der Straße hat feine fchwere
Steinunterlage, fondern deffen Fläche ift nur mit einem
etliche Zoll dicken Kiesauffchutt abgeglichen 1).
Den kleineren Berbindungsftraßen, welche gewöhnlich
in einer Breite von etwa 12 Fuß vorfommen, mangelt
nur die erſte ſchwere Grundlage; im Mebrigen tft ihre
Bauart den andern gleich.
Die forgfame Anlage und Unterhaltung der Straßen
im Innern des Vicus ſcheint die Hinzufügung eines
Pflafters entbehrlich gemacht zu haben, wie man es
hie und da an den römifchen Heerftraßen wahrnimmt.
Ich begreife daher nicht, wie Hüsgen (p. 92.) behaupten
fonnte, «daß nach mehrmaliger Befichtigung, der ge:
pflafterte Weg der von der Saalburg durc das Ca-
strum Hadriani (unfern Bicus) führte, alle Aehnlichkeit
mit der rom. Via Appia und Flaminia gehabt hätte!» 2.
Db die römifche Heerfiraße, welche den Vicus mit
Gafjel bei Mainz verband, gepflaftert gewefen, oder in
——
) Die Straßen im Innern des Gaftellg bei Niederbieber
zeigten eine weniger dauerhafte Anlage. Nad Dr. Do:
row’s Alterth. v. Neuwied p. 35. follen fie, «nach einer
vorgenommenen Schlemmung, aus einer Art Pife be:
ffanden haben, einer Mifchung, deren Hauptbeftandtheile
Zraß mit Sand und Ihonerde war. »
>) Hüsgen ſah wahrfchernlich die Reſte der neuern Eliſa—
bethenftraße, die, wie ich oben bemerkte, durch den Vicus
führt, für ein röm. Pflafter an, wiewohl daffelbe
ihm zu einer Vergleichuug mit der Via appia etc., nach
den Schilderungen eines Procop. de bello goth. etc. und
mehreren neuern Schriftfteller, wahrlich Feine Veranlaſſung
geben konnte.
86
Anfehung ihrer Bauart mit der im Innern übereins
jtimme, bedarf noch einer Unterfucdyung.
Neuhof!) behauptet wenigftend «daß von der Saal—
burg bei Homburg aus, eine erhaben gepflafterte vömifche
Straße nach dem Castr. Hadriani führe», und Dies
wird auch von Andern wiederholt.
Auch Dr. Dorom ?) erwähnt ſolcher gepflaiters
ten Straßen in der Umgegend von Neuwied.
(Fortſetzung folgt.)
») Neuhof J. c. p- 16.
2) Deffen Alterth. b. Neumied 1. c. p. 13. «Gie follen aus
Quarzgeſchieben und Bachfiefeln mit Mörtel verbunden,
37—4 Fuß unter der jesigen Erdoberfläche erfcheinen. Das
Steinpflafter diefer 14—16 Fuß breiten Straßen, an
deren Seiten, Spuren von Gebäuden und vielleicht Befeſtig—
ungs=Thürmen (2?) vorfämen, ruhe dreifach über ein:
ander gelegt, auf Traß.» Diefe von Hofmann fehon im
Sahr 1793 bei Heddesdorf entdeckten Straßen, fcheineu
einer ähnlichen unter dem Schutze des Caftelles bei Nied.
Bieber gegründeten Niederlaffung, angehört zu haben, und
es ift zu erwarten, daß eine aufmerffame Unterfuchung diefer
Puncte böchft intereffante Refultate liefern werde.
87
10.
Beitrag zur Gefhihte des Münzmwejens,
gefammelt aus Urkunden des Archives in Dil:
lenburg, von des Herrn Johann von Ur:
noldi, Königl. Niederl. Gcheimenrath3 und Com:
mandeurs des belgifchen Töwenordens Excellenz.
Vorwort des Einſenders.
Da die Kenntniß des Muͤnzweſens einen hoͤchſt
wichtigen Theil der hiſtoriſchen Huͤlfswiſſenſchaften aus—
macht, und manche Urkunden ſich Ohne dieſelbe nicht
gehoͤrig erklaͤren laſſen; die Muͤnzen ſelbſt aber in den
verſchiedenen Gegenden und Laͤndern des deutſchen Va—
terlandes verſchiedene Gattung und Benennung hatten;
fo muß jeder Beitrag, der diefe Kenntniß zu befördern
zum Zwecke hat, dem Gefchichtsfreunde angenehm feyn.
Sn diefer Borausfegung folgen bier, von der Meifterhand
eines würdigen Hiftoriographen, Wotigen ber das
Münzwefen unferer Gegend aus dem 13. bis ins 17.
Sahrhundert, Die derfelbe aus dem Archive in Dillens
burg mit befannter diplomatifcher Genauigkeit und
großer Sachkenntniß gefammelt hat.
Sl.
Ehronologifhes Berzeihniß
von Münzen, mit Bemerfung ihres Wertbs,
aus Urfunden.
1294. Denarius Wedereibensis. 2 = ı denar. Colon.
1509. Denarius Coloniensis. ı = 5 Hallensibus.
— — Marburgens. ı = 2 Ballens. s. Hallerıs.
85
1509 Denarius Wedereibens. ı = 2 Hallens. s. Halleris.
— Denarius, Nummus, (Synonyma.)
1313 Penninge. 1 = 5 Hallere.
— ein Schilling Penninge.
ı320 Marca Coloniensis. ı — ı2 Solıidis.
— Solidus, Denarius, (Synon.) ı = 5 Halleris.
1324 1 Marf — 36 Schilling Heller.
— eine Marf geler Penninge.
1343 Goldene Schilde. 1 = 16 Königs Turnos.
1544 Alte Turnos.
— Gute Guldeg.
— 1 Pfund Heller = 12 alten Grofchen.
— 1 Pfund Heller = 1 Heinen Gulden.
1346 Kleine Gulden von Florentien, auch parui floreni
de florentia boni auri.
— Parui turonenses veteres.
— Grossus denariorum argenti.
— Florenus scuteus boni auri. Siehe 1350.
1347 1 Libra = 1 Floreno.
— ein Verdüng Geldes, Farthing, ferto.
1350 1 Scdildgulden = 1%!/, Turnos.
Scildgulden, Schilde, (ſynonyn.)
— Goldene Hallinger cHolländifche Gulden) 1=1!/,
1359 1 Marf = 12 Scillingen.
— 1 Schild von Golde = 15 alten großen Königs»
turnofen.
1362 1 Libra = 8 Grossis.
1363 Motteyne, vielleicht fynon. mit Brabant’fcher
Moutons d’or, deren 1 = 2 Goldgulden.
1364 1 Golden Schild — 16 alten großen Könige-
turnofen.
89
1369 1 Turnos = WM Haller.
. 1383 Gute alte Gulden Schilde, gut von Golde und
recht von Gewichte von Münzen des Kaifers zu
Nom oder des Königs von Frankreich,
1591 Nheinifche Gulden.
1395 Gute ſchwere Kleine Gulden. 1 = 10 guten alten
Zurnofen.
1398
1401
1401 Ein Pfund Heller.
1406 1 Marf Brabäntifh = 12 Weißpfenningen.
— 1 Gulden =? alten Schilden.
1412 1 Libra — 10 albis denariorum.
— 1 Gulden = 10 Turnofen.
1419 1 Krone — 20 Brabäntifchen Botdregeri.
41424 1 Oberländifcher Gulden = 8 Schillingen und 6
Pfenningen.
1433 Engelchen. ©. 1452.
1444 1 Schilling = 12 Heller.
— 24 Scdillinge = 1 Gulden.
1447 1 fchwerer oberländifcher Nheinifcher Gulden —
24 guten Weißpfenningen, (Siegenifcher Währung).
1452 1 Engländer = 7, Heller.
1454 1 Albus = 9 Heller.
— 1 Turnos = 24 Heller.
— 12 Turnos = 1 Gulden.
1456 Goldene Pojtulates Gulden.
1458 1 Rheinifcher Gulden — 11/, Pfund Heller.
1 Gulden = 4 Marf.
1466 RN.
: 41 Marf = 12 Schilling.
1 Marf = 15 Turnofen.
90
1466 | 1 Schilling = 12 Pfenningen.
1 Rädergulden = 24 Albus vd. 192 Pfenninge.
Nach diefer Berechnung ijt der zu 4 Marf ange—
fihlagene Goldgulden — 3 Raͤdergalden oder 576
Pfenningen.
1466 1 Marf nach dem Münzwerth von 1349 = 1 Y,
Gulden.
1472 1 Poftulatengulden — 16 Albus.
— ein Pfund Gelds, (Mainzer Währung).
1478 60 Gulden on 9 Stoeffer vor 1 Gulden, madıt
an gemeinen Gulden 67 Gulden 6 Turnos.
— auch 1494. 1 Gulden = 4 Mark Coͤllniſch.
— endel befcheiden Gulden, verm. Rädergulden.
1486 1 Gulden an Gold = 30 Weißpfennigen.
— 1 — — Siber=24 —
— 1 Schilling = 2 Weißpf. 3 Heller.
1495 Wilhelmus Schilde.
1495 18 junge 9. = 1NR. alb. Salte = 17 junge. 9.
1 fchlechter Alb. = 125. Alb. 1 Cölfn. m. Krone=15.
1fL.=24NR. alb. 1 Goldg. = 26 od. 39 fehl. Alb.
3 Coͤlln. Turn. = 2 8. Turn.
1505 1 Schilling = 3 Raͤderalbus.
1506 8 Hornsgulden = 3 Gulden 15 Albue.
1507 1 Goldgulden Coͤlln. = 26 Räderalbus,
1539 Joachimsthaler.
Schredenberger.
1540 1 Goldgulden = 16 Bazen oder 32 Albus.
1 gold. Franz. Krone = 38 Brab. Stüber.
1543 2 1 Derzog Philipps Burg. Guld. =Z253 —
1 balbe Reale = 30 Brab. Stüber.
91
1 Goldgulden = 20 Brab. Stüuͤber.
1543 1 Sarolusgulden = 20 — =
1 Sohanı Horns Gulden = 12 Brab, Stüb.
1 Soacyimstbaler = 25 Br. ©t.
1543 1 Goldgulden = 28 Br. St.
1544 1 Joachimsthaler = 31 Raͤderalbus.
1546 1 Thaler = 31 Näderalbus.
1550 1 Gulden = 60 Kreuzer.
1552 1 Gulden = 15 Baten oder 20 Blapperten.
1556 1 Krone — 40 Brabant. Stüber.
1556 Sächfifche Thaler mit gefchorenen Köpfen.
1 Rheinifcher Goldgulden = 11/, Frank
furter Gulden zu 15 Baßen.
1 Doppelter Ducaten = 3 Thaler.
1 Ungarifcher Gulden = 1Y, Thaler.
1 Sonmnenfrone — 24 Basen.
1 Stalienifche Krone = 231%, Basen.
1 Portugalefer = 25 Basen.
1 Reyder (Räder) Gulden = 24 Albus.
1 Thaler zu 171/, und zu 18 Basen.
1 Baten = 4 Kreuzer.
1557 Kleine Silbermünzen: Schredenberger, Pauliner,
auch Papeler, Basen, Kreuzer, halbe Basen,
Snfpruder, Regalen, doppelte, ganze, halbe.
1557 1 Dert = 0 Kreuger.
' Eißbrüder.
Regalen.
1570 4 Papalen oder Dreibäsner.
Doppel: und Halbeſtuͤcke zu 20 Bazen.
1 Portugalefer = 16 Thaler.
1557
92
+ 4 Ungarifcher Gulden = 11, Thaler.
1 Königsthaler = 20 Batzen.
Gemeine Thaler = 171, Basen.
Achtzehnbagenthaler.
1 Goldgulden = 19 Basen,
Rofenobel — 4 Gulden.
halber Portugalefer Ducate = 25 Baren.
doppelter PBortugaler = 32 Thaler.
Engelott — = 2 Gulden 10 Basen.
Doppelducate = 4 Gulden.
Ungarifcher Ducate = 29 Bagen.
halbe Kreuzducate = 28 Basen.
Sonnenfrone —H EEE
Piftolet —$ ri
doppelte Piftoletfrone = 50 Baten.
4 doppelte Piftolet = 100 Basen.
Kiederländifcher Gulden = 12 Basen.
1 Ducate = 28 Baten.
1586 | Piftoletten, vier=, zwei= und einfache; die
einfahe = 24 Basen.
1586 1 Goldgulden = 20 Bapen.
Realen, doppelte und einfache; 1 einfache = 08.
1 Sonnenfrone = 25 Batzen.
1 Erufate = 27 Bagen.
1 Milerefe = 28 Batzen.
Bononier.
1 NReichsthaler = 18 Basen.
1 Reichsgulden — 15 Baken.
1543
1570
—T
1581
Mm MA je
95
Ausfprucdh des K. u. R. Kammergerichts zu
Speyer in einer Müngzftreitigfeit.
1559. 15. Mer;.
Bon G. Gn. Wir Michael Bifchoue zu Mörfenburg
Kaiferl. Kammerrichter, Bekhennen, AUS der Wolgeb.
Wilhelm Graffe zu Naſſaw, Gatenelnbogen, Vianden
und Dieg, gegen auch vnſern befondern Eberharten von
vnd zu der Thann in Ablöfung 2000 Gulden Widers
Iofungsgullten in vngleichen Verſtanndt vnd Irrung
fhommen vnd Graf Wilhelm es darfür gehalten, das
er in Erlegung — obgenannter Summa — den Gulden
anders noch höher dann in Frankfurter Wehrung, d. i.
zu 27 Weißpfenning für einen yden Gulden gerech-
net, zu erlegen vnd zu bezallen, dargegen aber gen. Eber—
hart von vnd zu der Than fürgewendet, das die Wortt
in der Hauptverfchreibung, «nämblich gutter genemer
NRheinifher Gulden der vier Churfürften Ming
oder Franffurtter Werung» — Goldtgulden, vnnd
nit Ming Frannffurtter Werung bedeutten, vnd er der-
wegen andere Ming noch Werung in Bezallung vnnd der
Abloefung anzunemen, nit fchuldig were Alles — Innhalts
ainer befigelten Supplication — fo vns vnd den vers
ordneten des Kaif. Cammergerichts Beyſitzern Als come
promittirten Richtern beede Theil — fürbringen und —
uns vmb — fummarifche enntliche erclärung — vnnd
endtfchidt — res vngleichen Verftandts erfuchen laffen,
Das demnach Wir vnd die Beyſitzer bemelts K. Cammer—
gerichts auf follic; der Partheyen Compromiff — Die
vberfannte Supplication vnd ſach — zu befichtigen — vnd
zu ermefjfen bewilliget. Darauff auch zulegt an heut
9%
datum nach notturfftiger angehörter Relation — Enndtlidh
decidirt vnd erclärt haben, wie von Wort zu Wort hers
nad) befchriben, In der veranlaßten fachen zwifchen ıc.
Iſt erfhenndt, das Graf Wilhelm mit 2000 Gulden
Haubtgelts Frandfurtter Werung den Gulden
zu 277 WeißPfenning gerechnet die verfaufte 100
genemer Rheinifher Gulden der 4 Chur
fürften Müng oder Frandfurtter Werung
järliher nußgung, von Ime Eberh. v. u. zu der Thann
widerumb an fich Fhauffen möge, Auch Er Eberhart —
diefelbigen in obberurter Werung alfo antzunemen fchul-
dig feye, Sollicher ytzt obbegriffener Decifion vnd
erklärung haben Wir in vnnſer felbs, vnd dann der
zugeordneten Beifigere, als der mit Compromittirten
Namen, wol — ond ehegemelten Partheyen — dife Vhr-
fundt vonder vnſerm anhangenden Innſigel verferttigen
laffen, Doch uns im andere wege vuuergrifflich vnd
fonnder Nachtaill. Geben in des H. R. Stat Speier
am 17. Tag des Mon. Martii nach Chr. vnſers lieben
Hern Seligmachers vnd erlöfers gepurdt 1550.
Edictmäßiger Werth der Münzen im Naffaus
fhen, vor und in den Zeiten des dreißig—
jährigen Kriegs.
Gulden. Albus.
Im Jahr 1606. 1 alter Rofeno! el = 6 12
1 neuer —
1. Schiffnobel — 5 —
Im Sahr 1606.
Sm Jahr 1609
95
1 Doppelducat —
. halber Ducat =
halber Albertiner —
alter Engellot =
Milleſer —
Sonnenkron =
Cruſade =
Spanifche einfache
Piſtolet —
. Stal. u. a. Piftolett —
Goldguld. vd. Neal =
Reichsthaler —
Koͤnigsthaler —
Fuͤnf Ort —
— — — —— 2 — —
Reichsguldener
Frank
Franzoͤſiſcher Dick
— er — — —
1 Lothringer Die —
5 Schredenberger oder
Scaffhäufer —
20 Eifbrüder =
1 Masblanf —
1 halber Basen =
Schiffnobel
Sonnenfrone
Grufade
alte Roſenobel
Albertiner
Te ES
ae |
Gulden. Abus.
5 8
2 10
1 18
4 ——
2 6
2 6
2 5
2 6
2 4
1. >24
1 15
1 18
1 18
1 7
14
= 10
4 Pdf.
—
1 3
1 3
1 6
7»
Gulden. Bapen.
4 4
2 —
2 1
9b
Gulden, Bagen.
Im Sahr 1609. 1 Goldgulden
1 Ducat
1 Reidysthaler
1 Koͤnigsthaler
1 Silberfrone
1 Rofenobel
1 Reichsgulden
1 doppelter Albertiner
1 alter Englot
1 Poftulatenfrone
1 Mesblanf
1 Schredenberger — 3%
1
m» or o m m Mn
Eee nee!
10
4
6
8
9
Im Jahr 1620. Den Gulden nach ſchlechtem Geld zu
24 Alb. und den Alb. zu 8 Pf. ge
rechnet:
Goldmün zen: Gulden, Abus,
1 Roſenobel
1 Goldgulden
1 Ducat
1 einfache Crone
1 Pijtolet
1 Grufade
1 Bouillonifcher Güls
denthaler = 2
1 Portugalefer ==
1 Portugallifcher Te—
ftumen oder 1/, Porz
tugalefer = 14
Silberne Münzen.
1 Reichsthaler = 2
ae
—
8
12
16
97
Im Jahr 1620. 1 Albertiner od. Kreuz- Gulden, Albus.
thaler == 2 12
1 filberne Krone — 3 2
1 Königsthaler a
1 neuer Albertiner mit
doppeltem Angefiht — 3 5
4Pf.
1 neuer Hollaͤndiſcher
Thaler = 1 16
4Pf.
1 Sechsbaͤtzner — — 12
1. leichter Sechsbaͤtin. — 9
1 alter Schaffhäufer
oder Dreibäßner = .— 6
1 neuer — ee 4
1 alter Dreikreutze = — 1
4Pf.
1 neuer Reichs Drei—
kreutzer — — 1
Sm Jahr 1623. Den Gulden zu 60 Kreußer gerechnet:
Goldmünzen: Gulden. Ar.
1 Rofenobel = 5 4
1 Schiffnobel = 4 3
1 Engelott u 24
1 Ducat = 2 24
1 Kreußducat — ar. 10
1 Welfche Krone = 3 —
1 Goldgulden = 1 44
1 Span. oder franz.
Krone = 2 4
w
98
Silbermuͤnzen.
Im Jahr 1623. 1 ſilberne Krone
1Philippsthaler
1 Reichsthaler
1 halber —
1Ortsthaler
1 Reichsthaler mit der
Zahl 72
1 Reichsgulden
Sm Sahr 1624. Den Gulden zu 24
Gulden.
Albus, 8
Kr.
44
20
Kur⸗
fürftenpfenninge zu 1 ſchwerem Alb.,
9 andere Pfenninge aber zu 1 Alb.
gerechnet:
Goldmünzen
1 Rofenobel
1 Sciffnobel
1 Englott
1 Ducat
1 Kreugducat
1 Welfch oder Pifto-
letfrone
1 Goldgulden
1 fpan. und franz.
Krone
1 Portugalefer
1 Teſton
1 doppelter Gulden-
Ritter
Gulden,
— 5
== d
3
[85
Il
a
36
9
lee
N
ke) }
Abus,
15
2Pf.
99
Bulden. Abus,
Sm Jahr 1624. 1 Jacobiner = 6 16
Silbermüngzen:
1 Silberfrone == 1 22
1 Philipps- oder Koͤ⸗
nigsthaler, auch 6
ganze u. 10 halbe
Kopfſtuͤcke == 1 20
4Pf
1 ganze ſpan. Matte=
4 Kopfſt.
1 Reichsthaler = 1 16
1 halber Thaler u 20
1 Reichsort — 10
1 Reichsthaler mit der
Zahl 72 —17
4Pf.
1 Reichsgulden mit der
Zahl 60 = 1 12
11.
Gefhihte der Kirhe und Pfarrei Hoen,
von Herren Pfarrer und Schulinfpector Bogel
in Schönbad).
Das Kirchfpiel Hoen liegt auf der Höhe des Weſter—
waldes, gehörte in der Vorzeit zur Graffchaft Dietz
und fpäter zum Firftenthum Naffan- Hadamar. Auf
der einen Seite war es von der Grafjchaft Weſterburg,
auf der anderen von der Nifter gegen Die alte Herr—
fchaft zum Wefterwald begrängt.
100
Daß die Herleitung feines Namens von Hain (ab
indagine) die richtige fei, beweifei die alte Schreibart
deffelben. Folgende Dörfer bilden daffelbe: Hoen, wo
die Pfarrfirche fiehet, Urdorf, Dellingen, Schönberg,
der Sit der Pfarrei, Hahn, Kadenberg, Dreisbad)
und Ailertgen 2). Die Orte Hinterfirchen, Hoͤlzen—
haufen, das ausgegangene Nieder-Bellingen und Püfchen
gehörten von den früheften Zeiten an auch dazu, find
aber 1816 nadı Rotzenhan, wohin fie ſchon immer ihre
Todten beerdigten, verwiefen worden. Auch die Dörfer
Hildenhan, Neuftadt, Schellenberg, Pottum und das
ausgegangene Schornberg, urfprünglic; alle Weſter—
burgifch und nach Gemünden eingepfarrt, fchloffen fich,
ehe fie 1614 dem neuen Kirchfpiele Rennerod zugetheilt
wurden, einige Zeit dem hiefigen Kirchfpielsverbande an.
Schon im zehnten Jahrhundert fommt es unter dem
Kamen Hana, ald Eigenthum des Herzogs Hermann
von Allemannien vor, der e8 Damals mit der Kirche in
Humbach, dem jegigen Montabauer?), an das Klofter
*) Hier entfpringt die Elbe, die unter Limburg in die Lahn
fließt. Der Ort ihres Urfprungs heißt in den Elben (Ellern
oder Erlen Betula alnus, Lin.) Daher ihr Name.
2) Die von mir im erften Bande der Naflauifchen Kirchen:
und Gelehrtengefhichte von ©. 57 an mitgetheilte, auf hohe
Wahrſcheinlichkeit begründete Nachricht, daß das alte Hum—
bad) das jegige Montabauer fei, ift nunmehr zu dipfoma=
tifcher Gewißheit erhoben. Ein Manufeript auf Pergament
aus der erften Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, enthält
auf 13 Foliv-Seiten «Antiqua jwra Archiepiscopi Treviren-
sis,» und unter anderen dag befondere Rubrum: Haec sunt
jura Archiepiscopi Trevirensis in banno ville de Himbach.
101
der heiligen Maria, das nachherige Floringftift in Cob—
lenz fchenfte 5). Das Iegtere ift hoͤchſt wahrfcheinlich
aud) bald darauf der Erbauer der hiefigen Kirche und
der Gründer der Pfarrei, deren Sit von Anfang an
in dem Dorfe Schönberg war, geworden. Beide waren
wenigftens im Sahre 1100 ſchon vorhanden. Damals
befchreibt der Pfarrer Johannes von Driedorf die Lage
des Pfarrgutes und eines Pfarrwaldes zwifchen der
Niſter und der Hirzbach, welches noch jetzt bis auf den
Wald, der als Eigenthum an die Gemeinden überges
gangen ift, übereinftimmt.
Sm folgenden Jahrhundert kommt diefes Kirchfpiel
unter dem Namen einer Provinz vor, welche Benennung
aber wohl nichts weiter ald die Gegend von Hoen
und feiner angrenzenden Nachbarn bezeichnen fol. Su
diefe Provinz oder Gegend fiel im Jahr 1114 ein Lehns—⸗
mann des Grafen Ulrich8 Coon Idſtein) mit einer Rotte
böfer Buben unvermuthet ein, veruͤbte mandhe Grau—
famfeiten und ließ viele Menfchen verftimmeln und
toͤdten. Die Einwohner, von Natur wild und unbändig,
Eine fpätere Hand fchrieb zwiſchen 1319 und 1523 da=
hinter: quae nunc Munthabur appellatur. Hiermit ift
aljo bewiefen, daß der 1200 noch Humbach genannte Ort
im folgenden Jahrhundert Montabauer hieß. Denn daß er
in der von mir gelieferten Urfunde Humbach und hier Him—
bach heißt, daran wird fich wohl niemand ftoßen.
) Diefe Schenfung umfaßte quidquid dux predii in Hana
comprobatur habere. 8. 1. ©. 75. des angef. Archives.
Ih war früher Ca. a. DO. ©. 68.) ungewiß, was unter
Hana zu verftehen fei, weil mir damals die Rechte und
Einfünfte des Floringftiftes in Hoen noch unbekannt waren.
102
wurden dadurc aufs Höchfte gereist, und dem erhobenen
Yandgefchrei folgend, verfammelten fie fih von allen
Seiten zu blutiger Rache. Sie fchlugen ihre Dränger
und Würger in die Flucht und verfolgten fie bis an
die Lahn. Hier mußte Ulrich wegen der vielen aus—
geriffenen und ermüdeten Laftthiere Halt machen. Ein
Theil feiner Fußgänger warf die Waffen weg, und
fuchte fich in einem Walde zu verbergen, die übrigen
aber glaubten Sicherheit in der Kirche zu Limburg,
wohin fie flüchteten und fich flehend vor den Altären
niederwarfen, zu finden. Die Erbitterung ihrer Vers
folger aber fchonte auch das Heiligfte nicht mehr. Die
Kirche wurde mit Gewalt erbrochen, und die darin
ergriffenen Flüchtlinge niedergemact. Cine Vorftellung
der Stiftöperfonen in Limburg an den Erzbifchof Bruno
von Trier, um Beftrafung diefer frevelmüthigen Ent—
weihung ihrer Kirche, bat ung diefe Nachricht aufs
bewahrt 1).
Eine andere für das Kirchfpiel ebenfall® ungluͤckliche
Begebenheit mag hier als an jchieflicher Stelle folgen,
vb fie gleich viel fpäter if. Die befannte Fehde zwifchen
Dietrich von Sfenburg und Adolph von Naffau um den
Erz;bifchöflichen Stuhl in Mainz, die mehr durch Raub
und Verheerung als offened Schlagen geführt wurde,
verbreitete ihre fihreclichen Folgen bis in diefe Gegend.
Philipp der Aeltere von Kasenellenbogen nd Ger:
bard II. von Sayı nahmen, diefer auf des Iegteren,
jener auf des erfteren Seite, daran Theil. Philipp
‘) Broweri Annales Trevir. II. 12.
105
riickte 1462 gegen Sayn aus, und verbrannte auf feinem
Zuge am 4. Mai, die Kirche zu Hoen, die Pfarrgebäude
zu Schönberg und mehrere Dörfer des Kirchfpielß.
Das Klorinsftift in Goblenz übte bei der Kirche
Hoen alle Nechte des Archidiacons aus, hielt Die
Synode und beftätigte die vorgefchlagenen Geiſt—
lichen, wofür e8 denn die Zehnten und Sendhafer
3091). Diefe Einfünfte hat es zwifchen 1607 und 1621
an Graf Georg von Naſſau-Katzenellenbogen verfauft,
ift aber bis 1752 im Beſitze des Inveſtiturrechts ges
blieben,
Neben diefem finden wir das Nonnenklofter Dber-
werben in der Graffchaft Walde, von den früheften
Zeiten an im Befis des Präfentationsrechtes dieſer
Kirche, und fo vieler Huben, oder einzelner Bauern—
guͤter, daß es die Errichtung eines ihm eignen Huben⸗
gerichtes 2) nothwendig achtete. Wann und wie dafjelbe
zu diefem Eigenthum gefommen, ift unbekannt. Der
Schirmherr diefes Klofters Graf Volkwin (won Walde)
2) Diefes ift der Grund, warım fih Hoen im Decanat:
vegifter von Dikirchen nicht findet, und wornach das darüber
B. J. ©. 55. des Archives, Gefagte verbeffert werden muß.
2) Die befonderen Gerechtiamen dieſes Hubengerichtes giebt ein
Urtheil der Amtleute in Dieb von 1546, 16. März, näher
an. Es hatte die Entſcheidung in allen Eivilrechtsfachen,
welche die Huben und Hubener angiengen. Die Erecution
feiner Urtheife volzog der Tandesherrliche Gentaraf. Die
Apellation gieng von ihm an den Oberhof in Dies. Alle
Griminalfälle, die auf den Huben vorfielen, gehörten vor
den Grafen. Es beftand aus einem vorfisenden Schultheis
und 12 Schöffen.
104
hatte ohne deſſen Wiffen und Einwilligung die Vogtei
über diefe Rechte und Güter in Hoen an Giegfriel
von Runfel, für 20 Mark verpfändet. Dadurcd, erlitt
daffelbe eine merfliche Schmälerung feiner Einfünfte,
und fuchte deshalb 1209 den Grafen Volkwin zur Wieder-
einlöfung der Vogtei zu bewegen, die Runfel, wie es
ſcheint, gerne länger behalten hätte 1). — Später ge-
langte die Abtei Marienftadt bei Hachenburg zum Mit-
befige diefer Güter und des Hubengerichts, bis fie end-
lich, nachdem Graf Philipp von Walde zur Zeit der
Einführung der Kirchenverbefferung, in feinem Lande das
Klofter DOberwerben aufgegeben hatte, das Ganze an
ſich brachte. Diefes gefchah 1560, 31. Juli, durch
einen in Siegen abgefchloffenen Kauf. Walde erhieit
30 Thaler und eben fo viele Goldgulden von Marien:
ftadt. Der Churfürft Johann von Trier beftätigte ale
Ordinarius am 8. Auguft der Abtei diefe neue Beſitzung,
und er fowohl ald Graf Johann von Naſſau-Katzen—
ellenbogen, welche beide damals die Graffchaft Dies
noch in Gemeinfchaft befaßen, ließen fie 1561, 20. Juni
durch ihre Amtmänner Dietrich von Dies und Andreas
von Brambach in diefelbe wirklich einführen. Dadurd)
war denn aud) der Kirchenfas an diefe Abtei gefommen,
von der fie bei der eben erledigten Pfarrei fogleich
Gebrauch machte, und 1561, 15. Mai, den Sebaftian
Floere von Altenfirchen dem Florinsftifte präfentirte.
Unterdeffen hoben Trier und Nafjau ihre Gemein
fchaft in der Graffhaft Dies auf, und theilten fich
) Diefe Urkunde ift unten mitgetheilt.
105
1564 ab. Dadurch gelangte Naffau zum alleinigen
Befige des Kirchfpield Hoen. Kaum fah ſich Graf
Johann der Aeltere von feinem läftigen Mitregenten
befreit, als er Luthers Religionslehre hier einzuführen
begann. Der Pfarrer Floere oder Floretus fing noch
in diefem Jahre an, das Evangelium nad) den Grund:
fügen diefes Theologen zu predigen, und das Abend-
mahl unter beiden Gejtalten auszutheilen. Die Meffe
und Dhrenbeichte aber wurden noch eine Zeitlang bei-
behalten. So ſchonend und liebend fuchte man hier
die geläuterten Anfichten der Religion zu verbreiten,
und ohne daß man fie jemand aufdrang oder irgend ein
Gewiffen beläftigte, wurden fie bald in allen Gemeinden
herrfchend. Diefer erften Reformation folgte bald eine
zweite, wodurch das reformirte Bekenntniß eingeführt
wurde.
Nach diefer Aenderung des ganzen Firchlichen Kultus
und der Einführung vernunft- und fchriftgemäßer Lehren,
fuchte man dem Abte von Marienftadt feinen Einfluß
auf die Befegung der Pfarrei zu entziehen, weil man
beforgte, daß ein Fatholifcher Abt an der Befekung
einer proteftantifchen Stelle nie fs reines Sntereffe
haben koͤnne, und feine Einmifchung dem firchlichen
Leben mehr hinderlich als förderlich fein möchte. Der
Pfarrer Erasmus Floretus wurde demnad; um 1602
von Naffau hier angeftellt, ohne vom Abte präfentirt
zu ſeyn. Anfangs fcheint diefer fich dabei beruhigt zu
haben, fing aber 1614 an, über diefe Entziehung feines
Rechts beim Grafen Johann Ludwig von Naſſau-Hada—
mar Klage zu führen. Diefes wurde von ihm 1623
wiederholt. Nach mancherlei Verhandlungen von beiden
106
Seiten wurde endlich die Sache 1628, 24. Suli dahin
verglichen, daß Marienftadt im Beſitze des Präfens
tationgrechtes bleiben, und bei dem Pfarrer Erasmus
Floretus die unterbliebene Präfentation noch nachgeholt
werden folle; wie e8 denn auch gefchah.
Hierauf trat das für dad Naffau- Hadamarifihe
Kirchenwefen fo entfcheidende Sahr 1629 ein. Graf
Sohann Ludwig machte 1630, 30. Mai den Abt in
Marienjtadt mit feiner Religionsveränderung und mit
dem Plane, feine Unterthanen zur fatholifchen Confeſſion
zurück zu führen, befannt. Er bat ihn zu der Pfarrei
Hoen, die Floretus nicht länger befiken Eönne, einen
tuͤchtigen Fatholifchen Geiftlichen vorzufchlagen. Der
Abt verfprach diefes, und der evangelifche Geiftliche
hatte am 31. Auguft die Pfarrei fchon verlaffen. Doc
fcheinen fid; hier dem DVorfchreiten der neuen Confeffton
viele Hinderniffe entgegen gejtellt haben; wenigſtens
wurde die Pfarrei erft 1644, 24. Suni, mit einem Katho-
Iifen befetst. Das Collatur-Inſtrument fagt « ob infesti-
nationem haereseos» habe fie fo lange offen bleiben
müffen. Von jest an uͤbte Marienftadt das Gollatur
und das Florinftift das Inveſtiturrecht ungeftört aug,
und immer waren e8 Marienftädter Gonventualen, die
hier die geiftlichen Functionen verrichteten und Die
Pfründe genoffen, — Als aber die Naſſau-Hadamariſche
Linie längft ausgeftorben, und das Kirchfpiel Hven an
die Diesifche oder Dranien - Naffauifche Linie gefallen
war, ergriff diefe 1752, 27. Sunt, am Todestage des let:-
ten hiefigen Gonventuals aus Marienjtadt, von der Pfarrei
Befiß, und geftattete der Abtei ferner feine Präfenta-
tionen mehr. Hieruͤber entfpann ſich ein Rechtsſtreit,
107
da fich die Iegtere an das Neichs- Kammer = Gericht
wandte, und es erfchienen von beiden Seiten Druds
fohriften 1) zur Erläuterung der Sache.
Dranien- Nafau gründete vorzüglid, fein Recht auf
das im Weftphälifchen Frieden feftgefeste Normal-Gahr
1624, worin fich die Abtei auffer dem Befisftande des
Präfentationsrechtes befunden, und daſſelbe erft 1628
wieder erlangt habe.
Hoen war und blieb für Marienftadt verloren, und
vergebens war defjen Vorficht gewefen, noch beim Leben
des alten Pfarrers 1751, 25. Suli, einen anderen, den
Theodor Link, in Borfchlag zu bringen und vom
Florinftifte betätigen zu laffen. Diefer konnte niemals
zum Beſitze der Stelle gelangen.
Fir das Kirchfpiel wurde dieſe Veränderung eben
nicht ven günftigen Folgen begleitet. Kaum waren die
Brüder von der Negel des heil, Berhards gewichen,
als es in die Hände von Bettelmönchen fiel, und ſich
deren mannichfachen Geld und NaturaliensTerminationen
ausgefest fah 2). Diefe gehören wahrfcheinlich mit zu
1) Non Seiten Dranien-Naffaus erfchien : Conspectus causae
cum summaria recapitulatione ante actorum ad processum
Marienstadiensem, puncto juris praesentationis. (Herborn
1753.) Folio. Ron Geiten Mlarienftadts: « Rechtliche
Erörterungen einiger Fragen aus dem Weſtphäliſchen Srieden,
oder nöthig befundene Erörterung in Sachen Abts und Con—
vents Marienftadt, contra die fürftl. Naff. vormundfchaftl.
Regierung, quasi mandatum de non turbando in possess.
vel jur. constit. parochum. » MWeblar 1757. Folio.
Man fehe darüber nach: Ueber die Pfarreiverwaltung der
Sranzisfaner Mönche, befonders im Fürftenthum Naſſau—
Hadamar. Ein Sendfchreiben. Diüffeiderf 1783. 8.
{7}
—
108
wirffamen Urfachen feiner traurigen öfonomifchen Rage,
in der es fich noch jest befindet. Die biefige Pfarrei
wurde nämlich dem Franzisfaner - Klofter in Hadamar
übergeben, bei dem fie bis zu deffen Säcularifation
blieb. Seit 1816 aber wird fie von Weltgeiftlichen
verfehen.
Die Einnahmen der Pfarrei beftehen in Geld, Zehn-
ten, Brandholz und Hafer, welche die Kirchfpiele-
glieder liefern. Auffer dem befist fie fehr bedeutende
Grundſtuͤcke, welche ihre Hauptrente bilden.
Die Kirche zu Hoen liegt auf dem höchften Puncte
des Kirchfpiels, und fo offen, daß fie von allen Sei—
ten aus ziemlicher Ferne gefehen werden kann. Sie ift
ein altes Gebäude mit drei Glocden, welche 1462, 1723
(die alte 1495) und 1738 gegoffen worden find, und
durch ihre Harmonie erfreuen. — Sohannes der Täufer
und Valentinus waren früher der Kirche Patrone, feit
1644 aber ftebet fie unter dem Schuße der hochgelobten
Jungfrau. Diefer zu Ehren war ſchon 1490 hier ein
Nebenaltar mittelft Schenfungen der Kirchfpielsgenoffen
errichtet, der durch einen befonderen Altariften bis zur
Neformationgzeit bedient wurde,
Mit der Einführung der Reformation wurde auch
die Schule errichtet, und die Einfinfte des Gloͤckners
zur Befoldung des Schullehrers verwendet. Diefer war
ein wiffenfcdaftlich gebildeter Theologe, und zugleich
Diafon des Pfarrers.
Als Pfarrer haben bier geflanden:
Sohannes von Driedorf, im Jahr 1000 und
noch 1124.
Johann Zane, 1405,
109
Cuno Koch, am Schluffe des 15. Sahrhunderte.
Sohann Heimann, 1508.
Johannes Fabri von Schönftein, 1546 } 1560.
Sebaftian Floere oder Floretug, 1561 F 1614.
Anton Mofer, Diaconus 1563.
oft Heyderich, Pfarradjunct feit 1595. 1596.
Erasmus Floretus, 1602, zog ab 1630.
Sohannes Kranenfus aus Marienftadt, von
1644 bis 1650.
oh. Caspar Pflüger, von 1650 bis 1658, wo
er Abt in Marienftadt wurde.
oh. Wolfgang Sparmapyer, 00n1659 big 1663.
Anton Steinen, von 1663 bid 1684.
Henrich Holzflau, 1684 bis 1707.
Bincenz Keffenius, 1707, ftarb 1722, 3. Novbr.
Wilhelm Emons, 1733, ftarb 1752, 27. Suni.
Hier folgt die oben v. J. 1209 angeführte Urkunde.
In nomine sancte et individue trinitatis amen.
Ego Bertholdus Dei gratia sancte Marie et sancti
Georgii in Verve prepositus notum facio tam futuri
quam presentis evi fidelibus ad quos hujus pagine
series pervenerit, quod dominus Folcwinus comes
illustri ortus prosapia ex libera electione nostra coe-
nobii nostri advocatus abutando jure suo ad quod de
gratia erat invitatus advocatiam quorundam bonorum
cenobii nostri in Zene cujus jus cum prepositus recla-
maret in pignore viginti marcarum domino Sifrido de
Runcgel obligavit. Cum itaque protractu temporis ex ob-
110
ligatione predicta cenobium in suis redditibus sentiret
defectum multa precum instantia hoc apud dominum
Volcwinum obtinuit, quod divine majestatis intuitu et
in anime sue salutem predietorum bonorum advoca-
tiam de rebus suis redempiam beate Marie cum uxore
et filiis devotus offerret et omni jure suo quod in
jam dietis bonis se dixit habere renunciaret. Audita
hac bonorum redemptione dominus Sifridus cui erat
impignorata adyocatia et in cujus erat vicinia timens
sibi vel successioni sue imposterum aliquod gravamen
suboriri nequaquam bona a se redimi permisit nisi
de hoc certus efficeret quod cenobium beate virginis
cum advocatia et cum alia utilitate predicta bona
possideret et nisi cenobium privilegii sui attestatione
firmaret si aliquem advocatum eligere vellet imposte-
rum, quod tamen juramento se nunquam facturum
promisit, dominum Sifridam vel filium ejus eligeret
ut igitur hec que inter presentes acta sunt inconyulse
firmitatis robur obtineant et illibata perseverent in
testimonium redemptionis advocatie a domino Sifrido
et nostre promissionis ei facte scriptum hoc sigillorum
nostrorum munimine roboramus. Acta sunt hec anno
dominice incarnationis Millesimo ducentesimo nono
indictione nona presidente Romane sedi domino Inno-
cencio anno pontificatus ejus undecimo et domino
Öttone regnanlte anno regni ejus primo et domino
Sifrido fasciam Moguntinam sedem gubernanie et
domino Henrico in Seina comile. In nomine Domini
amen.
Il.
Mmiscellen.
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Entdefungen im Gebiet der Alterthumsfunde in
der Rheingegend, von Dr. ©. C. Braun,
Prof. in Mainz.
I.
In der Haͤlfte des Monats Juni 1827 entdeckten die
Arbeiter an dem neuen Werke der Kreuzſchanze, welches
zu Mainz neben der Straße nach Hechtsheim, unter der
Leitung des kunſtſinnigen und die Gegenſtaͤnde des
Alterthums mit Einſicht wuͤrdigenden k. k. öfterr. Genie—
Hauptmannes von Pittel, angelegt wird, in einer
Tiefe von 14 Schuh, eine Stelle mit einigen Knochen
und einer eiſernen Maske in der natuͤrlichen Groͤße
eines Menſchengeſichts. Die Erde ſchien an dieſer
Stelle, welche der Grabendurchſchnitt iſt, trichterfoͤrmig
aufgeſchuͤttet und zeigte, da nicht mehr die gewoͤhn—
lichen Schichten in ihrer Ordnung vorkommen, daß hier
vor Zeiten eine Oeffnung war, vielleicht eine natuͤrliche
Vertiefung, welche ſpaͤter zugefuͤllt wurde. Daß dieſe
Maske, deren ganze Arbeit ſogleich als antik auffaͤllt
und ſich in großgezeichneten, ja edlen jugendlichen For—
men, wie kaum irgend ein in hieſiger Gegend aufge—
fundenes antikes Werk, ausſpricht, einem Menſchen
angehoͤrt habe, ſcheint aus den dabei befindlichen weni—
gen Knochen, meiſt Wirbelbeinen, geſchloſſen werden zu
koͤnnen. Die uͤbrigen Gebeine, welche einwaͤrts nach
dem Graben lagen, ſind vermuthlich, ehe man auf—
merkſam wurde, weggeſchafft worden, wie auch der In—
halt der Maske, an der noch Spuren verwitterten
8
114
Gebeins von der Nafenbeugung zu baften fcheinen. Wenn
die Maske, wie man fonft auch vermuthen Fönnte, einer
Mufenftatue angehört hätte, wie fam fie in dieſe Tiefe
an einem Drte, wo nie bewohnte Stätte gewefen,
denn es ift davon feine Spur zu finden, feine Ziegel,
fein Mauerwerk; alles roher Boden, der nur an diefer
Stelle einmal aufgeftört erfiheint. Sodann hätte ſich
auch irgend ein Altar, ein Theil von der Statue dabei
finden müffen. Daß alfo diefe Masfe als Geſichts—
bedefung einem Menfchen angehört habe, ift wahr—
fcheinlih. Sie paßt fehr gut auf ein Geficht und hat
aufferdem noch einen Haft von Bronze mit 2 Niethnägeln,
woran fie mit dem Helme zufammenhing und wahr:
fcheinlich durch ein Gewerbe zurücgefihlagen werben
fonnte, fo weit, daß das Geſicht bis gegen die Augen frei
wurde; fo wie unter den Dhren zwei Knöpfe, woran ein
Band fejtgehalten werden fonnte, das ſich vermuthlich
hinten um den Unterfopf zog und auf der einen Seite ge-
fnüpft wurde. Da findet ſich denn aud) die ganz unver-
fennbare Spur eines ledernen Riemens, den das darüber
liegende Kupferoryd vor Verwitterung gefhüst hat. Am
meiften fpricht für wirklichen Gebraud) die unter dem Kinn
befindliche, nach der Anatomie eingerichtete, ſchmale
Einfaffung von Bronze, welche, geglättet, die zarten
Theile vor der Reibung ſchuͤtzte. Daß man aber in
den Alteften Zeiten fchon ſolche Geſichtsbedeckungen hatte,
welche man zurüdfchlagen konnte, ſieht man an den
Aginetifchen Statuen, bei denen die Bededungen über
die Nafe heruntergehen und auch an den Helm hinaufge-
fchoben werden fonnten. Auch in Millins Galerie mythol.
115
Tab. 145. Nro. 168. u. Tab. 162. find auf altgriechifchen
Bafenzeichnungen Figuren, deren Gefichter bis unter das
Kinn bedeckt erfcheinen. So mag auch das Geficht des
perjifchen Neiterbefehlshabers Maſiſtius bedeckt gemefen
feyn, indem er nicht anders getödtet werden fonnte,
als bis ihm einer durchs Auge ftah. CHerodot. 9. Buch.
22. Rap.) Silius Pun. 1. XIV., 656 fagt von Römern:
galeis abscondunt ora u, velatur casside pallor. Sie
bergen in Helmen das Antlig und verhehlen die Blaffe.
Die Formen der Maske zeigen abe roffenbar antifen
Geſchmack und koͤnnen nidyt dem Mittelalter angeeignet
werden, welches zwar auch ganze Gefichtsbededungen
hatte, die man zurüdichlagen fonnte, wie eine Figur
an der alten Burg im Garten zu Bibrich beweift.
Es fcheint vielmehr, daß hier, unfern der römifchen Land—
ftraße, welche über die Hohe nad) Oppenheim (Bauco-
nica) führte, dad Grab eines Kriegerd war, von dem
jener Ueberreft herrührt. Dielleicht auch ward der,
welcher ihn trug, bei einem feindlichen Weberfall der
Barbaren hier erfchlagen und, nach Beraubung feines
übrigen Schmucdes, in diefe Vertiefung geworfen. Dafür
fpricht die ganz fichtbare Spur eined Hiebs an ber
Iinfen Seite des Schlafs, welche offenbar alt ift und
den Rand des Eiſens einbog, was wahrfcheinlich den
Tod des Beſitzers herbeiführte. Auch die Lage der
Maske felbft, welche unterwärts etwas zur Seite ges
fehrt war, ſcheint mehr eine zufällige als abfichtliche
gemefen zu feyn. ine fpätere Nachgrabung zeigte
noch die Gelenke zweier Pferdsknochen und darnadı hätte
dies Thier mit feinem Netter bier fein Grab gefunden.
116
Ron roͤmiſchen Minzen fanden fich in diefem Werke,
jedoch nicht gerade in der Tiefe des Fundes, eine von
Germanicus mit signis receptis devictis German.
und dem Triumphwagen, von Tiberius , Domitian,
Caracalla, Hadrian, Revers der donnernde Jupiter,
von Silber. Wollte man darnach der Arbeit jener Masfe
eine muthmaßlicye Zeit anmeifen, jo wäre es bie des
Hadrian, unter welchem die griechifche Kunſt befonders
nachgeahmt und auch auf römifche Geftaltung über:
tragen wurde. Die Geficytsbildung ift eine fehr fchöne
jugendliche , nicht weibliche, wie einige glauben, wo—
gegen die Panfratiaftenohren, (die bei Athleten platt
an den Kopf gedrücdten) fo wie die mehr männlich ge—
bogene Nafe ftreiten. Es tft vielmehr die vollfommen
fchöne, nach griechifchem Ideal veredelte römifche Ge—
fichtsbildung eines Juͤnglings, wie wir fie am Antiz
nous und andern Statuen der hadrianifchen Zeit be-
wundern.
11.
Sm Monat Auguft wurde zu Bad-Emsd ein römi-
fches Grab entdeckt, welches fich, nach einem Briefe, der
mir zu Geficht gefommen, von gewöhnlichen Begräbniffen
diefer Art wenig unterfchied. Die Urne, welche bei der
Herausnahme zerbrochen wurde, hatte, ihrer Form und
Arbeit nad), nichts Ausgezeichnetes, allein fie enthielt
folgende den Brief begleitende Gegenftände, welche
auf eine weibliche Begräbnißftätte fchließen laffen:
1) Einen großen Kamm von einem Horn, in halb-
mondförmiger Geftalt, die Zähne in den innern Einbug
117
gefeßt, von etwa 3/, Fuß lang mit vielen netten Vers
zierungen. Daß er zum Einfteden in die Haare diente,
wie die Frauenmünzen unter Alerander Sever beweifen,
wo aus dem Kopfpuse jtatt des frühern Diadems zwei
Hörner auf der Stirne hervorfichen, ift eine Ders
muthung jenes Brieffehreibers. Er kann auch zu einem
Badekamm gedient haben, um die durchnäßten Haare
auszufimmen, wie man die Venus in Diefer Ber:
richtung auf antifen Werfen fieht. Die Form anderer
Kaͤmme, die zum Theil in Futteralen ſteckten, hat
Dr. Emele in der Befchreibung feiner Alterthimer
befannt gemacht.
2) Eine Schnalle, um dad Gewand wahrfcheinlich
auf der Schulter fejtzuhalten, von Silber, mit ge
färbtem rothem Glaſe fternförmig eingelegt. Unter den
Glasſtuͤcken befinden fich Silberplättchen.
3) Ein gut erhaltener Fingerhut von Bronze, fehr
reine Arbeit und
4) eine Anzahl Fünftlicher Kuͤchelchen mit einem
mehrfarbigen Fluffe verziert, welche ficher zu einer
Hals» oder Kopffchnur gedient haben. Man findet fie
nicht felten in Gräbern. Ein metallner Spiegel, ber
fich gleichfalls in der Urne befand, war vom Roſte fo
zerfreffen, daß er zerftel. Einige Nadeln fprachen von
ihrer ehemaligen Befigerin.
111.
Bei der Fundamentausgrabung zweier Häufer Cder
Hrn. Nell und Mellinger) in Mainz, beide an den
Plas Gutenberg ftoßend, fand man bedeutende Leber:
118
reſte römifcher Gebäude. Sn dem Boden des Hr.
Nell kam eine fehr regelmäßige Mauer zum Vorfchein,
welche, dem Anfehen nach, einem fehr großen Gebäude
angehörte. Dabei waren große Quaderſtuͤcke, Fragmente
von Säulen, eins aus Granit, Demfelben woraus die
befannten Ingelheimer bejtehen, und das Bruchſtuͤck eines
bewaffneten Kriegerd. An kleinern Gegenftänden, eine
Goldmünze vom Kaifer Leo, ein Kleiner Herkules von
Bronze, eine Bulla, erftere im Befige von Hr. Well,
legtere des Hr. Aichfommiffairse With in Mainz Sm
dem andern Haufe wurden die unterirdifchen Gänge
eined Hypocauftums oder heizbaren Zimmers, aus Zier
gelplatten gebildet, ausgebrochen und ein, in feiner
ganzen Befleidung und dem weißen Anftrich, der eine
rothe Einfaffung hatte, noch ſtehendes, vierecktes Zimmer
mit der Fenfteröffnung. Diefe Mauern ftanden alle auf
feuchtem Boden, und ihr Grund fonnte wegen des eins
dringenden Waſſers nicht genau unterfucht werden.
Das rom. Zimmer fcheint durd; Thon gegen Die Feuchte
von unten gefchüßt worden zu feyn. Unter den hier
gefundenen Gegenftänden bemerfte man eine goldene
Kette, ein Gefäß, welches einem Senftopfe nicht un—
aͤhnlich ſieht, von dem grobförnigen weißen Marmor,
welchen man Salino nennt; mehrere Röhren von Knochen
mit Löchern, vielleicht Theile einer Flöte, viele Griffel,
Haarnadeln, Schlüffel, 2 filb. Hafen zum Befeftigen
des Kleides und über 150 Münzen aus verfchiedenen
Zeiten, 3. B. mehrere feltene von Balentinian, das
meifte gegenwärtig im Bejige des Hrn. With. Die
römifche Givilftabt erſtreckte fich alfo ficher bis in bie
119
Gegend des Doms herunter, denn überall find hier
die Spuren der Bewohntheit, aber gegen 8 Fuß unter
der Erde. Die verfchiedenen Schuttlagen fprechen die
Gefchichte mehrerer Hauptzerftörungen im Lauf der
Jahrhunderte fehr eindringlich aus,
IV.
In der Nähe von Kreuznach, gegen Planig hin,
{ft noch ein vömifches Gaftell in feinem ganzen Mauers
umfange fihtbar. Die Mauern ragen zum Theil noch
hoch über die Erde empor. In der Mitte liegt Aders
land, alles über die Erdoberfläche erhöht. Sch mache
den Alterthumsverein auf diefes Werf aufmerffam, daß
man es im Grundriß aufzeichne und dadurch Die
Form ſolcher Saftelle genauer fennen lernen möge. Die
Münzen darin fangen von den erften Kaifern an und
gehen bis fpät herunter. Hr. 9. Kaufmann in
Kreuznach befigt deren eine Anzahl. Sn der Nähe
diefes Gaftell8 wurde aud, ein Fund von verfchier
denem Metallgeräthe gemacht, von welchem die Ber:
jierungen eines Prachtftuhls an Hr. With gefommen
find. Geſchmackvollere Arbeit als diefe fann man nicht
fehen, und es ift zu glauben, daß fie von Stalien mit
hierher gebracht worden.
Die hier gegebenen Nachrichten werden fortgefegt
werden. Für ihre Nichtigfeit bürge ich um deßwillen
mit der Ehre meines Namens, weil durch falfch ange
gebene Fundorte und andere in Zeitfchriften ausge—
freute Lügen fchon fo viel Verwirrung in die Alters
thumsfunde gebracht worden if.
120
Anfragen
I.
Die alte Kaurenburg, in der Efterau, bie im
Anfange des 12. Jahrhunderts dem Naſſauiſchen Gras
fengefchlechte Wohnung und Namen gab, foll ihre
Benennung von einem Walde Lure haben. Es vers
dient eine nähere Unterfuchung, ob in der Nähe der
Burg wirklich ein fo genannter Wald oder Berg liegt,
und angenehm wäre ed, wenn einer der Herrn Geifte
lichen, die in der Nähe wohnen, darüber Erfundig-
ungen einziehen und deren Refultate mittheilen würde.
II.
Wenn ed in Nordhofü chronic. Marc. apud Mei-
bom p. 387 heißt: «haud procul ab Zöpern Rheno
adjacet oppidum Baccharach in quo antiquissimi
quondam Nassoviae comites sepulti jacent, » fo fragt
es fi), findet man, oder hat man jemals Spuren
diefer Begräbniffe in Bacharacı gefunden? Die Grafen
von Kagenellenbogen ſtammen von der nahe über Bachas
rad) gelegenen Burg Stahled, und es wird doc
wohl feine Verwechslung hier jtatt finden.
Loͤpern, Lichtborn ift das Kipporn auf dem Ein-
rich in der Nähe der Abtei Schönau. Hier follen fich
noch die deutlichen Spuren einer alten Burgfchale nad
Reinhard Chiftor. jur. Ausführungen II., 105) vors
finden. ft dies gegrindet ?
©. D. Vogel.
121
II.
Preisaufgabe
der hiftorifch = philologifchen Klaffe der koͤniglich-preußi—
fchen Akademie der Wiffenfchaften für das
Sahr 1828.
« Eine, neben der Benugung der Gefchichtfchreiber
«und Seographen, befonders auf Sprach», Kunſt- und
« andere biftorifche Denfmale gegruͤndete Mufterung der
« jettlebenden Europäifchen Gebirgsvölfer, von der
« obern Wolga, Dina, Dnepr an, zwifchen den Schwarz
«zen und dem Baltifchen Meere gegen Suͤdweſt bis zum
« Adriatifchen, und von diefem längs des nördlichen
«Poufers zu den Oſtufern der mittlern Rhone, Saone
«und des mittlern Rheins, zum Behuf einer Grundlage
«der Ethnograpbie und Sprachenfarte von Europa. »
Als Hauptgefichtspunfte bei diefer Mujterung der
Gebirgsvölfer würde zu berüchfichtigen feyn:
1) Beſtimmung der Bölfer in ihren größten und klein—
ten Abrheilungen und Sonderungen, nad) den
Gefchichtfihreibern, nach den Sprachflaffen, den
Dialeften, den bürgerlichen Gorporationen, dem
einheimifchen Gebrauche und der Gewohnheit der
Fremden.
2) Beftimmung der jetigen Wohnſitze nach natuͤr—
lichen Sandesverhältniffen und politifchen Laͤnder—
t5eilen, nebſt gegenwärtigem Zuftande der Völker.
3) Hiſtoriſche Entwidelung ihres Schickſals von
eriten Auftreten, oder ıhrer Einwanderung, An—
fiedlung , VBermifchung, Verzweigung in ein groͤ—
feres Ländergebiet, oder ihrer Goncentrirung in
engere Wohnſitze, nebſt Hinweifung auf die Ver—
ſchwundenen ihres Volks nach Gefchichte und Mo:
numenten; was insbefondere auch fir die Aus—
breitung und Slavenſtaͤmme gegen den Weſten von
erfter Wichtigfeit feyn wird.
+) Sprache im Munde des Volks, Dialekte, Poefie,
Muſik, Sprachdenkmale der ältern Zeit bie auf
apellativen Bedeutungen der Namen von Orten,
Alüffen, Bergen, Rädern u.f. w. und die ganze
Sphäre der aus diefem Sprachzweige geographiſch
122
vorhandenen Appellative. Bei Spracht ergleidy-
ungen würden nicht bloß gleichlautende Wörter,
fondern befonders der grammatifche Bau der
Sprachen zu beriikfichtigen feyn, wenn Schlüffe
daraus gezogen werden follten.
5) KRunjtwerfe, Architekturen, Grabjtätten, Verthei—
dDigungsanftalten und andere hitorifche Denfmale,
nebjt der Sphäre ihres Vorfommens.
6) Körperbildung, Geftalt, Sitte, Lebensweiſe,
Kenntniffe, Gaben und Eigentbimlichfeit in Ader-
bau, Viehzucht, Kriegführung und den bürger-
lichen Einrichtungen.
7) Sharafteriftit und Verhältniß jedes befondern
Volkszweiges zum Allgemeinen innerhalb der anges
gebenen Gränzen.
Der Einfendungstermin ift der 31. Merz 1830. Die
Ertheilung des Preifes von 50 Dufaten gefchieht in der
öffentlichen Sisung am Sahrestage von Leibnitz, den
3. Juli deflelben Jahres.
IV.
Ftrerariige Anzeigen
1) Handbuch der Gefchichte de8 Haufes Naffau,
nebft einer ausführlichen Kebensbefchreibung Ad olfs
von Naffau, von Sofeph Muth. 5. Hada—
mar 1527.
2) Die Gefhichte der Erfindung der Bud
druderfunft in Mainz, pragmatifch aus den
Quellen bearbeitet mit 268 noch ungedrudten
Urkunden, welche die Genealogie Gutenberg’6,
Fuſt's und Schöffer’8, in ein neues Licht jtellen,
von Dr. C. A. Schaab, Richter am Großh. Heſſ.
Kreisgericht zu Mainz.
Diefes intereffante Werk erfcheint in drei Bänden; jeder Band
wird aus 35 —40 Bogen in ar. 8. beftehen. Der Subferiptions-
preiß für jeden Band ift 5 fl.
5) Die Fortfesung der Limburger Chronif, von
Georg und Adam Emmel, und Joh. Mech
tel, wird, von Hrn. Pfarrer C. D. Bogel mit
erläurernden Anmerkungen begleitet, auf Subferips
tion herausgegeben.
ill.
Biograpbische Nachrichten
von
verdienten vaterländifhen Gelehrten.
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Georg Philipp Krauß, Infpector in Idſtein,
von Herrn Pfarrer Luja in Doßheim.
Wir eröffnen unfere antiquarifchbiographifchen Schils
derungen mit einem Manne, ber fich in jeder Hinficht
große Verdienfte erwarb; denn er war ein Geiftlicher
im fcehönften Sinne des Worts, und was ihn befonders
augzeichnete, faft in allen Fächern der Gelehrfamfeit
wohl bewandert. laffifche Literatur, Gefchichte und
mathematifche Wiffenfchaften,, heiterten in Mußeftunden
fein Gemüth auf; nur ift zu bedauern, daß er von
feinen vaterländifchen Zeitgenoffen nicht nach Verdienſt
erfannt wurde. Am verftorbenen Herrn Hoffammerrath
Habel, PBater unferd Vorſtandsmitgliedes Herrn
Habel in Scierfiein, fand er einen fehr gelch-
rigen, eifrigen, geliebten Schüler, und fpäterhin
fehr vertrauten amntiquarifchen Freund, der feines
verehrten Lehrers ſtets mit danfbarer Hochachtung ge:
dachte. Beide gingen vereint den fehr richtigen, von
ihnen zum erftenmal eröffneten Weg: ohne alle vorge:
faßte Meinung, aus der reinen Quelle der Glaffifer,
mit denen fie höchft vertraut waren, zu fchöpfen, fich
weder von Zonangebern, noch durch die Mehrheit der
Stimmen irren zu laffen, und ausgerüftet mit genauefter,
ſelbſt erforfchter Lokalkenntniß unfers Hlaffifchen vater:
ländifchen Bodens, neue Entdedungen zu machen, welche
theils in mehreren Zeitfchriften, theils in eigenen Drud-
124
fchriften befannt gemacht wurden, theild aber auch noch
in binterlaffenen Manuferipten verborgen liegen. Mit
Wahrheit fann man behaupten, daß mit dem Zeitpunfte
ihres Wirkens, die erfte Morgenröthe der vaterlänz
difchen Alterthumsfunde aufgegangen fey, wozu er denn
freilich den erften Impuls gab. Der von ihm entzim-
dete Funfe glüht noch immer fort, und fteigt zu immer
fchönerem Lichte empor. Hätte er in die Zufunft
blifen und in unferer Zeit die Stiftung und den Flor
unfers allgemeinen Nafjauifchen Vereins für vaterläns
difche Alterthumsfunde und Gefchichtsforfchung voraus—
fehen können, wie unendlic; würde feine Freude, wie viel
beflitgelter fein Eifer, wie vollftändig feine Satisfaction
über den endlichen Sieg der guten Sache gemwefen feyn.
Ein für die Zwede unfers Vereins fo merfwürdiger,
und für ung im voraus fo thätiger Mann, verdient
doch wohl durch Anführung der hauptfächlichiten Mo—
mente feiner Lebensgefchichte, hier ein Ehrendenfmal.
Er war Sohn des Pfarrers Sohann Reinhart Kraus
in Panrod, im jegigen Amte Wehen, wo er den 13. Dez.
1713 geboren wurde. Einige Zeit nach feiner Konftrmation
ftarb fein Vater, worauf die Mutter mit ihren Kindern
nach Idſtein zog, um diefen Sohn das immer berühmte
Gymnaſium daſelbſt frequentiren zu laffen. Von 1735
bis 40 ftudierte er auf der Univerfität Sena, wo er
durch eine fchwere Krankheit fein Gehör verlor. Dennoch
ließ er fidy nicht abhalten, auf die Fächer der Theo—
logie, Linguiftif, Mathematif und Himmelskunde be-
fondern Fleiß zu verwenden. Als heimgefehrter Gans
didat wurde er zwei Jahre lang Hofmeifter ın Der
125
Familie des Herrn Obriſt-Lieutenants Frhr. v. Du Thil
in Braunfels, woraufer zu Idſtein, in gleicher Eigenfchaft
bei dem Herrn v. Hain ftand. 1742 wurde er Gonrector ın
Ufingen, dann 1745 Nector in Wiesbaden, und endlich
1750 zweiter Pfarrer und Lehrer der Mathematif am
Gymnaſium zu Idſtein. Während feines Nectorats in
Wiesbaden, entdecdte man bei Anlegung eines neuen
Fahrweges nach der Fafanerte römische Ueberbleibjel,
zum Theil mit Snfchriften verfehen. Um diefe nicht ver:
fommen zu laffen, befahlen Seine Durchlaucht der da-
malige Fürft Carl, daß Alles dem fachfundigen Nector
Kraus zugeftellt werden follte. Diefe Funde in diefer
Gegend erwecten in ihm die VBermuthung, daß Die
topographifchen Nachrichten eines Cellarius, Cluver
und Anderer, nicht auf feften Gründen beruheten, und
blos an der Hand der Klafjifer würden fich ganz andere
Ortsbeſtimmungen herausjtellen. Zu Idſtein aber gingen
feine aufdämmernden Vermuthungen in helles Licht
über, Den erjten Anlaß dazu gab ihm der Schullehrer
von Ober- und Niederlibbacy, durch die Nachricht, daß
auf ihrer Heide nody eine römifche Schanze vorhanden
fey. Bon diefem Zeitpunfte an datiren fich feine antis
quarifhen Wanderungen nach römifchen Ueberreiten ,
und vorzüglich dem größten derfelben, dem bis jest
noch nicht gehörig unterfuchten Pfahlgraben, einem
merfwürdigen Niefenwerfe der Römer. Auf hochliegen-
den Stellen dejjelben erwachte in ihm durch die freie
Ausfiht in die Nähe und Ferne die Ueberzeugung, daf
noch Niemand die Orte der Rheinuͤbergaͤnge Caͤſars,
richtig angegeben habe; auch muͤßten auf vaterlaͤndiſchem
126
Boden Noömerfchlachten vorgefallen feyn, an die man
noch nicht gedacht habe. Diefer Gedanke ergriff ihn fo
lebendig, daß er ſich ſogleich fehriftlich daruͤber erklärte.
Was zu erwarten war, gefchahz; er fand Opponenten,
die ihm indefjen nur noch mehr anfeuerten, feine einmal
betretene Bahn unverdroffen weiter zu verfolgen. Um
in jedem ihm obliegenden Face ganz das zu feyn, was
er feyn follte und wollte, häuften fich um diefe Zeit
feine Xucubrationen zum Schaden feiner Gefundbeit.
Früherhin fiheint er abgeneigt gewefen zu jeyn,
etwas von feinen Schriften ins Ausland gelangen zu
laffen ; denn einen von Mainz, vermuthlich vom Herrn
Weihbiſchof Würdtwein, gefchehenen Antrag beantwor-
tete er: er arbeite nur für fein Vaterland. Späterhin
zeigte er fich aber dennoch dem gelehrten Auslande
als Mitarbeiter an der von Herru Hofrath Gatterer
herausgegebenen « allgemeinen hijtorifchen Bibliothek, »
und dem vom Herrn Superintendenten Stocdhaufen
beforgten Hanauifchen Magazine). Einige Fleinere Ab-
handlungen gab er ſelbſt in Drud. Durdy ein chrono—
Iogifches Werk, erft lateinıfch, nachher deutfch und bes
vorredet von Herrn Profeſſor Suͤßmilch in Berlin,
wurde er dem König Friedrich II. befannt, der ihn, bes
fonders feiner mathematifchen Kenntniffe wegen, an der
Kadettenfchule angeftellt zu fehen wuͤnſchte, welches
er jedoch ablehnte.
) S. d. Hanauifhe Magazin v. J. 1785. 1) Ueber Naffau.
S. 2—7. 2) Vorfchlag zu näheren geographifchen Unter:
fuhungen, in Beifpielen aus unferer Gegend. &. 129 —
159.
127
1773 wurde er erfter Stadtpfarrer in Sdftein, und
1777 als dyarafterifirter Inſpector in den Ruheftand
verfett. Das Jahr darauf ernannte ihn die gelehrte
Gefellfchaft der Univerfität Göttingen zu ihrem ordent—
lichen Mitgliede, und 1779 desgleichen die patriotifcye
Gefellfchaft zu Homburg vor der Höhe. Erſteres
Ehrenamt trat er feierlich an durch, eine lateinifche
Abhandlung: Lapidem literis Romanis inscriptum,
in aspectum lucemque protulit Georg. Philipp. Kraus,
Sacrorum Inspector Idsteinae, et Instituti Regii Göt-
tingensis Sodalis Ordinarius 1778; letzteres durch Ein—
fendung eines Manuſcripts über den Pfahlgraben mit
einer felbftgefertigten Sharte darüber. Eine Abhandlung
unter dem Titel: Merkmale der ehemaligen römifchen
Kriegsanftalten in der Gegend des Ausgangs an dem
Mainftrom ꝛc., welche eine Erflärung zweier römifchen
nferiptionen vom Jahr 213 enthält, ift abgedrudt in
den Memoires de la Societe des Antiquites de Cas-
sel. (1780 4.) Tom. I. p. 515—332.
Als Mufter ungeheuchelter Frömmigkeit, treuefter
Amtsführung und gelehrten Fleißes, ftarb er von
Sedermann geliebt und verehrt, an Altersfchwäche den
26. Dezember 1792, 79 Jahre, 9 Monate, 13 Tage alt.
Seiner Schriften mögen viele gewefen feyn. Durch
vielvermögende Fürfprache Fam ein Theil derfelben nach
Mainz; manches verfchicte er felbft auf Verlangen ohne
es wieder zu befommen, und der nad, feinem Tode noch
vorfindliche Reſt wurde in den Kriegszeiten und auch durch
Umachtfamfeit verfchleudert oder vernichtet. Seinem
Sobne, dem dermaligen Medizinalaffiftenten Herrn
128
Ludwig Kraus in Idſtein, iſt unfer Verein
durch die Stiftung der interefjanten römifchen Inſcrip—
tion aus dem Nömercaftell an der Liebbacher Haide, fo
wie durch die forgfältige Sammlung der zerjtreuten
Manufceripte feines Vaters, die er bei einem Mitgliede
zu beliebigem Gebrauche deponirte, zu großem Danke
verpflichtet. Was auf diefe Art wieder gefammelt
wurde, führt folgende Auffchriften: Befchreibung von
Wiesbaden in 4 Abtheilungen. Befchreibung von Idſtein.
Particulae de monte Tauno explicatae. Jul. Caesar
bis ponte Rhenum transivit, nebjt einem Modell der
Säfarsbriüce, in Wiesbaden befindlih. Francia, mit
einer Beilage Uber die gefhwornen Montage. Flucht
Kaifer Heinrichs IV. über Ximburg. Ueber die Franfen.
Cajus Germanicus. Straße von Mainz nad; Limburg,
mit einer dazu gehörigen Charte. Naſſau. Die Franfen.
Sulius Cäfars zwei Brüden, ein ganz verftümmeltes
Brudjftif. Antiqua varia. Saliſch fränfifches Ger
fehlecht. De Bonifacie. Geſchlecht der Herren von Ried—
efel. Straßen über die Hühnerfirde und über die
Klüppelhaide. Bon der Hühnerfirdye. Alte Eintheilung
in Gauen. Die Katten feine Sueven. Gefundene Stein:
fehrift. Cohortes Vindelicorum. Geld und Gemidt.
Gerichtliche Termini aus dem Driente. Julius Caesar,
ubi ponte facto Rhenum transierit. Zuftand Deutſch—
lands zur Zeit der romifchen Heereszuͤge.
IV.
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I.
Die Herzogli Naffauifhe Landesregiers
ung an den proviforifhen Vorſtand der Herzogl.
Naffauifchen Alterthumsgeſellſchaft:
Herrn Bauratb Zengerle dabier,
Herren Pfarrer Luja in Dotzheim,
Herrn Habel in Scieritein,
Die Errichtung einer Geſellſchaft für
Naſſauiſche Alterthumsfunde und Ge:
fchichtsforfehung betreffend.
« Unter verfchiedenen Entwürfen von Statuten für
einen Verein Naffauifcher Alterthbumsfreunde, hat der
in Abfchrift hier beigefügte, die Genehmigung Sr.
Herzogl. Durchlaucht erhalten. — Zugleich haben
Höcjtdiefelben der neu zu bildenden Gefellfchaft,
nachftehende Begunftigungen zu bewilligen geruht. »
1) Diefelbe wird unter den befondern Schuß der
Negiernng geftellt, und als die für diefen Zweck
Callein) im Herzogthum beftehende Gefelffchaft
anerfannt und privilegirt,
2) Es wird derfelben, der bei Feftfekung des hiefigen
Bibliothef- Büdjets, jährlich zur Ausgrabung von
Alterthümern bewilligte Credit, als Zufchuß für
ihre Ausgaben, zur Dispofition geftellt.
152
3) Ein zu ihren Berfammlungen und zu bem zu
errichtenden Mufeum fchieliches Lokal eingeräumt.
4) Die augsfchlieglihe Berechtigung ertheilt, auf
Domanial-Gemeinde- und Stiftungs- Eigenthum,
gegen Grundentfchädigung „ Ausgrabungen vor—
nehmen zu laffen; und
5) follen alle in einzelnen Drten des Herzogthums
fhon vorhandene üffentlihe Sammlungen und
Alterthümer in das neue Mufeum gebracht und
dafelbft aufbewahrt werden.
« Wenn gleich der nun fich bildenden Gefellfchaft,
die freie Wahl ihres aus 7 Mitgliedern beftehenden
Vorſtandes zugeftanden worden ift, fo ift es doch
hoͤchſten Orts zweckmaͤßig erachtet worden, zur nächften
Einleitung und Beförderung der erften Einrichtung,
den, um Naflauifche Alterthbnmefunde und Geſchichts—
forſchung bereits rüuhmlicyft verdienten Herrn Gehei—
menrath von Gerning, als Director, fodann Sie zu
Mitgliedern des Vorjiandes zu beſtimmen.
Herr Geheimerath von Gerning, hat nun zwar,
zur Annahme des ihm zugedachten Directoriums, ſich
nicht abgeneigt — zugleich jedoch erflärt, daß feine
Berhältniffe ihm nicht geftatteten, einen befonders thä=
tigen Antheil an den Verhandlungen der Gefellfchaft
zu nehmen; wogegen er die Verbreitung der Statuten
im Auslande, an die zum Beitritt Geeigneten befor=
gen, auch fchriftliche Ausarbeitungen übernehmen und
zu den ihm etwa mitgetheilten, die nöthigen Bemerf-
ungen und Anträge ſich vorbehalten wolle,
155
Damit nunmehr, der höchften Intention gemäß,
der Verein baldigft conftituirt werden koͤnne, erfuchen
wir Sie, die hier beigefügten Statuten in hinlänglicher
Anzahl abdruden, und im Herzogthum zur Sammlung
der Unterfchriften circuliren, auch die deshalb zu ers
laffende Aufforderung dem Herrn Geheimenrath von
Gerning zur Mitunterfchrift zufommmen zur Iaffen.
Sobald alddann eine Anzahl von etwa 50 Mitglies
dern fich unterfchrieben haben wird, wollen Sie eine
Zufammenfunft der Gefellfchaft, in dem Bibliothefg-
oder Schulgebäude veranftalten, damit die Wahl der
übrigen Borftands » Mitglieder nad) Maasgabe der
Statuten vorgenommen werde.
Herr Geheimerath von Gerning wird die Stelle
eines Chrendirectord, befonders für die auswärtigen
Mitglieder des Vereins beizubehalten wohl feinen Anz
fand finden, und ift alsdann nur auf die Wahl eines
innländifchen Directors, deſſen Wohnfig am fchiclichften
in Wiesbaden ſeyn dürfte, Nücficht zu nehmen.
Sobald der Verein fich volftändig conftituire
haben wird, fehen wir darüber einer Anzeige mit dem
DBerzeichniß der beigetretenen Mitglieder, fo wie de’
erwählten Borjtandes entgegen,
Wiesbaden, den 4. September 1821.
Möller.
Vt. Wendenbad.
134
II.
Statuten
der
Gefellfhaft für Naffauifhe Alterthums—
funde und Gefhidhtsforfchung.
1.
Der Zwe der Gefellfchaft für Naffanifche Alters
thumsfunde und Gefchichtsforfhung ift: die Aufſuch—
ung, Sammlung und Befchreibung ber römifchen und
deutfchen Alterthimer im Herzogthum Naffau, und bie
Beförderung der darauf Bezug habenden geographifchen,
ftatiftifchen und gefchichtlihen Aufflärungen, wie nicht
weniger die Sorge für die Erhaltung der vorhandenen
Denfmale, auch die des Mittelalterd mit eingefchloffen.
2.
Einländer und Ausländer ohne Befchränfung auf
eine gewiſſe Zahl, fünnen in diefe Geſellſchaft aufges
nommmen werden,
3.
Die Gefellfchaft befteht
a) aus ordentlidyen oder activen Mitgliedern,
b) aus Ehrenmitgliedern, und
c) aus Gorrefpondenten.
Sie hat
4.
einen Vorſtand aus den activen Mitgliedern, nämlich
einen Director,
155
vier Borfteher, deren einer bei Abwefenheit
oder Verhinderung des Directorg Diefen vertritt,
einen Gecretär und
einen Gaffirer, der zugleich die Rechnung
führt.
Diefer nach der Stimmenmehrheit zu wählende
Borftand befleidet fein Amt zwei Jahre und ift hernach
wieder wählbar.
Er führt die Gefchäfte fiir die Gefellfchaft, beftimmt
und leitet die Auffuchung und Sammlung der Alter:
thuͤmer, und erhebt, verwendet und verrechnet bie
Geldbeiträge der Mitglieder, worüber der Gaffirer eine
gehörig belegte Rechnung jedes Jahr zu fielen hat,
welche fodann bei der jährlichen General= Verfammlung
von einem befonders zu erwählenden Ausſchuß geprüft
und abgefchloffen wird.
Die Geſellſchaft wählt ſich ein eignes Siegel.
Ale Ausfertigungen gefchehen im Namen des Bor:
ftandes und werden vom Director unterzeichnet.
7
Jedes Mitglied des Vereins wird nach Kräften zur
Erreichung des Zweds mitwirken, es fey nun durch
Entdefung von Alterthümern felbft, oder durd; mind-
liche, oder fchriftliche Beiträge in dieſer Hinſicht.
6.
Der Hauptfis der Gefellfchaft ift zu Wiesbaden,
wo fie in der Regel jährlicdy eine General-Berfammlung
den 14. Juni hält. Bei aufferordentlichen Fällen kann
der Borfiand fie zufammen berufen.
156
Hier werben die Refultate der Arbeiten und Vers
handlungen des Bereind vom ganzen Sahr vorgelegt,
die Letztern im geeigneten Fal zum Druc befördert,
und über die Fünftigen Arbeiten Befchlüffe gefaßt.
Sowohl in diefer Berfammlung ald im Borftande,
welcher, fo oft es die Umftände erfordern, fich ver:
fammeln, und wenn fünf Mitglieder deſſelben anmwefend
find, gültige Befchlüffe faffen kann, entfcheidet die
Mehrheit der Stimmen.
T.
Die Gefelfchaft fammelt aus den Produften der
Ausgrabungen und fonftigen Nachfuchungen, fo wie aus
den freiwilligen Gaben der Mitglieder, und durch Vers
taufchung vorhandener Dubletten, ein Mufeum von
Alterthümern, welches unter der Verwaltung und Auf
ſicht des Borftandes fteht.
Das Mufeum wird zu Wiesbaden aufgeftellt und
ift eine öffentliche Stiftung für das Herzogthum Naffau.
Sedem Gefchenf an Alterthimern wird der Name des—
jenigen der es gab, beigefügt, nach Umftänden derfelbe
auch öffentlich befannt gemacht.
8.
Zur Beflreitung der Ausgaben für dag Nachgraben
auf Alterthümer, für Druck⸗, Canzlei- und fonftige
Koften, werden jährliche Geldbeiträge erhoben. Sie
beftehen aus den Geldzufchüffen der activen inländifchen
Mitglieder, welche in der General- Verfammlung den
14. Juni eines jeden Sahrs zum Voraus bejtimmt, und
halbjährig entrichtet werden, jedoch den Betrag von
4 fl. jährlich, für die Perfon nicht überfteigen dürfen.
157
9.
Der Borftand forgt dafür, daß zu den Ausgrabs
ungen nur Bergleute, oder fonft taugliche Arbeiter
angejtellt werden.
Sedes dem Drte der Ausgrabungen zunächft woh—
nende Mitglied der Gefellfchaft, ift in der Negel Aufs
feher über die Arbeiter.
10.
Die Arbeiter erhalten zur Aufmunterung und Be-
förderung der Treue, von den gefundenen Münzen und
fonftigen metallenen Alterthümern, den Metallwerth,
neben ihrem Lohn vergütet, auch bei fonftigen wichtigen
Auffendungen, nad) Umftänden, eine befondere Bes
lohnung.
Die obigen zehn Punkte, deren Erweiterung oder
Abaͤnderung kuͤnftigen Beſchluͤſſen, unter dem Vorbehalt
der hoͤchſten Genehmigung Sr. Herzoglichen Durchlaucht,
vorbehalten bleibt, werden vorlaͤufig als Statuten des
Vereins für Naſſauiſche Alterthumskunde, von den
dazu bereitwilligen Mitgliedern unterzeichnet.
158
IM.
Bere
der Mitglieder des Vereins,
1. Mitglieder des Vorſtandes.
Präfident. Seine Ercellen; der dirigirende Staats:
Minifter, Freiherr Marſchall von Bieberftein,
Großkreuz des Kaiferl. Königl. Defterreichifchen Keopold-
Ordens, des Koͤnigl. Preußifchen rothen Adler Ordens
Ritter erſter Klaffe, des Koͤnigl. Niederländifchen
Loͤwen⸗Ordens und des Großherzogl. Badenſchen⸗Ordens
der Treue Großkreuz.
Inlaͤndiſcher Director. Herr General + Do-
mänen- Director von Roͤßler, der Königlichen Orden
vom Belgifchen Löwen und der Baierifchen Krone
Ritter.
Auswärtiger Director. Herr Geheime-Rath
Freiherr von Gerning zu Frankfurt, des Königl.
Hannöverifchen Guelphen - Ordens Ritter. ,
Borftände. Calphabetifch ).
Herr Obermedizinal- Nat Dr. Döring.
Seine Ercellenz Herr Geheime-Rath Freiherr von Duns
gern, des Kaiſerlich Defterreichifchen Leopold:
Drdens Commandeur.
Herr Gutsbefiger Habel.
» Pfarrer Luja.
»Ober-Baurath Zengerle.
» Bibliotheffefretär Zimmermanıt.
Il.
159
Active Mitglieder.
1. Seine Ercellenz der dirigirende Staatd- Minifter,
Freiherr Marfchall von Bieberftein.
2. Herr Adami, Kaufmann zu Hadamar.
17.
1
19.
20.
2
»
»
»
Ammann, Amts-Apothefer zu Runfel.
von Arnoldi, Geheimerath zu Wiesbaden.
Baufch, Kanddechant und geiftlicher Rath zu
Hadamar.
Dr. Baufch, DObermedizinal-Rath zu Höchft.
Bed, zu Erbad).
Dr. Berchelmann, Medizinalrath zu Selters.
Bayer, Oberforftrath zu Langenſchwalbach.
Freiherr von Bibra, Oberforftmeifter zu Weilburg.
»
»
»
. Herr Bidel, Pfarrer zu Sulzbach.
Birfenftod zu Erbach.
Bifchleb, Pfarrer zu Hattersheim.
Dr. Brandt, Bifchof zu Limburg.
Braun, Amtmann zu DBleidenftadt.
Freiherr von Breidbad » Bürresheim, des
»
»
Ruſſiſch Kaiſerl. St. Annen-Drdens 2.r Klaffe,
des Königl. Hannöverifchen Guelfen - Ordens
und des Königl. Niederl. Wilhelms » Drdens
Ritter, und Flügel-Adjutant Sr. Herzoglichen
Durchlaucht zu Biebrich.
von Breidbadı-Bürresheim, Domherr,
des Königlid; Baierifchen St. Georgen-Ordens
Nitter, zu Biebrid,.
. Herr Brindmann, Pfarrer zu Miehlen.
Buſch, Regierungsrath zu Wiesbaden.
Chelius, Decan zu Emrichenhain.
140
21. Herr Conrady, Rezepturbeamter zu Ufingen.
22,
23.
24.
40.
41.
42.
» Diedmann, Pfarrer zu Dier.
» Dieß, Sefretär zu Wiesbaden.
» Dr. Döring, Obermedizinal-Rath zu Wies—
baden.
» Dr. Döring, Medizinalrath zu Braubach.
>. Freiherr von Dungern, Ercellenz, Geheimerath
und DOberftallmeifter zu Biebrich.
. Herr Eberhardt, Pofthalter zu Faulbach.
» Graf von El; zu Eltville.
» Emminghauß, Geh. Regierungsrath zu
Ufingen.
» Engert, Hofrath zu Montabaur.
. Freiherr von Erath zu Waldmannshaufen.
. Herr Faber, Bauinfpector zu Wiesbaden.
» Fifcher, Kandoberfchultheiß zu Wehen.
» Foölir, geiftl. Rath und Pfarrer zu Nenters—
haufen.
» Forft, Suftizrath zu Wiesbaden.
» Frangue, Mevdicinalrath zu Söftein.
.. » Freudenberg, Amtmanı zu Marienberg.
» Frohrath, Nector zu Hadamar.
. Freiherr von Gagern, Ercellenz, Königlich. Nie:
derländifcher Staats-Minifter, des Churhef-
fifhen goldenen Loͤwen-Ordens Großfreuz,
Kommandeur des Niederländifchen Ordens vom
Belgifchen Löwen, zu Hornau.
Herr Genth, Forjtmeifter zu Hachenburg.
» Genth, DOberförfter auf der Platte.
» Genth, Dberforftrath zu Montabauer.
141
43. Herr Goͤtz, Baudirector zu Wiesbaden.
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
91.
52.
93.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
Grimm, Pfarr-Vicarius zu Heftrich.
Habel, Gutsbeſitzer zu Schierftein.
Hanth, Rechnungsfammer-Director zu Wiesb.
Heimach, Oberförfter auf dem Chauffeehaus,.
Hehl, Major zu Bad Eme.
Helmerich, Juftizrath zu Herborn,
Hendel, Suftizrath zn Höchft.
Herrmann, Pfarrer zu Ef.
Dr. Herber, Hofrath zu Naftätten.
Herborn, Hofgerichtsrath zu Wiesbaden.
Herpell, Hoffammerrath zu St. Goarshaufen.
Hilf, Hofmeifter bei Herrn von Breidbach—
Birresheim zu Biebrich.
Hill, Shriftlieutenant zu Braubach.
Hofmann, Pfarrer zu Helfersfirchen.
Dr. Huthfteiner, Obermedicinalrath zu Weilb.
Säger, Oberförfter zu Braubadı.
Keck, Pfarrer zu Höchftenbad).
Kihm, Architect zu Wiesbaden.
Klein, Pfarrer zu Weilburg.
Dr. Koch, ©eheimer »Negierungsrath, des
Großherzogl. Badenſchen Zähringer Loͤwen—
Drdens Nitter, zu Wiesbaden.
Kobbe, Amtmann zu Selters.
Dr. Kolb, Medicinalrath zu Hadamar.
Kraus, Medicinal-Affiftent zu Idſtein.
Dr. Küfter, Medicinalrath; zu Gronberg.
Lade, Medicinal- Affiftent zu Wiesbaden.
Lange, Lieutenant zu Wiesbaden.
142
70. Herr Dr. Lehr, Oberftaabsarzt dafelbft.
71. » 8er, Ardiv» Director zu Idſtein.
72. » Xer, Oberappellationsgerichtsrath zu Wiesb.
73. » KXindpaintner, Rathu. Director zu Eberbach,
74. Freiherr von Löw, Ercellenz, Geheimer Rath und
Oberjägermeifter, Großfreuz des Großherzogl.
Heffifhen Haus» und Verdienſt-Ordens, und
des St. Joſeph-Ordens Ritter, zu Weilburg.
75. Herr Luja, Pfarrer zu Dotzheim.
76. Freiherr von Malapert-Neufville, Regierungs-
rath zu Wiesbaden,
77. Herr Mandt, Pfarrer zu Bärftadt.
73. » Manger, Dekan zu Naſſau.
79. » Mäurer, DOberweginfpector zu Wiesbaden,
8. » von Meer, Regierungsrath zu Wiesbaden.
81. » Melior, Decan zu Mengfelden.
82%. » Möller, Regierungs-Vicepräfident zu Wiesb.
8. » Dr Müller, General» Superintendent zu
Wiesbaden.
84. » von Mumme, Major dafelbft.
35. » von der Nahmer, Procurator dafelbft.
86. Freiherr von Oberfamp, DObrift, des Kaiferl.
Nuffifchen St. Annen-Ordens r Klaſſe Rit-
ter zu Wiesbaden.
87. Herr Dfiermann, Rechnungsfammerrath dafelbit.
38 » Dtto, Pfarrer zu Grenzhaußen.
89. » Pagenfieher, Rednungsfammer -Vicepraͤſi—
dent zu Wiesbaden.
9 » Bagenfteher, Geh. NRegierungsrarh zu
Weilburg.
145
91. Herr Panthel, Amtmann zu Montabauer.
92.
93.
94.
9.
96.
97.
98.
99.
100.
101.
102.
103.
104.
105.
106.
107.
108.
109.
110.
111.
112.
113.
114.
115.
116.
117.
»
»
Pauly, Hoffammerrath zu Höcft.
Rau, Hofrath zu Schwalbad.
Reuter, Kammerdirector zu Wiesbaden.
Freiherr von Ritter, Präfident zu Rüdesheim.
Herr Ritter, Kriegscommiffär zu Wiesbaden.
»
von Roͤßler, General: Domaͤnen ⸗ Divestor,
zu Wiesbaden.
Roth, Juſtizrath zu Braubach.
Dr. Rullmann, Medicinalrath zu Wiesb.
Sandberger, Juſtizrath zu Naſſau.
Sandberger, Auditor zu Weilburg.
Sandberger, Rector zu Dillenburg.
Schapper, Bergrath zu Wiesbaden.
Schapper, Juſtizrath zu St. Goarshaußen.
Schellenberg, Kirchenrath, zu Bierſtadt.
Schellenberg, Prorector zu Hadamar.
Schlichter, Poſtverwalter zu Wiesbaden.
Schlichter, Forſtmeiſter zu Eltville.
von Schwarzenau, Oberforſtmeiſter zu
Oeſtrich.
Seel, Juſtizrath zu Dillenburg.
Siegfried, Juſtizrath zu Idſtein.
Dr. Snell, Oberſchulrath und Director zu
Weilburg.
Snell, Conrector zu Wiesbaden.
Spies, Oberfoͤrſter zu Springen.
Stahl, Hofgerichtsrath zu Dillenburg.
Stahl, Recepturbeamter zu Hachenburg.
Stein, Hofrath zu Wiesbaden.
144
118. Herr Steubing, Pfarrer zu Langenfcheid.
119. » Stift, Oberbergrath zu Wiesbaden.
120. » Strobel, Hofrath dafelbft.
121. » Thewalt, Juftizrath zu Wiesbaden.
122. » Dr. Travers, Medicinalrath zu Montabauer.
123. » Bogel, Pfarrer u. Schulinfp. zu Schdnbad).
124, » Dr. Vogler, Hofrath zu Naffau.
125. » Bolf, Hofgerichtsrath zu Naftätten.
126. » Wagner, Amtsaffeffor zu Wehen.
177. » Wagner, Geometer zu Kemel,
128. Freiherr von Wiefenhütten, Obrift zu Eltville.
129. Herr Wilhelmi, Decan zu St. Goarshaufen.
130. » Wilhelmi, Pfarrer zu Wiesbaden.
131. » Willett, Staatsfaffen-Director zu Wiegb.
132. » Dr. Windt, Obermedicinalrath zu Eltville.
133. Freiherr von Winsingeroda, Minifterialrath
zu Wiesbaden.
134. Herr Zengerle, Dber-Baurath zu Wiesbaden.
1355. » Zimmermann, Bibliotheffefretäar dafelbft.
136. » Zollmann, Graveur dafelbit.
137. Freiherr von Zwierlein, Geheimerath und Kam—
merherr zu Geifenheim.
Das DVerzeihniß der ausländifhen Ehrenmitglieder
folgt im zweiten Heft.)
145
IV.
Protofoll der erften Generalverfammlung des
Vereins für Naffauifche Alterthumskunde und
Geſchichtsforſchung.
An Gegenwart der beiden Direc—
toren, fo wie der übrigen Mitglieder
des Morftandes, fodann mehrerer hie—
figen und auswärtigen Mitglieder des
Vereins.
Wiesbaden, den 14. Juni 1823.
In Gemaͤßheit der von dem Vorſtand durch das
Circular vom 29. d. J. und in Niro, 21 des hieſigen In⸗
telligenzblattes erlaſſenen Einladungen, verſammelten ſich
unter dem heutigen die anweſenden Vereinsmitglieder
in dem Saale des hieſigen Paͤdagogs.
Der inländifche Director, Herr Rechnungsfammers
director Ebhardt, eröffnete die Verſammlung durd
eine Rede, in welcher er die Urfachen kurz entwidelte,
welche einen fpäteren Zufammentritt veranlaßten, und
denjenigen Mitgliedern der Gefellfchaft öffentlichen Danf
abftattete, deren wohlmolfende Stiftungen und Beiträge,
den Grund zur Errichtung eines Vereinsmufeums legten.
Unter diefen verdiente eine befondere Auszeichnung
das reiche Gefchenf des Herrn Majors und Flügel-
adjutanten, Sr. Herzogl. Durchlaucht,, Freiherrn von
Breidbach-Buͤrresheim. Es beftand in mehreren
bereits durch die Schriften eines Fuchs, Gerden, La—
mey ıc. befannt gewordenen merfwürdigen Monumenten
in Stein, die vor längerer Zeit in den römifchen
10
146
Nuinen bei Hedernheim gefunden, die Stelle eines
Munizipiums mit Namen Novus Vicus bezeichneten.
Ferner gab derfelbe Nachricht von den bisherigen Er-
werbungen des Vereins, fo wie den Ergebniffen der
an mehreren Orten veranflalteten Nachgrabungen, indem
er befonders auf die vorläufigen Unterfuchungen des
Hrn. Habel bei Nidda und Hedernheim aufmerffam
machte, deren Fortfegung für die Folge intereffante
Kefültate hoffen lief.
Der inländifche Director bemerfte weiter: wie nach
den Statuten, die zweijährige Erneuerung des Vor—
ftandes, da die Gefellfchaft fih am 5. Dez. 1821
conftituirt babe, eigentlid,; im Dez. dieſes Jahres wieder
eintrete; Damit jedoch in diefem Sahre nicht zwei Ger
ueralverfammlungen nothwendig würden, erbiete fich
der Borftand zur Fortführung feiner bisherigen Funcz
tionen bis zu dem Tag der nächften ftatutarifchen Ver:
fammlung, welchen er vom heutigen, auf den 28. Mai
dem Namensfefte Sr. Herzogl, Durdylaucht verlegt zu
ſehen wiünfche, um eine nachtheilige Gollifion mit dem
gleichzeitigen Berfammlungstage des landwirthfchaftlichen
Dereines in Idſtein zu vermeiden.
Beide Vorfchläge wurden angenommen. Darauf ließ
der ausländifche Director Herr Geheime Rath Freiherr
von Gerning durch den fubjtituirten Secretär Herrn
Reg. Eanzellit Zimmermann, folgende Rede *)
vorlefen:
*) Eingefandt.
147
«Zwoͤlf Jahre find es, dad der Wunſch, zur Er:
richtung einer Naffauifchen Gefellfchaft für Alterthums—
und Gefchichtsfunde rege ward, und nun erblüht fie
unter günftigen Aus picien. Nicht mehr follen antiqua=
rifche Schäße des unterirdifchen Herzogthbums von gies
rigen Fremdlingen ausgegraben und verfchleppt wer—
den! — Ein deutfches Herculanum und Pompeji ent:
fteige bald zu Hedernheim und Marienfels der
Erde Schooß, und auch Wisbada, die uralte mattias
fifche NRömerftadt, gewähre dann neue Spende dem
vaterländifchen Inſtitut, zur Forderung der Wiffen:
fchaft. Dem Umlaufsfchreiben des Vorftandes der Gefell:
fchaft folgend, hat der, durch feine Befisung zu Kron—
berg feit 20 Sommern fihon, halb einheimifch gewordene
auswärtige Director, den römifchen Pfahlgraben
am oberen Taunus wiederum unterfucht, und im Ver—
gleiche mit den beiden, in den «Heilquellen am
Taunus 1814 und 1818 und den Rheingegenden
von Mainz bis Coͤln 1819» nad) feiner Angabe vom
Architecten Ulrich zu Frankfurt gefertigten Karten doc
ziemlich genau bezeichnet gefunden, wobei er dem Bef-
ferforfchenden gerne nachſtehen will. Nicht unwichtig
war doch für Alterthumsfunde, die 1811 gemachte Ent-
dedung bei Ems, daß jenes colofjale Roͤmerwerk
nicht bei Braubadı an den Rhein hinab fanf, Cwie
gelehrte Folianten Jahrhunderte lang anzeigten), fons
dern von dort weiter, bi8 nach Wyck de Duurstede in
Holland, und zurid bis Pfoͤrring an die Donau 309.
Dem großmüthigen Gefchenfe des Doppelt edlen Nepo—
ten eines Emmerich Joſeph von Breibbadh,
148
verdanfen wir zuerft den merfwirdigen über 100 Sahre
zu Hedernheim verwaif’t geftandenen Genius mit der
Snfchrift: Fratres et Taunenses etc. und der neulich
dort gefundene, von unfrem Lehne richtig erklärte
Botivftein, bar ein befonderes Local-Intereſſe für die
Kunde jener Veteranen Kolonie. »
Nach diefem erläuterte der anmwefende Herr Pfarrer
Herrmann zu Efch eine Stelle des Tacitus: (Germ.
ce. 25.) Uber die Bedeutung der Worte «agrestia poma. »
Der Secretär der Gefellfchaft, Herr Pfarrer Luja
von Dosheim begann hierauf die Vorlefung einer aus—
führlichen Abhandlung über den Zweck und Wirkungs-
freis unfers Vereins, in weldyer er auf die wichtigiten
antiquarifch = hiftorifchen und topographifchen Punkte
unferes Landes aufmerffam machte,
Die Bejchauung der im Saale ausgejtellten Alter:
thuͤmer 2c. befchloß den Act.
Zur Beglaubigung
Ebhardt
Vet. Zinmermann.
NR
Protofoll der zweiten ©eneralverfammlung des
Bereing.
Am 28. Mai 1824.
Das Namensfeſt Sr. Durchlaucht des Herzogs,
verfammelte am heutigen eine Anzahl Bereinsmitglieder
in dem bisherigen Local des Schulgebäudes.
149
Die Sikung wurde durd den inländifchen Director
mit der Anzeige eröffnet, daß ihm von dem Herrn Ges
heimenrath von Gerning für das Vereinsmuſeum
a) ein goldener Ring aus den Nuinen von Hederns
heim
b) ein Camee in orientalifchem‘ Achat mit dem
Bruftbild des Kaifers Probus als Geſchenk zugeftellt
worden fey, wofuͤr demfelben der einftimmige Dank der
Verfanmlung dargebrasht wurde. Den Statuten gemäß,
wurde nun zu der Wahl eines neuen Vorſtandes von fieben
Mitgliedern gefchritten, die Eröffnung der Stimmzettel
aber bis zuletzt verfchoben.
Hierauf erftattete der inländifche Director einen Furzen
Vortrag über die feitherigen Keiftungen und Erwerbungen
des DVereing, und bemerfte, daß man in Folge eines
von Herrn Pfarrer Brinfmann zu Miehlen einge
gangenen Berichtes über die begonnene Unterfuchung
des römifchen Caſtrums bei Marienfels fünftig interef-
fanten Refultaten entgegen fehe. Unter den neuern Erwerbs
ungen erwähnte er befonders eines vierfeitigen römifchen
Altar mit Bildwerfen und Snfchriften von Nieder » Kies
derbach , fo wie einer fehr intereffanten Ara aus den
Ruinen bei Hedernheim vom Sahr 229 nach Chr.,
unter Alerander Severd und Dio Caſſius Confulate,
fodann einer von Herrn Gecretär Zimmermann für
143 fl. 48 Er. für das Muſeum erfauften Muͤnzſammlung
vn. f. w. F
Derfelbe legte ferner über die erhobenen zweijährigen
Geldbeiträge und deren Verwendung den vom Vorftande
geprüften Rechnungsabfhluß vor. Nach demfelben betragen:
150
I. Die Einnahme pro 1823.
Beiträge von 143 Mitgliedern. . . . 572 fl. — fr.
der Beitrag der Bibliotheföfafe . . . 100 —»
Ausgabe.
Für Drudfachen, Anfauf u. Transport v.
Alterthümern, Ausgrabungen u. ſ. w.. 372 fl. 12 fr.
Mithin Caffebeftand . ». © 2. 2 2.299 »48 =
I. Einnahme pro 1824.
Receß voriger Rehnung - 2 2 2 0. 299 fl. 48 kr.
Beitrag von 145 Mitgliedern . . . . 580» —»
— aus der Bibl. Gaffe pro 1824 . 50» — »
929 fl. 48 Fr.
Ausgabe.
Für Drudkoften, Anfäufe und Ausgrab-
UNGENSIEHDN. Bartıstia . 696 fl. A fr.
Rüdftändige Beiträge * Eaſſebeſtand 23358 Tun
929 fl. 48 kr.
Pruͤfung und Abſchluß der letzten Jahresrechnung
bleibe dem kuͤnftigen Vorſtande uͤberlaſſen.
Hierauf wurden folgende Abhandlungen vorgetragen:
1) Durch Herrn Secretaͤr Zimmermann, eine von
dem abweſenden Herrn Landdechanten Muͤller von
Oſterſpay eingeſchickte kurze Geſchichte der Burg
Lahneck)» bei Oberlahnſtein.
2) Herr Pfarrer Luja von Dotzheim verlas die
dritte Abtheilung ſeiner in der vorigen Sitzung abgebroche—
nen Abhandlung, nebſt Erklaͤrung eines roͤmiſchen Monu—
4151
mentes von Hebernheim Cein Loͤwe mit einem Schwein
unter den Füßen).
Herr Secretär Zimmermann erklärte eine Fleine
Alabafterplatte mit dem Monogramma Chrifti zwifchen
den Buchftaben A—Q, und 2 Tauben zur Seite, den ge:
wöhnlichen chriftlihen Symbolen auf Orabfteinen ber
erften Jahrhunderte,
Hierauf legte Herr Habel zu Schierſtein als Refultat
feiner bisherigen Unterfuchungen zu Hedernheim, einen
von ihm aufgenommenen geometrifchen Plan des römifchen
Municipiums vor, in welchem die bis jest entdecten
Straßen und römifchen Gebäude bezeichnet waren, und
gab hierüber die erforderlichen mündlichen Erläuterungen.
Man fchritt hierauf zur Eröffnung der Simmzettel
von den anmwefenden Botanten.
Die meiften Stimmen erhielten:
a. als inländifcher Director
Se. Ercellenz Herr Geheimerath und DOberftallmeifter,
Freiherr von Dungern
b. als deffen Suppleant
Herr General» Domänen » Director Ritter von Rößler.
Zu Mitgliedern des Vorſtandes wurden ernannt:
Herr Habel zu Scierftein.
— Geh. Regierungsrath Hegmann.
— Pfarrer Luja zu Dogheim.
— Gen. Dom. Director von Rößler.
— Hofrath Weigel.
— Gecretär Zimmermann.
152
Als Suppleanten folgten diefen:
Herr DOber-Medizinalrath Dr. Döring.
— Baurath Zengerle.
Der bisherige inländifche Director übernahm es hier—
auf, des Herrn Geheimenraths und Dberftallmeifters
Freiherrn von Dungern Ercellenz, von diefer Wahl zu
benachrichtigen und Hochdemfelben die Zufammenberufung
des neuen Vorftandes zu überlaffen. Damit wurde dieſe
Sitzung gefchloffen und die Mitglieder eingeladen, die in
dem neuen Local des Mufeums aufgeftellten Alterthümer
und neuen Erwerbungen in Augenfchein zu nehmen.
In fidem Ebhardt.
Vet. Zimmermann.
VI.
Protokoll der dritten Generalverſammlung des
Vereins.
Wiesbaden am 28. Mai 1825.
Nachdem zur diesjährigen Generalverfammlung des
Vereins für Naffauifche Alterthumskunde und Gefchichte-
forfhung die Mitglieder auf die gewöhnliche Weife durch
das allgemeine Sntelligenzblatt, der ausländifche Director
aber und die in der Nähe wohnenden Vereingmitglieder
noch befonders eingeladen worden waren, auch die beiden
Vorftände, Herr Geheime Rath und Oberftallmeifter von
Dungern Ercellenz und Herr Geheime Negierungsrath
Hegmann, ihre Abwefenheit entfchuldigt hatten, eröff-
nete der Herr Generals Domänen: Director von Roͤßler,
Borftand des Vereins, die Sikung, indem er von der
155
äußern Bildung und den Fortfchritten des Vereins ben
anmefenden Mitgliedern Kenntniß gab. Er fagte unter
andern:
« Der Verein für Naffauifche Alterthumskunde und
Gefhichtsforfhung hält heute am dritten Jahrestage feine
Generalverfammlung. Einige Worte über die Außere
Bildung des Vereins, über feine Leiftungen und Erwart-
ungen ftehen hier an ihrer Stelle. —
Als der Verein mit Iandesherrlicher Genehmigung zus
fammentrat, lag es in den Verhältniffen, alle diejenigen
zu activen Mitgliedern einzuladen, von denen eine Mit:
wirfung zu den Zweden des Vereins, wenigftens Unters
flügung und Zuneigung, unterftellt wurde. Sm Kaufe
weniger Jahre hat fich jene Anficht berichtigt: Mehrere
haben ihre Neigung näher zu erfennen gegeben: fie find
ausgetreten; aber an ihre Stelle‘ ift eine Anzahl von
Mitgliedern gefolgt, deren thätiger Antheil feiner Prüfs
ung bedurfte, weil es nicht die Neuheit der Sache war’
welche ihren Eintritt beftimmt hatte.
So beftehet denn jet unfer Berein aus Einhundert
neun und dreißig Mitgliedern, deren Namen an alle die
Berdienfte nnd Kenntniffe erinnern, wodurch ein Seder
von ihnen auch unferer vaterländifchen Gefelfchaft zur
Stüge wird.
Das volltändige Namens-Verzeichniß jener 139 Mit:
glieder ift zur heutigen Generalverfammlung bier auf
gelegt. —
Sie finden darin fieben Namen bezeichnet, ‚welche die
vorjährige Generalverfammlung, den Statuten gemäß,
auf zwei Jahre zu Borftänden des Vereins gewählt hat. —
154
Da dasjenige verehrliche Mitglied des Vorſtandes,
welches die Mehrheit der Stimmen zum inländifchen Di—
rector bezeichnet hatte, dem Vorſtand die Gründe ent—
wicelt hat, welche dafjelbe beftimmt haben, unter danf-
barer Anerfennung des Vertrauens, die Lebernahme der
Function felbjt abzulehnen, jedod, Mitglied des Vorftans
des zu bleiben; fo erfuche ich im Namen des legtern die
hier anmefenden Mitglieder des Vereins, auf die ges
woͤhnliche Weiſe fchriftlich darüber abftimmen zu wollen,
wer von den fieben VBorftänden die Stelle des inläns
difchen Directors noch für Ein Jahr zu übernehmen
habe.
Mit der Generalverfammlung des nächften Sahres
tritt die Integral» Erneuerung des Borftandes ein. —
Heute zum erften Male befindet die Generalverfamms
lung ſich mitten in dem ihrem Mufeum gemidmeten
fhönen Locale. Das Product der bisherigen Erforfc-
ungen des Vereins hat ſich fehr zweckmaͤßig an jene
bekannte Kunſt- und Alterthums » Sammlung angereihet,
welche wir der Großmuth unferes gnädigften Herzogs
und der Stiftung unferes verehrten ausländifchen Dis
rectors, des Herrn Geheimen Raths von Gerning,
verdanken. — Das Ganze vereinigt einen ausgezeichneten
Schatz von Merfwürdigfeiten, welche dem Studium ber
vaterländifchen Gefchichte bereits reichen Stoff und auch
dem Kunft- und Alterthumsfreunde volle Befriedigung
geben. —
Unfer vaterländifcher Verein ift geftiftet, um die
Denfmäler der Vorzeit ihrer Verburgenheit zu entziehen,
an ihre Befchreibung jene geographifchen, ftatiftifchen und
155
gefchichtlichen Aufflärungen zu knuͤpfen, welche dem Boden
unſeres Baterlandes fchon vor Gahrhunderten eine ges
fehichtliche Bedeutfamfeit gaben, — ihn in jeder Beziehung
Acht claſſiſch machen.
Was fir Erinnerungen fchließt nicht das Land in ſich,
das zwifchen dem Main und dem Rhein den Namen des
glüflichen Landes Naffau trägt. Gerade hier war bie
Grenze gegen Noms Uebermacht gezogen: neben einander
ruhet die Afche der Roͤmer und Germanen, aus deren
Kämpfen Feine andere Spur, als die der Gräber und
der Zerftörung zurücgeblieben. —
Mo hat ritterliher Sinn des Mittelalterd höhere
Denkmäler von Kühnheit und männlicher Zuverficht zus
rüc gelaffen, ald gerade in unferen Rhein- und Lahn⸗
Burgen.
Und als fidy) unter dem Schutze der deutfchen Krone
Ordnung und Berfaffung freudiger entwidelten, zu
welchen ausgezeichneten Neichsgliedern gehörte nicht
unfer Vaterland: es fchließt in fich durch altes Landrecht
abgefchiedene Gauen, rheinifche Churen, Fürftenthüumer
und mächtige Graffchaften, mehr als ein anderes teutfches
Land von gleichem Umfange. —
Welche Mannichfaltigfeit bietet Das Alles dem Ges
ſchichtsforſcher — wie anziehend ift der Stoff, wie reich
find die Quellen ıc.
Sämmtliche Verhandlungen des Vereins liegen offen
bier in der Reihe der Protocolle, welche feit feinem Ent—
fehen abgehalten worden. Sehr intereffante Ausarbeit-
ungen und Notizen von einzelnen Mitgliedern unferes
Vereins find zu den Acten gefammelt. — Sie werden her:
156
vorgezogen und in einem Archiv für die Arbeiten un—
feres Vereins niedergelegt, dem thätigen Mitarbeiter ein
gerechtes Anerfenntniß, feinen Freunden eine Aufforder-
ung zur Nachfolge werden.
Indem ich auch die Rechnung über die zweiten Beis
träge, nach den Befchlüffen des Vorftandes vervollftändigt,
hier überreiche, und damit die formelle Handhabung der
Ordnung beurfunde, bleibt mir noch der heiße Wunfch
übrig, daß alle die ausgezeichneten Männer, welche
unfer Verein in fich fchließt, heute den Vorſatz faffen
mögen, einem vaterländifchen SInftitut, das jet confo>
lidirt da fiehet, mit Vorliebe anzugehören, und mit
gutem Willen zum Opfer zu bringen, was ihren Kräf-
ten und ihren Kenntniffen fo leicht wird.» —
Hierauf trat der ausländifche Director, Herr Ges
heime Rath v. Gerning, auf, und verlag folgende
Nede:
« Zum dritten Mal find wir heute vereinet, das Feft
unferer Stiftung, mit demjenigen de8 Namens uns
jeres hochverehrten und geliebten Herzogs patriotifch
zu feiern.
In diefer kurzen Zeit gefchah doch fehon manches
Gute für unfer Inftitut, und wenn aud) die faum be-
gonnenen Ausgrabungen von SHadrianopolis noch
nicht ganz den fanguinifch=gehegten Erwartungen ent-
fprechen fonnten, fo erhielten wir doch einen berich—
tigten und vollftändigeren Plan jenes Roͤmerwerkes.
Langſam wächft der Eichbaum, doch für Neonen, —
und was wir muthig begannen, werden unfere Nach-
fommen zur Ehre der Nassovia illustrata und ihres
157
claffifhen Bodens glüklih und ruhmmwürdig vollens
den. —
Unfere antiquarifchen Sammlungen wurden ſchon ziem—
lic vermehrt, ſowohl durch großmüthige Gefchenfe, wor—
unter befonders Diejenigen des Herrn Major Baron
von Breidbah-Bürresheim fid) auszeichnen; als
durch Ausgrabung und Einkäufe.
Ihnen gegenüber befindet ſich nun die feit 10 Jahren
befprochene remuneratorifche Stiftung des Mufeumg,
eines, dadurch endlich fat ganz Nafjauer geworde—
nen, Kunſt- und Alterthumefreundes, der über 30
Sahre lang in Stalien und Deutfchland einen guten
Theil feines Vermögens und den beften feines Lebens
darauf verwendet hat. Beide Sammlungen find und
bleiben wohl, abgefondert vereint, im fehönen Kocale
der trefflich geordneten reichhaltigen Landesbibliothek,
des Mufen- Palatiums und Nafjauifchen Pantheong,
im vielfach blühenden Wiesbaden.
Auf eine folhe Grundlage fann wohl weiter gebaut
und ein Werk zu Stande gebracht werden, was nicht
nur Unterhaltung und Belehrung geben, fondern auch
gelehrte Grübeleien und Muthmaßungen berichtigen dürfte,
um die alte Gefchichte Diefer merfwürdigen Gegend immer
mehr zu erforfchen und aufzuflären. —
Ein bloßes Gefammel mancher unwichtig erfcheinenden
Gegenftände wird dann bei Anficht und Bekanntmachung
feltener Kunſt- und wahrer Alterthumsfchäße, Niemand
verleiten, jenes wie Spielerei zu betrachten und oft mit
Recht zu befpotten. Auch mag ed gleichgültig gegen
Solche feyn, die nicht mit Leib und Seele der Alter:
158
thumsforfchung anhängen, an welchem Orte z. B. der
Länderfreffer Sulins Cäfar vor 2000 Sahren tiber
den Rhein ging, während es fir Alterthumsfreunde und
Geſchichtsforſcher höchft anziehend bleibt. — So hielt
noch jüngft der gruͤndliche Mannert, als er die Schil—
derung Hedernheims in den «Lahn und Mainge-
genden» lad, daffelbe für jenes beftrittene Munimen-
tum Trajani, was noch in einer befondern Abhandlung
zu rechtfertigen wäre.
Das Naffauifhe Muſeum beftehet alfo neben dem
Alterthums- Verein und beide Fönnen jekt, durch öffents
liche Bekanntmachung ihrer Hauptgegenftände, durch noch
zum Theil unedirte Abhandlungen über Alterthyum und
Gefchichte Hand in Hand weiterfihreiten.
Ich nehme mir nun die Freiheit, Einer Hochlöblichen
Berfammlung die Aufnahme würdiger Fremden, ale
correspondirende und Ehrenmitglieder vorzufchlagen, in
beifolgender Lifte, deren Vermehrung oder Verminderung
dem prüfenden Vorftande fowohl, als der ganzen Gefell-
fchaft anheimgeftellt fey.
Auch entfcheide die heutige Hochgeehrte Verfammlung,
ob etwa mit Anfange des nächften Sahres das erfte Heft
unferer Annalen erfcheinen, oder diefer einſt⸗
weilen beruhen ſoll. —
Der auslaͤndiſche Director wuͤnſcht noch zuletzt einer
aus fo würdigen Männern beſtehenden Verſammlung vor⸗
zufchlagen, zum Präfidenten derfelben einen Herzog-
lich Naffauifchen Staatsdiener, einen Kenner und Lieb»
yaber von Antifen, und zwar den, der fchon ale ein
guter Genius über der Bibliothek = Anftalt obmwaltet; den
159
um das ganze Rand hochverdienten Herrn Saats-Minifter
Freiherrn von Marfchall zu erwählen, und Seine Er-
cellenz durch eine Deputation um Annahme diefer,
wenn auch für denfelben unbedeutenden, dabei nicht uͤber—
läftig feyn follenden Würde, zur ehrenvolleren Förderung
unferes Inſtituts geziemend zu bitten. — Ein felcher
Leitftern fey auch willfommen unferm Antifen- a
und nicht den Statuten zuwider.
Quod differtur, non aufertur!» —
Der Herr General= Domänen Director von Rößler
machte der Verfammlung bemerflih, wie der fo eben
verlefene Bortrag des Herrn Geheimen Raths von Ger:
ning drei verfchiedene Anträge enthalte: derſelbe über>
reiche eine Lifte von auswärtigen Kunftfennern und Alters
thumsfreunden, und fehlage folche zu Chrenmitgliedern
vor, — fodann bringe derfelbe ebenfalls die Redaction
von Annalen des Vereins in Vorſchlag; endlich trage er
an, Seine Ercellenz den dirigirenden Staats - Minifter
Freiherrn von Marfchall zum Präfidenten des Bereins
zu erwählen. Was den letztern Antrag belange, fo
werde gewiß die ganze Verfammlung den Wunſch theilen,
daß es Seiner Ercellenz gefallen möge, jene Ehrenwürde
anzunehmen: und in diefem Fall werde es dem Borftand
zu überlaffen feyn, die Herzogliche Landes-Negierung um
die nachträgliche Erweiterung der Statuten, darin jene
Ehren» Stelle nicht aufgenommen fey, zu erfuchen. Die
Bollziehung des zweiten Antrags wegen Nedaction der
Annalen des Vereins müffe wohl ebenfalls dem Vorſtande
überlaffen, fo wie denn endlich der nähern Prüfung
defjelben, unter beftändiger Nücfprache mit dem aus—
160
wärtigen Direftor, anheimgegeben werden, welchem von
den in Borfchlag gebrachten auswärtigen Mitgliedern
das Diplom zu überfenden fey. —
Nachdem die Verfammlung fi allgemein mit diefen
Anträgen und Bemerfungen einverfianden erklärt hatte,
bat der Herr Generals Domänen- Director von Rößler
nunmehr, feinem Antrag gemäß, zur Wahl des inlän-
difcyen Directors vermittelft fehriftlicher Abftimmung zu
fohreiten, und machte damit den Anfang. Die Ber:
ſammlung bezeugte fich jedoch hierin nicht beifällig, ſon—
dern man erfuchte allgemein den Herrn Generals Domä-
nen= Director von Roͤßler die Stelle des inländifchen
Directors um fo mehr zu übernehmen, als er ſolche nun
bereits ein Sahr lang geführt habe. — Letterer fonnte
fi) dem einftimmigen Begehren nicht entziehen, dankte
für das Vertrauen, und äußerte die Hoffnung, daß in der
nächften General» Verfammlung die Wahl der Gefellfchaft
wohl auf ein würdigeres Vereind » Mitglied fallen werde. —
Der inländifche Director erfuchte nunmehr das Vor—
ftande - Mitglied Herrn Pfarrer Luja, der Berfammlung
den angefündigten Vortrag über den Urfprung des Worz
te8 Wiesbaden, nad, etymologifchen Herleitungen des
verftorbenen Infpectors Krauß, ald Nachtrag zu feiner
eigenen, ſchon früher vorgebracdhten Meinung, zum Ges
geneinanderhalten mehrerer Anfichten, und über die Herz
leitung der Benennung der Hühnerfirche und ihren Urs
fprung halten zu wollen; der Herr Pfarrer Luja hielt
den Vortrag über den erftien Gegenftand wirflich, und
verfprac, die beiden Abhandlungen zur weitern Benutz—
ung in das VBereind- Archiv abzugeben. —
161
Nach diefen Vortrag erftattete das Vorftande - Mit:
glied Herr Habel ausführlichen Bericht über das Ergeb-
niß der bisher von ihm geleiteten Ausgrabungen zu Nidda
und Hedernheim, und erläuterte durch Zeichnungen und
fritifche Bemerkungen die Infchriften fo wie den Grund-
Plan des Municipiums bei Hedernheim, womit derfelbe
gefchichtliche Erläuterungen und Muthmaßungen über die
Zeit der Eriftenz und der Zerftörung jenes wichtigen
Römer » Denfmals verband.
Der inländifche Director fchaltete nunmehr die Ans
zeige von den im Laufe des Jahres zum Mufeum gekom—
menen Gefchenfen und Mittheilungen anmefender und
abwefender Vereing- Mitglieder ein, und die Verſamm—
lung befchäftigte fich eine Zeit lang mit deren Befichtigung
und Kritif. Hierauf verlas das BVorftands - Mitglied,
Herr Bibliothef> Sekretär Zimmermann, mehrere
intereffante Stellen aus einem von ihm begonnenen Werk
über die Gefchichte von Wiesbaden, feinen Quellen und
feiner Umgegend.
Zulegt Fam noc zur Abftimmung der Antrag des
abmwefenden Vorftande - Mitglieds, Herren Geheimen Re:
gierungsrath8 Hegmann, zur Bereifung ded Herzogs
thums in antiquarifch- hiftorifcher Hinficht durch ſachkun—
dige Mitglieder des Vereins.
Es wird darin gefagt:
«Man darf wohl mit Sicherheit unterftellen, daß eine
vollftändige und umfichtliche Befchreibung des NHerzog-
thums Naffau, in befonderer Beziehung auf die Zwecke
des Vereins ꝛc. nicht nur für Die Mitglieder deſſelben,
11
162
fondern auch für jeden Gefchichtsfreund von großem Inte—
reſſe ſeyn muͤſſe. —
Wenn einzelne Landestheile ſchon in den aͤlteſten Zei—
ten vorkamen, wenn ſie an den wichtigſten Begebenheiten
der Umgegend Theil nahmen und ſo ſchon einen hiſtori—
ſchen Namen in der Geſchichte ſich erwarben, auch man—
ches ſchoͤne Denkmal aus jener Zeit uns uͤberlieferten,
ſo haben dagegen andere Landestheile erſt in dem Mittel—
alter eine gewiſſe Bedeutenheit erlangt, und ihre Denk—
maͤler reichen viele Jahrhunderte ſpaͤter hinab. — Bei
der, hinſichtlich ihrer hiſtoriſchen Wichtigkeit, großen
Verſchiedenheit der einzelnen Landestheile, duͤrfte doch
wohl Keiner ſeyn, der nicht wenigſtens eine Ausbeute zu
geben vermoͤchte. —
Hieraus erhellet aber die Nothwendigkeit, nicht bloß
die univerſell wichtigen Landestheile, ſondern auch alle
uͤbrigen, nach einem zu entwerfenden Plan zu bereiſen,
alle Merkwuͤrdigkeiten antiquariſcher und hiſtoriſcher Art
zu verzeichnen und dabei auch beſonders intereſſante na—
turhiſtoriſche nicht zu uͤberſehen.
Zu dieſem Ende moͤchten ein oder einige Mitglieder
des Vorſtandes zu committiren ſeyn, um nach einem
beſtimmten Turnus in einem jeden Jahre verſchiedene
Aemter nach allen Richtungen zu durchreiſen und auch
die kleinſten Oerter zu beſuchen, wenn ſolche, ſey es auch
nur nach einer Sage, eine hiſtoriſche Merkwuͤrdigkeit
darbieten. —
Der Commiſſarius wuͤrde ſich, ſobald er in einem
Amt ankaͤme, mit dem erhaltenen Commiſſorium bei Amt
165
zu legitimiren umd um die nöthige Unterftüßung zur Erz
reichung des beabfichtigten Zweckes zu verwenden haben.
Es ift nicht zu bezweifeln, daß jeder Geiftliche auch von
feiner Seite Alles beitragen werde, um den löblichen
Zweck nach Kräften befördern zu helfen; aber auch andere
Angeftellte, namentlich Forftbeamte, fo wie uͤberhaupt
alle Individuen, melde über die Schidfale einzelner
Orte und Gegenden Ausfunft zu geben vermögen, wers
den diefe auf Erfordern gern ertheilen und fo auf manche
hiernächft zu verfolgende Spuren hinleiten. Sobald der
Sommiffarius über die zweckmaͤßigſte Art der Einrichtung
feiner Reife fich informirt und darnach feinen Reifeplan
entworfen hätte, wäre fodann die Bereifung der einzelnen
Ortſchaften felbft vorzunehmen. In diefen wären zunächft
Kirchen, Kapellen ꝛc. zu befichtigen, darin vorfindliche
Ölasmalereien, hiftorifche Denfmäler, Grabfleine ıc.
genau zu befchreiben, und bei befonderer MWichtigfeit
abzuzeichnen. Die ehemaligen Haupt-, Stifts-, und
Klofterfirchen werden hier eine reichliche Ausbeute liefern,
und da mehrere der Iegteren gar nicht mehr zu ihrem
urfprünglichen Zwecke benugt werden, andere aber in
Privat Befis übergegangen find; fo wird fich mitunter
Gelegenheit finden, für das Mufeum manche fchäsbare
Acguifition zu machen.
Es verfteht fih, daß aud) andere alterthümliche oder
fonft merfwürdige Gebäude der Aufmerffamfeit der Com:
miffarten nicht entgehen werden.
Nachdem fodann über die etwa in der Gegend befind-
lichen biftorifchen Denfmale aus der römifchen und al
164
teutfchen Zeit, fo wie aus dem Mittelalter, vorläufige
Erfundigungen eingezogen worden, wird fich der Com»
miffarius felbft an Ort und Stelle begeben, und dabei
ortsfundige Individuen zu feiner Begleitung zu beftimmen
fuchen, auch nad) Befund der Umftände und bei einiger
Hoffnung eines guten Erfolgs, Nachgrabungen unter feiner
Leitung vornehmen laffen, Hierbei wird er fich bemühen,
die etwa fchon früher in den Befig von Privaten ges
fommenen Alterthümer, Münzen 2c. für das Mufeum zu
acquiriren und mit dem etwa neu Ausgegrabenen dahin
befördern,
Alte Schlöffer, Burgen, Ruinen find zu befuchen und
nad) ihrer dermaligen Befchaffenheit zu befchreiben. Ge—
naue Abzeichnungen werden den Werth der Befchreibung
erhöhen und eine höchjt interefjante Beilage gewähren.
Hiftorifche Notigen über die Denfmäler aus älteren
und mittleren Zeiten, auch wenn fich ſolche nur auf
Sagen gründen folten, wären zu fanmeln und hier—
nächft aus den in den Landes » Archiven vorhandenen
Urkunden ꝛc. zu vervollftändigen. Ueberhaupt wird Die
höheren Drts für die Commifjarien zu erwirfende Erlaub-
niß zur Benugung der Archive, Gelegenheit verfchaffen ,
die bei Bereifung der Aemter gefammelten Materialien
zu ergänzen, und es dadurch möglich zu machen, daß
die daraus aufzuftellenden Amts- und Drtsbefchreibungen
einen hohen Grad von Vollftändigfeit erlangen.
Diefe Amts» und Ortsbefchreibungen wären hiernächft
in dem Archiv des Vereins zu hinterlegen, fo wie es
auch angemefjen erfcheinen dürfte, eine oder mehrere
165
derfelben in den Fünftig erfcheinenden Annalen der Gefells
fchaft abdruden zu laffen.
Eine Hauptzufammenftellung der einzelnen Befchreib-
ungen, fo wie deren Verbindung zu einer vollftändigen
antiquarifch = hiftorifchen Befchreibung des Herzogthums
Naffau würde erft dann möglich werden, wenn die Bes
reifung fämmtlicher Aemter des Herzogthbums beendigt
wäre, wozu jedoch, wenn die Bereifung der Aemter ges
hörig eingetheilt und darin regelmäßig fortgefahren wiirde,
feine große Reihe von Sahren erforderlidy feyn dürfte,
Die auf diefe Weife bearbeitete Befchreibung des Hers
zogthums koͤnnte hiernächft im Druck herausgegeben
werden, und mären derfelben die aufgenommenen Niffe
und Zeichnungen litographirt beizufuͤgen.
Ungeachtet der individuellen Weberzeugung von der
Nüslichfeit der vorgefchlagenen Bereifung des Herzog:
thums, hält Berichts» Erftatter, der nur als Laie feine
Anficht hierüber ausgefprochen hat, e8 für unerlaͤßlich
nothwendig, daß dieſe Ideen erft von Sachverftändigen
geprüft, berichtigt und vervollftändiget werden, fo wie
e3 diefen auch, bei wirklich erfolgender Ausführung uͤber—
laffen werden müßte, eine vollftändige und umfaffende
Inſtruction für die zu ernennenden Commiffarien zu ents
werfen. »
Der Vorſchlag fand allgemeinen Beifall und es be-
merfte der inländifche Director, wie nichts entgegenftehen
koͤnne, einfiweilen für diefes Jahr etwa 150 fl. aus der
Vereins - Saffe zur Dispofition zu ftellen, weshalb die
weitere Einleitung ebenfall8 dem Vorſtand zu tberlaffen
feyn möchte.
166
Hierauf erflärte der inländifche Director die dies—
jährige General: Berfanmlung für gefchloffen.
von Rößler.
vdt. Zimmermann.
VAL
Protokoll der vierten General: Berfammlung des
Vereine.
Am 29. Juni 1826.
Nachdem fich auf ergangene Ladung, der Verein für
Naſſauiſche Alterthbumsfunde und Gefchichtsforfhung am
heutigen verfammelt hatte, eröffnete der inländifche Di—
rector, Herr Generals Domänens Director von Roͤßler,
die Sikung mit folgendem Vortrag.
«Am Tag der General: Verfammlung unferes Vereins
hat der inländifche Director Bericht zu erftatten, über
alles dasjenige, was im Lauf des verflefjenen Jahres in
den Außern Beziehungen des Vereins eingetreten, und
worauf der Vorftand die Thätigfeit hingelenft hat. —
Wenn ich unfere gedructen, allen Mitgliedern be—
fannten Statuten zum Leitfaden nehme, fo glaube ic)
dadurd auch für die Zufunft eine bejtimmte Ordnung zu
begründen.
Der Zwed der Gefellfchaft für Nafjauifche Alterthums—
funde und Gefchichteforfhung ift, heißt es dort, bie
Auffuchung, Sammlung und Befchreibung der römifchen
und teutfhen Altertbimer im Herzogthum Nafjau,
167
und die Beförderung der darauf Bezug habenden geogras
phifchen, ftatiftifchen und gefchichtlichen Aufflärungen,
wie nicht weniger die Sorge für die Erhaltung der vors
handenen Denfmale, auch die des Mittelalters einges
fchlofjen. —
Man hatte es fehon lange eingefehen, daß der fta-
tutenmäßige Zweck des Vereins, namentlich die Sorge
für die Erhaltung der vorhandenen Denfmale nur unvoll-
fommen erreicht werden Fünne, wenn eö jedem fremden
Sammler nnd Forfcher unbenommen bleibt, unfere merf-
würdigften Stüde aufzufaufen und auszuführen. Der
Borftand lenkte daher wiederhohlt die Aufinerffamfeit
unferer höchften Staatd- Behörde auf diefen Gefichtspunft
hin, und die Minifterial» Bekanntmachung, welche wir
in dem jüngften Verordnungsblatt gelefen haben, ift das
Refultat diefer Verwendung.
Indem Seine Herzogliche Durchlaucht den inländifchen
Inſtituten das Borfaufsrecht vorbehalten, und die Herz
zoglichen Beamten anmweifen lafjen, die Ausfuhr von Alter:
thuͤmern zu verhindern, haben Höchfidiefelben für unferen
Verein den legten Stuͤtzpunkt befeftiget.
Der Berein verdanft aber der Gnade Geiner Herzog»
lichen Durchlaucht noch mehr. Höchftdiefelben haben der
Vereins Saffe einen Beitrag von Dreihundert Gulden
zufließen laffen. In diefem guädigften Gefchenfe wird
der Verein den Beifall erbliden, den Seine Herzogliche
Durchlaucht unferen Beftrebungen geben und ich komme
dem allgemeinen Verlangen nur entgegen, wenn ich als
erfien Befchluß der heutigen General: Berfammlung in
Borfchlag bringe:
168
Seiner Herzoglichen Durchlaucht, unferem gnädigften
Landesherrn, durch das Organ des Präfidenten den tief
ſchuldigſten Dank der Gefelfchaft unterthänigft abftatten
zu laſſen.
Sn der vormyährigen Generals Verfammlung murde
der einhellige Befchluß gefaßt, Seiner Ercellenz dem diri-
girenden, Staats» Minifter, Freihern von Marfchall,
die Stelle eines Präfidenten des Vereins ehrerbietig anzu—
tragen; es gereicht mir zum Vergnügen, der Verfammz
lung zu eröffnen, daß Seine Ercellenz diefes Ehren: Amt
angenommen haben, und der Vorſtand nicht verfäumt
hat, die Intereffen des Vereins der Proteftion feines
Präfidenten angelegentlichft zu empfehlen.
Bon der Befugniß, eine Anzahl von Fremden zu
Ehrenmitgliedern des Vereins aufzunehmen, welche die
vormjaͤhrige General» VBerfammlung in die Hände des
Borftandes gelegt hatte, hat derfelbe nur einen fehr be—
fheidenen Gebrauch gemacht.
Der Borftand hat geglaubt, daß unferen verdienten
und gelehrten Nachbarn, den Herren Profefforen Dr.
Lehne und Dr. Braun die erften Diplome als Ehren
mitglieder zu überfenden feyen.
Die Zahl der ordentlichen Mitglieder war bei der
vormjährigen General» Verfammlung 139.
Sm Lauf des Jahres haben den Austritt angezeigt die
Herren
Hofrath Weitzel,
Juſtitzrath Koch,
Oberforſtrath Klein,
169
durch den Tod wurden der Gefellfchaft entriffen die Herren
Decan Keim, zu Oberliederbach,
Geheime Negierungsrath Hegmanı,
Kirchenrath Spiefer, zu Herborn,
Dber- Apyellationg = Gerichts » Präfident von Truͤm—
bach,
Pfarrer Funk, zu Laufenſelten.
Zu ordentlichen Mitgliedern wurden aufgenommen die
Herren
Caplan Hilf, zu Biebrich,
Major Hehl, zu Bad-Ems,
Pfarr⸗Vicarius Grimm, zu Heftrich.
Der Verein zählt alſo dermalen 134 ordentliche Mit—
glieder.
Durch den Tod und Austritt der Herren Hegmann
und Weitzel waren zwei Stellen im Vorftand vacant
geworden; um ihn vollzählig zu machen, wurden die
Herren Ober: Medicinalrath Dr. Döring und Baurath)
Zengerle ald Suppleanten einberufen, weldye bei der
Wahl in der General-VBerfammlung vom Sahr 1824 nad)
den Gemwählten die meiften Stimmen zu Vorſtands-Mit—
gliedern erhalten hatten.
Jetzt hat der im Sahr 1824 gewählte Vorftand zwei
Jahre lang fungirt: e8 tritt ftatutenmäßig deffen Integrals
Erneuerung ein. Ich erfuche daher die anmwefenden Ver—
eind» Mitglieder, auf verfchloffene Zettel bemerken zu
wollen, wem fie die Stelle des innländifchen Direftors
für die nächften zwei Sahre übertragen wollen, und welche
fed;8 Vorftands » Mitglieder fie ernennen. Es find alfo
170
aus der hier offen liegenden Lifte der Mitglieder fieben
tamen zu bezeichnen, und bemerfe ich nur, wie die Vor—
ftands- Mitglieder der Obſervanz nach, darüber mit ein—
ander übereinfommen, wer von ihnen hiernächft die Stelle
des Secretärd zu befleiden, und wer die Gaffe zu führen
hat.
Der Generals VBerfammlung ift die Rechnung vom
abgelaufenen Jahr vorzulegen. Diefer Beftimmung wird
hierdurch ebenfall8 von mir entfprochen. Die Einnahme
der Rechnung von der General» Berfammlung des Jahrs
1825 bis zur heutigen zerfällt in folgende Poften:
Yctiv s Saldo ent re
Beiträge der Mitglieder . . . 564» —»
der ftandige Zufchuß aus der Biblio:
the Gaffer u) Van 160
außerpröentlicdh nkS Va sre® in» WLgE
zuſammen 757 fl. 55 fr.
Ausgegeben wurden:
für den Anfauf von Alterthümern,
Urkunden und gefchichtlichen Do—
cumenten Re DE
Für Ausgrabungen, Transports und
andere »Koften achso rn. RE
Es bildet ſich alfo ein neuer Acti —
Saldo von 2... 2
welcher liquidirt wird, —
Ich bemerfe hierbei nur, wie die oben dankbar erwähnte
außerordentliche Einnahme von 300 fl. und eben fo alle
Koften für die neuften Aufftelungen aus Hedernheim zur
171
nächften Nechnung überwiefen find. Die Arbeiten find
eben erft beendigt worden und deßhalb Fonnte die Verrech—
nung auch nicht gefihehen.
Statutenmäßig hat die General» Verfammlung die
Rechnung durch einen befonderen Ausfchuß abzufchließen:
bisher hat man dieß jedoch dem neu eintretenden Vorftand
überlaffen, und ich ftelle der Verfammlung anheim, ob es
bei diefer Obfervanz verbleiben koͤnne.
Die Refultate der Arbeiten und Bemühungen der Ver:
eins» Mitglieder für das Mufeum waren in dem abge—
laufenen Sahr zahlreicher und intereffanter als jemals.
Das Verzeichniß der Ermerbungen fchließe ich dieſem Vor—
trag anz die nenen, in das Mufeum gefommenen, Stüde
find aufgelegt. Herr Bibliotheffefretär Zimmermann
wird es uͤbernehmen, nach Vorlefung diefes Berichtes die
erforderlichen Erklärungen zu geben.
Da in der General- Berfammlung über die Fünftigen
Arbeiten Befchlüffe gefaßt werden follen, fo lade id) die
anmwefenden verehrten Mitglieder ein, allenfalfige Bemerk—
ungen mittheilen zu wollen. —
Der neu eintretende Vorftand wird übrigens fort-
fahren, wie bisher im Lauf des Jahres die Thätigfeit
des Vereins auf die Punfte zu richten, welche ni ge⸗
woͤhnlich zufaͤllig hervorheben.
Die Protokolle der Vorſtands Sitzungen vom abge—
wichenen Jahr ſind ebenfalls aufgelegt, damit ſie von
den verehrten Mitgliedern des Vereins eingeſehen werden
koͤnnen.
172
Die Statuten wollen endlich, daß in der Generals
Verſammlung der Befchluß wegen der Geldbeiträge für
das nächte Jahr zum voraus genommen werde. — Da
dag Maximum der ohnehin geringen Beiträge gleich-
zeitig beftimmt ift, fo hat man bisher das Geldaus—
fchreiben dem Ermefjen des Vorſtands anheim gegeben,
und ich erbitte von der Verſammlung für den neu ein-
tretenden, die gleiche Befugniß. Ueberhaupt läßt fich
jest noch nicht überfehen, was wohl bis zur nächften
Generals VBerfammlung zweckmaͤßig zu verwenden feyn
wird.» —
Nachdem durch die Einftimmung fämmtlicher Vereins—
glieder, die in dem Berichte des inländifchen Directors
enthaltenen Borfchläge zu Befchlüffen erhoben waren und
ſich Niemand aus der Gefellfchaft veranlaßt fand, der
ergangenen Einladung zufolge, befondere Propofitionen
zur Abftimmung zu bringen, verlas der auswärtige Dis
rector Herr Sch. Rath von Gerning folgende Rede *).
« Erfreulich ift e8 für ung, am vierten Geburtsfefte
diefes Löblichen Spnftitutes, das Gedeihen defjelben zu
fehen und wie fchnell es, Cauch bei noch etwas befchränf-
ten Mitteln), durch raftlofen Eifer des Borftandes
und freiwillige Spende der patriotifchen Mitglieder hins
anmwächft. —
Danf ſey dem Durchlauchtigften Befhüser der
Anftalt geweiht, durch deffen Beitrag, die höchft merks
würdigen Gegenftände des bei Hedernheim entdedten
*) Eingefandt. D. 9.
175
Mithrass Tempels vom glüdlichen Finder billig ers
kauft und hieher gebracht werden fonnten. —
Diefer, nicht ohne Berdruß und Befchwerden errungene
Schatz, belohnt auf einmal die dreijährige Mühfal und
Koften der Ausgrabungen in unferm Naffauifchen
Pompeji. —
Daß jenes Heidenfeld hinfort eine reichhaltige
Fundgrube fey und die Erwartung der Ausbeute feine
antiquarifche Phantafterei war, zeigt ſich nun immer
mehr.
Wegen der Eoncurrenz des allzunahen Frankfurts war es
nöthig, Cdoch das Eigenthums » Recht der Befiger dabei
ſchonend), unferm Landes - Vereine das billige Vorkaufs—
Recht zu wahren; denn anderwärtd muß Alles, gegen
Vergütung, in die Staats - Mufeen abgeliefert werden.
Das Römerfeld oder Caſtrum zwifchen Praunheim
und Hedernheim, meftlich 500, oͤſtlich 700 Schritte
breit, 1200 Schritte lang und 4000 im Umfange, ein
längliches Biere (den Gaftellen gleich) bildend, war mit
einer, noch fichtbaren, 7 bis 3 Fuß dicken Mauer umgür-
tet, welche mit Gras bewachfen ift und als ein Wallauf:
wurf erfcheint1). Ohne Zweifel ward e8 aus einem Stand:
und Winters Lager Cin des Pfahlgrabens Nähe) zur
Soldaten-Colonie und endlic, eine der wichtigen, edlen,
reichen und mächtigen Städte, die auf deutſchem Boden,
) Andere Ergebniffe lieferten die Localunterfuchungen. (S.
Seite 52 seqgq.
174
durch; anfiedlende Römer entftanden und im vierten Jahr—
hundert von den einbrechenden Allemannen erobert, ver—
brannt und zerftört wurden, wie Vopiscus, von
Kaifer Tacitus redend, erzählt.
Jedoch ſcheint unfere Nömerftadt nicht fo fchreclich
zertruͤmmert und verwüjtet worden zu ſeyn, als die ſobe—
nannte Biberna und Victoria zu Niederbiber und
Heddespdorf bei Neuwied, wie fo manche dortigen Aus—
grabungen traurig verrathen 2); der zuerft gefundene
fieben Stufen tief unterirdifche Mithbrag» Tempel, mit
feinen drei Mittel» und vier Fleineren Nebenaltären (die
7 Planeten und Geelenwanderung durch Diefelben ans
deutend) ift, nach einer 1400jährigen Verfchüttung ,
wohlbehalten genug auferftanden und zeigt, wie fogar
hieher in den nördlichften Theil des ungeheuren alt:
römifchen Neiches , jener, dem Cunchriftlichen) Natur:
menfchen wohl verzeihliche, bald mit den Eleufinifchen
Geheimniffen verbundene, Perfifh-Parthifch- und
Egyptifche Sonnen Dienft, von toleranten Römern,
in den Decident verpflanzt wurde, welche fchon ihrer gar
zu menfchlichen Götter und finnlofen Geremonien =» Dienfte
längft überdrüffig waren.
2) Die Spuren gewaltfamer Zerftörung in unfern Vicus fand
ich bei den Nachgrabungen völlig übereinftimmend mit denen,
welhe Hofmann (©. deif. Abhandl. 1. c. p. 17.) in dem
Gajtell bei Neuwied beobachtete, —
Ba."
175
Das andere Mithraeum, was bei unfern Ausgrab-
ungen erfchien, mag vielleicht großer als jenes, aber
entweder unvollendet, oder faft gänzlich von Kriegsbar-
baren vernichtet worden ſeyn; denn e8 fanden fich lei—
der feine Votiv-Altaͤre dabei, wohl aber zwei bebeut-
fame Basreliefs.
Diefe und andere Gegenftände bieten Stoff
genug dar, zu den heute vorm Sahre befprochenen Ans
nalen unfers Vereine. »
Hierauf trug das Norftandsmitglied Herr Habel eine
Abhandlung über den Mithras-Eultus und eine Befchreib-
ung und Erklärung der fürzlich in den beiden Mithräen
zu Hedernheim gefundenen Denfmale vor, weldıe nebft
den hierzu gehörigen Zeichnungen zur Aufnahme in die
Dereing- Annalen beftimmt wurden.
Die Vorträge wurden durch Eröffnung der Stimm:
zettel unterbrochen, deren Nefultat dahin ausfiel: daß
der Herr General» Domänen - Director von Rößler
als inländifcher Director beftätigt und als deffen Supple-
ant Herr Geheimerath von Arnoldi ernannt wurd.
Borftande - Mitglieder wurden
Herr Dbermedizinalrath Döring,
» Geheimerath und Dberftallmeifter Freiherr von
Dungern,
» Habel,
» Pfarrer Luja,
»Oberbaurath Zengerle,
» Bibliotheffecretäv Zimmermanı.
Es war alfo hierdurd; der bisherige Vorftand neuerdings
auf zwei Sahre beftätigt.
176
Als Suppleanten im Vorſtand erfchienen:
Herr Geheimerath von Arnoldi,
» Kammerdirector Hauth,
»Oberbergrath Stift.
Nach Beendigung der Wahl hielt Herr Pfarrer Luja
eine Borlefung aus den hinterlaffenen Kitteralien des In—
fpectors Krauß über die Bewohner am Mittelrhein zur
Zeit des Vordringend der Römer nach Germanien ıc.
Hierauf wurde von dem inländifchen Director die
Verſammlung aufgehoben.
Gez.: von Rößler.
Freiherr von Dungern.
Habel.
Luja.
Zimmermann.
Darsusdar eahr lee
Seite 9 Beile 13 flatt au In ———
— 48 — 27 ft. Tab. V. 1.
— 56 — 16 ft. Tab. II. — Ei
— 60 — 7 ſt. (Fx) I. (P-x)
— 64 — 2 v. u. fl. Ufers, welches I. Ufers bei G, welches
— 67 — 11f. Zahneifen l. Breiteifen
— 74. — 6 ft. SATONIUS [. SANTONIUS
er TBV TEbV
— 87 — 12 ft. Sartung l. Geltung
— 108 — 3 dv. 1. fl. 2000 I. 1100.
Die hier nicht angegebenen weniger bedeutenden Druckfehler
wolle der Lefer gütig verbeffern.
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Annalen ves Vereins
für
DassauischeAltertbumskunde
und
Besrhichtisforschung.
Zweites und Drittes Heft.
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Mit fünfzehn lithographirten Tafeln.
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TWiesbaden, 1830.
Auf Koſten des Vereins.
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I. Abhandlungen und Berichte
1) Die Gauen des Taunus und ihre Denkmäler, von Hrn.
Prof. Dr. Lehne in Mainz und eine
2) Hiftorifhe Bemerkungen über den merkwürdigen Grabs
ftein des Jakob von Sorgenloch, von Hrn.Dr.Schaab
in Mainz . R °
3) Unterfuhung einiger Grabhügel bei er: von en
Geometer Waaner dafelft . ° —
4) Fortſetzung der Ausgrabungen bei Kemel, von ge
Oherförfter Spieß und Hrn. Wagner E :
5) Beriht über die Entdefung von GSilbermünzen bei
Hergenroth, von Hrn. Pfarrer Schloſſer in u
burg . e . + : s
6) Erläuterung der —— Münzen, von en
Pfarrer Bogel in Schönbah
7) Bericht über die Ausgrabungen in der Kobfhede Int
dem Frauenfteiner Korft, von Hru. Sekretär nn
mermann in Wiesbaden
8) Bericht über die Unterfuhung des —— a
bei Marienfels, von Hrn. Pfarrer Brinfmann in
Mieblen . . . .
9) Die römifhen Ruinen bei event von 5. G.
Habel in Schierſtein
10) Beitrag zur Geſchichte des Muͤnzweſens i im ttel⸗
alter, aus Urkunden geſammelt von Hrn. Geheimen.
vath Joh. von Arnoldi in Dillenburg
Seite.
1
2
26
Rt
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II
Geite
11) Geſchichte der Kirhe und Pfarrei Hoen, von Hrn.
Pfarrer Bogelin Schönbach.. 99
UI. Miscellen.
4) Entdeckungen im Gebiet der Alterthumskunde in der
Rheingegend, von Hrn, Prof. Dr. Braun in Mainz. 113
2) Anfragen, — von Hrn. Pfarrer Vogel . : . 1%
3) Preisaufgabe der Königl. Akademie der Wiſſenſchaften
in Berlin » . . 5 } . . . 429
4) Literarifhe Anzeigen . . : = ; .. 4122
III. Biograpbifche Nadhrichten vonverdienten
vaterländifchen Gelehrten.
Georg Philipp Kraus, Inſp. zu Spfteir, von Hru.
Pfarrer Luja in Doßheim - 00.0. 123
IV. Anlagen.
4) Reſcript Herzogliher Landesregierung, die Stiftung
des Naff. Alterthums-Vereins betreffend . . 331
92) Die Statuten der Gejellibaft . a R - 134
3) Verzeichniß der Vereinsmitglieder & s 2 . 138
4) Protocol der eriten Generalverfammlung ded Vereins 145
5) — der zweiten . : A 2 - . 148
6) — der dritten ir
7) — der vierten. . 166
IH. und III. Heft.
1. Abhandlungen und Berichte.
1) Weberfiht der merfwürdigften Gegenftände des Alter-
thums im Herzogthbum Naflau, von Herrn Geh. Rath
Freiherrn von Gerning in Frankfurt a. M. et |
2) Erläuterung einiger in der Gegend des Taunus gefuns
denen römifhen Snfhriften, von Herrn Prof. Dr.
Sehne in Man - R : — „Pas
(Fortfegung von Nr. ı. im I- Hefte).
III
GSeite.
3) Ueber die Aquae Mattiacae, von Herrn Kirchenrath
C. Dahl in Darmſtadt, m. einem Nachtrag d. Herausg. 27
4) Die erſte Verbreitung der Buchdruckerkunſt im Her—
zogthum Naſſau, von Herrn Kreisrichter Dr. Schaab
in Maing, mit Zufäßen von Herrn Schulinfpector
— und Pfarrer Vogel in Shönbah . ‘ 2 49
5) Ueber die Geſichtsbedeckungen an Helmen bei den Rö—
mern und im Mittelalter, von Herrn Profeſſor Dr.
Braumin Mainz, miteinem Nadtragd. Herausg. - 77
6) Kurze gefhichtlihe Darftellung der Herrihaft Schaum:
burg, von dem verft. Herrn Canonicus 3. W- Buſch
zu Limburg, mit Anmerkungen begleitet von Herrn
Schulinfpector und Pfarrer Vogel in Shöndad . 96
Bericht über die Nahgrabungen auf der Dornburg
bei Hadamar, von Herrn Medizinalrath Dr. Kolb
in Hadamar A . 110
8) Gefchichte der Stadt gahmftein ans Ne Burg ——
von Herrn Kirchenrath Dahl in Darmftadt . 224147
9) Bericht über die Ausgrabungen am Hollerborn bei
Dosheim, von Herrn Pfarrer Luja dafelbit . . 138
10) Auszug aus einem Bericht über die Interfuchung des
römifhen Caſtrums bei Marienfels, von Herrn Pfar—
rer Brinfmannin Miehlen - . 2 Ale)
C5ortfeßung dv. Nro. 9. ©. u0 des J. Heften.
11) Die Mithras:Tempel in den römifhen Ruinen bei
Heddernheim, von F. G. Habel . ANA 461
Fortſetzung v. Nro. 9. ©. 45 des I- Heftes.)
42) Bericht über die Unterfuhung der alten Verſchanzun—
gen in der Nähe von Lipporn, von Herrn Suftizrath
Schapper ın St. Goarshaufen e > — 197
13) Wie weit iſt Druſus in Deutſchland vorgedrungen?
von Herrn nn HR. Hofmann
in Darmftadtt . : . r 201
14) Hiftorifde Nachrichten von den — ——
Eigenberg und Holenfels und ihren Beſitzern den von
71
IV
Seite
Mudersbach, von Herrn Schulinſpector und Pfarrer
Bogel in Schönbad h ⸗ F R : >29
II, Befchreibung und Erläuterung bemerfend»
werther Altertbümer des Mufeums zu
Wiesbaden.
41) Berfuc zur Erklärung einiger plaftifhen Alterthümer
des Mufeums zu Wiesbaden, von Herrn Prof. N:
Müller zu Mainz b R i ; . „227
III. Miscellen.
1) Antiquarifhe Entdeckungen am Rhein, von Herrn
Prof. Dr. Braun in Main . . s 237.
2) Topographifhe Notizen, von en —
und Pfarrer Vogel in Shin . . ...%5
3) Anfrage, von pemfelben e 248
4) Topographifhes Räthſel, aus einem Bert en Soh.
Heidfeld mitgetheilt, von demfelben . . 250
5) Metrifhe Weberfegung und Erklärung, von Som
Prof. Dr. Braun n Man . . » 22
IV, Biograpbifche Nachrichten von verdiens
ten vaterländifchen Gelehrten.
1) Lebensnachrichten von dem Naflauifhen Chronikſchrei—
ber Johannes Tertor, von Herrn Schulinfpester
und Pfarrer Vogel in Shöinbad . . 209
V. Anlagen.
1) Verzeihniß der ausländiſchen — des
Vereins 273
2) Protocol der fünften DIL ARSSUNE des ã— 278
3) der jehften . i - % h . 20
4) - der fiebenten N A k z — 301
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Abhandlungen und Berichte,
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Ueberficht*) der merfwürdigften Gegenftände des Alters
thums im Herzogthum Naffau, von Herrn Geh,
Rath Freibern von Gerning in Frank
furt am Main,
Antiguissima fiant noyissima,
Gudenus,
Das von der Natur und Vorzeit, auf und unter der Erde,
fo reich begabte Naffauer Land, gehört zum fchönften und
denfwürdigften Theile Deutſchlands. Nebft edlen Metal
len, birgt es auch Schäße und Belege zur alten Gefchichte,
Was von Hauptfachen, der öffentlichen Bekannt
machung nicht unwerth, in den legteren fünf Sahren, wo
diefer im Jahre 1823 ind Leben getretene wiffenfchaftliche
Verein blühet, zu Tage gefördert, erfauft und an edlen
Gefchenfen erworben wurde; was ferner in dieſer claffe
{hen Heimath entdeckt ward und das 1824 geftiftete Landes⸗
Muſeum Bedeutfames enthält, full ebenfalls in diefen Ans
nalen befchrieben und abgebildet werden. Die folgenden
Hefte können allmählig, aud) durch theilnehmende Mitwirs
fung von berachbarten und andern auswärtigen Alterthums⸗
und Gefchichtsforfchern, ein fteigendes Intereffe Darbieten. —
”) War für das 1te Heft beftimmt, und erfcheint nun durch
verfhiedene Umſtände verfpätet, mit einigen Zufägen der
neussen Entdeckungen.
4
Seit Sahrhunderten Iebten in den Naſſauiſchen
Fuͤrſtenthuͤmern Hiftorifer, die jchon darüber treffliche
Werke gefchrieben, Männer, deren Verdienfte noch in
manchen Familien forterbten.
Unfer DBerein darf alfo, gleich ähnlichen Anftalten
von andern Pändern, mit feinen Annalen anſpruchs—
108 und vertrauensvoll auftreten. Durch ein ſolch edles
Zufammenmwirfen kann überhaupt Mancherlei berichtigt
werden, was alte und neue Schriftiteller anführen, wos
bei das geleiftete Gute gebührend zu würdigen und das
Fehlerhafte befcheiden zu verbeffern wäre.
Die Alteften Bewohner diefer Lahn, Rhein: und
Mainz» Gegenden, waren wohl Sftävonen, ( Meftbe
wohner), Teutonen und Kelten, (wahrfcheinlic
auh Mönapier und Tengterer), Ufipeter und
Ubier, dann Katten und Mattiafen, Buccinos
banten und Taunenfer, endlid Allemannen und
Sranfen Bon den Kelten und Germanen übers
haupt ſtammen vermuthlic; die Eoloffalen Steinring:
wälle *) auf dem Taunifchen und andern Bergen,
— — — —
) Suum cuique! der 1814. verſtorbene C. F. Habel bat
zuerſt (im Reichsanzeiger von 1802.) bekannt ge—
macht, daſf dieſe Steinfhanzen nicht von roͤmi—
ſchem Urſprunge, ſondern die Joppida - der Ubier wa—
ren, wovon Cäſar ſpricht. Auch in den Frankfurter ge—
meinnüslidhen Blättern ſtehen verſchiedene antis
quariſch hiſtoriſche Abhandlungen von ihm uͤber dieſe Ge—
gend. Um Unterſuchung des Pfahlgrabens und Stif—
tung der Naſſauer Alterthumsgeſellſchaft, wozu derſelbe
ſchon 1811 den erſten Plan entwarf, hat er ſich gleich—
falls verdient gemacht.
5
z. B. auch bei Dillenburg, zur Sonn- und Mond—
verehrung des uralten Goͤtterdienſtes ) und Schutz⸗
wehre gegen feindliche Gallier und Roͤmer. Ein ſtau—⸗
nenswuͤrdiges Werk der letzteren war, der nördlich das
Taunusgebirg umfihlingende Pfahlgraben, wider
die raftlofen Einfälle der unüberwirndenen teutfchen Völker.
Aus dem fehbereichen Mittelalter flammen fünfs
zig, in malerifchen Trümmern, die Höhen am Taunus,
Rhein und Main und der Lahn, fehmüdende Ritter
burgen, mworunter in der Gefchuyte fehr bedeutende find,
3 3. Laurenburg, Naſſau und Stein, die Klofter
burg Arnfein, Caub, Schönberg und Ehren⸗
fels, Adolphsed und Hohenftein, Kabenelns
bogen und die Burg auf dem Ring, Sonnenberg
und Eppenftein, Falfenftein und Kronenberg.**)
Noch manche davon dürften durch Urkunden und Denk
fteine hiftorifch eröffnet werden. Unter den Römer-Ca>
fiellen,, welche die Sommerlager und den Pfahlgraben
deckten, it das bei Holzhaufen an der Haide, im
fshauerlichen Walde von Laufenfelden, am beften erhalten
und auch dasjenige am Ausflufe der Nidda in den
Main, der Aufgrabung werth, weil es für dag viel be
firittene Munimentum Trajani gehalten wird, ***) und
in jedem Falle nicht unbedeutend war.
Nach ger Meinung des Herren Pfarrers Luja.
*) ©. v. Gernings Taunus, fodann deffen Rhein-, Maın:
und Lahngegend. Wiesb. 1814. 1819 und 1521.
“) Lehne behauptet es mit Gründen. Mannert ſucht es
bei Hedernheim. Knapp zu Trennfurt Dahl
6
Merkmale von Sommerlagern fieht mar bei Bes
heln und Schweighauſen am unteren, bei Wies—
baden am mittleren, dann bei der Saalburg und
Kapersburg am oberen Taunus Noc, finden fich
deren bei Camberg (mons campi), auch au der Lahn
bei Runfel und Villmar.
Winterlager waren vermuthlih, an gleichfalls
wohlgewählten Orten in der Ebene, bei Marienfels,
Miesbaden und Hedernheim.
Heerfiraßen zogen er Mainz und Eaftell dahin
und am Rhein, wahrfcheinlich fowohl durd; den Rheins
gau nad) dem Wisperthale bei Lorch, als über Neu—
dorf nad Kemel und den Gaftellen der dortigen Ges
gend. Ferner von Wiesbaden uber die Höhe neben dem
Trompeter, nach Limburg ıc., dann von Hedernheim
nach dem Taungebirg und weiterhin jenfeits.
Ale diefe, noch fo benannten alte Pflaſter—
ftraßen« find gleichfalld einer genaueren Unterfuchung
werth.
Auf dem Heidenfelde, dieſem teutſchen Pompeji,
wird ſich noch durch weitere Nachgrabungen entwickeln,
wer dort das 1200 Schritte lange, 700 oben und 500
su Rüſſelsheim u. ſ.w Anderen fhien ed zu Darm⸗—
ſtadt, Kronberg und Kransberg, der Alliizration
wegen: Die Wahrheit liegt bier auch in der Mitte: viels
leiht auf dem „Heidenfelde,“ wo dann Hadrian,
(bei feiner FZußmwanderung durch das ungeheuere römifche
Reich), feinem großen Vorgänger gu Ehren, ein befeftigtes
Denfmal errichtet hatte.
7
unten breite Gaftrum *) angelegt und die römifche Vete⸗
ranen⸗Colonie gegründet hat; ob Trajan, Hadrian,
oder ein Antonin, und welchen Namen ** die daraus
gewordene Stadt, mit ihren 7 bis 8 Fuß dien Mauern
fuͤhrte; ferner, ob nicht auch eine folche, das erlofchene
Danighofen ber Marienfels und mo die Kirche diefes
Drtes fteht, nicht einft ein Marstempel war — Das
genannte »Hetidenfeld ». zwilhen Praunheim und
Hedernheim, bleibt bis dahin die wichtigfte Fundgrube
für die Naſſauiſche Alterthums-Geſellſchaft. Shr, kaum
erft fünf Sahre beftehendes, Muſeum zieren fchon fehr
merkwuͤrdige Gegenftände ** der alten Römerftadt, 3. B.
de Stemßenaltäre mit und ohne Genien, ferner
die helivlatrifchen Ara's, nebit Bildwerken von zweien
Mithrastempeln, wovon ber legt entdeckte, größer und
noch unvollendet war, Die Zerftörung fo mancher ins
tereffanter Gebäude des Heidenfeldes darf dem Derein,
ber ſich ihre Erhaltung aufs forgfältigfte angelegen fern
ließ, nicht zur Laft gelegt werden, wie dies von Krittlerm
*) Weber die Dimenfionen diefer Niederlaffung S. Annalen J.
S 52. und folgd. d· H.
*) Das jetzige Dorf Hedernheim, oder Heddernheim,
ift nicht gar wohl von Hadrian herzuleiten, wie zuerſt
P. Fuchs anführt. Es befindet ih neben und nit
auf dem vormaligen Lagerort. Sm Mittelalter hieß es
Heddesheim und Heidesheim.
**«) Bereits in der Mitte des vorigen Sahrhunderts befanden
fih (nah Hüsgens verratherifhen Briefen), im grü—
nen Gewölbe zu Dresden bedeutende Antifen, auch
Tiſchblätter von Mofait mit der Bezeichnung » Ex agro
Praunheimensi,s
B
in öffentlichen Blättern ganz unwahr von dem Mithras:
tempel behauptet wurde. Die alten Mauern jedoch
mit auszubrechen und im Mufeum aufzuftellen, ging
eben fo wenig an, als den Tempel in einer Hütten»
Kapfel an Ort und Stelle zu laſſen, was bald ein
Raub der habgierigen und baufteinfüchtigen Aeckerbeſitzer
und Colonen ded neuen Hedernheim geworden wäre,
wie dieß fchon der Fall mit dem Gemäuer des vor
drei Sahren aufgefundenen Prätoriumd geweſen iſt,
oder man müßte diefe Grundftüde Faufen und alsdann
Schildwachen dabei ftellen! Ein gleiches Mißgeſchick traf
ſchon die im Sommer 1825 zwifchen Hedernheim und
Niederurfel von Herrn F. G. Habel entdedte römis
fhe Villa, wovon derfelbe das Andenken durch genaue
Handzeichnungen dem Studium ded Alterthbums und der
claffifchen Umgegend erhielt.
Nichts Römifches fand ſich noch zu Kronberg
und in der nahen Umgebung des Drted, wo damals nur
ein Waldhägel war, der dann zuerft im Mittelalter ans
gebauet worden, aus welcher Zeit man oft Eleine Pfeil
fpigen von Eifen fand.
Alfo ftand hier weder ein römifched® Municipium, *)
— —
*) Lehne wurde dabei in ſeiner trefflichen Abhandlung,
(S. 1te8 Heft) von P. Fuchs irre geleitet, der dieſes an-
tifige Böctein fhoß, Namen und Ort mit Kronenberg
in Weſtphalen verwecfelnd, wo jene Gteinfdrift ge:
funden ward, welhe Lipfius und Gruter anführen.
Der Freund verübelte dem Freunde diefe Bemerkung nicht,
und ſtimmte ſogleich bei.
9
noch Castrum, aber unferne davon, bei Dberhöchftadt,
309 die gepflafterte, bie und da fichtbare Heerftraße
vom Standlager bei Hedernheim, zum Gaftell am Feld⸗
berg. Höchft merfwürdig bleibt aber die ganze, fat ita—
Kifch reizende Gegend dieſes teutfchen Tivoli durd
die uralten Steinringwälle und Mauern auf dem
Altkfönig uud Thalwegsberge, noch unberaubt
wie jene bei Wiesbaden, die beinahe gänzlich zum
Landftraßenbaue verwendet wurden,
Auf dem weftlichen Abhange des Altfönigs be
merfte der Verfaſſer im Sommer 1823 verschiedene Grabs
bügel. Auch finden fich deren, auf dem Heidenfelde
zwiſchen Ober-Urſel und Homburg, welche wohl
zum weiter öftlich- gelegenen Gaftell auf der vom (Garos
lingiſchen) Mittelalter her, fo benannten Saalburg,
oder zu einem alten Castrum gehörten, das der durchl.
Prinz Ferdinand von Heffen-Homburg, ein wir;
diger Alterthbumgforfcher, Cim NAuguft 1828) aufider
flachen Anhöhe,. die Goldgrube genannt, entdeckt hat,
worüber das Nähere folgen fol. Vielleicht war's ein
tentjcher Stein-Wal, ter fpäterhin auch den Römern
zum Lager diente.
Anziehend find denn auch im unferer nahen guten
Nachbarschaft fo mancherlei Gegenftände, die den Zwecke
des Dereind entfprechen; 3. B. die befagte Saalburg
bei Homburg, doc; wohl urjpringlich, jenes Drufus:
Caftell auf dem Taunus (deſſen Tacitug erwähnt Ann,
L, 1. C, 56.) von Ptolemaeus Arctaunum ge
nannt, wobei die Römer ihre martialifchen Quinguennal-
Seite feierten.
10
Spuren von einem römijchen Sommerlager fanden
fih bier, und die noch fo heißende Drufenftraße z0g
vorbei. *) Unferne davon, zunäct dem Dorfe Ober;
bain zeigt man einen großen Grabhügel, unter dem Nas
men Drufen-Altar. Am Emesberge, dicsfeitd der
Saalburg, fand einft Neuhof einen römifchen Denkſtein
mit der Sufchrift: Hic jacet Drusus, woraus man
deuten fönnte, daß hieher in dad Sommerlager der
verwundete Druſus gebracht worden und dafelbft ftarb.
Ferner bietet ſich und noch zur literariſchen Benutzung
dar, die fo reichhaltige Gegend von Mainz, Caſtell
und Ingelheim. Stoff genug alfo- für kuͤnftige Fors
fhungen und Prüfung verfchiedener Anfichten, die zum
Wege der Wahrheit Ienfen. Daß der das. ganze Herzog
thum Naſſau, vom Feldberg bi8 Embs an die Lahn,
mit 15 Caſtellen in einer Strecke von fo vielen Stunden,
durchziehende römische Pfahlgraben nicht ſchon von
Becheln hinab nach Braubad und Oberlahnftein,
oder bi8 Aalen, dafelbft fchon endend, Cwie Sahrhuns
derte lang, fogar von gelehrten Antiquaren ganz irrig
angeführt wurde), jondern am Taunus wohl zufammen
bängend, von Embs aus weiter zum. Niederrhein und
bi3 Wyck te Duurstede nad) Holland, *) fo wie vom
Main, bei Trennfurth (Trajani vadum), und von
*) Mehr davon in einem der nächſten Hefte.
©. auch: Lahn und Main:-Gegenden, Wiesba-
den 1821. ©. 114 bis 127.
*) Was bei einer näheren Unterſuchung fih wohl finden
wird,
11
ben Höhen ded Doden, (Dbin) Waldes hin, bis nad)
Pförring andie Donau zog; war zuerfi eine neue,
nicht unmwichtige Entdefung, Die der Verfaffer Cam 18. Aus
guft 1812) mit feinem, 1814 verftorbenen gelehrten
Freunde, dem Naffauifchen Herrn Hoffammerratb Has
bel zu machen fo glücklich war. *)
Eine weitere, forgfältige Bereifung der ganzen großen
Strede ded gewaltigen Roͤmerwerkes, und wiederholtes
Unterfuchen im Naffauifchen fowohl, als in den be
nachbarten Ländern, wäre noch ein verbienftvolles Bes
ginnen für unfern Verein, der dadurd; fich felbft ein
bleibendes Denkmal feßen würde,
7) ©. Frankfurter gemeinnüglibe Blätter son 1812. Die
Heilquellen am Taunus 1814. 8. Ausgabe. ©. 262.
Ferner die Lahn- und Main- Gegenden 1821. ©. 10-
12
2.
Erläuterung einiger in der Gegend ded Taunus
gefundenen römischen Infhriften, von Herrn Prof.
Dr, Lehne, Staotbibliothefar in Mainz.
(Fortſetzung eines Aufſ. im Iten Heft der Annalen. pag. 2:.)
Y;
LO. M. SERAPE
CÆLESTI. FOR
TVN. ET. GENIO
LOCI, P, LICINL
VS. PAL. TR N,
LEG IIMIT. M. P.
PRO. SE SVIS
—
Jupiter dem Beſten und Groͤßten, dem himmliſchen
Serapis, der Fortuna und dem Schutzgeiſte des
Ortes weiht Publius Licinius, aus der Palatiniſchen
Buͤrgerklaſſe, Centurio der Aten Legion, der Mas
cedonifchen, dieſe Ara für fich und die Seinen nad)
gluͤcklicher Erfüllung feines Gebetes.
Diefe Ara war im Kreuzgange der Kirche zu Marien,
haufen im Nheingau eingemauert, wo fie aber genauen
Rachforſchungen noch nicht fich entdeckte,
Serapidi caelesti, Diefen Beinamen führten nur bie
Götter, welche einem Planeten am Athergewölbe vor
fianden. Sp finden wir einen Jupiter coelestinus auf
einer Inſchrift zu Nom; eine Diana coelestis zu Tibur;
auf einer dritten zu Nom lieft man: Mercurio coc-
13
lesti, zu Sapino: Veneri coelesti. Bon andern Göts
tern bat man noc, Feine mit diefer Benennung entdedt.
Zwar fand man zu Nom aud) eine Ara, dem Sylvano
coelesti geweiht, der nicht zu diefen Gottheiten gehörs
te; aber offenbar ift unter diefem Namen Mars gemeint,
welchen Cato in feinem Werfe über den Aderbau: Mar-
tem Sylvanım in sylva nennt. Es it fchwer zu be
-flimmen, woher Mars bdiefen Beinamen erhielt, wenn
nicht feine Verehrung in einem Walde die Veranlaffung
gab und er alfo eine Lofalgottheit vorftellt. Serapis ift
bier offenbar in feiner Eigenfchaft ald Sonnengott anges
nommen, (wie man auf einer Snfchrift zu Sentina
fieft: Soli invicto Serapidi) und hat daher den Beis
namen des Himmlifchen.
Das Gefchlecht der Licinier, deſſen Namen unfer
Publius trägt, war confularifch und verbanfte feinen
Glanz dem Publius und Cajus Licinius Calvus, welche
zwifchen den Sabren 400 bi8 361 vor unferer Zeitreche
nung mehrmal unter den 6 Kriegstribunen mit confulas
riſcher Gewalt die Republik regierten, und wovon der
legte zum Conſul erwählt wurde. Die, Baterftadt unfe,
res Licinius ift nicht angegeben, fo wenig als fein Per:
fonalname; da er aber zur Palatinifchen Tribus ges
hörte, fo war jenes unnöthig, indem man ihn dadurch
ald Römer hinlänglic; bezeichnet glaubte. Sie war
nämlich eine von den vier Bürgerflaffen der Stadt Rom.
Posuit pro se suisque. V. L. L, C, voti libens
lubens compos,
14
VI.
6 ggf.
C. PATERNI, POSTVMINI. DEC, C, TAV,
NENSIVM. VIRI SACERDOTASIS. PRAGMA
TICI. PATERNIA HONORATAFILIA. ET HE
RES, PER, SYOS. PARENTES,
re 69
Den Schattengöttern des Cajus Paternus Poftumis
nus, Decurionen der Taunenſiſchen Bürger, Erfläs
rers der Religionsgebräuche. Seine Tochter und Er⸗
bin Paternia Honorata ließ ihm durch ihre Ders
wandten diefen Sarg machen.
Diefer fchöne Sarg wurde im 5. 1809, ald man die
Fundamente der Kirche zu Zahlbach grub, ohne Deckel
gefunden, und in das Mainzer Mufeum gebradjt. Er
bat 7 Fuß 7 Zoll Länge, auf 4 Fuß 3 Zoll Breite und
it 3 Fuß 4 Zoll hoch. Er wurde fchon in früherer
Zeit entdedt, denn e8 lagen zwei Sfelette aus dem Mits
telalter darin.
Die Inſchrift ift in jedem Betrachte merfwärdig.
Die darauf vorkommenden Namen find von den bes
kannteſten und der Name Paternus befonders in unferm
Lande nicht felten entdeckt. Er war Stadtrath der Taus
nienfifchen Bürger, Bewohner ded Municipiumd unter
dem Schuge der Feftung Moguntiacum.
Vir sacerdotalis pragmaticus. Man hieß pragma-
tici, bei den Römern, die Rechtöfundigen, welche die Ge
fege zu ihrem ausfchließlichen Stadium machten, und das
15
ber von den Advocaten bei wichtigen Proceffen zu Rathe
gezogen wurden. Nun waren aber die Religionsgebräuce
nicht minder mannigfaltig ald die Nechtsfälle und es kam
auf ihre Regelmaͤßigkeit noch mehr an, als bei jenen.
Alſo auch hier mußte es Leute geben, welche fie erflärten
und auf ihre Beobachtung wachten. Wir erfahren durch
unfere Infchrift, daß man auch diefe Pragmatici und zwar
Sacerdotales nannter „Ich habe gefehen,« fagt Plinius,
daß obrigfeitliche Perfonen nach gewiffen Formeln Gebete
»verrichtet haben, und, damit nicht etwa ein Wort vers
»gefjen oder am unrechten Orte ausgefprochen wurde, hatte
‚man einen Borfager, der die Formul vorlag; ein anderer
war beftellt, acht zu geben, ob er recht lad, ein dritter
„Stillſchweigen zu gebieten. Ein Pfeifer mußte dabei ſte—
„pen, daß nichts anders gehört werden konnte, als fein
„Blaſen.⸗
Hier haben wir die Verrichtungen der prieſterlichen
Pragmatiker, die, auf die verſchiedenen Opfergebraͤuche
der ungeheuern Goͤttermenge ausgedehnt, warlich kein leich⸗
te8 Studium erforderten. Daher war ein Unterſchied zwi—⸗
ſchen sacerdos und vir sacerdotalis, Der erftere war
Priefter einer bejondern Gottheit, der andere bloßer Mythos
log, der bei Privatopfern diente. So finden wir bei
Gruter (p. 525, 12) auf einer Infchrift gefagt: «In ci-
vitate sua sacerdotalis» ohne Beifügung eines befondern
Gottes. Sacerdotasis anflatt sacerdotalis ift eine von
den fo häufigen Verfchreibungen der roͤmiſchen Steinhauer.
16
VII.
1.05, M
CONSERVATORI
LICIN. TVGNA
TIVS. PVBLIVS
TTV. C. T. IN. SVO
VT HABERET
RESTITVIT
ATTICO. ET. PR
‚ETE XTATO
GOS.
Supitern dem Beften, dem Größten, dem Erhalter, ers
neuerte dieſes Standbild, um es ferner zu befiken,
auf feinem Grund und Boden Publius Licinius
Tugnatius, Duumvir der Taunenfifchen Bürger, uns
ter dem Gonfulate des Atticus und Pretertatus.
Diefes intereffante Piedeftal, deffen Statur nicht mehr
vorhanden war, fand man zu Gaftel im Jahr 1808.
Caj. Vettius Aufidius Atticus und Caj. Asinius Prae-
textatus beffeideten da8 Konfulat im Sabre chriftlicher
Zeitrechnung 242, das durd) die Siege Gordians über den
Perſerkoͤnig Sapor befannt if. PubliusLicinius Tugna-
tius war Duumvir oder einer der beiden Bürgermeifter
der Taunenſiſchen Bürger, welche, als eingewanderte
Germanen, unter dem Schuße der römifchen Feftung Iebten,
IIV, €. T (Duumvir Civiam Taunensiura) kann wohl
nichts anders heißen, da Feine bedeutende Stadt in ber
Nähe Tag, welche Duumvire hätte haben Tonnen, und
17
die Tannenfifchen Bürger in Mainz und durch andere Ins
fchriften befannt find,
Daß bier der Vorname Publius nachgefegt ift, kann
nicht ald das einzige Beifpiel angefehen werden; denn
man findet deren häufig in Tacitus und andern Schrifts
ſtellern felbft aus der Zeit Auguſts.
Gleich dem Freigelaffenen nad) dem Geſetze, fo wähls
ten ſich auch die Schußgenoffenen der Römer, wie die
Taunenſer, Namen der berühmten Familien, deren Pros
teetion fie genoffen. In diefem Falle war offenbar unfer
Licinius, deffen Vorfahren wahrfcheinlich Glienten des bes
rühmten Patriciergefchlechtes Licinia waren. |
. Der Perfonalname Tugnatius fommt, fo viel mir bes
kannt iſt, nicht auf Snfchriften vor,
18
VIII.
IN. H. D, D. DEAE VIRTUTI.
BELLONE, MONTEM, VATICANVM
VETVSTATE. CONLABSVM
RESTITVERVNT HASTIFERI CI
VITATIS MATTIACORVM, X KAL,
SEP. IMP. I. MAXIMINO. AVG,
ET. AFRICANO, COS. HI QVORVM NO
MINA TE SYTALSYNT,
C, MEDDIGNATIVS, SEVERVS, CVR BIS.
L. LEVINIVS, QVIETVS, TERTINIVS, ABROSYS
T. VITALINVS, PEREGRINVS, MARCRINIYS. PRISCVS
COSTANTIUS, MARCIANVS. ATRECTIVS, CVPITIANVS
C, RIXSIVS. ADNAMATVS. PERRIVS, IVSTINVS
C, IAMILLIVS. CRESCENS, ATTONIVS ASCLEPIVS
TITIVS, BELLATVLLVS, VRSIVS, MATVRVS
TITIVS, SEVERVS, STATVTIVS. SECVNDINYVS
LICINIVS COSTAS, SERVANDIVS SENVDVS,
LVTATIVS. VICTOR,
„Zur Ehre des göttlichen Haufes. Der Göttin Fries
gerifcher Tugend, haben die unten namentlich anges
führten Lanzenträger der Stadt der Mattiafer, den
vor Alter verfallenen vaticanifchen Berg wieder herz
geftellt am 10. der Galenden des Septembers, unter
dem Gonfulate des Kaifers Julius Mariminus und
Africanus.“
Diefen intereffanten Dedicationgftein habe ich im
Juli 1809 zu Gaffel vor dem Wiesbader Thor unter ei
19
ner Menge von Särgen gefunden, welche aus römifchen
zerftörten Denfmälern, wahrſcheinlich in der merovingi⸗
ſchen Epoche, geformt waren. Die Steine wurden meifteng
auf die Art durchgefägt, daß Theile der Buchftaben auf
dem Rande zu fehen waren und fo in Sargform neben einan—
der geftellt, ohne Unterlage und Dedel, Sn der Mitte
fand man Knochen und Fragmente von eifernen Spießen,
in manchen aber nicht einntal Knochen. Sch zählte deren
neunzehn. Sehr zu bedauern war die Zerftückelung einer
Inſchrift, welche den Kaifer Septimins Severus betraf,
deren Buchitaben, fehr fchön gearbeitet, von der Länge
eines Schuhes waren, worauf man aber nur den dieſem
Kaiſer eigenen Xitel Parthico Adiabenico noch leſen
fonnte. Sehr wahrjcheinlic war fie von einem Trimupbs
bogen.
Die Schrift, welche ich hier unbefchädigt fand, ift in
mancher Hinficht wichtig. Sie tft im Jahre 236 am
25. Auguft gejegt, an welchem Tage die Vulfanalien ges
feiert wurden. Man wählte gewöhnlich diefen Tag zur
Einweihung von Gebäuden, um den Gott des Feuers zu
bitten, fie zu verfchonen. Konfuln diefed Jahrs waren
der Kaifer Cajus Julius Mariminus und Cajus Julius
Africanus. Kurz vor Weihung diefes Gebäudes in Caſſel,
mar auf Antrieb des Halbbarbaren Marimin, der gute
Kaifer Alerander bei Mainz ermordet worden. Nach eb
nem Defrete ded Senats wurde auf unferm Steine, wie
überall der Name des Mörderg vertilgt; doch ift feine
Spur noch ziemlich deutlich. Das Gebäude ift der Vir-
tus Bellonae, nämlich den Tugenden, die zum Kriege
gehören, geweiht, Cicero erflärt deutlich, Cpro Lege
20
Manilia c, 13) den Ausdruck Virtus Bellonae mit Vir-
tus bellandi oder Virtus militaris, Er begreift nicht
allein Tapferfeit, fondern auch Strategie, Beſonnenheit
und alle Eigenfchaften, welche den wahren Krieger bilden.
Der zweite Scipio Africanus bat zuerft diefer Virtus
einen Tempel erbaut, wie ung Plutarch berichtet und auf
mehreren Denkſteinen gefchieht ihrer Erwähnung, 5. ®.
auf einem zu Bretten in Siebenbürgen leſen wir: Spei,
Virtuti, Vietoriae; und auf einem andern Virtuti et
Honori. Es ift aber ſehr unbeftimmt, ob unfer Mons
Vaticanus ein Tempel der Viritus Bellonae war, oder
etwa eine Gaferne der Lanzenträger, welche ihn wieder
bergeftellt haben. Dffenbar war er ein Militärgebäude,
das.fehr wahrfcheinlich feinen Namen durch den Umftand
erbalten hatte, daß fic auf dem vaticanifchen Berge zu
Rom, an der Stelle, wo jeßt die Kirche Santa Maria
vom Fieber, auf der ehemaligen Triumpbhftraße fteht, ein
Tempel des Mars, mit welchem Bellona immer zugleich
verehrt wurde, befand. Ein Berg war e8 auf feinen
Fall, weil bei Gaftel im Umfreije einer halben Stunde
nicht die geringfte Erhöhung fichtbar wird, die diefen Nas
men führen könnte, und es nicht anzunchmen ift, daß in
folcher Entfernung ein fo wichtiges Gebaude aeftanden
babe. Auch wird e8 ſchon durch den Ausdruck: „vom
Alter befchädigt», als ein folches angefündigt. Wir wifs
fen auch aus Gicero Cin Pisonem cap, 21) welcher ein
großes Gebäude bei Tusculum montem tusculanum
nennt, daß das Wort mons auf ausgezeichnete Baus
werfe angewendet wurde, fo wie auf alles Hochgethürmte
3. B. montes frumenti,
21
Die achtzehn Wiederherſteller dieſes Gebäudes, deſſen
erſte Erbauung, nach der Dauerhaftigfeit der römifchen
Gebäude zu fchließen, wenigftend der Zeit Trajans zuges
rechnet werden muß, wenn es nicht felbft von Druſus her
ftammt, nennen fich hastiferi ( Ranzenträger) der Stadt
der Mattiafer. Wir Fennen nur eine einzige Inſchrift
von Vienne, worauf ein »Magister Astiferorum Do-
mini nostri» vorkommt (Reinesius p. 185) Bon ben
Haftaten der frühern Legionen kann bier nicht die Rede
feyn, obſchon fie die hasta mit ihnen gemein hatten; und
es ift auffallend, daß wir fie auf der legten Inſchrift in
der Nähe des Kaifers und auf der unfrigen im Dienfte
einer Mumnicipalftadt finden. Hier find fie offenbar an
der Stelle der Stationarier, ald eine Art Stadtwehr
zum Schuße der Beamten und zur Handhabung der Polizei.
Daß Meddignatius, der zum zweitenmal gewählte ftädti-
ſche Einnehmer (Curator bis) als ihr Anführer dafteht,
laßt glauben, daß fie hauptfächlich zur Beitreibung der
Abgaben gebraucht wurden. Don den Namen find fol-
gende durch andere Steinfchriften die befannteften: Le-
wius daher Levinius, Vitalinus, Constantius, Jamil-
lius, Titius, Licinius, Lutatius, Tertinius, Marcri-
nius, Atrectius, Ursius und Servandius.
Givitas Mattiacorum, Diefe Benennung der unter
dem Schuße des Castellum Drusi (Gaffel) entftandenen
bürgerlichen Stadt war zeither vollig unbefannt, it aber
durch mehrere entdeckte Snfchriften beftätigt worden. Gie
war aljo. die Hauptftadt der, der Nömifchen Herrſchaft
unterworfenen Mattiafer diesfeit des Pfahlgrabens.
—e — —
22
IX.
1,40. .M,
IYNONI.RE
G!NZE. VL. QVIL,
NVS. PATERN
VS. D, C. MATTI.
EX. VOTO. POS.
L. L. M. DEDIC&'YA
X. E, OCT. TER. ET BIS
COS.
Supiter d. B. dem Größten und Juno der Königin,
bat Balerius Quilinus Paternus, Decurio der Mat-
tiafifchen Bürger, diefen Gelübdenftein freudig und
dankbar gefest und geweiht am 10ten vor den Ga-
enden des Detob. unter dem sten und 2ten Gons
fulate.
Diefe Ara wurde im Jahre 1809 zu Caſtel gefunden,
Valerius Quilinus Paternus, deffen Vorname fehlt,
hatte alfo 4 Namen, wie man häufig Beifpiele finder,
indem aus befonderer Veranlaffung 3. B. wegen einer
Erbichaft oder Zuneigung zu einem Verwandten in ſpaͤ⸗
terer Zeit noch der Perfonalname desfelben zu dem eiges
nen gefügt wurde. Gewöhnlich fteht alsdann sive oder
quı et dazwiſchen. Der Name Quilinus ift nicht bes
fannt, doch mit in fommt inquilinus ald Nennwort
Cbei Sallust z. B. Catil, c.) vor, die beiden andern Nas
men aber find fehr gemein.
Decurio Civium Mattiacoram, Er war Gtadtrath
23
der Einwohner der Stadt der Mattiafer, die wir aus
andern Inſchriften fennen, und weldye unter dem Schuge
des Drufifchen Caſtells zur Bededung der Bruͤcke ftand.
X, Calendas Octobris ter et bis Consulibus, Der
Anfang diefer Zeile wurde bei dem Transporte befchädigt.
Am 22. September, welches der 10. vor den Galenden
des Detoberd war, wurbe das Geburtöfeft Auguſts ge
feiert. Es ift nicht zu beflimmen, ob dies noch in der
Zeit der Weihung dieſes Steined gefchah und ob man
mit Vorbedacht diefen Tag dazu wählte; wenigftens wurs
den die Fefttage für die glüclichften und den Göttern
angenehmften gehalten, und daher gewöhnlich zu Errich⸗
tung ihrer Altäre benust.
Die Namen der Confuln find von dem Steinhauer
vergeffen worden, die Zahl der Gonfulate bezeichnet aber
unftreitig Kaifernamen, da in diefer fpätern Zeit man
fein Beifpiel findet, daß ein Gonful zum Zten und der
andere zum 2ten Male zugleich das Gonfulamt beffeidet
haben. Selbft unter den Kaifern finden ſich nur 6 Beis
fpiele diefes Falles, nämlich:
Sm Sahre 161 Mark, Aurel. und Berug,
— — 205 Garacalla und Geta.
— — 48 die beiden Philippe.
— — 215 Licinius und Gallienus.
— — 32 Conſtantius und Conſtans.
— — 394 Arcadius und Honorius.
Der ſchoͤnen Schrift wegen ſcheint mir das aͤlteſte
Conſulat den Vorzug fuͤr die Epoche unſeres Steins zu
verdienen und ich glaube, daß das Jahr 161 ihn entſte⸗
hen ſah.
21
Uebrigens ift die Auslafung der Confulnamen öfters
auf Denfmälern bemerkt worden. So findet fich auf eis
nem Stein zu Rom vom Jahre 346 das Gonfulat fols
gendermaßen angegeben: D. D. N. N. III, et III. Cos.
(Murat. pag. 579, 1.) und auf einem andern zu Puz—
zuoli lieft man Dedicata VIl, id, Oct, III, et semel
eoss, (Reines, pag. 371.)
X.
1,0, M
ET IVNONI
REGINAE
L. SECVND
INIVS FA
VORALIS
IIIIII VIR AVG,
CHE ISIN? SVOTD.
Jupiter dem B. d. Gr. und Juno der Königin, fette
auf feinem Grund und Boden diefen Denfftein, Lucius
Secundinius Favoralis, Einer der Auguftaliichen
Sechsmaͤnner der Stadt der Mattiafer,
Ein vierediger großer Gelübdeftein mit einem acht—
edigten Auffage. Er wurde zu Gaftel im Sahre 1808 in
einem verfchütteten Brunnen gefunden.
25
Die Namen Secundinius und Favoralis find befannt.
Der erfte ftammt von Secundus, Secundinus; der an—
dere von Favor. Gewoͤhnlich find beide PBerfonalnamen.
Die Seviri Augustales wurden gleich nach dem Tode
Auguſts, von Tiber zum Tienfte im Tempel des neuen Got
tes errichtet. Da der Kaiſer felbft und feine nächften Vers
wandten Mitglieder dieſes College waren, fo kann mar
denfen, daß es aus den vorzüglichften Bürgern gewählt
wurde. In Rom ftanden fie in folchem Anfehen, daß fie
bei ven Schaufpielen ihre Site um den Kaifer hatten.
Shr Name Seviri fommt daher, daß im Anfange nur
ihrer Scchfe waren, oder weil nur Sechfe den wirklichen
Mriefterdienft verfahen und die andern als blofe Ehren
priefter zu dem Golleg gehörten, denn es ift ficher, daß in
Nom die Anzahl der Glieder desfelben fchon bei feiner
Gründung auf fünf und zwanzig ftieg, aber in der Folge
manche Veränderung erlitt. Auch in den Provinzen wur⸗
den fie eingeführt, da die Schmeichelei nach dem Beiſpiele
der Hauptftadt dem Auguft überall Tempel baute, welche.
nothwendig ihre Priefter haben mußten. In Gallien wurde
der Haupttempel zu Lyon errichtet, worin alle Provinzen
des Landes ihre Standbilder als gemeinfchaftliche Erbauer
hatten. Auch außer Rom war die Zahl der Auguftalen nicht
beftimmt, denn wir finden auf einer Steinjchrift zu Fo-
rum Sempronii (Fofjombrone) deren 13 angeführt.
(Grut, 150, 4.) Zu Rom fcheinen fie von ten Kaifern
ernannt worden zu feyn, in den Provinzialftädten wurden
fie von den beiden alten und jungen Bürgerflaffen ge—
wählt; daher Augustales seniorum et juniorum,
Man muß die Seviri Augustales nicht mit dem Sevi-
26
ratus mehrerer Städte, wo es ein Municipal-Colleg bils
det, verwechfeln; doch war es fehr oft der Fall, daß eis
ner beide Ehrenjtellen in ſich vereinte; daher heißt es auf
Steinfchriften nicht felten; Sevir et Sevir Augustalis oder
Idem Sevir Augustalis,
Sn der Folge, ald die Vergötterungen der Kaifer
häufiger wurden, vermehrten fich auch die Auguftalen;
denn diefen Namen behielten auch die Priefter diefer fp&s
tern vergötterten gemeinjchaftlidy, oder fie wurden nad)
dem Namen derfelben: Adrianales, Aelianes, Antoni-
niani u. f. w. benannt.
In der Stadt der Mattiafen befand fich alfo ein
Tempel eines vergdtterten Kaiſers; ob ed aber ein Tem⸗
pel Augufts war, ift wegen des allgemeinen Gebrauches
des Worted Augustalis nicht zu beftimmen. Doch ift
es mwahrfcheinlih, weil Germaniens, felbft Auguftas
liſcher Priefter, in der Zeit der Errichtung des Sevirats
am Rheine befehligte und nebft jeinem Vater der Stifter
der rheinischen Anfiedelungen war. Sollte er nichts zur
Verehrung Augufts gethan haben? Auf der andern Seite
fcheint mir in diefer erften Zeit dag Castellum Drusi
Cdenn an eine Stadt der Mattiafen kann noch nicht ges
dacht werden) zu befchränft und unbedeutend, als daß
es jchon einen Tempel Augufts befeffen haben follte. Zur
Errichtung desfelben hätte man gewiß Magentiacum
gewählt.
27
3.
Ueber die Aquae Mattiacae, von Herrn Kirchen—
rath C. Dahl in Darmftadt,
Es ift unter den Gefchichtsforfchern und Geographen
faft die allgemeine Meinung, daß Wiesbaden und
deffen heiße Bäder die Mattiafer Waffer (Aquae
Mattiacae) feyen, deren die Römifchen Schriftfteller Plis
nius, Martial und Ammian Marcellin Ermähs
nung thun.
Erfterer meldet Folgendes: »Auch find in Deutfchland
die Mattiafifchen heißen Quellen, deren ge
ſchoͤpftes Waffer drei Tage lang warm bleibt, um den
Rand aber einen Bimsſtein CBadftein) anfegt.*) «
Der Sänger Martial berichtet von den -Mattia
fern, daß fie Handel trieben mit jelbft verfertigten Sei
fenfugeln zur Stärfung der Haare, und Ätender
Seife *) zur Erzeugung blonder deutfcher Haare.
Gaustica Teutonicos accendit spuma capillos,
Captivis poteris cultior esse comis, ?)
1) Sunt et Mattiaci in Germania fontes calidi, quorum haus-
tus tridue fervet, circa margines vero pumicem feriunt
aquae (Plinius hist. nat, L, 31, C. 2.)
2) v, Martial, L. 14, Ep. 26.
*) Sollte Martial, wenn die zuerft (Epist 14.) angeführte Stelle
defielben fi überhaupt auf Wiesbaden beziehen läßt, durd)
eaustica spuma nicht vielleicht den lockeren (ſchaumartigen),
rothen Kalfniederihlag unſers falzigen Thermalwaf:
ſers felbft haben bezeichnen wollen? Leicht modte er den
Germanen zur Färbung der nad Tacit. Germ. 4. und def:
fen Agricola e,ı1,, ferner Sueton, in Caligula c, 47. ald na:
28
Aetzende Seife, von ihr entbrennt das Gelod der
Teutonen,
Holder ſchmuͤcket fie dich als der Gefangenen Haar.
Ferner:
Si mutare paras longaevos cana capillos,
Accipe Mattiacas, quo tibi calva, pilas, )
Willſt du das alternde Haar durch Kunft verneuen,
du Kahle!
Nimm Mattiafifche Seiffugeln, fie dienen dazu. 2)
Gewiß hatten die Mattiakifchen heißen Bäder die Vers
anlaffung und nächte Gelegenheit zu Fertigung jener
Seiffugeln und der Abenden Seife, fo wie zum Handel
mit diefen Luxusartikeln gegeben. I) Beides fegt alfo die
Eriftenz und den Gebrauch der Mattiafifchen Bäder für
die Amer voraus. Aus der römifchen Gefchichte des
Ammianus Marcellinus erfahren wir Folgendes: Als
noch Caͤſar Zulian in Gallien befehligte, fuchte Macria-
nus, einer der alemannifchen Könige, Friede und Freunds
fchaft bei den Römern, welche auch ihm und feinem
tionell befhriebenen röthlichen Haare (rutilae
comae) dienen. Wiewohl zwar auch Plinius (Hist, nat,
Lib. 28. c. 51) ausdrudfih von einer Seife (sapo)
redet, womit die Gallier ihrem Haar eine röthlichere Farbe
zu geben gewußt hätten, fo möchte unter den Pilis, womit
die Mattiaken Handel trieben, wohl eher die aus diefem
färbenden Badefinter geformten Kugeln zu veritehen
feyn. dv. 9.
PR 'CHEp. 37
2) Gene Handelfchaft bezeichnet audy ein bei Birftadt, unweit
Wiesbaden, aufgefundener Votivſtein mit der Inſchrift:
Deo Mercurio Nundinatori. S. Annalen 9. I, p. 16.
29
Bruder Zariobaudus zu Theil wurden. I Mafrian blieb
jedoch in der Folge feinem Worte nicht getreu; dafür
wollte ihn der Kaiſer Valentinian züchtigen. Erſterer
hielt fich, vermuthlich Franfpeitshalber, bei den Mat>
tiafifchen Waffern auf, darım ließ DValentinian vor
Mainz aus, oder bei Mainz, eine Schiffbrüdfe über den
Rhein fchlagen, um denfelben in feinem Badeorte zu
überfallen. Nachdem alles vorbereitet war, ging er über
den Fluß. Keiner von den Nömern hatte Laſtthiere oder
Zelte, nur Valentinian felbft gebrauchte ftatt des Zeltes
Teppiche. Die Truppen trafen unterwegs auf einige
Trödfer (Scurras), die mit Sclaven handelten. Diefelben
wurden geplündert und getödtet, damit nichts durch fie
verratben würde. Dann ruheten fie wegen der nächtlichen
Finfterniß. Den Soldaten wurde ernjtlich verboten, zu
brennen und zu rauben; jedoch vergebens. Makrians
MWächter wurden durch die auflodernden Feuer und Das
wilde Gefchrei aufgeregt, und ahnend, was da vorgehen
folle, feßten fie den König auf einen fchnellen Wagen 9,
und brachten ihn auf einem engen Wege in unzugängliche
Berge. Valentian, voll Ingrimms, ließ das feindliche
Land bis zum fünfzigften Steine 3) verwüften, und fehrte
fummervoll nach Trier zurück, wo er an Mafriand Stelle
Fraomar zum König der Buccinobanten, einer
gegen Mainz über wohnenden alemannifchen Nation, ers
2) Ammian. Marcell, XVIII., 2.
2) Carpento veloci (Kabriofet.)
) d. h. in einer Ausdehnung von 50 römischen — oder 10
deutſchen Meilen.
30
nannte, bald aber, weil das ganze Land zu fehr verwuͤſtet
war, von da wieder wegnahm, und nach Brittanien als
Tribun verfegte.) Mafrian nahm bald wieder Befis von
feinem Lande, und wurde den Nömern furchtbarer wie
vorber, ja er drohete fogar Gefahr den Mauern von
Mainz. ) Diefe und andere eingetretene Verhaͤlt—
niffe nöthigten den Kaifer Valentinian, fein Benehmen
gegen Mafrian zu Ändern, Er ließ demfelben eine hof
liche Einladung zugeben, und fand ihn zu einem Buͤnd⸗
niffe bereit, Mafrian fam, aͤußerſt aufgeblafen, ald der
überlegene Unterhändler des Friedens, und ftand, hoch
aufgerichteten Hauptes, am Ufer ded Rheins, umraufcht
vom Klirren der Schilder feiner Fandsleute. Der Kaifer
näherte fich mit feiner Begleitung in Flußfahrzeugen vor
Mainz aus dem jenfeitigen Nheinufer, wo ihn der Glanz
feiner Waffen fenntlich machte, und als die unbefcheides
nen Geberdungen und das Gelärm der Barbaren endlich
geftillt waren, und man bin und her gefprochen und uns
terhandelt hatte, wurden Frieden und Freundfchaft mit—
telft Eidfchwur begründet. Valentinian Fehrte hierauf
ind Winterlager nach Trier zuruͤck. 9)
Borerzählte Begebenheit fällt in das Jahr 371 und
in den September, denn am 6. diefes Monats war der
1) Ammian, Marcell, L, XXIX. , 4
2’; Hiernah fheint Mafrian in der Nähe von Mainz, ver
muthlich zu Wiesbaden, oder auf dem Sonnenberge, fei:
nen Wohnfik gehabt zu haben; auch Kaftel jenfeits
Mainz war in feiner Gewalt. (9)
3) Amm, I, XXX. 7 3,
31
Kaifer VBalentinian noch in Mainz, und bald darauf
fcheint jene mißlungene Expedition gegen Mafrian unters
nommen worden zu feyn. ')
Diefelbe giebt übrigens den Stoff, und Iieferte auch
bis jest den Beweis zu der Meinung, welche bei den Ges
lehrten fait allgemein ift, daß Wiesbaden jene Aquae
Mattiacae feyen, bei welchen der alemannifche König Mas
frian feiner Gefundheit halber fich aufgehalten habe, und
dort vom K. Balentinian mit einem Ueberfalle heimgefucht
worden fey.
Sch will, ftatt aller, nur meinen verehrten Freund,
den Herrn Geheimen Nath von Gerning, hier fprechen
laſſen. Deffen Worte (in dem fchönen Werke: Die Rhein:
gegenden« ꝛc) find folgende: »Zur Zeit ded Vespaſian be:
lagerten die, von den Nömern durd; Soldatenftellung
und Werbungen mißbrauchten, tapfern Mattiafen,
unter der Anfuhrung des Claudius Civilis, mit den Bar
tavern, Katten und Ufipiern das Roͤmiſche Mainz,
(Tacitus H. L. 4. C.57) Wiesbaden befaßen fie
noch im Kriege der Allemannen, deren König Mafrian
bier im Sahre 371 gerade die Bäder gebraucht hat, als
ihn Balentinian von Mainz aus überfil. Er
wurde zu den Buccinobanten getragen, und rädhte
fi; bald an den bhinterliftigen Feinden; worauf ihm
das umher liegende rechte Main- und Nheinufer, nebft
Gaftel, das dann eine Civitas Mattiacorum ward,
vom Römer feierlich abgetreten worden. (Ammianus
) Shmidts Gefh. d. Großherzogthbums Heilen, II. Theil,
©. 345.
32
Marcellinus L. 29, C, 4etL, 30, C 5.) — &p, oder
anf ähnliche Art erzählen auch die meiften übrigen Schrifts
fteller, welche ex professo oder gelegenbheitlich über Wies—
bade@ fchreiben, dieſe Begebenheit. Nur Einiges erzählt
Freund Lehne Cin feinem biftorifch - ftatiftifchen Sahrbuche
des Departements vom Donnersberge fir das Jahr 1801,
©. 36.) auf andere Art, was ich darum bier anführen
muß. Als derſelbe nämlich von dem Ueberfalle redet,
welchen Valentinian gegen Mafrian auszuführen im Sinne
hatte, fpricht er von erfterem folgendes: „Er (Valenti⸗
nian) Fam nach Mainz mit wenigen Truppen, ließ aber
unterdeffen feinen Legaten Severus bei Walluff über
den Rhein geben, und ftieß in der Nacht bei Aquae
mattiacae (Wiesbaden) zu ihm u. |. w.“ — Nach Lehr
ne's Meinıng wären alfo die Römer auf zwei Seiten,
zu Mainz und zu Walluff über den Rhein gegangen,
um den Mafrian in Wiesbaden zu überfallen, welche
Meinung man, meines Wiffens, bei feinem andern Schrifts
fteller findet.
Doch — vergleichen wir nun diefe und andere aͤhn⸗
liche Meinungen und Angaben der Gelehrten mit Am;
miang Erzählung. In derfelben ift von einem bedeuten
den Marſch die Rede, der nicht in einem Tage gemacht
wurde, denn ed wird ald Entbehrung angezeigt, daß
feiner von den Römern das fonft nöthige Laftthier und
Zelt gehabt, und felbft der Kaifer mit und unter Teps
pichen fich behelfen mußte; e8 wird gemeldet, daß fie uns
terwegs Troͤdler (wandernde Kaufleute) angetroffen, wels
che fie, aus Furcht verrathen zu werden, beraubt und
umgebracht hätten, daß die Nacht endlich eingebrochen
33
und die Finfterniß fie verhindert habe, weiter zur marfchis
ren, und fie demnach der Ruhe gepflegt hätten u. f. w.
Nun aber fage ich: Wenn die Römer den König Mafrian
in Wiesbaden überfallen wollten, fo brauchten fie mes
der von Mainz noch von Walluf eine Tagreiſe, vielwes
niger aber noch eine Nacht dazu; fie hatten auch weder
Raftthiere noch Zelte nöthig, indem befanntlich Wiesbaden
nur zwei Fleine Stunden von Mainz oder Gaftell und von
Walluf entfernt ift.
Ferner: Wäre Mafrian zur Zeit des UWeberfalles in
Wiesbaden geweſen, fo hätten feine Wächter zu deffen
ſchneller und ficherer Wegführung weder unzugängliche
Berge noch die engen Wege angetroffen, wovon Ammian
fpricht, die man, nämlich bei Wiesbaden, vergebens
ſucht.
Der natuͤrliche Schluß aus allem dieſem ſcheint mir
demnach folgender zu ſeyn: Makrian war nicht in Wies—
baden, und gebrauchte die dortigen Baͤder nicht, als der
Ueberfall ihm drohete; folglich waren auch zu Wiesbaden
jene Aquae Mattiacae nicht, von welchen Ammian in
ber angefuͤhrten Stelle ſpricht. Diefe, meine Meinung,
ift indeffen nicht neu, Kremer bemerft, Cin der Ges
fchichte ded Nheinifchen Franziens, ©. 7, not, n) fol
gendes: Die Aquas Mattiachs erflären unfere Kritider
für Wiesbaden .... Mein Wiesbaden ift meines Bes
Ich habe verfücht, am Ende diefer Abhandlung aud meine
Anfiht über die Erklärung der Stelle Ammian’s, jedoch
salvo meliori zur unparteiifhen Prüfung vorzutragen.
v.9
3
34
duͤnkens allzu nahe bei Mainz gelegen, als daß die Bw
fchreibung Marcellin's auf fie angewendet werden kann.
Es liegt auch mehr in einer Ebene als auf einem Gebirge,
wie der Taunus oder der Cinrich befchrieben wird.» —
Der Geheime Rath Schmidt, welcher, in feiner Ges
fchichte des Großherzogthbums Heffen, 1. Band, ©. 19 und
38, die Erzählung Ammian’s faft wörtlich anführt, fagt in
der Note d: »Dbige Erzählung erlaubt wohl nicht, die
Matttiafer Waffer in Wiesdaden wieder zu finden;
fie fcheint vielmehr eine größere Entfernung von Mainz vorz
aus zu fegen. # —
Bodmann nennt Cin den Nheingauifchen Alterthit-
mern, ©. 730) die Erzählung Ammian’s eine bekannt;
lich auf die warmen Quellen zu Wiesbaden unanwend-
bare Stelle.“ — Aber er thut noch mehr. Er giebt
warme Quellen an, welche zur Situirung der Wäffer der
Mattiafer, nad) der Erzählung Ammian’s, völlig genuͤ—
gend erfcheinen, wie er glaubt. Diefe warmen Quellen
findet er bei Asmannshaufen im Rheingau Cin einer
Entfernung von Gaftel von beinahe 8 Stunden) Zur
Begründung der wirklichen Eriftenz diefer Quellen führt er
eine Urfunde v. J. 1489 wörtlid; an, worin Erzbifchof
Berthold von Mainz befennt, daß er feinem getreuen
Hanſen Sigler von Ajcaffenburg gegönnet und ers
laubt habe, das warme Waffer im Rheine bei Asmanns—
haufen (Hafemannshaufen), im Rheingau gelegen, auf
feine Koften zu juchen, davon er jedoch das halbe Theil
dem Erzftifte zu deffen Nuten zuzuftellen habe. Als aber
Sigler nach viel angewandter Mühe und Arbeit es nicht ges
funden, fo hat diefer den Domdechantzu Mainz, Bernhard
35
von Breitenbad, zur Mithilfe und Mitgenuß des hal
ben Theil3 angenommen, wozu gedachter Erzbifchof in
bemeldeter Urkunde feine Einwilligung ertheilt, das andere
halbe Theil aber ſich und feinem Erzftifte wiederholt vors
behält. Zugleich wurde beredet und ausgemacht, daß,
wenn die Quelle wirflich aufgefunden würde und benutst
werden fünne, das dazu nöthige Gebäude, daß heißt: die
Hanfung mit Herberge, Mauern und fonftigem Zugebör,
auf beiderfeitige Koften errichtet, das Furfürftfiche Theil
aber, ſammt dem Nechte der Beherbergung, des Wein
ſchanks und der Atzung als Lehn dem gedachten Hang
Sigler und feinen Erben, fo wie dem bemeldten Domdes
chant überlaffen werden ſolle ꝛꝛ. Ob — und was hierauf
weiter gefcheben ift, hierüber bringt Bodmann Feine Nachs
richt bei,*) findet aber die Meinung, daß dort, bei Ag:
mannshaufen, die Aquae Matliacae gewefen feyen, nicht
umvahrfcheinlich; ja er hält jogar die Ableitung des Worz
te8 Asmannshaufen von Aquae Mattiacae nicht ganz von
allem Scheine entblößt, welcher Schein mir jedoch nicht
recht leuchten will, man müßte denn annehmen, daß As—
mannshaufen urfprünglich Asmattshuſen (Hufen ad Aquas
Mattiacas) geheißen babe.
Der bekannte Gelehrte und Mainzer Gefchichtsforfcher
Schunk meldet in feinen binterlaffenen, fehr reichhaltigen
Papieren von der obyedachten warmen Quelle folgendes:
„Am Ufer des Rheins, unterhalb Afmannshaufen,
*) Sc behalte mir vor, über die Schieffale und die Faſſung
diefer Quelle im Mittelalter, aus urfundlihen Nachrichten
fpater Einiges mitzutheilen,
d. 9:
36
bat man unterschiedliche Mineralquellen entdeckt, und uns
ter andern floß ehemals ein dem Wiesbader Brunnen
ähnliches heißes Waffer hervor, welches, ald man es zu
Anfang dieſes Jahrhunderts (des achtzehnten) faſſen laffen,
hernach einen Ausbruch im Bette des Rheins genommen hat.
Seitdem fonnte man die Quelle nicht mehr anders, ald mit
kaltem Waffer vermiſcht, , antreffen. «
Der Rheinifche Antiquarius aͤußert fih Cin der
Auflage von 1744, ©. 595) über bemeldete Quelle folgens
dermaaßen: Unterhalb diefem Drte (Aßmannshauſen),
hart am Ufer des Rheins, fol ehedeſſen ein überaus koſt—
bares warmes Bad gewefen jeyn, davon ficy aber die
Duelle nad) dem Rhein zu verloren habe. Man hat Lies
felbe mit großer Mühe, aber nur vergebens, zu finden
geſucht. Die Merkmale von diefer Arbeit find noch zu
fehen. «
Lebtere erinnert fich der Verfaſſer dieſes Auffages in
feinen jüngeren Sahren ebenfalld gefehen zu haben; es
waren aber nicht blos hinterlaffene Spuren des Verfucheg,
fondern man fah die Spuren der fchon unternommenen
Faſſung der Duelle, welche Schunk richtig bemerkt hat.
Man findet auch folche auf mehreren Landcharten des
Rheingaues, namentlich auf dem erften Blatte der Pom—
mer'ſchen Charte von Heffendarmftadt, und auf dem
zweiten Blatte der großen Dewarat’fchen Charte vom
Rheinftrome, bezeichnet.
Jene warme Quelle paßte allerdings beffer zu der Er
zaͤhlung Ammian’s, befonderd auch in Anfehung der nahen
unzugänglichen Berge und ded engen Weges Cvon AB
37
mannshaufen nach Aulhaufen), welch beides man nicht
bei Wiesbaden findet.
Nur allein das enge Terrain bei Aßmannshaufen
macht, in Betreff des Ueberfalld die Sache etwas ſchwie—
rig. Bodmann behauptet aber: der Rhein fey vormalg
weiter von Apmannshaufen entfernt gewefen, als gegens
wärtig. *)
Daß in Alteren Zeiten wirklich eine Badeanftalt bei
Aßmannshauſen muß gewefen feyn, folches Iehrt die von
Bodmann beigebrachte Urkunde, meines Erachtens, zur
Genüge, denn wie hätte fonft fo zuverfichtlih von Er
bauung eined Bad⸗ und Wirthshauſes darin die Rede feyn
fönnen, wenn man nicht gewußt hätte, daß fchon früher
eine folche Bades und Wirthfchaftsanftalt dafelbft eriftire
babe, und zwar nicht allein zum Heile der Badenden, fon»
dern auch zum DVortheile der Entrepreneurs, indem man
feine Mühe und Koften fchenete, die Quelle wieder aufzus
finden, und der Kurfürft es nicht für zu Fein bielt, fich
und feinem Erzftifte einen Antheil davon vorzubehalten.
Wenn aber — fo wird Meancher hier denfen — die
Aquae Mattiacae des Ammian ber Aßmannshaufen zu
fuchen und zu finden find, fo waren es die heißen Quels
len zu Wiesbaden nicht, was jedoch fehr zu bedauern
wäre, indem der Name Aquae Mattiacae für Wiesba⸗
den fat allgemein angenommen ift.
*) Dieß mwiderfpricht der Wefunde, worin die Quelle als von
dem Rhein bevedt, bezeichnet ift: Die fhroffen Berge auf
beiden Seiten wiefen dem Rhein ohnehin ein enges Beit
an. d. H.
38
Allerdings ift aus der Erzählung des Ammianus Mars
cellinus klar einleuchtend, daß die von ihm benannten
Aquae Mattiacae nicht zu Wiesbaden zu fuchen find, *)
aber daraus folgt noch nicht, daß die Wiesbader heißen
Quellen feine Aquae Mattiacae feyn könnten. Vielmehr
glaube ich, daß die Römer ſaͤmmtliche Mineralquellen
und Bäder im Lande der Mattiafer mit dem Namen
Aquae Mattiacae bezeichneten, mithin auch die Quellen
und Bäder zu Wiesbaden. Auf diefe glaube ich auch
beziehen zu müffen, was Plinius von den Mattias
fer beißen Quellen fihreibt, auch feheint mir es fait
gewiß, daß die Seifen» und Negfugeln, wovon Mars
tial fingt, bei und für die Bäder zu Wiesbaden vorzüge
lich gefertigt wurden, mithin bleibt der Name Aquae
Mattiacae für Wiesbaden nach wie vor ungefräuft; nur
darf er nicht aus Ammian bewiefen werben.
Ueber die Etymologie des deutfchen Wortes Wies>
baden laͤßt fich ungefähr Folgendes fragen: die Mattias
fer gehörten zu dem Volke der Allemannen, deren Könige
Mafrian und Hariobaud unter Kaiſers DValentinian
Regierung vorfommen. Als eine Unterabtheilung gehürs
ten auch dahin He Buccinobanten — die Bewohner
der höheren Regionen, namentlich des heutigen Trom—
peters, über welche Makrian ebenfall® als König res
gierte. Im Gegenfage von diefen Buccinobanten wurden
die in der Ebene wohnenden Völfer der Alemannen jen-
feits Mainz Mattiafer, d. i. Mattenbewohner,
*) Man vergleihe den Anhang.
dv. H.
39
nämlich Bewohner von ebenen, befonderd wiefenreichen
Gegenden — denn Matte ift das alte deutfche Wort für
Wieſe — genannt. Sn einer diefer wiefenreichen Gegenden
waren heiße Quellen, welche darum Aquae Mattiacae,
Mattenbäder genannt wurden. Daraus entftand nun,
vermuthlich, in der Folge das Wort Wies- oder Wie
fenbäder, und der Ort, wo folche fich befanden, wurde
Wiesbad genannt.
Daß übrigens die Benennung Aquae Mattiacae nicht
allezeit mit Mattenbäder zu überfegen fey, fondern folche
auch die Bäder im Lande der Mattiafer überhaupt bes
zeichnen koͤnne, folches erhellet aus dem, was oben bei
den heißen Quellen bei Aßmannshaufen gejagt wurde.
Daß die Ufipeten oder Ufipier bei Wiesbaden
jemald gewohnt, und fie diefem Orte den Namen Fis-
bium gegeben haben — hierzu mangelt ein ficherer Grund.
Dielmehr ift zu glauben, daß die Ujipeten, wenigſtens
eine Zeit lang, die Anwohner der Uß oder Ufe, in der
Wetterau gewefen, und fie der Stabt Ufingen viel
leicht Namen und Entftchung gegeben haben.
Sch komme nun auf einen Umftand, deffen ich früher
fhon Erwähnung that, der aber noch einer weiteren Er
Örterung bedarf. Meine Behauptung ging nämlich Cm
der Note2.S.30.) dahin: Kaftell, gegen Mainz über, ſey
damals, als Makrian von den Römern überfallen wers
den follte, in der Gewalt des erfteren gewefen. Ganz
entgegen gefeßter Meinung ift Herr von Gerning, da
er, in dem fchon angeführten Buche, ©. 6, folgendes
fchreibt: »Er (Makrian) wurde zu den Buccinobanten
getragen und rächte fich bald an den hinterliftigen Seins
40
den, worauf ihm das umberliegende rechte Mains und
Rheinufer, nebft Caftell, alsdann eine Civitas Mattia-
corum ward, vom Nömer feierlich abgetreten worden.
(Ammianus Marcellinus L. 29. C. etL. 50 C.5)u —
Auf folche Art wären Mafrian und die Mattiafer erft,
nach wieder hergeftelltem Frieden, im 3. 371, in den Bes
fis von Caſtell gefommen, und legterer Ort fodann eine
Civitas Mattiacorum geworden. — Allein, die Sache vers
hält fi, meiner unmaßgeblichen Meinung nach, ganz
anderd. Denn erftens ſteht in den beiden angeführten
Stellen hiervon Fein Wort, und zweitens wiffen wir aus
bem, was Freund Lehne im Rheinischen Archive, I. Band,
©. 1238. u. f. über Mainz und feine Bewohner
zur Zeit der Römer, Neues und Schönes beibringt,
daß das Castellum Drusi, das nachherige Caſtell oder
Gaffel, bereits in den Sahren 215 und 236 nach Infchrif
ten ) ald eine ‚Civitas Mattiacorum erfcheint, und folche
nicht erft im J. 371 oder 372 geworden iſt. Hoͤchſtens
fonnte alfo in der erwähnten Friedensuerhandlung von ei
ner Beftätigung des Beſitzes und Namens die Rede feyn.
Wenn Ptolemäus ein Mattiacum anführt, wofür
man Wiesbaden hält, fo fcheint mir letzteres nicht fo
ganz ausgemacht zu feyn, indem er auch dadurd) den
2) Diefe für unfere Gegend wichtigen Inſchriften find nochmals
dur die Güte unſers verehrten Lehne pag- 18 — 26 mit Zus
fägen mitgetheilt worden. Daß übrigens die darin ges
nannte Civitas Mattiacorum, Caſſel bei Mainz ſeyn müffe,
bezweifle ich fehr. Die ausführlihe Mittheilung meiner
Gründe nebft den Abbildungen diefer Denfmäler, auf ein
andermal. dv. 9.
41
Hauptort der Mattiaker — Mattium — oder auch die Ci-
vitas Mattiaca — das heutige Caſſel — darunter verftans
den haben koͤnnte. *)
Schließlich muß ich noch auf eine Stelle aufmerffam
machen, welche man in den Franffurter Gemeins
nüslichen Blättern v. 3. 1813, ©. 267 lieft, wo
nämlich der Uns unvergefliche Habel behauptet: die fos
genannte Heidnifche Mauer in Wiesbaden habe nie
als Mauer eines römifchen Caftells gedient, obfchon man
fie dafür ausgegeben habe u. f. w.
Es wäre fehr zu wünfchen, daß irgend ein Kunft- und
Sadjverftändiger diefe Mauer — fo viel davon noch übrig
iſt — an Ort und Stelle gehörig unterfuchte, um zu erfah—
ten, ob Habel richtig geurtheilt, und fo unfern deutfchen
Urvätern ein Werf vindicirt habe, was ihnen auf jeden
Fall Ehre machte. **) Auf der Abbildung der Stadt Wies⸗
baden bei Merian, in Topographia Hassiae et Regio-
num vieinarum, p, 142, ift aud) die Heidenmauer,
*) Dieß ift nad) feiner genauen Angabe der Breitegrade nicht
deufbar, wonach deflen »Mactiadum u vielmehr in der
Gegend von Marburg, nad) Andern bei Berleburg oder
Battenfeld zu fuchen wäre, d. 9.
**) Die fogenannte Heidenmauer gehört, wie mein verftorbener
Vater richtig bemerkte, keineswegs zu dem Gaftell, welches,
noch an der Wallabvahung feiner Oſt- und Südfeite ers
Pennbar, oberhalb des Kirhhofs aufder mit dem Namen
Heidenberg bezeichneten Anhöhe lag, fondern fie ſchloß den
öftlihen Theil der bürgerfihen Stadt ein, wie die nad
Außen vorfpringendeu halbrunden Thürme beweifen. Die
Beihreibung diefer intereflanten Heberrefte aus der römis
fhen Periode bleibe der Folge vorbehalten.
d. 9.
42
nebft der Heidenpforte, zu jehen. Heut zu Tage beißt,
meines Wiſſens, das Thor, durch welches man auf den
Kirchhof geht, das Heiden» oder Kirchhofthorz Ießs
tere Benennung, bezieht fich auf feine gegenwärtige Beftims
mung. Das Gäßchen, durch welched man zur veformirs
ten Kirche geht, heißt das Heidengäßchen.
Zufaß des Herausgebers.
Es fey mir erlaubt, in der Kürze auch meine Meinung
über VBalentiniang Zug (i. 3. 371) nad) den Aquis.
Mattiacis vorzulegen.
Mehrere ausgezeichnete Schriftfteller, deren Anficht
auch der gefchäste Verfaffer vorfiehender Abhandlung theilt,
fchließen aus der Stelle Ammians *) auf einen weitern
Marſch des römischen Heeres zum Ueberfall des Allemanen;
koͤnigs Makrian und glauben, daß unfer Wiesbaden wegen
zu geringer Entfernung von Mainz nicht unter den Aquis
Mattiacis verftanden feyn fünne. Mir fcheint die anges
führte Stelle recht gut auf Wiesbaden zu paſſen. Die.
Worte des Originals im Zufemmenhang mögen entfcheiden,
«Agitabatur autem inter multiplices curas id om-
nium primum ct potissimum, ut Macrianum Regem —
vi superstitem raperet vel insidiis, ut multo ante Va-
domarium Julianus: et provisis quae negotium posce- |
bat et tempus, cognitoque transfugarum indiciis,
*) Ammian, Marcellin. L, XXIX. c. 4. Ed, Hauris. p, 578
43
ubi comprehendi nihil opperiens poterit antedictus,
tacite quantum concessit facultas, ne qui conserendo
officeret ponti, junxit navibus Rhenum. Et antegres-
sus contra Mattiacas aquas primus Severus, qui pe-
destrem curabat exercitum, perpensa militum pauci-
ale territus sietit, timens ne resistere nequiens, irruen-
tium opprimeretur hostilium agminum mole. Et quia
suspicabatur venalia ducentes mancipia scurras, casu
illie repertos, id quod viderant excursu celeri nun-
tiare, cunctos mercibus direptis occidit. Adventu
ilaque plurium copiarum animati judices; castrisque
adtempus brevissimum fixis, quia nec sarcinale ju-
mentum quisquam nec tabernaculum habuit praeter
Principem, cui tapetes suffecerant pro tentorio: pa-
rumper ob tenebras morati nocturnas , exsiliente pro-
einetu pergebant ulterius, itinerum gnaris ducentihus,
equitatu cum Theodosio rectore praeire disposito....
— extento strepitu suorum est impeditus: quibus as-
sidue mandans, ut incendiis et rapinis abstinerent,
impetrare non potuit, Ignium enim crepitu dissonis-
que clamoribus satellites exciti, idque quod accide-.
ratsuspecti, carpenta velaci impositum Regem angusto
aditu circumfractis collıbus abdiderunt. Hoc Valenti-
nianus gloria defraudatus, nec sua culpa, nec Ducum,
intemperantia militis, quae dispendiis gravihus saepe
rem Romanam afllıxit, adusque quinquagentesimum
lapidem terris hostilibus inflammatis, rediit Treveros
moestus,» etc,
Balentinian fchlägt alfo nad) gehöriger Vorberei—
tung und eingezogener Nachricht über Macrians Aufent
44
halt, in möglichfter Stille eine Schiffbrücfe über den Rhein.
Daß es von Mainz aus gefchebeg ſey, darüber find alle
einig. Die Vorficht, beim Schlagen der Brüde alle Ge;
räufch möglichft zu vermeiden, wurde geboten durd) die Bes
forgniß, am der Aufftellung der Brüde gehindert zu
werden. ) Wahrjcheinlich geſchah es alfo bei Nacht.
Man könnte hieraus folgern, daß entweder die Römer den
gegenüber liegenden Bruͤckenkopf Caffel nicht mehr müßten
im Befit gehabt haben, oder wenn fie ſich an diefem Drt
von den Deutfchen beobachtet glaubten, den Uebergang an
einem andern Drte bewerfitelligt hatten, um die Feinde
zu täufchen, wie e8 die Römer früher einmal in dem Feld»
zug Sultans gegen die Aemannen im Jahre 358") beinah an
derfelben Stelle mit Gluͤck verſucht hatten. Einen folchen
etwas entferntern Uebergang würde etwa die Ingelheimer⸗
und Petersau, welche ungefähr eine halbe Stunde unters
halb Mainz, den Rhein in drei fchmale Arme theilen, ers
feichtert und den größten Theil der Bruͤcke jenfeits der beiden
Inſeln verborgen haben. Dem untern Theil der Petersau
gegenüber, ift auf dem höchiten Punct des rechten Rheins
ufers eine Stelle nahe an der heffifchen Grenze, welche den
Namen Amöneburg führt. **) Die Spurenvon Mauerwerk,
welche fich beim Pflugen fonft häufig hier zeigten, fo wie bie
noc auf der Oberfläche vorfommenden Bruchflüde von
sömifchen Mörtel und Ziegeln, laffen eine Warte oder
Briücenfchanze vermuthen, wenn man den römifchen Fun
*) „Ne qui conserendo officeret ponti‘
**) Ammian Marc, XVII, c. ıo.
er) ©. die Charte zu v. Gernings Rheingegenden. Wiesba—
den 1519.
45
damenten, welche gerade gegenüber am jenfeitigen Rhein—
ufer in der Nähe der ehemaligen Raimundiſchanze am Ende
der Rheinallee noch jetst zu Tage ausgehen, eine Ähnliche
Beftimmung beilegen will.
An diefer Amöneburg oder 20 Schritte davon am wefts
lichen Abhange, Fonnte unter dem Schuße der bergenden
Anhöhe, der Uebergang leicht ftatt haben, — Man betrachte
nur die Localitaͤt.
Der Lauf des Salzbaches oberhalb der Churfürftens
mühle zeigte ihnen den Fürzeften Weg nach Wiesbaden.
Das enge Wiejenthal verdeckte ihre Bewegung. Noch näher
bezeichnet der Ausdruck: «antegressus contra Mattiacas
Aquas,» den Uebergangspunft, — naͤmlich Wiesbaden
gegenüber. Aus den Wort «antegressus» möchte alfo
wohl auf Fein Boraudeilen zu Schließen ſeyn, indem es augs
drücklich heißt: daß Sever mit feinen zu er ſt übergegangenen
Fußfoldaten, feine geringe Streitfräfte erwägend, beforg»
nißvoll teben geblieben fey, da er, unvermögend Wis
berftand leiften zu fünnen, dem Ueberfall eines feindlichen
Heerhaufens erliegen zu müffen fürchtete *).
Durch weiteres Vorruͤcken im Gebiet der zum Kampf
gerüfteten Alemannen würde er fich offenbar der Gefahr
ausgefest haben, von den Uebrigen abgejchnitten zu werden,
und das fo forgfältig vorbereitete Wrojeft, wäre voraus;
fichtlich gefcheitert. Denn hätten die Römer nicht großen
Widerftand erwartet, fo würden fie die Aufhebung Macriang
mit einem kleinen erlefenen Corps, welches fich viel leichter
auf Schiffen überfegen ließ, haben bewirken fünnen. Eine
*) „Perpensa militum paucitate territus szetit, timensne resistere
nequiens, irruentium opprimeretur hostilium agminum mole.“
46
bedeutende Truppenmaſſe war aber zu diefer Unternehmung
die der Kaiſer perfünlich Teitete, nöthig erachtet worden und
dazu gebrauchten fie cben die Schiffbruͤcke. Sever hatte
aljo feine Urfache, mit feiner Handvoll Leute in der Fin⸗
ſterniß auf geradewohl vorauszugehen, ſondern er mußte
ſorgfaͤltig darauf bedacht ſeyn, ſeine Landung zu verheims
lichen, und fich fomohl, als den Uebergang des nadhrüß
kenden Heeres durch ein Lager dicht am Landungsplatz
zu ſichern. Die Furcht vor der Entdeckung war auch ſo
groß, daß er die, bei dem Betreten des diesſeitigen Ufers
zufaͤllig angetroffenen Sclavenhaͤndler ſogar toͤdten ließ.
Das Nachruͤcken mehrerer Truppen erm uthigte erſt
wieder die Uebergegangenen )), und nachdem fe in dem nur
für den Augenblick abgeſteckten Lager **) fich wegen nächts
licher Finfterniß nur kurze Zeit verweilt hatten, fegten
fie fich, von fundigen Wegweifern geführt, — die Reiterei uns
ter Theodofius Befehl an ihrer Spiße, weiter in Bewegung.
Su den Worten: daß die Römer weder Kaftthiere noch
Zelte mitgenommen und der Kater jelhft fich mit einem Tep⸗
pich begnügt habe, kann ich nicht den Ausdruc einer Ent
behrung bei einem fo langen Marfc finden. Die ganze
Unternehmung mußte ja, wenn fie gelingen follte, ſtill in
der Nacht vollbracht werden, und das ift, wie mir fcheint,
deutlich genug gefagt. Von einem bedeutenden Marſch, der
nicht in einem Tage gemacht werden konnte, finde ich
in Ammian eben fo wenig eine Andeutung, als von
einem Doppelten Uebergang zu Mainz und zu Nieders
walluf. Gepaͤck und Zelte waren daher überflüffig,
*) „Adventu itaque plurium copiarum animati.
*+) „Castrisque ad tempus brevissimum fixis, parumper ob
tencbras morati nocturnas,‘*
47
da der Aufenthalt im Lager bei Nacht nur fo Tange
dauerte, bis alle Truppen auf dem Ddieffeitigen Ufer
ordentlich, aufgeftellt waren. Wenn man alfo annimmt,
daß die Schiffbruͤcke, um die Feinde nicht aufmerffam zu
machen, nur in der Nacht begonnen und vollendet wers
den durfte, daß der Uebergang eines anfehnlichen Trups
pencorps einige Stunden dauerte, fo blieb ihnen kaum
fo viel Zeit übrig, um Wiesbaden vor Tages Anz
bruch zu erreichen. Cine weitere Entfernung von Wies—
baden würde der Ausführung ihres Plans gerade am
meiften hinderlich gewefen feyn. — Bei fo forgfältigen Ans
falten und der Nähe des Orts würde Valentinians Uns
ternebmung gewiß gelungen ſeyn, wenn Macrians Leibs
wächter durch Laͤrm und Brand der zügellofen römifcher
Soldaten aufmerffam gemacht, nicht Zeit gefunden haͤt—
ten, ihren König mit fchnellem Fuhrwerf auf fehmalen
Gebirgswegen zu retten.
Bon den engen Gebirgsthälern und jähen Anhöhen,
welche Wiesbaden gegen den Taunus hin umgeben z. 8,
das Nerothal, der Sonnenberger und Naurother Grund ıc.
fann Ammiand Ausdruck «eircaumfracti colles angusto
aditu» recht gut gelten. Unzugänglich konnten fie wohl
nicht gewefen feyn, da Macrian, wahrfcheinlich wegen
Krankheit, zu Wagen dahin gebracht wurde.
Am allerwenigftien dürfen jedoch die aquae Mattiacae
zu Apmannshaufen gefucht werden. Betrachten wir
die Lage dieſes Ortes, welches durch fihroffe Gebirge
dicht an den Rhein gedrängt ift, fo konnte es Valentinian
doch wohl nicht einfallen, bei Mainz mit fo großer Vor—⸗
fiht eine Brüde zu fchlagen, um 7 — 8 Stunden zu
48
Lande zu marfchiren, während er ganz ftill und bequem
zu Schiff dahin gelangen fonnte, wenn er nicht eine Lans
dung von Bingen aus, zwedmäßiger fand. Sehr zu bes
zweifeln iſt es, daß die Aßmannshaͤuſer Quelle von den
Römern benugt war, da fich durchaus feine Spuren von
römischen Gebäuden, wohl aber die Refte der Faf-
fung im Mittelalter dafelbft finden, und nach der von
Bodmann mitgetheilten Urkunde, die Aufſuchung und
Faffung diefer Quelle im Jahre 1489, den erften Unters
nehmern fo viele Mühe und Koften verurſachte. Da fie,
wie es dort heißt: „gelegen ift in dem Ryne.“
Aufferdem giebt Plinius 1. c. ald unterfcheidendes Merk
mal der Mattiafifchen Quellen einen hohen Wärmegrad
und das Abfegen eines Kalffinterd «pumex» am,
Eher fönnte e8 von Ems gelten, wenn nicht die alß
zugroße Entfernung von Mainz entfchieden dagegen fpräche,
Bei der Aßmannshaͤuſer Quelle findet fich jedoch weder
der geringfte Kalkniederſchlag noch ausgezeichnete Hitze, wo⸗
bei man am allerwenigften an des Plinius «iriduo fervet»
denfen kann. Die Wärme diefer Quelle, welche vielleicht
auch in ihren Beftandtheilen mit dem Schlangenbader
Waſſer Aehnlichkeit haben mag, ift fo unbedeutend, daß
in fpäterer Zeit jenes Bad nad) mehreren, natürlich
fruchtlofen und Foftipieligen Verſuchen, die, wie man
glaubte unvermifchte Quelle im Innern des Berges zu
finden, bald gänzlic) verlaffen und der Zerftörung preis
gegeben wurde.
3. G. H ab e
49
4.
Die erfte Verbreitung der Buchdruckerfunft im Her;
zogthum Naſſau, von Herrn Kreisrichter Dr, C. A.
Schaab in Mainz, *) mit Zufaßen von Herrn
Schulinſpector C. D. Bogel in
Schoͤnbach.
Es wird beinahe allgemein von den Bibliographen an—
genommen, daß nach der fuͤrchterlichen Kataſtrophe, wel—
che die Stadt Mainz am W. October 1462 in der Fehde
zwifchen Diether von Sfenburg und Adolph II. von Naſſau
betroffen, die Mainzer Buchdrucker ausgewandert und die
zeither geheim getriebene Kunft in der Nähe und Ferne
verbreitet haben,
Outenberg, der es mit der Partei des Nheingauer
Adels und diefer mit der des Churfürften Adolph IL ges
halten, wurde von ihm auf St. Antonientag den 18. az
nuar 1467 zum adlichen Dienfimann oder Hofcavalier
ernannt. *) Diefer adliche Hofdienft verfchaffte Guten
berg ein gemächliches Leben in feinem Alter, Er hatte
Kleidung und Tafel am Hofe, dagegen mußte er aber
auch dem Hoflager feines Fürften folgen. Adolph hatte
*) Eine Vorlefung, gehalten in der Generalverfammlung des
Bereins für Naflauifhe Alterthumskunde und Geſchichts—
forihung am 28, Mai 1898 im Vereinslokale zu Wies—
baden.
5) Die Urkunde oder der merkwürdige Beſtallungsbrief Er
in Joannis Scrip. Rer, mog. Il. 424
4
50
dad Seinige unter feinen geliebten Nheingauern im Schloß
zu Eltvill. Gutenberg folgte ihm dahin.
In Eltvill wohnten damald die beiden Brüder Heinz
rich und Niclas Bechtermünze auf ihren Gütern. Gie
gehörten zu den adelichen mainzer Patrizier- Familien der
Bechtelmünge oder Bechtelmonze und hatten in Mainz einen
großen Familienhof, genannt zum Frauenftein oder Bech—
telmuͤnze. Er lag auf dem Mainzer Leicjhofe und begriff
die Häufer der dortigen Infel, welche dem Sohannitterhof,
heutigen Geniedirectionsgebäude gegenüber liegt. Sie
waren Patronatsherrn eines Altars in der St. Quintind-
fire in Mainz. Ihr Wappen ſehen wir auf dem Deden-
ftein des Grabes von Jacob Sorgenloch, wovon H. Has
bel im erften Heft der Annalen dieſes Vereins die Zeich?
nung geliefert hat, uud auf dem Grabmal Philips von
Molsberg in der Pfarrkirche zu Bodenheim. Es hat drei
blaue QDuerbalfen im weißen Schild, welche von einem
fchief Tiegenden, weiß und roth gewürfelten Balken durch—
fohnitten werden.
Der ältere Bruder Heinrich Bechtermünze, war einer
der angejehenften Einwohner, der vor 1462 noch freien
Stadt Mainz. Schon im Jahre 1442 erfcheint er als
Schöffe mit dem Bürgermeifter der Stadt und fechs ans
dern Schöffen zur Entfcheidung eines Streites über eine
Gülte von dem in der Bebeldgaffe gelegenem Haufe zum
Strauß. Seine Frau war Grethe aus der angefehenen
Familie der von Schwalbah. Mit ihr hatte er einen
Sohn Johann und eine Tochter Elfe oder Eliſabeth.
Diefe verheirathete er im Sahre 1464 an den in Eltvill
ebenfalls wohnhaft geweſenen Jacob Sorgenloch, genannt
51
Genßefleiſch, von deſſen merkwuͤrdigem Grabdeckenſtein ich
im erſten Heft der Annalen eine kurze hiſtoriſche Beſchrei—
bung gegeben. Durch dieſe Heirath eines Verwandten
Gutenbergs mit der Tochter des Heinrichs Bechtermuͤnz,
kam Gutenberg in Verbindung mit dieſem und als er im
Jahre 1467 nach Eltvill gekommen, mag er bei ihm ſein
Abſteigequartier genommen haben, beſonders da ſie in
gleichem Alter moͤgen geweſen ſeyn.
Eltvill liegt nur 2 Stunden unterhalb Mainz am
Rhein und unſerm Gutenberg war es ein leichtes, ſein
ſaͤmmtliches Druckgeraͤth oder ganze Buchdruckerei, ohne
viele Koſten auf dem Rhein dahin bringen zu laſſen, was
er auch wirffich that. N
Gutenberg war alt und Fonnte oder wollte fich nicht
mehr felbft mit dem Drudgefchäft abgeben. Die Folge
beweift e8, daß er den Heinrich Bechtermünz, vielleicht
auch deffen Bruder Niclas darin unterrichtet und ihnen
die ganze Druckerei überlaffen habe. Diefe Ueberlaffung
fonnte jedoch nur nußnieplich und nicht in Eigenthum
gefchehen feyn, weil diefes nicht ihn, fondern dem mains
zer Stadtfindifus Dr. Humery zugeftanden, welcher,
nachdem Gutenberg feine Druckerei durch den Prozeß mit
dem Johann Fuſt verloren, das Geld zur Anfıhaffung
einer neuen hergeſchoſſen hatte,
Heinrich Bechternunz farb fchon nach einem halben
Sahre, am 4 Idus Zuli 1467. Bodmanı*) fagt, ver
babe feine Grabjtätte in der Pfarrkirche zu Eltvill gefuns
den, wo auc noch das ihm errichtste Denkmal zu feben
*) Rheing. Alterth. I, 134,
52
jev.» Sc, habe mit dem Heren Pfarrer und Dechant
Euler die ganze Kirche und ihre Grabfteine durchfucht,
wir haben es aber nicht gefunden. Das Drudgefchäft
wurde durch Niclas Bechtermuͤnz und einen andern Ade—
lichen mit Namen Wiegand Spies von Ortenberg fort
geſetzt. Auch diefer gehörte zu den alten mainzer adelichen
Patrizier Gefchlechtern. Er war mit Niclas Bechtermüngz
Gerichtsfchöffe in dem eine Stunde von Mainz gelegenen
Ort Hechtsheim und feine Familie befaß das bei der St.
Duintins- Pfarrkirche zu Mainz gelegene Haus zum Or
tenberg. Bodmann hat in feinen rheing. Alterth, 9) eıs
nen Abdruck feines Familienfiegels geliefert. Sm Schild
fuhrten fie einen Spieß.
Das erſte Drucwerf, welches Niclas Bechterminz
und Weigand Spies fchon am 4. November 1467, folg>
lieh im erjten Sahre der KEtablirung von Gutenbergg
Drucderei in Eltvill und vier Monate nad) Heinrich Bech—
termin; Tod, lieferten, ift das berühmte Vocabularium
latino teutonicum, Da es das erfte Buch ift, welches
in dem jekigen Herzogthbum Naſſau gedruckt worden, fo
werde ich dabei etwas ausführlicher werden Es ift in
Tangen Zeilen auf 165 Blättern, wovon jede Seite 34 Zei⸗
Ien hat, in 4. gedruct und zwar ohne alle Signaturen,
Kuftoden, Blattzahlen und Imnitialen. Es ift ein Auszug
aus Gutenbergs Catholicon vom Jahre 1460 und augens
fällig mit den nämlichen Lettern gedruckt, Der ruſſiſche
Staatsrath Fifcher, ehemals Bibliothefar in Mainz, bat
in feinen typographifchen Seltenheiten, am Ende der ers
*) 1 136.
93
ften Lieferung mehrere Zeilen des Catholicons und Dies
fe8 Vocabulariums unter einander abdruden laffen, um
die vollfommme Gleichheit der Lettern zu beweifen. Es
ift das erfte Buch, welches aus Gutenbergs Preffe mit
dem Namen der Druder, mit Angabe ded Druckorts und
des Druckjahrs, folglich mit einer vollftändigen Datirung
erjchienen ift, und zugleich das Fleinfte aller bis jekt ge
druckten Bücher, da alle andre in Folio-Format find,
Die erfte Zeile lautet: Ex quo vocabulari varii etc,
und wegen diefem Anfang nennt man ed jett allgemein
das Vocabularium ex quo. Seine merkwürdige Schluß—
fchrift fteht auf der Ruͤckſeite des 165ten oder letzten
Blattes und lautet:
Presens hoc opusculum non stili aut penne suffragio
sed noya arlificiosaque inventione quadam ad eusebiam
dei industrie per Henricum Bechtermunze pie memo-
rie in Altavilla est inchoatum et demum sub anne
Dni. MCCCCLXVij ipso. die leonardi confessoris, qui
fuit quarta die mensis novembris per Nicolaum Bech-
termunze fratrem dieti Henerici et Wygandum Spietz
de Orthenberg est consumatum, dann folgen noch vier
aus der: Schlußfchrift de Catholicons entlehnte Verſe.
Nach, diefer Schlußfchrift dat alfo der verftorbene
Heinrich Bechtermuͤnz dad Werf zu Eltvil zu drucken ar
gefangen und es iſt auf Leonardustag — 4. November —
1467, durch Niclas Bechtermünz, Bruder des verlebten
Heinrich und durch Wiegand Spies von Ortenberg beens
digt worden. Diefe Schlußjchrift. beweift zugleich, daß
Anfangs dag Druckgeſchaͤft nur dem Heinrich Bech—
termuͤnz von Gutenberg war uͤberlaſſen, und erſt
51
nach deſſen Tod von feinem Bruder Niclas, mit Wie
gand Spies davon Belis genommen worden; fie beweift
ferner, daß drei adliche angefehene Männer, die adliche
Gerichtsfchöffen gewefen, fich nicht fcheuten, Buchdruder
zu ſeyn und öffentlich ihre Namen unter ihre Werfe zu
ſetzen.
Nur ein einziges Exemplar von dieſer erſten Auflage
des Vocabularium ex quo iſt bekannt. Es befindet ſich
in der koͤnigl. Bibliothek zu Paris. Nach einem Schrei—
ben des Herrn van Prät*) erſten Bibliothekars Dies
fer Bibliothef, hatte es der befannte gelehrte Anz
tiquar Herr von Huͤbſch zu Köln befeffen und im Sabre
1785 an die Fonigl. Bibliothek zu Paris, nebft zwölf anz
dern Ausgaben des 15ten Zahrhundertd von geringem
Werth, für 720 Liver verfauft. Es ift auf Papier ges
druckt und feine Smitialen find mit Gold- und GSilbers
farben illuminirt. Der berühmte Bibliograph Zaire hatte
es bei Huͤbſch in Köln gefehen und bielt es für eine
zweite Auflage des großen Gutenberg’fchen Eatholicons,
Diefen Irrthum bat ihm Panzer in feinen Annalen *%
nachgefchrieben.
Gutenberg erlebte noch die Freude, diefes Werf aus
feiner Preffe zu Eltvill erfcheinen zu fehen. Seine Tage
gingen zu Ende, Er ftarb bald darauf und am 24. Fer
*) Er fhrieb mir am 15. Suni 1825: L’exemplaire, que je
crois unique nous vient du Baron de Hübsch amateur de
Cologne , qui nous l’a vendu 17838 — 720 liv, avec ı2 au-
tres editions du 15, siccle de peu de valeur,
*) IL 117.
95
bruar 1468 war er nicht mehr. An diefem 24. Febr. 1468
ftellte der mainzer Stadtfindifus Dr. Humery dem Churs
fürften Adolph II, einen Revers aus, wodurch er befennt,
das Druckwerkzeug, weldyes Johann Gutenberg nad) feis
nem Zod binterlaffen, erhalten zu haben. Diefen Revers
bat ung der mainzifche Geſchichtsſchreiber Soannis N
aufbewahrt. Durch eine befondere Uebereinfunft mit dies
ſem Dr, Humerp, die wir aber nicht Fennen, muß jes
doch, die Öutenbergifche Druderei dem Niclas Bechtermüng
zu Eltvill mit Ausſchließung des Wiegand Spies und der
Kinder von Heinrich Bechtermuͤnz in Eigenthum übers
faffen worden ſeyn. Diefe Ueberlaffung konnte nur mit
Bewilligung des Churfürften Adolph gefchehen, weil
ſich Humery in dem, diefem Churfürft am 24. Febr. 1468
ausgeftellten Nevers verpflichtet gehabt, daß, wenn er
Gutenbergs Drudgeräthes fich nicht felbft bedienen wolle,
es nur in der Stadt Mainz und nirgends anders gefches
ben, wenn er es aber verkaufen werde, der in Mainz
wohnende Bürger bei gleichem Gebote den Vorzug haben
folle. DVermutblich willigte der Churfürft um fo eher ein,
weil die Bechtermuͤntze zu einer alten Patrizier -Famikie
von Mainz gehörten, darin ein eignes großes Haus hats
ten, allda Bürger gewefen und nur augenblicklich fich in
Eltvill aufhielten. Wirklich fahen wir auch fchon im
Suni 1469 aus des Niclas Bechtermuͤnz Druderei zu Elts
vill und mit Gutenbergs Lettern eine zweite Auflage ded
Vocabularii ex quo unter der alleinigen Unterfchrift
des Niclas Bechtermünz erfcheinen. Auch diefes hat wies
*) Scrip, rer. mog, IH, 44
56
der 165 Blätter und die ganze Einrichtung der erften Aufs
lage. Die Schlußjchrift des legten Blattes lautet:
Presens hoc opusculum non stili aut pene suf-
fragio sed nova artificiosaque inventione quadam ad
euscbiam dei industrie per Nicolaum Bechtermuntze
in Eltvil est consumatum sub anno Dni MCCCCLXIX
ipse die Sancti bonifacii, qui fuit quinta die mensis
Junii,
Dann folgen die Verſe der erften Auflage aus dem
Catholicon, Bon diefer zweiten Auflage des Vocabula-
rii ex quo fennt Lambinet in feinem Origine de
V’imprimerie I. 193 nur 4 Eremplare; 1. das zu Paris
in der Föniglichen Bibliothek, welches aus der Mains
zer Univerfitätsbibliothef dahin gefommen fey; 2. das
des Herzogs von Sachjen- Gotha; 3. das des Lords
Spencer auf feinem Landſitz zu Althorp, und 4. das
des Herzogs von Malbrouc zu Blenheim in Engs
land. Herr Bibliothefar Wyttenbach zu Trier hat
mich von einem fünften benachrichtet, welches fich in der
dortigen Stadtbibliothek befindet.
Eine dritte Auflage des Vocabularii ex quo mit
einiger DBerfchiedenheit der Schrift erfolgte am 12. März
1472.*) Die Endfchrift fteht wieder, wie bei den zwei
vorherigen Auflagen auf der Ruͤckſeite des legten oder
165. Blattes und lautet:
Presens hoc opusculum non stili aut penne suf-
*) Herr von Prat fagt in feinem Schreiben vom 15. Iuni
1825 ıc. Cette editiva, que possede ausi la Libliotheque
du Roi est imprimee avec un Caracterc different, mais
approchant ä celui de deux edilions precedentes,
57
fragio sed nova artificiosaque inventione quadam ad
eusebiam dei industrie in Eltuil est consumatum,
Sub anno Dni MCCCCLXXi) ipso die Gresorii Pape
et doctoris,
Dann folgen noch neun Verſe, welche ſich in den zwei
erften Auflagen nicht befinden. Herr von Prät hatte die
Güte, fie aus dem Eremplar der Fönigl. Bibliothek zu
Paris abzufchreiben und fie mir mit feinem Brief vom
15. Suni 1825 zuzuſchicken.
Sonderbar it ed, daß in dieſer Schlußfchrift der
Druder nicht genannt it, da Niclas Bechtermuͤnz doch in
ber 4ten Auflage vom Jahre 1477 wieder fich als Druk
fer nennt, Daher auch nicht zu zweifeln ift, daß er auch
von dieſer dritten Auflage der Drucker geweſen iſt. Das
in der koͤnigl. Bibliothek zu Paris befindliche Exemplav
iſt zu Anfange der Revolution aus dem Kloſter St. Vic—
tor allda dahin gebracht worden. Ein zweiteres Exem⸗
plar habe ich bei Herrn Dr. Klos in Frankfurt ges
ſehen.
Die vierte und letzte Auflage des Vocabularii ex
quo erfolgte in Eltvill zwei Tage vor dem Schluß des
Sahres 1477. Sie hat 171 Blätter, folglich ſechs mehr,
ald die vorherigen Auflagen. Die Endfchrift lautet:
Presens hoc opusculum non stili aut penne suf-
fragio sed nova artificiosague invencione quadam ad
eusebiam dei industrie per. Nicolaum Bechter-
munze in Eltuil est consumatum sub anno domini
MCCCCLXXVI ipso die sancti Thome Apostoli
quod fuit sabato die XXIX mensis decembris,
Hier nennt fich wieder Niclas Bechtermuͤnz als
38
Drucker und Bodmann irrte fich im feinen rheing. Alters
thuͤmern I. 136 zum wenigften in dem Jahre, wenn er
jagt: die weitläuftge Theilungsurfunde des Vermögens
von Niclas Bechtermünz vom Sahre 1476 beweife, daß
e8 beträchtlich gewejen und da er ohne männliche Leibes—
erben geftorben, an die Kinder feine Bruders gefallen
fey. Die Fönigl. Bibliothek zu Paris befist Fein Exemplar
diefer Auflage. Dagegen befindet fich das des Klofterg
Weſobrun in der füniglichen Bibliothek zu München und
ein zweites in der des Herzogs von Sachfen » Gotha.
Mit diefer vierten Auflage endigte ſich die zehnjährige
Thätigkeit der Eltviller Bechtermünz’fchen oder Gutens
berg’schen Druderei. Hans Bechtermuͤnz, eim Sohn des
Heinrichs, ftarb am 5. Auguft 1483, vermuthlich war er
e8, dem die Drucderei nach feines Oheims, des Niclas
Bechtermüng Tod, zugefallen. Seine Erben follen nad,
Bodmann *) diefelbe an die Kogelherrn zu Marienthal
verkauft haben.
Einige Sabre früher als Gutenberg nach Eltvill ges
fommen und feine Drucerei dahin gebracht, hatten fich
einige Geiftliche in deffen Nähe niedergelaffen, welche
gewiffe Lebensregeln befolgten, die ihnen allgemeine Liebe
und Achtung erwerben mußten. Sie waren feine Mönche
von der Art der gewöhnlichen italienifchen Mönchsinz
ftitute, Die ein blos contemplatives Leben führten, fie
ſuchten überall nüßlicdy zu werden. Nach den Bechters
muͤnzen wurden fie die zweite Buchdruckferfamilie des jeßis
gen Herzogthums Naſſau. Sch werde daher einige Worte
*) Rheing. Alterth. I. 136,
99
über ihr. Entftehen und ihr Erfcheinen im Diefer Gegend
fagen.
In der zweiten Hälfte des vierzehnten Sahrhunterts
hatte fich in den Niederlanden diefes geiftliche Inſtitut ges
bildet, welches fich bald in Deutfchland und die benachbars
ten Ränder verbreitete. Deffentlicher Unterricht der Suaend
und Abfchreiben alter Handfchriften war der Zwed ihrer
Ssnftitution. Die Tugenden und Talente ihrer Glieder
verfchafften ihnen bald Gelebrität. Gerard de Groot —
der Große — Gerardus magnus — geboren zu Deven>
der im Sahre 1340, aus einer fehr reichen Familie, war
der Stifter diefes Inftituts. Nach dem Beijpiele des hei>
ligen Augufting ließ er feine Schüler ein gemeinfchaftliches
Leben führen. Ohne an ein Gelübde gebunden zuZfey,
lebten fie wie die Apoſtel und erften Schuler unferd Hei
lands. Alle follten nur einen Willen haben und feiner
etwas eigenthuͤmliches für fich befigen. Abfchreiben von
Manuferipten follte ihre Hauptbefchäftigung feyn. Gerard
Groot fagte ihnen, daß der Hang, Bücher der Gelehrs
ten zu fammeln, mehr werth fey, als alle Schäße der
Erde. *) Der Ertrag diefer Arbeit floß in eine gemein
fame Kaffe, **) daher fie auch den Namen der Brüder
*) Thomas aKempenis in ©. Operib. III. Edit. Colon, 1728. 14,
fagt von ihm: „inerat ei infatigabilis aestus colligendi li-
bros doctorum , plusquam thesauros denariorum.
**) Die Chronit von Windesheim, welhe Johann Bur
ſchius herausgegeben, fagt ©. 6. Prelium laborum ma-
num suorum de singularium scripturis, septimanatim exac-
tum in bursam communem reponentes,
60
des gemeinfchaftlichen Lebens — fratres com-
munis vıtae — annahmen. Sie wohnten beifammen uns
ter dem Gehorfam eines Nectors. Ihre Kleidung war die
ihres Stifterd, naͤmlich ein einfacher grauer Rod mit eis
nem Gürtel, einer langen Kapıze und einem runden bos
ben Hut, welchen man wegen feiner Form Kogel nannte,
daher fie jelbE im der Folge Kogelherrn genannt
Wurden.
Erft nach dem Tode des Stifterd, welcher am 20. Aus
guft 1354 erfolgte, errichtete fein Nachfolger die Haupts
congregation zu Windesheim im Herzogthbum Gueldern
and von hieraus wurden Kolonien in nahe und entfernte
Länder abgejendet. Kine folche Kolonie beftand auf den
Weidenbach in Köln und von diefer haben im Sabre 1463
die Patronatsherrn des Klofter Marienthal oder nach
dem gemeinen Sprachgebrauch Mergenthal, mit Bewils
ligung des Erzbiſchofs Adolph IT. einige Brüder begehrt
und ihnen Diefes Kloſter mit allen feinen Nenten und Bes
fisungen übergeben.
Das Klofter Marienthal ift im Rheingau, eine Stunde
von Geifenheim im Sohannisberger Grund in einem fdjös
nen Thal an der SKlingelbach gelegen und bat feinen
Namen von einem Marienbild, welches allda in einem
Bildſtock an der Kreuzftraße gejtanden hatte. Im Jahre
1313 baute Junker Hans Schafreit ber diefen Bildſtock
eine Kapelle, feine Nachfommen ein Klofter und behielten
fih das Patronatsrecht vor.
Im Jahre 1471 waren e8 vier Priefter des gemein—⸗
ſamen Lebens, welche es bewohnten und mit dergleichen
Haͤuſern in Königftein uud Butzbach in Verbindung flans
61
den. Die Epoche ihrer Niederlafjung in unfrer Gegend
war für diefe Geiftlichen nicht die gunftigfte. Die Quel—
len ihres Hauptnahrungszweiges waren durd) die erfuns
dene Buchdruckerkunſt verjiegt. Manuferipte, vorher bei
uns fo fehr gefchäßt und mit hohen Preifen bezahlt, wurs
den nicht mehr gefucht und durch ihr Abfchreiben war
nichts mehr zu verdienen. Peter Schöffers Preffen in
Mainz und Gutenbergs Preffen in Eltvill waren in
voller Thätigfeit und hier galt: imprimit ille die, quan-
tum non scribitur in anno, Die thätigen Geiftlichen
in Marienthal blieben nicht lange in DVerlegenheit. Gu—
tenbergs Preſſe befand fich in Eltvill, eine Stunde von
ihrem Klofter entfernt. Sie hatten den Mechanismus die—
fer neuen Kunft kennen gelernt, und waren vernünftig
genug, den davon zu erwartenden Vortheil zu berechnen,
Gewiß haben fie Gutenberg felbft und feine Mitarbeiter
die Bechtermünger gefprochen. Im Umfange ihres Kilos
fters fehlte e8 ihnen nicht an einem zur Anlegung einer
Druderei ſchicklichen Lokale. Die Trucgeräthe Fonnten
fie fic) nad) und nach verfchaffen. Zwei Alphabete von
Lettern verfchiedener Größe reichten für den Anfang
bin,
Nach Herren Fischer ) fol fchon im Sabre 1468 aus
ihrer Preffe ein Werfchen von 12 Folioblättern erfchies
nen feyn, welches auf der Nückeite des erften Blattes
mit den Worten anfängt: Copia indulgentiarum de in-
stitutione festi presentationis beate marie per reve-
rendiss. dum, Adolfura Archiepiscopum moguntinum
*) Typographiihe Seltenheiten Lief, VI, ©. 128.
62
concessarum, — datum in civitate nostra moguntina
die penultima mensis Augusti Anno Dni Millessimo
quadringentessimo sexagesimo octavo, Von einem ans
dern, nämlich: Gerson de preceptis decalogi in 4, bez
hauptet Herr Bodmann*) aus der Achnlichkeit der Let⸗
tern, es fey zu Marienthal gedrudt worden. Beide
Werke find ohne Datirung und ich laſſe es dahin geftellt
feyn, ob die Herren Fifcher und Bodmann Recht haben.
Das größte Werk diefer Kogelherrn, bei dem eine
vollftändige Datirung der zuverläffige Beweis feiner Aus
thentif it, erjchien am 27. Februar 1474 mit der Unter;
fchrift: Subjectum Volumen psalterii breviariique mo-
guntinensis impressoriae artis industria perfectum
est in domo fratrum clericorum communis vitae Valis
Sancte Marie ejusdem dioecesisin Rinkauia Anno Dni
1474 Sabato post reminiscere. in 4. Es ift die erfte
Auflage des Mainzer Breviers, ohne Blattzahlen, Sig—
naturen, Kuftoden und Snitialen, in langen Zeilen, 28
auf jeder Seite und 314 Blätter gedruckt. Die Typen
haben in ihrer Form etwas eigens charafterijtifches, das
man weder in Gutenbergs, noch in Fuſts und Schoͤf—
fers Dffteinen findet und gehören zu zwei Alphabeten,
einem größeren und einem kleineren. Obſchon fie viele
Aehnlichfeit mit denen von Öutenbergd Catholicon und
von Fuſts und Schoͤffers Duranti Rationale haben, fo
find fie doch fchöner als jene und fchlechter als diefe.
Die Datirung dieſes Buchs fteht nicht, wie in dem
zeither aus Gutenbergs, Fuſts und Schoͤffers Officinen
*) Rheing. Alterth. J. 218.
63
erfchienenen, am Ende, fondern am Anfange und lautet
in fünf Zeilen wörtlich, wie ich fie oben angeführt habe.
Die Mainzer Stadtbibliothek bejigt dieſes feltene Werk feit
einigen Jahren. Ich hatte es im Archiv des St. Peterftifts
entdeckt und veranlapt, daß «8 der Stadtbibliothek um einen
billigen Preis überlaffen wurde. Sein Papier bat die
achtblätterige Nofe zum Papierzeichen. Außer dem Mains
zer Eremplar kennt man noch zwei auf Papier. Eines
in der Bibliothef des Grafen Razoumoffsky zu Mos⸗
kau, welches Herr Fifcher in feiner Notice des monu-
ments typographiques, qui se trouvent dans la Biblio-
theque de Mr, le Comte Razoumoffsky *) befchrieben
bat, ein andres in der Stadtbibliothek zu Frankfurt,
weiches ſonſt dem dortigen St. Bartholomeus- oder
Domftift gehörte. Eilf Blätter von einem unbekannten
Eremplare auf Pergament befinden ſich in der koͤnigl.
Bibliothek zu Paris **) und beweifen, daß auch dergleiz
hen find gedruckt worden.
Bodmann fpricht in feinen rheingauifchen Alterthuͤ⸗
mern * von einer andern Auflage dieſes Werks, welche noch
unbekannt ſey und wovon Herr Kirchenrath Dahl in Darm⸗
ſtadt ein Exemplar beſitze. Ich habe meinem verehrten
Freunde das auf der Mainzer Stadtbibliothek befindliche
gezeigt, und er hat mir zugegeben, daß das Seinige, wels.
ches er nicht mehr beſitzt, die naͤmliche Auflage, und an
ihm das erſte Blatt, welches die Datirung und Vorrede
*) Moskau 8, ©. 6.
**) Catalog. de liv, imp, sur. Vel, de la Bibl. du Roi à ParisI,
204.
**%) ], 218,
64
entbalte, fammt den ſieben folgenden Blättern des Kalens
ders berausgerifjen geweien Herr Bodmann behauptet
noch, *) dag die Marientbaler Kogelberrn nach dem Tode
des Johann Bechtermuͤnz, Sohn von Heinrich Bechter-
muͤnz und Erbe des Niclas Bechterminz, welcher am
5. Auguft 1483 erfolgte, von deifen Erben die ganze Gus
tenbergijche Druderei erfauft und fie im Sabre 1508 an
Friedrich Haumann von Nürnbera, Buchdruder zu
Mainz, im Kirfchgarten wohnbaft, überlaffen bätten. Er
beruft jich desfalls auf eine ungedrudte Urfunde, die er
aber nirgends geliefert und die ich unter feiner Urfuns
denjammlung nicht gefunden, obſchon ich darauf meine
bejondere Aufmerfiamfeit gerichtet batte. Diefer Frie⸗
drich Haumann oder Heymann hatte wirklich in den Jah—
ren 1509 und 1510 eine Buchdruckerei im Haus zum
Sauloͤffel im Kirſchgarten zu Mainz, und mebrere Werke
allda gedruckt. In dieſem Haus will noch im Sabre 1604
der Mainzer Gejchichtichreiber Serarius in der Druk
ferei von Albinus, die Gutenberg’schen hölzernen Bud;
ftaben geichen babe.
In der eriten Hälfte des fechzehnten Jahrbunderts vers
liegen die Kogelberrn das Klofter Marienthal und ſchon
im Jahre 1540 war ed mit regulirten Chorberrn der Ca—
nonie Dfaffenichwabenbeim bejegt. Im Sabre 1585 nahm
es der Churfürft Wolfgang von Mainz in Befig und gab
dem einen von den zwei noch übrigen Chorberru von Pfafs
fenfchwabenbeim die Pfarrei im Ort Sobannisberg, den ans
dern verjegte er nad) Erfurt. Der Gottesdienft verfiel
) Rheing. Alterth. I. 218
65
dadurch ganz in der Klofterfirche bis zum Jahre 4612,
als der Churfürft Johann Schweickard von Kronenberg das
verlaffene Klofter den Jeſuiten zu Mainz fchenkte, welche
es big zu ihrer im Sabre 1774 erfolgten Aufhebung bes
faßen. Darauf wurde der Reſt des Klofters öffentlich,
verfteigert ımd dem Bevollmächtigten des Grafen von
Dftein zugefchlagen. Von diefem Fam e8 an feinen Haupt
erben, den Herrn von Dalberg, Das Kogelhaus war
fhon im Jahre 1624 abgebrannt. Die Refte der Kirche
find dem Freunde alter Denkmäler der Kirchenbaufunft
des Mittelalters jest noch merfwürdig, An dem Portal
hat der Steinhauer die Empfängniß der heiligen Sungs
fran Maria durch den in der Geftalt einer Taube fliegen»
den heiligen Geift, wie bei dem Portal der prächtigen
Satharinenfirche zu Oppenheim vorgeftellt, nur geht hier
der h. Geift durch das Ohr und dort durch die Stirn ei,
Das Gnadenbild, welches im Bildftod geftanden und die
Veranlaffung zur Erbauung. der Kirche und des Klofterd
gegeben, ift nad) der Aufhebung des Sefuitenordens in
die Pfarrfirche nach Geifenheim gebracht worden, wo ed
ſich noch befindet,
Die dritte Druckerei im jegigen Herzogthum Naſſau
wurde zu Oberurfel in der zweiten Hälfte des 16ten
Sahrhunderts errichtet. Sch habe nur erfahren fönnen,
daß im Jahre 1590 ein gelehrter Wirtemberger mit Nas
men Nicodem Frifchlin eine Buchdruderei allda errichtet,
welche bis zum dreißigjährigen Krieg beftanden, wo Ober:
urfel in den Sahren 1692 und 1645 verbrannt und vers
wüftet worden. Die meiften Drude erfchienen auf Be
ſtellungen und Koften von Frankfurter Bürgern, Dahin
5
66
werben gezählt: Porta menfchliche Thierphyſiognomik. In
flein 4. Marc Antonii Mureti Örationum Ursellis 1619
2 Theile in 8. Commentationes physicae et meta-
physicae a fratre Aegidio Romani, Apud Cornelium
Sudorem Impensis Jonae Rhosii Francofurli ad Moe-
num, Ursellis 1614. 8. Hummel *) jagt, daß zu Urfel
im Sabre 1559 des Silvani Sendfchreiben an Scalis
chius mit Beyer’s Vorrede jey gedrudt worden. Die
Zeit des Beſtehens diefer Druderei und ihre Verhältniffe
Fonnte am zuverläffigften aus den Datirangen der dort
gedruckten Bücher berichtigt werden. Man darf fich übris
gend nicht darauf verlaffen, daß, wenn auf einem Buche
der Drudort Urfel angegeben ift, immer das Herzoglid)
Naſſauiſche Landftädtchen Urfel oder Oberurſel ger
meint fey, denn es giebt andere, welche zu Urfel an der
Matt in der Schweiz gedrucdt find. Herr Kirchenrath
Dahl, mein alter Freund, war in feinen jüngern Jah—
ren Kaplan zu Oberurſel und hat mir erzählt, daß zu
feiner Zeit fich eine bedeutende Anzahl von Büchern int
Pfarrhaus befunden, welche allda gedrudt worden. Ich
habe mich deßfalld an den dortigen Herrn Pfarrer durch
ein Schreiben gewendet, aber feine Antwort erhalten,
>) Neue Bibliothek. 565.
67
AL aban BET: 1ER Ser ae IT
von Herrn Schulinfpector und Pfarrer
Vogel in Schönbad.
AS eine kleine Nachlefe zu dem vorftehenden fchäßs
baren Aufjage liefere ich hier noch folgende Beiträge zur
Gefchichte der Buchdruckereien im Herzogtum Naffan.
ar De eier!
findet ſich 1558 fchon eine Buchdruderei. Die fehr gute
und genaue Collectio omnium librorum, qui ab anno
1564 usque ad 1592 editi, venales exstiterunt, von
N. Baſſaͤus, (Frankf. 1592 2 Thl. 4.) zählt fehr viele
Bücher auf, die dafelbft 1568. 70. 71. 72. 73. 74.
75. 85. 89. 91. gedruckt worden find. Es find meiftens
proteftantifch -theologifche, wie fich denn Oberurſel mit der
Umgegend von cc. 1530 bis 1604, d. 12, Auguſt zur evan⸗
gelijch > Tutherifchen Gonfeffion befannte. 1594. 1599. 1606
beitand die Druderei noch. Die Titel der folgenden drei
Gelegenheitsfchriften machen ung auch mit dem Namen
des Buchdruders befannt. Sch feße fie vollftändig her,
weil fie nebenbei einen Beitrag zur Naffauifchen Ge
ſchichtsbibliothek Tiefern.
(Dr. Chph. Pezels) Leichpredig bei dem Begräbnuß
weiland der Durchleuchtigen, Hochgebornen Fürftin
vnnd Frauwen, Frauwen Elifabetba, gebornen Landt-
gräfftn zu Leuchtenberg, Gräffin vnnd Frauwen zu
Naſſauw. Gefchehen zu Dillenberg den 11. Sul
Anno 1579. Vrſel gedrudt bei Nicolaus Hen
ricus. 1579. 4.
68
Leichpredigt zum Begrebnus des Wolgebornen Grauen
ond Herrn, Herrn Gorgen, Grauen zu Xeyningen,
Herrn zu Weſterburgk vnd Schaummburgf, des heil.
Roͤm. Reichs Semper Freyen. Gebalten durch M.
Sonam Schwengf, Gutensbergern, diefer zeit Pfars
berrn zu Wefterburgf. den 6. Aprilis. Getrucdt zu
Brfel, durd Nicolaum Henricum 1586. 4.
Sobann Wilhelm Rofebachd Cer war von Fried—
berg gebürtig, und fand 1604 als Pfarrer zu Ansbach
im Amte Ufingen) fchöne Comedi vom Gottsfürchtigen
Tobia, Graff Ludwigen von Naſſauw vnnd feiner lies
ben Gefponft Fräulein Anne Marie, Landgräffin zu
Heffen, zu unterthänigen Ehren gemacht, Brfel durch
Nicolaum Henricum. 1589. 4.
nie 2,5 OR,
Als Graf Sohann der Aeltere von Naffaus
Gagenellenbogen, der unter den vielen guten Regenten
des Naffauifchen Haufes zu den augsgezeichnetften gehört,
ein Bruder des großen Wilhelms I. von Dranien, des
Befreiers der Niederlande, feinen lange mit Wärme 9%
hegten und mit Eifer vorbereiteten Plan, feinem Lande
durch Anlegung einer höheren wiffenfchaftlichen Bildungs»
anftalt eine fefte Grundlage zur Beförderung geiftiger
Gultur in allen Zweigen des Lebens zu verichaffen, in
der Stiftung der hohen Schule in Herborn vollendet
hatte; war es ihm eine befondere Angelegenheit, den
Kreis der Wirkſamkeit feiner neuen Anftalt durch Anle—
gung einer Buchdruckerei möglichit auch nach Außen zu
verbreiten. Er fchloß deshalb am 25. Suli 1585 mit
69
dem Buchdrucker Chriſtoph Gorvin oder Raab in
Frankfurt einen Gontract ab, der fchon im Herbfte dies
fe8 Jahres mit vier Preflen in Herborn anfam, und
jährlich 50 fl., 20 fl. Hauszins, 16 Wagen Holz, 2 Kars
ren Heu, 1 ®arten und Schagungsfreiheit für fich und
ſechs Druckergehuͤlfen vom Grafen erhielt. Corvin war
als Gelehrter und Kunſtfreund gleich achtungswerth und
eine Zierde der neuen Anſtalt, darum theile ich folgende
gedraͤngte Nachrichten uͤber ſein Leben mit.) Er wurde
geboren 1552. in Zuͤrich, wo ſein Vater Georg Corvin
ſchon als Buchdrucker lebte. Dem Gymnaſium dieſer
Stadt verdankt er ſeine erſte Bildung. Seine weiteren
wiſſenſchaftlichen Studien trieb er von 1567 an, auf der
Univerfität Heidelberg, und dann von 1572 an, in Wit⸗
tenberg. Um der Buchdrucerfunft willen, die er nums
mehr zum Hauptgefchäft feines Lebens wählte, ging er
1574 nad; Wien. Bald nachdem er nach Haufe zuruͤck—
gefehrt war, zog er mit feinem Vater nach Frankfurt a. M.,
wo dieſer fein Gefchäft etablirte, vieles druckte und einen
guten Verlag befam. Bon da wurde er 1585 nad) Hers
born abgerufen. Hier Faufte er fich 1590 ein Haus mit
einem Garten auf dem Ziegenberg von Wilhelm Muderg-
bach, das einft ein adeliger Burgfiß Cvorm. der Wolfs⸗
fchl von Voitsberg ) gewejen war, und nun der ©iß eis
uer der beften Buchdrucfereien wurde, die jemald im
*) Diefe find entlehnt einer Fleinen Schrift unter bem
Titel: Viro clar. typographo sui temporis doctissimo C.
Coryino etc, monumentum p, Justus Reifenberg U. J, D,
Herbornae, 1620, 4.
70
Lande gewefen find. ) Corvin drudte fehr viel, denn
feine vier Preffen waren ftets im Gange. Nach einem vor
mir liegenden catalogus librorum tam latinorum quam
germanicorum Chph, Corvini, typographi Herbor-
nensis, typis editoram et apud heredes ipsius vena-
lium, 1652, 4. beftand fein Verlag aus 165 lateinischen
und 77 deutfchen oder zufammen 242 Büchern, worunter
vorzüglich die Schriften unfrer literarifchen Kraftmänner
der damaligen Zeit, des Johann Heinrich Alfteo, So:
bannes Althus, Matthias Martinius, Caspar Dleviar,
Georg Pafor, Johannes Heidfeld, Sohannes Piscator
und Wilhelm Zepper mit begriffen find. Das berühms
tefte Werf feines DVerlags iſt die Bibelüberfegung Piscas
tord, die mit der Goncordanz in 7 Quartbänden 1602.
1603. 1605. 1606 und 1624 erfchien. Auch haben deffen
Gommentarien über das alte und neue Teftament, eins
zeln in Sund zufammen in 2 Folianten gedruct, eine jehr
weite Verbreitung gefunden. Die Sphinx theologica et
philosophica unſeres hochwuͤrdigen Pfarrers Joh. Heids
feld in Ebersbach, erlebte von 1600 bis 1631 9 Auflas
gen und hatte befonders einen fo jtarfen Zug nad) Eng»
land, daß Corvin faum Exemplare genug druden fonnte. —
Die meiften aus der Corviniſchen Dfftein ausgegangenen
Bücher, zeichnen ſich durch typographifche Schönheit und
Nettigfeit aus. Vor mir liegen: Joh. Goeddaei com-
mentarius de contrahenda etcommittenda stipulatione.
Sigenae Nassoviorum ex oflcina Chphri Corvini 1596,
*) Das Haus fteht noch und gehört jegt den Erben des
feel Prof. Dresler.
71
8. und Joh, Piscatoris ad Conr. Vorstii Saxasceven
responsio apologetica, Herbornae, 16135, 4., die nod)
jegt, obgleich die Kunſt fehr weit vorgefchritten ift, mit
den am beiten gedruckten Büchern, ohne zuruͤck zu ftehen,
verglichen werden fünnen. Gorvin beforgte die Gorrectur
bei allen feinen Druckfachen felbft und mit fo großer Ges
nauigfeit, daß Drudfehler darin nur fehr felten vorfoms
men. Sein Inſigne, das faft auf allen Titeln ftehet, war
der Prophet Elias, den zwei Raben mit Brod verfehen,
und hat die Umfchrift: ex uno omnia,
Zweimal fah er ſich in die Nothwendigkeit verfegt, mit
der Berlegung der hohen Schule von Herborn nad) Siegen,
auch feine Druckerei dahin zu verſetzen.
Er war dreimal, und zuleßt feit 1608, 9. Febr. mit
Anna, der Tochter des Infpectors und Profeffors Jo—⸗
bann Jacob Hermanni in Hexborn, verheirathet.
Bon feinen Töchtern war die ältefte an den Profeffor Jo—
hann Henrich Alfted in Herborn, die andere an den
gewejenen Profeffor in Wittenberg Dr. Henrich Molles
rus, der in Herborn lebte, die dritte an Johann
Georg Mudersbadh, auf den wir bald zurückkehren
werden, und die vierte an den Rector Chriftian Bauer
in Herborn verheirathet. 7) Er hatte nur einen Sohn
Georg, der von 1633 bis 1644 als Profeffor der Philos
*) Diefe letzte hatte das Ungluͤck, in jener furdhtbaren Naſe—
rei des finfterften Aberglaubens, vom Naſſauiſchen Fiscak
des peinlihen Halsgerichtes zu Herborn ald Here auge—
klagt und 1629, 28. Geptbr. aus Gnade nicht verbrannt,
Tondern mit dem Schwerdte hingerichtet zu werden.
72
jophie. in Herborn ftand, und eine eben ſo wiſſenſchaftlich
tiefe, als zarte und feine Bildung hatte. *)
Ich kann mich nicht enthalten, ein Urtheil des fel. Pros
fefford Fuchs in Herborn über diefen Mann, das ein
Ausfluß feines köſtlichen Humors ift, bier in feinem Zus
fammenhange mitzutheilen: „ver witzige Erfinder der
Ballance of Poets bat bereits den Verſuch gemacht,
die Verdienfte einiger Dichter nach einem mathematiſchen
Kalful zu berechnen; um aber das ganze der verfchiedes
nen Dichtarten defto beſſer zu umfaſſen, fo würde ich die
Grade der Dichtungsfraft eines jeglichen beftimmen nad
folgender fonoptifhen Tabelle
„in der afthetifhen Heuriftif Grad
„in der — — Methodologie Grad“
„in der — — Thaumaturgie Grad“
vinderr — — Gemiotif Grad «
„auf diefe Weife hätte ich einen poetifhen Pſychometer.
Weil man zu unfrer Väter Zeit fo leiht das Baccalaus
reat in der Philofophie erhalten Fonnte, wenn man eine
Abhandlung über die Leibnizifhe Monadologie oder über
die harmonia präestabilita fhriebe; fo habe ich geglaubt,
daß ich mic unferem afthetifhen Sahrhundert nicht beffer
empfehlen fönnte, um etwa in der Philofophie des Ge:
ſchmacks die Magifterwürde zu erhalten, als wenn ich
unfre inlandifhen Dichter nah einem folder Maßftabe
gegen einander berechnete und verglihe. Denn Pund und zu
wiffen fey jedermann, dem daran gelegen ift, daß, ob»
gleih die Nafau in der neueren Zeit zwei Producte,
eins aus dem Literar =, das andere aus dem Maturgebiete
verloren, namlih aus diefem die Wolfe (S. Tertors
Naſſ. Chronik ©. 8.) aus jenem die Poeten (die Hecken—
fhnarre, die zu unferer Zeit zu fingen fid) gewagt, darf
ih wohl nicht mitrechnen, weil fie der Woumou verfolgt,
und zum Schweigen gebradht hat.) fo bat doch ehedem
mein Vaterland ein. Siebengeftirn von Dichtern ge:
73
Des alte Gorvin farb 1620 den 19. Januar, und
wurde in dem Chore der Stadtkirche zu Herborn begras
ben. Sein Berluft wurde tief gefühlt und allgemein bes
trauert. Er war mehr ald Gelehrter und Buchdruder,
er war ein frommer, rechtfchaffener und befonders gegen
Arme und Nothleidende ausgezeichnet wohlthätiger Mann.
Die beften fammelten ſich an feinem Grabe. und fprachen
ihre Wehmuth und ihre Trauer in; Todengefängen aus. *)
Ein Stein mit folgender Inſchrift deckt fein Grab:
Aeternae memoriae
Christophori Corvini
Tigurini
Qui labore indefesso animo invicto eruditione
rara rem typographicam ornavit rempublicam
hterariam juvit elegantia typorum accurata
correctione librorum piorum iuxta et eriduto-
rum copia hoc monumentum f, f. haeredes
ipse sibi aeternum in animis bonorum et doctorum
babt, eben fo wie der. Hof des Ptolomäi Philadelphi die
fogenannte Plejad. Den N. Hadamarius (Rorih),
Piscator, Pincier, 3. Heidfeld, Alfted, Georg
Korvinus, C. Lentulus habe ıh nad obigem Maß:
ftabe gemeflen, und nad) meinem individuellen Geſchmack
zu urfheilen, fo übertrifft Korvinus, der zu Herborn
eine Zeitlang Lehrer der Beredfamkeit war, und hernach zu
Amſterdam geftorben, die übrigen alle. Man befhuldige
mir den Falten Naflauifhen Himmel nicht mehr, welcher
bie dichteriſche Ader zum Stoden foll gebracht haben ıc.
*) Epicedia honori et memoriae C, Corvini «tc, dieta ab ami-
cis, Herbornae. 16 ©. in 4. — Der Pfarrer Johannes
Eorfius hielt eine ſchöne Leihenpredigt voll inniger Herz:
lichkeit, gedruckt 1620. 4,
—
74
reliquit natus an. M. D. LII. denatus an. M. DC. XX.
Eius lat, claudit ut thori sic sepulchri particeps
Anna Herinanni postquam cum ipso sine querela
duo decennium ipsa vidua vix triennium vixisset
annos nata XXXVII,
Vivıte felices etiam post fata parentes
Haec misera est vestra al vita beate cluet,
&. C.
. Nach Gorvind Tod übernahm fein Sohn und fein
Schwiegerfohpn Johann Georg Mudersbad ge
meinjchaftlich die Druckerei, die aber unter den Ver—
wüflungen des dreißigjährigen Krieges mit der hoben
Schule fehr litt und herab Fam. ALS der erftere 1644
den 7. Auguft in Amfterdam, wo er für die ganz zers
rüttete hohe Schule eine Gollecte hob, ftarb, blieb: der
fegtere im alleinigen Beſitz. Kaifer Ferdinand III. ers
theilte ihm 1654 ein Privilegium auf G. Pasoris lexi-
con graeco-lat. N, T. Diefes und das Manuale des⸗
felben Verf. machten jest einen Hauptverlagsartifel bei
ihm aus. Er ftarb den 23. December 1657. Die
Druderei nebft der Handlung erbte jet fein Sohn
3) Johann Heinrich Mupdersbach. Unter ihm ſank
das ganze Werk und Gefchäft herab, fo dag er 1666
alle feine Drucergehülfen verabſchiedete. Nach ihm
kommt
4. Tobias Jacobi als Buchdrucker der hohen Schule
[ii
i. 5. 1669 vor. Er war des Schulrentmeifters in Her
born Sohn, und farb den 21. Mai 1685 in den beften
Jahren.
Johann Nicolaus Andrea wurde den 18. Juni
75
1685 von afademifchen Senate ald Buchdruder ange⸗
nommen. Er war den 11.Mai 1664 in Franffurta.M.,
wo fein Vater Johann Andrei auch Buchdruder war,
geboren. Er hat in Herborn viel, aber meiftend theo-
logiſche Bücher gedruckt. Der Druck ift rein, hat aber
nicht mehr das nette und freundliche der Gorvinifchen
Impreſſen. Er ftarb den 8. Mai 1729 in Frankfurt,
wo er die Meſſe befuchte, an einem Schlagfluffe. *)
Seine Witwe Satharine, eine Tochter ded Pfarrers
Johann Franz Hendſch zu Pettersheim bei Worms
führte nach feinem Tode den Buchhandel neben ver
Druderei noch lange für ihre Rechnung fort, bie
6. Chriſtoph Michael Regelein, der in Berlens
burg bisher feine Dfftcin gehabt, den 12. März 1749
als afademifcher Buchdruder angenommen wurde.
7. Sobann Ewald Brüdner aus Römhild in Sach—
fen» Meiningifchen, heirathete feines Vorgängers ein>
zige Tochter, erbte mit ihr die Druckerei und ftarb 1788.
Noch viele Jahre nach feinem Tode feste feine Wittwe
diefelbe fort.
8 Johann Ehriftian Krieger, afademifcher Buch—⸗
händler in Marburg, uͤbernahm 1803 die hiefige Buch:
druderei. Ihm wurde der Theil des afademijchen Ges
baͤudes, wo diefelbe bisher gewefen neu und zwedmäßis
ger auch für eine Buchhandlung eingerichtet. Nach ſei⸗
nem Tode hat
9. Johann Ehriftian Kempf aus Marburg gebürtig,
*) 6. H. Martins Leichenpredigt auf feinen Tod: Herborn
1729. Hol, wit Perfonalien, und Epicedien.
30
der auch die beiden Papiermühlen zu Herborn und U
kersdorf befist, das Gefchäft übernommen,
3 Dieh.
Auch diefe Stadt hatte einige Zeit eine Buchdruckerei,
aber nur von gar geringer Bedeutung. Ich habe zwei
Buchdrucker angetroffen
1. Wilhelm Burkhard Schreiter 1704.
2, Davıd Müller 1740.
tein—⸗
Hier war eine fuͤrſtlich Naſſau-Saarbruͤckiſche Hof—
und Canzlei-Buchdruckerei. 1715, 21 und 23 kommt N.
N. Haug als Buchdrucer vor. Der Superintendent Joh.
Ehriftian Lange, und Aegid. Guͤnth. Hellmund haben meh⸗
rere ihrer Schriften dafelbft drucken Iaffen.
Erdmann Andreas Lyce 1730. 1740,
Johann Henrich Kürfßner 1761.
5. Wiesbaden.
Bei dem Watjenhaufe dafelbft entitand ein Buchladen,
der 1733 fchon vorhanden war, und auch einen Fleinen
Verlag hatte. Ob die nachherige Hof- und Ganzleibuch-
druderei, die 5. Schirmer 1770, 1779 bier hatte, daraus
geworden, oder Daneben entjtanden it, weiß ich nicht,
7
Ueber die Geſichtsbedeckungen an Helmen bei den
Roͤmern und im Mittelalter, von Herrn Profeſſor
Dr. Braun in Mainz.
(Fortſetzung des Aufſatzes pag. 113 im erſten Heft)
Se tiefer man in das Gebiet der Alterthumskunde ein?
dringt, defto mehr verfchwmden die Nebel, welche fid)
oft dem erften Blicke in der Ferne zeigen und auch die dun—
feln Gegenftände erhalten zumeilen ein unvermuthetes Licht.
Befonders reizt die Forfchbegierde dad bisher ung unbe
fannte, deffen eigentliche Beftimmung, deffen Zwed und
Gebrauch im Lehen nicht fogleid; und von felbft fich ers
Hart. Die Schwierigkeiten weden den Muth und die
überwundnen ftärfen ihm durch belohnende Freude. Die
im Sommer des Jahrs 1827 gefundene und im vorigen
Heft der Annalen des Vereins für Naffauifche Alter
thums- und Geſchichtskunde ©. 113 befchriebene Eifen>
masfe *) befchäftigte feitdem meine Aufmerffamfeit und ich
fuchte num zu ihrer nähern Erflärung alles auf, was etwa
in den Alten darüber zu finden wäre. Zwar ſchien die ganze
Form und die einzelnen Theile diefer Masfe ihre Beftims
mung als Geſichtsſchutz ganz beftimmt auszufprechen: die
Heinen, ſchmalen Augenlöcher, die Mundöffnung, welche
‚dem Sprechen Feineswegs günftig fchien, was doch an
*) Eiehe d. Abbildung auf Tab.
78
einer tragifchen Masfe*) die Hauptjache gewejen
wäre und auch in allen antifen Werken fo beachtet iſt;
die platt geformten ohne Höhlung gebildeten Ohren, die
ebernen Hefte an der Stirn, weldye das Geficht mit dem
Helme zu verbinden dienten, die Spur vom Riemen an dem
Nagel unter dem rechten Dhre und das gegenüber ftes
bende Loch, wo ein ähnlicher Nagel zum Anknuͤpfen fich
befand; endlich der nach dem Knochenbau des Unterge—
ſichts und Halfes eingerichtete Schnitt und der ſchmale
‚Erzrand unter dem Kinn, called dies deutete darauf
bin, daß diefe Huͤlle zum Schuge des Gefichtd getragen
wurde.
Aber nun war aus den Alten zu erweifen, daß man
auch im Kriege wirklich folche Gefichtöhullen trug, Da
fam mir denn zuerft die fchon angeführte Stelle des Si⸗
lius Stalifus im 4. Buch der Punica entegen, worin vom
Marcellus, der Syracus belagerte und die Römer, die
*) Auch der Etoff und die Schwere fprehen gegen dad Tra-
gen während des Spield. Schlegel über die dramatiſche
Kunft 1.Th. S.98 fagt: „Was man an den marmornen
Masten nicht fehen kann, ift diedünne Mafle, woraus
die wirklichen gearbeitet waren, die zarte Färbung und ge:
ſchickte Anfügung.» Er vergleicht den griechiſchen die wäch—
fernen im edlen Styl, beim römifhen Garneval. Nah
Virgils Landbau 2ted Buch Bro 378. deutet die Stelle:
Oraque corticibus sumunt horrenda cavatis,
auf die Werfertigung der Masten (personae) aus
Baumrinden, die hier freilih roh zum ländlichen Ge:
brauch, gewiß aber, auch verfeinert und bemalt zu anderm
dienten.
79
durch Krankheiten gelitten hatten, gegen den Feind fuͤhrte,
folgendes geſagt wird:
Gegen die Mauern entrafft der Fuͤhrer die Adler.
Sie bergen
Ihre Geſichter durch Hagerheit ſchmal, und durch
Liegen, in Helmen,
Daß nichts hoffe der Feind, verhuͤllt der Helm ihre
Bläffe. *)
Bei diefer Stelle nun machte der Erflärer Drafen:
broch Cin der Utrechter Ausgabe 1717.) folgende Bemer—
fung: „Wir erfahren auch hieraus, daß die Alten auch ge>
fchlofjene Gefichtshelme gehabt, wie fie zu unfern
Zeiten Cim 17. Jahrhundert) die Reiter vorzüglich im
Kriege zu tragen pflegen.» Dabei führt er nun zum Bes
weife noch folgende Stellen an, die aber im Original und
Zufanmenhang des Ganzen oft ganz andern Sinn haben.
1) Statius ) in der Thebaide Lib, XI. v. 379 — 75
— — — zum mindeften öffne das Antlig,
Deffne die troßigen Augen, und fey mir vergönnet,
zum lebten
*) Ad muros Dux signa rapit. Tenuata iacendo
Et macie galeis abscondunt ora, malusque
Ne sit spes bosti, velatur casside pallor,
*+) Ein Dichter unter Domitian, ber fi) durch fein Singen
aus dem Stegreif auszeichnete und in einer befondern
Laune von diefem Zürften mit einem Griffel fol erftochen
worden feyn,
80
Male vielleicht es zu ſeh'n, das theure Antlig, nnd
ob Du
Meineft bei folcherlei Leid, — )
Hier redet Antigone ihren in die Schlacht eilenden
Bruder Eteofled an und ermahnt ihn, das Bifir zu öff
nen, (genae bedeutet bei den Dichtern oft die Augenlies
der) damit fie fehe, ob ihre Bitte bei ihm Feine Wirkung
mache. Bald darauf beißt e8 denn:
Sego verftummt er, Gefenfz bricht vor, und Thränen
entdecket
Seo der Helm — **)
Daun treffen beide Brüder zuſammen:
— Gleiche Blicke begegnen fih unter dem Helme! **)
— — — — $lühender Haß ſchaut
Unter den Helmen hervor und es ſpaͤhen die Blicke mit
bitterm Lichte. 7)
Endlich wird von dem Vater gefagt, da er die Todten findet:
Da er die Helme betaftet nnd jucht die verborgnen Ge:
fichter. Fr)
Aus allen diefen Verſen ift ficher von einer Gefichtäbes
W).ees0..00.. Saltem ura trucesque
Solve genas, liceat vultus fortasse supremum
Noscere dilectos, et ad haec lamenta, videre
Anne fleas, — — —
**) Jam tacet, erumpunt gemitus, lacrimasqüe fatetur
Cassis,
*#*) Coeunt pares sub casside vultus
ir Iznescentia cernunt
Per galeas odia, et rultus rimantur acerbo
Lumine.,
H Dum tractat galeas atque ora latentia quaerit,
si
deckung die Rebe, e8 bleibt aber ungewiß, ob von einem
Bifirhelme oder einer Masfe die Rede ſey. Außerdem
bewiefe die Stelle nur für griechijchen Gebrauch folcher
Rüftung, und diefer ift ohnehin aus Denfmälern ers
wiefen.
2) Meimus Avitus:
Das in den Helmen verfchloßne Geficht und die eis
ferne Hülle
Hatte mit Rüftungen Glanz die zürnenden Dunfel
umgürtet. *)
Die Höhlen, binter welchen ſich die Augen verbargen,
md bier die Dunkel und ihnen ift dad Beiwort iratas
zugefellt, welches beides (ald8 Metonymie) auf die Augen
ſich begieht. Was diefe Stelle noch merfwürdiger macht,
ift, daß hier die Helmfortfegung eifern (wie unfre Maske
iſt) genannt wird. Uebrigens fommen and) ganz eiferne
Helme anderwärtd vor, 3. B. in Plutarchs Camillus,
wo e8 heißt: »Er, (Camillus) ließ auch der Mehrheit ganz
eiferne und rings um Can den Wangen ded Helms)
gegläftete Helme machen, damit an ihnen die Schwerter
(der Gallier, ‚von ungeheurer Länge) abglitten, oder
zgerbrächen. *
Gewöhnlich waren die Helme aus Erz (galea aerea)
wie Polybius, Livius und Dionyſius beweifen. An beiden
— — — —
) Inclusa galeis facies et lerrea vestis
Cinxerat iratas armorum luce tenebras.
*) "Exaixerara xeavn Tois wAtireis — zul Alm
van; Xieſpieinu ds dream 7 xarayıedai was
Raxgaıgus.
6
82
Seiten hatten fie Wangenbänder (bucculae‘), ) welche
unter dem Kinn mit einem Riemen (Clorum eXıvs) feſt
gebunden wurden. Bon dem vorn überragend aufwärts
gebogenen Theil hießen die Helme auch Silae, wie wir
aus Feftus fehen, der fagt: Silus appellatur naso sur-
sum versus **) repando. Unde galeae quoque a si-
militudine Silae dicebantur.,
„Silus heißt: wenn eine Nafe aufwärts zuruͤckgebogen
ift (wie bei den Affen). Dader warden auch die Helme
von der Aehnlichkeit Silen genannt“ Diefe Form ift
zwar fehr gewöhnlich auf römifchen Denfmälern, aber
man findet doch auch manche Helme mit Viſiren, ja mit
ausgedrücten Augenpöhlen und Najen, wie in Lydii Syn-
tagma sacrum de re militari c, V. ©. 63. einer abges
bildet, der aber unten ftatt des Kinns rund umläuft.
Ein anderer Helm hat die Form der parthifchen hoben
Müse, ift um die Stirne herab abgerundet und an ihm
fonnte eine Maske angebracht werden. Huf der Spige
ſteht eine Röhre, worin ein Federbufch ftedt.
3) Sidonius fpricht im II. Gedicht einer Lobrede auf
den Anthemius, Vs. 254 seq. von den Hunnen am
fhmwarzen Meere oder Ifter, daß die Mütter jchon den
*) Diefe waren aus biegfamem Blech, wie noch jekt an den
Dragonerpelmen, welche fhuppenartig aufgelegt find. Das
ber beißen fie auch lamnae Blehe. — So fagt Sidonius:
Flexilium laminarum vincula difhibulant, fie löfen die Bande
der biegfamen Bleche.
**) Das versus bei sursum fteht oft uͤberflüſſig, drückt aber
ganz unfer wärts aus, sursum versus heißt alfo ober,
wärts.
83
Kindern, deren Haͤßlichkeit dem Urbilde der Eltern ent—
ſpraͤche, Binden um die Naſe legten, bamit fie ſtumpf
bleibe und dem Helme nachgebe. *) Diefe Stelle paßt alfo
im Grund feineswegd hierher; wohl aber der 321. Berg:
Nicht im Helme die Wangen (oder Augen) gefchloffen.. **)
Hier ift im Gegenſatze das Antlig der Göttin entblöft
Cnuda) genannt; und ed muß alfo doch auch bei den
Römern Schlußhelme gegeben haben.
Diefe angeführten Stellen überfah entweder Lipſius
zum Theil, oder er hielt fie im Grund fir wenig beweis
fend, daß die Alten Geſichtsbedeckungen getragen hätte,
Er jagt in feinem Werfe: De militia Romana Lib. IIl,
Dial, V, „Ich bemerfe hierbei noch, daß die Alten wohl
fchwerlich gefchloffene und dem Geficht anliegende Helme,
wie die Reiter unferer Zeit (in der zweiten Hälfte dee
16. Jahrhunderts) getragen. Denn Gäfar rief den Sei:
nen in der Pharſaliſchen Schlacht zu: Sieger, ziele
*) Obtundit teneras cirtumdata fascia nares,
Ut galeis cedant. Sie propter proclia natos
Maternus defurmat amor.
**) Non galea eonclusa genas.
Der 392te Werd Inclusae latuerunt casside turres, Beweift
nur im Gegenfaße zu dem nuda, Die Thürme find hier
die Mauerfrone auf dem Haupte der Göttin, melde fie
unter dem Helm verbirgt.
Sidonius, eigentlih C. Sollius Apollinaris Sid., war
ein Gallier und Bifhof zu Elermont in Audergne, im
Sten Sahrhundert zur Zeit des Attila. Er fihrieb eine
Sammlung von Briefen in 9 Büchern und außerft vers
ſchrobene Gedichte,
84
nach [dein Angeſicht! — dieſes war nämlich entbloͤßt, außer
wenu der Schild es dedte.«u "\
Allertingd war’ mit ver Helmbedeckung der Römer, (die
Brichen ſcheint Lipfius in fein veteres nicht eingefchlof
fen zu haben), im Allgemeinen fein Bifir oder eine Maske
verbunden, aber in einzelnen Fällen fanden fie doch nad)
den angeführten Schriftftellen ftatt, und auch Denkmäler
fprechen dafür. Mehr noch, auch ganze Reiterhaufen
trugen folche Gefichtsbedefungen und der Beweis ift, ver
wmoftens feit Alerander Severus Zeit, mit Ber
ftimmtheit zu führen. Su den Kriegen, mit den Perfern
nämlich, führten die Römer die, jenen eigenthümliche Lan—
besbewaffnung und Ruͤſtung auch in ihren Heeren ein, um
naͤmlich folche Neiter und Bogenfchügen gegen die oft uns
vermuthet hervorbrechenden Deutfchen, beſonders Alemans
nen zu benugen, welche eben durch ihre rafchen Anariffe
und fchnellen Zuruͤckzug, den Römern befonders ſchade—
ten. Gegen diefe brachte Alerander Severus im Fahre feis
ned Todes 235, morgenländifche Truppen, Parther, Ds
dröner u. a. mit, welche nachher Marimin ) gegen
den Feind führte und ihm gänzlich ſchlug. Auch Rö mir
fhe Reiter verfab Alerander mit foldhen
*) Adnota, veteres elausas et vultui appressas undique (mo-
re nostrorum equitum) vix habuisse, Inde vox illa Caesa-
saris; „Miles faciem feri: quae scilicet, nimi a scuti ob-
jectu, nuda,“*
) ©, deflen Leben v. Zul. Cupitolin. C. XI. Quod nulli
magis contra Germanos quam sagiltarii valent. Schon früher
kommen 500 Palmirener unter den römifhen Hülfstrup⸗
pen vor. S. Hygin de castrametat,
85
Ruͤſtungen getödteter perfifcher Neiter, deren Zahl
auf 10,000 angegeben ift.”) Diefe Art über und über
mit Harnifchen bededter und doch in diefer Nüftung Leicht
beweglicher Reiter hießen bei den Derfern Slibanarier,*")
bei den Römern aber nad) einer griechifchen Benennung
Eatapbractarier. Seitdem fcheinen diefe Art Reiter
in dem römifchen Heere geblieben zu ſeyn; fie werden
wenigftend in der Notitia Dignitatum Imperii Rom,
Sect, V. (d. h. dem Verzeichniß der Staatswürdenträger
des römischen Reichs, weldyes gegen dad Ende der Res
*) Sn feinem Briefe an den römifhen Senat fagt ter fies
gesftolze Züngling: Centum et viginti millia equitum ſudi-
mus „catuphractarios, quos illi clibanarios vocant, de-
ccm millia in bello interemimus; eorum armis nostros ar-
marimus,‘*
) Das Wort clibanus (xAsBxres) (nah Caſaub. ein perfi«
ſches Wort) erklärt der heil. Hieronymus: als ein eher
nes rundes Gefäß, (unten weiter ald oben) zum Baden
des Broded, welches inmendig glühend wird, von daruns
ter angemachtem Feuer. Clibanus est coquendis panibus
aenei vasculi deducta rotunditas, quac sub urentibus flam-
mis ardet intrinsecu, Alſo etwas den ganzen Körper
ringsum verhühendes, wie das Brod in der Erzhöhlung
rings eingefchloffen ift. So gerüftete Reiter wurden aud.
an den Streitwagen gebraudht, wie Vegetius bemerkt:
(Lib III. c. 24) Bini cataphracti equi jungebantur ad cur-
zum, quibus insidenies clibanarii sarissas i. e, longissimos
contos in elephantos dirigebant, „Zwei geharnifhte Pferde
werden an einen Wagen gefpannt, auf biefen Pferden figen
über und über Geharniſchte und fchleudern Gariffen
d. bh. lange Lanzen gegen die Elephanten.“« — Die Elibas
narier waren theild in ganz eifernen Panzern, theils in
Schuppenharniſchen, deren Gelenke beweglich waren.
86
gierung Theodoſius des Juͤngern verfertigt ift, wie der Erz
klaͤrer ) beweift) unter dem Namen: equites Persae cli-
hanarii, und equites clibanarii Parthi erwähnt. Daß
dieſes Reiterkorps alfo nicht aus wirklichen Perſern und
Parthern allein beftand, fondern auch Römer und Provinz
zialen in fich faßte, geht fchon aus obiger Stelle im
Briefe Mlerander Sen. hervor. Aber auch zwei römijche
Steinfchriften in Mainz beweifen, daß in foldyen Heers
haufen, welche ausländifche Namen nach der Bewaffnungss
art der Krieger tragen, und deren in der Notitia fo viele
vorfommen, auch Römer dienten. So fommt in der eis
nen Steinfchrift ein gewiffer Argiotalus als eques der ala
Indiana, (welche Trajan nach feinem indischen Feldzug
fihjeint errichtet zu haben) vor, der doch aus Nanneteg
oder Nantes, alfo ein Gallier war; und auf der andern
ein decurio derfelben ala, welcher den römifchen Namen
Flavianus Aventinus trägt.
Daß jene yerfifchen Reiter nun, welche feit Mlerander
im römifchen Heere dienten, nun auch auf folche Art bes
waffnet waren, daß einem derfelben die oft erwähnte Ei
ſenmaske kann angeeignet werden, diefer Beweis bleibt
uns noch übrig. Und wir führen ihn mit großer Beftimmts
beit aus zwei Stellen des Ammianus Marcellinus, der in
*) Yanciroli, Brofeffor in Patavium, gab einen fehr gelehr«
ten und umfaflenden Commentar zu diefem in vielen Be:
nennungen außerft dunfeln Werfe heraus, Lugdun. 1608.
Der erfte Eoder wurde in England gefunden und mit un:
zähligen Mängeln von Marianus Scotus herausgegeben
1572. Später fand man in Rom nod zwei andere und
Pancirofi verglich und verbeflerte manches.
3
der Mitte des Aten Jahrhunderts Iebte, und ung ganz aus
führlich bei dem Feldzuge Julians die Rüflung und den
Anblick des yperfifchen Heeres folgendermaßen (Lib. a5,
C. 1.) beſchreibt. ) „Es waren alle Schaaren in Eifer
gehuͤllt, und fo Glied vor Glied mit dichten Blechen bes
det, daß, die flarren Fügungen mit den Gelenken der
Gliedmaßen zufammentrafen: auh Nachbildungen
menſchlicher Gefichter find ihren Köpfen fo
forgfältig angepaßt, daß, bei über und über gehar⸗
nifchten Körpern, die auf fie gefchoffenen Pfeile nur da
eindringen Tonnen, wo man durch Keine Höhlungen,
welche in dem Augenfreife angebracht find,
nur Färglich fieht, oder durch die Naſenloͤcher
den beengten Odem hervorfiößt.“ Welche Ber
ſchreibung kann deutlicher und treffender eine folche Schutz⸗
masfe **) befchreiben, wie die unfrige ift. Daß aber nicht
etwa das ganze Heer, wozu der Ausdrud omnes cater-
vae hinführen könnte, folche vollftäudige Nüftungen über
den Mann trug, fondern vorzüglich die Reiter, dies
*) Erant autem onınes catervae ferratae, ita per singula mem-
kra densis laminis tectae, ut juncturae rigenles compagibus.
artuum convenirent: humanorumque vuwtuum simulacra
ita capitibus dilizenter adapta, ut, imbractealis corpori-
bus solidis , ibi tantum incidentia tela possint hacrere, qua
per gayernas. rainutas, ct ochibus oculorum alfixas, par-
cius visitur, vel per supremilates narium angusti spiritus
emitluntur.
*) Daß auch mwahrfcheinlich der perfifche Neitereibefehlehaber
Maſiſtios, der in der Schlacht bei Platää fiel, eins ſolche
getragen babe, wurde fruher bemerkt.
BB.
feheint eine andre Stelle Ammiand (Lib. 16.) zu beweis
fen, weldye alfo lautet: „Darunter gemifcht waren ge»
barnifchte Reiter, welche die Perfer Elibanarier
nennen, wohl verwahrt mit Bruftpanzerhülfen und eiſer—
nen Lendendeden, fo daß fie mir wie Bilder von Praris
teles Hand geglättet, nicht wie Männer vorfamen, welche
dünne Kreife von Eifenblechen rings umhüllten, die ſich
über alle Glieder hin dehnten, fü daß, wohin immer bie
Gelenfe fich nothwendig bewegen mußten, Die genau am
paſſende Biegung mit den Kleidern zufammen traf. *)
Das que, womit Ammian in der erftern Stelle erant etc,
bie zweite Hälfte des Satzes an die erfte fügt, ſcheint
alfo befonderd Reiter zu bezeichnen, welche noch etwas
beſonderes von den übrigen, auch in Eifen gerüfteten
Schaaren, hatten, nämlich die Geſichtsmasken. )
*) Sparsique cataphract? equites, quos clibanarios dictitant
Persae, tharacum muniti tegminibus, et Jumbis ferreis eincti,
ut Prazitelis manu polita crederem simulacra, non viros,
quos laminarum circuli tenues, apti corporis flexu ampiebant
per omnia membra deducti, ut quocunque artus necessitas
commoyisset, vestibus congrueret juncturg colıaerenter ap-
tata. — Hier gebraudht Ammtan wieder das Wort simulacra
Bilder, welhe die Hand eines Künſtlers aufs feinite ger
glättet. Demnach müfen dod wohl auch die Gefidter
dem übrigen gleich, geharnifcht gewefen ſeyn.
Sm römifhen Heere fheint 'diefe perfiihe Bewaffnungsart
in der Mitte des vierten Jahrhunderts noch gewöhnlich ges
wefen und wahrſcheinlich aud in ihren Feldzügen gegen die
Alemannen öfter mit Vortheil angewendet worden zu
seyn. Denn im Sabre 357 gebrauchte Julian folhe ge:
panzerte Reiter und Bogenſchützen (cataphracti et su-
—
+
89
Nach alleır dieſen Erdrterungen bliebe nun noch bie
Frage uͤbrig: Wenn auch erwieſen ift, daß die perfifchen
Reiter im römifchen Heere folche Masken trugen, iſt denn
die Arbeit derjelben perſiſch? Schon früher behauptete
ich, fie fen nach dem, was wir von der perfifchen Kunft,
befondern in fpäterer Zeit, wiffen, durchaus feinem Kuͤnſt⸗
ler diefer Nation, fondern einem griechifchen oder römis
fchen zuzufchreiben. Und gewiß wird jeder nun nad der
bierbei folgenden, won mir aufs genauefte nach dem Urs
bilde gezeichneten Abbildung, dafjelbe jagen. Alfo muß
man annehmen, ein Roͤmer oder ein Provinziale in dies
fer Reiterfchaar, und hoͤchſt wahrfcheinlich ein Anführer
oder Dffizier habe diefe Maske von einem guten Künftler
feiner Nation verfertigen Iaffen. Wenn aber die perfifchen
Reiter erft mit Beftimmtheit unter Alerander Severus
im römifchen Heere mit ihrer eigenthuͤmlichen Ruͤſtung
yorfommen, jp fragt fich endlich noch; „War denn Die
—, — e
gittarii) in der Schlacht bei Argentoratum gegen die Ales
mannen unter Cheodomars und Serapiens Anführung.
Ammian (XVI. ı2.) nennt fie eine furchtbare Art
von Bemwaffneten (genus formidabile armatorum), und be:
merft weiter: die Alemannen hätten wohl gewußt,
daß auch der geſchickteſte Reiter einen folhen völlig ge:
barnifchten und ganz in Eifen gehüllten Krieger
(tegminibus ferreis abscondito bellatori) nichts hätte anhaben
fonnen. Deshalb hätten fie aus Eluger Vorſicht unter ihre
Neiterei hin und wieder leichte Fußgänger gemifht, da
diefe eher unbemerkt auf der Erde binfhleihen, das
Pferd feitwärts durhbohren und dann den unvermuthet
vom Pferde geftürzten Reiter leicht nieder machen könnten.
v9.
0
Kunſt in diefem Zeitalter nicht zu ſehr gefunfen, ald dag
ein Werk, welches doch des hadrianifchen Zeitalterg, wie
früher gefagt wurde, nicht unwuͤrdig fcheint, dem fpäs
tern von Alerander Severus allenfalld koͤnnte angeeignet
werden ?u« — Windelmann Cin verkhiedenen Stellen feine
Gefchichte der Kunft), bemerft, das es auch in fpätern
Zeiten noch gute Bildrigfünftler gegeben babe, indem dies
fes Fach beftändig verlangt und darum mit Eifer fortges
trieben wurde, während die Auffaffung ded ein ganzes
Gebilde durchdringenden Lebens und eigentbümlichen Geis
ftes nur einer Zeit gelingt, wo überhaupt geiſtiges Leben
noch berrfcht und in jeder Kunft wirkſam fich zeigt. Nas
mentlich verrathen die Bilder des Alerander Severus und
der Mammaͤa für die fpätere Zeit, wie in der 1452, Note
zum 12. 8. der Gefchichte der Kunſt bemerkt ijt, viel Bes
Iebtheit und Harmoniſches. Fea führt zwei vortreffliche
Bruftbilder Aleranders in der Gallerie zu Florenz am.
Bon der Zul. Mammda find zwei Bruftbilder im Pios
Clement. Mufeum (Tom IV, tav. 57. pag. 71.) Auch die
capiolinifcheBüfte, welche bisher dcey Namen Manlia Scans
tilla führte, gehört diefer großen und Fugen Frau an,
welche in ihrem Sohne dem römifchen Reiche einen bes
wundernswärdigen Herrfcher erzog, den nur die Schlech—
tigfeit feiner Zeit nicht ertragen Fonnte. — So find aud)
an der fogenannten Begräbnißurne des Alerander Seve—
rus und feiner Mutter manche Theile aber die im Allger |
meinen gefunfene Runftzeit erhaben zu nennen, *) und wir |
fonnen immerhin annehmen, daß der DVerfertiger der eis |
) Winckelm Geſch. d. Kun 12. Buch und Anmerk. 1460, |
9
fernen Maske zu jenen befferen Künftlern gehörte, welche
wenigftend durch Nachahmung der Alten ihren Gebilden
einen reineren Kunftftyl bewahrten. *)
Zur Vergleihung mit der befchriebenen Eifenmagfe
und ihrer Acht antiken Arbeit, mögen die aud im Mit—
telalter, wiewohl Außerfi felten vorkommenden Bifire,
welche den andern zwar in der Einrichtung und den ber
Bewegungsgewerbe gleichen, aber Menfchengefichter vors
fielen, dienen. Sch fand folgende in der Sammlung,
welche ehedem im Schloffe Ambrag, unweit Infprud,
nun aber in Wien bei dem Belvedere aufgeftellt ift, de—
ren Abbildungen mit einer Furzen Lebensbefchreibung der
Helden begleitet, durch Joh. Engelbert Noyfe von Cams
penhouten herauggegeben worden find, Cgedrudt zu Ins⸗
brud 1603.)
4) Friedrich III. von Montefeltre, Herzog von Urbino,
der unter Dem Könige Alphonfo von Neapel, dem
Kaifer Sigmund und Sirtus IV. diente, alfo im
Anfang des fuͤnfzehnten SZahrhunderts Iebte, ein
vielfach den Dienft wechfelnder tayferer, Doch bes
fonnener Kriegsmann und die Wiffenfchaften lieben»
der Fürft, der acht Schlachten im freien Felde ges
fchlagen und ſechsmal gefiegt kat, war mit einem
Helme gefhüst, der ein Menfchengeficht mit einent
Schnurrbart vorftellt. Ohren find an der’ Magfe
nicht bemerfbar, auch Fein eigentliches Kinn,
*), Die oben befchriebene antike Eifenmasfe ifi feitdem in das
k. k. Mufeum zu Wien durch Herrn Hauptmann Mitter
von Pittel gefommen.
92
2) Eine biefer ziemlich ähnliche Maske auch ohne ges
rundetes Kinn, trug Chriftoph IV., Herzog zu Würs
temberg, Sohn des befannten Ulrich von Würtems
berg, der durch den fchwäbiichen Bund aus feinem
Lande getrieben wurde. Er ftarb im Sabre 1568.
3) Eine Gefichtshülle, die einem Adler gleicht, mit ges
kruͤmmtem Schnabel, von grotesfem Anfehen, Flügels
artigen Ohrendecken, ſehen wir bei Albrecht, Marks
grafen von Brandenburg, wegen feined tapfern Ges
müthes und ftarfen Leibes vom Pabſt Pius II, der
deutfche Achilles genannt, geboren 1414. und geftors
ben 1486.
4) Eine ganz vollfommen nad) der Natur gebildete
Geſichtsmaske, welche unter dem Kinn noch einen
ziemlich breiten Rand hat, der fich mit der Halds
rüfßtung verbindet, welche Ießtere fich über das Ohr
binzieht und es fchügt, trug Wolfgang Dieterich von
Hohenembs in Deftreich, der im Bauernfricg fich auss
zeichnete, alfo im Jahre 1525. Carl V. wollte ihn als
Obriften über ein Regiment von 20 Fähnlein deutſcher
Knechte zur Belagerung von Marjeille benußgen, aber
er ftarb im 31. Jahre feines Lebens.
5) Auf dem Grabmale Marimilians I, ift eine Figur,
welche eine ruͤckwaͤrts aufgefchlagene pöllige Geſichts⸗
masfe trägt.
Keiner vpn allen dieſen Helmen, welche dem 15ten
und 16ten Jahrhundert angehören, iſt jedoch fo alt, alg
dje auf zwei Grabfteinen, welche man in der Burg des
Gartens zu Biebrich wahrnimmt.
95
Nachtrag des Heraudgeberd,
Der erfte diefer Grabjteine, von welchen hier geredet
wird, ift auf der linfen Seite des Burgeingangs, außen an
der Mauer befeftiget. Es it der des Grafen Johann
von Katzenelenbogen, welcher nach der Inſchrift, den
98. October des Jahres 1444 ftarb und in der Abtei Ebers
bach im Rheingau beerdigt wurde. |
Der Stein wurde mit mehreren andern Epitaphien jener
Klofterfirche zur Außern Verzierung der im Sahre 1807 auf
den Grundmauern einer Altern Ruine im Styl des Mittel
alters erbauten Burg verwendet. *)
Der 814, Fuß hohe 3), Fuß breite Grabfteitt, an beffen
vier Ecken die Gagenelenbogifchen Wappenfchilde angebracht
find, führt folgende Umfchrift in gothifcher Minugfel:
Anno. Domini. Miillesimo. cccc? Yliii. im,
Die Spmonig. et. Jude, Ayldrum. obiit,
Nobilis. vomicellus. Johannes. Comes. jn,
Iacsenelenboge. ©. ata. requescat. T pace.
Amen.
—
H Sechs intereſſante Grabſteine der Grafen von Katzeneln⸗
bogen, welche in Eberbach, ihr Familienbegräbniß hat—
ten, verdanken nach der Säculariſirung dieſer Abtei, der
Verſetzung an die genannte Burg ihre Erhaltung. Sehr
zu bedauern iſt es, daß die meiſten dieſer Epitaphien, von
denen Wenk im 1. Theil der heſſiſchen Landesgeſchichte
©. 271 ein Verzeichniß liefert, aus der Kirche entfernt
und ju andern Zwecken verwendet worden find. Mur ein
Monument, weldhes in Eunftreicher gothifher Verzierung
die Epitapbien von drei Erzbifhöfen von Mainz (nämlich
94
Auf diefem Denfmahl erſcheint die ganz geharnifchte
Figur des Grafen, wit gedffnetem Helm auf dem Kopfe,
Schwert und Speer an der Seite, die Füße auf zwei
Löwen geftüst, eine Vorſtellung, die fich haufig auf alten
Nitterepitaphien findet. Der Helm ift wegen der eigens
thuͤmlichen und felten vorfommenden Bifireinrichtung be»
merfenswerth und findet fich auf Tab. II. Fig. 1. abgebils
det, da feine ungewöhnliche Form zur Erklärung des vors
herbefchriebenen römifchen Helmvifirs beiträgt.
An gewoͤhmichen Helmen des Mittelalters ift nämlich
das Vifir durch zwei verniethete Siiften an beiden Seiten
des Helmes befeftiget, wodurch es fid), wie Km eine Are,
vor» und ruͤckwaͤrts bewegt.
An dem unfrigen dagegen ift die Geſichtsbedeckung wie
eine fchildförmige Klappe geitaltet, welche durch ein Charnier
oben mit dem Helme zufammen hängt und aufgefchlagen
werden fonnte, fo daß fich in der innern Wölbung des Viſirs
die Deffnungen für Augen und Mund zeigen.
Ein zweiter, dem eben befchriebenen ähnlicher Helm
mit gleicher Einrichtung des Viſirs, findet fich im Sunern
der Burg auf dem Vorplatze, der Thuͤre gegenüber auf ei
nem Epitaph ohne Umfchrift, welches ebenfalld aus der
Abtei Eberbach herfiammend, einem Grafen von Kaßen;
elenbogen aus der Mitteded XIV. Jahrhunderts angehörte. *)
Gerlachs von Naffau, 41371. Johannes von Ligne, + 1373.
und Adolphs II. von Naſſau, + 1475.) umfaßt, ift im
Chor ver Kirche noch vorhanden und mit rühmlicher Sorg—
falt vor Zerftörung bewahrt worden.
v) Die Wappen des Haufes Naflau, welche man oben auf
35
‘
Er ift abgebildet auf Tab. II. Fig. 2.
Das aufgefchlagene Vifir, welches auch bier durch ein
einfaches Charitier an dem zugefpisten Helme oben befeftigt
ift, zeigt im Innern nur eine fchmale vergitterte Oeffnung
für die Augen, ohne Luftoͤffnungen wie bei dem vorigen.
Außer diefem geöffneten Helme, unter welchem zum
Schuß des Halfes ein Panzerhemd aus in einander gefloch—
tenen Drabtringen, über den Bruftharnifch herabfällt, trägt
die ganz gerüftete Figur in der linken Hand noch einen
Turnierhelm, auf deffen Helmdecke die Inſignien des Hau-
ſes Catzenelenbogen erfcheinen. Die ausführliche Befchreis
bung diefes auch in technifcher Beziehnng höchft inter>
effanten und reich verzierten Denfmald würde zu weit
führen. Eben fo bleibe die vollftändige Abbildung ded gan-
zen Grabmals einer andern Zeit vorbehalten. Zur Bers
gleichung genüge hier die Abbildung des Helmes.
Auf diefelbe Art fcheint alfo das in vorftehender gründlis
cher Abhandlung unfers verehrten Landsmannes befchriebene
römifche Helmvifir vermittelft eines Gewerbes zum Zus
ruͤckſchlagen eingerichtet geweſen zu ſeyn. Die vierecfige Oeff—
nung an der Stirne deutete ohne Zweifel die Stelle des
Charniers an, wodurch es mit der uͤbrigen Kopfbedeckung
verbunden war, was die auf beiden Seiten noch ſichtbaren
Niethnaͤgel beweiſen.
F. G. H.
—
beiden Seiten des zugeſpitzten gothiſchen Aufſatzes be—
merkt find, irriger Zufag neuerer Zeit,
— ——
%
6.
Kurze gefchichtliche Darftellung der Herrſchaft Schaum
burg von dem veritorbenen Herrn Canonicus J.
W. Buſch zu Limburg *), mit Anmerkungen be;
gleitet von Herrn Schulinfpector und Pfarrer
Vogel in Schoͤnbach.
Nach dem im Jahre 966 erfolgten Ableben Eberharbg,
welcher nach Conrad Gurcipolds (des Stifters des prachts
vollen Münfters in Limburg), finderlofem Tode demfelben
in der Verwaltung des Niederlahngaues gefolgt war,
finden wir namentlich als Faiferlihen Gaugrafen im
Arrih CEinrih), welcher Gau bisher gewoͤhnlich zu
dem Niederlahngau gehörte, einen gewilfen Hugo. Kre-
mer orig. Nass. Part. I. p. 81. Ob diefer Hugo
eben wohl, wie die zuvorgenannten Conrad und Eberhard
aus dem alten fränfifch -falifchen Gefchlechte entfproffen
oder nicht? — bleibt zur Zeit noch ein hiſtoriſches
Problem. Wenck in historia Hassiae Part, I. pag. 186,
vereneinet ed. Dem Hugo folgte Gerlach. Er fommt
in Urkunden von den Jahren 993, 1000 und 1002 nament-
lich vor. Als Nachfolger Gerhards in dem Niederlahn-
gau und dem Arrich werden in einer Urkunde des Bi:
ſchofs Aecho von Worms vom Jahre 1034 (Orig. Nass.
H Berfaßt im September 1818 für des Erzherzogs Palatinud
kaiſerl. Hoheit.
97
p. 109) Arnold und Wigger genannt, Beide Brüder
theilten diefe Gauen fo unter fi), daß dem Arnold der
Gau Arriche mit den in demfelben gelegenen Allodialen
zu Theil ward, außerdem aber auch noch andere Allos
dialien, unter welchen wohl Limburg das vorzüglichfte
war, erhielt. Wigger dagegen befam mit ber Bogtei der
Kirche zu Limburg, Wefterburg und Runkel ausgefchier
ben, welche dem Grafen Arnold verblieben, die Faiferliche
Srafichaft in dem Lahngau.
Um dieſe Zeit fingen die Gaugraffchaften, als kaiſer⸗
liche Lehen, allmälig an erblich zu werden. Noch im Sabre
4050 erjcheint Arnold in einer Urfunde (orig. Nass,
p. 123.) ald Graf im Arriche, 1052 aber unterfchreibt er
ſich mit dem von der durch ihn erbauten Burg Arenftein
entlehnten Gefchlechtönamen. Hontheim hist, dipl, Trev,
Tom I. pag. 395. Arnold zeugte Ludwig J., Grafen von
Arnftein, diefer Ludwig IL. und fieben Töchter; Ludwig II
mit feiner Gemahlin Udilchild aber Ludwig III, der kin⸗
derlos war, und mit dem die Neihe der Grafen von Arn⸗
fein in männlicher Descendenz erlofch. Dieſer verwans
beite 1139" feine Burg in ein Klofter unter der Regel des
h. Rorberts, dem er reichfiche Güter fehenfte, und in wels
dem er felbft die Gelübde eines Layenbruders ablegte,
Seiner in diefe Stiftung und Trennung eimwilligenden Ge—
mahlin Guda (Juditha) erbauete er auf der Iinfen Seite
beffelben Berges eine Klaufe, ans welcher fie vermittelft
eines Fenfterd dem Gottesdienfte beimohnen konnte. Luds
wig ftarb im Jahre 1185 im Rufe der Heiligkeit.
Bon des verftorbenen Ludwigs fieben Schweſtern was
ven die Ate an einen Grafen von Naſſau, die 7te aber,
98
Matbildis, an einen Dynaften von Sfenburg verehelicht.
Diefer Fegtere, nannte er fich nach Fiſcher geneal, isenb.
Gerlach, oder nach Kremer orig. Nass. Reinbold, folgte
feinem Schmager in bie Grafichaft, ald die Dyna—
ftien Schauenburg, Limburg, Wefterburg und Runfel.
Gerlach oder Reinbold, gilt gleich, welcher von beiden-
Brüdern, zeugte mit der arufteinfchen Gräfin drei Söhne,
Gerlach, Reinbold und Siegfried. Brower annal, Trev.
p.44. Gerlach erbiclt aus der väterlichen Nachlaffens
fchaft die Dynaftien Limburg und Schaumburg *), Siegfried
jene von Runfel und Wefterburg, und endlich Reinbold
die Graffchaft auf dem Arriche. Orig. Nass. I, 357.
Gerlach fommt noch im Sahre 1146 in einer Urs
tunde vor, ftarb aber noch vor dem Jahre 1158 und bins
terließ zwei Söhne Gerlach und Heinrich I. Gerlach fegte
die Iſenburg-Coverniſche (Covern an der Mofel) Linie fort,
Heinrich aber die Iſenburg-Limburgiſche. Diefer, der vor
1200 ftarb, zeugte zwei Söhne, Heinrich und Eberhard.
Hist. dipl. Trev. Tom. I. p. 641. Heinrich II. mit feiner
Gemahlin Sfengarde, Gräfin von Eleberg (Fischer geneal,
isenb, p. 117.) hinterließ ebenwohl zwei Söhne, Gerlach
und Heinrich IIT. Heinrich II. Bruder Eberhard war geifts
lich, Tomberr zu Mainz und feit 1235 Probft zu Limburg.
Gerlah und Heinrich III. befaßen nach dem Tode
Heinrichs IT. (vor 1233) die väterliche BVerlaffenfchaft
eine Zeit lang ungetbeilt, bis fie endlich 1258 an eine
Theilung derfelben dachten, darüber uneind wurden, fid)
endlich, jedoch unter Vermittelung Arnolds, Erzbifchofs
von Trier, dahin verglichen, daß Gerlady die Burg und
*) Hierzu der Rachtrag 1. pag. 101.
1)
die Stadt Limburg, fo wie die Burg Schaumburg mit
Gramberg, Steinsberg und Biebrich nebft den Burgen
Sekbach, Staden und Frauenftein, Heinrich aber die Dogs
tei Billmar erhalten, die Burgen Eleberg und Habechens
berg in der Wetterau unter beide zu gleichen Theifen vers
theilt werden follte. Diefe Theilung war eine Todtheis
lung, und Gerlach nahm anjtatt des Namens Sfenburg
nunmehr den Namen eined Tynaften von Limburg an,
Neindard hit. Ausführung, pag. 309,
Gerlach I., Dynajt von Limburg, vermählt mit Ima-
gina Comitissa de castris (von Bliegfaftel) zeugte au
derfelben unter anderen Kindern eine Tochter mit Namen
ebenfalls Imagina, die an den Grafen Adolph von Naf
ſau vereblichet war. Origin. Nassov. Part. II. p. 405,
Adolph begiinftiget durch feinen Better, den Erzbifchof von
Mainz, hatte Hoffnung zu der durch Rudolph von Habs—
burgs Tod erledigten Kaijerfrone, und es mußte Gerlach
fehr fihmeicheln, feine Tochter als Kaiferin zu feben,
Siegfried von Wefterburg, Erzbifchof von Koͤln, mußte,
als mitwählender Kurfürft, um feine Stimme erfucht, und
gewonnen werden. Mit ven Dynaſten von Limburg aus
dem Haufe Iſenburg abfiammend, gleichen Gebfütes, glaubte
Gerlach feinen mächtigen Schuß vorzuͤglich Dadurch ges
winnen zu fünnen, wenn er dem fölnifchen Erzftift die
Schaumburg mit Zugehör durch eine Schenfung auf ims
mer verchrte (1255). Er erreichte fein Ziel, und Giegs
fried verrichtete felbft die Salbung des neuen Kaiſers,
und der Kaiferin. *) Co ging die Schaumburg von den
Dynaſten von Limburg an das Erzftift Köln über. Chron.
*) Hierzu der Nachtrag IT, pag, 104.
100
Limburg. in Prodr. hist, Trev, p. 1075. Siegfried
übertrug fofort diefe Herrichaft an feine Familie, die Dys
naften von Wefterburg, unter der Bedingung, daß fie
fünftig diefe Herrfchaft als erzitiftifche Fölnifches Leben ans
erfennen follten. Diefe Dynaften famen demnad) in ru—
bigen Befig der Burg und Herrichaft Schaumburg, und
Johann von Wefterburg errichtete mit der Stadt Lim
burg im Sabre 1311 ein Buͤndniß, wodurd, er ſich Dies
felbe mit feinem Haus Schaumburg gegen jeden zu
ſchuͤtzen verpflichtete. Diefes Buͤndniß beftand bis zum
Sabre 1346, in welchem Reinhard von Wefterburg ſich
von demfelben wieder losjagte,
Als 1320 die Gebrüder Reiner nnd Johann von We
fterburg gegen den trierifchen Erzbifchof Balduin aus dem
mächtigen Haufe der Grafen von Luremburg die Waffen
ergriffen, 309 lesterer gegen Schaumburg und erbaute
auf dem Grund und Boden der beiden Gebrüder, um ih.
nen für die Zufunft einen Zügel anzulegen, die Burg
Baldenftein. Damit aber das durch gebrauchte Gewalt
Gewonnene feine Veranlaſſung zufünftiger weiterer Fehden
feyn möchte, brachte er fpäter das den Brüdern mit Ge
walt Entriffene fäuflid an fi. Honth. Prodr. hist.
Trev. p. 852. Dieſes war die erfte der Befikungen des
trierifchen Erzftift8 an der Lahn, die fich fpäter fehr ers
weiterten. Sin den flürmifchen Wahlzeiten Rabans, Erz
bijchof3 zu Trier, im 15ten Jahrhundert, ward die Burg
und dad Thal Baldenftein, nebft dem Kirchenfchag dafelbft
an Wilhelm von Staffel verpfänder, von welcher Famis
lie nach deren Erlöfchen die Pfandfchaft an die Herren
von Reifenberg, und von diefen an jene von Elzruͤbenach
101
überging. Hier, am Zufammenfluffe der drei verfchiede-
nen Sandeshoheiten, naͤmlich jener des Erzftifts, dann der
der Grafen von Dieß, und endlich der der Herrfchaft
von Schaumburg ftehet eine erhabene Linde, am deren
Wurzel der gemeinfchaftliche Hoheitsftein eingefenft ift.
Nachdem die Herrfchaft Schaumburg mit Fölnifch = erz
ftiftifchem Lehensconfens fpäter an die Grafen von Katzen⸗
elnbogen verpfändet worden, hat diefelbe endlich 1655,
Agnes, die Wittwe Peters des Grafen von Holzappel,
von Georg Wilhelm, Grafen von Feiningen Wefterburg
kaͤuflich an fich gebracht, fie von dem Lehensverband mit
dem Erzftift Köln befreiet, und ihrer Tochter Elifabeth
Charlotte, ald Heirathsgut, an den Fürften Adolph vorn
Naffaus Dillenburg mitgegeben, der auch den Titel Naffaus
Schaumburg annahm. Da auch diefer Feine Söhne hins
terlaffen, fo Fam die Herrfchaft mit feiner jüngften Toch—
ter Charlotte an Victor Amadaͤus, Fürften von Anhalt.
Radträge
von Herrn Schulinfpector und Pfarrer
C. D. Vogel.
1.
Schaumburg kommt fchon i. J. 915 in ben Orig,
Guelf, IV. ©.275 und zwar als eine befondere Graffchaft
vor, Der deutfhe König Conrad 1. fehenkte in diefem
Sabre feinen Hof Naſſowa mit allen dazu gehörigen,
102
an beiden Seiten des Fluffes Logene, in den beiden
Grafichaften Sconenberg und Marvels gelegenen
Gütern, an das Innerhalb der Stadt Wilinaburg neu
‚ erbauete Klöfterlein. Der Name, durch einen Schreibes
fehler aus Scowenburg vermuthlich verdrehet, und
feine Lage an der Lahn, laffen feinen Zweifel übrig, daß
nur Schaumburg hier zu verfichen fey. Den Begriff
des Wortes comitatus in diefer Urfunde verengen, und
ihn mit einer Gente oder gar nur einer Gemarfung gleich»
bedeutend machen zu wollen, wie Wenk in den biftorifchen
Abhandlungen 81. Not. Z., dazu ift um fo weniger Grund
vorhanden, da die Untheilbarfeit der Gaugrafichaften nicht
mehr jo feit ftand, daß nicht fchon Ausnahmen gemacht
worden wären, und auch Schaumburg im dreizehuten
Jahrhundert als eine befondere, abgefchloffene Herrfchaft
neben Naſſau, Dietz, Katenelnbogen ꝛc. erfcheint, die in
dieſem coınitatus ihren Urfprung hatte,
Zwei Urkunden von 1194 und 1204, wovon die erfte
Wenk in der heffiichen Landesgefchichte II., Urk. 124 und
die andere Bodmann in den rheingauifchen NAltertbits
mern 11. 79 geliefert haben, find für die Geſchichte von
Schaumburg wichtig, obgleich ihr Hauptinhalt fich nicht
darauf beziehet. Die erſte, welche erzählt, daß die Gräfin
Elyfe, Witwe Ruprechts II, oder des Streitbaren von
Naſſau, eine von diefem in Mulenbach erfaufte Wiefe an
das Klofter Eberbach gefchenft habe, und deren Tochter
Lucarde mit ihrem Gemahl, dem Grafen Herrmann
von Birneburg, ihren gegen diefe Schenkung gemach—
ten Einreden entfagen, ift gegeben worden apud casırum
Schouwenburch. Als Zeugen kommen darin zuterft vor:
103
Heinrih, Bruno und Ruozmann von Sfenburg. Die
zweite Urfunde zeigt uns die Verbindung, in der die Gräs
fin Elyfa mit diefer Burg ftand, denn fie wird darin
ald comitissa dicta de Schowenburg relicta Ruperti
comitis de Nassowe angeführt, und verfauft mit. Eins
willigung des Grafen Herrmann von Virneburg
und deffen Gemahlinn Lucard, ihrer Tochter, dem Klos
fter Johannisberg die DBogtey Steinheim im Rheingau.
Denn hieraus laßt fich mit Necht folgern, daß die Bnrg,
nach welcher fie fi) noch nad) ihres Gemahld Tode
nannte, dem Gefchlechte, woraus fie entfproffen, anges
börig, ihr ald väterliches Erbtheil zugefallen, und von
ihr in Ermangeluhg männlicher Erben in Gemeinschaft
mit ihrer einzigen Tochter und deren- Gemahl bejeffen
worden fey. Daß fie aus dem Sienburgifchen Haufe und
Schaumburg, einer Linie diefes Haufes angehört habe,
diefer Vermuthung läßt fi) vor der Hand um fo wenis
ger widerfprechen, da die Sfenburger durch die Arnfteis
nifche Verlaffenfchaft im Einrich ftarf begütert waren,
und dadurch felbft das Grafenamt über diefen Gau (freis
lich nur ein Schatten diejer einſt fo hoben und bedeutens
den Würde, das fie darım auch ohne Anftand bald ver
aͤußerten) an fich gebracht hatten, Schaumburg felbft auch
noch ſpaͤter im Befige derjelben in Gemeinfchaft mit Birs
neburg angetroffen wird. Der Mitbefis des letzteren an
diefer Herrfchaft, läßt fich aus den obigen Urfunden Far
herleiten. Wie aber Virneburg Theil genommen und wie
lange fein Beſitzſtand gedauert habe, iſt noch völlig ums
befannt. Einige Thuͤrme des Schloffes follen noch in
Beueren Zeiten von ihm benannt worden ſeyn; auch find
104
noch Kehnbriefe vorhanden, worin ed die von Langenau,
Mudersbach, Eronendberg, Walde ꝛc. mit Theilen diefer
Herrichaft belehnt. Die von Mudersbad; trugen bis zu
ihrem Erlöfchen ein Achtel der Dörfer Fachingen und Birs
lenbach von ihm. Graf Ruprecht von Virneburg vers
ſprach 1405, Kagenelenbogen nicht an feiner Pfandichaft
auf das Schloß Schauenburg zu hindern, und noch
1435 machte Virneburg au einen Theil des Schloſſes
Anſpruͤche.
IE.
Hier ift offenbar aus den Worten des Chronikfchreis
bers zu viel gefolgert worden. Denn die beiden folgens
den bisher ungedrucdten Urkunden beweifen zur Genüge,
dag Schaumburg ſchon 1266 unter dem Erzbifchof Enz
gelbert, an Köln, von Gerlah, Herrn von Lime
burg zu Lehen aufgetragen, und 1279 an deffen Schwie>
gerfohn Heinrich, Herren von Wefterburg gefon«
men fey. Sn dem legteren Sabre, mehr ald 10 Sabre
noch vor Rudolphs von Habsburg Tode, Fonnte an eine
Bewerbung um deu Kaiferthron nicht wohl ſchon gedacht
werden.
1.
Nos Gerlacus dominus de Zympurg Imagina uxor
nostra et Johannes filius noster primogenitus tenore
presentiam volumus esse notum, quod de libera vo-
luntate nostra universam proprietatem nastram ad
castrum Scowenburg pertinentem videlicet partem
ejusdem castri (den andern Theil hatte Birneburg tune)
105
quam hactenus in eo habuimus vineas nostras in
monte ipsids castri sitas et silvam nastram adjacen-
tem cum omnibus redditibus quos in Birlebach et
Crampurch villis hucusque dinoscimur possedisse do-
nayimus ecclesie beuti Petri Apostoli Colonie a re-
verendibus patribus domino Engelberto nunc ipsius
ecclesie archiepiscopo snisque successaribus quiete
et pacifice perpetuo possidenda renunciantes simpli-
eiter et pure omni juri quad nobis tam in castro
predicto quam bonis prenotatis competebat vel com-
petere videbatur. In cujus rei testimonium et robur
eonscribi fecimus presens instrumentum et sigillo-
rum nostrorum munimine roborari. Datum anno
dni. M.CC.LXVL sexto calend, Octoh,
2.
Nos Gerlacus dominus de Limburg notum faci-
mus universis quod licet cum viro nobili domino
Henrico de Westerburg qui cum filia nostra matri-
monialiter contraxit Agnete videlicet certam promi-
serimus liberaliter et dederimus pecunie quantitatem
nos tamen ipsi Henrico genero nostro Agneti filie
nostre predicte et heredibus eorum recognoscimus
portionem hereditatis nostre que ipsis past mortem
nostram jure hereditaria competit et potest compe-
tere et ipsos diete hereditatis participes facimus et
heredes et dictam portionem ipsis deputamus cum
Johanne et Henrico filiis nostris et /magina filia nostra
comitissa de Nassow percipiendam equaliter et propor-
tionaliter dividendam,. Preterea super eo quod pres
106
dictus nobilis Zenricus dominus de Westerburg cas-
trum Schouwenburg ex parte ecclesie Coloniensis te-
nuit et tenet nec nos nec filii nostri predicti Imagina
filia nostra predicta nec eorum heredes ipsi domino
Henrico de MWesterburg suscitabimus vel movebimus
questionem. Acta sunt hec de consensu filiorum nos»
trorum predictorum coram reverendo patre domino
Sifrido Archiepiscopo Coloniensi presentibus nobili-
bus viris Gerhardo comite de Dietz Hartrado domino
de Merenberg domino de Kempenich Johanne de
Sconhach Gerhardo dieto Wolf. In cujus rei testi-
monium et robur sigillum nostrum una cum sigillo
reverendi patris domini Sifridi Archiepiscopi Colo-
niensis et alioram nohilium predictorum presentibus
duximus apponendum, Nos Sifridus Archiepiscopus
Coloniensis et alii nobiles predicti ad petitionem no-
bilıs viri domini de Limpurg sigilla nostra presenti-
bus duximus apponenda, Actum et datum anna dni,
M. CC.LXXIX. quarto nonas Juli),
- Die Urfache des Lehnsauftrags an Köln it noch ums
befannt, da die erfte Urkunde darıber feinen Aufichluß
giebt. Die Uebergabe von Schaumburg an Heinrich
von Weiterburg erfcheint zwar von Seiten des Lehens⸗
berrn des Erzbifchofd Siegfrieds, der fein Bruder war,
ald reine Beginftigung, da ihm außerdem feine befondere
Erbportion von feiner Gemahlin Agnes von Limburg
noch ausdrüclich vorbehakten wird, allein der erfte Grund
davon mag doch in diefer Vermäblung gefucht werden.
Schaumburg hatte einmal das eigne Schicfal, daß es
vorher und nachher durch alle Jahrhunderte feine Beſitzer
107
meiftend nur durch weibliche Erbfolge beftimmt gemwedh-
felt hat.
Heinrich von Wefterburg hinterließ drei
Söhne, Siegfried, der 1315 fehon todt war, Rein»
bard und Johann. Unter diefen erfcheint der mittlere
als Herr von Wefterburg, und ber jüngere nennt fich von
Schaumburg. Beide laffen ſich vom Kaifer Ludwig
mit der Gerichtsbarkeit der Herrichaft Schaumburg bes
lehnen, und ich fee die Urfunde darüber um fo mehr
hierher, da fie die zu diefer Herrfchaft damals gehörigen
Dörfer enthält.
Wir Lodewig von Gots Gnaden Romifcher Keyfer
verjehben das wir Sohaunes und Reinhard von
MWefterburg verluhen haben zu befferung irer lehen die
fie vormalen von dem Riche gehabt haben das gericht
hoc vnd nieder vnd Scheffen vnd Schulteffen zu fegen
vnd zu entfegen nach irem willen in den Dorfen zu Habs
genfheid, Kramburg, Steinsberg, Biberg,
Waſſenbach, Wenigen Habgenfheid vnd mit
namen alles das dazu gehort zu felde zu holtze zu wies
fen zu weyde zu waffer befucht und unbefucht mit allen
den rechten nugen vnd gewonheit das dazu gehort es fey
an diefen brief gejchrieben oder nit. Wir tun inen auch
die befunder Gnade dad niemand inne den Marden der
vorgefchricben Dorfer vnd gerichte Keinen burglichen
bumwe haben fol noch ine von nuwen ainheben fol. geben
zu Pferde des Sontags na jent Martins dage 1328. u
Bon beiden find feine männlichen Nachfommen bes
fannt, wenigftens Feine, die dem weltlichen Stande treu
blieben, und was Wenk in der heſſiſchen Kandesgefchichte I.
108
476 — 481 gegen dieſe Annahme ausführt, berubet nur
auf Schlüffen, die von mehreren ungedructen Urkunden
widerlegt, alle Beweiskraft verlieren. Wefterburg und
Schaumburg famen daber nad) ihrem Tode an ihres
Bruderd Siegfried Sohn, Reinhard den Juͤngeren,
den aus der Limburger Chronik befannten Helden feiner
Zeit. Diefer bemwittumte feine zweite Gemahlin Cuni—
gund, aus dem Geſchlechte der Herrn von Merenberg,
auf das Haus und die Herrfchaft Schaumburg. Sie
war 1353, Mitw. n. Allerheil. auch in deren Beſitz und
Fam mit ihrem Stieffohne Johann dahin überein, daß
fie mit ihren beiden leiblichen Söhnen Siegfried und
Hartrad, die noch minderjährig und dem geiftlichen
Stande beftimmt waren, nur auf ihrer drei Lebenszeit bes
halten wollte. Diefer vorgefehene Heimfall verzögerte fich
aber noch lange. Denn zwanzig Jahre fpäter empfing
Cunigund und ihre beiden genannten Söhne 200 fl. Manns
gelder von Graf Wilhelm von Kagenelenbogen, wogegen
fie demfelben ihr Schloß Schauwenburg öffneten. Sm
Sahre 1378 verfegten fie einen dritten Theil deffelben an
Graf Diether von Katzenelenbogen für 800 fl., und 1382
ſchloſſen fie einen Vergleich mit Reinhard von Wes
fkerburg (dem Sohne Sohannes) wonach diefer ein
Drittheil defjelben haben, Siegfried auf Lebenszeit dag
andere Drittheil behalten, und beide das an Katenelens
bogen verfegte Drittheil einlöfen follten. Die Einlöfung
erfolgte jedoch nicht, fondern entfernte fih, als Graf
Johann von Kasenelenbogen i. 3. 1435 von neuem zu
ber obigen Summe 5000 rheinijche Gulden und 200 Limb.
Mealter Hafer fchoß, und die Bedingung fiellte, daß der
109
Miederfauf zur feinen und feines Sohnes Philipp Lebzeis
ten nicht gefchehen follte, und der letztere 1445 einen
neuen Pfandbrief erhielt Cef. Wend a. a. O. I. Urkb.
188. Note.) So ging denn diefer Theil des Schloffes
mit der Ragenelenbogifchen Erbfchaft an Heffen über, und
ift erft ſpaͤt an Werterburg wieder zuruͤckgekommen.
Als das Leiningen: MWerterburgifche Haus fich nach dem
Tode Cunos 1547 in drei Linien theilte, erhielt die
mittlere Schaumburg und Cleberg. Der Stifter ders
felben, Graf Georg trat in franzöfifche Dienfte und hins
terließ dadurch, daß er mehrere Negimenter auf eigene
Koften angeworben hatte, feinen Kindern viele Schulden.
Diefe wurden darauf im dreißigjährigen Kriege noch fehr
vermehrt, und die Derlegenheit feines Haufes um Geld,
wurde endlich, da die in das Haus Wied verheirathete
einzige Tochter feines Sohnes Reinhard nur durch
eine große Summe, wegen ihrer Erbanfprüche, abgefuns
den werden fonnte, fo dringend, daß fie nur durch ein
großes Opfer befeitigt werden fonnte. Die Herrjchaft
Schaumburg wurde als folches dargebracht. Als Käufer
rin derjelben fand ſich 1656 Agnes, die Witwe des
Grafen Peters von Holzappel für 40,000 Reiches
thaler, und der Graf Georg Wilhelm mußte ſich von
einer Befigung trennen, die feiner Familie beinahe vier
Sahrhunderte angehört hatte. Die Käuferin vereinigte
darauf diefe neue Acquifition mit der Grafſchaft Holzaps
pel, die auf der anderen Seite der Lahn und gegenuber
gelegen, von ihrem verftorbenen Gemahle 1634 erworben,
aus der alten Efterau und den Vogteyen Iſſelbach
und Eppenrod erwachſen war. Alles dieſes blieb feit
|
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|
|
|
110
dem ungertrennt beifammen, und macht jet das ſtandes⸗
herrliche Gebiet von Anbalt-Schaumburg aus.
Zum Schluffe bemerfe ich bier noch die Namen der
Lehensträger der alten Herrfchaft Schaumburg: von
Broich trugen den Hof zu Diethard. — von Bes
ringshaufen, von Gramburg, von Katzenelen—
bogen, von Dies, von Gerolſtein, hatten das
Dorf Diethard im Schwall zu Lehen nebft dem Kirchens
fag dafelbft, was nad) ihrem Erlöfchen durdy Taufh an
Heſſen fan; von Klingelbach, trugen die Vogtey
gleiches Namens, Koeth von Wanfıheid, mutheten
einen Theil des Zehentend zu Freiendicg und Berlebach;
von Biberg, von Schönborn Die Virneburgifchen
Vaſallen find fchon oben genannt worden.
7.
Bericht über die Nachgrabungen auf der Dorns
burg bei Hadamar, von Herrn Mepizinalrath
Dr, Kolb in Hadamar.
Dem verehrlihen Auftrage zu Folge babe ich die Fors
fhungen auf der Fläche des Berges die Dornburg,
Donnerberg, vielleicht aud) Thorburg genannt, begonnen,
und an verfchiedenen Punkten Nachgrabungen veranftals
ten laffen. Diefe Nachgrabungen haben zwar bis jet
11
nur geringe Nefultate gefördert, indeffen fcheint auch diefe
geringe Ausbeute nichts weniger als unintereffant zu feyn
und zur Fortfegung der Grabungen aufzufordern.
Die Dorndburg liegt von Hadamar 1'/, Stunde ent:
fernt, bildet einen der hoͤchſten Bergruͤcken des Amtes
Hadamar ımd verläuft kammfoͤrmig mit Eleinen Abfägen
und in halbfreisförmiger Richtung bis zu den etwas höher
liegenden Gebirgen ded angrenzenden Amtes Mendt. Die
Fläche, welche feinen Gipfel einnimmt, mag in der Pes
ripderie ungefähr 20 Minuten, der Breite 6, die Länge
6 bis 8 Minuten um und durchgangen werden Fünnen.
Die ganze Fläche bietet eine Menge zerftrent und nidjt
weit von einander liegender größerer und Eleinerer Steins
und Schutthaufen dar. Die Steine, welche diefe Schutt
haufen pilden, find Bafalte von verschiedener Form und
Größe. Einige haben verbranntes Ausſehen und fcheinen
eigends behauen zu ſeyn. An manchen Elebt noch Speiß
und bei vielen Schutthaufen werden Speißflumpen ges
funden. Die Schutt» oder Steinhaufen liegen alle, ale
wären fie langfam in fich und durch Feuer verfenft, ges
bildet worden. Die Anzahl diefer Steinhaufen mag ſich
auf 40 bis 50, vielleicht noch mehr belaufen. Viele bils
den einen großen Umfang. Einen der größern Steinhaus
fen, der ungefähr in der Mitte der Fläche vorgefunden
und bei dem Speißflumpen gefunden wurden, ließ ich
aufräumen. Nachdem man die Steine in der Höhe von
2% Schuh weggeraͤnmt hatte, erblidte ich eine regels
mäßige Mauerwand, deren innere Fläche ftellenweis mit
ziemlich erhaltenem Speiß überzogen war. Sch ließ nun
alle Steine entfernen und hatte das Vergnuͤgen, die
112
Grundmauern eines Gebaͤudes in regelmäßiggebildetem
Viereck aus dem Schutte emporſteigen zu ſehen. Dieſe
Mauern ſtanden voͤllig uͤber der Erde und maßen in der
Höhe 3 bis 31%, Schuh, in der Breite 1 bis 1% Schub.
Sie waren aus Bafaltfteinen verfchiedener Größe, wovon
viele ein gebranntes Ausſehen hatten, gebildet. Eiſerne
Klammern oder fonftige metallifche oder hölzerne Zuſam⸗
menfügungen haben fich nicht vorgefunden; eben fo wenig
konnten Infchriften oder Zahlen an den Steinen entdeckt
werden. Der Gebäudereft hatte zwei Ausgänge; der eine
nad Oſten war in der Mitte, der andere nach Weiten,
etwas mehr nach der Seite, Beide hatten eine Breite
von 2°), bis 3 Schuh. Nahe an dem Ausgange nach
Werften foll wider der Mauer ein Feuerherd von fefter
Bauart geitanden haben, welchen die Arbeiter ohne mein
Wiffen und gegen meine Weifungen im Augenblic mei:
ner Abwefenbeit, wahrjcheinlich aus Begierde, etwas von
Werth darinnen zu finden, umgeriffen und zerftört hats
ten. Der Boden, welcher die Fläche innerhalb des Ges
bäudes bildet, war ein feit geftampfter und getraßter Bos
ben von vorzüglicher Arbeit. Diefer Traßboden hatte
eine Die von 4 Zoll und unter ihm befand fic ein
N lafter von 4 Zoll, dann wieder Traßboden und dann
wieder ein Dflafter. Nach diefem Pflafter kamen pyra⸗
midenähnliche Bafalte in fchiefer Richtung wie Gemölbs
fteine neben einander liegend und mit fpeißähnlicher Maffe
in den Fugen durchfüllt. Diefe Bafalte hatten verfchies
dene Größe und Dife. Manche waren bis 1 Schub
groß und *), Schuh di, andere wieder 1'/, bis 2 Schuh
groß und °/, Schnh bis 1 Schuh did. Unten waren fie
113
Hach, oben ſtumpf pyramidenähnlich gebildet, Sch glaubte
bei dem Erblicken derfelben ein römifches Gebäude ents
deckt zu haben, da die Nömer befanntlich die meiften
ihrer Baufteine auf diefe Weije zu behauen pflegten.) Sm
der Hoffnung, ein Gewölbe zu entdecken, Ließ ich diefe
Steinlagen wegnehmen und tiefer und tiefer graben.
War indeffen eine folche Lage abgenommen, fo erfchien
eine andere eben fv gebildete Lage. Diefe Erfcheinung
benahm mir den Muth, in diefer Stelle tiefer zu forfchen,
um fo mehr, da ich mir vorftellen mußte, daß diefe in
Schiefer, anfcheinend gewölbartiger Richtung liegende Bas
falte in der Natur fo vorfommen, und das Grundgebirge
der Dornburg ausmachen möchten. Diefe Annahme
wird um deſto mehr gerechtfertigt, als ſich an mehrer
ven Punkten, wo ich in die Tiefe einfchlagen ließ, die
felben Erfcheinungen dargeboten haben. Die Grundmauern
des vorgefundenen Gebäudes erftrecten ſich mit ihrem
Fuß noch 1%, Schuh tief in die Erde und ruheten auf
den oben erwähnten Kegels oder Pyramidenbafalten. Beim
Wegräumen der Steine, in der innern Fläche des Ger
baudes, fand man auf dem Traßboden, Iofe liegend, eis
nen runden, in der Mitte zerbrochenen Mahlſtein, ver in
der Mitte eine runde, ungefähr fauftgroße Deffnung
hatte, fehr abgenußt und ausgelaufen war und aus ei-
ner Tufſtein- oder Lavagattung, wie man fie am Laacher
See, unweit Coblenz zu graben pflegt, gehauen war.
Unter dem erften Traßboden fand ich verfchiedene Bruch—
*) Dieß gilt nur von den äußern Bekleidungs- oder Futters
mauerfteinen des Emplecton, d. H.
8
114
ſtuͤcke von Gefäßen, die aus grauer Vorzeit zu feyn ſchie—
nen, Sch fende diefelben zur Einficht mit. Nahe im
Ausgang nad Welten wurde ganz oberflächlich die mits
folgende Münze gefunden. Nicht wenig Mühe habe ich
verwendet, um das Gepräge diefer fonderbaren Münze aus—
zuforfchen. In meiner nicht unbeträchtlichen Sammlung
numismatifcher Werke, fonnte ich Feine Münze vorfinden,
welche mit der Präge diefer Münze vollkommen überein
ſtimmte. Entfernte Achnlichfeit laͤßt fich bei guter Eins
bildungsfraft wohl in den Münzen der Römer Saecula-
res Augg. mit der Präge eined Hirfches, ferner in der
römifchen Minze Apollini cons. aug. mit dem Bilde eis
nes halb Menfchen und Pferdes, ferner mit der römis
ſchen Münze Vota Publica mit der Figur eines Mens
ſchen, auf deffen Rumpf ein Thierkopf fist, und in einer
griechifchen Münze Alabus, die halb einem Meerungeheuer
balb einem Menjchen einen Pfeil haltend, vorſtellt, fin
den. Am wahrfcheinlichiten ift cd, daß die Münze we
der römijchen noch griechiichen, fondern deutichen, viel
leicht altdeutfchen oder hunnifchen Urfprungs ſey. Nach
den Sagen der Drtsbewohner von Wiljenroth follen auf
der Fläche Dornburg viele Münzen, befonders von Gold,
oft im Werth von 22 fl. mit heidniſchem Gepräge gefun—
den worden ſeyn.
Nahe an der Außeren Wand der aus dem Schutt
bervorgegrabenen Grundmauern entdeckte man einen tief
und im Zirkel eingefenkten Schutt von Steinen. Als die
Steine hinweggerafft und man in eine Tiefe von 2 Fuß
gefommen war, quoll eine Menge reines Quellwaffer
entgegen, deſſen Urfprung man einige Schuh verfolgte.
115
Man entdedte einen Kanal, der regelmäßig oben, unten
und an den Seiten mit Steinen belegt war und zur Lei
tung reinen Trinkwaſſers gedient haben mag. Solche
Kanäle haben ſich an verfchiedenen Orten und Rich—
tungen ber Dornburg vorgefunden. Sch ließ am zwei
Stellen diefe Kanäle verfolgen und fand fie fort und fort
regelmäßig angelegt und mit einem eignen Pflafter noch
gedeckt. Unmwahrjcheinlich iſt es, daß diefe Leitungen Werfe
ber Feldeigenthümer feyn, welche etwa das Waffer von den
Feldern ableiten wollten. Dazu find die Leitungen zu re
gelmäßig und feinem, auch der Alteften Ortsbewohner
ber Umgegend ift von der Anlage folcher Leitungen etwas
bewußt. Bid zum Urfprung der Leitung konnten diefe
Kanäle, wegen den vielen Schutthaufen, die darüber herz
führen, nicht verfolgt werden. Kine folche Arbeit wird
muͤhſam werden und größere Summen in Aufopferung
bringen. Zahlen und Injchriften haben fi) an den die
Leitung bedecfenden Steinen nicht vorgefunden. Wo Die
Reitungen bis jegt aufgegraben find, da liegen fie nur
1 Fuß tief unter der Erde.
An der Rordmeitfeite der Dornburg bemerkte man eine
ftarfe Vertiefung in einem großen Schutthaufen, und die
Sage trägt fih, daß hier die meiften Münzen und Ges
räthe verfchiedener Art, felbft eine Lampe gefunden wors
den wären. Sch hielt daher für gut, auch hier graben zu
laſſen und fand 2 Schub tief unter der Erde viele Bruch:
ftüdfe von Gefäßen, Die sub. Nro. 2. bezeichnete (wahr:
ſcheinlich) Harniſchkrampe und abermal eine Handmühle
Sn der Tiefe von 4 Schuh, von der Fläche an gerechnet,
fam man wieder auf die eigenen Bafaltlager und fand
116
nichts mehr vor. In Erwägung der Gebirgsbildung wäre
ed daher wahrfcheinlich, daß, folten fich auch Alterthis
mer vorfinden, bdiefelben in der Erdlage hoͤchſtens 1 bie
2 Fuß tief und in den Schutthaufen vorgefunden werden.
Daß diefe große Anzahl von Schutthaufen durch Feldeis
genthümer der Vorzeit, welche die Felder reinigen und
urbar machen wollten, zufammengetragen worden feyen,
fann ich aus dem Grunde nicht glauben, weil fie in allen
Richtungen der Fläche liegen und immerhin noch großen
Kaum einnehmen. Hätten die Feldeigenthimer dieſen
Zweck gehabt, fo hätten fie die Steine an die Grenzen der
Fläche gebracht und den Berg hinunter gerollt. Und wo
folten denn die Maffen loſer Steine von verfchiedener
Größe und Bildung alle herfommen? Dann bliebe freis
lich nur zu glauben übrig, daß die Dornburg vulfanifchen
Urfprungs fey!
Rund um die Dornburg liegen in einer Höhe von 80
bis 100 Fuß in Maffen aufgethürmte Steine verfchiedener
Größe und Iofe über einander. Das Ganze hat das Ans
fehen eines eingeftürzten oder zerftörten, oder in einem
unvollfommenen Kriegszeitalter und von rohen Händen
gebildeten Walles oder Wehrmauer. Diefer Wall hebt fich
an mehreren Stellen fammförmig fortlaufend 6 bis 12
Schub über die Fläche hervor und fcheint Jahrhunderten
getroßgt zu haben. Intereſſant wäre ed, an diefen Stellen
graben und räumen zu laffen. Sind noch Waffenbrud;
ftücde früherer Sahrhunderte vorhanden, fo werden fie ge-
wiß bier gefunden.
Merkwürdig ift ed, daß, reitet man oder fährt man
über die Fläche der Dornburg an den meijten Stellen ein
117
hohler dumpfer Ton, wie wenn viele Gewölber darunter
wären, vernommen wird, Die Sage trägt ſich auch, daß
Bewohner der Vorzeit, unterirdifche Ausgänge und Ges
wölbe vorgefunden hätten. Bis jet habe ich jedoch hiers
von noch nichts entdecken können.
Jedenfalls ift und bleibt die Fläche Dornburg eine
Stelle von hohem Intereſſe und es dürfte der Mühe, der
Zeit und Geldaufwandes Iohnen, die Forfchungen fortzus
fegen und mit Energie zu verfolgen. Freilich dürften die
Nachgrabungen, da die Fläche groß und das Wegräus
men der Steinmaſſen befchwerlich und zeitraubend ift,
nicht unbedeutende Opfer fordern; indeffen koͤnnten diefe
Opfer reich entfchädigt werden.
Y?
Gefhichte der Stadt Lahnftein und der Burg
Lahneck, von Herrn Kirchenrath Dahl
in Darmſtadt.
ar ah uteın
In dem aͤußerſten Winkel des Ausfluffes der Lahn in
den Rhein liegt am rechten Ufer des Festen Fluffes die
Stadt Lahuſtein oder Lohnſtein, welche, zum Unters
fchiede des weiter unten liegenden Dorfes Niederlahnftein,
Dberlahnftein genannt wird. Diefer zur Seite, dicht
au der Mündung der Lahn, fieht man auf einem Berge
die Ruinen von Lahneck oder Lohneck, eines ebemali-
118
gen feften Schloffes, welches jedoch nicht fo alt ift, als
die Stadt Lahnftein. Diefe war in früheren Zeiten ein
Eigenthum des Niederlahngauiſchen Grafen Konrad
Kurzpold (Curcipold), der in vielen Dingen ein Ges
genftand der Bewunderung feiner Zeitgenoffen war. Geine
Mutter Wildrut fchenfte, mit ihres Sohnes Bewillis
gung, im Jahre 933 ein Fleines Landgut jammt Dem
Zehenden zu Konftein an das Kloſter Seligenſtadt
am Main, weldye Schenfung 8. Heinrich der Heilige
im Jahre 1012 beftätigte. 4 Nach dem unbeerbten Abs
fterben des gedachten Grafen im Sabre 948 *) wurde
Lahnſtein wieder ein königliches Dominialgut, von wels
chem ein Theil fchon vor den Zeiten Konrad Kurzpoldeg,
im zehnten Jahrhundert von des Kaiſers Arnulph Ge
mahlin Uta an das Erzftift Mainz gefchenft wurde, wie
wir folches aus einer Urfunde bei Gudenus, in Codice
diplom, T. I., p. 358, erfehen.
Diefe Schenfung gefchah nach dem Tode des Kaifers
Arnulph zwifchen 900 und 911, und zwar an den Erz
bifchof Hatto I. v. Mainz, welcher von 891 bis 913
regierte. König Ludwig, das Kind, von 900 bis 911
regierend, hatte diefe Schenfung beftätigt, aber nach deſ—
ſen Tode ging letere für das Erzftift Mainz wieder vers
loren, und dieſes blieb unter 8. Konrads I. Regierung
völlig außemMWefis, bis endlich Kaifer Dtto der Große,
auf Bitten des Erzbifchofes Willigis, bemeldetes Domis
) S. MWend, heil. Gefh. Urkk Buch I. S. 279, 280.
»9 Konrad Kurzpold war nie verheirathet, denn er mochte
Aepfel und Weiber nicht leiden.
119
nialgut ums Jahr 974 dem Erzftifte Mainz wieber refti-
tuirte, worüber 8. Dtto II. im Jahre 978 die obgebachte
Beftätigungsurfunde ertheilte, welche bei Gudenus, wie
angegeben, zu lefen iſt. Im diefer Urkunde ift zwar nur
von einem Hofe zu Lonftein (Curtis Logenstein) die
Rede; es war aber dies ein Haupthof, zu welchem
mehr andere Höfe, Kirchen, Gebäude, Aecker und Wie
fen, Weinberge, Waldungen, Mühlen, Fifchereien und
fonftige Nutzungen und Rechte gehörten, und ich irre
wohl nicht, wenn ich alle die Höfe, Mühlen, Kirchen
und Güter dahin rechne, welche vormals zum Kurmain⸗
zifchen Amte Oberlahnftein gehörten, und welche ich weis
ter unten benennen werde.
Gedachter Haupthof blieb auch, wie es fcheint, von
bemeldter Zeit an, ſtets bei dem Erzftifte Mainz. Gm
Sahre 1108 beftätigte Bifhof Ruthard eine Ältere
Schenfung des Erzbifchofse Wezelo — er regierte von
1084 bis 1085 — worin bejtimmt ward, daß den Brik-
dern von St. Martin Cdem Domftifte) zu Mainz vier
Sugläfte — quatuor Carratas — Wein von Lohnftein
(Logenstein ) jährlich folltern gegeben werden, wozu Erzs
bifchof Ruthard noch ein fünftes Faß Wein binzuthat. I
Erzbifchof Adelbert I! dab durch eine Urfunde v,
J. 1128 bemeldtem Donftifte ſechs Zuglaft oder Zulaft
Wein von Lonſtein jährlich zu beziehen. Im Sabre 1144
gab der Erzbifchof Heinrich I. dem Klofter Northeim
jährlich ein Fuder Wein von Lonftein — aus Urfache,
weil in Sachfen Fein Wein wachſe — wit der Bedingniß
— Guden. T 389.
120
jedoch, alle Jahre ein Jahrgedaͤchtniß für ihn, (den Ery
biſchof) zu halten.
Derfelbe Erzbiichof beftätigt auch 1146, den Herrn
und Brüdern des Domftiftes zu Mainz die fechd Zulaft
Wein von Lanjtein (Logestein), welche feine Vorfahren
dahin verwendet hatten. ')
Etwas fpäter fommt auch das St. Mauricienftift
zu Mainz im Beſitze eines Hofes zu Lonftein vor. Ders
felbe war im Sabre 1181 fehr zerfallen, daher ihn der
Probft des bemeldten Stiftes, Herrmann an einen ges
wiſſen Gottfried zu Lehn übergab, mit der Bedingniß, ihn
wieder aufzubauen. ?)
Simon, Graf von Toggenburg, hatte das Schen⸗
fenamt des Erzitiftes Mainz im Befige und zwar als
Erbfchaft von feinen Voreltern. Al Dienftlehn hatte er,
fo wie feine Vorfahren, die zehnte Karrate Wein jährlich
von allem Weinertrage im ganzen Erzfiifte zu beziehen.
Da diefer Bezug für den Grafen fehr bejchwerlich war,
fo verordnete Erzbifchof Konrad J. von Mainz durch eine
Urfunde vom Zahre 1196, daß genannter Graf jährlich
40 Karraten Wein zu Lonftein aus des Erzbifchofs Domi-
nialhofe zu beziehen haben folle. I
Aus diefem allen ift erfichtlich, daß die Güter, welche
das Erzftift Mainz ſchon frühzeitig zu und bei Lahnftern
befaß, fehr bedeutend gemefen find. Demungeachtet hats
ten die Erzbifchöfe von Mainz zu jenen Zeiten weder eine
) Guden, I. 163, 181.
) Joannis, S, R. M. II, 706.
) Schunck, Cod. dipl. p. 3.
121
geiftliche noch weltliche Serichtsbarfeit zu Lahnſtein. Er
jtere hatte das Erzitift Trier, und leßtere war den Gras
fen des Einrichs eigen. Sn der Folge fam diefe an
die Grafen von Arnftein, und Ludwig Graf von Arn—
fein war im Jahre 1139 im Befige derfelben, refignirte
fie aber den Herren von Sfenburg, welche ſolche an die
Grafen von Naffau und vou Kabenelenbogen in
der Folge verkauften. ) Späterhin, und zwar nad) der
Wahl des Kaifers Adolph von Naffau, befam der Erz
bifhof Gerhard II. von Eppenftein, das Vogtei—
recht über Lanftein mit allen Zugehörungen auf Lebens—
Länge von bemeldtem Kaifer, im Sabre 1292, und wurde
der volle Befig von Lanftein dem Erzftifte vom Kaifer
Karl IV. bei der Wahl des römifchen Könige Wenzel
im: Sahre 1370 beftätiget, wie wir folches bei /Vürdiwein,
in Diplomat. Mog. I, p. 28, und in Trithemii Chronico
Hirsaug, T. II, p. 259, leſen. Was indeffen das letztere
betrifft, wovon Trithemius fpricht, fo kann folches nur
eine erneuerte Beſtaͤtigung gewejen feyn, denn im Jahre
1324 gab bereits der Kaifer Ludwig von Baiern dem
Erzbifchof Mathias von Mainz der Stadt Lonſtein
die Freiheiten der Faiferlichen Stadt Frankfurt mit
allen Rechten derfelben, in dem ganzen Umfange ihres Ge
bietes. Dreißig Jahre nachher (1354) verfegte der Erzbifchof
Gerlad) das Schloß Laneck und die Stadt Lanſtein
mit aller Zugehörde an den Erzbifchof Wiljelm von Köln
für 10,000 Gologulden, um damit die dem Domprobfte
Kuno von Falfenftein verpfandeten Schlöffer und andere
R Kremersd Naf. Gef. Urkk. Bud, ©. 370.
122
erzftiftifche Beſitzungen wieder einzulöfen. D Die Stadt
Lahnftein muß alfo fchon damals und früher ganz dem
Erzitifte Mainz eigen gemwefen ſeyn, was auch fehr deut-
lich aus zwei Urfunden vom Jahre 1300 erhellet, worin
Lonftein des Erzbifchofs Gerhard Eigenthum („opidum
suum‘‘) genannt wird. ?)
Al der Erzbifchof Mathias 1398 geftorben war,
entjtand ein großer Streit zwifchen dem Pabſte und dem
Domkapitel wegen der Wahl eined neuen Erzbifchofes.
Das Domkapitel poftulirte zum zweitenmale den Kurfürs
ften Baldewin von Trier zum Adminiftrator des Erzs
ftiftes Mainz, dagegen fette der Pabft den Grafen Hein
rich von Virneburg zum Erzbifchnfe. Drei Jahre dauerte
der Streit, bis endlich der Pabſt in die Adminiftration
einwilligte, und Erzbiſchof Balduin die Verwaltung des
ganzen Erzftiftes übernahm. Endlich zog fich Balduin
von der Adminijtration freiwillig zurüd, und Heinrich ers
bielt im Jahre 1337 die Zügel der Regierung. Dies ges
ſchah aber eher nicht, bis er dem Domkapitel verſprach,
dem Damals vom Pabſte ercommunieirten Kaifer Ludwig
beizupflichten, was nämlich auch das Domfapirel that.
Dadurch hatte freilich gedachter Erzbifchof fich eines Un—
dankes gegen den Pabſt fchuldig gemacht, indem er die
Partei des von demfelben mit dem Bann belegten Kaifers
Ludwig ergriff, er konnte e8 aber nicht wohl anders
machen, wenn er nicht ferner des Befikeg der Erzbifchüfs
lichen Lande und der Negierung fich beraubt ſehen wollte.
?) Guden. III, 215, Hürdtw. N, Subs, Dipl. VI, 37.
’) Würdzw. Diplomat I, 9ı, 92.
123
Um aber verfichert zu feyn, daß Heinrich auch das dem
Kapitel gegebene Verſprechen halte, jo mußte ſich diefer
Erzbifchof gefallen Iaffen, daß das Domkapitel zu feiner
Sicherheit ſechs feſte Burgen und einige Städte in Hin
ben behielt, nämlich Oppenheim, Bingen, Chrenfelg,
Starfenburg, Laneck mit Lonjtein und Wildenberg,
worüber das Domkapitel am 2. Suli 1337 einen Re
vers augftellte, Cvid. Joannis I, p. 657, nota 1.) Su
dem Reverſe, welcher bei MVürdiwein, in Subsidiis
Diplom, T. IV. pag. 286 und 289, in zwei Urkunden zu
leſen ift, wurde bedungen, daß das Domkapitel jene Burs
gen und Städte fo lange im Befise behalten folle, bis der
Erzbifchof des Pabftes Verzeihung und Huldigung wieder
erworben haben würde. Sm Sahre 1371, nach dem Tode
des Erzbifchofs Gerlach, ward Adolyh, Grafvon Naſ⸗
fau von dem Domkapitel zu Mainz zum Erzbifchofe ges
wählt, aber vom Pabfte nicht anerfannt, der dagegen den
Grafen Johann von Linwey (Ligne), Bifchof von Straß
burg zum Erzbifchof von Mainz beftimmte. ALS diefer im
Jahre 1373 jtarb*), poftulirte dag Domkapitel abermals den
Grafen Adolph von Naffau, aber Pabft Gregor X. beftellte
den Markgrafen Ludwig von Meißen, Bifchof zu Bam—
*) Erftarb am 4. Aprilzu Elt vill an Gift, wieman glaubte
und wurde in der Abtei Eberbach begraben. Gein
Eritaph fleht im Chor der Kirche, zwifchen dem ſchönen
Grabmalern Gerlachs und Adolphs II. von Naflau,
umd führt die Umſchrift: Ao. Domini MCCCLXXIN. pride
nonas aplis obiit Reveredus in Xpo Pater Dns Johanes Ar
chiEps Mogutn.cuj. ala requiescat in sca pace amen.
v9.
124
berg, zum Erzbifchof von Mainz. Lesterer Fam aber nie
zum Befige, fondern es führte der Graf Adolph, ald Ads
miniftrator des Erzftiftes, das Regiment, bid er im
Sabre 1379 den Titel eined Erzbifchofes vom Pabft Ele
mens VII. erhielt, den er jedoch ſchon früher führte.
Seine eigentliche Regierung füngt jedoch erft im Jahre 1381
nit dem befannten Vergleich an, der mit dem Pabfte
Urban VI. gefchloffen wurde (v. Gud. III. 534.)
Wir haben von diefem Adolph einen Brief vom Jahre
4374, worin er beurfundet, daß das Domfapitel zu Mainz
feine Einwilligung dazu gebe, daß er (der Adminifirator)
wegen den großen Koften, Zehrungen und Arbeit, die er
für das Stift verwenden muͤſſe, des legterm Schloffe, Güls
ten und Gefälle bis auf 20,000 Gulden verfegen, vers
pfünden oder wiederfäuflich verkaufen Tonne, jedoch alfo,
daß er die Burgen und Städte Laneck, Lanſtein,
Klopp, Bingen ꝛc. (ed werben deren noch weiter dreizehn
genannt) an Niemand anders, ald an tes Stiftes Kapir
tularen oder an des Stiftes Männer (Lehnsleute) Burg,
mannen und Dienftleute — die Renten und Gefälle aber
nad; Belieben, verfegen ꝛc. fünne, bi auf die Summe
von 20,000 Gulden, und diefelbe in den Nugen des Stifte
zu verwenden. *) Diefer Vergleich wurde im Gahre 1379
dahin abgeändert, daß das Domkapitel ſich den Befik des
Schloſſes Laneck und der Stadt Lanftein, fo. lange
Adolph lebe, vorbehielt.
Kaifer Wenzel wurde befanntlich im Sahre 1376,
noch bei Lebzeiten feines Vaters, Kaifer Karls IV, zum
!) Würdtw, N. S, Dipl. T. IX p. 216.
125
römifchen Könige gewählt, und fam im Jahre 1378 zur
Regierung. Diefe fiel jedoch fo übel aus, daß die Kurfürs
ften fich genöthigt fahben, auf Wenzels Abſetzung zu den—
fen. Sie famen zur beftimmten Zeit, im Sahre 1400 zu
Oberlahnſtein zufammen, wohin fie den Kaifer befchies
den hatten, fich gegen die wider ihn erhobenen Klagen zu
verantworten. Zehn Tage warteten die Kurfürften verges
bens auf Wenzeld Ankunft; fie verfammelten fich daher,
außerhalb der Stadt Lahnitein bei einer Fleinen Kapelle,
faßen dort zu Gericht, und fprachen durch den Reichs—
erzfanzler am 20. Auguſt 1400 uͤber Wenzel das Abſetzungs
urtheil aus, und erklärten das Reich für erledigt.) Am
folgenden Tage wurde Pfalggraf und Herzog Ruprecht
aufdem Königftuhl zu Nenfe Oberlahnftein gegenüber)
zum Könige gewählt, welcher aber noch bei Lebzeiten Wen-
zeld im Jahre 1410 geftorben ift. Die desfallfige Urkunde
wurde zu Lahnſtein am 21. Auguft ausgeftellt. *)
In der unglücfeligen Fehde der beiden Kurfürften von
Mainz, Diether, von Sfenburg und Adolph II. von
Naſſau, welche nach der Abſetzung des erfteren 1461 ihren
Anfang nahm, wurde die Stadt Tahnftein hart mitgenom—
men. Diefelbe war dem rechtmäßig gewählten Erzbifchofe
Diether, gleich mehreren andern Städten des Landes, treu
ı) Würdtw. N. S, Dipl. T. II. pag. 394. Lünnigs Reichs—
archiv, parte spec. I. Abtheilung, p. 222 ıc.
2) Der deutſche Gefhichtfhreiber Schmidt hat Unrecht, daß
er die Abfegung Wenzeld, als auf dem Konigftuhle
zu Renſe gefhehen, angiebt. Bei den angegebenen Aus
toren, bei Trithemius und andern findet man das Ge—
gentheil.
126
geblieben. Adolph hatte fich gegen diefe mit flarfer Heeress
macht gerüftet. Unter feinen Verbündeten war auch Johann
Erzbifchof zu Trier. Im feinem Solde ftand Reinhard,
Abt von Fuld, und zum oberfien Feldherrn oder Feld-
hauptmann beftellte er Alwichen, Grafen von Sulz, mit
vollfommener Gewalt zu Brandfchatung, Fehligung und
Tröftung (Sicherheit und Schußbriefe). Der erfte Verfuch
ward auf Schloß und Stadt Lanftein gewagt. Johann,
der Erzbifchof von Trier, belagerte diefelbe. Starke
Mauern und fefte Thürme befchüsten fie. Die Einwohner
hielten alle Zugänge beſetzt. Muthige Ausfälle thaten dies
felben, und zwangen die Belagerer zum Abzug: Das
zweitemal waren diefelben nicht glücklicher, der Erzbifchof
Johann mußte mit Befchämung von dannen ziehen; die
Lahnfteiner aber ftelen in das Trier’iche und nahmen Rache.
Adolph hatte die Huldigung im Rheingau empfangen.
Don da begab er ſich auf das Schloß Lahneck in dem
Wahne, durch feine Gegenwart die Bürger zu Lahnftein
gejchmeidig und unterwürftg zur machen; aber — er hatte
fi) verrechnet, die Treue der Lahnfteiner an Diether war
fo feft wie ihre Mauern, und Adolph Eehrte unmuthig
nach Eltvill zurüd,
Nach der ſchrecklichen Kataftroyhe, die der 28. Octo—
ber 1462 herbei führte, wo die Stadt Mainz von Adolph
mit ftürmender Hand eingenommen, geplündert, zum Theil
verbrannt und viel Bürgerblut vergoffen wurde, Fam
es zwifchen beiden Parteien im Sahre 1364 erft zum Vers
gleid;, dann zum fürmlichen Frieden, und an dem nämlis
hen unfeligen 28. October 1463 fam die feierliche Abtre—
tung des Kurfürfientbums, von Diether an Adolyh, zu
127
Frankfurt zu Stande. Diether trat Adolphen das ganze
Land, mit Ausnahme der Städte Höhft, Steinheim
und Dieburg ab, und wurden leßtere mit allen zugehös
rigen Dörfern, Einwohnern, Rechten, Renten und Ges
fallen, Dietbern auf feine ganze Lebenszeit zum ruhigen
Beſitze überlaffen. Adolph übernahm alle Schulden Diethers,
und uͤbermachte dieſem fogleich 5000 Gulden, und wies
dieſelben auf den Zoll zu Lanſtein an. Bis zur gaͤnzlichen
Berichtigung aller Schulden hatte er ihm Schloß und
Stadt Lahnſtein, ſammt dem Zolle daſelbſt, pfandweiſe
verſchrieben. )
Diether lebte nun, ohne Antheil an der Regierung zu
haben, 13 Jahre lang im ſtillen Genuſſe der ihm ange—
wieſenen Einkuͤnfte, und hielt fich oft und gern zu Lahn—
ftein auf, wo dad Schloß Lahneck wegen feiner ange
nehmen Lage ihm vor allen wohl gefiel. Er ließ an dem
Scloffe und der Schloßfapelle manches verbeſſern, und
erfteres mehr befeftigen. Bon ihm wurde das Thor zur
Dftfeite des Schloffes nahe an der Schloßfirche neu er-
bauet, wie das an der Pforte befindliche Wappen Dies
thers von Sfenburg beweift.
Nach Adolphs Tod 1475 *), Fam Diether wieder zur
*) Helwich de dissidio Mag. und das ſchöne Werk: Diether
von Iſenburg ıc. II Bande 1789.
*) Er ftarb zu Eltvill am 6. September. Auf feinem oben
gedachten Grabmal zu Eberbach lieft man: Anno Dni Mil-
lesimo quadrigetesio se ptuagesio quito sexta mensis Septem-
bris obiit Reverndissim’ in Xpo Pater et Dns s Secudus Dns
Adolffus ArchiEp’ Magotinensis cuj’ anima regescat in pace
ame, dv. 9.
128
Regierung, lebte noch bis 1482 und ftiftete viel Guted
in feinem Lande, Schloß, Stadt und Amt Lahnftein blies
ben in der Folge ungeftört bei dem Erzftifte Mainz, bie
endlich folches alles an das Herzogliche Haus Naffau
fam, und num einen Theil des Amtes Braubach aus
macht.
— 2b u.2 0.
Diefe alte, ehemals erzbifchöffichh und Furfürftliche
Randesfefte thront der Stadt Lahnftein gegenüber, am
Ausfluffe der Lahn in den Rhein, auf einem ziemlich
hohen und jrilen Berge. Sie diente vorzüglich zur Bes
ſchuͤtzung des zu Lahnſtein angelegten Rheinzolles, dann
auch zum zeitlichen Aufenthalte der Erzbifchöfe, wovon
mehrere gern dafelbft verweilten. Die eigentliche Zeit ih»
rer Erbauung ift zwar ungewiß; daß aber folche die
Tempelherren follen bewohnt haben, nad) deren Un⸗
tergang und Bertilgung folche verheert worden ſey — ift
eine Fabel. Mit weit mehr Grund fann man annehmen,
daß das Schloß Lahneck oder Lohneck am Ende dee
dreizehnten Sahrhunderts, und zwar vom Erzbifchofe
Gerhard von Mainz, der im Jahre 1289 zur Regie
rung fam, erbaut worden ſey.
Kaifer Adolph von Naſſau, vwelcher feine Erhebung
auf den deutfchen Königsftuhl vorzüglich dem bemeldten Erz-
bifchofe zu verdanfen hatte, begnadigte denfelben fehr reichlich
für feine Berwendung, und gab demjelben unter andern im
Sabre 1292 den Friedezoll zu Boppard, verfprach ihm
auch, nad) allen Kräften bei den Neichsfürften es dahin
zu bringen, daß jener Zoll nach Lahnſtein verlegt werde,
129
und zu ewigen Zeiten bei dem Erzfüifte bleibe. Letzteres
geſchah jedoch zu Lebzeiten des Kaifers Adolph nicht, fons
dern erſt König Albert verlegte, aus Föniglicher Machts
vollfommenheit den Friedezol von Boppard nach Lahn»
ftein und bejtätigte im Sahre 1298 dem Erzfüifte dei
Beſitz auf ewig. *) Indeſſen hatte ſchon obiges Verfpres
chen, fo wie bie Ertheilung der DVogtei über Lahnftein
vom Kaifer Adolph im Fahre 1292, den Bifchof Gerhard II,
dahin bewogen, zur Beſchuͤtzung dieſes Befiged die Feſte
Lahneck zu erbauen und in guten DVertheidigungsftand
zu fegen. Urkundlich fommt die Burg Lahneck (Laneche)
erft im Jahre 1295 vor, wo Sohann Graf von Sayn
einen Revers ausftellt, daß ihn fein Vetter, der Erzbis
{hof Gerhard von Mainz zum Erbburgmanne auf der
Seite Lahneck Cin Castro Laneche) beftellt habe. Er
verfpricht zugleich, alle einem Lehens- und Burgmanne
aufliegenden Pflichten getreu zu erfüllen, auch, wenn es
nöthig fey, in der Burg zu wohnen. Auch befennt Graf
Wilhelm der jüngere von Kasenelenbogen im J. 1296,
baß er des Erzbifchofes Gerhard und des Erziliftes
Burgmann auf der Burg Lane geworden ſey. Im
Sabre 1316 beurfundet Dietrich, Herr von Runfel,
daß er des Erzbiichofes Peter freier Burgmann (ledig
Burgman) auf deffen Burg Lane geworden fey, wofür
er 200 Mark Heller, aus dem Zolle zu Lahnftein zahl
bar, erhalten folle. ) Der Kurverwalter, Erzbifchof
Baldewin von Trier, gab im Sabre 1336 das Burg-
) Guden. C. D. T. 1. 863, goı. Würdiw Diplom, I. p. 29:
?) Würdtw, Dipl. I, 67, 68, 205.
9
130
lehn zu Lane, welches früher Jacob von Geifens
heim von dem Erzftifte Mainz gehabt hatte, dem Boes
mund von Geifenheim, nad) derfelben Burg Recht und
Gewohnheit.) Im Jahre 1354 ward bemeldte Burg
fammt Lahnftein an den Erzbischof von Köln verpfändet,
wie wir fehon gehört haben. Einen Burggrafen zu
Lahneck trifft man in einer Urfunde des Kaifers Karl IV.
v. 5. 1378 an. Später, 1425, erfcheint der Nitter
Gilbert von Schönborn als Amtmann (Offciatus)
in Sahne, Lahnftein und Daufenau. ?)
Oben fihon haben wir gehört, daß der Erzbifchof Jo—
bann von Trier, ein treuer Bundesgenoffe des Erzbis
fchofes Adolph, in der Kurfehde war, und auch in des
legteren Namen die Stadt Lahnftein — aber vergebens be;
lagerte. Für feine Dienfte gab ihm der Erzbifchof ein
Viertheil des Zolles zu Oberlahnftein. Es war aber das
Schloß Fahne, fo wie die Stadt Lahnftein und der Rhein;
zoll, von bemeldtem Kurfürften Adolph, feinem Neffen
Diethern von Sfenburg ſchon früher verpfändet worden.
Um nun in feinem Antheile des Zolles nicht gefährdet zu
werden, fo verfprach der Erzbifchof Johann durch eine
fererliche Urfunde 1464, den Grafen Diether in feinem
Beſitze ruhig zu belaffen, ja, ihn auch gegen alle fremde
Singriffe zu befchügen und zu vwertheidigen, wogegen bes
meldeter Graf verfprechen mußte, dem Erzbijchofe den
vierten Theil des Zolles ungeftört beziehen zu laſſen. 9)
1) Gudenus. Cod, dipl. UI. 294.
2) Gudenus, Cod, dipl, IV. 33.
?) Guden. C, d. V, 1066.
131
Im. Jahre 1484 Teiftet Engelbrecht von Stein,
Amtmann zu Lane und zu Lanftein dem Erzbifchofe
Berthold die Huldigung und dem Domfapitel die Erbpul
digung. 9)
Sn der Folge kommt von dem Schloffe Laneck weiter
nichts befonderes mehr vor. Der Amtmann (1497 war
es ein Adelicher von Huchelin) und der Schloßfaplan
wohnten auf demfelben, bis endlich der Amtmann feinen
Sitz in der Stadt erhielt, und der Gottesdienft vom
Schloſſe in die Pfarrkirche verlegt wurde. Doch ftand
noch im Sahre 1646 die Burg Lahneck in voller Rüftung
und war bewohnt, fam aber, als Ietteres aufhörte, nach
und nad in Verfall und ift nun eine Ruine. ?)
Außer der Burg Laneck war aber noch eine Burg fin
der Stadt Lahnftein felbft, die vielleicht Alter war, alg
die Fefte Fahne, und theilweife noch am obern Ende der
Stadt fihtbar iſt. Diefelbe diente big in die neueften
Zeiten zur Wohnung des Beamten. In derjelben wurde
auch eine Nente erhoben, welche die Rente Loneck ge
nannt wurde, vermuthlich weil fie früher auf dem Schloffe
Lone haftete. In der Folge Fam diefelbe nach Mainz,
und dauerte dafelbft bis in die neueften Zeiten fort, je
doch nicht mit dem nämlichen Gefchäfte. Die Burg in
2) Bodmann in Cod. dipl. T, V. 437.
2) Sn Merians Topographie des Mainzer Kurftaates ©. 17:
ift eine ſchöne Abbildung des Schloſſes Lahneck, der Stadt
Pahnftein und der Umgegend zu finden — Bon der Ruine
Sahne fol fpäter Grundriß und Anficht mitgetheilt werden.
d. 9.
132
ber Stadt Lahnſtein hatte ihren Burggrafen und ihre
Burgmänner, wie die Feſte Lahneck. So jehen wir aus
einer Urfunde des Erzbifchofes Peter von Mainz vom
Sabre 1310, daß derfelbe den Grafen Diether von
Kasenelenbogen und den Edelknecht Friedrich von Greis
fenflau zu Burgmännern in feinem Flecken Lahnſtein Cin-
opido suo Lainstein) angenommen habe. Sn der Urs
kunde kommen ald Zeugen vor : Friedrich Burggraf in Lars
ftein, und Sacob genannt Bube (Bumwe) Burgmann dafelbft.
Desgleichen befennt auch in einer Urkunde yom nämlis
chen Sabre Rupert, der fich nennt: von Gotted Gnas
den Graf von Virneburg, daß er des Erzbifchofse Per
ter und des Erzftifted Mainz Erbburgmann in beffen
Flecken Lahnftein, um 250 Mark fölnijcher Denare, ges
worden fey. Ferner beurfundet Dietrich Herr von Kems
ying 1311, daß er von dem Erzbiichofe Peter 300 Mark
Fölnifcher Denare erhalten habe, und defjelben Burgmann
zu Lahnftein geworden fey. ')
Sm Sahre 1312 ftellte Johann, genannt Schil—
ling eine Urfunde aus, worinn er befennt, daß ihn der
Erzbifchof Peter zu feinem und des Erzſtiftes Erbburgs
mann in Lanftein und Laneck aufgenommen und ihm
40 Mark, jede zu 36 Schillinge gerechnet, gegeben habe.
Demfelben Sohann Schilling, einem Ritter, gab Hein»
rich, der Dechant des Stiftes St. Mori in Mainz,
einige, dem Stifte zugehörigen Guter in Lanftein, als
Erbzinsgut zu eigen. Wilhelm, Graf von Kabenelens
bogen bezeugt durch eine Urfunde vom Jahre 1312, daß
») Würdtw, Diplom, I, p. ı8, a1, 3$.
133
er von dem Erzbiichofe Gerbard für 600 Mark koͤlni—
feher Denare ein Burglehn bei der Burg Lahnſtein erhal
ten, und dieſes von dem rzbifchofe Peter erneuert
worden ſey.) Im Jahre 1434 beurfundet Erzbifchof
Dietrich von Mainz, daß er dem Johann von Eyr
nenburg, Herrn zu Landesfron, zu rechtem Burglehn
geliehen habe 20 Gulden Geldes, jährlich auf St. Mars
tindtag auf dem Zolle zu Lahnſtein fallend, und von dem
dortigen Zollfchreiber zahlbar, wofür er des Erzſtiftes
Burgmann zu Labnftein ſeyn folle.?) Nach diefer Zeit
hört man von Burglehen zu Lahnſtein nichts mehr.
Bon dem Rheinzolle zu Lahnſtein ift noch folgendes
zu bemerfen: Wir haben oben gehört, daß der Friedezoll
zu Boppard durch Faijerliche Freigebigfeit nach Lahnſtein
und an das Erzftift Mainz fam. König Albrecht hatte
legterem den Zoll im Sahre 1298 auf ewig beftätigt.
Demungeachtet hatte er denfelben bald hierauf wieder ar
ſich — und dem Erzftifte entzogen. Pabſt Clemens V. bes
ftätigte jedoch im Jahre 1301 dem Erzbifchofe Peter den
Zoll zu Lahnftein, den die römifchen Könige Adolph und
Albrecht dem Erzbifchofe Gerhard, mit Einwilligung
der Kurfürften gefchenft hatten, welcher aber hernach vom
Könige Albrecht demfelben Erzbifchofe ungerechter Weiſe
wieder entzogen worden. ) So weit war damals die
Macht des Papſtes geftiegen, daß er es wagen durfte,
des deutfchen Reiches Eigenthum, dem zu geben oder zu—
1) Würdtw, Diplom, II. 36, 40 — Guden, III. 940.
2) Guden, C. d. IV. 215.
2) Guden. C.d. Ill. 40.
134
beftätigen, deffen Anfprüche ihm rechtmäßig dünften. Auch
war deſſen Beftätigung nicht ohne Wirkung, denn es
kam Erzbiſchof Peter wirklich in den Beſitz des gedachten
Zolles, wie aus einer Urfunde vom Jahre 1314 erbellet,
worin Herzog Ludwig von Baiern Furz vor feiner Wahl
zum römifchen Könige, dem Erzbijchofe Peter verfpricht,
denfelben, fobald er König würde, in den Beſitz des Zol⸗
leg zu Ranftein wieder einzufegen. Daß Died auch gefches
ben fey, wird ung durch eine Urkunde vom Sabre 1318:
gewiß, worin Erzbifchof Peter bejcheiniget, daß durd; den
neuen Zoll zu Lahnftein, der zum Beften des römifchen Kös
nigs Ludwig aus großer Noth eingeführt worden (zu
Boppard nämlich) dem Erzftifte Mainz Fein neues Recht
zuwachfen folle, doch mit Vorbehalt des alten Zolles,
den dag Erzftift daſelbſt ſchon lange beſitze.)
Nach einer Rechnung, welche der Zollſchreiber, Paul
von Geiſenheim, dem Erzbifchofe Heinrich III. von 1340
bis 1342 abgelegt hat, beftand die ganze Einnahme vom
Zolle zu Lahnſtein in 1145 Pfund, 7 Schillinge und
2 Grofichen Turnos. In einem Jahre alſo betrug derfelbe
beiläufig 560 Pfund. Damals betrug das Pfund Heller,
nach dem heutigen Werthe des Geldes im 24 Guldenfuße,
42 fl. Bemeldte 560 Pf. waren alfo gleich 6720 Guls
den. ?)
Sn Schunfs Codice dipl. ift S. 61 eine Red
nung zu finden, welche der obgedachte Zollfchreiber Paul
1) Guden, III, 98.— Hontheim Hist. Trev. II. 98.
2) Archivalnachricht. ©. fodann meine LorfhersBefhrei«
bung, Urk. Bub, ©. 157, 158.
135
im Sahre 1344 aufgeftellt hat, über Auslagen, die er aus
der Zollfaffe machen mußte, für die Freunde des Erzbis
ſchofs Heinrich III. die mit ihrem zahlreichen Gefolge in vier;
maligem Eſſen aufgezehrt hatten, 16 Dchfen, 22 Schweine,
140 Stüf Hihner und Hahnen, eine Menge von fonftis
gem gebadenem Fleifch, von Fischen, Eiern, Zugemüß ıc,,
welches alles zufammen Foftete 5 Pfund, 17 Schillinge
und 12 Heller, d. i. ungefähr 65 fl. Die übrigen Ausgas
ben im Hins und Herwege betrugen für allerhand Frucht,
für Wein, Heu, für die Küche, für 5 Tonnen Heringe,
für Käfe, Lichterrc. ungefähr 14 Pf. oder 168 Gulden. Das
ift num alles, was ich vom alten Nheinzolfe zu Lahn
ftein weiß.
Der Zoll und das Amt Lahnftein hatten in den letter
ren mainzifchen Zeiten einen adelichen Amtmann, einen
Amtsverwefer und Zollfchreiber, einen Zollbefeher und Zolls
nachgänger, einen Zolthürmer u. ſ. w. Von der Stadt
Lahnſtein muß ich noch folgendes bemerken. Sn ber
felben ift eine Pfarrkirche und Pfarrei, welche zum Bisthume
Limburg und zum Sandfapitel Montabaur gehört,
Auch hat die Stadt ein Hofpital. Eine neue Ordnung erhielt
die Stadt in den Sahren 1505 von dem Kurfürften Ja⸗
cob, 1517 von Albrecht, und 1546 von Sebaftiam,
Diefelbe find in extenso bei Bodmann in Codice
dipl. T. V. und VI, zu Iefen. Die Gegend um Labntein
ift gegen den Rhein hin eben und hat fehr fruchtbares
Feld, fonft aber. ift fie gebirgig und befteht meift aus Ge⸗
büfch und Waldungen. In diefem Gebirge find einige Eis
fens und andere Bergwerfe, welche jedoch in früheren Zeis
ten mehr im Gange waren ald gegenwärtig. Befonders
136
merkwuͤrdig ift ein ehemaliged Silberbergwerf, wel
ches im Anfange ded bdreizehnten Jahrhunderts entdeckt,
und von dem Kaifer Friedrich im Sabre 1219 dem
Erzbifchofe Siegfried von Mainz, in deffen Grund und
Boden Cim Berge Difendal bei Lonftein) ſolches fich
befand, überlaffen wrrde. ) Auch zwei Mineralquellen
und Sauerbrunnen beftehen nahe bei der Stadt Lahn
ftein, desgleichen auch eine Salzquelle.
Zum Schluffe diefer Abhandlung muß ich noch des Zus
gehörs zum vormaligen Amte Lahnſtein oder Ober»
labnftein erwähnen, wovon man nur wenige oder gar
feine Nachrichten findet.
In dem Staats: und Adreßhandbuche des Herzogs
thums Naffau vom Sahre 1827, welches ich vor mir
babe, wird die Stadt Oberlahnſtein und ihr Zugehör
zu 361 Familien und 1515 Einwohnern angegeben. Al
Zugehör wird folgendes benennt: »Bieberich, Buchenberg,
Buchholz, Doͤrſtheck, Grenzloch, Kirchheimersborn, main⸗
zer Haus, Neuborn, Spies (katholiſche Pfarrei),
Deutfchherrnhütte, Wintersberg, Zollgrund, Hütten und
Hammerwerf zu Ahl, Marienfapelle, zwei Sauer
brunnen und fünf Mühlen.» Eine Archivalnachricht
giebt dad Zugehör der Stadt und des mainzifchen Amtes
Oberlahnſtein folgendermaßen an:
1. Schloß Laneck.
2. Die Ueberfahrt über die Lahn mit einem Zollbaufe
Niederlahnftein gegenüber.
3. Buchenberg oder a ein Kamerals
») Guden. I. 465.
137
Erbbeftandshof, eine halbe Stunde von Bad Ems ent
legen.
4. Aal hof an der Lahr, nebft einer Eifenhütte und Eis
fenbergmerf.
5 Buchholz oder Buchhorft, zwei der Stadt Lahır
ftein zuftändige Höfe, 2'/, St. von derjelben entlegen.
6, Durſtheck, ebenfalld zwei ftädtifche Höfe, 3 St. von
Lahnftein, 2 von Naftätten gelegen.
7. Grenzloch, wieder zwei ftädtifche Höfe, 1'/, St. von
Lahnſtein und nahe bei dem Dorfe Fruͤcht gelegen.
8. Kirfhermerborn, abermals zwei ftäbtifche Höfe,
2 Stunden von Lahnftein oftwärtd an der Lahn Lies
gend,
9, Forft, ein Dominials Erbbeftandshof im fogenannten -
Zollgrunde, nebft einer Mühle am herrfchaftlichen
Zollwalde.
10. Der h. Geiſtberg, einem Herrn von Conetti ehe
mals gehöriger Hof.
11. Hermesput, ein dem beutfchen Orden zugehöriger
Hof.
12. Wintersberg, Hof, ehemals den Herrn von Düne
wald zu Mainz gehörig, gegen dem Bade Ems über.
13. Neuborn, zwei der Stadt Lahnſtein gehörige Höfe.
14. Die Spießhöfe oder auf dem Spieß, der Stabt
zuftändig, gegen dem Dorfe Ems über. Dabei liegt:
15. das fogenannte main zer Haus nebft einer Pfarr»
firche und einem Pfarrbaufe, deffen Pfarrer bie
umliegende Gegend, fo wie die Katholifen in Bad» und
Dorfs Ems zu beforgen hat.
133
Endlich
16 Liegen noch drei Mühlen im vormaligen Amte
Lahnſtein, nämlich eine an dem Muͤhlbache unweit
Frucht, und zwei. an der Lahn.
Hieraus fcheint hervor zu gehen, daß der oben ges
nannte Hof Biebrich erſt in neueren Zeiten entitans
den it. Die Marienfapelle ift vielleicht auch neues
ren Urfprungs, was ich jedoch nicht weiß. Sie fteht
nahe bei Kahnftein und den Minisalbrunnen,
Ob von den, im mainzer Verzeichniffe enthaltenen Hd»
fen einige etwa ausgegangen find, iſt mir ebenfalls uns
befannt,
— ———
9.
Bericht*) über die Ausgrabungen am Hollerborn bei
Dotheim, von Herrn Pfarrer Luja dafelbft.
Ich bechre mich, über die Refultate der vermöge Vors
ftandesbefchluß von mir geleiteten Nachgrabungen am
Hollerborn, fchuldigen Bericht zu erftatten.
Die Veranlaffung zum Borjchlag einer Unterfuchung
diefer intereffanten Stelle, gaben mir theild die durch
Eandleute zufällig herausgepflügten Bruchſtuͤcke römifcher
Gefäße und Backſteine, (darunter einer mit einem unleferli
chen Legionftempel), welche mein antiquarifches Auge auf
*) Aus meinem ausführliheren Vortrag in der Generalver:
fammlung des Bereind am 28. Mai 1826.
139
den Aeckern, nahe am Bizinalwege zwifchen Dotzheim und
Wiesbaden entdeckt hatte, theils eine Nachricht in
Schenk's Befchreibung von Wiesbaden, worin er am
führt: „daß man au dem Hollerborn im Wiesbader Felde
noch; vor Kurzem (cd. h. vor 1755) Spuren von einem
vormals dafelbft geftandenen Gebäude gefunden hätte,
Ob aber dafjelbe ebenfalls vor Zeiten eine Feldfirche, oder
fonft ein anderweitiges Gebäude geweſen ſey, ließe fich aus
Mangel weiterer Nachrichten nicht behaupten.“ Der Pak
felöft muß ihm unbekannt gewefen ſeyn, weil er ihn nicht
genau angiebt. Was die Dertlichfeit anbelangt, fo ift
Dogheim 45 Minuten von Wiesbaden entfernt. Nach Zus
rüclegung von 15 derfelben gelangt man von Dosheim
aus, an.einen Kreuzweg, von wo man vorwärts, rechts
und links weitgedehnte Ackerfelder überfieht, welche fich
allmählig in den anmuthigen Grund verflächen, worin
Wiesbaden liege, Uugefähr 80 Schritte vorwärts dem
Kreuzweg auf dem fehnurftraden Vicinalwege nach Wies—
baden, ift man auf dem fraglichen Punct angefommen,
wo Links ungefähr 400 Schritte von diefem Wege ents
fernt, die ergiebige Hollerbornquelle entfpringt. Ueber—
dieg war meine Aufmerkſamkeit ſchon laͤngſt auf den Moe.
bacher Holzweg gerichtet, welcher unſern Bicinalweg,
durchkreuzt, und deffen Anlegung in die Alteften römifchen
Zeiten zu fegen if. Denn nad) der urfprünglichen Gaus
verfaffung der alten Deutfchen zieht er augenſcheinlich auf
einer Negenwaffericheide, wo fein Waffer ftehen bleibt,
fondern nach beiderfeitigen Thälern abfchießt, vom Mos—
bacher Wingertsberge nad; dem Ghauffeehaufe auf der
Schwalbacher Straße hin, und iſt einer der bequemſten
140
Fuhrwege von Mainz aus über die Höhe. Zwiſchen Moss
bach und dem Kreuzwege bei Dotzheim befinden fich heute
noch Spuren alter Verſchanzungen, am Holzwege ſelbſt.
Hin und wieder ift er aud) eben fo tief ausgefahren, wie
bei der Armenruhmühle, wo er zum erfienmal bergan
feige. Im Dosheimer Felde, näher nach) dem Kreuzweg
bin, fand ich auch fihon früher mehrere Spuren alt
deutfcher Gefäße, die von Zeit zu Zeit herausgepflügt
wurden. Noch mehr erwedte in mir den Wunfch, eine
Nachgrabung zu unternehmen, ein Aufſatz im literarifchen
Nachlaſſe des Inſpectors Kraus, der ſchon früher den
Mosbacher Holzweg für eine uralte Handels» und Heer
ftraße "erkannte, welche die Römer vorgefunden und als
fehr bequem zu Krieg und Handel benust hätten.” Außer
den angeführten altgermanifchen Gefäßen habe ich noch
eine neuere Entdefung gemacht, die feine Meinung bes
ftätigt. Denn auf dem jet fo genannten Idſtein Cvors
mals Endftein) einer Anhöhe, unmittelbar oberhalb Dogs
beim, habe ich noch Spuren eines verfchanzt gewefenen
Nachtlagers (mansio) entdeckt, welche vor meiner Zeit
noch Niemand für das erfannt hat, was fie wirklich find. *)
*) Die teraffenartigen Abfäge, welche man an der füdmeftlis
hen Berflähung diefer Anhöhe geyen Dotzheim hin, wahre
nimmt, ſcheinen mir nicht Heberrefte alter Verſchanzungen
zu fepn, fondern ihre Entftehung wohl eher dem Bedürfs
niß der Landleute zu verdanken, denen die Benugung dies
ſes fteilen Abhanges nur durch Terrafflrung möglich wurde,
Gerade diefe Seite hätte gleich der nördlihen, gegen das
Wiefenthal hin, am wenigſten einer Pünftfihen Befeftigung
bedurft. Auf der keicht zugänglichen Word: Dftfeite der
141
Bon dieſer Manfion aus laufen noch uralte Schanzgräs
ben *), die freilich hin und wieder unfenntlich geworden
find, über den genannten Holzweg bis gegen den Hollers
born, und follen fich nach alter Sage in einem fort über
das Nömercaftell auf Wiesbadens heidnifchem Berge bis
nach Sonnenberg erftredt haben. Zudem hat endlich die
ganze Feldhöhe längs dem Mosbacher Holzwege manche
Wafferquelle, deren aber der Hollerborn die allerergiebigfte
iſt. Weil nun Schenk von einer Feldfirche foricht, fo
glaubte ich ganz nahe am Hollerburn die Fundamente ei
nes heidnifchen Tempels vermuthen zu dürfen; denn ber
Hollunder war bei den alten Deutfchen heilig und ihr
Duellendienft ift befannt. Ueber diefe Daten berichtete ich
an den Vorftand des Vereins, welche mir geftattete, auf
deffen Koften in der Umgebung des Hollerborns Nadıgras
bungen anftellen zu dürfen.
Um möglichft ficher zu geben, ließ ich auf eben bemerks
ter Linie vom Vicinalwege an, nad) dem Hollerborn hin,
am 5. October 1826 durd; Anlegung eines 3 Schuh weiten
und nach Umftänden 3 bis 5 Schuh tiefen Grabens, den Ans
—
oberen Bergfläche dagegen, wo eine Verſchanzung anı aller:
nöthiaften gemwefen wäre, würden ſich gewiß Spuren von
Graben erhalten haben, wenn diefe für ein Lager wohl zu
ausgedehnte Fläche, auf welcher fi) überdieß bis jegt noch
nirgends Meberrefte von Mauermerf oder Gefäßtruümmer
fanden, eine militärifche Beftimmung gehabt hätte.
v9.
*, Sollten die gegen den tiefer liegenden Hollerborn bin lau—
fenden unregelmäßigen Gräben, niht vom Bergwailer ent:
ftanden feyn ? d. D-
142
fang machen. Schon am erften Tage zeigte fich die Hands
babe einer Amphora mit den eingedrücten großen. lateinis
chen Buchftaben V. O., die man allenfall3 Virginius opi-
fex Iefen kann, folglich römifche Töpferarbeit, und am
dritten Tage, erreichten wir das Hauptgebäude Nro, 1. *)
weiter hin aber bis an den Hollerborn felbft, weder
geradaus, noch rechts noch links, durch Nebengraben, die
ins Feld getrieben wurden, nicht das mindefte Mauers
wert, Man kehrte alfo zum Hauptgebäude wieder zurüc,
deffen Unterfuchung jedoch nicht ganz vollendet wurde.
Der augenfcheinlich erft fpäter angebaute muthmaßliche
Keller, machte den laͤngſten Aufenthalt, weil er in Hoffe
nung intereffanter Funde, zwölf Fuß tief, bis auf den al
ten Boden, völlig ausgeräumt wurde. Die unendliche
Menge Schutt von eingeftürzten, oder zufammen geriffenen
Mauern verurfachten die allermeifte, aber wenig lohnende
Mühe. Unter dem alten Boden zeigte fich eine Fleine Gas
nal⸗Leitung einer ftarfen Hand breit und hoch, von Stein;
glatten gebildet, die das Negenwaffer der nah Mainz hin
gerichteten Fronte des Haufes durch die Kellermauer ableiz
tete, Aus dem Wohnhaufe felbft gejellten fich noch zwei
Abläufe hinzu, wie fie auf dem Grundriffe angegeben find.
Das Ende derfelben konnte wegen allzugroßer Tiefe und
darauf fiehender Mauer, die ein ſchmales gangartiges
*) Der anliegende lithographirte Grundriß Tab. M., welcher
theild von Herrn Schulinfpector Grimm, theild von Herrn
Habel in Schierflein aufgenommen ift, wird die Lage der
aufgededten Gebäude zeigen Sämmtliche Funde bei diefer
Ausgrabung find in 14 Käfthen aufbewahrt und numerirt
worden.
143
Gewölbe getragen hatte, nicht verfolgt werben. An dem
hier hervorftehenden gemauerten ftarfen Pfeiler bewegte ſich
an der Schwelle des Einganges eine ſchwere Thüre in Ans
gen, welche auf einem großen und ungefähr 10 bis 15
Gentner fchweren rothem Sandfteine ftand, und worauf
die zirfelförmigen Ninnen der ftarf aufftreifenden Thuͤre
noch tief eingejchnitten find.*) Eifenwerf, römifche Nägel
von allen Größen, kenntlich an den ylatten, mit einem
Schlag gemachten Köpfen, Gefäßtrümmer, befonders von
Amphoren, wurden, wie im und um das Hans, fo auch im
Keller in großer Menge gefunden. Endlich zeigten fich im
hintern Anbau des Hauptgebändes ein Wafferbad Cbal-
neum) und ein halb fo großes, 3 Schuh höher liegendes
Schwitbad (aestuarium), und aus erfterem ein ableiten
der Waffercanal, Deffen erftere Hälfte von auf einander
geftülpten Hohlziegeln, und die zweite von Steinplatten
conftruirt war, im großen Hof aber auf einmal ein Ende
hatte. Sm beiden Bädern zeigte fich zum erftenmal römts
fcher Traßmörtel von der gröbften bis zur feinften Sorte,
zum Theil gefchliffen, an Böden und Wänden. Die Hin
terwände der Bäder, fo wie ein Theil der Zwifchenmwände,
wo die Mauern fehlen, fcheinen aus lauter Wärmeleitungs>
röhren beftanden zu haben, die viele Feuerung erforderten.
Unzählig find daher die Truͤmmer diefer zerfchlagenen Wär
meleftungsröhren. Die große Maffe von Schutt und eb
ner unfäglichen Menge Ajche verhinderten noch zur Zeit eine
genugthuende Ergründung. Die Babgebäude waren mit
römischen Dachziegeln gededt. Im Innern des Hauſes
*) Es ift derfelbe im Pfarrhofe zu Dosheim noch aufbewahrt.
144
liegt aber ungefähr dritthalb Schuhe umter der Oberfläche,
borizontal, ein mit Schiefern gedecft gewefened Dach, wie
e3 durch Brand zufammen geftürzt ift, noch unangetaftet
da, Durch fchredlichen Brand, der die Farbe der °/, Zoll
dicken Schiefer ind Rothe verwandelt hat, fo wie auch durch
Verwitterung find fie fo mürbe geworden, daß vollftändige
Eremplare unter die Seltenheiten gehören. Das Gewicht
eines jeden beträgt 13%, Pfund und fie bilden eine regel
mäßige Quadratfläche. An der Fronte ded Haufes ers
fcheint wieder römifche Ziegeldachung, welche mich auf die
Vermuthung geleitet hat, daß hier eine auf römifche Art
angelegte Dachung muß gewefen jeyn, welche nach der gans
zen Breite der Fronte eine fehr geräumige Vorhalle bildete,
Indeſſen aber ift ſowohl die Schiefer ald auch die Ziegels
dachung römifch, weil fie im Winterlager bei Neuwied eben
fo gefunden wurde. Hier wie dort, find Schiefer aus den
rheinifchen Brüchen, und die Handmühlenfteine ebenfalls
aus den Mendicher Brüchen. Spuren von rotbem Sands
ftein, babe ich außer der Kellerthürfchwelle und einem Cu—⸗
bu8 in der Frontmauer des Gebäudes Nro.1. und fonftis
gen unbedeutenden Fragmenten, die ein gefliffentliches Zer:
fchlagen verrathen, nicht gefunden. Andere Sanofteine,
die ficher vorhanden waren, find vermuthlich bei Nieder:
reißung der Mauern und Anrodung des Bodens zu Aders
land, verfchleppt worden. Nach allen Kennzeichen ift dies
fe8 Hauptgebäude zwei» bis dreimal zerftört und wieder
aufgebaut worden; wodurch jede Erklärung fchwierig
wird. Es hat außer der Borhalle in der Fronte ein Atrium,
durch eine Scheidemauer gebildet, wie fie auf dem Grund:
siffe verzeichnet it. Beim Eintritte rechts fcheint eine
145
Küche geweſen zu feyn, weil hier zwei oben beinerfte Wafe
ferläufe in den Keller gingen, in denen fich Geflügel:
Inochen vorfanden; links aber war ein großer runder, von
platten Grauwacken gepflafterter, nad der Mitte hin vers
fiefter, übrigens nicht über dem Boden erhöheter Feners
heerd, mit außerordentlichem Brand, der fich nebft vieler
Afche und verbrannten Nägeln in die ganze Umgebung
verbreitete. Sa kohlenſchwarzer Brand erfiredte fich ſogar
Big tief unter die Pflafterfteine. Für ein Küchenfeuer war
es viel zu beträchtlich, vielmehr fcheint hier ein beftändiges
MWachtfener gebrannt zu haben. Das erfle Appartement
innerhalb der innern Scheidemaner, hat einen wohl erhal
teren weißen Traßmörteleftrih. Der Schuttberge wegen,
fonnten wir noch nicht weiter vordringen. UWeberhaupt ers
lofch endlich die Luft der Arbeiter, weil nach langer Ber
miühnng die Gefäße voll Silber und Gold auöblichen. Man
wandte fih nun zur Umgebungsmauer hinter dem Badge:
bäude und verfolgte fie. Andere Arbeiter machten nad)
Anweifung Verfuchfchärfe, und ſolcher Geftalt wurde von
ihnen dag Gebäude No. 2. entdeckt, an deffen Grundmauer
dicht anliegend eine Bronze- Münze von Auguſt, CRev.
Roma et Augustus) und in geringer Entfernung davon,
wie auf dem Grundriß angegeben ift, eine Erzmünze von
Gallienus, (Rev. Liberalitas) gefunden wurde. Gallienus
ift nicht fo verwittert und lag zwijchen den Schieferplatten
der neben das Gebäude geftürzten Dachung. Nachdem die
vier Wände aufgedet waren, machte der Winter 18°,
aller Arbeit ein Ende. E
Im Frühjahr 1827 kam man bei weiterer Verfolgung
der Umgebungsmauer fehr bald auf das Eckgebaͤude No. 3.,
10
146
und war einftweilen mit der Aufdefung der vier Seiten.
wände zufrieden. Weiter ftieß man auf eine nach Wiegs
baden gerichtete Einfahrt, die durc das Aufhören des
Mauerwerk bemerflic; wurde. Die Linie felbft wurde
aber weiter verfolgt, und fo erreichte man die Gebäude
No. 4 und 5. und fpäterhin auch die Vorderfeite des Ges
bäudes No. 6., deſſen übriges Mauerwerk in den umher
liegenden Schutttrümmern noch nicht erfannt werden
fonnte. Bei Aufdeckung der Seitenmauern von No. 4
und 5. wurde fehr vieles gefunden und in den Käftchen
aufbewahrt. Auf der Außerftien Seite von 5 zeigte ſich
2 Schub unter der Oberfläche ein großer Vorrath von ges
Iöfchtem, unvermifchtem, durch; DVermwitterung zu Kreide
gewordenem Kalk; auch fehlte es hier nicht an Sandhaufen,
ein Beweid, daß bier Mauerfpeiß bereitet wurde,
Nun aber erfchienen zum größten Leidweſen die Acer
leute von Wiesbaden mit ihren Pflügen und drangen aufs
Zumwerfen. Somit mußte das weitere NachfuchenanNo. 6.
eingeftelt werden. Ein Quergraben von No. 1bis 2. durch
den großen Hofbering gab Feine Ausbeute. In der Eile
309 man noch einen Kreusgraben durch No. 2, und entdeckte
bier ein zweites Bad mit rothem Traßmörtelboden und zers
trümmerten Wärmeleitungsröhren. Wegen Kürze der von
den Aderleuten gefesten Frift Eonnte aber die Gränze tiefes
neu entdedten Bades nicht mehr aufgefucht werden. In
dem dabei befindlichen viereckigen gemauerten Edbehälter
befand fich ein gepflafterter Feuerheerd, Ahnlich dem im
Atrium ded Hauptgebäudes No. 1; fonft aber im ganzen
Haufe nichts, ald Trümmer von zerfchlagenen Gefäßen in
großer Menge und von mannidjfaltiger Art. Die übrigen
147
Gebäude mußten ununterfucht bleiben. Gin kleines rothes
Salzgefäßchen, oben weit und unten eng und der Boden
eines andern mit dem Töpferftenipel ift vorzüglich bemers
kenswerth.
Aus mehreren Verſuchen naͤher nach der Stadt zu, und
noch muͤndlichen Nachrichten der Ackerbeſitzer erſtreckt ſich
Mauerwerk vom Hollerborn bis an die Caſerne, ja unter
dem Vicinalwege hin auf die andere Seite deſſelben Bei eis
nem Berfuche diefer Art wurden mehrere Bruchftüde von Ges
fäßen und ein Kellereingang mit gewundener Treppe gefiniden,
deren Mauern aber fehr bald nach allen Seiten aufhörten, weil
fie fchon früherhin ausgebrochen waren. Ueberhaupt follen
bei Anlegung der Kunftftraße von Wiesbaden nad) Schwals
bach und Erbenheim, die meijten dieſer ausgehobenen
Mauerſteine dahin verwendet worden feyn. . Schutt ohne
Steine fanden wir an mehreren Plaͤtzen. ine 6 Schuh
dicke Mauer, von der eine allgemeine Sage geht, und welche
unter dem Dotzheimer Vicinalwege querüber ftreichen fol,
fonnten wir noch nicht auffinden. Ganz zuleßt wurde beim
N aniren nod eine Münze der Julia Mammaea in Erz
gefunden.
Sn verfchtedenen Gebäuden fanden fich drei Wörtel,
wahrfcheinlich zur Spindelfpinnerei gehörig, fodann Knos
chen von Hausthieren, Wildpret und Geflügel, ald Uebers
refte von der Tafel der Bewohner; ferner Badjteine von
Zirkelform, womit man Heine Säulen, Träger und dergl.
aufzuführen pflegte. Daß fich diefelben auch hier zeigen,
läßt auf ein vorhandenes Hypocaustum fchließen, wele
ches aber wegen Kürze der Zeit nicht mehr aufgefucht wer—
den konnte. Pferdeknochen und große Zähne eines unbe⸗
148
Fannten Thieres, vermuthlich des Höhlenbären, *) fanden
ſich.
Noch zweier merkwuͤrdigen Ergebniſſe muß ich geden—
ken, daß naͤmlich: 1. die ganze Feldflaͤche weit und breit
in geringer Tiefe mit Truͤmmern gleichſam uͤberſaͤet iſt,
eben als ob ſie gefliſſentlich ſo zerſtreut worden waͤren,
daß fie nie wieder zuſammen gefunden werden ſollten. Ver—
gleicht man hiermit die Ergebniſſe des Winterlagers bei
Niederbiber, ſo iſt das Zertruͤmmern und Zerſtreuen der
wuͤthenden Zerſtoͤrungsrache der Deutſchen zuzuſchreiben.
Sache und Namen der Roͤmer ſollten fuͤr immer vertilgt
werden. Dieſer geringſcheinende Umſtand gehoͤrt mit unter
die Beweiſe, daß unſere Entdeckung roͤmiſch iſt.
Das zweite Ergebniß betrifft das Mauerwerk ſelbſt.
Weil ſich nicht uͤberall der bekannte rothe roͤmiſche Moͤrtel
vorfand, wurden von Beſuchenden Zweifel vorgebracht,
ob das uralte und neuere Mauerwerk roͤmiſch ſey. Ich
will es weder bejahen noch verneinen; doch iſt es nicht
glaublich, daß die Roͤmer in der gefaͤhrlichen Naͤhe des
Taunus ihren koſtbaren rothen Moͤrtel, der in unſern ge—
ſundenen Baͤdern vorkommt, auch zu jedem Mauerwerk
verſchwendet hätten. Kommt ja doc; in unſerm Haupt
gebäude ein durchaus weißer Eftrich vor.
Uebrigens hat faft durchgängig alles Mauerwerk der
Gebäude und Umgebung die fonderbare Conſtruction, daß
) Ich halte fie für Pferdezähne. Wie follten auch wohl die
Zähne einer urmeltlihen Thiergattung in den Brandfhutt
jener Gebaude kommen ?
d. H.
149
nur die tiefiten Fundamentfteine flach Tiegen. Auf diefen
aber ſtehen, theil8 unter, theils ober der jeßigen Erbobers
fläche, je nachdem diefelbe eben oder uneben ift, platte
Mauerfteine lothrecht, auch in einem fumpferen oder
fpigeren Winfel auf ihrer Schneide. Letztere fchienen aus
ihrer lothrechten Stellung gewichen zu feyn. ine fonders
bare Art zu mauern, die unmoͤglich Feftigfeit und Dauer
geben konnte. Auf diefen ftehenden Steinen liegen nun
wieder die höheren platt auf. Auch ift es mir fchon vom
gefommen, daB an manchen Drten, jedoch nicht oft
Schichten vorgefommen find, deren die eine rechtd, die
andere links fich neigte, fo daß ein Zickzack vor Augen
and. Diefes Stellen der Mauerfteine, halb unter halb
ober der Erde, einen Schuh hohen Streifen in der Mauer
felbft bildend, führt auf die Vermuthung, daß vor Zeiten
bier der Boden fehr fumpfig war und man damit ein taugs
liches Mittel ergriff, die Feuchtigkeit abzuleiten. Das
Einfinfen und Herausberften der oberen Mauer am Haupt
gebäude beweift aber, wie weislich man gethan hat, diefe
Manerart abzufchaffen., Nach Berficherung des Bors
Hands Mitgliedes Herrn Oberbaurathe Zengerle in Wieds
baden, ift diefe Art zu mauern tusciſch, und wurde von
ben Römern nachgeahmt, und opus reticulatum ge
nannt.) In Mainz find noc auf den heutigen Tag
— —
+) Sch glaube nicht, Daß dieſe rohe, offenbar nur der Abs
wechslung wegen fo. geftellte Steinfhichtung, irgend einem
beftimmten Zweck hatte. Der Steinftellung nad), ließe fie fi
eher mit den fonft nur bei Fußböden angemendeten opus
spicalum vergleihen. Das opus reticulatum war nach
150
uralte Mauern diefer Art, in der Nähe des Münfters
thores, vorhanden.
Soll ich nun über alled, vom 5. Detober 1826 bie
Ende Februar 1827, meift bei ungünftiger Witterung
und Eile, mit dazwifchen Liegendem Winter, Entdeckte
und im Grundriffe DVerzeichnete, meine unvorgreifliche
Meinung fagen, fo zeugt die unregelmäßige Zerftreutheit
der Gebäude, welche fich auch bei den übrigen Verſuch—
fchürfen darftellte, ganz den Gharafter der altgermanis
fhen Städte, wo jeder fein Eigenthumland um feine
Wohnung liegen hatte, das mit Zäunen oder Mauern eins
gefriedigt war, Wo man aber Mauern antrifft, da muͤſ—
fen Leute von Bedeutung und Vermögen gewohnt haben,
wie bier wirklich der Fall it. In der Älteften Zeit gränzte
ein Gehaͤge an das andere, fo daß eine Stadt damaliger
Zeit einer Reihe von Meierhöfen ähnlich fahb. Deßwegen
mache ich aus allen Vorkommenheiten auf diefer Aders
fläche zwifchen dem Hollerborn und der Stadt den zu
Vitruv (IT. 8.) eine Gußmauergattung, melde jih von
dem bei uns häufiger vorfommenden Emplecton (mit ho—
rizontal und in Verband gelegten Bekleidungsfteinen )
dadurch unterfhied, daß ihre würfelfürmigen auf
die Kante geftellten Steine, durd) die in diagonaler Rich—
fung gerade fortlaufenden Verbindungslinien, der Mauer
äußerlich ein rautenförmig quarrirtes oder neßförmiges Ans
fehen gaben. Sn unferer Gegend ift mir noch nichts von
diefer Mauergattung zu Gefiht gefommen. Sn Stalien
findet man fie häufiger, 3. B. an der Billa des Mäcen
und dem Tempel des Hercules bei Tivoli, der Villa des
Lucull bei Frascati u. f. w.
v.%9.
151
verfichtlichen Schluß, daß eine alte Ubifche Stabt oder
Vorſtadt auf derfelben geftanden habe, welche dann ganz
füglich dad alte Mattium *) feyn fönnte, welches von den
Römern verbrannt und zerftört wurde, Solche Städte
müfjen die Ubier fchon gehabt haben, fonft würde ihnen
Caͤſar den Rath nicht haben ertheilen fönnen, bei Webers
fällen der Sueven das Vieh in ihre oppida zu flüchten.
Durd die Verfegung der Ubier auf das linfe Aheinufer,
37 Jahre vor Ehrifto wurde auch diefe Stadt oder Vor
ſtadt, wenigſtens größtentbeils, menfchenleer, wobei zum
Abfchiede manches Gebäude im Rauch mag aufgegangen
jeyn. Der hierländifche Theil, oder Iınfe Flügel des bes
trächtlichen Ubiervolfes hat fehr wahrfcheinlich auf der
Schierfteiner Heide zum Abfchiede und ewigem Gedächtnif
den felten vorfommenden Hügeldamm unter Geremonien
und Opfern aufgerichtet, den ich vor etlichen Sahren mit
BVorftandsbewilligung unterfuchte, und woruͤber Grundriß
und Funde an Armillen und Gefäßen bierber eingeſchickt
wurden *) Bom großen Mittelgefaß habe ich zum Webers
*) Unmöglich Fann hier das Mattium geftanden haben, welches
Germanicus 15 Zahre nah Ehriftus, im Gebiete der Chat,
ten zerftörte. Tacitus befhreibt (Annal. I, 56) den Zug
des rom. Heeres (von Mainz aus) über den Taunus, def
fen Webergang über die Adrana (Eder) u. f. w. zu fpes
ciell, als daß man diefen Ort, welcher nad; der gemeines
ren Meinung unweit des Dorfes Maden bei Gudensberg
gelegen zu ſeyn fheint, bei Wiesbaden fuchen dürfte
d. 9.
*5) Sollte diefer 60 Schritte fange, 5 Schritte breite und 4 Fuß
hohe Erdaufmurf nicht der neuern Zeit angehören? Kein
älterer Schriftfteller meldet etwas von einem Gebraud) der
152
flug nochmals einige Proben beigelegt. Nachdem dieſe
Voͤlkerſchaft bei der Heidenfahrt uͤbergeſetzt, und bei Bins
gen die Nahe überfchritten hatte, befand fie fich ſchon im
neu angewiefenen Vaterlande, welches fich bis Köln ers
firefte. Das leer gewordene Land betrachteten aun die
Römer als rechtmäßiges, durch Tauſch erworbenes Eigen
thum, erlaubten aber zugleich, dazubleiben oder fich neu
anzufiedeln, wer nur wollte. Diefe fchöne Gelegenheit bes
nugte man vor allen Dingen, die Veteranen mit audges
ſuchtem Land und Wohnung zu bedenken. Manche Ubier
hatten ihre Gründe dazubleiben: die Mattiaken rücdten
vor: die Veteranen wurden an die beften Pläße gewiefen ;
und endlich gefellten fich auch noch Gallier hinzu, fo daß
die neuen Bewohner ein fehr gemifchtes Volk bildeten. *)
Sp mags denn auch mit unferer neu entdedten, vors
mals ubifchen und nun zum zweitenmal bevölferten und
wieder hergeftellten Stadt oder Vorſtadt gehalten worden
feyn. Die Mattiafen wurden, wie die Bataver blos für
den Krieg aufgefpart, die neuen Anfiedler aber mit den
dagebliebenen Ubiern, wie die Bewohner des Zehntlandeg
behandelt, d. h. durch Tribut entehrt. Da man ihnen
nicht, wie den Ubiern und Mattiafen trauen konnte, fo
feßte man, wie Tacitus in der angeführten. Stelle aus—
Germanen, zur Gedäachtnißfeier folhe Erddämme zu
errichten. Die darin gefundenen Urnenfcherben ıc. konn—
ten leicht dur Abtragen der dabei gelegenen Grabhüs
gel hinein gefommen feyn, deren ſich wirklich noch meh—
vere ganz im der Nähe diefes Erdiwalfes finden.
ug.
*) ©. Tacitus Germania cap, 28 und 29,
153
druͤcklich andeutet, Weteranen ald Wächter unter fie, um
Ruhe und Dronung zu erhalten und zu rechter Zeit ben
Tribut einzutreiben. Die eigentliche Mattiafenftadt Wies—
baden, die vermuthlich weder Dagebliebene noch Anfiedler
bei fich duldete, war, wenn man will, frei, denn ihre Bes
woyuer waren socii; die Vorſtaͤdter aber, die ſich außer;
balb der eigentlihen Stadt nad, allen Nichtungen hin
ausbreiteten, und nad) vorhandenen Spuren und Nach—
richten den Aderbefiger in beträchtlicher Anzahl, in den
verwüfteten oder leer geftandenen und wieder hergeftellten,
oder erweiterten Gebäuden fich mögen nieder gelaffen ha—
ben, mußten alle Laſten tragen. Sn unferm mit
Mauern wohl verwahrten Hofberinge mit 6, vielleicht
noch mehreren geräumigen Gebäuden, fand alfo wie in
einer Gaferne balb nachbarlich halb feindlich, eine hinreis
chende Anzahl Veteranen, um: 1. den von den Übiern
ber eingeführten Zoll auf der uralten Handelsftraße, jeßt
Mosbacher Holzweg genannt, nach wie vor zu erheben.
Denn nad) Cäfar gehörten die Ubier zu den gebildeteren
Germanen, welche Handel und Schifffahrt trieben und
vermuthlich bier eine Zollftätte angelegt hatten. Hier
wohnten auch fpäterhin Veteranen; um: 2. bei vermuthes
ten oder ausgefundfchafteten Ueberfällen der Germanen
ins Caſtrum von Mainz, das man von bier aus deutlid)
uͤberſehen kann, befonders zur Nachtzeit mit Feuer zu ſig—
nalifiren; 3. mit dem Schwert in der Hand unter dem
gemifchten Haufen von geringichäsigen Anſiedlern Ruhe
und Drdnung zu erhalten; 4. diefen wie auch den Mat
tiafen felbft immerwährend anzudeuten, wen fie unters
würfig ſeyen; und endlich 5. nöthigenfalls den Tribut mit
154
Gewalt einzutreiben und die Rebellen zu züchtigen. Da
diefe ihre Stellung nicht ganz friedlich war, fo bin ich
neuerdings auf die Vermuthung gefommen, dag dag, was
wir bisher im Anbau an dem Hauptgebäude für einen
Keller hielten, ein unterirdiiches Gefängniß gemwefen feyn
möge, welches die ſchwere unbeholfene Thüre auf der
großen ſchweren Sandfteinjchwelle, und das, wie e8 fcheint,
abfichtlich bezwecdte knarrende, tiefe Rinnen machende,
Aufftreifen der Thüre, fo wie überhaupt der ganze neue
Anbau zu verrathen jcheint. *) Kurz, die ganze Pofition
unferes Hofberinges laßt auf eine Vorwache oder Vedette
von Mainz aus nach dem Taunusgebirge, das damals
noch nicht Durch den Pfahlgraben, wenigftend noch nicht
fo wie unter Tiberius gededt war, zugleich aber auch auf
diefe Außerfte Gränzwache der in der Borftadt mohnenden
verfchiedenartigen Anfiedler fchilegen. Zur UÜbierzeit mag
bier ein einfaches Zollhaus geftanden haben, welches die
Deteranen durch den Anbau des Kellers oder vielmehr
Gefängniffes und Bäder erweiterten; denn dag Mauers
werf diefer letztern Gebäude ift unftreitig neuer, als die
des Hauptgebäudes. Ueberhaupt find alle Anzeigen vors
handen, daß fon in den früheften Zeiten die ganze
Feldfläche von Wiesbaden herauf bis an den Kreuzs und
Mosbacher Holzweg mit Wohnungen überfäet war, folgs
lich mit Wahrheit dad vormalige Maltium (2) oder eine
*) Sch halte dieſes Souterrain für einen gewöhnlichen Kel:
fer, vdergleihen man in Hedernbeim faft bei jedem Ge»
baude findet.
d. 9
155
beträchtliche Vorftatt der Mattiafenitadt Wiesbaden bil:
dete, die Durch fpätere Verwuͤſtungen fo zu Grunde ging,
daß fogar ihr Andenfen aus der Gefchichte verfchwanp.
Ein Hauptbeweig für diefe Meinung ift eine uralte Wafs
ferleitung in thönernen Röhren, die heute noch ein fehr
gefundes Waffer geben, das an der Wellrigbach oberhalb
der Gaferne hervorquilt. Aus den 70ger Jahren muß
noch jedem Wiesbader befannt feyn, daß diefer Plag von
der alten Stadtmauer eine Feine */, Stunde Wegs ent
fernt war, jett aber nur eined Steinwurfs weit, ober;
halb der Gaferne befindlich if. Noch ganz unbefannt-ift
ed, wo diefe Wafferleitung herkommt, deren Richtung
nicht in die Stadt, fondern an der Stadt vorüber zeigt.
Folglich haben auch in dieſer Feldgegend Wohngebäude
geftanden, wodurch fich diefe Vorſtadt an die Hauptitadt
anſchloß. Eine gründliche Umnterfuchung derfelben würde
vielleicht unerwartete Nefultate geben.
Noch zur Zeit ift mirs nicht ganz Far, woher das
viele benöthigte Waffer in die gefundenen Bäder gefoms
men feyn möge? im höher gelegenen Felde zeigte fich noch
feine Nöhrenleitung dahin, der Hollerborn liegt ziemlich
tiefer als die Badgebäude; es bleibt folglich nichts uͤbrig
als anzunehmen, daß diefer Born fo weit in die Höhe
getrieben , oder wie man jagt, aufgeftaut wurde, daß das
Waſſer von felbft einfloß. ”)
*) Sollten innerhalb der Gebaude nicht mehrere Brunnen
geweien feyn, welche das erforderlihe Waſſer für die Bas
der lieferten? Sn den Ruinen des Vicus bei Hedernheim
find eine ziemliche Anzahl runder gemauerter Brunnen
156
Nach einigen Wahrzeichen vermuthe ich, daß fogar
Waſſer aus den Wiesbader Heilquellen hierher. gefchafft
werden mußte, denn in No. 6. habe ich Moͤrtelſtuͤcke auf:
bewahrt, an die fich ein Niederfchlag, Ähnlich dem Wies—
bader fogenannten Sinter befindet. Zu diefen Muühfelige
feiten mußten fich die vorftädtifchen Sclaven verftehen.
Daß mehrere Veteranen in eigenen Gebäuden badeten, bes
weit der Bau No. 2., wo man zufrieden war, ohne viele
Mühe und Koften das Bad innerhalb der Wohnung ans
zulegen. In diefen Anlagen fcheint auch der Beweis zu
liegen, daß ſich diefe Wächter unter Feiner Bedingung
von ihrem Poften entfernen durften, ſonſt wäre ed wider
ſinnig, fo nahe bei einer uralten und ſchon zu Roͤmerzeit
berühmten Badeftadt, noch entferntere Bäder anzulegen,
und fie mit vieler Mühe und Aufwand fünftlich zu erwärmen. *)
Die Heizung der Bäder, fo wie uͤberhaupt die Feue—
rung zum Hausgebrauch, wurde nach Ausweis. der vielen
gefundgnen Kohlen, mit Kiefernholz bewirft, woraus auch
ſaͤmmtliches Balkenwerf bis in die Dachung beftand,
Der Abzug der Veteranen gefchah in folcher Eile, daß
man Gegenftande von Gewicht nicht fortzubringen wußte,
von 4 — 5 Fuß Durdmeffer gefunden worden, aus wel
den das Waſſer zum Bedarf der Einwohner und Bäder
geſchöpft wurde.
D. 5%
*) Nicht immer find die Gemächer, deren Fußböden durd
geuer erwärmt werden Fonnten, Badegemäder, fondern
BWinterzimmer, wenn nicht ein mit gebrannten Platten
belegter Boden ihre Beftimmung ald Bäder ausfpridt.
d. H.
157
und fie alfo geſchwind zu vergraben genöthigt war. Daraus
erklärt fich ein Fund, der vor 42 Fahren zwifchen dem
Hauptgebäude und dem Hollerborn am alten, jest abye
fchafften Fußwege in dem noch vorhandenen Fluthgraben
entdeckt und erhoben wurde. Er beftand in einem mittel
großen Eupfernen Keffel mit eingeroftetem Fupfernen Deckel,
Es lebt noch in Dogheim ein Mann, der als Knabe dies
fer Ausgrabung mit zufah, und ein Anderer, der auf dem
damals gangbaren Fußpfade, in Gefchäften nad, Wies—
baden gehend, zu den beiden Trägern Fam, die fic über
das Gewicht des an einer Stange zwifchen ihnen hans
genden Keffels, über ihre verwundeten Schultern fehr fol
len befchwert haben. Ueber den Inhalt hat man nie ets
was erfahren, außer daß wenige Tage hernad) eine reich?
liche Gabe an die Armen foll erfolgt feyn. Die fllichtig
gewordenen müffen nie wieder gekommen ſeyn, ihren Ders
ſteck zu eröffnen, woraus fich von felbft erflärt, warum
im Hauptgebäude, wo doc; das meifte zu hoffen war
des forgfältigften Sudyens ungeachtet, Feine Spur von
Münzen, wohl aber im Hofbering unter freiem Himmel
verloren gegangene Stüde gefunden wurden.
Nach vorgängiger Plünderung, Zerfchlagung und als
gemeiner Zertrümmerung wurde alles dem Feuer überges
ben. Wenn dieß die legte Zerftörung war, jo mögen
Sahrhunderte lang die Mauerruinen aus der Erde her—
vorgeragt haben, bis man endlich den Kiefernwald zu
Ackerland anrodete und planirte, woraus fich denn freis
lich auch eine fo frappante Zerftreuung von Gefaͤßtruͤm—
mern auf der ganzer Feldfläche umher erklären liege.
Der gefundene Gallienus unter den Dachſchiefern deutet
158
auf die verwirrte Zeit der dreißig Tyrannen, die nad
dem Throne trachteten und fich unter einander felbft aufs
rieben. Während fich diefe befriegten und Gallienus ſich
der Wolluft und Trägheit hingab, fürmten die Barbaren
von allen Seiten ind fchwache, verlaffene Reich, ylüns
derten und verbeerten cd. In dieſe Zeit möchte wohl die
Epoche der Zerftörung unferer Kleinen Veteranen sNieders
laffung zu feßen feyn. *) Die gemadjte Entdedung ift
für die Gefchichte der Stadt Wiesbaden befonders wichtig,
und würde es noch mehr geworden jeyn, wenn fie zu eis
nem glüclichen Ende gedichen wäre. **)
Sc glaube mich hiermit ausgewiefen zu haben, daß
ed von meiner Seite nicht an Fleiß, Auffiht und Aufs
merkſamkeit fehlte, dem erhaltenen Auftrage möglichft zu
genuͤgen.
2) Wenigſtens möchte ed wohl nicht die Teste Zerſtörung
geweſen ſeyu, da ſich bei Wiesbaden noch haufig Münzen
aus der Zeit der Conftantiue finden , die auf einen viel
langern Aufenthalt der Römer in diefer Gegend hindeuten.
d. 9.
**) Allerdings verdient diefes Feld, auf welchem fi in fo
großer Ausdehnung unverfennbare Spuren römifher Ges
baude finden, eine aufmerffame Unterſuchung, da es
niht unmahrfheinlih ift, daß ſich hier, oder dodh in
Wiesbaden, die Civitas Mattiacorum finden dürfte, von
welcher auf den, oben S. 18 — 24 mitgetheilten Caffeler
Snferiptionen die Rede ift.
v9.
159
II.
Bericht Aber die Unterfuchung des römifchen Caſtrums
bei Marienfeld, von Herrn Pfarrer Brinkmann
in Miehlen.
(Sortfeßung von No. 8. Seite 40. d. I. Heftes.)
Dermöge erhaltenen Auftrags durch Protocol» Auszng
der Borftardefigung vom 25. Auguft vorigen Sahres, wurden
an der bezeichneten Stelle im vormaligen Römercaftelle zu
Marienfeld, die Nachgrabungen feftgefegt. Da diefer Ort
damals noch bepflanzt war, fo mußte die Arbeit bis in der
Dctober hinein, anfgefchoben werden. Nachdem man fich mit
dem Eigenthuͤmer über den Betrag der Entfchädigung verftäns
digt hatte, wurde durch 6 Arbeiter im Garten des Herzogt.
Hrn. Schultheißen Neidhöfer die Nachgrabung angefangen
und vorerft ein 10 Ruthen langer und 5 Schub breiter
Graben gezogen. Diefe Arbeit wurde den 12. Vormittags
fortgefegt und bald eine quer laufende flarfe Mauer
entdeckt.
Man hielt es für das zwecmäßigfte, die aufgefundene
Mauer, welche auf der einen Seite gegen den Grund
ging, auf der andern aber ein Gewölbe anzeigte, ſowohl in
ihrer Ausdehnung, ald auch in ihrer Tiefe, zu verfolgen.
Das Graben in die Tiefe beftätigte ed, daß bier ein Kels
ler geweſen ſey, welcher ungefähr 10 Schuhe tief unter der
Erde lag, die unterfte Lage des Schuttes beftand aus lau—
ter gebadenen Steinen, welche, wie es fchien, viel ſpaͤte—
ren Urfprungs ald die aus der Römerzeit waren, Bon dies
160
fen fanden fich aber aud) mehrere zum Mauern darunter
verwendet, welche fich durch ihre bläffere Farbe und die
auf ihnen eingegrabenen Züge und Form auszeichneten.
Man bemühte fich den Umfang des Kellerd zu erforfchen
und bald waren die vier Eden deſſelben entdeckt. An eis
ner derfelben fand man Platten von einem fchieferartis
gen Steine, jede Platte 1%, Schuh lang und 1 Schuh
breit, mit Xöchern verfehen, als wenn fie wären aufge
nagelt gewefen ); allein e8 wurde darunter nichts gefun—
den. — Aus den Ergebnifjen zu urtheilen, fchien der aufs
gefundene mit einer Mauer umgebene Raum, ald Keller
eines fpäter errichteten Gebäudes gedient zu haben.
Einige Tage darauf wurde noch ein Verfuch mit Gras
ben in dem Garten eines Mannes gemadjt, deſſen Hofs
raithe muthmaßlich in der Mitte des vormaligen Römer;
caſtells Liegt.
Hier entdefte man Maner an Mauer aus alter Zeit,
nur Fuß tief unter der Erde. Es wurden auch hin und
wieder noch Einfchnitte gemacht und allenthalben Mauer:
werf gefunden. Hinter der oben erwähnten Hofraithe, in
welcher fich auch die Legiongfteine gefunden hatten, ließ man
befonders noch graben und bemerfte hier viele Kohlen, Aſche
und ganz verwitterte Ziegel, welche auf die Zeit des Aufent-
halts der Römer dafelbft fchließen ließen.
Beiſder undanfbaren Ausbeute an Alterthuͤmern und bei
der UIngewißheit, etwas bier aufzufinden, wurden, um Fein:
unnöthigen Koften zu verurfachen, die Nachgrabungen vors
laͤufig eingeftellt.
*) Wahrſcheimich Dachſchieferplatten, wie ſie an römiſchen
Gebäuden gewöhnlich vorkommen. d. H.
161
11.
Die Mithras: Tempel in den römıfchen Ruinen
bei Hedvdernheim, von 5. ©, Habel.
(Fortfekung von No. 9. Seite 45. d. L Heftes.)
Zu den intereffanteften und für die Alterthumskunde
wichtigften Entdefungen in unferm Lande gehört wohl
unftreitig die Auffindung zweier Mithras-Tempel in
dem Bering unfers Vikus. Die zahlreichen Bildwerke,
Altäre und Snjchriften, welche fich in ihrem Innern fans
den, geben nicht nur manche berichtigende Aufjchlüffe iiber
die Bedeutung der ſymboliſchen Darjiellungen an andern
mithrifchen Monumenten; die Ueberrefte des Gebäudes
felbft, liefern auch den erften Beitrag zur genaueren
Kenntniß der innern Befchaffenheit diefer geheim;
nißvollen Tempel.
Es ſey mir vergonnt, die näheren’ Umftände der Auf
findung etwas ausführlicher vorzutragen, da in öffentlichen
Blättern über die Entdeckung, fowie über die gefundenen
Gegenftände theils unrichtige, theils mangelhafte Nach
richten verbreitet worden find,
Es ift fchon oben ©. 53 d. I, Heftes bemerkt wors
den, daß das ganze Areal des Heidenfeldes fo fehr mit
Trümmern zerftörter Gebäude angefüllt ift, daß die Eir
genthümer, ihre Grundſtuͤcke zur Verbefferung des Feldes
und zur Gewinnung von Baufteinen, in Mußeftunden zu
durchgraben pflegen. In gleicher Abficht durchfuchte der
Manrermeifter Joh. Werkmann zu Heddernheim, im
11
162
Anfange ded Januars 1826, feinen im obern Theil des
Burgfeldes gelegenen Acer, im welchem er fchon das
Sahr zuvor, die Fundamente eined Gebäudes von gerinz
gem Umfange berausgebrochen hatte. In einer Tiefe von
ungefähr 4", Fuß zeigten fich zuerft mehrere Steine mit
Reliefs, und bei weiterem Fortgraben nicht ferne davon,
eine viereckige ſchwere Sandjteinplatte von 3 Fuß 9% Zoll
Breite und 4 Ruß SY, Zoll Höhe, welche von drei dicht
anfchließgenden, kaum 1 Fuß breiten und dicken Steinen ohne
Mörtelverbindung, umgeben war. Diefe bildeten auf drei
Seiten gleichjam den Rahmen der auf beiden Seiten mit
Figuren verzierten Tafel. Die damals einfallende heftige
Kälte verkinderte den Finder, den. fehweren Stein noch
Herauszubringen, und fo erhielt ich durch den dortigen
Herrn Schultheig Nobftadt ) fchnelle Nachricht von
dem Fund diefer Alterthuͤmer. Sch faumte feinen Augen:
bli, mit Genehmigung des Vereins-Vorſtandes fchon am
folgenden Tag nad) Empfang feiner Zufchrift nach Hed—
dernheim zu reifen, um das größere noch an feiner Stelle
befindliche Nelief, nebft dem Fundort zu beaugenfcheinigen,
und wo möglich zur forgfamen Herausnahme der Bild»
werfe mitzuwirken. Bereits waren die oben gedachten
verzierten Steine nebft den drei fchmalen Sandſteinſtuͤcken,
vom Eigenthümer nad) Haufe gebracht worden. Auf dem
Yängften derfelben, dem horizontalen Sturz von 5 Fuß 4 Zoll
Kinge, war das Doppelgefpann des Sol und der Luna
2) Ich kann nicht unterlaffen, deſſen Aufmerffamfeit und
Sefalligkeit für die Zwede des Vereins, rühmlich zu
neniten.
163
zwifchen zwei concaven Medaillons mit den Brufibildern
des Hermes dargeftellt. Von den beiden Iektern 4 Fuß
5'/, Z0U langen Befleidungsjteinen enthielt ein jedes vier
vertiefte Felder mit Figuren und ein dem erften Ahnlis
ches Medaillon mit gleichen Profilbildern am untern
Ende.
Sch begab nich fofort auf den Ader, wo die vier
eckige große Platte, welche vorher von den eben
genannten fchmalen Sandfteinen umgeben gewefen war,
noch in unverrücter Lage feftgefroren dalag, Die obere
Fläche war zum Schuß der Figuren, mit Erde bededt
worden; es Tießen fi alfo nur auf der untern zum
Theil hohl Tiegenden Seite, durch das Gefühl, Figuren
fowie die Ede eines Altard unterfcheiden, der durch den
Umfturz des großen Neliefs zertrümmert worden war,
Meine Bemühungen, den ganzen Fund fogleic dem Mann
abzufaufen, um die forgfältigfte Erhebung unter meiner
yerfönlichen Leitung veranftalten zu koͤnnen, waren fruchtlos.
Yın feinen Preis wollte er fich zur Durchforfchung feines
Ackers verfichen, in welchem er noch große Schäße vers
borgen glaubte, Sch mußte mich daher, da die damalige
Kälte von 14° feine augenblidliche Herausnahme des
Steines geftattete, damit begnügen, ihm in Gegenwart
des Herrn Schultheißen, das fefte Verfprechen abzunehmen,
nicht eher aneden Stein Hand anlegen zu wollen und
ebenfo alles Mauerwerk unberührt zu laffen, bis er ir,
fobald günftigere Witterung die Fortſetzung ber Arz
beit erlaubte, Nachricht ertheilt hätte. Auf diefe Weije
beruhigt, veißte ich, nachdem ich die ſchon zu Tage
geförderten Steine gezeichnet hatte, wieder zurück
164
Durch ein Schreiben vom 21. Februar erhielte ich
endlich die unangenehme Nachricht, daß Werkmann
gegen feine ausdrüdliche Zufage bereitd am 12. Febr.
die große Steinplatte erhoben und in feine Wohnung
gefchafft habe. Glüclicher Weile war die Vorficht anges
wendet worden, den Stein vor dem Heraugzieben im einen
Rahmen von ftarfem Holz einzufchließen, wodurch das
Auseinanderfallen der in mehrere Stüde zerfprungenen
Platte verhütet wurde, So fand ich denn bei meiner
Ankunft das große Relief nebft den übrigen in diefem
Gebäude gefundenen Altären, die weiter unten befchrieben
werden follen , in deffen Behaufung aufgeftelt. Zu meis
nem großen Bedauern mußte ich zugleich vernehmen,
daß derfelbe fein zweites DBerfprechen eben fo wenig
gehalten, und fogar die Mauern ded Tempels jchon
größtentheild herausgebrochen hatte. in Frankfurter
Herr babe ihm gerathen, fo entichuldigte er feine unver
zeihliche Handlung, die Mauern zu durchfuchen, da unter
dem Grundftein wahrfcheinlich noch Koftbarfeiten lägen!
So hatte leider Unverftand und ungedultige Gier
diefen höchjt merfwürdigen, noch wohlerhaltenen Tempel
Neften, ungeachtet meiner forgfältigften Bemühung, ehe
ich es hindern Fonnte, den Untergang bereitet *).
*) Herr Hofratb Dr. Dorom zu Berlin, fand für gut,
feine Bemerkungen über biefe Entdeckung, im GStutg-
Kunftbl. v. 3. 1827 und andern Blättern, in Form eines
Shreibend an Herrn Geheimen Hofratb Creuzer in
Heidelberg, auf folgende eigenthümliche Weife der Def:
fentlichkeit zu übergeben:
«Leider traf ich vom Mithras-Tempel, der in den erften
165
Es blieb daher nichts uͤbrig, als fogleich die Beob—
achtungen der vielen Einzelnen, welche bei der Ausgra⸗
Monaten des Jahres 1826 in Heddernheim entdeckt wor—
den war, nur noch Spuren gänzlicher Verwüſtung, aus—
gebrochene, zum Verkauf feilgebotene Mauerſte ine u.
d. gl., als ih im Juni dieſes Jahres dieſe merk—
wuͤrdige Entdeckung näher unterſuchen wollte. Großen
Dank hätten die Alterthumsfreunde dem Wiesbader
Berein gezollt, wenn derſelbe nicht allein die im Tempel
gefundenen Bildwerfe an fih gebracht fondern was wich—
tiger ift, die Mauern, welche fih ım beiten Zuftande
befunden haben follen, erhalten hätte, welches durch Ans
kauf des kleinen Stück Feldes fo leicht zu bemerfftelligen
gewefen wäre. Alſo auch dieſes Denkmal, das Einzige
der Art in Deutfchland ift zerftört und für die Alters
thumskunde unmwiederbringlich verloren gegangen,
“weil man nicht erkannt, was lehrreich und
wihtigbei Auf: und Ausgrabungen für die
Altertbumsmwiffenfhaften ift. Sieht man Baus
monumente durch die Hand eined Randmannes zerftört,
der gierig Anticaglien erhalten will, wie es bei dem
Mithras:Gemadye in Dormagen bei Köln der Fall war,
(Siehe Kunftblatt Nro. 90. 1824) fo kann es nicht be—
fremden; was ſoll man aber bei diefer Gelegenheit fagen,
wo der Verein fürvaterländifhes Alterthum
in Wiesbaden, ſolch Unverzeihliches aus—
üben laßt, an deſſen Spitze Herr von Gerning ſteht,
und der die Verordnung ausgewirkt haben ſoll, daß
in Heddernheim Fein Landmann, bei Zuchthausſtrafe,
irgend einen alten Topf, Münze, Lampe
u. ſ. w. anders, aldan den Verein verfaufen
darf? Hatte der Wiesbader Alterthumsverein es doch
beachtet, was ich bei Gelegenheit der Befchreibung vom
Mithras:Gemahe in Dormagen über das Ausbrechen der
Mauern gefagt !» — Soweit der Eingang.
166
bung anmefend waren, forgfältig zu fammelg, zu fichten
und zu ordnen, und hierdurch wurde es noch möglich, aug
den übereinftimmenden Wahrnehmungen, die Lage und dag
Vorkommen der gefundenen Gegenftände an Ort umd
Stelle mit ziemlicher Genauigkeit auszumitteln, fo daß
diefe Entdeckung doch nicht »verloren« zu achten ift. Die
Form des Tempels ließ ſich aus den mir mitgetheilten
Maasverhältniffen, welche von mehrern Sacverftändigen
notirt worden waren, und mit einem von einem Baus
Eundigen aufgenommenen Grundriß übereinftimmten, Leicht
eonftruiren 9). Cine fpätere Unterfuchung des zweiten
bald hernach entdeckten Mithrastempels, bot intereffante
Vergleichungspunfte dar, und vervollftändigte die Aufe
nahme, deren Nefultat ich nun vorlege,
Nur einige Worte zur Ermwiederung: Mit aufrichtigem
Danf nimmt der Verein wohlgemeinte Belehrungen von
Kennern an, er bielt es jedoch unter feiner Würde
auf fo arrogante Aeußerungen ded Hrn. D. zu antwors
ten, deflen Urtheil in wiffenfhaftlihen Angelegens
beiten ihm durchaus gleichgültig if. Die Wahrheit feiner
Angaben, fo wie der Werth feiner Befhreibung, laßt
fih aus der Vergleichung mit der Sache leicht beurtheilen.
Daß Feine folhe Verordnung« eriftire, welhe das Eis
genthumsrecht der Finder auf inhumane Weife beein:
trädhtigte, wußte Herr D recht gut. Es war ihm nur
darum zu thun, unfern Verein in der öffentlihen Mei:
nung herabzufegen nnd nebenbei einer Megierung etwas
verbindliches zu fagen, die wahrend feines Aufenthalts in
Wiesbaden, feine Ausgrabungen mit der zusorfommendften
Liberalität unterftügt hatte. —
*) Sch hatte nicht Gelegenheit den Grundriß zu benußen,
welchen Herr von Horrad nad) der Bemerkung des
Hrn. Dorom aufgenommen haben foll,
167
Lageund Figur des erſten Mithras—
Tempels.
Wenn man die auf dem Plan Tab. IV. des J. Heftes mit
BL bezeichnete Platea quintana von Laus, noͤrdlich gegen
B verfolgt, fo findet man diefelbe auf der höher liegenden
Fläche des Feldes bei e, von einer fehmalen von a nad) E
ziehenden Straße durchfchnitten. Hier iſt die Stelle, an
welcher der erftie Mithrag= Tempel *) entdeckt wurde.
Die IV. Zafel enthält den Grundriß des Gebäudes
mit feinen Umgebungen.
Der Tempel hatte die Geſtalt eines Vieredd von 39 Fuß
10 Zoll Länge und25 Fuß S Zoll Breite (nad) rhein. Maaf)
ohne die nach Auſſen vorjpringende Treppe mit dem gegenz
überliegenden Sacrarium. Die Die der außern Umfangss
*) Yuf Sufhriften werden die dem Mithras:Eult geweihten
Gebäude Templa, Aedes, Spelaea genannt. Leßtere Bes
nennung mag wohl die urfprünglide gewefen feyn, da
die Römer, der Tradition von der Sonnefverehrung
der Perſer und beionders von der Felfenhöhle Zoroafters
auf dem Albordigebirge folgend, diefe Gebäude in Felſen
anlegten, wo die Befchaffenheit des Locals es erlaubte,
Diefe grottenartigen Gemächer nannten fie alsdaun
Spelaea, und von folhen fanden fich vormals noch Ue—
verrefte bei Oſtia und zu Rom u. ſ mw. — Bei der
weitern Verbreitung dieſes perſiſch-römiſchen Cults in die
Provinzen des römiſchen Reichs behielten fe, da wo es
die Oertlichkeit nicht anders zufieß, im Innern
die längliche Höhlengeftalt bei, und fegten die Gebäude
zum Theil unter der Erdoberfläche an, wie wir an den
unfrigen wahrnehmen; im Aeuffern erhielten fie fo»
dann Form und hiervon Namen der Tempel,
168
Mauern betrug 1 Fuß 4'/, Zoll mit Ausnahme der nördlis
chen Seite, deren Mauerwerf beinahe 6 Zoll ftärfer war.
Den nad; Suͤden gelegenen Eingang *) bildete eine
Treppe von 3 Fuß 9 Zoll Breite, durch welche man in
das Innere des Tempels hinabftieg. Die Stufen der
Treppe waren übrigens jo fehr verwüftet, daß ſich die
Zahl derfelben nicht mehr genau beftimmen ließ. Aus
einem bald hernach in der Nähe deffelben gefundenen
zweiten Mithräum von Ähnlichen Gonftructiong » Ver:
hältniffen, deffen Treppe noch ganz unverfehrt war, konnte
man indeffen analog auf die Befchaffenheit der erftern
fchließen.
E83 waren in jenem fieben Stufen, davon 6 aus
einem fcharffantig gehauenen Bafaltftüd**) von 3 Fuß9 Zoll
Lange und 1 Fuß 10 Zoll Breite bejtehend, welche in die Tiefe
*) Herr Felir Lajard bemerkt &. 12 in feiner gehalt:
vollen Abhandlung über das Borghefifhe Monument zu
Paris. (Nouvelles Observations sur leGrand-Bas-Relief mi-
thrieque de la collection Borghese, actuellement au Musee
Royal de Paris, a Paris 1898 4°.) Die Eingänge zu
ben Mitbrastempeln feyen meiftend gegen Norden,
die Nusgange gegen Süden gelegen. Als Beifpiele führt er
die Mithrasgrotte unter dem Eapitoliniihen Berg zu Rom
und den großen Porticus zu Perfepolis an.— Bei unfern
beiden Tempeln findet fih gerade der umgefehrte
Sal, und bier erlaubte die Localität eben fo gut eine
andere Gtellung.
Die Treppenftufen hatten in der Regel vorn Feinen rund:
lihen Bund, wie die neuern, fondern eine rechtwinklich
fharfe Kante. Dergl. Winkelmann I ©. 400,
Yeber die Höhe der Stufen, f. Fitru. II, c, 3 und
IR re. 2:
vr
—
169
führten, wie es ſich aus dem Nievenu einer nahe vorbeifihe
renden Straße ergab.
Die oberfte Stufe (von Sandftein) Tag fo nahe unter
ber Oberfläche, daß die Spise der Pflugfchaar fie erreicht
und verlegt hatte. Die Länge der vorragenden Treppe bes
trug 12 Fuß. Da die Höhe einer jeden Stufe 8 Zoll aud:
machte, fo ift damit die Tiefe der beiden Nebencellen des
Zempeld unter der Erde auf 4 Fuß 8 Zoll, und die der
mittleren Celle auf 6 Fuß 8 Zoll beftimmt. *)
Daß die bei dem zweiten Mithras:Tempel gefunden:
Anzahl der Stufen nicht zufällig war, und demnad;
auch für den erfteren als normal anzunehmen ſey, ift wohl
nicht zu bezweiflen, da befonders die Zahl fieben in den
Religionen des Drients, vorzüglich aber bei den mithrifchen
Moyfterien bedeutfam war. **)
Der innere Raum des Mithräums war der Länge
*), Herr Dr. Dorom fagt in feinem oben berührten Auf:
faß: „Die Arbeiter hatten ohngefähr neun Fuß gegraben,
bis fie die erfte Figur gefunden hätten.“ Gonverbar.
Alfo noh 3 Fuß tiefer ald der Boden des Tempels!
Dagegen wird die Tiefe (Ränge) der Treppe auf 6 Fuß
angegeben.
**) Celſus (im 6. Buch des Origenes gegen diefen Philo:
foppen) nennt ald Sinnbild der mithrifhen Myſterien
bei den Perfern und befonders der Lehre von der Gee:
lenwanderung, eine Treppe mit 7 Stufen. Die
erfte Stufe von Blei, war dem Saturn gemeiht, die
zweite von Zinn, der Venußs, die dritte von Erz, dem
Supiter, die vierte von Eifen, dem Merkur, die fehite
von Silber, dem Monde, die fiebente von Gold, der
Sonne. — ©. H. Seel, die Mithrageheimmiferc. mit 30
Abbildungen. Aarau 1823 8° pag. 253.
170
nach, durch zwei Scheidewände von 1 Fuß Dicke in der Art
getrennt, daß auf beiden Seiten ck. 1.) ein Eingang von
3 Fuß 9 Zoll Weite frei blieb, durch welchen man in die 6
Fuß breiten Geitencellen CE) des Tempels gelangen
Fonnte. Zur fombolischen Verzierung diefer Eingänge waren
in die Stien der Scheidemauern (k. 1.) zwei Poftamente von
Sandftein eingefest, welche zweien Neliefs (Mithras mit
erhobener und gejenfter Fade) zum Fußgeſtell dienten.
Nur einer derfelben fand fi) noch. Zwifchen den oben
genannten ſchmalen Gellen lag die eigentliche Haupt:-Gella
(F.) ein Gemad; von 8 Fuß 6 Zoll Breite und 36 Fuß
So mögen die 7 Stufen unfers Tempels, von welchen
der Einzuweihende gleihfam aus den Regionen des Lich:
tes und Lebens in das Reich der Unterwelt hinabftieg,
demjelben fymbolijch die Wanderung der Seele nad) dem
Tode durd die fieben Planeten, verfinnlicht haben.
Auh Die fieben Wochentage flanden unter dem
Schuß dei Planetengötter, welche an die fieben Amſhas—
pands, die Engel der fieben Scöpfungstage bei den
Perfern, erinnernu.f.w. Zulius Capitolinus im
Leben Marc, Aurels Cap. 13, berichtet, daß unter
diefem Kaifer (im Sahre 269 n. Chr.) zur Verſöhnung
der Götter fiebentägige Lectifternien gehalten worden
feyen; und nah Div Caſſius, welder die Verehrung
der fieben Planeten von den Aegyptern herleitet, (Siehe
Lib. XXXVIIL c. 8) fcheint diefer Cult beiyden
Römern erft unter den Antoninen fih mehr verbreitet
zu haben. Sn unferer Gegend bei Main; fanden fid)
mehrere Altäre mit den Bildniffen diefer Götter — Als
Symbole der fieben flammenden Geftirne ftanden in uns
ferm Tempel die fieben Feueraltäre (Pyraen, Dadgahs).
Davon unten das ausführlichere.
171
Länge, deſſen Boden übrigens 2 Fuß tiefer war ald bie
beiden Seiten: Gellen.
Drei Stufen führten aus dem fleinen Vorplatz (D)
(Vestibulum) hinab. Es zeigte fi) bier Feine Spur von
dem Dafein einer Thür, welcye den Eingang ſchloß. Es
Scheint demnach diefer abgefchiedene wohl nur den Prieftern
und Eingeweihten zugängliche Raum durch einen Vorhang
dem Blick der Aufzunehmenden *) entzogen gewefen zu feyn.
Am entgegengejegten Ende der mitleren Gella befand
fi) ein nach auffen vorfpringendes Gemach (G) von gleicher
Breite und 4 Fuß Tiefe Cim Kichten) zu dem wieder 3 Stus
fen hinan führten. Die unterfte derfelben war 1 Fuß 9
Zoll breit und trat in die mittlere Gella vor. Die
beiden vorftehenden Mauereden bildeten den 61, Fuß
breiten Eingang und bargen wahrfcheinlich die Beleuch—
fung des mithrijchen Bildes. In der Mitte diefes Sacras
riums oder Opisthodoms (Posticum) erhob fich auf einem
2 Fuß hohen und 18 Zoll breiten Sockel von gehauenen
Sandfteinguadern das große Doppel-Relief mit der Dar-
fiellung des Mithras.
Es erfchien auffallend, daß der Raum (GI zwifchen
bem Relief und der nördlichen Wand Cer beträgt nur 2
Fuß,) fo befchränft war, daß es unmoͤglich ſchien, die eben:
falls mit Bildwerf verfehene hintere Seite der Tafel ordentlid:
betrachten zu koͤnnen. Hierzu fommt noch, daß die Ruͤck—
feite der Einfaffungsfteine ſammt dem längern auf beiden
Seiten überfiehenden Sturz nicht wie deren Vorderſeite vers
*) Bon einem Vorhange (Velum) im Tempel des Jupiter
zu Elis fpricht Pausanias V, 12.
172
ziert, fondern ganz roh bearbeitet war, — wodurch es
wahrfcheinlich wurde, daß diefer hintere Raum, deffen Wäns
de auch nur mit gewöhnlichem weißen Mörtel getuͤncht was
ren, verborgen bleiben jollte. Dieß leitete mich zuerjt
auf die Bermuthung, daß die vieredfige mitlere auf bei
den Seiten verzierte Platte wohl drehbar gewefen feyn
müffe. Die feftftehenden das große Relief umfchließenden
Befleidungsfteine paßten alsdann mit ihrer verzierten Bor:
derfeite für beide Darftellungen des Hauptbildes, was bei
der Erflärung der Symbole fehr zu beachten feyn dürfte,
Bei näherer Unterfuchung fand ſich dieß auch befiäs
tigt, indem genau in der Mitte jener Platte, oben und uns
ten ein vwieredige 1 Zoll breite und etwa 4 Zoll tiefe Deff-
nung eingehauen war, in weldje augenjcheinlich ein eifers
ner Zapfen gehörte, um welchen fich die Steintafel wie um
eine verticale Achje bewegte.*) Zur unbeweglichen Feſt—
ftellung des Steins würden gewiß mehrere Stifte angebracht
worden feyn.
Ferner war die hintere Seite der aufrechtitehenden Ein-
*) Diefe Einrihtung erinnert an die drehbaren Altarbilder
der hriftlihen Zeit. Die Eintheilung ded Tempels
in drei Räume entfpriht dem Schiff mit den Abfeiten,
Das nach Außen vorfpringende und höher liegende Ga:
cellum mit dem Altarbild, dem erhöhten Chor der chrift:
Iihen Kirchen. Auch die Vertiefung des Schiffes unter
den Boden findet fih bei den älteften Kirben. Bei
dem zweiten Mithrastempel ift fogar die Kreuzform des
Schiffes nicht zu verfennen. Die große Uebereinſtim—
mung des mithrifhen Mythus mit vielen hriftlihen Dog—
men haben von Hammer, Creuzer und andere tiefe
Kenner des Alterthums ſcharfſinnig gezeigt.
173
faffung 2Zoll ſchmaler als die vordere, damit die Beklei—
dung vorn dicht anjchloß, ohne die freie Bewegung der mitt
lern Platte beim Umdrehen zu hindern. Der enge Raum
auf beiden Seiten des Neliefs fcheint zugemauert gewefen
zu feyn, was fich aus der rauhen Bearbeitung und dem Ueber:
ftehen des wagerechten Sturzes fchließen ließ. Zu dem bins
tern ganz abgefchiedenen Raum fonnte man demungeachtet
gelangen, da die halbe Umdrehung der Platte zwei Eleine
Thuröffnungen bildete. Sm Boden diefes engen Raums
war noch eine faft 1 Fuß breite und gegen 4 Fuß lange Deff-
nung (p). Sie war mit Schutt von Bruchfleinen und Gefäß-
truͤmmern angefüllt, unter welchen ſich noch 11 Bronze-Müns
zen, meift in Groserz, fanden. Ob diefe Deffnung *), welche zu
den Myſterien der Priefter gedient haben mag und vielleicht
mit einem unterirdifchen Adytum in Verbindung ftand, voll
ftändig ausgeraumt war, da man die Tiefe nur zu 2 Fuß
angab, bezweifleich. Man konnte Feine Gewißheit daruͤber
erhalten, da der Eigenthiimer, zu beforgt wegen der Mög-
lichfeit einer neuen Entdeckung felbft nad) der Verwäftung
*) Herr Dorow mad eine fargähnlide Stufe! da
raus, und feht diefelbe vor das Relief. Indem er am
angef. Orte fagt: /In dem innern Bezirk gedachten
Vorfprungs befanden ſich zwei 6 Fuß breite obere
Stufen; die untere nur 5'/, Fuß breite Etufe war
fargartig ausgehöhlt; vor dieſer ſargähnlichen
Stufe lag ein großer fhwerer Stein von 4/, Buß Höbe
und 5 Fuß Breite. — Hierbei ift nur zu bemerken, daß
die innere Tiefe des hintern Sacellums, in weldhem ſich
nad Hrn. D. zwei ſechs Fuß breite Stufen befan-
den, im Ganzen nur 4 Fuß beträgt.
174
des ganzen Mithraͤums, feine Unterfuchung diefer Stelle das
mals angeben wollte. |
Den Boden der mitleren Gella dedte ein diinner Guß⸗
Aftrich. In den Nebencellen war jedoch Feine Spur davon.
Sämmtliches Mauerwerk (den Unterfat des Hauptbil-
des ausgenommen) war aus rohen mit Kalfmörtel verbuns
denen Bruchſteinen aufgeführt. Nur etwa 3— 31%, Fuß
diefer Mauern unter der Erdoberfläche hatten ſich fo unver:
fehrt erhalten, daß fich noch der Farbenanftric; des Bewur:
fes in urfprünglicher Frifche wahrnehmen lief. Man unter:
ſchied an den Wänden der mitlern Gella weiß, roth, blau
und grün, abwechfelnd in fenfrechten Streifen. *)
Es läßt ſich nicht mit Gewißheit beftimmen, ob die mit
*) Der Mahlereien in einem Mithras:Tempel gedenkt
nämlich eine bei Klagenfurth in Kärnthen, im Bezirk Sols
feld (dad Flavium Solvense der Provinz Moricum, Pli-
nius, III. 34) gefuidene Snfhrift vom Sahr 239, worin es
unter andern heißt: — TEM. (plum) (sc. Mithrae) VE-
TVSTATE. CONL, (apsum) SVMPTV, SVO, CUM. PIC-
TURA. REFE (cerunt.) — Bergl. 9 Seel u a. 9.
Geite 481. Auch mitgetheilt in Pet. von Köppen
Nachricht von einigen in Ungarn, Siebenbürgen und
Polen befindlichen Alterthümern. Wien 18%. S. 13.
Hier fcheint der Ausdruck Pictura mehr Darftellung
ſymboliſcher Figuren als Sarbenanftrih zu bezeichnen,
Aud an dem mithrifhen Denkmal, welches im 5, 1816
bei Stir-Neufiedel, in den Ruinen des alten Carnuntum
entdeckt wurde, und fih im kaiſ. Antitenmufeum zu
Wien befindet, will man rothe, blaue und weiße Farbe
bemerkt haben. — An mehreren unferer Bildwerke ließen
isch ebenfalls no Spuren von Sarben wahrnehmen.,
175
feren Scheidewände bis an die Dede reichten, oder nur bie
zit einer gewiffen Höhe aufgeführt, den Blick in die mitlere
Hauptcelle geftatteten. Erſteres fcheint jedoch) für die geheimen
Mofterien angemeffener, auch jprechen die Spuren an dem
mithrif.hen Monument der Vogeſen dafür.
Ueber die Höhe des Heinen Sacrariums dürften die
oben abgeftumpften Ecken des vorhingenannten horizontalen
Sturzed am großen Nelief, einiges Licht verbreiten, da
wahrfcheinlich die gewölbte oder fchräg zulaufende Dede fie
berührte. Nechnet man zu der Höhe des Reliefs fammt
Sockel (7'814, N die halbe Breite des Sacellums als Nadiug
des Gewölbes, A’ 3’N fo würde fich eine Höhe von 19%
ergeben. Da aber nad) obiger Bemerfung das halbEreisför-
mige Gewölbe tiefer geftanden haben muß, indem die
fchwachen Seitenmauern dem Druck eines flachen Bogens
faum widerftanden haben würden, fo läßt fich die ganze
Höhe ungefehr nur auf 9, — 10 Fuß beftimmen. Der:
gleichen nifchenartige Vorfprünge von minderer Höhe finden
fich öfter an römifchen Tempeln *).
Für die mitlere Gella ift dagegen eine größere Höhe anzu⸗
nehmen. Gehen wir vom Boden derfelben aus, fo beträgt die
Höhe der drei erften Stufen bis zum Vorplatz (D) 2 Fuß.
Hierzu fommen die 7 Stufen mit 4 Fuß 8Zol. Da nun
die Höhe des Eingangs wohl nicht weniger ald 8 Fuß zu rech⸗
nen ift, und die Dede wenigftens 2—3 Fuß höher angenom>
men werden darf, fo würde ſich die Höhe der mitlern Gelle
im Innern wenigftend auf ungefähr 16 — 18 Fuß beftim-
*) Vergl Montfaucon l'Antiquité expliquee u. ſ. w.
176
men laſſen, welche beiläufig ihrer doppelten Breite gleich
ift. Doc; find dieg nur Vermuthungen und Andeutungen
zur Conſtruirung des Durchichnitted. Daß die Auffere
Form und Höhe des Tempels fich ımabhängig vom In—
nern, (in welchem nac) den Ueberlieferungen vom perfis
ſchen Eultus die Form einer Höhle imitirt war) nad) den
berfümmlichen Negeln der Architectur richtete, verfteht fich
von felbft.
Eine Uebereinftiimmung mit der innern Einrichtung
unferd Mithräums zeigen die Spuren, welche fih an
einem, an der weftlichen Seite der Bogefen, in der Nähe
von Lichtenberg bei Zweibrüden gelegenen Monument
erhalten haben. Das mithrifche Nelief mit der gewoͤhn—⸗
lichen Vorſtellung des Stieropferd befindet fich nicht ferne
vom Dorfe Schwarzerd auf der verticalen Fläche eines
Felſens ausgehauen, und ift von einer doppelten Reihe
Deffuungen umgeben, welche zur Befeftigung der Wände
diefes Heinen Tempels dienten. Nuch bier unterfcheidet
man 3 Zellen, in deren mittlerer fi) das 3 Fuß 7 Zoll
hohe und 4 Fuß 4 Zoll breite *) Felfenrelief befindet.
Nach der Befchreibung und Abbildung, welhe Schoͤpf—
lin *) Tiefert, war das Gebäude bedeutend Fleiner
ald das unfrige, indem deſſen ganze Breite ungefähr
10'/,' die Höhe bis zur Giebelſpitze 9 Fuß 3 Zoll betrug.
Die mittlere Selle war 6 Fuß 4 Zoll breit und 9 Fuß
3 300 hoch bis zur gewölbten Dede. Die beiden
*) Bei Seel. a. a. O. Geite 283 ift die Breite diefes
Reliefs irrig zu neun Fuß 4 Zoll angegeben.
) Schoepflin Alsatia illustrata, I, pag, 501.
177
Nebencellen nad) der. Zeichnung kaum 2 Fuß breit. Ein
ſtumpfwinkliches Dach deckte das Ganze.
Nur die Berhältniffe der Höhe und Breite laſſen ſich
an diefer Felſenwand erfennen. Ueber die Länge *) diefeg
Gebäudes liegt Feine Unterfuchung vor. Wahrfcheinlich
find jedod) die Fundamente noch mit Schutt bedeckt, da
die Höhe der äußern Celle Faum 6 Fuß beträgt. Eine
Aufgrabung diefer Stelle wirde gewiß intereffante Res
fultate über die innere Befchaffenheit liefern.
Ein zweites an einen Felfen angelehntes Mi:
thraͤum befand fich im ſo Tichen Frankreich bei Bourg St,
Andeol an der Rhone, von welchem nur nach den Bes
fehreibungen von Caylus *»), Zoega **), Millin D, My:
use. ir), noch das in den natürlichen Feljen eingehauene
mithrifche Bild zwifchen zwei hervorriefelnden Quellen
erhalten ift. Wahrfcheinlich würden fich hier noch Spu—
ren der Tempelfundamente finden, wenn man nachforfchte,
da gegenüber noch Stufen feyn follen, und das Bild
felbft die Stelle genau bezeichnet, wo man die Ueberreſte
des Gebäudes zu fuchen bat.
—
*) Schoöpflin a. a. 9. vermuthet, die Lange des Tem—
pels ſey wahrſcheinlich der Breite gleich geweſen Sch
bezweifle dieß nach den Proportionen der Heddern—
heimer Tempel, die ungefähr doppelt ſo lang als breit
waren.
*#) Caylus Recueil des Antiquites, III, pl. 93 T. 2 p ıı6.
***) Zoega Abhandlungen, überfekt von Welker.
+) Millin Voyage au midi de la France, Pl, 28, ſ. a.
+H Mylius mahlerifhe Fußreiſe durch das füdlihe Fran,
reich ꝛc. 2. Bd. 1. Abth. ©. 82.
12
178
Ueber Mithras⸗Tempel oder Spelaͤen, welche in Form
von Grotten oder Höhlen ganz in Felſen eingehauen
waren, befigen wir nur wenige und ungenuͤgende Nachrichten.
Die Niederländischen Altertbumsforfcher Smet und
Pighi furechen von einer Grotte, die fie in den Jahren
1545—1551 zu Rom fahen. Sie befand fich in dem
Gapitolinifchen Berge unter der Kirche Araceli, und ents
bielte daS durch eine Reihe von Schriften und Abbildun-
gen berühmt gewordene Borghefifche Monument im Mus
ſeum zu Paris). Ein langer Gang fiihrte in der Rich—
tung von Norden nad Süden zu der Grotte, welche bald
nad) der Wegnahme des Bildes verfchüttet wurde.
Don einem zu Oſtia entdeckten Speläum bemerft
Zoäga: red ſey einer natürlichen Grotte nachgemacht
„geweſen und habe an der Seite eined langen Gange
gelegen.“ Wahrfcheinlich gehörte diefer Gang zum
Tempel felbft, und war, wie bei dem unfrigen, eine der
Seitencellen, die für die Einzumweihenden beftimmt war.
Mit dem Mithras-Tempel, welcher vor mehreren Jah—
ren zu Dormagen bei Köln zufällig entdeckt und vom
Eigenthümer ebenfall$ zerftört wurde, laͤßt fich Feine Ver⸗
gleihung mit dem unfrigen anftellen, da die hierüber
bisher befannt gewordene Beſchreibung zu oberflächlich iſt.
*) Ueber das Gefhihtliche der Auffindung vergleihe man die
ausführliche Abhandlung des Herrn F. Lajarda.a. D-
**) Sn Nro. 90 des Stuttg. Kunftblattes v. Hrn. Dorow Es
heißt nur darin: —»Man traf auf ein Gewölbe (?) von Guß—
mauer. Neben demjelben war ein Zimmer von 10 Fuß
Tiefe, 10 Fuß Breite und 40 Fuß Fänge. Die innern
Wände defielben waren geglättet, mit deutlichen Spuren
von rother und grüner Farbe» —
179
Auch in dem Bering der römifchen Colonia Car-
nuntum bei Stir-Meufiedel unfern Wien, fand man im
Sahre 1816 ein Mithrasbild noch auf friner Unterlage
fichend, (2) nebft verfchiedenen Snfchriften, die fich auf
die Wiederherjtellung eines Tempels beziehen *). Man
will bei der Unterfuchung feine Spuren des Tempels
mehr gefunden haben, was faum denkbar it, da fich fo
viele Bildwerfe noch in ihrer Stelle fanden.
Es ift überhaupt fehr auffallend, daß bis auf
diefe Zeit fo viele Imfchriften entdeckt wurden, die der
Errichtung oder Wiederherftelung mithrifcher Tempel ers
wähnen, ohne daß an eine forgfältige Unterguchung Des
Fundortd gedacht worden wäre. Wie Manches wäre
wohl noch nachzuholen übrig, wo man die Stelle noch
fennt, da nicht leicht alle Spuren der Fundamente vers
wifcht find, deren Suneres vieleicht noch ſchaͤtzbare Ueber—
rejte bewahrt.
So find alfo die Mithras-Tempel unſers Vicus bis
jegt die einzigen, aus welchen ſich die Größe und
innere Einrichtung derfelben mit Zuverläffigfeit erfennen laßt.
Die Gegenftände, welche fi) in den Ringmauern
derfelben fanden, find früher ſchon auf vielfältiges Ders
langen einftweilen in Umriß auf 6 Tafeln lithographirt
und an ausgezeichnete Gelehrte zur vorläufigen Bekannt»
machung verfendet worden. Sie find nur ald Skizzen
zu betrachten, und es follen in den rolgenden Heften genaue
Befchreibungen und forgfältige Abbildungen folgen, wie
es die Wichtigkeit des Gegenftandes erfordert.
6, Seela a. O. ©. 315, — 17.
180
Hier nur eine kurze Zuſammenſtellung des Gefundenen
zur Ueberſicht, da die Tafeln, welche in meiner Abweſen—
beit und ohne meine Anweiſung eilig gezeichnet wurden,
theils die in jedem Tempel gefundenen Bildwerfe nicht
befenders abtheilten, theild einige Gegenftände, welche an
andern Stellen entdedt wurden, irrig mit aufnahmen ”).
Sm erften Mithrad-Tempel fanden ſich:
I. Bas- Reliefs.
1. Das große auf beiden Seiten mit Figuren vers
zierte Relief, in Sandftein. Siehe Tab, I. und II,
2. Kleine Votivtafel mit dem Mithragopfer in weißem
Marmor. Tab. IV. fig. 8.
3. Mithras mit gefenfter Fadel, Sandftein. T. III. fig 2.
Seitenanficht fig. 2 a,
4. Weibliche Figur mit Füllhorn, zwifchen zwei Pfers
den, porröfer Bafalt. Tab. IV. fig. 6.
5. Merfur mit feinen Attributen, Sandft. T. VI. fig. 2.
6. Minerva, ftchende Figur mit Spies, Helm und
Schild, Sandftein (Erganzungstafe). Tab, VIL fig. r.
II. Figuren.
7. Figur eines halb verhüllten Knaben, Sandftein
Tab. IV. fig. 5. und Proftlanficht fig. 5 a.
8. Kleiner Kopf einer männlichen Figur, Sandftein.
Tab. VII, fig. >.
9, Kleiner Löwe, Sandftein. Tab. IV. fig. 7.
III. Altäre.
10. Großer vierediger Opferaltar mit zum Theil ers
lofchener Schrift, Sandftein. Tab. V. fig. >.
*) Dabin gehören auf Tab. III, die Fig. 4 un) 4 a, ſodann
auf Tab. VI. die Fig. 1 und 1 3.
181
11. Großer ſechsſeitiger Opferaltar, oben mit cylins
drifcher Oeffnung, und wohl erhaltener Infchrift, Bafalt
Tab. V. fig. 1. und Seitenanſicht fig. ı a,
12. Kleiner Opferaltar, vorn mit Snfchrift, Sandftein.
Tab, V. fig. 3. Ruͤckſeite mit Relief Tab. V. fig. 5 a,
13. Ein gleicher, Nückfeite mit Infchrift, Sandſtein.
Tab, V, fig. 4.
14. Ein gleicher, Ruͤckſeite mit Infchrift, Fragment,
Sanditein. Tab, V. fig. 4.
15. Ein gleicher, Ruͤckſeite mit 2 Buchflaben, Sand»
ftein. Tab, V. fig. 6.
16. Eın gleicher, ohne Inſchrift, Sandftein,
Tab, VII. fig. 3.
IV. Boftamente.
17. Altarähnliches Poftament mit der Mithradtiare,
Sanpdftein Tab. III. fig. 5.
18. 19. Zwei vorn mit zwei Halbfäulen verzierte Pos
flamente, woran erlofchene Schrift, Sandftein. Tab, V.
üg. 3 und fig. 3 a,
V. Seräthe. Münzen ıc.
20. Eiferne Opferpfanne. Tab, V. fig, 8. und
Seitenanficht Tab. V. fig. 8 a,
21. Eilf Münzen in Bronze, meift Großer;.
Die reiche Ausbeute diefer Tempelruinen in fo mannigs
facher Beziehung bedarf Keiner Husführung. Das Mis
thrasbild allein, feht nicht nur wegen feiner guten Erhaltung
und Spmbolenfülle, worin es alfe andere bis jeßt bekann—
ten, jelbft das Borghefifche nicht ausgenommen *), übers
*) Ich kann daher dem verdienftsollen franzoͤſiſchen Gelehr—
ten, Herrn F. Lajard nicht beiſtimmen, welcher ©. 38
182
trifft, fondern auch wegen feiner drehbaren Einrich—
tung *) bis jeßt als einzig da »). Ich mache nur noch
fürzlich auf die fieben Brandaltäre Pyraͤen) Nro. 10—16
aufmerffam, die auf andern mithrifchen Monumenten
3. DB. dem Lafrerifchen zu Nom **), mehreren von P.
feiner oben angezeigten Abhandlung dem Borghefi,
Then Monument vor allen mithrifhen Bas-Reliefs aus
dem römifchen Alterthbum den erften Nang einräumt,
wie wohl es an Gelebrität alle übrigen übertrifft, da es
in 57 Abhandlungen und Werfen genannt oder befhries
ben, und durch 15 Abbildungen befannt geworden ift- Die
Vergleihung der Symbole, befonders die Betrahtung
der vielfältigen neuen Neftaurationen überhebt mich des
Beweifes, zumal da Herr Profeffor N. Müller von
Mainz, in der legten Gen. Berfammlung eine intereffante
vergleichende Weberfiht der befannten mithrifhen Monu—
mente mit dem unfrigen, durd viele Zeichnungen erläu—
tert sortrug, die in den folgenden Heften mitgetheilt
werden fol.
Durch den Umſturz auf den großen davorftehenden Opfer»
altar war das Relief, wie ich oben bemerkte, in mehrere
Stücke zerbrodhen, welche jedoh, da Fein Theil fehlte,
dur die Gefchieflichfeit des Bildhauers Herrn Joſeph
Scholl von Mainz, fo gut wieder vereinigt wurden,
daß Feine Beihadigung mehr wahrzunehmen ift. Die
frühere Einrihtung zum Drehen der mittleren Platte,
ließ ft jedoch nicht wohl mehr heritellen, da ein Sprung
mitten durch die Achfe gegangen war. Das ganze Stüd
mußte alſo mit den; Einfaffungsfteinen zu einem Ganzen
verbunden und auf eine drehbare Bafe nefekt werden.
**) Man Fennt mehrere auf beiden Seiten verzierte Ne:
liefs. Hat man nod Feine Spur vom Dafeyn einer
Achſe wahrgenommen ?
"r, Bormals im Haufe des Det. Zend, Vergl. ZvEegam.
+
ww]
183
von Köppen mitgetheilten *), dem Ladenburger ıc. *)
als Planetenſymbole nur im Relief bildlich dargeſtellt
ſind. Ueber die andern ſeltenen Bildwerke das Weitere
bei der ſpaͤtern Erlaͤuterung derſelben.
Ehe ich zur Beſchreibung des zweiten Mithrastempels
uͤbergehe, muß ich die Entdeckung einiger merkwuͤrdigen
Schachte (GI. J. K.) in der Nähe des Mithraͤums noch
erwaͤhnen, die mit dem Tempel vielleicht in Beziehung
ſtanden. Der oberſte Theil der Treppe am genannten
Tempel war der Verwuͤſtung entgangen, da er in den
benachbarten damals beſamten Acker reichte. Dieß bes
ſtimmte mich zur Unterfuchung diefer Stelle, und wurde
bald durch den Fund eines kleinen Altars auf einer der
obern Stufen belohnt, welcher an der Zahl 7 nody ges
fehlt hatte. Um die Tempelumgebung nun näher zu
erforfchen, ließ ich nach Uebereinfunft mit dem Eigens
thümer des anftopenden Aders, einige Fuß vor der Treppe
einen Quergraben ziehen, in deffen Verlängerung fich 20
Fuß füdzöftlich von derfelben, eine Stelle zeigte, welche
ſich durch fchwarze Farbe von der gewöhnlichen Erde
unterfchted. Der mit Kohlen und Ajche vermengte Schutt
wurde hierauf behutfam hinweggenommen, ohne den nas
türlichen Boden, welcher ihn umgab, zu berühren, und
fo zeigte ſich bei allmähliger Vertiefung ein viereckiger
Schacht bei K, der an feiner obern Mündung 5 Fuß
*) Auf den Trümmern des ehemaligen Apuleums unmeit
Garlsburg gefunden. Sieh v. Köppen a. a. D.
**) Befchrieben und abgebildet in den Act. Acad, Theod, Pa-
Jatin. I. Tab. 2, bei Ereuzer, I ©. 707. Seel
8,292... fe w.
184
im Quadrat hatte. Nachdem wir auf diefe Weife 21
rheinijche Fuß tief, den Spuren des Brandjchuttes gefolgt
waren, börte der Lehmboden, welcher die Wände des
Schachts bildete, auf und es zeigte fi) der Anfang eines
Grandlagerd von großen mit Eifenocher gefärbten Kies
ſeln. Noch immer fenfte ſich der Schacht in die Tiefe,
wurde jedoch alimählig enger, fo daß er auf der nördlis
chen Seite nur 4, auf der weftlichen 3 Fuß 6 Zoll Breite
batte,
Die Spuren des Schuttes führten und noch 14 Fuß
9 Zoll unter das Niveau des Kiefelgefchiebes, und wir
waren nun 35 Fuß 9 Zoll tief gefommen, ohne dag Ende
des raͤthſelhaften Schachtes zu erreichen. Bis dahin beftand
der Schutt größtentheild aus Gefäßen und Ziegelfrage
menten mit Moͤrtelſtuͤcken, Kohlen, Knochen und Afche
vermifcht. Sogar fleinere Knochen von Geflügel hatten
fi in der größten Tiefe wohl erhalten; darunter dag
feine Bruftbein und die wohlbefpornten Schenfelfnochen
eines Haushahns. Zähne wurden mehrere zu Tage gefür-
dert, unter Diefen ein Cberzahn von ungewöhnlicher
Größe, der am Ende durchbohrt war und zum Tragen
bejtimmet fchien. Aber auch eine Anzahl irdener Gefäße
von gelblicher, fchwarzer und der rothen famifchen Erde von
mannigfaltiger Form und Größe fanden fidy darin, zum
Theil noch erhalten, zum Theil von der Steinlaft zerdrüdt,
doch zufammenfegbar. Unter diefen kamen befonders die
gewöhnlich in Gräbern befindlichen fogenannten Ajchen:
töpfe (Cinerarien), und Thränenfrügelchen in Menge,
doch meiftens zerbrochen, zum Borjchein. Offenbar dien-
ten dieſe Gefäße nicht als Urnen und Afıhenbehälter,
185
fondern zu haͤuslichem Gebrauch, zur Bewahrung von
Flüffigkeiten *%). Ferner hatte ſich darin noch eine 6 Zoll
weite Schale vor ſehr oridirtem Eiſen gefunden, fonft
*) Gewöhnlich halt man diefe gehenfelten Gefäfe mit lan—
gem Hals und enger Mündnng, da fie fih haufig in
Gräbern finden, für Afchentöpfe (Cineraria), die klei—
nern derjelben für Thranenfrügelhen. Sie fommen in
Grabhügeln meift um die Knochenurne (Ossuarium) mit
weiter Deffnung liegend vor, mit der Mündung
gegen dieſelbe gekehrt. Die klaſſiſchen Stellen, mit wel:
hen man ihre Beftimmung als Thränenfrügelhen bemweis
fen will, (vergl. Dr. Emele Befchreibung von Alterthüs
mernıc. ©.25.) find hierauf nicht anwendbar. Dagegen
fagen andere Scriftfteller, daß die Glutb des Leichen:
brandes mit Milch, Wein oder andern Flüffigkeiten von
den Angehörigen des Verftorbenen gelöfdht worden fey, ehe
das Osiilegium begann Nichts fheint natürlicher, ald daß
die Gefäße, in welchen die Flüffigkeiten zu der Brandftelle
getragen wurden, nach dem Ausguß derfelben, alsgeleert,
um die Urne herum gelegt wurden, damit die Gefäße,
die einmal zu einem religiöfen Zweck gedient hatten, durch
häuslichen Gebraud) nicht mehr profanirt würden. Zur
weilen finden fich auch mehrere größere Gefäße der Art
beifammen, die als Einerarien.nicht die Afche eines eins
äigen Todten getheilt bewahrt haben Fonnen. und zu
Thräanenfrigen doch viel zu groß find. Andere haben
noch befonders eingedrückte Ausgußmündungen, wodurch ſich
ihre Beftimmung als Waſſergefäße entfhieden ausfpricht.
Die Benennung ,Thränenkrügelchen— halte ich daber
für ganz; unpaflend, und eben fo wären die öfters in
Gräbern vorfommenden länglihen Gfasfläfhchen, ftatt
Thranengläßer ihrem eigentlihen Gebraud entfprehend,
richtiger durdy Salbgefäße zu bezeichnen. Die weitere
Ausführung gehört nicht hierher.
186
nur noch einige ganz in Roſt aufgeloßte Metallſtuͤcke und
Münzen mit unfenntlichem Gepräge. Am beften erhalten
war ein zierlich gearbeiteter Fingerring von Bronze, mit
einem Lazurfteine, in welchen die Figur eines ftehenden
Hermes recht gut vertieft gefchnitten war. Es iſt bemer>
fengwerth, daß die vier Eden des Schachtes nad) Auffen
balbzirkelförmig erweitert waren. Sollten diefe 6-7 Zoll
tiefen Ausfchnitte nicht dazu gedient haben, um Balfen
hineinzuftellen, au welche ftarfe Bretter befejtiget waren,
um den fonft unvermeidlichen Einfturz des Schachtes zu
verhindern? Warum das Ausmauern nicht vorgezogen
wurde, kann ich nicht errathenz denn von Mauerwerk war
feine Spur zu erfennen, und an ein vorfegliches Ausbres
chen der Steine bei der frühern Zerftörung iſt gar nicht
zu denfen. Es kann alfo ehemals nur eine Verjchalung
der Winde von Holz da gewefen ſeyn, weldye durd)
Brand oder Länge der Zeit zerfiört wurde. Hieraus folgt,
daß derfelbe wohl nicht als Brunnen gedient haben könne,
welche, foviel deren bis jet im Bering des Vicus gefun—
den wurden, fümmtlich rund aufgemauert find, und 4—5
Fuß im Durchmeffer haben. Für das Dafeyn eines Brets
terverfchlags fpricht noch, daß die Wände mit einem '/
bis 1 Zoll dicken (ehemals vieleicht ftärferen) Auftrag
von gelblichem Letten überzogen waren, welcher zum
Schuß des Holzes gegen die Feuchtigkeit gedient haben mag.
Bei dem DVertiefen des Schachtes hatte fi) an der
rechten Seite der [weftlichen Wand deffelben, nody ein
berunterziehender Streifen von 3’), Fuß Breite mit Brands
jchutt ausgezeichnet, der jedoch fich nicht fo tief erfiredte,
und ſchon in einer Tiefe von 18 Fuß unter der Ober—
187
fläche endigte. Es hatte anfangs gefchienen, daß bier
ein verfchlitteter unterirdifcher Gang angetroffen werden
würde, der mit dem oben genannten Schacht in Berbins
dung ftehe. Die Richtung nach dem Mithras: Tempel fchien
dieß noch mehr anzudeuten. Bei dem Ausräumen zeigte es
ſich jedoch, daß es ein dem erſten an Größe gleicher, nur
etwas feitwärts gefchobener Schacht (I) war, deffen Wände
mit dem erften parallel liefen. Er war fo wie der vorige
mit Brandfchutt und Gefäßfragmenten angefüllt. In feis
ner innern Anlage zeigte fich Feine Verfchiedenheit, außer
daß in den Eden Feine Augjchnitte bemerfbar waren. Um
den Schutt und die ganz unten vorkommenden fchweren
Steine leichter aus der Tiefe fürdern zu Fünnen, wurde
es zweckmaͤßig gehalten, an der füdlichen Wand dieſes
zweiten Schad)tes einen finfenartigen Abfag zu dieſem Bes
huf einzugraben.
Als man 3 Fuß in den Lehm hineingearbeitet hatte,
zeigten fich auch hier wieder Brandfpuren und bald darauf
ein den beiden erfteren an Größe ähnlicher Schadyt CH),
von gleichem Inhalt, nur von minderer Tiefe, der von
dem andern nur durch eine 3 Fuß die Lehmwand getrennt
war. Der herannahende Winter unterbrad; endlidy unfere
Arbeit, ehe die Unterfuchung beendigt werden Fonnte,
denn noch immer waren wir nicht auf den Boden des
erften Schachtes gefommen, wie der DVerfuch mit dem
Stecheifen zeigte. Schwere Mauerfteine, meijt von Ba—
falt, denen noch Mörtel anhing, kamen ganz unten vor,
und fcheinen von dem abgebrochenen Tempel zuerft in
diefen Schacht geſtuͤrzt worden zu feyn. Vielleicht finden
wir auf dem Boden noch merkwürdige Alterthuͤmer oder
188
Inſchriften, welche über die Erbauung ded Tempels ꝛc. Licht
verbreiten. So muͤſſen wir fpäter die Aufgrabung fortfegen,
und ich behalte mir die Mirtheilung der Ergebniffe vor.
Ueber die Beſtimmung Ddiefer drei nahe beifammen
liegenden Schachte ein ficheres Urtheil zu fällen, möchte ſchwer
ſeyn. Bei einem einzigen Schachte hätte man demunge
achtet die Beftimmung als Brunnen eher annehmen fönnen,
wenn auch feine Form von der gewöhnlichen abwich. Auch
für den Mangel des Mauerwerk wirden fich wohl noch
Gründe haben auffinden laſſen. Wozu aber drei Bruns
nen dicht beifammen? Hier fcheint wenigftend gewiß zu
ſeyn, daß fie einen andern Zweck gehabt haben müffen.
Die Nähe des Mithras-Tempels Teitet allein zu der Vers
muthung, daß diefe fonderbaren Schachte vielleicht zu den
geheimen Myſterien des Mithras-Cultus dienten, über die wir
nur Dunkle Andeutungen in den alten Schriftftellern haben *).
Ueber die Art und Weife des Gebrauchs diefer unterirs
diſchen Gemaͤcher werden wir wohlnie vollftändige Aufklärung
erhalten, da das Schweigen der Eingeweihten und der Verluft
vieler gleichzeitigen Schriftjteller, einen undurchdringlichen
Schleier über die Geheimniſſe des Cultus verbreitet haben.
*) Rad Paufanias fanden im Tempel der Diana, der Erhals
terin zu Trözene, dem Pluto rc. geweihte Altäre über Deff:
nungen, durd die man zur Unterwelt binabfteigen Eonnte,
Diefe mögen aud wohl zurFeier der Myſterien gedient haben.
Bei der Zerftörung des großen Mithräums zu Alerans
drien, am Ende des fünften Jahrhunderts, entdedte man
ein tiefes Adytum unter diefem Tempel, worin man
allerband fonderbare Geräthſchaften und auch Menfchen»
ſchädel verſchiedenen Alters fand, die hier geopfert worden
feyn follen. (S. Zoega Abhandl. a, a. 2.)
189
Ich habe im Anfang diefer Mittheilung von einem
Gebaͤude minderen Umfangs geredet, welches der Maurer
Werkmann in der Nähe diefes Tempels auggebrochen
hatte. Auf der Tafel IV, ift es mit L bezeichnet und ich
babe dafjelbe nur mit Punkten *) angedeutet, da fih über
das Innere defjelben nichts mehr erforfiten ließ. Es
war nur 15 Fuß von dem Tempel entfernt. Deftlich
begrenzte e8 unmittelbar die Platea quintana, Aus der
Nahe vom Tempel und den Schachten fünnte man ver:
muthen, daß c8 eine Priefterwohnung war.
Sch Fomme nun zu dem
Zweiten Mithbras:- Tempel.
Wenige Wochen nad der Entdeckung des erjten
wurde er auf der nämlichen Feldfläche, 481 Fuß weflich
von jenem entfernt, an derfelben fchmalen Straße zufällig
gefunden, die an dem erften von Oſten nad Weften vorbeizieht.
Auch diefer Tempel hatte Das Schickſal des erften,
indem deffen Fundamente größtentheild ſchon vom Eigen:
thuͤmer des Ackers (P. Werner) herausgebrochen waren,
ehe ich Kunde von der Entdefung erhielt. Mehrere mis
thrifche Bildwerfe, welche darin gefunden worden waren,
entfernten jeden Zweifel uber die Beltimmung des Ge
bändes, als mir diefelben in Heddernheim gezeigt wurden.
Da ich vernahm, daß noch einige Ueberbleibfel der Mauer
im Acer fteften, fo traf ich mit Bewilligung des Beſi—
tzers, ſogleich Anftalt zur möglichft genauen Unterfuchung-
Bei dem forgfältigen Aufgraben viefer Stelle fand id)
nicht nur einige Theile der Mauer nody fichen, fondern
*) Auf diefelbe Weiſe find die fehlenden Mauern des Tem:
pels muthmaßlih im Grundriß erganst.
19%
die Spur der ſchon ausgebrodjenen ließ noch voljtändig
die Richtung und Größe derfelben erkennen, fo daß ich
einen genauen Grundriß darüber aufnehmen fonnte, der
fammt dem Profildurchfchnitt auf der V. Tafel vorliegt,
Sm Wefentlichen war Geftalt und Größe des Schiffes
nicht fehr vom erften Tempel verfchieden. Die 17, Fuß
dien Umfangsmauern (a bc d) bildeten ein Fängliches
Vieref von 46 Fuß 7 Zol Länge und 21 Fuß 2 Zoll
Breite. Der erfte Tempel war alfo Außerlich 6 Fuß 2
Zoll kürzer, dagegen 4 Fuß 3 Zoll breiter ald diefer.
Die innere Eintheilung im Schiff war im Allgemeinen
dem erſten gleich. Auch bier waren drei Gellen, deren
mittlere mit 2 Fuß tieferem Boden als jener der Gei-
tencellen, mit dem Sacrarium oder Opisthodomus zufamz
menhieng. Die Seitencellen hatten dagegen nur 4 Fuß
5 Zoll, die mittlere 7 Fuß 2 Zoll Breite. Die Stirn
ber 18 Zoll dicken Scheidemauer (t u), welche den Ein:
gang in die Nebencellen frei ließ, war wie beim erften
Mithräum mit zwei Poftamenten von Bafalt verziert.
Das hinterfie Sanctuarium, zu welchem, wie bei dem
erften, drei Stufen führten, bot die meifte DVerfchiedenheit
dar. Es hatte nämlich die ganze Breite des Schiffs und
erweiterte fich in der Mitte durch einen nifchenförmigen
Vorjprung nad; Außen von 7, Fuß Breite und 2 Fuß
1301 Tiefe mit fchräg zulaufenden Seiten. Die Tiefe hinter
den Seitencellen (k 1) betrug 5 Fuß 6 Zoll; die mittlere
bis an die nördliche Wand der Nifche war der Breite der
Mittelcelle gleich. In diefer Nifche waren drei 8 Zoll
breite ftufenartige Site (g h), welche zur Aufftelung von
Gegenftänden vieleicht dienten. Um die Wand war ein
191
Sig von 14 Zoll Breite mit Bruchfteinen aufgemauert,
welcher auch an der aͤußern Wand der Seitencellen (p q)
fortlief. Der vordere Theil gegen den Gingang hin war
zerftört, fo daß fich die Länge diefer Bank nicht mehr bes
ſtimmen Tief. Ob auch bei dem erften Tempel folche
Site vorhanden waren, ließ fich nicht mit Sicherheit
mehr erkennen. In der Mitte des Sacrariumg ſcheint das
Hauptrelief des Mithras geftanden zır haben. Aus der
ſtumpfwinklichen Anlage der Nifche und ihrer Breite läßt
ſich auch hier wohl eine Drehbarfeit des Hauptbiltes und
defjen Achſe bei G vermuthen, indem fonft diefe Erweis
terung des Dpisthodoms nach Außen überflüffig geweſen
ſeyn würde. Leider fanden fich nur noch wenige Bruch—
ftüde von diefem Nelief, naͤmlich ein Theil der Chlamys,
der rechte Oberarm und die beiden Köpfe der Fadelträger.
Das übrige ſcheint in früherer Zeit entdeckt und verfoms
men zu feyn. Don den beiden großen Bafaltpoftamenten
am Eingang diefes Sanctuariums fand fich nur das eine
noch. Vom andern lag nur die unterfte ſchwere Platte
noch an ihrer Stelle. Aus den Dimenfionen der Bild»
fragmente laͤßt fich indeſſen ſchließen, daß das Relief
über groͤßer als das erftere gewefen ſeyn muͤſſe.
Der füdlich gelegenen Treppe mit ben fieben nod)
wohl erhaltenen Stufen, deren oberfte von Sandftein, die
übrigen von Bafalt waren, habe ich früher fchon bei
der Befchreibung des erſten Tempels gedacht. Es fchien
unwahrfcheinlich, daß die Treppe, welche 12 Fuß weit
nad; Außen vorfprang, unbededt oder mit einer borizon?
talen Thuͤre verfchloffen gewefen fey. Das Gebäude
konnte alfo bei v w noch nicht aufhören; die aͤußere Fronte
192
defjelben mußte wenigfteng dem Eingang gleich feyn. Zur
Unterfuchung ließ ich einen Durchfchnitt vor der Treppe
machen, und fand ziemlich nahe unter der Oberfläche des
Bodens, die Nefte einer Zundamentmaner von 2 Fuß
6 Zoll Breite, vie fich auf beiden Seiten der Ringmauer
bei v w anfcdloß, und im Allignement derfelben 2I Fuß
2 Zoll lang fortlaufend, bei b ce durch eine Quermauer
rechtwinflich verbunden war, Die größere Breite des
nur 27/, Fuß in die Tiefe gegründeten Fundaments und
der Umftand, daß fich nirgends eine Thuröffnung zeigte,
lieg mit Wahrfcheinlichfeit vermutben, dep diefe Sockel—
mauer dazu diente, einen offenen Säulen:Portifus
zu fragen, unter dem die Priefter ihre Opfer verrichteten.
Zwar fanden ſich feine Säulenüberrefte mehr in dem
Vorplatz; die kann aber nicht befremden, da das Nis
veau defjelben der oberfien Treppenftufe gleich war, und
die fo nahe unter der Oberfläche des Bodens liegenden
Gegenftände am erften vom Pfluge des Landmannes
erreicht werden mußten. Der geringe Raum im Innern
des Tempel giebt zu erfennen, daß feine unterirdifchen,
von feinem Tageslicht *) erleuchteten Gemächer nur den
Prieftern zugänglich und zur Einweihung Einzelner bes
ſtimmt waren.
er
*) Die Erleuchtung diefer unterirdifhen Tempel durch Lam—
pen fheint auf dem befannten Fehlbacher Mithrasbild
(bei Sattler Gefhihte von Würtemberg J. ©. 192.
Tab 11.) plaftifch dargeſtellt zu ſeyn. Die meiften der
befannten Monumente zeigen ohnehin, daß das Mithras:
opfer in einer Felſenhöhle oder unterirdifhen Grotte
vor ſich gehe.
193
Bei öffentlichen Dyfern Fonnte das Volk ſich vor
dem Portifus verfammeln, wie die bei den Fleinen römis
fchen Tempeln gewöhnlich; der Fall war. — Es ift noch
die Frage zur unterfuchen, wie weit wohl diefer Portifug
pffen gewefen. Denkt man fich die Säulen big zum Anfang
des Schiffs (Naos) (v w) fortlaufend, fo tritt die in dens
felben vorfpringende fchmale Treppe ftörend entgegen.
Schließen wir die Seiten big zum Eingang der Treppe,
fowie deren Fronte (a 8) durch eine. Mauer, fo entftehen zwei
geſchloſſene Räume neben der Treppe, deren Eingänge,
fammt der fehmalen Thüre, welche zur Treppe führt, fich zu
den übrigen Proportionen der Vorderfeite nicht vortheil-
haft ausnehmen dürften. Ruͤcken wir dagegen die Wand etwas
weiter gegen (x y) vor, fo find alle Inconvenienzen gehoben.
Es laͤßt fich eine den aͤußern Verhältniffen de Tempels
angemeffene Thuͤre (z) anbringen, durch welche man gerabe
fo wie im unterirdifchen Theil, auf einen Heinen Vorplatz
(B) fommt, in welchem die drei fchmalen Eingänge nicht
mehr auffallen. Die beiden Heinen Gemächer CC) auf den
Seiten fonnten num fchiclicher für die Tempeldiener zu den
Myſterien, oder für die erften Grade der Einweihung benußt
werden, ohne daß der Zugang von Außen gefeben wurde.
Für den Portifus GA) felbft, blieb immer noch ein binlängli-
er Raum übrig. Beim BVertheilen der Säulen trifft die
Hälfte der dritten Säule bei (x y) gerade auf diefe Wand,
welche die vordere Abtheilung des Schiffs (Pronaos) vom Vor;
tifus trennt, wenn man in der Fronte 4 Säulen annimmt,
deren 12 genau die ganze Lünge des Tempels ausfüllen.
Ob die gefchloffene Seite des Tempels durch Halbfäulen,
fowie 3. B. an dem rom. Tempel zu Nimed (Maison
13
194
carrde genannt) 2c. verziert war, laſſe ich dahin geftellt
feyn. Von außen hatte aljo diefer Tempel ohne Aus
ladung des Daches, eine Lange von 76 Fuß 2 Zoll,
bei 21 Fuß Breite, ein Verhältniß, wodurch; fich derfelbe
von allen Tempeln der übrigen Gottheiten unterfcheidet,
die wir aus dem Altertum Fennen.
Die muthmaßliche Berlängerung des erften Tem—
pels habe ich nach den Verhaͤltniſſen der aufgefundenen
Fundamentmanern des Zweiten Mithraͤums, im Grundriß
durch Punkte angedeutet, da ich die Unterfuchung des
Vorplakes nicht mehr vollenden Fonnte. Sc bezweifle
uͤbrigens nicht, daß fich bei fpäterer Nachforfchung auch
bier eine Ähnliche Sockelmauer zum Tragen des Portifus
vorfinden werde, wenn nicht die hoch zu Tage liegenden
Fundamente, fchon früher durch die Feldcultur verſchwun—
den find,
Die Höhe des Tempels über der Erde, laͤßt fich wegen
dem öfteren Wechfel der architectonifchen Berhältniffe nur
ungefähr beftimmen. Schlieft man von der Breite
der Sodelmaner auf den Durchmeffer der Säulenbafe,
fo würde, wenn man nach römifcher Ordnung die Schaft:
höhe mit Gapitäl der Säule etwa zu 16—18 Fuß aus
nimmt, ſodann Architrav, Fried und Kranzgefins mit
10—12 Fuß dazu rechnet, eine Höhe von 28-30 Fuß
bi3 zum Dad) herausfommen. Bis zum Giebel des Fron>
tons dürfte der Tempel demnach etwa eine Höhe von 35—36
Fuß gehabt haben. Doch find dieß nur ungefähre Ans
deutungen, die einer genauern Pruͤfung und Ausführung
bedürfen.
Sch habe noch die Gegenftände mit Beziehung auf
195
die früher edirten, Lithographirten Abbildungen *) kuͤrz⸗
lich zu nennen, welche in dieſem zweiten Mithrastempel
gefunden wurden, naͤmlich:
1. Halbe Figur eines Knaben, (Mithras dem Felſen
entſteigend,) Sandſtein Tab. IV. fig, 4.
Proftlanficht, fig. 4 a.
2. Kleiner Löwe, (durchbohrt zum Wafferausguf,)
Sandftein Tab. V. fig. 7. Untere Anfiht fig. 7 a,
3. 4. Zwei Köpfe der Fackeltraͤger, (Mithras des
Sonnenaufgangs und Niedergangs,) Tab, III, fig. 6 u. 7.
Proftlanficht fig. 6 a und b,
9. Mehrere Feine Bruchftücde vom mithrifchen Haupt
relief. (nicht abgebildet.)
6. Basrelief, Mithras mit geſenkter Fackel, Sand»
ſtein. Tab. III. fig. 1. Seitenanſicht fig. ı a,
7. Opferaltar von Bafalt, Tab, IV. fig, 1.
*) Cie find diefem Heft beigegeben worden, um den ausge—
fprodenen Wünſchen mehrerer achtbaren PWereinsglieder
entgegen zu Fommen, und mögen alfo einjtiveilen eine
bildliche Weberficht gewähren, bis ſpäter die forgfaltig
ausgeführten Zeichnungen mit der Befchreibung und Erz
klärung folgen. Das größere Format wird diefe 6 Tafeln
von den eben fo bezeichneten Abbildungen, welche zu den
übrigen Abbandlunaen gehören, hinlänglich unterfheiden.
Durd die vorläufige Verbreitung diefer Umriſſe hoffen
wir Gelehrte zur Mittbeilung ihrer Anfichten zu veran—
lafien, und glauben ung ſodann eher im Stande, durd)
das unpartheiifche Nebeneinanderftellen der verſchiedenen
Anſichten in diefer Zeitfchrift, zur Erklärung der mithri—
fhen Symbole beizutragen.
196
8. Fragment eines Kleinen Dpferaltard mit einem
Beil auf der Vorderfeite, Sandftein. Tab. III, fig, 5.
9. Großes Poftament von Bafalt, Tab. VI. fig, 5,
10. 11. Zwei Eleinere Poftamente von Bafalt. Tab.
IV. fig. 2 und 3.
12, Ein kleines DOpfermeffer von Eifer. Tab, VII,
fig. 4.
13. 14. Zwei eiferne Schlüffel. Tab. VII. fig. 5.
15. Eine Maurerfelle von Eifen. Tab. VII. fig. 6,
16. Kleine Agraffe (Fibula) nebft dem Fragment
einer ähnlichen. Tab. VII, fig. 7.
17. Eine Lampe von röthlichem Thon.
Ale in den Ringmauern der beiden Mithräen entdeckte
Gegenftände find im Beſitz unfers vaterländifchen Mufeums.
Nichts von den dort gefundenen Sadyen ift, foviel ich weiß,
und entgangen. Aber auch an andern Stellen des Vicus
fam noch; ein ſehr intereffantes Bildwerf in Bronze
und eine Inſchrift vor, die ich auf der VII. Ergaͤn—
zungs⸗Tafel fig. 8 und 9 einftweilen in Umriß mittheile.
Die Beſchreibung diefer Alterthümer bleibe dem folgenden
Hefte vorbehalten, um die Grenzen diefer Blätter nicht
zu weit zu überfchreiten.
(Fortfesung folgt.)
197
12.
Bericht über die Unterfuhung der alten Verſchan—
zungen in der Nahe von Lipporn, von Herrn
Juſtizrath Schapper in St. Goarshauſen.
Hoͤchſtwahrſcheinlich iſt der Gemeindebezirk Lipporn
ein in Bezug auf Alterthumskunde ſehr wichtiger, bisher
noch nicht genug bekannter und beachteter Punkt. Die
fruͤherhin, beſonders in dem, zwiſchen Ober⸗ und Niebers
lipporn hinziehenden Huͤgel, nach der Angabe aͤlterer
Leute, bei zufaͤlligen Gelegenheiten aufgefundenen Urnen,
Scherben, Ziegel und andere Gegenſtaͤnde laſſen die laͤngere
Anweſenheit der Roͤmer mit Wahrſcheinlichkeit vermuthen
und die Exiſtenz der Stunde von Lipporn befindlichen
Verſchanzung erhebt dieſe Vermuthung zur Gewißheit. Ju—⸗
deſſen auch im Mittelalter war Lipporn hoͤchſtwahrſchein—⸗
lich wichtig, da nach der Tradition, Dber- und Nieders
Iipporn zufammenhiengen. Da man haufig auf jenem
Hügel und in beiden Orten altes Mauerwerk entdedt, da
ſich noch jeßt in Niederlipporn unter der Oberfläche ber
Dorfftraße ein ſchoͤnes Steinpflafter zeigen fol, und da
noch ein zwijchen Ober- und Niederlipporn durch Wiefen
binziehender Weg, die fleinerne Gaffe genannt, Spuren
eines ehemaligen Steinpflafters enthält. : Verbindet mar
damit die Eriftenz der, aus der erften Zeit des Mittels
alters herrührenden unterhalb der römischen Verfchanzung
liegenden alten Burg, und daß, nad) der Volksfage, die
Herrn diefer Burg aus der Schweiz gefommen, einer bers
198
felben das Klofter Schönau geftiftet, und deſſen Nach—
fommen demnächft nad) Laurenburg gezogen ſeyn follen,
fo erfcheint für die Altefte Negentengefchichte des Naſſaui—
fchen Haufes diefe alte Burg von der höchften Wichtigkeit,
und folche dürfte um fo gewiffer als Altefter Stammſitz
im Herzogthbum anzunehmen ſeyn, da nad) der mir gege
benen DVerficherung des Herrn Schulinfpectord Vogel, dies
fer bei Prüfung der Alteften Urkunden, beftimmte Nach—
richten zur Schlußfolge entdecft haben will, daß das Naſ—⸗
fanifche Fürftengefchlecht früher am Bodenfee, dann auf
der Burg Ring bei Lipporn gewohnt und von da nad,
gaurenburg gezogen feyn foll.
Alle diefe Verhältuiffe, danır Die Bereifung ded Bes
zirks von Lipporn durch den inländifchen Director des
Vereins, Herrn Genera-Domainen-Director von Roͤßler,
im Herbft vorigen Jahrs, veranlaßten mich zur Unterſu—
hung der gedachten Punkte, wovon ich zugleich durch
den Herrn Forftacceffiiten Speck anliegenden Grundriß
Tab, VI. aufnehmen ließ, und nun dazu folgende Re—
fultate meiner Nachforfchung vorlege.
Die römifhe Schanze (A) liegt "/, Stunde unters
halb Nieder-Ripporn auf einem Bergruͤcken, alfo erhaben,
dag man nach allen Seiten Ausficht hat, und befonders
nach dem Sohnwalde und den Gebirgen am Rhein naͤchſt
Lorch. Diefelbe bildet ein unregelmäßiges, Tänglichtes
Viereck und hatte zwei Eingänge in der Mitte der ſchma—
len Seiten, den einen nördlich, den andern füdlih. Der
Mal (ec) ift noch überall und an den meiften Stellen auch
der Graben Fenntlih. Beim Nachgraben an 4 Stellen
fand ich, daß die Außere Seite des Walles auf Manerwerf
199
ruht. Diefe Maner ift noch zwei bis vier Schuhe hoch
und mitunter wohl erhalten, jedoch ohne Kalkſpeis auf
gemanert. Das Innere diefer Verſchanzung iſt planirt.
Am nördlichen Thor rechts findet ſich eine faft Feffelförs
mige DVertiefung von ohngefähr 30’ Durchmeffer, und
eine ähnliche Vertiefung findet man beim Fortfchreiter
nach dent füdlichen Thor rechts, in der zweiten Hälfte der
Verſchanzung. Durch die erfie Vertiefung ließ ich einen
3’ breiten Graben ziehen und entdeckte fehr bald eine um
das Ganze ziehende Mauer, welche ſich endlich gegen %
die, 27/4’ hoch, aber ohne Kalkſpeis aufgemanert, fand,
Beim Niedergehen in die Mitte entdeckte ich bei 2°, Fuß
Tiefe, eine Brandftelle, deren Durchmeffer gegen 8’ betrug.
Auf diefer Brandftelle lagen Kohlen und Aſche und ſchwarz—
gebrannte Erde gegen 6 Zoll dick, Unter der Brandjtelle
und von da weiter im horizontaler Linie nach den Um—
fangsmauern zeigte fich die natürliche Lage des Bodens,
Die zweite Vertiefung ift noch nicht unterfucht, Sn dem
übrigens verhältnißmäßig Heinen Raum, den ic, aufgras
ben ließ, fand ich zwar Feine Ueberbleibſel von Schers
benzc., jedoch mitunter kleine Stüde Ziegel; dann wurde
in der Aſche das hier beigelegte Stuͤck Metall, wahrfcheins
lich eine Mefferklinge, entdeckt, welche vermuthlich durch
die dichte Umgebung der Ajche, vor Feuchtigkeit und ganze
licher Auflöfung durch Roft, bewahrt wurde.
Die Burg Ring (B) liegt weiter abwärts auf dem
nämlichen Bergrüden, und am Ende deffelben von allen
Seiten von fteilen Abhängen umgeben, ausgenommen
auf der Nordfeite, wo der 94’ breite Eingang iſt. Die
Umfangsmanern Ca) haben 8 Durchmeifer, find, foweit ich
200
big jeßt entdecken Fonnte, mit Lehm und großen lager
haften Bruchfteinen aufgeführt. Ohngeachtet eines faft
taufendjährigen Alters find manche Theile der Mauer
noch fehr wohl erhalten. Die abjchüffige Lage und die
Zeit hat indeffen an vielen Stellen deren Spur verwijcht.
Spuren von Mauerwerk im Innern finden fich nicht
mehr. Ein Felfen zieht durch einen Theil der Burg, wels
cher an zwei Stellen Ce) eingefchroten ift. In früheren
Zeiten war wahrfcheinlich diefer Felſen meiftens von nun
weggefpülter Erde bedeckt. Nechtd des Eingangs findet
ſich eine trichterförmige Vertiefung, vermuthlich früherer
Eingang zu Souterains. Verſuche des Nachgrabens war
ren bis jeßt zur nähern Aufklärung unzureichend.
Da nun beide Punkte und der Bezirf von Lipporn
überhaupt bei genauerer Unterfuchung manche Aufklärung
und Entdeckung verfprechen, die Burg Ring insbefondere
aber, in Bezug auf die Altefie Gefchichte unfered Regen-
tenhauſes ein hochwichtiger Punkt feyn dürfte, fo glaube
ich einen verehrlichen Vereinsvorftand hierauf aufr
merffam machen und nähere Nachforfchungen unter Dir
rection des Herrn Archivars Habel, in Antrag bringen
zu müffen. —
Einige vom Herren Pfarrer Wagner in Welterod
erhaltene Nachrichten fchließe ich übrigens im Auszug
noch bier an.
„Die Burg aufdem Ring fol das Stammhaus der
Fürften von Naſſau gewefen feyn, die aus der Schweiz
gefommen wären, wovon ber letzte Beſitzer Trutwin ges
nannt, auf der Stelle, wo jest der Hochaltar in der
Kirche zu Schönau ſtehet, mit einem Pfeilſchuß tödtlich
201
verwundet worden fey und vor feinem Ende die Erbauung
des Klofterd Schönau verordnet habe. Die Erben diefes
Trutwins hätten ihren Wohnſitz nach Laurenburg verlegt.
Die. erſten Conventnalen im Kloſter Schönau”) ſeyen
drei Benebictiner-Möndje aus einem Kloſter zu Schaf—
haufen gewefen.
Der Ort Lipporn fol früher eine Stadt geweſen ſeyn,
die vor oder in dem 30 jährigen Kriege zerftört worden
fey. In den Gärten zwifchen Ober und Unter-Lipporn
findet fich noc altes Mauerwerf von Gebäuden und nadı
Ausfage;eines Einwohners dafelbft, Liegt ein Straßen
Hlafter in deffen Hofe mehrere Fuß tief in der Erde
Auch fol in Lipporn ein Probft feinen Wohnfis gehabt
baben.u —
123.
Wie weit ift Drufus in Deutichland vor
gedrungen?
von Herrn Hofgerichtsabvofaten 9. 8. Hofmann,
in Darmſtadt.
Div Caſſius fagt: bis an die Elbe. Das allein würde
nichts beweifen, weil Elbe — wie noch in germanijchen
Mundarten — urfprünglich ein Gattungs-, Fein Eigen
Name war; es hieß foviel, als „fließendes Waſſer.“
*) Die Stiftungsurfunde diefes Klofters vom Jahre 1132,
©. bei Gudeuus Cod, dipl, I. pag, 1035 und Kremer
Origg, Nass, IL pag. 160. d. 9-
202
Noch jest giebt e3 eine Menge Elben und Alben, zwis
hen der Nordfee und dem Alpgebivg. Aber Div fest
binzu, fie entipringt im vandaliſchen Gebirg, und ergießt
ſich ald großer Strom in den nördlichen Ocean, und
damit iſt ohne Zweifel die große Elbe gemeint, an welche
jest zunächit gedacht wird, wenn die Rede iſt von einem
Gewaͤſſer dieſes Namens, und an die auch ſchon zu Dios
Zeit jeder gedacht haben mag, der dieſes Namens irgendwo
erwähnt fand, und das war wohl feit Tiberius fo, der
zuerft unter den Roͤmern die Muͤndung diefes Stromes
unterficht bat. Die Mündung, denn von der Quelle
wußte jogar Tacitug nichts gewiljes, alſo auch die Zeit
genofjen des Drufus nicht; folglich kann auch jene Be
merfung Dios nicht von Schriftitellern aus Druſus Zeit
berrübren, fie ift ein Zufag von Div felbft oder von
feinem Epitomator, und beweiſt weiter nichts, als daß
einer von diefen, da er vernahm, Drufus fey bis an
die Elbe vorgedrungen, dabei zunaͤchſt an die große Elbe
gedacht, und dieß daber eingefchaltet — nicht um fie von
andern Gewäffern diejes Namens zu unterfcheiden, denn
fo genau ift er nirgendg — ſondern um zu zeigen, daß
er wife, wo die große Elbe entipringt.
Liegt biernach fein ficherer urfundlicher Beweis
dafıır vor, daß Drufus wirflich bis an die große Elbe
vorgedrungen, ift es im Gegentheil möglich, daß ein
anderer Fluß oder Bach das Ziel feiner Thaten gewefen
jey, fo müffen für die gewöhnliche Behauptung andere
Gründe aufgefucht, und muß unterſucht werden: was ihn
bewegen fonnte, fo weit vorzudringen, und was ihn etwa
davon abhalten mochte?
203
Betrachten wir alfo zumächft den Zweck feiner Sen:
dung an den Rhein.
Gallien war ein new erobertes Land, batte feine Un—
abhängigfeit noch nicht vergeffen, und wo fich ein Herz
und eine Hand dafır erhob, war die müßige Tapferfeit
unferer VBoreltern zur Hülfe bereit; auch an andern Ders
anlaffungen zu Angriffen auf Gallien konnte e8 für fie
nicht fehlen; daß dergleichen wirklich ftatt gefunden, zeigt
die Gefchichte. Solche Angriffe abzuwehren und zu vers
hüten, mußte eine wichtige Angelegenheit für Rom feyn,
das den Werth der neuen Provinz recht gut zu würdigen
verftand; uͤberdieß mußte ſchon an und für fich ein Nach—
bar wie die Sueven, Befeftigung der Gränzen wuͤnſchens—
werth machen, wenn aber Auguft fogar Deutichland eros
bern oder die Römer glauben machen wollte, daß er damit
umgehe, fo mußte dafür zunächft am rechten Rheinufer
fefter Fuß gefaßt, Diefer Strom in feinem ganzen Laufe
römifch, und dieffeits defielben ein Stuͤtzpunkt für weitere
Unternehmungen gewonnen werden.
Wirft man nun einen aufmerffamen Blick auf die
Verfahrungsart der Nömer bei Eroberung der Alpen, wo
fie auch auf den beiden Flanken bis zur Donau vorge
drungen, dann an der linfen, Augusta Vindelicorum,
an der rechten, Carnuntum erbaut, und beide durch Stras
Ben und Friegerifche Anfiedelungen in Verbindung gebracht
hatten, betrachtet man, wie fie fpäterhin am der Lippe
und am Taunus fich wirklich feſtgeſetzt haben, wie fie von
diefen beiden Endpunkten aus die dazwiſchen liegenden
Lande immer mehr und mehr von fich abhängig zu machen
wußten, fo daß fie unter Senting Saturninus einer Pros
204
vinz aͤhnlich ſahen; erwägt man endlich, daß, nachdem
fo die füdliche und die nordweftliche Gränze unferes Va—
terlandes in ihrer Gewalt war, fie wieder von diefen
beiden Endpunften aus die Lande zwifchen dem Main
und der Donau — zu Tacitus Zeit — in einen sinus
imperii verwandelten; erwägt man alles dieß, und daß
die erſte Anlage der Befeftigung an der Lippe und auf
dem Taunus von Drufus herrühren; fo bleibt über den
Plan, den er für feine Unternehmungen in Deutfchland
entworfen hatte, gar fein Zweifel mehr: fein nächlter
Zwed war, au der Lippe und an dem Main feiten Fuß
zu faffen.
Sc fage am Mainz; darum erhob er Mainz, darum
verband er ed durch eine Brüde mit dem rechten Nhein-
ufer, durch Straßen und Verfchanzungen mit dem Feld-
berg und befeftigte fich dort; darum legte er — hoͤchſt⸗
wahrjcheinlich — den Pfahlgraben an. Aber um diefen
anlegen zu fünnen, um die obere Nheingegend vor Ueber-
fall zu fihern, um die Befagungen zu Mainz und auf
dem Feldberg zu gewinnen, mußte er fi des Mains
felbft bis zu der Gegend hinauf verfichern, wo diefer
Strom, bisher von Mittag gegen Mitternacht fließend,
feine legte weftliche Richtung annimmt, bis an die Kins
zing binaufz er mußte, am bier feiten Fuß faflen, ruhig
an Befeftigung diefer Stellung arbeiten zu Fonnen, den
Feind aus diefer Gegend vertreiben, und wenigſtens, fo
lange an jenen Vorwerken gearbeitet ward, in gehöriger
Entfernung halten, alfo feine Streifwachten und Vorpo—
ſten — da in jenen Gegenden Ueberfall fo Leicht moͤglich
war — nichrere Meilen weit vorfchieben.
205
Dieß mußte er; hören wir num die Alten, was er
wirffich gethban hat! Drufus verficherte fich erft der Kuͤ—
ftenvölfer, und durch den berühmten Kanal der Herrfchaft
und des Handels in jenen Gegenden; dann der Chatten!
ihre Nachbarn befriegen fie, weil fie an dem Bunde
gegen ihn nicht Theil genommen! So vorläufig in beis
den Flanken ficher, legte er die erfte Hand an das Werf
felbft, durch den Zug von Kanten aus nach ber Lippe,
Erforfchte die Gegend und verbreitete durch ſchonungsloſe
Verheerung derjelben, Schrefen und Nerwirrung unter
den Bewohnern und ihren Nachbarn. Diefen Eindrucd
zu verftärfen, zugleich aber auch um die Aufmerkfamfeit
der deutfchen Bölfer nach einer andern Seite hinzulenfen,
den ihm verbündeten Küftenvölfern feine Macht in der
Nahe zu zeigen und fie in offene Fehde mit den Bewoh-
nern des innern Landes zu verwideln, unternahm Drus
ſus, das rechte Rheinufer fehnell wieder verlaffend, noch
in demfelben Sahre einen zweiten Zug”). Er jchiffte fein
Heer durch den neuen Kanal in die Nordfee, und von da
die Ems hinauf, wo er den Bruchterern ein Treffen lieferte.
Dieß war im Jahr 12 vor Chrifto gefchehen. Im
nächften Frühjahr wiederholte Drufus den Zug aufs rechte
Rheinufer; früher als man erwarten fonnte, denn bie
Sigambern lagen noch zu Felde gegen die Chatten, weil
Diefe mit Drufus im Bunde, ihnen im vorigen ‚Sabre die
Hülfe gegen ihn verweigert hatten. Alſo traf Drufus,
der abermals bei Kanten Aber den Rhein gieng, auf die
*) Weber die Feldzüge des Drufus, vergl. man die trefiliche
Abhandlung von Dr. A. Wilhelm, in Krufes Archiveec.
Ur Bd. 1. Heft, ©. 1--71. d. 9.
206
Ufipier allein. Diefe konnten feinen Stoß nicht aushalten,
er brach durch, gieng über die Kippe, ſchlug eine Brücke
über diefen Fluß und ließ alſo auch eine Beſatzung dabei zuriick,
die jiarf genug feyn mußte, die Berbindung zwifchen dem
vorrücdenden Heere und dem linken Nheinufer zu erhalten.
Drufus z0g laͤngs der Lippe hinauf, ind Gebier der
Cherusfer bis an die Wefer, wo er den ganzen Sommer
hindurch verweilte. Gewiß gründete er in diefer Zeit die
Anfiedelung an der Lippe, die gleich nachher als wichtiger
Waffenylag erfcheint, und für deren Gründung in den
nächften Sahren feine Gelegenheit war; was hätte auch
fonft Drufus viele Monate lang — vom Anfang des
Fruͤhjahrs, bis die fchlimme Jahreszeit die Zufuhr eys
ſchwerte — bier treiben follen ?!
Doch nicht die Herbftregen allein, auch die Waffen
unferer Voreltern zwangen ihn zum Abzug. Während er
Die benachbarten Völker von feinen Bauten an der Lippe
abmwehrte, fcheint er von diefen abgefchnitten und ihm
alfo der Rückzug auf dem alten Wege unmöglich gewors
den zu feyn, denn er nahm ihn durc das Land feiner
Bundesgenoffen, (der Chatten denke ich!) vom Feind uns
aufhörlich verfolgt, genect, oft hart gefchlagen, am Ende
fo umzingelt, daß er kaum dem gänzlichen Berderben
entrann. Arbalo, Coielleicht Hartwald, wie freilich gar
viele Wälder biegen und heißen!» wird der Ort genannt,
wo unſer Volf des Sieges ſchon fo ficher war, daß es
bereit ein Geding über Theilung der Beute gemacht
hatte: Den Cheruskern die Nofje, den Sueven Gold und
Silber, den Sigambern die Gefangenen. Hieraus fieht
man, mit welchen Völkern Drufus zu Fampfen gehabt,
207
und das ift höchflwichtig für die Frage, deren Beantwortung
der Gegenftand diefer Unterjuchung iſt.
Indeß war der Zweck dieſes Feldzugs erreicht, Die
Lippe den Römern gefichert, und dadurch ein Punkt ge
wonnen, von dem aus, zunächit den Anlagen an der
Ems — durch die pontes longos — die Hand geboten,
fpäter nad) der Kahn und dem Main hinauf gewirkt werz
den fonnte. Sm nächjten Jahr (10 vor Ehrifto) ruhten
die Waffen; Drufus legte Befeftigungen im Lande der
Chatten an, gewiß unter dem VBorwande, dieſe gegen den
gemeinfchaftlichen Feind zu befchügen, in Wahrheit, weil
damit der zweite Theil feiner Aufgabe begonnen werden
mußte. Daß diefe Befeftigungen Feine andere feyen, als
Diejenigen, wovon wir noch heute die Spuren fehen, um
deren Erjorfchung und Erklärung der hochachtbare Naf
fanifche Alterthums-Verein ſich fo fehr verdient gemacht
bat, it wohl mehr als wahrfcheinlih. Die Lage und
Befchränftheit diefer Werke, mußte indeß die Chatten fehr
bald die wahre Abficht des Feindes errathen laſſen. Viele
wanderten aus, die Übrigen, zum Theil mit Gewalt zurüd»
gehalten, erfcheinen von nun an unter dem Namen Mat-
tiacher, getrennt vom Volke der Chatten, Diejes fortan
ald der Römer Feind; fehr natürlih! Drufus hatte ihre
Trene mißbraucht, fie feine Argliſt durchſchaut, wie Fonnte
zwifchen ihnen Friede bleiben?
Der Krieg brach aus, und Drufus griff am. Fragt
man wo? ſo kann die Antwort nicht anders ausfallen,
als: von dem Site feiner Macht aus, auf der Fürzeften
Linie, denn das ift unter den Negeln der Striegsfunft eine
der natuͤrlichſten und Altejten, aljo vom Taunus berab,
203
längs dem Maine hinauf, weil er hier am Teichteften und
fiherften in Verbindung mit Mainz bleiben fonnte, auch
fam er bier unmittelbar auf die Stelle, welhe nun das
nächfte Ziel feiner Unternehmungen feyn mußte: die Kruͤm⸗
mung des Maind, wo die Verfchanzungen von der Lahn
berüber fich an jenen Strom anlehnen follten.
Drufus warf die Chatten in mehreren Gefechten —
und das mag bei fo unendlich überlegener Macht eben
nicht fchwer gewefen feyn! — Er drang vor bis an bie
Gränzmarf der Sueven. Diefer Umftand entfernt, meines
Erachtens, den legten Zweifel darüber, daß er am rech—
ten Mainufer hinauf vorgedrungen fey, weil er gewiß
bier der Suevifchen Gränze am nächften war, weil die
naͤchſten Kriegsftraßen vom Taunus nad) der Fulda und
Werra nordöftlich, ihn vielleicht gar nicht an die Gränze
der Sueven, fondern unmittelbar an die der Cherugfer,
gebracht haben würden. Hatte Drufus auf diefem Zuge
die Stellung gefunden, wo er durch eine Befeftigung fich
des untern Maind verfichern Fonnte, fo blieb ihm für
Bollendung des oben entwicelten Planes nur noch zweir
erlei zu thun: erftlich dur h Streifzüge in die nächfte
Umgebung, jene Anlage gegen Ueberfall zu deden, und
es ift fehr natürlich, daß auf dieſe Weife den Nömern
die Sale, (die fränkifche nämlich) befannt wurde. Das
zweite, was Drufus zu thun hatte, war, daß er die
Chatten, die er fo vom Maine hinweg gedrängt hatte,
bis in das Innere ihres Landes verfolgte, und wo nicht
zu völliger Unterwerfung, doc) auf eine Stufe der Ohn—
macht herabzubringen fuchte, auf der fie ihm hinfort nicht
mehr gefährlich feyn Fonnten.
209
Die Chatten, für ipre frühere Anhänglichkeit an Nom
mit allen Nachbarır zerfallen, ohne Beiftand, obne Zu
flucht, gefchlagen, erſchreckt, konnten dem jetzt wieder
fiegreichen Heere des römischen Feloherrn nicht widerfies
ben. Er wandte ſich vom Maine links, und drang lange
der Oſtgraͤnze des Chattenlandes, wahrfcheinlich an der
Fulde hinab, unaufhaltfam vor, alles verbeerend gegen
die Cherusfer, bis an ein Gewäffer, das Elbe genannt
wurde, und das, kann jedes beliebige Waſſer gewefen
ſeyn! denn, wie oben angemerkt wurde, Elbe hieß,
beißt noch im Schwediſchen »Waffer.v
Ueber das Waſſer Fonnte er nicht geben, errichtete
ein Siegeszeichen und, fehrte um. Der warnende Zuruf
der Neue, das Geheul der Wölfe dicht um fein Lager,
am meiften vielleicht, die Keckheit zweier deutfchen Süng-
finge, die, feinen Wachen zum Hohn, mitten durch
das Lager fprengten, bewog ihn, nicht weiter vorzudringen.
Auf die vorhin geftelte Frage nun: was Fonnte
Drufus bewegen, bis zur großen Elbe vorzudringen?
weiß ich, wie die Sachen damals ftanden, nichts zu
antworten; ich kann mir nichts denken, was er dort ges
ſucht haben follte, nicht einmal Ruhmſucht Fonnte ihn
dahin getrieben haben, denn Ruhm bei unfern DVoreltern
fonnte unmöglich Werth für ihn haben, und in Rom
hatte damals Fein Menfch einen Begriff vom Innern
unſers Vaterlandes; bis an die Elbe» fonnte dort gar
nichtd bedeuten, weil niemand wußte, wie weit dieß jey.
Noch viel weniger aber Fonnte ein folcher Zug geeignet
ſeyn, die deutfchen Völker bis an die Elbe zu fehreden,
wecken vielmehr, aufmerkſam machen, beleidigen und zur
14
210
Mache, zum Angriff reigen Fonnte, mußte ein folches
Unternehmen diefe Volfer, die zum größten Theil von
dem DVordringen der Nömer erft durd; ihren en
etwas gewahr werden Fonnten.
Abhalten dagegen mußte Drufus von einem folchen
Zuge vor allen Dingen der Umftand, daß er wahrfchein-
lich von unfrer Elbe gar nichts wußte, und daß er gewiß
nicht wußte, von wannen fie Fam und wohin fie floß,
und was er dort folle?
Abhalten mußte ihn ferner die Wichtigkeit, ja die
Nothwendigkeit feiner Anwefenheit am Nhein, wo durch
die Anlagen an der Lippe und am Main erft der Grumd
zu dem Werfe gelegt war, das er aufzuführen hatte.
Abhalten mußte ihn weiter, die unendliche Schwierigkeit
eines folchen Zuges durch ungebahnte Wildniffe, über
Waldgebirge und Flüffe, durch ein armes, mangelhaft
angebautes Land, mit einem Heer von wenigſtens 40000
Mann mit fo großem Troß, wie die Nömer nachzufchlep>
pen gewohnt waren, und fo fchlechter Befpannung, als
die ihrige, endlich ohne eigene Kenntnig des Landes
und ohne fichere Führer. Abhalten mußte ihn ferner der
Mangel an Zeitz in Deutichland war damals der Som—
mer furz, einen guten Theil defjelben hatte ſchon die
Unternehmung gegen die Chatten hingenommen; und vom
Herbft durfte Drufus ſich nicht überrafchen laſſen. Er:
wägt man nun noch, daß er nicht vorrüden Fonnte, ohne
fih) den Ruͤckzug zu fichern, ohne in fieter Verbindung
mit dem Stüspunfte feiner Bewegungen zu bleiben, daß
er alfo überall Poften zuruͤcklaſſen, Befeftigungen errich—
ten, mit Gefchus nnd Mundvorrath verfeben, unter fich
211
in Verbindung fesen mußte, und daß dieß, bei aller
Kunftfertigfeit römischer Soldaten, dennoch überall
Tage, Wochen koſtet; erwägt man dieß, fo wird man
anfangen, an der Möglichkeit eines folchen Zuges zu
zweifeln. Erwägt man aber ferner noch, daß Drufug
zwijchen dem Rhein und der Elbe lauter Feinde hatte,
Feinde, die ihn zwei Sahre früher dem ſchmachvollſten
Untergange ganz nahe gebracht hatten, die das Recht
hatten, ſich, ihm gegenuͤber, Sieger zu nennen, die, je
weiter er ſich von dem Sitze ſeiner Macht entfernte,
ihre eigne immer dichter zuſammen draͤngten, die des
Landes kundig waren und bewieſen hatten, daß fie ders
gleichen Vortheile zu benugen verftanden. Oder follter
Cherusfer, Sueven und Sigambern, und jekt auch die
Chatten auf feinem Punkte der ungeheuern Linie vom
Rhein bis zur Elbe, vermocht haben, diefe zu durchbre-
chen? oder follten fie es vieleicht nicht gewollt, follten
fie ihre Freude daran gehabt haben, wenn ihr Todfeint
feine graufamen Schaaren mitten durch ihr Land hindurch
und zurüc führte, — follten fie ihnen vielleicht gar Proviant
geliefert, und die Wege gezeigt und gebahnt haben ?
Die Ehrfurcht vor fo vielen gefeierten Namen, wos
mit die Erzählung von Drufus Feldzuͤgen unterfchrieben
it, kann daher die Behauptung nicht zuruͤckhalten:
Drufus ift nicht bis an unfre Elbe, er iſt oͤſtlich
nicht über die Wefer oder Werra gekommen.
Dann ift auch die Stelle, wo er den tödtlichen Sturz
that, in unferen Gegenden, zwifchen der fränfifchen Saale
und dem Rhein zu fuchen, und die 200 Meilen, welche
Tiberius, von einem Deutſchen geführt, fo ſchnell zurück
212
gelegt hat, find, nach Vellejus, weit eher von Ticinum,
als, ohne alle Autorität, von Mainz an, zu rechnen.
So find es denn die Gegenden zwifchen dem Rhein
und der Wefer, wo der merkwürdige Mann, einer der
gefährlichiten Feinde unferes Volkes, feinen Ruhm und
feinen Tod gefunden hat.
14,
Hiftorifhe Nachrichten von den Burgen Driedorf,
Eigenberg und Holenfels und ihren Befigern,
den von Mudersbad,
von Herrn Schulinſpector und Pfarrer €, D,
Bogel, in Schönbad).
Nichts erinnert zugleich färfer und angenehmer an
die geharnijchten Zeiten des Mittelalters, wo das Nitters
weien noch in feiner vollſteu Entwickelung und Blüthe
ftand, und fich in Tapferkeit, Minne und Andacht bes
wegte, als die vielen Ruinen der alten Burgen, die zum
Theil hoch und Fühn auf fteilen, kaum zugängigen Bergs
böhen angelegt, mit Bewunderung und Staunen erfüllen,
und in der Feftigfeit ihrer Mauern allen Einflüffen der
Witterung und der Zeit felbft Troß zu bieten fcheinen. —
Sahrhunderte find an ihnen vorübergeflogen; ihre Zeiten
und Zwecke laͤngſt dahin; die edlen Gefchlechter, die fie
aufthürmten und bewohnten, meift ausgeftorben: und
fo fliehen fie denn ald die Ueberrefte einer thatenreichen
213
Vergangenheit, und als die Gerippe einer Tobtenwelt da,
die mit ihrer ganzen Herrlichkeit verfunfen iſt. Die
Schwächen und Fehler der alten Burgberren und Burg—
männer find mit ihrem Leben ausgelöfcht worden, und
nur wenig ift von den Einzelnen in das Buch der Ger
fchichte übergegangen; der Mißbrauch ihres Anfehens und
ihrer Gewalt zur Unterdrüdung der Schwachen in ber
wildeften Periode des Fauftrechts und der MWegelagerumg,
bat den beffern Einrichtungen für Landfriede, Schuß und
Sicherheit, weichen müffen, und die Klagetöne des Jam—
merd und der Noth, die von ihnen aus über die wehr—
lofe Hütte des Landmanns gebracht wurden, find längft
in der Zeit verhalf. So ift die Schattenfeite der alten
Burgen größtentheils für uns gewichen,_ die fich fonft
ftörend den Erinnerungen an fie beimifchen und manche
widrige Eindrücke machen und zuriclaffen würde, Wir
betrachten darum ihre Nefte freier und freundlicher, und
in ihren Anblick träumend verfunfen, ziehet eine ftille
Borwelt an unfrer Seele vorüber. Der Vergangenheit
finnend bewundern wir in ihren tief in Felſen eingehaues
nen Gräben, in den hohen Wällen, den dien Mauerır,
den hinmelanftrebenden Thuͤrmen und Warten nur allein
noch die ſtummen Zeugen eines fich einft in Kuͤhnheit
und Kraft bewegten thätigen Lebens. Die lieblichen Cons
trafte, die diefe Trümmer der Nitterwelt mit der leben—
digen, blühenden, nie alternden Natur bilden, erfaſſen
das Gemuͤth tief und ſetzen es in wunderſame Negung.
In keinem Lande Deutſchlands findet der Freund des
Alterthums für ſolche gemüthliche Anregungen mehr Nah—
rung ald im Herzogthum Naſſau, wo an den Ufern des
214
Rheins und der Lahn auf aller Bergen die fchönften
Burgruinen über die Flüffe und weit in das Land hinein:
ſchauen, wo der Feldberg und Alt-King mit fünf alten
Burgen wie umkraͤnzt, ihr Fahles Haupt über alle Berge
des Landes erheben, wo fo manche Liebliche Thäler an
Heineren Flüffen, wie das der Wisper, Aar, Grüftel,
Weil ꝛc. die Reize, womit die Natur fie fchon fo reichlich
ausftattete, noch durch chrwürdige alte Nefte einer grauen
Vorzeit erhöhen, und den Charakter des Acht Nomanti»
fhen annehmen. Man trifft felbft hier auf einige, an
ſich öde und Fahle Gegenden, die durch noch erhaltene
Trümmer aus dem Mittelalter gehoben werden, und
nicht ohne Intereſſe laſſen.
Es ift nur zu bedauern, daß der Wanderer oft vers
gebens nad; Nachrichten von der Entftehung und den
Schickſalen diefer Burgen forfcht, und die Gefchichte der
meiften noch in tiefes Dunkel gehuͤllt iſt. Wir wollen es
verfuchen, nach und nach diefen Schleier zu lüften. Die
drei genannten mögen neben einander geftellt den Anfang
machen, denn Jahrhunderte durch gehörten fie einem Ge:
ſchlechte zu.
1. Driedorf,
ift eine Feine Stadt im Amte Herborn, die am Ab—
hange des Wefterwaldes liegt, da wo deffen muldenförz
mige Ausdehnungen ſich gegen Dften in die Schluchten
des niedriger gelegenen Landes zu verlieren anfangen.
Textor fagt von ihr): „es fol feinen Namen haben
*) In der Nafl. Chronik S. 14 alte Ausg.
215
„von dreien Dorffen, welche dafelbft bei einander gelegen,
„zuſammen gezogen und daffelbe auferbauet, alfo, daß
„Driedorf fo viel ald Dreidorf *). Soll vor Zeiten grö-
„fer geweien und ein alter Dre feyn“ Sein Name
fommt 1100 zuerft vor. 1253 und 1263 wohnte eine
Patrizier- Familie in Weslar, die ſich nach ihm nannte,
1255 hatte es fchon fein eigenes Gericht, denn in diefem
Ssahre kommt Arnold, der Schultheiß, mit dem Grafen
Dtto I. von Nafaw Dillenburg in den Kirchenbann *).
Seine Pfarrkirche, die früher eine Kayelle von Herborn
geweſen war, erfcheint 1287 als felbftftändig, war es
aber vermuthlich ſchon vor 1231 9. In dem erften Sabre
wird das Patronatrecht darüber, Naſſau gegen die Ans
maßungen des deutfchen Ordens zugefprochen ).
Es fällt auf, am diefem Orte, in einem rauben
Clima und einer unfreumdlichen, fumpftgen Umgebung
zwei Burgen, nur in einer ganz geringen Entfernung von
einander, die eine innerhalb der Ningmauern des Städt:
leins, und die andere außerhalb defjelben anzutreffen.
Hierzu Fommt, daß viefelben zu gleicher Zeit und von
einem Erbauer errichtet worden find, Schon diefes laßt
einen ganz befondern Zweck bei ihrer Anlegung vermu—
*) Man nennt nad diefe drei Orte, Fudenhaufen, Barden
haufen, Kingshu [Königshube] und zeigt die Gtellen,
wo fie gelegen, die auch die Spuren von alten ummauer>
ten Hofreitben und Rodungen od) aufweiſen.
1) Gudeni Cod, dipl, III, 1165,
M Kremeri Orig. Nass, II., 270.
3) Gudenusa, a DO. 1167:
216
then, und die folgenden Umftände rechtfertigen auch diefe
Vermuthung.
Einer alten Sage nach, die ſich bis jetzt erhalten
hat, ſoll Driedorf ehemals ein Verbindungsort unter den
handelnden Staͤdten in der Gegend des Rheins, und eine
Waarenniederlage geweſen ſeyn Y. Es lag an der
Straße, die von Frankfurt nach Köln führte). Eine
andere Straße lief von da aus füdlich dem Rheine zu ?).
Es ift befannt, wie unficher alle Landftraßen in Deutidj
land, befonders während der Zeit des großen Interreg—
nums, mo fich die rohefte Gewalt in den wildeften Aus—
brüchen zeigte, waren, und welchen Gefahren der Kauf
mann bei feinen Waarentransporten fich ausgeſetzt fahe,
weil es felbft bei dem hohen Adel fir Feine Schande galt,
Raͤubereien zu begehen und fich auf öffentlichen Wegen
41) Die fünf vieredfigten Thürme, die die alte Stadtmauer
hatte, follen davon die Namen des Mainzer, Kölner,
Coblenzer ıc. Thurmes geführt haben. Vermuthlich weil
diefe Städte das Geld zu deren Erbauung hergeſchoſſen
haben. Auch will man, ald nah dem großen Brande im
Zahre 1819 die Fundamente zu den neuen Gebäuden ger
graben wurden, noch die deutlichen Spuren eines alten
Packhauſes gefunden haben.
2) Einer Strede diefes Weges erwähnt die Urkunde der
Brudertheilung zwifihen Otto II. und Heinrich von Naf-
fau:Dillenburg von 1344, 9%. Jan. „graue Heinrich fol
bebalden das Gericht von Beilftein und von Walderdorf
bis an die GStraffe, die da gehet von Dry
dorff über den Entenfyffen hin gein Wer
flar.u
3) Diefe Fommt noch 1600 unter dem Namen der Rheins
ftraße vor. Sie lief von Münchhauſen über den Knoden.
217
zu bereichern. An der Straße, die von Frankfurt ber
Driedorf zog, lag die alte Burg Greifenftein gleich
einem Adlernefte nahe an den Wolfen. Ihre Bewohner,
obgleich fich den Dynaften anreihend, trieben doch dag
niedere Gewerbe der Wegelagerung, und lauerten hinter
ihren Wällen und feften Mauern auf die vorüberzichenden
Kaufleute, die fie beunrubigten und beraubten 9.
Al aber der rheinifche Städtebund, der in der
Mitte des 15ten Jahrhunderts zum Schuße und zur Sir
cherung des Handels entftanden war, ein neues, beffereg
Leben in dem verworrenen Deutfchland weckte, und durch
eine edlere Selbſthuͤlfe, wie der Adel bisher geuͤbt hatte,
wodurd; wenigftend das allgemeine Intereffe gewinnen
mußte, und weil vom Neichsoberhanpte Feine Hülfe zu
erwarten fand, eine freundlichere und friedlichere Zukunft
gefellfchaftlicher Drönung begründete und berbeiführte,
wurde auch dem ritterlichen Unwefen im diefer Gegend ein
Ziel geſetzt. — Es fcheint, daß der Graf Dtto I. von
Naſſau⸗Dillenburg fich dieſem Vereine angefchloffen, und
1) Daß diefes die einzige Urfache feiner Zerftorung geweſen
fey, ergiebt eine Urkunde des Kaifers MWenzeslaus von
1389 die Phil, et Jacobi, worin derfelbe befiehft, fih dem
Beginnen der [von Graf Johann von Solms und Ru:
preht von Naſſau unternommenen] Wiedererbauung
Greifenfteins mit aller Gemwalt zu widerjegen, weil durd)
diefen Bau die Sicherheit der Heerftrafe von Köln nad)
Sranffurt geftöort werde, — [v. Arnoldi Gefh. d. Oran,
Naſſ Land. L, 222.] — Der Schaden, der von Greifen:
ffein aus, vor feiner Zerftörung dem rheiniſchen Handel
war zugefügt worden, war aljo nod im frifchem An
denfen.
218
dad Geleite der Handelsleute auf der oben erwähnten
Straße übernommen habe Y. Wenigftend gerieth er um
dieje Zeit in eine fehr heftige und Tangwierige Fehde mit
den Bewohnern von Greifenftein, worin nicht nur diefe
ihre Burg um das Jahr 1280 zerftört, fondern auch ihr
bald nachher erfolgter Untergang als Herrfcher in der
Gegend vorbereitet wurde »). Dtto legte jetst felbft auf
Greifenfteinifchem Grund und Boden die beiden Burgen
in Driedorf ?) an, erweiterte den Ort zu einer Stadt und
befeftigte ihn.
4) Rupredht von Nafau nahm 1385 diefes Geleite durch
die Naffau:Otton. Länder in Anfpruh, und wurde deds
halb durd Aufträge an den Kaifer verwiefen. Wenn
er nachher mit Solms den Greifenftein wieder erbauen
wollte, jo gefhahe diefes vermuthlih, um feine Anſprü—
he mit Gewalt durchfesen zu können.
2) Sie gaben im Sabre 1300, XIII Cal. Febr, den Berg,
worauf die Burg geftanden, an Kaiſer Albert und nab-
men ihn als Reichslehen zurüd. 1304, Freit. n. Petr,
u. Paul, verkauften fie denfelben an diefen Kaifer, um
ihn unter deſſen Schu wieder erbauen zu können. —
Die beiden Urkunden hat Schaum: Gefh. von Solms
©. 276. — Aber alles vergebend. Die Grafen von Naf:
fau:Dillenburg erwarben venfelben als Reichspfandlehn,
um fih zur Sicherung ihres Geleites und des Handels
jedem burglichen Bau auf demfelben defto Fräftiger wider:
fegen zu fönnen. Der Befiß einer blofen Burgfchale fonnte
für fieden Werth nicht haben, den fie offenbar darauf
fegten, wenn nicht diefer Zwed ihn gab. Wenn Schaum
a. a.D. ©. 295 den Naflauifhen Beſitz des Burgbergs
gegen v. Arnoldi a. a. D.1., 220 u. f. gar in Abrede ftellt,
fo ift diefes ein unberufener und blinder Miderfpruch gegen
den Flaren Inhalt von mehr als ſechs Urkunden.
) Außer dem Patronatrecht der Kirche läßt ſich vor dieſer
219
Diefe Anlage entfprach ihrer Abficht, den Handel
zugleich zu erleichtern und zu fichern, in der damaligen
Zeit auch vollfommen. Denn Driedorf lag zwifchen den
Städten Frankfurt, Köln und Goblenz beinabe in der
Mitte, war alfo zu einer Waarenniederlage, zum Um—
taufche und zur weiteren Abfesung der Waaren in das
Innere des Landes fehr bequem und paſſend, und die
errichteten Befeftigungen gewährten vollen Schuß. Die
Außere Burg mit ihrer hohen Warte, war ganz mit Waf
fer umgeben, lag in der Mitte eined Weihers, und ftand
nur durch eine Zugbrüde, die zu einem befondern Thore
der Stadt führte, mit diefer in Verbindung. Die innere
Burg aber, die auf einer Fleinen Anhöhe lag, ragte über
die Stadt hervor, und hatte in dem Walle und Graben,
den auf der ganzen Suͤdſeite ein Weiher mit einem nur
fchmalen Commmunicationswege bildete, und der Mauer
der Stadt mit ihren fünf Thuͤrmen ganz gute Aufen-
werfe.
Wenn wir die damalige Lage des Grafen Dtto TI,
von Naſſau⸗Dillenburg genauer ind Auge faſſen, der in
einem nur kleinen Lande mit der väterlichen Verlaffen:
fchaft zugleich eine ſchon damals alte Fehde mit den mäd)-
tigen Adeligen von Derndad und Willensdorf, denen
ſich fpäter auch noch die von Bien zugefellten, geerbt
hatte, die um fo Eoftfpieliger und hartnädiger war, weil
Zeit nicht das gerinzfte Naſſauiſche Eigenthum in Driedorf
nachweiſen. Alles fcheint hier Greifenftein in dem mit
diefem verwandten Geſchlechte von Lichtenftein gehört zu
baben,
220
es den wichtigiten Gegenftand, die Landeshoheit über den
bedeutendften Theil jeiner Befisungen galt 9, und deren
Ende er nicht erlebte, wie er ſich daneben noch in einen
chwierigen Kampf mit dem deutfchen Orden verwicelt
fahe: fo wirde es unerflärbar feyn, woher er die Kraft
und die Mittel genommen, auch noch zu gleicher Zeit die
Greifenfteinifche Fehde fiegreich durchzufämpfen, und in
Driedorf die jehr bedeutenden Baunngen zu vollenden,
wenn wir nicht eine jehr wirkſame Unterftüßung von Sei:
ten der Städte, zu deren Vortheil das letztere vorziiglich
unternommen wurde, unterftellen koͤnnten.
Die Städte traten endlich auch fühnend zwifchen bie
Fämpfenden Partheien, und nach Ottos Tode wurde durch
Dermittelung von Weslar, Friedberg, Gelnhaufen und
Frankfurt, aller Streit zwifchen feinen Söhnen Heinrich
und Emich von einer, und Kraft, Norich und Gotthard
von Greifenftein von der andern Seite, 1290 auf Pauli
Befehrung (25. San.) beigelegt I. Naſſau bleibt im Mits
befige der Stadt Driedorf, der Mühle und des Sees,
von welchem allem ihm die Hälfte abgetreten wird, Es
hat mit Greifenftein fortan einen gemeinfchaftlichen Vogt
dafelbft, der ihr Amtmann feyn und die Nenten und Bede
1) Kremeri, Origg. Nassov. 11, 299. Den Ansgang unter
Heinrich I. erzählt der felige Geheimerath von Arnoldi
a. a. O. 1, 123— 126.
2) Die Städte Frantfurt, Friedberg und Weklar brachten
auch bald darnach einen Vertrag mit den Bundesgenoſſen
Crafts von Greifenftein,, den von Lewenſtein, von Itter
und von Grafchap zu Stande, 1290 ler, 5. ante Miser,
Domini [1l, April].
221
eintreiben fol. Sie wollen zufammen die Stadt fortbauen
und erweitert, die Leute darin theilen, die Burgmänner
nur in gegenfeitigem Einverftändniß aufnehmen, und fid)
gegenfeitig aus der befejteten Stadt zur Zeit eines Krie—
ges (Urloige) Feinen Schaden thun. Naſſau verfpricht
noch beſonders die Beſthaͤupter Greifenſtein allein zu uͤber—
laſſen, weil es dieſelbe früher gehabt ), und die beiden
Burgen, die es dafelbit erbauet, zu zerftören, und feinen
burglichen Bau mehr zu errichten. Das letztere aber ift
nicht in Erfüllung gegangen, es fcheint vielmehr auch
eine Theilung diefer Burgen, wodurch Naffau zum allei-
nigen Beſitze der inneren und Greifenftein zu dem der
äußeren gelangte, durch einen noch unbekannten Bergleid)
erfolgt zu ſeyn.
Eine merkwuͤrdige Beſtimmung enthaͤlt noch der ange—
fuͤhrte Vertrag, daß nie Ungeld und Zoll in Driedorf
erhoben werden ſolle. Da jeder der contrahirenden Theile
hierbei in Nachtheil kam; ſo hat man abſichtlich einem
dritten den Vortheil einraͤumen wollen. Dieſer dritte
waren offenbar die Staͤdte, deren Handel und beſonders
Weinhandel man hierdurch beguͤnſtigte. Auch ein anderer
Artikel der Urkunde, wonach im Falle eines Krieges Drie—
dorf durchaus geſchont werden ſoll, muß darauf bezogen
werden: „ſo ſol auch dann die Stat (Driedorf) vnd die
„lude darin vnd alles daz dartzu horet mit gudem fried
„vnd mit gemach blieben vnd weßen von vns beyden
„halben.“
Als Naſſau hier einmal feſten Fuß gefaßt hatte, ging
1) Ein Zeichen, daß dieſes allein Leibsherr hier geweſen.
222
es bald zu neuen Erweiterungen feined Befißftandes tiber.
Der Graf Emich, dem Driedorf 1303 in der Theilung
mit feinen Brüdern zugefallen war, batte im Anfange
feiner Regierung dafelbft feine Nefidenz ); ließ 1305
(2. Kal, Apr.) dem Orte vom König Albrecht Stadtrechte
ertheilen °)5 und fuchte fich endlich 1316 CVincentii) der
Gemeinfhaft mit Greifenftein gänzlich zu entledigen, da
er von Gerhard von Greifenftein, defjen Gemahlin Agnes
und deren Sohn Gerhard ihren Antheil an Stadt und
Kirchipiel, Gericht, Zul I, Mühlen, Vogtleuten *,
Vogthaber, Faßnachtshuͤhnern und Zinfen fir 250 Marf
erfaufte. Die Verkaͤufer fchliegen nur ihre Mannen (Bar
fallen) mit dem Manngute (Activlehen) und ihre Leibs
eigenen °) von dem DBerfaufe aud. Daß auch ihre Burg,
außerhalb der Ningmauern der Stadt gelegen, hierdurch
zum Theile wenigſtens an Naſſau übergegangen, ift nach
fpatern Erfcheinungen nicht zu bezweifeln,
Aber noch war ein anderer Zweig des Greifenfteintz
fhen Gefchlechtd, die Dynaſten von Lichtenftein, bier
angefeffen, die aber in feiner Gemeinfchaft an den Burs
4) Bon Arnoldia. a. O. J., 92 II b, 126.
2) Er verleihet opide Tridorf omnem libertatem, qua gaudet
civitas Welflariensis, Urk.
3) Nach dem Vorhergehenden muß diejes vom Zolle, der in
Dörfern des Kirchfpielö gehoben wurde, verftanden werden.
4) Baitlude. Das waren die Nadhfommen der einft freien
Bewohner des Landes, auf die noch ein Schatten der
alten Freiheit fortgeerbt war.
5y:Sunderlihe Ludhe. Urk.
223
gen geftanden zu haben fcheinen. Emichs Sohn, der
Graf Sohann, war fo glücflich, diefe 1334 auszufaufen ").
Auch die NafjawDillenburgifche Linie hatte Erwer—
bungen bier gemacht, und war in den Befig der unteren
Burg gefommen. Sm Sabre 1347 (ler. 6ta p. Pentec.)
macht Graf Dtto II. von diefer Linie die Nitter Johann
und Wygand von Mudersbahh, Brüder, zu Erbburg-
mannen dafelbft, und gibt ihnen die Zehnten und Güter,
die fonft Craft von Greifenjtein im Kirchſpiele befeffen,
zu Burglehen. Noch in demjelben Sahre fehenft Graf
Sohann von Naſſau-Hadamar dem erfteren einen ehemals
von Fichtenfteinifchen Hof dafelbit.
Diefes ift das erftiemal, daß dieſes alte Nitterges
fchlecht hier auftritt. Es war urfprünglich im Amte Ho»
benfolms, im Dorfe Mudersbach zu Haufe, wo nod)
nahe am Bache Aar unter dem Namen des Burggrabend
die Stelle gezeigt wird, wo einjt fein Stammhaus ftand.
Diefes war aber fchon frühe und wahrſcheinlich im der
langwierigen Dernbachifchen Fehde zerftört worden. Seit—
dem ift es in das Naffauifche uͤbergezogen, wo es ſtets
eine treue Anhänglichkeit an die Yandesherrn zeigte, und
von diefen zu wichtigen Aemtern gebraucht wurde. Es
erwarb hier nach und nach fehr anfehnliche Befisungen °).
Schon Gudenus glaubt aus der Gleichheit feines Fami⸗
lienwappens °) mit dem Greifenfteinifchen auf eine ge>
4) von Arnoldia.a. D.I 9.
2) Sc behalte mir vor, zu einer anderen Zeit das alte von
Mudersbachiſche Lehenbüchlein mitzutbeilen.
3) Es enthält vier ind Kreuz zufammengeitellte Blätter, wie
die auf Tab, VI, beigefügten Abbildungen zeigen,
221
meinſame Abftammung beider Gefchlechter fchliegen zu
dürfen 9. Was diefe Schlußfolge beitärft, ift, daß beide
aud in einer Art von Gütergemeinjchaft fügen. Denn
als Ludewich von Mudersbach, nach einer ungedrudten
Urkunde 1281, der Abtei Marienftadt Güter zu Dapurg,
einem in der Nähe von Greifenftein ausgegangenen Drte,
fchenfte, mußte erft Conrad, genannt Wufte von Grifin⸗
ſtein, darin willigen, und der Ritter Craft von Grifin—
fein und Widefind von Kichtinftein fiegeln. Nach Aus—
fterben des Greifenfteinifchen Haufes fcheinen felbft die
von Mudersbach diefem als Erben in einem Theile feiner
Beſitzungen gefolgt zu feyn. Die Burg und Herrfchaft
Greifenftein waren Wormfifches Lehen, und bei diefem
Stifte empfingen auch die von Mudersbach fpäter noch
ihre Zehnten und Guͤlten zu Catzenfurt, Dillheim, Eringg-
haufen, Werdorf, Gollfchhaufen, lauter Orte in diefer
Herrfchaft gelegen, zu Biſchoffen und Roßbach. Ihr
erſter Grundanſitz zu Driedorf kann auch aus dieſer Quelle
abgeleitet werden. — Die aͤlteſten vorkommenden Glieder
dieſes Geſchlechts ſind: Gilbert, Wepeling 1212 95 anz
geſeſſen zu Webach (Weidbach zunaͤchſt bei Mudersbach);
Ritter 1224 °). — Ruther, Ritter, 1224. — Ludewig,
Ritter, 1255. 1259. 1281. — Die fpäteren Glieder
folgen in der beigefügten genealogifchen Tabelle, welche nur
nad) ‚urfundlichen Zeugniſſen ift zufammengeftellt worden.
1) Gudeni Cod. dipl. II,, ı22.
2) Schmidts Geſch. d. Großh. Heflen IL, 271.
3) Wends Hefl. Land Geh. II., Urkb. 144.
(Fortiegung folgt.)
— —
11.
Beschreibung und Erläuterung
bemerfenswerther Alterthbümer des
Mufeums zu Wiesbapden,
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Verſuch zur Erklärung einiger plaftifchen Alterthü—
mer des Mufeums zu Wiesbaden, von Herrn Pro—
feſſor N, Müller in Mainz,
Erftes Stuͤck.)
Ein aus Speckſtein gejchnittenes Bildwerf, 3 Zoll
hoc) und 155 Zoll breit, bietet einen fehr feltfamen, bez
fremdenden Anblick dar, und kann feine andere, als eine
bypothetijche Ausdeutung zulaffen. An der Arbeit diefes
Stuͤckes läßt ſich — troß dem, daß die bervorfichenden Theile
der Geftalten von der Luftſaͤure angefrejfen, und abge
ftumpft find von den Neibungen der Zeit wie des Ge
brauchd — beim erfien Blick eine rohe, von aller Kunft
entfernte Hand entdecken, wie fie ber den meiſten portas
tiven Hausgögen, und befonders bei den Aegyptiſchen
Landes-Fetifchen fehr haufig gefunden worden find. Die
Form des Ganzen it eine umgefehrte Pyramide, und
befteht aus zwei Darftellungen, die, auf ihren Ruͤckſeiten
mwunderlich verbunden und gleichfam in einander verfloch—
ten find, und von denen Das vorberrichende Bild nicht
fchwer zu beftimmen ift, nämlich jenes, welches zwei Ge
falten zeigt, und fo wird die entgegengeſetzte Seite zur
Kehrfeite und bezeichnet gleichjam nur den erflärenden
Schildhalter. Die Zeichnung der menfchlichen ©ejtalten
DrTab. VI. GE, 22.4.
225
ift höchjt roh und widrig, zeugt aber auch zugleich von
einer hoben Alterthimlichfeit. Die Borderfeite (fig. ı.a,)
alfo, ftellt zwei Aegyptifche Cabiren dar, wovon der eine
unbärtige einen bärtigen umarmt, beide zeigen jeder nur
ein Bein, und diefe beiden Beine ftoßen unten fo enge
zuſammen, daß hierdurch die Spitze der umgekehrten Py—
ramide gebildet wird. Der Unbärtige, welchen ich für
den Dfiris nehme, trägt die Kopfbedeckung eines See—
fiſches, die ſich auf der Seite fo verlängt, daß der Gott
gleichfam in dem hohlen Fifche, wie in einem Schiffe zu
fiehen fcheint. Das Maul des Fifches ift nach oben ges
ehrt, und bildet die Spite diefer Kappe, Durch welche
nicht nur die heilige Landesvaterfchaft des Nils bezeich-
net, fondern auc auf des Dfiris Nilfchiffahrt zwifchen
Maron und Aegypten I, fo wie auf des Dfiris Unter:
gang im Meere, welches ihn — den Genius oder den perfo-
niftzirten Schußgott des Nil — als der Urfeind Typhon,
verfchlang, und jo bildlich tödtete ), deutlich anfpielt ”)-
1) Heerens Sdeen 2, 471 fgg-
2) 30ega, Num. Aeg, Imper, p. 108, 135, 188.
3) Es darf bier nicht übergangen werden, daß man dem
Nil, als Flußgott perfonifizirt, bisweilen als Attribut
ein Delphin zugefellt, weil diefer im Altertum bedeus
tungsvolle, in mehrere Mythencyklen eingemundene Fiſch,
aus dem Mittelmeere hinauffteigend in den Nil, wie
Strabo [L XT.] berichtet, dort als intelligible Lichtkraft
mit dem Grocodille einen ftarfen Kampf befteht, das als
typhoniſche böfe Kraft in jenem Bilderfreife auf
tritt, und bisweilen der Samann des Dunkel-Böſen
feloft ift. Man fehe: Senmeca Quaestiones naturales IV,
11. — Hier verdient auch in Erinnerung gebracht au
229
Der bärtige Gabir ) it nun wohl Knepb ) ber
kosmogoniſche Ei-Haucher, die alte weltbaumeifterifche Ans
fangs⸗ und endlofe Wohlthätigkeits-Schlange im frühern
Sinne’), der Agathodäimon *), der Allerhalter 9.
Hier umwindet die Schlange in vier Kreifen bis
unter die Arme das Bild, md diefe ift fo der Thebefche
Fetish, die Knephſchlange, die feurige, fich flets
erneuende, das gefreifte Bild der bewegten Zeitperioben,
wie ald Kreis jenes des Univerfums °%), Zugleich aber
auch Geift der Heilfundes und Wahrfager-Thaumaturgens
Forſchorakel-⸗Geiſt. Oſiris darf nad) vorliegender Ab
bildung nicht ald Sonne, fondern ald das Nilwaffer,
welches jährlich feine befruchtenden Ueberſchwemmungen
erneut, gedacht werden, und fo tritt er in natürliche
Berbindung mit dem demiurgifchen Schöpfergeift Kneph,
den das Bild periodifcher Erneuung, die Schlange, ums
windet, weil auch Wiederkehr der Wohlthaten im Kreigs
lauf der Zeiten den Geift der Welterhaltung bezeichnet.
werden, daß der aus Aegypten über Griechenland, dann
nah Rom und fo bis in den Norden Europas verpflanzte
Herkules [in fo weit er aus Choe (Sfom, Som) der
Gallifhe Herkules Ogmius geworden, der, ganz Nep—
tunifh attributirt, ald Herkules Maguſanus und
Saranus, ald ein Schußggott der Flußufer und Geftade
erfcheint] ebenfalls einen Delphin bei fi) bat.
4) Herodot IM. 37. — Zovega Num, Acgypt. p. 35. sqq.
2) Sreuzer, Symb. u. Muth. I. ©. 530 u. fgg.
3) Jamblich. de myster, 8, 3.— Plutarch: De Is, et Osir,
4) Petri Seguini Agathodacmon Paris 1670, 4°,
5) Eusch, Prae. evan, ı, 7.
6) Grubers Myth. Worterb, III, 47,
230
Hier alſo zeiget fich die allbefruchtende Feuchte dem Geifte
ber Welterhaltung Tiebend, umfangend, ift innig mit ihm
verjchlungen, und giebt mit ihm die umgefehrte Pyramide,
die von Hindoftans Moni befannt gewordene Hieroglyphe.
Zoäga hat noch feinen Gegner feiner Meinung
gefunden, daß Kneph CChnuphi) und Canobus, der
in bildlichen Darjtellungen bisweilen fchlangeuummundene
Nilkrug, noch mehr als engverwandte Begriffe feyer.
Gewiß gehören auch bierher die in den Mithriafen fo
haufig angetroffenen Abbildungen Schlangen umgürteter
Menjchen; bei welchen fein Kampf ftatt findet, ſondern
das Bild des ftet3 wiederkehrenden SKreislaufs der Zeit
und in aftralifcher Nücficht, der Wandelfterne; denn
außer diefem Zeitbilde war den Perſern die Schlange kein
Agathodämon, fondern ein Afrifanifches Emanationsglied,
wie es auch eine Typhonifche Schlangenbrut giebt, und
die Griechen felbft die böfe verfolgende Schlange neben
der Heilfchlange in ihre mythifche Menagerie aufnahmen.
Die Kehrfeite ?) des erwähnten Stüdes zeigt, wie ges
fagt, deren Scildhalter einer Hieroglyphen⸗-Tafel. Er
fit und hält diefe Tafel über dem rechten Knie fell. Er
ift, was man an den Negyptifchen Abbildungen ſo felten,
und auf der reichen Sfistafel gar nicht findet, bärtig
und hat gewürfelte Hofen, welche bis auf die Fußfnöchel
reihen. — Ob ein Champollion oder Lajard die hier
befindlichen Hieroglyphen zu erklären verftinde ?! — Diefe
Zeichen find fchlecht gearbeitet, wie das Ganze, aber doch
4) 30ega de Num, Aegypt. Iwper. p, 35. 39.
2). Fıg. 1, b;
231
finden ſie fi) der Hauptform nach in allen hieroglyphi—
ihen Tafeln wieder.
Sch glaube alfo im diefem Steine einen Kneph—
Oſiris zu fehen, und zwar als eine Art von Amulet,
oder auc von Tafche-Gdsen gegen die böfen Einflüffe
und die Gewalt von Typhon. Gewiß iſt unter allen
Aegyptiſchen Gottheiten außer Kneph, dem heiligen
Uralten, auch nicht eine bärtige Figur; und wo ſich
Baͤrte an Dfiris oder an Mannsfphinren finden, da
darf man auf römifchen Meifel fchliegen, der in yraftis
fiher Behandlung, wie fchon Winkelmann und Erem
zer bemerften, fich manche Lizenz erlaubt hat.
Zweite Stuͤck Y.
Auch dieſes Stuͤck, vier Zoll hoch und anderthalb
breit, beſteht aus demſelben Lardites, aus welchem das
oben erwähnte beſteht; und welcher nicht der fein polir—
bare Ghinefifche, aber auch nicht zum Theile glimmerichte
Europäifche, fondern jener feifenartige Talkſtein ift, wels
cher wir aus Aegyptiſchen, bildlichen Neliquien fattfam
fennen, was einen Beitrag zu der Herkunft dieſes inters
effanten Stuͤckes liefern Fonnte, wäre es nicht mit fehr
unterfcheidenden Acht Aegyptiſchen Charakteren ausges
ſteuert.
Auf der Vorderſeite a ſehen wir eine Iſis mit der
gewöhnlichen Kopfbedefung, die Hörner oder ein Lotus
blatt find nicht darauf zu fehen, aber vieleicht abgeftoßen
*) Tab, VII, fig. 2, a und b.
und in jedem Fall nicht fireng bedingt. Sie ficht Mır
mienartig eingewunden zwifchen zwei Figuren, welche
ebenfalls, die eine in enger fiebenfacher Umwindung einer
Schlange, die andere mit langem, ſchmalem Schuppens
förper, gleichfam in einem Fifche endigend, erſcheinen.
Beide Perfonen werden von Iſis gleichlam Tiebend ums
ſchlungen, jene rechts, die im Fifchfchuppenleibe, oben
unter dem Halſe, auf welchem drei Köpfe über einander
fisen; jene links, von Schlangen umfchnürt, über dem
Unierleibe. Die Figur auf der rechten Seite der Allmut>
ter, welche fie, ald in myftifcher Ehe beflammt, mit ges
främpftem Arme nach dem eignen Herzen drängt, ift
Oſiris, ihr Bruder, ihr Gemahl, der dreiföpfige Herr
der drei Jahreszeiten im Fifchgewande, iſt in der tiefges
haltenen Potenz der Vater Nil, und in höherer die Früh:
lingd, Sommer: und Herbft- oder Winter-Sonne. Zwi—⸗
ſchen den drei Köpfen in der Mitte, alfo neben der
Sommerfonne fteht das Geficht der Göttin, die Mond
und Erde zugleich ift, und mit Sonne und Waffer in
engiter Verbindung ſteht. — Die Figur auf der Iinfen
Seite, in der Mitte umfaßt, ift Horusz bier nicht
Säugling, fondern Juͤngling, gleich den übrigen mumien
artig geengt, und dabei, ald Emanationgd-Verfchwifterung
mit Kneph, von dem Spiralgewinde der guten Schlange
nach Anzahl der Planeten umwunden, auf dem Kopfe
die Ziara mit den Achfelflügeln die herabgehn längs dem
Halfe big zur Bruſt. Das Ganze ift eine von feiner
Entſtehung an fehr fchlecht gemachte Handwerferarbeit,
die auch von den Unbilden der Zeit fehr bedeutend ges
litten hat.
233
Die Kehrfeite b zeigt nur oben, der Sfistiare ent:
gegengeſetzt, ein Geficht, das Feine und auch jede Ausle—
gung zuläßt. Außer diefem iſt die ganze Ruͤckflaͤche eine
mit einem Stabe umfaßte Hieroglyphen-Legende von alten
plumpen Zeichen, deren feinere Geftalt ung aus vielen
Tempelmonumenten entgegen tritt. Dieſes Stuͤck, gleid)
dem unter Nro. 1 bezeichneten hat unten am Fuße ein
Loch, um durch einen Dorn auf einem Fußgejtellchen
befeftigt werden zu koͤnnen. Die Zufammenftellung diefer
Götterfamilie it nichts need, wir finden fie in verſchie—
denen Sammlungen des bildlichen Altertbums ?).
Der Zweck dieſes Steinbildcheng mag wohl mit jenem
von Nro. 1 ein verwandter gewejen ſeyn, und zwar feine
Beftimmung dem Aberglauben des unterften Plebs gegol-
ten haben, wie die trivinle Arbeit feldft ſchon vermuthen
laͤßt.
4) Montfaucon laAntiquité expliquee II, 2. pag. 291. Pl.
120. — Gezogen aus dem Manufeript von Peireisc.
Sm Kupferhefte zu Richters Fantaften des Altertbums
Tab. II. Nro, 6. nach Probabilität ergänzt, da Oſiris ohne
Kopf iſt.
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I.
Antiquarifche Entdeckungen am Rhein, von Herrn
Profeffor Dr. Braun in Mainz.
Bei der Anlage eines unterirdifchen Kanals, im Juni
des Sahres 1829, zur Abführung der Gewäffer von
der Gaugaffe herab bis zum Fifchthor hinaus, alfo am
Guttenbergsplag, über das Höfchen, den Speifemarft
und den Heumarkt, ließen fich mehrere Beobachtungen
über die allmählige Erhöhung der Erdoberflaͤche von
Mainz machen. Bor dem Filchthore zeigte fich zuerft in
einer Tiefe von 8 Fuß ein fehr ſtarkes, etwa 8 Fuß
breites Werft, aus Quaderflücden, woran nody Ringe
befeftigt waren, erbaut, welches in einem Winkel gegen
Norden hin nach dem jegigen Ufer wieder hinlief, gegen
Süden aber näher fi zur Stadt wandte, wo es aber
vielleicht einbog und endete; denn fonft hätte es bis über
das Holzthor bin abgefchnitten. Aus welcher Zeit dies
Werft war, bleibt unbeftimmt; einige wollen ed als die
Dorlage der Brüde zur Zeit der Schweden annehmen,
doch halte ich es für Alter,
Aufwärts von hier nach dem Thore zu, zeigte ſich
die Spur eines Pflafterd in einer Tiefe von 4 Scub,
auf Sand gefegt, und darunter mehrere Lagen alten
betretenen Bodens. Unter dem Fifchthore felbft traf man
238
auf eine Spannmauer und unter diefer, 6 Fuß tief, auf
Duaderfteine, worin noch die Wagengleife fichtbar waren,
ein Zeichen, daß ehemals der Rhein tiefer lag als jegt
und ſich alfo, wie alle Flüffe, verfeichtet oder erhöht hat.
Diefer Boden von 6 Fuß Tiefe traf alfo mit jenem alten
Werft genau zufammen, und beide möchten demnad;
gleichzeitig feyn. Etwa 22 Schritte vom Thore in die
Stadt hinein, fand ſich ein Außerft ftarfes Fundament
von 10 Schritten Breite, welches muͤhſam ausgebrochen
werden mußte, und wohl der alten Stadtmauer ange
hörte, vermuthlich jener, die Friedrich Barbaroffa nieder
reißen ließ. Weiter aufwärts, dem Gaſthaus zum Kaijer
gegenüber, fand fidy die aus Quadern gelegte, ftarf ver
traßte Vorlage des Thurmes der ehemaligen Liebfrauen-
firche, welche eifenfeft, mehr durchhauen als weggearbeitet
wurde und über 8 Tage mehrere Menfchen befchäftigte,
Die Feftigfeit war den beften römischen Baufundamenten
gleich. Mancherlei Schutt und Spuren von Mauern,
aber feine von beſtimmt erfennbarer Bauart, fand man
über den Speifemarft hin. Erſt am Haufe des Herrn
Maas (Lit. B. Nro. 16.) fand man eine etwa 8 Fuß
dife, queer ber die Strafe nad) dem Menmin-
gerifchen Haufe hinlaufende Mauer, welche mittelals
terfich erfchien und das fogenannte Höfchen, den alten
Zurnierplag von Mainz, abfchloß. Vor diefer Mauer
fand fich auch die Hälfte eines römifchen Gelübdefteing,
deffen Schrift wohl nicht mit Beftimmtheit zu entziffern
iſt. Die Buchftaben find fehr fchon, mit dieferen und
feineren Strichen abmwechfelnd, und zeugen für eine gute
Zeit. Der Stein wurde wieder eingemauert. Oberhalb
239
der Queermauer mut, gegen dem alten Stadtgerichts—
haus und dem von Keſſelſtattiſchen uber, fanden ſich
Spuren von Branoichutt, unter dem, außer Eifenflumver,
Hufeifen, großen und Heinen, auch ein Schwert zum Bor;
fchein fam Cam 4. Juni). Der Knopf ift 8 feıtig, am
Griff iſt nody die eine Seite des Kreuzes vorhanden, die
Klinge zweifchneidig, 6 Gentimetr. breit und 88 Gentimetr,
lang, und verjüngt fi; von 6 auf 4 Centim. Es fcheint
aus dem Mittelalter und fein Gegenftück ift im Dom auf
dem Grabmal im Iinfen Gange vor dem öftlichen Chore
zu fehen. Much eine halbe Silbermünze vom Kurfürften
Adolf (vermuthlich I. von Naſſau) fand fich ebendafelbit.
Tiefer Famen viele Knochen, meift von wilden Schweinen,
Hauzähne, (wovon einer von ungewöhnlicher Größe und
Die) zum Vorſchein, römifche Ziegel in größerer Menge
und endlich Abtheilungsmauern römifcher Zimmer mit
dem Fuß dicken Eſtrich aus gehackten Ziegen und
Kalk beftehend. Hier alfo vom Höfchen an kann man dern
eigentlichen Anfang römischer Gebäude rechnen. Die untere
Stadt fcheint nach der Zerfiörung der römischen Befigung,
nach und nach gegen die Nheinüberfchwemmungen durch
hinabgezogenen Schutt, worin fich daher wohl auch einz
zelne römische Ziegel und Münzen finden, abfichtlich er
böht worden zu ſeyn. Denn die Nömerwohnungen ftehen
immer in einer Tiefe von 10—12 Fuß, und der Boden
um fie her muß alfo zum heine hinab gleichfalls eben
abgelaufen feyn, fo daß man zur römifcher Zeit die Tiefe
der Stadt 12 Fuß unter dem jetigen Boden, im Mittel:
alter aber von 8, 6, 4 Fuß abnehmend, rechnen kann.
Dieß zeigt Die Lage der verfchiedenen Pflafter in der be
210
tretenen Fläche. — Auch eine römifche, vorn fehr vers
tretene Thürjchwelle Fam hervor, Stüfe von Granit,
(deren eins Herr Kirchenratb Dahl, welcher eben an einer
Abhandlung über die Niefenfaule und ähnliche römifche
Bauſtuͤcke fehrieb, erhielt und ihn von anderer Art als
den Odenwälder Granit erklärte) weißem und fchwarzem
Marmor, endlic; auch noch nebeneinander in ihrer alten
Lage befindliche, große Quaderſtuͤcke, welche vermuthlich
Säulen ald Boden eines Vorgebäudes trugen. Denn ein
Sänfenfchaft mit dem dorifchen Gapitäl, einem Kleinen
dazu gehörigen Stu und dem Fußgeftell lag über diefen
Platten oder daneben. Diefe ganze Säule enthielt 173
Gentim. Länge vom Fuß bis zur Platte und hätte volß
ftändig koͤnnen zufammengefeßt werden, aber fie ward
vermanert. in größeres Capitäl, mit Halbfiguren an
den vier Seiten oben, und mit doppelter Akanthusreihe,
jehr abgejchliffen, auch etwas befchädigt, hat eine Höhe
von 52 Gentim., Diameter unten 42 Gentim., oben 56
Gentim., wozu die vorjpringenden Figurenfüpfe beitragen.
Es ift von mir erhalten worden ımd fcheint aus fpäter
Römerzeit. Ein dazu gehöriger Fuß wurde vermanert.
Unmweit davon fand fih auch die Hälfte eines aus
Stein gehauenen Schildes, von 1%, Fuß rhein. Diameter,
mit Wafferblättern um den Rand und einem behelmten
Kopf in der Mitte. Die Spur zweier daranf liegenden
Finger beweißt, daß es einer Figur angehörte, und ber
innerhalb fichtbare Riemen, daß der Schild frei jtand.
Herr Aichkommiſſaͤr With ift Befiger dieſes Stuͤckes. —
Man kann aus allen diefen Reſten fchließen, daß hier
ein bedeutendes Gebäude fand, welches fich bis ober das
241
Relliſche Haus hin erſtreckte, bei deſſen Grundlegung
ebenfalls das Segment einer Granitſaͤule, eine große
Tafel Salinum (weißer, falzähnlicher Marmor) und eine
mächtige, ſehr fchön gearbeitete römifche Mauer, nebft
Fundamentquadern, fich fand. Auch der Neft eines klei—
nen Steins mit den Endzigen der Buchftaben CIRIR
Fam bei den Säulen hervor. Nömifche Muͤnzen fanden
fich ziemlich viele, in Großerz wenige, meist fehr Heine.
Die fpäteften, die mir vorfamen, find von Probus, Te
trieus, Sonftanz, Valerian, Valens, u. a.
Ein goldener, aus mehreren gewundenen Stuͤcken
beſtehender Ring, bei jenen Saͤulen gefunden, iſt in den
Haͤnden des Herrn Aichkommiſſaͤr With. Auch eine Kugel
aus gebranntem Thon von der Groͤße einer dreipfuͤndigen
Kanonenkugel ward gefunden, welche wohl zum Schleu—
dern mag gedient haben, eben wie jene Steine, welche
Herr Geheimerath Knapp im Odenwalde fand,
Als feitwärts von dem genannten Kanal, zwiſchen
der Ludwigsftraße und Sohannisfirche, im Monat Auguft,
die Fundamente zu dem fpäter auf eine andere Stelle
projeftirten Theater gegraben wurden, fand man in einer
Tiefe von etwa 18 rheinifchen Fuß mehrere römifche
Mauern, und dabei einen mufivifchen Fußboden aus
Steinchen und Flüffen verfchiedener Farbe zu mathemati
fchen Figuren, Cinfafjungen à la gree u. dgl. gebildet,
Die Farben waren weiß, zum Theil cararifcher Marmor,
zum Theil wohl auch gebrannte Erde, aus welcher maıt
auch Lampen fand, welche einen bräunlichen, marmorirtei
Anftrich hatten, und wovon Herr Graf Franz von Keſ—
felftatt eine fehr große und eine Eleinere bebelmte erbieltz
16
212
dann ſchwarz, aus Marmor, Bafalt u. a. braun, ins
bellere oder dunklere fallend; mehrere Abftufungen von
Roth und Blau, theild Fluß theild Stein, von Grin u. a.,
fo daß über zehnerlei Farben zum DVorfchein kamen. Die
Heinen Würfel von etwa Zoll Größe figen in einer
Unterlage, die aus Kalf und zerhadten Ziegeln befteht,
und der Boden hatte /, Schuh Die. BVerfchiedene Lieb—
baber ließen fich die Stuͤcke zu Tijchplatten einlegen.
Weiter nach dem Höfchen hin fand man einen römifchen
Altarftein mit den Bildniffen des Mars, der Suno und
des Merkur, letztere mit ihren Seiten verftümmelt. Die
Stellung an der fonft roh gearbeiteten Figur des behelms
ten Mars, dem ein Schwert an der rechten Seite hängt,
ft leicht und gut gedacht. Der Stein Fam in die ftädti-
ſche Sammlung. Ein wahrfcheinlih aus dem frühen
Mittelalter herrührender Brennofen zeigte noch allerlei
darin aufgefchichtete Gefäße von roher Form, etwa 30
Stüde. Zerftreut kamen vor Münzen, ein Griffel von
Erz, den Herr With befist, u. a. Ein Säulenfuß in
der Tiefe von 21 Fuß und das obere Stüd eines Altarg,
beweifen auch bier wie überall abfichtliche Zerftörung,
und jene Zertrimmerungsluft, die fo tief im Menfchen
liegt. Der Boden der Stadt muß vor Zeiten hier etwas
vertiefter gewefen feyn, als anderwärts auf dem Markte,
denn die Fundamente ftehen dem Waflerfpiegel des Nheing,
ven die hervorfommenden Quellen verrathen, Chier etwa
21 Fuß rheiniſch) gleich.
Diefem Platz gegenüber wurde auf demjenigen, der
Guttenberg geweiht ift, aber bald, von einem Theater
bedeckt, den Namen eines Platzes verlieren wird, beim
243
Fundamentgraben das Bruchſtuͤck eines Altard gefunden
mit dem Bilde des fisenden Jupiter, deffen Geficht aber
abgejchlagen iſt; ſodann mehrere Feuerungsröhren und röm.
Hohlziegel, auch Gefäße aus dem Mittelalter, zum Theil
von zierlicher Form. Weiter die Ludwigsftraße hinauf,
zeigten fid) Fundamente neuerer Häufer, 3. B. des Prä-
fenzgebaudes, aber auf dem TIhiermarft felbjt Feine Spur
von Mauern, ein Zeichen, daß bier ſtels ein freier Mag
war. Die Neugierde wurde befonders gefpannt, da eine
alte, von vielen aus den Großväterzeiten ber fortge—
pflanzte Sage von den Trümmern eines Anfernachens,
von Quadern mit Ningen fprach, welche bei der Fundas
mentlegung des Bafjenheimer Hof3 follten gefunden wors
den ſeyn, und daraus die auch von P. Fuchs angenom—
mene Vermuthung, hier fey ehemals der Nhein gefloffen,
wieder in Anregung Fam. Allein die Erdlagen zeigten
nichts, was jene Vermuthung beftätigte; man fand auf
gehäufte lockere, ſchwarze Erde mit Ziegeln, zum Theil
römifchen untermifcht, und gegen den Anfang der Gau—
gaffe fogar die Spuren eines verbrannten Gebäudes mit
Kohlen und Balkenſtuͤcken. Uebrigens fam man nur in
eine Tiefe von 21 Fuß, welches überhaupt das Steigen
des Kanald vom Fifchthor bis zur Gaugaſſe ausmadıt.
E83 kann feyn, daß tiefer vielleicht Flußboden ift, daß im
Mittelalter feit der Rheinarm eine andere Richtung nahm,
der Boden ausgefüllt wurde. Allerdings hat die Annahme
eines, die römische Feftung am Fuße der ganzen Anböbe,
worauf fie lag, umfirömenden Flußarmes vieles für ſich;
der Arın hätte die Feftung gefchust, wäre zum Herbei—
fahren der Bedurfniffe zweckmäßig gewefen. Allein daß
244
die jetzige Stadt Nheingrund, und nur jener Theil, wels
cher noch jest Inſel heißt, allein troden gewefen, if
eine von allen bisherigen Ausgrabungen völlig widerlegte
Annahme. Denn überall find unwiderfprechliche Nefte
von Nömergebänden, von dem Fuße ded Bergs bis an
den Speifemarft. Uebrigens it jene alte Entdefung von
Schiffsreſten vielleicht dDadurd; zu erflüren, daß dicht am
Fuße des Bergs, wo num allerdings ſich durch Schutt
der Boden beträchtlich erhöht hat, einft der Abfluß von
der roͤmiſchen Wafferleitung aus dem Drufilacium oder
dem großen Wafjerbehälter vor dem Gauthor, hier herab
ging und zu einem für Nachen fahrbaren Kanal zum
Zwede der Communikation erweitert wurde.
Im Auguſt wurden vor der Stadt, zwifchen dem Rai—
mundi und Münfterthore an der Baftion Damian, in
der Gegend, wo die ältere Petersfirche ftand, mehrere
römifche Steine, welche zum Theil in der Tiefe des Gras
bens, eine, vermuthlich mittelalterliche, Gruft bildeten,
gefunden. Einer diefer Steine hat oben Legio XXII.
und daneben rechts, jedoch nicht vollftändig, das Zeichen
diejer Legion, den Capricorn, welchem gegenüber wahr:
fcheinlich das andere der Stier war. Unten am Steine
find die beiden Flußgoͤtter Rhenus und Monus abgebildet,
ganze Figuren in halberhobener Arbeit, etwa 2 Fuß lang.
Sollte diefer Stein vielleicht, der urfpringlich wohl nicht
an diejem Orte lag, zu dem erften Pfeiler der römifchen
Rheinbruͤcke gehört haben, wie der von mir früher an
die fädtifhe Sammlung abgelaffene, auf dem rechten
Ufer befindliche Stein derfelben Legion an dem leisten
Pfeiler gegenüber fid) befand. Die beiden entgegengefesten
215
aͤußerſten Pfeiler waren der eine im Zeughaus, der andere
an der Mauer der Caſteler Kirche; ein Zeichen, daß der
Rhein fein jetziges Bett auch damals ſchon einnahm und
man bei dem Bau der Brüde, wegen der Ueberſchwem—
mungen nod) einige Pfeiler aufs Ufer ſetzte. So war
alfo auch der an der Stelle der alten Petersfirche gefuns
dene Stein nicht eben fehr weit berzuboblen, indem man
wahrjcheinlic jene Pfeiler auf dem Sande abriß, die
Duadern davon zum Bauen benußte, wie dieß noch andere
Steine von römifchen Schutt bewiefen. in anderer
Botivflein von der XIV, Legion mit Snfchrift, welche
Herr Lehne bis auf den Anfangsnamen, der verftimmelt
iſt, erklärt hat, wurde wie der vorige durch mic) in die
Hädtifche Sammlung gebracht.
2.
Topographiſche Notizen, von Herrn Schulinſpeetor
und Pfarrer Vogel, in SOchönbad),
I, Alsdorf,
eine einfam liegende, uralte Kirche, deren Ruinen
3 Stunden von Samberg und 2 von Würges angetroffen
werden. Sch habe fie nie in Urkunden gefunden. Die
Nachrichten, die ich von ihr Liefere, find einem Mans
feripte, Mechtel3 pagus Loganche betittelt, entlehnt,
Nach dieſem war fie dem heiligen Martinus als Schutz—
216
atrone unterworfen, und Anfangs eine Pfarrkirche, mit
einem weitläuftigen Kirchſpiele, nachher aber eine blofe
Vicarie, die von Eich aus nur an MWochentagen bedient
wurde. Zur Zeit der Reformation zwifchen den Sahren
1552 und 1565 fette der Pfarrer von Eich die Wochen:
predigten in diefer einfamen, mit Dorngebüfch umwachſe—
nen Kirche fort, zu deren Anhörung fich die Hirten und
Landleute, bei einem Zeichen mit der Glode, während
das Vieh im Schatten ruhete, verfammelten. Dadurch
glaubte fich der Pfarrer in Eich im Beſitze der zu dieſer
Kirche gehörigen Zehnten zu erhalten. Allein der Trieris
fche Beamte, Henrich von Feld, in Camberg ließ die
Glocke von Alsdorf nad; Camberg bringen, wo fie zu
Mechtel3 Zeit noch im Schloffe hing. Auch ſuchte er die
Zehnten dem Erzftifte zuzuwenden. Die beweglichen Kir>
chenguͤter und Zingregifter hatte der Pfarrer von Efch in
Sicherheit zu bringen gefucht. Diefes find alle Nachrich-
ten von einer Kirche, die Mechtel zu den älteften des
Lahngaues zaͤhlt.
1, Ardabagan,
Erdehegan (pagus Erdehe) ein Untergan des Nier
derlahngaus, der von der bei Hohenfolms entfpringenden
und in die Dille fließenden Aar oder Arde feinen Namen
bat. Hiftorifche Gonjecturen weifen ihm einen größeren
Umfang und weitere Gränzen zu, als man bisher an—
nahm. Gegen Norden hatte er den Haigergau, gegen
Dften den Dberlohngan und gegen Süden und Werften
den Niederlohugan zu Nachbarn. Er war in drei bedeu-
247
tende Marken, die Herbore CHerborner) Mark, welche,
Haiger und Ebersbach ausgefchloffen, das ganze Dillen-
burgijche, Driedorf und den eigentlichen Wefterwald uns
faßte, die Wanendorpher oder Wertorfer Marf,
in welcher jpäter die Herrfchaften Greifenftein und Gleis
berg zwijchen der Lahn, Um und Wifemar lagen, und
die Erdehe Mark, welche das Gebiet von Hohenfolms
und Königftein umfchloß, eingetheilt. Im dem Chroni-
con Gottwicense und den Lorfcher Traditionen werden
folgende Orte ausdrudtich als in ihm gelegen genannt:
Wertorf, Berghufen, Mulinbach, Oberintorph, Gifel
brechtishufen, Kroffdorf, Waldgörmize, Dorcelar, Nives
ren (Nauborn i. 8. Wismar.) — Das Gefchichtliche die—
ſes Gaues vor dem dreizehnten Sahrhundert iſt nody uns
erforſcht. Indeſſen fey es erlaubt, eine Vermuthung
daruber mitzutheilen. Von 1144 bis 1213 erjcheint in
diefem Gau ein durd, Abſtammung und Kamilienverbinz
dung, die ein neuerer, fehr achtungswerther Geſchicht—
fohreiber nachgewiefen bat, fehr anfebnliches Grafenges
ſchlecht, das fich nach feiner Burg an der Aar von
Wegebach Cjetst Nieder-Weidbach) nannte *). Da der
Örafentitel damals dem Mißbrauch noch nicht unterwors
fen, feine urfprüngliche Bedeutung bewahrte; fo haben
wir Urfache, diefer Familie das Gaugrafenamt im Arda—
hagau beizulegen. Nachdem Henrich, Graf von Weges
bach), abgetreten war, und fein gleichnamiger Sohn ſich
*) Was diefes etwa zweifelhaft mahen Fönnte, febe man im
erften Bande von Rommels Geſchichte der Heffen unter
ven Grafen von Ziegenhayn,
218
in den geiftlichen Stand begeben hattet verschwindet auch
mit dem Sabre 1213 der Name feines Gefchlechtes aus
den jetzt fchon häufigen Urkunden gänzlich. Diefes laßt
fih in einer fchon fo aufgelichteten Zeit und bei einem
bedeutenden Gefchlechte nicht anders, als durch deffen
Ausjterben in männlicher Linie erflären. Dagegen treten
um 1220 drei andere Gefchlechter, die fich in ven Arda—
hagau getheift haben, auf. Naffau ift im Befike der
Herbore, Greifenftein der MWertorfer und Solms
der Erdehemarf, Das natürlichfte ift hier an eine Fort
dauer des Wegebachiichen Grafengefshlechts in weiblicher
Descendenz, an die Verheurathung dreier Töchter aus
demfelben in jene Häufer, und die daraus fließende Fort
erbung der väterlichen Gaugräflichen Rechte und Befi-
gungen zur denfen.
3.
Anfrage
Sn den Summariis traditionum veterum des Ful—
daer Mönches Eberhard bei Schannat in Tradit. Fuld,
fhenft ©. 305 Nro. 3. Bidane von Logenahegewe (aus
dem Lohngan) Güter in Walchesdorfe und in Mege
ratesheim an Fuld.
Der letztere Dre kommt in derfelben Verbindung
und nur in einer etwas veränderten Form auch in den
Tradit, Laurish. III., Nr. 1709 vor. Willefwint übers
gibt an Lorfch in Mecgritisheim und in Walhes—
dorph 3 Manfen, 22 Morgen Aderland mit Wiefen,
219
Werden ꝛc. (die Schenkung gefchahe nach Nro. 3137
vermuthlich im Sahre 788) Aus der Tetteren folgt febr
wahrfcheinlich, daß der Ort nahe bei Walsdorf im Amte
Idſtein lag, vielleicht felbjt in der Gemarkung dieſes
Dorfes. Wollte doch jemand in der Gegend unterfuchen,
wo dieſer Ort gelegen, und ob ſich Feine Spuren mehr
davon finden?
Schoͤnbach.
—
E. D. Vogel.
4,
Aufgabe
Sn dem Buche des Johannes Heidfeld, (der 1629
ald Pfarrer in Ebersbach flarb), das den Titel führt:
Sphinx theologica-philosophica, ftehet ©. 1255 der neuns
ten Auflage, die in Herborn 1631 in 8 erjchien, folgendes
Raͤthſel:
Aenigma scrupulosum, in cujusdam loci Archivis
nuper inventum,
Nassavia in terra locus est (ignosce poësi
Patria, dulce tuum si nunc inspersero nomen)
Explicat is campum effusa tellure patentem,
Vix oculo prendente modum, pede nec gradiente
Luce una, quantam sol spargit carcinum adurens,
Qua patet hic campus, stat monstrosissima proles,
Hectoris impavidi, fortis velque Hectoris horror;
Sed vestita tamen pulcre, nam cyclade longa
Verrit humum, plantas si quando moverit imas,
Pectoraque hospitibus suayi mulcere loquela
Docta, sciensque suum ad campum inviiare venuste,
Dulcia et utilia effusa promittit hiatu,
In frontispicio campi licet ista videre,
Quod si introgressus fueris, majora videbis,
Arboribus variis, atque excellentibus herbis.
Nostraque quae nunquam solita est Germania ferre,
Consitus est campus, dici sic dignior hortus,
251
Buxus cum lauro, cedrus, pyrus atque cupressus,
Medica, lanata atque melimela, nerantia mala,
Cinnama, odorataeque nuces, crocus el quoque nardus
Pontica nux, fragum, vaccinia, ficus et uva,
Capparis, asparagi, pepones, violaeque, rosaeque,
Rosmaris, atque chamemelum, quod diximus, ista
Omnia campestri sic conspiciuntur in arvo,
Vilibus interdum locus et sylvestribus ut sit.
Arbutus et ruscus, prunus sylvester et alnus
Hic quoque se ostentant: iratae cornua frontis
Tribolus exporrecta tenet, videasque pyrastrum,
Hinc urtica pedem, ni caveris, ocyus urit,
Inde tuae propius vesti se figit amica
Lappa, WVolant propter volucres quoque flumina
campi,
Cantu dulcisono mulcentes aöra circum:
Stercoreos tamen hic epopes, ululasque strigesque,
Bubones dirum et videas mortalibus omen,
Sic itaque est campus non parte beatus ab omni
Iste, nec omne tulit punctum, nec laudis habebit
Multum, qui coluit; decumana laude vehatur
Quamlibet a ınultis: tractent fabrilia fahri,
Tu mihi, quisquis eris, nunc carminis excute nostrı
Sensum, tunc poteris bonus hinc conjector haberi.
Da Heidfeld diefes Näthfel felbft nicht gelöfet hat,
ich auch nirgends anders deffen Löfung gefunden babe;
fo möchte deffen Mittheilung in den Annalen der Ges
fellſchaft nicht unzweckmaͤßig erfcheinen, weil fie vieleicht
jemand zu feiner richtigen Deutung veranlaßte.
C. D. Vogel.
4.
Ueberſetzung und Erklaͤrung von Herrn Profeſſor
Dr, Braun in Mainz,
NRaffau, in dir iſt ein Ort, (geflatte dem Dichter die
Freiheit,
Heimifches Land, wenn er bier den füßelten Namen mit
einflicht,)
Dieſer entfaltet ein Feld, das weit und geraͤumig ſich oͤffnet,
Kaum fuͤr das Aug' erfaßlich und nicht fuͤr den Fuß auch
in Einem
Tage durchwandelbar, wie auch der Krebs!) in dem
Sommer ihn dehnet.
Da wo dies Feld ſich erftreckt, fteht hoch ein gewaltiger
Anwuchs 9),
Hektors des Tapferen Gran’n ’), des unverzagteften Hektors;
4) Das heißt in dem längſten Sommertage.
2) Proles jeder Sprößling, bier wohl ein Baum und zwar
wie aus dem folgenten Verſe erhellet,
3) Die Eſche, welde Hektorn in der Hand Ahills tödlich
wurde. Die Lanze des Achilles war aus einer Eiche, die
auf dem Pelion gehauen war,
253
Schön bekleidet jedoch ; denn mit des Gewandes *) Umkreifung
degt er den Boden, wenn mandmal die unterften
Zweig’ er beweget;
Und dem Wandrer die Bruft mit füßem Gefofe zu füllen )
Kundig, und anmuthsvoll zu ſeinem Geftlde zu laden,
Laͤßt er des Holden und Nüglichen viel durch die Deffnung )
erwarten,
Dorn an der Spitze des Feldes ift diejes zu fehen; doch
weiter
Vor nach dem Innern gefchritten, erblicket nod) Groͤßres
das Auge.
Denn mit mancherlei Baͤumen bepflanzt und beſondern
Gewaͤchſen ),
Und wie ſie nimmer gewohnt Germanias Boden zu tragen,
Iſt dies Feld und verdient wohl eh' ein Garten zu heißen.
— —— ——
1) Cyclas Heißt hier ein Freisförmiges Gewand und bedeutet
den Umfang des dicht belaubten Baumes, welcher mit
den unterften Zweigen [denn planta bedeutet dies
auch] den Boden Fehrt, ftreift, wenn er fih im Winde
bewegt.
2) Loquela ift das Geſäuſel der Blätter.
3) Hiatu dur die Spalte des Baums, die Deffnung feier
Zweige fah man auf die Gegend bin.
4) Hier fcheint ein botanifher Garten mit feinem Treibhaus
und zugleich den feinern Gewächstreibereien unter Glas
verftanden zu feyn. Der botanifhe Garten enthielt aud)
die veradhteten Gewächſe, oder fie befanden fid) in der
Nähe diefes Gartens in der verwilderten Gegend. Denke
man fid) dabei noch eine Burg oder fonftiges altes Ge—
mäuer, fo find aud da Eulen auzutrefien.
254
Buxus ) und Lorbeerbaum ?) und Geder ’) und Birn’*)
und Cupreſſus °),
Mediſch' 9 und wollige I) Aepfel und honigfüße °)
Drangen ?),
Zimmet *°) und duftende Nu *) und Safran ’?) und
Narde 23) nicht feblet,
Nicht auch die Pontifche Nuß?*), Erdbeer’ "und Vaccinie?),
Feige 7),
1) SH fege bier die Namen nah dem Linneiſchen Syſteme
ber. Buxus sempervirens,
9) Laurus nobilis.
3) Pinus cedrus,
4) Pyrus communis,
5) Cupressus sempervirens,
6) Mediſche Aepfel, citrus medica, Citrone.
7) Lanata vermuthlich Quitten, pyrus Cydonia.
8) Melimela eigentlich honigjüße Aepfel, fo nannte man den
Paradiesapfel, eine Art Eitrus, Citrus Sinensis,
9) Nerantia poma wird aud für aurantia poma gebraudf,
find alfo Bomeranzen, Trangen, citrus aurantium,
40) Laurus Cinnamomum.
41) Nuces odoratae oder myristica moschata Muskatnüſſe, vers
muthlich ift das Wort muscat von moschatus hergeleitet.
42) Crocus sativus,
45) Nardushier wahrſcheinlich n. indica oder andropogon nardus,
Man bat audy nardus celtica, welches Valeriana celtica ift.
44) Nux Pontica ift dafjelbe wie corylus Avellana oder Hafelnuß.
45) Fragum ftatt fragaria vesca.
46) Vaccinii generis, species Heidelbeere,
17) Ficus carica.
255
Trauben ') und Gapern ?) und Spyargeln’), Melonen *),
Violen ) und Nofen,
Rosmarin) und Chamille’). Das alles nun, wie wir gefaget,
Wird in jenem Bezirke des Felde, doch fo nur geſehen,
Daß mitunter ein Raum für geringes und wildes Geſtraͤuch iſt.
Hagdorn I, Bruͤſch 9) und Schlehe *°) zugleic) fie
ftellen dem Blicke
Hier mit der Erle '') ſich dar, und die Hörner ber
trogigen Stirne
Stredet der Tribulus *) vor, und daneben ber wildernde
Birnbaum '°).
Hier, wenn du ihrer nicht achteft, verbrennet den Fuß dir
die Neffel ),
Dort an das nahende Kleid hängt gleich fich vertraulich
die Klette *)
4) Vitis viniſera.
2) Capparis spinosa,
3) Asparazus officinalis.
4) Pepones vermuthlich cucumis melo oder cucurbita pepo.
Melone oder Kürbif.
5) Viola odorata.
€) Rosmarinus offieinalis.
7) Chamemelum(xauatumAov)matricariaChamomilla Chamille.
8) Arbutus ift hier crataegus oxyacantha. Das Linneifhe
genus arbutus ift etwas anders.
9) Ruscus aculeatus, Mausdorn, Brüſch [abgeleitet von Rus-
cus oder ruscum].
40) Prunus sylvest. ift spinosa, Schlehdorn.
11) Betula alnus.
142) Tribolus ift tribulus terrestris, Burzeldorn.
43) Pyraster f. v pyrus communis sylvestris,
14) Urtica urens et divica,
15) Arctium Lappa,
256
Feſt. Um die Bäche des Feldes auch flattert Gevoͤgel voruͤber,
Ringsum fuͤllend die Luft mit füßem Getön des Gefanges.
Doch ſchmutzliebende Wiedehoͤpf' I auch und Käuzlein und
Eulen
Uhu's 2) auch trifft man dort an, dem Sterblichen gras
fige Borfchau?).
So iſt denn alfo dies Feld nicht ganz und in allem zu
reifen,
Und erreichet nicht jegliches Ziel der Vollkommenheit, nicht
aud)
Lobet man den, der ed baut, wenn es auch von vielen mit
hohen
Ehren erhöht wird: es bleibe der Schmieb nur immer beim
Hammer!
Du, wer du immer auch fenft, entbülle den Sinn
mir von diefen
Zeilen, fo font du mir traun! ein guter Enträthfeler
heißen.
Wenn das Gefchichtliche und Dertliche zufpricht, fo
möchte bier vielleicht der Garten zu Dillenburg verſtanden
werden, wo fchöne Treibhäufer waren. Darüber erwarte
ih Auffchlüffe von Kundigeren-
1) Epops, Wiedehopf, upupa epops,
2) Ululae, Käuzlein, Striges, Eulen, Bubones, Uhus.
3) Deren Geſchrei von böjer Vorbedeutung iſt.
IV,
Biographische Nachrichten
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verdienten vaterländifhen Gelehrten
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IR ra Br u» tr
J J
rn en =
u
= —
| tr u
0 Ber
Lchens Nachrichten von dem Naſſauiſchen Chronik
fhreiber Johannes Tertor,
von Herrn Schulinfpeetor und Pfarrer Vogel,
in Schoͤnbach.
Bei der Aufmerkſamkeit, welche man jet der Ge—
fehichte unferes Naffanifchen Vaterlandes zuwendet, und
bei der forgfältigen Bemuͤhung, alle ihre vorhandenen
Quellen zu entdecken und zugängig zu machen, wird auch
dasjenige, was ſchon früher in dieſer Sache geleiſtet
wurde, jest weit mehr beachtet und fchärfer ins Auge
gefaßt. — Eine vollftändige und Fritifche Geſchichte der
Naſſauiſchen Hiſtoriographie erfcheint darum mehr wie je
als Bedürfnig ). — Da aber ein fo viel umfaffendes
Werk nur die Frucht vieljährigen Sammelns und ernfter
fiterarifchen Studien feyn kann: fo dürfte es bei der erjt
neuen Geſtaltung des Herzogthums in feinen jegigen Graͤu—
sen, und befonders bei feiner Bildung aus den verjchies
41) Wir haben zwar einen Lerfuh einer Naſſauiſchen Ge—
fhichts:Bibliothef. Hadamar, 1799 8, der den fel. Ges
heimen-Kirchenrath Steubing in Dies zum Verfaſſer but;
derfelbe ift aber weder vollftändig noch critifh. Er ums
faßt nur allein die ottonifche Linie mit gänzlicher Aus—
fhliegung dev Walramifhen, und mit wie vielem Fleiße
er auch immerhin gefammelt it, fo genügt er doc nicht
nad) den Anfprüchen, die man an eine ſolche Vibliothef
für das jegige Herzogthum machen mu,
260
denen, früher gefonderten Ländern und Laͤndertheilen, fo
bald noch nicht zu erwarten ſeyn. Diefes vorausfehend
bat man diefen Annalen mit die Beftimmung gegeben,
daffelbe vorbereiten zu helfen, und darum die Rubrik:
biographiſche Nachrichten von verdienten vaterländifchen
Gelehrten eröffnet, und unter den letzteren vornaͤmlich
Gefchichtichreiber verftanden. Sch will jetzt dazu einen
feinen Beitrag liefern, und einige Lebensnachrichten von
Johannes Tertor mittheilen, dem Manne, der zuerft
unter allen inländifchen Gelehrten ein eigentliches, Naſ—
ſauiſches Gefchichtsbuch hat drucken laffen, und der mit
gaiizer, warmer Seele an feinem Vaterlande und deffen
Vergangenheit hing.
Er wurde geboren 1582 im September in der Stadt
Haiger. Daß feine Eltern hier als Bürger lebten, und
er urfprünglich den Namen Weber geführt und denfel-
ben als Litteratus nach der Sitte der Zeit in Tertor ver:
wandelt habe, kann idy nur vermuthen. Was ihm den
eriten Impuls gegeben, fein Leben wiffenfchaftlicher Bils
dung und dem Dienfte des Staates zu weihen, ift nicht
befannt. Da er im Sabre 1606 den Gyriafus Goͤſt,
Schuldheiß ) in Haiger, Gottfried Hasfeld, genannt
Cambus, Schulöheiß in Dillenburg, und Friedrich Pithan,
erft Stadtichreiber, dann Schuldheiß in Haiger und zus
Iegt Keller in Siegen, unter feine Vettern zählt; fo mag
1) Mit dem Schuldheißen der damaligen Zeit darf man den
der jegigen ja nicht verwechſeln. Sener war ein ausge:
bildeter Surift, der dem Schöffengerihte vorfafi nnd def-
fen Urtheile ausſprach und ereguiren ließ. Seine Dienft:
functionen find jest an unfere Beamten gefommen,
261
in diefer verwandtichaftlichen Verbindung der erfte Grund
zu jener Beflimmung gelegen baben, Er befuchte ale
Knabe das Pidagog in Siegen und Herborn, woran
damals der nachher berühmte griechiiche Lexicograph des
neuen Teftamentd, Georg Pafor, in der erften jugendli—
chen Friiche des Lebens wirkte, und feinem Geifte die
reichen Schäße des römischen und griechiſchen elaffifchen
Alterthums aufjchloß. Als er für die höheren academw
ſchen Borlefungen herangereift war, wurde er 4601, den
3. Dftober während des Rectorats des Matthias Martr
nius unter die Zahl der Studirenden aufgenommen. Jos
hannes Althus und Anton Matthäus wurden feine Fuͤh—
rer anf der gewählten Laufbahn eines Nechtögelchrten,
Mit ihm fudirte zugleich in Herborn Johann Heinrich
Alfted von Ballersbach, deffen Namen die Literärgefchichte
ald Polygraphen kennt, und mit diefem verknüpfte ibn
das engfte Band der Freundſchaft. Das Beiſpiel dieſes
edelen Juͤnglings, der von einem fühnen und glühenden
Eifer, das Gebiet aller Wiffenfchaften auszumeffen, ent
brannt war, muß ihn fehr ergriffen und wohlthätig auf
ihr: und ſein Streben eingewirft haben, denn er nennt
in feiner Chronik Alfted nicht nur lumen ingeniorum
Nassovicorum, fondern auch mit einem gewiffen ſtolzen
Gefuhle amicum suum e magnis magnum.
Bon Herborn zog er 1604 auf die Univerfirdt Hei
defberg, wo er 1606, 6 Dezember unter dem Vorſitze des
Profeſſors Aemilius Portus eine Differtation de libera-
litate (Heidelb. typ. Lancellati, 6 ©. 4) und 1607,
4. Zuli eine andere unter Neiner Bachovius de magni-
fieentia (Heidelb, t, L, &. ©, 4) vertyeidigte,
262
Gleich nach feiner Ruͤckkehr ind Vaterland fand er
daſelbſt eine Anftellung. Denn es war die Stadtfchreis
berjtelle in feinem Geburtsorte durch den Tod des Johan—
nes Pithan erledigt, die ihm 1605, 28. Juni übertragen
wurde, Mit Fleiß und Gewiffenhaftigkeit ftand er diefer
Stelle vor, und die vielen proceſſualiſchen Verhandlun—
gen, die er in die dicken Gerichtsbricher mit fließender
und fehr netter Hand eingetragen bat, zeugen noch davon.
Einen Theil feiner Zeit widmete er jeßt der vaterländi-
fen Geſchichte. Was aber die Liebe dazu bei ihm zuerft
angefacht, und welcher Subfidien er fich Dabei bedient
hat, iſt unbekannt. Auch muf man e8 bezweifeln, daß
ihm von Seiten feines Landesherrn, des Grafen Wilhelm
Ludwig von Nafau-Dillenburg, einige Aufmunterung und
Unterftügung zu Theil geworden fey, da diefer auch als
Statthalter von Friesland meiftens abwefend war. Das
Dillenburger Archiv ſtand zwar damals unter der Aufficht
bes Nathes Johannes Daum, von Dorchheim gebürtig,
ber jein Genoſſe auf der Academie gewefen war; allein
Archive bei hiftorifchen Arbeiten zu benusen, lag gar nicht
in dem Streben einer Zeit, die von Diplomatik noch
nichts wußte, und den Gebrauch’ der Urkunden nur auf
das Nachweifen von Gerechtfamen befchränfte. Schon in
Heidelberg Fannte er den Geographen Mathias Quad,
und jegt trat er mit Sohann Orlers, Burgermeifter zu
Leiden, in Verbindung, der mit ihm Ähnliche Zwecke vers
folgte, und 1616 eine Naſſauiſche Genealogie *) heraus—
gab, worin er dankbar feine Unterftigung ruͤhmet.
4) Unter dem Titel: Genealogia illustr, comitum Nassoviae
263
Nah dem Tode feines Schwiegervaters, Conrad
Geiſe, wurde ihm 1649, 5. Juni die weit einträglid)ere
Stadtſchreiberei in Dillenburg übertragen. Da aber bier
mit noch die Gerichtfchreiberei von zwei andern Gerichten
Schon feit hundert und mebr Jahren ber verbunden war,
fo mußte er auch den Gerichtsfißungen zu Ebersbach und
auf der Burg Tringenftein, die alle vierzehen Tage ges
begt wurden, beimwohnen. Hier lebte er noch, als am
Ende des Jahres 1625 die Per in der Stadt zu wuͤthen
anfing, die ein volles Jahr dauerte und 379 Menfchen
wegraffte. Im September 1626 ergriff diefe Seuche auch
feine Familie, und ein Sohn und eine Tochter von
ihm waren fchon daran geftorben, ald er diefen ſelbſt
am 30. Dftober im Tode nachfolgte. Er flarb im kraͤf⸗
tigften Alter de3 Mannes, Faum 44 Sahre alt.
Bon feiner dreimaligen Verehelichung Fann ich fol
gendes angeben. Seine erfte Frau war cine Tochter des
Stadtjchreibers Conrad Geiſe in Dillenburg. Nach deren
Tode trat er in die zweite Ehe 1623, 45. Auguft mit
Anne Marie Rhein aus Berlenburg, Kammermagd bei
der Gemahlin des Grafen Georg von Nafau-Dilfenburg,
und Hofapotheferin auf dem Schloſſe daſelbſt. Diefe
Icbte aber nicht Tauge mit ihm, und war 1625, 4. Yprik
Do — — —
in ua origo, incrementa et Tes gestae a» iis ab anno
683, ad praesentem hunc 1616 cum efligiebus XVI. prae-
cipuorum inter cos heroum collecta a J. ©. Lugd, Batav,
1616 Fol. Textor bat ihm für die altefte und ältere
Geſchichte alle Materialien geliefert, darum flimmen auch
beide darin wörtlich überein.
264
fchon geftorben. Seine letzte Frau war Anne, die Witwe
des Schuldheißen Cyriakus Goͤſt in Haiger, die ihn
überlebte. Er hinterließ Feine Kinder.
Das Verzeichniß feiner Schriften beweifet, daß er
alle Stunden, die ihm feine Amtsarbeiten übrig ließen,
zu Iiterarifcher Thätigfeit verwandt hat. Es find dieſe:
1) Carmen votivum gratulatorium in adventum
Guilielmi Ludovici, com, Nassoviae, Cattimeliboc,
16:2. fol. pat,
Der Graf Fam damals aus Holland, und befuchte fein
Erbland.
2) Sylloge variorum aenigmatum, apophthegma-
tum, gnomarum, historiarumque, ad sphingem Heid-
feldii ex variis auctoribus notatorum et utcunque huc
raptim sive tumultuarie digestorum. Herb, 1612, 8,
Diefes Buch erfcheint ald Anhang der fechften Ausgabe
der Sphinx theol, philas. des Johannes Heidfeld,
Seinem wefentlichen Inhalte nad, und nur mit eini-
gen Zufägen und Veränderungen wurde es wieder
abgedruckt unter dem Titel:
3 Feriarum Haegeranarum liber unus, in qua
sylloge variorum dictorum memarabilium etc, contine-
tur, Herh. 16:6, 8,
4) Hoffleben, deffen Schlag und Händel, wie Un:
trew daſelbſt von etlichen gepflogen und gefpint wird.
Von einem Nitter vmb das Jahr 1497 reimenweis be
jchrieben vnd von Johann Morsheim A. 1535 publiziret.
Bon neuem überfehen durch Johann Textor von Häger.
Frankfurt 1617. 4.
5. Naſſauiſche Chronik, im welcher des uralt, body
265
Töblich und weitberühmten Stammes vom Haufe Naffau,
Pringen und Graven Genenlogi oder Stammbaum, deren
geburt, leben, heurath, Finder zu Friden und Kriegs;
zeiten, verrichtete Sachen und Thaten, abjterben und
fonft denfwürdige Gefchichten. Sampt einer furgen general
Nassoviae und special Bejchreibung der Graf und Herr
{haften NaffausCagenellenbogen ꝛc. Aus allerhand Bil:
here und Schriften auch eigener erfahrung zufammen
gezogen, befchriben und publizirt. Herborn bei Chryb.
Raaben 1617. 4. Zweite Auflage Weslar bei Winfler
1712. El. Fol,
Diefes Buch hat das wunderbare Schiefjal gehabt, gleich
von Anfang an fehr fcharf und unguͤnſtig beurtheilt,
verboten und doc; vielfach verbreitet, oft gelefen und
wieder aufgelegt worden ze ſeyn. Die harten Urz
theile find vor dem Naffauifchen Haufe felbft und
von den Gefchichtöforfchern der neueren Zeit ausges
gangen, während das Publifum die Chronik mit Bei—
fall aufgenommen und benust hat. Graf Johann
der Mittlere von Nafau-Siegen nennt fie in einem
Schreiben von 1617, 4. September: vein leppiſch
„Werk, das manche liederliche und an vielen Drten
»lächerliche, zu Zeiten auch bedenkliche Dinge ent
„halte.“ Und doch war auf eben diefed Grafen Bes
fehl mit dem Drude des Werkes in Herborn fortge:
fahren worden ). In der Naſſau-⸗Catzenellenbogi—
4) Verhandlung des academ. Senats in Herborn hierüber
1617, 9 Aug. — Naſſ. Geſch. Bibl. S 233. — Der
Drud war, wie daraus hervorgehet, fhon damals inhi:
birt worden.
266
ſchen Gegeninformation über den Präcedensftreit mit
der Naffan-Sarbrüdifchen Linie vom Sahre 1648
fiehet ©. 33: „Textor iſt in Sachen des Haufe
„Naſſau nicht wohl erfahren noch berichtet gewefen,
vund hat unwiffend feiner gnädigen Herrfchaft die
„Chronik zufammen getragen, da er in archivis fich
„erſt recht von allen hätte informiren und, ehe durch
‚alte und erfahrne Raͤthe alles revidirt worden, nicht
publiziren follen. Deßhalb hat Graf Ludwig von
„Naſſau⸗Saarbruͤck den Tertor bei Bräfentation feiner
„Shronif wegen begangener vieler Fehler fchlecht abge»
fertigt. Und weil es ohne Wiſſen Cagenellenbogifcher
„Seite gefcheben, hat diefe Herrfchaft wegen der vielen
„Fehler die Chronif in Verbott legen laffen, und darf
„noch bis auf diefen Tag nicht publice verfauft wer
„den. — Der Grund diefes Urtheild findet fich in
dem Streite der beiden Naſſauiſchen Hauptlinien felbft.
Die Walramiihe Linie beftritt der Dttonifchen dag
Präcedenz- Recht und berief fich unter anderen auch
auf die Chronif, worin fie der jüngeren vorgefeßt
and. Diefen Beweis zu eutfräften, wurde Die
Chronik alfo hart angegriffen. — Senfenberg nennt
fie opus vix sine fellis commotione nominan-
dum ®), und J. 5. Reinhard erflärt das, was fie
aus den Älteften Zeiten erzählt, für Mährlein und
einen Roman ). Die gründlichte und wuͤrdigſte
Kritik über fie hat Kremer audgefprochen ).
) Selecta juris et histor, I. Vorrede ©. 19.
2) Suriftifh und hiftor, El. Ausführ. IL, 102.
3’ Origg. Nass, I, Vorrede ©. SC.
267
Nehmen wir das Buch felbft zur Hand, und
leſen e8. Sein Inhalt wird ung bald mit ihm aus—
fühnen, wenn ung jene Urtheile dagegen eingenoms
men hatten. DBoran ftchet eine geographiſch-topogra—
yhifche Befchreibung des Landes und der Induſtrie,
Sitten, Einrichtungen und Gewohnheiten feiner Be
wohner, die in einem einfachen, biederherzigen Zone
abgefaßt, und manche fchätbare Nachricht bewahrt
bat. Zu bedauern it, daß diefe nicht auch den
Walramifchen Landestheil umfaßt. Dann folgt die
Gefchichte und zwar zuerft die Ältefte Herleitung des
Haufes, die den meiften Anftoß erregs hat. — Terz:
tor lebte zu der Zeit, wo das Naffauifche Gefchlecht
feinen hoͤchſten Glanz, und eine welthiftorifche Be—
deutung gewonnen hatte, die aus jener geiftigen
mit Tapferkeit gepaarten Größe entfpringt, die fich
eben fo befonnen wie edel ganz dem Gluͤcke der
Bölfer weihet. Der Niederländifche Freiftaat wurde
unter Wilhelms I. Leitung ind Dafeyn geführt; ihm
batte er alles geopfert, und fein Blut war für ihn
gefloffen. Was er angefangen, vollendete mit gleich
großem Heldenmuthe fein Sohn Moriz. Die Augen
aller Zeitgenofien waren auf diefes Gefchlecht gerich—
tet. Redner und Dichter erfchöpften fich in feinem
Lobe. Was war natürlicher, ald auch nad) der
Herkunft eines Haufes zu forfchen, das durd Die
hohe Perfönlichkeit feiner Glieder die Achtung und
Bewunderung Aller fo fehr in Anſpruch nahm. ers
tor erkannte dieß Beduͤrfniß und glaubte ihm abzu—
helfen, weun er die alten Stammfagen, die deu
263
Urfprung des Haufes Naffan von den Lebartiichen
Brüdern aus Nom herleiten, und dann 200 Sahre
foäter einen anderen Römer Theodofius einpfropfen,
die fchon 1525 für den Grafen Heinrich niederge:
fchrieben worden waren, dem Publikum mittheilte,
und daneben noch die Ableitung von dem Sueviichen
tafua erzählte I. Was fonnte er auch anderes und
befferes geben? Die Naffauifchen Archive reichten
mit ihren Nachrichten nicht weiter, als bis ind 13te
Sahrhundert, und von da an find die Tertorifchen
Mittheilungen in den Hauptperfonen richtig und ihre
Folge ift urfundlich wahr. Und mie fiehet eg mit
unferen Forfchungen, die über diefes Jahrhundert
binaus tiefer in die Vergangenheit find angejftellt
worden, aus? Wie viele Stifts- und Klofterarchive
haben feit Tertord Zeiten und ihre Urfundenfchäße
mitgetheilt, und doch haben bie DVerfuche, den fali-
fen Urfprung des Haufes zu beweifen, nicht viel
vor jenen alten Stammfagen voraus. Beide fliehen
als unbegründet da. Textor erzählte Sagen, bie
fidy nicht mehr nachweisen laffen, und hier find hy—
yothetifch-Eritifche Unterfuchungen, die ihres Zwedeg,
des Treffenden im Beweife, verfehlten. Halten wir
alfo unferen alten Chroniffcjreiber in Ehren, Er
4) Der erfte Grund, den der Profeffor und Snipestor 3. J.
Hermannus in Herborn 1613 für die Naflauifhe Abkunft
von Mafua beibringt, ift: contrarium doceri non potest,
Welche Bhantafiegemälde ließen fid) auf dieſe Weife nicht
alle ın der Gefhichte unterbringen,
269
folgte dem Zuge feiner Zeit, und hing mit Wärme
an feinem Vaterlande und feinem Negentenftamme.
Diefer Patriotismus fpricht fi) auf jedem Blatte
jeines Buches aus.
6) Obrigkeit, Richter und Hofleut, Spiegel. Frank
furt 1618. 12.
7) Arbor genealogica familiae Nassovicae, Fran-
cof. 1625. fol. pat.
Das Bildnif von Tertor in Del, auf Holz gemahlt,
hing fonft auf der academifchen Bibliothek in Herborn,
Es ift aber jeßt nicht mehr aufzufinden, font wirde es
diefem Hefte lithographirt zugegeben worden feyn.
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V.
Anlagen.
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I.
Verzeichniß
der
auslaͤndiſchen Ehrenmitglieder des Vereins
für Naſſauiſche Alterthumskunde und Gecſchichts—
forſchung.
1. Herr von Abrahamſon, Koͤnigl. Daͤniſcher Major u.
en»
Flügeladjutant Sr. Maj. d. Koͤn, Ritter d. Daır
nebrog-Drdens u. Dannebrogmann, d. K. Nuff. St.
Annen-Drdens Ar. Kl., d. Kön. Großbritt. Bad-Ord,,
des Kon. Franz. Ordens der Ehrenlegion u. des Koͤn.
Schwed. Schwerdt-Drdeng Nitter in Kopenhagent.
von Anftett, Freiherr, Kat. Ruffifcher wirft,
geh. Rath, außerordentlicher Gefandter und bevoll-
mächtigter Minijter beim deutfchen Bunde, des
Ruſſiſch. St. Mer. Newsky-Ordens mit Brillan-
ten, des St. Wladim.Ordens 2r. Klaffe Großkreuz,
des St. Annenz, des Dejir. Leopolts, des Preuß;
rothen Adler auch verfchiedener anderer Orden
Großfreuz und Ritter, zu Frankfurt a. M.
Barth, Königlich Baierifcher Finanzminiſterial⸗
rath in München.
Dr. Böttiger, Kön. Saͤchſ. Hofrath in Dresben.
Dr.Buchner, Kön. Baier. Profeffor zu München.
von Büchler, Großh. Bad. Legationsrath, des
Zähringer Löwen und Kaiferlich Nuffifchen St.
Annen-Drdens Ir. Klaffe Ritter zu Mainz.
Dr, Braun, Großberzoglicd, Heffifcher Profeffor
am Gymnafium zu Mainz,
18
271
8. Herr Dr. Creuzer, Großherzoglich Badischer Geheimer
14.
16.
17.
-
Hofrath und Profefjor zu Heidelberg.
Dahl, Gropberzoglich Heffifcher Kirchen- und
Schulrath, und Stadtpfarrer zu Darmſtadt.
Dr. Dieffenbach, Großherzoglid; Heffifcher
Profeffor zu Friedberg.
Dr. Dümge, Großherzoglich Badifcher General-
Pandes-Archivrath zu Carlgrube.
Dr. Eihftädt, Großh. Sach. Geheimer Hofrath,
Oberbibliothekar u. Profeffor, Nitter des Großh.
Saͤchſ. weißen Falfenordens zu Sena.
Dr. Emele, Großherzoglich Heffifcher Friedens»
richter zu Alzei.
von Goͤthe, Großherzoglich Sachſen-Weimariſcher
Geheimerath und Staats-Miniſter Excellenz, des
Großberzoglichen Hausordens vom wejßen Falken
Großfreuz, Ritter des Ruſſiſch Kaiferlichen St.
Annen⸗Ordens ir. Klaffe, Komthur des K. K.
Deftreichifchen St. Leopold-Ordens und Dfftzier
der Königl. Franz. Ehrenlegion zu Weimar.
Grossmann, Profeffor zu Trier.
von Hammer, K.F. Oeſtr. Hofrath und Biblio:
thefar, Ritter des K. Oeſtr. Leopold⸗, des Ruſ—
ſiſch Kaiferl. St. Annen-Ordens Ir. Klaffe, des
K. Dänifchen Dannebrog, und Commandeur des
Conſtant. St, Georg-Drdend von Parma zu Wien.
Dr. Heeren, Königlich; Hanöverifcher Geheimer
Hofrath, des Königlich Hanöverifchen Guelphen-
Ordens Commandeur in Göttingen.
Hofmann, Hofgerichts-Advofat zu Darmſtadt.
275
19. Herr Horrad, K. K. Deftr. Rechnungs -Dfftcial beim
20.
2%
„
»
deutfchen Bunde zu Frankfurt a. M.
von Hormayr, Freiherr, Hofratbu. Bibliothefar,
Ritter d. Kaiferl. Deftr. Leopold-Drd zu Miinchen.
Dr, Zufti, Kurfürftl. Heffifcher Superintendent,
Konfiftorialrath und Profeffor, Ritter des Kurb.
Hausordens vom goldenen Löwen in Marburg.
Kaifer, Gräfl. Erbach. Kammerrath in Erbad.
Dr. Kiefhaber, Königl. Bairijcher wirklicher
Rath, erfter Reichsarchivs-Adjunkt und Profeffor
honor. in München.
Dr. Kirchner, GSonfiftorialrath und Pfarrer in
Franffurt a. M.
Knapp, Großherzogl. Heffiicher Geheimeratb,
des Großherzogl. Minifteriums des Innern und
der Juſtiz Minifterialrath, des Großherzog! Ber-
dienft-Ordend Sommandeur?r. Klaffe in Darmftadt,
von Knopaͤus, Frſtl. Neuw. Archivrath i. Neuwied.
vonKoeppen, K. Ruſſ. Hofrathin St. Petersburg,
Dr. Kruſe, K. Ruf. Hofrath u. Prof. in Dorpat.
Felir Lajard, Ritter der Ehrenlegion zu Paris.
Dr, Lehne, Großberzogl. Heffifcher Profeffor
und Bibliothefar in Mainz.
Dr. Leicdhtlen, Großh. Bad. Archivrath i. Freiburg.
Lepſius, Kön. Preuß. Landrath zu Naumburg.
Dr. Liljegren, 8. Schwed. Prof. in Stodholm.
Dr, Luden, Großh. Sächf. Geheimer Hofrath,
Ritter des Großh. Saͤchſ. Hausordens vom weißen
Falken u. Profeffor der Gefchichte in Jena.
Dr, Mannert, Hofrath und Prof. in München.
J
N
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ıh
41.
42.
276
Here N. Muller, Großh. Heff. Profeffor in Mainz.
”
[74
Dr. Mund), Kön. Niederl. Profeffor zu Lüttich.
Dr. Münter, Bifchof v. Seeland, Großkreuz d.
Dannebrog-Drdens, Dannebrogmann, und Biſchof
der fönigl. Orden zu Kopenhagen.
von Nagler, K. Preuß Gen. Poſtmeiſter, außerord.
Geſ. u. bev. Miniſter b. deutſchen Bunde, Großkreuz
d. rothen Adler-Drd. m. Eichenlaub, ſowie d. Kaiſ.
Deſtr. Leopold-Ord., d. K. Ruſſ. St. Annen⸗Ord.
m. Brillanten, d. K. Schwed. Nordſtern⸗Ord. u. d.
K. Poln. Stanislaus-⸗Ordens.
von Nau, Geheimerrath, des Civil-Verdienſt—
Ordens der bairiſchen Krone, des Kaiſerl. Ruſſi—
ſchen St. Annen-Ordens Ir Klaſſe und des Kai:
ſerl. Oeſtreichiſchen Leopold-Ordens Ritter.
Dr. Nebel, Großh. Heſſiſcher Profeſſor zu Gieſen.
Preusker, K. Saͤchſ. Rentamtm. z. Großenhain.
Dr. Rafn, Koͤnigl. Daͤniſcher Profeſſor und Ritter
des Dannebrog-Drdens in Kopenhagen.
Dr. von Rommel, Kurfuͤrſtl. Heffifcher Director
der Bibliothek, des Mufeums und Staats-Archivs
zu Gaffel.
von Rotted, Großherzogl. Badiſcher Hofrath
und Profeffor zu Freiburg.
Dr, Eduard Rüppel zu Frankfurt a. M.
Dr. Schaab, Großh. Heff. Kreisrichter zu Mainz.
Scleiermader, Großherzogl. Heffifher Ge
beimer Gabinetsfecretär zu Darmftadt.
Schmelzer, Geheimerrath in Halle.
Dr, Schmidt, Großh. Heffifcher geiftl. Geheimer⸗
277
rath und Hiftoriograpb, des Großherzogl. Berdienft:
Drdens Commandeur zu Gieſen.
51. Herr A. Schreiber, Großherzogl. Badischer Hofrath
und Hiſtoriograph zu Baden-Baben.
Dr. Schreiber, Großh.Bad.Profeffor infreiburg.
Dr. Schuͤtz, Geheimer Hofrath in Halle,
Schweighäufer, Profeffor und Bibliothekar in
Straßburg,
55. Seine Hochfürftliche Durcjlaucht, Prinz Ferdinand
von Heffen-Homburg, K. K. Deftreichifcher Gene
ral-Major und Brigadier, des Marien-Therefienz,
St. Stephans⸗, Guelphen: und Heffifchen Loͤwen⸗
Drdens Ritter und Commandeur ꝛc zu Homburg.
56. Herr Steiner, Großh. Heff. Hofrath zu Seligenftadt.
97.
58.
39
60.
61.
62.
63.
rn
”
von Steinbüdel, K. K. Deftr. Director des
Antifen- und Münz-Cabinets zu Wien.
von Stichaner, Königl. Baierifcher Staatsrath,
General⸗Commiſſaͤr und Negierungs-Präfident,
Ercelfenz, Großfrenz des Civil-Verdienſt-Ordens
der Baierifchen Krone, Command. der Königl.
Franz. Ehrenlegion zu Speier,
N. Vogt, Senator u Geheimerrath z. Frankf. a. M.
Dr. Welcker, K. Preuß. Oberbibliothekar, Direcs
tor des Antifen-Gabinets und Profeffor in Bonıt.
Dr. 4. Wilhelm, zu Kiofter Roßleben bei Halte,
Dr. Wilken, Konigl. Preußiſcher Oberbiblios
thefar und Profefjor zu Berlin.
Dr. Wyttenbach, Königl. Preufifcher Profeſſor
und Director deg Gymnaſiums, Stadtbiblivthefar,
und Ritter des rothen Adler-Drdend in Trier.
278
ll.
Nrotofoll
der fünften Oeneralverfammlung des Vereins für
Naſſauiſche Alterthumskunde und Geſchichtsforſchung.
Sn Gegenwart der beiden Direc—
toren, ſowie der übrigen Mitglieder
des Vorſtandes, ſodann mehrerer hie—
ſigen und auswärtigen Mitglieder des
Vereins.
Wiesbaden, den W. Mai 1827.
Nachdem der Vorſtand des Vereins für Naffauifche
Alterthumskunde und Gefchichteforfchung, auf heute den
Namenstag feines gnädigften Protector Seiner Herzog
lihen Durdhlaudt zu Naffau, die fünfte ordentliche
Generalverfammlung in dem hergebrachten Wege, zur allge
meinen Kenntniß gebracht hatte, verſammelten fich die
anmwefenden Bereinsglieder in dem Mufeum.
Dom Borftand hatten ſich der Herr Geheime-Rath
und Oberftallmeifter Freiherr von Dungern Ercellenz,
und der Herr Ober-Medicinal-Rath Döring wegen noth—
wendiger Abwefenheit entfchuldigt.
Der inländifche Director, Herr General-Domänen:
Director von Roͤßler, eröffnete die Sitzung durch Dars
ftellung vdeffen, was im Laufe des jüngften Jahres im
Vereine vorgegangen war, mit folgenden Worten:
„Der Berein für Naffauifche Alterthumsfunde und
Gefchichtsforfchung hält heute feine fünfte Generalver-
fammlung. Es ift wefentlicher Zwed der jährlichen Ge
neralverfammlung, daß die verehrten Mitglieder Deo
279
Vereins, welche denfelben mit ihren Arbeiten und Geld»
beiträgen unterftügen, von allem dem in vollftändige
Kenntniß gefest werden, was in dem abgelaufenen Jahr
gefchehen ift. — Die Attribute des Vorſtandes koͤnnen,
der Natur der Sache nad), nur wenigen Händen anvers
traut feyn: aber die Kenntniß von dem Gang und der
Lage der Vereins-Verhandlungen muß allgemein bleiben.
Nur durch die Anregung und Erhaltung einer allgemeinen
Theilnahme werden die Zwede des Vereins gefördert. —
Ein jedes Prärogativ, das die Mitglieder des Vorſtandes
ſich beizulegen verfuchen Fonnten, und wodurch die Def
fentlichfeit, und damit Zutrauen und die allgemeine Theil»
nahme gefährdet würden, müßte flörend auf die allge
meine Zufriedenheit, auf den Fortbeftand ded Vereins
felbft einwirken.
Sch will daher in diefem Sahresbericht abermals ver
fuchen, denjenigen verehrten Mitgliedern des Vereins,
welche den Vorſtands-Sitzungen nicht beiwohnen, eine
möglichft getreue Darftellung von dem zu geben, was feit
der jüngften Generalverfanmlung vorgefommen ift.
Sch glaube nicht oft genug wiederholen zu koͤnnen,
daß man von einem Verein, wie der unſerige it, Feine
ſchnelle Entwicelung, Feine überrafchende Reſultate erwar—
ten darf. Die Zahl der Männer, denen es vergönnt iſt,
durch wifjenfchaftliche Arbeiten das Feld unferer Erfab:
rungen zu erweitern, bleibt, der Natur der Sache nad),
Hein: und da fie ihre Kräfte und Entdefungen ohne allen
Bortheil dem Verein zum Opfer bringen, fo muß ihnen
die erforderliche Muſe vergönnt werden, und Eimwirkungen
280
wodurch vordere Aufgaben zur Vollendung gebracht wer;
den, finden bier feinen Platz.
Es ift nothwendig, daß der Verein jede, wenn auch
geringe Anftrengung, jede Mittheilung, jeden Beitrag
dankbar annehme, weil Andere nicht vorhanden find, welche
durch größere Aufopferungen jene yartielle Mitwirkung
weniger verdienftlich oder nüslich machen. Sch wünfche
fehr, daß diefe Anfichten überall verbreitet werden möd)-
ten, damit neue Vorliebe und geftärfter Muth in unferen
Kreis zurückkehren. — Am meilten darf man fich in dieſer
Hinficht von dem Drud unferer Annalen verfprechen: die
verehrten Mitglieder werden darin finden, wie forgfältig
alle Körner aus den zerftreuten Mittheilungen aufgefams
melt find, — um bisher Angenonmenes zu berichtigen,
neuen Stoff zu weiteren Nachforjchungen zu gebeı.
Indem ich zu dem Einzelnen übergehe, bemerfe ich:
die Zahl der aktiven Mitglieder des Vereins ift feit der
zungften Generalverfammlung diefelbe geblieben: an die
Stelle mehrerer ausgetretenen Mitglieder find Andere,
ihrem Wunſch und den Zwecken des Vereind gemäß, aufs
genommen worden, jo daß der Verein heute noch 134
aktive Mitglieder zählt.
E3 haben nämlich im Laufe des Jahres ihren Aug:
tritt angezeigt:
Herr Rechnungsrath Lex,
„ Pfarrer VBietor, in Singhofen.
Turd; den Tod find der Gefellfehaft entriffen
worden:
Herr Decan Manger, in Langenfchwalbad),
: Nechnung3-Cammer-Director Ebhardt.
2831
Leßterer war vier Jahre hindurch inlaͤndiſcher Direc—
tor unferes Vereins für Naffauische Alterthumskunde und
Sefchichtsforfchung. Das Andenken an den vielfeitig ge
bildeten, um die Gefchichte von Wiesbaden, auch um die
allgemeinen Zwecke unferes Vereins verdienten Mannes,
wird ſtets Febhaft und ehrenvol bleiben.
Aufgenommen wurden zu aktiven Mitgliedern:
Herr Baron von Erath zu Waldmannshaufen,
» Medicinalratl Kolb zu Hadamar,
» Lieutenant Lange dahier,
v» Amtsapothefer Ammann zu Runter.
Die Zahl unferer auswärtigen Ehrenmitglieder ift
immer noch gering: ich hoffe aber, Daß die Vorficht und
Auswahl, welche von Geiten des Vorſtandes in diefer
Beziehung bisher beobachtet worden ift, von Seiten
der verehrten Bereinsmitglieder gebilligt werden.
Die zum Vorſtand vereinten Mitglieder unferes Ver:
eins haben ihr Amt zwei Sahre lang zu führen: da die
legte Wahl in der jüungften General: Verfammlung ftatt
gefunden hat; fo tritt erft mit der General-Berfammlung
des Jahres 1828. Die Wahl eines neuen Borftandes ein.
Grwähnen will ich bier, daß in Gemäsheit eines
genommenen Bejchluffes, der Vorſtand ſich regelmäßig
am erfien Montag eined jeden Quartals verfammelt.
Außerordentliche Sikungen koͤnnen durch befondere Anzeigen
veranlaßt werden.
Sm Laufe des jüngften Jahres kat unjer Verein
zwei auswärtige Verbindungen angefnüpft; nämlich mit
Herrn Profeffor Dr. Rafn zu Kopenhagen, Secretär
der Gefelffchaft für nordifche Alterthumsfunde. Die Geſell⸗
282
haft für nordifche Alterthumsfunde fucht die Beruͤhrungs—
puncte auf, welche die altgermanifche Literatur mit der
altnordifchen hat, um dadurd) die Gefchichte und Sprache
gegenfeitig zu erläutern.
Die Aufgabe iſt allerdings höchft intereffant, und
das darauf verwendete Studium wird nicht ohne
Ausbeute bleiben. Es wäre daher fehr zu wünfchen, daß
ſich ein Mitglied unferes Vereins demnächft entfchließen
möchte, jenen Zweig zum Gegenftand feiner gefchichtlichen
Forfchungen zu machen.
Die andere auswärtige Verbindung hat fich mit der
Akademie der Wiffenfchaften zu Berlin etabliert. Die
hiftorijch » philologifche Klaffe der Königlich Preußifchen
Akademie der Wiffenfchaften hat nämlich für das Sahr 1828
mit dem Ginreichungstermine 1830 die Preiß » Frage
gefegt:
» Eine neben der Benugung der Gefchichtsfchreiber
„und Geographen, bejonders auf Sprade, Kunft
„und andere Denfmale gegründete Mufterung der jetzt les
„benden europäiichen Grbirgsvülfer, von der obern Wolga,
„Duͤna, Dreyer an, zwifchen dem fihwarzen und baltis
‚schen Meere, gegen Suͤdweſt bid zum adriatifchen, und
„von diefem längs des nördlichen Po-Ufers zu den Oft
„ufern der mittlern Nhone, Saonue und des mittlern
„Rheins, zum Behuf einer Grundlage der Ethnographie
„und Sprachenfarte von Europa.
Der Borftand hat der Akademie zu Berlin geante
wortet, daß diefe Preißfrage in der diesjährigen Generals
Verſammlung zur allgemeinen Kenntniß der DVereinsmits
glieder gebracht werden jolle. Indem ich mich dieſes Ber:
283
ſprechens im Namen des Vorftandes hierdurch entledige,
beehre ich mich noch zu bemerfen, daß die näheren Bes
dingungen jener Preißs Aufgabe aus den gedructen Aus—
fehreiben, davon unfere Acten mehrere Eremplarien be
fisen, entnommen werden koͤnnen.
Enger an den Wirkungskreis unferes vaterländifchen
Vereins fchließt fidy ein ehrenvoller Auftrag, welchen
Seine Herzogl. Durchlaucht dem Herrn Hofrat) Weigel
zu ertheilen gerubt haben: die Abfafjung einer vollftändts
gen Gefchichte des Walramifchen Stammes unferes Höch
ften Regentenhauſes. Wir Fonnen annehmen, daß die
Mühe und das Talent, weldye der befonnte Verfaffer Dies
fer Aufgabe widmen wird, ganz zum Vortheil des Ents
zwecks gereichen, den unfer Verein fich gefest hat: und
diefer zweite Beweis erinnert uns dankbar an die Auf
merffamfeit und Unterſtuͤtzung, welche im vorigen Zabr
unferen Nachforfchungen und Entdeckungen Hödjften Orts
zu Theil geworden find.
Don Seiten unferes Vereins felbft ift im Laufe des
Jahres Folgendes gefchehen:
Der Herr Pfarrer Brinfmann zu Michlen bat
Ausgrabungen in der Nähe des Roͤmer-Caſtells zu Mas
rienfeld vorgenommen. Dhnerachtet der Boden klaſſiſch
it, und die Hoffnung, in ber Folge bejfere Spuren
zur Aufklärung der alten Gefchichte diefer befannten Roͤ—
meranfiedelung aufzufinden, nicht aufgegeben werden darf,
hatte doch eben diefer Verfuch, den wir der Einleitung
des Herrn Pfarrers Brinkmann verdanken, feinen be
merfendwerthen Erfolg.
Ein zweiter Punkt, auf den die Aufmerkſamkeit des
284
Vorſtandes geleitet worden, it die Dornburg bei Wald
mannshaufen im Hadamar’fchen. Diefer ausgezeichnete
Punft, wo bereitd viele Nefte aus der Römerzeit aufges
funden worden wareır, foll durch die Bemuͤhungen des
Herrn Medicinalraths Dr, Kolb und der übrigen Vereins⸗
Mitglieder in dafiger Gegend, näher verfolgt, und nach
Denkmalen aus der Zeit feiner erſten Gefchichte geforfcht
werden. —
Befriedigenden Erfolg haben die Arbeiten geliefert, welche
unter der Direction des Herrn Pfarrerd und Borftands-
Mitglieds Luja bier in der Nähe auf einem hohen Punkt
des Hollerborn-Felded vorgenommen worden find. Da
Herr Pfarrer Luja dem Refultat diefer Nachforfchung
einen befondern Vortrag widmen wird; fo übergehe ich
bier dad Einzelne,
Ganz durfte der Vorftand das berühmte Feld von
Heddernheim nicht außer Acht Iaffen: wenn gleich der
fchon darauf verwendete Aufwand bedeutend iſt; fo war
doc) die Ausbeute deſto reicher: und auch jest wieder ift
die Mühe des Vorſtands⸗Mitglieds Herrn Habel nicht
unbelohnt gebiichen. Wir haben abermals intereffante
Münzen und Alterthümer fir das Mufeum erworben.
Herr Habel wird ausführlicher davon reden.
Auch nach ſchriftlichen Dokumenten zur Aufklärung
der älteften Gefchichte des Landes bat der Bereing-Vorftand
geforſcht. Rachdem das Archiv zu Idſtein in diefer Be
ziehung zu Nath gezogen worden, hat man geglaubt, in
dem alten Familien-Archiv der ausgeftorbenen Herrn von
Dehrn intereffante Nachrichten auffinden zu Fünnen. —
Der Vorſtand fiehet dem Erfolg feiner desfallfigen Ein>
8
—9
leitung noch entgegen: ſicherer aber glaubt derſelbe, durch
die Bemühungen des Herrn Decand Melior zu Mensfel—
den, ganz vorzügliche Beiträge zur aͤlteſten Gefchichte des
Lahngaues bald der Publicirät übergeben zu fünnen.
Geſchenke verdanft der Verein im Yaufe des Jahres
dem Herrn Medicinalvath Dr. Kolb, dem Herrn Probator
Hohle; Erſterer überfchiefte auf der Dornburg aufgefuns
dene Gefäße, Lebterer übergab alte Silber und Kupfer—
Münzen. Bon Seiten des Herrn Kirchenraths Schellens
berg iſt noch ein ſchaͤtzbares Gefchenf, eine antife gläferne
Urne vom Fuße des Donnersbergs, zu erwarten,
Herzogliche Yandesregierung hat den Bericht über Altere
Nachgrabungen anf dem Nömerberg dahier zum Vereing-
Archiv abgegeben.
Herr Profeſſor und Bibliothefar Schweighaͤußer
zu Straßburg, überichikte dem Vereine einen topograrbı-
fchen Plan der Heidenmauer auf dem St. Odilenberg in
den Vogeſen mit einer intereffanten Abhandlung. —
Es bleibt mir jest noch übrig, die Ueberſicht von
dem Stand der Vereing-Gaffe zu geben.
Herr Bibliotheffecretär Zimmermann, Mitglied des
Vorſtands, hat unterm 25. v. M. die vierte Rechnung
übergeben. Sie umfaßt die Einnahme und Ausgabe bis
zu dieſem Tag.
Die Einnahme ift:
Activ⸗Saldo aus voriger Nehnung 22 fl. 24 Mr,
Beiträge von den activen Mitglie:
dern . . - Ä Ihr —
Summe 755 fl. 34 kr.
286
Uebertrag 758 fl. 34 kr.
Ständig aus dent Bibliotheffondse 100» —
Geſchenk Seiner Herzoglichen Durch:
laucht . SIBLr ne . SO mr — u
Summe 1158 fl. SE fl.
Die Ausgabe-Rubrifen find:
Ankauf von Alterthümern, Münzen
und Urkunden . A ; 0.3334 la tr
Aufftellung und Transport ic. derAl⸗
terthuͤmer. SL zer ... 208 au 9
Trausportfoften . . u Dre
Fur Ausgrabungen RE 299 » 56 ”
Kanzle-Bedürfniffe, Bedienung, Sehr
gebühren, inerigibele Polen - 79» 7 m
Summe 1018 fl. 56 fr.
Es bleibt daher ein Activ-Saldo von 139 fl. 38 ir)
welcher liquidirt wird.
Indem ich den Antrag auch für diefes Fahr erneitere,
die Zuftiftcatur diefer hier zur allgemeinen Einficht offen
liegenden Rechnung, wie bisher, dem eintretenden Bors
fand zu überlaffen, indem die Verhandlungen wegen Abs
hör der Rechnung von Seiten Herzoglicher Nechnungs-
Sammer nody nicht gefchloffen find, mache ich auf dag
Beduͤrfniß neuer Beiträge aufmerffam, und glaube der
Beiſtimmung der verehrten anweſenden Vereins⸗Mitglieder,
daß im Laufe des Jahres abermals der gewöhnliche Beis
trag angefordert werden möge, verfichert zu ſeyn.
Darauf hielt der auswärtige Director, Herr Geheime
Math von Gerning folgende Rede: von den bisherigen
287
Leiftungen des Vereins im Allgemeinen, und feiner nod)
fernern beabfichtigten Mitwirkung zu deſſen Zwecken.
„Wenn wir an diefem foftlichen, dem Ins und Aus—
ande hochverehrten, Wilhelm 8sTage zum fünften Male
verfammelt find, und nicht mit fo reichlicher Ausbeute,
wie vorn Sabre, die Löbliche Gefellfchaft erfreuen koͤn—
nen; fo wird wohl diefes Luſtrum, durch die neue Ent
defung von Nömifch-Mattiakischen Gräbern und Gebäuden
bei Dotzheim, und den vor vier Wochen bet furzem Ver—
weilen zu Heddernheim ausgegrabenen Merkur-Altarſtein,
wie durch bald weitere Forſchungen nicht ungenugt vor
uͤbergehen.
Die nun mit dem 1. Hefte naͤchſtens erſcheinenden
Annalen des Vereins, werden ohne Zweifel in der Folge
ſteigendes Intereſſe gewaͤhren; beſonders auch durch
edle Theilnahme unſerer verehrten Nachbarn und, ans
derer verdienftvollen, auswärtigen Mitglieder, die nicht
blos Leere neidifche Tadler des Guten find, aber das
Beſſermachen verfiehen, wie 3. B. unfer fo geift- und
kenntnißreicher, als gemüthvoller und redlicher Lehne.
Verzweifeln wir aljo nicht am Gelingen des einmal
begonnenen Werkes, das bedachtfam und mit fichernt
Schritte fein vaterlaͤndiſches Ziel zu erreichen ſtrebt.
Hat es doch niemals in den Alt-Naffanifchen Fürs
ſtenthuͤmern an trefflichen Männern gefehlt, deren Ver—
dienfte wie zu Haufe und in manchen Familien forterbend
bliebeit.
In dem erweiterten Herzoglichen Staate wurden jie
dann mit rühmlichen Neu⸗Naſſauern vermehrt, wovon ſich
288
ſchon Ein würdiger Edelſproß um das Mufeum ded Vers
eins durch em großes Geſchenk bodjverdient machte.
Indem wir nun die noch verborgenen Trümmer und
Schäte des unterirdischen Herzogthums allmählig durdy:
forjchen, werden dabei zugleich mancherlei Denkmäler vers
gangener Jahrhunderte, Beweife der Sitten und Gebräus
be, Kun, Wiffenichaft und Religionen verfchwundener
Voͤlker, ald achtbare Beiträge zur alten und neuen Gul-
tur» und Landes-Geſchichte dieſes Elafjischen Bodens zu
Tage gefördert; nicht unwillfommen den prüfenden Hiſto—
riographen, um ihre gediegenen Werfe damit auszuftatten.
Beffere Nachkommen mögen dieſes von uns, in anfpruch-
loſer Zuverficht gegrimdete Inftitut, bedentfamer ausbilden.
Bis dahin fpende nur jedes verehrlihe Mitglied
feine Gabe, nicht blos im flatutenmäßigen jährlichen
Geldbeitrage, fondern auch in Bemerfungen und Anzeigen
über fo manche Gegenjtinde, die zu diefem Bereine ge
hören, über deſſen Zweckloſigkeit bald nicht mehr einfeitig
abgeurtheilt werden mögte.
Lange befpöttelte mu das Heddernheimer Gegrabe,
bi8 die Mithbras-Temxel warnend aus der Erde
ftiegen. Sa! diefes Vompeji enthält nody mehr ver-
ſchuͤttete Schäße des Alterthums, auch gewiß noch den
Namen des Gruͤnders jener Beteranen-Colonie, woraus
dann eine Stadt geworden iſt. Diefer antike Bezirk darf
alio Fein Jahr außer Acht gelaffen werden, und bleibt
eine wichtige Fundgrube für unfern Berein. Seit 50
Jahren ſchmuͤckten Schon das Dresdner Mufeum bedeutende
Gegenjtände von daher, mit der Ueberfchrift: »Ex agro
Praunheimensi,«
289
Was bereits in 4 Jahren bier gefchab, ift wenigſtens
einer billigen Anerkennung nicht unwerth, welche
die Mühen und Forfchungen raftlofer Mitglieder des Bors
ftandes edel belohnen würde,
Unfer fräftig genug ind Leben getretener Verein dürfte
nun weiter einige, ſchon darauf wartende, mit fhhäsbaren
Beiträgen wohl nicht fehlende, auswärtige Freunde
der Alterthums⸗ und Gefchichtefunde als Ehren-Mitglies
der aufnehmen. f
Der auswärtige Director Eönnte fodann folchen, bie
eine Freunde find, die Diplome frei übermachen, und feis
nem inländifchen Herrn Collegen das Geſchehene berichtem,
Jener gedenft im nächften Sulı von Ems aus,
Marienfels zu befuchen, um die davon feit 1811 ges
begten Erwartungen wiederholt an Ort und Stelle zu
prüfen. — Vergoͤnnen es ihm Gefundheit, Wetter und
Umftände, fo will er, noch in diefem Sommer, ben
Pfahlgraben von Ems bis Holland, und im naͤch—
‚fen Sahr, von der Saalburg bis an die Donau,
forgfam forfchend, auf feine Koften, allein oder in
guter Begleitung, durchwandern, che noch der antife Noft
feine fterbliche Hille weiter uͤberzieht.“
An der dritten Stelle verlas dad Ehrenmitglied,
Herr Bibliothefar Dr. Lehne von Mainz, eine Abhandlung
über die Namen, Zahl und Standorte der römischen
Legionen.
Hierauf gab das Vorftands-Mitglied, Herr Pfarrer
Luja, ausführliche Nachricht von den Ausgrabungen, welche
er auf einer Feldhöhe zwifchen Wiesbaden und Dotzheim,
in der Nähe ber Holzftraße geleitet hatte, und wodurch
19
230
eine römifche Anfiedelung von ihm entdeckt worden war,
Die ausgegrabenen Gegenjtände, welche ſaͤmmtlich den
römischen Urfprung beurfunden, waren nach Glaffen in
einzelnen Heinen Verfchlägen gefammelt, und durch Auf:
fchriften erläutert. — Der Vortrag felbft, welcher zu den
Vereinsacten nachgeliefert werden foll, verbreitete ſich
zuerft über den Zweck folcher Forſchungen im Allgemei—
nen, und ging ſodann zur Bejchreibung und Erklärung
des Aufgefundenen über.
Herr Habel, Mitglied des Vorſtands, gab der Ge:
fellfchaft Einficht von den erjten Druckbogen und Zeid)-
nungen zu den von ihm rvedigirten Annalen des Bereind,
Nachdem noch die anweſenden Vereins-Mitglieder
in Gemaͤßheit des im Eingang erwaͤhnten Jahresberichts
des inlaͤndiſchen Directors die Einforderung der gewoͤhnli—
chen Jahres-⸗Beitraͤge beſchloſſen hatten, wurde die Sitzung
aufgehoben.
III.
Protokoll
der ſechſten Generalverſammlung des Vereins.
Wiesbaden, den 28. Mai 1828.
Nachdem der Vorſtand des Vereins fuͤr Naſſauiſche
Alterthumskunde und Geſchichtsforſchung auf heute, den Na—
menstag ſeines gnaͤdigſten Protectors, Seiner Herzogli—
hen Durchlaucht zu Naſſau, die ſechſte ordentliche
Generalverſammlung in dem hergebrachten Weg zur allge—
291
meinen Kenntniß gebracht hatte, verſammelten fich die
anweſenden DVereinsmitglieder in dem Muſeum. Vom
Vorſtand hatten fich der Herr Oberbauratd Zengerle und
der Herr Obermedicinalrath Dr. Döring wegen Abwefen:
beit im Dienfte entjchuldigt.
Der inländifche Director, Herr General-Domänens
Director von Roͤßler eröffnete die Sikung mit Verlefung
folgender Darftellung deffen, was im Laufe des jüngften
Jahres im Vereine vorgegangen war.
Bevor ich als inländifcher Director den Jahres⸗
Bericht erjtatte, hebe ich nur Einen Gejichtsyunft hervor,
der allen Alterthums-Vereinen gemein it, ber ihnen
ſaͤmmtlich eine höhere Bedeutung giebt. Das Studium
des Alterthums iſt wicht in fich gefchloffen: neue Ent
deefungen und Aufflärumgen in der Alterthumskunde haben
einen weiter wirfenden Werth: das Alles erbält erft in
der Bergleichung mit der Gegenwart fein hohes
Ssntereffe. — Das Studium der Altertbumsfunde beförs
dert und erhoͤhet die Zufriedenheit mit der Gegenwart.
Wen die Gegenwart nicht genug it, wer fich nicht
freuet über den hoben Culturſtand unſeres Vaterlandes,
über allgemein verbreitete Bildung und Wiſſenſchaft, uber
Öffentliche Freiheit und Wohlfahrt: der blicke in die Vor—
zeit, in die Urwaͤlder unferer Väter, auf ihre Sitten
und Gebräuche, auf ihre Kindheit im jeglicher Kunſt: er
bliefe auf die rohe Gewalt, die Unficherheit, die Leibeigen—
fchaft des Mittelalters: er wird mut der Gegenwart ver
ſoͤhnt ſeyn.
Mit Unrecht hat man Maͤnner, die ſich der Alter—
thumskunde widmen, einer Einſeitigkeit beſchuldigt, mit
292
Unrecht nannte man ihre Arbeiten werthlos und unprak—
tiſch. — Nein! wer das Alterthum aufflärt, der verfchafft
auch neue Vergleichungspunfte für die Gegenwart, neuen
Stoff zur Zufriedenheit: er verdient unfer dankbares Ans
erkenntniß.
Doch die hohen Eigenſchaften des Geiſtes, die ſeine
höhere Abſtammung beurkunden, feine Beſtimmung andeu—
ten, jene hohen Eigenſchaften finden ſich durch alle Zeiten,
in jeglichem Culturſtand. Sie zu verfolgen, aus dem
Aeußeren und Zufaͤlligen immer wieder den Menſchen in
ſeiner beſſeren Geiſteskraft aufzufinden, das iſt die zweite
hohe Bedeutung der Alterthumskunde.
Lebte nicht in unſeren Urvaͤtern hoher Muth, Gei—
ſtesgegenwart, Offenheit, Treue und Redlichkeit, auch ſie
ahneten eine hoͤhere Abſtammung, eine hoͤhere Beſtim—
mung. Wenn wir ihre Graͤber oͤffnen, zeugen ihre Sym—
bole von dem Glauben an Menſchenwerth. — Die Ab—
haͤngigkeit von einer hoͤheren Macht hat der Menſch nie
verlaͤugnet, die Hoffnung auf eine Zukunft, die Furcht
vor einer Wiedervergeltung haben ihn nie verlaſſen, unter
welchen Sinnbildern, Gebraͤuchen, in welchem Culturſtand
das Alles auch immerhin ſichtbar ward.
Dieſe Wahrheiten zu verfolgen, die goͤttliche Abſtam—
mung des Menſchen durch alle Zeiten zu beurkunden, die
beſſeren Eigenſchaften des Geiſtes immer wieder aufzufin—
den, in ihnen den Grund zu jeglicher Entwickelung nach—
zuweiſen: das iſt die große Aufgabe der Alterthumskunde.
Und wenn auch Wenigen unter uns vergoͤnnt iſt,
an der Entwickelung dieſer Aufgabe ſelbſt thaͤtigen Antheil
zu nehmen; ſo koͤnnen wir doch allgemein die beſſere
293
Bedeutung anerkennen, wir koͤnnen Alle die Sachen felbft
in Schug nehmen, wir können durd; den Beifall, den
wir zollen, wefentlich zum immer befferen Gedeihen des
Ganzen mitwirken.
Indem ich Ihnen, verehrtefte Anwefende! die Inters
effen unfered Vereins durch diefe Furze Einleitung abermalg
dringend ans Herz lege, gebe ich zu der gefchichtlichen
Darftellung des Sahresberichts über,
Die Zahl der activen Mitglieder des Vereins hat
ſich in dem abgelaufenen Jahr nicht vermehrt: es find
ausgetreten:
Herr Oberforftratb Gentb,
„ von Erath, zu Waldmannshanfen,
. a Amtmann Freudenberg, zu Marienberg;
„ Hofratb Bogler, zu Ems,
» Pfarrvicar Grimm, zu Heftrich.
Eingetreten find:
Herr Landesdeputirter Adami, zu Hadamar,
„Poſthalter Eberhard, zu Faulbach,
» MedicinakAffiftent Doctor Zais, und
» Mrchitect Zais dahier.
Was der Borftand abfichtlich Tange verzögert bat,
die Ernennung aller der Gelehrten des Auslandes, die
unferem Verein zum Nutzen und zur Ehre gereichen, ift
nunmehr vollzogen worden, Die Namen der Ehrenmits
glieder waren theild von felbft angezeiat durch die Werke,
welche Literatur, Kunft, Gefchichte und Alterthumswiſſen—
ſchaft ihnen verdankt, theils find dabei die Anträge und
Wünfche einzelner Mitglieder des Vorftandes und des
Vereins beruͤckſichtigt worden,
294
An alle Ehrenmitglieder ift ein Gremplar bes
erften Heftes der Annalen und der Statuten des Vereins
mit dem Diplom überfchicft worden. inzelnen bat man
auch eine lithbograpbirte Abbildung unferes Mithras-Bas-
relief8 beigelegt, und fie befonders aufgefordert, darüber
ihre Anficht und Meinung mitzutheilen.
Wenn der Verein auch nur von dem größeren Theil
der ernannten Ehrenmitglieder irgend einen litterarifchen
Beitrag für feinen Zweck erhält; fo wird der Bortheil
fchon fehr bedeutend feyn.
Und wirklich darf ich die Verfammlung verfichern,
daß die Gründung unfered Vereins für Naſſauiſche Alter
thumskuude und Geſchichtsforſchung im Ausland mit bes
fonderer Theilnahme aufgenommen worden ift, daß fehon
viele Gelchrte des Auslandes fich beeifert haben, diefe
Theilnahme durch Ueberfendung von eigenen Arbeiten zu
beurfunden.
Der BVorftand hat in diefer regen Theilnahme des
Auslandes eine befondere Belohnung erblidt, eine Ent:
ſchaͤdigung und Genugthuung für alle die Hinderniffe, die
er bisher zu überwinden hatte.
Dad oben erwähnte erfie Heft der Annalen ift nums
mehr auch in den Händen aller Mitglieder des Vereins. —
Der Inhalt wird geprüft worden feyn. Wenn er nicht
ohne Bedeutung ift, jo wird er doch ficherlich durch den
reichen Stoff des zweiten Heftes, der fchon gefammelt
und zum Druck bereitet ift, übertroffen. — Der Vorftand
bat es zuträglicher fir die Vereins-Caſſe erachtet, Die
Annalen auf eigene Rechnung druden zu laffen. Um
einen gewilfen Abfat zu ſichern, hat die Herzogliche Lan—
295
des⸗Regierung bie Herren Schulinipectoren autorifirt, bie
Annalen für Rechnung der Gemeinde-Gaffen anzufcaffen.
Der Vorftand erwartet mit Vertrauen von ber Geneigts
beit der Herren Schulinfpectoren zur Unterſtuͤtzung des
vaterländifchen Werks den Vortheil, welchen die Herzogs
liche Landes-Negierung unferer Unternehmung bat zuwen,
den wollen.
Sm abgelaufenen Zahr haben die Vorſtands⸗Sitzungen
regelmäßig ftatt gehabt. Ein Furzer Auszug aus deu Be,
rathungen mag bier an feinem Ort fteben.
Der Borftand fest feine Bemühungen fort, durch die
Permittelung des Herrn Defans Melior in Mengfelden
in den Befis noch ungedrucdter Urfunden über die Ges
chichte der Stadt und des Stiftd Limburg zu gelangen.
Dem Herrn Pfarrer Vogel in Schönbach, der mit
großer Sachfenntniß feine Kräfte der vaterländifchen Ges
fchichte widmet, wurde im Namen ded Vereins für die
Erläuterungen gedanft, mit denen er die Limburger Ehros
nie neu edirt bat.
Der Herr Pfarrer Steubing in Epyenrode bat eine
Anzahl alt germanifcher Grabhigel öffnen laſſen, und
darüber an den Vorftand berichtet, welcher dem Herrn
Pfarrer den Dank des Vereins für feine Bemühungen
ausgedruͤckt hat.
Der Herr Medicinalratb Kolb ließ die dem Vorftand
laͤngſt als intereffant bezeichnete Dornburg bei Hadamar
unterfuchen, und leitete die Nachgrabungen. — Die Res
fultate diefer Arbeiten find dem Vorſtand vorgelegt wors
den, und beurfunden die Vorliebe und Sachkenntniß, wos
mit ſich Herr Kolb der Sache unterzogen hat, — Ich
296
übergehe das Einzelne, da ihm ein befonderer Vortrag
gewidmet ift.
Um das reiche Feld von Hebdernheim nicht aus dem
Auge zu laffen, hat der Vorftand, wegen der damit vers
bundenen Kojten, folche Einleitungen getroffen, welche
noch in diefem Sommer fortgefegte Nachgrabungen mög«
lich machen werden.
Um den Mitarbeitern an unferen Annalen eine billige
Entichädigung zuzumenden, hat der Vorftand, nad) dem
Beiſpiel anderer Vereine, ein Honorar von eilf Gulden
für den Bogen beftiimmt.
In unfere Sammlung find im Laufe des Jahres
mehrere intereffante Stuͤcke gekommen.
Herr Profeffor Sandberger zu Weilburg überfchickte
mehrere Alterthiimer des Mittelalters, nebft einer inter
ejfanten Granwaden-Berfteinerung aus der Umgebung von
Herborn.
Herr Zuftizrath Forft einen foffilen Zahn von einem
vorweltlichen großen Landthier aus der Grandgrube bei
Mosbach, einiges Glaswerk aus dem Mittelalter aus den
Ruinen der Burg Sonnenberg.
Durd) die Vermittelung des auswärtigen Directors,
Herrn Gebeimenrathg von Gerning kam unfer Mufeum
in den Befis jener befannten Bronzerfigur, Juno als
Beſchuͤtzerin des Wegs nach dem alten Nidda vorftellend,
Herr Habel erwarb für das Mufeum eine Zahl von
Bronze und Silbermünzen aus dem Feld von Heddernheim.
Herr Juſtizrath Hendel in Höchit überließ dem Mir
feum einen intereffanten römifchen Votiv-Stein von einem
Genturio der XIV. Legion, welcher in ber Nähe der neuen
297
Niedbruͤcke war andgegraben worden. Auch uͤberſchickte
derſelbe ſpaͤter zwei ſilberne roͤmiſche Muͤnzen.
Durch die Bemuͤhungen und Einleitungen des Herrn
Juſtizraths Langsdorff in Wehen iſt das Muſeum jetzt im
Beſitz des ſchon vielfach beſprochenen Herkulesbildes aus
der Mauer der Kirche zu Bleidenſtadt, welches der daſige
Kirchen-Vorftand dem Verein uͤberlaſſen bat.
Scriftlihe Abhandlungen bat der Verein erhalten:
von dem Herren Kirchenratb Dahl in Darmftadt eine
Unterfuchung über die örtliche Xage der Mattiafen:Quchen ;
von Herrn Profeffor Dr. Dieffenbach zu Friedberg,
Bemerkungen, durch das erfte Heft der Annalen veranlaft;
von Herrn Rath Dr. Kiefhaber zu München eine
biftorifch-diplomatifche Abhandlung über den Waldedifchen
Erbtbeilungsbrief vom Jahr 1170;
von Herrn Dr. Rafı in Kopenhagen die Kortfegung
der gedruckten Schriften des Nordiichen Vereins.
Literariiche Verbindungen wurden im Laufe des Jah—
red angeknuͤpft:
mit dom Breisganer Verein für Gefchichte und Als
terthum zu Freiburg, mit welchem aud) die Ehrendiplome
wechfelfeitig ausgetaufcht worden find;
mit dem um die Unterfuchung des Mithra-Cults body
verdienten Herrn Felir Lajard in Paris. Lesterem verdankt
der Verein die Mittheilung einer vorläufigen Abhandlung
über das MithrassBasrelief in dem koͤniglichen Muſeum
zu Paris, in welcher Abhandlung auch das Heddernbeis
mer Mithräum ebrenvoll angekündigt wird. — Da erſteres
zur Hauptzierde der Alterthums-Sammlung in Paris er
klaͤrt iſt; ſo wird unſer Fund von Heddernheim, der weit
298
vollſtaͤndiger it, bald einen ausgezeichneten Namen unter
den mithriſchen Monumenten des Altertbums erhalten.
Was mun nod) das pecuniäre Intereſſe des Vereins
betrifft; fo habe ich die Verfammlung davon in Kenntniß
zu fegen, daß die Herzogliche Rechnungs-Cammer fich in
den DBefig der Rechnungs-Juſtificatur unferer Vereins—
Nechnungen gefegt hat. Wenn fchon diefe Oberaufficht
auf eine fchonende, mit den DVerhältniffen vereinbarliche
Weife ausgeübt wird; fo erblicke ich doch in diefer Neues
rung eine höhere Bedeutung. Der Staat bat nunmehr
doppelte Verpflichtungen übernommen, ein Inftitut, das
fchon feiner Gründung nach, ihm angehört, dem er aber
jeßt doppelt den Charafter der öffentlichen Staatd-Anftalt
aufdruͤckt, nicht allein zu fchügen, fondern auch wefentlich
durch nene Fonds zu unterftügen. Und daß ich mid;
darin nicht irre, dafür buͤrgt mir die anerfannte Gonfes
quenz aller unferer Regierungs-Verfuͤgungen.
Für das nächfte Jahr it die Erhebung der gemwöhn-
lichen Beiträge um fo nothwendiger geworden, da die
Eremplare der Annalen an die Bereins-Mitglieder unents
geldlich vertheilt worden find.
Die zweijährige Wirkfamfeit des dermaligen Vorftans
des hört mit der heutigen Generalverfammlung auf: den
Statuten gewäß tritt die Integral-Erneuerung ein. Sch
erfuche zu dem Ende die verehrten anmwefenden activen
Mitglieder des Vereins, ihre Stimmen für den neu eins
tretenden Vorfiand abgeben zu wollen.
Die austretenden Mitglieder des Vorſtandes finden
ihre Belohnung in der Betrachtung, Daß eine vor ficben
Jahren mit Enthufiasmus begonnene Stiftung, troß der
299
Lauheit, die folchen Unternehmungen unausbleiblich auf
dem Fuße folgt, jegt dennoch in einer haltbareren Bluͤthe
emporftrebt, welche in der Wechjelwirfung gleichgefinnter
confequenter Arbeiter ihren Stügßpunft gefunden bat. —
Darauf hielt der auswärtige Director, Herr Geheime
Rath von Gerning, eine Rede über die Fortfchritte des
Inſtituts, von der gefchehenen und weiteren Aufnahme
fremder Mitglieder und ihrer Theilnahme an den Annalen
bed Vereins.
An der dritten Stelle verlas das Ehrenmitglied, Herr
Kirchenratd Dahl von Darmftadt, hiftor. Nachrichten vom
ehemaligen Klofter und nachherigen Nitterftift zu Bleiden—
jtadt, welche zu den Vereinsacten gefällig abgegeben wors
den find *).
Hierauf gab der Herr Kreisrichter Dr. Schaab cine
gefchichtliche Darftellung der Berbreitung der Buchdruders
funft im Rheingau durch die Mainzer Patrizierfamilie
Bechtermuͤnze zu Eltville und die Kogelherren des Klojterd
Marienthal.
Herr Profeffor Dr. Braun in Mainz fprach über bie
Geſichtsbedeckungen an Helmen und eine bei Mainz gefundene
römifche Maske, wozu das DVorftandgmitglied Hr. Kabel
einige Erläuterungen mittheilte.
Dann ward verlefen der Bericht des Herrn Medici
nalrath8 Dr. Kolb zu Hadamar uber die Unterjuchungen
der Dornburg.
Die Zeit geftattete dem Vorftandsmitglied, Herrn
#) Die ſchätzbare Abhandlung wird im nächſten Hefte ber
Annalen mitgeteilt werden. d. H.
300
Pfarrer Luja nicht, der Verfammfung die Mittheilungen
aus ben Papieren des verftorbenen Inſpectors Krauß zu
geben, welche derfelbe vorbereitet hatte.
Nachdem hierauf die Stimmenzettel eröffnet wurden,
ergab fich, daß folgende Vereinsmitglieder für zwei
Sahre in den Vorftand gewählt worden waren:
1. Herr General: Domänen» Director von Roͤßler zum
inländischen Director ,
2, » SOberftallmeifter Freiherr von Dungern Ercellenz
zum Vorſtand,
3" Habel zum BVorftand,
Rechnungs⸗Cammer⸗Director Hauth zum Bor
fand,
5. „ Pfarrer Luja zum Vorſtand,
Oberbaurath Zengerle zum Vorſtand,
„Bilbliothekſecretaͤr Zimmermann zum Vorſtand.
Nachdem noch die anweſenden Vereinsmitglieder auf
den Grund der vorher erwaͤhnten Darſtellung des
inlaͤndiſchen Directors, die Einforderung der gewoͤhnlichen
Jahres-⸗Beitraͤge beſchloſſen hatten, die eingelaufenen Ges
ſchenke und Dankſagungs-Schreiben aber zu dem laufen—
den Protokoll zuruͤckbehalten worden waren, wurde die
Sitzung beſchloſſen.
>
9
301
IV.
Protofolt
der fiebenten Generalverfannlung des Vereins,
Wiesbaden, den 4. Juni 18%,
Nachdem der Vereins-Vorſtand die diesjährige Verle—
gung ded Tages der Generalverfammlung, auf ven beus
tigen, in dem bergebrachten Wege zur allgemeinen Kennt—
niß der Mitglieder gebradyt hatte, indem diefe Abänderung
durch das Einfallen eined Fefttages an dem font bierzu
beftimnten 25. Mai, nothwendig geworden war; fo vers
fammelten fich die anwefenden Mitglieder in den Zimmern
des Landes-Muſeums.
Von dem Vorſtand hatten der Herr Obermedicinalrath
Dr. Döring und Herr Oberbauratb Zengerle ibre
Abwefenheit mit Dienftgefchäften entfchuldigt.
Der inländifche Director des Vereins, Herr General
Domänens Director von Nöfler eröffnete die Sitzung
durch eine umfaffende Darftchung deifen, was ſich im
Jahreslaufe in den Außern und innern Beziehungen des
Vereins bemerfenswerthes dargeboten hatte, mit folgenden
Worten:
Zum fiebenten Mal verfammelt Uns der Gahrestag
unferes Vereins. Immer und aud) heute hat er zahlreiche
Freunde des Inlandes, geſchaͤtzte Gönner des Auslandes
zufammen geführt, Unfere Beftrebungen find nicht ohne
Beifall geblieben. Was wir erforfchen, fpricht den Men—
302
ſchen in feinem Innern an. Es iſt nicht der Augenblid
des Tages, der das Gemuͤth des denfenden Mannes er
füllt: fein Geiſt fchweift in die Erinnerungen einer großen
Vergangenbeit. Vor unferer Zukunft hänge ein dichter,
geheimnißvoller Schleier: kein Tag beutet und den kom—
menden an, Nur Vertrauen und Hoffnung geleiten uns
zur ungewiffen Bahn alles Kuͤnftigen. Aber offen liegt
vor und die Vergangenheit mit allen ihren Großthaten
und Schwächen. Aus der Vergangenheit fihöpfen wir die
Lehre der Weisheit: aus der Vergangenheit fchöpfen wir
Zuverficht für die Zukunft. — So find alle Generationen
vor ung im Glauben und in der Hoffnung ihrer Zufunft
entgegen gegangen: ihre Schickſale find uns zum Leitſtern
für unfere Zufunft geworden. Die Folgen ihrer Hands
lungen liegen offen vor unferen Augen: was wir erreicht
haben, wird die Zufunft beurtheilen. Wird fie die Bes
harrlichkeit in unſerm Vorfag zu rühmen haben? Sch
hoffe das mit Vertrauen. Wenn auch bier und dort die
lebendige Theilnahme erfalter: immer wieder erfichen un—
ferm Vereine neue Freunde, Die mit bewährtem Sinn
unfere Forſchungen fortfegen, vermehren. Und fo darf
ich auch an dem heutigen Jahrestag unſeres Vereins nur
rühmen, daß er heute fefter daftehet, beifer begriffen wird,
als am erfien Tag, wo uberwallender Enthufiasmus
ihm, wie jedes Neue in's Daſeyn rief. Sch rechne darauf,
daß die Zahl der Männer, die mit gediegener Arbeit auch
das Äußere Anſehen zu erhalten wiffen, immer größer
werden wird: ich weiß ed gewiß, daß die Liebe zum
Vaterland, die ihn ſchuf, auch in ihm noch tiefere Wur—
zeln fchlagen wird. — In dem Beftehenden, in dem
303
langen Beftehen Liegt ein tiefer Einn: feine Kraft wird
auch zu unferm Verein hinziehen, wird feine innere Or—
ganifation, feine Verzweigungen nad; Außen von Tag zu
Tag befeftigen und erweitern.
Als inkindifcher Director habe ich Ihnen, Hochgeehr—
tefte Herren, in gedrängten Zügen den jegigen Zuftand
unferer Gefellfchaft vorzutragen, aufzuzählen, was in dem
abgelaufenen Sabre gefchehen, gefammelt worden ift.
Die Zahl unferer Geldbeitragenden Mitglieder bat
fidy verringert, und beträgt jeßt noch 121.
Aufgenmmmen wurden der Herr Graf von Balder
dorf zu Molsberg.
Die Namen aller activen Mitglieder find in die bier
aufgebängte alphabetische Tabelle eingetragen.
Eine zweite Tabelle zeigt und die Namen von 63
auswärtigen Ehrenmitglieder. — Ihr Zuſammenreihen
wird jedem Kenner fogleich den Beweis liefern, daß ihre
Ernennung mit reiflicher Auswahl gefchehen: einer ehrt
den ander, und fie ſaͤmmtlich, welche unfere Patente
mit Danf und Achtung empfangen haben, drücken einen
gewichtigen Stempel auf die Aufgabe, deren Loͤſung unfer
Vorſatz ift.
Ja es gereicht dem Vorſtand zur Icbendigen Freude,
bier öffentlich die DVerficherung zu erneuern, daß das Aus—
land mit Beifall aufgenommen, was aus unferm Berein
bis jegt hervorgegangen tft.
Und wie jollte nicht fchon der Gedanke angeregt
haben, daß «8 ja gerade ber hoch Flafjifche Boden tt,
auf den wir den Verein gegründet haben, daß es das
ſchoͤne und glückliche Land Naſſau ift, in dem wir Icben,
304
daß diefed der Schauplatz unferer Leiftungen ift. — Schon
dieſer Gedanke ziehet den Fremden mit tief gefühlter
Theilnabme an die befungenen Ufer des Altvaters Rhein,
Der Vorſtand unferes Vereins, welcher ſtatutengemaͤß
fein Amt fortfegt, bejtehet aus den auf der Tabelle eben:
falls bezeichneten Mitgliedern.
Herr Pfarrer Luja, dem wir manche tief gedachte,
auch gemüthliche Forfchung und antiquarifche Gombination
verdanken, war an der activen Theilnahme verhindert
worden, jeßt aber ald Ehrenmitglied des Vorſtandes
feine Arbeiten fort,
Ein vorzüglicher Gewinn ift dem Verein durch die
von Seiner Herzoglichen Durchlaucht verfügte Anftellung
des Borftandsmitgliedes Herrn Habel zu Theil geworden,
Als Gutsbefiger in Schierftein widmete er bisher fchon
feine Muje unfern Zweden: als Archivar des neu gebil—⸗
deten biftorifchen Archivs feffeln Beruf und Dienftyflicht
feine‘ Kräfte an die fchönften Zwecke unferes Bereing,
ALS Redacteur und Mitarbeiter unjerer Annalen bat er
fich die Öffentliche Anerkennung erworben: als Gonfervator
unferer Mufcen, wird er ihre Zugänglichkeit und Nuͤtzlichkeit
auch für den befuchenden Fremden erleichtern und erhöhen.
Ueber den Inhalt unferer Annalen bat ſich ein fehr
günftiges Urtheil gebildet.
In dem Mitternachtsblatt vom 297. Februar biefes
Jahres lefen wir:
„Es ift in den Naffauifchen Landen ein Verein wii
‚jenfchaftlich gebildeter Männer zufammengetreten, welcher
„die Erforfchung und Sicherftellung der varerländifchen
„Alterthuͤmer zum Zweck bat.“
305
„Das vor und liegende Heft giebt und Kunde von
„dem Erfolge der Beftrebungen dieſes von der Landes:
„Regierung auf vielfache Weife begünftigten Inſtituts.
„Die Statuten find hoͤchſt zweckmaͤßig entworfen und bes
»rechtigen, fowie der reiche Inhalt des erjten Heftes dies
fer Annalen, zu den fchönften Erwartungen. Mit Ders
rgnügen haben wir die einzelnen Abhandlungen gelefen,
„und der (S. 45.) mitgetheilte ausführliche Bericht über
die aufgefundene Veteranen-Colonie Novus Vicus zwi—
»fchen Hebdernheim und Praunheim bei Frankfurt a. M,
vand über die dafelbft entdeckten merkwürdigen Mithras:
vbilder, die zugleich mit den uͤbrigen Alterthuͤmern in dem
rMufeum des Bereind zu Wiesbaden aufgeftellt worden,
begründet in der That eine neue Epoche der archäologiz
»fchen Wiffenfchaft in jenen, in der Römerzeit fo merk
»würdigen Gegenden Großgermaniens am Fuße des
rZaunug.u
„Die beigefügten Steindrücde find vorzüglich; gearbel-
tet, und jeder Freund der vaterländifchen Alterthums—
„kunde wird in dieſem Hefte reiche Nahrung für feine
rStudien finden.“
Die Abend-Zeitung vom 3. Januar d. J. fagt:
„Unter den Alterthumsvereinen, die es im firdweftli-
rchen Deutſchland mit einbeimifchen, wirflih an Ort und
„Stelle ausgegrabenen, römifchen Altertbümern zu thun
„haben, zeichneten fich unſers Dafuͤrhaltens durch feine
vergebnißreiche Thätigkeit befonders der Verein für
„Naſſauiſche Altertbumsfundeund Geſchichts—
„forſchung aus. — Durch ihn ſind auch neuerlich die
„bei Heddernheim 1826 ausgegrabenen Truͤmmer von
20
306
»Mithrasgrotten und Einweihdenfmälern in fichere Auf:
„bewahrung gebracht und auf 6 Steindrudtafeln in Um:
‚riffen herausgegeben worden. Seine Thätigkeit beurfuntet
„das erfte Heft feiner Annalen, worin die Abhandlung
‚über die römijchen Nuinen bei Heddernheim von dem
„gelehrten Herausgeber jener Annalen, F. ©. Habel in
»Schyierftein, durch gründliche Widerlegung der Behaups
tung, daß fie zu einem römifchen Gaftrum gehört hätten,
„ſich befonderd auszeichnet. Hier ift reicher Stoff für
„gründliche Forfchung vorhanden und eine erprobte Tüch-
»tigkeit in den Mitgliedern. Ein Landes-Mufenm in
Wiesbaden ift geftiftet und am Namenstage des Herzogs
„wird das Stiftungsfeft durch eine General-Berfammlung
„begangen, deren Protocolle von großer Thätigfeit zeigen.«
Den Verfügungen Herzoglicher Landesregierung haben
wir e8 zu verdanken, daß unjeren Annalen — deren
zweite Fortſetzung bald den Druck verläßt — ein gewiffer
Abſatz an die Schulen des Inlandes gefichert ift, der
gewiß von Sahr zu Sahr fteigen wird, gerade weil die
Abnahme fremillig ift, von dem Geifte des Abnehmers
zeigt, der auch im Kleinen größere Zwede unterſtuͤtzt.
Und fo ift denn unfer Caffen-Wefen in völliger Ord—
nung: die 18987 Rechnung, deren piünftliche Fortführung
wir der Bemühung des Vorſtandsmitglieds, Herrn Bir
bliotheffeeretärs Zimmermann verdanfen, ift durch die
ſachkundige Einwirfung des DVorftandsmitglieds, Herrn
Nechnungs-Sammer-Directord Hauth, von Herzoglicher
Nechnungs-Sammer bereits abgefchloffen. — Die anwefen»
den verehrten Mitglieder find mit dem VBorftand ohne
307
Zweifel einverftanden, daß auch fir 1829 die gewöhnlichen
Beiträge einzufordern ſeyen.
Der Vorſtand hat im verfloffenen Jahr feine Sitzuu—
gen regelmäßig gehalten: alles was an den Verein einläuft,
was Davon ausgehet, kommt hier zum ordentlichen Vortrag.
Auf folgende Gegenftände war im Laufe des Jahres
die Aufmerffamfeit des Vorſtands vorzugsweife gerichtet,
Das Herfulesbild ift aus der Kirche zu Bleidenftadt
nunmehr wirklich herausgebrodyen und in das Mujeum
gebracht worden.
Der Kirchthurm zu Wellmich, welcher alte Urfunden
und Nüftforten enihielt, ift durchfucht worden, der Herr
Suftizratd Schapper erflattet darüber Bericht zur heuti—
gen General-Berfammlung.
Mehrere hundert Gulden wurden auf weitere Nady
grabungen in Heddernheim verwendet. Die Ausbeute war
abermals reich. Der Herr Archivar Habel hat fie bier
anfgeftelit, und wird die Mühe Übernehmen, fie zu erläutern.
Ueber Lage, Gefchichte nnd Bedeutung der alten
Brabacher Mineralquelle bei Mengersfirchen find Erkun—
digungen eingezogen worden.
Die Grabhügel im Ruhehaag zwijchen Dotzheim und
dem Chauffeehaus find vorläufig zu weiteren Nachfor—
chungen bezeichnet worden.
Durch die Bemühungen des Ehren-Vorſtands, Herrn
Harrer Luja, bar das Mufeum aus deu Feldern bei
Diedenbergen einen großen fleinernen Sarg erhalten, an
deffen frühere Entdeckung fich eine beſondere gejchichtliche
Tradition Enüpft.
Römifche Basreliefs an der Suͤdſeite der Kirche in
308
Mosbach und an einem Brunnen zu Erbenbeim wurden
der näheren Unterfuchung unterworfen,
Weit wichtiger war die Entdeckung der fehr gut uns
terhaltenen Fundamente einer großen römifchen Billa,
einige hundert Schritte von dem Caſtrum bei Heddernheim,
auf einer Tachenden Anhöhe, welche die Taunus, Mainz
und Rheingegend dominirt.
Des Herrn Oberſtallmeiſters, Freiherrn von Dungern
Ercellenz und die uͤbrigen Vereins-Vorſtaͤnde, welche pers
fonlich anwefend waren, Eonnten darüber ihre befondere
Freude und den Danf gegen Herrn Archivar Habel nicht
unterdrücen, welcher durch eine genaue Abzeichnung dies
jes Schöne Monument der Folgezeit aufbewahrt hat. Unſere
Annalen werden das Nähere mittheilen. Heute wird
darüber und über die weiteren, oben erwähnten Nachforz
chungen im Heddernheimer Feld felbft, der angebogene
kurze Vorbericht des Herrn Archivars Habel verlefen.
Ziefere Forfchungen unferes thätigen Vereinsmitglies
des, des Herrn Pfarrers Vogel zu Schönbac machten
den Borftand ganz befonders aufmerffam auf die alte
Ruine, der Ring genannt, welche eine Anhöhe am Außes
ven Ausgange des Wisperthales dominirt, und nach der
Tradition, der Stammſitz des jetzt regierenden Haufes
Naſſau ſeyn fol. — Herr Juſtizrath Schapper erftattet
über diefe Ruine, die damit zufammenhängende alte
Gefchichte und Tradition von dem jekigen Lipporn und
der ehemaligen Abtei Schönau, ebenfalls ausführlichen
Bericht zur heutigen General-Berfammlung, welcher feines
befonderen Intereſſes wegen vorgetragen wird”).
*) Siehe NRr.12 S. 197 diefes Heftes. v9.
309
Das abgelaufene Sahr war befonderg reich an Ges
fchenfen von Alterthuͤmern und literarifchen Werfen, welche
auswärtige und inländische Mitglieder unferm Mufeum
uͤberſchickt haben.
Roc in der jüngften Generals Berfammlung übers
reichte der Herr Geheimeratb Schend eine von ihm vers
faßte hiftorifchstopographifche Befchreibung der Herrichaft
Eppftein,
Here Polizeiſecretaͤr Schneider zu Goͤrlitz übers
ſchickt uns feine Befchreibung der Heidniſchen Begraͤbniß—
plaͤtze zu Zilmsdorf in der Oberlauſitz.
Der Herr Regierungsrath Buſch dahier uͤbergiebt
uns einen kurzen hiſtoriſchen Proſpect uͤber die Herrſchaft
Schaumburg, von dem verſtorbenen geiſtlichen Rath Buſch
verfaßt. Er erſcheint, mit kritiſchen Erlaͤuterungen des
Herrn Pfarrers Vogel in den Annalen *).
Herr Geheimeratb von Nau zu Mainz, verehrte
dem Berein zwei fehr werthvolle alte Glasmalereien.
Ein fehr thätiges auswärtiges Mitglied bat der Ber;
ein an dem Herrn Profeffor Dr. Rafn in Kopenhagen,
durch deffen und des Herrn Majors von Abrabamfon
Güte, unfere Bibliothek in den Befis aller den Berein
intereffirenden Dänifchen Literatur gefegt worden ift.
Herr Friedensrichter Dr. Emele zu Alzer überfchickt
und die von ihm felbft verfaßte Befchreibung römischer
und deutfcher Alterthuͤmer in der Provinz Rheinheſſen,
und feine Abhandlung über Amulete,
*) Siehe Nr. 6. Seite 96, diefes Heftes.
310
Der ausgezeichneten Güte ded Königlich Baieriſchen
Herrn Regierungs-Vräfidenten von Sti haner, Ercels
lenz zu Speier, verdanken wir oft wiederholte Zufenduns
gen, namentlich derjenigen Sntelligenzblätter des Rhein:
freifes, welche auf eine eben jo ſinnreiche als würdige
Art die Denkmale des Alterthums dem rheinijchen Vater⸗
land erhalten.
Das gehaltvolle Urkundenbuch der Stadt Freiburg
von Herrn Dr, Schreiber mit deffen Abhandlung über
die Hünengräber im Breisgau wurden ebenfalld won dem
gelehrten Verfaffer deffelben uͤberſchickt.
Bon dem Herrn Pfarrer Steubing zu Eppenrod
wurde dad Bemerfenswerthefe sus feinen Nachgrabungen
zum Mufeum übermacht.
Herr "DOberförfter Heymach auf dem Chauffeehaus
verehrte dem Verein fechs fehr fchöne Armillen, welche beim
weißen Thurm ins Hinterlandsforjt gefunden worden find.
Herr Hofrath Dr. Eihftädt in Sena überfchicft dem
Verein drei Programme über eine in den Ruinen eines
römifchen Theaters bei Trier gefundene Snfchrift, worüber
Herr Profeffor Dr. Lehne in Mainz antiquarifche Erör-
terungen mittheilen wird.
Herr Hofratb Steiner in Geligenjtads läßt und
feine Gefchichte des Bachgaues zufenden.
Beſonders intereffante Alterthiimer hat unfer Muſeum
durch unfer hochverehrtes Vereinsmitglied den Herrn Bir
ſchof Dr. Münter zu Kopenhagen erhalten: eine Anzahl
eimbrijcher Waffen und Utenfilien, meiftens von Hornftein.
Der Borftand konnte feinen Dank nur durch die Ruͤckgabe
einiger Doubletten aus der hiefigen Gegend zu erfennen
311
geben, mit deren Ueberſendung ſich der Koͤniglich Dänifche
Bundestags-Geſandte Freiherr von Pechlin gütig chargi⸗
ren wollte,
Herr Hoffammerratb Herpell in St. Goarsbauſen
verehrt dem Mufeum einige filberne Denkmuͤnzen.
Herr Hofgerichtsadvofat Hofmann von Darmftabt
übergiebt dem Verein feine ausführliche, noch ungedruckte
Abhandlung uͤber die Sueven.
Herr Kirchenrath Dahl, zu Darmftadt, unfer thätiges
Ehrenmitglied, feine Abhandlung über die Burg Lahneck 9).
Herr Profeffor Dr. Buchner in Münden überfchict
und feine Reifen auf der fogenannten Teufelsmauer, in
zwei Baͤnden.
Herr Regierumngs-PVicepräfident Möller hat die Güte
gehabt dafür zu forgen, daß mehrere Antiquitäten aus
der Ritterzeit, — Gteigbügel, Waffen u. f. w., welche fich
merkwürdig genug, 10 Fuß tief bei Naffau im Labnufer
beim Ausgraben des Fundaments zur Kettenbrüde aufge:
funden hatten, zum Mufeum abgeliefert worden find.
Herr Medicinal-Affiftent Kranf, den Namen feined
Baters, ded um die Ältere Gefchichte des Landes ruͤhmlichſt
verdienten, verjtorb. Inſpectors Krauß ehrend, hat durd)
feine Bermittelung mehrere altdeutfche Sculpturen in Holz,
ans der Kirche in Oberaurof, für unfer Mufeum erworben,
Aus der hiefigen Kofalität find ebenfalls wieder meh—
rere intereffante Stüde zum Mufeum gefommen,
Es ift die Anoronung getroffen worden, daß alle
Gejchenfe mit der ausführlichen Anzeige des Gebers,
*) Siehe Nr. 7 Seite 117 diefes Heftes. dv. 9.
312
Fundorts ıc. in ein fortlaufendes Negifter eingetragen
werden: dadurch bleibt das Andenfen an jede Stiftung
immer lebendig erhalten.
Bevor ich diefen Vortrag ſchließe, muß ich auf zwei
Anprdnungen zurückkommen, welche fich theils ganz eigent-
lich, theild aneinander reihend, mit den Zweden unferes
Vereins verbinden.
Seine Herzogliche Durchlaucht haben befohlen,
daß die Gefchichte des Haufes aus Urfunden neu bearbeitet
werde, und dazu dem Herrn Hofratb Weigel mit ausge
dehnter Vollmacht den Auftrag zu ertheilen gerubt.
Die deshalb nöthigen Forfchungen, die Koften, welche
mit Fiberalität darauf verwendet werden, berühren ganz
eigentlich den Kreis unferes Wirkens, und was demnaͤchſt
oeleiftet wird, füllt eine große Zeit in unſerer vaterläns
diſchen Gejchichte aus.
Aus Anregung unferes verehrten auswärtigen Direc
tor8, des Herrn Geheimenrathg Freiherrn von Gerning,
welcher die heutige General-Berfammlung durch ein werth>
volles Geſchenk römischer und griechifcher Antifen über
rafcht hat, ergriff der Herr Major und Flügel-Adjutant
Freiherr von Breidbach-Bürresheim mit eben fo
vielem Eifer als eigener Kenntniß, den Plan zur Stif—
tung einer abgefonderten naturhiſtoriſchen Gefellfchaft, um
die Naturfchäge unferes Vaterlandes zu fammeln und in
unferem Mufeum aufzuftellen, — Es ift zu erwarten, daß
dieſem Verein die höchfte Sanction ebenfalls zu Theil
werden wird. Dem unferigen kann es nur fihmeichlen
und angenehm feyn, wenn nach feinem Vorbilde jo nahe
3135
zuſammenhaͤngende Zwecke mit gleichem patriotifchem Eifer
verfolgt werden.“ —
Sodann übergab derfelbe im Namen des anwefenden
auswärtigen Directors, Herrn Geneimenraths Freiberrn
von Gerning zu Frankfurt, das von demfelben laut
Anlage beiliegende BVerzeichniß der fur das Mufeum
bejtimmten Gefchenfe an Alterthuͤmern ıc., wofür demſel⸗
ben der ſchuldige Dank ausgedruͤckt wurde.
Hierauf wurde von dem Secretaͤr des Vereins, Herrn
Archivar Habel, ein kurzer Bericht uͤber die neueſten
Entdeckungen zu Heddernheim vorgetragen, und die im
verfloſſenen Sommer in der Naͤhe des Vicus von ihm
aufgefundene roͤmiſche Villa, ſammt andern Ergeb⸗
niſſen der dortigen Ausgrabungen durch Plane und Zeich—
nungen erlaͤutert.
Der Herr General-Domänen-Director von Roͤßler
theilte jodann einen Bericht des DVereind + Mitgliedes
Herrn Juſtizraths Schapper zu St. Goarshaufen mit,
in welchem derjelbe die Reſultate der unter feiner Leitung
veranftalteten Unterfuchung der alten Burgüberrefte auf
dem jogenannten Ring bei Lipporn, nebjt einem geome—
trijchen Grundriß diefer Ruinen vorlegt *).
Darauf verlad dad Ehrenmitglied des Vorftandes,
Herr Pfarrer Luja zu Dotzheim, einen ausführlichen
Auszug aus dem handichriftlichen Nachlaß des verlebten
Herrn Inſpectors Krauß zu Idſtein, über die alte
Gaunverfafiung der Germanen.“
Zum fernern Vortrag aufgefordert, legte das auss
*) Siehe Pr. 12 Seite 197 diejes Heftes. d. G.
314
laͤndiſche Ehrenmitglied des Vereins, Herr Profeffor N.
Müller zu Mainz, in einer gedrängten Zufammenftels
ung, eine vergleichende Ueberjicht der berühmteften
mithrifchen Reliefs vor, umd zeigte durch die zahlreiche
Sammlung der hierzu eigends gefertigten Abbildungen
der bis jegt edirten Mithrasdenfmäler,, daß das in uns
ferm vaterländifchen Muſeum zu Wiesbaden befindliche,
an Symbolen⸗Reichthum und guter Erhaltung vor allen
befannten plaſtiſchen Monumenten dieſer Art den erften
Rang behaupte.
Nachdem hierauf die mannigfaltigen letzten Erwers
bungen unjereg Vereins von den Anmeienden betradys
tet, und hierzu mündliche Erläuterungen gegeben worden
waren, wurde die Sitzung aufgehoben,
Wiesbaden, d. 4 Juni 1899. von Rößler.
Freiherr von Dungern, Freiherr von Gerning,
Habel. Hauth, Luja, Zimmermann.
26
27
28
4
DSEWETELTEE
16 Zeile 17 ftatt Statur, fies Statue.
16
9
29 nah „dem Merkur,“ iſt hinzuzufügen: die
fünfte son gemifhten Erz, dem Mars,
Germaniens I. Germanıfus.
Epist. ı4. I, Epigr. 24.
Ep. 27. 1. 25.
Heidenberg I. Römerberg.
7:15,
Tab: L. Tab. I,
Cheodomars I. Ehnodomars
71.1::8:
welche I. welcher.
serurfachten I. verurſachte.
an l. auf.
noch I. nad.
ſchileßen I. fließen.
11. 6.10%
feftgefest I. fortgefest.
24 ftatt doppelt I. dreifad.
28
1
bringe; 1. bringen,
vordere [. andere.
Hausdruckerei Dr. Martin Sändig oHG., Walluf
Zudwig bon Mludersbach.
Bd. I, 2+3 zu S. 224 1286. 1305. Ritter 1315. 23. 29. 31. 32.
a ———w — —— — —— — —
Johann 1325. 31. Wigand 1331. Bernhard
Ritter 1311: 43: 47. 50. ftarb 1357. Ritter 1341 6. 7. 48. 50. 1. 3: 7. 67. Abt zu Marien:
Gem. SZmmele:Emele (Irmgart) 1347. 50. 7. 1373. war geft, 1381. fadt 1381.
62. 9. 81. (Gem. Martha 1303)
Tr — ⸗ꝰ; U,
Dicverich Baniel, Wepener 1368. 69 Zudwig Yohann Bernhard Manegold
1368. 81. 2. 9. 91. 81. 2. 95. 99. 1401. Ritter 1405. 18. 1381. 1367. 81. 82. 91. 1391. 1418. 1481. 91.1418.1433.
Gem. Gubdegun 1392. Gem. Grete 1351. 2. 98. 99. 1118.
UL — ö—— — — —— — —
Daniel Dohann Mangold Bernhard
Kagenellenb. Amtmann in Driedorf 1427. 30. 1. 4. zu Evgenberg 1429 40. 1415. 1421. 1430. 1415. 1420. 21.7.1430. 31.
Amtmann zu Hadamar 1442. Nitter 9137. 40. ıc. 41. 52. (der Alte) 1483. Gem. Anne von El:
Amtmann zu Ellar 1450 der Alte 1459. 64. 67. ſtirbt 1489. #erbaufen1420. 27. 31.
1476, 24. April zu Limburg
Gem. Zuttevon Bubenbeim 1444. ftarb 1461, 7 Oft.
N — — m
Daniel Ludwig Johann Friedrich Die derich
1145 57-64 67. Ritter, 1155. 65. Amtmann zu Beilftein 1467. Amtmann zu Beilftein 1461.70.78.80. Ritter, zu Drie- 1470.86. 7. 8.1501. ift in
der Zunge, ftarb c 1486. 70.75. Wohnte erft in Hermannfteim, — 1457 der Zunge wohnte zu Kirberg, dorf 1470. 5. 6. Driedorf geftorben.
Gem. Zuttevon dann zu Evgenberg, ftarb ıc. 1485. dann zu Eygenberg ftarb ıc: 1480. 83./1.7 9.92. 3.
Naffau 1445.64 81. Gem. Lyſe 1465 Gem .....Hon Bubenheim. 5. 1502. 9. ftarb Zudwi
83 89. 151%. udwig
Daniel Emmerich TWigand Johann Wilheim 1493. Gutta Zudwig Margrethe
1486, &5 1186.1514 19. zu Dridorf 1486. 1483 De: ftarb zu Eygenberg Gem. Johann zu Wiesbaden 1511. Gem. Philipp
26. Amtmann inSie: chant zu 1512. Mohr von Lunen. 1514. 19. 26.154. Kloppel von
Amtmann zu gen 1507. 19. in Dietfirhen Gem. Margretbe Elderhaufen.
Schaumburg Dillenburg 1520. 1509. 1511700, — — Ton Runen ſtadt
ſtarb 1539. 1530. War 1597 Zudwig Wilhelm genMant, vor 1639
Tu NEN 8 5. alt, 1414. 1514 wohnte und ſtarb zu
Woltt Eigenberg ec. 1065.
Amtmann zu Weſterburg Sem. Anne von Stod:
1518. 57. 59 61 63. beim 1555. 1563. ftarb
ftarb 158, 1566.
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Daniel
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